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Full text of "Kulturgeschichte Schwedens von den ältesten Zeiten bis zum elften Jahrhundert nach Christus"

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®    OSCAR  MONTELIUS    © 

KULTURGESCHICHTE 

SCHWEDENS 


E. A.SEEMANN  LEIPZIG 


VERLAG  VON  E.  A.  SEEMANN  IN  LEIPZIG 


JACOB  BURCKHARDT,    DIE     KULTUR    DER    RE- 
NAISSANCE IN  ITALIEN 

Neunte  Auflage,  besorgt  von  LUDWIG  GEIGER.  Zwei  Bände, 
geh.  10.50  M.,  in  Leinen  geb.  12.50  M.,  in  Halbfranz   14.50  M. 

Dieses  klassische  Werk  ist  eines  der  wenigen  literarischen  Kunstwerke,  die  sich 
durch  Jahrzehnte  in  unveränderter  Frische  erhalten  haben.  Der  Verfasser  bietet  in 
gedrängtester  Form  die  Ergebnisse  jahrzehntelanger  Studien.  Es  ist  eine  in  Auf- 
fassung,    Gruppierung  und   stilistischer    Durchführung  gleich   meisterhafte  Leistung. 

DIE  ZEIT  KONSTANTINS  DES  GROSSEN 

Dritte,  vom  Verfasser  selbst  besorgte  Auflage.  Geheftet  6  Mark, 
gebunden   8  Mark. 

Diesem  Werke  eignen  dieselben  literarischen  und  wissenschaftlichen  Qualitäten 
wie  dem  vorgenannten.  Größtmögliche  Kenntnis  der  Quellen  und  meisterhafte 
Verwertung,  d.  h.  höchste  plastische  Bestimmtheit  der  Darstellung  zeichnen  die 
Arbeit  des  Verfassers  aus. 

DER  CICERONE 

Eine  Anleitung  zum  Genuss  der  Kunstwerke  Italiens 

Neunte,  vermehrte  und  verbesserte  Auflage,  unter  Mitwirkung  von 
C.  von  FABRICZY  und  anderer  Fachgenossen  bearbeitet  von 
WILHELM   BODE.     In  vier  Bände  gebunden    16.50  Mark. 

Burckhardts  Cicerone  ist  seit  fünfzig  Jahren  ein  unentbehrlicher  Ratgeber  und 
Führer  auf  dem  von  Kunstwerken  reich  übersäten  Boden  Italiens  für  alle,  die 
ein  tieferes  Interesse  für  klassische  und  Renaissancekunst  haben,  gewesen.  Die  in 
den  letzten  Jahren  rasch  aufeinanderfolgenden  Auflagen  haben  fortwährend  Be- 
reicherungen und  Berichtigungen  erfahren.  Zur  Empfehlung  des  weltbekannten 
Werkes   etwas   zu   sagen,   ist  heute  nicht  mehr  nötig- 


OSCAR  MONTELIUS 


KULTURGESCHICHTE  SCHWEDENS 


KULTURGESCHICHTE 

SCHWEDENS 


VON  DEN  ALTESTEN  ZEITEN 
HIS  ZUM  ELFTEN  JAHRHUNDERT  NACH  CHRISTUS 


VON 


OSCAR  MONTELIUS 


MIT  540  ABBILDUNG  KX 


LEIPZIG 

VERLAG    V<  »\    E.    \.  SEEMANN 

[1  |i 


LEIPZIG 

Druck  von   Ernst  Hcdrich  Nachf.,   G.m.b.H. 


INHALT 

Seite 

Einleitung i 

Die  Steinzeit  (bis  zum  Anfang  des  zweiten  Jahrtausends  vor  Christi  Geburt)        5 

I.  Die   ältere   Steinzeit  (bis   zum   fünften  Jahrtausend   vor   Christi    (leburt)       .      .  7 

II.  Die  jüngere  Steinzeit  (vom  fünften  bis  zum  Anfang  des  zweiten  Jahrtausends 

vor  Christi  Geburt) 13 

1.  Lebensweise 13 

2.  Die  Herstellung   der  steinernen   Werkzeuge   und    Waffen 33 

3.  Verkehr  mit  anderen  Ländern n 

4.  Gräber.   —   Religion 43 

5.  Die  Bevölkerung  und  deren  Ausbreitung.  -  -  Die  Stein/fit  der  Lappen.  — 
Abergläubische   Vorstellungen   von  Stcinaltertümern   in   späteren    Zeiten  57 

Die   Bronzezeit  (vom  Anfang  des  zweiten  bis  zur  Mitte  des  ersten  Jahr- 
tausends vor  Christi  Geburt) 71 

1.  Der  Anfang   der  Bronzezeit  und   ihre   Einteilung 73 

2.  Lebensweise s4 

3.  Die   Herstellung  der  Bronzesachen.   —    Einheimische   Arbeiten     .      .      .  i"7 

4.  Bevölkerung.   —    Verkehr  mit  anderen    Ländern Il6 

5.  Felsen  Zeichnungen i-1' 

6.  Gräber.   —   Religion i-'i 

Die   Eisenzeit  (von   der   Mitte    des    ersten  Jahrtausends    vor  Christus  bis 

zur  Mitte  des  elften  Jahrhunderts   nach   Chr.) 143 

I.    Die    vorrömische    Eisenzeit.      (Von    der   Mitte    des    letzten  Jahrtausends   vor 

Chri>ti    Geburt  bis   /um   Anfang   unserer   Zeitrechnung) 147 

II.  Die    römische   Eisenzeit.     (Vom     Anfang    unserer    Zeitrechnung    bis    um   das 

Jahr  400) 163 

1.  Verkehr    mit    dem     römischen    Reich.   —   Römische  Schriftsteller  über 

den   Norden [63 

2.  Lebensweise 17  1 

3.  Handel.    —   Verkehr.   —  Fahrzeuge 193 

4.  Religion.   —   Opfer.   —   Gräber 1    3 

5.  Die  ältesten  Runen.  —  Die  Sprache  in  Schweden  in  der  älteren  Eisenzeit 

III.  Die  Zeit  der  Völkerwanderungen.    (Von  ungefähr  400  bis  800)  ....     21  | 

1.  Die   Verbindung   mit  dem    byzantinischen   Reich.  Dei    Goldreichtum 

2.  Gräber -  t' 

IV.  Übergangszeit  vom   Heidentum  zum  Christentum.  —  Die   Wikinger- 

zeit.   (Von  ungefähr   800   bis  Mitte  des  11.  Jahrhunderts)    .......     251 

1.  Wikingerzüge.  —   Wäiingerfahrten 

2.  Schilf.    -      WaHen 

3.  Friedlicher    Verkehr    mit   In:  I  rn 

4.  Lebensweise.   —   Erwerbszweige 

5.  Religion.         Gräber.   —   Die  jüngeren   Runen 


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I.    Zwei   Gräber  aus  der  Steinzeit.    Skane. 


ls  Ansgar  im  neunten  Jahrhundert  die  christliche  Lehre  in  Schweden 
predigte,  war  das  Eisen  dort  in  allgemeinem  Gebrauch,  und  zwar 
j  schon  seit  langer  Zeit.  Jener  Periode,  welche  jetzt  gewöhnlich  die 
»Eisenzeit«  genannt  wird,  ging  aber  eine  andere  vorauf,  in  der  Waffen  und 
Werkzeuge  aus  Bronze,  einer  Mischung  von  Kupfer  und  Zinn,  verfertigt  wurden. 
Diese  Periode,  welche  man  die  »Bronzezeit«  genannt  hat,  hat  ebenso  wie  die 
Eisenzeit  mehr  als  ein  Jahrtausend  gedauert.  Aber  noch  vor  dieser  Bronze- 
zeit hat  Schweden  schon  während  vieler  Jahrtausende  Einwohner  gehabt,  welche 
ihre  Waffen  und  Geräte  aus  Stein,  Hörn,  Knochen  und  Holz  verfertigten;  diese 
Periode  nennt  man  die   »Steinzeit«. 

Schon  im  achtzehnten  Jahrhundert  ist  eine  solche  Einteilung  der  älteren 
Zeit  des  Nordens  in  drei  große  Perioden  vorgeahnt  worden;  von  eigentlicher 
Bedeutung  für  die  Altertumskunde  wurde  das  > Dreiperiodensystem«  aber  erst 
in  der  ersten  Hälfte  des  neunzehnten  Jahrhunderts1). 

Die  Tausende  von  Funden,  welche  seitdem  zu  unserer  Kenntnis  gekommen 
sind,  haben  nicht  nur  die  Richtigkeit  des  Dreiperioden>ysUms  auf  das  glänzendste 
bestätigt,  sondern  sie  haben  —  dank  der  modernen  wissenschaftlichen  Methode2) 


i)  Montelius,  Det  nordiska  treperiodssystemet,  cn  historik,  in  der  Svenska  Fornminnes- 
föreningens   tidskrift,   Band   12,   S.  185  folg.    —   Dersell  rsigt   öfver   den    aordiska   forntidens 

perioder,    intill    kristendomens    införande,    ebenda,    Bd.  S,  S.  127  folg.   —   Derselbe,    De    förbistoriska 
perioderna  i  Skandinavien,   im  Mänadsblad,  1893;   vgl.   Les  temps  prehistoriques 
selben,   Anhang. 

2)  Montelius,  Typologien  eller  utvecklingsläran  tillämpad  pä  det  menskliga  arbetet,  in 
der  Sv.  Fornm.-for^  tidskr.,  Bd.  10,  S.  237  folg.  —  Derselbe,  Die  typologische  Methode  separat 
aus:  Die  älteren   Kulturperioden  im  Orient  und  in   Buropa,  Stockholm,    M03). 

Montelius,  Kultiir^eschichtr  Schwedens.  [ 


2  Einleitung. 

—  für  unsere  Forschung  auch  weitere  große  Strecken  eröffnet.  Wir  können 
uns  jetzt  ein  Bild  von  den  Verhältnissen  machen,  in  denen  die  ersten  Bewohner 
Schwedens  lebten,  und  wir  können  Schritt  für  Schritt  die  langsam  aber  sicher 
fortschreitende  Entwicklung  verfolgen,  durch  welche  sie  aus  einer  Horde  von 
Wilden  zu  dem  wurden,  was  sie  jetzt  sind. 

Es  ist  wahr,  daß  uns  von  keinem  Königsgeschlecht,  keinem  Heldennamen 
aus  jenen  ältesten  Zeiten  Kunde  wird.  Aber  ist  es  nicht  mehr  wert,  das 
Leben  des  Volkes  und  die  Fortschritte  seiner  Kultur  zu  kennen,  als  die  Namen 
fabelhafter  Helden?  Und  muß  man  nicht  den  ganz  gleichzeitigen,  gar  nicht 
anzuzweifelnden  Zeugen,  auf  welche  allein  jetzt  die  Wissenschaft  hört,  den 
Altertümern,  mehr  Glauben  schenken  als  den  poetischen  Erzählungen,  welche 
jahrhundertelang  nur  im   Gedächtnis  der  Skalden  bewahrt  blieben? 

Bevor  wir  jetzt  versuchen,  ein  Bild  des  Lebens  in  Schweden  während 
der  vorhistorischen  Zeit  zu  entwerfen,  müssen  wir  darauf  aufmerksam  machen, 
daß,  wenn  dieses  Bild  unvollständig  und  undeutlich  bleibt,  dies  zum  Teil  auf 
den  Quellen  beruht,  aus  denen  wir  unsere  Kenntnis  von  einer  Zeit,  welche 
unsere  auf  Schriftdenkmale  begründete  Geschichtsforschung  so  wenig  kennt, 
schöpfen  müssen.  Es  ist  gewiß  wahr  und  muß  dankbar  anerkannt  werden, 
daß  noch  viel  zahlreichere  Denkmäler  der  heidnischen  Zeit  gefunden  worden 
sind,  als  man  berechtigt  war  zu  erwarten;  aber  der  Hauptteil  der  bis  auf  unsere 
Zeit  erhaltenen  Altertümer  besteht  natürlich  aus  Gegenständen  von  Stein  und 
Metall,  während  nur  bei  einem  seltenen  Zusammentreffen  äußerst  günstiger 
Umstände  so  leicht  zerstörbare  Materialien  wie  Holz,  Knochen,  Leder  oder 
Zeug  erhalten  bleiben  konnten.  Daher  kommt  es  denn,  daß  wir  von  den  aus 
ihnen  verfertigten  Wohnhäusern,  Hausgeräten,  Werkzeugen  und  Kleidern  — 
welche  doch  so  außerordentlich  wichtig  für  die  vorliegende  Frage  sind  — 
nur  eine  höchst  mangelhafte  Kenntnis  besitzen. 

Aber  selbst  die  während  der  heidnischen  Zeit  gebräuchlichen  Gegenstände 
aus  Stein  und  Metall  kennen  wir  sehr  unvollständig.  Nur  ein  geringer  Teil 
dessen,  was  einst  existierte,  kam  in  die  Erde;  nur  ein  Teil  von  dem,  was  in 
die  Erde  gelangte,  ist  der  Zerstörung  entgangen;  von  diesem  Bruchteil  ist 
noch  nicht  alles  wieder  ans  Tageslicht  gefördert  worden,  und  wir  wissen  nur 
allzu  wohl,  wie  wenig  von  dem,  was  gefunden  wurde,  auch  der  Wissenschaft 
zugute  gekommen  ist.  Fast  alle  Funde,  die  in  früheren  Jahrhunderten  gemacht 
wurden,  sind  spurlos  verschwunden,  und  sogar  vieles  von  dem,  was  seit  dem 
Anfang  des  neunzehnten  Jahrhunderts  gefunden  wurde,  ist  zerstört  worden. 

Wir  können  uns  leicht  vom  Gewicht  dieser  Umstände  überzeugen,  wenn 
wir  uns  vorstellen,  daß  nach  ein-  oder  ein  paar  tausend  Jahren  ein  Gelehrter 
sich  von  unserem  Leben  ein  Bild  machen  sollte,  als  Material  dafür  aber  kaum 
mehr  zu  seiner  Verfügung  hätte,  als  einen  kleinen  Teil  verwitterter  und  ver- 
rosteter Überbleibsel  unserer  Metallgeräte,  und  ohne  daß  er  sich  das  Bild  des 
zwanzigsten  Jahrhunderts  durch  die  Beihilfe  der  Erzeugnisse  unserer  Literatur 
und  Kunst  vervollständigen  könnte. 


Einleitung.  -3 

Dieser  Vergleich  zeigt,  wie  vorsichtig  wir  sein  müssen,  wenn  wir  ver- 
suchen, die  Kultur  in  einer  Periode  zu  beschreiben,  deren  ältester  Teil  mehrere 
Jahrtausende  vor  unserer  Zeit  liegt. 


Literatur.  Allgemeines:  A.  E.  Holmberg,  Nordbon  under  hednatiden.  Populär  fram- 
ställning  af  vära  förfäders  äldsta  kultur  (Stockholm,  1852 — 54.  2.  Aufl.  187 1).  —  H.  Hildebrand, 
Svenska  folket  under  hednatiden  (Stockholm,  1866;  2.  Aufl.  1872).  —  Derselbe,  Das  heidnische 
Zeitalter  in  Schweden.    Eine  archäologisch- historische  Studie.    Übers,  von  J.  Mestorf  (Hamburg,  187;  . 

—  Derselbe,  The  industrial  arts  of  Scandinavia  in  the  pagan  time  (South  Kensington  Museum  art 
handbooks,  London,  1883).  —  Derselbe,  Statens  historiska  museum  (Stockholm,  1873).  —  Mon- 
telius,  Svenska  fornsaker  (Antiquites  suedoises;  Stockholm,  1873 — 75).  —  Derselbe,  Om  lifvet  i 
Sverige  under  hednatiden  (Stockholm,  1873;  2.  Aufl.  1878;  3.  Aufl.  1905).  —  Derselbe,  La  Suede  pre- 
historique.  Traduit  par  J.-H.  Kramer  (Stockholm,  1874).  —  Derselbe,  Die  Kultur  Schwedens  in 
vorchristlicher  Zeit.  Übers,  von  C.  Appel  (Berlin,  1885).  —  Derselbe,  The  civilization  of  Sweden 
in  heathen  times.  Translated  by  Rev.  F.  H.  Woods  (London,  1888).  —  Derselbe,  Les  temps  pre- 
historiques  en  Suede  et  dans  les  autres  pays  Scandinaves.  Traduit  par  Salomon  Reinach  (Paris, 
1895).  —  Derselbe,  Sveriges  hednatid  och  medeltid  tili  är  1350,  in  Sveriges  historia  (Stockholm, 
1875 — 77;  die  1903  erschienene  2.  Aufl.  dieser  Arbeit  ist  das  Original  der  jetzt  vorliegenden  Über- 
setzung). —  Derselbe,  Den  förhistoriska  fornforskningen  i  Sverige  under  ären  1878 — 84,  in  der  Sv. 
Fornm.-först  tidskr.,  Bd.  4,  S.  148;  Bd.  5,  S.  1 ;  Bd.  6,  S.  27.  —  Derselbe,  Statens  historiska  museum 
(Stockholm,  1872;  7.  Aufl.  1901).  —  Derselbe,  Führer  durch  das  Museum  vaterländischer  Altertümer 
in  Stockholm.  Übers,  v.  J.  Mestorf  (Hamburg,  1876).  —  Derselbe,  Das  Museum  vaterländischer  Alter- 
tümer  in  Stockholm  (Stockholm,  1897).  —  G.  Retzius,  Crania  suecica  antiqua.  Beskrifning  af  svenska 
mennisko-kranier  frän  stenäldern,  bronsäldern  och  järnäldern  (Stockholm,  1899).  —  O.  Almgren, 
Sveriges  fasta  fornlämningar  frän  hednatiden  (Stockholm,  1904).  —  Auf  den  meisten  geologischen 
Karten  (Sveriges  geologiska  undersökning)  sind  Gräber  und  andere  Denkmäler  aus  der  heidnischen 
Zeit  bezeichnet. 

Denkmäler  und  Altertümer  der  verschiedenen  Provinzen:  S.  P.  Bexell,  Hallands  historia  och 
beskrifning  (Göteborg,  181 7 — 19).  —  A.  E.  Holmberg,  Bohusläns  historia  och  beskrifning  (Udde- 
valla,  1842 — 45;  2.  Aufl.,  Örebro,  1867).  —  E.  Ekhoff  (und  G.  Gustafson),  Bohusläns  fasta 
fornlämningar  fran  hednatiden,  in  Bidrag  tili  kännedom  om  Göteborgs  och  Bohusläns  fornminnen 
och  historia.  —  Montelius  und  E.  Ekhoff,  Bohuslänska  fornsaker  frän  hednatiden,  ebenda.  — 
H.Werner,  Antiqvariska  berättelser  (Westergötland ;  Norrtelge,  1870,  und  Stockholm,  1873).  — 
Beschreibungen  von  den  vorgeschichtlichen  Denkmälern  der  verschiedenen  Bezirke  (Härad)  in  Wester- 
götland von  R.  Hjorth,  L.  Kinberg,  C.  S.  Lindblad  und  C.  J.  Ljungström.  —  Montelius, 
Hvad  vi  veta  om  Westergötland  under  hednatiden,  in  der  Sv.  Fornm.-för^  tidskr.,  Bd.  5,  S.  231  folg. 

—  Beschreibungen   von  den  vorgeschichtlichen  Denkmälern  einiger  Bezirke  in  Smäland  von  J.  A  1 1  v  i  n 
und  W.  Berg.  —  F.  Bsehrendtz,  Fasta  fornlemningar  i  Södra  Tjust,  in  Meddelanden  fran   Kalmar 
Hins   Fornminnesförening.    —    J.  A.  Wittlock ,   Jord-fynd   fran   Wärends  för-historiska  tid   (Smaland : 
Stockholm,    1874);   vgl.   Mänadsblad,    1883.   —  J.  J.  A.  Worsaae,    Blekingsche  Denkmäler  aus  dem 
heidnischen   Altertum  (Leipzig,    1847).    —    A.  Ahlquist,    Ölands    historia    och    beskrifning    (Kalmar. 
1822  —  27).  —  C.  Säve,  Om  Gotlands  äldsta  fornlemningar,   in  den  Annaler  for  nordisk  Oldkyndighed 
(Kopenhagen),    1S52.  —  L.  F.  Rääf,   Samlingar  och  anteckningar  tili   en  beskrifning  öfver  Ydre  härad 
(östergötland),    B<1.  V  (örebro,   1875).    —   Montelius,    östergötland    ander  hednatiden,    in  der  S 
Fornm.-för«  tidskr.,  Bd.  12.  —   II.  Hofberg,    Nerikcs  gamla  minnen  (örebro,    i^"S).  —  Dcrsi  i 
Förteekning  öfver  Nerikes   fasta   fornlemningar  (Örebro,   1 87 1).    —    Beschreibungen    von   den  vorge- 
schichtlichen Denkmälern    einiger   Bezirke    in   Södermanland    von    11.  O.  Ind  ebetou,    N.   A.  Lund- 
gren,    P.  E.  Pal mq v ist,   G.  Wcsterin    und    C.  G.  Osterberg.    —    H.  Hofberg,   Westmanlands 
fornlemningar  och  minnesmärken,    in  Westmanlands   Fornminnesi  j     arsskrift  —  Beschreibui  . 
von   den    vorgeschichtlichen  Denkmälern    in    den    verschiedenen   Kirchspielen   Upplands   in  Upplands 
Fornminnrsfr.rcnings    tidskrift.     —     B.  Salin,     Den     förhistoriska    Üden,     in     Uppland,     Skildeing    at 


a  Einleitung. 

land  och  folk  (Stockholm,  1902).  —  Montelius,  Huru  gammal  är  bygden  i  Helsingland?,  in 
Helsinglands  Fornminnessällskaps  ärsskrift,  1901.  —  K.  Sidenbladh,  Fornlemningar  i  Norrland 
(Helsingland,  Medelpad  und  Angermanland),  in  Antiqvarisk  tidskrift  för  Sverige,  2.  —  G.  Adlerz, 
Arkeologiska  undersökningar  i   Medelpad,   im  Mänadsblad,    1898  — 1900. 

Zeitschriften:  Antiqvarisk  tidskrift  för  Sverige  (Stockholm,  1864 — ).  —  Mänadsblad  (der  voll- 
ständige Titel  ist:  Kongl.  Witterhets  Historie  och  Antiqvitets  Akademiens  Mänadsblad;  Stockholm, 
1872 — ).  —  Svenska  Fornminnesföreningens  tidskrift  (Stockholm,  1870 — ).  —  Zeitschriften  von  den 
Lokalvereinen  in  den  Provinzen  Skäne,  Halland,  Bohuslän,  Westergötland,  Smäland,  Östergötland, 
Nerike,  Södermanland,  Uppland,  Dalarna,  Helsingland,  Jämtland  u.  a.  —  R.  Dybeck,  Runa 
(Stockholm,    1842 — 50,    1865 — 74). 

Montelius,  Bibliographie  de  l'archeologie  prehistorique  de  la  Suede  pendant  le  XIX<>  siecle 
^Stockholm,    1875).      Mit  Fortsetzung  für  die  Jahre    1875  —  81,   in  Sv.  Fornm.-förä  tidskr. 


DIE  STEINZEIT 

(BIS  ZUM  ANFANG  DES  ZWEITEN  JAHRTAUSENDS 
VOR  CHRISTI  GEBURT) 


I.   DIE  ÄLTERE  STEINZEIT 

(bis   zum   fünften   Jahrtausend    vor    Christi    Geburt). 


Die  ersten  Einwohner  Schwedens. 

enn  wir  an  die  Geschichte  unseres  Vaterlandes  herantreten,  stößt  uns 
als  erste  Frage  auf:  »Seit  wann  ist  dieses  Land,  das  wir  heute  Schweden 
nennen,  bewohnt : 

Die  Antwort  darauf  ist  ersichtlich  nicht  leicht,  denn  die  erste  Besiedelung 
des  Landes  liegt  vor  der  Zeit,  welche  die  nur  aus  schriftlichen  Quellen  schöp- 
fende Geschichte  kennt.  Die  Antwort  fiel  auch  verschieden  aus,  je  nach  dem 
verschiedenen  Standpunkt  der  Forscher  und  je  nach  den  in  ihrer  Zeit  herr- 
schenden Grundansichten  über  das  Alter  des  Menschengeschlechtes.  So  ver- 
focht Olof  Rudbeck  vor  mehr  als  zweihundert  Jahren  mit  warmer  Überzeugung 
die  Ansicht,  daß  die  schwedische  Halbinsel  schon  vor  der  Sündflut  bewohnt 
war,  während  Dalin  nicht  lange  nach  ihm  zu  beweisen  suchte,  daß  der  größere 
Teil  Schwedens  noch  zu  Christi  Geburt  unbewohnbar  gewesen  sein  müsse,  weil 
das  Meeresniveau  damals  dreizehn  Klafter  höher  gestanden  hätte  als  zu  seiner  Zeit. 

Nun  ist  wohl  längst  festgestellt,  daß  Schweden  nicht,  wie  Rudbeck  glaubte, 
Anspruch  auf  eine  so  viel  ältere  Kultur  machen  kann  als  die  übrigen  Länder 
der  Welt,  aber  da  man  die  Sündflut  zu  seiner  Zeit  kaum  zweitausendvierhundert 
Jahre  vor  Christus  ansetzte,  gibt  seine  Ansicht  der  ersten  Besiedelung  Schwedens 
nur  ein  Alter  von  etwas  mehr  als  viertausend  Jahren.  Und  das  ist,  wie  wir 
jetzt  wissen,  nicht  zu  hoch  gegriffen. 

Um  für  die  Frage  eine  Antwort  zu  finden,  wie  sie  die  moderne  Forschung 
ergeben  kann,  muß  man  die  Hauptzüge  des  Bildes  betrachten,  das  man  von 
dem  ältesten  Zeitabschnitt  der  Kulturgeschichte  Schwedens  heutzutage  zeichnen 
kann,    von  der  Zeit,    die    unter  dem  Xamen    »die  ältere  Steinzeit      bekannt   ist. 


Literatur.      S.  Nilsson,    Skandinaviska    Nordens    Ur-invänare    (Lund,     [838  —  43.     -. 
Stcnäldern,  Stockholm,  1S66).  —  Derselbe,  Das  Steinalter  oder  die  Ureinwohner  des  skandinavischen 
Nordens.     Ein  Versuch  in  der  comparativen   Ethnographie.     Obers,  von    I    Mestorf  (Hamburg,  iy 
—  Derselbe,  Les   habitants  primitifs  de  la  Scandinavie.      L  Ige  de  la   pierre  (Paris,  —  Der- 

selbe, The  primitive  inhabitants  of  Scandinavia.    Edited  and  with  an  introduetion  by  John  I.ubhock 
(London,    1S6S).    —    Montclius,   Sveriges  forntid.     Försök  tili  framställning  .ii  den  svena 
forskningens  result.it.     Text   1.   Stenäldern  (Stockholm,    iv 


8  Die  ältere  Steinzeit. 

Die  Geologie  lehrt,  daß  das  europäische  Klima  nicht  immer  dem  heutigen 
gleich  gewesen  ist,  und  daß  es  eine  Zeit  gab,  in  der  die  Länder  im  Norden 
und  in  der  Mitte  unseres  Weltteils  von  ungeheuren,  sich  langsam  verschiebenden 
Massen  von  Eis  und  Schnee  bedeckt  waren,  wie  das  mächtige  Inlandeis,  das 
noch  heute  den  größeren  Teil  Grönlands  bedeckt1).  Erst  als  diese  Eismassen 
zusammenschmolzen  und  sich  in  ihren  letzten,  noch  heute  vorhandenen  Resten 
nach  dem  höchsten  Norden  und  in  die  Alpen  zurückzogen,  konnten  sich 
menschliche  Ansiedelungen  über  Europa  ausbreiten. 

Wann  diese  sogenannte  Eiszeit  (die  ältere  Quartärperiode)  endete,  kann 
man  wohl  noch  nicht  genau  bestimmen;  doch  ist  die  Zeit  von  da  bis  zur  Ge- 
burt Christi  sicher  in  Zehntausenden  von  Jahren  zu  zählen.  Dessenungeachtet 
haben  zahlreiche  Funde  das  Vorhandensein  des  Menschen  zu  so  früher  Zeit  im 
westlichen  Europa,  in  dem  jetzigen  Frankreich,  Belgien,  England  und  anderen 
Ländern,  bewiesen,  und  sicherlich  haben  in  verschiedenen  Teilen  Europas 
Menschen  gelebt,  schon  längst  bevor  unser  Land  bewohnbar  wurde. 

Erst  als  die  Küsten  der  Skandinavischen  Halbinsel  eisfrei  wurden,  konnte 
der  Mensch  sich  dort  niederlassen. 

Das  Eis  zog  sich  mehr  und  mehr  zurück  und  ließ  Raum  für  eine  Pffanzen- 
und  Tierwelt,  die  zuerst  derjenigen  glich,  die  heute  den  nördlichsten  Teil  der 
Halbinsel  belebt,  dann  aber  allmählich  ihren  jetzigen  Charakter  annahm.  Schließ- 
lich blieben  von  der  früheren  Eisdecke  nur  die  Gletscher  übrig,  die  man  noch 
jetzt,  vor  allem  in  Jotunheim  und  im  Hochgebirge  des  nördlichen  Lapplands,  sieht. 

Nach  dem  Ende  der  Eiszeit  bildete  die  Ostsee  zuerst  einen  kolossalen 
Binnensee,  weil  Südschweden  mit  Dänemark  und  Norddeutschland  damals  zu- 
sammengewachsen war.  Dieser  Periode,  welche  nach  einer  in  den  damaligen 
Ablagerungen  häufig  vorkommenden  Süßwasserschnecke  die  »Ancyluszeit« 
genannt  wird,  folgte  die  »Littorinazeit«.  Während  dieser  Zeit  war  die  Ostsee 
wie  heutzutage  mit  Salzwasser  gefüllt,  seitdem  die  dänischen  Inseln  von 
Jütland  und  Schonen  getrennt  wurden.  Nach  dem  Anfang  der  Littorina- 
zeit haben  so  bedeutende  Senkungen  und  Hebungen  großer  Teile  der  Skan- 
dinavischen Halbinsel  stattgefunden,  daß  die  älteste  Littorinazeit  mehr  als  zehn- 
tausend Jahre  vor  unserer  Zeit  anzunehmen  ist. 

Mehrere  Funde  machen  es  wahrscheinlich,  daß  der  Mensch  schon  in  der 
späteren  Ancyluszeit  hier  im  Norden  lebte.2)  Sicher  ist  Schweden  während 
der  ganzen  Littorinazeit  bewohnt  gewesen. 

Die  ältesten  Steinartefakte,  die  wir  im  Norden  gefunden  haben,  sind 
einige  grob  zugehauene  Werkzeuge  aus  Feuerstein  (Fig.  2).3)  Sie  unterscheiden 
sich  wenig  von  westeuropäischen  Werkzeugen  aus  der  ältesten  Steinzeit,  als 
die  Menschen  in  Frankreich  und  Belgien  noch  mit  dem  Mammut  und  anderen 


i)  G.  de  Geer,  Om  Skandinaviens  geografiska  utveckling  efter  istiden  (Stockholm,    1896). 

2)  G.  Sarauw,  En  Stenalders  Boplads  i  Magiemose  ved  Mullerup  (Sseland),  in  den  Aarböger 
f.   nord.   Oldkynd,    1903,  S.  148  folg. 

3)  Diese    von    mir  schon   1873  in  der  elften  Versammlung  der  skandinavischen  Naturforscher 
in   Kopenhagen  ausgesprochene   Ansicht  ist  jedoch  noch  nicht  allgemein  anerkannt. 


Die  ersten   Einwohner  Schwedens. 


Tierarten  zusammen- 
lebten, die  entweder 
heute  ausgestorben  sind, 
oder  in  ganz  anderen 
Gegenden  vorkommen. 
Jüngeren  Datums, 
aber  trotzdem  noch  zur 
älteren  Steinzeit  gehörig, 
sind  eine  Menge  Über- 
reste von  ehemaligen 
Wohnplätzen  der  Urbe- 
völkerung in  Südskandi- 
navien.1) Unter  diesen 
Funden  sind  die  so  ge- 
nannten Kjökkenmöd- 
dinger«  (»Küchenabfall- 
haufen«), die  man  in 
großer  Anzahl  an  den 
Küsten  Dänemarks  ent- 
deckt hat,  besonders  zu 
nennen. 

In  diesen  Kjökken- 
möddingern2)  findet  man 
die  mit  Kohlen  noch 
bedeckten,  aus  wenigen 
Steinen  lose  zusammen- 
gefügten Feuerstätten, 
nebst  einer  Masse  grob 

zugehauener,  unge- 
schliffener Werkzeuge 
aus  Feuerstein,  Bruch- 
stücken von  einfachen 
Tongefäßen,  Geräten 
aus  Knochen  und  Hörn. 
Die  Hauptmasse  der 
Kjökkenmöddinger  be- 
steht  indessen    aus  Resten  der  Mahlzeiten,    wodurch  wir   einen  überraschenden 

i)  Mit  Skandinavien  meine  ich  überall  in  dieser  Arbeit  nicht  nur  die  Skandinavisch'-  Halb- 
insel, sondern  auch  Dänemark.  —  Mit  dem  Norden«  oder  »dem  Nordischen  Gebiet«  bezeichne  ich 
Skandinavien  und  die  nördlichsten  Teile  Deutschlands,  wo  Altertümer  derselben  Formen  wie  in 
Skandinavien  vorkommen. 

2  A.  P.  Mausen,  S.  Müller,  C.  Neergard,  J.  Petersen,  E.  Kostrup,  K.  J.  V. 
Steenstrup,  H.  Winge,  Affaldsdynger  fra  Stenalderen  i  1». min.uk,  undersögte  for  Nationalmuseet 
(Kopenhagen,  1900).  Vgl.  u.  Almgrcn,  in  Ymer  (Zeitschrift  der  Schwedischen  Gesellschaft  tür 
Anthropologie   und   ( leographie),    1902,  S.  56  folg. 


if. 


■ 


Feuersteinwerkzeug   aus   der  ältesten   Steinzeit.     Bohuslän.     */ 


JO  Die  ältere  Steinzeit. 

Einblick  in  das  tägliche  Leben  der  Menschen  jener  Periode,  in  die  Kultur  des 
Nordens  viele  Jahrtausende  vor  Christus  erhalten. 

Sie  zeigen  uns  ein  Volk,  das,  um  seinen  Unterhalt  zu  beschaffen,  ganz 
auf  Jagd  und  Fischfang  angewiesen  war  und  in  vielen  Hinsichten  den  Wilden, 
welche  die  Europäer  in  der  neuen  Welt  kennen  gelernt  haben,  glich. 

Der  Hauptbestandteil  der  Kjökkenmöddinger  sind  Austernschalen  und 
Schalen  anderer  eßbarer  Muscheln.  Zwischen  ihnen  eingebettet  liegen  Gräten 
und  Knochen  von  Fischen,  Vögeln  und  vielen  Säugetieren,  die  meistens  noch 
heutzutage  eine  begehrte  Jagdbeute  sind :  von  Edelhirschen,  Rehen,  Wildschweinen, 
Bibern,  Ottern,  Seehunden,  Auerochsen,  Bären,  Füchsen,  Wölfen,  Luchsen, 
Mardern,  Wildkatzen  und  anderen  mehr.  Sonderbar  genug  fehlt  das  Renntier, 
das  in  gewissen  Perioden  der  ältesten  Steinzeit  im  westlichen  Europa  allgemein 
vorkam.  Dem  Volk,  das  diese  Reste  hinterließ,  war  der  Hund  einzig  und  allein 
Haustier. 

Die  Flora  damaliger  Zeit  war  der  heutigen  wenig  ähnlich.  Die  Kjökken- 
möddinger haben  sich  nämlich  als  gleichzeitig  mit  dem  Vorherrschen  der  Eichen- 
wälder in  Südskandinavien  herausgestellt.  Erst  später  wird  die  Buche  der  in 
jener  Gegend  vorherrschende  Waldbaum. 

In  Schweden   kommen   keine  Kjökkenmöddinger    mit  Austernschalen  vor 

—  der  Küste  von  Skäne 5)  fehlten  die  Austernbänke  — ,  aber  es  ist  sicher,  daß 
zur  gleichen  Zeit   auch  in  Südschweden  Menschen  lebten.     In  Skäne   hat   man 

—  z.  B.  bei  Limhamn2)  —  Wohnplätze  aus  jener  Zeit  mit  Feuerstein  Werkzeugen 
entdeckt  (Fig.  3  und  4),  welche  vollkommen  dieselbe  Form  aufweisen,  wie  die 
aus  den  Kjökkenmöddingern.  Sie  sind  grob  zugehauen  und  ganz  ungeschliffen; 
die  Schneide  wird  nur  von  dem  scharfen  Winkel  gebildet,  den  die  beiden  mit 
zwei  Schlägen  zurecht  gespaltenen  Breitseiten  gegen  einander  bilden.  Die  beiden 
hier  abgebildeten  Werkzeuge  sind  in  Skäne  gefunden  und  zwar  —  wie  die 
meisten  dieser  Art  —  nicht  weit  von  der  See. 

Wie  zahlreiche  Funde  es  zeigen3),  wurden  die  offenen  nach  dem  Meere 
zu  liegenden  Gegenden  Süd-  und  Westschwedens  zuerst  in  Besitz  genommen. 
Aber  vor  dem  Schluß  der  ältesten  Steinzeit  hatte  auch  das  innere  Land  schon 
seine  Bewohner.  An  verschiedenen  Stellen  der  am  Ufer  des  großen  Sees 
Ringsjön  entdeckten  alten  Wohnplätze  sind  Steinwerkzeuge  von  der  Art  der- 
jenigen der  Kjökkenmöddinger  aufgefunden  worden4).  Und  nicht  nur  in  Skäne 
hat  man  die  charakteristischen  Steinartefakte  der  älteren  Steinzeit  gefunden, 
sondern  ebenso  in  anderen  Teilen  Südschwedens,  besonders  an  der  Westküste. 
Fig.  5  zeigt  ein  Werkzeug  dieser  Art,  die  in  Östergötland,  nicht  weit  vom 
Wetternsee,  gefunden  wurde. 


1)  Die  Namen   sämtlicher   schwedischen   Provinzen    werden    in    dieser   Arbeit   schwedisch    ge- 
schrieben (Skäne,  anstatt  Schonen,   Westergötland  anstatt  Westgotland  usw.) 

2)  K.  Kjellmark,  En  stenäldersboplats  i  Järavallen  vid  Limhamn,  in  der  Antiqv.  tidskr.  f. 
Sv.,  17   (Stockholm,    1903). 

3)  Kjellmark,  Öfversikt  af  Sveriges  stenäldersboplatser,   in  Ymer,   1904,  S.  187 — 225. 

4)  Mänadsblad,    1883,    1885,    1886  und   1889. 


Die  Zeit  der  Kjökkenmöddinger. 


I  I 


Auch  Werkzeuge  aus  anderem  Material  als  Feuerstein  sind  uns  in  Schweden 
wie  in  Dänemark  aus  jener  Zeit  erhalten  geblieben,  darunter  besonders  Hacken 
von  Hörn,  wie  sie  Fig.  6  zeigt. 


3.    Feuersteinwerkzeug  aus  der  älteren  Steinzeit. 
Skäne.     2/3. 


4.    Feuersteinwerkzeug 

aus  der  älteren  Steinzeit. 

Skäne.    2/3. 


5.    Feuersteinwerkzeug  aus  der  älteren 

Steinzeit,   von  zwei   Seiten   gesehen. 

Östergötland.   Ya- 


So  einfach  und  kunstlos  diese  Gegenstände  sind,  anscheinend  so  wertlos 
und  unbedeutend,  daß  sie  erst  in  letzter  Zeit  die  Aufmerksamkeit  der  Forscher 
und  Sammler  auf  sich  lenkten:  sie  haben  in  den  Augen  derer,  die  sich  um 
Schwedens  älteste  Kulturgeschichte  bemühen,  einen  unersetzlichen  Wert,  weil 
sie  Überreste  der  ersten  Einwohner  unseres  Landes  sind.  Sie  erzählen  von 
einem  Volk  auf  der  niedrigsten  menschlichen   Kulturstufe.     Einer  Mehrzahl  von 


I  2  Die  ältere  Steinzeit. 

Jahrtausenden  bedurfte  es,  der  Arbeit  so  vieler  aufeinander  folgender  Genera- 
tionen, bis  von  diesem  niedrigen  Standpunkte  der  erreicht  werden  konnte,  den 
die  Bewohner  von  Schweden  heute  einnehmen!  Es  ist  die  Aufgabe  der  natio- 
nalen Geschichtschreibung,  dem  schwedischen  Volke  Schritt  für  Schritt  auf 
der  langen  Wegstrecke  zu  folgen,  deren  Anfang  als  die  älteste  Steinzeit  und 
deren  Ende  als  das  Zeitalter  der  Elektrizität  bezeichnet  wird. 

Langsam  ging  das  Aufwärtsschreiten  vor  sich,  und  sicherlich  am  langsamsten 
im  Anfang.  Aber  selbst  in  der  Steinzeit  ist  eine  aufsteigende  Entwickelung 
zu  verfolgen,  um  so  mehr  wert  beachtet  zu  werden,  je  ärmlicher  die  Mittel 
waren,  die  zur  Verfügung  standen.  Um  uns  zu  überzeugen,  daß  wirklich  schon 
in  der  ersten  Periode  unserer  Geschichte  ganz  bedeutende  Fortschritte  gemacht 
wurden,  brauchen  wir  nur  die  äußerst  groben  Feuersteinwerkzeuge  der  ältesten 
Steinzeit  mit  den  feinen,  von  einem  wunderbar  hohen  Grad  von  Geschicklich- 
keit zeugenden  Arbeiten  des  späteren  Teils  der  Steinzeit  zu  vergleichen. 

Noch  können  wir  wohl  nicht  genau  bestimmen,  wann  die  Steinzeit  in 
Schweden  anfing,  wann  Schweden  zuerst  von  Menschen  betreten  ward.  Aber 
so  viel  ist  aus  den  Untersuchungen  der  letzten  Jahre  hervorgegangen,  daß  die 
erste  Besiedelung  des  Landes  viel  mehr  als  achttausend  Jahre  vor  Christi  Geburt 
zurückliegt,  mehr  als  zehntausend  Jahre  vor  der  Gegenwart,  und  daß  der  Schluß 
der  älteren  Steinzeit  und  folglich  der  Beginn  der  jüngeren  Steinzeit  erst  in  das 
fünfte  Jahrtausend  vor  Christi  Geburt  fällt.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  sind 
diese  Zahlen  noch  zu  niedrig  angesetzt. 


6.    Hornhacke.    Skäne.    V3 


II   DIE  JÜNGERE  STEINZEIT 

(vom  fünften  bis  zum  Anfang  des  zweiten  Jahrtausends  vor  Christi  Geburt). 


1.   Lebensweise. 

a  wir  nun  versuchen  wollen,  mit  Hilfe  der  verstreuten  Überreste,  die 
sich  von  so  ferner  Zeit  bis  heute  erhalten  haben,  uns  von  der  Kultur 
unseres  Volkes  in  diesen  frühen  Zeiten  ein  Bild  zu  machen,  müssen 
wir  in  Betracht  ziehen,  daß  das  meiste,  was  aus  jener  Zeit  erhalten  blieb,  nur 
über  einige  Seiten  des  damaligen  Lebens  Aufklärungen  gibt.  Mit  wenigen  Aus- 
nahmen ist  alles,  was  aus  organischen  Stoffen  gefertigt  war,  zerstört:  alle 
Kleider,  alle  Wohnhäuser,  Hausgeräte  und  Werkzeuge  aus  Holz.  Nur  ein  ganz 
geringer  Teil  der  Arbeiten  ist  erhalten,  die  aus  Stein  oder  anderen  weniger  der 
Zerstörung  preisgegebenen  Stoffen  bestanden. 

Wären  wir  ausschließlich  auf  die  Überreste  der  Steinzeit  angewiesen,  die 
die  schwedische  Erde  bietet,  so  würde  das  Bild,  das  wir  uns  von  dem  Leben 
unserer  Vorfahren  zu  machen  suchen,  recht  unvollständig  sein.  Glücklicher- 
weise sind  wir  imstande  dem  Mangel  abzuhelfen.  Durch  eine  Vereinigung 
ungewöhnlich  günstiger  Verhältnisse  ist  in  anderen  europäischen  Ländern  das 
erhalten  geblieben,  was  bei  uns  fehlt.  Besonders  die  Ruinen  der  schweizer 
Pfahlbauten  —  Dörfer  auf  Pfählen  im  Wasser  nah  am  Strande  der  Seen  — 
geben  uns  einen  Einblick  in  das  Leben  der  Steinzeit,  wie  es  niemand  Mitte 
des  vorigen  Jahrhunderts  hatte  ahnen  können.  Außerhalb  Europas  hat  man 
auch  viele  Völker  kennen  gelernt,  welche  noch  in  jüngster  Zeit  die  Metalle 
nicht  kannten  und  fast  unter  denselben  Verhältnissen  wie  die  Einwohner 
Schwedens  während  der  Steinzeit  lebten. 

Daß  ungeachtet  dessen  noch  viele  Fragen  über  unsere  Steinzeit  offen 
bleiben,  dürfte  nicht  überraschen.  Wir  können  auch  hoffen,  daß  zukünftige 
Funde  und  Untersuchungen  über  vieles  Aufklärung  geben  werden,  was  uns  jetzt 
noch  dunkel  und  unerklärlich  erscheint. 

Wir  haben  gesehen,  daß  die  ältesten  Funde  im  Norden  von  einem  Volk 
berichten,  das  für  seinen  Unterhalt  ausschließlich  auf  Jagd  und  Fischfang  an- 
gewiesen war.  Langt'  Zeiten  haben  wohl  diese  Verhältnisse  so  fortgedauert, 
aber  daß  ein  solcher  Zustand  nicht  die  notwendige  Folge  der  Unkenntnis  der 


14 


Die  jüngere  Steinzeit. 


Metalle  ist  und  daß  auch  ein  Volk  der  Steinzeit  Viehzucht  und  Ackerbau  be- 
treiben kann,  lehrt  die  Erfahrung  vieler  europäischer  und  außereuropäischer 
Länder. 

Es  ist  daher  nicht  weiter  überraschend,  daß  schon  das  Volk  der  jüngeren 
Steinzeit  in  Schweden  Haustiere  hatte.  In  Gräbern  und  Überbleibseln  von 
Wohnstätten  aus  jener  Zeit  hat  man  Knochen  von  Hunden,  Rindern,  Pferden, 
Schafen,  Ziegen  und  Schweinen  gefunden.  Die  Umstände,  unter  denen  man 
sie  fand,  waren  solche,  daß  ein  Zweifel  über  ihre  Zugehörigkeit  zur  Steinzeit 
nicht  aufkommen  kann;  ebenso  unzweifelhaft  ist  es,  daß  diese  Knochen  von 
gezähmten  Tieren  herrühren.  Haustiere  waren  zu  der  Zeit  im  Norden  sogar 
ganz  allgemein.1) 


8.    Handmühle  von  Stein.    Westergötland.    !/8 


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7.    Sichel  von  Feuerstein  mit 
Holzgriff.    Dänemark.    i/i. 


9.    Getreidemahlen  in  Südafrika. 


Daß  die  in  der  älteren  Steinzeit  unbekannte  Viehzucht  in  der  jüngeren 
Steinzeit  auftritt,  ist  von  großer  Wichtigkeit,  nicht  nur,  weil  es  eine  höhere 
Lebensstufe  der  Bevölkerung  bedeutet,  sondern  auch,  weil  daraus  die  Verbindung 
Schwedens  mit  anderen  Ländern  hervorgeht,  da  man  doch  die  Haustiere  un- 
möglich als  in  unserem  Land  heimisch  ansehen  kann. 

Diese  dürfen  vielmehr  als  die  älteste  der  vielen  unschätzbaren  Gaben  be- 
trachtet werden,   die  Europa   vom  Orient    erhielt.     Andere   solche  Gaben   sind 


1)  Von  23  dänischen  Knochenpfriemen  aus  der  Steinzeit  waren  nur  2  von  Rehknochen,  20 
von  Schafen  und  1  von  einer  Ziege.  —  Memoires  de  la  Societe  R.  des  Antiquaires  du  Nord,  1889, 
S.  398.  —  Vgl.  Sveriges  forntid  (Text),  S.  103. 


Lebensweise. 


15 


die  verschiedenen  Getreidearten  und  später  nacheinander  Kupfer,  Bronze,  Eisen 
und  die  Schrift  —  um  nur  einige  Beispiele  zu  nennen. 

Die  Überreste  schweizer  Pfahlbauten  beweisen,  daß  Weizen,  Gerste,  Hirse 
und  Flachs  dort  in  der  Steinzeit  gebaut  wurden.  Auch  in  Schweden  reicht 
der  Ackerbau  bis  in  die  Steinzeit  zurück.  An  der  Oberfläche  von  Tongefäßen, 
deren  einheimischer  Ursprung  nicht  angezweifelt  werden  kann,  hat  man  Ab- 
drücke von  Körnern  und  Ähren  von  Hirse,  Gerste  und  Weizen  beobachtet. 
Fig.  7  zeigt  eine  aus  einem  dänischen  Torfmoor  ausgegrabene  Sichel  von  Holz 
und  Feuerstein,  wie  sie  zum  Schneiden  des  Getreides  benutzt  wurde.  Außer- 
dem hat  man  verschiedene  Handmühlen  (Fig.  8)  ältester  Form  unter  Umständen 
gefunden,  die  zweifellos  auf  die  Steinzeit  hinweisen.  Ähnliche  Handmühlen 
werden  noch  heute  von  vielen  Völkern  auf  niedriger  Kulturstufe  angewendet. 
Wie  das  geschieht,  zeigt  Fig.  9. 

Eine  der  wesentlichsten  Voraussetzungen  des  Ackerbaues  ist  eine  seßhafte 
Bevölkerung.  Daß  diese  Voraussetzung  im  Schweden 
der  jüngeren  Steinzeit  erfüllt  war,  beweisen  die  mäch- 
tigen Gräbermonumente  jener  Zeit,  die  trotz  aller  Zer- 
störung noch  heute  in  großer  Anzahl  vorhanden  sind. 
Der  Bau  dieser  aus  Steinblöcken  errichteten  Gräber, 
die  uns  oft  durch  ihre  Größe  in  Erstaunen  setzen, 
erforderte  die  gemeinschaftliche  Arbeit  einer  größeren 
Anzahl  Menschen,  und  scheint  ohne  den  Anfang  von 
geordneten  Gemeindeverhältnissen  kaum  erklärlich. 
Daß  diese  Gräber  an  vielen  Orten,  wie  z.  B.  in  der 
Gegend  von  Falköping,  in  größerer  Anzahl  nahe  bei- 
einander vorkommen,  verstärkt  den  Beweis,  daß  die 
Bevölkerung  in  jener  Zeit  bereits  seßhaft  war. 

Selbst  die  besten  Wohnstätten  der  Steinzeit  waren  hier  im  Norden  nur 
einfache  Hütten.  Wo  solche  gestanden  haben,  kann  man  vielfach  an  den 
Feuerstätten,  die  noch  vorhanden  sind,  sehen.  Manchmal  scheinen  die  Hütten 
etwas  höher  gelegen  zu  haben  als  der  sie  umgebende  Boden,  indem  die  Über- 
reste der  Feuerstätten  auf  kleinen  Erhöhungen  sich  befanden;  oft  waren  sie 
jedoch  in  den  Boden  versenkt.  Wir  finden  dann  runde  oder  länglich  runde 
Vertiefungen,  gewöhnlich  mit  einem  steingepflasterten  Fußboden,  der  einige 
Fuß  unter  der  heutigen  Erdoberfläche  liegt  (Fig.  io).1)  Die  dunkle  Erde,  die 
die  Vertiefung  jetzt  ausfüllt,  enthält  aufgelöste  organische  Stoffe,  Kohlenstücke, 
gebrannte  Steine  und  Tierknochen,  beschädigte  Steinwerkzeuge  und  Abfalle  vom 
Behauen  des  Feuersteins,  alles  Dinge,  die  man  auf  dem  Boden  einer  Steinzeit- 
hütte vorzufinden  erwarten  darf. 

Ganz  ebensolche  Wohnstätten  mit  gleichem  Inhalt  sind  in  anderen  euro- 
päischen Ländern  bekannt,  besonders  im  nördlichen  Italien,  wo  man  sie  oft  in 
großer  Anzahl  nebeneinander  antrifft.      Überall   war  die  runde  Form   allgemein 


10.    Boden  einer  Hütte  aus 

der  Steinzeit;   Grundriß  und 

Durchschnitt.    Bohuslän. 


1)  Almgren,  Sveriges  fasta   fornlämningar,  S.  9. 


j(5  Die  jüngere  Steinzeit. 

vorherrschend  und  hat  sich  sehr  lange  erhalten.  Die  Hütten  der  Germanen 
auf  römischen  Siegesmonumenten  aus  dem  ersten  Jahrhundert  n.  Chr.  sind 
noch  rund. *) 

Gewöhnlich,  wenn  auch  nicht  immer,  waren  die  Hütten  der  Steinzeit  nicht 
aus  liegenden  Balken  gezimmert,  wie  die  Häuser  späterer  Zeiten,  oder  aus  auf- 
gestellten Planken  erbaut,  wie  die  Stabkirchen  des  Mittelalters,  sondern  sie 
waren  auf  dieselbe  Art  aufgeführt,  wie  die  in  gewissen  Gegenden  von  Schweden 
noch  heute  vorkommenden  Klenhusen  .  Das  Skelett  eines  solchen  Gebäudes 
ist  von  Holzpfosten  und  dünnen  ineinander  geflochtenen  Asten  und  Zweigen 
gebildet  und  die  Wände  sind  innen  wie  außen  mit  einer  dicken  Lage  Ton 
verklebt.  Wenn  das  Feuer  eine  solche  Hütte  zerstört,  so  wird  der  sie  beklei- 
dende Ton  gebrannt.  Die  herabfallenden  Tonstücke  müssen  dann,  weil  sie 
gebrannt  sind,  ihre  Form  bewahren.  Und  so  hat  man  wirklich  solche  Tonstücke 
bei  uns  gefunden,  die  auf  der  einen  Seite  Abdrücke  von  Asten  und  Zweigen, 
auf  der  anderen  Seite  Abdrücke  der  Finger,  die  vor  Jahrtausenden  die  Wand 
geklebt  haben,  zeigen.  Die  Umstände,  unter  denen  sie  angetroffen  wurden,  er- 
lauben keinen  Zweifel,  daß  sie  aus  der  Steinzeit  stammen. 

Möglich  ist  auch,  daß  Wohnhäuser  von  ungefähr  derselben  Form  wie  die 
unter  dem  Namen  »Ganggräber«  bekannten  Gräber  (Fig.  78)  in  jener  Zeit  hier 
vorkamen.  Im  nördlichsten  Teil  der  Skandinavischen  Halbinsel  leben  noch 
einige  Lappen  in  ähnlichen  Hütten,  von  ihnen   »Gammer«   genannt. 

Die  Völker  Mitteleuropas  wohnten,  wie  wir  gesehen  haben,  während  der 
jüngeren  Steinzeit  vielfach  in  Dörfern,  die  auf  Pfählen  in  die  Seen  hinausgebaut 
waren.  Im  nördlichen  Deutschland  hat  man  entschieden  Reste  solcher  Pfahl- 
bauten angetroffen,  aber  von  Schweden  sind  Funde  dieser  Art  unbekannt. 

Dagegen  hat  sich  gezeigt,  daß  in  Schweden  wie  auch  in  vielen  anderen 
europäischen  Ländern  ein  Teil  des  Volkes  der  Steinzeit  sich  damit  begnügte, 
von  der  Natur  gebildete  Höhlen  zu  bewohnen.  Solche  Höhlen  sind  in  Skäne 
entdeckt  worden,2)  und  die  geräumige  Höhle  »Stora  Förvar«,  auf  der  Insel 
Stora  Karlsö  westlich  von  Gotland  ist  lange  Zeit  bewohnt  gewesen.3) 

Man  fand  nämlich  in  dieser  Grotte  Schichten  von  ungefähr  3,5  m  Mächtig- 
keit aus  Kohlen  und  Asche  mit  eingelagerten  Tierknochen  und  Artefakten. 
Die  obersten  Schichten  rühren  zwar  von  Leuten  her,  die  die  Grotte  in  der 
späteren  heidnischen  Zeit  bewohnten.  Aber  der  darunterliegende  unvergleichlich 
größere  Teil  der  Anhäufung  von  beinahe  3  m  Tiefe  stammt  aus  der  Steinzeit 
und  enthielt  zuoberst  Knochen  von  den  gewöhnlichen  Haustieren  (merkwürdig 
genug  keine  Hundeknochen),  gemischt  mit  Gräten  von  Fischen  und  Knochen 
von  Seehunden;  in  den  untersten  Schichten  kommen  dagegen  nur  die  letzteren 
Arten  und  keine  Haustiere  mehr  vor.     Außer  den  Knochen   findet  man  große 


1)  Montelius,  Zur  ältesten  Geschichte  des  Wohnhauses  in  Europa,  speziell   im  Norden,  im 
Archiv  für  Anthropologie,  Bd.  XXIII  (1895),   S.  451  folg. 

2)  G.   Retzius    und    H.   Wallengren,    Arkeologiska    undersökningar  i    grottor  ä  Kullaberg 
i  Skäne,  in  Ymer,   1903,  S.  143  folg. 

3)  H.  Hildebrand    und   G.   Retzius,   in  Ymer,    1890,   S.  276,   285,   286. 


Lebensweise. 


17 


Massen  von  zerbrochenen  Tongefäßen  aus  der  jüngeren  Steinzeit,  Äxte  und 
anderes  Gerät  aus  Stein,  Pfrieme,  Pfeil-  und  Harpunspitzen,  auch  Angelhaken 
aus  Knochen,  eine  Art  Messer  von  Wildschweinzähnen  und  andere  Gegenstände. 
Reste  von  Feuerstätten  befanden  sich  an  vielen  Stellen,  sowohl  an  den  Wänden 
der  Grotte,  wrie  auch  in  deren  Mitte.  Alle  Zeichen  deuten  darauf  hin,  daß 
die  Grotte  in  der  jüngeren  Steinzeit  während  des  ganzen  Jahres  bewohnt  war. 

Besondere  Aufmerksamkeit  verdienen  die  hauptsächlich  in  den  oberen 
Steinzeitschichten  angetroffenen  Menschenknochen.  Diese  rühren  nicht  von 
Begräbnissen  her  und  bilden  keine  vollständigen  Skelette,  nicht  einmal  größere 
Teile  davon.  Sie  waren  immer  zerstreut  und  gespalten  oder  auf  andere  Weise 
zerstückt  und  gegen  die  Wände  der  Grotte  geworfen,  Umstände,  die  den  Ge- 
danken aufkommen  lassen,  daß  Menschenfresser  in  der  Grotte  gewohnt 
haben.  Dies  ist  um  so  weniger  überraschend,  da  der  in  unseren  Augen  so  schreck- 
liche Brauch,  Menschenfleisch  zu  essen,  einmal  auf  der  Erde  allgemein  gebräuchlich 
war.  Historische  Hinweise  erzählen  von  diesem  Brauch  in  gewissen  Teilen 
Europas  noch  nach  dem  Schluß  der  Steinzeit. 

Von  Hausgeräten  ist  kaum  etwas  anderes  erhalten  geblieben  als  einige 
Toneefäße,  deren  mehrere  offenbar  als  Kochtrefäße  verwendet  worden  sind. 
Der  Ruß,  der  sich  noch  jetzt  hier  und  da  an  ihnen  vorfindet,  zeugt  davon 
mit  Bestimmtheit. 

Die  Feuerstellen  in  den  Kjökkenmöddingern  ergeben  ebenfalls,  daß  die 
Nordbewohner  schon  in  der  ältesten  Steinzeit  ihre  Nahrung  zu  kochen  ver- 
standen. In  einer  Zeit,  da  es  weder  Zündhölzer  noch  Feuerstahl  gab,  war  es 
nicht  leicht,  ein  Feuer  anzumachen.  Man  konnte  das  nur  entweder  durch  ein 
schnelles  Aneinanderreihen  zweier  vollkommen  trocknen  Holzstücke  —  wie  viele 
»wilde«  Völker  noch  in  den  spätesten  Zeiten  taten  —  oder  mit  Hilfe  von  Feuer- 
stein und  Schwefelkies,  die  ungefähr  wie  Stahl  und  Feuerstein  verwendet  wurden 
und  in  verschiedenen  Funden  aus  der  Steinzeit  zusammen  vorkommen. 

Als  eine  Erinnerung  an  jene  Zeit,  in  der  Feuer  nur  durch  mühsames 
Reiben  zweier  trockner  Holzstücke  hervorgebracht  wurde,  kann  man  die  Rolle 
betrachten,  die  das  »Feuerreiben«  in  unserem  Land  noch  bei  Beschwörungen 
spielt,  und  auch  der  bei  manchen  Völkern  bestehende  Brauch,  ein  ewiges  Feuer 
zu  unterhalten,  scheint  zuerst  aus  praktischen,  später  aus  religiösen  Gründen 
gegolten  zu  haben.  Wenn  dieses  heilige  Feuer  einmal  ausging  und  wieder 
von  neuem  angemacht  werden  mußte,  so  durfte  das  vielfach  nur  durch  Reiben 
geschehen. 

Noch  in  späten  Zeiten  war  die  Kunst  der  Töpferei  vielen  Völkern  gewiß 
unbekannt.  Die  in  den  Kjökkenmöddingern  gefundenen  Stücke  grober  Ton- 
gefäße zeigen  indessen,  daß  bei  uns  schon  in  der  ältesten  Steinzeit  diese 
wichtige  Kunst  bekannt  war,  aber  freilich  in  den  Kinderschuhen  stand.  Eine 
große  Anzahl  in  Gräbern  —  besonders  in  Skäne  —  gefundener  Tonj 
(Fig.  11  und  12)  zeigen,  daß  die  Nordländer  in  der  späteren  Steinzeit  ganz  be- 
deutende Fortschritte  in  dieser  Kunst  gemacht  haben,  was  Feinheit  des  Toih, 
Form  und  Ornamente  betrifft.     Außer  diesen   feineren  Tongefäßen   findet  man 

BfontelillS,   Kulturgeschichte   Schwellen«-  Z 


iS 


Die  jüngere  Steinzeit. 


indessen  oft  in  Gräbern  aus  derselben  Zeit  auch  gröbere  Töpfe,  die  denen  der 
älteren  Zeit  mehr  gleichen. 

Selbst  die  besseren  Töpfereien  unserer  Steinzeit  sind  aus  mehr  oder  weniger 
ungeschlemmtem  Ton.  Sie  sind  in  freier  Hand  geformt,  ohne  Hilfe  einer  Dreh- 
scheibe, und  in  offenem  Feuer  gebrannt.  Die  auf  diesen  Gefäßen  angebrachten 
Ornamente  waren  oft  mit  einer  weißen  kreideartigen  Masse  ausgefüllt.  Viele 
Tongefäße  der  Steinzeit  sind  nach  unten  zu  schmaler  und  abgerundet,  so~daß 
sie  nicht  stehen  können.  Die  an  ihnen  gewöhnlich  vorkommenden  Löcher  oder 
kleinen  Henkel  beweisen  auch,  daß  beabsichtigt  war,  sie  über  dem  Feuer  auf- 
zuhängen oder  an  Riemen  zu  tragen.     Nicht  selten  haben  sie  einen  Deckel. 


n.    Tongefäß.    Blekinge.    ljt 


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13.    Holzlöffel.    Dänemark. 


14.    Tierbild  auf  einer  in  Skäne  gefundenen 
Hornhacke.    1/1. 


12.    Tongefäß.    Skäne.    J/2. 


15.    Elentier  von  Ton.    Uppland.    *jv 


Daß  man  auch  Holzgefäße  benutzt,  ist  selbstverständlich;  in  einigen 
dänischen  Funden  aus  der  Steinzeit  hat  man  auch  Holzgefäße  und  einen  Holz- 
löffel (Fig.   13)  angetroffen. 

Die  Tongefäße  aus  der  Steinzeit  haben  für  uns  einen  besonderen  Wert, 
weil  sie  uns  beinahe  die  einzigen  Proben  nordischer  Ornamentik  der  Steinzeit 
erhalten  haben.  Diese  war,  wie  die  hier  abgebildeten  Tongefäße  zeigen,  sehr 
einfach  und  bestand  nur  aus  geraden  Linien,  Zickzacklinien,  Rechtecken,  die 
mit  Parallelstrichen  ausgefüllt  sind,  und  ähnlichem. 


Lebensweise. 


19 


Aus  der  nordischen  Steinzeit  kennt  man  nur  wenige  Abbildungen  von 
Tieren. 

Zwei  Rehe  sind  auf  einer  Hornaxt  zu  sehen,  die  aus  einem  Torfmoor  in 
Skäne  stammt;  das  eine  Tier  ist  in  Figur  14  (Originalgröße)  wiedergegeben. 
Einige  zwischen  den  Tierbildern  eingeritzte  Ornamente  sind  charakteristisch  für 
einen  späteren  Teil  der  jüngeren  Steinzeit. 

Ein  in  Ton  geformtes  Kientier  (Fig.  15)  wurde  neuerdings  auf  einem  Wohn- 

o 

platze  aus  dieser  Zeit  bei  Aloppe  in  Uppland  ausgegraben.  Das  Bild  ist  sehr 
klein  und  das  Tier  selbst  nur  angedeutet,  aber  der  Kopf  ist  auffallend  geschickt 
und  realistisch  dargestellt. 

Auf  einem  gotländischen  Wohnplatz  aus  der  Steinzeit  hat  man  einen 
knöchernen  Kamm  gefunden  mit  einem  Pferde-  und  einem  Menschenkopf  (Fig.  16). 

Von  Kleidern  aus  der  jüngeren  Steinzeit  hat  man  bei  uns  keine  Überreste 
gefunden.  Dieselben  waren  wahr- 
scheinlich nicht  nur  aus  Fell  und  Leder, 
sondern  auch  aus  Wolle,  da  das  Schaf, 
wie  wir  gesehen  haben,  damals  hier 
schon  heimisch  war.  In  der  Schweiz 
baute  man  wohl  schon  in  der  Stein- 
zeit Flachs,  und  in  Resten  eines  Pfahl- 
baues aus  jener  Zeit  hat  man  ein 
kleines  Stück  ganz  feinen  Leinens  ge- 
funden. Aber  für  den  Norden  hat 
man  keine  Anzeichen,  daß  Flachs 
oder  Leinen  in  jener  Periode  bekannt 
waren.  Immerhin  läßt  sich  auch  das 
Gegenteil  nicht  beweisen. 

Mitteleuropäische  Funde  aus  der 
Steinzeit  enthalten  oft  Spinn  wirtel,  welche  zeigen,  daß  die  Kunst  des  Spinnens  mit 
einer  Spindel  dort  schon  damals  bekannt  war.  Wie  weit  die  Verwendung  von 
Spindeln  in  unserem  Land  zurückreicht,  ist  ungewiß.  Spinnwirtel  aus  der  Steinzeit 
sind  weder  in  Schweden  noch  in  Dänemark  gefunden  worden.  Auch  hier  beweist 
die  bloße  Negative  aber  nichts,  da  ja  Spindeln  mit  Holzwirteln  noch  sehr  spät  in 
gewissen  Gegenden  von  Schweden  verwendet  wurden  und  man  füglich  nicht  er- 
warten kann,  daß  ein  so  leicht  vergängliches  Material  sich  durch  Jahrtausende  kon- 
serviert hätte.  Übrigens,  wenn  selbst  der  Gebrauch  von  Spindeln  noch  nicht  bis 
Schweden  vorgedrungen  war,  so  würde  daraus  noch  nicht  folgen,  daß  die  Kunst 
des  Spinnens  damals  hier  unbekannt  gewesen  wäre.  Auch  aus  unserer  Bronzezeit 
hat  man  keine  Spindeln  gefunden,  und  doch  waren  damals  Wollstoffe  aus  hier 
im  Norden  gesponnener  Wolle  nachweislich  im  Gebrauch.  Es  gibt  nämlich  ein 
Spinngerät  noch  einfacher  als  die  Spindel,  das  selbst  heute  in  abgelegenen 
Teilen  unseres  Landes  benutzt  wird  (Fig.  17) 1).    Den  langen  Zweig  a  hält  man 

1)    G.    J:son    Karlin,    in   Studiir    tillägnade    Oscar    Montelius    af    lärjungai      S        aolm, 
1903),  S.  200. 


16.    Kamm  von  Knochen.    Gotland.    -' 


20 


Die  jüngere  Steinzeit. 


in  der  rechten  Hand,  während  die  Linke  die  Wolle  (das  Leinen  oder  die  Rinder- 
haare) bereitet,  die  bei  c  befestigt  wird;  mit  Hilfe  der  rechten  Hand  wird  der 
Haken  herumgedreht.  Das  fertig  gesponnene  Garn  wird  um  b  herum  auf- 
gewickelt. 

Die  zur  Bekleidung,  Zeltbedachung  und  ähnlichen  Zwecken  bestimmten 
Felle  wurden  gereinigt  und  mit  dem  Feuersteinschaber  (Fig.  18)  bereitet.  Diese 
Schaber  sind  auf  der  Unterseite  flach  und  auf  der  Oberseite  mehr  oder  weniger 
uneben  und  haben  eine  abgerundete,  durch  kleine  Schläge  entstandene  Schneide. 
Die  meisten  haben  nicht  wie  der  hier  abgebildete  einen  Griff  von  Feuerstein, 
sondern  sind  kurz,  oft  beinahe  rund,  und  steckten  in  einem  Griff  von  Holz  oder 
Knochen,  wie  die  von  den  Eskimos  in  späteren  Zeiten  benutzten  Steinschaber. 


17- 
Moderner  Spinnhaken 
von  Holz.  Schweden.  1/4. 


18. 

Feuersteinschaber. 

Bohuslän.  1/2. 


19. 

Knochenpfriemen. 
Westergötland.  *-\%. 


20.   Knochennadel. 
Westergötland.  1/1. 


Viele  von  den  in  großer  Anzahl  bei  uns  gefundenen  Feuersteinwerkzeugen 
dieser  Art  sind  doch  ohne  Zweifel  auch  zu  anderen  Zwecken  verwendet  worden, 
z.  B.  anstatt  Hobeln,  um  Holz  zu  glätten. 

Die  Fellbekleidungen  wurden  wahrscheinlich  mit  aus  Sehnen  gefertigten 
Fäden   zusammengenäht,    so  wie  Eskimos  und  Lappen  es  noch  heute  machen. 

Die  Verarbeitung  der  Sehnen  des  Renntiers  zu  Fäden  wird  in  folgender 
Weise  beschrieben1):  »Die  Sehnen,  die  sich  an  den  Vorderfüßen  des  Renntiers 
finden,  pflegt  man,  wenn  sie  nicht  sofort  verwendet  werden,  trocken  zu  ver- 
wahren, um  sie  später  zu  Fäden  zu  verarbeiten.  Die  entsprechenden  Hinter- 
beinsehnen gelten  als  geringer,  weil  sie  gröber  sind,  und  werden  mehr  als 
Schnur    verwendet.     Die    getrockneten    Sehnen    werden    in    Wasser    geweicht, 

1)   G.   von  Düben,   Om   Lappland   och  lapparne  (Stockholm,    1873),   S.    1 3 1 . 


Lebensweise. 


21 


frische  direkt  behandelt.  Erst  werden  sie  geklopft  und  dadurch  aufgelockert, 
danach  werden  sie  mit  den  Zähnen  in  lange  Fäden  zerschlissen,  immer  feiner 
und  feiner.  Hierauf  werden  sie  nochmals  gründlich  aufgeweicht,  erwärmt  und 
mit  Mark  oder  irgend  einem  anderen  Fett  eingerieben,  bis  sie  so  glatt  und 
geschmeidig  werden  wie  möglich.  Dann  wird  jeder  Faden  zugespitzt  und 
nacheinander  durch  Löcher  von  verschiedener  Feinheit  gezogen,  die  zu  diesem 
Zweck  in  Scheiben  von  Metall,  oder  häufiger  von  Holz  oder  Knochen,  be- 
sonders aus  den  bandförmigen  Vorderschaufeln  der  Renntiergeweihe,  gebohrt 
sind.  Durch  ein  solches  Durchziehen  werden  die  Fäden  glatt  und  gleichmäßig 
und,  durch  immer  kleinere  Löcher  gezogen,  zuweilen  äußerst  fein.  Zwei  solcher 
Fäden  werden  mit  der  Hand  gegen  die  Backen  oder  Schenkel  zusammen  ge- 
zwirnt, indem  man  sie  ab  und  zu  mit  Speichel  anfeuchtet.  Man  braucht  auch 
nicht  überall  solche  Löcher  zum  Durchziehen,  sondern  behilft  sich  mit  den 
bloßen  Zähnen  und  Händen,  wenn  auch  die  Fäden  dabei  nicht  so  gleichmäßig 
und  schön  werden.« 


21.     Bernsteinknopf,  von  zwei   Seiten  gesehen;   mit   V-Bohrung.     Bohuslän.    l/l. 


In  schwedischen  Gräbern  aus  der  Steinzeit  findet  man  nicht  selten  Knochen- 
pfrieme (Fig.  19),  von  denen  die  meisten  wahrscheinlich  angewendet  wurden, 
um  beim  Xähen  von  Fellen  und  Leder  Löcher  für  die  Fäden  zu  bohren.  Da- 
gegen hat  man  bei  uns  noch  keine  Nähnadeln  aus  jener  Zeit  gefunden.  In 
Frankreich  und  England  hatte  man  schon  in  der  älteren  Steinzeit  ganz  feine 
Nähnadeln  aus  Knochen,  die  mit  einem  kleinem  Auge  am  obersten  Ende  ver- 
sehen sind  und  unseren  heutigen  Nähnadeln  gleichen.  Man  hat  in  französischen 
Höhlen  aus  der  erwähnten  Zeit  an  einem  Ende  fein  zugespitzte  Feuersteinspäne 
gefunden,  welche  sicher  dazu  dienten,  die  Augen  der  Nadeln  zu  durchbohren. 
Ähnliche,  wenn  auch  gröbere  Knochennadeln  wurden  in  Grönland  noch  Anfang 
vorigen  Jahrhunderts  gebraucht-  Sir  John  Ross  schreibt  1S19  von  den  grön- 
ländischen Frauen,  sie  nähten  mit  Nadeln  aus  Elfenbein  und  Fäden  von  See- 
hundsehnen; die  Nähte  seien  so  fein,   daß  man  sie  kaum   sieht. 

Die  Kleider  werden  mit  knöchernen  Nadeln  zusammengehalten,  die  ge- 
wöhnlich durchbohrt  sind  und  oft  große,  sogar  scheibenförmige  Köpfe  haben 
(Fig.  20).  Auch  Knöpfe  von  Bernstein  (Fig.  21)  und  Stein,  mit  eigentümlicher 
V-förmiger  Bohrung,  kommen   vor. 


22 


Die  jüngere  Steinzeit. 


Als  Zierate  und  ruhmreiche  Erinnerungen  an  Jagden  oder  als  Amulette 
wurden  durchbohrte  Zähne  von  Bären  (Fig.  22),  Wölfen,  Wildschweinen  und 
anderen  Tieren  getragen.  Das  war  ein  gewöhnlicher  Brauch  innerhalb  wie 
außerhalb  Europas,  in  der  Steinzeit  wie  in  späteren  Perioden.  In  schwedischen 
Funden  aus  der  Steinzeit  kommen  auch  Hängezierate  von  Knochen  vor,  welche 
wie  solche  Zähne  aussehen  (Fig.   27). 

Der  vornehmste  Schmuck  in  dieser  Zeit  waren  übrigens  andere  Zierate 
und  Perlen  aus  Knochen  und  Bernstein.  Erst  gegen  Ende  der  Steinzeit  hat 
das  Gold,  wie  eine  große  Seltenheit,  den  Weg  zu  uns  gefunden.  In  einem  bei 
Hjällby  in  Westergötland  entdeckten  Grab  aus  der  letzten  Periode  der  Steinzeit 
fand  man  vor  einigen  Jahren  eine  kleine  spiralförmig  gearbeitete  Perle  aus  Gold- 
draht (Fig.  24).  Perlen  von  Glas  wurden  hingegen  im  Norden  erst  während 
der  Bronzezeit  bekannt. 


24.    Goldperle. 
Westergötland,    1/J. 


23.  Bernsteinperle. 
Westergötland.  1/1. 


22.    Durchbohrter 

Bärenzahn. 
Westergötland.  2/3. 


26.     Bernsteinperle. 
Westergötland.    1/1. 


25.  Hängezierat  von  Knochen, 
von  zwei  Seiten  gesehen. 
Westergötland.    ijv 


27.    Zahnähn- 
licher Hänge- 
zierat von 
Knochen,  mit 
Durchschnitt. 
Skäne.  i/j. 


Die  Küsten  der  Ostsee,  auch  die  von  Skäne,  boten  anstatt  dessen  Bern- 
stein, den  die  südlichen  Völker  Europas  mit  großem  Kostenaufwand  vom  Norden 
holen  ließen.  Fig.  26  zeigt  eine  damals  sehr  gebräuchliche  Form  von  Bern- 
steinperlen1). In  einem  Ganggrab  bei  Falköping  lag  eine  Bernsteinperle  in  Form 
der  gewöhnlichen  Steinäxte  mit  einem  Loch  für  den  Stil  (Fig.  23);  andere 
Hängezieraten  von  Bernstein  oder  Knochen  (Fig.  25)  gleichen  mehr  oder  weniger 
solchen  Äxten,  die  ausgeschweifte  Schneiden  an  beiden  Seiten  haben. 

Selbst  die  weit  von  der  Bernsteinküste  entfernten  Ganggräber  in  Wester- 
götland bergen  oft  Bernsteinperlen  in  Menge.  In  einem  solchen  Grab  ganz 
nahe  bei  Falköping  fand  man  1868  über  zweihundert  solcher  Perlen.  In  den 
einer  späteren  Zeit  angehörenden  Gräbern,  die  unter  dem  Namen  »Steinkisten- 
gräber«   bekannt    sind,    hat   man   hingegen   höchst  selten  Bernstein  angetroffen, 


1)  N.  G.  Bruzelius,    Beskrifning  öfver    fornsaker    funna  i  Skäne  (Lund,    1850),  Taf.  I. 
H.  Werner,  Antiqvariska  berättelser,    I,  Taf.  II;  II,  Taf.  II  und  III. 


Lebensweise. 


23 


was  besonders  beachtenswert  ist,  weil  einige  von  den  äußerst  sorgfältig  durch- 
suchten Gräbern  dieser  Art  in  demselben  Gebiet  liegen  wie  die  bernsteinreichen 
Ganggräber.  Dieser  Umstand  verdient  unsere  Aufmerksamkeit  um  so  mehr,  als 
Bernsteinperlen  auch  in  schwedischen  Gräbern  aus  der  Bronzezeit  sehr  selten 
vorkommen. 

Die  Erklärung  liegt  ohne  Zweifel 
darin,  daß  die  Einwohner  des  Nordens 
durch  den  Verkehr  mit  anderen  Völkern, 
welcher,  wie  wir  sehen  werden,  schon 
in  der  Steinzeit  angefangen  hatte,  er- 
fuhren, wie  kostbar  der  Bernstein  war. 
Die  Folge  davon  war,  daß  schon  in 
derjenigen  Periode  der  Steinzeit,  als  die 
Steinkistengräber  gebaut  wurden  —  und 
ebenso  in  der  Bronzezeit  —  Schmuck 
aus  diesem  kostbaren  Material  nicht 
mehr  in  die  Gräber  gelegt  wurde,  wie 
früher  in  der  Zeit  der  Ganggräber,  als 
man  hier  den  hohen  Wert  des  Bern- 
steins noch  nicht  kannte.  Andererseits 
hat  offenbar  der  Umstand,  daß  die  süd- 
lichen Völker  Europas  durch  diesen 
Verkehr  den  Reichtum  des  Nordens  an 
Bernstein  kennen  lernten,  stark  dazu 
beigetragen,  wenn  nicht  überhaupt  ver- 
ursacht, daß  der  Handel  mit  unseren 
Gegenden  zu  der  Bedeutung  heran- 
wuchs, wie  die  Geschichte  der  Bronze- 
zeit zeigt.1) 


Angelhaken   von   Knochen. 
Westergötland.    1/1. 


Ä 


29.    Netz.    Dänemark.     y,. 


30.     Pfeilspitze 
aus  Knochen. 
Östergötland.  1/a. 


Wenn  wir  nach  den  Verhältnissen 
der  meisten  anderen  Völker  von  ungefähr 
demselben  Bildungsgrad  wie  die  Nord- 
länder in  der  Steinzeit  urteilen  dürfen, 
war  die  Arbeit  wohl  so  verteilt,  daß 
die  Frauen  für  alles  sorgen  mußten,  was 
zu  den  Tätigkeiten  im  Hause  gehörte,  selbst  den  schwersten,  während  der  Mann 
seine  Zeit  mit  Jagen,  Fischen  und  im  Krieg  zubrachte.  Wie  leicht  erklärlich, 
haben  sich  jedoch  weit  mehr  Spuren  von  den  Beschäftigungen  der  Männer,  als 
von  den  Arbeiten  der  Frauen  bis  heute  erhalten.  Die  Sammlungen  sind  reich 
an  Jagd-  und  Streitvvaffen. 


1)  H.  Stolpe,  Sur  l'origine  et  le  commerce    de   l'ambre   jaunc    dans  l'antiquite,  im  Compte 
rendu  du  Congres  de  Stockholm,    1S74,  S.   777  folg. 


24  Die  jüngere  Steinzeit. 

Auch  Fischgeräte  wurden  vielfach  aufgefunden.  Es  sind  hauptsächlich 
Angelhaken  und  Harpunen  oder  Spieße  aus  Knochen  (Fig.  28,  30).  Die  Angel- 
haken gleichen  in  der  Form  beinahe  ganz  und  gar  denen,  die  noch  heute, 
Tausende  von  Jahren  nach  dem  Ende  der  Steinzeit,  benutzt  werden.  Die  Har- 
punen waren  mit  Spitzen  aus  Feuerstein  oder  Knochen  versehen. 

Auch  Netze  wurden  von  unseren  Vorfahren  in  der  Steinzeit  benutzt  (Fig.  29). 

Daß  man  zum  Fischfang  und  zur  Seefahrt  schon  in  der  Steinzeit  eine  Art 
Fahrzeug  hatte,  ist  selbstverständlich.  Man  hat  auch  in  den  Kjökkenmöddingern 
Gräten  solcher  Fische  gefunden,  die  nur  im  tiefen  Meereswasser  gefangen  werden. 
Soweit  wir  wissen,  hat  man  jedoch  in  Schweden  noch  kein  Fahrzeug  gefunden, 
das  mit  Sicherheit  der  Steinzeit  zugeschrieben  werden  kann.  Die  in  unseren 
Seen  und  Mooren  oft  angetroffenen  Kähne  aus  ausgehöhlten  Baumstämmen, 
gewöhnlich  Eiche,  sind  wohl  den  ältesten  Fahrzeugen  ganz  ähnlich;  ihr  Alter 
läßt  sich  aber  schwer  bestimmen,  da  solche  Einbäume  auch  lange  nach  der 
Steinzeit  im  Gebrauch  wraren,  wie  sie  denn  in  gewissen  entlegenen  Teilen  unseres 
Landes  selbst  heutigen  Tages  noch  vorkommen.  Dagegen  hat  man  in  schweizer 
Pfahlbauten  mehrere  solche  Kähne  gefunden,  die  nachweisbar  der  Steinzeit  und 
der  Bronzezeit  angehören. 

Schon  vor  dem  Ende  der  Steinzeit  muß  man  jedoch  hier  im  Norden 
etwas  größere  Boote    als   diese  Einbäume   gehabt  haben,  so  daß  man  ohne  zu 

o 

große  Gefahren  von  der  schwedischen  Küste  nach  Aland  und  Finnland  wie 
nach  Gotland,  Dänemark  und  Deutschland  hinüberfahren  konnte.  Denn  mit 
allen  diesen  Gegenden  stand  Schweden  damals  in  lebhafter  Verbindung.  Ja, 
wir  können  sogar  mit  gutem  Grund  annehmen,  daß  ein  direkter  Verkehr  zwischen 
Schwedens  Westküste  und  England,  wenigstens  in  der  letzten  Periode  der  Stein- 
zeit, stattfand.  Die  Erfahrung  späterer  Zeiten  zeigt,  daß  ziemlich  große  Fahr- 
zeuge ohne  Anwendung  von  Metall  gebaut  werden  konnten,  und  daß  man  mit 
ihnen  weite  Meerfahrten  machte. 

Die  teils  für  die  Jagd,  teils  für  den  Krieg  bestimmten  Waffen,  welche 
in  der  Steinzeit  benutzt  wurden,  waren  Dolche,  Speere  und  Lanzen,  Bogen  und 
Pfeile,  Äxte  und  Streithämmer,  Keulen  aus  Holz  und  Stein  samt  Schleudern. 
Der  Schild  aus  Holz  und  Fell  war  wahrscheinlich  die  einzige  Schutzwaffe.  Von 
Schleudern  und  Schilden  wurden  keine  Überreste  in  Schweden  gefunden,  obwohl 
die  Erfahrung  von  anderen  Steinzeitvölkern  lehrt,  daß  sie  zweifellos  nicht  un- 
bekannt waren. 

Sonst  haben  sich  mit  geringen  Ausnahmen  nur  die  Teile  erhalten,  die  aus 
Stein  waren,  also  die  Spitzen  der  Lanzen  und  Pfeile,  die  Klingen  der  Dolche 
und  die  steinernen  Äxte,  Hämmer  und  Keulen.  Solche  Waffen  sind  zu  Tausenden 
bei  uns  gefunden  worden  (Fig.  31 — 43). 

Die  Speerspitzen  von  Feuerstein  sind  oft  sehr  groß  und  lang,  bis  zu 
40  cm,  obgleich  sie  sehr  dünn  sind:  Prachtstücke,  welche  wir  mit  Bewunderung 
und  Erstaunen  betrachten,  wegen  der  Kunstfertigkeit,  womit  sie  hergestellt  sind, 
in   so   sprödem  Material   wie  Feuerstein,   und  wegen   der   tadellosen  Erhaltung. 

Wie  die  Lanzen  und  Pfeilspitzen  an  den  Schäften  befestigt  wurden,  sieht 


Lebensweise. 


25 


man    an   den   von  Steinzeitvölkern   aus  späteren  Zeiten  herstammenden  Waffen 
mit  Steinspitzen  derselben  Art,  wie  die  Fig.  32  und  35   abgebildeten. 

Man  hat  ein  paarmal  im  Norden  Knochen  von  Menschen  und  Tieren  ge- 


33.   Pfeilspitze  von  Feuerstein. 

Sk.me.     I  ,. 


31.  Steinerne  Keule.  Mittelschweden.  1/i 


32.    Moderner  Pfeil 
mit  Feuersteinspitze. 


34.   Pfeilspitze  von 
Feuerstein.  Skäne.  i/g. 


36.   Pfeilspitze  von      ^jßi 
Feuerstein.  Skiine.  i/1. 


35.  Lanze  mit  Steinspitze. 
Grönland.  ljt. 


3S.  Pfeilspitze 

von    Knochen 
37.  Lanzenspitze       mit  Feuerstein- 


von  Feuerstein. 
Skäne.  8/8. 


splittern. 
oe.    '  ._.. 


funden,  welche  sichtlich  von  Pfeilen  oder  anderen  Waffen  aus  Feuerstein  ver- 
letzt oder  getötet  worden  sind.  So  fand  man  bei  Borrebv  aul  Själland  in  einem 
Ganggrab  einen  Menschenschädel,  in  dessen  Augenhöhle  eine  kleine  Pfeilspitze  aus 


26 


Die  jüngere  Steinzeit. 


«m; 


Feuerstein  eingedrungen  war,  und  in  einem  dänischen  Torfmoor  den  Unterkiefer 
eines  Kronenhirsches,  der  von  einem  Feuersteinpfeil  getroffen  war.     Dieser  Pfeil 

war  durch  die  Heftigkeit  des  Anpralls  zersprungen,  und 
viele  kleine  Splitter  waren  in  die  Knochenmasse  einge- 
drungen, obwohl  die  Wunde  später  geheilt  wurde.  In 
einem  anderen  Torfmoor  fand  man  das  Skelett  einer 
Kronenhirschkuh,  in  deren  einer  Rippe  ein  von  der 
Knochenmasse  später  überwachsener  Feuersteinsplitter 
saß.  Auch  in  Skäne  hat  man  neuerdings  einen  Pferde- 
kopf aufgefunden,  in  welchem  die  Speerspitze  oder  viel- 
mehr der  Dolch  aus  Feuerstein,  mit  dem  das  Tier  ge- 
tötet wurde,  noch  steckt. 

Außer  den  Pfeilspitzen  aus  Feuerstein  verwendete 
man  in  der  Steinzeit,  wie  viel  später,  auch  knöcherne 
Pfeilspitzen.  In  den  schwedischen  Torfmooren  ist  auch 
eine  Art  Pfeil-  oder  Lanzenspitzen  aus  Knochen,  mit 
Widerhaken  (Fig.  30)  oder  an  beiden  Kanten  mit  einer 
Furche,  gefunden  worden,  in  welcher  dünne,  scharfe  Feuer- 
steinsplitter  mit  einer  dunkeln  harzartigen  Masse  verkittet 
sind  (Fig.  38);  sie  stammen  wahrscheinlich  aus  einer 
sehr  frühen  Periode  der  Steinzeit.  Überreste  desselben 
Harzes  sieht  man  oft  am  unteren  Teil  des  Knochens, 
wo  er  am  Pfeilschaft  befestigt  war. 

Die  Bogen  waren  aus  einem  gebogenen  Stück  von 
elastischem  Holz,  ohne  Stock,  also  wie  die  Bogen,  die 
hier  im  Norden  noch  in  der  Bronze-  und  Eisenzeit,  wie 
bei  den  modernen  Steinzeitvölkern,  gebräuchlich  waren. 
In  den  Überresten  eines  zur  Steinzeit  gehörenden  Pfahl- 
baues in  der  Schweiz  fand  man  solche  Bogen  aus 
Eibenholz. 

Die  meisten  Feuersteindolchklingen  sind  den  Speer- 
spitzen gleich.  Die  meisten  hatten  Holzgriffe,  und  da 
das  Holz  nicht  erhalten  ist,  kann  man  oft  nicht  mehr 
feststellen,  was  mit  einem  kurzen  Griff  als  Dolch  oder 
mit  einem  langen  Schaft  als  Speer  gedient  hat. 

Manche  haben  jedoch  einen  Griff  von  Feuerstein 
und  kennzeichnen  sich  dadurch  als  Dolche  (Fig.  39). 
Da  der  Dolch  mit  Holzgriff  für  den  praktischen  Zweck 
ebenso  gut  war,  zeigt  sich  in  der  Anfertigung  von 
Steingriffen  bereits  ein  gewisser  Geschmack  am  Luxus. 
Diese  Steingriffe  sind  aus  keinem  andern  europäischen 
Land  bekannt  als  Skandinavien  und  Norddeutschland.  Sie  sind  oft  mit 
besonderer  Sorgfalt  gearbeitet:  nach  hinten  ausgeschweift  und  an  den 
Kanten  in   sehr   feiner    und    regelmäßiger  Weise    verziert.     Gewöhnlich   ist   die 


39.    Dolch  von  Feuerstein, 
mit  Durchschnitt. 
Bohuslän 


Vr 


Lebensweise. 


27 


Klinge  an  einem  solchen  Dolch  groß,  breit,  fein  gearbeitet  und 
besonders  schön  geformt,  mit  geschmackvoll  geschwungenem 
Kontur,  manchmal  mit  feinen  Sägezähnen  an  den  Schneiden  ver- 
sehen. Bisweilen  ist  jedoch  die  Klinge  sehr  schmal  und  unbe- 
deutend. Wenn  die  Schneide  durch  einen  Stoß  gegen  etwas 
Hartes  beschädigt  war,  mußte  der  Dolch  neu  behauen  werden, 
und  damit  die  Klinge  nicht  schief  wurde,  war  es  nötig,  auch 
die  andere  Seite  umzuarbeiten.  Hierdurch  wurde  der  Dolch 
schmäler,  und  man  findet  nicht  selten  Feuersteindolche  mit  nur 
ganz  schmaler  und  kurzer  Klinge,  während  der  Griff  seine  ur- 
sprüngliche Form  und  Größe  behalten  hat1). 

Solche  Steinäxte,  wie  sie  Fig.  41 — 43  zeigen,  haben 
offenbar  nicht  als  Werkzeug,  sondern  als  Waffen  gedient; 
die  schöne  Form  und  die  darauf  verwandte  Arbeit  bezeugen 
dies.  Den  meisten  anderen  Steinäxten  läßt  sich  nicht  ansehen, 
welchem  Zwecke  sie  gedient  haben.  Die  großen  schweren 
Feuersteinäxte  (Fig.  44)  bis  zu  45  cm  Länge,  die  mehrmals  in 


*  "v 


40.    Steinaxt  mit 

Schaftloch. 

Gotland.     J  ,. 


41.    Steinaxt  mit 
Schaftloch.  Mittel- 
schweden,    '/g. 


43.   Steinaxt   mit  Schaftloch, 
ue.    Yi- 


42.   Steinaxt  mit  Schaftloch,   von   zwei   Seiten   gesehen. 

Smaland.    *  .,. 

Schweden    aufgefunden    wurden,    scheinen    ebensowenig    zweckmäßige    Watten 
wie  Werkzeuge  gewesen  zu  sein;  vielleicht  hat  man  sie  als  Symbole  des  Sonnen- 


1)  Sveriges  forntid,  Text,  Fi^.  35.    —   Sveriges  historia,    [.Aufl.,  I.   1 


28 


Die  jüngere  Steinzeit. 


gottes  oder    als  Votivstücke    zu    betrachten.     Dasselbe    gilt    von    den    größten 
Steinäxten  aus  Diorit.     Eine  solche  aus  dem  Kirchspiel  Kville  in   Bohuslän  ist 


ISä 


45.    Feuersteinaxt,  46.    Steinaxt,   mit  Vertiefung  47.    Feuersteinaxt 

ungeschliffen.  Skäne.  1/3.     für  den  Stiel.    Bohuslän.    2/3.  mit  Spuren  vom' 

Holzstiel.  Skäne.  ij.i. 


48.    Holzstiel  für  eine  Steinaxt.    Dänemark.    1/6. 


44.  Feuersteinaxt,  ge- 
schliffen. Bohuslän.  1/3. 


49.    Steinaxt  mit  Holzstiel.      England. 


35  cm  lang    und    wiegt    über   2,8  kg.     Gewöhnlich    sind    jedoch    die  Äxte  aus 
Feuerstein  und  anderen  Steinarten  bedeutend  kleiner  (Fig.  40,  45 — 47,   52,   53). 


Lebensweise. 


29 


Viele  sind  von  einem  Loch  durchbohrt,  in  welchem  der  Griff  steckte, 
ebenso  wie  bei  den  heutzutage  gebräuchlichen  Äxten.  In  Feuerstein  konnte 
man  solche  Löcher  nicht  bohren;  darum  wurden  alle  Feuersteinäxte  wie  viele 
Äxte  aus  anderem  Stein  derart  mit  Griffen  versehen,  daß  die  Axt  in  einem 
gespaltenen  oder  durchbohrten  Schaft  befestigt  war.  So  hat  man  in  einem 
schwedischen  Torfmoor  die  Fig.  52  abgebildete  Steinaxt  gefunden,  die  in  einer 
Hornfassung  steckt,  deren  Loch  für  den  Stiel  bestimmt  war,  und  aus  einem 
Torfmoor  in  Dänemark  wurde  der  Holzgriff  einer  Steinaxt  ausgegraben  (Fig.  48). 
Figur  49  zeigt  eine  Steinaxt  mit  gut  erhaltenem  Holzgriff  aus  einem  englischen 
Torfmoor  und  Figur  50  eine  Feuersteinaxt   mit  Holzgriff  aus   einem    dänischen 


50.    Feuersteinaxt  mit  Holzstiel.   Dänemark.   1/u. 


51.    Axt  von  Muschelschale  mit    Holzstiel.    Pelew-Inseln.    1/ä. 


Torfmoor.  Außerdem  hat  man  in  einem  Torfmoor  bei  Borreby,  in  der  Nähe 
von  Lund  in  Skäne,  eine  Feuersteinaxt  (Fig.  47)  gefunden,  welche  offenbar  auf 
dieselbe  Art  mit  Griff  versehen  war.  Rund  um  diese  Axt,  deren  Oberfläche 
jetzt  grau  ist,  sieht  man  etwas  über  der  Mitte  einen  helleren  Streifen  von  3,6  cm 
Breite,  der  dadurch  entstand,  daß  der  Griff  sich  im  Moor  noch  lange  erhalten 
hat  und  diesen  Streifen  bedeckte.  Die  schräge  Richtung  des  Streifens  beweist, 
daß  die  Axt  beinahe  in  demselben  Winkel  zum  Griff  stand,  wie  die  Fig.  49 
abgebildete  Axt. 

Bisweilen  findet  man  auch  Äxte  aus  Diorit  mit   einer  rinnenförmigen  Ver- 
tiefung, in   der  der  Griff  ruhte  (Fig.  46 ). 


3Q 


Die  jüngere  Steinzeit. 


Viele  Steinäxte,  besonders  die  mit  ausgehöhlter  Schneide  (Fig.  54),  müssen 
»Queräxte«  gewesen  sein,  das  heißt  sie  waren  in  den  Griffen  derart  befestigt, 
daß  die  Schneide  einen  rechten  Winkel  zu  dem  gewöhnlich  knieförmigen  Griff 
bildete.  Eine  ähnliche  Axt  von  einer  Insel  im  Stillen  Ozean  ist  Fig.  5 1  ab- 
gebildet. Diese  Axt,  aus  einer  großen  und  harten  Muschel,  ist  mit  der  Ober- 
kante gegen  einen  rechtwinkligen  Einschnitt  im  Griffe  eingefügt.  Diese  An- 
ordnung, die  wahrscheinlich  den  Nordländern  der  Steinzeit  nicht  unbekannt  war, 
verhinderte,  daß  die  Axt  beim  Hieb  in  den  Griff  eindringen  konnte. 

Außer  den  Steinäxten  wandte  man 
bei  uns  in  der  jüngeren  Steinzeit,  wie 
auch  schon  in  der  älteren,  Äxte  und 
Hacken  aus  Knochen  und  Hörn  (Fig.  6) 
an.  Wie  schon  erwähnt,  ist  eine  solche 
Hornaxt  mit  fein  eingeritzten  Tierbildern 
verziert  (Fig.    14). 

Um  Arbeiten  in  Holz  auszuführen, 
hatten  die  Schweden  der  Steinzeit  außer 
Äxten  auch  noch  anderes  Werkzeug: 
Meißel,  Messer,  Bohrer  und  Sägen.  Die 
meisten  sind  aus  Feuerstein,  viele  jedoch 
auch  aus  anderen  Steinarten. 

Die  meisten  Meißel  haben  ge- 
rade, andere  tief  ausgehöhlte  Schneiden 
(Fig.  56).  Wie  diese  Werkzeuge  gefaßt 
waren,  kann  man  an  den  Meißeln  mit 
noch  erhaltenen  Griffen  aus  schweizer 
Pfahlbauten  (Fig.   55)  sehen. 

Die  Messer  waren  meist  sehr  ein- 
fach, ein-  oder  zweischneidig;  manchmal 
findet  man  größere  mit  einer  Schneide 
und  einem  dicken,  sorgfältig  zugehauenen, 
gegen  die  Spitze  im  Bogen  verlaufenden 
Rücken  (Fig.  57).  Wenn  die  Messer 
gut  gemacht  und  unbeschädigt  sind, 
ist  die  Schneide  ziemlich  scharf;  sie  ist  nicht  durch  Schleifen  entstanden,  sondern 
durch  den  sehr  spitzen  Winkel,  den  die  Seiten  gegeneinander  bilden.  Durch 
einen  Versuch  überzeugt  man  sich  leicht  davon,  daß  solche  Feuersteine  wirklich 
als  Messer  angewendet  werden  konnten.  In  Mexiko  wurden  noch  nach  der 
spanischen  Eroberung  solche  Messer  aus  Obsidian  zum  Rasieren  gebraucht. 

Fig.  58  zeigt  ein  australisches  einschneidiges  Steinmesser  mit  dickem 
Rücken,  um  dessen  hinteren  Teil  ein  Stück  Haut  mit  noch  daransitzendem 
Haar  festgebunden  ist,  wodurch  eine  Art  Griff  gebildet  wird.  Wahrscheinlich 
sind  viele  von  den  schwedischen  Feuersteinmessern  auf  gleiche  Art  mit  Fell 
umwickelt  oder  in  einen  Griff  von  Holz  eingefügt  gewesen. 


52 


Steinaxt  in  Hornfassung,  von  zwei  Seiten 
gesehen.    Skäne.  1/2. 


Lebensweise. 


31 


53.     Feuersteinaxt,   geschliffen; 

von  zwei  Seiten  gesehen. 

Skäne.    !/,,. 


'rt\ 


56.  Feuerstein- 
meißel. 
Smaland.    l  .,. 


54.  Feuersteinaxt  mit  55.  Steinmeißel  in  Holz- 

konkaver Schneide.   Skäne.   1/.2.         fassung.   Schweiz.  2  ... 


58.    Steinmesser,  hinten    mit  Fell   umwickelt.    Australien.     ' 


59.    Feuersteinsäge.    Skäne.    1/2. 

Als  Bohrer  wurden  schmale,  spitze  Feuersteinsplitter 
angewendet,  und  die  abgenutzten  Spitzen  verschiedener  der- 
selben zeugen  noch  heute  von  den  Diensten,  die  sie  vor 
Jahrtausenden  leisteten.  Die  in  den  Gräbern  der  Steinzeit 
gefundenen  Bernsteinperlen  und  Knochennadeln  zeigen,  welche 
feine  und  gut  gebohrte  Löcher  man  ohne  Metallbohrer  zu- 
C^  stände    brachte;    und   durch  Versuche    hat    man    sich   über- 

c.  zeugt,  daß  ranz  runde  und  glatte  Löcher  in  Hörn  und  Holz 

57.    r-euersteinmesser,  **  '  °  ° 

einschneidig  (mit  Durch-    m^  Feuersteinbolirern    hergestellt    werden    können.       Wenn 
schnitt).    Skäne.  >/,.       man     das    Loch    während     der    Arbeit     nur    ein    wenig    mit 


?2  Die  jüngere  Steinzeit. 

Wasser  befeuchtet,  wird  man  überrascht  sein,  wie  leicht  die  Arbeit  vonstatten 
geht  und  wie  wenig  die  Feuersteinspitze  leidet. 

Feuersteinsägen,  wie  die  Fig.  59  abgebildete,  sind  sehr  häufig.  Die  Säge- 
zähne sind  jedoch  nicht  immer  so  deutlich  wie  die  hier  abgebildeten.  Die 
Schneide  hat  nicht  selten  einen  Glanz,  der  auf  Abnutzung  zurückzuführen  ist; 
selbst  an  der  entgegengesetzten,  gewöhnlich  stark  ausgebogenen  Kante  pflegt 
ein  glänzender  Rand  sichtbar  zu  sein,  von  der  Reibung  des  Werkzeuges  gegen 
den  Schaft  herrührend. 

Daß  alle  diese  Werkzeuge  viel  gebraucht  worden  sind,  geht  daraus  hervor, 
daß  sie  oft  beschädigt,  mit  einer  umgeschliffenen  Schneide  oder  mit  anderen 
deutlichen  Zeichen  eines  andauernden  Gebrauches  vorgefunden  werden. 

Werkzeuge  aus  Stein  kommen  uns  recht  mangelhaft  vor,  und  mancher 
Zimmermann  oder  Schreiner  würde  meinen,  daß  man  mit  solchen  Werkzeugen 
überhaupt  nicht  arbeiten  könne.  Ein  solches  Urteil  ist  jedoch  verfrüht.  Wenn 
wir,  die  wir  an  die  Werkzeuge  aus  Bessemerstahl  gewöhnt  sind,  nicht  mit 
einem  Feuersteinmesser  oder  mit  einer  Steinaxt  arbeiten  können,  so  folgt  daraus 
noch  nicht  ein  gleiches  für  Männer,  die  niemals  eine  Eisenaxt  gesehen  hatten, 
in  deren  Augen  eine  Feuersteinaxt  ein  ausgezeichnetes  Werkzeug  war,  und  die 
von  Jugend  auf  daran  gewöhnt  waren,  mit  dieser  zu  hantieren. 

Sicherlich  betrachten  auch  die  heutigen  Einwohner  von  Tahiti  Steinäxte 
als  untauglich,  und  doch  ist  es  kaum  hundert  Jahre  her,  daß  dort  solche  Äxte 
die  einzigen  waren,  die  es  gab.  Die  Erfahrung  lehrt  sogar,  daß  Werkzeuge 
von  Stein,  besonders  von  Feuerstein,  überraschend  gut  sein  können,  wenn  man 
mit  ihnen  auch  nicht  so  schnell  arbeiten  kann  wie  mit  Stahlwerkzeugen. 

Einige  neuerdings  in  Dänemark  ausgeführte  Versuche  haben  unwiderleglich 
bewiesen,  daß  diese  Werkzeuge  nicht  nur  viel  besser  sind,  als  man  sich  ge- 
wöhnlich vorstellte,  sondern  daß  die  Schneide  einer  gut  geschliffenen  Feuer- 
steinaxt, solange  sie  noch  neu  und  unbeschädigt  ist,  an  Schärfe  mit  unseren 
gewöhnlichen  Werkzeugen  fast  wetteifern  kann.  Die  Schneide  einer  Feuer- 
steinaxt hält  sich  auch  merkwürdig  gut.  So  konnte  man  mit  derselben  Axt, 
ohne  daß  sie  inzwischen  geschliffen  zu  werden  brauchte,  26  Tannen  von  un- 
gefähr 8  Zoll  Durchmesser  fällen.  Die  Arbeit  wurde  in  10  Stunden  geleistet, 
die  Zeit  eingerechnet,  die  es  beanspruchte,  die  Bäume  ein  Stück  von  dem  Platz 
zu  schleppen,  wo  sie  gestanden.  Von  den  auf  diese  Weise  gefällten  Bäumen 
wurde  eine  Hütte  gebaut:  die  Baumstämme  wurden  von  den  Zweigen  befreit, 
und  nach  Abschälung  der  Rinde  vierkantige  Balken  zurecht  gehauen;  die  Balken 
wurden  ineinander  gefügt,  Dach,  Tür  und  Fenster  mit  Hilfe  der  Steinwerkzeuge 
hergestellt.  Die  ganze  Arbeit  wurde  ohne  irgend  ein  Werkzeug  von  Eisen 
ausgeführt.1) 

Äxte  aus  anderen  Steinarten  als  Feuerstein  sind  wohl  minder  gute  Werk- 
zeuge, aber  sicherlich  verstanden  die  Nordländer,  die  sich  solcher  Äxte  bedienten, 
ebensogut    damit   umzugehen,  wie  die  Indianer  in  Nordamerika  zu  der  Zeit  als 

1)  N.  F.  B.  Sehested,  Archaeologiske  Undersögelser  1878 — 1881  (Kopenhagen,  1884), 
S.    3   folg. 


Lebensweise. 


33 


sie  Steinäxte  anwendeten.  Sie  pflegten  erst  durch  Feuer  den  Teil  des  Baumes 
zu  verkohlen,  der  entfernt  werden  sollte. 

Da  man  mit  Recht  annehmen  darf,  daß  die  bei  uns  in  der  Erde  gefundenen 
Steinäxte  im  allgemeinen  demselben  Zweck  dienten  wie  die  Äxte  der  modernen 
Steinzeitvölker,  kann  der  Gebrauch  der  Steinäxte  in  Neu-Seeland  als  Analogie 
dienen.  »Es  werden  damit  Bäume  gefällt  und  Kanoes  ausgehöhlt,  Pfähle  für 
Hütten  und  Brennmaterial  zugehauen,  Tiere  getötet  und  Wurzeln  zur  Nahrung 
ausgegraben,  das  Fleisch  von  den  Knochen  der  Tiere  abgelöst  und  viele  andere 
im  täglichen  Leben  vorkommende  Arbeiten  ausgeführt.  Außerdem  werden  sie 
in  Kriegszeiten  als  Waffen  benutzt.«  Wir  können  hinzufügen,  daß  sie  bei  allen 
Völkern  innerhalb  und  außerhalb  Europas,  die  Ackerbau  in  der  Steinzeit  trieben, 
ohne  Zweifel  auch  als  Ackerbaugeräte  angewendet  wurden,  ferner  als  Hacken 
bei  den  ersten  Grubenarbeiten  in  unserem  Erdteil,  in  den  Feuersteingruben. 

Daß  man  mit  Äxten  und  anderem  Werkzeug  von  Stein  nicht  nur  Holz, 
sondern  auch  härteres  Material,  wie  Knochen  oder  Hörn,  bearbeiten  kann,  be- 
zeugen zahlreiche  bei  uns  gemachte  Funde  (Fig.  6,  7,  13,  14,  16,  19  und  andere). 


2.    Die  Herstellung  der  steinernen  Werkzeuge  und  Waffen. 

Als  man  anfing,  den  Überresten  aus  der  Steinzeit  Aufmerksamkeit  zu 
schenken,  konnte  man  sich  zuerst  schwer  vorstellen,  wie  diese  Steinarbeiten  ge- 
macht wurden.  Viele,  die  sich  daran  hielten,  wie  die  Arbeiter  in  späteren 
Zeiten  mit  Hämmern  von  Eisen  Flintensteine  oder  Feuerstahlsteine  bearbeiteten, 
glaubten,  daß  der  Feuerstein  nur  durch  Metall  bearbeitet  werden  könne,  und 
daß  daher  auch  die  aus  der  Erde  gegrabenen  Feuersteinwerkzeuge  mit  Hilfe 
von  Metallhämmern,  wahrscheinlich  Bronzehämmern,  verfertigt  worden  wären. 
Vergebens  fragte  man,  warum  die  Völker  der  Vorzeit,  wenn  sie  Metall  kannten, 
dieses  nur  zur  Bearbeitung  des  Feuersteins  benutzt  hätten;  wäre  es  doch  weit 
zweckmäßiger  gewesen,  Waffen  und  Werkzeuge  gleich  aus  Metall  zu    machen. 

Professor  Sven  Nilsson  wies  schon  vor  mehr  als  sechzig  Jahren  darauf  hin, 
daß  die  Feuersteinwerkzeuge  lediglich  mit  Zuhilfenahme  von  anderen  Steinen 
verfertigt  worden  sind,  und  in  seiner  großen  Arbeit  über  die  Steinzeit  gab  er 
Abbildungen  von  Steinen,  an  denen  er  deutliche  Spuren  nachwies,  daß  sie  zur 
Bearbeitung  des  Feuersteines  gedient  hatten.  Er  hatte  sich  als  junger  Mann 
auf  der  Jagd  in  Skäne  öfters  in  der  Lage  gesehen,  mit  Steinen  vom  Felde 
den  Feuerstein  für  seine  Flinte  zurecht  schlagen  zu  müssen. 

Er  beschreibt  auf  folgende  Weise1),  wie  er  dabei  zu  Werke  ging:  »Ge- 
brauchte ich  einen  neuen  Flintenstein,  so  war  ein  oft  mehr  als  faustgroßer 
Kiesel  leicht  gefunden.  Ich  suchte  dann  einen  passenden  Rollstein  von  dichtem 
harten  Granit  oder  Quarzsandstein,  mittelst  dessen  ich  durch  Schläge  aus  freier 
Hand    mehr    oder    minder    dünne   aber    immer   scharfkantige  Splitter  von  dem 


1)  S.  Nilsson,   Das  Steinalter,   S.    15. 
Montelius,  Kulturgeschichte  Schwedens. 


■2A  Die  jüngere  Steinzeit. 

Kiesel  abschälte.  Von  diesen  wählte  ich  den  besten  aus,  suchte  einen  Granit- 
block, gegen  welchen  ich  den  Splitter  stützte  und  begann  nun  ihn  mit  einer 
vorstehenden  Kante  oder  stumpfen  Spitze  des  Rollsteines  zu  bearbeiten  und  ihm 
die  gewünschte  Form  zu  geben.  Haupterfordernis  war,  daß  der  Kieselsplitter 
während  des  Behauens   eine  feste  Unterlage  hatte,  weil  er  sonst  zersprang.« 

Professor  Nilssons  Ansicht  wird  durch  die  Beobachtungen  von  Reisenden 
an  außereuropäischen  Steinzeitvölkern  bekräftigt.  So  kam  vor  Jahren  ein 
Engländer  zu  einem  Indianerstamm  in  Kalifornien,  der  noch  Steinwerkzeuge 
benutzte.  Unser  Reisender  kannte  europäische  Steinzeitfunde,  war  aber  der 
Meinung,  daß  die  Anfertigung  mittelst  Werkzeugen  aus  gehärtetem  Kupfer 
geschah.  Er  traf  nun  einen  der  Pfeilspitzenmacher  des  Stammes  und  bat,  eine 
Probe  seiner  Kunst  sehen  zu  dürfen.  Der  Indianer  setzte  sich  nieder,  legte 
einen  glatten  Stein  in  seinen  Schoß  und  nahm  in  eine  Hand  einen  Meißel  aus 
Achat,  in  die  andere  ein  Stück  Obsidian,  welcher  Stein  für  die  ältesten  Be- 
wohner Amerikas  dieselbe  Bedeutung  hatte  wie  der  Feuerstein  für  diejenigen 
Nordeuropas.  Mit  einem  Schlag  des  Achats  spaltete  er  das  Obsidianstück  und 
mit  einem  zweiten  Schlag  trennte  er  einen  Span  von  ein  viertel  Zoll  Dicke 
los.  Diesen  faßte  er  zwischen  Daumen  und  Zeigefinger,  hielt  ihn  gegen  die 
Steinstütze  auf  dem  Knie  und  führte  mit  dem  Achat  Schlag  auf  Schlag  aus, 
deren  jeder  einen  kleinen  Splitter  fortnahm.  Bald  erhielt  das  Obsidianstück 
eine  bestimmte  Form,  und  nach  etwas  mehr  als  einer  Stunde  hatte  er  eine 
Pfeilspitze  vollendet,  die  einen  guten  Zoll  lang  war.  Der  Engländer  gab  ihm 
nun  eine  zerschlagene  Flasche  und  bat  ihn,  eine  Pfeilspitze  aus  Glas  zu  machen, 
das  dem  Obsidian  ähnlich  ist.  Zwei  Versuche  mißglückten,  aber  das  dritte  Mal 
brachte  er  eine  wirkliche  Pfeilspitze  zustande  und  entschuldigte  sich  wegen  der 
beiden  mißlungenen  Versuche,  da  er  vorher  nie  Glas  bearbeitet  hätte  und  dessen 
Natur  nicht  kannte.  »Niemals,«  sagt  der  Erzähler,  »hat  wohl  ein  Bildhauer 
seinen  Meißel  mit  größerer  Sicherheit  und  besser  berechneter  Kraft  und  Wirkung 
des  Schlages  geführt,  als  dieser  Indianer.  Unter  den  Indianern  ist  das  Anfertigen 
von  Pfeilspitzen  ein  bestimmtes  Gewerbe,  in  dem  nur  wenige  es  zur  Meister- 
schaft bringen.  Alles,  was  ich  je  von  gehärtetem  Kupfer  und  ähnlichem  zur 
Anfertigung  von  Steinäxten  gelesen  hatte,  war  durch  den  einfachen  Vorgang, 
den  ich  eben  erlebt  hatte,  widerlegt.«1) 

Beim  Bearbeiten  eines  Feuersteinblockes  können  entweder  die  abge- 
schlagenen Splitter  oder  die  übrigbleibende  Masse  die  Hauptsache  sein.  Das 
erstere  gilt  meistens  für  die  Anfertigung  von  Messern,  Pfeilspitzen  und  Schabern, 
das  letztere  für  die  Anfertigung  von  Äxten,  Meißeln,  Speerspitzen  und  Dolchen. 

