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Full text of "Kritische Briefe an Herrn Immanuel Kant über seine Kritik der reinen Vernunft"

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http://www.archive.org/details/kritischebriefeh00kant 


ZU 


Kritiſche Briefe . 


W. Herrn Immanuel Kant 


Profeſſor in Königsberg 
über 
feine Kritik 


ber 


reinen Vernunft. 


EXLII 


Goͤteingen, 
bey Vandenhoeck und Ruprecht. 
1790. h 
7 1 3 Fan 


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Vorrede. 


Fauus iſt es immer das Schickſal der Ppiloſophen geweſen, 
welche darauf ausgiengen, die Lehrgebaͤude ihrer Vorgänger 
niederzureiſſen, und auf ihren Truͤmmern ein neues zu er: 
bauen, daß viele ſich gegen fie erhoben, und andre, welche 
ihre Rechnung dahen zu finden ſich uͤberredeten, wenn fie ſich 
für dieß letzte erflärten, ſich zu Vertheidigern deſſelden auf: 
warfen. So war es bey den Philoſophen der Vorwelt, und fo 
wird es aus ſehr naturlichen Utſachen auch bey unſern ſpaͤte— 
ſten Nachkommen bleiben. i 


* 


Soceates verwarf die Syſteme feiner Vorgaͤnger, wollte 
uͤberhaupt von keinem etwas wiſſen, und war gewohnt, ſeinen 
Unterricht auf Moral einzuſchraͤnken. Plato ſein Schüler ers 
baute auf den Truͤmmern der cingerijjenen Syſteme ein neues 


x 2 a wie 


PF 


IV Vorrede. 


wieder, und glaubte zuerſt allgemeinguͤltige Principien der 
Vernunft gefunden zu haben. Sein Schuͤler Ariſtoteles wollte 
tiefer ſehen, als fein Lehrer, beſtritt das Platoniſche Lehrge⸗ 
baͤude, und errichtete ein neues, worin er erſt recht die wah⸗ 
ren Principien der Vernunft entwickelt zu haben ſich uͤberredete. 
Jeno und Epicur waren der Meynung, daß es ihnen von dem 
Schickſal vorbehalten wire, die reinen unverfaͤlſchten Vernunft— 
principien der Welt zu entdecken, und ein jeder von ihnen nahm 
im Gefolge ſelner Unhänger feinen eignen Weg. Pyrrbo 


gieng darauf aus, beynahe wie die neue Kantiſche Philofophie, 


alle ältere und neuere Lehrgebaͤude mit einmal und auf immer 
niederzureiſſen, ſahe fie alle als verungluͤckte Verſuche der ſich 
taͤuſchenden Vernunft an, und ſeine Vernunft wollte es erkannt 
haben, daß für uns alles in Dunkel singehüllet, daß alles 
ungewiß waͤre, daß wir nichts mit Gewißheit erkennen koͤnn— 
ten. Alle hatten ihre Anhaͤnger, auch ihre Gegner, welche im: 
mer gegen einander zu Felde lagen. Die Roͤmer errichteten 
keine neue Lehrgebeude, fondern pflegten fi) nur an dieſe oder 
jene Griechiſche Schule anzuſchlieſſen, fo wie ein Zufall, oder 
Erziehung, oder ein befondrer Hang fie dazu vermochte. Sie 
vertheidigten die Secte, zu welcher ſie traten, und beſtritten 
die andren Secten, welche der ihrigen enigegen waren. Die 
Scholaſtiker, dunkle und dabey ſcharfſichtige Köpfe, erhoben 
das Syſtem des Ariſtoteles auf den Thron, und ſtritten hef— 
tig darüber, ob die allgemeinen Notionen blos Vorſtellungen 
der Seele, oder auch auſſer dieſen obiective Beſtimmungen der 
Gegenſtände waͤren. Jene, die Nominaliſten, fochten gegen 
dieſe, die Nealiſten, mit ſolcher Heftigkeit, daß fie ſich auch 
wohl in ihren gelehrten Kämpfen der groͤbſten Thaͤtigkeiten nicht 
enthalten konnten. Carteſius war auf ſeine neue Einſichten 


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Vorrede. V 


flolz genug, daß er ſich der Welt als einen Zermalmer der al 
tern Syſteme ankuͤndigte. Er wollte ein ganz neues erbauen. 
Nach einem langen Kampf mit ſeinen Gegnern hatte er das 
Vergnügen zu ſehen, daß die Anzahl feiner Anhaͤnger vornehm— 
lich unter den Franzoſen ſehr groß ward. Neuten verwarf 
feine Principien, wodurch er die Begebenheiten in der Natur 
erfläret hatte. Wo jener eine druckende Schwerkraft fand, 
wollte dieſer eine anziehende Kraft entdeckt haben. Es iſt 
merkwuͤrdig, daß beyde Ebbe und Fluth aus ihren Hypotheſen 
erklaͤrten, daß aber grade da, wo nach Carteſius Ebbe wäre, 
nach Neuton Fluth ſeyn , daß da, wo der Mond ſich 
über das groffe Weltmeer hindewegte, nach jenem dieß einer 
eingedruͤckten Kugelflaͤche, nach dieſem einem ſich erhebenden 
Kegel gleich ſeyn mußte, deſſen Spitze den Mond im Zenith 
über ſich hätte und deſſen Grundflaͤche ſich als ein weiter Zir⸗ 
kel bis an den Horizont rund umher verbreitete. In dieſem 
Streite hatten fie die Natur befragen muͤſſen. Nur dieſe 
konnte hier Schiedesrichterinn ſeyn, und nur noch vor wenig Jah⸗ 
ren wellte Suntich nach langer Beobachtung gefunden bis 
ben, daß fie für die Nichtigkeit der Carteſianiſchen Hypotheſe 
den Ausſpruch gethan hätte, Neuton ſchloß aus Grundſaͤtzen, 
daß die Erde gegen die Pole zu eine abgeglaͤttete Kugel wäre, 
Die Franzoſen wollten durch Ausmeſſungen und ſichere Verech— 
nungen, welche ſich auf jene gründeten, es bewieſen haben, 
daß die Axe der Erde länger als der Diameter ihres Aequators 
ſeyn muͤßte, und beyde Partheyen ſtritten heftig fo lange file 
die Richtigkeit ihrer Reſultate gegen einander, bis Ludewig der 
XV. eine Geſellſchaft von Meßkünſtlern nach Norden, eine 
andre nach Süden ſchickte, und dieſe durch genauere Aus⸗ 
meſſungen die Gültigkeit der Neutonianiſchen Schlüffe aus all. 
Ä | 72 | gu 


vi Vorrede. 


gemeinen Principien beftättigten. Leibnitz brachte zuerſt die Sutz 
des zureichenden Grundes und des nicht zu unterſcheidenden 
als allgemeine Principien in die Philoſophie. Er erſchien als 
Erfinder der vorherbeſiimmten Harmonie zwiſchen Leib und Seele, 
weil es Ihm ohne Zweifel nicht bekannt geworden war, daß ſchon 
drepzig Jahre vorher Arnold Beulinr eben dieſe Hypotbeſe in 
feinem Buche Irn ceavre oder erhica vorgetragen hatte. 
Die Platoniſche Pailoſoshie hatte ihm Gelegenheit zu feiner 
Theorie von den Monaden, und von der beſten Welt gege— 
ben. Wolf trug die neuen Leibnitziſchen Priuapien in 
ſein Syſtem der Metaphyſik über. Er wollte aus dem 
Satz des Widerſpruches den Satz des zureichenden Grun— 
des beweiſen. Er behauptet, alle Dinge ohne Unter— 
ſchiad waren in einem fo genauen Zuſan menbang, daß die 
Welt nicht mehr dieſe ſeyn koͤnnte, wenn auch nur die unbe— 
deutendſte Begebenheit in ihr ſich anders zutragen ſollte, 
als ſie fich ereignete. Er machte die Welt zu einer Maſchine, 
aus deren erſtem Zuſtande alle folgende Begebenheiten durch 
vbllig determinirende Grande in einer feſtgeſetzten Ordnung 
herflieſſen. Er vertherdigte es, daß das Vermögen zu denken 
die einzige Grundkraft der Seele fen, woraus alle ihre Ver: 
änderungen ihren Urſprung nehmen, und er entwickelte alles in 


ſeinem Syſtem nach einer firengen mathematiſchen Methode. 


Seine Anhänger riefen voll Bewunderung: ſehet hier ein Ges 
bände, welches durch nichts erſchuͤttert werden kann! Seht, 
wie aus den erſten, ungezweifelten Grundfägen alle Wahrhei— 
ten nach richtigen Regeln der Vernunftlehre hergeleitet, und 
zweckmeſſig verbunden ſind! Sehet hier das Syſtem aller Sys 
Kenn, das hoͤchſte, vollkommenſte Meiſterſtäck der menſchli⸗ 
chen Vernunft! undre, welche nicht zu dieſer Schule gehoͤr⸗ 

ten, 


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— * 


Vorrede. | vn 


ten, dachten in manchen Stuͤcken anders. Sie bewunderten 
den ſyſtematiſchen Scharfſinn dieſes Philoſophen, ohne ihm in 
allen beyzupflichten. Sie ſtritten theils mit unverwerflichen 
Gruͤnden gegen einzelne Saͤtze in dieſem neuen Syſtem. Andre 
ſahen vielleicht in einem uͤbertriebenen Eifer, und durch die 
Vorſplegelungen ihrer erhitzten Einbildungskraft getaͤuſcht, nichts 
als die gefaͤhrlichſten Irrthuͤmer in Ruͤckſicht der Freybeit, der 
Moral, der Theologie darinn, worauf Wolf nicht gedacht 
hatte, und welche doch gegen alle feine Erklaͤrungen über dieſe 
Sache einige ſeiner ſpaͤteren Anhaͤnger wirklich in ſein Syſtem 
hineintrugen und ſie als Wahrheiten daraus herleiten wollten, 
Kaͤmpfer traten gegen Kaͤmpfer auf, und der ruhige Denker 
erkannte es leicht, daß aus einem Streit, welcher mit ſolcher 
Hitze gefuͤhret wurde, eben fo wenig zum Vortheil als zum 
Nachtheil des neuen Lehrgebaͤudes mit Gewißheit ſich etwas 
folgern lieſſe. 


Eben fo ſteht es itzt mit der neuen Kantiſchen Philoſophie, 
welche ſowohl das Leibnitzwolfiſche als jedes andre niederzureiſ— 
ſen drohet. Von beyden Partheyen treten nach und nach Maͤnner 
auf, denen man weder Scharfſinn noch Wahrheitsliebe ab: 
ſprechen kann. Ein jeder von ihnen überredet ſich, daß er blos 
die Sache der Wahrheit fuͤhre. Die Vertheidiger des neuen 
Syſtems ſind geneigt, es ihrem Gegner vorzuwerfen, daß 
das allein Guͤltige der neuen Philoſophie nicht von ihm erkannt 
werde, weil er von feiner bisherigen Vorſtellungsart deſio le: 
bendiger uͤberzeugt iſt, je mehr Zeit und Muͤhe ſie ihm gekoſtet, 
je mehr er ſie durch die Gruͤndlichkeit und den Reichthum ſei⸗ 
nes Talentes zu unterſtuͤtzen und auszuſchmuͤcken gewuſt hat;. 

24 weil 


VIII DVorrede. ‘ 


weil ihm dadurch alle unpartheyiſche Prüfung der neuen Lehre 
unmoͤglich wird; weil ihm deswegen die Gruͤndlichleit derſel⸗ 
ben ungereimt vorkoͤmmt; weil er in die Principien derſelben 
einen fremden Sinn hineintraͤgt; weil er auch mit dem beſten 
Willen ſeiner langgewohnten, muͤhſam erworbenen Vorſtellungs⸗ 
art nicht entſagen kann; weil ihm, wenn er gar ein akademi⸗ 
ſcher Lehrer iſt, fein Syſtem deſto einleuchtender, geläufiger, 
theurer werden muß, je oͤfterer und beſſer er es maͤndlich vor⸗ 
getragen hat, je mehr feine Principien in den verſchiedenen Fels 


dern der Philoſophie, welche er bearbeitet, ihre Fruchtbarkeit 


und Harmonie vor ſeinen Augen rechtfertigen, ſich mit ſeiner 
geſammten Ideenmaſſe verweben, und in die Natur feiner Vers 
nunft uͤbergegangen ſind; weil er ſich theils in eine neue Un— 
terſuchung feines laͤngſt bewehrten vollendeten Syſtems einzu: 
laſſen fuͤrchtet, theils auch nicht einmal wegen ſeiner uͤberhaͤuf— 
ten Amtsgeſchaͤfte ſich dazu die Zeit nehmen kann. 


Alle dieſe Urſachen, welche die Kantianer mit groffer 
Ausfuͤhrlichkelt entwickeln, find allerdings Hinderniſſe, welche ſehr 
oft die unpartheyiſche Prüfung eines neuen Syſtems erſchwerer 
haben; ſie ſind aber euch ſchon von jedem Erfinder eines neuen 
Lehrgebaͤudes, welches Gegner fand, fuͤr Hinderniſſe ausgegeben. 
Ein jeder derſelben hat ſich daruͤber beklagt, daß nur dieſe ihre 
abgemein gültigen Princlpien nicht allgemein geltend werden 
laſſen. Ihre Gegner haben ihnen auch wieder dieſe Vorwürfe 
gemacht, daß fie wegen ihres heftigen Hanges, als Sterne 
der erfien Gröffe in der gelebrten Welt zu glänzen, und durch 
eine rieſenfoͤrmige Kraft alle Gebaͤude ihrer Vorgänger nieder— 


zuſtürzen, die Principien des Syſtems, welches fie zertrüms 
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Vorrede. x 


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mern wollen, nicht recht verſtehen koͤnnen, daß fie ihnen einen 
falſchen Sinn andichten, daß fie ihrem neuen Syſiem durch Abs 
weichungen von dem Redegebrauch, und durch dunkle ſchola— 
ſtiſche Terminologien eine Staͤrke zu geben ſich bemuͤhen, welche es 
ſonſt nicht hat, daß ihre Vertheioiger ſelbſt gegen ſich im Streit 
ſind, daß ſie ſelbſt nicht wiſſen, was ſie recht wollen, daß 
dieſe etwa glauben, ſich an einen Erfinder des neuen Ey: 
ſtems, was Aufſehen macht, anſchlicſſen zu muͤſſen, um als 
Vertheidiger deſſelben an dem Ruhm Theil zu nehmen, welchen 
doch gewoͤhnlich Maͤnner erhalten, die ſich als ſolche ankuͤndi— 
gen, welche der Welt ein Licht anzuͤnden werden, was bis— 


her noch keinem menſchlichen Auge geleuchtet hat. Hier find 


Anklagen gegen Anklagen, Beſchuldigungen gegen Beſchul— 
digungen. Man müpte ein Fremdling in der Geſchichte der 
Weltweisheit ſeyn, wenn man es nicht wiſſen ſollte, daß fie 
oft gegenſeilig ihre gute Richtigkeit gehabt haben. 


Die neue Kantiſche Weltweisheit iſt in der philofophis 
ſchen Welt eine Erſcheinung, von welcher ihre Anhänger be— 
haupten, daß ſie ihres gleichen noch nicht gehabt hat. Einer 
ihrer ſcharfſichtigſten Vertheidiger iſt der Meynung, daß ſie 
entweder durchgängig angenommen, oder durchgaͤngig vers 
worfen werden muß, und dieß ſcheint ein ſehr richtiger 
Aus ſpruch zu ſeyn. Einige wollen in ihr die vollendete, 
völlig befriedigende Theorie des menſchlichen Erkenntnißvermoͤ— 
gens, die einzige mogliche Quelle allgemein gültiger Grund— 
füge und das in der Natur des menſchlichen Geiſtes gegründete 
Syſtem aller Syſteme gefunden haben. Dieſen einigen, wenn 
ſie aus wahrer Ueberzeugung ſo denken, wollen wir ſehr gerne 
zu ihren höheren Einſichten Gluck wuͤnſchen. Allein ſelbſt Aus 

5 haͤn⸗ 


x | vorre d e. 


haͤnger dieſes Syſtems ſcheinen es ihnen doch vorzuwerfen, 
daß dieſe und ähnliche Urtheile, welche fie nicht beweiſen koͤn⸗ 


nen, von dem groͤßten Theil der Philoſophen als ſtolze Anmaſſun⸗ 


gen und lächerliche Uebertreibungen aufgenommen werden muͤſ⸗ 


ſen. Herr Prof. Reinbold erklaͤret ſich hierüber fo: „es fehlte f 


nicht an einigen unbärtigen und daͤrtigen Schriftſtellerchen, 
die theils um etwas neues zu Markte zu bringen, theils um 
ihren Tiefſinn bewundern zu laſſen, ſich zu Apoſteln des 
alles zermalmenden Kants aufwarfen, und durch die Art, 
wie ſie ſich dabey nahmen, den Unwillen und Spott wirklich 
verdienten, gegen den die denkenden Verehrer des Kantiſchen 
Verdienſtes, durch alles, was fie zur Beſtaͤtigung ihrer Urs 
theile vorbringen konnten, kaum geſichert waren.“ 


— 


Wie richtig iſt es nicht, was dieſer Mann von einigen 
Kantianern urtheilet? Sind dieß die Waffen, wodurch ſie 
ein Syſtem aufrecht zu halten denken, welchem ſie einen ſo uͤber⸗ 
triebenen hohen Werth beylegen, daß fie mit Hohngelaͤchter 
auf Maͤnner herabſehen, die ſich nicht wie ſie zu der neuen 
Lehre bekennen; daß ſie dieſe fuͤr Compendienſchmiede, ihre 
Elnwuͤrfe für nichts als leere Luftſtreiche ſchelten; daß fie 
vom Gewimmer und Gekraͤchſe der Verzweiflung der fterbens 
den Leibnitziſchen Philoſophie ſchwatzen; daß ſie ſich die Kunſt 
beylegen, die Quinteſſenz der Kantiſchen Philoſophie auf eis 
nige Tropfen zu bringen? Wird Herr Prof. Kant ſich nicht ſol— 
cher Anhaͤnger, ſolcher Vertheidiger ſchaͤmen muͤſſen? Er, 

ein 

— — 

S. feinen Verſuch einer neuen Theorie des menſchlichen 
Vorſtellungsvermoͤgens. d 


Vorrede. N x 


ein Philoſoph, der auch freylich feiner neuen Lehre einen 
hohen Werth beyleget, aber weit davon entfernet iſt, mit 
verachtenden Seitenblicken auf diejenigen herab zu ſehen, 
welche anders denken, wie er; welcher fich in dieſen belei— 
digenden Krieg durchaus nicht miſchet, worinn ſo manche Ver⸗ 
ſechter ſeines Syſtems mit Waffen erſcheinen, deren Ge— 
brauch ſelbſt die niedrigſte Claſſe der Menſchen noch mehr er— 
niedrigen wuͤrde; deren ein Weiſer, welcher fuͤr Wahrheit 
ſtreitet, ſich nie erlauben wird, nicht kann, ohne ſich bis 
zum Pöbel herabzuwuͤrdigen. Wer wollte ſich mit ſolchen 
Leuten in einen Streit, für eine Lehre einlaſſen, deren Un— 
terſuchung durchaus nicht durch aufbraufende Leidenſchaften, 
ſondern allein durch ruhige Faſſung der Vernunft, durch ge— 
naue, und woblgepruftt Abwaͤgung der Gruͤnde und Ge— 
gengruͤnde von einem gluͤcklichen Erfolg feyn kann. 


Die Kantiſche Philvfophie hat ihre Dunkelheiten. Sie iſt hie 
und da“ unverſtaͤndlich. Dieß find die Klagen, welche uͤber die 
Kritik der Vernunft von fo vielen tiefſehenden Männern in dieſem 
Fache der Gelehrſamkeit gefuͤhret ſind. Selbſt ihre Vertheidiger, 
fie mögen wollen oder nicht, muͤſſen dieß Geſtaͤndniß able⸗ 
gen. Man bedenke nur die viele ſaure Mühe, welche es 
dem Herrn Prof. Reinhold nach feiner eignen Verſicherung 
gekoſtet hat, ehe er in die Tiefe dieſer Philoſophie eindrin— 
gen konnte, man vergleiche nur die Recenſionen, welche 
Kantianer von den Werken machen, die von Kantianern vers 
fertiget wurden, um auf die Principien dieſer neuen Lehre 
Syſteme zu errichten: ſo wird kein Zweifel hieruͤber weiter 
ſtatt haben koͤnnen. 


Xl | Vorrede. 


Dieſe Philoſophie will alle uͤbrige Syſteme blos für vers 
unglädte Verſuche der Vernunft ausgeben. Sie will unferm 


Verſtande zuerſt allgemein gültige Principien entdecket haben. 


Wenn ſie nun wirklich dasjenige wären: woher kaͤme es 
denn, daß, wie Herr Kcinbold ſchreibt, unter den zahl- 
reichen Gegnern derſelben noch keiner aufgeſtanden waͤre, 
der behauptet hatte, daß er den Sinn davon durchgaͤn⸗ 
gig gefaßt hatte? Woher kaͤme es, daß die Anhaͤnger 
derſelben die Widerſpruͤche, welche ihre Gegner ihr vorwer“ 
fen, in jener Dunkelheit entdeckt zu haben behaupteten, 
welche ihnen nicht unuͤberwindlich geweſen ſeyn ſoll, ſo 
ſchwer fie auch ihrem Geſtaͤndniſſe nach zu überwinden 
war? Warum mußten denn ihre Antworten auf die 
bisherigen Einwendungen keinen andern Innhalt haben, als 
daß fie die Gegner über den mißverſtandenen Sinn der Kris 
tik zurechte wieſen? Wird dadurch nicht der Vorwurf einges 
ſtanden, daß eine Schrift, welche von fo vielen ſcharfſichti— 
gen Köpfen und ſonſt fo ganz competenten Richtern mißvers 
ſtanden wird, dunkel ſeyn muͤſſe? Kann blos dieß die Urs 
ſache davon ſeyn, daß ſie alle insgeſammt durch ihr altes 
Syſtem unfähig gemacht find, eine Schrift, welche ihre eis 
genthuͤmliche Klarheit hat, und uns zuerſt die allgemein guͤl⸗ 
tigen Principien der Vernunft entwickelt, zu verſtehen, daß 
ſie Dunkelheiten hineinbringen, welche nicht in ihr liegen? 
Wahre erſte Principien der Vernunft koͤnnen doch nicht blos 
für Kantianer allgemein geltend ſeyn? Sie muͤſſen es für jes 
den denkenden Kopf werden, weil ſie, wenn ſie es wirk— 
lich ſind, auch fuͤr ihn ihre eigenthuͤmliche Klarheit haben. 
Sie find die erſten Grundwahrheiter, welche ſelbſt aus der 
Natur des denkenden Subiects entſpringen, und fuͤr dieſes 

ihe 


vorred'e. XIII 


ihren eigenthuͤmlichen Glanz haben. Fehlet es ihnen an dieſem 
fo wird keine Kritik der Vernunft es ihnen verſchaffen konnen. 
Werden ſie als Principien der Vernunft fuͤr allgemein geltend 
gehalten: ſo muͤſſen ſie unmittelbar in der Natur des denken— 
den Weſens gegruͤndet ſeyn. Sollten ſie ihm unverſtaͤndlich 
kleiben: ſo koͤnnte die Urſache davon nirgend anders als etwa 
in den Ausdrucken liegen, wodurch fie bezeichnet wurden. 
Werden dieſe beſſer, richtiger, beſtimmter gewaͤhlt: ſo muß ſich 
die Dunkelheit und Unverſtaͤndlichkeit der Principien verliehren, 
und ſtatt deren ein Licht aufgehen, deſſen Glanz kein Denker, 
der eben die Beſchaffenheit der Denkkraft hat, verkennen kann. 
Und doch ungeachtet aller Erklärungen, welche die Kantianer ges 
geben haben, bleibt auch für die ſonſt einſichtsvollſten, ſcharf⸗ 
ſichtigſten Männer dieſe Dunkelheit. Wie ließ ſich dieß erklaͤ⸗ 
ren, wenn ſie nicht wirklich da waͤre? 


Nach der Kantiſchen Philoſophie laſſen ſich die Grund, 
wahrheiten der Religion, und Moral nicht demonſtriren, 
und doch ſoll man daraus nicht ſchlieſſen koͤnnen, daß es 
nach ihr keine allgemeingültige Gründe für fie gebe. Dieß 
iſt einer von den paraboxen Saͤtzen, welche den Gegnern 
dieſer Philoſophie ſebr befremdend vorkommen. Es ſoll nach 
ihr zwar für dieſe Grundwahrheiten allgemeingültige Gruͤnde 
geben, aber fie ſollen nicht dadurch demonſtrirt werden koͤn— 


* 


nen. Was heißt denn demonſtriren anders, als fuͤr eine 


Wahrheit e Gruͤnde anführen ? 


Raum 


* 


lv Vorrede. 


Raum und Zeit ſind nach dieſer Philoſophie blos Tore 
men ber Anſchauung, haben auſſer ihr durchaus keine obiec⸗ 
tire Guͤltigkeit, und wenn man ihnen eine ſolche Realität 
beylegen wollte: fo würden Ungereimtheiten von der verwerf— 
lichſten Art daher entſtehen. Dieß dehauptet Herr Rant mehr 
als einmal mit den deutlichſten Worten, und doch ſagt Herr 
KJeinbold, wenn man daraus ſchlieſſen wollte, daß Raum 
„und Zeit nichts als Vorſtellungen (oder ſubiective Formen 
der Anſchauung) waͤren: ſo wuͤrde man dadurch in die Kan— 
tiſche Philoſophie einen fremden Sinn hineingetragen haben. 
Will er alſo hiemit Raum und Zeit (nicht als Formen ſubiectiver 
Anſchauungen, wovon die Rede hier nicht ſeyn kann) eine 
obtective Realität beylegen oder nicht? Beylegen? Nun fo 
widerſpricht er offenbar dem Kantiſchen Syſtem, und maß 
es ſelbſt nicht recht verſtanden haben. Will er beyden dieſe 
Realitaͤt adſprechen: fo wuͤrde er denen berpflichten muͤſſen, 
welche jene Folgerung aus dem Syſtem nicht machen, ſon— 
dern fie darinn ſelbſt von Herrn Prof. Kent gemacht fin— 
den. Das Syſtem muß alſo entweder noch ſelbſt fuͤr Herrn 
Reinhold feine Dunkelheiten haben, oder er entfernet ſich in 
den Saͤtzen von ihm, welche er zwar darinn findet, aber 
‚ihre Gültigkeit nicht anerfennet, ihnen nicht feinen Beyfall 
giebt. 


* 


Doch meine Abſicht it es nicht, mich mit den Auhän, 
gern dieſes Syſtems in einen Streit einzulaſſen. Ich habe 
mich vielmehr ſelbſt an den Erfinder deſſelben gewandt, und 
ihm itzt nur die Refultate der Prüfung vorgelegt, welche ich 


über feine Transſcendentalaeſthetik angeſtellet habe. Ich hatte 
meine 


Hl 
5 


Dorrede xv 


meine Urſachen, warum ich die Gruͤnde, womit ich die 
Principien, welche die Grundlage ſeiner ganzen neuen 
Philoſophie find, beſtreite, ihm nicht unter dem gefaͤlli⸗ 
gen Gewonde bloſſer Zweifel entgegenſtellte. Ich bin 
auſſer dem überzeugt, daß einem Philoſophen, wie Er iſt, 
Deutſche Freymuͤthigkeit weit beſſer als eine Maske gefallen 
f muß, welche unzeitige Beſcheidenheit luͤget. Ich geſtehe es, 
daß ich von der Gültigkeit meiner Gründe eben fo uͤberzeugt 
bin, wie er es von den ſeinigen ſeyn mag. Seiner ſtreng— 
ſten Pruͤfung unterwerfe ich die meinige, und rechne im— 
mer auf Gewinnſt für mich und vielleicht auch für die Wahr 
heit ſelbſt, meine Gegengruͤnde mögen entweder ſeinen Bey⸗ 
fall finden, oder von ihm mit belehrenden Widerlegungen 
verworfen werden. Kein einziges Syſtem unfrer Philoſophen 
babe ich gegen das ſeinige in Schutz genommen, weil ich 
keinem im Ganzen beypflichte, ſondern ſchon lange meinen 
eignen Weg auf dem Gebiete der Weltweisheit gegangen 
din, ohne die Arbeiten meiner Vorgänger zu verachten. 
Auch dieß wird aus den Aphorismen einleuchten, welche 
ich aus der Pſychologle zum Beſchluß hinzugefuͤget habe. 
Sie ſind nicht itzt erſt von mir entworfen ‚ um fie feinem 
Syſtem entgegen zu ſetzen, fondern ich habe ſie ſchon lange 
für die meinigen erfläret. Sie ſcheinen hier aber am rechten 
orte zu ſtehen, weil die Gruͤnde darnach 5 beſſer abge⸗ 


wor 


— 


N: XV. Voetie de, b 
wogen werden Können, welche ich gebraucht habe, um bie 
ſeinigen zu widerlegen. Nich ts wurde mir angenehmer feon, 5 | 
als wenn ich durch dieſe Bemuͤhung entweder zur mehrern 5 


Aufklärung und Berichtigung der Kantiſchen Philoſophie Gele⸗ 
genheit gegeben hätte, oder wenn auch mein Syſtem ſelbſt 


den Bey fall einſichtsvoller Kenner erhlelte. f x 
K., den 18 Febr. ö 5 
1790. i 1 
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Einleitung 
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reinen Vernunft. 


in WU 07 a — 


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J. Brief. 
Mein Herr, 
Freblich leidet es keinen Zweifel, Alle unfre Erkenntniß 


nimmt mit Erfahrungen ihren Anfang. Es muͤſſen Gegen— 
ſtände da ſeyn, welche unſte Sinne rühren, und dadurch 


theils von ſelbſt Vorſtellungen bewirken, theils unſte Ver. 


ſtandesfaͤhigkeit in Bewegung bringen, daß fie dleſe Gegen— 
ſtände vergleichet, fie mit einander verknuͤpfet, fie trennet, 
und ſo den Stof ſinnlicher Elndruͤcke zu einer Erkenntniß 
der Gegenſtände verarbeltet, welche wir Erfahrung nennen. 
Hätten wir dleſe nicht, fo würde unſer Erkenntnißvermoͤgen 
nicht zu Ausübungen erweckt werden konnen. Die iſt bis— 
her der Ausſoruch aller Weltweiſen geweſen, und Gie ge 
ben ihnen hierinn vollkommen Benfall. Allein koͤnnen Sle 
es nun auch in Abrede fern, daß Gegenſtande auſſer uns 
und den Vorſtellungen, die wir uns don ihnen machen, ihre 
obiective Realität haben, daß dleſe niht von unſter Vorſtel⸗ 
lungsart erſt ihre Beſtimmungen erhalten, ſondern daß bie 
Anſchauungen, welche wir von ihnen haben, von dieſen abs 
haͤngen, und ihnen gemäß ſeyn müffen, wenn fie anders 


nlcht leere Hirngefpinnfte ſeyn ſellen? Wahr iſt es auch, 
was Sie behaupten. Vor aller Erfahrung kann in Rüde 


b ſicht der Zeit keine Erkenntniß in uns ſtatt haben. Dleß 
iſt eine nothwendige Folge von dem, was alle Weltweiſe 
ſo elnſtimmig behaupten. 


= Sie läugnen es nicht, daß olle unſre Erkenntniß mit 

der Erfahrung anhebe, und glauben demohngeachtet, bes 
baupten zu koͤnnen, daß nicht jede aus der Erfahrung ent 
ſotinge Erfahrung nennen Sie ſelbſt eine Erkenntniß von 
Gegenſtaͤnden, welche auf die Sinne wirken. Sie wird ale 
A a fo 


22 Di 


4 ee An 


fo durch dleſe erwecket. Wir haben aͤuſſere Sinnen, wir 
haben einen Innern. Durch dleſen werden wir uns der 
Veranderungen In uns bewuſt. Alle Wirkungen alſo, wel⸗ 
che durch unſere Ktaſt zu denken und zu wollen, in uns her⸗ 
vorgebracht werden, alle Regeln, welche uns dle Natur 
elngepflanzet, und wornach die Wirkungen dleſer Kraſt ers 
folgen, find Gegenſtaͤnde unſers Innern Sinnes, und gehe⸗ 
ren mit zu dem Gebiete der Erfahrung. Sollten wir alſo 
wohl nicht berechtlget ſeyn, zu behaupten, daß dle letzte 
Quelle aller unfrer Erkenntniß doch zuletzt in Erfahrungen 
müffe geſucht werden? Ich leugne es aber deswegen nicht, 
daß unſte Erfahrungserfenntniß elne zuſammengeſetzte, theils 
aus dem, was wir durch Eindrücke empfangen, thells aus 


dem ſey, was unſer eigenes Erkenntnißoermoͤgen aus ſich 


ſelbſt herglebt. Kelne Vorſtellung von Gegenſtaͤnden, und 
ſolglich keine Erfahrung fönnte ſtatt haben, wenn wir nicht 
dle Receptivitàt, oder das Erkenntnißvermoͤgen hatten. Auch 
ſelbſt jede Erfahrung iſt eine Erkenntulß von individuellen 
Gegenftänden. Unſte Denkkraft iſt aber ſo beſtimmt, daß 
wir dle individuellen Eigenſchaſten von Gegenſtaͤnden weg⸗ 
laßen, und das Allgemelne denken koͤnnen, welches dle un⸗ 
mittelbaren Gegenſtände unſrer Erſohrung, als einzelne 
Menſchen, elnzeine Splegel, gemeln haben, daß wir alſo 
zu höhern Begriffen empor zu dringen, fähig ſind. Diele 
find nun frelic) keine Erfahrungen mehr, aber die Seele 
wurde ſich doch dleſe Begriffe nicht machen koͤnnen, wenn 
keine Erfahrungen, oder Erkenntniße durch unſte Sinne 
vorher gegangen wͤͤren. In dem Kinde hat dle Vernunft 
noch keine Fluͤgel, ſo weit empor zu dringen. Es gehoͤren 
Jahre und lange Uebungen dazu, um allgemeine Begriffe 
aus der ſinnlichen Erkenntnlß zu zlehn, und ber Vernunſt 
ein Gebiet zu erdifnen, worauf fie lebet und webet. 


Sie werfen die Frage auf: kann es elne Erkennkulß 
geben, welche von der Erfahrung und ſelbſt ven den Eins 
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drüfen der Sinnen unabhaͤngig IN? — Dleſe Frage iſt 
meiner Einſicht nach vlel zu unbeſtimmt, als daß beſtimmt 
darouf geantwortet werden koͤnnte. Von der Erkenntniß, 
die Gott hat, kann hier durchaus nicht die Rede ſeyn. Geis 
fier, welche keinen organiſchen Körper (ſebema pr:rceptio- 
nis) haben, wenn anders ſolche in dem Gebiete der Schoͤpſung 
ſind, gehoͤren auch nicht hieher. Wir duͤrfen zugleich nicht den 
innern Sinn als eine Erfohrungsquelle ausſchlieſſen. Ich mich: 
te mich auch gerne erſt über dos Unabhaͤngigſeyn mit Ihnen 
elnverſtehn. Unabhängig kann eine Erkenntniß in Anſehung 
ihres Urſprunges, unabhängig in Anſehung ihres Innhalts 
ſeyn. Wir koͤnnen alſo nun diefe beyden Fragen auſwerſen: 1) 
koͤnnen wir wohl eine Erkenntniß haben, welche ihrem Inn⸗ 
halte nach, von allen innern und aͤuſſern Erfahrungen unab— 
bäugig iſt? — Ich trage kein Bedenken dleſe Frage zu be 
jahen. Jede Erkenntniß, welche blos Begriffe und richtige 
Folgerungen aus ihnen in ſich faßt, iſt eine ſolche. Sie 
begreift Wahrhelten, die ihre Richtigkelt haben wuͤrden, wenn 
gleich Feine Gegenſtaͤnde in der Welt wären, worauf fie 
koͤnnten angewandt werden. Wir finden zur Erläuterung 
und Beſtaͤttigung dieſer Wahrheit dle glänzendften Bey 
ſplele in der reinen Mathematik. Ihre Folgerungen aus 
dem Begriff eines Quadrats wuͤrden ausgemacht wahr ſeyn, 


wenn es auch keine Quadrate in der Weit gäbe. Die zwos 


te Frage iſt dieſe: ſollten wir wohl eine Erkenntniß haben 
koͤnnen, welche von innern und aͤuſſern Erfahrungen in An⸗ 


4 ſehung ihres Urſprungs unabhaͤngig it? — Dieſe moͤchte 


ich verneinen, und ich gloube aus dem, was ich oben bes 
bauptet habe, dazu berechti,et zu, ſehn. Ste bejahen dleſe 
nicht gerade weg, nennen fir aber eine Frage, welche nicht 
auf den erſlen Anſchein fo gleich abzufertigen iſt. Allein 
durch dieſen Ihren Ausſpruch wl d in der Sache nichts aus. 
gemacht. Wir find alſo berechtl et es von Ihnen zu ſodern, 
daß Sie es beweiſen es gebe e ne Erkenntniß in uns, welche 
in Anſehung ihres nn jeder Erſahrung rei 

3 19 


6 


Hänglg fe» Nur dann erſt, wenn Sie dieſes gelelſtet haben, 
koͤnnen Sie ſich das Recht anmaſſen, darauf die Einthel⸗ 
lung zu gründen, welche Sle hinzuſetzen. So viel ich weis, 
find Sie der erſte, welcher eine Erkenntniß a priori diejenige 
nennt, welche in Unſehung Ihres Urfprunges von jeder Er⸗ 
ſahrung unebpängig iſt: elne empirlſche diejenige, welche 
ihre Quelle a poſteriori, nämlich in der Erfahrung hat. 
Von dieſer Eintheilung koͤnnen Sie aber durchaus keinen 
Gebrauch machen, moferne Sie nicht vorher bewelſen, daß 
wir eine ſolche Eckenntniß a priori haben, oder haben fün« 
nen. Sie haben ſich uͤbrlgens von dem Sprachgebrauch 
entſernet. Eine Erkenntniß a priori heißt bey den übrigen 
Ppiloſophen diejenige, welche wir uns durch Hülſe allge 
meiner Begriffe verſchaffen. Eine Erkenntuiß a poſterioti 
entſpringet blos aus Erfahrungen. Wir finden von beyden 
eriauternde Beyſpiele in der emplriſchen, und der intellee⸗ 
tuellen Pſychologle. In jener bilden wir uns Begriffe aus 
Beobachtungen, in dieſer verbinden wir die Begriffe, um 
aus ihnen die Lehre don der Seele wiſſenſchaſtlich zu entwi⸗ 
ckeln. In jener erwerben wir uns Erkeuntniß a poſteriori, 
a priori iu dieſer. 


Sie geſtehen es, daß jener Ausdruck (vlellelcht meynen 

Eile Erkenntniß a priori) noch nicht beſtimmt genug ſey, 
um den ganzen Sinn, der vorgelegten Frage angemeſſen, 
zu bezeichnen. Ich glaubte alſo hier von Ihnen mehrere 
Aufklärung erwarten zu koͤnnen. Allein ich fand ganz etwas 
anters, als was ich erwartete. Sie bemerken nur, daß 
auch manche Erkenntniß, welche ous Erſahrungsquellen 
entipringe, eine Eckenntniß a priori genannt zu werden 
pflege, well wir fie nicht unmittelbar aus der Erfahrung, 
ſondern aus elner allgemeinen Regel ableiten welche wir 
gleichwohl ſelbſt aus der Erfahrung entlehnet haben. Frey⸗ 
lich hat man jo bisher in den Schulen der Weitweiſen ger 
ſprochen, und dieß mit Recht nach ihrem Aenne u 
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zwiſchen Erkenntniß a priori und a polteriori. Wir wiſ. 


fen es a priori, daß, wann jemand das Fundament feines 
Haufes untergraben wollte, es einftürgen würde, Nur er⸗ 
innern Sie hiegegen, daß wir es doch nicht gaͤnzlich a pri- 
cri wiſſen konnten. Allein nach Ihrer Erklärung von der 
Erkenntniß a priori konnte dieß, was Sie doch hier zum 


Theil zugeben, durchaus nicht geſchehen. Denn wir ſollen 


nur eine Erkenntniß a priori haben, wenn dieſe von der 
Erfahrung ganz unabhängig iſt, und dieß iſt doch hler nach 
Ihrem eignen Geſtaͤndniß der Fall nicht. Denn daß die 
Körper ſchwer find, und daher, wenn ihnen ihre Stuͤtzen 
entzegen find, fallen muͤſſen, dieß kann uns doch nur zuvor 
durch Erfahrung bekannt werden. Schwer nennen wir die 
Dinge, welche nach einem Naturgeſetze in Verbindung mit 
unſrer Atmosphaͤre gegen den Mittelpunkt der Erde getries 
ben werden. Die Schwere kann alſo keine Eigenſchaſt ſeyn, 
welche den Dingen für ſich betrachtet zukommt, obgleich in 
ihnen zugleich der Grund mit liegen muß, warum fie in 
dieſer Verbindung grade nach dem Mittelpunkt der Erde bins 
zudringen ſich bemuͤhn. Wir koͤnnen alſo dieſen allgemeinen 
Satz als Regel bilden; alle Körper auf unfrer Erde, wels 
che ein Beſtreben aͤuſſern, ſich nach dem Mittelpunkt der 


Erde hinzubewegen, fallen, wann ihnen das Fundament, 


worauf ſie ruhen, entzogen wird. Welche ſind aber dleſe? 
Dieſe Frage hat man nur durch die Erfahrung vorher beant. 
werten koͤnnen. Der Satz ſelbſt hat zum Sublect und zum 


Pceaͤdikat Begriffe, iſt olſo ein allgemeiner Satz, und erzeu : 


get eine Erkenntniß a priori nad) der gewoͤhnlichen und ges 
gründeren Sprache der Weltweifen, aber noch der Ihrigen 
durchaus nicht, weil fie in Anſehung ihres Urſprungs nicht 
von der Erfahrung ganz unabhängig iſt. 


Sie wollen in der Folge unter Erkenntniſſen a prio- 
ni nicht folche verſtehen, die von biefer oder jener, ſondern 
die ſchlechterdings von aller 3 unabhängig find, 

; 4 und 


3 — 8 


und doch reden Ste glelch darauf von Erkenntulſſen a pri- 
ori, welchen nichts empiriſches bepgemiſcht Ift, die es ganz 
reln ſind, und ven ſolchen, dle nicht für ganz rein ale ſol⸗ 
che angeſehen werden konnen. Diefe Abthellung ſaſt offene 
bar nach Ihrer erſten Erklarung einen Widerſpruch in 
ſich, well nach dleſer beyde Gattungen nlcht denkbar ſind. 
Sie rechnen zu der letzten Gattung von Erkenntniß a prio- 
ri den Satz — eine jede Veranderung bat ihre Urſache, 
und doch ſoll der Begriff von Veränderung aus der Erſoh 
rung gezogen werden. Eben dies hat auch ſtatt in Anſe. 
bung des Begrlſſes von Urſache. Ste heben alfa Ihren 
Begriff von einer Erkenntniß a priori wieder auf, wenn 
Sie dleſen Satz bieher rechnen. Nach Ihrer Erklarung ge 
hoͤret er ganz zu den Satzen, welche a paſteriori gebildet 
werden. Mich deucht, diefe meine Bemerkung hat Ihre 
völlige Richtigkelt, und ich wuͤſte nicht, aus welchen Gruͤn⸗ 
den Sie dles leuanen koͤnnten. leben Sie wohl! 


2. Brief. 
Mein Herr. 


Iſt es denn ſo gewlß, daß wir lm Beſithe gewlſſer Erkennt, 
niße a priori (Ind, und daß ſelbſt der gemeine Verſtand 
niemals ohne ſolche angetroffen wird. Sle behaupten dle. 
ſes, auch wir, aber in ganz verſchledenem Verſtande. Bis⸗ 
her haben dle Weltweiſen elne jede Erkenntnlß als elne 3 
priori angeſehen, welche aus allgemeinen Begriffen ent- 
fpringee, wenn glelch diefe ihrem Urſprunge nach aus Er- 
fahrungen erwachſen find. Sle denken ſich dieſe aber als 
eine ſolche, welche ihrem Urſprunge nach ſchlechterdinggs von 
oller Erfahrung unabhangig iſt. Dieß IR die Erfenneniß 
a priori, deren Daſenn Sie bewelſen muͤſſen. Sie wollen 
alſo Merkmale angeben, woran wir ſicher eine reine Er⸗ 

tenntniß a priori von elner emplrlſchen unterfcheiden koͤn. 
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nen, und ich werde fie nach der Erflärung prüfen, welche 
fie von elner reinen Erkenntniß a prlori gegeben haben. 
Freylich lehret uns die Erfahrung blos, doß etwas fo und 
nicht anders beſchaffen ſey, aber nicht, daß es nothwer dig 
fo ſeyn müffe. Allein fie lehret uns doch, daß ein Ding 
diefe und keine andere Beſchaffenhelt habe; unfre Vernunft 
bildet daher Erfohrungsurtheile, und muß nun erſt Gruͤnde 
auſſuchen, wenn fie die Allgemeinheit dieſer Satze beweiſen 
will. Die Erſahrungsurtheile haben jederzelt zum Subiect 
ein Individuum, ein einzelnes durchaus beſtimmtes Ding. 
Will die Vernunft fie zu allgemeinen Sätzen erheben: fo 
darf ſie nur das Individuelle weglaſſen, und ſich das Sub— 
iect fo wohl als das Praͤdicat ohne dieſe Beſtimmung, und 
ſolglich als etwas allgemeines denken. Unter ſuchet fie 
nun, ob dieſe Saͤtze allgemein, od fie nothwendig wahr 
ſind: fo beſchaͤftiget fie ſich mit Saͤtzen, welche aus der Ers 
fahrung gezogen find, und deren Erfenntniß nlcht von Dies 
fer ihrem Urſprunge nach als ganz unahhängig gedacht 


werden kann Wie konnen Sie alſo behaupten, daß jeder 


Satz, welchen unſte Vernunft ſich zugleich mit feiner Noth⸗ 
wendigkelt denket, ein Urtdeil a priori in dem Verſtande 
fen, wle Sie die Erkenntniß a priori erklaͤret haben? Denken 
Sie ſich den Setz: der Menſch iſt ein vernünftiges Thler. 


Woher entſtand er zuerſt in Ihrer Vorſſellung? Zogen Sie 
ihn nicht aus Beobachtungen, welche Sie über den Mens. 


ſchen anſtelleten? Denken Sie ſich ihn nun mit feiner Noth. 
wendigkelt: fo wird dadurch fein erſter Urſprung aus Er— 
fahrung nicht aufgehoben. Sie find ferner berechtiget, aus 
ihm den Satz her zuleiten: alle Menſchen muͤſſen einen or⸗ 
ganiſchen Körper haben, weil dieſt Praͤdicat aus dem Be⸗ 
gr ff nothwendig folat, welchen Sie als ein nothwendiges Praͤ. 

dicat von einem Menſchen angeſehen haben. Sie haben 
alfo dieſen letzten Satz mit feiner Nothwendigkelt aus dem 
erſten gezogen, weichen Sie mit feiner Rothwendigkelt ti 
dachten. Wird er aber deswegen feinem erfien Urfpey uge 


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nach von aller Erſahrung ganz unabhaͤngig ſeyn? Er konn 
alſo nach Ihrer Erklarung von einer Erkenntniß a priori 
durchaus nicht als ein Sotz angefehen werden, welcher ſchlech. 
terdings a priori iſt. Wir find fteylich berechtiget, Saͤtze, 
worlnn Sublect und Praͤdicat als allgemeine Begriffe ges 
dacht werden, und welche wir mit iheer Nothwendigkelt 
denken, fo zu nennen. Allein nach ihrem Begrißfe von el. 
ner Erkenntniß a priori kann die Nothwendlgkeit, womit 
Sle einen Setz ſich denken, keln ausſchlieſſendes Merkmal 
davon ſeyn, daß er eln Satz a priori iſt. i 


Sie behaupten, doß die Erfahrung niemals den Saͤt⸗ 
zen, welche aus ihr gezogen weiden, wahre oder ſtrenge, 
ſondern nur ongenommne und comparative Allgemeinheit 

glebt. Ohne Zweifel wollen Sie hiemit fogen: dle Ver. 
nunſt iſt nicht berechtiget, in Sätzen, welche aus Erfahrung 
gezogen find, die Sublecte als allgemeine Begriffe anzufes 
hen, von welchen die Prüdlcate fo geſagt werden konnen, 
daß fie allen einzelnen Dingen zukommen, welche unter den 
Sublecten begriſſen werden. Dieß iſt wahr, aber auch 
ſolſch, es koͤmmt darauf an, wie viel elnzelne Dinge unter 
dem Subiect liegen. Iſt ihre Anzahl von zu groſſem Ums 
fange, als daß eine vollkommne Inductlon durch dle Ers 
ſohrung moͤglich wäre: fo haben Sie Recht. Woſerne aber 
ihre Anzahl fo eingeſchraͤnkt it, daß wir bey jedem einzel, 
nen Dinge das Prädicat durch Erfahrung gewahr werden 
können: fo konnte doch auch durch dleſe die allgemeine Wahn 
heit des Sotzes durch Erfahrung beſtättlget werden. Den 
ken Sle ſich eine beſtimmte Anzahl von Menſchen, welche 
elne Geſellſchaſt ausmachen. Koͤunten wir von jedem bewei⸗ 
fen, daß er ein Gelehrter wäre: fo wäre unfre Vernunft 
berechtlget aus Erfahrung durch elne vollſtändlge Inductl⸗ 
on biefen allgemeinen Satz zu bilden: alle Mitglieder ter 
Geſellſchaft find Gelehrte, und ich denke unmer, daß Ihre 
Vernunft gegen die Allgemelnbelt dieſes Satzes nichts ein. 
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zuwenden habe. Wir konnten nicht blos ſogen, fie find 
gelehrt, fo viel wir bisder wahrgenommen haben, fontern 
weil mir es aus Erfahrung wiſſen. Sie würden alſo auch 
ſchen deswegen nicht behaupten koͤnnen, daß ein Urtheil, 
in ſtrenger Allgemeinheit gedacht, fo daß gar keine Aus. 
nahme verſtattet wird, nicht von Erfahrung abgeleitet, forte 
dern ſchlechterdings a priori gültig fen. Sie ſitzen zwar 
hinzu — keine Ausnohme als moͤglich gedacht — dieß kann 
doch nichts anders heiſſen, als dleſes, bey dem Satze bleibt 
es auch nicht mehr moglich, ein einzelnes Ding zu ben 
ken, welches unter dem Subiect begriffen iſt, und doch 
das Prädicat nicht batte. Auch dleß läßt ſich von dem obi— 
gen Inductionsſatz behaupten, wenn man ſich es als eine 
ſeſtſtehende Regel der Geſellſchaft denket, daß nur Gelehe— 
te aufgenommen werden koͤnnen. Denken wir uns dleſen 
Satz — alle Menſchen haben einen organiſchen Koͤrper: ſo 
koͤnnen wir feine Allgemeinheit freylids durch keine vollſtaͤn. 
dige Induction erkennen. Allein wird er dadurch, daß 
wir ihn in ſtrenger Allgemeinheit uns vorſtellen, fo daß gar 
keine Ausnahme als moͤglich verſtattet wird, ſeinem erſten 
Urſprunge nach von aller Erfahrung unabhängig, und alſo 
nach Ihrer Erklarung ſchlechterdings ein Saß a priori? 
Allgemeinheit und Nothwendigkeit koͤnnen alſo bey einem 
Urtheile gedacht werden, und die Erkenntniß, die wir als. 
dann haben, iſt demohngeachtet nichts wenlger als eine Er⸗ 
kenntniß a priori nach der Erklarung, die Sie von ihr ges 
macht haben. Und wie find denn Allaemeinheit und Noth⸗ 
wendig die ſichere Kennzeichen einer Erkeuntniß a priori, 
und zwar fo, daß wo diefe nicht iſt, auch keine Erkenntniß a 
priori ſtatt haben, kann? Wir bilden in der reinen Mathemas 
tik viele Süße, die nichts wenſger als allgemein wahr find, 
Nicht alle ſondern nur einige Vierecke find Parallelograms 
men; nicht alle fondern nur einige Körper find regulalre 
Korper. Unzaͤhllge Soͤtze von der Art konnte ich Ihnen 
aus der reinen Mathematik ausheben, in welchen das Pra. 
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dleat weder allgemein noch nothwendig dem Sublect zu · 


koͤmmt. Wohin wollen Sie alſo diefe Saͤtze rechnen? Et 
wa zu der Erkenntniß a priori? Dann fehlten ihnen die 
Merkmale, woran Sätze nach ihrer Erklarung als ſolche 
erkannt werden, die zu dleſer Erkenntniß gehören. Sollen 
fie zur Erkenntniß a poſteriori gerechnet werden: fo zieht 
der Geometer fie nicht aus Erfahrungen, ſondern viel. 
mehr aus Vergleichung allgemeiner Begriffe. Sie ge. 
bören alſo eigentlich zu keiner von beyden Erkenntnlßarten, 
welche Sie angenommen haben. 


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Eine ſtrenge Allgemeinhelt, welche weſentlich zu elnem i 


Uetheile gehöret, ſoll auf eine beſondre Erkenntulfquelle, naͤm⸗ 
lich auf ein Vermögen der Erkeuntniß a priori hinzeigen. 
Und welche If denn dieſe Erkenntnißquelle? Keine andre, 


als unfre Vernunft, wodurch wir ſaͤhlg werden, zuerft |. 
durch Hülfe der Erfahrung Begriffe zu bilden, fie in Eät. | 


zen zu verbinden, ihre Wahrheit, in wie weit fie blos Er⸗ 


75 


ſahrungsſätze find, durch Wahrnehmung anzuerkennen, das 
Indloiduelle aus den Sätzen wegzuloſſen, fie im allgemel. |; g 


nen zu denken, und nun aus Gegeneinanderhaltung mehre- 
rer DBegr.ffe nach den Pelneipien des Wlderſpruchs und 


des zu eichenden Grundes, welche welter keines Lichtes be- 


dürfen, Feines groͤßern für uns fähig find, als welches ſie 
als angebohrne urfprüngliche Principlen unſter Denkkraſt 


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haben, es zu unterſuchen, ob das Praͤdleat vom Sublet 
allgemtin oder nur unter Einſchraͤnkungen gefagt werden 


kann, ob es not! wendig oder zufällig Iym zukomme. Al. 


eln von dieieın Vermaͤgen der Erkenntniß, von dieſer Et. 5 
kenntnißquelle koͤnnen Sie bier nicht reden, Sie müͤſſen ſich 


eln Vermögen Ber: Seele denken, vermoͤge deſſen fie ſich, 


Erkenntniſſe von Wahrbeiten verſchaſſen kann, welche ih. 


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daß wir ein ſolches Eıkenntnißvermägen haben. d, 


tem Ursprunge nach ganz unabhängig von aller äuffren und 
Innern Erfahrung find. Bewleſen haben Sie es noch nicht, 


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| müffen es alſs noch erſt erwarten, ob Eie dieß lelſten 
koͤnnen. a 


Doch Sie behaupten gleich darzuf, es fen Ihnen 
lelcht, zu zeigen, daß es dergleichen noihwendige, und im 
firengften Sinn allgemeine, mithin reine Urtheile a priori 


in der menſchlichen Erkenntnlß gebe. Sie haben dadurch 
meine Auſmerkſamkeit ſehr geſpannet. Ich werde ſehen, 
wie Sie dieſe befriedigen. Sie berufen ſich auf alle Saͤt⸗ 


ze der Mathematik. Diefe koͤnnen unmöglich alle hieher 


gehören Die Soͤtze aus der Optik, Hydreſtatik, Aftroe , 


nomie, kurz aus allen Theilen der angewandten Mothema— 
tik find hier aus geſchleſſen. Doch Sie ſchelnen ſich unbe⸗ 


* ſtimmter ausgedruckt zu haben, als Sie es wollten. Sie 


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wollen nur don Sätzen der reinen Mathematik reden. Ich 
wünſchte aber, daß Cie nur einen einzigen angeſühret hätten, 


von welchem Ste beweiſen konnten, daß er auch dem Urs 
ſorung feiner Erkenntniß nach in uns von ollet Erfahrung 
unabhaͤngig fey. Unabhängig find fie alle von ihr in Anſe⸗ 


bung Ihres Innhaltes, weil dieſe Wiſſenſchaft blos allges 


meine Begriffe zu Gegenſtaͤnden ihrer Unterſuchung nimmt. 
Dieß haben alle Kenner der Mathematik eingeſehen, und 
dieß iſt allein die Urſache, weewegen fie dieſe eine reine 


Mathematik genannt haben. 


Sle berufen ſich auf dleſen Satz — alle Veraͤnderun— 


gen muͤſſen elne Urſache haben. Allein haben Sie dieſen 
Setz nicht ſelbſt ſchon oben als einen ſolchen angeführt, wel⸗ 


cher kein relner Setz a ptlori iſt, welcher alſo, ehe et ge 
bildet werden kann, Erfahrung voraus feger ? Sie find 
alſo nicht berechtiget ihn als ein Beyſpiel von Erkenntniß 


a priori nach Ihrer Erklaͤrung zu gebrauchen. Der Bes 
griff einer Urſache faßt offenbar den Begriff der Nothwen⸗ 


diakeit der Verknüpfung mit elner Wirkung in ſich. Dieß 
lleugne ich nicht, weil Urſache ohne Wirkung nicht gedacht 
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werden kann. Allein wie erhielten wir zuerft ben Begriff 


von Urfache und Wirkung? Haben wir ihn nicht durch 
Hülfe der Erfahrung gebiinet?. Foiget denn daraus, we l 
keine Utſache obne Wirkung, und dieſe nicht ohne jene ge. 
dacht werden kann, daß olle Veränderungen Wu kungen 
ſeyn muͤſſen, und wenn diefe Folge nicht gegruͤndet waͤre, 
würden Sie dern bios deswegen, weil der Begriff von Ure 
ſache nothwendig den Begriff der Wirkung erzeugte, eine 
ſtrenge Allgemeinheit dieſes Setz's oder dleſer Regel aner⸗ 
kennen: — File Veränderungen müffen eine Urſoche haben. 
Die Allgemeinheit dieſes Sotz's erkennen wir entweder aus 
dem Grundeatz von zureichenden Urſachen, oder wir werden 
nie zur Gewißheit deſſelben geiongen. Hler finden wir elne 
uns ongebohrne Grundregel, wornach unfre Vernunft ſich 
die Verknüpfung der Dinge denkt. Dieſe Regel ſelbſt ent. 
deckt fie dann eiſt, wenn fie über die Art ihrer Wirkſamkelt 
nachgedacht hat, dieß der Scele angedohrne Geſetz, wor⸗ 
nach fie denket, deraushebt, und es ſich in einem Safe 
deutlich darſtellt. Hätte Hume nichts weiter ſagen wollen: 
“fo würde er doch fo gonz Unrecht nicht haben. Die Bey⸗ 
fpiete, welche Sie bisher angeſuͤhret haben, um die Wuͤrk⸗ 
lichkeit relner Grundiäge in unſter Erkenntniß nach Ihrer 
Ecklaͤrung zu beweifen, find alſo zu Ihrem Zwecke ganz 
untauglich. 


Ste wollen dieſe Ihre Abſicht noch auf einem andern 
Wege zu erreichen ſucen. Sie glauben die Unentbehrlich⸗ 
keit folder reinen Erkenntniß zur Möglichkeit der Erfah⸗ 
rung ſelbſt, mithin a priori darthun zu koͤnnen. Woſerne 
Sie dieſe Ihre Behauptung ſelbſt deutlich gedacht haben: 
fo muß di⸗ß doch wohl Ihr Gedanke fenn: Selbſt Erfah 
rungen find nicht möglih, wenn nicht reine Etkenntniß a 
priori in der Seele da ware, und jene moͤalich machte. 
Wäre denn dieß durchaus nothwendig: ſo müßte dle relne 
Erkenneniß a priori vor aller Erfahrung in der Seele da 

ſeyn. 


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ſeyn. Alleln dleß widerſpricht grade dem von Ihnen bes 
haupteten Saß: der Zeit nach geht keine Erkenneniß in uns 


vor der Erfahrung vorher. Welches iſt nun von beyden wahr? 


Doch wohl das letzte, und alſo muß das erſte unwahr ſeyn. 
Erfahrungen erhalten unſern Benfoll, weil wir durch fie wife 
fen, welches Prädicat einem individuellen Subiect zukommt, 
und die Gewißheit des daher entſpringenden Erfahrungsfats 
zes erzeuget ſich in unfrer Seele nach dem Gtundſaß des Wis 
derſpruchs, welcher als Regel des Denkens uns angebohren 
iſt, und als Grundſatz von unfrer Vernunft durch Beob— 
achtung unfrer innern Wirkſamkeit gebildet wird. Wel. 
cher Weltwelſe wird aber blos Erfahrungsſaͤtze für erſte 
Gtundſätze gelten laſſen? Saͤtze, die unmittelbar aus Er— 
ſahrungen gezogen werden, haben zum Subiect durchaus 
beſtimmte Dinge (indiuidua) und find alſo in fo weit kel— 
ne allgemeine Saͤtzt — Geundſaͤtze. Will die Vernunft fie 
dazu erheben: fo muß ſie die lndividuellen Beſtimmungen 
abſondern, und nun unterſuchen, in wle weit dieſe Saͤtze, 
welche ihrem Urſprunge nach von Erfahrungen abhängen, 
als allgemeine Regeln oder Grundſaͤtze ihre Gultigkeit ba» 
ben. Ich kann es Ihnen alſo durchaus nicht zugeſtehen, 
daß Sie den reinen Gebrauch unſtes Eckenntnißdermoͤgens, 
oder daß Sie die Wuͤrklichkeit der reinen Erkenntniß 2 
priori, welche ihrem Urſprunge nach von aller Erfahrung 
in uns unabhängig iſt (denn davon war die Rede) als That⸗ 
ſache ſammt den Kennzeichen derſelben dargelegt oder ber 
ſtimmter, bewleſen haben. 5 


Sie uͤberreden ſich auch, daß es Begriffe gebe, wel. 
che in uns a priori d. h. nach Ihrer Erklaͤrung unabhängig 
von aller Erfahrung entſpringen. Sie fodern es, daß wir 
aus dem Erfahrungsbegriff von einem Körper olles, mas 
darinn emplriſch iſt, als Farbe, Härte, und Weiche, 
Schwere, ſelbſt Undurchdringlichkeit wegwerfen. Was 
bleibe nun noch übrig? Raum! Gut; aber fo lag doch 

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dleſer auch In dem Erfahrungsbegrlff, gehoͤrte mit zu fel, 
nem empirlſchen, und die Erkenntniß von ihm, oder fein 
"Begriff entſprang aus Erfadrung, und iſt alſo nicht von 
dleſer ganz unabhängig. Können Sie die Richtigkeit Dies 
bleſer Folgerung leugnen? Der Raum bleibt uͤber, wenn 
der Koͤtper ganz verſchwunden iſt. Wo? Etwa in un⸗ 
ſter Vorſtellung? Dleß bat bey allen Erfahrungsbegriffen 
fiatt, wenn unſte Vernunft durch Abſonderungen bis zum 


böchſan Geſchlecht (ad, ſuptemum genus) empor ſteigt. 


Etwa auſſer unſrer Vorſtellung verſchwindet der Körper, 
no er war, und Raum bleibt über. Wir wollen dleſen 
Fall hier annehmen. Was geht dieß unſer Erkenntnlßver⸗ 
raöcen an, und wle kann dadurch in uns elne reine Er⸗ 
tenutnlß a priori etwachſen? Sie haben Recht. Wenn 
wir sun einem Oblecte, welches durch Erfahrung uns be⸗ 
kannt wird, alles abſondern: fo muͤſſen wir uns dieſes doch 
zuleßt entweder als Subſtanz oder Beſtimmung elner Sub⸗ 
ſtanz denken. Wir koͤnnten auf der Leiter der Ideen noch 
höher empor ſteigen, well bende unter dem Beariff des 

zög lichen begelffen find. Durch welche Nothwendigkeit kann 
ſich lütſer Begriff uns anders aufdringen, als well unfre 
MVerriunſt es gewahr wird, daß er in dem Erfabrungsbegeiff 


mit enthalten iſt, nicht weil er ln unferm Erkenntnißver⸗ 


mo gen a priori, d. h. feinem Urſprung nach von aller Er⸗ 
fahrung unabhängig llegt, oder wie Sie ſprechen, ſelnen 
Sitz bat. Mit aller Achtung, welche ich übrigens für Ih. 
re Verdienſte habe, muß ich es Ihnen bekennen, daß Sle 
meine Erwartung nicht befrlediget, und nichts weniger als 
Beinlefen haben, daß ſich bey uns eine reine Erkenntulß a 
priori, oder wie Sie dieſe erklaren, elne ſolche finde, wel⸗ 
che in Auſehung Ihres Urſprungs nicht etwa von dleſer oder 
jeuer, ſondern ſchlechterdings von aller Erfahrung unabhaͤn⸗ 
gig iſt. Ich habe dle Ehre zu ſeyn, 
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3. Brief. 


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3. Brief. 
Mein Herr, 


Die Philoſophle bedarf einer Wiſſenſchaft, welche die Moͤg⸗ 
lichkeit, die Principlen, und den Umfang aller Eckennt— 
n!ß a priori beſtimmet. Mit dieſem Satze wird uns von 
Ihnen angekuͤndiget, was Sie uns itzt lehren wollen. Ich 
erwartete alſo, daß Sie ſich daruber erflärten, wie Sie Phi— 
loſophie von Wiſſenſchoſt unterſcheiden, daß Sie es ent— 
wickelten, worinn dieß Beduͤrſniß der Ppilofepyie beftehe, 
daß Sie es zeigten, was Moͤglichkeit, was Principlen, was 
der Umfang der Erkenntniß a priori in Ihrer Sprache, 
die überall fo viel ungewöhnliches hat, bedeute, und daß 
Sie nun aus allen dieſen dieß Beduͤrſniß der Philoſophie 
beweiſen würden. Allein von allen dieſen haben Sie in der 
folgenden Abhandlung kein Wort geſagt. Sie berufen ſich 
auf Erkenntniſſe, weiche das Feld aller möglichen Erfah— 
rungen verlaſſen, und durch Begriffe, denen uͤberall kein 
entſprechender Gegenſtand in der Erfahrung gegeben werden 
kann, den Umfang unſter Urthetle über alle Grenzen ders 
ſelben zu erweitern ſcheinen. Allein welche ſind denn die 
Eckenntuſſſe, welche das Feld aller Erfahrungen verlaſſen? 
Sind fie Erkenntniſſe a priori nach Ihrer Erklärung, und 
alſo auch ihrem Urſprunge nach von aller Erfahrung unab— 
haͤngig: fo find Sie noch nicht berechtiget, dieſe in unfrer 
Seele anzunehmen, weil Sie bisher weder ihre Moͤgllchkeit 
noch Wuͤrklichkeit in uns hinreichend bewleſen haben. it 
die Vernunft zwar durch Erfahrung auf fie geleitet, kann 
fie dieje aber nicht durch Erfahrung als allgemeine Säge 
darthun: fo muß ſie ſrevlich dae Feld der Erfahrung vers 
loffen, wenn fie doch dieß leiſten, und folglich den Umfang 
ihrer Uctheile über alle Grenzen der Erfohrung erweitern 
will. Allein wie muß fie nun Gründe für die Allgemein 
heit ſolcher Saͤtze ſuchen, 155 dieſe anwenden? Die Fra- 
an 12 9 ge 


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ge kann freylich aufgeworfen werden. Sle haben ſich über 
dieſe noch wicht erflärt, und lch werde auch deswegen dleſe 
bier noch unetoͤrtert laſſen. 


Grade in dleſen letzten Erkenntulſſen ſollen dle Nach⸗ 
for ſchungen unſter Vernunſt liegen. Alleln dieß thun fie 
nun elgentlich doch nicht. Das vor zuͤgliche Geſchaſte un. 
frer Vernunft glelet dahin, Gründe für ſolche Erfenntniffe 
aufzuſuchen, welche über die Sinnewelt hinaus gehen. Wiels 
lelcht haben Sie auch nur dleß ſagen wollen. Unfre Wiß .. 
beglerde relzet uns allerdings, Fragen aufzuwerſen, welche 
dle Vernunft nicht mehr aus bloßen Erfahrungen beant⸗ 
worten kann, und die Befriedigung unſrer Wißbegierde 
iſt für uns ein fo groſſes Beduͤrſulß, daß wir ſo gar, auf 
dle Geſaht zu lrren, ehr alles wagen, als daß wlr elne fo 
angelesne Unterſuchung aus irgend einem Grunde der Be⸗ 
denklichkelt, oder aus Geringſckaͤtzung aufgeben ſollten. 


Iſt ein unendliches Weſen da, welches von der Welt 
unterſchieden iſt, und derſelben ihr Daſeyn gegeben hat? 
Sit Freyheit ein Elgemhum der Menſchen? Haben wir eis 
nen unſterblichen Gelſt? Wichtige Fragen für uns. — 
Allein kann unſte Vernunſt dleſe Frogen auſwerſen, wenn 
ſie ſich kelne Begriffe von Gokt, Unſterblichkelt, Freyhelt 
gemacht hat? Aus welcher Quelle hat fie denn dleſe ge 
ſchoͤpfet? Können Sle es in Abrede ſeyn, daß unſte Ver- 
nunft auf Veränderungen auſſer und in uns, auf dle Art, 
wie Entſchluſſe in uns entſpringen, auf das Hlnſterben der 
Tholere vorher aufmerffom ſeyn mußte, um durch NHülfe 
dieſer Wahrnehmungen ſich elne Vorſtellung von Gott, 
Freyheit, Unſterblichkeit machen zu koͤnnen? Und nun ward 
fie erſt fähig, die obigen Fragen aufzuwerſen. Metaphy⸗ 
fie iſt eine Wiſſenſchaſt, welche ſich mit Beantwortung dies 
ſer Fragen, oder wie Sie es ausdrücken, mit Aufloͤſung 


dieſet Aufgaben beſchaͤftiget, ob ſie gleich auch andre Zwe⸗ 
a cke 


cke zu errelchen ſucht. Warum muß aber dle Verfahrung 
dieſer Wiſſenſchaſt in Anfang ohne alle vorhergehende Prüs 
fung des Vermoͤgens oder Unvermoͤgens, welches die Ver— 
nunft zu einer fo groſſen Unternehmung hat, zuverſicht⸗ 
lich die Ausführung uͤbernehmen? Wo iſt eln Weltweiſer 
geweſen, der, wenn er anders diefen Namen mlt Recht vers 
diente, es ſich erfühnen konnte, die Metapbyſik als elne 


Wiſſenſchaſt zu bearbeiten, ohne vorher das Vermoͤgen feis 


ner Vernunft zu dieſer wichtigen Unternehmung gepruͤſet zu 
haben? In der Vernunftlehre haben die Weltwelſen doch 
immer dieß zum Hauptzweck gehabt. Eine andre Fra» 
ge iſt es, ob fie dieſe Prüfung vorher vollendet hatten? 
Dleß koͤnnen Sie unterſuchen, aber auch uns das Recht 
nicht ſtreitig machen, eben dieſe Frage in Anſehung Ihrer 
angeſtellten Prüfung aufzuwerſen, und fie wieder zum Ges 
genſtand unſter Unterſuchung zu machen. 


Freylich iſt es ſehr natürlich, daß kein Phlloſoph, welcher 
biefes Namens wuͤrdig iſt, ein Gebäude errichten wird, ohne 
vorher die Grunde ſorgkaͤltig gepruͤſt zu haben, worauf er es er⸗ 
bauen will, oder wle Sie es in einer Ihnen eigenthuͤmlichen 
Sprache aue drücken, ohne der Grundlegung durch eine 
forgfältige Unterſuchung verſichert zu ſeyn. Man hat, welches 
Sie zu leugnen ſcheinen, die Frage vorlängft aufgeworſen, 
wie denn dle Vernunft zu wiſſenſchaftlichen Kenntuiſſen ges 
langen kann, welchen Umfang, welche Guͤltigkeit, welchen 
Wehrt die Saͤtze in Anſehung der Folgerungen haben, dle 
daraus gezogen wurden. Ohne gegen unſte beſte Philofos 
phen ungerecht zu ſeyn, kann man ihnen dieß Verdlenſt 
nicht abſprechen. Ich koͤnute es Ihnen zugeben, daß es 
uͤbrigens ſehr begreiſlich fey wie eine ſolche Unterſuchung lan⸗ 
ge unterbleiben kann. 

Die mathematiſche Erkenntniß iſt ſchon lange in dem 


Beſitz der Zuverlaͤſſigkeit geweſen. Alleln wodurch anders 


konnte fie zu diefem Beſize kommen, als well die Vernunft 
BS die 


* 


20 eee, 


die Gründe prüfte, worauf ſich diefe Wiſſenſchaſt ftüget, als 
well fie den Quellen nachſpüͤbrete, woraus fie diefe Kennt⸗ 
niſſe ſchoͤpſte. Wenn nun die Vernunft einmal auf die 
rechte Bahn geſuͤhret iſt: fo entſteht daher die guͤnſtige Er⸗ 
wartung, nicht, daß fie in den hellen Köpfen der Denker bey ei⸗ 
ner Wiſſenſchaft die Bahn verlaſſen, ſondern vielmehr auf 
derſelben fortdringen werde. So ganz ſicher kann ſie doch 
nicht ſeyn, daß, wenn ſie in ihren Speculatlonen ſich über. 
dle Erfahrung erhebt, und allgemeine Satze aus ihnen fols 
gert, ſie nie durch Erfahrung widerlegt werde. Dieß 
Schicksal hat fie mehrmal erfahren, daß die Allgemelnheit 
ibrer Saͤtze, wenn ſie zu raſch zur Bildung derſelben ſort— 
ſchritt, durch elne Inſtanz wieder zertcümmert wurde, und 
dieß machte ſie vorſichtig, nicht ihre Erdichtungen nur mit 
mehrer Beputſamkeit zu entwerſen, um ſie gegen klare Wi⸗ 
deripräche zu ſichern, ſondern ihre Gründe genauer zu pruͤ— 
ſen, und es zu unterſuchen, In wle weit fie hinreichend find, 
um die Gültigkeit Ihrer Säge in dem Umfange, welchen 
fie ihnen gegeben hat, überzeugend zu erkennen. So mach— 
ten es unſte Leibnitze, unſte Wolfe, und ſo vlele andre 
deutſche und ausländifhe Philoſophen. Dieß it Wahehelt 
der Geſchichte, welche durch keinen Machtſpruch in Uns 
wahtheit umgeſchaſfen werden kann. 


Die Mathematik glebt uns die glaͤnzendſten Beyſple⸗ 
le, wle weit die Vernunft es in der Erkenntniß a priori, 
nicht in wle weit diefe von aller Erfahrung in Anſehung Ih. 
res Urſprunges, ſondern ihres Innhaltes unabhängig iſt, 
bringen kann. Alle Gegenſtaͤnde, womit fie ſich beſchaͤſti. 
get, konnen wir uns nach Ihrem Ausſoruch in der Anſchcu⸗ 
ung darſtellen. Ich wiuſchte, daß Sie es genau erklaͤret 
hätten, was Sie elgentlich dabey denken, wenn ſie behaup⸗ 
ten, daß wir uns etwas in der Anſchauung darſtellen. Wols 
len Sie damit fo viel ſagen, die Zeichen, worunter wir uns 
die Oegenſtaͤnde la der Geometrie denken, ſind en 

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21 


Worte, ſondern die Gegenſtaͤnde ſelbſt, wovon dle Ver⸗ 
nunft Abſtractlonen, oder allgemeine Begriffe bildet: fo 
hat ſreylich dieſe Wiſſenſchaft dieß vor ollen andern voraus, 
und die Kenntniſſe, welche wir uns durch fie verſchaffen, er» 
halten eine glänzende Klarheit für unfre Vernunft, in wel— 
cher keine Gegenſtaͤnde andrer Wiſſenſchaft uns dargeſtellt 
werden koͤnnen. Allein die unmittelbaren Gegenſtände dies 
fer Anſchauungen find ſtets einzelne Dinge, Linien, Figus 
ren, Körper, welche wir uns durch Abzeichnungen, oder 
durch Körper ſelbſt, worinn wir dieſe erblicken, gleichſam 
ſichtbar machen. So bald wir aber von diefen Anfchau« 
ungen zu den Begriffen ſelbſt empor ſtelgen: fo find wle 
genoͤthiget, durch Sprachzeichen, welche mit den Gegen: 
ftänden ſelbſt gar keine Aehnlichkelt mehr haben, fie uns 
deutlich zu denken. Dieß wären alſo Anſchauungen, wel— 
che von blos relnen Begriffen wenig unterſchieden ſind. Iſt 
dieß Ihre Meynung: jo verſtehen wir Sie, Woferne ſie 
aber dieß nicht ſeyn ſollte: ſo haͤtten Sle ſich beſtimmter er. 
klaͤren ſollen. Die Schuld liegt in Ihnen, wenn Sie auch 
nachdenkenden Philoſophen unverſtaͤndlich bleiben. 


Der Trieb, unſte Erkenntniß zu erweltern, hat kels 
ne Grenzen, weil wir es fühlen, daß unſer Vermoͤgen zu 
denken von dem groͤßten Umfange iſt, und daß wir den Be— 
ruf haben, fo weit auf der Leiter der Erkeunntniß empor zu 
dringen, als noch höhere Stuffen da find, welche unſte Ver 
nunft erſteigen kann. Wenn die Taube Vernunft hätte: 
fo wurde fie ſich nur dann es vorſtellen können, daß ihr Flug 
durch einen Luftleeren Raum ihr beſſer gelingen würde, wann 
fie es nicht wuͤſte, was zum Fliegen nothwendig iſt. Plato 
verließ die Sinnewelt, d. h. ohne Zweifel die Erſohrungen, 
weil ſie ihm zu enge Schranken ſetzten. Allein ſind denn 
alle feine höheren Speculationen fo ganz ohne Grund? Hat 
er gar kein Feld für die Vernunft gewonnen, wo ſie Blu⸗ 
men pfluͤcken konnte, welche auch noch in dem Geblete der 

B 2 Wahr⸗ 


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22 


Wohrhelten ſich In der ſchoͤnſten Bluͤthe eigen? Oleß 
werden Sie doch nicht durchaus leugnen wollen? Er verlor 
ſich freylich nicht ſelten auf den Flügeln ſelner Ideen oder 
vielleicht richtiger auf den Schwingen feiner glühenden 
Imaginatlon in Gegenden, wo unfre Vernunft wegen 
ihrer Grenzen kelnen feſten Fuß faſſen kann, und dieſe nen» 
nen Sie leeren Raum des reinen Verſtandes. Ich geſtehe 
gerne, daß das Bild, welches Sie brauchen, für mich 
mehr Schatten als Acht hat. Unterdeſſen werden Sie doch 
nicht in Abrede ſeyn, daß er ſich als ein groſſer philoſophi⸗ 
(her Kopf dareln verlor, dergleichen die Natur nicht viele 
bervorbringet. Er brachte feinen Verſtond vielleicht mehr 
von der Stelle, als er es haͤtte ſollen, oder ohne Bild zu 
reden, er glaubte mehr Wohrheiten entdeckt, mehr bewieſen 
zu haben, als es ihm die Schranken erlauben, welche noch 
unfrer Vernunft geſetzt find. 


Eile behaupten, daß es das gewoͤhnliche Schickſal der 
menſchlichen Vernunft in der Speculation fen, ihr Gebaͤude 
fo bald aufzufuͤßren als es moͤglich iſt, dann erſt zu unterfu« 
chen, ob auch der Grund gut dazu gelegt ſey, nachher aller. 
hand Veſchoͤnlgungen het bey zu ſuchen, und dleß deswegen, 
daß man ſich wegen der Tüchrigkele troͤſte, oder eine ſpaͤ⸗ 
te und gefährliche Prüfung lieber abweiſe. So haben es 
freutich manche Philoſophen gemacht, aber wahre Denker, 
helle Köpſe unter ihnen hielten zu ſehr auf lhre Ehre, als 
daß fie fo elenden Beyſpielen nachgeahmet hätten. Nun 
glauben Sie die wahre Urfache von dieſer Erſchelnung in der 
philoſophiſchen Welt entdeckt zu haben. Ein groſſer Theil 
und vlellelcht der groͤßte von dem Geſchaͤffte unſrer Vernunft 
beſtehet in Zergliederungder Begriffe, die wir ſchon von Gegen. 
ſtaͤnden haben. Daher eine Menge von Eifenntniffen, wel. 
che, ob fie gleich nichts weiter als Aufflärungen und Erwel. 
terungen desjenigen find, was in unfern Begriffen liegt, dech 
wenlgſtens der Ferm nach neuen Erkenntniſſen gleick ge- 


ſchaͤtzet 


Te 


25 


fhäger werden, wlewohl fie der Materle oder dem Innhalt 
nach die Begriffe, die wir haben, nicht erweitern, ſondern 
nur aus einander ſetzen. 


Ob die Vernunft der Phlloſophen dem groͤßten Thelle 
nach ſich fo befchäfftigee erwelſet, das laß ich dahin geſtellet 
ſeyn. Die Vernunft eines Wolfs, eines Tetens und an- 
drer helldenkender Köpfe hat nicht dleſe Bahn betreten. Sie 
hat den Quellen ihrer Begriffe nachgedacht, nicht bios dies 
ſe entwickelt, ſondern ſie auch in Saͤtze verbunden, ſie gegen 


elnander gehalten, und daher dem Zweck der Wiſſenſchaft, 
welche fie behandelte, gemäß andre Wahrhelten hergeleitet, 


und auf dieſem Pfade ſich wuͤrklich neue Einſichten erworben. 
Sie hat ſich durch dieſes Verfahren eine ausgebreitete Er. 
kenntniß a priori, d. h. aus reinen Begriffen nach der ges 
wohnlichen Sprache der Weltweiſen verſchoffet, welche ei» 
nen ſichern und nuͤtzlichen Fortgang batte. Nicht durch ſal⸗ 
ſche Vorſplegelungen hat ſie zu ihren Begriffen ganz ſremde 
hinzugethan, ohne zu wiffen, wie fie dazu gelangte, und od» 
ne ſich eine ſolche Frage auch nur in Gedanken kommen zu 
laſſen. Dieß iſt Thatſache, durch die Geſchichte bewahrt, 
und ich müßte weniger Achtung gegen Ihre Einſichten ha 
ben, wenn ich mich überreden konnte, daß Sie fähig waͤren, 


das Gegentheil ohne alle Elinſchraͤnkung zu behaupten. 


Ich bin 


4. Brief. 


Mein Herr, 
Se wollen uns hier gonz neue Ausſichten eraͤffnen. Sle be⸗ 
Haupten, daß grade deswegen, well dieſe vor den Augen der 
Weltweiſen bis her in dicke Wolken gehuͤllet waren, ihre Ver⸗ 


nunft fo wenig ſichre Schritte in dem Gebiete der ſpeculatl⸗ 
B 4 ven 


— — — — — — — — — — — en = * 


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2 
ven Wiſſenſchaſten habe thun koͤnnen. Dle Abſicht iſt ſehr 
lobenswürdig. Möchten Sie dleſe in einem hohen Grade 


der Vollkommenheit erreicht haben! Wie viel hätten dann 
die hͤhern W'iſſenſchaften Ihnen zu danken? 


Abeln welche find denn nun dleſe neu eröffneten Ausſichten? 
Vor Ihnen hat man den Unterſchled zwiſchen analytiſchen 
und ſynthetiſchen Urthellen nicht gekannt. Freylich hat man 
dieſen nicht gemacht. In der Vernunſtlehre der Einſichts⸗ 
vollern Weltweiſen hat man wohl zezeiget, wie die Vernunft 
durch eine Aufliiung (dvzAurmw) hoͤhere Begriffe (genera 
fuperiora) bilden, wie fie durch einen Zuſatz (one) 


Beſtimmungen zu den hoͤhern Begriffen hinzuthun kann, 
welche nicht der Wüͤͤrklichkeit ſondern nur der Moͤgllchkelt F 


nach ihren Grund in jenen haben, um Arten (noliones 
inferiores, ſpecies) zu bilden, oder wohl gar bis aufein- | 
zelne Dinge (indiuidu2) herabzuftelaen. Sle haben den 
Unterſchled zwiſchen Beweiſen entwickelt, werinn man von 
dem zu bewelſenden Satz bis auf ihre erften Gründe her. 
abdringe, oder in welchen man ſich von dieſen bis zu dem | 
Soße empor arbeite, welcher bewieſen werden ſollte. Je— 
nen nannten fie einen analytlſchen, dieſen einen ſynthetlſchen 
Beweis. Eie hielten es aber für zweckwidrig, von analy- 
tiſchen und ſanthetiſchen Urtheilen oder Sätzen zu reden, 
Wenigſtens haben ſie an dleſe Abtheilung nicht gedacht. 


Sie glauben aber hier eine wichtige Entdeckung gef 
macht zu haben, worauf Sie ſich in der Folge ſehr oſt be. 
rufen, und vieles erbauen zu koͤnnen, ſich überreden. Oh: 
ne Zweiſel haben Sie hier vorzüglich auf theoretiſche Saͤtz: 
Ruͤckſicht genommen, und erklären ſich vornehmlich nur über 
bejahende Urthetle, weil die Anwendung auf vernelnende 
ſehr leicht gemacht werden kann. In jedem Urthelle den. 
ken wir uns das Verhaͤleniß des Praͤdicats zum Subiect. 
Entweder gehoͤret das Prädicat B zum Suhiect A, als et 
was, was in dieſem Begriff A (verſteckter Weiſe) enthalten 

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Ift, oder B liegt ganz auffer dem Begriff A, ob es gleich 
mit dem: !ben in Verknuͤpfung ſteht. Im erften Fall nere 
ren Sie das Urtheil anaſptiſch, in dem andern ſunthetiſch. 


Cie wollen alſo diefenigen Urthtile, in welchen die Verfnüps, 


J 


fung des Präricats mit dem Subiect durch Identltaͤt ge 
dacht wird, analytiſche, dlejenigen aber ſynthetiſche nennen, 
in welchen die Vernunft ſich dieſe Verknupfung ohne Iden⸗ 
titaͤt denket. Eclauben Sie mir, daß ich einige hieher gehoͤ. 
rige Begriffe entwickle, um dieſe Ihre Abtheilung vach rich⸗ 
tigen Gtundſaͤtzen prüfen zu können. Ein jedes Subiect, 
welchem ein Praͤdicat beygelegt wird, denken wir uns als 
eine Sache, welche ihr eigenthuͤmliches Weſen hat, und 
dieß drucken wir in dem Begelff aus, welchen wir uns von 
ibm macher. Das Weſen ſelbſt kann aus mehrern weſent— 
lichen Theilen beſtehen. Wit können alſo das ganze We— 
fen, oder einzelne, oder mehrere weſentliche Theile zum Praͤ. 
dicat dee Subiectes machen. Im erfien Fall entſpringen 
vollkemmen identiſche, im andern Foll unvollkommen iden⸗ 
tiſche Sötze. Ein Beyſpiel von der erſten Art iſt dieſer 
Satz: ein Triangel it ein Raum, von drey Linien einge— 
ſchleſſen, ein Beyſpiel von der letzten Art iſt dieſer: eln 
Triangel iſt eine Fiaur. Alles, was einem Subiect, für 
ſich betrachtet, aufömt: iſt entweder das Weſen ſeſbſt, oder 
dasjenige, wis in dem ganzen Weſen, oder in einem, oder 
mehrern Theilen deſſelben vollkommen gegruͤndet iſt. Es 


llegt alſo entweder offenbar, oder verſteckter Weiſe, in dem 


Weſen oder in dem Begriff des Eublecte, Von dieſen bey» 
den Eigen: eine Figur, die von drey Linien elngeſchloſſen 
iſt, hot auch drey Winkel; die drey Winkel in einem Tris 


angel find zwey rechten Winkeln gleich; kann der erſte zur 


Erlaͤuterung des erſten, der letzte zur Aufklaͤrung des letzten 
Falles dienen. Saͤtze von der erſten Art nennet man Grund— 
ſaͤtze, (Arlomen), weil unfre Vernunft die Wahrheit derſel 
ben nach einer unſter Denkkraft angedohrnen Grundregel, 
welche wir in dem Satz des Widerſpruches ausdrucken, am 

B 5 er⸗ 


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erkennen muß. Iſt zwar das Praͤdlcat in dem Sublect 


vollkommen gegruͤndet, llegt aber der Grund für unfre Ver. 
nunſt verſteckt in dem Begriff oder Weſen des Sublects: 


fo wird biefes, für ſich betrachtet, dadurch nicht erweitert, 
fondern nur mehr entwickelt, wenn wie dleß Praͤdlcat hin. 


zudenken. Unfre Erkenntniß von ihm wird freylich dadurch 
erweltert. Wir muͤſſen uns nun nach Bewelſen umſehen, 
wodurch es uns klar wird, daß dieß Pradicat nicht ganz 
auffer dem Weſen oder dem Begriff des Sublects, ſondern 
vlelmehr in Ihm als elne Beſtimmung angetroffen wird, 
welche in dem Weſen deſſelben hlarelchend gegruͤndet iſt. 
Satze von der Art, deren Wahrheit wir nicht ohne Bes 
welſe für guͤltig erkennen koͤnnen, helſſen Lehrſätze (tbeore⸗ 
mata). Sie find Erwelterungsſaͤtze nicht in Anſehung des 
Weſens, oder des Begriffs vom Sublect, ſondern blos In 
Rückſicht der Eckenntulß, welche wir von ihm erhalten. 


Wir fönnen aber auch Praͤdleate mit Sublecten ver⸗ 
binden, welche nicht ihrer Wuͤrklichkelt, ſondern blos ihrer 
Moͤglichkelt nach ihren hinreichenden Grund in dem Weſen 
der Sublecte haben. Dieſer Fall wird allemal elntreten, 
wenn mir höhere Begriffe (gene ra) zum Sublect, und dle 
ſpeclviſchen Differenzen, oder zufälige Beſtlmmungen zum 
Praͤdleat machen. Hiedurch wird der Begriff des Sub. 
lects, für ſich betrachtet, erweitert, und die Satze, die 
daher entfpringen, wenn bloß der Begriff des Dinges zum 
Sublect gemacht wird, koͤnnen keine andre als Particular 
ſaͤtze werden. Z. E. einige Figuren find Quadrate; einige 
Menſchen find Philoſophen. Nur dleſe allein koͤnnen in Ans 
ſehung des Subiects Erweiterungsſaͤtze genannt werden, und 
werden es auch in Ruͤckſicht unfrer Erkenntniß ſeyn. Bey 
dieſen wird elgentlich Identltaͤt des Praͤdicats mit dem 
Sublect ausgeſchloſſen. 


Allein 


ſe in 
ſen 

oder 
ſynt 
log! 
Zu | 


nen 


iu 


Alleln Ihre Eintheilung von analytiſchen und ſynthe— 
tiſchen Saͤtzen, von Erlaͤuterungs und Erweiterungsurthel⸗ 


len hat einen ganz andern Grund. Sie nennen blos dies 


fe analytiſch, in welchen das Praͤdicat im Sublect iden⸗ 


tiſch enthalten iſt, oder worinn das Praͤdicat entweder das 


ganze Weſen, oder weſentliche Thelle oder Beſtimmungen 
bezeichnet, welche offenbar in dem Begriff des Sublectes 
angetroffen werden, weſche Satze ſelbſt alſo Axiomata in der 
Schule der Weltweiſen genannt werden. Synthetlſche find 
in Ihrer Sprache ſolche, worinn das Prädicat B ganz aufı 
fer dem Begriff A lieget, ob es zwar mlt demſelben in Ders 


früpfung ſteht. Nach dieſer Erklärung ſollte man glauben, 


fie redten von Saͤtzen, in welchen das Praͤdicat eine zufaͤlli⸗ 
ge Beſtimmung vem Subiect bezeichnet. Es erhellet aber 
aus dem Gebrauch, welchen Ele von dleſen Sägen machen, 
daß Sie dadurch ſolche verſtehen, worinn das Praͤdieat zwar 
ſeinen Grund in dem Weſen des Subleets hat, wir aber dies 
ſen nicht anders als durch Vergleichung mehrer Begriffe 
eder nicht ohne Beweis in ihm erblicken koͤnnen. Diefe Ihre 
ſynthetiſche Säge find alfo grade diejenigen, welche in allen 
logtken laͤngſtens Lehrſaͤtze, (theoremata) genannt wurden. 
Zu welcher Claſſe wollen Sie aber nun folgende Eäße rech— 
nen — Einige Koͤrper ſind Pyramiden, einige ſind Kegel, 
und fo unzählige von der Art? Wollen Sle di:fe mit uns 
ter Ihre ſynthetlſche begreifen: fo wird Ihre Sprache das 
durch ſehr ſchwankend. Rechnen Sie dleſe nicht dazu: fo 
sehören fie zu keiner von beyden Claſſen, fo iſt dleſe Ihre 


Abtheilung ſehr unvollkommen, und der Grund, worauf ſie 


ſſch ſtützet, hat keinen feſten Boden. Sie haben uns hier 
clio zwar eine neue Terminologie vorgelegt, aber keine Eln⸗ 
(heilung der Saͤtze entdeckt, welcht uns dunkle Gegenden 
in dem Gebiete der Wiſſenſchoften aufhellen koͤnnte, eb fie 
gleich wohl Verirrungen des Verſtandes in den Schlüffen 
erzeugen kann, welche er daraus folgert. 


5 — — — —— — — — 
— —ämUÜ—xvrvr“r.ti — — — — ——¼ ——ũẽ — 


Sie brauchen zur Erläuterung Ihrer analytiſchen Si. 1 
tze dleß Benfpiel: alle Körper find ausgedehnt; und dieß 
Beyſplel beweifet, daß ich Ihre analytiſchen Saͤtze richtig 
erklaͤret habe. Alle Körper find ſchwer. Durch dieß Ur- N 
theil wollen Sie Ihren Begilff von ſynthetiſchen Saͤtzen 
erläutern. Allein ich muß geſtehen, daß Ste mich durch N 
diefen irre machen, oder daß er auch hieher ncht gehöre || 
Schwere ift fein Praͤdicat, welches in dem Weſen des Kin! 
pers ſelbſt gegründet iſt. Wir denken uns darunter den 
Druck des Körpers nach dem Mittelpunct der Erde. Die.“ 
fen aͤuſſert er nun nicht vermöge feines bloſſen Weſens, ſon 
dern nach einem Maturgeſetze vermöge der Verbindung, in] 
welcher er durch die Atmosphare mit der Erde ſteht. Set.“ 
ne Schwere treibt ihn auf Puncten der Erde, dle ſich dia 
metrallter entgegengeſetzet find, grade nach entgegengeſetz,“ 
ten Richtungen in elner graden Knie, deren Witte ber Mit: 
telpunct der Erde It. Sie kann alfo nicht in ihm allein Ip} 
ren hinreichenden Grund haben. Er koͤnnte alſo in elner 
andern Verbindung, worlun dieß Naturgeſetz ſich nicht 
wlrkſam beweiſen kann, wohl keine Schwere, Feine drücken 
de Kraft nach irgend einem beſtimmten Puncte äuffern, un! 
alſo ohne dieſe feyn. Folalich kann die Vernunft eigens 
lich eben ſo wenig ſagen, alle Koͤrper ſind ſchwer, als all 
Flguren find Vierecke. Diefer Satz gehörte alſo zu der 
Partlcularſätzen, und folglich zu den eigentlichen Et weiten 
rungsfägen in Anſehung des Sublects, in welchem das Pro 
dieat nicht der Wuͤrklichkelt, ſondern blos der Moͤglichkel 
nach qegründer iſt, und welches alſo nicht in dem Begei 
des Sublects liege. Allein fo denken Ste ſich doch di 
ſynthetiſchen Säge nicht. Denn ſonſt hätten dieſe nur aß 
Partlcularſätze ihre Gültlgfeit. Ich will eln andres Ur 
theil herſetzen: Ein Dreyeck hat drey Winkel, welche zufanf' 
mengenommen zwey graden gleich ſind. Wohln rechne 
Sie dieſen? Ohne Zweifel nicht zu aualytlſchen fondern iı 
ſonthetiſchen Satzen. Sie werden in der Golge oft von du 

le 


— — 


-29 


fen reden. Es iſt aber aͤuſſerſt unangenehm, und macht 


die Prüfung beſchwerlich, daß Sie durch Ihre Erklarung 


der ſynthetiſchen Satzen uns keinen genau beſtimmten Etands 


punct angewleſen haben, woraus wir Ihre Folgerungen 


beurtheilen können. 


Alle Erfahtungen find nach Ihrer Behauptung durch— 
aus ſynthetiſch. Warum denn dieſes? Sie ſagen, es 
märe ungereimt, einen analytiſchen Satz auf Erfahrung zu 
gründen, weil ich aus meinem Begriff gar nicht hinausge— 
ben darf, um das Urtheil abzufaffen, und alſo kein Zeuge 
niß der Erfahrung noͤthig habe. Allein ich koͤnnte dem⸗ 
ohngeachtet doch wohl fragen, wie kam denn meine DBers 
nunft zu dleſem anolytiſchen Satze? Ich gehe zu elnem 
Kuͤnſtler, und frage ihn nach einem feiner Kunſtwerke, was 
es il, Er antwortet mir — eine Uhr. Ich moͤchte auch 
gerne ihren Zweck kennen, und er befrlediget mir meine 
Neubegierde. Er zeigt mir den Mechanismus der Uhr, 
und belehret mich, daß der Zweck derſelben fen, die Minu⸗ 
ten und Stunden des Tages genau anzuzeigen. Nun bile 
de ich den Satz. Dieſe Uhr iſt eine Maſchiene, welche durch 
ihre innre Zuſammenſetzung die Minuten und Stunden des 
Tages anzeiget. Iſt dieſer nun ſynthetiſch oder analytiſch? 
Nicht das erſte ſondern das letzte nach Ihrer eignen Erfläs 
rung, alio ein analytiſcher Erfahrungsſatz. Ich werfe 
vermoͤge meiner Vernunſt die individuellen Beſtimmungen 
weg, und denke mir den Satz, eine Uhr iſt eine Maſchl— 
ne. fi er nicht noch immer analytiſch? Weher entſtand 
er? Nicht aus Erfahrung? Hot meine Vernunſt nun 
einmal den analytiſchen Erfahrungsſotz — dieſe Uhr iſt eine 


Maſchine, wodurch Minuten und Stunden des Tages ane 


gezeiget werden ſollen, zu einem allgemeinen erhoben: fo 
liegt in dem Begriff, welchen ſie ſich durch Erfahrung von 
der Uhr machte, der Begriff der Maſchine, und ſie darf 
ſich nicht erſt, um ſich von der Wahrheit dieſes Satzes, 

Uhren 


Uhren find Maſchlnen, zu überzeugen, auf Erfahrung bes ſt e. 


rufen, ſondern dle Vernunft erhält bey Vorausſe zung des 


det, 


aus Erfahrung gezogenen Begriffs von der Uhr, nach der griff 
Anwendung ihrer Grundregel, welcher in dem Satz des daß 


Wlderſpruches ausgedruckt wird, von der Wahrhelt dieſes 
Sages elne vollkommne Gewißhelt. 


Auf elne ahnliche Art kann ich dleſes von dem Sa⸗ 
tze, ein Körper iſt ausgedehnt, zeigen. Man entziehe uns 
free Seele das Vermögen, Erfahrungen zu haben: fo würs 
de fie auch unfähig ſeyn, ſich den Begriff von einem Koͤr⸗ 
per zu machen. Hat fie dieſen erft durch Beobachtungea 
gebildet, und verknuͤpft ihn mit dem Sublect, Körper: fo 
entſteht der analyılibe Erfahrungsſatz, dieſer Körper iſt 
ausgedehnt. Dle Nothwendigkelt in dieſer Verbindung des 
Sublects mit dem Praͤdicat kann durch dle Erfahrung nicht 
gelehrt werden. Die Vernunft erkennt vielmehr, wenn 
fie erſt ſich einen Begriff vom Körper durch dle Erfahrung 
gebildet hat, die nothwendige Verknuͤpſung des Prädlcats 
mit dem Sublect, well ſie ſonſt, wenn ſie dos Praͤdicat 
leugnen, und doch das Sudlect ſetzen wollte, in dieſer Den— 
kungsart elnen Widerſpruch gewahr wird, und ſich nun durch 
eine Naturnothwendigkeit gezwungen fühle, die Richtigkelt 
des Satzes, eln Koͤrper iſt ausgedehnt, anzuerkennen. Sie 
müjfen ſelbſt behaupten, daß wir den Begriff des Körpers 
durch Erfahrung abgezogen haben. Allein wenn wlr nun 
dieſen Begriff, oder einen Theil deſſelben als Praͤdicat mit 
dem Körper in elnem Satz verbinden: entſpringt dann nicht 
eln analytiſches Urthell, und glebt dleß nicht offenbar elnen 


Erfahrungsfaß ? 


Setzen wir Schwere als ein Praͤdlcat zu demſelben 
Sublect: fo erweitern wir nicht blos unfre Erkenntniß, wel⸗ 
che ſich blos auf den Begriff des Körpers gruͤndet; ſondern 
auch den Begriff ſelbſt, und zwar durch die Erfahrung. ER 

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iſt es alſo, worauf ſich die Moͤglichkelt der Syntheſis grüne 


det, wodurch wir das Praͤdicat. Schwere, mit dem Be— 
griff des Körpers verbinden. Die Erfahrung lehret uns, 
daß Körper ſchwer ſind, und weil Wuͤrklichkeit ohne Möge 


lichkeit einen Widertpruc in ſich ſaßt: jo erhalten wir da⸗ 


durch eine vollkommne Ueberzeugung, daß Koͤrper ſchwer 
ſeyn konnen, und doß alſo die ſynthetiſche Verbindung in 
dieſem Fall auſſer allem Zwelſel gesetzt if. Ueber Ihre 
ſynthetiſche Verbindung der An ſchauungen erfläre ich mich 
izt nicht, weil die Eroͤrterung dieſer Sache hier nur am une 
rechten Orte ſtehen würde. 


