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University of Toronto
http://www.archive.org/details/kritischebriefeh00kant
ZU
Kritiſche Briefe .
W. Herrn Immanuel Kant
Profeſſor in Königsberg
über
feine Kritik
ber
reinen Vernunft.
EXLII
Goͤteingen,
bey Vandenhoeck und Ruprecht.
1790. h
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Vorrede.
Fauus iſt es immer das Schickſal der Ppiloſophen geweſen,
welche darauf ausgiengen, die Lehrgebaͤude ihrer Vorgänger
niederzureiſſen, und auf ihren Truͤmmern ein neues zu er:
bauen, daß viele ſich gegen fie erhoben, und andre, welche
ihre Rechnung dahen zu finden ſich uͤberredeten, wenn fie ſich
für dieß letzte erflärten, ſich zu Vertheidigern deſſelden auf:
warfen. So war es bey den Philoſophen der Vorwelt, und fo
wird es aus ſehr naturlichen Utſachen auch bey unſern ſpaͤte—
ſten Nachkommen bleiben. i
*
Soceates verwarf die Syſteme feiner Vorgaͤnger, wollte
uͤberhaupt von keinem etwas wiſſen, und war gewohnt, ſeinen
Unterricht auf Moral einzuſchraͤnken. Plato ſein Schüler ers
baute auf den Truͤmmern der cingerijjenen Syſteme ein neues
x 2 a wie
PF
IV Vorrede.
wieder, und glaubte zuerſt allgemeinguͤltige Principien der
Vernunft gefunden zu haben. Sein Schuͤler Ariſtoteles wollte
tiefer ſehen, als fein Lehrer, beſtritt das Platoniſche Lehrge⸗
baͤude, und errichtete ein neues, worin er erſt recht die wah⸗
ren Principien der Vernunft entwickelt zu haben ſich uͤberredete.
Jeno und Epicur waren der Meynung, daß es ihnen von dem
Schickſal vorbehalten wire, die reinen unverfaͤlſchten Vernunft—
principien der Welt zu entdecken, und ein jeder von ihnen nahm
im Gefolge ſelner Unhänger feinen eignen Weg. Pyrrbo
gieng darauf aus, beynahe wie die neue Kantiſche Philofophie,
alle ältere und neuere Lehrgebaͤude mit einmal und auf immer
niederzureiſſen, ſahe fie alle als verungluͤckte Verſuche der ſich
taͤuſchenden Vernunft an, und ſeine Vernunft wollte es erkannt
haben, daß für uns alles in Dunkel singehüllet, daß alles
ungewiß waͤre, daß wir nichts mit Gewißheit erkennen koͤnn—
ten. Alle hatten ihre Anhaͤnger, auch ihre Gegner, welche im:
mer gegen einander zu Felde lagen. Die Roͤmer errichteten
keine neue Lehrgebeude, fondern pflegten fi) nur an dieſe oder
jene Griechiſche Schule anzuſchlieſſen, fo wie ein Zufall, oder
Erziehung, oder ein befondrer Hang fie dazu vermochte. Sie
vertheidigten die Secte, zu welcher ſie traten, und beſtritten
die andren Secten, welche der ihrigen enigegen waren. Die
Scholaſtiker, dunkle und dabey ſcharfſichtige Köpfe, erhoben
das Syſtem des Ariſtoteles auf den Thron, und ſtritten hef—
tig darüber, ob die allgemeinen Notionen blos Vorſtellungen
der Seele, oder auch auſſer dieſen obiective Beſtimmungen der
Gegenſtände waͤren. Jene, die Nominaliſten, fochten gegen
dieſe, die Nealiſten, mit ſolcher Heftigkeit, daß fie ſich auch
wohl in ihren gelehrten Kämpfen der groͤbſten Thaͤtigkeiten nicht
enthalten konnten. Carteſius war auf ſeine neue Einſichten
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Vorrede. V
flolz genug, daß er ſich der Welt als einen Zermalmer der al
tern Syſteme ankuͤndigte. Er wollte ein ganz neues erbauen.
Nach einem langen Kampf mit ſeinen Gegnern hatte er das
Vergnügen zu ſehen, daß die Anzahl feiner Anhaͤnger vornehm—
lich unter den Franzoſen ſehr groß ward. Neuten verwarf
feine Principien, wodurch er die Begebenheiten in der Natur
erfläret hatte. Wo jener eine druckende Schwerkraft fand,
wollte dieſer eine anziehende Kraft entdeckt haben. Es iſt
merkwuͤrdig, daß beyde Ebbe und Fluth aus ihren Hypotheſen
erklaͤrten, daß aber grade da, wo nach Carteſius Ebbe wäre,
nach Neuton Fluth ſeyn , daß da, wo der Mond ſich
über das groffe Weltmeer hindewegte, nach jenem dieß einer
eingedruͤckten Kugelflaͤche, nach dieſem einem ſich erhebenden
Kegel gleich ſeyn mußte, deſſen Spitze den Mond im Zenith
über ſich hätte und deſſen Grundflaͤche ſich als ein weiter Zir⸗
kel bis an den Horizont rund umher verbreitete. In dieſem
Streite hatten fie die Natur befragen muͤſſen. Nur dieſe
konnte hier Schiedesrichterinn ſeyn, und nur noch vor wenig Jah⸗
ren wellte Suntich nach langer Beobachtung gefunden bis
ben, daß fie für die Nichtigkeit der Carteſianiſchen Hypotheſe
den Ausſpruch gethan hätte, Neuton ſchloß aus Grundſaͤtzen,
daß die Erde gegen die Pole zu eine abgeglaͤttete Kugel wäre,
Die Franzoſen wollten durch Ausmeſſungen und ſichere Verech—
nungen, welche ſich auf jene gründeten, es bewieſen haben,
daß die Axe der Erde länger als der Diameter ihres Aequators
ſeyn muͤßte, und beyde Partheyen ſtritten heftig fo lange file
die Richtigkeit ihrer Reſultate gegen einander, bis Ludewig der
XV. eine Geſellſchaft von Meßkünſtlern nach Norden, eine
andre nach Süden ſchickte, und dieſe durch genauere Aus⸗
meſſungen die Gültigkeit der Neutonianiſchen Schlüffe aus all.
Ä | 72 | gu
vi Vorrede.
gemeinen Principien beftättigten. Leibnitz brachte zuerſt die Sutz
des zureichenden Grundes und des nicht zu unterſcheidenden
als allgemeine Principien in die Philoſophie. Er erſchien als
Erfinder der vorherbeſiimmten Harmonie zwiſchen Leib und Seele,
weil es Ihm ohne Zweifel nicht bekannt geworden war, daß ſchon
drepzig Jahre vorher Arnold Beulinr eben dieſe Hypotbeſe in
feinem Buche Irn ceavre oder erhica vorgetragen hatte.
Die Platoniſche Pailoſoshie hatte ihm Gelegenheit zu feiner
Theorie von den Monaden, und von der beſten Welt gege—
ben. Wolf trug die neuen Leibnitziſchen Priuapien in
ſein Syſtem der Metaphyſik über. Er wollte aus dem
Satz des Widerſpruches den Satz des zureichenden Grun—
des beweiſen. Er behauptet, alle Dinge ohne Unter—
ſchiad waren in einem fo genauen Zuſan menbang, daß die
Welt nicht mehr dieſe ſeyn koͤnnte, wenn auch nur die unbe—
deutendſte Begebenheit in ihr ſich anders zutragen ſollte,
als ſie fich ereignete. Er machte die Welt zu einer Maſchine,
aus deren erſtem Zuſtande alle folgende Begebenheiten durch
vbllig determinirende Grande in einer feſtgeſetzten Ordnung
herflieſſen. Er vertherdigte es, daß das Vermögen zu denken
die einzige Grundkraft der Seele fen, woraus alle ihre Ver:
änderungen ihren Urſprung nehmen, und er entwickelte alles in
ſeinem Syſtem nach einer firengen mathematiſchen Methode.
Seine Anhänger riefen voll Bewunderung: ſehet hier ein Ges
bände, welches durch nichts erſchuͤttert werden kann! Seht,
wie aus den erſten, ungezweifelten Grundfägen alle Wahrhei—
ten nach richtigen Regeln der Vernunftlehre hergeleitet, und
zweckmeſſig verbunden ſind! Sehet hier das Syſtem aller Sys
Kenn, das hoͤchſte, vollkommenſte Meiſterſtäck der menſchli⸗
chen Vernunft! undre, welche nicht zu dieſer Schule gehoͤr⸗
ten,
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rer
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Vorrede. | vn
ten, dachten in manchen Stuͤcken anders. Sie bewunderten
den ſyſtematiſchen Scharfſinn dieſes Philoſophen, ohne ihm in
allen beyzupflichten. Sie ſtritten theils mit unverwerflichen
Gruͤnden gegen einzelne Saͤtze in dieſem neuen Syſtem. Andre
ſahen vielleicht in einem uͤbertriebenen Eifer, und durch die
Vorſplegelungen ihrer erhitzten Einbildungskraft getaͤuſcht, nichts
als die gefaͤhrlichſten Irrthuͤmer in Ruͤckſicht der Freybeit, der
Moral, der Theologie darinn, worauf Wolf nicht gedacht
hatte, und welche doch gegen alle feine Erklaͤrungen über dieſe
Sache einige ſeiner ſpaͤteren Anhaͤnger wirklich in ſein Syſtem
hineintrugen und ſie als Wahrheiten daraus herleiten wollten,
Kaͤmpfer traten gegen Kaͤmpfer auf, und der ruhige Denker
erkannte es leicht, daß aus einem Streit, welcher mit ſolcher
Hitze gefuͤhret wurde, eben fo wenig zum Vortheil als zum
Nachtheil des neuen Lehrgebaͤudes mit Gewißheit ſich etwas
folgern lieſſe.
Eben fo ſteht es itzt mit der neuen Kantiſchen Philoſophie,
welche ſowohl das Leibnitzwolfiſche als jedes andre niederzureiſ—
ſen drohet. Von beyden Partheyen treten nach und nach Maͤnner
auf, denen man weder Scharfſinn noch Wahrheitsliebe ab:
ſprechen kann. Ein jeder von ihnen überredet ſich, daß er blos
die Sache der Wahrheit fuͤhre. Die Vertheidiger des neuen
Syſtems ſind geneigt, es ihrem Gegner vorzuwerfen, daß
das allein Guͤltige der neuen Philoſophie nicht von ihm erkannt
werde, weil er von feiner bisherigen Vorſtellungsart deſio le:
bendiger uͤberzeugt iſt, je mehr Zeit und Muͤhe ſie ihm gekoſtet,
je mehr er ſie durch die Gruͤndlichkeit und den Reichthum ſei⸗
nes Talentes zu unterſtuͤtzen und auszuſchmuͤcken gewuſt hat;.
24 weil
VIII DVorrede. ‘
weil ihm dadurch alle unpartheyiſche Prüfung der neuen Lehre
unmoͤglich wird; weil ihm deswegen die Gruͤndlichleit derſel⸗
ben ungereimt vorkoͤmmt; weil er in die Principien derſelben
einen fremden Sinn hineintraͤgt; weil er auch mit dem beſten
Willen ſeiner langgewohnten, muͤhſam erworbenen Vorſtellungs⸗
art nicht entſagen kann; weil ihm, wenn er gar ein akademi⸗
ſcher Lehrer iſt, fein Syſtem deſto einleuchtender, geläufiger,
theurer werden muß, je oͤfterer und beſſer er es maͤndlich vor⸗
getragen hat, je mehr feine Principien in den verſchiedenen Fels
dern der Philoſophie, welche er bearbeitet, ihre Fruchtbarkeit
und Harmonie vor ſeinen Augen rechtfertigen, ſich mit ſeiner
geſammten Ideenmaſſe verweben, und in die Natur feiner Vers
nunft uͤbergegangen ſind; weil er ſich theils in eine neue Un—
terſuchung feines laͤngſt bewehrten vollendeten Syſtems einzu:
laſſen fuͤrchtet, theils auch nicht einmal wegen ſeiner uͤberhaͤuf—
ten Amtsgeſchaͤfte ſich dazu die Zeit nehmen kann.
Alle dieſe Urſachen, welche die Kantianer mit groffer
Ausfuͤhrlichkelt entwickeln, find allerdings Hinderniſſe, welche ſehr
oft die unpartheyiſche Prüfung eines neuen Syſtems erſchwerer
haben; ſie ſind aber euch ſchon von jedem Erfinder eines neuen
Lehrgebaͤudes, welches Gegner fand, fuͤr Hinderniſſe ausgegeben.
Ein jeder derſelben hat ſich daruͤber beklagt, daß nur dieſe ihre
abgemein gültigen Princlpien nicht allgemein geltend werden
laſſen. Ihre Gegner haben ihnen auch wieder dieſe Vorwürfe
gemacht, daß fie wegen ihres heftigen Hanges, als Sterne
der erfien Gröffe in der gelebrten Welt zu glänzen, und durch
eine rieſenfoͤrmige Kraft alle Gebaͤude ihrer Vorgänger nieder—
zuſtürzen, die Principien des Syſtems, welches fie zertrüms
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Vorrede. x
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mern wollen, nicht recht verſtehen koͤnnen, daß fie ihnen einen
falſchen Sinn andichten, daß fie ihrem neuen Syſiem durch Abs
weichungen von dem Redegebrauch, und durch dunkle ſchola—
ſtiſche Terminologien eine Staͤrke zu geben ſich bemuͤhen, welche es
ſonſt nicht hat, daß ihre Vertheioiger ſelbſt gegen ſich im Streit
ſind, daß ſie ſelbſt nicht wiſſen, was ſie recht wollen, daß
dieſe etwa glauben, ſich an einen Erfinder des neuen Ey:
ſtems, was Aufſehen macht, anſchlicſſen zu muͤſſen, um als
Vertheidiger deſſelben an dem Ruhm Theil zu nehmen, welchen
doch gewoͤhnlich Maͤnner erhalten, die ſich als ſolche ankuͤndi—
gen, welche der Welt ein Licht anzuͤnden werden, was bis—
her noch keinem menſchlichen Auge geleuchtet hat. Hier find
Anklagen gegen Anklagen, Beſchuldigungen gegen Beſchul—
digungen. Man müpte ein Fremdling in der Geſchichte der
Weltweisheit ſeyn, wenn man es nicht wiſſen ſollte, daß fie
oft gegenſeilig ihre gute Richtigkeit gehabt haben.
Die neue Kantiſche Weltweisheit iſt in der philofophis
ſchen Welt eine Erſcheinung, von welcher ihre Anhänger be—
haupten, daß ſie ihres gleichen noch nicht gehabt hat. Einer
ihrer ſcharfſichtigſten Vertheidiger iſt der Meynung, daß ſie
entweder durchgängig angenommen, oder durchgaͤngig vers
worfen werden muß, und dieß ſcheint ein ſehr richtiger
Aus ſpruch zu ſeyn. Einige wollen in ihr die vollendete,
völlig befriedigende Theorie des menſchlichen Erkenntnißvermoͤ—
gens, die einzige mogliche Quelle allgemein gültiger Grund—
füge und das in der Natur des menſchlichen Geiſtes gegründete
Syſtem aller Syſteme gefunden haben. Dieſen einigen, wenn
ſie aus wahrer Ueberzeugung ſo denken, wollen wir ſehr gerne
zu ihren höheren Einſichten Gluck wuͤnſchen. Allein ſelbſt Aus
5 haͤn⸗
x | vorre d e.
haͤnger dieſes Syſtems ſcheinen es ihnen doch vorzuwerfen,
daß dieſe und ähnliche Urtheile, welche fie nicht beweiſen koͤn⸗
nen, von dem groͤßten Theil der Philoſophen als ſtolze Anmaſſun⸗
gen und lächerliche Uebertreibungen aufgenommen werden muͤſ⸗
ſen. Herr Prof. Reinbold erklaͤret ſich hierüber fo: „es fehlte f
nicht an einigen unbärtigen und daͤrtigen Schriftſtellerchen,
die theils um etwas neues zu Markte zu bringen, theils um
ihren Tiefſinn bewundern zu laſſen, ſich zu Apoſteln des
alles zermalmenden Kants aufwarfen, und durch die Art,
wie ſie ſich dabey nahmen, den Unwillen und Spott wirklich
verdienten, gegen den die denkenden Verehrer des Kantiſchen
Verdienſtes, durch alles, was fie zur Beſtaͤtigung ihrer Urs
theile vorbringen konnten, kaum geſichert waren.“
—
Wie richtig iſt es nicht, was dieſer Mann von einigen
Kantianern urtheilet? Sind dieß die Waffen, wodurch ſie
ein Syſtem aufrecht zu halten denken, welchem ſie einen ſo uͤber⸗
triebenen hohen Werth beylegen, daß fie mit Hohngelaͤchter
auf Maͤnner herabſehen, die ſich nicht wie ſie zu der neuen
Lehre bekennen; daß ſie dieſe fuͤr Compendienſchmiede, ihre
Elnwuͤrfe für nichts als leere Luftſtreiche ſchelten; daß fie
vom Gewimmer und Gekraͤchſe der Verzweiflung der fterbens
den Leibnitziſchen Philoſophie ſchwatzen; daß ſie ſich die Kunſt
beylegen, die Quinteſſenz der Kantiſchen Philoſophie auf eis
nige Tropfen zu bringen? Wird Herr Prof. Kant ſich nicht ſol—
cher Anhaͤnger, ſolcher Vertheidiger ſchaͤmen muͤſſen? Er,
ein
— —
S. feinen Verſuch einer neuen Theorie des menſchlichen
Vorſtellungsvermoͤgens. d
Vorrede. N x
ein Philoſoph, der auch freylich feiner neuen Lehre einen
hohen Werth beyleget, aber weit davon entfernet iſt, mit
verachtenden Seitenblicken auf diejenigen herab zu ſehen,
welche anders denken, wie er; welcher fich in dieſen belei—
digenden Krieg durchaus nicht miſchet, worinn ſo manche Ver⸗
ſechter ſeines Syſtems mit Waffen erſcheinen, deren Ge—
brauch ſelbſt die niedrigſte Claſſe der Menſchen noch mehr er—
niedrigen wuͤrde; deren ein Weiſer, welcher fuͤr Wahrheit
ſtreitet, ſich nie erlauben wird, nicht kann, ohne ſich bis
zum Pöbel herabzuwuͤrdigen. Wer wollte ſich mit ſolchen
Leuten in einen Streit, für eine Lehre einlaſſen, deren Un—
terſuchung durchaus nicht durch aufbraufende Leidenſchaften,
ſondern allein durch ruhige Faſſung der Vernunft, durch ge—
naue, und woblgepruftt Abwaͤgung der Gruͤnde und Ge—
gengruͤnde von einem gluͤcklichen Erfolg feyn kann.
Die Kantiſche Philvfophie hat ihre Dunkelheiten. Sie iſt hie
und da“ unverſtaͤndlich. Dieß find die Klagen, welche uͤber die
Kritik der Vernunft von fo vielen tiefſehenden Männern in dieſem
Fache der Gelehrſamkeit gefuͤhret ſind. Selbſt ihre Vertheidiger,
fie mögen wollen oder nicht, muͤſſen dieß Geſtaͤndniß able⸗
gen. Man bedenke nur die viele ſaure Mühe, welche es
dem Herrn Prof. Reinhold nach feiner eignen Verſicherung
gekoſtet hat, ehe er in die Tiefe dieſer Philoſophie eindrin—
gen konnte, man vergleiche nur die Recenſionen, welche
Kantianer von den Werken machen, die von Kantianern vers
fertiget wurden, um auf die Principien dieſer neuen Lehre
Syſteme zu errichten: ſo wird kein Zweifel hieruͤber weiter
ſtatt haben koͤnnen.
Xl | Vorrede.
Dieſe Philoſophie will alle uͤbrige Syſteme blos für vers
unglädte Verſuche der Vernunft ausgeben. Sie will unferm
Verſtande zuerſt allgemein gültige Principien entdecket haben.
Wenn ſie nun wirklich dasjenige wären: woher kaͤme es
denn, daß, wie Herr Kcinbold ſchreibt, unter den zahl-
reichen Gegnern derſelben noch keiner aufgeſtanden waͤre,
der behauptet hatte, daß er den Sinn davon durchgaͤn⸗
gig gefaßt hatte? Woher kaͤme es, daß die Anhaͤnger
derſelben die Widerſpruͤche, welche ihre Gegner ihr vorwer“
fen, in jener Dunkelheit entdeckt zu haben behaupteten,
welche ihnen nicht unuͤberwindlich geweſen ſeyn ſoll, ſo
ſchwer fie auch ihrem Geſtaͤndniſſe nach zu überwinden
war? Warum mußten denn ihre Antworten auf die
bisherigen Einwendungen keinen andern Innhalt haben, als
daß fie die Gegner über den mißverſtandenen Sinn der Kris
tik zurechte wieſen? Wird dadurch nicht der Vorwurf einges
ſtanden, daß eine Schrift, welche von fo vielen ſcharfſichti—
gen Köpfen und ſonſt fo ganz competenten Richtern mißvers
ſtanden wird, dunkel ſeyn muͤſſe? Kann blos dieß die Urs
ſache davon ſeyn, daß ſie alle insgeſammt durch ihr altes
Syſtem unfähig gemacht find, eine Schrift, welche ihre eis
genthuͤmliche Klarheit hat, und uns zuerſt die allgemein guͤl⸗
tigen Principien der Vernunft entwickelt, zu verſtehen, daß
ſie Dunkelheiten hineinbringen, welche nicht in ihr liegen?
Wahre erſte Principien der Vernunft koͤnnen doch nicht blos
für Kantianer allgemein geltend ſeyn? Sie muͤſſen es für jes
den denkenden Kopf werden, weil ſie, wenn ſie es wirk—
lich ſind, auch fuͤr ihn ihre eigenthuͤmliche Klarheit haben.
Sie find die erſten Grundwahrheiter, welche ſelbſt aus der
Natur des denkenden Subiects entſpringen, und fuͤr dieſes
ihe
vorred'e. XIII
ihren eigenthuͤmlichen Glanz haben. Fehlet es ihnen an dieſem
fo wird keine Kritik der Vernunft es ihnen verſchaffen konnen.
Werden ſie als Principien der Vernunft fuͤr allgemein geltend
gehalten: ſo muͤſſen ſie unmittelbar in der Natur des denken—
den Weſens gegruͤndet ſeyn. Sollten ſie ihm unverſtaͤndlich
kleiben: ſo koͤnnte die Urſache davon nirgend anders als etwa
in den Ausdrucken liegen, wodurch fie bezeichnet wurden.
Werden dieſe beſſer, richtiger, beſtimmter gewaͤhlt: ſo muß ſich
die Dunkelheit und Unverſtaͤndlichkeit der Principien verliehren,
und ſtatt deren ein Licht aufgehen, deſſen Glanz kein Denker,
der eben die Beſchaffenheit der Denkkraft hat, verkennen kann.
Und doch ungeachtet aller Erklärungen, welche die Kantianer ges
geben haben, bleibt auch für die ſonſt einſichtsvollſten, ſcharf⸗
ſichtigſten Männer dieſe Dunkelheit. Wie ließ ſich dieß erklaͤ⸗
ren, wenn ſie nicht wirklich da waͤre?
Nach der Kantiſchen Philoſophie laſſen ſich die Grund,
wahrheiten der Religion, und Moral nicht demonſtriren,
und doch ſoll man daraus nicht ſchlieſſen koͤnnen, daß es
nach ihr keine allgemeingültige Gründe für fie gebe. Dieß
iſt einer von den paraboxen Saͤtzen, welche den Gegnern
dieſer Philoſophie ſebr befremdend vorkommen. Es ſoll nach
ihr zwar für dieſe Grundwahrheiten allgemeingültige Gruͤnde
geben, aber fie ſollen nicht dadurch demonſtrirt werden koͤn—
*
nen. Was heißt denn demonſtriren anders, als fuͤr eine
Wahrheit e Gruͤnde anführen ?
Raum
*
lv Vorrede.
Raum und Zeit ſind nach dieſer Philoſophie blos Tore
men ber Anſchauung, haben auſſer ihr durchaus keine obiec⸗
tire Guͤltigkeit, und wenn man ihnen eine ſolche Realität
beylegen wollte: fo würden Ungereimtheiten von der verwerf—
lichſten Art daher entſtehen. Dieß dehauptet Herr Rant mehr
als einmal mit den deutlichſten Worten, und doch ſagt Herr
KJeinbold, wenn man daraus ſchlieſſen wollte, daß Raum
„und Zeit nichts als Vorſtellungen (oder ſubiective Formen
der Anſchauung) waͤren: ſo wuͤrde man dadurch in die Kan—
tiſche Philoſophie einen fremden Sinn hineingetragen haben.
Will er alſo hiemit Raum und Zeit (nicht als Formen ſubiectiver
Anſchauungen, wovon die Rede hier nicht ſeyn kann) eine
obtective Realität beylegen oder nicht? Beylegen? Nun fo
widerſpricht er offenbar dem Kantiſchen Syſtem, und maß
es ſelbſt nicht recht verſtanden haben. Will er beyden dieſe
Realitaͤt adſprechen: fo wuͤrde er denen berpflichten muͤſſen,
welche jene Folgerung aus dem Syſtem nicht machen, ſon—
dern fie darinn ſelbſt von Herrn Prof. Kent gemacht fin—
den. Das Syſtem muß alſo entweder noch ſelbſt fuͤr Herrn
Reinhold feine Dunkelheiten haben, oder er entfernet ſich in
den Saͤtzen von ihm, welche er zwar darinn findet, aber
‚ihre Gültigkeit nicht anerfennet, ihnen nicht feinen Beyfall
giebt.
*
Doch meine Abſicht it es nicht, mich mit den Auhän,
gern dieſes Syſtems in einen Streit einzulaſſen. Ich habe
mich vielmehr ſelbſt an den Erfinder deſſelben gewandt, und
ihm itzt nur die Refultate der Prüfung vorgelegt, welche ich
über feine Transſcendentalaeſthetik angeſtellet habe. Ich hatte
meine
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5
Dorrede xv
meine Urſachen, warum ich die Gruͤnde, womit ich die
Principien, welche die Grundlage ſeiner ganzen neuen
Philoſophie find, beſtreite, ihm nicht unter dem gefaͤlli⸗
gen Gewonde bloſſer Zweifel entgegenſtellte. Ich bin
auſſer dem überzeugt, daß einem Philoſophen, wie Er iſt,
Deutſche Freymuͤthigkeit weit beſſer als eine Maske gefallen
f muß, welche unzeitige Beſcheidenheit luͤget. Ich geſtehe es,
daß ich von der Gültigkeit meiner Gründe eben fo uͤberzeugt
bin, wie er es von den ſeinigen ſeyn mag. Seiner ſtreng—
ſten Pruͤfung unterwerfe ich die meinige, und rechne im—
mer auf Gewinnſt für mich und vielleicht auch für die Wahr
heit ſelbſt, meine Gegengruͤnde mögen entweder ſeinen Bey⸗
fall finden, oder von ihm mit belehrenden Widerlegungen
verworfen werden. Kein einziges Syſtem unfrer Philoſophen
babe ich gegen das ſeinige in Schutz genommen, weil ich
keinem im Ganzen beypflichte, ſondern ſchon lange meinen
eignen Weg auf dem Gebiete der Weltweisheit gegangen
din, ohne die Arbeiten meiner Vorgänger zu verachten.
Auch dieß wird aus den Aphorismen einleuchten, welche
ich aus der Pſychologle zum Beſchluß hinzugefuͤget habe.
Sie ſind nicht itzt erſt von mir entworfen ‚ um fie feinem
Syſtem entgegen zu ſetzen, fondern ich habe ſie ſchon lange
für die meinigen erfläret. Sie ſcheinen hier aber am rechten
orte zu ſtehen, weil die Gruͤnde darnach 5 beſſer abge⸗
wor
—
N: XV. Voetie de, b
wogen werden Können, welche ich gebraucht habe, um bie
ſeinigen zu widerlegen. Nich ts wurde mir angenehmer feon, 5 |
als wenn ich durch dieſe Bemuͤhung entweder zur mehrern 5
Aufklärung und Berichtigung der Kantiſchen Philoſophie Gele⸗
genheit gegeben hätte, oder wenn auch mein Syſtem ſelbſt
den Bey fall einſichtsvoller Kenner erhlelte. f x
K., den 18 Febr. ö 5
1790. i 1
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Einleitung
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reinen Vernunft.
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J. Brief.
Mein Herr,
Freblich leidet es keinen Zweifel, Alle unfre Erkenntniß
nimmt mit Erfahrungen ihren Anfang. Es muͤſſen Gegen—
ſtände da ſeyn, welche unſte Sinne rühren, und dadurch
theils von ſelbſt Vorſtellungen bewirken, theils unſte Ver.
ſtandesfaͤhigkeit in Bewegung bringen, daß fie dleſe Gegen—
ſtände vergleichet, fie mit einander verknuͤpfet, fie trennet,
und ſo den Stof ſinnlicher Elndruͤcke zu einer Erkenntniß
der Gegenſtände verarbeltet, welche wir Erfahrung nennen.
Hätten wir dleſe nicht, fo würde unſer Erkenntnißvermoͤgen
nicht zu Ausübungen erweckt werden konnen. Die iſt bis—
her der Ausſoruch aller Weltweiſen geweſen, und Gie ge
ben ihnen hierinn vollkommen Benfall. Allein koͤnnen Sle
es nun auch in Abrede fern, daß Gegenſtande auſſer uns
und den Vorſtellungen, die wir uns don ihnen machen, ihre
obiective Realität haben, daß dleſe niht von unſter Vorſtel⸗
lungsart erſt ihre Beſtimmungen erhalten, ſondern daß bie
Anſchauungen, welche wir von ihnen haben, von dieſen abs
haͤngen, und ihnen gemäß ſeyn müffen, wenn fie anders
nlcht leere Hirngefpinnfte ſeyn ſellen? Wahr iſt es auch,
was Sie behaupten. Vor aller Erfahrung kann in Rüde
b ſicht der Zeit keine Erkenntniß in uns ſtatt haben. Dleß
iſt eine nothwendige Folge von dem, was alle Weltweiſe
ſo elnſtimmig behaupten.
= Sie läugnen es nicht, daß olle unſre Erkenntniß mit
der Erfahrung anhebe, und glauben demohngeachtet, bes
baupten zu koͤnnen, daß nicht jede aus der Erfahrung ent
ſotinge Erfahrung nennen Sie ſelbſt eine Erkenntniß von
Gegenſtaͤnden, welche auf die Sinne wirken. Sie wird ale
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22 Di
4 ee An
fo durch dleſe erwecket. Wir haben aͤuſſere Sinnen, wir
haben einen Innern. Durch dleſen werden wir uns der
Veranderungen In uns bewuſt. Alle Wirkungen alſo, wel⸗
che durch unſere Ktaſt zu denken und zu wollen, in uns her⸗
vorgebracht werden, alle Regeln, welche uns dle Natur
elngepflanzet, und wornach die Wirkungen dleſer Kraſt ers
folgen, find Gegenſtaͤnde unſers Innern Sinnes, und gehe⸗
ren mit zu dem Gebiete der Erfahrung. Sollten wir alſo
wohl nicht berechtlget ſeyn, zu behaupten, daß dle letzte
Quelle aller unfrer Erkenntniß doch zuletzt in Erfahrungen
müffe geſucht werden? Ich leugne es aber deswegen nicht,
daß unſte Erfahrungserfenntniß elne zuſammengeſetzte, theils
aus dem, was wir durch Eindrücke empfangen, thells aus
dem ſey, was unſer eigenes Erkenntnißoermoͤgen aus ſich
ſelbſt herglebt. Kelne Vorſtellung von Gegenſtaͤnden, und
ſolglich keine Erfahrung fönnte ſtatt haben, wenn wir nicht
dle Receptivitàt, oder das Erkenntnißvermoͤgen hatten. Auch
ſelbſt jede Erfahrung iſt eine Erkenntulß von individuellen
Gegenftänden. Unſte Denkkraft iſt aber ſo beſtimmt, daß
wir dle individuellen Eigenſchaſten von Gegenſtaͤnden weg⸗
laßen, und das Allgemelne denken koͤnnen, welches dle un⸗
mittelbaren Gegenſtände unſrer Erſohrung, als einzelne
Menſchen, elnzeine Splegel, gemeln haben, daß wir alſo
zu höhern Begriffen empor zu dringen, fähig ſind. Diele
find nun frelic) keine Erfahrungen mehr, aber die Seele
wurde ſich doch dleſe Begriffe nicht machen koͤnnen, wenn
keine Erfahrungen, oder Erkenntniße durch unſte Sinne
vorher gegangen wͤͤren. In dem Kinde hat dle Vernunft
noch keine Fluͤgel, ſo weit empor zu dringen. Es gehoͤren
Jahre und lange Uebungen dazu, um allgemeine Begriffe
aus der ſinnlichen Erkenntnlß zu zlehn, und ber Vernunſt
ein Gebiet zu erdifnen, worauf fie lebet und webet.
Sie werfen die Frage auf: kann es elne Erkennkulß
geben, welche von der Erfahrung und ſelbſt ven den Eins
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drüfen der Sinnen unabhaͤngig IN? — Dleſe Frage iſt
meiner Einſicht nach vlel zu unbeſtimmt, als daß beſtimmt
darouf geantwortet werden koͤnnte. Von der Erkenntniß,
die Gott hat, kann hier durchaus nicht die Rede ſeyn. Geis
fier, welche keinen organiſchen Körper (ſebema pr:rceptio-
nis) haben, wenn anders ſolche in dem Gebiete der Schoͤpſung
ſind, gehoͤren auch nicht hieher. Wir duͤrfen zugleich nicht den
innern Sinn als eine Erfohrungsquelle ausſchlieſſen. Ich mich:
te mich auch gerne erſt über dos Unabhaͤngigſeyn mit Ihnen
elnverſtehn. Unabhängig kann eine Erkenntniß in Anſehung
ihres Urſprunges, unabhängig in Anſehung ihres Innhalts
ſeyn. Wir koͤnnen alſo nun diefe beyden Fragen auſwerſen: 1)
koͤnnen wir wohl eine Erkenntniß haben, welche ihrem Inn⸗
halte nach, von allen innern und aͤuſſern Erfahrungen unab—
bäugig iſt? — Ich trage kein Bedenken dleſe Frage zu be
jahen. Jede Erkenntniß, welche blos Begriffe und richtige
Folgerungen aus ihnen in ſich faßt, iſt eine ſolche. Sie
begreift Wahrhelten, die ihre Richtigkelt haben wuͤrden, wenn
gleich Feine Gegenſtaͤnde in der Welt wären, worauf fie
koͤnnten angewandt werden. Wir finden zur Erläuterung
und Beſtaͤttigung dieſer Wahrheit dle glänzendften Bey
ſplele in der reinen Mathematik. Ihre Folgerungen aus
dem Begriff eines Quadrats wuͤrden ausgemacht wahr ſeyn,
wenn es auch keine Quadrate in der Weit gäbe. Die zwos
te Frage iſt dieſe: ſollten wir wohl eine Erkenntniß haben
koͤnnen, welche von innern und aͤuſſern Erfahrungen in An⸗
4 ſehung ihres Urſprungs unabhaͤngig it? — Dieſe moͤchte
ich verneinen, und ich gloube aus dem, was ich oben bes
bauptet habe, dazu berechti,et zu, ſehn. Ste bejahen dleſe
nicht gerade weg, nennen fir aber eine Frage, welche nicht
auf den erſlen Anſchein fo gleich abzufertigen iſt. Allein
durch dieſen Ihren Ausſpruch wl d in der Sache nichts aus.
gemacht. Wir find alſo berechtl et es von Ihnen zu ſodern,
daß Sie es beweiſen es gebe e ne Erkenntniß in uns, welche
in Anſehung ihres nn jeder Erſahrung rei
3 19
6
Hänglg fe» Nur dann erſt, wenn Sie dieſes gelelſtet haben,
koͤnnen Sie ſich das Recht anmaſſen, darauf die Einthel⸗
lung zu gründen, welche Sle hinzuſetzen. So viel ich weis,
find Sie der erſte, welcher eine Erkenntniß a priori diejenige
nennt, welche in Unſehung Ihres Urfprunges von jeder Er⸗
ſahrung unebpängig iſt: elne empirlſche diejenige, welche
ihre Quelle a poſteriori, nämlich in der Erfahrung hat.
Von dieſer Eintheilung koͤnnen Sie aber durchaus keinen
Gebrauch machen, moferne Sie nicht vorher bewelſen, daß
wir eine ſolche Eckenntniß a priori haben, oder haben fün«
nen. Sie haben ſich uͤbrlgens von dem Sprachgebrauch
entſernet. Eine Erkenntniß a priori heißt bey den übrigen
Ppiloſophen diejenige, welche wir uns durch Hülſe allge
meiner Begriffe verſchaffen. Eine Erkenntuiß a poſterioti
entſpringet blos aus Erfahrungen. Wir finden von beyden
eriauternde Beyſpiele in der emplriſchen, und der intellee⸗
tuellen Pſychologle. In jener bilden wir uns Begriffe aus
Beobachtungen, in dieſer verbinden wir die Begriffe, um
aus ihnen die Lehre don der Seele wiſſenſchaſtlich zu entwi⸗
ckeln. In jener erwerben wir uns Erkeuntniß a poſteriori,
a priori iu dieſer.
Sie geſtehen es, daß jener Ausdruck (vlellelcht meynen
Eile Erkenntniß a priori) noch nicht beſtimmt genug ſey,
um den ganzen Sinn, der vorgelegten Frage angemeſſen,
zu bezeichnen. Ich glaubte alſo hier von Ihnen mehrere
Aufklärung erwarten zu koͤnnen. Allein ich fand ganz etwas
anters, als was ich erwartete. Sie bemerken nur, daß
auch manche Erkenntniß, welche ous Erſahrungsquellen
entipringe, eine Eckenntniß a priori genannt zu werden
pflege, well wir fie nicht unmittelbar aus der Erfahrung,
ſondern aus elner allgemeinen Regel ableiten welche wir
gleichwohl ſelbſt aus der Erfahrung entlehnet haben. Frey⸗
lich hat man jo bisher in den Schulen der Weitweiſen ger
ſprochen, und dieß mit Recht nach ihrem Aenne u
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zwiſchen Erkenntniß a priori und a polteriori. Wir wiſ.
fen es a priori, daß, wann jemand das Fundament feines
Haufes untergraben wollte, es einftürgen würde, Nur er⸗
innern Sie hiegegen, daß wir es doch nicht gaͤnzlich a pri-
cri wiſſen konnten. Allein nach Ihrer Erklärung von der
Erkenntniß a priori konnte dieß, was Sie doch hier zum
Theil zugeben, durchaus nicht geſchehen. Denn wir ſollen
nur eine Erkenntniß a priori haben, wenn dieſe von der
Erfahrung ganz unabhängig iſt, und dieß iſt doch hler nach
Ihrem eignen Geſtaͤndniß der Fall nicht. Denn daß die
Körper ſchwer find, und daher, wenn ihnen ihre Stuͤtzen
entzegen find, fallen muͤſſen, dieß kann uns doch nur zuvor
durch Erfahrung bekannt werden. Schwer nennen wir die
Dinge, welche nach einem Naturgeſetze in Verbindung mit
unſrer Atmosphaͤre gegen den Mittelpunkt der Erde getries
ben werden. Die Schwere kann alſo keine Eigenſchaſt ſeyn,
welche den Dingen für ſich betrachtet zukommt, obgleich in
ihnen zugleich der Grund mit liegen muß, warum fie in
dieſer Verbindung grade nach dem Mittelpunkt der Erde bins
zudringen ſich bemuͤhn. Wir koͤnnen alſo dieſen allgemeinen
Satz als Regel bilden; alle Körper auf unfrer Erde, wels
che ein Beſtreben aͤuſſern, ſich nach dem Mittelpunkt der
Erde hinzubewegen, fallen, wann ihnen das Fundament,
worauf ſie ruhen, entzogen wird. Welche ſind aber dleſe?
Dieſe Frage hat man nur durch die Erfahrung vorher beant.
werten koͤnnen. Der Satz ſelbſt hat zum Sublect und zum
Pceaͤdikat Begriffe, iſt olſo ein allgemeiner Satz, und erzeu :
get eine Erkenntniß a priori nad) der gewoͤhnlichen und ges
gründeren Sprache der Weltweifen, aber noch der Ihrigen
durchaus nicht, weil fie in Anſehung ihres Urſprungs nicht
von der Erfahrung ganz unabhängig iſt.
Sie wollen in der Folge unter Erkenntniſſen a prio-
ni nicht folche verſtehen, die von biefer oder jener, ſondern
die ſchlechterdings von aller 3 unabhängig find,
; 4 und
3 — 8
und doch reden Ste glelch darauf von Erkenntulſſen a pri-
ori, welchen nichts empiriſches bepgemiſcht Ift, die es ganz
reln ſind, und ven ſolchen, dle nicht für ganz rein ale ſol⸗
che angeſehen werden konnen. Diefe Abthellung ſaſt offene
bar nach Ihrer erſten Erklarung einen Widerſpruch in
ſich, well nach dleſer beyde Gattungen nlcht denkbar ſind.
Sie rechnen zu der letzten Gattung von Erkenntniß a prio-
ri den Satz — eine jede Veranderung bat ihre Urſache,
und doch ſoll der Begriff von Veränderung aus der Erſoh
rung gezogen werden. Eben dies hat auch ſtatt in Anſe.
bung des Begrlſſes von Urſache. Ste heben alfa Ihren
Begriff von einer Erkenntniß a priori wieder auf, wenn
Sie dleſen Satz bieher rechnen. Nach Ihrer Erklarung ge
hoͤret er ganz zu den Satzen, welche a paſteriori gebildet
werden. Mich deucht, diefe meine Bemerkung hat Ihre
völlige Richtigkelt, und ich wuͤſte nicht, aus welchen Gruͤn⸗
den Sie dles leuanen koͤnnten. leben Sie wohl!
2. Brief.
Mein Herr.
Iſt es denn ſo gewlß, daß wir lm Beſithe gewlſſer Erkennt,
niße a priori (Ind, und daß ſelbſt der gemeine Verſtand
niemals ohne ſolche angetroffen wird. Sle behaupten dle.
ſes, auch wir, aber in ganz verſchledenem Verſtande. Bis⸗
her haben dle Weltweiſen elne jede Erkenntnlß als elne 3
priori angeſehen, welche aus allgemeinen Begriffen ent-
fpringee, wenn glelch diefe ihrem Urſprunge nach aus Er-
fahrungen erwachſen find. Sle denken ſich dieſe aber als
eine ſolche, welche ihrem Urſprunge nach ſchlechterdinggs von
oller Erfahrung unabhangig iſt. Dieß IR die Erfenneniß
a priori, deren Daſenn Sie bewelſen muͤſſen. Sie wollen
alſo Merkmale angeben, woran wir ſicher eine reine Er⸗
tenntniß a priori von elner emplrlſchen unterfcheiden koͤn.
a i nen,
nm
9
nen, und ich werde fie nach der Erflärung prüfen, welche
fie von elner reinen Erkenntniß a prlori gegeben haben.
Freylich lehret uns die Erfahrung blos, doß etwas fo und
nicht anders beſchaffen ſey, aber nicht, daß es nothwer dig
fo ſeyn müffe. Allein fie lehret uns doch, daß ein Ding
diefe und keine andere Beſchaffenhelt habe; unfre Vernunft
bildet daher Erfohrungsurtheile, und muß nun erſt Gruͤnde
auſſuchen, wenn fie die Allgemeinheit dieſer Satze beweiſen
will. Die Erſahrungsurtheile haben jederzelt zum Subiect
ein Individuum, ein einzelnes durchaus beſtimmtes Ding.
Will die Vernunft fie zu allgemeinen Sätzen erheben: fo
darf ſie nur das Individuelle weglaſſen, und ſich das Sub—
iect fo wohl als das Praͤdicat ohne dieſe Beſtimmung, und
ſolglich als etwas allgemeines denken. Unter ſuchet fie
nun, ob dieſe Saͤtze allgemein, od fie nothwendig wahr
ſind: fo beſchaͤftiget fie ſich mit Saͤtzen, welche aus der Ers
fahrung gezogen find, und deren Erfenntniß nlcht von Dies
fer ihrem Urſprunge nach als ganz unahhängig gedacht
werden kann Wie konnen Sie alſo behaupten, daß jeder
Satz, welchen unſte Vernunft ſich zugleich mit feiner Noth⸗
wendigkelt denket, ein Urtdeil a priori in dem Verſtande
fen, wle Sie die Erkenntniß a priori erklaͤret haben? Denken
Sie ſich den Setz: der Menſch iſt ein vernünftiges Thler.
Woher entſtand er zuerſt in Ihrer Vorſſellung? Zogen Sie
ihn nicht aus Beobachtungen, welche Sie über den Mens.
ſchen anſtelleten? Denken Sie ſich ihn nun mit feiner Noth.
wendigkelt: fo wird dadurch fein erſter Urſprung aus Er—
fahrung nicht aufgehoben. Sie find ferner berechtiget, aus
ihm den Satz her zuleiten: alle Menſchen muͤſſen einen or⸗
ganiſchen Körper haben, weil dieſt Praͤdicat aus dem Be⸗
gr ff nothwendig folat, welchen Sie als ein nothwendiges Praͤ.
dicat von einem Menſchen angeſehen haben. Sie haben
alfo dieſen letzten Satz mit feiner Nothwendigkelt aus dem
erſten gezogen, weichen Sie mit feiner Rothwendigkelt ti
dachten. Wird er aber deswegen feinem erfien Urfpey uge
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10
nach von aller Erſahrung ganz unabhaͤngig ſeyn? Er konn
alſo nach Ihrer Erklarung von einer Erkenntniß a priori
durchaus nicht als ein Sotz angefehen werden, welcher ſchlech.
terdings a priori iſt. Wir find fteylich berechtiget, Saͤtze,
worlnn Sublect und Praͤdicat als allgemeine Begriffe ges
dacht werden, und welche wir mit iheer Nothwendigkelt
denken, fo zu nennen. Allein nach ihrem Begrißfe von el.
ner Erkenntniß a priori kann die Nothwendlgkeit, womit
Sle einen Setz ſich denken, keln ausſchlieſſendes Merkmal
davon ſeyn, daß er eln Satz a priori iſt. i
Sie behaupten, doß die Erfahrung niemals den Saͤt⸗
zen, welche aus ihr gezogen weiden, wahre oder ſtrenge,
ſondern nur ongenommne und comparative Allgemeinheit
glebt. Ohne Zweifel wollen Sie hiemit fogen: dle Ver.
nunſt iſt nicht berechtiget, in Sätzen, welche aus Erfahrung
gezogen find, die Sublecte als allgemeine Begriffe anzufes
hen, von welchen die Prüdlcate fo geſagt werden konnen,
daß fie allen einzelnen Dingen zukommen, welche unter den
Sublecten begriſſen werden. Dieß iſt wahr, aber auch
ſolſch, es koͤmmt darauf an, wie viel elnzelne Dinge unter
dem Subiect liegen. Iſt ihre Anzahl von zu groſſem Ums
fange, als daß eine vollkommne Inductlon durch dle Ers
ſohrung moͤglich wäre: fo haben Sie Recht. Woſerne aber
ihre Anzahl fo eingeſchraͤnkt it, daß wir bey jedem einzel,
nen Dinge das Prädicat durch Erfahrung gewahr werden
können: fo konnte doch auch durch dleſe die allgemeine Wahn
heit des Sotzes durch Erfahrung beſtättlget werden. Den
ken Sle ſich eine beſtimmte Anzahl von Menſchen, welche
elne Geſellſchaſt ausmachen. Koͤunten wir von jedem bewei⸗
fen, daß er ein Gelehrter wäre: fo wäre unfre Vernunft
berechtlget aus Erfahrung durch elne vollſtändlge Inductl⸗
on biefen allgemeinen Satz zu bilden: alle Mitglieder ter
Geſellſchaft find Gelehrte, und ich denke unmer, daß Ihre
Vernunft gegen die Allgemelnbelt dieſes Satzes nichts ein.
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zuwenden habe. Wir konnten nicht blos ſogen, fie find
gelehrt, fo viel wir bisder wahrgenommen haben, fontern
weil mir es aus Erfahrung wiſſen. Sie würden alſo auch
ſchen deswegen nicht behaupten koͤnnen, daß ein Urtheil,
in ſtrenger Allgemeinheit gedacht, fo daß gar keine Aus.
nahme verſtattet wird, nicht von Erfahrung abgeleitet, forte
dern ſchlechterdings a priori gültig fen. Sie ſitzen zwar
hinzu — keine Ausnohme als moͤglich gedacht — dieß kann
doch nichts anders heiſſen, als dleſes, bey dem Satze bleibt
es auch nicht mehr moglich, ein einzelnes Ding zu ben
ken, welches unter dem Subiect begriffen iſt, und doch
das Prädicat nicht batte. Auch dleß läßt ſich von dem obi—
gen Inductionsſatz behaupten, wenn man ſich es als eine
ſeſtſtehende Regel der Geſellſchaft denket, daß nur Gelehe—
te aufgenommen werden koͤnnen. Denken wir uns dleſen
Satz — alle Menſchen haben einen organiſchen Koͤrper: ſo
koͤnnen wir feine Allgemeinheit freylids durch keine vollſtaͤn.
dige Induction erkennen. Allein wird er dadurch, daß
wir ihn in ſtrenger Allgemeinheit uns vorſtellen, fo daß gar
keine Ausnahme als moͤglich verſtattet wird, ſeinem erſten
Urſprunge nach von aller Erfahrung unabhängig, und alſo
nach Ihrer Erklarung ſchlechterdings ein Saß a priori?
Allgemeinheit und Nothwendigkeit koͤnnen alſo bey einem
Urtheile gedacht werden, und die Erkenntniß, die wir als.
dann haben, iſt demohngeachtet nichts wenlger als eine Er⸗
kenntniß a priori nach der Erklarung, die Sie von ihr ges
macht haben. Und wie find denn Allaemeinheit und Noth⸗
wendig die ſichere Kennzeichen einer Erkeuntniß a priori,
und zwar fo, daß wo diefe nicht iſt, auch keine Erkenntniß a
priori ſtatt haben, kann? Wir bilden in der reinen Mathemas
tik viele Süße, die nichts wenſger als allgemein wahr find,
Nicht alle ſondern nur einige Vierecke find Parallelograms
men; nicht alle fondern nur einige Körper find regulalre
Korper. Unzaͤhllge Soͤtze von der Art konnte ich Ihnen
aus der reinen Mathematik ausheben, in welchen das Pra.
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dleat weder allgemein noch nothwendig dem Sublect zu ·
koͤmmt. Wohin wollen Sie alſo diefe Saͤtze rechnen? Et
wa zu der Erkenntniß a priori? Dann fehlten ihnen die
Merkmale, woran Sätze nach ihrer Erklarung als ſolche
erkannt werden, die zu dleſer Erkenntniß gehören. Sollen
fie zur Erkenntniß a poſteriori gerechnet werden: fo zieht
der Geometer fie nicht aus Erfahrungen, ſondern viel.
mehr aus Vergleichung allgemeiner Begriffe. Sie ge.
bören alſo eigentlich zu keiner von beyden Erkenntnlßarten,
welche Sie angenommen haben.
— ä ů
Eine ſtrenge Allgemeinhelt, welche weſentlich zu elnem i
Uetheile gehöret, ſoll auf eine beſondre Erkenntulfquelle, naͤm⸗
lich auf ein Vermögen der Erkeuntniß a priori hinzeigen.
Und welche If denn dieſe Erkenntnißquelle? Keine andre,
als unfre Vernunft, wodurch wir ſaͤhlg werden, zuerft |.
durch Hülfe der Erfahrung Begriffe zu bilden, fie in Eät. |
zen zu verbinden, ihre Wahrheit, in wie weit fie blos Er⸗
75
ſahrungsſätze find, durch Wahrnehmung anzuerkennen, das
Indloiduelle aus den Sätzen wegzuloſſen, fie im allgemel. |; g
nen zu denken, und nun aus Gegeneinanderhaltung mehre-
rer DBegr.ffe nach den Pelneipien des Wlderſpruchs und
des zu eichenden Grundes, welche welter keines Lichtes be-
dürfen, Feines groͤßern für uns fähig find, als welches ſie
als angebohrne urfprüngliche Principlen unſter Denkkraſt
2
&
Bi
Fi
haben, es zu unterſuchen, ob das Praͤdleat vom Sublet
allgemtin oder nur unter Einſchraͤnkungen gefagt werden
kann, ob es not! wendig oder zufällig Iym zukomme. Al.
eln von dieieın Vermaͤgen der Erkenntniß, von dieſer Et. 5
kenntnißquelle koͤnnen Sie bier nicht reden, Sie müͤſſen ſich
eln Vermögen Ber: Seele denken, vermoͤge deſſen fie ſich,
Erkenntniſſe von Wahrbeiten verſchaſſen kann, welche ih.
h
daß wir ein ſolches Eıkenntnißvermägen haben. d,
tem Ursprunge nach ganz unabhängig von aller äuffren und
Innern Erfahrung find. Bewleſen haben Sie es noch nicht,
muß
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| müffen es alſs noch erſt erwarten, ob Eie dieß lelſten
koͤnnen. a
Doch Sie behaupten gleich darzuf, es fen Ihnen
lelcht, zu zeigen, daß es dergleichen noihwendige, und im
firengften Sinn allgemeine, mithin reine Urtheile a priori
in der menſchlichen Erkenntnlß gebe. Sie haben dadurch
meine Auſmerkſamkeit ſehr geſpannet. Ich werde ſehen,
wie Sie dieſe befriedigen. Sie berufen ſich auf alle Saͤt⸗
ze der Mathematik. Diefe koͤnnen unmöglich alle hieher
gehören Die Soͤtze aus der Optik, Hydreſtatik, Aftroe ,
nomie, kurz aus allen Theilen der angewandten Mothema—
tik find hier aus geſchleſſen. Doch Sie ſchelnen ſich unbe⸗
* ſtimmter ausgedruckt zu haben, als Sie es wollten. Sie
— 5
* 1 ud
— —— —
9 pe
un — - BA en K
wollen nur don Sätzen der reinen Mathematik reden. Ich
wünſchte aber, daß Cie nur einen einzigen angeſühret hätten,
von welchem Ste beweiſen konnten, daß er auch dem Urs
ſorung feiner Erkenntniß nach in uns von ollet Erfahrung
unabhaͤngig fey. Unabhängig find fie alle von ihr in Anſe⸗
bung Ihres Innhaltes, weil dieſe Wiſſenſchaft blos allges
meine Begriffe zu Gegenſtaͤnden ihrer Unterſuchung nimmt.
Dieß haben alle Kenner der Mathematik eingeſehen, und
dieß iſt allein die Urſache, weewegen fie dieſe eine reine
Mathematik genannt haben.
Sle berufen ſich auf dleſen Satz — alle Veraͤnderun—
gen muͤſſen elne Urſache haben. Allein haben Sie dieſen
Setz nicht ſelbſt ſchon oben als einen ſolchen angeführt, wel⸗
cher kein relner Setz a ptlori iſt, welcher alſo, ehe et ge
bildet werden kann, Erfahrung voraus feger ? Sie find
alſo nicht berechtiget ihn als ein Beyſpiel von Erkenntniß
a priori nach Ihrer Erklaͤrung zu gebrauchen. Der Bes
griff einer Urſache faßt offenbar den Begriff der Nothwen⸗
diakeit der Verknüpfung mit elner Wirkung in ſich. Dieß
lleugne ich nicht, weil Urſache ohne Wirkung nicht gedacht
2 er.
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— —— — -
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werden kann. Allein wie erhielten wir zuerft ben Begriff
von Urfache und Wirkung? Haben wir ihn nicht durch
Hülfe der Erfahrung gebiinet?. Foiget denn daraus, we l
keine Utſache obne Wirkung, und dieſe nicht ohne jene ge.
dacht werden kann, daß olle Veränderungen Wu kungen
ſeyn muͤſſen, und wenn diefe Folge nicht gegruͤndet waͤre,
würden Sie dern bios deswegen, weil der Begriff von Ure
ſache nothwendig den Begriff der Wirkung erzeugte, eine
ſtrenge Allgemeinheit dieſes Setz's oder dleſer Regel aner⸗
kennen: — File Veränderungen müffen eine Urſoche haben.
Die Allgemeinheit dieſes Sotz's erkennen wir entweder aus
dem Grundeatz von zureichenden Urſachen, oder wir werden
nie zur Gewißheit deſſelben geiongen. Hler finden wir elne
uns ongebohrne Grundregel, wornach unfre Vernunft ſich
die Verknüpfung der Dinge denkt. Dieſe Regel ſelbſt ent.
deckt fie dann eiſt, wenn fie über die Art ihrer Wirkſamkelt
nachgedacht hat, dieß der Scele angedohrne Geſetz, wor⸗
nach fie denket, deraushebt, und es ſich in einem Safe
deutlich darſtellt. Hätte Hume nichts weiter ſagen wollen:
“fo würde er doch fo gonz Unrecht nicht haben. Die Bey⸗
fpiete, welche Sie bisher angeſuͤhret haben, um die Wuͤrk⸗
lichkeit relner Grundiäge in unſter Erkenntniß nach Ihrer
Ecklaͤrung zu beweifen, find alſo zu Ihrem Zwecke ganz
untauglich.
Ste wollen dieſe Ihre Abſicht noch auf einem andern
Wege zu erreichen ſucen. Sie glauben die Unentbehrlich⸗
keit folder reinen Erkenntniß zur Möglichkeit der Erfah⸗
rung ſelbſt, mithin a priori darthun zu koͤnnen. Woſerne
Sie dieſe Ihre Behauptung ſelbſt deutlich gedacht haben:
fo muß di⸗ß doch wohl Ihr Gedanke fenn: Selbſt Erfah
rungen find nicht möglih, wenn nicht reine Etkenntniß a
priori in der Seele da ware, und jene moͤalich machte.
Wäre denn dieß durchaus nothwendig: ſo müßte dle relne
Erkenneniß a priori vor aller Erfahrung in der Seele da
ſeyn.
— —— g
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ſeyn. Alleln dleß widerſpricht grade dem von Ihnen bes
haupteten Saß: der Zeit nach geht keine Erkenneniß in uns
vor der Erfahrung vorher. Welches iſt nun von beyden wahr?
Doch wohl das letzte, und alſo muß das erſte unwahr ſeyn.
Erfahrungen erhalten unſern Benfoll, weil wir durch fie wife
fen, welches Prädicat einem individuellen Subiect zukommt,
und die Gewißheit des daher entſpringenden Erfahrungsfats
zes erzeuget ſich in unfrer Seele nach dem Gtundſaß des Wis
derſpruchs, welcher als Regel des Denkens uns angebohren
iſt, und als Grundſatz von unfrer Vernunft durch Beob—
achtung unfrer innern Wirkſamkeit gebildet wird. Wel.
cher Weltwelſe wird aber blos Erfahrungsſaͤtze für erſte
Gtundſätze gelten laſſen? Saͤtze, die unmittelbar aus Er—
ſahrungen gezogen werden, haben zum Subiect durchaus
beſtimmte Dinge (indiuidua) und find alſo in fo weit kel—
ne allgemeine Saͤtzt — Geundſaͤtze. Will die Vernunft fie
dazu erheben: fo muß ſie die lndividuellen Beſtimmungen
abſondern, und nun unterſuchen, in wle weit dieſe Saͤtze,
welche ihrem Urſprunge nach von Erfahrungen abhängen,
als allgemeine Regeln oder Grundſaͤtze ihre Gultigkeit ba»
ben. Ich kann es Ihnen alſo durchaus nicht zugeſtehen,
daß Sie den reinen Gebrauch unſtes Eckenntnißdermoͤgens,
oder daß Sie die Wuͤrklichkeit der reinen Erkenntniß 2
priori, welche ihrem Urſprunge nach von aller Erfahrung
in uns unabhängig iſt (denn davon war die Rede) als That⸗
ſache ſammt den Kennzeichen derſelben dargelegt oder ber
ſtimmter, bewleſen haben. 5
Sie uͤberreden ſich auch, daß es Begriffe gebe, wel.
che in uns a priori d. h. nach Ihrer Erklaͤrung unabhängig
von aller Erfahrung entſpringen. Sie fodern es, daß wir
aus dem Erfahrungsbegriff von einem Körper olles, mas
darinn emplriſch iſt, als Farbe, Härte, und Weiche,
Schwere, ſelbſt Undurchdringlichkeit wegwerfen. Was
bleibe nun noch übrig? Raum! Gut; aber fo lag doch
| Ä die
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16 ere ei ET
dleſer auch In dem Erfahrungsbegrlff, gehoͤrte mit zu fel,
nem empirlſchen, und die Erkenntniß von ihm, oder fein
"Begriff entſprang aus Erfadrung, und iſt alſo nicht von
dleſer ganz unabhängig. Können Sie die Richtigkeit Dies
bleſer Folgerung leugnen? Der Raum bleibt uͤber, wenn
der Koͤtper ganz verſchwunden iſt. Wo? Etwa in un⸗
ſter Vorſtellung? Dleß bat bey allen Erfahrungsbegriffen
fiatt, wenn unſte Vernunft durch Abſonderungen bis zum
böchſan Geſchlecht (ad, ſuptemum genus) empor ſteigt.
Etwa auſſer unſrer Vorſtellung verſchwindet der Körper,
no er war, und Raum bleibt über. Wir wollen dleſen
Fall hier annehmen. Was geht dieß unſer Erkenntnlßver⸗
raöcen an, und wle kann dadurch in uns elne reine Er⸗
tenutnlß a priori etwachſen? Sie haben Recht. Wenn
wir sun einem Oblecte, welches durch Erfahrung uns be⸗
kannt wird, alles abſondern: fo muͤſſen wir uns dieſes doch
zuleßt entweder als Subſtanz oder Beſtimmung elner Sub⸗
ſtanz denken. Wir koͤnnten auf der Leiter der Ideen noch
höher empor ſteigen, well bende unter dem Beariff des
zög lichen begelffen find. Durch welche Nothwendigkeit kann
ſich lütſer Begriff uns anders aufdringen, als well unfre
MVerriunſt es gewahr wird, daß er in dem Erfabrungsbegeiff
mit enthalten iſt, nicht weil er ln unferm Erkenntnißver⸗
mo gen a priori, d. h. feinem Urſprung nach von aller Er⸗
fahrung unabhängig llegt, oder wie Sie ſprechen, ſelnen
Sitz bat. Mit aller Achtung, welche ich übrigens für Ih.
re Verdienſte habe, muß ich es Ihnen bekennen, daß Sle
meine Erwartung nicht befrlediget, und nichts weniger als
Beinlefen haben, daß ſich bey uns eine reine Erkenntulß a
priori, oder wie Sie dieſe erklaren, elne ſolche finde, wel⸗
che in Auſehung Ihres Urſprungs nicht etwa von dleſer oder
jeuer, ſondern ſchlechterdings von aller Erfahrung unabhaͤn⸗
gig iſt. Ich habe dle Ehre zu ſeyn,
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3. Brief.
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3. Brief.
Mein Herr,
Die Philoſophle bedarf einer Wiſſenſchaft, welche die Moͤg⸗
lichkeit, die Principlen, und den Umfang aller Eckennt—
n!ß a priori beſtimmet. Mit dieſem Satze wird uns von
Ihnen angekuͤndiget, was Sie uns itzt lehren wollen. Ich
erwartete alſo, daß Sie ſich daruber erflärten, wie Sie Phi—
loſophie von Wiſſenſchoſt unterſcheiden, daß Sie es ent—
wickelten, worinn dieß Beduͤrſniß der Ppilofepyie beftehe,
daß Sie es zeigten, was Moͤglichkeit, was Principlen, was
der Umfang der Erkenntniß a priori in Ihrer Sprache,
die überall fo viel ungewöhnliches hat, bedeute, und daß
Sie nun aus allen dieſen dieß Beduͤrſniß der Philoſophie
beweiſen würden. Allein von allen dieſen haben Sie in der
folgenden Abhandlung kein Wort geſagt. Sie berufen ſich
auf Erkenntniſſe, weiche das Feld aller möglichen Erfah—
rungen verlaſſen, und durch Begriffe, denen uͤberall kein
entſprechender Gegenſtand in der Erfahrung gegeben werden
kann, den Umfang unſter Urthetle über alle Grenzen ders
ſelben zu erweitern ſcheinen. Allein welche ſind denn die
Eckenntuſſſe, welche das Feld aller Erfahrungen verlaſſen?
Sind fie Erkenntniſſe a priori nach Ihrer Erklärung, und
alſo auch ihrem Urſprunge nach von aller Erfahrung unab—
haͤngig: fo find Sie noch nicht berechtiget, dieſe in unfrer
Seele anzunehmen, weil Sie bisher weder ihre Moͤgllchkeit
noch Wuͤrklichkeit in uns hinreichend bewleſen haben. it
die Vernunft zwar durch Erfahrung auf fie geleitet, kann
fie dieje aber nicht durch Erfahrung als allgemeine Säge
darthun: fo muß ſie ſrevlich dae Feld der Erfahrung vers
loffen, wenn fie doch dieß leiſten, und folglich den Umfang
ihrer Uctheile über alle Grenzen der Erfohrung erweitern
will. Allein wie muß fie nun Gründe für die Allgemein
heit ſolcher Saͤtze ſuchen, 155 dieſe anwenden? Die Fra-
an 12 9 ge
ES VE ͤ ²˙ AA ER AESBEEEFETE RR SE A
ı8 eee eee eee,
ge kann freylich aufgeworfen werden. Sle haben ſich über
dieſe noch wicht erflärt, und lch werde auch deswegen dleſe
bier noch unetoͤrtert laſſen.
Grade in dleſen letzten Erkenntulſſen ſollen dle Nach⸗
for ſchungen unſter Vernunſt liegen. Alleln dieß thun fie
nun elgentlich doch nicht. Das vor zuͤgliche Geſchaſte un.
frer Vernunft glelet dahin, Gründe für ſolche Erfenntniffe
aufzuſuchen, welche über die Sinnewelt hinaus gehen. Wiels
lelcht haben Sie auch nur dleß ſagen wollen. Unfre Wiß ..
beglerde relzet uns allerdings, Fragen aufzuwerſen, welche
dle Vernunft nicht mehr aus bloßen Erfahrungen beant⸗
worten kann, und die Befriedigung unſrer Wißbegierde
iſt für uns ein fo groſſes Beduͤrſulß, daß wir ſo gar, auf
dle Geſaht zu lrren, ehr alles wagen, als daß wlr elne fo
angelesne Unterſuchung aus irgend einem Grunde der Be⸗
denklichkelt, oder aus Geringſckaͤtzung aufgeben ſollten.
Iſt ein unendliches Weſen da, welches von der Welt
unterſchieden iſt, und derſelben ihr Daſeyn gegeben hat?
Sit Freyheit ein Elgemhum der Menſchen? Haben wir eis
nen unſterblichen Gelſt? Wichtige Fragen für uns. —
Allein kann unſte Vernunſt dleſe Frogen auſwerſen, wenn
ſie ſich kelne Begriffe von Gokt, Unſterblichkelt, Freyhelt
gemacht hat? Aus welcher Quelle hat fie denn dleſe ge
ſchoͤpfet? Können Sle es in Abrede ſeyn, daß unſte Ver-
nunft auf Veränderungen auſſer und in uns, auf dle Art,
wie Entſchluſſe in uns entſpringen, auf das Hlnſterben der
Tholere vorher aufmerffom ſeyn mußte, um durch NHülfe
dieſer Wahrnehmungen ſich elne Vorſtellung von Gott,
Freyheit, Unſterblichkeit machen zu koͤnnen? Und nun ward
fie erſt fähig, die obigen Fragen aufzuwerſen. Metaphy⸗
fie iſt eine Wiſſenſchaſt, welche ſich mit Beantwortung dies
ſer Fragen, oder wie Sie es ausdrücken, mit Aufloͤſung
dieſet Aufgaben beſchaͤftiget, ob ſie gleich auch andre Zwe⸗
a cke
cke zu errelchen ſucht. Warum muß aber dle Verfahrung
dieſer Wiſſenſchaſt in Anfang ohne alle vorhergehende Prüs
fung des Vermoͤgens oder Unvermoͤgens, welches die Ver—
nunft zu einer fo groſſen Unternehmung hat, zuverſicht⸗
lich die Ausführung uͤbernehmen? Wo iſt eln Weltweiſer
geweſen, der, wenn er anders diefen Namen mlt Recht vers
diente, es ſich erfühnen konnte, die Metapbyſik als elne
Wiſſenſchaſt zu bearbeiten, ohne vorher das Vermoͤgen feis
ner Vernunft zu dieſer wichtigen Unternehmung gepruͤſet zu
haben? In der Vernunftlehre haben die Weltwelſen doch
immer dieß zum Hauptzweck gehabt. Eine andre Fra»
ge iſt es, ob fie dieſe Prüfung vorher vollendet hatten?
Dleß koͤnnen Sie unterſuchen, aber auch uns das Recht
nicht ſtreitig machen, eben dieſe Frage in Anſehung Ihrer
angeſtellten Prüfung aufzuwerſen, und fie wieder zum Ges
genſtand unſter Unterſuchung zu machen.
Freylich iſt es ſehr natürlich, daß kein Phlloſoph, welcher
biefes Namens wuͤrdig iſt, ein Gebäude errichten wird, ohne
vorher die Grunde ſorgkaͤltig gepruͤſt zu haben, worauf er es er⸗
bauen will, oder wle Sie es in einer Ihnen eigenthuͤmlichen
Sprache aue drücken, ohne der Grundlegung durch eine
forgfältige Unterſuchung verſichert zu ſeyn. Man hat, welches
Sie zu leugnen ſcheinen, die Frage vorlängft aufgeworſen,
wie denn dle Vernunft zu wiſſenſchaftlichen Kenntuiſſen ges
langen kann, welchen Umfang, welche Guͤltigkeit, welchen
Wehrt die Saͤtze in Anſehung der Folgerungen haben, dle
daraus gezogen wurden. Ohne gegen unſte beſte Philofos
phen ungerecht zu ſeyn, kann man ihnen dieß Verdlenſt
nicht abſprechen. Ich koͤnute es Ihnen zugeben, daß es
uͤbrigens ſehr begreiſlich fey wie eine ſolche Unterſuchung lan⸗
ge unterbleiben kann.
Die mathematiſche Erkenntniß iſt ſchon lange in dem
Beſitz der Zuverlaͤſſigkeit geweſen. Alleln wodurch anders
konnte fie zu diefem Beſize kommen, als well die Vernunft
BS die
*
20 eee,
die Gründe prüfte, worauf ſich diefe Wiſſenſchaſt ftüget, als
well fie den Quellen nachſpüͤbrete, woraus fie diefe Kennt⸗
niſſe ſchoͤpſte. Wenn nun die Vernunft einmal auf die
rechte Bahn geſuͤhret iſt: fo entſteht daher die guͤnſtige Er⸗
wartung, nicht, daß fie in den hellen Köpfen der Denker bey ei⸗
ner Wiſſenſchaft die Bahn verlaſſen, ſondern vielmehr auf
derſelben fortdringen werde. So ganz ſicher kann ſie doch
nicht ſeyn, daß, wenn ſie in ihren Speculatlonen ſich über.
dle Erfahrung erhebt, und allgemeine Satze aus ihnen fols
gert, ſie nie durch Erfahrung widerlegt werde. Dieß
Schicksal hat fie mehrmal erfahren, daß die Allgemelnheit
ibrer Saͤtze, wenn ſie zu raſch zur Bildung derſelben ſort—
ſchritt, durch elne Inſtanz wieder zertcümmert wurde, und
dieß machte ſie vorſichtig, nicht ihre Erdichtungen nur mit
mehrer Beputſamkeit zu entwerſen, um ſie gegen klare Wi⸗
deripräche zu ſichern, ſondern ihre Gründe genauer zu pruͤ—
ſen, und es zu unterſuchen, In wle weit fie hinreichend find,
um die Gültigkeit Ihrer Säge in dem Umfange, welchen
fie ihnen gegeben hat, überzeugend zu erkennen. So mach—
ten es unſte Leibnitze, unſte Wolfe, und ſo vlele andre
deutſche und ausländifhe Philoſophen. Dieß it Wahehelt
der Geſchichte, welche durch keinen Machtſpruch in Uns
wahtheit umgeſchaſfen werden kann.
Die Mathematik glebt uns die glaͤnzendſten Beyſple⸗
le, wle weit die Vernunft es in der Erkenntniß a priori,
nicht in wle weit diefe von aller Erfahrung in Anſehung Ih.
res Urſprunges, ſondern ihres Innhaltes unabhängig iſt,
bringen kann. Alle Gegenſtaͤnde, womit fie ſich beſchaͤſti.
get, konnen wir uns nach Ihrem Ausſoruch in der Anſchcu⸗
ung darſtellen. Ich wiuſchte, daß Sie es genau erklaͤret
hätten, was Sie elgentlich dabey denken, wenn ſie behaup⸗
ten, daß wir uns etwas in der Anſchauung darſtellen. Wols
len Sie damit fo viel ſagen, die Zeichen, worunter wir uns
die Oegenſtaͤnde la der Geometrie denken, ſind en
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21
Worte, ſondern die Gegenſtaͤnde ſelbſt, wovon dle Ver⸗
nunft Abſtractlonen, oder allgemeine Begriffe bildet: fo
hat ſreylich dieſe Wiſſenſchaft dieß vor ollen andern voraus,
und die Kenntniſſe, welche wir uns durch fie verſchaffen, er»
halten eine glänzende Klarheit für unfre Vernunft, in wel—
cher keine Gegenſtaͤnde andrer Wiſſenſchaft uns dargeſtellt
werden koͤnnen. Allein die unmittelbaren Gegenſtände dies
fer Anſchauungen find ſtets einzelne Dinge, Linien, Figus
ren, Körper, welche wir uns durch Abzeichnungen, oder
durch Körper ſelbſt, worinn wir dieſe erblicken, gleichſam
ſichtbar machen. So bald wir aber von diefen Anfchau«
ungen zu den Begriffen ſelbſt empor ſtelgen: fo find wle
genoͤthiget, durch Sprachzeichen, welche mit den Gegen:
ftänden ſelbſt gar keine Aehnlichkelt mehr haben, fie uns
deutlich zu denken. Dieß wären alſo Anſchauungen, wel—
che von blos relnen Begriffen wenig unterſchieden ſind. Iſt
dieß Ihre Meynung: jo verſtehen wir Sie, Woferne ſie
aber dieß nicht ſeyn ſollte: ſo haͤtten Sle ſich beſtimmter er.
klaͤren ſollen. Die Schuld liegt in Ihnen, wenn Sie auch
nachdenkenden Philoſophen unverſtaͤndlich bleiben.
Der Trieb, unſte Erkenntniß zu erweltern, hat kels
ne Grenzen, weil wir es fühlen, daß unſer Vermoͤgen zu
denken von dem groͤßten Umfange iſt, und daß wir den Be—
ruf haben, fo weit auf der Leiter der Erkeunntniß empor zu
dringen, als noch höhere Stuffen da find, welche unſte Ver
nunft erſteigen kann. Wenn die Taube Vernunft hätte:
fo wurde fie ſich nur dann es vorſtellen können, daß ihr Flug
durch einen Luftleeren Raum ihr beſſer gelingen würde, wann
fie es nicht wuͤſte, was zum Fliegen nothwendig iſt. Plato
verließ die Sinnewelt, d. h. ohne Zweifel die Erſohrungen,
weil ſie ihm zu enge Schranken ſetzten. Allein ſind denn
alle feine höheren Speculationen fo ganz ohne Grund? Hat
er gar kein Feld für die Vernunft gewonnen, wo ſie Blu⸗
men pfluͤcken konnte, welche auch noch in dem Geblete der
B 2 Wahr⸗
— — — —
. 6 — * — *
22
Wohrhelten ſich In der ſchoͤnſten Bluͤthe eigen? Oleß
werden Sie doch nicht durchaus leugnen wollen? Er verlor
ſich freylich nicht ſelten auf den Flügeln ſelner Ideen oder
vielleicht richtiger auf den Schwingen feiner glühenden
Imaginatlon in Gegenden, wo unfre Vernunft wegen
ihrer Grenzen kelnen feſten Fuß faſſen kann, und dieſe nen»
nen Sie leeren Raum des reinen Verſtandes. Ich geſtehe
gerne, daß das Bild, welches Sie brauchen, für mich
mehr Schatten als Acht hat. Unterdeſſen werden Sie doch
nicht in Abrede ſeyn, daß er ſich als ein groſſer philoſophi⸗
(her Kopf dareln verlor, dergleichen die Natur nicht viele
bervorbringet. Er brachte feinen Verſtond vielleicht mehr
von der Stelle, als er es haͤtte ſollen, oder ohne Bild zu
reden, er glaubte mehr Wohrheiten entdeckt, mehr bewieſen
zu haben, als es ihm die Schranken erlauben, welche noch
unfrer Vernunft geſetzt find.
Eile behaupten, daß es das gewoͤhnliche Schickſal der
menſchlichen Vernunft in der Speculation fen, ihr Gebaͤude
fo bald aufzufuͤßren als es moͤglich iſt, dann erſt zu unterfu«
chen, ob auch der Grund gut dazu gelegt ſey, nachher aller.
hand Veſchoͤnlgungen het bey zu ſuchen, und dleß deswegen,
daß man ſich wegen der Tüchrigkele troͤſte, oder eine ſpaͤ⸗
te und gefährliche Prüfung lieber abweiſe. So haben es
freutich manche Philoſophen gemacht, aber wahre Denker,
helle Köpſe unter ihnen hielten zu ſehr auf lhre Ehre, als
daß fie fo elenden Beyſpielen nachgeahmet hätten. Nun
glauben Sie die wahre Urfache von dieſer Erſchelnung in der
philoſophiſchen Welt entdeckt zu haben. Ein groſſer Theil
und vlellelcht der groͤßte von dem Geſchaͤffte unſrer Vernunft
beſtehet in Zergliederungder Begriffe, die wir ſchon von Gegen.
ſtaͤnden haben. Daher eine Menge von Eifenntniffen, wel.
che, ob fie gleich nichts weiter als Aufflärungen und Erwel.
terungen desjenigen find, was in unfern Begriffen liegt, dech
wenlgſtens der Ferm nach neuen Erkenntniſſen gleick ge-
ſchaͤtzet
Te
25
fhäger werden, wlewohl fie der Materle oder dem Innhalt
nach die Begriffe, die wir haben, nicht erweitern, ſondern
nur aus einander ſetzen.
Ob die Vernunft der Phlloſophen dem groͤßten Thelle
nach ſich fo befchäfftigee erwelſet, das laß ich dahin geſtellet
ſeyn. Die Vernunft eines Wolfs, eines Tetens und an-
drer helldenkender Köpfe hat nicht dleſe Bahn betreten. Sie
hat den Quellen ihrer Begriffe nachgedacht, nicht bios dies
ſe entwickelt, ſondern ſie auch in Saͤtze verbunden, ſie gegen
elnander gehalten, und daher dem Zweck der Wiſſenſchaft,
welche fie behandelte, gemäß andre Wahrhelten hergeleitet,
und auf dieſem Pfade ſich wuͤrklich neue Einſichten erworben.
Sie hat ſich durch dieſes Verfahren eine ausgebreitete Er.
kenntniß a priori, d. h. aus reinen Begriffen nach der ges
wohnlichen Sprache der Weltweiſen verſchoffet, welche ei»
nen ſichern und nuͤtzlichen Fortgang batte. Nicht durch ſal⸗
ſche Vorſplegelungen hat ſie zu ihren Begriffen ganz ſremde
hinzugethan, ohne zu wiffen, wie fie dazu gelangte, und od»
ne ſich eine ſolche Frage auch nur in Gedanken kommen zu
laſſen. Dieß iſt Thatſache, durch die Geſchichte bewahrt,
und ich müßte weniger Achtung gegen Ihre Einſichten ha
ben, wenn ich mich überreden konnte, daß Sie fähig waͤren,
das Gegentheil ohne alle Elinſchraͤnkung zu behaupten.
Ich bin
4. Brief.
Mein Herr,
Se wollen uns hier gonz neue Ausſichten eraͤffnen. Sle be⸗
Haupten, daß grade deswegen, well dieſe vor den Augen der
Weltweiſen bis her in dicke Wolken gehuͤllet waren, ihre Ver⸗
nunft fo wenig ſichre Schritte in dem Gebiete der ſpeculatl⸗
B 4 ven
— — — — — — — — — — — en = *
—
2
ven Wiſſenſchaſten habe thun koͤnnen. Dle Abſicht iſt ſehr
lobenswürdig. Möchten Sie dleſe in einem hohen Grade
der Vollkommenheit erreicht haben! Wie viel hätten dann
die hͤhern W'iſſenſchaften Ihnen zu danken?
Abeln welche find denn nun dleſe neu eröffneten Ausſichten?
Vor Ihnen hat man den Unterſchled zwiſchen analytiſchen
und ſynthetiſchen Urthellen nicht gekannt. Freylich hat man
dieſen nicht gemacht. In der Vernunſtlehre der Einſichts⸗
vollern Weltweiſen hat man wohl zezeiget, wie die Vernunft
durch eine Aufliiung (dvzAurmw) hoͤhere Begriffe (genera
fuperiora) bilden, wie fie durch einen Zuſatz (one)
Beſtimmungen zu den hoͤhern Begriffen hinzuthun kann,
welche nicht der Wüͤͤrklichkeit ſondern nur der Moͤgllchkelt F
nach ihren Grund in jenen haben, um Arten (noliones
inferiores, ſpecies) zu bilden, oder wohl gar bis aufein- |
zelne Dinge (indiuidu2) herabzuftelaen. Sle haben den
Unterſchled zwiſchen Beweiſen entwickelt, werinn man von
dem zu bewelſenden Satz bis auf ihre erften Gründe her.
abdringe, oder in welchen man ſich von dieſen bis zu dem |
Soße empor arbeite, welcher bewieſen werden ſollte. Je—
nen nannten fie einen analytlſchen, dieſen einen ſynthetlſchen
Beweis. Eie hielten es aber für zweckwidrig, von analy-
tiſchen und ſanthetiſchen Urtheilen oder Sätzen zu reden,
Wenigſtens haben ſie an dleſe Abtheilung nicht gedacht.
Sie glauben aber hier eine wichtige Entdeckung gef
macht zu haben, worauf Sie ſich in der Folge ſehr oſt be.
rufen, und vieles erbauen zu koͤnnen, ſich überreden. Oh:
ne Zweiſel haben Sie hier vorzüglich auf theoretiſche Saͤtz:
Ruͤckſicht genommen, und erklären ſich vornehmlich nur über
bejahende Urthetle, weil die Anwendung auf vernelnende
ſehr leicht gemacht werden kann. In jedem Urthelle den.
ken wir uns das Verhaͤleniß des Praͤdicats zum Subiect.
Entweder gehoͤret das Prädicat B zum Suhiect A, als et
was, was in dieſem Begriff A (verſteckter Weiſe) enthalten
iſt,
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25
Ift, oder B liegt ganz auffer dem Begriff A, ob es gleich
mit dem: !ben in Verknuͤpfung ſteht. Im erften Fall nere
ren Sie das Urtheil anaſptiſch, in dem andern ſunthetiſch.
Cie wollen alſo diefenigen Urthtile, in welchen die Verfnüps,
J
fung des Präricats mit dem Subiect durch Identltaͤt ge
dacht wird, analytiſche, dlejenigen aber ſynthetiſche nennen,
in welchen die Vernunft ſich dieſe Verknupfung ohne Iden⸗
titaͤt denket. Eclauben Sie mir, daß ich einige hieher gehoͤ.
rige Begriffe entwickle, um dieſe Ihre Abtheilung vach rich⸗
tigen Gtundſaͤtzen prüfen zu können. Ein jedes Subiect,
welchem ein Praͤdicat beygelegt wird, denken wir uns als
eine Sache, welche ihr eigenthuͤmliches Weſen hat, und
dieß drucken wir in dem Begelff aus, welchen wir uns von
ibm macher. Das Weſen ſelbſt kann aus mehrern weſent—
lichen Theilen beſtehen. Wit können alſo das ganze We—
fen, oder einzelne, oder mehrere weſentliche Theile zum Praͤ.
dicat dee Subiectes machen. Im erfien Fall entſpringen
vollkemmen identiſche, im andern Foll unvollkommen iden⸗
tiſche Sötze. Ein Beyſpiel von der erſten Art iſt dieſer
Satz: ein Triangel it ein Raum, von drey Linien einge—
ſchleſſen, ein Beyſpiel von der letzten Art iſt dieſer: eln
Triangel iſt eine Fiaur. Alles, was einem Subiect, für
ſich betrachtet, aufömt: iſt entweder das Weſen ſeſbſt, oder
dasjenige, wis in dem ganzen Weſen, oder in einem, oder
mehrern Theilen deſſelben vollkommen gegruͤndet iſt. Es
llegt alſo entweder offenbar, oder verſteckter Weiſe, in dem
Weſen oder in dem Begriff des Eublecte, Von dieſen bey»
den Eigen: eine Figur, die von drey Linien elngeſchloſſen
iſt, hot auch drey Winkel; die drey Winkel in einem Tris
angel find zwey rechten Winkeln gleich; kann der erſte zur
Erlaͤuterung des erſten, der letzte zur Aufklaͤrung des letzten
Falles dienen. Saͤtze von der erſten Art nennet man Grund—
ſaͤtze, (Arlomen), weil unfre Vernunft die Wahrheit derſel
ben nach einer unſter Denkkraft angedohrnen Grundregel,
welche wir in dem Satz des Widerſpruches ausdrucken, am
B 5 er⸗
7 — —ͤ— — ——— —— — — — —— — — — — — —
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erkennen muß. Iſt zwar das Praͤdlcat in dem Sublect
vollkommen gegruͤndet, llegt aber der Grund für unfre Ver.
nunſt verſteckt in dem Begriff oder Weſen des Sublects:
fo wird biefes, für ſich betrachtet, dadurch nicht erweitert,
fondern nur mehr entwickelt, wenn wie dleß Praͤdlcat hin.
zudenken. Unfre Erkenntniß von ihm wird freylich dadurch
erweltert. Wir muͤſſen uns nun nach Bewelſen umſehen,
wodurch es uns klar wird, daß dieß Pradicat nicht ganz
auffer dem Weſen oder dem Begriff des Sublects, ſondern
vlelmehr in Ihm als elne Beſtimmung angetroffen wird,
welche in dem Weſen deſſelben hlarelchend gegruͤndet iſt.
Satze von der Art, deren Wahrheit wir nicht ohne Bes
welſe für guͤltig erkennen koͤnnen, helſſen Lehrſätze (tbeore⸗
mata). Sie find Erwelterungsſaͤtze nicht in Anſehung des
Weſens, oder des Begriffs vom Sublect, ſondern blos In
Rückſicht der Eckenntulß, welche wir von ihm erhalten.
Wir fönnen aber auch Praͤdleate mit Sublecten ver⸗
binden, welche nicht ihrer Wuͤrklichkelt, ſondern blos ihrer
Moͤglichkelt nach ihren hinreichenden Grund in dem Weſen
der Sublecte haben. Dieſer Fall wird allemal elntreten,
wenn mir höhere Begriffe (gene ra) zum Sublect, und dle
ſpeclviſchen Differenzen, oder zufälige Beſtlmmungen zum
Praͤdleat machen. Hiedurch wird der Begriff des Sub.
lects, für ſich betrachtet, erweitert, und die Satze, die
daher entfpringen, wenn bloß der Begriff des Dinges zum
Sublect gemacht wird, koͤnnen keine andre als Particular
ſaͤtze werden. Z. E. einige Figuren find Quadrate; einige
Menſchen find Philoſophen. Nur dleſe allein koͤnnen in Ans
ſehung des Subiects Erweiterungsſaͤtze genannt werden, und
werden es auch in Ruͤckſicht unfrer Erkenntniß ſeyn. Bey
dieſen wird elgentlich Identltaͤt des Praͤdicats mit dem
Sublect ausgeſchloſſen.
Allein
ſe in
ſen
oder
ſynt
log!
Zu |
nen
iu
Alleln Ihre Eintheilung von analytiſchen und ſynthe—
tiſchen Saͤtzen, von Erlaͤuterungs und Erweiterungsurthel⸗
len hat einen ganz andern Grund. Sie nennen blos dies
fe analytiſch, in welchen das Praͤdicat im Sublect iden⸗
tiſch enthalten iſt, oder worinn das Praͤdicat entweder das
ganze Weſen, oder weſentliche Thelle oder Beſtimmungen
bezeichnet, welche offenbar in dem Begriff des Sublectes
angetroffen werden, weſche Satze ſelbſt alſo Axiomata in der
Schule der Weltweiſen genannt werden. Synthetlſche find
in Ihrer Sprache ſolche, worinn das Prädicat B ganz aufı
fer dem Begriff A lieget, ob es zwar mlt demſelben in Ders
früpfung ſteht. Nach dieſer Erklärung ſollte man glauben,
fie redten von Saͤtzen, in welchen das Praͤdicat eine zufaͤlli⸗
ge Beſtimmung vem Subiect bezeichnet. Es erhellet aber
aus dem Gebrauch, welchen Ele von dleſen Sägen machen,
daß Sie dadurch ſolche verſtehen, worinn das Praͤdieat zwar
ſeinen Grund in dem Weſen des Subleets hat, wir aber dies
ſen nicht anders als durch Vergleichung mehrer Begriffe
eder nicht ohne Beweis in ihm erblicken koͤnnen. Diefe Ihre
ſynthetiſche Säge find alfo grade diejenigen, welche in allen
logtken laͤngſtens Lehrſaͤtze, (theoremata) genannt wurden.
Zu welcher Claſſe wollen Sie aber nun folgende Eäße rech—
nen — Einige Koͤrper ſind Pyramiden, einige ſind Kegel,
und fo unzählige von der Art? Wollen Sle di:fe mit uns
ter Ihre ſynthetlſche begreifen: fo wird Ihre Sprache das
durch ſehr ſchwankend. Rechnen Sie dleſe nicht dazu: fo
sehören fie zu keiner von beyden Claſſen, fo iſt dleſe Ihre
Abtheilung ſehr unvollkommen, und der Grund, worauf ſie
ſſch ſtützet, hat keinen feſten Boden. Sie haben uns hier
clio zwar eine neue Terminologie vorgelegt, aber keine Eln⸗
(heilung der Saͤtze entdeckt, welcht uns dunkle Gegenden
in dem Gebiete der Wiſſenſchoften aufhellen koͤnnte, eb fie
gleich wohl Verirrungen des Verſtandes in den Schlüffen
erzeugen kann, welche er daraus folgert.
5 — — — —— — — —
— —ämUÜ—xvrvr“r.ti — — — — ——¼ ——ũẽ —
Sie brauchen zur Erläuterung Ihrer analytiſchen Si. 1
tze dleß Benfpiel: alle Körper find ausgedehnt; und dieß
Beyſplel beweifet, daß ich Ihre analytiſchen Saͤtze richtig
erklaͤret habe. Alle Körper find ſchwer. Durch dieß Ur- N
theil wollen Sie Ihren Begilff von ſynthetiſchen Saͤtzen
erläutern. Allein ich muß geſtehen, daß Ste mich durch N
diefen irre machen, oder daß er auch hieher ncht gehöre ||
Schwere ift fein Praͤdicat, welches in dem Weſen des Kin!
pers ſelbſt gegründet iſt. Wir denken uns darunter den
Druck des Körpers nach dem Mittelpunct der Erde. Die.“
fen aͤuſſert er nun nicht vermöge feines bloſſen Weſens, ſon
dern nach einem Maturgeſetze vermöge der Verbindung, in]
welcher er durch die Atmosphare mit der Erde ſteht. Set.“
ne Schwere treibt ihn auf Puncten der Erde, dle ſich dia
metrallter entgegengeſetzet find, grade nach entgegengeſetz,“
ten Richtungen in elner graden Knie, deren Witte ber Mit:
telpunct der Erde It. Sie kann alfo nicht in ihm allein Ip}
ren hinreichenden Grund haben. Er koͤnnte alſo in elner
andern Verbindung, worlun dieß Naturgeſetz ſich nicht
wlrkſam beweiſen kann, wohl keine Schwere, Feine drücken
de Kraft nach irgend einem beſtimmten Puncte äuffern, un!
alſo ohne dieſe feyn. Folalich kann die Vernunft eigens
lich eben ſo wenig ſagen, alle Koͤrper ſind ſchwer, als all
Flguren find Vierecke. Diefer Satz gehörte alſo zu der
Partlcularſätzen, und folglich zu den eigentlichen Et weiten
rungsfägen in Anſehung des Sublects, in welchem das Pro
dieat nicht der Wuͤrklichkelt, ſondern blos der Moͤglichkel
nach qegründer iſt, und welches alſo nicht in dem Begei
des Sublects liege. Allein fo denken Ste ſich doch di
ſynthetiſchen Säge nicht. Denn ſonſt hätten dieſe nur aß
Partlcularſätze ihre Gültlgfeit. Ich will eln andres Ur
theil herſetzen: Ein Dreyeck hat drey Winkel, welche zufanf'
mengenommen zwey graden gleich ſind. Wohln rechne
Sie dieſen? Ohne Zweifel nicht zu aualytlſchen fondern iı
ſonthetiſchen Satzen. Sie werden in der Golge oft von du
le
— —
-29
fen reden. Es iſt aber aͤuſſerſt unangenehm, und macht
die Prüfung beſchwerlich, daß Sie durch Ihre Erklarung
der ſynthetiſchen Satzen uns keinen genau beſtimmten Etands
punct angewleſen haben, woraus wir Ihre Folgerungen
beurtheilen können.
Alle Erfahtungen find nach Ihrer Behauptung durch—
aus ſynthetiſch. Warum denn dieſes? Sie ſagen, es
märe ungereimt, einen analytiſchen Satz auf Erfahrung zu
gründen, weil ich aus meinem Begriff gar nicht hinausge—
ben darf, um das Urtheil abzufaffen, und alſo kein Zeuge
niß der Erfahrung noͤthig habe. Allein ich koͤnnte dem⸗
ohngeachtet doch wohl fragen, wie kam denn meine DBers
nunft zu dleſem anolytiſchen Satze? Ich gehe zu elnem
Kuͤnſtler, und frage ihn nach einem feiner Kunſtwerke, was
es il, Er antwortet mir — eine Uhr. Ich moͤchte auch
gerne ihren Zweck kennen, und er befrlediget mir meine
Neubegierde. Er zeigt mir den Mechanismus der Uhr,
und belehret mich, daß der Zweck derſelben fen, die Minu⸗
ten und Stunden des Tages genau anzuzeigen. Nun bile
de ich den Satz. Dieſe Uhr iſt eine Maſchiene, welche durch
ihre innre Zuſammenſetzung die Minuten und Stunden des
Tages anzeiget. Iſt dieſer nun ſynthetiſch oder analytiſch?
Nicht das erſte ſondern das letzte nach Ihrer eignen Erfläs
rung, alio ein analytiſcher Erfahrungsſatz. Ich werfe
vermoͤge meiner Vernunſt die individuellen Beſtimmungen
weg, und denke mir den Satz, eine Uhr iſt eine Maſchl—
ne. fi er nicht noch immer analytiſch? Weher entſtand
er? Nicht aus Erfahrung? Hot meine Vernunſt nun
einmal den analytiſchen Erfahrungsſotz — dieſe Uhr iſt eine
Maſchine, wodurch Minuten und Stunden des Tages ane
gezeiget werden ſollen, zu einem allgemeinen erhoben: fo
liegt in dem Begriff, welchen ſie ſich durch Erfahrung von
der Uhr machte, der Begriff der Maſchine, und ſie darf
ſich nicht erſt, um ſich von der Wahrheit dieſes Satzes,
Uhren
Uhren find Maſchlnen, zu überzeugen, auf Erfahrung bes ſt e.
rufen, ſondern dle Vernunft erhält bey Vorausſe zung des
det,
aus Erfahrung gezogenen Begriffs von der Uhr, nach der griff
Anwendung ihrer Grundregel, welcher in dem Satz des daß
Wlderſpruches ausgedruckt wird, von der Wahrhelt dieſes
Sages elne vollkommne Gewißhelt.
Auf elne ahnliche Art kann ich dleſes von dem Sa⸗
tze, ein Körper iſt ausgedehnt, zeigen. Man entziehe uns
free Seele das Vermögen, Erfahrungen zu haben: fo würs
de fie auch unfähig ſeyn, ſich den Begriff von einem Koͤr⸗
per zu machen. Hat fie dieſen erft durch Beobachtungea
gebildet, und verknuͤpft ihn mit dem Sublect, Körper: fo
entſteht der analyılibe Erfahrungsſatz, dieſer Körper iſt
ausgedehnt. Dle Nothwendigkelt in dieſer Verbindung des
Sublects mit dem Praͤdicat kann durch dle Erfahrung nicht
gelehrt werden. Die Vernunft erkennt vielmehr, wenn
fie erſt ſich einen Begriff vom Körper durch dle Erfahrung
gebildet hat, die nothwendige Verknuͤpſung des Prädlcats
mit dem Sublect, well ſie ſonſt, wenn ſie dos Praͤdicat
leugnen, und doch das Sudlect ſetzen wollte, in dieſer Den—
kungsart elnen Widerſpruch gewahr wird, und ſich nun durch
eine Naturnothwendigkeit gezwungen fühle, die Richtigkelt
des Satzes, eln Koͤrper iſt ausgedehnt, anzuerkennen. Sie
müjfen ſelbſt behaupten, daß wir den Begriff des Körpers
durch Erfahrung abgezogen haben. Allein wenn wlr nun
dieſen Begriff, oder einen Theil deſſelben als Praͤdicat mit
dem Körper in elnem Satz verbinden: entſpringt dann nicht
eln analytiſches Urthell, und glebt dleß nicht offenbar elnen
Erfahrungsfaß ?
Setzen wir Schwere als ein Praͤdlcat zu demſelben
Sublect: fo erweitern wir nicht blos unfre Erkenntniß, wel⸗
che ſich blos auf den Begriff des Körpers gruͤndet; ſondern
auch den Begriff ſelbſt, und zwar durch die Erfahrung. ER
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iſt es alſo, worauf ſich die Moͤglichkelt der Syntheſis grüne
det, wodurch wir das Praͤdicat. Schwere, mit dem Be—
griff des Körpers verbinden. Die Erfahrung lehret uns,
daß Körper ſchwer ſind, und weil Wuͤrklichkeit ohne Möge
lichkeit einen Widertpruc in ſich ſaßt: jo erhalten wir da⸗
durch eine vollkommne Ueberzeugung, daß Koͤrper ſchwer
ſeyn konnen, und doß alſo die ſynthetiſche Verbindung in
dieſem Fall auſſer allem Zwelſel gesetzt if. Ueber Ihre
ſynthetiſche Verbindung der An ſchauungen erfläre ich mich
izt nicht, weil die Eroͤrterung dieſer Sache hier nur am une
rechten Orte ſtehen würde.