Die  Späne  konnten,  wie  wir  gesehen  haben,  ohne  weitere  Vorkehrung 
als  Messer  angewendet  werden.  Um  Pfeilspitzen,  Schaber  und  ähnliches  daraus 
zu  machen,  wandte  man  entweder  denselben  Stein  an  wie  beim  Abschlagen 
der  Späne  oder  auch  ein  anderes  Werkzeug.  Durch  Versuche  hat  man  sich 
überzeugt,    daß    die   runde  Schneide    der  Feuersteinschaber  mit  einem  gewöhn- 


i)  Lartet  und   Christy,   Reliquiae  Aquitanicce,   S.    17. 


Die  Herstellung  der  steinernen   Werkzeuge  und   Waffen.  ?c 

liehen  Feldstein  geklopft  werden  kann.  Selbst  durch  den  Druck  mit  einem 
Knochen-  oder  Hornwerkzeug  kann  man  die  Kante  eines  Feuersteinspanes 
bearbeiten. 

Die  Eskimos  wenden  hierzu  ein  Werkzeug  an,  das  gewöhnlich  einen  Griff 
aus  fossilem  Elfenbein  hat,  am  einen  Ende  gebogen  ist,  um  besser  in  der  Hand 
zu  liegen,  und  eine  tiefe  Furche  am  anderen  Ende  hat,  in  welcher  ein  Stück 
Renntiergeweih,  das  sich  als  härter  erwiesen  hat  als  das  Elfenbein,  mit  nassen 
Lederriemen  oder  nassen  Sehnen  befestigt  worden  ist.  Der  Quarz-  oder 
Feuersteinspan  wird  über  eine  löffeiförmige  Vertiefung  in  ein  Holzstück  gelegt, 
und  dann  durch  den  Druck  mit  der  Spitze  des  Instrumentes  gegen  die  Kante 
des  Spanes  kleine  Splitter  bald  von  der  einen  bald  an  der  anderen  Seite  ab- 
gelöst, bis  die  Pfeil-  oder  Lanzenspitze  fertig  ist  mit  zwei  sägeartig  ausgezähnten 
Schneiden.  Durch  praktische  Versuche  hat  man  sich  auch  überzeugt,  daß 
mittelst  eines  Stückes  Hirschgeweih  in  Form  eines  Meißels  Feuersteinschaber 
hergestellt  werden  können. 

Ein  Augenzeuge  beschreibt  folgendermaßen,  wie  die  mexikanischen  Apachen 
ihre  Pfeilspitzen  aus  Feuerstein  verfertigen1):  »Wie  die  meisten  Stämme  westlich 
von  und  in  Klippbergen  machen  sie  die  Spitzen  ihrer  Pfeile  und  Lanzen  aus 
heuerstein  oder  Obsidian,  und  wie  die  anderen  machen  sie  ein  tiefes  Geheimnis 
aus  der  Art  und  Weise,  wie  man  zu  Werke  geht.  Jeder  Stamm  hat  seine 
Werkstatt,  wo  der  Bedarf  des  ganzen  Stammes  an  Pfeilen  von  den  eingeweihten 
Arbeitern  hergestellt  wird.  Erratische  Feuersteinblöcke  werden  gesammelt  — 
bisweilen  von  weit  hergeholt  —  und  mit  einem  runden  Stein,  der  einen  Griff 
von  geflochtenen  Weiden  hat,  in  Stücke  zerschlagen.  Wenn  man  ein  passendes 
Stück  ausgewählt  hat,  setzt  sich  ein  Arbeiter  auf  die  Erde  und  legt  dasselbe 
gegen  die  linke  Handwurzel,  während  er  mit  der  rechten  Hand  einen  Meißel 
gegen  die  Stelle  setzt,  die  fortgenommen  werden  soll.  Ein  anderer,  der  ihm 
gegenüber  sitzt,  schlägt  mit  einem  Hammer  oder  einem  sehr  harten  Holzstück 
auf  das  obere  Ende  des  Meißels  und  so  werden  Splitter  bald  von  einer,  bald 
von  der  anderen  Seite  des  Feuersteins  losgeschlagen,  bis  die  Pfeilspitze  fertig 
ist.  Die  Meißel  sind  ungefähr  18  cm  lang  und  haben  eine  abgerundete  oder 
zwei  ebene  Seiten.  Sie  werden  aus  Zähnen  der  Walfische,  die  an  den  Küsten 
des  Stillen  Ozeans  stranden,  hergestellt.  Beide  Arbeiter  singen,  und  der  Hammer 
fällt  im  Takt  mit  einem  scharfen  Prall  nieder,  aus  welchem  die  Indianer  seilet 
die  geheimnisvolle  Kraft  des  Verfahrens  erklären« 

Der  Feuerstein  war  gewiß  das  beste  Material  zu  Waffen  und  schneidenden 
Werkzeugen,  das  unsere  Vorfahren  in  der  Steinzeit  besaßen,2)  aber  es  war,  wie 
wir  wissen,  nicht  das  einzige.  Eine  Menge  von  Werkzeugen  aus  Diorit  und 
ähnlichen  Steinarten  ist  aus  jener  Zeit  erhalten  geblieben,  besonders  in  solchen 
Gegenden,  die  wie  das  mittlere  und  nördliche  Schweden  keinen  Feuerstein 
lieferten.  Auch  bei  der  Herstellung  der  Werkzeuge  und  Waffen  von  Diorit 
und  dergleichen  wurden  andere  Steine  angewendet,  indem  man  durch  Behauen 


i)   Stevens,   Flint  Chips  (London,    1870),   S. 

2)  In  Schweden  hat  man  bis  jetzt  weder  Nephrit-  noch  Jadeitäxte  gefunden. 


36 


Die  jüngere  Steinzeit. 


dem  Stein,  der  bearbeitet  werden  sollte,  ungefähr  die  gewünschte  Form  gab 
und  die  Arbeit  durch  Schleifen  vollendete. 

Beinahe  alle  Messer,  Dolche,  Speer-  und  Pfeilspitzen  nebst  Sägen  und 
Schabern  aus  Feuerstein  sind  nur  zugehauen,  nicht  geschliffen.  Spuren  eines 
Schleifens  findet  man  nur  ab  und  zu  am  mittleren  Teil  eines  Dolchblattes  oder 
einer  Lanzenspitze,  wo  dort  eine  Unebenheit  übrig  geblieben  sein  mag,  die  auf 
keine  andere  Weise  beseitigt  werden  konnte;  aber  die  Schneiden  dieser  Waffen 
sind  niemals  geschliffen. 

Die  meisten  Äxte  und  Meißel  von  Feuerstein  und  fast  alle  Arbeiten  von 
anderem  Stein  sind  mehr  oder  minder  geschliffen,  und  dazu  benutzte  Schleif- 
steine sind  uns  in  großer  Anzahl  erhalten.  Die  längslaufenden  Schrammen, 
die  man  oft  an  den  geschliffenen  Äxten  und  Meißeln  beobachten  kann,  beweisen, 


60.    Schleifstein  und  Feuersteinaxt.    Skdne.     ]/v 


61.    Schleifstein  und  Feuersteinmeißel.    Skäne 


daß,  wenigstens  bei  Beginn  des  Schleifens,  zur  Entfernung  der  größten  Uneben- 
heiten Sand  angewandt  worden  ist. 

Die  beiden  gewöhnlichen  Sorten  Schleifsteine  aus  der  Steinzeit  sind  Fig.  60 
und  61  abgebildet.  Auf  der  ersteren  Sorte  wurden  die  großen  Äxte  und  ähn- 
lichen Werkzeuge  geschliffen,  auf  der  letzteren  die  schmäleren  Meißel  mit  gerader 
oder  konkaver  Schneide,  wie  die  konkaven  oder  konvexen  Schlifflächen  zeigen. 
Dazu  hat  man  mehrere  größere  Schleifsteine  gefunden,  die  nicht  auf  der  ganzen 
flachen  Seite  benutzt  wurden,  sondern  nur  einige  breite  tiefe  Rillen  mit  abge- 
rundetem Boden  und  abgerundeten  Enden  haben;  diese  wurden  offenbar  zum 
Schleifen  der  beinahe  runden  Steinäxte  gebraucht,  wie  man  sie  nicht  selten 
ausgegraben  hat. 

Viele  Äxte  aus  Diorit  und  ähnlichen  Steinsorten  haben,  wie  wir  gesehen 
haben,  ein  gebohrtes  Loch  für  den  Stiel.  Man  zweifelte  lange,  ob  ohne  Zuhilfe- 
nahme eines  Metallbohrers    solche  Löcher  zu    bohren   waren.     Manche    hielten 


Die  Herstellung   der  steinernen  Werkzeuge  und   Waffen. 


37 


62.    Durchschnitt  einer 
Steinaxt  mit  unvollendetem 
Schaftloch. 


es  für  unmöglich.  Aber  seit  man  mehrere  Male  Äxte  mit  Schaftloch  in  Gräbern 
der  Steinzeit  gefunden  hat,  ist  es  klar,  daß  das  Volk  der  Steinzeit  auf  irgend 
eine  Art  ohne  Hilfe  des  Metalls  diese  Löcher  zu  bohren  verstand;  und  man  hat 
sich  seither  durch  Versuche  überzeugt,  daß  sich  selbst  in  einen  sehr  harten 
Stein  mit  einem  Holzstock,  Sand  und  Wasser  ein  Loch  bohren  läßt.  Xur  mußte, 
wenn  der  Stein  hart  war,  eine  große  Ausdauer  entwickelt  werden;  einige  Stunden 
Arbeit  vertieften  das  Loch  kaum  merklich.  Man  beginnt  das  Bohren  am  besten 
auf  beiden  Seiten  des  Steins.  Zuerst  erhält  man  auf  diese  Weise  an  jeder 
Seite  eine  Vertiefung,  die  nach  innen  spitz  zuläuft;  endlich  fällt  die  Scheide- 
wand zwischen  beiden  und  das  Loch  sieht  aus  wie  zwei  mit  den  Spitzen  gegen- 
einander gestellte  Kegel  (Fig. 
62).  Daß  die  Vertiefungen 
diese  Kegelform  annehmen, 
kommt  daher,  daß  der  Stock 
sich,  je  länger  man  arbeitet, 
desto  mehr  abnutzt  und  unten 
schmäler  wird. 

Unter  den  in  der  Erde 
gefundenen  Steinäxten  be- 
finden sich  manche  mit  un- 
vollendeten Löchern,  welche 
allen  Stadien  der  erwähnten 
Art  der  Durchbohrung  ent- 
sprechen. 

Andere  schwedische  Stein- 
äxte mit  unvollendetem  Schaft- 
loch ergeben  eine  andere  Art 
der  Durchbohrung.  In  der 
Mitte  des  Loches  sitzt  da  ein 
runder,  nach  oben  hin  schma- 
lerer Zapfen  wie  ihn  Fig.  63 
zeigt  (vgl.  Fig.  64). 

Durch  Versuch  hat  man  sich  überzeugt,  daß  solche  Löcher  mit  Sand, 
Wasser  und  dem  Röhrenknochen  eines  Tieres  oder  einem  Rohr  von  Hörn  oder 
Holz  hergestellt  werden  können.  Erst  bildet  sich  auf  der  Oberfläche  des  Steines 
eine  ringförmige  Einsenkung.  Der  Bohrer  nutzt  sich  allmählig  ab,  und  der  Rin- 
wird  infolge  davon  nach  unten  hin  schmaler,  während  die  weitere  Bewegung 
des  Bohrers  oben  die  W7ände  des  schon  vorgebildeten  Loches  ausweitet  und 
dem  Zapfen  in  der  Mitte  die  Form  eines  stumpfen  Kegels  gibt.  In  den  Wan- 
dungen des  Bohrloches  zeigen  sich,  ganz  wie  an  den  Wänden  in  den  I  öchern 
der  alten  Steinäxte,  parallellaufende  Rillen,  welche  deutlich  in  der  im  übrigen 
glatten  Fläche  sichtbar  sind.  Diese  Rillen  entstehen  durch  einzelne  größere 
Sandkörner,  die  glatte  Fläche  wieder  von  den  anderen,  nach  und  nach  zu  feinem 
Pulver  zerriebenen  Körnern. 


63.    Durchschnitt  der  Axt 
Fig.  64. 


64.    Steinaxt  mit   unvollen- 
detem Schaftloch.    Verm- 
land.    !/«• 


■2  g  Die  jüngere  Steinzeit. 

Auch  in  diesem  Falle  sind  es  natürlich  eigentlich  die  Sandkörner,  welche 
das  Loch  zustande  bringen.  Dieses  Verfahren,  das  wahrscheinlich  jünger  ist 
als  das  erstbeschriebene,  ist  viel  weniger  zeitraubend,  da  man  für  das  Schaft- 
loch nicht  die  ganze  Steinmasse,  sondern  nur  den  Ring,  der  den  Zapfen  um- 
gibt, fortzuschleifen  braucht.  Der  Zapfen  wurde  alsdann  abgeschlagen  oder 
fiel  von  selbst  heraus. 

So  haben  wir  hier  eine  interessante  Erfindung,  die  vor  Jahrtausenden 
gemacht  wurde.  Merkwürdig  genug  ist  diese  selbe  Erfindung  auch  in  unserer 
Zeit  gemacht  worden  und  zwar  von  Technikern,  die  ohne  Zweifel  nicht 
die  geringste  Kenntnis  davon  hatten,  wie  man  die  alten  Steinäxte  durchbohrte. 
Beim  Sprengen  eines  Berges  bohrt  man  gewöhnlich  in  derselben  Art,  wie  die 
Löcher  zuerst  in  den  alten  Steinäxten  gemacht  wurden,  nämlich,  indem  man  die 
ganze  Steinmasse  des  zu  bohrenden  Loches  zermalmt.  Für  Tunnelsprengungen 
aber  benutzt  man  zylindrische  Bohrer,  welche,  gleich  wie  bei  den  zuletzt  be- 
schriebenen Steinäxten,  eine  ringförmige  Aushöhlung  um  den  in  der  Mitte  stehen- 
bleibenden Zapfen  bilden,  welcher  dann  leicht  entzwei  geschlagen  und  heraus- 
genommen werden  kann.  Dasselbe  gilt  für  die  senkrechte  »Diamantbohrung« 
nach  Wasser,  wenn  es  gilt  tief  durch  Granit  zu  dringen;  der  Bohrer  ist  ein 
eiserner  Zylinder,    in    dessen    unterem  Ende    einige  schwarze  Diamanten  sitzen. 

Die  eben  erwähnten  Versuche  zeigen,  wie  man  mit  den  einfachen  Mitteln, 
die  den  Schweden  der  Steinzeit  zur  Verfügung  standen,  selbst  Äxte  aus  sehr 
hartem  Stein  durchbohren  konnte.  Freilich  gehörte  viel  Zeit  und  Geduld  dazu. 
Aber  die  Zeit  hatte  nicht  denselben  Wert  damals  wie  heutzutage,  und  man  hat 
bewunderungswürdige  Proben  der  Geduld,  welche  die  »wilden«  Völker  bei 
ähnlichen  Arbeiten  entwickeln  können.  So  wird  erzählt,  daß  ein  Indianer  in 
Nordamerika  manchmal  sein  ganzes  Leben  darauf  verwendet  hat,  um  einen 
Tomahawk  (Streitaxt)  aus  Stein  zu  machen,  ohne  dennoch  ganz  fertig  damit 
zu  werden!  Und  es  gibt  kleine  Zylinder  aus  Bergkristall,  io — 20  cm  lang  und 
etwa  3  cm  im  Durchmesser,  welche  die  Eingeborenen  in  der  Nähe  von  Rio 
Negro  in  Südamerika  mit  Sand,  Wasser  und  biegsamen,  zwischen  den  Händen 
gegen  den  Stein  gerollten  Gerten  durchbohrt  haben.  Eine  solche  Arbeit  er- 
fordert mehrere  Jahre,  und  für  die  von  den  Häuptlingen  getragenen  Schmuck- 
sachen dieser  Art  werden  zwei  Menschenalter  verwendet. 

Bei  jeder  kulturgeschichtlichen  Untersuchung  der  Vergangenheit  ist  es 
wichtig,  nicht  nur  zu  erfahren,  welche  Überreste  vorhanden  sind,  sondern 
auch,  ob  diese  Überreste  —  oder  einige  von  ihnen  —  im  Lande  selbst  an- 
gefertigt worden  sind.  Nur  in  diesem  Fall  geben  sie  eigentlich  eine  unmittel- 
bare Aufklärung  über  den  Grad  der  Kultur,  die  die  Einwohner  des  Landes 
erreicht  hatten. 

Es  verdient  deshalb  in  hohem  Grade  unsere  Aufmerksamkeit,  daß  aus 
Gründen,  die  wir  noch  näher  beleuchten  werden,  beinahe  alle  in  Schweden  ge- 
fundenen Gegenstände  aus  der  Steinzeit,  selbst  die  besten,  als  einheimische 
Arbeiten  anzusehen  sind. 


Die  Herstellung  der  steinernen   Werkzeuge  und   Waffen.  tq 

Eine  so  große  einheimische  Produktion  wurde  durch  das  reichliche 
Vorkommen  von  Feuerstein  in  gewissen  Teilen  von  Skäne  erleichtert.  Der 
Feuerstein  bedeutete  im  Verhältnis  zu  anderen  Steinen  damals,  was  heute  Stahl 
im  Verhältnis  zu  Eisen  bedeutet.  Er  findet  sich  gewöhnlich  als  mehr  oder 
minder  runde  Knollen  im  Kreidelager  und  kommt  auch  in  vielen  anderen  Ländern, 
wie  zum  Beispiel  in  Dänemark,  England,  Belgien  und  Frankreich  vor. 

In  Belgien  und  England  hat  man  sogar  die  in  der  Steinzeit  zur  Gewinnung 
des  Feuersteins  bearbeiteten  Gruben  mit  ihren  Schächten  und  in  die  Erde  ge- 
grabenen Gängen,  die  oft  von  bedeutender  Ausdehnung  sind,  aufgedeckt. 

Daß  die  Herstellung  von  Feuersteingegenständen  in  Schweden  während 
der  Steinzeit  einen  großen  Umfang  hatte,  beweisen  die  zahlreichen  Funde  an 
Schlagsteinen,  Schleifsteinen,  angefangenen  und  mißglückten  Werkzeugen,  nebst 
den  beim  Bearbeiten  des  Feuersteins  abgeschlagenen  Splittern.  Solche  Funde 
wurden  an  den  verschiedensten  Stellen  des  südlichen  Schwedens,  und  vor  allem 
in  Skäne  gemacht.  Daß  beinahe  alle  solche  Stellen  am  Meere  oder  an 
größeren  Seen  liegen,  beruht  darauf,  daß  in  der  Steinzeit  vor  allem  die  offenen 
und  leicht  zugänglichen  Küstenstrecken  bewohnt  waren. 

Mehrere  Funde  beweisen,  daß  man  auch  aus  anderen  Steinarten  Waffen 
und  Werkzeuge  hier  im  Lande  verfertigte.  So  sind  bei  Hults  Bruk  in  Öster- 
götland  auf  der  Südseite  von  Kolmärden,  nicht  weit  von  Norrköping,  zusammen 
mit  einigen  Schleifsteinen  eine  große  Menge  teils  unfertiger,  teils  fertiger  Äxte 
aus  Diorit,  beinahe  alle  ohne  Schaftloch,  gefunden  worden.  In  der  Nähe  sieht 
man  den  Steinbruch,  der  das  Material  lieferte. 

Nähere  Aufklärung  über  das,  was  in  jener  Zeit  hier  im  Lande  verfertigt 
wurde,  erhalten  wir  durch  die  vielen  halbfertigen  Objekte,  die  bei  uns  angetroffen 
wurden.  Aber  auch  auf  einem  anderen  Wege  können  wir  uns  darüber  belehren. 
Da  beinahe  alle  im  Norden  —  das  heißt  in  Skandinavien  und  den  nördlichsten 
Teilen  des  heutigen  Deutschlands  —  gefundenen  Gegenstände  von  Stein,  Knochen, 
Bernstein,  gebranntem  Ton  und  anderem  Material  Typen  angehören,  die  hier 
äußerst  allgemein,  aber  in  anderen  Ländern  nicht  ganz  ähnlich  vorkommen,  so 
müssen  wir  daraus  schließen,  daß  sie  alle  im  Norden  angefertigt  sind.  Hierzu 
kommt,  daß  in  den  meisten  Fällen  der  Feuerstein  oder  das  sonstige  Material, 
aus  dem  die  Gegenstände  bestehen,  nordischen  Ursprungs  ist. 

Auf  diese  Weise  hat  man  sich  davon  überzeugt,  daß  nicht  nur  die  ge- 
wöhnlichen vergleichsweise  weniger  gut  ausgeführten  Arbeiten  nordische  sind, 
sondern  auch  die  prächtigsten,  wie  zum  Beispiel  die  schönen  Feuersteindolche 
und  die  feinen  Pfeilspitzen  wie  Fig.  39  und  36.  In  gewissen  Fällen,  wie  zum 
Beispiel  bei  den  geschmackvollen  Steinhämmern  von  der  Form  wie  Fig.  42, 
kann  man  sogar  mit  Bestimmtheit  erkennen,  daß  schwedische  Arbeiten  \ 
liegen,  da  diese  Formen  außerordentlich  zahlreich  in  Schweden  sind,  aber  selten 
in  den  anderen  Teilen  des  nordischen  Gebietes  vorkommen. 

Die  Einwohner  Schwedens  hatten  sich  schon  vor  Ablauf  der  Steinzeit  so 
weit  über  den  Standpunkt  der  rohen  Naturvölker  erhoben,  daß  sie  nicht  nur  für 
das   unumgängliche  Bedürfnis   arbeiteten,   sondern  auch   dicht   unbedeutende  Mühe 


aq  Die  jüngere  Steinzeit. 

darauf  verwandten,  ihre  Arbeiten  so  schön  wie  möglich  herzustellen.  Die  Äxte 
und  Meißel  sind  gewöhnlich  nicht  nur  an  der  Schneide  sorgfältig  geschliffen, 
sondern  auf  der  ganzen  Oberfläche;  die  Dolche  haben  oft  Griffe  aus  Feuerstein; 
viele  von  den  Dolchen  und  Streithämmern  zeigen  eine  Reinheit  der  Form  und 
eine  Technik,  die  wir  bewundern  müssen. 

Die  skandinavischen  Völker  hatten  demnach  schon  vor  dem  Ende  der 
Steinzeit  einen  nicht  geringen  Grad  technischer  Fertigkeit  erreicht,  und  ein  Ver- 
gleich zwischen  den  nordischen  Arbeiten  und  denen,  die  in  anderen  Ländern 
aus  der  Steinzeit  erhalten  sind,  zeigt,  daß  die  nordischen  Völker,  was  Kunstfleiß 
anbetrifft,  sich  nicht  nur  vollständig  mit  den  anderen  Völkern  der  Steinzeit 
messen  können,  sondern  sie  sogar  übertreffen.  Nirgends  in  Europa  außer  im 
Norden,  nicht  einmal  in  Italien  und  Griechenland,  findet  man  Gegenstücke  zu 
unseren  feinsten  Feuersteinarbeiten  oder  unseren  schönsten  Steinäxten,  nirgends 
findet  man  so  schöne  Formen,  so  geschmackvoll  gebogene  Linien,  im  Verein 
mit  einer  solchen  Überlegenheit,  das  Material  zu  beherrschen  und  zu  behandeln, 
wie  hier  im  Norden.  In  letzter  Zeit  hat  man  wohl  in  Aegypten  Feuerstein- 
arbeiten von  der  jüngsten  Steinzeit  —  einer  Zeit,  in  der  das  Kupfer  dort  schon 
bekannt  war  —  aufgefunden,  die  ebenso  geschickt  wie  die  nordischen  ausgeführt 
sind;  an  Schönheit  der  Form  aber  stehen  sie  gegen  diese  zurück. 

Gewöhnlich  nimmt  man  an,  daß  zu  der  Zeit,  als  die  Metalle  noch  unbe- 
kannt waren,  der  Verkehr  zwischen  den  verschiedenen  Ländern  und  Landes- 
teilen gering  war.  Daß  ein  Verkehr  zwischen  den  verschiedenen  Teilen  von 
Skandinavien  in  jener  Zeit  bestand,  ergibt  sich  jedoch  schon  aus  den  beinahe 
vollständig  gleichen  Formen,  welche  die  Werkzeuge,  Waffen  und  Gräber  ganz 
getrennter  Gegenden  im  Norden    untereinander    haben.     So  kommen  Steinäxte 

o 

von  gleicher  Form  wie  Fig.  42  in  Lappland,  Jämtland,  Angermanland,  Skäne 
und  dazwischenliegenden  Landschaften  vor;  und  die  Feuersteindolche  aus  Nor- 
wegen, Nord-  und  Südschweden,  Dänemark  und  Mecklenburg  sind  einander  so 
ähnlich,  daß  man  sie  verwechseln  könnte. 

Andere  Zeugen  von  der  damaligen  Verbindung  zwischen  den  verschiedenen 
Teilen  von  Schweden  sind  die  vielen  in  den  mittleren  und  nördlichen  Land- 
schaften ausgegrabenen  Gegenstände  aus  Feuerstein,  der  aus  Skäne  stammt. 
Entweder  sind  die  Sachen  fertig  aus  Skäne  in  die  Gegenden,  wo  sie  gefunden 
wurden,  gebracht,  oder  sie  wurden  dort  aus  Feuerstein,  der  von  Skäne  dorthin 
gebracht  worden  war,  gearbeitet. 

Der  in  dieser  Hinsicht  merkwürdigste  schwedische  Fund  ist  um  1830  in 
Westerbotten  am  Byskeälf  bei  Bjurselet  im  Kirchspiel  Skellefte  gemacht 
worden.1)  Zwei  Fuß  tief  in  der  Erde  stieß  man  dort  auf  nicht  weniger  als 
70  Äxte  aus  Feuerstein,  welche  mit  der  Schneide  nach  unten  gerichtet  waren, 
in  einem  Kreis  von  ungefähr  3  Fuß  Durchmesser.  Von  diesen  Werkzeugen 
sind  dreiundzwanzig  im  Historischen  Museum;  alle  haben  gleiche  Form,  sind 
ungeschliffen  und  wahrscheinlich  unbenutzt,    und  alle  haben    dieselbe    hellgraue 


1)  Mänadsblad,    1876,  S.  266. 


Die  Herstellung  der  steinernen  Werkzeuge  und  Waffen. 


41 


Farbe;  alle  sind  aus  Feuerstein  von  Skäne.  Die  Stelle,  wo  sie  gefunden 
wurden,  liegt  jedoch  mehr  als  hundert  schwedische  Meilen  von  Skäne  entfernt. 

In  der  Nähe  fand  man  auch  andere  Werkzeuge  und  unbearbeitete  Stücke 
und  eine  Masse  Splitter,    alle    von  derselben  Feuersteinart  wie  der  Hauptfund. 

Von  einer  Verbindung  zwischen  Skäne  und  Mittelschweden  erzählen  auch 
die  vielen  Schmucksachen  aus  Bernstein,  die  man  in  den  Ganggräbern  in  Wester- 
götland  angetroffen  hat. 


3.   Verkehr  mit  anderen  Ländern. 

Die  große  Ähnlichkeit  zwischen  den  Altertümern  der  Steinzeit  aus  Got- 
land,  Oland,  Bornholm  und  dem  schwedischen  Festland  zeigt,  daß  schon  damals 
eine  ständige  Verbindung    zwischen    den  Inseln    und    dem    Festland,    trotz  der 


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65.    Kupferaxt,  von  zwei  Seiten  gesehen; 
mit  Durchschnitt.    Skdne.    V2. 


66.     Steinaxt,  von  zwei  Seiten  gesehen; 
mit  Durchschnitt.     Södermanland.    1/3. 


Schwierigkeit,  mit  den  damaligen  Fahrzeugen  über  das  Meer  zu  gelangen,  be- 
stand. Das  gleiche  gilt  für  das  Verhältnis  von  Jütland  zur  südwestlichen  Küste 
von  Norwegen. 

Mehrere  Verhältnisse  zeugen  auch  von  einem  Verkehr  zwischen  Skandi- 
navien und  dem  westlichen  Europa  in  jenen  Zeiten.  Eine  Folge  dieses  Ver- 
kehrs sehen  wir  schon  in  einem  ganz  frühen  Teil  der  jüngeren  Steinzeit  in  den 
»Dolmen«  und  etwas  später  in  den  »Ganggräbern«,  Grabformen,  die  wir  so- 
gleich näher  kennen  lernen  werden.  Die  Ähnlichkeit  einerseits  zwischen  ge- 
wissen englischen  Gräbern  und  einer  Art  von  noch  jüngeren  Gräbern,  —  Stein- 
kisten mit  einem  großen  Loch  in  einem  der  Giebel,  —  die  im  mittleren  Schweden 


42 


Die  jüngere  Steinzeit. 


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vorkommen,  und  andererseits  das  Fehlen  dieser  Grabform  im  südlichen  Schweden 
und  in  Dänemark  macht  es  unzweifelhaft,  daß  schon  vor  dem  Ende  der  Stein- 
zeit eine  direkte  Verbindung  zwischen  der  Westküste  Schwedens  und  der  Ost- 
küste Englands  stattgefunden  hat.1) 

Selbst  mit  Ländern  südlich  von  der  Ostsee  stand  das  Schweden  der 
Steinzeit  in  Verbindung. 

Einen  Beweis  für  den  direkten  Verkehr  mit  Deutschland  haben  wir  unter 
anderem  in  solchen  Steinäxten,  wie  sie  Fig.  66  zeigt,  indem  diese  Form  den  in  Nord- 
deutschland (Fig.  6j)  und  dem  mittleren  Europa  vorkommenden  sehr  nahe  steht, 
während  sie  aus  Dänemark  nicht  bekannt  ist.  Diese  Steinäxte  sind  Nachbildungen 
von  Kupferäxten,  welche  in  den  österreichisch-ungarischen  Ländern  vorkommen; 
ein  dorther  importiertes   Exemplar  ist  in  Skäne   gefunden  worden  (Fig.  65). 

Dieselben  Ornamentmotive  (Fig.  68  und 
69),  die  man  auf  vielen  nordischen,  auch  süd- 
schwedischen, Tongefäßen  aus  dem  späteren 
Teil  der  jüngeren  Steinzeit  sieht,  findet  man 
im  mittleren  Europa,  auf  der  Balkanhalbinsel, 
auf  Cypern  (Fig.  70  und  71)  und  in  Aegypten 
wieder;  aber  sie  kommen  weder  in  West-  noch 
in  Osteuropa  vor.  Folglich  sind  sie  zu  uns 
über  das  europäische  Festland  gekommen.2) 

Auch  daß  der  Bernsteinschmuck  in  den 
nordischen  Ganggräbern  allgemein,  dagegen  in 
den  einer  späteren  Zeit  angehörenden  Stein- 
kisten selten  ist,  beweist  für  die  letztere  Zeit, 
daß  man  damals  durch  den  Handel  mit  an- 
deren Völkern  schon  den  Wert  des  Bernsteins 
zu  schätzen  gelernt  haben  mußte,  was  zur  Zeit 
der  Ganggräber  noch  nicht  in  so  hohem 
Grade  der  Fall  war. 
Schweden  war  also  in  der  Steinzeit  nicht  so  von  anderen  Ländern  ab- 
geschlossen, wie  man  es  sich  gewöhnlich  vorstellt.  Zwar  nicht  unmittelbar, 
sondern  durch  Vermittelung  vieler  dazwischen  wohnender  Völker,  erfuhr  unser 
Land  schon  etliche  Jahrtausende  vor  der  christlichen  Zeitrechnung  den  Einfluß 
der  damaligen  Kulturvölker. 

Zwei  Wege  kommen  dabei  hauptsächlich  in  Betracht:  der  eine  führte  um 
die  Mittelmeerküsten  und  Westeuropa  zu  unseren  Gegenden,  der  andere  von 
dem  östlichen  Mittelmeer  über  den  Kontinent.  Den  ersteren  nennen  wir  den 
westlichen,  den  letzteren  den  südlichen. 


67.    Steinaxt,   von  zwei  Seiten 
gesehen.  Schlesien. 


1)  Montelius,  Der  Orient  und  Europa.  Einfluß  der  orientalischen  Kultur  auf  Europa  bis 
zur  Mitte  des  letzten  Jahrtausends  v.  Chr.  Deutsche  Übersetzung  von  J.  Mestorf.  (Stockholm, 
1899),  S.  137   folg. 

2)  Montelius,  im  Correspondenzblatt  der  Deutschen  Anthropologischen  Gesellschaft,  1891, 
S.    101. 


Verkehr  mit  anderen  Ländern. 


43 


Der  Verkehr  zwischen  dem  Orient  und  Europa  in  jenen  Zeiten  war  dem 
Verkehr  der  europäischen  Völker  mit  Afrika  und  Australien  in  unseren  Tagen 
insofern  ähnlich,  daß  man  in  jenem  wie  in  diesem  Fall  sich  lange  begnügen 
mußte,  den  Küsten  entlang  zu  fahren,  ehe  es  gelang,  sich  einen  Weg  quer  über 
den  Kontinent  mittelst  der  Flüsse,  die  ihn  durchschneiden,  zu  eröffnen.  Erst 
nachdem  der  Handel  schon  lange  den  westlichen  Weg  rund  um  Westeuropas 
Küsten  gegangen  w7ar,  wurde  der  Weg  über  das  europäische  Festland  geöffnet, 
den  Flußwegen  folgend,  die  die  Xatur  gebahnt  hat. 

Es  ist  eins  der  wichtigsten  Ergebnisse  der  älteren  Kulturgeschichte  Europas, 
die  wir  der  neueren  Forschung  verdanken,  daß  der  letztgenannte  Weg  über 
den  Kontinent  bereits  lange  vor  dem  Ende  der  Steinzeit  von  Bedeutung  für  den 
Verkehr  mit  dem  Norden  wurde.  Es  ist  noch  nicht  lange  her,  daß  man  sich 
die  Eröffnung  dieses  Weges  als  viel  später  vorstellte. 

Die  bisherigen  Zeugnisse  eines  Kultureinfiusses  der  südlichen  Völker  sind 
nicht  die  einzigen.  Auf  dem  einen  oder  dem  anderen  Wege  empfingen  unsere 
Vorväter  zugleich  mit  der  Kenntnis  von  Viehzucht  und  Ackerbau  gewisse 
religiöse  Vorstellungen. 


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68.   Ornament.   Skäne.        69.   Ornament.   Skane. 


70.   Ornament.   Cypcrn.      7  1.  Ornament.  C\ 


Im  höchsten  Grade  auffallend  ist,  daß  wir  folglich  schon  während  der 
Steinzeit  einen  Einfluß  konstatieren  können,  der  sich  nicht  nur  auf  dem  mate- 
riellen, sondern  auch  auf  dem  ideellen  Gebiet  bemerkbar  machte.  Es  muß  ein 
langandauernder  und  starker  Einfluß  gewiesen  sein,  der  im  äußersten  Norden 
von  Europa  zu  einer  Veränderung  der  Gräberformen  und  zu  neuen  religiösen 
Vorstellungen  führte. 

Die  überraschende  Höhe  technischer  Fertigkeit  und  des  Kunstgeschmackes, 
die  die  Erzeugnisse  aus  der  letzten  Periode  der  Steinzeit  erkennen  lassen,  kann 
nicht,  wie  man  früher  glaubte,  durch  längere  Dauer  der  Steinzeit  im  Norden 
als  in  den  südlichen  Teilen  Europas,  sondern  nur  durch  einen  starken  Einfluß 
der  südlichen  Kultur  erklärt  werden. 


4.    Gräber.    Religion. 

Ans  der  älteren  Steinzeit  kennt  man  bis  jetzt  kein  schwedisches  Grab  — 
was  vielleicht  auf  unvollkommenem  Wissen  bezüglich  der  Altertümer  aus  jener  Zeit 
beruht.  Aus  der  jüngeren  Steinzeit  ist  dagegen  eine  große  Anzahl  Gräber  erhalten. 

Diese  Gräber  sind  entweder  Erdgräber,  in  die  Erde  gegraben,  ungefähr 
wie  die  jetzt  üblichen1),  oder  aus  Stein  gebaute  Grabkammern.  Ein  <  irab 
erstercr  Art   ist  meist  nur  für  eine  Leiche  bestimmt,   letztere  für  eine  Mehrzahl. 

1)  S.  Müller,   De  l  nkeltgrave    ira  Stenalderen,   in   den  Aarböger  f.  nord.  Oldkynd., 

1898,  S.  157  folg. 


44 


Die  jüngere  Steinzeit. 


In  einem  wie  im  anderen  Fall  wurden  die  Leichen  unverbrannt  begraben. 
Die  Leichenverbrennung  war,  soweit  wir  wissen,  in  Schweden  während  der 
ganzen  Steinzeit  unbekannt. 

Im  Anfang  der  jüngeren  Steinzeit  hatte  man  nur  Erdgräber,  erst  später 
begann  man  in  gewissen  Gegenden  für  einen  Teil  der  Bevölkerung  Grab- 
kammern aufzuführen.  Die  ältere  unansehnlichere  Art  von  Gräbern  wendete 
man  in  diesen  Gegenden  mitsamt  den  Grabkammern  an,  und  in  den  übrigen 
Teilen  des  Landes  gab  es  fortwährend  nur  Erdgräber. 


73.  Dolmen   mit  Schalen.    Fasmorup  in  Skäne. 

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72.    Dolmen  (Ansicht  und  Grundriß). 
Skäne. 


74.    Dolmen.     Östra  Värlinge  in  Skäne. 


Die  aus  Stein  gebauten  Grabkammern,  welche  unter  dem  Namen  »mega- 
lithische Gräber«  bekannt  sind,  können  in  drei  Hauptgruppen  geteilt  werden, 
Ganggräber,  Dolmen  und  Steinkisten1).  Die  verschiedenen  Grabformen 
gehören  im  allgemeinen  verschiedenen  Epochen  der  jüngeren  Steinzeit  an  und 
folgen  aufeinander  in  der  eben  angegebenen  Reihenfolge,  indem  die  Dolmen 
die  ältesten  und  die  mit  einem  Erdhücrel  oder  einem  Steinhaufen  bedeckten 
Steinkisten  die  jüngsten,  dem  allerletzten  Teil  der  Steinzeit  und  dem  Übergang 
zur  Bronzezeit  angehörig  sind. 

Ein  Dolmen  (Fig.  1  und  72 — 75)  ist  eine  Grabkammer  mit  Wänden  von 
großen,  dicken,  auf  die  Kante  gestellten  Steinen,  die  vom  Boden  bis  an  die 
Decke  reichen  und  auf  der  inneren  Seite  glatt,  auf  der  äußeren  aber  gewöhn- 
lich uneben  sind.  Der  Boden  besteht  aus  Sand,  kleinen  Steinen  und  ähnlichem, 
die  Decke  gewöhnlich  aus  einem,    selten    aus    mehreren    großen    Steinblöcken, 


1)  Sveriges  forntid  (Text),  S.  in,  und  Compte-rendu  du  Congres  de  Stockholm,  1874, 
S.  152  (mit  einer  Karte).  Für  die  Entwickelungsgeschichte  der  megalithischen  Gräber  innerhalb  und 
außerhalb  des  Nordens  siehe  Montelius,  Der  Orient  und  Europa,  S.  9  folg. 


Gräber. 


45 


welche  ebenfalls  auf  der  Innenseite  glatt,  im  übrigen  aber  unregelmäßig  sind. 
Die  Form  der  Kammer  ist  oft  so  vielseitig,  daß  sie  beinahe  rund  erscheint; 
selten  ist  sie  regelmäßig  vierseitig.  Ihre  Länge  beträgt  meistens  1,50  bis  2  m, 
die  Höhe  selten  mehr  als  1,50  m.  Gewöhnlich  haben  die  Dolmen  auf  der 
südlichen  oder  östlichen  Seite  der  Kammer  eine  große  Öffnung,  in  welcher  zu- 
weilen ein  niedrigerer  Stein  sitzt. 


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75.    Dolmen  auf  oblongem  Hügel.    Schegrie  in  Skane. 


Die  meisten  Dolmen  liegen  in  oder  auf  einem  Hügel,  der  ursprünglich 
wenigstens  den  obersten  Teil  der  Wandsteine  unbedeckt  läßt.  Der  Hügel, 
der  in  Schweden  gewöhnlich  eine  runde,  selten  eine  oblonge  Form  hat  (Fig.  75), 
ist  am  Fuß  oft  von  großen  Steinen  umgeben.  Wenn  der  Hügel  langgestreckt 
ist,  liegt  der  Dolmen  gewöhnlich  dem  einen  Ende  näher.  Bisweilen  befinden 
sich  zwei  Dolmen  auf  einem  solchen  Hügel ') 


76.    Ganggrab.    Luttra  in   Westergötland. 

Ein  Ganggrab  besteht  aus  einer  Grabkammer  und  einem  dazuführenden 
niedrigen  und  schmalen  Gang;  das  Ganze  ist  von  einem  Hügel  umgeben, 
dessen  Fuß  einen  Kreis  von  großen  runden  Steinen  bildet.  Fig.  j6 — jS  zeigen 
solche  oft  großartige  Grabbauten 2). 


1)  N.  G.   Bruzelius,  Svenska  fornlemningar  (Lund,    1S53),  S.  25. 

2)  M.  Bruzelius,  in  Iduna,  9  (Stockholm,  1S22),  S.  285  (Äsahögen  in  Skane),  1'.  G. 
Alander,  Om  ganggrifterna  i  Westergötland  (Skara,  1860  und  [862);  B.  E.  Hildebrand,  in  der 
Antiqv.  tidskr.  f.  Sv.,  Bd.  1,  S.  255  (Luttra  und  Slöta  in  Westergötland);  Mänadsblad,  [873,  S.  10 
(Karlcby    in   Westergötland);    Sv.  Fornm.  für»  tidskr.,    Bd.   5,    S.  21   (Eldsbcrga  in   Eialland);    Bd. 

S.  40  (Lundby  in  Westergötland);   Bd.  7,  S.  23   u.  122   (Berg   in  Bohuslän);   Retzius,   Crania  suecica 
antiqua,   S.  46  folg.   (mehrere   Ganggrabcr). 


46 


Die  jüngere  Steinzeit. 


Die  Kammer  in  einem  Ganggrab  ist  entweder  beinahe  rund  oder  oval 
oder  bildet  ein  längliches  Viereck.  Die  Wände  sind  in  derselben  Weise  ge- 
baut wie  in  den  Dolmen,  indem  sie  von  großen,  auf  die  Kante  gestellten  Stein- 
platten oder  Blöcken  gebildet  sind,  die  auf  der  Innenseite  eben  sind,  wenn 
auch  niemals  glatt  behauen.  Der  Zwischenraum  zwischen  diesen  Steinen  pflegt 
mit  großer  Sorgfalt  mit  kleinen  Steinfliesen  ausgefüllt  zu  sein.  Bisweilen  findet 
man  Birkenrinde  zwischen  den  Fliesen;  letztere  sind  zuweilen  aufeinander  gelegt 
wie  die  Steine  in  einer  Mauer.  Das  Dach  besteht  aus  mächtigen  Steinblöcken 
oder  Platten,  die  von  einer  zur  anderen  Wand  reichen  und  die  auf  der  unteren 
Seite    glatt,    auf    der  oberen    oft  unregelmäßig  sind.     Auch  der  Zwischenraum 


77.    Ganggrab.      Karleby  in  Westergötland. 


zwischen  diesen  pflegt  auf  dieselbe  Art  wie  die  Fugen  der  Wände  gedichtet 
zu  sein.  Der  Boden  ist  in  einigen  Gräbern  mit  kleinen  flachen  Steinen  belegt, 
aber  gewöhnlich  wird  er  nur  von  Erde  gebildet. 

Auf  der  einen  Längsseite  der  Kammer,  gewöhnlich  nach  Süden  oder 
Osten,  —  später  in  der  einen  Giebelwand,  —  befindet  sich  eine  größere 
Öffnung,  durch  die  ein  Gang,  auf  dieselbe  Art  wie  die  Kammet  gebaut,  nur 
niedriger  und  schmäler,  hinausführt.  Der  Gang,  wenigstens  sein  innerer  Teil, 
ist  mit  großen  Steinen  bedeckt,  die  den  Decksteinen  der  Kammern  gleichen, 
außer  daß  sie  etwas  kleiner  sind.  An  der  inneren  Mündung  des  Ganges  und 
am  äußeren  Ende  des  bedeckten  Teiles  findet  man  nicht  selten  eine  Art  Tür- 
einfassung, bestehend  aus  einem  Schwellenstein  und  zwei  schmalen,  etwas  ein- 
geschobenen Türpfosten  (Fig.  78  A,  C  und  79).  Manchmal  liegt  hier  eine  bei- 
nahe rechteckige  Kalksteinplatte,    die  in  die  Türöffnung  paßt  und  deutlich  als 


Gräber. 


47 


Tür  gedient  hat  (Fig.  78  B).  Möglicherweise  waren  einige  Ganggräber  mit 
Holztüren  verschlossen,  wie  es  der  Fall  war  bei  einem  vor  einigen  Jahren  in 
Sachsen  aufgefundenen  Grab. 

Die  schwedischen  Ganggräber  sind  von  sehr  verschiedener  Größe.  Die 
Länge  der  Kammer  ist  gewöhnlich  4 — 7  m,  deren  Breite  1,50 — 3  m  und  die 
Höhe  1,20 — 1,80  m.  Der  Gang  ist  oft  ebenso  lang  wie  die  Kammer,  selten 
länger;    ihre    Breite    ist    gewöhnlich    0,60 — 1,20  m    und    die   Höhe   I  — 1,50  m. 

Einige  Ganggräber  in  der  an  solchenDenk- 
mälern  sehr  reichen  Gegend  vonFalköping 
sind  aber  bedeutend  größer  und  haben 
Kammern  von  9,50 — 12,50  m  Länge.  Das 
größte  Ganggrab  Schwedens  und  wahr- 
scheinlich des  ganzen  Nordens,  ist  eines 
von  den  vielen,  die  bei  der  Karlebykirche 
in  der  Nähe  von  Falköping  liegen.    Das 


78.     Grundriß   des   Ganggrabes  Fig.  77. 

A  äußere  Türpfosten  mit  Schwelle,    B  steinerne  Tür, 
C  innere  Türpfosten  mit  Schwelle. 


79.  Türöffnung  in  einem  Ganggrab. 
Berc  in  Bohuslän. 


Dach  der  noch  nicht  ausgegrabenen  Kammer  wird  von  neun  großen  Granitblöcken 
gebildet  und  ist   16,65  m  ^anS>   2,40  m  breit;  der  Gang  ist  beinahe    12  m  lang. 

Die  Ganggräber  in  Schweden  sind  wie  die  Dolmen  sehr  selten  ganz  und 
gar  von  dem  sie  umgebenden  Hügel  verdeckt.  Besonders  die  oberen  Teile 
der  Dachsteine  sind  mehr  oder  minder  sichtbar.  In  Fällen,  wo  das  ganze 
Grab  von  dem  Hügel  bedeckt  war,  ist  der  obere  Teil  zweifellos  erst  nach 
dem  Ende  der  Steinzeit  dazu  gekommen,  was  unter  anderem  daraus  hervor- 
geht, daß  man  in  solchen  Hügeln  oft  Gräber  aus  der  Bronzezeit  findet  (Fig.  226). 

Die  Steinkisten  werden  von  großen  auf  die  Kante  gestellten  Steinplatten 
(Fig.  80  und  81)  gebildet.  Sie  sind  stets  vierseitig,  wenn  auch  die  Längsseiten 
nicht  immer  ganz  parallel  stehen,  wodurch  das  Gral)  an  dem  einen  Ende 
schmäler  wird  als  an  dem  anderen.  Sie  sind  oder  waren  mit  einer  oder 
mehreren  Steinplatten  bedeckt1). 

1)  H.  Hildebrand,   in   der   Antiqv.  tidskr.  f.   Sv.,   Bd.  3,    S.  25   (Skünc).   —   Montelius,   in 
der  Sv.  Fornm.-för^  tidskr.,   Bd.  }.  S.  [53   (Hammar  in  Skäne);  Bd.  6,  S.  39,  46  (W  nd  und 

Östergötland).   —   Mänadsblad,     1  s 7 7    (Kinnasanden    in    Westergötland) ,  Rydaholm    in   Sm.i- 

land),   1886  (Nöbbeled   in  Smäland).  —  Retzius,  Crania  suecica  antiqua,  S.  65)  ,,s   und   ; 


48 


Die  jüngere  Steinzeit. 


Gewöhnlich  liegen  diese  Gräber  in  der  Richtung  von  Nord  nach  Süd 
und  sind  mit  einem  kleinen  Hügel  von  Erde  oder  Steinen  umgeben.  Viele 
Steinkisten  erheben  sich,  wie  die  Ganggräber,  so  weit  über  die  Oberfläche  des 


wBäß     r  m Ka 


80.   Steinkiste;   6,55  m  lang.    Skottened   in   Westergötland. 


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81.  Grundriß  einer  Steinkiste. 
Västerlösa  in  Östergötland. 


5555 


82.     Steinkiste.     Dverred  im  nördlichen  Hailand. 


84.  Der  mit  einem  Loch 
83.  Der  mit  einem  Loch  versehene  Giebel      versehene  Giebel  in  der  Stein- 
einer Steinkiste.  Herrljunga,  Westergötland.  kiste  Fig.  85. 


Jä/Ai 


85.  Grundriß  einer  Steinkiste.     Backa  in  Westergötland. 

Hügels,    daß  mindestens  die  Deckplatten,    wo  sie  noch  erhalten  sind,    und  die 
oberen  Kanten  der  Wandplatten  sichtbar  sind,    andere  sind  ganz  und  gar  von 


dem  Hügel  bedeckt. 


Gräber. 


49 


Diese  Grabform  ist  aus  den  Ganggräbern  entstanden  und  zunächst  aus 
denen,  die  den  Gang  in  der  Längsrichtung  der  Kammer  haben.  Es  gibt  näm- 
lich verschiedene  Zwischenformen,  welche  zeigen,  wie  der  Gang  nach  und 
nach  verändert  wurde  und  sich  verkleinerte,  bis  er  schließlich  nur  noch  in 
dem  offenen,  meistens  schmäleren  südlichen  Ende  des  Grabes  wiederzufinden  ist. 

Ein  anderes  Überbleibsel  des  Einganges  zu  dem  Ganggrab  muß  wohl 
die  Öffnung  sein,  die  man  manchmal  ungefähr  in  der  Mitte  auf  der  östlichen 
Langseite  sieht,  gerade  an  der  Stelle,  wo  der  Gang  bei  den  älteren  Gräbern 
gewöhnlich  einmündete.  In  einem  im  Jahr  1875  untersuchten  Steingrab  bei 
der  Eisenbahnstation  Herrljunga  in  Westergötland  fand  ich  eine  solche  Öffnung 
von  2,30  m  Breite  (Fig.  83);  die  Länge  des  Grabes  betrug  nicht  weniger 
als  9,40  m1). 


86.    Steinkiste.    Karleby   in  Westergötland. 


Manchmal  haben  die  Steinkisten  nur  eine  runde  oder  ovale  Öffnung  im 
südlichen  Giebel  (Fig.  82,  84 — 87).  Solche  Gräber  findet  man,  wie  schon  be- 
merkt wurde,  nur  im  mittleren  Schweden:  Bohuslän,  dem  nördlichen  Hailand, 
Westergötland,  Östergötland  und  Nerike. 

Eines  der  bemerkenswertesten  Gräber  dieser  Art  liegt  in  der  Nähe  der 
schon  erwähnten  Ganggräber  bei  Karleby  in  der  Gegend  von  Falköping  und 
wurde  1874  untersucht2).  Unter  einem  großen  aber  nicht  sonderlich  hohen 
Steinhügel  traf  man  auf  ein  aus  Kalksteinplatten  gebildetes  Grab  mit  einer 
größeren  und  davor  zwei  kleineren   Kammern  (Fig.  S6).    Die  Decke  war  auch 

1)  Montelius,  in  Compte-rendu  du  Congres  de  Budapest,   1876,  S.  200. 

2)  Manadsblad,    1877,  S.  425.  —   Retzius,  Crania  suecica   antiqua,   S. 
Montelius,  Kulturgeschichte  Schwedens.  1 


5o 


Die  jüngere  Steinzeit. 


aus  Kalksteinplatten  gebildet,  die  in  gleicher  Höhe  mit  der  sie  umgebenden 
Erdoberfläche  lagen.  In  der  Zwischenwand  —  Stein  i  (Fig.  87)  —  zwischen 
der  eigentlichen  Grabkammer  und  der  inneren  Vorkammer  sieht  man  eine 
größere  halbrunde  60  cm  breite  Öffnung  (wie  Fig.  82).  Auf  der  Außenseite 
war  die  Öffnung  mit  einer  Art  Tür  geschlossen,  einer  kleineren  Platte,  die  ge- 
stützt und  auf  dem  Platz  gehalten  wurde  von  einem  großen  runden  Stein 
(Fig.  87  Nr.  18  und  19).  In  der  Scheidewand  (Steine  Nr.  15  und  16)  zwischen 
der  inneren  und  äußeren  Vorkammer  befindet  sich  ebenfalls  eine  große  runde 
Öffnung  von  75  cm  Breite,  jedoch  nicht  unten  wie  die  vorige,  sondern  oben. 
Diese  Öffnung  war  ebenfalls  mit  einer  Tür  verschlossen,  einer  größeren  Platte 
(Fig.  87  Nr.  20).  Die  Länge  der  Grabkammer  ist  in  ihrer  Mitte  4,50  m;  die 
Breite  2,10  m  und  die  Höhe   1,85   m,  also  gewöhnliche  Manneshöhe. 

In  diesem  Grab,  das  ganz  mit  Sand  und  Erde  gefüllt  war,  lagen  mehr 
als  sechzig  unverbrannte  Leichen  und  an  deren  Seite  eine  ungewöhnlich  große 
Zahl  von  Dolchen,  Lanzenspitzen,  Pfeilspitzen  und  anderen  Arbeiten  aus  Feuer- 

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87.    Grundriß  der  Steinkiste  Fig.  86. 

stein,  woraus  hervorgeht,  daß  das  Grab  der  Steinzeit  angehört.  Dies  festzu- 
halten ist  um  so  wichtiger,  als  zwischen  den  Skeletten  im  untersten  Teil  des 
Grabes  zwei  Perlen  von  Bronze  und  das  Ende  einer  Lanzenspitze  aus  dem- 
selben Material  lagen.  Folglich  muß  die  Bronze  schon  zu  der  Zeit,  als  das 
Grab  benutzt  wurde,  in  Westergötland  bereits  bekannt  gewesen  sein. 

Das  ist  aber  nicht  der  einzige  Fund,  welcher  beweist,  daß  solche  große 
von  Hügeln  bedeckte  Steinkisten  dem  allerletzten  Teil  der  Steinzeit  angehören. 
In  derselben  Weise  hat  man  nämlich  Bronzegegenstände  zusammen  mit  Stein- 
sachen auch  in  anderen  ähnlichen  Gräbern  gefunden,  und  ganz  ebensolche  von 
einem  Erd-  oder  Steinhügel  bedeckte  Steinkisten  wurden  auch  in  der  Bronze- 
zeit benutzt,  insbesondere  im  ersten  Teil  der  Periode. 

Mehrere  Steinkisten,  aus  dem  jüngsten  Teil  der  Steinzeit,  sind  ganz  ge- 
schlossen (Fig.  81). 

Die  Länge  der  Steinkisten  ist  gewöhnlich  2,50 — 4  m,  die  Breite  1  — 1,50  m 
und  die  Höhe  oder  Tiefe  0,75 — 1,50  m.  Einige,  insbesondere  in  Westergötland, 
sind  jedoch  größer,  von  6 — 9,50  m  Länge.  Das  längste  bis  jetzt  bekannte 
Grab  dieser  Art  in  Schweden  befindet  sich  wohl  auf  Stora  Lundskullen  im 
Härene  Kirchspiel,  Westergötland.    Seine  Länge  ist  10,40,  seine  Breite  2,40  m. 


Gräber. 


51 


Ebenso  wie  die  Ganggräber  werden  auch  die  Steinkisten  oft  in  der 
Volkssprache  »Riesenstuben«  oder  »Riesengräber«  genannt.  Da  ein  modernes 
Grab  nur  eine  Leiche  birgt,  die  Steinkiste  aber  oft  größer  ist  als  gewöhnliche 
Manneslänge,  glaubte  man,  solch  ein  Grab  sei  einst  für  einen  Riesen  erbaut 
worden. 

Xebst  den  Dolmen  sind  die  Ganggräber  die  ältesten  Denkmäler  der  Bau- 
kunst in  Schweden.  Gewiß  sind  es  einfache  Bauten,  aber  sie  sind  so  dauer- 
haft aufgeführt,  daß  die  Wände  nach  Verlauf  von  so  vielen  Jahrtausenden 
noch  unverändert  stehen  und  die  schweren  Steinblöcke  der  Decke  tragen. 
Selten  ist  ein  solcher  Bau  zusammengestürzt,  es  sei  denn  durch  das  Graben 
nach  Schätzen  oder  sonst  durch  Menschenhand. 

Mit  Recht  hat  man  sich  gefragt,  wie  es  möglich  war,  daß  das  Volk  der 
Steinzeit  ohne  die  mechanischen  Hilfsmittel,  die  wir  jetzt  haben,  solche  groß- 
artigen Bauten,  wie  die  jetzt  besprochenen  megalithischen  Gräber  sind,  auf- 
führen konnte.  Große  Schwierigkeiten  mußte  schon  das  Herzuschaffen  des 
Materials  gemacht  haben.  Dieses  Material  ist  Granit  und  in  gewissen  Gegenden 
Kalkstein;  in  vielen  westgötischen  Gräbern  sind  nämlich  besonders  die  Wände 
aus  Kalkstein.  Man  hat  demnach  schon  verstanden,  aus  Kalksteinbrüchen 
große  Platten  zu  gewinnen  und  zuzurichten,  was  ohne  Metallwerkzeuge  große 
Schwierigkeiten  machen  konnte;  die  Steine  sind  jedoch  niemals  glatt  gehauen. 
Jedenfalls  war  es  wohl  leichter  Kalksteinplatten  als  die  für  die  Gräber  passenden 
Granitblöcke  herzustellen. 

Diese  sind  mit  Sorgfalt  ausgewählt  und  so  aufgestellt  oder  gelegt,  daß 
sie  nach  der  Innenseite  der  Kammer  eine  ebene  Fläche  bilden.  Da  jedes 
größere  Grab  eine  Menge  Steine  mit  je  wenigstens  einer  ebenen  Seite  er- 
forderte, und  da  man  selbst  in  kleinem  Umkreis  oft  heute  —  nachdem  gewiß 
viele  der  Zerstörung  der  Zeit  zum  Opfer  gefallen  sind  —  noch  mehrere  solche 
Gräber  findet,  sieht  man  leicht  ein,  daß  so  viele  Steine  von  passender  Größe 
und  Form  nicht  zufällig  zu  finden  waren,  sondern  daß  das  Steinzeitvolk  ver- 
standen haben  muß,  auf  irgend  eine  Weise  diese  mächtigen  Steinblöcke  zu- 
zurichten. 

Vielleicht  ist  man  dabei  ebenso  zu  Werk  gegangen,  wie  noch  heute  in 
verschiedenen  Gegenden  des  Nordens  große  Findlinge  von  Granit  zerlegt 
werden.  In  der  Richtung,  in  welcher  man  den  Stein  am  bequemsten  zu  spalten 
erwartet,  klopft  man  eine  Furche  aus  und  gießt  Wasser  darein,  das  man  eine 
Zeitlang  stehen  läßt.  Dann  macht  man  um  oder  unter  dem  Stein  Feuer  an, 
um  ihn  zu  erhitzen,  und  setzt  kleine  Keile  in  die  Furche,  auf  die  mit  einer 
Keule  geschlagen  wird,  bis  der  Stein  in  zwei  Stücke  mit  je  einer  ebenen  St 
zerfällt.  Eine  solche  Furche  ließ  sich  mit  Werkzeu-en  der  Steinzeit  leicht 
herstellen.  Statt  Hitze  kann  auch  Kälte  angewendet  werden;  das  zu  Eis  ge- 
frorene Wasser  in  der  Furche  sprengt  alsdann  den   Stein. 

Das  erstere  Verfahren  wenden  die  Kassier  im  indischen  Hochland  an, 
ein  Volk,    das    noch    heute    Dolmen    zu    Gräbern    für    seine  Toten    baut.      Die 

4* 


C2  Die  jüngere  Steinzeit. 

für  diese  Gräber  nötigen  Steine  erhält  man  dadurch,  daß  man  in  größeren 
Steinblöcken  Furchen  klopft,  in  diese  kaltes  Wasser  gießt,  dann  den  Stein  er- 
hitzt und  zersprengt.  Taue  und  Hebestangen  sind  die  einzigen  mechanischen 
Hilfsmittel,  die  die  Kassier  brauchen,  um  die  Steine  zu  bewegen  und  die 
Dolmen  zu  bauen. 

Die  größte  Schwierigkeit  bestand  beim  Bau  der  Dolmen  und  Ganggräber 
wohl  darin,  die  mächtigen  Steinblöcke  der  Decke  in  die  Lage  zu  bringen. 
König  Friedrich  VII.  von  Dänemark  hat  zu  beweisen  versucht1),  daß  diese 
Schwierigkeit  durch  Hinaufschieben  der  Steine  auf  den  das  Grab  umgebenden 
Hügel,  der  oft  gerade  bis  zur  Oberkante  der  Wände  reichte,  überwunden  wurde. 

Welche  großartigen  Gebäude  ein  Volk,  das  keine  Metalle  kennt,  aufführen 
kann,  zeigt  die  von  Kapitän  Cook  mitgeteilte  Erzählung  von  einem  Grabmal, 
das  die  Bewohner  von  Tahiti  gebaut  hatten,  die  am  höchsten  entwickelten 
aller  späteren  Steinzeitvölker.  Dieses  Grabmal,  in  Form  einer  Pyramide  mit 
hohen  Treppenstufen  auf  allen  vier  Seiten,  war  aus  weißem,  zugehauenen  und 
polierten  Korallenstein  ohne  Bindemittel  aufgebaut,  13,40  m  hoch,  81,40  m 
lang  und  26,50  m  breit. 

Auch  von  anderen  Ländern  kennen  wir  eine  große  Menge  megalithische 
Gräber  derselben  oder  ähnlicher  Form  wie  die  unserer  Steinzeit. 

Dolmen  ohne  Gang  gibt  es  im  südlichen  Teil  der  Skandinavischen  Halb- 
insel, in  Dänemark,  in  Norddeutschland,  wo  sie  östlich  nicht  weiter  als  bis 
zum  Flußtal  der  Oder  gehen,  in  Holland,  Belgien,  England,  Schottland,  Irland 
und  auf  den  normannischen  Inseln,  in  Frankreich,  Spanien  und  Portugal.  Man 
hat  sie  auch  in  der  Schweiz  gefunden,  dort  sind  sie  jedoch  sehr  selten,  auf 
Korsika,  in  Bulgarien  und  in  der  europäischen  Türkei,  in  der  Krim  und  sonst 
an  der  Nordküste  des  Schwarzen  Meeres.  In  anderen  Teilen  von  Europa  ver- 
mißt man  sie,  so  in  ganz  Mitteleuropa,  in  Süd-  und  Mitteldeutschland  sowohl 
wie  in  allen  österreichisch-ungarischen  Ländern.  Im  Norden  von  Afrika  sind 
sie  zahlreich.  Man  findet  sie  auch  im  Sudan,  Palästina  und  im  Kaukasus;  in 
Indien  sind  sie  zahlreich.  Viele,  insbesondere  in  den  letztgenannten  Ländern, 
unterscheiden  sich  jedoch  von  unseren  Dolmen  dadurch,  daß  sowohl  Wand- 
wie  Deckensteine  dünner,  flacher  und  regelmäßiger  sind;  sie  nähern  sich  hier- 
durch den  schwedischen  Steinkisten. 

Ganggräber  kommen  in  Dänemark  zahlreich  vor;  außerdem  hat  man  auch 
in  Nordwestdeutschland,  den  Niederlanden,  England,  Schottland,  auf  Irland  und 
den  normannischen  Inseln,  in  Frankreich  und  auf  der  pyrenäischen  Halbinsel 
Gräber  gefunden,  die  mehr  oder  weniger  unseren  Ganggräbern  gleichen. 

Steinkisten  mit  solchen  ovalen  und  runden  Öffnungen,  wie  sie  Fig.  82 — 84 
abbilden,  sind  aus  Nordwestdeutschland,  Frankreich  und  England  bekannt,  wie 
auch  aus  den  Kaukasusländern  und  Indien. 

Da  solche  Steingräber,  wie  sie  oben  beschrieben  wurden,  nicht  nur  in 
Schweden,    sondern    auch    in    vielen    anderen    aneinander    grenzenden  Ländern 

1)  Frederik  VII.,  Über  den  Bau  der  Riesenbetten  der  Vorzeit  (Kopenhagen,  1863).  Vgl. 
die  (dänische)  Antikvarisk  Tidsskrift,    1855  —  57,   S.  88. 


Gräber. 


53 


vorkommen,  ist  es  klar,  daß  der  Gebrauch,  solche  Gräber  zu  bauen,  sich  durch 
einen  Verkehr  zwischen  den  verschiedenen  Gegenden  verbreitet  hat.  Ebenso 
klar  ist  es  bei  angemessener  Würdigung  aller  damit  in  Verbindung  stehenden 
Fragen,  daß  wir  hier  mit  einem  Einfluß  vom  Süden  auf  den  Norden  zu  tun 
haben,  nicht  in  entgegengesetzter  Richtung.  Dieser  Einfluß  hat,  vom  Orient 
ausgehend,  sich  über  die  Nordküste  von  Afrika,  die  Westküste  Europas  und 
bis  zu  den  Ländern  an  der  Nord-  und  Ostsee  erstreckt. 

Der  gemeinsame  Gedanke,  der  dem  Errichten  dieser  Gräber  zugrunde 
liegt,  ist  gewiß,  daß  die  Verstorbenen  ihr  Leben  im  Grabe  möglichst  in  der- 
selben Weise  fortsetzen  sollten,  wie  sie  hier  auf  der  Erde  gelebt  hatten.  Sie 
bekamen  nicht  nur  ihre  Kleider,  Waffen,  Schmuck  und  ähnliches  mit,  sondern 
das  Grab  selbst  glich  auch,  soweit  es  möglich  war,  der  Wohnung,  in  der  sie 
gelebt  hatten.  Die  Form  war  ungefähr  dieselbe,  aber  da  die  Grabwohnung 
für  eine  lange  Zeit  bestimmt  war,  wurde  sie  von  dauerhafterem  Material  als 
die  gewöhnlichen  Wohnstätten,  aus  Stein  gebaut.  Der  aus  mehreren  im  Kreis 
stehenden  Steinen  gebildete  Dolmen  war  eine  Nachbildung  der  runden  Hütten 
der  Steinzeit. 

Diesen  Gebrauch,  die  Gräber  mit  W'ohnungen  der  Lebenden  überein- 
stimmend zu  bauen,  finden  wir  bei  vielen  Völkern  lange  nach  der  Zeit  der  Dolmen 
und  Ganggräber:  in  den  Ländern  des  Orients,  in  Griechenland  und  Italien. 

Nach  allem  was  man  weiß,  wurden,  wie  wir  schon  gesehen  haben,  die 
Toten  der  Steinzeit  in  Schweden  unverbrannt  begraben.  Manchmal  wurden 
sie  ausgestreckt,  oft  mit  aufgezogenen  Beinen  (»liegende  Hocker«)  bestattet; 
nicht  selten  scheinen  sie  in  sitzender  Stellung  begraben  worden  zu  sein,  welch 
letzterer  Brauch  sich  auch  außer  im  Norden  bei  verschiedenen  anderen  Völkern 
älterer  und  neuerer  Zeiten  vorfindet. 

In  den  Ganggräbern  sind  zuweilen  den  Wanden  der  Kammern  entlang 
kleine  Nischen  durch  auf  die  Kante  gestellte,  gegen  die  Wand  winkelrechte 
kleine  Steinplatten  angebracht,  gewöhnlich  45 — 60  cm  hoch,  so  daß  sie  be- 
deutend niedriger  als  die  Grabkammer  sind.  Diese  kleinen  Räume,  welche 
eine  oder  mehrere  Leichen  enthalten,  sind  oft  mit  kleinen  Platten  von  derselben 
Art  wie  die  Scheidewände   bedeckt. 

Außer  den  Resten  von  liegenden  und  sitzenden  Leichen  hat  man  in 
schwedischen  Gräbern  aus  der  Steinzeit  auch  eine  Masse  Menschenknochen  in 
der  größten  Unordnung  gefunden,  deutlich  davon  zeugend,  daß  die  vorher  be- 
grabenen Leichen  gestört  wurden,  um  neue  Leichen  in  das  Grab  legen  zu 
können.  Eine  solche  Erklärung  ist  um  so  wahrscheinlicher,  als  man  nicht  selten 
zwei  Lager  von  Knochen  findet,  von  welchen  das  untere,  zusammengepackt 
und  durcheinander  geworfen,  durch  ein  Sandlager  von  dem  oberen  getrennt 
ist,  wo  die  Knochen  nicht  in  solcher  Unordnung  liegen.  Dies  ist  offenbar  so 
zu  erklären,  daß  man,  um  Platz  für  neue  Leichen  zu  schaffen,  die  schon  dort 
befindlichen  in  einen  möglichst  kleinen  Raum  zusammenpackte  und  durch  eine 
darüber  gelegte  Sandschicht   (inen    neuen  Boden  bildete. 


Ca  Die  jüngere  Steinzeit. 

Einige  schwedische  Gräber  aus  der  Steinzeit  enthalten  nur  Reste  von  je 
einer  Leiche;  gewöhnlich  findet  man  jedoch  Knochen  von  mehreren  Skeletten 
in  einem  Grab.  In  den  Ganggräbern  von  Westergötland  hat  man  öfter  Knochen 
von  fünfzig  bis  hundert  Leichen  in  einer  Kammer  gefunden,  ab  und  zu  noch 
mehr.  Auch  in  dem  Gang  liegen  nicht  selten  Skelette  oder  verstreute  Menschen- 
knochen. 

Da  Knochen  von  Männern  und  Frauen  und  Kindern  in  diesen  Gräbern 
zusammenliegen,  hat  man  an  eine  Art  Familiengräber  zu  denken. 

Einige  Male  hat  man  in  dänischen  Gräbern  aus  der  Steinzeit  Schädel 
mit  großen  durch  Trepanation  hervorgebrachten  Löchern  gefunden;  die  Kanten 
der  Löcher  sind  so  abgerundet,  daß  sie  ein  langes  Überleben  der  Operierten 
beweisen1). 

Neben  die  Toten  legte  man  gewöhnlich  einige  Waffen,  Geräte  oder 
Schmuck.  In  den  Steinkisten  liegen  gewöhnlich  nur  Waffen,  sehr  selten  Werk- 
zeuge. Oft  findet  man  in  Gräbern  aus  jener  Zeit  auch  Tongefäße,  welche 
heute  nur  Erde  enthalten;  wahrscheinlich  waren  in  vielen  einmal  Nahrungsmittel. 

Etliche  von  den  Steingegenständen,  die  man  in  Gräbern  findet,  scheinen 
neu  und  unbenutzt  gewesen  zu  sein,  als  man  sie  niederlegte;  andere  sind  un- 
vollständig, und  einige  müssen  wohl  absichtlich  zerschlagen  worden  sein. 
Solche  zerschlagene  Sachen  trifft  man  auch  in  englischen  und  französischen 
Gräbern  der  Steinzeit  an,  und  wie  wir  sehen  werden,  zeigen  ebenfalls  nordische 
Gräber  aus  dem  letzten  Teil  der  Heidenzeit  die  Spuren  solcher  absichtlicher 
Zerstörung  der  dem  Toten  mitgegebenen  Waffen. 

In  den  die  Gräber  umgebenden  Hügeln  wurden  bei  uns  öfters  Knochen 
von  zahmen  oder  wilden  Tieren  gefunden,  wie  auch  Schalen  von  eßbaren 
Muscheln,  Anzeichen  eines  zum  Gedächtnis  des  Toten  abgehaltenen  Toten- 
schmauses oder  -Opfers.  Manchmal  findet  man  in  oder  dicht  bei  den  Gräbern 
Stücke  von  Tongefäßen,  die  mit  Absicht  zerschlagen  worden  sind.  Auch  in 
Griechenland  war  es  Sitte,  die  Tongefäße  zu  zertrümmern,  die  dem  Toten- 
schmaus gedient  hatten. 

Die  Dolmen  wurden  früher  im  Norden  wie  in  anderen  Ländern  als  Opfer- 
altäre betrachtet.  Obgleich  man  heute  weiß,  daß  es  Gräber  sind,  ist  es  doch 
sehr  wahrscheinlich,  daß  auf  oder  neben  ihnen  Opfer  verrichtet  wurden.  Opfer 
für  die  Toten,  längere  oder  kürzere  Zeit  nach  dem  Begräbnis  wiederholt,  waren 
nämlich  bei  den  Völkern  verschiedener  Stämme  und  verschiedensten  Bildungs- 
grades im  Gebrauch,  bei  Indiern,  Griechen  und  Römern,  wie  auch  bei  den  Lappen 
und  Finnen;  selbst  im  christlichen  Kult  können  solche  Grabesopfer  erkannt 
werden.  Deshalb  ist  es  auch  an  und  für  sich  nicht  unwahrscheinlich,  daß 
solche  Opfer  in  einer  oder  der  anderen  Form  schon  in  der  Steinzeit  hier  im 
Norden  Sitte  gewesen  wären.  Dafür  sprechen  auch  die  ohne  Zweifel  für  Opfer 
angebrachten  schalenartigen  Vertiefungen  von  ein  paar  Zoll  Durchmesser,    die 

i)  S.  Hansen,  Om  forhistorisk  Trepanation  i  Danmark,  in  den  Aarböger  f.  nord.  Oldkynd., 
1889,  S.  170  folg. 


Religion.  c  e 

sich  oft  auf  der  Oberseite  der  Decksteine  unserer  Dolmen  (Fig.  73)  und 
Ganggräber  finden.  Selbst  auf  den  Decksteinen  der  Steinkisten,  wie  an  der 
Innenseite  der  Wände  in  den  Ganggräbern  findet  man  ähnliche  Schalen.  Da 
die  Gräber  unbedeckt  waren,  könnte  man  sich  freilich  vorstellen,  daß  diese 
Schalen  in  einer  späteren  Zeit  angebracht  worden  wären.  Aber  eine  solche 
Ansicht  ist  unhaltbar,  einmal  wegen  des  häufigen  Vorkommens  auf  den  Gräbern 
der  Steinzeit  der  verschiedensten  Landesteile,  und  dann  weil  man  sie  auch 
auf  den  Dolmen  und  Ganggräbern  anderer  Länder  wiederfindet. 

Fig.  88  zeigt  einen  Stein  mit  solchen  Schalen,  der  seinen  Platz  in  dem 
Gang  eines  Grabes  bei  Lundby  in  Westergötland  hatte1).  Daß  dieser  von 
mir  gefundene  Stein  derselben  Zeit  wie  das  Grab  angehört,  ist  nicht  zweifelhaft. 

Solche  Schalen,  unter  dem  Xamen  »Älfkvarnar«  (Mühlen  der  Elfen)  be- 
kannt, kommen  auch  auf  Denkmälern  späterer  Zeit  vor.  Daß  sie  wirklich  für 
Opfer  bestimmt  waren,  beweist  unter  anderem,  daß  man  noch  heutzutage  in 
solchen   ><Alfkvarnen"    opfert. 

Diese  Grabopfer,  die  Sorgfalt,  mit  der  man  für  die  Ruhe  der  Toten 
sorgte,  die  Waffen,  Geräte  und  Schmucksachen, 
die  man  ihnen  mit  ins  Grab  gab,  alles  deutet 
darauf  hin,  daß  die  Bewohner  Schwedens  in  der 
Steinzeit,  gleich  wie  die  meisten  anderen  Völker, 
an  ein  Leben  nach  dem  Tod  glaubten.  Obgleich 
wir  keine  schriftliche  Nachricht  aus  jener  fernen 
Zeit  besitzen,  können  wir  durch  die  Funde  etwas 
von  den  religiösen  Vorstellungen,  welche  die 
damaligen  Bewohner  Schwedens  hatten,  erfahren.     S8.  Schalenstein.  Westergötland.  V8. 

Die  Totenopfer  deuten  an,  daß  der  Ahnen- 
kult, dessen  Ausläufer  bis  in  die  Gegenwart  verfolgt  werden  können,  bei  unseren 
Vorfahren  der  Steinzeit  blühte. 

Daß  der  Sonnengott  schon  damals  verehrt  wurde,  geht  daraus  hervor, 
daß  zwei  seiner  Symbole  vor  dem  Ende  der  Steinzeit  hier  bekannt  waren. 
Eines  ist  das  vierspeichige  Rad2),  ein  Bild  der  am  Himmel  rollenden  Sonne, 
welches  Symbol  wir  Gelegenheit  haben,  in  der  Bronzezeit  näher  kennen  zu 
lernen  —  noch  heute  reden  ja  die  Dichter  von  dem  »Rad  der  Sonne«.  Das 
andere  Symbol  ist  die  Axt,  die  Vorgängerin  des  Torshammers,  ein  Symbol 
des  Sonnengottes,  weil  man  im  Norden  wie  in  Indien  und  vielen  anderen 
Ländern  glaubte,  daß  die  Blitze  Äxte  seien,  die  der  Licht-  und  Sonnengott 
im  Kampf  gegen  die  Mächte  der  Finsternis  schleudert8). 

In  schwedischen  Gräbern  aus  der  Steinzeit  findet  man  nicht  selten  kleine 
als  Schmuck  zu  tragende  Abbildungen  von  Äxten  aus  Bernstein  oder  Knochen 


1)  Sv.  Fornm.  fnr9  tidskr.,   Bd.  6,   S.  40. 

2)  Montelius,  Das  Rad  als  religiöses  Sinnbild  in  vorchristlicher  und  christlicher  Zeit  ^übers. 
von  A.  Lorenzen),  in  Prometheus,    1904. 

3)  Montelius,    Solgudens  yxa  och  Tors  hammare,  in  der  tidskr.,    Bd.    10, 
S.  277  folg. 


56 


Die  jüngere  Steinzeit. 


(Fig.  23  und  25).  Man  hat  auch  sehr  kleine  Äxte  aus  Stein  gefunden  (Fig.  89 
und  90),  die  weder  als  Schmuck  getragen  worden,  noch  groß  genug  sind,  um 
als  Werkzeug  oder  Warte  zu  dienen.    Sie  müssen  als  Symbole  oder  Votiväxte 

angesehen  werden.  So  auch  die  große 
Fig.  91  abgebildete  Axt  aus  Bernstein. 
Vielleicht  hat  die  Fig.  92  abgebildete 
Steinaxt  eigentümlicher  Form,  mit  Zick- 
zackornamenten (Symbolen  des  Blitz- 
strahls), ebenfalls  eine  religiöse  Bedeutung 
gehabt. 


89.  Kleine  Votiv-Axt 
von  Stein,  mit  Durch- 
schnitt.   Gotland.    1/1. 


90.    Kleine  Votiv-Axt 

von  Stein,  von  zwei 

Seiten  gesehen. 

Helsingland.    1/2. 


91.    Bernsteinaxt,  von  zwei  Seiten  gesehen. 
Bohuslän.    2/3. 


92.    Steinaxt  mit  Zickzack-Ornamenten. 
Bohuslän.    1/3. 


Noch  andere  Funde  aus  unserer  Steinzeit  haben  wahrscheinlich  einen  Zu- 
sammenhang mit  religiösen  Gebräuchen.  Man  hat  nämlich  mehrmals  Stein- 
sachen angetroffen,  die  offenbar  mit  Absicht  und  mit  einer  gewissen  Sorgfalt  in 
die  Erde  niedergelegt  wurden,  obgleich  sie  nicht  zu  Gräbern  gehören.  Wahr- 
scheinlich sind  sie  als  Opfer  für  einen  Gott  dargebracht  worden. 

Als    Proben    von    solchen    Funden    können    wir    folgende    anführen.     Bei 


Religion.  cy 

Ryssvik  im  Kirchspiel  Urshult,  Smäland,  wurden  im  Jahre  1821  fünfzehn  große 
und  gut  geschliffene  Feuersteinäxte  (wie  Fig.  44)  gefunden,  die  >in  einem  Halb- 
kreis lagen,  die  spitzen  Enden  gegen  Osten«.  Im  Jahr  1863  wurde  ein  gleicher, 
wenn  auch  kleinerer  Fund  bei  Bro  in  Nerike,  Kirchspiel  Gellersta,  gemacht: 
fünf  große,  gut  geschliffene  Feuersteinäxte  derselben  Form,  »in  einer  Reihe  am 
Strand  des  zur  Hälfte  trocken  gelegten  Sees  Mosjön«.  Im  Jahre  1900  wurden 
sieben  solche  gutgeschliffene  Feuersteinäxte  derselben  Form  zusammen  in 
einem  Acker  bei  Kulstäde  auf  Gotland,  Kirchspiel  Wall,  gefunden.  Bei  Knem 
im  Kirchspiel  Tanum,  Bohuslän,  fand  man  1843  sieben  Sägen  (wie  Fig.  59), 
eine  Lanzenspitze,  einen  Schaber,  alle  aus  Feuerstein,  nebeneinander  liegend 
unter  einer  Steinplatte.  Bei  Skarstad  im  Kirchspiel  Bro,  Bohuslän,  wurden 
ebenfalls  1843  zehn  Feuersteinsägen  derselben  Form  unter  einer  Stein- 
platte gefunden.  Auch  im  Kirchspiel  Skee,  Bohuslän,  fand  man  vor  einigen 
Jahren  zehn  solche  Sägen,  beieinander  liegend;  sie  waren  von  Birkenrinde 
umgeben. 

Auf  ähnliche  Funde  ist  man  auch  in  Torfmooren  gestoßen.  So  fand  man 
im  Jahr  1863  in  einem  Torfmoor  bei  Skedala  in  der  Nähe  von  Halmstad  un- 
gefähr zwanzig  Feuersteinsägen  derselben  Form  wie  die  eben  beschriebenen, 
dicht  beieinander  liegend. 

Auch  in  Dänemark  und  in  anderen  Ländern  hat  man  unter  großen  Steinen 
und  in  Torfmooren  ähnliche  Funde  aus  der  Steinzeit  gemacht l). 


5.    Die  Bevölkerung  und  deren  Ausbreitung.   —  Die  Steinzeit  der 
Lappen.   —   Abergläubische  Vorstellungen    von    Steinaltertümern 

in  späteren  Zeiten. 

Oft  trifft  man  auf  die  Vorstellung,  als  ob  die  Einwohner  Schwedens  in 
der  Steinzeit  eine  ganz  andere  Körpergröße  als  die  jetzt  lebende  Bevölkerung 
gehabt  hätten.  Die  in  den  Gräbern  jener  Zeit  gefundenen  Skelette  beweisen 
indessen,  daß  die  Bevölkerung  in  der  jüngeren  Steinzeit  ungefähr  dieselbe 
Körperlänge  hatte  wie  die  heutigen  Schweden. 

Eine  besonders  wichtige  Frage  ist  natürlich:  Zu  welchem  Volksstamm 
gehörten  die  Einwohner  Schwedens  in  der  Steinzeit?  Man  hat  darauf  durch 
das  Studium  der  in  den  Gräbern  aufgefundenen  Schädel  zu  antworten  gesucht. 
Da  jedoch,  wie  wir  gesehen  haben,  keine  Gräber  aus  der  älteren  Steinzeit  in 
Schweden  bekannt  sind,  so  können  wir  auf  diesem  Wege  eine  Aufklärung  nur 
für  unsere  jüngere  Steinzeit  erwarten. 

Von  den  aus  den  Gräbern  der  letztgenannten  Zeit  stammenden  Schädeln 
haben  sich  die  meisten  als  verhältnismäßig    lange     (dolikocephal)  herausgestellt 


1)  S.  Müller,  Trouvailles  danoises  d'ex-voto  des  äges  de  la  pierre  et  du  bronze,  in  den 
Memoires  de  la  Soc.  des  Antiquaires  du  Nord,  1887,  S.  --5;  H.  Petersen,  in  den  Aaxböger  f. 
nord.  Oldkynd.,    1890,  S.  209. 


rg  Die  jüngere  Steinzeit. 

und  von  derselben  Form  wie  die  der  heutigen  Schweden,  aber  eine  kleine 
Anzahl  zeigt  die   »kurze«   (brachycephale)  Form  der  Lappenschädel1). 

Der  Umstand  nun,  daß  die  Mehrzahl  der  aus  der  jüngeren  Steinzeit  in 
schwedischen  Gräbern  gefundenen  Schädel  denen  der  heutigen  Schweden 
gleicht,  spricht  in  hohem  Grad  dafür,  daß  wirklich  die  Vorväter  der  heute 
lebenden  Bevölkerung  schon  damals  im  Lande  wohnten.  Und  dies 
wird  dadurch  bestätigt,  daß  kein  Zeitpunkt  nach  dem  Ende  der  Steinzeit  irgend 
eine  solche  Unterbrechung  der  Entwickelung  aufweist,  daß  man  sagen  könnte: 
> Damals  wanderte  in  Schweden  ein  neues  Volk  ein«2).  Nach  der  Steinzeit 
hat  gewiß  zu  mehreren  Malen  ein  Zuzug  von  Fremden  in  unser  Land  statt- 
gefunden. Aber  man  hat  keinen  Grund,  an  eine  große  Einwanderung  zu 
denken,  durch  welche  in  diesen  vielen  Jahrtausenden  die  Hauptmasse  der  Be- 
völkerung Schwedens  eine  ganz  andere  geworden  wäre,  als  sie  vorher  gewesen. 

Mehrere  Grabfunde  aus  der  älteren  Bronzezeit  scheinen  freilich  zu  ergeben, 
daß  das  Volk,  welches  damals  lebte,  schwarzes  Haar  hatte.  Aber  dies  hat 
sich  bei  näherer  Untersuchung  als  Irrtum  herausgestellt:  das  Haar  war  blond3). 

Wenn  wir  uns  also  mit  Recht  als  Abkömmlinge  des  Volkes  der  jüngeren 
Steinzeit  ansehen,  bleibt  noch  die  Frage  zu  beantworten:  Sind  unsere  Vorfahren 
hier  zu  Anfang  der  jüngeren  Steinzeit  eingewandert,  oder  wohnten  sie  hier 
schon  vorher? 

Da  man  weder  Gräber  aus  der  älteren  Steinzeit,  noch  sonstige  Funde 
hat,  die  sichere  Aufklärung  über  die  Schädelform  der  damaligen  Bevölkerung 
geben,  kann  man  nicht  mit  Sicherheit  feststellen,  ob  die  Schädelform  in  der 
älteren  Steinzeit  dieselbe  war  wie  in  der  jüngeren.  Aber  daß  man  in  den 
Gräbern  der  jüngeren  Steinzeit  neben  den  vielen  langen  Schädeln  eine  geringere 
Anzahl  kurze  findet,  ist  gerade  das,  was  man  erwarten  mußte,  wenn  der 
dolikocephale  Stamm  zu  Anfang  der  jüngeren  Steinzeit  eingewandert  wäre  und 
einen  brachycephalen  Stamm  vorgefunden  hätte,  mit  welchem  er  sich  ver- 
mischte. Der  Unterschied  in  der  Kultur  zwischen  der  älteren  und  jüngeren 
Steinzeit  scheint  auch  so  groß  zu  sein,  daß  man  hierin  einen  neuen  Grund 
sehen  könnte  zu  der  Annahme,  daß  eine  neue  Einwanderung  in  Schweden  zu 
Anfang  der  jüngeren  Steinzeit  wirklich  stattgefunden  haben  kann. 

Wie  nahe  verwandt  der  brachycephale  Volksstamm,  der  vielleicht  einsam 
hier  in  der  älteren  Steinzeit  wohnte,  mit  dem  arktischen  Volk  war,  von  dessen 
Steinzeit  —  wie  wir  später  sehen  werden  —  viele  Erinnerungen  in  den  nörd- 
lichsten Teilen  der  Skandinavischen  Halbinsel  vorhanden  sind,  oder  mit  den 
Lappen,  die  noch  heute  in  diesen  Gegenden  herumstreifen,  läßt  sich  nicht  sagen. 

i)  Retzius,  Crania  suecica  antiqua,  S.  140.  —  Die  aus  der  älteren  nordischen  Bronzezeit 
bekannten  Schädel  sind  dolikocephal  und  mesocephal;  die  wirklich  brachycephalen  scheinen  damals 
sehr  selten  gewesen  zu  sein.  Vgl.  S.  Hansen,  Om  Bronzealdersfolket  i  Danmark,  in  den  Aar- 
böger  f.  nord.  Oldkynd.,   1893,  S.  121. 

2)  Montelius,  Om  vara  förfäders  invandring  tili  Norden,  in  der  Nordisk  tidskrift  för 
vetenskap,  konst  och  industri  (Stockholm),  1884.  —  Derselbe,  Über  die  Einwanderung  unserer  Vor- 
fahren in  den  Norden,  im  Archiv  für  Anthropologie,  XVII  (1888),  S.  151  folg. 

3)  B.  Gram,  in  den  Memoires  de  la  Soc.  d.  Antiqu.  du  Nord,    1891,  S.  82. 


Die   Bevölkerung  und   deren   Ausbreitung. 


59 


Einige  Forscher  haben  angenommen,  daß  das  Urheim  der  ganzen  indo- 
germanischen oder  arischen  Völkerfamilie  in  den  Ländern  um  die  Ostsee  zu 
suchen  sei.  So  schmeichelhaft  es  für  uns  sein  müßte,  wenn  die  »Wiege  der 
Arier«  hier  gestanden  hätte,  kann  ich  diese  hauptsächlich  von  nichtskandina- 
vischen Forschern  ausgesprochene  Ansicht  doch  nicht  teilen.  Meine  Gründe 
habe  ich  an  anderer  Stelle  dargelegt. 

Dagegen  bin  ich  längst  der  Meinung,  daß  die  Germanen  hier  im  nordischen 
Gebiet  —   Skandinavien  und  Norddeutschland  —  ihren   L'rsitz  hatten. 


Wertvolle  Aufklärungen  verschaffen  uns  die  Gräber  und  andere  Funde 
darüber,  welcher  Teil  des  Landes  in  jener  fernen  Zeit  bewohnt  war. 

Die  sicherste  Antwort  auf  diese  Frage  geben  die  Wohnplätze  und  Gräber 
der  Steinzeit. 

Aus  der  jüngeren  Steinzeit  stammende  Wohnplätze  sind  an  vielen  Stellen 
in  Skäne,  auf  der  Insel  Gotland  (Fig.  i6undo,3) 
und   in   anderen    Teilen    von    Götaland,    aber 
auch  in  Swealand  entdeckt  worden 1).     Einen 

o 

solchen  Wohnplatz  hat  man  bei  Aloppe  in 
Uppland,  südwestlich  von  Upsala,  untersucht 
(Fig.  15).  Die  meisten  dort  gefundenen  Gegen- 
stände sind  älter  als  die  Ganggräberzeit. 

Von  Gräbern  haben  glücklicherweise  viele, 
wie  wir  schon  gesehen  haben,  ein  solches 
Äußeres,  daß  man  ihre  Entstehungszeit  ohne 
Schwierigkeit  feststellen  kann.  Um  eine  Über- 
sicht über  die  Ausbreitung  dieser  Gräber  zu  ermöglichen,  geben  wir  eine 
Karte,  auf  der  alle  die  megalithischen  Gräber,  die  man  bis  jetzt  in  Schweden 
kennen  gelernt  hat,  angegeben  sind  (Fig.  94) 2). 

Aber  auch  die  sehr  zahlreichen,  nicht  in  Gräbern  gefundenen  Gegenstände, 
die  aus  der  Steinzeit  stammen,  sind  von  großem  Gewicht  für  die  vorliegende 
Frage,  insbesondere  wo  sie  in  einer  Gegend  zahlreich  vorkommen. 

Eine  Zusammenfassung  aller  jetzt  bekannten  Gräber  und  Funde  hat  er- 
wiesen,   daß  nicht  nur  ganz  Götaland  mitsamt  den  Inseln  Oland  und  Gotland, 


93.  Bruchstück  eines  Tongefäßes. 
Gotland.    2/~. 


1)  H.  Hildebrand,  in  der  Antiqv.  tidskr.  f.JSverige,  Bd.  3,  S.  8,  19.  —  Gunnar  Andersson, 
in  Ymer,  1902,  S.  96  (Hven).  —  Kj  eilmark,  ebenda,  1904,  S.  197  folg.  —  W.  Berg,  in  Bidrag 
tili  kännedom  om  Bohusläns  fornminnen,  Bd.  i,  S.  127  (Hisingen).  —  H.  Hansson,  En  stenalders- 
boplats  pa  Gotland  (Gullrum),  in  der  Sv.  Fornm.  für»  tidskr.,  Bd.  10,  S.  I  — 16  (vgl.  für  die  dort 
gi  fundenen  Knochen,  Manadsblad,  1900,  S.  66).  —  R.  Sernander,  Om  nigra  arkeologiska  torf- 
mossefynd,   in  den   Antiqv.  tidskr.  f.  Sv.,   Bd.  16,   No.  2. 

2)  Im  nördlichen  Schweden,  außerhalb  der  Karte,  kennt  man  nur  ein  Grab  aus  dir  Stein- 
zeit: eine  3,70  m  lange,  von  einem  Steinhügel  (Rose)  bedeckte  Steinkiste,  die  im  Kirchspiel  Skön, 
in  Mcdelpad,   entdeckt  worden   ist. 


6o 


Die  jüngere  Steinzeit. 


sondern  auch  große  Strecken  von  Swealand  und  Norrland1)  schon  vor  dem 
Ende  der  Steinzeit  mehr  oder  minder  dicht  bevölkert  waren.2)  J[_n  Norrland 
reichen  die  Funde  aus  der  Steinzeit  bis  Westerbotten,  in  die  Gegend  von 
Skellefte,    wo    man  mehrere  solche  Steingegenstände,    die    in    den    südlicheren 


94.    Verbreitung  der  Steinaltergräber  in  Schweden. 
Jedes  rote  Kreuz  bezeichnet  ein  oder  mehrere  Gräber. 


1)  Götaland  ist  Südschweden,  Swealand  Mittelschweden  und  Norrland  Nordschweden.  Swea- 
land umfaßt  die  Provinzen  Uppland,  Södermanland,  Nerike,  Wermland,  Westmanland  und  Dalarna. 
Zu  Götaland  werden  die  übrigen  auf  der  Karte  angegebenen  Provinzen  gerechnet.  Norrland  ist  der 
nördlich  von  Swealand  belegene  Teil  Schwedens. 

2)  W.  Schürer  von  Waldheim,  Uppländska  stenäldersfynd,  in  der  Antiqv.  tidskr.  f.  Sverige, 
Bd.  6,  S.  1 — 48,  und  Bd.  8,  Nr.  3;  vgl.  Bd.  3,  S.  182,  409.  —  Montelius,  Huru  gammal  är 
bygden  i  Helsingland?  —  P.  Olsson,  in  der  Sv.  Fornm.  för^  tidskr.,  Bd.  3,  S.  292,  Bd.  5,  S.  64 
(Jämtland  und  Angermanland),  Bd.  10,  S.  205   (Herjeädalen). 


Die  Bevölkerung  und   deren   Ausbreitung. 


61 


Landschaften  gewöhnlich  sind,  entdeckt  hat.  Verstreute  Gegenstände  derselben 
Art  wurden  sogar  in  Lappland  aufgefunden. 

Daß  die  schwedische  Bevölkerung  schon  in  der  Steinzeit  Norrland  in 
Besitz  nahm,  kann  keine  Verwunderung  erregen,  da  wir  aus  vielen  in  Finnland 
gemachten  Funden  wissen,  daß  Schweden  auch  in  diesem  Land  schon  in  jener 

a 

fernen  Zeit  lebten.     Der  Weg  ging  sicherlich    nicht   nur   über   die  Alandischen 

o 

Inseln  nach  der  Gegend  von  Abo,  sondern  auch  über  den  Bottnischen  Meer- 
busen, insbesondere  über  dessen  schmälsten  Teil,  Kvarken,  nach  der  Gegend 
von  Wasa. 

Die  Teile  von  Schweden,  die  am  Meer,  an  den  größten 
Seen  und  an  den  wichtigsten  Flüssen  lagen,  wurden  zuerst 
bebaut.  Im  Innern  des  Landes  kamen  die  fruchtbarsten  Striche 
zuerst  daran. 

Die  meisten  Überbleibsel  der  Steinzeit,  feste  und  lose, 
fand  man  in  Süd  und  West.  Unvergleichlich  am  reichsten  an 
Altertümern  aus  jener  Zeit  ist  Skäne,  wo  man,  obwohl  es  nur 
ein  achtel  von  Götaland  ausmacht,  mehr  als  dreiviertel  von 
allen  aus  ganz  Schweden  bekannten  Gegenständen  von  den 
Formen  fand,  die  zur  Steinzeit  gehören.  Die  allermeisten 
kommen  von  den  ebenen  Gegenden  an  der  Küste,  relativ  nur 
wenige  vom  Innern  der  Provinz.  Die  Küstengegenden  von 
Skäne  waren  folglich  in  der  Steinzeit  viel  dichter  bewohnt, 
als  irgend  eine  andere  Gegend  in  Schweden. 

Nächst  Skäne  sind  die  Süd-  und  Westküsten  —  Blekinge,  r 
Hailand  und  Bohuslän  —  samt  Westergötland,  Dal  und  der  Süd-  p» 
westen  von  Wermland  am  reichsten  an  Gräbern  und  anderen  I 
Altertümern  dieser    Zeit.    In  der  Ebene  bei  Falköping    findet  t*£V| 
man    trotz     tausendjährigem     Landbau     eine     größere    Menge 
Gräber  aus  der  Steinzeit  als  irgend  sonst. 

Reich  an  Überresten  aus  der  Steinzeit  sind  auch  gewisse 
Gegenden  von  Smäland,  besonders  die  Ostseeküste  und  der  Teil 
des  Innern,  der  an  den  großen  Seen  liegt,  die  durch  die  Blekinge 
und  Hailand    durchschneidenden  Flüsse   mit   dem   Meer  in  Verbindung   stehen. 

Besondere  Aufmerksamkeit  verdient,  daß  die  verschiedenen  Typen  der 
Steinsachen  und  Gräber  nicht  gleichmäßig  in  den  Teilen  von  Schweden  ver- 
teilt sind,  die  in  der  Steinzeit  bewohnt  waren.  So  hat  man  in  Skäne  solche 
Feuersteinäxte  wie  Fig.  95,  die  dem  Anfang  der  jüngeren  Steinzeit  ange- 
hören1), verhältnismäßig  öfter  gefunden   als   in   anderen  Gegenden. 

Alles  dieses  zeigt,  daß  Skäne  nicht  nur  am  dichtesten,  sondern  auch  am 
frühesten   bewohnt  war. 

Noch  merkwürdiger  dürfte  die  Verteilung  der  verschiedenen  Grabformen 


95.    Feuersteinaxt 
älterer  Form. 
Skäne.    '  .. 


1)  Montelius,    Sur  les  dimrents  types  des  baches  en  silez  suedoises,  im  Compte  rendu  du 
Congres  de   Stockholm,    1874,   S.  238. 


52  Die  jüngere  Steinzeit. 

im  Lande  sein1).  Wie  wir  schon  gesehen  haben,  ist  die  Reihenfolge  der  Stein- 
gräber: i.  die  Dolmen,  2.  die  Ganggräber,  3.  die  Steinkisten.  Von  den  letzt- 
genannten stammen  diejenigen,  welche  von  einem  Hügel  ganz  und  gar  bedeckt 
sind,  aus  der  letzten  Periode  der  Steinzeit  und  dem  Anfang  der  Bronzezeit. 

Nun  kommen  die  Dolmen  nur  in  Skäne,  Halland  und  Bohuslän  vor.  Der 
nördlichste  liegt  bei  Massleberg  im  Kirchspiel  Skee,  im  nördlichsten  Bohuslän. 

Die  Ganggräber  sind  in  Skäne  und  besonders  auf  den  Ebenen  in  Wester- 
götland  zahlreich;  sie  kommen  aber  auch  in  Halland  und  Bohuslän  wie  auf 
Öland  vor.  Von  allen  bekannten  Ganggräbern  liegen  mehr  als  zwei  Drittel 
in  Westergötland,  die  meisten  in  der  Gegend  von  Falköping. 

Aus  anderen  Teilen  von  Schweden  kennt  man  bis  jetzt  kein  Ganggrab, 
also  weder  in  Dal,  Wermland  und  Nerike,  in  Blekinge,  Smäland  und  Öster- 
götland,  noch  auf  Gotland,  während  in  allen  diesen  Gegenden  Steinkisten,  also 
Gräber  aus  der  letzten  Periode  der  Steinzeit,  vorkommen.  Solche  spätere 
Steinaltergräber  sind  auch  in  den  Gegenden,  wo  Dolmen  und  Ganggräber 
liegen,  zahlreich.  Nördlich  von  Swealand  ist  nur  eine  Steinkiste  bekannt,  im 
Kirchspiel  Skön,  Medelpad. 

Die  Dolmen  liegen  stets  in  der  Nähe  des  Meeres,  selten  mehr  als  eine 
Meile  von  der  jetzigen  Küste  entfernt.  Die  anderen  Gräber  aus  der  Steinzeit 
trifft  man,  wie  wir  gesehen  haben,  auch  weit  vom  Meer  entfernt;  aber  sie 
liegen  beinahe  immer  in  der  Nähe  eines  Stromes  oder  eines  Sees,  der  in  Ver- 
bindung mit  dem  Meer  steht  und  noch  jetzt  oder   früher  von  Bedeutung  war. 

Alles  dies  —  besonders  da  auch  die  Hauptmasse  der  außerhalb  der 
Gräber  gefundenen  Steinsachen  den  südlichen  und  westlichen  Küstengegenden 
angehört  —  beweist,  wie  mir  scheint,  endgültig,  daß  Skäne  und  die  Westküste 
von  Schweden  zuerst  in  Besitz  genommen  wurden;  daß  die  Bevölkerung  sich 
dann  ausbreitete  und  Schritt  für  Schritt  gegen  Norden  und  Nordosten  und  in 
das  Innere  des  Landes  eindrang,  indem  sie  dem  Lauf  der  Flüsse,  den  großen 
Seen  und  der  Ostseeküste  folgte,  ebenso  daß  die  östlichen  Teile  des  Landes, 
wie  Gotland,  noch  in  der  späteren  Steinzeit  verhältnismäßig  wenig  bevölkert 
waren. 

Hierbei  müssen  wir  uns  erinnern,  daß  seit  Anfang  der  Steinzeit  sehr  be- 
deutende Niveauveränderungen  in  Schweden  stattgefunden  haben2).  Noch  in 
der  ältesten  Periode  der  jüngeren  Steinzeit  lag  ein  großer  Teil  des  östlichen 
Schwedens  unter  der  Ostsee.  Selbst  in  der  Zeit,  als  die  Bronze  bekannt 
wurde,  war  die  Grenze  zwischen  Land  und  See  eine  andere  als  heute.  Dies 
erklärt,  warum  zum  Beispiel  in  Uppland  und  Södermanland  die  ältesten  Stein- 
zeitfunde nur  in  den  westlichen  Gegenden  vorkommen,  während  in  den  öst- 
lichen Gegenden  kaum  einige  Reste,  die  älter  sind  als  der  letzte  Teil  der 
Steinzeit,  angetroffen  wurden.  Der  Mensch  lebte  längst  in  Schweden,  ehe  die 
flachen  Gegenden  um  Stockholm  und  Uppsala  aus  der  Ostsee   auftauchten. 

1)  Montelius,  im  Compte  rendu  du  Congres  de  Stockholm,  1874,  S.  176,  mit  einer  Karte, 
wo  die  Verteilung  der  verschiedenen  Gräberformen  angegeben  ist. 

2)  A.  Hollender,  Om  Sveriges  niväförändringar  efter  människans  invandring  (Stockholm,  1901). 


Die  Bevölkerung  und  deren   Ausbreitung. 


63 


Als  ein  wichtiges  Resultat  des  Gesagten  ergibt  sich,  daß  die  erste  Ein- 
wanderung unseres  Volkes  von  Süden  oder  vielmehr  Südwesten,  d.  h.  über 
Dänemark,  erfolgt  sein  muß.  Diese  Richtung  von  Südwest  ist  um  so  mehr 
beachtenswert,  als  auch  die  Verbindung  mit  dem  Südosten  in  den  folgenden 
Perioden  bis  auf  die  letzten  Jahrhunderte  von  so  großer  Bedeutung  für  unser 
Land  gewesen  ist. 


Außer  den  hauptsächlich  in  Süd-  und  Mittelschweden  gefun- 
denen Altertümern,  die  wir  bisher  betrachteten,  hat  man  im  Norden 
unseres  Landes  verschiedene  Altertümer  aus  Stein,  gewöhnlich 
Schiefer,  gefunden,  die  der  südskandinavischen  Steinzeit  und  dem 
Volk,  das  die  Dolmen  und  Ganggräber  baute,  nicht  zugeschrieben 
werden  können1).  Diese  Altertümer,  welche  man  ^ arktische«  nennt 
und  von  denen  einige  Proben  hier  (Fig.  96  und  97)  gegeben  sind, 
wurden  meist  in  Lappland  und  Norrland,  wo  die  Steinobjekte  von 
südskandinavischen  Typen  nicht  häufig  sind,  gefunden.  Beide  Arten 
von  Steinsachen  sind  selten  zusammen  gefunden  worden;  und  die 
arktischen  zeigen  eine  große  Übereinstimmung  mit  denen,  die  in  Finn- 
land und  in  den  anderen  von  Lappen,  Finnen  oder  nahverwandtem  Volk 
bewrohnten  nördlichen  Gegenden  gefunden  wurden,  woSteingegenstände 
der  südskandinavischen  Formen  selten,    wenn  nicht  unbekannt  sind. 


/   f^li 


96.    Schiefermesser.    Norrland.     V2 


97.   Lanzenspitze 
von  Schiefer. 
Norrland.    xj%. 


Alles  dieses  scheint  dafür  zu  sprechen,  daß  die  arktischen  Steinobjekte 
Reste  von  in  Schweden  wohnhaft  gewesenen  Lappen  und  aus  einer  Zeit  sind, 
wo  die  Lappen  die  Bearbeitung  des  Metalles  noch  nicht  kannten.  Die  ver- 
hältnismäßig große  Anzahl  solcher  Steinobjekte  in  Westerbotten  bis  Gestrik- 
land  und  in  Dalarne,  würde  darauf  deuten,  daß  die  Lappen  früher  südlicher 
als  heute  wohnten2). 


1)  O.  Rygh,  Sur  le  groupe  arctique  de  l'äge  de  la  pierre  polie  en  Norvege,  im  Compte 
rendu  du  Congres  de  Stockholm,  187  j,  S.  177  folg. —  Montelius,  Sur  les  Souvenirs  de  Tage  de  la 
pierre  des  Lapons  en  Suede,  in  demselben  Compte  rendu,  S.  [88  folg.  (mit  einer  Karte).  —  Derselbe, 
Minnen  frän  Lapparnes  stenalder  i  Sverige,  im  Mänadsblad,  [874.  —  R.  Arpi,  in  Upplands  Forn- 
minnesförenings  tidskrift,   3,  S.  92   (nein-   Funde  aus  Uppland). 

2)  J.  Nordlander,  in  der  Sv.  Fornm.-for^  ti< lskr. ,  Bd.  10,  S.  216  folg. 


64 


Die  jüngere  Steinzeit. 


Wenn  auch  selten,  hat  man  doch  ebenfalls  in  Swealand,  südlich  von 
Dalarne,  und  in  Götaland  die  der  arktischen  Steinzeit  eigentümlichen  Lanzen- 
spitzen und  Messer  von  Schiefer  gefunden.  Entweder  wohnten  also  Lappen 
einmal  südlich  vom  Dalälfven,  oder  unsere  Vorfahren  bekamen  die  Gegenstände 
aus  Schiefer  von  den  nördlichen  Nachbarn. 


-  >M 


m 


Daß  mindestens  ein  Teil  dieser  arktischen  Schiefersachen  gleichzeitig  mit 
der  Steinzeit  in  Südschweden  ist,  beweisen  einige  Funde.  So  lagen  in  einem 
Grab  bei  Gothem  auf  Gotland  nebst  einem  Skelett  acht  Lanzenspitzen  von 
Schiefer  und  zwei  von  Knochen  (Fig.  98),  alle  arktischer  Typen, 
aber  auch  zwei  geschliffene  Feuersteinäxte  von  einer  in  der 
jüngeren  Steinzeit  im  südlichen  Skandinavien  gewöhnlichen  Form1). 

o 

Auch  bei  Aloppe  in  Uppland  und  auf  Jäderen  im  südwestlichen 
Norwegen  hat  man  arktische  Schiefersachen  zusammen  mit  skan- 
dinavischen Steinzeitarbeiten  gefunden. 

Das  hindert  indessen  nicht,  daß  die  arktische  Steinzeit  viel 
länger  dauern  konnte  als  die  skandinavische.  Daß  die  Lappen 
die  Metalle  später  kennen  lernten  als  unsere  Vorfahren  und  durch 
ihre  Vermittlung,  ist  ja  an  und  für  sich  natürlich  und  wird  da- 
durch bestätigt,  daß  die  Lappen  die  Namen  aller  Metalle  von 
unseren  Vorfahren  bekommen  haben.  Das  lappische  rauta  für 
Eisen  ist  das  altnordische  rauSi  (Sumpferz);  Kupfer  heißt  in  der 
Lappensprache  kuoppar  oder  air,  altnordisch  eir  (Kupfer);  und 
ebenso  ins  Auge  fallend  ist  die  Ähnlichkeit  zwischen  den  schwe- 
dischen Namen  für  Stahl  (stäl),  Gold  (guld)  und  Zinn  (tenn) 
und  den  lappischen  Benennungen:  stale,  gäll  und  tadne. 

Wenn,  wie  man  annimmt,  die  von  Tacitus  erwähnten  »fenni« 
die  Lappen  sind  —  die  Norweger  nennen  ja  die  Lappen  noch 
heute  »Finner«  —  so  haben  sie  wahrscheinlich  noch  in  den  ersten 
Jahrhunderten  nach  Christi  Geburt  die  Metalle  nicht  gekannt.  »Ihre  einzige 
Zuversicht«,  sagt  er,  »sind  die  Pfeile,  die  sie  mit  Knochen-  statt  mit  Eisen- 
spitzen versehen«.  Zu  jener  Zeit  waren  die  Einwohner  Südskandinaviens  aber 
schon  lange  mit  dem  Gebrauch  des  Eisens  vertraut. 

Die  Lappen  sollen  übrigens  noch  in  späten  Zeiten,  als  sie  Eisen  und  Stahl 
schon  kannten,  Werkzeuge  aus  Stein  benutzt  haben.  So  hat  man  eine  Angabe, 
derzufolge  Speerspitzen  aus  Stein  noch  am  Ende  des  achtzehnten  Jahrhunderts 
von  den  Lappen  in  Enare  Lappmark  benutzt  wurden,  um  Renntiere  zu  töten, 
indem  solche  Speere  in  Renntiergruben  (»rengrafvar«)  auf  Sprungfedern  aus 
Wachholder  befestigt  wurden.  Und  in  Kemi  Lappmark  sollen  noch  in  der 
ersten  Hälfte  des  neunzehnten  Jahrhunderts  Steinmeißel  zum  Abschaben  der 
Haare  von  aufgeweichten  Renntierhäuten  benutzt  worden  sein. 


98.   Lanzenspitze 
von  Knochen. 
Gotlancl.  1'.. 


1)  Mänadsblad,    1887,  S.  110. 


Die  Steinzeit  der  Lappen.      Die   Chronologie   der  Steinzeit.  ß~ 

Daß  die  südskandinavische  Steinzeit  eine  sehr  lange  Zeit  umspannt, 
zeigen  die  großen  Mengen  Altertümer  verschiedener  Art,  die  uns  von  jener  fernen 
Periode  überkommen  sind,  und  die  bedeutenden  Fortschritte,  die  wir  erkennen 
können,  wenn  wir  die  Arbeiten  vom  Anfang  und  vom  Ende  der  Steinzeit  mit- 
einander vergleichen.  Zwischen  der  Zeit,  wo  Arbeiten  wie  Fig.  2 — 4  das  höchste 
waren,  was  man  leisten  konnte,  und  der  Zeit,  da  man  aus  dem  spröden  Feuer- 
stein Meisterwerke  wie  Fig.  39  hervorzubringen  vermochte,  müssen  Tausende 
von  Jahren  verflossen  sein. 

Dies  wird  auch  dadurch  bekräftigt,  daß  die  im  Vorhergehenden  berührte 
bedeutende  Erhebung  des  Landes,  die  in  der  Steinzeit  stattfand,  Jahrtausende 
gebraucht  haben  muß.  Selbst  die  Niveauveränderung  in  der  jüngeren  Steinzeit 
kann  nicht  unter  einigen  tausend  Jahren  zustande  gekommen   sein. 

Man  kann  auch  in  der  jüngeren  Steinzeit  in  Schweden  vier  Perioden  mit 
verschiedenen  Grabformen  unterscheiden1).  In  der  ersten  wurden  die  Toten  in 
Erdgräber  bestattet,  die  zweite  Periode  ist  die  der  Dolmen,  die  dritte  die  der 
Ganggräber  und  die  vierte  die  Zeit  der  Steinkisten. 