Bey den ſynthetiſchen Urtheilen a priori ſoll dle Er— 
ſahrung als ein Hülſsmittel voͤlllg fehlen. Erlauben Sie 
mir, daß lch Ihnen erſt die Frage vorlege: Reden Sie hier 
von ſynchetiſchen Sätzen, welche ſonſt in der Logik Lehrſä— 
be heiſſen, oder von ſoſchen, worinn das Praͤdicat von dem 
Subiect eine bles zufällige Beſtimmung iſt, oder von bey— 
den zugleich? Einer von dieſen drey Faͤllen muß doch wohl 
ſtatt haben. Was denken Sie ſich unter Urtheilen a pri- 
ori, ſolche, welche von aller Erfahrung auch in Anſehung 


ihres Urſprungts, eder ſolche, welche von ihr in Anſehung 


ihres Innhaltes unabhängig find? Wuͤrden Sie hier ſich 


ene denken: fo muͤßte ich Ihnen dagegen einwenden, daß 


Sie, wie ich glaube gezeigt zu haben, weder ihre Moͤßllch⸗ 
feit noch Ihe Daſeyn in einem Geiſte von der Art, wie 
der unſrige iſt, dewieſen haben. In Anſehung der erſten 


drey Fragen haden Sle ſich zu unbeſtimmt erklaͤrt, als daß 


id darauf genau zu antworten wuͤſte. Vielleicht geben uns 


Ihre ſerneren Entwicklungen mehr Licht, um etwas ent 


(heiden zu koͤnnen. Wenn Sie über den Begriff A hl. 
aus gehen, um einen andern als damit verbunden zu erken⸗ 
nen, was iſt das, fragen Sie, worauf lch mlch ſtuͤtze? Waͤ. 
te hler die Rede von Saͤtzen, worinn ein zufälliges Prä« 
cat mit dem Eublect verbunden wird: fo würde theils die 
| Er» 


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32 e 
Erſahrung, thells dle Hypotheſe, unter welcher ich das Sub» 
lect denke, und wodurch dasjenige, was blos bey ihm mög. dle 
lich war, würklich wird, mich dieſe Syntheſin, und alſo] kenn 
auch ihre Moͤglichkeit lebren. Sie ſcheinen mir aber ſich felbe: 
bier die ſontbetiſchen Sätze fo, wie wir uns die dehrſätze, gel d 
(cheoremata) zu deaken, weil Sie ſich auf den Satz, #5 ' 
alles, was geſchieht, hat feine U-fame. berufen. Geſche⸗ darf 
hen, Urſache, find fteylich Begtiſſe, wovon der erſte nicht ſich 
den letzten einſchlieſſet, der letzte aber dech nicht ohne den hrer 
erſten gedacht werden kann; ende haben in Anſehung gel a 
ihres erſten Urfprungs in unſter Seele die Erfahrung zur che di 
Quelle. Alleln ihre Verbindung in einem Satze — iſt dieſeſo] keael 
ſehe das Werk unſrer bloſſen Vernunft, daß die Erſah F laͤuſe 
rung biebey ohne allen Einfluß bieiber? Auch dieß moch] gene 
te ich nicht beweiſen. Schon (ehr gnug entſchtieſſen wir griff. 
uns Abſichten zu errelchen, unb ſuchen Mittel auf, um zu verlaͤ 
jenen zu gelangen. Die Abſichten denken wir uns ls Not 
Dinge, die geſchehen ſollen, und die Mittel als Urſochen,] ſeine 
wodurch fie geſchehen. Die Erfahrung lehret uns in tau⸗ 
ſend Fällen, daß viele Dinge, die ſich ereianen, ihre Uri. 
chen haben. Hler erwächſt alſo in unirer Seele dieſer Ers | End 
ſahrungsſatz, manches, was geſchieht, hat feine Urtache. über; 
Wir werden in tauſend Fällen durch die Erſab:ung von 2 pr! 
der Richtinkeit dieſes Satzes und ſolglich von der Syn. ſo ho 
theſis des Praͤdleats mit dem Subdiect belehrct. Hier iſt unſre 
alſo das unbekannte x, wie Sie es nennen, entdecket, wor⸗ durch 
auf ſich der Verſtand bey Verknuͤpſung dieſes Prädicats] zu be 
mit dem Subiecte ſtuͤtzet, und dleß iſt die Erfahrung. Als braut 
fein nun kann ſich unfce Vernunft über die Erfahrung ers f dieß 
heben, wenn ſie die Frage aufwirft, iſt es denn durchaus] fäße 
nothwendig, daß alles, was geſchieht, feine Urſache haben] aus 
muß? Die Entscheidung dieſer Frage kann nicht mehr von Waß 
der Erfahrung erwartet werden, ob fie gleich unfrer Vet, welte 
nunſt Gelegenheit gab, die Verbindung des Prädicats mit gegen 
dem Subiecte ſich zuerſt zu denken. Sie würds aber auch 9 
die Den 


33 


die Allgemeinheit diefes Satzes aus feinen Beariſſen zu ers 
kennen fähig ſeyn, wenn die Natur, oder der Urheber der, 
ſelben ihr nicht vorgearbeltet haͤtte. Er hat uns eine Re— 
gel des Denkens eingepflanzt, welche wir uns in dem Grund, 
ſotz von zurelchenden Gründen deutlich vorſtellen. Diefe . 
darf unfre Vernunft nicht leugnen, wenn fie anders nicht 
ſich ſelbſt zerſtoͤren will. Durch eine innre Nothwendidkeit 
ihrer Natur wird fie gezwungen, dle Richtigkeit die er Mes 
gel anzuerkennen. Will unſer Geiſt von den Feſſein, wel— 
che dieſe feine innre Nothwendiakelt einer angebobrnen Grurds 
\ regel des Denkens ihm angelegt hat, ſich loßteiſſen, und 
taͤuſcht er ſich durch einen ſeltſamen Traum, ſich davon j-ey 
gemacht zu haben: fo findet er weder a priori in den Be- 
griffen noch a poſteriori in der Erfoprung irgend etwos zus 
verlaͤſſiges, wodurch er ſich von der Allgemeinheit und 
Nothwendlakeit dieſes Satzes, alles, was geſchleht, hat 
feine Urſache, uͤberzeugen Eönnte, 


In den ſpeculativen Wiſſenſchaften iſt ſreylich dieß die 
Endurſache, daß wir uns von Lehrſaͤtzen eine richtige und 

‚5 überzeugende Erkenntniß aus allgemeinen Begriffen, oder 
a ptiori verſchaffen. Nennen Sie dieſe Ermeiterungsfäge: 
fo habe ich nichts dagegen, in wie weit fie es in Ruͤckſicht 
unfrer Erkenntniß find. Ich ſehe aber keine Urſache, mo» 
„durch Sie berechtiget wären, von ſynthetiſchen Grundſaͤtzen 
zu reden. Bisher haben Sie dieſen Ausdruck nicht ges 
braucht, vielmeniger erklart. Wollen Sie vielleicht nur 
dieß dadurch anzelgen, daß die hinreichend bewieſenen Lehr“ 
ſaͤtze wieder als Principlen angeſehen werden koͤnnen, wot— 
1 aus unſre Vernunſt neue Folgerungen machen, oder neue 
Wahrheiten herleiten, und ihre Kenntniß aus Begriffen er» 
weitern kann: fo würde ich um deſto weniger ein Wort da⸗ 
gegen einwenden, je haͤuffiger Philoſophen und Moathemo- 
tlker mit ſehr gutem Erfolg dieſe Bohn gegangen fird. 
Denken Sie ſich aber ſparhee lte Geundſaͤtze als Erwelte⸗ 

| run 


rungen unfrer Erfenntniß a priori, welche von allen Er⸗ 
fahrungen auch in Anſehung ihres Urſprunges durchaus uns 


abhängtg iſt: fo würden Sie erft bewelſen muͤſſen, daß der 


menſchliche Gelſt derſelben fählg iſt, durch welchen Bes 
wels Sie ſehr verpflichten würden Ihren ergebeaſten ꝛc. 


5. Brief. 
Mein Herr, Du, 


S inte es denn wohl fo ausgemacht ſeyn, doß In allen eheores | 


tiſchen Wlſſenſchaſten ſynthetiſche Urtheile a priori als Princi- 
pien enthalten find? Sie wollen dieſes beweiſen. Allein laſſen 
Sle uns erſt uns darüber einverſtehen, von welchen ſynthe⸗ 
tiſchen Sägen hier die Rede if, Nicht Sätze, deren 
Praͤdicat elne zufällige Beſtimmung des Subiects bezeich- 
net, kommen hler in Betracht. Dleß iſt mir aus Ihren 
folgenden elnleuchtend. Sie denken ſich hier unter fonıhea 
tiſchen Sägen ſolche, worinn das Prädicat zwar dem Sub⸗ 
lect als eine nothwendige Beſtimmung zukoͤmmt, aber un. 
ſre Vernunft dieſe Syntheſis nicht allein aus dem Begriff 
des Subleetes her zuleiten fähig it. Solche Saͤtze find den 
Phlloſophen längft unter dem Namen der Lehrſaͤtze bekannt 
geweſen. Wenn ſie richtlg bewleſen find: fo werden fie in 
allen Wiſſenſchaſten den Grundſätzen glelch geſchaͤtzet, un) 
man hat fie dazu gebraucht, um aus Ihnen, als vollkom⸗ 
men bewleſenen Wahrheiten, andre zweckmaͤſſig herzuleiten, 
und fie alſo in fo welt als Prinelpien angeſehen. Allein 
von dleſen ſchelnen Sie nlcht zu reden, ſondern von ſolchen, 
welche bisher der menſchlichen Vernunft entgangen ſind. Sie 
konnen ſich hier alſo keine ſynthetiſche Saͤtze denken, wel⸗ 
che ihres Innhaltes wegen von der Erfahrung unabhängig, 
und deswegen ſynthetiſche Saͤtze a prlori find. Wenn gleich 
dieſe Tetminologle bisher nicht von Philoſophen gebraucht 

iſt: 


EEE 
33 


iii: fo iſt doch dle Sache ſelbſt ihnen laͤnaſtens bekannt ge. 
weſen, und fie haben von ihr mit dem glüuͤcklichſten Erfolg 
einen zweckmaͤſſigen Gebrauch gemacht. Sie reden von Inne 
thetiſchen Saͤtzen a priori, d. h. nach Ihrer Erflärung von 
ſolchen, welche ſchlechterdings von aller Erfahrung auch in 
Anſehung ihres Urſprunges unabhängig find. Allein weder 
das Dafeon noch dle Moͤglichkelt ſolcher ſonthetiſchen Soͤtze 
in unſter Seele iſt bisher von Ihnen bewleſen. Wollen 
Sie alfo darthun, daß dleſe in allen tbeoretiſchen Wiſſenſchaf⸗ 
ten als Principlen vorkommen: fo muͤſſen Sie entweder 
jenen Bewels erſt führen, oder uns aus den Wiſſenſchaften 
ſolche Saͤtze herausheben, welche als Principien in ibnen 
gebraucht ſind, und auf welche die Merkmale angewandt 
werden koͤnnen, welche Sie zu ſynthetiſchen Saͤtzen a prio— 
ri erſodern. Wir müffen alſo nachſorſchen, was Sie ge 
leiſtet haben. 


Sie behaupten, daß alle mathematiſche Saͤtze durch 
aus ſonthetiſch find. Allein durch dieſe Behauptung wird 


nichts entſchleden. Welcher Mathematiker wird dle Gul. 
tigkeit dieſes Ausſpruches anerkennen? Werden fie nicht alle 
ihre Axiomen, nicht alle ihre Erklaͤrungen von ihren Ge— 
genſtaͤnden, nicht alle unmittelbare Folgen aus di⸗ſen, nicht 
alle ihre Particularurtheile, nicht den groͤßten Theil ihrer Saͤ— 
tze in der angewandten Mathematik Ihnen entgegenſtellen? 
Werden fie nicht durch alles dieſes berechtiget zu ſeyn glau« 
ben, Ihren Sog, welchen Sie ohne alle Beſtaͤttiaung fo 
bingeworfen haben, für ungültig zu erklaren, nicht desmes 
gen, weil er den Bemerkungen der Zergllederer der Ver. 
nunft entgangen iſt, ſondern weil er der Erfahrung, wel— 
che fie in theoretiſchen Wiſſenſchaſten haben, gradezu wider⸗ 
ſpricht, nicht deswegen, weil er allen ihren Vermuthun— 
gen entgegengeſetzt iſt, ſondern weil er von den ſichern 
Kenntniſſen der Wahrheiten verworfen wird. Er kann ale 
ſo weder unwiberſprichlich . noch in der Folge von Wich. 

2 tlg; 


— 


* 


tigkeit ſeyn. Denn dieſe ſetzet feine Wahrheit voraus. Eis Fi 
gentlich finden die Mathematiker es nicht, daß alle ihre 


Schluͤſſe nach dem Grundſatze des Widerſpruchs ſortgehen, 5 


ſondern daß in ihren directen Beweiſen der Satz von zurel⸗ 
chenden Gründen Ihnen die größten Dienfte lelſte, und daß 


man ihre Folgerungen nicht leugnen koͤnne, wenn man nicht . 


die Gultigkeit des erſten Grundſatzes verwerſen will. Sie 
glauben nickt, daß ihre Ariomen aus dem Satze des Wider 


ſpruchs erkennt werden, als nur in fo welt, well das Praͤ. 


dicat B beſtimmt in ihnen llegt, und ſolglich das Präbicat, 
nicht B, ohne Widerſpruch nicht mehr mit dem Eubiect | 
verbunden werden kann. Sie erkennen nicht aus dem Sag 
des Widerſpruchs, doß dle vler Winkel in elnem Viereck vier 
rechten Winkeln gleich find, ſondern nur dleß ſieht die Ver⸗ 
nunſt ous ihm ein, daß fie das Gegentheil nicht behaupten 
kann, wenn fie ſich anders nicht gegen elne nothwendige 
Grundregel des Denkens empoͤren will. Können fie ſich 
bierinn geirret haben? ie haben es auch laͤugſtens ſehr 
gut gewuſt, daß aus einem bewleſenen Theorem als aus 
einem Princlp andre heraeleltet werden koͤnnen, und ſchlleſ⸗ 
fen noch dem Satz des Widerſpruchs, daß das Gegentheil 
des Praͤdlcats mlt dem Sublect nicht ohne Irrthum vers 
bunden wird. Nennen Sie dieſe Theoremen ſynthetiſche 
Satze a priori nach Ihrer Erklarung: fo koͤnnen Sle die 
fe dem Mathematiker nicht aufdringen, well Sie es bisher 
noch nicht bewleſen haben, daß es ſolche in unſter Eee 
le gebe. 


Mlt welchem Grunde Finnen Sie behaupten, daß eie FE 
gentliche mathematlſche Saͤtze jederzeit Urtheile a priori! 
find? Sie berufen ſich zwar darauf, daß dieſe Nothwen⸗ 
digkeit bey fi führen, welche aus Erfahrung nicht abges 
nommen werden konnen. Sind denn dieſe Saͤtze, einige 
Trlangel haben gleiche Winkel, einige Vielecke find reguläre 
Flguren, einige Körper find von ſechs glelchen Quadraten 

eins | 


24 


37 


elngeſchloſſen, Peine eigentliche mathematiſche Urthelle? Wo 


iſt hier Nothwendigkeit? Nun ſind Sie gezwungen, die All— 
gemeinheit ihres Satzes, alle mathematiſche Urtheile ſind 


ſonthetiſche Saͤtze a priori, wieder aufzuheben? Steht dieß 


aber nicht in Widerſpruch mit demjenigen, was Sie vor— 


her behauptet haben? Sie wollen Ihren Satz auf vie 
reine Mathematik einſchraͤnken. Lllein auch in dieſer 
giebt es unzählige Säge, welchen die Nothwendigkelt fehlt, 
und dieſe Wiſſenſchaft wird nicht deswegen reine Mathema— 
tik genannt, weil fie Wahrheiten in ſich faßt, deren Er— 
kenntniß von aller Erfahrung auch ihrem erſten Urſprunge 
nach unabhangig iſt, ſondern weil fie aus allgemeinen Be— 
griffen ihre Saͤtze herleitet, und fie ohne Ruͤckſicht auf Er— 
fahrung bewelſet. Sie wollen es darthun, daß der Satz 
7t5 = ı2 nicht blos eln anatytiſcher Satz ſey. Wir mols 
len Ihren Beweis prüfen. Hier iſt er. Der Begriff von 
2s enthält nichts weiter als die Vereinigung beyder Zah— 
len in eine einzige, wodurch ganz und gar nicht gedacht wird, 
welche die einzige Zahl fen, die beyde zuſammenfaßt. Als 
lein ich werde Ihnen dieß darauf antworten: 75 enthält 
nicht blos die Vereinigung beyder Zahlen in eine einzige, 
ſondern in dle einzige, welche die Summe von beyden iſt. 
Aus dem Soße, welchen Ste doch für einen analytiſchen 
werden gelten laſſen, die Theile zuſammengenommen ſind 
dem ganzen gleich, folgt nach dem Satz des Widerſoruchs, 
daß 8 57 als Theile zuſammengenommen ihrer Summe 
gleich ſind. Welche iſt dieſe? Dieß zelgt mir nicht der 
Ausdruck, ſondern die Zahl, die ich durch 12 ausdruͤcke, 


und folglich der Begriff von 12, daß. fie es ſelbſt iſt. Folg⸗ 
lch erkenne ich aus dem Begriff von 12 und von 517, 
daß ich ohne Widerſpruch nicht anders denken kann, als daß 


12 das Ganze und 5 7 feine Theile zuſammengenommen 


bezeichne. Nehmen Sie einmal, daß dieſer Satz 5t7 2 
ein ſynthetlſcher und folglich ein Satz ſey, der bewleſen were 
den muß. Selten Sie feine Gültigkeit aus einem andern 


C 3 a forte 


* — 
. nn ie — LLC ELLLLELBLLLLELE rn 


38 ü 


ſynthetiſchen Soße her, der alfo für unſre Vernunft mieber 
eines Beweiſes bedarf Welcher iſt denn dieſer und woher 
find Sie von feiner Gͤͤltigkelt als einem Princip überzeugt ? 
Werden Sie, um hen Satz zu beweiſen, nicht zuletzt zu 
analytiſchen Urtheilen, oder zu Grundſaͤtzen Ihre Zuflucht 
nehmen muͤſſen? Warum betreten Sie denn nie eine fole 
che Bahn, welches doch durchaus noͤthig wäre, um uns zu 


zeigen, wie Sie ſynchettiche aus andern ſynthetiſchen Sät⸗ 


jen auf einem uns bisher unbekannten Wege io herzuleiten 
wiſſen, daß unfre Vernunft von der Wahrheit derfelben 
vollfommen übertührer wird?? Ste berufen ſich auf eine 
Methode, die Segner in feiner Arithmetik gebraucht hat. 
Wech- iſt denn die te, und wie folgt daraus, daß dleſer Satz 
st; SD: ein ſynthetiſcher it? Segner will ſelnen Zu« 
hoͤrern zeigen, wie fie eine Anſchauung von dleſem Satz ers 
halten koͤnnen. 


Er nimmt feine fünf Finger zu Hülfe, läßt fie el⸗ 
nen nach dem andern als Einheiten zu 7 hinzulaͤhlen, und fo 
mit deu legten bis zu 12 hlaufſtelig'n. Allein wozu ges 
braucht er dieß Huͤlſs mittel, deſſen er ſich nicht einmal, oh⸗ 
ne dusgelacht zu werden, bey feinen Zuhörern bedienen 
darf, wenn er fie nicht als fehr einfältige Jünglinge voraus⸗ 
ſetzen kann Will er fie etwa davon belehren, daß fie nicht 
aus dem Begriff von 12 als einer beſtummten Summe es 
ſchlieſſen koͤnnen daß ſie aus 57 zuſammengeſetzt it? Nichts 
weniger als dieſes. Er will ihnen nur eine lebhafte Vor— 
fiellung von 12 als einer Summe durch dieß ſinnliche Bild 
machen, Damit fie deſto ?lärer es einſehen, wie der Begriff 
12 aus 5 f 7 zuſammengeſetzet iſt. Dieſer Weg, welchen 
er nimmt, iſt der Weg der Erfahrung. Durch ihn werden 
unmittelbar von unſter Vernunft Erfahrungsbegriffe ges 
bildet. Gründer ſich auf dieſe der Satz 12 = 52: ſo iſi 
er ein Erfahrungs satz, und folglich kann er nach Ihrer Er— 
flacung von Erkeantaiß a priori durchaus kein ſynthetiicher 


Sstz 


Saß 
anzuſe 
Brunt 


muͤſſen 
als we 
eat die 
In jed 
lern G. 
tlſchen 
des erſt 
zahl de 
5 ſolche, | 


werden 


8 
meine ? 
elnen bi 
oder arı 
nun gel; 
daß ſie 
Wäre 7 
Wahrhe 
auf dleſe 
nig aus 


|. & 
uͤberzeuge 
teie nicht 
len ihn d 
un Dreye 
inn alle : 


Saß ſeyn. Wir find aber gewohnt, Ihn als einen Satz 
anzuſehen, welcher durch Anwendung dieſes analytiſchen 
Grundſatzes, das Ganze iſt fo groß als feine Theile zuſam⸗ 
mengenommen, nicht ohne Widerſpruch geleugnet werden 
kann. Geſetzt daß er eln ſynthetiſcher waͤre: wle koͤnnen Sie 
daraus ſchlieſſen, daß alle arithmetiſche Saͤtze ſonthetiſch ſeyn 
müffen? Glabt es denn keine andre arithmetiſche Saͤtze, 
als worlnn das Sublect eine Summe iſt, und das Praͤdi— 


cat die Theile anzeigt, worous jene zulammengefr&t wurde? 


In jeder geometriſchen Proportion iſt das Factum der mitte 

lern Glieder dem Facto der aͤuſſern gleich; in jeder arirhmes 
ichen Progreſſion iſt die Summe fo groß, als die Summe 
des erſten und letzten Gliedes, muleiplicire durch die helbe Ans 
| japı der Glleder. Was find denn dieß für Saͤtze? Auch 
ſoſche, deren Wahrheit nur durch eine Anſchauung erkannt 
| werden kann? 

So viel mich dle Erfahrung gelehret hat: fo kann ich 
meine Zuhoͤrer nur davon uͤberzeugen, wenn ich erſt ihnen 
einen beſtimmten Begriff von elner geomettiſchen Proportion 
oder arithmetiſchen Progreſſion gemacht habe, und ihnen 
num zeige, wle aus ihren Begriffen die Wahrheit fo folge, 
daß fie ohne Wlderſpruch nicht kann geleugnet werden. 
Wäre Anſchauung der einzige Weg zur Erkenntniß dleſer 
Wahrheiten: ſo wuͤrde ſie durch Erfahrung erwachſen, ſich 
auf diefe gründen. Wie förate dieſe denn eine Erkennt 
a aus den Begriffen ſeyn? 


Eben ſo eh werden Sie den Mathematiker davon 
berzeugen koͤnnen, daß alle Grundfäge der reinen Geome⸗ 
| rie nicht n fondern ſynthetiſch find, oder Sle moͤch⸗ 
en ihn denn zu überreden im Stande ſeyn, daß diefe Säge: 
en Dreyeck hat drey Linien, ein Quadrat iſt eine Figur, wot⸗ 
nn alle vier Ainlen und . ſich gleich ſind, und a 


4 


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lich andre kelne analyelſche find. Dleß ſind ſie ja ſo gar nach 
dem Begriff, welchen Sle uns ſelbſt von analprifchen Satzen 
gegeben haben. Ste berufen ſich auf dieſen: die grade Anle 
iſt zwiſchen zwey Puncten die kuͤrzeſte. Ich koͤnnte es Ihnen 
zugeben, daß dieß ein ſynthetiſcher Satz iſt, wenn Sie dar⸗ 


unter nichts anders ſich dachten, als was mir Lehrſaͤtze nennen. 


Allein der Grund, welchen Sie für Ihre Behauptung anfuͤh⸗ 
ren, ſchelnet mir durchaus kein Gewicht zu haben. Es iſt 
wahr, der Beariff vom Geraden enthält nichts den Groͤſſe, 
fondern nur eine Qualität. Es kann alio aus dem Begriff 
der graden Ante durch keine Zergliederung der Begriff des 


Kuͤrzeſten gezogen werden. Allein iſt denn in dieſem Satze 


grade Linie das ganze Sublect? Sie reden ja von einer gras | 
den Knie zwiſchen zwey Puneten. Liegt nicht in dem Begriff E 


dieſes ganzen Eubircts die Idee von Entfernung, und jolg« 
lich auch ven Groͤſſe? Kürzrfte iſt ein relativer Begelff, 
und zeigt alſo, daß die Linie mit ktummen Knien verglichen 
wird, welche zwiſchen denenſelben Puncten gezogen ſind. Die 
Anſchauung wird dem Geometer zum Bewels dieſes Sotzes 
nicht verhelfen koͤnnen. Denn krumme Linien koͤnnen durch 
unendliche Abſtuffungen ſich fo der graden nähern, daß kel⸗ 
ne Anſchauung mehr ſtatt haben kann Er muß alſo entwe⸗ 
weder aus dem Vergleich des ganzen Begriffs vom Sublect 


folgt, und alfo in ihm geqruͤndet iſt, oder, wo dieß nicht 
moͤglich It, fo iſt auch alle ſeine Bemühung umſonſt. Soll— 


te, wle Sie es ohne Grund annehmen, die Moͤglichkeit dies F 


fer Syntheſis ohne Anſchauung nieht erkannt werden koͤnnen: 
fo wäre dieſer Satz blos ein Erfahrimgsfag , nicht elnmal eln 
Theotema nach der gewohnlichen Spreche der Weltweiſen, 
vielweniger ein ſynthetiſcher Satz a priori nach der Erklaͤ⸗ 
rung, welche Sle uns von einem ſolchen gegeben haben. 


Ich wundre mich, wie Sie doch endlich einmal dazu 
kemmen, es zuzugeſteten, daß einige wenige Gtundiätze, 
welche 


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und vom Prädicat es bewelſen, daß das letzte aus dem erſten 


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welche die Geometer vorausſetzen, würflih analytiſch find, 
und auf dem Grundſatz des Widerſpruchs beruhen. Allein 
find dieſe Sätze denn nicht auch geometriſch, und hätten wir 
In dieſem Fall nicht Ihr eignes Zeugniß gegen den Satz wel— 
chen Sie kurz vorher behaupteten, naͤmlich daß kein Grundſotz 
der reinen Mathemctik analytiſch ſey. Sie behaupten, daß 
ſolche Satze auf dem Satze des Widerſpruchs beruhen. Dieß 
iſt ſehr unbeſtimmt geſagt, und kann bey denen, welche nicht 


genug eingeweihet find, zum Mißverſtande Anlaß geben. 


Die analvtiſchen Sätze beruhen nicht in fo weit auf 
dem Grundſatz des Widerſpruchs, als wir die Syntheſis 
des Praͤdicats mit dem Subiect für richtig erkennen, ſon— 
dern nur in fo welt als wir einen Widerſpruch bemerken, 
wenn wir das entgegenſetzte Praͤdicat mit dem Subiect vers. 
binden wollten. Ich bin davon überzeugt, daß, wo ein; 
Quadrat iſt, auch vier rechte Winkel ſeyn muͤſſen, und der., 
Grundfag des Widerſpruchs kann mir weder zur Bildung 


dieſes Satzes noch zur Ueberzeugung von dieſer Wahrheit 
helfen. Weil ich weis, daß aus dem Begriff eines Qua- 
drates dieß Pruͤdicat durchaus folger: fo bin ich überzeugt, 
daß das Gegentheil des Praͤdicats mit dem Subiect nicht, 


ohne Wliderſpruch verknuͤpft werden kann, und dieß vers, 
ſchafft meiner Ueberzeugung eine Staͤrke, die nicht erihüte 
tert werden kann. Nur in den indirecten Bewelſen erken⸗ 
ne ich aus dem Satz des Widerſpruchs, daß ein Praͤdicat 
entweder poſitiv oder negativ einem Sublect beygelegt wer⸗ 


den muß. In den directen Beweiſen erkenne ich es aus 


andern hinreichenden Gründen, daß das Pradicat dem Sub⸗ 
iect zukommt. Der Satz des Widerſpruchs iſt hiezu ganz 
unbrauchbar; dazu dlenet er aber meiner Vernunft, daß 
ſie die Verbindung des Gegentheils vom Praͤdicat mit dem 
Sudiect verwirft, und für unmoͤglich erkennet. 


Sonderbar fcheinet mir auch dieſe Ihte Behauptung, 


Me 


Br ET. 


42 Ae BREI EEE CC 

Methode und nicht zu Prinelplen dienen. Was nennen Sle 
Kette der Methode, was Principlen? und warum dlenen 
analytiſche Satze nur zu jener, nicht zu dleſen? So wlrd 
jeder Geometer Sle fragen, und nun Ihte Antwort er⸗ 
worten. Allein es hat Ipnen nicht gefallen, feine Erwar⸗ 
tung zu befriedigen. Er wird alfo ſelbſt prüfen muͤſſen. 
Aus der Art, wie er feine Wiſſenſchaſt behandelt, wels er, 
daß er alle feine lehrſaͤtze, oder, wenn Sie lleber ſynthetl⸗ 
ſche Sätze dleſe nennen wollen, feine ſonthetiſchen Saͤtze zu⸗ 
letzt aus Grundſétzen herleitet, daß er dieſe ols Principlen 
nicht zur Kette, ſondern zu Gliedern in der Kette der Wehr. 
heiten macht, in welcher das letzte Glied der ſynthetlſche, oder 
der Lehrſotz iſt, welchen er beweiſen will. Er erblickt alſo 
in dieſer Kette die onalytiſchen Sätze als Principien, als die 


Grundlage, worauf er dae Gchaͤude feiner Wahrheiten er⸗ 


richtet. Er wird alfo, wenn er anders Ihre Ausdrucke in 
der gewohnlichen Bedeutung nehmen darf, es nicht begrei— 
fen fönnen, wie Sie analytiſche Saͤtze zwar für eine Kette der 
Methode, aber nicht fuͤr Peincipien zu halten im Stande 
find. Sie berufen ſich zwar auf dieſe Sätze: dae Gan⸗ 
ze iſt ſich ſelbſt gleich,: ga und das Ganze iſt groͤſſer als 
ein Thell. Er hoͤret es von Ihnen, daß dleſe nach bloſſen 
Begriffen gelten. Gut, wird er glauben, fortſchleſſen zu 
koͤnnen; dleſe Saͤtze werden alfo deswegen tür richtig erkannt, 
well aus dem Begriff des Subiects das Praͤdicat fo folgt, 
daß das Sublect wieder aufgehoben würde, wenn ich das 
Praͤdicot leugnen wollte. Wie koͤnnen Sie alſo behaupten, 
daß fie in der Mathematik nur Darum zugelaſſen werden, 
weil fie in der Anſchauung dargeſtellet werden konnen? Was 
nennen Sie hier in der Anſchauung darſtellen? Nehmen 
Sie den Sotz 2. Stellen Sie ihn ſich in der Ans 
ſchauung dar! Wobden haben Sie denn nun eine Anſchau⸗ 
ung? Etwa von dieſen Zeichen, oder von der Wahrheit 

ſelbſt, welche durch dieſe Zeichen ausgedrückt wird? Die 


Anſchauung der Zeichen wird Ihnen zu nichts Dies 
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43 


nen. Dle Wahrhelt ſelbſt laßt ſich nicht anſchauen, well 
fie eine allgem ine iſt Wollen Sie dieſe anſchouen: fo 
werden Sie ſich einen einzelnen Fall denken muͤſſen, etwa 
den ganzen Körper eines Elephanten und den bloſſen Nopf 
beſſelben. In dieſer Anſchauund finden Sie die allgemeine 
Wohrheit durch einen einzelnen Fall beitättiuet, aber nicht 
bewieſen. Der eweis kann aber auf dieſer Anschauung 
nicht beruhen, ſondern muß eine ganz andre Quelle haben, 
woraus die Vernunſt ihn herleitet, weil fie ſonſt dieſen alle 
gemeinen Satz als einen Erfahrungsſotz anſeßen müßte, defe 
fen Gültigkeit nur durch eine ſehr unvellkommn - Induction 
erwiefen werden koͤnnte. Wie kann blos die Zwepdeutig— 
keit des Ausd uckes uns bisher verleltet haben, zu glauben, 
daß das Praͤdteat ſolcher apodietiſchen Urtheile ſchon in dem 
Begriff des Sublects liege, und das Urtheil alfo anolytiſch 
fin Sie geſtehen es ſelbſt, daß wir in olchen Sätzen zu 
einem gegebenen Begriff ein gewiſſes Prädicat hinzudenken, 
deſſen Nothwendigkelt an jenem haftet. Allein wird in eis 


nem ſolchen Fall nicht der Begriff des Eubiects wieder aufs 


gehoben, wenn wir das Praͤdicat leuanen Dieſes muß als _ 
ſo in jenem ſeinen hinreichenden Grund haben, und unſte 
Vernunft erblickt dieren entweder blos in dem Begriff des 
Sublects, oder ie muß andre Begriffe zu Huͤlſe nehmen, 
um aus dleſen die Gültigkeit der Wahrheit zu beweiſen. Im 
eriten Fall hat fie Arxiomen, oder wle Sie ſprechen, analys 
ilſche Säge, im andern Theoremen oder ſynthetiſche Urrhei« 
I. Die Anſchauung kann, wie ich oben bewieſen habe, ihr 
nicht zur Erkenntniß der Allgemeinheit und Nothwendigkeit 
der theoretiſchen Satze verhelfen. 


Sie wollen aus der Naturwiſſenſchaſt ein Paar Saͤtze 
jum Beyſpiel anführen, um dadurch zu beweifen, daß ſyn⸗ 
thetiſche Urtheile a priori als Principien in ihr enthalten 
find. Die angeführten Säge find folgende: 1) in allen Vers 
änderungen der korpetlichen Welt bleibt die Quantität der 

Via» 


- 44 ee ee 


Materie unverändert, 2) In aller Mitthellung der Bewe. 
gung find Wirkung und Gegenmirfung jederzelt einander 
gleich. Bey bepden Saͤtzen denkt ſich die Vernunſt Allges 


melnhelt und Notpwendigkeit. Beyde Beſtimmungen kann. 


fie nicht aus Erfahrung, auch nicht aus bloſſen Begriffen 
des Sublects und Praͤdicats herleiten. Sie muß alſo ana 
dre Gründe auſſuchen, woraus es ihr einleuchtet, daß dies 
fe Syntheſis in der angenommenen Beſtimmung nicht blos 
moglich, ſondern auch wuͤrklich iſt. Sie wlrb fie alſo nicht 
fuͤr Axlomen, ſondern für Theoremen, oder nicht für ana— 
lytiſche, ſondern für ſynthetiſche Saͤtze, wenn Sie ſich lies 
ber fo ausdrucken wollen, anſehen koͤnnen. Wenn ſie erſt 
hinreichend bewieſen find: fo koͤnnen fie auch von der Vers 
nunſt als ausgemachte Wahrheiten zum Grunde gelegt wer— 
den, um andre daraus herzulelten, und ſolglich koͤnnen fie 
alsdann die Stelle der Prineipien einnehmen. So weit 
ſtimmen alle Philoſophen mit Ihnen überein. Allein Sie 
reden noch von ſynthetiſchen Satzen a priori. Durch dleſe 
Redensart bezeichnen Sle entweder blos allgemeine Sätze, 
oder ſolche, deren Erkenntniß bey uns von allen Erſahrun— 
gen auch in Anſehung ihres Urſprunges durchaus unabhäne 
gla iſt. Das erſte leugnet kein Philoſoph. Das letzte, muͤß— 
ten Sie bewelſen, well es effenbar dem Gong widerſprlcht, 
welchen unire Vernunft nimmt, um ſich zu der Erkenntniß 
von der Allgemeinheit und Nothwendigkeit dieſer Saͤtze em— 
por zu arbeiten. Diefen Beweis bleiben Sie uns noch ſchul⸗ 
dig, und Ihe bloffer Ausfprud, kann hierinn nichts entſcheiden. 


Wie koͤnnen Sie den Ausſpruch thun, daß die Mes 
taphyſik bisher für nichts weiter als für eine blos verſuchte 
Wiſſenſchaft gehalten werden darf? Sie nehmen ſreylich 
die Miene an, als ob Sie dieß hier nur als eine Hypothe— 
ſe einsweilen hinſetzen wollen. Sie werden ſich aber bald 
deutlich genung darüber erklaͤren, daß die nicht bey Ihnen 
für eine Hypotheſe, fondern für eine ausgemachte Wahr— 

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45 


belt gelte. Alſo haͤtte noch keiner die Metaphyſik mit gluͤck— 
lichem Erfolg als eine Wiſſenſchaſt behandelt; weder Grie— 
che noch Deutſcher, noch Engelländer noch Franzoſe, noch 
irgend ein Phlloſoph aus allen Nationen der Erde? Beden— 
ken Sie, wos Ihre Gegner zu dleſem Nusſpruch ſagen wer— 
den, welchen er notwendig zu gewagt, zu hart vorkom— 
men muß, als daß er ſich einmal mit Anſtand auf dem Ka— 
theder, vielmeniger vor den Ohren der Ppiloſophen oͤffentlich 
ſagen laͤßt. Was für Beweiſe werden ſie von Ihnen ſo— 
dern? Können Sie es wohl von allen Metapfnfifen der 
belldenkenden philoſophiſchen Köpfe darthun, daß fie keine theo⸗ 
retiſche Wiſſenſchaft in elnem gewiſſen Grade der Vollkom⸗ 
menheit in ihnen geliefert, ſondern bles Verſuche gewagt has 
ben, welche ihnen fo wenig gelungen find? Nach Ihrem 
eignen Geſtändniß iſt die Metaphyſik eine Wiſſenſchaft, wel— 
che durch die Natur der menſchlichen Vernunft unentbehr— 
ſich gemacht wird. Iſt auch deswegen es wohl wahr— 
ſcheinlich, daß bis auf den Zeitpunct, wo Sie in der phi— 
loſophiſchen Welt auftreten, die Vernunft in ſo vlelen hell. 
denkenden Köpfen zwar immer nach der größten Vorberei— 
tung dieß Ziel zu erreihen ſuchte, aber noch nie eine Wifs 
ſenſchaft zu Stande bringen konnte, welche ihr doch ſelbſt 
durch die Natur fo unentbehrlich gemacht it? 


Die Metappyſik foll ſynthetiſche Erkenntuiſſe a prlori 
enthalten. Allein iſt denn unfre Seele auch ſolcher fähig, 
wenn wir nach Ihrer Erklaͤrung darunter Erkenntnulſſe denken, 
welche ihrem Urſprunge nach ſchlechterdings von aller Erſab— 


rung unabhaͤngig ſind? Dieſe Frage haben Sie durch oft 


wiederhohlte Ausſpruͤche bejahet, aber Ihre Behauptung 
durch keinen einzigen tuͤchtigen Grund bewleſen. Waͤre un— 
fre Vernunft nach den Einſchraͤnkungen, welche ihr wenig» 
ſtens in ihrer itzigen Lage von der Natur geſetzt find, unfähig, 
ſich dieſe zu verfchaffen, wie es ſich beweiſen ließ, und wuͤr⸗ 
den dieſe in der Mataphyſik die Hauptgegenſtaͤnde ausma⸗ 

\ chen: 


46 
a 
flect ve. 


chen: fo würden wir ſreyllch bloß Verſuche, Pelne Metophyſik 

als Wiſſenſchaft haben, und Sie ſelbſt würden uns nichts | feinen | 
beſſres llefern koͤnnen. Es iſt uns freylich in der Mataphyſik ihrem | 
nicht blos darum zu thun, uns allgemeine Begriff⸗ von Din⸗ n 

gen zu machen, jene blos zu zeralledern, urd ſie dadurch! durch d 
analpeiſch zu erläutern. Wir wollen unſte Erkenntniß er weltern 
weitern, und Präricate zu den Subiecten finden, welche 


führen: 


wir nicht aus den Begriffen der Gubiecte allein herl-iten 
koͤnnen, fordern in Anſehung deren wir andre Wahrhelten, 
als Grundſätze iu Hülfe nehmen, um aus dieſer Verbindung 
es einzuſehn, daß das Prädlcat in dem Beariff oder in dem 
Weſen des Subieetes gegruͤndet iſt. In ſolchen Theore— 
men wollen wir nicht den Beariff des Sublectes ſelbſt, fon» 
dern nut unfre Erfenntniß erweitern. Wir (uͤgen nicht 
eln Praͤdicat zum Sublect, was nicht vermöae feines We⸗ 
ſeus ſchon In ihm liegt, ſondern was wir ehne Vergleich mit 
andern Wahtheiten nicht darinn erblicken koͤnnen. Dleſe 
Urtheile find deswegen Lehrſaͤtze, nicht ſynth⸗tiſche Saͤtze in 
dem Verſtande, als wenn das Praͤdicat zu dem Begelff des 
Sublectes etwas hinzuthaͤte, was gar nicht darinn enthal⸗ 
ten wäre. Dleß hat nur in den Sätzen flott, mworinn 
das Praͤdicat eine zufällige Beſtimmung von dem Sublect 


Der 0 


von grof 
chungen 
kann. 
eignes 0 
Uetheil, 
oder nich 
reinen N 
ſynthett 


üb, und blos dleſe find fo wohl der Sache als unfrer Ers Ich 
kenntniß nach ſynthetiſche, oder Erweiterungsſaͤtze in Ruͤckſicht (ehr gere 
des Sublects. Alleln ſoſche Saͤtze ſind am wenigſten die Haupt Erg 2 al 
gegenſtaͤnde der Metaphyſik, ob fie gleich auch in ihr ange: dit if n 
troffen werden muͤſſen. Wlll dle Vernunft beweiſen, daß beypflichee 
die Welt einen erſten Anfang haben müffe: fo kann dle ich ſie da 
Erfahrung ihr zwar keinen Beweis von dieſer Wahrhelt tung ge 

liefern, ob ſie gleich ohne ihre Beypuͤlſe zu dieſer Unterſu . burch he 
chung nicht hätte kommen konnen. Sle will hier nicht ein Bye nicht d 
Prädicat zum Subiect hinzuthun, welches nicht in feinem immer * 
Begriff enthalten, oder nicht in ihm gegründer wäre: ſon. nicht ſolge 
dern ſie iſt bemuͤht, ſich eln Licht anzuzuͤnden, wodurch ſie erschlug 


es mit Gewißheit erkennet, daß dieß Praͤdicat mit dem Sub⸗ 
iect 


47 


fect verbunden werden muß, well es in dem Weſen deſſelben 


feinen hinrelchenden Grund hat. Die Metaphyſik beſteht 


ihrem Zwecke nach nicht aus lauter ſynthetiſchen Saͤtzen a 
priori nach Ihrer Erklaͤrung, ſondern aus Theoremen, 
durch deren gruͤndlichen Beweis fie unfre Erkenntniß er— 
weitern will. Können Sie mich von dem Gegentheil übers 
führen: fo verpflichten Sie Ihren ergebenſten c. 


| 6. Brief. 
Mein Herr, 
Der Gewinnſt iſt in theoretiſchen Speculatlonen ſehr oft 


ron groſſem Umfange, wenn man eine Menge von Unterſu. - 


chungen unter die Formel einer einzigen Auſgabe bringen 
(ann. Sie haben Recht, man erleichtert ſich dadurch fein 
eignes Geſchaͤfte, und jedem andern, der prüfen will, dat 
Urtheil, ob wir unſerm Vorhaben Gnuͤge geleiſtet haben, 
eder nicht. Sie glauben, daß die eigentliche Aufgabe der 
reinen Vernunft in diefer Frage enthalten fen: wie find 
_Ipntheriicye Ulrtheile a priori möglidy? 


Ich geſtehe es gerne, daß Sie meine Neuglerde 
he gerelzet hoben, und daß ich Ihrer Beantwortung der 
- Frage alle Aufmerkſamkeit widmen werde. Die Wahr— 
it iſt mir zu ſchatzbar, als daß ich Ihnen nicht gerne 
F ppflichten werde, wenn fie auf Ihter Seite iſt. Finde 
ih fie da nicht: fo wäre es eine übel angebrachte Hochach— 
| ME gegen einen DVerdienfivollen Mann, wenn ich mich 
zurch fie abhalten ließ, es ſreymüthig zu geſtehen, daß ich 
ſe nicht da gefunden habe. Ihre Frage ſcheint mir doch 
mer noch etwas unbeſtimmt zu ſeyn. Könnte fie wohl 
icht folgende Aufgaben In ſich ſaſſen: 1) wodurch wird der 
nſchüche Verſtand ſaͤig, ſolche Urtheile zu bilden 7 
20 wie 


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* 


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48 


2) wle kann er auf dleſe geführet werden? 3) wle kann er if. 
re Wahrhelt bewelſen? Vlelleicht werden Sie olle dleſe 
Aufgaben auflöfen, vielleicht bleiben Sie blos bey der ers 
ſten ſtehen. Ich erwarte auch, daß Sie ſich darüber bee 
ſtimmt erflären, was Sle unter reiner Vernunſt verſte⸗ 
ben, Der Erfolg wird mich lehren, was Sie gethan haben. 


Sie behaupten, daß dle Metaphyſik bisher in elnem 


ſehr ſchwankenden Zuftand der Ungewißhelt und Wider⸗ 
ſorͤͤche geblieben iſt, und Eie wollen die Urſache hievon 
darinn entdeckt haben, daß kein Phlloſoph ſich dieſe Auf 
gabe und vielleicht ſo gar den Unterſchled der analytiſchen 
und ſynthetiſchen Urtheile früher ln Gedanken kommen ließ. 
Das erſte wird von Ihnen blos ſo hingeworſen, und mwers 
den nicht alle Metaphyſiker gegen Ele auſſtehen, und Ih. 
nen das Gegentheil zuruſen? Welche Stimme gilt nun 
in dieſem Strelt am meiften? Eben dieſe Phlloſophen wer⸗ 
den Ihren Ausſpruch verwerfen, einmal, weil fie den Uns 
terſchled zwiſchen Ariomen und Theoremen fehr quf gefannt, 
und Regeln entwicket haben, wornach man beyde bilden, 
und dieſe aus jenen herleiten muͤſſe; zweytens, weil ſie 
dieſe Ausdrücke, analytiſche und ſynthetiſche Urthelle, für 
unſchicklich halten, und die Einthellung, in wle welt Sie 
dleſe gemacht haben, entweder für ungegründet, oder doch 
wenlgſtens für ſchwankend anſehen. Sle werden es ven 
Ihnen fodern, daß Sie vorher dle Wuͤrklichkeit oder Moͤg⸗ 
lichkeit ſynthetiſcher Urtheile a priori in unfrer Seele nach 
Ihrer Erklärung bemeifen, ehe Sle ihnen einen fo groſſen 
Einfluß zuſchreiben, und daß Sie diefe Aufgabe : wie find 
ſonthetiſche Urtheile 2 priori moglich? hinreichend auflöfen. 


Diefe Foderung, welche fo gerecht feine, wird dadurch 
uicht beſtlediget, daß Sie gleich darauf behaupten, das Ste⸗ 
hen und Fallen der Melaphyſik beruhe, und zwar das er⸗ 
ſte auf der Aufloͤſung dieſer Aufgabe, das letzte auf einem 

genug 


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und 


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gerugthuenden Bewelſe, daß die Moͤglichkeſe, weiche wir 
kurch dieſe Aufgabe erklart wiſſen wollen, in der That gae 
nicht ſtatt finde. Wird man Ihnen nicht hier die reine 
Matdematik entgegen ſetzen, welche ſchon ſo lange als Wiſ. 
ſenſchaft unerſchuͤttert da ſtand, und in welcher doch feine 
Shriäge, oder wie Sie lieber ſorechen, keine ſonthetiſche 
Urtheile angetroffen werden, deren Erkenntniß in A-f hung 
ihres Urſprunges von aller Erfahtung durchaus unabhängig 
iſt, ob fie es gleich in Aoſe hung ihres In holtes wird, ob 
gleich die Vernunft di— Verbindung dieſer Saͤtze theils nach 
dem Grundſotz des Widerſpruchs, theils der zureichenden 
Gründe aus Begriffen oder andern Sätzen veranſtaltet, 
und nun ihre allgemeine Wahrheit auch ohne Ruͤckſicht auf 

Erfahrung mit Gewißheit erkennet. Eben dieß hat auch in 
der Metaphyſik ſtatt. Wozu sollten ihr ſonthetiſche Saͤtze 
a priori, welche von aller E fahrung nicht blos ihtem Inn⸗ 
halte, ſondern auch ihrem Urſprunge nach ſchlechterdings un⸗ 
abbaͤngig find, dienen? Worauf ſollte denn die Vernunſt 
die Gultigkeit derſelben bauea? Etwa auf analytiſche? 
Sollte ſie die Verbindung derſelben nach den uns angebohr— 
nen Regeln der Denffraft machen? Dieß bat fir in der 
reinen Mathematik, und in der Metophyſik gethan? Sollte 
ſie dieſe etwa auf andre ſonthetiſche Saͤtze von der Art gruͤn⸗ 
den? Alsdann wuͤrde eben die Frage wieder aufgeworfen 
werden muͤſſen, und wir waren in Anſehung der Aufloͤſung 
richt um ein Haar weiter fortgeruͤcket. Oder ſollen An⸗ 
ſchauungen hier zum Grunde gelegt werden? Dieſe geben 
aber blos unmittelbar Erfahrungsſaͤtze. Ober ſollen ſie ſich 
auf nichts ſtützen; nun fo hatten wir einen Thurm in der 
kuft, welchen die Phantaſie ſich erbaute, ihn aber auf nichts 
ſich gründen läßt, 


Wenn der Sceptiker David Hume andre überreden 

will, daß Sätze a priori, d. h. ſolche, deren Allqemei heit 

und Nolhwendigkeit die Vernunft mit Gewißheit erkennet, 
D 


ganz 


49 


1 


ganz unmoͤalich find, und doch aus ſolchen feine Schluͤſſe herlel 
tet: ſo gleicht er elnem Wandrer, welcher immer raſch über 
einen Hügel binſteigt, und feinen Geſehrten zuruſt: es iſt 
unmöglich, über dieſen Hügel hinzuſtelgen. Würden diefe 
ſich durch feine Betheurungen irre machen laſſen? Hume 
widerlegt ſich durch die allgemeinen Begriff: und Saͤtze, 
welche er zum Grunde ſeiner Schluͤſſe legt. Wer wird ſich 
an einen Mann kehren, welcher durch feine Speculo tionen 
dleſen feinen Machtſpruch ſelbſt immer fuͤr falſch erklaͤrt, 
wenn nach feinen Schluͤſſen all' s, was wir Metaphyſik nen⸗ 
nen, auf einen bleſſen Wahn von vermeinter Vernunſtein⸗ 
ſicht deſſen hinaus aufen wuͤrde, wos in der That blos aus 
der Erfahrung erborgt, und durch Gewohnheit den Schein 
der Nothwendigkelt überfommen hat? Denn will er nur 
fo viel hiemit ſagen, daß unſte Erkenntniß aus Erfahrung 
ihren Urſprung nimmt: fo iſt die Sache richtig, und feine 
Schluͤſſe, die er daher zieht, find ohne Grund. Iſt dieß 
aber feine Meinung, daß unfre höhere Erkenntnlß von ellen 
Sätzen ſich blos auf Erfahrung zuletzt, nicht auf allgemeine 
Grunde flüge, aus welchen die Vernunſt die Allgemeinheit 
und Nothwendigkeit von jenen einſieht: ſo ſind dieß Grillen, 
welche ihm feine Phantaſie, oder feine Neigung zu zweifeln, 
nicht aber eine unbefangene Vernunft in den Kopf geſetzes hat. 
Wie koͤnnen Sie ſich ſchmeicheln, daß der kranke Verſtand 
eines ſolchen Sceptikers gehetlet worden waͤre, wenn er Ihre 
Aufgabe in ihrer Allgemeinheit vor Augen gehabt haͤtte? Wie 
ſollte dieſe feinen guten Verſtand vor ſolchen Behauptungen 
bewahret haben? Wie wann er die Aufloͤſung derſelben von 
Ihnen geſodert haͤtte, und Sie ihm dieſe nicht haͤtten ma⸗ 
chen koͤnnen? Nicht aus einer unmoͤglichen Auflſung Ih- 
rer allgemeinen Aufgabe, ſondern aus ſeiner Behauptung 
folget es, daß, wenn fie wahr wäre, es auch keine reine Ma⸗ 
thematik geben koͤnnte, und es waͤre immer zu vermuthen, 
daß er, wenn er auf dieſe Folgerung gedacht hätte, lieber 


die Moͤglichkeit der reinen Mathematik, als die Richtigkeit 
ſelner 


2 re: 51 


feiner Behauptung würde aufgegeben haben. Denn wozu 
find Köpfe von der Art nicht fähig? Sie koͤnnen wenn der 
Parorismus ihrer Zweifelſucht fie anwandelt, wohl fo gar 
leugnen, daß fie Finger haben, mit welchen fie durch Hüuͤlfe 
der Feder es uns niederſchreiben, daß fie dieſe leugnen, oder 
wenigſtens an ihrem Daſeyn zweifeln, weil man dieſes nicht 
a priori beweiſen kann. 


Wonn werden Sie aber zu der Aufloͤſung Ihrer Auf⸗ 
gabe eibſt kommen? Sie fagen uns zwar, daß ın ihr zu⸗ 
gleich die Möglichkeit des reinen Vernu ıraetrcucs in Grüne 
dung und Ausführung aller Wiſſenſchoſten, rie eine theo⸗ 
retiſche Erkenntniß a priori von Gegenſtänden enthalten, 
mit begriffen iſt. Allein wie iſt dieſe Möglichkeit in der 
Aufloͤſung gegruͤndet? Dieß möchten wir gerne von Ihnen 
wiſſen. Sie koͤnnen unſte Neugierde nur dann betrtedie 
gen, wann Sie vorher Ihre Aufgabe aufoclöſet hoben. 
Warum loſſen Sie uns nech immer auf dieſe A Rötung 
vergeblich warten? Die Moͤglichkeit des reiren Vernunft— 
gebrauchs, wovon Sie redeten, ſoll die Beantwortung der 
Fragen ſeyn: 1) Wie iſt reine Mathematik moͤglich, 2) 
wie iſt reine Naturwiſſenſchaft moglich. Vielleicht werden 
Sie, um dieſe Fragen zu beantworten, uns nun di Auflaͤ— 
fung Ihrer Aufgabe vorlegen. Allein auch bier wird un«- 
ſre Hoffnung getäͤuſcht. Wir hören nichts weiter von Ih— 
nen, als daß von diefen Wiſſenſchaften, da fie wirklich ge— 
geben find, ſich geziemend fragen läßt: wie fie moͤalich 
find, weil fie doch moͤglich ſeyn muͤſſen, da wir fie wirklich 
haben. Sie werfen es allen Philo ephen noch ein mal ver, 
daß man von keiner einzigen Metaphyſik, weiche fie bisher 
vorgetragen haben, es ſagen kann, daß fie wirklich vorhan⸗ 
den ſey, und daß man alſo wegen ihres bisherigen ſchlech⸗ 
ten Fortganges mit Grund an der Möglichkeit zweifeln 
koͤnne. Was werden dieſe Herren dazu fagen ? Ohne 
Zweifel dieſes: wir erwarten = Ihnen die Auflöfung dee 

2 


N 
N 


— — 


52 


Aufgabe: wie find ſynthetiſche Urthelle a priori moglich, 
und Sie, ſtatt uns dieſe zu liefern , reden äufferft verächt. 
lich von ungern Arbeiten. Heben wir denn nicht nach den 
Regeln der Vernunſtlehre Begriffe und Axiomen zum Grun⸗ 
de gelegt, nicht aus dieſen out eine regelmaͤſſige Art Folge⸗ 
rungen gezogen, und fie zweckmaͤſſig verbunden? Fodert 
dieß nicht die ſcientiviſche Mecho.e? Haben wir alſo nicht 
die Metaphpſik zu einer Wiſſeuſchaft erhoben? Dieß iſt 
Thatſache Ein Machtſpruch dagegen gleicht einer Woge, 
die ſiq) echebt, um eine Kippe niederzureiſſen. rend) 
hat unſte Vernunft manche Fraue aufgeworfen, worauf fie 
wegen Ihrer Grenzen nicht beſtimmt, nicht hinlanglich ant— 
worten kann. Hier find Dunkelheiten, welche auch Sie 
durch Ihe Theorie, wenn man fie fo nennen kann, von 
fpatyeun den Urtheilen a priori eben fo wenig wegſchaffen, 
eben o wenig aufhellen konnen. Alleln vieles lſt auch in der 
Mletap pi richtig dewieſen, und dadurch gezeiget, daß auch 
ohne wn:henja)e Satze a priori nach Ihrer Erflärung die 
Werruuse Allgemeinheit und Nothwendigkeit ihrer gebile 
deten Urtheile zu beweisen fähig iſt. In der Logik haben 
un; Pypꝛ eſophpen ſich damit beſchaͤſtiget, es zu zeigen, wle 
wir nid) Vorausſetzung der uns angebohrnen Grundregeln 
des Denkens Begriffe a poſteriori und priori durch dieſe 
Urtpeile bilden, ihre Allgemeinhelt, wenn fie dieſe ha— 
ben, aus unwliderleglichen Gründen herleiten koͤnnen, und 
in der Metaphyſik haben ſie ſich bemuͤht, dieſe Kritik des 
Verſtandes auf Vernunſtswahrheiten anzuwenden. 


Sie leugnen zwar, daß es eine Metaphyſik als Wiſ. 
ſenſchaft bisher gebe, ob fie gleich als Naturanlage (meta. 
phyfica naturalis) wirklich ſeyn fol. Naturanlage iſt 
blos Fahigkeit, nicht Erkenntniß, fo wie etwa Naturanlage, 
die Regeln der Vernunftlehre aufzufuchen und fie anzuwen. 

den, in der Seele eines Menſchen angetroffen wird. Einige 
haben dieſe zwar logicam innatam nennen wollen. Allein 


fe E 


53 


fie denken ſich dabey weder Erkenntniß, noch Anwendung 
derſelben, ſondern bios Anlage, Vermögen zu benden. Sie 
denken ſich aber, wie ich aus der Folge ſehe, mehr als Nas 
turanloge, ſchon einige Fortſchritte, zu welchen die Vernunft 
der Menſchen unaufhaltſam fortgetrieben, und durch einen 
innern Drang gendrhiget wird, Frogen aufzuwerſen, wel— 
che durch keinen Erꝛahrungsgebrauch der Vernunft, und 
daher entlehnte Principien beantwertet werden. Nur in ſo 
weit ſoll wirklich in allen Menſchen, fo bald Vernunft ſich 
in ihnen bis zur Speculation erweitert, irgend eine Meta— 
phyſik zu aller Zeit geweſen ſeyn, und wird auch immer dare 
inn bleiben. Hier denken Sie ſich die Metaphyſik grade ſo 
wie die natürliche Logik bey allen Menſchen, welche zum 
Gebrauch der Vernunft gekommen ſind. Sie bilden ihre 
Ideen, Begriffe, Schluͤſſe nach Regeln, welche ſie nicht 
deutlich kennen. Ihre Logik iſt keine Wiſſenſchaft, fondern 
eine gewiſſe Fertigkeit, regelmaͤſſig zu denken, welche fie ſich 
durch Erziehung und Uebung erworben haben. Dle Natur 
hat ihnen vorgearbeitet, und fie folgen der Führung derſel— 
ben. Dieß iſt die allgemeine Aufloͤſung der Aufgabe: wie 
iſt die Logik, nichts als bloſſe Naturanlage, ſondern als 
Fertigkeit in der Seele des Menſchen möglid) ? 


Sie werfen die Frage auf: Wie iſt die Metaphyſik 
nicht als bloſſe Naturanlage, weil ſie dann blos Vermoͤgen 
der Seele waͤre, ſondern als Naturanlage zur Wiſſenſchaft 
moͤglich, d. h. wie Sie es erklaͤren, wie entſpringen die 
Fragen, welche relne Vernunſt ſich aufwirft und die ſie ſo gut 
als fie kann, zu beantworten, durch ihr eignes Beduͤrfniß 
getrieben wird, aus der Natur der allgemeinen Menſchen⸗ 
vernunft? Hier berechtigen Sie uns, es zu erwarten, daß 
Sie es uns erklaͤren 1) was reine Vernunft ſey, 2) worinn 
die Natur der allgemeinen Menſchenvernunft beſtehe, 3) 
wie aus diefer die reine Vernunft dahin gebracht werde, 
dieſe Fragen aufzuwerfen. Allein wir finden uns in unfrer 

D 3 Erwar⸗ 


54 


Erwartung getaͤuſchet. Sie denken in der Folge nicht daran, 
dieſe Aufgaben uns aufzulöfen, ob ich gleich uͤberzeugt bin, 
daß fie wir llich ſchon ſehr gut von unfern beſten Phlloſophen 
aufgeloͤſet ſind. Sie ſagen es uns nur, daß bey allen bis⸗ 
herigen Verſuchen, dieſe natürlichen Fragen zu beantworten, z. 
B. ob die Welt einen Anfang habe, oder von Ewigkeit her 
fen, ſich je erzelt unvermeidliche Widerſpruͤche gefunden has 
ben. Allein ſolgt daraus, daß kein Weltweiſer die Fragen 
rich: ig beantwortet, und feine Antwort mit beftiedigenden 
Gründen bewieſen habe? Auch richtige Entſcheidungen mas 
chen Widerſpruͤche bey andern nicht unmoͤglich, und dleſe 
als bloſſe Widerſpruͤche koͤnnen nicht die Guͤltigkeit einer 
richtigen Entſcheldung aufheben. 


Die bloſſe Naturanlage zur Metaphyſik erklären Sie 
uns itzt durch ein reines Vernunſtvermoͤgen, woraus immer 
eine Metapbyſik, fie fen, welche fie wolle, erwaͤchſt. Vor— 
ber hieß bey Ihnen die Metophyſik ſelbſt Naturanlage. 
Sollte hier wohl nicht eine gewiſſe Verwirrung der Begriffe 
ſtott finden? Bey der Metaphyſik als bloſſer Naturanlage, 
oder als bloſſem reinem Vernunſtvermoͤgen koͤnnen wir es 
ſrey ich nicht bewenden laſſen, wenn wir ſolche Fragen richtig 
auflöſen wollen. Wir muſſen es zu entſchelden ſuchen, wie 
weit das B rmögen oder Unvermoͤgen unfrer Vernunft in Ans 
fepung ſolcher Fragen geht. Dieſe Unterſuchungen find bald 
mit m-hrerm, bald mit wenigerm Gluͤcke von Ariſtoteles an 
bis auf Reimarus in allen Logiken vermittelſt pſychologiſcher 
Beobachtungen und Folgerungen aus ihnen angeſtellt. Man 
hat alfo nicht von der Vernunſt blos einen dogmstifchen Ges 
brauch ohne Kritik gemacht. Wäre das Gegentheil durch— 
aus geſchehen: ſo wuͤrde unſte Vernunft blos auf grundloſe 
Behouptungen geſuͤhrt fern, denen man eben fo ſcheinbare 
entgegen ſetzen koͤnnte Allein dieß iſt bisher bey den Philos 
ſophen nicht ſchlechterdings geſchehen. Wenn Sie das Ges 
gentheil behaupten: fo werden Sie doch unmoͤglich von uns 
ſodern 


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fodern koͤnnen, daß wir Ihrer bloſſen Behauptung auf Ihr 
Wort glauben, und fie jür eine unwiderſprechliche Entſch ts 
dung halten ſollen. Wir werden aber von Ib en mit 
Recht die Aufloͤſung Ibrer Aufgabe ſodern: wie iſt Meta⸗ 
phyſik als Wiſſenſchaſt moͤglich? Dieſe ſollten Sie uns doch 


nicht ſo ganz ſchuldig geblieben ſeyn. 


Sie machen einen Verſuch, dem Gebiete der Meta— 
phyſik feine Grenzen überhaupt anzuweiſen. Allein wornach 
follen wir es beſtimmen, ob dieſe auch die wahren Grenzen 
dieſer Wiſſenſchaft fund ? Hätten Sie es uns vorher erflärt, 
worinn eigentlich die Metaphyſik els Wiſſenſchaſt beſtehe: 
fo würden wir den Begriff, welchen Sie mit ihr verbinden, 
gehoͤrig prüfen, und nachher unterſuche koͤnnen, ob dieſe 

Wiſſenſchaft wirklich ſo enge Grenzen habe, als Sie ihr 
feßen. Haͤtte fie es nicht mit den Obiecten der Vernunft, 
deren Man niafeltigkelt unendlich iſt, ſondern blos mit ſich 
ſelbſt zu thun, wie Sie behaupten: fo würden dieſe Frogen 
nicht zu en Gebiete gehoͤren: Iſt die Welt ewig 
oder nicht? Sat fie im letzten Fall ihr Daſeyn 
von einem mächtigen verſtaͤndigen Weſen, welches 
wir Gott nennen, oder war etwa nach dem Sy— 
ſtem des Epicuts ein under Zufall die Urſache 
ihres Entſtehens? Sie haben ſelbſt Fragen von der Art, 
welche unfre Vernunſt, durch ein gewiſſes Beduͤrfniß getrice 
ben, auſwirft, vorher als Bewelſe angeſehen, daß es eine 
gewiſſe Naturmetaphyſik zu jeder Zeit gegeben hat. Un— 
terfuhurgen von der Art muͤſſen alſo nach Ihrem eignen 
Geſtaͤndniſſe in das Gebiet der Metaphyſik gehoͤren. Allein 
ſind die Gegenſtaͤnde ſolcher Unterſuchung nicht Obiecte der 
Vernunft, nicht Dinge, die von ihr unterſchleden ſind? 
Die Aufgaben, welche aus ihrem Schooſſe entſpringen, be. 
treffen alſo nicht blos ihre eigne Natur, ſondern auch die 
Natur andrer Dinge, dle eine von ihr ganz unter 
ſchiedene Beſchaffenheit en, Die Vernunft muß nicht 

blos 


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blos ihre Grenzen, ſondern auch die Huͤlſsmittel ſich bes 
fanrt machen, welche fie hat, um in das Reich der Wahr⸗ 
heiten einzudringen. Von dleſen letzten muß ſie auch den 
gehörigen Gebrauch machen, um Fragen, welche fie aufe 
wirft, zu beantworten, welche nicht durch bloſſe Erſahrun⸗ 
gen, ſondern vielmehr ourdy allgemeine Principien entſchie⸗ 
den werden konnen, und weiche alſo eigentlich Gegenftände 
der Metaphyſik in ſich Affen. Es wird ihr alſo nicht fo 
ganz icht werden, wie Cie denken, den Umfeng und die 
Gre zen ipres uber alle Erfahrungsgrenzen verſuchten Ges 
brauchs vollſtändig und ſicher zu beſtimmen. 


Sie ſied auch ſehr hart in ihren Foderungen. Unſte 
Philoſophen ſollen alle ihre bisher gemachten Verſuche, eine 


Metaphyſik zu Stande zu bringen, als ungeſchehen anſehen; 
weil ſie dieſe durch einen bloſſen dogmatiſchen Gebrauch der 
Veraunft ohne Kritik ausgearbeltet haben. Dieß letzte wer 


den fir leugnen, und zu dem erſten ſich nicht verſtehen wol,“ 
In Hä ben dieſe in ihren Metaphyſiken blos analytiſche! 


Begriff. entwickelt, Feine ſynthetiſche vorgetragen, nicht ges 
zeit, wie ſie zu dieſen Begriffen a priori gelanget ſind! 
Haben fie nicht analytiſche Sätze regelmaͤſſig gebraucht, um 


Inn hetiſche Saͤtze, Thor emen aus ihnen richtig herzuleiten! 


und zu bewelſen? Das wohl — werden Sie erwledeen. Al 
lein ſie verſtanden es nicht, ihre Erkenntniß a priori fon 
thetiſch zu erweitern, d. h. in Ihrer Sprache, ſie wußten 


nicht Begriffe, nicht Sätze zu buden, welche nicht blos ih- 


rein Junhelte, ſondern auch ihrem Urſprunge nach von aller 
Erfaprung unabhängig find. Wiſſen Sie denn dieſe zu 
büden? Bisher hat Ihnen noch kein Verſuch gluͤcken mol; 
len. Und warum iſt dieß denn nothwendig, wenn eint 
gruͤndliche Metaphyſck geſchrieben werden ſoll? Dieſe Nord: 
weng igkeit iſt noch nirgend von Ihnen bewleſen worden. 
Alle Metaphyſilen, welche bisher geſchrieben find, ſollen in 
Anſehung der ſynthetiſchen Säge mit ſich ſelbſt in Wider, 


ſpruch 


57 


ſpruch fern. Unſte Philoſophen gleichen alſo dem Ixion in 
der Fabel, welcher eine Dunſtwolke umarmte, als er 
glaubte, die Juno zu umfaſſen. Wenn Sie dieß erwleſen 
hätten: fo foͤnnten Sie mit Recht von dieſen Betrogenen 
es fodern, daß fie zwar die Naturanlage zur Metaphyſik, 
die Wurzel ſtehen laſſen aber jeden hervor geſchoſſnen Stamm 
bis auf die Wurzel abhauen ſollten. Da aber das erſte 
nicht von Ihnen geleiſtet iſt: fo werden dieſe Philoſophen 
ſich zu dieſer Operation nicht verpflichtet zu ſeyn glauben. 
Sie werden es noch ſuͤr unausgemacht halten, ob die Tas 
tur denn Sie vorzuͤglich dazu gebildet hat, endlich nach fo 
vielen vergeblichen taͤuſchenden Verſuchen die Naturanlage 
zur Metapbyſik, dieſe Wurzel, welche bisher nichts als 
wilde Auswuͤchſe liefern konnte, zu einem gedeylichen und 
ſruchtbaren Wachsthum zu befördern, und nach Zerſtoͤh— 
rung aller vorigen Metaphyſiken der Schoͤpfer einer neuen 
zu ſeyn, welche erſt eine wahre Wiſſenſchaft iſt. Der Era 
ſolg zeiget, daß Sie durch Ihre Theorie von ſynthetiſchen 
Urtheilen a priori endlich zu der Erkenntniß gekommen zu 
ſeyn glauben, es einzuſehen, daß die meiſten bisher in der 
Metaphyſik bewieſenen Wahrheiten von keiner Meyſchenver⸗ 
nunft bewieſen werden koͤnnen, und daß der Scepticismus 
das einzige wahre Syſtem unfrer reinen Vernunft ſey. 
Dieſer Gewinnſt iſt nun freylich für uns ſehr klein. Hätten 
Sie die, allgemeinen Aufgaben der Vernunft, wie find forte 
thetiſche Urtheile a priori, wie iſt Metaphyſik als Nature 
anlage, wie als Wiſſenſchaft moͤglich, gehörig aufgeloͤſet: 


fo würde der Gewinnſt wichtiger geweſen ſeyn für Ibren er⸗ 


gebenſten ꝛe. 


35 7. Brief. 


58 
7. Brief. 
Mein Herr, * 


Sie wollen uns itzt die Idee und Eintheilung einer beſon⸗ 
dern Wiffenfchaft vorlegen, welche Sie Kritik der reinen 
Brnunft nennen. Was iſt denn Vernunft? Sie ant⸗ 
worten, das Vermoͤgen, welches die Principien der Er. 
kenptelff a priori an die Hand giebt, und reine Vernunft 
fol diejenige ſeyn, welche dle Principlen, etwas ſchlechthin 
a ‚riori zu erkennen, enthält. Ein Vermögen, welches 
Principlen an dle Hand glebt, ließ ſich noch wohl deaken. 
Was iſt aber ein Vermoͤgen, welches dieſe enthaͤlt? Prins 
cipien der Erkenntniß koͤnnen doch nichts anders ſeyn, als 
1) die Fähigkeiten der Seele, wodurch dleſe in ihr moͤglich 
wird. Dieſe find vor jeder Vorſtellung, und alſo in ſo 
weit a priori in ihr. Allein die Vorſtellung von ihnen 
wird in der Seele zuerſt durch Beobachtung auf die Wirk⸗ 
ſamkeit ihrer Denkfraft, und alſo a poſteriori erzeuget. 
Erkenntniß ohne Vorſtellung iſt ein Unding Folglich wird 
auch die Erkenntnͤß dieſer Faͤhlakeiten, welche a priori da 
ſind, nicht von aller Beobachtung oder Erſahrung ſchlech⸗ 
terdings u abhaͤrgig ſeyn koͤnnen. Sie koͤnnen auch 2) Be⸗ 
griffe und Urthelle, woraus tie Erkenntniß entſpringt, Prin⸗ 
cipien derſelben nennen. Ein bloſſes Vermoͤgen der Seele 
kann dleſe nicht in fich enthalten, ob fie gleich durch dafe 
ſeibe, wenn der Stele der Stoff dazu gegeben wird, zu 
B.-ftellungen werden koͤnnen. Der Stoff kann ihr aber 
mr entweder durch aͤuſſere Gegenſtaͤnde, oder durch innre 
Wirkſamkelten der Denkkraft gegeben werden. In beyden 
Fällen entſteht die Vorſtellung oder die Erkenntniß derſel⸗ 
ben 1) dadurch, daß dieß Vermoͤgen afficirt wird, und 
2) durch unfre Aufmerffamfeit auf dus afficirte Vermoͤgen 
fer ſt. Es iſt alſo dieſe in uns nicht von allet Beobach⸗ 


tung oder Erfahrung in Ruͤckſicht ihres Urſprunges durchaus 
unab⸗ 


unab 
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Ihre 
a pr. 
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bewie 
daß 


Wir 
buden 
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dung 


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inet 
nützen 


— z 


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59 


unabhaͤnaig, oder nach Ihrer Erklaͤrung a priori. Was 
‘ll man nun von der Vernunft oder reinen Vernunft, nach 
Ihrem Begriffe denken? Sie ſetzen dabey eine Erkenntniß 
a priori nd Jyter Erflärung voraus, und haben doch 
wecet die Moͤguchkeit noch Wuͤrklichkeit einer ſolchen bisher 
bewiehn Wir können vielmehr im Gegentheil es zeigen, 
daß u fre Vernunft einer foidyen Erkenntniß nicht fähig 
„ In der gewohnlichen Sprache unſrer Philoſophen 
i Verſtand ein Vermögen, allgemeine Begriffe a priori 
oder poſteriori zu bilden, und Vernunft ein Vermögen, 
ven Zuſammenhang der Wahrheiten aus bloſſen Begriffen 
und allgemeinen Urtheilen, oder auch zugleich mit aus Er— 
fahrungen zu erkennen. Im erſten Fall koͤnnen wir fie reis 
ne, im letzten empirische Vernunft nennen, und die Erſah— 
rung lehrt es uns, daß wir dieß Vermögen haben. 


Sie nennen den Innbegriff der Principien, nach de— 
nen alle reine Erkenntniſſe a priori koͤnnen erworben, und 
wiklich zu Stande gebracht werden, ein Organon der reinen 


Vernunft. Ohne Zweifel reden Sie hier nicht von einem 


tloſſen Vermoͤgen, ſondern von den Principien der Erkennt— 
riß ſeibſt welche die Vernunft aufgeſucht, und entweder 


hne Verbindung oder in einer ſoſchen zuſammengeſtellet hat. 


Wir muſſen alfo erwarten, was für ein Organon Sie uns 
biden werden. Wie koͤnnen Sie aber die ausführliche An— 
wendung eines ſolchen Organons ein Syſtem der reinen Ver— 
nunfe nennen? Anwendung eines Organons kann unmoͤg— 
ich ein Syſtem ſeyn. Vielleicht haben Sie nicht Anwen⸗ 


dung, ſondern Ausfuͤhrung ſchrelben wollen. 


Sie laſſen es hier dahin geſtellet ſeyn, ob auch übers 
haupt eine Erweiterung unſrer Erkenntniß auf die Art möge 
ih iſt. Ware dieß nun nicht, wozu ſollte uns dann Ihre 


Eintheilung in analytiſche und ſynthetiſche Säge a priori 
nützen, worauf Sie doch an mehrern Stellen einen fo groſ⸗ 


ſen 


60 — SE SANT 


fen Werth ſetzen? Sie wollen eine Wiſſenſchaſt der bloſſen ur € 
Beurtheilung der reinen Vernunft, ihrer Quellen und Gren. ihr v 
zen, als die Propäreotif zum Syſtem der reinen Ver n unſtſ behar 
anſehen, und dieſe ſoll nicht Doctrin, ſondeis nur Krull mit g 
der reinen Vernunſt helſſen. Alſo giebt es in Ihrer Spra- 

che eine Wiſſenſchaft, die nicht Doctrin iſt. Der Nutze 

diefer Kretik ſoll nur in Anſehung der Speculation negatit| ' heiffe 
ſeyn, nicht zur Erweiterung, tondern nur zur Laͤuterurzl mit 
unſter Vernunft dienen. Allein Beurtheilung der reine a pri 
Vernunft, ihrer Quellen und ihrer Grenzen iſt ja ſſelbſ Sie 
Speculation. Was nennen Sie Erweiterung unfrer Ven fen, 
nunit? Ohne Zweifel Erwelterung ihrer Erkeyntuiſſe vor (dm 
ihren Grenzen, von ihren Quellen. Wenn fie nun ihif Kost 
Quellen kennen lernet: fo erweltert fie ihre Erkenntniß offen] ſcheit 
bar nicht blos negativ, ſondern auch poſitiv Dieſe Krit att g 
ſoll die Vernunft von Irrthuͤmern fren halten. Allein ef’ von 
koͤnnte doch wohl ſelbſt irren, wenn ſie den Begriff der ra Sie 
nen Vernunft, die Quellen, Principien und Grenzen ef 
ſetzet, un alſo ſelbſt Irrthum verbreitet. Ob dieß de 
Fall ia Anſehung Ibrer Keitik ſey, oder nicht, davon wil 
ſich in der Folge erſt etwas genaues beſtimmen laſſen. Zu] Ich 


einer Kritik ürer die Vernunft ſchelnt zu gebören, 1) ein fta-ı 
genaue Entwicklung der ongebohrnen Grun dprincipien] gen! 
wornach fie ſich in ihrer Wirkſamkeit durchaus richtet, niß 
der Geſetz :, wornach fie ais Vermoͤgen in uns zur Wal] Bes 
ſamkeit erhoͤhet wird. 3) der uaſter Denkkraſt eingepflan:f fen 
ten Regeln, wodurch ſie von Ideen zu Ideen, von Begrif Sie 
fen zu andern durch eine innre Einrichtung unfrer Mat fie d 
fortgetrieben wird, welche Regeln leges aflociationis cog] nich 
tationum genannt werden, 3) der Art, wie fie aus Erfal] wir 
tungen und aus Bemerkungen der innerg Veranderung ee ein 
uns ſich überhaupt Vorſtellungen und allgemeine Bea rief eher 
von Giger ſtänden macht, wie fie dieſe gegen einander här] der 
un daraus neue Folgerungen hetleltet, 5) eine auf richt die 
Beobachtung gegründete Unterſuchung, welche Quellen f. a 
Klon 


U—y— — men (007 


EUTTIT —— 61 


jut Erweiterung ihrer Erkenntniß hat, und welche Grenzen 
ihr von auſſen und innen geſetzt find. Wer kann es aber 
behaupten, daß bisher keln Philoſoph dieſe Kritik und dieß 


mit gluͤcklichem Erfolg geliefert habe? 


Transſcendentolerkenntniß ſoll nach Ihnen eine folhe 


beiſſen, welche ſich nicht fo wohl mit Gegenſtaͤnden, ſondern 
mit unſter Erkenntnißart von Gegenſtänden, fo ferne dieſe 
a priori moͤulich ſeyn fol, uberhaupt beſchaͤftiget. Haben 


Sie alſo jede Erkenntniß von den Gegenſtaͤnden ausge ſchloſ⸗ 
ſen, oder nicht? Im letzten Fall würde Ihre Erklärung 


ſchwankend, im erſten würde z. B an eine transfcendentale 
Kosmologie nicht zu denken ſeyn. Es iſt mir mehr als wahre 
ſcheinlich, daß Sie ſich auf die erſte Art dieſe Erfenntniß- 
art gedacht haben. Wie wenn nun ober eine Erkenntaißart 
von Gegeuftänden a priori nach Ihrer Erklarung in unſter 
Suele ncht ſtatt hätte: fo würde dieſe transſcendentale Er— 
kenntniß nicht in uns, ſondern in andern Bewohnern der 
Welt vielleicht gefunden werden, und ich habe wichtige Ur— 
ſachen, dieß letzte für mehr als wahrſcheinlich anzuſehen. 
Ich leugne aber nicht, daß unſte Erkenntnißort von Gegen— 
ſta s den ſehr verſchieden ſey, und daß wir durch Beobachtun⸗ 
gen desjenigen, was bey uns vorgeht, wenn wir zur Erkennt⸗ 
niß der Dinge gelangen, uns auch von dieſen Arten richtige 
Begriffe machen koͤnnen. Ein Syſtem von ſolchen Begtif— 
fen nennen Sie Transſcendentalphiloſophie. Werber redten 
Sie von Erkenntnißart, nun von Begriffen. Wovon ſollen 
fie denn Begriff ſeyn? Nicht von den Grgenftänden, auch 
nicht von unſern Erkenntniſſen, ſondern von der Art, wie 
wir erkennen. Allein wie können Sie nun behaupten, daß 
ein Syſtem ſolcher Begriffe ſowohl die analytiſche als ſyn 
thetiſche Erkenntniß a priori völlig enthalte, da doch in 
der Transſcendentalphiloſophie blos von der Erkenntnißart 
die Rede ſeyn ſoll; daß dieſe Wiſſenſchaft von zu weitem 
Umfange für Ihre Adfıcht fen, weil Sie nur die Aualyſis 
ſo weit treiben dürfen, als fie unentbedrlich nothwendig iſt, 

um 


62 


um die Principien der Synthesis a priori, als warum Jh. 


nen nut zu thun iſt, in ihrem ganzen Umfange einzuſehen. 
Wenn Sie uns nur zu dieſer Einſicht verhelfen: ſo wollen 
wir Ihnen gern das ganze Syſtem ſolcher Begriſſe, oder die 
Transſcendentalphiloſophie ſchenken. R 


Allein was Ift denn nun Transſcendentalkritik? Ste 
antworten, eine ſolche, welche nicht die Erweiterung der Er. 
kenntniß ſelbſt, ſondern nur die Berichtigung derſelben zur 
Abſicht hat, und den Probierſtein des Werthes und Um 
werthes aller Erkenntniß a priori abgeben fell. Eine ſolche 
Kritik verſprechen Sie uns zu liefern. Sie wird uns ſehr 


willkommen fern, nur muͤſſen wir une dieß vorher ausbit. 


ten, daß ſie die Moͤglichkeit oder Wirklichkeit einer ſolchen 
Erkenntniß, welche nicht blos in Anſehung ihres allgemei— 
nen Innhaltes, ſondern auch ihres Urſprunges von aller Er— 
fahrung ſchlechterdings unabhängig iſt, in unfrer Seele be. 
weiſen. Denn wozu ſollte uns eine Ktitik über einen Ge 
genftand nutzen, wenn er weder Möglichkeit noch Wirklich. 
keit haͤtte, ſondern blos ein Hirngeſpinnſt unfrer Phantaſie 
ware? 


Eine ſolche Kritik, welche nicht die Erweiterung ſelbſt, 
ſondern nur die Berichtigung derſelben zum Grunde hat, 
ſoll eine Vorbereitung zu einem Organon, oder wenigſtens 
zu einem Canon dienen, nach welchem derelnſt allenfalls 
das vollſtaͤndige Syſtem der Transſcendentalphiloſophie der 
reinen Vernunft, es mag nun in Erweiterung, oder blojfer 
Begrenzung (Verichtigung) ihrer Erkenntniſſe beſtehen, fo 
wohl analytiſch als ſynthetiſch dargeſtellet werden koͤnnte. Al 
lein in dieſem Fall würden Transſcendentalkritik und Trank 
ſcendentalphiloſophie ſelbſt nach Ihrer Erklärung zum Theil 
denſelben Innhalt haben. Beyde würden die Berichtigung 
unfrer Erkenntniſſe in ſich faſſen. Da nun die Berichti⸗ 
gung unfrer Vernunft ohne Erweiterung unſrer Erlenntniſſe 


nicht 


alch 
ihren 
kriti 
famı 
gezo⸗ 
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denta 
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fonde: 


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X — - >. - = - - 5 “ 
en p 42 


63 


nicht ſtatt haben kann: ſo wuͤrden auch beyde dieſe zum Zweck 
ihrer Entwicklung haben. Es wuͤrde alſo Transſcendental⸗ 
kritik der reinen Vernunft und Transſcendentalphiloſophie zu⸗ 
ſammenflieſſen, und eine Grenzlinie für beyde nicht koͤnnen 
gezogen werden. Soll ein wirklicher Unterſchied da ſeyn: 
fo muß die Krͤik ſich mit den Principien der reinen Ver⸗ 
nunf beſchaͤ tigen, und die Philoſophi- die regelmaͤſſige An 
wendung dieſer Pri cipien auf die Gegenſtaͤnde der Vernunft 


in ſich ſchlieſen. Jene wäre alſo das, was die Phi'oſo— 


pben Logik genannt hoben, dieſe ein Syſtem von Wahrheis 
ten, welches nad) Regeln der Logik richtig und zweckmaͤſſig 
trrichtet wurde. 


Das Syſtem ſolcher Begriffe, welches Sie Transſcen⸗ 
dentalphiloſophte nennen, koͤnnte freylich genau nach der Er— 
klärung, welche Sie davon geliefert haben, von keinem 
groſſen Umfang ſeyn, weil es ſich nicht mit den Erkenntniſſen 
ſelbſt, nicht mit der Natur der Dinge, die erkannt werden, 
ſondern blos mit unfrer Erkenntnißart von Gegenſtaͤnden, 
folglich mit der Art, wie wir uͤberhaupt zu Vorſtellungen 
gelangen, wie wir aus dieſen Begriffe herleiten, wie wir 
fie mit einander verbinden, nach welchen Regeln wir es 


thun, um aus der Verbindung Urtheile und durch Hülfe 


dleſer Schluͤſſe zu bilden, kurz mit den verſchiedenen Fähig⸗ 


keiten unfrer Denkkraft, und den Grundregeln beſchaͤſtiget, 


nach welchen unſer Vorſtellungsvermoͤgen durch eine innre 
Einrichtung unfrer Natur unter fo vielen verfchiedenen Ver⸗ 
anlaffungen zur Wirkſamkeit erhoͤhet wird. Alles diefes 
duͤrfen wir nicht auſſer uns ſuchen, kann uns, wenn wir 
die gehörige Aufmerkſamkeit anwenden, nicht leicht verbors 
gen bleiben, und iſt, wie Sie hinzuſetzen, allem Vermu— 
then nach klein genug, um vollſtaͤndig aufgenommen, rad) 
kinem Werth oder Unwerth beurtheilet, und unter richtige 
1 che gebracht zu werden. 


Elne 


64 


Eine Kritik der reinen Vernunft hat es blos mit dem nich 
reinen Vernunftsvermoͤgen zu thun. Wit konnen alſo in aber 
der Ihrigen keine Ktitik der Bücher und der Entteme der fonf 
reinen Vernunft erwarten. Wenn jene richtig ausgefuhrt! 4 P 
iſt, und zum Grunde liegt: fo hat man einen ſichern Pro. Tra 
bierſtein, den Gehalt alter und neuer Werke in dieſem Fa. Ver! 
che richtig zu ſchaͤtzen. Allein Sie fönnen nicht behaupten,] N 
daß noch keine Philoſophen eine richtige und volſtaͤndige Kri- Erk. 
tik der Vernunft geliefert haben, daß Sie alſo erſt durch eine ſond 
günftigere Natur gegen Sie dazu berufen find, mit Ver. gig 
werfung aller rorigen Arbeiten in dieſem Fache dieß Erke 
groſſe Werk auszuführen. Uebrigens iſt es lange eine bes von 
kannte Wahrheit geweſen, daß ohne gründliche Vorerkennt.] zegn 
niß der Vernunztlehre keiner weder ein fettes Gebaͤude der nicht 
Philoſophie aufzuführen, noch ein Enftem derſ !ben, wel.“ Sie 
ches von andern errichtet iſt, gruͤndlich zu prüfen und zu unſre 
beurtheilen fähig ſeyn kann. 

Warum nennen Sie itzt die Transſcendentalphlloſophie rechn 
dle Idee einer Wiſſenſchaft, warum nicht ſelbſt die Wiſſen - aber 
ſchaſt, wozu die Kritik der reinen Vernunft den ganzen Zwei 
Plan architektoniſch (wozu wieder diefe neue Terminologie?) 10 
d. i. aus Principien entwerfen ſoll, mit völliger Gewaͤhrlei⸗ 9806 
ſtung und Sicherheit aller Stucke, welche dieß Gebäude 12 
ausmachen? Sie haben ſich nicht über die Urfache erklaͤrt, 804 
und alſo zwar unfre Neubegierde erregt, aber nicht beſcie⸗ . ee 
diget. Dieſe Kritik nennen Sie ein Syſtem aller Princi— ee 
pien der reinen Vernunft. Woſerne fie dieß wirklich iſt: jo 19 
bat fie nicht blos Berichtigung, ſondern auch Erweiterung 80 
unſter Erkenntniß zum Zweck, und doch leugnen Sle dieſes de f 
vorher von Ihrer Kritik. Ich habe oben ſchon gezeiget, 10 | 
daß Kritik und Trangjcendentalphilofophie, wie Sie beute F en i. 
erklaͤren, zuſammenflieſſen, und nun ſcheinen Sie ſelbſt an 
dieß zu fühlen. Sie behaupten, daß dle Kritif ein Syſtem 11 a 


aller Principien der reinen Vernunft ſey. Muß aber denn 
nicht 


77. e TEE ET ET en 
F 


65 


nicht dieß Syſtem ein vollſtaͤndiges ſeyn? Nun fell ſie 
aber nach Ihnen kein vollſtaͤndiges Syſtem ſeyn, weil ſie 
ſonſt auch eine ausführliche Analyſis der gonzen Erkenntniß 
a priori enthalten müßte, und deswegen ſoll ſie nicht die 
Transſcendentalphiloſophie ſelbſt beiſſen konnen. Allein was 
nennen Sie ausfuhrliche Aanalyſis aller Erkenntriſſe a 
priori? Heißt dieß eine genaue Entwicklung aller unſrer 
Erkenntriſſe, welche richt blos in Rüuͤckſicht ihres Innhaltes, 
ſondern auch ihres Urſprunges von aller Erfe hrung unabhaͤn. 
gig ſind: ſo muͤſſen Sle uns erſt beweiſen, daß wir ſolcher 
Erkenntniſſe fähig ſind. Wollen Sie dadurch Erkennenlſſe 
von allgemeinen Begriffen der Gegenſtaͤnde, von daher ge⸗ 
zegnen Urtheilen und Schluͤſſen verſtehen: fo geboren dieſe 
nicht in Ihre Trans ſcendentaiphiloſopßie, weil dieſe, wie 
Sie lehren, ſich nicht mit Gegenſtaͤnden, ſondern blos mit 
unſrer Erkenntnißart der Gegenſtaͤnde befchäftiger. 


Illes, was die Transſcendenta philoſophie ausmechet, 
rechnen Sie zur Kritik der reinen Vernunſt. Was kann 
aber dasjenige ſeyn, was jene ausmacht? Doch ohne 
Zweifel nichts anders, els der garze Innßalt deeſelben ? 
Brperet dieſer zur Kritik der reinen Vernunft: fo muß 
dieſe die Transſcendentalphiloſophie in ſich feſſen, und das 
Gebiet von beyden muß ſich gleich weit erſtrecken. Dieß 


ſcheinet aber mit demjenigen im Widerſpruch zu ſeyn, was 


Sie vorher behauptet haben. Gleich darauf nennen Sie 


die Kritik eine vollſtaͤndige Idee det Trans ſcendentalppiloſo. 
phie. Würde fie dieß ſeyn koͤnnen, wenn fie nicht alles das 


enthielte, was die Transſcendentalphiloſophie ausmocht ? 
Da dieſe nun eine Wiſſenſchaſt iſt: jo muß die Kritik auch 
dileſe Wiſſenſchaft in ſich faſſen. Sollter wir nicht fo ſchlieſ. 


fen konnen: jo müffen Sie Ihte eiſte Beheuprung wie der 
zuruck nehmen, und uns erklaren, nie eine Sache eine voll. 
ſtändige Idee einer andern, und doch von ihr unterſchieden 


E | In 


ſeyn kann. 


66 ee 


In Ihre Trans ſcendentalphltoſophle wollen Sie gar 
feine Begriffe aufnehmen, die irgend etwas Emplriſches in 
ſich enthalten: ſondern die Erkenntniß a priori fol völlig 
rein ſeyn. Wir müffen alſo erwarten, was Sie leiſten were 
den. Sie halten die oberſten Grundſaͤtze und Grundbegriffe 
für Erkeantniſſe a priori. Allein wie erhält unſte Vernunſt 
von beyden Erkenntniſſe? Sind dieſe anders moͤglich, als 
durch Beobachtungen, die wir uͤber die uns eingepflonzten 
Grundttlebe und ihre Wirkſamkeit anſtellen? Jene ſind 
vor aller Erfahrung da, und dieſe muͤſſen wir durch Beob⸗ 
achtung oder Erſadrung kennen lernen. Die Moralitaͤt uns 
free Handlungen gründet ſich auf dieſe. Wir wuͤrden aber 
uns keine Bigtiſfe, und alſo keine Erkenntniß von ihnen 
erwerben koͤnnen, wenn wir nicht aus dieſem Geſichtspunct 
dle Wirkſamkeit unfrer Seele beobachteten. Die Erkenntaiß 
iſt alſo ihrem erſten Urſprunge nach nicht von aller Erfah- 
rung unabhängig, nicht ſchlechterdings a priori. Auf eine 
ähnliche Art entſtehen in uns Begriffe von kuſt und Unia, 
von Besterden und Neigungen, welche insgeſammt empiti⸗ 
ſchen Urſprunges ſind, und als ſolche nicht in die Abfaſſung 
des Soſtetns der reinen Sittlichkeit mlt hineingezogen wer. 
den muͤſſen. Alles praftifche, fo ferne es Triedfedern in 
ſich ſaͤſſet, bezieht ſich auf Gefühle, welche zu empirifchen 
Erkenntnißquellen gehoren. Abes dieſes wollen Sie aus 
der Transſcendentalphiloſophie ausſchiieſſen, weſche deswe⸗ 
gen ein: Weltwelsheit der reinen, blos ſpeculatlven, Ver, 
nunft fern ſoll. 


Sir erwarten alſo in dieſer eine Erweiterung unſrer 
Erkenntniſſe, nicht von Vorſtellungsver noͤgen, nicht von 
bloſſen Fapigkeiten, nicht von angebohrnen Grundregeln des 
Denkens, welche vor aller Erfahrung in uns ſind, ſondern 
von Erkenntniſſen ſelbſt, in wie weit wir fie ohne alle Beob⸗ 
achtung, ohne alle Innre Erfahrungen erhalten. Sie reden 


von einer Eintheilung dleſer Wiſſenſchaft aus dem allgemei 
nen 


nen 
vor 
talp 


3 


nad 
3)‘ 
Keil 
dieſ 
wel, 
diefi 
de, 
Ein 


| der 


Jie 
zel. 
Oh. 
die 
dieß 
von 
Sit 
afıı 


ſes 


ficir 
ſtaͤn 
kan: 
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67 


nen Geſichtspuncte eines Syſtems uͤberhaupt, welche Sie iht 
vortragen wollen. Iſt dieſe Wiſſenſchaft nun Trangfcendene 
talphiloſophie, oder Kritik der reinen Vernunft? Nach dem 
Zuſammenhang zu urtheilen, denken Sie ſich jene, und 
nachher machen Sie dieſe Eintheilung 1) Elementarlehre, 
3) Methodenlehre der reinen Vernunft zu Theilen Ihrer 
Kritik. Hier erklaͤren Sie alſo entweder beyde fuͤr eine und 
dieſelbe Wiſſenſchaft, oder Sie vermengen ſie mit einander, 
welche doch als verſchieden gedacht werden ſollen. Jeder 
dieſer Haupteheile hat feine Unterabtheilungen, deren Grüns 
de, wie ſie mit Recht bemerken, ſich nicht wohl in der 


Einleitung vortragen loſſen. 


Ihre Bemerkung iſt richtig. Es giebt zwey Staͤmme 
der menſchlichen Crkenntniß, Slunlichkeit und Verſtand. 
Vlelleicht entſpringen fie aus einer gemeinſchaftlichen Wur— 
zel. So ganz unbekannt ſcheint ſie uns doch nicht zu ſeyn. 
Ohne Zweifel iſt fie dos Vermoͤgen zu denken in elner Seele, 
die mit einem organiſchen Koͤrper verbunden iſt, und von 
dieſem Vermoͤgen erhalten wir auf eben dem Wege, wle 
von Sinnlichkeit und Verſtand eine Erkenntniß. Nicht die 


Sinnſichkeit, ols bloſſes Vermoͤgen von auſſen und innen 


offieirt zu werden, giebt uns Gegenſtaͤnde, ſondern durch dies 
ſes werden ſie uns nur dann gegeben, wenn es wirklich af— 
ficiret iſt, und der Verſtand denket ſich theils dle Gegen» 


ſtände, theils das afficirte Vermögen. . Die Sinnlichkeit 


kann ‚alto nicht als ein bloſſes Vermoͤgen Vorſtellungen a 


priori in ſich enthalten, wie Sie behaupten. Sie iſt zwar 
vor aller Erfahrung in uns und folglich ſo welt a prioti da; 


dle Vorſtellungen ſelbſt werden aber durch die Gegenſtaͤnde 


erregt, welche ihm als Oblecte gegeben find. Die finnlichen 
Vorſtellungen ſelbſt koͤnnen nicht in der Seele a priori ſeyn, 


ſondern muͤſſen alle einen em piriſchen Urſprung haben. Sie 

koͤnnen alſo als ſolche, nicht die Bedingung ausmachen, un⸗ 

ter der uns Gegenſtaͤnde gegeden werden. Mit welchem 
Ea 


Rechte 


— ——— — — — —-¼— — —— — — — — — — — 


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Rechte koͤnnen Sie behaupten, daß die Sinnlichkelt zur 
Ttansſcend ntalphiloſophie gehoͤre? Vielleicht als eine Er. 
keuntnißart, als ein bloſſes Vermoͤgen? In dieſem Fall 
habe ich nichts dagegen. Allein als ein Virmoͤgen, wels 
ches Vorſtellangen a priori in ſich erthaͤlt, kann ſie nicht 
zu dieſer Wiſſenſchaſt gehören, weil ſie dieß weder thut, 
noch thun kann. Was iſt transſcendentale Sinnenlehre? 
Dieſe kann doch nichts anders als eine Lehre von den finnli» 
chen Vorſtellungsarten ſeyn. Nennen Sie nicht die ſinnli⸗ 
chen Vorſtellungen ſelbſt, ſondern die finnlidhe Erkenatniß. 
art als Vermoͤgen die Bedingung, worunter dem menſch 
lichen Verſtande Gegenſtande zu denken und zu erkennen 
gegeben werden: fo würde ich onen mit eben der Bereltwil. 
ligkeit beypflichten, mit welcher ich dle Ehre habe zu ſeyn ꝛc. 


Keltik 


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Kritik 
der 


en Vernunft 


3 
Der 
Transſcendentalen 
Elementarlehre, 


Erſter Theil. 


— —ͤ— — — — 


Die Transſcendentale Aeſthbetik. 


7· 
8. Bröf. 
Mein Herr, 


Unfre Erkenntniß beſtehet in Vorſtellungen. Bey jeder 


Vorſtellung koͤnnen wir 1) auf das Subiect, welches dieſe 
bat, a) auf das Obiect, welches gedacht wird, 3) auf die 
Morſtellung ſelbſt ſehen. Dieſe, in wie weit fie auf das 
Obiect bezogen wird, ſcheinen Sie eine Anſchauung zu nen⸗ 
nen, es mag übrigens beſchaffen ſeyn, wie es will. Wor⸗ 
inn kann dieſe anders als in dem gedachten Stoff beſtehen, 
welchen der Geger ſtand dem Vorſtellungsvermoͤgen gleichſam 
darreichet? Alles unſer Denken ſoll folglich die Anſchauung 
zum Zwecke haben. Dieſe findet aber nur ſtatt, in wie ferne 
der Gegenſtand gegeben wird, und dieſes iſt wenigſtens bey 
uns Menſchen nur dadurch moͤglich, daß er das Gemuͤth 
auf eine gewiſſe Art aſficiret. Soll der Gegenſtand dieß 
koͤnnen: ſo muß er entweder, vor der Anſchauung da ſeyn, 
oder mit ihr zugleich gegeben werden. 

Sie nennen Sinnlichkeit das Vermögen, (Receptivl⸗ 
tat), Vorſtellungen durch die Art, wie wir von Gegenftäns 
den aſficirt werden, zu bekommen. Wir koͤnnen aber auf 
eine doppelte Art afficiree werden, 1) durch auffre Gegen» 
ſtaͤnde, 2) durch innre Veraͤnderungen in uns, als in den 
vorſtellenden Subiecten, weil wir uns fo wohl der aͤuſſern 
Eindruͤcke als der innern Wickſamkeiten beruft werden koͤn⸗ 
nen. In benden Fällen verhalt unſer Vorſiellungsvermoͤgen 
in fo weit ſich leidend, als ihm der Steff gegeben wird, und 
durch feine thaͤtige Kraft, (Spontanitaͤt), erhebet es gleiche 
ſam dieſen Stoff zur Vorſtellung von dem Gegenſtande. 
Wenn alſo ein Subiect, oder beſſer ein Geiſt gedacht wird, 
auf welchen weder äuffre Gegenſtaͤnde wirken konnen, noch 
welcher innıre Veraͤnderungen haben kann, fo iſt bey ihm 
Sinnlichkeit nicht denkbar. Iſt es alſo nicht ein offenbarer 
Widerſpruch, wenn einer Ne Anhänger fa gar grade weg 

4 8 be« 


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72 


behauptet, daß auch bey Gott Sinnlichkeit in weitrer, d. 
b. in der odigen Bedeutung angetroffen wird? 
Sinnlichkelt als bleſſes Vorſtellungsvermoͤgen kann 
uns keine Gegenſtaͤnde geben, fordern fie ertheilen ihr den 
Stoff, und die thaͤtige Kraft derſelben erhebt dieſen zur Vor. 
ſtellung, welche in Beziehung auf jene Anſchouung von J- F 
nen genannt werden. Wellen Ei. nichts mehr ſagen, wenn 
Sie behaupten, daß uns vermittelſt der Sinnlichkeit Ge 
genſtaͤnde gegeben werden: fo bin ich mit Ihnen eins. 
Won der Verſtand ſich die Anſchauungen denket: ſo ſollen 
Begriffe entſtehen. Hätten Sie hier erſt erklaͤlt, was Sit 
Beqriſſe nennen? fo muͤrden wir Ihre Folgerungen bejfer 
beuitheilen koͤnnen. Begriffe fird noch der Sprache urf:rer 
Philoſephen Vorſtellungen von cllge neinen Gegenſtaͤnden, 
in weichen die individuellen Beſtim mungen weggeloſſen ſink. 
Dieſe bildet der Verſtand durch Huͤlſe der Ideen von einzel. 
nen Dingen (indiuiduis). Auch diefe Vorſtallungen kon 
nen auf die allgemeinen Gegeuſtaͤnde bezogen werden, und 
find alſo ouch Anſchauungen nch der Ecklarurg weiche Sie 
uns von ihnen gegeben haben. Sle find ſois lich eden fo me. 
nig in Anſehung ihres Urſprunges von aller Erfahrung un 
abhangig, als die eigentlich ſinnlichen Vorſtellungen, oder, 
wie Sie dieß ausdruͤcken, fie find nicht a priori in uus. 
Wollen wir die Verſt llung eines Begriffes in Beziehung 
auf den allgemeinen Gegenſtand eine Anſchauung nennen:“ 
fo iſt dieſe doch von den ftanlihen Aaſchauungen ſehr weit! 
unterſchieden, weil dies“ letzten ſich nur auf einzelne vollſtaͤn, 
dig beſtimmte Gegenſtaͤnde (indiuidua) beziehen können, 
und folglich nicht alles, was von dieſen gi't, auch von je 
ner gelten kann. Hätten wir nicht Verſtand und Vernunft, 
welche ſinnliche Ideen zu allgemeinen Begriffen erheben 
kann: fo würde Sinnlichkeit eben jo wenig uns., als einem 
Affen zur Anſchauung allgemeiner Begriffe verhelfen koͤnnen. 
Dieſe Bemerkung iſt deswegen hoͤchſt wichtig, weil 
Sie zwar die Anſchauung fo allgemein etklaͤret haben, daß 
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11K 73 


wir jede Vorſtellung, welche auf einen Gegenſtard, er fen, 
welcher er wolle, bezogen wird, Arſchauung nennen konnen, 
aber doch nachher unter dieſer nur eine Gattung, namlich 
die Anſchauung ſolcher Gegerſtaͤnde zu denken ſcheinen, mike 
che eigentlich unſte Sinne aſficiren koͤgnen. Ware cieß letzte 
nicht wirklich bier der Fall: fo wuͤrden Sie nicht berechtiget 
ſeyn, zu behaupten daß alles unſer Denken, es ſry geradezu, 
oder um U ſchwaf, zuletzt auf Anſchauung, mithin bey uns 
af Si ſruchker ſich beziehe, weil uns auf andre Weiſe 
fei Gegen ſtand gegeben werden kann. Nach dleſer Ihrer 
Behoeup ung iſt alſo jedes Denken und folglich auch jede Er— 
kant aß i. unſſer S uele nicht von aller Erfahrung ganz un⸗ 
ab angig. Sie geſtehen es hier alſo ſebſt, daß ſich bey 
us eine ſolche Eckenntniß a priori nicht finde, wie Sie 
dir ſe mehrmal ertlaͤret haben. Tugend, Frankie, Unſterb⸗ 
lichkeit, Gott, find Gegerftänd:, welche uns doch eigente 
lich nicht durch Sinnlichkeit gegeben werden. Wir konnen 
un‘ von ihnen nicht durch Hülfe unfrer Sinnen, ſondern 
unſers Verſtendes Vorſtellungen machen, und tiefe auf 
Gegenſtände beziehn. Wir find alſo fähig von ihnen eine 
Anſchauung zu erhalten, ehne daß dieſe das Werk unſter 
Sin lichkeit iſt, voch ſeyn kaln. 