Bey den ſynthetiſchen Urtheilen a priori ſoll dle Er—
ſahrung als ein Hülſsmittel voͤlllg fehlen. Erlauben Sie
mir, daß lch Ihnen erſt die Frage vorlege: Reden Sie hier
von ſynchetiſchen Sätzen, welche ſonſt in der Logik Lehrſä—
be heiſſen, oder von ſoſchen, worinn das Praͤdicat von dem
Subiect eine bles zufällige Beſtimmung iſt, oder von bey—
den zugleich? Einer von dieſen drey Faͤllen muß doch wohl
ſtatt haben. Was denken Sie ſich unter Urtheilen a pri-
ori, ſolche, welche von aller Erfahrung auch in Anſehung
ihres Urſprungts, eder ſolche, welche von ihr in Anſehung
ihres Innhaltes unabhängig find? Wuͤrden Sie hier ſich
ene denken: fo muͤßte ich Ihnen dagegen einwenden, daß
Sie, wie ich glaube gezeigt zu haben, weder ihre Moͤßllch⸗
feit noch Ihe Daſeyn in einem Geiſte von der Art, wie
der unſrige iſt, dewieſen haben. In Anſehung der erſten
drey Fragen haden Sle ſich zu unbeſtimmt erklaͤrt, als daß
id darauf genau zu antworten wuͤſte. Vielleicht geben uns
Ihre ſerneren Entwicklungen mehr Licht, um etwas ent
(heiden zu koͤnnen. Wenn Sie über den Begriff A hl.
aus gehen, um einen andern als damit verbunden zu erken⸗
nen, was iſt das, fragen Sie, worauf lch mlch ſtuͤtze? Waͤ.
te hler die Rede von Saͤtzen, worinn ein zufälliges Prä«
cat mit dem Eublect verbunden wird: fo würde theils die
| Er»
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32 e
Erſahrung, thells dle Hypotheſe, unter welcher ich das Sub»
lect denke, und wodurch dasjenige, was blos bey ihm mög. dle
lich war, würklich wird, mich dieſe Syntheſin, und alſo] kenn
auch ihre Moͤglichkeit lebren. Sie ſcheinen mir aber ſich felbe:
bier die ſontbetiſchen Sätze fo, wie wir uns die dehrſätze, gel d
(cheoremata) zu deaken, weil Sie ſich auf den Satz, #5 '
alles, was geſchieht, hat feine U-fame. berufen. Geſche⸗ darf
hen, Urſache, find fteylich Begtiſſe, wovon der erſte nicht ſich
den letzten einſchlieſſet, der letzte aber dech nicht ohne den hrer
erſten gedacht werden kann; ende haben in Anſehung gel a
ihres erſten Urfprungs in unſter Seele die Erfahrung zur che di
Quelle. Alleln ihre Verbindung in einem Satze — iſt dieſeſo] keael
ſehe das Werk unſrer bloſſen Vernunft, daß die Erſah F laͤuſe
rung biebey ohne allen Einfluß bieiber? Auch dieß moch] gene
te ich nicht beweiſen. Schon (ehr gnug entſchtieſſen wir griff.
uns Abſichten zu errelchen, unb ſuchen Mittel auf, um zu verlaͤ
jenen zu gelangen. Die Abſichten denken wir uns ls Not
Dinge, die geſchehen ſollen, und die Mittel als Urſochen,] ſeine
wodurch fie geſchehen. Die Erfahrung lehret uns in tau⸗
ſend Fällen, daß viele Dinge, die ſich ereianen, ihre Uri.
chen haben. Hler erwächſt alſo in unirer Seele dieſer Ers | End
ſahrungsſatz, manches, was geſchieht, hat feine Urtache. über;
Wir werden in tauſend Fällen durch die Erſab:ung von 2 pr!
der Richtinkeit dieſes Satzes und ſolglich von der Syn. ſo ho
theſis des Praͤdleats mit dem Subdiect belehrct. Hier iſt unſre
alſo das unbekannte x, wie Sie es nennen, entdecket, wor⸗ durch
auf ſich der Verſtand bey Verknuͤpſung dieſes Prädicats] zu be
mit dem Subiecte ſtuͤtzet, und dleß iſt die Erfahrung. Als braut
fein nun kann ſich unfce Vernunft über die Erfahrung ers f dieß
heben, wenn ſie die Frage aufwirft, iſt es denn durchaus] fäße
nothwendig, daß alles, was geſchieht, feine Urſache haben] aus
muß? Die Entscheidung dieſer Frage kann nicht mehr von Waß
der Erfahrung erwartet werden, ob fie gleich unfrer Vet, welte
nunſt Gelegenheit gab, die Verbindung des Prädicats mit gegen
dem Subiecte ſich zuerſt zu denken. Sie würds aber auch 9
die Den
33
die Allgemeinheit diefes Satzes aus feinen Beariſſen zu ers
kennen fähig ſeyn, wenn die Natur, oder der Urheber der,
ſelben ihr nicht vorgearbeltet haͤtte. Er hat uns eine Re—
gel des Denkens eingepflanzt, welche wir uns in dem Grund,
ſotz von zurelchenden Gründen deutlich vorſtellen. Diefe .
darf unfre Vernunft nicht leugnen, wenn fie anders nicht
ſich ſelbſt zerſtoͤren will. Durch eine innre Nothwendidkeit
ihrer Natur wird fie gezwungen, dle Richtigkeit die er Mes
gel anzuerkennen. Will unſer Geiſt von den Feſſein, wel—
che dieſe feine innre Nothwendiakelt einer angebobrnen Grurds
\ regel des Denkens ihm angelegt hat, ſich loßteiſſen, und
taͤuſcht er ſich durch einen ſeltſamen Traum, ſich davon j-ey
gemacht zu haben: fo findet er weder a priori in den Be-
griffen noch a poſteriori in der Erfoprung irgend etwos zus
verlaͤſſiges, wodurch er ſich von der Allgemeinheit und
Nothwendlakeit dieſes Satzes, alles, was geſchleht, hat
feine Urſache, uͤberzeugen Eönnte,
In den ſpeculativen Wiſſenſchaften iſt ſreylich dieß die
Endurſache, daß wir uns von Lehrſaͤtzen eine richtige und
‚5 überzeugende Erkenntniß aus allgemeinen Begriffen, oder
a ptiori verſchaffen. Nennen Sie dieſe Ermeiterungsfäge:
fo habe ich nichts dagegen, in wie weit fie es in Ruͤckſicht
unfrer Erkenntniß find. Ich ſehe aber keine Urſache, mo»
„durch Sie berechtiget wären, von ſynthetiſchen Grundſaͤtzen
zu reden. Bisher haben Sie dieſen Ausdruck nicht ges
braucht, vielmeniger erklart. Wollen Sie vielleicht nur
dieß dadurch anzelgen, daß die hinreichend bewieſenen Lehr“
ſaͤtze wieder als Principlen angeſehen werden koͤnnen, wot—
1 aus unſre Vernunſt neue Folgerungen machen, oder neue
Wahrheiten herleiten, und ihre Kenntniß aus Begriffen er»
weitern kann: fo würde ich um deſto weniger ein Wort da⸗
gegen einwenden, je haͤuffiger Philoſophen und Moathemo-
tlker mit ſehr gutem Erfolg dieſe Bohn gegangen fird.
Denken Sie ſich aber ſparhee lte Geundſaͤtze als Erwelte⸗
| run
rungen unfrer Erfenntniß a priori, welche von allen Er⸗
fahrungen auch in Anſehung ihres Urſprunges durchaus uns
abhängtg iſt: fo würden Sie erft bewelſen muͤſſen, daß der
menſchliche Gelſt derſelben fählg iſt, durch welchen Bes
wels Sie ſehr verpflichten würden Ihren ergebeaſten ꝛc.
5. Brief.
Mein Herr, Du,
S inte es denn wohl fo ausgemacht ſeyn, doß In allen eheores |
tiſchen Wlſſenſchaſten ſynthetiſche Urtheile a priori als Princi-
pien enthalten find? Sie wollen dieſes beweiſen. Allein laſſen
Sle uns erſt uns darüber einverſtehen, von welchen ſynthe⸗
tiſchen Sägen hier die Rede if, Nicht Sätze, deren
Praͤdicat elne zufällige Beſtimmung des Subiects bezeich-
net, kommen hler in Betracht. Dleß iſt mir aus Ihren
folgenden elnleuchtend. Sie denken ſich hier unter fonıhea
tiſchen Sägen ſolche, worinn das Prädicat zwar dem Sub⸗
lect als eine nothwendige Beſtimmung zukoͤmmt, aber un.
ſre Vernunft dieſe Syntheſis nicht allein aus dem Begriff
des Subleetes her zuleiten fähig it. Solche Saͤtze find den
Phlloſophen längft unter dem Namen der Lehrſaͤtze bekannt
geweſen. Wenn ſie richtlg bewleſen find: fo werden fie in
allen Wiſſenſchaſten den Grundſätzen glelch geſchaͤtzet, un)
man hat fie dazu gebraucht, um aus Ihnen, als vollkom⸗
men bewleſenen Wahrheiten, andre zweckmaͤſſig herzuleiten,
und fie alſo in fo welt als Prinelpien angeſehen. Allein
von dleſen ſchelnen Sie nlcht zu reden, ſondern von ſolchen,
welche bisher der menſchlichen Vernunft entgangen ſind. Sie
konnen ſich hier alſo keine ſynthetiſche Saͤtze denken, wel⸗
che ihres Innhaltes wegen von der Erfahrung unabhängig,
und deswegen ſynthetiſche Saͤtze a prlori find. Wenn gleich
dieſe Tetminologle bisher nicht von Philoſophen gebraucht
iſt:
EEE
33
iii: fo iſt doch dle Sache ſelbſt ihnen laͤnaſtens bekannt ge.
weſen, und fie haben von ihr mit dem glüuͤcklichſten Erfolg
einen zweckmaͤſſigen Gebrauch gemacht. Sie reden von Inne
thetiſchen Saͤtzen a priori, d. h. nach Ihrer Erflärung von
ſolchen, welche ſchlechterdings von aller Erfahrung auch in
Anſehung ihres Urſprunges unabhängig find. Allein weder
das Dafeon noch dle Moͤglichkelt ſolcher ſonthetiſchen Soͤtze
in unſter Seele iſt bisher von Ihnen bewleſen. Wollen
Sie alfo darthun, daß dleſe in allen tbeoretiſchen Wiſſenſchaf⸗
ten als Principlen vorkommen: fo muͤſſen Sie entweder
jenen Bewels erſt führen, oder uns aus den Wiſſenſchaften
ſolche Saͤtze herausheben, welche als Principien in ibnen
gebraucht ſind, und auf welche die Merkmale angewandt
werden koͤnnen, welche Sie zu ſynthetiſchen Saͤtzen a prio—
ri erſodern. Wir müffen alſo nachſorſchen, was Sie ge
leiſtet haben.
Sie behaupten, daß alle mathematiſche Saͤtze durch
aus ſonthetiſch find. Allein durch dieſe Behauptung wird
nichts entſchleden. Welcher Mathematiker wird dle Gul.
tigkeit dieſes Ausſpruches anerkennen? Werden fie nicht alle
ihre Axiomen, nicht alle ihre Erklaͤrungen von ihren Ge—
genſtaͤnden, nicht alle unmittelbare Folgen aus di⸗ſen, nicht
alle ihre Particularurtheile, nicht den groͤßten Theil ihrer Saͤ—
tze in der angewandten Mathematik Ihnen entgegenſtellen?
Werden fie nicht durch alles dieſes berechtiget zu ſeyn glau«
ben, Ihren Sog, welchen Sie ohne alle Beſtaͤttiaung fo
bingeworfen haben, für ungültig zu erklaren, nicht desmes
gen, weil er den Bemerkungen der Zergllederer der Ver.
nunft entgangen iſt, ſondern weil er der Erfahrung, wel—
che fie in theoretiſchen Wiſſenſchaſten haben, gradezu wider⸗
ſpricht, nicht deswegen, weil er allen ihren Vermuthun—
gen entgegengeſetzt iſt, ſondern weil er von den ſichern
Kenntniſſen der Wahrheiten verworfen wird. Er kann ale
ſo weder unwiberſprichlich . noch in der Folge von Wich.
2 tlg;
—
*
tigkeit ſeyn. Denn dieſe ſetzet feine Wahrheit voraus. Eis Fi
gentlich finden die Mathematiker es nicht, daß alle ihre
Schluͤſſe nach dem Grundſatze des Widerſpruchs ſortgehen, 5
ſondern daß in ihren directen Beweiſen der Satz von zurel⸗
chenden Gründen Ihnen die größten Dienfte lelſte, und daß
man ihre Folgerungen nicht leugnen koͤnne, wenn man nicht .
die Gultigkeit des erſten Grundſatzes verwerſen will. Sie
glauben nickt, daß ihre Ariomen aus dem Satze des Wider
ſpruchs erkennt werden, als nur in fo welt, well das Praͤ.
dicat B beſtimmt in ihnen llegt, und ſolglich das Präbicat,
nicht B, ohne Widerſpruch nicht mehr mit dem Eubiect |
verbunden werden kann. Sie erkennen nicht aus dem Sag
des Widerſpruchs, doß dle vler Winkel in elnem Viereck vier
rechten Winkeln gleich find, ſondern nur dleß ſieht die Ver⸗
nunſt ous ihm ein, daß fie das Gegentheil nicht behaupten
kann, wenn fie ſich anders nicht gegen elne nothwendige
Grundregel des Denkens empoͤren will. Können fie ſich
bierinn geirret haben? ie haben es auch laͤugſtens ſehr
gut gewuſt, daß aus einem bewleſenen Theorem als aus
einem Princlp andre heraeleltet werden koͤnnen, und ſchlleſ⸗
fen noch dem Satz des Widerſpruchs, daß das Gegentheil
des Praͤdlcats mlt dem Sublect nicht ohne Irrthum vers
bunden wird. Nennen Sie dieſe Theoremen ſynthetiſche
Satze a priori nach Ihrer Erklarung: fo koͤnnen Sle die
fe dem Mathematiker nicht aufdringen, well Sie es bisher
noch nicht bewleſen haben, daß es ſolche in unſter Eee
le gebe.
Mlt welchem Grunde Finnen Sie behaupten, daß eie FE
gentliche mathematlſche Saͤtze jederzeit Urtheile a priori!
find? Sie berufen ſich zwar darauf, daß dieſe Nothwen⸗
digkeit bey fi führen, welche aus Erfahrung nicht abges
nommen werden konnen. Sind denn dieſe Saͤtze, einige
Trlangel haben gleiche Winkel, einige Vielecke find reguläre
Flguren, einige Körper find von ſechs glelchen Quadraten
eins |
24
37
elngeſchloſſen, Peine eigentliche mathematiſche Urthelle? Wo
iſt hier Nothwendigkeit? Nun ſind Sie gezwungen, die All—
gemeinheit ihres Satzes, alle mathematiſche Urtheile ſind
ſonthetiſche Saͤtze a priori, wieder aufzuheben? Steht dieß
aber nicht in Widerſpruch mit demjenigen, was Sie vor—
her behauptet haben? Sie wollen Ihren Satz auf vie
reine Mathematik einſchraͤnken. Lllein auch in dieſer
giebt es unzählige Säge, welchen die Nothwendigkelt fehlt,
und dieſe Wiſſenſchaft wird nicht deswegen reine Mathema—
tik genannt, weil fie Wahrheiten in ſich faßt, deren Er—
kenntniß von aller Erfahrung auch ihrem erſten Urſprunge
nach unabhangig iſt, ſondern weil fie aus allgemeinen Be—
griffen ihre Saͤtze herleitet, und fie ohne Ruͤckſicht auf Er—
fahrung bewelſet. Sie wollen es darthun, daß der Satz
7t5 = ı2 nicht blos eln anatytiſcher Satz ſey. Wir mols
len Ihren Beweis prüfen. Hier iſt er. Der Begriff von
2s enthält nichts weiter als die Vereinigung beyder Zah—
len in eine einzige, wodurch ganz und gar nicht gedacht wird,
welche die einzige Zahl fen, die beyde zuſammenfaßt. Als
lein ich werde Ihnen dieß darauf antworten: 75 enthält
nicht blos die Vereinigung beyder Zahlen in eine einzige,
ſondern in dle einzige, welche die Summe von beyden iſt.
Aus dem Soße, welchen Ste doch für einen analytiſchen
werden gelten laſſen, die Theile zuſammengenommen ſind
dem ganzen gleich, folgt nach dem Satz des Widerſoruchs,
daß 8 57 als Theile zuſammengenommen ihrer Summe
gleich ſind. Welche iſt dieſe? Dieß zelgt mir nicht der
Ausdruck, ſondern die Zahl, die ich durch 12 ausdruͤcke,
und folglich der Begriff von 12, daß. fie es ſelbſt iſt. Folg⸗
lch erkenne ich aus dem Begriff von 12 und von 517,
daß ich ohne Widerſpruch nicht anders denken kann, als daß
12 das Ganze und 5 7 feine Theile zuſammengenommen
bezeichne. Nehmen Sie einmal, daß dieſer Satz 5t7 2
ein ſynthetlſcher und folglich ein Satz ſey, der bewleſen were
den muß. Selten Sie feine Gültigkeit aus einem andern
C 3 a forte
* —
. nn ie — LLC ELLLLELBLLLLELE rn
38 ü
ſynthetiſchen Soße her, der alfo für unſre Vernunft mieber
eines Beweiſes bedarf Welcher iſt denn dieſer und woher
find Sie von feiner Gͤͤltigkelt als einem Princip überzeugt ?
Werden Sie, um hen Satz zu beweiſen, nicht zuletzt zu
analytiſchen Urtheilen, oder zu Grundſaͤtzen Ihre Zuflucht
nehmen muͤſſen? Warum betreten Sie denn nie eine fole
che Bahn, welches doch durchaus noͤthig wäre, um uns zu
zeigen, wie Sie ſynchettiche aus andern ſynthetiſchen Sät⸗
jen auf einem uns bisher unbekannten Wege io herzuleiten
wiſſen, daß unfre Vernunft von der Wahrheit derfelben
vollfommen übertührer wird?? Ste berufen ſich auf eine
Methode, die Segner in feiner Arithmetik gebraucht hat.
Wech- iſt denn die te, und wie folgt daraus, daß dleſer Satz
st; SD: ein ſynthetiſcher it? Segner will ſelnen Zu«
hoͤrern zeigen, wie fie eine Anſchauung von dleſem Satz ers
halten koͤnnen.
Er nimmt feine fünf Finger zu Hülfe, läßt fie el⸗
nen nach dem andern als Einheiten zu 7 hinzulaͤhlen, und fo
mit deu legten bis zu 12 hlaufſtelig'n. Allein wozu ges
braucht er dieß Huͤlſs mittel, deſſen er ſich nicht einmal, oh⸗
ne dusgelacht zu werden, bey feinen Zuhörern bedienen
darf, wenn er fie nicht als fehr einfältige Jünglinge voraus⸗
ſetzen kann Will er fie etwa davon belehren, daß fie nicht
aus dem Begriff von 12 als einer beſtummten Summe es
ſchlieſſen koͤnnen daß ſie aus 57 zuſammengeſetzt it? Nichts
weniger als dieſes. Er will ihnen nur eine lebhafte Vor—
fiellung von 12 als einer Summe durch dieß ſinnliche Bild
machen, Damit fie deſto ?lärer es einſehen, wie der Begriff
12 aus 5 f 7 zuſammengeſetzet iſt. Dieſer Weg, welchen
er nimmt, iſt der Weg der Erfahrung. Durch ihn werden
unmittelbar von unſter Vernunft Erfahrungsbegriffe ges
bildet. Gründer ſich auf dieſe der Satz 12 = 52: ſo iſi
er ein Erfahrungs satz, und folglich kann er nach Ihrer Er—
flacung von Erkeantaiß a priori durchaus kein ſynthetiicher
Sstz
Saß
anzuſe
Brunt
muͤſſen
als we
eat die
In jed
lern G.
tlſchen
des erſt
zahl de
5 ſolche, |
werden
8
meine ?
elnen bi
oder arı
nun gel;
daß ſie
Wäre 7
Wahrhe
auf dleſe
nig aus
|. &
uͤberzeuge
teie nicht
len ihn d
un Dreye
inn alle :
Saß ſeyn. Wir find aber gewohnt, Ihn als einen Satz
anzuſehen, welcher durch Anwendung dieſes analytiſchen
Grundſatzes, das Ganze iſt fo groß als feine Theile zuſam⸗
mengenommen, nicht ohne Widerſpruch geleugnet werden
kann. Geſetzt daß er eln ſynthetiſcher waͤre: wle koͤnnen Sie
daraus ſchlieſſen, daß alle arithmetiſche Saͤtze ſonthetiſch ſeyn
müffen? Glabt es denn keine andre arithmetiſche Saͤtze,
als worlnn das Sublect eine Summe iſt, und das Praͤdi—
cat die Theile anzeigt, worous jene zulammengefr&t wurde?
In jeder geometriſchen Proportion iſt das Factum der mitte
lern Glieder dem Facto der aͤuſſern gleich; in jeder arirhmes
ichen Progreſſion iſt die Summe fo groß, als die Summe
des erſten und letzten Gliedes, muleiplicire durch die helbe Ans
| japı der Glleder. Was find denn dieß für Saͤtze? Auch
ſoſche, deren Wahrheit nur durch eine Anſchauung erkannt
| werden kann?
So viel mich dle Erfahrung gelehret hat: fo kann ich
meine Zuhoͤrer nur davon uͤberzeugen, wenn ich erſt ihnen
einen beſtimmten Begriff von elner geomettiſchen Proportion
oder arithmetiſchen Progreſſion gemacht habe, und ihnen
num zeige, wle aus ihren Begriffen die Wahrheit fo folge,
daß fie ohne Wlderſpruch nicht kann geleugnet werden.
Wäre Anſchauung der einzige Weg zur Erkenntniß dleſer
Wahrheiten: ſo wuͤrde ſie durch Erfahrung erwachſen, ſich
auf diefe gründen. Wie förate dieſe denn eine Erkennt
a aus den Begriffen ſeyn?
Eben ſo eh werden Sie den Mathematiker davon
berzeugen koͤnnen, daß alle Grundfäge der reinen Geome⸗
| rie nicht n fondern ſynthetiſch find, oder Sle moͤch⸗
en ihn denn zu überreden im Stande ſeyn, daß diefe Säge:
en Dreyeck hat drey Linien, ein Quadrat iſt eine Figur, wot⸗
nn alle vier Ainlen und . ſich gleich ſind, und a
4
r BP TEEN |
—
* 60 — — * — ä ᷑—
8 N
lich andre kelne analyelſche find. Dleß ſind ſie ja ſo gar nach
dem Begriff, welchen Sle uns ſelbſt von analprifchen Satzen
gegeben haben. Ste berufen ſich auf dieſen: die grade Anle
iſt zwiſchen zwey Puncten die kuͤrzeſte. Ich koͤnnte es Ihnen
zugeben, daß dieß ein ſynthetiſcher Satz iſt, wenn Sie dar⸗
unter nichts anders ſich dachten, als was mir Lehrſaͤtze nennen.
Allein der Grund, welchen Sie für Ihre Behauptung anfuͤh⸗
ren, ſchelnet mir durchaus kein Gewicht zu haben. Es iſt
wahr, der Beariff vom Geraden enthält nichts den Groͤſſe,
fondern nur eine Qualität. Es kann alio aus dem Begriff
der graden Ante durch keine Zergliederung der Begriff des
Kuͤrzeſten gezogen werden. Allein iſt denn in dieſem Satze
grade Linie das ganze Sublect? Sie reden ja von einer gras |
den Knie zwiſchen zwey Puneten. Liegt nicht in dem Begriff E
dieſes ganzen Eubircts die Idee von Entfernung, und jolg«
lich auch ven Groͤſſe? Kürzrfte iſt ein relativer Begelff,
und zeigt alſo, daß die Linie mit ktummen Knien verglichen
wird, welche zwiſchen denenſelben Puncten gezogen ſind. Die
Anſchauung wird dem Geometer zum Bewels dieſes Sotzes
nicht verhelfen koͤnnen. Denn krumme Linien koͤnnen durch
unendliche Abſtuffungen ſich fo der graden nähern, daß kel⸗
ne Anſchauung mehr ſtatt haben kann Er muß alſo entwe⸗
weder aus dem Vergleich des ganzen Begriffs vom Sublect
folgt, und alfo in ihm geqruͤndet iſt, oder, wo dieß nicht
moͤglich It, fo iſt auch alle ſeine Bemühung umſonſt. Soll—
te, wle Sie es ohne Grund annehmen, die Moͤglichkeit dies F
fer Syntheſis ohne Anſchauung nieht erkannt werden koͤnnen:
fo wäre dieſer Satz blos ein Erfahrimgsfag , nicht elnmal eln
Theotema nach der gewohnlichen Spreche der Weltweiſen,
vielweniger ein ſynthetiſcher Satz a priori nach der Erklaͤ⸗
rung, welche Sle uns von einem ſolchen gegeben haben.
Ich wundre mich, wie Sie doch endlich einmal dazu
kemmen, es zuzugeſteten, daß einige wenige Gtundiätze,
welche
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und vom Prädicat es bewelſen, daß das letzte aus dem erſten
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| daß F Saͤtze re als ra nur zur Kette der
5
41
welche die Geometer vorausſetzen, würflih analytiſch find,
und auf dem Grundſatz des Widerſpruchs beruhen. Allein
find dieſe Sätze denn nicht auch geometriſch, und hätten wir
In dieſem Fall nicht Ihr eignes Zeugniß gegen den Satz wel—
chen Sie kurz vorher behaupteten, naͤmlich daß kein Grundſotz
der reinen Mathemctik analytiſch ſey. Sie behaupten, daß
ſolche Satze auf dem Satze des Widerſpruchs beruhen. Dieß
iſt ſehr unbeſtimmt geſagt, und kann bey denen, welche nicht
genug eingeweihet find, zum Mißverſtande Anlaß geben.
Die analvtiſchen Sätze beruhen nicht in fo weit auf
dem Grundſatz des Widerſpruchs, als wir die Syntheſis
des Praͤdicats mit dem Subiect für richtig erkennen, ſon—
dern nur in fo welt als wir einen Widerſpruch bemerken,
wenn wir das entgegenſetzte Praͤdicat mit dem Subiect vers.
binden wollten. Ich bin davon überzeugt, daß, wo ein;
Quadrat iſt, auch vier rechte Winkel ſeyn muͤſſen, und der.,
Grundfag des Widerſpruchs kann mir weder zur Bildung
dieſes Satzes noch zur Ueberzeugung von dieſer Wahrheit
helfen. Weil ich weis, daß aus dem Begriff eines Qua-
drates dieß Pruͤdicat durchaus folger: fo bin ich überzeugt,
daß das Gegentheil des Praͤdicats mit dem Subiect nicht,
ohne Wliderſpruch verknuͤpft werden kann, und dieß vers,
ſchafft meiner Ueberzeugung eine Staͤrke, die nicht erihüte
tert werden kann. Nur in den indirecten Bewelſen erken⸗
ne ich aus dem Satz des Widerſpruchs, daß ein Praͤdicat
entweder poſitiv oder negativ einem Sublect beygelegt wer⸗
den muß. In den directen Beweiſen erkenne ich es aus
andern hinreichenden Gründen, daß das Pradicat dem Sub⸗
iect zukommt. Der Satz des Widerſpruchs iſt hiezu ganz
unbrauchbar; dazu dlenet er aber meiner Vernunft, daß
ſie die Verbindung des Gegentheils vom Praͤdicat mit dem
Sudiect verwirft, und für unmoͤglich erkennet.
Sonderbar fcheinet mir auch dieſe Ihte Behauptung,
Me
Br ET.
42 Ae BREI EEE CC
Methode und nicht zu Prinelplen dienen. Was nennen Sle
Kette der Methode, was Principlen? und warum dlenen
analytiſche Satze nur zu jener, nicht zu dleſen? So wlrd
jeder Geometer Sle fragen, und nun Ihte Antwort er⸗
worten. Allein es hat Ipnen nicht gefallen, feine Erwar⸗
tung zu befriedigen. Er wird alfo ſelbſt prüfen muͤſſen.
Aus der Art, wie er feine Wiſſenſchaſt behandelt, wels er,
daß er alle feine lehrſaͤtze, oder, wenn Sie lleber ſynthetl⸗
ſche Sätze dleſe nennen wollen, feine ſonthetiſchen Saͤtze zu⸗
letzt aus Grundſétzen herleitet, daß er dieſe ols Principlen
nicht zur Kette, ſondern zu Gliedern in der Kette der Wehr.
heiten macht, in welcher das letzte Glied der ſynthetlſche, oder
der Lehrſotz iſt, welchen er beweiſen will. Er erblickt alſo
in dieſer Kette die onalytiſchen Sätze als Principien, als die
Grundlage, worauf er dae Gchaͤude feiner Wahrheiten er⸗
richtet. Er wird alfo, wenn er anders Ihre Ausdrucke in
der gewohnlichen Bedeutung nehmen darf, es nicht begrei—
fen fönnen, wie Sie analytiſche Saͤtze zwar für eine Kette der
Methode, aber nicht fuͤr Peincipien zu halten im Stande
find. Sie berufen ſich zwar auf dieſe Sätze: dae Gan⸗
ze iſt ſich ſelbſt gleich,: ga und das Ganze iſt groͤſſer als
ein Thell. Er hoͤret es von Ihnen, daß dleſe nach bloſſen
Begriffen gelten. Gut, wird er glauben, fortſchleſſen zu
koͤnnen; dleſe Saͤtze werden alfo deswegen tür richtig erkannt,
well aus dem Begriff des Subiects das Praͤdicat fo folgt,
daß das Sublect wieder aufgehoben würde, wenn ich das
Praͤdicot leugnen wollte. Wie koͤnnen Sie alſo behaupten,
daß fie in der Mathematik nur Darum zugelaſſen werden,
weil fie in der Anſchauung dargeſtellet werden konnen? Was
nennen Sie hier in der Anſchauung darſtellen? Nehmen
Sie den Sotz 2. Stellen Sie ihn ſich in der Ans
ſchauung dar! Wobden haben Sie denn nun eine Anſchau⸗
ung? Etwa von dieſen Zeichen, oder von der Wahrheit
ſelbſt, welche durch dieſe Zeichen ausgedrückt wird? Die
Anſchauung der Zeichen wird Ihnen zu nichts Dies
nen.
nen.
fie el
| werde
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deſſelb
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find.
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43
nen. Dle Wahrhelt ſelbſt laßt ſich nicht anſchauen, well
fie eine allgem ine iſt Wollen Sie dieſe anſchouen: fo
werden Sie ſich einen einzelnen Fall denken muͤſſen, etwa
den ganzen Körper eines Elephanten und den bloſſen Nopf
beſſelben. In dieſer Anſchauund finden Sie die allgemeine
Wohrheit durch einen einzelnen Fall beitättiuet, aber nicht
bewieſen. Der eweis kann aber auf dieſer Anschauung
nicht beruhen, ſondern muß eine ganz andre Quelle haben,
woraus die Vernunſt ihn herleitet, weil fie ſonſt dieſen alle
gemeinen Satz als einen Erfahrungsſotz anſeßen müßte, defe
fen Gültigkeit nur durch eine ſehr unvellkommn - Induction
erwiefen werden koͤnnte. Wie kann blos die Zwepdeutig—
keit des Ausd uckes uns bisher verleltet haben, zu glauben,
daß das Praͤdteat ſolcher apodietiſchen Urtheile ſchon in dem
Begriff des Sublects liege, und das Urtheil alfo anolytiſch
fin Sie geſtehen es ſelbſt, daß wir in olchen Sätzen zu
einem gegebenen Begriff ein gewiſſes Prädicat hinzudenken,
deſſen Nothwendigkelt an jenem haftet. Allein wird in eis
nem ſolchen Fall nicht der Begriff des Eubiects wieder aufs
gehoben, wenn wir das Praͤdicat leuanen Dieſes muß als _
ſo in jenem ſeinen hinreichenden Grund haben, und unſte
Vernunft erblickt dieren entweder blos in dem Begriff des
Sublects, oder ie muß andre Begriffe zu Huͤlſe nehmen,
um aus dleſen die Gültigkeit der Wahrheit zu beweiſen. Im
eriten Fall hat fie Arxiomen, oder wle Sie ſprechen, analys
ilſche Säge, im andern Theoremen oder ſynthetiſche Urrhei«
I. Die Anſchauung kann, wie ich oben bewieſen habe, ihr
nicht zur Erkenntniß der Allgemeinheit und Nothwendigkeit
der theoretiſchen Satze verhelfen.
Sie wollen aus der Naturwiſſenſchaſt ein Paar Saͤtze
jum Beyſpiel anführen, um dadurch zu beweifen, daß ſyn⸗
thetiſche Urtheile a priori als Principien in ihr enthalten
find. Die angeführten Säge find folgende: 1) in allen Vers
änderungen der korpetlichen Welt bleibt die Quantität der
Via»
- 44 ee ee
Materie unverändert, 2) In aller Mitthellung der Bewe.
gung find Wirkung und Gegenmirfung jederzelt einander
gleich. Bey bepden Saͤtzen denkt ſich die Vernunſt Allges
melnhelt und Notpwendigkeit. Beyde Beſtimmungen kann.
fie nicht aus Erfahrung, auch nicht aus bloſſen Begriffen
des Sublects und Praͤdicats herleiten. Sie muß alſo ana
dre Gründe auſſuchen, woraus es ihr einleuchtet, daß dies
fe Syntheſis in der angenommenen Beſtimmung nicht blos
moglich, ſondern auch wuͤrklich iſt. Sie wlrb fie alſo nicht
fuͤr Axlomen, ſondern für Theoremen, oder nicht für ana—
lytiſche, ſondern für ſynthetiſche Saͤtze, wenn Sie ſich lies
ber fo ausdrucken wollen, anſehen koͤnnen. Wenn ſie erſt
hinreichend bewieſen find: fo koͤnnen fie auch von der Vers
nunſt als ausgemachte Wahrheiten zum Grunde gelegt wer—
den, um andre daraus herzulelten, und ſolglich koͤnnen fie
alsdann die Stelle der Prineipien einnehmen. So weit
ſtimmen alle Philoſophen mit Ihnen überein. Allein Sie
reden noch von ſynthetiſchen Satzen a priori. Durch dleſe
Redensart bezeichnen Sle entweder blos allgemeine Sätze,
oder ſolche, deren Erkenntniß bey uns von allen Erſahrun—
gen auch in Anſehung ihres Urſprunges durchaus unabhäne
gla iſt. Das erſte leugnet kein Philoſoph. Das letzte, muͤß—
ten Sie bewelſen, well es effenbar dem Gong widerſprlcht,
welchen unire Vernunft nimmt, um ſich zu der Erkenntniß
von der Allgemeinheit und Nothwendigkeit dieſer Saͤtze em—
por zu arbeiten. Diefen Beweis bleiben Sie uns noch ſchul⸗
dig, und Ihe bloffer Ausfprud, kann hierinn nichts entſcheiden.
Wie koͤnnen Sie den Ausſpruch thun, daß die Mes
taphyſik bisher für nichts weiter als für eine blos verſuchte
Wiſſenſchaft gehalten werden darf? Sie nehmen ſreylich
die Miene an, als ob Sie dieß hier nur als eine Hypothe—
ſe einsweilen hinſetzen wollen. Sie werden ſich aber bald
deutlich genung darüber erklaͤren, daß die nicht bey Ihnen
für eine Hypotheſe, fondern für eine ausgemachte Wahr—
beit
N helt g
lichem
che no
irgend
ken S
den,
menen
theder,
ſagen
dern?
hellden
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menhei
ben, n
elgnen
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lich ge
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lofophii
denfen!
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ſenſchaf
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enthalte
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45
belt gelte. Alſo haͤtte noch keiner die Metaphyſik mit gluͤck—
lichem Erfolg als eine Wiſſenſchaſt behandelt; weder Grie—
che noch Deutſcher, noch Engelländer noch Franzoſe, noch
irgend ein Phlloſoph aus allen Nationen der Erde? Beden—
ken Sie, wos Ihre Gegner zu dleſem Nusſpruch ſagen wer—
den, welchen er notwendig zu gewagt, zu hart vorkom—
men muß, als daß er ſich einmal mit Anſtand auf dem Ka—
theder, vielmeniger vor den Ohren der Ppiloſophen oͤffentlich
ſagen laͤßt. Was für Beweiſe werden ſie von Ihnen ſo—
dern? Können Sie es wohl von allen Metapfnfifen der
belldenkenden philoſophiſchen Köpfe darthun, daß fie keine theo⸗
retiſche Wiſſenſchaft in elnem gewiſſen Grade der Vollkom⸗
menheit in ihnen geliefert, ſondern bles Verſuche gewagt has
ben, welche ihnen fo wenig gelungen find? Nach Ihrem
eignen Geſtändniß iſt die Metaphyſik eine Wiſſenſchaft, wel—
che durch die Natur der menſchlichen Vernunft unentbehr—
ſich gemacht wird. Iſt auch deswegen es wohl wahr—
ſcheinlich, daß bis auf den Zeitpunct, wo Sie in der phi—
loſophiſchen Welt auftreten, die Vernunft in ſo vlelen hell.
denkenden Köpfen zwar immer nach der größten Vorberei—
tung dieß Ziel zu erreihen ſuchte, aber noch nie eine Wifs
ſenſchaft zu Stande bringen konnte, welche ihr doch ſelbſt
durch die Natur fo unentbehrlich gemacht it?
Die Metappyſik foll ſynthetiſche Erkenntuiſſe a prlori
enthalten. Allein iſt denn unfre Seele auch ſolcher fähig,
wenn wir nach Ihrer Erklaͤrung darunter Erkenntnulſſe denken,
welche ihrem Urſprunge nach ſchlechterdings von aller Erſab—
rung unabhaͤngig ſind? Dieſe Frage haben Sie durch oft
wiederhohlte Ausſpruͤche bejahet, aber Ihre Behauptung
durch keinen einzigen tuͤchtigen Grund bewleſen. Waͤre un—
fre Vernunft nach den Einſchraͤnkungen, welche ihr wenig»
ſtens in ihrer itzigen Lage von der Natur geſetzt find, unfähig,
ſich dieſe zu verfchaffen, wie es ſich beweiſen ließ, und wuͤr⸗
den dieſe in der Mataphyſik die Hauptgegenſtaͤnde ausma⸗
\ chen:
46
a
flect ve.
chen: fo würden wir ſreyllch bloß Verſuche, Pelne Metophyſik
als Wiſſenſchaft haben, und Sie ſelbſt würden uns nichts | feinen |
beſſres llefern koͤnnen. Es iſt uns freylich in der Mataphyſik ihrem |
nicht blos darum zu thun, uns allgemeine Begriff⸗ von Din⸗ n
gen zu machen, jene blos zu zeralledern, urd ſie dadurch! durch d
analpeiſch zu erläutern. Wir wollen unſte Erkenntniß er weltern
weitern, und Präricate zu den Subiecten finden, welche
führen:
wir nicht aus den Begriffen der Gubiecte allein herl-iten
koͤnnen, fordern in Anſehung deren wir andre Wahrhelten,
als Grundſätze iu Hülfe nehmen, um aus dieſer Verbindung
es einzuſehn, daß das Prädlcat in dem Beariff oder in dem
Weſen des Subieetes gegruͤndet iſt. In ſolchen Theore—
men wollen wir nicht den Beariff des Sublectes ſelbſt, fon»
dern nut unfre Erfenntniß erweitern. Wir (uͤgen nicht
eln Praͤdicat zum Sublect, was nicht vermöae feines We⸗
ſeus ſchon In ihm liegt, ſondern was wir ehne Vergleich mit
andern Wahtheiten nicht darinn erblicken koͤnnen. Dleſe
Urtheile find deswegen Lehrſaͤtze, nicht ſynth⸗tiſche Saͤtze in
dem Verſtande, als wenn das Praͤdicat zu dem Begelff des
Sublectes etwas hinzuthaͤte, was gar nicht darinn enthal⸗
ten wäre. Dleß hat nur in den Sätzen flott, mworinn
das Praͤdicat eine zufällige Beſtimmung von dem Sublect
Der 0
von grof
chungen
kann.
eignes 0
Uetheil,
oder nich
reinen N
ſynthett
üb, und blos dleſe find fo wohl der Sache als unfrer Ers Ich
kenntniß nach ſynthetiſche, oder Erweiterungsſaͤtze in Ruͤckſicht (ehr gere
des Sublects. Alleln ſoſche Saͤtze ſind am wenigſten die Haupt Erg 2 al
gegenſtaͤnde der Metaphyſik, ob fie gleich auch in ihr ange: dit if n
troffen werden muͤſſen. Wlll dle Vernunft beweiſen, daß beypflichee
die Welt einen erſten Anfang haben müffe: fo kann dle ich ſie da
Erfahrung ihr zwar keinen Beweis von dieſer Wahrhelt tung ge
liefern, ob ſie gleich ohne ihre Beypuͤlſe zu dieſer Unterſu . burch he
chung nicht hätte kommen konnen. Sle will hier nicht ein Bye nicht d
Prädicat zum Subiect hinzuthun, welches nicht in feinem immer *
Begriff enthalten, oder nicht in ihm gegründer wäre: ſon. nicht ſolge
dern ſie iſt bemuͤht, ſich eln Licht anzuzuͤnden, wodurch ſie erschlug
es mit Gewißheit erkennet, daß dieß Praͤdicat mit dem Sub⸗
iect
47
fect verbunden werden muß, well es in dem Weſen deſſelben
feinen hinrelchenden Grund hat. Die Metaphyſik beſteht
ihrem Zwecke nach nicht aus lauter ſynthetiſchen Saͤtzen a
priori nach Ihrer Erklaͤrung, ſondern aus Theoremen,
durch deren gruͤndlichen Beweis fie unfre Erkenntniß er—
weitern will. Können Sie mich von dem Gegentheil übers
führen: fo verpflichten Sie Ihren ergebenſten c.
| 6. Brief.
Mein Herr,
Der Gewinnſt iſt in theoretiſchen Speculatlonen ſehr oft
ron groſſem Umfange, wenn man eine Menge von Unterſu. -
chungen unter die Formel einer einzigen Auſgabe bringen
(ann. Sie haben Recht, man erleichtert ſich dadurch fein
eignes Geſchaͤfte, und jedem andern, der prüfen will, dat
Urtheil, ob wir unſerm Vorhaben Gnuͤge geleiſtet haben,
eder nicht. Sie glauben, daß die eigentliche Aufgabe der
reinen Vernunft in diefer Frage enthalten fen: wie find
_Ipntheriicye Ulrtheile a priori möglidy?
Ich geſtehe es gerne, daß Sie meine Neuglerde
he gerelzet hoben, und daß ich Ihrer Beantwortung der
- Frage alle Aufmerkſamkeit widmen werde. Die Wahr—
it iſt mir zu ſchatzbar, als daß ich Ihnen nicht gerne
F ppflichten werde, wenn fie auf Ihter Seite iſt. Finde
ih fie da nicht: fo wäre es eine übel angebrachte Hochach—
| ME gegen einen DVerdienfivollen Mann, wenn ich mich
zurch fie abhalten ließ, es ſreymüthig zu geſtehen, daß ich
ſe nicht da gefunden habe. Ihre Frage ſcheint mir doch
mer noch etwas unbeſtimmt zu ſeyn. Könnte fie wohl
icht folgende Aufgaben In ſich ſaſſen: 1) wodurch wird der
nſchüche Verſtand ſaͤig, ſolche Urtheile zu bilden 7
20 wie
1— ͤ — F ne Zee De Zn nz
*
A ETETE
48
2) wle kann er auf dleſe geführet werden? 3) wle kann er if.
re Wahrhelt bewelſen? Vlelleicht werden Sie olle dleſe
Aufgaben auflöfen, vielleicht bleiben Sie blos bey der ers
ſten ſtehen. Ich erwarte auch, daß Sie ſich darüber bee
ſtimmt erflären, was Sle unter reiner Vernunſt verſte⸗
ben, Der Erfolg wird mich lehren, was Sie gethan haben.
Sie behaupten, daß dle Metaphyſik bisher in elnem
ſehr ſchwankenden Zuftand der Ungewißhelt und Wider⸗
ſorͤͤche geblieben iſt, und Eie wollen die Urſache hievon
darinn entdeckt haben, daß kein Phlloſoph ſich dieſe Auf
gabe und vielleicht ſo gar den Unterſchled der analytiſchen
und ſynthetiſchen Urtheile früher ln Gedanken kommen ließ.
Das erſte wird von Ihnen blos ſo hingeworſen, und mwers
den nicht alle Metaphyſiker gegen Ele auſſtehen, und Ih.
nen das Gegentheil zuruſen? Welche Stimme gilt nun
in dieſem Strelt am meiften? Eben dieſe Phlloſophen wer⸗
den Ihren Ausſpruch verwerfen, einmal, weil fie den Uns
terſchled zwiſchen Ariomen und Theoremen fehr quf gefannt,
und Regeln entwicket haben, wornach man beyde bilden,
und dieſe aus jenen herleiten muͤſſe; zweytens, weil ſie
dieſe Ausdrücke, analytiſche und ſynthetiſche Urthelle, für
unſchicklich halten, und die Einthellung, in wle welt Sie
dleſe gemacht haben, entweder für ungegründet, oder doch
wenlgſtens für ſchwankend anſehen. Sle werden es ven
Ihnen fodern, daß Sie vorher dle Wuͤrklichkeit oder Moͤg⸗
lichkeit ſynthetiſcher Urtheile a priori in unfrer Seele nach
Ihrer Erklärung bemeifen, ehe Sle ihnen einen fo groſſen
Einfluß zuſchreiben, und daß Sie diefe Aufgabe : wie find
ſonthetiſche Urtheile 2 priori moglich? hinreichend auflöfen.
Diefe Foderung, welche fo gerecht feine, wird dadurch
uicht beſtlediget, daß Sie gleich darauf behaupten, das Ste⸗
hen und Fallen der Melaphyſik beruhe, und zwar das er⸗
ſte auf der Aufloͤſung dieſer Aufgabe, das letzte auf einem
genug
gent
Lure
nich
Ma
ſenſe
kehr
Urt!
ihre
iſt,
glei
dem
Gel
und
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232 pl
halt
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die
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fie t
den
wer!
nich
ſcha
aber
auf
Luft
ſich
will
und
2 C ˙
gerugthuenden Bewelſe, daß die Moͤglichkeſe, weiche wir
kurch dieſe Aufgabe erklart wiſſen wollen, in der That gae
nicht ſtatt finde. Wird man Ihnen nicht hier die reine
Matdematik entgegen ſetzen, welche ſchon ſo lange als Wiſ.
ſenſchaft unerſchuͤttert da ſtand, und in welcher doch feine
Shriäge, oder wie Sie lieber ſorechen, keine ſonthetiſche
Urtheile angetroffen werden, deren Erkenntniß in A-f hung
ihres Urſprunges von aller Erfahtung durchaus unabhängig
iſt, ob fie es gleich in Aoſe hung ihres In holtes wird, ob
gleich die Vernunft di— Verbindung dieſer Saͤtze theils nach
dem Grundſotz des Widerſpruchs, theils der zureichenden
Gründe aus Begriffen oder andern Sätzen veranſtaltet,
und nun ihre allgemeine Wahrheit auch ohne Ruͤckſicht auf
Erfahrung mit Gewißheit erkennet. Eben dieß hat auch in
der Metaphyſik ſtatt. Wozu sollten ihr ſonthetiſche Saͤtze
a priori, welche von aller E fahrung nicht blos ihtem Inn⸗
halte, ſondern auch ihrem Urſprunge nach ſchlechterdings un⸗
abbaͤngig find, dienen? Worauf ſollte denn die Vernunſt
die Gultigkeit derſelben bauea? Etwa auf analytiſche?
Sollte ſie die Verbindung derſelben nach den uns angebohr—
nen Regeln der Denffraft machen? Dieß bat fir in der
reinen Mathematik, und in der Metophyſik gethan? Sollte
ſie dieſe etwa auf andre ſonthetiſche Saͤtze von der Art gruͤn⸗
den? Alsdann wuͤrde eben die Frage wieder aufgeworfen
werden muͤſſen, und wir waren in Anſehung der Aufloͤſung
richt um ein Haar weiter fortgeruͤcket. Oder ſollen An⸗
ſchauungen hier zum Grunde gelegt werden? Dieſe geben
aber blos unmittelbar Erfahrungsſaͤtze. Ober ſollen ſie ſich
auf nichts ſtützen; nun fo hatten wir einen Thurm in der
kuft, welchen die Phantaſie ſich erbaute, ihn aber auf nichts
ſich gründen läßt,
Wenn der Sceptiker David Hume andre überreden
will, daß Sätze a priori, d. h. ſolche, deren Allqemei heit
und Nolhwendigkeit die Vernunft mit Gewißheit erkennet,
D
ganz
49
1
ganz unmoͤalich find, und doch aus ſolchen feine Schluͤſſe herlel
tet: ſo gleicht er elnem Wandrer, welcher immer raſch über
einen Hügel binſteigt, und feinen Geſehrten zuruſt: es iſt
unmöglich, über dieſen Hügel hinzuſtelgen. Würden diefe
ſich durch feine Betheurungen irre machen laſſen? Hume
widerlegt ſich durch die allgemeinen Begriff: und Saͤtze,
welche er zum Grunde ſeiner Schluͤſſe legt. Wer wird ſich
an einen Mann kehren, welcher durch feine Speculo tionen
dleſen feinen Machtſpruch ſelbſt immer fuͤr falſch erklaͤrt,
wenn nach feinen Schluͤſſen all' s, was wir Metaphyſik nen⸗
nen, auf einen bleſſen Wahn von vermeinter Vernunſtein⸗
ſicht deſſen hinaus aufen wuͤrde, wos in der That blos aus
der Erfahrung erborgt, und durch Gewohnheit den Schein
der Nothwendigkelt überfommen hat? Denn will er nur
fo viel hiemit ſagen, daß unſte Erkenntniß aus Erfahrung
ihren Urſprung nimmt: fo iſt die Sache richtig, und feine
Schluͤſſe, die er daher zieht, find ohne Grund. Iſt dieß
aber feine Meinung, daß unfre höhere Erkenntnlß von ellen
Sätzen ſich blos auf Erfahrung zuletzt, nicht auf allgemeine
Grunde flüge, aus welchen die Vernunſt die Allgemeinheit
und Nothwendigkeit von jenen einſieht: ſo ſind dieß Grillen,
welche ihm feine Phantaſie, oder feine Neigung zu zweifeln,
nicht aber eine unbefangene Vernunft in den Kopf geſetzes hat.
Wie koͤnnen Sie ſich ſchmeicheln, daß der kranke Verſtand
eines ſolchen Sceptikers gehetlet worden waͤre, wenn er Ihre
Aufgabe in ihrer Allgemeinheit vor Augen gehabt haͤtte? Wie
ſollte dieſe feinen guten Verſtand vor ſolchen Behauptungen
bewahret haben? Wie wann er die Aufloͤſung derſelben von
Ihnen geſodert haͤtte, und Sie ihm dieſe nicht haͤtten ma⸗
chen koͤnnen? Nicht aus einer unmoͤglichen Auflſung Ih-
rer allgemeinen Aufgabe, ſondern aus ſeiner Behauptung
folget es, daß, wenn fie wahr wäre, es auch keine reine Ma⸗
thematik geben koͤnnte, und es waͤre immer zu vermuthen,
daß er, wenn er auf dieſe Folgerung gedacht hätte, lieber
die Moͤglichkeit der reinen Mathematik, als die Richtigkeit
ſelner
2 re: 51
feiner Behauptung würde aufgegeben haben. Denn wozu
find Köpfe von der Art nicht fähig? Sie koͤnnen wenn der
Parorismus ihrer Zweifelſucht fie anwandelt, wohl fo gar
leugnen, daß fie Finger haben, mit welchen fie durch Hüuͤlfe
der Feder es uns niederſchreiben, daß fie dieſe leugnen, oder
wenigſtens an ihrem Daſeyn zweifeln, weil man dieſes nicht
a priori beweiſen kann.
Wonn werden Sie aber zu der Aufloͤſung Ihrer Auf⸗
gabe eibſt kommen? Sie fagen uns zwar, daß ın ihr zu⸗
gleich die Möglichkeit des reinen Vernu ıraetrcucs in Grüne
dung und Ausführung aller Wiſſenſchoſten, rie eine theo⸗
retiſche Erkenntniß a priori von Gegenſtänden enthalten,
mit begriffen iſt. Allein wie iſt dieſe Möglichkeit in der
Aufloͤſung gegruͤndet? Dieß möchten wir gerne von Ihnen
wiſſen. Sie koͤnnen unſte Neugierde nur dann betrtedie
gen, wann Sie vorher Ihre Aufgabe aufoclöſet hoben.
Warum loſſen Sie uns nech immer auf dieſe A Rötung
vergeblich warten? Die Moͤglichkeit des reiren Vernunft—
gebrauchs, wovon Sie redeten, ſoll die Beantwortung der
Fragen ſeyn: 1) Wie iſt reine Mathematik moͤglich, 2)
wie iſt reine Naturwiſſenſchaft moglich. Vielleicht werden
Sie, um dieſe Fragen zu beantworten, uns nun di Auflaͤ—
fung Ihrer Aufgabe vorlegen. Allein auch bier wird un«-
ſre Hoffnung getäͤuſcht. Wir hören nichts weiter von Ih—
nen, als daß von diefen Wiſſenſchaften, da fie wirklich ge—
geben find, ſich geziemend fragen läßt: wie fie moͤalich
find, weil fie doch moͤglich ſeyn muͤſſen, da wir fie wirklich
haben. Sie werfen es allen Philo ephen noch ein mal ver,
daß man von keiner einzigen Metaphyſik, weiche fie bisher
vorgetragen haben, es ſagen kann, daß fie wirklich vorhan⸗
den ſey, und daß man alſo wegen ihres bisherigen ſchlech⸗
ten Fortganges mit Grund an der Möglichkeit zweifeln
koͤnne. Was werden dieſe Herren dazu fagen ? Ohne
Zweifel dieſes: wir erwarten = Ihnen die Auflöfung dee
2
N
N
— —
52
Aufgabe: wie find ſynthetiſche Urthelle a priori moglich,
und Sie, ſtatt uns dieſe zu liefern , reden äufferft verächt.
lich von ungern Arbeiten. Heben wir denn nicht nach den
Regeln der Vernunſtlehre Begriffe und Axiomen zum Grun⸗
de gelegt, nicht aus dieſen out eine regelmaͤſſige Art Folge⸗
rungen gezogen, und fie zweckmaͤſſig verbunden? Fodert
dieß nicht die ſcientiviſche Mecho.e? Haben wir alſo nicht
die Metaphpſik zu einer Wiſſeuſchaft erhoben? Dieß iſt
Thatſache Ein Machtſpruch dagegen gleicht einer Woge,
die ſiq) echebt, um eine Kippe niederzureiſſen. rend)
hat unſte Vernunft manche Fraue aufgeworfen, worauf fie
wegen Ihrer Grenzen nicht beſtimmt, nicht hinlanglich ant—
worten kann. Hier find Dunkelheiten, welche auch Sie
durch Ihe Theorie, wenn man fie fo nennen kann, von
fpatyeun den Urtheilen a priori eben fo wenig wegſchaffen,
eben o wenig aufhellen konnen. Alleln vieles lſt auch in der
Mletap pi richtig dewieſen, und dadurch gezeiget, daß auch
ohne wn:henja)e Satze a priori nach Ihrer Erflärung die
Werruuse Allgemeinheit und Nothwendigkeit ihrer gebile
deten Urtheile zu beweisen fähig iſt. In der Logik haben
un; Pypꝛ eſophpen ſich damit beſchaͤſtiget, es zu zeigen, wle
wir nid) Vorausſetzung der uns angebohrnen Grundregeln
des Denkens Begriffe a poſteriori und priori durch dieſe
Urtpeile bilden, ihre Allgemeinhelt, wenn fie dieſe ha—
ben, aus unwliderleglichen Gründen herleiten koͤnnen, und
in der Metaphyſik haben ſie ſich bemuͤht, dieſe Kritik des
Verſtandes auf Vernunſtswahrheiten anzuwenden.
Sie leugnen zwar, daß es eine Metaphyſik als Wiſ.
ſenſchaft bisher gebe, ob fie gleich als Naturanlage (meta.
phyfica naturalis) wirklich ſeyn fol. Naturanlage iſt
blos Fahigkeit, nicht Erkenntniß, fo wie etwa Naturanlage,
die Regeln der Vernunftlehre aufzufuchen und fie anzuwen.
den, in der Seele eines Menſchen angetroffen wird. Einige
haben dieſe zwar logicam innatam nennen wollen. Allein
fe E
53
fie denken ſich dabey weder Erkenntniß, noch Anwendung
derſelben, ſondern bios Anlage, Vermögen zu benden. Sie
denken ſich aber, wie ich aus der Folge ſehe, mehr als Nas
turanloge, ſchon einige Fortſchritte, zu welchen die Vernunft
der Menſchen unaufhaltſam fortgetrieben, und durch einen
innern Drang gendrhiget wird, Frogen aufzuwerſen, wel—
che durch keinen Erꝛahrungsgebrauch der Vernunft, und
daher entlehnte Principien beantwertet werden. Nur in ſo
weit ſoll wirklich in allen Menſchen, fo bald Vernunft ſich
in ihnen bis zur Speculation erweitert, irgend eine Meta—
phyſik zu aller Zeit geweſen ſeyn, und wird auch immer dare
inn bleiben. Hier denken Sie ſich die Metaphyſik grade ſo
wie die natürliche Logik bey allen Menſchen, welche zum
Gebrauch der Vernunft gekommen ſind. Sie bilden ihre
Ideen, Begriffe, Schluͤſſe nach Regeln, welche ſie nicht
deutlich kennen. Ihre Logik iſt keine Wiſſenſchaft, fondern
eine gewiſſe Fertigkeit, regelmaͤſſig zu denken, welche fie ſich
durch Erziehung und Uebung erworben haben. Dle Natur
hat ihnen vorgearbeitet, und fie folgen der Führung derſel—
ben. Dieß iſt die allgemeine Aufloͤſung der Aufgabe: wie
iſt die Logik, nichts als bloſſe Naturanlage, ſondern als
Fertigkeit in der Seele des Menſchen möglid) ?
Sie werfen die Frage auf: Wie iſt die Metaphyſik
nicht als bloſſe Naturanlage, weil ſie dann blos Vermoͤgen
der Seele waͤre, ſondern als Naturanlage zur Wiſſenſchaft
moͤglich, d. h. wie Sie es erklaͤren, wie entſpringen die
Fragen, welche relne Vernunſt ſich aufwirft und die ſie ſo gut
als fie kann, zu beantworten, durch ihr eignes Beduͤrfniß
getrieben wird, aus der Natur der allgemeinen Menſchen⸗
vernunft? Hier berechtigen Sie uns, es zu erwarten, daß
Sie es uns erklaͤren 1) was reine Vernunft ſey, 2) worinn
die Natur der allgemeinen Menſchenvernunft beſtehe, 3)
wie aus diefer die reine Vernunft dahin gebracht werde,
dieſe Fragen aufzuwerfen. Allein wir finden uns in unfrer
D 3 Erwar⸗
54
Erwartung getaͤuſchet. Sie denken in der Folge nicht daran,
dieſe Aufgaben uns aufzulöfen, ob ich gleich uͤberzeugt bin,
daß fie wir llich ſchon ſehr gut von unfern beſten Phlloſophen
aufgeloͤſet ſind. Sie ſagen es uns nur, daß bey allen bis⸗
herigen Verſuchen, dieſe natürlichen Fragen zu beantworten, z.
B. ob die Welt einen Anfang habe, oder von Ewigkeit her
fen, ſich je erzelt unvermeidliche Widerſpruͤche gefunden has
ben. Allein ſolgt daraus, daß kein Weltweiſer die Fragen
rich: ig beantwortet, und feine Antwort mit beftiedigenden
Gründen bewieſen habe? Auch richtige Entſcheidungen mas
chen Widerſpruͤche bey andern nicht unmoͤglich, und dleſe
als bloſſe Widerſpruͤche koͤnnen nicht die Guͤltigkeit einer
richtigen Entſcheldung aufheben.
Die bloſſe Naturanlage zur Metaphyſik erklären Sie
uns itzt durch ein reines Vernunſtvermoͤgen, woraus immer
eine Metapbyſik, fie fen, welche fie wolle, erwaͤchſt. Vor—
ber hieß bey Ihnen die Metophyſik ſelbſt Naturanlage.
Sollte hier wohl nicht eine gewiſſe Verwirrung der Begriffe
ſtott finden? Bey der Metaphyſik als bloſſer Naturanlage,
oder als bloſſem reinem Vernunſtvermoͤgen koͤnnen wir es
ſrey ich nicht bewenden laſſen, wenn wir ſolche Fragen richtig
auflöſen wollen. Wir muſſen es zu entſchelden ſuchen, wie
weit das B rmögen oder Unvermoͤgen unfrer Vernunft in Ans
fepung ſolcher Fragen geht. Dieſe Unterſuchungen find bald
mit m-hrerm, bald mit wenigerm Gluͤcke von Ariſtoteles an
bis auf Reimarus in allen Logiken vermittelſt pſychologiſcher
Beobachtungen und Folgerungen aus ihnen angeſtellt. Man
hat alfo nicht von der Vernunſt blos einen dogmstifchen Ges
brauch ohne Kritik gemacht. Wäre das Gegentheil durch—
aus geſchehen: ſo wuͤrde unſte Vernunft blos auf grundloſe
Behouptungen geſuͤhrt fern, denen man eben fo ſcheinbare
entgegen ſetzen koͤnnte Allein dieß iſt bisher bey den Philos
ſophen nicht ſchlechterdings geſchehen. Wenn Sie das Ges
gentheil behaupten: fo werden Sie doch unmoͤglich von uns
ſodern
——— ꝗCb
— — —— — — — — — — — — — — en — — 2 ——— ũ—*2ĩ —k—ͤ— —
fodern koͤnnen, daß wir Ihrer bloſſen Behauptung auf Ihr
Wort glauben, und fie jür eine unwiderſprechliche Entſch ts
dung halten ſollen. Wir werden aber von Ib en mit
Recht die Aufloͤſung Ibrer Aufgabe ſodern: wie iſt Meta⸗
phyſik als Wiſſenſchaſt moͤglich? Dieſe ſollten Sie uns doch
nicht ſo ganz ſchuldig geblieben ſeyn.
Sie machen einen Verſuch, dem Gebiete der Meta—
phyſik feine Grenzen überhaupt anzuweiſen. Allein wornach
follen wir es beſtimmen, ob dieſe auch die wahren Grenzen
dieſer Wiſſenſchaft fund ? Hätten Sie es uns vorher erflärt,
worinn eigentlich die Metaphyſik els Wiſſenſchaſt beſtehe:
fo würden wir den Begriff, welchen Sie mit ihr verbinden,
gehoͤrig prüfen, und nachher unterſuche koͤnnen, ob dieſe
Wiſſenſchaft wirklich ſo enge Grenzen habe, als Sie ihr
feßen. Haͤtte fie es nicht mit den Obiecten der Vernunft,
deren Man niafeltigkelt unendlich iſt, ſondern blos mit ſich
ſelbſt zu thun, wie Sie behaupten: fo würden dieſe Frogen
nicht zu en Gebiete gehoͤren: Iſt die Welt ewig
oder nicht? Sat fie im letzten Fall ihr Daſeyn
von einem mächtigen verſtaͤndigen Weſen, welches
wir Gott nennen, oder war etwa nach dem Sy—
ſtem des Epicuts ein under Zufall die Urſache
ihres Entſtehens? Sie haben ſelbſt Fragen von der Art,
welche unfre Vernunſt, durch ein gewiſſes Beduͤrfniß getrice
ben, auſwirft, vorher als Bewelſe angeſehen, daß es eine
gewiſſe Naturmetaphyſik zu jeder Zeit gegeben hat. Un—
terfuhurgen von der Art muͤſſen alſo nach Ihrem eignen
Geſtaͤndniſſe in das Gebiet der Metaphyſik gehoͤren. Allein
ſind die Gegenſtaͤnde ſolcher Unterſuchung nicht Obiecte der
Vernunft, nicht Dinge, die von ihr unterſchleden ſind?
Die Aufgaben, welche aus ihrem Schooſſe entſpringen, be.
treffen alſo nicht blos ihre eigne Natur, ſondern auch die
Natur andrer Dinge, dle eine von ihr ganz unter
ſchiedene Beſchaffenheit en, Die Vernunft muß nicht
blos
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blos ihre Grenzen, ſondern auch die Huͤlſsmittel ſich bes
fanrt machen, welche fie hat, um in das Reich der Wahr⸗
heiten einzudringen. Von dleſen letzten muß ſie auch den
gehörigen Gebrauch machen, um Fragen, welche fie aufe
wirft, zu beantworten, welche nicht durch bloſſe Erſahrun⸗
gen, ſondern vielmehr ourdy allgemeine Principien entſchie⸗
den werden konnen, und weiche alſo eigentlich Gegenftände
der Metaphyſik in ſich Affen. Es wird ihr alſo nicht fo
ganz icht werden, wie Cie denken, den Umfeng und die
Gre zen ipres uber alle Erfahrungsgrenzen verſuchten Ges
brauchs vollſtändig und ſicher zu beſtimmen.
Sie ſied auch ſehr hart in ihren Foderungen. Unſte
Philoſophen ſollen alle ihre bisher gemachten Verſuche, eine
Metaphyſik zu Stande zu bringen, als ungeſchehen anſehen;
weil ſie dieſe durch einen bloſſen dogmatiſchen Gebrauch der
Veraunft ohne Kritik ausgearbeltet haben. Dieß letzte wer
den fir leugnen, und zu dem erſten ſich nicht verſtehen wol,“
In Hä ben dieſe in ihren Metaphyſiken blos analytiſche!
Begriff. entwickelt, Feine ſynthetiſche vorgetragen, nicht ges
zeit, wie ſie zu dieſen Begriffen a priori gelanget ſind!
Haben fie nicht analytiſche Sätze regelmaͤſſig gebraucht, um
Inn hetiſche Saͤtze, Thor emen aus ihnen richtig herzuleiten!
und zu bewelſen? Das wohl — werden Sie erwledeen. Al
lein ſie verſtanden es nicht, ihre Erkenntniß a priori fon
thetiſch zu erweitern, d. h. in Ihrer Sprache, ſie wußten
nicht Begriffe, nicht Sätze zu buden, welche nicht blos ih-
rein Junhelte, ſondern auch ihrem Urſprunge nach von aller
Erfaprung unabhängig find. Wiſſen Sie denn dieſe zu
büden? Bisher hat Ihnen noch kein Verſuch gluͤcken mol;
len. Und warum iſt dieß denn nothwendig, wenn eint
gruͤndliche Metaphyſck geſchrieben werden ſoll? Dieſe Nord:
weng igkeit iſt noch nirgend von Ihnen bewleſen worden.
Alle Metaphyſilen, welche bisher geſchrieben find, ſollen in
Anſehung der ſynthetiſchen Säge mit ſich ſelbſt in Wider,
ſpruch
57
ſpruch fern. Unſte Philoſophen gleichen alſo dem Ixion in
der Fabel, welcher eine Dunſtwolke umarmte, als er
glaubte, die Juno zu umfaſſen. Wenn Sie dieß erwleſen
hätten: fo foͤnnten Sie mit Recht von dieſen Betrogenen
es fodern, daß fie zwar die Naturanlage zur Metaphyſik,
die Wurzel ſtehen laſſen aber jeden hervor geſchoſſnen Stamm
bis auf die Wurzel abhauen ſollten. Da aber das erſte
nicht von Ihnen geleiſtet iſt: fo werden dieſe Philoſophen
ſich zu dieſer Operation nicht verpflichtet zu ſeyn glauben.
Sie werden es noch ſuͤr unausgemacht halten, ob die Tas
tur denn Sie vorzuͤglich dazu gebildet hat, endlich nach fo
vielen vergeblichen taͤuſchenden Verſuchen die Naturanlage
zur Metapbyſik, dieſe Wurzel, welche bisher nichts als
wilde Auswuͤchſe liefern konnte, zu einem gedeylichen und
ſruchtbaren Wachsthum zu befördern, und nach Zerſtoͤh—
rung aller vorigen Metaphyſiken der Schoͤpfer einer neuen
zu ſeyn, welche erſt eine wahre Wiſſenſchaft iſt. Der Era
ſolg zeiget, daß Sie durch Ihre Theorie von ſynthetiſchen
Urtheilen a priori endlich zu der Erkenntniß gekommen zu
ſeyn glauben, es einzuſehen, daß die meiſten bisher in der
Metaphyſik bewieſenen Wahrheiten von keiner Meyſchenver⸗
nunft bewieſen werden koͤnnen, und daß der Scepticismus
das einzige wahre Syſtem unfrer reinen Vernunft ſey.
Dieſer Gewinnſt iſt nun freylich für uns ſehr klein. Hätten
Sie die, allgemeinen Aufgaben der Vernunft, wie find forte
thetiſche Urtheile a priori, wie iſt Metaphyſik als Nature
anlage, wie als Wiſſenſchaft moͤglich, gehörig aufgeloͤſet:
fo würde der Gewinnſt wichtiger geweſen ſeyn für Ibren er⸗
gebenſten ꝛe.
35 7. Brief.
58
7. Brief.
Mein Herr, *
Sie wollen uns itzt die Idee und Eintheilung einer beſon⸗
dern Wiffenfchaft vorlegen, welche Sie Kritik der reinen
Brnunft nennen. Was iſt denn Vernunft? Sie ant⸗
worten, das Vermoͤgen, welches die Principien der Er.
kenptelff a priori an die Hand giebt, und reine Vernunft
fol diejenige ſeyn, welche dle Principlen, etwas ſchlechthin
a ‚riori zu erkennen, enthält. Ein Vermögen, welches
Principlen an dle Hand glebt, ließ ſich noch wohl deaken.
Was iſt aber ein Vermoͤgen, welches dieſe enthaͤlt? Prins
cipien der Erkenntniß koͤnnen doch nichts anders ſeyn, als
1) die Fähigkeiten der Seele, wodurch dleſe in ihr moͤglich
wird. Dieſe find vor jeder Vorſtellung, und alſo in ſo
weit a priori in ihr. Allein die Vorſtellung von ihnen
wird in der Seele zuerſt durch Beobachtung auf die Wirk⸗
ſamkeit ihrer Denkfraft, und alſo a poſteriori erzeuget.
Erkenntniß ohne Vorſtellung iſt ein Unding Folglich wird
auch die Erkenntnͤß dieſer Faͤhlakeiten, welche a priori da
ſind, nicht von aller Beobachtung oder Erſahrung ſchlech⸗
terdings u abhaͤrgig ſeyn koͤnnen. Sie koͤnnen auch 2) Be⸗
griffe und Urthelle, woraus tie Erkenntniß entſpringt, Prin⸗
cipien derſelben nennen. Ein bloſſes Vermoͤgen der Seele
kann dleſe nicht in fich enthalten, ob fie gleich durch dafe
ſeibe, wenn der Stele der Stoff dazu gegeben wird, zu
B.-ftellungen werden koͤnnen. Der Stoff kann ihr aber
mr entweder durch aͤuſſere Gegenſtaͤnde, oder durch innre
Wirkſamkelten der Denkkraft gegeben werden. In beyden
Fällen entſteht die Vorſtellung oder die Erkenntniß derſel⸗
ben 1) dadurch, daß dieß Vermoͤgen afficirt wird, und
2) durch unfre Aufmerffamfeit auf dus afficirte Vermoͤgen
fer ſt. Es iſt alſo dieſe in uns nicht von allet Beobach⸗
tung oder Erfahrung in Ruͤckſicht ihres Urſprunges durchaus
unab⸗
unab
ſell n
Ihre
a pr.
wee
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nützen
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59
unabhaͤnaig, oder nach Ihrer Erklaͤrung a priori. Was
‘ll man nun von der Vernunft oder reinen Vernunft, nach
Ihrem Begriffe denken? Sie ſetzen dabey eine Erkenntniß
a priori nd Jyter Erflärung voraus, und haben doch
wecet die Moͤguchkeit noch Wuͤrklichkeit einer ſolchen bisher
bewiehn Wir können vielmehr im Gegentheil es zeigen,
daß u fre Vernunft einer foidyen Erkenntniß nicht fähig
„ In der gewohnlichen Sprache unſrer Philoſophen
i Verſtand ein Vermögen, allgemeine Begriffe a priori
oder poſteriori zu bilden, und Vernunft ein Vermögen,
ven Zuſammenhang der Wahrheiten aus bloſſen Begriffen
und allgemeinen Urtheilen, oder auch zugleich mit aus Er—
fahrungen zu erkennen. Im erſten Fall koͤnnen wir fie reis
ne, im letzten empirische Vernunft nennen, und die Erſah—
rung lehrt es uns, daß wir dieß Vermögen haben.
Sie nennen den Innbegriff der Principien, nach de—
nen alle reine Erkenntniſſe a priori koͤnnen erworben, und
wiklich zu Stande gebracht werden, ein Organon der reinen
Vernunft. Ohne Zweifel reden Sie hier nicht von einem
tloſſen Vermoͤgen, ſondern von den Principien der Erkennt—
riß ſeibſt welche die Vernunft aufgeſucht, und entweder
hne Verbindung oder in einer ſoſchen zuſammengeſtellet hat.
Wir muſſen alfo erwarten, was für ein Organon Sie uns
biden werden. Wie koͤnnen Sie aber die ausführliche An—
wendung eines ſolchen Organons ein Syſtem der reinen Ver—
nunfe nennen? Anwendung eines Organons kann unmoͤg—
ich ein Syſtem ſeyn. Vielleicht haben Sie nicht Anwen⸗
dung, ſondern Ausfuͤhrung ſchrelben wollen.
Sie laſſen es hier dahin geſtellet ſeyn, ob auch übers
haupt eine Erweiterung unſrer Erkenntniß auf die Art möge
ih iſt. Ware dieß nun nicht, wozu ſollte uns dann Ihre
Eintheilung in analytiſche und ſynthetiſche Säge a priori
nützen, worauf Sie doch an mehrern Stellen einen fo groſ⸗
ſen
60 — SE SANT
fen Werth ſetzen? Sie wollen eine Wiſſenſchaſt der bloſſen ur €
Beurtheilung der reinen Vernunft, ihrer Quellen und Gren. ihr v
zen, als die Propäreotif zum Syſtem der reinen Ver n unſtſ behar
anſehen, und dieſe ſoll nicht Doctrin, ſondeis nur Krull mit g
der reinen Vernunſt helſſen. Alſo giebt es in Ihrer Spra-
che eine Wiſſenſchaft, die nicht Doctrin iſt. Der Nutze
diefer Kretik ſoll nur in Anſehung der Speculation negatit| ' heiffe
ſeyn, nicht zur Erweiterung, tondern nur zur Laͤuterurzl mit
unſter Vernunft dienen. Allein Beurtheilung der reine a pri
Vernunft, ihrer Quellen und ihrer Grenzen iſt ja ſſelbſ Sie
Speculation. Was nennen Sie Erweiterung unfrer Ven fen,
nunit? Ohne Zweifel Erwelterung ihrer Erkeyntuiſſe vor (dm
ihren Grenzen, von ihren Quellen. Wenn fie nun ihif Kost
Quellen kennen lernet: fo erweltert fie ihre Erkenntniß offen] ſcheit
bar nicht blos negativ, ſondern auch poſitiv Dieſe Krit att g
ſoll die Vernunft von Irrthuͤmern fren halten. Allein ef’ von
koͤnnte doch wohl ſelbſt irren, wenn ſie den Begriff der ra Sie
nen Vernunft, die Quellen, Principien und Grenzen ef
ſetzet, un alſo ſelbſt Irrthum verbreitet. Ob dieß de
Fall ia Anſehung Ibrer Keitik ſey, oder nicht, davon wil
ſich in der Folge erſt etwas genaues beſtimmen laſſen. Zu] Ich
einer Kritik ürer die Vernunft ſchelnt zu gebören, 1) ein fta-ı
genaue Entwicklung der ongebohrnen Grun dprincipien] gen!
wornach fie ſich in ihrer Wirkſamkeit durchaus richtet, niß
der Geſetz :, wornach fie ais Vermoͤgen in uns zur Wal] Bes
ſamkeit erhoͤhet wird. 3) der uaſter Denkkraſt eingepflan:f fen
ten Regeln, wodurch ſie von Ideen zu Ideen, von Begrif Sie
fen zu andern durch eine innre Einrichtung unfrer Mat fie d
fortgetrieben wird, welche Regeln leges aflociationis cog] nich
tationum genannt werden, 3) der Art, wie fie aus Erfal] wir
tungen und aus Bemerkungen der innerg Veranderung ee ein
uns ſich überhaupt Vorſtellungen und allgemeine Bea rief eher
von Giger ſtänden macht, wie fie dieſe gegen einander här] der
un daraus neue Folgerungen hetleltet, 5) eine auf richt die
Beobachtung gegründete Unterſuchung, welche Quellen f. a
Klon
U—y— — men (007
EUTTIT —— 61
jut Erweiterung ihrer Erkenntniß hat, und welche Grenzen
ihr von auſſen und innen geſetzt find. Wer kann es aber
behaupten, daß bisher keln Philoſoph dieſe Kritik und dieß
mit gluͤcklichem Erfolg geliefert habe?
Transſcendentolerkenntniß ſoll nach Ihnen eine folhe
beiſſen, welche ſich nicht fo wohl mit Gegenſtaͤnden, ſondern
mit unſter Erkenntnißart von Gegenſtänden, fo ferne dieſe
a priori moͤulich ſeyn fol, uberhaupt beſchaͤftiget. Haben
Sie alſo jede Erkenntniß von den Gegenſtaͤnden ausge ſchloſ⸗
ſen, oder nicht? Im letzten Fall würde Ihre Erklärung
ſchwankend, im erſten würde z. B an eine transfcendentale
Kosmologie nicht zu denken ſeyn. Es iſt mir mehr als wahre
ſcheinlich, daß Sie ſich auf die erſte Art dieſe Erfenntniß-
art gedacht haben. Wie wenn nun ober eine Erkenntaißart
von Gegeuftänden a priori nach Ihrer Erklarung in unſter
Suele ncht ſtatt hätte: fo würde dieſe transſcendentale Er—
kenntniß nicht in uns, ſondern in andern Bewohnern der
Welt vielleicht gefunden werden, und ich habe wichtige Ur—
ſachen, dieß letzte für mehr als wahrſcheinlich anzuſehen.
Ich leugne aber nicht, daß unſte Erkenntnißort von Gegen—
ſta s den ſehr verſchieden ſey, und daß wir durch Beobachtun⸗
gen desjenigen, was bey uns vorgeht, wenn wir zur Erkennt⸗
niß der Dinge gelangen, uns auch von dieſen Arten richtige
Begriffe machen koͤnnen. Ein Syſtem von ſolchen Begtif—
fen nennen Sie Transſcendentalphiloſophie. Werber redten
Sie von Erkenntnißart, nun von Begriffen. Wovon ſollen
fie denn Begriff ſeyn? Nicht von den Grgenftänden, auch
nicht von unſern Erkenntniſſen, ſondern von der Art, wie
wir erkennen. Allein wie können Sie nun behaupten, daß
ein Syſtem ſolcher Begriffe ſowohl die analytiſche als ſyn
thetiſche Erkenntniß a priori völlig enthalte, da doch in
der Transſcendentalphiloſophie blos von der Erkenntnißart
die Rede ſeyn ſoll; daß dieſe Wiſſenſchaft von zu weitem
Umfange für Ihre Adfıcht fen, weil Sie nur die Aualyſis
ſo weit treiben dürfen, als fie unentbedrlich nothwendig iſt,
um
62
um die Principien der Synthesis a priori, als warum Jh.
nen nut zu thun iſt, in ihrem ganzen Umfange einzuſehen.
Wenn Sie uns nur zu dieſer Einſicht verhelfen: ſo wollen
wir Ihnen gern das ganze Syſtem ſolcher Begriſſe, oder die
Transſcendentalphiloſophie ſchenken. R
Allein was Ift denn nun Transſcendentalkritik? Ste
antworten, eine ſolche, welche nicht die Erweiterung der Er.
kenntniß ſelbſt, ſondern nur die Berichtigung derſelben zur
Abſicht hat, und den Probierſtein des Werthes und Um
werthes aller Erkenntniß a priori abgeben fell. Eine ſolche
Kritik verſprechen Sie uns zu liefern. Sie wird uns ſehr
willkommen fern, nur muͤſſen wir une dieß vorher ausbit.
ten, daß ſie die Moͤglichkeit oder Wirklichkeit einer ſolchen
Erkenntniß, welche nicht blos in Anſehung ihres allgemei—
nen Innhaltes, ſondern auch ihres Urſprunges von aller Er—
fahrung ſchlechterdings unabhängig iſt, in unfrer Seele be.
weiſen. Denn wozu ſollte uns eine Ktitik über einen Ge
genftand nutzen, wenn er weder Möglichkeit noch Wirklich.
keit haͤtte, ſondern blos ein Hirngeſpinnſt unfrer Phantaſie
ware?
Eine ſolche Kritik, welche nicht die Erweiterung ſelbſt,
ſondern nur die Berichtigung derſelben zum Grunde hat,
ſoll eine Vorbereitung zu einem Organon, oder wenigſtens
zu einem Canon dienen, nach welchem derelnſt allenfalls
das vollſtaͤndige Syſtem der Transſcendentalphiloſophie der
reinen Vernunft, es mag nun in Erweiterung, oder blojfer
Begrenzung (Verichtigung) ihrer Erkenntniſſe beſtehen, fo
wohl analytiſch als ſynthetiſch dargeſtellet werden koͤnnte. Al
lein in dieſem Fall würden Transſcendentalkritik und Trank
ſcendentalphiloſophie ſelbſt nach Ihrer Erklärung zum Theil
denſelben Innhalt haben. Beyde würden die Berichtigung
unfrer Erkenntniſſe in ſich faſſen. Da nun die Berichti⸗
gung unfrer Vernunft ohne Erweiterung unſrer Erlenntniſſe
nicht
alch
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X — - >. - = - - 5 “
en p 42
63
nicht ſtatt haben kann: ſo wuͤrden auch beyde dieſe zum Zweck
ihrer Entwicklung haben. Es wuͤrde alſo Transſcendental⸗
kritik der reinen Vernunft und Transſcendentalphiloſophie zu⸗
ſammenflieſſen, und eine Grenzlinie für beyde nicht koͤnnen
gezogen werden. Soll ein wirklicher Unterſchied da ſeyn:
fo muß die Krͤik ſich mit den Principien der reinen Ver⸗
nunf beſchaͤ tigen, und die Philoſophi- die regelmaͤſſige An
wendung dieſer Pri cipien auf die Gegenſtaͤnde der Vernunft
in ſich ſchlieſen. Jene wäre alſo das, was die Phi'oſo—
pben Logik genannt hoben, dieſe ein Syſtem von Wahrheis
ten, welches nad) Regeln der Logik richtig und zweckmaͤſſig
trrichtet wurde.
Das Syſtem ſolcher Begriffe, welches Sie Transſcen⸗
dentalphiloſophte nennen, koͤnnte freylich genau nach der Er—
klärung, welche Sie davon geliefert haben, von keinem
groſſen Umfang ſeyn, weil es ſich nicht mit den Erkenntniſſen
ſelbſt, nicht mit der Natur der Dinge, die erkannt werden,
ſondern blos mit unfrer Erkenntnißart von Gegenſtaͤnden,
folglich mit der Art, wie wir uͤberhaupt zu Vorſtellungen
gelangen, wie wir aus dieſen Begriffe herleiten, wie wir
fie mit einander verbinden, nach welchen Regeln wir es
thun, um aus der Verbindung Urtheile und durch Hülfe
dleſer Schluͤſſe zu bilden, kurz mit den verſchiedenen Fähig⸗
keiten unfrer Denkkraft, und den Grundregeln beſchaͤſtiget,
nach welchen unſer Vorſtellungsvermoͤgen durch eine innre
Einrichtung unfrer Natur unter fo vielen verfchiedenen Ver⸗
anlaffungen zur Wirkſamkeit erhoͤhet wird. Alles diefes
duͤrfen wir nicht auſſer uns ſuchen, kann uns, wenn wir
die gehörige Aufmerkſamkeit anwenden, nicht leicht verbors
gen bleiben, und iſt, wie Sie hinzuſetzen, allem Vermu—
then nach klein genug, um vollſtaͤndig aufgenommen, rad)
kinem Werth oder Unwerth beurtheilet, und unter richtige
1 che gebracht zu werden.
Elne
64
Eine Kritik der reinen Vernunft hat es blos mit dem nich
reinen Vernunftsvermoͤgen zu thun. Wit konnen alſo in aber
der Ihrigen keine Ktitik der Bücher und der Entteme der fonf
reinen Vernunft erwarten. Wenn jene richtig ausgefuhrt! 4 P
iſt, und zum Grunde liegt: fo hat man einen ſichern Pro. Tra
bierſtein, den Gehalt alter und neuer Werke in dieſem Fa. Ver!
che richtig zu ſchaͤtzen. Allein Sie fönnen nicht behaupten,] N
daß noch keine Philoſophen eine richtige und volſtaͤndige Kri- Erk.
tik der Vernunft geliefert haben, daß Sie alſo erſt durch eine ſond
günftigere Natur gegen Sie dazu berufen find, mit Ver. gig
werfung aller rorigen Arbeiten in dieſem Fache dieß Erke
groſſe Werk auszuführen. Uebrigens iſt es lange eine bes von
kannte Wahrheit geweſen, daß ohne gründliche Vorerkennt.] zegn
niß der Vernunztlehre keiner weder ein fettes Gebaͤude der nicht
Philoſophie aufzuführen, noch ein Enftem derſ !ben, wel.“ Sie
ches von andern errichtet iſt, gruͤndlich zu prüfen und zu unſre
beurtheilen fähig ſeyn kann.
Warum nennen Sie itzt die Transſcendentalphlloſophie rechn
dle Idee einer Wiſſenſchaft, warum nicht ſelbſt die Wiſſen - aber
ſchaſt, wozu die Kritik der reinen Vernunft den ganzen Zwei
Plan architektoniſch (wozu wieder diefe neue Terminologie?) 10
d. i. aus Principien entwerfen ſoll, mit völliger Gewaͤhrlei⸗ 9806
ſtung und Sicherheit aller Stucke, welche dieß Gebäude 12
ausmachen? Sie haben ſich nicht über die Urfache erklaͤrt, 804
und alſo zwar unfre Neubegierde erregt, aber nicht beſcie⸗ . ee
diget. Dieſe Kritik nennen Sie ein Syſtem aller Princi— ee
pien der reinen Vernunft. Woſerne fie dieß wirklich iſt: jo 19
bat fie nicht blos Berichtigung, ſondern auch Erweiterung 80
unſter Erkenntniß zum Zweck, und doch leugnen Sle dieſes de f
vorher von Ihrer Kritik. Ich habe oben ſchon gezeiget, 10 |
daß Kritik und Trangjcendentalphilofophie, wie Sie beute F en i.
erklaͤren, zuſammenflieſſen, und nun ſcheinen Sie ſelbſt an
dieß zu fühlen. Sie behaupten, daß dle Kritif ein Syſtem 11 a
aller Principien der reinen Vernunft ſey. Muß aber denn
nicht
77. e TEE ET ET en
F
65
nicht dieß Syſtem ein vollſtaͤndiges ſeyn? Nun fell ſie
aber nach Ihnen kein vollſtaͤndiges Syſtem ſeyn, weil ſie
ſonſt auch eine ausführliche Analyſis der gonzen Erkenntniß
a priori enthalten müßte, und deswegen ſoll ſie nicht die
Transſcendentalphiloſophie ſelbſt beiſſen konnen. Allein was
nennen Sie ausfuhrliche Aanalyſis aller Erkenntriſſe a
priori? Heißt dieß eine genaue Entwicklung aller unſrer
Erkenntriſſe, welche richt blos in Rüuͤckſicht ihres Innhaltes,
ſondern auch ihres Urſprunges von aller Erfe hrung unabhaͤn.
gig ſind: ſo muͤſſen Sle uns erſt beweiſen, daß wir ſolcher
Erkenntniſſe fähig ſind. Wollen Sie dadurch Erkennenlſſe
von allgemeinen Begriffen der Gegenſtaͤnde, von daher ge⸗
zegnen Urtheilen und Schluͤſſen verſtehen: fo geboren dieſe
nicht in Ihre Trans ſcendentaiphiloſopßie, weil dieſe, wie
Sie lehren, ſich nicht mit Gegenſtaͤnden, ſondern blos mit
unſrer Erkenntnißart der Gegenſtaͤnde befchäftiger.
Illes, was die Transſcendenta philoſophie ausmechet,
rechnen Sie zur Kritik der reinen Vernunſt. Was kann
aber dasjenige ſeyn, was jene ausmacht? Doch ohne
Zweifel nichts anders, els der garze Innßalt deeſelben ?
Brperet dieſer zur Kritik der reinen Vernunft: fo muß
dieſe die Transſcendentalphiloſophie in ſich feſſen, und das
Gebiet von beyden muß ſich gleich weit erſtrecken. Dieß
ſcheinet aber mit demjenigen im Widerſpruch zu ſeyn, was
Sie vorher behauptet haben. Gleich darauf nennen Sie
die Kritik eine vollſtaͤndige Idee det Trans ſcendentalppiloſo.
phie. Würde fie dieß ſeyn koͤnnen, wenn fie nicht alles das
enthielte, was die Transſcendentalphiloſophie ausmocht ?
Da dieſe nun eine Wiſſenſchaſt iſt: jo muß die Kritik auch
dileſe Wiſſenſchaft in ſich faſſen. Sollter wir nicht fo ſchlieſ.
fen konnen: jo müffen Sie Ihte eiſte Beheuprung wie der
zuruck nehmen, und uns erklaren, nie eine Sache eine voll.
ſtändige Idee einer andern, und doch von ihr unterſchieden
E | In
ſeyn kann.
66 ee
In Ihre Trans ſcendentalphltoſophle wollen Sie gar
feine Begriffe aufnehmen, die irgend etwas Emplriſches in
ſich enthalten: ſondern die Erkenntniß a priori fol völlig
rein ſeyn. Wir müffen alſo erwarten, was Sie leiſten were
den. Sie halten die oberſten Grundſaͤtze und Grundbegriffe
für Erkeantniſſe a priori. Allein wie erhält unſte Vernunſt
von beyden Erkenntniſſe? Sind dieſe anders moͤglich, als
durch Beobachtungen, die wir uͤber die uns eingepflonzten
Grundttlebe und ihre Wirkſamkeit anſtellen? Jene ſind
vor aller Erfahrung da, und dieſe muͤſſen wir durch Beob⸗
achtung oder Erſadrung kennen lernen. Die Moralitaͤt uns
free Handlungen gründet ſich auf dieſe. Wir wuͤrden aber
uns keine Bigtiſfe, und alſo keine Erkenntniß von ihnen
erwerben koͤnnen, wenn wir nicht aus dieſem Geſichtspunct
dle Wirkſamkeit unfrer Seele beobachteten. Die Erkenntaiß
iſt alſo ihrem erſten Urſprunge nach nicht von aller Erfah-
rung unabhängig, nicht ſchlechterdings a priori. Auf eine
ähnliche Art entſtehen in uns Begriffe von kuſt und Unia,
von Besterden und Neigungen, welche insgeſammt empiti⸗
ſchen Urſprunges ſind, und als ſolche nicht in die Abfaſſung
des Soſtetns der reinen Sittlichkeit mlt hineingezogen wer.
den muͤſſen. Alles praftifche, fo ferne es Triedfedern in
ſich ſaͤſſet, bezieht ſich auf Gefühle, welche zu empirifchen
Erkenntnißquellen gehoren. Abes dieſes wollen Sie aus
der Transſcendentalphiloſophie ausſchiieſſen, weſche deswe⸗
gen ein: Weltwelsheit der reinen, blos ſpeculatlven, Ver,
nunft fern ſoll.
Sir erwarten alſo in dieſer eine Erweiterung unſrer
Erkenntniſſe, nicht von Vorſtellungsver noͤgen, nicht von
bloſſen Fapigkeiten, nicht von angebohrnen Grundregeln des
Denkens, welche vor aller Erfahrung in uns ſind, ſondern
von Erkenntniſſen ſelbſt, in wie weit wir fie ohne alle Beob⸗
achtung, ohne alle Innre Erfahrungen erhalten. Sie reden
von einer Eintheilung dleſer Wiſſenſchaft aus dem allgemei
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67
nen Geſichtspuncte eines Syſtems uͤberhaupt, welche Sie iht
vortragen wollen. Iſt dieſe Wiſſenſchaft nun Trangfcendene
talphiloſophie, oder Kritik der reinen Vernunft? Nach dem
Zuſammenhang zu urtheilen, denken Sie ſich jene, und
nachher machen Sie dieſe Eintheilung 1) Elementarlehre,
3) Methodenlehre der reinen Vernunft zu Theilen Ihrer
Kritik. Hier erklaͤren Sie alſo entweder beyde fuͤr eine und
dieſelbe Wiſſenſchaft, oder Sie vermengen ſie mit einander,
welche doch als verſchieden gedacht werden ſollen. Jeder
dieſer Haupteheile hat feine Unterabtheilungen, deren Grüns
de, wie ſie mit Recht bemerken, ſich nicht wohl in der
Einleitung vortragen loſſen.
Ihre Bemerkung iſt richtig. Es giebt zwey Staͤmme
der menſchlichen Crkenntniß, Slunlichkeit und Verſtand.
Vlelleicht entſpringen fie aus einer gemeinſchaftlichen Wur—
zel. So ganz unbekannt ſcheint ſie uns doch nicht zu ſeyn.
Ohne Zweifel iſt fie dos Vermoͤgen zu denken in elner Seele,
die mit einem organiſchen Koͤrper verbunden iſt, und von
dieſem Vermoͤgen erhalten wir auf eben dem Wege, wle
von Sinnlichkeit und Verſtand eine Erkenntniß. Nicht die
Sinnſichkeit, ols bloſſes Vermoͤgen von auſſen und innen
offieirt zu werden, giebt uns Gegenſtaͤnde, ſondern durch dies
ſes werden ſie uns nur dann gegeben, wenn es wirklich af—
ficiret iſt, und der Verſtand denket ſich theils dle Gegen»
ſtände, theils das afficirte Vermögen. . Die Sinnlichkeit
kann ‚alto nicht als ein bloſſes Vermoͤgen Vorſtellungen a
priori in ſich enthalten, wie Sie behaupten. Sie iſt zwar
vor aller Erfahrung in uns und folglich ſo welt a prioti da;
dle Vorſtellungen ſelbſt werden aber durch die Gegenſtaͤnde
erregt, welche ihm als Oblecte gegeben find. Die finnlichen
Vorſtellungen ſelbſt koͤnnen nicht in der Seele a priori ſeyn,
ſondern muͤſſen alle einen em piriſchen Urſprung haben. Sie
koͤnnen alſo als ſolche, nicht die Bedingung ausmachen, un⸗
ter der uns Gegenſtaͤnde gegeden werden. Mit welchem
Ea
Rechte
— ——— — — — —-¼— — —— — — — — — — —
68 ee eee ae
Rechte koͤnnen Sie behaupten, daß die Sinnlichkelt zur
Ttansſcend ntalphiloſophie gehoͤre? Vielleicht als eine Er.
keuntnißart, als ein bloſſes Vermoͤgen? In dieſem Fall
habe ich nichts dagegen. Allein als ein Virmoͤgen, wels
ches Vorſtellangen a priori in ſich erthaͤlt, kann ſie nicht
zu dieſer Wiſſenſchaſt gehören, weil ſie dieß weder thut,
noch thun kann. Was iſt transſcendentale Sinnenlehre?
Dieſe kann doch nichts anders als eine Lehre von den finnli»
chen Vorſtellungsarten ſeyn. Nennen Sie nicht die ſinnli⸗
chen Vorſtellungen ſelbſt, ſondern die finnlidhe Erkenatniß.
art als Vermoͤgen die Bedingung, worunter dem menſch
lichen Verſtande Gegenſtande zu denken und zu erkennen
gegeben werden: fo würde ich onen mit eben der Bereltwil.
ligkeit beypflichten, mit welcher ich dle Ehre habe zu ſeyn ꝛc.
Keltik
.. AAA ]⁰ m᷑ wm . ]⁰ ẽůũd'V.. PRELLETET EITT, N 1
w EEE, ERLERNEN ET EEE EEE EBENE EEE RETTET NEE TITTEN RETTEN rue — — 22
Kritik
der
en Vernunft
3
Der
Transſcendentalen
Elementarlehre,
Erſter Theil.
— —ͤ— — — —
Die Transſcendentale Aeſthbetik.
7·
8. Bröf.
Mein Herr,
Unfre Erkenntniß beſtehet in Vorſtellungen. Bey jeder
Vorſtellung koͤnnen wir 1) auf das Subiect, welches dieſe
bat, a) auf das Obiect, welches gedacht wird, 3) auf die
Morſtellung ſelbſt ſehen. Dieſe, in wie weit fie auf das
Obiect bezogen wird, ſcheinen Sie eine Anſchauung zu nen⸗
nen, es mag übrigens beſchaffen ſeyn, wie es will. Wor⸗
inn kann dieſe anders als in dem gedachten Stoff beſtehen,
welchen der Geger ſtand dem Vorſtellungsvermoͤgen gleichſam
darreichet? Alles unſer Denken ſoll folglich die Anſchauung
zum Zwecke haben. Dieſe findet aber nur ſtatt, in wie ferne
der Gegenſtand gegeben wird, und dieſes iſt wenigſtens bey
uns Menſchen nur dadurch moͤglich, daß er das Gemuͤth
auf eine gewiſſe Art aſficiret. Soll der Gegenſtand dieß
koͤnnen: ſo muß er entweder, vor der Anſchauung da ſeyn,
oder mit ihr zugleich gegeben werden.
Sie nennen Sinnlichkeit das Vermögen, (Receptivl⸗
tat), Vorſtellungen durch die Art, wie wir von Gegenftäns
den aſficirt werden, zu bekommen. Wir koͤnnen aber auf
eine doppelte Art afficiree werden, 1) durch auffre Gegen»
ſtaͤnde, 2) durch innre Veraͤnderungen in uns, als in den
vorſtellenden Subiecten, weil wir uns fo wohl der aͤuſſern
Eindruͤcke als der innern Wickſamkeiten beruft werden koͤn⸗
nen. In benden Fällen verhalt unſer Vorſiellungsvermoͤgen
in fo weit ſich leidend, als ihm der Steff gegeben wird, und
durch feine thaͤtige Kraft, (Spontanitaͤt), erhebet es gleiche
ſam dieſen Stoff zur Vorſtellung von dem Gegenſtande.
Wenn alſo ein Subiect, oder beſſer ein Geiſt gedacht wird,
auf welchen weder äuffre Gegenſtaͤnde wirken konnen, noch
welcher innıre Veraͤnderungen haben kann, fo iſt bey ihm
Sinnlichkeit nicht denkbar. Iſt es alſo nicht ein offenbarer
Widerſpruch, wenn einer Ne Anhänger fa gar grade weg
4 8 be«
—. —ꝛ— —— — le ———L— ;?! » MY LEERE ELLE LEEREN U,,02. 0, LEEREN
72
behauptet, daß auch bey Gott Sinnlichkeit in weitrer, d.
b. in der odigen Bedeutung angetroffen wird?
Sinnlichkelt als bleſſes Vorſtellungsvermoͤgen kann
uns keine Gegenſtaͤnde geben, fordern fie ertheilen ihr den
Stoff, und die thaͤtige Kraft derſelben erhebt dieſen zur Vor.
ſtellung, welche in Beziehung auf jene Anſchouung von J- F
nen genannt werden. Wellen Ei. nichts mehr ſagen, wenn
Sie behaupten, daß uns vermittelſt der Sinnlichkeit Ge
genſtaͤnde gegeben werden: fo bin ich mit Ihnen eins.
Won der Verſtand ſich die Anſchauungen denket: ſo ſollen
Begriffe entſtehen. Hätten Sie hier erſt erklaͤlt, was Sit
Beqriſſe nennen? fo muͤrden wir Ihre Folgerungen bejfer
beuitheilen koͤnnen. Begriffe fird noch der Sprache urf:rer
Philoſephen Vorſtellungen von cllge neinen Gegenſtaͤnden,
in weichen die individuellen Beſtim mungen weggeloſſen ſink.