Die  erste  Periode  muß  sehr  lange  gedauert  haben,  weil  während  ihr 
sich  die  dem  Norden  eigenen  Typen  von  Werkzeugen,  Waffen  und  Schmuck- 
sachen entwickelt  haben,  die  in  den  Gräbern  der  zweiten  Periode  liegen.  Und 
da  die  Grabformen  sich  nicht  leicht  ändern,  besonders  in  einem  Kulturstadium 
wie  dem  der  Steinzeit,  müssen  wir  auf  jede  der  drei  folgenden  Perioden 
mindestens  einige  Jahrhunderte  rechnen.  Das  wird  dadurch  bestätigt,  daß  man 
immer  noch  oft  genug  in  einem  kleinen  Umkreis  viele  Gräber  desselben  Typus 
findet  —  und  wie  viele  solche  Denkmäler  mehr  mögen  in  den  Jahrtausenden, 
die  verflossen  sind,  zerstört  worden  seinl 

Da  nun  der  Norden,  wie  wir  gesehen  haben,  schon  längst  vor  dem  Ende 
der  Steinzeit  in  einer  wenn  auch  nicht  unmittelbaren  Verbindung  mit  dem 
Süden  stand,  und  da  die  geschichtliche  Zeit  der  östlichen  Mittelmeerländer, 
besonders  Ägyptens,  Jahrtausende  vor  Christi  Geburt  anfängt,  ist  es  uns 
möglich,  die  spätere  Periode  der  schwedischen  Steinzeit  einigermaßen  zu 
datieren.  In  Berücksichtigung  aller  bezüglichen  Umstände  bin  ich  überzeugt, 
daß  die  ersten  Steingräber  hier  im  Norden  mehr  als  dreitausend  Jahre  vor 
Christus  aufgeführt  worden  sind.  Da  nun  die  vorhergegangene  erste  Periode 
aus  Gründen,  die  eben  angeführt  worden  sind,  sehr  lang  gewesen  sein  muß, 
können  wir  den  Anfang  dieser  ersten  Periode  und  demnach  der  jüngeren  Stein- 
zeit im  Norden  nicht  später  als  in  das  fünfte  Jahrtausend  vor  Christus  setzen. 
W  ahrscheinlich  ist  das  noch  zu  spät.  Auf  jeden  Fall  müssen  indessen  unsere 
Vorfahren  mehr  als  6000  Jahre  hier  gelebt  haben. 

Die  Periode  der  Ganggräber  fängt  ungefähr  in  der  Mitte  des  dritten  Jahr- 


1)  Montelius,    Zur  Chronologie   der  jüngeren  Steinzeit    in   Skandinavien,    im  Com 
d.  deutschen  Antlirop.  Gesellsch.,    1S91,    S.  99  folg.   (vgl.  Compte  rendu  du  Congres  de  Stockholm, 
1*74,  s.  152,  238).  —  Derselbe,   De  förhistoriska  perioderna  i  Skandinavien,  im  Manadsblad,   [8 
Vgl.  Sv.  Fornm.  för^  tidskr.,  Bd.  8,  S.  u;  folg. 

Montelius,   Kulturgeschichte  Schwed  c 


66  Die  jüngere  Steinzeit. 

tausends  v.  Chr.  an;  und  die  Zeit  der  Steinkisten  entspricht  den  Jahrhunderten 
um  2000  v.  Chr. 

Das  Ende  der  Steinzeit  fällt  also  im  südlichen  Teil  Skandinaviens  in  den 
Anfang  des  zweiten  Jahrtausends  vor  unserer  Zeitrechnung. 

Schon  längst  vor  jener  Zeit  hatte  das  Volk  des  Nordens  Metalle  kennen 
gelernt,  zuerst  Kupfer  und  Gold;  auch  die  von  Kupfer  und  Zinn  gemischte 
Bronze  war  nicht  mehr  ganz  unbekannt.  Aber  man  kann  nicht  vom  Ende 
der  Steinzeit  oder,  was  dasselbe  ist,  vom  Anfang  der  Bronzezeit  reden,  bevor 
die  Bronze  so  allgemein  war,  daß  sie  und  nicht  der  Stein  die  materielle  Grund- 
lage für  die  Kultur  bildete. 

Viele  Umstände  deuten  an,  daß  das  Kupfer  hier  im  Norden  schon  in  der 
Zeit  der  Ganggräber  und  Steinkisten  bekannt  war.  Aber  da  der  Stein  fort- 
dauernd das  gewöhnliche  Material  für  Waffen  und  Werkzeuge  blieb,  während 
das  aus  fremden  Ländern  eingeführte  und  daher  kostspielige  Kupfer  nur  selten 
verwendet  wurde,  rechnet  man  diese  Zeit  mit  guten  Gründen  zur  Steinzeit. 
Zieht  man  nun  in  Betracht,  daß  das  Kupfer  schon  bekannt  war,  so  kann  man 
indessen  von  einer  Kupferzeit  sprechen1). 

Die  Zeit  bis  zur  Bronzezeit  kann  also  eingeteilt  werden   in: 

I.  Die  Zeit,  in  der  alle  Metalle  unbekannt  waren: 

1.  Die  ältere  Steinzeit. 

2.  Die  erste  und  zweite  Periode  der  jüngeren  Steinzeit. 

IL  Die  Zeit,  in  der  Kupfer,  gewöhnlich  ungemischt,  bekannt  war: 

3.  Die    dritte    und    vierte   Periode  der   jüngeren   Steinzeit,    oder    die 
Kupferzeit. 

Weil  das  Ende  der  nordischen  Steinzeit  in  den  Anfang  des  zweiten  Jahr- 
tausends vor  Chr.  fällt,  ist  folgende  Äußerung  des  Japetus  Steenstrup  nicht  so 
gewagt,  wie  es  im  ersten  Augenblicke  scheint:  »Mit  den  Bauten  der  Pharaonen 
sind  unsere  Dolmen  und  Ganggräber  zum  mindesten  gleichzeitig,  wenn  sie 
nicht,  was  uns  nicht  unmöglich  scheint,  schon  damals  als  tausendjährige  Denk- 
mäler dastanden«.  Falls  er  mit  den  pharaonischen  Bauten  nicht  die  Pyramiden, 
sondern  die  Tempel  verstand,  die  von  einem  Thutmosis  oder  Ramses  erbaut 
wurden,  ist  seine  Äußerung  ganz  richtig. 

In  den  alten  Kulturländern  am  Mittelmeer  war  die  Steinzeit  weit  früher 
abgeschlossen.  Bis  zur  Kaiserzeit  scheint  sich  jedoch  eine  Tradition  von  dieser 
Kindheitsepoche  der  Menschheit  erhalten  zu  haben,  wie  die  Worte  des  Lucrez 
ergeben,  daß  »die  ältesten  Waffen  Hände,  Nägel  und  Zähne,  Steine  und  Stöcke 
waren;  dann  wurden  Eisen  und  Kupfer  entdeckt.  Aber  vor  dem  Eisen  lernte 
man  Kupfer  gewinnen«.  Hier  haben  wir  die  Grundidee  unseres  Dreiperioden- 
systemes. 


1)  Montelius,  Finnas  i  Sverige  minnen  frän  en  kopparälder?,  in  der  Sv.  Fornm.-förs  tidskr., 
Bd.  8,  S.  203 — 38.  —  Derselbe,  Findet  man  in  Schweden  Überreste  von  einem  Kupferalter?,  im 
Archiv  f.  Anthrop.,  XXIII  (1895),  S.  425  —  49. 


Die  Chronologie  der  Steinzeit.     Abergläubische  Vorstellungen  von  Steinsachen.  (jj 

In  dem  klassischen  Boden  Italiens  und  Griechenlands,  in  Kleinasien  und 
Ägypten,  in  China  und  Japan,  ebenso  wie  in  Amerika  und  auf  den  Inseln  des 
Großen  Ozeans:  man  kann  sagen,  in  allen  Teilen  der  Welt  hat  man  Altertümer 
der  Steinzeit  gefunden.  Aber  nachdem  diese  Epoche  in  den  meisten  euro- 
päischen Ländern  längst  vorüber  war,  hat  sie  in  anderen  Erdteilen,  besonders 
in  der  neuen  Welt,  bis  in  unsere  Tage  angedauert. 

Auch  nach  Kenntnis  der  Metalle  fuhr  man  hier  in  Schweden  lange  fort, 
Werkzeuge  und  Waffen  aus  Stein  zu  benutzen.  Für  leicht  verlierbare  Gegen- 
stände, wie  Speer-  und  Pfeilspitzen,  oder  für  solche,  die  viel  Rohmaterial  er- 
fordern, wie  die  schweren  Streitäxte,  bediente  man  sich  auch  während  der 
Bronzezeit  des  billig-eren  Steins  statt  der  von  ferne  kommenden  kostbaren 
Bronze,  besonders  da  der  Stein  in  solchen  Fällen  fast  ebenso  gute  Dienste 
leistete  wie  das  Metall.  Daher  enthalten  mehrere  Funde  der  Bronzezeit  auch 
Waffen  und  Werkzeuge  von  Stein. 

Wenn  dagegen  Steinwaffen  hier  im  Norden  auch  noch  in  der  Eisenzeit 
benutzt  wurden,  geschah  es  mehr  wegen  der  Zauberkraft,  die  man  ihnen  zu- 
schrieb, als  aus  anderen  Gründen.  So  wird  erzählt,  daß  Orvar  Odd  von  einem 
alten  Mann  in  Hunaland  drei  »Steinpfeile« 
erhielt,  die  sich  als  stärker  gegen  Zauber 
erwiesen  als  selbst  die  berühmten  Pfeile 
»Gusesnöt«,  die  Odd  vom  König  der 
Finnen  erhalten  hatte. 

Daß    einige     von    den    Steinäxten, 
die    man    später    in    der    Erde    gefunden 
hat,    in    den   Händen    unserer    Vorfahren    gg   Steinaxt  mit  Runeninschrift  Uppland.  »/3. 
während     der     Eisenzeit      waren,      wird 

unter  anderem  durch  eine  solche  in  Uppland  gefundene  und  mit  einer  Runen- 
inschrift versehene  Axt  bewiesen,  welche  Inschrift  viel  jünger  als  der  Anfang 
der  Eisenzeit  ist  (Fig.  99).  Diese  Axt  muß  zweimal  ausgegraben  worden  sein. 
Ebenso  die  Fig.  100  abgebildete  Steinaxt,  die  in  Westergötland  gefunden  wTurde. 
Das  sie  zierende  Ornament  ist  offenbar  mittelalterliche  Arbeit;  nachher  ist  sie 
wieder  in  die  Erde  gekommen. 

Lange  übrigens,  nachdem  die  Steinwerkzeuge  schon  im  täglichen  Leben 
nicht  mehr  benutzt  wurden,  finden  wir  sie  noch  bei  religiösen  Akten  im 
Gebrauch. 

In  Ägypten  wurde  beim  Einbalsamieren  der  Leichen  »ein  scharfer  äthio- 
pischer Stein«  benutzt,  um  den  Körper  zu  öffnen.  Auch  die  Leichen  der 
Guanchenhäuptlinge  auf  Teneriffa  wurden  mit  Obsidianmessern  aufgeschnitten 
von  Personen,  die  besonders  dazu  ausersehen  waren.  Aus  den  Schriften  des 
Alten  Testaments  sehen  wir,  daß  die  Juden  bei  der  Beschneidung  Messer  von 
Stein  benutzten.  Auch  bei  den  Römern  können  wir  Spuren  der  Benutzung 
•von  Steinwerkzeugen  bei  gewissen  heiligen   Verrichtungen   nachweisen 

Nachdem  die  Steinsachen  ganz  außer  Gebrauch  gekommen  waren,  fiel 
ihre  wirkliche  Bedeutung  allmählich   in   Vergessenheit      Wenn  sie    dann   in   der 

5* 


68 


Die  jüngere  Steinzeit. 


Erde  angetroffen  wurden,  gab  Unkenntnis  und  Aberglaube  ihnen  phantastische 
Beziehungen.  Die  Steinäxte  wurden  »Donnerkeile«  —  im  Norden  »Torkeile« 
—  genannt  und  als  das,  wodurch  der  Blitzstrahl  tötet,  angesehen.  Tor  hält 
einen  solchen  Keil  in  der  Hand  und  wirft  damit  nach  dem  Unhold:  das  ist  - 
nach  einem  bei  uns  noch  heute  nicht  ganz  ausgestorbenen  Glauben  —  das 
Gewitter.  Wenn  der  Blitz  einschlägt,  trifft  der  Torkeil  die  Erde.  Dabei  wird 
der  Keil  tief  in  die  Erde  getrieben.  Auf  Gotland  glaubte  man  vor  noch 
nicht  langer  Zeit,  daß  der  Donnerkeil  sieben  Ellen  in  die  Erde  hinein  getrieben 
wird,  wonach  er  in  sieben  Jahren  wieder  ans  Tageslicht  kommt,  weil  er  in  der 
Zwischenzeit  zur  Erdoberfläche  steigt,  jedes  Jahr  eine  Elle. 


ioo.    Steinaxt  mit  romanischen  Ornamenten,  von  drei  Seiten  gesehen.  Westergötland.  2/3 


Ähnliche  Ansichten  von  dem  Ursprung  der  Steinäxte  findet  man  merk- 
würdigerweise überall  in  der  Welt  wieder.  Schon  vor  zweitausend  Jahren 
dachten  die  Griechen  ebenso. 

Infolge  ihres  Ursprunges  vom  Donnergott  und  dem  Unholdenbesieger 
werden  diese  Donnerkeile  als  ein  außerordentlich  wirksames  Schutzmittel  gegen 
Gewitter  und  Zauberei  angesehen.  Darum  ist  es  oft  sehr  schwer,  die  Besitzer 
von  Altertümern  aus  Stein  zum  Verkauf  zu  bewegen,  weil  sie  glauben,  daß  sie 
damit  einen  Talisman  verlieren.  Im  Museum  zu  Visby  wird  eine  Steinaxt  auf- 
bewahrt, die  einer  Frau  auf  Gotland  gehörte;  sie  weigerte  sich  lange  dieselbe 
herzugeben  und  entschloß  sich  erst,  als  der  Blitz  ungeachtet  ihres  Donnerkeiles 
in  einen  neben  ihrer  Wohnung  gelegenen  Kirchturm  einschlug. 

Um  neuerbaute  Häuser  gegen  Blitz  und  anderes  Unglück  zu  schützen, 
pflegte  man  noch  im  achtzehnten  Jahrhundert  eine  Steinaxt  oder  einen  Feuer- 
steindolch in  die  Wand  oder  unter  die  Schwelle  zu  legen. 


Abergläubische   Vorstellungen  von  Steinsachen. 


69 


Noch  in  unseren  Tagen  pflegte  eine  Frau  auf  Gotland  eine  große  Stein- 
axt in  den  Braukessel  zu  hängen,  um  den  Unhold  zu  verhindern,  das  Gebräu 
zu  verderben.  Ein  Bauer  in  Wermland  beschwerte  seine  Fischreuse  mit  einer 
Steinaxt  und  glaubte  zu  bemerken,  »daß  die  Fische  mit  viel  größerer  Begehr- 
lichkeit in  das  Gerät  gingen,  an 
welchem  Steinäxte  zu  Beschwersteinen 
verwendet  würden«.  Ein  Bauer  der- 
selben Gegend  verwahrte  einen  Feuer- 
steindolch unter  dem  Korn  in  seiner 
Scheune,  wo  dieser  großen  Nutzen 
brachte«.  Als  ein  anderer  Bauer,  der 
in  Smäland  wohnte,  noch  um  das 
Jahr  1860  (!)  ein  Stück  Land  ab- 
schwendete, pflegte  er,  ehe  er  anzün- 
dete, eine  sorgsam  verwahrte  Steinaxt 
mit  einer  durch  das  Griffloch  ge- 
zogenen Schnur  von  einem  Knecht 
dreimal  rund  um  das  Stück  Land 
schleppen  zu  lassen,  damit  das  Feuer 
nicht  ausbrechen  sollte.  Dann  wurde 
die  Axt  wieder  weggelegt,  um  im 
nächsten  Jahr  in  derselben  Weise  zu 
dienen. 

Auch  gegen  Krankheiten  bei 
Menschen  und  Tieren  sollten  die  alten 
Steinäxte  eine  wunderbare  Kraft  be- 
sitzen. Das  Schwedische  National- 
museum  besitzt  eine  Steinaxt  aus 
Blekinge,  deren  Schneide  pulverisiert 
und  kranken  Tieren  als  Heilmittel 
a^eben  worden  war.  Diese  heilende 
Kraft  wurde  auch  Spinnwirteln  von 
Stein  zugeschrieben,  obwohl  die- 
selben nicht  älter  sind  als  die 
Kisenzeit. 

Ein  merkwürdiges  Beispiel,  daß 
Steinäxte  als  Amulette  angewendet 
wurden,  haben  wir  an  einer  ägyp- 
tischen Axt,  die  auf  beiden  Seiten 
mit     einer     eingeritzten      mystischen 

Inschrift  bedeckt  ist  Fig.]  101).  Die  Buchstaben  sind  griechisch  und  von 
«Irr  Form,  die  im  dritten  und  vierten  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  all- 
gemein war.  Eine  andere  Steinaxt  mit  griechischer  Inschrift  wurde  in 
•  rriechenland  gefunden. 


IOI. 


Ägyptische  Steinaxt  mit  griechischer 

Inschrift.    5  1   und  2  ,. 


jq  Die  jüngere  Steinzeit. 

Während  die  Steinäxte  als  Donnerkeile  betrachtet  wurden,  hat  man  in 
den  Feuersteinpfeilen  teils  Blitzgeschosse  des  Donnergottes,  teils  Hexenschüsse 
gesehen.  In  Schottland  und  Irland  war  dieser  letztere  Glaube  allgemein,  und 
man  betrachtete  die  Steinspitzen  auch  als  Schutz  gegen  die  von  den  Hexen 
(oder  Eiben)  insbesondere  den  Tieren  angezauberten  Krankheiten  und  anderes 
Unglück.  Deshalb  wurden  sie  in  diesen  und  anderen  Ländern  als  Amulette 
getragen,  manchmal  in  Silber  eingefaßt.  An  einem  griechischen  oder  etruski- 
schen  Halsband  von  Gold,  das  jetzt  im  Britischen  Museum  aufbewahrt  wird, 
hängt  in  der  Mitte  eine  in  Gold  gefaßte  Pfeilspitze  aus  Feuerstein. 


DIE  BRONZEZEIT 

(VON  ANFANG  DES  ZWEITEN  BIS  ZUR  MITTE  DES   ERSTEN  JAHR- 
TAUSENDS VOR  CHRISTI  GEBURT). 


1.    Der  Anfang  der  Bronzezeit  und  ihre  Einteilung. 


j  ie  Bronze    ist  jahrtausendelang   in   weiten  Gebieten   der  Erde    für   den 
Menschen    von   einer   Bedeutung    gewesen,    der    die    Betrachtung    erst 
spät  vollkommen  gerecht  geworden  ist. 
Seit  nun  aber  unsere  Augen  für  die  geschichtliche  Bedeutung  der  Bronze- 
zeit geöffnet  sind,    ist   der  Anfang  dieser  Periode  Gegenstand  besonderer  Auf- 
merksamkeit geworden. 

Bronze1)  ist  eine  Mischung  von  Kupfer  und  Zinn,  Eisen 
ein   einfaches  Metall:   wie  kommt  es, 
daß  die  Bronze  so  vielen  Völkern  und 


-i 


so  lange  Zeiten  hindurch  ausschließ- 
lich zu  den  verschiedensten  Zwecken 
gedient  hat,  und  daß  das  Eisen  erst 
so  viel  später  verwandt  wurde?  Die 
scheinbare  Schwierigkeit,  dies  zu  er- 
klären, verschwindet  mit  der  Einsicht, 
daß  Bronze  nicht  das  erste  Metall 
war,  das  der  Mensch  anwandte,  viel- 
mehr Kupfer  schon  lange  Zeit  un- 
gemischt (Fig.  102)  benutzt  worden 
war,  ehe  man  sich  durch  einen  Zusatz 
von  anderem  Metall,  vor  allem  Zinn, 
ein  besseres  und  durch  eine  gold- 
ähnliche Farbe  ausgezeichnet  schönes 


102.   Kupferaxt,   mit 
Durchschnitt.   Skane.   ]/2 


102  a.   Axt  von   sehr 
zinnarmer  Bronze, 
mit  Durchschnitt. 
Skäne.     1/2. 


S.  Nilsson,  Skandinaviska  Nordens  Ur-invanarc  (Lund,  1S3S — 43;  das  6.  Kapitel  behandelt 
die  Bronzezeit.  —  2.  Aufl.,  Bd.  2.  Bronsäldern.  Stockholm,  1862  —  64.  —  3.  Aufl.  Bronsäldern.  Lund, 
[872).  —  Derselbe,  Die  Ureinwohner  des  Scandinavischen  Nordens.  Das  Bronzealter  (Hamburg, 
1863 — 66).  —  Montelius,  L'äge  du  bronze  en  Suede,  im  Compte  rendu  du  Congres  de  Cop«-n- 
baguc,  1869,  S.  249.   —   Derselbe,  Sur  l'äge  du  bronze  en  S  m  Comptc  rendu  du  Con. 

Stockholm,    1 874,  S.  488.  —  Derselbe,  Die  Chronologie  der  ältesten   Bn  in    Norddeutschland 

und  Skandinavien.     Sonderabdruck    aus  dem   Archiv   für  Anthro]  Bd.  XXV   u.   XWI    [Braun- 

schweig,  1900.     Vgl.  1  >.   Almgren,    in   Yincr,   191-  15,   und   L.   Laloy,    in   L'Anthn 

1899,  S.  699;   1901,  S.  719). 

1)  Gleichwie  das   Wort   Kupfer  von   Kypros    gebildet  ist,    dei  bischen   Namen  der  Insel 

Cypcrn,  wird  Bronze  von  einem  <  Ortsnamen,  Brundusium,  dem  beutigen  l'rin.li-i  in  Italien,  abgeleitet. 


74 


Die  Bronzezeit. 


Material  zu  verschaffen  wußte.  Anfangs  war  der  Zinnzusatz  zur  Bereitung  der 
Bronze  gering,  ein  oder  einige  Prozente  (Fig.  102  a),  nach  und  nach  stieg  er  bis 
zu  zehn  Prozent,  und  dies  Verhältnis  wurde  dann  allgemein.1) 

Daß  die  Menschen  Kupfer  vor  dem  Eisen  benutzen  lernten,  kann  nicht 
wundernehmen.  Die  Kupfererze  fallen  leichter  ins  Auge  als  die  Eisenerze, 
auch  ist  Kupfer  leichter  auszuschmelzen. 

In  Südwestasien  haben  die  am  Euphrat  und  Tigris  wohnenden  uralten 
Kulturvölker  Kupfer  und  Bronze  früher  als  irgend  ein  anderes  Volk  in  den 
Teilen  der  Alten  Welt,  mit  dem  Europa  in  Verbindung  stand,  benutzt.  Von 
dort  verbreitete  sich  die  Anwendung  des  Kupfers  und  dann  der  Bronze  über 
Ägypten  und  Europa. 

Daß  die  Kultur  der  Bronzezeit  ihren  Ursprung  nicht  in  unserem  Norden 
genommen  hat,  sah  man  von  jeher  ein.  Nur  darüber  gingen  die  Ansichten  aus- 
einander, auf  welchem  Wege  diese  Kultur  hierher  gedrungen  ist.  Ob  auf  dem 
Seeweg,  rund  um  Europas  Westküsten,  oder  auf  dem  Landweg,  über  das 
Festland;  ob  durch  Einwanderung  eines  neuen  Volkes  oder  durch  den  Handels- 
verkehr. 

Seit  die  rastlosen  Arbeiten  der  letzten  Jahrzehnte  auf  dieses  Gebiet  ein 
vorher  nicht  geahntes  Licht  geworfen  haben,2)  und  besonders  seit  man  zu 
unterscheiden  weiß,  was  dem  Anfang  der  Bronzezeit  und  was  einer  späteren 
Periode  angehört,  hat  es  sich  herausgestellt,  daß  unsere  Vorfahren  die  Bekannt- 
schaft mit  der  Bronze  weder  den  Phöniziern,  noch  den  Etruskern  —  wie  etliche 
glaubten  —  verdanken,  und  daß  auch  keine  Einwanderung  am  Anfang  der 
Bronzezeit  hier  stattgefunden  hat. 

Die  Kenntnis  des  Kupfers  und  danach  der  Bronze  hat  sich  vielmehr 
schrittweise  von  Volk  zu  Volk  verbreitet,  ungefähr  auf  dieselbe  Art,  wie  in 
unserer  Zeit  die  Erfindungen,  an  denen  die  Gegenwart  so  reich  ist,  den  ver- 
schiedenen Völkern  zugute  kommen.  Die  Zeit  des  Dampfes  und  der  Elektri- 
zität, die  für  den  zukünftigen  Forscher  sich  ebenso  scharf  abgegrenzt  von  der 
vorhergehenden  Zeit  zeigen  wird,  wie  die  Kupfer-  und  Bronzezeit  von  der 
reinen  Steinzeit,  hat  in  keinem  europäischen  Land  mit  der  Einwanderung  eines 
neuen  Volkes  begonnen.  Höchstens  sind  einzelne,  die  mit  der  neuen  Erfindung 
vertraut  waren,  von  einem  zum  anderen  Lande  übergesiedelt. 

Ungefähr  auf  gleiche  Art  haben  wohl  unsere  Vorfahren,  wie  die  übrigen 
Völker  Europas,  die  ersten  Metalle  kennen  gelernt.  Durch  den  Verkehr  mit  den 
Gegenden,  die  den  älteren  Kulturländern  am  nächsten  lagen,  sind  Kupfer-  und 
Bronzearbeiten  nach  dem  Norden  gekommen,  und  einige  Menschen,  geschickt 
im  Anfertigen  solcher  Arbeiten,  sind  vielleicht  hierher  übergesiedelt  und  haben 
hier  ihre  Kunst  geübt.  Die  Einwohner  der  nordischen  Länder  haben  sich  nach 
und  nach  diese  Kunst  angeeignet,  und  die  Bronzekultur  ist  auf  diese  Weise  in 
unseren  Gegenden  einheimisch  geworden. 

i)  Montelius,  Die  Bronzezeit  im  Orient  und  in  Griechenland,  im  Archiv  f.  Anthrop.,  XXI, 
S.  3.   —  Derselbe,  Die  Chronologie  der  ältesten  Bronzezeit,  S.  23. 

2)  Derselbe,  Die  Chronologie  der  ältesten  Bronzezeit,  S.  133  folg. 


Der  Anfang  der  Bronzezeit.  r  - 

Die  allerersten  im  Norden  angewandten  Metallgeräte  waren  aus  anderen 
Ländern  eingeführt,  aber  bald  fing  man  an,  diese  Sachen  nachzumachen.  Selbst 
die  alten  in  der  Steinzeit  hier  benutzten  Typen  wurden  in  Metall  nachgemacht. 
Hierdurch  erhielten  auch  die  nordischen  Arbeiten  in  Kupfer  und  Bronze  bald 
ein  eigenes  nationales  Gepräge. 

Wurden  also  die  Arbeiten  bei  uns  verfertigt,  so  wurde  doch  das  Material 
von  außerhalb  eingeführt;  und  der  Handelsverkehr  dürfte  schon  in  jener  ent- 
legenen Zeit  von  größerer  Bedeutung  gewesen  sein,  als  wir  uns  gewöhnlich 
vorstellen.  Daß  dabei  das  Verlangen  der  südlichen  Völker  nach  dem  geschätzten 
Bernstein  eine  große  Rolle  spielte,  haben   wir  schon  gesehen. 

Da  der  Norden  schon  lange  vor  dem  Ende  der  Steinzeit  mit  dem  übrigen 
Europa  sowohl  auf  westlichem  wie  auf  südlichem  Weg  in  Handelsverbindung 
stand,  — jener  führte  zu  den  Britischen  Inseln  und  den  westeuropäischen  Ländern, 
dieser  über  Norddeutschland  zu  Mittel-  und  Südeuropa,  —  so  konnten  die  Nord- 
länder Kenntnis  von  den  Metallen  auf  jedem  dieser  beiden  Wege  erhalten. 

Es  hat  sich  indessen  herausgestellt,  daß  hauptsächlich  auf  dem  südlichen 
Weg  Kupfer  und  Bronze  hierhergekommen  sind.  Was  vom  westlichen  Europa 
zu  uns  kam,  ist  im  Vergleich  damit  nicht  so  bedeutend. 

Irgendwelche  Spur  davon,  daß  uns  die  Phönizier  die  Bronzekultur  hierher 
gebracht  hätten,  ist  nicht  anzutreffen.1)  Das  erste  Erscheinen  dieser  Kultur  im 
Norden  fällt  in  eine  so  frühe  Zeit,  daß  die  Phönizier  unmöglich  deren  Vermittler 
gewesen  sein  können.  Dies  gilt  um  so  mehr  für  die  Etrusker,  die  in  Italien  erst 
auftreten,  nachdem  die  Nordländer  bereits  ein  Jahrtausend  das  Kupfer  kennen 
gelernt  hatten.  Eher  wäre  es  möglich,  daß  wir  das  Eisen  dem  Handel  mit 
den  Etruskern  zu  verdanken  haben. 

Eine  klare  Auffassung  vom  Anfang  der  nordischen  Bronzezeit  war  erst 
möglich,  als  man  die  Überreste  aus  dem  ältesten  Abschnitt  dieses  Zeitraumes 
von  den  späteren  zu  unterscheiden  lernte.  In  den  letztverflossenen  Jahrzehnten 
hat  sich  die  Forschung,  nicht  zum  mindesten  in  Schweden,  darauf  bezüglichen 
Untersuchungen  mit  Eifer  gewidmet. 

Da  man  unter  den  Tausenden  von  Funden  aus  der  Bronzezeit  im  Norden 
niemals  auch  nur  eine  einzige  Münze  oder  einen  anderen  Gegenstand  mit  In- 
schrift gefunden  hat,  auch  einheimische  Funde  aus  der  Bronzezeit  in  Verbindung 
mit  ausländischen  Arbeiten  von  bekanntem  Alter  selten  sind,  so  konnte  es  bei- 
nahe hoffnungslos  erscheinen,  für  unsere  Bronzezeit  zu  einer,  wenn  auch  nur 
relativen  Zeitbestimmung  zu  kommen.  Es  ist  jedoch  durch  eine  sorgfältige  und 
weit  umfassende  Durchmusterung  der  Gräber  und  Altertümer  aus  jener  Zeit, 
die  uns  zur  Verfügung  stehen,  insbesondere  durch  genaue  Berücksichtigung  der 
Umstände,  unter  welchen  sie  gefunden  wurden,  gelungen,  nicht  nur  eine  relative, 
sondern  auch  eine  absolute  Chronologie  für  die  schwedische  Bronzezeit  auf- 
zustellen. 


i)  Die  I'lninizisehe  Theorie  ist  hauptsächlich  von   Professor  Sven  Nilsson  aufgestellt  und   ver- 
teidigt worden.     S.  Nilsson,  Dio  Ureinwohner  des  Skandinavischen   Nordens.     Das   Bronzealter 


Die  Bronzezeit. 


'J-UlUilliuuj 

iUjj'JULj,llluuu;i:: 

^^^ i ^pft 


104.     Halsschmuck   von  Bronze.    Skäne.    i\2. 


105.  Bronzeaxt  mit 
Schaftloch.   Öland.   ijs. 


106.   Bronzeaxt,   von   zwei  Seiten        107.  Lanzenspitze     108.  Bronzedolch, 
gesehen.     Öland.     1ji.  von  Bronze.  Sk.  1/„.  Öland.   y.,. 

Arbeiten  aus  der  älteren  Bronzezeit. 


Die  Einteilung  der  Bronzezeit. 


77 


109.   Ornament.   Wcstergötland. 


110.     Ornament.     Skäne. 


III.   Bronzener  Gürtelschmuck. 
Skäne.    >/2. 


1  13.  Ornament.   Westergötland. 


114.     Halsring  von  Bronze.  Wermland.   '/.,. 


115.     Halsring   von   Bronze.    Södermanland.     '/i 


&r 


[l6.     Bronzegefafl.    Bohusliin.     i/i. 

Arbeiten  aus  der  jüngeren   Bronzezeit. 


117.    Br< 
beschlag    eines 
baftes. 
Skäne.    % 


78  Die  Bronzezeit. 

Schenkt  man  den  Überbleibseln  unserer  Bronzezeit  nähere  Aufmerksamkeit, 
so  fällt  bald  eine  große  Ungleichheit  der  Gräber  und  der  Formen  und  Zierate 
der  Gerätschaften  auf.  In  einigen  Gräbern  findet  man  Reste  von  unverbrannten 
Leichen,  die  anderen  enthalten  gebrannte  Knochen.  Und  ein  Blick  auf  die 
hier  abgebildeten  Gegenstände  genügt,  um  uns  den  Unterschied  zu  zeigen,  der 
zwischen  den  verschiedenen  Bronzegeräten  besteht.  Einige  Waffen  und  Schmuck- 
sachen (Fig.  103 — 108)  sind  mit  Spiralen  und  Zickzacklinien  verziert,  andere 
mit  ganz  abweichenden  Ornamenten  (Fig.  109 — 117).  An  den  letzteren  findet 
man  keine  eingravierten  oder  mit  einem  Punzen  eingeschlagenen  Spiralen,  wo- 
hingegen die  Ring-Enden,  Messergriffe  und  andere  Sachen  oft  in  einer  Spirale 
aufgerollt  sind. 

Die  Frage,  welche  sich  nun  ganz  natürlich  aufdrängt,  ist:  gehören  diese 
verschiedenen  Gräber  und  Gerätschaften  derselben  Zeit  an,  oder  bezeichnen  sie 
verschiedene  Perioden?1) 

Wir  müssen  uns  hierbei  nicht  nur  an  Schweden,  sondern  an  ganz  Skan- 
dinavien und  Norddeutschland  halten,  wobei  betont  werden  muß,  daß  die  be- 
obachtete Verschiedenheit  nicht  etwa  so  aufgefaßt  werden  kann,  daß  Gräber 
mit  unverbrannten  Leichen  in  einer  Gegend  sich  finden  und  Gräber  mit  ge- 
brannten Knochen  in  einer  anderen.  Beide  Arten  von  Gräbern  und  beide 
Arten  von  Altertümern  findet  man  in  derselben  Gegend  und  im  ganzen  südlichen 
Teil  der  Skandinavischen  Halbinsel  wie  in  Dänemark  und  Norddeutschland. 

Beginnen  wir  mit  den  Gräbern.  Wenn  die  beiden  so  verschiedenen  Ge- 
bräuche, die  Toten  zu  verbrennen  oder  unverbrannt  zu  bestatten,  zu  ein  und 
derselben  Zeit  herrschten,  so  konnten,  wie  es  schien,  drei  Möglichkeiten  in  Be- 
tracht kommen:  es  sind  die  Toten  verschiedener  Volksstämme  oder  verschiedenen 
Geschlechts  oder  verschiedener  Klassen,  das  heißt  verschiedener  Vermögens- 
verhältnisse. 

Aber  daß  die  Verschiedenheit  der  Gräber  nicht  durch  zwei  verschiedene 
Stämme  zu  erklären  ist,  die  gleichzeitig  Seite  an  Seite  hier  gelebt  hätten,  wird 


1)  J.  J.  A.  Worsaae,  Om  en  ny  Deling  af  Steen-  og  Broncealderen,  in  Danske  Videnskabs 
Selskabs  Forhandlinger,  1859.  —  Montelius,  L'äge  du  bronze  en  Suede,  im  Compte  rendu  du 
Congres  de  Copenhague,  1869,  S.  249.  —  Derselbe,  Sur  les  epoques  de  l'äge  du  bronze  en  Suede, 
im  Compte  rendu  du  Congres  de  Bologne,  1871,  S.  288.  — -  Derselbe,  Svenska  fornsaker  (1872).  — 
Derselbe,  in  der  Antiqv.  tidskr.  f.  Sv.,  3  (1S72 — 73).  —  Derselbe,  Sur  l'äge  du  bronze  en  Suede 
und  Sur  les  poignees  des  epees  et  des  poignards  en  bronze,  im  Compte  rendu  du  Congres  de  Stock- 
holm, 1874,  S.  488  und  882.  —  Derselbe,  Minnen  frän  bronsälderns  slut  i  Norden  und  Ett  fynd 
frän  vär  bronsälders  äldsta  tid,  im  Mänadsblad,  1880,  S.  97  und  129.  —  Derselbe,  Om  den  nordiska 
bronsälderns  Ornamentik  och  dess  betydelse  för  frägan  om  periodens  indelning,  im  Mänadsblad,  1881, 
S.  17.  —  Derselbe,  Om  tidsbestämning  inom  bronsäldern,  med  särskildt  afseende  pä  Skandinavien 
(Stockholm,  1885;  vgl.  Materiaux  pour  l'histoire  de  l'homme,  1885,  S.  108).  —  Derselbe,  Die  Chro- 
nologie der  ältesten  Bronzezeit  in  Norddeutschland  und  Skandinavien,  im  Archiv  für  Anthropol., 
XXV  u.  XXVI  (1900);  vgl.  Almgren,  in  Ymer,  1900,  S.  395  folg.  —  S.  Müller,  Bronzealderens 
perioder,  in  den  Aarböger  f.  nord.  Oldkynd.,  1876  (Die  nordische  Bronzezeit  und  deren  Perioden- 
teilung, übers,  von  J.  Mestorf,  Jena,  1878).  —  Derselbe,  Ordning  af  bronzealderens  fund,  ebenda, 
1891.  —  Derselbe,  Ordning  af  Danmarks  Oldsager,  Bronzealderen  (Kopenhagen,  1891).  —  W. 
Splieth,  Inventar  der  Bronzealterfunde  aus  Schleswig-Holstein  (Kiel,   1900). 


Die  Einteilung   der  Bronzezeit.  7Q 

durch  die  zahllosen  Fälle  bewiesen,  in  denen  Gräber  beider  Art  in  demselben 
Hügel  gefunden  worden  sind.  Zwei  verschiedene  Volksstämme  konnten  denk- 
barer Weise  in  einem  Land  friedlich  miteinander  wohnen,  aber  für  ihre  Toten 
hätten  sie  keine  gemeinschaftlichen  Ruhestätten  geschaffen. 

Die  erwähnte  Ungleichheit  kann  ebensowenig  —  wie  es  versucht  worden 
ist  —  damit  erklärt  werden,  daß  das  eine  Geschlecht,  z.  B.  die  Männer,  ver- 
brannt und  die  Frauen  unverbrannt  beerdigt  wurden  oder  umgekehrt;  denn 
die  Gräber  mit  unverbrannten  Leichen  aus  der  Bronzezeit  haben  sich  bald  als 
Männer-,  bald  als  Frauengräber  erwiesen,  wie  Skelette  und  Kleider  unwider- 
leglich dartun.  Wir  werden  noch  auf  diese  merkwürdigen  Funde  zurückkommen. 
Auch  hat  man  Schwerter  und  andere  für  Männer  charakteristische  Waffen  zu- 
sammen mit  gebrannten  wie   mit  ungebrannten  Knochen  gefunden. 

Man  hat  wohl  eine  Zeitlang  angenommen,  daß  die  Reichen  unverbrannt 
in  den  großen,  von  einem  mächtigen  Hügel  bedeckten  Steinkisten  ruhten, 
während  die  Leichen  der  Armen  verbrannt  worden  wären  und  nur  ihre  Asche 
in  den  der  Frde  anvertrauten  Tongefäßen  aufbewahrt  sei.  Neuere  Unter- 
suchungen haben  indessen  gezeigt,  daß  diese  Annahme  nicht  richtig  ist,  indem 
kostbare  Waffen  und  Schmucksachen  von  Bronze,  ja  sogar  von  Gold,  aus 
mehreren  Gräbern  mit  gebrannten  Knochen  an  den  Tag  gefördert  wurden. 

Es  ist  folglich  unmöglich,  daß  die  beiden  Arten  der  Gräber  im  allgemeinen 
gleichzeitig  waren,  und  es  gibt  eine  Tatsache,  die  jeden  Gedanken  einer  solchen 
Gleichzeitigkeit  abweisen  muß.  In  den  Gräbern  der  Bronzezeit,  die  unverbrannte 
Leichen  enthalten,  finden  sich  Waffen  und  Schmucksachen  mit  den  bereits  er- 
wähnten schönen  Spiralen  und  feinen  Zickzackornamenten,  die  der  einen  Gruppe 
angehören.  In  den  Gräbern  mit  gebrannten  Knochen  liegen  dagegen  nur  selten 
ähnliche  Sachen;  die  Bronzen  der  anderen  Gruppe  kommen  aber  nur  zusammen 
mit  gebrannten  Knochen  vor. 

Dieses  Zusammentreffen  einer  bestimmten  Begräbnisform  mit  einer  ge- 
wissen Art  von  Altertümern  und  einer  anderen  Begräbnisform  mit  einer  anderen 
Art  von  Altertümern  beseitigt  den  letzten  möglichen  Zweifel  daran,  daß  die 
verschiedenen  Arten  verschiedenen  Perioden  der  Bronzezeit  angehören. 

Die  beiden  verschiedenen  Arten  von  Altertümern  sind  auch  außerhalb  der 
Gräber  so  gut  wie  nie  zusammen  gefunden  worden.  Solche  Halsringe  wie 
Fig.  114  und  115  oder  ein  solches  Bronzegefäß  wie  Fig.  116  sind  niemals  — 
so  oft  sie  auch  mit  anderen  Altertümern  zusammen  gefunden  worden  sind  — 
auf  derselben  Stelle  mit  Schmuck  oder  Waffen  wie  Fig.  103  — 108  ange- 
troffen worden. 

Gehören  nun  die  beiden  Gruppen  von  Gräbern  und  Altertümern  nicht 
derselben  Zeit  an,  so  bleibt  nur  noch  zu  untersuchen,  welche  von  beiden  die 
ältere  ist. 

Fig.  118  zeigt  den  Durchschnitt  eines  großen  Grabhügels  aus  der  Bronze- 
zeit, der  vor  mehreren  Jahren  mit  großer  Sorgfalt   untersucht  wurde.     Inmitten 
des  Hügels   bei   a   stand   eine   große   Steinkiste   von  2,10  m  Länge,   die  Re 
einer   unverbrannten  Leiche    enthaltend.      An   drei    anderen  Stellen    weiter   oben 


8o 


Die  Bronzezeit. 


in  demselben  Hügel  fand  man  in  kleinen  Steinkisten  von  nur  30  bis  60  cm  Länge 
gebrannte  Knochen.  Auf  einer  Stelle,  neben  der  kleinen  Steinkiste  im  obersten 
Teil  des  Hügels,  war  ein  Tongefäß  mit  gebrannten  Knochen  niedergesetzt 
worden,  und  neben  der  Kiste  b  lag  ein  flacher  Stein  über  einer  Höhlung,  die 
ebenfalls  gebrannte  Knochen  barg.  Die  große  Kiste  und  zwei  kleine  enthielten 
außer  den  Knochen  Altertümer  aus  der  Bronzezeit;  und  es  ist  sehr  wahrschein- 
lich, daß  auch  die  anderen  drei  Gräber  mit  den  gebrannten  Knochen  aus  der- 
selben Periode  stammen. 

Nun  muß  aber  das  große  Grab  mit  der  unverbrannten  Leiche  älter  sein 
als  die  anderen,  denn  es  war  sonst  nicht  möglich,  ersteres  zu  bauen,  ohne 
letztere  zu  zerstören. 

Dies  gilt  übrigens  nicht  nur  für  den  soeben  beschriebenen  Hügel.  Ein 
gleiches  gilt  auch  sonst.  Beinahe  jeder  Hügel  aus  der  Bronzezeit,  in  dem  man 
ein  Grab  mit  unverbrannten  Leichen  findet,  hat  auch  Gräber  mit  gebrannten 
Knochen;  immer  befanden  aber  erstere  sich  näher  zur  Grundfläche  und  Mitte 
des  Hügels  als  letztere. 


118.    Durchschnitt  eines   Grabhügels.    Dömmestorp  in  Hailand. 


Hieraus  folgt,  daß  die  Gräber  mit  unverbrannten  Leichen,  ebenso  wie  die 
in  ihnen  so  oft  vorkommenden  mit  Spiralen  und  Zickzacklinien  geschmückten 
Altertümer,  im  allgemeinen  einem  älteren  Teil  der  Bronzezeit  zugerechnet 
werden  müssen,  als  die  Gräber  mit  gebrannten  Knochen  und  Altertümern  der 
anderen  Gruppe. 

Dieses  Resultat  wird  von  allem  bestätigt,  was  man  sonst  kennt. 

So  gleichen  mehrere  Gräber  mit  unverbrannten  Leichen  aus  dem  ersten 
Teil  der  Bronzezeit  denen  aus  dem  letzten  Abschnitt  der  Steinzeit  und  mehrere 
Gräber  mit  gebrannten  Knochen  aus  dem  Ende  der  Bronzezeit  denen  aus  dem 
Anfange  der  Eisenzeit. 

Eine  andere  Bestätigung  finden  wir  darin,  daß  man  sowohl  an  den  Gräbern 
wie  an  den  Altertümern  verfolgen  kann,  daß  die  Formen,  die  als  die  jüngsten 
zu  betrachten  sind,  langsam  aus  den  älteren  sich  entwickelten. 

Was  die  Form  der  Gräber  betrifft,  so  kann  man  schon  ohne  weiteres 
sehen,  wie  die,  welche  dem  Schluß  der  Bronzezeit  angehören,  sich  allmählich 
aus    denen    entwickelt    haben,    die   aus    dem    Anfang    dieser   Periode   stammen. 


Die  Einteilung  der  Bronzezeit. 


81 


Da  nun  letztere,  wie  wir  eben  erwähnten,  den  Gräbern  vom  Ende  der  Stein- 
zeit gleichen,  deren  Zusammenhang  mit  den  älteren  Dolmen  und  Ganggräbern 
hinwiederum  im  Vorangehenden  bewiesen  worden  ist,  so  folgt,  daß  man  in 
der  Entwickelung  der  schwedischen  Gräberform  eine  ununterbrochene  Reihe 
hat,  an  deren  Anfang  die  großen  Grabkammern  der  Steinzeit  und  an  deren 
Schluß  die  unansehnlichen  Aufbewahrungsplätze  für  eine  Handvoll  gebrannter 
Knochen  der  jüngsten  Bronzezeit  und  der  ältesten  Eisenzeit  sind. 

Die  ältesten  Gräber  in  unserem  Land,  die  man  aus  der  Bronzezeit  kennt, 
sind  große  Steinkisten,  ungefähr  2  m  lang  oder  gerade  groß  genug,  um  ein 
Skelett  zu  bergen.  Gleichzeitig  wurden  Eichensärge  von  ungefähr  derselben 
Größe  verwendet;  diese  waren  aus  einem  gespaltenen  und  ausgehöhlten  Stamm 
in  der  Art  wie  Fig.  119  zeigt  hergestellt.  Solche  Holzsärge  waren  sogar  all- 
gemeiner als  die  von  Stein.1) 


Bä^- 


Tßin   sr 


119.    Eichener  Sarg.    Trindhöi,  Jütland. 


Einige  dieser  Kisten  von  gewöhnlicher  Manneslänge  sind  unserer  beson- 
deren Aufmerksamkeit  wert:  als  Übergangsform  zu  den  kleinen  Kisten  mit  ge- 
brannten Knochen.     Man  hat  nämlich  manchmal  solche  Kisten  von  2  m  Länee 

o 

angetroffen,  die  also  für  eine  unverbrannte  Leiche  berechnet  waren,  jedoch 
statt  dieser  einen  kleinen  Haufen  gebrannter  Knochen  enthielten.  Diese  Gräber 
gehören  offenbar  der  Zeit  an,  als  die  Leichenverbrennung  im  Lande  Eingang 
zu  finden  begann.  Dann  kann  man  die  Größenabnahme  der  Kisten  verfolgen, 
von  denen,  die  2  m  lang  sind,  bis  zu  solchen,  die  nicht  einmal  30  cm  lang 
sind.  Mehr  Raum  war  nicht  erforderlich,  um  die  von  dem  Scheiterhaufen  zu- 
sammengesuchten Reste  der  Knochen  zu  bestatten.  Auch  Kisten  von  Holz,  in 
der  Form  der  Figur  119,  wenn  auch  bedeutend  kleiner,  sind  ganz  allgemein 
gewesen. 

Viele  kleine  Steinkisten  sind  gerade  groß  genug  für  ein  Tongefäl»,  in 
dem  man  die  Knochen  verwahrte,  statt   sie  lose  zwischen  die  Steine  zu  legen. 


1)  Montelius,  Grafkistor  af  ldufna  och  urhälkade  stockar,  in  der  Sv.  Komm,  för«  tiilskr.,  Bd.  9, 
S.  77  toli,'.  —  Derselbe,  Ein  I'.ron/.calters-Grab  in  Südschweden,  in  den  Prähistorischen  Blättern, 
uisgcg.  v.  J.  Naue  (München),  1890,  S.  81.  —  W.  Boye,  Trouvailles  de  cercueils  en  ebene  de 
l'age  du  hronzc  en  Danemark  (Kopenhagen ,  1896).  —  Solche  hölzerne  Särge  kommen  auch  in 
Mittelitalien  v<.r.  Montelius,  La  civilisation  primitive  en  Italie,  Taf.  308  (Falerii),  356  u.  357  (Rom, 
Forum),   360  (Rom,  Esquilin.     Nachbildungen  in  gebranntem  Ton). 

Montelius,  Kulturgeschichte  Schwedens,  f, 


82  Die   Bronzezeit. 

An  anderen  Stellen  findet  man  keinen  solchen  Steinschutz  mehr,  sondern  nur 
ein  Tongefäß  mit  gebrannten  Knochen  und  einem  kleinen  Bronzemesser,  einer 
zerbrochenen  Bronzesäge  oder  ähnlichem.  Endlich  wurden  die  Knochen  zu- 
weilen, wie  bei  b  in  dem  Figur  1 1 8  abgebildeten  Hügel,  in  eine  kleine  Grube 
gelegt,  ohne  Hügel,  Kiste  oder  Tongefäß,  nur  von  einem  flachen  Stein  bedeckt: 
eine  Art  des  Begrabens,  die  auch  der  ältesten  Eisenzeit  in  den  sogenannten 
»Brandgruben«   eigen  ist. 

Man  kann  indessen  nicht  nur  bestimmen,  was  dem  älteren  und  was 
dem  jüngeren  Teil  der  Bronzezeit  angehört,  sondern  es  hat  sich  sogar  als 
möglich  erwiesen,  mehrere  »Perioden«  in  diesem  langen  Zeitabschnitt  zu 
unterscheiden. 

Die  mit  Spiralen  geschmückten,  von  besonders  hoch  ausgebildetem  tech- 
nischen Geschick  zeugenden  Bronzen  sind  nicht  die  ältesten  hier  verfertigten 
Arbeiten  in  diesem  Metall.  Da  ebensolche  Bronzen  nur  in  dem  nordischen 
Gebiet  und  nicht  in  anderen  Teilen  Europas  vorkommen,  von  denen  der  Ge- 
brauch der  Bronze  zu  unseren  Vorfahren  kam,  ist  es  klar,  daß  diese  Typen 
sich  hier  entwickelt  haben:  aber  eine  solche  Entwicklung  erforderte  lange  Zeit. 
Man  kennt  auch  jetzt  die  erste  lange  Periode  unserer  Bronzezeit,  in  der  diese 
Entwickelung  vor  sich  gegangen  ist.  Man  kann  beobachten,  wie  in  dieser 
Periode  die  Typen,  die  von  Süden  her  eindrangen,  sich  allmählich  veränderten, 
bis  sie  in  die  Formen  übergingen,  die  für  die  zweite  Periode  charakteristisch 
sind:  die  Zeit  der  hübschen  Spiralzierate,  die  man  mit  Recht  als  die  Blütezeit 
der  älteren  Bronzezeit  bezeichnet. 

Gegen  Ende  dieser  zweiten  Periode  fing  man  hier  an,  die  Toten  zu  ver- 
brennen. In  der  dritten  Periode  wurde  die  Leichenverbrennung  allgemein  und 
ist  vor  Schluß  dieser  Periode  allein  herrschend;  sie  bleibt  es  während  der 
ganzen  übrigen  Bronzezeit. 

Die  Spiralen  wurden  längst  vor  dem  Schluß  der  dritten  Periode  von 
anderen  Ornamenten  abgelöst,  und  in  der  vierten  Periode  entwickelte  sich  teils 
aus  diesen,  teils  aus  neuen  aus  dem  Süden  kommenden  Motiven  die  Ornamentik, 
die  während  der  fünften  Periode  charakteristisch  ist  und  die  man  Fig.  109, 
110,    112 — 114  sieht. 

Die  Ornamentik  der  jüngeren  Bronzezeit-Perioden  ist  eine  durchaus  andere 
als  die  der  Blütezeit  der  älteren  Bronzezeit,  und  die  Formen  werden,  je  weiter 
man  fortschreitet,  um  so  schwerer  und  übertriebener;  aber  die  Arbeit  an  sich 
zeichnet  sich  im  allgemeinen  durch  dieselbe  Höhe  der  Technik  wie  in  der 
älteren  Zeit  aus,  sowohl  was  den  Guß  des  Gegenstandes  als  das  Anbringen 
der  Ornamente  betrifft. 

Das  Eisen,  das  in  der  Zeit,  die  der  dritten  Periode  unserer  Bronzezeit  ent- 
spricht, in  den  Kulturländern  des  Südens  allgemein  bekannt  war,  zeigt  sich 
vereinzelt  in  den  nordischen  Funden  schon  in  der  vierten  und  der  fünften 
Periode,  aber  es  war  doch  noch  so  selten,  daß  man  ohne  Bedenken  alle  diese 
Jahrhunderte  der  Bronzezeit  zuschreiben  muß,  insbesondere  weil  Waffen  und 
Werkzeuge  fortdauernd  aus  Bronze  gemacht  wurden. 


Die  Einteilung  der  Bronzezeit.  3  3 

Erst  in  der  sechsten  Periode,  mit  dem  Stilverfall  der  Bronzezeit,  können 
wir  von  einer  eigentlichen  Übergangszeit  zur  Eisenzeit  reden. 

Daß  diese  Perioden  wirklich  ebensoviele  verschiedene  Zeitabschnitte  der 
nordischen  Bronzezeit  bezeichnen,  wird  schon  daraus  ersichtlich,  daß  die  Typen, 
die  für  eine  dieser  Perioden  charakteristisch  sind,  sehr  oft  zusammen  angetroffen 
werden,  während  nur  selten  ein  Fund  Typen  enthält,  die  zwei  verschiedenen 
Perioden  angehören.  Und  in  diesen  wenigen  Fällen  sind  es  immer  Typen 
von  zwei  unmittelbar  aufeinander  folgenden  Perioden,  die  in  demselben  Fund 
vorkommen. 

Diese  letztgenannte  Tatsache,  die  ich  schon  vor  vielen  Jahren  beobachtete 
und  bei  allen  seitdem  gemachten  Funden  bestätigt  sah,  ist  von  der  allergrößten 
Wichtigkeit  für  die  nun  vorliegende  Frage. 

Daraus  folgt  nämlich,  daß  jede  Periode  nicht  nur  wirklich  einen  beson- 
deren Teil  der  Bronzezeit  bedeutet,  sondern  auch  von  erheblicher  Dauer  war. 
Da  Typen  aus  der  ersten  und  dritten  Periode  niemals  zusammentreffen,  obwohl 
so  viele  Funde  Typen  nur  von  der  einen  oder  der  anderen  enthalten,  muß  die 
dazwischen  liegende  Periode  eine  so  lange  Zeit  umfaßt  haben,  daß  die  Typen 
der  ersten  Periode  außer  Gebrauch  kommen  konnten,  ehe  die  dritte  Periode 
anfing.  Und  dasselbe  gilt  von  allen  folgenden  Perioden:  jede  von  ihnen  muß 
eine  lange  Zeit  angedauert  haben. 

Nach  Berücksichtigung  aller  Verhältnisse,  die  für  die  relative  Chronologie 
unserer  Bronzezeit  maßgebend  sind,  ist  es  mir  möglich  gewesen,  sechs  Perioden 
in  der  langen  Zeit  von  Beginn  der  Bronzezeit  bis  zu  ihrem  Schluß  zu  unter- 
scheiden. Innerhalb  jeder  Periode  kann  man  außerdem  feststellen,  was  zu 
ihrem  früheren  oder  späteren  Teil  gehört. 

Daß  die  verschiedenen  Perioden  wirklich  in  der  von  mir  angegebenen 
Reihenfolge  aufeinander  gefolgt  haben,  geht  mit  Sicherheit  aus  den  typologischen 
Verhältnissen  hervor,  in  dem  die  Typen  jeder  Periode  älter  sind  als  diejenigen 
der  nächstfolgenden.  Es  wird  auch  dadurch  bestätigt,  daß  die  Gegenstände, 
welche  dem  Ende  einer  Periode  entstammen,  große  Ähnlichkeit  mit  denen  zeigen, 
die  charakteristisch  für  den  Anfang  der  folgenden  sind. 

Heutzutage  brauchen  wir  aber  nicht  bei  dieser  relativen  Chronologie 
stehen  zu  bleiben,  sondern  sind  in  der  Lage,  uns  weit  besser  als  das  noch 
vor   wenigen  Jahrzehnten  möglich  war,    eine  absolute   Chronologie  zu  schaffen. 

Dieses  ist  dadurch  möglich  geworden,  daß  schon  in  der  Bronzezeit  ein 
lebhafter  Verkehr  zwischen  dem  Norden  und  den  südlichen  Ländern  stattfand; 
daß  vieles  aus  Süd-  und  Mitteleuropa  hierher  gebracht  und  anderes  von  hier 
nach  dem  Süden,  wenigstens  bis  Mitteleuropa,  gebracht  wurde;  daß  solche  aus 
dem  Süden  stammende  Gegenstände  bei  verschiedenen  Gelegenheiten  in  nor- 
dischen Gebieten  zusammen  mit  Einheimischem  angetroffen  wurden,  und  daß 
Gegenstände  aus  dem  Norden  in  Mitteleuropa  —  in  Süddeutschland,  der 
Schweiz  und  Frankreich  —  mit  dort  einheimischen  Arbeiten  zusammen  gefunden 
wurden.  Kennen  wir  nun  das  Alter  der  fremden  Arbeiten,  die  sich  als  gleich- 
zeitig mit  den  nordischen  ausweisen,   so  können  wir  auf  das  Alter  der  nordischen 

6* 


84 


Die   Bronzezeit. 


Sachen  schließen;  wie  wir  ja  auch  in  bezug  auf  die  ersten  Jahrhunderte  der 
christlichen  Zeitrechnung  solche  Aufklärungen  durch  die  Funde  erhielten,  die 
römische  Münzen  zusammen  mit  nordischen  Arbeiten  enthielten.  Das  Alter 
der  fremden  Gegenstände,  die  gleichzeitig  mit  unserer  Bronzezeit  sind,  hat  man 
aber  mit  Sicherheit  bestimmen  können,  da  Mitteleuropa  und  mehr  noch  der 
Süden  unseres  Weltteils  damals  in  lebhaftem  Verkehr  mit  den  Kulturländern 
des  Orients  standen,  deren  historische  Zeit  schon  längst  angefangen  hatte. 

Ein  einziger  Fund  der  letztgenannten  Art  gibt  gewiß  nur  eine  Andeutung 
davon,  daß  eine  aus  dem  Süden  eingeführte  und  eine  im  Norden  einheimische 
Arbeit  derselben  Zeit  angehören.  Aber  da  wir  mehrere  übereinstimmende 
Funde  haben,  können  wir  sicher  sein,  daß  es  sich  hier  um  eine  wirkliche 
Gleichzeitigkeit  und  kein  zufälliges  Zusammentreffen  handelt. 

Auf  diesem  Wege  ist  es  möglich  geworden,  zu  folgender  absoluter  Chrono- 
logie der  nordischen  Bronzezeit  zu  kommen,  wobei  jedoch  bemerkt  werden 
muß,  daß  das  angegebene  Alter,  besonders  die  erste  Periode  betreffend,  vielleicht 
durch  spätere  Untersuchungen  etwas  höher  hinaufgesetzt  werden  wird,  wohin- 
gegen ich  sicher  bin,  daß  es  jetzt  nicht  zu  hoch  angesetzt  ist: 

Die  erste  Periode.     Unverbrannte  Leichen:    18. — 16.  Jahrhundert  v.  Chr. 

Die  zweite  Periode.  Unverbrannte  Leichen;  gegen  Ende  zeigt  sich  Leichen- 
verbrennung:   15. — 14.  Jahrhundert  v.Chr. 

Die  dritte  Periode.  Anfangs  unverbrannte  wie  verbrannte  Leichen;  dann 
nur  Leichenverbrennung:    13. — 12.  Jahrhundert  v.  Chr. 

Die  vierte  Periode.     Leichenverbrennung:    11. — 10.  Jahrhundert  v.Chr. 

Die  fünfte  Periode.      Leichenverbrennung:  9. —  8.  Jahrhundert  v.  Chr. 

Die  sechste  Periode.  Leichenverbrennung:  7.  und  erste  Hälfte  des  6.  Jahr- 
hunderts v.  Chr. 

Es  würde  aber  zu  weit  führen,  Periode  um  Periode  der  Entwickelung  zu 
folgen,  und  wir  müssen  uns  folglich,  hier  wie  bei  der  Steinzeit,  damit  begnügen, 
die  ganze  Zeit  in  einem  Bild  zusammenzufassen.  Nur  soll  man  nie  vergessen, 
daß  die  Bronzezeit  einen  Zeitraum  von  mehr  als  tausend  Jahren  umfaßt,  und 
daß  also  die  Verhältnisse  der  ersten  und  sechsten  Periode  in  vielen  Fällen 
nicht  dieselben  waren. 


2.    Lebensweise. 

Zahlreiche  Frauengräber  aus  der  Bronzezeit,  ebenso  prächtig  ausgestattet 
wie  die  der  Männer,  zeugen  davon,  daß  die  nordische  Frau  schon  in  jener  ent- 
legenen Zeit  dem  Manne  mehr  ebenbürtig  war,  als  man  es  erwarten  könnte; 
und  die  Tatsache,  daß  man  mehrmals  in  demselben  Hügel  ein  männliches  Grab 
und  ein  Frauengrab  aus  ein  und  derselben  Zeit  fand,  kann  mit  gutem  Grund 
als  Beweis  gelten,  daß  der  Mann  eine  rechtmäßige  Frau  hatte.  In  einigen 
von  diesen  Fällen  sind  ersichtlich  Mann  und  Frau  gleichzeitig  begraben  worden. 
Ob  das  darauf  beruhte,  daß  sie  zufällig  zu  gleicher  Zeit  gestorben  waren,  oder 


Lebensweise. 


85 


120.    Reiter,  auf  einer  Felsenzeichnung.    Tegneby  in  Bohuslün.    ' '.,,. 


121.  Pferdegebiß  von  Bronze.    Gotland.     1/4. 


122.     Reiter,  auf  einer  Schwertscheide.    Am  Zügel 
sieht  man  drei  runde  Bronzebuckeln  (vgl.  Fig.  123). 
Hallstatt  in  Österreich. 


123.    Bronzebuckel  (zum   Pferdegeschirr),  mit  Durchschnitt. 

Gothind.     '  ... 


124.   Wagen   mit  zwei   Rädern  und 
zwei  1  auf  einem  Wandstein  im 

Kivik  in    S 


86 


Die  Bronzezeit. 


ob  bei  den  Nordländern  der  Bronzezeit,  gleichwie  bei  so  vielen  anderen  Völkern 
auf  entsprechender  Kulturstufe,  die  Frau  dem  Mann  nach  der  Landessitte  in 
den  Tod  folgen  mußte,  ist  noch  nicht  mit  Sicherheit  festzustellen. 

Schon  in  der  letzten  Periode  der  Steinzeit  lebten  die  Nordländer,  wie 
wir  gesehen  haben,  nicht  nur  von  Jagd  und  Fischfang,  sondern  auch  von  Vieh- 
zucht und  Ackerbau.     Dasselbe  gilt  natürlich  auch  für  die  Bronzezeit. 

In  der  letzteren  Zeit  waren  die  Haustiere  dieselben  wie  in  der  zunächst 
vorangegangenen.  Auf  den  Felsenzeichnungen  sehen  wir  häufig  Ochsen  und 
Pferde  abgebildet;  und  in  den  Gräbern  findet  man  nicht  selten  Reste  von 
Häuten,  Kleider  von  Wolle,  Schwert-   und  Dolchscheiden   von  Fell   nebst  Ar- 


-•'  '  '  '    "^ü 

125.  Wagen  mit  vier  Rädern  und  zwei  Ochsen,  auf  einer 
Felsenzeichnung.    Rished   in   Bohuslän. 


126.   Angelhaken   von  Bronze. 
Dalsland.    1/i. 


127.  Pflug,  auf  einer  Felsenzeichnung. 
Tegneby  in  Bohuslän.  1/zo. 


128.    Sichel  von  Bronze.    Södermanland.     '/2 


beiten  von  Hörn,  alles  das  von  Haustieren  hergenommen,  also  Zeugnisse,  wie 
allgemein  damals  die  Viehzucht  war!  In  einigen  mit  prächtigen  Waffen  ver- 
sehenen Männergräbern  fanden  sich  auch  Angelhaken  aus  Bronze  (wie  Fig.  126), 
welche  zeigen,  daß  die  vornehmen  Männer  sich  mit  Fischfang  vergnügten. 

Daß  Pferde  sowohl  wie  Ochsen  als  Zugtiere  benutzt  wurden,  sieht  man 
aus  den  Felsenzeichnungen  (Fig.  124  und  125).  Die  von  Pferden  gezogenen 
Wagen  haben  gewöhnlich  zwei  Räder;  doch  finden  sich  auch  Abbildungen  vonvier- 
räderigen  Wagen.  Besonders  bemerkt  zu  werden  verdient,  daß  die  zweiräderigen 
Wagen  von  zwei  Pferden  gezogen  wurden,  und  daß  der  Fahrende  im  Wagen 
aufrecht  stand,  wie  es  auch  bei  südeuropäischen  und  morgenländischen  Völkern 
Sitte  war.  Ein  Wagen  mit  vier  Rädern,  von  zwei  Ochsen  gezogen,  ist  auf 
einem  Felsen  im  Kirchspiele  Askum,  Bohuslän,  abgebildet  (Fig.  125).  Die 
Zeichnung  ist,  schon  auf  Grund  des  schwer  zu  bearbeitenden  Materiales,  sehr 


Lebensweise. 


87 


einfach,  jedoch  sind  die  Hörner  der  Ochsen  deutlich  angegeben;  da  man  nicht 
perspektivisch  zeichnen  konnte,  sehen  wir  die  vier  Räder  ohne  Verkürzung  und 
ohne  daß  der  Wagen  etwas  verdeckt. 

Bisweilen  sind  Reiter  abgebildet  (Fig.  120).  Bei  vielen  südlichen  Völkern 
wurden   in   alten  Zeiten  Pferde    nur  zum  Fahren,  nicht   zum  Reiten  verwendet. 

Einige  schwedische  Funde  aus  der  Bronzezeit  zeigen,  wie  die  Pferdege- 
bisse aussahen  und  wie  das  Geschirr  mit  großen,  runden,  glänzenden  Bronze- 
beschlägen (Fig.  121  und  123)  geschmückt  wurde.  Oft  sind  diese  Beschläge 
unter  solchen  Umständen  angetroffen  worden,  daß  sechs  für  jedes  Pferd  be- 
rechnet sein  mußten.  Eine  Abbildung  aus  Österreich,  gleichzeitig  mit  dem 
letzten  Abschnitt  unserer  Bronzezeit,  zeigt  gleichfalls  drei  solche  Beschläge  auf 
der  einen  Seite,  also  auch  sechs  für  jedes  Pferd  (Fig.  122).  Ähnlichen  runden 
Schmuck  aus  Messing  sieht  man  noch  heute  an  Pferden,  insbesondere  Arbeits- 
pferden, in  vielen  europäischen  Ländern.  Daß  Überreste  vom  Pferdegeschirr 
aus  unserer  Bronzezeit  nicht  öfter  angetroffen  werden,  beruht  darauf,  daß  selten 
Bronze  dafür  verwendet  wurde.  An  den  meisten  Gebissen  waren,  wie  viele 
Funde  anderer  Länder  zeigen,  die  Teile,  die  man  nunmehr  aus  Metall  herzu- 
stellen pflegt,  aus  Hörn  oder  Holz,  wie  es  noch  vor  nicht  langer  Zeit  in  ab- 
gelegenen schwedischen  Dörfern  gesehen  werden  konnte.  Sporen  und  Steig- 
bügel sind  niemals  unter  solchen  Umständen  angetroffen  worden,  daß  man  sie 
der  Bronzezeit  zuschreiben  könnte.  Wahrscheinlich  waren  sie  in  jener  Zeit  hier 
gänzlich  unbekannt. 

Auf  einer  Felsenzeichnung  bei  Tegneby  in  Bohuslän  sehen  wir  einen 
Mann  hinter  einem  Pflug  gehen  (Fig.  127).  Der  Pflug,  von  einfachster  Art, 
wird  von  zwei  Tieren  gezogen,  wahrscheinlich  Ochsen  oder  Stieren.  Andere 
Erinnerungen  an  den  damaligen  Ackerbau  haben  wir  in  den  bronzenen  Sicheln, 
die  bisweilen  bei  uns  aufgefunden  werden  (Fig.  128).  Da  Mühlen  jetzt  gebräuch- 
licher Art,  mit  rotierenden  Steinen,  noch  nicht  bekannt  waren,  wurde  das  Korn 
in  einfachen  Handmühlen,  wie  sie  Fig.  8  zeigt,  gemahlen.  Solche  Mühlen 
lagen  in  verschiedenen  schwedischen  Grabhügeln  aus  der  Bronzezeit. 

Einige  interessante  Funde  haben  uns  gezeigt,  wTelche  Kornarten  in  der 
Bronzezeit  bei  uns  gebaut  wurden.  Viele  in  Schweden,  gleichwie  in  an- 
grenzenden Ländern,  ausgegrabenen  Tongefäße  aus  dieser  Zeit  haben  auf  die- 
selbe Art,  wie  die  früher  beschriebenen  aus  der  Steinzeit,  Abdrücke  von  Ge- 
treidekörnern. Und  ein  in  einem  dänischen  Grab  aus  der  fünften  Periode  der 
Bronzezeit  gefundenes  Tongefäß  enthielt  eine  Menge  solcher  Körner  nebst 
Spreu  und  Überresten  ganzer  Ähren,  was  beweist,  daß  dies  Korn  in  der  Nähe 
gebaut  wurde;  diese  Gewächsreste  sind  uns  dank  dem  Grünspan  erhalten  ge- 
blieben. ') 

Danach  sind  in  der  Bronzezeit  Weizen,  Gerste  und  Hirse  bei  uns  gebaut 
worden,  dagegen  weder  Roggen  noch  Hafer.  Ob  Flachs  hier  gebaut  wurde, 
ist  unsicher.  In  Mitteleuropa  wurde  er,  wie  wir  gesehen  haben,  schon  in  der 
Steinzeit  kultiviert. 


1)  E.   Rostrup,   in  den   A  r  f.    aord.   Oldkynd.,    is77.   S    78. 


88 


Die  Bronzezeit. 


Die  nordischen  Wohnhäuser  waren  in  der  Bronzezeit  wie  in  der  ihr 
vorangegangenen  Zeit  sehr  einfach.  Daß  sie  fortwährend  eine  runde  oder  ab- 
gerundet längliche  Form  hatten,  zeigen  uns  einige  in  nordischen  Gräbern  auf- 
gefundene Tongefäße,  die  das  Wohnhaus  nachbilden.  Eine  dieser  sogenannten 
»Hausurnen«  (Fig.  132)  aus  Norddeutschland  gibt  nicht  ein  rundes,  sondern  ein 
abgerundet  längliches  Gebäude  wieder;  auf  einigen  anderen  in  nordischem 
Gebiet  gefundenen  Hausurnen  ist  der  längs  der  Mitte  des  Daches  laufende 
Balken  wiedergegeben. 


129.    Hölzerner  Stuhl.    Dänemark.    */.. 


130.    Spanschachtel.    Dänemark.     i/i. 


131.    Holzschale  mit  Zinnstiften  verziert.    Dänemark.    */4. 


132.   Tönerne  Hausurne. 
Norddeutschland.     '  ,,,. 


Selbst  die  besseren  Wohnhäuser  in  Schweden  waren  nur  Hütten  aus 
Holz,  die  wir  heute  gering  und  unansehnlich  nennen  würden.  In  Südeuropa 
und  dem  Morgenland  hatte  man  hingegen  schon  in  unserer  älteren  Bronzezeit, 
als  das  Eisen  auch  im  Süden  noch  nicht  bekannt  war,  prächtige  Bauten  mit 
vierseitigem  Grundriß. 

Wie  in  der  Steinzeit  hatten  die  nordischen  Wohnungen  Fußböden  von 
Erde,  —  Holzfußböden  waren  wohl  noch  unbekannt,  —  die  nicht  selten, 
wenigstens  der  Herd,  tiefer  lagen  als  die  sie  umgebende  Erdoberfläche. 

Daß  man,  wie  in  der  Steinzeit,  Feuer  mit  Feuerstein  und  Schwefelkies 
schlug,  zeigen  verschiedene  Gräberfunde. 


Lebensweise.  8q 

Von  Hausgeräten  ist  außer  Tongefäßen  nur  wenig  erhalten.  In  nor- 
dischen Gräbern  aus  der  zweiten  Periode  hat  man  indessen  Reste  von  Holz- 
stühlen gefunden.  Ein  solcher  wunderbar  erhaltener  Stuhl  (Fig.  129)  wurde 
einem  dänischen  Grab  entnommen.  Kr  ist  von  noch  heute  gebräuchlicher 
Form,  die  in  Ägypten  schon  vor  Anfang  unserer  Bronzezeit  vorkommt.  Der 
Sitz  war  von  Leder,  manchmal  mit  eingeschlagenen  Bronzespiralen  verziert;  er 
wurde  gestützt  von  zwei  kreuzweis  gelegten  Lederriemen.  Den  Bronzebeschlag 
zu  solchen  Stühlen  fand  man  mehrfach  in  Südskandinavien,  auch  in  Schweden. 

Die  gewöhnlichen  Gefäße  jener  Zeit  waren  von  Holz  oder  gebranntem 
Ton.  Merkwürdigerweise  sind  einige  Holzgefäße  aus  dieser  entlegenen  Zeit 
erhalten  geblieben.  Eine  schöne  Probe  davon  ist  die  Fig.  131  abgebildete 
Holzschale,  die  gedrechselt  sein  soll.  Sie  ist  wie  verschiedene  andere  ähnliche 
mit  kleinen  eingeschlagenen  Zinnstiften  verziert,  die  einfache  Figuren  bilden. 
In  einigen  Gräbern,  die  ebenfalls  aus  der  Bronzezeit 
stammen,  hat  man  so^ar  runde  Holzschachteln  mit 
Deckel  (Fig.  130)  gefunden,  beinahe  ganz  wie  die 
noch  jetzt  benutzten.  Ein  Fund  aus  Hailand  zeigt, 
wie  diese  Schachteln  längs  der  Fugen  mit  Harz  ver- 
dichtet waren,    um  sie    auch    für  Flüssigkeiten   zu  be- 

nutzen.  M* ''<'•"' V       j   ■ "' •"'■ 

Die  meisten  Tongefäße,    die  wir  aus  der  Bronze-  jfc  m 

zeit    haben,    sind    einfache    Graburnen.     Einige  andere  \  |l  \  r"^l  -&  ^►H  i i 

Gefäße,  die  nicht  Aschenurnen  waren,  weisen   indessen  \\\     :  K« 

höhere    Leistungen    der  Töpferkunst    auf.     Wie    viele  '•'.*•  '<           >•''.■' 

von  den  Bronze-  und  Goldgefäßen  aus  der  Bronzezeit,  '•::-'::    :.:  • 
die  in  ziemlich  großer  Anzahl  erhalten  sind,  zum  Haus- 
gerät gehört  haben,  ist  schwer  zu  sagen.    Solch  schöne 

....  Seiten  gesehen;  der  Boden  mit 

Bronzegefaße,  wie  die  r\g-.  116  und  163   abgebildeten,  .  .              .        .        , 

o  '  fc>  J  t>  '   Harzeinlagen  verziert,  akane.  ■  2. 

scheinen  zum  Aufhängen    bestimmt    gewesen  zu  sein, 

aber  sie  können  nicht  als  Küchengefäße  gedient  haben,  da  ihr  Boden 
reich  verziert  ist  und  manchmal  mit  Harz  eingelegt,  das  keine  Hitze  verträgt. 
Eine  Menge  von  Zwischenformen  läßt  uns  die  Entwickelung  ihrer  Form  aus 
den  runden  Bronzedosen  mit  eingelegtem  Harz  verfolgen  (Fig.  133),  die  einem 
älteren  Teil  der  Bronzezeit  angehören.1)  Diese  mit  einem  Deckel  aus  Bronze  ver- 
sehenen Dosen  sind  ihrerseits  Nachbildungen  nach  Dosen  von  Holz  gleich  denen, 
die  noch  in  unserer  Zeit  benutzt  werden;  sogar  die  wagerechten  Bänder,  die 
die  Holzdose  umgeben  und  zusammenhalten,  sind  auf  der  Bronzedose  nach- 
geahmt. 

Auf  den  Felsenzeichnungen  sieht  man  oft  menschliche  Figuren,  manchmal 
beinahe  in  Lebensgröße;  diese  Bilder  geben  aber  keine  besonderen  Aufklärungen 
über  die  Kleidung  der  Bronzezeit.  Dahingegen  haben  einige  Gräberfunde  uns 
darüber  auf  unerwartete  Weise  Belehrung  gegeben. 


1)  Montelius,  Die  typologischc   Methode,   S,    5^>  —  7°- 


90 


Die  Bronzezeit. 


Wahrscheinlich  wandte  man  noch,  wie  in  der  Steinzeit,  viel  Felle  und 
Pelzwerk  an  —  wie  sie  auch  noch  getragen  werden,  besonders  auf  dem  Lande. 
Da  Schafe  in  der  späteren  Steinzeit  hierzulande  gehalten  wurden,  hat  man 
wahrscheinlich  schon  damals  auch  wollene  Kleider  gefertigt;  dies  wird  von 
mehreren  nordischen  Funden  aus  der  Bronzezeit  bestätigt,  die  Überreste  von 
Wollengeweben  enthalten. 

Der  bemerkenswerteste  schwedische  Fund  dieser  Art  wurde  im  Jahre 
1869  bei  der  Untersuchung  eines  Grabhügels  bei  Dömmestorp  im  südlichen 
Hailand  gemacht.  Der  Hügel  barg  eine  sorgfältig  zusammengefügte  Steinkiste 
von  etwas  mehr  als  1  m  Länge.  Als  man  die  Decksteine  fortnahm,  zeigte 
sich  die  Kiste  ganz  frei  von  Sand  und  Erde,  so  daß  man  mit  Leichtigkeit  den 
Inhalt  untersuchen  konnte.  Auf  dem  Boden  lagen  eine  Menge  gebrannter 
Knochen,  über  welche  eine  Art  Schal  von  Wolle  gebreitet  war.  Dieser  ging 
beinahe  über  die  Länge  der  ganzen  Kiste  und  war  in  Falten  gelegt.  In  der 
größten  Falte  lag  ein  Bronzedolch,  der  in  einer  gut  gearbeiteten  und  wohl- 
erhaltenen Lederscheide  stak    (Fig.    171   und    172).      Der    Schal    war    ungefähr 

1,50    m    lang    und    60    cm 
breit;  die  Farbe  ist  nunmehr 
braun,  an  beiden  Enden  mit 
einer    10   cm    breiten    hell- 
gelben   Kante.     Ein   Stück 
dieses   Zeuges  ist  in  natür- 
licher  Größe   Fig.   134    ab- 
gebildet und  gibt  eine  Probe 
der     damals    gewöhnlichen 
Gewebe.1) 
Noch    mehr    überraschend    sind    einige    dänische   Funde.     Im   Jahre   1861 
fand    man    in    »Trindhöi«    (Treenhöi),    einem    Grabhügel   bei  Vamdrup,    in  der 
Nähe  von  Kolding,    einen  Sarg,    der    aus    einem   3  m   langen,    gespaltenen  und 
ausgehöhlten  Eichenstamm  bestand;  die  innere  Länge  des  Sarges  war  2,10  m. 
Beim  Abnehmen  des  Deckels  sah  man  Reste  einer  Haut,  vermutlich  einer 
Kuhhaut,  die  einst  alles  umschloß,  was  in  dem  Sarg  lag.     Unter  der  Haut  lag 
ein  weiter,  in  viele  Falten  gelegter  Mantel   aus    grobem  Wollenzeug  (Fig.    138). 
Dieser  war  aus  einem  Stück,    mit    einem    kleinen  Ausschnitt   für   den  Hals;  an 
der    Innenseite    waren    eine    Menge    herunterhängender    Wollfäden.     Am    einen 
Ende  des  Mantels    stand    eine    runde  Spanschachtel    mit  Deckel,    die  Fig.    130 
abgebildet  ist;  am  anderen  Ende  sah  man  den  oberen  Teil  einer  wollenen  Mütze 
und  hinter  dieser    ein    zusammengerolltes  Stück  Wollzeug.     Fig.    119  zeigt  das 
Aussehen  des  Sarges,  solange  der  Mantel  noch  unberührt  war. 

Als  man  den  Mantel  vorsichtig  entfernte,  zeigten  sich  die  Reste  eines 
männlichen  Skeletts,  das  um  den  Rumpf  mit  einem  Rock  bekleidet  war  (Fig.  139). 
Dieser  wurde  von  einem  wollenen  Gürtel  zusammengehalten,  der  zweimal  herum 

1)  B.  Gram,  in  den  Memoires  de  la  Soc.  des  Antiquaires  du  Nord,  1891,  S.  94.  — 
Karlin,   in   Studier  tillägnade   O.   Montelius,   S.    192. 


134.     Wollenes   Gewebe.    Halland.     */i- 


Lebensweise. 


91 


ging,  vorn  zusammengeknotet  war  und  lang  herabhängende  Enden  mit  Quasten 
hatte.  Auf  dem  Kopf,  —  von  dem  seltsam  genug  nur  das  Haar  und  das  Gehirn 
übriggeblieben  war,  während  der  Schädel  ganz  zerstört  war,  —  saß  die  er- 
wähnte  Mütze  (Fig.    137)    aus    dicker    gewebter  Wolle,    deren    Außenseite   mit 


135.     Mütze. 


137.     Mütze. 


136.    Schal. 


138.  Mantel.  139.    Rock. 

Fig-    r35 — 139-     Männliche  Kleidung   aus   Wollenstolf.    Trindhöi   in   Jütland. 


hervorstehenden  Wollefäden  bedeckt  \v;ir,  alle  in  Knoten  endigend.  In  Form 
und  Gewebe  besitzt  sie  eine  auffallende  Ähnlichkeit  mit  den  Mützen,  die  noch 
heute  allgemein  in  Ungarn  und  den  angrenzenden  Gebieten  getragen  werden. 
Eine  andere  Wollmütze  (Fig.  135)  von  einfacherem  Gewebe  und  etwas 
abweichender  Form  lag  nebst  einem  Hornkamm  und  einem  Bronzemesser  in 
einer  kleinen  Holzschachtcl,    die  zu  Füßen   der   Leiche    in    der    oben   erwähnten 


92 


Die  Bronzezeit. 


140.  Wollenes  Netz.  Borum-Eshöi,  Jütland. 


größeren  Holzschachtel  stand.  Das  Messer, 
das  in  der  Form  unseren  Rasiermessern  gleicht, 
ist  offenbar  auch  als  solches  benutzt  worden. 
Das  Stück  Wollenstoff  am  Kopf  stellte  sich 
als  die  eine  Hälfte  eines  mit  Fransen  verzierten 
Schals  heraus  (Fig.  136),  dessen  andere  Hälfte 
zu  Füßen  lag,  wo  noch  einige  schmälere  Stücke 
Wollzeug  sich  fanden,  die  wahrscheinlich  die 
Beine  bedeckten,  und  außerdem  unbedeutende 
Reste  von  Leder,  das  vielleicht  Fußbekleidung  gewesen  war. 

An  der  linken  Seite  des  Skeletts  lag  ein  Bronzeschwert  in  einer  mit  Fell 

gefütterten  Holzscheide. 

Seitdem  hat  man  auch  in  anderen  däni- 
schen Eichensärgen  aus  der  Bronzezeit  ähnliche, 
merkwürdig  wohlerhaltene  Männerkleider  ge- 
funden. 

Eine  vollständige  Frauenbekleidung  aus 
derselben  Zeit  wurde  im  Jahr  187 1  in  einem 
dänischen  Grabhügel  bei  Borum-Eshöi,  in  der 

o 

Nähe    von  Arhus  in  Jütland,  entdeckt.     Auch 
hier  lag  die  Leiche  in  einem  ähnlichen  Eichen- 


sarg. Der  Boden  des  Sarges  war  mit  einer 
ungegerbten  Haut  bedeckt,  wahrscheinlich 
einer  Kuhhaut,  welche,  wie  die  in  Trindhöi, 
wohl  einmal  alles  umschlossen  hatte,  was  in 
den  Sarg  gelegt  worden  war.  Auf  dieser 
Haut  lag  ein  großer  Mantel,  aus  grober  Wolle 
und  Rinderhaaren  gewebt.  In  den  Mantel  war 
die  Leiche  einer  PVau  gehüllt,  deren  Skelett 
von  dem  Wasser,  das  in  den  Eichensarg  ge- 
drungen war,  in  Verbindung  mit  der  Gerb- 
säure des  Eichbaums,  fast  schwarz  gefärbt 
war.  Die  Leiche,  deren  Geschlecht  an  dem 
guterhaltenen  Skelett  erkannt  werden  konnte, 
hatte  sehr  langes  Haar,  das  vermutlich  mit 
einem  gut  erhaltenen  Hornkamm  aufgesteckt 
oder  zusammengehalten  war.  Auf  dem  Kopf 
trug  die  Tote  ein  Netz  oder  eine  Mütze  aus 
Wolle  (Fig.  140).  Auch  von  einem  anderen 
gröberen  Netz  fand  man  Reste.  Im  übrigen  war 
die  Tote  in  ein  ganzes  Kleid  aus  gewebtem 
Wollstoff  gekleidet,  nämlich  in  eine  kurze  Ärmeljacke  und  einen  langen  Rock 
(Fig.  141).  Das  Gewebe  ist  genau  dasselbe  wie  das  vorherbeschriebene  Zeug 
von  Dömmestorp  (Fig.    134)  und  das  von  Trindhöi. 


HI- 


Weibliche  Kleidung  aus  Wollenstoff. 
Borum-Eshöi,  Jütland. 


Lebensweise. 


93 


Die  Jacke  ist  unter  den  Armen  und  auf  dem  Rücken,  wo  unten  ein  schmaler 
Rand  von  gröberem  Zeug  angesetzt  ist,  mit  Wollfaden  zusammengenäht.  Vorn, 
wo  sie  offen  ist,  war  sie  vielleicht  von  einer  Schnur  oder  einer  kleinen,  im 
Sarg  gefundenen  Bronzefibel  zusammengehalten,  wofern  diese  nicht  am  .Mantel 
saß.  Der  gröbere  Saum  auf  dem  Rücken  der  Jacke  deutet  an,  daß  die  Jacke 
vom  Mantel  bedeckt  werden  sollte;  auch  der  gröbere  Ansatz  unten  scheint  zu 
zeigen,  daß  dieser  Teil  der  Jacke  in  den  Rock  hineingesteckt  werden  sollte. 
Um  den  Leib  wurden  die  Kleider  mit  einem  Band  und  einem  etwas  breiteren 
Gürtel  befestigt.  Letzterer  war  aus  Wolle  und  Rinderhaaren  gewebt,  in  drei 
Streifen,  von  denen  der  mittlere  wohl  eine  andere  Farbe  gehabt  hat.  Lr  endet 
in  stattlichen,  mit  großer  Sorgfalt  geflochtenen  Quasten. 

Neben  der  Leiche  stand  ein  Tongefäß,  und  an  Bronzesachen  fand  man 
außer  der  schon  erwähnten  Bronzefibel  einen  Spiralfingerring,  zwei  Armbänder, 
einen  gewundenen  Halsring,  eine  größere  und  zwei  kleinere  runde  Platten  — 
Gürtelschmuck  —  und  eine  kleine  Zange.  Merkwürdig  genug  lag  an  der  Seite 
dieser  weiblichen  Leiche  auch  ein  Bronzedolch  mit  einem  Horneriff. 

Das  weibliche  Gewand  der  Bronzezeit  bestand  also  aus  ebendenselben 
zwei  Hauptteilen  ■ —  Rock  und  Jacke  —  wie  sie  noch  heute,  besonders  auf  dem 
Lande,  üblich  sind.  Aber  wenn  die  in  Trindhöi  gefundenen  Männerkleider  als 
Probe  für  die  gewöhnliche  vollständige  Kleidung  betrachtet  werden  sollen,  so 
weisen  sie  eine  bedeutende  Abweichung  nicht  nur  von  der  heutigen  Tracht, 
sondern  auch  der  der  letzten  heidnischen  Zeit  auf.  Insbesondere  ist  das  Nicht- 
vorhandensein von  Hosen  merkwürdig,  da  diese  Beinbekleidung  allen  germanischen 
Völkern  gemeinsam  sein  dürfte,  wenigstens  in  der  allerdings  viel  späteren  ge- 
schichtlichen Zeit,  während  sie  bei  den  keltischen  Stämmen  und  den  Völkern 
Südeuropas  nicht  vorkommen.  Dieser  Umstand  ist  zu  beachten,  obgleich  wir 
darin  natürlich  gar  keinen  Beweis  sehen  können,  daß  das  nordische  Bronzezeit- 
volk nicht  germanisch  gewesen  wäre. 

Die  Bronzen  von  Trindhöi  und  Borum-Eshöi  ergeben  einen  recht  frühen 
Abschnitt  der  Bronzezeit,  mehr  als  dreitausend  Jahre  vor  der  Gegenwart.  Daß 
sich  wollene  Kleider  so  lange  halten  konnten,  beruht  auf  ungewöhnlich  günstigen 
Verhältnissen  und  vielleicht  besonders  darauf,  daß  die  Kleider  in  Eichenkisten 
lagen,  da  die  Gerbsäure  der  Eiche  ein  ausgezeichnetes  Mittel  zur  Erhaltung 
organischer  Stoffe  ist. 

Das  gewöhnliche  Gewebe  in  der  Bronzezeit  war  offenbar  aus   Wolle.     In 
einem    der    Bronzezeit    entstammenden    Grab    hat    man    indessen    auch  Stücke 
von  ziemlich    feinem  Leinengewebe    gefunden,    die    älteste    bekannte  Spur   von 
Leinewand  bei  uns.     Wir    haben    aus    unserer    Bronzezeit    auch  Nähnadeln   \ 
Bronze  und    Knochen. 

In  Gräbern  aus  dem  späteren  Teil  der  Bronzezeit  findet  man  sehr  häufig 
unter  den  gebrannten  Knochen  einen  Pfriemen,  eine  kleine  Zange  und  ein  Messer 
von  derselben  Form  wie  Fig.  143;  beinahe  immer  von  Bronze,  einige  Pfrieme 
und  Zangen  jedoch  von  Gold  (Fig.  [42).  Der  Schaft  des  Fig.  [44  abgebildeten 
Pfriemens  ist  von  Bernstein.     .Manchmal  sind  diese  drei  Geräte  durch  einen  Ring 


94 


Die  Bronzezeit. 


vereinigt.    Auch  die  Gräber  aus  der  älteren  Bronzezeit  enthalten  nicht  selten  ein 
dünnes  Messer,  eine  kleine  Zange  oder  einen  Pfriemen. 

Diese  Messer,  die  oft  in  einem  Lederetui  oder  kleinen  Holzkästchen  liegen, 
waren  ohne  Zweifel  Rasiermesser.  Daß  die  Männer,  wenigstens  die  vornehmen, 
sich  in  jener  Zeit  rasierten,  wird  dadurch  bewiesen,  daß  man  in  einigen  eichenen 
Särgen,  die  männliche  Leichen  mit  gut  erhaltenem  Haupthaar  enthielten,  keine 
Spur  von  Bart  fand.  Diodor,  der  zu  Augustus'  Zeit  lebte,  erzählt,  daß  etliche 
Gallier  den  Bart  vollständig  rasieren,  andere  nur  teilweise;  die  Vornehmen 
rasierten  das  Kinn,  trugen  aber  lange  Schnurrbarte.  Dasselbe  teilt  Caesar  von 
den  Briten  mit.  Auch  die  kleinen  Zangen  sind  sicher  dazu  gebraucht  worden, 
Haare  zu  entfernen. 


j^-*"",  Wj/iW  ''"""Bi 


ß-rm 


143.    Rasiermesser  von   Bronze.    Skane.    2/3 


142.    Kleine   Gold- 
zange.  Hailand.   */j. 


144.    Bronze- 
pfriemen mit 
Bernsteinschaft. 
Skäne.    2/3. 


Der  dänische  Forscher  Sophus  Müller  vertritt  die  Ansicht,  daß  die  Nord- 
länder der  Bronzezeit  sich  mit  Hilfe  der  Pfriemen,  von  denen  einige  mit  einem 
Bernsteingriff  versehen  sind,  tätowierten.  Er  erinnert  daran,  daß  nach  den  alten 
Schriftstellern  sowohl  die  Assyrer,  wie  auch  andere  Völker  Asiens  und  Europas 
sich  zu  tätowieren  pflegten:  eine  Sitte,  die  sich  so  lange  in  Schottland  erhalten 
hat,  daß  sie  auf  einem  Kirchenkongreß  im  Jahre  787  verboten  werden  mußte. 

Wenn  der  Schmuck,  der  den  Schweden  der  Steinzeit  zur  Verfügung 
stand,  selten  und  wenig  ansehnlich  war,  so  hatte  man  dagegen  in  der  Bronze- 
zeit weit  prächtigere  und  abwechselungsreiche  Schmucksachen,  hauptsächlich 
in  Gold  und  Bronze.  Bernsteinschmuck  war  in  der  Steinzeit  allgemeiner  als  in 
der  Bronzezeit.    Silberschmuck  war  noch  unbekannt  und  Glasperlen  sehr  selten. 

In  Gräbern  und  Depotfunden  aus  der  älteren  Bronzezeit  kommen  prächtiger 
Hals-  und  Gürtelschmuck  nebst  Fibeln  (Fig.  146,  152)  aus  Bronze,  Diademe, 
Armringe  und  Fingerringe  aus  Bronze  und  Gold,  oft  spiralförmig  (Fig.  150,  151), 
Knöpfe  aus  Bronze  (Fig.  155),  einige  Bernsteinperlen  und  anderes  mehr  vor. 
Daß  solche  diademähnliche  Schmucksachen  wie  Fig.  104  für  den  Hals  bestimmt 
waren,  und  daß  große  runde  spiralverzierte  Bronzeplatten  wie  Fig.  161  als 
Gürtelschmuck  dienten,  ergeben  die  Gräberfunde  (Fig.  164).    Viele  Funde  zeigen, 


Lebensweise. 


95 


145.     Kolossale   Bronze- 

nadcl,    70,5   cm  lang. 

Gotland.    1  |. 


146.     Bronzefibel.    Oland.    2/3. 


147.    Bronzekamm.   Westergötland.    x/i- 


v 


/^J-^zjfe-  lü^ä/LiOMl/" 


148.    Goldener   Armring.    Skane.   Yi- 


Spiralarmring  von  Bronze.  Skäne.  '  .,. 


96 


Die  Bronzezeit. 


daß  goldene  Armringe  von  Männern  getragen  wurden  und  einige  von  den 
Bronzeringen,  die  wie  Armringe  aussehen,  Fußgelenkringe  gewesen  sind,  wie  es 
bei  gewissen  Völkern  noch  heute  gebräuchlich  ist.  Die  Spiralringe  rindet  man 
meist,  infolge  der  Elastizität,  in  dem 
Zustand,  denFig.  i  50  zeigt.  Daß  das 
Gewinde  dicht  aneinander  lag,  wenn 
der  Ring  den  Arm  oder  Finger  um- 


150.    Spiralfingerring  von  Gold.  Skäne.  l\l 


151.    Golddiadem.     Skäne.  2|, 


152.    Bronzefibel.     Skäne.    2,., 


153.   Bronzeknopf. 
-  rmanland.    ] 


154.   Bronzeknopf. 
Bohuslän.    ^L.^v 


157.    Bronzenadel. 


Uppland.    2| 


3- 


155.   Bronzeknopf,  von  zwei  Seiten  gesehen. 
Öland.   »L 


156.   Bronzeknopf. 
Blekinge.     ]|j. 


schloß,  geht  aus  vielen  Grabfunden  hervor  (Fig.  149).    Kämme  von  Bronze  (Fig.  147) 
oder  von  Hörn  trifft  man  nicht  selten  in  den  Gräbern  der  älteren  Bronzezeit  an. 


Lebensweise. 


97 


158.   Bronzener  Gürtelschmuck,   mit  Durchschnitt;   der  harzinkrustierte  Knopf  von  oben  gesehen. 

Hailand.    »L. 


159.    Bronzener  Halsring.    Westmanland.     ]  ■: 


c 


160.    Große   Bronzcfibel,   von   zwei   Seiten   gesehen.     Sk.  :; 
Montelius,  Kulturgeschichte  Schwedens. 


g3  Die  Bronzezeit. 

In  der  jüngeren  Bronzezeit  benutzte  man,  nebst  Schmucksachen  derselben 
Art  (aber  nicht  derselben  Formen)  wie  diejenigen  aus  der  älteren  Zeit,  ver- 
schiedenen Hängeschmuck,  große  Nadeln  und  besonders  eine  Menge  größerer 
Bronzeringe,  von  welchen  die  meisten  wenigstens  um  den  Hals  getragen  wurden 


161.    Gürtelschmuck  von  Bronze,  von  zwei  Seiten  gesehen.    Skäne.   aj3. 

(Fig.  in,  114,  115,  145,  148,  153,  154,  156,  157 — 160,  162).1)  Viele  von  diesen 
Ringen  haben,  ungeachtet  sie  mehr  als  2500  Jahre  in  der  Erde  lagen,  ihre 
Elastizität  beinahe  ganz  behalten.  Der  Reichtum  an  Halsringen  und  anderem 
großen  Ringschmuck,    der    sich    in    der    jüngeren  Bronzezeit  zeigt,  ist  sehr  be- 

1)  S.   Müller,  in  Nordiske  Fortidsminder,  I,  S.  19.  —  In  Schweden  haben  wir  schon  längst 
diese  Ringe  als  Halsschmuck  betrachtet;  Antiquites  suedoises,  Fig.   227 — 233. 


Lebensweise. 


99 


merkenswert,  weil  weder  zu  Anfang  der  Bronzezeit  noch  in  der  älteren  Eisen- 
zeit solche  Ringe  so  allgemein  waren. 

Auch  die  Schmucksachen  zeigen  den  bedeutenden  Unterschied,  der  im 
allgemeinen  zwischen  den  Arbeiten  der  älteren  und  jüngeren  Bronzezeit  beob- 
achtet wird.     Der  Schmuck  aus  der  älteren  Zeit  zeichnet  sich  in  hohem  Grade 


162.    Bronzener  Gürtelschmuck,   mit  Details   und  Durchschnitt.    Skäne.    x|2. 

durch  geschmackvolle  Formen  und  Zierate  aus,  während  später  oft  das  Be- 
mühen hervortritt,  mehr  durch  die  Masse  des  verwandten  Materiales,  als  durch 
die  Edelheit  der  Form  und  Verzierung  zu  wirken.  Man  hat  zu  verschiedenen 
Malen  Bronzefibeln  gefunden,  von  gleicher  Form  wie  Fig.  160,  die  bis  zu 
25   cm  lang  sind.1) 


163.    Bronzegefaß.    Westcrgötland.   J  ... 

Die  Waffen    der  Bronzezeit   sind  zum  großen  Teil  dieselben,  wie  die  der 
Steinzeit:  Dolch,  Axt,  Pfeil  und  Bogen,  und  wahrscheinlich  Keule  und  Schleuder. 


1     Wie  diese  Fibeln  der  jüngeren  Bronzezeit    aus    den    älteren   Fibeln    (Fig.    14''     entwickelt 

!.  habe   ich  in  der  Arbeit      Die  typologische   Methodi        S.  $4      ;"  'gl- 

7* 


IOO 


Die  Bronzezeit. 


Die  vornehmste  Schutzwaffe  war  der  Schild,  der  ja  wohl  auch  von  dem  Stein- 
zeitvolk angewendet  wurde.  Aber  zu  diesen  Waffen  kommt  jetzt  noch  das 
Schwert  und,  wenn  auch  seltener,  der  Helm. 

Im  Zusammenhang  mit  den  Waffen  müssen  wir  der  prächtigen  Trompeten 
gedenken,  die  öfters  angetroffen  worden  sind  (Fig.  166).     Diese  Trompeten,  die 

entweder  Kriegshörner  waren  oder  im  Tempeldienst 
angewendet  wurden,  um  die  Menge  zusammenzurufen, 
haben  sich  als  gute  Musikinstrumente  erwiesen.1) 
Wie  sie  beim  Gebrauch  gehalten  wurden,  zeigen 
einige  Felsenzeichnungen  (Fig.   167). 

Die  Schilde  waren  gewöhnlich 
von  Holz  oder  Leder.  Die  meisten  auf 
den  Felsenzeichnungen  abgebildeten  sind 
rund  (Fig.  216).  Ein  prächtiger  Bronze- 
schild, ziemlich  groß  und  beinahe  rund, 
von  dünnem  Blech  mit  getriebenen 
Ornamenten,  wurde  bei  Nackhälle,  in 
der  Nähe  von  Warberg  in  Halland,  aus 
einem  Torfmoor  gezogen  (Fig.  168). 
Mitten  auf  der  Rückseite  sitzt  ein  Hand- 
griff, der  aber  so  klein  ist,  daß  nur 
zwei  Finger  darin  Platz  haben. 

Daß  in  dieser  Zeit  Helme  benutzt 
wurden,  beweisen  ein  in  Dänemark 
gefundenes,  prächtiges,  mit  Gold  be- 
legtes  Kinnstück  eines  solchen  (Fig.  1 70) 
'.  und  einige  Felsenzeichnungen,  auf  denen 
die  Helme  zwei  große  hornähnliche 
Zierate  aufweisen  (Fig.  169).  Andere 
Schutzwaffen,  wie  Panzer,  Beinschienen 
oder  ähnliches,  sind  in  Funden  aus 
unserer  Bronzezeit  nicht  angetroffen,  und 
erst  in  der  älteren  Eisenzeit  scheinen 
'  Kettenpanzer  bei  unseren  Vorfahren 
in  Gebrauch  gekommen  zu  sein. 


m 


165.   Bronze- 
dolch, in  einem 
weiblichen 
Schwerter  und  Dolche  von  Bronze  Grab  gefunden. 

Ol    o  Jl 

wurden  in  Schweden  in  großer  Anzahl         ane'    I*- 


164.  Weibliches  Grab.  Dänemark.2) 

gefunden  (Fig.  103,  108,  171  — 176).    Dolche  werden  nicht  selten  auch  in  Frauen- 


1)  A.  Hammerich,  in  den  Memoires  de  la  Soc.  d.  Antiqu.  du  Nord,  1890—95,  S.  137; 
vgl.   Aarböger  f.   nord.   Oldkynd.,    1902,   S.    79;    1903,   S.   62;    1904,   S,   65. 

2)  Rechts  vom  Kopf  lag  eine  Fibel,  zu  beiden  Seiten  des  Gesichts  Ohrringe,  auf  dem  Halse 
ein  Schmuck  wie  Fig.  104,  an  den  Lenden  ein  Gürtelschmuck  (von  einer  großen  Scheibe  wie 
Fig.  161  und  vier  kleinen  Scheiben  derselben  Form)  und  ein  Dolch.  Die  Bestattete  hatte  auch 
Armringe  und  Fingerringe.  —  Sehested,  Archseologiske  Undersögelser,  Taf.  IV. 


Lebensweise. 


IOI 


gräbern  angetroffen  (Fig.  164  und  165), 
aber  das  Schwert  nur  in  Männergräbern. 
Die  Schwerter,  zweischneidig J)  und  ersicht- 
lich mehr  Stich-  als  Hiebwaffe,  sind  eigent- 
lich nur  verlängerte  Dolche.  In  der  ältesten 
Bronzezeit  hatte  man,  wie  in  der  Steinzeit, 
nur  Dolche,  keine  Schwerter.  Um  den 
Feind  in  etwas  größerer  Entfernung,  als  es 
mit  einem  Dolche  möglich  war,  zu  töten, 
befestigte  man  eine  Dolchklinge  recht- 
winkelig in  einem  langen  Stiel.  Solche 
sogenannte  »Schwertstäbe«  kommen  in  der 
ersten  Periode  vor  (Fig.  198)2).  Allmählich 
werden  indessen  die  Dolchklingen  läng-er, 
und  schon  vor  dem  Ende  der  ersten  Periode 
kann  von  Schwertern  die  Rede  sein. 

Die  Dolch-  und  Schwertgriffe,  die 
unrichtigerweise  für  zu  klein  für  eine  Hand 
gewöhnlicher  Breite  gehalten  werden,  waren 
insbesondere  in  der  älteren  Zeit  oft  von 
Bronze,  manchmal  mit  Gold  belegt  und 
mit  Einfassungen  von  Bernstein  oder  Harz 
geschmückt.  Aus  der  späteren  Bronzezeit 
hat  man  in  Schweden,  nebst  einheimischen 
Schwertern,  nicht  wenige  Bronzeschwerter 
ausländischer  Arbeit  gefunden  (Fig.  173, 
175   und    176). 

Manchmal  sind  die  zu  den  Schwertern 
und  Dolchen  gehörigen  Scheiden  mehr 
oder  weniger  gut  erhalten.  So  fand  man 
in  dem  auf  Seite  90  erwähnten  Grabe  bei 
Dömmestorp  in  Halland  eine  ungewöhn- 
lich gut  erhaltene  Dolchscheide,  welche, 
wie  viele  andere,  aus  Holz  besteht,  mit 
einem  Überzug  von  wohlgegerbtem  Leder 
und  mit  feinem  Fell  gefüttert.  Zu  unterst  sitzt 
ein  Ortband  von  Bronze  (Fig.  172).  Damit 
der  Dolch  nicht  aus  der  Scheide  gleitet, 
geht  die  Haarrichtung  des  Falles  nach  unten. 


1)  Eine  einschneidige,  säbelähnliche  Waffe  von 
Bronze  ist  in  Üstcrgötland  gefunden  worden.  Die 
Chronologie  d<  r  ältesten  Bronzezeit,  S.   85. 

2)  Antiquifc :ssu<  ih.iscs,  Fig.  1 3  I .  —  Die  Chrono- 
logie der  ältesten  Bronzezeit,  S.   27. 


166.  Bronzetrompete.    Das  fehlende  ist 
nach  einer  vollständig  erhaltenen  Trompete 
^zeichnet.    Üland. 


gez 


12- 


117.    Trompetenbläser,  auf  einer  Felsen- 
zeichnung.    Bohuslän. 


102 


Die  Bronzezeit. 


168.    Bronzeschild  (fremde  Arbeit).    Halland.     Jj 


169.    Behelmter  Mann;  der  Helm  mit  zwei  großen  Hörnern  verziert. 
Auf  einer  Felsenzeichnung.     Bohuslän. 


Lebensweise. 


IO3 


In  anderen  nordischen  Gräbern  hat  man  Schwertscheiden  von  Holz  gefunden, 
die  nicht  mit  Leder  überzogen  waren;  einige  sind  mit  ausgeschnittenen  ein- 
fachen Ornamenten  geschmückt.  Neben  dem  Schwert  liegt  nicht  selten  ein 
gut  gearbeiteter  Bronzehaken,  mit  dessen  Hilfe  es  am  Gehänge  befestigt  wurde. 
Daß  in  so  vielen  Frauengräbern  Dolche  lagen,  verdient  Aufmerksamkeit.  Wir 
erinnern  an  die  Erzählungen  von  den  nordischen  »Sköldmör«  (an  dem  Kampf 
teilnehmende  Jungfrauen)    gegen  Ende  unserer  Heidenzeit. 

Sehr  viele  schöne  Streitäxte  von  Bronze  aus  der  älteren  schwedischen 
Bronzezeit  sind  uns  erhalten  (Fig.  105).  Äxte  wie  Fig.  106  waren  ebenfalls 
Streitäxte;  man  hat  sie  oft  in  Gräbern  mit  anderen  Waffen  zusammen  gefunden. 

Um  das  kostbare  Metall  zu  sparen,  wurden  in  der  älteren  Bronzezeit,  wie 
mehrere  Funde  in  Schweden  und  anderen  Ländern  zeigen,  noch  Streitäxte  aus 
Stein  (Fig.   177)  und  Pfeil-  und  Speerspitzen  aus  Feuerstein  benutzt.     Auf  den 


170.    Kinnstück  eines  Helmes  von  goldbelegter  Bronze.    Dünemark.    1|a. 


Felsenzeichnungen  sind  oft  Bogenschützen  abgebildet,  aber  Pfeilspitzen  aus 
Bronze  werden  sehr  selten  bei  uns  gefunden.  Daß  man  lieber  Knochen  und 
Feuerstein  für  diese  leicht  verloren  gehenden  Waffen  anwendete,  ist  einleuchtend; 
noch  im  älteren  Teil  der  Eisenzeit  benutzte  man  im  Norden,  wie  wir  später 
sehen  werden,  Pfeilspitzen  von  Knochen. 

Lanzenspitzen  aus  Bronze  sind  dagegen  in  Schweden  nicht  selten  (Fig.  107). 
Die  Felsenzeichnungen  zeigen,  daß  die  Lanzen  lange  Schäfte  hatten  und  oft  als 
Wurfgeschosse  dienten. 

Wir  stießen  schon  bei  Betrachtung  der  Steinzeit  auf  die  Schwierigkeit, 
zu  erkennen,  welche  Äxte  als  Waffe  und  welche  als  Werkzeug  angewendet 
wurden.  Nach  den  Felsenzeichnungen  zu  urteilen,  diente  die  Axt  in  der  Bronze- 
zeit oft,  wie  der  Tomahawk  der  Indianer,  als  Streitaxt,  und  für  solche  prächtige 
\xte,  wie  die  Fig.  105  und  106  abgebildeten,  ist  daran  auch  kein  Zweifel 
möglich;  aber  von  der  großen  Mehrzahl  der  Bronzeäxte   kann  man  nicht  mehr 


J1 


M'M 


Hl 


171   und    172.     Bronzedolch  mit 

Horngriff  und  lederne   Scheide 

mit  bronzenem   Ortband. 

Halland.    »L. 


173.  Bronze- 
schwert. 
Bohuslän.   J|4. 


175.  Bronzeschwert. 
Blekinge.    lL. 


176. 
Bronze- 
schwert. 
Uppland. 


174.  Bronzeschwert. 
Bohuslän.   1L. 


Lebensweise. 


10; 


mit  Sicherheit  angeben,  ob  sie  für  den  einen  oder  den  anderen  Zweck  bestimmt 
gewesen  sind.  Solche  Äxte  wie  Fig.  179  und  181  sind  doch  wahrscheinlich 
als  Werkzeuge  zu  betrachten. 


''       * 


*  - 


177.  Steinaxt  mit  Schaftloch. 
Dalsland.   ]L 


179.   Bron 
^Gotland.   1  .. 


178.  Bronzeaxt  mit  langem  Stiel; 
auf  einer  Felsenzeichnung.     Skäne. 


180.   Bronzeaxt  mit  hölzernem  Stiel.    Dänemark.     ' 


«• 


Mehrere  Äxte  von  Bronze  haben  ein  Schaftloch  und  waren  ebenso  wie 
die  jetzt  gewöhnlichen  im  Griff  befestigt.  Dagegen  war  die  Befestigung  der  meisten 
Bronzeäxte  eine  andere.1)  Einige  waren  ebenso  wie  die  Feuersteinäxte,  denen 
sie  ursprünglich   nachgebildet  sind,   in  das  eine  Ende  eines  knieförmigen  Griffes 


1)  Sie  werden  oft,  wenn  auch  wenig  glücklich,  Celt(  d  genannt,  eine  Bi  nennnng,  die  nichts 
mit  den  Volksnamen  Celten  oder  Kelten  zu  tun  bat,  sondern  von  dem  selten  vorkommenden  latei- 
nischen  Worte:   celtis,   Meißel,  stammt. 


io6 


Die  Bronzezeit. 


eingefügt,  der  sich  zuweilen  bis  heute  erhalten  hat  (Fig.  180;  vgl.  Fig.  178, 
183  und  184).  Oder  ein  ebenfalls  knieförmiger  Griff  steckte  in  einer  gegen  die 
Schneide  senkrechten  Dülle  und  war  vermittelst  der  kleinen  Öse  festgebunden, 
die  oft  am  Rande  sitzt  (Fig.  181).  Fig.  182  zeigt  eine  solche  Bronzeaxt,  mit 
noch  erhaltenem  Holzgriff,  die  man  in  einer  Salzgrube  bei  Hallein  in  Oster- 
reich fand. 


182.    Bronzeaxt  mit  hölzernem 
Stiel.    Österreich. 


181.  Kleine  Bronzeaxt.  Üland.  2|, 


183.  Bronzeaxt  mit  hölzernem  Stiel.     Aegypten.    1[ö. 


184.    Moderne  Eisenaxt  mit  hölzernem  Stiel.    Congo  (Stanley  Falls).    *[ 


Außer  Äxten  hatten  unsere  Vorfahren  in  der  Bronzezeit  zur  Ausführung 
ihrer  Holzarbeiten  Meißel,  Messer,  Sägen  (Fig.  187)  und  anderes  mehr,  also 
ungefähr  dieselben  Werkzeuge,  wie  in  der  Steinzeit;  nur  daß  sie  jetzt  gewöhnlich 
von  Bronze  sind.  In  den  ersten  Jahrhunderten  der  Bronzezeit  wurden  aber 
auch  noch  Steinwerkzeuge  viel  angewendet. 


Die  Herstellung  der  Bronzesachen. 


IO; 


3.    Die  Herstellung  der  Bronzesachen.        Einheimische  Arbeiten. 

Die  Werkzeuge,  die  wir  bisher  betrachtet  haben,  dienten  hauptsächlich 
der  Bearbeitung  von  Holz  und  ähnlichem.  Die  Anfertigung  der  Bronzesachen 
erforderte  nur  sehr  einfache  Werkzeuge,  da  so  gut  wie  alle  Metallarbeiten  der 
Bronzezeit  im  Norden  gegossen  worden  sind. 

Beim  Bronzeeießen  kann  man  dreierlei  Methoden  anwenden.1) 
Die  einfachste  ist,    in  Stein    oder  Bronze  eine  Vertiefung   zu    bilden,  von 
der  Form,    die  man  dem  Gegenstand    zu    geben    wünscht  (Fig.    186),    und    die 
geschmolzene    Masse    in    diese   Vertiefung    zu    gießen.      Fine    solche    Gußform 


185.   Gußzapfen  von  Bronze. 
Dalsland.   *|,. 


186.   Gußform  für  vier  solche  Bronzesägen  wie  Fig  187, 
Skane.    1|2. 


1 S  7.     Bronzesiige.     Dalsland 


besteht  oft  aus  zwei  Hälften.  Da  es  sehr  schwer  ist,  diese  Hälften  so  aufein- 
ander zu  passen,  daß  sie  absolut  zusammenschließen,  dringt  leicht  beim  Guß 
etwas  Metall  in  die  Ritze  zwischen  den  beiden  Formhälften  und  bildet  die 
sogenannte  Gußnaht,  die  häufig  auf  den  in  dieser  Art  verfertigten  Gegenständen 
der  Bronzezeit  zu  sehen  ist.  Die  Methode,  die  in  der  Bronzezeit  oft  angewendet 
wurde,  bietet  den  Vorteil,  daß  dieselbe  Form  immer  wieder  benutzt  werden 
kann;  doch  können  nur  einfache  Arbeiten  auf  diese  Art  verfertigt  werden. 