Um Verwirrungen in der Folge beſſer zu vermeiden, 
koͤnnen wir, wenn doch einmal die A ſchauung in fo weiter 
Bedeutung genommen werden ſoll, fir in eine Anſchauung t) 
der Sinne, 3) des Verſtandes, 3) der Vernunft eintheilen. 
Die erſte Gattung begreiſt unter ſich, alle Vorſtellur gen von 
Gegenſtaͤnden, welch unſern aͤuſſern oder innern Sinn affie 
ciren konnen. Gegenſtaͤnde des aͤuſſern Sinnes find alle 
diejenigen, welche auſſer uns find, auf unſer bloſſes Vermoͤ— 
gen, von auſſen afficirt zu werden, Eindrüdfe machen, und 
es dadurch zur Wirkſamkeit zu erheben ſähig ſind. Das 
Geblet unſers innern Sinnes erſtrecket ſich ohne Unterſchled 
auf alle Veraͤnderungen, welche in urs ſelbſt erfolgen, und 
deren wir uns bewuſt werden koͤnnen, ſolglich auf olle Grund. 


3 geſete, 


74 Eee 1} 
geſetze, welche dle Natur ſelbſt uns vorgeſchrieben hat, wor. 
nach unfre Begierden erregt, wornach unſte Einbildungss 
kraft gelenket wird, wornach Verftard und Vernunft ſich 
wirkſam bewelſen, folglich auf alle Faͤhigkeiten zu denken 
und zu wollen, auf alle Grundregeln, welchen der Menſch 
felget, ohne daß er ſie kennet, ober doch durch Aufmerkſam⸗ 
keit auf die Beſchaffenheit ſeiner innern Wirkſamkelt ſich be. 
kannt machen kann. Die Vorſtellungen des Verſtandes 
haben allgemeine Ideen oder Begriffe zu Gegenſtaͤnden, 
und heiſſen Anſchauungen des Verſtandes, in wie weit fie 
auf jene gezogen werden. Eden ſo haben die Vorſtellungen 
der reinen Vernunſt den Zuſammenpang blos allgemeiner 
Wahrheiten, die Vorſtellungen der empiriſchen Vernunft 
thells den Zuſammenhang der allgemeinen, theils auch ine 
dlvidueller Vahcheiten in Verbindung zum Gegenſtand, 
und koͤnnen, in Beziehung auf tiefen, Anſchauung der reis 
nen ober der empiriihen Vernunft genannt werden. Die 
Anſchauungen des Verſtandes oder der reinen Vernunft ſetzen 
freylich Beobachtungen ſinnlicher Eindruͤcke oder Erfahruns 
gen voraus, und find alſo ihrem Urſprunge nach von Dies 
ſen nicht ganz unabhaͤngig. Sie ſelbſt erheben ſich aber 
durch dle Wirkſamkeit des Verſtandes und der Vernunft 
uͤber das Gebiet der Sinnlichkeit, und ſind alſo von allen 
bloß ſinnlichen Anſchauungen unterſchieden. Ich werde dieſe 
Claſſification von den Gattungen der Anſchauung in der 
Folge als bekannt und ausgemacht zum Grunde legen, und 
ſtets die Begriffe mit ihnen verbinden, welche ich von ih⸗ 
nen gemacht habe. 

Sie erklaͤren die Empſindung durch die Wirkung eines 
Gegenſtandes auf die Vorſtellungsfaͤhigkeit, fo ferne wir 
von demſelben afıtcire werden. Was wollen Sie uns das 
durch eigentlich lehren? Iſt die Wirkung des Gegenftuns 
des ſelbſt die Empfindung? Dieß kann ſie durchaus nicht 
ſeyn. Empfindung iſt eine Folge dleſer Wirkung auf unſer 


Vorſtellungsvermoͤgen nach feiner Receptivitaͤt in 5 Der 
egen« 


mur 


reer 


Gegenſtand felbft ſowohl als ſelne Wirkung iſt alſo von der 


Empfindung ſehr unterſchieden. Auch dieſe iſt nicht immer 
blos eine Folge des afficırten Vorſtellungsvermoͤgens in uns. 
Einige äuffere Gegenſtände wirken fo auf unſer Gemuͤth, 
daß blos urfer Vorſtellungt vermoͤgen afficirt wird, und 
dann iſt die Folge blos Vorſtellung. Alle Eindruͤcke, wel⸗ 
che die Gegenſtaͤnde durch Hülfe des Geſichtes oder Gehoͤrs 
auf uns machen, find von diefer Art. Sie haben, wenn 
fie blos dieſe find, kein Gefühl in ihrem Gefolge. Wenn 
aber auf unſte Sinne des Geſchmecks, des Geruchs, des 
Gefuͤhls von aͤuſſern G:genjtanden gewirkt wird: fo haben 
wir nicht blos Vorstellungen, ſondern es iſt g- woͤhnlich bald 
ein angerehmes, bald ein widriges Geſuͤhl, bald Schmerz, 
dald Wolluſt mit ihnen verbunden, ud wir ſetzen den Ort, 
wo wir deydes fühlen, nicht willkuͤhr ich, ſondern durch 
ein Naturgeſetz gezwungen, in den Theil des Körpers, wel⸗ 
cher unmittelbar afficiret wurde. Daher nennen wir auch 
beyde koͤrperliche Schmerzen oder Wolluͤſte. Auch von Dies 
fon Gefühlen erhalten wir Vorſtellungen, deren Gegenſtaͤnde 
alſo die Gefühle ſelbſt find, und folglich in fo weit von ih⸗ 
nen ſich unterſcheiden. Nennen wir jede Folge der Wire 
fung eines Gegenſtondes auf unfre Vorſtellungsfähigkeit 
Empfindung: fo würden auch die koͤrperlichen Gefuͤhle dies 
fen Namen führen, und dann müßten wir doch in Ruͤckſicht 
der Empfindungen den Unterſchied machen, daß wir darun⸗ 
ter entweder blos Vorftellungen als Folgen des afficirten 
Vorſtellungsvermoͤgens uns denken, fo wie die Empfindun⸗ 
gen des Geſichts und Gehoͤrs zu ſeyn pflegen, oder daß wir 
auch zugleich dle koͤrperlichen darunter begriffen, welche eis 
gentlich nicht Vorſtellungen, ſondern Gegenſtaͤnde in uns 
von denſelben find; und fo hätten wir denn einmal Vorſtel⸗ 
lungsempfindungen, zweytens Empfindungen des koͤrperlichen 
Gefuͤhles. Es giebt auſſerdem noch in uns Gefühle der 


Freude und Traurigkeit, der Hoffnung und Freude, welche 


don 3 koͤrperlichen Gefühlen ſehr weit unterſchieden find, 
welche 


76 seele, 


welche, wenn fie in uns entſtehen, auf unfern innern Sinn 
wlrken, und alfo Gegenſtaͤnde von unſter Vorſtellung werden, 
ohne eigentlich ſelbſt Vorſtellungen zu ſeyn Empfindungen 
koͤnnen wir ſie nennen, und dieſen Namen haben ſie auch 
längft bey den Weltwelſen geführt. Wir koͤnnen von allen 
dleſen Empfindungen elne Anſchauung haben, well unſte 
Vorſtellung in Beziehung auf den Gegenſtand Anſchauung, 
und in Ruͤckſicht auf das Sublect, welches fie hat, Emps 
findung heißt. 

So wenig die Wirkung des Gegenſtandes ſelbſt auf 
die Vorſtellungsfähigkeit Empfindung helſſen kann: eben fo 


wenig koͤnnen Sie den unbeſtimmten Gegenſtand einer em⸗ 


pieifhen Anſchauung mit Grund eine Erſcheinung nennen. 
Welchen Begriff verbinden Sie mit einem unbeſtimmten 
Gegenſtand der Anſchauung? Jede Anſchauung muß einen 
beſtimmten Gegenſtand hoben. Verliehrt ſich dieſer: fo 
wird auch die Anſchauung ſelbſt ſich verlohren haben. Sollte 
der unbeſtimmte Gegenſtand etwa allgemeine Begriffe, alle 
gemeine Uitheile bedeuten: fo waͤren dieſe ihrem Innhalte 
nach nicht durchaus (omnimode) beſtimmt. Allein in 
Anſehung der Anſchauung, die wir von ihnen haben, wir 
den fie die Geſtalt beſtimmter Gegenſtaͤnde annehmen. Er« 
ſcheinung kann nichts anders helſſen, als entweder der Ges 
genſtand, welcher uns erſchelnt, weil er auf unſte Sinne 
wirket, oder dle Anſchauung, dle wir von ihm haben. Die 
letzte iſt in uns, kann nach den verſchiedenen Lagen, worlinn 
der Gegenſtand uns erſchelnet, ihm entſprechen, und alſo 
ihrer Form oder ihrem beſtimmten Innhalte nach mit ihm 
uͤberelnſtimmen, oder nicht. Im erſten Fall iſt die Erſchel⸗ 
nung wahr, im andern falſch. Das Ding als Gegenſtand 
hat ſelne eigenthuͤmliche Form, welche von der Form der 
Erſcheiming oder der Anſchauung weſentlich unterſchleden iſt, 
weil fonft der Gegenſtand ſelbſt und die Anſchauung deſſel⸗ 
ben eins und daſſelbe Ding ſeyn muͤſten. Es muß aber 
ſreylich von der Art ſeyn, daß es durch dle Form der An⸗ 

ſchauung, 


212 EEE 77 


ſchauung, welche dem Gemuͤthe eigenthuͤmlich zukommt, 
vorgeſtellet werden kann, d. h. daß das Gemuͤth die Re⸗ 
ceptivität hat, davon afficirt werden zu koͤnnen. Das Ding, 
welches erfcheiner, kann alſo nicht von feiner Erſchelnung in 
uns, ſondern dleſe muß von ihm abhangen. Uebrigens 
mögen unfre Anſchauungen von ihm beſchaffen ſeyn, wie fie 
wollen, wahr oder falſch: fo bleibt der Gegenſtand an ſich 
in beyd en Fällen unverändert das, was er feiner Natur 
nach iſt. N 

Sie wollen nun unterſuchen, was Sie in der Erfcheis 
nung astreſſen. Allein was iſt Erſcheinung. Etwa der 
Grgenftand einer empiriſchen Auſchauung. Reden Cie alfo 
von dief m, oder von der Art, wie er Ihnen erſcheinet, von 
der Anſchauung deſſelben? Das erſte kann wohl nicht gut 
ſtatt haben, weil alles, was Sie von der Erſcheinung ſa— 


gen, ſich nicht auf ihn anwenden läßt. Sie denfen ſich alſo 


die empiriſche Anſchauung des Gegenſtandes. Allein dieſe 
iſt ja ſelbſt Empſindung, in wie weit fie auf das denkende 
Subiect bezogen wird. Sie nennen die Materie dasjenige, 
was ihr correfpondiret. Was kann ihr aber correfpondiren ? 
Entweder muͤßte dieß auſſer der Anſchauung oder auch in 
Ihr ſelbſt liegen. Auſſer derſelben kann es nichts anders als 
der Gegenſtand der Anſchauung fern. Wann es in ihr 
ſelbſt laͤge: fo müßten es die Vorſtellungen von den einzel⸗ 
nen Zügen der ganzen Anſchauung ſeyn, ober diefe müßte 
ſelbſt dafür gehalten werden. Das erſte denken Sie ſich doch 
wohl nicht, und wie Sie dle Vorſtellungen der einzelnen Züge 
in der ganzen Anſchauung dasjenige nennen koͤnnen, was 
det Erſcheinung correſpondiret, das begreif ich nicht, well 
fie doch zuſammengenom men die Anſchauung ſelbſt ausma— 


chen. Die Form der Erſchelnung fell in dem Mannlgfalti. 


gen derſelben beſtehen, in wie weit dieß in gewiſſe Verhaͤlt⸗ 
niſſe geordnet wird oder wie Sie ſagen, werden kann. Die ß 
Mannigfaltige in der Erſchelnung fo geordnet, giebt der 
ganzen empiriſchen Anſchauung eine Form, wodurch ſie ſich 

von 


78 eee eee 


von jeder andern in Anſehung ihres Innhaltes unterſcheldet. 
Iſt nun die Frage, wodurch wird dieß Mannlgfaltige ſo 
geordnet: ſo wird davon nichts anders die Urſache ſeyn koͤn. 
nen, als 1) der Gegenſtand, welcher ſich durch ſeine Els wir. 
kung dem Gemuͤthe mittheilet, 2) die Receptivität der Vor⸗ 
ftellungsfähigfeie, wodurch eine ſolche Anſchauung, oder 
elne ſolche Form von ihr in ihm moͤglich wird. Dasjenlge, 
worinn ſich die Empfindung alltin ordnen, und in eine ges 
wiſſe Form geſtellt werden kann, iſt nicht wieder Empfin⸗ 
dung. Freylich nicht. Es iſt die Vorſtellungsſählgkelt ſelbſt, 
vermoͤge deren wir uns die Theile der Gegenſtaͤnde in dem 
Verhältniß denken. in welchem fie ſich uns darſtellen. Dieſe 
Fäbiskeit iſt a priori vor oller Erſcheinung ia unſerm Ge. 
muthe, kaan auch abgeſondert von ollen wirklichen Empfin 
dungen duech unſern Verſtand gedacht werden. Hieran hat 
noch nie ein Weltweiſer gezweitelt. Gedacht wird fie aber 
von keinem anders, els durch Aufmerffamfeit auf die Wirs 
kungen feiner Vorſtellungsſählgkeit, und durch eine logische 
Abſoncerung aller Vorſtellungen von dem Vermoͤgen ſelbſt. 
Uaſce Erkenntriß von ihm wird alſo eben fo wenig als die 
Materie der Erſcheinung a priori d. h. ohne alle Erfahrung 
erworben. 

Sie nennen alle Vorſtellungen rein, in trans ſcendenta⸗ 
lem Verſtande, in welchen nichts, wis zur Empfindung ges 
hört, ar getreffen wird. Geht hier das Transſcendentale auf 
die Vorſtellung ſelbſt, oder auf dieß, daß ſie als rein ges 
dacht wid? Das erſte kann nicht ſtatt haben, weil als. 
dann nicht von Vorſtellungen, ſondern von Vorſtellungsar— 
ten die R-de ſeyn müßte, Sie moͤchten denn einen andern 
Begriff mit dem Transſcendentalen verbinden wollen, als 
Sie ihn uns vorher davon gegeben haben. Giebt es aber 
auch Verſtellungen, in welchen nichts, was zur Empfin. 
dung gehört, angetroffen wird? Welche koͤnnten denn dieſe 
ſeyn? Etwa ſolche, dle in dem Gemuͤthe da find, ob gleich 
keine Wirkung eines aͤuſſern oder innern Gegenſtandes auf 

die 


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P TE TEE TE EEE TEEN TEEN VERTEILEN ET 


die Vorſtellungsfaͤhigkeit fie unmittelbar hervorgebracht hat. 
Wer wird es leugnen, daß dieſe daſeyn koͤnnen? Wir 
haben nicht blos Sinne, ſondern auch Verftond und Vers 
nunft, und dieſe koͤnnen durch ihre thaͤtige Kroft Verſtel— 
lungen erregen. So koͤnnen wir aus den Eigenſchaften 
eines Zirkels, und aus andern entwickelten Gründen von 
der Beſchaffenheit der Triangel, es herleiten, daß der Halbe 
meſſer ſich mehrmal in der Peripherie herum tragen laſſe. 
Alsdann haben wir eine Vorſteuung, worinn eigentlich 
nichts, was zur ſinnlichen Empfindung gehört, angelroffen 
wird. Allein werden wir dieſe Vorſtellung haben koͤnnen, 
wenn gar keine ſinnliche Empfindungen vorher gegangen 
waͤren, woraus unfre Vernunſt durch ihre thaͤtige Kraft ſich 
zu dieſer Vorſtellung empor arbeitete? Dieſe iſt alſo in An— 
ſehung ihres Urſprunges nicht durchaus a priori d. h. nicht 
von aller Erfahrung unabhaͤngig. 

Die reine Form der finnlichen Anſchauung überhaupt 
ſoll im Gemüche a priori angetreffen werden, worinn als 
les Mannigfaltige der Erſcheinung in gewiſſen Verhaͤltniſſen 
angeſchauet wird. Was nennen Sie reine Form der finne 


lichen Anſchauung? Vielleicht die Beſchaffenheit, welche 
die Receptivitaͤt unfers Vorſtellungsdermoͤgens hat? Dieſe 


iſt von ihm eine eigenthuͤmliche, weſentliche Beſtimmung, 
und iſt ſe gut in einem Kinde, ehe es noch gebohren wurde, 
als in den aufgeklaͤrteſten Philoſophen anzutreffen, folglich 
in fo weit vor aller Erfahrung in unſerm Gemuͤthe. Ges 


dacht wird ſie aber erſt von uns, wenn wir auf ſie, oder 
vielmehr auf ihre Wirkſamkeit aufmerkſam find, und ſolg⸗ 


lich haben wir von ihr keine andre Erkenntniß als a poſte- 
riori. Soll aber die reine Form der ſinnlichen Anſchauung 


ihren Innhalt bedeuten, wodurch fie überhaupt nur als Ans 


ſchauung von uns gedacht, oder wodurch fie eine Anſchau ⸗ 
ung von einem beſtimmten Gegenſtand wird: ſo iſt im erſten 
Fall eigentlich keine Anſchauung im Gemuͤthe, ſondern wir 


denken uns nur dieſe unter einem allgemeinen Begriff, > 
ie: 


80 eur. eee 


dieſer wird dann dle Form derſelben. Im letzten Foll muß 
ein beſtimmter Stoff unſerm Vorſtellungsvern oͤg en gr «bin 
ſeyn, welcher, wenn er durch dle Thätigkeit deſſe ben zur 
Worſtellung erhoben iſt, die Form dieſer beſteme ten An- 
ſchauung aus macht. Die Form dieſer An ſchauvrq iſt a lo 
nicht a priori in uns, ſondern wird durch die Cinwirkung der 
Gegen ſtaͤnde auf unſre Slunen, und durch die Thätigkeit unfes 
rer Vorſtellungsfahigkeit ſolglich a poſteriori in uns crreget. 


Worker redten Sie von der reinen Form finnlicher An. 
ſchauungen, und nun nennen Sie dleſe reine Form der Ein» 
lichkeit feibft reine Anſchauung. Sollte hier wohl nicht 
einige Verwirrung der Idten herrſchen? Karyn denn die 
rei e Ferm der ſinnlichen Anſchauungen die reine Anschauung 
ſelbſt ſeyn? Sie machen hier dasjenige, was Sie vorher 
unterſchieden, zu einer und derſelben Sache. Die Form 
der Senulichkeit iſt entweder die Beſchaffenheit von der Emp⸗ 
ſaͤnguchkeit unſers Vorſtellungsvermoͤgens oder ncht. Im 
erſten Fall iſt fie durchaus keine Auſchauerg, kein Actus, 
ſondern ein bleſſes Vermögen. Iſt ſie dieſe nicht: fo iſt 
fie nicht Ferm der Sinnlichktit, ſondern Ferm der Ans 
ſchauung von eirem Gegenſtand, wodurch fie ſich vo jeder 
andern Anſchauung unterſcheidek. Dick erhellet auch aus 
dem Bey piel, welches Sie zur Erläuterung anführen. Wit 
erhalten eine ſinnliche Anſchauung von einem Körper z. E. 
einem Thurm; wit bemühen uns durch die Tont'gleit une 
ſers Verſtandes Subſtanz, Kraft, Theilbarkeit, U durch⸗ 
dringeichkeit, Haͤrte aus ihr weazuſchaffen, dann bleißt vor 
dieſer empiriſchen Anſchauung roch Aus dehnung und Geſtalt 
Über. Alltin ud) dieſe lagen in der ganzen Vorſtellung, 
waren alſo Theile von der empitiſchen Anſchauung, und wit 
erhielten auf eben dem Wege, wie von allen übrigen Yes 
ſtimmungen des Thurms eine Erkenntniß a pofleriori, oder 
durch Hälfe der Erfahrung. Die Anſchauung von beyden, 
von Geſtalt und Ausdehnung, wor ein Theil von der ganzen 
empirifchen Vorſtellung, lag nicht als bloſſe Form der Sinn⸗ 

lich 


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lichkeit, wenn jene blos die Beſchaffenheit der Receptivitaͤt - 
der letzten bezeichnet, noch als actuclle Anſchauung a priori 
in dem Gemuͤthe, ſondern der Stoff dazu wurde von auſſen 
gegeben; und urfre Vorſtellunasfaͤhlgkeit war von der Be— 
ſchaſſenheit, daß fie dieſen zur Vorſtzllung oder Anſchauung 
erheben konnte. Dieſe Beſchaffenheit des Vorſtellungs— 
vermoͤgens iſt a priori oder vor aller Erfahrung in unferm 
Gemüͤthe, die Vorſtellung ſelbſt oder die ſinnliche Anſchauung 
wird erſt durch Einwirkung des Körpers auf unfer Vorſtel— 
lun gevermoͤgen, und alſo a pofteriori erregt. Nun erſt 
koͤnnea wir durch Huͤlfe unſers Verſtandes Ausdehnung und 
Geſtalt uns im allgemeinen denken, ohne auf einen wirk— 
lichen Gegenſtand der Sinne oder der Empfindung zu ſehen, 
grade fo, wie wir dazu fähig find, von jeder Auſchauung 
eines beſtimmten Gegenſtandes alle individuelle Beſtimmun— 
gen abzuſondern, und uns einen allgemeinen Begriff davon 
zu machen, ohne daß wir weiter auf wirkliche Gegenſtaͤnde 
der Sinnlichkeit Ruͤckſicht nehmen. Wären dieß ſichre Merk. 
male von einer bloſſen Form der Sinnlichkeit oder von reiner 
Anſchauung a priori im Gemuͤthe, wie viele bloſſe Formen 
der Sinnlichkeit oder reine Anſchauungen a priori wuͤrden 
wir alsdann haben? 

Die Wiſſenſchaft von allen Principien der Sinnlichkeit 
a priori nennen Sie eine transſcendentale Aeſthetik. Von 
welchen Principien iſt hier die Rede? Sollen es die For— 
men der Sinnlichkeit ſowohl nach ihrer Empfänglichkeir 
als Thaͤtigkeit ſeyn: fo find dleſe freylich vor aller Erfah— 
rung und in fo weit a priori in unſerm Gemuͤthe. Al. 
lein lauch dieſe koͤnnen Stoff zu Vorſtellungen von ihnen 
werden. Gegeben wird er unfrer Vorſtellungssaͤhigkeit, 
durch ihre elgne innre Wirkſamkeit, und durch die Auf— 
merkſamkeit, womit wir dieſe betrachten, wird er zur Vor—⸗ 
ſtellung erhoben; fo wie es bey jeder andern Faͤhiakeit un« 


fer Seele, fie fen übrigens, was fie wolle, der Fall iſt. 


Die Verſtellungen von 555 koͤnnen alſo keine Vorſtel⸗ 
lun⸗ 


82 


lungen a priori oder ſolche heiſſen, welche von aller Et, 
fahrung unabhängig find. Sie find ſolche, welche! 
durch dle Wirkſamkelt unſers Vorſtellungsvermoͤgens den 
Stoff erhalten, und uns, wenn wir auf dieſe aufmerf, 
ſam find, eine Erkenntniß a poſteriori von ſich verſchaſ. 
fen, obgleich der Gegenſtand ſelbſt von dieſem Stoffe ver] 
aller Empfindung in uns angetroffen wird. Wollen Sie 
uns alſo eine Wiſſenſchaft von dieſen Princlplen der Sinn. 
lichfeiti vorlegen: fo werden Sie auf die Formen oder 
Beſchaff „heiten, welche die Empfänglichfeit oder The 
tigkeit Ihres Vorſtellungsvermoͤgens hat, aufmerkſam fern, 
dadurch richtige Begriffe von ihnen bilden, fie mit eln. 
ander vergleichen und daraus zweckmaͤſſig richtige Folge 
rungen herlelten muͤſſen. Die Principien, welche Ei. 
zum Grunde legen, liegen zwar als Formen oder Be 
ſchaffenheiten unfrer Sinntihfelt a priori in unferm Gs 
müthe. Allein die Erkenntniß von ihnen ſelbſt flieſſet aus 
Beobachtungen, und nun wird es darauf ankommen, ob 
Sie diefe richtig angeſtellet haben. Fodern wir, daß Sie 
die R-ſultate Ihrer Beobachtungen uns bemeifen ſollen: 
fo bleibt Ihnen kein andres Mittel uͤdrig, als daß Se 
fi zuletzt auf Ihre Beobachtungen berufen, und nun 
voraus ſetzen, daß wir eben dieſelbe über die Befchaffen 
helt unſers Vorſtellungsvermoͤgens anſtellen, und dadurch 
die Richtigkeit Ihrer zum Grunde gelegten Beobachtung 
anerkennen. Können Sle dieſen Zweck nlcht bey uns en 
reichen: fo wird die Wiſſenſchaſt, welche Sie uns von 
den Principlen der Sinnlichkeit vorlegen, weder für uns 
Gehalt noch Feſtlgkeit haben. 

Sle nennen dle Wiſſenſchaſt von den Principien dr 
Sinnlichkeit a priori ben einen Theil der transſcendentalen 
Elementarlehre, und dle von den Principien des reinen Den, 
kens den zweyten Theil derſelben, dle transſcendentale fc 
gie Wenn es blos auf Terminologien ankaͤme, um fer. 
Gegner zuruck zu ſcheuchen, und von andern den Beyſcl 

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zu erz. 
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zu erzwingen: fo würden dieſe gewiß ein fehr fuͤrchterſiches 
Anſehen hoben. Allein wir wollen der Bühne, welche 
Sie uns eröffnen, näher treten, um genauer beurtheilen 
zu fönnen, ob die Gegenſtaͤnde, welche Sie uns darſtel⸗ 
len, auch wirklich das find, woſuͤr fie ausgegeben wer— 
den. Sie werden dieß jedem unbefangenem Forſcher der 
Wahrheit um deſto weniger übel nehmen koͤnnen: je un 
verhohlner Sie es allen Philoſophen ſagen, daß ihre kiss 
berigen metaphyſiſchen Syſteme nichts anders als morſche 
Gebäude find, welche eine von Wahn verblendete Ver. 
nunft errichtete, und je freymuͤthiger Sie allen deutſchen 
Acſthetikern den Vorwurf der Ueberellung machen, wenn 
fie etwa geglaubet haben, daß Baumgarten oder irgend 
ein andrer eine wiſſenſchaftliche Aeſthetik geliefert hat. 

In der transſcendentalen Aeſthetik, welche Sie uns 
als eine wahre Wiſſenſchaſt zu errichten verſprechen, wol. 
len Sie zuerſt die Sinnlichkeit iſoliren. Nichts als em» 
piriſche Anſchauung ſoll uͤbrig bleiben. So ſehr wollen 
Sie alles von der Sinnlichkeit abſondern, was der Ver— 
ſtand durch ſeine Begriffe dabey denket. Wenn wir nicht 
blos bey Ihren Worten ſtehen bleiben, ſondern gerne den 
Kern, welcher unter dieſer Schale verborgen llegt, ges 
nauer betrachten moͤchten: fo wird jeder Denker hier Dune 
kelheit finden, welche Sie haͤtten auſhellen ſollen. Blos 
empiriſche, iſolirte Anſchauung abgeſondert von allen Bes 
griffen, welche der Verſtand hinzudenkt, — wotinn 
konnte denn tiefe wohl beſtehen? Empiriſche Anſchauung iſt 
nach Ihrer Erklaͤrung nichts anders als eine empiriſche 
Vorſtellung, welche auf den Gegenſtand bezogen wird, 
von welchem unſer Vorſtellungsvermoͤgen afficiret iſt. 
Beyde, fo allgemein gedacht, find Geſchoͤpſe unſers Vers 
ſtandes, find Begriffe, welche auf alle empiriſche Ans 
ſchauungen von beſtimmten Gegenſtaͤnden angewandt wet. 
den konnen. Nur dieſe zu denken vermögen wir nicht 
durch iſolirte Sinnlichkeit, 75 5 unſer Ver ſtand 8 ſie 

2 chon 


[PS Sr mr u 


84 
ſchon zu Begriffen erhoben. Wir wünſchten auſſerdem rech 


zu wiſſen, wle Slanllichkelt ſelbſt, fo lſolirt, empiriſche 


A ſchauung heiſſen koͤnne. Jene iſt blos Vermoͤgen der] 
Seele, dleſe iſt ſchon Vorſtellung ſelbſt. Von der iſolit. 
ten Sinnlichkeit wollen Sie noch alles, was zur Empfin, 
dung achoͤret, abſondern, damit nichts als reine Anſch u.“ 
ung uͤbrig bleibe. Vorſtellung in Beziehung auf den Ge. 
ger ſtand iſt Anſchauung in Beziehung auf das vorſte 
lende Su ecct iſt fie Empfindung Es iſt alſo Anſchauurz 
und Empfi⸗ dung eine und dleſelbe Vorſtellung, welche nur 
im erſten Fall auf das Oblect, im zweyten auf das Sub, 
iect bezogen wird. Soll Empfindung von Anſchauung 
abqeiord-rt werden: fo wird eine Vorſtellung von ſich 
ſelbſt abgeſondert, und was kann dann übrig bleiben? Es 
wa reine A- ſchauung? So märe dieſe entweder nichts, 
oder Vorſtellung blos auf das Obiect bezogen. Dieſe Vor. 
ſtellung ſoll blos Form der Erſcheinung d. h. nach Ihrer Er. 
klaäruna, blos Form des unbeſtimmten Gegenſtandes einer 
emplriſchen Anſchauung ſeyn. Was ſollen wir uns aber bier 
der reinen Anſchauung als Form von einem Gegenſtand der 
em plriſchen Anſchauung denken? Ohne Zweifel haben See 
mit dieſen Terminologlen elnen beſtimmten Gedanken verbun⸗ 
den. Härten Sie uns dieſen nicht ohne eine ſolche Huͤlt“ 
ſagen koͤnnen, welche von mitternaͤchtlicher Flnſterniß um. 
floſſen lzu ſeyn ſcheinet? Sie wollen beweiſen, daß zu: 
reine Formen ſinnlicher Anſchauungen als Principien der? 
Erkenntniß a priori nämlich Zeit und Raum in unferm Ge. 
muͤthe gefunden werden, und wir werden nach unfern beiten E 
Einſichten die Gründe prüfen, wodurch Sie Ihre Behaup⸗ 
tungen unterftügen werden. Die größte Achtung, weldt 
man einem ſelbſt denkenden Phlloſophen erweiſen kann, ill 
unpartheyiſche und dabey ſteymuͤthige Prüfung feiner ‚neuen 
Entwickelungen, und ich glaube mich durch dieſe Ihnen am 
beften empfehlen zu koͤnnen. geben Sie wohl, 


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Der 
Transſeendentalen Aeſthetik 
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dem Raum. 


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87 


9. Brief. 
Mein Herr, 


Wir ſellen iht eine metaphyſiſche Erörferung des Raumes 
von Ihnen erwarten. Sie nennen ihn hier elnen Begriff. 
Gewuͤnſcht hätte ich, daß Sie uns den Begriff vom Raum 
vergelegt haͤtten. In dieſem Fall wuͤrden wir es theils be— 
fiimmter wiſſen koͤnnen, was Sie ſich unter Raum denken, 
theils harten Sie uns einen ſeſten Geſichtspunkt angewie— 
ſen, aus welchem wir Ihre metaphyſiſche Erörterung dieſes 
Begriffes betrachten muͤßten, um fiz richtig zu beurtheilen. 
Allein dieß hat Ihnen nicht gefallen. Nun muͤſſen wir 
durch manche verſchlungene labyrinthiſche Gänge uns durch— 
orbeiten, und Sie ſcheinen uns, wiewohl ohne Zweifel nicht 
abſichtlich, den Ariaoniſchen Faden aus den Händen gewun— 
den zu haben. 


Sie reden von elnem innern und aͤuſſern Sinn, ohne uns 
heyde zu erklaͤren. Wir find alſo berechtiget, es voraus zu— 
ſezen, daß Sie mit dieſen Ausdrucken die gewoͤhnlichen Ges 
danken verbinden. Aeuſſter Sinn heißt die Fähigkeit une 
ſers Vorſtellungsvermoͤgens von aͤuſſern Gegenſtaͤnden, ine 
nerer, von innern Wirkungen afficirt zu werden. So ver— 
ſchieden unſte Organe ſind, durch welche gleichſam, wie 
durch Kanäle die äuffern Gegenftände in unſer Vorſtellungs— 
vermoͤgen uͤberflieſſen, und ihm den Stoff darbieten: fo vere 
ſchieden iſt der Stoff ſelbſt, und die R:ceptivieät unſrer 
Onnlichkeit iſt, wie die Erfahrung es lehret, fo beſtimmt, 
daß ſie jeden auf eine beſondre Art aufnimmt, und daß 
ißte Spontanität ihn zur Vorſtellung erhebt, die dieſem ver⸗ 
ſchledenen Stoff entſpricht. Auch jede innre Wirkung theils 
der Sinnlichkeit ſelbſt, theils des Verſtandes, theils der 
Vernunft, theils der urſpruͤnglichen Grundtriebe in ihren 
derſchledenen Aeuſſerungen 55 ein Gegenſtand werden, 

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88 


welcher unſerm innern Sinn einen Stoff darreichet. Die 
Vorſtellungen, welche dadurch erreget werden, find eben 
ſo verſchieden, als der dargerelchte Stoff von dieſen Wir⸗ 
kungen unfrer Fahigkeit. Nennen wir alfo die Form uns 
free Sinnlichkeit überhaupt diejenige Beſchaffenhelt, welche 
fo wohl die Empſänglichkeit als Thaͤtigkeit unſers Vorſtel. 
Iungevermögens hat: fo wird dieſe nach den verſchied enen 
Organen des äuffern Sinnes, und auch noch Mannigfal⸗ 
tigkeit unſrer innern Fähigkeiten und ihrer Wirkungen vers 
ſchie hen ſeyn muͤſſen. Eine andre Receptivltaͤt hat unſer 
Vorſtellungsvermoͤgen fuͤr Gegenſtaͤnde des Geſichtes, eine 
andre für diej'nigen, welche durchs Gehoͤr, oder durch den 
G ſchmack, oder durch den Geruch, oder durch das Gefühl 
ihm den Stoff zur Vorſt⸗llung darrelchen, und dieß kann 
eben fo wenig als die Vorſtellungsfaͤhigkeit ſelbſt in Zweifel 
gezogen werden. Beydes wiſſen wir blos durch ihre Wirk. 
ſamkeit, und durch die Auſmerkſamkeit, womlt wir dieſe 
beobachten. Wir gelangen ſolglich auf einem und demſel— 
ben N ge der Erfahrung zur Erkenntniß von ihnen. Den 
ken Sie ſich einen Menſchen, deſſen Organ für Töne von 
seiner Geburt an unbrauchbar geweſen iſt: ſo hat fein Ges 
müth wehl überhaupt eine Receptivitàt für Vorſtellungen 
von Tönen; allein dieſe wird nie durch innre Thaͤtigkelt un 
ſers Vorſteſlungsvermoͤgens einen Stoff erhalten, welchen 
fie zur Vorſtellung von Toͤnen erheden kann. Derjenige, 
welcher taub gebohren wurde, iſt ganz unfähig ſich elne 
Vorſtellung von dieſen zu machen, wenr gleich alle übrige 
Organe feines aͤuſſern Sinnes noch fo regelmaͤſſig gebaut 
ſind. Eden dieß gilt von jeder Art der empiriſchen An— 
ſchauung, wozu die Einwirkung auf die verfchiedenen Or 
gane unſerm Vorſtellungsvermoͤgen den Stoff darbietet. 
Nehmen Sie die Organe einem Menſchen: ſo iſt bey ihm 
auch keine Verſtellung, weder als Anſchauung, noch als 
Empfindung moͤglich, obgleich fein Gemuͤth, an fid) be 
trachtet, die 8 ſelbſt beſitzet, durch 1 

welche 


* * - - — — * 


89 


welche auf die verſchiedenen Organe wirken, afficirt zu wer⸗ 
den. Allein ſie kann wegen der Unbrauchbarkeit, oder des 
völligen Mongels derſelben von ihnen nicht aſficiret werden, 
keinen Steff zur empiriſchen Vorſtellung und alſo dieſe ſelbſt 
nicht erhalten. 


Vielleicht wird der Idealiſt, vielleicht auch der Leib. 


nitzianer dieſes leugnen, jener, weil er in ſich ein» Fahigkeit 
annimmt, welche durch innre Kraft dem Vorſtallungsver— 
mögen den Steff zu Vorſtellungen datreichet, dieſer, weil 
er ſich die Denkkraſt der Seele fo vorfielle, daß in ihr fabit 
ein hinreichender Grund liegt, die Welt ſich von einer bes 
ſtimmten Seite zu denken, und folglich Vorſtellurgen fo wohl 
von äuſſern als innern Gegenſtaͤnden durch determinirende 
Gründe in einer feſtgeſetzten Folge zu erregen. Entweder 
muͤſſen wir beyde durch Beobachtungen der Arten, wie tıne 
fer Vorſtellungsvermoͤgen zur Wirkſamkeit gebracht wird, 
und ſolglich durch Erfahrungen widerlegen, oder wir wer— 
den auch keine gültige Gründe gegen fie auſſuchen koͤnnen. 
Die Urdenkkraſt unſrer Seele kennen wir viel zu wenig, 
als daß wir daher allyemeingeltende Beweiſe herleiten koͤnn⸗ 


ten. Behaupten wir gegen ſie, daß uns der Stoff zu em. 


piriſchen aͤuſſerlichen Auſchauungen von auffen gegeben wer— 
den muß, und daß alſo die aͤuſſern Gegenſtaͤnde eben ſo 
gewiß, als unſte Vorſtellungen von ihnen ihr Daſeyn ha— 
ben: ſo werden ſie uns die Wahrheit des Vorderſatzes, und 
olſo auch die Richtigkeit des Nachſatzes leugnen, und wir 
konnen nirgends Gründe finden, ihre Meynung hinreichend 
zu beſtreiten, wenn wir nicht richtige Erfahrungen und Fol— 
gerungen zu Huͤlfe nehmen, weiche wir aus jenen regel⸗ 
mäſſig gezogen haben. 


Der aͤuſſere Sinn wird von Ihnen für eine Eigenſchaſt 
des Gemuͤthes gehalten, durch welche wir uns 1) Gegen. 
ftände auffer uns, 2) dieſe 1 in einem Raum vor⸗ 

| 5 fick 


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99 


ſtellen. Das erſte iſt wahr, das letzte hat aber nicht feine 
völlige Richtigkelt. Der äuffre Sinn als Fähigkeit des 
Gemüthes, durch Eindruͤcke aͤuſſter Gegenftände afficirt zu 
werden, hat nicht eine einfache, ſondern ſuͤnffache Recepti⸗ 
vilaͤt nach den fünffachen Organen unſter Sinnlichkeit auf 
fünf verſchiedene Arten modificirt zu werden. Durch Hürfe 
der Organe des Geſichts und G-hörs ſetzen wir die Gegen⸗ 
ftände nach Art eines Inſtinkts, worinn unſer Gemuͤth 
nichts willkuͤhrllch ändern kann, auffer uns, und unſre Vor. 
ſtellungen von ihnen find Anſchauungen von Gegenftänden, 
dle wie uns nicht anders als auffer uns denken koͤnnen, wir 
maͤgen wollen oder nicht. Reden wir alſo von unſerm aͤuſ⸗ 
fern Sinn in Beziehung auf Geſicht und Gehör: fo iſt es 
nach einer allgemeinen Erfahrung ausgemacht, daß wir, 
fo lange wir noch elnen gefunden Verſtand haben, diefe Ge⸗ 
genftände auſſer uns ſetzen muͤſſen, und dadurch eine Les 
berzeugung von ihrem Daſeyn auſſer uns erhalten, welche 
ſtaͤrker iſt, als alle Sophismen, tie wir ihr entgegen ſtellen. 
Allein die ſinnliche Vorſtellung von Tönen foffer keine Ans 
ſchauung vom Raum, oder von Thellen in ſich, die auſſer 
und neben einander find. Wer hat es ſich einfallen laſſen, 
es zu behaupten, daß Toͤne nicht anders als in einem Raume 
oder als Gegenſtaͤde ihrer Natur nach vergeſtellet werden 
koͤnnen, werinn Thelle auſſer und neben einander zugleich 
find? Die Vorſtellungen, die wir durchs Geſicht erhalten, 
find Anſchauungen von Gegen ſtanden, worinn Theile aufe 
ſer und neben einander angetroffen werden. Allein was iſt 
die Urſache hievon? Nicht tiefe, weil die Beſchaffenheit 
des Geſichtsſinnes dieß weſentlich fo mit ſich bringet, fone 
dern weil in dieſen Gegenſtaͤnden, welche durch das Organ 
des Geſichtes unſter Sinnlichkeit den Stoff darreichen, die 
Theile neben und auſſer einander ſind, und alſo einen Raum 
einſchlitſſen. Wäre dieß blos Folge der ſubiectlven Form, 
oder der ſubiectiven Beſchaffenheit von dem Geſichtsſinn: fo 
wurden durchaus alle daher entſpringende Auſchauungen in 

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biefer Form erſcheinen. Allein dieß iſt doch der Fall nicht. 
Wir können durch Huͤlfe ſchicklicher Inſtrumente uns Punkte 
hinzeichnen, worinn wir ſinnlich keine Theile mehr zu uns 
terſcheiden fähig find, wenn wir nicht etwa ein Mikroskop 
zu Huͤlfe nehmen. Wir haben alsdann eine empiriſche Ans 
ſchauurg von einem Punkte, und in ihr als finnlicher Vor. 
ſtellung von dieſem Grgenftande liegt nichts von Raum, 
ſondern er wird vielmehr ausgeſch'oſſen. Würde aber eine 


ſolche empiriſche Anſchauung von Pu. fren moͤglich ſeyn, wenn 


die ſubiectlve Beſchaffenheit dieſes Sinnes keine andre Vor— 
ftellung zuließ, als worinn unmittelbar Raum enthalten 
waͤre ? 


Durch dle Organe des Geſchmackes, des Geruchs, 
des koͤrperlichen Gefuͤhles wird unſte Sinnlichkeit fo afficirer, 
daß wir die daher entſt henden Empfi e dungen in den Orga— 
nen oder in den Theilen unſers Körpers, welche afficiret 
werden, zu bemerken glauben. Auch dieſes haͤnget nicht 
von Willkuͤhr ab, ſondern es iſt das Werk der Natur ſelbſt. 
Wir erhalten dadurch Vorſtellungen von unſerm Koͤrper 
und mit dieſer zugleich eine ſolche Ueberzeugung von ſeinem 
witklichen Daſeyn, daß wir dieſe ſo lange nicht ausloͤſchen 
koͤnnen, als uns noch kein Wahnſinn anwandelt, oder wir 
nicht durch eine Kothederphlloſophie dieſe wegzudemonſtrl⸗ 
ren uns beſtreben, bey welchem Verſuche wir aber doch 
immer einen ſolchen innern Widerſpruch fühlen, daß das 
durch das errichtete Gebäude des Scepticismus ſtets wieder 
einftürge. Durch diefe drey verſchledenen Organe geben 
die aͤuſſern Gegenſtaͤnde auf drey ganz verſchiedene Arten 
Stoff unſerm ſinnlichen Vorſtellungsvermoͤgen, und die Ins 
ſchauungen, welche wir, von ihnen erhalten, find eben fo 
weſentlich unterſchieden, als die Organe es ſelbſt ſind. In 
keiner von dieſen drey Arten der empiriſchen Anſchauung 
liegt aber unmittelbar eine Vorſtellung vom Naum, ob wir 
gleich durch das Gefühl fähig werden, fo wie jener Es 

42 


92 


Geometer Saunderſon uns Begriffe von Quadraten, Ku. 


geln, und folglich arräumigen G ger ſtaͤnden zu machen. 
Sie ſehen alſo, wie wnig ich Ihnen brypflichten kann, wenn 
Sie ohne Einſchraͤnkung beh upten, daß wir vermittelſt 
unſers äuſſern Sinnes alle Gegenſtaͤnde insgeſammt im 
Raum darſtellen. Dieß gilt eigentlich nur von unſerm 
Einn, in wle weit er eine Receptivitaͤt hat, von Gegen⸗ 
ftänden durch das Organ des Geſichtes afficirt zu werden, 
und auch dann koͤnnen ſo gar empiriſche Anſchauungen von 
ihnen, wenn fie ſich ohne alle Ausdehnung dem Auge dar⸗ 
ſtellen, in uns erreget werden. Sind die Gegenſtaͤnde uns 
ſrer Anſchauung Koͤrper: fo erſchelnen fie uns in geroiffen 
Geſtalten von beſtimmter Gtoͤſſe, und vergleichen wir dieſe 
gegen einander: ſo erhalten wir eine Vorſtellung von den 
Werhaͤltniſſen, in welchen fie gegen einander ſtehen. Alles 
dieſes würde nie bey uns zu einer Vorſtellung kommen koͤn⸗ 
nen, wenn unſer Vorſt llungsvermoͤgen nicht die Recepti— 


vltaͤt haͤtte, den Stoff, welchen dleſe Gegenſtaͤnde ihm dar⸗ 


reihen, zu Vorſtellungen zu erheben, die ihnen entſprechen, 
und worinn alſo der Raum zugleich mit vorgeſtellet wird, 
welchen dieſe Gegenſtaͤnde einnehmen. 


Nun wollen Sie von dem innern Sinn reden und die 
Form auſſuchen, unter welcher die Anſchauung ihres ins 
nern Zuſtandes der Seele allein moͤglich ey fol Durch 
Huͤlfe dieſes ſchauet das Gemuͤth nach Ihrer Behauptung 
ſich ſelbſt an, und gleich darauf leugnen Sie, daß es eine 
Anſchauung von der Seele als einem Oblect gebe, Allein 
was machen Sie denn zwlſchen unſerm Gemuͤthe und une 
frer Seele für einen Unterſchied, und wie koͤnnen Sie bes 
haupten, daß mir zwar von jenem, nicht aber von dieſer 
eine Anſchauung haben? Entweder iſt hier das G:müth 
die Seele ſelbſt, oder es bezeichnet ihre Bflimmungen und 
Faͤhigkciten. Wäre der erfte Fall wahr: ſo' wuͤrden Sie 
ſich widerſprochen haben; und hätte der letzte feine 157 

; tigkeit 


tigk 
der 
ein: 
lect 
fun: 
eig: 
den 
hig! 
biei 
gen 
und 
voll 
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wir 
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Sin 
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Frei 
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Ein 
muff 
nun 
Sin 
des, 
ſern 
theil 
Vor 


tigkeit fo wären biefe Beſtimmungen und Faͤhigkelten Obiecte: 
der Anſchauung. Wir koͤnnen fie aber nicht anders als in 
einem Subiecte uns vorſtellen, und folglich würde das Sub— 
iect ſelbſt, oder die Seele ein Gegenſtand unſter Vorſtel— 
lung ſeyn, und dieſe, auf fie bezogen, wuͤrde doch nach Ihren 
eignen Erklaͤrungen, eine Anſchauung von ihr genannt wer— 
den muͤſſen. Freylich erkennen wir dieſe nur aus ihren Fäs 
bigkelten und Wirkungen. Ihre ſubſtanzielle Grundkraft 
bieibt uns nun wohl in unſerm itzigen Raupenſtande verbor— 
gen. Sie iſt aber die Grundkraft eines endlichen Geiſtes, 
und wer weis, durch welche Wege wir in einer hoͤhern und 
vollkommnern Epoche jenſeits des Grabes auch dazu fählg 
werden. Eine Unmoͤglichkeit kann es nicht ſeyn, daß 
wir dereinſt zu dieſer Erkeantniß empor dringen, und dann 
wuͤrden wir von der ſubſtanziellen Grundkraft der Seele als 
von einem Dbiecte eine Anſchauung erlangen. 


Wir haben keine verſchiedene Organe für den innern 
Sinn, wodurch die Gegenſtaͤnde unſer Vorſtellungsvermoͤ. 
gen auf ganz verſchiedene Arten aſſiclren, und ihm den 
Steff zur Vorſtellung darreichen. Allein die Faͤhigkeit une 
fer Seele zu denken, ihre urſpruͤnglichen Grundtriebe, die 
Wirkſamkeiten von beyden, Freude, Traurigkeit, Hoffnung, 
Freu le und alle andre Begierden mit ihren jo mannigfalti— 
gen Modificationen geben dem innern Sinn auf ſehr ver— 
ſchiedene Art Stoff zu Vorſtellungen, und ſetzen fuͤr jede be— 
fondre Wirkung eine befondre Receptiritaͤt unfrer innern 
Sinnlichkeit voraus, welche alſo eben fo wannlgfaltig ſeyn 
muß, als die Wirkungen unfers Verſtandes, unſter Ver— 
nunft und unfrer Grundtriebe verſchieden find. Der innre 
Sinn verhilft uns zum Bewuſtſeyn unſres innern Zuftan« 
des, folglich zum Bewuſtſeyn der Vorſtellungen von aufs 
fern und innern Gegenſtaͤnden. Dadurch unterſcheiden wir 
theils die äuffern theils die innern Gegenſtaͤnde von unſern 


Vorſtellungen derſelben, und beyde von uns ſelbſt. W 
unte 


9 EEE 


Innre Sinn iſt alſo eine Faͤhigkelt des Gemuͤthes, ſich des 
innern Zuſtandes bewuſt zu werden. Die Form des in 
nern Sinnes beſtimmt die mannigfaltige Receptivltaͤt nach 
den Verſchiedenheiten unſers innern Zuſtandes, von ihm 
Vorſtellungen zu erhalten. Durch ihn gelangen wir un. 
mittelbar zu Vorſtellungen von dem innern Zuſtande des 
Gemuͤthes, wie er g⸗genwaͤrtig iſt. Die Folge unſrer in⸗ 
nern Wirkungen kann er uns nicht unmittelbar lehren, fons 
dern unſter Faͤhigkeit, das Vergangene mit dem Gegen» 
waͤrtigen und Zukuͤnftigen in Verbindung zu denken, welche 
von dem innern Sinn weit unterſchieden iſt, haben wir es 
allein zu danken, daß wir von dieſer und folglich von der 
Zeit eine Vorſtellung erhalten. Fehlte uns dieſe Faͤhigkeit: 
fo wuͤrde unfer innrer Sinn uns alles als gegenwärtig dar⸗ 
ſtellen, wie es ohne Zweifel faſt immer der Fall bey un⸗ 
vernünftigen Thleren iſt. 


Nicht der innre Sinn, ſondern die Einſchraͤnkung uns 
free Seele, nach welcher fie nicht mit einmal alles zu emp. 
finden, nicht mit einmal alles zu denken faͤhlg iſt, was 
doch von ihr empfunden, was von ihr gedacht werden kann, 
dt die Grundurſache, warum Empfindungen oder Anſchauun⸗ 
gen in uns nach einander erfolgen, und dadurch erhaͤlt uns 
fer lnnter Sinn dieſe Beſtimmung, daß wir nicht anders als 
nach und nach durch ihn Vorſtellungen erhelten. Dife Ein⸗ 
ſchraͤnkung iſt auch dle eigentliche Urſache, daß wir vermoͤge 
unſrer Reminlſcenz alles, was zu unſerm innern Zuſtand ge 
hoͤret, im Verhaͤltniß der Zeit denken. Kaͤme es hier blos auf 
die Beſchaffenhelt des innern Sinnes oder auf ſelne Form an, 
ohne daß unfer Erlnnerungsvermoͤgen wirkſam wäre: fo wuͤr⸗ 
den wir nicht Folge des innern Zuſtandes, ſondern blos den 
innern Zuſtand, wle er jedesmal iſt, und ſolglich unter der 
Form der Gegenwart uns vorſtellen. Vermoͤge unſers innern 
Sinnes werden wir uns auch unſrer Vorftellung von einer 
Flache bewuſt, und in dleſer liegen nicht Beſtandthelle 

der 


| 
| 
u 
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ker Zeit, nicht Folge nach einander, ſondern wir werden ung 
elner Anſchauung bewuſt, deren Gegenſtand Theile auſſer 
und neben einander hat, welche zugleich find. Nur als 
dann wird jemand dieß leugnen koͤnnen, wann er nicht auf 
feinen innern Zuſtand, nicht auf die Art der Wirkſamkeit 
unfers innern Sinnes die gehörige Aufmerffamfeit gerich— 
tet, und in ihr dasjenlge unterfdieden hat, was doch wirk— 
lich in Ihr unterſchieden iſt. 


Wenn Sie behaupten, daß dle Zelt nicht äufferlich ange» 
ſchauet werden kann: ſo ſchelnet dieß offenbar die Erfahrung 
gegen ſich zu haben. Wir hören das Rauſchen elner dahin 
fiürgenden Waſſerfluth; wir ſehen die Schnelligkeit, mie 
welcher das Waſſer vor einem feft ſtehenden Daum am Ran⸗ 
de des Ufers dahin brauſet; wir bemerken am Strande eines 
Sees die Wogen, welche nach einander ſich auſthuͤrmen, und 
gleich ſam, eine nach der andern, zum Ufer hingejaget werden; 
wir werden gewahr, wle dle Sonne ſich nach und nach vom 
Morgenhorlzont erhebt, und durch einen gruffen Bogen 
mit langſamem majeſtaͤtiſchem Gange nach dem Abendhorl— 
zone ſich hinbrwegt. In allen dleſen empiriſchen Anfchau« 
ungen, welche wir durch unſern aͤuſſern Sinn erhalten, llegt 
offenbar Folge von Begebenheiten, dle nach und nach wirklich 
werden, und ſolglich auch von der Zeit. Vielleicht war dleß gra- 
de der Weg, auf welchem unfre Seele zuerſt eire Vorſtellung 
von Zeit erhielte. Wenigftens waͤhlen wir gewoͤhnlich diefe 
Bahn, wann es uns daran gelegen iſt, in der Seele unfers 
Zohoͤrers einen Begriff von der Zeit zu erregen. 


Wit koͤnnen freylſch, wie Sie behaupten, nicht den 
Raum als etwas anſchauen, welches in unfrer Seele ſelbſt 
it, wenn wir nicht etwa das Syſtem des Materlaliſten fir 
das wahre erkennen. Würden wir aber, wie er, in diefer 
Sache denken: fo ſehe ich davon feinen Grund, warum 
wit dieſen nicht in der Seele, welche dann geräumig fern 
müßte, uns vorſtellen, und folglich anſchauen könnten, well 
5 doch 


6:6 Ws riet 


dach dieß letzte nichts anders ift, als in wle welt die Vorftels 
lumg auf das Dbtecr besogen wird. Es wurde der Gegenſtand 
ſelbſt uns nicht den Stoff zu dieſer Vorſtellung darreichen; fon. 
dern die Zaubeckraft der Phantaſie haͤtte ihn gegeden. Die. 
fe Vorſlellung würde nichts als eine ſalſche Anſchauung, 
ein Traum ſeyn, woran die verführte Vernunſt ſich ergoͤtzte, 
well das Syſtem des Materialiſten keinen andern Ursprung 
hat, welches zu erwelſen hier der Ort nicht ft, 


Was find nun Raum und Zelt? Sind es wirkllche 
Weſen? fragen Ele. Wirkliche Weſen? Das find fie 
nun wohl nicht, wenn Sie unter wirklichen Weſen Dinge 
ſich denten, welche keine Beſtimmungen von andern Dingen 
ſind, oo fie gleich ſeibſt Beſtimmungen haben. Ste fragen 
welter: find fie zwar nur Beſtimmungen oder auch Verhält⸗ 
niſſe der Din ge, aber doch ſolche, welche ihnen auch an ſich 
zukaͤmen, wenn fie gleich nicht angeſchauet würden, oder 
ſind ſie ſolche, die blos an der Form der Anſchauung haften, und 
mithin an der ſubiectiden Beſchaffenheit unfres Gemüthes, 
ohne welche dieſe Prädicate gar keinem Dinge beygeleget wer— 
den koͤnnen? Hierauf moͤchte ich vorläufig dleſes antworten. 
Raum und Zelt ſind Beſtimmungen der Dinge ſelbſt, und würs 
den es bleiben, wenn wir auch gar keine Anſchauung von 
ihnen hatten. Daß wir aber Zeit und Raum als Prädicate 
den Subiecten beyle gen koͤnnen, dazu gehoͤret freyuch die 
Recebptipitaͤt unſers Vorſtellungsvermoͤgens, ſo von den Ge; 
genſtänden, bey welchen wir Raum und Zeit als Beſtim— 
mungen antreffen, affielrt zu werden, daß fie uns den Stoff 
zur SBorflellung von Zeit und Raum geben koͤnnen. Haͤtten 
wir leine Receptloltaͤt von ſolcher Beſchaffenheit oder Form, 
daſt Uhr bleſer Stoff zur Anſchauung dargeteicht werden koͤnnte: 
ſo writden wir auch keine Vorſtellung von Raum uud Zeit 
haben, folglich dleſe Prädicate keinem Dinge beylegen Fön 
nen. Allein deswegen blieben fie, was fie ihrem 5 

ö ind, 


97 


find, Beſtimmungen der Gegenſtaͤnde, Beſtimmungen ber 
Dinge, in welchen ſie liegen. 


Eie wollen den Begriff des Raums eroͤrtern, d. h. 
deutlich darſtellen, was zu dieſem Begelffe gehöre. Cie 
verſprechen uns auch noch eine metaphyſiſche Erörterung, wel— 
che denn ſtatt haben ſoll, wenn fie dasjenige erhält, was den 
Begriff als a priori gegeben darſtellt. Allein den Begriff 
rom Raum ſelbſt haben Sle doch nirgends eigentlich gegeben. 
Etlauben Sie mir es alſo, daß ich ihn auf dem Wege zu 
bilden ſuchen, wie wir gewöhnliche Menſchen zu ihm gelan⸗— 
gen. Ich werfe meine Blicke auf einen Garten, welcher 
mit dem Schmuck des Frühlings gekleidet vor mit liegt. 
Hier ſehe ich eine Menge von verſchiedenen Blumen, gruͤne 
Hecken, Alleen von ſtuchtbaren Baͤumen, Fünfitidhe Waſ— 
ſercaſcaden und tauſend andre Werke der ſchoͤnen Kuͤnſte. Als 
les iſt auſſer und neben einander zugleich do. In den Ges 
genſtaͤnden, z. B. in einer Tullpan, in einer Rdſe, kurz in jes 
dem einzelnen Werke der Natur oder Kunſt finde ich eben 
dieß wieder. Ich ſchlieſſe meine Augen, und zuglelch iſt al⸗ 
les aus meiner Vorſtellung verſchwunden. Kaum kann ich 
durch Hülfe meiner Einbildungekreft eine Unſchauung von 
dieſen Gegenſtänden wieder erzwingen, welche mir aber 
nur mit dem dunkeln Flor einer näcıtliben Dämmerung um— 
huͤllt erſcheinen, da ich fie vorher im Lichte der Mitragsfon« 
ne erblickte. Ich eroͤffne meine Augen aufs neue und ich 
ſehe alles wleder in dem Glanz des Sonnenllchtes, aber eben 
wie vorher, auſſer und neben einander zugleich vor mir. 
Ich verſuche es, mich zu uͤberreden, daß hier keine Oegen— 
Nande zugleich auſſer und neben einander find, daß blos dle 
Zauberfraft der Phantofie ſie mir fo vormalt. Allein ich muß 
über dleſen ſeltſamen Verſuch lachen, und die Merkmale, 
wodurch ich bey geſundem Verſtande die Wirkungen der 
bloſſen Einbildungskraſt von den Vorſtellungen, die Folgen 
elner wahren Senfation ſind, von Kindßeit an nach einem 

| G In⸗ 


Inſtinkt, dem ich nicht widerſtehen kann, unterſchleden habe, 
zeigen ſich mir in elner ſolchen Klarheit, daß jede Vermu. 
thung von Täuſchungen wegfällt. Sie find mir fo ſehr 
Bürge von dem Doſeyn dieſer Gegenſtaͤnde in der Form, 
worlnn ich fie erblicke, daß ich keines andern Bewelſes zur 
vollkommnen Ueberzeuaung weiter bedarf, keinen ſuche, 
auch nie elnen ſinden koͤnnte. Dle mannigfaltigen Gegen. 
ſtaͤnde find mehr oder weniger von einander unterſchleden.“ 
Durch Hälfe meiner Vernunſt bringe ich fie auf Claſſen, 
denke mir Gattungen, denke mir Arten, und in jeder E 
Art, fo ſehr fie ſich ouch von jeder andern unterſchel⸗ 
det, finde ich doch überall Theile, welche auſſer und! 
neben einander zugleich find. tun ſteige ich durch Hoͤl. 
fe meines Verſtandes hoher empor, bleibe blos bey demje— 
nigen ſtehen, worinn afle Gattungen und Arten mit einan— 
der übereinkemmen. Ich denke mir alſo nichts meiters ale 
Theile auſſer und neben einander, und dieß find fie, nicht 
blos deswegen, well ich ſie mir ſo vorſtelle, ſondern weil ſie 
fo ſind, und ich es auch fo in meiner empiriſchen Anſchauung 
angeltoffen habe. Auſ die Art erwaͤchſt alcht a priori, fon. 
dern a pofteriori in mir der Begriff des Raumes, welder B 
in der Vorſtellung von den Dingen neben andren Bellim, # 
mungen zugleich llegt. In wie welt ich den Raum blos 
als einen Begtiff denke: fe kann er nur in einem denkenden 
Subleete fein Daſeyn haben. Die Vorſtellung von ihm als 
Begriff iſt eine Anſchauung, und dieſe mag reine Anſchauung 
beiſſen, wenn in der Vorſtellung vom Raum nichts mehr } 
llegt, als das auſſer und neben einander zugleich ſeyn. Woll. 
te ich behoupten, daß Raum, als bloſſer Begriff, folglich 
als reine Anſchauung den Dingen auſſer mir ſeloͤſt zukaͤme, 
und glaubte lch eine neue, wichtlge Entdeckung dadurch! 
gemacht zu haben: fo würde jeder Phlloſoph mir das erfie | 
nicht aoleugnen, weil feine Vernunft in einem ſeltſamen Pato. 
rlsmus ſeyn müßte, wenn er ſich je das Gegenthell Härte 
in Sinn kommen laſſen. Ueber meine Einblldung, ein Er— 

nn 


* 


PPP 


— 2 


cc // w Sure anne 


99 


finder neuer Wahrheiten geworden zu ſeyn „ wuͤrde er dis 
Acpſel zucken, und es ſich ſehr verbitten, wenn ich bis auf 
den Zeitpunkt diefer meiner Entdeckung ihm die Erkenntniß 
ebiprechen wollte. Würde ich aber behaupten, daß Raum 
nicht als Begriff, ſondern als Gegenſtand deſſelben, nicht 
In den Dingen ſelbſt, ſondern blos in der Form meiner 
Anschauung enthalten wäre: fo würde er es mir vorwerfen, 
daß ich einen bloſſen Begriff, und die Sache, wovon jener 
ein Begriff iſt, mitelnander verwechſelt, und daß meine Ver⸗ 
nunſt ſich verirret haͤtte, wenn ich dasjenige, was von einem 
kleſſen Begriff des Raumes als Begriff gilt, auf die Sache 
Übertrüge, 


Allein wenn dleß nicht wäre: fo baͤtte ich elne Vor. 
ſtellung don den Dingen ſelbſt, da dleſe doch nicht vorftell« 
bar find. Hier würde er mid fragen, warum ich denn dle 
Dinge für ſich betrachtet für unvorſtellbar halte. Ich wire 
de antworten: die Form der Dinge ſelbſt ift von der Form 
ihrer Vorſtellung weſenillch unterſchleden. Jene konnte ale 
ſo nle dieſe werden. Dieß wuͤrde er nun ſreplich zugeben 
muͤſſen Allein, wuͤrde er ſagen, davon war die Rede nicht, 
wenn wir behaupten, daß die Dinge an ſich vorgeſtellet 
werden koͤnnen. Wir verſtehen dadurch nichts weiter 
als dieſes, die Vorſtelung, welche wir von dem Dinge und 
feinen Eigenſchaſten haben, iſt nicht blos Erſchelnung von 
etwas, welches uns ner fo vorkommt, aber nicht fo ift, 
ſondern fie iſt eine Vorſtellung von dem Dinge ſelbſt, und 
von den Eigenſchaften, welche es but, und weill unfre An. 
ſchauung dieſem entfpricht; fo nennen wir dleß Ding ſelbſt 
vorſtellbar Wer hat denn je nur das jenige, was die lnnre 
VBeſchaffenhelt der Vorſiellung ausmacht, vorſtellbar ge 
nannt? Ich weis wenigſtens dieſem nichts mit allgemeln gel. 
tenden Oruͤnden entgegen zu feßen. Der Raum foll kein emple 
riſcher Begriff ſeon, welcher von Erfahrung abgezogen wäre, 
So ſehr ich auch glaube, das u. ſchon bewleſen zu Am 

2 n: 


ben: fo will Ich doch unpartheylſch die Gründe prüfen, wo⸗ 
mit Sie jenen Satz beftärtigen wollen. Sie haben einen 
gedoppelten Grund angefüh:r. a) Wann ich mir den Raum 
denke: fo muß ich gewiſſe Empfindungen auf etwas auſſer 
mir oder auf etwas in eintm andern Ort des Raumes, als 
worlnn ich mich befinde, bestehen. Folglich muß die Vor. 
fiellung des Raumes ſchon zum Grunde llegen. Allein der 
Werderſatz iſt nicht nothwendig wahr. Wenn ich äuffere 
Dinge durch Hülfe meines Geſichtes mir vorfielle: ifo 
erblicke ich Theile neben und auſſer eirander zugleich. Wo. 
zu iſt es noͤthig, daß ich, um mir dieſe ſo zu denken, erſt 
auf mich als das anſchauende Subiett zuruck ſehe, welches 
von dieſen Dingen auch dem Otte nach unterſchieden ifi? 
In tauſend Fällen, wie die Erfahrung es lehret, geſchleht 
dieß von uns nicht, ob wle uns gleich der Theile auſſer und 
neben einander in einem äuffern Gegenſtande bewußt we den, 
und ſolglich den Begrlff vom Reum bilden. Gesetzt ich 
müßte auch zugleich auf mich zurücde ſehen, und mich in el⸗ 
nem andern Ott denken, als worinn der Gegenſtand ſich 
befindet: fo würde ich dieſen Ort, worlun ich mich daͤchte, 
zu Hülfe nehmen, um den Begriff vom Raum empir.id 
zu bilden. Er llegt alfo nicht in meiner Vorſtellung ver 
der Abſttaction: ſondern wird erſt durch meinen Ver ſtand 
von der innern und aͤuſſern Erfahrung abgezogen. 


b) Ihr zweyter Grund Ift dleſer. Soll ich mir bie 
Theile als auſſer und neben einander, mithin nicht blos ver 
ſcieden, ſondern als in verſchiedenen Orten vor ſtellen koͤn⸗ 
nen: ſo muß die Vorſtellung des Raums ſchon zum Grun. 
de liegen. Sie hätten hier die Richtlakeit der Folge bewei⸗ 
fen moſſen, wenn Sie auf unſern Beyfoll rechnen wollten. 
Wenn ich mir die Dinge fo vorſtelle, als Sie es ſodern: 
fo entſteht auch zugleich die Vorſtellung- vom Raum, weil 
der Begriff defſelben nichts als Thelle auſſer und neben eln⸗ 


ander and ſelglich in verſchledenen Oertern in ſich foſſet. 
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des 
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daß di 
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ung de 


Die Vorſtellung des Raums liegt alſo nicht zum Grunde: 
ſendern wird durch den Anblick des geraͤumigen Gegenſtan— 
des und durch Abfonderungsfählgkeie des Verſtandes erſt aus 
der emplriſchen Anſchauung gezogen. Vor dieſer Wirkung 
des Verſtandes, nachdem der Stoff zur empiriſchen An— 
ſchauung des Raums von aͤuſſern Gegenſtaͤnden gegeben war, 

bitten wir gar keine Vorſtellung von ihm, und alſo auch 
nicht von dem Raum, welchen fie einnehmen. Wir haben 
auch nicht einmal von der Moglichkeit, daß Dinge neben 
und auſſer einander zugleich ſeyn koͤnnen, oder von der 
Möglichkeit des Raums vor aller empiriſchen Anſchauung 
deſſelben einen Begriff, ſondern unfre Vernunft ſchlleßt erſt 
gas der Wirklichkeit auf die Moglichkeit, und jene erken. 
net fie blos durch Hülfe der Erfahrung. Ich kann nicht 
einmal ſagen, Raum ſetzet die Möglichkeit voraus, daß 
Dinge neben und auffer einander zugleich find, oder dieß 
heißt auch nichts weiter, als wenn Dinge ſo neben einan— 
der ihr Daſeyn haben ſollen; fo wird dleſe Moͤglichkeit vor- 
ousgeſetzet. Hier aber iſt nicht mehr reine Anſchauung des 
Raums, ſondern eine Folgerung, welche von der Vernunſt 
gemacht wird, wenn ihr durch Erfahrung der Stoff zu die» 
im Schluſſe gegeben iſt. 


Es iſt alſo grade das Gegentheil von demjenigen wahr, 
was Sie behaupten. Die Vorſtellung des Raums wird 
zus den Werhältniffen der äufferen Anſchauungen durch Er. 
ſihtung zuerſt in unſrer Seele erzeugt, oder wle Sie ſich 
leber ausdrucken, erborget. Die äuffere Erfahrung wird 
richt durch eine vorher zum Grunde gelegte Vorſtel. 
ung des Raums möglich), ſondern dieſe wird durch jene bey 
uns moͤglich und wirklich. Unterdeſſen gebe lch gerne zu, 
daß dle Receptivitaͤt unſers Vorſtellungsvermoͤgens, welche a 
priori in unſter Seele iſt, fo beſchaffen ſeyn muß, daß ge— 
 täumige Gegenſtaͤnde von ihnen ihr den Steff zur Anſchau⸗ 
ung des Raums geben können. Die Receptivitaͤt iſt aber 
ä G 3 0 bloſſes 


bloſſes Vermögen, nicht An ſchauung des Raumes ſelbſt, und 
dleſe hat einen empirifchen Urſprung. Vielleicht konnte ich! 
es Ihnen auch zugeben, daß der Begriff des Raumes bey 
jeder emplriſchen Anſchauung von geraͤumſgen Gegenſtaͤnden 
zum Geunde liegt, aber nicht als wirkliche Vor ſtellung, ſon⸗ 
dern als elne höhere Gattung, (genus ſuperius) welche 


der Verſtand durch Abſtractlon geblldet bat, und worunter 4 ben 
alle Arten der Körper (ſpecles) und auch alle Körper ſelbſt als Rü 
eingelne Dinge (indiuidua) begriffen find. Allein hiedurch! ug 
gewinnen Sle nichts, well dech elgentlich davon hier nicht des 
dle Rede ſeyn kaun. teic 
gen 
1) Nach Ihrer zwoten Erörterung fell der Raum e. Na 
ne nothwendlge Vorſtellung a priori ſeyn, welche allen feit 
äuffern Anſchauungen zum Grunde llegt. Hler frage Ih (da 
zuerſt, in wle welt liegt dleſe Vorſtellung, Raum, ihnen das 
zum Grunde? Viellelcht als bloffer Begriff, welchen dee kei 
Verſtand aus jeder äuffern Anſchauung bilden, und ſolglich ) MM! 
in ihr wieder finden kann? Auch dleß leidet in Anfehung wirt 
der ſinnlichen Organe, die vom Beficht unterſchleden find, ſolch 
die größte Aus nahme. In den Anſchauungen, welche der! Eeſe 
her erwachſen, findet der Verſtand in Ruͤckſicht des Geſoͤ ß zu l 
les nur ſelten, In Betracht der übrigen Organe feinen Stof 
zur Bildung des Begriffes vom Raum, und folglich be:! 
ollen dleſen liegt dleſe Vorſtellung ſchlechterdings nicht zun wen 
Grunde. Die aͤuſſere Anſchauung, welche wir durch Hull 1 
des Geſichtes von einem Punct erhalten, in welchem wi er 
keine Theile weiter unterſcheiden konnen, iſt eben fo wenig eine 
von der Art, daß Raum in Ihr angetroffen wird. Wal a 
aber dle gerdumigen Gegenſtaͤnde anbertift, welche wr Gege 
durch Hütfe des Geſichtsorganes uns vorſtellen: fo findet mebg 
unſer Verſtand in allen dieſen den Steff wieder, welchen € (nz 
sr Vorſtellung des Beariſfſer vom Raum erheben kant. ſich 
Allein dieſe Vorſtellung iſt nicht vor den aͤuſſern Anſchor⸗ War 


ungen in unfrer Seele, ſondern wird erſt durch unfern Der 
and aus ihnen gebildet. Ele 


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103 


Sie nennen den Raum eine nothwendige Vorſtellung 
priori. Nothwendig iſt ein Beziehungsbegriff. Wor⸗ 
auf haben Sie alfo dieſen bezogen? Etwa auf unſer Ges 
muͤth ſelbſt? Dieß iſt der Erfohrung entgegen. Wie oft 
find wir nicht in einer Lage, worinn wir an nichts wenl— 
ger als an Raum denken, und dieß würde nicht ſtatt ha⸗ 
ben fännen, wenn dle Vorſtellung vom Raum in biefer 
Ruͤckſicht nothwendig wäre. Etwa auf jede aͤuſſere Anſchau— 
ung? In dieſem Falle waren keine ſolche ohne Norfellung 
des Raumes denkbar Alleln das Gegentheil habe ich hin. 
reichend bewleſen. Etwa auf die Anſchauungen von geräuml« 
gen Gegenſtaͤnden? Dieſe ſchlieſſen die Vorſtellung des 
Raumes in ſich. Allein weer kommt dieſe Morhmendig« 
keit der Vorſtellung? Nicht daher, daß fie vor jenen An 
ſchauungen in der Seele wirklich da iſt, ſendern daß dieſe 
dasjenige, was zum Begriff des Raumes gehoͤret, in ſich 
ſchlieſſen, und der Verſtand diefes von den übrigen Beſtim⸗ 
mungen der Anſchauung abſondern kann. Allein dadurch 
mird der Raum nicht eine Vorſtellung a priori, d. h eine 
ſolche, welche in unſrer Seele da iſt, ohne von irgend elner 
Erfahrung auch in Rückſicht ihres Urſprunges abhängig 
zu ſeyn. 


Sehe ich auf die Gründe, wodurch Sie die Noth. 
wendigkeit des Raums als eine Vorſtellung a priori bewei⸗ 
ſen wollen: fo find dieſe meiner Einſicht nach nichts ments 
ger als hinreichend. Wir koͤnnen, ſagen Sie, uns nle 
eine Vorſtellung davon machen, daß kein Raum ſey, ob 
wir gleichwohl im Stande ſind, es zu denken, daß keine 
Gegenſtaͤnde darinn angetroffen werden. Alleia hler iſt nicht 
mehr vom Raum als Vorſtellung, ſondern von ihm als 
etwas die Rede, welches ſeyn wuͤrde, wenn auch feiner es 
ſich vorſtellte. Diefer Raum waͤre alſo der leere Raum, 
das Geſchoͤpf unſrer Imagination, deſſen Daſeyn auſſer der 
Vorfellung von der Vernunft fo mancher Philoſophen be. 

G 4 ſtrit⸗ 


104 
firieten wurde, und wobey wir doch zuletzt nicht mehr eln 
Ding, das eigenthuͤmliche Beſtimmungen hat, fondern 
blos dle Mögtichkeit denken, daß Dinge auffee und neben 
einander ſeyn konnen. Auch dieſe Moͤglich keit liegt auſſer 
unſter Vorſtellung, und unſer Verſtand ſchlieſſet dieſe da. 
her, weil wir wlſſen, daß Dinge auſſer und neben einander 
wirklich ſind. Was hat aber dieſe mit dem Raum als el. 
ner Vorſtellung unſrer Denkkraſt zu thun, und warum muß 
dieſe daher eine nothwendige Votſtellung a priori ſeyn? 
Hier finder ſich kein Mittelglted, welches die Ideen, Raum 
als Vorſtellung und Nothwendligkelt, a priori, verbinden 
koͤnnte. 


Waͤre kelne Moͤglichkeit auch auſſer allen unſern Vorſtel. 
lungen, daß Dinge auffer und neden einander zugleich ſeyn koͤnn⸗ 
ten: ſo wuͤrden auch keine ſolche Hegenſtaͤnde ſeyn, nicht uns den 
Stoff zur Vorſtellung von ihnen darreſchen. Wir wurden 
uns alſo auch keinen Begriff vom Raum machen koͤnnen. Die⸗ 
fe Moͤglichkelt llegt alſo nothwendiger Weiſe auff-ren Er⸗ 
ſcheinungen oder Anſchauungen von geräumigen Gegenſtän. 
den zum Grunde, fie darf aber nicht mit Raum als ei, 
ner Vorſtellung verwirret werden, weil ſi- von dieſem welt 
unterſchieden iſt. Wie koͤnnen Sie alſo doher ſchlleſſen, da 
jene Moglichkeit els Raum allen Erſcheinungen don ge 
raͤumigen Gegenſtaͤnden zum Grunde llegt: jo muß Vorſtel⸗ 
lung als Raum dieß auch thun? Jener gehoͤtet zu den 
Beſtimmungen geraͤumiger Dinge, wenn ſie da ſind, und 
dleſer, wenn der Stoff uns dazu gereicht iſt, wird dadurch 
in der Secle als ein abſtrocter Begriff von unferm Ver, 
ſtande gebildet. 


Il) Der Raum iſt kein diecurfiver Begriff. Dieß 
denke ich auch. Bisher hat man dieſen Ausdruck nicht in 
der Vernunftlehre gebraucht, ob man zwar in ihr elnen 
Unterſchled zwiſchen intuitiven und discurſiven Uethellen zu 

ma: 


105 


machen ſich berechriger glaubte. Ste erklären Ihien dis. 
curſiven Begriff durch einen alleemeinen von Verhältniffen 
der Dinge überhaupt, leugnen es, daß Raum ein folder 
Begriff fen. Er iſt nach Ihnen blos eine reine Anſchau— 
ung. Wenn wir uns Raum vorſtellen: ſo denken wir uns 
nicht überhaupt Verhältniſſe der Dinge, ſondern daß fie 
euſſet und neben einander zugleich find. Der allgemeine 
Begriff des Raumes wurde durch unſern Verſtond gebils 
det, und wenn in unſerer Vorſtellung von Raum nichts 
weiter liegt, als doß Dinge auſſer und neben einander zu— 
gleich ſind; ſo iſt dieſe nicht der Raum ſelbſt, ſondern in 
Bezſehung auf iin eine reine Anſchauung des Raums. 
Dieſer iſt elgentlich nicht der Begriff, ſondern wir mas 
chen uns von ihm einen Vegtiff. Er ſeibſt iſt auffer mel. 
rem Verſtande der Gegenſtand, ven welchem ich mir eine 
Idee mache, und Ich finde ihn in den Gegenftänden auſſer 
mir wieder. Sie wollen es daher deweiſen, daß der Raum 
fein allgemeiner Begriff, fondern eine reine Anſchauung fer, 
weil wir uns nur elnen einigen Raum votſtellen, und wir 
bonn, wann wir von vielen Raͤumen reden, nur darunter 
heile eines und deſſelbigen Raumes verſtehen. Von wel— 
chem Raum reden Sie hier? Etwa von einem undegrenz— 
ten? In dleſem Felle wenn auch Raum und Vorſtellung 
einerley wäre: fo haften Sie keine reine Anſchauung vom 
Raum mehr, weil dieſe nichts mehr in ſich faßt, als daß 
Dinge auſſer und neben einander find. Sie würden den 
hoͤchſten Begriff von Raum ſchon durch den Charakter des 
Grenzenloſen näher beſtimmt haben. Wo kann ſich aber 
dieſer undegrenzte Raum finden? Etwa in den Wirfuns 
gen unfrer Denkkroft? Da märe er aber blos Vorſtellung 
von Raum, nicht der unbegrenzte Raum ſelber. Etwa in 
dem ganzen Umfonge aller neden einander zugleich erfiftirens 
den Dinge? Daan wäre er keine Anſchauung mehr, ſon⸗ 
dern der Raum in dem ganzen Weltgebaͤude. Sollte er 
in ihm als unbegrenzt 8 werden: fo müßte jenes ſelbſt 

5 kel 


106 TEEN 


feine Schranken ber Ausdehnung haben. Von dleſem Raum 
iſt aber nie die Rede, wenn wir ihn als eine Vorſtellung 
denken, und warum ſollte diefe, wenn auch der Raum der 
Melt keine Schranken haͤtte, deswegen keln allgemeiner 
Begriff vom Raum ſeyn koͤnnen? Warum konnten mir nicht 
einen ſolchen Begriff elne reine Anſchauung vom Raum 
nennen, wenn mie es nur unbeſtimmt gelaſſen hätten, ob 
er begrenzt oder unbegrenzt waͤre. Ob das letzte moͤglich 
uud wlcklich If, oder nicht, dieß kann uns keine reine 
Anſchauung des Raumes lehren, ſondern es iſt eine Auf 
gabe, woran dle Vernunſt ihre Kräſte verſuchen mag, ob 
fie durch allgemelnguͤltige Gründe eine richtige poſitlde oder 
negative Auflöfung finden kann. Der Raum, wovon als. 
dann dle Rede iſt, wird weder Begrlff noch Anſchauung, 
ſondern der Gegenſtand von beyden ſelbſt ſeyn. 


Denke ich mir den Raum unbegrenzt : fo find alle 
begrenzte Raͤume Theile deſſelben, und er geht weder vor 
dleſen, noch fie vor ihm vorher. Er wuͤrde aber ohne ſie 
ulcht moͤglich ſeyn, koͤnnte alſo nicht anders als eln Ganzes 
gedacht werden, welches nicht blos durch feine Theile mög. 
lich, ſondern auch durch ihre Zuſammenſetzung wirklich 
wäre, grade fo, wie es bey einer jeden Summe in Anfe 
bung der Thelle ſtatt dat, woraus fie zuſammengeſeht 
wlrd. 


Der unumſchraͤnkte Raum ſoll weſentlich einig feyn, 
und dieß kann nichts anders heiſſen, als daß nicht mehrere 
unbegrenzte Räume denkbar find. Iſt dleſer Satz nicht el 
ne Folgerung, welche unſre Vernunft aus dem Begrif 
herleitet, welchen der Verſtand von einem unbegrenzten 
Raum geblldet hat. Sie konnte es bey dieſem Schlußfag 
noch dahin geſteſlet ſeyn laſſen, ob es auch cinen folden 
Raum geben koͤnne, eder ob er blos ein Geſchoͤpf der Ver⸗ 
nunſt ſey, welches fie nach dem Satz des Wlderſpruchs her⸗ 

va 


1 107 


verbrächte, da wir in allen einzelnen Anſchauungen des 
Raums, zu welchen die äufferen Gegenſtaͤnde durch Huͤlſe 
des Geſichtsorganes unſerm Vorſtellungsvermoͤgen den Stoff 
darbleten, begrenzte Raͤume gewahr werden. Wäre wirk⸗ 
lich ein unbegrenzter Raum: se wuͤrde freylich das Mannig⸗ 
ſaltige in ihm lediglich auf Einſchraͤnkungen beruhen, und 
denn waͤren alle begrenzte Raͤume Theile von ihm. Sie 
zlehen hieraus die Folgerung, daß auch der allgemeine Be⸗ 
griff von Räumen lediglich auf Einſchraͤnkungen beruhe. 
Wie wenn nun dieſer allgemeine Begriff von Räumen und 
auch vom Raum Überhaupt einer und derſelbe wäre. Ver⸗ 
ſuchen Sie einmal von beyden den allgemeinen Begriff zu 
bliven: fo denken Sle ſich Theile auffer und neben einander 
zugleich; begrenzt oder unbegrenzt, gehoͤret zum reinen alle 
gemeinen Begriff des Raums uicht. In jeder emplriſchen 
Anſchauung eines geräumigen Gegenſtandes findet unſte 
Vernunft Einſchraͤnkungen, und nun wirſt fie die Frage 
auf: find alle dieſe Raͤume, welche ich in den Gegenſtaͤn⸗ 
den gewohr werde, Theile von einem Schrankenloſen Rau⸗ 
me oder nicht? Ste ſühltt aber auch bald dle Schwle⸗ 


rigkeiten, welche ſich ihr auf der Bahn dieſer Unterſuchung 


entgegen ſtellen. 


Wie koͤnnen Sie aber daraus ſchlieſſen, daß In Ans 
ſehung des Raums eine Anſchauung a priori, welche nicht 
emplriſch iſt, allen Begriffen von demſelben zum Grunde 
liege? Der Begriff vom Raum iſt entweder der allgemeil⸗ 
ne oder ein Begriff von eingeſchraͤnkten Raͤumen. Im er⸗ 
Ren Fall iſt er ein Begriff von Raum, er mag eingeſchraͤnkt, 
oder grenzenlos ſevn. Im zweyten Fall liegt nicht der Bes 
griff eines unbegrenzten, ſondern des Raums überhaupt zum 
Grunde, d. h. dleſer iſt der höhere Begriff, unter welchem 
die Begriffe von den verſchiedenen beftimmten Raͤumen in 
den verſchiedenen Arten der Koͤrper liegen. Allein deswe⸗ 
gen konnte doch der allgemeine Begriff von Raum aus den 

im: 


U) 


\ 


empirlfchen Anſchauungen von begrenzten Räumen durch 
Huüͤlſe des Verſtondes und alſo a poſteriori gebildet ſeyn, 
wie er es auch wirklich lſt. Ste berufen ſich auf geome⸗ 
telſche Orundfäge, zum Beyſpiel, daß in einem Trlangel 
zwo Selten zuſammen groͤſſer ſeyn, als dle dritte, und be 
haupten, daß dleſe nie aus allgemeinen Begriffen von Tris 
angeln und Linien, ſondern aus der Anſchauung und zwar 
a priori mit apodictiſcher Gewißßpeit abgeleltet werden. 
Ihre Art in der Geometrie zu beweiſen, hat für mich etz 
was ſehr befremdendes. So oft ich bisher meinen Zuhoͤ. 
rern geometriſche Saͤtze bewieſen habe, mußte ich ſteylich 
Zeichen, welche in dle Augen fallen, zu Huͤlſe nehmen, um 
ihnen erſt die noͤthigen Begriffe zum Bewelſe durch elne 
empiriſche Anſchauung klar und deutlich zu machen. Diefe 
Anſchouung iſt aber nie eine a priori, und macht den Be 
wels aus Begriffen nicht unnoͤthig, kann keine apodicelſche 
Gewlßhelt von allgemeinen Wahrheiten erzeugen, ſondern 
bahnte der Vernunft nur den Weg, um das Gewicht der 
Vewelſe aus allgemeinen Begriffen gleichſam zu fühlen, 
und eine apodlctiſche Gewißheit zu erzeugen. Was wollen 
Sie hier mit Ihrer Anſchauung a priori? Bedeutet dies 
fe Raum in der hoͤchſten Abſtractlon: fo iſt dleß die An— 
ſchauung nicht, welche der Geometer gebraucht, um feinen 
Zuhörern verſtaͤndlich und deutlich zu werden, und auch 
dieſe wurde ihnen zu keiner Gewißheit von Irgend einer 
elnzelnen allgemeinen geemetriſchen Wahrheit verhelfen 
koͤnnen. 


IV) Der Raum, wie Sle behaupten, wird als elne 
unendliche Groͤſſe vorgeſtellt. Von wem? Es iſt mehe 
ols wahrſcheinllch, daß der größte Theil der Menſchen es 
nicht gethan hat, noch thun wird. Die em piriſche An. 
ſchauung des Raums faßt vielmehr ſtets Grenze in ſich, 
und der Verſtand achtet auf dieſe nicht, wenn er aus ihnen 
den allgemeinen Tegriff des Raumes bildet. Er laͤßt es 

in 


in ihn 


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109 


| in ihm unbeſtimmt, ob er auſſer unſern Vorſtellungen 
grenzenlos ſeyn kann oder nicht. Denket er ſich ihn ſchran— 
kenles: fo ſetzet er von zwo entgegengeſetzten Beſtimmungen 
i die eine zum Raum hinzu, und beſtimmt alſo den allge⸗ 
meinen Begriff des Raums, wie er es bey jeder andern 
Gattung macht, wenn er die Arten bilden will, welche am 
rächften unter ihr liegen. Dieß iſt das gewoͤhnliche Ger 
ihäfte unſers Verſtandes bey Entwicklungen der Arten, 
welche unter einer Gattung liegen. Hat er den allgemels 
ren Begriff des Raumes durch den Zuſatz des Grenzenlo. 
en mehr beſtlmmt: fo macht die Vernunft die Folgerung 
© braun, daß, wenn ein ſolcher Raum auſſer unſern Vor— 
|: (ungen wäre, alle eingeſchraͤnkte Raͤume Theile von dies 
em ſeyn würden. In allen dieſen Wirkungen des Vers 
bontes und der Vernunft liegt keine Anſchauung zum 
Grande, welche von aller Erfahrung in Ruͤckſicht ihres 
Urferunges unabhängig iſt. Dieß iſt zu einleuchtend, alt 
daß es einer weitern Entwicklung bedarf. 


Sie ſetzen hinzu, wir müffen zwar jeden Begriff uns 
als eine Vorſtellung denken, welche in einer unendlichen 
Menge von verſchlederen moglichen Vorſtellungen als ihr 
eimeinſchaftliches Merkmal enthalten iſt, welche mithin dies 
unter ſich enthalt. Allein kein Begriff als ein ſolcher 
inn fo gedacht werden, als ob er eine unendliche Menge 
ven Vorſtellungen in ſich enthielte. Warum das nicht? 
denken Sie ſich das ganze Weitgebaͤude, oder denken Sie ſich 
berhaupt Groͤſſe, unter deren Begriff der Begriff des Raumes 
is eine Art begriffen iſt. Wenn Sie ſich dieſe unter der 
Beſtimmung des Grenzenloſen vorſtellen: fo ſind alle eine 
ne Gtoͤſſen, und auch alle einzelne Raͤume Theile, ja ſelbſt 
er grenzenloſe Raum iſt ein Theil von ihr. Können Eie 
deſes leugnen? Und woferne Sie es nicht koͤnnen: muͤſ. 
en Sie dann nicht die Ungültigkelt dieſes Ihres Satzes 


nerkennen, daß auſſer dem Raum kein Begriff als eln 
8 fol. 


ſolcher gedacht werden kann, als eb er elne unendliche 
Menge von Vorſtellungen in ſich enthlelte ? 


Wiellelche werden Sie dadurch melne Elnwendung 
ſchwaͤchen wollen, daß Sie erwledern: ſoll der Begriff, 
Gröffe, eine unendliche Menge von Vorſtellungen in ſich 


ſoſſen: fo muß die Geoͤſſe ols grenzenlos gedacht werden. 
Genz recht. Hat dieß aber auch nicht in Anſehung des! 


Raumes flott? Nehmen Ste dieſe Beſtimmung weg: fo | 


der reinen Anſchauung deſſelben llegt nichts mehr, als ei. 


ne Vorſtellung von Theilen, dle auſſer und neben einander 
zugleich find. Dieſe Anſchauung als Begelſf iſt eben k 


wie jeder allgemeine Begr ff in einer unendlichen Menze 
von verſchiedenen Vorſſellungen als ihr gemeinſchaſtliches 
Merkmal enthalten, und folglich begrelſet er, wie alle übri. 
ge Begriffe dleſe unter ſich. Sie ſehen alſo, wle weriz 
Sle berechtlget find, aus Ihrer Vorausſetzung, deren Un. 
grund ich bewieſen zu haben glaube, die Folgerung zu mc. 
chen, daß al'o dle urprüngliche Vorſtellung vom Raun 
keln Begriff, fondern eine Anſchauung a priori ſey. 


Wenn ich auch Ihnen alles zugeben wollte, was El 
behauptet haben: ſo wuͤrde doch Igre Folgerung nicht den; 
Beyſall der nachſorſchenden, unbeſangenen Vernunft erhalten! 
Finnen. Es ſey der Raum grenzenlos! Wo wäre er e 
dann? In unſerer Vorſtellung oder auffer derſelben? Jo, 
letzten Fall iſt unbegrenzter Raum nicht Anſchauung, ſonder 
Gegenſtand derſelben, und gehoͤret alſo durchaus nicht hieße. 
Er ſey es alſo In unfrer Vorſtellung! Wie ward er es denn! 
Den allgemelnen Begriff des Raums hatte unfer Verſtan) 
aus. den empirlſchen Anſchauungen von einzelnen geräumige? 
Gegenſtaͤnden a pofteriori qezo jen. Er entfernte aus ih 
dle Vorſtellung der beſtimmten Geſtalten, der Green? 
und Grenzen von den Gegenſtaͤnden. Nun warf unte 

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wird der reine Begriff vom Raum übrig bleiben, und in Seel 


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111 


Vernunſt die Frage auf: faßt der Begriff von einem gren⸗ 
jenlofen Raum einen Widerſpruch In ſich „grade fo, wle 
fie ſraͤgt: iſt der Begriff eines rechtwinkligten und dabed 
gleichſeltigen Triangels ohne Widerſpruch denkbar oder 
nicht? Hier llegt keine Anſchaunng a priori, d. h. dle 
von aller Erfahrung durchaus unabhängig und doch in der 
Seele da iſt, zum Orunde. Die urſpruͤngliche Vorſtellung 
vom Raum iſt doch wohl feine andre als dieſe, welche bie 
Seele zuerſt durch ihren Verſtand bildet. Dieſe Ift gewiß 
a pofteriori, uud kann alſo keine Anſchauung a priori nach 
Ihrer Erklaͤrung ſeyn. So wenig ich alſo Ihren Behaup⸗ 
tungen beypflichten kann: ſo groß wird doch dle Hochachtung 
ſeyn mit welcher ich ſtets bin dc. 


10. Brief. 
Mein Herr, 


Nun wollen Sie eine transſcendentale Erörterung des Bes 
griffes vom Raum anſtellen. Dieß iſt doch ſehr ſonderbar. 
Haben Sie es denn ſchon vergeſſen, daß Ste kurz vorher 
durch Grunde es beweiſen wollten, die Vorſtellung vom Raum 
fen durchaus kein Begriff, fondern eine Anſchauung a pri- 
ori? Ich kann mir diefen Widerſpruch nicht erflären. 
Vorſtellung vom Raum, oder vorgeſtellter Begriff des 
Raumes iſt doch wohl eine und dieſelbe Sache? 


Doch nun zu Ihrer transſcendentalen Erörterung 
ſelbſt. Diefe ſoll die Erklarung eines Begriffes als Princips 
ſeyn, woraus die Möglichkeit anderer ſynthetlſcher Erfenntniffe 
a priori eingefehen werden koͤnne. Zu dleſer Abſicht er⸗ 
ſodern Sie, 1) daß wirklich dergleichen Erkenntniſſe aus dem 
gegebenen Begriffe herflieſem, 2) daß dleſe Erfenntniffe nur 
unter der Vorausſehung elner gegebenen 1 

dae ⸗ 


12 


dieſes Begriffes möglih find, Sie erregen alfo hier die 
Erwartung bey jedem nachdenkenden Leſer, daß Sle uns eine 
genaue Erklärung des Begriffes don Raum vorlegen, und 
dann aus dleſem Begriff als elnem Prineip uns zeigen werden, 
wle ſolche Erkenntniſſe aus ihm herflieffen, und fie nur uns 
ter der Vorausſetzung der gegebenen Erflärungsart von 
dieſem Begriffe moͤglich find. Wlr muͤſſen alſo unterſuchen, 
was Sie gelelſtet haben. 


Sie erklaͤren die Geometrie durch eine Wiſſenſchaft, welche 
dle Eigenſchaſten des Raumes ſynthetiſch und dech a priori 
beſtimmt. Allein wozu fell der Geometer dieſe Ihre Erfläs 
rung gebrauchen? Er hat fie ſich bis her als eine Wiſſenſchaft 
gedacht, die Groͤſſen in den Ausdehnungen zu finden. Durch 
dleſen Begriff unterſcheldet er dieſe Wiſſenſchaft von jeder 
andern, beſtunmt des Ziel, wohln er dringen will, und bie 
Bahn, die ihn dahin führen ſell. Ihre Grundfäge ſuchet 
er nicht aus der Anſchauung eines alleinigen unbegrenzten 
Raums herzuleiten, ſondern ſeine Abſicht etfodert es, daß er 
mit geometriſchen Puncten als den erſten einfachſten Clemer⸗ 
ten der Knie den Anfang macht. Er zeigt feinen Zuhoͤrern, 
wie ınen Jia) duich das Fortflieſſen eines Puncis die Ent 
ſtehung einer Linie denken, und den allgemeinen Begriff von 
ihr bilden kann. Durch Zufammenfegung der Linien wird 
dle Entſtebungsart der Figuren, und durch die Verbindung 
det letzten die Entſtehungsart der verſchiedenen Körper erklärt. 
Der Geometer bedienet ſich immer ſolcher Zeichen, welche 
In die Augen fallen, weil die Gegenflände feiner Wiſſenſchaſt 
ihm vorzüglich den Gebrauch ſolcher Zeichen möglich machen, 
welche eine empiriſche Anſchauung von ſich in der Seele er: 
regen, worinn faſt nichts mehr noch weniger als in den 
Gegenſtaͤnden enthalten iſt, welche ſich ſein Zuhoͤrer den— 
ken ſoll. Er ſetzet bey ſeinen Entwicklungen nie den Raum 
als eine reine nicht empirlſche Anſchauung, und ſolglich 
nicht als eine bloſſe ſublective Form der Vorſtellungsfaͤhig⸗ 

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keit voraus, ſondern als etwas, das in den Dingen felbſt 
jt, welche er als Zeichen für feine Zuhörer brauchet, und 
welche durch Hülfe der Augen ſich eben fo dieſen als ihm 
ſelbſt darſtellen. Mit unendlichem oder alles umfaſſendem 
Raum beſchaͤfftlget er ſich nicht. Seine Linien, Figuren und 
Körper haben alle ihre begrenzte Ausdehnung. Wäre Raum 
nichts als Denkform. nichts als ſubiective Vorſtellung: ſo wuͤrde 
tr feinen Uuterticht fur unnuͤtz halten / und uber ſich ſelbſt lachen 
möffen, wenn er nun Sinien, Figuren, Körper für feine 
Zuhörer abbilden, und In ihnen durch dleſe Abbildung da— 
von eine empiriſche Anſchauung erregen wollte. Er nennt 
ine Wiſſenſchaſt einen Theil der reinen Mathematik nicht 
deswegen, als ob er fie obne alle Ruͤckſicht auf aͤuſſere 
geräumlqte Gegenſtaͤnde zu Stande gebracht haͤtte, ſondern 
peil er allgemeine Begriffe aus linien, aus Figuren, aus 
Körpern, welche er ſinnlich vorher feiren Zuhörern darſtellt, 
gezogen hat, dieſe mit einander vergleichet, und nur daraus 
weckmaͤſſig nach dem Grundſatz des Widerſpruches, und 
des Princlps von zureichenden Gruͤnden Folgerungen herleltet. 
linien, Figuren, Körper, womit er ſich wiſſenſchaſtlich be. 
ſchaͤtiget, werden nun ben ihm allgemeine Begriffe, dle blos 
eis ſolche in den Vorſtellungen ihr Daſeyn haben koͤnnen. 
lein deswegen leugnet er nicht, daß es Linien, Figuren, 
Korper in der Natur geben koͤnne, wodon jene nur die 
allgemeinen Begriffe ſind. Wellte er dleß leugnen: fo mürde 
er die ganze Geometrie für eine Wiſſenſchoft erklaͤren, wovon 
die menſchliche Vernunft feinen weitern Gebrauch machen 
koͤnnte. Er haͤlt vielmehr feine Wiſſenſchaft für elne hoͤchſt 
brauchbare Beſchaͤſtigung des Gelſtes, weil er durch fie 
onf Regeln geſuͤhrt wird, wornach er Knien, Figuren, und 
Körper , die auſſer ſeiner Votſtellung in dem Reich der 
Natur angetroffen werden, genau aus zumeſſen wermds 
gend wird. 


+: = Wenn 


5 


Wenn Sie uns dle Geometrie als eine Wiffenfhaft erkld. 
ren, weiche die Elgenſchaſt des Raums ſonthetiſch und doch a 
priori beſtimmt: fo wurden wir fragen: wie? Nur blos 
ſonthetiſch? Die Erfahrung zeiget das Gegentheil. Wie 
haben ſehr Diele geometrifche Sätze, die analptiſch find, und 
2.03 fo wohl wie jene dle Ligen'chaften des Raumes beſtim. 
n „ Heißt a priori beſtimmen, aus allgemeinen :. earıi, BE 
fe. vieß thun: fo wird kein Geometer dagegen etwas ein.“ 
wenden. Heißt es aber durch Erkenntniß, welche auch in! 
Anſehung ihres Urſprungs von aller Erfahrung unabhängig if: | 
fo kennet der Geometer dieſe nicht, und Sie müßten noch 
erſt ihre Moͤglichkelt in der Seele eines Menſchen dewe ren. 
Dieß wird er tür keinen Beweis gelten laffen, wenn Sie 
ſich dieſe Frage, wie muß dleſe Vorſtellung des Kauns 
beſchaſſen ſeyn, daß eine ſolche Erkenntniß von ihm moͤglich! 
fen, fo beantworten: er muß urfprünglich Anſchauung fenn. E 
Die urſprüngliche Anſchauung von ihm iſt, wie ich fdion 8 
bewieſen habe, elne empiriſche. Warum ſollten aus den? 
Begriffen keine Saͤtze, welche über den Begriff hinaus 
g ihn, ſich ziehen laſſen? Ste berufen ſich hier auf I hte 
Einleitung V. Alleln ich habe auch da es gezeiget, doß! 
Sie dasjenige nicht bewieſen haben, was doch müßte | 
g⸗ſchehen ſeyn, wenn Sle ſich darauf mit Grund berufen 
wollten. Wenn Sie anders die geometriſchen Wahrheiten 
gehoͤtig untetſuchet haben: fo koͤnnen Sie ummoͤglich be. 
haupten, daß dle geometriſchen Saͤtze insgeſammt apodictiſch! 
d. 1. mit dem Bewuſtſeyn ihrer Nothwendigkelt verbunden 
ind. Ich mag hler nicht wieder hohlen, was ich ſchon on! 
einem andern Orte oben angefuͤhret habe, um die Ungültig, 
kelt dleſes Ibres Satzes apodicelſch zu widerlegen. Sie 
beruſen ſich auf dieſe geomettiſche Wahrhelt, — der Raum hat | 
eine dreyſache Ausmeſſung. So wird kein Geometer ſich 
leicht ausdrucken. In jeder Figur iſt Raum. Wo iſt aber 
bler eine drepfache Ausmeſſung? Könnte aber der Raum # 
dieſe haben, wenn er, ſo wie Ste ihn votſtellten, ols un.“ 

be. 


VEREIN ET EN IT green 


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De er 


8 
5 
7 


A 115 


begrenzt gedacht wuͤrde? Hier waͤre keine Ausmeſſung mehr 
denkbar. Denkbar iſt fie, und findet auch wirklich ſtatt, wenn 
nicht von jedem Raum, ſondern vom Körper die Rede iſt, und 
dann iſt jener Satz urfprünglich ein Erfahrungsſatz, welchen 
der Geometer zuerſt aus einer empiriſchen Anſchauung ſelne 
Zuhörer bilden läßt, und fie auſmuntert, durch ihre Vers 
nunft ihn zu einem allgemeinen zu erheben. Dleß ift der 
Bang, worauf fie zur Allgemeinheit dieſes Satzes gefüh« 
ret wird. 


Sie werfen die Frage auf: wie kann eine aͤuſſere An— 
ſchauung dem Gemuͤthe beywohnen, die vor den Obiecten 
ſelbſt vorher geht, und in welcher der Begriff der letztern 
a priori beſtimmt werden kann? Ich mochte Ihnen hier« 
auf folgendes antworten. Die auffere Anſchauung, das 
belſt doch wohl, die Anſchaung von aͤuſſern geräumigten 
Gegenſtaͤnden geht nicht vor den Oblecten vorher, ſondern 
wird durch dieſe vermoͤge des Geſichtes in unſter Seele 
erregt. Aus dleſer ziehet unfer Vetſtand den Begriff vom 


Raum, nlcht a priori, ſondern a poſteriori. Haben mir 


dleſen erſt im allgemeinen gebildet: fo koͤnnen mir theils 
fragen, wie hat die Natur dleſen in ihren verſchledenen ges 
räumlgten Producten näher beſtimmt, die Beſtimmung em- 
piriſch aufſuchen und nun unfrer Vernunft die Materiali— 
en darteſchen, wodurch ſie ſaͤhlg wird, im allgemelnen Gate 
tungen, Arten und Unterarten in einer legiſchen Tabelle zu 
ertwickeln. So hat es immer der Geometer gemacht, und 
es würde kelnem gluͤcken, wenn er auf einem andern Wege 
die möglichen Beſtimmungen des allgemelnen Begriffes vom 
Raum aufzuſuchen ſich bemuͤhte. 