Dieſe bildet der Verſtand durch Huͤlſe der Ideen von einzel.
nen Dingen (indiuiduis). Auch diefe Vorſtallungen kon
nen auf die allgemeinen Gegeuſtaͤnde bezogen werden, und
find alſo ouch Anſchauungen nch der Ecklarurg weiche Sie
uns von ihnen gegeben haben. Sle find ſois lich eden fo me.
nig in Anſehung ihres Urſprunges von aller Erfahrung un
abhangig, als die eigentlich ſinnlichen Vorſtellungen, oder,
wie Sie dieß ausdruͤcken, fie find nicht a priori in uus.
Wollen wir die Verſt llung eines Begriffes in Beziehung
auf den allgemeinen Gegenſtand eine Anſchauung nennen:“
fo iſt dieſe doch von den ftanlihen Aaſchauungen ſehr weit!
unterſchieden, weil dies“ letzten ſich nur auf einzelne vollſtaͤn,
dig beſtimmte Gegenſtaͤnde (indiuidua) beziehen können,
und folglich nicht alles, was von dieſen gi't, auch von je
ner gelten kann. Hätten wir nicht Verſtand und Vernunft,
welche ſinnliche Ideen zu allgemeinen Begriffen erheben
kann: fo würde Sinnlichkeit eben jo wenig uns., als einem
Affen zur Anſchauung allgemeiner Begriffe verhelfen koͤnnen.
Dieſe Bemerkung iſt deswegen hoͤchſt wichtig, weil
Sie zwar die Anſchauung fo allgemein etklaͤret haben, daß
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11K 73
wir jede Vorſtellung, welche auf einen Gegenſtard, er fen,
welcher er wolle, bezogen wird, Arſchauung nennen konnen,
aber doch nachher unter dieſer nur eine Gattung, namlich
die Anſchauung ſolcher Gegerſtaͤnde zu denken ſcheinen, mike
che eigentlich unſte Sinne aſficiren koͤgnen. Ware cieß letzte
nicht wirklich bier der Fall: fo wuͤrden Sie nicht berechtiget
ſeyn, zu behaupten daß alles unſer Denken, es ſry geradezu,
oder um U ſchwaf, zuletzt auf Anſchauung, mithin bey uns
af Si ſruchker ſich beziehe, weil uns auf andre Weiſe
fei Gegen ſtand gegeben werden kann. Nach dleſer Ihrer
Behoeup ung iſt alſo jedes Denken und folglich auch jede Er—
kant aß i. unſſer S uele nicht von aller Erfahrung ganz un⸗
ab angig. Sie geſtehen es hier alſo ſebſt, daß ſich bey
us eine ſolche Eckenntniß a priori nicht finde, wie Sie
dir ſe mehrmal ertlaͤret haben. Tugend, Frankie, Unſterb⸗
lichkeit, Gott, find Gegerftänd:, welche uns doch eigente
lich nicht durch Sinnlichkeit gegeben werden. Wir konnen
un‘ von ihnen nicht durch Hülfe unfrer Sinnen, ſondern
unſers Verſtendes Vorſtellungen machen, und tiefe auf
Gegenſtände beziehn. Wir find alſo fähig von ihnen eine
Anſchauung zu erhalten, ehne daß dieſe das Werk unſter
Sin lichkeit iſt, voch ſeyn kaln.
Um Verwirrungen in der Folge beſſer zu vermeiden,
koͤnnen wir, wenn doch einmal die A ſchauung in fo weiter
Bedeutung genommen werden ſoll, fir in eine Anſchauung t)
der Sinne, 3) des Verſtandes, 3) der Vernunft eintheilen.
Die erſte Gattung begreiſt unter ſich, alle Vorſtellur gen von
Gegenſtaͤnden, welch unſern aͤuſſern oder innern Sinn affie
ciren konnen. Gegenſtaͤnde des aͤuſſern Sinnes find alle
diejenigen, welche auſſer uns find, auf unſer bloſſes Vermoͤ—
gen, von auſſen afficirt zu werden, Eindrüdfe machen, und
es dadurch zur Wirkſamkeit zu erheben ſähig ſind. Das
Geblet unſers innern Sinnes erſtrecket ſich ohne Unterſchled
auf alle Veraͤnderungen, welche in urs ſelbſt erfolgen, und
deren wir uns bewuſt werden koͤnnen, ſolglich auf olle Grund.
3 geſete,
74 Eee 1}
geſetze, welche dle Natur ſelbſt uns vorgeſchrieben hat, wor.
nach unfre Begierden erregt, wornach unſte Einbildungss
kraft gelenket wird, wornach Verftard und Vernunft ſich
wirkſam bewelſen, folglich auf alle Faͤhigkeiten zu denken
und zu wollen, auf alle Grundregeln, welchen der Menſch
felget, ohne daß er ſie kennet, ober doch durch Aufmerkſam⸗
keit auf die Beſchaffenheit ſeiner innern Wirkſamkelt ſich be.
kannt machen kann. Die Vorſtellungen des Verſtandes
haben allgemeine Ideen oder Begriffe zu Gegenſtaͤnden,
und heiſſen Anſchauungen des Verſtandes, in wie weit fie
auf jene gezogen werden. Eden ſo haben die Vorſtellungen
der reinen Vernunſt den Zuſammenpang blos allgemeiner
Wahrheiten, die Vorſtellungen der empiriſchen Vernunft
thells den Zuſammenhang der allgemeinen, theils auch ine
dlvidueller Vahcheiten in Verbindung zum Gegenſtand,
und koͤnnen, in Beziehung auf tiefen, Anſchauung der reis
nen ober der empiriihen Vernunft genannt werden. Die
Anſchauungen des Verſtandes oder der reinen Vernunft ſetzen
freylich Beobachtungen ſinnlicher Eindruͤcke oder Erfahruns
gen voraus, und find alſo ihrem Urſprunge nach von Dies
ſen nicht ganz unabhaͤngig. Sie ſelbſt erheben ſich aber
durch dle Wirkſamkeit des Verſtandes und der Vernunft
uͤber das Gebiet der Sinnlichkeit, und ſind alſo von allen
bloß ſinnlichen Anſchauungen unterſchieden. Ich werde dieſe
Claſſification von den Gattungen der Anſchauung in der
Folge als bekannt und ausgemacht zum Grunde legen, und
ſtets die Begriffe mit ihnen verbinden, welche ich von ih⸗
nen gemacht habe.
Sie erklaͤren die Empſindung durch die Wirkung eines
Gegenſtandes auf die Vorſtellungsfaͤhigkeit, fo ferne wir
von demſelben afıtcire werden. Was wollen Sie uns das
durch eigentlich lehren? Iſt die Wirkung des Gegenftuns
des ſelbſt die Empfindung? Dieß kann ſie durchaus nicht
ſeyn. Empfindung iſt eine Folge dleſer Wirkung auf unſer
Vorſtellungsvermoͤgen nach feiner Receptivitaͤt in 5 Der
egen«
mur
reer
Gegenſtand felbft ſowohl als ſelne Wirkung iſt alſo von der
Empfindung ſehr unterſchieden. Auch dieſe iſt nicht immer
blos eine Folge des afficırten Vorſtellungsvermoͤgens in uns.
Einige äuffere Gegenſtände wirken fo auf unſer Gemuͤth,
daß blos urfer Vorſtellungt vermoͤgen afficirt wird, und
dann iſt die Folge blos Vorſtellung. Alle Eindruͤcke, wel⸗
che die Gegenſtaͤnde durch Hülfe des Geſichtes oder Gehoͤrs
auf uns machen, find von diefer Art. Sie haben, wenn
fie blos dieſe find, kein Gefühl in ihrem Gefolge. Wenn
aber auf unſte Sinne des Geſchmecks, des Geruchs, des
Gefuͤhls von aͤuſſern G:genjtanden gewirkt wird: fo haben
wir nicht blos Vorstellungen, ſondern es iſt g- woͤhnlich bald
ein angerehmes, bald ein widriges Geſuͤhl, bald Schmerz,
dald Wolluſt mit ihnen verbunden, ud wir ſetzen den Ort,
wo wir deydes fühlen, nicht willkuͤhr ich, ſondern durch
ein Naturgeſetz gezwungen, in den Theil des Körpers, wel⸗
cher unmittelbar afficiret wurde. Daher nennen wir auch
beyde koͤrperliche Schmerzen oder Wolluͤſte. Auch von Dies
fon Gefühlen erhalten wir Vorſtellungen, deren Gegenſtaͤnde
alſo die Gefühle ſelbſt find, und folglich in fo weit von ih⸗
nen ſich unterſcheiden. Nennen wir jede Folge der Wire
fung eines Gegenſtondes auf unfre Vorſtellungsfähigkeit
Empfindung: fo würden auch die koͤrperlichen Gefuͤhle dies
fen Namen führen, und dann müßten wir doch in Ruͤckſicht
der Empfindungen den Unterſchied machen, daß wir darun⸗
ter entweder blos Vorftellungen als Folgen des afficirten
Vorſtellungsvermoͤgens uns denken, fo wie die Empfindun⸗
gen des Geſichts und Gehoͤrs zu ſeyn pflegen, oder daß wir
auch zugleich dle koͤrperlichen darunter begriffen, welche eis
gentlich nicht Vorſtellungen, ſondern Gegenſtaͤnde in uns
von denſelben find; und fo hätten wir denn einmal Vorſtel⸗
lungsempfindungen, zweytens Empfindungen des koͤrperlichen
Gefuͤhles. Es giebt auſſerdem noch in uns Gefühle der
Freude und Traurigkeit, der Hoffnung und Freude, welche
don 3 koͤrperlichen Gefühlen ſehr weit unterſchieden find,
welche
76 seele,
welche, wenn fie in uns entſtehen, auf unfern innern Sinn
wlrken, und alfo Gegenſtaͤnde von unſter Vorſtellung werden,
ohne eigentlich ſelbſt Vorſtellungen zu ſeyn Empfindungen
koͤnnen wir ſie nennen, und dieſen Namen haben ſie auch
längft bey den Weltwelſen geführt. Wir koͤnnen von allen
dleſen Empfindungen elne Anſchauung haben, well unſte
Vorſtellung in Beziehung auf den Gegenſtand Anſchauung,
und in Ruͤckſicht auf das Sublect, welches fie hat, Emps
findung heißt.
So wenig die Wirkung des Gegenſtandes ſelbſt auf
die Vorſtellungsfähigkeit Empfindung helſſen kann: eben fo
wenig koͤnnen Sie den unbeſtimmten Gegenſtand einer em⸗
pieifhen Anſchauung mit Grund eine Erſcheinung nennen.
Welchen Begriff verbinden Sie mit einem unbeſtimmten
Gegenſtand der Anſchauung? Jede Anſchauung muß einen
beſtimmten Gegenſtand hoben. Verliehrt ſich dieſer: fo
wird auch die Anſchauung ſelbſt ſich verlohren haben. Sollte
der unbeſtimmte Gegenſtand etwa allgemeine Begriffe, alle
gemeine Uitheile bedeuten: fo waͤren dieſe ihrem Innhalte
nach nicht durchaus (omnimode) beſtimmt. Allein in
Anſehung der Anſchauung, die wir von ihnen haben, wir
den fie die Geſtalt beſtimmter Gegenſtaͤnde annehmen. Er«
ſcheinung kann nichts anders helſſen, als entweder der Ges
genſtand, welcher uns erſchelnt, weil er auf unſte Sinne
wirket, oder dle Anſchauung, dle wir von ihm haben. Die
letzte iſt in uns, kann nach den verſchiedenen Lagen, worlinn
der Gegenſtand uns erſchelnet, ihm entſprechen, und alſo
ihrer Form oder ihrem beſtimmten Innhalte nach mit ihm
uͤberelnſtimmen, oder nicht. Im erſten Fall iſt die Erſchel⸗
nung wahr, im andern falſch. Das Ding als Gegenſtand
hat ſelne eigenthuͤmliche Form, welche von der Form der
Erſcheiming oder der Anſchauung weſentlich unterſchleden iſt,
weil fonft der Gegenſtand ſelbſt und die Anſchauung deſſel⸗
ben eins und daſſelbe Ding ſeyn muͤſten. Es muß aber
ſreylich von der Art ſeyn, daß es durch dle Form der An⸗
ſchauung,
212 EEE 77
ſchauung, welche dem Gemuͤthe eigenthuͤmlich zukommt,
vorgeſtellet werden kann, d. h. daß das Gemuͤth die Re⸗
ceptivität hat, davon afficirt werden zu koͤnnen. Das Ding,
welches erfcheiner, kann alſo nicht von feiner Erſchelnung in
uns, ſondern dleſe muß von ihm abhangen. Uebrigens
mögen unfre Anſchauungen von ihm beſchaffen ſeyn, wie fie
wollen, wahr oder falſch: fo bleibt der Gegenſtand an ſich
in beyd en Fällen unverändert das, was er feiner Natur
nach iſt. N
Sie wollen nun unterſuchen, was Sie in der Erfcheis
nung astreſſen. Allein was iſt Erſcheinung. Etwa der
Grgenftand einer empiriſchen Auſchauung. Reden Cie alfo
von dief m, oder von der Art, wie er Ihnen erſcheinet, von
der Anſchauung deſſelben? Das erſte kann wohl nicht gut
ſtatt haben, weil alles, was Sie von der Erſcheinung ſa—
gen, ſich nicht auf ihn anwenden läßt. Sie denfen ſich alſo
die empiriſche Anſchauung des Gegenſtandes. Allein dieſe
iſt ja ſelbſt Empſindung, in wie weit fie auf das denkende
Subiect bezogen wird. Sie nennen die Materie dasjenige,
was ihr correfpondiret. Was kann ihr aber correfpondiren ?
Entweder muͤßte dieß auſſer der Anſchauung oder auch in
Ihr ſelbſt liegen. Auſſer derſelben kann es nichts anders als
der Gegenſtand der Anſchauung fern. Wann es in ihr
ſelbſt laͤge: fo müßten es die Vorſtellungen von den einzel⸗
nen Zügen der ganzen Anſchauung ſeyn, ober diefe müßte
ſelbſt dafür gehalten werden. Das erſte denken Sie ſich doch
wohl nicht, und wie Sie dle Vorſtellungen der einzelnen Züge
in der ganzen Anſchauung dasjenige nennen koͤnnen, was
det Erſcheinung correſpondiret, das begreif ich nicht, well
fie doch zuſammengenom men die Anſchauung ſelbſt ausma—
chen. Die Form der Erſchelnung fell in dem Mannlgfalti.
gen derſelben beſtehen, in wie weit dieß in gewiſſe Verhaͤlt⸗
niſſe geordnet wird oder wie Sie ſagen, werden kann. Die ß
Mannigfaltige in der Erſchelnung fo geordnet, giebt der
ganzen empiriſchen Anſchauung eine Form, wodurch ſie ſich
von
78 eee eee
von jeder andern in Anſehung ihres Innhaltes unterſcheldet.
Iſt nun die Frage, wodurch wird dieß Mannlgfaltige ſo
geordnet: ſo wird davon nichts anders die Urſache ſeyn koͤn.
nen, als 1) der Gegenſtand, welcher ſich durch ſeine Els wir.
kung dem Gemuͤthe mittheilet, 2) die Receptivität der Vor⸗
ftellungsfähigfeie, wodurch eine ſolche Anſchauung, oder
elne ſolche Form von ihr in ihm moͤglich wird. Dasjenlge,
worinn ſich die Empfindung alltin ordnen, und in eine ges
wiſſe Form geſtellt werden kann, iſt nicht wieder Empfin⸗
dung. Freylich nicht. Es iſt die Vorſtellungsſählgkelt ſelbſt,
vermoͤge deren wir uns die Theile der Gegenſtaͤnde in dem
Verhältniß denken. in welchem fie ſich uns darſtellen. Dieſe
Fäbiskeit iſt a priori vor oller Erſcheinung ia unſerm Ge.
muthe, kaan auch abgeſondert von ollen wirklichen Empfin
dungen duech unſern Verſtand gedacht werden. Hieran hat
noch nie ein Weltweiſer gezweitelt. Gedacht wird fie aber
von keinem anders, els durch Aufmerffamfeit auf die Wirs
kungen feiner Vorſtellungsſählgkeit, und durch eine logische
Abſoncerung aller Vorſtellungen von dem Vermoͤgen ſelbſt.
Uaſce Erkenntriß von ihm wird alſo eben fo wenig als die
Materie der Erſcheinung a priori d. h. ohne alle Erfahrung
erworben.
Sie nennen alle Vorſtellungen rein, in trans ſcendenta⸗
lem Verſtande, in welchen nichts, wis zur Empfindung ges
hört, ar getreffen wird. Geht hier das Transſcendentale auf
die Vorſtellung ſelbſt, oder auf dieß, daß ſie als rein ges
dacht wid? Das erſte kann nicht ſtatt haben, weil als.
dann nicht von Vorſtellungen, ſondern von Vorſtellungsar—
ten die R-de ſeyn müßte, Sie moͤchten denn einen andern
Begriff mit dem Transſcendentalen verbinden wollen, als
Sie ihn uns vorher davon gegeben haben. Giebt es aber
auch Verſtellungen, in welchen nichts, was zur Empfin.
dung gehört, angetroffen wird? Welche koͤnnten denn dieſe
ſeyn? Etwa ſolche, dle in dem Gemuͤthe da find, ob gleich
keine Wirkung eines aͤuſſern oder innern Gegenſtandes auf
die
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die Vorſtellungsfaͤhigkeit fie unmittelbar hervorgebracht hat.
Wer wird es leugnen, daß dieſe daſeyn koͤnnen? Wir
haben nicht blos Sinne, ſondern auch Verftond und Vers
nunft, und dieſe koͤnnen durch ihre thaͤtige Kroft Verſtel—
lungen erregen. So koͤnnen wir aus den Eigenſchaften
eines Zirkels, und aus andern entwickelten Gründen von
der Beſchaffenheit der Triangel, es herleiten, daß der Halbe
meſſer ſich mehrmal in der Peripherie herum tragen laſſe.
Alsdann haben wir eine Vorſteuung, worinn eigentlich
nichts, was zur ſinnlichen Empfindung gehört, angelroffen
wird. Allein werden wir dieſe Vorſtellung haben koͤnnen,
wenn gar keine ſinnliche Empfindungen vorher gegangen
waͤren, woraus unfre Vernunſt durch ihre thaͤtige Kraft ſich
zu dieſer Vorſtellung empor arbeitete? Dieſe iſt alſo in An—
ſehung ihres Urſprunges nicht durchaus a priori d. h. nicht
von aller Erfahrung unabhaͤngig.
Die reine Form der finnlichen Anſchauung überhaupt
ſoll im Gemüche a priori angetreffen werden, worinn als
les Mannigfaltige der Erſcheinung in gewiſſen Verhaͤltniſſen
angeſchauet wird. Was nennen Sie reine Form der finne
lichen Anſchauung? Vielleicht die Beſchaffenheit, welche
die Receptivitaͤt unfers Vorſtellungsdermoͤgens hat? Dieſe
iſt von ihm eine eigenthuͤmliche, weſentliche Beſtimmung,
und iſt ſe gut in einem Kinde, ehe es noch gebohren wurde,
als in den aufgeklaͤrteſten Philoſophen anzutreffen, folglich
in fo weit vor aller Erfahrung in unſerm Gemuͤthe. Ges
dacht wird ſie aber erſt von uns, wenn wir auf ſie, oder
vielmehr auf ihre Wirkſamkeit aufmerkſam find, und ſolg⸗
lich haben wir von ihr keine andre Erkenntniß als a poſte-
riori. Soll aber die reine Form der ſinnlichen Anſchauung
ihren Innhalt bedeuten, wodurch fie überhaupt nur als Ans
ſchauung von uns gedacht, oder wodurch fie eine Anſchau ⸗
ung von einem beſtimmten Gegenſtand wird: ſo iſt im erſten
Fall eigentlich keine Anſchauung im Gemuͤthe, ſondern wir
denken uns nur dieſe unter einem allgemeinen Begriff, >
ie:
80 eur. eee
dieſer wird dann dle Form derſelben. Im letzten Foll muß
ein beſtimmter Stoff unſerm Vorſtellungsvern oͤg en gr «bin
ſeyn, welcher, wenn er durch dle Thätigkeit deſſe ben zur
Worſtellung erhoben iſt, die Form dieſer beſteme ten An-
ſchauung aus macht. Die Form dieſer An ſchauvrq iſt a lo
nicht a priori in uns, ſondern wird durch die Cinwirkung der
Gegen ſtaͤnde auf unſre Slunen, und durch die Thätigkeit unfes
rer Vorſtellungsfahigkeit ſolglich a poſteriori in uns crreget.
Worker redten Sie von der reinen Form finnlicher An.
ſchauungen, und nun nennen Sie dleſe reine Form der Ein»
lichkeit feibft reine Anſchauung. Sollte hier wohl nicht
einige Verwirrung der Idten herrſchen? Karyn denn die
rei e Ferm der ſinnlichen Anſchauungen die reine Anschauung
ſelbſt ſeyn? Sie machen hier dasjenige, was Sie vorher
unterſchieden, zu einer und derſelben Sache. Die Form
der Senulichkeit iſt entweder die Beſchaffenheit von der Emp⸗
ſaͤnguchkeit unſers Vorſtellungsvermoͤgens oder ncht. Im
erſten Fall iſt fie durchaus keine Auſchauerg, kein Actus,
ſondern ein bleſſes Vermögen. Iſt ſie dieſe nicht: fo iſt
fie nicht Ferm der Sinnlichktit, ſondern Ferm der Ans
ſchauung von eirem Gegenſtand, wodurch fie ſich vo jeder
andern Anſchauung unterſcheidek. Dick erhellet auch aus
dem Bey piel, welches Sie zur Erläuterung anführen. Wit
erhalten eine ſinnliche Anſchauung von einem Körper z. E.
einem Thurm; wit bemühen uns durch die Tont'gleit une
ſers Verſtandes Subſtanz, Kraft, Theilbarkeit, U durch⸗
dringeichkeit, Haͤrte aus ihr weazuſchaffen, dann bleißt vor
dieſer empiriſchen Anſchauung roch Aus dehnung und Geſtalt
Über. Alltin ud) dieſe lagen in der ganzen Vorſtellung,
waren alſo Theile von der empitiſchen Anſchauung, und wit
erhielten auf eben dem Wege, wie von allen übrigen Yes
ſtimmungen des Thurms eine Erkenntniß a pofleriori, oder
durch Hälfe der Erfahrung. Die Anſchauung von beyden,
von Geſtalt und Ausdehnung, wor ein Theil von der ganzen
empirifchen Vorſtellung, lag nicht als bloſſe Form der Sinn⸗
lich
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81
lichkeit, wenn jene blos die Beſchaffenheit der Receptivitaͤt -
der letzten bezeichnet, noch als actuclle Anſchauung a priori
in dem Gemuͤthe, ſondern der Stoff dazu wurde von auſſen
gegeben; und urfre Vorſtellunasfaͤhlgkeit war von der Be—
ſchaſſenheit, daß fie dieſen zur Vorſtzllung oder Anſchauung
erheben konnte. Dieſe Beſchaffenheit des Vorſtellungs—
vermoͤgens iſt a priori oder vor aller Erfahrung in unferm
Gemüͤthe, die Vorſtellung ſelbſt oder die ſinnliche Anſchauung
wird erſt durch Einwirkung des Körpers auf unfer Vorſtel—
lun gevermoͤgen, und alſo a pofteriori erregt. Nun erſt
koͤnnea wir durch Huͤlfe unſers Verſtandes Ausdehnung und
Geſtalt uns im allgemeinen denken, ohne auf einen wirk—
lichen Gegenſtand der Sinne oder der Empfindung zu ſehen,
grade fo, wie wir dazu fähig find, von jeder Auſchauung
eines beſtimmten Gegenſtandes alle individuelle Beſtimmun—
gen abzuſondern, und uns einen allgemeinen Begriff davon
zu machen, ohne daß wir weiter auf wirkliche Gegenſtaͤnde
der Sinnlichkeit Ruͤckſicht nehmen. Wären dieß ſichre Merk.
male von einer bloſſen Form der Sinnlichkeit oder von reiner
Anſchauung a priori im Gemuͤthe, wie viele bloſſe Formen
der Sinnlichkeit oder reine Anſchauungen a priori wuͤrden
wir alsdann haben?
Die Wiſſenſchaft von allen Principien der Sinnlichkeit
a priori nennen Sie eine transſcendentale Aeſthetik. Von
welchen Principien iſt hier die Rede? Sollen es die For—
men der Sinnlichkeit ſowohl nach ihrer Empfänglichkeir
als Thaͤtigkeit ſeyn: fo find dleſe freylich vor aller Erfah—
rung und in fo weit a priori in unſerm Gemuͤthe. Al.
lein lauch dieſe koͤnnen Stoff zu Vorſtellungen von ihnen
werden. Gegeben wird er unfrer Vorſtellungssaͤhigkeit,
durch ihre elgne innre Wirkſamkeit, und durch die Auf—
merkſamkeit, womit wir dieſe betrachten, wird er zur Vor—⸗
ſtellung erhoben; fo wie es bey jeder andern Faͤhiakeit un«
fer Seele, fie fen übrigens, was fie wolle, der Fall iſt.
Die Verſtellungen von 555 koͤnnen alſo keine Vorſtel⸗
lun⸗
82
lungen a priori oder ſolche heiſſen, welche von aller Et,
fahrung unabhängig find. Sie find ſolche, welche!
durch dle Wirkſamkelt unſers Vorſtellungsvermoͤgens den
Stoff erhalten, und uns, wenn wir auf dieſe aufmerf,
ſam find, eine Erkenntniß a poſteriori von ſich verſchaſ.
fen, obgleich der Gegenſtand ſelbſt von dieſem Stoffe ver]
aller Empfindung in uns angetroffen wird. Wollen Sie
uns alſo eine Wiſſenſchaft von dieſen Princlplen der Sinn.
lichfeiti vorlegen: fo werden Sie auf die Formen oder
Beſchaff „heiten, welche die Empfänglichfeit oder The
tigkeit Ihres Vorſtellungsvermoͤgens hat, aufmerkſam fern,
dadurch richtige Begriffe von ihnen bilden, fie mit eln.
ander vergleichen und daraus zweckmaͤſſig richtige Folge
rungen herlelten muͤſſen. Die Principien, welche Ei.
zum Grunde legen, liegen zwar als Formen oder Be
ſchaffenheiten unfrer Sinntihfelt a priori in unferm Gs
müthe. Allein die Erkenntniß von ihnen ſelbſt flieſſet aus
Beobachtungen, und nun wird es darauf ankommen, ob
Sie diefe richtig angeſtellet haben. Fodern wir, daß Sie
die R-ſultate Ihrer Beobachtungen uns bemeifen ſollen:
fo bleibt Ihnen kein andres Mittel uͤdrig, als daß Se
fi zuletzt auf Ihre Beobachtungen berufen, und nun
voraus ſetzen, daß wir eben dieſelbe über die Befchaffen
helt unſers Vorſtellungsvermoͤgens anſtellen, und dadurch
die Richtigkeit Ihrer zum Grunde gelegten Beobachtung
anerkennen. Können Sle dieſen Zweck nlcht bey uns en
reichen: fo wird die Wiſſenſchaſt, welche Sie uns von
den Principlen der Sinnlichkeit vorlegen, weder für uns
Gehalt noch Feſtlgkeit haben.
Sle nennen dle Wiſſenſchaſt von den Principien dr
Sinnlichkeit a priori ben einen Theil der transſcendentalen
Elementarlehre, und dle von den Principien des reinen Den,
kens den zweyten Theil derſelben, dle transſcendentale fc
gie Wenn es blos auf Terminologien ankaͤme, um fer.
Gegner zuruck zu ſcheuchen, und von andern den Beyſcl
J
zu erz.
Anfeh:
Sie u
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len,
den.
Wahr
verhoh!
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zu erzwingen: fo würden dieſe gewiß ein fehr fuͤrchterſiches
Anſehen hoben. Allein wir wollen der Bühne, welche
Sie uns eröffnen, näher treten, um genauer beurtheilen
zu fönnen, ob die Gegenſtaͤnde, welche Sie uns darſtel⸗
len, auch wirklich das find, woſuͤr fie ausgegeben wer—
den. Sie werden dieß jedem unbefangenem Forſcher der
Wahrheit um deſto weniger übel nehmen koͤnnen: je un
verhohlner Sie es allen Philoſophen ſagen, daß ihre kiss
berigen metaphyſiſchen Syſteme nichts anders als morſche
Gebäude find, welche eine von Wahn verblendete Ver.
nunft errichtete, und je freymuͤthiger Sie allen deutſchen
Acſthetikern den Vorwurf der Ueberellung machen, wenn
fie etwa geglaubet haben, daß Baumgarten oder irgend
ein andrer eine wiſſenſchaftliche Aeſthetik geliefert hat.
In der transſcendentalen Aeſthetik, welche Sie uns
als eine wahre Wiſſenſchaſt zu errichten verſprechen, wol.
len Sie zuerſt die Sinnlichkeit iſoliren. Nichts als em»
piriſche Anſchauung ſoll uͤbrig bleiben. So ſehr wollen
Sie alles von der Sinnlichkeit abſondern, was der Ver—
ſtand durch ſeine Begriffe dabey denket. Wenn wir nicht
blos bey Ihren Worten ſtehen bleiben, ſondern gerne den
Kern, welcher unter dieſer Schale verborgen llegt, ges
nauer betrachten moͤchten: fo wird jeder Denker hier Dune
kelheit finden, welche Sie haͤtten auſhellen ſollen. Blos
empiriſche, iſolirte Anſchauung abgeſondert von allen Bes
griffen, welche der Verſtand hinzudenkt, — wotinn
konnte denn tiefe wohl beſtehen? Empiriſche Anſchauung iſt
nach Ihrer Erklaͤrung nichts anders als eine empiriſche
Vorſtellung, welche auf den Gegenſtand bezogen wird,
von welchem unſer Vorſtellungsvermoͤgen afficiret iſt.
Beyde, fo allgemein gedacht, find Geſchoͤpſe unſers Vers
ſtandes, find Begriffe, welche auf alle empiriſche Ans
ſchauungen von beſtimmten Gegenſtaͤnden angewandt wet.
den konnen. Nur dieſe zu denken vermögen wir nicht
durch iſolirte Sinnlichkeit, 75 5 unſer Ver ſtand 8 ſie
2 chon
[PS Sr mr u
84
ſchon zu Begriffen erhoben. Wir wünſchten auſſerdem rech
zu wiſſen, wle Slanllichkelt ſelbſt, fo lſolirt, empiriſche
A ſchauung heiſſen koͤnne. Jene iſt blos Vermoͤgen der]
Seele, dleſe iſt ſchon Vorſtellung ſelbſt. Von der iſolit.
ten Sinnlichkeit wollen Sie noch alles, was zur Empfin,
dung achoͤret, abſondern, damit nichts als reine Anſch u.“
ung uͤbrig bleibe. Vorſtellung in Beziehung auf den Ge.
ger ſtand iſt Anſchauung in Beziehung auf das vorſte
lende Su ecct iſt fie Empfindung Es iſt alſo Anſchauurz
und Empfi⸗ dung eine und dleſelbe Vorſtellung, welche nur
im erſten Fall auf das Oblect, im zweyten auf das Sub,
iect bezogen wird. Soll Empfindung von Anſchauung
abqeiord-rt werden: fo wird eine Vorſtellung von ſich
ſelbſt abgeſondert, und was kann dann übrig bleiben? Es
wa reine A- ſchauung? So märe dieſe entweder nichts,
oder Vorſtellung blos auf das Obiect bezogen. Dieſe Vor.
ſtellung ſoll blos Form der Erſcheinung d. h. nach Ihrer Er.
klaäruna, blos Form des unbeſtimmten Gegenſtandes einer
emplriſchen Anſchauung ſeyn. Was ſollen wir uns aber bier
der reinen Anſchauung als Form von einem Gegenſtand der
em plriſchen Anſchauung denken? Ohne Zweifel haben See
mit dieſen Terminologlen elnen beſtimmten Gedanken verbun⸗
den. Härten Sie uns dieſen nicht ohne eine ſolche Huͤlt“
ſagen koͤnnen, welche von mitternaͤchtlicher Flnſterniß um.
floſſen lzu ſeyn ſcheinet? Sie wollen beweiſen, daß zu:
reine Formen ſinnlicher Anſchauungen als Principien der?
Erkenntniß a priori nämlich Zeit und Raum in unferm Ge.
muͤthe gefunden werden, und wir werden nach unfern beiten E
Einſichten die Gründe prüfen, wodurch Sie Ihre Behaup⸗
tungen unterftügen werden. Die größte Achtung, weldt
man einem ſelbſt denkenden Phlloſophen erweiſen kann, ill
unpartheyiſche und dabey ſteymuͤthige Prüfung feiner ‚neuen
Entwickelungen, und ich glaube mich durch dieſe Ihnen am
beften empfehlen zu koͤnnen. geben Sie wohl,
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9. Brief.
Mein Herr,
Wir ſellen iht eine metaphyſiſche Erörferung des Raumes
von Ihnen erwarten. Sie nennen ihn hier elnen Begriff.
Gewuͤnſcht hätte ich, daß Sie uns den Begriff vom Raum
vergelegt haͤtten. In dieſem Fall wuͤrden wir es theils be—
fiimmter wiſſen koͤnnen, was Sie ſich unter Raum denken,
theils harten Sie uns einen ſeſten Geſichtspunkt angewie—
ſen, aus welchem wir Ihre metaphyſiſche Erörterung dieſes
Begriffes betrachten muͤßten, um fiz richtig zu beurtheilen.
Allein dieß hat Ihnen nicht gefallen. Nun muͤſſen wir
durch manche verſchlungene labyrinthiſche Gänge uns durch—
orbeiten, und Sie ſcheinen uns, wiewohl ohne Zweifel nicht
abſichtlich, den Ariaoniſchen Faden aus den Händen gewun—
den zu haben.
Sie reden von elnem innern und aͤuſſern Sinn, ohne uns
heyde zu erklaͤren. Wir find alſo berechtiget, es voraus zu—
ſezen, daß Sie mit dieſen Ausdrucken die gewoͤhnlichen Ges
danken verbinden. Aeuſſter Sinn heißt die Fähigkeit une
ſers Vorſtellungsvermoͤgens von aͤuſſern Gegenſtaͤnden, ine
nerer, von innern Wirkungen afficirt zu werden. So ver—
ſchieden unſte Organe ſind, durch welche gleichſam, wie
durch Kanäle die äuffern Gegenftände in unſer Vorſtellungs—
vermoͤgen uͤberflieſſen, und ihm den Stoff darbieten: fo vere
ſchieden iſt der Stoff ſelbſt, und die R:ceptivieät unſrer
Onnlichkeit iſt, wie die Erfahrung es lehret, fo beſtimmt,
daß ſie jeden auf eine beſondre Art aufnimmt, und daß
ißte Spontanität ihn zur Vorſtellung erhebt, die dieſem ver⸗
ſchledenen Stoff entſpricht. Auch jede innre Wirkung theils
der Sinnlichkeit ſelbſt, theils des Verſtandes, theils der
Vernunft, theils der urſpruͤnglichen Grundtriebe in ihren
derſchledenen Aeuſſerungen 55 ein Gegenſtand werden,
4 wel⸗
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88
welcher unſerm innern Sinn einen Stoff darreichet. Die
Vorſtellungen, welche dadurch erreget werden, find eben
ſo verſchieden, als der dargerelchte Stoff von dieſen Wir⸗
kungen unfrer Fahigkeit. Nennen wir alfo die Form uns
free Sinnlichkeit überhaupt diejenige Beſchaffenhelt, welche
fo wohl die Empſänglichkeit als Thaͤtigkeit unſers Vorſtel.
Iungevermögens hat: fo wird dieſe nach den verſchied enen
Organen des äuffern Sinnes, und auch noch Mannigfal⸗
tigkeit unſrer innern Fähigkeiten und ihrer Wirkungen vers
ſchie hen ſeyn muͤſſen. Eine andre Receptivltaͤt hat unſer
Vorſtellungsvermoͤgen fuͤr Gegenſtaͤnde des Geſichtes, eine
andre für diej'nigen, welche durchs Gehoͤr, oder durch den
G ſchmack, oder durch den Geruch, oder durch das Gefühl
ihm den Stoff zur Vorſt⸗llung darrelchen, und dieß kann
eben fo wenig als die Vorſtellungsfaͤhigkeit ſelbſt in Zweifel
gezogen werden. Beydes wiſſen wir blos durch ihre Wirk.
ſamkeit, und durch die Auſmerkſamkeit, womlt wir dieſe
beobachten. Wir gelangen ſolglich auf einem und demſel—
ben N ge der Erfahrung zur Erkenntniß von ihnen. Den
ken Sie ſich einen Menſchen, deſſen Organ für Töne von
seiner Geburt an unbrauchbar geweſen iſt: ſo hat fein Ges
müth wehl überhaupt eine Receptivitàt für Vorſtellungen
von Tönen; allein dieſe wird nie durch innre Thaͤtigkelt un
ſers Vorſteſlungsvermoͤgens einen Stoff erhalten, welchen
fie zur Vorſtellung von Toͤnen erheden kann. Derjenige,
welcher taub gebohren wurde, iſt ganz unfähig ſich elne
Vorſtellung von dieſen zu machen, wenr gleich alle übrige
Organe feines aͤuſſern Sinnes noch fo regelmaͤſſig gebaut
ſind. Eden dieß gilt von jeder Art der empiriſchen An—
ſchauung, wozu die Einwirkung auf die verfchiedenen Or
gane unſerm Vorſtellungsvermoͤgen den Stoff darbietet.
Nehmen Sie die Organe einem Menſchen: ſo iſt bey ihm
auch keine Verſtellung, weder als Anſchauung, noch als
Empfindung moͤglich, obgleich fein Gemuͤth, an fid) be
trachtet, die 8 ſelbſt beſitzet, durch 1
welche
* * - - — — *
89
welche auf die verſchiedenen Organe wirken, afficirt zu wer⸗
den. Allein ſie kann wegen der Unbrauchbarkeit, oder des
völligen Mongels derſelben von ihnen nicht aſficiret werden,
keinen Steff zur empiriſchen Vorſtellung und alſo dieſe ſelbſt
nicht erhalten.
Vielleicht wird der Idealiſt, vielleicht auch der Leib.
nitzianer dieſes leugnen, jener, weil er in ſich ein» Fahigkeit
annimmt, welche durch innre Kraft dem Vorſtallungsver—
mögen den Steff zu Vorſtellungen datreichet, dieſer, weil
er ſich die Denkkraſt der Seele fo vorfielle, daß in ihr fabit
ein hinreichender Grund liegt, die Welt ſich von einer bes
ſtimmten Seite zu denken, und folglich Vorſtellurgen fo wohl
von äuſſern als innern Gegenſtaͤnden durch determinirende
Gründe in einer feſtgeſetzten Folge zu erregen. Entweder
muͤſſen wir beyde durch Beobachtungen der Arten, wie tıne
fer Vorſtellungsvermoͤgen zur Wirkſamkeit gebracht wird,
und ſolglich durch Erfahrungen widerlegen, oder wir wer—
den auch keine gültige Gründe gegen fie auſſuchen koͤnnen.
Die Urdenkkraſt unſrer Seele kennen wir viel zu wenig,
als daß wir daher allyemeingeltende Beweiſe herleiten koͤnn⸗
ten. Behaupten wir gegen ſie, daß uns der Stoff zu em.
piriſchen aͤuſſerlichen Auſchauungen von auffen gegeben wer—
den muß, und daß alſo die aͤuſſern Gegenſtaͤnde eben ſo
gewiß, als unſte Vorſtellungen von ihnen ihr Daſeyn ha—
ben: ſo werden ſie uns die Wahrheit des Vorderſatzes, und
olſo auch die Richtigkeit des Nachſatzes leugnen, und wir
konnen nirgends Gründe finden, ihre Meynung hinreichend
zu beſtreiten, wenn wir nicht richtige Erfahrungen und Fol—
gerungen zu Huͤlfe nehmen, weiche wir aus jenen regel⸗
mäſſig gezogen haben.
Der aͤuſſere Sinn wird von Ihnen für eine Eigenſchaſt
des Gemuͤthes gehalten, durch welche wir uns 1) Gegen.
ftände auffer uns, 2) dieſe 1 in einem Raum vor⸗
| 5 fick
EEE — ee
99
ſtellen. Das erſte iſt wahr, das letzte hat aber nicht feine
völlige Richtigkelt. Der äuffre Sinn als Fähigkeit des
Gemüthes, durch Eindruͤcke aͤuſſter Gegenftände afficirt zu
werden, hat nicht eine einfache, ſondern ſuͤnffache Recepti⸗
vilaͤt nach den fünffachen Organen unſter Sinnlichkeit auf
fünf verſchiedene Arten modificirt zu werden. Durch Hürfe
der Organe des Geſichts und G-hörs ſetzen wir die Gegen⸗
ftände nach Art eines Inſtinkts, worinn unſer Gemuͤth
nichts willkuͤhrllch ändern kann, auffer uns, und unſre Vor.
ſtellungen von ihnen find Anſchauungen von Gegenftänden,
dle wie uns nicht anders als auffer uns denken koͤnnen, wir
maͤgen wollen oder nicht. Reden wir alſo von unſerm aͤuſ⸗
fern Sinn in Beziehung auf Geſicht und Gehör: fo iſt es
nach einer allgemeinen Erfahrung ausgemacht, daß wir,
fo lange wir noch elnen gefunden Verſtand haben, diefe Ge⸗
genftände auſſer uns ſetzen muͤſſen, und dadurch eine Les
berzeugung von ihrem Daſeyn auſſer uns erhalten, welche
ſtaͤrker iſt, als alle Sophismen, tie wir ihr entgegen ſtellen.
Allein die ſinnliche Vorſtellung von Tönen foffer keine Ans
ſchauung vom Raum, oder von Thellen in ſich, die auſſer
und neben einander find. Wer hat es ſich einfallen laſſen,
es zu behaupten, daß Toͤne nicht anders als in einem Raume
oder als Gegenſtaͤde ihrer Natur nach vergeſtellet werden
koͤnnen, werinn Thelle auſſer und neben einander zugleich
find? Die Vorſtellungen, die wir durchs Geſicht erhalten,
find Anſchauungen von Gegen ſtanden, worinn Theile aufe
ſer und neben einander angetroffen werden. Allein was iſt
die Urſache hievon? Nicht tiefe, weil die Beſchaffenheit
des Geſichtsſinnes dieß weſentlich fo mit ſich bringet, fone
dern weil in dieſen Gegenſtaͤnden, welche durch das Organ
des Geſichtes unſter Sinnlichkeit den Stoff darreichen, die
Theile neben und auſſer einander ſind, und alſo einen Raum
einſchlitſſen. Wäre dieß blos Folge der ſubiectlven Form,
oder der ſubiectiven Beſchaffenheit von dem Geſichtsſinn: fo
wurden durchaus alle daher entſpringende Auſchauungen in
dleſer
dieſe
Wit
binz
terfd
zu
(ha
ftellı
ſond
ſolch
die ſ
ſtelli
waͤre
des |
daß
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werd
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Wir
und
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Finn
nicht
ren
imm.
durch
einſtk
die a
Stof
ſchau
weſen
keiner
liegt
gleich
biefer Form erſcheinen. Allein dieß iſt doch der Fall nicht.
Wir können durch Huͤlfe ſchicklicher Inſtrumente uns Punkte
hinzeichnen, worinn wir ſinnlich keine Theile mehr zu uns
terſcheiden fähig find, wenn wir nicht etwa ein Mikroskop
zu Huͤlfe nehmen. Wir haben alsdann eine empiriſche Ans
ſchauurg von einem Punkte, und in ihr als finnlicher Vor.
ſtellung von dieſem Grgenftande liegt nichts von Raum,
ſondern er wird vielmehr ausgeſch'oſſen. Würde aber eine
ſolche empiriſche Anſchauung von Pu. fren moͤglich ſeyn, wenn
die ſubiectlve Beſchaffenheit dieſes Sinnes keine andre Vor—
ftellung zuließ, als worinn unmittelbar Raum enthalten
waͤre ?
Durch dle Organe des Geſchmackes, des Geruchs,
des koͤrperlichen Gefuͤhles wird unſte Sinnlichkeit fo afficirer,
daß wir die daher entſt henden Empfi e dungen in den Orga—
nen oder in den Theilen unſers Körpers, welche afficiret
werden, zu bemerken glauben. Auch dieſes haͤnget nicht
von Willkuͤhr ab, ſondern es iſt das Werk der Natur ſelbſt.
Wir erhalten dadurch Vorſtellungen von unſerm Koͤrper
und mit dieſer zugleich eine ſolche Ueberzeugung von ſeinem
witklichen Daſeyn, daß wir dieſe ſo lange nicht ausloͤſchen
koͤnnen, als uns noch kein Wahnſinn anwandelt, oder wir
nicht durch eine Kothederphlloſophie dieſe wegzudemonſtrl⸗
ren uns beſtreben, bey welchem Verſuche wir aber doch
immer einen ſolchen innern Widerſpruch fühlen, daß das
durch das errichtete Gebäude des Scepticismus ſtets wieder
einftürge. Durch diefe drey verſchledenen Organe geben
die aͤuſſern Gegenſtaͤnde auf drey ganz verſchiedene Arten
Stoff unſerm ſinnlichen Vorſtellungsvermoͤgen, und die Ins
ſchauungen, welche wir, von ihnen erhalten, find eben fo
weſentlich unterſchieden, als die Organe es ſelbſt ſind. In
keiner von dieſen drey Arten der empiriſchen Anſchauung
liegt aber unmittelbar eine Vorſtellung vom Naum, ob wir
gleich durch das Gefühl fähig werden, fo wie jener Es
42
92
Geometer Saunderſon uns Begriffe von Quadraten, Ku.
geln, und folglich arräumigen G ger ſtaͤnden zu machen.
Sie ſehen alſo, wie wnig ich Ihnen brypflichten kann, wenn
Sie ohne Einſchraͤnkung beh upten, daß wir vermittelſt
unſers äuſſern Sinnes alle Gegenſtaͤnde insgeſammt im
Raum darſtellen. Dieß gilt eigentlich nur von unſerm
Einn, in wle weit er eine Receptivitaͤt hat, von Gegen⸗
ftänden durch das Organ des Geſichtes afficirt zu werden,
und auch dann koͤnnen ſo gar empiriſche Anſchauungen von
ihnen, wenn fie ſich ohne alle Ausdehnung dem Auge dar⸗
ſtellen, in uns erreget werden. Sind die Gegenſtaͤnde uns
ſrer Anſchauung Koͤrper: fo erſchelnen fie uns in geroiffen
Geſtalten von beſtimmter Gtoͤſſe, und vergleichen wir dieſe
gegen einander: ſo erhalten wir eine Vorſtellung von den
Werhaͤltniſſen, in welchen fie gegen einander ſtehen. Alles
dieſes würde nie bey uns zu einer Vorſtellung kommen koͤn⸗
nen, wenn unſer Vorſt llungsvermoͤgen nicht die Recepti—
vltaͤt haͤtte, den Stoff, welchen dleſe Gegenſtaͤnde ihm dar⸗
reihen, zu Vorſtellungen zu erheben, die ihnen entſprechen,
und worinn alſo der Raum zugleich mit vorgeſtellet wird,
welchen dieſe Gegenſtaͤnde einnehmen.
Nun wollen Sie von dem innern Sinn reden und die
Form auſſuchen, unter welcher die Anſchauung ihres ins
nern Zuſtandes der Seele allein moͤglich ey fol Durch
Huͤlfe dieſes ſchauet das Gemuͤth nach Ihrer Behauptung
ſich ſelbſt an, und gleich darauf leugnen Sie, daß es eine
Anſchauung von der Seele als einem Oblect gebe, Allein
was machen Sie denn zwlſchen unſerm Gemuͤthe und une
frer Seele für einen Unterſchied, und wie koͤnnen Sie bes
haupten, daß mir zwar von jenem, nicht aber von dieſer
eine Anſchauung haben? Entweder iſt hier das G:müth
die Seele ſelbſt, oder es bezeichnet ihre Bflimmungen und
Faͤhigkciten. Wäre der erfte Fall wahr: ſo' wuͤrden Sie
ſich widerſprochen haben; und hätte der letzte feine 157
; tigkeit
tigk
der
ein:
lect
fun:
eig:
den
hig!
biei
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und
voll
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wir
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von
Sin
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fr r
Mi
Frei
gen
ſchie
fono
Ein
muff
nun
Sin
des,
ſern
theil
Vor
tigkeit fo wären biefe Beſtimmungen und Faͤhigkelten Obiecte:
der Anſchauung. Wir koͤnnen fie aber nicht anders als in
einem Subiecte uns vorſtellen, und folglich würde das Sub—
iect ſelbſt, oder die Seele ein Gegenſtand unſter Vorſtel—
lung ſeyn, und dieſe, auf fie bezogen, wuͤrde doch nach Ihren
eignen Erklaͤrungen, eine Anſchauung von ihr genannt wer—
den muͤſſen. Freylich erkennen wir dieſe nur aus ihren Fäs
bigkelten und Wirkungen. Ihre ſubſtanzielle Grundkraft
bieibt uns nun wohl in unſerm itzigen Raupenſtande verbor—
gen. Sie iſt aber die Grundkraft eines endlichen Geiſtes,
und wer weis, durch welche Wege wir in einer hoͤhern und
vollkommnern Epoche jenſeits des Grabes auch dazu fählg
werden. Eine Unmoͤglichkeit kann es nicht ſeyn, daß
wir dereinſt zu dieſer Erkeantniß empor dringen, und dann
wuͤrden wir von der ſubſtanziellen Grundkraft der Seele als
von einem Dbiecte eine Anſchauung erlangen.
Wir haben keine verſchiedene Organe für den innern
Sinn, wodurch die Gegenſtaͤnde unſer Vorſtellungsvermoͤ.
gen auf ganz verſchiedene Arten aſſiclren, und ihm den
Steff zur Vorſtellung darreichen. Allein die Faͤhigkeit une
fer Seele zu denken, ihre urſpruͤnglichen Grundtriebe, die
Wirkſamkeiten von beyden, Freude, Traurigkeit, Hoffnung,
Freu le und alle andre Begierden mit ihren jo mannigfalti—
gen Modificationen geben dem innern Sinn auf ſehr ver—
ſchiedene Art Stoff zu Vorſtellungen, und ſetzen fuͤr jede be—
fondre Wirkung eine befondre Receptiritaͤt unfrer innern
Sinnlichkeit voraus, welche alſo eben fo wannlgfaltig ſeyn
muß, als die Wirkungen unfers Verſtandes, unſter Ver—
nunft und unfrer Grundtriebe verſchieden find. Der innre
Sinn verhilft uns zum Bewuſtſeyn unſres innern Zuftan«
des, folglich zum Bewuſtſeyn der Vorſtellungen von aufs
fern und innern Gegenſtaͤnden. Dadurch unterſcheiden wir
theils die äuffern theils die innern Gegenſtaͤnde von unſern
Vorſtellungen derſelben, und beyde von uns ſelbſt. W
unte
9 EEE
Innre Sinn iſt alſo eine Faͤhigkelt des Gemuͤthes, ſich des
innern Zuſtandes bewuſt zu werden. Die Form des in
nern Sinnes beſtimmt die mannigfaltige Receptivltaͤt nach
den Verſchiedenheiten unſers innern Zuſtandes, von ihm
Vorſtellungen zu erhalten. Durch ihn gelangen wir un.
mittelbar zu Vorſtellungen von dem innern Zuſtande des
Gemuͤthes, wie er g⸗genwaͤrtig iſt. Die Folge unſrer in⸗
nern Wirkungen kann er uns nicht unmittelbar lehren, fons
dern unſter Faͤhigkeit, das Vergangene mit dem Gegen»
waͤrtigen und Zukuͤnftigen in Verbindung zu denken, welche
von dem innern Sinn weit unterſchieden iſt, haben wir es
allein zu danken, daß wir von dieſer und folglich von der
Zeit eine Vorſtellung erhalten. Fehlte uns dieſe Faͤhigkeit:
fo wuͤrde unfer innrer Sinn uns alles als gegenwärtig dar⸗
ſtellen, wie es ohne Zweifel faſt immer der Fall bey un⸗
vernünftigen Thleren iſt.
Nicht der innre Sinn, ſondern die Einſchraͤnkung uns
free Seele, nach welcher fie nicht mit einmal alles zu emp.
finden, nicht mit einmal alles zu denken faͤhlg iſt, was
doch von ihr empfunden, was von ihr gedacht werden kann,
dt die Grundurſache, warum Empfindungen oder Anſchauun⸗
gen in uns nach einander erfolgen, und dadurch erhaͤlt uns
fer lnnter Sinn dieſe Beſtimmung, daß wir nicht anders als
nach und nach durch ihn Vorſtellungen erhelten. Dife Ein⸗
ſchraͤnkung iſt auch dle eigentliche Urſache, daß wir vermoͤge
unſrer Reminlſcenz alles, was zu unſerm innern Zuſtand ge
hoͤret, im Verhaͤltniß der Zeit denken. Kaͤme es hier blos auf
die Beſchaffenhelt des innern Sinnes oder auf ſelne Form an,
ohne daß unfer Erlnnerungsvermoͤgen wirkſam wäre: fo wuͤr⸗
den wir nicht Folge des innern Zuſtandes, ſondern blos den
innern Zuſtand, wle er jedesmal iſt, und ſolglich unter der
Form der Gegenwart uns vorſtellen. Vermoͤge unſers innern
Sinnes werden wir uns auch unſrer Vorftellung von einer
Flache bewuſt, und in dleſer liegen nicht Beſtandthelle
der
|
|
u
|
ker Zeit, nicht Folge nach einander, ſondern wir werden ung
elner Anſchauung bewuſt, deren Gegenſtand Theile auſſer
und neben einander hat, welche zugleich find. Nur als
dann wird jemand dieß leugnen koͤnnen, wann er nicht auf
feinen innern Zuſtand, nicht auf die Art der Wirkſamkeit
unfers innern Sinnes die gehörige Aufmerffamfeit gerich—
tet, und in ihr dasjenlge unterfdieden hat, was doch wirk—
lich in Ihr unterſchieden iſt.
Wenn Sie behaupten, daß dle Zelt nicht äufferlich ange»
ſchauet werden kann: ſo ſchelnet dieß offenbar die Erfahrung
gegen ſich zu haben. Wir hören das Rauſchen elner dahin
fiürgenden Waſſerfluth; wir ſehen die Schnelligkeit, mie
welcher das Waſſer vor einem feft ſtehenden Daum am Ran⸗
de des Ufers dahin brauſet; wir bemerken am Strande eines
Sees die Wogen, welche nach einander ſich auſthuͤrmen, und
gleich ſam, eine nach der andern, zum Ufer hingejaget werden;
wir werden gewahr, wle dle Sonne ſich nach und nach vom
Morgenhorlzont erhebt, und durch einen gruffen Bogen
mit langſamem majeſtaͤtiſchem Gange nach dem Abendhorl—
zone ſich hinbrwegt. In allen dleſen empiriſchen Anfchau«
ungen, welche wir durch unſern aͤuſſern Sinn erhalten, llegt
offenbar Folge von Begebenheiten, dle nach und nach wirklich
werden, und ſolglich auch von der Zeit. Vielleicht war dleß gra-
de der Weg, auf welchem unfre Seele zuerſt eire Vorſtellung
von Zeit erhielte. Wenigftens waͤhlen wir gewoͤhnlich diefe
Bahn, wann es uns daran gelegen iſt, in der Seele unfers
Zohoͤrers einen Begriff von der Zeit zu erregen.
Wit koͤnnen freylſch, wie Sie behaupten, nicht den
Raum als etwas anſchauen, welches in unfrer Seele ſelbſt
it, wenn wir nicht etwa das Syſtem des Materlaliſten fir
das wahre erkennen. Würden wir aber, wie er, in diefer
Sache denken: fo ſehe ich davon feinen Grund, warum
wit dieſen nicht in der Seele, welche dann geräumig fern
müßte, uns vorſtellen, und folglich anſchauen könnten, well
5 doch
6:6 Ws riet
dach dieß letzte nichts anders ift, als in wle welt die Vorftels
lumg auf das Dbtecr besogen wird. Es wurde der Gegenſtand
ſelbſt uns nicht den Stoff zu dieſer Vorſtellung darreichen; fon.
dern die Zaubeckraft der Phantaſie haͤtte ihn gegeden. Die.
fe Vorſlellung würde nichts als eine ſalſche Anſchauung,
ein Traum ſeyn, woran die verführte Vernunſt ſich ergoͤtzte,
well das Syſtem des Materialiſten keinen andern Ursprung
hat, welches zu erwelſen hier der Ort nicht ft,
Was find nun Raum und Zelt? Sind es wirkllche
Weſen? fragen Ele. Wirkliche Weſen? Das find fie
nun wohl nicht, wenn Sie unter wirklichen Weſen Dinge
ſich denten, welche keine Beſtimmungen von andern Dingen
ſind, oo fie gleich ſeibſt Beſtimmungen haben. Ste fragen
welter: find fie zwar nur Beſtimmungen oder auch Verhält⸗
niſſe der Din ge, aber doch ſolche, welche ihnen auch an ſich
zukaͤmen, wenn fie gleich nicht angeſchauet würden, oder
ſind ſie ſolche, die blos an der Form der Anſchauung haften, und
mithin an der ſubiectiden Beſchaffenheit unfres Gemüthes,
ohne welche dieſe Prädicate gar keinem Dinge beygeleget wer—
den koͤnnen? Hierauf moͤchte ich vorläufig dleſes antworten.
Raum und Zelt ſind Beſtimmungen der Dinge ſelbſt, und würs
den es bleiben, wenn wir auch gar keine Anſchauung von
ihnen hatten. Daß wir aber Zeit und Raum als Prädicate
den Subiecten beyle gen koͤnnen, dazu gehoͤret freyuch die
Recebptipitaͤt unſers Vorſtellungsvermoͤgens, ſo von den Ge;
genſtänden, bey welchen wir Raum und Zeit als Beſtim—
mungen antreffen, affielrt zu werden, daß fie uns den Stoff
zur SBorflellung von Zeit und Raum geben koͤnnen. Haͤtten
wir leine Receptloltaͤt von ſolcher Beſchaffenheit oder Form,
daſt Uhr bleſer Stoff zur Anſchauung dargeteicht werden koͤnnte:
ſo writden wir auch keine Vorſtellung von Raum uud Zeit
haben, folglich dleſe Prädicate keinem Dinge beylegen Fön
nen. Allein deswegen blieben fie, was fie ihrem 5
ö ind,
97
find, Beſtimmungen der Gegenſtaͤnde, Beſtimmungen ber
Dinge, in welchen ſie liegen.
Eie wollen den Begriff des Raums eroͤrtern, d. h.
deutlich darſtellen, was zu dieſem Begelffe gehöre. Cie
verſprechen uns auch noch eine metaphyſiſche Erörterung, wel—
che denn ſtatt haben ſoll, wenn fie dasjenige erhält, was den
Begriff als a priori gegeben darſtellt. Allein den Begriff
rom Raum ſelbſt haben Sle doch nirgends eigentlich gegeben.
Etlauben Sie mir es alſo, daß ich ihn auf dem Wege zu
bilden ſuchen, wie wir gewöhnliche Menſchen zu ihm gelan⸗—
gen. Ich werfe meine Blicke auf einen Garten, welcher
mit dem Schmuck des Frühlings gekleidet vor mit liegt.
Hier ſehe ich eine Menge von verſchiedenen Blumen, gruͤne
Hecken, Alleen von ſtuchtbaren Baͤumen, Fünfitidhe Waſ—
ſercaſcaden und tauſend andre Werke der ſchoͤnen Kuͤnſte. Als
les iſt auſſer und neben einander zugleich do. In den Ges
genſtaͤnden, z. B. in einer Tullpan, in einer Rdſe, kurz in jes
dem einzelnen Werke der Natur oder Kunſt finde ich eben
dieß wieder. Ich ſchlieſſe meine Augen, und zuglelch iſt al⸗
les aus meiner Vorſtellung verſchwunden. Kaum kann ich
durch Hülfe meiner Einbildungekreft eine Unſchauung von
dieſen Gegenſtänden wieder erzwingen, welche mir aber
nur mit dem dunkeln Flor einer näcıtliben Dämmerung um—
huͤllt erſcheinen, da ich fie vorher im Lichte der Mitragsfon«
ne erblickte. Ich eroͤffne meine Augen aufs neue und ich
ſehe alles wleder in dem Glanz des Sonnenllchtes, aber eben
wie vorher, auſſer und neben einander zugleich vor mir.
Ich verſuche es, mich zu uͤberreden, daß hier keine Oegen—
Nande zugleich auſſer und neben einander find, daß blos dle
Zauberfraft der Phantofie ſie mir fo vormalt. Allein ich muß
über dleſen ſeltſamen Verſuch lachen, und die Merkmale,
wodurch ich bey geſundem Verſtande die Wirkungen der
bloſſen Einbildungskraſt von den Vorſtellungen, die Folgen
elner wahren Senfation ſind, von Kindßeit an nach einem
| G In⸗
Inſtinkt, dem ich nicht widerſtehen kann, unterſchleden habe,
zeigen ſich mir in elner ſolchen Klarheit, daß jede Vermu.
thung von Täuſchungen wegfällt. Sie find mir fo ſehr
Bürge von dem Doſeyn dieſer Gegenſtaͤnde in der Form,
worlnn ich fie erblicke, daß ich keines andern Bewelſes zur
vollkommnen Ueberzeuaung weiter bedarf, keinen ſuche,
auch nie elnen ſinden koͤnnte. Dle mannigfaltigen Gegen.
ſtaͤnde find mehr oder weniger von einander unterſchleden.“
Durch Hälfe meiner Vernunſt bringe ich fie auf Claſſen,
denke mir Gattungen, denke mir Arten, und in jeder E
Art, fo ſehr fie ſich ouch von jeder andern unterſchel⸗
det, finde ich doch überall Theile, welche auſſer und!
neben einander zugleich find. tun ſteige ich durch Hoͤl.
fe meines Verſtandes hoher empor, bleibe blos bey demje—
nigen ſtehen, worinn afle Gattungen und Arten mit einan—
der übereinkemmen. Ich denke mir alſo nichts meiters ale
Theile auſſer und neben einander, und dieß find fie, nicht
blos deswegen, well ich ſie mir ſo vorſtelle, ſondern weil ſie
fo ſind, und ich es auch fo in meiner empiriſchen Anſchauung
angeltoffen habe. Auſ die Art erwaͤchſt alcht a priori, fon.
dern a pofteriori in mir der Begriff des Raumes, welder B
in der Vorſtellung von den Dingen neben andren Bellim, #
mungen zugleich llegt. In wie welt ich den Raum blos
als einen Begtiff denke: fe kann er nur in einem denkenden
Subleete fein Daſeyn haben. Die Vorſtellung von ihm als
Begriff iſt eine Anſchauung, und dieſe mag reine Anſchauung
beiſſen, wenn in der Vorſtellung vom Raum nichts mehr }
llegt, als das auſſer und neben einander zugleich ſeyn. Woll.
te ich behoupten, daß Raum, als bloſſer Begriff, folglich
als reine Anſchauung den Dingen auſſer mir ſeloͤſt zukaͤme,
und glaubte lch eine neue, wichtlge Entdeckung dadurch!
gemacht zu haben: fo würde jeder Phlloſoph mir das erfie |
nicht aoleugnen, weil feine Vernunft in einem ſeltſamen Pato.
rlsmus ſeyn müßte, wenn er ſich je das Gegenthell Härte
in Sinn kommen laſſen. Ueber meine Einblldung, ein Er—
nn
*
PPP
— 2
cc // w Sure anne
99
finder neuer Wahrheiten geworden zu ſeyn „ wuͤrde er dis
Acpſel zucken, und es ſich ſehr verbitten, wenn ich bis auf
den Zeitpunkt diefer meiner Entdeckung ihm die Erkenntniß
ebiprechen wollte. Würde ich aber behaupten, daß Raum
nicht als Begriff, ſondern als Gegenſtand deſſelben, nicht
In den Dingen ſelbſt, ſondern blos in der Form meiner
Anschauung enthalten wäre: fo würde er es mir vorwerfen,
daß ich einen bloſſen Begriff, und die Sache, wovon jener
ein Begriff iſt, mitelnander verwechſelt, und daß meine Ver⸗
nunſt ſich verirret haͤtte, wenn ich dasjenige, was von einem
kleſſen Begriff des Raumes als Begriff gilt, auf die Sache
Übertrüge,
Allein wenn dleß nicht wäre: fo baͤtte ich elne Vor.
ſtellung don den Dingen ſelbſt, da dleſe doch nicht vorftell«
bar find. Hier würde er mid fragen, warum ich denn dle
Dinge für ſich betrachtet für unvorſtellbar halte. Ich wire
de antworten: die Form der Dinge ſelbſt ift von der Form
ihrer Vorſtellung weſenillch unterſchleden. Jene konnte ale
ſo nle dieſe werden. Dieß wuͤrde er nun ſreplich zugeben
muͤſſen Allein, wuͤrde er ſagen, davon war die Rede nicht,
wenn wir behaupten, daß die Dinge an ſich vorgeſtellet
werden koͤnnen. Wir verſtehen dadurch nichts weiter
als dieſes, die Vorſtelung, welche wir von dem Dinge und
feinen Eigenſchaſten haben, iſt nicht blos Erſchelnung von
etwas, welches uns ner fo vorkommt, aber nicht fo ift,
ſondern fie iſt eine Vorſtellung von dem Dinge ſelbſt, und
von den Eigenſchaften, welche es but, und weill unfre An.
ſchauung dieſem entfpricht; fo nennen wir dleß Ding ſelbſt
vorſtellbar Wer hat denn je nur das jenige, was die lnnre
VBeſchaffenhelt der Vorſiellung ausmacht, vorſtellbar ge
nannt? Ich weis wenigſtens dieſem nichts mit allgemeln gel.
tenden Oruͤnden entgegen zu feßen. Der Raum foll kein emple
riſcher Begriff ſeon, welcher von Erfahrung abgezogen wäre,
So ſehr ich auch glaube, das u. ſchon bewleſen zu Am
2 n:
ben: fo will Ich doch unpartheylſch die Gründe prüfen, wo⸗
mit Sie jenen Satz beftärtigen wollen. Sie haben einen
gedoppelten Grund angefüh:r. a) Wann ich mir den Raum
denke: fo muß ich gewiſſe Empfindungen auf etwas auſſer
mir oder auf etwas in eintm andern Ort des Raumes, als
worlnn ich mich befinde, bestehen. Folglich muß die Vor.
fiellung des Raumes ſchon zum Grunde llegen. Allein der
Werderſatz iſt nicht nothwendig wahr. Wenn ich äuffere
Dinge durch Hülfe meines Geſichtes mir vorfielle: ifo
erblicke ich Theile neben und auſſer eirander zugleich. Wo.
zu iſt es noͤthig, daß ich, um mir dieſe ſo zu denken, erſt
auf mich als das anſchauende Subiett zuruck ſehe, welches
von dieſen Dingen auch dem Otte nach unterſchieden ifi?
In tauſend Fällen, wie die Erfahrung es lehret, geſchleht
dieß von uns nicht, ob wle uns gleich der Theile auſſer und
neben einander in einem äuffern Gegenſtande bewußt we den,
und ſolglich den Begrlff vom Reum bilden. Gesetzt ich
müßte auch zugleich auf mich zurücde ſehen, und mich in el⸗
nem andern Ott denken, als worinn der Gegenſtand ſich
befindet: fo würde ich dieſen Ort, worlun ich mich daͤchte,
zu Hülfe nehmen, um den Begriff vom Raum empir.id
zu bilden. Er llegt alfo nicht in meiner Vorſtellung ver
der Abſttaction: ſondern wird erſt durch meinen Ver ſtand
von der innern und aͤuſſern Erfahrung abgezogen.
b) Ihr zweyter Grund Ift dleſer. Soll ich mir bie
Theile als auſſer und neben einander, mithin nicht blos ver
ſcieden, ſondern als in verſchiedenen Orten vor ſtellen koͤn⸗
nen: ſo muß die Vorſtellung des Raums ſchon zum Grun.
de liegen. Sie hätten hier die Richtlakeit der Folge bewei⸗
fen moſſen, wenn Sie auf unſern Beyfoll rechnen wollten.
Wenn ich mir die Dinge fo vorſtelle, als Sie es ſodern:
fo entſteht auch zugleich die Vorſtellung- vom Raum, weil
der Begriff defſelben nichts als Thelle auſſer und neben eln⸗
ander and ſelglich in verſchledenen Oertern in ſich foſſet.
3 Die
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nicht
lung t
uns m
daß di
priori
täumic
ung de
Die Vorſtellung des Raums liegt alſo nicht zum Grunde:
ſendern wird durch den Anblick des geraͤumigen Gegenſtan—
des und durch Abfonderungsfählgkeie des Verſtandes erſt aus
der emplriſchen Anſchauung gezogen. Vor dieſer Wirkung
des Verſtandes, nachdem der Stoff zur empiriſchen An—
ſchauung des Raums von aͤuſſern Gegenſtaͤnden gegeben war,
bitten wir gar keine Vorſtellung von ihm, und alſo auch
nicht von dem Raum, welchen fie einnehmen. Wir haben
auch nicht einmal von der Moglichkeit, daß Dinge neben
und auſſer einander zugleich ſeyn koͤnnen, oder von der
Möglichkeit des Raums vor aller empiriſchen Anſchauung
deſſelben einen Begriff, ſondern unfre Vernunft ſchlleßt erſt
gas der Wirklichkeit auf die Moglichkeit, und jene erken.
net fie blos durch Hülfe der Erfahrung. Ich kann nicht
einmal ſagen, Raum ſetzet die Möglichkeit voraus, daß
Dinge neben und auffer einander zugleich find, oder dieß
heißt auch nichts weiter, als wenn Dinge ſo neben einan—
der ihr Daſeyn haben ſollen; fo wird dleſe Moͤglichkeit vor-
ousgeſetzet. Hier aber iſt nicht mehr reine Anſchauung des
Raums, ſondern eine Folgerung, welche von der Vernunſt
gemacht wird, wenn ihr durch Erfahrung der Stoff zu die»
im Schluſſe gegeben iſt.
Es iſt alſo grade das Gegentheil von demjenigen wahr,
was Sie behaupten. Die Vorſtellung des Raums wird
zus den Werhältniffen der äufferen Anſchauungen durch Er.
ſihtung zuerſt in unſrer Seele erzeugt, oder wle Sie ſich
leber ausdrucken, erborget. Die äuffere Erfahrung wird
richt durch eine vorher zum Grunde gelegte Vorſtel.
ung des Raums möglich), ſondern dieſe wird durch jene bey
uns moͤglich und wirklich. Unterdeſſen gebe lch gerne zu,
daß dle Receptivitaͤt unſers Vorſtellungsvermoͤgens, welche a
priori in unſter Seele iſt, fo beſchaffen ſeyn muß, daß ge—
täumige Gegenſtaͤnde von ihnen ihr den Steff zur Anſchau⸗
ung des Raums geben können. Die Receptivitaͤt iſt aber
ä G 3 0 bloſſes
bloſſes Vermögen, nicht An ſchauung des Raumes ſelbſt, und
dleſe hat einen empirifchen Urſprung. Vielleicht konnte ich!
es Ihnen auch zugeben, daß der Begriff des Raumes bey
jeder emplriſchen Anſchauung von geraͤumſgen Gegenſtaͤnden
zum Geunde liegt, aber nicht als wirkliche Vor ſtellung, ſon⸗
dern als elne höhere Gattung, (genus ſuperius) welche
der Verſtand durch Abſtractlon geblldet bat, und worunter 4 ben
alle Arten der Körper (ſpecles) und auch alle Körper ſelbſt als Rü
eingelne Dinge (indiuidua) begriffen find. Allein hiedurch! ug
gewinnen Sle nichts, well dech elgentlich davon hier nicht des
dle Rede ſeyn kaun. teic
gen
1) Nach Ihrer zwoten Erörterung fell der Raum e. Na
ne nothwendlge Vorſtellung a priori ſeyn, welche allen feit
äuffern Anſchauungen zum Grunde llegt. Hler frage Ih (da
zuerſt, in wle welt liegt dleſe Vorſtellung, Raum, ihnen das
zum Grunde? Viellelcht als bloffer Begriff, welchen dee kei
Verſtand aus jeder äuffern Anſchauung bilden, und ſolglich ) MM!
in ihr wieder finden kann? Auch dleß leidet in Anfehung wirt
der ſinnlichen Organe, die vom Beficht unterſchleden find, ſolch
die größte Aus nahme. In den Anſchauungen, welche der! Eeſe
her erwachſen, findet der Verſtand in Ruͤckſicht des Geſoͤ ß zu l
les nur ſelten, In Betracht der übrigen Organe feinen Stof
zur Bildung des Begriffes vom Raum, und folglich be:!
ollen dleſen liegt dleſe Vorſtellung ſchlechterdings nicht zun wen
Grunde. Die aͤuſſere Anſchauung, welche wir durch Hull 1
des Geſichtes von einem Punct erhalten, in welchem wi er
keine Theile weiter unterſcheiden konnen, iſt eben fo wenig eine
von der Art, daß Raum in Ihr angetroffen wird. Wal a
aber dle gerdumigen Gegenſtaͤnde anbertift, welche wr Gege
durch Hütfe des Geſichtsorganes uns vorſtellen: fo findet mebg
unſer Verſtand in allen dieſen den Steff wieder, welchen € (nz
sr Vorſtellung des Beariſfſer vom Raum erheben kant. ſich
Allein dieſe Vorſtellung iſt nicht vor den aͤuſſern Anſchor⸗ War
ungen in unfrer Seele, ſondern wird erſt durch unfern Der
and aus ihnen gebildet. Ele
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103
Sie nennen den Raum eine nothwendige Vorſtellung
priori. Nothwendig iſt ein Beziehungsbegriff. Wor⸗
auf haben Sie alfo dieſen bezogen? Etwa auf unſer Ges
muͤth ſelbſt? Dieß iſt der Erfohrung entgegen. Wie oft
find wir nicht in einer Lage, worinn wir an nichts wenl—
ger als an Raum denken, und dieß würde nicht ſtatt ha⸗
ben fännen, wenn dle Vorſtellung vom Raum in biefer
Ruͤckſicht nothwendig wäre. Etwa auf jede aͤuſſere Anſchau—
ung? In dieſem Falle waren keine ſolche ohne Norfellung
des Raumes denkbar Alleln das Gegentheil habe ich hin.
reichend bewleſen. Etwa auf die Anſchauungen von geräuml«
gen Gegenſtaͤnden? Dieſe ſchlieſſen die Vorſtellung des
Raumes in ſich. Allein weer kommt dieſe Morhmendig«
keit der Vorſtellung? Nicht daher, daß fie vor jenen An
ſchauungen in der Seele wirklich da iſt, ſendern daß dieſe
dasjenige, was zum Begriff des Raumes gehoͤret, in ſich
ſchlieſſen, und der Verſtand diefes von den übrigen Beſtim⸗
mungen der Anſchauung abſondern kann. Allein dadurch
mird der Raum nicht eine Vorſtellung a priori, d. h eine
ſolche, welche in unſrer Seele da iſt, ohne von irgend elner
Erfahrung auch in Rückſicht ihres Urſprunges abhängig
zu ſeyn.
Sehe ich auf die Gründe, wodurch Sie die Noth.
wendigkeit des Raums als eine Vorſtellung a priori bewei⸗
ſen wollen: fo find dieſe meiner Einſicht nach nichts ments
ger als hinreichend. Wir koͤnnen, ſagen Sie, uns nle
eine Vorſtellung davon machen, daß kein Raum ſey, ob
wir gleichwohl im Stande ſind, es zu denken, daß keine
Gegenſtaͤnde darinn angetroffen werden. Alleia hler iſt nicht
mehr vom Raum als Vorſtellung, ſondern von ihm als
etwas die Rede, welches ſeyn wuͤrde, wenn auch feiner es
ſich vorſtellte. Diefer Raum waͤre alſo der leere Raum,
das Geſchoͤpf unſrer Imagination, deſſen Daſeyn auſſer der
Vorfellung von der Vernunft fo mancher Philoſophen be.
G 4 ſtrit⸗
104
firieten wurde, und wobey wir doch zuletzt nicht mehr eln
Ding, das eigenthuͤmliche Beſtimmungen hat, fondern
blos dle Mögtichkeit denken, daß Dinge auffee und neben
einander ſeyn konnen. Auch dieſe Moͤglich keit liegt auſſer
unſter Vorſtellung, und unſer Verſtand ſchlieſſet dieſe da.
her, weil wir wlſſen, daß Dinge auſſer und neben einander
wirklich ſind. Was hat aber dieſe mit dem Raum als el.
ner Vorſtellung unſrer Denkkraſt zu thun, und warum muß
dieſe daher eine nothwendige Votſtellung a priori ſeyn?
Hier finder ſich kein Mittelglted, welches die Ideen, Raum
als Vorſtellung und Nothwendligkelt, a priori, verbinden
koͤnnte.
Waͤre kelne Moͤglichkeit auch auſſer allen unſern Vorſtel.
lungen, daß Dinge auffer und neden einander zugleich ſeyn koͤnn⸗
ten: ſo wuͤrden auch keine ſolche Hegenſtaͤnde ſeyn, nicht uns den
Stoff zur Vorſtellung von ihnen darreſchen. Wir wurden
uns alſo auch keinen Begriff vom Raum machen koͤnnen. Die⸗
fe Moͤglichkelt llegt alſo nothwendiger Weiſe auff-ren Er⸗
ſcheinungen oder Anſchauungen von geräumigen Gegenſtän.
den zum Grunde, fie darf aber nicht mit Raum als ei,
ner Vorſtellung verwirret werden, weil ſi- von dieſem welt
unterſchieden iſt. Wie koͤnnen Sie alſo doher ſchlleſſen, da
jene Moglichkeit els Raum allen Erſcheinungen don ge
raͤumigen Gegenſtaͤnden zum Grunde llegt: jo muß Vorſtel⸗
lung als Raum dieß auch thun? Jener gehoͤtet zu den
Beſtimmungen geraͤumiger Dinge, wenn ſie da ſind, und
dleſer, wenn der Stoff uns dazu gereicht iſt, wird dadurch
in der Secle als ein abſtrocter Begriff von unferm Ver,
ſtande gebildet.
Il) Der Raum iſt kein diecurfiver Begriff. Dieß
denke ich auch. Bisher hat man dieſen Ausdruck nicht in
der Vernunftlehre gebraucht, ob man zwar in ihr elnen
Unterſchled zwiſchen intuitiven und discurſiven Uethellen zu
ma:
105
machen ſich berechriger glaubte. Ste erklären Ihien dis.
curſiven Begriff durch einen alleemeinen von Verhältniffen
der Dinge überhaupt, leugnen es, daß Raum ein folder
Begriff fen. Er iſt nach Ihnen blos eine reine Anſchau—
ung. Wenn wir uns Raum vorſtellen: ſo denken wir uns
nicht überhaupt Verhältniſſe der Dinge, ſondern daß fie
euſſet und neben einander zugleich find. Der allgemeine
Begriff des Raumes wurde durch unſern Verſtond gebils
det, und wenn in unſerer Vorſtellung von Raum nichts
weiter liegt, als doß Dinge auſſer und neben einander zu—
gleich ſind; ſo iſt dieſe nicht der Raum ſelbſt, ſondern in
Bezſehung auf iin eine reine Anſchauung des Raums.
Dieſer iſt elgentlich nicht der Begriff, ſondern wir mas
chen uns von ihm einen Vegtiff. Er ſeibſt iſt auffer mel.
rem Verſtande der Gegenſtand, ven welchem ich mir eine
Idee mache, und Ich finde ihn in den Gegenftänden auſſer
mir wieder. Sie wollen es daher deweiſen, daß der Raum
fein allgemeiner Begriff, fondern eine reine Anſchauung fer,
weil wir uns nur elnen einigen Raum votſtellen, und wir
bonn, wann wir von vielen Raͤumen reden, nur darunter
heile eines und deſſelbigen Raumes verſtehen. Von wel—
chem Raum reden Sie hier? Etwa von einem undegrenz—
ten? In dleſem Felle wenn auch Raum und Vorſtellung
einerley wäre: fo haften Sie keine reine Anſchauung vom
Raum mehr, weil dieſe nichts mehr in ſich faßt, als daß
Dinge auſſer und neben einander find. Sie würden den
hoͤchſten Begriff von Raum ſchon durch den Charakter des
Grenzenloſen näher beſtimmt haben. Wo kann ſich aber
dieſer undegrenzte Raum finden? Etwa in den Wirfuns
gen unfrer Denkkroft? Da märe er aber blos Vorſtellung
von Raum, nicht der unbegrenzte Raum ſelber. Etwa in
dem ganzen Umfonge aller neden einander zugleich erfiftirens
den Dinge? Daan wäre er keine Anſchauung mehr, ſon⸗
dern der Raum in dem ganzen Weltgebaͤude. Sollte er
in ihm als unbegrenzt 8 werden: fo müßte jenes ſelbſt
5 kel
106 TEEN
feine Schranken ber Ausdehnung haben. Von dleſem Raum
iſt aber nie die Rede, wenn wir ihn als eine Vorſtellung
denken, und warum ſollte diefe, wenn auch der Raum der
Melt keine Schranken haͤtte, deswegen keln allgemeiner
Begriff vom Raum ſeyn koͤnnen? Warum konnten mir nicht
einen ſolchen Begriff elne reine Anſchauung vom Raum
nennen, wenn mie es nur unbeſtimmt gelaſſen hätten, ob
er begrenzt oder unbegrenzt waͤre. Ob das letzte moͤglich
uud wlcklich If, oder nicht, dieß kann uns keine reine
Anſchauung des Raumes lehren, ſondern es iſt eine Auf
gabe, woran dle Vernunſt ihre Kräſte verſuchen mag, ob
fie durch allgemelnguͤltige Gründe eine richtige poſitlde oder
negative Auflöfung finden kann. Der Raum, wovon als.
dann dle Rede iſt, wird weder Begrlff noch Anſchauung,
ſondern der Gegenſtand von beyden ſelbſt ſeyn.
Denke ich mir den Raum unbegrenzt : fo find alle
begrenzte Raͤume Theile deſſelben, und er geht weder vor
dleſen, noch fie vor ihm vorher. Er wuͤrde aber ohne ſie
ulcht moͤglich ſeyn, koͤnnte alſo nicht anders als eln Ganzes
gedacht werden, welches nicht blos durch feine Theile mög.
lich, ſondern auch durch ihre Zuſammenſetzung wirklich
wäre, grade fo, wie es bey einer jeden Summe in Anfe
bung der Thelle ſtatt dat, woraus fie zuſammengeſeht
wlrd.
Der unumſchraͤnkte Raum ſoll weſentlich einig feyn,
und dieß kann nichts anders heiſſen, als daß nicht mehrere
unbegrenzte Räume denkbar find. Iſt dleſer Satz nicht el
ne Folgerung, welche unſre Vernunft aus dem Begrif
herleitet, welchen der Verſtand von einem unbegrenzten
Raum geblldet hat. Sie konnte es bey dieſem Schlußfag
noch dahin geſteſlet ſeyn laſſen, ob es auch cinen folden
Raum geben koͤnne, eder ob er blos ein Geſchoͤpf der Ver⸗
nunſt ſey, welches fie nach dem Satz des Wlderſpruchs her⸗
va
1 107
verbrächte, da wir in allen einzelnen Anſchauungen des
Raums, zu welchen die äufferen Gegenſtaͤnde durch Huͤlſe
des Geſichtsorganes unſerm Vorſtellungsvermoͤgen den Stoff
darbleten, begrenzte Raͤume gewahr werden. Wäre wirk⸗
lich ein unbegrenzter Raum: se wuͤrde freylich das Mannig⸗
ſaltige in ihm lediglich auf Einſchraͤnkungen beruhen, und
denn waͤren alle begrenzte Raͤume Theile von ihm. Sie
zlehen hieraus die Folgerung, daß auch der allgemeine Be⸗
griff von Räumen lediglich auf Einſchraͤnkungen beruhe.
Wie wenn nun dieſer allgemeine Begriff von Räumen und
auch vom Raum Überhaupt einer und derſelbe wäre. Ver⸗
ſuchen Sie einmal von beyden den allgemeinen Begriff zu
bliven: fo denken Sle ſich Theile auffer und neben einander
zugleich; begrenzt oder unbegrenzt, gehoͤret zum reinen alle
gemeinen Begriff des Raums uicht. In jeder emplriſchen
Anſchauung eines geräumigen Gegenſtandes findet unſte
Vernunft Einſchraͤnkungen, und nun wirſt fie die Frage
auf: find alle dieſe Raͤume, welche ich in den Gegenſtaͤn⸗
den gewohr werde, Theile von einem Schrankenloſen Rau⸗
me oder nicht? Ste ſühltt aber auch bald dle Schwle⸗
rigkeiten, welche ſich ihr auf der Bahn dieſer Unterſuchung
entgegen ſtellen.
Wie koͤnnen Sie aber daraus ſchlieſſen, daß In Ans
ſehung des Raums eine Anſchauung a priori, welche nicht
emplriſch iſt, allen Begriffen von demſelben zum Grunde
liege? Der Begriff vom Raum iſt entweder der allgemeil⸗
ne oder ein Begriff von eingeſchraͤnkten Raͤumen. Im er⸗
Ren Fall iſt er ein Begriff von Raum, er mag eingeſchraͤnkt,
oder grenzenlos ſevn. Im zweyten Fall liegt nicht der Bes
griff eines unbegrenzten, ſondern des Raums überhaupt zum
Grunde, d. h. dleſer iſt der höhere Begriff, unter welchem
die Begriffe von den verſchiedenen beftimmten Raͤumen in
den verſchiedenen Arten der Koͤrper liegen. Allein deswe⸗
gen konnte doch der allgemeine Begriff von Raum aus den
im:
U)
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empirlfchen Anſchauungen von begrenzten Räumen durch
Huüͤlſe des Verſtondes und alſo a poſteriori gebildet ſeyn,
wie er es auch wirklich lſt. Ste berufen ſich auf geome⸗
telſche Orundfäge, zum Beyſpiel, daß in einem Trlangel
zwo Selten zuſammen groͤſſer ſeyn, als dle dritte, und be
haupten, daß dleſe nie aus allgemeinen Begriffen von Tris
angeln und Linien, ſondern aus der Anſchauung und zwar
a priori mit apodictiſcher Gewißßpeit abgeleltet werden.
Ihre Art in der Geometrie zu beweiſen, hat für mich etz
was ſehr befremdendes. So oft ich bisher meinen Zuhoͤ.
rern geometriſche Saͤtze bewieſen habe, mußte ich ſteylich
Zeichen, welche in dle Augen fallen, zu Huͤlſe nehmen, um
ihnen erſt die noͤthigen Begriffe zum Bewelſe durch elne
empiriſche Anſchauung klar und deutlich zu machen. Diefe
Anſchouung iſt aber nie eine a priori, und macht den Be
wels aus Begriffen nicht unnoͤthig, kann keine apodicelſche
Gewlßhelt von allgemeinen Wahrheiten erzeugen, ſondern
bahnte der Vernunft nur den Weg, um das Gewicht der
Vewelſe aus allgemeinen Begriffen gleichſam zu fühlen,
und eine apodlctiſche Gewißheit zu erzeugen. Was wollen
Sie hier mit Ihrer Anſchauung a priori? Bedeutet dies
fe Raum in der hoͤchſten Abſtractlon: fo iſt dleß die An—
ſchauung nicht, welche der Geometer gebraucht, um feinen
Zuhörern verſtaͤndlich und deutlich zu werden, und auch
dieſe wurde ihnen zu keiner Gewißheit von Irgend einer
elnzelnen allgemeinen geemetriſchen Wahrheit verhelfen
koͤnnen.
IV) Der Raum, wie Sle behaupten, wird als elne
unendliche Groͤſſe vorgeſtellt. Von wem? Es iſt mehe
ols wahrſcheinllch, daß der größte Theil der Menſchen es
nicht gethan hat, noch thun wird. Die em piriſche An.
ſchauung des Raums faßt vielmehr ſtets Grenze in ſich,
und der Verſtand achtet auf dieſe nicht, wenn er aus ihnen
den allgemeinen Tegriff des Raumes bildet. Er laͤßt es
in
in ihn
grenzen
kenlos:
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ſcchaͤfte
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Jeſes lei
en Sie
antrkenn
109
| in ihm unbeſtimmt, ob er auſſer unſern Vorſtellungen
grenzenlos ſeyn kann oder nicht. Denket er ſich ihn ſchran—
kenles: fo ſetzet er von zwo entgegengeſetzten Beſtimmungen
i die eine zum Raum hinzu, und beſtimmt alſo den allge⸗
meinen Begriff des Raums, wie er es bey jeder andern
Gattung macht, wenn er die Arten bilden will, welche am
rächften unter ihr liegen. Dieß iſt das gewoͤhnliche Ger
ihäfte unſers Verſtandes bey Entwicklungen der Arten,
welche unter einer Gattung liegen. Hat er den allgemels
ren Begriff des Raumes durch den Zuſatz des Grenzenlo.
en mehr beſtlmmt: fo macht die Vernunft die Folgerung
© braun, daß, wenn ein ſolcher Raum auſſer unſern Vor—
|: (ungen wäre, alle eingeſchraͤnkte Raͤume Theile von dies
em ſeyn würden. In allen dieſen Wirkungen des Vers
bontes und der Vernunft liegt keine Anſchauung zum
Grande, welche von aller Erfahrung in Ruͤckſicht ihres
Urferunges unabhängig iſt. Dieß iſt zu einleuchtend, alt
daß es einer weitern Entwicklung bedarf.
Sie ſetzen hinzu, wir müffen zwar jeden Begriff uns
als eine Vorſtellung denken, welche in einer unendlichen
Menge von verſchlederen moglichen Vorſtellungen als ihr
eimeinſchaftliches Merkmal enthalten iſt, welche mithin dies
unter ſich enthalt. Allein kein Begriff als ein ſolcher
inn fo gedacht werden, als ob er eine unendliche Menge
ven Vorſtellungen in ſich enthielte. Warum das nicht?
denken Sie ſich das ganze Weitgebaͤude, oder denken Sie ſich
berhaupt Groͤſſe, unter deren Begriff der Begriff des Raumes
is eine Art begriffen iſt. Wenn Sie ſich dieſe unter der
Beſtimmung des Grenzenloſen vorſtellen: fo ſind alle eine
ne Gtoͤſſen, und auch alle einzelne Raͤume Theile, ja ſelbſt
er grenzenloſe Raum iſt ein Theil von ihr. Können Eie
deſes leugnen? Und woferne Sie es nicht koͤnnen: muͤſ.
en Sie dann nicht die Ungültigkelt dieſes Ihres Satzes
nerkennen, daß auſſer dem Raum kein Begriff als eln
8 fol.
ſolcher gedacht werden kann, als eb er elne unendliche
Menge von Vorſtellungen in ſich enthlelte ?
Wiellelche werden Sie dadurch melne Elnwendung
ſchwaͤchen wollen, daß Sie erwledern: ſoll der Begriff,
Gröffe, eine unendliche Menge von Vorſtellungen in ſich
ſoſſen: fo muß die Geoͤſſe ols grenzenlos gedacht werden.
Genz recht. Hat dieß aber auch nicht in Anſehung des!
Raumes flott? Nehmen Ste dieſe Beſtimmung weg: fo |
der reinen Anſchauung deſſelben llegt nichts mehr, als ei.
ne Vorſtellung von Theilen, dle auſſer und neben einander
zugleich find. Dieſe Anſchauung als Begelſf iſt eben k
wie jeder allgemeine Begr ff in einer unendlichen Menze
von verſchiedenen Vorſſellungen als ihr gemeinſchaſtliches
Merkmal enthalten, und folglich begrelſet er, wie alle übri.
ge Begriffe dleſe unter ſich. Sie ſehen alſo, wle weriz
Sle berechtlget find, aus Ihrer Vorausſetzung, deren Un.
grund ich bewieſen zu haben glaube, die Folgerung zu mc.
chen, daß al'o dle urprüngliche Vorſtellung vom Raun
keln Begriff, fondern eine Anſchauung a priori ſey.
Wenn ich auch Ihnen alles zugeben wollte, was El
behauptet haben: ſo wuͤrde doch Igre Folgerung nicht den;
Beyſall der nachſorſchenden, unbeſangenen Vernunft erhalten!
Finnen. Es ſey der Raum grenzenlos! Wo wäre er e
dann? In unſerer Vorſtellung oder auffer derſelben? Jo,
letzten Fall iſt unbegrenzter Raum nicht Anſchauung, ſonder
Gegenſtand derſelben, und gehoͤret alſo durchaus nicht hieße.
Er ſey es alſo In unfrer Vorſtellung! Wie ward er es denn!
Den allgemelnen Begriff des Raums hatte unfer Verſtan)
aus. den empirlſchen Anſchauungen von einzelnen geräumige?
Gegenſtaͤnden a pofteriori qezo jen. Er entfernte aus ih
dle Vorſtellung der beſtimmten Geſtalten, der Green?
und Grenzen von den Gegenſtaͤnden. Nun warf unte
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wird der reine Begriff vom Raum übrig bleiben, und in Seel
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111
Vernunſt die Frage auf: faßt der Begriff von einem gren⸗
jenlofen Raum einen Widerſpruch In ſich „grade fo, wle
fie ſraͤgt: iſt der Begriff eines rechtwinkligten und dabed
gleichſeltigen Triangels ohne Widerſpruch denkbar oder
nicht? Hier llegt keine Anſchaunng a priori, d. h. dle
von aller Erfahrung durchaus unabhängig und doch in der
Seele da iſt, zum Orunde. Die urſpruͤngliche Vorſtellung
vom Raum iſt doch wohl feine andre als dieſe, welche bie
Seele zuerſt durch ihren Verſtand bildet. Dieſe Ift gewiß
a pofteriori, uud kann alſo keine Anſchauung a priori nach
Ihrer Erklaͤrung ſeyn. So wenig ich alſo Ihren Behaup⸗
tungen beypflichten kann: ſo groß wird doch dle Hochachtung
ſeyn mit welcher ich ſtets bin dc.
10. Brief.
Mein Herr,
Nun wollen Sie eine transſcendentale Erörterung des Bes
griffes vom Raum anſtellen. Dieß iſt doch ſehr ſonderbar.
Haben Sie es denn ſchon vergeſſen, daß Ste kurz vorher
durch Grunde es beweiſen wollten, die Vorſtellung vom Raum
fen durchaus kein Begriff, fondern eine Anſchauung a pri-
ori? Ich kann mir diefen Widerſpruch nicht erflären.
Vorſtellung vom Raum, oder vorgeſtellter Begriff des
Raumes iſt doch wohl eine und dieſelbe Sache?
Doch nun zu Ihrer transſcendentalen Erörterung
ſelbſt. Diefe ſoll die Erklarung eines Begriffes als Princips
ſeyn, woraus die Möglichkeit anderer ſynthetlſcher Erfenntniffe
a priori eingefehen werden koͤnne. Zu dleſer Abſicht er⸗
ſodern Sie, 1) daß wirklich dergleichen Erkenntniſſe aus dem
gegebenen Begriffe herflieſem, 2) daß dleſe Erfenntniffe nur
unter der Vorausſehung elner gegebenen 1
dae ⸗
12
dieſes Begriffes möglih find, Sie erregen alfo hier die
Erwartung bey jedem nachdenkenden Leſer, daß Sle uns eine
genaue Erklärung des Begriffes don Raum vorlegen, und
dann aus dleſem Begriff als elnem Prineip uns zeigen werden,
wle ſolche Erkenntniſſe aus ihm herflieffen, und fie nur uns
ter der Vorausſetzung der gegebenen Erflärungsart von
dieſem Begriffe moͤglich find. Wlr muͤſſen alſo unterſuchen,
was Sie gelelſtet haben.
Sie erklaͤren die Geometrie durch eine Wiſſenſchaft, welche
dle Eigenſchaſten des Raumes ſynthetiſch und dech a priori
beſtimmt. Allein wozu fell der Geometer dieſe Ihre Erfläs
rung gebrauchen? Er hat fie ſich bis her als eine Wiſſenſchaft
gedacht, die Groͤſſen in den Ausdehnungen zu finden. Durch
dleſen Begriff unterſcheldet er dieſe Wiſſenſchaft von jeder
andern, beſtunmt des Ziel, wohln er dringen will, und bie
Bahn, die ihn dahin führen ſell. Ihre Grundfäge ſuchet
er nicht aus der Anſchauung eines alleinigen unbegrenzten
Raums herzuleiten, ſondern ſeine Abſicht etfodert es, daß er
mit geometriſchen Puncten als den erſten einfachſten Clemer⸗
ten der Knie den Anfang macht. Er zeigt feinen Zuhoͤrern,
wie ınen Jia) duich das Fortflieſſen eines Puncis die Ent
ſtehung einer Linie denken, und den allgemeinen Begriff von
ihr bilden kann. Durch Zufammenfegung der Linien wird
dle Entſtebungsart der Figuren, und durch die Verbindung
det letzten die Entſtehungsart der verſchiedenen Körper erklärt.
Der Geometer bedienet ſich immer ſolcher Zeichen, welche
In die Augen fallen, weil die Gegenflände feiner Wiſſenſchaſt
ihm vorzüglich den Gebrauch ſolcher Zeichen möglich machen,
welche eine empiriſche Anſchauung von ſich in der Seele er:
regen, worinn faſt nichts mehr noch weniger als in den
Gegenſtaͤnden enthalten iſt, welche ſich ſein Zuhoͤrer den—
ken ſoll. Er ſetzet bey ſeinen Entwicklungen nie den Raum
als eine reine nicht empirlſche Anſchauung, und ſolglich
nicht als eine bloſſe ſublective Form der Vorſtellungsfaͤhig⸗
keit
keit :
it,
welch
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nicht.
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koͤnnt
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Koͤrp
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7 e e p p NE NILFECORTLEONT Eene———
keit voraus, ſondern als etwas, das in den Dingen felbſt
jt, welche er als Zeichen für feine Zuhörer brauchet, und
welche durch Hülfe der Augen ſich eben fo dieſen als ihm
ſelbſt darſtellen. Mit unendlichem oder alles umfaſſendem
Raum beſchaͤfftlget er ſich nicht. Seine Linien, Figuren und
Körper haben alle ihre begrenzte Ausdehnung. Wäre Raum
nichts als Denkform. nichts als ſubiective Vorſtellung: ſo wuͤrde
tr feinen Uuterticht fur unnuͤtz halten / und uber ſich ſelbſt lachen
möffen, wenn er nun Sinien, Figuren, Körper für feine
Zuhörer abbilden, und In ihnen durch dleſe Abbildung da—
von eine empiriſche Anſchauung erregen wollte. Er nennt
ine Wiſſenſchaſt einen Theil der reinen Mathematik nicht
deswegen, als ob er fie obne alle Ruͤckſicht auf aͤuſſere
geräumlqte Gegenſtaͤnde zu Stande gebracht haͤtte, ſondern
peil er allgemeine Begriffe aus linien, aus Figuren, aus
Körpern, welche er ſinnlich vorher feiren Zuhörern darſtellt,
gezogen hat, dieſe mit einander vergleichet, und nur daraus
weckmaͤſſig nach dem Grundſatz des Widerſpruches, und
des Princlps von zureichenden Gruͤnden Folgerungen herleltet.
linien, Figuren, Körper, womit er ſich wiſſenſchaſtlich be.