Eine  andere  Methode,  die  heutzutage  beim  Metallgießen  die  gewöhnlichste 
ist,  besteht  darin,  daß  man  von  Holz  ein  Modell  herstellt  in  Form  und  Gri 
genau  wie  das,  was  man  gießen  will,  und  dann  mit  diesem  Modelle  eine  Gieß- 
form in    feinem  Sand   macht.     Der  Sand    ist    feucht    und    in    zwei    Holzkasten 


1)  A.  Morlot,    in    den    Memoires    de  la  Soc.  d.  Antiqu,  du   Nord,    1S66,    S.   42   folg.    — 
O.  Olshausen,  in  den  Verhandl.  d.   Berl.   Anthrop.   Gesellsch.,    1885,  S.   410  folg. 


jOg  Die  Bronzezeit. 

gepackt,  die  den  beiden  Gußformhälften  aus  Stein  entsprechen;  auch  hier  er- 
geben sich  Gußnähte,  wie  eben  besprochen.  Die  Sandform  wird  allerdings 
beim  Gießen  zerstört,  aber  mit  Hilfe  des  Holzmodelles  ist  es  leicht,  sie  zu 
wiederholen. 

Die  dritte  Methode  ist  eine  ganz  andere.  Auch  hier  fungiert  ein  Modell, 
aber  nicht  aus  Holz,  sondern  aus  Wachs.  Dieses  Wachsmodell  wird  mit  feinem 
sandvermischten  Ton  umgeben,  der  trocknet,  und  dann  wird  es  auf  gelindes 
Feuer  gesetzt;  die  Tonform  wird  leicht  gebrannt,  das  Wachs  schmilzt  aus 
einem  zu  dem  Zweck  angebrachten  Loch  heraus  und  die  Luft  dringt  durch  ein 
oder  einige  Löcher  ein.  Schließlich  wird  in  das  erste  Loch  das  geschmolzene 
Metall  gegossen  und  füllt  die  durch  das  Wachsmodell  gebildete  Höhlung  in  der 
Form  aus.  So  können  mit  einfachen  Mitteln  sehr  feine  Arbeiten  hergestellt 
werden;  und  man  vermeidet  noch  dazu  die  Gußnähte,  deren  Entfernung  oft 
mit  Schwierigkeit  verknüpft  war;  nur  brauchte  man  für  jeden  Guß  ein  neues 
Modell  und  eine  neue  Form.  Diese  Methode  ist  in  der  Bronzezeit  viel  an- 
gewendet worden.  Infolgedessen  gleichen  sich  auch  zwei  Bronzesachen  der- 
selben Art,  selbst  solche  eines  Fundortes,  äußerst  selten  so  vollständig,  daß  sie 
als  in  derselben  Form  gegossen  angesehen  werden  könnten.  Da  diese  Methode 
sehr  zeitraubend  ist,  kann  es  uns  nicht  wundernehmen,  daß  sie  heutzutage  selten 
angewendet  wird;  in  der  Bronzezeit  war  aber  die  Zeit  weniger  wertvoll. 

Diese  Methode  ist  den  anderen  darin  überlegen,  daß  sie  die  Herstellung 
viel  mehr  komplizierter  Arbeiten  ermöglicht,  sogar  solcher,  die  sich  auf  andere 
Art  überhaupt  nicht  machen  ließen,  so  zum  Beispiel  die  aus  dünner  Bronze 
über  einem  Tonkern  gegossenen  Äxte  (Fig.  229)  und  Tierbilder  (Fig.  194),  oder 
solche  Gefäße  mit  hochstehenden  Ohren,  wie  Fig.  116,  133  und  163,  und 
anderes  mehr. 

Einige  Forscher  waren  geneigt  anzunehmen,  daß  die  Einwohner  Schwedens 
in  der  Bronzezeit  die  Kunst  des  Bronzegusses  nicht  selbst  geübt  oder  doch  nur 
die  einfacheren  und  gröberen  Arbeiten  selbst  verfertigt  hätten.  Diese  Ansicht 
ist  aber  unrichtig. 

Daß  Bronzesachen  damals  in  Schweden  verfertigt  wurden,  geht  daraus 
hervor,  daß  man  bei  mehreren  Gelegenheiten  zusammen  mit  Gegenständen  aus 
der  Bronzezeit  teils  Ansammlungen  von  zerbrochenen,  untauglichen  und  zum 
Umschmelzen  offenbar  bestimmten  Bronzesachen  fand,  teils  geschmolzene  Bronze- 
klumpen, von  denen  einige  jedenfalls  Reste  sind,  wie  sie  nach  dem  Guß  im 
Tiegel  zurückbleiben,  teils  »Gußzapfen«  aus  Bronze.  Wenn  die  Bronze  in  die 
Form  gegossen  wird,  füllt  sie  meist  auch  das  Loch  aus,  durch  das  sie  hinein- 
gegossen wird.  Ist  dann  der  Guß  vollendet  und  die  Bronze  erkaltet,  wird  der 
nicht  mit  zum  Guß  gehörende  Bronzeklumpen,  der  in  dem  Loche  blieb,  das 
heißt  der  Gußzapfen,  abgeschlagen. 

Der  Fig.  185    abgebildete  Gußzapfen,    in  einer  Form   mit   viergezweigtem 
Kanal  wie  Fig.  186    entstanden,    gehört  zu  einem   bemerkenswerten  Fund,    der' 
beweist,  daß  es  in  Mittelschweden  Bronzegießer  gab.     Er  lag  nämlich  in  einem 
Tongefäß,  das  bei  Bräckan,  Kirchspiel  Järn,  in  Dal  ganz    nahe   am  Strand  des 


Die  Herstellung  der  Bronzesachen.  jqq 

Wänern  Sees  gefunden  wurde,  und  außerdem  noch  verschiedene  andere  Guß- 
zapfen und  Bronzeklumpen,  sowie  eine  Menge  Stücke  von  zerbrochenen  Schwertern, 
Ringen,  Nadeln,  Sägen  und  anderes  mehr,  alles  aus  Bronze,  enthielt.  Knochen 
fand  man  hingegen  weder  in  noch  neben  dem  Gefäß.  Die  Bedeutung  des 
Fundes  wird  dadurch  erhöht,  daß  man  in  derselben  Gegend,  bei  Backen  im 
Kirchspiel  Tössö,  eine  Gußform  für  Bronzemeißel  fand. 

Solche  Ansammlungen  von  zerbrochenen  und  ersichtlich  zum  Einschmelzen 
bestimmten  Schmucksachen,  Waffen  und  Werkzeugen,  von  Bronzeklumpen,  Guß- 
zapfen und  ähnlichem,  wurden  auch  an  vielen  anderen  Stellen  des  Landes  ge- 
funden, sowohl  in  Skäne,  als  nördlich  davon.1) 

Ist  damit  außer  Zweifel  gestellt,  daß  Bronzesachen  in  unseren  Gegenden 
angefertigt  wurden,  so  geben  diese  Funde  doch  keine  Antwort  auf  die  wichtige 
Frage:  Welche  Arbeiten  sind  während  der  Bronzezeit  im  Norden  angefertigt 
worden?     Glücklicherweise  haben  wir  auf  andere  Weise  hiervon  Kunde. 

An  mehreren  Orten  im  südlichen  Schweden  hat  man  nämlich  Gußformen 
aus  jener  Zeit  gefunden;  eine  auf  Gotland  war  von  Bronze,  die  anderen  aus 
Stein.  In  den  bis  jetzt  bei  uns  gefundenen  Formen  aus  Stein  goß  man  Äxte, 
Meißel,  Sägen  (Fig.  186),  Messer  und  anderes  mehr.2)  Daß  nicht  die  Zahl  der 
schwedischen  Gußformen  aus  dieser  Zeit  noch  größer  ist,  beruht  ohne  Zweifel 
darauf,  daß  solche  beim  ersten  Ansehen  wenig  bemerkenswerte  Altertümer  erst 
in  den  letzten  Zeiten  gesammelt  worden  sind,  teils  darauf,  daß  nur  bei  dem 
ersten  hier  beschriebenen  Verfahren  die  Formen  des  Bronzegusses  erhalten 
bleiben  können. 

Es  war  ein  Irrtum  zu  behaupten,  daß,  weil  die  in  Schweden  aufgefundenen 
Formen  nur  für  verhältnismäßig  einfache  und  grobe  Sachen  bestimmt  waren, 
feinere  Arbeiten  nicht  hier  im  Lande  ausgeführt  worden  seien.  Man  übersah 
eben  den  wichtigen  Umstand,  der  aus  der  soeben  gegebenen  Erklärung  der 
verschiedenen  Gußverfahren  hervorgeht,  nämlich  daß  nur  die  Formen  für  die 
einfachen  Sachen  erhalten  bleiben  konnten.  Dasselbe  gilt  auch  für  andere 
Länder,  nirgends  hat  man  Gußformen  für  unsere  feineren  Bronzen  gefunden. 

Andere  Funde,  die  uns  unmittelbar  kennen  lehren,  was  hier  im  Norden 
gemacht  wurde,  sind  auch  vorhanden.  So  hat  man  zu  verschiedenen  Malen 
Arbeiten  aus  der  Bronzezeit  gefunden,  die  nach  dem  Guß  nicht  abgeputzt  worden 
sind  oder  beim  Guß  mißlungen  waren.  So  fand  man  auf  Fünen  ein  Bronze- 
gefäß von  derselben  Form  wie  Fig.  116,  in  dem  noch  der  Tonkern  steckt, 
über  welchen  das  dünne  Metall  gegossen  wurde. 

Sind  das  immerhin  nur  vereinzelte  glückliche  Zufälle,  denen  wir  solche 
unmittelbare  Aufklärungen  verdanken,  so  können  wir  nicht  erwarten,  auf  diesem 
Wege  eine  vollständige  Kenntnis  von  dem,  was  hier  in  der  Bronzezeit  verfertigt 
wurde,  zu  erhalten.  Eine  solche  Kenntnis  wird  nur  dadurch  möglich,  daß  man 
die  bei  uns  gefundenen  Gegenstände  aus  dieser  Periode  darauf  untersucht,  wie 

i)  Montelius,  in  Bidrag  tili  kännedom  om  Bohusliins  fornminnen,   Bd.  I.  -    -' v  .  t'olg. 
2)  Antiquites  suedoises,  Fig.  209 — 212.  —    Montelius,   im   Manadsblad,    1872,   S.  «17;    vgl. 
ebenda,    1890,  S.   55,   56. 


jIO  Die  Bronzezeit. 

weit  sie  Typen  angehören,  die  hier  allgemein  waren,  in  anderen  Ländern  aber 
niemals  oder  doch  nur  äußerst  selten  vorkamen,  in  welchem  Fall  es  klar  ist, 
daß  diese  Typen  hier  einheimisch  und  alle  zu  ihnen  gehörenden  Gegenstände 
hier  verfertigt  sind. 

So  ist  zum  Beispiel  der  Fall  mit  Sägen  wie  die  Fig.  187  abgebildete.  Sie 
sind  bei  uns  in  sehr  großer  Anzahl  gefunden  worden,  außerhalb  des  Nordens 
aber  unbekannt.  Auch  hat  man  in  Schweden  und  Dänemark  bei  mehreren 
Gelegenheiten  Gußformen  von  Sägen  derselben  Form  (Fig.  186)  gefunden, 
wodurch  direkte  und  indirekte  Beweise  für  den  nordischen  Ursprung  dieser 
Werkzeuge  zugleich  gegeben  sind. 

Noch  ein  Umstand  kommt  hinzu,  der  mehr  Aufmerksamkeit  verdient,  als 
ihm  bisher  geschenkt  wurde.  Die  eben  erwähnten  Sägen  sind  eines  Typus, 
der  ersichtlich  aus  einer  anderen,  für  den  Norden  eigentümlichen  Form  von 
Bronzesägen  entstand,  und  diese  sind  ihrerseits  Nachbildungen  von  Feuerstein- 
sägen, die  nur  im  Norden  angetroffen  werden.1)  So  kann  man  die  ganze  Ent- 
wickelung  des  Typus  als  eine  rein  nordische  zurückverfolgen  und  damit  die 
Überzeugung  natürlich  noch  mehr  befestigen,  daß  diese  Bronzesägen  in  Skan- 
dinavien verfertigt  wurden. 

Auf  dieselbe  Weise  kann  man  feststellen,  daß  die  prächtigen  und  von 
nicht  geringer  Kunstfertigkeit  zeugenden  Bronzegefäße  von  der  Art  wie  Fig.  116 
und  163  skandinavische  Arbeiten  sind.  Man  hat  das  verneint  und  darauf  be- 
standen, daß  sie  aus  etruskischen  Werkstätten  hervorgegangen  sein  müßten, 
weil  sie  zu  gut  gearbeitet  seien  und  einen  zu  verfeinerten  Geschmack  verrieten, 
als  daß  sie  im  Norden  gearbeitet  sein  könnten.  Das  ist  aber  gar  kein  Grund, 
da  es  sich  um  eine  Zeit  handelt,  aus  der  man  von  der  Kunstfertigkeit  der 
Nordländer  nur  das  kennt,  was  eben  die  alten  Funde  selbst  ergeben.  Es  ist 
nunmehr  auch  allgemein  anerkannt,  daß  diese  Gefäße  hier  im  Norden  angefertigt 
wurden,  weil  die  fünf  folgenden  Umstände  einstimmig  das  beweisen : 

1.  Solche  Bronzegefäße  kommen  in  Skandinavien  und  in  dem  Teil  von 
Deutschland,  welcher  zum  nordischen  Gebiet  gehörte,  so  häufig  vor,  daß  man 
schon  mehr  als  2 50  Stück  kennt,  die  an  etwa  zweihundert  verschiedenen  Stellen 
von  Norwegen  bis  hinab  zur  Harzgegend  gefunden  worden  sind.  Dahingegen 
wurden  ähnliche  Gefäße  niemals  in  Italien  und  so  gut  wie  niemals  in  anderen 
Teilen  von  Europa  außer  dem  Norden  gefunden. 

2.  Man  kann  die  Entwickelung  dieses  der  jüngeren  Bronzezeit  angehörenden 
Typus  aus  einer  Form  verfolgen,  die  der  älteren  nordischen  Bronzezeit  an- 
gehört. Es  sind  nicht  nur  alle  die  verschiedenen  Entwickelungsformen  hier  auf- 
gefunden worden,  sondern  sie  erweisen  sich  auch  als  charakteristisch  für  den 
Norden,  da  sie  in  anderen  Ländern  unbekannt  sind. 

3.  Alle  diese  Bronzegefäße  sind,  wie  die  anderen  skandinavischen  Bronze- 
arbeiten aus  der  Bronzezeit,  gegossen;  die  gleichzeitigen  südeuropäischen  Bronze- 
gefäße sind  beinahe  alle  gehämmert. 


1)  Montelius,  im  Compte  rendu  du  Congres  de  Stockholm,    1874,  S.  494. 


Einheimische  Arbeiten.  j  ji 

4.  Die  Ornamente,  welche  die  nordischen  Gefäße  zieren,  gleichen  voll- 
kommen denen,  die  wir  auf  einer  ganzen  Menge  skandinavischer  Arbeiten  aus 
derselben  Zeit  sehen,  die  aber  nicht  in  Italien  und  anderen  Teilen  von  Europa 
vorkommen.  Sie  sind  gepunzt  und  nicht  getrieben,  wie  die  im  Süden  gewöhn- 
lichen Ornamente. 

Einige  von  unseren  Gefäßen  sind  mit  erhöhten  Punkten  und  konzentrischen 
Kreisen  verziert,  die  beim  ersten  Anblick  wie  getrieben  aussehen.  Aber,  wenn 
man  sie  aufmerksamer  betrachtet,  findet  man  bald,  daß  sie  durch  den  Guß 
hervorgebracht  sind.  Ohne  Zweifel  hat  man  es  hier  —  wie  auch  bei  einigen 
solchen  nordischen  Fibeln  wie  Fig.  160  —  mit  einer  Nachbildung  getriebener 
südeuropäischer  Arbeiten  zu  tun,  wie  sie  in  der  späteren  Bronzezeit  bei  uns 
eingeführt  wurden.  Also,  weit  entfernt,  einen  Stützpunkt  für  die  Ansicht  abzu- 
geben, daß  die  Gefäße  südlichen  Ursprungs  seien,  können  diese  Ornamente  als 
ein  weiterer  Beweis  dafür  gelten,  daß  jene  im  Norden  angefertigt  wurden.  Sie 
zeugen  zugleich  von  der  Geschicklichkeit,  mit  der  die  Nordländer  mit  ihrem 
Gießen  die  prächtigen  Arbeiten  nachzuahmen  verstanden,  die  sie  aus  den  süd- 
lichen Ländern  erhielten,  wo  die  Kunstfertigkeit  schon  bedeutende  Fortschritte 
gemacht  hatte,  und  wo  man  schon  längst  andere  Methoden  der  Bronzebearbeitung 
kannte  als  den  Guß,  der  noch  immer  die  einzige  war,  die  den  Nordländern 
bekannt  war. 

5.  Zu  all  diesen  Gründen,  die  an  sich  bereits  ausschlaggebend  sind,  kommt 
schließlich  noch  der  oben  besprochene  Fund  von  Fünen,  ein  noch  mit  dem 
inneren  Tonkern  gefülltes  Gefäß,  daß  beim  Guß  mißglückt  zu  sein  scheint. 
Ihm  fehlen  auch  die  reichen  Zierate,  die  sonst  solche  Gefäße  bedecken  und  die 
erst  nach  vollendetem  Guß  angebracht  wurden.  Eine  solche  halbfertige  und 
unbrauchbare  Arbeit  kann  nicht  auf  dem  langen  und  beschwerlichen  Weg  von 
Südeuropa  hierher  gebracht  worden  sein;  auch  würde  man  für  den  Transport 
doch  den  schweren,  noch  darin  festsitzenden,  ganz  wertlosen  Tonkern  ent- 
fernt haben. 

Ich  habe  diese  Frage  so  ausführlich  behandelt,  weil  es  für  die  Kenntnis 
des  Kulturzustandes  in  einem  Land  während  einer  gewissen  Zeit  von  großer 
Wichtigkeit  ist,  nicht  nur  zu  wissen  was  für  Gegenstände  im  Gebrauch  waren, 
sondern  welche  das  einheimische  Handwerk  imstande  war  hervorzubringen. 
Ein  Volk,  das  solche  Bronzegefäße  gießen  und  geschmackvoll  ornamentieren 
konnte,  wie  sie  Fig.  116  und  163  abgebildet  sind,  war  in  materieller  Kultur 
und  Kunstfieiß  schon  weit  vorgeschritten. 

Geht  man  nun  Typus  für  Typus  die  wichtigsten  in  Schweden  angetroffenen 
Altertümer  aus  der  Bronzezeit  durch,  so  findet  man,  daß  die  grolle   Mehrzahl 
im  Norden  angefertigt  ist,  und  daß  verhältnismäßig  nur  weniges  aus  fremden 
Ländern  stammt.     Auch  in  anderen  Teilen  Europas   hat   sich   die  Hauptmas 
der  gefundenen  Gegenstände  als  einheimisch  herausgestellt. 

Es  kann  wohl  unerwartet  sein,  daß  unsere  Vorfahren  schon  vor  3000  Jahren 
solche  gute  Arbeiten  zustande  bringen  konnten,  aber  die  Bronzezeit  ist  jetzt  in 


I  12 


Die  Bronzezeit. 


den  verschiedenen  Teilen  Europas  so  bekannt,    daß    die  Richtigkeit    des  eben 
Gesagten  nicht  angezweifelt  werden  kann. 

Das  angegebene  Resultat  ist  um  so  mehr  sicher,  als  nicht  nur  ein  einzelner 
Typus,  sondern  eine  ganze  Reihe  von  Typen,  alle  von  großer  Geschicklichkeit 
zeugend,  sich  als  im  Norden  einheimisch  erwiesen  haben. 

Noch  mehr  überraschend  ist  es  freilich,  daß  die  Nordländer  an  Geschmack 
und  in  der  Geschicklichkeit  Bronze  zu  gießen  sogar  alle  anderen  Bronzezeit- 
völker Europas  übertroffen  haben.  Ein  Schwert,  wie  es  Fig.  103  zeigt,  mit 
dem  feinen,  reich  verzierten  Griff,  Äxte  wie  Fig.  105  und  106,  oder  eine  hohl- 
gegossene Axt  wie  Fig.  229,  ein  Gefäß  wie  Fig.  163  und  ein  Gürtel  wie  Fig.  188, 
deren  eines  Glied  in  das  andere  gegossen  ist,  suchen  ihresgleichen;  ein  hellenischer 
Bronzegießer  aus  der  besten  klassischen  Zeit,  wo  das  Eisen  schon  seit  Jahr- 
hunderten in  allgemeinem  Gebrauch  bei  seinem  Volke  war,  hätte  sich  eines 
solchen  Werkes  nicht  zu  schämen  brauchen.     Darum  betrachten  wir  mit  Stolz 

diese  nordischen  Arbeiten  einer  Zeit,    die    so   weit 
vor  des  Perikles  Tagen  liegt. 

Ein  fühlbarer  Mangel  jener  Zeit  muß  freilich 
die  Unkenntnis,  wie  man  Metall  lötet,  gewesen  sein. 
Wenn  zwei  Stücke  Metall  zusammengefügt  werden 
sollten  oder  wenn  eine  Reparatur  nötig  war,  mußte 
man  sich,  wie  viele  noch  vorhandene  Arbeiten  be- 
weisen, entweder  mit  Nieten  behelfen  oder  auf  ganz 
grobe  Art  über  den  Sprung  Bronze  gießen. J) 

Knöpfe,  Schwertgriffe  und  andere  Gegenstände 
aus  Bronze  sind  manchmal  mit  Bernstein  eingelegt 
Noch  öfter  sind  jedoch  die  Bronzearbeiten  jener 
Zeit,  zum  Beispiel  die  Gefäße  und  Schwertgriffe, 
mit  Einlagen  von  einer  dunkelbraunen  harzartigen 
Masse  geschmückt,  die  auf  der  gelben,  beinahe  goldglänzenden  Bronze  gut  ge- 
wirkt haben  müssen.  Große  runde  Kuchen  von  dieser  Harzmasse,  —  die  im 
übrigen  für  verschiedene  andere  technische  Zwecke  benutzt  wurde,  —  werden 
nicht  selten  in  unsern  Torfmooren  gefunden.  Der  größte  uns  bekannte  Fund 
dieser  Art  wurde  1845  in  einem  kleinen  Torfmoor  bei  Tägarp  in  Skäne  ge- 
macht, wto  man  vierzehn  solche  Harzkuchen  auffand,  die  dicht  aneinander 
standen  und  in  der  Mitte  durchbohrt  waren;  sie  waren  sicher  zusammen- 
gebunden gewesen.2) 

Daß  die  Nordländer  ihre  Bronzesachen  mit  solchen  Harzeinlagen  schmückten, 
ist  offenbar  südlicher  Einfluß.  Im  Orient  übte  man  schon  früh  die  Kunst,  Ein- 
lagen von  Kupfer,  Silber,  Gold  und  Glasfluß  (Email)  in  Bronze  zu  machen. 

Vergoldung  war  wohl  noch  unbekannt.  Man  findet  indessen  zuweilen 
Bronzen  mit  dünnen  Goldplatten  belegt,  die  dadurch  festgehalten  werden,  daß 


188.    Ende  eines  Bronzegürtels 
mit  Stangenknopf;   von  zwei 
Seiten  gesehen.     Öland.     1|,. 


1)  Antiquites  suedoises,  Fig.  123  (Nieten)  und  231    (Guß). 

2)  Antiquites  suedoises,   Fig.  194. 


Einheimische  Arbeiten. 


113 


sie  um  den  Gegenstand  herumgebogen  sind.  Proben  davon  sind  die  beiden 
großen  Rronzeäxte  von  Skogstorp  (Fig.  229)  nebst  verschiedenen  Schwertgriffen, 
Nadeln,  Knöpfen  und  anderem  mehr. 

Eine  Menge  schwedischer  Bronzearbeiten  aus  der  Bronzezeit  sind  reich 
mit  Ornamenten  versehen,  von  denen  einige  schon  mit  dem  Gegenstand  selbst 
gegossen  waren;  die  meisten  sind  jedoch  gepunzt,  das  heißt  nach  dem  Guß 
durch  wiederholtes  Aufschlagen  auf  den  Kopf  einer  »Punze«,  eines  sehr  schmalen 
Meißels,  der  während  der  Arbeit  langsam  so  versetzt  wird,  wie  man  die  Orna- 
mente laufen  lassen  will,  hervorgebracht.  Daß  die  Zierate  wirklich  gepunzt 
sind,  wird  unter  anderem  dadurch  erwiesen,  daß  die  Rückseite  der  dünnen 
Bronze  den  vertieften  Ornamenten  entsprechende  Erhöhungen  zeigt. 

Man  hat  besonders  außerhalb  Skandinaviens  behauptet,  diese  Ornamente 
hätten  nur  mit  Sticheln  aus  Stahl  gearbeitet  werden  können,  was  man  als 
einen  endgültigen  Beweis  dafür  betrachtete,  daß  die  skandinavische  Auffassung 
der  Bronzezeit  unrichtig  sei.  Es  hat  sich  indessen  vor  mehreren  Jahren  durch 
Versuche  herausgestellt,  daß  solche  Ornamente  wirklich  mit  Punzen  aus  Bronze 
hergestellt  werden  konnten,  wenn  auch  selbst  sehr  geschickte  Arbeiter  langer 
Übung  bedürfen,  um  so  schöne  und  regelmäßige  Linien  zu  ziehen  wie  die 
Spiralen  auf  den  alten  Bronzen.  Bei  näherem  Nachforschen  hat  man  dann  auch 
solche  kleinen  bei  dieser  Arbeit  angewendeten  Bronzepunzen  entdeckt. 

Einige  in  Schweden  gefundene  Bronzen,  die  der  Bronzezeit  entstammen, 
sind  wohl  mit  getriebenen  Ornamenten  verziert,  d.  h.  die  Zierate  sind  mit  Hilfe 
eines  Hammers  in  ziemlich  dünner  Bronze  in  der  Weise  hervorgebracht,  daß  auf 
der  Vorderseite  erhabene  Figuren  gebildet  werden,  denen  Vertiefungen  auf  der 
Rückseite  entsprechen.  Aber  diese  Bronzen  sind  so  gut  wie  alle  aus  Südeuropa 
hierher  gebracht. 

Der  Reichtum  an  Zieraten,  den  die  nordischen  Bronzearbeiten  aufweisen, 
ist  um  so  mehr  bewunderungswürdig,  da  man  in  den  meisten  anderen  Ländern 
nichts  Entsprechendes  aus  der  eigentlichen  Bronzezeit  findet. 

Insofern  sind  die  Zierate  der  nordischen  Bronzezeit  denen  unserer  Stein- 
zeit ähnlich,  daß  sie  fast  alle  —  mit  wenigen  Ausnahmen  aus  dem  späteren 
und  spätesten  Teil  der  Periode  —  Linienornamente,  obgleich  nicht  nur  gerad- 
linig, sind.  Menschen  oder  Tiere  sind  äußerst  selten  abgebildet  (Fig.  109, 
110  und  190)  und  Pflanzenmotive  kommen,  soweit  wir  wissen,  niemals  aut 
Bronzen  jener  Zeit  vor.  Unsere  Bronzezeit  unterscheidet  sich  also  in  der 
Ornamentik  von  der  Eisenzeit,  in  welcher  stilisierte  Tierbilder  eine  hervor- 
ragende Rolle  spielten,  und  vom  Mittelalter,  wo  Pflanzenmotive  von  großer 
Bedeutung  waren. 

Gegossene  Menschen-  und  Tierfiguren  aus  der  Bronzezeit  gehören  zu  den 
Seltenheiten  (Fig.  191).  So  laufen  einige  Messergriffe  aus  der  älteren  Bronze- 
zeit in  deutlich  kennbaren  Pferdeköpfen  aus  (Fig.  189);  weil  dies  einheimische 
Arbeiten  sind,  wird  dadurch  bestätigt,  daß  das  Pferd  schon  in  jener  Zeit  bei 
uns  zu  Hause    war. 

Montelius,  Kulturgeschichte   Schwedens.  S 


H4 


Die  Bronzezeit. 


Ein  paar  Messergriffe  aus  dem  späteren  Teil  der  Periode  endigen  auch 
in  Menschenköpfen,  und  ein  in  Skäne  gefundener  solcher  Griff  (Fig.  192)  hat 
die  Form  eines  menschlichen  Oberkörpers.  Das  Messer  ist  ohne  Zweifel  hier 
im  Norden  angefertigt. 


189.    Bronzemesser  mit  Pferdekopf.     Öland.    1\1 


35=^ 


190.   Ornament.  Mecklenburg. 


192.    Bronzener  Messergriff, 
von  drei  Seiten  gesehen.    Skäne.    1j1. 


191.    Bronzenadel,  von  zwei 
Seiten  gesehen.    Gotland.  2|3. 


193.    Bronzestatuette,   von  zwei 
Seiten  gesehen;  massiv.    Skäne.   *|». 


Vor  einigen  Jahren  fand  man  bei  Stockhult  an  der  Grenze  zwischen  Skäne 
und  Smäland  außer  einer  Anzahl  anderer  prächtiger  Bronzen  aus  der  älteren 
Bronzezeit  zwei  ganz  gleiche  gegossene  Menschenfiguren  (Fig.  193).     Die  ange- 


Einheimische  Arbeiten.  j  t  C 

setzten  Arme  fehlten.  Die  Kopfbedeckung  ist  ein  Helm;  zwei  kleine  Löcher 
im  unteren  Teil  waren,  wie  es  scheint,  für  solche  hochstehenden  hornartig-en 
Helmverzierungen  bestimmt,  die  früher  besprochen  wurden;  wie  die  anderen 
zu  diesem  Funde  gehörenden  Sachen  sind  die  beiden  Figuren  offenbar  ein- 
heimische Arbeiten.1) 

Zur  selben  Zeit  wurden  in  Skäne  zwei  kleine  Tierbilder  (Fig.  194)  ge- 
funden, deren  Augen  aus  Bernstein  eingesetzt  sind.  Sie  sind  aus  Bronze  über 
einem  noch  vorhandenen  Kern  von  Ton  gegossen,  und  wurden  zusammen 
mit  mehreren  Bronzen  gefunden,  welche  zeigen,  daß  sie  mit  dem  Fund  von 
Stockhult  gleichzeitig  sind. 

*  :•: 

:=: 

Wir  haben  uns  überzeugt,  daß  die  meisten  der  im  Norden  gefundenen 
Bronzen  aus  der  Bronzezeit  hier  verfertigt  sind.  Und  doch  beruhte  diese  ganze 
einheimische  Industrie  auf  ununterbrochener  Zufuhr  eines  Rohmateriales,  das  aus 
fremden  Ländern  eingeführt  werden 
mußte. 

Die  in  Schweden  damals  verwen- 
dete Bronze  enthält,  wie  wir  gesehen 
haben,  gewöhnlich  ungefähr  90  Prozent 
Kupfer  und  10  Prozent  Zinn.2)  Kupfer 
gibt  es  wohl  hierzulande,  aber  nur  in  Erzen, 
die  man  erst  lange   nach  dem  Ende   der 

D  194.    Bronzenes    Iierbild;   Hohlguß. 

Bronzezeit    zu    behandeln    verstand,  und  Die  Augen  von  Bernstein.   Skäne.   i|,. 

Zinngruben     existieren     in   Skandinavien 

überhaupt  nicht.3)  Folglich  müssen  wir  alle  in  der  Bronzezeit  hier  angewen- 
dete Bronze  als  aus  anderen  Ländern  importiert  betrachten.  Da  reines 
Kupfer  und  reines  Zinn  in  unseren  Funden  aus  jener  Zeit  sehr  selten  vorkommen, 
so  ist  es  höchst  wahrscheinlich,  daß  die  meiste  Bronze  fertig  eingeführt  wurde, 
entweder  als  Barren  oder  als  Waffen,  Werkzeug,  Schmuck,  Gefäße  und  ähn- 
liches, das  später  hier  umgearbeitet  worden  ist. 

Die  im  Norden  verwendete  Bronze  kam  teils  von  den  Britischen  Inseln, 
teils  aus  Mitteleuropa.  Daß  der  Import  von  dort  viel  bedeutender  war  als  aus 
Westeuropa,  zeigt  das  in  unseren  Bronzesachen  oft  enthaltene  Nickel  (0,5  bis 
1,5  Prozent),  was  offenbar  als  Verunreinigung  des  Kupfers  zu  erklären  ist.  Eine 
so  starke  Beimischung  von  Nickel  ist  für  die  mitteleuropäischen  Kupfererzgruben 
charakteristisch,  während  Nickel  entweder  gar  nicht  oder  nur  in  sehr  kleinen 
Quantitäten  in  den  englischen  Kupfererzen  vorkommt. 

1)  In   dänischen  Torfmooren    hat  man  einige  Menschenbilder  von   Holz  gefunden,    die  wahr- 
inlich   aus   der  Bronzezeit  stammen.     Sie  stellen  Männer  (Götter)  vor,    deren   Geschlechtsorgane, 

wie  auf  den  Felsenzeichnungcn,  sehr  deutlich  angegeben  sind.  A.  Feddersen,  in  den  Aarböger  1. 
nord.   Oldkynd.,    18S1,   S.  369. 

2)  J.  Berzelius,    in  den  Annaler   for  nord.  Oldkynd.,    [836—37,   x.  104.   —   N.   1.  Berlin, 
da,    [852,  S.  249.  —   Montclius,  Die  Chronol  ältesten   Bronzezeit,  S.  22  —  J4. 

3)  H.  Hildebrand,  Om  Kassiteriderna  och  tennet  i  forntiden,  in  der  Antiqv.  tidskr.  f.   S 
Bd.  5,  S.  181  folg. 

8« 


jj6  Die  Bronzezeit. 

Da  die  Bronze  von  fernen  Ländern  geholt  werden  mußte,  war  sie  natür- 
lich teuer.  Wir  können  auch  sehen,  daß  man  sehr  sparsam  damit  umging. 
So  sind  z.  B.  die  Griffe  an  den  prächtigen  Schwertern  und  Dolchen,  von  der 
Art  wie  Fig.  103,  beinahe  niemals  massiv,  sondern  hohl  gegossen  über  einen 
Kern  von  Ton.  Wir  haben  auch  früher  erwähnt,  daß  man,  um  das  kostbare 
Metall  nicht  zu  vergeuden,  noch  lange  nach  Beginn  der  Bronzezeit  Feuerstein 
und  andere  Steinsorten  zu  Lanzen  und  Pfeilspitzen,  Streitäxten  und  dergleichen 
mehr  benutzte. 


Bisher  haben  wir  nur  die  Anfertigung  der  Bronzearbeiten  behandelt.  Die 
nordische  Bronzezeit  kannte  indessen  noch  ein  anderes  Metall,  nämlich  das 
Gold,  und  man  hat  an  mehreren  Stellen  in  Schweden  Gefäße,  Diademe,  Arm- 
bänder, Fingerringe  und  anderes  von  Gold  gefunden.  Viele  von  diesen  Sachen 
sind  ersichtlich  im  Norden  angefertigt,  weil  sie  Typen  angehören,  die  nur  hier 
vorkommen.  Bei  Bearbeitung  des  Goldes  spielte  der  Hammer  eine  größere 
Rolle  als  bei  Anfertigung  der  Bronzearbeiten. 

Wahrscheinlich  war  alles  Gold,  das  man  bei  uns  in  der  Bronzezeit  hatte, 
aus  anderen  Ländern  eingeführt,  besonders  von  Mitteleuropa  und  von  den 
Britischen  Inseln,  —  Irland  war  ein  sehr  goldreiches  Land,  —  wenngleich  es 
größtenteils  hier  umgearbeitet  wurde.1) 

Weil  alles  Metall,  Gold  wie  Bronze,  das  während  der  Bronzezeit  in  Schweden 
gebraucht  wurde,  aus  anderen  Teilen  Europas  eingeführt  wurde,  so  muß  unser 
Land  in  ununterbrochenem  und  lebhaftem  Verkehr  mit  jenen  Gegenden  ge- 
standen haben. 


4.  Bevölkerung.  —  Verkehr  mit  anderen  Ländern. 

Schon  vor  dem  Ende  der  Steinzeit  war,  wie  wir  gesehen  haben,  nicht 
nur  der  südlichste  Teil  Schwedens,  sondern  auch  große  Gebiete  des  übrigen 
Landes  von  unseren  Vorfahren  bewohnt.  Skäne  hatte  freilich  während  der 
Bronzezeit  eine  verhältnismäßig  stärkere  Bevölkerung  als  die  übrigen  Gegenden. 
Der  Unterschied  ist  aber  nicht  mehr  so  groß  wie  in  der  Steinzeit.  Die  Be- 
völkerung im  mittleren  Schweden  ist  offenbar  bedeutend  größer  geworden  als 
früher.  Auch  im  nördlichen  Schweden  kommen  Funde  aus  der  Bronzezeit  vor. 
Aus  dieser  Zeit  stammende  Wrohnplätze  sind  wohl  schwerer  zu  konstatieren 
als  aus  der  Steinzeit,  und  Gräber,  die  als  mit  Sicherheit  der  Bronzezeit  zuge- 
hörig betrachtet  werden  können,  sind,  so  viel  wir  kennen,  bis  jetzt  nicht  nörd- 
lich von  Wermland   und  Uppland  entdeckt  worden.     Bronzen  und    andere    der 


1)  Montelius,    im  Archiv  f.  Anthropol.,  XIX,  S.S.   —   Olshausen,    in    den  Verhandl.  d. 
Berl.  Anthrop.  Ges.,   1890,  S.  282. 


Bevölkerung. 


117 


skandinavischen    Bronzezeit    entstammende    Arbeiten    wurden    aber    dort    aus- 
gegraben, die  nördlichsten  in  Medelpad  (Fig.  195)  und  Ängermanland'). 

Die  Fig.  196  abgebil- 
dete, in  Lappland  gefundene 
Bronzeaxt  einer  Form,  die  in 
anderen  arktischen  Ländern 
vertreten  ist2),  muß,  wie  die 
oben  erwähnten  Schiefer- 
sachen (Fig.  96  und  97),  als 
lappländisch  betrachtet  wer- 
den. 

Mit  den  Gegenden  öst- 
lich vom  Bottnischen  Meer- 
busen stand  Schweden  zu 
jener  Zeit  in  reger  Verbindung. 
Man  hat  nämlich  in  Finnland, 
besonders  im  Süden  und 
Westen  dieses  Landes,  in  der 

Nähe     der    Finnischen     und 

196.  Bronzeaxt,  von  zwei 

Bottnischen  Meerbusen,    ver-    Seiten  geSehen.  Lappland.  2  , 

schiedene      Bronzealtertümer 

gefunden,   die  aus  Schweden   eingeführt  sind 3). 

Als  Folgen  einer  mehr  oder  minder  unmittelbaren 
Verbindung  mit  anderen  Ländern,  besonders  mit  dem 
mittleren  und  südlichen  Europa,  können  wir  eine  nicht 
geringe  Anzahl  in  Schweden  gefundener  Arbeiten  aus 
Bronze  und  Gold  betrachten,  die  unserer  Bronzezeit 
gehören.     Daß  diese  wirklich  fremden  Ursprungs  sind, 


1)  Montelius,  im  Compte  rendu  du  Congres  de  Stockholm, 
1874,  S.  510 — 12.  —  Derselbe,  in  der  Sv.  Fornm.-för«  tidskr.,  Bd.  4, 
S.  163  — 170;  Bd.  5,  S.  16  —  36;  Bd.  6,  S.  52 —  76  (die  in  den  Jahren 
1878  —  84  gemachten  Funde).  —  Derselbe,  Ilalländska  fornsaker  frän 
hednatiden,  in  der  Hailands  Fornminnes-Förenings  ärsskrift,  1S69  und 
1872.  —  Derselbe  und  Ekhoff,  Bohuslänska  fornsaker  frän  hednatiden. 
- —  Ekhoff  und  Gustafson,  Bohusläns  fasta  fornlemningar  fran 
hednatiden  (die  bronzezeitlichen  Gräber  und  Felsenzeichnungen  sind 
auf  den  Karten  angegeben).  —  Montelius,  Fynd  Iran  bronsäldern 
i  Kalmar  län,  in  der  Sv.  Fornm.-för*  tidskr.,  Bd.  4,  S.  259- 
—  G.  Gustafson,  Gotländska  bronsäldersfynd,  ebenda,  Bd.  6, 
S.  209 — 31.  —  Montelius,  Bronsäldern  i  oorra  och  mell' 
ige,  in  der  Antiqv.    tidskr.    f.    Sv.,   3.    —    B.  Salin,    im  Mänadsblad,    1S90,    S.   109  (Uppland, 

Gräber).  —  R.  Arpi,  in  Upplands  Fornminnesfbrenings   tidskrift,    Bd.  3,  S.  -24    (Uppland).   —   F.in 

in  Angrrmanland  gefundener  Bronzedolch   gehört  dem   Nationalmuseum. 

2)  A.  Hackman,  in  Studier  tillägnade  Oscar  Montelius,  S.  <>. 

3)  A.  O.  Heikel,  im  Mänadsblad,    iSss,  s.  74.   —     Hackman,  Die  Bronzezeit  Finnlands, 
in  der  Finska  Fornminnesföreningens  tidskrift,   XVII,   S.  391. 


195.   Großer  Bronzedolch; 
mit  Detail.   Medelpad.   1|2. 


n8 


Die  Bronzezeit. 


geht  daraus  hervor,  daß  sie  in  Form,  Ornament  und  Technik  mit  einer  Menge 
in  den  genannten  fremden  Ländern  gefundenen  Sachen  übereinstimmen,  während 
sie  sich  von  den  Arbeiten  unterscheiden,  die  nordischen  Ursprunges  sind. 


197.  Bronzeaxt,   mit  Schaftlappen; 
rvon  zwei  Seiten  gesehen  und  Durch 
schnitt.     Öland.   'U. 


198.  Schwertstab  von  Bronze. 

Skäne.  1|». 


200.    Bronzeband  mit  getriebenen  Ornamenten.    Södermanland.    3j4. 

Proben  solcher  bei  uns  aufgefundenen  ausländischen  Arbeiten  sind:  der 
Schwertstab  Fig.  198,  die  Bronzeaxt  Fig.  197,  die  Bronzenadel  Fig.  199  und 
das  Ortband  Fig.  203,  welche  aus  Deutschland  gekommen  sind. 


Verkehr  mit  anderen  Ländern. 


119 


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Aus  den  Alpengegenden  und 
Italien  stammen  das  Messer  Fig. 
204,  das  Band  mit  getriebenen 
Ornamenten  Fig.  200,  der  kleine 
bei  Ystad  in  Skäne  gefundene 
Bronzewagen  Fig.  201 1),  das  in 
einem  Torfmoor  bei  Bjärsjöholm 
in  derselben  Provinz  gefundene 
große  Bronzegefäß  Fig.  202 2), 
einige  andere  Bronzegefäße,  der 
in  Halland  gefundene  Bronzeschild 
Fig.  168,  verschiedene  Schwerter 
aus  Bronze  (Fig.  173,  175  und 
176),  und  andere  Gegenstände. 

Den  Verkehr  mit  dem  Süden 
beweisen  aber  nicht  nur  die  in 
Schweden  gefundenen,  aus  süd- 
lichen Ländern  importierten 
Gegenstände.     Ebenso    gute  Be- 

.  .  201.    Kleiner  Bronzewagen,  auf  dem  ein  jetzt  verloren 

Weise    Sind  auch  die   bei    uns    ver-  gegangenes   Bronzegefäß  befestigt  war.    Skäne.    \. 


202.    Italienisches  Bronzegefäß,   mit  Details.    Skane.     '  ,. 


1)  Ähnliche  Bronzewagen  mit  darauf  stehenden  Gefäßen  sind  in  Dänemark,  Mecklenburg  und 
Böhmen   gefunden  worden.     Montelius,    in   der  Sv.  Fornm.-för^  tidskr.,    Bd.  10,    S.  19  folg.     Vgl. 

Tndset,  in  der  Zeitschr.  f.  Ethnol.,   1890,  S.  49. 

2)  Ahnliche  Bronzegefäße  sind  in  Dänemark,  Norddeutschland,  Böhmen  und  Italien  gefunden  worden. 
Montelius,    im  Mänadsblad,    1889,    S.   125.    und    in  der  Sv.  Fomm.-föi*  tidskr.,    Bd.  IO,  S.  1  t 


120  Die  Bronzezeit. 

fertigten  Arbeiten,  welche  Nachbildungen  von  südlichen  Typen  sind.  Eine 
sehr  wichtige  Gruppe  dieser  Art  bilden  unsere  ältesten  Fibeln  (Fig.  146), 
welche  nach  den  gleichzeitigen  italienischen  Fibeln  (Fig.  205)  gebildet  sind. 
Andere  Beispiele  haben  wir  in  mehreren  Dolchen,  Schwertern1),  Gefäßen 
(Fig.  227)  usw. 

Wichtig  in  dieser  Beziehung  sind  ebenfalls  die  Ornamente.  Schon  in  der 
Steinzeit  haben  wir  Ornamente  kennen  gelernt,  die  aus  dem  Süden  gekommen 
sind  (Fig.  68  und  69).  Denselben  Ursprung  haben  die  in  der  älteren  Bronze- 
zeit hier  allgemeinen  Spiralen.  Man  kann  sie  nach  dem  östlichen  Mittelmeer- 
gebiet und  Ägypten  verfolgen  (Fig.  208  und  209) 2).  Aus  dem  Süden  stammen 
auch  das  Schnurornament  und  der  Mäander,  die  in  der  jüngeren  Bronzezeit 
hier  auftreten.  Wir  finden  nämlich  dieselben  Ornamente  in  Mitteleuropa  wie 
im  Mittelmeergebiet  wieder  (Fig.  112,    113,    163,   210 — 213)3). 

Wir  werden  sehen,  daß  in  der  Bronzezeit  wie  in  der  Steinzeit  die  Gräber- 
formen und  die  Behandlung  der  Toten  einen  starken  Einfluß  aus  dem  Süden 
zeigen.  Durch  ihre  Verbindung  mit  Mitteleuropa  lernten  unsere  Vorfahren 
endlich  auch  das  Eisen  kennen. 

Beweise  für  den  Verkehr  zwischen  dem  Norden  und  südlicheren  Ländern 
in  der  Bronzezeit  sind  ebenfalls  einige  nordische  Bronzen,  die  in  Süddeutsch- 
land, Frankreich  und  der  Schweiz  gefunden  worden  sind  (Fig.  206  und  207)  *), 
und  die  Funde  von  baltischem  Bernstein,  die  man  sogar  in  Griechenland  ge- 
macht hat.  So  lagen  in  den  reichen  Königsgräbern  innerhalb  der  Burg  von 
Mykenae  Hunderte  von  Bernsteinperlen,  welche,  wie  die  chemische  Analyse 
gezeigt  hat,  von  baltischem  Bernstein  sind5).  Sie  beweisen  folglich,  daß  schon 
um  die  Mitte  des  zweiten  vorchristlichen  Jahrtausends  der  Bernstein  von  dem 
Norden  bis  Griechenland  geführt  wurde. 


1)  Montelius,  Die  typologische  Methode,  S.  37  und  39.  —  Derselbe,  Sur  les  poignees  des 
epees  et  des  poignards  en  bronze,  im  Compte  rendu  du  Congres  de  Stockholm,    1874,  S.  882 — 923. 

2)  Montelius,  im  Mänadsblad,  1881,  S.  22.  —  Die  Chronologie  der  ältesten  Bronzezeit, 
S.  145   (Ägypten),    165  —  172   (Griechenland),    175   (Bosnien). 

3)  Montelius,  im  Mänadsblad,  1SS1,  S.  26.  —  Das  Schnurornament  ist  im  Norden  mehr 
oder  weniger  mißverstanden,  indem  die  beiden  umeinander  gewickelten  Bänder  nicht  so  gezeichnet 
sind,  wie  in  einer  wirklichen  Schnur:  die  verschiedenen  Teile  derselben  passen  nämlich  nicht  zu- 
sammen. Anfangs  hat  wohl  das  Band  überall  dieselbe  Breite;  später  werden  aber  die  Bänder  sehr 
unregelmäßig. 

4)  Montelius,  in  den  Materiaux  pour  l'histoire  de  l'homme,  1880,  S.  14.  —  Derselbe,  in 
L'Anthropologie,  1901,  S.  620.  —  Die  beiden  hier  (Fig.  206  und  207)  abgebildeten  Bronzen  ge- 
hören der  5.  Periode  der  nordischen  Bronzezeit  an  und  sind  mit  Arbeiten  aus  der  5.  Periode  der 
mitteleuropäischen  Bronzezeit  gefunden  worden.  In  Württemberg  wurde  ein  nordischer  Bronze- 
schmuck aus  der  4.  Periode  zusammen  mit  Arbeiten  aus  der  4.  Periode  der  mitteleuropäischen 
Bronzezeit  gefunden  (L'Anthropologie,  1901,  S.  618).  — In  Italien  sind  wohl  bis  jetzt  keine  sicheren 
Funde  von  nordischen  Bronzen  bekannt  (vgl.  Undset,  Nordische  Bronzen  in  Italien,  in  der  Zeit- 
schrift f.  Ethnologie,  1886,  S.  1  folg.);  es  ist  aber  gar  nicht  unmöglich,  daß  nordische  Arbeiten  nach 
Italien  kommen  konnten  zu  einer  Zeit,    wo    so  viele  italienische  Arbeiten  nach  dem  Norden  kamen. 

5)  O.  Helm,  in  Schliemanns  Tiryns,  S.  426.  Vgl.  Verhandl.  d.  Berliner  Anthropolog. 
Gesellsch.,   1901,  S.  403. 


Verkehr  mit  anderen  Ländern. 


121 


203.    Bronzenes  Ortband  einer  Schwertscheide. 
Öland.    l|ä. 


--  iaa 


207.    Bruchstücke  von   einem 

nordischen  Bronzegefäß. 

Frankreich.    'U. 


204.    Bronzemesser.    Skäne.     '    . 


205.     Bronzefibel.     Italien.    2 , 


208.    Spiralornament. 
Aegypten. 


206.    Nordisches  Bronzegefäß.    Schweiz,    % 


209.    Spiralornament.     Bosnien. 


10.    Schnurornament.    Cypern. 


C 


3 


f(G 


1 


3 


212.    Mäander.    Schweiz. 


:ii.    Schnurornament. 
Etrurien. 


.'  1  ;  .     Mäander.    Sk&n< 


122 


Die  Bronzezeit. 


Auch  von  einer  Verbindung  mit  den  Britischen  Inseln  zeugen  bemerkens- 
werte, wenn  auch  weniger  zahlreiche  Funde  (Fig.  214)1).  Solche  Schilde  wie 
Fig.  215  sind  wohl  nicht  aus  Schweden  bekannt,  aber  ein  ganz  ähnlicher  Schild 
ist  auf  einer  schwedischen  Felsenzeichnung  abgebildet  (Fig.  216). 


llllllllll  Jl 


214.    Englische  Bronzeaxt, 
mit  Querschnitt.    Skäne.    1|2. 


215.    Bronzeschild.     England.    1\0. 


\  • 'UMHIN!  Ulli  lll.ll'lliin  ; 


216.  Krieger  mit  solchem  Schild  wie  Fig.  215; 
auf  einer  Felsenzeichnung.    Bohuslän. 


Daß  die  fremden  Arbeiten  aus  der  Bronzezeit,  die  hier  im  Norden  an- 
getroffen wurden,  größtenteils  durch  den  Handel  hierherkamen,  ist  unzweifel- 

1)  Montelius,  Förbindelse  mellan  Skandinavien  och  vestra  Europa  före  Kristi  födelse,  in 
der  Svenska  Fornm.-för^  tidskr.,  Bd.  7,  S.  124  (1889).  —  Derselbe,  Verbindungen  zwischen  Skandi- 
navien und  dem  westlichen  Europa  vor  Christi  Geburt,  im  Archiv  f.  Anthropol.,  XIX  (189 1),  S.  1. 
—  Die   Chronologie  der  ältesten  Bronzezeit,  S.  122. 


Verkehr  mit  anderen  Ländern.  j23 

haft,  und  daß  die  verhältnismäßig  große  Bedeutung  des  Handels  schon  zu 
jener  Zeit  hauptsächlich  durch  den  reichen  Gewinn  an  Bernstein,  den  man  im 
Norden  fand,  bedingt  wurde,  haben  wir  gesehen. 

Der  Bernstein  kommt  in  großen  Mengen  teils  an  der  Westküste  von  Jüt- 
land  vor,  teils  an  der  Küste  von  Ostpreußen.  In  der  Bronzezeit  war,  wie  un- 
zweideutige Beweise  darlegen,  der  jütländische  Bernstein  für  den  Handel  viel 
wichtiger  als  der  preußische,  ein  Verhältnis,  das  sich  indessen  im  Laufe  des 
letzten  Jahrtausends  vor  Christi  Geburt  änderte 1). 

Der  Handel  zwischen  Süd-  und  Nordeuropa,  quer  durch  den  Kontinent, 
wurde  in  hohem  Maße  dadurch  erleichtert,  daß  unser  Weltteil  von  so  vielen 
Flüssen  in  dieser  Hauptrichtung  durchschnitten  wird.  Unter  diesen  Flüssen 
kommt  besonders  die  Elbe  mit  ihren  Nebenflüssen  in  Betracht,  und  zwar  nicht 
nur  wegen  der  Bedeutung  ihres  Wassersystems,  sondern  vor  allem,  weil  sie 
an  der  Basis  der  jütländischen  Halbinsel,  also  gerade  in  dem  Gebiet  ausmündet, 
das  der  damalige  Bernsteinhandel  vornehmlich  suchte.  Hierzu  kommt,  daß 
einer  der  größten  Nebenflüsse  der  Elbe,  die  Moldau,  in  seinem  Lauf  eine  Gegend 
durchkreuzt,  die  nur  wenige  Meilen  von  der  Donau  entfernt  und  nicht  durch 
hohe  Berge  vom  Talgang  dieses  Flusses  geschieden  ist. 

Einer  der  wichtigsten  Wege,  die  der  Handel  zwischen  Norditalien  und 
Nordeuropa  in  jenen  alten  Zeiten  ging,  ist  an  Etsch  und  Eisack  entlang,  durch 
Tirol  hinauf  bis  zum  Brennerpaß,  der  noch  heute,  wie  bekannt,  für  den  Ver- 
kehr zwischen  Italien  und  Europa  nördlich  der  Alpen  von  großer  Bedeutung 
ist.  Von  da  ging  es  hinunter,  erst  den  Sill,  einem  Zufluß  des  Inn,  und  danach 
den  Inn  entlang  bis  zur  Donau.  Wollte  man  dann  weiter  nach  dem  Norden, 
so  wählte  man  den  Donauweg  ungefähr  bis  dahin,  wo  heute  Linz  liegt.  Von 
hier  ging  man  zum  oberen  Lauf  der  Moldau  über  und  kam  so  längs  dieses 
Flusses  und  der  Elbe  zur  Nordseeküste.  Auch  die  anderen  nach  Norden 
fließenden  Ströme:  Weichsel,  Oder,  Weser  und  Rhein  wTaren  natürlich  schon 
früh  von  großer  Bedeutung  für  den  Handel,  doch  scheint  in  der  Zeit,  mit  der 
wir  uns  hier  beschäftigen,  der  Elbweg  für  den  Verkehr  mit  unseren  Gegenden 
der  wichtigste  gewesen  zu  sein.  Außer  dem  eben  genannten  Weg  längs  der 
Moldau  konnte  man  von  dem  Donaugebiet  zur  Elbe  auch  auf  einem  west- 
licheren Weg  gelangen,  der  erst  auf  die  Saale  traf  und  dann  diesem  Fluß  bis 
zu  seiner  Vereinigung  mit  der  Elbe  folgte. 

Manche  glauben,  daß  der  Handel  eine  sehr  lange  Zeit,  vielleicht  mehrere 
Menschenalter,  in  jenen  alten  Zeiten  brauchte,  um  die  Waren  von  Norditalien 
zu  unseren  nordischen  Gebieten  zu  befördern.     Dies  ist  jedoch  ein   Irrtum. 

Haben  wir  doch  gesehen,    daß    der  Weg    von  Italien    nach   dem   Norden 
schon  längst    geöffnet    war,    und  daß  ein  lebhafter  Tauschhandel  bestand,    der 
den  nordischen  Bernstein  nach  dem  Süden   und  Bronze,  unbearbeitet   oder  \ 
arbeitet,  Gold  und  andere  kostbaren  Sachen  nach  dem  Norden  brachte.    Selbst 
wenn  wir  gebührendermaßen   in   Betracht  ziehen,  daß  hier  nicht   die   Rede  von 

i)  Montelius,  im  Mänadsblad,  [88l,  S.  62.  —  Olshausen,  Der  alte  Bernsteinhandel  und 
die  Goldfunde,   in  deo  Verhandl.  d.  Berliner  Anthrop.  Gesellschaft,   1890,  S.  270;    [891,  S.  .■  ■ 


124 


Die  Bronzezeit. 


einem  direkten  Handel  zwischen  diesen  so  weit  auseinander  liegenden  Teilen 
von  Europa  sein  kann,  vielmehr  ein  Händler  die  Erzeugnisse  Italiens  vielleicht 
nur  bis  zum  Donautal  brachte,  ein  anderer  zum  Moldautal  oder  in  die  Gegend 
um  die  obere  Elbe,  ein  dritter  nach  Norddeutschland  und  ein  vierter  oder 
fünfter  nach  Dänemark  oder  Südschweden,  so  können  wir  doch  leicht  einsehen, 
daß  man  die  Zeit,  die  die  Waren  von  Norditalien  bis  zur  Südküste  der  Ostsee 
unterwegs  waren,  nach  Monaten  abschätzen  kann,  und  daß  ein  Zeitraum  von 
zwei  bis  drei  Jahren  mehr  als  genug  war,  um  bequem  eine  Ladung  Waren 
über  die  Alpen  nach  Norddeutschland  zu  transportieren.  Die  Entfernung  von 
der  nördlichsten  Küste  des  Adriatischen  Meeres  bis  zur  Eibmündung  ist  in  der 
Luftlinie  nicht  weiter  als  von  Ystad  nach  Umeä. 

Die  Erfahrungen  aus  anderen  Gegenden,  zu  einer  Zeit,  wo  sie  noch  un- 
berührt von  der  modernen  europäischen  Kultur  waren,  spricht  gleichfalls  dafür, 
daß  eine  solche  Strecke,  wenn  der  Weg  erst  einmal  für  den  Handel  offen  war, 
und  besonders  wenn  er  den  Flüssen  oder  Flußtälern  folgte,  in  einigen  Monaten, 
längstens  in  einem  Jahre,  zurückgelegt  werden  konnte. 

Damit  stimmen  die  Erzählungen  überein,  die  man  von  Handelsfahrten  im 
alten  Europa  hat.  Gewiß  hören  wir  da  viel  von  den  Beschwerden  und  Ge- 
fahren der  Reise,  weshalb  oft  viele  zusammen  fuhren,  wie  auch  heute  noch 
im  Karawanenverkehr,  um  sich  leichter  gegen  Räuber  zu  verteidigen  und  um 
sich  gegenseitig  beizustehen,  wo  das  Weiterkommen  noch  schwieriger  war  als 
gewöhnlich.  Aber  wir  erfahren  aus  diesen  Erzählungen,  daß  die  Zeit  selbst 
für  verhältnismäßig  lange  Fahrten  nach  Wochen  und  Monaten,  nicht  nach 
Jahren  berechnet  wurde.  Und  wir  bekommen  hierdurch  keineswegs  den  Ein- 
druck, als  ob  die  europäischen  Verkehrsverhältnisse  tausend  Jahre  vor  Christi 
Geburt  wesentlich  andere  gewesen  wären  als  im  Beginn  unserer  Zeitrechnung 
oder  tausend  Jahre  später,  d.  h.  daß  eine  Fahrt,  die  zur  Wikingerzeit  in  einem 
Monat  möglich  war,  in  unserer  Bronzezeit  viele  Monate  oder  gar  Jahre  ge- 
dauert hätte. 

Eine  dieser  Erzählungen  berührt  gerade  Schweden  in  der  Wikingerzeit. 
Meister  Adam  aus  Bremen  spricht  nämlich  davon,  daß,  wenn  man  den  Land- 
weg von  Skäne  über  Skara,  Teige  und  Birka  fährt,  so  käme  man  nach  einem 
Monat  nach  Sigtuna.  Aber  diese  Reise,  die  lange  Strecken  durch  wilde  Wälder 
ging,  war  fast  ebenso  weit  wie  die  Entfernung  von  Linz  bis  Hamburg. 

Ein  anderer  Bericht  schildert  den  Zinnhandel  zwischen  England  und  den 
Mittelmeerländern  über  Frankreich,  ehe  die  Römer  ihre  prächtigen  Wege  durch 
dieses  Land  legten.  Diodor,  der  zu  Cäsars  Zeit  lebte,  erzählt  nämlich,  wie  das 
Zinn  in  Booten  aus  Fellen  über  den  Kanal  und  dann  auf  Saumpferden  längs 
der  Flußtäler  nach  der  Küste  des  Mittelmeeres  gebracht  wurde.  Von  der 
Seinemündung  diesen  Fluß,  dann  Loire  und  Rhone  entlang  bis  Marseille  oder 
einen  anderen  Ort  nahe  der  Rhönemündung  brauchte  man  einen  Monat.  Nun 
ist  es  in  der  Luftlinie  von  Havre  bis  Marseille  ungefähr  dreiviertel  so  weit  wie 
von  Verona  bis  Hamburg.  Wenn  man  auf  letzterem  Weg  ebenso  schnell  vor- 
wärts kam,  wie  auf  ersterem,  —  und  die  Verhältnisse  waren   im  wesentlichen 


Verkehr  mit  anderen   Ländern. 


12: 


wohl  dieselben,  sobald  man  die  Alpen  überschritten  hatte,  —  so  würden,  selbst 
in  Berücksichtigung  der  Alpen  und  unvermeidlicher  Umwege,  kaum  mehr  als 
zwei  Monate  nötig  gewesen  sein,  um  vom  Adriatischen  Meer  an  die  Nordsee 
zu  kommen.  Rechnen  wir  nun  das  Sechsfache  oder  ein  ganzes  Jahr,  so  dürfte 
das  unter  allen  Umständen  hinreichen.  Will  man  aber  selbst  zwei  oder  drei 
Jahre  rechnen,  ist  es  immer  noch  eine  kurze,  nicht  zu  zählende  Zeit  im  Ver- 
gleich mit  den  Jahrtausenden,  die  zwischen  uns  und  der  Bronzezeit  liegen. 

Mit  alledem  sollte  natürlich  nur  gezeigt  werden,  daß  die  Waren  keine  so 
lange  Zeit  brauchten,  um  aus  Italien  hierher  zu  gelangen,  nicht  etwa,  daß  alle 
hier  gefundenen  südlichen  Arbeiten  in  so  kurzer  Zeit  hierher  gekommen  wären. 


217.    Schiff  mit  Kriegern;  auf  einer 
Felsenzeichnung.    Bohuslän. 


218.    Schiff  mit  6   Männern;   auf  einer 
Felsenzeichnung,    Bohuslän. 


219.    Schiff  mit   15   Männern;   auf  einer  Felsenzeichnung.    Bohuslän. 


Der  Verkehr,  in  dem  Schweden  damals  mit  dem  übrigen  Europa  stand, 
setzt  natürlich  Fahrzeuge  voraus,  da  ja  alle  Verbindungen  außer  mit  Norwegen 
über  See  führten.  Von  Fahrzeugen  aus  jener  Zeit  ist  nichts  mehr  vorhanden. 
Was  wir  über  ihre  Form  und  Größe  wissen,  verdanken  wir  den  Darstellungen 
auf  den  Felsenzeichnungen;  manchmal  finden  sich  solche  Darstellungen  auch 
auf  Messern  und  anderen  Gegenständen  aus  Bronze. 

Zuweilen  werden  menschliche  Figuren  als  Besatzung  des  Fahrzeuges  ge- 
zeichnet (Fig.  217  und  218),  aber  da  es  schwer  war,  in  den  harten  Felsen  eine 
Menge  solcher  kleinen  menschlichen  Figuren  abzubilden,  begnügte  man  sich 
gewöhnlich  damit,  die  Personen  der  Besatzung  nur  durch  senkrechte  Striche 
anzudeuten  (Fig.  219).  Manchmal  ist  die  Anzahl  dieser  Striche  recht  bedeutend, 
bis  zu  dreißig  und  mehr;  so  müssen  also  die  Fahrzeuge  schon  recht  ansehn- 
lich gewesen  sein. 

Wahrscheinlich  wurden  die  Fahrzeuge  nur  mit  Rudern  vorwärts  getrieben, 
wenigstens  findet  sich  in   den  Felsenbildern  weder  Mast  noch  Segel.     Hin  paar- 


I  25  Die  Bronzezeit. 

mal,  wenn  auch  äußerst  selten,  sieht  man  wohl  etwas,  das  vielleicht  als  Mast 
oder  Segel  gedeutet  werden  könnte,  aber  ganz  sichere  Abbildungen  davon 
dürften  sich  in  unserer  Bronzezeit  nicht  finden.  Wahrscheinlich  war  es  erst 
spät  in  der  Eisenzeit,  daß  die  Kunst  des  Segeins  bei  uns  bekannt  wurde. 
Allerdings  sind  auch  die  Ruder  nicht  auf  den  Felsenzeichnungen  abgebildet; 
doch  findet  man  sie  ein  paarmal,  und  es  war  doch  weit  schwerer,  auf  einem 
solchen  Bild  die  vielen  längs  der  Seite  des  Fahrzeuges  liegenden  Ruder  an- 
zubringen, als  einen  freistehenden  Mast  mit  Segel. 

Die  Vorder-  und  Hintersteven,  die  meistens  verschiedene  Form  haben, 
sind  sehr  hoch;  ersterer  scheint  zuweilen  in  einem  Tierkopf  zu  enden.  Vor 
dem  Steven  sieht  man  beinahe  immer  eine  schmale,  mehr  oder  minder  hoch 
nach  oben  gebogene  Spitze. 


5.    Felsenzeichnungen. 

Da  wir  das  meiste,  was  wir  von  den  Fahrzeugen  aus  der  Bronzezeit 
wissen,  den  Felsenzeichnungen  verdanken,  und  da  diese  Zeichnungen  uns  auch 
viele  andere  wertvolle  Aufklärungen  über  jene  Zeit  geben,  wollen  wir  noch 
einen  Augenblick  bei  diesen  merkwürdigen  Überresten  der  Vorzeit  verweilen  ). 

In  verschiedenen  schwedischen  Landschaften  sind  sehr  alte  Bilder  in  die 
während  der  Eiszeit  glattgeschliffenen  Granitfelsen  eingehauen,  die  Menschen, 
Tiere,  Fahrzeuge,  Waffen  und  anderes  mehr  zeigen  und  oft  beträchtliche  Flächen 
bedecken.  So  mißt  z.  B.  das  Bild,  das  Fig.  220  wiedergegeben  ist,  nicht  weniger 
als  7,50  m  Höhe  und   5   m  Breite. 

Einige  von  den  Felsen,  auf  denen  diese  Bilder  angebracht  sind,  haben 
eine  beinahe  wagerechte  Oberfläche,  aber  die  meisten  sind  mehr  oder  weniger 
abschüssig,  wenn  auch  niemals  senkrecht. 

Die  einzelnen  Figuren  sind  von  sehr  verschiedener  Größe.  Die  Menschen 
sind  gewöhnlich  40 — 50  cm  hoch,  aber  bisweilen  sind  Kämpfer  in  einer  Größe 
von  1,50  m  dargestellt,  und  bei  Lissleby  im  Kirchspiel  Tanum,  Bohuslän,  gibt 
es  eine  männliche  Figur  von  nicht  weniger  als  2,30  m  Länge. 

Die  Fahrzeuge  sind  selbstverständlich  in  einem  viel  kleineren  Verhältnis 
gezeichnet.  Ihre  Länge  ist  im  allgemeinen  nicht  größer  als  0,50  bis  1,50  m; 
einige  sind  aber  bis  zu  2,25   m  lang. 


1)  A.  E.  Holmberg,  Skandinaviens  hällristningar  (Stockholm,  1848).  —  C.  G.  Brunius, 
Försök  tili  förklaringar  öfver  hällristningar  (Lund,  1868).  —  B.  E.  Hildebrand,  in  der  Antiqv. 
tidskr.  f.  Sv.,  2  (1869).  —  Montelius,  im  Compte  rendu  du  Congres  de  Stockholm,  1874,  S.  453 — 74. 
—  N.  G.  Bruzelius,  ebenda,  S.  475 — 83.  —  Derselbe,  im  Antiqv.  tidskr.  f.  Sv.,  6.  —  P.  Olsson, 
im  Manadsblad,  1875,  S.  44  (Skäne).  —  C.  M.  Fürst,  ebenda,  1880,  S.  158  (Blekinge).  —  Mon- 
telius und  L.  Baltzer,  in  Bidrag  tili  kännedom  om  Bohusläns  fornminnen,  1  u.  2.  —  Baltzer, 
Glyphes  des  rochers  du  Bohuslän  (Göteborg,  1881— ;  vgl.  Manadsblad,  1881,  S.  89).  —  E.  Ekhoff, 
in  der  Sv.  Fornm.-förs  tidskr.,  8,  S.  102  (Westergötland).  —  E.  von  Ehrenheim,  in  Upplands 
Fomm.-för9  tidskr.,   3,  S.  228  (Uppland). 


Felsenzeichnungen. 


127 


Seit  beinahe  drei  Jahrhunderten   haben   die   nordischen  Altertumsforscher 
diese  merkwürdigen  Denkmäler  studiert;  die  erste  Abbildung  einer  Felsenzeich- 


. 


"^ifj?1.-'  > 


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» 


.    .  ■ 

220.    Felsenzeichnung.    Tegneby  in   Bohuslän. 

nung  stammt  aus  dem  Jahr  1627.     Es  haben   indessen   die  verschiedensten  An- 
sichten über  ihr  Alter  gegolten,    bis  man  in  letzter  Zeit   einig  wurde,    daß    sie 


128 


Die  Bronzezeit. 


der  Bronzezeit  angehören.  Viele  davon  schreiben  sich,  wie  man  aus  den 
Formen  der  abgebildeten  Äxte  und  Schwerter  (Fig.  178  und  221)  sehen  kann, 
aus  einem  sehr  frühen  Teil  dieser  Periode  her. 

Ahnliche  Bilder  sieht  man  auch  auf  der  Innenseite  der  Wandsteine  in 
einigen  der  ältesten  schwedischen  Grabkammern  aus  der  Bronzezeit.  Das 
merkwürdigste  dieser  Gräber  wurde  in  der  Mitte  des  achtzehnten  Jahrhunderts 
mitten  in  einem  ungewöhnlich  großen  Steinhügel  bei  Kivik  an  der  Ostküste 
Skänes,  nicht  weit  nördlich  von  Simrishamn,  gefunden.  Die  Grabkammer, 
deren  Längsrichtung  von  Nord  nach  Süd  geht,  mißt  4,15  m  Länge  und  0,90  m 

Breite;    die    Höhe    der  Wandsteine    beträgt    ungefähr 
1,20  m  (Fig.   124,   230  und  23 1)1). 

Solche  mit  Bildern  geschmückte  Wände  ähn- 
licher Gräber  findet  man  auch  an  anderen  Stellen  in 
Skäne,  und  vor  einigen  Jahren  wurden  ebensolche  in 
Södermanland  in  der  Nähe  von  Mälaren  entdeckt2). 


. 


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■  IV 


■•,W*' 


I 


i 


llt)  Die  meisten  bis  jetzt  bekannten  Felsenzeichnungen 

«Ä'l     finden  sich  in  Bohuslän,  Ostergötland  und  Skäne,  einige 
»*      auch   in  Blekinge,  Westergötland,  Dalsland,  Wermland 

.,"AJ,     .  o 

Tij      und  Uppland.     Aus  Angermanland  und  Jämtland  sind 
iv       einige  Felsenzeichnungen    bekannt;    es    ist  jedoch  un- 
I !        sicher,    ob  sie    derselben  Periode    angehören   wie    die 
jetzt  besprochenen  Denkmäler  in  den  südlichen  Land- 
schaften. 

In  Norwegen  hat  man  ebenfalls  eine  große 
Anzahl  Felsenzeichnungen  aus  der  Bronzezeit  kennen 
gelernt,  besonders  in  dem  Teil  von  Norwegen,  der  an 
Bohuslän  grenzt. 

Mit  der  Buchstabenschrift  noch  nicht  bekannt. 
21.  Schwert,  auf  einer  Felsen-  bedienten  sich  die  Nordländer  der  Bronzezeit  also 
Zeichnung.   Ostergötland.   1|.-.        .  .        „.,  .  .     .r  ,  .       .      ,  .    .    . 

einer  Art  Bilderschrift,  um  das  Andenken  an  wichtige 

Begebenheiten  zu  bewahren.  Das  ist  um  so  interessanter,  als  auch  die  mexi- 
kanischen Azteken,  die  ungeachtet  ihrer  hoch  entwickelten  Kultur  noch  bei 
Cortez'  Ankunft  im  Anfang  des  sechzehnten  Jahrhunderts  in  der  Bronzezeit 
lebten,  zwar  eine  Bilderschrift,  aber  keine  Buchstabenschrift  besaßen.  Andere 
Völker  in  Nordamerika  bedienen  sich  noch  einer  Bilderschrift  (Fig.  222) 3).  Im 
Norden  wie  in  Amerika  lebte  wohl  neben  dieser  Bildschrift  eine  mündliche 
Überlieferung,  die  zum  Verständnis  notwendig  war.  Diese  Tradition  ist  un- 
wiederbringlich verloren,    und    so    ist   die  Hoffnung  gering,    jemals    die    dunkle 


\i 


1. 


X4^fc4  YNsiWfaw.OV^    ! 


1)  N ilssou,    Die    Ureinwohner    des    Skandinavischen    Nordens.      Das    Bronzealter.      2.   Aufl. 

(1866),  s.  5. 

2)  Montelius,   in  der  Sv.  Fornm.-förs  tidskr.,   Bd.  io,   S.  189. 

3)  G.   Mallery,   Pictographs  of  the   North  American  Indians,   in   dem  Fourth   Annual  Report 
of  the  Bureau  of  Ethnology  to  the  Secretary  of  the  Smithsonian  Institution,  1882  —  83  (Washington,  1886). 


Felsenzeichnungen.  j  20 

Sprache  unserer  Felsbilder  vollständig  zu  deuten.  Doch  sind  diese  Bilder  nicht 
ganz  und  gar  unverständlich,  wenn  wir  nur  nicht  zu  viel  von  ihnen  verlangen, 
Sie  erzählen  von  friedlichen  Beschäftigungen  und  kriegerischen  Taten,  sie  reden 
von  Fahrzeugen  und  Seefahrt,  von  Landwirtschaft  und  Viehzucht,  von  Gebrauch 
der  Pferde  zum  Reiten  und  Fahren  und  anderes  mehr. 

Felsenzeichnungen  dieser  Art  sind  im  übrigen  Europa  sehr  selten;  einige 
in  den  Alpengegenden  des  nordwestlichen  Italien  vorkommenden  stammen 
ebenfalls  aus  einem  sehr  frühen  Teil  der  Bronzezeit. l) 

Außerhalb  Europas  findet  man  sie  in  verschiedenen  Ländern,  so  in 
Amerika,  Australien,  Südafrika  und  Sibirien.  Auch  Ägypten  und  das  westliche 
Asien  haben  historische  Bilder  in  Felsen  gehauen;  einige  ägyptische  Dar- 
stellungen ähneln  unseren  Felsenzeichnungen  sehr,  gehören  aber  einer  noch 
älteren  Zeit  an.  Die  meisten  fremden  Felsenzeichnungen  sind  indessen  von 
Völkern  ausgeführt,  die  auf  einer  bedeutend  höheren  Entwickelungsstufe  standen 
als  die  Schweden  in  der  Bronzezeit.  Nichtsdestoweniger  können  wir  diese 
Bilder  miteinander  vergleichen.  Allen  liegt  derselbe  Gedanke  zugrunde,  der- 
selbe Wunsch,  merkwürdige  Ereignisse  festzuhalten.  Nur  die  Kunstfertigkeit 
ist  verschieden. 

12  345«7  8  9  10  11  12 

222.    Moderne  Bildschrift.    Nordamerika.2) 


6.    Gräber.  —  Religion. 

In  der  Bronzezeit  wurde  gewöhnlich  über  dem  Grabe  ein  Hügel  von  Erde 
oder  Steinen  aufgeworfen.  Sehr  oft  ist  das  in  der  Mitte  des  Hügels  liegende 
Grab  von  einem  kleineren  Steinhaufen  bedeckt,    und   darüber   liegt   eine  starke 


1)  Montelius,  La  civilisation  primitive  en  Italie,  Taf.    127. 

2)  Die  aus  Alaska  stammende  Originalzeichnung  wurde  im  Jahre  1882  erworben  mit  folgender 
Erklärung  eines  Eingeborenen:  I.  Der  Berichterstatter,  sich  selbst  mit  der  rechten  Hand  bezeichnend 
und  mit  der  linken  die  Richtung  angebend.  —  2.  Derselbe,  ein  Ruder  haltend  (Bootfahrt).  —  3.  Die 
rechte  Hand  beim  Kopfe  (Schlaf),  die  linke  mit  einem  Finger  (eine  Nacht).  —  4.  Kreis  mit  einem 
Punkt  (eine  Insel  mit  Hütten).  —  5.  Wie  1.  —  6.  Kreis  (eine  andere  Insel).  —  7.  Wie  3,  aber 
mit  zwei  Fingern  (zwei  Nächte).  —  8.  Eine  Harpune  in  der  rechten  Hand,  die  linke  auf  einen  See- 
löwen (9)  zeigend.  —  IO.  Bogenschießen.  —  II.  Boot  mit  zwei  Ruderern.  —  12.  Hütte  (Winl 
wohnung).  Übersetzung  des  Ganzen:  »Ich  fahre  mit  meinem  Boot  auf  einer  Insel  zu  übernachten; 
seitdem  fahre  ich  nach  einer  anderen  Insel,  um  zwei  Nächte  da  zu  schlafen;  ich  töte  ein  -  wen 
und  kehre  zurück  nach  Hause«. 

Die  Eingeborenen  bedienen  sich  solcher  Zeichnungen,    um    ihren   Freunden    von    einer  bi 
stehenden  Reise  Nachricht  zu  geben.     Die  Bilder  sind  auf  einem  Stück   Hol/,  gemalt,    das    man  aul 
einem  augenfälligen  Platz  beim  Eingange  der  Hütte  aufstellt   (vgl.   Hoffmann,  Transactions  of  the 
Anthropol.   Society,   Washington,    1883,   S.  134). 

Montelius,  Kulturgeschichte  Schwedens.  9 


130 


Die  Bronzezeit. 


Erdschicht1).  Oft  findet  man  in  solchen  Hügeln  außer  dem  ursprünglichen 
Grab  in  der  Mitte  noch  andere  spätere  Gräber  aus  der  Bronzezeit  (Fig.  1 1 8), 
oder  sogar  aus  der  älteren  Eisenzeit.  Nicht  selten  findet  man  in  der  Mitte  des 
Grabhügels  ein  Grab  aus  der  Steinzeit  (Fig.  224);  der  größte  Teil  des  Hügels 
stammt  jedoch,  wie  wir  oben  (S.  47)  gesehen  haben,  aus  der  Bronzezeit. 

Die  meisten  Gräber  aus  jener  Zeit  liegen  auf  Anhöhen  mit  Aussicht  über 
das  Meer  oder  anderes  Wasser.  Die  meisten  Steinhügel  finden  sich  auf  hohen 
Bergen,  und  es  muß  eine  außerordentliche  Mühe  gekostet  haben,  die  vielen  Steine, 
die  einen  solchen  Hügel  bildeten,  auf  die  Berghöhen  zu  schaffen  (Fig.   223). 

Alle  Fälle,  in  denen,  wie  bei  dem  auf  Seite  90  beschriebenen  Fund,  das 
Grab  in  demselben  Zustand  erhalten  ist,  in  dem  es  zugeschlossen  wurde,  er- 
geben, daß  die  Leichen  vollständig  bekleidet  in  die  Särge  gelegt  wurden,    die 


223.    Grabhügel  von  Stein.    Bohuslän. 

Männer  gewöhnlich  mit  einer  Mütze  auf  dem  Kopf.  Über  den  im  Tode 
Schlummernden  wurde  der  Mantel  gebreitet  und  dieser  wieder  mit  einer  Tier- 
haut bedeckt,  die  manchmal  alles  einhüllte.  Ob  die  Häute  von  Ochsen  oder 
Kühen  genommen  wTurden,  läßt  sich  nicht  ersehen;  unseren  Vorfahren  ver- 
wandte Völker,  wie  z.  B.  die  Inder,  hüllten  ihre  Leichen  in  Kuhhäute  ein. 

Solche  Gräber  mit  unverbrannten  Leichen  aus  unserer  Bronzezeit  sind  oft 
reich  ausgestattet.  An  der  Seite  des  Mannes  liegen  seine  Waffen,  die  Frau  ist 
mit  ihrem  Schmuck  angetan2).  In  vielen  Gräbern  stehen  außerdem  —  wie  in 
den  Gräbern  der  Steinzeit  und  der  Eisenzeit  —  Gefäße  aus  Ton  oder  aus  Holz, 
die  vermutlich  einst  Nahrungsmittel  enthielten. 


1)  Einige  schwedische  Gräber  aus  der  Bronzezeit  sind  oben  (S.  79,  90)  erwähnt.  Beschreibungen 
von  einigen  anderen  findet  man  in  Iduna,  7  (Stockholm,  181 7),  S.  189  (Bosgärden  in  Skäne),  in 
der  Antiqv.  tidskr.  f.  Sv.,  1,  S.  230  (Bäckaryd  in  Smäland);  Mänadsblad,  1884,  S.  163  (Hyllie  in 
Skäne);  Sv.  Fornm.-förs  tidskr.,  Bd.  5,  S.  16  —  24  (Stora  Köpinge  und  Ramlösa  in  Skäne,  Eldsberga 
und  Söndrum  in  Halland),  Bd.  6,  S.  58 — 65  (Löddesborg  und  Ramlösa  in  Skäne,  Eldsberga  in 
Halland);  Hallands  Fornminnesförenings  ärsskrift ,  1869,  S.  75  — 118  (Dömmestorp  in  Halland): 
Retzius,   Crania  suecica  antiqua,  S.  67 — 77. 

2)  K.  Bahnson,  Sepultures  d'hommes  et  de  femmes  de  l'äge  du  bronze,  in  den  Memoire? 
de  la  Soc.   des  Antiqu.   du  Nord,    1887,   S.  251. 


Gräber. 


131 


Zu  der  Zeit,  als  man  die  Leichen  verbrannte,  wurden  die  vom  Scheiter- 
haufen zusammengesuchten  Stücke  weißgebrannter  Knochen  von  Erde  und 
Kohle  gereinigt,  ehe  sie  in  das  Grab,  oft  ein  Tongefäß  (Fig.  226 — 228),  gelegt 
wurden.  Im  allgemeinen  enthalten  die  Gräber  jener  Zeit  nicht  so  viele  und 
kostbare  Gegenstände  wie  die  aus  der  älteren  Zeit.  Besonders  findet  man 
dort  selten  Waffen.     An  Stelle   des   in  der   älteren  Bronzezeit  allgemeinen  Ge- 


224.    Grabhügel  bei  Eldsberga  in  Hailand.1) 


brauches,  an  die  Seite  des  toten  Kriegers  sein  Schwert  zu  legen,  findet  man 
bisweilen  in  der  jüngeren  Bronzezeit  aus  Bronze  gefertigte  Miniaturnachbildun^en 
von  Schwertern.  Vielleicht  war  in  den  Gräbern  für  die  wirklichen  Waffen  kein 
Platz,  vielleicht  hielten  aber  auch  die  Hinterbliebenen  es  für  unnötig,  sich  des 
Toten  halber  brauchbarer  Waffen  zu  entledigen,  und  ersetzten  sie  durch  die 
kleinen  Nachbildungen,  um  nicht  ganz  mit  der  traditionellen  Sitte  zu  brechen. 
Man  könnte  aber  auch  an  die  Vorstellungen  anderer  Völker  auf  gleicher  Kultur- 

1)   Bei   dem  von   einem   niedrigen   Hügel   umgebenen  Ganggrab    wurde  in   der  älteren   Bronze- 
zeit zwei   eichene  Särge  gestellt  und   von  einem  großen   Hügel   bedeckt,   dessen  Kern   von  Rollstcinen 
gebildet  war.      Aus  der  späteren  Bronzezeit  stammen  einige  Gräber  mit  gebrannten  Knochen,  dii 
den   Hügel  hincin^esetzt  wurden.     Montelius,   Der  Orient  und   Europa,  S.    122. 

9* 


132 


Die  Bronzezeit. 


stufe  denken,  wonach  die  Seele  des  Schwertes  der  Seele  des  Toten  in  die 
andere  Welt  folgte,  wenn  nur  ein  Abbild  dieser  Waffe  neben  dem  Toten 
niedergelegt  wurde.  Dafür  spricht,  daß  man  in  einem  Grab  in  Skäne  aus  der 
fünften  Periode,  als  das  Eisen  hier  noch  sehr  selten  und  teuer  war,  ein  Miniatur- 
schwert aus  Eisen  fand  (Fig.  225).  Denn  in  diesem  Fall  können  Sparsamkeits- 
rücksichten nicht  mitgesprochen  haben. 

Schon  in  der  Steinzeit  machte  sich,  wie  wir  gesehen  haben,  ein  Einfluß  der 
südlichen  Völker  auf  die  nordischen  Grabformen  bemerkbar.  Die  Dolmen  und 
dann  die  Ganggräber  waren  durch  einen  solchen  Einfluß  hier  allgemein  ge- 
worden. Ebenso  treffen  wir  auch  in  der  Bronzezeit  zu  verschiedenen  Zeiten 
Beweise  für  einen  fremden  Einfluß  in  bezug  auf  die  Grabgebräuche  an. 

In  der  älteren  Bronzezeit  wurde  es  in  Skandinavien,  wie  in  vielen 
anderen  Ländern1),  üblich,  über  dem  Grab  einen  mächtigen  Hügel 
aus  Erde  oder  Steinen  aufzuwerfen,  der  durch  seine  Größe  sich  von 
den  niedrigen  Grabhügeln  um  die  Steingrabkammern  der  Steinzeit 
augenfällig  unterscheidet. 

Gegen  Ende  der  Bronzezeit  tritt  auch  bei  uns  die  in  süd- 
licheren Teilen  Europas  zur  selben  Zeit  allgemeine  Sitte  auf,  die 
Reste  der  verbrannten  Leichen  in  Tongefäßen  zu  bestatten,  ohne 
daß  irgend  ein  Hügel  die  Stätte  des  Grabes  angab.  Mehrfach  hat 
man  solche  Tongefäße  an  Stellen  gefunden,  wo  der  Boden  ganz 
eben  war  und  nichts  den  Begräbnisplatz  ahnen  ließ.  In  Mittel- 
europa und  Norditalien  sind  ähnliche  Gräberfelder  zur  selben  Zeit 
gebräuchlich  gewesen. 

225.  Symbo-  £)er  Zusammenhang  mit  dem  Süden   zeigt    sich    auch    in    der 

lischesSchwert  t-«  .    ,         ™  r-n  j-        ■  ••<.  r>  1 

.borm    vieler    longelaße,     die    in    unserer    spateren    Bronzezeit    als 
aus  Eisen.  ° 

Skäne   V      Aschenurnen  gebraucht  wurden. 

So  hat  man  in  Schweden,  Dänemark  und  in  dem  norddeutschen 
Gebiet  um  die  untere  Elbe  mehrere  Tongefäße  gefunden,  deren  Form  für  ein  Gefäß 
sehr  auffallend  ist,  indem  sie  mehr  oder  weniger  treue  Abbildungen  einer  Hütte 
sind  mit  Tür  und  Dach  (Fig.  132  und  228).  Ahnliche  »Hausurnen«  kommen 
in  Mittelitalien  vor 2).  Die  Idee  derselben  ist  offenbar,  den  Überresten  des  auf 
dem  Scheiterhaufen  Verbrannten  eine  letzte  Ruhestätte  zu  geben,  die  in  der 
Form  der  Hütte  möglichst  glich,  in  welcher  der  Lebende  gewohnt  hatte.  Ver- 
gleicht man  die  nordischen  und  italienischen  Hausurnen,  zeigt  sich  indessen, 
daß  jene  —  besonders  solche  wie  die  Fig.  132  abgebildete  aus  Norddeutschland, 
mit  sehr  hohem  Dache  —  nicht  Nachbildungen  der  italienischen  Hausurnen 
sein  können,    sondern   daß   ihnen   nur  die  Idee  gemeinsam  ist.     Hier,  wie  auch 


1)  So  hat  man  z.  B.  in  den  Kaukasusländern  große  Grabhügel  aus  der  Bronzezeit  entdeckt, 
welche  wie  die  nordischen  aus  einem  von  Erde  bedeckten  Steinkern  bestehen.  Verh.  d.  Berl.  Anthr. 
Ges.,   1896,  S.  80;    1898,  S.  322;    1901,  S.  129. 

2)  Montelius,  La  civilisation  primitive  en  Italie,  Taf.  133  und  134  A  (Rom),  135 — 40 
(Latium),    175   (Vetulonia),  275  (Corneto). 


Gräber. 


133 


227.  Tongefäß. 
Blekinge.    1ji 


bei  den  Dolmen  und  Ganggräbern,  ist  es  die  Idee,  die  aus  dem  fremden  Lande 
übernommen  wurde. 

Auch  sonst  kann  man  den  Einfluß  Italiens  auf  den  Norden  in  der  Bronze- 
zeit konstatieren.  Mehrere  unserer  Tongefäße  aus  dem  späteren  Teil  dieser 
Periode,  die  gebrannte  Knochen  enthielten,  zeigen  in  ihrer  bikonischen  Form 
(Fig.  227)  große  Ähnlichkeit 


mit  denjenigen,  die  in  Italien 
für  die  Übergangszeit  von 
der  Bronze  zum  Eisen,  die  in 
Italien  sogenannte  Villanova- 
zeit, charakteristisch  sind1). 
Die  Ähnlichkeit  ist  so  groß, 
auch  in  bezug  auf  die  um- 
gekehrten Schälchen,  die  als 
Deckel  dienten,  daß  die  nor- 
dischen Tongefäße  zweifel- 
los als  Nachbildungen  der 
italienischen  anzusehen  sind. 

Wichtiger  noch  als 
alles  dies  ist  es,  daß  einige 
hundert  Jahre  nach  Beginn 
der  Bronzezeit  unsere  Vor- 
fahren zu  einer  ganz  und  gar 
verändertemBehandlung  der 
Verstorbenen  übergingen. 

Im  Anfang  der  Bronze- 
zeit wurden  nämlich  diese 
unverbrannt  bestattet,  wie 
in  der  Steinzeit.  Aber  in  der 
zweiten  Periode  der  Bronze- 
zeit, um  die  Mitte  des 
zweiten  Jahrtausends  vor 
Christi  Geburt,  fängt  man 
bei  uns  an,  die  Toten  zu 
verbrennen,  und  bald  wurde 
dies   allgemein.     Auch  hier 


226.  Tongefäß.    Skäne.    1/5. 


228.   Hausurne   von   bemaltem   Ton.     Skäne. 


machte    sich    unverkennbar 
ein  Einfluß  aus  dem  Süden 

geltend,  da  die  Leichenverbrennung  gerade  in  den  Ländern,  mit  denen  der 
Norden  in  Verbindung  stand,  zur  selben  Zeit  oder  kurz  vorher  allgemein  herr- 
schend wurde. 

Diese    Veränderung    ist    in    höchstem    Grade    auffallend.     Früher    suchte 
man,    den  Toten  eine  sichere  Ruhestätte  im  Grab  zu  bereiten,   und  gab  ihnen 

i)   La  (Zivilisation   primitive    en   Italic,   Tal".  41,    93,   94. 


j  ->  i  Die  Bronzezeit. 

für  die  Fahrt  ins  Jenseits  alles  mit,  was  man  für  nötig  hielt,  da  man  sich  das 
Leben  dort  ungefähr  als  eine  Fortsetzung  des  diesseitigen  Lebens  vorstellte. 
Nun  läßt  man  das  Feuer  in  einer  kurzen  Stunde  den  ganzen  Körper  verzehren. 

Man  hat  verschiedene  Erklärungen  für  diese  Veränderung  versucht.  Einige 
halten  dafür,  daß  man  sich  gegen  die  Gefahr  sichern  wollte,  daß  der  Tote 
»umgehe«  und  die  Lebenden  quäle  oder  ihnen  schade.  Andere  stellen  sich 
vor,  daß  man  durch  die  Zerstörung  des  Körpers  der  Seele  erleichtern  .zu 
können  vermeinte,  sich  vom  Irdischen  zu  lösen.  Dafür  kann  angeführt  werden, 
daß  man  von  amerikanischen  Völkern,  die  ihre  Toten  verbrannten,  wirklich 
weiß,  daß  sie  es  taten,  um  die  Seele  zu  befreien,  damit  sie,  losgelöst  von  dem 
Körper,  in  der  anderen  Welt  weiter  leben  könne.  Ähnliche  Vorstellungen 
treffen  wir  im  homerischen  Griechenland.  Und  aus  Nordeuropa,  wenn  auch 
aus  späterer  Zeit,  haben  wir  eine  Bestätigung  dieser  Erklärung.  Wir  kennen 
ein  Zwiegespräch  zwischen  zwei  Männern,  während  das  Feuer  des  Scheiter- 
haufens eine  Leiche  verzehrte.  Der  eine  gehört  einem  Volke  an,  das  die 
Leichen  unverbrannt  beerdigte;  der  andere  einem  Volk,  das  die  Toten  ver- 
brannte. Der  letztere  sagt:  »Ihr  seid  doch  ein  dummes  Volk.  Ihr  nehmt  den 
Mann,  der  euch  von  allen  der  liebste  und  geehrteste  ist,  und  werft  ihn  in  die 
Erde,  wo  ihn  kriechende  Tiere  und  Würmer  fressen.  Wir  hingegen  verbrennen 
ihn  in  einer  kurzen  Stunde,  so  daß  er  unmittelbar  und  ohne  langes  Warten  in 
das  Paradies  eingeht.«  Darauf  setzt  er,  vor  Freude  lachend,  hinzu:  »Die  Liebe, 
die  sein  Herr  und  Gott  für  ihn  hegt,  macht,  daß  der  Wind  schon  bläst  und 
ihn  in  einem  Augenblicke  mit  sich  nimmt.«  Das  Gespräch  hat  der  Mann 
aus  dem  Land  aufgezeichnet,   in   dem  man  die  Leichen  unverbrannt  beerdigte. 

Mögen  die  Ursachen  nun  gewesen  sein,  welche  sie  wollen,  sicher  ist,  daß 
die  Leichenverbrennung  eine  Revolution  oder  Evolution  in  den  Vorstellungen 
über  das  Leben  nach  dem  Tod  bedeutet. 

Eine  solche  Evolution  hat  jedoch  nicht  bei  allen  Völkern  stattgefunden. 
In  Ägypten  und  in  Palästina  hat  man  die  Bestattung  beibehalten;  und  da  das 
Christentum  in  einem  Volk  entstand,  das  seine  Toten  nicht  verbrannte,  ist  auch 
das  Begraben  unverbrannter  Leichen  für  die  christliche  Kirche  die  einzige  Be- 
stattungsart geblieben. 

Von  so  viel  größerer  Bedeutung  war  die  Leichenverbrennung  für  die 
arischen,  die  indogermanischen  Völker,  zu  denen  unsere  Vorfahren  gehörten. 
Bei  den  arischen  Völkern  scheint  man  mit  Verbrennung  der  Toten  kurz  vor 
Mitte  des  zweiten  Jahrtausends  vor  Christus  angefangen  zu  haben,  also  nicht 
lange,  ehe  diese  Sitte  hier  im  Norden  aufkam.1) 

Wir  haben  besonderes  Gewicht  darauf  zu  legen,  daß  die  Einführung  der 
Leichenverbrennung  keineswegs  bedeutet,  daß  der  Glaube  an  ein  Leben  nach 
dem  Tode  in  der  Art,  wie  er  bisher  bestand,  aufgehört  hätte.  Bei  den  Völkern, 
die  ihre  Toten  verbrannten,  lebte  er  ebenso  weiter  wie  bei  denen,  die  sie  be- 


i)  Die  Angaben,    daß  Leichenverbrennung    in    einigen   europäischen  Ländern   schon    während 
der  Steinzeit  stattgefunden  haben  sollte,  scheinen  mir  nicht  zuverlässig  genug  zu  sein. 


Religion. 


135 


erdigten.  Die  Gräber  mit  verbrannten  Knochen  zeigen  durch  ihren  Inhalt,  daß 
man  noch  immer  glaubte,  die  Verstorbenen  hätten  ungefähr  dieselben  Bedürf- 
nisse wie  die  Lebenden. 

Die  Leichenverbrennung  bezeichnet  eine  reinere  und  höhere  Auffassung 
des  Lebens  im  Jenseits;  nur  war  diese  immaterielle  Auffassung  zunächst  noch 
ganz  mit  den  alten  materiellen  Vorstellungen  des  Fortlebens  versetzt. 


In  der  Bronzezeit,  wie  in  der  vorangegangenen  Periode,  glaubten  unsere 
Vorväter  also  an  ein  Leben  nach  dem  Tode,  das  in  den  Hauptsachen  sich  un- 
gefähr wie  das  Erdenleben  fortsetzte. 

In  der  Bronzezeit,  wie  in  der 
Steinzeit,  finden  wir  Spuren  von 
Opfern  für  die  Toten  und  von 
Ahnenkultus.  Bei  Untersuchung 
eines  großen  Grabhügels  bei  Ham- 
marlöf  in  Skäne,  in  der  Nähe  von 
Trelleborg,  habe  ich  auch  mitten 
unter  dem  Hügel  die  Überreste 
eines  Eichensarges  mit  einer  der 
älteren  Bronzezeit  angehörigen  un- 
verbrannten Leiche  und  einen  run- 
den, aus  Rollsteinen  gebauten  ein- 
fachen Altar  gefunden,  auf  dem 
Kohle  und  Knochen  lagen,  wahr- 
scheinlich Tierknochen.  Auf  dem 
Altar,  der  wie  der  Sarg  mit  dem 
mächtigen  Hügel  bedeckt  worden 
war,  war  offenbar  ein  Opfer  ver- 
richtet worden. 


Viele     Umstände     beweisen, 
daß  der  Kultus  des  Sonnengottes,        229-  Axt  aus  dünner  Bronze,  über  einen  Tonkern 

welcher    ebenfalls    in    der   vorher-  ^ossen-  mit  Gold  und  Bernstein  verziert 

,,_,.,  ....  Södermanland.    i/i. 

gehenden  renode  nachweisbar  ist, 

in  der  Bronzezeit  allgemein  bei  uns    fortbestand.      Seine   Symbole  sind  auch  aus 

dieser  Zeit  häufig  anzutreffen. 

Dazu  gehörte,  wie  wir  schon  gesehen  haben,  vor  allem  die  Axt.  Bei 
Skogstorp  im  westlichen  Södermanland  fand  man  1864  zwei  prächtige  Bronze- 
äxte mit  Gold  und  Bernstein  verziert  (Fig.  229).  *)  Sie  sind  nicht  mau  mdern 
lediglich  von  dünner  Bronze,  die  über  einem  noch  darin  befindlichen  Kern  von 
Ton  gegossen  ist,  haben  also  weder  als  Waffen  noch  als  Werzeug  gedient. 
Beim   ersten  Hiebe   wären   sie   zersprungen.     Aus  Skäne   kennt   man    eine  ganz. 


I)    G.   Stephens,    in    den    Aarböger    f.   nord.    Oldkynd.,    [866,    S.    120.    —  C.  F.  Herbst. 

ebenda,   S.   124. 


136 


Die  Bronzezeit. 


ebensolche  Axt;  ob  auch  dort  zwei  Exemplare  gefunden  würden,  weiß  man 
nicht.  Ferner  hat  man  in  Jütland  zwei  zusammengehörige  Bronzeäxte  derselben 
Form,  wie  die  drei  schon  erwähnten,  aus  dünner  Bronze  über  einem  Kern  von 
Ton  gegossen,  ausgegraben.  Daß  solche  Äxte  also  wenigstens  zweimal  paar- 
weis gefunden  wurden,  ist  um  so  bemerkenswerter,  als  zwei  Äxte  auch  auf 
einem  Wandstein  im  Kiviksgrab  abgebildet  sind;  sie  haben  auch  dieselbe  Form 
wie  die  eben  beschriebenen  (Fig.  230). 

Ein  anderes  Symbol  des  Sonnengottes  war  das  Rad,  gewöhnlich  vier- 
speichig.  Unzählige  solcher  Räder  sind  auf  den  Felsenzeichnungen  zu  sehen; 
sie  sind  derart  angebracht,  daß  sie  nicht  als  wirkliche  Räder  erklärt  werden 
können,  sondern  als  Symbole  betrachtet  werden  müssen.  Sie  finden  sich  auch 
auf  den  Wandsteinen  des  Kivikgrabes  (Fig.  231).  Eine  Reihe  vierspeichiger 
Räder  zieren  den  prächtigen  Bronzebeschlag,  den  man  vor  vielen  Jahren  aus 
einem  Torfmoor   bei  Balkäkra   in  der  Nähe  von  Ystad    entnahm  (Fig.  232).     In 


j^_^**i 


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230  und  231.    Zwei  der  Wandsteine  in  der  Grabkammer  von  Kivik  in  Skäne. 


der  Mitte  eines  jeden  Rades  ist  ein  rundes  Loch,  der  Öffnung  für  die  Achse 
an  einem  wirklichen  Rad  entsprechend.  Zum  Beschlag  gehört  eine  große  Bronze- 
scheibe, mit  punktierten  Ornamenten  geschmückt,  die  den  Abbildungen  der 
strahlenden  Sonne  gleichen,  wTie  man  sie  aus  dem  Altertum  kennt.  Nach  alle- 
dem ist  es  unzweifelhaft,  daß  diese  Bronzen,  die  aus  der  ersten  Periode  der 
Bronzezeit  stammen,  bei  Anbetung  des  Sonnengottes  benutzt  wurden.1) 

Ein  bronzenes  Rad,  mit  Strahlen  umgeben  (Fig.  233),  gehörte  dem  unten 
besprochenen  Funde  von  Eskelhem  auf  Gotland. 

Da  man  sich  die  Sonne  in  einem  Boote  fahrend  vorstellte,  gehört  auch 
das  Boot  zu  den  Sonnensymbolen.  Unter  den  vielen  Fahrzeugen,  die  wir  auf 
den  Felsenzeichnungen  sehen,  dürften  verschiedene  eher  als  Symbole,  denn  als 
wirkliche   Fahrzeuge   aufzufassen   sein.      Dasselbe   gilt   von    verschiedenen    ähn- 


1)  Man  hat  früher  angenommen,  daß  sie  ein  größeres  hölzernes  Gefäß  schmückten  und  sie 
sind  daher  so  abgebildet,  wie  wir  sie  hier  sehen.  Es  ist  indessen  mehr  wahrscheinlich,  daß  sie  um- 
gekehrt gezeichnet  werden  sollten,  indem  die  Scheibe  auf  einem  Altar  lag,  der  von  dem  Beschlag 
oben  umgeben  war. 


Religion. 


232  a.    Bronzezierat  eines  Altars  (?).    Die  Räder  waren  wahrscheinlich  nach  unten  gerichtet. 

Skäne.    */4. 


232b.    Die   runde  sonnenähnliche   Bronzescheibe  der   Fi^T.    232a; 
sie  hatte  wahrscheinlich   ihren   Platz  auf  dem   Altar. 


138 


Die  Bronzezeit. 


liehen  Abbildungen  auf  Messern  und  anderen  hier  im  Norden  gefundenen  Bronzen 
aus  jener  Zeit.  Und  symbolisch  sind  offenbar  die  kleinen  Boote  aus  dünnem 
Gold,  mit  Rippen  aus  schmalem  Bronzeband,  die  zu  ungefähr  hundert  in  einer 
mit  einer  kleinen  Steinplatte  bedeckten  Tonurne  bei  Nors  in  Jütland  gefunden 
wurden.     Eines  davon  ist  Fig.  234  abgebildet. 


233.    Große  Bronzescheibe,  von  zwei  Seiten  gesehen.     Gotland.    *j2. 


Unter  anderen  Symbolen  kommen  auf  den  Felsenzeichnungen  auch  paar- 
weis gestellte  Fußabdrücke  mit  oder  ohne  sichtbaren  Zehen  vor.  Solche  Füße 
hatten  in  andern  Ländern  und  haben  noch  heute  bei  den  buddhistischen  Völkern 
eine  heilige  Bedeutung. 

Gefäße,  die  zu  religiösem  Gebrauch  wahrscheinlich  bestimmt  waren,  sind 
unter  anderem  das  Fig.  202  abgebildete  große  prächtige,  aus  Italien  eingeführte 
Bronzegefäß  aus  einem  Torfmoor  bei  Bjärsjöholm,  nicht  weit  von  Ystad,  und 
ein  paar  Schalen  aus  Gold.     Eine  solche  Schale  aus  Blekinge  ist  Fig.  235   ab- 


Religion. 


139 


234.    Symbolisches  Boot  aus  Gold,  von  drei  Seiten  gesehen, 
mit  Durchschnitt.     Dänemark.    2/3. 


gebildet,  eine  andere  stammt  von  »Smörkullen«  im  Kirchspiel  Skrea,  Halland.1) 
Der  Name  »Smörkullen«  (Salbenberg)  selbst,  der  auch  an  einigen  anderen 
Stellen  in  Schweden  vorkommt,  ist  von  Interesse,  da  er  auf  Salbungen  oder 
ähnliche  religiöse  Handlungen,  die  auf  dem  Platze  verrichtet  wurden,  hindeutet. 

Daß  diese  Goldschalen 
Opfergefäße  wraren,  wird  da- 
durch bestätigt,  daß  ver- 
schiedene solche  Schalen, 
jede  mit  einem  pferdekopf- 
ähnlichen  Henkel,  am  Rande 
eines  kleinen  natürlichen, 
jedoch  künstlich  umgeform- 
ten Hügels  »Borrebjerg«  bei 
Boslunde  auf  Själland  ge- 
funden wurden.  Der  Hügel 
hatte  noch  im  Anfang  des 
neunzehnten  Jahrhunderts  die  Form  einer  stumpfen  Pyramide  mit  drei 
Terrassen.  Die  Spitze  bildete  ein  quadratischer  Plan,  jede  Seite  war  an  53  m 
lang,  jede  Terrasse  maß  ungefähr  10  m  in  der  Höhe  und  3,50  m  in  der 
Breite.  Zwei  von  den  Goldschalen  sind  1842  nahe  der  Spitze  und  vier  1874 
an  dem  nördlichen  Rand  auf  der  mittleren  Terrasse  gefunden  worden.  Es  ist 
mehr  als  wahrscheinlich,  daß  sich  in  der  Bronzezeit  ein  Tempel  oder  Altar  auf 
der  Spitze  der  Pyramide  erhob,  an  deren  Fuß  jetzt  eine  Kirche  liegt.2)  Auch 
im  Orient  hat  es  ja  Tempel  auf  solchen  Stufenpyramiden  gegeben. 

Elf  ähnliche  Goldschalen 
wurden  in  einem  großen  Bronze- 
gefäß derselben  Form  wie  Fig.  202 
in  einem  Torfmoor  bei  Lavinds- 
gärd,  in  der  Nähe  von  Odense 
auf  Fünen,  entdeckt. 

Als  heilige  Gefäße  sind  wahr- 
scheinlich auch  die  zu  betrachten, 
welche  auf  kleinen,  auf  vier  Rädern 
laufenden  Bronzewagen  standen. 
Fig.  201  zeigt  einen  solchen  Wagen, 
der  1855  aus  einem  Torfmoor  bei 
Ystad  gezogen  wurde.  Das  früher 
irgend   etwas    von    diesem    Wagen 

getragen  wurde,  zeigen  die  aufrecht  stehenden  Stützen,  die  in  diesen  vorhandenen 
Nietlöcher  und  ein  noch  darin  festsitzender  Nietnagel.   Daß  es  ein  Broi  faß  war, 

ist  zweifellos,  da  ein  solches  Gefäß  von  der  Form,  wie  die  Abbildung  zeigt,  aut 

1)  Antiqu.  sued.,  Fig.  24'j. 

2)  H.  Petersen,    in    A.   P.    Madscn's    Afbildninger  af    danske    Oldsager,     B 
Taf.  XXVIII). 


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235.     Goldschale.    Blekirjge. 


2 


140 


Die  Bronzezeit. 


einem  ganz  ebensolchen  Bronzewagen  ruht,  der  in  einem  Grabhügel  bei  Peccatel 
in  Mecklenburg,  nahe  bei  Schwerin,  gefunden  wurde.1) 

Votiv-  oder  Opfergegenstände  haben  wir  schließlich  ohne  Zweifel  in 
mehreren  mit  Absicht  niedergelegten  größeren  und  kleineren  Sammlungen  von 
Bronzen  aus  dieser  Zeit,  die  an  vielen  Orten  gefunden  wurden,  entweder  in 
der  Erde  oder  in  Torfmooren.2)  Diese  Depotfunde  sind  offenbar  derselben 
Art  wie  die  oben  (Seite  56)   besprochenen  aus  der  Steinzeit.3) 

In  der  Nähe  von  Eskelhem  Kirche  auf  Gotland  machte  man  vor  einigen 
Jahren  einen  solchen,  aus  der  Zeit  um  600  v.  Chr.  stammenden  Fund,  der  offen- 
bar mit  der  Gottesverehrung  in  der  älteren  Bronzezeit  zusammenhängt.  Beim 
Umgraben  eines  Ackers  wurden  zwei  Pferdegebisse,  zwölf  runde  Beschläge 
(Fig.  121  und  123),  einige  andere  zum  Pferdegeschirr  gehörende  Zierate,  eine 
große  runde,  durchbrochene  Scheibe  (Fig.  233)  mit  Bronzegehängen,  die  gegen 
die  Scheibe  klingen,  wenn  sie  geschüttelt  werden,  die  Überreste  von  drei  Ge- 
fäßen und  anderes  mehr  gefunden,  alles  aus  Bronze,  außer  dem  einen  Gebiß, 
das  teilweise  aus  Eisen  ist.  Offenbar  gehörten  diese  Metallsachen  zu  einem 
mit  zwei  Pferden  bespannten  Wagen.  Die  große,  ehedem  wie  Gold  glänzende 
Scheibe,  die  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  am  vorderen  Ende  der  Deichsel 
zwischen  den  beiden  Pferdeköpfen  hing,  stellte  die  Sonne  vor:  die  Mitte  hat 
die  Form  eines  vierspeichigen  Rades,  von  dem  eine  Menge  von  Strahlen  aus- 
gehen. Daß  der  Fund  in  der  Nähe  der  Kirche  von  Eskelhem  gemacht  wurde, 
ist  beachtenswert,  weil  hier,  wie  an  anderen  Orten,  nicht  nur  im  Norden,  die 
christliche  Kirche  auf  dem  Platz  errichtet  worden  ist,  wo  seit  Jahrtausenden 
Gottesdienst  gefeiert  worden  war.4) 

Wir  werden  unten  sehen,  daß  bei  Dejbjerg  in  Dänemark  zwei  Wagen 
aus  der  Zeit  kurz  vor  Christi  Geburt  gefunden  wurden,  die  ebenfalls  religiösen 
Zwecken  gedient  haben.  Wie  der  Fund  von  Eskelhem  erinnern  sie  an  die  Er- 
zählung des  Tacitus5)  von  der  Göttin  Nerthus,  die  »auf  einer  Insel  im  Ozean« 
einen  heiligen  Hain  hatte,  und  deren  Bild  auf  einem  mit  Kühen  bespannten 
zeltbedeckten  Wagen  von  einem  Priester  aus  dem  Hain  in  die  ihn  umgebende 
Gegend  gefahren  wurde,  wo  dann  aller  Streit  ruhte  und  allgemeiner  Friede 
herrschte. 


1)  Montelius,   im  Mänadsblad,    1873. 

2)  Votivfunde  und  andere  Depotfunde  aus  Schweden  sind  beschrieben:  M.  Bruzelius,  in 
Iduna,  6,  S.  49  (Wemmerlöf  in  Skäne).  —  Montelius,  in  Bidrag  tili  kännedom  om  Bohusläns 
fornminnen,  I,  S.  271  (Wegstorp  und  Hogstorp  in  Bohuslän,  nebst  Verzeichnis  der  wichtigeren  aus 
Schweden  bekannten  Depotfunde).  —  H.  Hildebrand,  im  Mänadsblad,  1878,  S.  687  (Torpa  in 
Smäland).  —  Montelius,  ebenda,  1880,  S.  129  (Pile  in  Skäne);  1884,  S.  180  (Sylstorp  und 
Ynglingarum  in  Skäne);  und  in  der  Sv.  Fornm  förs_   tidskr.,  Bd.  6,  S.  72  (Stenbro  auf  Gotland). 

3)  Worsaae,  Sur  quelques  trouvailles  de  Tage  du  bronze  faites  dans  les  tourbieres,  in  den 
Memoires  de  la  Soc.  des  Antiqu.  du  Nord,  1866,  S.  61.  —  S.  Müller,  Trouvailles  danoises  d'ex- 
voto,  ebenda,  1887,  S.  225.   —  Vgl.  H.  Petersen,  in  den   Aarböger  f.  nord.  Oldkynd.,  1890,  S.  234. 

4)  Montelius,  im  Mänadsblad,    1887,  S.  145  folg. 

5)  Germania,   c.   XL. 


Vorstellungen  vom   Übernatürlichen. 


141 


Natürlich  will  ich  die  Erzählung  des  Tacitus  nicht  gerade  auf  Eskelhem 
oder  Dejbjerg  beziehen,  nur  glaube  ich,  daß  die  Funde  an  diesen  beiden  Orten  in 
Zusammenhang  mit  ähnlichen  Gebräuchen  stehen,  die  folglich  älter  sind  als  die 
Zeit  des  Tacitus,  wie  wir  unten  sehen  werden,  daß  sie  sich  auch  noch  lange 
nach  dessen  Zeit  erhalten  haben. 

Ein  paar  eigentümliche  Grabfunde  aus  der  Bronzezeit  geben  uns  uner- 
warteterweise eine  Ahnung  von  einigen  Vorstellungen  unserer  Vorväter  vom 
Übernatürlichen. 