Sie denken ſich die Sache ganz anders, als es bis. 
ber der Geometer gefunden dat. Sie wollen uns uͤberre⸗ 
den, daß die aͤuſſce Anſchauung blos im Subieet als dle 
formale Beſchaſſenheit 5 don Odlecten affichre zu 

. 2 a Wer⸗ 


116 Dre? Eyre Dt nu 


werden, und dadurch unmittelbar Vorſtellungen der ſelben 
b. i. Anſchauungen zu bekommen, ihren Sitz hat, alſo 
nur als Form des aͤuſſern Sinnes überhaupt. Was wol. 
len Ste eigentlich hlemit ſagen? Mancher möchte ſich hiet 
aber elne Staubwolke beklagen, welche Sle durch Ihre new 
en Terminologlen vor fern Geſicht auſgetrleben haben. Er 
fauben Sie, daß ich ihre Saͤtze fo fury ausdrüde als mög. 
lch iſt. Die äulfre Anſchauung (ohne Zweiſel vom Raum) 
bat blos Im Subiect als formale Beſchaffenhelt, oder elt 
Form des aͤuſſern Sinnes, von Oblecten arficirt zu wer den, 
und dadurch Anſchouung von ihnen zu bekommen, ihren 
Sitz. "Io behaupten Cie, daß äuſſte Anſchauung elne 
formale Beſchoſſenhett unſers Vorſtellungsvermoͤgens iſt, 
Anſchauungen von geräumigen Obiecten zu erlangen. Als 
lein kann 1) äuffere Apſchauung blos eine Beſchoffenheit 
oder Ferm des aͤuſſern Sinnes ſeyn. Iſt fie nides welter 
als das letzte: fo Ajt fie innre Beſtimmung des Sinnes, abet 
keine Anſchauung, weil jene blos Vermögen, dieſe aber 
ſchon Wirkung des Vermoͤgens if. Iſt aͤuſſte Anſchau⸗ 
ung blos fubieetine formale Beſchaſſenheit des Subiects von 
Obiecten afficitt zu werden, und dadurch, gleich viel, un. 
mittelbar oder mittelbar Anſchauungen zu bekommen: fo iſt 
ja nicht ſelbſt Anſchauung, ſondern bloſſes Vermoͤgen der 
Seele, Anſchauungen von ſolchen Obiecten zu erhalten. Mel⸗ 
ne formale Beſchaffenheit von Odiecten aſficirt zu werden, 
kann de-b nichts anders als meine Faͤhlgkelt ſeyn, mir die 
Dinge, die auf meine Sinne wirken, vorzuſtellen, oder fie 
ſinalich anzuſchauen. Nennen Sie diefe bloſſe Faͤhigkelt dle 
Form meines aͤuſſern Sinnes: fo iſt dleſe freyllch vor aller 
Erfahrung, vor aller eigentlichen Anſchauung und alſo In ſo 
weit a priori in meiner Seele: fo würde für mich keine 
ſolche Anschauung moglich ſtyn, wenn ich nicht dleſe Form 
meines äuffern Sinnes hätte. Alleln fie Ift nicht die An. 
ſchauung ſelbſt, fie bringt auch nicht ohne alle vorhergehe ade 


Einwirkung äufferer Gegenſtaͤnde Anſchauungen von lynen 
ber. 


fie du 
fenelic 
Dieß 
dieſe 
nes 6 


a) | 
2 


hervor. Soll ich elne Anſchauung von einem Colibrit ers 
halten: fo muß ich entweder ihn in der Natur oder in einer 
Abbildung geſehen haben. Herr Prof. Reinhold, welcher 
erit durch groſſen Aufwand von Mühe und Zelt, feinem 
eignen Geftändniffe nach, den Gelſt Ihres neuen Spſtems 
genau entdeckt zu haben glaubet, ſuchet dieſe Sache auf 
elne etwas verſchiedene Art anzugreiſen. Es lehret uns, 
daß die a priori beſtimmte Form des aͤuſſern Sinnes in 
der an der Receptivitaͤt beſtimmten Moͤglichkeit des Auf 
ſerelnanderſeyns des Mannigfaltigen in der Vorſtellung 
beſtehe 3). Wie dunkel wird auch nicht dieſe Reinholdi⸗ 
ſche Erklarung wenigſtens durch dle gezwungene unnafür« 
liche Verbindung der Worte! Doch über fo etwas muß 
man ſich in dieſer neuen philoſophiſchen Schule wegſetzen. 
Was heißt denn nun bey dieſem Philoſophen eine Moͤg⸗ 
lichkeit des Auſſereinanderſeyns des Mannigfaltigen in 
der Vorſtellung? Was in der an der Receptivltat beſtlmm⸗ 
ten Moglichkeit? Doch wohlinichts anders als die Receptl⸗ 
vitaͤt unſerer Vorſtellungsfaͤhigkeit hat die Beſchaffenhelt 
oder Form, daß dadurch Anſchauungen möglich find, in 
welchen das Mannigſaltige auſſer und neben einander vors 
geſtellet wird. So viel ich weis, hat noch fein Phlloſoph 
it an dleſer Wahrheit gezwelſelt. Allein dieſe Form iſt a 
priori beſtimmt. Auch dieß kann nichts anders heiſſen, 
als daß fie nicht erſt durch aͤuſſere Eindruͤcke In uns ber⸗ 
vorgebracht wird, ſondern daß fie vor aller Einwirkung in 
uns liege. Wer wird auch dieß ſeugnen? Allein wie If 
ſie da? Doch nicht als Anſchauung, fondern blos als we⸗ 
ſentliche Beſchaffenheit oder Form des duffern Sinnes? 
Dieß ſchelnt Hr. Reinhold zuzugeben. Wenn er aber 
dieſe Form als dle allgemeine elnzige Form des aͤuſſern Sin⸗ 
nes anfeht: fo hat dle angeſtrengte Richtung feines Geiſtes 
nach 

1) S. feinen Verſuch einer neuen Theorie bes meuſchlichen 

ne 378. 
3 


118 Rn ra 


nach einem Ziele, welches er nach Ihnen erreichen wollte, 
ihn zu ſchnell fortgetrieben, und ihm keine Zelt gelaſſen, 
um ſich an die Organe des Geſchmackes, des Geruchs, des 
Gehoͤrs und an Ihre Eindrͤͤcke auf unſern aͤuſſern Sinn zu 
erinnern. Sonſt wuͤrde er dle Form deſſelben etwas am 
ders beſtimmt haben muͤſſen. 


Nicht dleſe Form ſelbſt nennet er, ſo wie Sie, eine 
tigen 
ih 
ZE 
nennen, wie er will. Wenn es blos auf einen Namen an- 


Anſchauung a priori, ſondern die unmittelbare Vorſtellung 
der Form der äuffern Anſchauung, des Raums ſoll elne 
Anſchauung a priori ſeyn. Er mag nun freyllch ein Ding 


kommt: fo kann uns dleß gleichgültig ſeyn. Allein auch die 
unmittelbare Vorſtellung von dleſer Form kann doch nicht 


anders als a poſteriori in uns entſtehen. Diefe Form, welche! 
a priori in uns iſt, wird uns zuerſt durch ihre Wirkſamkelt be. 
kannt, und diefe find in elner nicht unbetraͤchtllchen Zeit von un- 
ſerm leben in jedem Menſchen ſchon da, ehe er ſaͤhig wird, ſich! 


elne Vorſtellung von dieſer Form zu machen. Dazu gehoͤret 
ſchon erhöhte Stärke der Vernunft, genaue Aufmerkſam— 
kelt auf die Wirkungen unſers aͤuſſern Sinnes, und auch 
ſelbſt bey aller angewandten Auſmerkfamkelt kann unfre Vot— 
ſtellung von ihr dennoch nicht ganz wahr ſeyn. Alles dieſes bes 
weiten die Beinholdiſchen Bemühungen, uns zuerſt eine 
richtige Vorſtellung von dieſer Form zu verſchaſſen, und 


fo beftättiget er es ſelbſt durch feine Befhäftlgfeit auf diefem Ü 
Felde der Wiſſenſchaft, daß wir von dieſer Form unfersäu | 


ſeren Sinnes erſt durch genaue Beobachtungen, und folglich 


nicht a priori fondern a poſteriori eine Vorſtellung erha' # 
ten. Dleſe Widerlegung iſt doch wohl die einleuchtendſte?! 
Sollten Ele alſo wohl berechtiget ſeyn, aus Ihren Entwick. 
lungen den Schluß zu machen, daß alſo Ihte Erklärung | 


die Moͤglichkeit der Geomettle als einer ſynthetlſchen Erkennt. 


ulß a priori begreiflich mache?? Worum zelgen Sie nicht! 


wenigſtens in einem Beyſpiel, wie fie dieß thun, wie aus 


dem 


dem 


gebe 


und 


moͤg 


keit 


mit 
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mir 


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Mir 
mir e 
Rau 
zelne 
mein 
ſubie. 
blos 


119 


tem Begriff des Raumes, wovon Sie uns eine Erflärung 
geben, als aus einem Princip Erkenntniſſe a priori herflleſſen, 
und ſie unter Vorausſetzung dieſer gegebenen Erklarungsart 
möglich find? Ich habe ſtets hierauf meine Auſmerkſam— 
keit gerichtet, weil Sie ſelbſt zu Anfang dieſes Abſchnittes 


mit eine ſolche Entwicklung hoffen lieſſen. Ich habe aber 


Immer umſonſt nach dieſer mich umgeſehen, und ich muͤßte 
mir von Ihrer philoſophiſchen Denkunsgart einen ſehr dürfs 
igen oder gar vielleicht beleidigenden Begriff machen, wenn 
ich Bedenken truͤge, Ihnen dieß offenherzig und frepmürhig 
ju geſtehen. Leben Sie wohl. 


11. Brief. 
Mein Herr, 

Edauben Sle mir, daß ich auch itzt die Schluͤſſe prüfe, 
welche Sie aus Ihrem gegebenen Begtiff vom Raum ge— 
zogen haben Der erſte iſt dieſer: a) Der Raum ſtellt 
gar keine Eigenschaft irgend einiger Dinge an ſich, oder 
fie In iprem Verhältniß auf einander vor d. i. keine Beſtim⸗ 
mung derſelben, die an Gegenſtaͤnden ſelbſt haſtete, und 
welche bliebe, wenn man auch von allen ſubiectiven Be. 
dingungen der Anſchauung abſtrahirte. Dieſe Folgerung 
iſt wahr und ſalſch. Es wird darauf ankommen, wie wir 
uns den Raum denken. Wird er blos als eln abſttacter 
Begriff als eine Anſchauung gedacht: fo iſt er freylich 
nichts weiter als eine Vorſtellung des denkenden Subiects. 
Wird er ober als der Gegenſtand angeſehen, wovon ich 
mir einen allgemeinen Begriff gem icht habe: fo {it er als 
Raum, nicht als Begriff vom Raum in jedem eins 
zelnen Dinge, welches zuſammengeſetzt iſt, auch auſſer 
meiner Votſtellung anzutreffen. Dann iſt er nicht mehr 
ſubiective Bedingung meiner Anſchauung, nicht mehr 
blos aͤuſſere Anſchauung, ſondern oblectiv in den aͤuſſern 

94 Din⸗ 


120 


Dingen ſelbſt, eine Beſtlmmung, dle an Gegenfläuden 
ſelbſt haftet, und er wuͤrde oblectiv blelben, wie er iſt, 
wenn auch keiner ihn anſchaute, wenn ich gleich keine 
Receptlvaͤt der Vorſtellungsſaͤhigkeit hätte, von ſolchen 
Gegenſtaͤnden afflelrt zu werden, und eine Anſchauung von 
ihnen zu bekommen. Wenn ich alſo auch von allen 
ſublectiven Bedingungen abſtrahirte: fo wurde er eine Eigen. 
ſchaft ber Dinge an ſich bleiben, worlun Theile auffer und 
neben einander zugleich ſind. 


Sle wollen Ihre Behauptung daher beweiſen, doß 
weder abſolute noch relative Beſtimmungen vor dem Da. 
ſeyn der Dinge, welchen fie zukommen, mithin nicht a 
priori angeſchauet werden koͤnnen. Allein wer hat denn 
behauptet, daß Raun als abfolute und relative Beſtimmung 
eines Obiectes vor dem Daſeyn deſſelben vorhergehe? Sie 
entſtehet mit Ibm, und verlleret zugleich mit ihm ihr Da⸗ 
ſeyn. Reden Sie etwa blos von Vorſtellungen, welche ich 
mir ven Dingen mache: fo konnen dieſe nicht blos ven 
wirklichen, ſondern auch von blos noch möglichen Dingen 
Vorſtellungen ſeyn, und ſind ſie dieſes wirklich: ſe denke 
ich mir zugleich nicht vorher noch ſpaͤter ihre abſolute und 
relative Beſtimmung, und fo bold in meiner Vorſtellung 
dleſe erlöfcher find: fo habe ich auch keine Vorſtellung von 
den Dingen mehr. Ich kann mir auch geräumige Dinge 
als moglich vorſtellen, welche alſo noch keinen beſtimmten 
Raum haben, und mir folglich in ſo welt eine Anſchauung 
a priori von ihnen verſchaffen. In tauſend Fäden verfähre 
fo der Kuͤnſtler. Er denket ſich eine Abſicht, welche er 
durch fein Kunſtwerk ertelchen will, uͤberlegt die Mittel, 
welche zu biefer führen, beſtimmt die relative Geoͤſſe, wel. 
che die Theile feiner Maſchine haden muͤſſen, die Raͤume, 
welche in jedein derſelben ſeyn ſollen, und bearbeitet nun die 
Materitallen nach der Idee, welche er ſich von feiner Arbeit 
gewacht dat Hier iſt die abſolute und relative Beſtim— 

mung 


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Gott 
ohne 
Ver. 
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ſrer 9 
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121 


mung vor dem Daſeyn des Dinges, welchem ſie zukommen, 
mithin a prior: in feiner Anſchauung. ud) der Verſtand 
Gottes hat ſich die Dinge, in welchen Raum iſt, und die 
ohne ihn nicht wirklich ſeyn koͤnnen, gedacht, oder in hoͤherm 
Verſtande (ſenſu eminentiori) ongeſchauet, als fie noch 
nicht waren. Iſt dieß unmoglich? 


b) Der Raum ſoll nach Ihrer Behauptung nichts 
anders als nur die Form aller Etſcheinungen aͤuſſerer Ein« 
nen, d. i. ſubiective Bedingung der Sinnlichkeit ſeyn, une 
ter welcher allein uns aͤuſſere Anſchauungen möglid) find, 
Aller was nennen Sie hier Form aller Erſcheinungen der 
duſſeren Sinnen? Iſt hier von der Form der Erſchelnungen, 
oder von der Form der äufferen Sinnen die Rede? Denken 
Sie ſich die Erſcheinungen, und die Form derfelben: fo find 
tie Erſcheinungen entweder die aufferen Dinge ſelbſt, oder 
die Vorſtellungen, welche wir von ihnen haben. Sind ſie 
das erſte: fo haben fie, wenn fie zuſammengeſetzt find, eine 
Form, welche dem Raum eine oblectioe Gültigkeit erthei⸗ 
let. Sollen Erſchelnungen aber dle Vorſtellungen von die. 
ſen Gegenſtaͤnden ſcyn: fo muß Raum in den Vorſtellun⸗ 
gen ausgedruckt liegen, wenn ſte anders Anſchauungen von 
dleſen Gegenſtaͤnden feyn ſollen. Denken Sie ſich aber 
gRoum als die Form der dufferen Sinne; fo würde es ſo vlel 
beiſſen, unſte äujferen Sinne haben keine andre Receptlivl⸗ 
(et als zu Vorſtellungen vom Raum. Hier wäre nun ein Soß, 
wvelchem die Erfchrung widerſpricht. Wir haben auch eine Re⸗ 
ceplivitàt unſter äuffiren Sinne für Empfindung durch die Ira 
gane des Geruchs, des Geſchmacks, des Gehoͤrs, und aus 
bellen dieſen Vorſtellungen, welche daher entſtehen, wird die 
Arſcenuna vom Raum ausgeſchloſſen. Die Form unfrer 
% äuferen Sennen iſt alſo nicht blos eine Beſchaffenheit uns 
ter Receptivitqc, nach weicher wir feine andre aͤuſſere An ⸗ 
ſche uung als vom Raum erhalten koͤnnen; und geſetzt fie 
ware die einzige Form unſter Sinnlichkeit; fo würde fie doch 


1285 


nicht der Raum ſelbſt, ſondern elne weſentliche Beſchaffen. 
heit unſrer ſinnlichen Vorſtellungsſahlgkelt ſeyn, welche 
vom Raum himmelweit unterſchleden wäre. Raum als 
Oblect, nicht als vorgeſtellter Begriff vom ihm hat Theile, 
die auſſer und neben elnander zugleich find. Finden denn 
dleſe ſich auch In elner weſentlichen Beſchaffenhelt unfrer Sinn. 
lichkeit? Dleß werden Sie doch nicht behaupten wollen? 


Well wir durch Huͤlſe des Geſichtes entweder einzelne 
Puncte oder zuſammengeſetzte Gegenſtaͤnde uns vorſtellen, 
jene neben einander, in dleſen Mannigfaltigkeit der Theile 
auſſer und neben einander erblicken; fo erhalten wir dadurch 
empirifhe Anſchauurgen von ihnen, und mir find unf& 
hig, fie uns fo zu denken, daß fie keinen Raum in der Ver. 
bindung einnehmen, Dleß iſt die Form von dleſer Art der 
Sinnlichkelt, wovon der hinreichende Grund in der Bildung 
unfrer Augen, In den Gegenſtaͤnden ſelbſt, und in unfrer 
Fähigkeit liegt, uns durch Huͤlſe des Geſichtsorganes von 
äuffern geräumigten Gegenſtänden Vorſtellungen zu machen. 
Nehmen wir dleſe ſublective Bedingung weg: fo würden 
wir von dieſen Gegenſtaͤnden und alſo auch vom Raum feb 
ne äuffere Anſchauung haben koͤnnen. Kine andre Frage 
iſt es: ob nicht Geiſter von einer andern hoͤhern Claſſe auf 
einem andern uns unbekannten Wege zur Anſchauung vom 
Raum gelangen koͤnnen. Der unendliche Geiſt, welcher 
alles und alſo auch geraͤumigte Dinge mit einem göttlichen 
Blicke uͤberſchaut, bedarf zu dieſer Vorſtellung keiner Aus 
gen. Bey uns find blos durch dieſe Faͤhlgkeit, oder wie 
Sie ſagen, durch dleſe Form der Sinnlichkelt äuffere An. 
ſchauungen von dleſer Art moglich. Allein die Gegenſtaͤn— 
de dleſer Anſchauungen bleiben demohngeachtet, was ſie 
ſind, entweder Puncte, in welchen wir keinen Raum um 
terſchelden, oder zuſammengeſetzte Dinge, in welchen wir 
dleſen erblicken. 


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FE 123 


Sie haben hlerinn Recht, dle Receptivitaͤt des Sub⸗ 
lects, von Gegenſtaͤnden afficirt zu werden, gehet in uns 
nothwendiger Weiſe vor allen Anſchauungen dieſer Oblecte 
rorber. Sie iſt aber nicht Anſchauung ſelbſt, ſondern blog 
in uns elne Moglichkeit, diefe Anſchauungen von Gegen» 
ſtaͤnden zu erhalten, welche lange vor unſter Anſchauung 
lor Daſeyn als Obiecte haben koͤnnen. Es würde fehr uͤber⸗ 
fluͤſſig ſeyn, dieß durch Beyſpiele zu erlaͤutern. 


Hätten Sie uns doch gezeiget, auf welche Art es fh 
ous Ihren Proͤmiſſen, in wle weit fie wahr find, verſtehen 


hoffe, wie dle Form aller Erſchelnungen vor allen wirkll. 


chen Wahrnehmungen, mithin a priori im Gemüthe gege— 
ben ſeyn koͤnne! Dieſe Form kann doch nicht die Form 
der Gegenſtaͤnde ſelbſt ſeyn, welche erſcheinen, ſondern iſt 


ohne Zweifel die Form der Erſcheinungen, in wle welt dies 


ſe Vorſtellungen find. Denken Sie ſich nun die Vorſtellun. 
gen ſelbſt: ſo ſiad dieſe nicht vor den Wahrnehmungen im 
Gemüthe gegeben, und ſolglich die Form, die jeder Vorſtel. 
lung eigen iſt, kann es eben ſo wenig ſeyn. Soll abet doch 
die Form vor aller Wahrnehmung im Gemuͤthe ſeyn: fo 
kann unter dieſer nichts anders als die Beſchaffenheit unſter 
Receptivitaͤt gedacht werden, wodurch es moͤglich wird, daß 
wir uns Vorſtellungen von ausgedehnten Gegenſtaͤnden 
machen koͤnnen. Dleſe iſt nun freylich vor aller Wahrneh⸗ 
mung in unſerm Gemuͤthe, und in ſo welt koͤnnen wir ſie 
eine Form a priori nennen. Hlegegen wird kein Philo⸗ 
ſoph was elnzuwenden haben. Vermoͤge dleſer Form koͤn. 
nen wir noch vleles wahrnehmen, wovon wir noch nie elne 
Vorſtellung gehabt haben. Folget aber daraus, daß dle⸗ 
fe Form der Receptlvitaͤt ſelbſt eine reine Anſchauung ſeyn 
muß, und daß dleſe, in welcher alle Gegenſtaͤnde beſtimmt 
werden, Prineipien der Verhaͤltniſſe derſelben vor aller Er⸗ 
ſahrung enthalten koͤnne? Die Form der Receptivltaͤt iſt 
ihre weſentliche Beſchaffenhelt, aber nicht Anſchauung, ſon⸗ 
dern 


dern Vermögen zu derſelben. Was heißt es: In der reinen 


Anſchauung werden alle Gegenſtaͤnde beſtimmt? Wie denn? 


als Gegenſtaͤnde, für ſich betrachtet, oder als Vorſtellun. 
gen, die lch von ihnen habe? In erſten Fall läßt ſich dieß 
durchaus nicht behaupten. Die Obiecte haben ihre Beſtim, 
mung nicht durch unſte Anſchauung, ſondern durch Gruͤnde, 
die auſſer dem Geblete unſrer Vorſtellungen liegen. Sollen 
hler aber dle Vorſtellungen gedacht werden, welche wir von 
den Gegenſtaͤnden haben: fo find dieſe ſelbſt die Anſchau⸗ 
ungen, und unſer Verſtand findet in allen, wenn ſie von 
geraͤumlgten Gegenſtaͤnden erregt find, das Mannigfaltige 
der Theile, die auſſer und neben einander zugleich ſich darı 
ſtellen, folglich die allgemelne Form des Raumes wieder, 
well dle Meceptivität unſter Sinnlichkelt von der Beſchaf. 
ſenheit iſt, daß ſie uns dieſe darſtellen kann. Der Raum, 
er ſey Begriff oder Anſchauung, beſtimmet aber nicht die 
Segenſtaͤnde auſſer uns, ſondern durch dieſe wird der allge, 
melne Begriff von ihm mehr beſtimmt, und erhält die For⸗ 
men, welche den Gegenſtänden entſprechen. Wie kann 
alſo Raum als Form der Erfcheinung, oder als Anſchau⸗ 
ung die Principien ven den Verhaͤltniſſen der Gegenſtaͤnde 
vor aller Erfahrung in ſich enthalten? Was find dleſe Prin, 
eiplen der Verhaͤltniſſe? Dleſe Fragen hätten Ele uns 
doch beantworten ſollen. Ich kann es mir nicht erklaͤren, 
warum Sle daran gar nicht gedacht zu haben ſcheinen, da 
doch hlerauf alles ankoͤmmt. Sollen fie etwa die allgemel⸗ 
nen Begriffe vom Raum und feinen verſchledenen Beftims 
mungen In Anlen, Figuren und Körpern bedeuten? Alle 
dleſe find aber elgentlich nicht Geſchoͤpfe der Sinnllchkelt, 
ſondern des Verſtaubes, und woſerne fie nicht als Phanto⸗ 
men der Elnblldungskraft, als leere Hlengeſpinnſte in ihr 
Nichts wleder verſck winden ſollen! fo muß unſer Verſtand 
fie aus der Gegenelnanderhaltung der Oblecte, wovon mir 
duſſere emplriſche Anſchauungen hatten, mlt der erfoderlis 
chen Behutſamkelt herleiten, 951 
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Wir fönnen frenlid nur sus dem Stondpunkt eines 
Menſchen vom Raum, von ausgedehnten Weſen reden, 
well uns nur dleſer in der Reyhe der Geiſter angewleſen iſt, 
und auſſer unſerer Receptivitaͤt für unſte Vernunft Peine 
Ceblete von Gegenſtaͤnden ſeyn konnen. Sie behaupten, 
daß, wenn wir von der ſublectiven Bedingung obgehn, uns 
ter welcher wir allein äuffere Anſchauungen bekommen füne 
ren, die Vorſtellung vom Raum nichts bedeute. Worinn 
teſteht aber Diefe ſubiective Bedingung anders, als in der 
Receptlvitaͤt, von aͤuſſern Einwirkungen der Gegenſtaͤnde 
affleirt zu werden? Haͤtten wir dieſe nicht: fo bedeutet die 


Vorſtellung von Raum — nichts? Nein fo haͤtten wie . 


gar keine Vorſtellung von ihm, aber deswegen blieb er 
doch in den Gegenfländen, was er iſt, wenn wir ihn gleich 
gar nicht dachten. Sie meynen, daß dleß Praͤdicat Raum 
den Dingen nur in fo weit bengeleget wird, als fie uns 
erſcheinen, d. i. Gegenſtaͤnde der Sinnlichkeit find. Frey— 
ich wuͤrden wir ihnen dieß Prädicat nicht beylegen koͤnnen, 
wenn fie keine Gegenſtaͤnde unfrer Sinnlichkeit wären. Denn 
In dieſem Fall hätten wir gar keine Vorſtellungen von ih. 
en, konnten ihnen alſo auch keine Praͤdlcate beylegen. 
Allein itzt, da fie Gegenſtaͤnde unſter Votſtellungen wer 
den koͤnnen, und es find, wenn fie unfer finnliches Vor— 
ſellungsvermoͤgen aſſielten: fo legen wir ihnen dieß Praͤdl⸗ 
cat nicht blos deswegen bey, weil fie ſich unfrer empirifchen 
Anſchauung fo darſtellen, ſondern weil Raum von Ihnen 
eine Beſtimmung iſt, und fie grade dadurch Gegenſtaͤnde 
unferer Vorſtellungs fahigkeit werden koͤnnen, weil die Form 
ihrer Receptivitaͤt von der Art iſt, daß Obiecte durch das 
Organ des Sehens ibr Steff zu Anſchauungen don ihnen 
darreſchen koͤnnen. Ich begreife es immer nicht, wie eln 
Mann von ſolchem Scharfſinn, wie Sie find, es fo oft 
behaupten kann, daß die beſtaͤndige Form der Receptivitaͤt, 
welche wir Sinnlichkeit nennen, Raum, und daß dleſer eine 


dothwendige Bedingung aller Ver haͤltniſſe fep, darinn Gegen⸗ 
ftände 


— — 


126 


ftänte als auſſer uns angeſchauet werden. Haben Sie denn 


nie auf dle Form unſter Sinnlichkeit geachtet, vermoͤge wel. 
cher wir Empfindungen und alſo auch Vorſtellungen durch! 
Hülfe der Organs des Geruchs, des Geſchmeckes, und des 
Gehoͤrs erhalten? Wird aber nicht in der unmittelbaren! 
Vorſtellung dleſer Empfindung Raum ausgeſchloſſen? Un 
fre Sinnlichkeſt hat alſo auch Receptlvltät für Vorſtellun. 
gen, von welchen dle Idee des Raums ganz abgefonder 
iſt, und ſolgllch iſt nicht Raum dle einzige Bedinqurg un.“ 
ſter äuffern Sinnlichkeit. Ich will hier nicht anmerken,“ 
daß es ſehr zweydeutlg iſt, wenn Sie ſagen, daß die be. 
ſtändlge Form der Receptloitaͤt, welche wir Sinnlichkelt! 
nennen, elne nothwendlge Bedingung aller Verhältaiſſe fen, | 
worinn Gegenſtaͤnde als auſſer uns angeſchauet werden. We 
koͤnnten fragen 1) nennen Sie dle Form der Receptidität, 


odre dleſe lezte — Sinnlichkeit? doch wohl das letzte 2) 
Iſt Diele Form eine nothwendige Bedingung aller Vethaͤt⸗ 
niſſe, worinn dle Gegenſtaͤnde ſelbſt gegen einander ſtehen, ode 


det Verhaͤltnaͤſſe, worinn fie ſelbſt nicht ſtehen, worinn wi; 
fie uns aber als auſſer uns vorſtellen? Das erſte kan! 
nun wohl nicht ſeyn. Denn wle kann elne beſtändige Forn 
unſter Receptlvitaͤt davon Urſache ſeyn, daß die Gegenſtän 
de auſſer uns dieſe und keine andre Verhältniſſe gegen ein, 
onder haben? Soll fie elne nothweadige Bedlugung de 


Verhaͤltnlſſe ſeyn, worinn wir die Gegenſtaͤnde als auſſet 


uns vorſtellen: ſo kann dleß doch nichts anders bedeuten, 
als daß durch dieſe Form der Meceprieität es uns nur wor! 
lich wird, die Dinge auſſer uns in Verhaͤltniſſen anzuſcheu ; 


en. Dieſe Verhaͤltniſſe würden nun wirklich bey den Din 
gen ſtatt haben, oder nicht. Im erſten Fall wären ſie es, 


welche unjrer Receptloitaͤt den Stoff zur Anſchauung von ihnen? 
dorgerelcht hätten, im andern wäre es eine nothwendlge Form 


unſter Sinnlichkeit, daß dleſe durch ihre Wirkſamkelt ode: 


Aaſchauung uns taͤuſchte. Wir wären alſo durch elne Nu! 


tur nothwendigkelt zu Itrtbuͤmern verdammt. Weelleich. 
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ſter Receptivitaͤt, von aͤuſſern Dingen durch das Giſicht, 


127 


wenn Manes durch ſeinen boͤſen Gott elne Welt erbauen 
ließ, würden in ihr ſolche bedaurenswürdige einen Platz 
finden. In der unfrigen, wo Wahrheit, Ordnung, Sym— 
metrie in allen Werken mit fo ſchoͤnem Glanze ſich zeiget, 
werden wir dieſen ſchrecklichen Naturzwang nicht zu bee 
fürhten haben. 


Sie denken ſich den Fall, daß dle Vernunft von allen 
Gegenſtaͤnden, wovon wir eine ſinnliche Vorſtellung durch 
Hilfe des Geſichtes erlangen, abſtrahirt, und dann fol 
eine reine Anſchauung übrig blelben, welche den Namen 
Raum führer. Freylich wenn wir das Allgemeine uns 
denken, worinn alle Dinge, die auſſer und neben einander 
find, in Anſehung dleſer Beſtimmung uͤberelnkommen: 
ſo bilden wir uns elnen allgemeinen Begriff vom Raum, 
und nennen ihn auch wohl ſelbſt Raum in der hoͤchſten 
Abſtractlon. Dleſer iſt in ſo weit blos in dem denkenden 
Sublect, nicht in den Obiecten. Denn in dieſen iſt der 
Raum nicht eine abſtracte Vorſttllung des Verſtandes, oder 
wie Sie ſagen, nicht elne reine Anſchauung, ſondern der 
Gegenſtand ſelbſt von dieſer abſtracten Vorſtellung, oder 
von der reinen Anſchauung, welcher auch zwar den Na— 
men Raum führen kann, aber doch nicht elgentlich Raum iſt. 


Dir Finnen nicht die beſondern Bedingungen unſrer 
Sinnlichkelt, zur Bedingung der Sachen, ſondern nur ih— 
rer Et ſcheinungen machen. Das erſte koͤnnen wir freyllch 
ohne Irrthum nicht, weil jene unſter Sinnlichkelt, dieſe 
den Gegenſtaͤnden eigenthuͤmlich zukoͤmm'. Allein wir thun 
dieß auch nicht, wenn wir den obieciiven Raum als elne 
Beſtimmung der ausgedehnten Gegenſtände, und folglich 
als eine Form oder Bedingung anſehen, unter welcher 
fie nur möglich find. Die Bedingung der Sinnlichkeit, 
wopon Sie hier reden, iſt nichts anders als die Form un⸗ 


und 


ieee eee 
123 


und olſo durch eln koͤrperliches Organon, vermoͤge der eln. 
wirkenden Gegenſtaͤnde affielre zu werden. Dleſe Recepti. 
vltat waͤte für uns ohne ollen Nutzen, bllebe ſtets unwirk⸗ 
ſames Votſtellungsvermoͤgen, wle bey elnem Biirdgebehr. 
nen, wenn unſer Geſichtsorgon nicht fo gebaurt wäre, daß 
äuff-e Gegenſtaͤnde durch dleſes unſter Sinrlichkelt den 


Stoff zu Vorſtellungen von ihnen darrelchen könnten. Af. 


ficire zu werden, ſetzet nicht blos Neceptivität, ſondern auch 
äuffere Gegenſtaͤnde voraus, die afficiren, die alſo ſind, 
verſchleden, fo wie die Mficlrung ihnen entſpricht, ſolg. 
lich neben und auſſer einander find, und alfe einen Raum 
elnſchlleſſen, welcher uns nicht erſchelnen mürde, wenn et 
nicht da wäre, nicht erfcheinen, nicht von uns bemerft 
werden koͤnnte, wenn wie dle Receptlvltaͤt nicht haͤtten. 
Wirklichkeit kann ohne Maͤglichkeit nicht gedacht werder. 
Er wird alſo hier dieſe Moͤglichkelt, daß Dinge neben und 
ouffer elnander find, zuglelch geſetzt, und dieß gehoͤret mit 
zu det Moͤglichkelt, daß uns die Dinge fo erſcheinen koͤn⸗ 
nen. Wir behaupten nicht, daß der Raum alle äuſſer⸗ 
liche Dinge umſaſſe. Denn ſonſt wurden wir uns durch 
dle Zauberkroft unſter Phantaſie den Raum als eln leeres 
Behaͤltniß, woteln alles zuſammengebracht wäre, ſchoffer. 
Allein dteß ſagen wir, daß alle Dinge, welche Theile ne 
ben und auſſer einander zugleich haben, einen Raum ein 
ſchlleſſen. Wo aber ſolche Thelle nicht neben und auffer 
einander zugleich find, da findet ſich auch keln reeller Raum, 
und fo denken vole uns Gott, ohne daß er einen Raum 


einſchlleſſet. 


Wir konnen ven den Anſchauungen andrer denkenden 
Weſen nicht urthellen. Denn wir wiſſen es nicht, ob ſie 
an dleſelben Bedingungen gebunden find, welche unſte An 
ſchauung einſchraͤnken, und für uns allgemein gültig find. 
Allein Raum werden ſte ſich elle vlellelcht auf unendlich ver» 


ſchledene Arten vorſtellen. Denn fie denken ſich entwe. 
det 


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129 


ter die Dinge fo, wie fie in der Welt find, oder nichr. 
Dieß letzte kann nicht mit irgend einem Grunde ven 
Wahrſcheinlichkeit angenommen werden, und wenn man 
ouch ihn ſetzen wollte: fo würden fie entweder einige Vor— 
ſtellung von der Welt haben, oder nicht. Hätten fie gar 
keine davon: fo. würden fie auch unmöglich unter denken— 
den Weſen einen Platz einnehmen. Härten fie aber ei— 
rige Begriffe von der Welt: fo wuͤrden fie fi) es nicht 
enders vorſtellen koͤnnen, als daß auſſer ihnen noch andre 
Dinge neben elnander zugleich waͤren. Folglich wuͤrden 
fie, wenn fie anders Verſtand genug dazu haͤtten, ſich 
uberhaupt Dinge auſſer und neben einander vorſtellen. 
Wie viel mehr wuͤrden dieſe es tbun, welche ſich die 
Dinge ſo denken, wie ſie in der Welt ſind? Folglich 
dachten fie ſich Rum. Nennen mögen fie ihn, wie fie 
wollen. Er bleibt ſeiner Natur nach, was er obiective 
it, nicht Form unſrer Sinnlichkeit, ſondern Beſtimmung 
der Dinge ſelbſt, welche auſſer uns ihr Daſeyn haben. 


Sie führen uns itzt auf einen Gegenſtand, welcher 


in das Gebiet der Vernunftlehre gehoͤret. Auch bier re— 


den Sie ganz anders, als man ſonſt gewohnt iſt, ſich 
auszudrucken. Sie fagen uns, daß ein Urthell unbedingt 
gilt, wenn wir zum Begriff des Subiects die Einſchraͤn— 
fung eines Urthelles hinzufuͤſen. Was heißt Einſchrän— 
kung des Urtheils? Vielleicht haben Sie die Einſchraͤn— 
kung dadurch bezeichnen wollen, welche zum Subiect hin— 
jugefuͤgt werden muß, damit das Praͤdicat nothwendig 


mit ihm verbunden werden kann. So konnen wir aber 
jeden Particularſatz zu einem allgemeinen machen. Wir 
duͤrſen nur den Grund hinzuſetzen, wodurch das, was 
blos nach dem Begriff des Sublects bey ihm moͤglich 
war, wirklich wird. Solche Sätze nennet man ſonſt in der 
ſogik bedingte Säge, 3. B. 0 Menſchen werden, unter 


der 


130 e Ten 
der Bedingung, daß fie tugendhaft find, gluͤckſelig. Un. 
bedingte Saͤtze nennet man dieſe, worlnn das Praͤdicat 
vom Subiect ohne alle vorhergehende nähere Beſtimmung 
im Allgemeinen entweder bejahet, oder verneinet wird, 
3. E. alle Ppremiten find dem dritten Theil von einem 
Prisma gleich, welches mit ihnen elne gleich groſſe Grund.“ 
flache und Höhe hat. Der Grund dieſer Benennung! 
llegt in der Natur dieſer Saͤtze zu klar vor uns, als daß 
ich ihn erſt heraus heben duͤrfte. 


Dieſen Sprachgebrauch verlaſſen Sie ganz in der 
Erklaͤrung, welche Sie uns von einem unbedingten Sag 
geben. Sie bepeup:en, daß dieſer Satz, alle Dinge find 
neben einander im Raum, nur unter der Einſchränkurg 
gilt, wenn dieſe Dinge als Gegenſtaͤnde unſrer ſinnlichen 
Anſchauung genommen werden. Auch ſelbſt dleſer Setz 
iſt nicht allgemein wahr, wenn nicht vorher noch zum 
Subiect eine andre Einſchraͤnkung hinzugeſetzt wird. Ez 
kann bier nicht von allen Dingen, ſondern nur von ſol— 
chen die Rede ſeyn, worinn Theile auſſer und neben ein 
ander zugleich find, und folglich dadurch Gegenſtaͤnde un. 
ſrer aͤuſſerlichen Anſchauung werden koͤnnen. Gott, Gel. 
ſter und alle andre einfache Subſtanzen koͤnnen ſolche Ge, 
genſtaͤnde fuͤr uns nicht werden. Wenn denn nun auch, 
die Einſchraͤnkung, welche daher erwaͤchſt, zum Subiecn 
hinzugeſetzt wird: fo wuͤrde das Praͤdicat nicht blos un. 
ter der Einſchraͤnkung ihnen zukommen, wenn ſie als 
Gegenſtaͤnde unſter ſinnlichen Auſchauung genommen wir. 
den. Die Dinge wuͤrden in einem Raum ſeyn, wenn 
wir auch gleich keine ſinnliche Anſchauung von Ihnen he 
11 koͤnnten, weil wir gar kelne Receptivitaͤt zu dieſe 
atten. . 


Al. 


Hln 
der 

oder 
mei 
wen 
kend 
nen 

ſchei 
Din 
des 

in « 
ſchel 
ſind 
h be 
koͤnn 


ſtimt 
nung 
gen 
iect 
von 
den, 


Sub 


einen 


ET EEE EEE TEE e TEE TE LTE Te. 


a ET IRRE 


Alle Dinge als aͤuſſere Erſcheinungen follen unter 
Hinzufuͤgung dieſer Bedingung zum Subiect neben einan— 
der im Raum ſeyn. Nur dieß ſoll ein allgemeiner Satz, 
oder wie Sie hier ſagen, eine Regel ſeyn, weſche llae— 
mein und ohne Einſchraͤnkung gilt. Allein tiger Setz, 
wenn er auch fo ausgedruͤcket wird, iſt noch ſehr ſchwan— 
kend. Nicht alle Dinge koͤnnen ſich unſern aͤuſſern Sin— 
nen darſtellen, koͤnnen alſo auch für uns keine aͤuſſere Er. 
ſcheinungen werden. Wahr iſt alfe dieſer Sutz: olle 
Dinge, in wie weit fie äuffere Er'cheinungen durch Hulfe 
des Geſichtes werden koͤnnen, find neben einander zus eich 
in einem Raum. In wie weit find fie aber aͤuſſer Er— 
ſcheinungen? Die Autwort würde dieſe ſeyn muͤſſen: Sie 
find es entweder, in wie weit fie eine obiective R alltät 
hoben, ſolglich Gegenſtaͤnde unſrer Vorſt llung werden 
können, es werden, wenn fie Eindruͤck: auf das Organ 
bee Geſichtes machen, und der Receptivitaͤt unſter Vor— 
ſtellungofaͤhigkeit den Stoff zur Anſchauung von ſich dar— 
reichen, oder in wie weit die Vorſtellung von ihnen, als 
ihre Erſcheinung in dem denkenden Subisct gedacht wird. 
Im erſten Fall erſcheinen ſie uns als Dinge auſſer und 
neben einander, und alſo in einem Raum, weil ſie es 
wirklich find. Wahr iſt folglich dieſer Satz: Alle Dinge, 
die Gegenſtaͤnde unſers Geſichtes werden konnen, find 
auſſer und neben einander zugleich, ſind in einem Raum, 
oder ſchlieſſen ihn vielmehr als eine eigenthümliche Be— 
ſtimmung in ſich. Werden die Dinge aber als Erichel- 
nungen in uns gedacht: fo iſt nicht mehr von den Oin— 
gen ſelbſt, ſendern von ihren Erſcheinungen in dem Sub» 
iect oder von den Vorſtellungen die Rede, die wir uns 
von ihnen machen, und von dieſen kann nicht geſagt wire 
den, daß fie neben einander im Raum find, weil das 
Subiect nicht als geräumige gedacht wird. Wenn ich auf 
einem Schiffe um mich her ſehe, und es erblicke, daß ſich pie 

J 2 Wellen 


— 


Welten des Meeres erheben, daß viele Krlegesſchiſſe dieſe 
dulchſchn-iden: fo werde ich dieſe Dinge fe:bft, fo werde 
ich in sen Raum gewahr, welcher richt erſt durch 
meine ärffre A-fhauu a entft.nd ; ſondern ſchon da ſeyn 
mußte, um mir den Stoff zur Anſchauung von ſich dar. 
zureihen Richte ich aber meine Aufmerkſamkeit auf die 
fir he Verſtellung, welche ich von ihm und feiner 
Form in die ſen Gegenſtaͤnden habe: fo iſt dieſe in mei. 
ner Se le, icht in einem Raum, weil wir uns dleſe dech 
als ein einti dies Weſen denken, wenlgſtens denken koͤnnen, 
welche dann allen Raum ausſchlieſſet. 


ohlectie Guͤltigkeit des Raumes zugeſtehen, und zwar in 
Alchung clles deſſen, was auſſerlich als Gegerſtand uns 


vortammen kann. Wir glauben alſo aus dleſem Ihrem Ge. 
ſta oniſſe berrchtlget zu fenn. die Folgerung zu ziehen, daß 


alles, wodon wir (durch Hülfe des Geſichts) Vorſtellungen 


ern ten auſſer unfrer Anſchauung im Raum fen; doß alſo! 


der Raum ſelbſt auſſer ihr in den Dingen ohne Ruͤckſicht 


ner Sinn ichkeit fire obiective Gültigkeit hobe, und ſo 
ſchiget ſich olſo die Wihrheit gegen Ihre Angriffe, wie 
gam den Sextus Empiricus zu rächen, welcher alle 


Kate feiner V'rnunſt auf ot, um zu beweiſen, daß nichts 
bi fen werden Fo ne. »Nein, werden Sie ſagen, eine 
für ohiective Gͤltigkeit ſolget aus meiner Erörterung nicht. 


Fb rede nur von ſo cher welche aus dieſer hergeleitet wit. 
den kann“. Welche iſt denn dieſe? Sie muͤſſen hierauf 

antworten. worrne Sie ſich ſelbſt nicht widerſprechen wol. 
len, fe Gültigkeit iſt nichts anders, als eine Idealitaͤ t! 
dis N-ums in Anſebung der Dinge ſelbſt, wenn fie durch 
Ver unſt ohne Ruͤckſicht auf die Beſchaffenheit unfrer Sinn 
lichkeit erwogen wird. Alſo muͤſſen Sie die obiective Bil # 


tigkeit des Raums in Anſehung der Dinge ſelbſt wieder 


auf. 


Ihre. 


auſhe 
ten 1 
prüft 
dafür 


Raur 


in we 
durch 
ttwoc 
welch 
und 
blickt. 


Nur wollen Sie uns endlich einmal die Realltaͤt oder . end 


obiect 


ſo w 
dieß 


| empiı 


ftellu 
ben, 
weil 
nehm 
ſo be 
rung, 
Dine 
Hill 
mine 
Sie 
als“ 
dieſe 
ſtellu 
die % 
nanı 
hab⸗ 
liche! 


aufheben, welche Sie uns vorher zuzugeben ſchienen. Hit 
ten wir Ihre Erörterung des Raums nicht vorher g. 
prüft, nicht für ungegruͤndet befun gen: fo moͤchten dieſe 
Ihre, Folgerungen richtig ſeyn. Itzt koͤnnen wir ſie nicht 
dafür erkeunen. Freylich werde ich die Idealität des 
Raums in Anſehung der Dinge nicht durch us leugnen, 
in wie weit nämlich nicht die Dinge, ſondern der Raum 
durch die Vernunft ohne Ruͤckſicht auf unſte aufere Sinne 
erwogen wird. Alsdann iſt Raum blos ein Begriff, 
welchen der Verſtand aus den Geadenſtänden gezogen hat, 
und welchen wir in unſern Vorſtell ngen von ihnen er— 
blickten. Dieſer Begriff hat nun blos Idealität, keine 
obiective Guͤſtigkelt auffr den Vorſtellungen des den— 
kenden Subiects. Wollen Sie nichts weiter bh upten: 
fo werden alle Philoſophgen Ihnen bepoflichten. Aliein 
dieß iſt Ihre Meynung nicht. Der Raum ſoll feine 
empiriſche Gultigkeit blos durch die Form unterer Vor— 
ſtellungsfaͤhigkeit, nicht durch die Netur der Ding bar 
ben, welche wir uns vorſtellen. Dieß erbeller draus, 
weil Sie eine transſcendentale Idealttaͤt des Raumes are 
nehmen, d. i. wle Sie ſich erklären, der Raum iſt Nich's, 
fo bald wir die Bedin ung der Moͤglichkeit aller Erfah— 
rungen weglaſſen, und ihn als etwas annehmen, was den 
Dingen an ſich ſelbſt zum Grunde liegt. Wenn ich die 
Hille aufdecke, worein Sie durch Ihre ungewoͤhaliche Ter⸗ 
minologie Ihre Gedanken eing-Fleicet huben: fo konnen 
Sie uas nichts anders als dieſes lehren wollen: der Kaum 
als Begriff oder reine A ſchauung hat blos Jecalität, und 
dieſe iſt eine transſcententale, in wie weit wir auf die Vot— 
ſtellungsart ſehen, welche wir von ihm haben. Dieſe micht 
die Bedingung der Moͤglichkeit aus, daß wir Erl 9 
naͤmlich von ſolch n Gegenständen cur Hulle des G. ſichtes 

haben koͤnnen. Wollen wir alſo dieſe wegleſſen, oder deut⸗ 
licher, ſie uns als eine ſolche denken, weiche dem Sus ect 


33 nicht 


134 


nicht zukommt: ſo iſt auch bey ihm Roum als Anſchauung, 
oder feine Idealitaͤt nicht denkbar. Dieſe hat als Anſchauung 
eine Form, welche nicht die eigenthuͤmliche Form der Oblecte 
ſelbſt fern kann, weil beyde weſentlich unterſchieden find, 
Der Raum, als reine Auſchauung, iſt folglich Nichts d. i. 
Erna niche bey einem Subiecte ſtatt haben, wenn es nicht 
die Bedingung der Moͤglichkeit aller Erfahrungen d. i. nicht 
die gehoͤrie Receptivität der Vorſtellungsfähigkeit dazu 
hätte. Wie konnen dieſen Raum alſe nicht als etwas an⸗ 
nehmen was den Dingen an ſich ſelbſt zum Grunde liegt, 
oder beflimmter, nicht als fo etwas, ohne welches die ges 
rou iqt: Dis ae euſſer unſter Vorſt⸗llung nicht ſeyn koͤnn⸗ 
ten. Alle dieſe Schluͤſſe haben ihre völlige Richtigkeit. 
Es iſt in ihnen ſtets dem Rium als einem Begriff, oder 
von reiner Anſchauung die Rede. Welcher Pyiloſoph wird 
aber vo dirſem Raum es behaupten konnen, daß er cujler 
dem denkenden Subiect den Dingen an ſich zum Grunde 


Vorſtellung nicht eine Beſtimmung von ihnen feibjt ſeyn 
kann? Nur dagegen werden Weltweiſe ſtreiten, welche 
nicht zu Ihrer Schule gehören. 


Bisher war Raum bey ihnen bald reine Anſchauung, 
bald die Form aller Erſcheinungen, bald fubiective Form, 
bald ſudiectivbe Bedingung der Sinnlichkeit. Nun muß 
bleſet Proteus in einer noch andern Geſtalt auftreten. Er 
iſt ſubiective Vorstellung. Er wird fo gar eine obiective 
Vorſtellung a priori. Wenn Sie uns doch erklaͤret hätten, 
was Sie ſabiectve Vorſtellung nennen! Nur dann erſt 
würden wir unterſuchen koͤnnen, ob denn auſſer dem Raum 
keine andre ſudiective und auf etwas aͤuſſers bezogene Vor— 

ſtellung ſyn koͤnne. Wir mütfen alſo Ihrem Proteus 
naher treten, um die Wolke zu zerſtreuen, in welcher er 
ſich unſern Blicken zu entziehen ſechet. Sie reden vom 


Raum 


ſtellun, 
ſtellunc 
richts 
jur Ve 
der au 
das S 
Name 
Grund 
den S 
vwleder 
lieg?? Allein folgt hieraus, daß Raum als Dntect der 


Raum 


Was 
andern 


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8 werden 


kraft fi 


Gegen 
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muͤth 
ahnlich 


lung v 
dann n 
Raum 


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Vorſte 


tiue ſu 


135 


Kaum als von einer Vorſtellung. Allein warum nennen 
Sie dieſe elne ſublective? Vielleicht weil Sie den Raum 
oben zu einer ſubiectiven Bedingung unſrer Sinnlichkeit ges 
macht haben, unter welcher allein uns aͤuſſere Anſchauung 
möglich ſeyn ſoll. In dieſer Bedeutung iſt Raum keine 
Vorſtellung mehr, weil dieſe ſubiective Bedingung die Form 
unſerd äuſſern Sinnes, ſolglich Beſchaffenheit unfers Vor— 
ſtellungsvermoͤgens, aber nicht Wirkung deſſelben oder Vor— 
ſeelung ſelbſt ſeyn kann. In der Vorſtellung koͤnnen wir 


richts weiter unterſcheiden, als 1) den Stoff, 2) dieſen 


zur Vorſtellung erhoben, 3) die Beziehung derſelben entwe- 
der auf das Obiect, welches den Stoff darreicht, oder auf 
das Subhet. Woher ſoll nun Raum als Vorſtellung den 
Namen einer ſubiectiven erhalten? Nehmen Sie einen 
Grund der Benennung an, welchen Ste wollen: jo wer— 
den Sie eben dieſen in Ruͤckſicht jeder andern Vorſtellung 


pbleder finden. Was haben Sie alſo für eine Urſache, den 


Raum als die eiazige ſubiective Vorſtellung ſich zu denken? 
Was heißt obiective Vorſtellung? Ich kann mir keinen 


andern Grund vorſtellen, als in wie weit die Vorſtellung 


dein Obiect von einer andern wird, und dieß kann fie nur 
werden, in wie weit unfre Vernunft durch unſre Reflections, 
kraft ſich der Vorſtsklung bewuſt wird, fie von ſich und dem 
Gegenſtand, der gedacht wird, unterſcheldet. Nun wird 
fie das Oblect von der Vorſtellung, welche ſich unſer Ges 
muͤth von ihr durch das Bewuſtſeyn macht. Auf eine 
aͤhaliche Art kann aber unſte Vernunft jede andre Vorſtel⸗ 
lung von beſtimmten Obiecten zum Obiect ſich machen, und 
dann wuͤrde mit eben dem Rechte jede andre, ſo wie der 
Raum eine obiectiwe Verſtellung genannt werden koͤnnen. 
Wie kann denn Raum als Vorſtellung die einzige moͤgliche 

Vorſtellung von aͤuſſern Dingen heiſſen, welche nicht blos 
ame ſubiective, ſondern auch obiective iſt!? 


4 g Man 


136 


Man denke ſich den Raum als eine Vorſtellung: ſe wird 


dleſe durch emplriſche Anſchauung, und folglich nicht a priori, 


ſondern a poſteriori in der Seele zuerſt erzeuget. Sie ö 
wollen Ihren obigen Satz dadurch beweiſen, daß Sle be. 


haupten, man koͤnne von keiner andern Vorſtellung ſynthe. 
tiſche Säge a priori herleiten, als von der Anſchauung im 


Kaum. Dieß kann doch wohl nicht ohne alle Einſchraͤn. 
kung ſelbſt in Ihrem Syſtem wahr fern, well fie nachher! 
eben dieſes von der Zeit behaupten werden. Allein es fin E 
darum, daß Sie dleß ohne einen ſolchen Widerſpruch in E 
Ihrem Lehrgebaͤude annehmen koͤnnen! Welche ſynthetiſche ! 


Saͤtze a priori haben Sie denn aus dleſer Vorſtellung vom 


Raum hergeleitet? Ich habe noch keinen einzigen auf die Art 4 
bergeleitecen ſynthetiſchen Satz a priori gefunden, fo fehrid 


mid) auch darnach umgeſehen habe. Es foll Feiner andern 


Vorſtellung, welche ſich auf etwas aͤuſſeres bezieht, eine 
Idealltaͤt zukommen, ob jene gleich mit der Vorſtellung des! 


Raums darlnn uͤbereinkoͤmmt, daß fie blos zur fubiectiven 


Beſchaffenhelt der Sinnesart gehöre. Alſo kennen Sie! 


Vorſtellungen ohne Idealitaͤt. Allein iſt nicht jede Vor 


ſtellung, in wie weit wir uns ihrer bewuſt werden, eine! 
Idee, wenn wir auch nach Herrn Reinhold die Idee eine! 
Vorſtellung nennen, welche durch das Verbinden des Mu— 


nigfaltigen entſteht. Wie kann alſo den übrigen Vorſtellun, 


gen auſſer der reinen Anſchauung vom Raum die Ideslität 


abgeſprochen werden? Sie muͤſſen entweder einen ganz elg— 
nen uns unbekannten Begriff mit Idealitaͤt verbunden hu 
ben, oder Sie koͤnnen dieß auch nicht in Abrede ſeyn. 


Es ſollen die übrigen Vorſtellungen, welche ſich auf! 
etwas aͤuſſeres beziehn, blos zur ſublectiven Beſchaffenheit! 


unſter Sinnesart gehören. Dleß kann doch wohl nichts an- 


ders heiſſen, als fie find Theile von dieſer ſublectiven Be. 
ſchaffenheit. Wahr iſt es, daß dieſe Vorſtellungen gruß ö 


fo befc 
fchied: 
Recep 
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137 


ſo beſchaffen find, wie die äuffern Gegenſtaͤnde auf die ver. 


ſchledenen Organe unſrer aͤuſſeren Sinne wirken, und der 
Receptivitaͤt unſrer Vorſtellungsfählgkeit den Stoff darbies 
ten, welchen ſeine Spontanitaͤt, um Ihre Terminologie zu 
gebrauchen, zur Vorſtellung erhebt. Von Farben erhalten 
wir durchs Geſicht, von Warme durchs Gefühl, von Tör 
nen durchs Gehoͤr Vorſtellungen. Dieſe ſollen aber, wle 
Sie ſagen, keine Gegenſtaͤnde haben. Allein dann wuͤrden 
fie aufhören, Vorſtellungen zu ſeyn. Sie wollen, daß mir 
dieſe blos für Empfindungen, nicht für Anſchauungen hal— 
ten. Nach Ihrer Sprache find aber Vorſtellungen Empfins 
dungen, wenn jene auf das Subiect, Anſchauungen, wenn 
ſie auf die Obiecte bezogen werden. Warum wollen Sie 
die Koͤrper, welche doch auf irgend eine Art den Grund in 
ſich faſſen, warum fie in dieſer und keiner andern Farbe 
uns erſcheinen, warum diejenigen, welche durch ihre Ein— 
wirkung bey uns die Vorſtellung von Wärme, oder durch 
ihre zitternde Bewegung, welche ſie der Luft mittheilen, und 
uns dadurch Stoff zur Vorſtellung von dieſen und keinen 
andern Tönen darrelchen, nicht als Gegenſtaͤnde von dieſen 
onfehen ? 


Sie wollen durch jene Bemerkung nur verhuͤten, daß 
man die behauptete Idealitaͤt des Raumes nicht durch bey 
weitem uazulaͤngliche Beyſpiele zu erläutern ſich einfallen 
laſſe, da nämlich etwa Farben, Geſchmack u. f. w. mit 
Recht nicht als Beſchaffenheiten der Dinge, ſondern blos 
als Veraͤnderungen unſers Subiects, welche fo gar bey vere 
ſchiedenen Menſchen verſchieden ſeyn koͤnnen, betrachtet were 
den. Farben, Gefhmaf u. ſ. w. find als Vorſtellungen 
nichts anders, als Folgen von Einwirkungen der äufferen 
Gegenſtaͤnde, welche unſerm Gemuͤth den Stoff zu biefen 
darreichen. Hiezu werden erſodert 1) ſolche oder ahnliche 
Organe, als die unfrigen find, 2) eine Seele, welche eine 

N Receptl⸗ 


138 


Meceptlvltaͤt hat, um von ſolchen affictrt zu werden, 3) 
Einwirkungen äufferer Gegenſtaͤnde, 4) Empfiadungen im 
Gemüthe, als Folgen dieſer Einwirkungen. Dieſe Folgen, 
- voelche wle Vorſtellungen von Farben, Waͤrme, Geſchmack, 
Geruch, Gehör nennen, haben erſt in allen dieſen vier Bes 
ſtimmungen einen zureichenden Grund, und koͤnnen in ver⸗ 
ſchledenen Subiecten bey gleicher Form der Receptivität vers 
ſchteden ſeyn, wenn etwa die Organe, wodurch unſer Ges 
müch dle Einwirkung empfängt, verſchieden find. Alleln 
man fege, daß alle dleſe einzelne Urſachen in verſchiedenen 
Menſchen oder in einem zu verſchiedenen Zeiten vollkommen 
dieſelden find: fo werden auch die Folgen oder die Vorſtel— 
lungen von Farben, Wärme, u. ſ. w. dieſelben fern. Dieß 
lehret Erfahrung und Vernunft, und alle Menſchen find 
davon fo fehr überzeugt, daß fie grade bey andern dieſelbe 
Receptivität, dieſelben Organe vorausſetzen, und nun auf 
dieſem Wege bey andern von dieſen Gegenſtaͤnden dieſelbe 
Vorſtellung zu erregen ſuchen, welche ſie von ihnen haben. 
Ich leugne es nicht, daß eine und dieſeibe Roſe in Anſehung 
der Farbe verſchiedenen Augen verſchieden erſcheinen kann. 
Allein dann müſſen die Augen entweder als Organe in Ihe 
rem innern Bau, in wie welt fie die Lichtſtralen aufneh— 
men und modificiren, eine Verſchtedenheit haben, oder die 
Hofe muß in ungleichen Entfernungen, in ungleicher Rich 
tung gegen das Auge, in ungleicher Helligkeit der Luſt, 
oder durch ungleiche durchſichtige Koͤrper erblicket werden. 
Sie bleibt, auch als urſpruͤngliche Erſcheinung in allen Dies 
fen Fällen dasjenige, was fie iſt, fie muß ihr obiecti— 
ves Daſeyn haben, um auf unſte Augen wirken zu koͤnnen, 
oder wir müßten in die traurige Lage des Wahnſinnes ver— 
ſunken ſeyn, daß wir die Vorſtellungen der Senſation von 
den bloſſen Wirkunge der Einbildungskraft nicht unterſchei— 
den koͤnnten. Im Irrhauſe ſehen freylich ungluͤckliche Men 
ſchen Gegenſtaͤnde, welche nicht da find, hören Töne, wei 

che 


den 
rem | 
werde 
taſie 

fation 


ſoll e 


was 


daß 


etwa 
welch 


einen 


unjer 
Weg 
nicht 


139 


che nicht erſchallen, fühlen heiſſe Körper, welche nur in ih⸗ 
em Gehirne, nicht auſſer ihren Traͤumereyen angetroſſen 
werden, und richten ſich nach dieſen Geburten ihrer Phan— 
tofie nicht anders, als wenn fie Folgen einer wahren Sen⸗ 
fation wären. 


Der transſcendentale Begriff der Erſcheinung im Raum 
ſoll eine kritiſche Erinnerung ſeyn, daß überhaupt nichts, 
was im Raum angeſchauet wird, eine Sache an ſich, und 
diß der Raum keine Form der Dinge fen, welche ihnen 
etwa an ſich ſelbſt eigen wäre. Eine neue Terminologie, 
welche Sie fo hinwerfen, ohne uns zu erklaren, was Sie 
eigentlich damit wollen. Wir muͤſſen uns alſo ſelbſt zu 
keifen ſuchen, um, fo weit es woͤglich iſt, dieſe mitternaͤcht. 
iche Dunkelheit winigſtens in eine Morgendaͤmmerung ums 
juſchaffen. 


5 Transſcendentaler Begriff der Erſcheinungen im Raum 
— was ſollen wir uns hiebey denken? Doch wohl nicht 
deine bloſſe Vorſtellungsart, ſondern die Erſcheinungen ges 
täumigter Gegenſtaͤnde in dem allgemeinen Begriff des 
Raums? Wir finden in allen Vorſtellungen von der Art 
tieſen Begriff wieder. Wie kann aber dieſer transſcender⸗ 
tale Begriff eine kritiſche Erinnerung fena, daß überhaupt 
nichts, was in elnem Raum angeſch guet wird, eine Sache 
en ſich ſey? Iſt hier von der Anſchauuna des Raumes 
ols einer Wirkuyg unſerer Vorſtellungskraft in uns die 
Rede: fo haben Sie ganz Recht, und wer konnte ſich je⸗ 
mals, wenn er anders ein wahrer Denker war, das Gegen⸗ 
theil in Gedanken kommen laſſen? Allein folgt daraus, 
daß die Dirge ſelbſt, welche den Stoff zu ihrer Vorſtellung 
unſerm Gemuͤthe darreichen, in welcher ſich der allgemeine 
Begriff vom Raun unſerm Verſtande aufbringt, an ſich 

mit ſind; daß der Raum nicht als Begriff, ſondern als 
| Gegen⸗ 


Gegenſtand deſſelben, von ihnen ſelbſt kelne Form oder obiec, 
tlve Beſtimmung iſt? Waͤre dieſes: fo koͤnnten wir Haͤu⸗ 
fer, Städte, kaͤnder, Meere, Mond und Sonne mit dem 
unzähligen Heere der Sterne für keine S chen an ſich hal, 
ten, fo waͤren fie nicht neben und auſſer einander zugleich, 
nicht in einem Raum und alfo nirgends, als in unſern Er. 
ſchelnungen oder in unſern Votſt⸗llungen von ihnen, deren 
fubiective Form, deren reine Anſchauung, deren — der 
Raum wäre. Erkennen Sie dieſe Folgerungen für richtig: 
nun fo hätten wir den Idealismus in dem weiteſten Ums 
fange, welcher ganz nahe an den E, oismus grenzte, oder 
wovon der Uebergang zu dieſem ſehr leicht ſeyn wuͤrde. 
Leugnen Sie aber dieſe Folgerung: jo müffen Sie auch die 
Gultigkeit dieſer Ihrer Satze: nichts, was im Raum am 
geſchauet wird, iſt ein Ding an ſich, Raum iſt keine 
Form der Dinge ſelbſt, wilder aufheben. Sie ſcheinen 
auch den Zwang wider Ihren Willen gefühle zu haben, 
welchen Ihnen die Vernunft aufl-g’e, dieſes zu tdun. Sie 
behaupten zwar, daß aͤuſſere Gegenſt inde nichts anders als 
bloſſe Vorſtellungen unſter Sinnlichkeit find, deren Form 
der Raum, und deren wahres Correlatum das Ding ay 
ſich iſt. Aeuſſere Gegenſtaͤnde, welche alſo nach Ihrer eige⸗ 
nen Erklaͤrung den Stoff zu Vorſtellungen von ſich unſter Sinn. 
lichkeit darreichen, ſollen nichts als Vorſtellungen ſeyn. Wie 
widerfpredyend ? Sie ſollen doch zum wahren Correlatum die 
Dinge an ſich haben. Nun ſo ſiad dieſe auſſer den Vor 
ſtellungen, haben ihre weſentliche, eigenthuͤmliche Form. 


Dieſe iſt, wenn Theile auſſer und neben einander zugleich F 


find, Raum, und folglich auch er iſt als Obiect ein Cor 
relatum von den bloſſen Vorſtellungen der Sinnlichkeit, 
nicht die Vorſtellung ſelbſt. Ich daͤchte, daß Sie du 
Richtlakeit dieſer Folgen aus Ihrer eignen Behauptung nicht 
mit Gtunde beſtreiten koͤnnten? 


Allein 


Vorſ 


kannt 
durch 


ſer u: 


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den, 
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durch 


unſre 
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meln. 
ſeyn, 
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kenne 


bloſſe 
wahr 
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(hal 
Blu 
Phil 
dieß 
unſt 
Wen 
zen, 
die 
treil! 
kan, 


Allein diefe Dinge an ſich, als correlata unfrer bloſſen 
Vorſtellu g der Sinnlichreit, werden dar urch gar richt er— 
kannt, koͤnnen es auch dad urch nicht werden. Etwa nicht 
durch den dloſſen Begriff des Raumes, als der Form dle— 
fer urfree Sin lichktit? Dagegen hatten wir nichts, weil 
wir bios aus ihm s nicht wiſſen koͤnnen, welche b ſondre 
Formen der Ar scehnung ſich ben äuffern Gegenſtänden fine 
den, und durch welche andre Eigenſcheſten fie von elnan⸗ 
der unterſchi⸗den find it dieß aber Ihre Meynung daß 
durch Vorſtellungen un rer Sinnlichkeit oder durch Huͤlſe 
unfrer gefur der Sinne uns die Dinge avſſer uns als Dinge 
on ſich gar icht bekannt werden koͤnnen: fo wuͤrde ein 
Schäfer ben feiner natuͤrlichen Einfalt dagegen einwenden: 
ich kann meinen Hylax von einem Wolfe durch Huͤlfe mel— 
ner Augen ſehr gut unterſcheiden; durch jenen bewache ich 
meine Heerde, und gegen tiefen muß ich auf meiner Hut 
ſeyn, wenn er mir kein Schaaf rauben fol. Könnten Sie 
bier die Sprache des gefunden Menſchenverſtandes ver⸗ 
kennen? | 


Wollen Sie uns etwa bieß ſagen, daß wir durch 
bloſſe Vorſtellungen unſrer Sinnlichkeit unfähig find, die 
wahre Natur einfecher Subſtanzen, ihre darouf ſich grüne 
dende Art der gegenſeitigen Einwirkungen, die innre Bes 
ſchaffenheit der Dinge zu erblicken: fo iſt dieß keine neue 
Blume, welche erſt durch Ihre Hand auf das Feld der 
Philoſophie verpflanzt wird, ſondern alle Weltweiſe haben 
dieß längft für eine ausgemachte Wahrheit gehalten. Iſt 


1 u unſte Vernunſt unfähig, uns einen Eingang in dleſe innre 


Werkſtaͤtte der Natur zu eröffnen: fo find hier ihre Gren⸗ 
zen, und unfre Sinnlichkeit kenn uns nicht anders als durch 
die Schwingen der Phantaſie uͤber ſie weg in ein Geblet 
treiben, wo unſte Vernunft nirgends einen feſten Fuß fegen 
kann. Was ſie noch dieſſeits der Grenze leiſten koͤnne 15 
. die 


142 diese dteuteRerg Ed. 


dieß gehört zu den Unterſuchungen, welche nie zu behutſam 
angeſtellt werden. Ob hier etwas zu viel, oder zu weniz 
das beſſte fen, ob eine ſolche Anle gezogen werden konne, 
wodurch die Mittelſtraſſe zwiſchen beyden genau beſtimmt 
wird, darüber werden nun ſowohl die Weltwelſen der Nach. 


wilt als der Vorwelt in der Lage der Vernunft, wle wu 
fie in unſerm Erdenleben haben, ſich nie vollkommen va. 


gleichen. Leben Sie wohl. 


Da 


» 


Der 


Transſcendentalen Aeſthet ik 


Jweyter Abſchnitt 


er eit. 


Dir 


Nad 
tunge 
Ibre 
Prüfı 
einer 
Zeit 
lubſt 
Begrt 
kin e 
tung 
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Begri 
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beankn 
nen, 
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gedach 
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in all 
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Wahn 
nicht 
denken 
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derung 


the wi 
1 50 d 
blos ſe 


une 


145 
12. Brief. 


Mein Herr, 


Nach eben der Methode, welche Sie in Ihren Betrach— 
tungen über den Raum gebraucht haben, ordnen Sie hier 
Ire Gedanken von der Zeit, und ich werde in meiner 
Prüfung derſelben eben die Ordnung beybehalten. Mit 
ener metaphyſiſchen Erörterung des Begriffes von der 
Zit machen Sie den Anfang, und folglich behaupten Sie 
lbſt in der Ueberſchrift dieſes Abſchnittes, daß wir einen 
Begriff von der Zeit haben. Es ſoll aber die Zelt 1) 

kin empiriſcher Begriff ſeyn, der irgend von einer Erfah— 

rung abgezogen wäre. Was nennen Sie denn Zeit? In 

nie weit iſt Zeit ein Begriff? Was heißt bey Ihnen ein 

Begriff, der von der Erfahrung abgezogen iſt? In wie 
veit behaupten Sie, daß die Zeit kein ſolcher Begriff 
kn? Alle dieſe Fragen hätten Sie gehörig beſtimmt 
beantworten muͤſſen, ehe Sie einen Beweis führen Füne 
nen, deſſen Gultigkeit wir nit Ihrer Abſicht vergleichen 
und prüfen können. An alles die es haben Sie aber nicht 
gedacht, ſondern wollen gleich zum Beweis dieſes Satzes 
ſortſchreiten, daß die Zeit kein empiriſcher, keln von ira 
gend einer Erfahrung abgezogener Begriff ſey Wir müfe 
fen alſo Ihren Beweis hören. Er iſt dieſer: das Zu— 
geichſeyn oder Aufeinanderfolgen würde ſelbſt nicht in die 
Wahrnehmung kommen, wenn die Vorſtellung der Zeit 
icht a priori zum Grunde läge. Heißt dieß fo viel, wir 
denken uns ſchon vorher im Allgemeinen die Zeit, ehe wir 
zurch Beobachtungen auf unſte innre und aͤuſſere Verän— 
derungen und die Folgen derſelben aufmerkſam werden, 
the wir das Allgemeine die er Folgen, und alſo den Ber 

ir der Zeit uns vorzuſtellen anfangen: fo iſt dies nicht 
blos ſchon für ſich ein Widerſpruch, ſondern es hat abe 
unte Erfahrungen gegen ſich: fo müßten wir angebohrne 
K Begriſſe 


146 PETE Anne 


Begriffe haben, und diefe ſcheinen Sie fo gut wle Lock 
zu leugnen. Wollen Sie dleſe in Ihrem Bew iſe verous, 
ſehen: fo würden Sie jene Folgerung daraus herlelten fin 
nen. Wollen Sie ober etwas anders dodurd bezeichnen: 
fo würden Ihre Folgerungen nicht daher flirffen. Denn 


nur im erſten Fall wäre vor aller Wahrnehmung der Ba 


griff von Z.it ſchon a priori in unſerm Gemuͤtze. 


ihre eige thumliche Form von der Form der Verſtellung us 


terſchieden. Jene kann alſo fo wohl in uns als auſſer us 
lange ihre, obictive Relität gehabt haben, wann wer zue ii 
anfangen, uns von ihr überhaupt eige Vorſtellung zu mu 

der Eu iſt auch eigentlich ais Folge unſter innein Ver. 


q erung kein G. genſtand wirer innern Sinnlichkeit, wal 
Diefe uns nur jedesinal etwas als gegenwärtig darſtellen 


kann. Sie iſt dies ein Obiect unſers Verſtandes, wen; 
dier Stärke genug u erhalten hat, durch Hülfe unſter E.! 
innerungskraft die Riygen der Veränderungen als Folge! 
mit einmal zu denken, und nun den Begriff der Zeit qu! 
büden. Hit alſo nach dem zweyten Fall Zeit eine Ver. 
ſtellung von ihr, ein Begriff: fo iſt er nicht vor aller Wahr 
nehmung in u frer Site a priori: ſondern wird erſt dutch! 


unſern Verſtand hervorgebracht. 


Nut unter der Vorausſetzung, daß die Vorſtellung det; 
Zeit a priori zum Grunde liegt, ſoll man ſich es vorſtellen! 


koͤnnen, daß einig es zu einer und derſelben Zeit zuglcich, 


oder in verſchiedenen Zeiten nach einander ſeyn koͤnne. Daß 
It blos Votausſetzung, für deren Guͤltigkeit Sie keine Gruͤnte @ 
ange. 


ö engefü 


fragen 


doch fü 
uaſre ! 


dieſer! 
ner, il 


daß u 
A 19 i - pw Erfabı 
Wir können die Zeit auf eine gedoppelte Art bitrad, F 


ten, 1) ls Folge in den Veränderungen ſelbſt, 6) as“ ſich da 


Dort lung von ihr. Im erſten Fall wird fie das Obiet ! Vor. 
der Vorſtellung, und alſo nicht ſeibſt Vorſtellurg. Auf! 
di Art taun Die Zeit lange verher in uns ſeyn, ehe ni! 


uss (ieſer Felge beſonders bewuſt werden, und dann ist! 


eine . 


Im V 
ſie glei 
derung 


ſelben 


Folge 
Felge 
womit 
äuffr 
ihr g 
aber 
Rey 
verga 
Sie 
innrer 
innert 
eine 

dieſen 
Hülfe 
rung: 
der e 
könn 
wohl 
ſam 

In . 


147 


engefuͤhret haben. Wenn wir die Erfahrung daruͤber bes 
fragen: fo lehret uns dieſe das Gegentheil, und dieſe kann 
doch fo wie in tauſend andern Fallen auch hier nur zuletzt 
unfre Lehrerinn werden. Laſſen Sie uns einmal dem Urſprung 
dieſer relativen Vorſt lungen von gegenwärtiger, vergange— 
ner, und zukünftiger Zeit nachforſchen! Alsbann finden wir, 
daß unſer Verſtand durch Hülfe einer innern und aäͤuſſern 
Erfahrung theils in uns, theils in aͤuſſeren Gegenſtaͤnden 
eine ſortgehende Folge von Veranderungen gewehr, und 
ſich derſelben bewuſt wird. Hier erzeuget er eine allgemeine 
Vorſtellung von dieſer Folge, abſtrahirt von den indiobiduel— 
len Veraͤnderungen, in welchen die Folge iſt, und neumet 
ſie gleich viel — Zeit. Unſte Vernunſt vergleicht die Veraͤn— 
derungen unter einander, und bemerkt, daß vor Eizer Ders 
ſelben ſchon andre vorher gegangen find, andre ſolgen. Die 
Folge der erſten in dieſer Reyhe nennet fie vergengene, die 
Folge der letzten zukuͤiſtige Zeit, und die Vrränderung, 
womit fie beyde vergl⸗icht, wodurch wir durch in ern oder 
auſſeren Sinn eine unmittelbare Vorſtellung erhalten, iſt 
ihr gegenwaͤrtig, und fie nennet dicſe gegenwartige Zeit, 
aber nur blos, in wie weit fe gleichſam ein Punct in der 
Repde der Folgen iſt, woran von der einen Seite ſich die 
vergangene, von der andern die zulünftige Zeit onſchließt. 
Sie bemerket, daß nicht blos in ihrem Subiect die Reyhe 
ianrer Veraͤnderungen, welche einc nach der andern unfrem 
innern Sinn den Stoff zur Vorſtellung von ſich darreichen, 
eine ſolche Beſtimmung haben, ſondern daß auch auſſer 
dieſen unendlich viele Gegenſtande find, in welchen fie durch 
Hilfe der aͤuſſeren Sinnen eben dieſe Folgen von Veraͤnde— 
rungen gewahr wied, welche unter einander, und auch mit 
der I phe der Folgen in ihrem Sublect veralſchen werden 
koͤnnen, in welchen das gegenwärtige zugleich iſt, und fo 
wohl die ſchon vecgangnen als zulünftigen Folgen gleich- 
ſam in graden Linien parallel neben einander binloufen, und 
in Anſehung des Gegenwa tigen ein gleiches Verhaͤtaiß 

8 2 haben. 


— 


haben. Nun erzeuget ſich in uns als in denkenden Sublecten 


durch unſern Worſtand der allgemeine Begriff von vergang.! 
ner, gegenwaͤrtiger und zukuͤnftiger Zeit. Dleſer Beau 
lag alſo nicht als Vorſtellung a priori vor aller Wahr, 
nehmung zum Grunde: ſondern er iſt das Werk nicht un.“ 
ſrer Sinnlichkeit, ſondern unſers Verſtandes, worauf er, 
durch Vergleich unfrer innern und äuff-ren Erfahrung und! 


folgli a pofteriori gebrecht wurde. Wenn wir uns nun 
einmal auf dle Art den allgemeinen Begriff der Zeit gebit. 
det haben: fo koͤnnen wir aus ihr als aus einem allgemiii. 


gehörigen Entwicklungen erhellet, immer gemacht, und 
ich kann es mich nicht überreden, daß Ihre Seele in An 
ſehung dieſer Sache eine Ausnahme machen ſollte. 


in wie weit iſt fie dieſe nothwendige Vorſtellung? Iſt ve 


es in Anſehung unſers denkenden Ichs? Dieß kann Ihe! 
Meynung nicht ſeyn. Waͤre ſie dieſe: ſo muͤßte dieſe Vor. 
ſtellung uns ſtets vorſchweben, ſtets gegenwärtig; fo muͤßte 
wohl dd 
moͤcht. 
ehne 
ſchein n 
entwer 


ſie uns angebohren ſeyn. Beydes iſt der Erfahrung und 
ouch unſrer Vernunft entgegen. Soll fie nur deswegen 
eine nothwendige Vorſtellung heiſſen, weil fie allen unſern 
Anſchauungen zum Geunde liegt: ſo iſt dieß letzte eben ſo 
wenla wahr, wenn wir auf tauſend Anſchauungen, d. h. 


auf Vorſtellungen des Verſtandes und der Vernunft fehen, # 
welche, wenn fie auf die Odiecte bezogen werden, nach Ih⸗ 


rer eignen Ecklaͤrung Anſchauungen heiſſen. Vielleicht re 
den Sie von bloſſen ſinnlichen Anſchauungen. Dieſe koͤn— 
nen als Anſchauungen der Sinnlichkeit nie Folgen der Ver 
aͤnderungen, ſondern nur jedesmal eine von dieſen als ges 


genwattig uns darſteklen. Zelt als Begriff oder allgemeine 


Vot⸗ 


Vor 
lihfi 
als n 
de: 
ung 

erfolc 


Die 


einen 
Quat 
Bolt 
nen Begriff, d. h. in unſrer Sprache nicht aber in ter © 
Ihrigen a priori Folgerungen ziehen. So hat es meire,“ 
fo dle Seele andrer Philoſophen, wie es aus ihren hieber! daß f 
dieß 


ts ab 
uns 


als ei 
der ſell 


uns 0 
2) Die Zeit ſoll eine nothwendige Vorſtellung ſeyn, E 
die allen Auſchauungen zum Grunde liegt. Warum, und | 


hieran 
wendi 


de lire 


die Z 


und i 
welche 


a Vorſt. 
Sie in 
s bab 
Vorſte 


Vorſtellung kann eigentlich niemals ein Obiect der Sinne 
lichkeit werden. Vielleicht fol dieſer S z: die Zelt legt 
als nothwendige Vo ſtellung allen Anſchauungen zum Grun— 
de: anzeigen, daß ſie entweder in jeder ſinnlichen Anſchau— 
ung mit begriffen iſt, oder daß jede derſelben in der Zeit 
erfolge. Dat erſte würde die Erfahrung gegen ſich haben, 
Die Vorſtellungen von dem Raum in Obiccten z. B. in 
einem Saatenfelde, in einem ſtillſtehend en See, in einem 
Auadrat ſchließt gar keine Folge von Veränderungen und 
ſoglich auch keine Anſchauungen von Zeit in ſich. Soll 
ts aber fo viel heiſſen, daft jede unſrer Anſchauungen oey 
uns in einer Folge von Veränderungen ſtat habe, und 
daß fie ſelbſt eine Veraͤnderung in dieſer Rephe fen: fo iſt 
dieß freylich wahr. Allein denn iſt nicht mehr von der Zelt 
als einer Vorſtellung, ſondern von ihr als einem Obiecte 
derſelben dle Rede, welche als Zeit ſeyn koͤnnte, wenn wie 
uns auch dieſe nicht vorſtellten. Wie koͤnnen Sie aber 
© hieraus die Folgerung machen, daß tie Zeit als eine noth— 
| 3 wendige Vorſtellung allen unſern Anſchauungen zum Gruns 


age! 


Man ſoll in Anſehung der Erſcheinungen uͤberhaupt 
die Zeit ſelbſt nicht aufheben koͤnnen, ob man zwar ganz 
vehi die Erſchrinungen aus der Zeit wegnehmen kann. Ich 
mochte doch gerne willen, wie Sie dieß letzte thun koͤnnen, 
ohne daß die Zeit zugleich weggenommen wird. Die Er— 
dheinungen koͤnnen hier doch nichts anders bedeuten, als 
tatweder die Folgen der beſtimmten Veraͤnderungen in uns 
und in andern aͤuſſern Dingen, oder die Vorſtellungen, 
welche wir von ihnen als von Obiecten haben, dle von den 
Vorſtellungen ſelbſt weſentlich unterſchieden ſind. Nehmen 
ze im erften Fall aus ihrer Vorſtellung dieſe Obiecte weg: 
fo haben Sie auch von dleſer Zeit als einem Obiccte keine 
Votſtellung mehr. 


RETTEN EEE a 


K 3 Es 


150 8 . „ r e ER AR 


Es kann demohngeachtet die Vorſtellung von Folgen 


der Veränderungen, oder der allgemeine Begriff von Zeit 
in unſern Gedanken übrig bleiben. Nun ſind dieſe Folgen 
Erſcheinungen in unſter Vorſtellung. Nehmen Sie dieſe aus 
der Vorſtellung weg: fo iſt auch die Vorſtellung der Zeit, 
oder der Begriff von ihr in unſter Seele erloſchen, oder 
weggefallen. Es iſt alſo in jedem Falle nicht denkbar, daß 


priori in uns gegeben fer. Dieß iſt fie als Vorſtellunz 
nicht, ſondern fie wird erſt als ein Begriff von Zeit duich 
die Erfahrung von unſerm Verſtande und folglich a poſte. 


riori gebildet. In der Zeit allein fell alle Wies klichket! 
der Erſcheinungen moͤzlich ſeyn. Dieß leugne ich nicht,! 
weil die Erſcheinungen als Vorſtellungen der Gegenſtaͤnde! 
megen unſrer Endlichkrit in uns nicht anders als in einer! 


Folge von Veränderungen, oder in der Zeit, nicht als in 
einer Vorſtellung, ſondern als in einem Oblecte derſelben 


geſchehen kann. Nur in dieſem Verſtande iſt es wahr, was 


Sie behaupten. Sie find aber nicht berechtiget, hieraus ji 


ſchluſſen, daft alle Erſcheinungen wegfallen koͤnnen, obgleich! 
die Z ie als allgemeine Bedingung ihrer Moglichkeit nick auf. 
aufgehoben werden kann. Denn fallen die Erſcheinunge 


als Gegenſtaͤnde auſſer uns, in welchen ſich eine Folge du 


Veränderungen, oder Zeit findet, weg: fo muß auch die reel: 


obiective Zalt wegfallen, und ſtellen die Trſcheinungen ſich 


unſcer Seele nicht in ihren Folgen durch einen innern Simm; 


dar: fo iſt tie allgemeine Vorſtellung von Zeit, und ſolglic 


die Zeit in ihr als Anſchauung verſch wunden. 


Sie behaup 


tin, 


ten, 
keit! 


von 


als ce 


eirſter 
N 
a g i der 7 
die Zeit unaufgehoben bleibt, wenn gleich die Erfcheinun E (en k. 
gen aus der Zelt wegfallen. Auſſer unſter Vorſtellung it 
keine reelle Zeit, wenn keine Reyhen von wirklichen Veran Fi 
derungen in den Subſtanzen ober in den Dingen ſelbſt ſtan! 
findet, und in unſter Vorſtellung verſchwindet die Zeit, 
wenn wir uns gar keine Folgen von Veränderungen denken. 
Sie koͤnnen alſo aus einem Satze, deſſen Ungültigfeit ich! 
bewieſen habe, nicht den Schluß machen, daß die Zelt af 


ſtaͤnd 
en i 
Im 


Wo ſt 


ſubice 


ſtan d. 
gen i 
enber 
foͤnne 
Gert: 
liche! 
eis 2 
dem 
ſelſt 
kenn. 
Über d 
ben, 1 
mache 


Wirt 
Gegen 
aber 
ſie in 


ich 3 


— 


— Ne eee eee eee eee fr c v RAR Fa eee, eee 


151 


ten, daß die Zeit eine allgemeine Bedingung der Moͤalich⸗ 
keit ron den Erſcheinungen fig. Hier reden Sie entweder 
von ber Zeit als einem allgemeinen Begriffe, oder von ihr 
als einer Folge von Veränderungen in den Dingen. Im 
efien Fall kann die Zeit nicht die allgemeine Bedingung der 
Moͤglichkeit von Erſcheinungen ſcyn, weil dieſe Bedingung 
ter Möglichkeit doch nichts anders als unfre Fahigkeit bedeu, 
ten kann, Vorſtellungen durch Hülfe der Sinne von Ger en— 
ſtänden zu erhalten, welche uns erſcheinen. Diele Faͤ— 
higktit iſt die Bedingung der Moͤglichkeit von Erſchein une 
gen in uns, aber nicht die Zeit als allgemeiner Vequff. 
Im letzten Fall iſt die Zeit nicht ein Vegreff, nicht eine 
Vo ſtellung, ſondern das Obiect von dieſer. Di-te nicht 
ſubiectlve, ſondern obiective Zei: kann in einem aewiſſen Ver— 
ſtande die Bedingung von der Moͤglichkeit der Ericheinuns 
sen in uns genannt werden, weil wir keine Erſcheinung 
enders als in einer Folge von innern Veraͤnderungen haben 
foͤnnen. Allein dieß gilt nur von uns, weil wir endeiche 
Geiſter find, und alſo Veraͤnderlichkeit von uns eine wefeute 
iche Beſtimmung iſt. Sind Erſcheinungen nichts anders 
eis Verſt⸗llungen von Dingen, die auf unſre Sinne nach 


dem Lauf der Natur wirken: ſo werden auch dieſe Dinge 


ſeſb ſt endlich ſcyn, bey welchen Zeit obiective ftert haben 
kenn. Allein unſer Geiſt kann ſich mit feinen Gedanken 
über das Gediet der Endlichkeit bis zu dem Unendlichen erhes 


ben, und ſich von ihm Voiſtellungen durch feine Vernunft 


machen. Hier hört das Gebiet der eigentlichen Erſcheinungen 
auf. Hier finden ſich keine innre Veränderungen mehr. 
Wir denken uns zwar in der Zeit dieſen unendlich erhabnen 


Gegenſtand unſrer Anbetung. Unſte Vernunft würde ſich 


aber von dem Wege der Wahrheit verirret haben, wenn 


fie in dieſes goͤttiche Weſen ſelbſt Veranderungen, und folg» 
ch Zeit übertragen wollte. 


& 4 3) Soll⸗ 


— 


— 


3) Sollte dle Möglichkeit apodierifher Grundſaͤtze von 
den Virhältniffen der Zeit, oder Axiomen von der Zeit 
überhaupt ſich auf die Nothwendigkeit der Vorſtellung der 
Zeit gründen: ſo muͤßte die Zeit ols Vorſtellung in uns eine 
Nothwendigkeit a priori haben. Od Sie gleich dieß be. 
haupten: fo habe ich doch ſchon oben bewleſen, daß dieſe F 
Mothwendigkeit nicht da iſt. Uebrigens kann wohl eine 
Nothwendigkeit gedacht werden, ſich die Zelt vorzuſtellen.“ 
Dieſe würde ſich entweder auf das Weſen der Dinge, wel.“ 
che ſich die Zeit vorſtellen, oder auf die weſentliche Be.“ 
ſchaffenhelt der Dinge gründen, welche vorgeſtellet werden.“ 


Nothwendig iſt es für einen Geiſt, welcher vermöge # 
feiner Endlichkeit nicht anders als In einer Reyhe von innen | 
Veränderungen Vorſtellungen von Gegenſtaͤnden und alſo auch 
von der Folge dleſer ſelner Veraͤnderungen machen kann.! 
Bey dem Unendlichen wird grade das Gegentheil flat 
haben muͤſſen. Er iſt ſelbſt von allen innern Veränderun.! 
gen fren, und kann alſo wegen feiner unbegrenzten Vollkom, 
menheit keine Vorſtellung von einer Reyhe feiner innen! 
Veränderungen haben, well dieſe feinem Weſen widerfpru ! 
chen. Es kann ſich aber auch eine ſolſche Nothwendigkeit 
in Anſehung der Dinge finden, welche vorgeſtellt werden.! 
Sind dieſe, vermoͤge ihres Weſens, ſo beſtimmt, daß ſie nicht! 
ohne Folge von innern Veränderungen ſeyn koͤnnen: fo miürs 
den wir eine unrichtige falſche Vorſtellung von ihnen haben, 
wenn wir fie als Diage daͤchten, worinn keine Zeit ange“ 
troffen würde. In ſo weit hat die Vorſtellung der Zeit # 
auch hier eine Nothwendigkeit. So denket ſich Gott die! 
Welt mit allen Reyhen Ihrer Veränderungen, ohne feibit } 
veraͤnderlich zu ſeyn. So denken endliche Geiſter endliche 
Dinge neben und auſſer ſich. Allein der Gedanke von Gott 
muß alle Zeit in ihnen ausſchlieſſen, wenn wir uns nicht 
von ihm eine unrichtige Vorſtellung machen wollen. 


Nicht 


lung 
füge 
Not 
ſtatt 
man 


berli 


men 
Eli 
zug 
dun! 
fom 
möd 
Kot 
werk 
wen 
Erfe 
Allg 
von 
bew 
Not 
Sie 
ſeher 
von 
mir 
nur 
thetı 
Sul 
anal 
frog 
viß 
noth 
noth 
Gru 
ich! 


8 153 


Nicht die Nothwendigkeit der Zeit als eine Vorſtel— 
lung liegt a priori zum Grunde, um apodlictiſche Grund— 
fäge oder Axiemen der Zeit daraus herzuleiten. Aus der 
Rothwendigkeit dieſer Vorſtellung, wenn fie auch wirklich 
ſtatt hätte, ſolget auch kein einziges Axiom, ob wir gleich 
manche von der Art aus dem allgemeinen Begriß der Zeit 


herleiten koͤnnen. Sie haben uns einige Sätze als ſolche Axio. 


men vorgelegt, und dieſe ſind folgende: 1) die Zeit hat nur 
Eine Dime ſion, 2) verſchiedene Zelten find nicht 
zugleich, ſondern nach einander. Der erſte Satz iſt 
dunkel, der letzte iſt waht und ſalſch, es wird darauf ans 
kommen, wie wir ihn erklaͤren. Ehe ich beydes zeige, 
mochte ich Sie fragen, wie denn dieſe Grundſaͤtze aus der 
Rothwendigkeit der Vorſtellung der Zeit herflieſſen? Sie 
werden dech dieß nicht als einen Beweis anſehen wollen, 
wenn Sie hinzuſetzen, daß dieſe Ariomen nicht aus der 
Erfahrung gezogen werden koͤnnen, weil dieſe weder ſirenge 
Allgemeinheit noch apodictiſche Gewißheit geben kann. Da— 
von war aber nicht die Rede, ſondern Sie ſollten es uns 
beweiſen, daß dieſe apodictiſche Gewißheit ſich auf die 
Nothwendigkeit der Vorſtellung der Zeit a priori gründe, 
Sie werden es bey einiger Aufmerkſamkeit ſelbſt leicht eine 
ſehen, daß Sie uns dadurch Fenen eigentlichen Beweis 
von Ihrer Behauptung vorgelegt haben. Ich getraue es 
mir aber zu, das Gegenteil zu beweiſen. Die Zeit hat 
nur Eine Dimenſion. Dieß iſt in Ihrer Sprache ein ſyn— 
thetiſcher Satz, weil das Prädicat über den Begriff des 
Subiects hinausgeht, d. h. weil es nicht in dieſem Begriff 
analytiſch liegt, oder ſeinen hinreichenden Grund hat. Nun 
froge ich Sie: woher wiſſen Sie es mit apodictiſcher Ge 
wißheit, daß dieß Praͤdicat dem Subiect allgemein und 
nothwendig zukomme? Sie antworten, weil die Zeit eine 


nothwendige Vorſtellung iſt, welche allen Anſchauungen zum 


Grunde liegt. Allein wie liegt fie hier zum Grunde, daß 
ich daher eine apodictiſche Gewißheit von dieſem Grundſatz 
K 5 ethal⸗ 


1 


154 


erhalte? Dleß ſollten Sie uns nun zeigen, wenn Site 
uns Ihren Beweis als einen vollendeten aufdringen woll. 
ten. Da Sie dieß aber niche gethan haben: ſo entſteht 
die Frage: liegt dieſe Vorſtellung, Zeit, als eine noth. 
wendige Vorſtellung a priori oder blos als allgemeiner Be. 
griff zum Grunde? Wäre das erſte: wie beſtimmt denn 
die Nothwendigkeit dieſer Vorſtellung es in Abſicht der 
Zeit als eines Subiects, daß dieß Praͤdicat, Eine Dimen. 
ſion, ihm nothwendig zukomme? Es kann kein Grund ge— 
dacht werden, wodurch wir berechtiget wären, aus dieſer 
Nothwendigkeit auf das Pradicat der Zeit zu ſchlleſſen. 
Legt aber Zeit als ein allgemeiner Begriff zum Grunde: 
fo kann es uns gleich viel ſeyn, od dieſer Begriff als Vor. 
ſtellung eine Nothwendigkeit babe, oder nicht, oder ob er 
aus Erfahrungen ridyrig gezogen iſt. Als ein allgemeinct 
Begriff kann die Zeit bey Einer Dimenſion auf eine doppelte 
Art zum Grunde liegen, 1) als ein Begriff, worin dieß Pra. 
ticat feinen hinreichenden Grund hat, 2) als höherer Begriſſ 
(notio fuperior), wovon das Prädicat eine ſpeciviſche Be. 
ſtimmung if. Im erſten Fall liegt das Prädicat nicht 
auſſer dem Begriff des Subicets, und das Subiect wird 
auch nicht eigentlich erweitert, ob gleich unſte Erkenntniß 
von ihm dadurch erweitert werden kann, wenn wir den 
hinreichenden Grund auſſuchen, welcher in dem Sublect 
lleget, und uns, weil wir ihn nun erkennen, eine apodicti— 
ſche Gewißheit von der Allgemeinheit und Nothwendigkeit 
dieſes Satzes verſchaffet. Wird aber durch den Zuſatz dies 
fes Praͤdicaus zum Sublect dieß Uetheil im eigentlichen Vers 
ſtande ein Erweiterungsſatz: fo kann zwar dle Zelt als ho. 
herer Begriff zum Grunde liegen, aber nicht davon der 
Grund werben, daß das Praͤdicat allgemein mit dem 
Subiect verbunden werden muß, und daß wir davon eine 
apodictiſche Gewißheit erlangen. In der Anſchauung von 
einem Quadrate liegt Figur auch als Vorſtellung nothwen— 
dig zum Grunde. Wer kann aber behaupten, daß deswe⸗— 


ger 


gen | 
ſcher 
ten l. 
Allei 
it, 


grün 
priu 
Gru 
dieſe 
woll 
Gu 
weil 
wiß 
ſie ( 
glei 
auf 
aus 
DIN) 
fat 
ber 
we 
der 
fie 
S 


nu 


gen dieſer Satz: eine Figur iſt ein Quadrat mit apodictl⸗ 
ſcher Gewißheit erkannt werde? In allen Begriffen der Ar. 
ten liegt der Begriff ihrer Gattung rothwendig zum Grunde. 
Allein deswegen koͤnnen wir nicht ſchlieſſen, wo die Gattung 
iſt, muß auch eine beſtimmte Art ſeyn. 


Doch Sie ſagen nur, die Moͤglichkeit dieſer Axiomen 
gründet ſich auf die Zeit, als nothwendige Verſtellung 2 
priori. Aiſo blos die Moͤglichkeit, daß ſie apodictiſche 
Grundſätze werden können. Allein wie gründet ſich denn 
dieſe darauf? Wodurch werden fie ſolche Sätze? Dieß 
wellten wir von Ihnen wiſſen. Sie antworten: dieſe 
Gundſaͤtze konnen nicht aus der Erfahrung gezogen werden, 
weil dieſe keine ſtrenge Allgemeinheit noch apodictiſche Ge. 
wißheit geben kann. Dieſe Antwort iſt blos negatio, wenn 
fie auch ganz ihre Richtigkeit hätte. Sie bezieht ſich zu⸗ 
gleich nicht auf die Möglichkeit ſolcher Axiomen, ſondern 
auf ſie als apodictiſche Grundſaͤtze. Sie kann aber durch⸗ 
aus nicht für einen Beweis Ihrer Behauptung gelten. 
Wenn gleich blos hier von der Moͤglichkeit ſolcher Grund— 
fäge die Rede ift: fo ſehe ich keine Urſache, wodurch Sle 
berecht get find, zu behaupten, daß ſie ſich auf dieſe Noth. 
wendigkeit a priori erü de. Dieſe Möglichkeit iſt entwe— 
der eine innre, oder aäuſſere. Sit fie eine innre: jo kann 
fie nirgends als in dieſen Grundſaͤtzen ſelbſt geſucht werden. 
Soll fie als eine äuffere gedacht werden: ſo konnen wir fie 
nirgends anders finden, als 1) in dem Vermoͤgen unſers 
Verſtandes, ſich durch Hülfe ſinnlicher Erfahrungen den 
allgemeinen Begriff von Zeit zu bilden, und 2) in der Faͤhig⸗ 
keit unſrer Vernunft, es zu beſtimmeg, was aus dleſem 
Begriff nothwendig ſolget, dieß mit ihm als einem Sudiect 
zu verbinden, und auf die Art nicht mehr aus bloſſen Er 
fahrungen, ſondern cus dem allgemeinen Begriff der Zeit 
die apodictiſchen Soͤtze herzuleiten. Die Nothwendigkelt der 
Vorſtellung von Z-it kommt bey dieſem Geſchaͤfte gar nicht 
in Betracht. Ihren 


156 


Ihren fo genannten Grundſatz: verſchledene Zeiten 
find nicht zugleich, ſondern nach einander : habe lch für 
wahr und falſch nach der verſchiedenen Art erflärt, wle man 
ſich ihn denket. Ich muß mich alſo gegen Sie rechtfertigen, 
Die Zelt iſt ihrem allgemeinen Begriffe nach eine R yhe 
von auf elnander folgenden Veraͤnderungen. In dieſer koͤn⸗ 
nen alſo verſchiedene Veraͤnderungen nicht zugleich feyn. 
Nur eine von ihnen iſt gegenwaͤrtig. Die andern muͤſſen 
alfo In der Reyhe voran gehn, oder erſt folgen. Die erſten 
machen die vergangne, die letzten die zukunftige Zeit aus. 
Dieſe Zeiten find alfo in der Reyhe nie zugleich, ſondern nach 
einander. In dieſem Verſtande iſt der Satz wahr, fols 
get aus dem allgemeinen Begriff der Zeit, kann nicht ge— 
leugnet werden, wenn wir nicht jenen Begriff wieder auf— 
beben wollen. Der Satz iſt alſo ein Axiom, deſſen Allges 
melnhelt und Nothwendigkeit wir aus dem Begriff der Zeit 
mit apodictifcher Gewißhelt erkennen. Wit haben bisher von 
der Zeit als von einem allgemeinen Begriff geredet. Wir 
koͤnnen aber auch auf die Reyhen der Veraͤnderungen in 
den Dingen ſelbſt auſſer unſrer Vorſtellung unſte Aufmerk— 
ſamkeit richten. Alsdann denken wir dle Zelten oblectiv 
in den Dingen ſelbſt. Eine jede individuelle Reyhe von 
auf einander folgenden Veränderungen iſt obiective oder reelle 
Zelt. Weil jene in unendlich vielen Dingen verſchieden ſeyn 
kann: ſo glebt es auch oblectiv unendlich viele Zeiten. Der 
Merkur, die Venus, die Erde, der Mars, Jupiter, Sa— 
turnus und der von Herſchel entdeckte Uranus bewegen ſich 
als beſondre Planeten in verſchledenen Zeiten um die Sonne. 
In jedem derſelben iſt eine beſondte Folge von Weränderuns 
gen, welche nur ihm allein zukommt, und alſo bey jedem 
eine Individuelle Zeit if. Wir koͤnnen uns alſo dieſe vers 
ſchiedenen Zeiten als verſchiedene Knien vorit: len, die parallel 
neben einander fortlaufen, und aus dirfem Geſichtspuncte 
läßt es ſich doch behaupten, daß Zelten, die in verſchiedenen 
Dingen verſchieden ſind, zugleich ſind, nicht nach einander, 

ſo 


ſondt 
Zelt 
ande 
genn 
ſeyn 
in el 
aͤnde 
Rey 
bloſſ 
Unir 
und 

vo} 
fo e 
ara 
Reg 
Zeit 
belel 
und 

von 

erſt 

ſolg! 