ſchaͤtiget, werden nun ben ihm allgemeine Begriffe, dle blos
eis ſolche in den Vorſtellungen ihr Daſeyn haben koͤnnen.
lein deswegen leugnet er nicht, daß es Linien, Figuren,
Korper in der Natur geben koͤnne, wodon jene nur die
allgemeinen Begriffe ſind. Wellte er dleß leugnen: fo mürde
er die ganze Geometrie für eine Wiſſenſchoft erklaͤren, wovon
die menſchliche Vernunft feinen weitern Gebrauch machen
koͤnnte. Er haͤlt vielmehr feine Wiſſenſchaft für elne hoͤchſt
brauchbare Beſchaͤſtigung des Gelſtes, weil er durch fie
onf Regeln geſuͤhrt wird, wornach er Knien, Figuren, und
Körper , die auſſer ſeiner Votſtellung in dem Reich der
Natur angetroffen werden, genau aus zumeſſen wermds
gend wird.
+: = Wenn
5
Wenn Sie uns dle Geometrie als eine Wiffenfhaft erkld.
ren, weiche die Elgenſchaſt des Raums ſonthetiſch und doch a
priori beſtimmt: fo wurden wir fragen: wie? Nur blos
ſonthetiſch? Die Erfahrung zeiget das Gegentheil. Wie
haben ſehr Diele geometrifche Sätze, die analptiſch find, und
2.03 fo wohl wie jene dle Ligen'chaften des Raumes beſtim.
n „ Heißt a priori beſtimmen, aus allgemeinen :. earıi, BE
fe. vieß thun: fo wird kein Geometer dagegen etwas ein.“
wenden. Heißt es aber durch Erkenntniß, welche auch in!
Anſehung ihres Urſprungs von aller Erfahrung unabhängig if: |
fo kennet der Geometer dieſe nicht, und Sie müßten noch
erſt ihre Moͤglichkelt in der Seele eines Menſchen dewe ren.
Dieß wird er tür keinen Beweis gelten laffen, wenn Sie
ſich dieſe Frage, wie muß dleſe Vorſtellung des Kauns
beſchaſſen ſeyn, daß eine ſolche Erkenntniß von ihm moͤglich!
fen, fo beantworten: er muß urfprünglich Anſchauung fenn. E
Die urſprüngliche Anſchauung von ihm iſt, wie ich fdion 8
bewieſen habe, elne empiriſche. Warum ſollten aus den?
Begriffen keine Saͤtze, welche über den Begriff hinaus
g ihn, ſich ziehen laſſen? Ste berufen ſich hier auf I hte
Einleitung V. Alleln ich habe auch da es gezeiget, doß!
Sie dasjenige nicht bewieſen haben, was doch müßte |
g⸗ſchehen ſeyn, wenn Sle ſich darauf mit Grund berufen
wollten. Wenn Sie anders die geometriſchen Wahrheiten
gehoͤtig untetſuchet haben: fo koͤnnen Sie ummoͤglich be.
haupten, daß dle geometriſchen Saͤtze insgeſammt apodictiſch!
d. 1. mit dem Bewuſtſeyn ihrer Nothwendigkelt verbunden
ind. Ich mag hler nicht wieder hohlen, was ich ſchon on!
einem andern Orte oben angefuͤhret habe, um die Ungültig,
kelt dleſes Ibres Satzes apodicelſch zu widerlegen. Sie
beruſen ſich auf dieſe geomettiſche Wahrhelt, — der Raum hat |
eine dreyſache Ausmeſſung. So wird kein Geometer ſich
leicht ausdrucken. In jeder Figur iſt Raum. Wo iſt aber
bler eine drepfache Ausmeſſung? Könnte aber der Raum #
dieſe haben, wenn er, ſo wie Ste ihn votſtellten, ols un.“
be.
VEREIN ET EN IT green
BERN er
De er
8
5
7
A 115
begrenzt gedacht wuͤrde? Hier waͤre keine Ausmeſſung mehr
denkbar. Denkbar iſt fie, und findet auch wirklich ſtatt, wenn
nicht von jedem Raum, ſondern vom Körper die Rede iſt, und
dann iſt jener Satz urfprünglich ein Erfahrungsſatz, welchen
der Geometer zuerſt aus einer empiriſchen Anſchauung ſelne
Zuhörer bilden läßt, und fie auſmuntert, durch ihre Vers
nunft ihn zu einem allgemeinen zu erheben. Dleß ift der
Bang, worauf fie zur Allgemeinheit dieſes Satzes gefüh«
ret wird.
Sie werfen die Frage auf: wie kann eine aͤuſſere An—
ſchauung dem Gemuͤthe beywohnen, die vor den Obiecten
ſelbſt vorher geht, und in welcher der Begriff der letztern
a priori beſtimmt werden kann? Ich mochte Ihnen hier«
auf folgendes antworten. Die auffere Anſchauung, das
belſt doch wohl, die Anſchaung von aͤuſſern geräumigten
Gegenſtaͤnden geht nicht vor den Oblecten vorher, ſondern
wird durch dieſe vermoͤge des Geſichtes in unſter Seele
erregt. Aus dleſer ziehet unfer Vetſtand den Begriff vom
Raum, nlcht a priori, ſondern a poſteriori. Haben mir
dleſen erſt im allgemeinen gebildet: fo koͤnnen mir theils
fragen, wie hat die Natur dleſen in ihren verſchledenen ges
räumlgten Producten näher beſtimmt, die Beſtimmung em-
piriſch aufſuchen und nun unfrer Vernunft die Materiali—
en darteſchen, wodurch ſie ſaͤhlg wird, im allgemelnen Gate
tungen, Arten und Unterarten in einer legiſchen Tabelle zu
ertwickeln. So hat es immer der Geometer gemacht, und
es würde kelnem gluͤcken, wenn er auf einem andern Wege
die möglichen Beſtimmungen des allgemelnen Begriffes vom
Raum aufzuſuchen ſich bemuͤhte.
Sie denken ſich die Sache ganz anders, als es bis.
ber der Geometer gefunden dat. Sie wollen uns uͤberre⸗
den, daß die aͤuſſce Anſchauung blos im Subieet als dle
formale Beſchaſſenheit 5 don Odlecten affichre zu
. 2 a Wer⸗
116 Dre? Eyre Dt nu
werden, und dadurch unmittelbar Vorſtellungen der ſelben
b. i. Anſchauungen zu bekommen, ihren Sitz hat, alſo
nur als Form des aͤuſſern Sinnes überhaupt. Was wol.
len Ste eigentlich hlemit ſagen? Mancher möchte ſich hiet
aber elne Staubwolke beklagen, welche Sle durch Ihre new
en Terminologlen vor fern Geſicht auſgetrleben haben. Er
fauben Sie, daß ich ihre Saͤtze fo fury ausdrüde als mög.
lch iſt. Die äulfre Anſchauung (ohne Zweiſel vom Raum)
bat blos Im Subiect als formale Beſchaffenhelt, oder elt
Form des aͤuſſern Sinnes, von Oblecten arficirt zu wer den,
und dadurch Anſchouung von ihnen zu bekommen, ihren
Sitz. "Io behaupten Cie, daß äuſſte Anſchauung elne
formale Beſchoſſenhett unſers Vorſtellungsvermoͤgens iſt,
Anſchauungen von geräumigen Obiecten zu erlangen. Als
lein kann 1) äuffere Apſchauung blos eine Beſchoffenheit
oder Ferm des aͤuſſern Sinnes ſeyn. Iſt fie nides welter
als das letzte: fo Ajt fie innre Beſtimmung des Sinnes, abet
keine Anſchauung, weil jene blos Vermögen, dieſe aber
ſchon Wirkung des Vermoͤgens if. Iſt aͤuſſte Anſchau⸗
ung blos fubieetine formale Beſchaſſenheit des Subiects von
Obiecten afficitt zu werden, und dadurch, gleich viel, un.
mittelbar oder mittelbar Anſchauungen zu bekommen: fo iſt
ja nicht ſelbſt Anſchauung, ſondern bloſſes Vermoͤgen der
Seele, Anſchauungen von ſolchen Obiecten zu erhalten. Mel⸗
ne formale Beſchaffenheit von Odiecten aſficirt zu werden,
kann de-b nichts anders als meine Faͤhlgkelt ſeyn, mir die
Dinge, die auf meine Sinne wirken, vorzuſtellen, oder fie
ſinalich anzuſchauen. Nennen Sie diefe bloſſe Faͤhigkelt dle
Form meines aͤuſſern Sinnes: fo iſt dleſe freyllch vor aller
Erfahrung, vor aller eigentlichen Anſchauung und alſo In ſo
weit a priori in meiner Seele: fo würde für mich keine
ſolche Anschauung moglich ſtyn, wenn ich nicht dleſe Form
meines äuffern Sinnes hätte. Alleln fie Ift nicht die An.
ſchauung ſelbſt, fie bringt auch nicht ohne alle vorhergehe ade
Einwirkung äufferer Gegenſtaͤnde Anſchauungen von lynen
ber.
fie du
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Dieß
dieſe
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2
hervor. Soll ich elne Anſchauung von einem Colibrit ers
halten: fo muß ich entweder ihn in der Natur oder in einer
Abbildung geſehen haben. Herr Prof. Reinhold, welcher
erit durch groſſen Aufwand von Mühe und Zelt, feinem
eignen Geftändniffe nach, den Gelſt Ihres neuen Spſtems
genau entdeckt zu haben glaubet, ſuchet dieſe Sache auf
elne etwas verſchiedene Art anzugreiſen. Es lehret uns,
daß die a priori beſtimmte Form des aͤuſſern Sinnes in
der an der Receptivitaͤt beſtimmten Moͤglichkeit des Auf
ſerelnanderſeyns des Mannigfaltigen in der Vorſtellung
beſtehe 3). Wie dunkel wird auch nicht dieſe Reinholdi⸗
ſche Erklarung wenigſtens durch dle gezwungene unnafür«
liche Verbindung der Worte! Doch über fo etwas muß
man ſich in dieſer neuen philoſophiſchen Schule wegſetzen.
Was heißt denn nun bey dieſem Philoſophen eine Moͤg⸗
lichkeit des Auſſereinanderſeyns des Mannigfaltigen in
der Vorſtellung? Was in der an der Receptivltat beſtlmm⸗
ten Moglichkeit? Doch wohlinichts anders als die Receptl⸗
vitaͤt unſerer Vorſtellungsfaͤhigkeit hat die Beſchaffenhelt
oder Form, daß dadurch Anſchauungen möglich find, in
welchen das Mannigſaltige auſſer und neben einander vors
geſtellet wird. So viel ich weis, hat noch fein Phlloſoph
it an dleſer Wahrheit gezwelſelt. Allein dieſe Form iſt a
priori beſtimmt. Auch dieß kann nichts anders heiſſen,
als daß fie nicht erſt durch aͤuſſere Eindruͤcke In uns ber⸗
vorgebracht wird, ſondern daß fie vor aller Einwirkung in
uns liege. Wer wird auch dieß ſeugnen? Allein wie If
ſie da? Doch nicht als Anſchauung, fondern blos als we⸗
ſentliche Beſchaffenheit oder Form des duffern Sinnes?
Dieß ſchelnt Hr. Reinhold zuzugeben. Wenn er aber
dieſe Form als dle allgemeine elnzige Form des aͤuſſern Sin⸗
nes anfeht: fo hat dle angeſtrengte Richtung feines Geiſtes
nach
1) S. feinen Verſuch einer neuen Theorie bes meuſchlichen
ne 378.
3
118 Rn ra
nach einem Ziele, welches er nach Ihnen erreichen wollte,
ihn zu ſchnell fortgetrieben, und ihm keine Zelt gelaſſen,
um ſich an die Organe des Geſchmackes, des Geruchs, des
Gehoͤrs und an Ihre Eindrͤͤcke auf unſern aͤuſſern Sinn zu
erinnern. Sonſt wuͤrde er dle Form deſſelben etwas am
ders beſtimmt haben muͤſſen.
Nicht dleſe Form ſelbſt nennet er, ſo wie Sie, eine
tigen
ih
ZE
nennen, wie er will. Wenn es blos auf einen Namen an-
Anſchauung a priori, ſondern die unmittelbare Vorſtellung
der Form der äuffern Anſchauung, des Raums ſoll elne
Anſchauung a priori ſeyn. Er mag nun freyllch ein Ding
kommt: fo kann uns dleß gleichgültig ſeyn. Allein auch die
unmittelbare Vorſtellung von dleſer Form kann doch nicht
anders als a poſteriori in uns entſtehen. Diefe Form, welche!
a priori in uns iſt, wird uns zuerſt durch ihre Wirkſamkelt be.
kannt, und diefe find in elner nicht unbetraͤchtllchen Zeit von un-
ſerm leben in jedem Menſchen ſchon da, ehe er ſaͤhig wird, ſich!
elne Vorſtellung von dieſer Form zu machen. Dazu gehoͤret
ſchon erhöhte Stärke der Vernunft, genaue Aufmerkſam—
kelt auf die Wirkungen unſers aͤuſſern Sinnes, und auch
ſelbſt bey aller angewandten Auſmerkfamkelt kann unfre Vot—
ſtellung von ihr dennoch nicht ganz wahr ſeyn. Alles dieſes bes
weiten die Beinholdiſchen Bemühungen, uns zuerſt eine
richtige Vorſtellung von dieſer Form zu verſchaſſen, und
fo beftättiget er es ſelbſt durch feine Befhäftlgfeit auf diefem Ü
Felde der Wiſſenſchaft, daß wir von dieſer Form unfersäu |
ſeren Sinnes erſt durch genaue Beobachtungen, und folglich
nicht a priori fondern a poſteriori eine Vorſtellung erha' #
ten. Dleſe Widerlegung iſt doch wohl die einleuchtendſte?!
Sollten Ele alſo wohl berechtiget ſeyn, aus Ihren Entwick.
lungen den Schluß zu machen, daß alſo Ihte Erklärung |
die Moͤglichkeit der Geomettle als einer ſynthetlſchen Erkennt.
ulß a priori begreiflich mache?? Worum zelgen Sie nicht!
wenigſtens in einem Beyſpiel, wie fie dieß thun, wie aus
dem
dem
gebe
und
moͤg
keit
mit
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mir
Eu
we ld
Leger
gar
fie In
mun,
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dingt
iſt w
uns
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Mir
mir e
Rau
zelne
mein
ſubie.
blos
119
tem Begriff des Raumes, wovon Sie uns eine Erflärung
geben, als aus einem Princip Erkenntniſſe a priori herflleſſen,
und ſie unter Vorausſetzung dieſer gegebenen Erklarungsart
möglich find? Ich habe ſtets hierauf meine Auſmerkſam—
keit gerichtet, weil Sie ſelbſt zu Anfang dieſes Abſchnittes
mit eine ſolche Entwicklung hoffen lieſſen. Ich habe aber
Immer umſonſt nach dieſer mich umgeſehen, und ich muͤßte
mir von Ihrer philoſophiſchen Denkunsgart einen ſehr dürfs
igen oder gar vielleicht beleidigenden Begriff machen, wenn
ich Bedenken truͤge, Ihnen dieß offenherzig und frepmürhig
ju geſtehen. Leben Sie wohl.
11. Brief.
Mein Herr,
Edauben Sle mir, daß ich auch itzt die Schluͤſſe prüfe,
welche Sie aus Ihrem gegebenen Begtiff vom Raum ge—
zogen haben Der erſte iſt dieſer: a) Der Raum ſtellt
gar keine Eigenschaft irgend einiger Dinge an ſich, oder
fie In iprem Verhältniß auf einander vor d. i. keine Beſtim⸗
mung derſelben, die an Gegenſtaͤnden ſelbſt haſtete, und
welche bliebe, wenn man auch von allen ſubiectiven Be.
dingungen der Anſchauung abſtrahirte. Dieſe Folgerung
iſt wahr und ſalſch. Es wird darauf ankommen, wie wir
uns den Raum denken. Wird er blos als eln abſttacter
Begriff als eine Anſchauung gedacht: fo iſt er freylich
nichts weiter als eine Vorſtellung des denkenden Subiects.
Wird er ober als der Gegenſtand angeſehen, wovon ich
mir einen allgemeinen Begriff gem icht habe: fo {it er als
Raum, nicht als Begriff vom Raum in jedem eins
zelnen Dinge, welches zuſammengeſetzt iſt, auch auſſer
meiner Votſtellung anzutreffen. Dann iſt er nicht mehr
ſubiective Bedingung meiner Anſchauung, nicht mehr
blos aͤuſſere Anſchauung, ſondern oblectiv in den aͤuſſern
94 Din⸗
120
Dingen ſelbſt, eine Beſtlmmung, dle an Gegenfläuden
ſelbſt haftet, und er wuͤrde oblectiv blelben, wie er iſt,
wenn auch keiner ihn anſchaute, wenn ich gleich keine
Receptlvaͤt der Vorſtellungsſaͤhigkeit hätte, von ſolchen
Gegenſtaͤnden afflelrt zu werden, und eine Anſchauung von
ihnen zu bekommen. Wenn ich alſo auch von allen
ſublectiven Bedingungen abſtrahirte: fo wurde er eine Eigen.
ſchaft ber Dinge an ſich bleiben, worlun Theile auffer und
neben einander zugleich ſind.
Sle wollen Ihre Behauptung daher beweiſen, doß
weder abſolute noch relative Beſtimmungen vor dem Da.
ſeyn der Dinge, welchen fie zukommen, mithin nicht a
priori angeſchauet werden koͤnnen. Allein wer hat denn
behauptet, daß Raun als abfolute und relative Beſtimmung
eines Obiectes vor dem Daſeyn deſſelben vorhergehe? Sie
entſtehet mit Ibm, und verlleret zugleich mit ihm ihr Da⸗
ſeyn. Reden Sie etwa blos von Vorſtellungen, welche ich
mir ven Dingen mache: fo konnen dieſe nicht blos ven
wirklichen, ſondern auch von blos noch möglichen Dingen
Vorſtellungen ſeyn, und ſind ſie dieſes wirklich: ſe denke
ich mir zugleich nicht vorher noch ſpaͤter ihre abſolute und
relative Beſtimmung, und fo bold in meiner Vorſtellung
dleſe erlöfcher find: fo habe ich auch keine Vorſtellung von
den Dingen mehr. Ich kann mir auch geräumige Dinge
als moglich vorſtellen, welche alſo noch keinen beſtimmten
Raum haben, und mir folglich in ſo welt eine Anſchauung
a priori von ihnen verſchaffen. In tauſend Fäden verfähre
fo der Kuͤnſtler. Er denket ſich eine Abſicht, welche er
durch fein Kunſtwerk ertelchen will, uͤberlegt die Mittel,
welche zu biefer führen, beſtimmt die relative Geoͤſſe, wel.
che die Theile feiner Maſchine haden muͤſſen, die Raͤume,
welche in jedein derſelben ſeyn ſollen, und bearbeitet nun die
Materitallen nach der Idee, welche er ſich von feiner Arbeit
gewacht dat Hier iſt die abſolute und relative Beſtim—
mung
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Ver.
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121
mung vor dem Daſeyn des Dinges, welchem ſie zukommen,
mithin a prior: in feiner Anſchauung. ud) der Verſtand
Gottes hat ſich die Dinge, in welchen Raum iſt, und die
ohne ihn nicht wirklich ſeyn koͤnnen, gedacht, oder in hoͤherm
Verſtande (ſenſu eminentiori) ongeſchauet, als fie noch
nicht waren. Iſt dieß unmoglich?
b) Der Raum ſoll nach Ihrer Behauptung nichts
anders als nur die Form aller Etſcheinungen aͤuſſerer Ein«
nen, d. i. ſubiective Bedingung der Sinnlichkeit ſeyn, une
ter welcher allein uns aͤuſſere Anſchauungen möglid) find,
Aller was nennen Sie hier Form aller Erſcheinungen der
duſſeren Sinnen? Iſt hier von der Form der Erſchelnungen,
oder von der Form der äufferen Sinnen die Rede? Denken
Sie ſich die Erſcheinungen, und die Form derfelben: fo find
tie Erſcheinungen entweder die aufferen Dinge ſelbſt, oder
die Vorſtellungen, welche wir von ihnen haben. Sind ſie
das erſte: fo haben fie, wenn fie zuſammengeſetzt find, eine
Form, welche dem Raum eine oblectioe Gültigkeit erthei⸗
let. Sollen Erſchelnungen aber dle Vorſtellungen von die.
ſen Gegenſtaͤnden ſcyn: fo muß Raum in den Vorſtellun⸗
gen ausgedruckt liegen, wenn ſte anders Anſchauungen von
dleſen Gegenſtaͤnden feyn ſollen. Denken Sie ſich aber
gRoum als die Form der dufferen Sinne; fo würde es ſo vlel
beiſſen, unſte äujferen Sinne haben keine andre Receptlivl⸗
(et als zu Vorſtellungen vom Raum. Hier wäre nun ein Soß,
wvelchem die Erfchrung widerſpricht. Wir haben auch eine Re⸗
ceplivitàt unſter äuffiren Sinne für Empfindung durch die Ira
gane des Geruchs, des Geſchmacks, des Gehoͤrs, und aus
bellen dieſen Vorſtellungen, welche daher entſtehen, wird die
Arſcenuna vom Raum ausgeſchloſſen. Die Form unfrer
% äuferen Sennen iſt alſo nicht blos eine Beſchaffenheit uns
ter Receptivitqc, nach weicher wir feine andre aͤuſſere An ⸗
ſche uung als vom Raum erhalten koͤnnen; und geſetzt fie
ware die einzige Form unſter Sinnlichkeit; fo würde fie doch
1285
nicht der Raum ſelbſt, ſondern elne weſentliche Beſchaffen.
heit unſrer ſinnlichen Vorſtellungsſahlgkelt ſeyn, welche
vom Raum himmelweit unterſchleden wäre. Raum als
Oblect, nicht als vorgeſtellter Begriff vom ihm hat Theile,
die auſſer und neben elnander zugleich find. Finden denn
dleſe ſich auch In elner weſentlichen Beſchaffenhelt unfrer Sinn.
lichkeit? Dleß werden Sie doch nicht behaupten wollen?
Well wir durch Huͤlſe des Geſichtes entweder einzelne
Puncte oder zuſammengeſetzte Gegenſtaͤnde uns vorſtellen,
jene neben einander, in dleſen Mannigfaltigkeit der Theile
auſſer und neben einander erblicken; fo erhalten wir dadurch
empirifhe Anſchauurgen von ihnen, und mir find unf&
hig, fie uns fo zu denken, daß fie keinen Raum in der Ver.
bindung einnehmen, Dleß iſt die Form von dleſer Art der
Sinnlichkelt, wovon der hinreichende Grund in der Bildung
unfrer Augen, In den Gegenſtaͤnden ſelbſt, und in unfrer
Fähigkeit liegt, uns durch Huͤlſe des Geſichtsorganes von
äuffern geräumigten Gegenſtänden Vorſtellungen zu machen.
Nehmen wir dleſe ſublective Bedingung weg: fo würden
wir von dieſen Gegenſtaͤnden und alſo auch vom Raum feb
ne äuffere Anſchauung haben koͤnnen. Kine andre Frage
iſt es: ob nicht Geiſter von einer andern hoͤhern Claſſe auf
einem andern uns unbekannten Wege zur Anſchauung vom
Raum gelangen koͤnnen. Der unendliche Geiſt, welcher
alles und alſo auch geraͤumigte Dinge mit einem göttlichen
Blicke uͤberſchaut, bedarf zu dieſer Vorſtellung keiner Aus
gen. Bey uns find blos durch dieſe Faͤhlgkeit, oder wie
Sie ſagen, durch dleſe Form der Sinnlichkelt äuffere An.
ſchauungen von dleſer Art moglich. Allein die Gegenſtaͤn—
de dleſer Anſchauungen bleiben demohngeachtet, was ſie
ſind, entweder Puncte, in welchen wir keinen Raum um
terſchelden, oder zuſammengeſetzte Dinge, in welchen wir
dleſen erblicken.
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Sie haben hlerinn Recht, dle Receptivitaͤt des Sub⸗
lects, von Gegenſtaͤnden afficirt zu werden, gehet in uns
nothwendiger Weiſe vor allen Anſchauungen dieſer Oblecte
rorber. Sie iſt aber nicht Anſchauung ſelbſt, ſondern blog
in uns elne Moglichkeit, diefe Anſchauungen von Gegen»
ſtaͤnden zu erhalten, welche lange vor unſter Anſchauung
lor Daſeyn als Obiecte haben koͤnnen. Es würde fehr uͤber⸗
fluͤſſig ſeyn, dieß durch Beyſpiele zu erlaͤutern.
Hätten Sie uns doch gezeiget, auf welche Art es fh
ous Ihren Proͤmiſſen, in wle weit fie wahr find, verſtehen
hoffe, wie dle Form aller Erſchelnungen vor allen wirkll.
chen Wahrnehmungen, mithin a priori im Gemüthe gege—
ben ſeyn koͤnne! Dieſe Form kann doch nicht die Form
der Gegenſtaͤnde ſelbſt ſeyn, welche erſcheinen, ſondern iſt
ohne Zweifel die Form der Erſcheinungen, in wle welt dies
ſe Vorſtellungen find. Denken Sie ſich nun die Vorſtellun.
gen ſelbſt: ſo ſiad dieſe nicht vor den Wahrnehmungen im
Gemüthe gegeben, und ſolglich die Form, die jeder Vorſtel.
lung eigen iſt, kann es eben ſo wenig ſeyn. Soll abet doch
die Form vor aller Wahrnehmung im Gemuͤthe ſeyn: fo
kann unter dieſer nichts anders als die Beſchaffenheit unſter
Receptivitaͤt gedacht werden, wodurch es moͤglich wird, daß
wir uns Vorſtellungen von ausgedehnten Gegenſtaͤnden
machen koͤnnen. Dleſe iſt nun freylich vor aller Wahrneh⸗
mung in unſerm Gemuͤthe, und in ſo welt koͤnnen wir ſie
eine Form a priori nennen. Hlegegen wird kein Philo⸗
ſoph was elnzuwenden haben. Vermoͤge dleſer Form koͤn.
nen wir noch vleles wahrnehmen, wovon wir noch nie elne
Vorſtellung gehabt haben. Folget aber daraus, daß dle⸗
fe Form der Receptlvitaͤt ſelbſt eine reine Anſchauung ſeyn
muß, und daß dleſe, in welcher alle Gegenſtaͤnde beſtimmt
werden, Prineipien der Verhaͤltniſſe derſelben vor aller Er⸗
ſahrung enthalten koͤnne? Die Form der Receptivltaͤt iſt
ihre weſentliche Beſchaffenhelt, aber nicht Anſchauung, ſon⸗
dern
dern Vermögen zu derſelben. Was heißt es: In der reinen
Anſchauung werden alle Gegenſtaͤnde beſtimmt? Wie denn?
als Gegenſtaͤnde, für ſich betrachtet, oder als Vorſtellun.
gen, die lch von ihnen habe? In erſten Fall läßt ſich dieß
durchaus nicht behaupten. Die Obiecte haben ihre Beſtim,
mung nicht durch unſte Anſchauung, ſondern durch Gruͤnde,
die auſſer dem Geblete unſrer Vorſtellungen liegen. Sollen
hler aber dle Vorſtellungen gedacht werden, welche wir von
den Gegenſtaͤnden haben: fo find dieſe ſelbſt die Anſchau⸗
ungen, und unſer Verſtand findet in allen, wenn ſie von
geraͤumlgten Gegenſtaͤnden erregt find, das Mannigfaltige
der Theile, die auſſer und neben einander zugleich ſich darı
ſtellen, folglich die allgemelne Form des Raumes wieder,
well dle Meceptivität unſter Sinnlichkelt von der Beſchaf.
ſenheit iſt, daß ſie uns dieſe darſtellen kann. Der Raum,
er ſey Begriff oder Anſchauung, beſtimmet aber nicht die
Segenſtaͤnde auſſer uns, ſondern durch dieſe wird der allge,
melne Begriff von ihm mehr beſtimmt, und erhält die For⸗
men, welche den Gegenſtänden entſprechen. Wie kann
alſo Raum als Form der Erfcheinung, oder als Anſchau⸗
ung die Principien ven den Verhaͤltniſſen der Gegenſtaͤnde
vor aller Erfahrung in ſich enthalten? Was find dleſe Prin,
eiplen der Verhaͤltniſſe? Dleſe Fragen hätten Ele uns
doch beantworten ſollen. Ich kann es mir nicht erklaͤren,
warum Sle daran gar nicht gedacht zu haben ſcheinen, da
doch hlerauf alles ankoͤmmt. Sollen fie etwa die allgemel⸗
nen Begriffe vom Raum und feinen verſchledenen Beftims
mungen In Anlen, Figuren und Körpern bedeuten? Alle
dleſe find aber elgentlich nicht Geſchoͤpfe der Sinnllchkelt,
ſondern des Verſtaubes, und woſerne fie nicht als Phanto⸗
men der Elnblldungskraft, als leere Hlengeſpinnſte in ihr
Nichts wleder verſck winden ſollen! fo muß unſer Verſtand
fie aus der Gegenelnanderhaltung der Oblecte, wovon mir
duſſere emplriſche Anſchauungen hatten, mlt der erfoderlis
chen Behutſamkelt herleiten, 951
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Wir fönnen frenlid nur sus dem Stondpunkt eines
Menſchen vom Raum, von ausgedehnten Weſen reden,
well uns nur dleſer in der Reyhe der Geiſter angewleſen iſt,
und auſſer unſerer Receptivitaͤt für unſte Vernunft Peine
Ceblete von Gegenſtaͤnden ſeyn konnen. Sie behaupten,
daß, wenn wir von der ſublectiven Bedingung obgehn, uns
ter welcher wir allein äuffere Anſchauungen bekommen füne
ren, die Vorſtellung vom Raum nichts bedeute. Worinn
teſteht aber Diefe ſubiective Bedingung anders, als in der
Receptlvitaͤt, von aͤuſſern Einwirkungen der Gegenſtaͤnde
affleirt zu werden? Haͤtten wir dieſe nicht: fo bedeutet die
Vorſtellung von Raum — nichts? Nein fo haͤtten wie .
gar keine Vorſtellung von ihm, aber deswegen blieb er
doch in den Gegenfländen, was er iſt, wenn wir ihn gleich
gar nicht dachten. Sie meynen, daß dleß Praͤdicat Raum
den Dingen nur in fo weit bengeleget wird, als fie uns
erſcheinen, d. i. Gegenſtaͤnde der Sinnlichkeit find. Frey—
ich wuͤrden wir ihnen dieß Prädicat nicht beylegen koͤnnen,
wenn fie keine Gegenſtaͤnde unfrer Sinnlichkeit wären. Denn
In dieſem Fall hätten wir gar keine Vorſtellungen von ih.
en, konnten ihnen alſo auch keine Praͤdlcate beylegen.
Allein itzt, da fie Gegenſtaͤnde unſter Votſtellungen wer
den koͤnnen, und es find, wenn fie unfer finnliches Vor—
ſellungsvermoͤgen aſſielten: fo legen wir ihnen dieß Praͤdl⸗
cat nicht blos deswegen bey, weil fie ſich unfrer empirifchen
Anſchauung fo darſtellen, ſondern weil Raum von Ihnen
eine Beſtimmung iſt, und fie grade dadurch Gegenſtaͤnde
unferer Vorſtellungs fahigkeit werden koͤnnen, weil die Form
ihrer Receptivitaͤt von der Art iſt, daß Obiecte durch das
Organ des Sehens ibr Steff zu Anſchauungen don ihnen
darreſchen koͤnnen. Ich begreife es immer nicht, wie eln
Mann von ſolchem Scharfſinn, wie Sie find, es fo oft
behaupten kann, daß die beſtaͤndige Form der Receptivitaͤt,
welche wir Sinnlichkeit nennen, Raum, und daß dleſer eine
dothwendige Bedingung aller Ver haͤltniſſe fep, darinn Gegen⸗
ftände
— —
126
ftänte als auſſer uns angeſchauet werden. Haben Sie denn
nie auf dle Form unſter Sinnlichkeit geachtet, vermoͤge wel.
cher wir Empfindungen und alſo auch Vorſtellungen durch!
Hülfe der Organs des Geruchs, des Geſchmeckes, und des
Gehoͤrs erhalten? Wird aber nicht in der unmittelbaren!
Vorſtellung dleſer Empfindung Raum ausgeſchloſſen? Un
fre Sinnlichkeſt hat alſo auch Receptlvltät für Vorſtellun.
gen, von welchen dle Idee des Raums ganz abgefonder
iſt, und ſolgllch iſt nicht Raum dle einzige Bedinqurg un.“
ſter äuffern Sinnlichkeit. Ich will hier nicht anmerken,“
daß es ſehr zweydeutlg iſt, wenn Sie ſagen, daß die be.
ſtändlge Form der Receptloitaͤt, welche wir Sinnlichkelt!
nennen, elne nothwendlge Bedingung aller Verhältaiſſe fen, |
worinn Gegenſtaͤnde als auſſer uns angeſchauet werden. We
koͤnnten fragen 1) nennen Sie dle Form der Receptidität,
odre dleſe lezte — Sinnlichkeit? doch wohl das letzte 2)
Iſt Diele Form eine nothwendige Bedingung aller Vethaͤt⸗
niſſe, worinn dle Gegenſtaͤnde ſelbſt gegen einander ſtehen, ode
det Verhaͤltnaͤſſe, worinn fie ſelbſt nicht ſtehen, worinn wi;
fie uns aber als auſſer uns vorſtellen? Das erſte kan!
nun wohl nicht ſeyn. Denn wle kann elne beſtändige Forn
unſter Receptlvitaͤt davon Urſache ſeyn, daß die Gegenſtän
de auſſer uns dieſe und keine andre Verhältniſſe gegen ein,
onder haben? Soll fie elne nothweadige Bedlugung de
Verhaͤltnlſſe ſeyn, worinn wir die Gegenſtaͤnde als auſſet
uns vorſtellen: ſo kann dleß doch nichts anders bedeuten,
als daß durch dieſe Form der Meceprieität es uns nur wor!
lich wird, die Dinge auſſer uns in Verhaͤltniſſen anzuſcheu ;
en. Dieſe Verhaͤltniſſe würden nun wirklich bey den Din
gen ſtatt haben, oder nicht. Im erſten Fall wären ſie es,
welche unjrer Receptloitaͤt den Stoff zur Anſchauung von ihnen?
dorgerelcht hätten, im andern wäre es eine nothwendlge Form
unſter Sinnlichkeit, daß dleſe durch ihre Wirkſamkelt ode:
Aaſchauung uns taͤuſchte. Wir wären alſo durch elne Nu!
tur nothwendigkelt zu Itrtbuͤmern verdammt. Weelleich.
wen
wen
ließ
find.
met.
werd
fürd
Geg
Huͤl
eine
Rau
denk
ſind
ſo b
und
Abſt
Eu
Rar
wie
Geg
don
men
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rer
ohne
den
dieß
Def
als
ſie
mod
fter
|
i
|
}
ſter Receptivitaͤt, von aͤuſſern Dingen durch das Giſicht,
127
wenn Manes durch ſeinen boͤſen Gott elne Welt erbauen
ließ, würden in ihr ſolche bedaurenswürdige einen Platz
finden. In der unfrigen, wo Wahrheit, Ordnung, Sym—
metrie in allen Werken mit fo ſchoͤnem Glanze ſich zeiget,
werden wir dieſen ſchrecklichen Naturzwang nicht zu bee
fürhten haben.
Sie denken ſich den Fall, daß dle Vernunft von allen
Gegenſtaͤnden, wovon wir eine ſinnliche Vorſtellung durch
Hilfe des Geſichtes erlangen, abſtrahirt, und dann fol
eine reine Anſchauung übrig blelben, welche den Namen
Raum führer. Freylich wenn wir das Allgemeine uns
denken, worinn alle Dinge, die auſſer und neben einander
find, in Anſehung dleſer Beſtimmung uͤberelnkommen:
ſo bilden wir uns elnen allgemeinen Begriff vom Raum,
und nennen ihn auch wohl ſelbſt Raum in der hoͤchſten
Abſtractlon. Dleſer iſt in ſo weit blos in dem denkenden
Sublect, nicht in den Obiecten. Denn in dieſen iſt der
Raum nicht eine abſtracte Vorſttllung des Verſtandes, oder
wie Sie ſagen, nicht elne reine Anſchauung, ſondern der
Gegenſtand ſelbſt von dieſer abſtracten Vorſtellung, oder
von der reinen Anſchauung, welcher auch zwar den Na—
men Raum führen kann, aber doch nicht elgentlich Raum iſt.
Dir Finnen nicht die beſondern Bedingungen unſrer
Sinnlichkelt, zur Bedingung der Sachen, ſondern nur ih—
rer Et ſcheinungen machen. Das erſte koͤnnen wir freyllch
ohne Irrthum nicht, weil jene unſter Sinnlichkelt, dieſe
den Gegenſtaͤnden eigenthuͤmlich zukoͤmm'. Allein wir thun
dieß auch nicht, wenn wir den obieciiven Raum als elne
Beſtimmung der ausgedehnten Gegenſtände, und folglich
als eine Form oder Bedingung anſehen, unter welcher
fie nur möglich find. Die Bedingung der Sinnlichkeit,
wopon Sie hier reden, iſt nichts anders als die Form un⸗
und
ieee eee
123
und olſo durch eln koͤrperliches Organon, vermoͤge der eln.
wirkenden Gegenſtaͤnde affielre zu werden. Dleſe Recepti.
vltat waͤte für uns ohne ollen Nutzen, bllebe ſtets unwirk⸗
ſames Votſtellungsvermoͤgen, wle bey elnem Biirdgebehr.
nen, wenn unſer Geſichtsorgon nicht fo gebaurt wäre, daß
äuff-e Gegenſtaͤnde durch dleſes unſter Sinrlichkelt den
Stoff zu Vorſtellungen von ihnen darrelchen könnten. Af.
ficire zu werden, ſetzet nicht blos Neceptivität, ſondern auch
äuffere Gegenſtaͤnde voraus, die afficiren, die alſo ſind,
verſchleden, fo wie die Mficlrung ihnen entſpricht, ſolg.
lich neben und auſſer einander find, und alfe einen Raum
elnſchlleſſen, welcher uns nicht erſchelnen mürde, wenn et
nicht da wäre, nicht erfcheinen, nicht von uns bemerft
werden koͤnnte, wenn wie dle Receptlvltaͤt nicht haͤtten.
Wirklichkeit kann ohne Maͤglichkeit nicht gedacht werder.
Er wird alſo hier dieſe Moͤglichkelt, daß Dinge neben und
ouffer elnander find, zuglelch geſetzt, und dieß gehoͤret mit
zu det Moͤglichkelt, daß uns die Dinge fo erſcheinen koͤn⸗
nen. Wir behaupten nicht, daß der Raum alle äuſſer⸗
liche Dinge umſaſſe. Denn ſonſt wurden wir uns durch
dle Zauberkroft unſter Phantaſie den Raum als eln leeres
Behaͤltniß, woteln alles zuſammengebracht wäre, ſchoffer.
Allein dteß ſagen wir, daß alle Dinge, welche Theile ne
ben und auſſer einander zugleich haben, einen Raum ein
ſchlleſſen. Wo aber ſolche Thelle nicht neben und auffer
einander zugleich find, da findet ſich auch keln reeller Raum,
und fo denken vole uns Gott, ohne daß er einen Raum
einſchlleſſet.
Wir konnen ven den Anſchauungen andrer denkenden
Weſen nicht urthellen. Denn wir wiſſen es nicht, ob ſie
an dleſelben Bedingungen gebunden find, welche unſte An
ſchauung einſchraͤnken, und für uns allgemein gültig find.
Allein Raum werden ſte ſich elle vlellelcht auf unendlich ver»
ſchledene Arten vorſtellen. Denn fie denken ſich entwe.
det
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Wahr
auch I
ſtellun
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129
ter die Dinge fo, wie fie in der Welt find, oder nichr.
Dieß letzte kann nicht mit irgend einem Grunde ven
Wahrſcheinlichkeit angenommen werden, und wenn man
ouch ihn ſetzen wollte: fo würden fie entweder einige Vor—
ſtellung von der Welt haben, oder nicht. Hätten fie gar
keine davon: fo. würden fie auch unmöglich unter denken—
den Weſen einen Platz einnehmen. Härten fie aber ei—
rige Begriffe von der Welt: fo wuͤrden fie fi) es nicht
enders vorſtellen koͤnnen, als daß auſſer ihnen noch andre
Dinge neben elnander zugleich waͤren. Folglich wuͤrden
fie, wenn fie anders Verſtand genug dazu haͤtten, ſich
uberhaupt Dinge auſſer und neben einander vorſtellen.
Wie viel mehr wuͤrden dieſe es tbun, welche ſich die
Dinge ſo denken, wie ſie in der Welt ſind? Folglich
dachten fie ſich Rum. Nennen mögen fie ihn, wie fie
wollen. Er bleibt ſeiner Natur nach, was er obiective
it, nicht Form unſrer Sinnlichkeit, ſondern Beſtimmung
der Dinge ſelbſt, welche auſſer uns ihr Daſeyn haben.
Sie führen uns itzt auf einen Gegenſtand, welcher
in das Gebiet der Vernunftlehre gehoͤret. Auch bier re—
den Sie ganz anders, als man ſonſt gewohnt iſt, ſich
auszudrucken. Sie fagen uns, daß ein Urthell unbedingt
gilt, wenn wir zum Begriff des Subiects die Einſchraͤn—
fung eines Urthelles hinzufuͤſen. Was heißt Einſchrän—
kung des Urtheils? Vielleicht haben Sie die Einſchraͤn—
kung dadurch bezeichnen wollen, welche zum Subiect hin—
jugefuͤgt werden muß, damit das Praͤdicat nothwendig
mit ihm verbunden werden kann. So konnen wir aber
jeden Particularſatz zu einem allgemeinen machen. Wir
duͤrſen nur den Grund hinzuſetzen, wodurch das, was
blos nach dem Begriff des Sublects bey ihm moͤglich
war, wirklich wird. Solche Sätze nennet man ſonſt in der
ſogik bedingte Säge, 3. B. 0 Menſchen werden, unter
der
130 e Ten
der Bedingung, daß fie tugendhaft find, gluͤckſelig. Un.
bedingte Saͤtze nennet man dieſe, worlnn das Praͤdicat
vom Subiect ohne alle vorhergehende nähere Beſtimmung
im Allgemeinen entweder bejahet, oder verneinet wird,
3. E. alle Ppremiten find dem dritten Theil von einem
Prisma gleich, welches mit ihnen elne gleich groſſe Grund.“
flache und Höhe hat. Der Grund dieſer Benennung!
llegt in der Natur dieſer Saͤtze zu klar vor uns, als daß
ich ihn erſt heraus heben duͤrfte.
Dieſen Sprachgebrauch verlaſſen Sie ganz in der
Erklaͤrung, welche Sie uns von einem unbedingten Sag
geben. Sie bepeup:en, daß dieſer Satz, alle Dinge find
neben einander im Raum, nur unter der Einſchränkurg
gilt, wenn dieſe Dinge als Gegenſtaͤnde unſrer ſinnlichen
Anſchauung genommen werden. Auch ſelbſt dleſer Setz
iſt nicht allgemein wahr, wenn nicht vorher noch zum
Subiect eine andre Einſchraͤnkung hinzugeſetzt wird. Ez
kann bier nicht von allen Dingen, ſondern nur von ſol—
chen die Rede ſeyn, worinn Theile auſſer und neben ein
ander zugleich find, und folglich dadurch Gegenſtaͤnde un.
ſrer aͤuſſerlichen Anſchauung werden koͤnnen. Gott, Gel.
ſter und alle andre einfache Subſtanzen koͤnnen ſolche Ge,
genſtaͤnde fuͤr uns nicht werden. Wenn denn nun auch,
die Einſchraͤnkung, welche daher erwaͤchſt, zum Subiecn
hinzugeſetzt wird: fo wuͤrde das Praͤdicat nicht blos un.
ter der Einſchraͤnkung ihnen zukommen, wenn ſie als
Gegenſtaͤnde unſter ſinnlichen Auſchauung genommen wir.
den. Die Dinge wuͤrden in einem Raum ſeyn, wenn
wir auch gleich keine ſinnliche Anſchauung von Ihnen he
11 koͤnnten, weil wir gar kelne Receptivitaͤt zu dieſe
atten. .
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Alle Dinge als aͤuſſere Erſcheinungen follen unter
Hinzufuͤgung dieſer Bedingung zum Subiect neben einan—
der im Raum ſeyn. Nur dieß ſoll ein allgemeiner Satz,
oder wie Sie hier ſagen, eine Regel ſeyn, weſche llae—
mein und ohne Einſchraͤnkung gilt. Allein tiger Setz,
wenn er auch fo ausgedruͤcket wird, iſt noch ſehr ſchwan—
kend. Nicht alle Dinge koͤnnen ſich unſern aͤuſſern Sin—
nen darſtellen, koͤnnen alſo auch für uns keine aͤuſſere Er.
ſcheinungen werden. Wahr iſt alfe dieſer Sutz: olle
Dinge, in wie weit fie äuffere Er'cheinungen durch Hulfe
des Geſichtes werden koͤnnen, find neben einander zus eich
in einem Raum. In wie weit find fie aber aͤuſſer Er—
ſcheinungen? Die Autwort würde dieſe ſeyn muͤſſen: Sie
find es entweder, in wie weit fie eine obiective R alltät
hoben, ſolglich Gegenſtaͤnde unſrer Vorſt llung werden
können, es werden, wenn fie Eindruͤck: auf das Organ
bee Geſichtes machen, und der Receptivitaͤt unſter Vor—
ſtellungofaͤhigkeit den Stoff zur Anſchauung von ſich dar—
reichen, oder in wie weit die Vorſtellung von ihnen, als
ihre Erſcheinung in dem denkenden Subisct gedacht wird.
Im erſten Fall erſcheinen ſie uns als Dinge auſſer und
neben einander, und alſo in einem Raum, weil ſie es
wirklich find. Wahr iſt folglich dieſer Satz: Alle Dinge,
die Gegenſtaͤnde unſers Geſichtes werden konnen, find
auſſer und neben einander zugleich, ſind in einem Raum,
oder ſchlieſſen ihn vielmehr als eine eigenthümliche Be—
ſtimmung in ſich. Werden die Dinge aber als Erichel-
nungen in uns gedacht: fo iſt nicht mehr von den Oin—
gen ſelbſt, ſendern von ihren Erſcheinungen in dem Sub»
iect oder von den Vorſtellungen die Rede, die wir uns
von ihnen machen, und von dieſen kann nicht geſagt wire
den, daß fie neben einander im Raum find, weil das
Subiect nicht als geräumige gedacht wird. Wenn ich auf
einem Schiffe um mich her ſehe, und es erblicke, daß ſich pie
J 2 Wellen
—
Welten des Meeres erheben, daß viele Krlegesſchiſſe dieſe
dulchſchn-iden: fo werde ich dieſe Dinge fe:bft, fo werde
ich in sen Raum gewahr, welcher richt erſt durch
meine ärffre A-fhauu a entft.nd ; ſondern ſchon da ſeyn
mußte, um mir den Stoff zur Anſchauung von ſich dar.
zureihen Richte ich aber meine Aufmerkſamkeit auf die
fir he Verſtellung, welche ich von ihm und feiner
Form in die ſen Gegenſtaͤnden habe: fo iſt dieſe in mei.
ner Se le, icht in einem Raum, weil wir uns dleſe dech
als ein einti dies Weſen denken, wenlgſtens denken koͤnnen,
welche dann allen Raum ausſchlieſſet.
ohlectie Guͤltigkeit des Raumes zugeſtehen, und zwar in
Alchung clles deſſen, was auſſerlich als Gegerſtand uns
vortammen kann. Wir glauben alſo aus dleſem Ihrem Ge.
ſta oniſſe berrchtlget zu fenn. die Folgerung zu ziehen, daß
alles, wodon wir (durch Hülfe des Geſichts) Vorſtellungen
ern ten auſſer unfrer Anſchauung im Raum fen; doß alſo!
der Raum ſelbſt auſſer ihr in den Dingen ohne Ruͤckſicht
ner Sinn ichkeit fire obiective Gültigkeit hobe, und ſo
ſchiget ſich olſo die Wihrheit gegen Ihre Angriffe, wie
gam den Sextus Empiricus zu rächen, welcher alle
Kate feiner V'rnunſt auf ot, um zu beweiſen, daß nichts
bi fen werden Fo ne. »Nein, werden Sie ſagen, eine
für ohiective Gͤltigkeit ſolget aus meiner Erörterung nicht.
Fb rede nur von ſo cher welche aus dieſer hergeleitet wit.
den kann“. Welche iſt denn dieſe? Sie muͤſſen hierauf
antworten. worrne Sie ſich ſelbſt nicht widerſprechen wol.
len, fe Gültigkeit iſt nichts anders, als eine Idealitaͤ t!
dis N-ums in Anſebung der Dinge ſelbſt, wenn fie durch
Ver unſt ohne Ruͤckſicht auf die Beſchaffenheit unfrer Sinn
lichkeit erwogen wird. Alſo muͤſſen Sie die obiective Bil #
tigkeit des Raums in Anſehung der Dinge ſelbſt wieder
auf.
Ihre.
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prüft
dafür
Raur
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durch
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und
blickt.
Nur wollen Sie uns endlich einmal die Realltaͤt oder . end
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hab⸗
liche!
aufheben, welche Sie uns vorher zuzugeben ſchienen. Hit
ten wir Ihre Erörterung des Raums nicht vorher g.
prüft, nicht für ungegruͤndet befun gen: fo moͤchten dieſe
Ihre, Folgerungen richtig ſeyn. Itzt koͤnnen wir ſie nicht
dafür erkeunen. Freylich werde ich die Idealität des
Raums in Anſehung der Dinge nicht durch us leugnen,
in wie weit nämlich nicht die Dinge, ſondern der Raum
durch die Vernunft ohne Ruͤckſicht auf unſte aufere Sinne
erwogen wird. Alsdann iſt Raum blos ein Begriff,
welchen der Verſtand aus den Geadenſtänden gezogen hat,
und welchen wir in unſern Vorſtell ngen von ihnen er—
blickten. Dieſer Begriff hat nun blos Idealität, keine
obiective Guͤſtigkelt auffr den Vorſtellungen des den—
kenden Subiects. Wollen Sie nichts weiter bh upten:
fo werden alle Philoſophgen Ihnen bepoflichten. Aliein
dieß iſt Ihre Meynung nicht. Der Raum ſoll feine
empiriſche Gultigkeit blos durch die Form unterer Vor—
ſtellungsfaͤhigkeit, nicht durch die Netur der Ding bar
ben, welche wir uns vorſtellen. Dieß erbeller draus,
weil Sie eine transſcendentale Idealttaͤt des Raumes are
nehmen, d. i. wle Sie ſich erklären, der Raum iſt Nich's,
fo bald wir die Bedin ung der Moͤglichkeit aller Erfah—
rungen weglaſſen, und ihn als etwas annehmen, was den
Dingen an ſich ſelbſt zum Grunde liegt. Wenn ich die
Hille aufdecke, worein Sie durch Ihre ungewoͤhaliche Ter⸗
minologie Ihre Gedanken eing-Fleicet huben: fo konnen
Sie uas nichts anders als dieſes lehren wollen: der Kaum
als Begriff oder reine A ſchauung hat blos Jecalität, und
dieſe iſt eine transſcententale, in wie weit wir auf die Vot—
ſtellungsart ſehen, welche wir von ihm haben. Dieſe micht
die Bedingung der Moͤglichkeit aus, daß wir Erl 9
naͤmlich von ſolch n Gegenständen cur Hulle des G. ſichtes
haben koͤnnen. Wollen wir alſo dieſe wegleſſen, oder deut⸗
licher, ſie uns als eine ſolche denken, weiche dem Sus ect
33 nicht
134
nicht zukommt: ſo iſt auch bey ihm Roum als Anſchauung,
oder feine Idealitaͤt nicht denkbar. Dieſe hat als Anſchauung
eine Form, welche nicht die eigenthuͤmliche Form der Oblecte
ſelbſt fern kann, weil beyde weſentlich unterſchieden find,
Der Raum, als reine Auſchauung, iſt folglich Nichts d. i.
Erna niche bey einem Subiecte ſtatt haben, wenn es nicht
die Bedingung der Moͤglichkeit aller Erfahrungen d. i. nicht
die gehoͤrie Receptivität der Vorſtellungsfähigkeit dazu
hätte. Wie konnen dieſen Raum alſe nicht als etwas an⸗
nehmen was den Dingen an ſich ſelbſt zum Grunde liegt,
oder beflimmter, nicht als fo etwas, ohne welches die ges
rou iqt: Dis ae euſſer unſter Vorſt⸗llung nicht ſeyn koͤnn⸗
ten. Alle dieſe Schluͤſſe haben ihre völlige Richtigkeit.
Es iſt in ihnen ſtets dem Rium als einem Begriff, oder
von reiner Anſchauung die Rede. Welcher Pyiloſoph wird
aber vo dirſem Raum es behaupten konnen, daß er cujler
dem denkenden Subiect den Dingen an ſich zum Grunde
Vorſtellung nicht eine Beſtimmung von ihnen feibjt ſeyn
kann? Nur dagegen werden Weltweiſe ſtreiten, welche
nicht zu Ihrer Schule gehören.
Bisher war Raum bey ihnen bald reine Anſchauung,
bald die Form aller Erſcheinungen, bald fubiective Form,
bald ſudiectivbe Bedingung der Sinnlichkeit. Nun muß
bleſet Proteus in einer noch andern Geſtalt auftreten. Er
iſt ſubiective Vorstellung. Er wird fo gar eine obiective
Vorſtellung a priori. Wenn Sie uns doch erklaͤret hätten,
was Sie ſabiectve Vorſtellung nennen! Nur dann erſt
würden wir unterſuchen koͤnnen, ob denn auſſer dem Raum
keine andre ſudiective und auf etwas aͤuſſers bezogene Vor—
ſtellung ſyn koͤnne. Wir mütfen alſo Ihrem Proteus
naher treten, um die Wolke zu zerſtreuen, in welcher er
ſich unſern Blicken zu entziehen ſechet. Sie reden vom
Raum
ſtellun,
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lieg?? Allein folgt hieraus, daß Raum als Dntect der
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135
Kaum als von einer Vorſtellung. Allein warum nennen
Sie dieſe elne ſublective? Vielleicht weil Sie den Raum
oben zu einer ſubiectiven Bedingung unſrer Sinnlichkeit ges
macht haben, unter welcher allein uns aͤuſſere Anſchauung
möglich ſeyn ſoll. In dieſer Bedeutung iſt Raum keine
Vorſtellung mehr, weil dieſe ſubiective Bedingung die Form
unſerd äuſſern Sinnes, ſolglich Beſchaffenheit unfers Vor—
ſtellungsvermoͤgens, aber nicht Wirkung deſſelben oder Vor—
ſeelung ſelbſt ſeyn kann. In der Vorſtellung koͤnnen wir
richts weiter unterſcheiden, als 1) den Stoff, 2) dieſen
zur Vorſtellung erhoben, 3) die Beziehung derſelben entwe-
der auf das Obiect, welches den Stoff darreicht, oder auf
das Subhet. Woher ſoll nun Raum als Vorſtellung den
Namen einer ſubiectiven erhalten? Nehmen Sie einen
Grund der Benennung an, welchen Ste wollen: jo wer—
den Sie eben dieſen in Ruͤckſicht jeder andern Vorſtellung
pbleder finden. Was haben Sie alſo für eine Urſache, den
Raum als die eiazige ſubiective Vorſtellung ſich zu denken?
Was heißt obiective Vorſtellung? Ich kann mir keinen
andern Grund vorſtellen, als in wie weit die Vorſtellung
dein Obiect von einer andern wird, und dieß kann fie nur
werden, in wie weit unfre Vernunft durch unſre Reflections,
kraft ſich der Vorſtsklung bewuſt wird, fie von ſich und dem
Gegenſtand, der gedacht wird, unterſcheldet. Nun wird
fie das Oblect von der Vorſtellung, welche ſich unſer Ges
muͤth von ihr durch das Bewuſtſeyn macht. Auf eine
aͤhaliche Art kann aber unſte Vernunft jede andre Vorſtel⸗
lung von beſtimmten Obiecten zum Obiect ſich machen, und
dann wuͤrde mit eben dem Rechte jede andre, ſo wie der
Raum eine obiectiwe Verſtellung genannt werden koͤnnen.
Wie kann denn Raum als Vorſtellung die einzige moͤgliche
Vorſtellung von aͤuſſern Dingen heiſſen, welche nicht blos
ame ſubiective, ſondern auch obiective iſt!?
4 g Man
136
Man denke ſich den Raum als eine Vorſtellung: ſe wird
dleſe durch emplriſche Anſchauung, und folglich nicht a priori,
ſondern a poſteriori in der Seele zuerſt erzeuget. Sie ö
wollen Ihren obigen Satz dadurch beweiſen, daß Sle be.
haupten, man koͤnne von keiner andern Vorſtellung ſynthe.
tiſche Säge a priori herleiten, als von der Anſchauung im
Kaum. Dieß kann doch wohl nicht ohne alle Einſchraͤn.
kung ſelbſt in Ihrem Syſtem wahr fern, well fie nachher!
eben dieſes von der Zeit behaupten werden. Allein es fin E
darum, daß Sie dleß ohne einen ſolchen Widerſpruch in E
Ihrem Lehrgebaͤude annehmen koͤnnen! Welche ſynthetiſche !
Saͤtze a priori haben Sie denn aus dleſer Vorſtellung vom
Raum hergeleitet? Ich habe noch keinen einzigen auf die Art 4
bergeleitecen ſynthetiſchen Satz a priori gefunden, fo fehrid
mid) auch darnach umgeſehen habe. Es foll Feiner andern
Vorſtellung, welche ſich auf etwas aͤuſſeres bezieht, eine
Idealltaͤt zukommen, ob jene gleich mit der Vorſtellung des!
Raums darlnn uͤbereinkoͤmmt, daß fie blos zur fubiectiven
Beſchaffenhelt der Sinnesart gehöre. Alſo kennen Sie!
Vorſtellungen ohne Idealitaͤt. Allein iſt nicht jede Vor
ſtellung, in wie weit wir uns ihrer bewuſt werden, eine!
Idee, wenn wir auch nach Herrn Reinhold die Idee eine!
Vorſtellung nennen, welche durch das Verbinden des Mu—
nigfaltigen entſteht. Wie kann alſo den übrigen Vorſtellun,
gen auſſer der reinen Anſchauung vom Raum die Ideslität
abgeſprochen werden? Sie muͤſſen entweder einen ganz elg—
nen uns unbekannten Begriff mit Idealitaͤt verbunden hu
ben, oder Sie koͤnnen dieß auch nicht in Abrede ſeyn.
Es ſollen die übrigen Vorſtellungen, welche ſich auf!
etwas aͤuſſeres beziehn, blos zur ſublectiven Beſchaffenheit!
unſter Sinnesart gehören. Dleß kann doch wohl nichts an-
ders heiſſen, als fie find Theile von dieſer ſublectiven Be.
ſchaffenheit. Wahr iſt es, daß dieſe Vorſtellungen gruß ö
fo befc
fchied:
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a» 2 ss 23
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137
ſo beſchaffen find, wie die äuffern Gegenſtaͤnde auf die ver.
ſchledenen Organe unſrer aͤuſſeren Sinne wirken, und der
Receptivitaͤt unſrer Vorſtellungsfählgkeit den Stoff darbies
ten, welchen ſeine Spontanitaͤt, um Ihre Terminologie zu
gebrauchen, zur Vorſtellung erhebt. Von Farben erhalten
wir durchs Geſicht, von Warme durchs Gefühl, von Tör
nen durchs Gehoͤr Vorſtellungen. Dieſe ſollen aber, wle
Sie ſagen, keine Gegenſtaͤnde haben. Allein dann wuͤrden
fie aufhören, Vorſtellungen zu ſeyn. Sie wollen, daß mir
dieſe blos für Empfindungen, nicht für Anſchauungen hal—
ten. Nach Ihrer Sprache find aber Vorſtellungen Empfins
dungen, wenn jene auf das Subiect, Anſchauungen, wenn
ſie auf die Obiecte bezogen werden. Warum wollen Sie
die Koͤrper, welche doch auf irgend eine Art den Grund in
ſich faſſen, warum fie in dieſer und keiner andern Farbe
uns erſcheinen, warum diejenigen, welche durch ihre Ein—
wirkung bey uns die Vorſtellung von Wärme, oder durch
ihre zitternde Bewegung, welche ſie der Luft mittheilen, und
uns dadurch Stoff zur Vorſtellung von dieſen und keinen
andern Tönen darrelchen, nicht als Gegenſtaͤnde von dieſen
onfehen ?
Sie wollen durch jene Bemerkung nur verhuͤten, daß
man die behauptete Idealitaͤt des Raumes nicht durch bey
weitem uazulaͤngliche Beyſpiele zu erläutern ſich einfallen
laſſe, da nämlich etwa Farben, Geſchmack u. f. w. mit
Recht nicht als Beſchaffenheiten der Dinge, ſondern blos
als Veraͤnderungen unſers Subiects, welche fo gar bey vere
ſchiedenen Menſchen verſchieden ſeyn koͤnnen, betrachtet were
den. Farben, Gefhmaf u. ſ. w. find als Vorſtellungen
nichts anders, als Folgen von Einwirkungen der äufferen
Gegenſtaͤnde, welche unſerm Gemuͤth den Stoff zu biefen
darreichen. Hiezu werden erſodert 1) ſolche oder ahnliche
Organe, als die unfrigen find, 2) eine Seele, welche eine
N Receptl⸗
138
Meceptlvltaͤt hat, um von ſolchen affictrt zu werden, 3)
Einwirkungen äufferer Gegenſtaͤnde, 4) Empfiadungen im
Gemüthe, als Folgen dieſer Einwirkungen. Dieſe Folgen,
- voelche wle Vorſtellungen von Farben, Waͤrme, Geſchmack,
Geruch, Gehör nennen, haben erſt in allen dieſen vier Bes
ſtimmungen einen zureichenden Grund, und koͤnnen in ver⸗
ſchledenen Subiecten bey gleicher Form der Receptivität vers
ſchteden ſeyn, wenn etwa die Organe, wodurch unſer Ges
müch dle Einwirkung empfängt, verſchieden find. Alleln
man fege, daß alle dleſe einzelne Urſachen in verſchiedenen
Menſchen oder in einem zu verſchiedenen Zeiten vollkommen
dieſelden find: fo werden auch die Folgen oder die Vorſtel—
lungen von Farben, Wärme, u. ſ. w. dieſelben fern. Dieß
lehret Erfahrung und Vernunft, und alle Menſchen find
davon fo fehr überzeugt, daß fie grade bey andern dieſelbe
Receptivität, dieſelben Organe vorausſetzen, und nun auf
dieſem Wege bey andern von dieſen Gegenſtaͤnden dieſelbe
Vorſtellung zu erregen ſuchen, welche ſie von ihnen haben.
Ich leugne es nicht, daß eine und dieſeibe Roſe in Anſehung
der Farbe verſchiedenen Augen verſchieden erſcheinen kann.
Allein dann müſſen die Augen entweder als Organe in Ihe
rem innern Bau, in wie welt fie die Lichtſtralen aufneh—
men und modificiren, eine Verſchtedenheit haben, oder die
Hofe muß in ungleichen Entfernungen, in ungleicher Rich
tung gegen das Auge, in ungleicher Helligkeit der Luſt,
oder durch ungleiche durchſichtige Koͤrper erblicket werden.
Sie bleibt, auch als urſpruͤngliche Erſcheinung in allen Dies
fen Fällen dasjenige, was fie iſt, fie muß ihr obiecti—
ves Daſeyn haben, um auf unſte Augen wirken zu koͤnnen,
oder wir müßten in die traurige Lage des Wahnſinnes ver—
ſunken ſeyn, daß wir die Vorſtellungen der Senſation von
den bloſſen Wirkunge der Einbildungskraft nicht unterſchei—
den koͤnnten. Im Irrhauſe ſehen freylich ungluͤckliche Men
ſchen Gegenſtaͤnde, welche nicht da find, hören Töne, wei
che
den
rem |
werde
taſie
fation
ſoll e
was
daß
etwa
welch
einen
unjer
Weg
nicht
139
che nicht erſchallen, fühlen heiſſe Körper, welche nur in ih⸗
em Gehirne, nicht auſſer ihren Traͤumereyen angetroſſen
werden, und richten ſich nach dieſen Geburten ihrer Phan—
tofie nicht anders, als wenn fie Folgen einer wahren Sen⸗
fation wären.
Der transſcendentale Begriff der Erſcheinung im Raum
ſoll eine kritiſche Erinnerung ſeyn, daß überhaupt nichts,
was im Raum angeſchauet wird, eine Sache an ſich, und
diß der Raum keine Form der Dinge fen, welche ihnen
etwa an ſich ſelbſt eigen wäre. Eine neue Terminologie,
welche Sie fo hinwerfen, ohne uns zu erklaren, was Sie
eigentlich damit wollen. Wir muͤſſen uns alſo ſelbſt zu
keifen ſuchen, um, fo weit es woͤglich iſt, dieſe mitternaͤcht.
iche Dunkelheit winigſtens in eine Morgendaͤmmerung ums
juſchaffen.
5 Transſcendentaler Begriff der Erſcheinungen im Raum
— was ſollen wir uns hiebey denken? Doch wohl nicht
deine bloſſe Vorſtellungsart, ſondern die Erſcheinungen ges
täumigter Gegenſtaͤnde in dem allgemeinen Begriff des
Raums? Wir finden in allen Vorſtellungen von der Art
tieſen Begriff wieder. Wie kann aber dieſer transſcender⸗
tale Begriff eine kritiſche Erinnerung fena, daß überhaupt
nichts, was in elnem Raum angeſch guet wird, eine Sache
en ſich ſey? Iſt hier von der Anſchauuna des Raumes
ols einer Wirkuyg unſerer Vorſtellungskraft in uns die
Rede: fo haben Sie ganz Recht, und wer konnte ſich je⸗
mals, wenn er anders ein wahrer Denker war, das Gegen⸗
theil in Gedanken kommen laſſen? Allein folgt daraus,
daß die Dirge ſelbſt, welche den Stoff zu ihrer Vorſtellung
unſerm Gemuͤthe darreichen, in welcher ſich der allgemeine
Begriff vom Raun unſerm Verſtande aufbringt, an ſich
mit ſind; daß der Raum nicht als Begriff, ſondern als
| Gegen⸗
Gegenſtand deſſelben, von ihnen ſelbſt kelne Form oder obiec,
tlve Beſtimmung iſt? Waͤre dieſes: fo koͤnnten wir Haͤu⸗
fer, Städte, kaͤnder, Meere, Mond und Sonne mit dem
unzähligen Heere der Sterne für keine S chen an ſich hal,
ten, fo waͤren fie nicht neben und auſſer einander zugleich,
nicht in einem Raum und alfo nirgends, als in unſern Er.
ſchelnungen oder in unſern Votſt⸗llungen von ihnen, deren
fubiective Form, deren reine Anſchauung, deren — der
Raum wäre. Erkennen Sie dieſe Folgerungen für richtig:
nun fo hätten wir den Idealismus in dem weiteſten Ums
fange, welcher ganz nahe an den E, oismus grenzte, oder
wovon der Uebergang zu dieſem ſehr leicht ſeyn wuͤrde.
Leugnen Sie aber dieſe Folgerung: jo müffen Sie auch die
Gultigkeit dieſer Ihrer Satze: nichts, was im Raum am
geſchauet wird, iſt ein Ding an ſich, Raum iſt keine
Form der Dinge ſelbſt, wilder aufheben. Sie ſcheinen
auch den Zwang wider Ihren Willen gefühle zu haben,
welchen Ihnen die Vernunft aufl-g’e, dieſes zu tdun. Sie
behaupten zwar, daß aͤuſſere Gegenſt inde nichts anders als
bloſſe Vorſtellungen unſter Sinnlichkeit find, deren Form
der Raum, und deren wahres Correlatum das Ding ay
ſich iſt. Aeuſſere Gegenſtaͤnde, welche alſo nach Ihrer eige⸗
nen Erklaͤrung den Stoff zu Vorſtellungen von ſich unſter Sinn.
lichkeit darreichen, ſollen nichts als Vorſtellungen ſeyn. Wie
widerfpredyend ? Sie ſollen doch zum wahren Correlatum die
Dinge an ſich haben. Nun ſo ſiad dieſe auſſer den Vor
ſtellungen, haben ihre weſentliche, eigenthuͤmliche Form.
Dieſe iſt, wenn Theile auſſer und neben einander zugleich F
find, Raum, und folglich auch er iſt als Obiect ein Cor
relatum von den bloſſen Vorſtellungen der Sinnlichkeit,
nicht die Vorſtellung ſelbſt. Ich daͤchte, daß Sie du
Richtlakeit dieſer Folgen aus Ihrer eignen Behauptung nicht
mit Gtunde beſtreiten koͤnnten?
Allein
Vorſ
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dieß
unſt
Wen
zen,
die
treil!
kan,
Allein diefe Dinge an ſich, als correlata unfrer bloſſen
Vorſtellu g der Sinnlichreit, werden dar urch gar richt er—
kannt, koͤnnen es auch dad urch nicht werden. Etwa nicht
durch den dloſſen Begriff des Raumes, als der Form dle—
fer urfree Sin lichktit? Dagegen hatten wir nichts, weil
wir bios aus ihm s nicht wiſſen koͤnnen, welche b ſondre
Formen der Ar scehnung ſich ben äuffern Gegenſtänden fine
den, und durch welche andre Eigenſcheſten fie von elnan⸗
der unterſchi⸗den find it dieß aber Ihre Meynung daß
durch Vorſtellungen un rer Sinnlichkeit oder durch Huͤlſe
unfrer gefur der Sinne uns die Dinge avſſer uns als Dinge
on ſich gar icht bekannt werden koͤnnen: fo wuͤrde ein
Schäfer ben feiner natuͤrlichen Einfalt dagegen einwenden:
ich kann meinen Hylax von einem Wolfe durch Huͤlfe mel—
ner Augen ſehr gut unterſcheiden; durch jenen bewache ich
meine Heerde, und gegen tiefen muß ich auf meiner Hut
ſeyn, wenn er mir kein Schaaf rauben fol. Könnten Sie
bier die Sprache des gefunden Menſchenverſtandes ver⸗
kennen? |
Wollen Sie uns etwa bieß ſagen, daß wir durch
bloſſe Vorſtellungen unſrer Sinnlichkeit unfähig find, die
wahre Natur einfecher Subſtanzen, ihre darouf ſich grüne
dende Art der gegenſeitigen Einwirkungen, die innre Bes
ſchaffenheit der Dinge zu erblicken: fo iſt dieß keine neue
Blume, welche erſt durch Ihre Hand auf das Feld der
Philoſophie verpflanzt wird, ſondern alle Weltweiſe haben
dieß längft für eine ausgemachte Wahrheit gehalten. Iſt
1 u unſte Vernunſt unfähig, uns einen Eingang in dleſe innre
Werkſtaͤtte der Natur zu eröffnen: fo find hier ihre Gren⸗
zen, und unfre Sinnlichkeit kenn uns nicht anders als durch
die Schwingen der Phantaſie uͤber ſie weg in ein Geblet
treiben, wo unſte Vernunft nirgends einen feſten Fuß fegen
kann. Was ſie noch dieſſeits der Grenze leiſten koͤnne 15
. die
142 diese dteuteRerg Ed.
dieß gehört zu den Unterſuchungen, welche nie zu behutſam
angeſtellt werden. Ob hier etwas zu viel, oder zu weniz
das beſſte fen, ob eine ſolche Anle gezogen werden konne,
wodurch die Mittelſtraſſe zwiſchen beyden genau beſtimmt
wird, darüber werden nun ſowohl die Weltwelſen der Nach.
wilt als der Vorwelt in der Lage der Vernunft, wle wu
fie in unſerm Erdenleben haben, ſich nie vollkommen va.
gleichen. Leben Sie wohl.
Da
»
Der
Transſcendentalen Aeſthet ik
Jweyter Abſchnitt
er eit.
Dir
Nad
tunge
Ibre
Prüfı
einer
Zeit
lubſt
Begrt
kin e
tung
die w
Begri
weit b
ey?
beankn
nen,
und p
gedach
ſortſch
gend e
in all
gleichſt
Wahn
nicht
denken
durch
derung
the wi
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blos ſe
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145
12. Brief.
Mein Herr,
Nach eben der Methode, welche Sie in Ihren Betrach—
tungen über den Raum gebraucht haben, ordnen Sie hier
Ire Gedanken von der Zeit, und ich werde in meiner
Prüfung derſelben eben die Ordnung beybehalten. Mit
ener metaphyſiſchen Erörterung des Begriffes von der
Zit machen Sie den Anfang, und folglich behaupten Sie
lbſt in der Ueberſchrift dieſes Abſchnittes, daß wir einen
Begriff von der Zeit haben. Es ſoll aber die Zelt 1)
kin empiriſcher Begriff ſeyn, der irgend von einer Erfah—
rung abgezogen wäre. Was nennen Sie denn Zeit? In
nie weit iſt Zeit ein Begriff? Was heißt bey Ihnen ein
Begriff, der von der Erfahrung abgezogen iſt? In wie
veit behaupten Sie, daß die Zeit kein ſolcher Begriff
kn? Alle dieſe Fragen hätten Sie gehörig beſtimmt
beantworten muͤſſen, ehe Sie einen Beweis führen Füne
nen, deſſen Gultigkeit wir nit Ihrer Abſicht vergleichen
und prüfen können. An alles die es haben Sie aber nicht
gedacht, ſondern wollen gleich zum Beweis dieſes Satzes
ſortſchreiten, daß die Zeit kein empiriſcher, keln von ira
gend einer Erfahrung abgezogener Begriff ſey Wir müfe
fen alſo Ihren Beweis hören. Er iſt dieſer: das Zu—
geichſeyn oder Aufeinanderfolgen würde ſelbſt nicht in die
Wahrnehmung kommen, wenn die Vorſtellung der Zeit
icht a priori zum Grunde läge. Heißt dieß fo viel, wir
denken uns ſchon vorher im Allgemeinen die Zeit, ehe wir
zurch Beobachtungen auf unſte innre und aͤuſſere Verän—
derungen und die Folgen derſelben aufmerkſam werden,
the wir das Allgemeine die er Folgen, und alſo den Ber
ir der Zeit uns vorzuſtellen anfangen: fo iſt dies nicht
blos ſchon für ſich ein Widerſpruch, ſondern es hat abe
unte Erfahrungen gegen ſich: fo müßten wir angebohrne
K Begriſſe
146 PETE Anne
Begriffe haben, und diefe ſcheinen Sie fo gut wle Lock
zu leugnen. Wollen Sie dleſe in Ihrem Bew iſe verous,
ſehen: fo würden Sie jene Folgerung daraus herlelten fin
nen. Wollen Sie ober etwas anders dodurd bezeichnen:
fo würden Ihre Folgerungen nicht daher flirffen. Denn
nur im erſten Fall wäre vor aller Wahrnehmung der Ba
griff von Z.it ſchon a priori in unſerm Gemuͤtze.
ihre eige thumliche Form von der Form der Verſtellung us
terſchieden. Jene kann alſo fo wohl in uns als auſſer us
lange ihre, obictive Relität gehabt haben, wann wer zue ii
anfangen, uns von ihr überhaupt eige Vorſtellung zu mu
der Eu iſt auch eigentlich ais Folge unſter innein Ver.
q erung kein G. genſtand wirer innern Sinnlichkeit, wal
Diefe uns nur jedesinal etwas als gegenwärtig darſtellen
kann. Sie iſt dies ein Obiect unſers Verſtandes, wen;
dier Stärke genug u erhalten hat, durch Hülfe unſter E.!
innerungskraft die Riygen der Veränderungen als Folge!
mit einmal zu denken, und nun den Begriff der Zeit qu!
büden. Hit alſo nach dem zweyten Fall Zeit eine Ver.
ſtellung von ihr, ein Begriff: fo iſt er nicht vor aller Wahr
nehmung in u frer Site a priori: ſondern wird erſt dutch!
unſern Verſtand hervorgebracht.
Nut unter der Vorausſetzung, daß die Vorſtellung det;
Zeit a priori zum Grunde liegt, ſoll man ſich es vorſtellen!
koͤnnen, daß einig es zu einer und derſelben Zeit zuglcich,
oder in verſchiedenen Zeiten nach einander ſeyn koͤnne. Daß
It blos Votausſetzung, für deren Guͤltigkeit Sie keine Gruͤnte @
ange.
ö engefü
fragen
doch fü
uaſre !
dieſer!
ner, il
daß u
A 19 i - pw Erfabı
Wir können die Zeit auf eine gedoppelte Art bitrad, F
ten, 1) ls Folge in den Veränderungen ſelbſt, 6) as“ ſich da
Dort lung von ihr. Im erſten Fall wird fie das Obiet ! Vor.
der Vorſtellung, und alſo nicht ſeibſt Vorſtellurg. Auf!
di Art taun Die Zeit lange verher in uns ſeyn, ehe ni!
uss (ieſer Felge beſonders bewuſt werden, und dann ist!
eine .
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ſie glei
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Folge
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womit
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Sie
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innert
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Hülfe
rung:
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könn
wohl
ſam
In .
147
engefuͤhret haben. Wenn wir die Erfahrung daruͤber bes
fragen: fo lehret uns dieſe das Gegentheil, und dieſe kann
doch fo wie in tauſend andern Fallen auch hier nur zuletzt
unfre Lehrerinn werden. Laſſen Sie uns einmal dem Urſprung
dieſer relativen Vorſt lungen von gegenwärtiger, vergange—
ner, und zukünftiger Zeit nachforſchen! Alsbann finden wir,
daß unſer Verſtand durch Hülfe einer innern und aäͤuſſern
Erfahrung theils in uns, theils in aͤuſſeren Gegenſtaͤnden
eine ſortgehende Folge von Veranderungen gewehr, und
ſich derſelben bewuſt wird. Hier erzeuget er eine allgemeine
Vorſtellung von dieſer Folge, abſtrahirt von den indiobiduel—
len Veraͤnderungen, in welchen die Folge iſt, und neumet
ſie gleich viel — Zeit. Unſte Vernunſt vergleicht die Veraͤn—
derungen unter einander, und bemerkt, daß vor Eizer Ders
ſelben ſchon andre vorher gegangen find, andre ſolgen. Die
Folge der erſten in dieſer Reyhe nennet fie vergengene, die
Folge der letzten zukuͤiſtige Zeit, und die Vrränderung,
womit fie beyde vergl⸗icht, wodurch wir durch in ern oder
auſſeren Sinn eine unmittelbare Vorſtellung erhalten, iſt
ihr gegenwaͤrtig, und fie nennet dicſe gegenwartige Zeit,
aber nur blos, in wie weit fe gleichſam ein Punct in der
Repde der Folgen iſt, woran von der einen Seite ſich die
vergangene, von der andern die zulünftige Zeit onſchließt.
Sie bemerket, daß nicht blos in ihrem Subiect die Reyhe
ianrer Veraͤnderungen, welche einc nach der andern unfrem
innern Sinn den Stoff zur Vorſtellung von ſich darreichen,
eine ſolche Beſtimmung haben, ſondern daß auch auſſer
dieſen unendlich viele Gegenſtande find, in welchen fie durch
Hilfe der aͤuſſeren Sinnen eben dieſe Folgen von Veraͤnde—
rungen gewahr wied, welche unter einander, und auch mit
der I phe der Folgen in ihrem Sublect veralſchen werden
koͤnnen, in welchen das gegenwärtige zugleich iſt, und fo
wohl die ſchon vecgangnen als zulünftigen Folgen gleich-
ſam in graden Linien parallel neben einander binloufen, und
in Anſehung des Gegenwa tigen ein gleiches Verhaͤtaiß
8 2 haben.
—
haben. Nun erzeuget ſich in uns als in denkenden Sublecten
durch unſern Worſtand der allgemeine Begriff von vergang.!
ner, gegenwaͤrtiger und zukuͤnftiger Zeit. Dleſer Beau
lag alſo nicht als Vorſtellung a priori vor aller Wahr,
nehmung zum Grunde: ſondern er iſt das Werk nicht un.“
ſrer Sinnlichkeit, ſondern unſers Verſtandes, worauf er,
durch Vergleich unfrer innern und äuff-ren Erfahrung und!
folgli a pofteriori gebrecht wurde. Wenn wir uns nun
einmal auf dle Art den allgemeinen Begriff der Zeit gebit.
det haben: fo koͤnnen wir aus ihr als aus einem allgemiii.
gehörigen Entwicklungen erhellet, immer gemacht, und
ich kann es mich nicht überreden, daß Ihre Seele in An
ſehung dieſer Sache eine Ausnahme machen ſollte.
in wie weit iſt fie dieſe nothwendige Vorſtellung? Iſt ve
es in Anſehung unſers denkenden Ichs? Dieß kann Ihe!
Meynung nicht ſeyn. Waͤre ſie dieſe: ſo muͤßte dieſe Vor.
ſtellung uns ſtets vorſchweben, ſtets gegenwärtig; fo muͤßte
wohl dd
moͤcht.
ehne
ſchein n
entwer
ſie uns angebohren ſeyn. Beydes iſt der Erfahrung und
ouch unſrer Vernunft entgegen. Soll fie nur deswegen
eine nothwendige Vorſtellung heiſſen, weil fie allen unſern
Anſchauungen zum Geunde liegt: ſo iſt dieß letzte eben ſo
wenla wahr, wenn wir auf tauſend Anſchauungen, d. h.
auf Vorſtellungen des Verſtandes und der Vernunft fehen, #
welche, wenn fie auf die Odiecte bezogen werden, nach Ih⸗
rer eignen Ecklaͤrung Anſchauungen heiſſen. Vielleicht re
den Sie von bloſſen ſinnlichen Anſchauungen. Dieſe koͤn—
nen als Anſchauungen der Sinnlichkeit nie Folgen der Ver
aͤnderungen, ſondern nur jedesmal eine von dieſen als ges
genwattig uns darſteklen. Zelt als Begriff oder allgemeine
Vot⸗
Vor
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als n
de:
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Die
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nen Begriff, d. h. in unſrer Sprache nicht aber in ter ©
Ihrigen a priori Folgerungen ziehen. So hat es meire,“
fo dle Seele andrer Philoſophen, wie es aus ihren hieber! daß f
dieß
ts ab
uns
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uns 0
2) Die Zeit ſoll eine nothwendige Vorſtellung ſeyn, E
die allen Auſchauungen zum Grunde liegt. Warum, und |
hieran
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de lire
die Z
und i
welche
a Vorſt.
Sie in
s bab
Vorſte
Vorſtellung kann eigentlich niemals ein Obiect der Sinne
lichkeit werden. Vielleicht fol dieſer S z: die Zelt legt
als nothwendige Vo ſtellung allen Anſchauungen zum Grun—
de: anzeigen, daß ſie entweder in jeder ſinnlichen Anſchau—
ung mit begriffen iſt, oder daß jede derſelben in der Zeit
erfolge. Dat erſte würde die Erfahrung gegen ſich haben,
Die Vorſtellungen von dem Raum in Obiccten z. B. in
einem Saatenfelde, in einem ſtillſtehend en See, in einem
Auadrat ſchließt gar keine Folge von Veränderungen und
ſoglich auch keine Anſchauungen von Zeit in ſich. Soll
ts aber fo viel heiſſen, daft jede unſrer Anſchauungen oey
uns in einer Folge von Veränderungen ſtat habe, und
daß fie ſelbſt eine Veraͤnderung in dieſer Rephe fen: fo iſt
dieß freylich wahr. Allein denn iſt nicht mehr von der Zelt
als einer Vorſtellung, ſondern von ihr als einem Obiecte
derſelben dle Rede, welche als Zeit ſeyn koͤnnte, wenn wie
uns auch dieſe nicht vorſtellten. Wie koͤnnen Sie aber
© hieraus die Folgerung machen, daß tie Zeit als eine noth—
| 3 wendige Vorſtellung allen unſern Anſchauungen zum Gruns
age!
Man ſoll in Anſehung der Erſcheinungen uͤberhaupt
die Zeit ſelbſt nicht aufheben koͤnnen, ob man zwar ganz
vehi die Erſchrinungen aus der Zeit wegnehmen kann. Ich
mochte doch gerne willen, wie Sie dieß letzte thun koͤnnen,
ohne daß die Zeit zugleich weggenommen wird. Die Er—
dheinungen koͤnnen hier doch nichts anders bedeuten, als
tatweder die Folgen der beſtimmten Veraͤnderungen in uns
und in andern aͤuſſern Dingen, oder die Vorſtellungen,
welche wir von ihnen als von Obiecten haben, dle von den
Vorſtellungen ſelbſt weſentlich unterſchieden ſind. Nehmen
ze im erften Fall aus ihrer Vorſtellung dieſe Obiecte weg:
fo haben Sie auch von dleſer Zeit als einem Obiccte keine
Votſtellung mehr.
RETTEN EEE a
K 3 Es
150 8 . „ r e ER AR
Es kann demohngeachtet die Vorſtellung von Folgen
der Veränderungen, oder der allgemeine Begriff von Zeit
in unſern Gedanken übrig bleiben. Nun ſind dieſe Folgen
Erſcheinungen in unſter Vorſtellung. Nehmen Sie dieſe aus
der Vorſtellung weg: fo iſt auch die Vorſtellung der Zeit,
oder der Begriff von ihr in unſter Seele erloſchen, oder
weggefallen. Es iſt alſo in jedem Falle nicht denkbar, daß
priori in uns gegeben fer. Dieß iſt fie als Vorſtellunz
nicht, ſondern fie wird erſt als ein Begriff von Zeit duich
die Erfahrung von unſerm Verſtande und folglich a poſte.
riori gebildet. In der Zeit allein fell alle Wies klichket!
der Erſcheinungen moͤzlich ſeyn. Dieß leugne ich nicht,!
weil die Erſcheinungen als Vorſtellungen der Gegenſtaͤnde!
megen unſrer Endlichkrit in uns nicht anders als in einer!
Folge von Veränderungen, oder in der Zeit, nicht als in
einer Vorſtellung, ſondern als in einem Oblecte derſelben
geſchehen kann. Nur in dieſem Verſtande iſt es wahr, was
Sie behaupten. Sie find aber nicht berechtiget, hieraus ji
ſchluſſen, daft alle Erſcheinungen wegfallen koͤnnen, obgleich!
die Z ie als allgemeine Bedingung ihrer Moglichkeit nick auf.
aufgehoben werden kann. Denn fallen die Erſcheinunge
als Gegenſtaͤnde auſſer uns, in welchen ſich eine Folge du
Veränderungen, oder Zeit findet, weg: fo muß auch die reel:
obiective Zalt wegfallen, und ſtellen die Trſcheinungen ſich
unſcer Seele nicht in ihren Folgen durch einen innern Simm;
dar: fo iſt tie allgemeine Vorſtellung von Zeit, und ſolglic
die Zeit in ihr als Anſchauung verſch wunden.
Sie behaup
tin,
ten,
keit!
von
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eirſter
N
a g i der 7
die Zeit unaufgehoben bleibt, wenn gleich die Erfcheinun E (en k.
gen aus der Zelt wegfallen. Auſſer unſter Vorſtellung it
keine reelle Zeit, wenn keine Reyhen von wirklichen Veran Fi
derungen in den Subſtanzen ober in den Dingen ſelbſt ſtan!
findet, und in unſter Vorſtellung verſchwindet die Zeit,
wenn wir uns gar keine Folgen von Veränderungen denken.
Sie koͤnnen alſo aus einem Satze, deſſen Ungültigfeit ich!
bewieſen habe, nicht den Schluß machen, daß die Zelt af
ſtaͤnd
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Wo ſt
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foͤnne
Gert:
liche!
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—
— Ne eee eee eee eee fr c v RAR Fa eee, eee
151
ten, daß die Zeit eine allgemeine Bedingung der Moͤalich⸗
keit ron den Erſcheinungen fig. Hier reden Sie entweder
von ber Zeit als einem allgemeinen Begriffe, oder von ihr
als einer Folge von Veränderungen in den Dingen. Im
efien Fall kann die Zeit nicht die allgemeine Bedingung der
Moͤglichkeit von Erſcheinungen ſcyn, weil dieſe Bedingung
ter Möglichkeit doch nichts anders als unfre Fahigkeit bedeu,
ten kann, Vorſtellungen durch Hülfe der Sinne von Ger en—
ſtänden zu erhalten, welche uns erſcheinen. Diele Faͤ—
higktit iſt die Bedingung der Moͤglichkeit von Erſchein une
gen in uns, aber nicht die Zeit als allgemeiner Vequff.
Im letzten Fall iſt die Zeit nicht ein Vegreff, nicht eine
Vo ſtellung, ſondern das Obiect von dieſer. Di-te nicht
ſubiectlve, ſondern obiective Zei: kann in einem aewiſſen Ver—
ſtande die Bedingung von der Moͤglichkeit der Ericheinuns
sen in uns genannt werden, weil wir keine Erſcheinung
enders als in einer Folge von innern Veraͤnderungen haben
foͤnnen. Allein dieß gilt nur von uns, weil wir endeiche
Geiſter find, und alſo Veraͤnderlichkeit von uns eine wefeute
iche Beſtimmung iſt. Sind Erſcheinungen nichts anders
eis Verſt⸗llungen von Dingen, die auf unſre Sinne nach
dem Lauf der Natur wirken: ſo werden auch dieſe Dinge
ſeſb ſt endlich ſcyn, bey welchen Zeit obiective ftert haben
kenn. Allein unſer Geiſt kann ſich mit feinen Gedanken
über das Gediet der Endlichkeit bis zu dem Unendlichen erhes
ben, und ſich von ihm Voiſtellungen durch feine Vernunft
machen. Hier hört das Gebiet der eigentlichen Erſcheinungen
auf. Hier finden ſich keine innre Veränderungen mehr.
Wir denken uns zwar in der Zeit dieſen unendlich erhabnen
Gegenſtand unſrer Anbetung. Unſte Vernunft würde ſich
aber von dem Wege der Wahrheit verirret haben, wenn
fie in dieſes goͤttiche Weſen ſelbſt Veranderungen, und folg»
ch Zeit übertragen wollte.
& 4 3) Soll⸗
—
—
3) Sollte dle Möglichkeit apodierifher Grundſaͤtze von
den Virhältniffen der Zeit, oder Axiomen von der Zeit
überhaupt ſich auf die Nothwendigkeit der Vorſtellung der
Zeit gründen: ſo muͤßte die Zeit ols Vorſtellung in uns eine
Nothwendigkeit a priori haben. Od Sie gleich dieß be.
haupten: fo habe ich doch ſchon oben bewleſen, daß dieſe F
Mothwendigkeit nicht da iſt. Uebrigens kann wohl eine
Nothwendigkeit gedacht werden, ſich die Zelt vorzuſtellen.“
Dieſe würde ſich entweder auf das Weſen der Dinge, wel.“
che ſich die Zeit vorſtellen, oder auf die weſentliche Be.“
ſchaffenhelt der Dinge gründen, welche vorgeſtellet werden.“
Nothwendig iſt es für einen Geiſt, welcher vermöge #
feiner Endlichkeit nicht anders als In einer Reyhe von innen |
Veränderungen Vorſtellungen von Gegenſtaͤnden und alſo auch
von der Folge dleſer ſelner Veraͤnderungen machen kann.!
Bey dem Unendlichen wird grade das Gegentheil flat
haben muͤſſen. Er iſt ſelbſt von allen innern Veränderun.!
gen fren, und kann alſo wegen feiner unbegrenzten Vollkom,
menheit keine Vorſtellung von einer Reyhe feiner innen!
Veränderungen haben, well dieſe feinem Weſen widerfpru !
chen. Es kann ſich aber auch eine ſolſche Nothwendigkeit
in Anſehung der Dinge finden, welche vorgeſtellt werden.!
Sind dieſe, vermoͤge ihres Weſens, ſo beſtimmt, daß ſie nicht!
ohne Folge von innern Veränderungen ſeyn koͤnnen: fo miürs
den wir eine unrichtige falſche Vorſtellung von ihnen haben,
wenn wir fie als Diage daͤchten, worinn keine Zeit ange“
troffen würde. In ſo weit hat die Vorſtellung der Zeit #
auch hier eine Nothwendigkeit. So denket ſich Gott die!
Welt mit allen Reyhen Ihrer Veränderungen, ohne feibit }
veraͤnderlich zu ſeyn. So denken endliche Geiſter endliche
Dinge neben und auſſer ſich. Allein der Gedanke von Gott
muß alle Zeit in ihnen ausſchlieſſen, wenn wir uns nicht
von ihm eine unrichtige Vorſtellung machen wollen.
Nicht
lung
füge
Not
ſtatt
man
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dun!
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Sul
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noth
noth
Gru
ich!
8 153
Nicht die Nothwendigkeit der Zeit als eine Vorſtel—
lung liegt a priori zum Grunde, um apodlictiſche Grund—
fäge oder Axiemen der Zeit daraus herzuleiten. Aus der
Rothwendigkeit dieſer Vorſtellung, wenn fie auch wirklich
ſtatt hätte, ſolget auch kein einziges Axiom, ob wir gleich
manche von der Art aus dem allgemeinen Begriß der Zeit
herleiten koͤnnen. Sie haben uns einige Sätze als ſolche Axio.
men vorgelegt, und dieſe ſind folgende: 1) die Zeit hat nur
Eine Dime ſion, 2) verſchiedene Zelten find nicht
zugleich, ſondern nach einander. Der erſte Satz iſt
dunkel, der letzte iſt waht und ſalſch, es wird darauf ans
kommen, wie wir ihn erklaͤren. Ehe ich beydes zeige,
mochte ich Sie fragen, wie denn dieſe Grundſaͤtze aus der
Rothwendigkeit der Vorſtellung der Zeit herflieſſen? Sie
werden dech dieß nicht als einen Beweis anſehen wollen,
wenn Sie hinzuſetzen, daß dieſe Ariomen nicht aus der
Erfahrung gezogen werden koͤnnen, weil dieſe weder ſirenge
Allgemeinheit noch apodictiſche Gewißheit geben kann. Da—
von war aber nicht die Rede, ſondern Sie ſollten es uns
beweiſen, daß dieſe apodictiſche Gewißheit ſich auf die
Nothwendigkeit der Vorſtellung der Zeit a priori gründe,
Sie werden es bey einiger Aufmerkſamkeit ſelbſt leicht eine
ſehen, daß Sie uns dadurch Fenen eigentlichen Beweis
von Ihrer Behauptung vorgelegt haben. Ich getraue es
mir aber zu, das Gegenteil zu beweiſen. Die Zeit hat
nur Eine Dimenſion. Dieß iſt in Ihrer Sprache ein ſyn—
thetiſcher Satz, weil das Prädicat über den Begriff des
Subiects hinausgeht, d. h. weil es nicht in dieſem Begriff
analytiſch liegt, oder ſeinen hinreichenden Grund hat. Nun
froge ich Sie: woher wiſſen Sie es mit apodictiſcher Ge
wißheit, daß dieß Praͤdicat dem Subiect allgemein und
nothwendig zukomme? Sie antworten, weil die Zeit eine
nothwendige Vorſtellung iſt, welche allen Anſchauungen zum
Grunde liegt. Allein wie liegt fie hier zum Grunde, daß
ich daher eine apodictiſche Gewißheit von dieſem Grundſatz
K 5 ethal⸗
1
154
erhalte? Dleß ſollten Sie uns nun zeigen, wenn Site
uns Ihren Beweis als einen vollendeten aufdringen woll.
ten. Da Sie dieß aber niche gethan haben: ſo entſteht
die Frage: liegt dieſe Vorſtellung, Zeit, als eine noth.
wendige Vorſtellung a priori oder blos als allgemeiner Be.
griff zum Grunde? Wäre das erſte: wie beſtimmt denn
die Nothwendigkeit dieſer Vorſtellung es in Abſicht der
Zeit als eines Subiects, daß dieß Praͤdicat, Eine Dimen.
ſion, ihm nothwendig zukomme? Es kann kein Grund ge—
dacht werden, wodurch wir berechtiget wären, aus dieſer
Nothwendigkeit auf das Pradicat der Zeit zu ſchlleſſen.
Legt aber Zeit als ein allgemeiner Begriff zum Grunde:
fo kann es uns gleich viel ſeyn, od dieſer Begriff als Vor.
ſtellung eine Nothwendigkeit babe, oder nicht, oder ob er
aus Erfahrungen ridyrig gezogen iſt. Als ein allgemeinct
Begriff kann die Zeit bey Einer Dimenſion auf eine doppelte
Art zum Grunde liegen, 1) als ein Begriff, worin dieß Pra.
ticat feinen hinreichenden Grund hat, 2) als höherer Begriſſ
(notio fuperior), wovon das Prädicat eine ſpeciviſche Be.
ſtimmung if. Im erſten Fall liegt das Prädicat nicht
auſſer dem Begriff des Subicets, und das Subiect wird
auch nicht eigentlich erweitert, ob gleich unſte Erkenntniß
von ihm dadurch erweitert werden kann, wenn wir den
hinreichenden Grund auſſuchen, welcher in dem Sublect
lleget, und uns, weil wir ihn nun erkennen, eine apodicti—
ſche Gewißheit von der Allgemeinheit und Nothwendigkeit
dieſes Satzes verſchaffet. Wird aber durch den Zuſatz dies
fes Praͤdicaus zum Sublect dieß Uetheil im eigentlichen Vers
ſtande ein Erweiterungsſatz: fo kann zwar dle Zelt als ho.
herer Begriff zum Grunde liegen, aber nicht davon der
Grund werben, daß das Praͤdicat allgemein mit dem
Subiect verbunden werden muß, und daß wir davon eine
apodictiſche Gewißheit erlangen. In der Anſchauung von
einem Quadrate liegt Figur auch als Vorſtellung nothwen—
dig zum Grunde. Wer kann aber behaupten, daß deswe⸗—
ger
gen |
ſcher
ten l.
Allei
it,
grün
priu
Gru
dieſe
woll
Gu
weil
wiß
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glei
auf
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DIN)
fat
ber
we
der
fie
S
nu
gen dieſer Satz: eine Figur iſt ein Quadrat mit apodictl⸗
ſcher Gewißheit erkannt werde? In allen Begriffen der Ar.
ten liegt der Begriff ihrer Gattung rothwendig zum Grunde.
Allein deswegen koͤnnen wir nicht ſchlieſſen, wo die Gattung
iſt, muß auch eine beſtimmte Art ſeyn.
Doch Sie ſagen nur, die Moͤglichkeit dieſer Axiomen
gründet ſich auf die Zeit, als nothwendige Verſtellung 2
priori. Aiſo blos die Moͤglichkeit, daß ſie apodictiſche
Grundſätze werden können. Allein wie gründet ſich denn
dieſe darauf? Wodurch werden fie ſolche Sätze? Dieß
wellten wir von Ihnen wiſſen. Sie antworten: dieſe
Gundſaͤtze konnen nicht aus der Erfahrung gezogen werden,
weil dieſe keine ſtrenge Allgemeinheit noch apodictiſche Ge.
wißheit geben kann. Dieſe Antwort iſt blos negatio, wenn
fie auch ganz ihre Richtigkeit hätte. Sie bezieht ſich zu⸗
gleich nicht auf die Möglichkeit ſolcher Axiomen, ſondern
auf ſie als apodictiſche Grundſaͤtze. Sie kann aber durch⸗
aus nicht für einen Beweis Ihrer Behauptung gelten.
Wenn gleich blos hier von der Moͤglichkeit ſolcher Grund—
fäge die Rede ift: fo ſehe ich keine Urſache, wodurch Sle
berecht get find, zu behaupten, daß ſie ſich auf dieſe Noth.
wendigkeit a priori erü de. Dieſe Möglichkeit iſt entwe—
der eine innre, oder aäuſſere. Sit fie eine innre: jo kann
fie nirgends als in dieſen Grundſaͤtzen ſelbſt geſucht werden.