In  einem  Hügel  bei  Hvidegärd,  nicht  weit  von  Kopenhagen,  fand  man 
1845  eine  mannslange  Steinkiste,  in  der  auf  einer  Tierhaut  ein  kleiner  Haufen 
gebrannter  Menschenknochen  in  einem  Mantel  von  Wollstoff  lag;  daneben  ein 
Bronzeschwert  in  seiner  Scheide,  eine  Bronzefibel  und  ein  Lederfutteral,  das 
folgende  Gegenstände  enthielt:  ein  Stück  einer  Bernsteinperle,  eine  kleine 
Mittelmeerschnecke,  einen  Würfel  aus  Kiefernholz,  den  Schwanzteil  einer  Schlange, 
eine  Vogelklaue,  den  Unterkiefer  eines  jungen  Eichhörnchens,  einige  kleine  Steine, 
eine  kleine  Zange  und  zwei  Messer  aus  Bronze,  eine  Lanzenspitze  aus  Feuer- 
stein in  ein  Darmstück  eingenäht,  so  daß  sie  nicht  herausgenommen  werden 
konnte;  auch  die  beiden  Bronzemesser  waren  mit  Leder  umwickelt.  Das  Grab 
stammt  aus  dem   Anfang  der  dritten  Periode.1) 

Einen  ähnlichen  Fund  machte  man  1888  in  »Maglehöi«,  einem  Grabhügel 
bei  Frederikssund  auf  Själland. 2)  Eine  kurze  Steinkiste  enthielt  außer  gebrannten 
Knochen  ein  kleines  Gefäß,  ein  Messer,  eine  Fibel  und  einen  Knopf,  alles  aus 
Bronze  und  dem  Ende  der  dritten  Periode,  der  Zeit  um  1 100  v.Chr.,  angehörig. 
Obgleich  das  Gefäß  durch  einen  Deckel  aus  Bronze  verschlossen  war,  so  daß 
nichts  später  hineingekommen  sein  kann,  fand  man  darin:  einen  längsgespaltenen 
und  an  der  Wurzel  abgebrochenen  Pferdezahn  mit  glänzenden,  wie  abgeriebenen 
Bruchflächen;  ein  Stück  eines  anderen  Zahnes,  offenbar  auch  von  einem  Pferd; 
Stücke  eines  Wieselskeletts;  ein  durch  Reiben  geglättetes  Stück  der  Klaue  eines 
Luchses  oder  anderen  Katzentieres;  das  Knochenstück  eines  sehr  jungen  Säuge- 
tieres (Lamm  oder  Reh?);  einen  Teil  der  Luftröhre  eines  Vogels;  drei  Glieder 
eines  Schlangenskeletts  und  einige  Stückchen  gebrannter  Knochen;  einen  kleinen 
Ebereschenzweig,  ein  Stück  Holzkohle,  wahrscheinlich  von  einer  Espe;  zwei 
Stücke  Schwefelkies,  ein  paar  andere  kleine  Steine,  zwei  Stückchen  eines  Bronze- 
messers und  einen  am  einen  Ende  umcrebog-enen  Bronzedraht. 

Fast  alle  die  Tiere,  von  denen  man  Teile  im  Maglehöi-Grab  fand,  haben 
später  und  bis  auf  unsere  Zeit  als  Heilmittel  oder  Amulette  eine  Rolle  im 
Volksglauben  gespielt.  Dasselbe  gilt  von  der  Eberesche.  Die  Reibspuren  an 
den  Zähnen  und  der  Klaue  beweisen,  daß  diese  lange  im  Gebrauch  gewesen 
waren.      Die   kleinen  Steine   hatten   sicherlich   auch    irgend   eine    übernatürliche 


1)  C.  F.Herbst,   in  den  Annaler  for  nordisk  Oldkyndighed,    [848,   v.  $36. 

2)  W.  Boyc,   in   den   Mmioires  de  la  Soc.  d.  Antiqu.   du   Nord,    [890,   S.  22. 


\A2  Die  Bronzezeit. 

Bedeutung,  wie  die  Steinäxte  und  Feuersteinspitzen,  von  denen  man  glaubte, 
sie  seien  vom  Himmel  gefallen,  und  die  in  vielen  Ländern  noch  heute  zu  Zau- 
bereien angewendet  werden,  wie  wir  im  Vorangehenden  gesehen  haben  (S.  68). 
Man  glaubte  Kranke  durch  Berührung  eines  solchen  Steines  oder  durch 
Waschungen  mit  Wasser,  das  über  einen  solchen  Stein  gelaufen  war,  zu  heilen, 
oder  ließ  die  Kranken  das  Wasser  trinken.  Auch  im  Hvidegärdgrab  lag  ja 
eine  sorgfältig  eingenähte  Feuersteinspitze. 


DIE  EISENZEIT 

(VON  DER  MITTE  DES  ERSTEN  JAHRTAUSENDS  VOR  CHRISTUS  BIS 
ZUR  MITTE  DES  ELFTEN  JAHRHUNDERTS  NACH  CHR.). 


er  Ausdruck  Eisenzeit  bezeichnet,  wie  wir  schon  gesehen  haben,  den 
Teil  der  Heidenzeit,  in  dem  das  Eisen  bekannt  war.  Halten  wir  uns 
nur  an  die  Bedeutung  des  Wortes  und  bedenken  wir,  welche  Rolle 
Stahl  und  Eisen  gerade  heutzutage  spielen,  so  könnte  man  sagen,  wir  befinden 
uns  noch  in  der  Eisenzeit,  aber  für  den  Altertumsforscher  endigt  die  Eisenzeit 
Schwedens  mit  dem  Sieg  des  Christentums  über  die  heidnischen  Götter. 

In  der  Eisenzeit  lernten  die  Einwohner  Schwedens  außer  Eisen  und  Stahl 
noch  Silber,  Glas,  Elfenbein,  geprägte  (ausländische)  Münzen  kennen,  ferner  die 
Kunst  zu  löten,  Metalle  zu  vergolden,  und  anderes  mehr.  Und  da  das  Eisen 
mit  den  damals  zu  Gebote  stehenden  Mitteln  nicht  wie  die  Bronze  gegossen 
werden  konnte,  gewann  die  Schmiedekunst  eine  ganz  andere  Bedeutung  als  in 
der  Bronzezeit.  Eine  der  wichtigsten  Neuheiten  war  aber  die  Schreibkunst, 
mit  der  sich  die  Nordländer  bereits  in  der  älteren  Eisenzeit  vertraut  zeigen. 
Die  ältesten  Schriftzeichen  im  Norden,  und  zugleich  die  einzigen  in  der  ganzen 
Heidenzeit  hier  angewandten,  sind  die  Runen. 

Durch  umfassende  Untersuchungen  der  unzähligen  bekannt  gewordenen 
Funde  aus  unserer  Eisenzeit  ist  es  möglich  geworden,  mehrere  —  meiner  An- 
sicht nach  acht  —  Perioden  in  der  langen  Zeit  vom  Anfang  der  Eisenzeit  bis 
zur  Einführung  des  Christentums  zu  unterscheiden. *)  Und  mit  Hilfe  der  Tau- 
sende von  Münzen  und  anderer  fremder,  chronologisch  bestimmbarer  Arbeiten, 


H.  Hildebrand,  Svenska  folket  under  hednatiden  (Stockholm,  1866;  2.  Aufl.,  1872).  — 
Derselbe,  Das  heidnische  Zeitalter  in  Schweden,  übersetzt  von  J.  Mestorf  (Hamburg,  1873).  —  Der- 
selbe, Den  äldre  jernäldern  i  Norrland,  in  der  Antiqv.  tidskr.  f.  Sv.,  Bd.  2.  —  Derselbe,  Jernäldern 
pä  Gotland,  im  Manadsblad,  1878,  1879  und  1885.  —  B.  E.  Hildebrand  und  H.  Hildebrand, 
Teckningar  ur  svenska  Statens  historiska  Museum  (Stockholm,  1873 — 1883).  —  Montelius,  Fr.in 
jernäldern  (Remains  from  the  Iron  Age  of  Scandinavia,  Stockholm,  1869).  —  F.  J.  Baehrendtz, 
Fynd  frän  den  äldre  jernäldern  i  Kalmar  Hin,  in  der  Sv.  Fornm.-ibrs#  tidskr.,  Bd.  7,  S.  215.  —  L.  F. 
Palmgren,  Undersökningar  i  Smäland,  ebenda,  Bd.  2  und  4.  —  G.  Adlers,  Arkeologiska  under- 
sökningar  i  Medelpad,  im  Manadsblad,  1898  — 1900.  —  S.  B.  Ulfsparre,  Svenska  fornsaker  (Stock- 
holm, 1874).  —  I.  Undset,  Jernalderens  begyndelse  i  Nord-Europa  (Christiania,  1881).  —  Derselbe, 
Das  erste  Auftreten  des  Eisens  in  Nord-Europa,  übersetzt  von  J.  Mestorf  (Hamburg,    1SS2). 

I)  Montelius,    De  förhistoriska  perioderna  i   Skandinavien,   im  Manadsblad,    1893.   —  Der- 
selbe, Den  nordiska  jernälderns  kronologi,   in   der  Sv.  Fornm.-förs  tidskr.,   Bd.  9   und    IO. 
Montelius,   Kulturgeschichte  Schwedens.  IO 


146  Die  Eisenzeit. 

die  in  den  schwedischen  Funden  enthalten  sind,  ist  es  sogar  verhältnismäßig 
leicht,  die  Jahrhunderte  zu  bestimmen,  die  diesen  Perioden  entsprechen.  Hier 
wollen  wir  indessen  nur  folgende  vier  große  Abteilungen  der  Eisenzeit  in 
Schweden  betrachten: 

I.  Die  vorrömische  Eisenzeit  oder  die  Zeit,  ehe  der  Einfluß  der  römischen 
Kultur  bis  zum  Norden  vordrang.  Diese  Zeit  entspricht  etwa  den  letzten 
fünfhundert  Jahren  vor  Christus. 

II.    Die   römische  Eisenzeit  oder  die  Zeit  des   eben  erwähnten  Einflusses. 
Vom  Anfang  unserer  Zeitrechnung  bis  ungefähr  400. 

III.  Die  Zeit  der  Völkerwanderungen.    Von  ungefähr  400  bis  ungefähr  8oo, 

IV.  Die   Vikingerzeit.     Von    ungefähr    800   bis    zur    Mitte    des    elften    Jahr- 
hunderts. 


I.  DIE  VORRÖMISCHE  EISENZEIT. 

(Von    der  Mitte   des   letzten  Jahrtausends   vor    Christi  Geburt   bis   zum    Anfang 

unserer  Zeitrechnung.) 


ir,  die  wir  in  der  Zeit  des  Dampfes  und  der  Elektrizität  leben,  können 
uns  nur  schwer  vorstellen,  wie  Menschen  Zehntausende  von  Jahren  auf 
der  Erde  leben  konnten,  ohne  den  Gebrauch  des  Eisens  zu  kennen. 
Wir  können  es  um  so  schwerer  verstehen,  da,  wie  wir  wohl  wissen,  unsere  ganze 
heutige  materielle  Kultur  ohne  den  reichlichen  Verbrauch  von  Eisen  undenkbar 
ist.  Theoretisch  gibt  es  wohl  kein  Hindernis,  eine  Dampfmaschine,  eine  Loko- 
motive aus  Bronze  zu  bauen,  man  kann  sich  statt  Eisenschienen  Bronzeschienen 
denken  und  folglich  Bronzebahnen  statt  Eisenbahnen.  Aber  jeder  sieht  ein,  daß  in 
der  Wirklichkeit  Dampfmaschinen,  Dampfschiffe  und  Bahnzüge  unmöglich  wären, 
wenn  wir  nicht  Eisen,  sondern  nur  Bronze  hätten,  deren  Bestandteile  verhältnis- 
mäßig sparsam  in  der  Natur  vorkommen  und  deren  Mischung  folglich  zu  teuer 
ist  und  immer  bleiben  wird,  um  in  solchen  Mengen  verwendet  zu  werden,  wie 
man  dazu  nötig  hätte.  Noch  unmöglicher  als  die  Verwendung  des  Dampfes 
wäre  diejenige  der  Elektrizität,  denn  weder  Telegraphen  und  Telephone  noch 
Dynamomaschinen   sind  ohne  Eisen  denkbar. 

Da  letztgenanntes  Metall  eine  so  große  Rolle  in  der  Kulturgeschichte 
spielt,  ist  es  natürlich,  daß  die  Frage  von  seinem  ersten  Auftreten  im  allge- 
meinen —  und  für  uns  Nordländer  besonders  die  von  seinem  ersten  Auftreten 
in  unserem  Gebiet  —  vom  höchsten  Interesse  ist. 

Zu  unserer  Überraschung  erfahren  wir  indessen,  daß  die  neuesten  For- 
schungen ergeben,  wie  spät  das  Eisen  entdeckt  wurde.  Diese  Entdeckung 
wurde,  wie  man  erwarten  konnte,  im  Süden  gemacht,  wo  die  Wiege  der 
menschlichen  Kultur  stand,  aber  erst  lange  nachdem  die  Kultur  in  diesen 
Ländern  bereits  einen  hohen  Grad  der  Entwickelung  erreicht  hatte.  Von 
Ägypten,  dessen  ältere  Geschichte  heute  weit  besser  bekannt  ist  als  noch  vor 
einigen  Menschenaltern,   wissen  wir,   daß  das   Eisen   nicht  vor  dein   Anfang  des 

10* 


148 


Die  vorrömische  Eisenzeit. 


fünfzehnten  Jahrhunderts  v.  Chr.  im  Gebrauch  war.1)  Wahrscheinlich  wurde  es 
erst  etwas  später  dort  bekannt,  folglich  einige  Generationen  nach  Moses  und 
ein  paar  Jahrtausende  nach  der  Zeit  der  großen  Pyramiden,  die  ohne  Zuhilfe- 
nahme von  Eisen  oder  Stahl  erbaut  wurden. 

Alles  was  wir  von  den  übrigen  Ländern  des  Orientes  kennen,  spricht  da- 
für, daß  das  Eisen  weder  in  der  Euphratgegend  noch  in  Westasien  älter  ist, 
als  die  Mitte  des  zweiten  Jahrtausends  vor  Christus. 

Die  Kenntnis  des  Eisens,  das  seitdem  von  so  außerordentlicher  Bedeutung 
für  die  Menschen  geworden  ist,  verbreitete  sich  langsam.  Wir,  die  wir  erlebt 
haben,  wie  die  entferntesten  Länder  der  Welt  einander  nahe  gerückt  werden 
und  eine  gleichmäßige  Kultur  sich  über  einen  großen  Teil  der  bewohnten  Erde 
ausbreitet,  wir,  die  wir  an  den  schnellsten  Austausch  von  Ideen  und  Entdeckungen 
zwischen  den  verschiedenen  Völkern  gewöhnt  sind,  können  kaum  verstehen, 
wie  es  Jahrhunderte  dauern  konnte,  bis  das  Eisen  vom  Mittelmeer  seinen  Weg 
an  die  Ostsee  fand.     Und  doch  war  es  so. 

Bis  vor  kurzem  nahm  man  an,  daß  es  noch  länger  gedauert  hätte.  Man 
glaubte,  das  Eisen  sei  in  Ägypten  und  Westasien  schon  viele  Jahrtausende 
vor  Christi  Geburt  bekannt  gewesen  und  die  Eisenzeit  habe  im  Norden  erst 
mit  unserer  Zeitrechnung  begonnen;  es  ist  sogar  noch  nicht  viele  Jahrzehnte 
her,  daß  der  Anfang  der  Eisenzeit  in  Südskandinavien  sogar  erst  viele  hundert 
Jahre  nach  Christus  angesetzt  wurde. 

Jetzt  wissen  wir,  daß  der  Zeitraum  zwischen  dem  ersten  Auftreten  des 
Eisens  im  Süden  und  im  Norden  nicht  so  groß  ist. 

In  Griechenland  und  Italien  wurde  das  Eisen  gegen  das  Ende  des  2.  vor- 
christlichen Jahrtausends  bekannt  —  in  Mittelitalien  gleichzeitig  mit  der  Ein- 
wanderung der  Etrusker  —  und  schon  bei  Beginn  des  letzten  Jahrtausends  vor 
Christus  hatte  sich  die  Kenntnis  des  neuen  Metalles  über  die  Alpen  verbreitet, 
aber  es  dauerte  lange,  ehe  dieses  Metall  von  nennenswerter  Bedeutung  für  die 
nordischen  Völker  wurde.  Die  erste  Kenntnis  des  Eisens  empfingen  die  Süd- 
teile des  nordischen  Gebiets  zwar  früh,  —  vereinzelte  nordische  Funde  aus 
der  fünften  Periode  der  Bronzezeit  und  noch  früher  weisen  eiserne  Gegen- 
stände auf,  —  aber  trotzdem  kann  hier  von  einer  Eisenzeit  erst  kurz  vor 
der  Mitte  des  letzten  vorchristlichen  Jahrtausends  die  Rede  sein.  Denn  man 
kann  nicht  sagen,  daß  die  Eisenzeit  in  einem  Land  angefangen  hat,  bevor 
Waffen  und  Werkzeug  allgemein  aus  Eisen  angefertigt  werden  und  nicht  mehr 
aus  Bronze.  Die  Eisenzeit  beginnt  nicht  mit  dem  ersten  eisernen  Gegenstand 
im  Lande. 

Schweden,    mit   seinem   außerordentlichen   Eisenreichtum,    war    also   sehr 


i)  Montelius,  L'äge  du  bronze  en  Egypte,  in  L'Anthropologie,  I  (Paris,  1890),  S.  27  folg. 
—  Derselbe,  Die  Bronzezeit  im  Orient  und  in  Griechenland,  im  Archiv  für  Anthropologie,  XXI 
(1892),  S.  1  folg.  —  Derselbe,  in  Man,  a  monthly  Record  of  Anthropological  Science  (London), 
1905,  S.  12.  —  Keine  sicheren  Funde  aus  älterer  Zeit  enthalten  Arbeiten  von  Eisen  oder  geben 
an,  daß  der  Gebrauch  dieses  Metalls  damals  bekannt  war.  Die  Existenz  des  Eisens,  als  tellu- 
risches Eisen  und  Meteoreisen,  ist  selbstverständlich  viel  älter  als  der  Mensch. 


Das  erste  Auftreten  des  Eisens. 


149 


lange  bewohnt,  noch  dazu  von  einem  Volk  mit  hochentwickelter  Kunstfertigkeit, 
ehe  dies  Volk  lernte,  die  leicht  zugänglichen  Sumpferze  zu  verarbeiten. 

Gewiß  kann  es  im  ersten  Augenblick  auffällig  scheinen,  daß  vom  ersten 
Auftreten  des  Eisens  im  Norden  bis  zu  der  Zeit,  die  man  recht  eigentlich  die 
Eisenzeit  zu  nennen  hat,  Jahrhunderte  verflossen  sein  sollen,  aber  das  ist  leicht 
zu   erklären. 

Anfangs  war  das  Eisen  nämlich  sehr  selten  und  folglich  ohne  Zweifel 
teurer  als  die  Bronze,  weshalb  man  nicht  aus  Sparsamkeitsgründen  das  neue 
Metall  anstatt  des  von  alters  her  bekannten  vorziehen  konnte. 

Man  mußte  auch,  um  das  Eisen  zu  bearbeiten,  eine  neue  Technik  lernen. 
Man  konnte  in  jener  Zeit  nicht  das  Eisen  gießen,  so  wie  man  Bronze  goß, 
sondern  mußte  es  schmieden,  während  doch  der  Hammer  zur  Bronzezeit  bei 
uns  wenig  in  Anwendung  gekommen  war. 

Endlich  ist  Eisen  als  Material  für  Waffen  oder  Werkzeuge  nicht  besser 
als  Bronze.  Guter  Stahl  ist  wohl  besser  als  Bronze,  aber  die  Bronze  übertrifft 
das  gewöhnliche  Eisen  weit  an  Elastizität  und  Schärfe;  ein  guter  Stahl  war 
aber  in  den  Anfängen  der  Eisenzeit  nicht  so  leicht  zu  haben  wie  heute.  Rö- 
mische Schriftsteller  berichten  auch  von  den  Galliern,  die  ein  paar  hundert 
Jahre  vor  Christi  Geburt  in  Italien  einfielen,  ihre  Eisenschwerter  seien  so  weich 
gewesen,  daß  die  Klingen  stumpf  wurden  und  leicht  sich  verbogen,  und  daß  die 
Krieger  sie  oft  mitten  im  hitzigen  Kampf  wieder  ausrichten  mußten.  Solche 
Schwerter  taugen  weniger  als  Bronzeschwerter. 

Hierzu  kommt  noch  ein  anderes.  Die  große  Überlegenheit  des  Eisens 
über  die  Bronze  beruht  im  wesentlichen  darauf,  daß  es  in  viel  größeren  Quan- 
titäten erhältlich  ist.  Aber  eine  solche  Massenproduktion  von  Eisen  wie  heut- 
zutage ist  früher  nie  vorgekommen;  und  die  Gewinnung  von  Eisen  in  großen 
Massen  ist  erst  seit  Beginn  der  Neuzeit  möglich.  Erst  fünfzehnhundert  Jahre 
nach  Christi  Geburt,  also  dreitausend  Jahre  nach  der  Entdeckung  des  Eisens, 
lernte  man  die  großen  Hochöfen  zu  bauen,  aus  welchen  ein  beständiger  Strom 
geschmolzenen  Eisens  fließt.  Vordem  hatte  man  nichts  als  kleine  Ofen,  in 
denen  eine  geringe  Menge  Eisenerz  und  Kohle  Raum  fand.  Wenn  die  Kohle 
ausgebrannt  und  das  Erz  geschmolzen  war,  mußte  der  Ofen  auskühlen,  die 
auf  dem  Boden  liegenden  Eisenklumpen  wurden  herausgenommen,  und  der  Ofen 
wurde  neu   gefüllt  und  wieder  angezündet. 

Wie  von  der  Bronze  glaubte  man  lange  auch  vom  Eisen,  es  sei  mit  der 
Einwanderung  eines  neuen  Volkes  nach  dem  Norden  gekommen.1)  Das  hat 
sich  indessen  als  unrichtig  herausgestellt.  In  beiden  Fällen  fehlt  es  an  allen 
Anzeichen  einer  Neueinwanderung.  Die  Gräber  und  die  Art  des  Begrabens  in 
der  letzten  Periode  der  Bronzezeit  sind  dieselben  wie  in  der  ersten  Periode 
der  Eisenzeit,  und  zwischen  den  einheimischen  Arbeiten,  die  aus  diesen  beiden 
Perioden  stammen,  ist  kein  größerer  Unterschied  als  zwischen  denen,  die  zwei 
aufeinander   folgenden   Perioden    der   Bronzezeit    angehören.      In    der    Eisenzeit 


1)  H.  Hildebrand,  S\  Iket  under  hetnatiden,   2.  Aufl.   (Stockholm,    [872      S.  l8. 


i5o 


Die  vorrömische  Eisenzeit. 


machten  die  Nordländer  gewiß  Bekanntschaft  mit  vielem  Neuen;  aber  das  Neue 
tritt  nicht  —  wie  man  lange  glaubte  —  auf  einmal  mit  dem  Anfang  der  Eisen- 
zeit, sondern  allmählich,  auf.  So  war  das  Silber  noch  viele  hundert  Jahre  nach 
der  Bronzezeit  hier  unbekannt,  und  die  Runen  kommen  erst  ungefähr  ein  Jahr- 
tausend nach  der  Zeit  vor,  in  der  das  Eisen  in  den  Gegenden  der  südlichen 
Ostsee  bekannt  wurde. 


Wir   haben   gesehen,    wie   die  Völker   des  Nordens   in   der  Bronzezeit   in 

lebhaftem,  wenn  auch  nicht  unmittel- 


mit     dem    Süden 


Durch   diese  Verbindung 


236.    Bronzespange.    Hallstatt.    1/1. 


barem    Verkehr 
standen. 

kam  die  erste  Kenntnis  des  Eisens 
nach  dem  Norden,  und  durch  einen 
steten  Verkehr  mit  südlichen  Gegen- 
den wurden  die  Nordländer  vertrauter 
mit  dem  Gebrauch  des  neuen  Metalls. 
Unsere  Vorfahren  haben  das  Eisen 
wie  die  Bronze  auf  dieselbe  Weise 
kennen  gelernt  wie  die  Erfindungen, 
die  in  späteren  Zeiten  von  andern 
Völkern  gemacht  wurden. 

Der  Einfluß,  den  Italien  in  der 
Bronzezeit   auf  die  Länder  nördlich 
von    den    Alpen   ausübte,    ist   auch 
von  großer  Bedeutung 
für     die     Ausbreitung 
des  Eisens    in  Mittel- 
europa und  Skandina- 
vien gewesen.   Da  das 
neue  Metall  in  Mittel- 
italien gleichzeitig  mit 
den  Etruskern  auftritt, 
ist   es    nunmehr    klar, 
daß  die  Völker  Mittel- 
europas und  des  Nor- 
dens   in    hohem    Grade    den    Etruskern    die    Kenntnis    dieses    Metalls    zu    ver- 
danken haben. 

Früher  wurde  vielfach  angenommen,  daß  die  Bronze  von  den  Etruskern 
nach  Mittel-  und  Nordeuropa  gebracht  wurde,  das  Eisen  dagegen  von  den 
Römern.  Heute  wissen  wir,  daß  die  Völker  nördlich  von  den  Alpen  durch 
die  Etrusker  mit  dem  Eisen  bekannt  wurden  und  daß  dies  geschah,  längst  ehe 
die  Römer  irgend  welchen  Einfluß  außerhalb  Italiens  übten,  ja  sogar  daß  das 
erste  Erscheinen  des  Eisens  in  den  Ländern  nördlich  von  Italien  stattfand  vor 
der  Zeit,  wo  Rom  der  Tradition  gemäß  gegründet   wurde. 


237.    Bronzespange.    Norddeutschland. 


Das  erste  Auftreten  des  Eisens. 


151 


238.    Ein  Paar  »tutulusförmige«   Bronzespangen; 
die  Nadeln  waren  aus  Eisen.    Smaland.    ^ja. 


Die  letzten  Jahrzehnte  haben  unsere  Kenntnisse  von  der  ältesten  Eisen- 
zeit in  Schweden  erheblich  erweitert.1) 

In  allen  Ländern  war  das  Eisen  zuerst  sehr  selten  und  folglich  auch  teuer. 
So  war  es  z.  B.  in  den  Mittelmeerländern  und  Mitteleuropa.  Erst  wandte  man 
deshalb  das  neue  Metall  nur  zu  einfachen  Ornamenten,  als  Nadeln,  Ringe  und 
dergl.  oder  als  Einlagen  in  Bronze  an;  solch  eingelegtes  Eisen  sieht  man  an 
den  Bronzegriffen  von  einigen  Schwertern,  deren  Klingen  von  Bronze  sind. 

Dasselbe  hat  man  hier  im  Norden  beobachtet.  Ein  in  Dänemark  gefun- 
denes Bronzemesser  zeigt  einfache  Ornamenteinlagen  aus  Gold  und  Eisen. 
Mehrere  der  ältesten  Eisengegenstände,  die  wir  aus  dem  nordischen  Gebiet 
kennen,     sind     Nadeln, 


Armbänder  und  Hals-  &* 
ringe,  also  Schmuck-  Ö>)A 
sachen.  Schon  vor  dem 


Schluß  der  eigentlichen 
Bronzezeit  kommen  in- 
dessen öfters  Messer 
und  andere  Schneidewerkzeuge  aus  Eisen 
vor.  So  enthielt,  wie  wir  schon  gesehen 
haben  (S.  132),  ein  schwedisches  Grab  aus 
der  Bronzezeit  ein  Miniaturschwert  von 
Eisen.  Zu  dem  oben  erwähnten  be- 
merkenswerten Fund  bei  Eskelhem  auf 
Gotland,  der  aus  dem  Anfang  der  sechsten 
Periode  der  Bronzezeit  stammt,  gehörte 
auch  ein  Zaum,  dessen  Gebiß  aus  Eisen 
bestand;  das  beweist,  daß  das  Eisen  da- 
mals nicht  mehr  selten  oder  teuer  war. 
Ein  anderer  am  selben  Ort  gefundener 
Zaum,  der  übrigens  dem  ersteren  ganz 
gleich  ist,  hat  das  Gebiß  aus  Bronze. 

Daß  das  Eisen  wenigstens  im 
südlichen  Schweden  an  der  Mitte  des 
letzten  Jahrtausends  vor  Christus  allge- 
mein im  Gebrauch  war,  zeigt  sich  unter 

anderem  an  mehreren  dort  gefundenen  runden  Spangen  derselben  Art  wie 
Fig.  239.  Die  Spangen  selbst  sind  aus  Bronze,  aber  alle  bis  jetzt  aus  Schweden 
wie  aus  Dänemark  bekannten  —  die  einzigen  Länder,  wo  sie  überhaupt  ge- 
funden wurden  —  haben  Nadeln  aus  Eisen  gehabt.2)  Da  die  Nadeln  nicht 
sichtbar  waren,  verfertigte  man  sie  aus  Eisen  sicher  nicht,  um  den  Schnallen- 
schmuck  durch  Nadeln  aus  dem  neuen  kostbaren  Metall  zu  erhöhen.    Vielmehr 


239.     »Tutulusförmige«   Bronzespange,  von  zwei 
Seiten  gesehen;  die  Nadel  war  aus  Eisen. 
Öland.   Vi- 


1)  Montelius,   im  Manadsblad,  1885,  S.  78,  und  in  der  Sv.  Fornm.-für»  tidskr.,   Bd.  9,  S.  [62. 

2)  Montelius,  Remains  from  the  Iron  Age  of  Scandinavia,   S.  22. 


152 


Die   vorrömische  Eisenzeit. 


beweist  die  Anfertigung  gerade  des  nicht  sichtbaren  Schmuckteiles  aus  Eisen, 
daß  dieses  Metall  damals  schon  etwas  Gewöhnliches  gewesen  sein  muß. 

Spangen  dieser  Art  werden  meist  paarweis  gefunden  und  wurden  offen- 
bar paarweis  getragen  (Fig.  238).  Es  sind  skandinavische  Nachbildungen  einer 
Art  norddeutscher  Spangen  (Fig.  237),  die  selbst  wieder  durch  den  nahen  Zu- 
sammenhang, in  welchem  sie  zu  einer  anfangs  des  letzten  vorchristlichen  Jahr- 
tausends in  Griechenland  und  in  südeuropäischen  Ländern  griechischen  Ein- 
flusses gewöhnlichen  Typus  (Fig.  236)  steht,  sich  der  ersten  Hälfte  des  Jahr- 
tausends zugehörig  ausweist. 


i 


241.  Halsring  von  Bronze.    Gotland.    Y2. 


242.  Halsring  von  Bronze,  mit  Scharnier.    Schweden.    1/%  u.  i/j. 


240.    Eiserne  Nadel. 
Gotland.  2L. 


243.    Halsring  von  Bronze.    Gotland.     1j2. 

Aus  derselben  Zeit  wie  die  Spangen  Fig.  238  und  239  stammen  Halsringe 
wie  Fig.  241.  Ein  solcher  Ring  besteht  aus  einem  größeren  und  einem  klei- 
neren Teil.  Durch  das  Scharnier,  das  beide  Teile  vereinigt,  kann  der  Ring 
geöffnet  werden.  Der  größere  Teil  endet  in  einer  kleinen  Vertiefung,  die 
durch  ein  Zäpfchen  am  Ende  des"  kleinen  Teiles  ausgefüllt  wird,  wenn  der  Ring 
auf  dem  Halse  sitzt  und  durch  die  Elastizität  der  Bronze  geschlossen  ist. 


Schmucksachen. 


153 


Zu  den  ersten  Jahrhunderten  der  Eisenzeit  in  Schweden  gehören  auch 
solche  Halsringe  aus  Bronze  wie  Fig.  242,  243  und  247.  Es  ist  bemerkenswert, 
dal)  man  aus  jener  Zeit  so  viele  Halsringe  hat,  ein  Schmuck,  welcher  ja  auch 
in  der  jüngeren  Bronzezeit  im  Norden  sehr  allgemein' war,  und  welcher  in  der 
Periode,  die  der  vorrömischen  Eisenzeit  im  Norden  entspricht,  auch  von  den 
keltischen  Völkern  in  Mitteleuropa  allgemein  getragen  wurde.  Die  römischen 
Schriftsteller  reden  oft  von  den  »torques«  der  Gallier,  den  nicht  selten  ge- 
wundenen Halsringen,  die  man  auch  auf  römischen  Abbildungen  von  Galliern  sieht. 


244.     »La-Tene-Fibula«   von  Eisen.     Bohuslän.     '/2 


245.    Eisen  mit  Bronze  belegt.    Östergötland.    1/i. 


246.    Eisen  mit  Bronze  belegt.    Östergötland.    */,. 


248.  Eiserne  Fibel,   von  ver- 
schiedenen Seiten  gesehen. 
Öland.    2/3. 


249.    Tongefaß. 
Östergötland.     '   ;. 


247.   Halsring  von  Bronze.     Södermanland.    1/2. 


Aus  der  Periode  unserer  Eisenzeit,  die  wir  jetzt  betrachten,  wurden  auch 
viele  andere  Arbeiten  gefunden  (Fig.  245,  246,  250,  251);  unter  den  Schmuck- 
sachen  sind   besonders  Nadeln  (Fig.  240)   und   Spangen    verschiedener  Formen 

zu  nennen.    Die  bogenförmige  Spange  (»Fibula«,  Fig.  244)  ist  junger  als  die  eben 
beschriebenen    runden;    noch   jünger   ist   die   Fig.  248    abgebildete.      Vergleicht 


154 


Die  vorrömische  Eisenzeit. 


man  diese  Fibeln  mit  Spangen  aus  dem  späteren  Teil  der  nordischen  Bronze- 
zeit (Fig.  160),  so  findet  man  nicht  die  geringste  Ähnlichkeit.  Sie  sind  doch 
alle  untereinander  verwandt,  obwohl  sie  verschiedenen  Zweigen  derselben 
Familie  angehören,  die  lange  voneinander  getrennt  gelebt  haben.1) 

Die  meisten  dieser  Schmucksachen,  sowohl  Ringe  wie  Spangen  sind,  so- 
fern sie  nicht  aus  edlem  Metall  sind,  aus  Bronze;  und  dasselbe  ist  während  der 
ganzen  Eisenzeit  der  Fall. 

Einige  in  Schweden  gefundene  Fibeln  und  andere  Bronzearbeiten  aus 
dieser  Periode  sind  emailliert.-)  Weil  die  meisten  solche  Formen  zeigen,  die 
für  unsere  Gegenden   charakteristisch  sind,   muß  man  hier  im  Lande  schon  so 

früh  mit  der  Emaillierungstechnik  bekannt  gewesen  sein. 
Die  goldähnliche  Farbe  der  Bronze  machte  sie  zum 
Schmuck  geeigneter  als  das  Eisen,  und  so  wurde  sie  auch 
nach  dem  Eintritt  der  Eisenzeit  allgemein  zu  Schmuck- 
gegenständen oder  Gefäßen  verwendet,  wie  wir  ja  auch 
noch  heutzutage  Bronze  und  andere  Kupferlegierungen 
benutzen. 

Waffen  und  Werkzeuge  wurden  dagegen  nunmehr 
beinahe  ausschließlich  aus  Eisen  verfertigt  (Fig.  252 — 263). 
Nur  selten  findet  man  ein  Messer  oder  ein  ähnliches 
kleines  Werkzeug  aus  Bronze.  Freilich  sind  auch  ver- 
hältnismäßig wenig  Waffen  aus  der  vorrömischen  Periode 
der  Eisenzeit  bekannt;  dies   beruht    wohl    gerade    darauf, 


250.    Bronze.    Gotland.   1/1. 


251.    Bronze.    Gotland.   *  jv 


daß  sie  aus  Eisen  waren  und  in  der  langen  Zwischenzeit  verrosten  mußten. 
Eine  von  Rost  zerfressene,  vielleicht  beinahe  zerstörte  Eisenwaffe  läßt  sich 
aber  meistens  zeitlich  nicht  bestimmen;  es  sei  denn,  daß  sie  mit  irgend- 
welchen charakteristischen  Arbeiten  aus  Bronze  oder  aus  anderem  widerstands- 
fähigem Material  zusammen  gefunden  wird.  Mehr  als  eine  jetzt  unkenntliche 
oder  zum  mindesten  schwer  zu  bestimmende  Arbeit  aus  Eisen  kann  daher  aus 
dieser  Zeit  stammen,  ohne  daß  wir  es  wissen. 


1)  H.  Hildebrand,  Studier  i  jämförande  fornforskning.  Bidrag  tili  spännets  historia.     Inder 
Antiqv.  tidskr.  f.  Sv.,  Bd.  4  (1872—80). 

2)  T.  Js°n  Arne,    Svenska   emaillerade   föremäl    frän  den  fbrromerska  järnäldern,    in  Studier 
tillägnade  Oscar  Montelius,  S.  121. 


Waffen  und   Werkzeuge. 


155 


'n'~ 


253.    Ofen  für  Eisenschmelzung. 
Bjärsgärd   in  Skäne. 


d 


254.    Schildbuckel  von  Eisen.     Öland.    7s- 


1  :•("-. 


252.  Eisen- 
schwert (»Hall- 
statt-Typus«). 

Ostergötland. 

Vr 


255.    Kessel  von  Bronze  und  Eisen,    öland.    ^s- 


256.    Kisen- 

schwert  (»La- 

Tenc-Typu-   ) 

mit  Eisen- 

scheide.  Skäne. 

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i56 


Die   vorrömische  Eisenzeit. 


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257.  Eisenschwert, 

einschneidig. 

Öland.  l/6. 


258.  Schere  von  Eisen.    Östergötland.    Y3 


259.    Eisenmesser.    Östergötland.    2/3. 


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260.    Sichel  von  Eisen.    Gotland.    1/i. 


261.    Eisenschwert,  einschneidig.    Öland.    1j3. 


!     £§! 


262.    Lanzen- 
spitze von  Eisen. 
Öland.    l/4. 


263.     Lanzen- 
spitze von  Eisen. 
Öland.    1/3. 


Waffen  und  Werkzeuge. 


157 


Viele  in  Schweden  gefundenen  Gegenstände  aus  Eisen  haben  sich  als  im 
Lande  verfertigt  herausgestellt,  wahrscheinlich  aus  einheimischem  Material. 
Denn  als  das  Eisen  einmal  bei  uns  bekannt  geworden  war,  dauerte  es  sicher 
auch  nicht  mehr  lange,  bis  man  darauf  kam,  Eisen  aus  den  rostfarbigen  Klumpen 
von  Sumpferzen  auszuschmelzen,  die  vom  Grunde  der  Seen  heraufgeholt  wurden. 
Von  welcher  großen  Bedeutung  das  werden  mußte,  ist  leicht  zu  ermessen, 
wenn  wir  uns  erinnern,  daß  alles  in  der  Bronzezeit  hier  zu  Waffen  und  Werk- 
zeugen verarbeitete  Metall  vom  Ausland  gekauft  worden  war. 

Ein  kleiner  Ofen  einfachster  Art,  in  dem,  wie  wir  aus  der  darin  gefun- 
denen Schlacke  sehen,  das  Eisen  geschmolzen  wurde,  ist  Fig.  253  abgebildet. 
Er  wurde  kürzlich  bei  Bjärsgärd  in  Skäne  gefunden  und  gehört  einem  frühen 
Teil  der  Eisenzeit  an,  weil  man  zwischen  der  vor  dem  Ofen  liegenden  Schlacke 
Gefäßscherben  aus  jener  Zeit  fand.  Ob  er  in  den  Jahrhunderten  vor  oder  kurz 
nach  Christi  Geburt  benutzt  wurde,  kann  man  jedoch  nicht  bestimmen. 


264.    Römische  Bronzeschale,  mit  Details.    Gotland.    ^4  UQd  Vi- 


Im  Anfang  der  Eisenzeit  hatte  man  dieselben  Waffen  wie  in  der  Bronze- 
zeit: Schwerter,  Lanzen  (Fig.  262  und  263),  Pfeile  und  Äxte,  mit  dem  Schilde 
als  Hauptschutzwaffe. 

Die  Schwerter  waren  teils  wie  diejenigen  aus  Bronze,  zweischneidig  (Fig. 
252  und  256),  teils  einschneidig  (Fig.  257,  261  und  267),  was  in  der  Bronzezeit 
nicht  vorkommt.  In  beiden  Fällen  sind  sie  jedoch  wesentlich  von  denen  der 
vorhergehenden  Zeit  verschieden,  weil  die  Bronzeschwerter,  wie  wir  gesehen 
haben,  ausschließlich  oder  so  gut  wie  ausschließlich  Stichwaffen,  die  Eisen- 
schwerter aber  eigentlich  Hiebwaffen  waren.  Die  meisten  Klingen  sind  aller- 
dings mehr  oder  minder  spitzig,  doch  gehen  auch  manche  nicht  in  eine  Spitze 
aus.  Fig.  252  zeigt  ein  kürzlich  in  Östergötland  gefundenes  Eisenschwert  aus 
unserer  ältesten  Eisenzeit;  es  ist  von  dem  in  Mitteleuropa  wohlbekannten 
Hallstatttypus.  Viele  Schwerter  aus  späterer  Zeit  aus  den  Jahrhunderten  kurz 
vor  Christi  Geburt  —  der  la  Tenezeit  —  hatten  Scheiden  von  Kisen  (Fig.  256), 
andere  von  Holz. 

Von  den  Schilden,  die  aus  Holz  gefertigt  wurden,  sind  selten  mehr  als 
die  eisernen  Buckel  übrig  (Fig.  254).     Diese  hatten  ihren   Platz  mitten   auf  .hin 


i58 


Die  vorrömische  Eisenzeit 


Schild    und   dienten  dazu    die    Hand  zu  schützen,    die   querüber   einer    Öffnung 
unter  dem  Schildbuckel  den  Griff  hielt. 

Die  Tongefäße  waren,  wie  in  der  Bronzezeit,  ziemlich  grob,  aus  freier 
Hand,  nicht  auf  der  Scheibe  geformt  und  schlecht  gebrannt.  Bisweilen  ver- 
raten sie,  trotz  der  einfachen  Form,  einen  Einfluß  aus  dem  Süden  (wie  Fig.  249). 
Einige  schwedische  Funde,  wie  auch  einige  dänische  und  deutsche  aus 
derselben  Zeit  enthielten  große  Kessel  aus  Eisen  oder  Eisen  und  Bronze;  im 
letzteren  Fall  ist  der  obere  Teil  aus  Eisen,  der  untere  aus  Bronze  (Fig.  255). 

Einige  von  den  im  Norden  gefundenen 
Kesseln  hatten  eine  religiöse  Bestimmung. 
Aus  der  Zeit  des  Kaisers  Augustus  wird  von 
den  Cimbern  erzählt,  die  an  der  Elbemündung 
saßen  und,  als  sie  für  einen  Angriff  auf  die 
Römer  um  Verzeihung  zu  bitten  hatten,  den 
heiligen  Kessel  ihres  Volkes  als  Geschenk  nach 
Rom  brachten. 

In     einigen     Bronzeeefäßen     klassischer 


265. 


Bronzebild,    von  zwei  Seiten 
gesehen.     Skäne.    2/3. 


Herkunft,  die  in  dem  südlichsten  Teil  des 
nordischen  Gebiets  gefunden  wurden,  haben 
wir  Zeugen  der  Handelsverbindungen  mit  Süd- 
europa.  Ein  solches  römisches  Bronzegefäß 
aus  der  Zeit  kurz  vor  Christi  Geburt  wurde 
auf  Gotland  gefunden  (Fig.  264). 

Der  Handel  führte,  wie  in  der  Bronze- 
zeit, Bernstein  nach  Süden  und  brachte  süd- 
europäische Kulturerzeugnisse  nach  Norden. 
Offenbar  können  wir  die  Einwirkung  des  Südens 
in  gewissen  Bronzebildnereien  aus  den  Jahr- 
hunderten unmittelbar  vor  Christi  Geburt,  die 
in  Südschweden  gefunden  wurden  (Fig.  265), 
erkennen.  In  Übereinstimmung  mit  den  Bildern 
aus  der  Bronzezeit,  die  wir  schon  kennen  gelernt  haben,  verraten  sie  mehr  tech- 
nische Fertigkeit  als  künstlerische  Ausbildung.  Aber  sie  sind  von  großem 
Interesse,  weil  wenigstens  mehrere  von  ihnen  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
nordische  Arbeiten  sind. 

Daß  die  nordischen  »Barbaren«  mehr  technische  Fertigkeiten  besaßen,  als 
man  ihnen  nach  den  Schilderungen  der  klassischen  Schriftsteller  zutrauen  sollte, 
zeigt  übrigens  ein  bemerkenswerter  Fund,  der  vor  einigen  Jahren  in  Dänemark 
gemacht  wurde.  Man  fand  nämlich  dort  in  einem  Torfmoor  in  der  Nähe  der 
Dejbjerg-Kirche  an  der  jütischen  Westküste  zwei  Wagen  aus  Holz  mit  Bronze- 
beschlägen, welche  von  einer  hochentwickelten  Metall-  und  Holzbearbeitung 
zeugen.1)  Dank  der  schützenden  Eigenschaft  des  Torfes  war  das  Holz  so  gut 
erhalten,  daß  einer  der  Wagen  wieder  zusammengesetzt  werden  konnte  (Fig.  266). 

1)  H.  Petersen,  Vognfundene  i  Dejbjerg  Proestegaardsmose  (Kopenhagen,   1888). 


Einheimische  Arbeiten.     Religiöse  Vorstellungen. 


159 


Wie  vielfach  in  Sizilien  noch  heutzutage,  stand  auf  dem  Wagen  ein  Stuhl,  — 
die  schwedische  Sprache  hat  das  Wort  »stol«  für  Wagensitz  beibehalten,  — 
auf  dem  der  Fahrende  saß.  Das  heilige  Zeichen,  das  auf  den  Bronzebeschlägen 
des  Wagens  vorkommt,  läßt  uns  freilich  annehmen,  daß  dieser  Wagen  ebenso 
wie  die  früher  besprochenen  Wagen  von  Eskelhem  für  ein  Gottesbild  bestimmt 
war.1)  Die  Dejbjergwagen  konnten  ebensogut  von  Pferden  als  von  Kühen 
gezogen  werden. 

Daß  es  in  jener  Zeit  auch  Wagen  zum  profanen  Gebrauch  gab,  entnehmen 
wir  unter  anderem  daraus,  daß  ein  anderer  dänischer  Grabfund  Wagenbeschläge 
genau  so  wie  die  von  Dejbjerg  enthielt,  nur  ohne  die  heiligen  Sinnbilder. 

Unter  diesen  Sinnbildern  verdienen  die  »Triskelen«  besondere  Aufmerk- 
samkeit (Fig.  266  a),  die  gleich  den  im  späteren  Teil  der  Eisenzeit  gebräuch- 
lichen Hakenkreuzen  symbolisch  die  Bewegung  der  Sonne  darstellen. 


ü.^V«.*-*-,; 


266.    Wagen  von  Holz  mit  Bronzebeschlägen.    Dejbjerg  in  Jütland.     ' 


88- 


In  der  vorrömischen  Zeit  war,  wie  auch  jahrhunderte- 
lang vorher,  die  Leichenverbrennung  in  Schweden  allgemein.2) 
Die  Reste  des  Scheiterhaufens  wurden  nicht  selten  in  einer 
besonders  hergestellten  kleinen  Grube  ohne  Steinkiste  oder 
sonstiges  Behältnis,  und  ohne  Aufschüttung  eines  Hügels,  unter- 
gebracht.  In  den  Brandgruben«  —  in  Dänemark,  wo  sie 
zuerst    Gegenstand    der  Aufmerksamkeit  wurden,  nennt  man 


266a.    Ein   I'.ronze- 
beschlag  des  W'a. 
Fig.   266  (mit 
Triskelen).    1/a. 


1)  Vgl.   Tacitus,   Germania,   c.  XL;   Montelius,   im   Mänadsblad.    iSSS.   S.  174. 

2)  Montelius,  »Brandpletter    i  Östergötland, im  Mänadsblad,  1882,  S.  181.  —  F.  Baehrendtz, 
Saltet  vid    <)fre  Älebiick  (auf  Öland),  im  Mänadsblad,    1896,  S.  107.  —  O.  Almgren,   G 

Iran   äldre  jernaldern  vid  Alvastra  (in  Östergötland),   im   Mänadsblad,    1900,  S.  94.   —   Derselbe,   Ny- 
lunna  brandgropar  frän   la-TYne-tiden  i  Westergötland,   in   der  Sv.  Fornm.-för"  tidskr.,   Bd.  11 
—   Derselbe,   im   Centralblatt    für  Anthrop.,    Ethnol.   und   Urgeschichte,   Jahrg.  6  (1901  .   S    257     Got- 
land).  —  Montelius,  in  der  Sv.  Fornm.-iSr^  tidskr.,  Bd.  12  (1905),  S.  268  (1  tland).  —  T. 

Arne,   Ett  urnegraffält  i   Westergötland,  ebenda,   Bd.  12,  S.  233. 


i6o 


Die  vorrömische  Eisenzeit. 


sie  »Brandpletter«1)  —  liegen  die  Knochen  nicht  rein  gewaschen  wie  die 
der  Bronzezeit,  sondern  mit  Kohlen  und  Asche  vom  Scheiterhaufen  verunreinigt. 
In  anderen,  gewöhnlich  mit  einem  kleinen  Hügel  bedeckten  Gräbern  dieser 
Zeit  liegen  indessen  die  Knochen  in  einem  Gefäß  von  Ton  oder  Metall. 

Viele  Gegenstände  in  den  Gräbern  jener  Zeit  und  der  späteren  Eisenzeit 
tragen  deutliche  Spuren,  daß  sie  mit  den  Leichen  zusammen  verbrannt  worden 
sind.  Schwertklingen,  Speerspitzen  usw.  sind,  heiß  vom  Feuer,  zusammenge- 
bogen worden  (Fig.  261  und  267);  und  das  geschah,  wie  sich  verschiedentlich 
gezeigt  hat,  nicht  nur,  um  die  Gegenstände  in  die  Urnen  hineinzupassen. 

Mit  den  Toten  zu  verbrennen,  was  ihnen  nach  dem  herrschenden  Glauben 
jenseits  des  Grabes  nützlich  sein  konnte,  war  auch  bei  anderen  Völkern  Sitte. 
Und  eine  Erzählung  Herodots,  der  ungefähr  in  der  Zeit  lebte,  als  das  Eisen  in 
Schweden  allgemein  wurde,  zeigt,  daß  nach  Ansicht  der  Griechen  dem  Toten 
nicht  nur  seine  Kleider  und  andere  Habseligkeiten  mit  ins  Grab  zu  geben  waren, 
sondern  daß  sie  mit  ihm  auf  dem  Scheiterhaufen  verbrannt  werden  mußten,  da- 
mit ihre  »Seelen«  —  wie  wir  oben  (S.  13 2)  uns  ausdrückten —  sich  von  ihrer  Hülle 
frei  machen  und  seiner  Seele  in  das  Totenreich  folgen  konnten.  Herodot  erzählt 
nämlich,  wie  ein  griechischer  Herrscher  durch  seine  verstorbene  Frau  erfahren 


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267.    Einschneidiges  Eisenschwert,  mit  Details.    Öland.    Y4. 

wollte,  wo  ein  Schatz  verborgen  war.  Er  befragte  deshalb  das  »Totenorakel«. 
Aber  seine  tote  Gattin  wollte  ihm  keine  Auskunft  geben,  weil  er  sie  nackt  ge- 
lassen habe  und  sie  frieren  müßte;  denn  die  Kleider,  die  man  ihr  mit  ins 
Grab  gegeben  hätte,  nützten  ihr  nichts,  da  sie  nicht  verbrannt  worden  seien. 
Darauf  ließ  der  Herrscher  eine  Menge  Kleider  für  die  Tote  verbrennen  und 
erhielt  endlich  die  Antwort,  um  die  er  gebeten  hatte. 

Obgleich  Gräber  mit  unverbrannten  Knochen  aus  den  drei  letzten  Perioden 
der  schwedischen  Bronzezeit  nicht  bekannt  sind,  hat  man  doch  seltsam  genug 
einige  solche  gefunden,  die  der  ersten  Eisenzeit  angehören.  So  auf  Gotland 
und  Öland;  neben  den  Skeletten  lagen  Bronzeringe  wie  Fig.  243. 


Der  Einfluß  der  westlich  und  südlich  von  Skandinavien  belegenen  Länder, 
der,  wie  wir  gesehen  haben,  während  der  ganzen  Bronzezeit  bedeutend  war, 
kann  auch  in  der  nun  in  Frage  kommenden  Zeit  verfolgt  werden. 


1)  E.  Vedel,  Bornholms  Oldtidsminder  og  Oldsager  (Kopenhagen,  1886).  —  Derselbe,  Efter- 
skrift  til  Bornholms  Oldtidsminder  og  Oldsager  (Kopenhagen,  1897).  —  Derselbe,  in  den  Memoires 
de  la  Soc.  d.  Antiqu.  du  Nord,   1872,   1878 — 1879  und   1890. 


Keltischer  Einfluß.     Thule.  jÖj 

Nicht  nur  die  Britischen  Inseln  und  Frankreich,  sondern  auch  das  jetzige 
Süddeutschland,  die  Schweiz  und  mehrere  Länder,  die  heute  zu  Österreich  ge- 
hören, waren  damals  von  Kelten  bewohnt,  den  Briten,  Galliern,  Helvetiern  usw. 
Sie  wohnten  in  der  Nähe  derjenigen  Gegenden,  wo  die  klassische  Kultur  sich 
ausbreitete,  erfuhren  daher  eine  starke  Einwirkung  derselben  und  gaben  sie 
weiter.  Danach  darf  man  von  vornherein  annehmen,  daß  in  Schweden  und 
in  den  anderen  zu  dem  nordischen  Gebiet  gehörenden  Ländern  die  Kultur- 
verhältnisse jener  Zeit  denen  der  keltischen  Völker  geglichen  haben.  Und 
wirklich  treffen  wir  sowohl  im  Anfang  als  auch  —  vielleicht  noch  mehr  — 
später  in  dieser  die  letzten  fünf  Jahrhunderte  vor  Christus  umfassenden  Periode 
mannigfaltige  Arbeiten,  die  entweder  aus  den  keltischen  Ländern  zu  uns  ge- 
kommen oder  hier  keltischen  Mustern  nachgebildet  worden  sind.  Die  letzteren 
haben  zwar  größere  oder  geringere  Ähnlichkeit  mit  den  mitteleuropäischen 
Typen,  sind  aber  zweifellos  bei  uns  angefertigt,  indem  sie  genau  so  sonst 
nirgends  vorkommen. 

Da  wir  uns  jetzt  schon  unmittelbar  vor  Christi  Geburt  befinden,  ist  es 
natürlich  leichter,  als  es  für  die  älteren  Perioden  war,  das  Jahrhundert  der  ver- 
schiedenen Arbeiten  zu  bestimmen.  In  dieser  Zeit  beginnt  bereits  auch  in  dem 
Europa  nördlich  von  den  Alpen  das  Licht  der  Geschichte  zu  scheinen.  Viele 
von  den  im  Norden  gefundenen  Waffen  vom  Ende  der  vorrömischen  Eisenzeit 
haben  dieselben  Formen  wie  die  Funde  von  Alesia,  dem  heutigen  Alise  Sainte- 
Reine  im  französischen  Departement  Cöte-d'Or.  Diese  Stadt  wurde  nach 
langem  Kampf  von  Caesar  im  Jahre  52  vor  Chr.  eingenommen;  und  damit  ist 
es  festgestellt,  daß  die  fraglichen  Typen  dem  letzten  Jahrhundert  vor  Christus 
entstammen. 

In  der  Periode,  die  wir  jetzt  betrachten,  nehmen  die  damaligen  Kultur- 
völker, soweit  aus  jener  Zeit  überkommene  Schriften  ersehen  lassen,  zum  ersten- 
mal literarisch  vom  skandinavischen  Norden  Notiz.  Die  ältesten  Angaben  über 
unser  Gebiet  finden  sich  in  der  Beschreibung  der  Reise,  die  Pyteas  von  Massilia 
(Marseille)  nach  Nordeuropa  machte,  ungefähr  dreihundert  Jahre  vor  Christi 
Geburt.  Er  besuchte  Britannien  und  hörte  dort  von  einem  Lande  Thule1) 
reden,  das  sechs  Tagereisen  gen  Norden  liege  und  an  das  Eismeer  grenze.  Die 
Einwohner  in  Thule  trieben  Ackerbau;  die  Ernte  werde  in  Scheunen  gebracht. 
wo  die  Garben  ausgedroschen  würden;  unter  freiem  Himmel,  wie  im  Süden, 
könne  das  nicht  geschehen,  weil  man  in  Thule  selten  sonnenklare  Tage  hätte, 
dahingegen  Überfluß  an  Regen.  Aus  Korn  und  Honig  werde  eine  Art  <  retränk 
bereitet:  womit  sicher  Met  gemeint  ist.  Da  auch  nach  der  Meinung  der 
späteren  klassischen  Schriftsteller  Skandinavien  im  Norden  von  England  lag, 
hat  zweifellos  Pyteas  mit  Thule  die  Westküste  der  skandinavischen  Halbinsel, 
wahrscheinlich  Norwegen,  gemeint.  Pyteas  teilt  auch  manches  aus  der  1  leimat 
des  Bernsteins,  das  heißt   dem  Süden  des  nordischen  Gebietes,  mit.     Er  spricht 


1)  Man    erklärt    den    Namen    Thule    aus    dem    im    Altirischen  imenden    thu.il,    was 

Norden  bedeutet. 

Mo  n  teli  us,   Kulturgeschichte  Schwedens.  II 


j(52  Die  vorrömische  Eisenzeit. 

von  einem  Volk  der  Guttonen  oder  —  wie  andere  den  Namen  lasen  —  Teu- 
tonen.    In  den  Guttonen  will  man  die  Guten  oder   »Götar«    erkennen. 

Die  Glaubwürdigkeit  des  Pyteas  ist  angezweifelt  worden,  da  diese  An- 
gaben nicht  mit  den  Vorstellungen  der  alten  Geographen  übereinstimmten.  Eine 
unparteiische  Untersuchung  hat  indessen  zu  seinen  Gunsten  entschieden,  und 
besonders  hat  sich  in  letzter  Zeit  herausgestellt,  daß  seine  Schilderung  einer 
merkwürdigen  Erscheinung  im  Meer  bei  Thule  —  eine  Schilderung,  die  als  be- 
sondere Probe  seiner  erfinderischen  Phantasie  gegen  ihn  geltend  gemacht  wurde 
—  ein  treues  Wirklichkeitsbild  der  eigentümlichen  Art  ist,  in  der  das  Wasser 
an  unseren  Küsten  gefriert. 

Unglücklicherweise  sind  die  sämtlichen  Originalschriften  des  Pyteas  zu- 
grunde gegangen;  was  uns  erhalten  ist,  sind  nur  kurze  Auszüge  bei  späteren 
Schriftstellern. 


IL   DIE  RÖMISCHE  EISENZEIT. 

(Vom  Anfang  unserer  Zeitrechnung  bis  um  das  Jahr  400.) 


1.  Verkehr  mit  dem  römischen  Reiche.        Römische  Schriftsteller 

über  den  Norden. 

chon  vor  der  Zeit,  in  die  man  gewöhnlich  die  Gründung  Roms  ver- 
legt, hatte,  wie  wir  gesehen  haben,  ein  ganz  bedeutender,  durch  die 
Zwischenvölker  vermittelter  Handel  zwischen  den  bernsteinreichen 
Gegenden  der  Nord-  und  Ostseeküste  einerseits  und  Südeuropa,  besonders 
Italien,  andererseits  stattgefunden  ]). 

Dieser  Handel  wurde  noch  bedeutender,  als  die  Römer  Mitteleuropa  zu 
erobern  begannen.  Gallien  wurde  durch  Julius  Cäsar  dem  römischen  Reich 
einverleibt  und  in  dem  folgenden  Jahrhundert  ein  großer  Teil  Britanniens 
unterworfen.  Schon  Cäsar  war  über  den  Rhein  gegangen;  bald  faßten  die 
Römer  festen  Fuß  östlich  von  diesem  Fluß,  und  die  Länder  südlich  der  Donau 
wurden  römisch. 

In  vielen  zum  heutigen  Deutschland  und  Österreich  gehörenden  Ländern 
breitete  sich  die  römische  Kultur  aus,  und  ihr  Finfluß  erstreckte  sich  bis  zum 
Fall  des  weströmischen  Reiches  weit  über  die  Grenzen  des  Cäsarenreici 
Die  römischen  Heere  sind  wohl  nie  bis  Skandinavien  vorgedrungen,  weil  die 
Schlacht  im  Teutoburger  Walde  ein  für  allemal  den  Versuch  zunichte  machte 
Norddeutschlands  kräftige  Bevölkerung  zu  unterjochen.  Aber  eine  römische 
Flotte  hatte  kurz  vorher,  um  den  Anfang  unserer  Zeitrechnung,  Jütland  um- 
segelt.    Die   Wandinschrift  eines  römischen  Tempels  in   Ankyra.   dem   heutigen 


1)  Montelius,    Ett    i  Sverige    funnet    fornitaliskt    bronskärl.     Bidrag    tili    v.ir    kun 
handelsförbindelserna  mellan  Skandinavien    och    länderna    söder  härom  före  v.ir  tideräknings  liörjan. 
In  d'-r  Sv.  Fornm.-for*  tidskr.,   Bd.  ir   (1900),  S.  1.  —  Derselbe,   Ein  in  Schwi 

Li  altitalischer  Arbeit,  in  Strena    Helbigiana  (Leipzig,    1900),    S.  200.    —    Derselbe,  The   Earliest 
Communications    between   Italy    and  Scandinavia,   in   The   Journal   ot"  the  Anthropological    Institut 

t    Britain  and  Ireland,   XXX     London,    1900),  S.  89.    —   Derselbe,    1       rela  l'Italia  e  la 

Scandinavia  prima  <li   Augusto,  in  den  Atti   del   Congresso   internazionale  di  iche,   Roma, 

1903,  Bd.  V  (Roma,    1904),  S.  233. 

11* 


164 


Die  römische  Eisenzeit. 


Angora  in  Kleinasien,  spricht  von  diesem  denkwürdigen  Ereignis  und  setzt 
hinzu,  daß  kein  Römer  vordem  zu  Land  oder  zu  Wasser  bis  zu  diesen  von 
Cimbern  und    anderen    nordischen  Völkern    bewohnten  Gegenden    gelangt    sei. 

Die  Germanen,  sogar  die  in  den  nördlichsten  Gebieten  wohnenden,  kamen 
zu  der  Zeit  auch  auf  manche  andere  Art  mit  den  Römern  in  Berührung.  Schon 
während  der  Regierung  des  Augustus  hielten  sich  viele  in  Rom  auf,  entweder 
als  Soldaten  der  Leibwache  oder  aus  anderen  Gründen;  und  die  Anzahl  der 
;  Barbaren«,  die  auf  diese  Weise  die  römische  Kultur  aus  eigener  Anschauung 
kennen  lernten,  nahm  mit  der  Zeit  immer  mehr  zu. 

Von  noch  größerer  Bedeutung  für  die  Ausbreitung  des  römischen  Kultur- 
einflusses war  der  Handel:  eine  Tatsache,  die  wir  weniger  aus  römischen 
Schriften,  als  aus  zahlreichen  Funden  entnehmen,  deren  Wert  durch  die  neuesten 
Forschungen  klargestellt  worden  ist.1) 

Wir  hören  wohl,  daß  die  römischen  Kaufleute  weit  über  die  Grenzen 
ihres  Landes  hinaus  Handel  treiben;  so  erzählt  Tacitus,  wie  die  am  Niederrhein 
wohnenden  Bataver  sich  in  einem  unvermutet  ausgebrochenen  Krieg  im  Jahre  70 
nach  Christi  Geburt  auf  die  römischen  Kaufleute  warfen,  die  ohne  Ahnung 
von  der  Gefahr  im  Lande  weilten.  Auch  in  den  Gegenden  um  die  obere 
Elbe,  dem  von  den  Markomannen  bewohnten  Böhmen,  hielten  sich  nach  Tacitus 
römische  Kaufleute  auf. 

Wichtigere  Aufklärungen  über  diese  Handelsbeziehungen  als  von  zeit- 
genössischen Schriftstellern  erhalten  wir  indessen  durch  Funde.  Einige  in  Nord- 
deutschland entdeckte  Gräber,  die  in  Einrichtung  und  Inhalt  von  den  Gräbern 
ringsum  abweichen,  dagegen  mit  römischen  übereinstimmen,  dürften  Gräber 
römischer  Kaufleute  sein.  Unzählige  in  Skandinavien  ausgegrabene  Münzen 
und  Bronzegefäße,  Glasgefäße,  Waffen,  Schmucksachen  und  Kunstgegenstände 
aus  römischen  Werkstätten  beweisen,  daß  unsere  Vorfahren  während  der  ersten 
Jahrhunderte  nach  Christus  in  lebhaftem,  mehr  oder  weniger  unmittelbarem  Ver- 
kehr mit  dem  vornehmsten  Volk  ihrer  Zeit  standen,  eine  Berührung,  die  be- 
wirkte, daß  auch  viele  von  den  einheimischen  Arbeiten  aus  derselben  Zeit  sich 
durch  o-eschmackvolle  Form  und  feine  Ornamentik  auszeichnen. 

Nur  soll  der  Ausdruck  »Römische  Werkstätten«  nicht  direkt  Rom  be- 
zeichnen; denn  mit  Ausnahme  der  Münzen  dürften  die  meisten  der  im  Norden 
befundenen  römischen  Arbeiten  aus  den  Provinzen  des  Reiches  stammen. 

Die  Entfernung  der  Provinzen  am  Rhein  und  an  der  Donau  von  dem 
südlichsten  Teil  des  nordischen  Gebietes  war  ja  nicht  groß,  und  der  Handel 
mit  dem  Norden  war  leichter  als  früher. 


i)  C.  F.  Wiberg,  Der  Einfluß  der  klassischen  Völker  auf  den  Norden  durch  den  Handels- 
verkehr. Aus  dem  Schwedischen  von  J.  Mestorf  (Hamburg,  1867.  —  2.  Aufl.,  Stockholm,  1868). 
Für  die  anderen  Schriften  Wibergs  über  diese  Frage  siehe  Montelius,  Bibliographie  de  l'archeo- 
logie  prehistorique  de  la  Suede,  S.  47  und  77.  —  C.  Engelhardt,  Klassisk  Industri  og  Kulturs 
Betydning  for  Norden  i  Oldtiden,  in  den  Aarböger  f.  nord.  Oldkynd.,  1875,  S.  I.  —  Derselbe,  In- 
fluence  de  l'industrie  et  de  la  civilisation  classiques  sur  Celles  du  Nord  dans  l'antiquite,  in  den 
Memoires  de  la  Soc  d.  Antiqu.  du  Nord,   1872 — 1877,  S.  199. 


Verkehr  mit  dem  römischen   Reiche. 


I65 


Wir  können  an  der  Hand  der  zahlreichen  Funde  aus  Deutschland  und 
den  daran  grenzenden  Gebieten  des  europäischen  Festlandes  den  Weg  ver- 
folgen, auf  dem  die  römischen  Arbeiten  nach  dem  Norden  kamen.  Viele, 
wahrscheinlich    die    meisten  der  nach  Norden  gelangten  Münzen  aus  den  zwei 


268.    Römische  Silbermünze   (»Denar»)- 
Skäne.    l/i  • 


269.    Barbarische   Nachbildung  einer 
römischen   Silbermünze.      Gotland.      1/1. 


CP 


270.   Emaillierte  Bronzespange,  von  zwei 
Seiten  gesehen.    Gotland.    i/l. 


Glasbecher.   Westergötland. 


271.  Emaillierte  Bronzescheibe, 
von   zwei   Seiten   gesehen.    Gotland.    1/1. 


273.  Glasbecher,  Westergötland.   ' 


ersten  Jahrhunderten    nach  Christi  Geburt    brachte    der  Handel    von    Südosten 
die  Oder  und  Weichsel  hinab  in  die  Bernsteingegend. 

Wahrscheinlich    gilt    dies    auch    von    vielen    anderen  in  Skandinavien 
fundenen  Gegenständen.    Ein  Teil  davon  ist  jedoch  nachweisbar  aus  Südwesten, 
vom  Rhein,   gekommen. 


t 56  Die  römische  Eisenzeit. 

Die  Fundorte  der  römischen  Münzen  in  Skandinavien  beweisen  ebenfalls, 
daß  die  meisten  aus  dem  Süden  oder  Südosten  hierher  kamen.  Südost-Skäne, 
Bornholm,  Oland  und  vor  allem  Gotland  sind  die  skandinavischen  Gebiete,  in 
denen  die  meisten  römischen  Münzen  aus  den  ersten  zwei  Jahrhunderten  nach 
Christus  gefunden  wurden. 

Von  den  ungefähr  6400  römischen  Münzen  aus  diesen  Jahrhunderten,  die 
man  bis  jetzt  aus  Skandinavien  kennt,  sind  nämlich  mehr  als  4200  auf  Got- 
land, 850  auf  Oland  und  Bornholm,  650  in  Skäne,  aber  kaum  100  auf  dem 
Festland  Schwedens  außerhalb  Skäne  gefunden  worden;  etwa  600  in  Däne- 
mark außer  Bornholm,  in  Norwegen  nur  fünf1).  Einige  dieser  Münzen  sind 
gleichzeitige  barbarische  Nachbildungen  (Fig.  269). 

Auf  dem  Festland  von  Schweden  sind  solche  Funde  im  allgemeinen  selten, 
außer  der  südöstlichen  Spitze  von  Skäne,  dem  Bornholm  und  Norddeutschland 
am  nächsten  liegenden  Teile  von  Schwedens  Festland.  Dort  hat  man  des 
öfteren  in  alten  Zeiten  römische  Münzen  gefunden,  und  im  Frühling  1871  fand 
man  beim  Pflügen  eines  neu  angelegten  Ackers  bei  Hagestadborg  im  Kirchspiel 
Löderup  eine  große  Menge  ähnlicher  Münzen,  ganz  nah  an  der  Erdoberfläche 
liegend.  Von  dem  Funde  wurden  für  das  Nationalmuseum  550  Münzen  ange- 
kauft, die  1,60  kg  wogen;  sie  sind  zwischen  54  und  211  nach  Chr.  geprägt. 
Die  Münzen  waren  von  Silber,  sogenannte  »Denare«;  dasselbe  gilt  von  beinahe 
allen  im  Norden  gefundenen  römischen  Münzen  aus  der  Zeit.  Fig.  268  zeigt 
einen  von  den  bei  Hagestadborg  gefundenen  Denaren.  Er  trägt  den  Kopf 
des  Antoninus  Pius  und  ist  kurz  nach  dessen  161  n.  Chr.  erfolgtem  Tod  ge- 
prägt; auf  dem  Revers  ist  der  Scheiterhaufen  abgebildet,  auf  dem  die  Leiche 
des  Kaisers  verbrannt  wurde. 

Der  bei  Hagestadborg  gefundene  Münzschatz  ist  der  größte  seiner  Art, 
den  man  bis  jetzt  von  ganz  Skandinavien  kennt,  mit  Ausnahme  von  Gotland. 
Dort  fand  man  nämlich  1842  bei  Kams  im  Kirchspiel  Lummelunda  etwa  600 
römische  Silbermünzen  aus  dem  ersten  und  zweiten  Jahrhundert  nach  Christus. 
Und  beim  Reinigen  eines  Grabens  in  einem  zu  Sindarfve  im  Kirchspiel  Hemse 
gehörenden  Acker  fand  man  1870  etwa  1500  ähnliche  Silbermünzen  in  einem 
Tongefäß;  sie  wogen  zusammen  mehr  als  4,25   kg. 

Alle  bei  Sindarfve  gefundenen  Münzen  sind  —  wie  die  meisten  anderen 
im  Norden  gefundenen  römischen  Silbermünzen  —  sehr  abgenutzt,  was  beweist, 
daß  sie  lange  von  Hand  zu  Hand  gegangen  waren. 

Diese  Beobachtung    muß    ohne  Zweifel    mit   der  merkwürdigen  Tatsache 


1)  Montelius,  Remains  from  the  Iron  Age  of  Scandinavia  (Stockholm,  1869).  —  Derselbe, 
im  Manadsblad,  1872,  S.  55.  —  P.  Hauberg,  Skandinaviens  Fund  af  romerske  Guld-  og  Sölvmynt 
fö]  aar  550,  in  den  Aarböger  f.  nord.  Oldkynd.,  1894,  S.  325.  —  Derselbe,  Medailles  romaines  d'or 
et  d'argent  d'avant  le  milieu  du  VI«  siede,  trouvees  dans  les  pays  scandinaves,  in  den  Memoires  de 
la  Societe  des  Antiquaires  du  Nord,  1890 — 95,  S.  381.  —  O.  Almgren,  Om  fynden  af  romerska 
silfvermynt  i  Norden,  in  der  Svenska  Fornm.-förs  tidskr.,  Bd.  II  (1901),  S.  187.  —  H.  Hilde- 
brand, De  romerska  denarerna  i  mellersta  och  norra  Europa,  im  Manadsblad,  1901,  S.  41.  — 
C.  Jörgensen,  Denarfundet  fra  Robbedale  (Bornholm),  in  den  Aarböger  f.  nord.  Oldkynd.,  1900,  S.  92. 


Verkehr  mit  dem  römischen  Reiche. 


167 


in  Zusammenhang  gebracht  werden,  daß,  während  die  römischen  Münzen  aus 
den  ersten  zwei  Jahrhunderten  nach  Christus,  insbesondere  von  der  Antoninen- 
zeit,  in  großer  Masse  im  Norden  gefunden  wurden,  römische  Münzen  aus  dem 
dritten  und  vierten  Jahrhundert  bei  uns  sehr  selten  sind.  Wahrscheinlich  beruht 
das  darauf,  daß  die  römischen  Silbermünzen  sich  kurz  nach  200  bedeutend 
verschlechterten,  weshalb  man  im  Handel,  besonders  außerhalb  der  Reichs- 
grenzen, die  wohlbekannten  alten  vollwichtigen  Münzen  vorzog.  Auch  andere 
Umstände,  außer  der  eben  erwähnten  Abnutzung,  weisen  darauf  hin,  daß  die 
Denare  aus  der  Antoninenzeit  lange  im  Umlauf  waren1). 

Allerdings  sind  bei  uns  viele  römische  Münzen  aus  dem  ersten  und  aus 
der  ersten  Hälfte  des  zweiten  Jahrhunderts  nach  Christus  gefunden  worden; 
aber  bei  einer  näheren  Untersuchung  aller  Verhältnisse  hat  es  sich  gezeigt, 
daß  die  römischen  Münzen  in  nennenswerter  Anzahl  erst  nach  der  Mitte  des 
zweiten  Jahrhunderts  hierher  kamen,  in  der  Zeit  des  Marc  Aurel  (161  — 180). 
Die  älteren  Münzen  müssen  mit  denen  aus  dieser  Zeit  mitgekommen  sein.  Daß 
so  viele  Münzen  damals  nach  Skandinavien  geführt  wurden,  steht  ohne  Zweifel 
im  Zusammenhang  damit,  daß  die  Germanen  in  lebhaftere  Berührung  mit  den 
Römern  durch  das  gewaltige  Zusammenstoßen  der  beiden  Völker  kamen,  das 
unter  Marc  Aurel  stattfand,  die  in  der  Geschichte  wohlbekannten  »Marko- 
mannenkriege«. 

Die  allermeisten  römischen  Münzen  aus  den  ersten  zwei  Jahrhunderten 
n.  Chr.,  die  in  Skandinavien  gefunden  wurden,  sind,  wie  gesagt,  aus  Silber. 
Xur  einige  wenige  sind  aus  Gold  oder  Kupfer.  Dasselbe  gilt  von  den  anderen 
damals  von  Germanen  bewohnten  Ländern.  Tacitus,2)  der  davon  spricht,  daß 
die  Germanen  lieber  Silber  als  Gold  nähmen,  gibt  als  Grund  dafür  an,  daß  für 
ihren  Handel  eine  größere  Anzahl  Silbermünzen  zweckmäßiger  seien,  als  eine 
kleinere  Anzahl  von  Goldmünzen.  Es  sollte  hier  auch  bemerkt  werden  einer- 
seits, daß  das  Silber  damals  in  der  römischen  Welt  einen  viel  höheren  Wert 
im  Verhältnis  zum  Gold  als  heute  besaß,  und  andererseits,  daß  dies  hier  im 
Norden  in  noch  viel  höherem  Maße  der  Fall  gewesen  sein  muß.  Hier  war, 
wie  wir  gesehen  haben,  das  Gold  schon  längst  bekannt,  aber  Silberarbeiten, 
die  älter  sind  als  das  Auftreten  der  römischen  Silbermünzen,  sind  selten. 

Außer  Münzen  hat  man  bei  uns  auch  noch  andere  römische  Arbeiten 
aus  der  Kaiserzeit  gefunden.  Einige  sind  schon  im  ersten  Jahrhundert  n.  Chr. 
angefertigt,  andere  sind  jünger. 

Unter  den  ersteren  verdienen  besondere  Aufmerksamkeit  solche,  die  Fabrik- 


1)  Daß  einzelne  römische  Denare  aus  dem  zweiten  Jahrhundert  in  Schweden  zusammen  mit  Münzen 
aus  dem  zehnten  Jahrhundert  gefunden  wurden,  berechtigt  dagegen  nicht  zu  dem  Schluß,  daß  die  ersteren 
so  lange  im  Gebrauch  gewesen  wären.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  inige  Jahrhvu  nach 
Christus  vergraben  wurden,  dann  bei  Erdarbeiten  in  der  Wikingerzeit  gefunden,  als  Zahlung  ver- 
wendet wurden  und  aufs  neue  mit  Mün  laiigen  Zeit  in  die  Erde  kamen,  um  schließlich 
zum  zweitenmal  ausgegraben  zu  werden.  Beispiele  zweimaliger  Ausgrabung  haben  wir  auch  bei 
einigen   Steinäxten  (S.   67). 

2)  Germania,   c.    V. 


i68 


Die  römische  Eisenzeit. 


Stempel  tragen1).  Ein  in  Skäne  gefundenes  Bronzegefäß  mit  einem  solchen 
Stempel  ist  Fig.  274  abgebildet.  Mehrere  andere  Bronzegefäße  von  ganz 
gleicher  Form  fand  man  in  anderen  skandinavischen  Gegenden,  und  einige  von 
ihnen  zeigen,  wie  das  hier  abgebildete,  durch  ihre  Stempel,  aus  welcher  Werk- 
stätte sie  hervorgegangen  sind  und  welcher  Zeit  sie  angehören.  Dieselben 
Namen  liest  man  nämlich  auf  Bronzearbeiten,  die  in  den  Ruinen  der  79  nach 
Chr.  zerstörten  Städte  Herkulanum  und  Pompeji  ausgegraben  wurden;  diese 
Bronzen  stammen  also  aus  der  Zeit  um  die  Mitte  des  ersten  christlichen  Jahr- 
hunderts.    Zwei   Namen    solcher    Fabrikanten    sind    besonders    erwähnenswert. 


l»IMjMH*fflniP 


274.    Römische  Schöpfkelle  von  Bronze,  mit  Fabrikstempel  (NARCISSCATT); 
Details  und  Durchschnitte.    Skäne.    %. 

Der  eine  Name  ist  Publius  Cipius  Polybius,  der  andere  Lucius  Ansius  Epa- 
phroditus2).  Neun  Bronzegefäße  mit  dem  Namen  des  ersteren  wurden  in 
Pompeji  gefunden,  viele  sind  aus  anderen  Orten  in  Italien  bekannt,  sowie  aus 
Mittel-  und  Nordeuropa:  eines  aus  Kroatien,  eines  aus  Ungarn,  eines  aus  der 
Schweiz,  zwei  aus  England,  eines  aus  Schottland,  drei  aus  der  Rheingegend, 
eines  aus  Hannover,  eines  aus  Hinterpommern,  eines  aus  Schleswig,  und  nicht 
weniger    als    sechs    aus    verschiedenen  Gegenden  in  Dänemark.     Bronzegefäße 

1)  I.  Undset,  Iscrizioni  latinc,  ritrovate  nella  Scandinavia,  im  Bullettino  dell'  Instituto  di 
Corrispondenza  archeologica,  1883.  —  Chr.  Blinkenberg,  Romerske  Bronzekar  med  Fabrikmarke,  in 
den  Aarböger  f.  nord.  Oldkynd.,  1900,  S.  51.  —  Derselbe,  Vases  de  bronze  romains  avec  marques 
de  fabrique,  in  den  Memoircs  de  la  Soc.  d.  Antiqu.  du  Nord,    1896 — 1901,  S.  297. 

2)  Die  Werkstätten  der  Cipier  und  Ansier  lagen  wahrscheinlich  in  Capua.  H.  Willers,  Die 
römischen  Bronzeeimer  von  Hemmoor  (Hannover  u.  Leipzig,    1901),  S.  212. 


Verkehr  mit  dem  römischen  Reiche. 


169 


aus  der  Werkstätte  des  Epaphroditus  fand  man  ebenfalls  in  Pompeji,  an  anderen 
Orten  in  Italien  und  in  Mittel-  und  Nordeuropa:  eines  in  Kroatien,  zwei  in 
Frankreich,  zwei  in  England  und  Schottland,  zwei  in  Dänemark  und  eines  in 
Schweden.  Letzteres  wurde  im  Jahre  1828  samt  einer  Eisenaxt  in  einem 
Grabhügel  bei  Kungsgärden  im  Kirchspiel  Hög,  Helsingland,  gefunden.  Eines 
von  den  in  Dänemark  gefundenen  Gefäßen  mit  dem  Namen  des  Epaphroditus 
lag  im  selben  Grab  mit  zwei  Gefäßen  von  Polybius,  was  bestätigt,  daß  diese 
Arbeiten  wirklich  kurz  nach  der  Zeit,  in  der  sie  angefertigt  wurden,  nach 
Norden  kamen.  Daß  Bronzegefäße  aus  derselben  Werkstätte  in  so  großer 
Anzahl  und  so  weit  auseinander  liegenden  Gegenden  vorkommen,  zeugt  augen- 
fällig von  der  großen  Verbreitung, 
die      die 


römischen      Fabrikate 
hatten. 

Beim  Aufnehmen  von  Baum- 
wurzeln in  einem  Acker  bei  Len- 
stad  im  Kirchspiel  Torslunda  auf 
Öland  fand  man  im  Jahre  1824 
den  schönen  Griff  eines  größeren 
Bronzegefäßes.  Die  Augen  des 
Bacchuskopfes,  mit  dem  der  Griff 
nach  unten  abschließt,  sind  in 
Silber  eingelegt.  Auf  derselben 
Insel  ist  das  Original  der  Fig.  279 
gefunden  worden. 

Einer  der  merkwürdigsten 
Funde  von  römischen  Arbeiten, 
die  bisher  aus  Schweden  bekannt 
sind,  wurde  im  Jahre  1818  bei 
Fycklinge  im  Kirchspiel  Björksta, 
zwei  Meilen  von  Westeräs,  ge- 
macht.   Hier  fand  man  in  einem 

Grabhügel  eine  große  Bronzevase  (Fig.  278),  die  gebrannte  Knochen  und  einige 
Stücke  geschmolzenes  Glas,  vielleicht  von  Spielsteinen,  enthielt1).  Die  Inschrift 
dieser  Vase  besagt,  daß  sie  von  Ammillius  Constans,  dem  Tempelvorsteher  des 
Gottes,  dem  Apollo  Grannus  geweiht  war.  Dieses  prächtige  Bronzegefäß,  ein 
Prunkstück  unseres  Nationalmuseums,  ist  beinahe  45  cm  hoch;  die  um  den 
oberen  Rand  laufenden  Ornamente  sind  mit  Silber  eingelegt. 

Apollo  Grannus  wurde  von  den  Kelten  verehrt.  Der  Nanu-  kommt  in- 
schriftlich in  Schottland,  in  den  Rheingegenden  und  in  Bayern,  auch  auf  einem 
Altar  in  Rom  vor.  Grannus  ist  die  lateinische  Form  eines  keltischen  Wortes, 
das  Sonne  bedeutet. 

Unsere  Vase  gehörte  also  einst  einem   rempel  an,  der  in  einem  keltischen 

1)  J.  Hallenberg,  Berättelse  om  ett  forntids  romerskt  metallkärl  funnet  i  Westmanland  ir 

18 18    (Stockholm,    1819). 


275.     Glasbecher,  mit  geschliffenen   Ornamenten. 


Skäne.    2/3. 


I/O 


Die  römische  Eisenzeit. 


Lande    innerhalb    des    römischen    Reiches    stand,    wahrscheinlich    in   Südwest- 
deutschland  oder  im  Rheinland. 


276.    Römische  Schöpfkelle   mit  Sieb   von  Bronze;   der  Griff  auch   von   oben  gesehen.     Skäne.   1/3 


-  -. 


277.   Teil  eines  eisernen  Kettenpanzers.    Skäne.   ]  r 


278.  Bronzevase,  dem  Apollo  Grannus  geweiht. 
Römisches  Fabrikat.    Westmanland.    !/5. 


276a.    Das  Sieb  Fig.    276   von  unten 
gesehen.    */3. 


279.  Teil   eines  römischen 
Bronzegefässes.    Oland.    2L. 


Da  ein  Verkauf  des  Tempelgefäßes  nicht  gut  anzunehmen  ist,  dürfte  es 
einmal  als  Beute  entführt  worden  sein  und  wanderte  dann  nach  Norden,  um 
schließlich    in   Schweden    als  Graburne    der  Aufbewahrung    der    vom  Scheiter- 


Verkehr  mit  dem   römischen   Reiche. 


171 


häufen  gesammelten  Reste  ihres  letzten  Besitzers  zu  dienen.  Dieser  war  sicher 
reich  und  mächtig,  seinen  Namen  kennt  man  aber  nicht. 

Auch  sonst  noch  trifft  man  römische  Bronzegefäße  in  Schweden,  sowohl 
auf  dem  Festland  wie  auf  Oland  und  Gotland,  an.  Viele  davon  fand  man  in 
Gräbern. 

Ein  großer  und  kostbarer  Fund  römischer  Altertümer  wurde  im  Jahr  1S72 
bei  Öremölla  an  der  Südküste  Skänes  gemacht.  Dort  fand  man  in  der  Erde 
unter    einem    kleineren  Steinhaufen    in    einem    großen    Bronzegefäß    verbrannte 


280.    Römische   Bronzestatuette. 
Uppland.   Jj.j. 


281.   Römische  Bronzestatuette. 
Öland.    V 


Knochen,  die  in  einem  Kettenpanzer  von  Eisen  (Fig.  277)  lagen  und  mit  feinem 
Stoff  umwickelt  waren.  Neben  dem  Gefäß  standen  eine  Schöpfkelle  aus  Bronze 
mit  dazugehörigem  Sieb  (Fig.  276)  und  zwei  Glasbecher  (Fi-.  2;-,).  Das  Bronze- 
gefäß, die  Glasbecher  und  der  Kettenpanzer  sind  sicher  römische  Arbeiten1). 
Ahnliche  Funde  von  einem  großen  Bronzegefäß,  Kelle  und  Sieb  hat  man 
mehrmals  in  Skandinavien  gemacht.  Schöpfkelle  mit  da/n  passendem  Sieb 
fand  man  auch  oft  in  römischen  [.ändern.  Die  Römer  benutzten  sie,  um  Wein 
aus  dem  großen  Gefäß  zu  schöpfen,  in  welchem  der  Wein  mit  Wasser  oder 
Schnee  vermischt   wurde.      Da    man     mit    der   Kelle    und    dem    darein    gelegten 


1)  II.  Ilildebraml,  Öremölla-fyndet,  im  Manadsblad,    [874. 


172 


Die   römische  Eisenzeit. 


Sieb  den  Wein  schöpfte  und  dann  das  Sieb  heraushob,    wurde    die  Kelle    mit 
dem  klaren  Wein  angefüllt,  während  der  Bodensatz  in  dem  Sieb  stecken  blieb. 

Weil  man  nun  so  oft  im  Norden  nicht  nur  diese  Kellen  mit  Sieb,  sondern 
auch  große  Bronzebowlen  gefunden  hat,  können  wir  die  Frage  aufwerfen,  ob 
nicht  der  Wein  schon  damals  zu  den  Waren  gehörte,  die  der  Handel  aus  den 
südlichen  Ländern  zu  uns  brachte.  Aus  Cäsars  Schilderung  sehen  wir,  daß  der 
Wein  zu  den  Völkern  in  Westeuropa  durch  römische  Kaufleute  kam.  Und  von 
den  Sueven  im  Westen  des  heutigen  Deutschland  berichtet  er,  sie  hätten  diese 
Weineinfuhr  verhindert,  weil  sie  fürchteten,  der  Wein  schwäche  die  Arbeits- 
tüchtigkeit und  mache  weichlich. 

Außer  den  zwei  erwähnten  Glasbechern  aus  ( Jremölla  gibt  es  noch  viele 
andere  in  schwedischer  Erde  gefundene  Glasgefäße  (Fig.  272  und  273),  die 
nicht  nur  durch  ihre  Form  und  Verzierungen,  sondern  auch  durch  die  Um- 
stände, unter  denen  sie  gefunden  wurden,  den  vier  ersten  Jahrhunderten  nach 
Christus  zuzuteilen  sind. 

Unter  einem  Steinhaufen  fand  man  im  Kirchspiel  Sjonhem  auf  Gotland 
vor  mehreren  Jahren  einen  Sarg  mit  einem  hohen,  prächtigen  Becher  aus 
weißem  Glas,  jetzt  im  Nationalmuseum.  In  dem  Grab  lag  ein  ausgestrecktes 
Skelett,  zu  dessen  Häupten  links  der  Glasbecher,  in  der  Mitte  ein  eisernes 
Messer  und  zu  Füßen  ein  Tongefäß,  Bronzebeschläge  zweier  Trinkhörner  und 
anderes  mehr. 

Aber  nicht  nur  Gebrauchsgegenstände  von  Bronze  und  Glas  wurden  aus 
dem  römischen  Reiche  nach  Norden  gebracht,  sondern  auch  Kunstgegenstände, 
wie  Statuetten  und  ähnliches1).  So  fand  man  im  Jahre  1837  bei  Ösby  im 
Kirchspiel  Gräsgärd  auf  Oland  eine  schöne,  beinahe  30  cm  hohe  Venus  von 
Bronze  (Fig.  28 1)2).  Auf  derselben  Insel  wurde  auch  das  Bein  einer  kleinen 
römischen  Figur  und  ein  massiver  Stier,  beides  von  Bronze,  ausgegraben.  Der 
Stier,  der  4,45  kg  wiegt,  lag  in  einem  Acker  bei  Lilla  Frö  im  Kirchspiel  Resmo. 
Im  Bauch  befindet  sich  ein  großes  viereckiges  Loch;  vielleicht  war  er  einst 
auf  einer  Stange  befestigt  gewesen  und  hatte  römischen  Kriegern  als  Feld- 
zeichen gedient.  In  Uppland  im  See  Fysingen  fand  man  die  römische  Bronze- 
statuette  Fig.  280. 

Unter  den  vielen  anderen  Gegenständen,  die  unsere  Vorfahren  durch  den 
Handel  mit  den  Römern  erhielten,  sind  auch  einige  emaillierte  Arbeiten  zu  er- 
wähnen (Fig.  270  und   271). 


* 


1)  C.  Engelhardt,  Romerske  Statuetter  og  andre  Kunstgjenstande  fra  den  tidlige  nordiske 
jernalder,  in  den  Aarböger  f.  nord.  Oldkynd.,  1S71,  S.  432,  mit  12  Taf.  —  Derselbe,  Statuette^ 
romaines  et  autres  objets  d'art  du  premier  äge  de  fer,  in  den  Memoires  de  la  Soc.  d.  Antiqu.  du 
Nord,  1872  —  77,  S.  47,  mit  12  Taf.  —  Chr.  Blinkenberg,  Romerske  Bronzestatuetter,  in  den 
Aarböger  f.  nord.  Oldkynd.,    1900,  S.  65. 

2)  H.   Schuck,  in  der  Svenska  Fornm.-förs  tidskrift,  Bd.  7,  S.  238. 


Römische  Schriftsteller  über  den  Norden. 


173 


Da  Skandinavien,  wie  wir  gesehen  haben,  schon  lange  vor  Anfang  unserer 
Zeitrechnung  mit  dem  Süden  in  Verbindung  stand  und  der  Verkehr  mit  dem 
Römischen  Reiche  in  der  älteren  Kaiserzeit  so  lebhaft  war,  kann  es  nicht  wunder- 
nehmen, daß  einige  römische  Schriftsteller  etwas  von  unseren  Gegenden  zu 
erzählen  wissen. 

Der  Name  Codanonia,  womit  die  uns  überkommenen  geographischen 
Werke  des  Pomponius  Mela  unsere  Halbinsel  bezeichnen,  ist  wahrscheinlich 
eine  nur  durch  fehlerhaftes  Abschreiben  entstandene  Verdrehung  von  Scandinavia. 
Diese  Arbeit  stammt  aus  der  Mitte  des  ersten  Jahrhunderts  n.  Chr.  Codanonia 
wird  als  eine  große  und  fruchtbare,  von  Teutonen  bewohnte  Insel  beschrieben. 

Der  erste,  bei  dem  der  Name  Skandinavien  deutlich  vorkommt,  ist  Plinius 
der  Altere,  der  selbst  die  Küsten  der  Nordsee  besuchte  und  bei  dem  be- 
kannten Ausbruch  des  Vesuvs,  der  Herkulanum  und  Pompeji  begrub,  sein 
Leben  einbüßte.      Ich  habe  erzählen  hören«,  sagt  er,    »von  unermeßlich  großen 


282.    Ptolemäische  Karte  über  Südskandinavien  (Jütland,  dänische  Inseln  und  Südschweden). 

Inseln,  die  nicht  weit  von  Germanien  entdeckt  wurden.«  Die  berühmteste  dieser 
vielen  Inseln,  die  in  der  Codanischen  Bucht  liegen,  sei  Scandinavia,  von  un- 
bekannter Größe:  den  Teil  aber,  den  man  kenne,  bewohnen  die  Hillevionen, 
die  ihr  Land  eine  neue  Welt  nennen.  Als  Plinius  die  Britischen  Inseln  besuchte, 
hörte  er  dort  anderes  über  den  Skandinavischen  Norden,  was  er  auch  anführt, 
ohne  gewahr  zu  werden,  daß  es  sich  um  dasselbe  Land  handelt.  Unter  den 
Inseln,  die  im  Germanischen  Meer  gegenüber  Britannien  liegen,  nennt  er 
Scandia,  Nerigon  als  die  größte  und  Thule  als  die  äußerst  gelegene.  Scandia 
und  Skandinavien  sind  wahrscheinlich  verschiedene  Formen  desselben  Namens, 
ursprünglich  für  den  südlichsten  Teil  der  Insel,  wo  man  ihn  noch  im  Namen 
Skäne  wiederfindet.  Nerigon  kann  nur  Norwegen  sein  und  Thule  der  nördlichste 
Teil  desselben,  als  eine  Insel  für  sich  betrachtet.  Daß  die  Römer,  denen  der 
Zusammenhang  der  Skandinavischen  Halbinsel  mit  Finnland  und  Rußland  nicht 
gut  bekannt  sein  konnte,  und  die  ihre  Angaben  über  den  Norden  in  unsicherer 
Weise  von  verschiedenen  Seiten  erhielten,  unsere  Halbinsel  als  Insel  oder  viel- 
mehr als  mehrere  Inseln  betrachteten,  wird  uns  nicht   wundern. 

Den  schwedischen  Namen  treffen   wir  zuerst  bei  Tacitus  an,    der  un- 
gefähr   hundert    Jahre    nach    Christi  Geburt    seine    bekannte,    für    die   Kenntnis 


174 


Die   römische   Eisenzeit. 


Germaniens  so  äußerst  wichtige  Arbeit  schrieb.  Wie  die  alten  Schriftsteller 
im  allgemeinen,  so  hält  auch  er  die  Ostsee  für  ein  offenes  Meer,  das  er  das 
Suevische  nennt.  Im  Westen  liegt  die  Jütische  oder,  wie  sie  die  Römer 
nannten,  die  Cimbrische  Halbinsel,  die  nach  Tacitus  und  Plinius  sich  in  einem 
ungeheuren  Bogen  nach  Norden  erstreckt;  an  der  Ostseite  wird  das  Suevische 
Meer  vom  Ostyernland  begrenzt,  das  als  die  Heimat  des  Bernsteins  bezeichnet 
wird,  und  in  dem  wir  die  südöstliche  Ostseeküste  wiederfinden.  In  diesen 
großen  nach  Norden  offenen  Meerbusen  des  Ozeans  verlegt  Tacitus  das  Gebiet 
der  Svionen,  die  durch  ihre  starke  Bevölkerung  mächtig  an  Waffen  und  an 
Schiffen  sind.  Auf  die  eigenartige  Beschreibung,  die  er  von  ihren  Booten 
macht,  werden  wir  noch  näher  eingehen.  Nördlich  von  den  Svionen  ist  nach 
Tacitus  ein  zweites  Meer,  das  schwerflüssig,  ja  fast  unbeweglich  ist  und  den 
Erdkreis  einschließen  und  umgeben  soll,  während  der  Glanz  der  untergehenden 
Sonne  bis  zum  Aufgang  weilt,  so  hell,  daß  das  Licht  der  Sterne  davor  erbleicht. 

Im  zweiten  Jahrhundert  nach  Christus  schreibt  der  Alexandrinische  Geo- 
graph Ptolemäus,  daß  östlich  von  der  Cimbrischen  Halbinsel  die  Skandischen 
Inseln  liegen,  drei  kleinere  und  östlich  von  ihnen  die  vierte  und  letzte,  die 
eigentlich  Skandia  heiße.  Er  zählt  sechs  Völker  auf  dieser  Insel  auf,  deren 
Namen  aber,  teilweise  wahrscheinlich  durch  Fehler  beim  Abschreiben,  außer 
»Gutai«,  Gutar  oder  Gotar,  unkenntlich  sind.  Ptolemäus  ist  der  erste,  der  von 
den  Gutai  als  auf  Skandinavien  wohnend  spricht.  Auf  der  Karte  von  Nord- 
europa, die  zu  seiner  Geographie  gehört,  sehen  wir  Skandinavien  zum  ersten- 
mal (Fig.  282). 

Unter  den  auf  der  anderen  Seite  der  Ostsee  wohnenden  Völkern,  die 
Ptolomäus  aufzählt,  sind  die  Finnen  und  Gytonen,  die  in  der  Gegend  der 
Weichsel  wohnen  sollen.  Wenn  er  Skandia  der  W'eichselmündung  gegen- 
über legt,  kommt  das  sicher  daher,  daß  der  gewöhnliche  Weg  vom  Festland 
nach  Schweden  über  diese  Flußmündung  ging,  was  durch  dortige  Funde 
römischer  Münzen  und  anderes  bekräftigt  wird. 


2.    Lebensweise. 

Zahlreiche  Funde  aus  der  älteren  Eisenzeit  im  Norden  geben  uns  ein 
gutes  Bild  der  Lebensweise  und  des  Kulturzustandes  in  Skandinavien  zur 
Zeit,  wo  Heidentum  und  Christentum  um  die  Herrschaft  in  der  römischen 
Welt  kämpften,  und  die  Einfälle  der  Germanen  in  das  Reich  immer  heftiger 
wurden,  bis  sie  mit  dem  Sieg  der  »Barbaren«  und  dem  scheinbaren  Untergang 
der  alten  Bildung  endeten. 

Die  Kulturländer  des  Südens  hatten  damals  eine  Geschichtschreibung, 
die  selbst  kleinere  Ereignisse  aufgezeichnet  hat.  Nicht  so  unser  Land,  und  wir 
sind  fast  ganz  und  gar  auf  die  Monumente  und  die  Museen  als  Quellen  ange- 
wiesen. Was  die  zeitgenössischen  römischen  Schriftsteller  von  uns  zu  erzählen 
haben,  ist  nämlich,  wie  wir  gesehen  haben,  nicht  viel. 


Lebensweise. 


i/5 


Fig.  283  gibt  das  Bild  eines  nordischen  Häuptlings  vor  fünfzehnhundert 
Jahren.  Es  ist  nicht  aus  der  Phantasie  entstanden,  sondern  kann  als  historisch 
treu  angesehen  werden.  Kleider,  Waffen  und  Schmucksachen  sind  genau  nach 
denen   gezeichnet,    die   man   in   den   dänischen  Torfmooren    bei  Torsbjerg   und 


283.     Nordischer   Krieger  aus  dem    vierten  Jahrhundert   nach   Chr. 


Nydam   in   Sönderjylland    gefunden    hat.     Die   konservierende    Eigenschaft 
Torfes   hat    hier    Kleider,   Holzarbeiten    und    anderes    aus    der   älteren    Eisenzeit 
auf  wunderbare  und  beinahe  einzige  Art   erhalten.     Und  wir  können  mit  Recht 
annehmen,  daß  die   Aufklärungen,  tue  diese  durch  ungewöhnlich  günstige   Um- 
stände ausgezeichneten  Funde  aus  Dänemark  geben,  auch  für  unser  Land  gelten. 


i;6 


Die  römische  Eisenzeit. 


284.    Schere  von   Bronze.    Gotland.     * , 


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Die  Kleider  sind  aus  Wolle.1)  Das  Gewebe  ist  feiner  und  zeugt  von 
größerer  Webfertigkeit  als  das  der  Bronzezeit;  ein  Rautendrellmuster  kommt  oft 
vor  (Fig.  285).  Die  Hauptbekleidungsstücke  bestehen  aus  einem  langen  Rock 
mit  Armein  bis  zu  den  Handgelenken  und  Hosen,  die  um  den  Leib  mit  einem 
Riemen    (auf    dem    Bilde    nicht    sichtbar)   festgehalten    werden    und    unten    mit 

kurzen  Strümpfen  zusammengenäht 


sind.  Die  äußere  Fußbekleidung 
sind  eine  Art  lederne  Sandalen 
mit  feinen  gepreßten  Ornamenten. 
Über  der  Schulter  hängt  ein  Mantel 
aus  Wolle,  unten  mit  langen 
Fransen  versehen.  Einer  der  im 
Torsbjergmoor  gefundenen  Mäntel 
hatte  seine  Farbe  bewahrt,  sie  ist 
grün  mit  gelben  und  dunkelgrünen 
Borten.  Die  Hosen  scheinen,  wie 
wir  schon  gesehen  haben  (S.  93), 
in  der  Bronzezeit  hier  im  Norden 
noch  nicht  getragen  gewesen  zu 
sein;  es  verdient  daher  Beachtung, 
daß  sich  diese  das  germanische 
Volk  im  allgemeinen  kennzeich- 
nende Beinbekleidung  um  etwa 
dreihundert  Jahre  nach  Christus 
in  Skandinavien  zeigt. 

Die    Sandale,     die   den    Fuß 


■*h 


285.    Wollenstoff.    Torsbjerg 
in  Schleswig,     ^j. 


286.  Spindel  (modern), 

mit  hölzernem  Wirtel.  so  wenig  bedeckt,  scheint  für  das 
Dalarne.  |B.  nordische  Klima  wenig  passend, 
und  so  ist  es  wahrscheinlicher,  daß 
diese  Fußbekleidung  durch  einen 
vom  Süden  eingewanderten  Stamm 
eingeführt  wurde,  als  daß  sie 
einem  im  Süden  wohnenden  Volk 
entlehnt  worden  sei. 

Aus  der  älteren  schwedischen 
Eisenzeit  kennt  man  allerdings  bis 
jetzt  keine  Reste  von  Leinen- 
geweben. Aber  das  kann  Zufall 
sein  und  beweist  nicht,  daß  Leinen  damals  unbekannt  gewesen  wäre,  da  wir 
doch  Spuren  von  Leinwand  schon  aus  der  Bronzezeit  in  Südskandinavien 
haben.  In  schwedischen  Gräbern  aus  der  späteren  Eisenzeit  ist  Leinwand 
gefunden  worden. 


287.  Tönerner  Spinnwirtel,  von  zwei  Seiten  gesehen. 
Bohuslän.    2L. 


1)  Th.  Thomsen,    Vaevede    Stoffer    fra    Jernalderen,    in    den    Aarböger    f.    nord.    Oldkynd., 
1900,  S.  257. 


Lebensweise.  jyy 

Unter  den  Funden  aus  der  älteren  Eisenzeit  kommen  nicht  selten  eine 
Art  anscheinend  unbedeutender  Altertümer  vor,  die  doch-  unsere  Aufmerksam- 
keit verdienen,  nämlich  solche  runde  durchbohrte  Scheiben  wie  die  Fig.  287 
abgebildete.  Es  waren  »Spinnwirtel«,  das  heißt  sie  haben  als  Schwungrad  an 
den  unter  dem  Namen  Spindel  bekannten  einfachen  Spinngeräten  gedient,  die 
sogar  noch  in  unserer  Zeit  in  Dalarne  (Fig.  286),  Härjedalen  und  anderen  ab- 
gelegenen Gegenden  Schwedens  gebraucht  wurden,  während  sie  sonst  längst 
dem  Spinnrocken  weichen  mußten,  der  seinerseits  von  den  modernen,  zeit- 
sparenden Spinnmaschinen  verdrängt  wurde.  Der  hier  abgebildete  Spinn- 
wirtel ist  wie  viele  andere  aus  gebranntem  Ton;  doch  gab  es  auch  solche  aus 
Stein,  und  sicher  waren  auch  in  der  älteren  Eisenzeit  wie  heutzutage  viele 
aus  I  Iolz. 

Die  Spindel  ist  seit  Urzeiten  beinahe  überall  benutzt  worden.  In  Homers 
Gesängen  begegnen  wir  der  hellenischen  Frau ,  die  mit  der  Spindel  arbeitete, 
und  in  den  Ländern  des  Südens  ist  sie  noch  allgemein  im  Gebrauch.  Wir 
finden  Spindeln  in  Amerika  wieder,  die  den  europäischen  ganz  ähnlich  sind. 
In  Peru  pflegte  man,  wenn  eine  Frau  starb,  ihr  die  Spindel  mit  ins  Grab  zu 
geben,  und  dieselbe  Sitte  herrschte  im  Norden.  Der  Wirtel,  der  Fig.  287 
abgebildet  ist,  wurde  neben  einem  zweiten  ebensolchen  und  einem  mit  gebrannten 
Knochen  angefüllten  Tongefäß  in  einem  Hügel  des  prächtigen  Gräberfeldes 
von  Greby  in  ßohuslän  gefunden  (Fig.  333).  Ohne  Zweifel  enthielt  dieser 
Hügel  die  Reste  einer  Frau,  da  das  Grab  wreder  Waffen  noch  anderes  Mannes- 
gerät enthielt. 

Wie  wir  aus  dem  Vorangehenden  gesehen  haben,  ist  es  ungewiß,  wieweit 
man  bei  uns  Spindeln  vor  dem  Anfang  der  Eisenzeit  kannte.  In  Mitteleuropa 
waren  sie  jedenfalls  viel  früher  in  Gebrauch. 

Neu  tritt  bei  uns  im  Anfang  der  Eisenzeit  die  Schere  (Fig.  284)  auf. 
Vorher  mußte  das  Messer  deren  Dienste  leisten.  Die  Scheren,  die  in  Schweden 
in  der  Eisenzeit  benutzt  wurden  —  und  die  aus  zwei  Messern  gebildet  waren  - 
hatten  alle  dieselbe  Form  wie  die  für  die  Schafschur  heute  noch  üblichen: 
Scheren  dieser  Form  werden  in  gewissen  Teilen  des  Landes  auch  noch  ander- 
weitig benutzt.  Da  die  im  Norden  in  der  Eisenzeit  gebräuchlichen  Scheren 
denen  der  Römer  gleichen,  haben  wir  hier  wahrscheinlich  wieder  die  Spur 
römischen  Einflusses.  Die  abgebildete  Schere  ist,  wie  einige  andere  aus  der 
älteren  Eisenzeit,  von  Bronze  und  liefert  dadurch  den  Beweis,  daß  die  Bron/e 
noch  nach  Schluß  der  Bronzezeit,  wenn  auch  selten,  zu  Schneide  Werkzeugen 
verwendet  wurde. 

Solche  anscheinend  unbedeutende  Umstände  wie  das  Vorkommen  derSpinn- 
wirtel  und  das  erste  Erscheinen  der  Schere  dürfen  nicht  übersehen  werden, 
wenn  man  die  Kulturgeschichte  eines  Landes  kennen  lernen  will.  Diese  in 
unseren  Augen  so  einfachen  Erfindungen,  —  die  so  alt  sind,  daß  wir  sie  kaum 
als  Erfindungen  betrachten,  —  haben  vielleicht  einen  ebenso  großen  Einfluß  aus- 
geübt, wie  die   Erfindung  der  Nähmaschine   in  unserer  Zeit. 

Monte lius,  Kulturgeschichte  Schwc  I  j 


i78 


Die  römische  Eisenzeit. 


Spange  von  Bronze  und  Silber,  von  zwei  Seiten 
gesehen.    Westergötland.    1/1. 


<2_ 


3 fa 


291.    Hakenkreuzförmige    Bronzespange, 
von  zwei  Seiten  gesehen.    Blekinge.  2|3. 


290.   Goldener  Hängezierat. 
Westergötland.     i/1. 


289.    Silberspange,  von  zwei  Seiten 
gesehen.    Östergötland.  1/1. 


292.     Goldring.    Gotland.     °/3. 


293.  Goldener  Finger- 
ring. Medelpad.   1/1. 


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294.    Bronzespange,  mit  vergoldetem  Silber  belegt 
und  mit  farbigem  Glasfluß  besetzt.    Uppland.    1/1. 


295.  Bronze  mit  vergoldetem  Silber 
und  farbigem  Glas.  Boh.   J jx. 


Lebensweise. 


179 


Die  Kleider  wurden  in  der  älteren  Eisenzeit  meist  mit  Nadeln  oder  Spangen1) 
zusammengehalten,  die  in  großer  Menge  in  den  Funden  vorkommen.  Knöpfe 
oder  Haken  trifft  man  hingegen  äußerst  selten  an. 

Die  Spangen  (Fibeln)  waren  von  Eisen,  Bronze  oder  Silber,  bisweilen 
mit  Gold  belegt  oder  mit  Email  geschmückt  (Fig.  270).  Eine  in  dem  ersten 
Jahrhundert  nach  Christus  gebräuchliche  Form  der  Fibel  ist  Fig.  288  abgebildet; 
dem  dritten  Jahrhundert  entstammt  das  Original  der  Fig.  289.  Die  Spangen 
dieser  Periode  zeichnen  sich  oft  durch  Feinheit  und  geschmackvolle  Arbeit  aus. 
Manchmal  sind  sie  ziemlich  groß,  aber  niemals  so  grob  wie  in  einigen  anderen 
Abschnitten  der  Heidenzeit.  Die  Nadel  läuft  oft  in  mehreren  Windungen  um 
eine  durch  das  obere  Ende  der  Fibel  gehende  kleine  Querstange  und  bekommt 
dadurch  große  Elastizität.  Aus  Grabfunden  —  den  einzigen  Quellen  für  unsere 
Kenntnis  von  der  Anwendung  dieser  Spangen  und  anderer  zur  selben  Zeit 
gebräuchlichen  Schmucksachen  —  bat  es  sich  gezeigt,  daß  man  oft  mehrere 
solche    Spangen     auf  einmal  trug.     So   fand    man  vor  einigen  Jahren  in  einem 


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\ 


296.    Bronze  mit  vergoldetem 

Silber  und  farbigem  Glas. 

Uppland.    1/l. 


297.     Goldener  Armring.    Oland.    1/1. 


Grab,  das  die  Reste  einer  unverbrannten  Leiche  enthielt,  nicht  weniger  als  vier 
Spangen.  Eine  von  ihnen  hatte,  wie  die  Lage  des  Skelettes  ergab,  am  Halse 
gesessen,  unter  dem  Kinn,  eine  auf  jeder  Schulter  und  eine  mitten  auf  der  Brust 

Einige  Male  fand  man  in  nordischen  Gräbern  aus  jener  Zeit  Spangen  in 
Form  eines  Hakenkreuzes  (wie  Fig.  291).  Der  Gürtel  wurde  gewöhnlich  mit 
Schnallen  zusammengehalten  (Fig.  294).  Das  Original  dieser  Abbildung  war, 
wie  mehrere  andere  Arbeiten  derselben  Zeit  (Fig.  295  und  296),  mit  dünn- 
gepreßten  Platten  von  vergoldetem  Silber  belegt  und  mit  gefärbtem  Glas 
schmückt;  die  meisten  Schnallen  waren  viel  einfacher. 

Der  im  letzteren  Teil  der  Bronzezeit  vorherrschende  Geschmack  an 


1)  H.  Hildebrand,   Bidrag  tili  spännets  bistoria,  in  dei  Antiqv.  tidskr.  f.  Sv.,  Bd.  4     18; 

1880)  —  O.  Almgren,  Studien  über  nordeuropäische  Fibelformen    Sl  rafeln. 

[2* 


j  gQ  Die  römische  Eisenzeit. 

Ringschmucksachen  aus  Bronze  ist  in  den  ersten  Jahrhunderten  nach  Christus 
beinahe  verschwunden.  Nur  selten  trifft  man  größere  Ringe  an,  und  sie  sind 
öfter  von  Gold  als  von  Bronze  (Fig.  292) 

Zu  dieser  Periode  gehören  auch  die  massiven  Armspiralen  aus  Gold,  wie 
die  Fig.  297  abgebildete;  die  Enden  schließen  meist  in  mehr  oder  weniger 
deutlichen  Tierköpfen.    Auch  Goldfingerringe  derselben  Form  fand  man  (Fig.  293). 

Andere  Fingerringe  aus  Gold  sind  glatt  und  sehen  aus  wie  unsere  heutigen 
Trauringe.  Bemerkenswert  ist,  daß  man  in  einigen  dänischen  Skelettgräbern 
aus  jener  Zeit  solche  glatte  Ringe  auf  dem  Ringfinger  der  rechten  Hand  fand, 
also  genau  da,  wo  noch  heute  in  Dänemark  der  Trauring  getragen  wird.  Hier 
haben  wir  eine  Andeutung,  daß  wirkliche  Ehen  schon  in  der  älteren  Eisenzeit 
im  Norden  vorkamen,  was  auch  an  und  für  sich  wahrscheinlich  ist.  In  vielen 
italienischen  Gräbern  aus  der  Zeit  vor  Christi  Geburt  fand  man  ähnliche  glatte 
Ringe  an  dem  Ringfinger  der  einen  Hand. 

Von  Schmucksachen  und  Putzgegenständen  haben  wir  Gehänge  aus  Gold 
(Fig.  290),  Perlen  aus  Gold,  Glas  und  Bernstein,  Kämme  aus  Knochen,  kleine 
Döschen  aus  Silber,  wahrscheinlich  für  Salben,  kleine  Zangen  und  Ohrlöffelchen, 
gewöhnlich  aus  Bronze,  bisweilen  aus  Silber.  Eine  solche  Zange,  manchmal 
an  einem  kleinen  Ring  zusammen  mit  dem  Ohrlöffelchen,  wurde  sicher  an- 
gewendet, um  Haare  zu  entfernen;  eine  ähnliche  Anwendung  solcher  Zangen 
kennen  wir  auch  noch  aus  späterer  Zeit.  In  einem  dänischen  Grab  lag  ein 
kleiner  römischer  Spiegel  aus  Metall;  er  ist  rund  und  hat  nur  ein  paar  Zoll 
im  Durchmesser. 