Zeit 


allge 
Anfı 
nich: 
eine 
dure 
daß 
ung 
ſen, 
den 
der 
wir 
tung 
wird 


157 


ſondern neben einander fortlaufen, obgleich in jeder einzelnen 
Zeit oder in jeder Reyhe von Veränderungen, die nach ein. 
ander erfolgen, nicht mehrere Zeiten, als vergangne, ge— 
genwaͤrtige, zukuͤnftige zugleich, ſondern nur nach einander 
ſeyn koͤnnen. Diefe beyden Saͤtze: verſchledene Zeiten find 1) 
in einer und derſelben Reyhe der auf einander folgenden Were 
änderungen nicht zugleich, 2) fie find in mehrern verſchiedenen 
Reyhen zugleich und neben einander: zlehen wir nicht aus 
bloſſen Erfahrungen, ſondern aus den Begriffen der Zeit. 
Unſre Vernunft erkennet ihre Richtigkeit aus dieſen, Begriffen, 
und weil fie unfähig iſt, ſich es als denkbar oder moͤglich 
vo:zuſtellen, daß etwas zugleich ſeyn und nicht ſeyn kann: 
fo erhaͤlt fie daher von der Wahrhelt dieſer Säge eine 
apodictiſche Gewißheit. Sie laͤßt alſo dieſe Gruntfäge als 
Regeln gelten, womit alle Erfahrungen in Anſehung der 
Zeit überein ſtimmen. Wir koͤnnen uns auch durch dieſe 
belehren, wie die Erfahrungen von der Art moͤglich ſind, 
und erfolgen werden. Dieſe Saͤtze ſelbſt fegen aber Begriffe 
von der Zeit voraus, und dieſe bildete unſer Verſtand zus 
erſt durch Beobachtung Innrer und äuffrer Veraͤnderungen, 
ſolglich nicht a priori, ſondern a poſteriori. 4) Die 
Zeit ſoll kein discurſiver, odet wie man ihn nennet, kein 


allgemeiner Begriff, ſondern eine reine Form der finnlichen 


Anſchauung ſeyn. Ich habe es aber ſchon bewieſen, daß ſie, 
ulcht oblective, ſondern ſubiective gedacht, das erſte iſt. Als 
tine reine Form der blos ſinnlichen Anſchauung kann ſie 
durchaus nicht angeſehen werden. Denn es iſt unmoͤglich, 
daß wir von ihr blos durch Huͤlfe der Sinnen eine Anſchau— 
ung haben. Eine Anſchauung des Verſtandes kann ſie heiſ⸗ 
fen, wenn mir uns blos eine Reyhe der auf einander folgen⸗ 
den Veränderungen denken. Vielleicht auch eine reine Form 
der Anſchauung, weil in jeder Vorſtellung von Zeit, wie 
wir fie bey Gegenſtaͤnden wirklich als Folge der Werändes 
tungen antreffen, fie wieder von unſerm Verſtande erblickt 
wird. Sie behaupten, daß verſchiedene Zeiten nur Theile 


eben 


158 


eben derſelben Zelt ſind. Von welchen Zeiten iſt Hier bie 
Rede? Etwa von den Reyhen der auf einander folgenden 
Veranderungen in den Dingen ſelbſt, oder von ihnen als oloſ. 
fen Vorſtellungen? Denken Sie ſich die erſten: ſo ſind ſie 
weder Formen der Anſchauungen, noch Anſchauungen ſelbſt, 
und dann konnen wir nicht annehmen, daß verschiedene Zeiten 
nut Theile von einer und derſelben Zelt find, well die Folgen 
der Veraͤnderungen in dem einen Dinge nicht dieſelben 
Folgen der Veränderungen in einem andern ſeyn Fönncn. 
Dle Zelten ſind individuell, alſo ganz unterſchieden, und 
folglich koͤnnen wir nicht die verſchiedenen Zeiten als Theile 
eben derſelben Zeit anſehen. Reden Sie von der Folge der 
Veränderungen in Einem beſtimmten Dinge: fo Edanm 
wir uns ſreylich die ganze Folge als die ganze Zeit denken. 
Wir koͤnnen uns auch Cheile ven dieſer ganzen Folge a's 
Zeiten vorſtellen, und ſie nun Theile von einer und derſel. 
ben Zeit nengen. Allein dieſe iſt elne reelle Zeit, hat ihre 
eigenthümliche Form, die von der individuellen Form an— 
drer Reygen und auch von ber Form unſrer Anſchauung we— 
ſentlich un 'erſchieden iſt, und alſo dieſe nicht ſeyn kana. Re— 
den Ei: aber von der Zeit, als einer allgemeinen Vorſtel— 
lung unfers Verſtandes: fo folgt nur daraus, daß alle ver. 
ſchiedene Zeiten Theile eben derſelben Z it ſiad, wenn Sie 
ſich die Zeit als eine grenzenloſe Linie vorſt len. Auf 
ähnliche Art kann ich mic eben dem Rechte ſogen, alle bes 
ſtimmte Zahſen ſind Thale einer einzigen unendlich groſſen 
Zahl; alle Gröſſen find Theite von einer grenzentoſen Gröͤſſe. 
Allein die reine Anſchauung der Zeit läßt es unbeſtimmt, eb 
fie grenzenlos, oder nicht, ob von einer blos vergangnen, oder 
blos zukunftigen, oder ven beyden in Beziehung der gegenmärs 
tigen Zeit die Rede fin. Wit finden alſo in jeder Anſchau— 
ung der Zeit eine Folge von Veränderungen wieder, und ſolg⸗ 
lich bleibt fie auch als reine Anſchauung immer dieſelbe, 
wird nicht Theile von einer andern Anſchauung der Zeit, es 
ſey denn, daß wir uns die Zeit als eine ganze Reype von 

Jul 


Folgen, und aus dleſer Theile denken. Von grenzenloſer 
Zeit iſt eben fo wenig bey uns eine Anſchauung moglich, 
ols ſie wirklich auſſer uns wenigſtens von der Seite des 
Gegenwaͤrtigen, wo die vergangne Zeit ſich an dieſes 
ſchlieſſet, in Dingen auſſer unſrer Vorſtellung ſtatt haben 
kann. Wir kön en uns, wenn einmal Veränderung ta und 
ſolglich eine Riyde denſelden in Dingen da iſt, fie fo denken, 
daß immer neue folgen, und daß alſo die Rephe ohne 
Ende fort geht. Allein in unſcer Vorſtellung der Vernunft 
liegt auch Immer ein Punct, wo ſie angeht, ein andrer, wie 
weit It: geko nmen iſt, und in fo weit finden wir von bey— 
den Seiten Orangen. Das Gigenwaͤrtige kann zwar im— 
mir wieder ein Vergangenes werden. Die Reyhe ſelbſt 
bleidt aber ſtets von binden Seiten begrenzt, wir mögen 
mit unſern Gedanken in die Zukunft fo weit fortgehen, als 
weir wollen. Denkea wir uns die Zeit fo: fo wird tie nicht 

mehr als bloſſe Vorſtellung, ſoudern als Folge der Veraͤnde— 
rungen in den Dingen ſelbſt und alſo obirctiv von uns gedacht. 
Sublectiv iſt fie nichts anders als die Vorſtellung von einer 
Reyhe auf einander folgender Veränderungen, d. h. ein allges 
meiner Begriff von ihr. 


Sie behaupten, daß dle Vorſtellung von Zeit eine 
Anſchauung ſey, weil ſie nur durch einen einzigen Gegen— 
ftand gegeben werden kaun. Welcher iſt aber dieſer einzige 
Gegenſtand? ft er ein einzeines Ding, worinn eine ſolche 
Folge von Veranderungen angetroffen wird: fo giebt es 
unendlich viele Gegenſtaͤnde, welche unſerm Verſtand den 
Stoff durch Huͤlfe ver Sinne darbieten koͤnnen. Soll ober 
die Zeit ſelbſt als Vorſtellung dieſer einzige Gegenſtand ſeyn: 
fo iſt ſie nicht mehr Gegenſtand der Vorſtellung, fondern 
dieſe ſelbſt, und ſolglich Anſchauung, weil fie Anfheuung 
iſt. Wle ſonderbar? a 


War⸗ 


160 


Warum ſoll man den Satz, daß verfchledene Zelten nicht 
zugleich ſeyn koͤnnen, nicht aus einem allgemeinen Begriff 
der Zeit herzuleiten im Stande ſeyn? Ich habe ihn oben, 
wle ich glaube, ſchon mit hinreichendem Grunde aus dieſem 
Begriff hergeleltet, und alſo iſt die Moͤglichkeit elner ſolchen 
Herleitung bewleſen. Der Satz iſt alſo nicht ſynthetiſch, 
kann aus Begriffen entſpringen, ob Sie gleich hier das 
Gegentheil ohne allen weitern Bewels behaupten. Er iſt 
alſo in der allgemeinen Vorſtellung der Zeit, welche Sie 
hier Anſchauung nennen, gegruͤndet. Ich behaupte alſo 
eben dasjenige, was Sie hier als wahr annehmen, aber aus 
elnem ganz andern Grunde wie Sle. Ich kann mir unter 
der Zeit als reiner Anſchauung nichts anders als eine allges 
meine Berftellung, oder den vorgeſtellten Begriff derſelben 
denken. Faͤllt dieſe Vorſtellung in meiner Seele weg: fo 
iſt auch die Zeit als reine Anſchauung nicht mehr da, ſon— 
dern ſie iſt in meinem Gemuͤthe verſchwunden. 


5) Durch die Unendlichkeit der Zeit wollen Sie nichts 
welter anzeigen, als daß alle beſtimmten Groͤſſen der Zeit 
nur burch Einſchraͤnkung einer einzigen zum Grunde liegen. 
den Zeit möglid find. Sie halten alſo die Unendlichkeit 
der Zeit für nichts anders als für dle Moͤglichkeit alle be— 
ſtimmte Groͤſſen der Zeit durch eine einzige einzuſchraͤnken. 
Ehe Sie dleſen ſynthetiſchen Saß behaupten koͤnnen, muͤß— 
ten Sie beweiſen, daß eine unendliche Zeit nicht etwa, fo 
wle jedes andre leere Hirngeſpinnſt, uͤberhaupt durch Aus druͤ— 
cke angezeiget werden kann, ſondern daß fie auch auffer 
unfrer Vorſtellung elne Moͤglichkeit habe. In dem allges 
meinen Begriff, oder in der reinen Anfhauung der Zeit iſt 
nichts von Unendlichkeit enthalten. Cie muͤſſen alſo dieſen 
Beariff vorher willkuͤhrlich welter durch den Charakter der 
Endlichkeit, oder Unendlichkele beſtimmen, und nun bewei— 
fen, daß Unendlichkeit eine wahre Beſtimmung der obiectie 
ven Zelt werden kann. Sagen Sle, ich kann mir dech die 


Ziit 


Zelt 
hölyer 
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welch 
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lung f 
ker G. 
auf: fi 
wenn 
den wi 


161 


’ f Zelt fo denken: fo antworte ich, vlelleicht eben fo als eine 


belzerne State aus parlſchem Marmor. In unfrer An. 
ſchauung der Zeit kann keine Unendlichkelt liegen. Denn 
8 welcher ı Sterbliche Iſt vermoͤgend, das Unendliche anzuſchau⸗ 
en? In der reinen Anſchauung der Zelt find Vorſtellun— 
gen von Veränderungen, und zwar von einer ununterbrody: 


ren Folge derſelben. Gegenwart If in dieſer Reyhe die 


Veranderung, welche eben itzt erfolge. Hier iſt das Ende 


der verfloßnen Zeit. Wäre dleſe Reyhe der Weränderune 


gen nicht vorher geweſen: fo wurde auch die verfloßne Zelt 
in unſter Vorſtellung wegfallen muͤſſen, wenn anders dieſe 
richt in elnem Widerſpruch mit der Sache ſteben foll, wel. 
dee vorgeſtellet wird. In meinem Verſtande iſt es ein glei« 
cher Widerspruch, dle verfloßne Zeit, d h. die verflaßne 
Reyhe von auf einander folgenden Veränderungen ſich ohne 
Anfang oder in der Beſtlmmung der Unendlichkeit zu den. 
ken. Wenigſtens gehoͤret dieſe Unendlichkelt zu den Anti. 
nomien der reinen Vernunft. Geſetzt aber, daß die Une 
undlichkeit der Zeit von dieſer Seite gedacht werden koͤnn⸗ 
le: fo würden zwar alle beſtimmten Oloͤſſen dtefer Zeit nur 
els Einſchraͤnkungen derſelben angeſehen werden, ſo wie 
alle beſtimmten Groͤſſen rur Einſchraͤnkun gen elner unbegrenz. 
ien Bröffe, alle beſtimmte Zahlen nur Einfchränfungen einer 
unendlich groſſen Zahl ſind. Daher ſolget aber nicht, daß die 
urſpruͤngliche Vorſtellung der Zeit als uneingeſdhraͤnkt geger 
den wird. Urſpruͤnglich erhalten wir dieſe Vorſtellung blos 
durch Aufmetkſamkelt, welche wir auf die ununterbrochne 
Felge in den Veranderungen richten, und folglich ſind wit 
uns des Anfanges und des Endes in ihr bemuft, ob wir 


gleich elnſehen, doß diefe Reyhe ſich vor unfrer Beobach⸗ 


lung fo wohl als nach derſelben, ſolglich von beyden Seiten 
der Gegenwart weiter erfiteden kann. Hoͤrte diefe Reyhe 
auf: fo würde auch die Zeit in dem Dinge aufhören, und 
wenn wir fie doch in unſern Gedanken verlaͤngerten: fo wur. 

den wir uns etwas denken, Fi blos eine leert Worftel. 
lung 


lung woͤre. Wir find alfo nicht beſtimmt, die Zelt als el. 
ne Reyhe von Veränderungen uns vorzuſtellen, welche oh⸗ 
ne Anfang und Ende iſt. Unſte urfprüngliche Vorſtellung 
ſchließt auf eine gewiſſe Art beydes in ſich. Die abgeleis 
tete, oder die reine Anſchauung der Zeit begreift nichts mehr 
als unünttrbrochne Folge von Veränderungen, und es bleibt 
in ihr unbeſtimmt, ob fie endlich iſt, oder unendlich ſeyn kann. 


Sie behaupten, daß Begriffe nur Thellvorſtellungen 
enthalten. So wenig ich auch dieſem Idtem Setze chne 
alle Einſchräͤnkung Beyſall geben kann: fo leugne ich doch 
die Folgerung, daß die Zeit keine Theilvorſtellung fen, und 
daß fie alſo nicht durch Begriffe gegeben ſeyn koͤnne, fon 
dern daß ihr elne unmittelbare Anſchauung zum Giunde lies 
gen möfje. Die Zeit, als reine Anſchauung, iſt eine Norftels 
lung von einer ununterdrochnen Reyhe der Veränderungen, 
Denken Sie ſich die Zeit ohne dieſe: fo koͤnnen Sle auch 
keine Vorſtellung mehr von ihr haben. In dleſer legen 
die einzelnen Veränderungen als Thelle, und das Gegen 
wärtige iſt in dieſer Renhe gleichſam das, was der Punct in 
der Linle iſt. Jede Veränderung war oder wird einmal 
in ihr gegenwärtig, und ſolglich ein Theil in dieſer Reyhe. 
Die Zeit iſt alſo eine Groͤſſe, fo wle eine Linie und jede 
elnelne Veränderung iſt ein einfacher Thell, fo wie eln 
Punct in der kinle. Es kann alſo dle Zeit, als Vorſtellung 
kelne andre als Vorſtellung der Thelle ſeyn, welche dle Zeit 
ausm ichen. So wie wir uns zuſemmengeſetzte Theile der 
Linie wieder als Anlen denken koͤnnen: eben fo koͤnnen wie 
uns die Zeit als ein Ganzes vorſtellen, welches in zuſam— 
mengeſetzte Theile zerlegt werden kann, wovon jede noch 
elne Reyhe von Veranderungen in ſich ſaßt, und alſo wle— 
det Zeit iſt, weil die reine Anſchauung, oder der vorge 
ſtellte Begriff der Zelt nichts mehr in ſich ſaßt, als was 
in jerer angetreffen wird. Ste haben alfo keinen Grund, 
es zu behaupten, daß dle ganze Vorſtellung der Zelt fe 

Thel 


Thell 
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Thellvorſtellung ſey, und daß fie nicht durch einen Begriff, 
ſondern nur durch eine unmittelbare Anſchauung gegeben wer— 
den koͤnne, naͤmlich eine ſolche, welche von dem vorgeftelk 
ten allgemeinen Begriff der Zeit unterſchleden iſt. Setzen 
Sie zu dieſem Unendlichkeit: fo haben Sle feine reine An— 
ſchauung der Zeit mehr, ſondern Ihre Vernunſt hat es 
gewagt, dieſen Begriff durch einen Charakter, welcher 
nicht in der reinen Anſchauung der Zelt liegt, zu erweitern, 
grade ſo wle unſte Vernunſt es bey andern hoͤhern Begriffen 
zu machen pflegt. Ob aber dieſe Beſtimmung in Anſehung 
des allgemeinen Begriffes von der Zeit nicht von eben der 
Art fen, als wenn ich zum Begriff eines rechtwinkligten 
Trlongels den Charakter der Gleichſeitigkelt hinzugefuͤget 
hätte, dieß würde die Vernunft vorher unterſuchen müffen, 
ehe fie die Richtigkeit dieſes zuſammengeſetzten Begriffes, 
unendliche Zeit annehmen kann. Leben Sie wohl. 


13. Brief. 
Mein Herr, 


In dieſer Ihrer Transſcendentaleroͤrterung berufen Sie ſich 
auf Ne. 3., wo Sie dasjenige, was eigentlich transſeenden— 
tal iſt, unter die Artikel der metaphyſiſchen Erörterung ge. 
ſetzt haben wollen, und ich beruſe mich auf die Prüfungen, 
welche ich darüber in meinem letzten Briefe angeſtellet habe. 
In Ihren metaphyſiſchen Eroͤrterungen wollen Sie es zu 
Grundſaͤtzen machen, daß die Zeit 1) kein emplriſcher, 2) 
kein allgemeiner Begriff fen, und nun reden Sie wieder von 
Zelt, als einem Begriff, und von Zeitbegriff. Allein iſt 
Zeit ein Begriff: fo muß fie einer von beyden ſeyn. Iſt fie 
hingegen feiner von beyi.a: fo kann fie auch überhaupt nicht 
Begelff genannt werden. Wie laßt ſich in Ihrem Syſtem 
dleſer Wider ſpruch heben? 


ta Es 


164 


Es iſt elne Regel der Vernunſtlehre, in jeder phlloſo. 
phlſchen Unterſuchung das Oblect, wovon gehandelt wird, 
zuerſt fo gut als möglich iſt, zu erklaren. Dieſe Regel 
kun Ihnen als einem Philoſophen, welcher uns in dieſer 
neue Ausſichten eröffnen will, unmoͤglich unbekannt geblle, 
ben ſeyn, und doch haben Sie dieſe weder in Ihren meta— 
phyſiſthen, noch transſeendentaten Eroͤrterungen der Zeit 
beſolget, mrrauf Sie dech nachher Ihr ganzes neues Ep. 
ſtem der Ppiloſopdie erbau:n wollen. War vlelleicht dieß 
die Ursache dieſer Vernachläſſigung, damit Sie nicht durch irs 
gerd eine Erklärung von Zeit gezwungen würden, die reine 
Auſchauung von ihr tür einen Begriff zu erkennen, in 
weicem die Zeit allgemein angeſchavet würde? Haͤtten 
Sie dewehng achtet einen andern Grund: fo würden Sie 
den Weilweiſen, welche Ihr Syſtem prüfen wollen, eine 
greſſe Erleichterung bey Ihrer Arbeit verſchaffen, wenn She 
ihnen dieſen bekannt machten. 


Ich will nun meine Aufmerkſamkelt auf dasjenige tich⸗ 
ten, was Sie bier noch zu jener metaphyſiſchen Erörterung 
hinzuſuͤgen. Der Begriff von Veränderung und mit ihm 
der Begriff der Bewegung als Veränderung des Ortes ſoll 
nut durch und In der Zeitvorſtellung maͤglich ſeyn. Dleß 
kann doch nichts anders heiſſen, als dieſes: wir koͤnnen uns 
feinen Begriff von Veränderung oder Bewegung als Ver 
änderung des Ortes machen, ohne den Begriff der Zelt 
zum Gtunde zu legen, oder ohne elne Zeitvorftellung voraus- 
zuſetzen. Allein jede Veränderung iſt noch nicht Zeit. Sie 
wird es erſt, wenn fie ein ganzes iſt, welches elne Folge 
don mehrern auf einander folgenden Veränderungen in ſich 
faßt Es It alſo ausgemacht, daß nicht der Begriff jeder 
einzelnen Veraͤnderung, wenn fie für ſich betrachtet wird, 
nut durch und in der Zeltvorſtellung moͤglich iſt. Wir koͤnnen 
die Veraͤnderung auch gleichſam als einen Punct in einer 
Reyhe uns denken, worlnn vor ihr andre Veraͤnderungen 


der. 


NER RE eee 


cee RERE 


BEN 


hergingen, und nach ihr andre folgen werden. Alsdann 
denken wir uns die Veraͤnderung in Verhältniſſen, wel. 
che eine entgegengeſetzte Richtung gegen fie haben. Dann 
erseuget ſich in unſter Vorſtellung des Verſtandes der all. 
gemeine Begriff der Zeit, weil dieſe uberhaupt nichts an— 
ders als eine Reyhe mehrerer auf einander folgenden Ver— 
nderungen iſt. Eben di⸗ſe Reyhe finden wir in der Bas 
wegung oder in der Veraͤnderung der Derter. Allein alle 
dieſe Veraͤnderungen feibit in einer ununterbroch nen Reyhe 
find nicht mehr Zeit als eine Anchauung, fendern als Ge— 
genſtaod derfeiben auſſer unſern Votſtellungen, werden als 
Geaenſtand nicht erſt in und durch die Zeitvorſtellung moͤg— 
ich, ſoadern ihre Moͤglichkeit bar einen ganz andern Grund. 
Wenn wir fie uns denken: fo koͤnnen wir ſie uns nicht an« 
ders, woferne unſte Vorſtellung der Sache entſotechen ſoll, als 
eine Reyhe von Veranderungen auſſet uns vorſtellen. Warum 
muß aber dieſe Vorſtellung, wie Sie es behaupten, durchaus 
tine Anſchauung 2 priori ſenn? Soll dieß fo viel heiſſen, dleſe 
Anſchauung iſt ein vor geſtellter algemeiner  egriff der Zelt: 
ſo koͤnnen wir ihn entweder aus einer individuellen Reyhe 
von Veränderungen zuerſt ziehen, oder, wenn dieß ſchon 
geſchehen Iſt, ihn wieder auf Diefe Reyhe anwenden, und 
in dieſem Falle haͤtte ich nichts dagegen. Allein bieß it Ih- 
re Meynung nicht. Die Zeit ſoll eine innre Anſchauung 
1 priori d. I. auch in Anſehung ihres Ueſprunges von aller 
Erfahrung unabhängig in unſrer Seele ſeyn. Dieß iſt fie 
aber nicht, und ich habe es ſchon mehrmal bewieſen, daß 
fie es in unſerm Gelſte nie werden kann; Sle hingegen find 
uns den Beweis von dieſer Ihrer Behauptung noch ſchul⸗ 
dig, und werden ihn auch wohl immer ſchuldig bleiben. 


Mit welchem Rechte koͤnnen Sie behonpren!, daß kein 
Begriff der Zeit, welcher er auch fen, die Maͤglichkeit ei⸗ 
ner Veraͤnderung d. . einer Verbindurg contradictorlſch 
entgegengeſetzter Prädicate ee das Sepn an einem Or⸗ 

3 te 


165 


te und das Nichtſeyn aben deſſelben Dinges an demſelben Orte) 
in einem und demſelben Oblecte begreiflich machen l’önne? 
Wäre dleß wirklich der Fall: fo koͤnnte uns dleſe Moͤglich. 
kelt durch nichts begreiflich werden, weil Ihre fo genannte 
Anſchauung a priori blos eine Erdichtung iſt, bey uns ſich 
nle findet, noch finden kann. Melne Vernunft kann aus 
dem allgemeinen Begriff dleſe Moͤglichkeit ſehr gut begrel— 
fen. In der Bewegung eines Obiects iſt eine ununterbroch— 
ne Folge von Veraͤnderungen der Oerter, welche es nach und 
nach einnimmt. In jeder einzelnen Veraͤnderung iſt es nut 
an elnem Orte, und mit jeder andern bat es auch einen 
andern Ort eingenommen. Was in der Zeit als einer 
Reyhe von Veränderungen die einzelnen Veraͤnderun— 
gen find, das iſt in einer Bewegung der Ort, mel. 
chen das Subiect einnimmt. So wle in jener Veraͤnde⸗ 
rung auf Veraͤnderung ſolgt: ſo ſolgt in der Bewe— 
gung ein Ort nach dem andern, in welchen das Odiect 
nach und nach dringet. So wie dieſes an einen Ort an— 
kommt: ſo iſt es nicht mehr in einem andern, und wann 
es einen andern einnimmt: fo iſt es nicht mehr in dem ers 
ſten. Folglich das Seyn und Nichtſeyn deſſelben Dinges an 
demſelben Ort folgt eben fo aus dem Begtiff der Bewegung, 
wie vergangene, gegenwaͤrtige, kuͤnftige Zeit aus dem all. 
gemeinen Begriff von ihr. Seyn und Nichtſeyn deſſelben 
Oblectes an demſelben Ort iſt alſo nur in Anſehung des 
Ausdruckes, nicht in Anſehung der Sache contradictoriſch, 
weil hier von verſchledenen Zeiten die Rede iſt. Es koͤnnen 
alſo contradictoriihe Beſtimmungen bey demſelben Oblecte 
in Ruͤckſicht deſſelben Ortes in verſchledenen Zelten gedacht 
werden, ohne daß ein wahrer Widerſpruch daraus erfolget. 
Hleraus iſt alſo die Moͤglichkeit begreiflich, daß ein Obiect 
an einem und demſelben Ort ſeyn und nicht ſeyn konne, oh⸗ 
ne daß dadurch der Widetſyruch geſetzt wird, daß daſſelbe 
Ding zugleich an einem Octe iſt, und nicht iſt Wozu ſoll 


uns hier die Zelt als eine reine Anſchauung a priori I 
5 


EWR 167 


In meinem Beweiſe Ift nicht von Zelt als einer Anfchaus 
ung, oder einem bloſſen Zeitbegriff, ſondern von ihr als 
einem Obiecte meiner Vorſtellung auſſer derſelben die Rede. 


Die Folgerung, welche Sie machen, bat alſo kelne 
richtige Gründe für ſich. Sie wollen aus Ihren Voraus— 
ſetzungen ſchlleſſen, daß alſo der Zeitbegriff die Möglichkeit 
fo vieler ſynthetiſchen Erkenntniſſe a priori erkläre, als die 
ollgemeine Bewegungslehre, die nicht wenig fruchtbar iſt, 
darleget. Bedeutete bey Ihnen Zeitbegriff: ſo viel alt 
der allgemelne Begriff von Zelt: fo wurden wir uns end. 
ich einmal auf demſelben Wege antreffen. Halten Sie 
aber die Zelt für welter nichts als für elne reine Anfchau« 
ung: ſo ließ ſich blos daraus eine Veraͤnderung des Ortes 
in Vorſtellungen und nicht auſſer denenſelben erklären. 
Und doch iſt es uns in der allgemelnen Bewegungslehre 
nicht um eine Bewegung blos in dem Zeitbegriff, ſondern 
um die wirklichen Bewegungen der Obiecte auſſer unſerer 
Votſtellung in einer obiectiven Zeit zu thun. Können Sie 
dieſes in Abrede ſeyn? So ſehr lch hier auf Ihren Bey— 


ſall rechne, mit fo vleler Achtung habe ich die Ehre zu 
| fepn 0. 


— em 


14. Brief. 
Mein Herr, 


9 Es iſ ſehr Teiche voraus zu ſehen, daß ich In Anſehung 
dier Schläſſe, welche Sie aus Ihren Begriffen ziehen wers 
den, den Antipoden von Ihnen machen muß. Die Bübs 
ne iſt nun einmal von mir betreten, und ich werde mich bes 


muͤhen, meine Rolle fo weiter fort zu ſplelen, daß ich der 
Achtung, welche ich Ihnen ſchuldis bin, eben fo wenig als 
der Wahrhelt vergebe, a. ich wenigſtens or. 

* e· 


168 


dieſen Prüfungen auf meiner Seite zu haben. Irre ich 


mich la dleſem nicht: fe find Sie vielleicht durch ein zu 
anhaͤnglickes Nachdenken über geometriſche Wahrheiten, bez 


welchen immer der reine Begriff des Raumes zum Grunde 
llegt, in Ihren Speculationen über die Grenzen der phlloſephi⸗ 


ſchen Wahrhelt hingetrleben, und wer wird Ihnen, als einem 


phlloſophiſchen Kopie, dieß zur Unehre anrechnen? Sollte ich 2 
mich aber geirrer haben: fo wor es Liebe zur Wahrheit, 


welche mich antrieb, und Ich ſchmelchle mir wenigſtens hier, 


inn mit dem Verfall des phlloſophiſchen Publleums, daß 
weis 


ich Ihnen zu einiger Berlchtigung und zur weitern Bu 


ſtaͤttigung Ihres Syſtems Gelegenhelt gegeben habe. Nun 5 


alſe zu Ihren Schluſfen aus den Begriffen der Zeit. 


a) Sie behaupten, daß die Zelt nicht etwas fen, wel, 5 
ches 1) für ſich ſelbſt beſtehe, oder 2) den Dingen als ob. 
lective Beſtimmung onhaͤnge. Ihre erſte Behauptung un.“ 


terſchreibe ich ohne alles Bedenken, und das Clewicht des 


Grundes, womlt Sle dleſe beſtättlgen, iſt zu fühlbar für E 
jede aufgeklaͤrte Vernunſt, als daß ſie einen Augenblick an # 
ſeiner Guͤltigkelt zweifeln konnte. Eine Zeit, welche für B 
ſich beſtuͤnde, würde etwas ſeyn, welches ohne wirklichen! 
Gegenſtand wirklich wäre, und es wäre Unſinn, dleß be 


baupten zu wollen. 


Allein was den zweyten Satz anbetrifft: fo glaube ich 
es der Wahrheit ſchuldig zu fern, ihn zu leugnen, und 
Ihr Beweis tür denſelben ſcheinet mir gar feine Staͤtke! 
zu haben. Reden Sie hier von der Zeit als elner Au. Ä 


ſchauung, als einem Zeitbegriff: fo kann dieſe vermoͤge ih. 


rer eigenthuͤmlichen Form nie dle Form der oblectiven Zeit 


werden, und ſolglich kann jene nicht den Dingen als obiec 
tive Beſtimmung anhängen. Hlegegen wird keln Philoſoph 
ſich aut Ihnen in einen Streit einlaſſen, und wenn Sie 
nichts weiter jagen wollten: fo konnten Sie auf einen all 


ge | 


geme 
gedaı 


Vero 
wor 
unire 
dleſer 
Zelt 

auffe: 


als e. 
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Fall 
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nicht 


W eee ee dN TER eee 


TE 169 


gemeinen Beyfall rechnen, weil alle Weltwelſe ſtets eben fo 
gedacht haben. 


Allein es giebt auch eine ununterbrochne Folge von 
Veraͤnderungen in den Dingen ſelbſt. Dieß iſt die Zelt, 
worüber zwiſchen uns der Streit lſt. Dieſe iſt ein Oblect 
unfrer Vorſtellung von der Zelt. Die Unmöglichkeit von 
dieſer muͤſſen Ste beweiſen, wenn Sie bezaupten, doß dle 
Zeit nicht als eine obiectlve Beſtimmung den Dingen ſelbſt 
auſſer unſter Vorſtellung zukomme. Ste führen den Bes 
weis für Ihren Satz auf folgende Art: die Zeit kann nicht 
als eine den Dingen feibft anhaͤngende Beſtimmung oder 
Ordnung vor den Gegenſtaͤnden als ihre Bedingung her— 
gehn, und a priori durch ſynthetiſche Saͤtze erkannt und 
angeſchauet werden. Sie kann alfo auch keine obiectlve 
Beſtimmung von ihnen ſeyn. Was den erſten Theil Ih— 
res Beweiſes anbetriſt: fo gebe ich ihm als einem Satz 
meinen Beyſall, aber ols Beweis ſcheinet er gar nicht ges 
braucht werden zu koͤnnen. Eine ununterbrochne Reyhe 
von wirklichen Veraͤnderungen ſetzet Dinge voraus, in wel. 
chen fie angetroffen werden kann. Wenn derglelchen Din— 
ge nicht ſind, worinn dieſe Reyhe ſich findet: ſo ſind guch 
ihre Beſtimmungen nicht; fo kann auch dle Zeit nicht eis 
ne Beſtimmung von ihnen ſeyn. Alsdanr würde unſter » 
Vorſtellung von Zeit kein Odiect entſprechen, und fie mis 
re nichts als bloſſe Anſchauung von eirer Zeit, welche 
nur in unſrer Vorſtellung ihr Daſeyn haͤtte. Wenn aber 
die Dinge find, wenn bey ihnen eine folche Reyhe von 
Veränderungen ſtatt hat: fo iſt die Zelt eine oblective Be. 
ſtimmung von ihnen, welche frpn würde, wenn wir auch 
gar keine Anſchauung von Zelt hätten. Dieß ſcheint der 
Fall bey allen Vernunſtloſen Thleten zu ſeyn, und hatten 
wir feine Sinnlichkeit: fo wurden mir auch von unſern ins 
nern Veranderungen keine Vorſtellung haben. Wären wir 
nicht mit Verſtand, Vernunft, nicht mit einer Erinne⸗ 

15 tungt · 


170 ee 


rungsfrafe begabt: fo würde eine ſolche Reyhe von innen 


Weränderungen, ſolchlich eine obiective Zeit, bey uns flat 
haben, ohne daß wir ſählg wären, uns eine reine Anſchau, 


ung von Zeit zu verſchaffen. Nun konnen wir dieſe ha. 
ben, und mir wiſſen es aus elner innern Erfahrung, daß 


die Zelt von uns ſelbſt eine obiective eſtimmung fen. 
Sie ſetzen noch hinzu, die Zelt koͤnnte, wenn fie als 


priori durch ſynthetiſche Satze erkannt und ange ſchauet wer. 
den. Hler ſehe ich keinen Zuſammenhang zwiſchen Ihter 
Vorausſetzung und der Folgerung, dle Sie daraus ziehen, 
Was heißt dieß: dle Zeit koͤnnte nicht a priori angeſchautt 
werden? Vtellelcht dieß: wir koͤnnten fie uns nicht in el. 
nem ollgemeinen Begriff denken? Warum denn das nicht!? 
Grade well fie eine obiective Beſtimmung von uns und an. 


dern Dingen iſt: fo bilder unſer Verſland durch Hülfe finn | 
licher Vorſtellungen von den innnern und aͤuſſern Veraͤn, 


derungen den allgemeinen Begriff derſelben. Wir konnten 


fie aber nicht durch ſynthetiſche Satze a priori erkennen,“ 
1 Beſcho! 


und anfchourn. Wozu wäre denn dieß noͤthig? Die Zelt if 
überdas kein Satz, ſondern auch fubiectiv gedacht, eine all 


gemeine Vorſtellung, eine reine Anſchauung, ein Zelrbe 1 


griff; oder wollen Sie viellelcht ſagen, wir koͤnnten in dem 
geſetzten Fall die Zeit zu feinem Subiect in elnem allgemeis 
nen Satz machen, und dazu eln Praͤdicat finden. War— 
um nicht? Z. B. jede Woche beſteht aus ſieben Tagen; die 
Zeiten verhalten ſich in einer gleichförmigen Bewegung, 
und bey glelcher Geſchwinbigkelt zu einander, wie die Raͤu— 
me, welche beſchrleben find. Dieſe Urthelle find nach hr 
rer Sprache ſynthetlſche Saͤtze, gleich viel a priori, oder 
pofteriori, deren allgemeine Gultigkeit nicht aus der Zelt 
als Anſchauung a priori, ſondern aus allgemeinen Begriffen 
bewleſen werden muß. 


N 


2 priori 
gerung 


Leine ſub 


te: ſo 


daß fie 
elne oblective Beſtimmung den Dingen anhinge, nicht 2 
tieß ert 
Sinnes 


und nac 


des Na 
lung be 


ts denn 
Beding 


dern di 
net, di 
gegange 
Reyhe, 


von der 


getroffe 
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lich ob 


finden. 
nem MW 


innern 


denken. 


ehr al: 
in tauf: 
nen B 
ſtaͤnde, 


in ihne 


che blo 


dutch d 


a TE TRETEN RER TAT A TEE ER TEE 


4 


— 


— wenn 171 


Iſt dle Zelt nichts als die ſubtective Bedingung, uns 
ter der alle Anſchauungen in uns ſtatt finden: ſo kann dieſe 
orm der reinen Anſchauung vor den Gegenſtaͤnden, mithin 
a priori von uns vorgeſtellet werden. Auch dieſe Ihre Fol 
gerung würden Sie erſt beweiſen muͤſſen. Geſetzt daß fie 
eine ſublective Bedingung unfrer innern Sinnlichkelt waͤ— 
re: fo wurde ſich dabey doch nichts anders denken laſſen, als 
daß fie dieſe Votſtellung von innern Veraͤnderungen nach 
und nach in uns hervor braͤchte, oder wie Herr Reinhold 
dieß erklaͤtet, daß die a priori beſtimmte Form des innern 
Sinnes in der an der Receptivitaͤt beſtimmten Moͤglichkeit 
des Nacheinanderſeyns des Mannigfaltigen in der Vorſtel— 
lung beſtunde. Nun entſteht die Frage: woher wiſſen wir 
is denn, daß unfre Receptivitaͤt des innern Sinnes dieſe 
Bedingung, oder dieſe Form habe? Nicht a priori, fone 
dern durch Beobachtung desjenigen, was ſich in uns ereig— 
net, durch die Erinnerung an dasjenige, was ſchon vorher— 
gegangen Iſt, durch Verbindung der Veränderungen zu einer 
Reyhe, wodurch unſer Verſtand a poſteriori den Begriff 
den der Zeit ſich macht, welche Receptlvltaͤt durch dle innre 
Beſchoffenheit unfrer Natur und alſo a priori in uns an- 
getroffen wird. Alles dieſes kann wahr ſeyn, und dem— 

vhngeachtet kann ſich eine Reyhe von Veränderungen ſolg. 
lich obiecrive Zeit bey den Dingen auſſer unfrer Vorſtellung 
finden. Das erſte ſteht mit dem letzten durchaus In kel. 
; nem Widerſpruch. Wir können uns auch diefe Form der 
8 innern Anſchauung vor den Gegenſtaͤnden mithin a priori 
denken. Hler heißt dieß nichts anders als ſich dieſe Form 


f 1 ehr als die Gegenſtaͤnde vorſtellen. Auch dazu ſind wir 


* — 


in tauſend Fällen fähig, Wie koͤnnen uns den aflgemels 
i nen Begriff der Zelt denken, ohne auf beſtimmte Gegen⸗ 


ſtände, und auf die beflimmte Folge der Veränderungen 


in ihnen Ruͤckſicht zu nehmen. Dieſe Zeit iſt als eine ſol. 
che blos Zeitbegriff, nicht die Zeit obiecrive ſelbſt. Allein 
durch diefe meine Vorſtellung, welche ich überhaupt von Zelt, 
als 


171 eee eee, 


ktrochne 9 
die Zeit e 
fepn kaun 
Rente ve 
2 gea nod, 
woͤgen ſie 

b) Die Zeit ſoll nichts anders als die Form des k. in feinen 
nern Sinnes, d. l. des Anſchauens unſter ſelbſt, und un.! 


als elnem Begriff habe, bleibt die Zeit auffer meinen Bar, 
ſtellungen, was fie iſt, nämlich oblective Beſtimmung, wel 
che den Dingen ſeibſt anhänger. In meiner Anfchauun 
iſt fie nichts als Vorſtellung, nicht Beſtimmung der Ge. 
genftände auſſer Ihr. | 


ſers innern Zuftandes ſeyn. Hier verwirten Sie offenber Sie 
den innern Sinn ſelbſt mit dem Anſchauen unſets innern Ju daß die, 
ſtandes. Innter Sinn iſt kein Anſchauen, ſondern dle kenne. 
unſte Fahigkeit, Anſchauung zu erhalter. Uebrigens ent, doch für 
ſteht die Frage: Wie iſt die Zeit dieſe Form? Sie kanns muͤſſen, 
doch nur ſeyn entweder als Zeitvorſtellung, oder als Obien et Ihres 
derſelben, und In beyden Fällen iſt es undenkbar, daß fir Aleln au 
die Form des innern Sinnes ſeyn ſollte. Die Form den daß Sie 
innern Sinnes kann richts anders als die Beſchaffenheit dn ellte fie | 
Receptivität bedeuten, welche der innre Sinn hat, und die.] ben fönnı 
fe iſt an ſich nicht Wirkung, ſondern bloſſes Vermögen, al, fände fel 
fo nicht Zeitbegriff, nicht Anſchauung ſelbſt. Der innre Sinn at, in m 
kann auch nur Vorſtellungen von einer Innern Veraͤnde. ben, folo 
rung, welche uns gegenwärtig iſt, nicht aber von einer Rid. eigenthür 
be der Veränderungen, dle aut einander nach und nach u. können. 
folgen, in uns erregen. Eine Vorſtellung von dieſer iſt] dacht: fi 
das Werk unſers Verſtandes duch Hülfe unfrer Erlnne. ſchelnuns 
rungskraſt. Freylich folgen die finnlichen Vorſtellungen dis re ununt 
innern Sinnes von den innern Veränderungen fo auf elnandet, daß dieſe 
wie dieſe ſelbſt, und dieſe Folge iſt nicht mehr ſubiectlde rigne Ei 
ſondern oblectlve Zeit, eine Menge von Succe'ſionen in uns. Blicke u 
Sie iſt von der Anſchauung der Zeit ihrer elgenthuͤmlichen rungen! 
Form nach weſentlich unterſchieden. Unmittelbare Vorſtellun. de der ke. 
gen des innern Sinns find nle an ſich Anſchauungen det Bunter de. 
Zeit, ſondern Anſchauungen von der Wirkſamkeit unſtet J Gemüth, 
. Hählgkeiten, unſter angebohrnen Grundregeln des Denkens jerm de 
und Wollens, und in allen dieſen iſt dle Zeit als eine ununter en dle 


brech. 


U brechne Reyhe von Veränderungen ausgeſchloſſen. Da nun 


I die Zeit als Zeitbegtiff nicht die Form des innern Sinnes 
dien kann: fo wird fie als Obiect der Zeitvorſtellung, als 
Niobe von wirklich erfolgenden Veranderungen in den Din. 


gta noch weit wentger dafur gehalten werden können. Sie 
bvaoͤgen fie) alſo die Zeit denken, wie Sie wellen: fo iſt fie 
3 in feinem Fall die Form des innern Sinnes. 


j Sie ſetzen als einen eweis Ihrer Behauptung hinzu, 


a RER 


dh die Zeit keine Beſtimmung aͤuſſerer Erſchelnungen ſeyn 
biene. Wäre dieß auch nicht moglich: fo wurden wir fie 
tech für eine Beſtimmung unfers innern Zuſtandes halten 
müſſen, wie ich ſchon gezeiget habe, und dann wurde dies 
et Ihe Satz als ein Beweis alle feine Stärke verliehten. 


nA 


Allein auch als Sog hat er keine Güitigfeit, es ſey denn, 
ef Sie ſich die Zeit bien als Zeitbegriff denken. Warum 
ute fie ſonſt keine Beſtimmuns aͤuſſeret Erſcheinungen wer⸗ 
en konnen? Diele bedeuten entweder die äufferen Gegen— 
a Rande ſelbſt, oder wie Herr Pref. Reinhold ſie erklaͤrt, ſol— 
5 4 et, In wie ferne fie unter dem a priori im Gemuͤthe beſtimm⸗ 
en, ſolglich dem Gemuͤthe, und nicht den Dingen an ſich 
0 j eigenthünslihen Formen der Anſchauung vorgeſtellet werden 


kennen. Wird eine aͤuſſere Erſcheinung auf die erſte Art ge. 


the: fo iſt die Zeit eine obiective Beſtünmmung diefer Er⸗ 


— 


gelnung, oder dleſes Gegenſtondes, wenn ſich in ihm eis 


i re ununterbrochne Reyhe von Veränderungen befindet; und 


U do dieſe in den Dingen ſelbſt ſeyn kann, lehret uns unfre 


—— 


diane Erfahrung, wenn wir auf unſern innern Zuſtand dle 
Blicke unfrer Vernunft hinwerſen. Sollen aͤuſſere Erſchel. 


1 kungen nach der Reinholdiſchen Erklarung Gegenſtän. 
de der empiriſchen Anſchauung ſeyn, in wie ferne ſie nur 


unter dem a priori im Gemuͤthe baſtimmten, folglich dem 
Hemuͤthe, und nicht den Dingen an ſich eigenthümlichen 
Jerm der Anſchauung vorgeſtellet werden koͤnnen: fo müf 


eu dle Gegenſtaͤnde von der Art ſeyn, daß fie durch die en 


174 FFF g 
Gemuͤthe elgenthuͤmliche Form der Anſchauung vorgeſtelle 
werden konnen, oder das Gemuͤth muß dle Receptivität ha, 
ben, von ihnen affielrt zu werden. Die Anſchauungen der. 
ſelben haben nicht elne den Gegenſtaͤnden elgenthuͤmliche 
Form, well fie ſonſt die Anſchauungen ſelbſt ſeyn mußten, 
ſendern die Vorſtellungen von ihnen koͤnnen nicht anders 
beſchaffen ſeyn, als fie nach der Form unſter Receptlvitat 
möglich find. Wir haben aber eine Receptivitaͤt der Sinn. 
lichkeic, welcher die Veraͤnderungen eines Gegenſtandes den 
Stoff zu Votſtellungen von ihnen darreichen koͤnnen. Die 
Vorſtellungen erfolgen in uns eben fo auf einander, wie die 
aͤuſſern Veraͤnderungen dazu den Stoff darbieten, und un 
fer Verſtand kann ſich dle Folgen in den Vorſtellungen folg 
lich auch in den Veranderungen aͤuſſerer Gegenſtaͤnde, und 
alſo die Zeit als eine obiective Beſtimmung derſelben den. 
ken. Verſtehe ich alſo auch durch aͤuſſere Erſcheinungen die 
Votſtellungen von ihnen nach der Receptioitat oder Form 
unſter Sinnllchkelt: fo wird dle Zeit als oblect'de Beſtim. 
mung nicht von ihnen ausgeſchloſſen. 


Die Zelt iſt allerdings kelne Gent, feine Lage; kelnt 
Geſtalt, weil nur geräumige Dinge diefe haben konnen, kel 
ne Lage, weil dieſe durch die Verhaͤltniſſe beſtimmt wirt, 
welche die Dinge in Anſehung der Derter gegen einander 
heben. Die Zeit beſtlmmt aber nicht blos das Verhaͤltniß 
der Vorſtellungen in unſerm innern Zuſtand, ſondern auch 
den Zuſtand der Gegenſtande ſelbſt in Betracht der Der 
änderungen, welche bey ihnen auf einander erfolgen. In 
unfrer seinen Anſchauung der Zelt, welche Sie eine inner 
liche nennen, liegt keine Vorſtellung von Geſtalt. Grade 
deswegen ſollen wir nach Ihrer Meynung, um dieſen Man, 
gel der Analogie zu erſetzen, dle Zeitfolge durch elne ins 
unendliche ſortgehende Linie uns vorſtellen, in welcher det 
Mannlafaltige eine Reyhe ausmacht, welche nur von eine 
Dlmcuſica If, und aus den Eigenschaften dieſer Linie solle 

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175 


vlt auf alle Elgenſchaften der Zeit, auſſer der einigen ſchlleſ⸗ 
een, daß die Theile der erſten zugleich, die der letzten aber 
jederzeit nach der andern find. Das erſte thun nun wohl 
dle wenlaſten Menſchen, und wenn wir uns die Zeit auch 


io vorſtellen: fo geſchleht dieß blos, um unſerm Begriff von 
der Zelt durch Huͤlſe der Im gination eine groͤſſce Klarheit zu 
geben. Auch ſelbſt in dleſer Erdichtung wird die Zeit nicht 
als Form der Anſchauung, nicht als Anſchauung ſelbſt, fone 
dern als eine obiective Linie vorgeſtellt, deren einfache Thelle 
die einzelnen Neraͤnderungen find. Als eine wahre unend— 
ſche Ante kann ich mir doch die Zeit nicht denken, keln 
Menſchenverſtand fähig it, ſich von einer ſolchen Unie ei— 
ne Anſchauung in machen. Uneedlichkelt elner Anke heiße 
in der Geomettie nichts anders, als dieſes: an beyde Ens 
den kann ſtets noch was bhinzugedocht werden, man mag 
fie fo groß annehmen, wie man will. Wir denken uns ale 
ſo hier eine unbeſtimmte Anie in Anſehung des Anfanges 


und des Endes. Eine ſolche iſt blos ein Begriff, deſſen 


Oblect aber ers auſſer ihm gedacht wird. Jede wirkliche 
nie iſt beſtimmt, hat alfo Anfang und Ende. Und wenn 
es auch eine unendliche Linie von der Art geben koͤnnte: fo 
wurde fie eben ſo wenig mehr eine bloſſe Anſchauung ſeyn, 
als die Zeit es ſeyn koͤnnte, wenn fie dleſe Beſtimmung 
bätte. Sie wäre dann eine Reyhe von wirklich auf einan— 
der folgenden Veranderungen, welche vorwaͤrts in Anſehung 
den verfloßnen Zeit keinen Anfang, aber mit der gegen— 
waͤrtigen Veränderung immer ihr Ende hätte, obgleich neue 
Veränderungen der Zukunft fie verlängern koͤnnten. Selbſt 


1 diefes Bild von Zeit zerſtoͤret die Vorſtellung von ihr, wie 


is aus Ihren elgnen Bemerkungen jedem einleuchten muß. 
In der Linie find die Thelle zugleich, in dieſer iſt jederzelt nur 
un Theil da, und das Mannigfaltige foiget nach einander. 
In beyden erblicken wir Groͤſſen von ganz verſchledener Art. 
Die Anſchonung der Linie hebt die Anſchauung der Zeit auf, 
fo wie Raum nicht Zelt, und Zelt nicht Raum fepn ine 

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— 


176 | eee acer 


Ich geſtehe es übrigens gerne, daß die Vorſteflung der 


Zeit eine Anſchauung ſey, aber nicht deswegen well alle ö 


ihre Verhaͤltniſſe an elner aͤuſſern Anſchauung der finde ſich 
eusdrücen laſſen. Denn dieß iſt nicht der Fall, well dle 
Anſchauung der Linle dle Anſchauung der Zelt aufhebt. Al 
fein dieß leugne ich, daß Sie bewleſen haben, dle Zelt fen 


in jeder Bedeutung nichts anders als die Form des Innern f 


Sinnes. 


c) Mlt welchem Grunde nennen Ele itzt dle Zelt es 
ne ſormale Bedingung a priori aller Erſchelnungen über 
haupt? Hler laſſen Sle uns die Zeit eben ſo als elnen neuen 
Proteus, wle vorher den Raum, auftreten. Vald erſchei. 
net fie uns als eine nothwendige Vorſtellung, welche allen 
Eeſcheinungen zum Grunde lleget, bald als reine Form der 


ſinnlichen Anſchauung, bald als Form des innern Sinnes, 5 


und nun als formale Bedingung a priori aller Erſcheinun⸗ 
gen. Was Sie alles aus der Zeit zu machen wiſſen! Und 
im Grunde It fie nichts von allen dieſen. Ste iſt weder 
als Zeitbegriff, noch als oblective Zelt eine formale Bedin⸗ 
gung a priori von allen Erſchelnungen. Denn was bedeu. 
tet in Ihrem Enftein dieſe formale Bedingung? So 
viel ich elnſehe: fo kann dieſe ſormale Bedingung nichts 
anders als die weſentliche Beſtimmung unſter Sinnlich— 
keit anzelgen, vermoͤge welcher wer nicht anders als in ei. 
ner Reyhe von Veränderungen uns die Gegenſtaͤnde, wel. 
che uns erſchtinen, denken und empitiſche Anſchauungen 
von ihnen haben koͤnnen. Dieſe Beſtimmung unſrer Sinr⸗ 
lichkeit iſt aber weder Zeit als Zeitbegrlff, als reine An. 
ſchuuung der Zelt, noch ſelbſt die ununterbrochre Rehe 
von Innern oder aͤuſſern Veränderungen, als obiectide Zeit, 
ob gleich dieſe bey allen unſern Erſchelnungen als Vorſtel. 
lungen, welche auf einander felgen, votrausgeſetzt wird. Al⸗ 
lein dieß gilt nur in Anſehung ſolcher Geiſter wie wie ſind, 
oder ſolcher, welche wegen ihrer weſentlichen Elnſchraͤnkun⸗ 

gen 


gen 


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gen nice alles mit elnmal anſchauen innen, ſondern 
nach und nach Vorſtellungen erhalten, ſo wie innre und 
äuffere Gegenſtande in einer Zeltfolge den Stoff zu Vor 
ſtellungen von ihnen der Sinnlichkeit darbieten. 


Der Raum iſt nicht blos Ferm aller aͤuſſeren Anfchaue 
ungen, nicht Bedingung a priori blos auf äuffere Erſchei. 
nungen eingeſchraͤnkt. Oh Sie gleich hier das Gegentheil wire 
der behaupten: fo darf ich hier nicht aufs neue dieſen 
Sotz widerlegen, well Sie ihn durch keine neue Grunde 
beſtaͤttigen. Alle Vorſtellungen, fie magen aͤuſſere Dinge 
zum Gegenſtand haben, oder nicht, gehören an ſich ſelbſt 
als Beſtimmungen unfers Gemuͤthes zu unferm Innern Zu 
ſtand, und dieſen rechnen Sie zur formalen Bedingung uns 
ſter innern Anſchauung. Allein die gehoͤret er denn dazu? 
Doch nicht anders als ſo, daß wir keine innerliche Anſchau— 
ung haben koͤnnten, wenn dieſer Zuſtand nicht durch une 
re innre Veraͤnderung, woraus er beſteht, unſter innern 
Sinnlichkelt den Stoff zu Anſchavungen darteichte. Wenn 
dieſer unſer innrer Zuſtand eine Reyhe von Veraͤnderun⸗ 
gen In unſerm Gemuͤthe in ſich faßt: fo findet ſich in ihm 
Zeit, nicht als Anſchauung, ſondern als obtective Beſtim— 
mung von uns, als Gegenſtand der Anſchauung von Zeit, 
und dieſe ſelbſt, wenn ſie in unſerm Gemüthe da iſt, kann 


nkht als ein Geſchoͤpf unſers Innern Sinnes ſondern muß 


als ein Werk unſers Verftandes angeſehen werden. 


Ich verſtehe es nicht, wle Sie a priori ſagen koͤn⸗ 
nen, alle aͤuſſere Anſchauungen ſind im Raum, und nach 
dem Verhältniß des Raumes a priori beſtimmt. Die 
it ein Ausdruck, deſſen Sie ſich noch nie bediener haben, 
und den ich gar nicht zu erflären weite Aile äuffere Er⸗ 
ſchelnungen ſollen in einem Raum ſeyn? Wie? Stwa 
als Dinge an ſich, die uns erſcheinen? So waͤre der Raum 
eine oblective Beſtimmung der R und wenn Sie wol« 

len 


178 
len auch a priori, d. h. eh“ wir fie uns denken. Sollen 


fie etwa als Vorſtellungen von den Gegenſtanden in einem 
Raum ſeyn? Dieß iſt undenkbar, weil eine geraͤumige 


Morftelung, welche ſelbſt Raum In ſich ſchlieſſet, in un. 
ſerm Gemuͤthe nicht ohne Widerſpruch gedacht werden kann. 


In dieſen Vorſtellungen, wozu die äuffern Gegenflänte | 
unfeer Sinnlichkelt den Stoff darreichten, findet ſich eine 
empieiſche Anſchauung des Raums. Dieß iſt ausgemacht 
wahr. Soll fie reine Anſchauung von ihm oder ein allge. 


meiner Begriff werden: fo hört das Gebiet der Sinnlich— 


keit auf. Unſer Verſtand allein kann uns zu diefer An.! 


ſchauung verhelſen. 


Eie wollen aus dem Princlp des Innern Sinnes allge. 
mein agen konnen: alle Erſcheinungen überhaupt, d i. 
olle Gegenſtaͤnde der Sinne find in der Zelt, und ſtehen 
rorbwerdiger Welſe in Verhältniffen der Zeit. Dieß kann! 
aber nicht aus dem Princip des innern Sinnes folgen, 5 
weil er als bloſſer Sinn uns kelne Vorſtellung von Zeit 


verſchaffen kann. Daraus folget es, weil die Gegenſtaͤnde 


durch ihre Veränderungen fo, wle fie folgen, den Steff zu | 
einer Rephe von empirifchen Anſchauungen unſerm Gemu- # 


the darreichen, wir durch Huͤlſe der Remlniſcenz und des 
Merſlandes bey uns eine Auſchauung von Liefer Reyhe er- 
regen, und ſolglich dle Zeit denken, welche als Nerbe 


von elnander folgenden Veraͤnderungen, und alſo als! 


obiective Zelt ſich bey den Gegenſtaͤnden finden wuͤrde, 


wenn wir auch gar keine Anſchauung von Ihr haͤtten, oder! 
baben koͤnnten. Diefe kann alſo auf keine Art blos formale 


Bedingung a priori von allen Erſcheinungen ſeyn, dle wit 


haben. Sie ſind vielmehr als Gegenſtaͤnde der Sinne fo in ; 
der Zelt, ſtehen fo in Verhaͤltniſſen der Zeit, daß dle Zeit! 


ſelbſt elne oblective Beſtimmung von ihnen iſt, welche 


ſeyn wurde, wenn auch kelner fie anſchaute, keiner fie ſich! 


daͤchte. a 
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nicht 

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Diefes, was ich aus hinreichenden Grunden behauptet 
zu haben glaube, ſtehet in einem offenbaren Widerſpruch 
mit demjenigen, was Sie hinzuſetzen. Wenn wir von un— 
ſrer Art uns ſelbſt innerlich anzuſchauen, und vermittelſt 
dieſer Anſchauung auch alle aͤuſſere Anſchauungen in der 
Vorſtellungskraft zu befaſſen, abſtrahiren, und mithin die 
Gegenſtaͤnde nehmen, ſo wie ſie an ſich ſelbſt ſeyn moͤgen: 
fo iſt die Zelt — Nichts. Allein in dieſem bedingten Urthei. 
le ſteht der Nachſatz mit dem Vorderſatze in keiner Caufale 
verbindung, wenn Sle nicht etwa unter Zeit, blos Zeitbegriff, 
blos Anſchauung der Zeit denken. Dieſe Zeit kann auſſer dem 
denkenden Subleet nicht ſeyn, weil fie blos innre Beſtimmung 
von ihm, nicht aber oblective Beſtimmung von den Gegen— 
ſtänden ſelbſt iſt, bey welchen eine ununterbrochne Reyhe von 
Veraͤnderungen, oder eine obiective Zelt ſich findet, eben 
fo wenig als dieſe Reyhe In den Dingen ein Zeicbegrlff, eine 
Anſchauung von Zeit ſeyn kann. Wir konnten auch wohl 
behaupten, daß die obiective Zeit nicht vorſtellbar fen, wie 
Herr Reinhold die Dinge an ſich für unvorſtellbar erkla. 
tet. Dieß wuͤrde aber nichts mehr heiſſen, als daß die 
Dinge an ſich nie Vorſtellungen werden koͤnnen, oder daß 
ihre eigenthuͤmliche Form ſich weſentlich von der Form jeder 
Vorſtellung unterſcheide. Hieran hat, fo viel ich weis, noch 
kein Philoſoph gezweiſelt. 


Die Zeit ſoll nur oblective Gültigkeit in Anſehung der 
Erſchelnungen haben, weil dieſe ſchon Dinge ſind, welche 
wir als Gegenſtaͤnde unſter Sinne annehmen, aber ſie ſoll 
nicht mehr obiectiv ſeyn, wenn man von der Sinnlichkeit un. 
ſter Anfdauung, mithin derjenigen Vorſtellungsart, welche 
uns eigenthuͤmlich iſt, abſtrahlret, und don den Dingen 
überhaupt redet. Ich will dieſen Ihren Saß zergliedern, 
um die Unguͤltigkelt deſſelben vor Augen zu legen. Er faßt 
folgende Säge in ſich: 1) dle Zeit hat eine obiective Guͤl— 
tigfeit in Anſehung der Erſcheinungen; 1) Erſcheinungen 

Mi find 


ı80 


find Dinge, welche wir als Gegenſtaͤnde unfrer Sinne an; 
nehmen, 3) dle Zeit hat keine oblectide Gultigkeit, wenn 
wir von der Sinnlichkeit unſeer Anſchauung abſtrahlren, und 
von den Dingen überhaupt reben. Nun will ich dieſe Saͤt— 
ze und ihren Zuſammenhang prüfen. Die Zeit hat elne 
oblective Gultigkeit in Anſehung der Erſcheinungen, als fol. 
cher Dinge, welche wir als Gegenſtaͤnde unſcer Sinnen ars 
nehmen. Hier iſt von Dingen die Rede, welche ſelbſt Ges 
genitände unfter Sianen, ſolglich nlcht ſelbſt unſce Sinnen, 
nicht ſinuliche Vorſtellungen, ſondern Obiecte derſelben find. 
Hat die Zeit in Anſehung derſelben eine oblective Gülilg— 
kett: jo iſt ſie eine eigenthümliche Bestimmung der Dinge 
ſelbſt, wit mögen von Ihr eine Anſchauung haben oder nicht. 
Sie würde ihte obiective Gultigkeit behalten, wenn wir auch 
von aller Sinnlichkeit unfrer Anſchauungen mithin von Ders 
jenigen Vorſtellungsort abtirafirten, welche uns elgenthüm— 
lich iſt. Dieß find Folgerungen, welche mit hinreichendem 
Geunde aus den beyden erfien Gliedern Ihres zuſammenge— 
ſetzten Satzes gezogen werden koͤnnen. Sie ſind aber gra. 
de dem letzten Gliede deſſelben entgegengeſetzt, es waͤre denn, 
daß Sie die Bedeutung der Zeit änderten, und hier dat, 
unter blos den Zeitbegriff, die reine Anſchauung derſelben 
dachten. In dleſem Falle koͤnnten wir ber Zeit in Anſehung der 
Erſcheinungen als Dinge, welche Gegenſtände unjrer Eins 
ne ſind, eine obiectise Gultigkeit abſprecken, weil in ihnen 
die Zeit als Zeitbegriff Nichts iſt. Allein dadurch wird 
nicht geleugnet, daß die Zeit als ſubiective Beſtimmung voa 
ihnen etwas fen, und daß fie alſo in diefer Bedeutung auch 
auffer unfern Vortieliungen eine obleetive Gültigkeit bey den 


Dingen ſeldſt habe. 


Sie konnen alſo bie Zeit nicht lediglich für eine ſub⸗ 
leetive Bedingung unſter Anſchauung halten. Dleß iſt fie 
weder als Zeubenriff, noch als obiective Zeit. Ich leug— 
ae nicht, daß es in Betracht unfrer Anſchauungen, fie mis 

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„„ 1871 


zen von elner Art ſeyn, von welcher fie wollen, mit 
Recht als eine ſubiectise Bedingung angeſehen werden 
kann, daß ſie bey uns nicht anders als nach und nach, und 
alſo in einer Zeitſolge ſtatt haben konnen. Ich ſehe aher 
hievon keinen Grund, daß jede Anſchauung, welche wir has 
ben, eine ſinnliche ſeyn muß. Wir hoben auch Anſchau— 
ungen von Tugend, Werspeit, und andern allgemeinen Dis 
iecten, und dieſe find doch eigentlich keine Anſchauungen 
unſter Sinnlichkeit, ſondern unſers Verſtandes, und un- 
frer Vernunft. 


Es wird von Ihnen noch einmal g⸗ſagt, daß in Ans 
ſehung aller Erſcheinung mithin auch aller Dinge, welche 
uns in der Erſohrung verkemmen, die Zeit nothwendi— 
ger Weiſe obtectio fen. Iſt ſie nun dieſes; fo iſt ſte auch 
tine obiective Beſtimmung von den Dingen ſelbſt. Ob ſie 
es aber ben allen Dingen fern muß: dieß (ft eine Aufgabe 
der Vernunft. Die Frage waͤre dieſe: ſindet ſich bey jed m 
Gegenſtande, welcher unterm äuſſern Stun den Stoff zur 
Vorſtellung von ſich darreichen kann, eine ununterbrochne 
ende von Veränderungen? Ulm biste zu beantworten din 
fen wir uns nicht auf Form unſrer Sinalichteit beruſen. 
Denn von dieſer kann die Zeit als ebiective Beſtimmung 


der Dinge ſelbſt nicht abhängen, ſendern wir muͤſſen uns 


ondre Quellen zu eröffnen ſuchen, werass wir Gruͤnde zur 
Entſcheldung dieſer Frage ſchoͤpfen. Eben deswegen behaup— 
de ich auch, daß wir nicht ſagen können: alle Dinge find 
in der Zeit. Sie wollen es nicht betaupten kennen, weil 
bey dem Begriß der Dinge überhaupt von ober Art der 

Anſchauung derſelben adſtrahirt wird. Hier febe ich keinen 
Grund, warum deswegen die Dinge nicht in der Zeit fenn 
nnten. Denn wir mögen von der Art unfrer Anſchauung 
abſtrahlren oder nicht: fo kann dieſt keinen Einfluß auf die 
Zeit als Reyhe von Veränderungen in den Dingen oder 


als obiective Beſtimmung der Dinge haben, worinn fie 
M 3 ange. 


183 ERITREA 


angetroffen wird. Nicht die Art der Anſchauung iſt dle eis 
gentliche Bedingung, unter welcher die Zeit in die Vorſtel. 
lung der Gegenſtande gehoͤret, ſondern die Reyhe der Ver. 
änderungen in den Gegenſtaͤnden iſt es, welche den Stoff 
zu Vorſtellungen von ihnen nach und nach unfern Ein 
nen Darbieren, Hier finden wir die wahre Bedingung, un 
ter welcher die Zeit in die Vorſtellung dieſer Gegenſtaͤnde 


gehoͤrt. 


Alle Dinge als Erſchelnungen (Gegenſtaͤnde ber äuf. 
ſerlichen Anſchauung) ſollen nach Ihrer Behauptung in der 
Zeit ſeyn. Wie denken Ste ſich aber dieſe Dinge? Eu 
wa als Dinge auſſer unſren Vorſtellungen, als Dirge 
an ſich? So hätte ich dagegen nichts, wenn Sie von ſol. 
chen Dingen reden, wobey ſich eine Reyhe von Veraͤnde⸗ 
rungen als obiective Zeit findet. Denken Sie ſich dieſe 
aber nicht als Dinge für ſich, ſondern als bloſſe Erfcei. 
nungen, als Vorſtellungen von ihnen: fo geht die oblee— 
tive Gultigkeit, welche Sie annehmen, nicht mehr auf die 
Dinge ſelbſt, fondern blos auf unfre Vorſtellungen. Als: 
dann waͤre die Zeit blos In der Anſchauung, und ihre ob. 
dectlve Guͤltigkeit würde nichts weiter als eigentlich eine 
fubtective ſeyn. Site nennen dieß einen Grundſatz, der feis 
ne gute obiective Richtigkelt und Allgemelnhelt a priori 
hat, und ich vermiſſe beyde bey ihm, die gute Richtig. 
keit, well die Zett als oblective Beſtimmung der Dinge 
an ſich durchaus darinn geleugnet wird, die Allgemein— 
belt, weil er nur unter der Einſchraͤnkung wahr iſt, wenn 
in ihm dle Zele bloe Zeltbegriff oder Anſchauung der Zeit 
bedeutet. 


Sie lehren zwar eine emplriſche Realltaͤt der Zeit, In 
Anſehung der Gegenſtaͤude, die jemals unſern Sinnen ge 
geben werden koͤnnen, leu znen aber die abſolute Realltät 
derſelben, daß die Zelt nämlich ohne Ruͤckſcht 15 die 

orm 


Form 
ding n 
ich gl 
leste 
nig k. 
Sie 

gen | 
werde 


dieſe 


und ı 
Sinn 
geſunt 
dieß 
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gen ſe 
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Natu 
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woran 
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tes G 
ungen 


vorſtel 


rung 
gung, 


und a 


auſſer 
ung n 
weder 
ſchauu 


aber r 


Form unfrer ſinnlichen Anſchauung den Dingen als Bes 
dingung, oder oblective Beſtimmung ſelbſt anhänge, und 
ich glaube es hinreichend bewieſen zu haben, daß dieſe Ihre 
lezte Behauptung der Wahrheit widerſpricht. Eben fo mes 
nig kann ich Ihnen ohne Einſchraͤnkung beypflichten, wenn 
Sie annehmen, daß ſolche Eigenſchaften, welche den Din— 
gen ſelbſt zukommen, uns durch dle Sinne nicht gegeben 
werden können. Wollten Sie nur dieß damit ſagen, dei 
dieſe Eigenſchaften als obiective Beſtimmungen der Dinge 
Runs nicht in eigentlicher Bedeutung des Wortes durch die 
Sinne gegeben werden koͤnnen: ſo wuͤrde kein Mann von 
gerundem Verſtande Ihnen hlerinn widerſprechen. Allein 
dieß kann Ihre Meynung hier nicht ſeyn. Ste wollen 
es uns lehren, daß uns die Eigenſchaften, welche den Dins 


gen ſelbſt zukommen, nicht durch die Sinne konnen bekannt 


werden. Hiegegen zeuget aber die Erfahrung. Wann 
Sie in einem Naturaliencabinet die ſchoͤnſten Werke der 
Natur, dle Mannigfaltigkeie der Arten und der einzelnen 
Producte gewahr werden, ſich die Charaktere vorſtellen, 
woran Sie dieſe erkennen, und von andern unterſchelden: 


„ ſind denn dieſe nicht Eigenſchaſten der Dinge ſelbſt? und 


wodurch erkennet Ihr Verſtand fie anders als durch Huͤlſe 
des Geſichtsſinnes? In allen dleſen empiriſchen Anſchau— 

ungen ſelbſt von den Gegenftänden liegt Nichts von Zeit— 
vorſtellung. Die Dinge werden Ihnen durch dle Erfah— 
rung bekannt, und gehören als folche nicht unter die Zeitbedin⸗ 
gung, obgleich unfre Vorſtellungen von ihnen nach und nach 
und alſo in einer oblecttven Zeit bey uns erfolgen. 


Ihre transſcendentale Idealitat der Zeit kann frenlich 
auſſer der ſubiectiven Bedingung der finnlichen Anſchau— 
ung nichts ſeyn. Sie kann den Gegenſtänden an ſich ſelbſt 
weder Inhäriren, noch fuhfiftiren, weil fie] blos Ihrer Ans 
ſchauung anhaͤngt. Diefe Ihre Idealitat der Zeit kann 
aber nicht die Urſache davon werden, daß die Zeit keine 

M = oblec⸗ 


184 


obieerive Realltaͤt In den Dingen ſelbſt hat, worlnn fig 
eir- Neyhe von Veranderungen findet, wir mögen übri. 
gens uns dieſe vorſtellen, oder nicht. Wenn Sie uns nur 
dieſes zugeben, was doch durchaus nicht mit Grund geleugs 
net werden kann: fo mogen Ele mit Ihrer transſcenden. 
tolen Idealltat der Zeit machen, was Sle wollen. Tu 
gegen hat nichts Ihr egebeufler c. 


15. Brief. 
Mein Herr, 
Ich wundre mich nicht daruber, daß Sle von elnſehenden 


Männern fo einſtimmig eiren Einwurf gegen Ihre Theo» 
rie vernommen haben, in welcher Sie der Zeit emplriſche 


Reolltat zudeſtehen, aber ihre abſolute beſtreiten. Dleß 


geht ſteylich ſehr natürlich zu. Sie würden Ihnen keinen 
Einwurf gemocht haben, wenn Sie blos von der Zelt, oder 
von ihr als Form der innern Anſchauung, oder von Ihr 
als We ſtellung tedeten. Dieſe iſt blos fublective Beſtim— 
mung eines denkenden Weſens, und kann auſſer dleſen 
keine abſolute Realltaͤt haben. Sie wollen aber auſſer di 
fer keine andre Zeit als elne ununterbrochne Folge von 
Veränderungen der Dluge an ſich, oder als obieetive Zeit 
zulaffen. Deren Realität beftreiien Ele, und dagegen ma: 
chen dle Einſichtsvollen Philoſophen Einwendungen. Dleß 
iſt aber auch dasjenige, was natürlicher Weiſe Ihrem nach— 
denkenden Leſer beſtemdend vorkoͤmmt. Den Beweis, wel— 
chen ſie Ihnen entgegenſetzen, wollen Sie ganz zugeben. 
Nun fo haben dieſe Männer gegen Sle gewonnen Spiel, 
Sie mögen übrigens fagen, was Sie wollen. Das Argu⸗ 
ment wäre dieſes: der Wechſel unſter elgnen Vorſtellun— 
gen, wenn man gleich alle aͤuſſere Erſchtinungen ſammt de— 

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zen Veraͤnderungen leugnen wollte, bewelſen daß Veraͤnde— 
rungen, ich würde ſagen, eine ununterbrochne Reyhe von 
ihnen ſich bey uns finde. Dleſe iſt obiective Zeit, ſolg— 
lich niche mehr blos Form der innern Anſchauung, ſondern 
auch auſſer dieſer da, wenn wir auch keine innre Anſchau— 
ung von ihr hätten. DIE iſt der eigentliche Beweis für 
die oblective Realität der Zeit, und ich dachte, daß es für 
Sie nicht blos Schwierigkeit haben werde, hierauf zu ant. 
worten, ſondern daß Sie auch die Staͤrke des Arguments 
nicht ſchwächen koͤnnen. Wir wollen alſo Ihre Antwort 


been. 


Sie ſagen, die Zeit iſt allerdings etwas wirkliches, 
namlich die wirkliche Form der innern Anſchauung. Die— 
fe Form kann doch nichts anders bedeuten, als das jeulge, 
wodurch fie Zettanſchauung wird. Von ditſer Zeit war 
ober in dem Beweis durchaus die Rede nicht. Sie, (die: 
fe Zeitanſchauung) hat eine jubiective Realität in Anſehung 
der innern Erfahrungen, d. h. ich habe die wirkliche Vor— 
ſtellung von der Zeit und meinen Beſtimmungen in ihr. 
Allein wodurch habe ich denn diefe? Nice dadurch weil 
meinem innern Sinn der Steff zur Vorſtellung von meinen 
innern Veranderungen, fo wie ſie wirklich erfolgten, dar— 
gereichet wurde, und mein Verſtend ſich die Reyhe denket, 
in weicher fie wirklich werden. Dieſe Reyhe meiner innern 
Veranderungen iſt alſo die obiectlye Zeit, und meine Verſſel— 
lung von ihr wird durch meinen Verſtand erregt —Dleſe 
Reyhe ſelbſt It nicht die Vorſtellungsart meiner fel"ft als 
Oblects, ſondeen von mir obiective Beſtimmung cu’er 
meiner Zeitonſchauung. Weit gefehlt alſo, daß Ihre Ant- 
wort dle obieetive Realitat der Zeit wirklich beſtritten haͤt. 
te; fie beſtaͤttiget vielmehr dieſelbe. Sie behaupten ſelbſt 
die ſubiective Realitaͤt der Zeit in Anſehung unſrer innern 
Erfahrungen, oder die wirkllche Vorſtellung von der Zelt 
und unſern Beſtimmungen in ihr. Es ſind alſo dieſe Be⸗ 

M 5 ftim- 


186 e eee eee ee 


ſtimmungen auch wirklich in der Zelt oder nicht. Sind ſie 
es nicht: fo täufche uns die Form unſter innern Anſchauung, 
durch welche wir genoͤthiget werden, unfre Beſtimmungen 
als ſolche zu denken, welche in einer Zeit find. Wo llegt 
nun der Grund dleſer fo allgemeinen Taͤuſchung in der Form 
unſter reinen Anſchauung? Dieß hätten Sie doch zeigen 
müffen Tauſcht fie uns aber nicht: fo qiebt es eine Rey. 
he von Veraͤnderungen In uns, welche nach einander er, 
folgen, mir mögen fie uns vorſtellen, oder nicht; fo iſt folg« 
lich die Zeit von uns elne obiective Beſtimmung. 


Ele ſeten den Fall, daß mir ſelbſt, oder andre We— 
fen uns ohne dieſe Bedingung der Sinnlichkeit anſchauen 
koͤnnten, und ſchlieſſen: wenn dieß der Fall waͤre; fo wuͤr— 
den eben dieſe Beſtimmungen, welche wir uns itzt als Vers 
aͤnderungen vorſtellen, eine Erkenntniß geben, in welcher 
die Vorſtellung der Zeit, mithin auch der Veränderung 
gar nicht vorfäme. Hler haben wir Baylens Wetter. 
hahn, welcher immer vom Winde getrieben wird, und 
ſich einbildet, daß er ſich nach ſreyer Entſchlleſſung bewe⸗ 
get. Schade nur, dafi ein Wetterhahn von ſolchen Des 
ſtimmungen eln ſich ſelbſt zernichtendes Geſchoͤpf der Phans 
taſte iſt. Eben fo wenig ſcheinet mir der Fall in der Natur 
denkbor zu ſeyn, daß es Weſen gebe, welche Sͤnnlichkeit 
hätten, wodurch fie ſich Erkenntniſſe verſchaften, worlnn 
aber die Vorſtellung der Zeit mithin auch der Gerände 
rung gar nicht vorkaͤme, weil ſie ohne dleſe Bedingung 
der Sinnlichkeit, als die unſtige iſt, Anſchauungen haben 
koͤnnten. Hätten fie Sinnlichkeit: fo koͤnnten fie auch nicht ohne 
Sinne ſeyn, welchen die Gegenſtaͤnde den Stoff zur Vor 
ſtellung von ſich darrelchten. Es wuͤrden folglich fo, wie 
dieſe auf die Sinne wirkten, Vorſtellungen in Ihnen erregt, 
und well dieſe Wirkungen doch nicht mit einmal, ſondern nach 
und nach erfolgten: fo würde auch eln Wechſel von Vor— 
ſte lungen in ihnen fern muͤſſen. Nun hätten fie entweder 

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r 187 


dos Vermögen, ſich dleſer Ihrer innern Weränderuns 
gen bewuſt zu werden, fie mit einander zu vergleichen, und 
in den Verhaͤltniſſen zu denken, worinn fie wären, oder nicht. 
Im letzten Fall hatten fie weder Verſtand noch Vernunft, und 
waͤten hoͤchſtens von der Art der Thiere. Es wurde alſo 
eine Reyhe von innern Veranderungen und folglich odiec— 
tive Zeit ſich bey ihnen finden; fie koͤnnten aber weder von 
ir noch von irgend einer andern Sache eigentlich eine 


Erkenntniß haben, folglich auch keine ſolche, worinn Vor— 


ſtelung der Zeit vorkaͤme. Fehlte es ihnen aber nicht am 
Verſtande und an Vernunft: fo muͤſtten fie ſich auch dies 


ſer Veränderung bewuſt werden, ſich dieſe im Allgemeinen 


vorſtellen und alſo Zeit denken koͤnnen. 


Eine andre Frage waͤre es, ob ein denkendes Weſen, 
worinn ſelbſt keine Veränderungen ſtatt hätten, eine Vor— 
ſellung oder Anſckhauung von Seit ab- konnte, melde denn 
nicht durch Empfindung und folglich nicht durch Sin— 
ne erſt erreget wuͤrde. Warum ſollte dieß nicht moglich ſeyn? 
Wenn wir ung Zeit denken: fo denken wir uns eine ununter— 
brochne Reyhe von Veranderungen, und in dieſer das Vergan— 
gene, das Gegenwaͤrtige, das Zukünftige. Alles dieſes iſt in 
der Zeitanſchauung zugleich, auſſer unſter Vorſtellung kann es 
ober in keinem Dinge zugleich ſeyn. In ihren ist eine Rey— 
be von ſortgebenden Veranderungen, wovon immer eine auf 
die andre ſolget. Die Vorſtellung der Zeit erſodert aifo nicht 
durchaus ein denkendes Weſen, welches ſelbſt veränderlich 
iſt. Denket ſich nun dieſes die Dinge, wie fie find, und iſt ih. 
re weſentliche Beſchaffenheit von der Art, daß in ihnen 
Veränderungen erſelgen muͤſſen: fo wird es ſich auch die 
Folge dieſer Veraͤnderungen und alſo auch die Zeit denken. 


Sie dichten folglich einen Fall, welcher ſich nicht fo 
verhält, und ſchlleſſen daraus, daß dle Zeit zwar ihre empi- 
tiſche Realitaͤt als Bedingung unfrer Erfahrungen, aber 

ine 


— — — — —— — LE pn 


188 


keine abſolute Realitaͤt habe, und daß ſie nicht den Dingen 
ſelbſt, ſondern blos dem Sublecte anhaͤnge, welches fie an. 
ſchauet. Dieſe Folgerungen ziehen Sie aus einer Voraus, 
ſetzung, welche keinen Grund hat Ste haden ſelbit es zu. 
gegeben, daß unfre Vorſtellungen auf einander folgen, Die 
ſe Folge iſt alfo nicht deswegen da, well wir uns dieſer bes 
wuſt find, ſondern wir werden uns derſelben bewuſt, mei! 
fie in uns ſich indet. Ste muß alfo ols Zeit elne ober 
tive Bestimmung von uns ſeyn. Die Zeit iſt aber deswe en 
keln Ding an ſich ſelbſt Dieß würde mit Demjentgen im Wi— 
derſpruch ſtehen, daß wir fie für die obiecttve Beſtimmunz 
der Dinge erklaͤret haben, welche vermöge ihres Weſen; 
den Veraͤnderungen unterwerfen find. 


Nun wollen Sie uns dle Urfache bekannt machen, mer, 
wegen dieſer Einwurf ſo elnſtimmig gemacht wird, und 
zwar von denen, welche gleichwohl gegen dle kehre von der 
Ideglitaͤt des Raums nichts einleuchtendes einzuwenden 
wiſſen. Wir wollen alſo dleſe hören. Sle ſagen, bicie 
Männer holten es nicht dle abſolute Realltät des Raumes 
bewelſen zu konnen, well ihnen der Idealismus entgegen 
ſteht, nach welchem die Wirklichkeit aufferer Gegenſtäande 
keines ſtrengen Beweiſes ſaͤhig it. Der Idealeſt, welcher 
dein Realiſten nichts weiter entzegenſetzt, hätte in ſo weit 
Recht, und ſo viel ich wers, hat noch kein Realiſt es de. 
haupter, daß er die Wirklichkeit icgend eines aͤuſſeren Bes 
genſtaudes, weicher endlich Ur, ſtrenge bewtiſen koͤngte. 
Wollte er dieſes: fo müßte er aus allgemelnen Wohrheiten 
die Nothwenbigkeit von beſſen Daſeyn deweiſen. Nothwen— 
digkelt des Daſeyns iſt aber durchaus keine Beſtlmmung 
eines ſolchen Gegenſtandes, kann alſo nicht Lewleſen wer— 
den. Es giebt aber andre Quellen, woraus gegen den 
Idealiſten hinreichende Gründe geſchoͤpſt werden koͤnnen, mo. 
durch dle Witklichkelt aufferer Gegenſtaͤnde auſſer allem 
Zweifel gefeßt wird. Unſte Natur hat ſelöſt dafur geforget, 
daß 


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189 


sa auch der Idesliſt die Staͤrke derſelben in fo hohem Grat 
de ſuͤhlet, doß er im Ernſt an der Wirklichkeit feiner Hand, 
det Feder, womit er ſchreibt, der Perſonen, welche er durch 
eine Spltzfindigkeiten vrrmirren will, nicht zwelſeln kann, 
welche er doch in feiner Kathederphiloſophle beſtreitet. Er 
itfo ſehr von der Unwahrheit ſeines Syſtems überzeugt, 
taß er ſich vor dem Irrhauſe fürchtet, wenn er ſich auſſer 
ſeiner grillenhaften Hyporheſe Im Leben noch dieſer richten 
rollte. Hier iſt aber der Dir nicht, jene Gründe gegen ihn 
omuführen. Wir wollen den Idealisten itzt blos als Jen 
Gegner betrachten. Er ohiloſophiret fo: wenn gleich aufjere 
Gegenſtaͤnde nichts als bloſſer Schein ſeyn ſollten: ſo würde 
doch die Folge meiner innern Veränderungen, auch meiner Vote 
ſtellungen von ihnen etwas wirkliches ſeyn, weil fie mir uns 
mittelbar durchs Bewuſtſeyn klar find. Hier iſt alſo werk. 
iche Folge auch auffer der Anſchauung, welche ich von ihr habe, 
elio obiectide Zelt. Sie erwicdern hierauf, daß man die 
Wirklichkeit von Raum und Zeit nicht beſtreiten darf, weil 
fie nur zu Erſchelnungen gehören, welche zwo Seiten ha— 
ben, die eine, da das Obtect an ſich ſelbſt betrachtet wird, 
die andre, da man auf dle Form der Anſchauung dieſes 
Gegenſtandes ſieht, welche nur im Subiecte, dem der ſelbe 
erſcheinet, geſucht werden muß, gleichwohl der Erſcheinung 
dieſes Gegenſtandes wirklich und nothwendig zukoͤmmt. Ora— 
de dieß letzte behauptet der Idealiſt, in wie weit die Ers 
ſcheln ung von der erſten Seite betrachtet wird. Er frägt 
ferner: warum koͤmmt bieſer Erſchelnung, als einer Form 
unfrer Anſchauung von dem Gegenſtande dieſe Zeit zu? Nicht 
deswegen, weil der Gegenſtand ohne dieſe nicht gedacht 
werden kann? Warum kann er es nicht? Weil er dieſe 
oblective Beſtimmung hat, und die Anſchauung von dleſem 
Gegenſtande in uns verſchwinden wuͤrde, wenn ſie nicht mehr 
dieſe Form hätte, oder wir ihn ohne dleſe Beſtimmung dach. 
ten, Die legte Seite der Erſcheinung kommt alſo bey dies 
ſem Steeite nicht in Betracht, und fo iſt Zeit, wovon 

. ich 


190 


ich rede, wird der Ideallſt hinzuſetzen, nicht mehr Anfchau, 
ung, ſondern die Rephe memer innern Veränderungen, 
folglich obiecetlde Beſtimmung von mir, das Oblect mei. 
ner Anſchauung, und hat ihre Witklichkelt in mir, wenn 
ich fie mir auch gar nicht vorſtellte. 


Ich leugne es nicht, daß Zelt und Raum zwo Er 
kenntnißquellen find, aus welchen verſchiedene ſyntheelſcht 
Erkenntniſſe geſchaͤpft werden konnen. Alleln wle find fie 
es? Micht als bloſſe Formen unſter Sinnlichkeit, nicht als 
bloſſe Beſchaffenhelten unfrer Neceptivität, ſondern als rel. 
ne Anſchauungen, als allgemeine Begriffe. Iſt abet 
Raum und Zeit auch moglich? Kann dieſe Möglichkeit 
von uns bewleſen werden? Die erſte Frage faſſet zwo an. 
dre in ſich, 1) koͤnnen wir eine Anſchauung von benden ha⸗ 
ben? 2) Iſt Raum und Zeit auch obiective auſſer unfrer 
Anſchauung moglich? Die Moglichkeit von der erſten Art 
erkennen wir aus der Wirklichkeit der Anſchauung von Raum 
und Zeit, deren wir uns bewuſt find. Wollen wir mit die 
ſem Beweiſe nicht zufrieden ſeyn: fo würden wir keinen an 
dern finden koͤnnen. Er hat aber zum Gluͤck für unſern 
Geiſt elne ſolche überzeugende Klarheit, daß wir, weil das. 
jenige, was wirklich iſt, nicht unmoglich fern kann, feine 
Starke fühlen, und eine apodictiſche Gewißheit von dieſet 
Moͤglichkelt erlangen. Die zwere Frage iſt dleſe: haben 
auch Zelt und Raum auſſer unſrer Anſchauung eine Mey: 
lichkelt d. h. können Dinge auſſer und neben einander zu: 
gleich ſeyn, kann in ihnen ſich eine Reyhe von Veraͤnderun— 
gen finden? Dleſe Moglichkeit, welche in der Geometrie 
und in andern Wiſſenſchaften zum Grunde gelegt wird, kann 
an ſich weder von unſern Anſchauungen, noch von der Form 
unſter Sinnen abyangen, fondern muß in der Natur der 
Dinge ſelbſt Ihren Grund haben. Die apodlctiſche Gr 
wlßheit, welche wle von ihr erhalten, gründet ſich dat 
auf, daß wic ſelbſt nebſt andern Dingen unſer Daſeyn 

par 


haben 
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heben, daß in uns ſelbſt und in andern Dingen vermöge 
ihrer Endlichkeit Veranderungen erfolgen, daß fie unsrer 
Sinnlichkeit den Steff zu Votſt lungen von ſich darteichen, 
doß wir uns dieſer Vorſtellung von uns und andern Ge— 
genftänden bewuſt werden, und nun aus dieſer Wirklich— 
keit des Ortes und der Zeit in den Obiecten auf die Moͤg— 
lichkeit ſchlieſſen. Dieſer Schluß ethaͤlt für unfre Seele 
durch die Grundſaͤtze der Identitaͤt und des Widerſpruchs 
elne ſolche Klarheit, daß, ſo lange wir noch einen gefunden 
Verſtand haben, oder dieſen nicht durch Sophiftereyen vers 
witren, wir an der vollkommnen Richtigkeit deſſelben, gleiche 
ſam als durch einen innern Inſtinct gezwungen, zu zwel— 
ſeln unfaͤhig find. Dieſe Moglichkeit des Raums, von 
welcher wir blos auf dieſem Wege zur apodictiſchen Gewiß— 
belt kommen können, ſetzen wir aber nicht die Formen der 
Sinne als Grundprincip voraus, um uns elne allgemeine 
Erfennmiß von ihren Wahrheiten zu erwerben. Wir has 
ben uns eine reine Anſchauung des Raumes, oder einen all— 
gemeinen Begriff von ihm gebildet, denken uns die Gegen⸗ 
ftände eigentlich nicht im Raum, ſondern den Raum in ihm, 
und fragen nun, wie kann dieſer in ihnen begrenzt, oder 
eingeſchloſſen ſeyn, wenn Linien, Flaͤchen, Körper im All. 
gemeinen nach ihren verſchledenen Gattungen und Arten ge— 

dacht werden ſollen? Nie ſetzet der Geometer voraus, daß 
Raum blos eine Form des äuſſeren Sinnes, blos ſublee— 
tive Bedingung deſſelben, und auffer dleſer nichts ſey, ſen⸗ 
dern ſelbſt bey der Wahl feiner Zeichen, wodurch er ſich 
und andern ſeine abſtracte Begriffe anſchaulich macht, nimmt 
er es immer als ausgemacht an, daß auch auſſer unſerer 
Denkſorm der Raum ebiective in den Dingen felbft ange— 
troffen werde. So, — wird er Ihnen antworten, verfah— 
re ich, fo denke ich mir den Raum in der Geometrie, weils 
che ich beswegen elne reine Wiſſenſchaft nenne, weil ich 
eigentlich nicht aus Erfahrungen, ſondern aus allgemeinen 


Begriffen die geometriſchen Säge herleite. So wie ich Zeit 
und 


192 


und Raum brauche, find ſte reine Anſchauungen, auch wenn 
Sle wollen, relue Formen der Anſchauungen, jene, weil 
fie nichts welter als den allgemelnen Begriff zum Gegen 
ſtand haben, dleſe, weil ihr allgemeiner Begriff auch die 
Form dieſer Anſchauungen heiſſen kann, in wie weit fie 
ſich dadurch von andern Anſchauungen unterſcheidet Sie 
gehen alſo auf Gegenſtände, welche uns erſcheinen koͤnnen. 
Cie ſtellen als allgemeine Begriffe nicht einzelne Dinge 
(indiuidua) dar, fie werden aber in ihnen unter andern in. 
dividuellen Beſtimmungen auch obiective freylich nicht als 
Anſchauungen, ſondern als Obiecte derſelben liegen. Das 
Feld der Guͤltigkelt von Raum und Zeit findet ſich alſo nicht 
blos in melnen Anſchauungen, ſondern gebt welter hinaus, 
und ich entwickle die verſchledenen Arten des eingeſchloßten 
Raums in Figuren und Körpern, um einen obicstiven Ge— 
brauch von ihm machen zu konnen. Wäre Maum aufler 
meiner Anſchauung Nichts: fo wuͤrde auſſer dieſer keine Ku 
gel, alſs nicht Sonne, nicht Mond, nicht Erde, keine Ku— 
geln ſtatt finden, welche durch die Hand dis Kuͤnſt— 
lers nach der Idee, weiche ich mir von inen mache, gebil— 
der wären. Allein würderr dleſe nicht ſeyn, wenn ich auch 
gar keine Anſckauung von ihnen haͤtte? Witd aber auch 
allet dasjenige, was ich mie in dem allgemelnen Begriff 
der Kugel denke, vollkommen in ihnen liegen, fo daß Id 
die Regeln der Ausmeſſung, welche aus jenem gezogen wur 
ben, auf ſie anwenden kann? Wer kann dieß bemeifen? 
Wozu wire es auch naͤthig! Es iſt für mich genug, den 
Begriff der Kugel In ibnen fo genau ausgedrückt zu ſehen, 
doß die Abweichung mir unmerklich iſt, und ich fie ohne 
merklichen Jerchun für wahre Kugeln annehmen kann Wels 
cher Geometer wird in dieſem Fall edenken tragen, den 
koͤrperllchen Naum dee gegebnen Kugel nach den allgemeis 
nen Regeln auszuineffen? Nie wird es ihm aber einfallen, 
cuf eine ſublective Form der Sinnlichkeit dieſe anzuwenden. 


Ihre Mealität der Zeit und des Raums, welche bi ſub. 
ectiv 


lectiv 

nicht! 
zelne! 
Meran 
Sie 
von ih 
ſeyn. 
aus ni 
lective 
men a 
nothwe 
das lei 
ſelbſt 
werden 


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ren. 
ſcher. 
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welche 
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aufbuͤrt 
Zeit als 
uf eine 
Dingen 
mungen 
ſind: fi 
Sie all 


193 


lectiv iſt, wuͤrde die Sicherheit der Erfahrungserkentniß 
nicht unangetaſtet laſſen. Dieſe hat zu Gegen ſtaͤnden cine 
zelne Dinge neben und auſſer einander, und elne Reyhe von 
Veranderungen als oblective Bedingungen von ihnen. Da 
Sie dieſe leugnen: fo würde unſte Erfahrungserfennmiß 
von ihnen nichts als eln leeres Hirngeſpinr ſt unſrer Phant fie 
ſeyn. Es iſt all in Anſehung der Erfahrungskenntniß durch— 


aus nicht einnerley, ob Raum und Zeit als Fermen und obs 


iective Beſtimmungen der Dinge felift, oder blos als For— 
men angenommen werden, welche der Anſchauung von ihnen 
nothwendig i Weiſe anhingen. Waͤre das erſte ſalſch und nur 
das letzte wahr: fo würden unſre Arſchauungen von Dingen 
ſelbſt auch nicht anders als falſch, als taͤuſchend angeſehen 
werden koͤnnen. 


Diejenigen, welche eine abſolute Realitaͤt der Zelt und des 
Raums annehmen, ſollen mit den Principien der Erfahrung 


im Streit ſeyn; und daraus wollen Sie den Schluß machen, 
daß dieſe Realitaͤt ohne Widerſpruch nicht behauptet wer— 


den koͤnne. Ihre Gründe find folgende. Die Vertheidiger 


don der abſoluten Realitaͤt der Zeit und des Raumes muͤſ— 
ſen annehmen, daß beyde entweder ſubſiſtiren, oder in haͤri— 


4 rn. Das erfte thun gemeiniglich mathematiſche Maturfore 
ſcher. Dieſe muͤſſen aber nun auch zwey ewige und unend— 


’ # liche für ſich beſtehende Undinge (Zeit und Raum) zugeſtehen, 
delche find, ohne daß doch etwas Wirkliches iſt, nur um 


alles Wirkliche in ſich zu befaſſen. Ich zweifle ſehr, daß 


Sie den meiſten Naturſorſchern mit Riecht dieſe Meynung 
aufbuͤrden koͤnnen. Wenigſtes kenne ich keinen, welche die 
Zeit als ein für ſich beſteh endes Unding angeſchen haͤtte. Sie 


iſt eine ununterbrochne Reyhe von Veränderungen in den 


Dingen. Wenn alſo keine Dinge ſind, worinn Beſtim. 


mungen vermoͤge ihrer Endlichkeit dem Wechſel unterworfen 


ſud: ſo iſt auch an keine Zeit als ein Unding zu denken. 


Sie alſo als ein für ſich us Unding zu denken, iſt 
2 An. 


194 


Unfinn, iſt der ſeltſamſte Widerſpruch. Eine andre Frage it daß 
dieſe, 1) ob, wenn keine Dinge auſſer und neben einander zu. ten, 
gleich ſind, noch Raum auch auffer unſern Vorſtellungen übris ſte 5 
bliebe, a) und was er dann wäre. Die erſte Frage glau. lich 
ben gemelniglich die mathematlſchen Naturſorſcher bejahen ſeyn 

zu müſſen. Sie denken ſich z. B. unfer Sonnenſyſtem mi 

allen Planeten, den Raum, welchen ſie ſelbſt einnehmen, 

die Bahn, auf welcher fie ſich um Ihre Lichtquelle in einge] Oln. 
Elipſe derum bewegen, das ganze Gebiete der Sonne, ne 
durch welches ſie vermittelſt des Aethers ihre belebend. ana 
Stralen verbreitet. Und nun werden fie fragen: find Ber Gren 
nun auſſer unfern Formen der ſinnlichen Vorſtellungen in! Wel 
einem Raum, oder find fie blos in einem ſolchen, in wie cher 
weit dieſer nichts anders als Form unſter reinen Anſchau. men! 
ung iſt? Im letzten Falle muͤßte die Sonne mit allen Pr wolle 
neten und ihrem ganzen Wirkungskreiſe blos in der Va, Sg 
ſtellung eines Menſchen ihren Raum elnnehmen. Wie vll. b 
ſach würde dadurch das Sonnenſyſtem werden? Jide. ind 
Menſch iſt ein unendlich kleiner Theil von dleſem, und in! ich! 
dieſem unendlich kleinen Theile wäre wieder das ungeheuer @ 14 © 
groſſe Ganze enthalten. Was mürden wir ven einem Mer, ER 

ſchen denken, welcher durch dergleichen Traͤumerenen feine: be 
Kopf verwirrte? Wir muͤſſen alſo dieß Sonnenſyſtem für) geg 
eln ſolches halten, welches fein Daſeyn haben muͤrde, wer, icht. 
anch kein Erdbewohner davon eine Anſchauung batte und 
oder auch keine haben koͤnnte. Es iſt alſo da. Aber wo; für fü 
Nicht in einem obiectlven Raum? Worinn denn? Geben Nate 
Sie dieſem Wo einen Namen, welchen Sie wollen: fo fr 0 

doch unzählige Dinge in ihm neben und auſſer elnander Mu Er 
gleich. Wir nennen das Wo deswegen Raum. Wie wo. em 
len Sie es nennen? Gleichviel! Der Begriff des Raums denke 
wird ſich uns immer wieder aufbringen, nicht als Anſchau fichte 
ung, ſondern als Raum auffer derſelden, als ein ſolcher, we, J abſoln 
cher in den Dingen ſelbſt iſt. Wie wenn aber dieſe Dinge), lieäe | 
ſeyn aufhoͤrten, würde denn auch der Raum, welchen ſie ei neben 
nehmen, zu ſeyn auſhoͤten? d. h. wurde denn die Moͤglichken Gegel 


di 


159 


daß da Dinge auffer und neben einander zuglelch ſeyn Fönrie 
ten, ſich auch verlohren haben. Hiegegen ſtreubt ſich uns 
fre Vernunft, die Frage zu bejahen, weil es da, wo wirk. 


ö lich etwas geweſen iſt, auch moglich ſeyn muß, daß etwas 


ſeyn kann. 


Wo hoͤret aber die Möglichkeit auf, daß mehrere 
Dinge auſſer und neben einander zugleich ſeyn koͤnnen? In 
einem Orte, der ſo kleln iſt, daß da nicht mehrere Dinge 


angetroffen werden koͤnnen. Wo ſonſt? wo iſt dis letzte 
Stenze der Moͤglichkeit? Geht fie über den Umfang des 
Weltgebaͤudes hinaus, oder hat fie gar keine Grenze? Wel— 
cher unter den Sterblichen darf es wagen, dieß zu beftims 


men? Hier iſt die Grenze unſrer Vernunſt, und warum 


waollen wir übee di⸗ſe hinbringen? Warum muͤſſen wir es? 


Wenn ich mir auch Raum als eine bloſſe Anſchauung daͤchte: 
fo würde der Fall immer derſelbe ſeyn. Raum als Anſchau— 
ung iſt bey uns Vorſtellung eines endlichen Geiſtes, fo:g« 
lich begrenzte Vorſtellung, und alſo der Raum kann auch 


als Vorſtellung nicht Grenzenlos ſeyn. Allein wenn denn 


nun Raum übrig bliebe, und die Dinge, welche darinn 


neben und auſſer einander zugleich wären, als zernichtet 
dgdedacht würden: 2) was würde er dann ſeyn? Bios Möge 
Alchhkeit von reellem Raume, oder davon, daß Dinge auffer 
und neben einander ſeyn konnten? Iſt er alſo nicht ein 
für ſich beſtehendes Undina? Welche Frage? wurde der 


Naturforſcher antworten. Dieß Praͤdicat gilt nur von Din. 