Soll fie als eine äuffere gedacht werden: ſo konnen wir fie
nirgends anders finden, als 1) in dem Vermoͤgen unſers
Verſtandes, ſich durch Hülfe ſinnlicher Erfahrungen den
allgemeinen Begriff von Zeit zu bilden, und 2) in der Faͤhig⸗
keit unſrer Vernunft, es zu beſtimmeg, was aus dleſem
Begriff nothwendig ſolget, dieß mit ihm als einem Sudiect
zu verbinden, und auf die Art nicht mehr aus bloſſen Er
fahrungen, ſondern cus dem allgemeinen Begriff der Zeit
die apodictiſchen Soͤtze herzuleiten. Die Nothwendigkelt der
Vorſtellung von Z-it kommt bey dieſem Geſchaͤfte gar nicht
in Betracht. Ihren
156
Ihren fo genannten Grundſatz: verſchledene Zeiten
find nicht zugleich, ſondern nach einander : habe lch für
wahr und falſch nach der verſchiedenen Art erflärt, wle man
ſich ihn denket. Ich muß mich alſo gegen Sie rechtfertigen,
Die Zelt iſt ihrem allgemeinen Begriffe nach eine R yhe
von auf elnander folgenden Veraͤnderungen. In dieſer koͤn⸗
nen alſo verſchiedene Veraͤnderungen nicht zugleich feyn.
Nur eine von ihnen iſt gegenwaͤrtig. Die andern muͤſſen
alfo In der Reyhe voran gehn, oder erſt folgen. Die erſten
machen die vergangne, die letzten die zukunftige Zeit aus.
Dieſe Zeiten find alfo in der Reyhe nie zugleich, ſondern nach
einander. In dieſem Verſtande iſt der Satz wahr, fols
get aus dem allgemeinen Begriff der Zeit, kann nicht ge—
leugnet werden, wenn wir nicht jenen Begriff wieder auf—
beben wollen. Der Satz iſt alſo ein Axiom, deſſen Allges
melnhelt und Nothwendigkeit wir aus dem Begriff der Zeit
mit apodictifcher Gewißhelt erkennen. Wit haben bisher von
der Zeit als von einem allgemeinen Begriff geredet. Wir
koͤnnen aber auch auf die Reyhen der Veraͤnderungen in
den Dingen ſelbſt auſſer unſrer Vorſtellung unſte Aufmerk—
ſamkeit richten. Alsdann denken wir dle Zelten oblectiv
in den Dingen ſelbſt. Eine jede individuelle Reyhe von
auf einander folgenden Veränderungen iſt obiective oder reelle
Zelt. Weil jene in unendlich vielen Dingen verſchieden ſeyn
kann: ſo glebt es auch oblectiv unendlich viele Zeiten. Der
Merkur, die Venus, die Erde, der Mars, Jupiter, Sa—
turnus und der von Herſchel entdeckte Uranus bewegen ſich
als beſondre Planeten in verſchledenen Zeiten um die Sonne.
In jedem derſelben iſt eine beſondte Folge von Weränderuns
gen, welche nur ihm allein zukommt, und alſo bey jedem
eine Individuelle Zeit if. Wir koͤnnen uns alſo dieſe vers
ſchiedenen Zeiten als verſchiedene Knien vorit: len, die parallel
neben einander fortlaufen, und aus dirfem Geſichtspuncte
läßt es ſich doch behaupten, daß Zelten, die in verſchiedenen
Dingen verſchieden ſind, zugleich ſind, nicht nach einander,
ſo
ſondt
Zelt
ande
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aͤnde
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Unir
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ſolg!
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daß
ung
ſen,
den
der
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wird
157
ſondern neben einander fortlaufen, obgleich in jeder einzelnen
Zeit oder in jeder Reyhe von Veränderungen, die nach ein.
ander erfolgen, nicht mehrere Zeiten, als vergangne, ge—
genwaͤrtige, zukuͤnftige zugleich, ſondern nur nach einander
ſeyn koͤnnen. Diefe beyden Saͤtze: verſchledene Zeiten find 1)
in einer und derſelben Reyhe der auf einander folgenden Were
änderungen nicht zugleich, 2) fie find in mehrern verſchiedenen
Reyhen zugleich und neben einander: zlehen wir nicht aus
bloſſen Erfahrungen, ſondern aus den Begriffen der Zeit.
Unſre Vernunft erkennet ihre Richtigkeit aus dieſen, Begriffen,
und weil fie unfähig iſt, ſich es als denkbar oder moͤglich
vo:zuſtellen, daß etwas zugleich ſeyn und nicht ſeyn kann:
fo erhaͤlt fie daher von der Wahrhelt dieſer Säge eine
apodictiſche Gewißheit. Sie laͤßt alſo dieſe Gruntfäge als
Regeln gelten, womit alle Erfahrungen in Anſehung der
Zeit überein ſtimmen. Wir koͤnnen uns auch durch dieſe
belehren, wie die Erfahrungen von der Art moͤglich ſind,
und erfolgen werden. Dieſe Saͤtze ſelbſt fegen aber Begriffe
von der Zeit voraus, und dieſe bildete unſer Verſtand zus
erſt durch Beobachtung Innrer und äuffrer Veraͤnderungen,
ſolglich nicht a priori, ſondern a poſteriori. 4) Die
Zeit ſoll kein discurſiver, odet wie man ihn nennet, kein
allgemeiner Begriff, ſondern eine reine Form der finnlichen
Anſchauung ſeyn. Ich habe es aber ſchon bewieſen, daß ſie,
ulcht oblective, ſondern ſubiective gedacht, das erſte iſt. Als
tine reine Form der blos ſinnlichen Anſchauung kann ſie
durchaus nicht angeſehen werden. Denn es iſt unmoͤglich,
daß wir von ihr blos durch Huͤlfe der Sinnen eine Anſchau—
ung haben. Eine Anſchauung des Verſtandes kann ſie heiſ⸗
fen, wenn mir uns blos eine Reyhe der auf einander folgen⸗
den Veränderungen denken. Vielleicht auch eine reine Form
der Anſchauung, weil in jeder Vorſtellung von Zeit, wie
wir fie bey Gegenſtaͤnden wirklich als Folge der Werändes
tungen antreffen, fie wieder von unſerm Verſtande erblickt
wird. Sie behaupten, daß verſchiedene Zeiten nur Theile
eben
158
eben derſelben Zelt ſind. Von welchen Zeiten iſt Hier bie
Rede? Etwa von den Reyhen der auf einander folgenden
Veranderungen in den Dingen ſelbſt, oder von ihnen als oloſ.
fen Vorſtellungen? Denken Sie ſich die erſten: ſo ſind ſie
weder Formen der Anſchauungen, noch Anſchauungen ſelbſt,
und dann konnen wir nicht annehmen, daß verschiedene Zeiten
nut Theile von einer und derſelben Zelt find, well die Folgen
der Veraͤnderungen in dem einen Dinge nicht dieſelben
Folgen der Veränderungen in einem andern ſeyn Fönncn.
Dle Zelten ſind individuell, alſo ganz unterſchieden, und
folglich koͤnnen wir nicht die verſchiedenen Zeiten als Theile
eben derſelben Zeit anſehen. Reden Sie von der Folge der
Veränderungen in Einem beſtimmten Dinge: fo Edanm
wir uns ſreylich die ganze Folge als die ganze Zeit denken.
Wir koͤnnen uns auch Cheile ven dieſer ganzen Folge a's
Zeiten vorſtellen, und ſie nun Theile von einer und derſel.
ben Zeit nengen. Allein dieſe iſt elne reelle Zeit, hat ihre
eigenthümliche Form, die von der individuellen Form an—
drer Reygen und auch von ber Form unſrer Anſchauung we—
ſentlich un 'erſchieden iſt, und alſo dieſe nicht ſeyn kana. Re—
den Ei: aber von der Zeit, als einer allgemeinen Vorſtel—
lung unfers Verſtandes: fo folgt nur daraus, daß alle ver.
ſchiedene Zeiten Theile eben derſelben Z it ſiad, wenn Sie
ſich die Zeit als eine grenzenloſe Linie vorſt len. Auf
ähnliche Art kann ich mic eben dem Rechte ſogen, alle bes
ſtimmte Zahſen ſind Thale einer einzigen unendlich groſſen
Zahl; alle Gröſſen find Theite von einer grenzentoſen Gröͤſſe.
Allein die reine Anſchauung der Zeit läßt es unbeſtimmt, eb
fie grenzenlos, oder nicht, ob von einer blos vergangnen, oder
blos zukunftigen, oder ven beyden in Beziehung der gegenmärs
tigen Zeit die Rede fin. Wit finden alſo in jeder Anſchau—
ung der Zeit eine Folge von Veränderungen wieder, und ſolg⸗
lich bleibt fie auch als reine Anſchauung immer dieſelbe,
wird nicht Theile von einer andern Anſchauung der Zeit, es
ſey denn, daß wir uns die Zeit als eine ganze Reype von
Jul
Folgen, und aus dleſer Theile denken. Von grenzenloſer
Zeit iſt eben fo wenig bey uns eine Anſchauung moglich,
ols ſie wirklich auſſer uns wenigſtens von der Seite des
Gegenwaͤrtigen, wo die vergangne Zeit ſich an dieſes
ſchlieſſet, in Dingen auſſer unſrer Vorſtellung ſtatt haben
kann. Wir kön en uns, wenn einmal Veränderung ta und
ſolglich eine Riyde denſelden in Dingen da iſt, fie fo denken,
daß immer neue folgen, und daß alſo die Rephe ohne
Ende fort geht. Allein in unſcer Vorſtellung der Vernunft
liegt auch Immer ein Punct, wo ſie angeht, ein andrer, wie
weit It: geko nmen iſt, und in fo weit finden wir von bey—
den Seiten Orangen. Das Gigenwaͤrtige kann zwar im—
mir wieder ein Vergangenes werden. Die Reyhe ſelbſt
bleidt aber ſtets von binden Seiten begrenzt, wir mögen
mit unſern Gedanken in die Zukunft fo weit fortgehen, als
weir wollen. Denkea wir uns die Zeit fo: fo wird tie nicht
mehr als bloſſe Vorſtellung, ſoudern als Folge der Veraͤnde—
rungen in den Dingen ſelbſt und alſo obirctiv von uns gedacht.
Sublectiv iſt fie nichts anders als die Vorſtellung von einer
Reyhe auf einander folgender Veränderungen, d. h. ein allges
meiner Begriff von ihr.
Sie behaupten, daß dle Vorſtellung von Zeit eine
Anſchauung ſey, weil ſie nur durch einen einzigen Gegen—
ftand gegeben werden kaun. Welcher iſt aber dieſer einzige
Gegenſtand? ft er ein einzeines Ding, worinn eine ſolche
Folge von Veranderungen angetroffen wird: fo giebt es
unendlich viele Gegenſtaͤnde, welche unſerm Verſtand den
Stoff durch Huͤlfe ver Sinne darbieten koͤnnen. Soll ober
die Zeit ſelbſt als Vorſtellung dieſer einzige Gegenſtand ſeyn:
fo iſt ſie nicht mehr Gegenſtand der Vorſtellung, fondern
dieſe ſelbſt, und ſolglich Anſchauung, weil fie Anfheuung
iſt. Wle ſonderbar? a
War⸗
160
Warum ſoll man den Satz, daß verfchledene Zelten nicht
zugleich ſeyn koͤnnen, nicht aus einem allgemeinen Begriff
der Zeit herzuleiten im Stande ſeyn? Ich habe ihn oben,
wle ich glaube, ſchon mit hinreichendem Grunde aus dieſem
Begriff hergeleltet, und alſo iſt die Moͤglichkeit elner ſolchen
Herleitung bewleſen. Der Satz iſt alſo nicht ſynthetiſch,
kann aus Begriffen entſpringen, ob Sie gleich hier das
Gegentheil ohne allen weitern Bewels behaupten. Er iſt
alſo in der allgemeinen Vorſtellung der Zeit, welche Sie
hier Anſchauung nennen, gegruͤndet. Ich behaupte alſo
eben dasjenige, was Sie hier als wahr annehmen, aber aus
elnem ganz andern Grunde wie Sle. Ich kann mir unter
der Zeit als reiner Anſchauung nichts anders als eine allges
meine Berftellung, oder den vorgeſtellten Begriff derſelben
denken. Faͤllt dieſe Vorſtellung in meiner Seele weg: fo
iſt auch die Zeit als reine Anſchauung nicht mehr da, ſon—
dern ſie iſt in meinem Gemuͤthe verſchwunden.
5) Durch die Unendlichkeit der Zeit wollen Sie nichts
welter anzeigen, als daß alle beſtimmten Groͤſſen der Zeit
nur burch Einſchraͤnkung einer einzigen zum Grunde liegen.
den Zeit möglid find. Sie halten alſo die Unendlichkeit
der Zeit für nichts anders als für dle Moͤglichkeit alle be—
ſtimmte Groͤſſen der Zeit durch eine einzige einzuſchraͤnken.
Ehe Sie dleſen ſynthetiſchen Saß behaupten koͤnnen, muͤß—
ten Sie beweiſen, daß eine unendliche Zeit nicht etwa, fo
wle jedes andre leere Hirngeſpinnſt, uͤberhaupt durch Aus druͤ—
cke angezeiget werden kann, ſondern daß fie auch auffer
unfrer Vorſtellung elne Moͤglichkeit habe. In dem allges
meinen Begriff, oder in der reinen Anfhauung der Zeit iſt
nichts von Unendlichkeit enthalten. Cie muͤſſen alſo dieſen
Beariff vorher willkuͤhrlich welter durch den Charakter der
Endlichkeit, oder Unendlichkele beſtimmen, und nun bewei—
fen, daß Unendlichkeit eine wahre Beſtimmung der obiectie
ven Zelt werden kann. Sagen Sle, ich kann mir dech die
Ziit
Zelt
hölyer
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welch
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ker G.
auf: fi
wenn
den wi
161
’ f Zelt fo denken: fo antworte ich, vlelleicht eben fo als eine
belzerne State aus parlſchem Marmor. In unfrer An.
ſchauung der Zeit kann keine Unendlichkelt liegen. Denn
8 welcher ı Sterbliche Iſt vermoͤgend, das Unendliche anzuſchau⸗
en? In der reinen Anſchauung der Zelt find Vorſtellun—
gen von Veränderungen, und zwar von einer ununterbrody:
ren Folge derſelben. Gegenwart If in dieſer Reyhe die
Veranderung, welche eben itzt erfolge. Hier iſt das Ende
der verfloßnen Zeit. Wäre dleſe Reyhe der Weränderune
gen nicht vorher geweſen: fo wurde auch die verfloßne Zelt
in unſter Vorſtellung wegfallen muͤſſen, wenn anders dieſe
richt in elnem Widerſpruch mit der Sache ſteben foll, wel.
dee vorgeſtellet wird. In meinem Verſtande iſt es ein glei«
cher Widerspruch, dle verfloßne Zeit, d h. die verflaßne
Reyhe von auf einander folgenden Veränderungen ſich ohne
Anfang oder in der Beſtlmmung der Unendlichkeit zu den.
ken. Wenigſtens gehoͤret dieſe Unendlichkelt zu den Anti.
nomien der reinen Vernunft. Geſetzt aber, daß die Une
undlichkeit der Zeit von dieſer Seite gedacht werden koͤnn⸗
le: fo würden zwar alle beſtimmten Oloͤſſen dtefer Zeit nur
els Einſchraͤnkungen derſelben angeſehen werden, ſo wie
alle beſtimmten Groͤſſen rur Einſchraͤnkun gen elner unbegrenz.
ien Bröffe, alle beſtimmte Zahlen nur Einfchränfungen einer
unendlich groſſen Zahl ſind. Daher ſolget aber nicht, daß die
urſpruͤngliche Vorſtellung der Zeit als uneingeſdhraͤnkt geger
den wird. Urſpruͤnglich erhalten wir dieſe Vorſtellung blos
durch Aufmetkſamkelt, welche wir auf die ununterbrochne
Felge in den Veranderungen richten, und folglich ſind wit
uns des Anfanges und des Endes in ihr bemuft, ob wir
gleich elnſehen, doß diefe Reyhe ſich vor unfrer Beobach⸗
lung fo wohl als nach derſelben, ſolglich von beyden Seiten
der Gegenwart weiter erfiteden kann. Hoͤrte diefe Reyhe
auf: fo würde auch die Zeit in dem Dinge aufhören, und
wenn wir fie doch in unſern Gedanken verlaͤngerten: fo wur.
den wir uns etwas denken, Fi blos eine leert Worftel.
lung
lung woͤre. Wir find alfo nicht beſtimmt, die Zelt als el.
ne Reyhe von Veränderungen uns vorzuſtellen, welche oh⸗
ne Anfang und Ende iſt. Unſte urfprüngliche Vorſtellung
ſchließt auf eine gewiſſe Art beydes in ſich. Die abgeleis
tete, oder die reine Anſchauung der Zeit begreift nichts mehr
als unünttrbrochne Folge von Veränderungen, und es bleibt
in ihr unbeſtimmt, ob fie endlich iſt, oder unendlich ſeyn kann.
Sie behaupten, daß Begriffe nur Thellvorſtellungen
enthalten. So wenig ich auch dieſem Idtem Setze chne
alle Einſchräͤnkung Beyſall geben kann: fo leugne ich doch
die Folgerung, daß die Zeit keine Theilvorſtellung fen, und
daß fie alſo nicht durch Begriffe gegeben ſeyn koͤnne, fon
dern daß ihr elne unmittelbare Anſchauung zum Giunde lies
gen möfje. Die Zeit, als reine Anſchauung, iſt eine Norftels
lung von einer ununterdrochnen Reyhe der Veränderungen,
Denken Sie ſich die Zeit ohne dieſe: fo koͤnnen Sle auch
keine Vorſtellung mehr von ihr haben. In dleſer legen
die einzelnen Veränderungen als Thelle, und das Gegen
wärtige iſt in dieſer Renhe gleichſam das, was der Punct in
der Linle iſt. Jede Veränderung war oder wird einmal
in ihr gegenwärtig, und ſolglich ein Theil in dieſer Reyhe.
Die Zeit iſt alſo eine Groͤſſe, fo wle eine Linie und jede
elnelne Veränderung iſt ein einfacher Thell, fo wie eln
Punct in der kinle. Es kann alſo dle Zeit, als Vorſtellung
kelne andre als Vorſtellung der Thelle ſeyn, welche dle Zeit
ausm ichen. So wie wir uns zuſemmengeſetzte Theile der
Linie wieder als Anlen denken koͤnnen: eben fo koͤnnen wie
uns die Zeit als ein Ganzes vorſtellen, welches in zuſam—
mengeſetzte Theile zerlegt werden kann, wovon jede noch
elne Reyhe von Veranderungen in ſich ſaßt, und alſo wle—
det Zeit iſt, weil die reine Anſchauung, oder der vorge
ſtellte Begriff der Zelt nichts mehr in ſich ſaßt, als was
in jerer angetreffen wird. Ste haben alfo keinen Grund,
es zu behaupten, daß dle ganze Vorſtellung der Zelt fe
Thel
Thell
fonde
den k
ten a
Ste
ſchau
gewa
nicht
grade
ju m
des
Art
Trla
hätt:
ehe
une
Thellvorſtellung ſey, und daß fie nicht durch einen Begriff,
ſondern nur durch eine unmittelbare Anſchauung gegeben wer—
den koͤnne, naͤmlich eine ſolche, welche von dem vorgeftelk
ten allgemeinen Begriff der Zeit unterſchleden iſt. Setzen
Sie zu dieſem Unendlichkeit: fo haben Sle feine reine An—
ſchauung der Zeit mehr, ſondern Ihre Vernunſt hat es
gewagt, dieſen Begriff durch einen Charakter, welcher
nicht in der reinen Anſchauung der Zelt liegt, zu erweitern,
grade ſo wle unſte Vernunſt es bey andern hoͤhern Begriffen
zu machen pflegt. Ob aber dieſe Beſtimmung in Anſehung
des allgemeinen Begriffes von der Zeit nicht von eben der
Art fen, als wenn ich zum Begriff eines rechtwinkligten
Trlongels den Charakter der Gleichſeitigkelt hinzugefuͤget
hätte, dieß würde die Vernunft vorher unterſuchen müffen,
ehe fie die Richtigkeit dieſes zuſammengeſetzten Begriffes,
unendliche Zeit annehmen kann. Leben Sie wohl.
13. Brief.
Mein Herr,
In dieſer Ihrer Transſcendentaleroͤrterung berufen Sie ſich
auf Ne. 3., wo Sie dasjenige, was eigentlich transſeenden—
tal iſt, unter die Artikel der metaphyſiſchen Erörterung ge.
ſetzt haben wollen, und ich beruſe mich auf die Prüfungen,
welche ich darüber in meinem letzten Briefe angeſtellet habe.
In Ihren metaphyſiſchen Eroͤrterungen wollen Sie es zu
Grundſaͤtzen machen, daß die Zeit 1) kein emplriſcher, 2)
kein allgemeiner Begriff fen, und nun reden Sie wieder von
Zelt, als einem Begriff, und von Zeitbegriff. Allein iſt
Zeit ein Begriff: fo muß fie einer von beyden ſeyn. Iſt fie
hingegen feiner von beyi.a: fo kann fie auch überhaupt nicht
Begelff genannt werden. Wie laßt ſich in Ihrem Syſtem
dleſer Wider ſpruch heben?
ta Es
164
Es iſt elne Regel der Vernunſtlehre, in jeder phlloſo.
phlſchen Unterſuchung das Oblect, wovon gehandelt wird,
zuerſt fo gut als möglich iſt, zu erklaren. Dieſe Regel
kun Ihnen als einem Philoſophen, welcher uns in dieſer
neue Ausſichten eröffnen will, unmoͤglich unbekannt geblle,
ben ſeyn, und doch haben Sie dieſe weder in Ihren meta—
phyſiſthen, noch transſeendentaten Eroͤrterungen der Zeit
beſolget, mrrauf Sie dech nachher Ihr ganzes neues Ep.
ſtem der Ppiloſopdie erbau:n wollen. War vlelleicht dieß
die Ursache dieſer Vernachläſſigung, damit Sie nicht durch irs
gerd eine Erklärung von Zeit gezwungen würden, die reine
Auſchauung von ihr tür einen Begriff zu erkennen, in
weicem die Zeit allgemein angeſchavet würde? Haͤtten
Sie dewehng achtet einen andern Grund: fo würden Sie
den Weilweiſen, welche Ihr Syſtem prüfen wollen, eine
greſſe Erleichterung bey Ihrer Arbeit verſchaffen, wenn She
ihnen dieſen bekannt machten.
Ich will nun meine Aufmerkſamkelt auf dasjenige tich⸗
ten, was Sie bier noch zu jener metaphyſiſchen Erörterung
hinzuſuͤgen. Der Begriff von Veränderung und mit ihm
der Begriff der Bewegung als Veränderung des Ortes ſoll
nut durch und In der Zeitvorſtellung maͤglich ſeyn. Dleß
kann doch nichts anders heiſſen, als dieſes: wir koͤnnen uns
feinen Begriff von Veränderung oder Bewegung als Ver
änderung des Ortes machen, ohne den Begriff der Zelt
zum Gtunde zu legen, oder ohne elne Zeitvorftellung voraus-
zuſetzen. Allein jede Veränderung iſt noch nicht Zeit. Sie
wird es erſt, wenn fie ein ganzes iſt, welches elne Folge
don mehrern auf einander folgenden Veränderungen in ſich
faßt Es It alſo ausgemacht, daß nicht der Begriff jeder
einzelnen Veraͤnderung, wenn fie für ſich betrachtet wird,
nut durch und in der Zeltvorſtellung moͤglich iſt. Wir koͤnnen
die Veraͤnderung auch gleichſam als einen Punct in einer
Reyhe uns denken, worlnn vor ihr andre Veraͤnderungen
der.
NER RE eee
cee RERE
BEN
hergingen, und nach ihr andre folgen werden. Alsdann
denken wir uns die Veraͤnderung in Verhältniſſen, wel.
che eine entgegengeſetzte Richtung gegen fie haben. Dann
erseuget ſich in unſter Vorſtellung des Verſtandes der all.
gemeine Begriff der Zeit, weil dieſe uberhaupt nichts an—
ders als eine Reyhe mehrerer auf einander folgenden Ver—
nderungen iſt. Eben di⸗ſe Reyhe finden wir in der Bas
wegung oder in der Veraͤnderung der Derter. Allein alle
dieſe Veraͤnderungen feibit in einer ununterbroch nen Reyhe
find nicht mehr Zeit als eine Anchauung, fendern als Ge—
genſtaod derfeiben auſſer unſern Votſtellungen, werden als
Geaenſtand nicht erſt in und durch die Zeitvorſtellung moͤg—
ich, ſoadern ihre Moͤglichkeit bar einen ganz andern Grund.
Wenn wir fie uns denken: fo koͤnnen wir ſie uns nicht an«
ders, woferne unſte Vorſtellung der Sache entſotechen ſoll, als
eine Reyhe von Veranderungen auſſet uns vorſtellen. Warum
muß aber dieſe Vorſtellung, wie Sie es behaupten, durchaus
tine Anſchauung 2 priori ſenn? Soll dieß fo viel heiſſen, dleſe
Anſchauung iſt ein vor geſtellter algemeiner egriff der Zelt:
ſo koͤnnen wir ihn entweder aus einer individuellen Reyhe
von Veränderungen zuerſt ziehen, oder, wenn dieß ſchon
geſchehen Iſt, ihn wieder auf Diefe Reyhe anwenden, und
in dieſem Falle haͤtte ich nichts dagegen. Allein bieß it Ih-
re Meynung nicht. Die Zeit ſoll eine innre Anſchauung
1 priori d. I. auch in Anſehung ihres Ueſprunges von aller
Erfahrung unabhängig in unſrer Seele ſeyn. Dieß iſt fie
aber nicht, und ich habe es ſchon mehrmal bewieſen, daß
fie es in unſerm Gelſte nie werden kann; Sle hingegen find
uns den Beweis von dieſer Ihrer Behauptung noch ſchul⸗
dig, und werden ihn auch wohl immer ſchuldig bleiben.
Mit welchem Rechte koͤnnen Sie behonpren!, daß kein
Begriff der Zeit, welcher er auch fen, die Maͤglichkeit ei⸗
ner Veraͤnderung d. . einer Verbindurg contradictorlſch
entgegengeſetzter Prädicate ee das Sepn an einem Or⸗
3 te
165
te und das Nichtſeyn aben deſſelben Dinges an demſelben Orte)
in einem und demſelben Oblecte begreiflich machen l’önne?
Wäre dleß wirklich der Fall: fo koͤnnte uns dleſe Moͤglich.
kelt durch nichts begreiflich werden, weil Ihre fo genannte
Anſchauung a priori blos eine Erdichtung iſt, bey uns ſich
nle findet, noch finden kann. Melne Vernunft kann aus
dem allgemeinen Begriff dleſe Moͤglichkeit ſehr gut begrel—
fen. In der Bewegung eines Obiects iſt eine ununterbroch—
ne Folge von Veraͤnderungen der Oerter, welche es nach und
nach einnimmt. In jeder einzelnen Veraͤnderung iſt es nut
an elnem Orte, und mit jeder andern bat es auch einen
andern Ort eingenommen. Was in der Zeit als einer
Reyhe von Veränderungen die einzelnen Veraͤnderun—
gen find, das iſt in einer Bewegung der Ort, mel.
chen das Subiect einnimmt. So wle in jener Veraͤnde⸗
rung auf Veraͤnderung ſolgt: ſo ſolgt in der Bewe—
gung ein Ort nach dem andern, in welchen das Odiect
nach und nach dringet. So wie dieſes an einen Ort an—
kommt: ſo iſt es nicht mehr in einem andern, und wann
es einen andern einnimmt: fo iſt es nicht mehr in dem ers
ſten. Folglich das Seyn und Nichtſeyn deſſelben Dinges an
demſelben Ort folgt eben fo aus dem Begtiff der Bewegung,
wie vergangene, gegenwaͤrtige, kuͤnftige Zeit aus dem all.
gemeinen Begriff von ihr. Seyn und Nichtſeyn deſſelben
Oblectes an demſelben Ort iſt alſo nur in Anſehung des
Ausdruckes, nicht in Anſehung der Sache contradictoriſch,
weil hier von verſchledenen Zeiten die Rede iſt. Es koͤnnen
alſo contradictoriihe Beſtimmungen bey demſelben Oblecte
in Ruͤckſicht deſſelben Ortes in verſchledenen Zelten gedacht
werden, ohne daß ein wahrer Widerſpruch daraus erfolget.
Hleraus iſt alſo die Moͤglichkeit begreiflich, daß ein Obiect
an einem und demſelben Ort ſeyn und nicht ſeyn konne, oh⸗
ne daß dadurch der Widetſyruch geſetzt wird, daß daſſelbe
Ding zugleich an einem Octe iſt, und nicht iſt Wozu ſoll
uns hier die Zelt als eine reine Anſchauung a priori I
5
EWR 167
In meinem Beweiſe Ift nicht von Zelt als einer Anfchaus
ung, oder einem bloſſen Zeitbegriff, ſondern von ihr als
einem Obiecte meiner Vorſtellung auſſer derſelben die Rede.
Die Folgerung, welche Sie machen, bat alſo kelne
richtige Gründe für ſich. Sie wollen aus Ihren Voraus—
ſetzungen ſchlleſſen, daß alſo der Zeitbegriff die Möglichkeit
fo vieler ſynthetiſchen Erkenntniſſe a priori erkläre, als die
ollgemeine Bewegungslehre, die nicht wenig fruchtbar iſt,
darleget. Bedeutete bey Ihnen Zeitbegriff: ſo viel alt
der allgemelne Begriff von Zelt: fo wurden wir uns end.
ich einmal auf demſelben Wege antreffen. Halten Sie
aber die Zelt für welter nichts als für elne reine Anfchau«
ung: ſo ließ ſich blos daraus eine Veraͤnderung des Ortes
in Vorſtellungen und nicht auſſer denenſelben erklären.
Und doch iſt es uns in der allgemelnen Bewegungslehre
nicht um eine Bewegung blos in dem Zeitbegriff, ſondern
um die wirklichen Bewegungen der Obiecte auſſer unſerer
Votſtellung in einer obiectiven Zeit zu thun. Können Sie
dieſes in Abrede ſeyn? So ſehr lch hier auf Ihren Bey—
ſall rechne, mit fo vleler Achtung habe ich die Ehre zu
| fepn 0.
— em
14. Brief.
Mein Herr,
9 Es iſ ſehr Teiche voraus zu ſehen, daß ich In Anſehung
dier Schläſſe, welche Sie aus Ihren Begriffen ziehen wers
den, den Antipoden von Ihnen machen muß. Die Bübs
ne iſt nun einmal von mir betreten, und ich werde mich bes
muͤhen, meine Rolle fo weiter fort zu ſplelen, daß ich der
Achtung, welche ich Ihnen ſchuldis bin, eben fo wenig als
der Wahrhelt vergebe, a. ich wenigſtens or.
* e·
168
dieſen Prüfungen auf meiner Seite zu haben. Irre ich
mich la dleſem nicht: fe find Sie vielleicht durch ein zu
anhaͤnglickes Nachdenken über geometriſche Wahrheiten, bez
welchen immer der reine Begriff des Raumes zum Grunde
llegt, in Ihren Speculationen über die Grenzen der phlloſephi⸗
ſchen Wahrhelt hingetrleben, und wer wird Ihnen, als einem
phlloſophiſchen Kopie, dieß zur Unehre anrechnen? Sollte ich 2
mich aber geirrer haben: fo wor es Liebe zur Wahrheit,
welche mich antrieb, und Ich ſchmelchle mir wenigſtens hier,
inn mit dem Verfall des phlloſophiſchen Publleums, daß
weis
ich Ihnen zu einiger Berlchtigung und zur weitern Bu
ſtaͤttigung Ihres Syſtems Gelegenhelt gegeben habe. Nun 5
alſe zu Ihren Schluſfen aus den Begriffen der Zeit.
a) Sie behaupten, daß die Zelt nicht etwas fen, wel, 5
ches 1) für ſich ſelbſt beſtehe, oder 2) den Dingen als ob.
lective Beſtimmung onhaͤnge. Ihre erſte Behauptung un.“
terſchreibe ich ohne alles Bedenken, und das Clewicht des
Grundes, womlt Sle dleſe beſtättlgen, iſt zu fühlbar für E
jede aufgeklaͤrte Vernunſt, als daß ſie einen Augenblick an #
ſeiner Guͤltigkelt zweifeln konnte. Eine Zeit, welche für B
ſich beſtuͤnde, würde etwas ſeyn, welches ohne wirklichen!
Gegenſtand wirklich wäre, und es wäre Unſinn, dleß be
baupten zu wollen.
Allein was den zweyten Satz anbetrifft: fo glaube ich
es der Wahrheit ſchuldig zu fern, ihn zu leugnen, und
Ihr Beweis tür denſelben ſcheinet mir gar feine Staͤtke!
zu haben. Reden Sie hier von der Zeit als elner Au. Ä
ſchauung, als einem Zeitbegriff: fo kann dieſe vermoͤge ih.
rer eigenthuͤmlichen Form nie dle Form der oblectiven Zeit
werden, und ſolglich kann jene nicht den Dingen als obiec
tive Beſtimmung anhängen. Hlegegen wird keln Philoſoph
ſich aut Ihnen in einen Streit einlaſſen, und wenn Sie
nichts weiter jagen wollten: fo konnten Sie auf einen all
ge |
geme
gedaı
Vero
wor
unire
dleſer
Zelt
auffe:
als e.
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gehn
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Fall
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W eee ee dN TER eee
TE 169
gemeinen Beyfall rechnen, weil alle Weltwelſe ſtets eben fo
gedacht haben.
Allein es giebt auch eine ununterbrochne Folge von
Veraͤnderungen in den Dingen ſelbſt. Dieß iſt die Zelt,
worüber zwiſchen uns der Streit lſt. Dieſe iſt ein Oblect
unfrer Vorſtellung von der Zelt. Die Unmöglichkeit von
dieſer muͤſſen Ste beweiſen, wenn Sie bezaupten, doß dle
Zeit nicht als eine obiectlve Beſtimmung den Dingen ſelbſt
auſſer unſter Vorſtellung zukomme. Ste führen den Bes
weis für Ihren Satz auf folgende Art: die Zeit kann nicht
als eine den Dingen feibft anhaͤngende Beſtimmung oder
Ordnung vor den Gegenſtaͤnden als ihre Bedingung her—
gehn, und a priori durch ſynthetiſche Saͤtze erkannt und
angeſchauet werden. Sie kann alfo auch keine obiectlve
Beſtimmung von ihnen ſeyn. Was den erſten Theil Ih—
res Beweiſes anbetriſt: fo gebe ich ihm als einem Satz
meinen Beyſall, aber ols Beweis ſcheinet er gar nicht ges
braucht werden zu koͤnnen. Eine ununterbrochne Reyhe
von wirklichen Veraͤnderungen ſetzet Dinge voraus, in wel.
chen fie angetroffen werden kann. Wenn derglelchen Din—
ge nicht ſind, worinn dieſe Reyhe ſich findet: ſo ſind guch
ihre Beſtimmungen nicht; fo kann auch dle Zeit nicht eis
ne Beſtimmung von ihnen ſeyn. Alsdanr würde unſter »
Vorſtellung von Zeit kein Odiect entſprechen, und fie mis
re nichts als bloſſe Anſchauung von eirer Zeit, welche
nur in unſrer Vorſtellung ihr Daſeyn haͤtte. Wenn aber
die Dinge find, wenn bey ihnen eine folche Reyhe von
Veränderungen ſtatt hat: fo iſt die Zelt eine oblective Be.
ſtimmung von ihnen, welche frpn würde, wenn wir auch
gar keine Anſchauung von Zelt hätten. Dieß ſcheint der
Fall bey allen Vernunſtloſen Thleten zu ſeyn, und hatten
wir feine Sinnlichkeit: fo wurden mir auch von unſern ins
nern Veranderungen keine Vorſtellung haben. Wären wir
nicht mit Verſtand, Vernunft, nicht mit einer Erinne⸗
15 tungt ·
170 ee
rungsfrafe begabt: fo würde eine ſolche Reyhe von innen
Weränderungen, ſolchlich eine obiective Zeit, bey uns flat
haben, ohne daß wir ſählg wären, uns eine reine Anſchau,
ung von Zeit zu verſchaffen. Nun konnen wir dieſe ha.
ben, und mir wiſſen es aus elner innern Erfahrung, daß
die Zelt von uns ſelbſt eine obiective eſtimmung fen.
Sie ſetzen noch hinzu, die Zelt koͤnnte, wenn fie als
priori durch ſynthetiſche Satze erkannt und ange ſchauet wer.
den. Hler ſehe ich keinen Zuſammenhang zwiſchen Ihter
Vorausſetzung und der Folgerung, dle Sie daraus ziehen,
Was heißt dieß: dle Zeit koͤnnte nicht a priori angeſchautt
werden? Vtellelcht dieß: wir koͤnnten fie uns nicht in el.
nem ollgemeinen Begriff denken? Warum denn das nicht!?
Grade well fie eine obiective Beſtimmung von uns und an.
dern Dingen iſt: fo bilder unſer Verſland durch Hülfe finn |
licher Vorſtellungen von den innnern und aͤuſſern Veraͤn,
derungen den allgemeinen Begriff derſelben. Wir konnten
fie aber nicht durch ſynthetiſche Satze a priori erkennen,“
1 Beſcho!
und anfchourn. Wozu wäre denn dieß noͤthig? Die Zelt if
überdas kein Satz, ſondern auch fubiectiv gedacht, eine all
gemeine Vorſtellung, eine reine Anſchauung, ein Zelrbe 1
griff; oder wollen Sie viellelcht ſagen, wir koͤnnten in dem
geſetzten Fall die Zeit zu feinem Subiect in elnem allgemeis
nen Satz machen, und dazu eln Praͤdicat finden. War—
um nicht? Z. B. jede Woche beſteht aus ſieben Tagen; die
Zeiten verhalten ſich in einer gleichförmigen Bewegung,
und bey glelcher Geſchwinbigkelt zu einander, wie die Raͤu—
me, welche beſchrleben find. Dieſe Urthelle find nach hr
rer Sprache ſynthetlſche Saͤtze, gleich viel a priori, oder
pofteriori, deren allgemeine Gultigkeit nicht aus der Zelt
als Anſchauung a priori, ſondern aus allgemeinen Begriffen
bewleſen werden muß.
N
2 priori
gerung
Leine ſub
te: ſo
daß fie
elne oblective Beſtimmung den Dingen anhinge, nicht 2
tieß ert
Sinnes
und nac
des Na
lung be
ts denn
Beding
dern di
net, di
gegange
Reyhe,
von der
getroffe
ohngeg
lich ob
finden.
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innern
denken.
ehr al:
in tauf:
nen B
ſtaͤnde,
in ihne
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dutch d
a TE TRETEN RER TAT A TEE ER TEE
4
—
— wenn 171
Iſt dle Zelt nichts als die ſubtective Bedingung, uns
ter der alle Anſchauungen in uns ſtatt finden: ſo kann dieſe
orm der reinen Anſchauung vor den Gegenſtaͤnden, mithin
a priori von uns vorgeſtellet werden. Auch dieſe Ihre Fol
gerung würden Sie erſt beweiſen muͤſſen. Geſetzt daß fie
eine ſublective Bedingung unfrer innern Sinnlichkelt waͤ—
re: fo wurde ſich dabey doch nichts anders denken laſſen, als
daß fie dieſe Votſtellung von innern Veraͤnderungen nach
und nach in uns hervor braͤchte, oder wie Herr Reinhold
dieß erklaͤtet, daß die a priori beſtimmte Form des innern
Sinnes in der an der Receptivitaͤt beſtimmten Moͤglichkeit
des Nacheinanderſeyns des Mannigfaltigen in der Vorſtel—
lung beſtunde. Nun entſteht die Frage: woher wiſſen wir
is denn, daß unfre Receptivitaͤt des innern Sinnes dieſe
Bedingung, oder dieſe Form habe? Nicht a priori, fone
dern durch Beobachtung desjenigen, was ſich in uns ereig—
net, durch die Erinnerung an dasjenige, was ſchon vorher—
gegangen Iſt, durch Verbindung der Veränderungen zu einer
Reyhe, wodurch unſer Verſtand a poſteriori den Begriff
den der Zeit ſich macht, welche Receptlvltaͤt durch dle innre
Beſchoffenheit unfrer Natur und alſo a priori in uns an-
getroffen wird. Alles dieſes kann wahr ſeyn, und dem—
vhngeachtet kann ſich eine Reyhe von Veränderungen ſolg.
lich obiecrive Zeit bey den Dingen auſſer unfrer Vorſtellung
finden. Das erſte ſteht mit dem letzten durchaus In kel.
; nem Widerſpruch. Wir können uns auch diefe Form der
8 innern Anſchauung vor den Gegenſtaͤnden mithin a priori
denken. Hler heißt dieß nichts anders als ſich dieſe Form
f 1 ehr als die Gegenſtaͤnde vorſtellen. Auch dazu ſind wir
* —
in tauſend Fällen fähig, Wie koͤnnen uns den aflgemels
i nen Begriff der Zelt denken, ohne auf beſtimmte Gegen⸗
ſtände, und auf die beflimmte Folge der Veränderungen
in ihnen Ruͤckſicht zu nehmen. Dieſe Zeit iſt als eine ſol.
che blos Zeitbegriff, nicht die Zeit obiecrive ſelbſt. Allein
durch diefe meine Vorſtellung, welche ich überhaupt von Zelt,
als
171 eee eee,
ktrochne 9
die Zeit e
fepn kaun
Rente ve
2 gea nod,
woͤgen ſie
b) Die Zeit ſoll nichts anders als die Form des k. in feinen
nern Sinnes, d. l. des Anſchauens unſter ſelbſt, und un.!
als elnem Begriff habe, bleibt die Zeit auffer meinen Bar,
ſtellungen, was fie iſt, nämlich oblective Beſtimmung, wel
che den Dingen ſeibſt anhänger. In meiner Anfchauun
iſt fie nichts als Vorſtellung, nicht Beſtimmung der Ge.
genftände auſſer Ihr. |
ſers innern Zuftandes ſeyn. Hier verwirten Sie offenber Sie
den innern Sinn ſelbſt mit dem Anſchauen unſets innern Ju daß die,
ſtandes. Innter Sinn iſt kein Anſchauen, ſondern dle kenne.
unſte Fahigkeit, Anſchauung zu erhalter. Uebrigens ent, doch für
ſteht die Frage: Wie iſt die Zeit dieſe Form? Sie kanns muͤſſen,
doch nur ſeyn entweder als Zeitvorſtellung, oder als Obien et Ihres
derſelben, und In beyden Fällen iſt es undenkbar, daß fir Aleln au
die Form des innern Sinnes ſeyn ſollte. Die Form den daß Sie
innern Sinnes kann richts anders als die Beſchaffenheit dn ellte fie |
Receptivität bedeuten, welche der innre Sinn hat, und die.] ben fönnı
fe iſt an ſich nicht Wirkung, ſondern bloſſes Vermögen, al, fände fel
fo nicht Zeitbegriff, nicht Anſchauung ſelbſt. Der innre Sinn at, in m
kann auch nur Vorſtellungen von einer Innern Veraͤnde. ben, folo
rung, welche uns gegenwärtig iſt, nicht aber von einer Rid. eigenthür
be der Veränderungen, dle aut einander nach und nach u. können.
folgen, in uns erregen. Eine Vorſtellung von dieſer iſt] dacht: fi
das Werk unſers Verſtandes duch Hülfe unfrer Erlnne. ſchelnuns
rungskraſt. Freylich folgen die finnlichen Vorſtellungen dis re ununt
innern Sinnes von den innern Veränderungen fo auf elnandet, daß dieſe
wie dieſe ſelbſt, und dieſe Folge iſt nicht mehr ſubiectlde rigne Ei
ſondern oblectlve Zeit, eine Menge von Succe'ſionen in uns. Blicke u
Sie iſt von der Anſchauung der Zeit ihrer elgenthuͤmlichen rungen!
Form nach weſentlich unterſchieden. Unmittelbare Vorſtellun. de der ke.
gen des innern Sinns find nle an ſich Anſchauungen det Bunter de.
Zeit, ſondern Anſchauungen von der Wirkſamkeit unſtet J Gemüth,
. Hählgkeiten, unſter angebohrnen Grundregeln des Denkens jerm de
und Wollens, und in allen dieſen iſt dle Zeit als eine ununter en dle
brech.
U brechne Reyhe von Veränderungen ausgeſchloſſen. Da nun
I die Zeit als Zeitbegtiff nicht die Form des innern Sinnes
dien kann: fo wird fie als Obiect der Zeitvorſtellung, als
Niobe von wirklich erfolgenden Veranderungen in den Din.
gta noch weit wentger dafur gehalten werden können. Sie
bvaoͤgen fie) alſo die Zeit denken, wie Sie wellen: fo iſt fie
3 in feinem Fall die Form des innern Sinnes.
j Sie ſetzen als einen eweis Ihrer Behauptung hinzu,
a RER
dh die Zeit keine Beſtimmung aͤuſſerer Erſchelnungen ſeyn
biene. Wäre dieß auch nicht moglich: fo wurden wir fie
tech für eine Beſtimmung unfers innern Zuſtandes halten
müſſen, wie ich ſchon gezeiget habe, und dann wurde dies
et Ihe Satz als ein Beweis alle feine Stärke verliehten.
nA
Allein auch als Sog hat er keine Güitigfeit, es ſey denn,
ef Sie ſich die Zeit bien als Zeitbegriff denken. Warum
ute fie ſonſt keine Beſtimmuns aͤuſſeret Erſcheinungen wer⸗
en konnen? Diele bedeuten entweder die äufferen Gegen—
a Rande ſelbſt, oder wie Herr Pref. Reinhold ſie erklaͤrt, ſol—
5 4 et, In wie ferne fie unter dem a priori im Gemuͤthe beſtimm⸗
en, ſolglich dem Gemuͤthe, und nicht den Dingen an ſich
0 j eigenthünslihen Formen der Anſchauung vorgeſtellet werden
kennen. Wird eine aͤuſſere Erſcheinung auf die erſte Art ge.
the: fo iſt die Zeit eine obiective Beſtünmmung diefer Er⸗
—
gelnung, oder dleſes Gegenſtondes, wenn ſich in ihm eis
i re ununterbrochne Reyhe von Veränderungen befindet; und
U do dieſe in den Dingen ſelbſt ſeyn kann, lehret uns unfre
——
diane Erfahrung, wenn wir auf unſern innern Zuſtand dle
Blicke unfrer Vernunft hinwerſen. Sollen aͤuſſere Erſchel.
1 kungen nach der Reinholdiſchen Erklarung Gegenſtän.
de der empiriſchen Anſchauung ſeyn, in wie ferne ſie nur
unter dem a priori im Gemuͤthe baſtimmten, folglich dem
Hemuͤthe, und nicht den Dingen an ſich eigenthümlichen
Jerm der Anſchauung vorgeſtellet werden koͤnnen: fo müf
eu dle Gegenſtaͤnde von der Art ſeyn, daß fie durch die en
174 FFF g
Gemuͤthe elgenthuͤmliche Form der Anſchauung vorgeſtelle
werden konnen, oder das Gemuͤth muß dle Receptivität ha,
ben, von ihnen affielrt zu werden. Die Anſchauungen der.
ſelben haben nicht elne den Gegenſtaͤnden elgenthuͤmliche
Form, well fie ſonſt die Anſchauungen ſelbſt ſeyn mußten,
ſendern die Vorſtellungen von ihnen koͤnnen nicht anders
beſchaffen ſeyn, als fie nach der Form unſter Receptlvitat
möglich find. Wir haben aber eine Receptivitaͤt der Sinn.
lichkeic, welcher die Veraͤnderungen eines Gegenſtandes den
Stoff zu Votſtellungen von ihnen darreichen koͤnnen. Die
Vorſtellungen erfolgen in uns eben fo auf einander, wie die
aͤuſſern Veraͤnderungen dazu den Stoff darbieten, und un
fer Verſtand kann ſich dle Folgen in den Vorſtellungen folg
lich auch in den Veranderungen aͤuſſerer Gegenſtaͤnde, und
alſo die Zeit als eine obiective Beſtimmung derſelben den.
ken. Verſtehe ich alſo auch durch aͤuſſere Erſcheinungen die
Votſtellungen von ihnen nach der Receptioitat oder Form
unſter Sinnllchkelt: fo wird dle Zeit als oblect'de Beſtim.
mung nicht von ihnen ausgeſchloſſen.
Die Zelt iſt allerdings kelne Gent, feine Lage; kelnt
Geſtalt, weil nur geräumige Dinge diefe haben konnen, kel
ne Lage, weil dieſe durch die Verhaͤltniſſe beſtimmt wirt,
welche die Dinge in Anſehung der Derter gegen einander
heben. Die Zeit beſtlmmt aber nicht blos das Verhaͤltniß
der Vorſtellungen in unſerm innern Zuſtand, ſondern auch
den Zuſtand der Gegenſtande ſelbſt in Betracht der Der
änderungen, welche bey ihnen auf einander erfolgen. In
unfrer seinen Anſchauung der Zelt, welche Sie eine inner
liche nennen, liegt keine Vorſtellung von Geſtalt. Grade
deswegen ſollen wir nach Ihrer Meynung, um dieſen Man,
gel der Analogie zu erſetzen, dle Zeitfolge durch elne ins
unendliche ſortgehende Linie uns vorſtellen, in welcher det
Mannlafaltige eine Reyhe ausmacht, welche nur von eine
Dlmcuſica If, und aus den Eigenschaften dieſer Linie solle
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jeder ze.
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geben.
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175
vlt auf alle Elgenſchaften der Zeit, auſſer der einigen ſchlleſ⸗
een, daß die Theile der erſten zugleich, die der letzten aber
jederzeit nach der andern find. Das erſte thun nun wohl
dle wenlaſten Menſchen, und wenn wir uns die Zeit auch
io vorſtellen: fo geſchleht dieß blos, um unſerm Begriff von
der Zelt durch Huͤlſe der Im gination eine groͤſſce Klarheit zu
geben. Auch ſelbſt in dleſer Erdichtung wird die Zeit nicht
als Form der Anſchauung, nicht als Anſchauung ſelbſt, fone
dern als eine obiective Linie vorgeſtellt, deren einfache Thelle
die einzelnen Neraͤnderungen find. Als eine wahre unend—
ſche Ante kann ich mir doch die Zeit nicht denken, keln
Menſchenverſtand fähig it, ſich von einer ſolchen Unie ei—
ne Anſchauung in machen. Uneedlichkelt elner Anke heiße
in der Geomettie nichts anders, als dieſes: an beyde Ens
den kann ſtets noch was bhinzugedocht werden, man mag
fie fo groß annehmen, wie man will. Wir denken uns ale
ſo hier eine unbeſtimmte Anie in Anſehung des Anfanges
und des Endes. Eine ſolche iſt blos ein Begriff, deſſen
Oblect aber ers auſſer ihm gedacht wird. Jede wirkliche
nie iſt beſtimmt, hat alfo Anfang und Ende. Und wenn
es auch eine unendliche Linie von der Art geben koͤnnte: fo
wurde fie eben ſo wenig mehr eine bloſſe Anſchauung ſeyn,
als die Zeit es ſeyn koͤnnte, wenn fie dleſe Beſtimmung
bätte. Sie wäre dann eine Reyhe von wirklich auf einan—
der folgenden Veranderungen, welche vorwaͤrts in Anſehung
den verfloßnen Zeit keinen Anfang, aber mit der gegen—
waͤrtigen Veränderung immer ihr Ende hätte, obgleich neue
Veränderungen der Zukunft fie verlängern koͤnnten. Selbſt
1 diefes Bild von Zeit zerſtoͤret die Vorſtellung von ihr, wie
is aus Ihren elgnen Bemerkungen jedem einleuchten muß.
In der Linie find die Thelle zugleich, in dieſer iſt jederzelt nur
un Theil da, und das Mannigfaltige foiget nach einander.
In beyden erblicken wir Groͤſſen von ganz verſchledener Art.
Die Anſchonung der Linie hebt die Anſchauung der Zeit auf,
fo wie Raum nicht Zelt, und Zelt nicht Raum fepn ine
| %
—
176 | eee acer
Ich geſtehe es übrigens gerne, daß die Vorſteflung der
Zeit eine Anſchauung ſey, aber nicht deswegen well alle ö
ihre Verhaͤltniſſe an elner aͤuſſern Anſchauung der finde ſich
eusdrücen laſſen. Denn dieß iſt nicht der Fall, well dle
Anſchauung der Linle dle Anſchauung der Zelt aufhebt. Al
fein dieß leugne ich, daß Sie bewleſen haben, dle Zelt fen
in jeder Bedeutung nichts anders als die Form des Innern f
Sinnes.
c) Mlt welchem Grunde nennen Ele itzt dle Zelt es
ne ſormale Bedingung a priori aller Erſchelnungen über
haupt? Hler laſſen Sle uns die Zeit eben ſo als elnen neuen
Proteus, wle vorher den Raum, auftreten. Vald erſchei.
net fie uns als eine nothwendige Vorſtellung, welche allen
Eeſcheinungen zum Grunde lleget, bald als reine Form der
ſinnlichen Anſchauung, bald als Form des innern Sinnes, 5
und nun als formale Bedingung a priori aller Erſcheinun⸗
gen. Was Sie alles aus der Zeit zu machen wiſſen! Und
im Grunde It fie nichts von allen dieſen. Ste iſt weder
als Zeitbegriff, noch als oblective Zelt eine formale Bedin⸗
gung a priori von allen Erſchelnungen. Denn was bedeu.
tet in Ihrem Enftein dieſe formale Bedingung? So
viel ich elnſehe: fo kann dieſe ſormale Bedingung nichts
anders als die weſentliche Beſtimmung unſter Sinnlich—
keit anzelgen, vermoͤge welcher wer nicht anders als in ei.
ner Reyhe von Veränderungen uns die Gegenſtaͤnde, wel.
che uns erſchtinen, denken und empitiſche Anſchauungen
von ihnen haben koͤnnen. Dieſe Beſtimmung unſrer Sinr⸗
lichkeit iſt aber weder Zeit als Zeitbegrlff, als reine An.
ſchuuung der Zelt, noch ſelbſt die ununterbrochre Rehe
von Innern oder aͤuſſern Veränderungen, als obiectide Zeit,
ob gleich dieſe bey allen unſern Erſchelnungen als Vorſtel.
lungen, welche auf einander felgen, votrausgeſetzt wird. Al⸗
lein dieß gilt nur in Anſehung ſolcher Geiſter wie wie ſind,
oder ſolcher, welche wegen ihrer weſentlichen Elnſchraͤnkun⸗
gen
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gen nice alles mit elnmal anſchauen innen, ſondern
nach und nach Vorſtellungen erhalten, ſo wie innre und
äuffere Gegenſtande in einer Zeltfolge den Stoff zu Vor
ſtellungen von ihnen der Sinnlichkeit darbieten.
Der Raum iſt nicht blos Ferm aller aͤuſſeren Anfchaue
ungen, nicht Bedingung a priori blos auf äuffere Erſchei.
nungen eingeſchraͤnkt. Oh Sie gleich hier das Gegentheil wire
der behaupten: fo darf ich hier nicht aufs neue dieſen
Sotz widerlegen, well Sie ihn durch keine neue Grunde
beſtaͤttigen. Alle Vorſtellungen, fie magen aͤuſſere Dinge
zum Gegenſtand haben, oder nicht, gehören an ſich ſelbſt
als Beſtimmungen unfers Gemuͤthes zu unferm Innern Zu
ſtand, und dieſen rechnen Sie zur formalen Bedingung uns
ſter innern Anſchauung. Allein die gehoͤret er denn dazu?
Doch nicht anders als ſo, daß wir keine innerliche Anſchau—
ung haben koͤnnten, wenn dieſer Zuſtand nicht durch une
re innre Veraͤnderung, woraus er beſteht, unſter innern
Sinnlichkelt den Stoff zu Anſchavungen darteichte. Wenn
dieſer unſer innrer Zuſtand eine Reyhe von Veraͤnderun⸗
gen In unſerm Gemuͤthe in ſich faßt: fo findet ſich in ihm
Zeit, nicht als Anſchauung, ſondern als obtective Beſtim—
mung von uns, als Gegenſtand der Anſchauung von Zeit,
und dieſe ſelbſt, wenn ſie in unſerm Gemüthe da iſt, kann
nkht als ein Geſchoͤpf unſers Innern Sinnes ſondern muß
als ein Werk unſers Verftandes angeſehen werden.
Ich verſtehe es nicht, wle Sie a priori ſagen koͤn⸗
nen, alle aͤuſſere Anſchauungen ſind im Raum, und nach
dem Verhältniß des Raumes a priori beſtimmt. Die
it ein Ausdruck, deſſen Sie ſich noch nie bediener haben,
und den ich gar nicht zu erflären weite Aile äuffere Er⸗
ſchelnungen ſollen in einem Raum ſeyn? Wie? Stwa
als Dinge an ſich, die uns erſcheinen? So waͤre der Raum
eine oblective Beſtimmung der R und wenn Sie wol«
len
178
len auch a priori, d. h. eh“ wir fie uns denken. Sollen
fie etwa als Vorſtellungen von den Gegenſtanden in einem
Raum ſeyn? Dieß iſt undenkbar, weil eine geraͤumige
Morftelung, welche ſelbſt Raum In ſich ſchlieſſet, in un.
ſerm Gemuͤthe nicht ohne Widerſpruch gedacht werden kann.
In dieſen Vorſtellungen, wozu die äuffern Gegenflänte |
unfeer Sinnlichkelt den Stoff darreichten, findet ſich eine
empieiſche Anſchauung des Raums. Dieß iſt ausgemacht
wahr. Soll fie reine Anſchauung von ihm oder ein allge.
meiner Begriff werden: fo hört das Gebiet der Sinnlich—
keit auf. Unſer Verſtand allein kann uns zu diefer An.!
ſchauung verhelſen.
Eie wollen aus dem Princlp des Innern Sinnes allge.
mein agen konnen: alle Erſcheinungen überhaupt, d i.
olle Gegenſtaͤnde der Sinne find in der Zelt, und ſtehen
rorbwerdiger Welſe in Verhältniffen der Zeit. Dieß kann!
aber nicht aus dem Princip des innern Sinnes folgen, 5
weil er als bloſſer Sinn uns kelne Vorſtellung von Zeit
verſchaffen kann. Daraus folget es, weil die Gegenſtaͤnde
durch ihre Veränderungen fo, wle fie folgen, den Steff zu |
einer Rephe von empirifchen Anſchauungen unſerm Gemu- #
the darreichen, wir durch Huͤlſe der Remlniſcenz und des
Merſlandes bey uns eine Auſchauung von Liefer Reyhe er-
regen, und ſolglich dle Zeit denken, welche als Nerbe
von elnander folgenden Veraͤnderungen, und alſo als!
obiective Zelt ſich bey den Gegenſtaͤnden finden wuͤrde,
wenn wir auch gar keine Anſchauung von Ihr haͤtten, oder!
baben koͤnnten. Diefe kann alſo auf keine Art blos formale
Bedingung a priori von allen Erſcheinungen ſeyn, dle wit
haben. Sie ſind vielmehr als Gegenſtaͤnde der Sinne fo in ;
der Zelt, ſtehen fo in Verhaͤltniſſen der Zeit, daß dle Zeit!
ſelbſt elne oblective Beſtimmung von ihnen iſt, welche
ſeyn wurde, wenn auch kelner fie anſchaute, keiner fie ſich!
daͤchte. a
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blos
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wir a
nicht
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uns
überh
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folgen
tiglel
Diefes, was ich aus hinreichenden Grunden behauptet
zu haben glaube, ſtehet in einem offenbaren Widerſpruch
mit demjenigen, was Sie hinzuſetzen. Wenn wir von un—
ſrer Art uns ſelbſt innerlich anzuſchauen, und vermittelſt
dieſer Anſchauung auch alle aͤuſſere Anſchauungen in der
Vorſtellungskraft zu befaſſen, abſtrahiren, und mithin die
Gegenſtaͤnde nehmen, ſo wie ſie an ſich ſelbſt ſeyn moͤgen:
fo iſt die Zelt — Nichts. Allein in dieſem bedingten Urthei.
le ſteht der Nachſatz mit dem Vorderſatze in keiner Caufale
verbindung, wenn Sle nicht etwa unter Zeit, blos Zeitbegriff,
blos Anſchauung der Zeit denken. Dieſe Zeit kann auſſer dem
denkenden Subleet nicht ſeyn, weil fie blos innre Beſtimmung
von ihm, nicht aber oblective Beſtimmung von den Gegen—
ſtänden ſelbſt iſt, bey welchen eine ununterbrochne Reyhe von
Veraͤnderungen, oder eine obiective Zelt ſich findet, eben
fo wenig als dieſe Reyhe In den Dingen ein Zeicbegrlff, eine
Anſchauung von Zeit ſeyn kann. Wir konnten auch wohl
behaupten, daß die obiective Zeit nicht vorſtellbar fen, wie
Herr Reinhold die Dinge an ſich für unvorſtellbar erkla.
tet. Dieß wuͤrde aber nichts mehr heiſſen, als daß die
Dinge an ſich nie Vorſtellungen werden koͤnnen, oder daß
ihre eigenthuͤmliche Form ſich weſentlich von der Form jeder
Vorſtellung unterſcheide. Hieran hat, fo viel ich weis, noch
kein Philoſoph gezweiſelt.
Die Zeit ſoll nur oblective Gültigkeit in Anſehung der
Erſchelnungen haben, weil dieſe ſchon Dinge ſind, welche
wir als Gegenſtaͤnde unſter Sinne annehmen, aber ſie ſoll
nicht mehr obiectiv ſeyn, wenn man von der Sinnlichkeit un.
ſter Anfdauung, mithin derjenigen Vorſtellungsart, welche
uns eigenthuͤmlich iſt, abſtrahlret, und don den Dingen
überhaupt redet. Ich will dieſen Ihren Saß zergliedern,
um die Unguͤltigkelt deſſelben vor Augen zu legen. Er faßt
folgende Säge in ſich: 1) dle Zeit hat eine obiective Guͤl—
tigfeit in Anſehung der Erſcheinungen; 1) Erſcheinungen
Mi find
ı80
find Dinge, welche wir als Gegenſtaͤnde unfrer Sinne an;
nehmen, 3) dle Zeit hat keine oblectide Gultigkeit, wenn
wir von der Sinnlichkeit unſeer Anſchauung abſtrahlren, und
von den Dingen überhaupt reben. Nun will ich dieſe Saͤt—
ze und ihren Zuſammenhang prüfen. Die Zeit hat elne
oblective Gultigkeit in Anſehung der Erſcheinungen, als fol.
cher Dinge, welche wir als Gegenſtaͤnde unſcer Sinnen ars
nehmen. Hier iſt von Dingen die Rede, welche ſelbſt Ges
genitände unfter Sianen, ſolglich nlcht ſelbſt unſce Sinnen,
nicht ſinuliche Vorſtellungen, ſondern Obiecte derſelben find.
Hat die Zeit in Anſehung derſelben eine oblective Gülilg—
kett: jo iſt ſie eine eigenthümliche Bestimmung der Dinge
ſelbſt, wit mögen von Ihr eine Anſchauung haben oder nicht.
Sie würde ihte obiective Gultigkeit behalten, wenn wir auch
von aller Sinnlichkeit unfrer Anſchauungen mithin von Ders
jenigen Vorſtellungsort abtirafirten, welche uns elgenthüm—
lich iſt. Dieß find Folgerungen, welche mit hinreichendem
Geunde aus den beyden erfien Gliedern Ihres zuſammenge—
ſetzten Satzes gezogen werden koͤnnen. Sie ſind aber gra.
de dem letzten Gliede deſſelben entgegengeſetzt, es waͤre denn,
daß Sie die Bedeutung der Zeit änderten, und hier dat,
unter blos den Zeitbegriff, die reine Anſchauung derſelben
dachten. In dleſem Falle koͤnnten wir ber Zeit in Anſehung der
Erſcheinungen als Dinge, welche Gegenſtände unjrer Eins
ne ſind, eine obiectise Gultigkeit abſprecken, weil in ihnen
die Zeit als Zeitbegriff Nichts iſt. Allein dadurch wird
nicht geleugnet, daß die Zeit als ſubiective Beſtimmung voa
ihnen etwas fen, und daß fie alſo in diefer Bedeutung auch
auffer unfern Vortieliungen eine obleetive Gültigkeit bey den
Dingen ſeldſt habe.
Sie konnen alſo bie Zeit nicht lediglich für eine ſub⸗
leetive Bedingung unſter Anſchauung halten. Dleß iſt fie
weder als Zeubenriff, noch als obiective Zeit. Ich leug—
ae nicht, daß es in Betracht unfrer Anſchauungen, fie mis
gen
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zen von elner Art ſeyn, von welcher fie wollen, mit
Recht als eine ſubiectise Bedingung angeſehen werden
kann, daß ſie bey uns nicht anders als nach und nach, und
alſo in einer Zeitſolge ſtatt haben konnen. Ich ſehe aher
hievon keinen Grund, daß jede Anſchauung, welche wir has
ben, eine ſinnliche ſeyn muß. Wir hoben auch Anſchau—
ungen von Tugend, Werspeit, und andern allgemeinen Dis
iecten, und dieſe find doch eigentlich keine Anſchauungen
unſter Sinnlichkeit, ſondern unſers Verſtandes, und un-
frer Vernunft.
Es wird von Ihnen noch einmal g⸗ſagt, daß in Ans
ſehung aller Erſcheinung mithin auch aller Dinge, welche
uns in der Erſohrung verkemmen, die Zeit nothwendi—
ger Weiſe obtectio fen. Iſt ſie nun dieſes; fo iſt ſte auch
tine obiective Beſtimmung von den Dingen ſelbſt. Ob ſie
es aber ben allen Dingen fern muß: dieß (ft eine Aufgabe
der Vernunft. Die Frage waͤre dieſe: ſindet ſich bey jed m
Gegenſtande, welcher unterm äuſſern Stun den Stoff zur
Vorſtellung von ſich darreichen kann, eine ununterbrochne
ende von Veränderungen? Ulm biste zu beantworten din
fen wir uns nicht auf Form unſrer Sinalichteit beruſen.
Denn von dieſer kann die Zeit als ebiective Beſtimmung
der Dinge ſelbſt nicht abhängen, ſendern wir muͤſſen uns
ondre Quellen zu eröffnen ſuchen, werass wir Gruͤnde zur
Entſcheldung dieſer Frage ſchoͤpfen. Eben deswegen behaup—
de ich auch, daß wir nicht ſagen können: alle Dinge find
in der Zeit. Sie wollen es nicht betaupten kennen, weil
bey dem Begriß der Dinge überhaupt von ober Art der
Anſchauung derſelben adſtrahirt wird. Hier febe ich keinen
Grund, warum deswegen die Dinge nicht in der Zeit fenn
nnten. Denn wir mögen von der Art unfrer Anſchauung
abſtrahlren oder nicht: fo kann dieſt keinen Einfluß auf die
Zeit als Reyhe von Veränderungen in den Dingen oder
als obiective Beſtimmung der Dinge haben, worinn fie
M 3 ange.
183 ERITREA
angetroffen wird. Nicht die Art der Anſchauung iſt dle eis
gentliche Bedingung, unter welcher die Zeit in die Vorſtel.
lung der Gegenſtande gehoͤret, ſondern die Reyhe der Ver.
änderungen in den Gegenſtaͤnden iſt es, welche den Stoff
zu Vorſtellungen von ihnen nach und nach unfern Ein
nen Darbieren, Hier finden wir die wahre Bedingung, un
ter welcher die Zeit in die Vorſtellung dieſer Gegenſtaͤnde
gehoͤrt.
Alle Dinge als Erſchelnungen (Gegenſtaͤnde ber äuf.
ſerlichen Anſchauung) ſollen nach Ihrer Behauptung in der
Zeit ſeyn. Wie denken Ste ſich aber dieſe Dinge? Eu
wa als Dinge auſſer unſren Vorſtellungen, als Dirge
an ſich? So hätte ich dagegen nichts, wenn Sie von ſol.
chen Dingen reden, wobey ſich eine Reyhe von Veraͤnde⸗
rungen als obiective Zeit findet. Denken Sie ſich dieſe
aber nicht als Dinge für ſich, ſondern als bloſſe Erfcei.
nungen, als Vorſtellungen von ihnen: fo geht die oblee—
tive Gultigkeit, welche Sie annehmen, nicht mehr auf die
Dinge ſelbſt, fondern blos auf unfre Vorſtellungen. Als:
dann waͤre die Zeit blos In der Anſchauung, und ihre ob.
dectlve Guͤltigkeit würde nichts weiter als eigentlich eine
fubtective ſeyn. Site nennen dieß einen Grundſatz, der feis
ne gute obiective Richtigkelt und Allgemelnhelt a priori
hat, und ich vermiſſe beyde bey ihm, die gute Richtig.
keit, well die Zett als oblective Beſtimmung der Dinge
an ſich durchaus darinn geleugnet wird, die Allgemein—
belt, weil er nur unter der Einſchraͤnkung wahr iſt, wenn
in ihm dle Zele bloe Zeltbegriff oder Anſchauung der Zeit
bedeutet.
Sie lehren zwar eine emplriſche Realltaͤt der Zeit, In
Anſehung der Gegenſtaͤude, die jemals unſern Sinnen ge
geben werden koͤnnen, leu znen aber die abſolute Realltät
derſelben, daß die Zelt nämlich ohne Ruͤckſcht 15 die
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Form
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ich gl
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werde
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ungen
vorſtel
rung
gung,
und a
auſſer
ung n
weder
ſchauu
aber r
Form unfrer ſinnlichen Anſchauung den Dingen als Bes
dingung, oder oblective Beſtimmung ſelbſt anhänge, und
ich glaube es hinreichend bewieſen zu haben, daß dieſe Ihre
lezte Behauptung der Wahrheit widerſpricht. Eben fo mes
nig kann ich Ihnen ohne Einſchraͤnkung beypflichten, wenn
Sie annehmen, daß ſolche Eigenſchaften, welche den Din—
gen ſelbſt zukommen, uns durch dle Sinne nicht gegeben
werden können. Wollten Sie nur dieß damit ſagen, dei
dieſe Eigenſchaften als obiective Beſtimmungen der Dinge
Runs nicht in eigentlicher Bedeutung des Wortes durch die
Sinne gegeben werden koͤnnen: ſo wuͤrde kein Mann von
gerundem Verſtande Ihnen hlerinn widerſprechen. Allein
dieß kann Ihre Meynung hier nicht ſeyn. Ste wollen
es uns lehren, daß uns die Eigenſchaften, welche den Dins
gen ſelbſt zukommen, nicht durch die Sinne konnen bekannt
werden. Hiegegen zeuget aber die Erfahrung. Wann
Sie in einem Naturaliencabinet die ſchoͤnſten Werke der
Natur, dle Mannigfaltigkeie der Arten und der einzelnen
Producte gewahr werden, ſich die Charaktere vorſtellen,
woran Sie dieſe erkennen, und von andern unterſchelden:
„ ſind denn dieſe nicht Eigenſchaſten der Dinge ſelbſt? und
wodurch erkennet Ihr Verſtand fie anders als durch Huͤlſe
des Geſichtsſinnes? In allen dleſen empiriſchen Anſchau—
ungen ſelbſt von den Gegenftänden liegt Nichts von Zeit—
vorſtellung. Die Dinge werden Ihnen durch dle Erfah—
rung bekannt, und gehören als folche nicht unter die Zeitbedin⸗
gung, obgleich unfre Vorſtellungen von ihnen nach und nach
und alſo in einer oblecttven Zeit bey uns erfolgen.
Ihre transſcendentale Idealitat der Zeit kann frenlich
auſſer der ſubiectiven Bedingung der finnlichen Anſchau—
ung nichts ſeyn. Sie kann den Gegenſtänden an ſich ſelbſt
weder Inhäriren, noch fuhfiftiren, weil fie] blos Ihrer Ans
ſchauung anhaͤngt. Diefe Ihre Idealitat der Zeit kann
aber nicht die Urſache davon werden, daß die Zeit keine
M = oblec⸗
184
obieerive Realltaͤt In den Dingen ſelbſt hat, worlnn fig
eir- Neyhe von Veranderungen findet, wir mögen übri.
gens uns dieſe vorſtellen, oder nicht. Wenn Sie uns nur
dieſes zugeben, was doch durchaus nicht mit Grund geleugs
net werden kann: fo mogen Ele mit Ihrer transſcenden.
tolen Idealltat der Zeit machen, was Sle wollen. Tu
gegen hat nichts Ihr egebeufler c.
15. Brief.
Mein Herr,
Ich wundre mich nicht daruber, daß Sle von elnſehenden
Männern fo einſtimmig eiren Einwurf gegen Ihre Theo»
rie vernommen haben, in welcher Sie der Zeit emplriſche
Reolltat zudeſtehen, aber ihre abſolute beſtreiten. Dleß
geht ſteylich ſehr natürlich zu. Sie würden Ihnen keinen
Einwurf gemocht haben, wenn Sie blos von der Zelt, oder
von ihr als Form der innern Anſchauung, oder von Ihr
als We ſtellung tedeten. Dieſe iſt blos fublective Beſtim—
mung eines denkenden Weſens, und kann auſſer dleſen
keine abſolute Realltaͤt haben. Sie wollen aber auſſer di
fer keine andre Zeit als elne ununterbrochne Folge von
Veränderungen der Dluge an ſich, oder als obieetive Zeit
zulaffen. Deren Realität beftreiien Ele, und dagegen ma:
chen dle Einſichtsvollen Philoſophen Einwendungen. Dleß
iſt aber auch dasjenige, was natürlicher Weiſe Ihrem nach—
denkenden Leſer beſtemdend vorkoͤmmt. Den Beweis, wel—
chen ſie Ihnen entgegenſetzen, wollen Sie ganz zugeben.
Nun fo haben dieſe Männer gegen Sle gewonnen Spiel,
Sie mögen übrigens fagen, was Sie wollen. Das Argu⸗
ment wäre dieſes: der Wechſel unſter elgnen Vorſtellun—
gen, wenn man gleich alle aͤuſſere Erſchtinungen ſammt de—
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zen Veraͤnderungen leugnen wollte, bewelſen daß Veraͤnde—
rungen, ich würde ſagen, eine ununterbrochne Reyhe von
ihnen ſich bey uns finde. Dleſe iſt obiective Zeit, ſolg—
lich niche mehr blos Form der innern Anſchauung, ſondern
auch auſſer dieſer da, wenn wir auch keine innre Anſchau—
ung von ihr hätten. DIE iſt der eigentliche Beweis für
die oblective Realität der Zeit, und ich dachte, daß es für
Sie nicht blos Schwierigkeit haben werde, hierauf zu ant.
worten, ſondern daß Sie auch die Staͤrke des Arguments
nicht ſchwächen koͤnnen. Wir wollen alſo Ihre Antwort
been.
Sie ſagen, die Zeit iſt allerdings etwas wirkliches,
namlich die wirkliche Form der innern Anſchauung. Die—
fe Form kann doch nichts anders bedeuten, als das jeulge,
wodurch fie Zettanſchauung wird. Von ditſer Zeit war
ober in dem Beweis durchaus die Rede nicht. Sie, (die:
fe Zeitanſchauung) hat eine jubiective Realität in Anſehung
der innern Erfahrungen, d. h. ich habe die wirkliche Vor—
ſtellung von der Zeit und meinen Beſtimmungen in ihr.
Allein wodurch habe ich denn diefe? Nice dadurch weil
meinem innern Sinn der Steff zur Vorſtellung von meinen
innern Veranderungen, fo wie ſie wirklich erfolgten, dar—
gereichet wurde, und mein Verſtend ſich die Reyhe denket,
in weicher fie wirklich werden. Dieſe Reyhe meiner innern
Veranderungen iſt alſo die obiectlye Zeit, und meine Verſſel—
lung von ihr wird durch meinen Verſtand erregt —Dleſe
Reyhe ſelbſt It nicht die Vorſtellungsart meiner fel"ft als
Oblects, ſondeen von mir obiective Beſtimmung cu’er
meiner Zeitonſchauung. Weit gefehlt alſo, daß Ihre Ant-
wort dle obieetive Realitat der Zeit wirklich beſtritten haͤt.
te; fie beſtaͤttiget vielmehr dieſelbe. Sie behaupten ſelbſt
die ſubiective Realitaͤt der Zeit in Anſehung unſrer innern
Erfahrungen, oder die wirkllche Vorſtellung von der Zelt
und unſern Beſtimmungen in ihr. Es ſind alſo dieſe Be⸗
M 5 ftim-
186 e eee eee ee
ſtimmungen auch wirklich in der Zelt oder nicht. Sind ſie
es nicht: fo täufche uns die Form unſter innern Anſchauung,
durch welche wir genoͤthiget werden, unfre Beſtimmungen
als ſolche zu denken, welche in einer Zeit find. Wo llegt
nun der Grund dleſer fo allgemeinen Taͤuſchung in der Form
unſter reinen Anſchauung? Dieß hätten Sie doch zeigen
müffen Tauſcht fie uns aber nicht: fo qiebt es eine Rey.
he von Veraͤnderungen In uns, welche nach einander er,
folgen, mir mögen fie uns vorſtellen, oder nicht; fo iſt folg«
lich die Zeit von uns elne obiective Beſtimmung.
Ele ſeten den Fall, daß mir ſelbſt, oder andre We—
fen uns ohne dieſe Bedingung der Sinnlichkeit anſchauen
koͤnnten, und ſchlieſſen: wenn dieß der Fall waͤre; fo wuͤr—
den eben dieſe Beſtimmungen, welche wir uns itzt als Vers
aͤnderungen vorſtellen, eine Erkenntniß geben, in welcher
die Vorſtellung der Zeit, mithin auch der Veränderung
gar nicht vorfäme. Hler haben wir Baylens Wetter.
hahn, welcher immer vom Winde getrieben wird, und
ſich einbildet, daß er ſich nach ſreyer Entſchlleſſung bewe⸗
get. Schade nur, dafi ein Wetterhahn von ſolchen Des
ſtimmungen eln ſich ſelbſt zernichtendes Geſchoͤpf der Phans
taſte iſt. Eben fo wenig ſcheinet mir der Fall in der Natur
denkbor zu ſeyn, daß es Weſen gebe, welche Sͤnnlichkeit
hätten, wodurch fie ſich Erkenntniſſe verſchaften, worlnn
aber die Vorſtellung der Zeit mithin auch der Gerände
rung gar nicht vorkaͤme, weil ſie ohne dleſe Bedingung
der Sinnlichkeit, als die unſtige iſt, Anſchauungen haben
koͤnnten. Hätten fie Sinnlichkeit: fo koͤnnten fie auch nicht ohne
Sinne ſeyn, welchen die Gegenſtaͤnde den Stoff zur Vor
ſtellung von ſich darrelchten. Es wuͤrden folglich fo, wie
dieſe auf die Sinne wirkten, Vorſtellungen in Ihnen erregt,
und well dieſe Wirkungen doch nicht mit einmal, ſondern nach
und nach erfolgten: fo würde auch eln Wechſel von Vor—
ſte lungen in ihnen fern muͤſſen. Nun hätten fie entweder
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dos Vermögen, ſich dleſer Ihrer innern Weränderuns
gen bewuſt zu werden, fie mit einander zu vergleichen, und
in den Verhaͤltniſſen zu denken, worinn fie wären, oder nicht.
Im letzten Fall hatten fie weder Verſtand noch Vernunft, und
waͤten hoͤchſtens von der Art der Thiere. Es wurde alſo
eine Reyhe von innern Veranderungen und folglich odiec—
tive Zeit ſich bey ihnen finden; fie koͤnnten aber weder von
ir noch von irgend einer andern Sache eigentlich eine
Erkenntniß haben, folglich auch keine ſolche, worinn Vor—
ſtelung der Zeit vorkaͤme. Fehlte es ihnen aber nicht am
Verſtande und an Vernunft: fo muͤſtten fie ſich auch dies
ſer Veränderung bewuſt werden, ſich dieſe im Allgemeinen
vorſtellen und alſo Zeit denken koͤnnen.
Eine andre Frage waͤre es, ob ein denkendes Weſen,
worinn ſelbſt keine Veränderungen ſtatt hätten, eine Vor—
ſellung oder Anſckhauung von Seit ab- konnte, melde denn
nicht durch Empfindung und folglich nicht durch Sin—
ne erſt erreget wuͤrde. Warum ſollte dieß nicht moglich ſeyn?
Wenn wir ung Zeit denken: fo denken wir uns eine ununter—
brochne Reyhe von Veranderungen, und in dieſer das Vergan—
gene, das Gegenwaͤrtige, das Zukünftige. Alles dieſes iſt in
der Zeitanſchauung zugleich, auſſer unſter Vorſtellung kann es
ober in keinem Dinge zugleich ſeyn. In ihren ist eine Rey—
be von ſortgebenden Veranderungen, wovon immer eine auf
die andre ſolget. Die Vorſtellung der Zeit erſodert aifo nicht
durchaus ein denkendes Weſen, welches ſelbſt veränderlich
iſt. Denket ſich nun dieſes die Dinge, wie fie find, und iſt ih.
re weſentliche Beſchaffenheit von der Art, daß in ihnen
Veränderungen erſelgen muͤſſen: fo wird es ſich auch die
Folge dieſer Veraͤnderungen und alſo auch die Zeit denken.
Sie dichten folglich einen Fall, welcher ſich nicht fo
verhält, und ſchlleſſen daraus, daß dle Zeit zwar ihre empi-
tiſche Realitaͤt als Bedingung unfrer Erfahrungen, aber
ine
— — — — —— — LE pn
188
keine abſolute Realitaͤt habe, und daß ſie nicht den Dingen
ſelbſt, ſondern blos dem Sublecte anhaͤnge, welches fie an.
ſchauet. Dieſe Folgerungen ziehen Sie aus einer Voraus,
ſetzung, welche keinen Grund hat Ste haden ſelbit es zu.
gegeben, daß unfre Vorſtellungen auf einander folgen, Die
ſe Folge iſt alfo nicht deswegen da, well wir uns dieſer bes
wuſt find, ſondern wir werden uns derſelben bewuſt, mei!
fie in uns ſich indet. Ste muß alfo ols Zeit elne ober
tive Bestimmung von uns ſeyn. Die Zeit iſt aber deswe en
keln Ding an ſich ſelbſt Dieß würde mit Demjentgen im Wi—
derſpruch ſtehen, daß wir fie für die obiecttve Beſtimmunz
der Dinge erklaͤret haben, welche vermöge ihres Weſen;
den Veraͤnderungen unterwerfen find.
Nun wollen Sie uns dle Urfache bekannt machen, mer,
wegen dieſer Einwurf ſo elnſtimmig gemacht wird, und
zwar von denen, welche gleichwohl gegen dle kehre von der
Ideglitaͤt des Raums nichts einleuchtendes einzuwenden
wiſſen. Wir wollen alſo dleſe hören. Sle ſagen, bicie
Männer holten es nicht dle abſolute Realltät des Raumes
bewelſen zu konnen, well ihnen der Idealismus entgegen
ſteht, nach welchem die Wirklichkeit aufferer Gegenſtäande
keines ſtrengen Beweiſes ſaͤhig it. Der Idealeſt, welcher
dein Realiſten nichts weiter entzegenſetzt, hätte in ſo weit
Recht, und ſo viel ich wers, hat noch kein Realiſt es de.
haupter, daß er die Wirklichkeit icgend eines aͤuſſeren Bes
genſtaudes, weicher endlich Ur, ſtrenge bewtiſen koͤngte.
Wollte er dieſes: fo müßte er aus allgemelnen Wohrheiten
die Nothwenbigkeit von beſſen Daſeyn deweiſen. Nothwen—
digkelt des Daſeyns iſt aber durchaus keine Beſtlmmung
eines ſolchen Gegenſtandes, kann alſo nicht Lewleſen wer—
den. Es giebt aber andre Quellen, woraus gegen den
Idealiſten hinreichende Gründe geſchoͤpſt werden koͤnnen, mo.
durch dle Witklichkelt aufferer Gegenſtaͤnde auſſer allem
Zweifel gefeßt wird. Unſte Natur hat ſelöſt dafur geforget,
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189
sa auch der Idesliſt die Staͤrke derſelben in fo hohem Grat
de ſuͤhlet, doß er im Ernſt an der Wirklichkeit feiner Hand,
det Feder, womit er ſchreibt, der Perſonen, welche er durch
eine Spltzfindigkeiten vrrmirren will, nicht zwelſeln kann,
welche er doch in feiner Kathederphiloſophle beſtreitet. Er
itfo ſehr von der Unwahrheit ſeines Syſtems überzeugt,
taß er ſich vor dem Irrhauſe fürchtet, wenn er ſich auſſer
ſeiner grillenhaften Hyporheſe Im Leben noch dieſer richten
rollte. Hier iſt aber der Dir nicht, jene Gründe gegen ihn
omuführen. Wir wollen den Idealisten itzt blos als Jen
Gegner betrachten. Er ohiloſophiret fo: wenn gleich aufjere
Gegenſtaͤnde nichts als bloſſer Schein ſeyn ſollten: ſo würde
doch die Folge meiner innern Veränderungen, auch meiner Vote
ſtellungen von ihnen etwas wirkliches ſeyn, weil fie mir uns
mittelbar durchs Bewuſtſeyn klar find. Hier iſt alſo werk.
iche Folge auch auffer der Anſchauung, welche ich von ihr habe,
elio obiectide Zelt. Sie erwicdern hierauf, daß man die
Wirklichkeit von Raum und Zeit nicht beſtreiten darf, weil
fie nur zu Erſchelnungen gehören, welche zwo Seiten ha—
ben, die eine, da das Obtect an ſich ſelbſt betrachtet wird,
die andre, da man auf dle Form der Anſchauung dieſes
Gegenſtandes ſieht, welche nur im Subiecte, dem der ſelbe
erſcheinet, geſucht werden muß, gleichwohl der Erſcheinung
dieſes Gegenſtandes wirklich und nothwendig zukoͤmmt. Ora—
de dieß letzte behauptet der Idealiſt, in wie weit die Ers
ſcheln ung von der erſten Seite betrachtet wird. Er frägt
ferner: warum koͤmmt bieſer Erſchelnung, als einer Form
unfrer Anſchauung von dem Gegenſtande dieſe Zeit zu? Nicht
deswegen, weil der Gegenſtand ohne dieſe nicht gedacht
werden kann? Warum kann er es nicht? Weil er dieſe
oblective Beſtimmung hat, und die Anſchauung von dleſem
Gegenſtande in uns verſchwinden wuͤrde, wenn ſie nicht mehr
dieſe Form hätte, oder wir ihn ohne dleſe Beſtimmung dach.
ten, Die legte Seite der Erſcheinung kommt alſo bey dies
ſem Steeite nicht in Betracht, und fo iſt Zeit, wovon
. ich
190
ich rede, wird der Ideallſt hinzuſetzen, nicht mehr Anfchau,
ung, ſondern die Rephe memer innern Veränderungen,
folglich obiecetlde Beſtimmung von mir, das Oblect mei.
ner Anſchauung, und hat ihre Witklichkelt in mir, wenn
ich fie mir auch gar nicht vorſtellte.
Ich leugne es nicht, daß Zelt und Raum zwo Er
kenntnißquellen find, aus welchen verſchiedene ſyntheelſcht
Erkenntniſſe geſchaͤpft werden konnen. Alleln wle find fie
es? Micht als bloſſe Formen unſter Sinnlichkeit, nicht als
bloſſe Beſchaffenhelten unfrer Neceptivität, ſondern als rel.
ne Anſchauungen, als allgemeine Begriffe. Iſt abet
Raum und Zeit auch moglich? Kann dieſe Möglichkeit
von uns bewleſen werden? Die erſte Frage faſſet zwo an.
dre in ſich, 1) koͤnnen wir eine Anſchauung von benden ha⸗
ben? 2) Iſt Raum und Zeit auch obiective auſſer unfrer
Anſchauung moglich? Die Moglichkeit von der erſten Art
erkennen wir aus der Wirklichkeit der Anſchauung von Raum
und Zeit, deren wir uns bewuſt find. Wollen wir mit die
ſem Beweiſe nicht zufrieden ſeyn: fo würden wir keinen an
dern finden koͤnnen. Er hat aber zum Gluͤck für unſern
Geiſt elne ſolche überzeugende Klarheit, daß wir, weil das.
jenige, was wirklich iſt, nicht unmoglich fern kann, feine
Starke fühlen, und eine apodictiſche Gewißheit von dieſet
Moͤglichkelt erlangen. Die zwere Frage iſt dleſe: haben
auch Zelt und Raum auſſer unſrer Anſchauung eine Mey:
lichkelt d. h. können Dinge auſſer und neben einander zu:
gleich ſeyn, kann in ihnen ſich eine Reyhe von Veraͤnderun—
gen finden? Dleſe Moglichkeit, welche in der Geometrie
und in andern Wiſſenſchaften zum Grunde gelegt wird, kann
an ſich weder von unſern Anſchauungen, noch von der Form
unſter Sinnen abyangen, fondern muß in der Natur der
Dinge ſelbſt Ihren Grund haben. Die apodlctiſche Gr
wlßheit, welche wle von ihr erhalten, gründet ſich dat
auf, daß wic ſelbſt nebſt andern Dingen unſer Daſeyn
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heben, daß in uns ſelbſt und in andern Dingen vermöge
ihrer Endlichkeit Veranderungen erfolgen, daß fie unsrer
Sinnlichkeit den Steff zu Votſt lungen von ſich darteichen,
doß wir uns dieſer Vorſtellung von uns und andern Ge—
genftänden bewuſt werden, und nun aus dieſer Wirklich—
keit des Ortes und der Zeit in den Obiecten auf die Moͤg—
lichkeit ſchlieſſen. Dieſer Schluß ethaͤlt für unfre Seele
durch die Grundſaͤtze der Identitaͤt und des Widerſpruchs
elne ſolche Klarheit, daß, ſo lange wir noch einen gefunden
Verſtand haben, oder dieſen nicht durch Sophiftereyen vers
witren, wir an der vollkommnen Richtigkeit deſſelben, gleiche
ſam als durch einen innern Inſtinct gezwungen, zu zwel—
ſeln unfaͤhig find. Dieſe Moglichkeit des Raums, von
welcher wir blos auf dieſem Wege zur apodictiſchen Gewiß—
belt kommen können, ſetzen wir aber nicht die Formen der
Sinne als Grundprincip voraus, um uns elne allgemeine
Erfennmiß von ihren Wahrheiten zu erwerben. Wir has
ben uns eine reine Anſchauung des Raumes, oder einen all—
gemeinen Begriff von ihm gebildet, denken uns die Gegen⸗
ftände eigentlich nicht im Raum, ſondern den Raum in ihm,
und fragen nun, wie kann dieſer in ihnen begrenzt, oder
eingeſchloſſen ſeyn, wenn Linien, Flaͤchen, Körper im All.
gemeinen nach ihren verſchledenen Gattungen und Arten ge—
dacht werden ſollen? Nie ſetzet der Geometer voraus, daß
Raum blos eine Form des äuſſeren Sinnes, blos ſublee—
tive Bedingung deſſelben, und auffer dleſer nichts ſey, ſen⸗
dern ſelbſt bey der Wahl feiner Zeichen, wodurch er ſich
und andern ſeine abſtracte Begriffe anſchaulich macht, nimmt
er es immer als ausgemacht an, daß auch auſſer unſerer
Denkſorm der Raum ebiective in den Dingen felbft ange—
troffen werde. So, — wird er Ihnen antworten, verfah—
re ich, fo denke ich mir den Raum in der Geometrie, weils
che ich beswegen elne reine Wiſſenſchaft nenne, weil ich
eigentlich nicht aus Erfahrungen, ſondern aus allgemeinen
Begriffen die geometriſchen Säge herleite. So wie ich Zeit
und
192
und Raum brauche, find ſte reine Anſchauungen, auch wenn
Sle wollen, relue Formen der Anſchauungen, jene, weil
fie nichts welter als den allgemelnen Begriff zum Gegen
ſtand haben, dleſe, weil ihr allgemeiner Begriff auch die
Form dieſer Anſchauungen heiſſen kann, in wie weit fie
ſich dadurch von andern Anſchauungen unterſcheidet Sie
gehen alſo auf Gegenſtände, welche uns erſcheinen koͤnnen.
Cie ſtellen als allgemeine Begriffe nicht einzelne Dinge
(indiuidua) dar, fie werden aber in ihnen unter andern in.
dividuellen Beſtimmungen auch obiective freylich nicht als
Anſchauungen, ſondern als Obiecte derſelben liegen. Das
Feld der Guͤltigkelt von Raum und Zeit findet ſich alſo nicht
blos in melnen Anſchauungen, ſondern gebt welter hinaus,
und ich entwickle die verſchledenen Arten des eingeſchloßten
Raums in Figuren und Körpern, um einen obicstiven Ge—
brauch von ihm machen zu konnen. Wäre Maum aufler
meiner Anſchauung Nichts: fo wuͤrde auſſer dieſer keine Ku
gel, alſs nicht Sonne, nicht Mond, nicht Erde, keine Ku—
geln ſtatt finden, welche durch die Hand dis Kuͤnſt—
lers nach der Idee, weiche ich mir von inen mache, gebil—
der wären. Allein würderr dleſe nicht ſeyn, wenn ich auch
gar keine Anſckauung von ihnen haͤtte? Witd aber auch
allet dasjenige, was ich mie in dem allgemelnen Begriff
der Kugel denke, vollkommen in ihnen liegen, fo daß Id
die Regeln der Ausmeſſung, welche aus jenem gezogen wur
ben, auf ſie anwenden kann? Wer kann dieß bemeifen?
Wozu wire es auch naͤthig! Es iſt für mich genug, den
Begriff der Kugel In ibnen fo genau ausgedrückt zu ſehen,
doß die Abweichung mir unmerklich iſt, und ich fie ohne
merklichen Jerchun für wahre Kugeln annehmen kann Wels
cher Geometer wird in dieſem Fall edenken tragen, den
koͤrperllchen Naum dee gegebnen Kugel nach den allgemeis
nen Regeln auszuineffen? Nie wird es ihm aber einfallen,
cuf eine ſublective Form der Sinnlichkeit dieſe anzuwenden.
Ihre Mealität der Zeit und des Raums, welche bi ſub.
ectiv
lectiv
nicht!
zelne!
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193
lectiv iſt, wuͤrde die Sicherheit der Erfahrungserkentniß
nicht unangetaſtet laſſen. Dieſe hat zu Gegen ſtaͤnden cine
zelne Dinge neben und auſſer einander, und elne Reyhe von
Veranderungen als oblective Bedingungen von ihnen. Da
Sie dieſe leugnen: fo würde unſte Erfahrungserfennmiß
von ihnen nichts als eln leeres Hirngeſpinr ſt unſrer Phant fie
ſeyn. Es iſt all in Anſehung der Erfahrungskenntniß durch—
aus nicht einnerley, ob Raum und Zeit als Fermen und obs
iective Beſtimmungen der Dinge felift, oder blos als For—
men angenommen werden, welche der Anſchauung von ihnen
nothwendig i Weiſe anhingen. Waͤre das erſte ſalſch und nur
das letzte wahr: fo würden unſre Arſchauungen von Dingen
ſelbſt auch nicht anders als falſch, als taͤuſchend angeſehen
werden koͤnnen.
Diejenigen, welche eine abſolute Realitaͤt der Zelt und des
Raums annehmen, ſollen mit den Principien der Erfahrung
im Streit ſeyn; und daraus wollen Sie den Schluß machen,
daß dieſe Realitaͤt ohne Widerſpruch nicht behauptet wer—
den koͤnne. Ihre Gründe find folgende. Die Vertheidiger
don der abſoluten Realitaͤt der Zeit und des Raumes muͤſ—
ſen annehmen, daß beyde entweder ſubſiſtiren, oder in haͤri—
4 rn. Das erfte thun gemeiniglich mathematiſche Maturfore
ſcher. Dieſe muͤſſen aber nun auch zwey ewige und unend—
’ # liche für ſich beſtehende Undinge (Zeit und Raum) zugeſtehen,
delche find, ohne daß doch etwas Wirkliches iſt, nur um
alles Wirkliche in ſich zu befaſſen. Ich zweifle ſehr, daß
Sie den meiſten Naturſorſchern mit Riecht dieſe Meynung
aufbuͤrden koͤnnen. Wenigſtes kenne ich keinen, welche die
Zeit als ein für ſich beſteh endes Unding angeſchen haͤtte. Sie
iſt eine ununterbrochne Reyhe von Veränderungen in den
Dingen. Wenn alſo keine Dinge ſind, worinn Beſtim.
mungen vermoͤge ihrer Endlichkeit dem Wechſel unterworfen
ſud: ſo iſt auch an keine Zeit als ein Unding zu denken.
Sie alſo als ein für ſich us Unding zu denken, iſt
2 An.
194
Unfinn, iſt der ſeltſamſte Widerſpruch. Eine andre Frage it daß
dieſe, 1) ob, wenn keine Dinge auſſer und neben einander zu. ten,
gleich ſind, noch Raum auch auffer unſern Vorſtellungen übris ſte 5
bliebe, a) und was er dann wäre. Die erſte Frage glau. lich
ben gemelniglich die mathematlſchen Naturſorſcher bejahen ſeyn
zu müſſen. Sie denken ſich z. B. unfer Sonnenſyſtem mi
allen Planeten, den Raum, welchen ſie ſelbſt einnehmen,
die Bahn, auf welcher fie ſich um Ihre Lichtquelle in einge] Oln.
Elipſe derum bewegen, das ganze Gebiete der Sonne, ne
durch welches ſie vermittelſt des Aethers ihre belebend. ana
Stralen verbreitet. Und nun werden fie fragen: find Ber Gren
nun auſſer unfern Formen der ſinnlichen Vorſtellungen in! Wel
einem Raum, oder find fie blos in einem ſolchen, in wie cher
weit dieſer nichts anders als Form unſter reinen Anſchau. men!
ung iſt? Im letzten Falle muͤßte die Sonne mit allen Pr wolle
neten und ihrem ganzen Wirkungskreiſe blos in der Va, Sg
ſtellung eines Menſchen ihren Raum elnnehmen. Wie vll. b
ſach würde dadurch das Sonnenſyſtem werden? Jide. ind
Menſch iſt ein unendlich kleiner Theil von dleſem, und in! ich!
dieſem unendlich kleinen Theile wäre wieder das ungeheuer @ 14 ©
groſſe Ganze enthalten. Was mürden wir ven einem Mer, ER
ſchen denken, welcher durch dergleichen Traͤumerenen feine: be
Kopf verwirrte? Wir muͤſſen alſo dieß Sonnenſyſtem für) geg
eln ſolches halten, welches fein Daſeyn haben muͤrde, wer, icht.
anch kein Erdbewohner davon eine Anſchauung batte und
oder auch keine haben koͤnnte. Es iſt alſo da. Aber wo; für fü
Nicht in einem obiectlven Raum? Worinn denn? Geben Nate
Sie dieſem Wo einen Namen, welchen Sie wollen: fo fr 0
doch unzählige Dinge in ihm neben und auſſer elnander Mu Er
gleich. Wir nennen das Wo deswegen Raum. Wie wo. em
len Sie es nennen? Gleichviel! Der Begriff des Raums denke
wird ſich uns immer wieder aufbringen, nicht als Anſchau fichte
ung, ſondern als Raum auffer derſelden, als ein ſolcher, we, J abſoln
cher in den Dingen ſelbſt iſt. Wie wenn aber dieſe Dinge), lieäe |
ſeyn aufhoͤrten, würde denn auch der Raum, welchen ſie ei neben
nehmen, zu ſeyn auſhoͤten? d. h. wurde denn die Moͤglichken Gegel
di
159
daß da Dinge auffer und neben einander zuglelch ſeyn Fönrie
ten, ſich auch verlohren haben. Hiegegen ſtreubt ſich uns
fre Vernunft, die Frage zu bejahen, weil es da, wo wirk.