Der  schöne  aus  dem  ersten  Jahrhundert  nach  Christus  stammende  Hänge- 
schmuck Fig.  290  verdient  besondere  Aufmerksamkeit.  Er  ist,  wie  auch 
andere  Arbeiten  aus  jener  Zeit,  mit  aufgelöteten  Drähten  und  Körnchen  von  Gold 
geschmückt.  Die  Anfertigung  solcher  Filigranornamente *)  hatten  die  Nordländer 
durch  die  Berührung  mit  der  römischen  Kultur  erlernt:  auch  unsere  Vorfahren 
erreichten  bald  einen  hohen  Grad  von  Geschicklichkeit  in  der  Verfertigung 
solcher  Schmucksachen,  wie  die  außerordentlich  feinen  und  großartigen  Gold- 
filigranarbeiten aus  der  Mitte  des  ersten  Jahrtausends  und  die  ebenso  ausge- 
zeichnet schönen  Silberfiligranarbeiten  aus  der  Wikingerzeit  beweisen.  Dieser 
aus  den  ersten  Jahrhunderten  unserer  Zeitrechnung  stammende  Zweig  des  Kunst- 
handwerkes lebte  im  Mittelalter  weiter  fort  und  ist  auch  heute  auf  der  Skan- 
dinavischen Halbinsel  noch  nicht  ausgestorben. 

Das  Gold  war  nicht  länger  so  selten,  wie  in  den  vorhergehenden  Zeiten. 
Von  den  vielen  schwedischen  Goldfunden,  die  aus  dieser  Periode  stammen,  sind 
folgende  besonders  bemerkenswert. 

Massive  Goldarmringe  wie  Fig.  297  sind  auffallend  oft  gefunden  worden:2) 
in  Uppland,  bei  Westra  Rickeby,  im  Jahre  1823,  drei  solche  Ringe  (Gesamt- 
gewicht 574  Gramm);    Längalma,    1834,    ein   Ring  (191,5  g);    Längtora,   1852, 


1)  Die  Benennung  Filigran  kommt  vom  lateinischen  Filum,   Faden,   und   Granum,   Korn. 

2)  H.  Hildebrand,    Ormhufvudringarne    frän    den    üldre   jernäldern,    im  Mänadsblad ,    1873 
und    1891. 


Lebensweise.  j  g  j 

das   Endstück   eines  Ringes;    Tuna,    1891,    zwei    Ringe    (199,6  und    178,2  g)1). 

—  Nerike,  Luggawi,  1856,  ein  solcher  Ring  (182  g)  nebst  einem  Goldring 
anderer  Form  (beide  zusammen  323  g)2).  —  Bohuslän,  Höwikenäs,  1834, 
ein  Ring  (191,5  g)3).  —  Skäne,  Bunkeflo,  1865,  ein  Ring  (191,3  g);  Eskils- 
torp,  1869,  ein  Ring  (189,6  g)4).  —  Smäland  (Kalmar  Län),  Krakelund,  1825. 
ein  Ring;  Tryserum,   1881,  ein  Ring  (186,6g);  Päboda,  1905,  ein  Ring  (202,2  g). 

—  Öland,  Ösby,  1 8 1 5,  ein  Ring  (199,2  g)5);  Kastlösa,  1853,  ein  Ring  (217,5  g)«); 
Näsby,  1868,  ein  Ring  (191,7  g);  Resmo,  1897,  ein  Ring  (191,5  g).  —  Gotland, 
Hejnum,  1843,  ein  Bruchstück;  Lilla  Ryftes,  1873,  ein  solcher  Ring  (184  g) 
nebst  einem  Goldring,  ähnlich  dem  von  Luggawi  in  Nerike  (beide  zusammen 
362,1g);  Mannegärda,  1882,  ein  ungewöhnlich  kleiner  Ring;  Träkumla,  1895,  ein 
Ring  (197.7  g);  Westrings,    1898,  ein  Ring  (226,9  g). 

Andere  bedeutende  Goldfunde  aus  derselben  Periode  wurden  gemacht: 
in  Medelpad,  bei Skottgärd,  im  Jahre  1843,  ein  Ring  (78,6  g)T).  —  Westman- 
land, Möklinta,  17 13,  ein  Goldarmring  und  andere  Sachen  aus  Gold  und  Silber 
(Gesamtgewicht  127  g  Gold  und  65  g  Silber).  —  Södermanland,  Fröstuna, 
1842,  ein  Halsring  (131,4g)8).  —  YYestergötland,  Angered,  1687(1),  das 
Endstück    eines   großen    Ringes   (Gürtels?);    Wäby,    1885,    ein    Ring    (156,2  g); 

o 

Asaka,  1901,  ein  schwerer  Armring  (267  g)9).  —  Bohuslän,  Lilla  Jored, 
18 16,  in  einem  Grabe,  ein  Spiralring  und  anderer  Schmuck10).  —  Halland. 
Ffulrugered,  1833,  ein  Halsring  (133,5  g)11)-  —  Skäne,  Keglinge,  1832,  ein 
Ring  (176  g);  Trelleborg,  1846,  eine  Barre  (151,3  g);  Stenestad,  1868,  ein 
Halsring  (136,3  g)12);  YYidtsköfle,    1888,    ein  schwerer  Spiralarmring   (383  g)ia  ; 

—  Smäland,  Byarum,  1781,  ein  breiter  Fingerring  und  ein  Stück  Gold  (Gesamt- 
gewicht 212  g);    Klefva,    1881,    das  Endstück    eines    Halsringes14).  —  <  >land, 

o 

Persnäs,  1848,  ein  Armring;  Solberga,  1854,  ein  Halsring;  As,  1868,  ein  Hals- 
ring von  99,5 °/0(!)  Goldgehalt  (190  g)15);  Köping,  1888,  ein  Armring;  Hügby, 
1889,  ein  Armring;  Kolstad,  1897,  ein  Ring  (208,3  g)-  —  Gotland,  Walla, 
1844,  ein  Ring  (189,6  g)16),  ein  zweiter  Ring,  eine  Barre  und  eine  Münze  des 
Kaiser  Titus,  alles  aus  Gold  (367,9  g);  Burg,  1850,  in  einem  Grabe,  die  Enden 
eines  Halsringes14);  Alfva,  1861,  ein  Halsring14);  Källunge,  1866,  ein  Halsring u  ; 
Lilla  Ryftes,  1875,  ein  Ring  (178  g);  Rings,  1886,  in  einem  solchen  Haus  wie 
Fig-  3l3>  ein  großer  Spiralring  (177,4  g)17);  Wamblingbo,  1891,  ein  schwerer 
Fingerring  und  andere  Goldsachen  (209,3  g);  Dynisser,  1898,  ein  Halsring 
(99.4  g).  .  * 


l)  (Tuna)  Abgebildet  im  Manadsblad,    1891,   S.  138,   Fig.   25   und   26.  —    2)  (Luggawi     II     i 
berg,  Nerikes  gamla  minnen,   S.  76.    —    3)  (Höwikenäs)  Bidrag  tili  kännedom  om  Bohusläns  1 
minnen,  Bd.  3,  S.  545.  —  4)  (Eskilstor^  Antiquites  suedoises,  Fig.  -   5)  benda,  Fig.  345. 

—   6)   (Kastlösa)   Ebenda,   Fig.  346;    das   Original   unserer   Fig.  297.    —    7     [Skottgärd)    Abgebildet   in 
Antiquites  suedoises,  Fig.  341.  —  8)  (Fröstuna)  Ebenda,  Fig.  343.   —  9      Isaka)  Derselben  Form 
Manadsblad,  1888,  S.  183.  —  10)  (Lilla  Jored)  Bidrag  tili  kännedom  om  Bohusläns  fornminnen,  Bd.  2. 
S.  205  und  213;  vgl.  Antiqu.  su&l.,    Fig.  47z.    —     m      llulrugered)    Hallands  Fornm.-f  ritt. 

1869,  S.  51,  Taf.I,   Fig.2.—    12)  (Sl  Isblad,    1873,  S.  41.  —  13)  (Widtskö  nda, 

$,  S.  183.  —   14)  (Klefva,   Burg,  Alfva  und   Källunge)  Wie  Antiqu.  sued.,  1  —    15)     \- 

Ebenda.  Fig.  349.—   16)  (Walla)  Ebenda,   Fig.  342.  —   17)  (Kings)  Manadsblad,    iv 


182 


Die  römische  Eisenzeit. 


298.  Eiserne 
Lanzenspitze. 
Gotland.   1/3. 


nrnr 


299.    Eiserne  Schildbuckel,  mit  Handhabe  (von  zwei  Seiten 
gesehen).     Östergötland.    i/j. 


300.     Bronzene   Schildbuckel.     Oland.     * 


•2- 


301.    Eisen- 
schwert, ein- 
schneidig. Öster- 
götland.   1/4- 


302.    Schwertscheide-Beschlag   von  Silber. 
Uppland.    1/1. 


303.    Bronzeortband  einer  Schwertscheide, 
von  zwei   Seiten  gesehen.    Skäne.     J/2. 


Lebensweise. 


18' 


Fig.  283  veranschaulicht  nicht  nur  Kleider  und  Schmuck,  sondern  auch  die 
Waffen  jener  Periode.  Diese  Waffen  waren  in  der  Hauptsache  dieselben  wie 
in  der  älteren  Zeit,  wenn  auch  von  etwas  anderer  Form. 

Das  Schwert  ist,  wie  in  der  ältesten  Eisenzeit,  mehr  Hieb-  als  Stichwaffe. 
Die  Klingen,  immer  von  Eisen  oder  Stahl,  sind  zweischneidig  (Fig.  304)  oder 
einschneidig  (Fig.  301),  nicht  selten  damasziert  (Fig.  305)  und  oft  sehr  geschickt 
gearbeitet;  auf  einigen  ist  ein  Fabrikstempel,  der  einen  mit  lateinischen  Buch- 
staben geschriebenen  Namen  enthält  (Fig.  304).     Der  Griff  war  fa>t  immer  von 


305.  Teil  einer  damaszierten 
Schwertklinge  von  Eisen. 
304.  Eisenschwert  mit  Stempel  (MARCIM),  von  "zwei  Nydam,  Schleswig.   2/.,. 

Seiten  gesehen;   mit  Details.  Östergötland.   i/i  (und  1/1). 

Holz,  Knochen  oder  Hörn,  manchmal  mit  Bronze  oder  Silber  belegt;  ab  und 
zu  ist  er  ganz  aus  Bronze. 

Die  Scheiden,  aus  dünnen  Holzplatten  mit  Ortband   und  anderem  Beschlag 
von  Bronze  (Fig.  302   und  303),  sind   nicht  selten  ganz  gut  erhalten.    I  >ie  We 
wie   das   oft   aus  Metall   oder  Elfenbein   verfertigte  Ortband   abgenutzt    worden 
ist,    zeigt,    daß    das  Schwert    meist    an    der  rechten   Seite  getragen   wurde,   wie 
bei   den   römischen  Kriegern. 

Man  fand  zuweilen  auch  die  1  ehenke,   in  denen  das  Schwert  getragen 

wurde;  auf  einem  solchen  aus  YYimose  auf  Fünen  war  unter  anderen  Figuren 
ein  Delphin  gestickt,  wie  man  an  den  deutlich  sichtbaren  Stichlöchern  sieht. 
Auch  das  deutet  auf  römischen    Einfluß. 


184 


Die   römische  Eisenzeit. 


Übungszwecke 


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In  Torsbjergsmoor  und  in  Wimose  fand  man  Holzschwerter;  an  ersterer 
Stelle  auch  eine  Lanzenspitze  und  eine  Pfeilspitze  aus  Holz,  wahrscheinlich  für 
Römische  Schriftsteller  reden  davon,    daß  man  Holzschwerter 

bei  Übungen  verwendete. 

Eine  noch  allgemeinere  Waffe 
als  das  Schwert  war  der  Speer 
oder  die  Lanze.  In  den  Mooren 
findet  man  nicht  nur  die  gutge- 
schmiedeten, oft  mit  langen  Wider- 
haken versehenen  Eisenspitzen, 
die  auch  in  anderen  Funden  all- 
gemein vorkommen  (Fig.  298), 
sondern  auch  Lanzenschäfte,  die 
gut  erhalten  sind.  Sie  sind  ge- 
wöhnlich aus  Eschenholz  und 
scheinen  gedrechselt  zu  sein.  Ihre 
Länge  ist  oft  mehr  als  3  m,  die 
Dicke  übersteigt  kaum  3  cm.  An 
einigen  Lanzenschäften  ist  der 
Schwerpunkt  durch  eingeschla- 
gene Stifte  oder  eine  umge- 
wickelte Schnur  angegeben,  damit 
der  Werfende  dem  Speer  schnell 
und  sicher  die  richtige  Lage  in 
der  Hand  geben  konnte. 

Die  Pfeile  waren  lang,  gewöhn- 
lich mit  Spitzen  von  Eisen,  oft  auch 
von  Knochen.  Letzteres  ist  über- 
raschend genug,  da  man  meinen 
sollte,  knöcherne  Pfeilspitzen  wären 
nur  in  der  Zeit  angewendet  wor- 
den, als  die  Metalle  noch  unbe- 
kannt oder  selten  waren.  Die 
hölzernen  Pfeilschäfte  sind  60  bis 
90  cm  lang;  hinten,  wie  man  noch 
sieht,  waren  vier  Reihen  Federn 
mit  gepechtem  Faden  festgebun- 
den. In  die  Pfeilschäfte  waren 
oft  Zeichen  eingeschnitten,  damit 
der  Besitzer  seinen  Pfeil  wieder- 
finden konnte.     Einige  von  diesen  Zeichen  sind  Runen. 

Auch  Bögen  sind  erhalten  (Fig.  283).  Sie  sind  ungefähr  1,80  m  lang. 
Die  Bogensehnen  sind  allerdings  nicht  mehr  vorhanden.  Bögen  mit  Stock,  wie 
die  Armbrust  des  Mittelalters,  waren  in  der  heidnischen  Zeit  unbekannt. 


Lebensweise.  I  g  c 

Von  Pfeilköchern  aus  der  älteren  Eisenzeit  hat  man  einen,  ganz  und  gar 
aus  Holz,  gefunden,  in  dem  wohl  zwanzig  Pfeile  Platz  hatten.  Ferner  sind 
Bronzebeschläge  zu  einigen  solchen  Köchern  gefunden  worden. 

Schutzwaffen  waren  vor  allem  der  Schild,  wie  in  der  vorangehenden 
Periode,  ferner  Helm  und  Panzer. 

Die  Schilde  waren  rund  und  flach,  aus  mehreren  gehobelten  dünnen 
Brettern  zusammengesetzt.  Die  Größe  wechselt  zwischen  60  cm  und  1,20  m  im 
Durchmesser;  die  kleinsten  wurden  sicher  von  den  Reitern  getragen.  Um  den 
Rand  herum  laufen  zuweilen  feine  Beschläge,  gewöhnlich  aus  Bronze,  bisweilen 
aus  Silber.  Die  Schäden  in  den  Schilden  sind  manchmal  mit  einem  über  den 
Sprung  genieteten  Bronzeband  repariert.  Die  Buckeln  waren  von  Eisen,  Bronze, 
Silber  oder  Holz  (Fig.  299  und  300).  Auf  einem  solchen  hier  im  Norden  ge- 
fundenen Buckel  von  Bronze  steht  mit  lateinischen  Buchstaben  •  der  Name 
AEL.  AELIANUS,  auf  einem  anderen  eine  Runeninschrift. 

Im  Torsbjergmoor  fand  man  ein  paar  Helme,  die  einzigen,  die  man 
aus  der  älteren  Eisenzeit  im  Norden  kennt  (vergl.  S.  100).  Der  eine  ist  aus 
Bronze,  eine  schöne  römische  Arbeit.  Ein  anderer,  der  Fig.  283  abgebildet  ist, 
ist  eine  ungewöhnlich  kostbare  Arbeit  aus  Silber,  mit  Gold  belegt;  er  besteht 
aus  einer  runden,  durchbrochenen  Bedeckung  für  den  übrigen  Kopf,  während 
das  Gesicht  von  einer  Art  Maske  mit  einer  Öffnung  für  Augen,  Nase  und 
Mund  geschützt  wird.  Ein  in  Deutschland  gefundener  ebensolcher  Silberhelm  ' 
macht  es  mehr  als  wahrscheinlich,  daß  diese  Öffnung  zum  Teil  mit  einem  ver- 
loren gegangenen  Stück  bedeckt  war,  das  etwa  dem  Visier  der  Helme  aus 
späterer  Zeit  entspricht. 

Daß  so  selten  Helme  aus  den  älteren  Zeiten  gefunden  werden,  beruht 
ohne  Zweifel  darauf,  daß  wohl  nur  die  Häuptlinge  Helme  trugen.  Noch  im 
siebenten  Jahrhundert  n.  Chr.  kämpften  die  Heruler,  ein  gotisches  Volk  in 
römischem  Sold,  »nach  altem  Brauch«,  wie  es  heißt,  »ohne  Helm,  Brustharnisch 
oder  anderen  Schutz  als  Schild  und  grobe  lose  Gewänder,  die  aufgeschürzt 
wurden,  wenn  sie  in  den  Kampf  zogen;  und  ihre  Sklaven  durften  nicht  einmal 
einen  Schild  tragen,  ehe  sie  sich  tapfer  erzeigt  hatten.«  Bloß  ihre  Könige 
scheinen  als  besondere  Auszeichnung  Helme  gehabt  zu  haben. 

Wir  erwähnten  schon  den  Kettenpanzer  aus  einem  Grab  in  Skäne,  der 
aus  feinen  zum  Teil  zusammengeschmiedeten,  zum  Teil  genieteten  Eisenringen 
bestand  (Fig.  277).  Solche  Panzer,  die  genau  so  sind  wie  dir  aus  dem  christ- 
lichen Mittelalter,  wurden  auch  in  den  dänischen  Mooren  gefunden;  auf  einem 
von  ihnen  sind  alle  Nieten  von  Bronze,  was  dem  Panzer,  als  er  neu  war,  ein 
prächtiges  Aussehen  gegeben  haben  muß. 

In  einem  Moor  im  Kirchspiel  Barfva,  in  Södermanland,  fand  man  Reste 
eines  großen  Ochsenhornes  mit  länglichen  Bronzebeschlägen  an  beiden  Enden 
und  mit  einer  Bronzekette  versehen  (Fig.  3c6)'2).  Das  war  entweder  ein  Kriegs- 
horn,  oder  es  wurde  im  Tempeldienst  verwendet  (siehe  S.  ioo>. 

1)  Lindenschmit,  Dir  AJti  rer  heidnischen  \  Mainz,  1881),   Bd.  3,  5,  PI.  4. 

2)  H.   Hildebrand,  im  Mänadsblad,    188 1,  S.  [47. 


i86 


Die  römische  Eisenzeit. 


Daß  die  meisten  im  Norden  gefundenen  Arbeiten  aus  dieser  Zeit  einheimisch 
sind,  ergibt  sich  daraus,  daß  ganz  ebensolche  in  anderen  Ländern  nicht  vor- 
kommen, und  daß  man  hier  mehrfach  Werkzeuge  und  halbfertige  Arbeiten  aus 
jener  Zeit  fand.  So  müssen  wir  eine  Menge  Waffen,  Goldringe,  Spangen  und 
andere  Schmucksachen,  Holz-  und  Tongefäße,  Fahrzeuge  (siehe  unten)  und 
anderes    mehr  als  bei  uns  gearbeitet  betrachten. 

Von  Werkzeugen  erwähnen  wir  als  schon  in  der  Bronzezeit  vorkommend: 
Messer  (Fig.  307),  Äxte  (Fig.  309  und  310),  Hämmer,  Meißel  und  Pfriemen. 
Diese  sind  jetzt,  mit  Ausnahme  von  wenigen  Messern,   alle  aus  Eisen.    Die  Äxte 

haben  ein  mit  der  Schneide  paralleles  Schaft- 
loch wie  die  heute  üblichen  oder,  wie  viele 
von  den  Bronzeäxten,  eine  gegen  die 
Schneide  winkelrechte  Tülle,  in  welcher  das 
Ende  des  gebogenen  Schaftes  saß.  Hinzu 
kommen  aber  viele  Werkzeuge,  die  früher 
hier  unbekannt  waren  oder  wenigstens  in 
den  uns  bekannten  Bronzezeitfunden  nicht 
vorkommen:  große  und  kleine  Zangen, 
große  Schmiedehämmer,  Stempel  und  Feilen, 
alle  von  Eisen.  Man  hat  sogar  einige 
Hobel  gefunden  (Fig.  308),  von  denen  einer 
eine  Runeninschrift  trägt. 

Aus  einem  dänischen  Torfmoor  stammt 
die  Fig.  3 1 1  abgebildete  Harke,  die  wunder- 
bar gut  erhalten  ist. 

In  Funden  aus    der   älteren  Eisenzeit 
kommen  oft  ovale  Steine  vor,    gewöhnlich 

Quarz,  an  welchen  man 
mit  einem  Feuerstein 
Feuer  schlug,  auf  die- 
selbe Art,  wie  man  noch 
vor  nicht  langer  Zeit 
Feuer    mit    Stahl    und 


307.    Eisenmesser  mit  Holzgriff. 
Östergötland.  2/3. 


308.    Hölzerner  Hobel  (das  Eisen  ist  verloren  gegangen). 
Wimose,  Fünen.    1/3. 


Feuerstein  entzündete.     Sie  wurden  am  Gürtel  getragen. 


Reste  von  Wohnhäusern  aus  den  ersten  Jahrhunderten  nach  Christus 
wurden  mehrfach  auf  Öland  und  Gotland  entdeckt1).  Sie  werden  von  dem 
Volk  der  Gegend  »Riesengräber«  genannt,  weil  man  ihre  wirkliche  Bedeutung 
vergessen  hatte  und  sie  für  Gräber  von  Riesen  ansah.     Wie  Fig.  312  und   313 


1)  J.  H.  Wall  man,  Lemningar  efter  gamla  boningar  ifrän  hedna-tiden  pä  Öland,  in  der 
Iduna,  IO  (Stockholm,  1824),  S.  293.  —  F.  Nordin,  Gotlands  s.  k.  kämpagrafvar,  im  Mänadsblad, 
1886  und  1888.  —Vgl.  Montelius,  Zur  ältesten  Geschichte  des  Wohnhauses  in  Europa,  im  Archiv 
f.  Anthrop.,  XXIII  (1895),  S.  452. 


Lebensweise. 


I87 


zeigen,  sind  sie  länglich  viereckig,  haben  gewöhnlich  abgerundete  Ecken  und 
den  Eingang  auf  einer  der  Schmalseiten.  Die  meisten  sind  20 — 40  m  lang 
und  8 — 15  m  breit;  einige  sind  kleiner.  Die  Wände  -  -  das  einzige,  was  von 
den  Häusern  noch  übrig  ist  —  sind    aus    unbehauenen  Steinen  und  Erde.     Sie 


^o<)  und   310.     Zwei  Eisenäxte  mit  hölzernen  Stielen. 
Nydam,  Schleswig.     1/-. 


311.   Hölzerne   Harke.     Torsbjerg, 
Schleswig.    ty15. 


sind  1,50 — 2,50  m  dick,  manchmal  noch  dicker;  hoch  sind  sie  nur  etwa  1  m. 
Die  meisten  sind  niemals  hoher  gewesen.  Bei  einigen  war  jedoch  der  obere 
Teil  aus  Holz  und  ist  niedergebrannt,  wie  man  aus  den  heruntergefallenen, 
verkohlten  Resten  des  Holzes  sieht  und  aus  dem  durch  das  Feuer  gehärteten 
Ton,    mit  welchem    die  Zwischenräume  zwischen  den   Balken  gedichtet  waren. 


i88 


Die  römische  Eisenzeit. 


Das  hohe,  nach  allen  vier  Seiten  schräge  Dach  (Walmdach)  ruhte  auf  den 
niedrigen  Wänden,  wie  die  hier  beigefügte  Zeichnung  (Fig.  314)  eines  ähnlichen 
Hauses  auf  den  Hebriden  zeigt,  das  noch  heute  bewohnt  ist.  Den  Fußboden 
bildete  die  Erde  selbst  ohne  Holzbelag,  und  eine  Decke  unter  dem  Dach  gab 
es  nicht.  Das  Feuer  flammte  frei  auf  der  Erde,  und  der  Rauch  breitete  sich 
in  dem  oberen  Teil  der  Hütte  aus,  bis  er  durch  die  ganz  oben  angebrachte 
Rauchöffnung  abzog.  Wahrscheinlich  gab  es  noch  keine  Fenster;  das  Licht 
kam  nur  durch  die  Rauchöfthung  und  die  Tür. 

In  solchen  Hütten  fand  man  auf  Gotland,  wo  derartige  Reste  mit  großer 
Sorgfalt  untersucht  worden  sind,   neben  einer  Menge  Stücken  von  Tongefäßen, 


3t: 


Überreste   von   Häusern   aus   der  älteren  Eisenzeit.     Gotland. 


Werkzeuge,  Waffen,  Schmucksachen,  römische  Münzen  aus  dem  zweiten  Jahr- 
hundert nach  Christus,  einen  Spielstein,  Würfel,  Schlüssel,  Spinnwirtel,  Handmühlen 
(wie  Fig.  8)  und  anderes  mehr.  Zwei  Vertiefungen  in  einem  verkohlten  Baiken 
enthielten  Saatkörner  (angeblich  Roggen),  die  ihre  Form  beibehalten  hatten, 
obwohl  auch  sie  verkohlt  waren.  In  einer  Hütte  fand  man  einen  dicken  spiral- 
förmigen Goldring  von  bedeutendem  Gewicht  (177,4  g;  oben  S.  181). 

Die  zu  jener  Zeit  angewandten  Schlüssel  waren  einfache  Dietriche,  wie 
Fig.  3 1 5   zeigt.     Selbst  hier  herrscht  ein  römischer  Einfluß. 

Unter  den  Hausgeräten  treffen  wir  nun  zum  erstenmal  auf  Löffel  und 
Trinkhörner;  letztere  waren  wohl  auch  in  der  Bronzezeit  nicht  unbekannt, 
obwohl  man  keinen  entscheidenden  Beweis  für  ihr  damaliges  Vorkommen  hat. 

Die  Löffel  der  älteren  Eisenzeit  waren  gewöhnlich  aus  Holz  oder  Knochen 


Lebensweise. 


I89 


In  einem  zu  jener  Zeit  gehörenden  dänischen  Grab  hat  man  indessen  einen 
Silberlöffel  gefunden,  der  sich  durch  seine  Form  als  römische  Arbeit  erweist. 
Von  den  Trinkhörnern  sind  natürlich  im  allgemeinen  nur  die  Bronzebe- 
schläge erhalten  (Fig.  316),  seltener  Reste  des  Hornes  selbst.  Der  Beschlag 
zeigt,  daß  man  aus  dem  breiteren  Ende  des  Hornes  trank,  also  auf  dieselbe  Art, 
wie  auch  wir  noch  manchmal  tun.  Die  Römer  tranken  dagegen,  wie  wir  auf 
einem  pompejanischen  Gemälde  sehen,  das  Hörn  höher  als  den  Mund  haltend, 
aus  dem  durchbohrten  spitzen  Ende. 


314.     Modernes  Haus.     Hcbriden. 


313.    Überreste  eines  Hauses   der   älteren 
Eisenzeit.      Gotland. 


315.    Bronzeschlüssel,   von   zwei   Si 
gesehen.    Gotland.   ]  t. 


Das  Trinkhorn  folgte,  wie  andere  Gefäße,  in  dem  älteren  Teil  unserer 
Eisenzeit  oft  dem  Toten  ins  Grab.  Seltsam  genug  findet  man  gewöhnlich  in 
Schweden  Reste  von  zwei  Hörnern  in  demselben  Grab  und  bei  nur  einer  Leiche. 

Einige  Male  fand  man  in  nordischen  Gräbern  aus  jener  Zeit  kostbare  Trink- 
gefäße aus  Glas  in  Form  eines  Hornes.  Ein  solches  prächtiges  Gefäß  mit  auf- 
gelegten milchweißen  und  dunkelblauen  Ornamenten  I  ..  $17)  wurde  in  einem 
Grabhügel  im  Kirchspiel  Hvarf,  Östergötland,  gefunden;  die  übrigen  im  Grabe 
liegenden  Gegenstände  zeigten;  daß  der  Tote  im  dritten  Jahrhundert  nach 
Christus  begraben   worden   war. 


190 


Die  römische  Eisenzeit. 


N. 


316.    Bronzebeschlag  und  Bronzekette  eines  Trinkhornes. 
Gotland.  \. 


Außer  Hörnern  wurden  eine  Menge  andere  römische  und  einheimische 
Gefäße  aus  Glas,  Bronze,  Silber  und  vor  allem  aus  Holz  und  gebranntem  Ton 
benutzt  (Fig.  320 — 322).  Wie  in  der  Bronzezeit  (siehe  S.  89)  hatte  man  mit 
Harz  gedichtete  Holzschachteln;  die  Schachteln  sind  heute  zerstört,  aber  die 
Harzdichtung  findet  man  nicht  selten  noch  in  den  Gräbern  vor  (Fig.   318  und 

319).  Die  Tongefäße,  die 
beinahe  alle  einheimisch  sein 
dürfen,  sind  oft  viel  feiner, 
dünner  und  besser  gebrannt 
als  die  der  Bronzezeit;  ihre 
Form  ist  meistens  ziemlich 
geschmackvoll.  Auch  hier 
zeicrt  sich  zuweilen  römischer 
Einfluß,  und  einige  von  ihnen 
scheinen  nach  römischen  Vor- 
bildern gemacht  zu  sein.  Die 
Tongefäße  aus  der  älteren 
Eisenzeit  sind,  ebenso  wie 
die  aus  den  zwei  vorher- 
gehenden Perioden,  niemals 
glasiert. 

Das  Vorkommen  von 
Spielsteinen  und  Würfeln  ist 
offenbar  eine  Folge  der  Be- 
rührung mit  den  Römern. 
Die  Spielsteine,  aus  Knochen, 
Glas  (Fig.  323)  oder  Bernstein, 
sind  rund,  auf  der  unteren 
Seite  glatt,  auf  der  oberen 
schwach  gewölbt.  Die  Würfel 
sind  entweder  beinahe  ebenso 
wie  die  jetzt  gebräuchlichen 
oder  länger  und  schmäler 
(Fig.  324).  In  Wimose  fand 
man  große  Stücke  eines  Spiel- 
brettes (Fig.  325).  Die  eine 
Seite  zeigt  quadratische  Fel- 
der, die  andere  Seite  größere 
und  kleinere  Kreise  und  Halbkreise  nahe  zum  Rand,  während  die  Mitte 
leer  ist. 

Daß  Trinkgefäße  und  Spielmarken  mit  ins  Grab  gegeben  wurden,  war 
noch  in  späteren  Zeiten  gebräuchlich;  in  mehreren  Teilen  von  Schweden 
sollen  noch  im  vorigen  Jahrhundert  die  Branntweinflasche  und  die  Karten  dem 
Toten  in  die  Erde  gefolgt  sein. 


317.    Trinkhorn  von   Glas.     Östergötland.    ]| 


Lebensweise. 


IQI 


In  einigen  der  erwähnten  gotländischen  Häuser  fand  man  »Warpor«,  platte, 
durch  Behauen  des  Randes  abgerundete  Steine,  die  bei  dem  auf  Gotland  noch 
sehr  beliebten  und  fleißig  ausgeübten  »Warp-Spiel«  benutzt  wurden,  das  also 
auf  dieser  Insel  schon  in  der  älteren  Eisenzeit  bekannt  war.  Einige  von  diesen 
Steinen  sind  so  klein,  daß  sie  offenbar  für  Kinderhände  bestimmt  waren.  Auch 
heute  üben  die  Kinder  auf  Gotland  bereits  das    >  Warp-Spiel   . 


318.   Harzdichtung  einer  Holzschachtel.   Östergötland.  '  .,. 


A L. 


321.   Tongefäß.     Gotland.     *|3. 


319.    Holzschachtel,   mit  dem  Fig.   318   abgebildeten 
Harz  gedichtet  (Restauration). 


322.    Tongefäß.    Skane.     '/3. 


.».-**.•*».< 


320.     Holzgefäß  mit  (Irin.    Wimose,  Fünen.     ' -,. 


Die  Untersuchungen  der  letzten  Jahre  haben  uns  unerwartete  Aufklärung 
über  zwei  merkwürdige  Tatsachen  gebracht. 

In  mehreren  Torfmooren  im  südlichen  Teil  des  nordischen  Gebietes,  aul 
der  jütischen  Halbinsel  und  in  Norddeutschland,  fand  man  Leichen  von  Männern 
wie  von  Frauen,  die  —  als  die  Torfmoore  noch  Sümpfe  waren  —  absichtlich 
versenkt    und    mittels    Pfählen    und   Haken   von  Holz   gewaltsam  niedergehalten 


192 


Die   römische  Eisenzeit. 


wurden.  Kleider  und  andere  Zeichen  lassen  keinen  Zweifel,  daß  man  hier  Bei- 
spiele zu  der  Angabe  des  Tacitus  über  die  Todesstrafe  in  Germanien  hat.  Er  be- 
richtet, wie  bekannt,  daß  die  zum  Tode  Verurteilten  in  Sümpfen  ertränkt  wurden. 
Diese  fürchterliche  Todesstrafe  hat  sich  in  gewissen  Gegenden  bis  in  späte 
Zeiten  erhalten  1). 

Andere  Funde  haben  gezeigt,  daß  das  Trepanieren,  das  wir  aus  der  Stein- 
zeit kennen,  auch  in  den  ersten  Jahrhunderten  nach  Christi  Geburt  hier  im 
Norden  vorkam  *).  Auf  zwei  Grabfeldern  aus  dieser  Zeit  in  Ostergötland,  dem 
einen  bei  Alvastra,  dem  anderen  bei  Sundby  im  Kirchspiel  Weta,  und  auf  einem 
Grabfeld  bei  Xickarfve  im  Kirchspiel  Wange  auf  Gotland  sind  fünf  Schädel  mit 
großen,  runden,  durch  Trepanierung  entstandenen  Löchern  aufgefunden  worden. 


323.   Spielstein 
von  Glas.   Oster- 
götland.  Vj. 


324.   Würfel   von   Knochen,   von  zwei   Seiten 
gesehen.    Gotland.    1/i- 


326.     Trepanierter  Schädel. 
Ostergötland. 


325.    Spielbrett  von  Holz.     Wimose,  Fünen.    * ',.. 


Die  Ränder  zeigen,  daß  die  Patienten  die  Operation  lange  überlebt  haben 
(Fig.  326).  Es  verdient  in  hohem  Grade  unsere  Aufmerksamkeit,  daß  in  ein 
und  derselben  Gegend  so  viele  solcher  Operationen  in  verhältnismäßig  kurzer 
Zeit  vorgenommen  wurden.  Eine  bloße  Zufälligkeit  dürfte  nicht  vorliegen.  Aus 
der  Form  der  Schädel  kann  man  ersehen,  daß  sowohl  Frauen  wie  Männer 
trepaniert  wurden. 


1)  Tacitus,  Germania,  c.  XII.  —  J.  Mestorf,  Zweiundvierzigster  Bericht  des  Schleswig- 
Holsteinischen  Museums  vaterländischer  Altertümer  bei  der  Universität  Kiel  (Kiel,  1900),  S.  10  folg. 
(Moorleichen). 

2)  S.  Hansen,  Om  forbistorisk  Trepanation  i  Danmark,  in  den  Aarböger  f.  nord.  Oldkynd., 
1889,  S.  170.  —  G.  Retzius,  Om  trepanation  af  hufvudskalen  säsom  folksed  i  forna  och  nyare 
tider,  in  Ymer,  1901,  S.  II.  —  Derselbe,  Ein  neuer  Fund  von  Schädeln  aus  dem  Eisenzeitalter  in 
Ostergötland.  Trepanierte  Schädel.  Nachtrag  zu  den  Crania  suecica  antiqua  (Stockholm,  1900). 
Mit   8   Taf. 


Handel   und   Verkehr. 


193 


3.  Handel.  —  Verkehr.  —  Fahrzeuge. 

Einheimische  geprägte  Münzen  gab  es  in  der  älteren  Eisenzeit  nirgends 
im  Norden.     Man  bezahlte  teils  mit  römischen  Münzen,  die  man,  wie  wir  gesehen 


haben,  oft  in  unserer  Erde  antreffen, 
teils  mit  verarbeitetem  oder  rohem 
Gold  und  Silber  nach  Gewicht. 
Einige  Funde  aus  jener  Zeit  ent- 
halten kleine  Wagen  aus  Bronze, 
die  offenbar  römischen  Ursprungs 
sind,  da  sie  denen  völlig  gleichen, 
welche  die  Römer  benutzten.  Die 
Form  ist  die  heute  gebräuchliche: 
eine  Stange,  an  deren  Enden  zwei 
Schalen  hängen. 

Die  Gewichteinheit  scheint 
aber  nicht  die  römische  »libra« 
(327,5  Gramm)  gewesen  zu  sein. 
Der  Umstand  nämlich,  daß  viele 
schwedische  Goldringe  aus  jener 
Zeit  ein  Gewicht  von  200  Gramm 
haben  (S.  180  und  1 8 1), -- Differen- 
zen von  wenigen  Grammen  können 
auf  Ungenauigkeit  der  damaligen 
Wagen  oder  auf  Abnutzung  zurück- 
zuführen sein  —  macht  es  höchst 
wahrscheinlich,  daß  schon  damals 
in  Schweden  dieselbe  Gewichts- 
einheit wie  im  Mittelalter  galt: 
die  Mark  =  200  Gramm.  Daß  das 
Gewicht  der  erwähnten  Ringe  nicht 
zufällig  war,  wird  dadurch  bestätigt, 
daß  die  Sagas  der  letzten  Jahr- 
hunderte der  Heidenzeit  oft  von 
Goldringen  zu  einer  Mark  oder  einer 
halben  Mark  Gewicht  sprechen. 

Die  ausländischen  Münzen  und 
die  vielen  anderen  im  Norden 
gefundenen  ausländischen  Gegen- 
stände zeugen  von  einem  lebhaften 
Handel  und  Yerk  ehr  mit  fremden 
Ländern.     Dies  <jeht    auch    daraus 


l. 


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-fi$:s 


327.   Zaumzeug  von  Bronze.  Smäland, 
V6  und   V,. 


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Bronzener  Sporn.    <  rotland.   '  _. 


hervor,    daß    Gotlaiul    und    Öland  wie    auch    Bornholm  schon    von  großer  Be- 
deutung  waren,    Gotland   bis   zum   Schluß  des  Mittelalters 


ig    waren, 

Monte  litis,   Kulturgeschichte  Schwedens. 


Mußte   es  doch  zu 

' ) 


194 


Die   römische   Eisenzeit. 


einer  Zeit,  in  der  der  Kompaß  unbekannt  war  und  man  deshalb  nicht  gern  das 
Land  außer  Sicht  verlor,  den  über  die  Ostsee  fahrenden  Kaufleuten  besonders 
lieb  sein,  an  den  drei  erwähnten  Inseln  Zwischenstationen  zu  haben. 

Auf  dem  Lande  reiste  man  gewöhnlich  zu  Pferde,  nicht  zu  Wagen,  indem 
man  die  Waren  auf  den  Rücken  des  Lastpferdes  band.  Zaum,  Zügel  und 
Sporen  kommen  nicht  selten  in  Funden  aus  jener  Zeit  vor  (Fig.  327  und  328), 
nicht  so  Hufeisen.  Steigbügel  scheinen  erst  in  der  jüngeren  Eisenzeit  aufgekommen 
zu  sein.  Wagen  waren  indessen,  wie  wir  gesehen  haben,  schon  längst  bekannt. 
Räder  und  andere  Wagenteile  fand  man  einigemale  in  Torfmooren,  zusammen 
mit  Arbeiten  aus  der  älteren  Eisenzeit. 

Jedenfalls  war  der  Seeverkehr  wichtiger  als  der  Land- 
verkehr, und  die  Kunst,  Schiffe  zu  bauen,  stand  im  Norden 
zu  jener  Zeit  sehr  hoch.  Einen  Beweis  dafür  liefert  der  Fund 
des  Jahres  1863  in  dem  schon  erwähnten  Nydamermoor  auf  der 


ivi?1"^.^;1.: 


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329.    Schiff  von  Eichenholz.    Nydam,  Schleswig. 


Ostküste  von  Schleswig.  Man  fand  dort  zwei  große  Boote  zusammen  mit 
römischen  Münzen  aus  der  Zeit  der  Antonine  und  einer  großen  Menge  von 
Waffen  und  anderen  Gegenständen  aus  dem  vierten  Jahrhundert.  Es  kann 
deshalb  kein  Zweifel  herrschen,  daß  die  Boote  dem  vierten  Jahrhundert 
entstammen. 

Das  eine  Fahrzeug,  ein  großes  und  prächtiges  Boot  aus  Eichenholz  für 
achtundzwanzig  Ruder,  ist  Fig.  329  abgebildet.  Das  Boot  war,  offenbar  mit 
Absicht,  unbrauchbar  gemacht.  In  die  Planken  unter  dem  Wassergang  hatte 
man  große  Löcher  gehauen. 

Im  Laufe  der  Zeit  hatte  der  Rost  die  Nietbleche  der  Klinknägel,  die  die 
Planken  zusammenhielten,  zerfressen,  und  das  Tauwerk,  mit  dem  Bord  und 
Spanten  einmal  verbunden  waren,  hatte  sich  aufgelöst.  So  fielen  die  Planken 
auseinander,  reckten  sich  aus  und  nahmen  ihre  natürliche  Form  wieder  an.  Die 
Dollen  hatten  sich  von  der  Reeling  gelöst,  die  Rippen  fielen  auseinander  und 
die  beiden  hohen  Steven  stürzten  ein.  So  ging  das  Boot  aus  den  Fugen, 
und  das  Moor  wuchs  über  den  Stücken  und  bewahrte  sie  vor  der  Zerstörung. 


Fahrzeuge.  jgr 

Nachdem  alle  Teile  des  Bootes  mit  Sorgfalt  gehoben  und  vorsichtig  ausge- 
trocknet waren,  glückte  es,  dasselbe  wieder  aufzubauen  und  jetzt  zeigt  es  die 
schöne  Form,  die  unsere  Zeichnung  wiedergibt. 

Das  Boot,  ohne  Deck,  ist  zwischen  den  äußersten  Spitzen  der  hohen 
Steven  beinahe  24  111  lang,  in  der  Mitte  3,30  m  breit  und  ziemlich  flach,  an 
beiden  Enden  aber  hoch  und  zugespitzt.  Es  ist  aus  elf  mächtigen  Eichen- 
planken gebaut,  nämlich  fünf  auf  jeder  Seite,  und  einer  Bodenplanke  mit  dem 
Kiel  (Fig.  329a);  die  Bodenplanke  mißt  in  ihrer  ganzen  Länge  14,25  m  und  ist 
ein  einziges  Stück.  Das  Boot  ist  in  der  Art  gebaut,  daß  die  Kante  jeder  höher 
liegenden  Seitenplanke  über  die  nächstfolgende  niedrigere  übergriff.  Die  Planken 
waren  von  großen  Eisennieten,  außen  mit  runden  Köpfen  und  innen  mit  Nietblechen, 
zusammengehalten;  die  Zwischenräume  zwischen  den  Planken  waren  mit  Wollzeug 
und  einer  teerigen,  klebrigen  Masse  gedichtet.    Die  Bordbekleidung  war  mit  den 

Spanten  durch  Bastseile  verbunden;  in  die  Span- 

||/   ten  sind  nämlich  Löcher  gebohrt,  welche  den 

J      auf  den  Bordplanken    sitzenden    durchbohrten 

■  /iLff        Klötzen  entsprechen.    Diese  Klötze  sind  nicht 

r  *:-'/  etwa  aus  losen  Stücken  gemacht  und  auf  den 

Sa 

_J -^-jg&f 

« 

330.   Teil   eines  Schiffes  von   Fichtenholz. 
329a.   Durchschnitt  des  Schiffes  Fig.   329.  Nydam,  Schleswig. 

Planken  festgenagelt,  sondern  aus  ihnen  herausgehauen;  dadurch  haben  die 
Planken  mehr  als  die  Hälfte  ihrer  Dicke  verloren.  Eine  solche  Verschwendung 
von  Eichenholz  deutet  auf  reichliches  Vorhandensein.  Diese  eigentümliche  Art, 
Spanten  und  Seitenplanken  zu  verbinden,  war  in  der  Heidenzeit  nicht  ungewöhn- 
lich. Die  Boote  erhielten  dadurch  eine  Geschmeidigkeit,  die  in  der  Brandung 
und  auf  hoher  See  willkommen  war. 

In  den  beiden  Steven,  die  an  der  Bodenplanke  mit  Holzpflöcken  befestigt 
sind,  befinden  sich  zwei  größere  Löcher,  durch  welche  man,  nach  der  Ab- 
nutzung zu  urteilen,  wahrscheinlich  ein  Tau  zog,  wenn  das  Boot  aufs  Land  ge- 
zogen wurde.  In  älteren  Zeiten  wurden  nämlich  die  größeren  Schiffe  beim 
Anfang  des  Winters  oder  wenn  man  sonst  länger  an  einer  Stelle  blieb,  aufs 
Land  gezogen.  In  dem  Boden  des  eben  beschriebenen  Bootes  befindet  sich 
noch  ein  Loch,  das  offenbar  dazu  diente,  das  im  Boote  angesammelte  Wasser 
ablaufen   zu  lassen,   wenn  das  Boot  aufs   Land   kam. 

Die  Ruderdollen  waren  nicht  an  der  Reeling  festgenagelt,  -indem  mit 
Binsenstricken  festgebunden,  damit  man  sie  leicht  umdrehen  konnte,   wenn  man 

13« 


jg5  Die  römische  Eisenzeit. 

auf  einem  Fluß  oder  irgend  einem  anderen  schmalen  Wasser  zurückrudern  mußte. 
Das  Boot  ist  auch  an  beiden  Enden  so  gleichmäßig  gebaut,  daß  man  kaum 
sagen  kann,  was  Vordersteven  und  was  Achtersteven  ist.  Das  erinnert  merk- 
würdig an  die  Beschreibung,  welche  Tacitus  von  den  Schiffen  der  Svionen  gibt, 
nicht  lange  Zeit  vor  der  Erbauung  des  Nydamerbootes.  »Die  Schiffe  der  Svionen«, 
sagt  er1),  »waren  darin  den  römischen  ungleich,  daß  sie  an  beiden  Enden  so  gleich 
waren,  daß  man  nach  Belieben  landen  konnte,  und  sie  hatten  keine  Segel«. 
Von  den  Rudern  erzählt  er,  wie  sie  nicht  auf  gewöhnliche  Art  an  den  Seiten 
befestigt  wären,  sondern  so,  daß  man  beliebig  in  der  einen  oder  anderen  Richtung 
rudern  konnte.  Auch  darin  stimmt  seine  Beschreibung  mit  dem  Nydamerboot 
überein,  daß  dasselbe  nur  zum  Rudern  bestimmt  war.  Von  einem  Mast  fand 
man  keine  Spur.  Die  Ruder  entsprechen  genau  den  heute  gebräuchlichen  und 
sind  beinahe  3,60  m  lang. 

An  der  Seite  des  Bootes,  drei  Meter  von  dem  einen  Steven,  fand  man 
das  Steuerruder,  das  schmaler  und  mehr  einem  Ruder  ähnlich  ist,  als  die  heutigen ; 
ungefähr  in  der  Mitte  hat  es  ein  Loch,  durch  welches  offenbar  der  Strick  ging, 
der  das  Steuerruder  an  der  Seite  des  Bootes  festhielt.  Die  ältesten  Steuer  — 
noch  bis  in  das  späte  Mittelalter  —  waren  nämlich  nicht  wie  jetzt  in  der 
Mittellinie  des  Bootes  befestigt,  sondern  auf  einer  Seite,  gewöhnlich  der  rechten, 
die  darum  noch  heutzutage  »Steuerbord«  genannt  wird;  sie  hatten  auch  die- 
selbe Form  wie  Ruder  oder,  richtiger  gesagt,  man  wandte  ursprünglich  ein 
Ruder  als  Steuer  an.  Ein  Andenken  an  diesen  Ursprung  des  Steuerruders 
haben  wir  unter  anderem  darin,  daß  das  Wort  »roder«,  das  im  Schwedischen 
und  Dänischen  nur  Steuer  bedeutet,  in  seiner  deutschen  Form  (Ruder)  die  ur- 
sprüngliche Bedeutung  bewahrt  hat. 

Im  Nydamermoor  fand  man  einige  Monate  später  als  das  eben  beschriebene 
Boot,  ganz  in  seiner  Nähe  liegend,  ein  anderes  ähnliches  Schiff  aus  Fichtenholz. 
Der  kurz  danach  ausbrechende  Krieg  machte  es  indessen  unmöglich,  dieses 
Fahrzeug  in  die  nötige  Obhut  zu  nehmen  und  so  soll  es  zugrunde  gegangen 
sein.  Sein  Verlust  ist  um  so  mehr  zu  beklagen,  als  dies  Fichtenboot  sich  durch 
eine  wichtige  Eigentümlichkeit  von  dem  Eichenboot  unterschied,  dem  es  sonst 
in  Form,  Größe  und  Bauart  glich.  Die  15,70  m  lange  Bodenplanke  hatte 
nämlich  an  beiden  Enden  eine  starke,  hervorstehende  Spitze,  die  unter  der 
Wasserlinie  lag  und  wahrscheinlich  mit  Eisen  beschlagen  war  (Fig.  330).  Sie 
bildete  also  eine  Art  Schiffschnabel,  mit  welchem  man  das  feindliche  Schiff  in  den 
Grund  bohren  konnte.  Auch  viele  von  den  Schiffen  auf  Felsenzeichnungen  aus 
der  Bronzezeit  zeigen  am  Vordersteven  eine  hervorstehende  Spitze,  die  dem 
eben  beschriebenen  Schiffschnabel  ähnlich  ist. 

Von  zwei  anderen  ähnlichen  Schiffen  nebst  einem  Eisenanker,  die  am  selben 
Ort  gefunden  sein  sollen,  fehlt  die  nähere  Beschreibung.    In  Wimose  auf  Fünen 


1)  Tacitus,  Germania,  c.  XLIV:  »Forma  navium  eo  differt  quod  utrimque  prora  paratam  semper 
appulsui  frontem  agit.  Nee  velis  ministrant  nee  remos  in  ordinem  lateribus  adjungunt:  solutum,  ut 
in  quibusdam  fluminum,  et  mutabile,  ut  res  poscit,  hinc  vel  illinc  remigium.^ 


Fahrzeuge. 


197 


lagen   übrigens  unter   anderen  gleichzeitigen  Altertümern  zwei  aus  zugehauenen 
und  ausgehöhlten  Stämmen  hergestellte  Einbäume. 

In  einem  Torfmoor  bei  Fiholm  in  Westmanland  fand  man  vor  mehreren 
Jahren  nebst  einer  Eisenaxt  Stücke  eines  Bootes,  das  dem  von  Nydam  gleicht, 
und  von  dem  einige  Reste  jetzt  im  Schwedischen  Nationalmuseum  aufbewahrt 
werden.  Die  Bordplanken  waren  an  den  Spanten  festgebunden,  wie  es  die  Enden 
der  Binsenstricke  zeigen,  die  noch  in  den  durchbohrten,  aus  demselben  Stück 
wie  die  Bordplanken  ausgehauenen  Klötzen  sitzen,  ganz  ebenso  wie  auf  Fig.  329  a. 
Da  diese  eigentümliche  Art,  wie  wir  sehen  werden,  noch  in  dem  letzten  Teil 
der  Heidenzeit  angewendet  wurde,  ist  es  indessen  schwer  zu  bestimmen,  ob  das 
bei  Fiholm  gefundene  Schiff  aus  der  älteren  oder  der  jüngeren  Eisenzeit  stammt. 


331.    Stein  mit  Abbildung  eines  Bootes.    Häggeby  in  Uppland. 


Im  Nationalmuseum  ist  auch  ein  merkwürdiger  Stein  aus  der  Kirche  von 
Häggeby  in  Uppland,  auf  dessen  einer  Seite  man  ein  Ruderboot  mit  zwölf 
Paar  Rudern  sieht,  das  in  hohem  Grade  dem  eben  beschriebenen  Schiff  ähnelt. 
Man  sieht  deutlich,  wie  es  an  beiden  Enden  spitz  ist,  mit  sehr  hohen  Steven; 
es  hat  kein  Segel  und  die  Anzahl  der  Ruder  ist  beinahe  ebensogroß  wie  bei 
dem  Eichenboot  von  Nydam.  Das  Steuer,  das  sich  wenig  von  einem  Ruder 
unterscheidet,  sitzt  auf  einer  Seite,  sichtlich  auf  der  linken  (Fig.  331).  Die 
Zeichnung  auf  dem  Häggebystein  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  nur  wenig 
jünger  als  das  Boot  von  Nydam  l). 

Schließlich  müssen  wir  die  Aufmerksamkeit  auf  die  große  Ähnlichkeit 
lenken,  die  zwischen  den  Schiffen  der  älteren  Eisenzeit  und  den  vortrefflichen 
Fahrzeugen  besteht,  die  man  noch  heute  an  der  Küste  von  Norwegen,  besonders 
in  Nordlanden  benutzt.  Auch  die  »Nordlandsboote  sind  lang,  schmal  und  spitz 
an  beiden  Enden;  die  Ruderdollen  sind  an  der  ganzen  norwegischen  Küste 
nördlich  von  Lister  ganz  genau  wie  die  auf  Fig.   329. 


1)  T.  J:son  Arne,  Huru  gammal  är  ristningen  .1   Häggebystenen?,   in  der Svenska Fornm.-för^ 

tidskr.,  Bd.  II,  S.  321. 


198 


Die   römische   Eisenzeit. 


Das  Eichenboot  von  Nydam  ist  jedoch  länger  und  verhältnismäßig  viel 
schmäler  als  die  Nordlandsboote,  obwohl  gerade  diese  sich  unter  den  norwegi- 
schen Booten  durch  ihre  große  Länge  im  Verhältnis  zur  Breite  auszeichnen. 
Ein  Unterschied  zwischen  den  Booten  aus  der  älteren  Eisenzeit  und  den  Nord- 
landsbooten ist  indessen,  daß  letztere  außer  den  Rudern  noch  Mast  und 
Segel  haben. 

Auch  die  Boote,  die  heute  noch  auf  den  Färöern  und  für  einige  schwe- 
dische Binnenseen  (in  Dalarne)  benutzt  werden,  gleichen  dem  von  Nydam.  Wenn 
man  in  Betracht  zieht,  mit  welcher  Treue  ein  Volk  einmal  an  dem  hängt,  was 
sich  als  zweckmäßig  herausgestellt  hat,  so  kann  man  verstehen,  wie  sich  die- 
selbe Art  des  Bootbaues  in  entlegenen  Gegenden  von  Geschlecht  zu  Geschlecht 
während  Jahrtausenden  erhalten  konnte.  Das  Nydamerboot  war  ein  Ostseeboot; 
heutzutage  ist  dieser  Typus  aber  in  der  Ostsee  und  in  Südskandinavien  nicht 
mehr  zu  finden,  nur  an  der  Nordseeküste  des  nördlichen  Norwegens  und  im 
inneren  Schweden. 

Sachkundige  Männer,  die  sorgfältig  die  verschiedenen  Arten  der  norwegi- 
schen Boote  verglichen  haben,  geben  den  Nordlandsbooten  den  Preis.  Wenn 
aber  nun,  wie  es  wahrscheinlich  ist,  die  Schiffe  der  älteren  Eisenzeit  den  Nord- 
landsbooten zum  Modell  dienten,  sind  es  die  Schiffsbauer  jenes  grauen  Alter- 
tumes, denen  der  Preis  gebührt l). 


4.  Religion.  —  Opfer.  —  Gräber. 

Wertvolle  Einblicke  in  die  religiösen  Vorstellungen  jener  Zeit  erhalten 
wir  durch  die  eben  beschriebenen  Moorfunde,  zu  denen  aus  unserem  Land  einige, 
wenngleich  kleinere  Seitenstücke  bekannt  sind.2) 

So  hat  man  am  Strande  des  Finjasees  bei  Sjöröd  in  Skäne  etliche  mehr 
oder  weniger  zerbrochene  Schwertgriffe,  Ortbänder,  Spangen  und  andere  Gegen- 
stände aus  Silber  gefunden,    alles    nur  wenig  jünger  als  der  Fund  von  Nydam. 


i)  Conr.  Engelhardt,  Nydamsbaaden  ogNordlandsbaaden,  in  den  Aarböger  f.  nord.Oldkynd., 
1866,  S.  197. 

2)  C.  Engelhardt,  Thorsbjerg  Mosefund  (an  der  Ostküste  Schleswigs;  Kopenhagen,  1863), 
mit  18  Taf.  —  Derselbe,  Nydam  Mosefund  (an  der  Ostküste  Schleswigs;  Kopenh.,  1865),  mit 
15  Taf.  —  Derselbe,  Kragehul  Mosefund  (auf  Fünen;  Kopenh.,  1867),  mit  4  Taf.  —  Derselbe,  Vimose 
Fundet  (auf  Fünen;  Kopenh.,  1869),  mit  19  Taf.  Für  die  Namen  Thorsbjerg  und  Vimose,  vgl. 
Aarböger  f.  nord.  Oldkynd.,  1890,  S.  217.  —  Derselbe,  Denmark  in  the  Early  Iron  Age,  illustrated 
by  recent  discoveries  in  the  peat  mosses  of  Slesvig  (London,  1866),  mit  iS-j-  15  Taf.  —  W.  Splieth, 
Ausgrabungen  im  Nydamer-Moor,  in  den  Mittheilungen  des  Anthropol.  Vereins  in  Schleswig-Holstein, 
7  (Kiel,  1894),  S.  3.  —  H.  Kjaer,  Et  nyt  Fund  fra  Nydam  Mose,  in  Nordiske  Fortidsminder,  I 
(Kopenhagen,  1902),  S.  181.  —  Andere  Moorfunde  in  Dänemark:  Engelhardt,  Thorsbjerg  Mose- 
fund, S.  63.  —  Derselbe,  in  den  Aarböger  f.  nord.  Oldkynd.,  1881,  S.  128  (Porskaer  Moor,  unweit 
Horsens  in  Jylland).  —  H.  Kjaer,  To  nye  Mosefund  fra  Jaernalderen  (Illemosen  und  Krogsbölle, 
beide  auf  Fünen),  in  den  Aarböger  f.  nord.  Oldkynd.,  1901,  S.  26.  —  S.  Müller,  Nordische  Alter- 
tumskunde (Straßburg,    1897),  S.  127. 


Religion.   —    Opfer. 


199 


Diese  Gegenstände  mögen  in  ähnlicher  Weise  an  den  Fundort  geraten  sein  wie 
in  Torsbjerg  und  Nydam,  nur  daß  sich  hier  kein  Torfmoor  wie  dort  ausbildete.1) 

Ehe  wir  nun  der  Frage  näher  treten,  wie  die  Waffen,  Kleider  und  Schmuck- 
sachen, Gefäße  und  Werkzeuge  in  die  Moore  kamen,  wollen  wir  den  Zustand 
kurz  beschreiben,  in  welchem  sie  gefunden  wurden.  Die  meisten  sind  offen- 
bar durch  Waffengewalt,  Schwerthiebe  und  Pfeilschüsse,  beschädigt,  doch  könnte 
ein  noch  so  heftiger  Kampf  nicht  alle  diese  Schäden  erklären.  Eine  genaue 
Untersuchung  hat  vielmehr  ergeben,  daß  viele  Sachen  mit  Absicht  nachträglich 
zerstört  worden  sind,  namentlich  solche,  die  nicht  unmittelbar  dem  Kampf  aus- 
gesetzt waren.  Die  Mäntel,  deren  jeder  für  sich  zusammengerollt  war,  sind 
zerrissen,  andere  Kleider  ebenso  behandelt;  die  Kettenpanzer  in  einem  Maße 
zerstört,  wTie  es  kein  Kampf  mit  sich  bringen  konnte;  die  Schmucksachen  zer- 
brochen, die  Lanzenspitzen  und  Schwerter  zusammengebogen,  manchmal  beinahe 
zusammengerollt.  Ein  Schwert  war  zur  Hälfte  aus  der  Holzscheide  gezogen 
und  danach  verbogen.  In  einem  Schildbuckel  fand  man  fünf  verbogene  Eisen- 
lanzenspitzen von  verschiedener  Form,  derart  zusammengeknäuelt  und  ineinander- 
getrieben,  daß  sie  einen  untrennbaren  Klumpen  bilden;  die  eine  Lanzenspitze 
war  außerdem  abgehauen  und  flach  gehämmert.  Selbst  die  Pferdeskelette  zeigen 
Spuren  wildester  Zerstörungslust;  viele  Schädel  sind  mit  mehreren  Hieben  zer- 
trümmert, von  denen  ein  einziger  genügt  hätte,  das  Tier  auf  der  Stelle  zu  töten. 

Daß  die  Sachen  nicht  zufällig  dahin  gerieten,  erhellt  schon  daraus,  daß 
an  einigen  Stellen  ein  geflochtener  Zaun  mit  eingesteckten  Pfählen  oder  Schwer- 
tern und  Lanzen  bemerkbar  war. 

Die  Tatsachen,  welche  bei  der  Erklärung  beachtet  werden  müssen,  sind: 
daß  alles,  was  man  ausgegraben  hat,  einem  Lager  gehört  hat;  daß  nirgends  oder 
doch  höchst  selten  Menschenknochen  mit  den  Gegenständen  gefunden  wurden; 
daß  ein  Kampf  stattgefunden  hat,  dann  aber  die  meisten  Sachen  mit  Absicht 
zerstört  worden  sind  und  unbrauchbar  waren,  als  sie  niedergelegt  wurden; 
und  daß  der  Teil  des  Moores,  in  dem  die  Altertümer  lagen,  gewöhnlich 
deutlich  umgrenzt  war. 

Bei  flüchtiger  Betrachtung  der  Nydamerschiffe  konnte  man  wohl  meinen, 
sie  seien  samt  Ladung  gesunken.  Aber  eine  solche  Erklärung,  unwahrschein- 
lich schon  wegen  der  absichtlichen  Zerstörung,  ist  vollends  unmöglich, 
nachdem  sich  gezeigt  hat,  daß  der  Fundort  so  hoch  über  dem  jetzigen  und 
wahrscheinlich  auch  damaligen  Meeresspiegel  liegt,  daß  die  Fahrzeuge  erst  auf 
den  Strand  gezogen  werden  mußten.  Wir  sind  also  gezwungen  nach  einer 
anderen  Lösung  des  Rätsels  zu  suchen. 

Daß  ein  Kampf  in  der  Nähe  eines  jeden  solchen  Fundortes  stattgefunden 
hat,  darin  sind  alle  Forscher  einig. 

Man  hat  gesagt,  die  Sieger  mögen  nach  dem  Kampf  einen  Teil  der  beute. 
den  sie  nicht  mitschleppen  konnten,  dort  verwahrt  haben,  oder  plündernde 
Horden   mögen   dort  versteckt   haben,   was   sie   auf  dem  Schlachtfelde  geraubt 


1)  B.  Salin,  Fynd   frän   l  os  Strand,  Skäne,  im  Manadsblad,    iv  .  .     - 


200  Die   römische   Eisenzeit. 

hatten.  Aber  warum  wurden  dann  alle  diese  zerhauenen  Lanzenschäfte,  Pfeil  - 
bögen,  Harken,  Amboße,  Wagen,  Pferdeskelette  und  andere  schwere  und  zugleich 
wertlose  Sachen  zusammengehäuft?  Warum  Silber,  Münzen,  Goldringe  und  so 
viele  andere  kleine,  aber  kostbare  Gegenstände,  die  man  leicht  fortschaffen  konnte, 
ins  Wasser  geworfen? 

So  zeigten  sich  alle  anfänglichen  Versuche  zur  Aufklärung  gleichmäßig 
unbefriedigend,  und  man  verzweifelte  bereits  an  einer  zutreffenden  Beantwortung 
der  geheimnisvollen  Frage,  als  endlich  im  Jahre  1 865  Worsaae  eine  Hypothese 
aufstellte,  die  in  ihren  Hauptzügen  immer  mehr  Anhänger  fand1).  »In  der 
Nähe  des  Moores«,  so  lautet  seine  Erklärung,  »stand  ein  Kampf,  nach  welchem 
die  Sieger  ihren  Göttern  die  eroberte  Beute  ganz  oder  zum  Teil  opferten, 
nachdem  sie  zuvor  absichtlich  zerstört  worden  war.« 

Nur  in  einem  wichtigen  Punkt  scheint  die  Ansicht  modifiziert  werden  zu 
müssen.  Er  nahm  an,  daß  die  Sachen  in  einen  See  versenkt  wurden,  und  daß 
der  See  sich  im  Laufe  der  Jahrhunderte  in  ein  Torfmoor  verwandelte.  Aber 
schon  sein  um  diese  großen  Moorfunde  besonders  verdienter  Landsmann  Engel- 
hardt  hatte  einige  Jahre  früher  bei  der  Beschreibung  des  Torsbjerger  Fundes 
die  Ansicht  vertreten,  daß  die  Sachen  nur  in  einer  sumpfigen  Niederung  nieder- 
gelegt waren,  wo  sie  von  der  Pflanzendecke  allmählich  überwuchert  wurden. 
Daß  diese  Ansicht  der  Wahrheit  sehr  nahe  kommt,  hat  der  jetzige  Direktor 
des  dänischen  Nationalmuseums,  Sophus  Müller,  kürzlich  festgestellt.  Die  von 
ihm  unter  naturwissenschaftlichen  Gesichtspunkten  vorgenommene  Untersuchung 
der  Verhältnisse,  in  welchen  man  die  Gegenstände  antraf,  ergibt  als  unzweifel- 
haft, daß  sie  nicht  in  das  Wasser  geworfen  wurden,  sondern  eine  Zeitlang  in 
freier  Luft  an  einem  Ort  gelegen  haben  müssen,  der  freilich  feucht  war,  aber 
nicht  so  feucht,  daß  man  dort  nicht  gehen  konnte.2)  Eine  üppige  Vegetation 
hat  dann  verhältnismäßig  schnell  die  Sachen  bedeckt  und  geschützt,  und  all- 
mählich hat  sich  der  Torf  gebildet,  der  bis  in  unsere  Zeit  so  viel  davon  erhalten 
hat,  was  unter  anderen   Umständen  verloren  gegangen  wäre. 

Die  eben  angeführte  Ansicht  über  die  Niederlegung  der  Gegenstände,  die 
geeignet  ist,  alle  besprochenen  eigentümlichen  Umstände  zu  erklären,  wird  da- 
durch unterstützt,  daß  man  denselben  Brauch  auch  bei  anderen  Völkern  in 
alter  und  neuer  Zeit  beobachtet  hat.  So  erzählt  Cäsar  von  den  Galliern3): 
»Wenn  sie  in  den  Streit  ziehen,  pflegen  sie  ihrem  Kriegsgott  die  Beute  zu  ge- 
loben. Im  Falle  des  Sieges  opfern  sie  die  Tiere,  die  ihnen  in  die  Hände  ge- 
fallen sind,  und  schleppen  die  übrige  Beute  an  einen  Ort  zusammen.  In  manchen 
Gegenden  kann  man  ganze  Haufen  solcher  Beutestücke  an  geweihten  Orten 
erblicken,  und  es  kommt  selten  vor,  daß  einer  so  gottlos  ist,  ein  Beutestück  zu 


1)  J.  J.  A.  Worsaae,  Om  Slesvigs  eller  Sönderjyllands  Oldtidsminder  (Kopenhagen,  1865), 
S.  55.  —  Vgl.  Engelhardt,  Kragehul  Mosefund,  S.  15,  und  H.  Petersen,  in  den  Aarböger  f. 
nord.  Oldkynd.,   1890,  S.  212. 

2)  S.  Müller,  Nordische  Altertumskunde,  S.  132. 

3)  Caesar,  De  bello   gallico,   VI,    17. 


Gräber. 


201 


verheimlichen    oder   von   dem   Haufen   zu    entwenden.     Auch    steht   martervolle 
Todesstrafe  auf  dieses  Verbrechen. 

Im  Zusammenhang  hiermit  wollen  wir  an  die  Erzählung  des  Orosius  er- 
innern, wie  die  vom  Norden  kommenden  Cimbern  und  Teutonen  nach  dem 
Sieg  über  die  Römer  bei  Arausio  in  der  Nähe  der  Rhone  (105  v.  Chr.)  die 
ganze  Beute  opferten.  »Als  die  Feinde«,  so  erzählt  er,  »sich  zweier  Lager  und 
einer  ungeheuren  Beute  bemächtigt  hatten,  zerstörten  sie  unter  noch  nie  ver- 
nommenen und  sonderbaren  Flüchen  alles,  was  in  ihre  Hände  geraten  war.  Die 
Kleidungen  wurden  zerrissen  und  verstreut,  Gold  und  Silber  in  den  Fluß  ge- 
worfen,  die  Kettenpanzer  zerhauen,  die  Pferdegeschirre  zerbrochen,  die  Pferde 
selbst  in  die  Tiefe  gestürzt,  die  Männer  mit  dem  Strick  um  den  Hals  an  Bäumen 
aufgehängt.  Keine  Bereicherung  gab  es  für  die  Sieger  und 
keine  Gnade  für  die  Besiegten.« 

Dieselbe  Sitte,  Waffen  und  andere  Sachen  zu  verbiegen 
oder  zu  zerstören,  zeigen  uns  viele  Gräber  aus  der  älteren 
Eisenzeit,  die  Reste  von  verbrannten  Leichen  enthalten. 

Im  allgemeinen  verbrannte  man  in  jener  ganzen  Zeit  die    \\\\jj 
Toten  wie  in  der  vorangegangenen  Periode.    Immerhin  kommen 
auch  Gräber  mit  Resten  von  unverbrannten  Leichen  sowohl  aus 
den  ersten  Jahrhunderten  nach  Christus,  wie  aus  allen  folgenden 
Jahrhunderten  vor  (Fig.   332)  *). 

Die  verbrannten  Knochen  findet  man  entweder  in  »Brand- 
gruben«, wie  sie  in   der  vorigen   Periode    so    allgemein  waren, 
—    in  welchen   also   die   Knochen   nicht  in  Gefäßen  lagen,  — 
oder  sie  liegen  in  Gefäßen  von  gebranntem  Ton  oder  Bronze; 
die  Fig.  278  abgebildete  große  römische  Vase  und  der  S.  171 
erwähnte  Fund    von   Öremölla    zeigen    die    letztere    Art.     Die 
Waffen,  Schmucksachen  usw.,   die  man    in   den    Gräbern  jener         Grab  mjt  Skelett 
Zeit  bei  den  verbrannten  Knochen  fand,    sind  oft  feuerbeschä-    Alvastra  in  öster- 
digt,    was  in   den   meisten  Fällen  daher   kommt,    daß  sie  dem  gütland. 

Toten  auf  den  Scheiterhaufen  mitgegeben  wurden. 

Viele  Gräber  jener  Zeit  enthielten  außer  dem  Gefäß  für  die  Knochen  noch 
andere  Gefäße.  Dies  war  bei  den  Bronzezeitgräbern  nicht  der  Fall  und  wir 
begegnen  hier  zweifellos  einer  aus  dem  Süden  gekommenen  Sitte.  Sowohl  vor- 
römische Gräber  in  Italien  wie  römische  Begräbnisplätze  in  verschiedenen  Teilen 
von  Europa  zeigen  nämlich  dieselbe  Eigentümlichkeit. 


1)  Schwedische  Gräber  aus  dieser  Periode  sind  beschrieben  im  Minadsblad,  [873  Greby  in 
Bohuslän),  1874  (Öremölla  in  Skane),  1878  (Gotland),  1888  Bodarp  in  Skine),  [896  (Tibble  in 
Uppland),  1897  (Österhvarf  in  Östergötland) ;  —  in  der  Antiqv.  tidskrift  f.  Sven.  i  Gotland);  — 
in  der  Svcnska  Fornm.-för»  tidskr.,  Bd.  3— S,  (Bjers,  Tingstäde  und  Westkinde,  alle  auf  Gotland), 
12  (Östergötland);    —    in    Bidrag    tili    kännedom    om    Bofausläns   foraminnen,   2  (G  —    Vgl.   N. 

G.  Bruzelius,  Svenska  fornlemningar,  2  (Lund,    1S60:  Skane),  und  O.  Almgren,  im  Centralblatt 
f.  Anthrop.,  Ethnol.  u.  Urgeschichte,  Jahrg.  6  (1901),   S.  257  (Gotland). 


202 


Die  römische  Eisenzeit. 


Die  unverbrannten  Leichen  liegen  nicht  selten,  besonders  auf  Öland  und 
Gotland,  in  Steinkisten,  die  aus  flachen,  auf  die  Kanten  gestellten  Platten  be- 
stehen, wie  die  aus  der  Bronzezeit,  von  denen  wir  oben  (S.  79)  sprachen.  Wenn 
die  Toten  nicht  verbrannt  wurden,  scheinen  sie  mit  Kleidern  und  Schmuck  be- 
graben worden  zu  sein,  die  Männer  mit  ihren  Waffen.  Zuweilen  findet  man 
auf  der  Brust  der  Leiche  den  Buckel  und  andere  Teile  des  Schildes,  der  also 
noch  im  Tode  seinen  Eigentümer  bedeckte.  Sonderbar  ist  jedoch,  daß  eine 
Menge  Gräber  aus  jener  Zeit,  die  offenbar  Männergräber  sind,  keine  Waffen 
enthalten,  und  daß  so  gut  wie  niemals  Werkzeuge  in  den  Gräbern  liegen.  Wir 
haben  schon  davon  gesprochen,    daß  man   mehrmals  an  der  Seite  der  Leiche 


333.    Grabfeld  bei  Greby  in  Bohuslän. 


Trinkhörner,  Glasbecher  und  andere  Gefäße,  sowie  Spielsteine,  W7ürfel  und 
dergleichen  findet;  zu  den  Füßen  standen  nicht  selten  mit  Harz  gedichtete  Holz- 
schachteln, wie  sie  oben  erwähnt  wurden.  Wahrscheinlich  haben  einige  Gefäße  Ge- 
tränke enthalten,  die  dem  Toten  mitgegeben  wurden.  Auch  Reste  von  Eßwaren 
(Lämmer  und  andere  Tiere)  sind    in  Gräbern  aus  jener  Zeit   gefunden  worden. 

Zuweilen  liegen  die  Gräber  aus  der  älteren  Eisenzeit,  wie  die  eben  er- 
wähnten Brandgruben,  unter  der  natürlichen  Erdoberfläche,  ohne  von  irgend 
einem  Hügel  bedeckt  oder  durch  einen  Stein  gekennzeichnet  zu  sein;  wenigstens 
ist  nichts  derartiges  über  der  Erde  heutzutage  bemerkbar. 

Gewöhnlich  liegen  jedoch  die  schwedischen  Gräber  jener  Zeit  unter  einem 
runden  oder  länglichen  Erdhügel  oder  einem  Steinhügel.  Oft  sind  sie  mit 
»Bautasteinen«  geschmückt,  aufrecht  gestellten  Steinen  bis  zu  ansehnlicher 
Größe.    Ein  solches  Grabfeld  befindet  sich    bei  Greby,    unweit  Grebbestad   an 


Gräber. 


203 


der  Küste  von  Bohuslän  (Fig.  33 3 j.1)  Hier  sieht  man  noch  auf  dem  Gipfel  und 
dem  Abhänge  einer  Anhöhe  beieinander  mehr  als  hundertundfünfzig  teils  runde, 
teils  längliche  Hügel,  auf  denen  sich  eine  Menge  Bautasteine  erheben.  Der 
höchste  Stein  mißt  nicht  weniger  als  4.50  m  über  der  Erde. 

Im  südlichen  Skandinavien  hat  man  dieselbe  Beobachtung  wie  im  nörd- 
lichen Deutschland  gemacht.  Gräberfelder,  die  seit  langer  Zeit  im  Gebrauch 
gewesen  sind,  hören  im  3.  und  4.  Jahrhunderte  nach  Chr.  auf.  In  Norddeutsch- 
land gilt  dies  von  fast  allen  Gräberfeldern;  im  südlichen  Skandinavien  scheint 
es  auch  sehr  allgemein  gewesen  zu  sein.  Offenbar  ist  dieses  Aufhören  dadurch 


334.    Bautasteine   bei   Björketorp    in   Blekinge. 

zu  erklären,  daß  die  dortige  germanische  Bevölkerung  eben  zu  jener  Zeit  au- 
gewandert ist,  um  im  Römischen  Reich  sich  niederzulassen.2)  Daß  die  Germanen 
aus   Skandinavien    freiwillig    ausgewandert    sind,  nicht    etwa    von    einem 

anderen  Volk  ausgetrieben,  —  liegt  auf  der  Hand.8 

Die  Bautasteine  aus  jener  Zeit  sind  fast  alle  stumm,  seit  die  Erinnerung 
an   jene,  zu  deren  Ehre  sie  errichtet  wurden,  schon  vor  Jahrhunderten  schwand; 

1)  Montelius,   im   Manadsblad ,    [873,    S.    146,   und   in   Bidrag   tili   kännedom  om   Bohus 
fornminnen,  2  (1879),  S.    1. 

2)  Montelius,  im  Korrespondenz-Blatt  der  deutschen  Anthropol. Gesellschaft ,  1899,  S.  128 
(vergl.  1900,  S.  113).  —  K.  Stjerna,  Bidrag  tili  Bornholms  befolkningshistoria  ander  järnaldern, 
in  der  Antiqv.   tidskr.   t.   Sv.,    Bd.    [8   (1905). 

3)  Dadurch  wird  es  auch  um  so  mehr  wahrscheinlich,  daß  die  Auswanderung  aus  Nord- 
deutschland ebenfalls  freiwillig  war  und  nicht  durch  die  Slaven  erzwungen.  Seitdem  das  Land  von 
den  Germanen  zum  größten  Teil   verlassen  war,  haben  die  Slaven  davon   B  men. 


204  ^'e  römische  Eisenzeit. 

nur  wenige  haben  eine  kurze  Inschrift,  die  uns  dann  gewöhnlich  den  Namen 
des  Toten  gibt.  Fig.  334  zeigt  drei  prächtige  Bautasteine,  von  welchen  der  eine 
eine  Runeninschrift  trägt;  sie  enthält  einen  Fluch  über  den,  der  diesen  Denk- 
stein zerstören  würde.  Sie  stehen  in  einem  schönen  Birkenwäldchen  bei  Björke- 
torp  in  Blekinge  nicht  weit  von  Ronneby.  Die  Runen  haben  die  der  älteren 
Eisenzeit  eigentümliche  Form,  aber  die  Sprache  weist  darauf  hin,  daß  sie  erst 
später  eingehauen  wurden. 

Einer  der  wichtigsten  Fortschritte  in  der  Eisenzeit  Schwedens  war,  wie 
schon  angedeutet,  daß  unsere  Vorfahren  damals  zum  erstenmal  mit  der  Buch- 
stabenschrift bekannt  wurden.  Wir  müssen  deshalb  bei  diesen  merkwürdigen, 
unter  dem  Namen  Runen  bekannten  Schriftzeichen,  die  man  damals  benutzte, 
etwas  länger  verweilen.  Auch  hierin  können  wir  die  Einflüsse  klassischer  Kultur 
auf  die  germanischen  Völker  verfolgen. 


5.     Die  ältesten  Runen.         Die  Sprache  in  Schweden  in  der 

älteren  Eisenzeit. 

Schon  im  16.  Jahrhundert,  als  die  Erinnerung  an  die  Bedeutung  der  Runen 
wenigstens  in  abgelegenen  Gebieten  noch  im  Volke  lebte,  haben  Johannes  Magni, 
der  letzte  katholische  Erzbischof  von  Schweden,  und  sein  Bruder  Olaus,  wie 
Olaus  Petri,  in  ihren  Schriften  die  Runen  besprochen.1)  In  den  Arbeiten  der  beiden 
letzteren  finden  wir  die  Runen  als  »Das  gotische  Alphabet«  abgebildet,  mit 
Angabe  der  Bedeutung  jedes  Zeichens.  Nach  ihrer  Ansicht  war  die  Runen- 
schrift im  Norden  uralt.  Johannes  Magni  glaubte  sogar,  daß  »die  Goten  ihre 
Buchstaben  längst  hatten,  ehe  Carmenta  und  Evander  aus  Griechenland  an  die 
Tibermündung  kamen  und  dem  rohen  Volk  Bildung  und  die  Schreibkunst 
brachten«.  Ein  Beweis  dafür,  meinte  er,  seien  die  mächtigen  Runensteine,  die 
»mit  Riesenkraft  vor  der  Sündflut  aufgestellt  wurden  oder  kurz  darnach«. 

Seit  der  Zeit  desBureus,  im  Anfang  des  17.  Jahrhunderts,  hat  sich  dann 
die  schwedische  Gelehrtenwelt  beständig  um  die  Runen  bemüht,  und  die  ver- 
schiedensten Ansichten  über  Alter  und  Herkunft  dieser  Schriftzeichen  sind  auf- 
gestellt worden. 

Olof  Rudbeck  und  seine  Schule  sahen  in  den  Runensteinen  Denkmäler 
aus  der  Zeit  lange  vor  Christi  Geburt.  Noch  im  Anfang  des  17.  Jahrhunderts 
fabelte  Peringsköld,  die  Runen  seien  durch  Japhets  Sohn  Magog  von  Asien  nach 
Schweden  gebracht,  und  erklärte  einen  schwedischen  Runenstein  für  Magogs 
Grabstein ! 

Mit  Hilfe  einer  anderen  schwedischen  Runeninschrift  wies  derselbe  die 
Verbindung  der  Nordländer  mit  Tyrus  und  »Sodom«  nach.  Solche  abenteuerliche 
Ansichten  fanden  sogar  noch  in  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  einen  eifrigen 
Vertreter  in  Göransson.  Wohl  sah  er  es  als  zweifelhaft  an,   ob  mit  dem  Worte 


1)    L.  F.   Wimmer,    Runeskriftens  Oprindelse    og  Udvikling    i  Norden,    in    den  Aarböger  f. 
nord.  Oldkynd.,    1874,   S.   8.    —   Derselbe,   Die  Runenschrift  (Berlin,    1887),   S.    II. 


Die  ältesten  Runen.  205 

Sodoma  auf  dem  erwähnten  Steine  das  Sodom  gemeint  sei,  das  im  Jahre  2IOO 
nach  der  Schöpfung  der  Welt  zerstört  wurde. l)  Aber  er  verlegt  unbedenklich 
einige  schwedische  Runensteine  ins  Jahr  2000  vor  Christi  Geburt,  und  sein  Stand- 
punkt wird  durch  den  Titel  bezeichnet,  den  er  seinem  im  Jahre  1 747  gedruckten 
Buch  über  den  Ursprung  der  Runen  gab:  »Is  Atlinga;  das  ist:  der  alten  Goten 
hier  im  Schwedenreich  Buchstaben  und  Religion  zweitausendzweihundert  Jahre 
vor  Christus  verbreitet  in  alle  Land,  wiedergefunden  von  Johan  Göransson   . 

Im  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  hatte  jedoch  Olof  Celsius2)  schon  darauf 
aufmerksam  gemacht,  daß  die  meisten  Runensteine,  die  damals  bekannt  waren, 
nicht  so  alt  sein  konnten,  wie  Rudbeck  und  seine  Nachfolger  annahmen,  sondern 
daß  sie  erst  kurz  nach  der  Einführung  des  Christentums  in  Schweden  aufgestellt 
worden  sind,  eine  Ansicht,  die  auch  der  berühmte  Sprachforscher  Ihre  teilte, 
und  an  deren  Richtigkeit,  die  Mehrzahl  der  Runensteine  betreffend,  kein  Zweifel 
mehr  obwaltet.  Noch  vor  einigen  Jahrzehnten  kannte  man  unter  den  hunderten 
in  unserem  Land  befindlichen  Runensteinen  kaum  einen  einzigen,  von  dem  man 
mit  Sicherheit  sagen  konnte,   daß  er  älter  sei  als  das  Ende  der  heidnischen  Zeit. 

Dagegen  ging  man  zu  weit,  als  man  die  Runenschrift  überhaupt  für  unsere 
heidnische  Zeit  leugnete.  Einer  dieser  Zweifler  wollte  in  den  Runen  sogar  nichts 
als  eine  Verdrehung  des  mit  dem  Christentum  eingeführten  lateinischen  Alpha- 
betes sehen.  Nicht  so  Geijer,  der  in  »Svea  rikes  häfder?  mit  einem  für  seine 
Zeit  erstaunlich  klaren  Blick  die  richtige  Ansicht  aussprach,  daß  die  Runen  schon 
in  der  heidnischen  Zeit  von  unseren  Vorfahren  benutzt  wurden,  wenn  man  auch 
nicht  durch  vorhandene  Runeninschriften  den  direkten  Beweis  erbringen  könnte. 

Seit  einigen  Jahrzehnten  besitzen  wir  auch  durch  glückliche  Funde  eine 
Anzahl  nordische  Runeninschriften  von  zweifellos  höherem  Alter  als  dem  Ende 
der  heidnischen  Zeit,    einige  davon  sogar  aus  dem  dritten  Jahrhundert   n.  Chr. 

Schon  lange  hatte  man  zwar  einige  schwedische,  wie  norwegische  und 
dänische  Runensteine  mit  einer  ungewöhnlichen  Form  von  Runen  gekannt,  aber 
nicht  lesen  können.  Ahnliche  Runen  fanden  sich  auch  in  England  und  in  Deutsch- 
land, und  man  nannte  sie  deshalb  die  angelsächsischen  oder  deutschen  Runen. 
Aber  schließlich  stellte  sich  heraus,  daß  jene  sogenannten  unleserlichen  und 
die  angelsächsischen  und  deutschen  Runen  in  Wirklichkeit  alle  dasselbe,  nämlich 
eine  um   mehrere  Jahrhunderte   ältere  Runenschrift  als  die    gewöhnliche    sind.3i 

Ebenso  wie  die  Ansichten  über  das  Alter  der  Runen  auseinandergingen, 
wurde  auch   die  Fraee  ihrer  Herkunft  auf  das  verschiedenste  beantwortet. 


1)  Die  fraglichen  Runen  bilden    in    Wirklichkeit    die    Worte    su[n]tum  (Sund)    und  .1 
position:   bei). 

2)  O.   Celsius,    Monumenta    queedam  Sveo-Gothicci    suis    temporibus    reddita,     in    den 
Literaria  Svecise  (Uppsala,    1726  —  34). 

3)  G.  Stephens,  The  Oldnorthern  Runic  Monumenl  -  ia  and  England,  I— IV 
(Kopenhagen,  iS(l4— 1901).  —  Derselbe.  Handbook  of  the  Oldnorthern  Runic  Monuments  of  Scan- 
dinavia  and  England  (Kopenhagen,  [884).  -  S.  Bugg  Indskrifter  n  eldre  Runer 
(Christiania,  1891  folg.)  —  L.  F.  Wimmer,  De  danske  Runemindesmasrker ,  I— III  (Kopenhag 
[895—1905).—  A.  Noreen,  Altisländische  und  Altnoi  Grammatik,  3.  Aufl.  -Halle,  1903). 
Anhang:     Die  wichtigsten  urnordischen   Inschriften. 


206 


Die   römische  Eisenzeit. 


Einige  haben  zu  zeigen  versucht,  daß  die  Runen  nicht  irgend  einem  anderen 
Alphabet  nachgebildet  sind,  sondern  von  den  Germanen  erfunden.  Der  eben 
erwähnte  Göransson  glaubte  sogar,  daß  die  südeuropäischen  Völker  ihre  Buch- 
staben den  nordischen  Runen  verdankten.  Manchmal  wurde  auch  behauptet, 
die  Runen  seien  aus  der  Bilderschrift  der  bronzezeitlichen  Felsenzeichnungen 
hervorgegangen. 

Ein  autochthoner  Ursprung  der  Runen  wurde  jedoch  seltener  angenommen. 
Die  meisten  Forscher  waren  der  Ansicht,  die  Runen  müßten  auf  die  eine  oder 
die  andere  Weise  mit  einem  der  südeuropäischen  Alphabete  oder  mit  einem 
solchen,  von  dem  diese  gemeinsam  abstammen,  verwandt  sein.  Nur  gingen  die 


335.    Wandstein   einer  Grabkammer,   mit  Runenschrift.     Kylfver  auf  Gotland. 

Ansichten  wieder  darüber  auseinander,  welches  von  diesen  Alphabeten  der 
Runenschrift  zu  gründe  liege.  Der  eine  dachte  an  das  hebräische  Alphabet, 
andere  an  das  phönizische,  während  andere  wieder,  wie  zuerst  Erich  Benzelius 
im  Jahre  1724,  die  ältesten  griechischen  Buchstaben  für  die  Herkunft  der  Runen 
in  Anspruch  nahm.  Einige  glaubten,  die  Runen  seien  aus  dem  etruskischen 
Alphabet  entstanden,  andere  aus  dem  lateinischen  oder  aus  dem  gotischen, 
das  Ulfilas  für  seine  Bibelübersetzung  benutzte. 

Daß  die  Runen  nicht  ganz  selbständig  von  dem  germanischen  Volk  erfunden 
worden  sind,  sondern  irgend  ein  anderes  Alphabet  zum  Vorbild  hatten,  wird 
schon  durch  die  augenfällige  Ähnlichkeit  zwischen  den  Runen  und  den  Buch- 
staben der  südeuropäischen  Alphabete  bewiesen.  Denn  davon  kann  keine  Rede 
sein,    daß    die    letzteren    von    den    Runen    herstammten.     Die  Meinuneen  über 


Die  ältesten  Runen. 


207 


das  besondere  Alphabet,  von  dem  die  Runen  abstammen,  könnten  aber  lange 
so  geteilt  sein,  weil  alle  diese  Alphabete  durch  ihren  gemeinsamen  Ursprung 
viel  Ähnlichkeit  untereinander  haben. 

Unter  den  vielen  Kulturgütern,  die  Kuropa  dem  Orient  dankt,  ist  die 
Schriftkunst  wohl  das  größte.  Schon  Herodot  erzählt,  daß  die  Griechen  ihre 
Buchstaben  von  den  Phöniziern  bekamen,  und  diese  Angabe  ist  heute  allgemein 
als  richtig  anerkannt.  Ungeachtet  der  großen  Ähnlichkeit  zwischen  dem  ältesten 
griechischen  und  dem  semitischen  Alphabet  finden  wir  indessen  bei  dem  ersteren 
eine  wesentliche  Neuerung,  welche  sozusagen  den  letzten  großen  Fortschritt  in 
der  Entwickelung  der  Buchstabenschrift  bezeichnet.  Das  altsemitische  Alphabet 
bewahrt  nämlich  noch  Erinnerungen  an  seine  Herkunft  von  einer  Silbenschrift 
darin,  daß  es  nur  Zeichen  für  Konsonanten  hat,  so  daß  jeder  Buchstabe  den 
Konsonanten  mit  dem  Vokal  bezeichnet,  der  ihn  zu  einer  Silbe  macht.  Die 
Griechen  erfanden  hingegen  bei  Annahme  des  phönizischen  Alphabetes  besondere 
Zeichen  für  die  Vokale. 

Die  älteste  Schrift  der  Etrusker  und  Römer  wich  wenig  von  der  ältesten 
griechischen  Schrift  ab. 

Solange  man  nur  die  gewöhnlichen  jüngeren  Runen  kannte,  war  es  schwer, 
die  Frage  nach  der  Herkunft  der  Runen  richtig  zu  beantworten.  Dies  ist  leichter 
geworden,  seit  man  die  älteren  Runen  kennen  gelernt  hat.1) 

Die  älteste  Runenreihe2),  die  wir  unter  anderem  von  einem  bei  Wadstena 
im  Jahr  1774  gefundenen,  Fig.  354  abgebildeten  Goldschmuck ")  her  kennen, 
bestand  aus  vierundzwanzig  Runen,  wie  folgt: 

rnt>F:R<XP:N  +  l§^&YH:TBMl*irO£M 
futharkgw    h  n  i  j    e   p  -r    s      t    b    e    m    1  ng  o  d 

Die  Runen:  V  und  P  entsprechen  lautlich  wohl  dem  englischen  th  und  w. 
Die  Rune  \  bezeichnete  teils  e,  teils  i.  Die  Rune  Y  kam  zu  der  Zeit  nur 
am  Ende  des  Wortes  vor;  der  Laut,  den  sie  bezeichnete,  war  erst  das  fran- 
zösische z  (in  seize),    ging  dann,  als  die  Sprache  sich  änderte,  aber  in  r  über. 


1)  S.  Bugge,  Bidrag  til  Tydning  of  de  seldeste  Runeindskrifter,  in  der  Tidsskrift  for  Philologi 
og  Psedagogik,  VII  (Kopenhagen,  1867 — 1868).  —  Derselbe,  Runeskriftens  Oprindelse  og  seldste 
Historie,  in  Norges  Indskrifter  med  de  seldre  Runer  (1905).  —  L.  Wimmer,  Die  Runenschrift, 
S.  174.  —  B.  Salin,  Die  altgermanische  Thierornamentik,  S.  146.  ■  O.  von  Friesen,  Om 
runskriftens  härkomst  (Upsala,    1904). 

2)  Man  begegnet  auch  dem  Ausdruck  Runenalphabet,   obwohl   bei   einer  Reihenfolge,   die  nicht 
mit  A  und  B  (griech.  Alpha,  Beta),    sondern  mit  F,  U,  Th,  A,  R.  K,  beginnt,  nicht  gut  von  Alphi 
die  Rede  sein  kann.     Man  hat  daher  auch  statt  dessen  das   Wort     Futhark«   gebildet 

3)  Seitdem    hat    man    dieselbe    Runenreihe    mit    geringen    Abweichungen    auf   dem   W 

einer  Grabkammer    bei    Kylfver,    Gotland  (Fig.  335    und  S.   209V    auf    einer    prächtigen    vergoldeten 
Silberspange  bei   Charnay,   Bourgogne,    und   auf  einer   kurzen   eisernen,   einschneidigen   Schwertkli 
indem   Fluübctt  der  Thames   hei  London  gefunden;  alle  stammen,  wie  der  Wadstenaschmuck  aus  der 
Mitte  des  ersten   Jahrtausends.     Dieselbe  Runenreihe    wiederholt    sieh    beinahe    unverändert    in   < 
schiedenen  Handschriften  aus  dem  neunten  und  elften  Jahrhundert,  die  in  England  und  aufierhalb  di< 
Landes  vorkommen,  die    aber  alle  aus  England   stammen.     Die  wichtigste   ist  eine,   welche    ein 
Runenlied     enthalt  mit  den  Runen,  ihren  Namen  und  Bedeutung,  nebst  einer  Erklärung  der  Namen. 


208 


Die   römische  Eisenzeit. 


Betrachten  wir  nun  die  ältesten  Runen  und  ihre  Bedeutung,  so  finden  wir 
sofort,  daß  die  Übereinstimmung  mit  den  alten  südeuropäischen  Alphabeten  auf- 
fallend ist.  Niemand  wird  es  für  zufällig  halten,  daß  die  Runen  R.  <,  H,  I,  H,  E>,  & 
beinahe  vollkommen  griechischen  und  römischen  Buchstaben  gleichen  und 
ihnen  lautlich  entsprechen.  Nach  umfassender  und  gründlicher  Untersuchung 
aller  mit  der  Herkunft  der  Runen  zusammenhängenden  Umstände  ist  man  zu 
dem  Schluß  gelangt,  daß  die  Runen  wahrscheinlich  im  zweiten  Jahrhundert  n.Chr. 
bei   einem    nördlich   vom   Schwarzen    Meere    wohnenden   germanischen    Stamm 

der  im  römischen  Reich  da- 
mals gebrauchten  Schrift  nach- 
gebildet worden  sind.  Wenig- 
stensfünfzehn, vielleicht  zwanzig 
Runen  entstammen  dem  grie- 
chischen und  vier  dem  römi- 
schen Alphabet. 

In  den  meisten  Fällen, 
wo  die  Form  der  Runen  von 
der  südlichen  Buchstabenform 
abweicht,  kann  die  Ungleich- 
heit dadurch  erklärt  werden, 
daß  die  Runen  ursprünglich 
nur  in  Holz  geritzt  wurden,  und 
man  deshalb  die  wagrechten 
Striche  vermied,  die  leicht  mit 
den  Adern  des  Holzes  zu- 
sammenfallen und  dadurch  un- 
deutlich wTerden;  auch  die 
bogenförmigen  Linien  boten 
dem  Holzschneider  Schwierig- 
keiten. Daher  bestehen  die 
ältesten  Runen  nur  aus  senk- 
rechten und  schräglaufenden 
536.    Runenstein  bei  Möjebro  in  Uppand.  >)  geraden    Strichen. 

Bei  der  Annahme  des  fremden  Alphabetes  zeigten  die  Germanen  eine 
merkwürdige  Selbständigkeit  darin,  daß  sie  den  Runen  neue  Namen  gaben  und 
sie  auf  eine  neue  Art  ordneten,  denn  alle  semitischen,  griechischen  und  italienischen 
Alphabete  rangieren  A,  B  usw.  Warum  die  Germanen  ihren  Buchstaben 
eine  abweichende  Reihenfolge  gaben,  ist  noch  nicht  endgültig  erklärt.  Eine 
andere  eigentümliche  Neuheit  ist  die  Einteilung  der  Runen  in  drei  Gruppen  zu  je 
acht  Runen.2)  Diese  drei  Gruppen  sind  schon  auf  den  Wadstenabrakteaten  vermerkt. 

i)  Die  Inschrift  lautet:  Frawaradar  anahaha  is  [sjlaginar,  »Frawaradar  (Frarädr)  der 
Mutige  ist  (tot-)  geschlagen«. 

2)  Die  Einteilung  in  dreimal  acht  wurde  auch  in  anderen  Fällen  von  den  Germanen  ange- 
wendet, wie  z.  B.  in  ihrem  Gewichtssystem,  wo  die  Mark  in  8  Öre  und  die  Öre  in  drei  Örtugar 
geteilt  wurde.  Ob  diese  Gewichtsteilung  schon  in  der  Zeit,  als  sich  die  Runen  bildeten,  bestand, 
weiß  man  jedoch   nicht. 


Die   ältesten  Runen. 


209 


Auch  in  bezug  auf  etwas  anderes  weicht  die  Runenschrift  von  der  ge- 
wöhnlichen griechischen  und  lateinischen  Schrift  ab;  letztere  geht,  wie  die  heute 
gebräuchliche,  von  links  nach  rechts,  aber  die  älteren  Runen  gehen  oft  wie 
einige  sehr  alte  südeuropäische  Inschriften  von  rechts  nach  links  (Fig.  336).  Die 
Richtung  von  links  nach  rechts  kommt  aber  auch  in  der  Runenschrift  (Fig.  337 
und  338)  vor  und  wird  bald  allgemein.  Zuweilen  findet  man  in  einer  Inschrift 
beide  Richtungen,  so  daß  die  eine  Reihe  von  rechts  nach  links,  die  nächste 
Reihe  von  links  nach  rechts  geht,  oder  auch  umgekehrt. 

Inschriften  mit  diesen  älteren  Runen  kennt  man,  wie  schon  erwähnt  wurde, 
aus  mehreren  Orten  im  Norden  und  anderen  jetzt  oder  früher  von  Germanen 
bewohnten  Ländern.1) 

Die  ältesten  Runen,  deren  Zeit  bestimmt  werden  konnte,  gehören  der  Zeit 
um  300  nach  Chr.  an.2) 


,*■•  V 


8Äi 


337.    Runenschrift  auf  einem  Stein  bei  Skärkind  in  Östergötland.3) 


In  verschiedenen  Teilen  von  Schweden  und  Norwegen  fand  man  mehrere 
Bautasteine  mit  Inschriften  von  älteren  Runen  (Fig.  337). 

In  einer  Grabkammer  bei  Kylfver  im  Kirchspiel  Stänga  in  Gotland  war, 
wie  wir  schon  gesehen  haben  (S.  207,  Note),  die  Runenreihe  auf  einem  Wand- 
stein eingehauen  (Fig.  335).  Diese  Runenreihe  weicht  in  einigen  Punkten  von 
den  anderen  ab.4) 

Einer  der  schwedischen  Steine,  der  bei  Skääng  im  Kirchspiel  Vagnhärad, 
Södermanland,  steht  (Fig.  338),  kennzeichnet  sich  dadurch,  daß  einige  Jahr- 
hunderte, nachdem  die  ursprüngliche  Inschrift  eingehauen  war,  der  Stein  nochmals 
mit  Runen  —  welche  von  den  ursprünglichen  verschieden  sind -- versehen  worden 


1)  Stephens,  The  Oldnorthern  Runic  Monuments.  —  Derselbe,  ll.uidb.iok.  —  R.  HenB 
Die  deutschen  Runendenkmäler  (Straßburg,    1889);  vgl.  E.   Drate,   in  der  Zeitschrift  f.  Ethnol,    18 
S.  76.  —  L.   Wimmer,    De   tyske  Runemindesmserker,    in    den  Aarböger  f.  nord.  Oldkynd,    1 

S.    1.   —  Derselbe,  Les  monuments  runiques  de  l'AUemagne,   in  den   Memoires  de  la  Soc.  d.  Antiqu. 
du  Nord,    1890  — 1895,  S.  225. 

2)  Montclius,    Runornas    älder    i    Norden,    in  :        Fornm.-for«    lidskr.,    Bd.    6      : 

S.  236. —  Derselbe,  Das  Alter  der  Runenschrill  im  Norden,  im  Archiv  f.  Anthrop.,  Will    is^  ,S    151. 

3)  Die  Inschrift:  Ski  njthaleubar,   »Skinnl     I     Mannsname,     mit  feiner  Haut  )     ruht  hi 

I     O.   von   Friesen  und   II.   Elansson,   Kyl  runrad,    in    der    Anliqv. 

tidskr.  f.  Sv.,  Bd.    [8  (1905). 

U      11  teli US,  Kulturgeschichte  Schwedens.  1  ( 


2IO 


Die  römische  Eisenzeit. 


ist.    Die  Schlußworte  der  letzteren  Inschrift:    »Gott  helfe  seiner  Seele«    zeigen, 
daß  sie  der  Zeit  nach  der  Einführung  des  Christentums  angehört. 

Außerdem  hat  man  in  Schweden  mehrere  andere  Altertümer  mit  älteren 
Runen   gefunden,    so    eine   prächtige  Spange,    aus  vergoldetem  Silber,    die   aus 
Etelhem   auf  Gotland    stammt    (Fig.    377),    ein     knöchernes  Amulet   aus   Lind- 
holmsmoor in  Skäne  (Fig.  339)  und  viele   Goldbrakteaten  (Fig.   353 — 358). 
In  England  sind  Inschriften  von  diesen   »älteren«   Runen  häufig. 

Noch  in  der  letzten  Zeit  wurde 
freilich  die  Ansicht  ausgesprochen, 
daß  die  Runen  niemals  bei  anderen 
Völkern  als  den  Nordländern  und 
den  aus  dem  südlichen  Teile  des 
nordischen  Gebietes  nach  England 
gezogenen  Angelsachsen  vorkommen 
sollten.  Das  ist  aber  falsch.  Die 
Runen  waren  gemeinsames  Eigentum 
der  germanischen  Völker  oder  wenig- 
stens einer  Mehrzahl  unter  ihnen. 

In  Frankreich,  Deutschland, 
Westrußland  und  in  der  Walachei 
hat  man  auch  Runeninschriften  ge- 
funden, die  in  Gegenstände  einge- 
ritzt sind,  welche  weder  skandina- 
vische noch  englische  Typen  zeigen, 
sondern  Formen,  die  in  den  in  Frage 
kommenden,  damals  von  germani- 
schen Völkern  bewohnten  Gegenden 
einheimisch  waren. 

Die   Runenkenntnis    der    Süd- 
germanen wird  noch  weiter  durch  zeit- 
!r^  genössische    Schriftsteller   bewiesen, 
die  ausdrücklich  davon  sprechen,  daß 
Runenstein  bei  Skääng  in  Södermanland.1)       die  Runen  bei  germanischen  Völkern, 

die  außerhalb  Skandinaviens  und 
Englands  wohnten,  im  Gebrauch  waren.  Der  wichtigste  von  diesen  Zeugen  ist 
Venantius  Fortunatus,  der,  in  Norditalien  geboren  und  in  Ravenna  erzogen,  sich 
später  an  verschiedenen  Orten  in  Deutschland  und  Frankreich  aufhielt,  bis  er  zum 
Schluß  des  sechsten  Jahrhunderts  Bischof  von  Poitiers  wurde.  Unter  seinen  lateini- 
schen Gedichten  befindet  sich  ein  Brief  an  einen  Freund,  in  welchem  er  diesen 
auffordert,  entweder  lateinisch  oder  in  irgend  einer  anderen  Sprache  zu  antworten; 


lVA^D    HANSEN. 


338. 


1)  Die  ältere  Inschrift  (längs  der  Mitte):  Haringa  Aleugar  >Haringa,  der  ohne  Falsch 
[ruht  hier  ',  und  die  jüngere  (in  der  Schlange):  Skanmals  auk  Olauf  thau  litu  kiara  merki 
thausi  eftir  Suain  fathur  sin.  Kuth  hialbi  salu  hans,  »Skanmals  und  Olauf  (Frauenname), 
sie  ließen  diese  Denkmale  für  Sven,  ihren  Vater,   machen.     Gott  helfe  seiner  Seele!« 


Die  Sprache  der  älteren  Eisenzeit. 


211 


wenn  er  nicht  lateinisch  schreiben  wolle,  könne  er  ja  z.  B.  »mit  barbarischen 
Runen«  schreiben,  auf  Holztafeln  oder  auf  einen  glatten  Holzstab.  Mit  bar- 
barisch meint  er  offenbar  germanisch.  Auch  im  Norden  ritzte  man  ja  die 
Runen  in  Holztafeln  oder  Holzstäbe  ein. 

Bei  den  germanischen  Völkern  des  europäischen  Kontinents  wurden  die 
Runen  von  Ulfilas  gotischem  Alphabet  und  vom  römischen  verdrängt.  Die 
Germanen  in  England  und  Skandinavien  behielten  jedoch  die  ältere  Schrift  lange 
bei,  und  besonders  in  letzterem  Land  waren  die  Umstände  dem  Fortleben  der 
Runenschrift  günstig.  Erst  nach  Ablauf  vieler  Jahrhunderte  wurde  sie  bei  der 
Einführung  des  Christentums  durch  das  lateinische  Alphabet  verdrängt,  und 
noch  lange  nach  dem  Sieg  der  christlichen  Lehre  lebte  die  in  dem  Volk 
tief    eingewurzelte  Kenntnis  der  Runen  fort. 

Der  Umstand,  daß  Inschriften  mit  älteren  Runen  nicht  nur  auf  Grabsteinen, 
sondern  auch  auf  so  vielen  zum  täglichen  Gebrauch  gehörenden  Gegenständen 
vorkommen,  spricht  sehr  dafür,  daß  die  Kenntnis  der  Runen  sich  nicht  auf 
wenige  beschränkte,  sondern  im  Volk  allgemein  verbreitet  war. 


339.    Knöchernes  Amulett  mit  Runenschrift.    Skane.    4/5. 


Obwohl  diese  Inschriften  keine  Kunde  von  historisch  wichtigen  Persön- 
lichkeiten oder  Ereignissen  geben,  sind  sie  doch  von  allergrößter  Bedeutung  für 
die  Wissenschaft,  nicht  nur  für  viele  kulturhistorisch  interessante  Verhältnisse, 
sondern  besonders  für  die  Sprache.  Sie  sind  unsere  ältesten  schriftlichen  Ur- 
kunden, über  acht  Jahrhunderte  älter  als  die  ältesten  schwedischen  auf  Pergament 
geschriebenen  Schriften,  die  uns  erhalten  sind.1)  Sie  zeigen,  daß  die  Sprache 
in  Schweden  in  der  älteren  Eisenzeit  germanisch  war,  aber  sie  zeigen  auch,  daß 
die  Sprache,  die  im  Norden  in  den  ersten  fünfhundert  Jahren  nach  Christus 
gesprochen  wurde,  mit  der  Sprache  verwandt  war,  die  die  Goten  an  der  Donau 
zur  selben  Zeit  sprachen.  Letztere  kennen  wir  vor  allem  aus  der  Bibelüber- 
setzung des  Bischofs  Ulfilas  (gegen  Ende  des  vierten  Jahrhunderts\  von  der 
beträchtliche  Teile  (in  einer  Abschrift  von  c.  500)  in  dem  prachtvollen  und 
weltberühmten  »Codex  argenteus :  erhalten  sind,  der  durch  Magnus  Gabriel 
de  la  Gardies  Freigebigkeit  als  Hauptschatz  die  Universitätsbibliothek  von 
Upsala  ziert. 


1)  Die  ältesten  in  Schweden  geschriebenen  Pergamenturkunden,  die  wir  noch  besitzen,  stammen 
aus  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts :  sie  sind  lateinisch  geschrieben.  Die  ältesten  Handschriften  in 
schwedischer  Sprache,   die  uns  erhalten  wurden,  sind  einige  Landschaftsgesetze  aus  dem  13.  Jahrhundert. 

14* 


212 


Die   römische   Eisenzeit. 


Die  Sprache  der  Nordländer  jener  Zeit  ist  jedoch  der  Gotensprache  keines- 
wegs vollkommen  gleich.  Trotz  der  Kürze  der  ältesten  im  Norden  gefundenen 
Runeninschriften  kann  man  in  wichtigen  Beziehungen  eine  erhebliche  Ver- 
schiedenheit feststellen.  Einer  unserer  ersten  Sprachkenner  meint  daher  sogar, 
daß  zu  der  Zeit,  mit  der  wir  uns  hier  beschäftigen,  die  Differenzen  zwischen 
den  gotischen  und  nordischen  Sprachen  weit  mehr  in  die  Augen  fallen  als  die 
Übereinstimmungen.1) 

Die  Runeninschriften  geben  uns  freilich  die  älteste,  direkteste  Aufklärung 
über  die  Sprache  hier  im  Norden;  aber  man  hat  auch  auf  indirekte  Weise 
von  der  Sprache  unserer  Vorfahren  in  noch  älterer  Zeit  Kenntnis  erhalten.  Im 
Lappländischen  und  Finnischen  finden  sich  nämlich  viele  Worte,  die  die  Lapp- 
länder in  Schweden  und  Norwegen  von  ihren  schwedischen  und  norwegischen 
Nachbarn  und  die  Finnen  von  den  schon  sehr  früh  östlich  von  der  Ostsee 
wohnhaften  Schweden  und  anderen  Germanen  entlehnten.2)  Diese  Lehnworte 
zeigen  noch  heute  durch  unzweideutige  Merkmale,  daß  sie  in  einer  Periode  auf- 
genommen wurden,  in  der  die  nordische  Sprache  noch  altertümlicher  war,  als 
zur  Zeit  der  ältesten  Runeninschriften.  Die  erwähnten  Lehnworte  müssen  also 
den  Standpunkt  der  nordgermanischen  Sprache  schon  vor  dem  Anfang  unserer 
Zeitrechnung  bezeichnen. 

Soweit  wir  sehen  können,  war  die  Sprache,  die  in  der  ersten  Hälfte  des 
ersten  Jahrtausends  nach  Christi  Geburt  in  Schweden  gesprochen  wurde,  bei- 
nahe ganz  dieselbe  wie  die  Sprache  der  anderen  skandinavischen  Völker  zur 
selben  Zeit.  Noch  viele  hundert  Jahre  später,  in  der  Wikingerzeit,  war  der  Unter- 
schied zwischen  der  schwedischen  und  anderen  nordischen  Sprachen  sehr 
unbedeutend. 

Die  schwedische  Sprache  der  älteren  Eisenzeit  war  aber  sehr  verschieden 
von  der  schwedischen  Sprache  der  Wikingerzeit  und  natürlich  noch  mehr  vom 
heutigen  Schwedisch. 

Eine  Sprachprobe  der  ältesten  schwedischen  Runeninschriften  (siehe  auch 
Fig.  336 — 338)  gibt  ein  Stein  bei  Järsberg  im  Kirchspiel  Warnum,  Wermland: 
Ubar  Hite  Harabanar  wit  iah  ek  Erilar  runor  waritu3);  in  modernem 
Schwedisch:  Uf  ät  Hit.  Rafn  vi  tvä  och  jag  Jarl  runor  skrefvo,  oder 
»Uf  (hat  den  Stein)  über  Hit  errichtet.  Rafn  und  ich  Jarl,  wir  beiden  schrieben 
die  Runen«. 

Plötzlich  auftretende  Veränderungen  in  der  Einrichtung  der  Gräber  und 
in  verschiedenen  anderen  Verhältnissen,  die  hier  nicht  weiter  verfolgt  werden 
können,  sprechen  dafür,  daß  größere  oder  kleinere  Scharen,    die  ohne  Zweifel, 


1)  A.  Noreen,    Geschichte   der  nordischen  Sprachen,  im  Grundriß  der  germanischen    Philo- 
logie von  H.  Pauli,  V,  S.   3. 

2)  V.  Thomsen,  Den  gotiske  sprogklasses  indflydeke  pä  den  finske  (Kopenhagen,  1869). — 
Derselbe,  Über  den  Einfluß  der  germanischen  Sprachen  auf  die  finnisch-lappischen  (Halle,    1870). 

3)  Das  englische   »write«   hat   den  Anfangsbuchstaben  w  beibehalten,  den  das    altschwedische 
Wort,  wie   wir  aus  diesen  und  anderen  Inschriften  sehen,  hatte. 


Die  Sprache  der  älteren   Eisenzeit.  213 

wie  die  damaligen  Einwohner  des  Nordens,  Germanen  waren,  ungefähr  zwei- 
hundert Jahre  nach  Christus  in  Skandinavien  einzudringen  begannen. J)  Wahr- 
scheinlich haben  diese  Neuangekommenen,  die  nach  allem  zu  urteilen  ihr  früheres 
Heim  in  Gegenden  um  die  Donau  herum  und  am  Schwarzen  Meer  hatten, 
nicht  nur  viele  römische  Arbeiten  mit  sich  gebracht,  die  man  in  unserer  Erde 
fand,  sondern  auch  die  Kenntnis  der  Schreibkunst,  die  Runen.  Man  hat 
ohne  Zweifel  mit  Recht  angenommen,  daß  die  früher  beschriebenen  großen 
Moorfunde  auf  Fünen  und  an  der  Ostküste  von  Jütland  Andenken  an  die 
gewaltsame  Besitznahme  dieser  Teile  des  jetzigen  Dänemark  durch  den  neuen 
Stamm  sind. 


i)   Näheres  findet  man  bei  B.   Salin,   Die  altgermanische  Thierornamentik  (Stockholm,  1904). 


III.  DIE  ZEIT  DER  VÖLKERWANDERUNGEN. 

(Von  ungefähr  400  bis  800). 

1.  Die  Verbindung  mit  dem  byzantinischen  Reich.  — 

Der  Goldreichtum. 


iele  Menschenalter  hindurch  hatten  germanische  Krieger  im  römischen 
Heer  gedient,  und  viele  Menschenalter  hindurch  waren  germanische 
Völker  durch  Handel  und  auf  andere  Weise    mit    den  Römern  in  Be- 


rührung gekommen. 