1 gen, nicht aber Undingen, nicht von bloſſer Moͤglichkeit. 
Er wuͤrde es Ihnen alſo nicht zugeſtehen, daß er ſich in bies 


ſem Fall den Raum als ein ſuͤr ſich ſubſiſtirendes Meier 


y denken muͤßte. Er wird dem Raum als einer bloſſen Möge 
lichkeit von dem Auſſereinanderſeyn mehrerer Dinge ferne 


abſolute Realitaͤt, aber wohl dem Raum eine obiective A a» 


llltaͤt beylegen, in wie weit er von Dingen, die auſſer und 


kleben einander zugleich find, eine obiective Beſtimmung im 


Gegenſatz des Raumes iſt, welcher als Form unftee Anz 
N2 ſchauung 


196 W — — 


ſchauung oder als bloſſe Vorſtellung von ihm gedacht wird. fen. 
Wie kann aber dieſer Naturferſcher dadurch, daß er diefrs M anzuf. 
behauptet, mit den Principien der Erfahrung in Streit ge. Phan 
tathen? Er wird vielmehr glauben hier eine vollfommn ] Anıd) 
Harmonie zwiſchen ſich und dieſen Principien zu erblicken. das er 
baben 
Noch weit weniger ſteht die zwote Parthey, von wel. Tmoͤcht. 
cher einige metaphyſiſche Mturlehrer ſeyn ſollen, in elnem wäre 
Streit mit den Principien der Erfahrung, welche Zeit und kein 6 
Raum als inhärirende Beſtimmungen der Dinge anſehen. ſich ve 
Denn von dieſen iſt hier die Rede. Diefe Zeit und dleſer ! dachten 
Num, welche beyde bey den Obiecten ſelbſt angetroffen FE Natur 
werden, gelten ihnen nicht für Verhaͤltniſſe der Erſcheinun. empiri 
gen, welche von der Erfahrung abſtrahiret, und in der Ab. . ſcaner 
ſonderung verwotren vorgeſtellet werden, ſondern für obiective [ ſetzen, 
Beſtinmungen der Dinge ſelbſt, wevon fie durch Hülfe der B fen fu 
Errabrung eine Erkenntniß erlanget haben. Wie kann ſich . Zubör: 
bir ein Streit mit den Prircipien der Erfahrung erheben? durch. 
Die Mänrer denken ſich aber auch die Zeit uͤberhaupt als zu ver! 
eine ununterbrochne Riyhe der Veraͤnderungen, und den ger ale 
Raum als die Beſtimmung der Dinge, vermoͤge welcher fie & Geſchaͤ 
auſſer und neben einander zugleich ſind. Der Geometer | it, au 
nimmt dieſen allgemeinen, nicht verworrnen, ſondern deut. daß fei 
lichen Begriff in feine Wiſſenſchaſt auf, und hat von der ftünde | 
Wahrhelt deſſelben eine apodiktiſche Gewißheit, weil er ein. JT nen, al 
ſieht, daß dieſe Merkmale des Raums theils fo in der Na. Begriſf 
tur angetroffen werden, theils in dleſer Verbindung feinen nen Ge 
Widerſpruch in ſich fallen. Hätte er es ſich eingebildet, daß wenn ı 
der Raum blos eine Form der Anſchauung und auſſer dieſer ſeyn koͤ 
in Anſehung der Dinge ſelbſt Nichts wäre: fo würden keine J indiuid 
wirkliche Dinge auſſer und neben einander ſeyn können, und ten laff 
er mußte in Anſehung dieſer die Gültigkeit des obiectiven JT wahr ji 
Raums beſtreiten. Auch der Raum, als eine aͤuſſte Moͤg. einleud 
fichkelt, daß Dinge auſſer und neben einander ſeyn koͤnnen, 8 ohne Ü 
würde auſſer feiner Anſchauung entweder ſeyn, oder nicht hältnirie 


ſepn, 


ion, Im letzten Falle würde er mit feinem Raume nichts 
anzufangen wiſſen. Er wäre blos ein Hirngeſpinnſt ſeiner 
Ppantaſie, oder wollen Sie lieber, blos Form der reinen 
Anſchauung. Wozu follte ihm dieſer nutzen? Wäre ober 
das erfle wahr: fo wuͤrde er gegen Sie gewon en Spiel 
haben, und der Raum bliebe, was er an ſich ware, wir 
möchten eine Anſchauung von ihm haben oder nicht. Es 
wäre alfo der Kaum grade umgekehrt, wie Sie behaupten, 
kein Geſchoͤpf der Einbildung, ſondern unſer Vurſtand machte 
ſich von ihm einen Begriff, welcher ihm entſpräche. Nun 
dachten wir uns ihn fo, wie er wäre, und befragten die 
Natur, wie fie dieſen in den Dingen als Obiecten unfrer 
empiriſchen Anſchauungen beſtimmt und bearenzet hat. In 
ſaner Wiſſenſchaft demuͤhet ſich der Gecemeter es feſtzu— 
ſctzen, wie der Raum eingeſchloſſen ſeyn kann, und von die— 
fen ſeinen logiſchen Beſtimmungen ſucht er ſich und feinen 
Zuhörern durch Zeichen auf geraͤumigten Dingen, oder 
durch Körper in der Natur eine klare empiriſche Anſchauung 
zu verſchaffen, in welcher faſt nichts mehr und nichts wenie 
ger als der allgemeine Begriff enthalten iſt. Bey dieſem 
Geſchaͤfte ſetzet er immer voraus, daß dosjenige, was wirklich 
it, auch moͤglich ſeyn muß. Frey ich wird er es lehren, 
daß feine Linien, Figuren, Körper, als eigentliche Geger— 
ſtände feiner Wiſſenſchaft, blos in einer Anſchauung ſeyn koͤn— 
nen, aber nur deswegen, weil dieſe von ihm als allgemeine 
Begriffe angeſehen werden, und folglich als ſoſche nur in ſei— 
nen Gedanken ſtatt finden. Er wuͤrde ſich aber dagegen ſetzen, 
wenn man daraus ſchlicſſen wollte, daß keine einzelne Dinge 
ſeyn konnten, welche unter dieſen allgemeinen Begriffen als 
indiuidva enthalten wären. Er wird es ſich nicht abſtrei⸗ 
ten laſſen, daß ſeine Theoremen allgemein und nothwendig 
wahr find, weil er aus Erklaͤrungen, deren Moͤgiichkelt ihm 
tinleuchtet, aus Grundſaͤtzen, deren Wahrheit feine Vernunft. 
ohne Widerſpruch nicht leugnen kann, und aus den Ver. 
haͤltniſſen, worinn er fie Kr fie fo flieſſen ſieht, daß das 

3 dur 


198 


burch ben ihm eine apodietlſche Gewißheit von ihnen erzeuget 
wirr. Was braucht er mehr, um ein regelmaͤſſiges, voll, 
kommen gegruͤndetes Syſtem zu errichten? 


Er wird es Ihnen ableugnen, daß feine Begriffe ver. 


worten, daß fie Geſchoͤpfe der Einbildungskraft find, weil 
Geſchoͤpfe von der Art der Seele nie, als allgemeine Be 
griffe, ſondern blos als einzelne Dinge (indiuidua), vor- 
ſchweben konnen. Die Begriffe, und auch die Verhaͤlt. 


G biete der Imaginatlon, und find Geſchoͤpſe feines Ver. 
ftandes und feiner Vernunft. Dieſe kann nun a priori, 
oder wie er ſagen wurde, aus allgemeinen Grundſaͤtzen und 


nut vier Arten von Parallelogrammen geben koͤnne, daß 
es mädg'id) ſey, einen Raum durch vier gleiche Linien und 
vler rechte Winkel elnzuſchlieſſen, daß in jedem grat. 
linigten Trlangel die drey Winkel zuſammen nicht mehr, 


nicht weniger, als 190° betragen; und er verläßt ſich darauf, 
daß wo in der Natur ein Triangel iſt, auch dleſes ſtatt W 
Sie ar 
die Winkel nachmeſſen: fo zelget es ſich zu ihrem Vergnügen, | 


haben muͤſſe. Macht er Einen und laͤßt er feine Zuhörer 


daß ſich dieſes auch in dem elnzelnen Triangel ſo findet, 
wie es »sch der allgemeinen Theorie ſeyn muß. Er wuͤrde 
bey dieſem feinen Unterricht über ſich ſelbſt lachen muͤſſen, 
wenn er voraus ſetzte, daß der Raum auſſer der fubicctis 
ven Bedingung feiner Sinnlichkeit Nichts wäre. 


Diejenigen, welche Zeit und Raum als ſubſiſtirende 
We ſen annehmen, ſollen nach Ihrer Meynung zwar für dle 
mathematlſchen Behauptungen ſich das Feld der Erſchei⸗ 
nungen fren machen, aber ſich durch eben dieſe Bedingung 


will. Ohne Zweifel wollen Sie hiemit ſagen, dieſe koͤnnen 
zwar ſich die Moglichkeit denken, daß ihnen Dinge in Zeit 
f | und 


und 9 
ſtaͤnde 


permir 
ſtehend 
fo wirt 
für ſich 
fo mut 
leiden! 


ge eine 
niſſe derſelben in ſeiner Wiſſenſchaft liegen alſo auſſer den 


das fü 


einem! 
Er da 
Dinge 
Beariffen es mit apodiktiſcher Gewißheit erkennen, daß es 


keit au 


mert d 


Gtenze 


aller A 


9 


— 


Raum 


ihnen r 


den ni 
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daß ich 


welche 
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die Ne 
was de 


koͤnnen 
oder di 


den D 
verwirren, wenn der Verſtand über dieſes Feld hinaus gehen 


unterjd 


ſtand, 
chen fi 


und Kaum erfcheinen: fo bald fie aber über dleſe Gegen« 
ſaͤnde hinausgehen; fo wird ihr Verſtand durch den Zwang 
verwirrt, daß er ſich zwey ewige unendliche, für ſich bes 
ſtehende Undinge denken muß. Was die Zeit anbetrift: 
ſo wird kein mathematiſcher Naturſorſcher fie ſich als etwas 
tür ſich ſelbſt beſtehendes vorſt lien, und wenn er es thaͤte: 


pb müßte man mit der Verwirrung feines Verſtandes Mlt⸗ 


leiden haben. Auch keiner wird den Raum, welchen eini⸗ 


BE ge einen leeren nennen, für ein Ding oder Unding halten, 


das für ſich ſubfiſtirt, weil Subſiſtenz die Eigenſchaft von 


aenem Dinge iſt, aber es nicht von einem Unding ſeyn kann. 
Er denket ſich unter dieſem, die aͤuſſere Moͤglichkelt, daß 


Dinge auſſer und neben einander ſeyn koͤnnen, eine Moͤglich. 


(keit auſſer der Form unfrer Anſchauung, und iſt unbekuͤm— 


= mert darum, ob dieſe Moͤglichkeit auſſer unſrer Vorſtellung 
Gtenzen hat, oder nicht. Sein Verſtand wird hiebey von 


f 1 aller Verwirrung frey bleiben. 


Wie werden aber dlejenigen fortfommen, welche den 


Raum als etwas anſehen, das den Dingen ſelbſt anhänger ? 
Sie antworten: dleſe gewinnen darinn, daß Zeit und Raum 


ihnen nicht in den Weg kommen, wenn fie von Gegenſtaͤn— 


den nicht als Erſcheinungen, ſondern blos im Verhältniß 
auf den Verſtand urtheilen wollen. Erlauben Sie mir, 


daß ich es wage, hier ein Dollmetſcher Ihrer Worte zu ſeyn, 
welche fo ſonderbar nach einer Ihnen eigenthuͤmlichen Spra⸗ 
che gewahlt find. Ohne Zweifel wollen Sie dieß ſagen: 
die Naturforſcher, welche den Rum als etwas betrachten, 


was den Dingen ſelbſt auſſer unſern Vorſtellungen inhärirer, 


Innen nach ihrer Hypotheſe die Erfcheinungen der Dinge 
oder die Vorſtellungen, welche wir von ihnen erhalten, von 
den Dingen ſelbſt als den Gegenſtaͤnden der Erſchelnungen 


Aunterſcheiden, und von ihnen im Verhältniß auf den Ver⸗ 


ſtand, als von wirklichen Gegenſtaͤnden urtheilen, von wel. 
ben ſie den allgemeinen Begriff des Raumes abſtrahiren. 
N4 Dieß 


— 


900 


Dieß It aber auch für fie als Weltwelſe, welche ſich nicht 
blos mit Ideen ohne Obiecte folglich nicht mit einem Schau 
ten ohne Körper beichäftiaen moͤchten, eine Sache von der 
größten Wichtiakeit. Dieſe wiſſen aus der Erfahrung ‚daß 
Duüge auſſer ihren Vorſtellungen neben einander zugleich 
find, und daß da, wo fie find, auch Raum als auſſede 
Moͤglichkeit von dem Nebeneinanderſeyn angetroffen mer. 
den muß, grade ſo wie jene unter den mathematlſchen Na— 
tu forſchern, welche den Raum nicht als ein für ſich ſubſiſti 
rendes Unding, fondern als eine aͤuſſere Moͤglichkeit bettach— 
in „daß naͤmlich bey Dingen ein reeller Raum ſtatt finden 
ann. 


Wodurch find Sie aber berechtiget, dieſe Naturſorſchet 
für ſolche zu halten, welche vermoͤge ihrer Behauptung 
weder von der Moͤglichkeit mathematiſcher Erkenntniß a pri. 
ori Gund angeben noch die Erfahrungsſätze mit jenen 
Behaup'ungen in eine nothwendige Einſtimmung bringen 
koͤnnen? Freylich führen Sie für Ihren Schluß dieß als 
Grund an, weil ihnen eine wahre und obiectiv gültige Anſchau⸗ 
ung a prioti ſehlet. Mich deucht aber, daß fie eben durch 
dieſe ihre Behauptung eine ſolche Anſchauung haben koͤnnen. 


Daͤchten fie ſich blos den Raum als eine Form der Anſchau⸗ 


ung, oder ais eine ſubiecttve Bedirgung ihrer Sinnlich, 
keit: jo würden fie ihn auſſer ihrer Anſchauung für Nichts 
h Iren muͤſſen. Er hätte elſo wie Sie auch immer darauf 
dri gen, keine obiective Reslitaͤt, und wuͤrde nicht eine 
VBeſtim mung der Dinge an ſich ſevn koͤnnen. Alles, wos 
wir vom Raume ſagten, goͤlte alſo bles von der Anſchauung 
des Raums, und da in dieſer doch kein Raum als Raum ſeyn 
kann: fo wäre er weder in der Vorſtellung noch auffer dere 
ſelben, und folglich waͤre er Nichts als ein leerer Traum, 
wovon keine eigentliche Ausmeſſung ſich denken ließ. Es 
hätten alſo alle analntiſche und ſynthetiſche Edge, welche 
wir eus Liefer bloſſen Form unſter Anſchauung herleiteter, 

keine 


feine 
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201 


leine obiective Guͤltigkelt. Alle Regeln der Ausmeſſung in 
der Geometrie würden zu Nichts gebraucht werden konnen, 
weil kein Raum auſſer unſrer Vorſtellung ſeyn konnte, 
worauf wir fie als auf cin Obiect anzuwenden faͤhig waͤren. 
Alsdann koͤnnte unſte Anſchauung keire wahre, obiectiv 
aultige genannt werden, weil Feine Obiecte auffer ihr wären, 
worauf fle ſich bezoͤge. Eine wahre brauchbare, obicctiv 
zuͤltige Erkenntniß von geometriſchen Wahrheiten muß 
veraus ſetzen, daß Raum als Moͤglichkeit von dem Neben— 
einanderfenn mehrerer Dinge auſſer der Form unſter An— 
(hıuung ſtatt habe, und daß, wenn dieſe geleugnet wuͤrde, 
auch der reelle Raum keine eblcctive Beſtimmung der Dinge 
on ſich ſeyn koͤnnte, daß alſo jene Moͤg ichk it in einem 
gewiſſen Verſtande a priori da fen. daß ſie aber dieß nicht 
wuͤrde ſeyn koͤnnen, wenn fie blos Form der Anſchauurg 
und auſſer dieſer gar nicht waͤre. Hieraus erkennen wir, 
daft geräumigte Dinge Gegenſtände unſter Anſchauung wer— 
den; daß wir aus tiefen, in wie weit fie einen Reum eine 
nehmen, den allgemeinen Begriff vom Raum abſtrahiren, 
dieſen weiter beſtiwmen, und aus dieſen Beſter mungen 
Folgerungen zichen koͤnnen, deren Richtigkeit unſre Verrunſt 
anerkennet, dieſe nun auf Dinge auſſer unfrer Vorſtellung 
anwendet, in wie weit fie, als einzelne Dinge (indiuidua) 
unter den allgemeinen Begriffen ſtehen und ſie alſo mit den 
Erſahrungsſaͤtzen in eine nothwendige Uebereinſtimmung 
bringet, wovon die praktiſche Geometrie uns eln glaͤnzen— 
des Beyſpiel darreichet. Nach Ihrer Theorie iſt aber alles 
dieſes unmoͤglich. 


Was werde ich alſo von Ihrer transſcendentalen Aeſthe⸗ 
tie halten muͤſſen? Dieſe Frage wird ſich jeder leicht feld 
beantworten koͤnnen. Ihre Aeſthetik will ſolche Säge zum 
Grunde legen, welche grade weg dle wahre Aeſthetik aufde- 
ben. Denn dieſe kann doch eigentlich nichts anders als 
eine Doctrin ſeyn, worinn gezeiget wud, wie in uns die 

N a Br 


202 


Vorſtellungen von ſinnlichen Gegenſtaͤnden entſtehen, wie 
unſre Denkkraft dieſe bearbeitet, fie verbindet, und zum 
Grunde legt, um unfrer Vernunft eln Feld zu eröffnen, 
worauf fie als auf ihrem eignen Boden die Blumen, wel⸗ 
che fie auf dem Gebiete unſter Sinnlichk tit gepfluͤcket hat, 
verpflanzet, und ihrer fo wartet, daß fie ſich in der ſchön. 
ſten Bluͤthe zelgen. N 


Ihre Aeſthetik ſoll uns aber lehren, daß Zeit und 
gtoum blos reine Formen der ſinnlichen Anfhavurg find, 
daß fie auff.r dieſen keine obiective Beſtimmungen der Din 
ge ſeyn können, und Sle haben doch im Grunde nichts 
weiters gezeiget, als daß wir eine Receptivltät der aͤuſſern 
und innern Sinne haben, welchen äuffere Gegenſtände den 
Stoff zur empirifhen Anſchauung des Raums, unſre in. 
nere Veranderungen, nicht den Stoff zur reinen Anſchau— 
ung von Zeit, ſondern nur von elnzelnen Veränderungen 
darreichen koͤnnen, daß äuffere Gegenſtaͤnde, welche ſich 
durch das Organon des Geſichtes unſerm Gemuͤtde dar 
ſtellen, nur als geraͤumigt erſcheinen, und dieß iſt bis 
ouf die empitiſche Anſchauung vom Puncte wahr, in wels 
cher ſich kein Raum findet, weil wir ihn ohne dleſen er. 
blicken. Nirgends haben Sie uns weder Raum noch Zelt 
eiktaͤret, und uns dadurch in den Stand geſetzt, daß mir 
darnach Ihre fo genannten ſynthetlſchen Säge: 1) Raum, 
2) Zeit find blos reine Form unfrer ſinnlichen Anſchauungen, 
genau prüfen koͤnnten. 


Hätten wir keine Receptlvitaͤt für ſolche Anſchauungen: 
fo wuͤrden auch dieſe nicht erfolgen koͤnnen. Sie iſt alſo 
vor aller Erfahrung und folglid) auch a priori in unferm 
Gemuͤthe. Allein deswegen haben wir nicht auch die 
Auſchauungen ſelbſt a priori, wie Sie ſehr oft behauptet, 
aber nirgends bewieſen haben; ſondern fie wurden zuerſt durch 

den 


— 


den E 
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i 
und fc 
geben 
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Wirk 
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muͤſſe 
ſeyn, 
Beob 
dieſer 
den ; 
vor 
ſchaff 
von 
fahrı 
voran 
inner 
in yı 
yon 


— — — 22 © 


den Stoff, welchen die Oblecte dazu unfrer Rereptlvltaͤt 
darreichen, und folglich a poſteriori erreget. 


Herr Prof. Reinhold hat zwar auch in dunkeln, 
und ſchwerfälligen Terminologlen einen Beweis davon zu 


geben geſucht. Allein fein Verſuch ſcheinet ihm nicht ges 
fungen zu ſeyn, und konnte ihm auch ſchwerlich gellngen, 


weil die Sache grade mit den Wirkungen unfrer Denk— 


ktaſt im Widerſpruch ſteht, welche er beweiſen wollte. Er 
behauptet, die Formen des äuſſern und innern Sinnes, d. h. 
bey ihm, die Beſchaffenheit unfrer Receptivitäͤt, ſinn⸗— 
liche Vorſtellungen zu erlangen, iſt vor aller Erfahrung 


und alſo a priori in unſerm Gemuͤthe. Hiegegen habe ich 


nichts. Er ſchließt weiter: die Form des innern und äuffee 
ten Sinnes iſt als Stoff der Vorſtellung von Raum und 
Zeit in unſerm Gemuͤthe beſtimmt. Wenn ich ihm dieß 
ouch ohne Ausnahme der Zeit und folglich ohne Ein— 
ſchraͤnkung zugeben wollte: fo würde er doch daraus nicht 
ſchlieſſen koͤnnen, daß die Anſchauung von Zeit und Raum 
fſelbſt in uns a priori wäre Der Stoff zur Vorſtel— 
lung von dieſen Formen der Sinnlichkeit wird uns durch 
Wirkſamkeit unfrer Receptivität, nicht aber durch die Dies 
ceptivitat als bloſſes Vermoͤgen a priori, gegeben. Wir 
muͤſſen erſt auf die Art ihrer Wirkſamkelten aufmerkſam 
ſeyn, dieſe mit einander vergleichen, und uns nun durch 
Beobachtungen, und alſo a pofteriori eine Anſchauung von 
dieſer Form verſchaſſen. Dieſe iſt zwar eine Anſchauung von 
den Formen unſter Süinnlichkeit, welche a priori in unt 
vor allen Erfahrungen liegen. Allein wegen dieſer Des 


ſchaffenheit der Formen koͤnnen wir nicht die Anſchauungen 
von ihr eine Anſchauung a priori nennen, weil fie erſt Er 


fahrung oder Beobachtung unſrer innern Wlirkſamkeiten 


voraus ſetzet, und eben ſo wie jede andre Vorſtellung von 
innern Veränderungen unſrer Kraft zu denken und zu wollen 
in uns entſteht. Will Herr Reinbold eine Anſchauung 


fon Beſtimmungen, welche in uns vermoͤge unfrer Natur 


un’ 


und alfo vor aller Erfahrung da find, Anſchauungen a pri- 
ori nennen: fo koͤnnen wir ihm dieſes nicht verwaͤhren. Al 
lein die Folgerungen, die er daher zieht, koͤunen aus dieſer 
Quelle nicht hergeleitet werden, well fie eine Anſchauung 
zum Grunde legen, welche ſelbſt in unſerm Gemuͤthe auch 
in Anſehung ihres Urſprunges von aller Erfahrung un. 
obhaͤngig, und alſo vor ihr da iſt. Ich habe aber bewieſen, 
daß wir ſolche Anſchauungen von Zeit und Raum nicht 
haben. N 


Ihre transſcendentale Aeſthetik follen nur dieſe beyden 
Elemente, Zeit und Raum, enthalten koͤnnen, weil alle andre 
zur Sinnlichkeit gehörigen Begriffe, und ſelbſt der Begriff 
der Bewegung, welcher beybe Stufe naͤmlich Zeit und Raum 
vereinigt, etwas Empiriſches voraus ſetzen. Würden ſie 
aber wirklich aus dieſem Grunde nicht zu Ihrer Aeſthetik 
arbören: fo würden Zeit und Raum eben fo wenig Elemente 
vor ihr ſey! koͤnnen, well ihre Begriſſe als Anſchauungen 
eben fo wohl etwas Empiriſches zum Grunde legen, wie ich 
cs bewieſen habe. Sie behaupten, daß im Raum nichts 
Bewegliches iſt. Dich kann doch in Ihrem Syſtem nichts 
anders heiſſen, ols daß entweder in der reinen Form der 
Anſchauung vom Raum nichts iſt, was ſich beweget, oder 
daß, wenn wir den Raum allgemein uns denken, in dieſer Vot⸗ 
ſtellung keine Vorſtellung von Bewegung lieget. Reden 
Sie von dem erfien: fo gebe ich Ihnen vollkommen Recht; 
Sie wuͤrden aber aus eben dem Grunde es auch mir zuge 
ſtehen muͤſſen, daß in dem Begriff der Bewegung oder in 
der Ferm der reinen Anſchauung derſelben nichts bewegliches 
ſich finde. Haben Sie ſich bey Ihtem Satze das letzte ge 
dacht: fo wurde ich auch hiegegen nichts einwenden. Sie 
ſchlieſſen: daher muß das Bewegliche etwas, das im Raum 
rur durch Erfahrung gefunden wird, mithin ein empiriſches 
Datum fern. Ganz recht. Das Bewegliche iſt alfo nach 
Ibrens eignen Ausſpruch auſſer der Form unfrer Anſchauung 
won 


Zeit ı 
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uͤbert! 
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Zeit 
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205 


Zeit und Raum, iſt der Gegenſtand ſelbſt, welcher ſich 
beweget, oder nach und nach von einem Ort zum andern 
uͤbertritt, deſſen Bewegung nicht durch die reine Form der 
Anſchauung, ſondern durch die Erfahrung uns bekannt wire 
den kann. Er wuͤrde ſich aber nicht bewegen kaͤnnen, wenn 
auſſer der Form unſter Anſchauung keine Oerter neben einan— 
der zugleich wären Es muß alſo der Raum auch eine 
obiective Realität anſſer der Ferm unſter Anſchauung ha— 
ben. Hier sift, alfo Ihr eignes Geſtändniß in Rückſicht 
der Felgen, welche richtig daraus gezogen werden konnen, 
mit dem Satze, welchen Sie ſo oſt wiederhohlet haben, 
nämlich daß Raum nichts als eine ſubiective Bedingung 


5 unfrer aͤuſſern Sinnlichkeit iſt, und keine obiective Realität 


hat, in einem offenbaren Widerſpruch. Können Sie die 
ſen heben ?, 


Eben fo, ſagen Sie ferner, kann auch die transfcen« 

dentale Aeſthetik nicht den Begriff der Veraͤnderung unter 
ihre data a priori zählen, weil nicht die Zeit, ſondern et. 
was, das in der Zeit iſt, ſich veraͤndert. Auch dieſe Bes 
hauptung laͤßt ſich nicht anders nach Ihrem Syſtem als fo 
erklaͤren: die reine Form von Anſchauung der Zeit veräns 
dert ſich nicht, ſondern etwas, was in ihr iſt. Wahrlich ein 
ſonthetiſcher Satz, der ein ſeltſames Anſehen hat. Was iſt 
denn bey Ihnen Zeit? Koͤnnen Sie ſich etwas anders 
darunter denken, als eine ununterbrochne Reyde von Veraͤn— 
derungen? Muß alſo nicht der Begriff der Veraͤnderung in 
dem Begriff oder der reinen Anſchauung der Zeit nothwen— 
dig liegen? Wenn nun dieſe letzte zu Ihrer Aeſthetik gehoͤ. 
ret, wie kann denn der Begriff der Veraͤnderung von ihr 
ausgeſchloſſen ſeyn? So lange die reine Anſchauung der 
Zeit ſich in unſern Vorſtellungen nicht ändert: fo lange wird 
ſteylich auch die Zeit als Zeitbegriff unveraͤndert bleiben. 
Wer wird Ihnen dieß nicht gerne zugeben? Die Zeit alſo 


eine Reyhe von wirklichen Veraͤnderunden wird ſich aͤndern 


muͤſſen, 


206 RE ARE 


muͤſſen, fo wle dle Succeſſionen gegen das Gegenwaͤrtlge eln 
andres Verhaͤltniß erhalten. Um dleſe Veraͤnderung wahr, 
zunehmen, dazu wird erfobert, daß wir von dem Daſedn 
der Dinge und den Succeſſlonen ihrer Beſtimmungen üben 
zeugt werden, und dieſe Ueberzeugung kann nur durch Er. 
fahrung In uns entſtehen. Wir könnten aber hievon keine 
Erfahrung haben, wenn nicht auſſer unſrer Form der reinen 
Anſchauung von Zeit Dinge wären, deren Beſtimmungen auf 
einander folgten, und unſcer Receptlvltaͤt der Sinnlichkeit 
zu Vorſtellungen oder emplriſchen Anſchauungen von ihnen 
den Stoff darteichten. Allein dieſe Riyhe der Succeſſionen 
iſt nicht ſelbſt unfre Anſchauung von ihr, ſondern äuſſter 
Gegenſtand derſelben, iſt oblective Zelt, obiective Beſtim. 
mung der Dinge ſelbſt, in welchen die Veraͤnderungen auf 
einander erfolgen. Wenn Sie mir alſo dieſes einraͤumen, 
was eine richtige und nothwendige Folgerung aus Ihrer 
eignen Behauptung iſt: fo wäre in Anſehung der Zeit wi. 
ſchen uns der Streit gehoben. deben Sie wohl! 


16 Brief. 
Mein Herr, 


Zu Ihrer transſcendentalen Aeſthetik fügen Sie noch allge 
meine Anmerkungen hinzu. Ihre Hauptabſicht bey dieſen 


geht dahin, es uns fo deutlich, als moͤglich iſt, zu erklaren, 


was Ihre Meynung in Anſehung der Grundbegriffe der 
ſinnlichen Erkenntniß überhaupt ſey. Sie halten dieje Er. 
klaͤrung für noͤthig, um allen Mißdeutungen derſelben vorzu: 
beugen. Welchen Unterricht werden wir alſo nun mit 
Recht von Ihnen erwarten? Doch nicht etwa blos Wieder. 
hohlungen in elner Ihnen eigenthuͤmlichen Kunſtſprache, 
ſendern nue deutliche Aufklärung über die Art, wie Sie ſich 

‚üben 


übert 
denke 
in el 
habe 
heit 

dle n 
welch 
und 


gen | 
babe 
es el 
tigen 
her 
ſtellu 
ſeyn 
dure 
meld 
Eric 
und 
als 
nun 
auf 
ung: 
tes 
geld 
font 
nun 
gen 


anf 
hält 
ſie ! 


überhaupt die Grundbeſchaffenheit der ſinnlichen Erkenntniß 
denken. Sie werden uns alſo unfre ſinnliche Erkenntniß 
in einem noch glaͤnzendern Lichte, als Sie bisher gethan 
haben, vor Augen legen, ihre eigentliche Grunv beſchaffen⸗ 
heit entwickein, und hinreichend beweiſen müffen, daß Sie 
die wahre endecket haben. Wir wiſſen es nun doch, aus 
welchem Geſichtspunct wir Ihre Anmerkungen betrachten 
und beurtheilen muͤſſen. 


a) Die erſte derſelben iſt dieſe: Alle unfre Anſchauun— 


gen ſind nichts als Vorſtellungen von Erſcheinungen. Dieß 


haben Sie uns nun freplich ſchon oft geſagt, aber Sie haben 
es eben ſo wenig hier als ſonſt wo genau erklaͤret, was Sie 
tigentlich dadurch anzeigen wollen, noch dieſen Ihren ſon— 
thetiſchen Satz bewleſen. Eie unterſcheiden hier unfre Vor— 
ſtellungen von Erſcheinungen. Was koͤnnen alſo die letzten 
fern? Nichts anders als die Gegenſtaͤnde ſelbſt, welche uns 
durch Huͤlfe der Sinne etſcheinen, oder die Vorſtellungen, 
welche wir von ihnen haben. Im erſten Fall koͤnnen die 
Erſcheinungen unmoͤglich Anſchauungen genannt werden, 
und im letzten iſt der Sotz dieſer: Anſchauungen ſind nichts 
als Vorſtellungen von Vorſtellungen. Was ſollen wir uns 
nun eigentlich bey dieſem Satze denken? Verſtellungen, 
auf die Obiecte bezogen, werden ſonſt von Ihnen Anſchau— 
ungen genannt. Sie haben alfo die Bedeutung dleſes Wor⸗ 
tes hier geändert. Kann dieß aber ohne einige Verwirrung 
geſchehen? Wir haben nicht blos sinnliche Anſchauungen, 
ſondern auch Anſchauungen des Verſtandes und der Ver 
nunſt. Dleſe find doch feine Vorſtellungen der Etſcheinun⸗ 
gen? 


d) Die Dinge, dle wir anſchauen', ſollen nicht das 
anßſich ſelbſt ſeyn, wofür wir fie anſchauen, noch ihre Ver: 
hältniffe eine ſolche Beſchaffenheit an ſich ſelbſt haben, als 
fie uns erſcheinen. — Nun fo wären alle unfre fi .. Er 

ennt» 


208 


kentnniſſe Nichts als Wahn, Nichts als Betrug der Sinnt. 
Ich habe nid) bisher überredet, daß Holz von Eiſen, daß 
eine Eiche von einer Reſe, daß der Trlangel, welchen ich 
vor mir ſehe, von dem vor mir beſchriebenen Quadrat we. 
ſentlic) unterſchieden wäre. Ich habe durch Hülſe der Er, 
fehrung mir ihre weſentlich unterſchiedene Beſtimmungen 
bekannt gemacht. Ich habe einen Triar gel mit einem Pat. 
allelogramm verglichen, gefunden, daß ſie gleiche Grundli. 
nien und Höhen haben, und daraus geſchloſſen, daß dieſes 
einen nochmal fo groffen Flaͤcheninnhalt hat, wle jener. Ih 
habe leine Linie den drey Linien elnes Triangels g'eich gemacht, 
und mir nun das Verhaͤltniß der Gleichhelt zwiſchen der 
eisen und den drey Linien des Trlangels vorgeſtellt. Alles 
dieſes lag in meiner ſinnlichen Anſchauung von dieſen Ge— 
genſtänden, und doch ſollen dieſe Dinge dieſe weſentlich 
unterſchiedenen Beſtimmungen nicht haben; die Verhältniſſe 
ſollen nicht fo ſeyn, wofür ich fie anſchaue. Anſchauungen 
find fie frenlicy nicht in den Dingen ſelbſt, ſondern die 
Gegenſtände von dieſen, welche, wenn ſie auch nicht ange— 
ſchauet wuͤrden, ihre eigenthuͤmliche Formen hätten. Dich 
verſteht fi) von ſelbſt. Dleß koͤnnen Sie auch nicht ſagen 

wollen, wenn Sie behaupten, daß die Dinge und ihre Ver 
baͤltniſſe an ſich nicht fo beſchaffen find, als fie uns erſchei⸗ 
nen. Waͤte dleß ohne Einſchraͤnkung richtig, was würden 
dann unſte Anſchauungen von ihnen ſeyn? Nichts als 
Iräaumerenen, durch welche wir nach der ſubiectiven Ferin 
unſter Sinnlichkeit gezwungen würden, die Dinge uns 
anders, ihre Verhaͤltniſſe uns anders vorzuſtellen, als fie 
find. Unſre ſinnliche Erkenntniß wäre alſo in Ruͤckſicht 
ihrer Obiecte keine wahre, ſondern blos eine Täuſcherinn, 
welche uns hinterginge. Koͤnnen Sie dieß im Ernſt die Welt 
bereden wollen? 


c) Wenn wlr unſer Subiect, oder auch nur die ſublee⸗ 
tlve Bedingung unſter Sinnlichkeit auſpeben: fo find, wie 
| Sie 


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Ben 
von 

Sie 
welch 


55 209 


Sie binzuſctzen, elle die Beſchaffenhelten, olle die Verpaͤlt. 


mſſe der Obitcte in Zeit und Raum, ja ſelbſt Ra m und 
Zeit verſchwunden, und als Erſcheinungen koͤnnen fe nicht 
an ſich ſelbſt, ſon dern nur in uns eriftiren. Wie wens wir 
keine ſubiective Bedingung der Sinnlichkeit köten, um 
Vorſtellungen von den Gegerſtaͤnden, von ihren Vorhaͤltpiſ⸗ 
fen in Zeit und Raum, und von beyden ſelbſt zu erholten? 
So wären fie alle verſchwunden. Wo denn? In unſern 
Anſchauungen? Ganz recht. Denn dieſe würden wir denn 
richt haben koͤnnen, weil fie als Erfcheinungen nicht an ſich 
ſelbſt, ſondern nur in uns ihr Daſcyn haben. Hieraus koͤnnen 
Sie aber nichts weiter ſchlieſſen, als daß Etcſcheinungen, d. h. 
unſre Vorſtellungen von den Gegenſtaͤnden nicht welter ſtatt 
hatten. Könnten Sie aber wohl daraus die Folgerung ma— 
chen, daß die Gegenſtaͤnde mit allen ihren ciqentpuͤmlichen 
Beſchaffenheiten, mit allen ihren Verhaltniſſen in Zeit und 
Raum, welche wir itzt, da wir die dazu nͤthige fubicctive 
Bedingung der Sinne hoben, aus Erfahrungen kennen, 
auch verſchwunden ſeyn wuͤrden? Was haben dieſe, an ſich 
betrachtet, mit unſrer ſubiectiven Belingung der Sinnlichkeit 
zu thun? Die Feder, womit ich ſchreibe, bleibt, was ſie iſt, 
behaͤlt die Eigenſchaft, weiche fie hat, die Geſtalt, die ich 
ihr zu meinem Zwecke gegeben habe, ich mag eine ſinnliche 
Anſchauung von ihr haben, oder nicht. Wenn Sie uns nur 
dieß zugeben: fo wollen wir. Ihnen es gerne zugeftehen, 
daß die Dinge nicht als Dinge, ſondern als Erſcheinungen 
nice an ſich ſelbſt, ſondern nur in uns eriſtiren, und boß fie 
verſchwunden ſeyn würden, wenn unfre fubicctive Bedingung 
der Sinnlichkeit verlohren gegangen wäre. 


d) Es bleibt uns ganz'ih unbekannt, mas eg für eine 
Bewandniß mit den Gegenſtaͤnden an ſich und abgeſondert 
von aller dieſer Receptivitaͤt unſrer Sinslichkeit hoben woͤge. 
Sie ſcheinen dieß als einen Zuſatz (corollarium) anzuſehen, 
welcher unmittelbar aus Ihren 5 Behauptun- 

gen 


gen folge. Nur Schade, daß dieſe keine Gultigkeit hat, wie 
ich oben bewieſen habe. Sie wellen, daß wir die Gegen. 
ſtaͤnde von aller Receptivltat unſrer Sinnlichkeit abſondern; 
und wenn wir dleß thaͤten: fo würde es uns gaͤnzlich und 
kannt bleiben, was es für ein Bewandniß mit den Dingen 
on ſich hätte. Auch dieß wuͤrde ich nicht in Abrede ſcyn, wenn 
Sle nur damit fo viel ſagen wollten: waren tiefe Gegen, 
ſtände fo von aller Receptivitat unſter Sinnlichkeit abgeſon, 
dert, daß ſie auf dieſe gar keinen Einfluß haben koͤnnten: 
fo wuͤrden wle gar kein Erkenntniß von ihren Beſchaffenheiten 
und Verhaͤltniſſen haben. Dick letzte würde freylich baz 
uns nicht moͤglich ſeyn, weil dle Gegenſtaͤnde alsdann un 
ſrer Sinnlichkeit keinen Steff zu Verſtellungen von ſich, 
von ihren Eigenſchaften, ron itren Verhaͤltniſſen in An. 
ſehung des Raumes und der Zeit darreichen konnten, und 
wir Sterbliche auf keinem andern Wege Eikenntniß von ih, 
nen zu erhalten, im Stande ſind. Alleln ſo verhaͤlt ſich 
nun zu unſerm Gluͤcke die Sache nicht. Die innern und 
äuffern Gegenſtaͤnde ſtehen in keiner ſolchen Abſonderunz 
von aller Receptivitaͤt unſrer Sinnlichkeit, ſondern fie ma. 
chen vielmehr Eindrücke auf dieſe, und geben ihr den Stof 
zu Worſtellungen von ſich, von ihren Eigenſchaſten, von ihren 
Verhaͤltniſſen in diͤckſicht des Raumes und der Zeit, und ſo 
weit ſie dieß thun, koͤnnen wir auch eine Erkenntniß von allem 
dieſen uns verſchaffen. Den Stoff zu Vorſtellungen von 
ihrer innern erſten Grundkraſt, worin der Grund der Moͤg— 
lichkeit von allem ihrem Wirken und Leiden enthalten iſt, 
koͤnnen fie der Receptivitaͤt unſter Sinnlichkeit nicht geben, 
ſondern unſte Vernunſt muß ihre Kräfte verſuchen, ob fie 
fähig iſt, aus demjenigen, wes jene gegeben haben, auf die 
Beſchaffenheit ihrer erſten Grundkräfte ſicher zu ſchlieſſen, 
und fie wird es auf dieſer Bahn der höhern Unterfuchung 
zur Demürhisung ihres Stolzes bald genug bemerken, wle 
wahr in Rüͤckſicht ihrer jetzigen Lage dieſer Ausſpruch eines 


unſter biften philoſophiſchen Dichter iſt: ins Innre der Na⸗ 
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Blick, 
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Sinn 


911 


tut dringt kein erfchaffner Geiſt. Zu gluͤcklich, dem ſie 
noch die erſten Schaalen weiſt. 

e) Wir kennen nichts, als unfre Art die Gegenſtaͤnde 
wahrzunehmen, welche uns eigenthuͤmlich iſt, welche auch 
nicht nothwendig jedem Weſen, ob zwar jedem Menſchen 
zukommen muß. Allein woher wiſſen Sie denn dieß letzte 
mit fo apodictiſcher Gewißheit? Doch nicht anders. als 
durch eine ſehr unvollſtaͤndige Induction, welche ſich auf 
Ihre Erfahrung gruͤndet? Menſchen gehören ja auch zu 
den Gegenſtänden unſrer Sinnlichkeit; und wenn Sie ſich 
denn ſo gewiß davon uͤberzeuget haben, daß wir nicht die 
Gegenſtaͤnde ſelbſt, ſondern nur unſte Art, fie wahrzuneh— 
men, kennten, daß wir von jenen ohne Ruͤckſicht auf unſte 
ſubiective Bedingung der Sinnlichkeit nichts wüßten: ſo koͤnn— 
te ich es mir nicht erklaͤren, wie Sie von dieſer Eigenſchaft 
des Menſchen, als einer ausgemachten Sache, fo zu reden 
fahig wären. Ich muß geſtehen, daß ich mehr von meinen 
auſſern Wahrnehmungen ſelbſt, als von meiner Art wahrzu— 
nehmen weis. Jene haben der Möglichkeit nach in der Res 
ceptivitaͤt und Spontanität meiner ſinnlichen Vorſtellungs⸗ 
fähigkeit, ihrer Wirklichkeit nach in der Einwirkung äufferer 
Gegenſtaͤnde auf die Organe meiner Sinne ihren Grund. So 
lange aͤuſſere Gegenſtaͤnde auf die Organe unter; gleichen Um— 
ſtaͤnden auf einerley Art wirken: jo ſteht es weder in meiner, 
noch in der Gewalt irgend eines andern Menſchen, in den ſinn— 
lichen Wahrnehmungen etwas weſentliches zu ändern. Da, wo 
ich und andre Menſchen von geſunden Sinnen und Verſtande 
ein Meer mit brauſenden Wogen gewahr werden, koͤnnen 
wir durch alle Anſtrengung unfrer Imagination keine Blus 
menreiche Wieſe Hinzaubern, und unſern Blicken darſtellen. 
Die ſinnliche Anſchauung bleibt immer unveraͤndert dieſelbe: 
fo lange der Gegenſtand ſich nicht ändert, und wir unſre 
Blicke auf ihn werfen. Dieß lehret eine Erfahrung, welcher 
Sie in Anſehung ſolcher Weſen, wie wir ſind, von ſolchen 
Sinnen, wie wir haben, eine allgemeine Gültigkeit ohne 

O 2 Wl⸗ 


* 


212 


Widetrede zugeſt. hen werden. Vielleicht find in der Ci. 
ſterwelt un zahl ich viele verſchiedene Claſſey, ven, welchen eine 
jede ihre cigenihümliche Art hat, ſinnlich die Dinge wah' zu, 
nehmen, welche fo wie von jeder Art der Übrigen auch von der 
unfrigen ſehr upterſchieden iſt. Unterdeſſen mag dieſe Der 
ſchiedenheit ſo greß ſeyn, wie ſie wolle; ſo werden Toch alle 
dieſe denkende Weſen, wenn ſie ſich enders die Dinge p 
volſtellen, wie ſie find, Raum und Zelt als obiective Ber 
dingungen von ihnen denken muſſen. 


0) Roum und Zeit find dle reinen Formen der Act, 
die Gegenſtaͤnde wahrzunehmen, Emwpfadung iſt uberhaupt 
die Materie. Was wollen Sie eigentlich hiemit ſagen! 
Nach ihrem Syſtem kann dieß ichs anders htiſſen, als in 
jeder finnlihen Wahrnehmung liegt cine reine Anſchauung 
von Zeit und Raum zum Grunde, und wir wuͤrden ehne 
dieſe keine Wahrnehmung haben. Di.B if aber unfrer Er 
fahrung entgegen. In meinen ſinnlichen Wahrnehmungen 
liegt nichts von Zeit, wenn ich mir nicht der Zeit als einer Reo— 
he von Veränderungen in den Dingen, die ich wahrneh;me, ber 
wuſt bin; auch nichts vom Raum, wenn ich nicht eine ſinnli⸗ 
che Vorſtellung von Dingen habe, worinn Theile auſſer und 
neben einander zugleich ſind. Jenes hat ſtatt, wenn ſich mit 
Gegenſtaͤnde datſtellen, ohne daß ich in ihnen Veränderungen 
bewerke, und dieſes iſt denn der Fall bey mir, wenn tie 
Obiecte meinen Augen als einzeine Puncte erſcheinen, 
in welchen ich nichts mehr untecſcheiden kann. Hieraus 
erhellet, daß nicht Zeit und Raum durchaus die Formen mei— 
ner Wahrnehmungen fern muſſen. Sie nennen die Mate— 
rie Derfelben die Empfindung. In Ibdrer Schule wird aber 
ſonſt die Vorſtellung auf des denkende Subiect bezogen, Emp— 
findung genannt, und fo wire dieſe Vorſtellung die Mate— 
rie der Wahrnehmung. Allein dieß ſcheinet hier Ihte 
Meynung richt zu ſeyn Ohne Zweifel denken Sie ſich pier 
unter Matsrie den Inhalt der Vorſtellung, 3. B. einen 

votge⸗ 


vorqe 
Mate 


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neber 


913 


vorgeſtellten Tiſch, die vorgeſtellte Sonne, u. ſ. w. Dieſe 
Materie elner ſinnlichen Wahrnehmung bezieht ſich ſtets auf 
ihren Gegenſtand, und ſolglich auf ein oder mehrere einzel. 
ne Dinge (indiuidua). 


g) Zeit und Raum konnen wir allein a priori, d. i 
rer aller wirklichen Wahrnehmung erkennen, und ſie heiſſen 
darum reine Anſchauungen. Die Materie iſt aber das in unſ— 
ter Eckenntniß, was da macht, daß fie Erkenntniß a po- 
ſteriori, d. i. empiriſche Aaſchauung heiſſet. Allein Zeit und 
Bi: als allgemeine SDegrilfe Fonnen wir nicht zuerſt 
ane alle wirkliche Wahrnehmungen erkennen, weil ſie alt 
0 de in unſter Vorſtellung nicht ehr ſtatt finden koͤnnen, 
als bis unſer Verſtand ſie aus einzel ien empirifhen Wahre 
nbmurgen aczogen hat. Sie entfpringen alſo wie andre 
ollgemeine Begriſſe zuerſt aus Erfahrungen, ſolglich a po— 
ſtetiori, und nur daun erſt konnen wir durch eine Abſonde— 
tung aller individuellen Beſti, mungen der Dinge, worinn wir 
fi: wahr: wonen, ſie zu all Emeanen Begriffen, zu reinen An⸗ 
ſchzuungen erheben, und nun bemerken, daß wir in den eine 
zelnen empiriſchen Anſchauungen von ſelchen i die⸗ 
fe allgemeinen Begriſſe von Zeit und Raum nach ihren Merk— 
malen wieder 1 


h) Zeit 95 Kaum hängen unſcer Sinnlichkeit ſchlecht. 
bin nethwer dig an, von welcher Art auch unſte Empfinduns 
gen ſeyn mögen, obgleich dieſe ſehr verſchieden ſeyn koͤnnen. 
Hiegegen empört ſich wieder meine Erfahrung. In meinen 
Erfindungen durch Hulſe der Organe vom Gehoͤr, vom 
Geſchmack, von Geruch findet ji) weder eine Anſchauung 
von Zeit noch Raum. Soll mein Verſtand beydes in ihnen 
gewahr werden: ſo muß ich eine empiriſche Anſchauung von 
Gegenſtänden haben, worinn ſich eine ununterbrodyne Rey 
be von Succeſſionen, oder werinn ſich Theile auſſer und 
neben einander zugleich ſinnlich Eger 


3 | i) Wenn 


214 


i) Wenn wir dieſe unfre empiriſchen Anſchauungen 
auch zum hoͤchſten Grade der Deutlichkeit bringen koͤnnten: 
ſo würden wir dadurch der Beſchaſſenheit der Gegenſtaͤnde 

am ſich ſelbſt nicht näher kommen. Dieß iſt ein ſynthetiſcher 

Saß, deſſen Beweis Sie uns wohl auf immer ſchuldig bleis 

ben werden. Weder in Ihren vorhergehenden Entwlcklun⸗ 
gen, noch in dleſen allgemeinen Anmerkungen zu Ihrer 

transſcendentalen Aeſthetik, welche im Grunde nichts mehr 

als bloſſe Wiederhohlungen ſind, haben Sie ihn beſſaͤttiget. 

Das Gegenchell von ihm zu beweiſen wird eben keine Schwie. 

rigkeit machen. Brächten wir unfre empiriſche Anſchau— 

ung zum hoͤchſten Grad der Deutlich keit: jo würden wir in 

den Gegenſtaͤnden derſelben auſſer uns alles unterſcheiden, was 

darian unterſchieden iſt, und unfrer Receptivität der Sinn— 

lichkeit den Steff zur Vorſtellurg von ſich dargereichet hat. 

Wir wurden olles bemerken, was in ihnen enthalten wäre, 

nicht blos die Verſchiedenhelt der Theile, die Merkmale, wo— 

durch ſie ſich unterſcheiden, ſondern auch die Verhaͤltniſſe, 

welche ſie gegen einander haben. Wir wuͤrden alſo die Be— 

ſchaffenheit derſelben beſſer kennen, oder wie Sie ſich aus 

drucken, ihnen näher kommen. Die Anſchauung eines Kuͤnſt— 
lers, welche eine theoretiſche Kenntniß von ſeinen Kunſtwer— 
ken hac, iſt doch von der Anſchauung eben dieſer Werke in 
einem Kinde Himmeiweit unterſchieden. Ein Mann, mil 
cher der Structur des menſchlichen Koͤrpers bis auf die kleinſten 
Fäſerchen nachgeforſcht, den Zweck, welchen jeder Knochen, 
jede Ader, jede Sehne hat, die erſtaunenswuͤrdige gegenſei— 
tige Einwirkungen der Theile auf einander, die zweckmaͤſſigen 
Bewegungen, dle daher erfolgen, ſich bekannt machte, hat 
doch eine weit richtigere, weit genauere, weit gröffere Er— 
kenntniß von der Beſchaffenheit unſers Körpers, als ein Un 
eingeweyhter in dleſer Art der Wiſſenſchaft. Er wird es 
Ibnen ableugnen, und dieß mit Recht, daß er nur blos 
feine Art der Anſchauung, blos feine Sinnlichkeit, daß er 
blos die Structur des Körpers, die zweckmaͤſſige Verbin⸗ 
dung 


dung 
Zeit 


gen a 
obitct. 
welch 
den S 


alſo d 


lichkei 
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von 5 
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wuſt! 
durch 
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uns 
gen! 
zu G 
ten, 
auſſe 
emp! 


ſchal 


alg 


dung unter der ihm urſpruͤnglich anhaͤngenden Bedingung von 
Zeit und Raum erkenne, und daß es ihm durchaus nicht 
bekannt fen, was fein Gegenſtand für eine Beſchaffenheit ha— 
be. Je aufgeklaͤrter ſeine Erkenntniß von dieſer iſt: deſto 
mehr iſt er uͤberzeugt, daß dieſe nicht auf bloſſe Erſcheinun— 
gen als ſubiectire Vorſtellungen, ſondern vielmehr auf die 
ebiectiven Eigenſchaſten feines Gegenſtandes ſich ſtuͤtze, von 
welchen er keine Erkenntniß haben würde, wenn fie ihm nicht 
den Stoff zu dieſen Vorstellungen dargereicht hätten, welche 
alſo dieſem entſprechen muͤſſen. 


Sie behaupten, daß die Philoſophen unſre ganze Sinne 
ſichkeit fuͤr nichts anders als für verworrne Vorſtellungen der 
Dinge ausgeben, welche lediglich das enthaͤlt, was ihnen an 
ſich ſelbſt zukſmmt, aber nur unter einer Zuſammenhaͤufung 
von Merkmalen und Theilvorſtellungen, welche wir nicht mit 
Vewuſtſeyn aus einander ſetzen. So wird kein Weltmeifer, 
der dieſen Namen verdient, je geredet haben. Wie koͤnnte 
er die Sinnlichkeit für cine eigentliche Vorſtellung ausgeben? 
Er müßte in dieſem Fall zu kurzſichtlg fern, um es einzuſehen, 
daß unſte Sinnlichkeit blos ein Vermoͤgen, und als ein ſol— 
ches von den Wirkungen der Sinnlichkeit unterſchieden waͤre. 
Zwlſchen ſinnlicher Erkenntniß, und Erkenntniß des Verſtar— 
des und der Vernunft haben die Philoſophen freylich laͤngſt 
einen Unterſchied gemacht. Jene gründet ſich auf das Be— 
wuſtſeyn unſrer empiriſchen Vorſtellungen, welche entweder 
durch Einwirkungen der Gegenſtaͤnde auf die Organe unfrer 
Sinne, oder durch unfre innre Veränderungen, deren wir 
uns bewuſt werden, in uns entſtehen. Sinnliche Vorftellune 
gen von der erſten Art haben ſtets einzelne Dinge (indiuidua) 
zu Gegenſtaͤnden, und von dieſen iſt, wenn wir darauf ach⸗ 
ten, die Vorſtellung unzertrennlich, daß die Gegenſtaͤnde ſelbſt 
auſſer uns als denkenden Subiecten angetroffen werden. Die 
empiriſchen Vorſtellungen von ihnen find immer Tetalanı 
ſchauungen der Gegenſtaͤnde, 55 ſolglich denken wir uns 

4 den 


816 eee eee 


* 


den Gegenſtand als ein Ganzes, ohne uns in dleſer Anſchau— 
ung der Theile beſonders bewuſt zu ſeyn. Wir unterſcheiden 
alſo in dieſer Vorſtellung die Theile nicht, ſtellen uns fie mit 
einmal, und ſolalich ohne Abſonderung, ohne Bewuſtſeyn 
der einzelnen Theile, d. i. verworren (conſule) vor. Wollen 
wir die Theile unterſcheiden: fo muͤſſen wir auf fie beſonders 
unfce Aufmerkſemkeit richten, über das Ganze refleetiren, 
und durch eine Aoſtraction ſie gleichſam unſerm Zweck gemäß 
zergtied ern. Hier gebt nun des Gebiet des Verſtandes und 
der Nrnunſt au. Wo iſt hier Verfaͤiſchung des Begriffes 
von Sinnlichkeit? Wie ſollte dieſe Lehre don ihrer Wirkſam— 
keit leer und untuͤtz ſeyÿn? Sie iſt auf richtige Beobachtung 
gebauct, und wir legen in ihr dasjenige zum Grunde, was 
wir durch genaue Aufmerkſamkeit in unſern empiriſchen äul 
eren Verſtellungen vornehmlich gewahr wurden. Finden 
Sie in ihren Anſchauungen, wezu äuſſere Gegenſtaͤnde ihnen 
den Stoff darboten, es anders: fo muß die Beſchaffenheit 
Ibrer ſinnlichen Vorſteklungsfählzkeit von einer andern At 
als die unſrige ſeyn, und dann wäre mit einmal unkt 
Streit gehoben. Sie redten vor einer Ihnen eigenthüms 
lichen Form der Sinnlichkeit, und ich redete von der mei. 
nigen, und von der Form, welche bey den übrigen Men 
ſchen ſo allgemein ſich ſindet. Folglich koͤnnten wir beyde 
Recht haben. Den Unterſchied zwiſchen einer deutlichen und 
undeutlichen Vorſtellung halten Sie blos für einen logiſchen, 
welcher den Innhalt nicht betriſt. Gerade aber deswegen, 
weil er logiſch richtig iſt: fo wird er mir wichtig. Denn die— 
ſes koͤnnte er nicht ſeyn, wenn nicht dadurch eine verschiedene 
Art der Erkenntnitz bezeichnet würde. Iſt denn die verſchie— 
dene Art, wie wir uns das Mannigfaltige in den Gegenſtaͤn. 
den denken, fo ganz gleichgültig, und kann dieß nicht das 
Merkel werden, wodurch ich die Wirkung der Sinnlichkeit 
von den Wirkungen des Verſtandes und der Vernunſt unter— 
ſcheide? Dieſer Unterſchied öetkiſt auch allerdiags den Inn, 
balt der Vorſtellung. Dieſe iſt blos ſinnlich, wenn wir urs 
des ganzen Gegenſtandes, fo wie er ſich ben Sinnen dark, 

abe 


abet 

wird 
einge 
(man 
bel 
rt ei 
Dies 
itın? 
viel 
lol pl 
DIR 1 
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nicht 
wege 
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nen 

nen 
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feine 

Haug 
vorfi 
dure 
auf 

wels 
Kind 


Ges 


eber nicht der Theile beſonders bewuſt werden. Deutlich 
wird die Vorſtellung, wenn wir in derſelben auch auf die 
einzelnen Theile unſre Aufmerkſamkeit richten, ſie gegen 
(inander vergleichen, und das Mannigfaltige in derlelben 
beſonders uns denken, was in der ſinnlichen Verſtellung un— 
ter einer Zuſammenhaufung der Theile als ein Ganzes lag. 
Dleß iſt nun (chen eine Fo ge von der Wirkung unſers Ver— 
ſtindes durch Hülſe der Reflection und Abſtraction. So 
viel ich weis, hat auch keiner von unſern Einſichtsvollen Ppis 
leſephen behauptet, daß alles, wovon wir eine verworrne 
Vorſtellung (idea m confulaın) haben, ein Gegenſtand uns 
ſrer Sinnlichkeit ſeyn muß. Wie konnen Sie es behaupten, 
daß der Begriff vom Recht, deſſen ſich der geſunde Ver. 
fand bedienet, eben daſſeibe enthalte, was die ſubtilſte 
Speculation aus ihm entwickeln kann. Der gemeine 
Mann von geſundem, aber nicht aufgeklaͤrtem Verſtande 
bot eigentlich vom Recht keine Begriffe, wenigſtens ſind 
ſie im hoͤchſten Grade verworren. Allein nach ſeinem mora— 
lichen Gefuͤhle, und nach der Erziehung, welche er erhalten 
hot, weis er in feinem Wirkungskreis faſt jedesmal, was 
Recht oder Unrecht ſey. Seine Begriffe, wenn fie anders 
ihm beygelegt werden konnen, find in dieſem Fache, wo 
nicht dunkel, doch ſehr verworren. Wir koͤnnen freylich des- 
wegen nicht ſagen, daß fein Oegriff ſinnlich ſey, und eine 
bloſſe Erſcheinung enthalte, weil das Recht gar nicht erſchei— 
nen kann, ſondern ſein Begriff im Verſtande liegt, und ei— 
ne moraliſche Beſchaffenheit der Handlungen vorſtellt, die 
ihnen an ſich ſeibſt zukoͤmmt. Hierinn wird Ihnen jeder 


feinen Beyſall nicht verſagen. Allein unſte Philoſophen Dee 


haupten doch auch nicht, daß alles, was wir uns verworren 
vorſtellen, eine empiriſche Vorſtellung eyn muß, welche 
durch Hülfe der verſchiedenen Organe von unſern Sinnen die 
äuſſern Gegenſtaͤnde in uns erreget haben. Wenn jemand 
weis, daß ein Triangel ein Raum ſey, welcher von drey 
Linien eingeſchloſſen iſt: fo hat er von dieſem allgemeinen 
Gegenſtand der Geometrie 175 deutlichen Begriff. Weis 

a 5 et 


—— . — 


— — —— — — 


— — — 


— 


er aber nicht das Mannigfaltige in den Merkmalen bes 
Triargels beſonders anzugeben: fo iſt feine Vorſtellung von 
den Thellen des Trlangels verworren, und, wenn er ſich ihn 
im Allgemeinen denket, dabey nicht ſinnlich, ſondern eine 
Vorſtellung des Verſtandes. 


Ihre Vorſtellung eines Körpers ſoll in der Anſchauung 
gar nichts enthalten, was einem Gegenſtande an ſich ſelbſt 
zukommen koͤnnte. Auch die Meinige iſt in einem gewiſſen 
Verſtande eben ſo beſchaffen. Was in meiner Anſchauung 
eines Koͤrpers liegt, iſt blos Vorſtellung in mir, und dleſe 
kann mit ihrer Form und ihrem ganzen Innhalte, nicht in 
dem Körper liegen, weil fie blos Beſtimmung meiner fubs 
lectiven Denkkraſt iſt. Allein eine andre Frage iſt dieſe: 
liegen die Eigenſchaften, wevon ich mir eine Vorſtellung 


der. In meiner Vorſtellung von ihm liegt nichts, was dem 
Cylinder ſelbſt für ſich betrachtet zukoͤmmt, weil die eigen— 


pers ſelbſt ſeyn kann. In meiner Vorſtellung liegt nichts 
als Vorſtellung, aber fie iſt in mir ein Bild von dem Ge— 


genſtande, und das Original davon iſt der Cylinder, wel. 


cher vor mir liegt. Die Receptivitaͤt meiner Erkenntnißfaͤ⸗ 
higkeit, Vorſtellungen von Gegenftänden zu erhalten, wel 
che auf meine Sinne wirken, heißt Sinnlichkeit. Dleſe 
Receptivitaͤt iſt blos Vermoͤgen, keine Erkenntniß des Ga 
genſtandes an ſich, und jene blelbt alſo von dleſer, wenn 


man gleich den Gegenſtand, der uns erſcheinet, bis auf 


den Grund durchſchauen möchte, hlmmelweit unterſchleden. 


Hier ſcheinen wir uns wieder auf einem Wege, aber in ent- 


gegengeſetzten Richtungen anzutreffen. 


Philoſophie gegen dieſe Ihre Anklage zu vertheidigen, daß 
ſie allen Unterſuchungen über die Natur und den Urſprung 


unſter 


. 5 
ae) 


8 zufle 
nen 
gemi 
: 8 : 1 5 A hr 
mache, nicht in dem Körper? Ich betrachte einen Cylin. de 


anf: 
gewi 
dem 


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5 
Mer 


«. 


äbi; 


begre 


da d 


— Im: 


thuͤmliche Form meiner Verſtellung nicht die Form des Kir 


beyd. 
denke 
nicht 
tellec 
ſonde 
denke 


nur i 


kann 
lich 
ſtem 
Gege 
druck 


zelne 


Ich habe zwar keinen Beruf dle Leibnitz⸗Wolfiſche 


tiviteé 
ten ( 


(inte 


keiten 


5 enfrer Erkenntniß einen ganz unrichtigen Geſichtspunct an- 
gewieſen hat, weil fie den Unterſchied der Sinnlichkeit von 
dem Intelle ctuellen blos als logiſch betrachtet. Dieß thut 
ſe aber denn dech meiner Einſicht nach nicht, wenn dieß ſo 
viel Heiffen ſoll, daß fie Deutlichkeit in den Vorſtellungen 
((diſtinctio) als einen ausſchlieſſenden Character des Intellec⸗ 
tuellen, und Undeutlichkeit in ihnen (contuho) zum einzigen 
Merkmal der Sinnlichkeit mache. Sie hat es nie geleugnet, 
daß auch die Verſtandesbegriffe undeutlich (notiones confu— 
ge) ſeyn koͤnnen. Sie ſchloß vielmehr fo: der Menſch iſt uns 
= fäpig, alle beſondre Merkmale der einzelnen Dinge ſich vore 

zuſtellen. Es wird folglich in feinen Vorſtellungen von ih— 
nen manches durchaus unausgewickelt, oder durch einander 
gtmiſcht erſcheinen. In abſtracten Ideen, welche blos die 
Aehnlichkeit der einzelnen Dinge (indiniduorum) unter ſich 
begreifen, kann eine vollkommne Deutlichkeit ſtatt finden, und 


de dieſe weder in den Vorſtellungen der Senſation noch der 


Imaginatlon fo beſchaffen ſeyn kann: fo unterſcheidet ſich von 
beyden unſer Verſtand, durch das Vermoͤgen, deutlich zu 
denken. Will ich alſo die Meynung des Leibnitzianers hier 
nicht unrichtig erklaren: fo ſehe ich, daß nach ihm das In⸗ 
tellectuale da angeht, wo wir nicht mehr einzelne Dinge, 
ſondern ihre Aehnlichkeit, ſolglich allgemeine Begriffe uns 
denken, und uns derſelben beſonders bewuſt werden. Weil 
nur in Anſehung dieſer eine vollkommne Deutlichkeit ſtatt haben 
kann: fo erklärte er den Verſtand durch ein Vermoͤgen deute 
lich zu denken. Hieraus erhellet alſo, daß nach ſeinem Sy— 


| ſtem die Sinnlichkeit ſich 1) auf Vorſtellungen von einzelnen 


Gegenſtaͤnden, in wie weit fie auf unfre Sinne wirklich Eine 
druck machen, 2) auf Vorſtellungen, in welchen wir dieſe eins 
zelne Dinge uns wieder fo vorſtellen, wie fie unſter Recep— 
tivitaͤt den Stoff zu Anſchauungen von ſich dargereichet hate 
ten (imaginationes, Einbildungen) erſtrecken. Der Verſtand 
(intellectus) hat zu unmittelbaren Gegenſtaͤnden die Aehnlich: 
keiten der einzelnen Dinge, oder die Merkmale, li 

Uber⸗ 


220, eee eee 

uͤbereinkommen, folglich allgemeine Begriſſe. In dieſer 
Phlloſophie it alſo die Sinnlichkeit von dem Intellectuellen 
thells in Anſehung der Art, wie die Dinge; vorgeſtellet werden, 
theils in Rüͤckſicht des Innhalts der Vorſtellungen unterſchie. 
den, und deswegen glaubt fie berechtiget zu ſeyn, einen logie 
ſchen Unterſchied zwiſchen beyden zu machen, welcher ſich theils 
auf die verſchiedene Art der Vorſtellungen, theils auf die 
Verschiedenheit ihres Innhaltes gruͤndet. Hieraus entſpringt 
der Unterſchied zwiſchen ſiunlicher und intellectueller Erkennt, 
niß. Jene entficht aus dem Bewuſtſeyn der Vorſtellung 
von einzelnen Dingen, welche auf uaſre Sinne wirken, oder 
gewirket haben; dieſe aus dem Vermoͤ zen, das Allgemeine 
aus den ſinnlichen Vorſtellungen heraus zuheben und es ſich 
gewoͤhnlich unter ſelbſt gewaͤhrten Symbolen in allgemeinen 
Begriſſen vorzustellen. Sollte dieß nicht der rechte Geſichts. 
punct ſeyn, aus welchem wir die Natur und den Urſprung 
unfrer Erkenntniſſe unterſuchen muͤſſen? Welchen richtigern 
Geſichtspunct haben Sie uns denn dafuͤr angewieſen? Sie 
ſagen: 1) der Unterſchied unter beyden iſt transſcendental, 
ohne zu zeigen, worinn dieß beſteße; 2) er betrift nicht blos 
die Form der Deutlichkeit und Undeutlichkeit, ſondern den 
Ucſprung und Innhalt derſelben; 3) durch die erſte, (Sinn— 
lichkeit) erkennen wir die Beſchaffenheit der Dinge an ſich 
ſelbſt nicht blos undeutlich, ſondern gar nicht; 4) das ver 
gestellte Obiect mit den Tigenſchaften, welche ihm die ſinnliche 
Anſcheuung beylegte, iſt überall nirgends anzutreffen, noch 
kann irgend wo angetroſſen werden, weil eben dieſe fubiective 
Beſchaffenheit die Form deſſelben als Erſchein ang beſtimmt. 
Was den zweyten Punct anbetrift: jo haben die Wolfianer 
die Deutlichkeit (diſtinctionem idearum) und die Undeut— 
lichkeit (canfufonem) fo erklärt, daß dabey fo wohl auf den 
Inn halt, als auf die Art unfrer Erkenntniß Ruͤckſicht genom— 
nien iſt, wie ich oben gezeiget habe. Ich finde aber hier in 
bisen Ihren Anmerkungen nichts, woran ich das ntelle 


ctucle erkennen, und den Unterſchled zwiſchen dieſem und un- 
ſter 


für 
und 

uber 
über; 
Hu 
nicht 

heit 
ihnen 
anget 
fläreı 
Kriti 
Sie 
ſind, 

che in 
Auge 
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leſen 

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daß d 
ihren, 
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auch 

Biſti 
nicht! 
welche 
werde 
von d 
liegt. 
als de 
nung 

empie 
fo wel 
Zuber 
auch 

koͤnner 


221 


rer Sinnlichkeit beſtimmen kann. Was nun den dritten 
und vierten Punct anbettift: fo kann ich mich nicht de von 
überreden, daß Sie ſich wirklich von der Wahrhelt derſelben 
uͤberzeuget haben. Wuͤſten Sie mit Zuverſicht, daß Sie durch 
Huͤlfe Ihrer Sinne die Beſchaffenheit der Dinge an ſich gar 
nicht erkenden, und daſt auffer Ibter ſubiectiven Oeſchaffen. 
heit die vorgeſtellten Obiecte mit den Eigenſchaften, welche 
ihnen Ihre ſinnliche Anſchauung beylegte, uberall nirgends 
angetreffen werden kann: fo kann ich es mir gar nicht er— 
flären, wie Sie den Entſchluß faſſen konnten, für uns eine 
Kritik der reinen Vernunft zu ſchreiben. Bey dieſem mülfen 
Sie doch vorausſetzen, daß auſſer Ihnen getaͤumigte Dinge 
find, auf welche Sie die Buchſtaben hinziehen koͤnnen, wel— 
che in Ihrer Kritik vorkommen ſollen; daß auſſer Ihnen 
Augen da find, welche fie nicht in Ihrer ſubiectiven Beſchaffen— 
heit oder Form der Sinnlichkeit, ſondern auf den Blaͤttern 
leſen ſollen, worauf Sie ſie geſchrieben haben; daß dieſe 
ſich ſo den Augen der Leſer darſtellen, wie Sie ſie zeichneten; 
daß dieſe die Gedanken, wovon fie liche Zeichen find, durch, 
ihre Form in dem Gemuͤthe Ihrer Leſer erregen; daß dle 
Eigenſchaften, welche dle fü: an che Anſchauung ihnen binlege, 
auch ihnen ſelbſt anhaͤngen; und daß ſolglich die ſublective 
Beſtimmung unſrer Sinnlichkeit fo befcheffen ſey, daß fie 
nicht blos ſubiective Erſcheinungen von Obiecten hervorbringt, 
welche auſſer der ſublectiven Befch sfienHeit nirgends angetroffen 
werden, ſondern daß dieſe in der Secle richtige Abbildungen 
ven dem find, was in den Obiscten an ſich ſelb ſt betrachtet, 
liegt. Wollen Sie uns aber vielleicht nichts weiter lehren, 
als daß unſre Vorſtellung von dem Obicct als eine Eeſchei— 
nung auſſer unfrer fubicctiven Beſchaffenbeit, auſſer unſter 
empiriſchen Anſchauung nirgends angetroffen werden konn: 
fo werden Sie auf eine ganz fonterbare Art die größte 
Zubereitung gemacht haben, um uns etwas zu ſagen, woren 
auch der dummſte Menſchenverſtand nie hat zweiſeln 

koͤnnen. 
Frey⸗ 


— re een enge 


Freplich umterfcheiben wir wohl unter Erſcheim ngen 
dasjenige, was der Anſchauung derſelben weſentlich anhängt 
und für jeden menſchlichen Sinn überhaupt gilt, von dem. 
jenigen, was derſelben nur zufälliger Weiſe zukommt, indem 
es nicht auf die Beziehung der Sinnlichkeit überhaupt 
ſondern nur auf eine beſondre Stellung oder Organiſatlon die 
ſes oder jenes Sinnes guͤltig iſt. Worinn kann aber Liefer 
Unterſchled beſtehen? Ich kann mir keinen andern als die 
ſen denken. Weſentlich muß unſter ſinnlichen Anſchaunag 
dieß anhaͤngen, daß ſie ſo beſchaffen iſt, wle die Natur dies 
Sinnes und die Art es mlt ſich bringet, nach welcher die 
äufferen Gegenſtaͤnde auf ihn wirken. Zufälliger Wei 
koͤmmt ihr dasjenige zu, daß fie ſich nach dem richtit, wie 
bey einzelnen Menſchen ihre Organe beſchaſſen find, und wie 
fie nach dieſer die Eindruͤcke der Gegenſtaͤnde aufnehmen kann. 
Ein Myops erblickt die Gegenſtände in der Ferne andets 
als ein Presbytes, einer, der die gelbe Sucht hat, anders, als 
ein Menſch mit gefunden Augen. Anders erfdyrinet uns eine 
Milbe unter einem Mikroskop, anders, wenn wir fie ohne dies 
ſes anſchauen. Man kann die Erkenntniß, welche ſich auf eine 
Anſchauung gründet, die ſo beſchaffen iſt, wie die Natut 
des Sinues und die Art der Einwirkung des Gegenſtandes 
auf diefe es weſentlich mit ſich bringt, eine ſolche, welche den 
Gegenſtand an ſich ſelbſt vorſtellet, und die zwote eine Er 
ſcheinung nennen. Was wollen Sie aber eigentlich dadurch 
fagen, wenn Sie dieſen Unterſchied für blos emplriſch aus 
geben? Soll es fo viel heiſſen, er gründet ſich auf Erfah 
rungen: fo habe ich nichts dagegen, und er ſcheinet mir 
eben deswegen ſehr gegruͤndet zu ſeyn. 

Die Folgerung, welche Sie daraus ziehen, hat für mich 
keine Gültigkeit. Sie behaupten naͤmlich, daß, wenn wit 
dabey ſtehen blelben, und jene emplriſche Anſchauung nicht 
wiederum als bloſſe Erſcheinung anſehen, fo daß darinn 
gar nichts, was irgend elner Sache an ſich ſeibſt anhin 
ge, anzutreffen ſey, unſer transſcendentaler Unterſchied ver 


lohren. B 


lohten 
dentalen 
unfre en 
Stoff 3 
gen von 
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ſolcher! 
dleſem i. 
Eben ſo 
unter el 
haupten 
Gegenfl 
zu thun 


223 


(ohren iſt. Was wollen Sie aber mit Ihrem transſcen. 
dentalen Unterſchied? Wuͤrde er wirklich dadurch, daß wir 
unſte empiriſche Anſchauungen von Gegenſtaͤnden, welche uns den 
Stoff zu Vorſtellungen von ſich gegeben haben, als Abbildun— 
gen von demjenigen anſehen, was in den Obieeten wirklich liegt, 
welche wir anſchauen, verlohren gehe: fo würde der fransfcen« 
dentale Unterſchied bloß ein Hirngeſpinnſt ſeyn, an deſſen Ver— 
luſt den Wlſenſchaften nichts gelegen waͤre. Allein er koͤnnte doch 
4 mohl bleiben. Ich ſtelle mir ein Saatenfeld fo vor, wie es auf 
meine Augen wirket, und mir den Stoff zur Anſchauung von ſich 


darreichet. Alsdann habe ich von ihm eine emplriſche An— 


ſchauung, und ich habe es nicht mehr in meiner Gewalt, 
es mir im Ernſte einzubilden, daß es nicht ſo vor mir liegt, 
als ich es fehe. daß es nicht mit den Aehren geſchmuͤckt iſt, 
welche ich erblicke. Nun denke ich mir durch Hülfe meines 
Verſtandes von ihm blos dasjenige, worinn es mit allen 
Saatenfſeldern uͤbereinkoͤmmt. In dieſem allgemeinen Bes 
griff, wovon ich eine Vorftellung habe, liegt von allen den 
individuellen Beſtimmungen des Feldes nichts mehr, als wo— 
durch es andern aͤhnlich it. Dieſer Begriff iſt blos ſubiectl. 
ve Wirkung meines Verſtandes und der Art, wie ich es 
denke. Er kann als eln ſolcher Begriff nicht in dem Ob— 
ect ſelbſt liegen, weil dieſer nichts als fubiective Beſtim— 
mung meines Verſtandes iſt. Allein deswegen bleibt er 
doch eine getreue Abbildung von dem, was dieß von mir er— 
blickte Saatenfeld mit allen übrigen gemein hat, und ich kann 
mich nicht taͤuſchen, wenn Ich davon uͤberzeugt bin, daß ich 
in dem allgemeinen Begriff die allgemeine Beſchaſſenheit 
ſolcher Felder, und in meiner emplriſchen Anſchauung von 
dleſem individuellen Oblect dieſes als ein Ding an ſich erkenne. 
Eben fo gewif bin ich davon überzeugt, daß ich Ihren nur 
unter einer Einſchraͤnkung es zugeben kann, wenn Sie bes 
haupten, daß wir es auch bey der tieſſten Erforſchung der 
Gegenſtaͤnde in der Sinnewelt mit Nichts als Erſcheinungen 
zu thun haben. Was kann hier die Sinnewelt Auer 
j nis 


224 


Entweder die Welt auſſer unfern Vorſtebungen, welcke ſich 
unſern Einnen darſtelle, oder die Darſtellung der Welt 
durch Hülfe unſter Sinne In der Anſchauung. Iſt von iht 
in der letzten Vedeutimg des Wortes die Rede: (MR fie blos 
elne Erfcheinung, und wenn wir uns mlt jsner beſchaͤftigen: 
fo haben wir es blos mit dieſer zu thun. Alleln dieſe Erſchel; 
nungen haben keinen Werth, find nlchts als taͤuſchende 
Träume unfrer Phantaſie, welche fo wie bey den Scholoſti 
kern dos Gewand der Vernunſt angeleget hat, wenn fie 
nlcht Anſchauungen von dem find, wozu die Gegenſtaͤnde in 
der Welt den Stoff uns hergegeben haben. Reden wir ader 
von der Sinnewelt auſſer unſern Vorſtellungen: fo muͤſſen 
Sie dle Wirklichkeit einer ſolchen annehmen, oder nicht. 
Nicht? Nun ſo waͤre Ihr Syſtem der Ideallsmus; und 
wenn dieß das Syſtem der unbefangenen Vernunſt fern 
koͤnnte: fo würden Sle aus dleſem fo zu ſchlieſſen berech, 
tlget ſeyn. Allein meine Vernunſt würde es verwerſen, und 
Sie verwerfen es dadurch ſelbſt, daß Ele Ihre Ktitik der 
reinen Vernunſt geſchrleben haben. Iſt nun dieſe Welt auf 
fer unſter Vorſtellung wirklich da: fo wird eine tiefe Erfor— 
ſchung ihrer Gegenſtaͤnde uns zu einer richtlgen Erkenntniß 
von ihren obiectiven Beſtimmungen verhelfen, und wir he— 
ben nicht mehr blos mit unſern fubiectiven Erſchelnungen, 
ſondern mlt obiectiven Beſtimmungen und Beſchaffenbeit der 
ale an ſich zu thun, welche Theile von dieſer Welt 
ind. 


Den Regenbogen nennen wir bey einem Eonnenregen 
elne bloffe Erſcheinung, den Regen die Sache ſelbſt; und 
Biefe Benennung erklaͤren Sie für eine richtige, fo ferne wir 
den letzten Begelff nur phyſiſch verſtehen. Was ſollen wir 
uns aber dabey denken, wenn in Ihrer Sprache ein Bequlſf 
blos phrſiſch verſtanden wird? Es war hier uͤberdas nickt 
von einem Begriff, fondern von dem Regen, als von einem 
Dinge auſſer unſter Vorſtellung in der Natur ſelbſt die Re. 


de. 


be. H. 
auſſer u 
wle er fi 
de herab 


S. 
überhau 
ſelben m 
nen Ge. 
dieſe fir 
vorſtelle 
lung auf 
dleſe Ti 
runde G 
ſind nich 
Grundla 
tale Obi 
ten weit 
gen, da 
dle Zerg 
Ibnen v 
ſche uͤber 
jedem N 
ſehe ich k 
ſtellung 
ten Geg 
ſo ſage ic 
Allgemei 
ben aus 
nichts a 
Fall nent 
lung auf 
daß alsd 
te runde 
kn, nid) 


225 


de. Heißt dieß den Regen phyſiſch verſtehen: fo würde er 
cuſſer unſerer Anſchauung feine obiective Realitaͤt haben, 
wie er fie wirklich hat, wenn er aus den Wolken auf die Er⸗ 
de herab fälle. 


Sie ſetzen hinzu: nehmen wlr aber dleſes Emplriſche 
überhaupt, und fragen, ohne uns an dle Einſtimmung deſ— 
ſelben mit jedem Menſchenſinne zu kehren, ob auch dieß el— 
nen Gegenſtand an ſich ſelbſt (nicht die Regentropfen, denn 
dieſe find denn ſchon Erſchelnungen, empirlſche Dbiecte,) 
vorſtelle: fo IM die Frage von der Beziehung der Vorſtel. 
lung auf den Gegenſtand transſcendental, und nlcht alleln 
dleſe Tropfen find blos Erſchelnungen, ſondern ſelbſt ihre 
runde Geſtalt, ja ſogar der Raunn, in welchem ſie fallen, 
ſind nichts an ſich ſelbſt, ſondern bloſſe Modificatlonen, oder 
Grundlagen unjrer ſinnlichen Anſchauung; das transfcendens 
tale Obiect aber bleibt uns unbekannt. Ich habe dieſen Ih⸗ 
ren weitſchwelſenden, verwickelten, und faſt möchte ich ſa⸗ 
gen, dadurch unverſtaͤndlichen Perioden abgeſchrieben, um 
die Zergliederung und Entzifferung deſſelben deſto deutlicher 


I Ihnen vorzulegen. Was heißt es: nehme ich das Empirl⸗ 


(he überhaupt, ohne mich an dle Einſtimmung deſſelben mit 


jedem Menſchenſinn zu kehren? Doch nichts anders, als, 


ſehe ich blos auf dasjenige, was in meiner empiriſchen Vor 
ſtellung des Obieets allgemein lieget. Frage ich nun, ob dieß 
ten Gegenſtand an ſich ſelbſt, die Regentropfen vorftelle: 
fm fage ich nein, in wie weit in dieſer Vorſtellung blos das 
Allgemeine von Regentropfen liegt, das Indiolduelle derſel⸗ 
ben aus ihr ausgeſchloſſen iſt, und alſo Regentropſen nun 
nichts anders als bloſſe Ideen ſeyn koͤnnen. In dieſem 
Fall nennen Sie die Frage von der Bezlehung der Vorſtel. 
lung auf den Gegenſtand transſcendental und Sie behaupten, 


dcß alsdann dieſe Tropfen blos Erſcheinungen, und daß ih. 
ee tunde Geſtalt, ja ſo gar der Raum, in welchem fie ſal. 


kn, nichts an ſich ſelbſt, de bloſſe Modificationen unſ⸗ 
rer 


226 — 


rer ſinnlichen Anſchauungen find. Hier reden Ele offenbar 
blos von der allgemeinen Vorſtellung, welche Sie von den 
Tropſen, von ihrer Geſtalt, von dem Raum, in welchem 
fie fallen, ſich machen. Diefe Tropfen mit den hinzugeſuͤg, 
ten Beſtimmungen liegen blos in der ſudiectlven Form Ih, 
rer Vorſtellungen, find alſo Modificationen Ihrer ſianlichen 
Anſchauung, und auſſer dieſer Nichts. Ich ſage nicht, 
welcher Phlloſoph, ſondern welcher Mann von geſundem 
Menſchenverſtande wird je daran zweifeln koͤnnen, daß bie 
Modificationen Ihrer Anſchauungen auſſer dieſen nirgends 
find, nirgends ſeyn koͤnnen? Alleln man wlrd ſagen, dieſe 
Moditicationen oder dieſer Innhalt, dieſe Form Ihrer An— 
ſchauung find nicht die Regentropfen, welche den Regenbegen 
durch dle Reſtaction und Reflexion der Sonnenſtralen er. 
zeugten, find nicht die runde Geſtalt, welche fie haben, nicht 
der Raum, in welchem ſie ſallen; ſondern alles dleſes hat 
auſſer Ihrer ſinnkichen Anſchauung feine oblective Realltät, 
und über dle Gultigkeit dieſer kann blos zwlſchen uns der 
Streit ſcyn. Geben Ste uns dieſe zu: fo find wir einig, 
und Sie konnen ſich darauf verlaffen, daß es uns nie einge 
fallen iſt, Regentropſen, ihre runde Geſtolt, den Raum, 
in welchem fie fallen, als den Innhalt oder die Wodificatios 
nen, (nicht Grundlagen) Ihrer finntiihen Anſchauung, weil 
dleſe nur die Receptivität der Sinnlichkelt in ſich enthalten 
kann, als Obiecte anzuſehen, welche auſſer der fubiectiven 
Form Ihrer Votſtellungen eine abſolute Realltaͤt haben, 
oder haben koͤnnen. So was zu behaupten wäre Unſinn, 
ware der thoͤtigſte Widerſpruch. Sie behaupten zwar, daß 
dos trausſcendentale Obiect uus undekannt bleibe. Allem 
entweder verſtehen wir Sie nicht, und denn liege die Schuld 
an Ihren dunkeln Terminologien, oder die Regenttopſen 
ſelbſt, ihre runde Figur, der Raum, wotinn ſie ſallen, find 
dleß Oblect und dieſes iſt mir allerdings durch die empirifde 
Anſchauung von ihm bekannt, zu welcher fie der Receptivl⸗ 
tät unſter Sinnlichkelt den Stoff darteichten. = 

Li 


D 
talen &: 
Hypothe 
zweifelt 
kann, n 
dieß nus 
dieſe fre 
ng wah 
rungen 
ſel. durh 
tet zu er 
ſolel der 
einen Fa 
pothefe ı 
Es follt 
muͤſſen 5 
Sie ert 
ſagen S 
Bedingu 
etſtlich, 
in große 
ſer Ihr 
rer Abſie 
Bedingu 
Vorderſe 
gekehrt! 
des Vord 
neldyen \ 
mittelbar 
der Ges 
Gewißhe 
wahr, if 
ſieht. 2 
heiten fi 
Begriffe 


— — 227 


Die zwote wichtige Angelegenheit Ihrer transſcenden⸗ 
talen Aeſthetik ſoll dieſe ſeyn, daß ſie nicht dlos als ſcheinbare 
Hypotheſe einige Gunſt erwerbe, ſondern fo gewiß und unge— 
zwelſelt ſey, als jemals von elner Theor.e gefodert werden 
kann, welche zum Organon dienen ſell. Fuͤr Sie mag ſie 
dieß nun freylich ſeyn; für uns iſt fie, erlauben Sie uns 
dieſe freymuͤthige Erklaͤrung unſter Ueberzeugung, ſo we— 
nig wahrſcheinlich, daß fie uns eben fo ſehr zu den Verlr— 
rungen des menſchlichen Verſtandes, ols die Hypotheſe des 


I el. durbers zu gehören ſcheinet, wenn er um die Nordlich— 


ter zu erklaren, die Hypotheſe annimmt, daß fie ein Gauckel— 
ſeiel der Gelſter in der Luft wären. Sie wollen uns durch 
elnen Fall, welchen Sie wählen, die Gewißhelt Ihrer Hy— 


beotheſe einleuchtend machen. Ihte Verſprechung iſt groß. 


r Es ſoll dadurch die Gültigkeit augenſcheinlich werden. Wir 


muͤſſen alſo unterſuchen, ob Sie der Erwartung, welche 


Sie erregen, Genuͤge leiſten werden. Erker demnach, 


ſagen Sie, daß Raum und Zeit an ſich ſelbſt obiectiv und 
Bedingung der Moglichkeit an ſich ſelbſt find: fo zeigt ſich 


etſtlich, daß von beyden apodicriihe und ſynthetiſche Sätze 


4 in großer Zahl vornehmlich vom Raum vorkommen. Dies 
ſer Ihr Satz ſagt ganz was anders, als was Sie nach Ih— 
ter Abſicht damit anzeigen wollen. Nach der Natur ſolcher 
Bedingungsſaͤtze müßte man den Nachſatz als eine Folge des 


Vorderſatzes anſehen; und Sie wollen grade, daß man um— 


gekehrt von der Wahrheit des Nachſatzes auf dle Falſchheit 
des Vorderſatzes ſchlleßen ſoll. Dieß erhellet aus dem Zweck, 
I bvelchen Sie erreichen wollen, auch aus dem, was Sie une 
mittelbar hinzufügen. Sie ſetzen voraus, daß die Säße in 


der Geometrie ſynthetiſch a priori, und mit apodietiſcher 


Gewißhelt erkannt werden. Allein dieſe Vorausſetzung iſt 
ahr, iſt falſch, es koͤmmt darauf an, wie man fie vers 
ſieht. Der Geometer behauptet auch, daß er die Wahrs 


heiten feiner Wlſſenſchaft a priori d. h. aus allgemeinen 
Begriſſen bewelſet, und daß er grade deswegen auch ſeine 
P 2 Theo⸗ 


228 ea. Barren 


Theoremen durch Verglelchungen mehrer ausgemachten Wahr» 
beiten, und durch richtige Folgerungen aus ihnen mit apo. 
dicelſchet Gewißhelt herleltet. Et kann Ihnen zu gefallen, 
diefe ſynthetiſche Satze nennen; er wird Ihnen aber nicht zus 
geben, daß dleſe in Anſehung ihres Urſorungs von aller Er. 
fahrung durchaus unabhängig find, ob fie gleich in Rüͤckſicht 
ihres Innhalts kelne bloße Erfahrungsfäße genannt werden 
kaͤnnen. Denken Sie ſich aber unter Ihren ſynthetiſchen 
Sätzen a priori blos ſolche, in welchen das Praͤdlcat üder 
den Begriff des Sublects auf dle Art hinausgeht, daß jenes 
in dieſem nicht vollkommen gegründet ift: fo wird er zu Dies 
fen nur feine Particularſätze z. W. elnlge Triangel find 
glelchſeltig, rechnen, und es Ihnen ſagen, daß er ſich 
mit diefen grade am wenigſten beſchaͤſtiget. Nennen Cie 
gar ſynthetiſche, Saͤtze a priori ſolche, welche auch in An— 
ſehung ihres Urſprungs von aller Erfahrung durchgehend 
unabhangig find: fo wird er es leugnen muͤſſen, daß die. 
fe in der Geometrie vorkommen. Fragen Sie ihn, mo 
her nimmſt du dene Setze, und worcuf ſtüͤtzet ſich dein 
Verſtand, um zu dergleichen nothwendlgen und allgenıel. 
nen Wahrheiten zu gelangen: fo wird er Ihnen antwor— 
ten, durchaus nicht daher, auch nicht darauf, daß Ich mir 
den Raum blos als reine Form meiner Stlunlichkeit, 
oder als Anſchauung 2 priori (denn dleſe habe ich nicht) 
denke. Wozu ſollte mir dieſer nuͤtzen? Ich verlaſſe mich 
vielmehr darauf, daß die Dinge auſſer meinen Vorſtel— 
lungen, welche ſich meinen Blicken als geräumigt dar. 
ſtellen, Theile cuffer und neben einander zugleich haben, 
mir fo erſcheinen, well fie fo find, und daß ſolglich der 
Raum, welchen fie einnehmen, auch auſſer meiner Ans 
ſchauung ſeyn kann, und in Diefen Dingen eine oblective 
Realitaͤt hat. Raum und das Auſſerelnanderſeyn mehte— 
rer Dinge erreget bey mir eine und dieſelbe Votſtellung. 
Es iſt freylich auch für mich kein andrer Weg übrig, 
zur Erkenntniß geomettiſcher Wahrheiten zu gelangen, 

als 


als dur 
ungen 

den Ge. 
wenn Ic 
(Indiuid 
gels in 

ollelo qr a 
In einem 
einzelnen 
ſondern 

koͤnnte | 
dieſen ( 
empirlſch 
worauf 

nur fo'c 
I. Erfah 
und abi 
das Ch 
Freylich 
doch me 
mettiſche 
meinheit, 
Gattung 
fehle N 
unzaͤhlige 
Sie ber 
heiten al 
fe Frey 
ſätze nich 
allgemein 
eine Fig 
ſchließet. 
ſind. J 
betraͤgt. 
le, und 


ols durch Begrlffe oder durch Anfhanıngen. Anſchau— 
ungen nenne ich aber die empiriſchen Vorſtellungen von 


; den Gegenſtaͤnden meiner Wiſſenſchaſt, welche entſtehen, 


wenn ich meine Begriffe von ihnen in einzelnen Dingen 
4 (indiuiduis), zum ‘Benfpiel, den Begriff eines Trlan- 
gels in einem vor mir llegenden, den Begriff eines Pars 


ollelo gramms in einem einzelnen Parallelogramm, etwa 
un einem Rhombus mir anſchaulich mache. Von dieſen 


einzelnen Beyſpielen kann ich kelne Anfchauung a priori, 
ſondern nur a poltcriori haben, und auch aus dieſen 


lonnte ich mir wohl empiriſch zuerſt einen Begriff von 
dieſen Gegenſtaͤnden ziehen. Sie behaupten zwar, daß 


empirlſche Begriffe, imglelchen empiriſche Anſchauungen, 
worauf ſich jene gründen, keine ſynthetiſche Saͤtze als 
nur ſolche geben koͤnnen, welche auch blos empiriſch, d. 


I. Erſahrungsſaͤtze find, mithin niemals Nothwendigkeit, 
und abſolute Allgemeinheit erhalten koͤnnen, welche doch 
das Charakteriſche aller Saͤtze in der Geometrie iſt. 


Freylich ſagen Sie mir hier etwas neues, welches aber 


doch meinen Erfahrungen entgegen iſt. Nicht alle geo— 


metriſche Säge haben eine Nothwendigkeit, und .Allges 
meinhelt. Allen Satzen, in welchen das Sublect eine 


Gattung und das Prädicat ein ſpecifiſcher Unterſchied iſt, 


ſehlt Nothwendigkeit und Allgemeinheit. Es glebt eine 
unzählige Menge von ſolchen in der Geometrie. Sind 
Bie berechelget, dieſe aus der Zahl geometriſcher Wahre 


beiten auszuſchließen? Welcher Geometer wird Ihnen dies 


ſe Freyheit ertheilen? Warum ſollten melne Erfahrungs» 
fotze nicht zu ſolchen erhoben werden konnen, welche eine 
allgemeine, nothwendige Gültigkeit haben? Vor mir liegt 
eine Figur, welche durch ſechs Seiten einen Raum ein« 


4 ſchließet. Ich meſſe fie, und finde daß fie ſich gleich 


ſind. Ich meſſe die Winkel, und ſehe, daß jeder 120 
betraͤgt. Ich theile jeden Winkel in zween gleiche Thel⸗ 


e, und werde gewahr, daß die Selten alle in einen 


P 3 Punct 


230 Br eee 


Punet zuſammenlauſen, daß ſechs Trlangel in der Fi. 
gur beſchrleben find, und die Aus meſſung der Seiten leh. 
ret mich, daß ſie ſich alle gleich ſind. Ich ſetze melnen 
Zirkel in die gemeinſchaftliche Scheitel oller Triangel, 
eröffne ihn bis zu der Scheitel eines aͤuſſern Winkels 
der Flaur, ziehe einen Zirkel, und werde gewahr, daß 
die Winkel der Figur in der Peripherie liegen, daß der 
Radius des Zirkels grade ſechsmal in ihm herum getra 
gen iſt. Nun bilde ich folgende ſonthetiſche Erfahrungs 
fäße: 1) dieſe Figur hat ſechs gleiche Selten und Win 
kel; 2) dieß Sechseck iſt elne regulaͤre Figur; 3) es hat 
in ſich einen Punct, welcher von allen Polygonwinkeln 
gleich weit entſernt iſt; 4) es iſt in einem Zirkel fo be 
ſchrieben, daß ſeine Winkel in die Peripherie fallen. Aus 
dieſen Erſahrungsſätzen ziehe ich Ddiefe Folgerungen: 1) 
ein Raum von ſechs Linien eingefchloffen, 2) ein regulä— 
res Sechseck, 3) eine reguläre Figur, 4) eine ſolche Fl, 
gur, deren Winkel in die Peripherie eines Zirkels fal. 
len, iſt moͤglich, und nach einer Regel meiner Denkkraſt, 
welche ich in dem Satz des Widerſpruchs ausdrüde, 
wird es mir unmoͤglich, an der Richtigkeit dieſer Schluß⸗ 
ſätze zu zwelfeln. Ich habe vielmehr eine apodictiſche 
Gewißheit von der Wohrheit dieſer ſynthetiſchen Satze, 
welche ich aus den Erfahrungsſätzen gezogen habe. Ich 
gehe weiter, und bilde aus dem Reſultat meiner vorge 
nommenen Abmeſſungen der Linien in den ſechs Trlangeln 
dieſen Erfahrungsſatz: die Seiten der Triangel in dem te— 
gulären Sechseck find alle einzeln den Radiis des Zirkels 
gleich. Nun wirft meine Vernunft die Frage auf: follten 
wohl alle reguläre Sechsecke die Beſtimmung haben, doß 
auf ähnliche Art ein Zirkel um fie gezogen werden koͤnnte, 
deſſen Radlo jed⸗ Seite gleich iſt? Der Erfahrungsiah 
bat ihr zu dleſer Frage Gelegenheit gegeben, und fie weis 
ſehr wohl, daß fie nicht aus dieſem, ſondern aus allge. 
melnen Begriſſen nur dle allgemeine Gültigkeit dleſes Theo 
3 vems 


tems er! 
olefne | 
Winkel 

Trlange 
gel an 
nien glei 
Punct g 
kels iſt, 

gelmaͤſßi⸗ 
und Ne 
erkennet. 
chet ihn 
Richtigk, 
durch ſt— 
deten S 
ganzen | 
teine Fe 
cher auß 
de ſich 0 
jene Ei 
Sech sec 
Anſchaus 
aus einer 
fondern < 
gezogen 
der Anse 
auf elne 
hat, um 
ſeltſame! 
verſetzt fü 
die Quad 
32 1 49 
welches 
fahrungs 
eine apod 


231 


tems erkennen kann. Nun erinnert fie ſich an dleſe ſchon bes 
oleſne Wahrheiten, 1) daft in einem gleichſeitigen A jeder 
Winkel 60°, 2) daß die Summe aller Winkel in einem 
Triangel 180° beträgt, 3) daß die Winkel in einem Trlan— 
gel on der Grundllnie ſich bey der Gleichheit der Seitenll— 
nien gleich ſind, 4) daß das Maaß aller Winkel um einen 
Punct gleich 360°, gleich der ganzen Peripherie eines Zir— 
kels iſt, und aus allen dieſen Begriffen leitet fie auf eine res 
gelmäfiige Art fo dieſen Satz her, daß fie die Allgemeinheit 
und Nothwendigkeit deſſelben mit apodictifcher Gewißheit 


eikennet. Sie geht alſo von dem Erfahrungsſatz aus, mas 


chet ihn allgemein, und ſuchet aus den Begriffen, deren 
Richtigkeit fie ſchon kennet, die Gründe herzuleiten, wo— 
durch fie die Allgemeinheit und Nothwendigkeit ihres gebils 
deten Satzes anerkennet. Was fellte es ihr zu dieſem ihren 
ganzen Geſchaͤſte nutzen, wenn fie den Raum blos als elne 
reine Form der ſinnlichen Anſchauung annehmen wollte, wel— 
cher auſſer dieſer keine oblective Gültigkeit hätte? Sie wuͤr— 


de ſich alsdann genöthiget ſeben, es zu behaupten, daß fie 


jene Erfahrungsſaͤtze nicht hätte machen koͤnnen, weil das 
Sechseck nicht ſeyn koͤnnte, wenn kein Raum auſſer unſrer 
Anſchauung märe, und doch weis fie es, daß fie nicht 
aus einer bloßen ſubiectiven Bedingung unfrer Slnnllchkeit, 
ſondern aus einem einzelnen geräumigten Obiect ihre Saͤtze 
gezogen hat; daß fie ihren Maaßſtab nicht auf elne Forme 
der Anſchauung, ſondern auf einzelne Unien in der Natur, 
auf einzelne Winkel in dem individuellen Sechseck angewandt 
hat, um ihre individuelle Groͤſſe auszumeſſen. In welche 
ſeltſame Lage würde ſie ſich alfo durch eine ſolche Hypotheſe 
verſetzt ſehen? Pythagoras machte von 3 und 4, und 5 
die Quadratzahlen, verglich fie mit einander, und fand, daß 
32 f 4 =gtı6= 5?’ —= 25 wären. Dleß Urepeil, 
welches fein Verſtand daher bildete, war ein ſynthetiſcher Er— 
ſahrungsſatz, von deſſen Wahrheit er durch die Erfahrung 
tine apodictiſche Gewiß helt ge Vielleicht war es Zu- 

4 foll, 


233 De 


fol, vlellelcht auch Folge feiner Ueberlegung, daß er zwo 
Linlen durch einen rechten Winkel mit einander verband, von 


welchen die elne ſich zur andern wie drey zu vler verhlelte, die 


Hypotenuſe zog, um einen rechtwinkligten Trlangel zu bilden, 
und nun dle Graͤſſe derſelben durch eben den Maaßſtab zu be. 


ſtimmen ſuchte, welchen er zur Ausmeſſung der beyden übrl, 


gen gebrauchet hatte. Wie groß war ſelne Freude nicht, 
als er es durch die Erfahrung entdeckte, daß dieſe Hypotenuſe E 


= 5 war. Er ſchloß daraus, daß in dieſem Triangel das 


Quadrat der Hypotenuſe der Summe der beyden Quadrate 5 


der Katheten gleich ſeyn müßte. Hler entſtand alfo ein Et— 


ſahrungeſaß. Der helle Blick dieſes Philoſophen erkannte 


leicht, daß vollkommen aͤhnliche Urſachen auch gleiche Wirs 
kungen hervorbringen mußten, und erhob nun dieſen Erſah— 
rungsſatz zu dieſem allgemeinen: das Quadrat der Hypotenuſe 


iſt in jedem techtwinkligten Trlangel fo groß als die beyden 


Quadrate der Katheten, wenn dleſe ſich wle 3 zu 4 verhüel— 


ten. Nun warf feine Vernunft die Frage auf: ſollte wohl! 
nicht in jedem rechtwinkllgten Triangel bey jedem andern Ber. 8 
haͤltniß der Katheten gegen einander eben dieſes ſtatt haben? 
Er ſahe es lelcht ein, was für ein Licht in der Geometrie aufı } 


gehen, wie welt dle Strolen deſſelben ſich verbreiten wurden, 


wenn er die Allgem inheit und Nothwendligkelt diefes Satzes! 
beweiſen koͤnnte. Er dachte aber nicht daran, daß Raum 
blos eine reine Form der ſinnlichen Anſchauung ſey, und aufs i 


fer dieſer keine obiective Realität haͤtte. Dleß würde, wenn 
es wahr wäre, alle feine Bemühungen unnütz gemacht haben. 
Er nahm vielmehr zu analytiſchen Satzen oder Axiomen, ju 
bewleſenen ſynthetiſchen Satzen, Theoremen und zu allge 


meinen Begriffen feine Zuflucht. In dleſen ſuchte er allge # 


meingültige Grunde auf, dieſen Satz, wovon er der Eıfin 
der war, zu beweiſen. Er ſand gluͤcklich dieſen Beweis, und 


fein Vergnügen über dieſe fo wichtige Entdeckung war fo groß, 
daß er dem Juplter eine Hekatombe daſuͤr ſoll geopfert ba # 


ben. Er hatte aljo feinen ſynthetiſchen Satz a pollericri 


durch! 


durch H 
tigfele d 
Dieß if 
ſchen N 
men, w 
daran . 
lichen X 
ben ſey. 

onſehen, 
doh ma 
Theorie 

darſtellt. 
deckung 

tiſt die 
Abtede 


€ 
tlakelt 
daß es 
ariſſe, 
Erkenn 
Anſchan 
baupten 
kenntni, 
kann. 
len alſo 
Beomei 
nach J 
Flgur £ 
tinien | 
den, w 
kel find 
thetifd): 
erkenne 


therifch 


4 
235 


durch Hülfe der Erfahrung geblldet, und die allgemeine Gul. 
tigkelt deſſelben aus den Begriffen, oder a priori bewieſen. 
Dieß Ift der Gang, welchen die erſten Erfinder der geometri- 
ſchen Wahrheiten durchaus genommen haben, und noch neh» 
men, wenn fie als Lehrer dleſer Wiſſenſchaſt auftreten, ohne 
daran zu denken, daß der Raum blos reine Form unfrer finn» 
lichen Anſchauung, oder blos ſubiective Bedingung derſel— 
ben fen. Wir koͤnnen es den mehrſten geometriſchen Sätzen 
onſehen, daß ſie vor den Beweiſen ſchon bekannt waren, und 
daß man dleſe nachher erſt für fie geſucht hat, wovon die 
Theorie der Parallellinien uns noch das glaͤnzendſte Beyſplel 
darſtellt. Gewoͤhnlich find die Sätze zuerſt nach ihrer Ent» 
deckung blos Erfahrungefäge, wozu die Vernunft nachher 
et die allgemeinen Beweiſe ſuchet. Können Sie dieſes in 
Abrede ſe yn? 