ö lich etwas geweſen iſt, auch moglich ſeyn muß, daß etwas
ſeyn kann.
Wo hoͤret aber die Möglichkeit auf, daß mehrere
Dinge auſſer und neben einander zugleich ſeyn koͤnnen? In
einem Orte, der ſo kleln iſt, daß da nicht mehrere Dinge
angetroffen werden koͤnnen. Wo ſonſt? wo iſt dis letzte
Stenze der Moͤglichkeit? Geht fie über den Umfang des
Weltgebaͤudes hinaus, oder hat fie gar keine Grenze? Wel—
cher unter den Sterblichen darf es wagen, dieß zu beftims
men? Hier iſt die Grenze unſrer Vernunſt, und warum
waollen wir übee di⸗ſe hinbringen? Warum muͤſſen wir es?
Wenn ich mir auch Raum als eine bloſſe Anſchauung daͤchte:
fo würde der Fall immer derſelbe ſeyn. Raum als Anſchau—
ung iſt bey uns Vorſtellung eines endlichen Geiſtes, fo:g«
lich begrenzte Vorſtellung, und alſo der Raum kann auch
als Vorſtellung nicht Grenzenlos ſeyn. Allein wenn denn
nun Raum übrig bliebe, und die Dinge, welche darinn
neben und auſſer einander zugleich wären, als zernichtet
dgdedacht würden: 2) was würde er dann ſeyn? Bios Möge
Alchhkeit von reellem Raume, oder davon, daß Dinge auffer
und neben einander ſeyn konnten? Iſt er alſo nicht ein
für ſich beſtehendes Undina? Welche Frage? wurde der
Naturforſcher antworten. Dieß Praͤdicat gilt nur von Din.
1 gen, nicht aber Undingen, nicht von bloſſer Moͤglichkeit.
Er wuͤrde es Ihnen alſo nicht zugeſtehen, daß er ſich in bies
ſem Fall den Raum als ein ſuͤr ſich ſubſiſtirendes Meier
y denken muͤßte. Er wird dem Raum als einer bloſſen Möge
lichkeit von dem Auſſereinanderſeyn mehrerer Dinge ferne
abſolute Realitaͤt, aber wohl dem Raum eine obiective A a»
llltaͤt beylegen, in wie weit er von Dingen, die auſſer und
kleben einander zugleich find, eine obiective Beſtimmung im
Gegenſatz des Raumes iſt, welcher als Form unftee Anz
N2 ſchauung
196 W — —
ſchauung oder als bloſſe Vorſtellung von ihm gedacht wird. fen.
Wie kann aber dieſer Naturferſcher dadurch, daß er diefrs M anzuf.
behauptet, mit den Principien der Erfahrung in Streit ge. Phan
tathen? Er wird vielmehr glauben hier eine vollfommn ] Anıd)
Harmonie zwiſchen ſich und dieſen Principien zu erblicken. das er
baben
Noch weit weniger ſteht die zwote Parthey, von wel. Tmoͤcht.
cher einige metaphyſiſche Mturlehrer ſeyn ſollen, in elnem wäre
Streit mit den Principien der Erfahrung, welche Zeit und kein 6
Raum als inhärirende Beſtimmungen der Dinge anſehen. ſich ve
Denn von dieſen iſt hier die Rede. Diefe Zeit und dleſer ! dachten
Num, welche beyde bey den Obiecten ſelbſt angetroffen FE Natur
werden, gelten ihnen nicht für Verhaͤltniſſe der Erſcheinun. empiri
gen, welche von der Erfahrung abſtrahiret, und in der Ab. . ſcaner
ſonderung verwotren vorgeſtellet werden, ſondern für obiective [ ſetzen,
Beſtinmungen der Dinge ſelbſt, wevon fie durch Hülfe der B fen fu
Errabrung eine Erkenntniß erlanget haben. Wie kann ſich . Zubör:
bir ein Streit mit den Prircipien der Erfahrung erheben? durch.
Die Mänrer denken ſich aber auch die Zeit uͤberhaupt als zu ver!
eine ununterbrochne Riyhe der Veraͤnderungen, und den ger ale
Raum als die Beſtimmung der Dinge, vermoͤge welcher fie & Geſchaͤ
auſſer und neben einander zugleich ſind. Der Geometer | it, au
nimmt dieſen allgemeinen, nicht verworrnen, ſondern deut. daß fei
lichen Begriff in feine Wiſſenſchaſt auf, und hat von der ftünde |
Wahrhelt deſſelben eine apodiktiſche Gewißheit, weil er ein. JT nen, al
ſieht, daß dieſe Merkmale des Raums theils fo in der Na. Begriſf
tur angetroffen werden, theils in dleſer Verbindung feinen nen Ge
Widerſpruch in ſich fallen. Hätte er es ſich eingebildet, daß wenn ı
der Raum blos eine Form der Anſchauung und auſſer dieſer ſeyn koͤ
in Anſehung der Dinge ſelbſt Nichts wäre: fo würden keine J indiuid
wirkliche Dinge auſſer und neben einander ſeyn können, und ten laff
er mußte in Anſehung dieſer die Gültigkeit des obiectiven JT wahr ji
Raums beſtreiten. Auch der Raum, als eine aͤuſſte Moͤg. einleud
fichkelt, daß Dinge auſſer und neben einander ſeyn koͤnnen, 8 ohne Ü
würde auſſer feiner Anſchauung entweder ſeyn, oder nicht hältnirie
ſepn,
ion, Im letzten Falle würde er mit feinem Raume nichts
anzufangen wiſſen. Er wäre blos ein Hirngeſpinnſt ſeiner
Ppantaſie, oder wollen Sie lieber, blos Form der reinen
Anſchauung. Wozu follte ihm dieſer nutzen? Wäre ober
das erfle wahr: fo wuͤrde er gegen Sie gewon en Spiel
haben, und der Raum bliebe, was er an ſich ware, wir
möchten eine Anſchauung von ihm haben oder nicht. Es
wäre alfo der Kaum grade umgekehrt, wie Sie behaupten,
kein Geſchoͤpf der Einbildung, ſondern unſer Vurſtand machte
ſich von ihm einen Begriff, welcher ihm entſpräche. Nun
dachten wir uns ihn fo, wie er wäre, und befragten die
Natur, wie fie dieſen in den Dingen als Obiecten unfrer
empiriſchen Anſchauungen beſtimmt und bearenzet hat. In
ſaner Wiſſenſchaft demuͤhet ſich der Gecemeter es feſtzu—
ſctzen, wie der Raum eingeſchloſſen ſeyn kann, und von die—
fen ſeinen logiſchen Beſtimmungen ſucht er ſich und feinen
Zuhörern durch Zeichen auf geraͤumigten Dingen, oder
durch Körper in der Natur eine klare empiriſche Anſchauung
zu verſchaffen, in welcher faſt nichts mehr und nichts wenie
ger als der allgemeine Begriff enthalten iſt. Bey dieſem
Geſchaͤfte ſetzet er immer voraus, daß dosjenige, was wirklich
it, auch moͤglich ſeyn muß. Frey ich wird er es lehren,
daß feine Linien, Figuren, Körper, als eigentliche Geger—
ſtände feiner Wiſſenſchaft, blos in einer Anſchauung ſeyn koͤn—
nen, aber nur deswegen, weil dieſe von ihm als allgemeine
Begriffe angeſehen werden, und folglich als ſoſche nur in ſei—
nen Gedanken ſtatt finden. Er wuͤrde ſich aber dagegen ſetzen,
wenn man daraus ſchlicſſen wollte, daß keine einzelne Dinge
ſeyn konnten, welche unter dieſen allgemeinen Begriffen als
indiuidva enthalten wären. Er wird es ſich nicht abſtrei⸗
ten laſſen, daß ſeine Theoremen allgemein und nothwendig
wahr find, weil er aus Erklaͤrungen, deren Moͤgiichkelt ihm
tinleuchtet, aus Grundſaͤtzen, deren Wahrheit feine Vernunft.
ohne Widerſpruch nicht leugnen kann, und aus den Ver.
haͤltniſſen, worinn er fie Kr fie fo flieſſen ſieht, daß das
3 dur
198
burch ben ihm eine apodietlſche Gewißheit von ihnen erzeuget
wirr. Was braucht er mehr, um ein regelmaͤſſiges, voll,
kommen gegruͤndetes Syſtem zu errichten?
Er wird es Ihnen ableugnen, daß feine Begriffe ver.
worten, daß fie Geſchoͤpfe der Einbildungskraft find, weil
Geſchoͤpfe von der Art der Seele nie, als allgemeine Be
griffe, ſondern blos als einzelne Dinge (indiuidua), vor-
ſchweben konnen. Die Begriffe, und auch die Verhaͤlt.
G biete der Imaginatlon, und find Geſchoͤpſe feines Ver.
ftandes und feiner Vernunft. Dieſe kann nun a priori,
oder wie er ſagen wurde, aus allgemeinen Grundſaͤtzen und
nut vier Arten von Parallelogrammen geben koͤnne, daß
es mädg'id) ſey, einen Raum durch vier gleiche Linien und
vler rechte Winkel elnzuſchlieſſen, daß in jedem grat.
linigten Trlangel die drey Winkel zuſammen nicht mehr,
nicht weniger, als 190° betragen; und er verläßt ſich darauf,
daß wo in der Natur ein Triangel iſt, auch dleſes ſtatt W
Sie ar
die Winkel nachmeſſen: fo zelget es ſich zu ihrem Vergnügen, |
haben muͤſſe. Macht er Einen und laͤßt er feine Zuhörer
daß ſich dieſes auch in dem elnzelnen Triangel ſo findet,
wie es »sch der allgemeinen Theorie ſeyn muß. Er wuͤrde
bey dieſem feinen Unterricht über ſich ſelbſt lachen muͤſſen,
wenn er voraus ſetzte, daß der Raum auſſer der fubicctis
ven Bedingung feiner Sinnlichkeit Nichts wäre.
Diejenigen, welche Zeit und Raum als ſubſiſtirende
We ſen annehmen, ſollen nach Ihrer Meynung zwar für dle
mathematlſchen Behauptungen ſich das Feld der Erſchei⸗
nungen fren machen, aber ſich durch eben dieſe Bedingung
will. Ohne Zweifel wollen Sie hiemit ſagen, dieſe koͤnnen
zwar ſich die Moglichkeit denken, daß ihnen Dinge in Zeit
f | und
und 9
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ſtehend
fo wirt
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leiden!
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niſſe derſelben in ſeiner Wiſſenſchaft liegen alſo auſſer den
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Beariffen es mit apodiktiſcher Gewißheit erkennen, daß es
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verwirren, wenn der Verſtand über dieſes Feld hinaus gehen
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ſtand,
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und Kaum erfcheinen: fo bald fie aber über dleſe Gegen«
ſaͤnde hinausgehen; fo wird ihr Verſtand durch den Zwang
verwirrt, daß er ſich zwey ewige unendliche, für ſich bes
ſtehende Undinge denken muß. Was die Zeit anbetrift:
ſo wird kein mathematiſcher Naturſorſcher fie ſich als etwas
tür ſich ſelbſt beſtehendes vorſt lien, und wenn er es thaͤte:
pb müßte man mit der Verwirrung feines Verſtandes Mlt⸗
leiden haben. Auch keiner wird den Raum, welchen eini⸗
BE ge einen leeren nennen, für ein Ding oder Unding halten,
das für ſich ſubfiſtirt, weil Subſiſtenz die Eigenſchaft von
aenem Dinge iſt, aber es nicht von einem Unding ſeyn kann.
Er denket ſich unter dieſem, die aͤuſſere Moͤglichkelt, daß
Dinge auſſer und neben einander ſeyn koͤnnen, eine Moͤglich.
(keit auſſer der Form unfrer Anſchauung, und iſt unbekuͤm—
= mert darum, ob dieſe Moͤglichkeit auſſer unſrer Vorſtellung
Gtenzen hat, oder nicht. Sein Verſtand wird hiebey von
f 1 aller Verwirrung frey bleiben.
Wie werden aber dlejenigen fortfommen, welche den
Raum als etwas anſehen, das den Dingen ſelbſt anhänger ?
Sie antworten: dleſe gewinnen darinn, daß Zeit und Raum
ihnen nicht in den Weg kommen, wenn fie von Gegenſtaͤn—
den nicht als Erſcheinungen, ſondern blos im Verhältniß
auf den Verſtand urtheilen wollen. Erlauben Sie mir,
daß ich es wage, hier ein Dollmetſcher Ihrer Worte zu ſeyn,
welche fo ſonderbar nach einer Ihnen eigenthuͤmlichen Spra⸗
che gewahlt find. Ohne Zweifel wollen Sie dieß ſagen:
die Naturforſcher, welche den Rum als etwas betrachten,
was den Dingen ſelbſt auſſer unſern Vorſtellungen inhärirer,
Innen nach ihrer Hypotheſe die Erfcheinungen der Dinge
oder die Vorſtellungen, welche wir von ihnen erhalten, von
den Dingen ſelbſt als den Gegenſtaͤnden der Erſchelnungen
Aunterſcheiden, und von ihnen im Verhältniß auf den Ver⸗
ſtand, als von wirklichen Gegenſtaͤnden urtheilen, von wel.
ben ſie den allgemeinen Begriff des Raumes abſtrahiren.
N4 Dieß
—
900
Dieß It aber auch für fie als Weltwelſe, welche ſich nicht
blos mit Ideen ohne Obiecte folglich nicht mit einem Schau
ten ohne Körper beichäftiaen moͤchten, eine Sache von der
größten Wichtiakeit. Dieſe wiſſen aus der Erfahrung ‚daß
Duüge auſſer ihren Vorſtellungen neben einander zugleich
find, und daß da, wo fie find, auch Raum als auſſede
Moͤglichkeit von dem Nebeneinanderſeyn angetroffen mer.
den muß, grade ſo wie jene unter den mathematlſchen Na—
tu forſchern, welche den Raum nicht als ein für ſich ſubſiſti
rendes Unding, fondern als eine aͤuſſere Moͤglichkeit bettach—
in „daß naͤmlich bey Dingen ein reeller Raum ſtatt finden
ann.
Wodurch find Sie aber berechtiget, dieſe Naturſorſchet
für ſolche zu halten, welche vermoͤge ihrer Behauptung
weder von der Moͤglichkeit mathematiſcher Erkenntniß a pri.
ori Gund angeben noch die Erfahrungsſätze mit jenen
Behaup'ungen in eine nothwendige Einſtimmung bringen
koͤnnen? Freylich führen Sie für Ihren Schluß dieß als
Grund an, weil ihnen eine wahre und obiectiv gültige Anſchau⸗
ung a prioti ſehlet. Mich deucht aber, daß fie eben durch
dieſe ihre Behauptung eine ſolche Anſchauung haben koͤnnen.
Daͤchten fie ſich blos den Raum als eine Form der Anſchau⸗
ung, oder ais eine ſubiecttve Bedirgung ihrer Sinnlich,
keit: jo würden fie ihn auſſer ihrer Anſchauung für Nichts
h Iren muͤſſen. Er hätte elſo wie Sie auch immer darauf
dri gen, keine obiective Reslitaͤt, und wuͤrde nicht eine
VBeſtim mung der Dinge an ſich ſevn koͤnnen. Alles, wos
wir vom Raume ſagten, goͤlte alſo bles von der Anſchauung
des Raums, und da in dieſer doch kein Raum als Raum ſeyn
kann: fo wäre er weder in der Vorſtellung noch auffer dere
ſelben, und folglich waͤre er Nichts als ein leerer Traum,
wovon keine eigentliche Ausmeſſung ſich denken ließ. Es
hätten alſo alle analntiſche und ſynthetiſche Edge, welche
wir eus Liefer bloſſen Form unſter Anſchauung herleiteter,
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201
leine obiective Guͤltigkelt. Alle Regeln der Ausmeſſung in
der Geometrie würden zu Nichts gebraucht werden konnen,
weil kein Raum auſſer unſrer Vorſtellung ſeyn konnte,
worauf wir fie als auf cin Obiect anzuwenden faͤhig waͤren.
Alsdann koͤnnte unſte Anſchauung keire wahre, obiectiv
aultige genannt werden, weil Feine Obiecte auffer ihr wären,
worauf fle ſich bezoͤge. Eine wahre brauchbare, obicctiv
zuͤltige Erkenntniß von geometriſchen Wahrheiten muß
veraus ſetzen, daß Raum als Moͤglichkeit von dem Neben—
einanderfenn mehrerer Dinge auſſer der Form unſter An—
(hıuung ſtatt habe, und daß, wenn dieſe geleugnet wuͤrde,
auch der reelle Raum keine eblcctive Beſtimmung der Dinge
on ſich ſeyn koͤnnte, daß alſo jene Moͤg ichk it in einem
gewiſſen Verſtande a priori da fen. daß ſie aber dieß nicht
wuͤrde ſeyn koͤnnen, wenn fie blos Form der Anſchauurg
und auſſer dieſer gar nicht waͤre. Hieraus erkennen wir,
daft geräumigte Dinge Gegenſtände unſter Anſchauung wer—
den; daß wir aus tiefen, in wie weit fie einen Reum eine
nehmen, den allgemeinen Begriff vom Raum abſtrahiren,
dieſen weiter beſtiwmen, und aus dieſen Beſter mungen
Folgerungen zichen koͤnnen, deren Richtigkeit unſre Verrunſt
anerkennet, dieſe nun auf Dinge auſſer unfrer Vorſtellung
anwendet, in wie weit fie, als einzelne Dinge (indiuidua)
unter den allgemeinen Begriffen ſtehen und ſie alſo mit den
Erſahrungsſaͤtzen in eine nothwendige Uebereinſtimmung
bringet, wovon die praktiſche Geometrie uns eln glaͤnzen—
des Beyſpiel darreichet. Nach Ihrer Theorie iſt aber alles
dieſes unmoͤglich.
Was werde ich alſo von Ihrer transſcendentalen Aeſthe⸗
tie halten muͤſſen? Dieſe Frage wird ſich jeder leicht feld
beantworten koͤnnen. Ihre Aeſthetik will ſolche Säge zum
Grunde legen, welche grade weg dle wahre Aeſthetik aufde-
ben. Denn dieſe kann doch eigentlich nichts anders als
eine Doctrin ſeyn, worinn gezeiget wud, wie in uns die
N a Br
202
Vorſtellungen von ſinnlichen Gegenſtaͤnden entſtehen, wie
unſre Denkkraft dieſe bearbeitet, fie verbindet, und zum
Grunde legt, um unfrer Vernunft eln Feld zu eröffnen,
worauf fie als auf ihrem eignen Boden die Blumen, wel⸗
che fie auf dem Gebiete unſter Sinnlichk tit gepfluͤcket hat,
verpflanzet, und ihrer fo wartet, daß fie ſich in der ſchön.
ſten Bluͤthe zelgen. N
Ihre Aeſthetik ſoll uns aber lehren, daß Zeit und
gtoum blos reine Formen der ſinnlichen Anfhavurg find,
daß fie auff.r dieſen keine obiective Beſtimmungen der Din
ge ſeyn können, und Sle haben doch im Grunde nichts
weiters gezeiget, als daß wir eine Receptivltät der aͤuſſern
und innern Sinne haben, welchen äuffere Gegenſtände den
Stoff zur empirifhen Anſchauung des Raums, unſre in.
nere Veranderungen, nicht den Stoff zur reinen Anſchau—
ung von Zeit, ſondern nur von elnzelnen Veränderungen
darreichen koͤnnen, daß äuffere Gegenſtaͤnde, welche ſich
durch das Organon des Geſichtes unſerm Gemuͤtde dar
ſtellen, nur als geraͤumigt erſcheinen, und dieß iſt bis
ouf die empitiſche Anſchauung vom Puncte wahr, in wels
cher ſich kein Raum findet, weil wir ihn ohne dleſen er.
blicken. Nirgends haben Sie uns weder Raum noch Zelt
eiktaͤret, und uns dadurch in den Stand geſetzt, daß mir
darnach Ihre fo genannten ſynthetlſchen Säge: 1) Raum,
2) Zeit find blos reine Form unfrer ſinnlichen Anſchauungen,
genau prüfen koͤnnten.
Hätten wir keine Receptlvitaͤt für ſolche Anſchauungen:
fo wuͤrden auch dieſe nicht erfolgen koͤnnen. Sie iſt alſo
vor aller Erfahrung und folglid) auch a priori in unferm
Gemuͤthe. Allein deswegen haben wir nicht auch die
Auſchauungen ſelbſt a priori, wie Sie ſehr oft behauptet,
aber nirgends bewieſen haben; ſondern fie wurden zuerſt durch
den
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— — — 22 ©
den Stoff, welchen die Oblecte dazu unfrer Rereptlvltaͤt
darreichen, und folglich a poſteriori erreget.
Herr Prof. Reinhold hat zwar auch in dunkeln,
und ſchwerfälligen Terminologlen einen Beweis davon zu
geben geſucht. Allein fein Verſuch ſcheinet ihm nicht ges
fungen zu ſeyn, und konnte ihm auch ſchwerlich gellngen,
weil die Sache grade mit den Wirkungen unfrer Denk—
ktaſt im Widerſpruch ſteht, welche er beweiſen wollte. Er
behauptet, die Formen des äuſſern und innern Sinnes, d. h.
bey ihm, die Beſchaffenheit unfrer Receptivitäͤt, ſinn⸗—
liche Vorſtellungen zu erlangen, iſt vor aller Erfahrung
und alſo a priori in unſerm Gemuͤthe. Hiegegen habe ich
nichts. Er ſchließt weiter: die Form des innern und äuffee
ten Sinnes iſt als Stoff der Vorſtellung von Raum und
Zeit in unſerm Gemuͤthe beſtimmt. Wenn ich ihm dieß
ouch ohne Ausnahme der Zeit und folglich ohne Ein—
ſchraͤnkung zugeben wollte: fo würde er doch daraus nicht
ſchlieſſen koͤnnen, daß die Anſchauung von Zeit und Raum
fſelbſt in uns a priori wäre Der Stoff zur Vorſtel—
lung von dieſen Formen der Sinnlichkeit wird uns durch
Wirkſamkeit unfrer Receptivität, nicht aber durch die Dies
ceptivitat als bloſſes Vermoͤgen a priori, gegeben. Wir
muͤſſen erſt auf die Art ihrer Wirkſamkelten aufmerkſam
ſeyn, dieſe mit einander vergleichen, und uns nun durch
Beobachtungen, und alſo a pofteriori eine Anſchauung von
dieſer Form verſchaſſen. Dieſe iſt zwar eine Anſchauung von
den Formen unſter Süinnlichkeit, welche a priori in unt
vor allen Erfahrungen liegen. Allein wegen dieſer Des
ſchaffenheit der Formen koͤnnen wir nicht die Anſchauungen
von ihr eine Anſchauung a priori nennen, weil fie erſt Er
fahrung oder Beobachtung unſrer innern Wlirkſamkeiten
voraus ſetzet, und eben ſo wie jede andre Vorſtellung von
innern Veränderungen unſrer Kraft zu denken und zu wollen
in uns entſteht. Will Herr Reinbold eine Anſchauung
fon Beſtimmungen, welche in uns vermoͤge unfrer Natur
un’
und alfo vor aller Erfahrung da find, Anſchauungen a pri-
ori nennen: fo koͤnnen wir ihm dieſes nicht verwaͤhren. Al
lein die Folgerungen, die er daher zieht, koͤunen aus dieſer
Quelle nicht hergeleitet werden, well fie eine Anſchauung
zum Grunde legen, welche ſelbſt in unſerm Gemuͤthe auch
in Anſehung ihres Urſprunges von aller Erfahrung un.
obhaͤngig, und alſo vor ihr da iſt. Ich habe aber bewieſen,
daß wir ſolche Anſchauungen von Zeit und Raum nicht
haben. N
Ihre transſcendentale Aeſthetik follen nur dieſe beyden
Elemente, Zeit und Raum, enthalten koͤnnen, weil alle andre
zur Sinnlichkeit gehörigen Begriffe, und ſelbſt der Begriff
der Bewegung, welcher beybe Stufe naͤmlich Zeit und Raum
vereinigt, etwas Empiriſches voraus ſetzen. Würden ſie
aber wirklich aus dieſem Grunde nicht zu Ihrer Aeſthetik
arbören: fo würden Zeit und Raum eben fo wenig Elemente
vor ihr ſey! koͤnnen, well ihre Begriſſe als Anſchauungen
eben fo wohl etwas Empiriſches zum Grunde legen, wie ich
cs bewieſen habe. Sie behaupten, daß im Raum nichts
Bewegliches iſt. Dich kann doch in Ihrem Syſtem nichts
anders heiſſen, ols daß entweder in der reinen Form der
Anſchauung vom Raum nichts iſt, was ſich beweget, oder
daß, wenn wir den Raum allgemein uns denken, in dieſer Vot⸗
ſtellung keine Vorſtellung von Bewegung lieget. Reden
Sie von dem erfien: fo gebe ich Ihnen vollkommen Recht;
Sie wuͤrden aber aus eben dem Grunde es auch mir zuge
ſtehen muͤſſen, daß in dem Begriff der Bewegung oder in
der Ferm der reinen Anſchauung derſelben nichts bewegliches
ſich finde. Haben Sie ſich bey Ihtem Satze das letzte ge
dacht: fo wurde ich auch hiegegen nichts einwenden. Sie
ſchlieſſen: daher muß das Bewegliche etwas, das im Raum
rur durch Erfahrung gefunden wird, mithin ein empiriſches
Datum fern. Ganz recht. Das Bewegliche iſt alfo nach
Ibrens eignen Ausſpruch auſſer der Form unfrer Anſchauung
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uͤbert!
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205
Zeit und Raum, iſt der Gegenſtand ſelbſt, welcher ſich
beweget, oder nach und nach von einem Ort zum andern
uͤbertritt, deſſen Bewegung nicht durch die reine Form der
Anſchauung, ſondern durch die Erfahrung uns bekannt wire
den kann. Er wuͤrde ſich aber nicht bewegen kaͤnnen, wenn
auſſer der Form unſter Anſchauung keine Oerter neben einan—
der zugleich wären Es muß alſo der Raum auch eine
obiective Realität anſſer der Ferm unſter Anſchauung ha—
ben. Hier sift, alfo Ihr eignes Geſtändniß in Rückſicht
der Felgen, welche richtig daraus gezogen werden konnen,
mit dem Satze, welchen Sie ſo oſt wiederhohlet haben,
nämlich daß Raum nichts als eine ſubiective Bedingung
5 unfrer aͤuſſern Sinnlichkeit iſt, und keine obiective Realität
hat, in einem offenbaren Widerſpruch. Können Sie die
ſen heben ?,
Eben fo, ſagen Sie ferner, kann auch die transfcen«
dentale Aeſthetik nicht den Begriff der Veraͤnderung unter
ihre data a priori zählen, weil nicht die Zeit, ſondern et.
was, das in der Zeit iſt, ſich veraͤndert. Auch dieſe Bes
hauptung laͤßt ſich nicht anders nach Ihrem Syſtem als fo
erklaͤren: die reine Form von Anſchauung der Zeit veräns
dert ſich nicht, ſondern etwas, was in ihr iſt. Wahrlich ein
ſonthetiſcher Satz, der ein ſeltſames Anſehen hat. Was iſt
denn bey Ihnen Zeit? Koͤnnen Sie ſich etwas anders
darunter denken, als eine ununterbrochne Reyde von Veraͤn—
derungen? Muß alſo nicht der Begriff der Veraͤnderung in
dem Begriff oder der reinen Anſchauung der Zeit nothwen—
dig liegen? Wenn nun dieſe letzte zu Ihrer Aeſthetik gehoͤ.
ret, wie kann denn der Begriff der Veraͤnderung von ihr
ausgeſchloſſen ſeyn? So lange die reine Anſchauung der
Zeit ſich in unſern Vorſtellungen nicht ändert: fo lange wird
ſteylich auch die Zeit als Zeitbegriff unveraͤndert bleiben.
Wer wird Ihnen dieß nicht gerne zugeben? Die Zeit alſo
eine Reyhe von wirklichen Veraͤnderunden wird ſich aͤndern
muͤſſen,
206 RE ARE
muͤſſen, fo wle dle Succeſſionen gegen das Gegenwaͤrtlge eln
andres Verhaͤltniß erhalten. Um dleſe Veraͤnderung wahr,
zunehmen, dazu wird erfobert, daß wir von dem Daſedn
der Dinge und den Succeſſlonen ihrer Beſtimmungen üben
zeugt werden, und dieſe Ueberzeugung kann nur durch Er.
fahrung In uns entſtehen. Wir könnten aber hievon keine
Erfahrung haben, wenn nicht auſſer unſrer Form der reinen
Anſchauung von Zeit Dinge wären, deren Beſtimmungen auf
einander folgten, und unſcer Receptlvltaͤt der Sinnlichkeit
zu Vorſtellungen oder emplriſchen Anſchauungen von ihnen
den Stoff darteichten. Allein dieſe Riyhe der Succeſſionen
iſt nicht ſelbſt unfre Anſchauung von ihr, ſondern äuſſter
Gegenſtand derſelben, iſt oblective Zelt, obiective Beſtim.
mung der Dinge ſelbſt, in welchen die Veraͤnderungen auf
einander erfolgen. Wenn Sie mir alſo dieſes einraͤumen,
was eine richtige und nothwendige Folgerung aus Ihrer
eignen Behauptung iſt: fo wäre in Anſehung der Zeit wi.
ſchen uns der Streit gehoben. deben Sie wohl!
16 Brief.
Mein Herr,
Zu Ihrer transſcendentalen Aeſthetik fügen Sie noch allge
meine Anmerkungen hinzu. Ihre Hauptabſicht bey dieſen
geht dahin, es uns fo deutlich, als moͤglich iſt, zu erklaren,
was Ihre Meynung in Anſehung der Grundbegriffe der
ſinnlichen Erkenntniß überhaupt ſey. Sie halten dieje Er.
klaͤrung für noͤthig, um allen Mißdeutungen derſelben vorzu:
beugen. Welchen Unterricht werden wir alſo nun mit
Recht von Ihnen erwarten? Doch nicht etwa blos Wieder.
hohlungen in elner Ihnen eigenthuͤmlichen Kunſtſprache,
ſendern nue deutliche Aufklärung über die Art, wie Sie ſich
‚üben
übert
denke
in el
habe
heit
dle n
welch
und
gen |
babe
es el
tigen
her
ſtellu
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dure
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Eric
und
als
nun
auf
ung:
tes
geld
font
nun
gen
anf
hält
ſie !
überhaupt die Grundbeſchaffenheit der ſinnlichen Erkenntniß
denken. Sie werden uns alſo unfre ſinnliche Erkenntniß
in einem noch glaͤnzendern Lichte, als Sie bisher gethan
haben, vor Augen legen, ihre eigentliche Grunv beſchaffen⸗
heit entwickein, und hinreichend beweiſen müffen, daß Sie
die wahre endecket haben. Wir wiſſen es nun doch, aus
welchem Geſichtspunct wir Ihre Anmerkungen betrachten
und beurtheilen muͤſſen.
a) Die erſte derſelben iſt dieſe: Alle unfre Anſchauun—
gen ſind nichts als Vorſtellungen von Erſcheinungen. Dieß
haben Sie uns nun freplich ſchon oft geſagt, aber Sie haben
es eben ſo wenig hier als ſonſt wo genau erklaͤret, was Sie
tigentlich dadurch anzeigen wollen, noch dieſen Ihren ſon—
thetiſchen Satz bewleſen. Eie unterſcheiden hier unfre Vor—
ſtellungen von Erſcheinungen. Was koͤnnen alſo die letzten
fern? Nichts anders als die Gegenſtaͤnde ſelbſt, welche uns
durch Huͤlfe der Sinne etſcheinen, oder die Vorſtellungen,
welche wir von ihnen haben. Im erſten Fall koͤnnen die
Erſcheinungen unmoͤglich Anſchauungen genannt werden,
und im letzten iſt der Sotz dieſer: Anſchauungen ſind nichts
als Vorſtellungen von Vorſtellungen. Was ſollen wir uns
nun eigentlich bey dieſem Satze denken? Verſtellungen,
auf die Obiecte bezogen, werden ſonſt von Ihnen Anſchau—
ungen genannt. Sie haben alfo die Bedeutung dleſes Wor⸗
tes hier geändert. Kann dieß aber ohne einige Verwirrung
geſchehen? Wir haben nicht blos sinnliche Anſchauungen,
ſondern auch Anſchauungen des Verſtandes und der Ver
nunſt. Dleſe find doch feine Vorſtellungen der Etſcheinun⸗
gen?
d) Die Dinge, dle wir anſchauen', ſollen nicht das
anßſich ſelbſt ſeyn, wofür wir fie anſchauen, noch ihre Ver:
hältniffe eine ſolche Beſchaffenheit an ſich ſelbſt haben, als
fie uns erſcheinen. — Nun fo wären alle unfre fi .. Er
ennt»
208
kentnniſſe Nichts als Wahn, Nichts als Betrug der Sinnt.
Ich habe nid) bisher überredet, daß Holz von Eiſen, daß
eine Eiche von einer Reſe, daß der Trlangel, welchen ich
vor mir ſehe, von dem vor mir beſchriebenen Quadrat we.
ſentlic) unterſchieden wäre. Ich habe durch Hülſe der Er,
fehrung mir ihre weſentlich unterſchiedene Beſtimmungen
bekannt gemacht. Ich habe einen Triar gel mit einem Pat.
allelogramm verglichen, gefunden, daß ſie gleiche Grundli.
nien und Höhen haben, und daraus geſchloſſen, daß dieſes
einen nochmal fo groffen Flaͤcheninnhalt hat, wle jener. Ih
habe leine Linie den drey Linien elnes Triangels g'eich gemacht,
und mir nun das Verhaͤltniß der Gleichhelt zwiſchen der
eisen und den drey Linien des Trlangels vorgeſtellt. Alles
dieſes lag in meiner ſinnlichen Anſchauung von dieſen Ge—
genſtänden, und doch ſollen dieſe Dinge dieſe weſentlich
unterſchiedenen Beſtimmungen nicht haben; die Verhältniſſe
ſollen nicht fo ſeyn, wofür ich fie anſchaue. Anſchauungen
find fie frenlicy nicht in den Dingen ſelbſt, ſondern die
Gegenſtände von dieſen, welche, wenn ſie auch nicht ange—
ſchauet wuͤrden, ihre eigenthuͤmliche Formen hätten. Dich
verſteht fi) von ſelbſt. Dleß koͤnnen Sie auch nicht ſagen
wollen, wenn Sie behaupten, daß die Dinge und ihre Ver
baͤltniſſe an ſich nicht fo beſchaffen find, als fie uns erſchei⸗
nen. Waͤte dleß ohne Einſchraͤnkung richtig, was würden
dann unſte Anſchauungen von ihnen ſeyn? Nichts als
Iräaumerenen, durch welche wir nach der ſubiectiven Ferin
unſter Sinnlichkeit gezwungen würden, die Dinge uns
anders, ihre Verhaͤltniſſe uns anders vorzuſtellen, als fie
find. Unſre ſinnliche Erkenntniß wäre alſo in Ruͤckſicht
ihrer Obiecte keine wahre, ſondern blos eine Täuſcherinn,
welche uns hinterginge. Koͤnnen Sie dieß im Ernſt die Welt
bereden wollen?
c) Wenn wlr unſer Subiect, oder auch nur die ſublee⸗
tlve Bedingung unſter Sinnlichkeit auſpeben: fo find, wie
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Ben
von
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welch
55 209
Sie binzuſctzen, elle die Beſchaffenhelten, olle die Verpaͤlt.
mſſe der Obitcte in Zeit und Raum, ja ſelbſt Ra m und
Zeit verſchwunden, und als Erſcheinungen koͤnnen fe nicht
an ſich ſelbſt, ſon dern nur in uns eriftiren. Wie wens wir
keine ſubiective Bedingung der Sinnlichkeit köten, um
Vorſtellungen von den Gegerſtaͤnden, von ihren Vorhaͤltpiſ⸗
fen in Zeit und Raum, und von beyden ſelbſt zu erholten?
So wären fie alle verſchwunden. Wo denn? In unſern
Anſchauungen? Ganz recht. Denn dieſe würden wir denn
richt haben koͤnnen, weil fie als Erfcheinungen nicht an ſich
ſelbſt, ſondern nur in uns ihr Daſcyn haben. Hieraus koͤnnen
Sie aber nichts weiter ſchlieſſen, als daß Etcſcheinungen, d. h.
unſre Vorſtellungen von den Gegenſtaͤnden nicht welter ſtatt
hatten. Könnten Sie aber wohl daraus die Folgerung ma—
chen, daß die Gegenſtaͤnde mit allen ihren ciqentpuͤmlichen
Beſchaffenheiten, mit allen ihren Verhaltniſſen in Zeit und
Raum, welche wir itzt, da wir die dazu nͤthige fubicctive
Bedingung der Sinne hoben, aus Erfahrungen kennen,
auch verſchwunden ſeyn wuͤrden? Was haben dieſe, an ſich
betrachtet, mit unſrer ſubiectiven Belingung der Sinnlichkeit
zu thun? Die Feder, womit ich ſchreibe, bleibt, was ſie iſt,
behaͤlt die Eigenſchaft, weiche fie hat, die Geſtalt, die ich
ihr zu meinem Zwecke gegeben habe, ich mag eine ſinnliche
Anſchauung von ihr haben, oder nicht. Wenn Sie uns nur
dieß zugeben: fo wollen wir. Ihnen es gerne zugeftehen,
daß die Dinge nicht als Dinge, ſondern als Erſcheinungen
nice an ſich ſelbſt, ſondern nur in uns eriſtiren, und boß fie
verſchwunden ſeyn würden, wenn unfre fubicctive Bedingung
der Sinnlichkeit verlohren gegangen wäre.
d) Es bleibt uns ganz'ih unbekannt, mas eg für eine
Bewandniß mit den Gegenſtaͤnden an ſich und abgeſondert
von aller dieſer Receptivitaͤt unſrer Sinslichkeit hoben woͤge.
Sie ſcheinen dieß als einen Zuſatz (corollarium) anzuſehen,
welcher unmittelbar aus Ihren 5 Behauptun-
gen
gen folge. Nur Schade, daß dieſe keine Gultigkeit hat, wie
ich oben bewieſen habe. Sie wellen, daß wir die Gegen.
ſtaͤnde von aller Receptivltat unſrer Sinnlichkeit abſondern;
und wenn wir dleß thaͤten: fo würde es uns gaͤnzlich und
kannt bleiben, was es für ein Bewandniß mit den Dingen
on ſich hätte. Auch dieß wuͤrde ich nicht in Abrede ſcyn, wenn
Sle nur damit fo viel ſagen wollten: waren tiefe Gegen,
ſtände fo von aller Receptivitat unſter Sinnlichkeit abgeſon,
dert, daß ſie auf dieſe gar keinen Einfluß haben koͤnnten:
fo wuͤrden wle gar kein Erkenntniß von ihren Beſchaffenheiten
und Verhaͤltniſſen haben. Dick letzte würde freylich baz
uns nicht moͤglich ſeyn, weil dle Gegenſtaͤnde alsdann un
ſrer Sinnlichkeit keinen Steff zu Verſtellungen von ſich,
von ihren Eigenſchaften, ron itren Verhaͤltniſſen in An.
ſehung des Raumes und der Zeit darreichen konnten, und
wir Sterbliche auf keinem andern Wege Eikenntniß von ih,
nen zu erhalten, im Stande ſind. Alleln ſo verhaͤlt ſich
nun zu unſerm Gluͤcke die Sache nicht. Die innern und
äuffern Gegenſtaͤnde ſtehen in keiner ſolchen Abſonderunz
von aller Receptivitaͤt unſrer Sinnlichkeit, ſondern fie ma.
chen vielmehr Eindrücke auf dieſe, und geben ihr den Stof
zu Worſtellungen von ſich, von ihren Eigenſchaſten, von ihren
Verhaͤltniſſen in diͤckſicht des Raumes und der Zeit, und ſo
weit ſie dieß thun, koͤnnen wir auch eine Erkenntniß von allem
dieſen uns verſchaffen. Den Stoff zu Vorſtellungen von
ihrer innern erſten Grundkraſt, worin der Grund der Moͤg—
lichkeit von allem ihrem Wirken und Leiden enthalten iſt,
koͤnnen fie der Receptivitaͤt unſter Sinnlichkeit nicht geben,
ſondern unſte Vernunſt muß ihre Kräfte verſuchen, ob fie
fähig iſt, aus demjenigen, wes jene gegeben haben, auf die
Beſchaffenheit ihrer erſten Grundkräfte ſicher zu ſchlieſſen,
und fie wird es auf dieſer Bahn der höhern Unterfuchung
zur Demürhisung ihres Stolzes bald genug bemerken, wle
wahr in Rüͤckſicht ihrer jetzigen Lage dieſer Ausſpruch eines
unſter biften philoſophiſchen Dichter iſt: ins Innre der Na⸗
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tut dringt kein erfchaffner Geiſt. Zu gluͤcklich, dem ſie
noch die erſten Schaalen weiſt.
e) Wir kennen nichts, als unfre Art die Gegenſtaͤnde
wahrzunehmen, welche uns eigenthuͤmlich iſt, welche auch
nicht nothwendig jedem Weſen, ob zwar jedem Menſchen
zukommen muß. Allein woher wiſſen Sie denn dieß letzte
mit fo apodictiſcher Gewißheit? Doch nicht anders. als
durch eine ſehr unvollſtaͤndige Induction, welche ſich auf
Ihre Erfahrung gruͤndet? Menſchen gehören ja auch zu
den Gegenſtänden unſrer Sinnlichkeit; und wenn Sie ſich
denn ſo gewiß davon uͤberzeuget haben, daß wir nicht die
Gegenſtaͤnde ſelbſt, ſondern nur unſte Art, fie wahrzuneh—
men, kennten, daß wir von jenen ohne Ruͤckſicht auf unſte
ſubiective Bedingung der Sinnlichkeit nichts wüßten: ſo koͤnn—
te ich es mir nicht erklaͤren, wie Sie von dieſer Eigenſchaft
des Menſchen, als einer ausgemachten Sache, fo zu reden
fahig wären. Ich muß geſtehen, daß ich mehr von meinen
auſſern Wahrnehmungen ſelbſt, als von meiner Art wahrzu—
nehmen weis. Jene haben der Möglichkeit nach in der Res
ceptivitaͤt und Spontanität meiner ſinnlichen Vorſtellungs⸗
fähigkeit, ihrer Wirklichkeit nach in der Einwirkung äufferer
Gegenſtaͤnde auf die Organe meiner Sinne ihren Grund. So
lange aͤuſſere Gegenſtaͤnde auf die Organe unter; gleichen Um—
ſtaͤnden auf einerley Art wirken: jo ſteht es weder in meiner,
noch in der Gewalt irgend eines andern Menſchen, in den ſinn—
lichen Wahrnehmungen etwas weſentliches zu ändern. Da, wo
ich und andre Menſchen von geſunden Sinnen und Verſtande
ein Meer mit brauſenden Wogen gewahr werden, koͤnnen
wir durch alle Anſtrengung unfrer Imagination keine Blus
menreiche Wieſe Hinzaubern, und unſern Blicken darſtellen.
Die ſinnliche Anſchauung bleibt immer unveraͤndert dieſelbe:
fo lange der Gegenſtand ſich nicht ändert, und wir unſre
Blicke auf ihn werfen. Dieß lehret eine Erfahrung, welcher
Sie in Anſehung ſolcher Weſen, wie wir ſind, von ſolchen
Sinnen, wie wir haben, eine allgemeine Gültigkeit ohne
O 2 Wl⸗
*
212
Widetrede zugeſt. hen werden. Vielleicht find in der Ci.
ſterwelt un zahl ich viele verſchiedene Claſſey, ven, welchen eine
jede ihre cigenihümliche Art hat, ſinnlich die Dinge wah' zu,
nehmen, welche fo wie von jeder Art der Übrigen auch von der
unfrigen ſehr upterſchieden iſt. Unterdeſſen mag dieſe Der
ſchiedenheit ſo greß ſeyn, wie ſie wolle; ſo werden Toch alle
dieſe denkende Weſen, wenn ſie ſich enders die Dinge p
volſtellen, wie ſie find, Raum und Zelt als obiective Ber
dingungen von ihnen denken muſſen.
0) Roum und Zeit find dle reinen Formen der Act,
die Gegenſtaͤnde wahrzunehmen, Emwpfadung iſt uberhaupt
die Materie. Was wollen Sie eigentlich hiemit ſagen!
Nach ihrem Syſtem kann dieß ichs anders htiſſen, als in
jeder finnlihen Wahrnehmung liegt cine reine Anſchauung
von Zeit und Raum zum Grunde, und wir wuͤrden ehne
dieſe keine Wahrnehmung haben. Di.B if aber unfrer Er
fahrung entgegen. In meinen ſinnlichen Wahrnehmungen
liegt nichts von Zeit, wenn ich mir nicht der Zeit als einer Reo—
he von Veränderungen in den Dingen, die ich wahrneh;me, ber
wuſt bin; auch nichts vom Raum, wenn ich nicht eine ſinnli⸗
che Vorſtellung von Dingen habe, worinn Theile auſſer und
neben einander zugleich ſind. Jenes hat ſtatt, wenn ſich mit
Gegenſtaͤnde datſtellen, ohne daß ich in ihnen Veränderungen
bewerke, und dieſes iſt denn der Fall bey mir, wenn tie
Obiecte meinen Augen als einzeine Puncte erſcheinen,
in welchen ich nichts mehr untecſcheiden kann. Hieraus
erhellet, daß nicht Zeit und Raum durchaus die Formen mei—
ner Wahrnehmungen fern muſſen. Sie nennen die Mate—
rie Derfelben die Empfindung. In Ibdrer Schule wird aber
ſonſt die Vorſtellung auf des denkende Subiect bezogen, Emp—
findung genannt, und fo wire dieſe Vorſtellung die Mate—
rie der Wahrnehmung. Allein dieß ſcheinet hier Ihte
Meynung richt zu ſeyn Ohne Zweifel denken Sie ſich pier
unter Matsrie den Inhalt der Vorſtellung, 3. B. einen
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vorqe
Mate
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neber
913
vorgeſtellten Tiſch, die vorgeſtellte Sonne, u. ſ. w. Dieſe
Materie elner ſinnlichen Wahrnehmung bezieht ſich ſtets auf
ihren Gegenſtand, und ſolglich auf ein oder mehrere einzel.
ne Dinge (indiuidua).
g) Zeit und Raum konnen wir allein a priori, d. i
rer aller wirklichen Wahrnehmung erkennen, und ſie heiſſen
darum reine Anſchauungen. Die Materie iſt aber das in unſ—
ter Eckenntniß, was da macht, daß fie Erkenntniß a po-
ſteriori, d. i. empiriſche Aaſchauung heiſſet. Allein Zeit und
Bi: als allgemeine SDegrilfe Fonnen wir nicht zuerſt
ane alle wirkliche Wahrnehmungen erkennen, weil ſie alt
0 de in unſter Vorſtellung nicht ehr ſtatt finden koͤnnen,
als bis unſer Verſtand ſie aus einzel ien empirifhen Wahre
nbmurgen aczogen hat. Sie entfpringen alſo wie andre
ollgemeine Begriſſe zuerſt aus Erfahrungen, ſolglich a po—
ſtetiori, und nur daun erſt konnen wir durch eine Abſonde—
tung aller individuellen Beſti, mungen der Dinge, worinn wir
fi: wahr: wonen, ſie zu all Emeanen Begriffen, zu reinen An⸗
ſchzuungen erheben, und nun bemerken, daß wir in den eine
zelnen empiriſchen Anſchauungen von ſelchen i die⸗
fe allgemeinen Begriſſe von Zeit und Raum nach ihren Merk—
malen wieder 1
h) Zeit 95 Kaum hängen unſcer Sinnlichkeit ſchlecht.
bin nethwer dig an, von welcher Art auch unſte Empfinduns
gen ſeyn mögen, obgleich dieſe ſehr verſchieden ſeyn koͤnnen.
Hiegegen empört ſich wieder meine Erfahrung. In meinen
Erfindungen durch Hulſe der Organe vom Gehoͤr, vom
Geſchmack, von Geruch findet ji) weder eine Anſchauung
von Zeit noch Raum. Soll mein Verſtand beydes in ihnen
gewahr werden: ſo muß ich eine empiriſche Anſchauung von
Gegenſtänden haben, worinn ſich eine ununterbrodyne Rey
be von Succeſſionen, oder werinn ſich Theile auſſer und
neben einander zugleich ſinnlich Eger
3 | i) Wenn
214
i) Wenn wir dieſe unfre empiriſchen Anſchauungen
auch zum hoͤchſten Grade der Deutlichkeit bringen koͤnnten:
ſo würden wir dadurch der Beſchaſſenheit der Gegenſtaͤnde
am ſich ſelbſt nicht näher kommen. Dieß iſt ein ſynthetiſcher
Saß, deſſen Beweis Sie uns wohl auf immer ſchuldig bleis
ben werden. Weder in Ihren vorhergehenden Entwlcklun⸗
gen, noch in dleſen allgemeinen Anmerkungen zu Ihrer
transſcendentalen Aeſthetik, welche im Grunde nichts mehr
als bloſſe Wiederhohlungen ſind, haben Sie ihn beſſaͤttiget.
Das Gegenchell von ihm zu beweiſen wird eben keine Schwie.
rigkeit machen. Brächten wir unfre empiriſche Anſchau—
ung zum hoͤchſten Grad der Deutlich keit: jo würden wir in
den Gegenſtaͤnden derſelben auſſer uns alles unterſcheiden, was
darian unterſchieden iſt, und unfrer Receptivität der Sinn—
lichkeit den Steff zur Vorſtellurg von ſich dargereichet hat.
Wir wurden olles bemerken, was in ihnen enthalten wäre,
nicht blos die Verſchiedenhelt der Theile, die Merkmale, wo—
durch ſie ſich unterſcheiden, ſondern auch die Verhaͤltniſſe,
welche ſie gegen einander haben. Wir wuͤrden alſo die Be—
ſchaffenheit derſelben beſſer kennen, oder wie Sie ſich aus
drucken, ihnen näher kommen. Die Anſchauung eines Kuͤnſt—
lers, welche eine theoretiſche Kenntniß von ſeinen Kunſtwer—
ken hac, iſt doch von der Anſchauung eben dieſer Werke in
einem Kinde Himmeiweit unterſchieden. Ein Mann, mil
cher der Structur des menſchlichen Koͤrpers bis auf die kleinſten
Fäſerchen nachgeforſcht, den Zweck, welchen jeder Knochen,
jede Ader, jede Sehne hat, die erſtaunenswuͤrdige gegenſei—
tige Einwirkungen der Theile auf einander, die zweckmaͤſſigen
Bewegungen, dle daher erfolgen, ſich bekannt machte, hat
doch eine weit richtigere, weit genauere, weit gröffere Er—
kenntniß von der Beſchaffenheit unſers Körpers, als ein Un
eingeweyhter in dleſer Art der Wiſſenſchaft. Er wird es
Ibnen ableugnen, und dieß mit Recht, daß er nur blos
feine Art der Anſchauung, blos feine Sinnlichkeit, daß er
blos die Structur des Körpers, die zweckmaͤſſige Verbin⸗
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dung unter der ihm urſpruͤnglich anhaͤngenden Bedingung von
Zeit und Raum erkenne, und daß es ihm durchaus nicht
bekannt fen, was fein Gegenſtand für eine Beſchaffenheit ha—
be. Je aufgeklaͤrter ſeine Erkenntniß von dieſer iſt: deſto
mehr iſt er uͤberzeugt, daß dieſe nicht auf bloſſe Erſcheinun—
gen als ſubiectire Vorſtellungen, ſondern vielmehr auf die
ebiectiven Eigenſchaſten feines Gegenſtandes ſich ſtuͤtze, von
welchen er keine Erkenntniß haben würde, wenn fie ihm nicht
den Stoff zu dieſen Vorstellungen dargereicht hätten, welche
alſo dieſem entſprechen muͤſſen.
Sie behaupten, daß die Philoſophen unſre ganze Sinne
ſichkeit fuͤr nichts anders als für verworrne Vorſtellungen der
Dinge ausgeben, welche lediglich das enthaͤlt, was ihnen an
ſich ſelbſt zukſmmt, aber nur unter einer Zuſammenhaͤufung
von Merkmalen und Theilvorſtellungen, welche wir nicht mit
Vewuſtſeyn aus einander ſetzen. So wird kein Weltmeifer,
der dieſen Namen verdient, je geredet haben. Wie koͤnnte
er die Sinnlichkeit für cine eigentliche Vorſtellung ausgeben?
Er müßte in dieſem Fall zu kurzſichtlg fern, um es einzuſehen,
daß unſte Sinnlichkeit blos ein Vermoͤgen, und als ein ſol—
ches von den Wirkungen der Sinnlichkeit unterſchieden waͤre.
Zwlſchen ſinnlicher Erkenntniß, und Erkenntniß des Verſtar—
des und der Vernunft haben die Philoſophen freylich laͤngſt
einen Unterſchied gemacht. Jene gründet ſich auf das Be—
wuſtſeyn unſrer empiriſchen Vorſtellungen, welche entweder
durch Einwirkungen der Gegenſtaͤnde auf die Organe unfrer
Sinne, oder durch unfre innre Veränderungen, deren wir
uns bewuſt werden, in uns entſtehen. Sinnliche Vorftellune
gen von der erſten Art haben ſtets einzelne Dinge (indiuidua)
zu Gegenſtaͤnden, und von dieſen iſt, wenn wir darauf ach⸗
ten, die Vorſtellung unzertrennlich, daß die Gegenſtaͤnde ſelbſt
auſſer uns als denkenden Subiecten angetroffen werden. Die
empiriſchen Vorſtellungen von ihnen find immer Tetalanı
ſchauungen der Gegenſtaͤnde, 55 ſolglich denken wir uns
4 den
816 eee eee
*
den Gegenſtand als ein Ganzes, ohne uns in dleſer Anſchau—
ung der Theile beſonders bewuſt zu ſeyn. Wir unterſcheiden
alſo in dieſer Vorſtellung die Theile nicht, ſtellen uns fie mit
einmal, und ſolalich ohne Abſonderung, ohne Bewuſtſeyn
der einzelnen Theile, d. i. verworren (conſule) vor. Wollen
wir die Theile unterſcheiden: fo muͤſſen wir auf fie beſonders
unfce Aufmerkſemkeit richten, über das Ganze refleetiren,
und durch eine Aoſtraction ſie gleichſam unſerm Zweck gemäß
zergtied ern. Hier gebt nun des Gebiet des Verſtandes und
der Nrnunſt au. Wo iſt hier Verfaͤiſchung des Begriffes
von Sinnlichkeit? Wie ſollte dieſe Lehre don ihrer Wirkſam—
keit leer und untuͤtz ſeyÿn? Sie iſt auf richtige Beobachtung
gebauct, und wir legen in ihr dasjenige zum Grunde, was
wir durch genaue Aufmerkſamkeit in unſern empiriſchen äul
eren Verſtellungen vornehmlich gewahr wurden. Finden
Sie in ihren Anſchauungen, wezu äuſſere Gegenſtaͤnde ihnen
den Stoff darboten, es anders: fo muß die Beſchaffenheit
Ibrer ſinnlichen Vorſteklungsfählzkeit von einer andern At
als die unſrige ſeyn, und dann wäre mit einmal unkt
Streit gehoben. Sie redten vor einer Ihnen eigenthüms
lichen Form der Sinnlichkeit, und ich redete von der mei.
nigen, und von der Form, welche bey den übrigen Men
ſchen ſo allgemein ſich ſindet. Folglich koͤnnten wir beyde
Recht haben. Den Unterſchied zwiſchen einer deutlichen und
undeutlichen Vorſtellung halten Sie blos für einen logiſchen,
welcher den Innhalt nicht betriſt. Gerade aber deswegen,
weil er logiſch richtig iſt: fo wird er mir wichtig. Denn die—
ſes koͤnnte er nicht ſeyn, wenn nicht dadurch eine verschiedene
Art der Erkenntnitz bezeichnet würde. Iſt denn die verſchie—
dene Art, wie wir uns das Mannigfaltige in den Gegenſtaͤn.
den denken, fo ganz gleichgültig, und kann dieß nicht das
Merkel werden, wodurch ich die Wirkung der Sinnlichkeit
von den Wirkungen des Verſtandes und der Vernunſt unter—
ſcheide? Dieſer Unterſchied öetkiſt auch allerdiags den Inn,
balt der Vorſtellung. Dieſe iſt blos ſinnlich, wenn wir urs
des ganzen Gegenſtandes, fo wie er ſich ben Sinnen dark,
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nen
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feine
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Kind
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eber nicht der Theile beſonders bewuſt werden. Deutlich
wird die Vorſtellung, wenn wir in derſelben auch auf die
einzelnen Theile unſre Aufmerkſamkeit richten, ſie gegen
(inander vergleichen, und das Mannigfaltige in derlelben
beſonders uns denken, was in der ſinnlichen Verſtellung un—
ter einer Zuſammenhaufung der Theile als ein Ganzes lag.
Dleß iſt nun (chen eine Fo ge von der Wirkung unſers Ver—
ſtindes durch Hülſe der Reflection und Abſtraction. So
viel ich weis, hat auch keiner von unſern Einſichtsvollen Ppis
leſephen behauptet, daß alles, wovon wir eine verworrne
Vorſtellung (idea m confulaın) haben, ein Gegenſtand uns
ſrer Sinnlichkeit ſeyn muß. Wie konnen Sie es behaupten,
daß der Begriff vom Recht, deſſen ſich der geſunde Ver.
fand bedienet, eben daſſeibe enthalte, was die ſubtilſte
Speculation aus ihm entwickeln kann. Der gemeine
Mann von geſundem, aber nicht aufgeklaͤrtem Verſtande
bot eigentlich vom Recht keine Begriffe, wenigſtens ſind
ſie im hoͤchſten Grade verworren. Allein nach ſeinem mora—
lichen Gefuͤhle, und nach der Erziehung, welche er erhalten
hot, weis er in feinem Wirkungskreis faſt jedesmal, was
Recht oder Unrecht ſey. Seine Begriffe, wenn fie anders
ihm beygelegt werden konnen, find in dieſem Fache, wo
nicht dunkel, doch ſehr verworren. Wir koͤnnen freylich des-
wegen nicht ſagen, daß fein Oegriff ſinnlich ſey, und eine
bloſſe Erſcheinung enthalte, weil das Recht gar nicht erſchei—
nen kann, ſondern ſein Begriff im Verſtande liegt, und ei—
ne moraliſche Beſchaffenheit der Handlungen vorſtellt, die
ihnen an ſich ſeibſt zukoͤmmt. Hierinn wird Ihnen jeder
feinen Beyſall nicht verſagen. Allein unſte Philoſophen Dee
haupten doch auch nicht, daß alles, was wir uns verworren
vorſtellen, eine empiriſche Vorſtellung eyn muß, welche
durch Hülfe der verſchiedenen Organe von unſern Sinnen die
äuſſern Gegenſtaͤnde in uns erreget haben. Wenn jemand
weis, daß ein Triangel ein Raum ſey, welcher von drey
Linien eingeſchloſſen iſt: fo hat er von dieſem allgemeinen
Gegenſtand der Geometrie 175 deutlichen Begriff. Weis
a 5 et
—— . —
— — —— — —
— — —
—
er aber nicht das Mannigfaltige in den Merkmalen bes
Triargels beſonders anzugeben: fo iſt feine Vorſtellung von
den Thellen des Trlangels verworren, und, wenn er ſich ihn
im Allgemeinen denket, dabey nicht ſinnlich, ſondern eine
Vorſtellung des Verſtandes.
Ihre Vorſtellung eines Körpers ſoll in der Anſchauung
gar nichts enthalten, was einem Gegenſtande an ſich ſelbſt
zukommen koͤnnte. Auch die Meinige iſt in einem gewiſſen
Verſtande eben ſo beſchaffen. Was in meiner Anſchauung
eines Koͤrpers liegt, iſt blos Vorſtellung in mir, und dleſe
kann mit ihrer Form und ihrem ganzen Innhalte, nicht in
dem Körper liegen, weil fie blos Beſtimmung meiner fubs
lectiven Denkkraſt iſt. Allein eine andre Frage iſt dieſe:
liegen die Eigenſchaften, wevon ich mir eine Vorſtellung
der. In meiner Vorſtellung von ihm liegt nichts, was dem
Cylinder ſelbſt für ſich betrachtet zukoͤmmt, weil die eigen—
pers ſelbſt ſeyn kann. In meiner Vorſtellung liegt nichts
als Vorſtellung, aber fie iſt in mir ein Bild von dem Ge—
genſtande, und das Original davon iſt der Cylinder, wel.
cher vor mir liegt. Die Receptivitaͤt meiner Erkenntnißfaͤ⸗
higkeit, Vorſtellungen von Gegenftänden zu erhalten, wel
che auf meine Sinne wirken, heißt Sinnlichkeit. Dleſe
Receptivitaͤt iſt blos Vermoͤgen, keine Erkenntniß des Ga
genſtandes an ſich, und jene blelbt alſo von dleſer, wenn
man gleich den Gegenſtand, der uns erſcheinet, bis auf
den Grund durchſchauen möchte, hlmmelweit unterſchleden.
Hier ſcheinen wir uns wieder auf einem Wege, aber in ent-
gegengeſetzten Richtungen anzutreffen.
Philoſophie gegen dieſe Ihre Anklage zu vertheidigen, daß
ſie allen Unterſuchungen über die Natur und den Urſprung
unſter
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mache, nicht in dem Körper? Ich betrachte einen Cylin. de
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thuͤmliche Form meiner Verſtellung nicht die Form des Kir
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Ich habe zwar keinen Beruf dle Leibnitz⸗Wolfiſche
tiviteé
ten (
(inte
keiten
5 enfrer Erkenntniß einen ganz unrichtigen Geſichtspunct an-
gewieſen hat, weil fie den Unterſchied der Sinnlichkeit von
dem Intelle ctuellen blos als logiſch betrachtet. Dieß thut
ſe aber denn dech meiner Einſicht nach nicht, wenn dieß ſo
viel Heiffen ſoll, daß fie Deutlichkeit in den Vorſtellungen
((diſtinctio) als einen ausſchlieſſenden Character des Intellec⸗
tuellen, und Undeutlichkeit in ihnen (contuho) zum einzigen
Merkmal der Sinnlichkeit mache. Sie hat es nie geleugnet,
daß auch die Verſtandesbegriffe undeutlich (notiones confu—
ge) ſeyn koͤnnen. Sie ſchloß vielmehr fo: der Menſch iſt uns
= fäpig, alle beſondre Merkmale der einzelnen Dinge ſich vore
zuſtellen. Es wird folglich in feinen Vorſtellungen von ih—
nen manches durchaus unausgewickelt, oder durch einander
gtmiſcht erſcheinen. In abſtracten Ideen, welche blos die
Aehnlichkeit der einzelnen Dinge (indiniduorum) unter ſich
begreifen, kann eine vollkommne Deutlichkeit ſtatt finden, und
de dieſe weder in den Vorſtellungen der Senſation noch der
Imaginatlon fo beſchaffen ſeyn kann: fo unterſcheidet ſich von
beyden unſer Verſtand, durch das Vermoͤgen, deutlich zu
denken. Will ich alſo die Meynung des Leibnitzianers hier
nicht unrichtig erklaren: fo ſehe ich, daß nach ihm das In⸗
tellectuale da angeht, wo wir nicht mehr einzelne Dinge,
ſondern ihre Aehnlichkeit, ſolglich allgemeine Begriffe uns
denken, und uns derſelben beſonders bewuſt werden. Weil
nur in Anſehung dieſer eine vollkommne Deutlichkeit ſtatt haben
kann: fo erklärte er den Verſtand durch ein Vermoͤgen deute
lich zu denken. Hieraus erhellet alſo, daß nach ſeinem Sy—
| ſtem die Sinnlichkeit ſich 1) auf Vorſtellungen von einzelnen
Gegenſtaͤnden, in wie weit fie auf unfre Sinne wirklich Eine
druck machen, 2) auf Vorſtellungen, in welchen wir dieſe eins
zelne Dinge uns wieder fo vorſtellen, wie fie unſter Recep—
tivitaͤt den Stoff zu Anſchauungen von ſich dargereichet hate
ten (imaginationes, Einbildungen) erſtrecken. Der Verſtand
(intellectus) hat zu unmittelbaren Gegenſtaͤnden die Aehnlich:
keiten der einzelnen Dinge, oder die Merkmale, li
Uber⸗
220, eee eee
uͤbereinkommen, folglich allgemeine Begriſſe. In dieſer
Phlloſophie it alſo die Sinnlichkeit von dem Intellectuellen
thells in Anſehung der Art, wie die Dinge; vorgeſtellet werden,
theils in Rüͤckſicht des Innhalts der Vorſtellungen unterſchie.
den, und deswegen glaubt fie berechtiget zu ſeyn, einen logie
ſchen Unterſchied zwiſchen beyden zu machen, welcher ſich theils
auf die verſchiedene Art der Vorſtellungen, theils auf die
Verschiedenheit ihres Innhaltes gruͤndet. Hieraus entſpringt
der Unterſchied zwiſchen ſiunlicher und intellectueller Erkennt,
niß. Jene entficht aus dem Bewuſtſeyn der Vorſtellung
von einzelnen Dingen, welche auf uaſre Sinne wirken, oder
gewirket haben; dieſe aus dem Vermoͤ zen, das Allgemeine
aus den ſinnlichen Vorſtellungen heraus zuheben und es ſich
gewoͤhnlich unter ſelbſt gewaͤhrten Symbolen in allgemeinen
Begriſſen vorzustellen. Sollte dieß nicht der rechte Geſichts.
punct ſeyn, aus welchem wir die Natur und den Urſprung
unfrer Erkenntniſſe unterſuchen muͤſſen? Welchen richtigern
Geſichtspunct haben Sie uns denn dafuͤr angewieſen? Sie
ſagen: 1) der Unterſchied unter beyden iſt transſcendental,
ohne zu zeigen, worinn dieß beſteße; 2) er betrift nicht blos
die Form der Deutlichkeit und Undeutlichkeit, ſondern den
Ucſprung und Innhalt derſelben; 3) durch die erſte, (Sinn—
lichkeit) erkennen wir die Beſchaffenheit der Dinge an ſich
ſelbſt nicht blos undeutlich, ſondern gar nicht; 4) das ver
gestellte Obiect mit den Tigenſchaften, welche ihm die ſinnliche
Anſcheuung beylegte, iſt überall nirgends anzutreffen, noch
kann irgend wo angetroſſen werden, weil eben dieſe fubiective
Beſchaffenheit die Form deſſelben als Erſchein ang beſtimmt.
Was den zweyten Punct anbetrift: jo haben die Wolfianer
die Deutlichkeit (diſtinctionem idearum) und die Undeut—
lichkeit (canfufonem) fo erklärt, daß dabey fo wohl auf den
Inn halt, als auf die Art unfrer Erkenntniß Ruͤckſicht genom—
nien iſt, wie ich oben gezeiget habe. Ich finde aber hier in
bisen Ihren Anmerkungen nichts, woran ich das ntelle
ctucle erkennen, und den Unterſchled zwiſchen dieſem und un-
ſter
für
und
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über;
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nicht
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auch
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nicht!
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liegt.
als de
nung
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fo wel
Zuber
auch
koͤnner
221
rer Sinnlichkeit beſtimmen kann. Was nun den dritten
und vierten Punct anbettift: fo kann ich mich nicht de von
überreden, daß Sie ſich wirklich von der Wahrhelt derſelben
uͤberzeuget haben. Wuͤſten Sie mit Zuverſicht, daß Sie durch
Huͤlfe Ihrer Sinne die Beſchaffenheit der Dinge an ſich gar
nicht erkenden, und daſt auffer Ibter ſubiectiven Oeſchaffen.
heit die vorgeſtellten Obiecte mit den Eigenſchaften, welche
ihnen Ihre ſinnliche Anſchauung beylegte, uberall nirgends
angetreffen werden kann: fo kann ich es mir gar nicht er—
flären, wie Sie den Entſchluß faſſen konnten, für uns eine
Kritik der reinen Vernunft zu ſchreiben. Bey dieſem mülfen
Sie doch vorausſetzen, daß auſſer Ihnen getaͤumigte Dinge
find, auf welche Sie die Buchſtaben hinziehen koͤnnen, wel—
che in Ihrer Kritik vorkommen ſollen; daß auſſer Ihnen
Augen da find, welche fie nicht in Ihrer ſubiectiven Beſchaffen—
heit oder Form der Sinnlichkeit, ſondern auf den Blaͤttern
leſen ſollen, worauf Sie ſie geſchrieben haben; daß dieſe
ſich ſo den Augen der Leſer darſtellen, wie Sie ſie zeichneten;
daß dieſe die Gedanken, wovon fie liche Zeichen find, durch,
ihre Form in dem Gemuͤthe Ihrer Leſer erregen; daß dle
Eigenſchaften, welche dle fü: an che Anſchauung ihnen binlege,
auch ihnen ſelbſt anhaͤngen; und daß ſolglich die ſublective
Beſtimmung unſrer Sinnlichkeit fo befcheffen ſey, daß fie
nicht blos ſubiective Erſcheinungen von Obiecten hervorbringt,
welche auſſer der ſublectiven Befch sfienHeit nirgends angetroffen
werden, ſondern daß dieſe in der Secle richtige Abbildungen
ven dem find, was in den Obiscten an ſich ſelb ſt betrachtet,
liegt. Wollen Sie uns aber vielleicht nichts weiter lehren,
als daß unſre Vorſtellung von dem Obicct als eine Eeſchei—
nung auſſer unfrer fubicctiven Beſchaffenbeit, auſſer unſter
empiriſchen Anſchauung nirgends angetroffen werden konn:
fo werden Sie auf eine ganz fonterbare Art die größte
Zubereitung gemacht haben, um uns etwas zu ſagen, woren
auch der dummſte Menſchenverſtand nie hat zweiſeln
koͤnnen.
Frey⸗
— re een enge
Freplich umterfcheiben wir wohl unter Erſcheim ngen
dasjenige, was der Anſchauung derſelben weſentlich anhängt
und für jeden menſchlichen Sinn überhaupt gilt, von dem.
jenigen, was derſelben nur zufälliger Weiſe zukommt, indem
es nicht auf die Beziehung der Sinnlichkeit überhaupt
ſondern nur auf eine beſondre Stellung oder Organiſatlon die
ſes oder jenes Sinnes guͤltig iſt. Worinn kann aber Liefer
Unterſchled beſtehen? Ich kann mir keinen andern als die
ſen denken. Weſentlich muß unſter ſinnlichen Anſchaunag
dieß anhaͤngen, daß ſie ſo beſchaffen iſt, wle die Natur dies
Sinnes und die Art es mlt ſich bringet, nach welcher die
äufferen Gegenſtaͤnde auf ihn wirken. Zufälliger Wei
koͤmmt ihr dasjenige zu, daß fie ſich nach dem richtit, wie
bey einzelnen Menſchen ihre Organe beſchaſſen find, und wie
fie nach dieſer die Eindruͤcke der Gegenſtaͤnde aufnehmen kann.
Ein Myops erblickt die Gegenſtände in der Ferne andets
als ein Presbytes, einer, der die gelbe Sucht hat, anders, als
ein Menſch mit gefunden Augen. Anders erfdyrinet uns eine
Milbe unter einem Mikroskop, anders, wenn wir fie ohne dies
ſes anſchauen. Man kann die Erkenntniß, welche ſich auf eine
Anſchauung gründet, die ſo beſchaffen iſt, wie die Natut
des Sinues und die Art der Einwirkung des Gegenſtandes
auf diefe es weſentlich mit ſich bringt, eine ſolche, welche den
Gegenſtand an ſich ſelbſt vorſtellet, und die zwote eine Er
ſcheinung nennen. Was wollen Sie aber eigentlich dadurch
fagen, wenn Sie dieſen Unterſchied für blos emplriſch aus
geben? Soll es fo viel heiſſen, er gründet ſich auf Erfah
rungen: fo habe ich nichts dagegen, und er ſcheinet mir
eben deswegen ſehr gegruͤndet zu ſeyn.
Die Folgerung, welche Sie daraus ziehen, hat für mich
keine Gültigkeit. Sie behaupten naͤmlich, daß, wenn wit
dabey ſtehen blelben, und jene emplriſche Anſchauung nicht
wiederum als bloſſe Erſcheinung anſehen, fo daß darinn
gar nichts, was irgend elner Sache an ſich ſeibſt anhin
ge, anzutreffen ſey, unſer transſcendentaler Unterſchied ver
lohren. B
lohten
dentalen
unfre en
Stoff 3
gen von
welche w
dentale |
luſt den
wohl ble
meine A.
darreid):
(dauum:
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Verſtan
Saaten
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denke.
iect felb
mung n
doch ein:
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mich nic
in dem
ſolcher!
dleſem i.
Eben ſo
unter el
haupten
Gegenfl
zu thun
223
(ohren iſt. Was wollen Sie aber mit Ihrem transſcen.
dentalen Unterſchied? Wuͤrde er wirklich dadurch, daß wir
unſte empiriſche Anſchauungen von Gegenſtaͤnden, welche uns den
Stoff zu Vorſtellungen von ſich gegeben haben, als Abbildun—
gen von demjenigen anſehen, was in den Obieeten wirklich liegt,
welche wir anſchauen, verlohren gehe: fo würde der fransfcen«
dentale Unterſchied bloß ein Hirngeſpinnſt ſeyn, an deſſen Ver—
luſt den Wlſenſchaften nichts gelegen waͤre. Allein er koͤnnte doch
4 mohl bleiben. Ich ſtelle mir ein Saatenfeld fo vor, wie es auf
meine Augen wirket, und mir den Stoff zur Anſchauung von ſich
darreichet. Alsdann habe ich von ihm eine emplriſche An—
ſchauung, und ich habe es nicht mehr in meiner Gewalt,
es mir im Ernſte einzubilden, daß es nicht ſo vor mir liegt,
als ich es fehe. daß es nicht mit den Aehren geſchmuͤckt iſt,
welche ich erblicke. Nun denke ich mir durch Hülfe meines
Verſtandes von ihm blos dasjenige, worinn es mit allen
Saatenfſeldern uͤbereinkoͤmmt. In dieſem allgemeinen Bes
griff, wovon ich eine Vorftellung habe, liegt von allen den
individuellen Beſtimmungen des Feldes nichts mehr, als wo—
durch es andern aͤhnlich it. Dieſer Begriff iſt blos ſubiectl.
ve Wirkung meines Verſtandes und der Art, wie ich es
denke. Er kann als eln ſolcher Begriff nicht in dem Ob—
ect ſelbſt liegen, weil dieſer nichts als fubiective Beſtim—
mung meines Verſtandes iſt. Allein deswegen bleibt er
doch eine getreue Abbildung von dem, was dieß von mir er—
blickte Saatenfeld mit allen übrigen gemein hat, und ich kann
mich nicht taͤuſchen, wenn Ich davon uͤberzeugt bin, daß ich
in dem allgemeinen Begriff die allgemeine Beſchaſſenheit
ſolcher Felder, und in meiner emplriſchen Anſchauung von
dleſem individuellen Oblect dieſes als ein Ding an ſich erkenne.
Eben fo gewif bin ich davon überzeugt, daß ich Ihren nur
unter einer Einſchraͤnkung es zugeben kann, wenn Sie bes
haupten, daß wir es auch bey der tieſſten Erforſchung der
Gegenſtaͤnde in der Sinnewelt mit Nichts als Erſcheinungen
zu thun haben. Was kann hier die Sinnewelt Auer
j nis
224
Entweder die Welt auſſer unfern Vorſtebungen, welcke ſich
unſern Einnen darſtelle, oder die Darſtellung der Welt
durch Hülfe unſter Sinne In der Anſchauung. Iſt von iht
in der letzten Vedeutimg des Wortes die Rede: (MR fie blos
elne Erfcheinung, und wenn wir uns mlt jsner beſchaͤftigen:
fo haben wir es blos mit dieſer zu thun. Alleln dieſe Erſchel;
nungen haben keinen Werth, find nlchts als taͤuſchende
Träume unfrer Phantaſie, welche fo wie bey den Scholoſti
kern dos Gewand der Vernunſt angeleget hat, wenn fie
nlcht Anſchauungen von dem find, wozu die Gegenſtaͤnde in
der Welt den Stoff uns hergegeben haben. Reden wir ader
von der Sinnewelt auſſer unſern Vorſtellungen: fo muͤſſen
Sie dle Wirklichkeit einer ſolchen annehmen, oder nicht.
Nicht? Nun ſo waͤre Ihr Syſtem der Ideallsmus; und
wenn dieß das Syſtem der unbefangenen Vernunſt fern
koͤnnte: fo würden Sle aus dleſem fo zu ſchlieſſen berech,
tlget ſeyn. Allein meine Vernunſt würde es verwerſen, und
Sie verwerfen es dadurch ſelbſt, daß Ele Ihre Ktitik der
reinen Vernunſt geſchrleben haben. Iſt nun dieſe Welt auf
fer unſter Vorſtellung wirklich da: fo wird eine tiefe Erfor—
ſchung ihrer Gegenſtaͤnde uns zu einer richtlgen Erkenntniß
von ihren obiectiven Beſtimmungen verhelfen, und wir he—
ben nicht mehr blos mit unſern fubiectiven Erſchelnungen,
ſondern mlt obiectiven Beſtimmungen und Beſchaffenbeit der
ale an ſich zu thun, welche Theile von dieſer Welt
ind.
Den Regenbogen nennen wir bey einem Eonnenregen
elne bloffe Erſcheinung, den Regen die Sache ſelbſt; und
Biefe Benennung erklaͤren Sie für eine richtige, fo ferne wir
den letzten Begelff nur phyſiſch verſtehen. Was ſollen wir
uns aber dabey denken, wenn in Ihrer Sprache ein Bequlſf
blos phrſiſch verſtanden wird? Es war hier uͤberdas nickt
von einem Begriff, fondern von dem Regen, als von einem
Dinge auſſer unſter Vorſtellung in der Natur ſelbſt die Re.
de.
be. H.
auſſer u
wle er fi
de herab
S.
überhau
ſelben m
nen Ge.
dieſe fir
vorſtelle
lung auf
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ſehe ich k
ſtellung
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ſo ſage ic
Allgemei
ben aus
nichts a
Fall nent
lung auf
daß alsd
te runde
kn, nid)
225
de. Heißt dieß den Regen phyſiſch verſtehen: fo würde er
cuſſer unſerer Anſchauung feine obiective Realitaͤt haben,
wie er fie wirklich hat, wenn er aus den Wolken auf die Er⸗
de herab fälle.
Sie ſetzen hinzu: nehmen wlr aber dleſes Emplriſche
überhaupt, und fragen, ohne uns an dle Einſtimmung deſ—
ſelben mit jedem Menſchenſinne zu kehren, ob auch dieß el—
nen Gegenſtand an ſich ſelbſt (nicht die Regentropfen, denn
dieſe find denn ſchon Erſchelnungen, empirlſche Dbiecte,)
vorſtelle: fo IM die Frage von der Beziehung der Vorſtel.
lung auf den Gegenſtand transſcendental, und nlcht alleln
dleſe Tropfen find blos Erſchelnungen, ſondern ſelbſt ihre
runde Geſtalt, ja ſogar der Raunn, in welchem ſie fallen,
ſind nichts an ſich ſelbſt, ſondern bloſſe Modificatlonen, oder
Grundlagen unjrer ſinnlichen Anſchauung; das transfcendens
tale Obiect aber bleibt uns unbekannt. Ich habe dieſen Ih⸗
ren weitſchwelſenden, verwickelten, und faſt möchte ich ſa⸗
gen, dadurch unverſtaͤndlichen Perioden abgeſchrieben, um
die Zergliederung und Entzifferung deſſelben deſto deutlicher
I Ihnen vorzulegen. Was heißt es: nehme ich das Empirl⸗
(he überhaupt, ohne mich an dle Einſtimmung deſſelben mit
jedem Menſchenſinn zu kehren? Doch nichts anders, als,
ſehe ich blos auf dasjenige, was in meiner empiriſchen Vor
ſtellung des Obieets allgemein lieget. Frage ich nun, ob dieß
ten Gegenſtand an ſich ſelbſt, die Regentropfen vorftelle:
fm fage ich nein, in wie weit in dieſer Vorſtellung blos das
Allgemeine von Regentropfen liegt, das Indiolduelle derſel⸗
ben aus ihr ausgeſchloſſen iſt, und alſo Regentropſen nun
nichts anders als bloſſe Ideen ſeyn koͤnnen. In dieſem
Fall nennen Sie die Frage von der Bezlehung der Vorſtel.
lung auf den Gegenſtand transſcendental und Sie behaupten,
dcß alsdann dieſe Tropfen blos Erſcheinungen, und daß ih.
ee tunde Geſtalt, ja ſo gar der Raum, in welchem fie ſal.
kn, nichts an ſich ſelbſt, de bloſſe Modificationen unſ⸗
rer
226 —
rer ſinnlichen Anſchauungen find. Hier reden Ele offenbar
blos von der allgemeinen Vorſtellung, welche Sie von den
Tropſen, von ihrer Geſtalt, von dem Raum, in welchem
fie fallen, ſich machen. Diefe Tropfen mit den hinzugeſuͤg,
ten Beſtimmungen liegen blos in der ſudiectlven Form Ih,
rer Vorſtellungen, find alſo Modificationen Ihrer ſianlichen
Anſchauung, und auſſer dieſer Nichts. Ich ſage nicht,
welcher Phlloſoph, ſondern welcher Mann von geſundem
Menſchenverſtande wird je daran zweifeln koͤnnen, daß bie
Modificationen Ihrer Anſchauungen auſſer dieſen nirgends
find, nirgends ſeyn koͤnnen? Alleln man wlrd ſagen, dieſe
Moditicationen oder dieſer Innhalt, dieſe Form Ihrer An—
ſchauung find nicht die Regentropfen, welche den Regenbegen
durch dle Reſtaction und Reflexion der Sonnenſtralen er.
zeugten, find nicht die runde Geſtalt, welche fie haben, nicht
der Raum, in welchem ſie ſallen; ſondern alles dleſes hat
auſſer Ihrer ſinnkichen Anſchauung feine oblective Realltät,
und über dle Gultigkeit dieſer kann blos zwlſchen uns der
Streit ſcyn. Geben Ste uns dieſe zu: fo find wir einig,
und Sie konnen ſich darauf verlaffen, daß es uns nie einge
fallen iſt, Regentropſen, ihre runde Geſtolt, den Raum,
in welchem fie fallen, als den Innhalt oder die Wodificatios
nen, (nicht Grundlagen) Ihrer finntiihen Anſchauung, weil
dleſe nur die Receptivität der Sinnlichkelt in ſich enthalten
kann, als Obiecte anzuſehen, welche auſſer der fubiectiven
Form Ihrer Votſtellungen eine abſolute Realltaͤt haben,
oder haben koͤnnen. So was zu behaupten wäre Unſinn,
ware der thoͤtigſte Widerſpruch. Sie behaupten zwar, daß
dos trausſcendentale Obiect uus undekannt bleibe. Allem
entweder verſtehen wir Sie nicht, und denn liege die Schuld
an Ihren dunkeln Terminologien, oder die Regenttopſen
ſelbſt, ihre runde Figur, der Raum, wotinn ſie ſallen, find
dleß Oblect und dieſes iſt mir allerdings durch die empirifde
Anſchauung von ihm bekannt, zu welcher fie der Receptivl⸗
tät unſter Sinnlichkelt den Stoff darteichten. =
Li
D
talen &:
Hypothe
zweifelt
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Vorderſe
gekehrt!
des Vord
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mittelbar
der Ges
Gewißhe
wahr, if
ſieht. 2
heiten fi
Begriffe
— — 227
Die zwote wichtige Angelegenheit Ihrer transſcenden⸗
talen Aeſthetik ſoll dieſe ſeyn, daß ſie nicht dlos als ſcheinbare
Hypotheſe einige Gunſt erwerbe, ſondern fo gewiß und unge—
zwelſelt ſey, als jemals von elner Theor.e gefodert werden
kann, welche zum Organon dienen ſell. Fuͤr Sie mag ſie
dieß nun freylich ſeyn; für uns iſt fie, erlauben Sie uns
dieſe freymuͤthige Erklaͤrung unſter Ueberzeugung, ſo we—
nig wahrſcheinlich, daß fie uns eben fo ſehr zu den Verlr—
rungen des menſchlichen Verſtandes, ols die Hypotheſe des
I el. durbers zu gehören ſcheinet, wenn er um die Nordlich—
ter zu erklaren, die Hypotheſe annimmt, daß fie ein Gauckel—
ſeiel der Gelſter in der Luft wären. Sie wollen uns durch
elnen Fall, welchen Sie wählen, die Gewißhelt Ihrer Hy—
beotheſe einleuchtend machen. Ihte Verſprechung iſt groß.
r Es ſoll dadurch die Gültigkeit augenſcheinlich werden. Wir
muͤſſen alſo unterſuchen, ob Sie der Erwartung, welche
Sie erregen, Genuͤge leiſten werden. Erker demnach,
ſagen Sie, daß Raum und Zeit an ſich ſelbſt obiectiv und
Bedingung der Moglichkeit an ſich ſelbſt find: fo zeigt ſich
etſtlich, daß von beyden apodicriihe und ſynthetiſche Sätze
4 in großer Zahl vornehmlich vom Raum vorkommen. Dies
ſer Ihr Satz ſagt ganz was anders, als was Sie nach Ih—
ter Abſicht damit anzeigen wollen. Nach der Natur ſolcher
Bedingungsſaͤtze müßte man den Nachſatz als eine Folge des
Vorderſatzes anſehen; und Sie wollen grade, daß man um—
gekehrt von der Wahrheit des Nachſatzes auf dle Falſchheit
des Vorderſatzes ſchlleßen ſoll. Dieß erhellet aus dem Zweck,
I bvelchen Sie erreichen wollen, auch aus dem, was Sie une
mittelbar hinzufügen. Sie ſetzen voraus, daß die Säße in
der Geometrie ſynthetiſch a priori, und mit apodietiſcher
Gewißhelt erkannt werden. Allein dieſe Vorausſetzung iſt
ahr, iſt falſch, es koͤmmt darauf an, wie man fie vers
ſieht. Der Geometer behauptet auch, daß er die Wahrs
heiten feiner Wlſſenſchaft a priori d. h. aus allgemeinen
Begriſſen bewelſet, und daß er grade deswegen auch ſeine
P 2 Theo⸗
228 ea. Barren
Theoremen durch Verglelchungen mehrer ausgemachten Wahr»
beiten, und durch richtige Folgerungen aus ihnen mit apo.
dicelſchet Gewißhelt herleltet. Et kann Ihnen zu gefallen,
diefe ſynthetiſche Satze nennen; er wird Ihnen aber nicht zus
geben, daß dleſe in Anſehung ihres Urſorungs von aller Er.
fahrung durchaus unabhängig find, ob fie gleich in Rüͤckſicht
ihres Innhalts kelne bloße Erfahrungsfäße genannt werden
kaͤnnen. Denken Sie ſich aber unter Ihren ſynthetiſchen
Sätzen a priori blos ſolche, in welchen das Praͤdlcat üder
den Begriff des Sublects auf dle Art hinausgeht, daß jenes
in dieſem nicht vollkommen gegründet ift: fo wird er zu Dies
fen nur feine Particularſätze z. W. elnlge Triangel find
glelchſeltig, rechnen, und es Ihnen ſagen, daß er ſich
mit diefen grade am wenigſten beſchaͤſtiget. Nennen Cie
gar ſynthetiſche, Saͤtze a priori ſolche, welche auch in An—
ſehung ihres Urſprungs von aller Erfahrung durchgehend
unabhangig find: fo wird er es leugnen muͤſſen, daß die.
fe in der Geometrie vorkommen. Fragen Sie ihn, mo
her nimmſt du dene Setze, und worcuf ſtüͤtzet ſich dein
Verſtand, um zu dergleichen nothwendlgen und allgenıel.
nen Wahrheiten zu gelangen: fo wird er Ihnen antwor—
ten, durchaus nicht daher, auch nicht darauf, daß Ich mir
den Raum blos als reine Form meiner Stlunlichkeit,
oder als Anſchauung 2 priori (denn dleſe habe ich nicht)
denke. Wozu ſollte mir dieſer nuͤtzen? Ich verlaſſe mich
vielmehr darauf, daß die Dinge auſſer meinen Vorſtel—
lungen, welche ſich meinen Blicken als geräumigt dar.
ſtellen, Theile cuffer und neben einander zugleich haben,
mir fo erſcheinen, well fie fo find, und daß ſolglich der
Raum, welchen fie einnehmen, auch auſſer meiner Ans
ſchauung ſeyn kann, und in Diefen Dingen eine oblective
Realitaͤt hat. Raum und das Auſſerelnanderſeyn mehte—
rer Dinge erreget bey mir eine und dieſelbe Votſtellung.
Es iſt freylich auch für mich kein andrer Weg übrig,
zur Erkenntniß geomettiſcher Wahrheiten zu gelangen,
als
als dur
ungen
den Ge.
wenn Ic
(Indiuid
gels in
ollelo qr a
In einem
einzelnen
ſondern
koͤnnte |
dieſen (
empirlſch
worauf
nur fo'c
I. Erfah
und abi
das Ch
Freylich
doch me
mettiſche
meinheit,
Gattung
fehle N
unzaͤhlige
Sie ber
heiten al
fe Frey
ſätze nich
allgemein
eine Fig
ſchließet.
ſind. J
betraͤgt.
le, und
ols durch Begrlffe oder durch Anfhanıngen. Anſchau—
ungen nenne ich aber die empiriſchen Vorſtellungen von
; den Gegenſtaͤnden meiner Wiſſenſchaſt, welche entſtehen,
wenn ich meine Begriffe von ihnen in einzelnen Dingen
4 (indiuiduis), zum ‘Benfpiel, den Begriff eines Trlan-
gels in einem vor mir llegenden, den Begriff eines Pars
ollelo gramms in einem einzelnen Parallelogramm, etwa
un einem Rhombus mir anſchaulich mache. Von dieſen
einzelnen Beyſpielen kann ich kelne Anfchauung a priori,
ſondern nur a poltcriori haben, und auch aus dieſen
lonnte ich mir wohl empiriſch zuerſt einen Begriff von
dieſen Gegenſtaͤnden ziehen. Sie behaupten zwar, daß
empirlſche Begriffe, imglelchen empiriſche Anſchauungen,
worauf ſich jene gründen, keine ſynthetiſche Saͤtze als
nur ſolche geben koͤnnen, welche auch blos empiriſch, d.
I. Erſahrungsſaͤtze find, mithin niemals Nothwendigkeit,
und abſolute Allgemeinheit erhalten koͤnnen, welche doch
das Charakteriſche aller Saͤtze in der Geometrie iſt.
Freylich ſagen Sie mir hier etwas neues, welches aber
doch meinen Erfahrungen entgegen iſt. Nicht alle geo—
metriſche Säge haben eine Nothwendigkeit, und .Allges
meinhelt. Allen Satzen, in welchen das Sublect eine
Gattung und das Prädicat ein ſpecifiſcher Unterſchied iſt,
ſehlt Nothwendigkeit und Allgemeinheit. Es glebt eine
unzählige Menge von ſolchen in der Geometrie. Sind
Bie berechelget, dieſe aus der Zahl geometriſcher Wahre
beiten auszuſchließen? Welcher Geometer wird Ihnen dies
ſe Freyheit ertheilen? Warum ſollten melne Erfahrungs»
fotze nicht zu ſolchen erhoben werden konnen, welche eine
allgemeine, nothwendige Gültigkeit haben? Vor mir liegt
eine Figur, welche durch ſechs Seiten einen Raum ein«
4 ſchließet. Ich meſſe fie, und finde daß fie ſich gleich
ſind. Ich meſſe die Winkel, und ſehe, daß jeder 120
betraͤgt. Ich theile jeden Winkel in zween gleiche Thel⸗
e, und werde gewahr, daß die Selten alle in einen
P 3 Punct
230 Br eee
Punet zuſammenlauſen, daß ſechs Trlangel in der Fi.
gur beſchrleben find, und die Aus meſſung der Seiten leh.
ret mich, daß ſie ſich alle gleich ſind. Ich ſetze melnen
Zirkel in die gemeinſchaftliche Scheitel oller Triangel,
eröffne ihn bis zu der Scheitel eines aͤuſſern Winkels
der Flaur, ziehe einen Zirkel, und werde gewahr, daß
die Winkel der Figur in der Peripherie liegen, daß der
Radius des Zirkels grade ſechsmal in ihm herum getra
gen iſt. Nun bilde ich folgende ſonthetiſche Erfahrungs
fäße: 1) dieſe Figur hat ſechs gleiche Selten und Win
kel; 2) dieß Sechseck iſt elne regulaͤre Figur; 3) es hat
in ſich einen Punct, welcher von allen Polygonwinkeln
gleich weit entſernt iſt; 4) es iſt in einem Zirkel fo be
ſchrieben, daß ſeine Winkel in die Peripherie fallen. Aus
dieſen Erſahrungsſätzen ziehe ich Ddiefe Folgerungen: 1)
ein Raum von ſechs Linien eingefchloffen, 2) ein regulä—
res Sechseck, 3) eine reguläre Figur, 4) eine ſolche Fl,
gur, deren Winkel in die Peripherie eines Zirkels fal.
len, iſt moͤglich, und nach einer Regel meiner Denkkraſt,
welche ich in dem Satz des Widerſpruchs ausdrüde,
wird es mir unmoͤglich, an der Richtigkeit dieſer Schluß⸗
ſätze zu zwelfeln. Ich habe vielmehr eine apodictiſche
Gewißheit von der Wohrheit dieſer ſynthetiſchen Satze,
welche ich aus den Erfahrungsſätzen gezogen habe. Ich
gehe weiter, und bilde aus dem Reſultat meiner vorge
nommenen Abmeſſungen der Linien in den ſechs Trlangeln
dieſen Erfahrungsſatz: die Seiten der Triangel in dem te—
gulären Sechseck find alle einzeln den Radiis des Zirkels
gleich. Nun wirft meine Vernunft die Frage auf: follten
wohl alle reguläre Sechsecke die Beſtimmung haben, doß
auf ähnliche Art ein Zirkel um fie gezogen werden koͤnnte,
deſſen Radlo jed⸗ Seite gleich iſt? Der Erfahrungsiah
bat ihr zu dleſer Frage Gelegenheit gegeben, und fie weis
ſehr wohl, daß fie nicht aus dieſem, ſondern aus allge.
melnen Begriſſen nur dle allgemeine Gültigkeit dleſes Theo
3 vems
tems er!
olefne |
Winkel
Trlange
gel an
nien glei
Punct g
kels iſt,
gelmaͤſßi⸗
und Ne
erkennet.
chet ihn
Richtigk,
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jene Ei
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aus einer
fondern <
gezogen
der Anse
auf elne
hat, um
ſeltſame!
verſetzt fü
die Quad
32 1 49
welches
fahrungs
eine apod
231
tems erkennen kann. Nun erinnert fie ſich an dleſe ſchon bes
oleſne Wahrheiten, 1) daft in einem gleichſeitigen A jeder
Winkel 60°, 2) daß die Summe aller Winkel in einem
Triangel 180° beträgt, 3) daß die Winkel in einem Trlan—
gel on der Grundllnie ſich bey der Gleichheit der Seitenll—
nien gleich ſind, 4) daß das Maaß aller Winkel um einen
Punct gleich 360°, gleich der ganzen Peripherie eines Zir—
kels iſt, und aus allen dieſen Begriffen leitet fie auf eine res
gelmäfiige Art fo dieſen Satz her, daß fie die Allgemeinheit
und Nothwendigkeit deſſelben mit apodictifcher Gewißheit
eikennet. Sie geht alſo von dem Erfahrungsſatz aus, mas
chet ihn allgemein, und ſuchet aus den Begriffen, deren
Richtigkeit fie ſchon kennet, die Gründe herzuleiten, wo—
durch fie die Allgemeinheit und Nothwendigkeit ihres gebils
deten Satzes anerkennet. Was fellte es ihr zu dieſem ihren
ganzen Geſchaͤſte nutzen, wenn fie den Raum blos als elne
reine Form der ſinnlichen Anſchauung annehmen wollte, wel—
cher auſſer dieſer keine oblective Gültigkeit hätte? Sie wuͤr—
de ſich alsdann genöthiget ſeben, es zu behaupten, daß fie
jene Erfahrungsſaͤtze nicht hätte machen koͤnnen, weil das
Sechseck nicht ſeyn koͤnnte, wenn kein Raum auſſer unſrer
Anſchauung märe, und doch weis fie es, daß fie nicht
aus einer bloßen ſubiectiven Bedingung unfrer Slnnllchkeit,
ſondern aus einem einzelnen geräumigten Obiect ihre Saͤtze
gezogen hat; daß fie ihren Maaßſtab nicht auf elne Forme
der Anſchauung, ſondern auf einzelne Unien in der Natur,
auf einzelne Winkel in dem individuellen Sechseck angewandt
hat, um ihre individuelle Groͤſſe auszumeſſen. In welche
ſeltſame Lage würde ſie ſich alfo durch eine ſolche Hypotheſe
verſetzt ſehen? Pythagoras machte von 3 und 4, und 5
die Quadratzahlen, verglich fie mit einander, und fand, daß
32 f 4 =gtı6= 5?’ —= 25 wären. Dleß Urepeil,
welches fein Verſtand daher bildete, war ein ſynthetiſcher Er—
ſahrungsſatz, von deſſen Wahrheit er durch die Erfahrung
tine apodictiſche Gewiß helt ge Vielleicht war es Zu-
4 foll,
233 De
fol, vlellelcht auch Folge feiner Ueberlegung, daß er zwo
Linlen durch einen rechten Winkel mit einander verband, von
welchen die elne ſich zur andern wie drey zu vler verhlelte, die
Hypotenuſe zog, um einen rechtwinkligten Trlangel zu bilden,
und nun dle Graͤſſe derſelben durch eben den Maaßſtab zu be.
ſtimmen ſuchte, welchen er zur Ausmeſſung der beyden übrl,
gen gebrauchet hatte. Wie groß war ſelne Freude nicht,
als er es durch die Erfahrung entdeckte, daß dieſe Hypotenuſe E
= 5 war. Er ſchloß daraus, daß in dieſem Triangel das
Quadrat der Hypotenuſe der Summe der beyden Quadrate 5
der Katheten gleich ſeyn müßte. Hler entſtand alfo ein Et—
ſahrungeſaß. Der helle Blick dieſes Philoſophen erkannte
leicht, daß vollkommen aͤhnliche Urſachen auch gleiche Wirs
kungen hervorbringen mußten, und erhob nun dieſen Erſah—
rungsſatz zu dieſem allgemeinen: das Quadrat der Hypotenuſe
iſt in jedem techtwinkligten Trlangel fo groß als die beyden
Quadrate der Katheten, wenn dleſe ſich wle 3 zu 4 verhüel—
ten. Nun warf feine Vernunft die Frage auf: ſollte wohl!
nicht in jedem rechtwinkllgten Triangel bey jedem andern Ber. 8
haͤltniß der Katheten gegen einander eben dieſes ſtatt haben?
Er ſahe es lelcht ein, was für ein Licht in der Geometrie aufı }
gehen, wie welt dle Strolen deſſelben ſich verbreiten wurden,
wenn er die Allgem inheit und Nothwendligkelt diefes Satzes!
beweiſen koͤnnte. Er dachte aber nicht daran, daß Raum
blos eine reine Form der ſinnlichen Anſchauung ſey, und aufs i
fer dieſer keine obiective Realität haͤtte. Dleß würde, wenn
es wahr wäre, alle feine Bemühungen unnütz gemacht haben.