Die  nähere  Bekanntschaft  mit  der  römischen  Welt  und  ihren  Herrlich- 
keiten hatte  mehr  und  mehr  zu  Einfällen  in  das  Imperium  gelockt,  und  immer 
offenkundiger  war  die  Schwäche  des  Reiches  geworden,  das  ganze  Mietlings- 
scharen von  Barbaren  zu  seinem  Schutz  gegen  deren  eigene  Volksgenossen 
nötig  hatte. 

Schon  in  der  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  wurden  die  Römer  von  den 
vordringenden  Germanen  gezwungen,  einen  Teil  ihrer  Besitzungen  am  rechten 
Rheinufer  preiszugeben,  und  um  das  Jahr  400  begannen  die  großen  Völker- 
wanderungen,   die  in  kurzer  Zeit   ganz  Europa  politisch  umgestalten   sollten. 

Gegen  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  ergossen  sich  die  nördlich  vom 
Schwarzen  Meer  und  am  unteren  Lauf  der  Donau  wohnenden  Germanen  über  die 
Balkanhalbinsel  und  Italien  und  drangen  nach  W7esten  vor.  Es  waren  kaum  einige 
Jahre  des  neuen  Jahrhunderts  vergangen,  als  Rom  von  den  Westgoten  unter 
Alarich  erobert  wurde  und  zahlreiche  Haufen  von  Germanen  über  den  Rhein 
setzten,  wonach  sie  bald  das  reiche  Gallien  in  Besitz  nahmen.  Zur  selben  Zeit 
wurde  ein  großer  Teil  des  keltischen  Britanniens,  das  die  Römer  nicht  mehr 
verteidigen  konnten,  durch  die  von  den  Gegenden  an  der  unteren  Elbe 
kommenden  Angelsachsen  erobert. 

Nördliche  wie  südliche  Germanenstämme  nahmen  also  an  der  Völker- 
wanderung teil.  Die  neuesten  Forschungen  haben  interessante  Aufschlüsse  dar- 
über gegeben,  wie  Germanen,  die  an  der  Südküste  der  Ostsee  und  an  der 
Eibmündung  saßen,  sich  nicht  nur  nach  den  Britischen  Inseln,  sondern  auch 
nach  den  Rheingegenden  wandten. 


Die   Verbindung  mit  dem  byzantinischen  Reich.  2  1  $ 

Daß  die  Verbindung  zwischen  den  Ländern,  die  wie  die  skandinavischen 
noch  germanisch  waren,  und  den  neuerdings  germanisch  gewordenen  lebhaft 
wurde,  liegt  in  der  Natur  der  Sache.  Die  Geschichtschreiber  des  Südens 
reden  auch  von  dem  Verkehr,  der  zu  jener  Zeit  zwischen  den  Goten  im  Süden 
und  im  Norden  stattfand.  So  wird  erzählt,  daß  der  Ostgotenkönig  Theoderich, 
der  Eroberer  Italiens,  in  lebhafter  und  freundlicher  Verbindung  mit  unseren 
Ländern  stand.  Die  Italiener  schmückten  sich  mit  Pelzwerk  aus  Schweden,  und 
der  König  eines  skandinavischen  Volkes,  der  freiwillig  oder  gezwungen  sein 
Land  verließ,   fand  Gastfreundschaft  in  Ravenna,    der  Hauptstadt  Theoderichs. 

Prokop,  der  im  sechsten  Jahrhundert  lebte  und  längere  Zeit  am  Hofe 
des  Kaisers  Justinian  verweilte,  erzählt  von  einer  gotischen  Einwanderung,  die  kurz 
vorher  in  unseren  Gegenden  stattgefunden  hätte.  Wenn  sie  auch  möglicher- 
weise unbedeutend  war,  ist  sie  doch  bemerkenswert,  da  sie  von  einem  beinahe 
zeitgenössischen  Schriftsteller  stammt,  dessen  Glaubwürdigkeit  zu  bezweifeln 
kein  Anlaß  ist.  Prokop  folgte  nämlich  dem  byzantinischen  Feldherrn  Belisar 
als  Sekretär  in  den  Gotenkrieg  und  hatte  so  Gelegenheit,  von  den  Goten  selbst 
und  ihnen  nahestehenden  Völkerschaften  denkbarst  zuverlässige  Kunde  zu 
erlangen. 

Von  den  Herulern,  einem  solchen  den  Goten  verwandten  Volk,  erzählt 
er,  daß  sie  unter  Kaiser  Anastasius  I.  (491  —  518)  an  der  Donau  wohnten,  heid- 
nische Götter  anbeteten  und  ihnen  Menschen  opferten.  Mit  ihren  Nachbarn, 
den  Longobarden,  gerieten  sie  in  Streit,  wurden  geschlagen  und  gezwungen, 
ihre  Heimat  zu  verlassen.  Erst  nahmen  sie  ihre  Zuflucht  zu  den  Gepiden,  die 
zwischen  der  Donau  und  der  Dnjestr  wohnten;  aber  auch  von  diesen  wurden 
sie  nach  einiger  Zeit  vertrieben.  Ein  Teil  flüchtete  über  die  Donau  und  erhielt 
von  dem  oströmischen  Kaiser  die  Erlaubnis,  sich  in  Illyrien  niederzulassen. 
Die  übrigen  zogen  unter  vielen  Häuptlingen,  die  vom  königlichen  Blute  waren, 
nordwärts  durch  die  Länder  derSlaven,  durchwanderten  dann  große  Einöden  und 
kamen  schließlich  zu  den  Varneren,  einem  Volk,  das  am  nördlichen  Ozean  wohnte 
(wahrscheinlich  im  heutigen  Mecklenburg).  Von  da  setzten  sie  ohne  feindlichen 
Widerstand  ihren  Zug  durch  die  Länder  der  Dänen  fort,  begaben  sich  von  hier 
aus  zur  See  und  landeten  in  Thule  (Skandinavien),  wo  sie  sich  niederließen. 
Unter  den  Völkern  von  Thule  fand  sich  ein  großer  Stamm  mit  Namen  >  Gautai« 
(Goten).     Bei  diesen  nahmen  die  Neuangekommenen  ihre  Wohnplätze. 

Einige  Zeit  danach  geschah  es,  fährt  Prokop  fort,  daß  die  Heruler,  die 
vom  Kaiser  Wohnplätze  in  Illyrien  angewiesen  erhalten  hatten,  ihren  König 
Okon  erschlugen.  Sie  beschlossen,  an  seiner  Statt  einen  vom  königlichen 
Blute  aus  Thule  zu  holen,  zu  welchem  Zweck  sie  einige  von  ihren  vornehmsten 
Leuten  hinschickten.  Diese  kamen  nach  Thule,  fanden  dort  viele  vom  könig- 
lichen Geschlecht,  wählten  den,  der  ihnen  am  besten  gefiel,  und  begaben  sich 
mit  ihm  auf  die  Rückreise.  Er  starb  aber  unterwegs.  1  >a  kehrten  sie  nach 
Thule  zurück  und  wählten  einen  anderen,  dein  zweihundert  junge  Männer  der 
in  Thule  wohnenden  Heruler  folgten.  Unterdessen  gereute  es  die  Heruler  in 
Illyrien,   daß    sie   ohne    Kaiser   Justinians    (527 — 565)    Zustimmung    nach    Thule 


-?j(5  Die  Zeit  der  Völkerwanderungen. 

geschickt  hatten,  um  einen  König  zu  holen.  Sie  erbaten  sich  deshalb  vom 
Kaiser  einen  Regenten  nach  seiner  Wahl  und  er  bestimmte  den  Suartuas,  einen 
Heruler,  der  aber  lange  in  Konstantinopel  gelebt  hatte.  Diesen  nahmen  sie  mit 
großer  Freude  an.  Einige  Tage  darauf  kam  jedoch  die  Nachricht,  daß  die 
Gesandtschaft  von  Thule  zurückkehre.  Suartuas  machte  sich  gegen  sie  mit 
einem  Haufen  Volkes  auf,  um  seinen  Nebenbuhler  zu  töten;  seine  Leute  gingen 
aber  nachts  zum  Feinde  über,  und  Suartuas,  von  allen  verlassen,  mußte  nach 
Konstantinopel  entweichen. 

Prokop  ist  der  erste,  der  uns  nähere  Auskunft  über  die  skandinavische 
Halbinsel  und  deren  Bewohner  gibt.  Thule  ist  eine  sehr  große  Insel,  sagt  er,  wohl 
zehnmal  so  groß  als  Britannien,  weit  nördlich  von  dort  gelegen.  Ein  Teil  der 
Insel  sei  unbewohnt  und  öde;  der  bewohnte  Teil  sei  unter  dreizehn  großen 
Stämmen  mit  ebensoviel  Königen  verteilt.  Obwohl  Prokopius  sehnlichst  trachtete, 
diese  wunderbare  Insel  selbst  zu  besuchen,  hatte  er  doch  niemals  Gelegenheit, 
seinen  Plan  auszuführen,  und  mußte  sich  mit  den  Mitteilungen  von  Personen 
begnügen,  die  dort  gewesen  waren. 

Etwas  Sonderbares  berichteten  sie  von  dieser  Insel.  Im  Sommer  ginge 
nämlich  die  Sonne  vierzig  Tage  und  Nächte  nicht  unter,  sondern  bliebe  über 
dem  Horizont.  Und  sechs  Monate  später,  zur  Zeit  der  Wintersonnenwende, 
ginge  sie  ebensoviele  Tage  und  Nächte  nicht  auf,  so  daß  die  Einwohner 
währenddes  in  beständiger  Nacht  lebten  und  verhindert  würden,  zusammenzu- 
kommen und  die  Tagesarbeit  zu  verrichten.  Prokop  fragte  die  Einwohner 
von  Thule,  mit  denen  er  zusammenkam,  wie  sie  denn  in  dieser  Zeit  die  Tage 
rechneten,  und  sie  erzählten  ihm,  daß  die  Sonne  während  der  vierzig  Tage  im 
Sommer  nicht  immer  an  derselben  Himmelsgegend  stehe,  sondern  bisweilen  im 
Osten,  bisweilen  im  Westen;  wenn  sie  nun  ihren  ganzen  Kreis  vollendet  hätte, 
und  wieder  an  die  Stelle  käme,  wo  man  gewohnt  wäre,  sie  aufgehen  zu  sehen, 
wüßte  man  jedesmal,  daß  ein  Tag  vergangen  sei.  In  der  dunklen  Zeit,  in  der 
sie  allerdings  an  gewissen  Stunden  des  Tages  Dämmerung  hätten,  berechneten 
sie  die  Tage  nach  dem  Mond.  Wenn  sie  aber  fünfunddreißig  Tage  in  der 
Finsternis  gelebt  hätten,  pflegten  sie  nach  altem  Brauch  Späher  auf  die 
höchsten  Bergspitzen  zu  entsenden.  Sobald  sie  dann  von  den  Bergspitzen  die 
Sonne  zuerst  gesehen  hätten,  gäben  sie  den  in  den  Tälern  Wohnenden  Nach- 
richt davon;  diese,  froh,  obgleich  sie  sich  noch  im  Dunkeln  befänden,  feierten 
mit  großen  Gastmahlen  die  Wiederkunft  der  Sonne.  Dies  sei  bei  den  Völkern 
von  Thule  die  größte  Feier.  Wir  erkennen  leicht  die  mitten  im  Winter 
gefeierte   Weihnacht. 

Die  Sitten  der  Einwohner  von  Thule  waren  von  denen  der  anderen 
Völker  nicht  sehr  verschieden.  Sie  beteten  viele  Götter  an  und  Geister, 
die  im  Himmel,  in  der  Luft,  auf  der  Erde  und  im  Meer,  auch  solche,  die  in 
Quellen  und  Flüssen  wohnten.  Diesen  allen  wurde  fleißig  geopfert.  Das  beste 
Opfer  war  der  Mensch.  Den  ersten  Gefangenen  in  einem  Krieg  opferten 
sie  dem  Kriegsgott,  der  bei  ihnen  an  Rang  allen  voranginge.  Die  Opferung 
wurde  nicht  nur,  wie  gewöhnlich,    durch  einen  Schnitt   in  den  Hals  vollzogen; 


Die  Verbindung  mit  dem  byzantinischen  Reich.  2  I  7 

sie   töteten   ihre  Kriegsgefangenen  auch    durch  Aufhängen  an  Bäumen  und  auf 
andere  Weise. 

Ein  Zeitgenosse  des  Prokop  ist  der  erste  germanische  Schriftsteller,  der 
von  unserem  Lande  spricht:  Jordanes  oder  Jornandes,  von  Geburt  ein 
Gote,  der  in  der  Mitte  des  sechsten  Jahrhunderts  lebte.  Was  er  vom  Norden 
erzählt,  rührt  wahrscheinlich  von  dem  lateinischen  Geschichtsschreiber  Cassio- 
dorius  her,  welcher  um  530  eine  jetzt  verloren  gegangene  gotische  Geschichte 
schrieb.  Cassiodorius  soll  seine  Nachrichten  vom  Norden  durch  einen  norwe- 
gischen König  Roduulf  erhalten  haben,  der  beim  gotischen  König  Theoderich 
dem  Großen  lebte.  Die  Nachrichten  waren  also  zuverlässig;  viele  Völkernamen 
sind  jedoch  entstellt.  In  Schweden  spricht  er  neben  anderen  Stämmen  von  den 
Suehans  (Svear),  der  Name  ihres  Reiches  Svethiud  (die  altschwedische  Form  des 
altisländischen  Svipiöö)  kommt  als  »Suetidi«  vor.  Er  nennt  auch  »Theustes 
und  »Finnaithae«,  die  in  den  smäländischen  Bezirken  Tjust  und  Finved  wohnten, 
»Gautigoth«  (Götgotar),  die  Einwohner  Westergötlands,  »Ostrogothae«,  die  Ein- 
wohner Östergötlands,  »Finni«,  und  andere  mehr.1) 

Mit  dieser  Periode  der  nordischen  Geschichte  beschäftigte  sich  auch  der 
alte  angelsächsische  Gesang  von  Beowulf,  der  ein  Verwandter  des  Geaten- 
königs  Hygeläc  (Hugleik)  war  und  endlich  selbst  König  der  Geaten  wurde.2) 
Dieser  Gesang,  der  verhältnismäßig  kurze  Zeit  nach  den  darin  erzählten  Er- 
eignissen gedichtet  sein  muß,3)  meldet  viel  von  Kämpfen  zwischen  den  Svear 
und  Geaten,  womit  ohne  Zweifel  die  in  Südschweden  wohnenden  Götar  gemeint 
sind.  Aus  dem  schwedischen  Königsgeschlecht  Skilfinger  werden  unter  anderen 
Ohthere  und  sein  Sohn  Eädgils  genannt,  dieselben  die  in  der  Ynglingasage  Ottar 
und  Adils  heißen.  Hygeläc,  von  dem  erzählt  wird,  er  habe  auf  einem  Kriegsztig 
in  das  Land  der  Friesen  sein  Leben  verloren,  ist  jedenfalls  derselbe  König,  von 
dessen  Zug  nach  Friesland  und  Tod  im  Jahr  5  1 5  ein  gleichzeitiger  fränkischer 
Geschichtschreiber  spricht.  Die  beiden  erwähnten  Könige  der  Svear  müßten 
demnach  im  sechsten  Jahrhundert  gelebt  haben  und  ganz  Svealand  müßte  unter 
die  Herrschaft  nur  eines  Königs  gekommen  sein.  Das  Reich  oder  Land  wird 
Sviörice  genannt  (c  wird  wie  k  ausgesprochen),  sicherlich  das  erste  Mal,  d a  11 
dies  Wort  Svearike   in  der  Geschichte  vorkommt. 

Die  in  Skandinavien  wohnenden  Lappen  erwähnt  wohl  schon  Tacitns 
(vgl.  S.  64).  Aber  erst  bei  Prokop  wird  ausführlicher  von  ihnen  berichtet.  Unter 
allen  Einwohnern  Thules  waren  die  Skridfinnen  die  einzigen,  die  beinahe  wie 
Tiere  lebten,  denn  sie  brauchten  weder  Kleider,   noch  bedeckten  sie  ihre  Füße 


1)  L.   Fr.   Läffler,   Om   de   östskandinaviska  folknammn    hos  Jordanes,   in  den  Nvare  bidrag 
tili   kännedom   om  de  svenska  landsmalen   och  svenskt  folklif,   Heft   51    (Stockholm.    1 S04). 

2)  P.  Kahlbeck,   Beovulfsqvädet  sasom   källa   för  nordisk   fornhistoria,   in   der  Antiqv.   tidskr. 
f.  Sv.,  Bd.   8. 

3)  K.  Stjerna,  Hjälmar  och  svärd  i  Beovulf,  in  Studier,   tillägnade  O.  Montelius,   - 
Derselbe,   Vendcl   och   Vendclkraka,   in    Arkiv    for    Nordisk   Filologi,    Ny   följd,    Bd.    XVII,   S.    71.    — 
Derselbe,  Arkcologiska  antecknin^'ar    tili    Beovulf,   im  Mänadsblad,    [903— 1904.   —   Derselbi 

och  Götar  under  folkvandringsüden,  in  der  Sv.   Fornm.-för'  tidskr.,   Bd.    i-     1905),  S.   339. 


2  1 8  Die  Zeit  der  Völkerwanderungen. 

mit  Schuhen,  noch  nährten  sie  sich  von  Feldfrüchten.  Der  Mann  pflügt  und 
sät  nicht,  die  Frau  tut  keine  Hausarbeit,  beide  gehen  auf  die  Jagd.  Uner- 
meßliche Wälder,  hier  größer  als  irgendwo  anders,  und  hohe  Berge  gewährten 
ihnen  einen  unerschöpflichen  Vorrat  von  Tieren,  von  deren  Fleisch  sie  lebten. 
Weder  Leinen  noch  andere  Gewebe  hatten  sie;  ihre  Kleidung  war  aus  Häuten 
mit  Tiersehnen  zusammengefügt  und  über  den  Körper  geworfen.  Die  Frauen  gäben 
ihren  Kindern  nicht  die  Brust,  sondern  brächten  die  Neugeborenen,  in  Tierfelle 
gewickelt,  auf  Bäumen  unter,  steckten  ihnen  Tiermark  in  den  Mund  und  gingen 
dann  auf  die  Jagd. 

Der  Longobarde  Paulus  Warnefrid,  der  in  der  letzten  Hälfte  des  achten 
Jahrhunderts  lebte  und  mit  Gewährsmännern  aus  der  Skandinavischen  »Insel« 
gesprochen  hatte,  gibt  eine  in  den  Hauptsachen  ähnliche  Schilderung  der  »Skrid- 
finnen«.  Er  gibt  an.  daß  sie  ihren  Namen  von  einem  Wort  haben,  das  in 
ihrer  Sprache  »springen«  bedeutet,  denn  mit  Hilfe  eines  krummen  Holzes,  das 
wie  ein  Bogen  geformt  ist,  vorwärts  springend  verfolgten  sie  die  wilden  Tiere. 
»Bei  ihnen«,  erzählt  er  weiter,  »gibt  es  ein  Tier,  das  einem  Hirsch  ganz  ähnlich 
sieht,  und  aus  dessen  langhaarigem  Fell  Jacken  gemacht  werden,  die  bis  zu 
den  Knien  reichen«.  Von  den  Wohnsitzen  der  Finnen  sagt  er,  sie  seien  nicht 
einmal  im  Sommer  schneefrei.  —  In  dieser  Beschreibung  Warnefrids  erkennen 
wir  leicht  das  Skielaufen  (auf  Schneeschuhen),  die  Renntiere  und  das  Gebirge. 
Daß  die  Lappen  als  Finnen  bezeichnet  werden,  wird  uns  nicht  weiter  wundern, 
da  sie  noch  jetzt  von  den  Norwegern  Finnen  genannt  werden.  Schon  bei  der 
Erwähnung  der  Steinzeit  (S.  63)  haben  wir  bemerkt,  daß  sie  früher  auch  süd- 
lichere Teile  der  skandinavischen  Halbinsel  inne  hatten. 


Ein  Besuch  im  schwedischen  Nationalmuseum  und  eine  Musterung  der  dort 
befindlichen  Goldschmuckgegenstände  aus  der  Mitte  des  ersten  Jahrtausends  n.  Chr. 
lehrt,  welchen  wunderbaren  Reichtum  an  Gold  Schweden  vor  vierzehnhundert 
Jahren  hatte.  Goldringe  von  zwei  Pfunden  Gewicht  sind  angetroffen  worden,  und 
häufig  fand  man  bei  Erdarbeiten  Goldschmuck  in  solchen  Massen  aufgehäuft, 
daß  der  Geldwert  selbst   für   heutige  Verhältnisse  sehr  ansehnlich   ist. 

Von  den  vielen  schwedischen  Goldfunden  aus  dieser  Periode  sind  folgende 
besonders  bemerkenswert:1) 

In  Uppland,  bei  Ängeby,  im  Jahre  1757,  ein  Stück  Gold  (215  Gramm); 
Kaggeholm,  1783,  zwei  kleine  Goldringe  und  21  Goldmünzen  (Solidi)2);  Tuna, 
1797,  zwei  Stück  Gold  (111  g);  Husby  Länghundra,  1845,  ein  Halsring3)  und 
vier  andere  Ringe  (453  g);  Söderby,  1876,  neun  Goldbrakteaten  und  anderer 
Schmuck4);  Österunda,  1885,  ein  Spiralring  (85,5  g);  Wäsby,    1897,   e'n  Schwert- 


1)  Einige  von  den  hier  erwähnten  Gegenständen  einfacher  Form  können  möglicherweise 
etwas  älter  oder  etwas  jünger  sein. 

2)  (Kaggeholm)  Montelius,  Remains  from  the  Iron  Age,  Fund  Nr.  120.  —  3)  (Husby  und 
Näshulta)  Wie  unsere  Fig.  344,  aber  ohne  halbmondförmige  Ornamente.  —  4)  (Söderby)  Mänads- 
blad,   1877,  S.  393. 


Der   Goldreichtum. 


219 


knauf,  mit  Granaten  und  Email  (130  g) !).  -  Södermanland,  in  dem  See 
Wammeln,  1700,  ein  großer  Ring  und  neun  daraufhängende  Spiralringe  (551  g)2); 
Bogsta,  1768,  ein  Spiralring  (97  g);  Tureholm,  1774,  der  unten  beschriebene 
Fund  (ungefähr  12300  g,  oder  12,3  Kilo!];  Quicksta,  1862,  ein  runder  Schwert- 
knauf (228  g)3);  Näshulta,  1897,  ein  Halsring  (634,3  g;  s.  Seite  218,  Anm.  3). — 
Westmanland,  Kungsör,  1827,  ein  Ring  (236  gj;  Sohviksborg,  1869,  zwei  Hals- 
ringe4) und  drei  andere  große  Ringe  (778  g).  —  Nerike,  Askersund6),  1722, 
zwei  Halsringe  (1776  g)6).  —  Wermland,  im  See  Glafsfjolen,  1843,  ein 
Schwertknauf  aus  Gold  und  Silber,  mit  Granaten7);  Jernskogsboda,  1860,  in 
einem  Grabe,  zwei  Goldbrakteaten  und  eine  Spange  aus  vergoldetem  Silber8). — 
Östergötland9),  Wadstena,  1774,  zwei  Goldbrakteaten  (der  eine  abgebildet 
Fig.  354);  Torlunda,  1859,  neun  Goldbrakteaten  und  ein  Spiralring  (104  g; 
Fig.  356 — 357);  Ingelstad,  1869,  die  Parierstange  eines  Schwertgriffes;  Xarf- 
veryd,    1882,  siebenundzwanzig  Spiralringe  (238,5   g). 

In  Westergötland,  bei  Saleby,  im  Jahre  1732,  ein  Ring  (98  g);  Ban- 
källa,  1738,  zwei  große  Halsringe  (der  eine  532,  der  andere  579  g)  und  ein 
kleiner  Ring  mit  acht  daran  hängenden  Spiralringen  (Gesamtgewicht  1654  g)10); 
Sunnersberg,  1763,  ein  Stück  Gold  (317  g);  Fredsberg,  1773,  ein  größerer 
Ring  mit  zehn  daran  hängenden  kleineren,  ein  zweiter  Ring  mit  sechs  daran 
hängenden  und  mehrere  andere  Stücke  Gold;  Swenneby,  1780,  ein  großer  Ring; 
Ulricehaum,  1780,  mehrere  Stücke  Gold  (92  g);  Hultsjö,  1805,  spiralförmiger 
Goldbeschlag  einer  Schwertscheide  (150  g)11);  Ullerfva,  18 19,  zwei  Stücke  Gold 
(r53  g);  Gestad,  1821,  mehrere  Ringe  und  andere  Stücke  Gold  (339  g);  Mällby, 
1822,  Goldbeschlag  einer  Schwertscheide  mit  Filigranverzierungen  (Fig.  342) 12); 
Olleberg,  1827,  prachtvoller  Halsschmuck  (620  g,  Fig.  348);  Fröfvet,  1845,  ein 
Stück  Gold  (131  g);  Hendened,  1849,  ein  Ring  (163  g);  Wiglunda,  1849,  ein 
Goldbrakteat  und  vier  Spiralringe13);  Wamb,  1S59,  drei  Ringe  (168,  201  und  209  g, 
zusammen  578  g);Möne,  1864,  prachtvoller  Halsschmuck  (823  g,  Fig.  349);  Saleby, 
1866,  ein  Spiralring  (173  g);  Lund,  1877,  ein  Halsring,  unvollständig,  (431  g)u); 
Bragnum,  1878,  ein  prächtiger  Halsring  (828  g,  Fig.  344);  Gällqvist  (Skara),  1880, 
ein  Halsring,  zwei  Brakteaten,  eine  Barre  und  andere  Gegenstände  aus  Gold  (344  g), 
nebst  neun  Barren  und  Schmucksachen  aus  Silber  (1664  g) 15);  Wäby,  1885  und  1904, 
zwei  Spiralringe  (156  und  203,5  g) j  Wättlösa,  1892,  vier  Goldbrakteaten  und 
sechzehn  Glasperlen10);  Skarstad,  1895,  vier  Goldbarren  (632  g);  Sköfde,  1904, 
zwei  große  Barren  und  fünfundzwanzig  Ringe  (7,100  g  oder  mehr  als  7   Kilo!) 

1)  (Wäsby)  Mänadsblad,  1897,8.56.-2)  (Wammeln)  E.  Björner,  Nordisk  Hjälta  Prydnad 
af  Gullringar  (Stockholm,  1739),  S.  43;  Antiqv.  sued.,  Fig.  457.  —  3)  (Quicksta)  Ebenda,  Fig.  413.  — 
4)  (Solwiksborg)  Wie  Fig.  343  und  344,  ohne  Ornamente.  —  5)  (Askersund)  Acta  literaria  Suecis  1 
(Upsala,  1720 — 1724),  S.  590.  —  6)  Der  von  Hofberg,  Nerikes  gamla  minnen,  S.  75,  abgebildete 
Ring  stammt  nicht  aus  Nerike.  —  7)  (Glafsfjolen)  Sv.  Fornm.-fdr>  tidskr.,  Bd.  10,  S.  89.  —  8)  (Jern- 
skogsboda) Remains  from  the  Iron  Age,  Fund  Nr.  302.  —  9)  (Östergötland)  Sv.  Fornm.-f  >r*  tidskr., 
Bd.  12,  S.  255— 261.  —  10)  (Bankälla)  Björner,  Nordi  H  Ita  Prydi  S.  H-  —  u)  (Hultsjö) 
Abgebildet  in  Antiqu.  sued.,  Fig.  470.  —  12)  (Mällby)  Ebenda.  Fig.  416.  —  13)  (Wiglunda)  Re- 
mains from  the  Iron  Age,  Fund  Nr.  316.  —  14)  (Lund)  Wie  unsere  Fig.  ;44-  (Gällqvist) 
Mänadsblad,    1892,   S.    10.    —    16)   (Wättlösa)   Ebenda,    [892,    -      j8 


220  D'e   Zeit  der  Völkerwanderungen. 

In  Dalsland,  bei  Frändefors,  im  Jahre  1872,  ovaler  Spiralring  (185  g). 
-  Bohuslän,  Haborskulle,  1769,  ein  Halsring  (87,5  g);  Rolfsered,  1826  und  1827, 
fünf  Brakteaten,  drei  Spiralen  und  einige  kleine  Stücke  Gold1);  Backa,  1838, 
Goldbeschlag  einer  Schwertscheide,  mit  Filigranverzierungen2);  Tanum,  1849, 
ein  schwerer  Halsring,  unvollständig  (703  g)3);  Dingle,  1854,  fünf  Halsringe 
(699  g)4);  Hög  Edsten,  1863,  Schwertknauf,  mit  Granaten5),  und  einige  kleinere 
Schmucksachen  aus  Gold;  Bulltorp,  1888,  ovaler  Spiralring  (54  g).  — ■  Hailand, 
Leijeby,  1869,  runder  Schwertknauf  (54,7  g)G);  Köinge,  1889,  ein  an  beiden 
Enden  abgehauenes  Stück  eines  großen  Ringes  (Gürtels)  mit  Filigranverzierungen 
(221  g,  Fig.  345).  —  Skäne,  Wä,  1674(1),  drei  große  Brakteaten7);  Raflunda, 
1781  und  1784,  vier  Brakteaten8);  Börringe,  vier  Brakteaten9);  Skurup,  1867, 
ein  Schwertknauf,  mit  Filigranverzierungen  (Fig.   346);    Hammenhög,    1877,   ein 

o 

Spiralring  (141  g);  Asum,  1882,  der  größte,  jetzt  bekannte  Goldbrakteat  (Fig.  358); 
Maglarp,  1899,  ein  Halsring  und  vier  andere  Stücke  Gold  (335  g).  —  Ble- 
kinge,  Tjurkö,  1817,  vier  Brakteaten  und  zwei  Solidi10);  Sturkö,  1901,  im 
Meere,  ein  Schwertknauf  mit  Granaten11).  —  S  mal  and,  (Kalmar  Län),  Lofta, 
1905,  neun  Solidi. 

Auf  Ol  and,  bei  Bredsätra,  im  Jahre  18 14,  elf  Solidi  und  vier  kleine 
Ringe  aus  Gold  und  Silber1^);  Hässleby,  1838,  ein  Spiralarmring  und  fünf  daran 
hängende,  kleine  Ringe  (206  g);  Kalla,  185 1,  ein  großer  und  dreizehn  kleinere 
Ringe  (173  g);  Algutsrum,  1859,  ein  Ring  (162  g);  Färjestaden,  im  Kirchspiel 
Torslunda,  1860,  prachtvoller  Halsschmuck  (707  g;  Fig.  347);  Björnhofda,  im 
Kirchspiel  Torslunda,  1864,  sechsunddreißig  Solidi13);  Törneby,  1869,  ein  Hals- 
ring14) mit  einem  kleinen  Spiralring  (200  g);  Böda,  1889,  ein  ovaler  Spiralring  (71  g). 

Auf  Gotland,  bei  Lojsta,  im  Jahre  1797,  mehrere  Ringe  (»ein  paar 
Pfund«);  Nähr,  1836  und  1852,  sieben  Solidi15);  Arges,  1848,  ein  Halsring,  un- 
vollständig (196  g)16);  Hemse,  1848,  ein  Spiralring  (195,7  g);  Eskelhem,  1860, 
elf  Solidi1');  Allwans,  1864,  vier  Solidi  und  vier  kleine  Goldringe  J8);  Sandegärda, 
1872,  ein  ovaler  Spiralring  (174  g);  Wallstena,  1878,  in  einem  Grabe,  ein 
Schwertknauf  mit  Granaten  (Fig.  362);  Dyple,  1885,  ein  Halsring  (193  g)16); 
Sproge,    1890,  ein  Spiralring  (168  g);  Rowalds,    1902  — 1904,  acht  Solidi. 

Der  größte  Goldschatz,  den  man  aus  Schweden  kennt,  und  einer  der 
größten  aus  ganz  Europa,  ist  1774  bei  Tureholm,  in  der  Nähe  von  Trosa,  in 
Södermanland  gefunden  worden.  Von  den  näheren  Fundverhältnissen  wissen 
wir    nur    noch,    daß    man    ungefähr    30  cm    tief    auf  verschiedene    Goldringe, 


1)  (Rolfsered)  Remains  from  the  Iron  Age,  Fund  Nr.  306  und  307.  —  2)  (Backa)  Bidrag 
tili  kännedom  om  Bohusläns  fornminnen,  Bd.  I,  S.  346.  —  3)  (Tanum)  Ebenda,  Bd.  I,  S.  388.  — 
4)  (Dingle)  Ebenda,  Band  II,  S.  353.  —  5)  (Hög  Edsten)  Antiqu.  sued.,  Fig.  407.  —  6)  (Leijeby) 
Ebenda,  Fig.  413.  —  7)  (Wä)  J.  Schefferus,  De  orbibus  tribus  aureis  nuper  in  Scania  erutis  (Stock- 
holm, 1675!);  Remains  from  the  Iron  Age,  Fund  Nr.  351.  —  8)  (Raflunda)  Ebenda,  Fund  Nr.  350. 
—  9)  (Börringe)  Ebenda,  Fund  Nr.  346.  —  10)  (Tjurkö)  Ebenda,  Fund  Nr.  353.  —  11)  (Sturkö) 
Mänadsblad,  1901  — 1902,  S.  86.  —  12)  (Bredsätra)  Manadsblad,  1872,  S.  81.  —  13)  (Björnhofda) 
Remains  from  the  Iron  Age,  Fund  Nr.  156.  —  14)  (Törneby)  Wie  unsere  Fig.  344.  —  15)  (Nähr) 
Remains,  Fund  Nr.  212  und  213.  —  16)  (Arges  und  Dyple)  Wie  unsere  Fig.  344.  —  17)  (Eskelhem) 
Ebenda,  Fund  Nr.   200.   —    18)  (Allwans)  Ebenda,  Fund  Nr.    192. 


Der  Goldreichtum. 


221 


340.    Goldbeschlag  einer  Schwertscheide. 
Tureholm,   Södermanland.    ^L 


341.    Goldbeschlag  eines  Schwertgriffes. 
Tureholm,    Södermanland.    */,. 


342.   Goldbeschlag   einer  Schwertsch' 
Westergötland.    1/1. 


343.    Goldener  Halsring,  massiv.    Tureholm,  Södermanland.    -^ 


T>0 


Die  Zeit  der  Völkerwanderungen. 


größere  und  kleinere,  stieß,  einige  ganz  schmal  und  glatt,  andere  dick  und 
ornamentiert;  außerdem  einige  Goldverzierungen,  die  vermutlich  an  Schwer- 
tern gesessen  hatten,  und  Stücke  geschmolzenen  Goldes.  Alles  zusammen 
wog  29  Pfund  (12,3  kg).  Von  diesem  kostbaren  Fund,  dessen  Metallwert  heute 
ungefähr  35000  Mark  sein  würde1),  wurde  leider  nur  ein  Zehntel  vom  Staat 
erworben,  der  Rest  eingeschmolzen.  Der  Teil  des  Fundes,  der  im  National- 
museum aufbewahrt  wird,  besteht  aus  einem  großen  Halsring  und  vier  Gold- 
beschlägen zu  einem  SchwertgrifT  und  zu  zwei  Schwertscheiden  (Fig.  340,  341 
und  343).  Diese  Beschläge  sind  mit  Filigranarbeiten  verziert.  Der  Halsring 
wiegt  beinahe    I   kg  und    ist  von    ungewöhnlich    feinem    Gold    (beinahe    o,8°/0). 

Mehrere  andere  massive  Halsringe  von  Gold  aus  jener  Zeit  wurden  in 
Schweden  gefunden;  einer  von  ihnen,  der  nicht  geöffnet  werden  kann,  ist 
Fig.  344  abgebildet. 

Der  prachtvollste  Goldschmuck  aus  der  ganzen  Heidenzeit,  der  bis  jetzt 
im  Norden  gefunden  wurde,    sind  drei  im  Nationalmuseum  aufbewahrte   große 


344.     Goldener  Halsring,   massiv.     Westergötland.    1| 


breite  Halsringe  aus  dem  fünften  Jahrhundert,  deren  jeder  allein  600 — 800  g  wiegt 
und  aus  mehreren  (3,  5  und  7)  übereinanderliegenden  Röhren  besteht,  die  mit 
äußerst  feinen  Filigranornamenten  und  anderen  aufgelegten  Goldzieraten  bedeckt 
sind.  Hinten  ist  ein  Scharnier,  und  vorn  wird  der  Ring  dadurch  zusammen- 
gehalten, daß  die  Enden  der  Röhren  sich  ineinander  schieben.  Zwei  dieser 
kostbaren  Halsringe  (Fig.   348  und  349)  sind  an  verschiedenen  Orten  in  Wester- 

o 

götland  gefunden,  der  eine  am  Fuß  des  Alleberg  bei  Falköping,  der  andere  nur 
zwei  und  eine  halbe  Meile  davon  entfernt  in  der  Nähe  der  Kirche  von  Möne. 
Der  dritte  Schmuck  (Fig.  347)  wurde  im  Kirchspiel  Torslunda  auf  Öland,  bei 
Färjestaden,  dem  Überfahrtsort  zum  Festland,  gefunden. 

Bei  Köinge  in  Halland  fand  man  ein  großes,  an  beiden  Enden  abgehauenes 
Stück  eines  goldenen  Gürtels,  das  auffallende  Ähnlichkeit  mit  den  drei  Hals- 
ringen zeigt  (Fig.   345). 

Diese    durch  ihre  Masse    und    die    außerordentlich    feine    Arbeit    äußerst 


1)  Der  Wert   des    Goldes  war    im   vierzehnten  Jahrhundert   mindestens  zehnmal  so  groß  wie 
heute.     Wahrscheinlich  war  er  im  fünften  Jahrhundert  noch  höher. 


Der  Goldreichtum. 


223 


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2  24 


Die  Zeit  der  Völkerwanderungen. 


kostbaren  Schmuckgegenstände    sind    die  einzigen    ihrer  Art,    die   wir   kennen. 
Ihr  Wert  wird  dadurch  erhöht,  daß  sie  einheimische  Arbeiten  sind. 

So  hat  nicht    nur  der  Reichtum  und  die  Prachtliebe,    sondern    auch    die 
Goldschmiedekunst  unserer  Vorfahren  schon  in  der  Mitte  des  ersten  christlichen 

Jahrtausends    eine  Höhe    er- 
reicht,   von  der  wir  uns  erst 
der  letzten  Zeit    eine  Vor- 


348.  Teil  eines  solchen  goldenen  Halsschmuckes  wie  Fig.   34^ 
Olleberg,  Westergötland.    i\1. 


in 


Stellung  machen  konnten. 


Da  es  damals  einheimi- 
sche geprägte  Münzen  in 
Schweden  noch  nicht  gab, 
bediente  man  sich  als  Zahl- 
mittel  des  Goldes  nach  dem 
Gewicht;  erst  in  der  Wikinger- 
zeit scheint  das  Silber  so  all- 
gemein in  Umlauf  gekommen 


zu  sein,  daß  es  ein  allgemeiner  Wertmesser  wurde.  Man  findet  auch  oft  bei  uns 
in  der  Erde  größere  oder  kleinere,  glatte,  spiralförmig  verarbeitete  Ringe  aus 
Gold  (Fig.  356),  die  aus  dem  fünften  und  sechsten  Jahrhundert  stammen.  Daß 
sie  Zahlungsmittel  gewesen  sind,  geht  daraus  hervor,  daß  die  meisten  weder 
das  Maß  von  Fingerringen  noch  das  von  Armringen  haben,    und  daß  sie  nicht 

selten  an  einem  oder  an  bei- 
den Enden  abgehauen  sind. 
Manchmal  ist  in  dem  abge- 
rundeten Ende  eine  kleine 
schalenförmige  Vertiefung; 
dieses  Ende  ist  noch  unberührt. 
Dem  als  Bezahlungsmittel 
bestimmten  Gold  konnte  man 
keine  bessere  Form  geben, 
als  die  des  Spiralringes.  Da- 
durch, daß  das  Metall  ver- 
hältnismäßig schmal  ausge- 
zogen war,  wurde  es  leicht, 
soviel  gerade  erforderlich  war 
abzuschneiden,  und  die  Spiral- 
Aus    demselben    Grund   ist 


349.   Teil   eines  solchen  goldenen   Halsschmuckes  wie  Fig.  347. 
Möne,   Westergötland.    Vi- 


form  hatte  den  Vorteil,  wenig  Platz   einzunehmen 

noch  heute  das  ungemünzte  Gold  oft  zu  Spiralringen  verarbeitet. 

Die  medaillenähnlichen,  gewöhnlich  einseitig  geprägten  Goldplättchen  aus 
der  Zeit  der  Völkerwanderung,  die  sogenannten   Goldbrakteaten1)   (Fig.   354 

1)  Der  Name  Brakteat  ist  erst  in  der  letzten  Zeit  gebildet  aus  dem  lateinischen  Wort  bractea, 
was  eine  dünne  Platte  bezeichnet.  Wie  diese  Schmucksachen  zu  der  Zeit,  als  man  sie  trug,  genannt 
wurden ,  weiß  man  nicht.  Sie  dürfen  nicht  mit  den  dünnen ,  einseitig  geprägten  Silbermünzen  aus 
dem   Mittelalter  verwechselt  werden,   die  auch   Brakteaten  heißen. 


350.  Barbarische  Nachbildung  eines  römischen  Goldmedaillons,  von  zwei  Seiten  gesehen.  Bohuslän.   J  t. 


351.  Barbarische  Nachbildung 
eines  römischen  Goldmedaillons 
(s.  S.  227).  Dänemark.  1/1. 

•  •iyfcMr\Y  352-  Barbarisches  Goldmedaillon,  von  zwei  Seiten  gesehen.  Uppland.1/,. 


353.    Goldmedaillon  mit  Runen- 
schrift (s.  S.  227).  Bohuslän.   '/,. 


354.   Goldbrakteat  mit  Runen- 
schrift (s.  S.  207).  Wadstena, 


355.    Goldbrakteat. 
Bohuslän.     i/1. 


und   357.    Spiralring  und   Brakteaten  aus  Gold  ad.     '  t. 

Mi  nte  litis,  Kulturgeschichte  Schwedens.  1^ 


226  Die  Zeit  der  Völkerwanderungen. 

bis  358),  die  man  oft  in  Schweden,  wie  in  den  anderen  nordischen  Ländern 
findet,  sind  als  Schmucksachen  oder  Amulette,  nicht  etwa  als  Belohnungs- 
medaillen zu  betrachten1).  Zuweilen  findet  man  mehrere  an  derselben  Stelle, 
zusammen  mit  Perlen  von  Gold  oder  Glas;  offenbar  waren  sie  auf  einer  Schnur 


358.     Goldbrakteat.    Äsum,   Skäne.    i/1. 


1)  Atlas  de  l'archeologie  du  Nord  (Kopenhagen,  1857).  —  C.  J.  Thomsen,  Om  Guld- 
bracteaterne ,  in  den  Annaler  f.  nord.  Oldkynd.,  1855,  S.  265.  —  Derselbe,  Sur  les  bracteates  en 
or,  in  den  Memoires  de  la  Soc.  des  Antiqu.  du  Nord,  1850 — 1860,  S.  203.  —  G.  Stephens,  The 
Oldnorthern  Runic  Monuments  of  Scandinavia  and  England  (Kopenhagen,  1864 — 1901).  —  Derselbe, 
Handbook  of  the  Oldnorthern  Runic  Monuments  of  Scandinavia  and  England  (Kopenhagen,  1884). 
—  Montelius,  Remains  from  the  Iron  Age  of  Scandinavia  (Stockholm,  1869).  —  Derselbe,  in  der 
Sv.  Fornm.-förs  tidskr.,  Bd.  10  (1897),  S.  68.  —  J.  J.  A.  Worsaae,  Om  Forestillingerne  paa  Guld- 
bracteaterne ,  in  den  Aarböger  f.  nord.  Oidkynd.,  1870,  S.  382.  —  Derselbe,  Les  empreintes  des 
bracteates  en  or,  in  den  Memoires,  1866 — 187 1 ,  S.  319.  —  S.  Bugge,  Bemaerkninger  om  Rune- 
indskrifter  paa  Guldbrakteatcr,  in  den  Aarböger,  1 87 1  ,  S.  171.  —  B.  Salin,  De  nordiska  guld- 
brakteaterna.  Nägra  bidrag  tili  kännedomen  om  brak  eaternas  utbredning  och  kulturhistoriska 
betydelse.  In  der  Antiqv  tidskr.  f.  Sverige,  142  (Stockholm,  1895).  —  Vgl.  Mänadsblad,  1877, 
S-  393  (Fund  in  Uppland),  1890,  S.  128  (Fund  auf  Gotland),  und  1892,  S.  10  und  38  (zwei  Funde 
in  Westergötland). 


Der  Goldreichtum.  22  7 

aufgereiht  und  wurden  um  den  Hals  getragen.   Die  Perlen  saßen  zwischen  den 
Brakteaten,  um  deren  Aufeinanderfallen  zu  verhindern. 

Die  Sitte  solchen  Schmuckes,  die  wenigstens  in  gewissen  Teilen  des 
Landes  (z.  B.  auf  Gotland)  sich  bis  in  das  Mittelalter  erhielt,  ist  offenbar  daraus 
entstanden,  daß  man  hier  die  römischen  Goldmünzen  als  Schmuck  zu  tragen 
pflegte.  Daher  findet  man  sie  häufig  durchbohrt  oder  mit  einer  Öse  versehen, 
wie  die  Brakteaten.  Anstatt  der  im  Römischen  Reich  geprägten  Goldmünzen 
und  Goldmedaillons1)  machte  man  sich  selber  ähnliche  Schmucksachen,  die 
anfangs  mehr  oder  weniger  treu  den  römischen  Mustern  nachgebildet  wurden. 
So  findet  man  zuweilen  bei  uns  medaillonähnliche  Schmucksachen  (Fig.  350 — 353), 
die  offenbar  von  irgend  einem  »barbarischen«  Volk  im  Norden  oder  auf  dem 
Festland  gemacht  worden  sind,  das  die  römischen  Münzen  oder  die  Gold- 
medaillons aus  dem  vierten  Jahrhundert  nachzubilden  versuchte.  Das  Brustbild 
des  Kaisers  und  die  Figuren  auf  der  Rückseite  sind  verhältnismäßig  geglückt, 
aber  die  Umschrift  mit  den  römischen  Buchstaben  ist  in  den  meisten  Fällen 
durch  Zeichen  ersetzt,  die  ganz  und  gar  jeder  Bedeutung  entbehren.2) 

Die  Bilder  auf  den  Brakteaten  hatten  wahrscheinlich  eine  dem 

damaligen  Nordländer  wohlbekannte  Bedeutung,  obwohl  man  diese 

jetzt   nicht   mehr   in  allen    Einzelheiten    bestimmen   kann,    besonders  TI  , 

J  359-  Haken- 

weil   die    Inschriften    keine    Erklärungen    dazu    geben.      Aus    guten     kreuz,  auf 

Gründen  glaubt    man  auf  einigen  von  diesen  Schmucksachen  Oden  einem 

0  ö  brakteat. 

zu   erkennen,    sein   Pferd    und    seine    Raben,    auf  anderen    Tor   und 
einen  von  seinen  Böcken.     Daß  viele  von   den   Brakteatenbildern    eine  religiöse 
Bedeutung  hatten,  wird  dadurch  bekräftigt,    daß  wir  auf    denselben  so  oft  das 
Hakenkreuz  (Swastika;  Fig.   359)  und  andere  heilige  Zeichen  finden. 

Nach  und  nach  wurden  die  verwirrten  und  unverständlichen  Nachahmungen 
römischer  Buchstaben  durch  Runen  ersetzt  (Fig.  353). 3)  Auf  dem  oben  (S.  207) 
erwähnten  Wadstenabrakteat  sieht  man  die  ganze  ältere  Runenreihe  (Fig.  354). 
Andere  Inschriften  können  auch  gedeutet  werden,  aber  in  den  meisten  Fällen 
scheinen  sie  fehlerhaft  geschriebene  Worte  zu  enthalten. 

Die  Goldbrakteaten,  welche  hier  im  Norden  verfertigt  sind,  zeigen,  daß 
die  Kunst,  Stempel  zu  schneiden  und  Metalle  zu  prägen,  bei  uns  schon  längst 
vor  dem  Ende  der  heidnischen  Zeit  bekannt  war.  Die  Mitte  der  Brakteaten 
ist  nämlich  meistens  geprägt,  und  nicht  selten  findet  man  an  weit  voneinander 
gelegenen  Orten  Goldbrakteaten,  die  offenbar  mit  demselben  Stempel  geschlagen 
sind.     Beinahe    immer    sind    die    Brakteaten    einseitig    geprägt;    sie    haben    nur 

1)  C.  Jörgensen,  Romerske  Guldmedailloner,  in  den  Aarbörger  f.  nord.  Oldkynd,  1900, 
S.  103.  —  Derselbe,  Medaillons  romains  en  or,  in  den  Memoires  de  la  Soc.  d.  Antiqu.  du  Nord, 
1896 — 1901,  S.   319. 

2)  Die  Inschrift  des  römischen  Medaillons,  nach  dem  der  Goldschmuck  Fig.  351  nachgebildet 
ist,  war  D.  N.  FL.  CONSTANS  P.  F.  AVG;  nur  die  letzt.-  Hälfte  ist  noch  zu  erkennen.  Kaiser 
Constans   regierte   337 — 350. 

3)  Die  Inschrift  enthält  den  Mannsname  Sigadur  (mit  zwei  S  geschrieben).  —  S.  Bug 
Kuneindskriftcn  paa  en  Guldmedaljon  funden  i  Svarteborgs  socken,  Bohuslän,  in  der  Sv.  Fornm.-l 
tidskr.,   Bd.  II    (1900),   S.  109.   Vgl.   F.   Läffler,   ebenda,   S.    244. 

IS* 


228 


Die  Zeit  der  Völkerwanderungen. 


Bilder  auf  der  Seite,  die  man  sah,  wenn  der  Schmuck  getragen  wurde,  während 
die  andere  Seite  glatt  war,  mit  Ausnahme  der  mehr  oder  weniger  deutlichen 
Vertiefungen,  die  den  Erhöhungen  der  Vorderseite  entsprechen.  Rund  um  die 
Figuren  sieht  man  oft  auf  der  Vorderseite  feine,  mit  einem  kleinen  Stempel 
eingeschlagene  Ornamente. 

Quelle  des  großen  Goldreichtumes,  der  zu  dieser  Zeit  sich  so  plötz- 
lich im  Norden  zeigt,  ist  wohl  hauptsächlich  die  Beute  in  den  siegreichen 
Kriegen  der  Germanen  gegen  das  immer  schwächer  werdende  Römerreich, 
wodurch  jene  sich  eines  bedeutenden  Teiles  des  Goldes  bemächtigten,  das  die 
Kaiser  im  Laufe  der  Jahrhunderte  gesammelt  hatten.  Besonders  dürfen  wir 
an  den  Tribut  denken,  den,  wie  wir  durch  die  Geschichte  wissen,  mehrere 
oströmische  Kaiser  eben  zu  dieser  Zeit,  um  ihre  Grenzen  zu  schützen,  den 
Goten  an  der  Donau  und  den  Hunnen  bezahlten,  unter  denen  die  Goten  gegen 
das  oströmische  Reich  kämpften. 

Schon  Theodosius  der  Große  soll  den  Goten  sogenannte  Subsidien  ge- 
geben haben  und  zur  Zeit  des  Friedensschlusses  zwischen  den  Hunnen  und 
Theodosius  dem  Zweiten  (447)  waren  diese  jährlichen  Hilfsgelder  bis  zweitausend- 

io^  ff 


360.    Römische  Goldmünze  (»Solidus«) 
Öland.  l/i- 


361.    Barbarische  Nachbildung  eines  Solidus. 
Schweden.   1jl. 


einhundert  Mark  in  Gold  gestiegen.  Als  Leo  I.  (457 — 474)  den  Goten  die 
Zahlung  verweigerte,  verheerten  sie  Illyrien  und  erzwangen  die  Wiederaufnahme 
der  Zahlungen.  Leos  Nachfolger  Zeno  sicherte  sich  den  Beistand  Theoderichs, 
des  berühmten  Königs  der  Ostgoten,  durch  ungeheure  Summen.  Eben  diese 
Kaisernamen,  Theodosius,  Leo  und  Zeno,  treffen  wir  oft  auf  den  in  Schweden 
gefundenen  Goldmünzen. 

Von  dem  byzantinischen  Gold,  das  in  die  Hände  der  Goten  gekommen 
war,  ging  ein  großer  Teil  nach  den  verwandten  Völkern  im  Norden.  Mit  Hilfe 
der  Funde  auf  dem  europäischen  Festland  können  wir  leicht  verfolgen,  wie  die 
von  Konstantinopel  ausgestreuten  Goldschätze  ihren  Weg  bis  zur  Ostsee 
machten.  Sie  folgten  wie  in  den  Zeiten  der  Denare  (siehe  S.  65)  den  großen 
Flußbetten,  besonders  der  Weichsel,  und  den  Talwegen  des  heutigen  Ostdeutsch- 
land und  Polen.  Daß  der  gewöhnliche  Handelsweg  von  Südosteuropa  nach 
Skandinavien  dem  Lauf  der  Weichsel  folgte,  läßt  sich  auch  daraus  entnehmen, 
daß  Jornandes,  wo  er  von  der  »Insel  Scanzia«  (Skäne  oder  Schweden)  redet, 
sich  so  ausdrückt,  als  ob  die  Insel  mitten  vor  der  Weichselmündung  liege. 

Der  Umstand,  daß  die  bei  uns  gefundenen  Goldmünzen  oft  nur  geringe 
Spuren  von  Abnützung  zeigen,  scheint  anzudeuten,  daß  sie  nicht  lange  im  Um- 
lauf waren.    Auffällig  ist,  daß  man  bei  uns  auch  oft  Münzen  von  Kaisern  fand, 


Der  Goldreichtum. 


229 


die  sehr  kurze  Zeit  regiert  haben,  z.  B.  von  Kaiser  Leo  IL,  der  nur  einige 
Monate  auf  dem  Thron  saß. 

Das  meiste  Gold,  geprägtes  und  ungeprägtes,  das  zu  jener  Zeit  hierher- 
kam, wurde  gewiß  zu  den  prächtigen  Schmucksachen  verarbeitet,  die  wir  schon 
erwähnten.  Viele  nicht  umgearbeitete  Münzen  sind  jedoch  im  skandinavischen 
Boden  wiedergefunden  worden.  Es  sind  das  sogenannte  »Solidi«  *),  durch  ihr 
feines  Gold  und  dadurch,  daß  sie  jahrhundertelang  mit  unverändertem  Gewicht 
und  Gehalt  geprägt  wurden,  in  der  Finanzgeschichte  des  Mittelalters  sehr 
wichtig. 

Man  kennt  jetzt  fast  500  in  Skandinavien  gefundene  Goldmünzen  aus 
dieser  Periode  (Fig.  360).  Die  allermeisten  sind  für  die  weströmischen  und 
oströmischen  (byzantinischen)  Kaiser  des  fünften  Jahrhunderts  geprägt.  Mit 
Anastasius  (491 — 518)  hören  sie  eigentlich  auf;  seine  Nachfolger  Justinus  (518 
bis  527)  und  Justinianus  (527  —  565)  sind  nur  durch  vier  Münzen  vertreten. 
Einige  der  hier  gefundenen  Münzen  sind  indessen  »barbarische«,  wahrscheinlich 
von  Germanen  gemachte  Nachbildungen  der  Solidi.  Die  Prägung  ist  schlecht 
(Fig.  361),  aber  Gewicht  und  Gehalt  sind  vollwertig. 

Diese  Münzen  sind  nicht  in  den  skandinavischen  Ländern  gleichmäßig 
verteilt.  Auf  den  drei  großen  Inseln  der  Ostsee  sind  ungefähr  8o°/0  gefunden 
worden  (auf  Gotland  10 1,  auf  Oland  164  und  auf  Bornholm  117  Münzen).  Im 
übrigen  Dänemark  fand  man  24,  auf  dem  Festlande  Schwedens  71  (davon  69 
in  Skäne  und  den  östlichen  Provinzen),  in  Norwegen  nur   i.2) 

Wie  die  römischen  Denare  aus  den  ersten  Jahrhunderten  nach  Christus 
sind  die  meisten  Solidi  aus  dem  fünften  Jahrhundert  auf  den  drei  eben  ge- 
nannten Inseln  gefunden  worden;  aber  während  die  Silbermünzen  unvergleich- 
lich zahlreicher  auf  Gotland  vorkommen,  sind  die  Goldmünzen  am  allerzahl- 
reichsten  auf  Oland,  wo  man  ein  Drittel  aller  aus  dem  ganzen  Norden  be- 
kannten Solidi   fand. 

Auffallend  ist,  daß  Münzen  von  Anastasius  und  seinen  nächsten  Nach- 
folgern nie  auf  Oland  gefunden  worden  sind;  auf  Bornholm  und  besondersauf 
Gotland  kommen  sie  dagegen  häufig  vor  (auf  Gotland  43,  auf  Bornholm  9). 
Dies  ist  wahrscheinlich  durch  große  politische  Veränderung  auf  Oland  zu 
erklären.3) 

In  Norwegen  und  im  westlichen  Schweden  findet  man  sehr  selten  Solidi, 
im  östlichen  Schweden  und  Skäne  sind  mehrere  gefunden  worden  und  auf  den 


1)  Aus  dem  lateinischen  Solidus  ist  das  italienische  »Soldo«  (das  französische  -  ent- 
standen.     Ein  Solidus  war  aber  eine  wertvolle  Goldmünze,   ein  Soldo   ist  nur  eine  kleine  Kupfermünze. 

2)  Montelius,  Remains  from  the  Iron  Age  of  Scandinavia.  —  Derselbe,  im  Manadsblad, 
1872,  S.  74.  —  Salin,  Romerska  och  by/.antinska  guldmynt  funna  i  svensk  jord,  im  Manadsblad, 
1892,  S.  114.  —  H.  Hildebrand,  Solidus-importen  tili  Svcrige  under  den  tidigare  jernäldern,  in 
seiner  Schrift  Frun  uldre  tider  (Stockholm,  1882),  S.  58.  —  Hauberg,  in  den  Aarböger  f.  nord. 
Oldkynd.,  1894,  S.  325.  —  Derselbe,  in  den  Memoires  de  la  Soc.  d.  Antiqu.  du  Nord,  1S90 — 95, 
S.    381. 

3)  K.  Stjerna,  Svear  och  götar  under  folkwandrii  a,  in  der  Sv.  Fornm.-för*  tidskr., 
Bd.   12,  S.   346.  —  Vgl.   II.  Hildebrand,  Frän  iildre  tider, 


230 


Die  Zeit  der  Völkerwanderungen. 


Inseln  der  Ostsee  kommen  sie  zahlreich  vor.  Dies  zeigt,  —  was  an  und  für 
sich  natürlich  ist  —  daß  sie  direkt  vom  Süden  durch  das  östliche  Norddeutsch- 
land zu  uns  gelangt  sind.  Im  nord- 
östlichen Deutschland,  besonders  in 
der  unteren  Weichselgegend,  sind 
auch  große  Funde  von  Solidi  ge- 
macht worden.1) 


Diese  Periode  hat 
uns  auch  sonst  eine 
Fülle  schöner  und  kost- 
barer Arbeiten  hinter- 
lassen. Waffen  und 
Schmuck  wetteifern  in 
Pracht. 

Die  Griffe  der 
Schwerter  sind  reich 
vergoldet  (Fig.  362)  oder 
aus  reinem  Gold  (Fig. 
341).  Der  dreieckige 
Knopf,  in  welchem  der 
Griff  oben  ausläuft,  ist 
nicht  selten  von  Gold 
und  außerdem  mit  Fili- 
gran (Fig.  346),  mit  ein- 
gefaßten Granaten  (Fig. 
362)  oder  mit  Email 
geschmückt.  Auch  der 
runde  Knopf  an  der 
Seite  der  dreieckigen 
(Fig.  362)  war  manch- 
mal aus  massivem  Gold 
und  von  bedeutendem 
Gewicht.     Ein  solcher, 


362.    Schwertgriff  aus  vergoldeter  Bronze  mit 

Granaten ;   die  Klinge  aus  Eisen.     Wallstena, 

Gotland.    2/:). 


364.    Eiserne 
Lanzenspitze. 
363.    Ortband  aus  Silber,  für  eine  Schwertscheide.      Wendel,  Upp- 


Skäne.     *! 


land.   1/s 


1)  Friedlaender, 
Funde  römischer  Münzen  im 
nordöstlichen  Deutschland,  in 
der  Zeitschrift  für  Ethnologie, 
IV  (Berlin,  1872),  S.  163.  — 
Ein  Fund  von  Bresin  unweit 
Putzig  in  Westpreußen  enthielt 
150  Solidi;  die  allermeisten 
(9O°/0)  für  Anastasius  geprägt. 


Waffen. 


231 


365.    Schildbuckel  aus  Eisen  mit  Bronze  belegt;  von  der  Seite  gesehen. 

Ulltuna,  Uppland.    V2. 

in  der  Nähe  von  Strengnäs  gefunden,  wiegt  mehr  als  ein  halbes  Pfund.  Auch 
die  Beschläge  der  Schwertscheiden  sind  oft  vergoldet  oder  aus  reinem  Gold 
und  dann  zuweilen  mit  Filigran  geschmückt  (Fig.  340  und  342).  Ortband  und 
Riemenbeschlag  ist  nicht  selten  vergoldet  oder  aus  Silber  (Fig.  407,  363,  37 5). 


366.     Schildbuckel   aus  Eisen,  mit  Bronze  belebt;   von   oben   gesehen. 

Wendel,  Uppland.    '  4. 


232 


Die  Zeit  der  Völkerwanderungen. 


367.    Helm   aus  Eisen,   mit  Bronze 
belegt.  Wendel,  Uppland.   1/3. 


368.  Teil  des  Helmes  Fig.  367 ;  dünne  Bronze.  Wendel.  1L 


369.  Teil  eines  Helmes;  dünne   Bronze. 
Wendel.  1|,. 


370.    Bronze.    Öland.   ,|l. 


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371.    Bronze.    Öland.    1L. 


Waffen  und  Schmuck 


372.  Bronzespange,  von  zwei  Seiten 
gesehen.    Medelpad.   lj  . 


373.    Silberne  Spange,   von  zwei   Seiten  gesehen. 
Skäne.   'I,. 


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375.    Silberner  Riemen- 
beschlag.  Skane.    '  ,. 


374.   Bronzespange, 

Medelpad.    Vi- 


1  ,. 


234 


Die  Zeit  der  Völkerwanderungen. 


Prächtig  sind  auch  die  Schildbuckel  (Fig.  365  und  366).  Der  Buckel 
selbst  ist  von  Eisen,  aber  nicht  selten  mit  vergoldeter  Bronze  belegt,  und  die 
großen  halbkugelförmigen  Köpfe  der  Nägel,  mit  welchen  der  Buckel  am  Schild 
befestigt  war,  sind  oft  reich  vergoldet.  Der  Schild  selbst  war,  wie  viele  Ab- 
bildungen zeigen  (Fig.  368  und  369),  rund. 


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Aus  schwedischen  Gräbern  um  600  haben  wir  außerdem  prachtvolle 
Helme  (Fig.  367),  zu  welchen  gleichzeitige  Gegenstücke  aus  anderen  Ländern 
nicht  bekannt  sind.  Sie  sind  aus  Eisen  und  dünner  Bronze  mit  Bildpressung 
(Fig.  368  und  369). 

Daß  diese  Helme,  wie  die  meisten  anderen  Waffen,  einheimische  Arbeiten 
sind,  geht  aus  dem  Stil  hervor.     Im  Kirchspiel  Torslunda  auf  Oland  sind  auch 


1)  Die    Inschrift:    M[i]k    M[a]r[i]la    w[ulrta,     »Mich   Marila   machte«. 
isländische  und  altnorwegische  Grammatik,   3.  Aufl.  (Halle,    1903),  S.   336. 


—    Noreen,    Alt- 


Waffen  und   Schmuck. 


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379-   Bronzespange. 
Gotland.    !/,. 


380.   Hronzespange. 
Gotland.   7,. 


378.   Bronzespange,   von   zwei 
Seiten  gesehen.    Gotland.   1\. 


382.    Bronzespange.     Gotland.    1L, 


381.    Bronzespange.    Gotland.     1/l. 


384.    Bronzespange, 
vergoldet,    öland.  *  ',. 


383.    Hronzespange,  vergoldet, 
mit  Granaten.     Gotland.   '  ,. 


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Helsingland.  1/,. 


236 


Die  Zeit  der  Völkerwanderungen. 


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vier  Bronzeplatten  gefunden  worden,  die  offenbar  Formen  für  den  eingepreßten 
Bilderschmuck  an  Helmen  waren.  Drei  davon  sind  Fig.  370,  371  und  416  ab- 
gebildet. 

Lanzenspitzen  (Fig. 
364)  sind  ebenfalls  ge- 
schmackvoll gearbeitet. 

Gleichermaßen  kost- 
bar war  der  weibliche 
Schmuck.  Die  Spangen 
(Fig.  372—374,  376— 
390),  unter  welchen 
mehr  als  eine  durch 
ihre  Größe  überrascht, 
waren  aus  Bronze  oder 
Silber,  oft  vergoldet, 
bisweilen  ganz  aus  Gold. 
Einige  sind  mit  Granaten 
verziert;  die  Teile,  die 
aus  Gold  sind,  nicht 
selten  mit  Filigranorna- 
menten bedeckt.  Wenn 
das  Silber  nicht  ver- 
goldet war,  war  es  oft 
nieliiert. 

Der  Fig.  398  abge- 
bildete Hängeschmuck 
ist  fremden  Ursprungs. 
Fremd  ist  auch  die  dun- 
kelfarbige Glasgemme 
Fig.  400,  mit  eingeritzten 
menschlichen  Bildern.1) 

Die  Kunst  der  Fili- 
granarbeit, die  schon 
im  ersten  Jahrhundert 
nach  Christi  Geburt  hier 
bekannt  war,  erreicht 
für  Schweden  in  dieser 
Periode  ihren  Höhe- 
345 — 349     und     unzählige 


Davon    zeugen    Schmucksachen     wie 


Fig. 


punkt 

andere  Arbeiten. 

Neu   ist   aber    etwas   anderes,    das   unsere  Vorfahren  in  jener  Zeit   durch 
ihre    Verbindungen    mit    dem   Süden    erlernten.      Das    ist   die   Kunst,    fein   ge- 

1)  Über  solche  sogenannte  Alsengemmen  siehe  Zeitschrift  für  Ethnologie,    1882,  S.  179,  und 
Verhandlungen  der  Berliner  Anthropologischen  Gesellschaft,   1887,  S.  688. 


Schmuck. 


i>7 


schlififene  Scheiben  aus  Granat  in  Gold  zu  fassen:  dünne  Wände  von  Gold 
bilden  kleine  Zellen,  die  mit  den  Granaten1)  ausgefüllt  sind;  gewöhnlich  liegen 
feingestrichelte  Goldbleche  unter  den  Steinen.  Daß  die  meisten  auf  diese  Art 
verzierten  Gegenstände,  die  man  in  Schweden  antrifft,  einheimisch  sind,  wird 
dadurch  bewiesen,  daß  es  Typen  sind,  die  man  sonst  nicht  findet,  die  aber 
hier  allgemein  vorkommen.  In  vielen  Fällen  kann  man  sogar  bestimmen,  in 
welchem  Teil  des  Landes  die  Arbeit  ausgeführt  ist.  So  stammen  Spangen 
wie  Fig.  383   und  386  von  Gotland. 

Zahlreiche  Funde  beweisen,  daß  man  auch  die  Kunst  des  Niellierens 
kannte:  in  Silberarbeiten  sind  vertiefte  Ornamente  mit  einer  schwarzen  Masse 
(einer  Mischung  von  Schwefel  und  Silber  oder  einem  anderen  Metall)  ausgefüllt. 

Die  Kunst,  mit  Email  zu  verzieren  (Fig.  401)  war  ebenfalls  bekannt. 


387.    Bronzespange.    Skane.   \.  388.     Bronzespange.     Lappland. 

Bewundernswert  ist  die  Geschicklichkeit,  mit  der  man  damals  Silber  und 
Bronze  vergoldete.  Viele  solcher  Gegenstände  haben  noch  heute  einen  blen- 
denden Goldglanz,  nachdem  sie  dreizehnhundert  Jahre  in  der  Erde  gelegen  haben. 

In  dem  südlichen  Teil  des  nordischen  Gebietes  entwickelte  sich  während 
dieser  Periode  ein  neuer  Ornamentstil,  der  hauptsächlich  stark  stilisierte  Tier- 
gestalten verwandte.3)    Die  Glieder  der  Tiere  sind  manchmal  derart  verschlungen, 

1)  Französisch:    verroterie    cloisonnee;    das  Verfahren    ist    ähnlich    wie  beim   email   cloiso: 
(Zellenemail). 

2)  Im  Kirchspiel  Wilhelmina,  Äsele  Lappmark,  mit  anderen  Schmucksachen  .  Is- 
blad,    1897,  S.  46. 

3)  H.  Hildebrand,  Djurtyper  i  den  äldre  nordiska  Ornamentiken,  in  Tidskrift  för  bildande 
konst  och  konstindustri,  redigerad  af  L.  Dietrichson,  Jahrg.  1876  (Stockholm,  [876  .  S.  I  und  59.  — 
S.Müller,  Dyreornamcntiken  i  Norden,  in  den  Aarböger  f.  nord.  Oldkynd.,  is  S.  185.  — 
S.  Söderberg,  Om  djurornamentiken  under  folkvandringstiden,  in  der  Antiqv.  tidskr.  f.  Sv.,  Bd.  11 
(1893).  —  Derselbe,  Die  Tierornamentik  der  Völkerwanderungszeit,  in  Prähistorische  Blätter,  von 
J.Naue,  Jahrg.  6  (München  1894).  B.  Salin,  Studier  i  Ornamentik,  in  der  Antiqv.  tidskr.  I.  - 
Bd.  11  (1890).  —  Derselbe,  Ornamentstudiex  tili  belysning  af  1  iremal  ui  V  ndclfynden,  in 
Upplands  Fornra.-förs  tidskr.,  Bd.  3  üpsala,  1894—189!  tgermanische 
Thierornamentik  (Stockholm. 


238 


Die  Zeit  der  Völkerwanderungen. 


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daß  es  dem  ungeübten 
Betrachter  schwer  fällt, 
die  verschiedenen  Teile 
zu  unterscheiden.  Einige 
Proben  dieses  Stiles,  der 
aus  dem  Norden  nach 
Mitteleuropa  kam,  sehen 
wir  Fig.  378—396,401 
und  405 — 407.  Bemer- 
kenswert ist,  daß,  wäh- 
rend das  Tiermotiv  eine 
so  große  Rolle  spielt, 
Pflanzenmotive  sehr 
selten  sind. 

Die  Figurendar- 
Stellungen  auf  den  Hel- 
men und  andere  Bild- 
nereien  geben  uns  Auf- 
klärung über  die  Trach- 
ten jener  Periode. 

Die  Männer  bevor- 
zugten einen  mitÄrmeln 
versehenen  Rock  (Fig. 
368  und  371),  der  un- 
gefähr bis  zum  Knie 
reichte  und  unten  wie 
vorn  mit  Pelz  verbrämt 
oder  sonst  besetzt  war. 
Er  war  oft,  wie  die  heu- 
tigen, vorn  offen  und 
wurde  mit  einer  Schärpe 
um  den  Leib  zusammen- 
gehalten; einige  Bilder 
scheinen  anschließende 
Hosen   zu   zeigen   (Fig. 

37o)- 

Ein  kleines  bei  Tuna 

in  Uppland  gefundenes 

merkwürdiges       Figür- 

chen   aus   Bronze    (Fig. 

399)  gibt  uns  eine  Idee 

von    der    Frauentracht. 

Das    Haar    ist    teils    in 

einem  üppigen    Knoten 


Schmuck. 


239 


im  Nacken  aufgesteckt,  teils  fällt  es  über  den  Rücken.  Auf  der  Brust  wohl 
ein  Halsband  von  Perlen.  Über  den  Schultern  ein  Schal;  daß  dieser  eine 
andere  Farbe  hatte  als  das  übrige  Kleid,  sieht  man  daran,   daß   er  mit  einem 


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390a.     Bronzespange,  vergoldet.     Skabersjö,  Skäne.    ^j.1) 


blaugrauen  Metall  belegt,  der  Rock  aber  vergoldet  ist.  Letzterer  scheint  weit 
und  im  Rücken  in  viele  Falten  gelegt  gewesen  zu  sein,  wohingegen  er  vorn 
glatter  und  mit  zwei   gestickten  Bändern   verziert   ist,    deren    unteres   am   Rand 


des  Rockes  angebracht  ist. 


1)  S.   Bugge  und   B.   Salin,    Bronsspiinne   med    runinskrift,    funnet    vid    Skabersjö   i   Skäne, 
in   drr  Sv.   Fornm.-för«  tidskr.,   Bd.    10  (1897),   S.    17. 


240 


Die   Zeit  der  Völkerwanderungen. 


391.    Bronzebeschlag.    Gotland.    3|4. 


392.     Bronzebeschlag,  vergoldet.  Wendel.   '|,. 


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394.     Bronzebeschlag,   vergoldet.    Wallstena, 
Gotland.   1|1. 


393.    Bronzebeschlag,  vergoldet.  Wendel.    A | x . 


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395.    Bronzebeschlag.    Gotland.    1j1_. 


396.    Bronzebeschlag,  vergoldet.     Wallstena,   Gotland.     ^^ 


Grahcr. 


24I 


2.  Gräber. 

Die  Einrichtung  der  Gräber  in  jener  Zeit  war  nicht  gleichmäßig.  In  ge- 
wissen Gegenden  wurden  die  Toten  verbrannt,  und  ein  Hügel  wurde  an  der 
Stelle  aufgeworfen,  wo  der  Scheiterhaufen  gestanden  hatte.  In  anderen  Gegenden, 
auch  in  solchen,  die  den  ersteren  benachbart  sind,  wurden  die  Toten  unverbrannt, 
gewöhnlich  mit  dem  Kopf  gen  Norden,  begraben;  vielerort  wurde  der  oder 
die  Tote  —  denn  Männer  und  Frauen  wurden  auf  diese  Art  begraben  —  in 
ein  Boot  gelegt.  Das  Boot  wurde  entweder  in  eine  große  auf  ebener  Erde 
gegrabene  Grube  gesetzt,  die  man  danach  ausfüllte  ohne  einen  Hügel  zu  bilden; 
oder  auch  wurde  das  Boot  auf  die  Erdoberfläche  gesetzt  und  ein  Hügel  dar- 
über aufgeworfen. 


397.  Camee, 

spätrömisch. 

Gamla  Uppsala. 

Vi- 


399.     Bronze, 

vergoldet. 

Tuna,  Uppland. 

II 


400.    »Alsengemme 
(Glas).  Gotland.  l|r 


398.   Gold  (spätrömisch).    Skäne.  ij1. 


401.    Bronzebeschlag,   vergoldet  und   emailliert.    Skäne.    2|3, 


Die  bedeutendsten  Gräber  mit  verbrannten  Knochen  aus  jener  Zeit  sind 
die  bei  Gamla  Uppsala  (Alt-Uppsala)  gefundenen.1)  Hier  liegen  ganz  in  der 
Nähe  der  Kirche  verschiedene  kleinere  und  drei  große  Grabhügel,  die  jeder 
einen  Durchmesser  von  65  m  haben;  sie  werden  »Königshügel  genannt  (Fig.  402). 
Sie  haben  eine  beträchtliche  Höhe,  aber  der  untere  Teil  wird  von  einer  natür- 
lichen Erhöhung  gebildet  und  rührt  also   nicht  von  Menschenhand   her. 

Der  östlichste  dieser  Hügel  wurde  in  den  Jahren  1846  und  1847  unter- 
sucht, indem  man  einen  horizontalen,  tunnelähnlichen  Gang  bis  in  die  Mitte 
ausgrub;  dieser  Gang  wurde  mit  Holz  bekleidet  und  einige  Jahre  offen  gehalten, 
bis  er  anfing  zu  verfallen  und  gefüllt   werden  mußte.     Der  Hügel  besteht  haupt- 


1)  B.   E.  Hildebrand,    Sur    les    tumulus    du  Vieil-Upsal ,  im  Compte  rendu  du  Congn 
Stockholm,    1874,  S.  602.   —  Derselbe,  im   Mänadsblad,    1876,   S.  -50. 

Mo  melius,  Kulturgeschichte  Schwedens.  l6 


242 


Die  Zeit  der  Völkerwanderungen. 


sächlich  aus  Sand,  aber  in  der  Mitte  ist  ein  runder  Steinhaufen,  1  5  m  im  Durch- 
messer. Ein  Teil  des  Steinhaufens  bedeckte  die  Reste  des  Scheiterhaufens. 
Die  Leiche  war  nämlich  an  Ort  und  Stelle  verbrannt  worden.  Mitten  unter 
dem  Steinhaufen  fand  man  ein  festgepacktes  Lager  (1,80  m  im  Durchmesser) 
aus  Asche,  Kohlen  und  verbrannten  Knochen,  unter  welchen  ein  mit  verbrannten 
Knochen  gefülltes  Tongefäß  gewöhnlicher  Art  stand,  mit  dünnen  Steinfliesen 
bedeckt  und  von  Rollsteinen  umgeben.  In  dem  Gefäß  und  in  dem  großen 
Knochenlager  befand  sich,  was  noch  übrig  war  von  den  mit  dem  Toten  zu- 
sammen verbrannten  Gegenständen. 

Der  westlichste  Hügel  wurde  im  Jahre  1874  mittelst  eines  großen  offenen 
Einschnittes  von  der  Seite  untersucht.  Im  Innern  glich  er  übrigens  dem  anderen 
Hügel,  aber  der  Steinhaufen  war  kleiner,  und  die  Knochen  waren  nicht  in  einem 
Tongefäß  verwahrt.  Auch  hier  war  die  Leiche  an  Ort  und  Stelle  verbrannt 
worden. 

Der  mittelste  Hügel  soll  bereits  im  17.  Jahrhundert  geöffnet  worden  sein. 


402.    Die  drei  großen  Grabhügel  bei  Gamla  Uppsala. 


Aus  den  Gräbern  der  beiden  erstgenannten  Hügel  wurden  Reste  von 
mehreren  durch  die  Hitze  des  Feuers  geschmolzenen  Bronzeschmucksachen  und 
Glasgefäßen  entnommen,  außerdem  Glasperlen,  Kämme,  Spielsteine  und  mit 
Tierornamenten  geschmückte  Arbeiten  aus  Knochen,  eine  kleine  spätrömische 
Camee  (Fig.  397),  Stückchen  von  Goldschmucksachen,  die  mit  ungewöhnlich 
feinem  Filigran  und  eingefaßten  Granaten  verziert  waren,  und  Goldfäden,  die 
in  die  Kleider  eingewebt  waren,  Nietnägel  aus  Eisen,  Knochen  von  Hunden 
und  anderes  mehr.  Daß  die  Gräber  Gold  enthielten,  ist  bemerkenswert,  weil 
das,  trotz  des  Goldreichtums  in  jener  Zeit,  sehr  ungewöhnlich  war.  Der  öst- 
liche Hügel  erwies  sich  als  älter  als  der  westliche;  letzterer  stammt  aus  der 
Zeit  um  600. 

Andere  bedeutende  Gräber  aus  jener  Periode  wurden  bei  der  Kirche  von 
Wendel  in  Uppland,  nördlich  von  Uppsala,  entdeckt.1)  Von  1881  bis  1893  wurden 
hier  vierzehn  Gräber  untersucht,    die  von  ganz  anderer  Art  sind,    als  jene   bei 


1)  Hj.  Stolpe,  Vendelfyndet ,  in  der  Antiqv.  tidskr.  f.  Sv. ,  Bd.  8.  —  H.  Hildebrand, 
ebenda.  —  Stolpe,  Om  Vendelfyndet,  in  der  Upplands  Fornminnesförenings  tidskrift,  Bd.  3.  — 
B.  Salin,  Ornamentstudier  tili  belysning  af  nägra  förema.1  ur  Vendelfyndet,  ebenda.  —  Derselbe, 
Die  altgermanische  Thierornamentik. 


Gräber. 


243 


Gamla  Uppsala,  obwohl  das  älteste  Wendelgrab 
ungefähr  gleichzeitig  mit  dem  westlichsten  Uppsala- 
hügel  ist,  und  die  Entfernung  zwischen  den  beiden 
Orten  nur  einige  Meilen  beträgt.  In  Wendel  sind 
nämlich  die  Toten  unverbrannt  beerdigt,  jeder  in 
seinem  Boot,  und  die  Gräber  sind  nicht  von 
Hügeln  bedeckt.  Die  Boote,  die  in  große  Gruben 
gesetzt  wurden,  sind  an  beiden  Enden  spitz,  7,50 
bis  10,50  m  lang.  Früher  war  der  Fluß  offenbar 
für  solche  Schiffe  bis  Wendel  befahrbar. 

Fig.  403  zeigt  die  innere  Anordnung  eines 
dieser  Gräber.  In  dem  Boot  lag  der  tote  Häupt- 
ling ausgestreckt,  der  Kopf  mit  dem  prächtigen 
Helm  (Fig.  367)  bedeckt,  im  Achterteil  des  Bootes. 
Der  reich  verzierte  Schildbuckel  und  die  Lage  des 
langen  Schildgriffes  zeigen  an,  daß  er  noch  im 
Tod  von  seinem  Schild  bedeckt  war.  An  der 
rechten  Seite  hatte  er  die  Lanze  mit  der  Spitze 
nach  unten,  an  der  linken  Seite  sein  Schwert. 
Dort  lag  ebenfalls  das  aufgezäumte  Reitpferd. 
Zwei  Hunde  waren  außerdem  ihrem  Herrn  in 
das  Grab  gefolgt.  Im  Vorderteil  des  Bootes  stand 
reichliche  Wegzehrung:  ein  Schinken,  ein  Rinder- 
braten und  der  Kopf  eines  Schafes.  Endlich  ent- 
hielt das  Grab  auch  einen  Kessel  aus  Eisen,  um 
Essen  darin  zu  kochen,  eine  Schere  und  anderes 
mehr. 

In  einem  anderen  Grab  lagen  nicht  weniger 
als  drei  Pferde,  drei  Hunde,  ein  Stier,  ein  Eber, 
eine  Sau,  ein  Widder,  ein  Mutterschaf  und  eine 
Gans.  Die  Hufen  der  Pferde  waren  mit  Eisen- 
nägeln beschlagen,  beinahe  ebensolche,  wie  man 
sie  noch  heutzutage  für  Ochsen  verwendet.  Huf- 
eisen scheinen  in  der  Heidenzeit  in  Schweden  nicht 
bekannt  gewesen  zu  sein.  Zwei  von  den  Hunden 
waren  mit  Eisenstücken  zusammengekoppelt,  von 
denen  noch  Reste  vorhanden  waren. 

Auch    in    anderen    Gräbern    fanden    sich    drei 
Pferde.      Ein   Pferdeschädel  trug  noch    das   pracht- 
volle mit   vergoldeter    und    emaillierter    Bronze 
schmückte  Zaumzeug,    das  Fig.  408,  409  und  4  1  2 


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1)  Der  Verstorbene  war  in   einem    großen  Hoot   bestattet     Die    schwarzen    Punkte    sind    die 
eisernen  Nietnägel,  womit  dir   Planken  zusammengehalten   waren. 


ii.' 


244 


Die  Zeit  der  Völkerwanderungen. 


abgebildet    ist.      Daß    die     Männer,     die     in    den    Wendelgräbern     ruhen,    die 
Falkenjagd    gekannt    hatten,    ersieht    man    daraus,    das    in    einem    Grab    das 


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404.    Schwertgriff  aus  vergoldeter  Bronze,  mit  eingelegten  Granaten.     Wendel.   1|1. 

Skelett  eines  Jagdfalken  lag.     Dasselbe  Grab  enthielt   auch  die  Knochen  eines 
Berguhus,    eines  Kranichs,    einer    zahmen  Ente    und  einer    Gans.     In    verschie- 


Gräber. 


245 


denen    Gräbern    lagen     Kessel,     Roste    und    andere     Küchengeräte    (Fig.  410 

und  41 1). 

Daß  die  Toten  nicht  nur  Eßwaren,  sondern  auch  Getränke  mit  auf  den 
Weg  bekamen,  geht  aus  den  Glasbechern  in  einigen  Gräbern  hervor.  Diese 
Becher  sind  groß  und  von  eigentümlicher  Form  (Fig.  413);  ganz  ähnliche  finden 
sich  auch  auf  Gotland,  in  Norwegen,  England,  Nordfrankreich  und  in  West- 
deutschland. 


405.     Bronzebeschlag,  vergoldet.    Wendel,  ^j. 


406.     Bronzebeschlag,  vergoldet. 
Wallstena,  Gotland.  ^^ 


407.  Ortband  aus  vergoldeter  Bronze, 
für  eine  Schwertscheide.    Wendel.    1/1. 


Die  ungewöhnlich  reiche  Ausstattung  der  Gräber  bei  Wendel  (Fig.  36;, 
392.  393.  404—408)  macht  es  wahrscheinlich,  daß  hier  Häuptlinge  eines  Königs- 
geschlechts begraben  waren.  Dafür  sprechen  auch  die  prächtigen  Helme,  die 
in  nicht  weniger  als  drei  Gräbern  lagen.  Helme  waren  nämlich  in  jener 
Zeit  selten,  bei  gewissen  Völkern  wurden  sie  nur  von  den  Königen  getragen; 
der  » Helmgeschmückte«  bezeichnet  bei  den  nordischen  Sängern  den   König. 


246 


Die  Zeit  der  Völkerwanderungen. 


Die  Gräber  bei  Wendel  gehören  nicht  alle  derselben  Zeit  an.  Während 
die  oben  beschriebenen  aus  dem  siebenten  Jahrhundert  stammen,  ist  das  jüngste 
nicht  älter  als  aus  der  Mitte  oder  dem  Ende  des  zehnten  Jahrhunderts;  es  ent- 
hielt Silbermünzen  aus  der  ersten  Hälfte  dieses  Jahrhunderts. 

Bei  Ulltuna,  südlich  von  Uppsala  und  an  demselben  Fluß  wie  diese  Stadt 
und  Wendel,  hatte  man  schon  1855  ein  ebensolches  Grab  wie  diejenigen  bei 
Wendel  entdeckt,  nur  daß  es  von  einem  Hügel  überdeckt  war.1)  Auch  hier 
lagen  neben  dem  toten  Häuptling  zwei  Pferde  und  prächtige  Waffen,  Schwert 


408.   Zaumzeug  von  Eisen  und  vergoldeter  Bronze,  mit  Email. 

Wendel.    >L. 


(Fig.  415)  und  Schild;  sein  Kopf  war  auch  mit  einem  Helm  bedeckt.  Außer- 
dem hatte  man  ihn  mit  einer  Stiege  Pfeile  und  wahrscheinlich  einem  Bogen 
versehen.  Letzterer  war  zerstört,  und  von  den  Pfeilen  waren  nur  die  Eisenspitzen 
übrig.  Im  Vorderteil  des  Schiffes  lagen  Knochen  von  einem  Schwein  und 
einer  Gans,  außerdem  ein  Kessel  und  ein  Rost  aus  Eisen.  Das  Grab  bei 
Ultuna  enthielt  außerdem  36  Spielsteine  und  drei  W'ürfel  aus  Knochen,  also 
dieselbe  Anzahl  Würfel,  wie  bei  den  Römern  gebräuchlich. 


1)  B.  E.  und  H.  Hildebrand,  Teckningar  ur  Svenska  Statens  Historiska  Museum,  I  (Stock- 
holm, 1873),  mit  10  Tafeln.  —  Vgl.  O.  Almgren ,  im  Mänadsblad ,  1901 — 2,  S.  147  (ein  anderer 
Hügel  bei  Ulltuna  mit  Bootgrab  und  verbrannter  Leiche  aus  derselben  Periode  wie  das 
erste  Grab). 


Gräber. 


247 


v. 


yio.  t  irofie  Zange 
äen. 
Wendel.  '  7. 


409.  Detail  vom  Zaumzeug   Fig.   408.    '  ,. 


248 


Die  Zeit  der  Völkerwanderungen. 


Bootgräber,  wie  die  von  Wendel,  fand  man  auch  bei  Tuna  im  Kirchspiel 
Alsike,    nicht   weit  von  Ulltuna.     Während    in    den    Gräbern    bei  Wendel    und 


411.    Eisernes  Rost,  von  zwei  Seiten   gesehen.    Wendel.    1 


412.  Pferdekopf  mit  dem  Zaumzeug 
Fig.  408   (Rekonstruktion). 


413.  Glasbecher. 

Wendel.  !|4.  414.  Becher  von  blauem  Glas.  Gotland.    1ji. 

Ulltuna  nur  Männer  begraben  waren,  fand  man  bei  Tuna  Frauen  und  Männer- 
leichen.   Bei  Augerum  in  Blekinge,  in  der  Nähe  von  Karlskrona,  entdeckte  ich 


Grüber. 


249 


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vor  mehreren  Jahren  ein  mit  Frauenschmuck  versehenes  Skelett  aus  dem  siebenten 
Jahrhundert  in  einem  Bootgrab,  das,  ebenso  wie  die  bei  Wendel,  von  keinem 
Hügel  überdeckt  war.1) 

Der  Gedanke,  der  in  dieser  Art  der  Beerdigung  lag,  war  also  nicht  nur, 
daß  der  tote  Häuptling,  »der  Seekönig«,  in  der  anderen  Welt  sein  Fahrzeug 
zur  Verfügung  haben  sollte, 
sondern,  da  auch  Frauen  auf 
diese  Weise  beerdigt  sind, 
wohl  eher,  daß  der  Tote  ein 
Fahrzeug  brauchte,  um  in 
die  andere  Welt  zu  gelangen. 
Ähnliche  Vorstellungen  trifft 
man  in  vielen  anderen  Län- 
dern. Die  griechische  Mythe 
von  Charons  Fähre  ist  all- 
bekannt. Merkwürdig  genug 
geht  die  Ähnlichkeit  der  Vor- 
stellungen unserer  Yorväter 
und  die  der  südlichen  Völker 
so  weit,  daß  ebenso  wie  die 
Griechen  dem  Toten  eine 
Münze  als  Fährgeld  in  den 
Mund  legten,  man  bei  uns 
denselben  Brauch  übte,  wenn 
der  Tote  kein  eigenes  Boot 
zur  Überfahrt  hatte.  So  fand 
man  in  einem  bei  Kälder  im 
Kirchspiel  Linde  aufGotland 
untersuchten  Grab,  das  keine 
Reste  von  einem  Boot  ent- 
hielt, eine  Goldmünze  im 
Mund  des  Toten;  es  war 
die  Nachbildung  einer  byzan- 
tinischen Münze.2)  Ob  der- 
artiges auf  autochthonen 
nordischen  Vorstellungen  be- 
ruhte oder  ob  ein  Einfluß  vom 
Süden  her  stattgefunden  hat, 
ist  schwer  zu  sagen. 


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415.    Schwertgriff  von   vergoldeter   Bronze. 

Ulltuna,    Uppland.    '-' 


1)  Bootgriibcr  aus  dieser  Periode,  wie  aus  der  folgenden,  kommen  in  verschieden  Geg<  nden 
Skandinaviens,  oft  in  Hügeln,  vor.  Montelius,  Om  högsättning  1  skepp  under  vikjngatiden,  in  'Kr 
Sv.  Fornm.-fr>rH  tidskr.,  Bd.  6  (1886),  S.  149.  —  S.  Söderberg,  in  der  Antiqv.  tidskr.  f.  Sv.,  9;  2 
(öland;   gebranntes   Boot).   —   Vgl.   S.  246,    Note  1. 

2)  Almgren,   in   Studier   tillägnade  Oscar   Montelius,    S 


250 


Die  Zeit  der  Völkerwanderungen. 


Auf  Gotland  sind  mehrere  Gräber  aus  jener  Zeit  gefunden  worden  (Fig.  414), 
aber  keine  Bootsreste.  Eines  der  bedeutendsten  wurde  bei  der  Kirche  von 
Wallstena  entdeckt;  es  enthielt  ein  Schwert  mit  prachtvollem  Griff  (Fig.  362), 
dessen  dreieckiger  Knopf  von  Gold  und  mit  Granaten  eingelegt  ist,  einen  Schild- 
buckel mit  vergoldeter  Bronze,  Teile  eines  Zaumes  und  mehrere  zum  Geschirr 
gehörende  Beschläge  aus  reich  vergoldeter  Bronze  mit  schönen  Tierornamenten 
(Fig.  394,   396  und  406),  ein  Bronzegefäß,  Pferdeknochen  und  anderes  mehr. 

In  den  südlichen  Provinzen  Norrlands  sind  auch,  besonders  in  den  Küsten- 
gegenden, mehrere  Funde  aus  dieser  Zeit  gemacht  worden.1) 

Die  Bildnereien  auf  den  Wendelhelmen  geben  nicht  nur  wertvolle  Aus- 
kunft über  die  damalige  Tracht,  sondern  haben  wahrscheinlich  auch  religiöse 
Beziehungen.  Der  Reiter  (Fig.  369),  der  mit  seinem  Speer  den  Wurm  angreift, 
während  zwei  Vögel  seinen  Kopf  umkreisen,  kann  füglich  als  Oden  betrachtet 
werden  und  die  beiden  Vögel  als  seine  Raben  Hugin  und  Numin,  wie  die  Edda 
sie  nennt.  Auch  die  oben  erwähnten  Bronzeplatten  aus  Torslunda  auf  Oland 
geben  vielleicht  mythologische  Szenen:  den  Fig.  416  abgebildeten,  offenbar  in 
Fellhosen  gekleideten  Mann  hat  man  als  den  Lodbrok  gedeutet,  wie  er  den 
Wurm  tötet  und  Tora,  die  Tochter  des  Herröd  Jarl  in  Götaland,  befreit,  oder 
wie  er  mit  dem  Bären  kämpft,  den  er  erlegt  haben  soll.  Wir  würden,  wenn 
diese  Erklärung  zutrifft,  den  Beweis  haben,  daß  die  Lodbrokssage  schon  lange 
vor  der  Zeit  desjenigen  Ragnars  existierte,  der  nach  der  Tradition  mit  Lodbrok 
identisch  sein  soll.2) 


1)  H.  Hildebrand,  Den  äldre  jernäldern  i  Norrland,  in  der  Antiqv.  tidskr.  f.  Sv.,   2   (1869), 
S.  222. 

2)  H.  Schuck,  Till  Lodbroks-sagan,  in  der  Sv.  Fornm.-för^  tidskr.,  Bd.  II,  S.  131.    —  Vgl. 
N.  Sjöberg,  ebenda,  Bd.  12,  S.  323. 


416.    Bronze.     Öland.    */,. 


IV.    ÜBERGANGSZEIT  VOM    HEIDENTUM    ZUM 
CHRISTENTUM.  —  DIE  WIKINGERZEIT. 

(Von  ungefähr  800  bis  Mitte  des    II.  Jahrhunderts.) 


1.  Wikingerzüge.  —  Wäringerfahrten. 


egner  hat  in  seiner  »Frithjofsage«  der  poetischen  Auffassung  jener  Zeit 
Ausdruck  gegeben  und  mit  lebhaften  Farben  ein  Bild  der  Lichtseiten 
des  Wikingerlebens  entworfen,  während  das  Gedicht  »Wikingen  von 
Geyer  die  Schattenseiten  dieser  kräftigen  aber  wilden  Zeit  malt.  Auf  die  Frage : 
welche  Schilderung  ist  historisch  die  wahre?  glaube  ich  antworten  zu  müssen: 
die  letztere;  und  mit  dieser  Auffassung  der  Wikingerzeit  stehe  ich  nicht  allein 
da.  Einer  der  wärmsten  Bewunderer  des  schwedischen  Altertums  sagt:  Es 
ist  wahr,  daß  über  der  Wikingerzeit  des  Nordens  ein  rosiger  Schimmer  liegt, 
aber  wenn  wir  unser  Auge  mit  dem  Glas  der  Geschichtsforschung  bewaffnen, 
finden  wir  bald,  daß  dieser  Farbenschimmer  nichts  anderes  ist  als  eine  Mischung 
von  Blut  und  Tränen.  Er  setzt  hinzu:  Auf  dem  Namen  einer  Sache  beruht 
viel  von  dem  Begriff,  den  man  sich  von  ihr  bildet.  Unter  den  Wikingerfahrten 
denkt  man  gern  an  ein  ritterliches  Jagen  nach  Gefahren  und  kriegerischen 
Abenteuern;  besser  würden  sie  definiert  als  Streifen  auf  Mord  und  Plünderung. 
Wir  übersetzen  deshalb  am  besten:  , Seeräuberei'«.1) 

Dieses  Urteil  mag  allzustreng  erscheinen,  wir  müssen  es  jedoch  für  richtig 
erklären,  wenn  jene  Zeit  mit  dem  Maß  unserer  Zeit  gemessen  werden  soll,  und 
wenn  wir  von  der  großen  politischen  Bedeutung  der  Wikingerzüge  abschen. 
Aber  welche  Wandlungen  der  Weltanschauung  und  der  Moral  sind  nicht  während 
jener  tausend  Jahre  eingetreten,  die  uns  von  den  Tagen  der  Normannenzüge  trennen  I 
Um  gerecht  zu  sein,  müssen  wir  uns  in  die  Anschauung  einer  Zeit  zurückdenken, 
nach  deren  Glauben  nur  die  vom  Schwert  gefällten  Krieger  der  Freu. 
Walhalls  teilhaftig  werden,  deren  sittliches  Bewußtsein  die  Besten  mahnte. 
Ruhm  bei  Mit-  und  Nachwelt  durch  blutige  Großtaten  zu  erwerben,  und  deren 
Recht   das   Gewaltrecht   des   Siegers   war.      Was    im    offenen    Streit    gewonnen 


1)  A.  E.  Holmberg,  Nordbon  undei   hednatiden  [Stockholm,    1852),  S. 


it2  Die   Wikingerzeit. 

war,    war   rechtmäßiges   Eigentum,    und  genügende   Ursache    zum   Kampf   war, 
daß  der  Angefallene  reich  an  Gold  und  Silber  war. 

Und  noch  von  einer  anderen  Seite  dürfen  wir  die  an  Großtaten  reiche 
Zeit  betrachten,  in  der  die  Söhne  des  Nordens  ihr  Heim  zu  eng  fanden  und 
über  das  Meer  nach  Ehre  und  Gold  auszogen,  um  in  fernen  Ländern  die 
Völker  mit  ihrem  frischen  Blut  zu  verjüngen.  Das  ist  der  welthistorische  Zu- 
sammenhang, aus  dem  die  moderne  europäische  Gesellschaft  nach  und  nach 
hervorging.  Was  erst  nur  wie  Seeräubertaten  erschien,  vertieft  sich  zum  Aus- 
bruch desselben  unwiderstehlichen  Triebes,  der  noch  heutzutage  Scharen  von 
Kindern  des  Nordens  in  fremde  Länder  lockt.  Und  wollen  wir  die  Zeit  an 
eine  ältere  Vergangenheit  anschließen,  so  erscheinen  die  Wikingerzüge  als  die 
letzten  Wellenbewegungen  des  großen  Stromes  der  Völkerwanderung,  der  wohl 
anfangs  die  ganze  klassische  Kultur  fortzuspülen  drohte,  dann  aber  eine  neue 
schönere  Zukunft  schuf,  als  die  alternde  römische  Welt  aus  sich  gebären  konnte. 


Was  waren  die  Ursachen  der  Wikingerzüger 

Viele  normannische  Schriftsteller  folgen  einer  volkstümlichen  Überlieferung, 
wonach  der  Norden  in  der  Wikingerzeit,  allzu  stark  bevölkert,  nicht  alle  er- 
nähren konnte.  Der  Grund  hierzu  sollte  in  der  Vielweiberei  gelegen  haben, 
indem  jeder  Mann  mehrere  Frauen  neben  der  legitimen  Hausfrau  halten  konnte. 
Dadurch  wäre  Übervölkerung  entstanden,  und  die  streitbare  Jugend  hätte  in 
Scharen  das  Land  verlassen,  um  sich  Beute  und  Grundbesitz  auf  fremder 
Scholle  zu  erobern.  Oft  soll  der  Vater  selbst  seine  jüngeren  Söhne  vertrieben 
haben,  um  nur  einem  Sohn  Haus  und  Hof  zu  vererben.  Diese  Tradition  wird 
in  ihren  Hauptzügen  durch  das  unterstützt,  was  einheimische  Schriftsteller  er- 
zählen, obwohl  man  darüber  streiten  kann,  ob  die  übermäßige  Kinderzahl  auf 
der  Vielweiberei  beruhte. 

Es  kamen  jedoch  andere  Ursachen  dazu.  Zu  der  Lust,  sich  mit  dem 
Schwert  Ehre  und  Beute  zu  erkämpfen,  kommt  der  den  Küstenbewohnern  des 
Nordens  eingeborene  Freiheitsdrang  und  ihre  Liebe  für  die  See.  Überall,  wo 
mächtig  gewordene  Herrscher  die  Freiheit  verkürzten,  wurden  unzufriedene 
Häuptlinge  und  andere  frei  geborene  Männer  dazu  getrieben,  in  fernen  Gegenden 
ein  neues  Heim  zu  suchen,  um  dort  frei  und  unabhängig  zu  leben.  Als  die 
Macht  der  nordischen  Herrscher  größer  wurde,  waren  die  Wikinger,  die  erst 
auch  den  Norden  heimsuchten,  gezwungen,  anderswo  ihre  Beute  zu  suchen. 

Die  Wikingerzüge  waren  nach  der  Anschauung  der  Zeit  ein  vollkommen 
rechtliches  und  ehrliches  Kriegshandwerk,  das  in  gewissen  Formen  geübt  werden 
mußte,  etwa  wie  das  moderne  Kaper wesen  nicht  nur  von  den  Königen  zuge- 
lassen, sondern  zeitweise  auch  von  ihnen  selbst  oder  den  ihnen  zunächst 
Stehenden  geübt  worden  ist.  Die  Waffentaten,  die  auf  einem  Winkingerzug  aus- 
geführt wurden,  wurden  ebenso  wie  die  Großtaten  zu  Lande  von  den  Dichtern 
besungen  und    in    allen  nordischen  Ländern  gepriesen    und  bewundert.     Damit 


Wikingerzüge.  2  s  3 

einen  Häuptling  Ansehen  genießen  sollte,  scheint  es  sogar  als  notwendige  Be- 
dingung gegolten  zu  haben,  daß  er  an  einem  Wikingerzuge  teilnahm  und  sich 
durch  Tapferkeit  auszeichnete.  Die  Handelsschiffe  führten  oft  ebensoviele  und 
wohl  bewaffnete  Leute  wie  die  Wikingerschiffe,  und  deshalb  war  es  weit  ent- 
fernt, daß  jene  immer  erobert  und  ausgeplündert  wurden.  Es  kam  auch  vor, 
daß  der  Kauffahrer  Schiffe  der  Feinde  enterte  und  nahm.  Oft  war  es  ein  Kampf 
Mann  gegen  Mann,  ein  gewagtes  und  lebensgefährliches  Spiel,  in  dem  ebenso- 
gut der  Angreifer  wie  der  Angegriffene  den  Kürzeren  ziehen  konnte. 

Die  großen  Erfolge  der  nordischen  Wikinger  beruhten  gewiß  auf  ihrer 
Tüchtigkeit  und  Waffenkunde  nebst  dem  unerschrockenen  Mut,  der  sie  jeder 
Gefahr  trotzen  ließ,  aber  sie  beruhten  ebensosehr  auf  der  Schwäche  ihrer 
Feinde  und  der  Zwietracht  und  Sittenverderbnis,  die  in  Westeuropa  zu  jener 
Zeit  herrschten  und  von  den  eigenen  Zeitgenossen  beklagt  wurden.  Fromme 
Christen,  später  als  Heilige  verehrt,  sahen  mit  tiefem  Kummer  auf  die  Sünden 
der  Zeit  und  weissagten,  Gottes  Langmut  sei  erschöpft.  Viele  Wahrzeichen 
erschienen  nach  den  Vorstellungen  der  Zeit  am  Himmel  und  auf  der  Erde  und 
sollten  die  Strafe  verkünden,  die  der  Herr  über  die  Christenheit  um  der  zu- 
nehmenden Gottlosigkeit  und  Laster  willen  verhängen  würde. 

Und  diese  oft  ausgesprochene  Befürchtung  einer  nahen  Heimsuchung  erwies 
sich  als  begründet.  Wenig  mehr  als  ein  halbes  Jahrhundert,  nachdem  Karl 
Martel  durch  seinen  glänzenden  Sieg  im  Jahre  732  die  Sarazenen  zurückge- 
schlagen hatte,  nahte  eine  neue  Gefahr.  An  mehreren  Orten  der  westeuropäischen 
Küste  sah  man  feindliche  Schiffe  mit  kampfbegierigen  Heiden  aus  den  fernen 
Gegenden  des  skandinavischen  Nordens. 

Nach  den  angelsächsischen  Chroniken  geschah  es  um  das  Jahr  790, 
daß  zum  erstenmal  nordische  Wikingerschiffe  sich  an  der  Küste  Englands 
zeigten.  Einige  Jahre  später  kamen  sie  wieder,  zerstörten  Kirchen  und  Klöster, 
mordeten  Mönche  und  Priester  und  traten  die  »Heiligtümer«  mit  Füßen.  Gleich- 
zeitig erfolgte  der  erste  Angriff  der  Nordländer  an  der  Küste  Schottlands  und 
Irlands.  Um  das  Jahr  800  finden  wir  auch  zum  erstenmal  einen  politischen 
Zusammenstoß  zwischen  dem  Norden  und  dem  wachsenden  Frankenreich.  Die 
sächsischen  Stämme  in  Norddeutschland  versuchten  ihre  Unabhängigkeit  wieder 
zu  erlangen,  und  Widukind  suchte  und  erhielt  Hilfe  vom  König  von  Dänemark. 
Man  hat  als  Folge  dieses  Bündnisses  zwischen  Dänen  und  Sachsen  den  Um- 
stand betrachtet,  daß  zahlreiche  Wikingerflotten  gerade  damals  die  französischen 
Nordküsten  verheerten. 

Wenn  es  auch  zweifelhaft  ist,  ob,  wie  die  Chronisten  erzählen,  die  Wi- 
kingerschiffe schon  Karl  dem  Großen  selbst  an  der  Mittelmeerküste  Frankreichs 
zu  schaffen  machten,  so  ist  doch  so  viel  sicher,  daß  der  Kaiser  bei  den  traurigen 
Nachrichten  aus  dem  Norden  des  Landes  sich  gezwungen  sah,  in  aller  Eile, 
zweimal  um  das  Jahr  800  die  Küsten  seines  Reiches  zu  besuchen,  eine  Flotte 
auszurüsten,  Küstenwächter  einzusetzen  und  andere  Verteidigungsanstalten  gegen 
den  gefürchteten  Feind  zu  treffen.  Als  Karls  des  Großen  klüftiger  Arm  das 
Reich  nicht  mehr  beschützte,    wurde  es.   von  inneren  Streitigkeiten  geschwächt, 


2C.A  Die  Wikingerzeit. 

bald  eine  willkommene  Beute  für  die  stetig  anwachsenden  Wikingerhaufen.  Ein 
gleiches  Schicksal  traf  die  Britischen  Inseln. 

Eine  der  wichtigsten  Folgen  der  Wikingerzüge  für  den  Norden  war,  daß 
sie,  wie  bereits  gesagt,  die  nordischen  Reiche  von  einer  Menge  schwer  zu 
regierender  Elemente  befreiten  und  es  den  Königen  erleichterten,  die  verschie- 
denen Landesteile  zu  größeren  Staaten  zu  vereinigen.  Außerdem  waren  es 
meistens  die  eifrigsten  Heiden,  die  unter  die  Wikinger  gingen,  und  häufig 
wurden  sie  durch  die  Berührung  mit  den  christlichen  Völkern  zur  Annahme 
des  Christentums  bewogen.  Sie  trugen  aus  den  fremden  Ländern  Samenkörner 
einer  höheren  Kultur  heimwärts,  und  je  größere  Schrecknisse  sie  den  christ- 
lichen Völkern  brachten,  mit  desto  größerem  Eifer  arbeiteten  diese  an  der 
allmählichen  Bekehrung  der  Nordländer. 

Das  Ende  der  Wikingerzeit  fällt  mit  der  vollständigen  Bekehrung  des 
Nordens  zusammen.  Wohl  saßen  auch  nach  der  Annahme  der  Taufe  nicht 
alle  Söhne  des  Landes  friedlich  daheim,  aber  die  Rechtfertigung  des  Wikinger- 
lebens fiel  mit  der  Odenslehre,  und  die  Wikingerzüge  wurden  zu  Kreuzzügen 
verchristlicht.  Nordische  Kreuzzüge,  bis  ins  zwölfte  Jahrhundert  hinein,  haben 
eine  auffällige  Ähnlichkeit  mit  den  alten  Wikingerfahrten;  so  Sigurd  Jor- 
salafares  Zug  nach  dem  Heiligen  Land  und  desselben  Norweger-Königs  Kreuz- 
zug nach  Smäland  im  Jahre  1123.  Snorre  erzählt  uns  in  seiner  kurzen  und 
treffenden  Sprache,  wie  der  König  »mit  dreihundert  Schiffen  ostwärts  nach 
der  Handelsstadt  Kalmarna  steuerte,  dort  plünderte,  in  Smäland  fünfzehnhundert 
Rinder  raubte  und  die  Smäländer  zu  Christen  machte.  Dann  wandte  er  sich 
mit  dem  Heer  heimwärts  und  kam  in  sein  Reich  zurück  mit  großen  Kostbar- 
keiten und  Schätzen,  alle  auf  dieser  sogenannten  Kalmarnafahrt  erworben«. 

Die  Wikingerzüge,  die  eine  Fortsetzung  der  Völkerwanderungen  waren, 
wurden  also  selbst  als  Kreuzzüge  weiter  fortgesetzt. 


Die  Gegenden,  die  von  den  Nordmännern  (dem  gemeinsamen  Namen  der 
Wikinger  aus  allen  Teilen  des  Nordens)  heimgesucht  wurden,  waren  einerseits 
die  Küsten  der  Ostsee  und  andererseits  Nordwestdeutschland,  Frankreich  und 
die  Britischen  Inseln.  Die  Einwohner  des  damaligen  Schwedens,  die  beinahe 
vom  Westmeer  abgeschlossen  waren,  richteten  ihre  Züge  wohl  gewöhnlich 
nach  den  Ländern  des  östlichen  Europas,  aber  sie  nahmen  auch,  wie  zahlreiche 
Runensteine  beweisen,  an  den  Wikingerzügen  nach  dem  Westen  teil.  Und  daß 
die  Einwohner  derjenigen  Teile  des  jetzigen  Schwedens,  die  damals  nicht  dem 
schwedischen  König  zugehörten,  an  den  Taten  im  westlichen  Europa  teilnahmen, 
ist  wohlbekannt.  Das  damals  norwegische  Bohuslän  und  die  zu  Dänemark 
gehörenden  Landschaften  (Hailand,  Skäne  und  Blekinge)  haben  viele  von  den 
Wikingern  ausgesandt,  die  den  Namen  der  Nordmannen  bei  den  Völkern  der 
Nordseeküste  gefürchtet  machten. 

Die  Nordmänner  beherrschten  das  Meer  vollkommen,  da  es  damals  keine 
nennenswerte  Seemacht  selbst  in  den  Ländern  gab,  die  später  —  ohne  Zweifel 


Wäringerfahrten.  ^ZZ 

t 

gerade  durch  den  Einfluß  ansässig  gewordener  Nachkommen  der  Nordmänner  — 
ihre  Flotten  über  alle  Weltmeere  sandten. 

Unaufhörlich  erhielten  die  Nordmänner  Nachschübe  aus  der  Heimat;  sie 
ließen  sich  auf  Inseln  an  den  Küsten  nieder,  von  wo  aus  sie  auf  den  Flüssen 
tief  in  das  Land  eindrangen,  es  durchstreiften  und  Brand  und  Plünderung  ver- 
breiteten. Schließlich  schritten  sie  zu  planmäßigen  Eroberungen  und  zur  Grün- 
dung neuer  Reiche  in  Frankreich  und  England,  wie  in  Schottland  und  Irland.1) 


Auch  die  Fahrten  nach  dem  Osten,  an  denen  die  Schweden  hauptsächlichst 
teilnahmen,  waren  von  großer  Bedeutung. 

Zahlreiche  Funde  zeugen  davon,  daß  der  Verkehr  mit  Finnland,  das,  wie 
wir  gesehen  haben  (S.  61),  schon  seit  Jahrtausenden  eine  schwedische  Be- 
völkerung neben  der  finnischen  gehabt  hatte,  besonders  lebhaft  war.  Zwei  von 
diesen  Funden  stammen  aus  sehr  nördlichen  Gegenden.  So  hat  man  bei  Kuusamo, 
tief  im  Kemi  Lappmark,  zwei  große  ovale  Bronzespangen  von  schwedischer 
Form  gefunden;  und  noch  weiter  nach  Norden,  6y  Grad  nördlicher  Breite, 
ungefähr  halbwegs  zwischen  dem  Weißen  Meer  und  der  jetzigen  Grenze  Schwe- 
dens, fand  man  vor  mehreren  Jahren  einen  Halsring  und  anderen  Silberschmuck, 
angelsächsische  und  deutsche  Münzen,  nebst  einer  Wage  und  zwölf  Gewichten, 
alle  in  Birkenrinde  gewickelt.  Der  Silberschmuck  war,  wie  auch  die  Wage  und 
die  Gewichte,  von  Formen  die  aus  den  nordischen  Funden  wohlbekannt  sind, 
und  die  Münzen  stammten  vom  Ende  unserer  heidnischen  Zeit. 

Die  nordischen  Sagen  erzählen  auch  von  lebhaften  und  lohnenden  Handels- 
fahrten der  Nordmannen  zur  See  bis  zu  den  Ufern  des  Weißen  Meeres,  dem 
alten  Bjarmaland. 

Dieselben  Sagen  deuten  auch  an,  daß  der  schwedische  König  zeitweise 
gewisse  Teile  der  jetzigen  russischen  Ostseeprovinzen  beherrschte. 

Die  wichtigste  Folge  der  Verbindungen  Schwedens  mit  seinen  östlichen 
Nachbarländern  war  jedoch  die  Gründung  des  Russischen  Reiches,  das  einmal 
so  groß  werden  sollte. 