Sie glauben aus Ihrer Vorausſetzung, deren Guͤl— 
tiakeit ich gepruͤfet habe, die Folgerung ziehn zu koͤnnen, 
daß es alſo das einzige Mittel ſeyn wurde, durch bloße Bez 
ariffe, oder durch Anſchauungen a priori zu dergleichen 
Erkenntnißen zu gelangen. Um nun zu bemeifen, daß die 
Anſchauungen a priori bloß die Mittel dazu find, fo bes 
haupten Ele, daß aus Begriffen gar keine ſynthetiſche Er— 
kenntniß, ſondern lediglich cine analytiſche erlangt werden 
kann. Allein dieß letzte müffen Ste bewelſen. Wir wol⸗ 
len alſo unterſuchen, wie Sie dleſen Beweis führen. Der 
Geometer würde Ihnen die Frage vorlegen: finb dieſe nicht 
nach Ihrem Begriff ſynthetiſche Satze 1) eine breyſeltige 
Flgur hat drey Winkel, 2) ein Winkel entſteht, wenn zwo 
knien fo zuſammen ſtoſſen, daß fie ſich durchſchnelden würs 
den, wenn ich fie verlängerte. Dreyſeltige Figue, drey Wine 
kel find Begriſſe. Beyde verbunden geben den erſten ſyn⸗ 
thetiſchen Satz, und aus dem Vergleich beyder Begriffe 
erkennet mein Verſtand die allgemeine Richtigkeit dieſes {nme 
thetiſchen Urthells. Ich brauche dazu keine reine Form der 

P 5 finn 


ſinnlichen Anſchauung a priori nach ihrer Erflärung. Denn 
dieſe habe ich nicht. Durch einen Triangel, welchen ich ver 
mit gezogen habe, ſuche ich mir in einer empitiſchen An— 
ſchauung den Satz klar zu machen, ohne dadurch feine All. 
gemeinheit und Nothwendigkeit zu beweiſen. Dieſe erkann⸗ 
te ich aus dem Verhältniß, in welchem dle Begriffe gegen 
elnander ſtehen. Sie ſetzen mir dieſen Satz entgegen; durch 
zwo grade Linlen läßt ſich kein Raum einſchlieſſen, mithin 
iſt durch fie keine Figur moͤgllch, und nun fodern Sie mich 
auf, ihn aus dem Begriff von zwo graden kinien und der 
Zahl zwey abzuleiten. Freylich würde ich dieß nicht kön 
nen, weng ich blos auf den Begriff arader nien, und 
auf die Zahl zwey ſehen wollte. Der Begriff, welchen ich 
zum Gegenſtand meiner Unterſuchung mache, iſt zwar ge 
rade Linien. Sollen dleſe einen Raum elnſchlleſſen: fo mul. 
ſen fie mit ihren beyden Enden zuſammenſtoſſen. Nun 
blieben fie nicht mehr zwo Knien, ſondern würden als gera— 
de Linien zwiſchen zwey Puncten liegen, und alſo in dieſer 
Verbindung nur eine und dieſelbe Linle ausmachen. Dleſe 
Verbindung wuͤrde alſo das Einſchlieſſen des Raums aufs 
heben. Wozu brauche ich reine Anſchauung des Raums a 
priori, und daß dieſer auſſer meiner ſubiectiven Anſchauung 
feine obiective Guͤltigkelt har? Dieß würde die emplelſche 
Anſchauung, welche ich von den Linien habe, und In welcher 
mir dleſer Satz klarer, als in bloſſen Ausdrücken wird, un. 
maͤglich machen, weil ich in dleſer dle Linien nicht anders 
als auſſer meinen Vorſtellungen denken kann. Sie ſodern 
mich ferner auf, daß ich es blos ous Begrlſſen zu bewelſen 
verſuchen ſoll, daß aus dreyen graden Anlen eine Figur moͤg— 
lich ſeyp. Dieſen Verſuch wird nun freyllch kein Kenner der 
Geometrie machen wollen, well er einfieht, daß die Allge— 
meinhelt dleſes Satzes ſich nicht bewelſen läßt, da fie nicht 
ſtatt haben kann, und falfd) angenommen würde. Nur 
dann kann durch drey Anien ein Raum eingeſchloſſen werden, 
wenn zwo zuſammen genommen groͤſſer, als die an 

leß 


Dieß 
Nothw 
Mein 
nen E⸗ 


eine aı 


dritten 


fo fünt 
ten Lin 
dritten 

jufamn 
Raum, 
Merbin 
muß er 
bunden 
gr ffe, 

lern in 
um ih. 
eine e. 
bey dei 
len. 
ein Ra 
fen, ur 
re der 

nutz, 
koͤnnen 
hungen 
ſchauut 
auch je 
meinen 
ne Zul 
ne emp 
vor, i 
ne emp 
fie nid) 


255 


Dieß I der ſynthetiſche Satz, deſſen Allgemeinheit und 
Notwendigkeit ich aus den Begriffen zu erweiſen unternehme. 
Mein Beweis iſt folgender: wenn zwo Knien mit ihrem ei— 
nen Ende auf die dritte Linie geſetzet werden, fo daß die 
eine auf dem einen, die andre auf dem andern Ende der 
dritten Aale ſteht, und ſie ſich nun gegen einander neigen: 
ſo loͤnnen fie mit den benden andern Enden nicht in der drit. 
ten Linie zuſemmen ſtoſſen, well fie ſonſt nur zuſammen der 
dritten gleich wären. Ste kommen alſo auſſer derſelben 
zuſammen, und ſolglich iſt zwiſchen dleſen drey Knien ein 
Raum, welcher eingeſchloſſen wird. Es iſt alfo durch die 
Verbindung dieſer drey Linien eine Figur moͤglich, und ſie 
muß entſtehen, wenn fie auf die oben beſchriedene Art vers 
bunden werden. Dieſer Beweis ſtüuͤtzet ſich blos auf Bes 
gr ffe, und ich mache dieſen ſynthetiſchen Satz meinen Echt. 
lern in einem einzelnen Fall oder Beyſpiel anſcheulich, nicht 
um ihn dadurch zu beweiſen, ſondern es ihnen nur durch 
eine empiriſche Anſchauung klar zu machen, was ſie 
bey den articulirten Zeichen meines Beweiſes deuken ſol. 
len. Ich und meine Schuͤler ſetzen aber berde voraus, daß 
ein Raum auſſer unſerer Vorſtellung wirklich in der Natur 
fen, und alſo elngeſchloſſen werden kann. Denn ſonſt mäs 
re der ſynthetiſche Satz und fein Beweis zum Gebrauch un— 
nutz, und der letzte wuͤrde nicht einmal denkbar ſeyn. Wie 
koͤnnen Sle nun den Machtſpruch thun, daß alle meine Bemuͤ. 
hungen vergeblich find, und daß ich gensthiget bin, zur An— 
ſchauung meine Zuflucht zu nehmen, wie es die Geome rie 
auch jeder zeit thut? Freylich werde ich, wenn ich anders 
meinen Zuhoͤrern verſtaͤndlich ſeyn will, zur Anſchauung mei. 
ne Zuflucht nehmen. Allein diefe iſt nie eine andre als eis 
ne empiriſche. Ich zeichne innen die Figuren und Körper 
vor, von welchen ich etwas beweiſe, um ihnen durch eis 
ne emplriſche Anſchauung die Sache klar zu machen, damit 
ſie nicht blos Worte, ſondern das geometriſche Oblect, was 


ſie 


23 6 TEEN 


fie ſich denken ſollen, und wovon ich etwas bemeifen till, 
auch wirklich denken. Will ich fie etwa davon belehren, 
daß alle Radli eines Zirkels gleich find: fo ziehe ich durch 
Hülfe elnes dazu dlenlichen Werkzeuges aus einem Punct 
einen Zirkel, und zelge es ihnen vor Augen, daß dle Ent. 
fernung der Puncte in der Peripherie von dem Mlttelpunct 
durch elne und dieſelbe grade Linie und alſo durch gleiche A. 
nien gemeſſen werden. Dadurch bringe ich meinen Erfah⸗ 
rungsſatz bey ihnen zu einer empiriſchen Anſchauung, und 
mache fie darauf auſmerkſam, daß ich nicht aus dleſer An. 
ſchauung des einzelnen Gegenſtandes, ſondern aus allgemel, 
nen Begriffen das Prädicat jo herleite, daß es allgemeln 
und nothwendig mit dem Eubiect verbunden iſt. Sie fra⸗ 
gen mich, von welcher Art dieſe Anſchauung It? Eine 
reine a priori, oder elne a polteriori? Das erſte war fie 
nun freyllch nicht, fondern fie iſt eine empirifhe und zwar 
a poſteriori. Allein fo koͤnnte daraus Fein allgemeinguͤltl⸗ 
ger und apodlctiſcher Satz hergeleitet werden. Keln apo— 
dletiſcher? Nun hier kaͤme es noch erſt auf Erklaͤrung an. Keln 
allgemelner? Ganz recht. Dleß wird auch kein Geometer 
behaupten, weil die Anſchauung, die er braucht, ſtets ein 
einzelnes Ding (indiuiduum) zum Gegenſtand hat, auf wel— 
chen er nie die Allgemeinheit und Nothwendigkelt feiner 
Theoremen, fondern auf richtigen Beweis aus Begriffen grün. 
det. Sie fagen mir zwar, daß ich alfo meinen Gegenſtand 
a priori in der Anſchauung geben muß, um auf dieſen mel— 
nen ſynthetiſchen Satz zu gründen. Verſtehen Cie durch 
einen Gegenſtand a priori einen allgemeinen Begriff, etwa 
von elnem Trlangel, von elnem Rhomboiden, von elnem 
Kegel: fo gebe ich ihn erſt meinen Zuhörern In der Anfchaus 
ung, um bey ihnen eine klare Vorſtellung von dem geome— 
triſchen Gegenſtand zu machen. Ich warne ſie aber, ſich 
es ja nicht einzubilden, als wenn ich aus dleſen einzelnen 
Zeichen, oder blos aus der empiriſchen Anſchauung die Fol 
gerung mache, fondern ich lehre fie, daß ich aus dem all. 

ge‘ 


gemeint 
de von 
Noth we 
will. 
blos ein 
reine F. 
te, ſo 
der fon 
In die 
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nicht n. 
Beweis 
tiſchen a 
mir die 
Vermoͤ 
ve Bed 
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fer aͤuſf 
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was in 
conſtrut 
wendig 
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ori etw 
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lein wa 


Den? 


Vermo 
laſſen, 
andern 
gemeine 
das Ve 
len, w 


eln Ve. 


ar en a ia 


— — 237 
gemeinen Begriffe, oder aus dem, worinn alle Gegenflän- 
de von der Art üvereinfommen, die Allgemeinheit und 
Morhmendiafeit des Sotts herieite, welchen ich bewelſen 
will. Wollen Sie aber dieß ſagen, dafi, wenn Raum nicht 
blos eine ſublective Bedingung meiner Sinnlichkeit, nicht 
reine Form meiner Anſchauung und auffer dieſer Nichts waͤ. 
re, ſo koͤnnte ich die Rothwendigkeit und Allgemelnheit 
der ſynthetiſchen Saͤtze in der Geometrie nicht beweiſen? 
In diefem Fall muß ich Ihte Behauptung verwerfen, und 
Ihnen mein Befremden darüber bezeugen, daß Cie auch 
nicht nur einmal einen Verſuch gemacht haben, uns einen 
Beweis von der Art vorzulegen, wodurch Sie einen fonthes 
tiſchen Satz und feine Allgemeinhelt darthun. Sle legen 
mir dieſe ſonderbare Fragen vor: 1) läge in dir nicht ein 
Vermögen, a priori anzuſchauen, 2) wäre dieſe fublectie 
ve Bedingung der Form nach nlcht zugleich die allgemeine 
Bedingung a priori, unter welcher allein das Obleet dle— 
fer äuffern Anſchauung moͤglich iſt; 3) wäre der Gegen— 
ſtand (der Triangel) etwas an ſich ſelbſt, ohne Bezlehung 
auf dein Subiect: wie koͤnnteſt du ſagen, daß dasjenige, 
was in deinen ſubiectiven Bedingungen, einen Trlangel zu 
conſtruiren, liegt, auch dem Triangel an ſich ſelbſt north» 
wendig zukommen muͤſſe? Hierauf werde ich Ihnen fol— 
gendes antworten. 1) Lage in mir kein Vermoͤgen, a pri- 
ori etwas anzuſchauen: fo würde ich frenlidy auch von kei— 
nem Triangel eine Anſchauung a priori haben konnen. Als 


lein was nennen Sie das Vermögen, a priori anzuſchgu— 


en? Dieß kann nichts anders heiſſen, als entweder ein 
Vermoͤgen, aus der empiriſchen Anſchauung alles wegzu⸗ 
laſſen, was nicht zur Aehnlichkeit eines Gegenſtandes mit 
andern von derſelben Art gehört, und ſich alfo einen alle 
gemeinen Begriff von dieſer Art der Dinge zu bilden, oder 


das Vermoͤgen, ſich ſinnlich den Gegenſtand fo vorzuftele 
len, wie er auf Organe der Sinne gewirket hat, oder 
eln Vermögen Anſchauungen a priori zu haben. In je. 


dem 


dem Fall, würden wir auch Peine Anſchauung haben, wenn 
uns dieß Vermögen fehlte, welches vor aller Erſahrung 
und alſo in fo welt a priori in ung llegt. Wir würden uns 
olſo auch keine Begriffe von den Gegenſtaͤnden machen, 
noch Sätze bilden, noch Bewelſe für dieſelben ſuͤhren koͤn. 
nen. Hätten wir nicht das Vermoͤgen, Anſchauungen a 
priori zu erhalten: fo würden wir eben fo wenig dazu ei. 
ne Fahigkeit haben, wenn das a priori haben, ſich auf 
das Vermoͤgen bezleht. Wollen Cie es aber auf die Ans 
ſchauungen bezlehen, und ſich darunter ſolche denken, wel. 
che in uns von aller Erfahrung auch in Ruͤckſicht ihres Urs 
ſprunges ganz unabhängig ſind: fo habe ich es Ihnen ſchen 
geleugnet, daß wle ſolche Anſchauung haben, oder haben 
konnen, und Ele haben das Gegentheil zwar angenommen, 
aber nirgends bewieſen. Wären ſolche alſo durchaus noͤ— 
ehia, wenn wir elne Erkenntniß von Gegenſtaͤnden erlangen 
ſollten: fo wäre es um die unſtige gaͤnzlich geſchehen. Wir 
würden gar keine, alſo auch kelne von geomerrifhen Wahr— 
beiten haben konnen. Allein zu unſerm Gluͤcke brauchen wie 
dergleichen Anſchauung nicht, um unſern Verſtand mit 
Schätzen richtiger Erkenntniſſe zu berelchern. Wir brau⸗ 
chen eine ſolche ſublective Bedingung der Form nicht, und 
fie kann alſo auch nicht die allgemelne Bedingung a prio- 
ri ſcpn, unter welcher alleln das Obiect der aͤuſſern Anſchau— 
ung ſelbſt moͤglich iſt. Sie wuͤrde auch, wenn wir ſie haͤt— 
ten, durchaus nicht dasjenige ſeyn, unter welchem das Ob⸗ 
iect der Anſchauung moͤglich wäre. Dieß iſt das Ding 
ſeloſt, welches vorgeſtellt wird, und dasjenige blelben würs 
de, was es wäre, wenn wir auch gar keine Anſchauung 
von ihm hätten. Seine elgenthuͤmliche Maͤgllchkeit muß 
von ganz andern Gründen abhängen. Dieß Ding würde 
ſreyllch keln Obiect unſter Anſchauung werden koͤnnen, d. 
h. wir wurden unfähig ſeyn, elne Vorſtellung von ihm zu 
erhalten, wenn wir nicht das Vermoͤgen von Natur vor 
aller Erfahrung, oder a priori hätten, davon fo afficirt zu 
r wer⸗ 


werden, 
ihm gere 
Streit. 
etwas an 
koͤnnteſt 
iectlven 
dig llegt 
kommen 
Hi 
on ſich 
mein S 
fo würde 
ung wer 
haben, 
Wären 
meiner \ 
Schluß / 
Dingung 
dem Tri 
fen die 
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aus gem 
ſo muß 


Anſchau 


unter de 
aber be 
Beding 
Trlange 
ſich erſt 
Beſtim 
flimmu: 
vorjtellt 


A 
lch zu ı 


239 


werden, daß uns dadurch der Stoff zur Vorſtellung von 
ihm gereichet wird. Hieruͤber habe ich mit Ibnen keinen 
Streit. Ihre letzte Frage war dieſe: waͤre der Trlangel 
etwas an ſich ſelbſt ohne Beziehung auf dein Subiect, wle 
fönnteft du denn ſagen, daß dasjenige, was in deiner fubs 
iectlven Bedingung, einen Triangel zu conſtrulten, nothwen— 
dig llegt, auch dem Trlangel an ſich ſelbſt nothwendig zus 
kommen muͤſſe. 


Hierauf werde ich erwiedern: 1) waͤre der Trlangel 
on ſich ſelbſt zwar da, haͤtte aber keine Beziehung auf 
mein Subieck, d. i. aſſicirte nicht meine Sinnenorgane: 
fo würde er auch keln Obiect meiner emplriſchen Anſcheu— 
ung werden; ſo wuͤrde ich auch keine Vorſtellung von ihm 
haben, alſo auch nichts von ihm praͤdleiren koͤnnen. 2) 
Waͤre auſſer meiner ſublectlven Bedingung oder auſſer 
meiner Anſchauung an ſich nichts: fo wäre es ein ſeltſamer 
Schluß, daß dasjenige, was in meiner fubiectiven Be— 
dingung, einen Triangel zu conſtrulren, nothwendlg ift, auch 
dem Triangel an ſich nothwewdig zukomme. Nur ſo ſchlleſ. 
fen die Geometer, wenn etwas aus dem allgem⸗inen Bes 
griff des Trlangels, und aus andern hieher gehoͤrigen (dom 
ausgemachten geometriſchen Wahrheiten nothwendig folgt, 
fo muß dleß auch auſſer meiner fubiectiven Bedingung der 
Anſchauung von den Triangeln allgemein gelten, welche 
unter dieſem allgemeinen Begriff liegen. Nie werden Sie 
aber behaupten, daß dasjenige, was In ihren ſubiectlven 
Bedingungen, einen Triangel zu bilden, liegt, auch dem 
Triangel an ſich ſelbſt zukomme, oder ihr Verſtand muͤßte 
ſich erſt fo weit verlrret haben, daß fie die eigenthuͤmlithe 
Beſtimmung ihrer Denkkraft für eine eigenthuͤmliche Be— 
ſtimmung des Dinges an ſich ſelbſt hielten, was fie ſich 
vorſtellten, aber für ſich feine obiective Realltät hätte. 


Wie koͤnnen Sie mir das Vermoͤgen abſprechen, daß 
ich zu meinen Begriffen von drey Linien etwas neues, naͤm⸗ 


lich 


240 RER er 


lich dle Flgur hinzuſuͤgen kann, welches darum an dem Ge. 
genſtande angetroffen werden müßte, da dieſer vor meiner 
Erkenntulß und nicht durch dleſelbe gegeben if. Von mel. 
chem Gegenſtande reden Sie? Etwa von einem Trlangel, der 
da iſt, ehe ich ihn erkenne, und der alſo vor meiner Kennt 
nlß von ihm und nice durch dleſelbe gegeben iſt? Von 
dleſem kann ich freylich keine Kenntniß haben, wenn ich 
dleſe nicht von ihm als einem einzelnen Gegenſtande durch 
Hülfe einer empirifhen Anſchauung, und alſo a poſteriori 
mir verſchaffe. Allein nun wels ich auch, daß ihm alles 
dasjenige nothwendig zukoͤmmt, was aus dem allgemeinen 
Begriff, unter welchem er lieget, nothwendig folgt. Warı 
um kann ich nicht zu dem Begelff von drey Linlen etwas 
neues, elne Figur, hlnzudenken, wenn ich fie mir in der 
nöchigen Verbindung vorſtelle, daß fie mit ihren Enden 
zufammenfioffen, alſo einen Raum einſchlieſſen, und in el. 
ner Flgur verbunden ſind? Dieß neue wird nothwendig 
in dem Gegenſtande, naͤmllch In den drey Sinlen, angetrofs 
fen, weil fie nicht nothwendig In dleſer Verbindung ſeyn 
muͤſſen. In einem Triangel find fie aber fo verelniget, 
wenn er da lſt, und er iſt vor meiner Erkenntulß nlcht durch 
dleſelbe gegeben, wenn ich nicht weis, daß er da iſt. Dies 
fe Exiſtenz erhält er nicht von meiner Erkenntniß, wenn 
er ober melnem Vorſtellungsvermoͤgen den Stoff zur em 
plriſchen Anſchauung dartelcht: fo wels ich, daß er auſſer 
derſelben feine oblective Realität hat. Es Ift nichts als 
bloſſe Wlederhohlung von dem, was Sie mir ſchon fo oft 
geſagt haben, wenn Sie ſagen: waͤte nicht der Raum eis 
ne bloſſe Form deiner Anſchauung, welche Bedingungen 2 
priori enthaͤlt, unter denen allein Dinge für dich aͤuſſere 
Gegenſtaͤnde ſeyn koͤnnen, die ohne dleſe fublective Bedln— 
gung nichts ſind: fo koͤnnteſt du a priori ganz und gar 
ulchts über aͤuſſere Dinge ſynthetiſch ausmachen. Ich will 
Ihnen dasjenige entgegenſetzen, wle ich mir dleß vorſtelle. 
Hätte ich kein Vermoͤgen a priori, von den aͤuſſern Ge. 
gen⸗ 


geuſtaͤnd⸗ 
ju eich 
ſolchen . 
genung 7 
ne Vors. 
ju mache 
die ſich mn 
ohne we 
kann: . 
genftände 
nichts o. 
noch ſyn! 
eine bio! 
lectide 2 
ſeren Ge 
ich eine 

ſen woll 
nichts a 
Schluß 
als dieſe 
Dingen 

wären a 
Raum | 
auch kel 
Schluͤſſe 
gen Ges 
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J. 
ſuͤr wal 
muͤſſen, 
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ſtaͤnden 
zugleich 
ne Rey 


— 
— 


3 D 


—— * 
— — 


— Et 


F 
3 K 2 


—— 241 


geuſtaͤnden, in welchen Theile auſſer und neben einander 
zu leich find, fo aſſicirt zu werden, daß ich von ihnen als 
ſelchen eine Anſchauung erhielte; hätte ich ncht Verſtand 
genung dazu, aus dleſen empiriſchen Anſchauungen mir ei— 
ne Vorſtellung von dem allgemeinen Begriff des Raumes 
zu machen, welchen ich in ſolchen aͤuſſeren Gegenſtanden, 
die ſich meinen Augen darſtellen, immer wleder finde, und 
ohne welchen ich ſie nicht in elner Anſchauung mir denken 
fann: fo würde ich mie gar keine Begriffe von dieſen OGe⸗ 


genſtaͤnden machen, nichts von ihnen auseinander ſetzen, 


nchts von dleſen aͤuſſeren Gegenſtaͤnden weder analytiſch 
noch ſynthetiſch ausmachen koͤnnen. Wäre der Raum nicht 
eine bloſſe Form meiner Anſchauung, nicht blos eine ſub— 


iectide Bedingung, und ohne dieſe obiective, d. h. in aufe 


ſeren Gegenſtaͤnden an ſich ganz und gar nichts: fo würbe . 
ich eine falſche Folgerung machen, wenn ich daraus ſchlieſ⸗ 


ſen wollte, daß ich in dieſem Fall über äuſſere Obeecte 
nichts ausmachen könnte. Grade umgekehrt würde der 


Schluß gelten: waͤre der Raum nichts als die Form, nichts 


als dieſe ſubiective Bedingung: fo konate ich von äuffern 
Dingen weder ſyntbetiſch noch analytiſch etwas wlſſen: fo 


wären alle meine Vorſtebungen von äuffern Obiecten im 


N Raum ſalſch, well kein Raum obiective wäre, und alſo 


auch keine Gegenſtände ihn einnehmen koͤnnten. Diefe, 


Schluͤſſe haben für mich und für den Verſtand aller übrie 


gen Geometer eine ungezweifelte Guͤltigkelt, und ich den⸗ 


te immer, daß der Ihrige dieſe auch anerkennen muß. 


Ich werde es alſo weder ſuͤr ungezweifelt gewiß, noch 
für waßrfhelid, ſondern für apodletiſch falſch halten 
muͤſſen, daß Raum und Zeit ſubiective Bedingungen une 
ſrer Anſchauungen find, es ſey denn, daß fie von Gegen— 
fländen reden, in welchen Theile auſſer und neben einander 
zugleich find, und in welchen von uns eine ununterbroch— 


ne Reyhe von Veranderungen durch Hülfe des Verſtandes, 
Q nicht 


nicht der Sinnlichkeit bemerkt wird. Leugnen muß Ich dle 
Wahrbelt Ihres Schlußſatzes, daß die Gegenſtaͤnde ſelbſt 
blos Erſchelnungen, und feine für ſich gegebene Dinge 
ſind, daß wir von ihnen an ſich ſelbſt nichts ſogen koͤn— 
nen, welches dleſen Erſcheinungen zum Grunde lieget. Wis 
re es wahr, was fie behaupten; fo wurde der Aſtronom dle 
Sonnen und Mondfinſterniſſe nicht mit fo puͤnctlicher Ge 
naulgkelt der Zelt und der Groͤſſe voraus ſagen koͤnnen. 
Er hat durch genoue Beobachtung den perlediſchen Lauf 
der Erde um die Sonne, und des Mondes um die Erde 
ſich bekannt gemacht. Er hat die Groͤſſe des Kegelſckat, 
ters hinter dleſen Koͤrpern nach Regeln berechnet, welche 
ſich auf aſtronomiſche Gründe und auf dle Geſetze fügen, 
welche dle Natur den Lichtſtralen nach ſeiner Beobachtung 
vorgeſchrleben hat. Nun ſetzet er voraus, daß dle Natur 
auſſee feiner Vorſtellung nach dleſen Geſetzen fortwirfen 
werde, and auf diefe Vorausſetzung graͤndet er die Berech— 
nung, welche r darüber anſtellt. Lachen würde er über 
feine Bemühung müffen, wenn er den Raum, worlnn dle 
Himmelsförper ſich beroegen, die Zeit, welche fie da— 
zu brauchen, fuͤr nichts als für ſubiective Bedingung feiner 
Slunlichkelt, oder für eine bleſſe Form feiner Anſchauun— 
gen, und auſſer dieſen für nlchts an ſich ſelbſt halten woll— 
te. Er verlaͤßt ſich vielmehr darauf, daß beyde ihre obiecs 
tive Realitaͤt haben würden, wenn auch kein Sterhllcher 
davon eine Anſchauung haben koͤnnte, und doeß dle Reſul— 
tate feiner Berechnung, welche ſich darauf gruͤndet, ihre 
vollkommne Richtigkeie haben, daß die Maturbegebenpeit 
nicht blos in Anſehung unſter Sonne, unſter Erde, unſers 
Mondes als individueller Körper, ſondern in Anſehung 
allet möglichen, wern fie in durchaus glelchen Lagen gegen 
einander waren, ſich auch nun fo, wle feine Berechnung 
es mit ſich bringt, in Ruͤckſicht der oblectiven Zeit, und der 
oblectlven Groͤſſe der Verfinſterung an dem Orte der Er 
de, wofuͤr ſie berechnet iſt, genau verhalten werde. Hat 

dle 


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243 


die Erfahrung es nicht auch Sie mehrmal gelehret, daß er 
in feiner Vorausſagung nicht irite, daß auch cuffer Ihrer 
Anfdiauung in der Natur ſelbſt dieſe obiective Begebenheit 
ſich fo ereignete, wie fie auch wohl auf Jahrhunderte vorher 
von den Aſtrenomen berechnet war? Würde alles dieß 
wohl ſtatt finden koͤnnen, wenn Raum und Zelt blos das 
mären, wofür Sie fie ausgeben? Könnten Sie demohn⸗ 
geachtet doch das Gegenthell beweiſen: fo wuͤrden Sie durch 
Ihre Bemühung, wenn fie Ihnen gelünge, fehr verpflichs 
ten Ihren ergebenften ꝛc. 8 


17. Brief. 


Mein Herr, 


Was wollen Sie mit Ihrer Theorie von der Idealitaͤt det 
innern und aͤuſſeren Sinnes anzeigen? Ich kann mir von 
beyden eine Idee machen. In dleſer ſind nicht die Sinne 
ſelbſt oblective entholten, ſondern ich habe von ihnen als von 
Oblecten eine Vorſtellung, welche auſſer derſelben oblective 
Beſtimmungen von mir find. Wird man es Ihnen al— 
fo nicht mit Recht vorwerfen, daß Ihr Ausdruck, Idea— 
lität des aͤuſſern und innern Sinnes, ſehr dunkel fen, 
und daß Sie dieſe Dunkelheit haͤtten aufflären müffen, 
wenn wir wilfen follten, was Sie ſich dabey gedacht has 
ben? Gleich darauf reden Sie von der Idealitaͤt der Ob— 
iecte der Sinne, als bloßer Erſcheinungen, ſolglich ente 
weder als ſolcher Dinge, wovon wir eine emplriſche Vor⸗ 
ſtellung haben, oder als ſolcher, in wle welt ſie den 
Innhalt unſcer Verſtellung ausmachen, und alſo bloße 
Erſcheinungen ſind. Im erſten Fall haben dleſe Oblecte 
keine Idealitaͤt, ſondern find die aͤuſſern Gegenſtaͤnde an 


ſich ſelbſt, wovon ich eine Idee habe, oder haben kann; 
Q 2 im 


im zweyten find fie nicht mehr die Dinge an ſich felbft, 
ſondern ich denke mir darunter die Formen der finnlichen 
Anſchauungen, welche ich von ihnen habe. Nun ſind 
die Obieete blos Ideen, und ich kann ihnen alſo eine 
Idealitaͤt beylegen. 


Alles, was in unfrer Erkenntulß zur Anſchauung ge 
hoͤret, ſoll nichts als bloſſe Verhaͤltniſſe der Oerter in einer 
Anſchauung, (Ausdehnung), Veraͤnderung der Oerter 
(Bewegung), und Geſetze, nach welchen dieſe Veraͤnderun— 
gen beſtimmt werden, (bewegende Kräfte), in ſich enthalten. 
Gefühle der Luſt und Unluſt, den Willen nehmen Ele aus, 
well fie gar keine Erkenntniſſe find. Dieß find fie ſteylich 
eben fo wenig, als irgend ein andrer Gegenſtand, 3. V. 
Veraͤnderung der Oerter, bewegende Kräfte, wovon wir ei. 
ne Erkenntniß haben. Wer hat denn je behaupiet, doß die 

Gegenſtaͤnde unfrer Erkenntniſſe dle Erkenntniſſe ſelbſt ſeyn 
koͤnnen? Ich weis gar nicht, warum Sie uns dleß als eint 
wichtige Wahrhelt erſt bekannt machen. Anſchkauungen 
koͤnnen wir aber eben fo wohl von Luſt und Untuft vom 
Willen, und von allen andern innern Beſtimmungen un 
ſers Gemuͤthes haben, weil doch Anſchauungen nichts am 
ders als Vorſtellungen find, welche auf ihre Gegenſtände 
bezogen werden. Nicht blos Verhältnijfe, wle Sle behaup— 
ten, ſondern auch die Obiccte ſelbſt ſtellen ſich uns zu 
Anſchauung in dem Verhaͤltniſſe dar, in welchem ſie ge— 
gen einander ſtehen, und in wie weit ſie uns den Stef 
zur Vorſtellung von ſich darreichen. Ich fehe etwa zwe 
Anien, veraleiche fie mit einander und werde gewahr, deß 
die eine gröffer als die andre iſt. Zuerſt betrachte ic 
fie als Obiecte für ſich, und ehe ich fie in der Darſtel, 
lung vergleiche, denke ich mir auch das Verhaͤltniß nicht, 
in welchem fie ſtehen. Hier kommt mir eine Regel der 


Denkkroſt zu Hülfe. Allein ich würde fie nicht anmen | 
den koͤnnen, nicht richtig anwenden, wenn keine Dbiect | 


fi 


für fid 
hätten, 
erichein: 
es auf 
fol mir 
Etwa 
meiner, 
lerdings 
Anſchan 
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andre, 
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ſernung 
und die 
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Koͤrper 


D 
ſich er! 
Wuͤſle 
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Beſchaß 
Dinge 
Merbält 
Verpäli 
ſchauun 
nen les 


. 245 


für ſich da waͤren, wenn ſe nicht die obiective Groͤſſe 
hätten, mit welcher fie mir durch Huͤlſe meiner Augen 
erſcheinen. Was in dem Orte gegenwaͤrtig, oder was 
es auſſer der Ortveraͤnderung in den Dingen wirket, 


ſoll mie dadurch nicht gegeben werden. Wodurch nicht? 


Etwa nicht durch die finnlihe Anſchauung. Dieß iſt aber 
meiner, ich glaube, auch Ihrer Erfahrung entgegen. Al— 


8 lerdings unterſcheide ich durch Huͤlſe meiner empirifhen 
„ Anſchauung in einem Garten eine Lille von der Roſe, 
„einen Baum vom Waſſer, und denke mir jeden Gegen— 


5 fand an dem Orte, wo er iſt. Ich bemerke es bey eis 
nem ungleicharmigten Hebel, daß, um ihn in Gleichge— 
wicht zu halten, an beyden Enden Körper hängen, wel— 


ce in einem umgekehrten Vethaͤltniß der Schweren und 


isrer Entfernungen von dem Ruhepunct ſtehen, und bie 
Erfahrung lehret mich, daß, ſobald ich dieß Verhaͤltniß 
andre, die eine Selte herabſinkt, die andre emporſtelget. 
Hier habe ich nicht blos Oerter, ſondern auch ihre Ent— 
ſernung von einem gemeinſchaſtlichen Ort oder Punct, 
und die abſolute Schwere der Koͤrper mit ihrer relativen 
Geſchwindigkeit verglichen, welche ihnen in Anſehung des 
Hebels zukommt. Ich Habe die gegenſeitigen Wirkungen 
durch meine empltiſche Anſchauung bemerkt, welche die 
Körper in dieſer Verbindung gegen einander aͤuſſern. 


Blos durch Verhaͤltniſſe wied die Sache nicht an 
ſich erkannt. Dieß werde ich Ihnen nicht ableugnen. 
Wuͤſte ich von A und B nichts mehr, als daß fie ſich 
wie 7 zu 12 verhielten: ſo wuͤrde ich daraus fuͤr die 
Beſchaffenheit der Dinge nichts ſchlieſſen koͤnnen, weil 
Dinge von unendlich verſchledenen Beſtimmungen in dieſem 
Verhaͤltniß gegen einander ſtehen koͤnnen. Allein ſolche 
Verhaͤltniſſe werden mir auch nie durch emplriſche An⸗ 
ſchauungen gegeben. Die Verhaͤltniſſe, die ich daher ken⸗ 
nen lerne, gründen ſich er die Beſchaffenhelt der Dinge, 

3 wel⸗ 


246 


welche ich onſchaue; und durch Beobachtung erkenne id 
"allein die Verhͤltniſſe, in welchen fie ſtehen. Könnte 
ich mir von ihren Beſtimmungen keine ſinnliche Erkennt. 
niß verſchaffen: fo mürden mir auch ihre Verhaͤltniſſe un. 
bekannt bleiben. Wie können Eile alſo ſchlieſſen, daß durch 
den äufferen Sinn nichts als bloſſe Verhaͤltnißvorſtellungen 
gegeben werden, und daß daher dieſer auch nur das Vers 
bältniſt eines Gegenſtandes auf unſer Subiect in feiner Wors 
ftellung, und nicht das Innte enthalten koͤnne, welches dem 
Sublect an ſich zukommt? Vorher haden Sie noch Ber: 
hältniffe der Dinge gegen einander zugegeben, und nun wol. 
len Sie blos Verbältniffe der Gegenſtände auf das Subiect, 
d. i. auf uns als denkende Weſen zulaſſen, welche uns nur 
durch den aͤuſſeren Sinn bekannt werden koͤnnen. Geſetzt, 
doß dieſes auch nur wäre: fo ließ ſich doch ein ſolches Wer: 
haͤltaiß nicht denken, wenn nicht die Gegenſtände auſſer 
unſter Verfiellung wären, und eine ſolche obiective Beſtim— 
mung haͤtten, daß dadurch uns der Stoff zur Anſchauung 
dieſer Verhältniffe gegeben wurde, was ſich nicht blos auf 
dle ſublectide Bedingung unſter Sinnlichkeit, ſondern durch— 
aus mit auf die Beſchaſſenhelt des Obtectes ſeldſt gründen 
müßte. Können wir gleich nicht durch die empirifdyen Ans 
ſchauungen tlef in das Heiligthum der Natur, tief in das 
Innte ihrer Werke hineindringen, nicht ihre erſte Grund, 
kräſte erblicken: fo koͤnnen wir doch manche innre Beſtim— 
mung aus den Wirkungen derſelben herleiten, wovon wir in 
der Chemie, ſelbſt auch in der Phyſik, und der empirischen 
Pinchologie die glaͤnzendſten Beyſplele finden, 

Sie behaupten, daß es mit der innern Anſchauung, 
eben fo wle mlt der aͤuſſern bewandt iſt, und ich werde eben 
dleſen Satz fur den meinigen erkennen, fo ſehr wir auch in 
den Folgerungen von einander abgehn, welche wir daraus 
herleiten. In dieſer ſollen dle Vorſtellungen äuffrer Sinne 
nicht allein den eigentlichen Stoff ausmachen, womit wir 
unfer Gimuͤth beſetzen. Seln Gemuͤth mit Vorſtellungen 

be. 


ſtellung 


beſetzen, 
che man 
ſollen u. 
in unfe: 
daß bey 

ter De 
aͤnderun 
von Auf] 
Deritan 
Triebe, 
nung un 
ſtellung 

wuſt ey. 
Anſchau 
ſelben? 

ten: ſo 

In den ( 
wuſt we 
welche 
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halten, 

Sie ſag 
male Q. 
vor allen 
Zeit abe 
oder An 
obiective 
Anſchau⸗ 
anders al 
male Be 
eine ober 


* 


— 247 


beſetzen, dleß ſchelnt mir doch eine Terminologie zu fern, wels 
che man auſſer Ihrer Schule nicht brauchen würde. Vielleicht 
ſollen nur Vorſtellungen dadurch angezeiget werden, welche 
in unſerm Gemuͤthe ſtatt haben. Uebrigens iſt es wahr, 
daß bey innern Anſchouungen mehr von Wahrnehmung inn— 
© rer Beſtimmungen, vom Bewuſtſeyn unſter innern Vers 
änderungen die Rede iſt, wohln nicht blos Vorſtellungen 
ron aͤuſſeren Gegenſtaͤnden, ſondern auch die Wirfungen des 
Verſtandes und der Vernunft, alle Auſwallungen unſter 
Ttiebe, alle Gefühle von Freude und Trautigkeit, von Hoff— 
nung und Furcht gehoͤren. Die Zeit, in die wir dieſe Vor 
ſtellung fegen, geht nach Ihrer Behauptung ſelbſt dem Bes 
wuſtſeyn derſelben in der Erfahrung vorher. Wie denn? Als 
Anſchauung der Seit, und doch vor dem Bewuſtſeyn der— 
ſelben? Folglich wenn wir uns auch ihrer nicht bewuſt waͤ— 
ren: fo würde Zeit doch da ſeyn. Nu ſo muͤſte fie ja wohl 
in den Gegenſtaͤnden, deren wir uns durch aͤuſſte Sinne be— 
wuſt werden koͤnnen, oder in der Folge der Veraͤnderungen, 
welche in uns vorgehen, vor unſerm Bemuflfenn ihre obiecti— 
ve Realltaͤt haben. Sie iſt alſo nicht blos ſublective Be— 
dingung der Anſchauung, ſondern ſie kann auch ohne dieſe 
in den Gegenſtaͤnden ſelbſt ſtatt haben. Dieß wuͤrde nun 
grade mit Ihrer Hypotheſe, welche Sie für hoͤchſt gültig 
halten, im vollkommnen Widerſpruch ſtehen. Nein, werden 
Sie ſagen, die Zelt liegt nicht als Obieet, ſondern als ſor— 
male Bedingung der Art, wie wir fie im Gemuͤthe haben, 
ror allem Bewuſtſeyn derſelben zum C. he. Wis kann 
Zeit aber eine ſormale Bedingung ſeyn? Als Vorſtellung 
oder Anſchauung iſt ſie ein Geſchoͤpf des Verſtandes, als 
obiective Zeit iſt fie auſſer der Anſchauung, obgleich in uns 
Anſchauungen auf Anſchauungen folgen, und ſie alſo nicht 
anders als nach einander ſeyn Finnen. Wäre dieß die for. 
male Bedingung, wovon Sie reden: ſo haͤtten wir wieder 
eine obtective Zelt. Soll dleſe aber blos allgemeine Vor⸗ 

ſtellung der Zeit ſeyn, er unſer Verſtand gebildet = - 
4 0 


248 5 eee eee 


fo kann fie ja ncht dem Bewuſtſeyn In uns vorhergehen, wel. 
ches ſich von ihr bey uns finder. Freylich enthält der Be. 
griff, Zelt, die Verhaͤltniſſe des Nacheinanderſeyns, und 
deſſen, was mit ihm zugleich It, des Beharrlichen. Die 
heißt in unferer gewöhnlichen Sprache: wenn ich mir Zei 
vorſtelle: fo denke ich mir eine ununterbrochne Reyhe von 
Folgen, in welcher das Zugleichſeyn aus geſchloſſen iſt, aber 
Diefe Reyhe von Veraͤnderungen in elnem Dinge, von wel, 
chem fie Beſtimmungen nach und nach find, und dieß Ding 
iſt das Sublect der Zeit, iſt das Behartliche, welches mit 
ihr zugleich iſt. Vin ich aber nicht berechtiget, auch daher 
zu ſcalieſſen, daß dieſe Zeit als Folge der Veraͤnderungen 
in dem Behartlichen ihre obiective Realitaͤt habe, und daß 
folglich die Zeit nicht blos eine ſublect'dbe Bedingung meiner 
A: chauupgen und auſſer dieſen an ſich Nichts fen? In wie 
weit fie blos Zeitbegelff, blos Anſchauung iſt, kann ſie nicht 
obetctive Zeit ſeyn, dieß verſteht ſich von ſelbſt, und um dl. 
ne ſolche ausgemachte Sache zu beweiſen, würden Sie keine 
transſcendentale Aeſlhetik geſchriehen haben. 

Wie kaͤnnen Sie eine Vorſtellung, welche vor aller 
Handlung irgend etwas zu denken da iſt, eine Anſchauung 
nennen? Kann es denn auch eine ſolche geben? Vor aller 
Handlung irgend etwas zu denken, und doch eine Vorſtel— 
lung iſt Dec) wohl ein Widerſpruch, weil es unmoͤgllch iſt, 
daß meine Seele ohne alle Wirkſamkelt ihrer Denkkraſt eine 
Vorſtellung hat. Vor aller Handlung etwas zu denken, denket 
fie gar nichts, und jede Anſchavung, dieſiehat, ſetzet voraus 
1) dle Handlung oder Wirkſamkeit meines Vorſtellungsvet— 
moͤgens, 2) eln Obiect, worauf die Vorſtellung, als Hand— 
lung meiner Seele etwas zu denken, bezogen wird. Feh— 
let beydes: fo hat fo wentg eine Vorſtellung, als eine Ars 
ſchauung ſtaͤtt. Dleſe Anſchauung fol nichts als Verhält— 
niſſe in ſich enthalten. Kann ſie aber dieſes, wenn ſie 
nicht die Verhältniſſe in ſich ſaßt, welche dle Oblecte gegen 
einander, oder gegen das denkende Sublect haben? a 

159 


alſo ni 
es nur 
Vor le 
Ihnen 
(welche 
haͤltn eff 
Eie fol! 
ſtellung 
Iſt Dei 
ſtellung 
wir nid 
koͤnnen! 
Diese, 
ſoferne! 
2) nicht 
durch ei 
lung, . 
Elnn | 
ſchauen 
nicht in 
Etwas. 
ten, od 
fahrung 
Soll vi 
Die S 
den, w. 
kelt oder 
wird, u 
innre € 
ſelben. 
ders ale 
kelt ben 
ob wir 
fteriori 
* 


iſt nach 


249 


alſo nicht in jedem Fall Gegenſtaͤnde vorausgeſetzt, wodurch 
es nur allein möglich wird, Verhaͤltniſſe anzuſchauen? Ihre 
Vorſtellung, welche vor aller Handlung des Denkens bey 
Ihnen vorhergeßbt, ſoll Anſchauung fern, und wenn fie 
(welche? Anſchauung oder Vorſtellung?) nichts als Ver— 
haͤltniſſe in ſich enthalt: fo iſt fie die Form der Anſchauung. 
Sie ſoll aber nichts als dieſe in ſich enthalten. Dleſe Vor— 
ſtellung iſt alſo Anſchauung und auch Form der Anſchauung. 
Iſt denn beydes einerlen? Was Sie doch aus einer Vor— 
ſtellung zu machen wiſſen, weiche wir andre Sterbliche, die 
wir nicht zu Ihrer Schule gehoͤren, uns gar nicht denken 
können! Sie wiſſen uns noch mehr von ihr zusagen. 


Diefe Form der Anſchauung ſoll 1) nichts vorſtellen, auſſen 


ſoſferne im Gemüthe etwas geſetzt wird, und folglich foll fie 
2) nichts anders ſeyn koͤnn en, als die Art, wie das Gemürh 
durch eigne Thaͤtigkeit, naͤmlich dieſes Setzen feiner Vorſtel— 
fung, mithin durch ſich ſelöſt aſſicitt wird, d. i. ein innrer 
Einn ſeiner Form nach. Freylich werden wir nichts on» 
ſchauen, folglich keine Anſchauung haben konnen, wenn 
nicht im Gemuͤthe etwas geſetzt wird. Welches iſt aber dieß 
Etwas. Entweder das Vermögen Vorſtellungen zu erhal— 
ten, oder die Thaͤtigkeit, deſſelben. Jenes iſt vor aller Er— 
fahrung a priori da, aber nicht die Vorſtellung ſelbſt. 
Soll dieſe erfelgen: ſo muß das Vermoͤgen thaͤtig werden. 
Die Seele kann ſich nun dieſer Wirkſamkeit bewuſt wer— 
den, weil fie einen innern Sinn hat. Allein diefe Thätig. 
kelt oder dieſe Vorſtellung, wodurch der innere Sinn afficirt 
wird, und wir uns derſelben bewuſt werden, ift nicht der 
innre Sinn ſelner Form nach, ſondern der Gegenſtand deſ— 
ſelben. Der innre Sinn ſeiner Form nach kann nichts an— 
ders als unfre Fähigkeit ſeyn, uns unſter innern Wirkſam— 
keit bewuſt zu werden. Dieſe iſt aber nicht eine Vorſtellung, 
ob wir uns gleich durch Beobachtung, und folglich a po» 
fteriori von ihr eine Vorſtellung verſchaffen koͤnnen. 


Alles, was uns durch einen Sinn vorgeſtellet wird, 


iſt nach Ihrer 2 in ſoferne eine Erſchelnung. 
| 5 


In 


1 — 


In wie welt Ift es dieſe? Etwa in wle welt ich es mir vor, 
ſtelle? Dleß iſt nun zwar richtig: es wurde aber nichts mei. 
ter heiſſen, als jede Vorſtellung durch Hülfe der Sinne iſt 
jederzeit Vorſtellung. Dieß wäre dann doch blos eine Wirk. 
famfeit meiner Vorſtellungskraft, ich möchte es mir in ſinn⸗ 
lichen Anſchauungen, oder in allgemelnen Begriffen denken. 
Allein nun iſt nicht von den Obieeten, die vorgeſtellet wer⸗ 
den, ſondern von Anſchauungen dle Rede, welche ich von 
ihnen habe. Sie ſetzen hinzu: eln innrer Sinn würde alſo 
gar nicht elngeraͤumet werden muͤſſen, oder das Sublect, 
welches der Gegenſtand deſſelben iſt, würde nur durch den. 
ſelben als Erſcheinung vorgeſtellet werden koͤnnen, nicht 
wie er von ſich ſelbſt urtheilen wuͤrde, wenn ſelne Ans 
ſchauung blos Selbſtthaͤtigkeit d. i. intellectuell wäre. Der 
Gegenſtand des innern Sinnes, wovon Sie itzt reden, iſt 
alſo das denkende Subiect ſelbſt, welches dieſen Sinn hat. 
Es wird durch Huͤlſe deſſelben ſich feiner innern Modifica— 
tionen bewuſt. Nur dieſe koͤnnen Gegenſtaͤnde des innern 
Sinnes werden. Unſer Verſtand denket ſich das Sublect 
als das Beharrliche, worinn dieſe Wirkſamkeiten als Innre 
Veränderungen erfolgen. Das Subiect ſelbſt kann aber 
nie eln Gegenſtand dieſes innern Sinnes, kann alſo nicht 
eine Erſcheinung deſſelben werden. Allein kann dleß wohl 
eine Urſache ſeyn, welche uns bewegte, kelnen innern Sinn 
elnzuräumen? Auch unfre innern Modificationen ſelbſt find 
keine Erſcheinungen, ſondern obiective Gegenſtaͤnde derſelben. 
Wenn wir uns auch gleich dieſer als Vorſtellungen bewuſt 
werden, und alſo eine neue Vorſtellung von jenen erhalten: 
ſo ſind jene das Obiect von dieſer, aber nicht Vorſtellungen 
von ſich ſelbſt. Die Vorſtellung, welche ich mir von ihr 

mache, koͤnnte vielleicht Erſchelnung genannt werden. 
Unter denkendes Subiect, ſagen Sie, würde von ſich 
ſelbſt anders urtheilen, wenn feine Anſchauung blos Selb— 
ſtaͤndigkeit d. i. intellectueh wäre. Anſchauung und Selbſt— 
thätigkeit würde doch auch denn nicht elnerley ſeyn koͤnnen, 
fon. 


ſondern 

in, U 
Wirfun: 
des dent 
weber ſe 
nicht. 
ehärigfei 
tericheid: 
Selbſtth 
Ware e. 
Es mit 
Witkun— 
Obiecten 
de es do 
nern M. 
denkende 
von dem 


a 
wle ein 
ſcheinet 
ſtens zug 
innern 2 
denkende 
in unferr 
ein Su 
auf die ſe 
Sinn we 
Wirfung 
unire C. 
len, wel 
Wir mu 
Veraͤnde 
wir uns 


fern Del 


281 


a ſondern die erſte würde eine Wirkung der andern ſeyn muͤſ. 


fen. Waͤre die Anſchauung auch blos intellectuell, oder 
Wirkung des Verſtandes, fo würde fie durch die innre Kraft 


des denkenden Weſens erregt werden. Dieſes waͤre nun ent— 
weder fähig, ſich dieſer Thaͤtigkeit bewuſt zu werden oder 


0 nicht. Nicht? So müfte es eine Wirkung feiner Selbſt— 


thätigkeit nicht von der andern, und auch nicht von ſich uns 
terſchelden konnen. Ließ ſich dieß bey einer fo erhoͤheten 
Seelbſtthaͤtigkeit denken, welche die unſtige welt uͤbertraͤſe? 
Waͤre es aber dozu fähig: fo hatte es einen innern Sinn. 


Es wuͤrde freplich von den Gegenſtaͤnden deſſelben als bloſſen 


Wirkungen ſeiner Selbſtthaͤtigkeit anders als wir von den 

Obiecten unſers innern Sinnes urtheilen. Unterdeſſen wuͤr— 

de es doch durch Huͤife feines innern Sinnes von feinen in— 

nern Veränderungen und von ſich als dem blos ſelbſtthaͤtig 

denkenden Eubiect urtheilen koͤnnen, obgleich dieß Urtheil 
von dem unſrigen unt erſchleden ſeyn wuͤrde. 


Alle Schwlerigkeit fol nur hiebey darauf beruhen, 


„„ le ein Subiect ſich innerlich anſchauen kann. Doch diefe 


ſcheinet mir nicht ſo groß zu ſeyn, daß wir fie nicht wenig— 
ſtens zum Theil uͤberwinden koͤnnten. Wir find uns unfrer 
innern Veränderungen bewuſt, unterſcheiden fie von unſerm 
denkenden Sublect, und bemerken ſelbſt dieſen Unterſchied 
in unſern Vorſtellungen. Waͤre alſo die Frage blos, wie 
ein Sublect ſich innerlich anſchauen kann: fo würden wir 
auf dieſe folgendes antworten koͤnnen. Durch unfern innern 
Sinn werden wir uns der innern Veraͤnderungen oder der 
Wirkungen von allen unſern Fahigkeiten bewuſt, und durch 
unſre Erinnerungsfraft koͤnnen wir uns dieſe wieder vorftele 
len, welche in uns rege wurden, aber nicht mehr da ſind. 
Wir müffen uns alſo als ein Subiect denken, welches innre 
Veraͤnderungen nach einander haben kann, und ſo werden 
wir uns ſelbſt als das beharrliche Subieet von ihnen als un» 
fern Befimmungen unterſcheiden. Fragen wir aber weiter: 

wie 


wie {ff die Innre Geundkraft unfers Gelſtes beſchaffen, wo. 
durch es möglich wird, daß ſolche Wahrnehmungen in uns 
ſtatt haben koͤnnen, wie, daß fie wirklich erfolgen: fo geht 
das Geblet der Schwierigkeiten an, und Sle würden ung 
als Freunden der Wahrheit einen ſehe groſſen Dlenſt leiſten, 
wenn Sie durch die Fackel Ihrer tiefer ſehenden Vernunſt 
dieſe dunkeln Gegenden aufhellen koͤnnten. Allein bisher 
haben Sie noch nichts mehr als Ihre Vorgaͤnger geleiſtet, 
und ich beſorge immer, daß die menſchliche Vernunft, fo 
ſeht fie auch aufgeklaret ſeyn mag, in der Lage, worinn wir 
auf der Bahn dieſes Lebens ſortwandeln, nie zu der Starke 
gelangen wird, dieſe Schwierigkeit mit dem gluͤcklichſten 
Erfolg zu bekämpfen. Allein auch nur dief, was wir doch 
in dem Reiche der Wahrhelt entdecken koͤnnen, hat für uns 
zu viel Reiz, als daß wir es uns durch uͤbertrlebene Specu— 
lationen moͤchten entziehen laſſen. 


Das Bewuſtſeyn ſelger ſelbſt (Apperception) iſt, wie 
Eile dafür halten, dle einfache Vorſtellung des Ichs. Allein 
jede Apperceptlon, welche wir haben, iſt doch nicht immer 
eigentich das Bewuſtſeyn uaſter ſelbſt. Sie hat ollemol 
bey uns ſtaͤtt, wenn wir uns äuſſerer Gegenſtände, welche 
auf unire Sinne gewirkt haben, eder unſrer innern Thaͤtlg— 
keit bewuſt werden, obgleich nicht der Gedanke von unferm 
Ich hinzu kömmt. Doch Sie ſcheinen nur von der Apper— 
ception zu reden, in wie weit fie das Bewuſtſeyn unfrer ſelbſt 
iſt, und dieſe nennen Sie elne einfache Vorſtellung des 
Ichs. Wenn aber dadurch alles Mannigfaltige im Sublect 
ſelbſtthaͤtig gegeben wäre, jo würde dieſe Vorſtellung doch 
ſo einſach nicht mehr ſeyn koͤnnen; ſondern ſie wuͤrde das 
Mannlafaltige zugleich mit einſchlieſſen. Würde mir durch 
fie allein alles dieſes in meinem Subiect ſelbſtthaͤtig gegeben: 
fo müpte ich entweder mit einmal alles deſſen, was nicht blos 
in jedem Augenblick in meinem Subiect da iſt, ſondern was 
auch nur durch meine Denkkraft da ſeyn kann, oder 75 

na 


nach ur 
freplich 
Loos n 
ſchauun 
haben 
werden 
Dinge 
mal bi: 
Fählgke 
chen, fi 
Unterid 
ken Sie 
lect ſe! 
es nur 
wuͤrde 
ſeyn; . 
ſen ben 
thaͤtig © 
ſelbſit ! 
berelnſ! 
ken, u: 
heben 
und %ı 
thaͤtigen 
plriſch, 
len un 
bringen 
3 
uftfenr 
von ben 
wird, ı 
mütbe < 
Einnlid 
licyfeit i 
die Art, 


— — 253 
nach und nach mir bewuſt werden. Das erſte wird nun 
ſreylich nie wegen meiner weſentlichen Einſchraͤnkungen mein 
dos werden können. Cine ſolche innre intellectuelle Ans 
ſchauung, wenn fie anders hlerinn beſteht, werde ich nie 
haben koͤnnen. Die Gegenſtaͤnde, deren ich mir bewuſt 
werden kann, find der Art nach unzaͤhlich, und als einzeine 
Dinge (indiuidua) für mich unermeßlich. Nicht mit ein» 
mal bin ich fähig, fie mir vorzuſtellen, und doch liegt die 
Faͤhlgkeit in meinem Eubiect, mir von ihnen Ideen zu mas 
chen, fie zu oppercipiren, ſolglich mir derſelben und ihres 
Unterſchiedes von meinem Subiect bewuſt zu werden. Den— 
ken Sie ſich alles Mannigſaltige, welches in meinem Sub— 
lect ſelbſtthaͤtig gegeben wird, in der Einſchraͤnkung, daß 
es nur das alles anzeiget, was jedesmal gegeben iſt: ſo 
wuͤrde die Anſchauung doch bey mir nicht blos intellectuell 
ſeyn; ſondern ich würde durch meinen innern Sinn mir deſ— 
fen bewuſt werden, was jedesmal in meinem Eubiect ſelbſe— 
thaͤtig gegeben würde. Mein Verſtand wurde doch erſt dieſe 
ſelbſtthaͤtigen Wirkungen mit elnander verglelchen, die Ue— 
berelnſtimmungen und Abweichungen derſelben bemer— 
ken, und durch Vergleichungen das Allgemeine herause— 
beben muͤſſen, um dieſe Wirkungen auf Gattungen 
und Arten zu bringen. Die Anſchauungen meiner ſelbſt— 
thaͤtigen Wirkungen mären doch immer noch ſinnlich, em» 
pirifh, und mein Verſtand würde aus dieſen die intellectuel— 
len Anſchauungen durch feine eigenthuͤmliche Kraft hervor— 
bringen muͤſſen. 

Im Menſchen erſodert, wie Sie ſchreiben, dieß Be 
wuſtſeyn ſeiner ſelbſt, (Apperception) innre Wahrnehmung 
von dem Mannigfaltigen, was im Suhiect vorher gegeben 
wird, und die Art, wle dleſes ohne Spontaneität im Ger 
muͤthe gegeben wird, muß, um dieſes Unterſcheldes willen, 
Sinnlichkeit, heiſſen. Hier nehmen Sie das Wort Enns 
lichkeit in einer andern Bedeutung, wle ſonſt. gt iſt fie 
die a wie das Mannigfaltige im Gemürhe ohne Epon« “ 

taneitaͤt 


254 ee UL eee 


taneltaͤt gegeben wird. Dleß Mannlgſaltlge, was in mel. 
nem Gemuͤthe gegeben Ift, kann nichts anders ſeyn, als 1) 
entweder die innern Veranderungen meines denkenden Sub, 
lects, oder die Abdrucke der Gegenſtaͤnde, welche fie In mir 
durch Elnwirkungen auf meine aͤuſſern Sinnen hervorgebracht 
haben, 2) dle Vorſtellungen, welche ich von ihnen erhalte, 
In Anſehung der erſten verhält ſich meln Verftellungsver. 
moͤgen blos leldend, und die letzten ſind ſelbſt nach Ihtem 
Syſtem Folgen feiner Spontaneitaͤt. Nun erſt entſteht In 
mir das Bewuſtſeyn derſelben, und die Apperceptien geht 
unmittelbar auf die Verſtellungen ſelbſt, mittelbar auf die 
Receptlvität und Srontaneitaͤt meines Vorſtellungs verm. 
gens. Auf das Daſeyn dleſer beyden ſchlleßt meine Ber 
nunft aus dem Bewuſtſeyn der Vorſtellungen als Folgen 
von ihnen, und unterſcheldet durch dleſes dle Vorſtellung 
fo wohl von ihren Oblecten als von mir, dem denkenden Eub, 
iect. Dieſe meine Spontaneltät iſt aber nicht fähig, in 
dieſen Vorſtellungen von dem Stoff, welcher meinem Ga 
muͤthe von den Gegenſtaͤnden gegeben wird, etwas zu aͤn— 
dern, ſo lange dieß Gegebene ſortdauert, und folglich kann 
ſie ſich in ſo weit nicht anders als leidend verhalten. Ich 
erblicke in einem Naturaliencablnet dle eln zelnen Gegenſtaͤnde 
aus dem Reiche der Natur. So lange ich dleſe in gleicher 
Entfernung unter gleichen Umſtaͤnden betrachte: ſo lange 
habe ich es nicht in meiner Gewalt, dle emplriſchen Ans 
ſchauungen zu aͤndern; ſondern ſie bleiben, wie ſie elnmal 
durch die Gegenſtaͤnde beſtimmt wurden. Iſt der Gegen, 
ſtand, welchen ich gewahr werde, dle groſſe Bandaſche Kro— 
nentaube: ſo kann ich, ſo lange ich ſie anſehe, es durch keine 
Spontaneität erzwingen, daß ich ſtatt dieſer einen buntſaͤrbig— 
ten Schmetterling erblicke. Meine Vorſtellungen konnten 
nicht ohne Spontaneltaͤt melnes Vorſtellungs vermoͤgens ent 
ſtehen, allein dieſe geht nicht auf das Manniafaltige in mei» 
ner Wahrnehmung, ſondern blos darauf, daß der gege— 
bene Stoff von ihm in mir zur Vorſtellung erhoben wird, 

und 


und bie: 
Stoff z 
nen Sie 
nigtalrio 
lichkeit 


keit, 110 


meiner 
gehoͤren. 
Uebereir 
Einnlid 


Zu 
Nerlodeı 
fhmeifi. 
tinth zu 
ander fr: 
arbeiten. 
machen, 
tig zu p. 
wuſt zu 
(apprehe 
allein au 
gen, der 
liegt, di: 
ſammen 
denn ſich 
thaͤtig ve 
innen alı 
es iſt. 
Wenn d 
Im Gem! 
was im 
muß dle 
liegt. © 
angenom 


255 


und dleſe muß ſich nach dem Obiect richten, welches mir den 
Steff zue empirüichen Anſchauung von ſich darreichet. Mens 
nen Sie itzt Sinnlichkeit die Art, wie dieſer Stoff des Man. 
nigſaltigen ohne Spontaneltaͤr gegeben wird: fo geht Sinn— 
lichkeit blos auf die Receptivitaͤt meiner Vorſtellungsfaͤhig. 


keit, und die empiriſchen Vorſtellungen ſelbſt als Folgen 


meiner Spontaneität werden nicht mehr zu ihrem Gebiete 
gehören. Wohin wollen Sie dieſe alfo rechnen, fo daß eine 
lleberelnſtimmung mit demjenigen bleibe, was Sie ſonſt zur 
Sinnlichkelt gezogen haben? 


Zum Beſchluß dleſer Abtheilung haben Sie noch einen 
Perloden niedergeſchrieben, welcher theils durch ſelne Weit— 
ſchweifigkelt theils durch die befondre Wortfuͤgung ein Laby— 
tinth zu werden ſcheint, worinn die Wege ſich fo durch eins 
ander kreuzen, daß es ſchwer wird ſich aus ihm heraus zu 
arbeiten. Ich will ihn ganz herſetzen, und einen Verſuch 
machen, ihn zu zergliedern, um den Innhalt deſſelben gehoͤ— 
tig zu prüfen. Hier iſt er. Wenn das Vermögen ſich bee 
wuſt zu werden, das, was im Gemuͤthe liegt, aufſuchen 
(apprehendiren) ſoll: fo muß es daſſelbe afficiren, und kann 
allein auf ſolche Art eine Anſchauung feiner ſelbſt hervorbrin⸗ 
gen, deren Form aber, die vorher im Gemuͤthe zum Grunde 
liegt, die Art, wie das Mannigfaltige im Gemuͤthe zus 
ſommen iſt, in der Vorſtellung der Zeit beſtimmt; da es 
denn ſich ſelbſt anſchauet, nicht wie es ſich unmittelbar ſelbſt— 
thätig vorſtellen wuͤrde, ſondern nach der Art, wie es von 
innen afficirt wird, folglich wie es ſich erſcheinet, nicht wie 
es iſt. Der erſte Satz kann einen doppelten Sinn haben. 
Wenn das Vermoͤgen, ſich bewuſt zu werden, das, was 
im Gemuͤthe liegt, apprehendiren foll: fo muß 1 dasjenige, 
was im Gemürhe liegt, das Vermoͤgen afficiren, 2) fo 
muß dieß Vermoͤgen dasjenige afficiren, was im Gemuͤthe 
liegt. Ob gleich nach der Wortfügung die letzte Bed utung 
angenommen werden müßte: fo glaube Ich doch, doß 555 

die ſen 


256 


dieſen Saß nach der erſten Erflärung gedacht haben. Allein J ols eine 
was liegt denn in meinem Gemüthe zum Grunde, daß das Selbſti! 
Mermögen mir meiner bewuſt zu werden, aſfieirt wird. mie Vo 
Nicht die bloſſe Faͤhigkeit, ſinnliche Votſtellungen zu haben. J und inn: 
Durch dieſe kann jenes Vermoͤgen nicht aſſieltet werden, [ nunfe d 
ſondern die Vorſtellung ſelbſt, welche ich habe, muß dieſes J durch fei 
gleichſam beleben, oder rege machen. Wenn ich mir die, ſelten z 
fer beruft werde: fo unterfcheide ich ſie nicht blos von ihrem lungen, 
Gegenſtande, fondern auch von mir ſelbſt, und fo wird alſo Faͤhlake 
eine Anſchauung von mir ſelbſt hervorgebracht. Die Form ſo werde 
dieſer Anſchauung von mir ſelbſt lag aber nicht in meinem Ge. erſcheine 
müche zum Grunde; ſondern wurde durch die Wirkſamkelt J ich von 
meines Vermoͤgens, mir meiner bewuſt zu werden, erreget. ich ſelbſ⸗ 
Ste beſtimmet ouch nicht die Art, wie das Mannigfaltige J dleſem u 
im Gemüͤthe zuſcmmen iſt, in der Vorſtellung der Zeit, es Ihren 9 
ſey denn, daß dieſe Anſchauung von mir zugleich die Folgen 


n. 4 
der innern Veraͤnderungen, welche bey mir nicht anders, EN 
als nad) einander, entſtehen koͤnnen, in ſich ſaßt; und dann 
iſt fie zuglelch eine Anſchauung van einer ununterbrochnen 
Reyhe der Veränderungen in mir, ſolglich von der obiecti— 
ven Zeit, als einer Beſtimmung, ohne welche ich nicht in 
dem Gebiete endlicher Geiſter eine Stelle einnehmen koͤnnte. 
Wenn ich mich auf dieſe Art anſchaue: ſo ſoll, wie Sie ſa— 


Wenn 


gen, dieſe Anſchauung nicht fo ſeyn, wle ich unmittelbar mich ſchauune 
ſelbſtthaͤtig vorſtellen wurde. Allein was nennen Sie ſich anfhauı 
ur mittelbar ſelbſtthaͤtig vorſtellen? Ohne Zweifel dieß, deß 11 offick 
alle meine Vorſtellungen blos durch meine Selbſtthaͤtigkeit daß die‘ 
erjeuget würden, und daß ich mir deſſen brwuft wäre. Al. geftehen 
lein Iſt dieß auch bey einem endlichen Geiſte moglich? und elgentlid 
wenn ich auch nicht von auſſen afficiret würde, ſondern alle Gegenſte 
Vorſtellungen durch meine elgne Thaͤtigkelt hervorbrächte, fo wie e 
würden fie demohngeachtet nicht nach und nach in mir erſol. wovon € 
gen; ; mürbe ich mir nicht dieſer Folgen meiner Veränderungen fönnen ı 
oder Vorſtellungen, und alſo einer ununterbrochnen Reyhe J weder o. 
derſelben bewuſt werden; wuͤrde ich mir alſo nicht die Zelt gen duffe 
8 als 


ols elne oblectlve Beſtimmung denken müffen? Doch dieſe 
Selbſtthaͤtigkeit habe ich nun frehlich nicht. Ich made 
mir Vorſtellungen von meinem Sublect, wie es von auſſen 
und innen afficirt wird; wie es durch Verſtand und Ber 
nunſt die Materlalen, welche ihm die Sinne darreichen, 
durch feine Selbſtthaͤtlgkelt bearbeiten kann, und auch nicht 
ſelten zweckmaͤſſig bearbeite. Nennen Sie dieſe Voritela 
lungen, welche ich durch mein Bewuſtſeyn don meinen 
Fahigkeiten und ihren Wirkungen habe, eine Erſcheinung: 
fo werde ich mich anſchauen, wie ich mir erſcheine, und ich 
eeſcheine mir fo, well ich fo bin. Die Vorſtellung, welche 
ich von mir habe, mag Erſchelnung heiſſen. Genung, daß 
ich ſelbſt das reelle Obiect derſelben bin, und daß jene mit 
dleſem uͤbereinkoͤmmt. Wollen Sie nichts mehr durch diefen 
Ihren Perloden anzelgen: fo werden wir hletinn übereinftim« 
men. leben Sie wohl. 


18. Brief. 
Mein Herr, 


Wenn Sie ſagen: im Raum und der Zelt fe die Ans 


ſchauung fo wohl der äufferen Obiecte als auch die Selbſt— 


anſchauung des Gemuͤthes beydes dor, fo wle es unſte Eins 
ne afficlret, d. i. wie es erſcheinet: fo mill dieß nicht ſagen, 
daß diefe Gegenſtaͤnde ein bloſſer Schein wären. Ich muß 
geſtehen, daß es nicht leicht iſt, es zu verſtehen, was Sie 
elgentlich hiermit anzeigen wollen. Die Anſchauung äuſſeter 
Gegenſtaͤnde und die Selbſtanſchauung follen beydes vorſtellen, 
fo wle es dle Sinne affielrt. Welches iſt denn das beyde, 
wovon Sie reden? Soll es Zelt und Raum fern? Dieſe 
koͤnnen zwar in den Aaſchauungen auſſerer Gegenſtaͤnde ent, 
weder als allgemeine Begriffe oder als oblectiv ? Beſtlmmun— 
gen Bufferer Dinge vorgeſtellet Erler: Allein in det Selbſt⸗ 

g 8 Alle 


258 [een urn) 
anſchauung meines Gemuͤthes Ift gar kelne Vorflelung vom 
Raum. Dieſe Selbſtanſchauung kann doch nichts anders 
als das Bewuſtſeyn von den Wirkungen meiner Fahigkeiten 
in ſich foſſen. In dleſer Selbſtanſchauung liegt alſo durch. 
aus keine Vorſtellung vom Raum, auch nicht einmal das 
Bewuſtſeyn der Zelt; es ſey denn, daß ich etwa auf die 
Folge der Veränderungen in meinem Gemuͤthe zugleich aufs 
merfiam bin. Ich denke mir eben itzt die erhabne Würde 
der Tugend, und werde mir ihrer In meiner Selbſtanſchauung 
bewuſt. Es iſt in dieſer keine Vorſtellung von Zeit und 
Raum enthalten. Wollen Sie durch Ihr Beydes etwas 
anders bezeichnen: fo laſſen Sie Ihren aufmerkſamen Leſet 
in einer groſſen Ungewißheit darüber, was Sie elgentlich 
dadurch anzuzeigen Willens find. Soll Beydes etwa dit 
zuſſern Gegenſtaͤnde und mein Gemuͤth bedeuten, wovon ich 
eine Anſchauung habe, wle ts doch die Wortfuͤgung in dieſem 
Setze nicht verſtattet: ſo wuͤſte ich, was Sle ſagen wollten, 
wenn Ste diefe Gegenſtaͤnde, ob wir fie uns gleich fo vor« 
ſtellen, wie fie unſte Sinne afficiren, deswegen nicht für 
bloſſen Schein ausgeben. Allein nun müßten wir doch von 
Ihnen es hören, in wle welt Sle dleſe nicht für bloſſen 
Schein halten. Sie führen dleſen Grurd für Ihre Ber 
hauptung an: Im der Erſchelnung werden jederzelt dle Oblecte, 
ja ſelbſt die Beſchaſſenheit, die wir ihnen beylegen, alt 
etwas wirklich gegebenes angeſehen, nur daß fo ferne dleſe 
Beſchaßfenheit von der Anſchauungsart des Subiects in der 
Relatlon des gegebenen Gegenſtandes zu ihm abhaͤnget, dleſer 
Gegenſtand als Erſchelnung von ihm jeiber als Obiect an ſich 
unterſchleden wird. In der Erſcheinung, das heißt doch, 
in unſter empirifchen Votſtellung werden die Oblecte, ja ſelbſt 
die Beſchaffenhelt (alſo nicht blos Verhaͤltniſſe, wle Sie vor⸗ 
her behaupteten), dle wir ihnen beylegen, als etwas wirklich 
gegebenes angeſehen. Allein wle find dieſe gegeben? Entwe⸗ 
der blos in der Anſchauung, oder auch auſſer dieſer. Im erſten 


Fall wären fie blos Erſchelnungen Im letzten waͤren die Gegen, 
ftär 


flänbe an 
oblective 

Ihnen ar 
mit Wor 
doch in d 
Nun fon 


So 
art des C 
des zu il 
Begenfta: 
an ſich u 
ſche Spe 
Beſchaff 
Eubiecte: 
get? Do: 
beflimme: 
Gegenfta: 
Obiect, 
unter ſche 
fe Et ſche. 
haben wi 
meine A. 
Wäre bie 
ung nich! 
ſondern n 
legte fageı 
don der © 
märe hier 
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für ſich a 


thuͤmlich⸗ 


woͤchte di: 


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— 1 * 1 * 


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erw 259 


— 


1 fiänbe an ſich ſelbſt und ihre Beſchaffenhelt in der Natur 


oblective gegeben. Welcher der beyden Faͤlle wird nun von 


Ihnen angenommen? Etwa blos det erſte: fo leugnen Eis 


mit Worten, doß dle Oblecte bloſſer Schein find, und laſſen 
doch in der That nichts als dieſen über. Oder das letzte! 


Nun ſo wären wir mit einander verglichen. 


So ferne dleſe Beſchoffenhelt nur von der Anſchauungs⸗ 
art des Sublects in der Relatlon des gegebenen Gegenſtan. 


des zu ihm abhaͤnget, wird (warum nicht, iſt?) dieſer 
Gegenſtand als Erſcheinung nur von ihm feiber als Obiect 


an ſich unterſchleden. Hier herrſchet wieder dunkle ſcholaſti⸗— 


i ſche Sprache. Was heiße es, wenn Sie ſagen, daß dle 
Beſchaffenhelt des Gegenſtandes von der Anſchauungsart des 
Sublectes in der Relation des Gegenſtandes zu ihm abhaͤn⸗ 


get? Doch wohl nichts anders, als meine Vorſtellungsark 
beſtimmet es, wie dieſe Beſchaffenheit in det Relation des 
Gegenſtandes zu mir erſcheinet? Welches iſt denn nun dat 
Obiect, welches ſich don dem Gegenſtand als Erſcheinung 
unterſcheldet? Entweder das Oblect, welches auch ohne dle⸗ 


ſe Erſchelnung feine oblectlve Realltaͤt, und Beſchaſſenheit 
& haben würde, ober welches blos feine Beſchaffenhelt durch 


meine Anſchauungsart in feiner Relation gegen mich hat. 


Waͤre dieß letzte: fo würde es an ſich auffer meiner Anſchau— 
ung nichts ſeyn, hette nicht für ſich dleſe Beſchaffenhe t, 


ſondern nur durch meine Anſchauungsatt. Wollten Sie dieß 


letzte fagen: fo wäre das Oblect nicht auſſer meiner Anſchauung 
don der Beſchaffenhelt, wie ich es mir vorſtelle, und ſolglich 
wäre hier im Grunde nichts als bloſſer Schein. Hätte aber 
der erſte Fall ſtatt: fo wuͤrde ich es nicht für einen bloſſen 


Schein halten koͤnnen, ſondern ich müßte es als eln Ding 


für ſich auſſer meiner Vorſtellung anſehen, welches ſelne eigene 
thoͤmliche Beſchaffenhelt haͤtte, und behalten würde, ich 


möchte diefe oder eine andre ſubiective Anſchauunig haben, oder 


1 ts auch gar nicht e Ich erbiide etwa eniblaͤttet⸗ 


2 ti 


2660 ) 
chen S. 


te Bäume, und auf den Saatenſeldern nur noch dle Ueber. 
reſte abgemaͤheter Halmen. In meiner Anſchauung finden wollen e: 
ſich Abbildungen dieſer Gegenftände, oder Vorſtellungen] dem, we 
von ihnen Ich unterscheide dieſe fo wohl von den Oblecten machen. 
als von mir ſelbſt. Ich kann alſo die Oblecte ſelbſt nicht! helfen. © 
für bloſſe Erſcheinungen in meiner Unſchauung halten; fon. che. WN 
dern ich bin uͤber zeugt, daß fie nach allen den Belchaffenheis F bloſſen © 
ten, welche ich an ihnen erblicke, ohne meine Anſchauunge. “ Sind K 
art In der Natur ſeyn würden, wenn ich mir auch ihrer gar! de Real 
nicht bewuſt wäre. Ste find alſo nicht blos in Beziehung] gen gez 
auf mich von der Erſcheinung, welche ich von ihnen habe, els Din: 
unterſchleden; fondern fie würden auch ohne dleſe durch ihre! fen wir g 
elgenthümliche Form, durch ſich ſelbſt es ſeyn. Die Koͤrper] dle Erfa 
wollen Sie nicht zum bloſſen Schein auffer ſich machen. Sle] die Praͤ 
gelehen, daß Sie dle Qualltaͤt des Raums und der Zelt als auf uni: 
Bedingung ihres Daſeyns ſetzen. Hleraus würde aber ſol,] Geruch, 
gen, daß Raum und Zelt obiective Beſtimmungen von f rung fin 
ihnen auch aujfer unfrer Vorſtellung ſeyn müffen. Wie könn f Mir in! 
ten dleſe Oualltäten ſonſt Bedingungen Ihres Daſeyns abgt. werde? 
ben? Sind fie dieß: fo iſt hier offenbar nicht mehr von] male, w 
unfrer ſublectiven Anſchauung des Raums und der Zelt dle] gen? S 
Rede. Haben die Körper zur Bedingung ihres Daſeyns Raum] leln dieſe 
und Zeit: fo koͤnnen fie ohne beyde nicht ihre wirkliche] weil fie ı 
Exiſtenz haben. Folglich muͤſſen beyde auch als obiective | Merkma 
Beſtimmungen In ihnen als Dinge für ſich angetroffen werden.] und der | 
Und nun behaupten Sie wieder, daß Zeit und Raum blos] wegen be 
in unfrer Anſchauungsart, nicht in den Oblecten an ſich liegen.] und gras 
Allein wird dadurch nicht dasjenige wieder aufgehoben, was Merkmal 
Sie vorher festen? Sind Zelt und Raum Bedingungen von] und mir 
dem Daſeyn der Körper, und doch blos in unſten Anſchauun, Nur in d. 
gen, und auſſer diefen nüchts: fo würden auch Peine Koͤrpet] ſenhelt.“ 
auffer dleſen ſeyn koͤnnen, well fie auſſer dleſen nicht die noth⸗ feibit bios 
wendlge Bedingung Ihres Daſeyns hätten. Sle find alſo erſten Fe 
nichts als bloſſer Schein, und doch wollen Sle dleß mwiebe bloſſer S 
leugnen, Wie ſollen wir uns aus dieſem Irrgarten, in wel Berhälen 


U 


chen 


— 2 0 nn Sn 2 261 


chen Sie uns geſuͤhret haben, wieder heraus finden? Sie 
wollen es ſich nicht zu Schulden kommen laſſen, daß Sle aus 
dem, was Sie zur Erſcheinung zaͤhlen ſollten, bloſſen Schein 
machen. Allein durch diefe Erklaͤrung iſt uns noch wenig ges 
holfen. Sle reden noch immer eine dunkle unbeſtimmte Spra⸗ 
che. Was zur Erſchelnung gehört, wollen Ste nicht für 
bloſſen Schein halten. Hlevon war aber die Rede nicht. 
Sind Körper, deren Daſeyn nach unfrer Einficht eine obiectl⸗ 
ve Realität haben, nicht in wle welt fie zu unfern Erſcheinun⸗ 
gen gezählt werden, und alſo dazu gehören muͤſſen, ſondern 
hals Dinge für ſich nichts als bloſſer Schein? Darüber moͤch⸗ 

ten wir gerne Ihre Meynung wiſſen. Sie unterſcheiden hier 
die Erſchelnung eines Oegenſtandes von ihm ſelbſt, und ſagen, 
die Praͤdlcate der Erſcheinung koͤnnen ihm im Verhältniß 
cuf unſern Sinn, z. B der Roſe die rothe Farbe, der 
Geruch, beygeleget werden. Die Praͤdicate der Ericheis 
rung ſind doch nichts anders als die Merkmale, deren ich 
mir in meiner empiriſchen Anſchauung des Obiects bewuſt 
werde? Nun entſteht die Frage: wie kann ich dieſe Merks 
male, wovon ich eine Vorſtellung habe, dem Odiect benles 
gen? Sie antworten: im Verhaͤltniß auf meinen Sinn. Als 
leln dieſe Antwort iſt für mich noch nicht beſtimmt genug, 
weil fie noch nicht ohne Zweydeutigkeit iſt. Kann ich dleſe 
Merkmale dem Obiect blos im Verhaͤltniß auf meine Sinne 
und der ſubiectiven Form meiner Sinnlichfeit, oder auch des⸗ 
wegen beylegen, weil dieß Obiect wirklich dieß Pradicat hat, 
und grade deswegen meine Anſchauung von ihm mir dleſe 
Merkmale darſtellet, weil es dieſe als ein Ding für fi hat, 
und mir fo den Stoff zur Anſchauung von ſich darreicher ? 
Nur in dem letzten Fall würde das Obiect und dieſe Beſchaf⸗ 
ſenhelt, welche ich ihm als Prädicat beylege, nicht für ſich 
ſeibſt blos als Schein angeſehen werden koͤnnen. In dem 
erften Foll ware dleß Obiect als Ding an ſich nichts als 
bloſſer Schein, und ihm wuͤrden dleſe Praͤdicate blos im 
Verhaͤltniß auf meinen Sinn N Was denken 55 

3 


262 eee 


ſich denn unter bloſſem Schein? Sie ſogen: der Schein kann 
niema's als Praͤdicat dein Gegenſtande beygelegt werden, 
eben darum, weil er, was dleſem nur im Verhaͤltulß auf 
die Sinne, oder überhaupt aufs Subiect zukommt, dem 
Obiect für ſich beylegt, z. B. dle zweene Henkel, die man 
or fänglich dem Saturn beylegte. Hier haͤtten Sie unt er. 
klären müffen, wle Eie ſich den Unterſchled zwiſchen Schein 
und Erſcheinung denken. Die Praͤdicate der Erſcheinung 
kennen nur im Verhaͤltniſſe auf unſre Sinne dem Oblect 
ſelbſt beygelegt werden, und der Scheln foll ihm auch nur 
das benlegen, was dieſem (ohne Zweifel Obtect) im Vers 
bätın ß uf die Sinne zukoͤmmt. Was iſt bier für ein Un, 
terſchled? In beyden Fallen werden die Prädicate blos im 
Ve ſbäteniß auf unſte Sinne dem Gegenſtand an ſich beyge— 
legt. Vielleicht werden Sie hierauf erwledern: nein, erfl 
find es Praͤdieate der Erſcheinung, nachher Praͤdlcate 
des Scheines im Ver haͤltniß auf dle Sinne. Allein giebt 
es denn einen Schein, der nicht auch Erſcheinung waͤre, 
wenn wir feine Prädlcate einem Obleet beylegen ſollen? Die 
rotbe Farbe der Roſe, die Henkel des Saturnus find fie 
nicht beyde als Anſchauungen, der wir uns bewuſt werden, 
um ſie als Prädicate der Roſe und dem Saturnus beyzulegen, 
in unferm Gemüthe Erſcheinungen, Vorſtellungen von Ihnen? 
Freplich find wir es uns zugleich bewuſt, daß unſre Phan 
tafıe die Schoͤpferinn dieſer Henkel iſt, und daß fie dieſe aus 
den glänzenden ovalrund erſcheinenden Bogen um dieſen Pla⸗ 
neten gebildet hat. Wir wiſſen alſo, daß die Henkel nicht 
weniger bloſſer Schein find, als dle gegeneinander kaͤmpfen⸗ 
den ſegrigen Kriegesheere, welche der ſtaunende, aberglaͤu— 
diiche Pabel zur Zeit eines Mordlichts fo oft am Himmel ge. 
ſeben hot. Allein der lichte Bogen um den Saturn, wel— 
deu die Aſtronomen wohl wegen einer ſchelnbaren Aehnlich, 
keit Henkel nennen, iſt keln Geſchoͤpf melner Phantaſie, 
alſo nicht blos Schein, ſondern ein Dbiect auſſer der An. 
ſchauung aller Aſtronemen, welches den Grund davon in 

Ich 


fih fat, 
von mit 
Natur, 
elne fold 
ſcheinun 
ondre, rn 
kann un 
es in der 
dieß kan 
mie Ihre: 
Stachel! 
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fe ihre ©) 
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ein fold 
welches 
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gen find, 
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andern 
Far be dei 
Schein 
nung auf 
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als das 
Verhaͤlt! 
wirken, 
zuſteſlen, 
Anſchoun 
fehlte mi. 
machten 
nen we 


3 8 > a . 2 — 2 * 4 ö — — 1 — * — 4 — * 
tnt. r . ̃ . . ee. 


ä ⁵ẽ . ⁵ ⁵¶ i — 


A 263 


ſich ſaßt, daß er in einer fo weiten Entfernung in dieſer Form 
von mir erblicket wird. Welches iſt aber dieß Obliect in der 
Natur, das durch feine Einwirkung auf mein Geſichtsorgan 
eine ſolche empiriſche Anſchauung von ſich, eine ſolche Er— 
ſcheinung erregt? Dieſe Frage fo wenig, als noch tauſend 
ondre, welche ich uͤber dleſen Gegenſtand aufwerſen konnte, 
kann unſre Vernunſt hinrelchend beantworten. Allein daß 
es in der Natur etwa:. iſt, welches ſelne oblective Realitaͤt hat, 
dieß kann fie eben fo wenig bezweifeln, als daß dle Roſe 
mit ihrer rothen Farbe, mit ihren Blättern, mit Ihrem 
Stachelrelchen Stengel, mit der beſondern Form ihrer Aus— 
dehnung an dem Orte fo reizend pranget, wo ich fie, und dle— 
fe ihre Merkmale erblicke. Wären keine Augen, von welchen 
die Lichtſtralen, die aus der Roſe ausfahren, fo aufgenom- 
men wurden, daß daher ihre “Blätter, mit rother Farbe 
geſchmuͤcket, uns erſcheinen: fo wurde die Roſe für ſich dire 
fe Farbe nicht haben. Allelr deswegen haͤtte fie doch ob! «tin 
ein ſolches Gewebe der duͤnnen Haut auf ihrer Oberfläche, 
welches die ausfahrenden oder zurüͤckprallenden Lichtſtralen 
fo modlficirte, daß fie ſich ſolchen Organen, wie dle unfri» 
gen find, in dieſer Farbe darſtellte. Es muß alſo zum Theil 
in ihr ſelbſt der Grund liegen, daß ſie mir in dleſer und keiner 
andern Farbe erſchelnet Ich kann freylich nicht die rothe 
Farbe der Roſe an ſich, nicht den Henkelſoͤrmigen glaͤnzenden 
Schein dem Saturnus an ſich, oder die beſtimmte Ausdeh⸗ 
nung äuffern Gegenftänden an ſich beylegen, ohne daß fie in 
einem gewiſſen Verhaͤltnlſſe auf meine Sinne oder auf mich 
als das denkende Sublect ſtehen. Allein worlnn beſteht dieß 
Verhaͤltniß anders, als daß die Gegenſtaͤnde auf melne Sinne 
wirken, und ich das Vermoͤgen habe, mir dle Dinge fo vor. 
zuſtellen, wie fie den Stoff von ſich mir zur empirlſchen 
Anſchauung gegeben haben? Thaͤten fie dieſes nicht, oder 
fehlte mir das Vermoͤgen, wenn fie gleich auf mich Eindruͤcke 
machten: fo wuͤſte ich von ihnen nichts; fo koͤnnte ich ih⸗ 
nen weder dasjenige, was ihnen an ſich betrachtet 

R 4 auſſer 


264 Re 


auffer meiner Vorſtellung zufdmme, noch dasjenige beyle⸗ 
gen, was ihnen blos in Beziehung auf meine Sinne, oder 
meine Vorſtellungsart zugeſchrieben wird, 


Hier nennen Sie dasjenige, was gar nicht am Obleet 
on ſich ſelbſt, jederzelt aber im Verhaͤltniß deſſelben zum 
Sublect anzutreffen, und von der Vorſtellung des erſteten 
unzertrennlich It, eine Erſchelnung. Wo würde denn dieſe 
ſeyn konnen? Nicht in dem Obleet, welches erſck eint, fon« 
dern in dem Sublect. Ste wäre alſo nichts als fubiective 
Beſtimmung von dieſem blos Vorſtellung? Allein wovon? 
Doch von dem Oblect? Warum waͤre dleß, was Sie Ericheis 
nung nennen, jederzeit in dem Verhaͤltniß des Obiects zum 
Subiect anzutreffen, und von der Vorſtellung des Obiects uns 
zertrennlich? Htevon konnte doch keine andere Urſache gedacht 
werden, als weil das Obleet in einem ſolchen Verhaͤltniſſe 
mlt dem Sublect wäre, daß es auf feine Organe wirkte, 
und grade dieſe und keine andre Form der Vorſtellung erregte, 
oder weil blos die ſublectiwe Form unfier Sinnlichkeit obne 
elne ſolche Einwirkung des Dbiects dieſe und Feine andre 
Form der emolriſchen Vorſtellung erreget. Dieß letzte iſt 
nicht denkbar, und würde alle äuffre Oblecte unfrer Vor 
ſtellungen in bloſſen Scheln verwandeln. Dann wuͤrden 
wir auch die Prädlicate des Raums und der Zeit den Gegen⸗ 
ftänden der Sinne an ſich nicht beylegen fönnen, und wenn 
ſie nur als ſolche erſchtenen, von welchen nicht Zeit und Raum 
als bioſſe Prädicate, ſondern als oblective Beſtimmungen, 
ſich uns darſtellten: fo wäre es nichts als bloſſer Schein, 
als Betrug unfrer Phantaſie, wovon wir uns durch einen ins 
nern unplderſtehllchen Zwang bethoͤren lleſſen. Ich weis 
nicht, wie Sie grade umgekehrt behaupten koͤnnen, daß, 
wenn Sie der Roſe an ſich die Rothe, dem Saturn die Hen, 
kel, oder allen aͤuſſeren Gegenſtoͤnden die Ausdehnung an ſich 
beylegten, obne auf eln beſtimmtes Vethaͤltulß die tet Gegen 
fände zum Subiect zu ſehen, und Ihr Urtheil darouf ein 

au 


zuſchraͤn 
Doch vir 
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oder em; 
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find bie: 
Wollte 

waren 
nichts a 
als ſub 
auſſer un 


265 


zuſchraͤnk en, alsdann erft der Schein entfpringen wuͤrde. 
Doch vielleicht koͤnnten wir Bende in einem gewlſſen Verſtan— 
de wohl Recht haben. Sie ſetzen voraus, daß diefe Merk— 
male, welche Sie ſich bey den Dingen in der Erſchelnung 
eder empiriſchen Anſchauung derſelben denken, keine obiective 
Realität auſſer Ihrer ſubiectiven Anſchauung haben, und 
daß es alſo bleſſer Schein, bloſſer Betrug ware, wenn 
Sie dieſe den Dingen an ſich beylegen wollten. Wäre Ihre 
Vorausſetzung wahr: fo würde der Schlußſatz, welchen 
Sie machten, ſeine Richtigkeit haben. Ich hingegen glaube 
die Unguͤltigkeit derſelben einzuſehn, und bin davon übers 
jeugt, daß die Dinge einem groſſen Theile nach wirklich ſo 
ſind, wie wir ſie uns in unſern Anſchauungen darſtellen. 
Es iſt unleugbar, daß die Merkmale, welche von urfern 
Vorſtellungen der Gegenflände unzertrennlich, aber bey den 
Dingen, nicht als Anſchauungen, ſondern als Beſtimmun— 
gen keine obiective Realltat hätten, nichts als bloſſer Schein, 
jwar nicht in Ruͤckſicht unſrer Anſchauungen, fondern in 
Anſehung der Dinge an fid) ſeyn wurden. 


Es wird noch einmal von Ihnen verſichert, daß Sle 
nach Idrem Princip der Idealität aller unſerer ſinnlichen 
Anſchauungen aus demjenigen, was Sie zur Erſchelnung 
jählen ſollten, nicht bloſſen Schein machen; ſondern daß 
vielmehr, wenn man jenen Vorſtellungsſormen obiective Nea- 
litaͤt beylegte, mon es nicht vermelden koͤnnte, daß nicht 
alles dadurch in bleſſen Schein verwandelt wurde. Grade 
fo wird jeder Pyiloſeph denken. Die Centauren, die Hars 
pylen, alle Goͤtterktiege, und Goͤtterliebeshaͤndel der Dichter 
find blos ihre Vorſtellungsferinen, und auſſer dieſen Nichte. 
Wollte man ihnen elne obiective Realltät zuſchreiben: fo 
wären alle dleſe nichts als bloſſe Phantaſien der Dichter, 
nichts als leerer Schein. Wären Raum und Zeit nichts 
ols ſublective Formen unſter Vorſtellung: fo würden ſie 
auſſer unſrer Anſchauung ne fenn: fo würden ſich weder 

5 bey 


—— 3 —— A n 


266 TEA 


bey den Dingen an ſich Theile auffer und neben einander 
zuglelch, noch ununterbrochne Reypen von Veränderungen 
finden; fo wuͤrden folglich alle dieſe Dinge an ſich, in wle 
welt wir Zelt und Raum als Ihre oblective Beſtimmungen 
uns daͤchten, nichts als Taͤuſchung unfrer Elablildungen, 
nichts als bloſſer Scheln, wle etwa Loͤben, Tieger, und 
Berge, ſeyn koͤnnen, welche dle Kinder om Himmel in 
den Wolken zu erblicken ſich einbilden. Bloß dleſe Formen 
unfrer Vorſtellungen wären nicht bloſſer Schein, fondern 
etwas, welches in unſerm Gemuͤthe wirklich angetroffen 
wurde. Wer hat es ſich jemals erträumen koͤnnen, daß 
feine ſubiectlden Vorſtellungsformen als ſolche auffer ihm 
elne oblective Reolltaͤt haben? Hierinn koͤnnen Sie auf 
den Beyſall aller Phlloſophen rechnen. Alleln ſie werden 
auch hieraus ſchlleſſen, daß, wenn gleich dleſe Vorſtellungs. 
formen nicht bleſſer Schein find, aber auſſer ihnen keine 
Dinge wären, in welchen Zeit und Raum als obiective Bes 
ſtlmmungen angetroffen wuͤrden, alle dieſe Dinge, bey wels 
chen mir beyde als Bedingung ihres Daſeyns wahrzuneh⸗ 
men uns bereden, an ſich nicht ſo ſind, wle wir ſie uns nach 
unferm gelunden Menſchenverſtand denken, und daß ſie 
ſolgllch für nichts als bloſſen Scheln gehalten werden koͤnn— 
ten. Hlegegen ſtreubt ſich alle ihre Erfahrung, hlegegen 
ihre Vernunft. Hleruͤber glauben fie mit Ihnen im Streit 
zu ſeyn, und ſetzen dabey voraus, daß Sie ihnen nicht eine 
Kurzſichtlakeit zuſchrelben, vermoͤge welcher fie ihren fub» 
iectiven Vorſtellungsſormen als ſolchen eine oblective Reall⸗ 
tät beylegen koͤnnen. Dleß wäre Phantaſie eines Traͤumen⸗ 
den, deten ſich kein Denker ſchuldig machen wird. 


Allein Ungereimtheiten, ſagen Sle, wuͤrden daher 
entſpringen, wenn man Raum und Zelt als Beſchaffenhel— 
ten anſehen wollte, welche Ihrer Moglichkeit nach bey Cu 
chen an ſich angetroffen würden. Ungereimtheiten? Welche 
{ind denn dieſe Ungeheuer? Wir wollen ihnen näher treten, 

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mer mn en 267 


um zuzuſehen, ob fie denn wirklich unſrer Vernunft ſo fuͤrch— 
terlich find, als fie Ihnen erſchelnen. Unſte Vernunft 
betrachtet Zelt und Raum freylich als Beſchaffenheiten, wel⸗ 
che nur in den Dingen an ſich auſſer unſern Vorſtellungsfor⸗ 
men obiectiv moͤglich und wirklich ſind, und gar nicht ſeyn 


würden, wenn keine ſolche Dinge wären, welche vermöge 


ihres Weſens nicht ohne dieſe exiſtiten koͤnnen. Welche 
Ungereimtheiten entſpringen denn nun aus dleſer unſrer Be— 
hauptung, um fie zu zernichten, mie etwa jene bemafnete 
Krieger, welche aus dem Bauch des Pſerdes in Troja here 
vorkamen, dieſe Stadt verheerten? Unſre Vernunft, fagen 
Sie, wuͤrde alsdann gezwungen werden, zwey unendliche 
Dinge anzunehmen, welche nicht Subſtanzen, Hauch nicht 
etwas wirkliches den Subſtanzen inhaͤrlrendes, dennoch eris 
ſtlrendes, ja die nothwendige Bedingung der Eriſtenz aller 
Dinge fern mäßten, auch übrig blieben, wenn gleich alle 
eriftirende Dinge aufgehoben würden. Dieſe Ungereimte 
heiten find in der That groß genug, erſcheinen in elner 
ſuͤrchterlichen Geſtalt, und würden ohne Zweiſel das ſeyn, 
was ſie zu ſeyn ſcheinen, wenn wir Zeit und Raum durch 
tie ſublective Bedingung unfrer Sinnlichkeit als unbegrenzt 
uns denken müßten. Denn waͤren fie auch nur bloß unfre 
Vorſtellungsſormen: ſo wuͤrde der Menſchenverſtand in allen 
übrigen Menſchenkoͤpſen, wle die Erfahrung aller Jahrhun— 
derte es gelehret hat, fie ſich als etwas auſſer ihren ſublectl— 
ven Vorſtellunosſormen gedacht haben, und durch einen 
gewiſſen unwiderſtehlichen innern Zwang ſich ſie nicht anders 
haben denken koͤnnen. Hier würde alſo dleſes Ungeheuer 
grade wie die lerneiſche Schlange dadurch mehrkoͤpfigt gewor⸗ 
den ſeyn, daß Cie, wie dort Hercules, einen Kopf weg— 
hauen wollten. Ich glaube hingegen, daß es durch unſte 
Theorie, welche der Ihrigen grade entgegen ſteht, vollkom⸗ 
men getoͤdtet werden ſoll. Wir behaupten auch, daß Zelt 
und Raum keine Subſtanzen, ſondern Beſchaffenhelten end. 
licher Subſtanzen find; daß fie die ſen als ſolchen Dingen 

f inhaͤ⸗ 


268 RESET 


inhaͤrlren, und In fo weit als oblectlve Beſtimmungen in 
ihnen exlſttren. Sie find blos Beſchaſſenheiten ſolcher 
Dinge, welche zuſammengeſetzt find, wo alſo Theile auſſer 
und neben einander zugleich angetroffen werden, und worin⸗ 
nen Reyhen von Veränderungen ſtatt haben koͤnnen, welche 
alſo ſelbſt endlich find. Wir ſchlleſſen hieraus, daß Zelt 
und Kaum nicht etwa als bloſſe Vorſtellungen unfrer Ima. 
ginatlon, ſondern als reelle Beſtimmungen der Dinge ſelbſt 
endllch ſeyn muͤſſen Wir koͤnnen ſie uns als ſolche nicht ohne 
Verirrung unſter Vernunft unter dem Charakter der Un 
endlichkelt denken. Sie fin nicht nothwendige Bedingun- 
gen ber Erlſtenz aller, ſondern nur elngeſchränkter und alſo 
endlicher Dinge. Wenn dleſe mit einmal zu ſeyn aufhörter: 
fo würden auch Raum und Zeit als ihre obiective Beſtim⸗ 
mungen dahln ſeyn, und es waͤre der offenbarſte Wider. 
ſpruch, wenn wir die Zeit als etwas noch ertitirendes, und 
den Raum nlcht blos als elne aͤuſſere Moͤg ichkelt uns den— 
ken wollten, daß da, wo Dinge auſſer und neben einander 
zuglelch geweſen find, fie auch ſeyn koͤnnen. Hier find mit 
einmal alle Köpfe des Ungeheuers, welches ſich gegen unire 
Vernunft erheben ſoll, von ihr weggebrandt, und ich denke, 
daß es voͤllig zernichtet ſeyn wird. 


Der gute Berkley Irret ſich alſo ſehr, ob Sie es ihm 
gleich nicht verdenken, wenn er jene Ungereimtheiten als 
nothwendlge Folgen davon anſieht, daß Raum und Zeit 
ihre oblective Realltaͤt in den Dingen ſelbſt haben ſollen, 
und wenn er deswegen dle Körper zu bloſſem Schein herab» 
ſetzte, ja fo gar unfre eigne Exlſtenz, weil fie auf ſolche Art 
von der für fich ! beſtehenden Realltaͤt eines Undings, wie 
dle Zelt, abhängen würde, mit dieſer in lauter Schein ver» 
wandelte. Wir würden alsdann mit dem verſchobnen Ber: 
land? dleſes Mannes Mitleiden haben muͤſſen. Er wuͤrde 
ſich eine Ungereimthelt ertraͤumet haben, welche, wie Ele 
ſelbſt ſagen, bisher noch niemand ſich hat zu Schulden kom, 

men 


men la 
Zelt un 
fondern 
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durch! 
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Dingen 
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ehümitc 


aue Fein! 


fid) die: 


komme | 


von ſich 
Eie, 10 
derzeit 
flaͤrung 


| 


ERSTE TERN 269 . 


men laſſen, und alfo auch unſte Philoſophen nicht, welche 
Zeit und Raum nicht blos als unire Vorſtellungsformen, 
ſondern auch als Beſchaffenhetten ſich gedacht haben, neldye 
mit endlichen Dingen anfangen, und wenn alle biefe Dinge 
zernichtet würden, zugleich mit ihnen zu ſeyn auflörten, 
Haben aber nicht bieher ſaſt alle Philoſophen ſo gedacht? 


In der naturlichen Theologle denken wir uns einen 
Gegenſtand, welcher fur uns gar kein Gegenſtand der Anſchau— 
ung werden kann. Freylich kann er dleß nicht, wenn hier bios 
von einer ſinnlichen Anſchauung dle Rede iſt Allein denken 


koͤnnen wir uns dieß unendliche Weſen; dieſes Gedankens 


von ihm koͤnnen wir uns bewuſt werden, und ihn dadurch als 
Gegenſtand von uns, und der Vorſtellung, welche wir 
von ihm haben, unterſcheiden. Es gieht aber auch An— 
ſchauungen des Verſtandes und der Vernunft, und fo nen— 
nen Sie ſelbſt unſre Vorſtellungen in Beziehung auf ihren 
Gegenſtand. Sie ſind alſo nach der Sprache in Ihrem 


Syſtem nicht berechtiget, es ohne alle Einſchraͤnkungen zu 


leugnen, daß wir von dleſem groſſen Gegenſtande unſrer Ber- 
ehrung und Anbetung Anſchauung haben koͤnnen. Begrei. 
fen koͤnnen wir ihn nicht. Dazu iſt keln Geiſt in dem Ges 
blete der Endlichkeit fähig. Die Anſchauungen, welche wir 


durch Huͤlfe unfrer Vernunft von ihm haben koͤnnen, haken 


licht genung für unſern Verſtand, ihn von allen andern 
Dingen zu unterſcheiden, haben Wärme genung für unſer 


Herz, um es mit Andacht zu beleben, und mit ihren eigen. 


thuͤmlichen Freuden zu entzuͤcken. Gott kann ſich ſelbſt durch⸗ 
aus keln Gegenſtand der ſinnlichen Anſchauungen ſeyn, weil 
ſich dieſe nie ohne Grenzen derken loſſen und in ihm Voll. 
kommenheiten — ohne alle Schranken ſind. Er hat alſo 
von ſich eine höhere Anſchauung. Seine Erkenntniß, fagen 
Sie, ift nicht Denken, ſondern Anſchauen, weil Denken je— 
derzeit Schranken bewelſet. Es koͤmmt hier auf eine Er⸗ 


flärung darüber an, was Eie denken nennen. Sonſt pflegt 
man 


— . — G—kᷣ——ẽ 


man ſich fo auszudrucken: Gott denket ſich alle ſelne unend». 


liche Vollkommenheiten mlt einmal in einem Achte, wel. 
ches, fo wie ſeln Verſtand, ohne Grenzen if. Wollen wit 
Anſchauung uns fo vorſtellen, wie ſie bey uns, wie fie bey 
jedem endlichen Gelſte it: fo wurde fie auch nicht von Gren. 
zen beſreyet ſeyn. Dieſe muͤſſen alſo erſt von ihrem Be. 
griff abgeſondert werden, ehe wir Gott eine Anſchauung ju⸗ 
ſchreiben koͤnnen. Wir ſind ſorgfaͤltig darauf bedacht, von 
aller ſelner Anſchauung die Bedingung des Raumes und 
der Zelt wegzuſchaffen; aber wie? nicht als ob er nicht 
Dinge auſſer ſich jo anſchoue, wie fie nach ihren me 
ſentlichen Beſtimmungen ſind, wie Zelt und Raum ſich 
bey ihnen findet. In ſeiner Anſchauung der endlichen 
Dinge lieget alles, was in den Dingen iſt, alſo auch 
Raum und Zelt. Unſte Sorgſalt geht nur dahin, uns 
ihn als ein Weſen zu denken, in welchem weder mehrere 
Dinge auſſer und neben einander zuglelch, noch Reyhen 
von innern Veranderungen ſtatt haben, weil beydes ohne 
Grenzen nicht denkbar iſt. 