Er nahm vielmehr zu analytiſchen Satzen oder Axiomen, ju
bewleſenen ſynthetiſchen Satzen, Theoremen und zu allge
meinen Begriffen feine Zuflucht. In dleſen ſuchte er allge #
meingültige Grunde auf, dieſen Satz, wovon er der Eıfin
der war, zu beweiſen. Er ſand gluͤcklich dieſen Beweis, und
fein Vergnügen über dieſe fo wichtige Entdeckung war fo groß,
daß er dem Juplter eine Hekatombe daſuͤr ſoll geopfert ba #
ben. Er hatte aljo feinen ſynthetiſchen Satz a pollericri
durch!
durch H
tigfele d
Dieß if
ſchen N
men, w
daran .
lichen X
ben ſey.
onſehen,
doh ma
Theorie
darſtellt.
deckung
tiſt die
Abtede
€
tlakelt
daß es
ariſſe,
Erkenn
Anſchan
baupten
kenntni,
kann.
len alſo
Beomei
nach J
Flgur £
tinien |
den, w
kel find
thetifd):
erkenne
therifch
4
235
durch Hülfe der Erfahrung geblldet, und die allgemeine Gul.
tigkelt deſſelben aus den Begriffen, oder a priori bewieſen.
Dieß Ift der Gang, welchen die erſten Erfinder der geometri-
ſchen Wahrheiten durchaus genommen haben, und noch neh»
men, wenn fie als Lehrer dleſer Wiſſenſchaſt auftreten, ohne
daran zu denken, daß der Raum blos reine Form unfrer finn»
lichen Anſchauung, oder blos ſubiective Bedingung derſel—
ben fen. Wir koͤnnen es den mehrſten geometriſchen Sätzen
onſehen, daß ſie vor den Beweiſen ſchon bekannt waren, und
daß man dleſe nachher erſt für fie geſucht hat, wovon die
Theorie der Parallellinien uns noch das glaͤnzendſte Beyſplel
darſtellt. Gewoͤhnlich find die Sätze zuerſt nach ihrer Ent»
deckung blos Erfahrungefäge, wozu die Vernunft nachher
et die allgemeinen Beweiſe ſuchet. Können Sie dieſes in
Abrede ſe yn?
Sie glauben aus Ihrer Vorausſetzung, deren Guͤl—
tiakeit ich gepruͤfet habe, die Folgerung ziehn zu koͤnnen,
daß es alſo das einzige Mittel ſeyn wurde, durch bloße Bez
ariffe, oder durch Anſchauungen a priori zu dergleichen
Erkenntnißen zu gelangen. Um nun zu bemeifen, daß die
Anſchauungen a priori bloß die Mittel dazu find, fo bes
haupten Ele, daß aus Begriffen gar keine ſynthetiſche Er—
kenntniß, ſondern lediglich cine analytiſche erlangt werden
kann. Allein dieß letzte müffen Ste bewelſen. Wir wol⸗
len alſo unterſuchen, wie Sie dleſen Beweis führen. Der
Geometer würde Ihnen die Frage vorlegen: finb dieſe nicht
nach Ihrem Begriff ſynthetiſche Satze 1) eine breyſeltige
Flgur hat drey Winkel, 2) ein Winkel entſteht, wenn zwo
knien fo zuſammen ſtoſſen, daß fie ſich durchſchnelden würs
den, wenn ich fie verlängerte. Dreyſeltige Figue, drey Wine
kel find Begriſſe. Beyde verbunden geben den erſten ſyn⸗
thetiſchen Satz, und aus dem Vergleich beyder Begriffe
erkennet mein Verſtand die allgemeine Richtigkeit dieſes {nme
thetiſchen Urthells. Ich brauche dazu keine reine Form der
P 5 finn
ſinnlichen Anſchauung a priori nach ihrer Erflärung. Denn
dieſe habe ich nicht. Durch einen Triangel, welchen ich ver
mit gezogen habe, ſuche ich mir in einer empitiſchen An—
ſchauung den Satz klar zu machen, ohne dadurch feine All.
gemeinheit und Nothwendigkeit zu beweiſen. Dieſe erkann⸗
te ich aus dem Verhältniß, in welchem dle Begriffe gegen
elnander ſtehen. Sie ſetzen mir dieſen Satz entgegen; durch
zwo grade Linlen läßt ſich kein Raum einſchlieſſen, mithin
iſt durch fie keine Figur moͤgllch, und nun fodern Sie mich
auf, ihn aus dem Begriff von zwo graden kinien und der
Zahl zwey abzuleiten. Freylich würde ich dieß nicht kön
nen, weng ich blos auf den Begriff arader nien, und
auf die Zahl zwey ſehen wollte. Der Begriff, welchen ich
zum Gegenſtand meiner Unterſuchung mache, iſt zwar ge
rade Linien. Sollen dleſe einen Raum elnſchlleſſen: fo mul.
ſen fie mit ihren beyden Enden zuſammenſtoſſen. Nun
blieben fie nicht mehr zwo Knien, ſondern würden als gera—
de Linien zwiſchen zwey Puncten liegen, und alſo in dieſer
Verbindung nur eine und dieſelbe Linle ausmachen. Dleſe
Verbindung wuͤrde alſo das Einſchlieſſen des Raums aufs
heben. Wozu brauche ich reine Anſchauung des Raums a
priori, und daß dieſer auſſer meiner ſubiectiven Anſchauung
feine obiective Guͤltigkelt har? Dieß würde die emplelſche
Anſchauung, welche ich von den Linien habe, und In welcher
mir dleſer Satz klarer, als in bloſſen Ausdrücken wird, un.
maͤglich machen, weil ich in dleſer dle Linien nicht anders
als auſſer meinen Vorſtellungen denken kann. Sie ſodern
mich ferner auf, daß ich es blos ous Begrlſſen zu bewelſen
verſuchen ſoll, daß aus dreyen graden Anlen eine Figur moͤg—
lich ſeyp. Dieſen Verſuch wird nun freyllch kein Kenner der
Geometrie machen wollen, well er einfieht, daß die Allge—
meinhelt dleſes Satzes ſich nicht bewelſen läßt, da fie nicht
ſtatt haben kann, und falfd) angenommen würde. Nur
dann kann durch drey Anien ein Raum eingeſchloſſen werden,
wenn zwo zuſammen genommen groͤſſer, als die an
leß
Dieß
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nen E⸗
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Raum,
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ne emp
fie nid)
255
Dieß I der ſynthetiſche Satz, deſſen Allgemeinheit und
Notwendigkeit ich aus den Begriffen zu erweiſen unternehme.
Mein Beweis iſt folgender: wenn zwo Knien mit ihrem ei—
nen Ende auf die dritte Linie geſetzet werden, fo daß die
eine auf dem einen, die andre auf dem andern Ende der
dritten Aale ſteht, und ſie ſich nun gegen einander neigen:
ſo loͤnnen fie mit den benden andern Enden nicht in der drit.
ten Linie zuſemmen ſtoſſen, well fie ſonſt nur zuſammen der
dritten gleich wären. Ste kommen alſo auſſer derſelben
zuſammen, und ſolglich iſt zwiſchen dleſen drey Knien ein
Raum, welcher eingeſchloſſen wird. Es iſt alfo durch die
Verbindung dieſer drey Linien eine Figur moͤglich, und ſie
muß entſtehen, wenn fie auf die oben beſchriedene Art vers
bunden werden. Dieſer Beweis ſtüuͤtzet ſich blos auf Bes
gr ffe, und ich mache dieſen ſynthetiſchen Satz meinen Echt.
lern in einem einzelnen Fall oder Beyſpiel anſcheulich, nicht
um ihn dadurch zu beweiſen, ſondern es ihnen nur durch
eine empiriſche Anſchauung klar zu machen, was ſie
bey den articulirten Zeichen meines Beweiſes deuken ſol.
len. Ich und meine Schuͤler ſetzen aber berde voraus, daß
ein Raum auſſer unſerer Vorſtellung wirklich in der Natur
fen, und alſo elngeſchloſſen werden kann. Denn ſonſt mäs
re der ſynthetiſche Satz und fein Beweis zum Gebrauch un—
nutz, und der letzte wuͤrde nicht einmal denkbar ſeyn. Wie
koͤnnen Sle nun den Machtſpruch thun, daß alle meine Bemuͤ.
hungen vergeblich find, und daß ich gensthiget bin, zur An—
ſchauung meine Zuflucht zu nehmen, wie es die Geome rie
auch jeder zeit thut? Freylich werde ich, wenn ich anders
meinen Zuhoͤrern verſtaͤndlich ſeyn will, zur Anſchauung mei.
ne Zuflucht nehmen. Allein diefe iſt nie eine andre als eis
ne empiriſche. Ich zeichne innen die Figuren und Körper
vor, von welchen ich etwas beweiſe, um ihnen durch eis
ne emplriſche Anſchauung die Sache klar zu machen, damit
ſie nicht blos Worte, ſondern das geometriſche Oblect, was
ſie
23 6 TEEN
fie ſich denken ſollen, und wovon ich etwas bemeifen till,
auch wirklich denken. Will ich fie etwa davon belehren,
daß alle Radli eines Zirkels gleich find: fo ziehe ich durch
Hülfe elnes dazu dlenlichen Werkzeuges aus einem Punct
einen Zirkel, und zelge es ihnen vor Augen, daß dle Ent.
fernung der Puncte in der Peripherie von dem Mlttelpunct
durch elne und dieſelbe grade Linie und alſo durch gleiche A.
nien gemeſſen werden. Dadurch bringe ich meinen Erfah⸗
rungsſatz bey ihnen zu einer empiriſchen Anſchauung, und
mache fie darauf auſmerkſam, daß ich nicht aus dleſer An.
ſchauung des einzelnen Gegenſtandes, ſondern aus allgemel,
nen Begriffen das Prädicat jo herleite, daß es allgemeln
und nothwendig mit dem Eubiect verbunden iſt. Sie fra⸗
gen mich, von welcher Art dieſe Anſchauung It? Eine
reine a priori, oder elne a polteriori? Das erſte war fie
nun freyllch nicht, fondern fie iſt eine empirifhe und zwar
a poſteriori. Allein fo koͤnnte daraus Fein allgemeinguͤltl⸗
ger und apodlctiſcher Satz hergeleitet werden. Keln apo—
dletiſcher? Nun hier kaͤme es noch erſt auf Erklaͤrung an. Keln
allgemelner? Ganz recht. Dleß wird auch kein Geometer
behaupten, weil die Anſchauung, die er braucht, ſtets ein
einzelnes Ding (indiuiduum) zum Gegenſtand hat, auf wel—
chen er nie die Allgemeinheit und Nothwendigkelt feiner
Theoremen, fondern auf richtigen Beweis aus Begriffen grün.
det. Sie fagen mir zwar, daß ich alfo meinen Gegenſtand
a priori in der Anſchauung geben muß, um auf dieſen mel—
nen ſynthetiſchen Satz zu gründen. Verſtehen Cie durch
einen Gegenſtand a priori einen allgemeinen Begriff, etwa
von elnem Trlangel, von elnem Rhomboiden, von elnem
Kegel: fo gebe ich ihn erſt meinen Zuhörern In der Anfchaus
ung, um bey ihnen eine klare Vorſtellung von dem geome—
triſchen Gegenſtand zu machen. Ich warne ſie aber, ſich
es ja nicht einzubilden, als wenn ich aus dleſen einzelnen
Zeichen, oder blos aus der empiriſchen Anſchauung die Fol
gerung mache, fondern ich lehre fie, daß ich aus dem all.
ge‘
gemeint
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len, w
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— — 237
gemeinen Begriffe, oder aus dem, worinn alle Gegenflän-
de von der Art üvereinfommen, die Allgemeinheit und
Morhmendiafeit des Sotts herieite, welchen ich bewelſen
will. Wollen Sie aber dieß ſagen, dafi, wenn Raum nicht
blos eine ſublective Bedingung meiner Sinnlichkeit, nicht
reine Form meiner Anſchauung und auffer dieſer Nichts waͤ.
re, ſo koͤnnte ich die Rothwendigkeit und Allgemelnheit
der ſynthetiſchen Saͤtze in der Geometrie nicht beweiſen?
In diefem Fall muß ich Ihte Behauptung verwerfen, und
Ihnen mein Befremden darüber bezeugen, daß Cie auch
nicht nur einmal einen Verſuch gemacht haben, uns einen
Beweis von der Art vorzulegen, wodurch Sie einen fonthes
tiſchen Satz und feine Allgemeinhelt darthun. Sle legen
mir dieſe ſonderbare Fragen vor: 1) läge in dir nicht ein
Vermögen, a priori anzuſchauen, 2) wäre dieſe fublectie
ve Bedingung der Form nach nlcht zugleich die allgemeine
Bedingung a priori, unter welcher allein das Obleet dle—
fer äuffern Anſchauung moͤglich iſt; 3) wäre der Gegen—
ſtand (der Triangel) etwas an ſich ſelbſt, ohne Bezlehung
auf dein Subiect: wie koͤnnteſt du ſagen, daß dasjenige,
was in deinen ſubiectiven Bedingungen, einen Trlangel zu
conſtruiren, liegt, auch dem Triangel an ſich ſelbſt north»
wendig zukommen muͤſſe? Hierauf werde ich Ihnen fol—
gendes antworten. 1) Lage in mir kein Vermoͤgen, a pri-
ori etwas anzuſchauen: fo würde ich frenlidy auch von kei—
nem Triangel eine Anſchauung a priori haben konnen. Als
lein was nennen Sie das Vermögen, a priori anzuſchgu—
en? Dieß kann nichts anders heiſſen, als entweder ein
Vermoͤgen, aus der empiriſchen Anſchauung alles wegzu⸗
laſſen, was nicht zur Aehnlichkeit eines Gegenſtandes mit
andern von derſelben Art gehört, und ſich alfo einen alle
gemeinen Begriff von dieſer Art der Dinge zu bilden, oder
das Vermoͤgen, ſich ſinnlich den Gegenſtand fo vorzuftele
len, wie er auf Organe der Sinne gewirket hat, oder
eln Vermögen Anſchauungen a priori zu haben. In je.
dem
dem Fall, würden wir auch Peine Anſchauung haben, wenn
uns dieß Vermögen fehlte, welches vor aller Erſahrung
und alſo in fo welt a priori in ung llegt. Wir würden uns
olſo auch keine Begriffe von den Gegenſtaͤnden machen,
noch Sätze bilden, noch Bewelſe für dieſelben ſuͤhren koͤn.
nen. Hätten wir nicht das Vermoͤgen, Anſchauungen a
priori zu erhalten: fo würden wir eben fo wenig dazu ei.
ne Fahigkeit haben, wenn das a priori haben, ſich auf
das Vermoͤgen bezleht. Wollen Cie es aber auf die Ans
ſchauungen bezlehen, und ſich darunter ſolche denken, wel.
che in uns von aller Erfahrung auch in Ruͤckſicht ihres Urs
ſprunges ganz unabhängig ſind: fo habe ich es Ihnen ſchen
geleugnet, daß wle ſolche Anſchauung haben, oder haben
konnen, und Ele haben das Gegentheil zwar angenommen,
aber nirgends bewieſen. Wären ſolche alſo durchaus noͤ—
ehia, wenn wir elne Erkenntniß von Gegenſtaͤnden erlangen
ſollten: fo wäre es um die unſtige gaͤnzlich geſchehen. Wir
würden gar keine, alſo auch kelne von geomerrifhen Wahr—
beiten haben konnen. Allein zu unſerm Gluͤcke brauchen wie
dergleichen Anſchauung nicht, um unſern Verſtand mit
Schätzen richtiger Erkenntniſſe zu berelchern. Wir brau⸗
chen eine ſolche ſublective Bedingung der Form nicht, und
fie kann alſo auch nicht die allgemelne Bedingung a prio-
ri ſcpn, unter welcher alleln das Obiect der aͤuſſern Anſchau—
ung ſelbſt moͤglich iſt. Sie wuͤrde auch, wenn wir ſie haͤt—
ten, durchaus nicht dasjenige ſeyn, unter welchem das Ob⸗
iect der Anſchauung moͤglich wäre. Dieß iſt das Ding
ſeloſt, welches vorgeſtellt wird, und dasjenige blelben würs
de, was es wäre, wenn wir auch gar keine Anſchauung
von ihm hätten. Seine elgenthuͤmliche Maͤgllchkeit muß
von ganz andern Gründen abhängen. Dieß Ding würde
ſreyllch keln Obiect unſter Anſchauung werden koͤnnen, d.
h. wir wurden unfähig ſeyn, elne Vorſtellung von ihm zu
erhalten, wenn wir nicht das Vermoͤgen von Natur vor
aller Erfahrung, oder a priori hätten, davon fo afficirt zu
r wer⸗
werden,
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Streit.
etwas an
koͤnnteſt
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239
werden, daß uns dadurch der Stoff zur Vorſtellung von
ihm gereichet wird. Hieruͤber habe ich mit Ibnen keinen
Streit. Ihre letzte Frage war dieſe: waͤre der Trlangel
etwas an ſich ſelbſt ohne Beziehung auf dein Subiect, wle
fönnteft du denn ſagen, daß dasjenige, was in deiner fubs
iectlven Bedingung, einen Triangel zu conſtrulten, nothwen—
dig llegt, auch dem Trlangel an ſich ſelbſt nothwendig zus
kommen muͤſſe.
Hierauf werde ich erwiedern: 1) waͤre der Trlangel
on ſich ſelbſt zwar da, haͤtte aber keine Beziehung auf
mein Subieck, d. i. aſſicirte nicht meine Sinnenorgane:
fo würde er auch keln Obiect meiner emplriſchen Anſcheu—
ung werden; ſo wuͤrde ich auch keine Vorſtellung von ihm
haben, alſo auch nichts von ihm praͤdleiren koͤnnen. 2)
Waͤre auſſer meiner ſublectlven Bedingung oder auſſer
meiner Anſchauung an ſich nichts: fo wäre es ein ſeltſamer
Schluß, daß dasjenige, was in meiner fubiectiven Be—
dingung, einen Triangel zu conſtrulren, nothwendlg ift, auch
dem Triangel an ſich nothwewdig zukomme. Nur ſo ſchlleſ.
fen die Geometer, wenn etwas aus dem allgem⸗inen Bes
griff des Trlangels, und aus andern hieher gehoͤrigen (dom
ausgemachten geometriſchen Wahrheiten nothwendig folgt,
fo muß dleß auch auſſer meiner fubiectiven Bedingung der
Anſchauung von den Triangeln allgemein gelten, welche
unter dieſem allgemeinen Begriff liegen. Nie werden Sie
aber behaupten, daß dasjenige, was In ihren ſubiectlven
Bedingungen, einen Triangel zu bilden, liegt, auch dem
Triangel an ſich ſelbſt zukomme, oder ihr Verſtand muͤßte
ſich erſt fo weit verlrret haben, daß fie die eigenthuͤmlithe
Beſtimmung ihrer Denkkraft für eine eigenthuͤmliche Be—
ſtimmung des Dinges an ſich ſelbſt hielten, was fie ſich
vorſtellten, aber für ſich feine obiective Realltät hätte.
Wie koͤnnen Sie mir das Vermoͤgen abſprechen, daß
ich zu meinen Begriffen von drey Linien etwas neues, naͤm⸗
lich
240 RER er
lich dle Flgur hinzuſuͤgen kann, welches darum an dem Ge.
genſtande angetroffen werden müßte, da dieſer vor meiner
Erkenntulß und nicht durch dleſelbe gegeben if. Von mel.
chem Gegenſtande reden Sie? Etwa von einem Trlangel, der
da iſt, ehe ich ihn erkenne, und der alſo vor meiner Kennt
nlß von ihm und nice durch dleſelbe gegeben iſt? Von
dleſem kann ich freylich keine Kenntniß haben, wenn ich
dleſe nicht von ihm als einem einzelnen Gegenſtande durch
Hülfe einer empirifhen Anſchauung, und alſo a poſteriori
mir verſchaffe. Allein nun wels ich auch, daß ihm alles
dasjenige nothwendig zukoͤmmt, was aus dem allgemeinen
Begriff, unter welchem er lieget, nothwendig folgt. Warı
um kann ich nicht zu dem Begelff von drey Linlen etwas
neues, elne Figur, hlnzudenken, wenn ich fie mir in der
nöchigen Verbindung vorſtelle, daß fie mit ihren Enden
zufammenfioffen, alſo einen Raum einſchlieſſen, und in el.
ner Flgur verbunden ſind? Dieß neue wird nothwendig
in dem Gegenſtande, naͤmllch In den drey Sinlen, angetrofs
fen, weil fie nicht nothwendig In dleſer Verbindung ſeyn
muͤſſen. In einem Triangel find fie aber fo verelniget,
wenn er da lſt, und er iſt vor meiner Erkenntulß nlcht durch
dleſelbe gegeben, wenn ich nicht weis, daß er da iſt. Dies
fe Exiſtenz erhält er nicht von meiner Erkenntniß, wenn
er ober melnem Vorſtellungsvermoͤgen den Stoff zur em
plriſchen Anſchauung dartelcht: fo wels ich, daß er auſſer
derſelben feine oblective Realität hat. Es Ift nichts als
bloſſe Wlederhohlung von dem, was Sie mir ſchon fo oft
geſagt haben, wenn Sie ſagen: waͤte nicht der Raum eis
ne bloſſe Form deiner Anſchauung, welche Bedingungen 2
priori enthaͤlt, unter denen allein Dinge für dich aͤuſſere
Gegenſtaͤnde ſeyn koͤnnen, die ohne dleſe fublective Bedln—
gung nichts ſind: fo koͤnnteſt du a priori ganz und gar
ulchts über aͤuſſere Dinge ſynthetiſch ausmachen. Ich will
Ihnen dasjenige entgegenſetzen, wle ich mir dleß vorſtelle.
Hätte ich kein Vermoͤgen a priori, von den aͤuſſern Ge.
gen⸗
geuſtaͤnd⸗
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ſolchen .
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ne Vors.
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—— 241
geuſtaͤnden, in welchen Theile auſſer und neben einander
zu leich find, fo aſſicirt zu werden, daß ich von ihnen als
ſelchen eine Anſchauung erhielte; hätte ich ncht Verſtand
genung dazu, aus dleſen empiriſchen Anſchauungen mir ei—
ne Vorſtellung von dem allgemeinen Begriff des Raumes
zu machen, welchen ich in ſolchen aͤuſſeren Gegenſtanden,
die ſich meinen Augen darſtellen, immer wleder finde, und
ohne welchen ich ſie nicht in elner Anſchauung mir denken
fann: fo würde ich mie gar keine Begriffe von dieſen OGe⸗
genſtaͤnden machen, nichts von ihnen auseinander ſetzen,
nchts von dleſen aͤuſſeren Gegenſtaͤnden weder analytiſch
noch ſynthetiſch ausmachen koͤnnen. Wäre der Raum nicht
eine bloſſe Form meiner Anſchauung, nicht blos eine ſub—
iectide Bedingung, und ohne dieſe obiective, d. h. in aufe
ſeren Gegenſtaͤnden an ſich ganz und gar nichts: fo würbe .
ich eine falſche Folgerung machen, wenn ich daraus ſchlieſ⸗
ſen wollte, daß ich in dieſem Fall über äuſſere Obeecte
nichts ausmachen könnte. Grade umgekehrt würde der
Schluß gelten: waͤre der Raum nichts als die Form, nichts
als dieſe ſubiective Bedingung: fo konate ich von äuffern
Dingen weder ſyntbetiſch noch analytiſch etwas wlſſen: fo
wären alle meine Vorſtebungen von äuffern Obiecten im
N Raum ſalſch, well kein Raum obiective wäre, und alſo
auch keine Gegenſtände ihn einnehmen koͤnnten. Diefe,
Schluͤſſe haben für mich und für den Verſtand aller übrie
gen Geometer eine ungezweifelte Guͤltigkelt, und ich den⸗
te immer, daß der Ihrige dieſe auch anerkennen muß.
Ich werde es alſo weder ſuͤr ungezweifelt gewiß, noch
für waßrfhelid, ſondern für apodletiſch falſch halten
muͤſſen, daß Raum und Zeit ſubiective Bedingungen une
ſrer Anſchauungen find, es ſey denn, daß fie von Gegen—
fländen reden, in welchen Theile auſſer und neben einander
zugleich find, und in welchen von uns eine ununterbroch—
ne Reyhe von Veranderungen durch Hülfe des Verſtandes,
Q nicht
nicht der Sinnlichkeit bemerkt wird. Leugnen muß Ich dle
Wahrbelt Ihres Schlußſatzes, daß die Gegenſtaͤnde ſelbſt
blos Erſchelnungen, und feine für ſich gegebene Dinge
ſind, daß wir von ihnen an ſich ſelbſt nichts ſogen koͤn—
nen, welches dleſen Erſcheinungen zum Grunde lieget. Wis
re es wahr, was fie behaupten; fo wurde der Aſtronom dle
Sonnen und Mondfinſterniſſe nicht mit fo puͤnctlicher Ge
naulgkelt der Zelt und der Groͤſſe voraus ſagen koͤnnen.
Er hat durch genoue Beobachtung den perlediſchen Lauf
der Erde um die Sonne, und des Mondes um die Erde
ſich bekannt gemacht. Er hat die Groͤſſe des Kegelſckat,
ters hinter dleſen Koͤrpern nach Regeln berechnet, welche
ſich auf aſtronomiſche Gründe und auf dle Geſetze fügen,
welche dle Natur den Lichtſtralen nach ſeiner Beobachtung
vorgeſchrleben hat. Nun ſetzet er voraus, daß dle Natur
auſſee feiner Vorſtellung nach dleſen Geſetzen fortwirfen
werde, and auf diefe Vorausſetzung graͤndet er die Berech—
nung, welche r darüber anſtellt. Lachen würde er über
feine Bemühung müffen, wenn er den Raum, worlnn dle
Himmelsförper ſich beroegen, die Zeit, welche fie da—
zu brauchen, fuͤr nichts als für ſubiective Bedingung feiner
Slunlichkelt, oder für eine bleſſe Form feiner Anſchauun—
gen, und auſſer dieſen für nlchts an ſich ſelbſt halten woll—
te. Er verlaͤßt ſich vielmehr darauf, daß beyde ihre obiecs
tive Realitaͤt haben würden, wenn auch kein Sterhllcher
davon eine Anſchauung haben koͤnnte, und doeß dle Reſul—
tate feiner Berechnung, welche ſich darauf gruͤndet, ihre
vollkommne Richtigkeie haben, daß die Maturbegebenpeit
nicht blos in Anſehung unſter Sonne, unſter Erde, unſers
Mondes als individueller Körper, ſondern in Anſehung
allet möglichen, wern fie in durchaus glelchen Lagen gegen
einander waren, ſich auch nun fo, wle feine Berechnung
es mit ſich bringt, in Ruͤckſicht der oblectiven Zeit, und der
oblectlven Groͤſſe der Verfinſterung an dem Orte der Er
de, wofuͤr ſie berechnet iſt, genau verhalten werde. Hat
dle
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in feine
Anſcho:
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243
die Erfahrung es nicht auch Sie mehrmal gelehret, daß er
in feiner Vorausſagung nicht irite, daß auch cuffer Ihrer
Anfdiauung in der Natur ſelbſt dieſe obiective Begebenheit
ſich fo ereignete, wie fie auch wohl auf Jahrhunderte vorher
von den Aſtrenomen berechnet war? Würde alles dieß
wohl ſtatt finden koͤnnen, wenn Raum und Zelt blos das
mären, wofür Sie fie ausgeben? Könnten Sie demohn⸗
geachtet doch das Gegenthell beweiſen: fo wuͤrden Sie durch
Ihre Bemühung, wenn fie Ihnen gelünge, fehr verpflichs
ten Ihren ergebenften ꝛc. 8
17. Brief.
Mein Herr,
Was wollen Sie mit Ihrer Theorie von der Idealitaͤt det
innern und aͤuſſeren Sinnes anzeigen? Ich kann mir von
beyden eine Idee machen. In dleſer ſind nicht die Sinne
ſelbſt oblective entholten, ſondern ich habe von ihnen als von
Oblecten eine Vorſtellung, welche auſſer derſelben oblective
Beſtimmungen von mir find. Wird man es Ihnen al—
fo nicht mit Recht vorwerfen, daß Ihr Ausdruck, Idea—
lität des aͤuſſern und innern Sinnes, ſehr dunkel fen,
und daß Sie dieſe Dunkelheit haͤtten aufflären müffen,
wenn wir wilfen follten, was Sie ſich dabey gedacht has
ben? Gleich darauf reden Sie von der Idealitaͤt der Ob—
iecte der Sinne, als bloßer Erſcheinungen, ſolglich ente
weder als ſolcher Dinge, wovon wir eine emplriſche Vor⸗
ſtellung haben, oder als ſolcher, in wle welt ſie den
Innhalt unſcer Verſtellung ausmachen, und alſo bloße
Erſcheinungen ſind. Im erſten Fall haben dleſe Oblecte
keine Idealitaͤt, ſondern find die aͤuſſern Gegenſtaͤnde an
ſich ſelbſt, wovon ich eine Idee habe, oder haben kann;
Q 2 im
im zweyten find fie nicht mehr die Dinge an ſich felbft,
ſondern ich denke mir darunter die Formen der finnlichen
Anſchauungen, welche ich von ihnen habe. Nun ſind
die Obieete blos Ideen, und ich kann ihnen alſo eine
Idealitaͤt beylegen.
Alles, was in unfrer Erkenntulß zur Anſchauung ge
hoͤret, ſoll nichts als bloſſe Verhaͤltniſſe der Oerter in einer
Anſchauung, (Ausdehnung), Veraͤnderung der Oerter
(Bewegung), und Geſetze, nach welchen dieſe Veraͤnderun—
gen beſtimmt werden, (bewegende Kräfte), in ſich enthalten.
Gefühle der Luſt und Unluſt, den Willen nehmen Ele aus,
well fie gar keine Erkenntniſſe find. Dieß find fie ſteylich
eben fo wenig, als irgend ein andrer Gegenſtand, 3. V.
Veraͤnderung der Oerter, bewegende Kräfte, wovon wir ei.
ne Erkenntniß haben. Wer hat denn je behaupiet, doß die
Gegenſtaͤnde unfrer Erkenntniſſe dle Erkenntniſſe ſelbſt ſeyn
koͤnnen? Ich weis gar nicht, warum Sie uns dleß als eint
wichtige Wahrhelt erſt bekannt machen. Anſchkauungen
koͤnnen wir aber eben fo wohl von Luſt und Untuft vom
Willen, und von allen andern innern Beſtimmungen un
ſers Gemuͤthes haben, weil doch Anſchauungen nichts am
ders als Vorſtellungen find, welche auf ihre Gegenſtände
bezogen werden. Nicht blos Verhältnijfe, wle Sle behaup—
ten, ſondern auch die Obiccte ſelbſt ſtellen ſich uns zu
Anſchauung in dem Verhaͤltniſſe dar, in welchem ſie ge—
gen einander ſtehen, und in wie weit ſie uns den Stef
zur Vorſtellung von ſich darreichen. Ich fehe etwa zwe
Anien, veraleiche fie mit einander und werde gewahr, deß
die eine gröffer als die andre iſt. Zuerſt betrachte ic
fie als Obiecte für ſich, und ehe ich fie in der Darſtel,
lung vergleiche, denke ich mir auch das Verhaͤltniß nicht,
in welchem fie ſtehen. Hier kommt mir eine Regel der
Denkkroſt zu Hülfe. Allein ich würde fie nicht anmen |
den koͤnnen, nicht richtig anwenden, wenn keine Dbiect |
fi
für fid
hätten,
erichein:
es auf
fol mir
Etwa
meiner,
lerdings
Anſchan
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ſtand a
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wicht
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Erfahr!
andre,
Hier 6
ſernung
und die
Gem!
Hebels
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Koͤrper
D
ſich er!
Wuͤſle
wie 7
Beſchaß
Dinge
Merbält
Verpäli
ſchauun
nen les
. 245
für ſich da waͤren, wenn ſe nicht die obiective Groͤſſe
hätten, mit welcher fie mir durch Huͤlſe meiner Augen
erſcheinen. Was in dem Orte gegenwaͤrtig, oder was
es auſſer der Ortveraͤnderung in den Dingen wirket,
ſoll mie dadurch nicht gegeben werden. Wodurch nicht?
Etwa nicht durch die finnlihe Anſchauung. Dieß iſt aber
meiner, ich glaube, auch Ihrer Erfahrung entgegen. Al—
8 lerdings unterſcheide ich durch Huͤlſe meiner empirifhen
„ Anſchauung in einem Garten eine Lille von der Roſe,
„einen Baum vom Waſſer, und denke mir jeden Gegen—
5 fand an dem Orte, wo er iſt. Ich bemerke es bey eis
nem ungleicharmigten Hebel, daß, um ihn in Gleichge—
wicht zu halten, an beyden Enden Körper hängen, wel—
ce in einem umgekehrten Vethaͤltniß der Schweren und
isrer Entfernungen von dem Ruhepunct ſtehen, und bie
Erfahrung lehret mich, daß, ſobald ich dieß Verhaͤltniß
andre, die eine Selte herabſinkt, die andre emporſtelget.
Hier habe ich nicht blos Oerter, ſondern auch ihre Ent—
ſernung von einem gemeinſchaſtlichen Ort oder Punct,
und die abſolute Schwere der Koͤrper mit ihrer relativen
Geſchwindigkeit verglichen, welche ihnen in Anſehung des
Hebels zukommt. Ich Habe die gegenſeitigen Wirkungen
durch meine empltiſche Anſchauung bemerkt, welche die
Körper in dieſer Verbindung gegen einander aͤuſſern.
Blos durch Verhaͤltniſſe wied die Sache nicht an
ſich erkannt. Dieß werde ich Ihnen nicht ableugnen.
Wuͤſte ich von A und B nichts mehr, als daß fie ſich
wie 7 zu 12 verhielten: ſo wuͤrde ich daraus fuͤr die
Beſchaffenheit der Dinge nichts ſchlieſſen koͤnnen, weil
Dinge von unendlich verſchledenen Beſtimmungen in dieſem
Verhaͤltniß gegen einander ſtehen koͤnnen. Allein ſolche
Verhaͤltniſſe werden mir auch nie durch emplriſche An⸗
ſchauungen gegeben. Die Verhaͤltniſſe, die ich daher ken⸗
nen lerne, gründen ſich er die Beſchaffenhelt der Dinge,
3 wel⸗
246
welche ich onſchaue; und durch Beobachtung erkenne id
"allein die Verhͤltniſſe, in welchen fie ſtehen. Könnte
ich mir von ihren Beſtimmungen keine ſinnliche Erkennt.
niß verſchaffen: fo mürden mir auch ihre Verhaͤltniſſe un.
bekannt bleiben. Wie können Eile alſo ſchlieſſen, daß durch
den äufferen Sinn nichts als bloſſe Verhaͤltnißvorſtellungen
gegeben werden, und daß daher dieſer auch nur das Vers
bältniſt eines Gegenſtandes auf unſer Subiect in feiner Wors
ftellung, und nicht das Innte enthalten koͤnne, welches dem
Sublect an ſich zukommt? Vorher haden Sie noch Ber:
hältniffe der Dinge gegen einander zugegeben, und nun wol.
len Sie blos Verbältniffe der Gegenſtände auf das Subiect,
d. i. auf uns als denkende Weſen zulaſſen, welche uns nur
durch den aͤuſſeren Sinn bekannt werden koͤnnen. Geſetzt,
doß dieſes auch nur wäre: fo ließ ſich doch ein ſolches Wer:
haͤltaiß nicht denken, wenn nicht die Gegenſtände auſſer
unſter Verfiellung wären, und eine ſolche obiective Beſtim—
mung haͤtten, daß dadurch uns der Stoff zur Anſchauung
dieſer Verhältniffe gegeben wurde, was ſich nicht blos auf
dle ſublectide Bedingung unſter Sinnlichkeit, ſondern durch—
aus mit auf die Beſchaſſenhelt des Obtectes ſeldſt gründen
müßte. Können wir gleich nicht durch die empirifdyen Ans
ſchauungen tlef in das Heiligthum der Natur, tief in das
Innte ihrer Werke hineindringen, nicht ihre erſte Grund,
kräſte erblicken: fo koͤnnen wir doch manche innre Beſtim—
mung aus den Wirkungen derſelben herleiten, wovon wir in
der Chemie, ſelbſt auch in der Phyſik, und der empirischen
Pinchologie die glaͤnzendſten Beyſplele finden,
Sie behaupten, daß es mit der innern Anſchauung,
eben fo wle mlt der aͤuſſern bewandt iſt, und ich werde eben
dleſen Satz fur den meinigen erkennen, fo ſehr wir auch in
den Folgerungen von einander abgehn, welche wir daraus
herleiten. In dieſer ſollen dle Vorſtellungen äuffrer Sinne
nicht allein den eigentlichen Stoff ausmachen, womit wir
unfer Gimuͤth beſetzen. Seln Gemuͤth mit Vorſtellungen
be.
ſtellung
beſetzen,
che man
ſollen u.
in unfe:
daß bey
ter De
aͤnderun
von Auf]
Deritan
Triebe,
nung un
ſtellung
wuſt ey.
Anſchau
ſelben?
ten: ſo
In den (
wuſt we
welche
de Rea
dingung
in den
grade m
halten,
Sie ſag
male Q.
vor allen
Zeit abe
oder An
obiective
Anſchau⸗
anders al
male Be
eine ober
*
— 247
beſetzen, dleß ſchelnt mir doch eine Terminologie zu fern, wels
che man auſſer Ihrer Schule nicht brauchen würde. Vielleicht
ſollen nur Vorſtellungen dadurch angezeiget werden, welche
in unſerm Gemuͤthe ſtatt haben. Uebrigens iſt es wahr,
daß bey innern Anſchouungen mehr von Wahrnehmung inn—
© rer Beſtimmungen, vom Bewuſtſeyn unſter innern Vers
änderungen die Rede iſt, wohln nicht blos Vorſtellungen
ron aͤuſſeren Gegenſtaͤnden, ſondern auch die Wirfungen des
Verſtandes und der Vernunft, alle Auſwallungen unſter
Ttiebe, alle Gefühle von Freude und Trautigkeit, von Hoff—
nung und Furcht gehoͤren. Die Zeit, in die wir dieſe Vor
ſtellung fegen, geht nach Ihrer Behauptung ſelbſt dem Bes
wuſtſeyn derſelben in der Erfahrung vorher. Wie denn? Als
Anſchauung der Seit, und doch vor dem Bewuſtſeyn der—
ſelben? Folglich wenn wir uns auch ihrer nicht bewuſt waͤ—
ren: fo würde Zeit doch da ſeyn. Nu ſo muͤſte fie ja wohl
in den Gegenſtaͤnden, deren wir uns durch aͤuſſte Sinne be—
wuſt werden koͤnnen, oder in der Folge der Veraͤnderungen,
welche in uns vorgehen, vor unſerm Bemuflfenn ihre obiecti—
ve Realltaͤt haben. Sie iſt alſo nicht blos ſublective Be—
dingung der Anſchauung, ſondern ſie kann auch ohne dieſe
in den Gegenſtaͤnden ſelbſt ſtatt haben. Dieß wuͤrde nun
grade mit Ihrer Hypotheſe, welche Sie für hoͤchſt gültig
halten, im vollkommnen Widerſpruch ſtehen. Nein, werden
Sie ſagen, die Zelt liegt nicht als Obieet, ſondern als ſor—
male Bedingung der Art, wie wir fie im Gemuͤthe haben,
ror allem Bewuſtſeyn derſelben zum C. he. Wis kann
Zeit aber eine ſormale Bedingung ſeyn? Als Vorſtellung
oder Anſchauung iſt ſie ein Geſchoͤpf des Verſtandes, als
obiective Zeit iſt fie auſſer der Anſchauung, obgleich in uns
Anſchauungen auf Anſchauungen folgen, und ſie alſo nicht
anders als nach einander ſeyn Finnen. Wäre dieß die for.
male Bedingung, wovon Sie reden: ſo haͤtten wir wieder
eine obtective Zelt. Soll dleſe aber blos allgemeine Vor⸗
ſtellung der Zeit ſeyn, er unſer Verſtand gebildet = -
4 0
248 5 eee eee
fo kann fie ja ncht dem Bewuſtſeyn In uns vorhergehen, wel.
ches ſich von ihr bey uns finder. Freylich enthält der Be.
griff, Zelt, die Verhaͤltniſſe des Nacheinanderſeyns, und
deſſen, was mit ihm zugleich It, des Beharrlichen. Die
heißt in unferer gewöhnlichen Sprache: wenn ich mir Zei
vorſtelle: fo denke ich mir eine ununterbrochne Reyhe von
Folgen, in welcher das Zugleichſeyn aus geſchloſſen iſt, aber
Diefe Reyhe von Veraͤnderungen in elnem Dinge, von wel,
chem fie Beſtimmungen nach und nach find, und dieß Ding
iſt das Sublect der Zeit, iſt das Behartliche, welches mit
ihr zugleich iſt. Vin ich aber nicht berechtiget, auch daher
zu ſcalieſſen, daß dieſe Zeit als Folge der Veraͤnderungen
in dem Behartlichen ihre obiective Realitaͤt habe, und daß
folglich die Zeit nicht blos eine ſublect'dbe Bedingung meiner
A: chauupgen und auſſer dieſen an ſich Nichts fen? In wie
weit fie blos Zeitbegelff, blos Anſchauung iſt, kann ſie nicht
obetctive Zeit ſeyn, dieß verſteht ſich von ſelbſt, und um dl.
ne ſolche ausgemachte Sache zu beweiſen, würden Sie keine
transſcendentale Aeſlhetik geſchriehen haben.
Wie kaͤnnen Sie eine Vorſtellung, welche vor aller
Handlung irgend etwas zu denken da iſt, eine Anſchauung
nennen? Kann es denn auch eine ſolche geben? Vor aller
Handlung irgend etwas zu denken, und doch eine Vorſtel—
lung iſt Dec) wohl ein Widerſpruch, weil es unmoͤgllch iſt,
daß meine Seele ohne alle Wirkſamkelt ihrer Denkkraſt eine
Vorſtellung hat. Vor aller Handlung etwas zu denken, denket
fie gar nichts, und jede Anſchavung, dieſiehat, ſetzet voraus
1) dle Handlung oder Wirkſamkeit meines Vorſtellungsvet—
moͤgens, 2) eln Obiect, worauf die Vorſtellung, als Hand—
lung meiner Seele etwas zu denken, bezogen wird. Feh—
let beydes: fo hat fo wentg eine Vorſtellung, als eine Ars
ſchauung ſtaͤtt. Dleſe Anſchauung fol nichts als Verhält—
niſſe in ſich enthalten. Kann ſie aber dieſes, wenn ſie
nicht die Verhältniſſe in ſich ſaßt, welche dle Oblecte gegen
einander, oder gegen das denkende Sublect haben? a
159
alſo ni
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Eie fol!
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iſt nach
249
alſo nicht in jedem Fall Gegenſtaͤnde vorausgeſetzt, wodurch
es nur allein möglich wird, Verhaͤltniſſe anzuſchauen? Ihre
Vorſtellung, welche vor aller Handlung des Denkens bey
Ihnen vorhergeßbt, ſoll Anſchauung fern, und wenn fie
(welche? Anſchauung oder Vorſtellung?) nichts als Ver—
haͤltniſſe in ſich enthalt: fo iſt fie die Form der Anſchauung.
Sie ſoll aber nichts als dieſe in ſich enthalten. Dleſe Vor—
ſtellung iſt alſo Anſchauung und auch Form der Anſchauung.
Iſt denn beydes einerlen? Was Sie doch aus einer Vor—
ſtellung zu machen wiſſen, weiche wir andre Sterbliche, die
wir nicht zu Ihrer Schule gehoͤren, uns gar nicht denken
können! Sie wiſſen uns noch mehr von ihr zusagen.
Diefe Form der Anſchauung ſoll 1) nichts vorſtellen, auſſen
ſoſferne im Gemüthe etwas geſetzt wird, und folglich foll fie
2) nichts anders ſeyn koͤnn en, als die Art, wie das Gemürh
durch eigne Thaͤtigkeit, naͤmlich dieſes Setzen feiner Vorſtel—
fung, mithin durch ſich ſelöſt aſſicitt wird, d. i. ein innrer
Einn ſeiner Form nach. Freylich werden wir nichts on»
ſchauen, folglich keine Anſchauung haben konnen, wenn
nicht im Gemuͤthe etwas geſetzt wird. Welches iſt aber dieß
Etwas. Entweder das Vermögen Vorſtellungen zu erhal—
ten, oder die Thaͤtigkeit, deſſelben. Jenes iſt vor aller Er—
fahrung a priori da, aber nicht die Vorſtellung ſelbſt.
Soll dieſe erfelgen: ſo muß das Vermoͤgen thaͤtig werden.
Die Seele kann ſich nun dieſer Wirkſamkeit bewuſt wer—
den, weil fie einen innern Sinn hat. Allein diefe Thätig.
kelt oder dieſe Vorſtellung, wodurch der innere Sinn afficirt
wird, und wir uns derſelben bewuſt werden, ift nicht der
innre Sinn ſelner Form nach, ſondern der Gegenſtand deſ—
ſelben. Der innre Sinn ſeiner Form nach kann nichts an—
ders als unfre Fähigkeit ſeyn, uns unſter innern Wirkſam—
keit bewuſt zu werden. Dieſe iſt aber nicht eine Vorſtellung,
ob wir uns gleich durch Beobachtung, und folglich a po»
fteriori von ihr eine Vorſtellung verſchaffen koͤnnen.
Alles, was uns durch einen Sinn vorgeſtellet wird,
iſt nach Ihrer 2 in ſoferne eine Erſchelnung.
| 5
In
1 —
In wie welt Ift es dieſe? Etwa in wle welt ich es mir vor,
ſtelle? Dleß iſt nun zwar richtig: es wurde aber nichts mei.
ter heiſſen, als jede Vorſtellung durch Hülfe der Sinne iſt
jederzeit Vorſtellung. Dieß wäre dann doch blos eine Wirk.
famfeit meiner Vorſtellungskraft, ich möchte es mir in ſinn⸗
lichen Anſchauungen, oder in allgemelnen Begriffen denken.
Allein nun iſt nicht von den Obieeten, die vorgeſtellet wer⸗
den, ſondern von Anſchauungen dle Rede, welche ich von
ihnen habe. Sie ſetzen hinzu: eln innrer Sinn würde alſo
gar nicht elngeraͤumet werden muͤſſen, oder das Sublect,
welches der Gegenſtand deſſelben iſt, würde nur durch den.
ſelben als Erſcheinung vorgeſtellet werden koͤnnen, nicht
wie er von ſich ſelbſt urtheilen wuͤrde, wenn ſelne Ans
ſchauung blos Selbſtthaͤtigkeit d. i. intellectuell wäre. Der
Gegenſtand des innern Sinnes, wovon Sie itzt reden, iſt
alſo das denkende Subiect ſelbſt, welches dieſen Sinn hat.
Es wird durch Huͤlſe deſſelben ſich feiner innern Modifica—
tionen bewuſt. Nur dieſe koͤnnen Gegenſtaͤnde des innern
Sinnes werden. Unſer Verſtand denket ſich das Sublect
als das Beharrliche, worinn dieſe Wirkſamkeiten als Innre
Veränderungen erfolgen. Das Subiect ſelbſt kann aber
nie eln Gegenſtand dieſes innern Sinnes, kann alſo nicht
eine Erſcheinung deſſelben werden. Allein kann dleß wohl
eine Urſache ſeyn, welche uns bewegte, kelnen innern Sinn
elnzuräumen? Auch unfre innern Modificationen ſelbſt find
keine Erſcheinungen, ſondern obiective Gegenſtaͤnde derſelben.
Wenn wir uns auch gleich dieſer als Vorſtellungen bewuſt
werden, und alſo eine neue Vorſtellung von jenen erhalten:
ſo ſind jene das Obiect von dieſer, aber nicht Vorſtellungen
von ſich ſelbſt. Die Vorſtellung, welche ich mir von ihr
mache, koͤnnte vielleicht Erſchelnung genannt werden.
Unter denkendes Subiect, ſagen Sie, würde von ſich
ſelbſt anders urtheilen, wenn feine Anſchauung blos Selb—
ſtaͤndigkeit d. i. intellectueh wäre. Anſchauung und Selbſt—
thätigkeit würde doch auch denn nicht elnerley ſeyn koͤnnen,
fon.
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len, wel
Wir mu
Veraͤnde
wir uns
fern Del
281
a ſondern die erſte würde eine Wirkung der andern ſeyn muͤſ.
fen. Waͤre die Anſchauung auch blos intellectuell, oder
Wirkung des Verſtandes, fo würde fie durch die innre Kraft
des denkenden Weſens erregt werden. Dieſes waͤre nun ent—
weder fähig, ſich dieſer Thaͤtigkeit bewuſt zu werden oder
0 nicht. Nicht? So müfte es eine Wirkung feiner Selbſt—
thätigkeit nicht von der andern, und auch nicht von ſich uns
terſchelden konnen. Ließ ſich dieß bey einer fo erhoͤheten
Seelbſtthaͤtigkeit denken, welche die unſtige welt uͤbertraͤſe?
Waͤre es aber dozu fähig: fo hatte es einen innern Sinn.
Es wuͤrde freplich von den Gegenſtaͤnden deſſelben als bloſſen
Wirkungen ſeiner Selbſtthaͤtigkeit anders als wir von den
Obiecten unſers innern Sinnes urtheilen. Unterdeſſen wuͤr—
de es doch durch Huͤife feines innern Sinnes von feinen in—
nern Veränderungen und von ſich als dem blos ſelbſtthaͤtig
denkenden Eubiect urtheilen koͤnnen, obgleich dieß Urtheil
von dem unſrigen unt erſchleden ſeyn wuͤrde.
Alle Schwlerigkeit fol nur hiebey darauf beruhen,
„„ le ein Subiect ſich innerlich anſchauen kann. Doch diefe
ſcheinet mir nicht ſo groß zu ſeyn, daß wir fie nicht wenig—
ſtens zum Theil uͤberwinden koͤnnten. Wir find uns unfrer
innern Veränderungen bewuſt, unterſcheiden fie von unſerm
denkenden Sublect, und bemerken ſelbſt dieſen Unterſchied
in unſern Vorſtellungen. Waͤre alſo die Frage blos, wie
ein Sublect ſich innerlich anſchauen kann: fo würden wir
auf dieſe folgendes antworten koͤnnen. Durch unfern innern
Sinn werden wir uns der innern Veraͤnderungen oder der
Wirkungen von allen unſern Fahigkeiten bewuſt, und durch
unſre Erinnerungsfraft koͤnnen wir uns dieſe wieder vorftele
len, welche in uns rege wurden, aber nicht mehr da ſind.
Wir müffen uns alſo als ein Subiect denken, welches innre
Veraͤnderungen nach einander haben kann, und ſo werden
wir uns ſelbſt als das beharrliche Subieet von ihnen als un»
fern Befimmungen unterſcheiden. Fragen wir aber weiter:
wie
wie {ff die Innre Geundkraft unfers Gelſtes beſchaffen, wo.
durch es möglich wird, daß ſolche Wahrnehmungen in uns
ſtatt haben koͤnnen, wie, daß fie wirklich erfolgen: fo geht
das Geblet der Schwierigkeiten an, und Sle würden ung
als Freunden der Wahrheit einen ſehe groſſen Dlenſt leiſten,
wenn Sie durch die Fackel Ihrer tiefer ſehenden Vernunſt
dieſe dunkeln Gegenden aufhellen koͤnnten. Allein bisher
haben Sie noch nichts mehr als Ihre Vorgaͤnger geleiſtet,
und ich beſorge immer, daß die menſchliche Vernunft, fo
ſeht fie auch aufgeklaret ſeyn mag, in der Lage, worinn wir
auf der Bahn dieſes Lebens ſortwandeln, nie zu der Starke
gelangen wird, dieſe Schwierigkeit mit dem gluͤcklichſten
Erfolg zu bekämpfen. Allein auch nur dief, was wir doch
in dem Reiche der Wahrhelt entdecken koͤnnen, hat für uns
zu viel Reiz, als daß wir es uns durch uͤbertrlebene Specu—
lationen moͤchten entziehen laſſen.
Das Bewuſtſeyn ſelger ſelbſt (Apperception) iſt, wie
Eile dafür halten, dle einfache Vorſtellung des Ichs. Allein
jede Apperceptlon, welche wir haben, iſt doch nicht immer
eigentich das Bewuſtſeyn uaſter ſelbſt. Sie hat ollemol
bey uns ſtaͤtt, wenn wir uns äuſſerer Gegenſtände, welche
auf unire Sinne gewirkt haben, eder unſrer innern Thaͤtlg—
keit bewuſt werden, obgleich nicht der Gedanke von unferm
Ich hinzu kömmt. Doch Sie ſcheinen nur von der Apper—
ception zu reden, in wie weit fie das Bewuſtſeyn unfrer ſelbſt
iſt, und dieſe nennen Sie elne einfache Vorſtellung des
Ichs. Wenn aber dadurch alles Mannigfaltige im Sublect
ſelbſtthaͤtig gegeben wäre, jo würde dieſe Vorſtellung doch
ſo einſach nicht mehr ſeyn koͤnnen; ſondern ſie wuͤrde das
Mannlafaltige zugleich mit einſchlieſſen. Würde mir durch
fie allein alles dieſes in meinem Subiect ſelbſtthaͤtig gegeben:
fo müpte ich entweder mit einmal alles deſſen, was nicht blos
in jedem Augenblick in meinem Subiect da iſt, ſondern was
auch nur durch meine Denkkraft da ſeyn kann, oder 75
na
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Einnlid
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die Art,
— — 253
nach und nach mir bewuſt werden. Das erſte wird nun
ſreylich nie wegen meiner weſentlichen Einſchraͤnkungen mein
dos werden können. Cine ſolche innre intellectuelle Ans
ſchauung, wenn fie anders hlerinn beſteht, werde ich nie
haben koͤnnen. Die Gegenſtaͤnde, deren ich mir bewuſt
werden kann, find der Art nach unzaͤhlich, und als einzeine
Dinge (indiuidua) für mich unermeßlich. Nicht mit ein»
mal bin ich fähig, fie mir vorzuſtellen, und doch liegt die
Faͤhlgkeit in meinem Eubiect, mir von ihnen Ideen zu mas
chen, fie zu oppercipiren, ſolglich mir derſelben und ihres
Unterſchiedes von meinem Subiect bewuſt zu werden. Den—
ken Sie ſich alles Mannigſaltige, welches in meinem Sub—
lect ſelbſtthaͤtig gegeben wird, in der Einſchraͤnkung, daß
es nur das alles anzeiget, was jedesmal gegeben iſt: ſo
wuͤrde die Anſchauung doch bey mir nicht blos intellectuell
ſeyn; ſondern ich würde durch meinen innern Sinn mir deſ—
fen bewuſt werden, was jedesmal in meinem Eubiect ſelbſe—
thaͤtig gegeben würde. Mein Verſtand wurde doch erſt dieſe
ſelbſtthaͤtigen Wirkungen mit elnander verglelchen, die Ue—
berelnſtimmungen und Abweichungen derſelben bemer—
ken, und durch Vergleichungen das Allgemeine herause—
beben muͤſſen, um dieſe Wirkungen auf Gattungen
und Arten zu bringen. Die Anſchauungen meiner ſelbſt—
thaͤtigen Wirkungen mären doch immer noch ſinnlich, em»
pirifh, und mein Verſtand würde aus dieſen die intellectuel—
len Anſchauungen durch feine eigenthuͤmliche Kraft hervor—
bringen muͤſſen.
Im Menſchen erſodert, wie Sie ſchreiben, dieß Be
wuſtſeyn ſeiner ſelbſt, (Apperception) innre Wahrnehmung
von dem Mannigfaltigen, was im Suhiect vorher gegeben
wird, und die Art, wle dleſes ohne Spontaneität im Ger
muͤthe gegeben wird, muß, um dieſes Unterſcheldes willen,
Sinnlichkeit, heiſſen. Hier nehmen Sie das Wort Enns
lichkeit in einer andern Bedeutung, wle ſonſt. gt iſt fie
die a wie das Mannigfaltige im Gemürhe ohne Epon« “
taneitaͤt
254 ee UL eee
taneltaͤt gegeben wird. Dleß Mannlgſaltlge, was in mel.
nem Gemuͤthe gegeben Ift, kann nichts anders ſeyn, als 1)
entweder die innern Veranderungen meines denkenden Sub,
lects, oder die Abdrucke der Gegenſtaͤnde, welche fie In mir
durch Elnwirkungen auf meine aͤuſſern Sinnen hervorgebracht
haben, 2) dle Vorſtellungen, welche ich von ihnen erhalte,
In Anſehung der erſten verhält ſich meln Verftellungsver.
moͤgen blos leldend, und die letzten ſind ſelbſt nach Ihtem
Syſtem Folgen feiner Spontaneitaͤt. Nun erſt entſteht In
mir das Bewuſtſeyn derſelben, und die Apperceptien geht
unmittelbar auf die Verſtellungen ſelbſt, mittelbar auf die
Receptlvität und Srontaneitaͤt meines Vorſtellungs verm.
gens. Auf das Daſeyn dleſer beyden ſchlleßt meine Ber
nunft aus dem Bewuſtſeyn der Vorſtellungen als Folgen
von ihnen, und unterſcheldet durch dleſes dle Vorſtellung
fo wohl von ihren Oblecten als von mir, dem denkenden Eub,
iect. Dieſe meine Spontaneltät iſt aber nicht fähig, in
dieſen Vorſtellungen von dem Stoff, welcher meinem Ga
muͤthe von den Gegenſtaͤnden gegeben wird, etwas zu aͤn—
dern, ſo lange dieß Gegebene ſortdauert, und folglich kann
ſie ſich in ſo weit nicht anders als leidend verhalten. Ich
erblicke in einem Naturaliencablnet dle eln zelnen Gegenſtaͤnde
aus dem Reiche der Natur. So lange ich dleſe in gleicher
Entfernung unter gleichen Umſtaͤnden betrachte: ſo lange
habe ich es nicht in meiner Gewalt, dle emplriſchen Ans
ſchauungen zu aͤndern; ſondern ſie bleiben, wie ſie elnmal
durch die Gegenſtaͤnde beſtimmt wurden. Iſt der Gegen,
ſtand, welchen ich gewahr werde, dle groſſe Bandaſche Kro—
nentaube: ſo kann ich, ſo lange ich ſie anſehe, es durch keine
Spontaneität erzwingen, daß ich ſtatt dieſer einen buntſaͤrbig—
ten Schmetterling erblicke. Meine Vorſtellungen konnten
nicht ohne Spontaneltaͤt melnes Vorſtellungs vermoͤgens ent
ſtehen, allein dieſe geht nicht auf das Manniafaltige in mei»
ner Wahrnehmung, ſondern blos darauf, daß der gege—
bene Stoff von ihm in mir zur Vorſtellung erhoben wird,
und
und bie:
Stoff z
nen Sie
nigtalrio
lichkeit
keit, 110
meiner
gehoͤren.
Uebereir
Einnlid
Zu
Nerlodeı
fhmeifi.
tinth zu
ander fr:
arbeiten.
machen,
tig zu p.
wuſt zu
(apprehe
allein au
gen, der
liegt, di:
ſammen
denn ſich
thaͤtig ve
innen alı
es iſt.
Wenn d
Im Gem!
was im
muß dle
liegt. ©
angenom
255
und dleſe muß ſich nach dem Obiect richten, welches mir den
Steff zue empirüichen Anſchauung von ſich darreichet. Mens
nen Sie itzt Sinnlichkeit die Art, wie dieſer Stoff des Man.
nigſaltigen ohne Spontaneltaͤr gegeben wird: fo geht Sinn—
lichkeit blos auf die Receptivitaͤt meiner Vorſtellungsfaͤhig.
keit, und die empiriſchen Vorſtellungen ſelbſt als Folgen
meiner Spontaneität werden nicht mehr zu ihrem Gebiete
gehören. Wohin wollen Sie dieſe alfo rechnen, fo daß eine
lleberelnſtimmung mit demjenigen bleibe, was Sie ſonſt zur
Sinnlichkelt gezogen haben?
Zum Beſchluß dleſer Abtheilung haben Sie noch einen
Perloden niedergeſchrieben, welcher theils durch ſelne Weit—
ſchweifigkelt theils durch die befondre Wortfuͤgung ein Laby—
tinth zu werden ſcheint, worinn die Wege ſich fo durch eins
ander kreuzen, daß es ſchwer wird ſich aus ihm heraus zu
arbeiten. Ich will ihn ganz herſetzen, und einen Verſuch
machen, ihn zu zergliedern, um den Innhalt deſſelben gehoͤ—
tig zu prüfen. Hier iſt er. Wenn das Vermögen ſich bee
wuſt zu werden, das, was im Gemuͤthe liegt, aufſuchen
(apprehendiren) ſoll: fo muß es daſſelbe afficiren, und kann
allein auf ſolche Art eine Anſchauung feiner ſelbſt hervorbrin⸗
gen, deren Form aber, die vorher im Gemuͤthe zum Grunde
liegt, die Art, wie das Mannigfaltige im Gemuͤthe zus
ſommen iſt, in der Vorſtellung der Zeit beſtimmt; da es
denn ſich ſelbſt anſchauet, nicht wie es ſich unmittelbar ſelbſt—
thätig vorſtellen wuͤrde, ſondern nach der Art, wie es von
innen afficirt wird, folglich wie es ſich erſcheinet, nicht wie
es iſt. Der erſte Satz kann einen doppelten Sinn haben.
Wenn das Vermoͤgen, ſich bewuſt zu werden, das, was
im Gemuͤthe liegt, apprehendiren foll: fo muß 1 dasjenige,
was im Gemürhe liegt, das Vermoͤgen afficiren, 2) fo
muß dieß Vermoͤgen dasjenige afficiren, was im Gemuͤthe
liegt. Ob gleich nach der Wortfügung die letzte Bed utung
angenommen werden müßte: fo glaube Ich doch, doß 555
die ſen
256
dieſen Saß nach der erſten Erflärung gedacht haben. Allein J ols eine
was liegt denn in meinem Gemüthe zum Grunde, daß das Selbſti!
Mermögen mir meiner bewuſt zu werden, aſfieirt wird. mie Vo
Nicht die bloſſe Faͤhigkeit, ſinnliche Votſtellungen zu haben. J und inn:
Durch dieſe kann jenes Vermoͤgen nicht aſſieltet werden, [ nunfe d
ſondern die Vorſtellung ſelbſt, welche ich habe, muß dieſes J durch fei
gleichſam beleben, oder rege machen. Wenn ich mir die, ſelten z
fer beruft werde: fo unterfcheide ich ſie nicht blos von ihrem lungen,
Gegenſtande, fondern auch von mir ſelbſt, und fo wird alſo Faͤhlake
eine Anſchauung von mir ſelbſt hervorgebracht. Die Form ſo werde
dieſer Anſchauung von mir ſelbſt lag aber nicht in meinem Ge. erſcheine
müche zum Grunde; ſondern wurde durch die Wirkſamkelt J ich von
meines Vermoͤgens, mir meiner bewuſt zu werden, erreget. ich ſelbſ⸗
Ste beſtimmet ouch nicht die Art, wie das Mannigfaltige J dleſem u
im Gemüͤthe zuſcmmen iſt, in der Vorſtellung der Zeit, es Ihren 9
ſey denn, daß dieſe Anſchauung von mir zugleich die Folgen
n. 4
der innern Veraͤnderungen, welche bey mir nicht anders, EN
als nad) einander, entſtehen koͤnnen, in ſich ſaßt; und dann
iſt fie zuglelch eine Anſchauung van einer ununterbrochnen
Reyhe der Veränderungen in mir, ſolglich von der obiecti—
ven Zeit, als einer Beſtimmung, ohne welche ich nicht in
dem Gebiete endlicher Geiſter eine Stelle einnehmen koͤnnte.
Wenn ich mich auf dieſe Art anſchaue: ſo ſoll, wie Sie ſa—
Wenn
gen, dieſe Anſchauung nicht fo ſeyn, wle ich unmittelbar mich ſchauune
ſelbſtthaͤtig vorſtellen wurde. Allein was nennen Sie ſich anfhauı
ur mittelbar ſelbſtthaͤtig vorſtellen? Ohne Zweifel dieß, deß 11 offick
alle meine Vorſtellungen blos durch meine Selbſtthaͤtigkeit daß die‘
erjeuget würden, und daß ich mir deſſen brwuft wäre. Al. geftehen
lein Iſt dieß auch bey einem endlichen Geiſte moglich? und elgentlid
wenn ich auch nicht von auſſen afficiret würde, ſondern alle Gegenſte
Vorſtellungen durch meine elgne Thaͤtigkelt hervorbrächte, fo wie e
würden fie demohngeachtet nicht nach und nach in mir erſol. wovon €
gen; ; mürbe ich mir nicht dieſer Folgen meiner Veränderungen fönnen ı
oder Vorſtellungen, und alſo einer ununterbrochnen Reyhe J weder o.
derſelben bewuſt werden; wuͤrde ich mir alſo nicht die Zelt gen duffe
8 als
ols elne oblectlve Beſtimmung denken müffen? Doch dieſe
Selbſtthaͤtigkeit habe ich nun frehlich nicht. Ich made
mir Vorſtellungen von meinem Sublect, wie es von auſſen
und innen afficirt wird; wie es durch Verſtand und Ber
nunſt die Materlalen, welche ihm die Sinne darreichen,
durch feine Selbſtthaͤtlgkelt bearbeiten kann, und auch nicht
ſelten zweckmaͤſſig bearbeite. Nennen Sie dieſe Voritela
lungen, welche ich durch mein Bewuſtſeyn don meinen
Fahigkeiten und ihren Wirkungen habe, eine Erſcheinung:
fo werde ich mich anſchauen, wie ich mir erſcheine, und ich
eeſcheine mir fo, well ich fo bin. Die Vorſtellung, welche
ich von mir habe, mag Erſchelnung heiſſen. Genung, daß
ich ſelbſt das reelle Obiect derſelben bin, und daß jene mit
dleſem uͤbereinkoͤmmt. Wollen Sie nichts mehr durch diefen
Ihren Perloden anzelgen: fo werden wir hletinn übereinftim«
men. leben Sie wohl.
18. Brief.
Mein Herr,
Wenn Sie ſagen: im Raum und der Zelt fe die Ans
ſchauung fo wohl der äufferen Obiecte als auch die Selbſt—
anſchauung des Gemuͤthes beydes dor, fo wle es unſte Eins
ne afficlret, d. i. wie es erſcheinet: fo mill dieß nicht ſagen,
daß diefe Gegenſtaͤnde ein bloſſer Schein wären. Ich muß
geſtehen, daß es nicht leicht iſt, es zu verſtehen, was Sie
elgentlich hiermit anzeigen wollen. Die Anſchauung äuſſeter
Gegenſtaͤnde und die Selbſtanſchauung follen beydes vorſtellen,
fo wle es dle Sinne affielrt. Welches iſt denn das beyde,
wovon Sie reden? Soll es Zelt und Raum fern? Dieſe
koͤnnen zwar in den Aaſchauungen auſſerer Gegenſtaͤnde ent,
weder als allgemeine Begriffe oder als oblectiv ? Beſtlmmun—
gen Bufferer Dinge vorgeſtellet Erler: Allein in det Selbſt⸗
g 8 Alle
258 [een urn)
anſchauung meines Gemuͤthes Ift gar kelne Vorflelung vom
Raum. Dieſe Selbſtanſchauung kann doch nichts anders
als das Bewuſtſeyn von den Wirkungen meiner Fahigkeiten
in ſich foſſen. In dleſer Selbſtanſchauung liegt alſo durch.
aus keine Vorſtellung vom Raum, auch nicht einmal das
Bewuſtſeyn der Zelt; es ſey denn, daß ich etwa auf die
Folge der Veränderungen in meinem Gemuͤthe zugleich aufs
merfiam bin. Ich denke mir eben itzt die erhabne Würde
der Tugend, und werde mir ihrer In meiner Selbſtanſchauung
bewuſt. Es iſt in dieſer keine Vorſtellung von Zeit und
Raum enthalten. Wollen Sie durch Ihr Beydes etwas
anders bezeichnen: fo laſſen Sie Ihren aufmerkſamen Leſet
in einer groſſen Ungewißheit darüber, was Sie elgentlich
dadurch anzuzeigen Willens find. Soll Beydes etwa dit
zuſſern Gegenſtaͤnde und mein Gemuͤth bedeuten, wovon ich
eine Anſchauung habe, wle ts doch die Wortfuͤgung in dieſem
Setze nicht verſtattet: ſo wuͤſte ich, was Sle ſagen wollten,
wenn Ste diefe Gegenſtaͤnde, ob wir fie uns gleich fo vor«
ſtellen, wie fie unſte Sinne afficiren, deswegen nicht für
bloſſen Schein ausgeben. Allein nun müßten wir doch von
Ihnen es hören, in wle welt Sle dleſe nicht für bloſſen
Schein halten. Sie führen dleſen Grurd für Ihre Ber
hauptung an: Im der Erſchelnung werden jederzelt dle Oblecte,
ja ſelbſt die Beſchaſſenheit, die wir ihnen beylegen, alt
etwas wirklich gegebenes angeſehen, nur daß fo ferne dleſe
Beſchaßfenheit von der Anſchauungsart des Subiects in der
Relatlon des gegebenen Gegenſtandes zu ihm abhaͤnget, dleſer
Gegenſtand als Erſchelnung von ihm jeiber als Obiect an ſich
unterſchleden wird. In der Erſcheinung, das heißt doch,
in unſter empirifchen Votſtellung werden die Oblecte, ja ſelbſt
die Beſchaffenhelt (alſo nicht blos Verhaͤltniſſe, wle Sie vor⸗
her behaupteten), dle wir ihnen beylegen, als etwas wirklich
gegebenes angeſehen. Allein wle find dieſe gegeben? Entwe⸗
der blos in der Anſchauung, oder auch auſſer dieſer. Im erſten
Fall wären fie blos Erſchelnungen Im letzten waͤren die Gegen,
ftär
flänbe an
oblective
Ihnen ar
mit Wor
doch in d
Nun fon
So
art des C
des zu il
Begenfta:
an ſich u
ſche Spe
Beſchaff
Eubiecte:
get? Do:
beflimme:
Gegenfta:
Obiect,
unter ſche
fe Et ſche.
haben wi
meine A.
Wäre bie
ung nich!
ſondern n
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erw 259
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1 fiänbe an ſich ſelbſt und ihre Beſchaffenhelt in der Natur
oblective gegeben. Welcher der beyden Faͤlle wird nun von
Ihnen angenommen? Etwa blos det erſte: fo leugnen Eis
mit Worten, doß dle Oblecte bloſſer Schein find, und laſſen
doch in der That nichts als dieſen über. Oder das letzte!
Nun ſo wären wir mit einander verglichen.
So ferne dleſe Beſchoffenhelt nur von der Anſchauungs⸗
art des Sublects in der Relatlon des gegebenen Gegenſtan.
des zu ihm abhaͤnget, wird (warum nicht, iſt?) dieſer
Gegenſtand als Erſcheinung nur von ihm feiber als Obiect
an ſich unterſchleden. Hier herrſchet wieder dunkle ſcholaſti⸗—
i ſche Sprache. Was heiße es, wenn Sie ſagen, daß dle
Beſchaffenhelt des Gegenſtandes von der Anſchauungsart des
Sublectes in der Relation des Gegenſtandes zu ihm abhaͤn⸗
get? Doch wohl nichts anders, als meine Vorſtellungsark
beſtimmet es, wie dieſe Beſchaffenheit in det Relation des
Gegenſtandes zu mir erſcheinet? Welches iſt denn nun dat
Obiect, welches ſich don dem Gegenſtand als Erſcheinung
unterſcheldet? Entweder das Oblect, welches auch ohne dle⸗
ſe Erſchelnung feine oblectlve Realltaͤt, und Beſchaſſenheit
& haben würde, ober welches blos feine Beſchaffenhelt durch
meine Anſchauungsart in feiner Relation gegen mich hat.
Waͤre dieß letzte: fo würde es an ſich auffer meiner Anſchau—
ung nichts ſeyn, hette nicht für ſich dleſe Beſchaffenhe t,
ſondern nur durch meine Anſchauungsatt. Wollten Sie dieß
letzte fagen: fo wäre das Oblect nicht auſſer meiner Anſchauung
don der Beſchaffenhelt, wie ich es mir vorſtelle, und ſolglich
wäre hier im Grunde nichts als bloſſer Schein. Hätte aber
der erſte Fall ſtatt: fo wuͤrde ich es nicht für einen bloſſen
Schein halten koͤnnen, ſondern ich müßte es als eln Ding
für ſich auſſer meiner Vorſtellung anſehen, welches ſelne eigene
thoͤmliche Beſchaffenhelt haͤtte, und behalten würde, ich
möchte diefe oder eine andre ſubiective Anſchauunig haben, oder
1 ts auch gar nicht e Ich erbiide etwa eniblaͤttet⸗
2 ti
2660 )
chen S.
te Bäume, und auf den Saatenſeldern nur noch dle Ueber.
reſte abgemaͤheter Halmen. In meiner Anſchauung finden wollen e:
ſich Abbildungen dieſer Gegenftände, oder Vorſtellungen] dem, we
von ihnen Ich unterscheide dieſe fo wohl von den Oblecten machen.
als von mir ſelbſt. Ich kann alſo die Oblecte ſelbſt nicht! helfen. ©
für bloſſe Erſcheinungen in meiner Unſchauung halten; fon. che. WN
dern ich bin uͤber zeugt, daß fie nach allen den Belchaffenheis F bloſſen ©
ten, welche ich an ihnen erblicke, ohne meine Anſchauunge. “ Sind K
art In der Natur ſeyn würden, wenn ich mir auch ihrer gar! de Real
nicht bewuſt wäre. Ste find alſo nicht blos in Beziehung] gen gez
auf mich von der Erſcheinung, welche ich von ihnen habe, els Din:
unterſchleden; fondern fie würden auch ohne dleſe durch ihre! fen wir g
elgenthümliche Form, durch ſich ſelbſt es ſeyn. Die Koͤrper] dle Erfa
wollen Sie nicht zum bloſſen Schein auffer ſich machen. Sle] die Praͤ
gelehen, daß Sie dle Qualltaͤt des Raums und der Zelt als auf uni:
Bedingung ihres Daſeyns ſetzen. Hleraus würde aber ſol,] Geruch,
gen, daß Raum und Zelt obiective Beſtimmungen von f rung fin
ihnen auch aujfer unfrer Vorſtellung ſeyn müffen. Wie könn f Mir in!
ten dleſe Oualltäten ſonſt Bedingungen Ihres Daſeyns abgt. werde?
ben? Sind fie dieß: fo iſt hier offenbar nicht mehr von] male, w
unfrer ſublectiven Anſchauung des Raums und der Zelt dle] gen? S
Rede. Haben die Körper zur Bedingung ihres Daſeyns Raum] leln dieſe
und Zeit: fo koͤnnen fie ohne beyde nicht ihre wirkliche] weil fie ı
Exiſtenz haben. Folglich muͤſſen beyde auch als obiective | Merkma
Beſtimmungen In ihnen als Dinge für ſich angetroffen werden.] und der |
Und nun behaupten Sie wieder, daß Zeit und Raum blos] wegen be
in unfrer Anſchauungsart, nicht in den Oblecten an ſich liegen.] und gras
Allein wird dadurch nicht dasjenige wieder aufgehoben, was Merkmal
Sie vorher festen? Sind Zelt und Raum Bedingungen von] und mir
dem Daſeyn der Körper, und doch blos in unſten Anſchauun, Nur in d.
gen, und auſſer diefen nüchts: fo würden auch Peine Koͤrpet] ſenhelt.“
auffer dleſen ſeyn koͤnnen, well fie auſſer dleſen nicht die noth⸗ feibit bios
wendlge Bedingung Ihres Daſeyns hätten. Sle find alſo erſten Fe
nichts als bloſſer Schein, und doch wollen Sle dleß mwiebe bloſſer S
leugnen, Wie ſollen wir uns aus dieſem Irrgarten, in wel Berhälen
U
chen
— 2 0 nn Sn 2 261
chen Sie uns geſuͤhret haben, wieder heraus finden? Sie
wollen es ſich nicht zu Schulden kommen laſſen, daß Sle aus
dem, was Sie zur Erſcheinung zaͤhlen ſollten, bloſſen Schein
machen. Allein durch diefe Erklaͤrung iſt uns noch wenig ges
holfen. Sle reden noch immer eine dunkle unbeſtimmte Spra⸗
che. Was zur Erſchelnung gehört, wollen Ste nicht für
bloſſen Schein halten. Hlevon war aber die Rede nicht.
Sind Körper, deren Daſeyn nach unfrer Einficht eine obiectl⸗
ve Realität haben, nicht in wle welt fie zu unfern Erſcheinun⸗
gen gezählt werden, und alſo dazu gehören muͤſſen, ſondern
hals Dinge für ſich nichts als bloſſer Schein? Darüber moͤch⸗
ten wir gerne Ihre Meynung wiſſen. Sie unterſcheiden hier
die Erſchelnung eines Oegenſtandes von ihm ſelbſt, und ſagen,
die Praͤdlcate der Erſcheinung koͤnnen ihm im Verhältniß
cuf unſern Sinn, z. B der Roſe die rothe Farbe, der
Geruch, beygeleget werden. Die Praͤdicate der Ericheis
rung ſind doch nichts anders als die Merkmale, deren ich
mir in meiner empiriſchen Anſchauung des Obiects bewuſt
werde? Nun entſteht die Frage: wie kann ich dieſe Merks
male, wovon ich eine Vorſtellung habe, dem Odiect benles
gen? Sie antworten: im Verhaͤltniß auf meinen Sinn. Als
leln dieſe Antwort iſt für mich noch nicht beſtimmt genug,
weil fie noch nicht ohne Zweydeutigkeit iſt. Kann ich dleſe
Merkmale dem Obiect blos im Verhaͤltniß auf meine Sinne
und der ſubiectiven Form meiner Sinnlichfeit, oder auch des⸗
wegen beylegen, weil dieß Obiect wirklich dieß Pradicat hat,
und grade deswegen meine Anſchauung von ihm mir dleſe
Merkmale darſtellet, weil es dieſe als ein Ding für fi hat,
und mir fo den Stoff zur Anſchauung von ſich darreicher ?
Nur in dem letzten Fall würde das Obiect und dieſe Beſchaf⸗
ſenhelt, welche ich ihm als Prädicat beylege, nicht für ſich
ſeibſt blos als Schein angeſehen werden koͤnnen. In dem
erften Foll ware dleß Obiect als Ding an ſich nichts als
bloſſer Schein, und ihm wuͤrden dleſe Praͤdicate blos im
Verhaͤltniß auf meinen Sinn N Was denken 55
3
262 eee
ſich denn unter bloſſem Schein? Sie ſogen: der Schein kann
niema's als Praͤdicat dein Gegenſtande beygelegt werden,
eben darum, weil er, was dleſem nur im Verhaͤltulß auf
die Sinne, oder überhaupt aufs Subiect zukommt, dem
Obiect für ſich beylegt, z. B. dle zweene Henkel, die man
or fänglich dem Saturn beylegte. Hier haͤtten Sie unt er.
klären müffen, wle Eie ſich den Unterſchled zwiſchen Schein
und Erſcheinung denken. Die Praͤdicate der Erſcheinung
kennen nur im Verhaͤltniſſe auf unſre Sinne dem Oblect
ſelbſt beygelegt werden, und der Scheln foll ihm auch nur
das benlegen, was dieſem (ohne Zweifel Obtect) im Vers
bätın ß uf die Sinne zukoͤmmt. Was iſt bier für ein Un,
terſchled? In beyden Fallen werden die Prädicate blos im
Ve ſbäteniß auf unſte Sinne dem Gegenſtand an ſich beyge—
legt. Vielleicht werden Sie hierauf erwledern: nein, erfl
find es Praͤdieate der Erſcheinung, nachher Praͤdlcate
des Scheines im Ver haͤltniß auf dle Sinne. Allein giebt
es denn einen Schein, der nicht auch Erſcheinung waͤre,
wenn wir feine Prädlcate einem Obleet beylegen ſollen? Die
rotbe Farbe der Roſe, die Henkel des Saturnus find fie
nicht beyde als Anſchauungen, der wir uns bewuſt werden,
um ſie als Prädicate der Roſe und dem Saturnus beyzulegen,
in unferm Gemüthe Erſcheinungen, Vorſtellungen von Ihnen?
Freplich find wir es uns zugleich bewuſt, daß unſre Phan
tafıe die Schoͤpferinn dieſer Henkel iſt, und daß fie dieſe aus
den glänzenden ovalrund erſcheinenden Bogen um dieſen Pla⸗
neten gebildet hat. Wir wiſſen alſo, daß die Henkel nicht
weniger bloſſer Schein find, als dle gegeneinander kaͤmpfen⸗
den ſegrigen Kriegesheere, welche der ſtaunende, aberglaͤu—
diiche Pabel zur Zeit eines Mordlichts fo oft am Himmel ge.
ſeben hot. Allein der lichte Bogen um den Saturn, wel—
deu die Aſtronomen wohl wegen einer ſchelnbaren Aehnlich,
keit Henkel nennen, iſt keln Geſchoͤpf melner Phantaſie,
alſo nicht blos Schein, ſondern ein Dbiect auſſer der An.
ſchauung aller Aſtronemen, welches den Grund davon in
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A 263
ſich ſaßt, daß er in einer fo weiten Entfernung in dieſer Form
von mir erblicket wird. Welches iſt aber dieß Obliect in der
Natur, das durch feine Einwirkung auf mein Geſichtsorgan
eine ſolche empiriſche Anſchauung von ſich, eine ſolche Er—
ſcheinung erregt? Dieſe Frage fo wenig, als noch tauſend
ondre, welche ich uͤber dleſen Gegenſtand aufwerſen konnte,
kann unſre Vernunſt hinrelchend beantworten. Allein daß
es in der Natur etwa:. iſt, welches ſelne oblective Realitaͤt hat,
dieß kann fie eben fo wenig bezweifeln, als daß dle Roſe
mit ihrer rothen Farbe, mit ihren Blättern, mit Ihrem
Stachelrelchen Stengel, mit der beſondern Form ihrer Aus—
dehnung an dem Orte fo reizend pranget, wo ich fie, und dle—
fe ihre Merkmale erblicke. Wären keine Augen, von welchen
die Lichtſtralen, die aus der Roſe ausfahren, fo aufgenom-
men wurden, daß daher ihre “Blätter, mit rother Farbe
geſchmuͤcket, uns erſcheinen: fo wurde die Roſe für ſich dire
fe Farbe nicht haben. Allelr deswegen haͤtte fie doch ob! «tin
ein ſolches Gewebe der duͤnnen Haut auf ihrer Oberfläche,
welches die ausfahrenden oder zurüͤckprallenden Lichtſtralen
fo modlficirte, daß fie ſich ſolchen Organen, wie dle unfri»
gen find, in dieſer Farbe darſtellte. Es muß alſo zum Theil
in ihr ſelbſt der Grund liegen, daß ſie mir in dleſer und keiner
andern Farbe erſchelnet Ich kann freylich nicht die rothe
Farbe der Roſe an ſich, nicht den Henkelſoͤrmigen glaͤnzenden
Schein dem Saturnus an ſich, oder die beſtimmte Ausdeh⸗
nung äuffern Gegenftänden an ſich beylegen, ohne daß fie in
einem gewiſſen Verhaͤltnlſſe auf meine Sinne oder auf mich
als das denkende Sublect ſtehen. Allein worlnn beſteht dieß
Verhaͤltniß anders, als daß die Gegenſtaͤnde auf melne Sinne
wirken, und ich das Vermoͤgen habe, mir dle Dinge fo vor.
zuſtellen, wie fie den Stoff von ſich mir zur empirlſchen
Anſchauung gegeben haben? Thaͤten fie dieſes nicht, oder
fehlte mir das Vermoͤgen, wenn fie gleich auf mich Eindruͤcke
machten: fo wuͤſte ich von ihnen nichts; fo koͤnnte ich ih⸗
nen weder dasjenige, was ihnen an ſich betrachtet
R 4 auſſer
264 Re
auffer meiner Vorſtellung zufdmme, noch dasjenige beyle⸗
gen, was ihnen blos in Beziehung auf meine Sinne, oder
meine Vorſtellungsart zugeſchrieben wird,
Hier nennen Sie dasjenige, was gar nicht am Obleet
on ſich ſelbſt, jederzelt aber im Verhaͤltniß deſſelben zum
Sublect anzutreffen, und von der Vorſtellung des erſteten
unzertrennlich It, eine Erſchelnung. Wo würde denn dieſe
ſeyn konnen? Nicht in dem Obleet, welches erſck eint, fon«
dern in dem Sublect. Ste wäre alſo nichts als fubiective
Beſtimmung von dieſem blos Vorſtellung? Allein wovon?
Doch von dem Oblect? Warum waͤre dleß, was Sie Ericheis
nung nennen, jederzeit in dem Verhaͤltniß des Obiects zum
Subiect anzutreffen, und von der Vorſtellung des Obiects uns
zertrennlich? Htevon konnte doch keine andere Urſache gedacht
werden, als weil das Obleet in einem ſolchen Verhaͤltniſſe
mlt dem Sublect wäre, daß es auf feine Organe wirkte,
und grade dieſe und keine andre Form der Vorſtellung erregte,
oder weil blos die ſublectiwe Form unfier Sinnlichkeit obne
elne ſolche Einwirkung des Dbiects dieſe und Feine andre
Form der emolriſchen Vorſtellung erreget. Dieß letzte iſt
nicht denkbar, und würde alle äuffre Oblecte unfrer Vor
ſtellungen in bloſſen Scheln verwandeln. Dann wuͤrden
wir auch die Prädlicate des Raums und der Zeit den Gegen⸗
ftänden der Sinne an ſich nicht beylegen fönnen, und wenn
ſie nur als ſolche erſchtenen, von welchen nicht Zeit und Raum
als bioſſe Prädicate, ſondern als oblective Beſtimmungen,
ſich uns darſtellten: fo wäre es nichts als bloſſer Schein,
als Betrug unfrer Phantaſie, wovon wir uns durch einen ins
nern unplderſtehllchen Zwang bethoͤren lleſſen. Ich weis
nicht, wie Sie grade umgekehrt behaupten koͤnnen, daß,
wenn Sie der Roſe an ſich die Rothe, dem Saturn die Hen,
kel, oder allen aͤuſſeren Gegenſtoͤnden die Ausdehnung an ſich
beylegten, obne auf eln beſtimmtes Vethaͤltulß die tet Gegen
fände zum Subiect zu ſehen, und Ihr Urtheil darouf ein
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zuſchraͤn
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265
zuſchraͤnk en, alsdann erft der Schein entfpringen wuͤrde.
Doch vielleicht koͤnnten wir Bende in einem gewlſſen Verſtan—
de wohl Recht haben. Sie ſetzen voraus, daß diefe Merk—
male, welche Sie ſich bey den Dingen in der Erſchelnung
eder empiriſchen Anſchauung derſelben denken, keine obiective
Realität auſſer Ihrer ſubiectiven Anſchauung haben, und
daß es alſo bleſſer Schein, bloſſer Betrug ware, wenn
Sie dieſe den Dingen an ſich beylegen wollten. Wäre Ihre
Vorausſetzung wahr: fo würde der Schlußſatz, welchen
Sie machten, ſeine Richtigkeit haben. Ich hingegen glaube
die Unguͤltigkeit derſelben einzuſehn, und bin davon übers
jeugt, daß die Dinge einem groſſen Theile nach wirklich ſo
ſind, wie wir ſie uns in unſern Anſchauungen darſtellen.
Es iſt unleugbar, daß die Merkmale, welche von urfern
Vorſtellungen der Gegenflände unzertrennlich, aber bey den
Dingen, nicht als Anſchauungen, ſondern als Beſtimmun—
gen keine obiective Realltat hätten, nichts als bloſſer Schein,
jwar nicht in Ruͤckſicht unſrer Anſchauungen, fondern in
Anſehung der Dinge an fid) ſeyn wurden.
Es wird noch einmal von Ihnen verſichert, daß Sle
nach Idrem Princip der Idealität aller unſerer ſinnlichen
Anſchauungen aus demjenigen, was Sie zur Erſchelnung
jählen ſollten, nicht bloſſen Schein machen; ſondern daß
vielmehr, wenn man jenen Vorſtellungsſormen obiective Nea-
litaͤt beylegte, mon es nicht vermelden koͤnnte, daß nicht
alles dadurch in bleſſen Schein verwandelt wurde. Grade
fo wird jeder Pyiloſeph denken. Die Centauren, die Hars
pylen, alle Goͤtterktiege, und Goͤtterliebeshaͤndel der Dichter
find blos ihre Vorſtellungsferinen, und auſſer dieſen Nichte.
Wollte man ihnen elne obiective Realltät zuſchreiben: fo
wären alle dleſe nichts als bloſſe Phantaſien der Dichter,
nichts als leerer Schein. Wären Raum und Zeit nichts
ols ſublective Formen unſter Vorſtellung: fo würden ſie
auſſer unſrer Anſchauung ne fenn: fo würden ſich weder
5 bey
—— 3 —— A n
266 TEA
bey den Dingen an ſich Theile auffer und neben einander
zuglelch, noch ununterbrochne Reypen von Veränderungen
finden; fo wuͤrden folglich alle dieſe Dinge an ſich, in wle
welt wir Zelt und Raum als Ihre oblective Beſtimmungen
uns daͤchten, nichts als Taͤuſchung unfrer Elablildungen,
nichts als bloſſer Scheln, wle etwa Loͤben, Tieger, und
Berge, ſeyn koͤnnen, welche dle Kinder om Himmel in
den Wolken zu erblicken ſich einbilden. Bloß dleſe Formen
unfrer Vorſtellungen wären nicht bloſſer Schein, fondern
etwas, welches in unſerm Gemuͤthe wirklich angetroffen
wurde. Wer hat es ſich jemals erträumen koͤnnen, daß
feine ſubiectlden Vorſtellungsformen als ſolche auffer ihm
elne oblective Reolltaͤt haben? Hierinn koͤnnen Sie auf
den Beyſall aller Phlloſophen rechnen. Alleln ſie werden
auch hieraus ſchlleſſen, daß, wenn gleich dleſe Vorſtellungs.
formen nicht bleſſer Schein find, aber auſſer ihnen keine
Dinge wären, in welchen Zeit und Raum als obiective Bes
ſtlmmungen angetroffen wuͤrden, alle dieſe Dinge, bey wels
chen mir beyde als Bedingung ihres Daſeyns wahrzuneh⸗
men uns bereden, an ſich nicht ſo ſind, wle wir ſie uns nach
unferm gelunden Menſchenverſtand denken, und daß ſie
ſolgllch für nichts als bloſſen Scheln gehalten werden koͤnn—
ten. Hlegegen ſtreubt ſich alle ihre Erfahrung, hlegegen
ihre Vernunft. Hleruͤber glauben fie mit Ihnen im Streit
zu ſeyn, und ſetzen dabey voraus, daß Sie ihnen nicht eine
Kurzſichtlakeit zuſchrelben, vermoͤge welcher fie ihren fub»
iectiven Vorſtellungsſormen als ſolchen eine oblective Reall⸗
tät beylegen koͤnnen. Dleß wäre Phantaſie eines Traͤumen⸗
den, deten ſich kein Denker ſchuldig machen wird.
Allein Ungereimtheiten, ſagen Sle, wuͤrden daher
entſpringen, wenn man Raum und Zelt als Beſchaffenhel—
ten anſehen wollte, welche Ihrer Moglichkeit nach bey Cu
chen an ſich angetroffen würden. Ungereimtheiten? Welche
{ind denn dieſe Ungeheuer? Wir wollen ihnen näher treten,
um
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Krieger,
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Theorie,
men art,
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licher €
mer mn en 267
um zuzuſehen, ob fie denn wirklich unſrer Vernunft ſo fuͤrch—
terlich find, als fie Ihnen erſchelnen. Unſte Vernunft
betrachtet Zelt und Raum freylich als Beſchaffenheiten, wel⸗
che nur in den Dingen an ſich auſſer unſern Vorſtellungsfor⸗
men obiectiv moͤglich und wirklich ſind, und gar nicht ſeyn
würden, wenn keine ſolche Dinge wären, welche vermöge
ihres Weſens nicht ohne dieſe exiſtiten koͤnnen. Welche
Ungereimtheiten entſpringen denn nun aus dleſer unſrer Be—
hauptung, um fie zu zernichten, mie etwa jene bemafnete
Krieger, welche aus dem Bauch des Pſerdes in Troja here
vorkamen, dieſe Stadt verheerten? Unſre Vernunft, fagen
Sie, wuͤrde alsdann gezwungen werden, zwey unendliche
Dinge anzunehmen, welche nicht Subſtanzen, Hauch nicht
etwas wirkliches den Subſtanzen inhaͤrlrendes, dennoch eris
ſtlrendes, ja die nothwendige Bedingung der Eriſtenz aller
Dinge fern mäßten, auch übrig blieben, wenn gleich alle
eriftirende Dinge aufgehoben würden. Dieſe Ungereimte
heiten find in der That groß genug, erſcheinen in elner
ſuͤrchterlichen Geſtalt, und würden ohne Zweiſel das ſeyn,
was ſie zu ſeyn ſcheinen, wenn wir Zeit und Raum durch
tie ſublective Bedingung unfrer Sinnlichkeit als unbegrenzt
uns denken müßten. Denn waͤren fie auch nur bloß unfre
Vorſtellungsſormen: ſo wuͤrde der Menſchenverſtand in allen
übrigen Menſchenkoͤpſen, wle die Erfahrung aller Jahrhun—
derte es gelehret hat, fie ſich als etwas auſſer ihren ſublectl—
ven Vorſtellunosſormen gedacht haben, und durch einen
gewiſſen unwiderſtehlichen innern Zwang ſich ſie nicht anders
haben denken koͤnnen. Hier würde alſo dleſes Ungeheuer
grade wie die lerneiſche Schlange dadurch mehrkoͤpfigt gewor⸗
den ſeyn, daß Cie, wie dort Hercules, einen Kopf weg—
hauen wollten. Ich glaube hingegen, daß es durch unſte
Theorie, welche der Ihrigen grade entgegen ſteht, vollkom⸗
men getoͤdtet werden ſoll. Wir behaupten auch, daß Zelt
und Raum keine Subſtanzen, ſondern Beſchaffenhelten end.
licher Subſtanzen find; daß fie die ſen als ſolchen Dingen
f inhaͤ⸗
268 RESET
inhaͤrlren, und In fo weit als oblectlve Beſtimmungen in
ihnen exlſttren. Sie find blos Beſchaſſenheiten ſolcher
Dinge, welche zuſammengeſetzt find, wo alſo Theile auſſer
und neben einander zugleich angetroffen werden, und worin⸗
nen Reyhen von Veränderungen ſtatt haben koͤnnen, welche
alſo ſelbſt endlich find. Wir ſchlleſſen hieraus, daß Zelt
und Kaum nicht etwa als bloſſe Vorſtellungen unfrer Ima.
ginatlon, ſondern als reelle Beſtimmungen der Dinge ſelbſt
endllch ſeyn muͤſſen Wir koͤnnen ſie uns als ſolche nicht ohne
Verirrung unſter Vernunft unter dem Charakter der Un
endlichkelt denken. Sie fin nicht nothwendige Bedingun-
gen ber Erlſtenz aller, ſondern nur elngeſchränkter und alſo
endlicher Dinge. Wenn dleſe mit einmal zu ſeyn aufhörter:
fo würden auch Raum und Zeit als ihre obiective Beſtim⸗
mungen dahln ſeyn, und es waͤre der offenbarſte Wider.
ſpruch, wenn wir die Zeit als etwas noch ertitirendes, und
den Raum nlcht blos als elne aͤuſſere Moͤg ichkelt uns den—
ken wollten, daß da, wo Dinge auſſer und neben einander
zuglelch geweſen find, fie auch ſeyn koͤnnen. Hier find mit
einmal alle Köpfe des Ungeheuers, welches ſich gegen unire
Vernunft erheben ſoll, von ihr weggebrandt, und ich denke,
daß es voͤllig zernichtet ſeyn wird.
Der gute Berkley Irret ſich alſo ſehr, ob Sie es ihm
gleich nicht verdenken, wenn er jene Ungereimtheiten als
nothwendlge Folgen davon anſieht, daß Raum und Zeit
ihre oblective Realltaͤt in den Dingen ſelbſt haben ſollen,
und wenn er deswegen dle Körper zu bloſſem Schein herab»
ſetzte, ja fo gar unfre eigne Exlſtenz, weil fie auf ſolche Art
von der für fich ! beſtehenden Realltaͤt eines Undings, wie
dle Zelt, abhängen würde, mit dieſer in lauter Schein ver»
wandelte. Wir würden alsdann mit dem verſchobnen Ber:
land? dleſes Mannes Mitleiden haben muͤſſen. Er wuͤrde
ſich eine Ungereimthelt ertraͤumet haben, welche, wie Ele
ſelbſt ſagen, bisher noch niemand ſich hat zu Schulden kom,
men
men la
Zelt un
fondern
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Gegen
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fid) die:
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von ſich
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derzeit
flaͤrung
|
ERSTE TERN 269 .
men laſſen, und alfo auch unſte Philoſophen nicht, welche
Zeit und Raum nicht blos als unire Vorſtellungsformen,
ſondern auch als Beſchaffenhetten ſich gedacht haben, neldye
mit endlichen Dingen anfangen, und wenn alle biefe Dinge
zernichtet würden, zugleich mit ihnen zu ſeyn auflörten,
Haben aber nicht bieher ſaſt alle Philoſophen ſo gedacht?
In der naturlichen Theologle denken wir uns einen
Gegenſtand, welcher fur uns gar kein Gegenſtand der Anſchau—
ung werden kann. Freylich kann er dleß nicht, wenn hier bios
von einer ſinnlichen Anſchauung dle Rede iſt Allein denken
koͤnnen wir uns dieß unendliche Weſen; dieſes Gedankens
von ihm koͤnnen wir uns bewuſt werden, und ihn dadurch als
Gegenſtand von uns, und der Vorſtellung, welche wir
von ihm haben, unterſcheiden. Es gieht aber auch An—
ſchauungen des Verſtandes und der Vernunft, und fo nen—
nen Sie ſelbſt unſre Vorſtellungen in Beziehung auf ihren
Gegenſtand. Sie ſind alſo nach der Sprache in Ihrem
Syſtem nicht berechtiget, es ohne alle Einſchraͤnkungen zu
leugnen, daß wir von dleſem groſſen Gegenſtande unſrer Ber-
ehrung und Anbetung Anſchauung haben koͤnnen. Begrei.
fen koͤnnen wir ihn nicht. Dazu iſt keln Geiſt in dem Ges
blete der Endlichkeit fähig. Die Anſchauungen, welche wir
durch Huͤlfe unfrer Vernunft von ihm haben koͤnnen, haken
licht genung für unſern Verſtand, ihn von allen andern
Dingen zu unterſcheiden, haben Wärme genung für unſer
Herz, um es mit Andacht zu beleben, und mit ihren eigen.
thuͤmlichen Freuden zu entzuͤcken. Gott kann ſich ſelbſt durch⸗
aus keln Gegenſtand der ſinnlichen Anſchauungen ſeyn, weil
ſich dieſe nie ohne Grenzen derken loſſen und in ihm Voll.
kommenheiten — ohne alle Schranken ſind. Er hat alſo
von ſich eine höhere Anſchauung. Seine Erkenntniß, fagen
Sie, ift nicht Denken, ſondern Anſchauen, weil Denken je—
derzeit Schranken bewelſet. Es koͤmmt hier auf eine Er⸗
flärung darüber an, was Eie denken nennen. Sonſt pflegt
man
— . — G—kᷣ——ẽ
man ſich fo auszudrucken: Gott denket ſich alle ſelne unend».
liche Vollkommenheiten mlt einmal in einem Achte, wel.
ches, fo wie ſeln Verſtand, ohne Grenzen if. Wollen wit
Anſchauung uns fo vorſtellen, wie ſie bey uns, wie fie bey
jedem endlichen Gelſte it: fo wurde fie auch nicht von Gren.
zen beſreyet ſeyn. Dieſe muͤſſen alſo erſt von ihrem Be.
griff abgeſondert werden, ehe wir Gott eine Anſchauung ju⸗
ſchreiben koͤnnen. Wir ſind ſorgfaͤltig darauf bedacht, von
aller ſelner Anſchauung die Bedingung des Raumes und
der Zelt wegzuſchaffen; aber wie? nicht als ob er nicht
Dinge auſſer ſich jo anſchoue, wie fie nach ihren me
ſentlichen Beſtimmungen ſind, wie Zelt und Raum ſich
bey ihnen findet. In ſeiner Anſchauung der endlichen
Dinge lieget alles, was in den Dingen iſt, alſo auch
Raum und Zelt. Unſte Sorgſalt geht nur dahin, uns
ihn als ein Weſen zu denken, in welchem weder mehrere
Dinge auſſer und neben einander zuglelch, noch Reyhen
von innern Veranderungen ſtatt haben, weil beydes ohne
Grenzen nicht denkbar iſt.