Alleln, fragen Sie, mit welchem Rechte kann man 
dleſes thun, wenn man beyde vorher zu Formen der Dinge an 
ſich ſelbſt gemacht hat, und zwar ſolchen, die als Bedingungen 
der Exiſtenz der Dinge, a priori übrig bleiben, wenn man 
gleich dle Dinge an ſich ſelbſt aufgehoben hätte? Denn als 
Bedingungen alles Daſeyns überhaupt, müßten fie es auch 
vom Daſeyn Gottes ſeyn. Wo find aber die Philsſophen, 
welche Zeit und Raum zu Bedingungen alles Daſeyns über: 
haupt gemacht haben? Vielleicht in der Schule des Spline za 
möchte fo etwas zum Theil behauptet werden koͤnnen. Als 
lein dieſe haben dle meiſten Philoſophen für dasjenige ange. 
ſehen, was fie Iſt, und ihr Lehrgebaͤude für ein ſolches ge- 
halten, welches fi) auf einen ſalſch angenommenen Begtiff 
von der Subſtanz gruͤndet, und durch Sophismen errichtet 
iſt. Sie haben Raum und Zeit zu Bedingungen der Ext— 

ſten 


ſtenz be 
nicht fen 
obiect ir- 
liehen 
Weiter 
wenn 
benlegte: 
Ppiloie, 
gung D: 
lichen a 
wenn 
wurden 
welche 


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271 


ſtenz bey den endlichen Dingen gemacht, welche ohne dieſe 
nicht ſeyn koͤnnen, mit welchen dieſe Beſtimmungen Ihre 
obiective Realltaͤt erholten, und fie mit ihnen wleder ver⸗ 
liehren würden, wenn dleſe Dinge zu ſeyn aufpörten. 
Weiter konnten ſie nichts aus Raum und Zelt machen, 
wenn fie ihnen eine obiective Realitat in den Dingen 
belegten. Kennen Sle unter unſern ſcharſſinnigſten 
Ppiloſophen einige, weiche Zeit und Raum zur Bedin— 
gung, der Exiſtenz aller Dinge, oder auch nur der end» 
lichen a priori gemacht haben, fo daß fie übrig blieben, 


wenn gleich die Dinge ſelbſt aufhoͤrten? Gegen dieſe 


ue 


wurden wir eben fo gut, wie Sie, die Waffen ergreifen, 
welche die Vernunſt uns in dle Haͤnde gegeben hat. 


Es ſoll nichts übrig bleiden, wenn man Zeit und Raum 
nicht zu oblectiven Formen aller Dinge machen will, als 
daß man fie zu ſubiectiven Fecmen unferer äufferen fo wohl 
als innern Anſchauungsart macht. Allein dieſer Schluß 
ſolget nicht aus dem Vorderſotz, in wie welt er wahr iſt. 
Wir machen fie zu obiectiven Formen der Dinge, aber nicht 
aller. In dem unendlichen Weſen iſt weder Zeit noch Raum. 
Von ihm können fie alſo auch keine obiective Form ſeyn. Doch 
warum nennen Sie denn Zeit und Raum Form der Dinge? 
Sit find nicht das genze Weſen derſelben, ſondern Beſchof⸗ 
ſenheiten von den Gegenſtaͤnden, in welchen Theile auſſer 
und neben einander zugleich find, und Reyhen von Sue 
ceſſionen angetroffen werden. Wir koͤnnen fie auch For⸗ 
men unſerer innern und äufferen Anſchauungen nennen, weil 
wir in den Geg aſtanden, welche wir durch Hüͤͤlſe unters 
Geſichtes ſehen, bis auf einzelne Puncte Raum erblicken, 
und weil wit in unſern innern Verändernngen, welche 
auch bey dieſen Anſchauungen vorgehn, elne Reyhe von 
Succeſſionen, d. J. Zelt gewahr werden. Sie fügen noch 
einen Satz hinzu, welcher verſchiedene Erklaͤrung wegen 
feiner Wortfuͤgung zuläßt. Sie ſagen: diefe Anſchauunge⸗ 

att 


272 


art helßt darum ſinnlich, well fie nicht urfprünglid, d. l. 
elne ſolche iſt, durch die ſelbſt das Daſeyn des Oblects der 
Anſchauung gegeben wird. Das Wort der Anſchauung 
kann fo wohl der Darivus als Genitidus ſeyn. In der ers 
ſten Bedeutung des Wortes hieſſe es ſo vlel: durch unſte 
Anſchauungsart wird der Anſchauung das Dufenn des Dbs 
lects nicht gegeben. Dadurch koͤnnen Sie ohne Zweifel 
nichts anders anzelgen wollen, als daß unfre Anſchauungs. 
art, als blos beftimmtes Vermoͤgen, die Gegenſtaͤnde an. 
zuſchauen, uns nicht durch ſich ſelbſt die Anſchauung von 
den Gegenſtänden verſchaft, oder wie Sie es etwas dunk. 
let ſagen, daß durch fie der Anſchauung das Daſeyn des 
Oblects nicht gegeben wird. Im letzten Fall waͤre dieß 
der Sinn Ihres Satzes: dle Anſchauungsart giebt nlcht 
dem Obieet der Anſchauung das Daſeyn. Welches iſt nun 
Ihre Meynung? Ich denke das erſte, weil Sie hlnzuſetzen, 
daß dieſe Anſchauungsart, fo viel wir elnſehen, nur dem 
Urwefen zukommen kann, welches alſo nicht erſt ſinnliche 
Empfindungen haben muß, um ſich die Dinge zu denken, 
oder wle fie lieber ſagen wollen, fie anzuſchauen. Der le 
te Fall könnte nur denn Matt haben, wenn die Vorſtellung 
eines Gegenſtandes zugleich der Gegenſtand obiectlv feibit 
wäre, fo wie neulich ein Phlloſoph aus Gründen , deren 
Unguͤltigkelt Sie fo gut, wie ich, einfehen werden, be 
baupten wollte, daß der Gedanke Gottes von Subſtanzen 
zuglelch die Subſtanzen ſelbſt wären. Sie kalten unfre Vor⸗ 
ſtellungsart für eine ſolche, welche von dem Daſeyn des Ob. 
lects abhaͤngig, mithin nur dadurch, daß die Vorſtellungs, 
art des Sublects durch dayfelde afficirt wird, moͤglich iſt. 
Muß aber in dlefen Fall das Obiect nicht nur auſſer unſter 
Vorſtellung ſeldſt, ſondern auch ſeine Beſchaffenhelt von der 
Art ſeyn, daß fir zu den empiriſchen Vorſtellungen, welche 
wir von ihnen erhalten, den Stoff grade zu dleſen und kel. 
nen andern uns darreichet? Wle koͤnnten fie aber dleß ſeyn, 


wenn fie nicht Raum, nicht Zeit oblectiv in ſich enthielten, 
don 


von wel 
von bey 
oder vo 
muß ab 

wirkung 
ſen und 

ben. D 
ſchauung 
Nur dad 
darnach 
ihnen er, 


Due 
nicht au! 
vielleicht 
Mentdhon 
aber An 
Sinnlid 
Rum hi 
Nun jo | 


die Haid) 
1 ) 


nach, fol 
Zeit erſe 
Des erſte 
chen Ges 
fo hat oi 
in Ankh 
denkbar, 
Vorſtellu 
men Sie 
derſt chen 
Beſch ff. 
Dieß it 
Bepſplele 


ſchavung . 


8 — u 


- * und 
* — 4 5 2 


73 


von welchen fie uns den Stoff zu emplriſchen Anſchauungen 
von binden und von ſich „ben? Wir haben zwar a priori 
oder von Natur das Virmoͤgen Dinge anzuſchauen. Es 
muß aber von dem Da eyn der Odiecte und von ihren Ein— 
wirkungen auf unfre Sinne abhangen, daß wir unter die. 
fen uno keinen andern Formen von ihnen Anſchauungen has 
ben. Das Daſeyn der Obiecte ſeloſt beſtimmt unfre Anz 
ſchouung nicht. Sie muͤſſen auf unfre Organe wirken. 
Nur dadurch wird unſte Vorſtellungsfaͤhigkeit afficirt, und 
darnach richten ſich die Vorſtellungen ſelbſt, welche wir von 
ihnen erhalten. 


Die Anfhauungsart in Raum und Zeit wollen Sie 
dicht auf die Sinrticyfeit der Merfchen einfchräufen , weil 
vielleicht alle endliche denkende Weſen bierinn mit dem 
Menſchen nothwen ig uͤbereinkommen. Was heißt hier 
oder Anſchauungsart in Zt und Raum? was ſie auf 
Sinnlichkeit der Menſchen einſchraͤnken? Wird Zeit und 
Num hier odiectiv, oder ſubiectiv genommen? Ooieckiv? 
Nun fo hieß es: unſre Anſchauungsart iſt ſo beſtim ent, daß 
die Auſchauungen ſelbſt bey uns nicht anders, als nach und 
nach, folglich als Succeſſionen in einer Reyhe oder in der 
Zeit erſolgten. Wuͤrden ſie aber auch ſo im Raum da ſeyn? 
Des erſte iſt wahr, iſt ohne Zweifel auch ſo bey allen endli— 
chen Geiſtern und iſt dieß ein Charakter der Sinnlichkeit: 
jo hat dieſe allen Anſehen nach elne allgemeine Güͤltiakcit 
in Anſchung aller endlichen Geiſter. Das letzte iſt nicht 
denkbar, oder wir müßten uns denn das Sublect unſerer 
Vorſtellungsart als ein geraͤumigtes Weſen vorſtellen. Neh— 
men Sie Raum und Zeit ſubiectiv: ſo wuͤrden wir es ſo 
derſtehen muͤſſen: unſte Anſchauungsarten find alle von der 
Biſcheffendrit, daß Rum und Zeit mit angeſchauet wird. 


Dieß iſt aber, wie ich es mehrmal bewleſen, und durch 


Biſpiele erläutert habe, unſret Erfahrung und den An- 


ſchauungen unſers en und unſrer Vern unſt entge 
| gen 


274 RNIT 


gen geſeht. Von wle vielen Gegenftänden haben wir nicht 
Anſchauungen, worinn mie uns weder der Zelt noch des 


Raums bewuſt werden? 


Sie iſt, wird von Ihnen hinzugefügt, eine abgeleitete, 
wicht urfprüngliche Anſchauung. Worauf bezieht ſich dieß 
Sie? Auf Allgemeinguͤltigkeit, oder auf Sinnllchkelt, oder 


Anſchauu gegart in Zeit und Raum, oder auf — keines 


von allen? Weder auf Allgemeinguͤttigkeit, noch auf Sinn. 


lichkeit kann es ſich bezlehen. Denn beyde find keine in- 


tuitus, und alſo auch keine intuitus deriuatiui: alſo ohne 
Zweifel auf Vorſtellungsart? Allein auch dieſe iſt kein 


intuitus, oder Sie muͤſſen ſich dadurch unſte Vorſtellun— j 
gen in den Formen denken, welche fie nach Beſcheſſendeit 


ihrer Gegenſtaͤnde haben. Dieſe find freylich keine bloſſe Wir. 


kungen unfrer Selbſtthaͤtigkelt, ob es gleich viele Extwick. 


lungen den Wahrheiten, und alſo Vorſtellungsarten giebt, 
in welchen ſich unſer Verſtand und unſte Vernunft ſehr 
ſelbſtthaͤtig bewieſen, und uns in fo weit intellectuslle An. 
ſchauungen verſchaft haben. Nennen Sie urſpruͤngliche 
Anſchauungen (intuitus originarios) folche. welche ohne alle 
Sinnlichkeit, ohne alle Erfahrung in dem denkenden We— 


fen blos durch feine Seltftehätigfeit da find: fo iſt dieß ; 


hoͤchſt wahrſchelnllch blos ein Eigenthum des Urweſens, 


wenigſtens in wle weit die intellectuellen urſpruͤnglichen An.“ 
ſchauungen in einem Weſen ohne alle Grenzen find, koͤnnen! 
fie nur Gott und ſonſt keinem Geiſte zukommen, welcher ſo 
wohl feinem Diſeyn, als auch feiner Anſchauung nach ab. 


bänaig iſt. Intellectuelle Anſchauungen ohne den Charak— 
ter der Unermaͤßlichkeit koͤnnen auch bey endlichen Geiſtern 
ſtatt haben, finden ſich auch in den Köpfen unſter tiefcen— 
kenden Philoſophen, und wir wuͤrden uns auf der Leiter 
denkender Weſen zu rief herabſetzen, wenn wir uns für fol. 


che hielten, welche blos eine ſinnliche und gar keine Intels N 


Zum 


lectuelle Exkenntniß haben koͤnnten. 


haupte 
ken zu; 
legt h. 
moͤgli⸗ 
nur ei 
leuchte 
ken zu 
von 2 
ben 
Anſch 
rer ob 
Weſen 
ſchauu 
eignen 
fre € 
in un: 
de. 
ihres 
lich aı 
ſeyn, 
theilen 
ſollen 
dasjen 
der A. 
jenem 
dasjen 
habe. 
Geom 
unben 
ſchreih 
Allger 
kann 
nuͤtzen 


nicht 


Zum Beſchluß Ihrer transſcendentalen Aeſthetik bes 
haupten Sie, daß Sie nun Eins von den erfoderlichen Stüfs 
ken zur Aufloͤſung der Transſcendentalphiloſophie uns vorge— 
legt haben, naͤmlich: wie find ſynthetiſche Saͤtze a priori 
moͤglich? Warum zeigen Sie uns denn wenigſtens nicht 
nur einmal dieſe Moͤglichkeit in Beyſplelen, woraus es ein— 
leuchtete, wie Sie denn dieß Eine der erfoderlichen Stuͤk— 
ken zu dieſer Aufgabe haben? Reine Anſchauungen a priori 
von Zeit und Raum werden von Ihnen als dieſes angege— 
ben. Hier moͤchte ich Ihnen die Frage vorlegen: find dieſe 
Anſchauungen intellectuelle, oder blos ſinnliche? Nach Ih— 
rer obigen Aeuſſerung ſind die erſten niemals bey einem 
Weſen anzutreffen, welches feinem Daſeyn, und feinen An— 
ſchauungen nach abhängig iſt. Folglich find nach Ihrem 
eignen Syſtem die unſrigen blos ſinnliche, nicht durch une 

ſte Selbſtthaͤtigkeit ohne Einwirkungen der Ghegenjtände 
ia uns entſtanden, wodurch unſte Sinnlichkeit afficiret wur— 
de. Sie können alſo auch nicht bey uns in Anſehung 
ihres erſten Urſprunges vor aller Erfahrung und ſolg— 
lich auch nicht Anſchauungen a priori in dem Verſtande 
ſeyn, wie fie dieſe erklaͤret haben. Wenn wir in unfern Urs 
theilen a priori über den Begriff hinausgehen wollen: fo 
ſollen wir in der reinen Anſchauung von Zeit und Raum 
dasjenige antreffen, was nicht im Begriſfe, aber wohl in 
der Anſchauung, welche ihm entſpricht, entdeckt, und mit 
jenem ſynthetiſch verbunden werden kann. Dieß iſt nun 
dasjenige, was Sie oft wlederhohlten, und ich widerleget 
habe. Ich will zum Beſchluß noch ein Beyſpiel aus der 
Geometrie anführen. Eine grade Linie, welche um den einen 
unbeweglichen Endpunct rund herum beweget wird, be 
ſchreibt einen Zirkel. Dicß iſt ein ſynthetiſcher Satz, deſſen 
Allgemeinheit und Nothwendlakelt ich erkennen will. Wozu 
kann mir hier die reine Anſchauung von Raum und Zeit 
nügen ? Ich ſetze ſreylich voraus, daß dieſe Bewegung 
nicht blos in meiner Anſchauung, ſondern auch auſſer der. 
Ä S 2 ſelben 


276 


ſelben feinen Miderfpruch ſetzet. Wärr hievon blos in meiner! Gegen 
Anſch uung Diele Moͤglichkeit: fo würde ich nie einen oblectlven EP oder ri 
Zirkel beſchreiben koͤnnen. Keſſen Sie uns cuch anrehmen,dog | wovon 
bios die Moͤzlichkelt lu Ruͤckſicht unſter Arſchauung denkbar Grund 
waͤre: wie würden wir dadurch die allgemeine Wahrheit die.] Eäse 
ſes ſy thellſchen Satzes beweiſen konnen? Es würde uns ] etlange 
nichts übi’g bleiben, als daß wir den Begriff eines Zirkels ] Verſta, 
zum Grunge legten, und nun zeigten. daß durch dieſe Be. E Geilt ı 
wequng einer Linie eine Figur zu Stande kaͤme, worauf der BE andrer 
allgemeine Begriff des Zirtels angewandt werden konnte. ] Erkenn 
Wir beweiſen die Richtigkeit dieſes Satzes nicht aus einer der M. 
reinen A ſchauung des Raums, fendern aus dem Begriff Natur; 
des Zirkels. Von der Mögichkeit, daß Dinge auſſer und JTHunſre ! 
neben einander zugleich ſern koͤnnen, ſind wir curch die Ec wur ſie 
fahrung uͤberzeugt, wen eben durch Di.fe zuerſt in uns empie 
tiſche Arſchrunngen von Rum hervorgebracht wurden, J 
woraus unſer Varſtand ſelbſithaͤlig den allg meinen Begriſſ, J Freund 
o er die Ferm der teien As ſchauung von Zett bi'dete. Die ] transſce 
Richtigkeic diser Begriffe erkennen wir aus dem Grund ſatz, J nicht % 
dan dasjenige, was wiklich iſt, auch möglich ſeyn muß; fung a. 
dieſen Grundſatz ſelbſt zu leugnen wird uns aber unmoglich, Schulen 
weil unſte Vanunſt durchaus unfähig iſt, es ſich zu Den Feſſeln 
ken, DB etwas zugleich und unter ganz ähnlichen Ligen A Gebiete 
ſeyn, und auch nicht A ſeyn koͤnnte. habe g= 
Hand 
Sie wollen uns überreden, daß unſte ſynthetiſchen ] Cine eis 
Urtheile nicht weiter als auf Gegenſtaͤnde der Sinne reichen, JT kungen, 
und nur für Odiecte möglicher Erfahrungen gelten koͤnnen. iſt ſchon 
Wenn Sie von foden Urtpeilen tedien, deren Sublcct ein ] der reii 
Gegenſtand iſt, bey welchem Raum und Zeit angetroffen eine Er 
wird: ſo würde man unter ditſer Elnſchraͤnkung Ihnen die. ] benen 
fen Satz zugeben. Aber hizraus ſolgt nicht, daß alle unſte chen J. 
ſonthetiſchen Satze, (Theoreme) blos Odiecte der Sinnen, einander 
oder Gegenſtände zu Subiecten habeg muͤſſen, worinn wir ligkeit 
Raum und Zeit ersliden. Es giebt urzaͤhlig viele andre J neues S 


Gegen⸗ 


. —————ñ————— 1— 
—— —  —— 


3 — . 277 


Gegenſtaͤnde, welche nicht unter den allgemeinen Begriffen 
oder reinen Anſchauungen von Zeit und Raum liegen, und 
wovon wir doch durch Hülfe uzſter Vernunft aus richtigen 
Grundſaͤtzen und Begriffen Prädicate herleiten, dodurch 
Sätze bilden, und von ihren elne opodiktiſche Geweßheit 
erlangen koͤnnen. Nicht blos Sinnlichkeit, ſondern arch 
Verſtand und Vernunſt find die Faͤhigkelten, womit urfer 
Geiſt ausgeruͤſtet ward, um unter den urnzaͤhligen Ei. Ten 
ondrer Geiſter uns vielleicht auf eine eigenthuͤmbche Art 
Erkenntniſſe von Wahrheiten zu erwerben. Dieſe Würte 
der Menſchheit iſt ein zu wichtiges Geſchenk der wohlthatlgen 
Natur; iſt fuͤr uns ein zu ſchaͤtzbares Gut; iſt zu ſehr in 
unfre übrigen naturlichen Selbſtgefuͤhle verwebt, als daß 
wir ſie nicht anerkennen muͤſſen, nicht gerne anerkennen. 


Ich habe bisher mit aller Freymuͤthigkeit, welche ein 
Freund der Wahrheit uͤberall beweiſen kann und muß, Ihre 
transſcendentale Aeſthetik gepruͤfet. Nicht Partheylich keit, 
nicht Anhänglichkeit an einer Secte hat mich zu tiefer Pruͤ— 
fung aufgefodert. Von keiner der bekannten philoſophiſchen 
Schulen bin ich eigentlich ein Anhaͤnger. Frey von den 
Feſſeln irgend eines Syſtems habe ich ſchon lange in dem 
Gebiete der Philoſo phie meinen eignen Gang genommen, 
babe gerne die Blumen aufgeſammlet, welche vor mir die 
Hand eines weiſen Mannes gepflanzt, urd gewartet batte. 
Eine eigne ſreye Unterluchung meizer Fähigkeiten, ihrer Wire 
fungen, ihrer gegenfritigen Ein fluͤſſe, und ihrer Verkettur gen 
iſt ſchon lange mein Lisblingsgeſchaͤfte geweſen. Ihte Kritik 
der reinen Vernunft war in dem Gebiete der Welt weisheit 
eine Er ſcheinung, welche meine Neugierde ſehr erregte. Ich 
bemuͤhte mich ohne alle Theiln hmung an dem Kriege, wel» 
chen Ihre Gegner und Vertheidiger bitter gerung gegen 
einonder führen, und von denen Sie mit vieler Gleichgul⸗ 
tigkele ein Zuſchauer zu ſeyn, das Anſehen heben, Ihr 
neues Syſtem in der ruhigſten Ss der Seele genau 

f 3 zu 


278 


zu ſtudlren. Es find Dunkelheiten darinn. Dleß iſt das 
einſtimmige Geſtaͤndniß von beyden Partheyen, und dle 
Sorge nimmt grade daher am liebſten ihre Waffen, und 
wähnet vom Siege, wenn fie ihren Gegnern es nur vor 
wirft, daß fie Ihre Kritlk der Vernunſt nicht recht ver. 
ſt inden haben. Ob dieſe Männer alle es felbft recht verſte. 
ben, darüber ſchelnen fie unter ſich ſelbſt noch nicht vollig 
uͤbereingekommen zu ſeyn. Die Dunkelheiten in Ihrem 
Syſtem entſpringen theils aus Ihren neuen Terminologlen, 
theils ouch aus einer Ihnen eigenthümlichen Schreibart in 
dieſem Werke. Ich bemühte mich, mir dleſe fo gut auſzu— 
hellen, als moͤglich war, und nun erſt glaubte ich, als eln 
unbefangner Freund ter Warhelt mich an eine genaue P.üs 
fung Ihres neuen Syſtems mit einigem gluͤcklichen Er. 
folge machen zu können. Ich habe Ihnen hiemit die erften 
Meſultate derſelben vorgelegt. So ſehr fie auch Ihter Kri— 
tit e taegen geſetzt find: fo groß iſt doch meine Hoffnung, 
daß Sie dleſe Ihrer Aufmerkſamkelt nicht ganz unwuͤrdig 
finden werden: ſo groß iſt aber auch die Hochachtung, mit 
welcher ich die Ehre habe, ſtets zu ſeyn Ihr ergebenſter ıc. 


—— é — ———— 


> 


Wr, | Noch 


Noch Etwas 
aus der 
Popularpſychologie 
| für diejenigen, 


welche es prüfen konnen und wollen. 


Bin i 
der ftr: 
gegen 
ſeinen 
Dafnn 
den G.. 
deroren 
in Jer 

N 


einfad): 
Bemu :: 
kann id 
oder le 
ſie Du 
kann, 
Koͤpf. n 
fer Ren: 
ſetztn = 
will: fo 
meikſan 
| di: Fra. 
kann id 
ſchein ichk 


* 


„I 

fand, u, 
nehme 
in mir ei 
in jene u 
werde mi: 
ſcheide id 


Bin ich, oder nicht? Nicht? — Wie ſeltſam? Auch 
der ſtrengſte Idraliſt, ja eloſt der Ezeiſt, fo ſehr er ſich 
gegen den gefunden Menſchenverſtand mpͤret, hat doch in 
feinen tollſten Traͤumercyen noch nie im Ernſt an ſeinem 
Daſeyn gezweifelt, und wann er zweifeln wollte: fo hat er 
den Gedanken — ich bin unſchluͤſſig, folglich ich bin, nicht 
terorengen konnen. Von den Phan taſt en der U gluͤcklichen 
in Jerhaͤuſern kann hier die Rede nicht fern. 


Was bin ih? Geift, oder bloſſer Körper ? Eine 
einfache Subſtanz, oder eine feine orgsnifirtre Maſchine, ein 
bewu derne wuͤroiges Kunſtwerk der bildenden Natur? Hier 
kann ich bej hen, verneinen, zweiſeln, und wieder das erſte 
oder letzte thun. Die Vernunft fi det hier ein Gebi⸗t, wo 
fi: Du kelheiten aufhellen, oder dieſe noch finſtrer machen 
kam, und vielleicht wird ſie immer in den verſchiedenen 
Köpfen nach einer ihnen eigenthüͤmtichen Stimmung auf Dies 
fer Rennbahn aus verſchiedenen Schranken nach entgegenges 
ſezten Zielen hindringen. Sie mag es anfangen, wie fie 
will: fo muß fie auf unſre Fahigkeiten und Wirkungen aufe 
meikſam ſeyn, hieraus Folgerungen zi'hen, und ſich nun 
die Frage aufwerfen: wohin werde ich geſührt? Wie weit 
kann ich etwas entſcheiden, end fo mein Ziel nur mit Wahre 
ſcheinlichkeit oder mit apodictiſcher Gewißheit erreichen ? 


Ich werfe meinen Blick auf einen aͤuſſeren Gegen⸗ 
ſtand, und in mir entſteht von ihm eine Vorſtellung. Ich 
nehme jenen weg, ſetze an ſeine Stelle einen andern, und 
in mir entſteht eine ganz andre Verſtellung, welche ich nicht 
in jene unnſchoffen kann, fo lange ich dieſen erblicke. Ich 
werde mir deſſen b᷑wuſt, und in dieſem Bewuſtſeyn untere 
ſcheide ich den Gegenſtand von der Vorſtellung, welche ich 

S5 von 


282 ua eee 


von ihm habe, und auch von mir ſelbſt. Bey dieſer Vor⸗ 
ſtellung bleibe ich entweder gleichgültig, oder ich beziehe den 
Gegenſtand auf mich, und nun entſteht in mir entw der 
Begierde oder Abſcheu. Auch dieſes innern Gefühles werde 
ich mir bewuſt, und erkenne zugleich, daß nicht bloſſe Vor. 
ſtellung die Begierde oder der Abſcheu ſelbſt iſt. Jene kann 
alſo nicht allein den Grund von der erſten, oder von dem 
letzten in ſich faſſen, ſondern es muß auch in mir etwas 
ſeyn, welches von meinem bloſſen Vorſtellungsvermoͤgen un⸗ 
terſchieden iſt. Wie will ich dieß nennen? Die Philoſo— 
phen hoben es Begehrungsvermoͤgen genannt, und ich febe 
keine Urſache, warum ich dieſe Benennung verwerfen ſollte. 


Vorſtellungsvdermoͤgen, Begehrungsſaͤhigkelt find alſo 
Beftiinmungen meines Ichs, haben in der Grundkraſt 
meines Subiects auf eine verſchiedne Art ihren hinrelchen— 
den Grund. Allein wie? Dieß iſt die groſſe Aufgabe, 
welche fo viele Weltweiſen aufloͤſen wollten, aber nicht konn— 
ten. Hier iſt Dunkelheit, welche noch kein Menſchender— 
ſtand zu vertreiben vermochte, und auch wohl nie aufklaͤren 
wird. Hier iſt das innre Heiligthum der Natur, worein 
kein Sterblicher noch gedrungen iſt. 


Beyde Faͤhigkelten liegen vor aller Erfahrung, und 
folglich a priori in mir. Allein Vorſtellungen von ihnen 
ſezen ein Bewuſtſeyn voraus, und bewuſt kann ich mir ihr 
rer nicht anders werden, als wenn ich das Licht nuͤtze, meh 
ches mir in dieſer dunkeln Gegend von der Erfahrung anges 
zuͤrdet wird. Ich habe keine angebohrne Ideen, und alſo 
auch keine ſolche von ihnen. Sie ſind das Werk der Auf— 
merkfanfeit auf meine innre Veranderungen, und entſprin— 
gen alſo aus Erfahrung, oder a poſteriori. 


Durch einen Innern Drang meiner Wißbegierde, werde 
ich gereizt, mir dieſe Frage aufzuwerfen: Was iſt in mir 
Vorſtellungsfahigkeit, was Begehrungsvermoͤgen? 0 

Was 


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— 


FFF 283 


Was iſt alſo Vorſtellungsvermoͤgen? Daß ich dieſes 
beſitze, davon habe ich eine innre unbezwingliche Ueberzeu— 
gung, weil ich mir einer unendlichen Mannigfaltigkeit von 
Vorſtellungen bewuſt bin, welche nach und nach ſich mir 
aufdrangen. Was ſind aber Vorſtellungen? Der Ausdruck 
iſt bildlich, fo wie es ſaſt olle Ausdrucke find, wo mit ich 
die innre Wirkungen meiner Kräfte bezeichne. Ein Gemälde 
ron einer reizenden Gegend, welches ich vor mir ſehe, iſt 
nicht ſelbſt der Gegenſtand, iſt eine Vorſtellung von ihm. 
Ich werfe auf daſſelbe meine Blicke, und erhalte von dies 
ſem eine neue Abbildung in mir. Dieſe iſt meinem Be— 
wuſtſeyn nach fo wenig das Gemälde ſelbſt, als die reizende 
Gegend, welche in jenem abgebildet iſt, ſondern etwas in 
mir als in dem denkenden Subiect. Sie iſt eine Vorſtellung 
in mir, erzeuget durch den Anblick des Gemäldes, würde 
aber nicht erzeuget fern, wenn es nicht durch meine innre 
Beſchaffenheit moͤglich geweſen wäre. Dieſe Möglichkeit, 
welche in mir ſchon vor jeder Vorſtellung von Natur oder 2 
priori da ſeyn mußte, nenne ich mein Vorſtellungsver— 
moͤgen. 


Wie weit erſtreckt ſich dieſes? Hier muß ich die Erfah⸗ 
rung befragen. Will ich dieſes nicht: fo kann ich nirgends 
einen Unterricht davon erwarten. Die innre Grundkraft 
meines denkenden Subiects kenne ich viel zu wenig, als daß 
ich dadurch etwas beſtimmen koͤnnte. Was lehret mich denn 
meine Erfahrung? Ich erhalte Vorſtellungen von äufferen 
unzähligen Dingen, welche ich nach einem inſtinctmaͤſſigen 
Naturzwang nicht anders als auſſer mir denken kann. Allein 
auch andre Vorſtellungen werden in mir rege, deren Gegen 
ſtaͤnde die innere Wirkungen meiner Denkkraft und Begeh— 
tungsfaͤhigkeit ſind, folglich erhalte ich auf die Art neue Wore 
ſtellungen, theils von den Vorſtelungen, welche ich von 
äufferen Oegenſtaͤnden habe, theils von den innern Wirkun⸗ 
gen meiner Denkkraft und meines Begehrungsvermoͤgens. 

2 Aler 


— 


284 ee eee 


Aller dleſer kann ich mir bewuſt werden, wann ſie da ſind. 
Ich kann fie als innre veränderliche Beſtimmungen von 
mir ſelbſt, und fie auch unter ſich von elnander unter ſcheiden. 
Hieraus erkenne ich, daß mein Vorſtellungsvermoͤgen einen 
groſſen Umfang habe, und ſich auf alle Arten erſtrecke, wie 
meine Denkkraſt, wie mein Begehrungsvermoͤgen ſichſ wirt, 
ſam beweiſen. 


Es iſt in mir a priori eln bloſſes Vermoͤgen, zu tau. 
ſend verſchiedenen Vorſtellungen aufgelegt, und kann nicht 
blos durch feine Gelbjtrhäiigreu eine beſtimmte Vorftellung 
von den unzählich vielen moͤg'ichen in mir erregen. Soll 
es alſo in Wirkſemkeit geſetzt werden: ſo muß 1) ein Gegen. 
ſtand da ſeyn, 2) dleſer auf mein Verniögen fo wicken, daß 
dadurch nicht uͤberhaupt Vorſtellung, ſondern eine ſolche erre. 
get wird, welche dem Gegenſtand entſpricht. Vorſtellen ſetzt 
alſo voraus 1) ein Subiect, welches dieß Vermoͤgen hat, 
2) das Vermögen ſelbſt, 3) ein Obiect, das vorgeſtellet wird, 
4) feine Wirkung auf das vorſtellende Subiece, 5) das Re⸗ 
ſultat von allen dieſen, die Vorſtellung felbit. Fehlet eine 
von den vier erſten Erforderniffen: fo kann auch die letzte 
nicht entſtehen. 


Mein Vorſtellungsvermoͤgen iſt nicht in mir das Sub» 
ect, welches Vorſtellung erhält, ſondern eine innre Be. 
ſtimmung von ihm. Ich kann jenes zwar in Gedanken von 
dieſem unterſcheiden, aber nicht ganz denken, ohne zugleich 
auf dieſes Ruͤckſicht zu nehmen. In die Definition des 
Vermoͤzens gehoͤret alſo nicht das Subtect als ein Charakter; 
unterdeſſen wird doch dieſes allemal als ein Ding vorausge— 
ſetzt, ohne welches jenes dicht ſeyn kann, und wovon dleß 
Vermögen eie innre Beſtimmung if. Bin ich fähig, 
Merkmale anzugeben, woran ich cs erkenne: fo werde ich 
auch faͤhig Er muͤſſen, einge Erklaͤrung von ihm zu machen. 
Ein bloßes Vermögen deuke ich mir als eine Anlage in ei⸗ 

nem 


nem S 
denken, 
Habe ie 
ner G. 
zu habe 
Stage k 
worten. 


ſtept, 
um Die 
gel die 
bin un 
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und F. 
centh un 
Mater 
genſtan 
weſent! 
die Fol 
Wollte 
nen, n 
ges an 


ten: ſo 


dadurch, 
Phllo fe; 


brauch 
ſelbſt al. 


nem Eubicct, etwas zu erhalten. Ich muß das Eubiect fo 
denken, daß es durch feine Grundkraſt dazu aufgelegt iſt. 
Habe ich alſo Vorſtellungen: fo ſteht es nicht mehr in mei. 
ner Gewalt es zu leugnen, daß auch die Moͤglichkeit, ‚Diele 
zu haben, in meiner Urkraft liegen muß. Aber wie? Ditſe 
Frage kann unſte Vernunft freylich nicht befredigend beante 
worten. Dieß hemmet aber meine Überzeugung von der 
Moͤglichk it, Vorſtellungen zu haben, nicht, welche in mels 
ner Denkklaſt ihren hinteichenden Grund haben muß. 


In jeder Verſtellung unterſcheide ich den Gegenſtand 
von dieſem Vermoͤgen, und ouch von ihr ſeldſt: fo wie ich 
in j.er Sache auch die M terie von der Form zu unter— 


ſcheiden pflege. Jene bezeichnet die Theile, woraus fie bee, 


ſtert, und dieſe die beſondee Art, wie fie verbunden find, 
um die Sache hervorzubringen. So find in einem Trian— 
gel die drey Linten feine Materie, uad die Art ihrer Ver— 
bin ung, daß dadurch ein Ranm eingeſchloſſen wird, iſt 


die Form deffeiben, Jedes Ding hat feine eigne Materie 
und Ferm, und cs wäre Widerſpruch, wenn ich die ei— 


centhümliche Materie und Form des einen Dirges für die 
Materie und Ferm eines andern auegeben wollte. Der Ge— 
genſtand und die Vorſtellung, welche ich von ihm habe, ſind 
weſentlich unterſchieden. Jener iſt das Ding an ſich, diefe 


die Folge meiner von ihm erregten Vorſtellungskraft in mir. 
Wollte ich deswegen ein Ding an ſich unvorſtellbar nen— 
nen, weil dle eigenthuͤmliche Materle und Form elnes Dine 


ges an ſich nicht beydes don meiner Vorſtellung ſeyn kͤnn⸗ 
ten: ſo wuͤrde ich entweder mit Worten ſpielen, und leicht 


dadurch Verwirrung anrichten, welches ſich doch für keinen 


Phlloſophen ſchicket, oder ich müßte wider den Sprachge⸗ 


brauch nur das vorſtellbar nennen, was in der Votſtellung 
ſelbſt als ſublective Bedingung liegt. 


Vor ⸗ 


286 


Vorſtellbar If} für mich jeder Gegenſtand, wovon Id 
elne Vorſtellung erlangen kann. Er bleibt an ſich was er 
iſt Seine Form iſt nicht die Form meiner Vo ſtellung von 
ihm. Dieſe iſt in mie, und ſtellet mir gleichſam im Bilde 
die Form dar, weiche der Gegenftan) eigenthuͤmlich hat. 
A ich wenn ich mit ihn nicht vorſtelle: fo behalt er unver, 
andert bie ſeinige; nur ſuͤr mich iſt dieß Ding dann nicht mehr 
eln G genſtand der Vorſtellung. 


Wie entſtehen aber die äufferen Verſtellungen je mit? 


Die Dinge auſſer mir wirken auf meine O gane der Senne. 


Dirfe Wirkang erregt mein Vorſtellungsver mogen. In ſo weit! 


verhaͤt es ſich ſeidend, nimt auf, und ich bin berehriget, 
ihm deswegen eine Empfaͤnglichkeit (Receptiviraͤt) zuzuſchtel. 
ben. Was es aufnimt, das nenne ich den Stoff, weil grade 


dieſer den Janh ie der Vorſtellung beſtimmt. Mein Ve cmd. 


gen muß aber dieſen durch ſelne eigenthuͤmliche Thaͤtigkeit 
(Spo :tanelzäi) zur Vorſtellung erheben. Von allen tie 


fen würde ich nichts wiſſen, wenn meine Vernunft dle Er | 
ſahrung nicht befraget, und aus ihrem Unterricht dieſe! 
Folgerung gezogen hatte. Fraget fie aber weiter: wi muß 
mein Vorſtellungsvermoͤgen beſchafſen ſeyn, um dieſe Emp B 
ſaͤnglichkeit und Thaͤtigkelt haben zu koͤnnen? Wie wird! 
eigentlich durch Einwirkung des Gegenſtandes der Stoß! 
meiner Receptivitaͤt gegeben, wie von ihr aufgenommen? wie 
iſt er la mir beſchaffen, ehe er zur Verſtellung wird? Wie 
erhebt meine Vorſtellunagskraft durch ihre Thaͤtigkelt ihn! 
dazu? fo iſt das ganze Reſultat ihres Nachdenkens daruͤber! 


dieß — das weis ich alles nicht, nue dieß weis ich, daß es 
fo iſt. Die Materie meiner Vorſtellung iſt das Manniz⸗ 


faltige, was in ihr liegt; ihre Form iſt die Verbindung! 


de ſſeiben, wodurch ſie dieſe und keine andre Vorſtellung il, 


nicht aber dasjenige, woducch der bloſſe Stoff zur Vet. 
ſtellung wird. Dieß iſt die thaͤtige Kraft meines Verms 
gens. Denn dleſe kann nicht Form der beſtimmten Vor. 


fiel. 


ftellung 
eine ga 


sy 
auf ihr: 
verſchie 
Ruͤckſic 
Beoba: 
überall 
lichkeit 
beyde & 
Beziel 
die Ve 
Art ne 
Miele 
n, L 
kann. 


G 
reichen , 
oder d. 
Dos 2 
ciren, 
lichkeit 
dieſen 2 
jenige . 
zeichnet 
len, un 
kommen 
und Dur 
mir Bo: 
den D. 
ſelbſttha 
andern 


ſtand (. 


ſtellung ſeyn, wenn ich anders dem Ausdruck Form nicht 
eine ganz ungewoͤhnliche Bedeutung unterlegen will. 


Meine Vorſtellungen find ſehr verſchieden, ich mag 
auf ihren Innhalt oder auf die Art ſehen, wie ſie durch 
verſchiedne Mittel in mir entſteh n. Wie kann ich ſie in 
Raͤckſicht ihres Innhalts einthrilen ? Eine lange aufmerkſame 
Beobachtung hat es mich gelchret, daß ich mir entweder 
überall beftimmte Dinge (indiuidua) oder auch die Aehn— 
lichkeit und Unaͤhnlichkeit derſelben, allgemeine Dinge, und 
beyde entweder als bloſſe Doiecte oder auch als Sublecte in 
Beziehung der Prädicete zu ihnen vorſtelle. Wie will ich 
die Vorftellengen von der erſten, wie die von der letzten 
Art nennen? Ich muß wieder die Erfahrung fragen. 
Vielleicht wird ſich durch dieſe mir Gelegenheit anbie— 
ten, daß ich eine ſchickliche Benennung für beide finben 
kann. 


Gegenſtaͤnde, die mir den Stoff zur Vorſtellung bar 
teichen, oder mich afficiren, find entweder äuffere Dinge, 
oder die innere einzelne Wirkungen meiner Fähigkeiten. 
Dos Vermoͤgen mir dieſe fo vorzuſtellen, wie fie mich aflle . 
ciren, iſt ein ſinnliches. Dieß kann ich auch meine Sinn— 
lichkeit nennen. Ich habe aber auch eine Faͤhigkeit, aus 
dieſen Vorſtellungen von einzelnen Dingen (indiuiduis) das- 
jenige wegzulaſſen, was ihre individuellen Beſtimmungen bes 
zeichnet, und mir im allgemeinen nur dasjenige vorzuſtel— 
len, worinn fie mit einander mehr oder wenlaer uͤberein— 
kommen. Hier hoͤrt das Gebiet meiner Sinnlichkeit auf, 
und durch die Selbſtthaͤtigkelt meiner Denkkraft ſchaſſe ich 
mir Vorſtellungen, worinn blos ollgemeine Begriffe von 
den Dingen enthalten ſind. Dieß Vermoͤgen, welches ſich 
ſelbſtthaͤtig in mir beweiſet, und wodurch ich mich von allen 
andern Thierarten cuf Erden unterſcheide, iſt meln Vers 
ſtand (intelledtw). Hier finde ich alſo eine 1 Ur 

ache, 


283 


fache, meine Vorſtellungen in ſinnliche und Intellectuelle nach 
der Verſchiedenheit ihres Junhalts, und der Art, wie ſie 
in mir eniſtehen, einzutheilen. Sinnliche ft d nach ih⸗ 
rem Innhalte Diejenigen, welche einzelne Gegenſtän e, 
intelleetuelle, welche allgemeine Begriffe in ſich aſſen. 
Mein Verſtand kann feine Selbſttpäti⸗keit nicht b. welfen, 
wenn nicht ſinnliche Vorſtellungen vorhergehn. Seine 
Vorſtellungen find aiſo ihrem Ur prunge ach nicht von al. 
ler Erfahrung uaabhaͤngig; fir erpeven ſich aber üver dieſe, 
erhalten dadurch ein hoͤheres Auſchen u d geoen meiner Vers 
nunft Gelegenheit, ſie in ihr Gebiet aufzu: epmen. 


Meine Sianlichkeit hat gleichſam zwo Selten, von 
welchen fie aſticirt werden kann 1) eine äuffre. 2) eine ii 
nere. Die auſſere ſteht den Einwirkungen auff rer Gegen. 
ſtaͤnde, die innre den inner Wirkungen offen, und die Vor. 
ſtellungen, die daher entpringen, beziehen ſich entweder auf 
auffere oder iunre Gegenſtaͤnde, von weichen meine Sinnlich— 
kelt aſficiret wird. In beyden Fallen find fie empitiſche 
Vorſtellungen, wozu die Gegenftänre meier Eirnlid;fut 
den Stoff dargereichet haben. Hieraus erbellet alſo. was 
der innre Clan iſt. Jener iſt das Viermoͤgen meiner Sinn— 
lichkeit von auſſen, dieſer, von innen afficirt zu werden. 


Auf wie viele Art iſt es bey mir moͤalich, daß Gegen 
ſtaͤnde von auſſen auf meine Sinnlichkeit Eindruͤcke machen? 
Schon wieder muß ich die Erfahrung zu meiner kehrerinn 
wählen. Nur durch fie weis ich es, doß die Natur fünf 
fehr verſchiedene Karaͤle eroͤffnet hat wodurch aͤuſſere Obiecte 
auf meine Simelichkeit einen Einfluß haben koͤ nen. Sie 
bat mir fünf Sinnenorgane virinten. So verſchieden dieſe 
nach ihrem innern Bau find: eben fo verſchieden find die 
Vorſtelungen. Hat meine Oinnlichkeit nur für tif bee 
ſondre Gattungen von Organen eine Receptivitaͤt, oder nech 
für aubrere? So wenig ich fähig bin, mir mehrere Ger. 

1119 


fungen 
meine 
Dieß 
DR c 
muß t 
jeden 

und d. 
fetten: 
füna: 
erforid 
ſtellun 
bepuſt 
von el. 


fa) 


mehr: 
findun 
id) au; 
mir Ih 
der VB, 
daß ic 
unbe: 
greift 
darſtel 
fein O 

in We! 
Beyde 

eignen 
les und 
reflecti 
wenn 
auf un, 
haben 

Dafenn 
auch m 


289 


tungen von Sinnenorqonen zu denken: eben fo wenig iſt 
meine Vernunft vermoͤgend, diefe Frage ſicher zu beſtimmen. 
Dieß braucht fie nun auch nicht Es iſt für mich genug, 
dB ich weis, di⸗Receptivitaͤt meiner auffıren Sinnlichkeit 
muß eine fuͤnffache Form oder Beſchaffenheit haben, um 
jeden Eindruck auf eine eigenthuͤmliche Art aufzunehmen, 
und den gegebenen Stoff durch ihre Spontaneitaͤt zur Vor— 
ſtellung zu erheben. Den innern Uaterſchied ſelbſt in der 
ſuͤnnachen Beſchaffenheit meiner Riceptivität kann ich nicht 
erſorſchen. Ich muß mich an die Verſchiedenheit der More 
ſtellungen halten, welche daher entſtehen, weil ich mir ihrer 
beruft werden, und durch Hülfe dieſes Bewuſtſeyns fie 
von einander unterſcheiden kann. 


In den Vorſtellungen, welche ich durch die Organe 
meines G⸗ſichtes und Gehoͤrs erhalte, liegt nichts vo; Emp« 
findung dieſer Organe, ſondern von Gegenſtaͤnden, welche 
id) auſſer mir denke, von Tönen, deren Urſprung ich auſſer 
mir ſuche. Dieß iſt nicht das Werk der Erziehung, oder 
der Vernunft, ſendern der Natur, welche mich ſo dildete, 
daß ich dadurch ven dem Daſeyn äufferer Gegenſtaͤnde eine 
unbezwing iche Ucberzeuaung erhalten ſollte. Das Kind 
greift nach dem Gegenſtand, welcher ſich feinen Blicken 
darſteillt, und wogegen feine Triebe erreget find. Er richtet 
ſein Ohr nach dem Ort hin, wo der Schall herkam, und 
in welcher Richtung er am ſtarkſten auf fein Gehoͤr wirkte. 
Beydes iſt eine bekannte Erſcheinung, welche ſich nicht et⸗ 
eignen koͤnnte, wenn das Kind nicht das Obiect des Geſich— 
tes und des Gehoͤrs auſſer ſich ſuchte, ohne noch Darüber 
reflectiren zu för en, was es thut. Dieſe Vorſtellungen, 
wenn fie durch Gegenſtaͤnde erregt werden, welche eben itzt 
auf unfre Organe wirfen, heiſſen auch Senſationen, und 
haben eine fo groſſe Klarheit für uns, daß wir an dem 
Daſeyn dieſer Ösgenftände nicht zweifeln koͤnnen, wenn wir 
auch wollten. 

T Wie 


Wir haben eln Vermögen, die Genfationen in einem 
gewiſſen Grade der Klarheit wieder zu erregen, wenn auch 
ſchon die Gegenſtaͤnde unſre Organe nicht mehr efficiren. 
Dieß Vermoͤgen nennen wir unſre Einbildungskraft, und 
die Vorſtellungen, welche daher entſpringen, find Einbil. 
dungen, Phantaſien. Cie gehören auch zur Sinnlichkcit, 
weil ſie blos einzelne Dinge zu Gegenſtaͤnden haben.. Die 
Natur hat zwiſchen ihnen und den wahren Senſationen eine 
ſolche Grenzlinie gezogen, daß nur die Ungluͤ klichen dieſe 
nicht mehr ſehen koͤnnen, deren Verſtand verruͤckt iſt, u d 
deren Einbiidungsfraft eine widernatuͤrliche Stärke erh alten 
hat. Bir geſunder Vernunſt unterſcheiden wir auf das 
ſicherſte unſte bleſſe Imaginationen von den Seuſotienen. 
Dieſe erſcheinen uns im Sonnenlicht, jene unter dem For 
der Abenddämmerung. Dieſe wohlthaͤtige Einrichtung une 
ſrer Natur hat für uns die herrliche Folge, daß wir die aͤuſ. 
ſeren Gegenſtaͤnde, welche auf unter Geſicht wirken, von den 
Gegenſtänden unſter bloſſen Imagination unteſcheiden, 
jecen ihr Dafpn auſſer unfren Vorſtellungen durch einen ges 
wiſſen innern Zwang beylegen muͤſſen, dieſe aber für bloſſe 
ſubicctive Fotinen unſter Vorſtellungen halten. 


Auſchauen iſt in engrer Bedeutung eine Wirkurg unſtes 
Sinnes dutch Hilfe des Geſichts. Eine Vorſtellung, welche 
allo durch Tiefen Sinn erregt wird, iſt eigentlich elne An— 
ſchauurg. Wir koͤnnen die Bedeutung eines Wortes in cle 
ner wiſſenſchaſclichen Sprache andern, wenn es die Um— 
ſtaͤnde erfedern. In der kantiſchen Schute heißt eine Vor— 
fiellurg, in wie weit fie auf das Obiect bezogen wird, eine 
Anſchouung. Beziehen wir ſie ader auf das denkenbe Subiect: 
fo wird fie Empfindung genannt. Auch dieß Wort hat hier 
eine Bedeutung erhalten, welche von der gewöhnlichen ab» 
geht. Sonſt redet man auch von Vorſtellungen, welche 
wir von unſern Empfindungen haben, und unterſcheidet alſo 


jene von dieſen. Doch hievon werde ich nachher noch einige 
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— — 29 


Bemerkungen hinzuſuͤgen. Nach dieſer kantiſchen Erflärung 
von A .füauungen und Empfindungen find dieſe nicht blos 
ſinnlich, ſondern auch die Vorſtellungen des Verſtandes 
und der Vernunft koͤnnen in verſchiedener B ziehung ent— 
weder Anſchauungen ocer Empfindungen genannt werden. 


Nicht jedes Mannigfaltige iſt Raum, ſondern nur 
denn kann es fo genaunt werden, wenn mehrere Theile aufe 
fer und n ben einander in ihm zugleich find. Es giebt auch 
irre hve Gioͤſſen, und alſo ein Ma nigfaltiges in ihnen. 
Vor wird dieſes aber in ihnen Raum nennen können? Alle 
Geger ſtaͤnde, welche ſich unſern Blicken darſtellen, find 
vo der Beſchaffenheit, daß Theile auſſer und neben dinone 
der zugleich angetroffen werden. Wollte alſo der Urheber 
unſter Natur unſer Vorſtellungsvermoͤgen, in wie weit es 
eine Receptivitàt für Einttücke duich das Gtſichtsorgan das 
ben ſollte, fo einrichten, daß wir daher wahre, nicht taͤu— 
ſchende, Vorſtellungen von ihnen erhielten: ſo mußte die 
Ferm dieſer Receptivitat fo beſchaffen ſeyn, daß fie den 
Stoff zu Vorſtillungen aufnehmen konnte, dal; in ihnen die 
Theile auſſer und neben einander, fo wie ig den Gegenſtän⸗ 
den ſelrſt, als Adbildungen von dieſen ſich uns darſtellten. 
Allein dieſe Form unfrer Receptivität iſt nicht der Grund 
von dem Manrigfalticen in ter Vorſt llung, ſondern nur 
davon, daß ſolche Vorſtellungen in uns möglich find. Die 
Gegenftär de ſeibſt, welche auf uns wirken, find der Grund 
davon, daß dieſe Verſtellungen fo und nicht anders das 
Mann iaſaltige uns darſtellen, weil dieß und die Verbins 
dung ſeiner Theile in der Vorſtellung ſich aͤndert, fo bald 
ich den Gegenſtand meiner Arfayauung ändere, ober alles 
wieder in der Vorſtellung da iſt, wie vorher, wenn ich 
eben fo wieder den Gegenſtand wie vorher betrachte. Die 

Jorſtellung nimmt alſo eine Form an, welche der Form 
des Gegenſta des entſpricht, aber übrigens von ihr weſent⸗ 


lich unterſchleden bleibet. Anſchauungen von Gegenſtanden, 
T 2 worin 


worlnn wir nichts mehr unterſcheiden, find nicht blos maͤg. 
lich, ſondern wir koͤnnen fie uns auch verſchaffen, wenn wir 
einzelne Puncte fo kleln vor uns hinſtellen, doß wir gar kein 
Mannigfaltiges in ihnen gewahr werden, und alſo auch dies 
ſes nicht in der Anſchauung angetroffen wird, welche wir von 
ihnen haben. In allen übr!zen Anſchauungen des Geſich— 
tes werden die Theile ſo auſſer und neben einander zugleich 
vorgeſtellt, wie ſie es in den Gegenſtänden unſers Geſich— 
tes ſind. 


Wir erblicken auſſer uns uͤberall obiectiven Raum. 
Unser Verſtund kann fi im Alleemeinen Theile auſſer und 
neben einander zugleich denken, und folglich den reinen es 
grirj vom Raum bilden. Allein nun hoͤrct dieſe Vorſtellung 
auf, finnlch zu ſeyn. Site wird eine intellectuelle. Sie 
iſt eine reine Anſchauung nicht melner Sinnlichkeit, fondern 
meines Verſtandes von Raum, auch nach der kantiſchen Spre— 
che, mern fie aui den allgemeinen Gegenſtand bezogen wird. 
Reine Anſchauung der Sinnlichkeit iſt fie nicht, weil ſinn— 
Ihe Anſchauungen keine andre Gegenftände als eln zelne 
Dinge haben koͤnnen. Sie iſt auch keine Anſchauung a 
priori in dem Verſtande, als ob fie in mir urſpruͤnglich 
vor aller Erfahrung hergehe, fendern mein Verſtand hat 
den Bearlff dleſer Anſchauung aue emplriſchen Anſchauun— 
gen ſolcher Gegenſtaͤnde gebitdet, welche individuell find, 
in weichen Theile auſſer und neben einander zugleich ange. 
troffen werden, und welche fo, wie dieſe in ihnen find, mie 
den Stoff zu Vorſtellungen von ihnen gegeben haben. Ue— 
brigens kann ich fie eine Anſchauung a priori nennen, in wie 
weit alle Begelffe meines Verſtandes fo genannt werden, 
welche er durch feine Selbſtthaͤtigkeit aus empiriſchen Vers 
ſtellungen gezogen bat, 


Die Organe des Geſchmacks, des Geruchs, des Ge 


fuͤhles erregen in mir Vorſiellungen, welche eben fo verſchle— 
den 


den fin! 
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koͤrper! 
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bezweif⸗ 
Idealiſ 
elwa ve 
waren,. 


293 


den ſind, als dle Organe ſich ihrem innern Baue nach ſelbſt 
von einander unterſcheiden. Wenn durch fir Geoenſtaͤnde 
ouf unſre Sinnlichkeit wirken: fo entſtehen nicht bleſſe Vers 
ſtellungen, wie durch das Geſicht und Gehoͤr, ſondern wir 
werden uns dabey einer koͤrpetlichen Empfindung grade in 
dem afficirten Organe bewuſt, und ſetzen dieſe ſeloſt dahin, 
wo die Organe afficitt wurden. Auch von dieſen Empfin— 
dungen mit allen den angeführten Beſtimmungen erhalte 
ich Vorſtellungen, und unterſcheide dieſe von jenen. Sie 
ſind alſo als Vorſtellungen auf mich bezogen Empfindun— 
gen, und folglich nach der kantiſchen Sprache von jenen Emp— 
ſindungen als ihren Gegenſtaͤnden unterſchieden. Hler fe 
ben wit alſo, daß eine Zweydeutigkeit in Anſehung dieſes 
Ausdruckes entſteht, welche leicht zu unrichtigen Folgerun— 
gen Gelegenheit geben kann, vor welchen wir uns ſorgſam 
hen muͤſſen. 


Durch einen innern Zwang werden wir genoͤthiget, die 
koͤrperlichen Empfindungen, welche durch dieſe Organe er» 


regt werden, in die Theile zu ſetzen, Die afficirt wurden. 


Aber auch dadurch wird es uns unmoglich, im Ernſt an 
dem Daſeyn unfers Körpers zu zweifeln. So wohlthaͤtig 
find von unſerm Schöpfer die Organc unfres äuſſeren Sin— 
nes eingerichtet, daß wir ſowohl von der Exiſtenz aäuſſerer 
Gegenſtaͤnde, als von dem Daſeyn unfers eignen Körpers 
eine Ueberzeugung erhalten, welche durch keine Gruͤbeleyen 
geſchwächt werden kann. Will die Vernunft andre Beweiſt 


für das Daſeyn dieſer Gegenſtaͤnde durchaus auſſuchen: ſo muß 


fie erſt zur Thoͤtinn werden, welche unmoͤgliche Dinge moͤglich 
machen will. Aus Begriffen laͤßt ſich die Exiſtenz einzelner end. 
licher Dinge nicht beweiſen, aber auch nicht mit Vernunft 
bezweifeln, und es iſt mehr als wahrſcheinlich, daß dle 
Idealiſten es auch im Ernſt nie gethan haben, als wenn fie 
etwa von einem gewiſſen Grade des Wahnſinnes befallen 


waren. Die Natur ſelbſt hat für dieſe unſte Ueberzeugung 
1 auf 


294 


auf elne Art geſorget, daß der Idealiſt ſelbſt, wenn er“ 


uns von dem Gebentheil durch Reden oder Schreiben 
überzeugen will, feinen Verſtand verlohren haben muͤßte, 
wen er das Deſeyn der Dinge leugnen wollte, weiche 
er als Werkzeuge brauchen muß, um uns feine Geile 
mitzutheilen. Widerlegen koͤnnen wir ihn aus ellgenei. 
nen Begriffen nicht. Die Natur hat ihn ſeloſt cuf das 
vach' ruͤcklichſte widerlegt. Hat er ſich unfähig g macht, eie 
Staͤtke dieſer Widerlegung zu fühlen: fo iſt er für uns un. 
heilbar. Dech wer wollte ſich cuch wohl die Muͤhe g ben, 
einen Sophiſten zu widerlegen, der ſich immer am ſtark. 
ſten ſelbſt widerlegt, wenn er fein Hirngeſpinſt vertheidi— 
gen will? 


Ich habe auch ein Vermoͤnen, weſches von meinen 
innern Veränderungen fo aſſicut werden fan, daß ven ih— 
neu als von Gegenſtänden Vorſtellungen in mir erregt werden. 
Dieß iſt meine iante Einvlichfeit, un ihre Beſch ffenheit iſt 
mein innrer Sinn. Sein Gebiet erſtreckt ſich zuf alle Arten 
meiner innren Wirkungen, in wie weit fie da ſind und alſo affi— 
ciren. Alle Voerſtellungen von aͤuſſ ren Gegenſtanden, alle 
Wirkungen meiner Denffraft, der angebohrnen Gru dprluci— 
pien, wornach fi wirket alle Ausbruͤche meines Begehrungsver— 
n.carne, meiner unſpruͤng ichen Grundtriede und die Arten, 
wie ſie erreat, gelenket, und wieder gehemmet werden, ſind 
die Geo uſtände meines innern Sinnes, in wie weit er von 
ihnen afficirt wird. 


Die Vorſtellungen, welche durch ihn erzeuget werden, 
ſind ſinnliche. Sie haben nur immer einzelne innre Ver— 
d derungen zum Gegenſtäͤnde. So bald mein Verſtand aus 
zen allgemeine Begriffe bildet, und ſich dieſe denket: fo 
dort das Geſchäfte ineiner Sinnlichkeit auf, und das Ge— 
ict det intellectucllen Vorſtellungen nimmt feinen Anfang. 
Mela innrer Sinn kann nur durch einzelne Veraͤnderungen 

in 


In mir 
darnach 
eine fo: 
meine . 
Reyhe 
meinem 
ſer mir 
einer u. 
Definit. 
Definit, 
es aus 
Epradır 
Die Hei 
die obi 
nicht an 
zeln feı 
dieſen el 


f ſchauung 


keine ſin 
Anſchau 
ihr nich: 
war aber 
nem Ge 
merkſan, 
meine C 
der Zeit 
kraft vo: 


ſie nicht 


chulten. 
meiner i. 
einen all 


zu denken 


zuſtellen. 
eben ſo iv 


ſolche ‚en 


er 


295 


In mir afficirt werden. Seine Vorſtellungen muͤſſen ſich 
darnach richten, haben ſtets einzelne Veränderungen, nie 
eine fortgehende Reyhe derſelben zum Gegenſtand. Durch 
meine bloſſe Sinnlichkeit kann ich mir alſo nie einer ſolchen 
Reyhe beruft werden; ſondern meine Erinnerungskraft ſtellt 
meinem Verſtande ſolche Reyhen theils in mir, theils auf 


ſer mir dar, und fo bildet er den allgemeinen Begriff von 


einer ununterbrochnen Reyhe der Veraͤnderungen. Welches 
Definitum will ich nun brauchen, um dieſen Begriff, dieſe 
Definition, dadurch anzuzeigen? Dieß iſt willkuͤrlich, wie 
es aus den ſo vielen Benennungen in den verſchiedenen 
Sptachen erhellet. Ich nenne ſie in der meinigen Zeit. 
Die Reyhe der Veränderungen in den einzelnen Dingen iſt 
die obiective Zeit. Auſſer meinen Vorſtellungen kann dieſe 
nicht anders als individuell, in jedem einzelnen Dinge ein— 
zeln ſeyn. Der allgemeine Begriff, welchen ich mir von 
dieſen einzelnen Zeiten mache, iſt als Vorſtellung keine An— 
ſchauung meiner Sinnlichkeit, fondern meines Verſtandes, 
keine ſinnliche, ſondern eine intellectuelle Anſchauung. Reine 
Anſchauung der Zeit kann ich ſie denn nennen, wenn in 
ihr nichts als der allgemeine Begriff derſelben liegt. Dieſe 
war aber nicht a priori, d. h. vor aller Erfahrung in meie 
nem Gemuͤthe. Die Fähigkeit habe ich, durch meine Auf— 
merffamfeit auf innre und aͤuſſere Veränderungen, durch 
meine Erinnerungskraſt, und meinen Verſtand den Begriff 
der Zeit zu bilden. Dieſe iſt als Beſtimmung meiner Denk— 
kraft vor aller Erfahrung a priori in mir. Allein ſo iſt 
ſe nicht Anſchauung ſelbſt, ſondern Vermoͤgen, dieſe zu 
erhalten. Durch meine Aufmerkſamkeit auf die Folgen 
meiner innern Veraͤnderungen wird mein Verſtand fähig, 
einen allgemeinen Begriff von der Zeit zu bilden, ſich ihn 
zu denken, oder ſich die Zeit in einer reinen Anſchauung vor. 
zuſtellen. Die Zeit als eine ſolche Anſchauung war alfo 
eben fo wenig in mir vor aller Erfahrung als fie, wie eine 
ſolche, eine obiective Realität auſſer dieſer meiner ſubiectiven 

174 Vor⸗ 


298 


Vorſtellung haben kann. Nicht als meine Anſchouung, fon: 
bern als eine indivituelle Reyhe von Veraͤnderungen der 
Dinge hat fie in ihnen ihre obiectlve Gultigkeit und daß 
fie dieſe auch in mir hat, davon belehrt mich das untrüglie 
che Bewuſtſeyn, welches ich von meinen eignen Veraͤnde⸗ 
rung -n habe. 


Alleln worlnn beſteht denn dleſes? Dleſe Frage iſt 
fiir mich von Wichtiakeit. Ich wuͤrde fie nie been worten 
konnen, we A Ih nicht auf die Sage aufmerkſam wäre), 
worinn meine D-nffraft ſehr oft ben Vorſtellungen iſt, wel⸗ 
che urch g d erregt wurden die meine Sinne af 
fi irten. Ich wels ſehr oft, daß ich dieſe Vorſtellungen 
habe. Ich beziehe ſie auf mich, beziehe ſie auf ihre Ge— 
genſtände, und unterscheide fie von beyden. So finde ich 
es bey keinem der uͤbrigen Thiere, welche auſſer den Men⸗ 
ſchin um mich her Mitbewohner der Erde ſind. Ohne 
Zobifel iſt bier die Stuffe, wohin dieſe nicht dringen Fön 
nean; iſt hier die Schei ew ınd zwiſchen meiner Sinnlichkeit 
u d meint dane Denkkraſt. Dieß Vermögen erhebet 
mich über Die G ſchoͤpfe, deren Vorſtellungen bles ſinnlich 
find. Es iſt das Vermögen, mit meiner als eines den. 
kenden Suviccts, mir der DVorftellungen, als meiner ine 
nern Beſtimmungen, mir der Gege-flände, wovon ich 

Morftellurgen hade, bewaſt zu werden, und mir dieſe drey 
nicht ais Eine S:dye, ſondern als verſchledene vorzuſtellen. 


Nur erft erdffner ſich für mich ein Feld der Erkennt— 
niß. Die beſteht in dem Bewuſtſeyn, welches ich von 
meinen Vorſtellu gen, und von den Verhaͤltniſſen habe, 
worinn dieſe qeqen ihre Gegenſtande ſtehen. Bin ich mir 
blos der ſinnlichen Vorſtellungen und der indlolduellen Ge 
genſtaͤnde von ihnen bewuſt: fo iſt meine Erkenntniß eine 
ſianliche. Ich gebe ihr dieſen Namen nicht deswegen, weil 
ich blos Sinnlichkeit beſitze, oder weil dieſe die elnzige Quell 

der. 


derſelb⸗ 
Stoff 
mir be. 

ſer ben 
mir un 
auch! 
jemals 
beygele 
ihre, u 
ihnen 
erhalte 
les fa: 
wuſt f 
ſtellun 
ſcheide: 


Thierſt 
dieß 

ma 
um un 
nicht, 
macht 
auf: 

kennts 
fer au: 
ausdel 


daß fu 
ladır ı 
die ſe 6. 


nach i 


— — - 


* * — 


277 


derſelben iſt, ſondern weil die Obiecte meinen Sinnen den 
Stoff zu empiriſchen Vorſtellungen datreichten, deren ich 
mir brwuſt bin. Hatte ich nicht das Vermoͤgen, mir die— 
fer bewuſt zu werden, und fie in dieſem Bewuſtſeyn von 
mir und den Gegenſtaͤnden zu unterſcheiden: fo wuͤrde ich 


auch keine ſinnliche Erkenntniß haben koͤnnen. Wer hat 


jemals einem Adler, oder einem Löwen ſinnliche Erkenntniß 
beygelegt? Und warum nicht? Sie h ben doch auch 
ihre, und erhalten durch dieſe ſinnliche Vorſtellungen? Ihre 
ihnen angebohrne Kunftiriebe werden dadurch erreaet, und 
erhalten nach ihnen eine zweckmaͤſſige Richtung. Dieß ale 
les kann ſtatt haben, ohne daß ſie ſich deren beſonders be— 
wuſt ſind, ohne daß ſie durch dieſes ſich von ihren Vor— 
ſtellungen, von ihren Trieben und den Gegenſtaͤnden unter— 
ſcheiden, worauf beyde eine Beziehung haben. 


Wann erhebt das Kind ſich zuerſt aus dieſem bloſſen 
Tdierſtande? Wann fängt es zuerſt an zu denken? denn 
dieß heißt nichts anders, als Vorſt llungen haben, deren 
ma ſich bewuſt iſt. Dieſe Frage iſt freylich wichtig genung, 
um unfre Wisb vierde anzufcurrn. Hier iſt aber der Ort 
nicht, fie um ſtaͤ dlich zu bea twerten. So viel iſt ausge— 
macht, d. ß, fo wir ſein Bewuſtſeyn rege wird, und ſich 
auf mukr r Gegen ſtaͤ de erweitert, auch feine ſinnliche Ere 
kenntniß ihren A farg nimmt, ſich in eben der Grade weis 
ter ausbreitet, und ſich der Kleis feines Deukens gleichſam 
ausdehnet. 


Vielleicht hobe ich es dieſem Vermoͤgen zu verdanken, 
daß ſich bey mir Verſtand und Vernunft entwickelten. Viel. 
leicht iſt dieſes die Wurzel in meiner Grundktaft, woraus 
dieſe ſchoͤnen Blumen hervorſchoſſen. 


Die Natur hat mir gewiſſe Regeln eingepflanzt, wor⸗ 
nach ich von Vorſtellungen zu Vorſtellungen ſortgeh'. 
88 Diaſe 


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208 err RE 


Diefe nenne ich die Regeln der Aſſoclation meiner Ideen. 
Sie find in mir nicht das Werk der Erziehung, nicht des 
Fleiſſes, ſondern der Natur. Sie werden in mir wirkſam. 
Ich beſolge fie, ohne daß ich es weis, wie bendes geſchieht, 
ohne daß ich es vorher wollte, und willkuͤrlich beſtimmte, 
wie fie erfolgen und angewandt werden ſollten. Dieſe Aſ— 
ſoclationsregeln ſind mir und jedem Menſchen, auch dem 
Kinde, wenn ſich feine Denkkroft zu entwickeln angefangen 
hat, ſo natuͤrlich, daß dieſes ſo gut als der aufgellaͤrteſte 
Philoſoph ſtutzet, wenn es einen Menſchen hoͤret, welcher 
nicht nach ihnen feine Gedanken ordnet. Dieſe find die Mies 
geln, wornach Dichter fo gut als Redner und ſelbſt die 
Weltweiſen ihr Geſchaͤſte betreiben, und ohne welche fie ei— 
ner Bildſaͤule gleichen wuͤrden, welche den Fuß erhebt, aber 
nicht von ihrer Stelle kommen kann. Wohlthaͤtig hat die 
Natur dafur geſorget, daß wir ihnen folgen, ohne zu wife 
ſen, wie wir es zu machen haben, um zu ſolgen, grade ſo 
wie mir unſerm Körper die Richtung, welche wir wollen, 
geben koͤnnen, und «8 doch nicht verſtehen, wie wir es 
eigentlich machen muͤſſen, um grade ſo und nicht anders 
in unſern Körper zu wirken, daß feine Bewegung in der 
Richtung mit der Schnellkraft und Stärke erfolge, wie 
wir es wollen. Ohne Zweifel würde für uns alles verloh— 
ren ſeyn, wenn wir dazu erſt eines beſondern Unterrichts, 
einer erlernten Kunſt, beduͤrften, da wir nun durch den 
Unterricht der Natur alles auch fuͤr die Kuͤnſte gewonnen 
haben, welche eine regelmäſſige Anwendung dleſer Natur— 
fertigkeiten erfodern. 


Ich erblicke einen Gegenſtand, welcher eine Aehnlich— 
keit mit dem hat, welchen ich ſchon vorher betrachtete. 
Nun wird die Vorſtellung von dieſem letzten nach einer mir 
angebehrnen Aſſociationsregel in mir wieder rege. Mein 
Vermögen, mir der Vorſtellungen bewuſt zu werden, fie 


von einander, ſie von ihren Gegenſtaͤnden und von mir zu 
unter⸗ 


unterſch⸗ 
in V 


a mir ihre 


ich mir 
Vorſt !“ 
der ei; 
ich mir 
(inte! 
meine & 
fi llu g 
den em 
denke 
Vorſtel. 
get, vet 
werben 


halte ale 


in der 
balte na 
de (ind 
an eru 

gin in 
denke, 
zu ſeyn. 
niß ent!“ 
ge: ſtaͤn! 
nichts a 
Ich mi 
ich auch 
Gewalt 


weiſen, 


gen etw 
inteflecti 


tätig. 


299 


unterſcheiden, hat es natürlich zur Folge, daß ich fie mir 
in Brhäleniffen verſtelle, und alſo vergleiche. Ich werde 
mir ihrer Aehnlichkeit und Unaͤhnlichkeit bewuſt, und indem 
ich mir jene vorſtelle: ſo erwaͤchſt in mir eine allgemeine 
Vorſt llun g, aus welcher die individuellen Beſtimmungen 
der ei zuuen Dinge weggelsſſen find. Auch dieſer werde 
ich mir bewuſt, und dieß Vermögen nenne ich Verſtand, 
(intellectum) Hier eröffnet ſich ein neues Gebiet für 
meine Erkenntniß. Ich werde mir der allgemeinen Vor— 
fi us gen bewuſt, welche ich durch meinen Verſtand aus 
den empiriſchen gezogen habe. So wie ich ſie mir itzt 
denke, find fie nicht mehr empiriſche, ſondern intellectuelle 
Vorſtellungen, u.d meine Erferntmiß , di⸗ daher entſprin. 
get, verdienet auch deswegen eine intellectuelle genannt zu 
werben. 


Die Vorſtellungen in disfer find fo wohl ibrem Inn— 
halte als auch ihrem Urſprunge nach von den Vorſtellungen 
in der finlihen Erkengtaiß ſehr verſchirden; ihrem (nz 
dalte nach darinn, daß dieſe letzten ſtets einzelne Gegenſtaͤn— 
de (indiuidua), gleichviel, aͤuſſre Dinge, oder ienre Ver— 
in erungen, meinem Bewuſt'eyn darſtellen da ich hinge— 
gen in jenen die A halichkeit einzelger Gege ſtaͤnde mir 
denke, ohne mir dieſer Gegenſtaͤnde ſelbſt beſonders bewuſt 
zu ſeyn. Die Vorſtellungen in meiner ſtanlichen Erkennt— 
niß entſpringen unmittelbar nur dann, wenn einzelne Ges 
ge: ſtaͤnde auf meine Sinne wirken. Ich kann in dieſen 
nichts aͤndern, fo lange fie auf gleiche Art auf mich wirken. 
Ich muß mich mehr leidend als thaͤtig beweiſen; und wenn 
ich auch dieß letzte thue: ſo habe ich es doch nicht in meiner 
Gewalt, mich auf dieſe und keine andre Art thaͤtig zu bes 
weiſen, und dadurch nach Geſellen in meinen Vorſtellun— 
gen etwas abzuaͤndern. Bey den Verſtellungen in meiner 
intellectuellen Erkenntniß verhalte ich mich faſt ganz ſelbſt— 
thätig. Wenn auch die Aſſociationsregeln mit wirken: fo 

werden 


300 


werden dleſe durch meine innre Kroft erreget. Mein Ver | 


ftano bearbeitet durch feine elgenthuͤmliche Faͤhlgkeit die em. 
pirlſchen Anſchauungen, und erzeuget durch fir aus ihnen 
die intellectuellen Vorſtellungen. Ich werde mir in dieſer 
der allgemeinen Begriffe durch mene eigne Kraft bewuſt, 
welche Geſchoͤpfe meines Verſtandes find, und ich wahle 
mir willkuͤtlich ſolche Zeichen, wodurch ich dieſe intelleccuelle 
Vorſtellungen bezeichne. Dieſe erregen zwar unmütelbar 
eine empitiſche Vorſtellung von ſich ſelbſt, aber mittelbar 
nach der Wehl, welche ich getroffen habe, werden durch fie 
die allgemeinen Begriffe ang zeiget, mit weichen ſie doch oft 
nicht die entſernteſte Aehnlichkeit haben. 


Dieſe Wahl war Beduͤrfniſt für meinen Verſtand, 
well ich die Gegenſtaͤnde ſelbſt nicht mir ſinnlich denken 
konnte, ohne einzelne Dinge zu Gegenſtänden meiner Vor— 
ſtellung zu machen. Durch eine Kanſt, welche mich ſelbſt 
in Erſtaunen ſetzet, weis mein Verſtand feine intellectuelle 
Vorſtellungen mit ſinnlichen Zeichen zu verbinden, welche 
mit jenen keine Aehnlichkeit hben, und demohngeachtet 
kann er ſich jene dadurch deutlich Teufen. Allein wie kam 
er denn zu einer Entſchlieſſung, welche dem erſten Anblicke 
nach ganz zweckwidrig zu ſeyn ſcheinet? Ich muß die Na 
tur befragen, welche mir mein Schoͤpfer verliehen hat. 
Schon das Kind, ehe es noch den Kam feines Verſtan— 
des entwickelt hat, weis alle ſeine innern Triebe, wenn 
ſie lu einem gewiſſen Grade erreget ſind, durch Zeichen in 
den Geſichtszuͤgen, welche es macht, und in gewiſſen Toͤ. 
nen zu erkennen zu geben. Dieſe Zeichen find nicht dle 
erregten Triebe ſelbſt, haben auch keine Aehnlichkeit mit 
dieſen, ſind aber fuͤr jedes Geſchoͤpf von derſelben Art eine 
ſo deutliche, vernehmliche Sprache, daß ein jeder ihren Inn— 
holt vollkommen verſtehet, gleichviel, er gehoͤre zu den auf— 
geklarteſten Nationen unſter Erde, oder zu ſolchen, welche 

noch dem Thylerſtande ſehr nahe find. 
Auch 


A 


gen du 
kennen 


fühlte fi: 
ſich fein 
Gegen. 


bingetr. 


in die 
Vorſtel 
modurd 
Huͤlſe; 
übern 
Wahl 
derfelbe: 


ihn nich 


ſche V. 


nen ſich 


von ein 
lungen 
tur bat 
theilt, 


nen. C 


gen, u 


Cloſſen, 
Daher 


ſetz met 
Zweck, 11 


gelmaͤn 
daß ma 


geklärt, 
Erweit, 
niß gel 
ſolchen 

nen ma 
ſelbſtehe 


s — — — 


Auch dieſes Naturdranges, meine innern Veraͤnderun— 
gen durch Zeichen, die geſehen oder gehört werden zu ers 
kennen zu geben, werde ich mir bewuſt. Mein Verſtand 
fühlte feine Starke, ward dadurch wagen feiner Beduͤrfniß, 
ſich feiner Begriffe ohne die individuellen Beſtin mungen der 
Gegenftände bewuſt zu werden, auf eine ahnliche Bahn 
hingetrieben, wählte erſt Toͤne, nachher Zeichen, welche 
in die Augen fallen, zu Ausdruͤcken ſeiner intellectuellen 
Vorſtellungen, und nun waren tauſend Kanäle geoͤffnet, 
wodurch dle innern Wirkungen meines Verſtandes durch 
Huͤlfe verabredeter Zeichen in die Seele andrer Menſchen 
überflieſſen, und ihnen mitgetheilt werden konnten. Die 
Wahl ſolcher Zeichen, und eine regelmaͤſſige Anwendung 
derſelben iſt alfo das Werk meines Verſtandes, iſt ohne 
ihn nicht denkbar. Die Gegenſtaͤnde, wovon ich empiti— 
ſche Vorſtellungen erhalte, ſind zwar einzelne Obiecte, koͤn— 
nen ſich aber in ihren Beſtimmungen mehr oder weniger 
von einander unterſcheiden, und meine empiriſche Vorſtel— 
lungen find immer von derfelben Beſchaffenheit. Die Na— 
tur hat ihre Werke in Claſſen, Gattungen, Arten einge— 
theilt, und mein Verſtand denket ſich dieſe im Allgemei— 
nen. Er brauchte alſo Zeichen, um dieſe dadurch anzuzei. 
gen, und daher entſtanden die unzähligen Namen, für 
Cloſſen, Ordnungen, Gattungen, Arten und einzelne Dinge. 


Daher endlich die ausgebildeten Sprachen. Es iſt ein Ge— 


fiß meiner Natur, daß ich getrieben werde, zu ähnlichen 
Zwecken ähnliche Mittel zu wählen. Daher elne ſolche Res 
gelmaͤſſigstit in den Sprachen der verſchiedenen Völker, 


daß man glauben ſollte, als ob fie die Kunſtwerke der auf— 


geklaͤrteſten Philoſophen wären, daß ich dieſe Zeichen zur 
Erweiterung meiner ſinnlichen und intellectuellen Erkennt— 
ri gebrauchen kann; daß ich ihren Gebrauch für einen 
ſoſchen erkenne, welchen nur vernünftige Geſchoͤpfe von ih- 
nen machen koͤnnen. Mein Werſtand blldet alſo durch ſeine 
felbfichärige Kraft feine eigne Vorſtellungen, auch we 

eigne 


— * 


eigne Anſchauungen, well er jene auf die allgemeinen Dinge 
bezieht, und ſie von ihnen als von ihren Gegenſtaͤnden un 
terſcheidet. 


Durch Hülfe der mir angebohrnen Aſſoclationsr⸗geln 
bin ich vermögend, mir der Aehnlichkeiten und Unäh ich- 
keiten der Dinge und der Begtiffe von ihnen bewuſt zu 
werden. Ich habe alio auch ein ermd gen, die Dinge 
gegen einander zu verglichen, ihre Uederei“ ſtimmungen 
und Abweichungen gewahr zu werden, und mir feig.id) 
ihre Vrbindung oder ihren Zufammenbang zu deuken. 
Dip iſt die groſſe Fähigkeit, wodurch ich fo wohl meine 
ſtunliche als intellectuelle Erkenntniß erweitern, wodurch ich 
von einer Stuffe derſelben zur andern und immer böper 
empor dringen kann. Dieſe Faͤhigkeit, iſt meine Ver unſt. 
Durch ſie kann ich den Zuſammenhang in meiner ſinmichen 
Erkenntuiß entdecken, mehr beſtimmen, gensuer Ibwagen. 
Durch fie kann ich auch die Begriffe, welche mein Vers 
ſtand gebildet hat, gegen ei ander- halten, ihrer U:bereine 
ſmmung und Abweichung, kurs ihrem Zuſemmenhang nach— 
hin, und aus ihnen ein G baude von Waherhelten zweck— 
eng errichten. In beyden Faͤllen iſt es ei.e und dieſelbe 
ſelbſtchaͤtige Kraft meiner Seele. Nur „ie Gegen ſtaͤnde find 
verſch'eden, welche fie beurdeitet. Will ich meine Vernunft 
d raach verſchieden benennen: fo kann fie empirische Der. 
nunfe heulen, in wie weit fie in meine ſin liche Erkenntniß 
den Zuſammenhang bringet, reine DUernunft, in wie weit 
fie blos mit meiner intell ctuellen Erkenntniß, mit den rei. 
nen Begriffen und ihrem Zuſammenpang, mit allgemeinca 
Wahrheiten ſich beſchaͤftiget. 


So ſelbſtthaͤtig auch ihre Kraft wirket: fo muß doch 
der Verſtand ihr vorg⸗ arbeitet, fo muͤſſen doch ſinnliche 
Vorſtellungen durch dieſen ihr die Materialien zu ihrem 
herrlichen Bau dargereichet kuben. Wäre dieß nicht vor. 

be; 


hergega; 
aller ihr: 
anwende 


Au! 
Art vor 
wiſſe G. 
ſich wi 
Wahch 
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ſich Diele 
Ich ne: 
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Vernun 
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möglich ı 
möge dei 
bles aus 
A en, 
eroͤffnen. 
Obiect 
wenn ich 
wollte, u 
darauf, 
treignen 
Wider pi 
ſtatt hab, 
nem Ob. 
die Kralt 
aus in Di 
unbeſtim. 


hergegangen : fo wuͤrde fie in mir ihre Kraft ungeachtet 
aller ihrer eigenthuͤmlichen Selbſtthaͤtigkeit doch nicht haben 
anwenden koͤnnen. 
e 
Auch die Natur ſelbſt hat ihr noch auf eine andre 
Art vorgeorbeite't. Sie hat meinem denkenden Weſen ge— 
wiſſe Grundregeln vorgeſchrleben, wornoch meine Vernunft 
ſich wirkſam beweiſet, und wodurch fie fähig wird, mir von 
Wibrheisen eine allgemeinguͤltige, apodiktiſche Gewißheit 
zu verſchoffen. So viel ich bisher bemerket habe, laſſen 
ſich dieſe in drey verſchiedenen Grundſätzen ausdrucken. 
Ich nenne fie den Grundſatz 1) der Identitaͤt, 3) des Wie 
derſpruch 's, 3) des zureichenden Grundes. Ich bin durch 
einnen innern Naturzwang genötbiget, es zuzugeben, daß 
ein Ding das Ding iſt, was es iſt. Dieß giebt meiner 
Vernunft eine unerſchutterte Feſtigkeit in der Ueber zeugung, 
daß, wenn fie erſt weis, daß ein Obiect A iſt, es auch, 
in we weit es dieß iſt, dieß ſeyn muß. Wenn ich einmal 
davon gewiß bin, daß ein Ding A iſt: fo iſt es mir un— 
moglich zu denken, daß es nicht A fern ſollte, und zwar vers 
möge der Grundregel vom Widerſpruch. Freplich kann ich 
bles aus beyden Regeln es nicht erkennen, daß ein Ding 
A fer, Zu dieſer Erkenntniß muß ich mir andre Quellen 
eröffnen. Allein dieß weiß ich aus berden daß, wenn ein 
Obiect A ft, durchaus falſche Satze entſtehen würden, 
wenn ich in Gedanken mit dem Obicct A etwas verbinden 
wollte, wodurch es aufhörte, A zu ſeyn. Ich verlaſſe mich 
darauf, daß in der ganzen Natur ſich keine Begebenheit 
treignen koͤnne, welche dieſen Grundſaͤtzen entgegen waͤre. 
Widerſprüche in der Natur von der Art koͤnnen unmoͤglich 
ſtatt haben. Widerſprechende Beſtimmungen koͤnnen in eie 
nem Obiecte angetroffen werden. Der Phyſiker denket fih- 
die Kraft einer Kugel fo beſtimmt, daß fie vom Mittelpunct 
aus in der Richtung der radiorum nach der Oberfläche mit 
unbeſtimmtgroſſer, aber gleicher Schnellkraft hinwirke, und 
daß 


ae 


.. 9 . EEE Ben 


— LEE N ne De 
Tor 


304 eee eee 

daß grade daher ihre Trägheit (vis inertlae) komme, well 
die ſich diametraliter entgegenmi kenden gleichen Bewe— 
gungstendenzen ſich im Gleichg wicht erhalten, und alfo ſich 
gegenſeitig in igen Bewegungen ſtoͤren. Wenn dieſe Hypo 
theſe ihre Richtigkeit hätte: fo waͤren In einer Kugel ſich 
entgegen kämpfende oder widerſprechende Beſtimmungen. 
Jede einzelne Beſtimmung waͤre aber deswegen das, was 
fie iſt, wäre nicht mit ſich ſeibſt im Wlderſpruch. Es hat 
Tyrannen gegeben, welche grauſam und mitleldig wa— 
ren. Allein ihre Grauſamkeit iſt nicht ihr Meitleig en. 
Ele hatten widerſprechende Leidenſchaften, aber keine welche 
ſich ſelbſt widerſprachen, d. h. keine, die zugleich das waͤ— 
ren, was ſie waren, und es auch nicht waren. Widerſpruͤ. 
che in eigentlicher Bedeutung des Wortes, koͤnnen nur in 
ſubtectiven Vorſtellungen der denkenden Weſen, und nicht 
auſſer ihnen angetreffen werden. Sobald fie biefe ent 
decken: ſo ſind ſie auch gezwungen, dasjenige als eine 
ſalſche Vorſtellung zu verwerfen, wodurch ein Widerſpruch 
gefetzt wird. 


Die dritte uns angebohrne Grundregel des Denkens 
find wir gewohnt, durch den Grundſatz des zureichenden 
Grundes auszudrucken. Die allgemeine Wahrheit dieſes 
Satzes kaͤnnen wie nicht beweiſen, aber auch nicht leugnen; 
nicht beweiſen, well keine Beweiſe md lid) ſeyn koͤnnten, wenn 
er ſalſch waͤre, und nicht als ausgemacht voraus geſetzet 
wuͤrde; nicht leugnen, weil wir entweder mit Grund oder 
ohne Grund ihn leugnen müßten. Mit Grund: ſo ſetzen wir 
ſeine Wahrheit voraus, um feine Folichheit. und die Kid) 
tigkeit unſers Urtheils bewelſen zu koͤnnen. Ohne Grund — 
Nun fo empoͤren wir uns gegen unſte elgne Natur, welche 
uns von unſrer erſten Kindheit an auch ohne tejondre Be. 
lehrung von ihm noͤthigte, in allen unſern Urthellen, Schluͤſ. 
fen, Handlungen uns nach ihm zu richten: fo nehmen wir 
‚unfeer Vernunft die Fluͤgel, wodurch fie ſich empor zu heben 

und 


und in das 
fählg iſt. 
zelget die 
Wiſſenſche 
des geſellſ f 
legt nicht 
Gebrauch, 
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iprer Vorſi 
Jolge, daß 


ten, oder 
Hären muͤß⸗ 


305 


und in das Gebiet der Wahrheiten hinein zudringen nur afl-in 
fähig iſt. Mißbrauchen koͤnnen mir diefe Grundregeln. Dieß 
zelget die Geſchichte der Menſchen, dieß ihr Betragen in den 
Wiſſenſchaſten, uad ſelbſt in den verſchiedenen Verbindungen 
des geſellſchaſtlichen gebens. Allein die Schuld dieſes Irrthu ms 
legt nicht in den Regeln ſelbſt, ſondern in dem unregelmaͤſſizen 
Gebrauch, welchen fie von ihnen machten. Sie find die 
Quellen, woraus alle apodictiſche Erkenntniß der Wehrheſten 
uletzt für uns herflleſſet, und wenn wir dieſe verſtopfen koͤnn. 
en: fo wurde es um die Gewißheit unſter Erkenntniſſe ge— 
(heben ſeyn. Allein die Natur ſelbſt hat woplthaͤtig dafuͤr 
zeſorget, daß, dieß uns nicht möglid) iſt, und daß wir, wenn 
vir uns ja gegen fie empoͤren wollen, es ſehr lebhaft empfin— 
den, daß es blos eine widerſinnige ohnmaͤchtige Empoͤrung 
it, deren Thorheit wir uns ſchaͤmen muͤſſen, weil fie unſ— 
em eignen Gefühle nach nahe an Wahnſinn grenzen würde. 
Durch fie bildet meine Vernunft ihre Satze, nach ihnen 
rüfet fie ihre Richtigkeit. Wenn fie es demerkt, daß fie 
nem Subieet ein Prävicat beplegt, welches ihm widerſpricht, 
. i. es aufhebt, oder welches nicht jo in ihm gegründet iſt, 
ais die Verbindung es nothwendig fodert, worinn fie ſich 
das Praͤdicat mit dem Subicct denkt: fo wels fie es mit 
wodictiſcher Gewißheit, daß dleſer Satz ſalſch if. Erken. 
et fie aber, daß dleſe Grundfäge für ungültig erklaͤret wer- 
een muͤßten, wenn das Prädicat nicht in der beſtimmten 

Berbindung dem Subiect zukommen ſollte: fo wels fie mit 
podictifher Gewißheit, daß der Satz in dieſer Beſtimmung 
zuͤrchaus wahr ſeyn muß. 


Allein weis ſie auch dieß, daß das Subiect A auſſer 
rer Vorſtellung fein eigenthuͤmliches Daſeyn haben muͤſſe? 
Hierauf antworte ich:, waͤre es durchaus eine nothwendize 
Jolge, daß fie entweder das Daſeyn dieſes Subiectes zuges 
en, oder auch diefe angebohrne Grundregeln für falſch er» 
ären müßte: fo wuͤrde fie * eben der apodictiſchen Ge 

wiß 


306 


den, me! 
meine B 
beißt es, 

ſchaffen? 

die Wahn 
Gewißhe 
in deutli— 
dieſe: ha 
und folg 
erheben, 

apodictiſe 
hen muͤß 
Vermoͤge 
Mehr bra 
der Weg 
niſſe durd 
ren Kant! 
etwas an! 
ſeyn. 6 
Vernunft 

kannt hal 


Eine 
nunft ein 
meinen D. 
auf einzel: 
Richtigkei— 
Auch die 
kann es ab 
Erkennen! 
Figuren, 
gleiche He 
aus ihren 
lein beant 
ſie da ſind 


wlßhelt von dem Daſcyn dieſes Sublects auch auſſer ihren 
Vorſtellungen überzeugt ſeyn, als ſie es von der Allgemein. 
belt und Nothwendigkeit irgend einer allgemeinen Wahrheit 
ſeyn kann. Wenn aber diefer Fall nicht da iſt, oder nicht 
von Ihr erkannt wird: fo kann fie wohl aus einem allge. 
meinen Begriff als einer Art von elnzelnen Dingen manche 
Praͤdicate bewelſen, und folglich mit Gewißheit ſchlieſſen, 
daß alle indıwidua diefer Art auch dleß Praͤdlcat haben müſ. 
ſen. Allein daß es als ein endliches Ding exiſtiret, daß es 
ein einzelnes Ding von dleſer Art iſt, dieß kann fie freylich 
nicht durch Huͤlfe ihrer intellectuellen Erker ntniſſe aus allge 
meinen Wa rheiten folgern. Dieß muß ſie aus andern 
Ew unden wiſſen So bald fie aber dieß weis: fo hat meine 
V.rnu ft dle Fahigkeit, das Praͤdicat, was der Art noth. 
wer dig zukommt unter welche dleß einzelne Ding begriffen 
iR, auf dieſes anzuwenden, ihr Pradicat zwar nicht zur obiec⸗ 
tiven Beſtim mung deſſelben zu machen, aber doch richtig 
zu ſchlieſſen, daß die Beſtimmung in ihm nothwendig liegen 
muß, welche ſie ſich unter dieſem Praͤdicate in ihrer An 
ſchauung vorſtellte. 


Meine Vernunſt kann aus allgemeinen Begriffen, aus 
Orundfägen und richtig bewieſenen Theoremen mit apodicti. 
ſcher Gewißheit erkennen, daß zwey Parallelogrammen ſich 
geometriſch zu einander verhalten, wie ihre Höhenlinien, wenn 
ihre Grundlinien ſich gleich ſind. Hat fie auch das Vermoͤ. 
gen, den Stoff uͤberſtunlicher Vorſtellungen zur materiellen 
Wahrheit dleſes Schlußſatzes herbey zu ſchaffen, wie ſie es 
nach der Sprache elniger Kantianer haben muß, wenn ihr 
Vermögen nicht blos legiſch ſondern auch metapbyſiſch fern 
ſoll? Dieſe Frage iſt in fey ungewoͤhnlichen dunkeln Ter⸗ 
minelogien aufgeworfen. Wir vollen alfo zuerſt die Dun. 
kelhelten, fo gut es möglich iſt, wegzuſchaffen ſuchen. Was 
heißt Stoff uͤberſinnlicher Vorſtellung herbenfchaffen? Doch 
nichts anders als allgemeine Wahrheiten als Principlen auffn- 

den, 


den, welche zur Vorſtellung erhoben werden müffen, ehe 
meine Vernunft aus ihnen etwas ſchlieſſen kann? Was 
heißt es, dieſe zur materiellen Wahrheit der Schluͤſſe herben 
ſchaffen? ohne Zweifel nichts anders als fie fo brauchen, daß 
die Wahrhelt der Schluͤſſe dadurch von ihr mit apodictiſcher 
Gewißheit erkannt wird. Es iſt alſo die Frage, wenn ſie 
in deutlichern gewoͤhnlichen Ausdruͤcken aufgeworſen wird, 
dieſe: hat die Vernunſt das Vermoͤgen, die allgemeinen 
und folglich uͤberſinnlichen Wahrheiten zu Vorſtellungen zu 
erheben, um daraus die Wahrheit ihrer Schlußſaͤtze mit 


apodictiſcher Gewißheit zu erkennen? Dieſe werde ich beja— 


hen muͤſſen, weil meine Vernunſt in tauſend Faͤllen dieß 
Vermoͤgen ſattſam zu meiner Belehrung geaͤuſſert hat. 
Mehr brauche ich nicht zu wiſſen, um einzuſehen, daß mir 
der Weg zur apodictiſchen Grwißheit intell ctueller Erkennt— 
niffe durch meine Vernunft geoͤffnet iſt. Wollen dieſe Her 
ren Kantianer mit ihrer Frage, welche ſo ſonderbar klinget, 
etwas anders andeuten: fo kann mir dieſes ſehr gleichgültig 
ſchn. Genug für mich, wenn ich nur das von meiner 
Vernunft und ihrem Vermoͤgen weis, was ich oben er 
fannt habe. 


Eine andre Frage wuͤrde biefe ſeyn: hat meine Ver— 
nunft ein metaphyſiſches Vermoͤgen, dieſe uͤberſinnlichen allge— 
meinen Wahrhelten, welche in ihren Schluͤſſen liegen, 
auf einzelne Dinge anzuwenden, und ſich in dieſen von der 
Richtigkeit ihres ſingulaͤren Schlußſatzes zu uͤberzeugen? 
Auch dieß Vermögen kann ich ihr nicht abſprechen. Sle 
kann es aber nicht anwenden, wenn ihr nicht eine empiriſche 
Erkenntniß zu Hülfe kommt. Iſt die Frage dieſe: ob zwo 
Figuren, ob ſie als Parallelogrammen da ſind, ob ſie 
gleiche Hoͤhenlinſen haben: fo kann ſie dieſe ſreylich nicht 
aus ihren allgemeinguͤltigen, uͤberſinnlichen Principien ale 
lein beantworten. Die Erfahrung muß es ſie lehren, ob 
ſie da ſind. Nun muß ſie Er Betrachtung diefer Figu⸗ 

2 ven 


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3-23 ieee AT 


ren es erſt unterſuchen, ob fie die Beſchoſſenheit der Paral. 
lelogrammen, ob fie gleiche Höhenlinien haben. Wann 
fie durch empiriſche Unterſuchungen davon uͤberzeugt iſt, 
dann hat fie das metaphyſiſche Vermögen, mit apodicti⸗ 
ſcher Gewißheit die Wahrheit ihres Schlußſotzes zu erken⸗ 
nen, daß namlich die gebenen Parallelogrammen von 
gleicher Höhenlinie ſich geometriſch zu elnander verhalten 
muͤſſen, wie ihre Grundlinlen. Dieß iſt der glanzende 
Weg, weichen fs b treten muß, wenn fie ihre allgemeine 
Sahͤͤſſe, die von uͤderſinallchem Innhalt find, auf einzelne 
Di ge mit dem beſten Erfolg anwenden will. Auf eieſem 
rerſchaffet fie ſich elne Erkenntniß von individuellen Wahr 
beiten, ſchaffet aber dieſe Praͤdicate als ihre Vorſtellungen 
nicht in die eigenthuͤmlichen Beſtimmurgen der Dinge um. 
Diete llegen in ihnen ſelbſt, und es iſt für unfre Vernunft genug, 
es mit apodictiſcher Gewißheit zu wiſſen, daß fie in ihnen 
licgen, und mit eben der Gewißheit die Gültigkeit ihrer letz— 
ten Schlußſaͤtze zu erkennen, in welchen die Subiecte einzelne 
nöcrall beſtimmte Dinge, und die P.adicate die Eigen— 
ſchaſten beztichnen, welche ihnen individuell zukommen muͤſ— 
ſen, weil dieſe Praͤdicate von den allgemeinen Begriffen oder 
den Arten, wovon fie indiuidua find, ohne Widerſpruch 
nicht koͤnnen geleugnet werden. Dieß iſt die ſchoͤne Bahn, 
we ſche vor uns liegt, und welche unſte Vernunſt betreten muß, 
um unfre intellsceu: le Erkenutaiß mit der ſinnlichen zu verbin— 
der, dieſe durch jene zu erweitern, zu berichtigen, zu beſeſtigen. 


Habe ich aber auch ein Begehrungsvermoͤgen? Iſt es 
von meiner Vorſtellungsfaͤhigktit unterſchieden, und worinn? 
Welches find gleichſam die Beſtandthelle, woraus es be. 
ſteyt? Woher kommen meine Triebe? Euuſpringen iſie 
alle aus einem einzigen Grundtriebe, oder giebt es mehre 
urſprüngliche Grundtriebe, welche zwar alle in einer und 
derſelben Grundkraſt meines Gemuͤthes gegruͤndet find, aber 
aus dieſer gleichſam, als aus Einem Stamme in e 

Zweige 


Zweige 
tur un‘ 
auf ver 
Tugent 
ben m 
fähigfe: 
fungst 
verder! 
terſuch, 
ſen far 
der K 
Verb 
Aphori 
fenfd)a' 


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u. — — it 2 —— — 
ET „„ — 
309 


Zweige ausgehn? Sind fie, wenn fie da waͤren, von Na⸗— 
tur untergeordnet, oder habe ich es in meiner Gewalt, ſie 
auf verſchiedene Art ſich unterzuordnen? Wie erwaͤchſt daher 
Tugend, wie Loſter? Welchen gegenſeitigen Einfluß das 
ben mein Vorſtellungsvermoͤgen und meine Begehrungs— 
ſahigkelt auf einander? Können fie gegenfeitig ihren Wire 
kungskreis erweitern, einſchraͤnken, berichtigen, auch wohl 
verderben? Fragen, welche es ſehr werth ſind, genau un— 
terſuchet zu werden, worauf ich mich aber hier nicht einlaſ⸗ 
fen kann, weil eine ſolche Unterſuchung mit meiner Prüfung 
der Kantiſchen Transſcendentalaeſthetik in kelner genauen 
Verbindung ſtehet, und ich nur mehr in Fragmenten 
Aphorismen aus der Pſychologle, als ein Syſtem dieſer Wife 
ſenſchaſt liefern wollte. 


D 
S K K 0 


u 


Dır 


Verbeſſerungen. 


Selte 23, Zelle 18. ſtatt guug lies gung. S. 34, 3. 13. 
nach folgenden l. Entwicklungen. S. 53, 3. 21. fl. nichts l. 
nicht. S. 62, Z. 23. nach ſoll l. als. S. 71, 3. 25. ſt. 
Epontanität l. Spontaneität. S. 79, 3. 8. ſt. mehrmal l. 
ſechs mal. S. 92, 3. 25. ft. dieſen l. deſſen. S. 93, 3. 23. 
ſt. Freude l. Furcht. S. 98, 3. 30. nach ſelbſt l. nicht. 
S. 115, 3. 3. ft. jedem l. jenem. S. 119, 3. 6. ſt. mir l. 
mich. S. 127, Z. ar. ſt. welcher l. welche. S. 152, 3. 32. 
ft. ihnen l. uns. S. 177, 3. 13. ſt. beſtunde l. beſtuͤnde. 
S. 175, 3.27. ft. den l. der. S. 178, 3.21. ſt. aus l. nach. 
3.25. if. von einander l. von nach einander. G. 180, 3.27. 
ft. ſubiective l. obiective. S. 191, 3. 13. ft. Dieſe l. Bey dies 
ſer. S. 192, 3. 6. ſtatt unterſcheidet l. unterſcheiden. S. 
204, 3. 10. fl. ſollen l. fol. S. 205, 3. 38. ft. alſo I, als. 
S. 240, 3. 17. ſt. wird l. wird nicht. S. 214 3. 23, fl, 
welche l. welcher. S. 234, 3. 14. ſt. zwar l. zwey. 


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B Kritische Briefe an Herrn 
2779 Immanuel Kant uber seine 
K72 Kritik der reinen Vernunft 


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