Alleln, fragen Sie, mit welchem Rechte kann man
dleſes thun, wenn man beyde vorher zu Formen der Dinge an
ſich ſelbſt gemacht hat, und zwar ſolchen, die als Bedingungen
der Exiſtenz der Dinge, a priori übrig bleiben, wenn man
gleich dle Dinge an ſich ſelbſt aufgehoben hätte? Denn als
Bedingungen alles Daſeyns überhaupt, müßten fie es auch
vom Daſeyn Gottes ſeyn. Wo find aber die Philsſophen,
welche Zeit und Raum zu Bedingungen alles Daſeyns über:
haupt gemacht haben? Vielleicht in der Schule des Spline za
möchte fo etwas zum Theil behauptet werden koͤnnen. Als
lein dieſe haben dle meiſten Philoſophen für dasjenige ange.
ſehen, was fie Iſt, und ihr Lehrgebaͤude für ein ſolches ge-
halten, welches fi) auf einen ſalſch angenommenen Begtiff
von der Subſtanz gruͤndet, und durch Sophismen errichtet
iſt. Sie haben Raum und Zeit zu Bedingungen der Ext—
ſten
ſtenz be
nicht fen
obiect ir-
liehen
Weiter
wenn
benlegte:
Ppiloie,
gung D:
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wenn
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welche
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2 m» u“ == 2. — — — 2 — -
271
ſtenz bey den endlichen Dingen gemacht, welche ohne dieſe
nicht ſeyn koͤnnen, mit welchen dieſe Beſtimmungen Ihre
obiective Realltaͤt erholten, und fie mit ihnen wleder ver⸗
liehren würden, wenn dleſe Dinge zu ſeyn aufpörten.
Weiter konnten ſie nichts aus Raum und Zelt machen,
wenn fie ihnen eine obiective Realitat in den Dingen
belegten. Kennen Sle unter unſern ſcharſſinnigſten
Ppiloſophen einige, weiche Zeit und Raum zur Bedin—
gung, der Exiſtenz aller Dinge, oder auch nur der end»
lichen a priori gemacht haben, fo daß fie übrig blieben,
wenn gleich die Dinge ſelbſt aufhoͤrten? Gegen dieſe
ue
wurden wir eben fo gut, wie Sie, die Waffen ergreifen,
welche die Vernunſt uns in dle Haͤnde gegeben hat.
Es ſoll nichts übrig bleiden, wenn man Zeit und Raum
nicht zu oblectiven Formen aller Dinge machen will, als
daß man fie zu ſubiectiven Fecmen unferer äufferen fo wohl
als innern Anſchauungsart macht. Allein dieſer Schluß
ſolget nicht aus dem Vorderſotz, in wie welt er wahr iſt.
Wir machen fie zu obiectiven Formen der Dinge, aber nicht
aller. In dem unendlichen Weſen iſt weder Zeit noch Raum.
Von ihm können fie alſo auch keine obiective Form ſeyn. Doch
warum nennen Sie denn Zeit und Raum Form der Dinge?
Sit find nicht das genze Weſen derſelben, ſondern Beſchof⸗
ſenheiten von den Gegenſtaͤnden, in welchen Theile auſſer
und neben einander zugleich find, und Reyhen von Sue
ceſſionen angetroffen werden. Wir koͤnnen fie auch For⸗
men unſerer innern und äufferen Anſchauungen nennen, weil
wir in den Geg aſtanden, welche wir durch Hüͤͤlſe unters
Geſichtes ſehen, bis auf einzelne Puncte Raum erblicken,
und weil wit in unſern innern Verändernngen, welche
auch bey dieſen Anſchauungen vorgehn, elne Reyhe von
Succeſſionen, d. J. Zelt gewahr werden. Sie fügen noch
einen Satz hinzu, welcher verſchiedene Erklaͤrung wegen
feiner Wortfuͤgung zuläßt. Sie ſagen: diefe Anſchauunge⸗
att
272
art helßt darum ſinnlich, well fie nicht urfprünglid, d. l.
elne ſolche iſt, durch die ſelbſt das Daſeyn des Oblects der
Anſchauung gegeben wird. Das Wort der Anſchauung
kann fo wohl der Darivus als Genitidus ſeyn. In der ers
ſten Bedeutung des Wortes hieſſe es ſo vlel: durch unſte
Anſchauungsart wird der Anſchauung das Dufenn des Dbs
lects nicht gegeben. Dadurch koͤnnen Sie ohne Zweifel
nichts anders anzelgen wollen, als daß unfre Anſchauungs.
art, als blos beftimmtes Vermoͤgen, die Gegenſtaͤnde an.
zuſchauen, uns nicht durch ſich ſelbſt die Anſchauung von
den Gegenſtänden verſchaft, oder wie Sie es etwas dunk.
let ſagen, daß durch fie der Anſchauung das Daſeyn des
Oblects nicht gegeben wird. Im letzten Fall waͤre dieß
der Sinn Ihres Satzes: dle Anſchauungsart giebt nlcht
dem Obieet der Anſchauung das Daſeyn. Welches iſt nun
Ihre Meynung? Ich denke das erſte, weil Sie hlnzuſetzen,
daß dieſe Anſchauungsart, fo viel wir elnſehen, nur dem
Urwefen zukommen kann, welches alſo nicht erſt ſinnliche
Empfindungen haben muß, um ſich die Dinge zu denken,
oder wle fie lieber ſagen wollen, fie anzuſchauen. Der le
te Fall könnte nur denn Matt haben, wenn die Vorſtellung
eines Gegenſtandes zugleich der Gegenſtand obiectlv feibit
wäre, fo wie neulich ein Phlloſoph aus Gründen , deren
Unguͤltigkelt Sie fo gut, wie ich, einfehen werden, be
baupten wollte, daß der Gedanke Gottes von Subſtanzen
zuglelch die Subſtanzen ſelbſt wären. Sie kalten unfre Vor⸗
ſtellungsart für eine ſolche, welche von dem Daſeyn des Ob.
lects abhaͤngig, mithin nur dadurch, daß die Vorſtellungs,
art des Sublects durch dayfelde afficirt wird, moͤglich iſt.
Muß aber in dlefen Fall das Obiect nicht nur auſſer unſter
Vorſtellung ſeldſt, ſondern auch ſeine Beſchaffenhelt von der
Art ſeyn, daß fir zu den empiriſchen Vorſtellungen, welche
wir von ihnen erhalten, den Stoff grade zu dleſen und kel.
nen andern uns darreichet? Wle koͤnnten fie aber dleß ſeyn,
wenn fie nicht Raum, nicht Zeit oblectiv in ſich enthielten,
don
von wel
von bey
oder vo
muß ab
wirkung
ſen und
ben. D
ſchauung
Nur dad
darnach
ihnen er,
Due
nicht au!
vielleicht
Mentdhon
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nach, fol
Zeit erſe
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in Ankh
denkbar,
Vorſtellu
men Sie
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Beſch ff.
Dieß it
Bepſplele
ſchavung .
8 — u
- * und
* — 4 5 2
73
von welchen fie uns den Stoff zu emplriſchen Anſchauungen
von binden und von ſich „ben? Wir haben zwar a priori
oder von Natur das Virmoͤgen Dinge anzuſchauen. Es
muß aber von dem Da eyn der Odiecte und von ihren Ein—
wirkungen auf unfre Sinne abhangen, daß wir unter die.
fen uno keinen andern Formen von ihnen Anſchauungen has
ben. Das Daſeyn der Obiecte ſeloſt beſtimmt unfre Anz
ſchouung nicht. Sie muͤſſen auf unfre Organe wirken.
Nur dadurch wird unſte Vorſtellungsfaͤhigkeit afficirt, und
darnach richten ſich die Vorſtellungen ſelbſt, welche wir von
ihnen erhalten.
Die Anfhauungsart in Raum und Zeit wollen Sie
dicht auf die Sinrticyfeit der Merfchen einfchräufen , weil
vielleicht alle endliche denkende Weſen bierinn mit dem
Menſchen nothwen ig uͤbereinkommen. Was heißt hier
oder Anſchauungsart in Zt und Raum? was ſie auf
Sinnlichkeit der Menſchen einſchraͤnken? Wird Zeit und
Num hier odiectiv, oder ſubiectiv genommen? Ooieckiv?
Nun fo hieß es: unſre Anſchauungsart iſt ſo beſtim ent, daß
die Auſchauungen ſelbſt bey uns nicht anders, als nach und
nach, folglich als Succeſſionen in einer Reyhe oder in der
Zeit erſolgten. Wuͤrden ſie aber auch ſo im Raum da ſeyn?
Des erſte iſt wahr, iſt ohne Zweifel auch ſo bey allen endli—
chen Geiſtern und iſt dieß ein Charakter der Sinnlichkeit:
jo hat dieſe allen Anſehen nach elne allgemeine Güͤltiakcit
in Anſchung aller endlichen Geiſter. Das letzte iſt nicht
denkbar, oder wir müßten uns denn das Sublect unſerer
Vorſtellungsart als ein geraͤumigtes Weſen vorſtellen. Neh—
men Sie Raum und Zeit ſubiectiv: ſo wuͤrden wir es ſo
derſtehen muͤſſen: unſte Anſchauungsarten find alle von der
Biſcheffendrit, daß Rum und Zeit mit angeſchauet wird.
Dieß iſt aber, wie ich es mehrmal bewleſen, und durch
Biſpiele erläutert habe, unſret Erfahrung und den An-
ſchauungen unſers en und unſrer Vern unſt entge
| gen
274 RNIT
gen geſeht. Von wle vielen Gegenftänden haben wir nicht
Anſchauungen, worinn mie uns weder der Zelt noch des
Raums bewuſt werden?
Sie iſt, wird von Ihnen hinzugefügt, eine abgeleitete,
wicht urfprüngliche Anſchauung. Worauf bezieht ſich dieß
Sie? Auf Allgemeinguͤltigkeit, oder auf Sinnllchkelt, oder
Anſchauu gegart in Zeit und Raum, oder auf — keines
von allen? Weder auf Allgemeinguͤttigkeit, noch auf Sinn.
lichkeit kann es ſich bezlehen. Denn beyde find keine in-
tuitus, und alſo auch keine intuitus deriuatiui: alſo ohne
Zweifel auf Vorſtellungsart? Allein auch dieſe iſt kein
intuitus, oder Sie muͤſſen ſich dadurch unſte Vorſtellun— j
gen in den Formen denken, welche fie nach Beſcheſſendeit
ihrer Gegenſtaͤnde haben. Dieſe find freylich keine bloſſe Wir.
kungen unfrer Selbſtthaͤtigkelt, ob es gleich viele Extwick.
lungen den Wahrheiten, und alſo Vorſtellungsarten giebt,
in welchen ſich unſer Verſtand und unſte Vernunft ſehr
ſelbſtthaͤtig bewieſen, und uns in fo weit intellectuslle An.
ſchauungen verſchaft haben. Nennen Sie urſpruͤngliche
Anſchauungen (intuitus originarios) folche. welche ohne alle
Sinnlichkeit, ohne alle Erfahrung in dem denkenden We—
fen blos durch feine Seltftehätigfeit da find: fo iſt dieß ;
hoͤchſt wahrſchelnllch blos ein Eigenthum des Urweſens,
wenigſtens in wle weit die intellectuellen urſpruͤnglichen An.“
ſchauungen in einem Weſen ohne alle Grenzen find, koͤnnen!
fie nur Gott und ſonſt keinem Geiſte zukommen, welcher ſo
wohl feinem Diſeyn, als auch feiner Anſchauung nach ab.
bänaig iſt. Intellectuelle Anſchauungen ohne den Charak—
ter der Unermaͤßlichkeit koͤnnen auch bey endlichen Geiſtern
ſtatt haben, finden ſich auch in den Köpfen unſter tiefcen—
kenden Philoſophen, und wir wuͤrden uns auf der Leiter
denkender Weſen zu rief herabſetzen, wenn wir uns für fol.
che hielten, welche blos eine ſinnliche und gar keine Intels N
Zum
lectuelle Exkenntniß haben koͤnnten.
haupte
ken zu;
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moͤgli⸗
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der A.
jenem
dasjen
habe.
Geom
unben
ſchreih
Allger
kann
nuͤtzen
nicht
Zum Beſchluß Ihrer transſcendentalen Aeſthetik bes
haupten Sie, daß Sie nun Eins von den erfoderlichen Stüfs
ken zur Aufloͤſung der Transſcendentalphiloſophie uns vorge—
legt haben, naͤmlich: wie find ſynthetiſche Saͤtze a priori
moͤglich? Warum zeigen Sie uns denn wenigſtens nicht
nur einmal dieſe Moͤglichkeit in Beyſplelen, woraus es ein—
leuchtete, wie Sie denn dieß Eine der erfoderlichen Stuͤk—
ken zu dieſer Aufgabe haben? Reine Anſchauungen a priori
von Zeit und Raum werden von Ihnen als dieſes angege—
ben. Hier moͤchte ich Ihnen die Frage vorlegen: find dieſe
Anſchauungen intellectuelle, oder blos ſinnliche? Nach Ih—
rer obigen Aeuſſerung ſind die erſten niemals bey einem
Weſen anzutreffen, welches feinem Daſeyn, und feinen An—
ſchauungen nach abhängig iſt. Folglich find nach Ihrem
eignen Syſtem die unſrigen blos ſinnliche, nicht durch une
ſte Selbſtthaͤtigkeit ohne Einwirkungen der Ghegenjtände
ia uns entſtanden, wodurch unſte Sinnlichkeit afficiret wur—
de. Sie können alſo auch nicht bey uns in Anſehung
ihres erſten Urſprunges vor aller Erfahrung und ſolg—
lich auch nicht Anſchauungen a priori in dem Verſtande
ſeyn, wie fie dieſe erklaͤret haben. Wenn wir in unfern Urs
theilen a priori über den Begriff hinausgehen wollen: fo
ſollen wir in der reinen Anſchauung von Zeit und Raum
dasjenige antreffen, was nicht im Begriſfe, aber wohl in
der Anſchauung, welche ihm entſpricht, entdeckt, und mit
jenem ſynthetiſch verbunden werden kann. Dieß iſt nun
dasjenige, was Sie oft wlederhohlten, und ich widerleget
habe. Ich will zum Beſchluß noch ein Beyſpiel aus der
Geometrie anführen. Eine grade Linie, welche um den einen
unbeweglichen Endpunct rund herum beweget wird, be
ſchreibt einen Zirkel. Dicß iſt ein ſynthetiſcher Satz, deſſen
Allgemeinheit und Nothwendlakelt ich erkennen will. Wozu
kann mir hier die reine Anſchauung von Raum und Zeit
nügen ? Ich ſetze ſreylich voraus, daß dieſe Bewegung
nicht blos in meiner Anſchauung, ſondern auch auſſer der.
Ä S 2 ſelben
276
ſelben feinen Miderfpruch ſetzet. Wärr hievon blos in meiner! Gegen
Anſch uung Diele Moͤglichkeit: fo würde ich nie einen oblectlven EP oder ri
Zirkel beſchreiben koͤnnen. Keſſen Sie uns cuch anrehmen,dog | wovon
bios die Moͤzlichkelt lu Ruͤckſicht unſter Arſchauung denkbar Grund
waͤre: wie würden wir dadurch die allgemeine Wahrheit die.] Eäse
ſes ſy thellſchen Satzes beweiſen konnen? Es würde uns ] etlange
nichts übi’g bleiben, als daß wir den Begriff eines Zirkels ] Verſta,
zum Grunge legten, und nun zeigten. daß durch dieſe Be. E Geilt ı
wequng einer Linie eine Figur zu Stande kaͤme, worauf der BE andrer
allgemeine Begriff des Zirtels angewandt werden konnte. ] Erkenn
Wir beweiſen die Richtigkeit dieſes Satzes nicht aus einer der M.
reinen A ſchauung des Raums, fendern aus dem Begriff Natur;
des Zirkels. Von der Mögichkeit, daß Dinge auſſer und JTHunſre !
neben einander zugleich ſern koͤnnen, ſind wir curch die Ec wur ſie
fahrung uͤberzeugt, wen eben durch Di.fe zuerſt in uns empie
tiſche Arſchrunngen von Rum hervorgebracht wurden, J
woraus unſer Varſtand ſelbſithaͤlig den allg meinen Begriſſ, J Freund
o er die Ferm der teien As ſchauung von Zett bi'dete. Die ] transſce
Richtigkeic diser Begriffe erkennen wir aus dem Grund ſatz, J nicht %
dan dasjenige, was wiklich iſt, auch möglich ſeyn muß; fung a.
dieſen Grundſatz ſelbſt zu leugnen wird uns aber unmoglich, Schulen
weil unſte Vanunſt durchaus unfähig iſt, es ſich zu Den Feſſeln
ken, DB etwas zugleich und unter ganz ähnlichen Ligen A Gebiete
ſeyn, und auch nicht A ſeyn koͤnnte. habe g=
Hand
Sie wollen uns überreden, daß unſte ſynthetiſchen ] Cine eis
Urtheile nicht weiter als auf Gegenſtaͤnde der Sinne reichen, JT kungen,
und nur für Odiecte möglicher Erfahrungen gelten koͤnnen. iſt ſchon
Wenn Sie von foden Urtpeilen tedien, deren Sublcct ein ] der reii
Gegenſtand iſt, bey welchem Raum und Zeit angetroffen eine Er
wird: ſo würde man unter ditſer Elnſchraͤnkung Ihnen die. ] benen
fen Satz zugeben. Aber hizraus ſolgt nicht, daß alle unſte chen J.
ſonthetiſchen Satze, (Theoreme) blos Odiecte der Sinnen, einander
oder Gegenſtände zu Subiecten habeg muͤſſen, worinn wir ligkeit
Raum und Zeit ersliden. Es giebt urzaͤhlig viele andre J neues S
Gegen⸗
. —————ñ————— 1—
—— — ——
3 — . 277
Gegenſtaͤnde, welche nicht unter den allgemeinen Begriffen
oder reinen Anſchauungen von Zeit und Raum liegen, und
wovon wir doch durch Hülfe uzſter Vernunft aus richtigen
Grundſaͤtzen und Begriffen Prädicate herleiten, dodurch
Sätze bilden, und von ihren elne opodiktiſche Geweßheit
erlangen koͤnnen. Nicht blos Sinnlichkeit, ſondern arch
Verſtand und Vernunſt find die Faͤhigkelten, womit urfer
Geiſt ausgeruͤſtet ward, um unter den urnzaͤhligen Ei. Ten
ondrer Geiſter uns vielleicht auf eine eigenthuͤmbche Art
Erkenntniſſe von Wahrheiten zu erwerben. Dieſe Würte
der Menſchheit iſt ein zu wichtiges Geſchenk der wohlthatlgen
Natur; iſt fuͤr uns ein zu ſchaͤtzbares Gut; iſt zu ſehr in
unfre übrigen naturlichen Selbſtgefuͤhle verwebt, als daß
wir ſie nicht anerkennen muͤſſen, nicht gerne anerkennen.
Ich habe bisher mit aller Freymuͤthigkeit, welche ein
Freund der Wahrheit uͤberall beweiſen kann und muß, Ihre
transſcendentale Aeſthetik gepruͤfet. Nicht Partheylich keit,
nicht Anhänglichkeit an einer Secte hat mich zu tiefer Pruͤ—
fung aufgefodert. Von keiner der bekannten philoſophiſchen
Schulen bin ich eigentlich ein Anhaͤnger. Frey von den
Feſſeln irgend eines Syſtems habe ich ſchon lange in dem
Gebiete der Philoſo phie meinen eignen Gang genommen,
babe gerne die Blumen aufgeſammlet, welche vor mir die
Hand eines weiſen Mannes gepflanzt, urd gewartet batte.
Eine eigne ſreye Unterluchung meizer Fähigkeiten, ihrer Wire
fungen, ihrer gegenfritigen Ein fluͤſſe, und ihrer Verkettur gen
iſt ſchon lange mein Lisblingsgeſchaͤfte geweſen. Ihte Kritik
der reinen Vernunft war in dem Gebiete der Welt weisheit
eine Er ſcheinung, welche meine Neugierde ſehr erregte. Ich
bemuͤhte mich ohne alle Theiln hmung an dem Kriege, wel»
chen Ihre Gegner und Vertheidiger bitter gerung gegen
einonder führen, und von denen Sie mit vieler Gleichgul⸗
tigkele ein Zuſchauer zu ſeyn, das Anſehen heben, Ihr
neues Syſtem in der ruhigſten Ss der Seele genau
f 3 zu
278
zu ſtudlren. Es find Dunkelheiten darinn. Dleß iſt das
einſtimmige Geſtaͤndniß von beyden Partheyen, und dle
Sorge nimmt grade daher am liebſten ihre Waffen, und
wähnet vom Siege, wenn fie ihren Gegnern es nur vor
wirft, daß fie Ihre Kritlk der Vernunſt nicht recht ver.
ſt inden haben. Ob dieſe Männer alle es felbft recht verſte.
ben, darüber ſchelnen fie unter ſich ſelbſt noch nicht vollig
uͤbereingekommen zu ſeyn. Die Dunkelheiten in Ihrem
Syſtem entſpringen theils aus Ihren neuen Terminologlen,
theils ouch aus einer Ihnen eigenthümlichen Schreibart in
dieſem Werke. Ich bemühte mich, mir dleſe fo gut auſzu—
hellen, als moͤglich war, und nun erſt glaubte ich, als eln
unbefangner Freund ter Warhelt mich an eine genaue P.üs
fung Ihres neuen Syſtems mit einigem gluͤcklichen Er.
folge machen zu können. Ich habe Ihnen hiemit die erften
Meſultate derſelben vorgelegt. So ſehr fie auch Ihter Kri—
tit e taegen geſetzt find: fo groß iſt doch meine Hoffnung,
daß Sie dleſe Ihrer Aufmerkſamkelt nicht ganz unwuͤrdig
finden werden: ſo groß iſt aber auch die Hochachtung, mit
welcher ich die Ehre habe, ſtets zu ſeyn Ihr ergebenſter ıc.
—— é — ————
>
Wr, | Noch
Noch Etwas
aus der
Popularpſychologie
| für diejenigen,
welche es prüfen konnen und wollen.
Bin i
der ftr:
gegen
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Dafnn
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deroren
in Jer
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Bemu ::
kann id
oder le
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kann,
Koͤpf. n
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ſetztn =
will: fo
meikſan
| di: Fra.
kann id
ſchein ichk
*
„I
fand, u,
nehme
in mir ei
in jene u
werde mi:
ſcheide id
Bin ich, oder nicht? Nicht? — Wie ſeltſam? Auch
der ſtrengſte Idraliſt, ja eloſt der Ezeiſt, fo ſehr er ſich
gegen den gefunden Menſchenverſtand mpͤret, hat doch in
feinen tollſten Traͤumercyen noch nie im Ernſt an ſeinem
Daſeyn gezweifelt, und wann er zweifeln wollte: fo hat er
den Gedanken — ich bin unſchluͤſſig, folglich ich bin, nicht
terorengen konnen. Von den Phan taſt en der U gluͤcklichen
in Jerhaͤuſern kann hier die Rede nicht fern.
Was bin ih? Geift, oder bloſſer Körper ? Eine
einfache Subſtanz, oder eine feine orgsnifirtre Maſchine, ein
bewu derne wuͤroiges Kunſtwerk der bildenden Natur? Hier
kann ich bej hen, verneinen, zweiſeln, und wieder das erſte
oder letzte thun. Die Vernunft fi det hier ein Gebi⸗t, wo
fi: Du kelheiten aufhellen, oder dieſe noch finſtrer machen
kam, und vielleicht wird ſie immer in den verſchiedenen
Köpfen nach einer ihnen eigenthüͤmtichen Stimmung auf Dies
fer Rennbahn aus verſchiedenen Schranken nach entgegenges
ſezten Zielen hindringen. Sie mag es anfangen, wie fie
will: fo muß fie auf unſre Fahigkeiten und Wirkungen aufe
meikſam ſeyn, hieraus Folgerungen zi'hen, und ſich nun
die Frage aufwerfen: wohin werde ich geſührt? Wie weit
kann ich etwas entſcheiden, end fo mein Ziel nur mit Wahre
ſcheinlichkeit oder mit apodictiſcher Gewißheit erreichen ?
Ich werfe meinen Blick auf einen aͤuſſeren Gegen⸗
ſtand, und in mir entſteht von ihm eine Vorſtellung. Ich
nehme jenen weg, ſetze an ſeine Stelle einen andern, und
in mir entſteht eine ganz andre Verſtellung, welche ich nicht
in jene unnſchoffen kann, fo lange ich dieſen erblicke. Ich
werde mir deſſen b᷑wuſt, und in dieſem Bewuſtſeyn untere
ſcheide ich den Gegenſtand von der Vorſtellung, welche ich
S5 von
282 ua eee
von ihm habe, und auch von mir ſelbſt. Bey dieſer Vor⸗
ſtellung bleibe ich entweder gleichgültig, oder ich beziehe den
Gegenſtand auf mich, und nun entſteht in mir entw der
Begierde oder Abſcheu. Auch dieſes innern Gefühles werde
ich mir bewuſt, und erkenne zugleich, daß nicht bloſſe Vor.
ſtellung die Begierde oder der Abſcheu ſelbſt iſt. Jene kann
alſo nicht allein den Grund von der erſten, oder von dem
letzten in ſich faſſen, ſondern es muß auch in mir etwas
ſeyn, welches von meinem bloſſen Vorſtellungsvermoͤgen un⸗
terſchieden iſt. Wie will ich dieß nennen? Die Philoſo—
phen hoben es Begehrungsvermoͤgen genannt, und ich febe
keine Urſache, warum ich dieſe Benennung verwerfen ſollte.
Vorſtellungsvdermoͤgen, Begehrungsſaͤhigkelt find alſo
Beftiinmungen meines Ichs, haben in der Grundkraſt
meines Subiects auf eine verſchiedne Art ihren hinrelchen—
den Grund. Allein wie? Dieß iſt die groſſe Aufgabe,
welche fo viele Weltweiſen aufloͤſen wollten, aber nicht konn—
ten. Hier iſt Dunkelheit, welche noch kein Menſchender—
ſtand zu vertreiben vermochte, und auch wohl nie aufklaͤren
wird. Hier iſt das innre Heiligthum der Natur, worein
kein Sterblicher noch gedrungen iſt.
Beyde Faͤhigkelten liegen vor aller Erfahrung, und
folglich a priori in mir. Allein Vorſtellungen von ihnen
ſezen ein Bewuſtſeyn voraus, und bewuſt kann ich mir ihr
rer nicht anders werden, als wenn ich das Licht nuͤtze, meh
ches mir in dieſer dunkeln Gegend von der Erfahrung anges
zuͤrdet wird. Ich habe keine angebohrne Ideen, und alſo
auch keine ſolche von ihnen. Sie ſind das Werk der Auf—
merkfanfeit auf meine innre Veranderungen, und entſprin—
gen alſo aus Erfahrung, oder a poſteriori.
Durch einen Innern Drang meiner Wißbegierde, werde
ich gereizt, mir dieſe Frage aufzuwerfen: Was iſt in mir
Vorſtellungsfahigkeit, was Begehrungsvermoͤgen? 0
Was
W
beſitze,
aung,
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iſt bild
die inte
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ungähli,
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ſtaͤnde
tungal.
ſtellung
du ſeren
gen me
—
FFF 283
Was iſt alſo Vorſtellungsvermoͤgen? Daß ich dieſes
beſitze, davon habe ich eine innre unbezwingliche Ueberzeu—
gung, weil ich mir einer unendlichen Mannigfaltigkeit von
Vorſtellungen bewuſt bin, welche nach und nach ſich mir
aufdrangen. Was ſind aber Vorſtellungen? Der Ausdruck
iſt bildlich, fo wie es ſaſt olle Ausdrucke find, wo mit ich
die innre Wirkungen meiner Kräfte bezeichne. Ein Gemälde
ron einer reizenden Gegend, welches ich vor mir ſehe, iſt
nicht ſelbſt der Gegenſtand, iſt eine Vorſtellung von ihm.
Ich werfe auf daſſelbe meine Blicke, und erhalte von dies
ſem eine neue Abbildung in mir. Dieſe iſt meinem Be—
wuſtſeyn nach fo wenig das Gemälde ſelbſt, als die reizende
Gegend, welche in jenem abgebildet iſt, ſondern etwas in
mir als in dem denkenden Subiect. Sie iſt eine Vorſtellung
in mir, erzeuget durch den Anblick des Gemäldes, würde
aber nicht erzeuget fern, wenn es nicht durch meine innre
Beſchaffenheit moͤglich geweſen wäre. Dieſe Möglichkeit,
welche in mir ſchon vor jeder Vorſtellung von Natur oder 2
priori da ſeyn mußte, nenne ich mein Vorſtellungsver—
moͤgen.
Wie weit erſtreckt ſich dieſes? Hier muß ich die Erfah⸗
rung befragen. Will ich dieſes nicht: fo kann ich nirgends
einen Unterricht davon erwarten. Die innre Grundkraft
meines denkenden Subiects kenne ich viel zu wenig, als daß
ich dadurch etwas beſtimmen koͤnnte. Was lehret mich denn
meine Erfahrung? Ich erhalte Vorſtellungen von äufferen
unzähligen Dingen, welche ich nach einem inſtinctmaͤſſigen
Naturzwang nicht anders als auſſer mir denken kann. Allein
auch andre Vorſtellungen werden in mir rege, deren Gegen
ſtaͤnde die innere Wirkungen meiner Denkkraft und Begeh—
tungsfaͤhigkeit ſind, folglich erhalte ich auf die Art neue Wore
ſtellungen, theils von den Vorſtelungen, welche ich von
äufferen Oegenſtaͤnden habe, theils von den innern Wirkun⸗
gen meiner Denkkraft und meines Begehrungsvermoͤgens.
2 Aler
—
284 ee eee
Aller dleſer kann ich mir bewuſt werden, wann ſie da ſind.
Ich kann fie als innre veränderliche Beſtimmungen von
mir ſelbſt, und fie auch unter ſich von elnander unter ſcheiden.
Hieraus erkenne ich, daß mein Vorſtellungsvermoͤgen einen
groſſen Umfang habe, und ſich auf alle Arten erſtrecke, wie
meine Denkkraſt, wie mein Begehrungsvermoͤgen ſichſ wirt,
ſam beweiſen.
Es iſt in mir a priori eln bloſſes Vermoͤgen, zu tau.
ſend verſchiedenen Vorſtellungen aufgelegt, und kann nicht
blos durch feine Gelbjtrhäiigreu eine beſtimmte Vorftellung
von den unzählich vielen moͤg'ichen in mir erregen. Soll
es alſo in Wirkſemkeit geſetzt werden: ſo muß 1) ein Gegen.
ſtand da ſeyn, 2) dleſer auf mein Verniögen fo wicken, daß
dadurch nicht uͤberhaupt Vorſtellung, ſondern eine ſolche erre.
get wird, welche dem Gegenſtand entſpricht. Vorſtellen ſetzt
alſo voraus 1) ein Subiect, welches dieß Vermoͤgen hat,
2) das Vermögen ſelbſt, 3) ein Obiect, das vorgeſtellet wird,
4) feine Wirkung auf das vorſtellende Subiece, 5) das Re⸗
ſultat von allen dieſen, die Vorſtellung felbit. Fehlet eine
von den vier erſten Erforderniffen: fo kann auch die letzte
nicht entſtehen.
Mein Vorſtellungsvermoͤgen iſt nicht in mir das Sub»
ect, welches Vorſtellung erhält, ſondern eine innre Be.
ſtimmung von ihm. Ich kann jenes zwar in Gedanken von
dieſem unterſcheiden, aber nicht ganz denken, ohne zugleich
auf dieſes Ruͤckſicht zu nehmen. In die Definition des
Vermoͤzens gehoͤret alſo nicht das Subtect als ein Charakter;
unterdeſſen wird doch dieſes allemal als ein Ding vorausge—
ſetzt, ohne welches jenes dicht ſeyn kann, und wovon dleß
Vermögen eie innre Beſtimmung if. Bin ich fähig,
Merkmale anzugeben, woran ich cs erkenne: fo werde ich
auch faͤhig Er muͤſſen, einge Erklaͤrung von ihm zu machen.
Ein bloßes Vermögen deuke ich mir als eine Anlage in ei⸗
nem
nem S
denken,
Habe ie
ner G.
zu habe
Stage k
worten.
ſtept,
um Die
gel die
bin un
die For
und F.
centh un
Mater
genſtan
weſent!
die Fol
Wollte
nen, n
ges an
ten: ſo
dadurch,
Phllo fe;
brauch
ſelbſt al.
nem Eubicct, etwas zu erhalten. Ich muß das Eubiect fo
denken, daß es durch feine Grundkraſt dazu aufgelegt iſt.
Habe ich alſo Vorſtellungen: fo ſteht es nicht mehr in mei.
ner Gewalt es zu leugnen, daß auch die Moͤglichkeit, ‚Diele
zu haben, in meiner Urkraft liegen muß. Aber wie? Ditſe
Frage kann unſte Vernunft freylich nicht befredigend beante
worten. Dieß hemmet aber meine Überzeugung von der
Moͤglichk it, Vorſtellungen zu haben, nicht, welche in mels
ner Denkklaſt ihren hinteichenden Grund haben muß.
In jeder Verſtellung unterſcheide ich den Gegenſtand
von dieſem Vermoͤgen, und ouch von ihr ſeldſt: fo wie ich
in j.er Sache auch die M terie von der Form zu unter—
ſcheiden pflege. Jene bezeichnet die Theile, woraus fie bee,
ſtert, und dieſe die beſondee Art, wie fie verbunden find,
um die Sache hervorzubringen. So find in einem Trian—
gel die drey Linten feine Materie, uad die Art ihrer Ver—
bin ung, daß dadurch ein Ranm eingeſchloſſen wird, iſt
die Form deffeiben, Jedes Ding hat feine eigne Materie
und Ferm, und cs wäre Widerſpruch, wenn ich die ei—
centhümliche Materie und Form des einen Dirges für die
Materie und Ferm eines andern auegeben wollte. Der Ge—
genſtand und die Vorſtellung, welche ich von ihm habe, ſind
weſentlich unterſchieden. Jener iſt das Ding an ſich, diefe
die Folge meiner von ihm erregten Vorſtellungskraft in mir.
Wollte ich deswegen ein Ding an ſich unvorſtellbar nen—
nen, weil dle eigenthuͤmliche Materle und Form elnes Dine
ges an ſich nicht beydes don meiner Vorſtellung ſeyn kͤnn⸗
ten: ſo wuͤrde ich entweder mit Worten ſpielen, und leicht
dadurch Verwirrung anrichten, welches ſich doch für keinen
Phlloſophen ſchicket, oder ich müßte wider den Sprachge⸗
brauch nur das vorſtellbar nennen, was in der Votſtellung
ſelbſt als ſublective Bedingung liegt.
Vor ⸗
286
Vorſtellbar If} für mich jeder Gegenſtand, wovon Id
elne Vorſtellung erlangen kann. Er bleibt an ſich was er
iſt Seine Form iſt nicht die Form meiner Vo ſtellung von
ihm. Dieſe iſt in mie, und ſtellet mir gleichſam im Bilde
die Form dar, weiche der Gegenftan) eigenthuͤmlich hat.
A ich wenn ich mit ihn nicht vorſtelle: fo behalt er unver,
andert bie ſeinige; nur ſuͤr mich iſt dieß Ding dann nicht mehr
eln G genſtand der Vorſtellung.
Wie entſtehen aber die äufferen Verſtellungen je mit?
Die Dinge auſſer mir wirken auf meine O gane der Senne.
Dirfe Wirkang erregt mein Vorſtellungsver mogen. In ſo weit!
verhaͤt es ſich ſeidend, nimt auf, und ich bin berehriget,
ihm deswegen eine Empfaͤnglichkeit (Receptiviraͤt) zuzuſchtel.
ben. Was es aufnimt, das nenne ich den Stoff, weil grade
dieſer den Janh ie der Vorſtellung beſtimmt. Mein Ve cmd.
gen muß aber dieſen durch ſelne eigenthuͤmliche Thaͤtigkeit
(Spo :tanelzäi) zur Vorſtellung erheben. Von allen tie
fen würde ich nichts wiſſen, wenn meine Vernunft dle Er |
ſahrung nicht befraget, und aus ihrem Unterricht dieſe!
Folgerung gezogen hatte. Fraget fie aber weiter: wi muß
mein Vorſtellungsvermoͤgen beſchafſen ſeyn, um dieſe Emp B
ſaͤnglichkeit und Thaͤtigkelt haben zu koͤnnen? Wie wird!
eigentlich durch Einwirkung des Gegenſtandes der Stoß!
meiner Receptivitaͤt gegeben, wie von ihr aufgenommen? wie
iſt er la mir beſchaffen, ehe er zur Verſtellung wird? Wie
erhebt meine Vorſtellunagskraft durch ihre Thaͤtigkelt ihn!
dazu? fo iſt das ganze Reſultat ihres Nachdenkens daruͤber!
dieß — das weis ich alles nicht, nue dieß weis ich, daß es
fo iſt. Die Materie meiner Vorſtellung iſt das Manniz⸗
faltige, was in ihr liegt; ihre Form iſt die Verbindung!
de ſſeiben, wodurch ſie dieſe und keine andre Vorſtellung il,
nicht aber dasjenige, woducch der bloſſe Stoff zur Vet.
ſtellung wird. Dieß iſt die thaͤtige Kraft meines Verms
gens. Denn dleſe kann nicht Form der beſtimmten Vor.
fiel.
ftellung
eine ga
sy
auf ihr:
verſchie
Ruͤckſic
Beoba:
überall
lichkeit
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Beziel
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oder d.
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jenige .
zeichnet
len, un
kommen
und Dur
mir Bo:
den D.
ſelbſttha
andern
ſtand (.
ſtellung ſeyn, wenn ich anders dem Ausdruck Form nicht
eine ganz ungewoͤhnliche Bedeutung unterlegen will.
Meine Vorſtellungen find ſehr verſchieden, ich mag
auf ihren Innhalt oder auf die Art ſehen, wie ſie durch
verſchiedne Mittel in mir entſteh n. Wie kann ich ſie in
Raͤckſicht ihres Innhalts einthrilen ? Eine lange aufmerkſame
Beobachtung hat es mich gelchret, daß ich mir entweder
überall beftimmte Dinge (indiuidua) oder auch die Aehn—
lichkeit und Unaͤhnlichkeit derſelben, allgemeine Dinge, und
beyde entweder als bloſſe Doiecte oder auch als Sublecte in
Beziehung der Prädicete zu ihnen vorſtelle. Wie will ich
die Vorftellengen von der erſten, wie die von der letzten
Art nennen? Ich muß wieder die Erfahrung fragen.
Vielleicht wird ſich durch dieſe mir Gelegenheit anbie—
ten, daß ich eine ſchickliche Benennung für beide finben
kann.
Gegenſtaͤnde, die mir den Stoff zur Vorſtellung bar
teichen, oder mich afficiren, find entweder äuffere Dinge,
oder die innere einzelne Wirkungen meiner Fähigkeiten.
Dos Vermoͤgen mir dieſe fo vorzuſtellen, wie fie mich aflle .
ciren, iſt ein ſinnliches. Dieß kann ich auch meine Sinn—
lichkeit nennen. Ich habe aber auch eine Faͤhigkeit, aus
dieſen Vorſtellungen von einzelnen Dingen (indiuiduis) das-
jenige wegzulaſſen, was ihre individuellen Beſtimmungen bes
zeichnet, und mir im allgemeinen nur dasjenige vorzuſtel—
len, worinn fie mit einander mehr oder wenlaer uͤberein—
kommen. Hier hoͤrt das Gebiet meiner Sinnlichkeit auf,
und durch die Selbſtthaͤtigkelt meiner Denkkraft ſchaſſe ich
mir Vorſtellungen, worinn blos ollgemeine Begriffe von
den Dingen enthalten ſind. Dieß Vermoͤgen, welches ſich
ſelbſtthaͤtig in mir beweiſet, und wodurch ich mich von allen
andern Thierarten cuf Erden unterſcheide, iſt meln Vers
ſtand (intelledtw). Hier finde ich alſo eine 1 Ur
ache,
283
fache, meine Vorſtellungen in ſinnliche und Intellectuelle nach
der Verſchiedenheit ihres Junhalts, und der Art, wie ſie
in mir eniſtehen, einzutheilen. Sinnliche ft d nach ih⸗
rem Innhalte Diejenigen, welche einzelne Gegenſtän e,
intelleetuelle, welche allgemeine Begriffe in ſich aſſen.
Mein Verſtand kann feine Selbſttpäti⸗keit nicht b. welfen,
wenn nicht ſinnliche Vorſtellungen vorhergehn. Seine
Vorſtellungen find aiſo ihrem Ur prunge ach nicht von al.
ler Erfahrung uaabhaͤngig; fir erpeven ſich aber üver dieſe,
erhalten dadurch ein hoͤheres Auſchen u d geoen meiner Vers
nunft Gelegenheit, ſie in ihr Gebiet aufzu: epmen.
Meine Sianlichkeit hat gleichſam zwo Selten, von
welchen fie aſticirt werden kann 1) eine äuffre. 2) eine ii
nere. Die auſſere ſteht den Einwirkungen auff rer Gegen.
ſtaͤnde, die innre den inner Wirkungen offen, und die Vor.
ſtellungen, die daher entpringen, beziehen ſich entweder auf
auffere oder iunre Gegenſtaͤnde, von weichen meine Sinnlich—
kelt aſficiret wird. In beyden Fallen find fie empitiſche
Vorſtellungen, wozu die Gegenftänre meier Eirnlid;fut
den Stoff dargereichet haben. Hieraus erbellet alſo. was
der innre Clan iſt. Jener iſt das Viermoͤgen meiner Sinn—
lichkeit von auſſen, dieſer, von innen afficirt zu werden.
Auf wie viele Art iſt es bey mir moͤalich, daß Gegen
ſtaͤnde von auſſen auf meine Sinnlichkeit Eindruͤcke machen?
Schon wieder muß ich die Erfahrung zu meiner kehrerinn
wählen. Nur durch fie weis ich es, doß die Natur fünf
fehr verſchiedene Karaͤle eroͤffnet hat wodurch aͤuſſere Obiecte
auf meine Simelichkeit einen Einfluß haben koͤ nen. Sie
bat mir fünf Sinnenorgane virinten. So verſchieden dieſe
nach ihrem innern Bau find: eben fo verſchieden find die
Vorſtelungen. Hat meine Oinnlichkeit nur für tif bee
ſondre Gattungen von Organen eine Receptivitaͤt, oder nech
für aubrere? So wenig ich fähig bin, mir mehrere Ger.
1119
fungen
meine
Dieß
DR c
muß t
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und d.
fetten:
füna:
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von el.
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reflecti
wenn
auf un,
haben
Dafenn
auch m
289
tungen von Sinnenorqonen zu denken: eben fo wenig iſt
meine Vernunft vermoͤgend, diefe Frage ſicher zu beſtimmen.
Dieß braucht fie nun auch nicht Es iſt für mich genug,
dB ich weis, di⸗Receptivitaͤt meiner auffıren Sinnlichkeit
muß eine fuͤnffache Form oder Beſchaffenheit haben, um
jeden Eindruck auf eine eigenthuͤmliche Art aufzunehmen,
und den gegebenen Stoff durch ihre Spontaneitaͤt zur Vor—
ſtellung zu erheben. Den innern Uaterſchied ſelbſt in der
ſuͤnnachen Beſchaffenheit meiner Riceptivität kann ich nicht
erſorſchen. Ich muß mich an die Verſchiedenheit der More
ſtellungen halten, welche daher entſtehen, weil ich mir ihrer
beruft werden, und durch Hülfe dieſes Bewuſtſeyns fie
von einander unterſcheiden kann.
In den Vorſtellungen, welche ich durch die Organe
meines G⸗ſichtes und Gehoͤrs erhalte, liegt nichts vo; Emp«
findung dieſer Organe, ſondern von Gegenſtaͤnden, welche
id) auſſer mir denke, von Tönen, deren Urſprung ich auſſer
mir ſuche. Dieß iſt nicht das Werk der Erziehung, oder
der Vernunft, ſendern der Natur, welche mich ſo dildete,
daß ich dadurch ven dem Daſeyn äufferer Gegenſtaͤnde eine
unbezwing iche Ucberzeuaung erhalten ſollte. Das Kind
greift nach dem Gegenſtand, welcher ſich feinen Blicken
darſteillt, und wogegen feine Triebe erreget find. Er richtet
ſein Ohr nach dem Ort hin, wo der Schall herkam, und
in welcher Richtung er am ſtarkſten auf fein Gehoͤr wirkte.
Beydes iſt eine bekannte Erſcheinung, welche ſich nicht et⸗
eignen koͤnnte, wenn das Kind nicht das Obiect des Geſich—
tes und des Gehoͤrs auſſer ſich ſuchte, ohne noch Darüber
reflectiren zu för en, was es thut. Dieſe Vorſtellungen,
wenn fie durch Gegenſtaͤnde erregt werden, welche eben itzt
auf unfre Organe wirfen, heiſſen auch Senſationen, und
haben eine fo groſſe Klarheit für uns, daß wir an dem
Daſeyn dieſer Ösgenftände nicht zweifeln koͤnnen, wenn wir
auch wollten.
T Wie
Wir haben eln Vermögen, die Genfationen in einem
gewiſſen Grade der Klarheit wieder zu erregen, wenn auch
ſchon die Gegenſtaͤnde unſre Organe nicht mehr efficiren.
Dieß Vermoͤgen nennen wir unſre Einbildungskraft, und
die Vorſtellungen, welche daher entſpringen, find Einbil.
dungen, Phantaſien. Cie gehören auch zur Sinnlichkcit,
weil ſie blos einzelne Dinge zu Gegenſtaͤnden haben.. Die
Natur hat zwiſchen ihnen und den wahren Senſationen eine
ſolche Grenzlinie gezogen, daß nur die Ungluͤ klichen dieſe
nicht mehr ſehen koͤnnen, deren Verſtand verruͤckt iſt, u d
deren Einbiidungsfraft eine widernatuͤrliche Stärke erh alten
hat. Bir geſunder Vernunſt unterſcheiden wir auf das
ſicherſte unſte bleſſe Imaginationen von den Seuſotienen.
Dieſe erſcheinen uns im Sonnenlicht, jene unter dem For
der Abenddämmerung. Dieſe wohlthaͤtige Einrichtung une
ſrer Natur hat für uns die herrliche Folge, daß wir die aͤuſ.
ſeren Gegenſtaͤnde, welche auf unter Geſicht wirken, von den
Gegenſtänden unſter bloſſen Imagination unteſcheiden,
jecen ihr Dafpn auſſer unfren Vorſtellungen durch einen ges
wiſſen innern Zwang beylegen muͤſſen, dieſe aber für bloſſe
ſubicctive Fotinen unſter Vorſtellungen halten.
Auſchauen iſt in engrer Bedeutung eine Wirkurg unſtes
Sinnes dutch Hilfe des Geſichts. Eine Vorſtellung, welche
allo durch Tiefen Sinn erregt wird, iſt eigentlich elne An—
ſchauurg. Wir koͤnnen die Bedeutung eines Wortes in cle
ner wiſſenſchaſclichen Sprache andern, wenn es die Um—
ſtaͤnde erfedern. In der kantiſchen Schute heißt eine Vor—
fiellurg, in wie weit fie auf das Obiect bezogen wird, eine
Anſchouung. Beziehen wir ſie ader auf das denkenbe Subiect:
fo wird fie Empfindung genannt. Auch dieß Wort hat hier
eine Bedeutung erhalten, welche von der gewöhnlichen ab»
geht. Sonſt redet man auch von Vorſtellungen, welche
wir von unſern Empfindungen haben, und unterſcheidet alſo
jene von dieſen. Doch hievon werde ich nachher noch einige
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Bemerkungen hinzuſuͤgen. Nach dieſer kantiſchen Erflärung
von A .füauungen und Empfindungen find dieſe nicht blos
ſinnlich, ſondern auch die Vorſtellungen des Verſtandes
und der Vernunft koͤnnen in verſchiedener B ziehung ent—
weder Anſchauungen ocer Empfindungen genannt werden.
Nicht jedes Mannigfaltige iſt Raum, ſondern nur
denn kann es fo genaunt werden, wenn mehrere Theile aufe
fer und n ben einander in ihm zugleich find. Es giebt auch
irre hve Gioͤſſen, und alſo ein Ma nigfaltiges in ihnen.
Vor wird dieſes aber in ihnen Raum nennen können? Alle
Geger ſtaͤnde, welche ſich unſern Blicken darſtellen, find
vo der Beſchaffenheit, daß Theile auſſer und neben dinone
der zugleich angetroffen werden. Wollte alſo der Urheber
unſter Natur unſer Vorſtellungsvermoͤgen, in wie weit es
eine Receptivitàt für Einttücke duich das Gtſichtsorgan das
ben ſollte, fo einrichten, daß wir daher wahre, nicht taͤu—
ſchende, Vorſtellungen von ihnen erhielten: ſo mußte die
Ferm dieſer Receptivitat fo beſchaffen ſeyn, daß fie den
Stoff zu Vorſtillungen aufnehmen konnte, dal; in ihnen die
Theile auſſer und neben einander, fo wie ig den Gegenſtän⸗
den ſelrſt, als Adbildungen von dieſen ſich uns darſtellten.
Allein dieſe Form unfrer Receptivität iſt nicht der Grund
von dem Manrigfalticen in ter Vorſt llung, ſondern nur
davon, daß ſolche Vorſtellungen in uns möglich find. Die
Gegenftär de ſeibſt, welche auf uns wirken, find der Grund
davon, daß dieſe Verſtellungen fo und nicht anders das
Mann iaſaltige uns darſtellen, weil dieß und die Verbins
dung ſeiner Theile in der Vorſtellung ſich aͤndert, fo bald
ich den Gegenſtand meiner Arfayauung ändere, ober alles
wieder in der Vorſtellung da iſt, wie vorher, wenn ich
eben fo wieder den Gegenſtand wie vorher betrachte. Die
Jorſtellung nimmt alſo eine Form an, welche der Form
des Gegenſta des entſpricht, aber übrigens von ihr weſent⸗
lich unterſchleden bleibet. Anſchauungen von Gegenſtanden,
T 2 worin
worlnn wir nichts mehr unterſcheiden, find nicht blos maͤg.
lich, ſondern wir koͤnnen fie uns auch verſchaffen, wenn wir
einzelne Puncte fo kleln vor uns hinſtellen, doß wir gar kein
Mannigfaltiges in ihnen gewahr werden, und alſo auch dies
ſes nicht in der Anſchauung angetroffen wird, welche wir von
ihnen haben. In allen übr!zen Anſchauungen des Geſich—
tes werden die Theile ſo auſſer und neben einander zugleich
vorgeſtellt, wie ſie es in den Gegenſtänden unſers Geſich—
tes ſind.
Wir erblicken auſſer uns uͤberall obiectiven Raum.
Unser Verſtund kann fi im Alleemeinen Theile auſſer und
neben einander zugleich denken, und folglich den reinen es
grirj vom Raum bilden. Allein nun hoͤrct dieſe Vorſtellung
auf, finnlch zu ſeyn. Site wird eine intellectuelle. Sie
iſt eine reine Anſchauung nicht melner Sinnlichkeit, fondern
meines Verſtandes von Raum, auch nach der kantiſchen Spre—
che, mern fie aui den allgemeinen Gegenſtand bezogen wird.
Reine Anſchauung der Sinnlichkeit iſt fie nicht, weil ſinn—
Ihe Anſchauungen keine andre Gegenftände als eln zelne
Dinge haben koͤnnen. Sie iſt auch keine Anſchauung a
priori in dem Verſtande, als ob fie in mir urſpruͤnglich
vor aller Erfahrung hergehe, fendern mein Verſtand hat
den Bearlff dleſer Anſchauung aue emplriſchen Anſchauun—
gen ſolcher Gegenſtaͤnde gebitdet, welche individuell find,
in weichen Theile auſſer und neben einander zugleich ange.
troffen werden, und welche fo, wie dieſe in ihnen find, mie
den Stoff zu Vorſtellungen von ihnen gegeben haben. Ue—
brigens kann ich fie eine Anſchauung a priori nennen, in wie
weit alle Begelffe meines Verſtandes fo genannt werden,
welche er durch feine Selbſtthaͤtigkeit aus empiriſchen Vers
ſtellungen gezogen bat,
Die Organe des Geſchmacks, des Geruchs, des Ge
fuͤhles erregen in mir Vorſiellungen, welche eben fo verſchle—
den
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293
den ſind, als dle Organe ſich ihrem innern Baue nach ſelbſt
von einander unterſcheiden. Wenn durch fir Geoenſtaͤnde
ouf unſre Sinnlichkeit wirken: fo entſtehen nicht bleſſe Vers
ſtellungen, wie durch das Geſicht und Gehoͤr, ſondern wir
werden uns dabey einer koͤrpetlichen Empfindung grade in
dem afficirten Organe bewuſt, und ſetzen dieſe ſeloſt dahin,
wo die Organe afficitt wurden. Auch von dieſen Empfin—
dungen mit allen den angeführten Beſtimmungen erhalte
ich Vorſtellungen, und unterſcheide dieſe von jenen. Sie
ſind alſo als Vorſtellungen auf mich bezogen Empfindun—
gen, und folglich nach der kantiſchen Sprache von jenen Emp—
ſindungen als ihren Gegenſtaͤnden unterſchieden. Hler fe
ben wit alſo, daß eine Zweydeutigkeit in Anſehung dieſes
Ausdruckes entſteht, welche leicht zu unrichtigen Folgerun—
gen Gelegenheit geben kann, vor welchen wir uns ſorgſam
hen muͤſſen.
Durch einen innern Zwang werden wir genoͤthiget, die
koͤrperlichen Empfindungen, welche durch dieſe Organe er»
regt werden, in die Theile zu ſetzen, Die afficirt wurden.
Aber auch dadurch wird es uns unmoglich, im Ernſt an
dem Daſeyn unfers Körpers zu zweifeln. So wohlthaͤtig
find von unſerm Schöpfer die Organc unfres äuſſeren Sin—
nes eingerichtet, daß wir ſowohl von der Exiſtenz aäuſſerer
Gegenſtaͤnde, als von dem Daſeyn unfers eignen Körpers
eine Ueberzeugung erhalten, welche durch keine Gruͤbeleyen
geſchwächt werden kann. Will die Vernunft andre Beweiſt
für das Daſeyn dieſer Gegenſtaͤnde durchaus auſſuchen: ſo muß
fie erſt zur Thoͤtinn werden, welche unmoͤgliche Dinge moͤglich
machen will. Aus Begriffen laͤßt ſich die Exiſtenz einzelner end.
licher Dinge nicht beweiſen, aber auch nicht mit Vernunft
bezweifeln, und es iſt mehr als wahrſcheinlich, daß dle
Idealiſten es auch im Ernſt nie gethan haben, als wenn fie
etwa von einem gewiſſen Grade des Wahnſinnes befallen
waren. Die Natur ſelbſt hat für dieſe unſte Ueberzeugung
1 auf
294
auf elne Art geſorget, daß der Idealiſt ſelbſt, wenn er“
uns von dem Gebentheil durch Reden oder Schreiben
überzeugen will, feinen Verſtand verlohren haben muͤßte,
wen er das Deſeyn der Dinge leugnen wollte, weiche
er als Werkzeuge brauchen muß, um uns feine Geile
mitzutheilen. Widerlegen koͤnnen wir ihn aus ellgenei.
nen Begriffen nicht. Die Natur hat ihn ſeloſt cuf das
vach' ruͤcklichſte widerlegt. Hat er ſich unfähig g macht, eie
Staͤtke dieſer Widerlegung zu fühlen: fo iſt er für uns un.
heilbar. Dech wer wollte ſich cuch wohl die Muͤhe g ben,
einen Sophiſten zu widerlegen, der ſich immer am ſtark.
ſten ſelbſt widerlegt, wenn er fein Hirngeſpinſt vertheidi—
gen will?
Ich habe auch ein Vermoͤnen, weſches von meinen
innern Veränderungen fo aſſicut werden fan, daß ven ih—
neu als von Gegenſtänden Vorſtellungen in mir erregt werden.
Dieß iſt meine iante Einvlichfeit, un ihre Beſch ffenheit iſt
mein innrer Sinn. Sein Gebiet erſtreckt ſich zuf alle Arten
meiner innren Wirkungen, in wie weit fie da ſind und alſo affi—
ciren. Alle Voerſtellungen von aͤuſſ ren Gegenſtanden, alle
Wirkungen meiner Denffraft, der angebohrnen Gru dprluci—
pien, wornach fi wirket alle Ausbruͤche meines Begehrungsver—
n.carne, meiner unſpruͤng ichen Grundtriede und die Arten,
wie ſie erreat, gelenket, und wieder gehemmet werden, ſind
die Geo uſtände meines innern Sinnes, in wie weit er von
ihnen afficirt wird.
Die Vorſtellungen, welche durch ihn erzeuget werden,
ſind ſinnliche. Sie haben nur immer einzelne innre Ver—
d derungen zum Gegenſtäͤnde. So bald mein Verſtand aus
zen allgemeine Begriffe bildet, und ſich dieſe denket: fo
dort das Geſchäfte ineiner Sinnlichkeit auf, und das Ge—
ict det intellectucllen Vorſtellungen nimmt feinen Anfang.
Mela innrer Sinn kann nur durch einzelne Veraͤnderungen
in
In mir
darnach
eine fo:
meine .
Reyhe
meinem
ſer mir
einer u.
Definit.
Definit,
es aus
Epradır
Die Hei
die obi
nicht an
zeln feı
dieſen el
f ſchauung
keine ſin
Anſchau
ihr nich:
war aber
nem Ge
merkſan,
meine C
der Zeit
kraft vo:
ſie nicht
chulten.
meiner i.
einen all
zu denken
zuſtellen.
eben ſo iv
ſolche ‚en
er
295
In mir afficirt werden. Seine Vorſtellungen muͤſſen ſich
darnach richten, haben ſtets einzelne Veränderungen, nie
eine fortgehende Reyhe derſelben zum Gegenſtand. Durch
meine bloſſe Sinnlichkeit kann ich mir alſo nie einer ſolchen
Reyhe beruft werden; ſondern meine Erinnerungskraft ſtellt
meinem Verſtande ſolche Reyhen theils in mir, theils auf
ſer mir dar, und fo bildet er den allgemeinen Begriff von
einer ununterbrochnen Reyhe der Veraͤnderungen. Welches
Definitum will ich nun brauchen, um dieſen Begriff, dieſe
Definition, dadurch anzuzeigen? Dieß iſt willkuͤrlich, wie
es aus den ſo vielen Benennungen in den verſchiedenen
Sptachen erhellet. Ich nenne ſie in der meinigen Zeit.
Die Reyhe der Veränderungen in den einzelnen Dingen iſt
die obiective Zeit. Auſſer meinen Vorſtellungen kann dieſe
nicht anders als individuell, in jedem einzelnen Dinge ein—
zeln ſeyn. Der allgemeine Begriff, welchen ich mir von
dieſen einzelnen Zeiten mache, iſt als Vorſtellung keine An—
ſchauung meiner Sinnlichkeit, fondern meines Verſtandes,
keine ſinnliche, ſondern eine intellectuelle Anſchauung. Reine
Anſchauung der Zeit kann ich ſie denn nennen, wenn in
ihr nichts als der allgemeine Begriff derſelben liegt. Dieſe
war aber nicht a priori, d. h. vor aller Erfahrung in meie
nem Gemuͤthe. Die Fähigkeit habe ich, durch meine Auf—
merffamfeit auf innre und aͤuſſere Veränderungen, durch
meine Erinnerungskraſt, und meinen Verſtand den Begriff
der Zeit zu bilden. Dieſe iſt als Beſtimmung meiner Denk—
kraft vor aller Erfahrung a priori in mir. Allein ſo iſt
ſe nicht Anſchauung ſelbſt, ſondern Vermoͤgen, dieſe zu
erhalten. Durch meine Aufmerkſamkeit auf die Folgen
meiner innern Veraͤnderungen wird mein Verſtand fähig,
einen allgemeinen Begriff von der Zeit zu bilden, ſich ihn
zu denken, oder ſich die Zeit in einer reinen Anſchauung vor.
zuſtellen. Die Zeit als eine ſolche Anſchauung war alfo
eben fo wenig in mir vor aller Erfahrung als fie, wie eine
ſolche, eine obiective Realität auſſer dieſer meiner ſubiectiven
174 Vor⸗
298
Vorſtellung haben kann. Nicht als meine Anſchouung, fon:
bern als eine indivituelle Reyhe von Veraͤnderungen der
Dinge hat fie in ihnen ihre obiectlve Gultigkeit und daß
fie dieſe auch in mir hat, davon belehrt mich das untrüglie
che Bewuſtſeyn, welches ich von meinen eignen Veraͤnde⸗
rung -n habe.
Alleln worlnn beſteht denn dleſes? Dleſe Frage iſt
fiir mich von Wichtiakeit. Ich wuͤrde fie nie been worten
konnen, we A Ih nicht auf die Sage aufmerkſam wäre),
worinn meine D-nffraft ſehr oft ben Vorſtellungen iſt, wel⸗
che urch g d erregt wurden die meine Sinne af
fi irten. Ich wels ſehr oft, daß ich dieſe Vorſtellungen
habe. Ich beziehe ſie auf mich, beziehe ſie auf ihre Ge—
genſtände, und unterscheide fie von beyden. So finde ich
es bey keinem der uͤbrigen Thiere, welche auſſer den Men⸗
ſchin um mich her Mitbewohner der Erde ſind. Ohne
Zobifel iſt bier die Stuffe, wohin dieſe nicht dringen Fön
nean; iſt hier die Schei ew ınd zwiſchen meiner Sinnlichkeit
u d meint dane Denkkraſt. Dieß Vermögen erhebet
mich über Die G ſchoͤpfe, deren Vorſtellungen bles ſinnlich
find. Es iſt das Vermögen, mit meiner als eines den.
kenden Suviccts, mir der DVorftellungen, als meiner ine
nern Beſtimmungen, mir der Gege-flände, wovon ich
Morftellurgen hade, bewaſt zu werden, und mir dieſe drey
nicht ais Eine S:dye, ſondern als verſchledene vorzuſtellen.
Nur erft erdffner ſich für mich ein Feld der Erkennt—
niß. Die beſteht in dem Bewuſtſeyn, welches ich von
meinen Vorſtellu gen, und von den Verhaͤltniſſen habe,
worinn dieſe qeqen ihre Gegenſtande ſtehen. Bin ich mir
blos der ſinnlichen Vorſtellungen und der indlolduellen Ge
genſtaͤnde von ihnen bewuſt: fo iſt meine Erkenntniß eine
ſianliche. Ich gebe ihr dieſen Namen nicht deswegen, weil
ich blos Sinnlichkeit beſitze, oder weil dieſe die elnzige Quell
der.
derſelb⸗
Stoff
mir be.
ſer ben
mir un
auch!
jemals
beygele
ihre, u
ihnen
erhalte
les fa:
wuſt f
ſtellun
ſcheide:
Thierſt
dieß
ma
um un
nicht,
macht
auf:
kennts
fer au:
ausdel
daß fu
ladır ı
die ſe 6.
nach i
— — -
* * —
277
derſelben iſt, ſondern weil die Obiecte meinen Sinnen den
Stoff zu empiriſchen Vorſtellungen datreichten, deren ich
mir brwuſt bin. Hatte ich nicht das Vermoͤgen, mir die—
fer bewuſt zu werden, und fie in dieſem Bewuſtſeyn von
mir und den Gegenſtaͤnden zu unterſcheiden: fo wuͤrde ich
auch keine ſinnliche Erkenntniß haben koͤnnen. Wer hat
jemals einem Adler, oder einem Löwen ſinnliche Erkenntniß
beygelegt? Und warum nicht? Sie h ben doch auch
ihre, und erhalten durch dieſe ſinnliche Vorſtellungen? Ihre
ihnen angebohrne Kunftiriebe werden dadurch erreaet, und
erhalten nach ihnen eine zweckmaͤſſige Richtung. Dieß ale
les kann ſtatt haben, ohne daß ſie ſich deren beſonders be—
wuſt ſind, ohne daß ſie durch dieſes ſich von ihren Vor—
ſtellungen, von ihren Trieben und den Gegenſtaͤnden unter—
ſcheiden, worauf beyde eine Beziehung haben.
Wann erhebt das Kind ſich zuerſt aus dieſem bloſſen
Tdierſtande? Wann fängt es zuerſt an zu denken? denn
dieß heißt nichts anders, als Vorſt llungen haben, deren
ma ſich bewuſt iſt. Dieſe Frage iſt freylich wichtig genung,
um unfre Wisb vierde anzufcurrn. Hier iſt aber der Ort
nicht, fie um ſtaͤ dlich zu bea twerten. So viel iſt ausge—
macht, d. ß, fo wir ſein Bewuſtſeyn rege wird, und ſich
auf mukr r Gegen ſtaͤ de erweitert, auch feine ſinnliche Ere
kenntniß ihren A farg nimmt, ſich in eben der Grade weis
ter ausbreitet, und ſich der Kleis feines Deukens gleichſam
ausdehnet.
Vielleicht hobe ich es dieſem Vermoͤgen zu verdanken,
daß ſich bey mir Verſtand und Vernunft entwickelten. Viel.
leicht iſt dieſes die Wurzel in meiner Grundktaft, woraus
dieſe ſchoͤnen Blumen hervorſchoſſen.
Die Natur hat mir gewiſſe Regeln eingepflanzt, wor⸗
nach ich von Vorſtellungen zu Vorſtellungen ſortgeh'.
88 Diaſe
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DELETE NER TE HE
208 err RE
Diefe nenne ich die Regeln der Aſſoclation meiner Ideen.
Sie find in mir nicht das Werk der Erziehung, nicht des
Fleiſſes, ſondern der Natur. Sie werden in mir wirkſam.
Ich beſolge fie, ohne daß ich es weis, wie bendes geſchieht,
ohne daß ich es vorher wollte, und willkuͤrlich beſtimmte,
wie fie erfolgen und angewandt werden ſollten. Dieſe Aſ—
ſoclationsregeln ſind mir und jedem Menſchen, auch dem
Kinde, wenn ſich feine Denkkroft zu entwickeln angefangen
hat, ſo natuͤrlich, daß dieſes ſo gut als der aufgellaͤrteſte
Philoſoph ſtutzet, wenn es einen Menſchen hoͤret, welcher
nicht nach ihnen feine Gedanken ordnet. Dieſe find die Mies
geln, wornach Dichter fo gut als Redner und ſelbſt die
Weltweiſen ihr Geſchaͤſte betreiben, und ohne welche fie ei—
ner Bildſaͤule gleichen wuͤrden, welche den Fuß erhebt, aber
nicht von ihrer Stelle kommen kann. Wohlthaͤtig hat die
Natur dafur geſorget, daß wir ihnen folgen, ohne zu wife
ſen, wie wir es zu machen haben, um zu ſolgen, grade ſo
wie mir unſerm Körper die Richtung, welche wir wollen,
geben koͤnnen, und «8 doch nicht verſtehen, wie wir es
eigentlich machen muͤſſen, um grade ſo und nicht anders
in unſern Körper zu wirken, daß feine Bewegung in der
Richtung mit der Schnellkraft und Stärke erfolge, wie
wir es wollen. Ohne Zweifel würde für uns alles verloh—
ren ſeyn, wenn wir dazu erſt eines beſondern Unterrichts,
einer erlernten Kunſt, beduͤrften, da wir nun durch den
Unterricht der Natur alles auch fuͤr die Kuͤnſte gewonnen
haben, welche eine regelmäſſige Anwendung dleſer Natur—
fertigkeiten erfodern.
Ich erblicke einen Gegenſtand, welcher eine Aehnlich—
keit mit dem hat, welchen ich ſchon vorher betrachtete.
Nun wird die Vorſtellung von dieſem letzten nach einer mir
angebehrnen Aſſociationsregel in mir wieder rege. Mein
Vermögen, mir der Vorſtellungen bewuſt zu werden, fie
von einander, ſie von ihren Gegenſtaͤnden und von mir zu
unter⸗
unterſch⸗
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ge: ſtaͤn!
nichts a
Ich mi
ich auch
Gewalt
weiſen,
gen etw
inteflecti
tätig.
299
unterſcheiden, hat es natürlich zur Folge, daß ich fie mir
in Brhäleniffen verſtelle, und alſo vergleiche. Ich werde
mir ihrer Aehnlichkeit und Unaͤhnlichkeit bewuſt, und indem
ich mir jene vorſtelle: ſo erwaͤchſt in mir eine allgemeine
Vorſt llun g, aus welcher die individuellen Beſtimmungen
der ei zuuen Dinge weggelsſſen find. Auch dieſer werde
ich mir bewuſt, und dieß Vermögen nenne ich Verſtand,
(intellectum) Hier eröffnet ſich ein neues Gebiet für
meine Erkenntniß. Ich werde mir der allgemeinen Vor—
fi us gen bewuſt, welche ich durch meinen Verſtand aus
den empiriſchen gezogen habe. So wie ich ſie mir itzt
denke, find fie nicht mehr empiriſche, ſondern intellectuelle
Vorſtellungen, u.d meine Erferntmiß , di⸗ daher entſprin.
get, verdienet auch deswegen eine intellectuelle genannt zu
werben.
Die Vorſtellungen in disfer find fo wohl ibrem Inn—
halte als auch ihrem Urſprunge nach von den Vorſtellungen
in der finlihen Erkengtaiß ſehr verſchirden; ihrem (nz
dalte nach darinn, daß dieſe letzten ſtets einzelne Gegenſtaͤn—
de (indiuidua), gleichviel, aͤuſſre Dinge, oder ienre Ver—
in erungen, meinem Bewuſt'eyn darſtellen da ich hinge—
gen in jenen die A halichkeit einzelger Gege ſtaͤnde mir
denke, ohne mir dieſer Gegenſtaͤnde ſelbſt beſonders bewuſt
zu ſeyn. Die Vorſtellungen in meiner ſtanlichen Erkennt—
niß entſpringen unmittelbar nur dann, wenn einzelne Ges
ge: ſtaͤnde auf meine Sinne wirken. Ich kann in dieſen
nichts aͤndern, fo lange fie auf gleiche Art auf mich wirken.
Ich muß mich mehr leidend als thaͤtig beweiſen; und wenn
ich auch dieß letzte thue: ſo habe ich es doch nicht in meiner
Gewalt, mich auf dieſe und keine andre Art thaͤtig zu bes
weiſen, und dadurch nach Geſellen in meinen Vorſtellun—
gen etwas abzuaͤndern. Bey den Verſtellungen in meiner
intellectuellen Erkenntniß verhalte ich mich faſt ganz ſelbſt—
thätig. Wenn auch die Aſſociationsregeln mit wirken: fo
werden
300
werden dleſe durch meine innre Kroft erreget. Mein Ver |
ftano bearbeitet durch feine elgenthuͤmliche Faͤhlgkeit die em.
pirlſchen Anſchauungen, und erzeuget durch fir aus ihnen
die intellectuellen Vorſtellungen. Ich werde mir in dieſer
der allgemeinen Begriffe durch mene eigne Kraft bewuſt,
welche Geſchoͤpfe meines Verſtandes find, und ich wahle
mir willkuͤtlich ſolche Zeichen, wodurch ich dieſe intelleccuelle
Vorſtellungen bezeichne. Dieſe erregen zwar unmütelbar
eine empitiſche Vorſtellung von ſich ſelbſt, aber mittelbar
nach der Wehl, welche ich getroffen habe, werden durch fie
die allgemeinen Begriffe ang zeiget, mit weichen ſie doch oft
nicht die entſernteſte Aehnlichkeit haben.
Dieſe Wahl war Beduͤrfniſt für meinen Verſtand,
well ich die Gegenſtaͤnde ſelbſt nicht mir ſinnlich denken
konnte, ohne einzelne Dinge zu Gegenſtänden meiner Vor—
ſtellung zu machen. Durch eine Kanſt, welche mich ſelbſt
in Erſtaunen ſetzet, weis mein Verſtand feine intellectuelle
Vorſtellungen mit ſinnlichen Zeichen zu verbinden, welche
mit jenen keine Aehnlichkeit hben, und demohngeachtet
kann er ſich jene dadurch deutlich Teufen. Allein wie kam
er denn zu einer Entſchlieſſung, welche dem erſten Anblicke
nach ganz zweckwidrig zu ſeyn ſcheinet? Ich muß die Na
tur befragen, welche mir mein Schoͤpfer verliehen hat.
Schon das Kind, ehe es noch den Kam feines Verſtan—
des entwickelt hat, weis alle ſeine innern Triebe, wenn
ſie lu einem gewiſſen Grade erreget ſind, durch Zeichen in
den Geſichtszuͤgen, welche es macht, und in gewiſſen Toͤ.
nen zu erkennen zu geben. Dieſe Zeichen find nicht dle
erregten Triebe ſelbſt, haben auch keine Aehnlichkeit mit
dieſen, ſind aber fuͤr jedes Geſchoͤpf von derſelben Art eine
ſo deutliche, vernehmliche Sprache, daß ein jeder ihren Inn—
holt vollkommen verſtehet, gleichviel, er gehoͤre zu den auf—
geklarteſten Nationen unſter Erde, oder zu ſolchen, welche
noch dem Thylerſtande ſehr nahe find.
Auch
A
gen du
kennen
fühlte fi:
ſich fein
Gegen.
bingetr.
in die
Vorſtel
modurd
Huͤlſe;
übern
Wahl
derfelbe:
ihn nich
ſche V.
nen ſich
von ein
lungen
tur bat
theilt,
nen. C
gen, u
Cloſſen,
Daher
ſetz met
Zweck, 11
gelmaͤn
daß ma
geklärt,
Erweit,
niß gel
ſolchen
nen ma
ſelbſtehe
s — — —
Auch dieſes Naturdranges, meine innern Veraͤnderun—
gen durch Zeichen, die geſehen oder gehört werden zu ers
kennen zu geben, werde ich mir bewuſt. Mein Verſtand
fühlte feine Starke, ward dadurch wagen feiner Beduͤrfniß,
ſich feiner Begriffe ohne die individuellen Beſtin mungen der
Gegenftände bewuſt zu werden, auf eine ahnliche Bahn
hingetrieben, wählte erſt Toͤne, nachher Zeichen, welche
in die Augen fallen, zu Ausdruͤcken ſeiner intellectuellen
Vorſtellungen, und nun waren tauſend Kanäle geoͤffnet,
wodurch dle innern Wirkungen meines Verſtandes durch
Huͤlfe verabredeter Zeichen in die Seele andrer Menſchen
überflieſſen, und ihnen mitgetheilt werden konnten. Die
Wahl ſolcher Zeichen, und eine regelmaͤſſige Anwendung
derſelben iſt alfo das Werk meines Verſtandes, iſt ohne
ihn nicht denkbar. Die Gegenſtaͤnde, wovon ich empiti—
ſche Vorſtellungen erhalte, ſind zwar einzelne Obiecte, koͤn—
nen ſich aber in ihren Beſtimmungen mehr oder weniger
von einander unterſcheiden, und meine empiriſche Vorſtel—
lungen find immer von derfelben Beſchaffenheit. Die Na—
tur hat ihre Werke in Claſſen, Gattungen, Arten einge—
theilt, und mein Verſtand denket ſich dieſe im Allgemei—
nen. Er brauchte alſo Zeichen, um dieſe dadurch anzuzei.
gen, und daher entſtanden die unzähligen Namen, für
Cloſſen, Ordnungen, Gattungen, Arten und einzelne Dinge.
Daher endlich die ausgebildeten Sprachen. Es iſt ein Ge—
fiß meiner Natur, daß ich getrieben werde, zu ähnlichen
Zwecken ähnliche Mittel zu wählen. Daher elne ſolche Res
gelmaͤſſigstit in den Sprachen der verſchiedenen Völker,
daß man glauben ſollte, als ob fie die Kunſtwerke der auf—
geklaͤrteſten Philoſophen wären, daß ich dieſe Zeichen zur
Erweiterung meiner ſinnlichen und intellectuellen Erkennt—
ri gebrauchen kann; daß ich ihren Gebrauch für einen
ſoſchen erkenne, welchen nur vernünftige Geſchoͤpfe von ih-
nen machen koͤnnen. Mein Werſtand blldet alſo durch ſeine
felbfichärige Kraft feine eigne Vorſtellungen, auch we
eigne
— *
eigne Anſchauungen, well er jene auf die allgemeinen Dinge
bezieht, und ſie von ihnen als von ihren Gegenſtaͤnden un
terſcheidet.
Durch Hülfe der mir angebohrnen Aſſoclationsr⸗geln
bin ich vermögend, mir der Aehnlichkeiten und Unäh ich-
keiten der Dinge und der Begtiffe von ihnen bewuſt zu
werden. Ich habe alio auch ein ermd gen, die Dinge
gegen einander zu verglichen, ihre Uederei“ ſtimmungen
und Abweichungen gewahr zu werden, und mir feig.id)
ihre Vrbindung oder ihren Zufammenbang zu deuken.
Dip iſt die groſſe Fähigkeit, wodurch ich fo wohl meine
ſtunliche als intellectuelle Erkenntniß erweitern, wodurch ich
von einer Stuffe derſelben zur andern und immer böper
empor dringen kann. Dieſe Faͤhigkeit, iſt meine Ver unſt.
Durch ſie kann ich den Zuſammenhang in meiner ſinmichen
Erkenntuiß entdecken, mehr beſtimmen, gensuer Ibwagen.
Durch fie kann ich auch die Begriffe, welche mein Vers
ſtand gebildet hat, gegen ei ander- halten, ihrer U:bereine
ſmmung und Abweichung, kurs ihrem Zuſemmenhang nach—
hin, und aus ihnen ein G baude von Waherhelten zweck—
eng errichten. In beyden Faͤllen iſt es ei.e und dieſelbe
ſelbſtchaͤtige Kraft meiner Seele. Nur „ie Gegen ſtaͤnde find
verſch'eden, welche fie beurdeitet. Will ich meine Vernunft
d raach verſchieden benennen: fo kann fie empirische Der.
nunfe heulen, in wie weit fie in meine ſin liche Erkenntniß
den Zuſammenhang bringet, reine DUernunft, in wie weit
fie blos mit meiner intell ctuellen Erkenntniß, mit den rei.
nen Begriffen und ihrem Zuſammenpang, mit allgemeinca
Wahrheiten ſich beſchaͤftiget.
So ſelbſtthaͤtig auch ihre Kraft wirket: fo muß doch
der Verſtand ihr vorg⸗ arbeitet, fo muͤſſen doch ſinnliche
Vorſtellungen durch dieſen ihr die Materialien zu ihrem
herrlichen Bau dargereichet kuben. Wäre dieß nicht vor.
be;
hergega;
aller ihr:
anwende
Au!
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wiſſe G.
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eroͤffnen.
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wenn ich
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darauf,
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Wider pi
ſtatt hab,
nem Ob.
die Kralt
aus in Di
unbeſtim.
hergegangen : fo wuͤrde fie in mir ihre Kraft ungeachtet
aller ihrer eigenthuͤmlichen Selbſtthaͤtigkeit doch nicht haben
anwenden koͤnnen.
e
Auch die Natur ſelbſt hat ihr noch auf eine andre
Art vorgeorbeite't. Sie hat meinem denkenden Weſen ge—
wiſſe Grundregeln vorgeſchrleben, wornoch meine Vernunft
ſich wirkſam beweiſet, und wodurch fie fähig wird, mir von
Wibrheisen eine allgemeinguͤltige, apodiktiſche Gewißheit
zu verſchoffen. So viel ich bisher bemerket habe, laſſen
ſich dieſe in drey verſchiedenen Grundſätzen ausdrucken.
Ich nenne fie den Grundſatz 1) der Identitaͤt, 3) des Wie
derſpruch 's, 3) des zureichenden Grundes. Ich bin durch
einnen innern Naturzwang genötbiget, es zuzugeben, daß
ein Ding das Ding iſt, was es iſt. Dieß giebt meiner
Vernunft eine unerſchutterte Feſtigkeit in der Ueber zeugung,
daß, wenn fie erſt weis, daß ein Obiect A iſt, es auch,
in we weit es dieß iſt, dieß ſeyn muß. Wenn ich einmal
davon gewiß bin, daß ein Ding A iſt: fo iſt es mir un—
moglich zu denken, daß es nicht A fern ſollte, und zwar vers
möge der Grundregel vom Widerſpruch. Freplich kann ich
bles aus beyden Regeln es nicht erkennen, daß ein Ding
A fer, Zu dieſer Erkenntniß muß ich mir andre Quellen
eröffnen. Allein dieß weiß ich aus berden daß, wenn ein
Obiect A ft, durchaus falſche Satze entſtehen würden,
wenn ich in Gedanken mit dem Obicct A etwas verbinden
wollte, wodurch es aufhörte, A zu ſeyn. Ich verlaſſe mich
darauf, daß in der ganzen Natur ſich keine Begebenheit
treignen koͤnne, welche dieſen Grundſaͤtzen entgegen waͤre.
Widerſprüche in der Natur von der Art koͤnnen unmoͤglich
ſtatt haben. Widerſprechende Beſtimmungen koͤnnen in eie
nem Obiecte angetroffen werden. Der Phyſiker denket fih-
die Kraft einer Kugel fo beſtimmt, daß fie vom Mittelpunct
aus in der Richtung der radiorum nach der Oberfläche mit
unbeſtimmtgroſſer, aber gleicher Schnellkraft hinwirke, und
daß
ae
.. 9 . EEE Ben
— LEE N ne De
Tor
304 eee eee
daß grade daher ihre Trägheit (vis inertlae) komme, well
die ſich diametraliter entgegenmi kenden gleichen Bewe—
gungstendenzen ſich im Gleichg wicht erhalten, und alfo ſich
gegenſeitig in igen Bewegungen ſtoͤren. Wenn dieſe Hypo
theſe ihre Richtigkeit hätte: fo waͤren In einer Kugel ſich
entgegen kämpfende oder widerſprechende Beſtimmungen.
Jede einzelne Beſtimmung waͤre aber deswegen das, was
fie iſt, wäre nicht mit ſich ſeibſt im Wlderſpruch. Es hat
Tyrannen gegeben, welche grauſam und mitleldig wa—
ren. Allein ihre Grauſamkeit iſt nicht ihr Meitleig en.
Ele hatten widerſprechende Leidenſchaften, aber keine welche
ſich ſelbſt widerſprachen, d. h. keine, die zugleich das waͤ—
ren, was ſie waren, und es auch nicht waren. Widerſpruͤ.
che in eigentlicher Bedeutung des Wortes, koͤnnen nur in
ſubtectiven Vorſtellungen der denkenden Weſen, und nicht
auſſer ihnen angetreffen werden. Sobald fie biefe ent
decken: ſo ſind ſie auch gezwungen, dasjenige als eine
ſalſche Vorſtellung zu verwerfen, wodurch ein Widerſpruch
gefetzt wird.
Die dritte uns angebohrne Grundregel des Denkens
find wir gewohnt, durch den Grundſatz des zureichenden
Grundes auszudrucken. Die allgemeine Wahrheit dieſes
Satzes kaͤnnen wie nicht beweiſen, aber auch nicht leugnen;
nicht beweiſen, well keine Beweiſe md lid) ſeyn koͤnnten, wenn
er ſalſch waͤre, und nicht als ausgemacht voraus geſetzet
wuͤrde; nicht leugnen, weil wir entweder mit Grund oder
ohne Grund ihn leugnen müßten. Mit Grund: ſo ſetzen wir
ſeine Wahrheit voraus, um feine Folichheit. und die Kid)
tigkeit unſers Urtheils bewelſen zu koͤnnen. Ohne Grund —
Nun fo empoͤren wir uns gegen unſte elgne Natur, welche
uns von unſrer erſten Kindheit an auch ohne tejondre Be.
lehrung von ihm noͤthigte, in allen unſern Urthellen, Schluͤſ.
fen, Handlungen uns nach ihm zu richten: fo nehmen wir
‚unfeer Vernunft die Fluͤgel, wodurch fie ſich empor zu heben
und
und in das
fählg iſt.
zelget die
Wiſſenſche
des geſellſ f
legt nicht
Gebrauch,
Quellen, n
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Berbindun:
epodictiſcher
durchaus w
iprer Vorſi
Jolge, daß
ten, oder
Hären muͤß⸗
305
und in das Gebiet der Wahrheiten hinein zudringen nur afl-in
fähig iſt. Mißbrauchen koͤnnen mir diefe Grundregeln. Dieß
zelget die Geſchichte der Menſchen, dieß ihr Betragen in den
Wiſſenſchaſten, uad ſelbſt in den verſchiedenen Verbindungen
des geſellſchaſtlichen gebens. Allein die Schuld dieſes Irrthu ms
legt nicht in den Regeln ſelbſt, ſondern in dem unregelmaͤſſizen
Gebrauch, welchen fie von ihnen machten. Sie find die
Quellen, woraus alle apodictiſche Erkenntniß der Wehrheſten
uletzt für uns herflleſſet, und wenn wir dieſe verſtopfen koͤnn.
en: fo wurde es um die Gewißheit unſter Erkenntniſſe ge—
(heben ſeyn. Allein die Natur ſelbſt hat woplthaͤtig dafuͤr
zeſorget, daß, dieß uns nicht möglid) iſt, und daß wir, wenn
vir uns ja gegen fie empoͤren wollen, es ſehr lebhaft empfin—
den, daß es blos eine widerſinnige ohnmaͤchtige Empoͤrung
it, deren Thorheit wir uns ſchaͤmen muͤſſen, weil fie unſ—
em eignen Gefühle nach nahe an Wahnſinn grenzen würde.
Durch fie bildet meine Vernunft ihre Satze, nach ihnen
rüfet fie ihre Richtigkeit. Wenn fie es demerkt, daß fie
nem Subieet ein Prävicat beplegt, welches ihm widerſpricht,
. i. es aufhebt, oder welches nicht jo in ihm gegründet iſt,
ais die Verbindung es nothwendig fodert, worinn fie ſich
das Praͤdicat mit dem Subicct denkt: fo wels fie es mit
wodictiſcher Gewißheit, daß dleſer Satz ſalſch if. Erken.
et fie aber, daß dleſe Grundfäge für ungültig erklaͤret wer-
een muͤßten, wenn das Prädicat nicht in der beſtimmten
Berbindung dem Subiect zukommen ſollte: fo wels fie mit
podictifher Gewißheit, daß der Satz in dieſer Beſtimmung
zuͤrchaus wahr ſeyn muß.
Allein weis ſie auch dieß, daß das Subiect A auſſer
rer Vorſtellung fein eigenthuͤmliches Daſeyn haben muͤſſe?
Hierauf antworte ich:, waͤre es durchaus eine nothwendize
Jolge, daß fie entweder das Daſeyn dieſes Subiectes zuges
en, oder auch diefe angebohrne Grundregeln für falſch er»
ären müßte: fo wuͤrde fie * eben der apodictiſchen Ge
wiß
306
den, me!
meine B
beißt es,
ſchaffen?
die Wahn
Gewißhe
in deutli—
dieſe: ha
und folg
erheben,
apodictiſe
hen muͤß
Vermoͤge
Mehr bra
der Weg
niſſe durd
ren Kant!
etwas an!
ſeyn. 6
Vernunft
kannt hal
Eine
nunft ein
meinen D.
auf einzel:
Richtigkei—
Auch die
kann es ab
Erkennen!
Figuren,
gleiche He
aus ihren
lein beant
ſie da ſind
wlßhelt von dem Daſcyn dieſes Sublects auch auſſer ihren
Vorſtellungen überzeugt ſeyn, als ſie es von der Allgemein.
belt und Nothwendigkeit irgend einer allgemeinen Wahrheit
ſeyn kann. Wenn aber diefer Fall nicht da iſt, oder nicht
von Ihr erkannt wird: fo kann fie wohl aus einem allge.
meinen Begriff als einer Art von elnzelnen Dingen manche
Praͤdicate bewelſen, und folglich mit Gewißheit ſchlieſſen,
daß alle indıwidua diefer Art auch dleß Praͤdlcat haben müſ.
ſen. Allein daß es als ein endliches Ding exiſtiret, daß es
ein einzelnes Ding von dleſer Art iſt, dieß kann fie freylich
nicht durch Huͤlfe ihrer intellectuellen Erker ntniſſe aus allge
meinen Wa rheiten folgern. Dieß muß ſie aus andern
Ew unden wiſſen So bald fie aber dieß weis: fo hat meine
V.rnu ft dle Fahigkeit, das Praͤdicat, was der Art noth.
wer dig zukommt unter welche dleß einzelne Ding begriffen
iR, auf dieſes anzuwenden, ihr Pradicat zwar nicht zur obiec⸗
tiven Beſtim mung deſſelben zu machen, aber doch richtig
zu ſchlieſſen, daß die Beſtimmung in ihm nothwendig liegen
muß, welche ſie ſich unter dieſem Praͤdicate in ihrer An
ſchauung vorſtellte.
Meine Vernunſt kann aus allgemeinen Begriffen, aus
Orundfägen und richtig bewieſenen Theoremen mit apodicti.
ſcher Gewißheit erkennen, daß zwey Parallelogrammen ſich
geometriſch zu einander verhalten, wie ihre Höhenlinien, wenn
ihre Grundlinien ſich gleich ſind. Hat fie auch das Vermoͤ.
gen, den Stoff uͤberſtunlicher Vorſtellungen zur materiellen
Wahrheit dleſes Schlußſatzes herbey zu ſchaffen, wie ſie es
nach der Sprache elniger Kantianer haben muß, wenn ihr
Vermögen nicht blos legiſch ſondern auch metapbyſiſch fern
ſoll? Dieſe Frage iſt in fey ungewoͤhnlichen dunkeln Ter⸗
minelogien aufgeworfen. Wir vollen alfo zuerſt die Dun.
kelhelten, fo gut es möglich iſt, wegzuſchaffen ſuchen. Was
heißt Stoff uͤberſinnlicher Vorſtellung herbenfchaffen? Doch
nichts anders als allgemeine Wahrheiten als Principlen auffn-
den,
den, welche zur Vorſtellung erhoben werden müffen, ehe
meine Vernunft aus ihnen etwas ſchlieſſen kann? Was
heißt es, dieſe zur materiellen Wahrheit der Schluͤſſe herben
ſchaffen? ohne Zweifel nichts anders als fie fo brauchen, daß
die Wahrhelt der Schluͤſſe dadurch von ihr mit apodictiſcher
Gewißheit erkannt wird. Es iſt alſo die Frage, wenn ſie
in deutlichern gewoͤhnlichen Ausdruͤcken aufgeworſen wird,
dieſe: hat die Vernunſt das Vermoͤgen, die allgemeinen
und folglich uͤberſinnlichen Wahrheiten zu Vorſtellungen zu
erheben, um daraus die Wahrheit ihrer Schlußſaͤtze mit
apodictiſcher Gewißheit zu erkennen? Dieſe werde ich beja—
hen muͤſſen, weil meine Vernunſt in tauſend Faͤllen dieß
Vermoͤgen ſattſam zu meiner Belehrung geaͤuſſert hat.
Mehr brauche ich nicht zu wiſſen, um einzuſehen, daß mir
der Weg zur apodictiſchen Grwißheit intell ctueller Erkennt—
niffe durch meine Vernunft geoͤffnet iſt. Wollen dieſe Her
ren Kantianer mit ihrer Frage, welche ſo ſonderbar klinget,
etwas anders andeuten: fo kann mir dieſes ſehr gleichgültig
ſchn. Genug für mich, wenn ich nur das von meiner
Vernunft und ihrem Vermoͤgen weis, was ich oben er
fannt habe.
Eine andre Frage wuͤrde biefe ſeyn: hat meine Ver—
nunft ein metaphyſiſches Vermoͤgen, dieſe uͤberſinnlichen allge—
meinen Wahrhelten, welche in ihren Schluͤſſen liegen,
auf einzelne Dinge anzuwenden, und ſich in dieſen von der
Richtigkeit ihres ſingulaͤren Schlußſatzes zu uͤberzeugen?
Auch dieß Vermögen kann ich ihr nicht abſprechen. Sle
kann es aber nicht anwenden, wenn ihr nicht eine empiriſche
Erkenntniß zu Hülfe kommt. Iſt die Frage dieſe: ob zwo
Figuren, ob ſie als Parallelogrammen da ſind, ob ſie
gleiche Hoͤhenlinſen haben: fo kann ſie dieſe ſreylich nicht
aus ihren allgemeinguͤltigen, uͤberſinnlichen Principien ale
lein beantworten. Die Erfahrung muß es ſie lehren, ob
ſie da ſind. Nun muß ſie Er Betrachtung diefer Figu⸗
2 ven
ie... ie
3-23 ieee AT
ren es erſt unterſuchen, ob fie die Beſchoſſenheit der Paral.
lelogrammen, ob fie gleiche Höhenlinien haben. Wann
fie durch empiriſche Unterſuchungen davon uͤberzeugt iſt,
dann hat fie das metaphyſiſche Vermögen, mit apodicti⸗
ſcher Gewißheit die Wahrheit ihres Schlußſotzes zu erken⸗
nen, daß namlich die gebenen Parallelogrammen von
gleicher Höhenlinie ſich geometriſch zu elnander verhalten
muͤſſen, wie ihre Grundlinlen. Dieß iſt der glanzende
Weg, weichen fs b treten muß, wenn fie ihre allgemeine
Sahͤͤſſe, die von uͤderſinallchem Innhalt find, auf einzelne
Di ge mit dem beſten Erfolg anwenden will. Auf eieſem
rerſchaffet fie ſich elne Erkenntniß von individuellen Wahr
beiten, ſchaffet aber dieſe Praͤdicate als ihre Vorſtellungen
nicht in die eigenthuͤmlichen Beſtimmurgen der Dinge um.
Diete llegen in ihnen ſelbſt, und es iſt für unfre Vernunft genug,
es mit apodictiſcher Gewißheit zu wiſſen, daß fie in ihnen
licgen, und mit eben der Gewißheit die Gültigkeit ihrer letz—
ten Schlußſaͤtze zu erkennen, in welchen die Subiecte einzelne
nöcrall beſtimmte Dinge, und die P.adicate die Eigen—
ſchaſten beztichnen, welche ihnen individuell zukommen muͤſ—
ſen, weil dieſe Praͤdicate von den allgemeinen Begriffen oder
den Arten, wovon fie indiuidua find, ohne Widerſpruch
nicht koͤnnen geleugnet werden. Dieß iſt die ſchoͤne Bahn,
we ſche vor uns liegt, und welche unſte Vernunſt betreten muß,
um unfre intellsceu: le Erkenutaiß mit der ſinnlichen zu verbin—
der, dieſe durch jene zu erweitern, zu berichtigen, zu beſeſtigen.
Habe ich aber auch ein Begehrungsvermoͤgen? Iſt es
von meiner Vorſtellungsfaͤhigktit unterſchieden, und worinn?
Welches find gleichſam die Beſtandthelle, woraus es be.
ſteyt? Woher kommen meine Triebe? Euuſpringen iſie
alle aus einem einzigen Grundtriebe, oder giebt es mehre
urſprüngliche Grundtriebe, welche zwar alle in einer und
derſelben Grundkraſt meines Gemuͤthes gegruͤndet find, aber
aus dieſer gleichſam, als aus Einem Stamme in e
Zweige
Zweige
tur un‘
auf ver
Tugent
ben m
fähigfe:
fungst
verder!
terſuch,
ſen far
der K
Verb
Aphori
fenfd)a'
. ER — —
u. — — it 2 —— —
ET „„ —
309
Zweige ausgehn? Sind fie, wenn fie da waͤren, von Na⸗—
tur untergeordnet, oder habe ich es in meiner Gewalt, ſie
auf verſchiedene Art ſich unterzuordnen? Wie erwaͤchſt daher
Tugend, wie Loſter? Welchen gegenſeitigen Einfluß das
ben mein Vorſtellungsvermoͤgen und meine Begehrungs—
ſahigkelt auf einander? Können fie gegenfeitig ihren Wire
kungskreis erweitern, einſchraͤnken, berichtigen, auch wohl
verderben? Fragen, welche es ſehr werth ſind, genau un—
terſuchet zu werden, worauf ich mich aber hier nicht einlaſ⸗
fen kann, weil eine ſolche Unterſuchung mit meiner Prüfung
der Kantiſchen Transſcendentalaeſthetik in kelner genauen
Verbindung ſtehet, und ich nur mehr in Fragmenten
Aphorismen aus der Pſychologle, als ein Syſtem dieſer Wife
ſenſchaſt liefern wollte.
D
S K K 0
u
Dır
Verbeſſerungen.
Selte 23, Zelle 18. ſtatt guug lies gung. S. 34, 3. 13.
nach folgenden l. Entwicklungen. S. 53, 3. 21. fl. nichts l.
nicht. S. 62, Z. 23. nach ſoll l. als. S. 71, 3. 25. ſt.
Epontanität l. Spontaneität. S. 79, 3. 8. ſt. mehrmal l.
ſechs mal. S. 92, 3. 25. ft. dieſen l. deſſen. S. 93, 3. 23.
ſt. Freude l. Furcht. S. 98, 3. 30. nach ſelbſt l. nicht.
S. 115, 3. 3. ft. jedem l. jenem. S. 119, 3. 6. ſt. mir l.
mich. S. 127, Z. ar. ſt. welcher l. welche. S. 152, 3. 32.
ft. ihnen l. uns. S. 177, 3. 13. ſt. beſtunde l. beſtuͤnde.
S. 175, 3.27. ft. den l. der. S. 178, 3.21. ſt. aus l. nach.
3.25. if. von einander l. von nach einander. G. 180, 3.27.
ft. ſubiective l. obiective. S. 191, 3. 13. ft. Dieſe l. Bey dies
ſer. S. 192, 3. 6. ſtatt unterſcheidet l. unterſcheiden. S.
204, 3. 10. fl. ſollen l. fol. S. 205, 3. 38. ft. alſo I, als.
S. 240, 3. 17. ſt. wird l. wird nicht. S. 214 3. 23, fl,
welche l. welcher. S. 234, 3. 14. ſt. zwar l. zwey.
n
B Kritische Briefe an Herrn
2779 Immanuel Kant uber seine
K72 Kritik der reinen Vernunft
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