Der  russische  Chronist  Nestor,  ein  Mönch  in  Kiew,  der  im  Anfang  des 
zwölften  Jahrhunderts  starb,  berichtet  folgendes  über  jene  Gründung: 

»Im  Jahre  6367  (nach  der  Erschaffung  der  Welt,  d.  h.  859  nach  Chr. 
Geb.)  kamen  die  Warjager  über  das  Meer  und  nahmen  Steuern  von  den  Tschuden 
und  Slaven,  von  den  Merern  und  Vessern  und  von  den  Krivitschen.  Im  Jahre 
6370  (862  nach  Chr.  Geb.)  jagten  diese  die  Warjager  über  das  Meer,  gaben 
ihnen  keine  Steuern  und  fingen  an,   sich  selber  zu  regieren,   aber  es  ging  schlecht 


1)  J.  J.  A.  Worsaae,  Den  danske  Erobring  af  England   og   Normandiet  (Kopenhagen,  1863). 
—  Johannes   Steenstrup,    Normannerne:     I.   Indledning  i   Normannertiden    (Kopenhagen,    187 
II.  Vikingetogene  mod  Vest  i  det  gde  Aarhundrede  (1878  .     III.    Danske   og    m.rske    Rigor   paa    de 
brittiske  0er  i  Danevseldens  Tidsalder   (1879—82);    IV.    Danelag     [882).   —    Alexand 
Vikingerne  (Kopenhagen,   1904).  —  Derselbe,  Vesterlandenes  indflydi  irdboern 

Nordrnsendenes  y<lrr  kultur,  levesset  og  samfundsforhold  i   Vikingetiden  (Christiania,    191  - 


2CÖ  Die  Wikingerzeit. 

mit  dem  Rechtswesen.  Geschlecht  stand  gegen  Geschlecht  auf,  Zwietracht 
entstand  unter  ihnen  und  sie  fingen  an,  gegenseitig  Bürgerkrieg  zu  führen.  Sie 
sagten  zu  einander:  ,Laßt  uns  einen  Fürsten  suchen,  der  über  uns  regiere 
und  richte,  was  recht  ist'.  Und  sie  gingen  über  das  Meer  zu  den  Warjagern, 
zu  den  Russen,  wie  diese  Warjager  genannt  wurden,  wie  auch  andere  genannt 
wurden  Sviar,  andere  Normannen,  andere  Anglianer  und  andere  Goten.  Und 
die  Tschuden,  Slaven,  Krivitschen  und  Vessern  sagten  zu  den  Russen:  ,Unser 
Land  ist  groß  und  fruchtbar,  aber  es  ist  keine  Ordnung  darin,  so  kommt  doch 
über  uns  zu  herrschen'.  Und  drei  Brüder  mit  ihrem  Gefolge  wurden  auserwählt, 
sie  nahmen  alle  Russen  mit  sich  und  kamen.  Und  der  älteste  Bruder,  Rurik, 
setzte  sich  in  Nowgorod  nieder,  der  andere,  Sineus,  in  Bjelo-Jesero  und  der 
dritte  in  Isborsk;  der  hieß  Truwor.  Nach  diesen  Warjagern  wurde  das  Russische 
Reich  genannt,  nämlich  die  Xowgoroder,  d.  h.  das  nowgorodische  Volk  von 
warjagischem  Geschlecht;  früher  wTaren  die  Nowgoroder  Slaven.  Nach  Verlauf 
von  zwei  Jahren  starben  Sineus  und  sein  Bruder  Truwor.  Rurik  übernahm  dann 
die  Regierung  und  teilte  die  Städte  seinen  Leuten  aus,  einem  gab  er  Polotsk, 
einem  andern  Rostow  und  dem  dritten  Bjelo-Jesero.  Und  in  diese  Städte 
wanderten  die  Warjager  ein.  Die  früheren  Einwohner  in  Nowgorod  waren 
Slaven,  in  Polotsk  Krivitschen,  in  Rostow  Merern  und  in  Bjelo-Jesero  Vessern«1). 

Die  nordischen  Sagen,  nebst  zahlreichen  Altertümern,  die  in  den  Ländern 
östlich  vom  Baltischen  Meer  gefunden  worden  sind,  geben  unzweideutiges  Zeugnis 
davon,  daß  seit  uralten  Zeiten  das  schwedische  Volk  Beziehungen  zu  den  er- 
wähnten Ländern  hatte,  und  machen  es  wahrscheinlich,  daß  schon  sehr  früh 
größere  und  kleinere  Einwanderungen  dorthin  stattfanden.  Das  von  Nestor 
erwähnte  Auftreten  schwedischer  Häuptlinge  ist  deshalb  an  und  für  sich  nicht 
überraschend,  und  seine  Erzählung  wird  dadurch  bestätigt,  daß  man  gerade 
um  die  Städte  herum,  die  von  Nestor  warjagisch  genannt  werden,  eine  Menge 
Gräber,  Waffen  und  Schmucksachen  gefunden  hat,  über  deren  skandinavischen 
Ursprung  kein  Zweifel  herrscht. 

Man  muß  indessen  Nestors  Worte  nicht  so  verstehen,  als  ob  ein  Volk 
mit  Namen  Rus  erst  zu  der  angegebenen  Zeit  von  Schweden  herüberkam,  um 
so  weniger,  als  byzantinische  Schriftsteller  ungefähr  ein  Jahrhundert  früher  von 
einem  Einfall  in  das  oströmische  Reich  von  zweitausend  kleinen  »russischen 
Schiffen«  sprechen.  Auch  ist  in  fränkischen  Jahrbüchern  von  einer  Gesandtschaft 
des  byzantinischen  Kaisers  Theophilus  an  Kaiser  Ludwig  den  Frommen  die 
Rede,  mit  welcher  Gesandtschaft  einige  Männer  kamen,  die  dem  Volke  »Ros« 
angehörten.  Sie  waren  von  ihrem  König  an  den  byzantinischen  Kaiser  geschickt 
worden,  nun  aber  wTünschten  sie  mit  Ludwigs  Hilfe  auf  einem  anderen  Weg  in 
ihr  Vaterland  zurückzukehren,  weil  der  Weg,  den  sie  nach  Konstantinopel  ge- 
macht hatten,  durch  barbarische   und  wilde  Länder,    nicht  ohne  große  Gefahr, 

i)  Von  den  hier  erwähnten  Städten  ist  Nowgorod  die  in  unserer  älteren  Geschichte  so  oft 
vorkommende  Stadt  bei  dem  See  Ilmen.  Bjelo-Jesero  liegt  nördlich  von  Smolensk,  Isborsk  südlich 
vom  Peipus-See,  Polotsk  bei  Düna,  zwischen  Vitebsk  und  Diinaburg,  und  Rostow  südwestlich  von 
Jaroslav. 


Wäringerfahrten.  2C7 

führe.  Bei  näherer  Untersuchung  fand  der  fränkische  Kaiser,  daß  diese  Männer 
dem  schwedischen  Volk  zugehörten. 

Mehrere  Jahrhunderte  nach  Ruriks  Zeit  war  das  schwedische  Königshaus 
mit  dem  Großfürsten  in  Nowgorod  oder  Holmgärd,  wie  unsere  Vorfahren  diese 
Stadt  nannten,  durch  Heiraten  verschwägert,  und  mehr  als  einmal  erhielten 
diese  Fürsten  Hilfe  aus  Schweden. 

So  erzählt  Nestor,  daß  im  Jahre  977  der  Großfürst  Wladimir  von  Now- 
gorod, später  unter  dem  Beinamen  »der  Große«  bekannt,  vor  seinem  Bruder 
Jaropolk  über  das  Meer  flüchtete,  was  offenbar  nach  Schweden  bedeutet, 
worauf  Jaropolk  einen  Statthalter  in  Nowgorod  einsetzte  und  allein  über  Ruß- 
land herrschte.  Aber  drei  Jahre  danach  kam  Wladimir  mit  Warjagern  nach 
Nowgorod  zurück  und  es  glückte  ihm  schließlich,  seinen  Bruder  zu  be- 
siegen. Er  richtete  nun  eine  Art  stehendes  Heer  der  tapfersten  nordischen 
Krieger  ein,  das  er  nach  Kiew,  seiner  vornehmsten  Hauptstadt,  verlegte.  Diese 
Krieger  wurden  Warjager  oder  Wäringer  genannt,  was  Eidesverbundene 
bedeutet.1)  Warjager  war  jedoch  in  Rußland  eine  allgemeine  Bezeichnung  von 
Männern  aus  Ländern  westlich  von  der  Ostsee,  und  noch  zu  Ende  des  sech- 
zehnten Jahrhunderts  wurde  der  Ausdruck  Warjager  zur  Bezeichnung  der 
Schweden  benutzt. 

Als  Beweis  für  den  starken  nordischen  Einfluß  in  Rußland  zu  jener  Zeit 
hat  man  mit  Recht  den  merkwürdigen  Umstand  angeführt,  daß  während  der 
zwei  Jahrhunderte  nach  Rurik  der  größte  Teil  der  Männer,  die  in  der  russischen 
Geschichte  genannt  werden,  rein  nordische  Namen  haben,  die  trotz  der  Ver- 
drehung in  der  slavischen  Chronik  leicht  zu  erkennen  sind.  So  haben  beinahe 
alle  Bevollmächtigten,  die  im  Auftrage  der  russischen  Großfürsten  Oleg  und  Igor 
im  Jahre  911  und  945  mit  dem  griechischen  Kaiser  Frieden  schlössen,  nordische 
Namen.  Desgleichen  die  genannten  Großfürsten,  von  denen  Igor  der  Sohn  des 
Rurik  war;  denn  Oleg  ist  Helge2)  und  Igor  ist  Ingvar.  Von  den  Namen  der 
genannten  Bevollmächtigten  führen  wir  an:  Karl,  Inegeld,  Ivor,  Vuefast,  Uleb, 
Bern,  Schigobern,  Turbern,  Grim,  Kol,  Sven,  Gunar  und  andere  mehr.3) 

Die  lebhafte  Verbindung  zwischen  Rußland  und  Schweden  dauerte  noch 
bis  in  die  Mitte  des  elften  Jahrhunderts,  bis  zur  Zeit  des  Großfürsten  Jaroslavs, 
der  mit  Olof  Skötkonungs  Tochter  vermählt  war.  Nach  dessen  Tod  (1054) 
fing  Rußland  an,  sich  mehr  abzuschließen,  indem  die  Slaven  das  Übergewicht 
bekamen.  Bis  1598  stammten  Rußlands  Herrscher  jedoch  väterlicherseits  von 
Rurik  ab. 


1)  Das  \\,>rt  stammt  ohne  Zweifel  von  dem  altnordischen  vär  =  Eid,  heiliges  Gelübde,  Treu- 
versprechen. 

2)  Der  schon  damals  in  Rußland  vorkommende  Frauenname  •  Hga  wird  von  den  byzantini- 
schen Schriftstellern  Elga  geschrieben,  also  nur  durch  das  Fehlen  des  leichtverschwindenden  II  von  dem 
nordischen    Helga   verschieden. 

3)  Karl,    Ingjald,    Ivar,    Vigfast,    Ulf,  Björn,    Sigbjörn,    Torbjörn,    Grim,    Kol,   Sven.  Gunnar. 

Monte  lius,   Kulturgeschichte  Schwedens.  I" 


:58 


Die  Wikingerzeit. 


Nicht  nur  nach  Westen,  Norden  und  Osten  richteten  die  Nordländer  in 
dieser  tatenreichen  Zeit  ihre  abenteuerlichen  Fahrten;  auch  nach  Süden,  bis 
zu  dem  prachtvollen  Miklagärd  (»große  Stadt«)  oder  Konstantinopel  zogen  sie, 
um  in  des  Kaisers  Dienst  Ehre  und  Gold  zu  gewinnen. 

Nestor  erzählt,  daß  eine  Anzahl  Warjager,  die  mit  dem  Dienst  bei  dem 
ebenerwähnten  Großfürsten  Wladimir  dem  Großen  unzufrieden  waren,  nach 
Konstantinopel  gingen,  und  daß  Wladimir  dem  Kaiser  sagen  ließ:  »Sieh,  die 
Warjager  kommen  zu  dir!     Behalte   sie    nicht  in    der  Stadt,    denn    sie    werden 

Verdruß  erregen,  wie  sie  es 
hier  getan  haben;  sondern  ver- 
teile sie  an  verschiedenen 
Stellen  und  laß  keinen  von 
ihnen  hierher  zurückkommen«. 
Dies  soll  kurz  nach  980  ge- 
schehen sein. 

Der  griechische  Kaiser 
hatte  indessen  wahrscheinlich 
schon  vorher  ein  kleines  stehen- 
des Heer  von  Nordländern  oder 
Wäringern,  wie  sie  auch  in 
Konstantinopel ')  genannt  wur- 
den, zusammengebracht.  Diese 
Wäringer  leisteten  dem  Kaiser 
gute  Dienste  und  kamen  zu 
hohem  Ansehen.  Auch  zu  Haus 
im  Norden  galt  es  als  eine 
Ehre,  Wäring  in  Miklagärd  ge- 
wesen zu  sein,  und  Männer  aus 
den  vornehmsten  Geschlech- 
tern, selbst  Königssöhne,  ließen 
sich  in  diese  Truppe  aufnehmen. 
Harald  Sigurdsson,  Halbbruder 
Olafs  des  Heiligen,  war  lange 
Anführer  der  Wäringer  in  Miklagärd,  erwarb  Ehre  und  Reichtum  und  wurde, 
in  sein  Vaterland  zurückgekehrt,  König  von  Norwegen  unter  dem  Namen 
Harald  Härdräde. 

Die  ersten  in  den  Sagen  genannten  Wäringer  sind  Torkel  Tjostarsson 
und  Övind  Bjarnesson,  die  vor  dem  Jahre  950  in  Miklagärd  waren.  Die  by- 
zantinischen Geschichtsschreiber  erwähnen  die  Wäringer  jedoch  erst  im  Jahre 
1034.  Einzelne  Nordländer  mögen  aber  schon  längst  vor  der  Mitte  des  zehnten 
Jahrhunderts  den  Kaisern  in  Konstantinopel  gedient  haben.  Diese  hatten  sich 
nämlich,    wie  die  römischen  Kaiser,    schon  viele  Jahrhunderte  vorher   mit  ger- 


417.     Marmorlöwe  von  Piräus  (jetzt  in  Venedig). 
Höhe  3   m. 


1)  Bei  den  byzantinischen  Schriftstellern  kommt  der  Name  in  der  Form   »Varanger«   vor 


Wäringerfahrten.     Schiffe.  j;   , 

manischen  Leibwachen  umgeben,  auf  deren  Treue  und  Tapferkeit  sie  mehr 
rechneten,  als  auf  die  der  einheimischen  Truppen. 

Snorre  erwähnt,  daß  die  Wäringer  bei  dem  Tode  des  Kaisers  berechtigt 
waren,  in  seine  Schatzkammer  zu  gehen,  ;>wo  ein  jeder  das  Recht  hatte,  zu 
behalten,  was  er  mit  seinen  Händen  greifen  konnte«.  Das  nannten  sie  polu- 
tasvarf«,  das  heißt  Palastplünderung. 

Die  Kaiser  gebrauchten  die  »Axttragenden  Barbaren  aus  Thule«,  wie  die 
Wäringer  von  den  Griechen  genannt  wurden,  nicht  nur  als  Leibwache  in  Kon- 
stantinopel, sondern  schickten  sie  auch  auf  Kriegszügen  in  die  verschiedensten 
Teile  des  Reiches.  So  erzählt  Snorre,  daß  der  eben  erwähnte  Harald  Sigurdsson 
mit  den  Wäringern  nach  den  griechischen  Inseln,  nach  Sikelön  (Sizilien)  und 
nach  Afrika  fuhr;  in  Afrika  blieb  er  viele  Jahre,  gewann  dort  dem  Kaiser 
achtzig  Burgen  und  sammelte  große  Schätze  auf  eigene  Rechnung. 

Der  gewöhnliche  Weg  vom  Norden  nach  Byzanz  ging  nicht  über  See 
um  Westeuropa  und  durch  die  Meerenge  von  Gibraltar,  sondern  über  Rußland, 
den  Dnjepr  abwärts  bis  zu  seiner  Mündung  und  von  dort  über  das  Schwarze  Meer. 

Eine  interessante  Erinnerung  an  die  Fahrten  der  Nordländer  nach  Griechen- 
land in  der  Wikingerzeit  findet  sich  an  dem  Marmorlöwen  (Fig.  417),  den  die 
Venetianer  nach  der  Einnahme  Athens  (1687)  nach  Venedig  brachten,  und 
der  jetzt  am  Eingange  zum  Arsenal  steht;  früher  stand  er  am  Hafen  im  Piräus, 
der  gerade  deshalb  den  Namen  Porto  Leone  trug1).  Schon  vor  mehr  als  hundert 

o 

Jahren  entdeckte  der  schwedische  Sprachforscher  Akerblad,  der  damals  in 
Venedig  lebte,  daß  sich  auf  den  Seiten  des  Löwen  zwei  lange,  teilweise  ver- 
wischte Runeninschriften  befanden.  Der  Versuch,  diese  Inschriften  vollkommen 
zu  entziffern,  stellte  sich  aber  als  unmöglich  heraus,  weil  die  Runen  zu  abge- 
nutzt sind.  Wir  können  nur  sagen,  daß  sie  von  einem  Nordländer  eingeritzt 
worden  sein  müssen.  Der  Löwe  selbst  ist  griechische  Arbeit.  Die  Tierschlingen, 
welche  die  Runen  umgeben  und  noch  deutlich  zu  sehen  sind,  lassen  uns  doch 
die  Herkunft  des  Mannes  erkennen,  der  die  Runen  eingeritzt  hat.  Solche 
Schlingen,  genau  von  derselben  Art,  sind  nämlich  auf  Runensteinen  im  mittleren 
Schweden  sehr  allgemein,  besonders  in  der  Gegend  um  den  Mälarsee  und  am 
häufigsten  in  Uppland.  In  anderen  schwedischen  Landschaften  sind  solche 
Schlingen  auf  Runensteinen  sehr  selten  und  beinahe  nie  gerade  so  wie  auf  dem 
Löwen.  Dänemark  und  Norwegen  haben  nichts  Derartiges.  Also  stammen  die 
Türschlinsen  nebst  den  Runen  auf  dem  Piräuslöwen  von  einem  Mann  aus 
Schweden,  wahrscheinlich  aus  Uppland.  Er  wird  wohl  um  die  Mitte  des  elften 
Jahrhunderts    unter   der  Wiiringerschar  gewesen  sein. 

2.  Schiffe.  —  Waffen. 

Im  Zusammenhang  mit  den  Wikingerzügen  und  den  Wäringerfahrten  müssen 
wir  die  Schiffe  der  Nordländer2)  und  ihre  Waffen  aus  jener  Zeit  betrachten.  Mut 

i)    C.  C.  Rafn,  Inscription  runique    du  Piree,    in    den  Antiquars    de  l'Orient    (Kopenli 
[856).   —   S.   Bugge,   im   Manadsblad,    1875,   S.   97. 

2)  N.  E.  Taxen,    De  nordiske  Langskibe,    in  den  Aarböger  f.    nord.   Oldkynd.,    l886,   S 

17* 


2ÖO 


Die   Wikingerzeit. 


und  Tüchtigkeit  allein  würden  nicht  genügt  haben,    die  Siege  zu  erfechten,   es 
bedurfte  auch  guter  Schiffe  und  Waffen. 

Der  Schiffbau  stand  im  Norden  derzeit  wohl  höher  als  in  den  meisten 
christlichen  Ländern,  und  der  Reichtum  der  nordischen  Länder  an  Schiffen  muß 
groß  gewesen  sein,  wenn  auch  die  meisten  dieser  Fahrzeuge  natürlich  weit 
kleiner  waren  als  die  heutigen.  In  einem  Krieg  gegen  Dänemark  hatte  der 
schwedische  König  Anund  Jakob  eine  Flotte  von  mehr  als  vierhundert  Schiffen; 
bei  anderen  Gelegenheiten  werden  noch  mehr  erwähnt.  Ja  Snorre  Sturlesson 
erzählt  in  der  Sage  des  heiligen  Olaf,  daß  Knut  der  Große  Norwegen  mit 
zwölf  Hundert,  das  heißt  12  X  120=  1440  Schiffen  angriff  (man  rechnete  damals 
zehn  Zwölfer  auf  das  Hundert). 


418.    Normannisches  Schiff.     Tapete  in  Bayeux.1). 


Wenn  man  die  Schiffe  der  Wikingerzeit  und  der  älteren  Eisenzeit  mit- 
einander vergleicht,  bemerkt  man  einen  großen  Fortschritt:  auf  den  älteren 
Schiffen  sieht  man  keinen  Mast,  und  Tacitus  sagt,  wie  wir  gesehen  haben  (S.  196), 
daß  die  Schiffe  der  Svionen  keine  Segel  führten.  In  der  Wikingerzeit  kannte 
man  dagegen  die  Kunst  zu  segeln. 

Ein  damaliges  Schiff  hatte  gewöhnlich  nicht  mehr  als  einen  Mast  und  ein 
Segel  (Fig.  418).  Das  Segel  glich  zumeist  unseren  Rahsegeln  und  war  gewöhnlich 
aus  grobem  Wollenstoff,  oft  mit  blauen,  roten  und  grünen  Streifen.  Wie  hoch 
die  Nordländer  ihre  prächtigen  Segel  schätzten,  zeigt  eine  Erzählung,  in  der 
Sigurd  Jorsalafahrer  Sage.  Als  der  König  auf  dem  Rückweg  von  Jerusalem  nach 
Miklagärd  segeln  sollte,  lag  er  einen  halben  Monat  mit  seiner  ganzen  Flotte  still, 
ungeachtet  jeden  Tag  ein  guter  Mitwind  wehte;  er  wollte  aber  seitlichen  Wind 
abwarten,  so  daß  die  Segel  in  der  Längsrichtung  der  Schiffe  stünden  und  von 


1)  Auf  einem  langen  Wandteppich  in  Bayeux  (Normandie)  aus  der  Zeit  um  1100  ist  der  Zug 
Wilhelms  des  Eroberers  nach  England  dargestellt.  Frank  Rede  Fowke,  The  Bayeux  Tapestry 
(London,    1875). 


Schiffe. 


2ÖI 


419.    Schiff  von   Tune,   Norwegen. 


420.    Schiff  von  Gokstad,   Norwegen. 


'«^_ 


421.    Das  Schiff  von  Goksta.l,   wie  es  einmal   war. 


2Ö2  Die   Wikingerzeit. 

den  Zuschauern  auf  beiden  Küsten  bewundert  werden  könnten.  »Alle  seine 
Segel  waren  nämlich  mit  Seidenzeug  bekleidet,  und  zwar  auf  beiden  Seiten. 
Weder  im  Vorderteil  noch  hinten  im  Schiff  wollten  die  Leute  die  weniger 
schöne  Seite  der  Segel  sehen.  Als  König  Sigurd  in  Miklagärd  einfuhr,  segelte 
er  ganz  nahe  am  Lande.  Man  konnte  von  dort  aus  die  ganze  Breite  aller 
Segel  sehen,  die  einer  zusammenhängenden  Wand  glichen.  Alles  Volk  lief 
zusammen,   um  zu  sehen,  wie  Sigurd  segelte«. 

Die  Zahl  der  Ruder  war  oft  bedeutend;  die  Größe  der  Kriegsschiffe  wurde 
nach  der  Zahl  der  Ruderbänke  angegeben.  Ein  »Zwanzigsitzer«  war  ein  Schiff 
mit  zwanzig  Ruderbänken  oder  Ruderpaaren.  Olaf  Tryggvessons  berühmtes 
Schiff  »Der  Lange  Wurm«,  seinerzeit  das  größte  in  Norwegen,  hatte  vierund- 
dreißig Paar  Ruder  mit  tausend  Mann  Besatzung;  der  Kiel  maß  45  m  Länge 
(150  Fuß).  Knut  der  Große  hatte  ein  Schiff  mit  sechzig  Paar  Rudern.  Gewöhnlich 
lagen  alle  Ruder  in  einer  Reihe;  aber  Erling  Skakke  in  Norwegen  ließ  im 
zwölften  Jahrhundert   ein  Schiff  mit   zwei  Reihen  übereinander  bauen. 

Das  Steuer  befand  sich,  wie  an  den  früher  (S.  196)  besprochenen  Schiffen 
aus  der  älteren  Eisenzeit,  nicht  in  der  Mittellinie,  sondern  etwas  rechts  von 
derselben. 

Gewöhnlich  waren  die  Schiffe  bemalt  und  die  Reling  mit  einer  Reihe  von 
Schilden  geschmückt  (Fig.  421).  Der  Vordersteven  endete  oft  mit  einem  ver- 
goldeten Drachenkopf,  wodurch  der  Name  »Drache«  aufkam,  und  der  Hinter- 
steven hatte  oft  Ähnlichkeit  mit  einem  Drachenschwanz.  Aus  einer  Stelle  in 
Olaf  Tryggvessons  Sage  sehen  wir,  daß  die  schwellenden  Segel  als  die  Flügel 
des  Drachen  betrachtet  wurden.  Einige  Schiffe  hatten  einen  Drachenkopf  an 
jedem  Steven,  andere  am  Vordersteven  einen  Männerkopf  oder  einen  vergol- 
deten Bisonochsenkopf.  Letzteres  war  der  Fall  mit  Olaf  des  Heiligen  Schiff, 
das  deshalb  der  »Wisund«  genannt  wurde.  Derselbe  König  schnitzte  eigen- 
händig einen  Männerkopf  für  den  Vordersteven  seines  Schiffes   »Karlshaupt«. 

Erik  Jarl  hatte  in  der  Schlacht  bei  Svolder  ein  großes  Schiff,  das  »Jern- 
barden«  hieß;  jeder  Steven  war  mit  einer  dicken  Eisenplatte  beschlagen  und 
mit  Eisenspitzen  versehen. 

Vor  einer  Seeschlacht  pflegte  man  die  Vordersteven  aneinander  zu  binden, 
so  daß  die  Schlachtlinie  ein  zusammenhängendes  Ganzes  bildete.  Der  heftigste 
Kampf  entwickelte  sich  daher  am  Vordersteven,  wo  auch  die  besten  Krieger 
gewöhnlich  ihren  Platz  hatten. 

Wenn  die  Schiffe  still  lagen,  besonders  bei  Nacht,  wurden  Zelte  darüber 
gespannt.  Der  Häuptling  lag  auf  der  Erhöhung  unter  dem  Zelt.  Zuweilen 
lagerte  man  jedoch  am  Strand  unter  Zelten. 

Den  Unterschied  zwischen  Kriegs-  und  Handelsfahrzeugen  zeigt  Snorre 
Sturlessons  Erzählung,  wie  der  alte  Norweger  Härek  von  Tjotta  durch  den 
Öresund  entkam.  Nach  der  Schlacht  bei  Helgeän,  als  Olaf  Haraldsson  in  der 
Ostsee  eingeschlossen  war  und  über  Land  heimkehren  mußte,  hielt  Härek  sich 
für  zu  alt  zu  dieser  Wanderung  und  fuhr  allein  über  See.  Als  er  nun  an  den 
von  den  Dänen  bewachten  Öresund  kam,  nahm  er  den  Mast  herunter,  spannte 


Waffen. 


26' 


422.    Schwertgriff  aus  Eisen,  mit  Silber 
inkrustiert.     Södermanland.    y.2. 


424.  Schwertgriff  aus  Eisen  und  ver- 
goldetem Silber,  mit  Golddraht  umwickelt; 
der  Knauf  auch  von  oben  gesehen. 
Skane.    Yj. 


& 


V 


'■[•   ^P^PH-'.'t; 


423.  Eisernes 

Wikinger- 
schwert.   Smä- 
land.    l/0. 


<K.S 


425.  Bronzenes  Ortband  einer  Schwert- 
scheide.   Öland.    Yi- 


126.     Stück   einer  damaszierUn   Schwert- 
klinge.    Bohuslän.  '/i- 


264 


Die  Wikingerzeit. 


graues  Zelttuch  über  die  Schiffsseiten  und  ließ  nur  einige  Ruder  vorn  und 
hinten  gehen,  während  die  Hauptzahl  der  Mannschaft  sich  hinlegen  mußte,  um 
nicht  gesehen  zu  werden.  Dadurch  getäuscht,  hielten  die  Dänen  das  Schiff 
für  ein  Handelsschiff,  das  mit  Häringen  oder  Salz  beladen  sei,  und  Härek  kam 
unbehelligt  davon. 

In  Schweden  kennen  wir  nun  keine  Schiffe  mehr  aus  der  Wikingerzeit, 
obwohl  vielleicht  Reste  von  solchen  bei  zukünftiger  Untersuchung  noch 
unberührter  Gräber  zutage  kommen  werden.  In  Norwegen  hat  man  aus 
den  Grabhügeln  von  Tune,  Gokstad  und  Oseberg1)  —  alle  am 
Christianiafjord  —  drei  merkwürdig  gut  erhaltene  »Wikinger- 
schiffe« ausgegraben,  die  im  Universitätsmuseum  zu  Christiania 
aufgestellt  sind  (Fig.  419 — 421).  Besonders  das  bei  Gokstad 
gefundene  Schiff  ist  wunderbar  gut  erhalten,  was  darauf  be- 
ruht, daß  der  Hügel  zum  großen  Teil  aus  blauem  Lehm 
bestand.  Das  Gokstadschiff  ist  24  m  lang  und  war  an  der 
Reling  mit  Schilden  geschmückt,  abwechselnd  mit  einem  hellen 
und  einem  dunklen. 


Von  den  Waffen  der  nordischen  Wikinger  haben  wir 
zahlreiche  Funde  und  mannigfaltige  Erzählungen. 

Verteidigungswaffen  sind  fortdauernd:  Panzer,  Helm 
und  Schild. 

In  den  nordischen  Gräbern  aus  der  Wikingerzeit  sind 
allerdings  Reste  von  Panzern  sehr  selten  und  solche  von  Helmen 
niemals  gefunden  worden,  aber  es  wird  viel  von  ihnen  in  der 
Edda  und  in  den  Sagas  gesprochen.  Die  Bänke  in  Odens 
Saal,  glaubte  man,  waren  mit  Panzern  bedeckt.  Außer  den 
Panzerhemden  aus  Eisen,  wie  das  Fig.  277  abgebildete,  wurden 
auch  oft  Panzer  aus  Leder,  dickem  Sacktuch  oder  ähnlichem 
benutzt. 

Schildbuckel  aus  Eisen  sind  in  den  schwedischen  Gräbern 
aus  der  Wikingerzeit  nicht  selten  (Fig.  433).    Die  Schilde  selbst, 


:*J:: 


427.  Eisernes  Schwert 


mit  Inschrift:        die   aus  Holz  waren,   sind    meistens   zerstört;    daß  sie,    wie  in 

\  LFBERHT.  Nor-  ^      vorhergehenden  Zeit    (S.   234)    rund    waren,    beweisen  die 
wegen.    1/4.2)  fe  v  J*iv 

Schilde    des    Gokstadschiffes    (Fig.    430),    ferner    Abbildungen 

und  poetische  Umschreibungen,   wie  das   »Rad  des  Streites«. 

Die  Angriffswaffen  der  Wikingerzeit  waren:  Schwert,  Lanze,  Keule,  Bogen 
und  Pfeile  und  nicht  zum  mindesten  die  Axt,  die  als  die  fürchterlichste  Waffe 
der  Nordmannen  galt  (Fig.  422 — 432). 

Die    Lanzenspitzen    und  Axtblätter    sind  zuweilen    mit  Silber    oder  Gold 


1)  I.  ündsct,  Universitetets  Sämling  af  nordiske  Oldsagcr  (Christiania,  1878),  S.  90  (Tune). 
—  N.  Nicolaysen,  The  Viking-ship  from  Gokstad  (Christiania,  1882).  —  G.  Gustafs on,  Oseberg- 
fundet,  in  der  Aarsberetning  af  Foreningen  til   norske  Fortidsmindesmserkers  Bevaring  for  1904,  S.  107. 

2)  A.  Lorange,  Den  yngre  jernalders  svrerd  (Bergen,   1889). 


Waffen. 


265 


429.    Eiserne  Axt.    Gotland,  ^/g. 


" 


m 


428.  Eiserne 
Lanzenspitze, 

mit  Silber 
verziert.      Got- 

land.     «/,. 


430.  Hölzerner  Schild,  mit  eiserner  Buckel;  auch   im 
Durchschnitt  gesehen.      Gokstad,   Norwegen.    1;20. 


. 


432.    Eiserne   Lanzen- 
.-pitzc.     Gotland.     1/3. 


431.    Eiserne  Axt.    Uppland.    1/3 


2  66  Die   Wikingerzeit. 

verziert;  Bogen  und  Pfeile  wurden  im  Kampf  ebenso  wie  auf  der  Jagd  ange- 
wendet. In  den  Gräbern  aus  der  Wikingerzeit  wurden  Pfeilspitzen  aus  Eisen 
sehr  oft  mit  anderen  Waffen  zusammen  gefunden,  und  im  Seekampf  waren  die 
Bogenschützen  oft  von  großer  Wichtigkeit. 

Im  Kampf  wurden  den  Häuptlingen  Abzeichen  vorausgetragen.  Man 
kennt  allerdings  keine  schwedischen  Abbildungen  von  solchen,  aber  aus  dem 
normannischen  Bayeux-Teppich  sehen  wir,  daß  die  Abzeichen  an  Form  und 
Größe  den  in  späteren  Zeiten  benutzten  Standarten  glichen.  Fig.  418  zeigt  ein 


433.    Eiserne  Schildbuckel.    Medelpad.     J/2. 

solches  Abzeichen  im  Achterteil  eines  Schiffes  an  der  Stelle,  wo  heute  die 
Flagge  angebracht  ist.  Auf  den  Abzeichen  der  nordischen  Könige  waren  oft 
die  heiligen  Raben  Odens  dargestellt. 

3.  Friedlicher  Verkehr  mit  fremden  Ländern. 

Der  Verkehr  zwischen  dem  Norden  und  der  übrigen  W'elt  während  der 
Wikingerzeit  war  nicht  immer  kriegerisch.  Der  friedliche  Verkehr  war  von 
einer  Wichtigkeit,  die  man  früher  allzusehr  geneigt  war,  zu  unterschätzen. 

Unter  den  friedlichen  Fahrten  der  Nordländer  in  dieser  Zeit  müssen  wir 
vor  allem  an  die  kühnen  Entdeckungsreisen  erinnern,  die  sie  damals  machten. 
Sie  besiedelten  Island;  von  dort  aus  entdeckten  sie  erst  Grönland  und  um  das 
Jahr  1000  Vinland,  oder  den  nordöstlichen  Teil  Nordamerikas.  Den  Nordländern 
kommt  die  Ehre  zu,  soweit  die  Geschichte  davon  weiß,  als  erstes  unter  allen 
europäischen  Völkern  Amerika  entdeckt  zu  haben;  erst  ein  halbes  Jahrtausend 
später  fanden  die  Einwohner  Südeuropas  den  Weg  zur  neuen  Welt,  möglicher- 
weise dazu  veranlaßt  durch  die  Berichte  von  den  Fahrten  der  nordischen  Völker. ' 

Auch  die  ersten  Entdeckungsreisen  in  die  Polargegenden  wurden  von  den 
Nordländern  jener  Zeit  vorgenommen.  Der  norwegische  König  Harald  Härdräde 
segelte  in  der  ersten  Hälfte  des  elften  Jahrhundertes  so  weit  nördlich  in  das 
Eismeer,  wie  es  ihm  möglich  war,  nur  um  zu  erforschen,  wie  weit  das  Meer 
sich  erstrecke. 

Wie  schon  angedeutet,  waren  die  Einwohner  Schwedens  zu  der  Zeit,  als 
beinahe  seine  ganze  jetzige  Westküste  dänisch  oder  norwegisch  war,  durch  die 
Lage   ihres  Landes  hauptsächlich   auf  Verkehr    mit   den  Ländern   an   der  Süd- 


Friedlicher  Verkehr  mit  fremden  Ländern. 


267 


und  Ostküste  der  Ostsee  hingewiesen.  Aber  auch  mit  den  Ländern  in  West- 
europa stand  das  alte  Svitjod  in  kriegerischer  wie  in  friedlicher  Verbindung, 
insbesondere  mit  England. 

In  Uppland  und  Gestrikland,  in  Westmanland,  Södermanland,  Östergötland 
und  Smaland  sind  zahlreiche  Runensteine  in  dieser  Zeit  zum  Andenken  an 
Männer  errichtet,  die  nach  England  gefahren  waren.  So  befindet  sich  in  der 
Kirchenmauer  von  Gamla  Uppsala  ein  Runenstein,  den  »Sigvid  der  Englandfahrer 
seinem  Vater  setzte.  Sigvid  war  also  glücklich  von  seiner  Fahrt  heimge- 
kommen. Von  anderen  wird  ausdrücklich  gesagt,  daß  sie  in  England  starben. 
So  von  einem  Mann  aus  dem  Kirchspiel  Hjälstad  in  Uppland,  von  einem 
anderen  aus  der  Westeräsgegend,  von  einem  Sverre  aus  der  Gegend  von  \y- 
ki'iping,  von  Toke  aus  dem  Kirchspiel  Kaga  in  Östergötland,  von  Tore  aus 
dem  Kirchspiel  Berga  in  Finveden  (Smaland)  und  anderen  mehr.  Allen  diesen 
wurden  Denksteine  gesetzt,  deren  Runeninschriften  die  näheren  Umstände  angeben. 


434.   Angelsächsische  Silbermünze   (Edward  I.). 
Schweden.  */i- 


435.  Angelsächsische  Silbermünze  (/Ethelrasd). 
Uppland.   J/j. 


436.   Schwedische   Silbermünze   (Olof  Skötkonung).   Schweden.   *  ,. 


Bei  Kolstad  im  Kirchspiel  Häggeby,  Uppland,  steht  ein  Runenstein,  der 
von  zwei  Söhnen  ihrem  Vater  Gere  gesetzt  wurde,  der  im  Westen  im  Tingalid 
saß.  Er  war  ohne  Zweifel  einer  der  Thingamannalid  bildenden  Söldner,  die 
sich  die  englischen  Könige  im  elften  Jahrhundert  hielten.  Dies  Söldnerheer 
wurde  unter  Knut  dem  Großen  um  1018  aufgestellt  und  kurz  nach  der  Mitte 
des  Jahrhunderts  aufgelöst.  Der  Zusatz  Gott  helfe  seiner  Seele«  zeigt,  daß 
die,  welche  die  Inschrift  schrieben,  getauft  waren.  Im  Kirchs >iel  <  »sseby  in 
Uppland  hat  man  bei  Wäsby  einen  Runenstein  mit  folgender  merkwürdiger 
Inschrift  gefunden:  »Ale  ließ  diesen  Stein  sich  selber  setzen,  er  nahm  für 
Knut  Steuer  in  England  ein.  Gott  helfe  seiner  Seele  .  Mit  Knut  ist  ohne 
Zweifel  der  eben  erwähnte  König  gemeint. 

Ein  Runenstein  bei  Rösäs  im  Kirchspiel  Nävelsjö,  Smaland,  ist  einem 
Gunnar  gesetzt,  der  von  seinem  Bruder  in  einer  Steinkiste  in  der  englischen 
Stadt  Bath  begraben  wurde. 

Noch  zahlreichere  Andenken  an  die  Fahrten  haben  wir  durch  Tausende 
von  angelsächsischen   Münzen   aus  der  Wikingerzeit,  die   in    schwedischer  Erde 


268 


Die   Wikingerzeit. 


gefunden  wurden.  Wir  kennen  mehr  als  zwanzigtausend  allein  aus  den  letzten 
hundert  Jahren,  alle  aus  Silber.  Noch  weit  mehr  sind  sicher  früher  gefunden 
worden,  wie  zahlreiche  Berichte  von  solchen  Funden  beweisen. l) 

Wider  Erwarten  sind  gerade  Münzen  aus  dem  neunten  und  dem  größten  Teil 
des  zehnten  Jahrhunderts  (Fig.  434)  sehr  selten  in  Schweden  und  in  den  anderen 
skandinavischen  Ländern  gefunden  worden2),  obwohl  die  Nordländer  damals  große 
Strecken  Englands  eroberten  und  König  Alfred  mit  ihnen  verzweifelt  focht,  um 
die  Selbständigkeit  seines  Landes  zu  retten.  Die  weit  überwiegende  Mehrzahl 
ist  vom  Ende  des  zehnten  und  aus  dem  elften  Jahrhundert.  Besonders  häufig 
sind  solche,  die  den  Namen  des  Königs  Ethelred  tragen  (Fig.  435);  das  schwe- 
dische Nationalmuseum  besitzt  mehr  davon  als    irgend    eine  andere  Sammlung, 


437.   Fränkische  Silbermünze  (Pipin). 
Westergötland.  1/, . 


439.   Arabische  (»kufische«)  Silbermünze 
(903   in   Samarkand  geprägt).    Gotland.     i/1. 


438.  Deutsche   Silbermünze  (Otto   III.   und 
Adelheid).    Goüand.    Vi- 


440.    Byzantinische  Silbermünze  (948  —  959). 
Uppland.   ij1. 


selbst  das  Britische  Museum.  Dies  erklärt  sich  wahrscheinlich  aus  den  großen 
Summen,  die  Ethelred  nach  seinen  unglücklichen  Kämpfen  den  Xordmannen 
geben  mußte.  Er  soll  als  solches  »Dänengeld«  nicht  weniger  als  167,000  Pfund 
Silber  ausgezahlt  haben. 

Die  eigentümliche  Art,  auf  die  seine  Münzen  und  Münzen  anderer  vor 
und  nach  ihm  regierender  englischer  Könige  in  den  verschiedensten  Teilen  des 
Nordens  angetroffen  werden,  verlangt  aber  noch  eine  besondere  Erklärung.  Da 
die  Mehrzahl  der  Nordländer,  welche  die  in  England  erpreßten  Silberschätze 
heimführten,  wohl  in  Dänemark,  im  westlichen  Schweden  und  in  Norwegen 
ansässig  waren,  sollte  man  erwarten,  daß  die  Hauptmasse  dieser  Münzen  gerade 
in  jenen  Gegenden  zu  finden  gewesen  wäre.    Das  ist  aber  nicht  der  Fall,  viel- 


1)  B.  E.  Hildebrand,  Anglosachsiska  mynt  i  Svenska  kongl.  Myntkabinettet,  funna  i  Sveriges 
jord  (Stockholm,  1846;  2  Aufl.  1881).  —  H.  Hildebrand,  Angelsaksiska  myntfynd  i  Sverige  efter 
1845,  im  Mänadsblad,    1886  und    1S87. 

2)  Mänadsblad,    1877,   S.   495. 


Friedlicher   Verkehr  mit   fremden   Ländern.  2ÖQ 

mehr  kommen  sie  hauptsächlich  an  der  schwedischen  Ostseeküste,  am  Mälarsee 
und  in  der  Nähe  der  größeren  Wasserläufe  vor,  die  in  Verbindung  mit  der 
Ostsee  stehen,  vor  allem  aber  auf  Oland  und  besonders  zahlreich  auf  dem  am 
weitesten  von  England  entfernt  liegenden  Teil  des  Nordens,  auf  ( iotland,  woher 
wohl  nur  ein  geringer  Teil  der  Krieger  stammte,  die  das  Land  der  Angelsachsen 
brandschatzten. 

Dies  weist  darauf  hin,  daß  die  meisten  dieser  Münzen  nicht  unmittelbar 
nach  der  Heimkehr  der  Englandfahrer  der  Erde  anvertraut,  sondern  durch  den 
Handel  dorthin  gebracht  worden  sind,  wo  man  sie  später  ausgegraben  hat. 

Außer  den  angelsächsischen  Münzen  hat  man  in  schwedischer  Erde  auch 
Münzen,  die  für  die  nordischen  Könige  in  Dublin  geprägt  worden  waren,  und 
Schmucksachen,  die  entweder  von  den  Britischen  Inseln  mitgebracht  oder  nach 
von  dort  stammenden  nachgebildet  worden  sind,  gefunden. 

Die  Verbindung  mit  England  zeigt  sich  auch  darin,  daß  die  Münzen  des 
Olof  Skötkonung  (Eig.  436)  und  Anund  Jacob  nicht  nur  nach  gleichzeitigen 
englischen  Münzen  kopiert,  sondern  sogar  von  englischen  Münzmeistern  geprägt 
worden  sind,  wie  aus  den  Namen  auf  dem  Avers  und  angelsächsischen  Worten 
in  der  Umschrift  erhellt. 

Einen  noch  weit  wichtigeren  Einfluß  hat  England  auf  unser  Vaterland 
durch  Sendboten  des  Christentumes  ausgeübt,  die  zum  schließlichen  Sieg  der 
neuen  Religion  in  Schweden   kräftig  beitrugen. 

Ebenso  wie  die  Wikingerzüge  nach  den  Britischen  Inseln  vor  der  letzten 
Hälfte  des  zehnten  Jahrhunderts,  haben  auch  die  Fahrten  nach  Frankreich  vor 
dieser  Zeit  nur  wenige  Denkzeichen  bei  uns  hinterlassen.  Aus  allen  drei  nordischen 
Ländern  kennt  man  nicht  fünfzig  fränkische  Münzen,  die  von  den  fränkischen 
Herrschern  im  achten  und  neunten  Jahrhundert  geprägt  sind   (Fig.  437) x). 

Deutsche  Münzen  aus  der  zweiten  Hälfte  des  zehnten  und  der  ersten 
Hälfte  des  elften  Jahrhunderts  sind  dagegen  im  ganzen  Norden,  besonders  in 
Schweden,  sehr  zahlreich.  Sie  sind  sogar  häufiger  als  die  angelsächsischen 
Münzen;  an  einzelnen  Stellen  fanden  sich  tausende  beieinander.  Sie  sind  teils 
für  deutsche  Kaiser  und  Könige,  teils  für  Könige  und  Fürsten,  Erzbischöfe  und 
andere  geistliche  Autoritäten  und  auch  für  Städte  in  verschiedenen  Teilen  des 
jetzigen  Deutschlands,  in  Böhmen  und  den  Niederlanden  geschlagen.  Die  meisten 
Prägestellen  sind  an  den  großen  Flüssen  Deutschlands,  den  alten  Pulsadern 
des  Handels,  der  Elbe,  Donau  und  besonders  am  Rhein  mit  seinen  Neben- 
flüssen zu  suchen.  Am  häufigsten  sind  unter  t\en  Kaisermünzen  die,  welche 
den  Namen  Ottos  des  Dritten  und  seiner  Großmutter  Adelheid  tragen  (Fig.  438). 
Sie  regierte  für  den  minderjährigen  Enkel  von  991  bis  995.  Unter  den  St. alte 
münzen  und  den  Münzen  der  geistlichen  Territorien  herrschten  die  kölnischen 
vor.     Münzen  der  böhmischen  Herzöge  sind  auch  sehr  zahlreich. 

Außer  diesen  Münzen  fand  man  einige  aus  Ungarn  und  Morditalien,  die 
wohl   mit   den   deutschen   Münzen   hierher    kamen    und    daher    nicht     als    Beweis 


ii   Montelius,  im   Mänadsblad,    [873,    S     [69. 


-,  jq  Die  Wikingerzeit. 

eines  unmittelbaren  Verkehres  zwischen   diesen  Ländern    und  dem  Norden    an- 
gesehen werden  können. 

Vielfach  finden  sich  auch  arabische  Münzen  (Fig.  439) 1). 

Die  Araber  prägten  damals  Gold  und  Silber,  aber  beinahe  nur  Silber- 
münzen, die  sogenannten  »Dirhemen«  sind  bis  zu  uns  gekommen.  Goldmünzen 
sind  äußerst  selten.     Dasselbe  gilt  von  den  anderen  nordischen  Ländern. 

Die  ältesten  in  Schweden  gefundenen  kufischen  Münzen2)  sind  freilich  in 
den  letzten  Jahren  des  siebenten  Jahrhundertes  geprägt,  aber  bei  näherer  Unter- 
suchung hat  es  sich  gezeigt,  daß  sie  alt  waren,  als  sie  hierher  gelangten.  Erst 
gegen  Ende  des  neunten  Jahrhunderts  haben  die  arabischen  Münzen  ihren  Weg 
hierher  gefunden.  Die  meisten  sind  von  der  Mitte  des  neunten  Jahrhunderts  bis 
zur  Mitte  des  zehnten,   die  jüngsten  um  das  Jahr    1000  geprägt. 

Man  kennt  mehr  als  20.000  arabische  Münzen,  die  nur  während  der 
letzten  hundert  Jahre  in  Schweden  gefunden  worden  sind,  also  ungefähr  die- 
selbe Anzahl  wie  von  den  angelsächsischen  Münzen.  Die  arabischen  wiegen 
aber  doppelt  so  viel  als  die  anderen. 

Diese  arabischen  Münzenfunde  verteilen  sich  auf  die  verschiedensten  Ge- 
genden in  Schweden,  ebenso  wie  die  angelsächsischen  und  deutschen;  die 
meisten  entfallen  auf  Gotland,  nämlich  mehr  als  die  Hälfte  aller  kufischen 
Münzen  im  ganzen  Norden.  In  großer  Menge  sind  solche  Münzen  auch  auf 
Öland  und  in  den  östlichen  Küstenlandschaften,  von  Skäne  bis  Uppland, 
gefunden  worden.  Weiter  nach  Norden  fand  man  sie  auch  längs  der  Küste,  die 
nördlichsten  in  Ängermanland.  An  Schwedens  Westküste  und  im  Innern  des 
Landes,  wie  auch  in  Norwegen,  kommen  sie  nur  selten  vor.  Diese  Verteilung 
der  von  Osten  gekommenen  Münzen  ist  aber  natürlicher  als  die  der  west- 
europäischen. 

Die  deutschen  und  arabischen  Münzen  zeugen  von  weit  ausgestreckten 
Handelsverbindungen,  einem  Handel,  von  dem  unsere  schriftlichen  Quellen  wenig 
oder  nichts  ergeben.  Man  neigte  vereinzelt  wohl  dahin,  das  Vorkommen  der 
arabischen  Münzen  mit  den  Wikingerzügen  nach  dem  zum  großen  Teil  von 
Arabern  bewohnten  Spanien  in  Verbindung  zu  bringen.  Schon  eine  flüchtige 
Bekanntschaft  mit  den  Verhältnissen  verbietet  aber  eine  solche  Annahme.  Gewiß 
können  einige  Stücke  auch  auf  jenem  Wege  hierher  gekommen  sein,  aber  ihre 
Anzahl  ist  auf  jeden  Fall  verschwindend  klein.  Die  allermeisten  sind  über  Ruß- 
land gekommen,  wo  große  Funde  von  arabischem  Silber  die  Wege  bezeichnen, 
die  der  Handel  zwischen  Asien  und  dem  Norden  zu  jener  Zeit  ging.  Allerdings 
läßt  sich  eine  unmittelbare  Handelsverbindung  zwischen  Skandinavien  und  den 
arabischen  Ländern  in  Asien  nicht  beweisen,  aber  der  russische  Zwischen- 
handel war  lange  sehr  bedeutend3). 


1)  Solche  arabische  Münzen  pflegt  man  kufische  zu  nennen.  Diese  Bezeichnung  kommt  von 
Kufa,  —  einem  Kalifensitz  südlich  von  Bagdad,  an  einem  Nebenfluß  des  Euphrat  gelegen,  —  ist 
jedoch  ungenau;   nur  wenige   stammen  wirklich   von  jener  Stadt  her. 

2)  C.  J.   Tornberg,  Numi  cufici  regii  Numophylacii  Holmiensis  (Upsala,  1848). 

3)  Mänadsblad,    1890,  S.    186. 


Friedlicher  Verkehr  mit  fremden  Ländern. 


271 


Ein  kleinerer  Teil  des  arabischen  Silbers  kann  jedoch  auf  andere  Art  als 
durch  den  Handel  nach  Rußland  gekommen  sein.  Die  in  diesem  Land  an- 
sässigen Nordländer  —  Russen  in  der  ursprünglichen  Bedeutung  —  haben 
nämlich  von  den  mohammedanischen  Ländern  in  Asien  ebenso  wie  die  nor- 
dischen Wikinger  aus  Westeuropa  kostbare  Beute  weggeschleppt.  So  wird  von 
einem  zeitgenössischen  Schriftsteller  ein  Kriegszug  erwähnt,  den  die  Russen 
im  Anfang  des  zehnten  Jahrhunderts  bis  zum  Kaspischen  Meer  ausführten,  auf 
welchem  Meer  man  schon  seit  langer  Zeit  gewohnt  war,  nur  Fischerboote  und 
friedliche  Handelsschiffe  zu  sehen.  Die  Russen  waren  mit  vielen  Schiffen  den 
Dnjepr  zum  Schwarzen  Meer  hinabgezogen,  hatten  die  Krim  umsegelt  und 
durch  das  Asowsche  Meer 
die  Mündung  des  Don  ge- 
wonnen. Dann  fuhren  sie 
stromaufwärts,  und  wo  dieser 
Fluß  sich  der  Wolga  nähert, 
zogen  sie  ihre  Schiffe  über 
Land,  setzten  sie  in  die 
Wolga  und  segelten  den  Fluß 
hinab  in  das  Kaspische  Meer, 
dessen  Küsten  sie  durch 
mehrere  Monate  brandschatz- 
ten. Dann  gingen  sie  den 
Fluß  Kur  hinauf  und  ver- 
weilten über  ein  Jahr  krieg- 
führend in  jenen  Gebieten. 

Das  Silber,  das  sie  auf 
diese  Art  gewannen,  war  je- 
doch eine  Kleinigkeit  im 
Vergleich   zu    dem,   was  der  c.,,  „  ,    .      ,      ,     *     c       .,«,«/ 

&  441.     Silberner  Halsring  (modern).    Sumatra.   e/a. 

Handel   unauffällig,  aber   un- 
ablässig  während  langer  Zeitenräume  von  Asien  nach  Europa  brachte. 

Die  meisten  bei  uns  in  der  Erde  gefundenen  arabischen  Münzen  aus  jener 
Zeit  sind  für  samanidische  Fürsten  geschlagen,  die  die  Länder  östlich  vom 
Kaspischen  Meer  beherrschten,  und  aus  deren  Hauptstadt  Samarkand  eine  große 
Menge  stammt.  Demnächst  an  Zahl  kommen  die  für  abassidische  Kalifen 
prägten,  die  meisten  aus  Bagdad.  Außerdem  finden  sich  die  Namen  vieler 
anderer  asiatischer  Städte.  Die  wenigen  in  Spanien  und  Afrika  geprägten 
Münzen,  die  den  Weg  in  unser  Land  fanden,  sind  fast  ausnahmslos  von  dort 
erst   nach  Asien   und    von    Asien    mit   den   anderen   Münzen    hierhergekommen. 

Auch  arabische  Halsringe,  Armringe,  Spangen  und  andere  silberne  Schmuck- 
sachen in  Formen,  die  vorher  hier  nicht  in  Gebrauch  waren,  kamen  nach 
Norden  und  sind  bei  uns  zusammen  mit  den  arabischen  Münzen  gefunden 
worden.  Viele  solche  Schmucksachen  sind  auch  nach  östlichen  Mustern  hier 
kopiert.     Noch   heute   werden    in  arabischen   Ländern  Silberschmucksachen 


272  Die  Wikingerzeit. 

tragen,  die  oft  auffallend  an  diejenigen  erinnern,  die  unsere  Vorväter  vor  einem 
Jahrtausend  aus  dem  Osten  bekamen  (Fig.  441). 

Rußland  verband  unsere  Heimat  auch  mit  dem  byzantinischen  Kaiserreich. 
Die  bereits  (S.  257)  erwähnten  Friedensverträge,  die  in  den  Jahren  911  und  945 
zwischen  den  russischen  Großfürsten  und  den  byzantinischen  Kaisern  geschlossen 
wurden,  dienten  unter  anderem  gut  dem  russischen  Handel  mit  Konstantinopel. 
Daß  schwedische  Kaufleute  diese  Stadt  oft  in  Gesellschaft  mit  den  Wäringern 
oder  ihren  russischen  Anverwandten  besuchten,  ist  mehr  als  wahrscheinlich, 
und  sicher  ist,  daß  Schweden  aus  Konstantinopel  kostbare  Stoffe  und  andere 
begehrte  Handelsartikel  im  Austausch  gegen  Pelzwerk  und  anderes  erhielten. 
Einige  byzantinische  Silbermünzen  (Fig.  440)  aus  jener  Zeit  finden  sich  auch 
in  unserer  Erde  vor. 

Der  Handel  mit  Rußland  gab  den  Handelsplätzen  an  der  Ostküste  von 
Schweden,  und  vor  allem  Gotland,   eine  große  Bedeutung. 


Von  den  Fahrten  schwedischer  Männer  nach  Osten,  kriegerischen  und 
friedlichen,  zeugen  noch  zahlreiche  Runensteine  in  verschiedenen  Teilen  des 
Landes.  Viele  sind  Männern  gesetzt,  die  den  »Ostweg«  oder  nach  »Österreich« 
fuhren,  das  heißt  nach  den  Ländern  im  Osten;  andere  nennen  bestimmte  Fahrten 
nach  Finnland,  Tavastland,  Estland,  Wirlande  (Teil  von  Estland),  Livland, 
»Gärdarne«    (Gärdarike,  Rußland)  und  Holmgärd  (Novgorod). 

Ein  Runenstein  im  Kirchspiel  Ytter-Selö,  Södermanland,  ist  von  Sirid 
ihrem  Manne  Sven  gesetzt,  der  »oft  mit  prächtigen  Schiffen  nach  Semgallen 
um  ,Tumisnis'  segelte«.  Semgallen  ist  das  östliche  Kurland  bis  zur  Düne,  und 
»Tumisnis«  ist  Domesness,  Kurlands  nördlichste  Spitze  am  Meerbusen  von 
Riga.  Auf  dem  Kirchhof  von  Turinge  in  derselben  Landschaft  steht  ein 
anderer  Runenstein,  zum  Andenken  an  einen  Mann,  »der  im  Streite  ostwärts 
in  Gärdarne  als  Häuptling  einer  Schar  fiel«. 

Zahlreiche  Runensteine  in  Uppland,  Södermanland  und  Östergötland  reden 
von  Männern,  die  einem  Ingvar  auf  seiner  Fahrt  nach  dem  Osten  folgten.  Ein 
Stein  im  Kirchspiel  Odensala,  Uppland,  ist  von  zwei  Brüdern  ihrem  Vater 
zum  Andenken  gesetzt,  »der  ostwärts  das  Schiff  steuerte  mit  Ingvar  nach  Est- 
land«; aus  den  Inschriften  anderer  Runensteine  sieht  man,  daß  die  Fahrt  bis 
Särkland,  das  heißt  bis  zu  den  Sarazenen  in  Asien  ging.  Einer  dieser  Steine 
aus  der  Gegend  von  Gripsholm  ist  dem  Havald,  Ingvars  Bruder,  gesetzt  von 
seiner  Mutter,  so  daß  Ingvar  vielleicht  aus  jener  Gegend  stammte  und  seine 
Fahrt  also  vom  Mälarsee  ausging.  Diese  Fahrt  ist  wahrscheinlich  der  Aus- 
gangspunkt der  romantischen  isländischen  Sage  von  »Ingvar  dem  Weitgereisten«, 
der  zu  Olof  Skötkonungs  Zeit  gelebt  haben  soll;  damit  stimmt  das  Alter  der 
Runensteine  überein. 

Nicht  wenige  Steine  erzählen  von  Fahrten  nach  Griechenland,  von  Männern, 
die  dort  starben,  oder  von  dort  zurückkehrten  und  den  Namen  »Griechenland- 
fahrer«   erhielten.      Im   Kirchspiel   Ed,   Uppland,    gibt   es    einen    solchen   Stein, 


Friedlicher  Verkehr  mit  fremden  Ländern.  21  ~\ 

dessen  Runen  ein  Rangvald  schreiben  ließ,  der  in  Griechenland  Häuptling  des 
Heeres  oder  der  Wäringer  war;  und  bei  Fjukeby,  nicht  weit  von  Uppsala,  steht 
ein  Runenstein,  den  ein  Vater  seinen  Söhnen  gesetzt  hat,  von  denen  der  eine 
»die  Heerschar  führte,  nach  Griechenlands  Häfen  kam  und  in  der  Heimat  starb  . 
Und  nicht  nur  in  den  Küstenlandschaften  Uppland,  Södermanland  und 
Ostergötland  kommen  diese  Griechensteine  vor;  auch  tiefer  im  Land,  in  Sma- 
land,  im  Kirchspiel  Hvittaryd,  berichtet  ein  Runenstein  von  einem  »Sven,  der 
im  Osten,  in  Griechenland  starb  <.  Wie  allgemein  diese  Fahrten  auch  vom 
westlichen  Schweden  aus  waren,  und  wie  lange  ihre  Periode  währte,  zeigen 
die  Bestimmungen  des  westgötischen  Gesetzes  aus  dem  dreizehnten  Jahrhundert, 
wonach  niemand,  der  in  Griechenland  abwesend  war,  einen  Daheimgebliebenen 
beerben  konnte,  und  nur  der  einen  Griechenlandfahrer  beerben  konnte,  der  be- 
reits sein  Erbe  war,  als  jener  die  Heimat  verließ. 

Als  Schweden  christlich  wurde  und  Pilgerfahrten  nach  Jerusalem  aufkamen, 
benutzte  man  gewöhnlich  denselben  Weg  über  Rußland,  den  die  Wäringer 
nach  Konstantinopel  gezogen  waren.  In  der  Gutasage  heißt  es  auch  ausdrück- 
lich von  solchen  Pilgern,  die  auf  Ausreise  und  Heimfahrt  über  Gotland  kamen, 
daß  sie  »den  Weg  östlich  durch  Rußland  und  Griechenland  nahmen,  um  nach 
Jerusalem  zu  fahren«. 

Besondere  Aufmerksamkeit  verdienen  noch  einige  Runensteine  für  Männer, 
die  in  »Langbardaland«  starben,  das  ist  das  Land  der  Longobarden,  die  heutige 
Lombardei.  Der  eine  dieser  Steine  steht  im  Kirchspiel  Täby,  Uppland,  der 
andere  im  Kirchspiel  Stora  Malm,  Södermanland. 


Der  Handel  und  die  Wikingerzüge  brachten  in  dieser  Zeit  eine  große 
Menge  edlen  Metalles,  meist  Silber,  nach  Schweden.  Wie  groß  der  Zugang 
an  Silber  damals  gewesen  sein  muß,  kann  man  am  besten  daran  abschätzen, 
was  nach  Verlauf  von  etwa  einem  Jahrtausend  noch  heute  aus  der  Erde  ge- 
hoben wird.  Bemerkenswert  ist,  daß  das  Silber  mit  einem  Mal  in  solchen 
Mengen  auftritt;  es  war  im  Lande  seit  kurz  nach  Christi  Geburt  bekannt,  aber 
in  den  vielen  Jahrhunderten  bis  zum  Anfang  der  Wikingerzeit  scheint  es 
seltener  als  Gold  geblieben  zu  sein. 

Schwedens  Reichtum  im  letzten  Teil  der  Heidenzeit  wird  auch  von  zeit- 
genössischen Verfassern  erwähnt.  So  sagt  Meister  Adain:  'Schwellen  ist  ein 
sehr  fruchtbares  Land,  reich  an  Korn  und  Honig,  und  in  der  Viehzucht  über- 
trifft es  alle  Länder,  indem  der  Lauf  der  Flüsse  und  die  Lage  der  Wälder  die 
Zufuhr  ausländischer  Waren  von  überallher  begünstigen.  Mau  kann  deshalb 
sagen,  daß  die  Schweden  keine  Annehmlichkeit  irgendwelcher  Art  missen  .  .  . 
Denn  alles,  womit  sich  die  Eitelkeit  brüstet,  Gold  und  Silber,  stattliche  Pferde, 
Pelzwerk  aus  Biber  und  Marder,  was  wir  alle  fast  unsinnig  hochschätzen,  all 
das  sehen  die  Schweden  für  nichts  an   . 

Mo  melius,  Kulturgeschichte  Schwedens.  |S 


274  ^'e  Wikingerzeit. 

Der  Handelsbetrieb  war  in  mancher  Beziehung  von  dem  unsrigen 
sehr  verschieden.  Der  Kaufmann  saß  damals  nicht  zu  Haus  und  sandte  seine 
Briefe  und  Waren  aus;  er  mußte  vielmehr  selbst  von  Ort  zu  Ort  mit  seinen 
Waren  ziehen  und  war  aller  Art  Gefahren  ausgesetzt,  Beraubung  und  Totschlag. 

In  Ansgars  Lebensbeschreibung  haben  wir  eine  Schilderung  der  Aben- 
teuer, mit  denen  eine  Handelsreise  in  unser  Land  zu  jener  Zeit  verknüpft  war. 
Dort  wird  erzählt,  wie  Ansgar  in  Gesellschaft  von  Kaufleuten  nach  Schweden 
segelte,  und  wie  das  Schiff  unterwegs  von  »Seeräubern«  oder  Wikingern  an- 
gefallen wurde.  Die  Kaufleute  hielten  dem  ersten  Angriff  tapfer  stand,  beim 
zweiten  Angriff  unterlagen  sie  aber,  verloren  ihre  Schiffe  und  alles;  sie  mußten 
allesamt  über  Bord  springen,  um  durch  Schwimmen  das  Land  zu  erreichen. 

Wie  wir  schon  sahen,  war  der  Unterschied  zwischen  Kaufmann  und 
Wikinger  manchmal  sehr  gering:  derselbe  Mann  trat  einen  Tag  als  friedlicher 
Handelsmann  auf  und  den  anderen  als  raubgieriger  Feind.  Mehrmals  wird  er- 
wähnt, daß,  wenn  die  Kauf  leute  in  ein  fremdes  Land  kamen,  sie  mit  den  Ein- 
wohnern eine  bestimmte  Zeit  für  den  Handel  festsetzten;  nach  deren  Ablauf 
behandelte  man  einander  als  Feinde.  So  erzählt  Snorre  in  der  Sage  Olafs 
des  Heiligen  von  einigen  Norwegern,  die  nach  Bjarmaland  mit  Waren  segelten 
und  dort  Handel  trieben.  »Als  der  Handel  beendet  war,  fuhren  sie  nach  der 
Insel  Wina  (Dvina),  und  der  Friede  mit  dem  Volk  des  Landes  war  zu  Ende.« 
Sie  landeten  und  plünderten  einen  heiligen  Ort,  wo  viele  Schätze  verwahrt 
lagen.  Es  verdient  bemerkt  zu  werden,  daß  einer  dieser  Norweger  die  Fahrt 
im  Auftrag  des  Königs  Olaf  unternommen  hatte,  unter  der  Bedingung,  »daß  er 
dem  Könige  die  Hälfte  abzugeben  hatte.« 

Eine  ebensolche  Fahrt  wird  in  einer  anderen  Sage  beschrieben.  Der  be- 
rühmte Isländer  Egil  Skallagrimsson  und  sein  Bruder  fuhren  im  Sommer  925 
nach  den  Gegenden  östlich  von  der  Ostsee  und  verheerten  das  Land.  »Sie 
segelten  nach  Kurland,  machten  dort  mit  den  Einwohnern  einen  halben  Monat 
Frieden  und  hielten  in  der  Zeit  Markt  ab;  aber  als  die  Zeit  abgelaufen  war, 
fingen  sie  an,  das  Land  zu  verheeren.« 

Die  Kaufleute  suchten  natürlich  gern  solche  Orte  auf,  wo  viel  Volk  zu- 
sammenkam, wie  Thing-  und  Opferstätten.  Wo  sich  solche  größere  Volks- 
versammlungen jährlich  zu  bestimmter  Zeit  wiederholten,  entstanden  regelmäßige 
Märkte;  und  manche  unserer  Jahrmärkte  verraten  noch  heute  durch  ihre 
Namen  oder  auf  andere  Weise  den  Ursprung  aus  der  heidnischen  Zeit,  so 
der  Anfang  Februar  stattfindende  Markt  »Disting«  zu  Uppsala.  Schon  im 
dreizehnten  Jahrhundert  schrieb  Snorre:  »In  Svitjod  war  es  zur  Heidenzeit  eine 
alte  Sitte,  daß  das  Hauptopfer  in  Uppsala  im  Göje1)  abgehalten  wurde,,  und 
dort  sollte  man  für  Frieden  und  Siege  seinem  König  opfern.  Dorthin  sollte 
man  aus  dem  ganzen  Schweden  gehen,  dort  sollte  gleichzeitig  Thing  für  das 
ganze  Volk  sein,  und  Markt  eine  Woche  lang.  Als  das  Christentum  eingeführt 
wurde,   wurden  Thing  und  Markt  dort  beibehalten,  nur   auf  Lichtmeß  verlegt; 

1)  Noch  im  vorigen  Jahrhundert  hat  der  Monat  Februar  im  schwedischen  Kalender  auch  den 
Namen  Göjemonat  beibehalten. 


Friedlicher  Verkehr  mit  fremden  Ländern. 


2/5 


so  ist  die  Sitte  geblieben,  aber  der  Markt  währt  nicht  länger  als  drei  Tage.  Da 
ist  Thing  für  alle  Einwohner  des  Svitjods  und  man  kommt  aus  dem  ganzen 
Land  zusammen.«  Lichtmeß  fällt  auf  den  zweiten  Februar,  und  noch  immer 
fängt  der  Distingsmarkt  in  den  ersten  Tagen  dieses  Monats  an;  der  Name 
stammt  wahrscheinlich  von  den  großen  heidnischen  Opferfesten,  den  »Disarthingen« 
oder   >Disarbloten«. 

Eine  Sage  schildert  einen  Markt  an  der  Küste  Bohusläns  im  zehnten  Jahr- 
hundert. Jeden  dritten  Sommer  pflegten  die  nordischen  Könige  sich  auf  den 
Inseln  Brännöarna  an  der  Mündung  des  Götaälfs  einzufinden,  um  dort  mit  her- 
vorragenden  Männern    zusammenzutreffen   und   Königsgericht    zu    halten.      Man 


iS.>l 


442.    Die  Stadt  Birka  auf  der  Insel  Björkö  in  Mälaren. J) 

fand  sich  da  zahlreich  ein,  und  Volk  aus  vielen  Ländern  strömte  zusammen: 
die  Inseln  lagen  ja  auch  an  der  Grenze  dreier  Reiche.  Buden  und  Zelte 
wurden  überall  aufgeschlagen,  in  denen  es  Lustbarkeit,  Spiel  und  Gelage  gab. 
Ein  Zelt,  etwas  abseits  von  den  anderen,  zeichnete  sich  durch  besondere  Pracht 
aus;  das  gehörte  dem  reichsten  Kaufmann,  namens  Gille,  mit  Zunamen  der 
russische,  den  er  wegen  seiner  Reisen  nach  dem  Gärdarike  bekommen  hatte. 
Der  Isländer  Höskuld  ging  zu  ihm  und  wollte  eine  Sklavin  kaufen,  (iille  sagte 
darauf:  »Ich  merke  wohl,  daß  du  mich  in  Verlegenheit  bringen  willst,  durch 
Nachfrage  nach  Waren,  die  ich,  wie  du  glaubst,  nicht  habe.  Das  ist  iber 
noch  nicht  ausgemacht«.  Darauf  schlug  er  einen  Vorhang  zunick,  der  das 
Innere  des  Zeltes  abteilte,  und  zeigte  Höskuld  zwölf  Sklavinnen.     Höskuld  kaufte 


1)  A.  »Die  schwarze  Erde-,  wo  die  Stadt  lag. —  B— C.  Erdwall,  der  die  Stadt  schützte.  — 
D.  Burg.  —  E.  Die  vielen  kleinen  Kreise  außerhalb  der  Stadtmauer  bezeichnen   Grabhügel. 

iS* 


->7(5  Die  Wikingerzeit. 

darauf  für  drei  Mark  Silbers  eine  Sklavin,  die  sich  später  als  eine  irländische 
Königstochter  entpuppte,  die  kürzlich  in  Gefangenschaft  geraten  war. 

Aus  den  wichtigsten  Handels-  und  Marktplätzen  wurden  mit  der  Zeit 
Städte.  Viele  der  ältesten  schwedischen  Städte  liegen  daher  unweit  der  Grenze 
zwischen  verschiedenen  Landschaften  oder  Gauen,  wo  die  Einwohner  dieser 
Länderteile  ihre  Waren  austauschten;  andere  an  den  großen  Wasserstraßen 
oder  sonst  an  Stellen,  die  für  Handel  und  Verkehr  günstig  waren.  Für  jene 
Zeit  werden  in  dem  damaligen  Schweden  Sigtuna,  Birka,  Talje  (Södertälje), 
Kalmar,  Skara,  Falköping  und  Lödöse  erwähnt.  Der  im  zwölften  Jahrhundert 
lebende  arabische  Geograph  Edrisi  redet  von  Sigtuna  und  Kalmar.  Vielleicht 
gab  es  auch  bei  Uppsala  eine  Stadtanlage  schon  vor  dem  Ende  der  Heidenzeit. 

Auf  der  Insel  Björkö  im  Mälarsee  zwischen  Sigtuna  und  Talje  lag  in  den 
letzten  Jahrhunderten  der  Heidenzeit  die  wichtige  und  nicht  zum  mindesten 
durch  xA.nsgars  Besuch  berühmt  gewordene  Handelsstadt  Birka,  wovon  noch 
bedeutende  Überreste  zu  sehen  sind,  mit  dem  Erdwalle,  der  einmal  die  Stadt 
umgab,  mit  der  Burg  und  mit  mehr  als  2000  Grabhügeln  und  anderen  Gräbern 
rings  um  die  Stadt,  die  aus  den  letzten  Jahrhunderten  der  heidnischen  Zeit 
stammen  (Fig.  442). ') 

Nachdem  Birka  um  das  Jahr  1000  zerstört  worden  war,  wurde  Sigtuna 
die  wichtigste  Handelsstadt  in  Svitjod.  Für  Sigtunas  Reichtum  in  der  letzten 
Hälfte  des  elften  Jahrhunderts  spricht  eine  gleichzeitige  Erzählung.  Als  der 
Bischof  Adalvard  zum  erstenmal  nach  Sigtuna  kam,  um  Hochmesse  zu  halten, 
sollen  nicht  weniger  denn  70  Mark  Silber  als  Opfergabe  in  seine  Hände  gelegt 
worden  sein,  eine  für  jene  Zeit  sehr  bedeutende  Summe.2) 

In  den  zu  Norwegen  und  Dänemark  damals  gehörenden  Teilen  des  jetzigen 
Schwedens  lagen  die  Städte  Kungälf  (Konnagahälla)  und  Lund,  wie  auch  wahr- 
scheinlich Vä  und  Skanör.  In  der  schon  erwähnten  Egilssage  wird  erzählt, 
daß  Lund,  ungeachtet  die  Stadt  von  einer  hölzernen  Burg  geschützt  war  und 
tapfer  verteidigt  wurde,  von  Egil  und  seinem  Gefolge  eingenommen,  geplündert 
und  verbrannt  worden  sei.     Dies  geschah  im  Jahr  925. 

Wir  besitzen  nur  unvollständige  Berichte  über  die  Waren,  die  damals 
unseren  Handel  mit  den  fremden  Ländern  ausmachten.  Einfuhrware  waren 
edle  Metalle  in  Form  von  Münzen,  Barren  und  Schmuck,  Kupfer  und  Bronze, 
kostbare  Waffen,  Seide  und  andere  feine  Stoffe,  Weine  und  anderes  mehr. 


1)  Wo  die  Stadt  lag,  ist  jetzt  ein  Feld  von  neun  Hektaren,  welches  mit  einer  I — 2,50  m 
mächtigen  Schicht  von  Kohlen  und  Asche  (den  nach  und  nach  ausgeschütteten  Rückständen  der 
Herdfeuer)  und  von  Tierknochen  (dem  Abfall  der  Mahlzeiten)  bedeckt  ist.  In  dieser  Schicht  hat 
man  eine  Menge  Gegenstände  gefunden,  von  denen  die  jüngsten  der  Zeit  um  1000  entstammen.  — 
H.  Stolpe,  in  der  Öfversigt  af  k.  Vetenskaps  Akademiens  förhandlingar,  1872  und  1873.  —  Der- 
selbe, Björköfyndet,  i  (Stockholm,  1874),  mit  2  Taf.  und  2  Karten.  —  Derselbe,  im  Compte  rendu 
du  Congres  de  Stockholm,  1874,  S.  619.  —  Derselbe,  in  der  Tidskrift  för  antropologi  och  kultur- 
historia,  Bd.  1  (Stockholm,  1875  —  76).  —  Derselbe,  im  Mänadsblad,  1878  und  1880.  —  Derselbe. 
in  der  Sv.  Fornm.  för»  tidskr.,  Bd.  5   (1882). 

2)  Das  sind  nach   niedrigster  Berechnung  ungefähr   30000  deutsche   Mark. 


Friedlicher  Verkehr  mit  fremden   Ländern.  2"" 

Wenn  man  Schlüsse  aus  dem  Handel  unseres  Mittelalters  und  aus  anderen 
Verhältnissen  ziehen  darf,  waren  die  wichtigsten  Ausfuhrartikel  der  Wikingerzeit: 
Sklaven,  kostbares  Pelzwerk,  Pferde  (die  schwedischen  Pferde  waren  berühmt), 
Wolle,  Fische  und  anderes.  Ob  Holz  und  Eisen,  die  später  für  die  Ausfuhr  so 
wichtig  wurden,  schon  vor  Ende  der  Heidenzeit  ins  Ausland  gingen,  getrauen 
wir  uns  nicht  zu  entscheiden. 

Gewiß  ist,  daß  der  Sklavenhandel,  besonders  mit  Kriegsgetangenen,  in 
Schweden  wie  in  den  benachbarten  Ländern  blühte.  In  der  Olaf  Tryggvesson- 
Sage  erzählt  Snorre,  daß,  als  Olaf  drei  Winter  alt  war,  seine  Mutter  Estrid  mit 
ihm  zu  ihrem  Bruder,  einem  angesehenen  Mann  im  Gärdarike,  fuhr.  Das 
Schiff  wurde  auf  der  Reise  von  Wikingern  aus  Estland  angefallen,  Mutter  und 
Sohn  getrennt,  und  dieser  erst  für  ein  Bock,  kurze  Zeit  danach  für  einen  kost- 
baren Mantel  vertauscht.  Die  Königin  Estrid  wurde  auf  einem  Markt  in  Est- 
land als  Sklavin  feilgeboten,  aber  von  einem  Norweger  wiedererkannt  und  frei- 
gekauft.    Auch  Olaf  wurde  schließlich  ausgelöst. 

Der  Handel  war  wohl  im  allgemeinen  Tauschhandel;  doch  waren  Gold 
und  vielleicht  noch  mehr  Silber  gewöhnliche  Wertmesser.  Als  solcher  galt 
auch  Vieh,  was  wir  daraus  sehen,  daß  das  schwe- 
dische Wort  fä  (Vieh)  zu  gleicher  Zeit  Vieh,  Güter 
im  alleemeinen  und  Geld  bedeutete. 

Zwar   gab    es   auch  Landesmünzen,  aber  erst 

gegen  Ende  dieser  Periode,    mit    Olof  Skötkonung 

.  443-  Silbermünze.    Björkn, 

(Fig.  436)  und  Anund  Jakob;    bis  dahin  hatte    man  Uppland    ' 

hier  nur   ausländische  Münzen.1) 

Aus  diesem  Teil  der  Heidenzeit  hat  man  so  gut  wie  nur  Silbermünzen 
im  Norden  gefunden-,  ein  beachtenswerter  Umstand,  besonders  weil  gerade  in 
der  Zeit  kurz  vorher  nur  Goldmünzen  im  Umlauf  waren. 

Das  Silber  hatte  in  der  Wikingerzeit  natürlich  einen  viel  höheren  Wert 
als  heute;  solche  Münzen  wie  Fig.  438  und  443  —  die  kleinsten  damals  -  •  ent- 
sprechen folglich  unseren  größeren  Silbermünzen.  Dem  Mangel  an  Kleinmünze 
half  man  dadurch  ab,  daß  man  die  Münzen  zerbrach  oder  in  kleine  Stücke 
zerschnitt,  wie  die  Funde  es  beweisen.  Die  auf  der  einen  Seite  vieler  Münzen 
vorkommenden  Kreuze  (Fig.  435)  erleichterten  die  Teilung  sehr. 

Bei  größeren  Bezahlungen  mußte  das  Silber,  ob  es  nun  Münzen,  Schmuck 
oder  Barren  waren,  gewogen  werden.  Das  ungeprägte  Silber,  das  als  Zahl- 
mittel dienen  sollte,  lag,  wie  früher  das  Gold  (siehe  S.  224),  in  Spiralen;  dii 
Spiralen  sind  jedoch  bedeutend  größer  als  die  älteren  von  Gold.  In  unserem 
Nationalmuseum  werden  einige  Spiralen  aus  jener  Zeit  aufbewahrt,  die  als  Falsi- 
fikate anzusehen  sind.  Sie  bestehen  nämlich  aus  Kupfer  und  sind  nur  mit 
einer  dünnen  Silberschicht  belegt.  Sie  müssen  bei  größeren  Zahlungen  gedient 
haben,  wobei  das  gewöhnliche  Zerschneiden  nicht  vorkam,  weil  sonst   der  Be- 

1)  Man    hat   freilich  angenommen,    daß  solche  Münzen    wie   Fig.  44  3    «■'    ^ilk-1    während 
zehnten  Jahrhunderts  geprägt  seien;  die  Richtigkeit  dieser  Ansicht  ist  aber  bestritten  worden.     M&nad- 

blad,   1885,  S.  130. 


278 


Die  Wikingerzeit. 


trug  sofort  entdeckt  worden  wäre.  Dies  erinnert  an  den  Goldring,  den  König 
Olaf  Tryggvesson  von  der  Tempeltür  bei  Lade  in  Norwegen  nahm  und  dann 
als  eine  große  Kostbarkeit  der  schwedischen  Königin  Sigrid  Storräda  schenkte. 
Snorre  Sturlesson  erzählt,  daß  der  Ring  von  allen  gepriesen  wurde;  nur  zwei 
Brüder,  die  Schmiede  der  Königin,  wogen  ihn  in  der  Hand  und  redeten  dann 
heimlich  miteinander.  Auf  die  Frage  der  Königin,  weshalb  sie  so  täten, 
sagten  sie,  daß  es  mit  dem  Ringe  nicht  richtig  sei,  und  als  man  ihn  darauf 
zerbrach,  fand  man  inwendig  Kupfer. 

Wagen  und  Gewichte,  die  zu  jener  Zeit  benutzt  wurden,  um  Gold  und 
Silber  zu  wägen,  kommen  in  den  Funden  nicht  selten  vor.  Die  Wagen  (Fig.  444) 
gleichen  den  unsrigen,  nur  mit  dem  Unterschied,  daß  der  dreiteilige  Wage- 
balken zusammengeklappt  und 
in  die  beiden  runden  hohlen 
Wageschalen  gelegt  werden 
konnte.  Auf  diese  Art  wurde 
es  möglich,  die  Wage  mit  sich 
zu  führen,  ohne  daß  sie  der 
Gefahr  des  Zerbrechens  aus- 
gesetzt war.  Runde  Bronze- 
dosen dienten  zur  Verwahrung 
von  Wage  und  Gewichten. 


444.   Wage  von  Bronze.    Uppland.    l/s 


445.  Gewicht  von  Eisen,  mit  Bronze 
überzogen.    Gotland.   i\l. 


Die  Gewichte  haben  gewöhnlich  die  Form,  wie  sie  Fig.  445  zeigt.  Sie 
bestehen  aus  Eisen  mit  einem  dünnen  Überzug  von  Bronze,  wodurch  in  sinn- 
reicher Art  einer  Verfälschung  vorgebeugt  war,  indem  eine  Gewichtsverringerung 
durch  Abkratzen  das  Eisen  zutage  brachte  und  sich  so  von  selbst  verriet. 
Die  ältesten  Gewichte  dieser  Art  wurden  ohne  Zweifel  zusammen  mit  dem 
arabischen  Silber  hierher  gebracht.  Man  fand  in  Asien  ganz  ebensolche  Ge- 
wichte, und  einige  der  unsrigen  zeigen  eine  Nachbildung  arabischer  Schrift. 

Die  Nordländer  hatten  damals  schon  dasselbe  Gewichtssystem  wie  im 
Mittelalter:  Mark  (ungefähr  200  g,  vgl.  S.  193),  Öre  und  Örtug. 


Friedlicher   Verkehr  mit  fremden  Liindern. 


279 


Bei  Fahrten  im  Inneren  des  Landes  benutzte  man  in  alten  Zeiten  tunlichst 
die  vielen  Wasserläufe,  die  bessere  Verkehrswege  waren  als  die  Landstraßen, 
die,  sofern  überhaupt  vorhanden,  in  schlechtem  Zustand  und  wohl  nur  für  Reiter, 
nicht  für  Wagen  bestimmt  waren.  In  abgelegenen  Gegenden  folgen  noch 
viele  Wege  diesen  alten  Reitpfaden,  die  oft  über  hohe  Berge  gingen,  was  be- 
schwerlich war,  aber  sehr  natürlich  zu  einer  Zeit,  da  der  Boden  weit  sumpfiger 
war  als  heute. 

Größere  Aufmerksamkeit  schenkte  man  dem  Wegebauen  erst  mit  dem 
Eindringen  des  Christentums,  indem  man  besser  als  früher  die  Vorteile  eines 
leichteren  Verkehrs  zwischen  den  verschiedenen  Landesteilen  einsah.  Die  Ver- 
künder des  neuen  Glaubens  erklärten  das  Bauen  von  Wegen  und  Brücken  für 
gute  Werke,   welche  die  ewige  Seligkeit  zu  verschaffen  dienlich  seien. 

Zahlreiche  Runensteine  aus  jener  Zeit  haben  auch  das  Andenken  an 
Männer  bewahrt,  die  Wege  oder  Brücken  bauten.  Oft  wird  ausdrücklich  von 
denen,  die  das  Werk  unternahmen  und  die  Steine  setzen  ließen,  hinzugesetzt, 
daß  sie  es  für  ihr  eigenes  oder  ihres  Vaters,  ihrer  Mutter,  Gattin  oder  Kinder 
Seelenheil  taten.  Manchmal  war  es  auch  eine  Witwe,  die  es  für  die  Seele 
ihres  Mannes  tat.  Bei  Täby  im  Kirchspiel  gleichen  Namens,  nördlich  von 
Stockholm,  ging  der  Weg  noch  in  späten  Zeiten  in  einer  Niederung  über  eine 
alte  Brücke«  von  Stein  und  Kies,  die  auf  beiden  Seiten  mit  hohen  Steinen 
bezeichnet  war,  in  gleichem  Abstand  voneinander  aufgerichtet  und  durch  eine 
Reihe  von  kleineren  Steinen  verbunden.  Die  zwei  äußersten  großen  Steine 
am  nördlichen  Ende  hatten  folgende,  beinahe  gleiche  Inschriften:  »Jarlabanke 
ließ  diese  Steine  für  sich  aufstellen  noch  bei  Lebzeiten,  er  machte  diese  Brücke 
für  sein  Seelenheil  und  ihm  gehörte  ganz  Täby.  Gott  helfe  seiner  Seele  , 
Die  Tierschlingen  und  die  Form  der  Runen  auf  diesen  wie  auch  auf  einigen 
anderen  in  derselben  Gegend  gefundenen  Steinen,  die  ebenfalls  Jarlabankes  Namen 
tragen,  zeigen,  daß  er  im  elften  Jahrhundert  lebte,  eher  anfangs  als  nach  der 
Mitte  desselben.  Die  »Brücke«  bei  Täby  ist  also  während  neun  Jahrhunderten 
im   Gebrauch  gewesen. 

Auch  sonst  sieht  man  in  Schweden  noch  Brücken,  von  denen  die  Runen- 
steine aus  den  ersten  Tagen  des  Christentums  reden;  andere  sind  umgebaut 
worden.  Beim  Umbau  der  Brücke,  die  nah  bei  der  Kirche  von  Kullerstad  in 
(  »stergötland  über  einen  Bach  führte,  fand  man  vor  fünfzig  Jahren  einen  umgefallenen 
und  vergessenen  Runenstein  und  stellte  ihn  von  neuem  auf.  Seine  Inschrift 
beginnt:    »Hakon    machte   diese  Brücke,    aber   sie   soll    Gunnarsbrücke    heißen   . 

Ein  Runenstein  bei  Sundbv  im  Kirchspiel  Fundbo,  unweit  Uppsala,  er- 
wähnt unter  anderem,  daß  Türe  eine  Herberge  zum  Andenken  an  seine  Iran 
errichten  ließ.  Solche  Herbergen  wurden  am  Weg  in  den  Gegenden  errichtet, 
wo  der  müde  Reisende  kein  anderes  Obdach  linden  konnte.  Eine  1  [erberge  diesei 
Art  stand  in  einer  Einöde  in  Jämtland.  Snorre  erzählt,  daß  in  einer  Nacht  um  das 
Jahr  1030  Kaufleute,  die  dorthin  gekommen  waren,  alle,  außer  einem,  ermordet 
wurden.  Eine  andere  lag  zwei  Tagereisen  von  Kungält  auf  dem  Weg  nach 
Skara.     Auch  dort  bedrohten  Räuber  das  Leben  oder  die  Nabe  der  Reisenden. 


28o 


Die  Wikingerzeit. 


446.   Wagen  auf  einem  gotländischen  Bildstein. 


'f^ 


447.    Bronzebeschlag  zum  Pferdegeschirr.    Östergötland.  2/3 


448.    Zaumzeug  von  Eisen;  mit  Durchschnitt.     Smäland.   1/s. 


450.    Eiserner  Steigbügel. 
Uppland.    1/3. 


449.    Eiserner  Sporn.    Smäland.    Va 


Friedlicher  Verkehr  mit  fremden   Ländern.  -?8l 

Halfred  Vandrädeskald,  ein  berühmter  Isländer,  wurde  dort  überfallen  und  ent- 
rann dem  Tod  nur  durch  einen  Zufall:  einer  von  seinen  Gefährten  wurde  ee- 
tötet.     Noch  in  späteren  Zeiten  wurden  solche  Herbergen  angelegt. 

Diese  Erzählungen  zeigen,  mit  welchen  Gefahren  eine  Reise  in  der  Heiden- 
zeit verbunden  war.  Die  Kaufleute  reisten  deshalb  oft,  wie  wir  schon  gesehen 
haben  (S.  124),  mehrere  zusammen,  um  sich  leichter  gegen  Räuber  zu  verteidigen 
und  einander  an  den  Stellen  beizustehen,  wo  die  Wege  besonders  beschwer- 
lich waren. 

Wir,  die  wir  eine  Reise  von  Malmö  bis  Stockholm  nach  Stunden  be- 
rechnen, können  uns  nur  schwer  eine  Vorstellung  von  den  Reisebeschwerden 
einer  Zeit  machen,  in  der  dieselbe  Reise  mehr  als  doppelt  so  viel  Tage  als 
jetzt  Stunden  in  Anspruch  nahm.  Meister  Adam  erzählt,  daß  der  Landweg 
von  Skäne  durch  Götaland  über  Skara,  Talje  und  Birka  nach  Sigtuna  einen 
Monat  forderte. 

Im  Winter,  wo  man  im  Norden  ziemlich  unabhängig  von  Wegen  und 
Brücken  ist,  benutzte  man  Schlitten,  in  den  anderen  Jahreszeiten  war  man  ge- 
wöhnlich gezwungen  zu  reiten  und  die  Waren  zu  Pferde  zu  befördern.  Wagen 
werden  wohl  erwähnt,  waren  aber  wahrscheinlich  nur  wenig  gebräuchlich.  Auf 
gotländischen  Runensteinen  vom  Ende  der  Heidenzeit  sehen  wir  solche  mit 
vier  Rädern  (Fig.  446).  In  Grabhügeln  aus  der  Wikingerzeit  finden  sich  Geschirr- 
beschläge von  Bronze  (Fig.  447),  manchmal  auch  vergoldet.  Gräber  derselben 
Zeit  enthalten  auch  Zäume,  Sporen  und  Steigbügel,  welche  letztere  damals  erst 
in  Gebrauch  kamen  (Fig.  448—450). 

4.  Lebensweise.  —  Erwerbszweige. 

Ein  großer  Teil,  vielleicht  der  größte  der  Bevölkerung  von  Schweden, 
wohnte  gegen  Ende  der  Heidenzeit  in  Dörfern,  von  denen  die  meisten  schon 
damals  dieselben  Namen  hatten  wie  heute  und  auch  an  denselben  Stellen  lagen. 
Beinahe  bei  jedem  Dorf  liegt  oder  lag  vor  nicht  langer  Zeit  der  Begräbnisplatz, 
wo  die  heidnische  Bevölkerung  des  Dorfes  ruht.  Ehe  man  eine  allgemeine 
Übersicht  über  die  Reste  aus  unserer  Heidenzeit  hatte,  hielt  man  jede  Ansamm- 
lung von  alten  Gräbern  für  eine  Wahlstatt.  Dazu  sind  aber  diese  Grabstätten 
viel  zu  zahlreich;  auch  enthalten  sie  Frauen-  und  Kindergräber. 

Urkunden  aus  dem  frühen  Mittelalter  zeigen,  daß  Hof-  und  Dorfnamen 
dieselben  waren  wTie  jetzt,  nur  mit  den  unbedeutenden  Unterschieden,  die  die 
Veränderung  der  Sprache  mit  sich  gebracht  hat.  Viele  von  den  heutigen  Orts- 
namen in  Schweden  sind  heidnischen  Ursprungs,  weil  sie  den  alten  Götternamen 
nachgebildet  sind.  Verschiedene  Runensteine  lassen  uns  auch  nicht  nur  den 
Namen  des  Dorfes,  sondern  auch  den  der  Besitzer  wissen.  So  gibt  Gida  auf 
einem  für  Tordjerf  Gudlögsson,  ihren  Ehemann,  in  der  Nähe  von  Ekolsund, 
Uppland  gesetzten  Stein  an,  daß  sie  in  »Harvistam  wohnte,  das  ist  das  in  der  Nähe 
liegende  heutige  Härfvesta.  Bei  Runby  im  Kirchspiel  Ed  bei  Stockholm  steht 
ein  Stein,    den  Ingrid    ihrem  Mann  Ingar    und    ihren    Söhnen   Dan    und    Bänke 


2S2  Die  Wikingerzeit. 

setzte:  »sie  wohnten  und  besaßen  Land  in  Runby«,  heißt  es  darauf.  Von  dem 
oben  (S.  279)  erwähnten  Jarlabanke  erklären  fünf  verschiedene  Runensteine, 
daß  er   »allein  ganz  Täby  besaß«. 

Ein  Hof,  der  einsam  lag  oder  zu  einem  Dorf  gehörte,  bestand  aus  mehreren 
Häusern,  da  man  noch  nicht  angefangen  hatte,  die  verschiedenen  Baulichkeiten 
unter  ein  Dach  zu  bringen.  Das  Kirchengesetz  in  Uppland  befiehlt  gegen  Ende 
des  dreizehnten  Jahrhunderts  den  Bauern,  beim  Neubau  eines  Priestergutes 
»Wohnhaus,  Schlaf  haus,  Brathaus,  Vorratskammer,  Viehstall,  Scheune  und  Korn- 
scheuer aufzuführen ■< .  Das  »Schlaf haus«  entspricht  unserem  Schlafzimmer,  das 
»Brathaus«  der  Küche  und  Backstube,  und  die  Scheunen  sind  ja  noch  heute, 
wie  gewöhnlich  auch  die  Vorratskammern,  Gebäude  für  sich. 

Von  den  Wohnhäusern  der  Wikingerzeit  hat  man  interessante  Überreste 
in  dem  alten  Birka  auf  der  Insel  Björkö  (Fig.  442)  gefunden.  Sie  waren  entweder 
eine  Art  Lehmfachwerk,  wie  die  noch  heute  in  Skäne  vorkommenden  »Klen- 
husen«,  oder  gezimmert  und  die  Fugen  mit  Moos  und  dann  mit  Lehm  gedichtet. 
Die  Reste  von  den  Häusern  sind  hauptsächlich  Lehmstücke,  die  infolge  der 
großen  Hitze,  der  sie  ausgesetzt  waren,  als  die  Häuser  verbrannten,  ihre  Form 
beibehalten  haben1). 

»An  der  Hand  dieser  Reste«,  heißt  es  in  der  Beschreibung  der  Aus- 
grabungen auf  Björkö,  »kann  man  zwei  verschiedene  Arten  von  Gebäuden 
unterscheiden:  Lehmhütten  und  gezimmerte  Holzhäuser,  deren  Fugen  mit  Lehm 
eedichtet  waren.  Die  Reste  der  ersteren  Art  Gebäude  sind  Lehmstücke  von 
unregelmäßiger  Form,  die  außen  gewöhnlich  glatt  sind,  aber  innen  Abdrücke 
von  meist  etwas  mehr  als  halbzolldicken  Zweigen  zeigen,  und  zwar  einer  Wei- 
denart. Danach  waren  die  Wände  eine  Art  Fachwerk  von  Zweigen,  das  von 
beiden  Seiten  mit  Ton  bekleidet  wurde,  wie  es  noch  heute  bei  den  skänischen 
Klenhusen  der  Fall  ist.  Die  Reste  der  anderen  Art  von  Gebäuden  bestehen 
aus  dreiseitig  prismatischen  Lehmstücken  von  3 — 12  cm  Länge,  die  auf  der 
Außenseite  deutliche  Abdrücke  der  Finger  zeigen,  die  den  Lehm  in  die  Fugen 
hineindrückten.  Die  Innenflächen  zeigen  oft  unregelmäßige  Abdrücke  des  Mooses, 
das  zuerst  in  die  Fugen  gestopft  wurde.  Auf  einigen  Stücken  sind  die  Ab- 
drücke so  deutlich,  daß  man  die  feinsten  Blätter  der  Moose  unterscheiden  kann; 
das  verwendete  Moos  ist  dasselbe,  das  man  noch  heute  zu  gleichem  Zweck 
gewöhnlich  benutzt.  Auf  einem  Lehmstück  sieht  man  noch  deutlich  den  Ab- 
druck des  Eichenholzes,  wovon  des  Haus  gezimmert  war.« 

Von  den  schwedischen  Wohnhäusern  im  letzten  Teil  der  Heidenzeit  haben 
wir  allerdings  keine  zeitgenössischen  Beschreibungen,  sie  waren  aber  ohne  Zweifel 
nicht  anders  als  die  norwegischen  und  isländischen,  die  wir  durch  die  Sagas 
besser  kennen.  Wir  können  eine  solche  Übereinstimmung  um  so  eher  annehmen 
als  in  entlegenen  Gegenden  unseres  Landes  noch  vereinzelt  Häuser  dieser  Art 
vorkommen,  die  sogenannten   »Ryggässtugor«. 

Ein  solches  Haus  bestand  aus  einem  einzigen,  länglich  viereckigen  Zimmer, 


1)  Erst  nach  Einführung  des  Christentums  lernte  man  in  Schweden  Ziegel  brennen. 


Lebensweise. 


283 


dessen  Längswände  gewöhnlich  unter  Manneshöhe  sind  und  weder  Fenster 
noch  Tür  haben.  Der  Eingang  war  in  dem  einen  Giebel  entweder  direkt  vom 
Freien  oder  durch  einen  Vorraum,  und  die  Fenster,  wenn  überhaupt  vor- 
handen, saßen  in  dem  hochaufgerichteten  Dach,  das  auf  Querbalken  ruhte; 
die  Zwischenräume  /.wischen  diesen  Querbalken  ließen  das  wenige  Licht  herein, 
das  durch  die  Fenster  und  den  Rauchfang  drang.  Einen  eigentlichen  Schorn- 
stein gab  es  nämlich  nicht,  sondern  nur  eine  Öffnung  im  Dach,  durch  die  der 
Rauch  des  mitten  auf  dem  Fußboden  flammenden  Feuers  abzog.  Das  Dach 
war  außen  mit  Torf,  Stroh  oder  Spänen  bedeckt. 

War  das  Haus  sehr  geräumig  und  infolgedessen  die  Spannung  zu  groß, 
um  das  Dach  in  der  beschriebenen  Art  anzubringen,  so  stützte  man  es  durch 
zwei  Reihen  längs  der  Mitte  aufgestellter  Pfosten.  Hierdurch  konnte  man  einen 
Saal  von  bedeutender  Größe  erhalten1). 

Bei  Augerum  in  Blekinge  hat  man  be- 


deutende Reste   eines  Gebäudes   gefunden,  X«.'"  SxQ\ 

von  der  Form  wie  Fig.  45 1   zeigt.    Es  war  ,'/  •         •         •  \\ 

ein    7,80   m    langes    und    5,50    m    breites     e  .__  \\ 

Klenhus  mit  abgerundeten  Ecken   und  mit  ,,  tf 

dem  Eino-anff  an  einer  Giebelseite,  wo  einige  \'<  •         // 

Pfeiler  ein  Vordach    trugen.     In    der  Mitte  \\^  ,o' 

des    Gebäudes    lagen    eine    Menge   Kohlen  ^-"o;---       -$>' 

von  dem   »Langfeuer«,  das  früher  dort  ge- 

451.    Grundriß   eines   Wohnhauses  aus  der 

brannt  hatte.    Zwischen  der  Feuerstatte  und  ......  .      a„™.„      ri^;„„» 

\\  lkingerzeit.    Augerum,  Blekinge. 

den  Wänden  hatten  zwei  Reihen  Ilolzsäulen 

gestanden,  die  das  Dach  trugen.  Man  sah  noch  in  dem  hellen  Boden  die  mit 
schwarzer  Erde  angefüllten  Löcher  dieser  Säulen  und  der  Pfosten,  die  das  Gerippe 
der  Wände  gebildet  hatten.  Von  dem  Lehm,  mit  dem  die  Wände  bekleidet 
gewesen,   wurden  viele  Stücke  gefunden. 

Die  Fenster  waren  stets  klein  und  scheinen  ursprünglich  nur  Gucklöcher 
gewesen  zu  sein,  die  mit  einem  beweglichen  Holzschieber  versehen  waren.  Im 
besten  Fall  waren  sie  mit  einer  mehr  oder  minder  durchsichtigen  Scheibe 
bedeckt,  wahrscheinlich  am  häufigsten  aus  der  Membran,  die  das  Kalb  im 
Mutterleib  umgibt  (noch  heute  zu  demselben  Zweck  in  Island  gebraucht).  Glas- 
fenster dürften,  obwohl  sie  den  Römern  bekannt  waren,  in  der  nordischen 
I  leidenzeit  nicht  gebräuchlich  gewesen  sein. 

Die  Wände  waren  auf  der  Innenseite  gewöhnlich  unbekleidet  oder  nur 
mit  Schilden,  Waffen  usw.  behängt.  Für  Festlichkeiten  hatte  man  besondere 
lang  herabhängende  Teppiche,  die  zuweilen  in  kunstreichen  farbigen  Bildern 
gestickt  waren.  Noch  im  sechzehnten  Jahrhundert  gehörten  solche  Wandbe- 
kleidungen zu  der  Aussteuer  adeliger  Töchter,  und  bis  in  unsere  Zeit  haben 
solche  bei  großen  Festlichkeiten  manch  schwedisches  Bauernhaus  geschmückt2). 


1)  H.  Hoff,  Bemserkninger  om  Skaalebygningen,   in  der  Aarböger  t.   nord.  Oldkynd.,    1872, 
S.   274. 

2)  Das  nordische  Museum   besitzt  mehrere  solche  Wandteppiche  aus  den  letzten  Jahrhunderten. 


284 


Die   Wikingerzeit. 

Der  Fußboden  bestand,  wie  noch  vielerorts 
heute,  nur  aus  hartgestampftem  Lehm.  Er  konnte 
nicht  gut  holzgedielt  sein,  solange  es  noch  keinen 
Herd  gab,  sondern  das  Feuer  frei  auf  dem  Boden 
brannte.  In  Norwegen  hatte  man  seit  Ende  des 
elften  Jahrhunderts  gemauerte  Öfen  und  Schorn- 
steine; in  Schweden  kamen  solche  wahrscheinlich 
nicht  früher  vor. 

Der  Hausrat  war  weder  groß  noch  kostbar. 
Bänke  und  Betten  fest  an  den  Wänden,  lange 
452.   Hirsch  in  Gold  auf  Seide    Tische  vor  den  Bänken,    und    eine  Truhe,    um    die 

gestickt;   Boden  von  Silber. 
Björkö.    Vi- 


Kostbarkeiten    des  Hauses  zu  verwahren;    das  war 


453.    Bettstelle  von  Holz.    Gokstad,  Norwegen.    J/ 


25- 


wohl  die  Hauptsache,  wenn  nicht  alles.    Möbel  wie  unsere  Sofas 

und   Lehnstühle,   Kommoden  und    ähnliches  waren  unbekannt. 

Stühle  werden  jedoch,  obwohl  selten,  erwähnt.     So  sagt  Odin 

in  Havamal: 

»Gunnlöd  gab  mir 

auf  goldenem  Stuhle 

den  Trunk  des  trefflichen  Meths « 1). 

In  der  Stube  des  norwegischen  Bauern,  wTie  sie  in  den 
Sagas  geschildert  wird,  war  der  Ehrenplatz  des  Hausvaters, 
»der  Hochsitz«,  in  der  Mitte  der  einen  Längswand.  Vorn  am 
Hochsitz  standen  die  beiden  in  der  Heidenzeit  heiligen  »Hoch- 
sitzsäulen«. Daß  es  einen  solchen  Hochsitz  auch  in  dem  schwe- 
dischen Bauernhaus  gab,  sieht  man  daraus,  daß  der  Name 
und  die  Sache  bis  in  späte  Zeiten  fortlebte,  obgleich  der  Sitz 
an  eine  der  Ecken  kam.2) 

Die  Bänke  wurden  nicht  nur  benutzt,  um  bei  Tag  darauf 

zu  sitzen,  sondern  ursprünglich  auch,    um  bei  Nacht  darauf  zu        .      v 

'  r        °  454.  Bronzener 

schlafen;  das  war   der  Fall    noch   zu    Linnes  Zeit    in    den  von  Schlüssel.    Gotland. 
ihm   geschilderten  Häusern    in  Smäland.     In    den   isländischen  2/3. 

1)  Dieses  und  folgende  Zitate  aus  der  Edda  sind  hauptsächlich  nach    der  Übersetzung  Hugo 
Gerings  (1892)  angeführt. 

2)  Carl  Linnsei  Skänska  resa,    pä   höga  Öfwerhetens   befallning    förrättad  är   1749    (Stock- 
holm,  175 1),  S.   36,  Taf.  I. 


Lebensweise. 


285 


Sagas  werden  jedoch  auch  besondere  mit  Decken  oder  Kissen  belegte  Betten 
hinter  den  Bänken  erwähnt.  Reste  von  Daunenkissen  sind  uns  in  einigen 
nordischen  Funden  aus  der  Wikingerzeit  erhalten;  in  einem  der  Gräber  auf 
Björkö  lag  ein  solches  von  Seide,  das  auf  beiden  Seiten  mit  einem  Hirsch  in 
Silber  bestickt  war,  wie  ihn  Fig.  452  abbildet.  Im  Gokstadschiff  (siehe  S.  264) 
fand  man  einige  Betten  (Fig.  453)- 

Vor  den  Bänken  standen  die  langen  schmalen  Tische,  also  gewöhnlich 
in  der  Längsrichtung  des  Raumes  und  auf  beiden  Seiten  der  Feuer,  die  mitten 
auf  dem  Boden  brannten.  Zwischen  diesen  und  den  Tischen  war  noch  Platz 
zum  Gehen. 

Schon  die  Edda  spricht  von  Kisten  (Truhen).  Im  Lied  von  Wölund  heißt 
es  von  den  jungen  Söhnen  des  Königs  Nidhods,  die  in  der  Schmiede  Wölunds  sind: 

»Sie  kamen  zur  Kiste, 

verlangten   die  Schlüssel 

und  schauten  hinein. 

—  Da  entschied  sich   ihr  Los. 

Viel   Kleinode  gab's  da, 

die  Knaben  meinten 

schimmerndes  Gold 

und   Geschmeide   zu  sehen«. 

Natürlich  können  wir  nicht  erwarten,  andere  Reste  davon  zu  finden  als 
die  Metallteile,  wie  Beschläge,  Schlösser  und  Schlüssel.  Solche  fand  man  mehrere- 
male  in  Schweden.  Die  Schlüssel  aus  Eisen  oder  Bronze  haben  oft  dieselbe 
Form  wie  unsere  heutigen,  aber  die  meisten  weichen  von  dieser  Form  ab 
(Fig.  454)  und  gleichen  mehr  denen,  die  die  alten  Römer  benutzten. 

Sie  wurden  von  den  nordischen  Hausfrauen  als  Zeichen  ihrer  Würde 
getragen.  Als  die  Edda  erzählt,  wie  Tor  die  Tracht  Freyas  anlegen  mußte, 
um  seinen  von  dem  Riesen  gestohlenen  Hammer  wieder  zu  bekommen,  heißt  es: 

»Da  schmückten  sie  Tor 
mit  dem  Schleier  der  Braut 
und   mit  dem  breiten 
Brisingernhalsband. 
Sie   reichten   den   Ring   ihm 
mit  den  rasselnden  Schlüsseln, 
ließen   Wribcrrücke 
ihm   wallen   ums   Knie«. 

Da  man  in  den  unsicheren  Zeiten  der  Wikingerzüge  Kisten  und  Schlössern 
nicht  genügend  trauen  konnte,  vergrub  man  häufig  Silber  und  Gold  in  der  Erde, 
bei  einem  Stein  oder  einem  anderen  Merkmal,  das  nur  der  Eigentümer  kannte. 
Starb  er  nun,  ohne  das  Versteck  mitgeteilt  zu  haben,  so  behielt  die  Erde  ihre 
Beute;  und  mancher  solcher  Schatz  ist  erst  in  unseren  Tagen,  nach  tausend- 
jähriger Ruhe,  durch  Pflug  und  Hacke  zufällig  ans  Tageslicht  gebracht  worden. 
Es  ist  oft  nicht  unbedeutender  Wert,  der  auf  diese  Weise  in  einem  Behältnis 
aus  Kupfer  oder  I  lorn,  einem  Tongefäß  oder  ähnlichem  verwahrt,  gefunden 
wurde   und    in    das  Nationalmusrum   gewandert   ist.      Meistens   ist    der   Inhalt    nur 


286  Die  Wikingerzeit. 

Silber.  Solche  Funde  wurden  beinahe  in  allen  Teilen  von  Schweden  gremacht,  am 
häufigsten  in  der  Gegend  des  Mälarsees,  in  Skäne,  auf  Öland  und  besonders 
auf  Gotland.  Oft  hat  ein  solcher  Silberfund  ein  paar  Kilogramm  Gewicht  oder 
noch  mehr. 

Diese  Silberschätze  bestehen  gewöhnlich  aus  Halsringen,  Armringen  und 
anderen  Schmucksachen,  Bruchstücken  von  Schmucksachen  und  unverarbei- 
tetem Silber,  arabischen,  deutschen,  angelsächsischen  und  anderen  Münzen,  die 
ganz  oder  zerstückelt  sind.1) 

Von  solchen  aus  den  neunten  und  zehnten  Jahrhunderten  stammenden 
Schätzen  sind  so  viele  aus  Schweden  bekannt,  daß  nur  diejenigen,  welche  un- 
gefähr i  kg  Silber  oder  mehr  enthalten,  hier  genannt  werden  können.  Sie 
wurden  gefunden  in: 

o 

Angermanland,  bei  Undrom,   im  Jahre    1847  (2>5°  kg); 

Medelpad,  bei  Stige,    1904  (3,09  kg); 

Helsingland,  bei  Torsta,    1881    (0,94  kg); 

Uppland,  bei   Näs,    1704  (4,33  kg),  Norr-Nänö,    1781   (1,88  kg),   Wenngarn, 

1789  (4,25  kg),    Karlberg,    1868    (1,56  kg),    und    auf   der    Insel    Björkö 

(Birka),    1872   (2,16  kg); 
Södermanland,  bei  Grönstorp,  1762  (0,93  kg),  Ärsta,    1805  (1,15  kg),  Broby, 

1816  und   1817(1,15   kg),  Eskilstuna,    1833   (1,41   kg),  und  Wärby,   1871 

(1,45   kg,  das  meiste  vergoldet); 
Dalsland,  bei  Tillhagen,    1819  (1,21    kg); 
Östergötland,    bei  Walby,    1847  (1,98  kg),  Maspelösa,    1869  (1,06  kg),  Erik- 

storp,    1875   (1,22  kg  Silber  und   785  g  Gold),  und  Sten,  1894  (1,47  kg); 
Smäland,  bei  Horda,    1828  (1,26  kg  Silber  und  10,3  g  Gold),  und  Äskedal, 

1876  (3,47  kg); 
Skäne,   bei  Gärsnäs,    1729  (2,72  kg),   Werpinge,    1783    (1,88    kg),    Grönby, 

1855   (2,75   kg),  und  Hurfva,    1880  (8,75   kg!); 
Blekinge,  bei  Johannishus,    1866  (6,22  kg!),  und  Gärestad     1889  (2,04  kg); 
Öland,  bei  Bredsätra,  1768  (1,04  kg),  Öfre  Wagnborga,  1775  (2,56  kg),  Gröndal, 

1779(2,03  kg),  Trosnäs,  1822  (ungefähr  1  kg),  und  Sandby,  1840  (5,88  kg); 
Gotland,  bei  Wible,    1739  (1,79  kg),  Myrungs,    1807   (0,96  kg),  Sorby,    181.2 


1)  B.  E.  Hildebrand,  Anglosachsiska  mynt  (1.  Aufl.),  S.  XXVIII  (Anglosachsiska  myntfynd 
i  Sverige).  —  Tornberg,  Numi  cufici,  S.  V  (Loca  in  Suecia,  ubi  numi  cufici  reperti  sunt).  — 
Tornberg  und  H.  Hildebrand,  Fölhagen-fyndet  (Gotland),  in  der  Antiqv.  tidskr.  f.  Sverige,  3 
(1870),  S.  51.  —  B.  E.  und  H.  Hildebrand,  Teckningar  ur  Svenska  statens  Historiska  Museum, 
2,  1878,  pl.  I  und  2  (Wärby  in  Södermanland).  —  H.  Hildebrand,  Myntfyndet  frän  Mölndal, 
(bei  Göteborg),  in  Bidrag  tili  kännedom  om  Bohusläns  fornminnen,  3  (1886),  S.  120. —  Mänadsblad, 
1877,  S.  501  (H.  Hildebrand,  Fyndet  frän  Ödeshög,  oder  Erikstorp,  in  Östergötland);  1882, 
S.  97  (derselbe,  Nyfunna  silfverskatter) ;  1883,  S.  97  (Esaias  Tegner  und  H.  Hildebrand, 
(Silfverfynd  frän  Botels  i  Hafdhem  socken,  Gotland);  1884,  S.  53  (dieselben,  Silfverfynd  frän 
Grausne  i  Stenkyrka  socken,  Gotland)  und  135  (B.  E.  Hildebrand,  Tvä  fynd  af  danska  mynt  frän 
ll:e  ärhundradet,  bei  Fjelkinge  und  Löddeköpinge,  in  Skäne);  1890,  S.  73  (H.  Hildebrand, 
Sturköfyndet  in  Blekinge);  1892,  S.  167  (derselbe,  Näsby-  och  Inedals-fynden;  jener  Fund  in  Sö- 
dermanland, dieser  in  Stockholm  gemacht). 


Lebensweise.  28/ 

(i,iokg),  Petes,    1838  (2,32  kg),  Tomasarfve,    1838,  (2,45  Kg),  Stale,  1838 
(7>33  kg!),  Wamblingbo,    1839  (6)87  kg!),  Lilla  Klintegärda,  1842  und  1876 
(2,95  kg),  Kattlunds,    1842  und  1871   (4,47  kg),  Findarfve,  1843   (4,25  kg), 
Fardume,  1844  (4  kg),  Gerete,  1845  (3,13  kg),  Sibbenarfve,  1850  (1,07  kg), 
Utöja,    1851  (1,21  kg),  Rombs,    1852  (1,36  kg),  Stenstugu,   1853  (1,67  kg), 
Kvarna,  1854  (1,36  kg),  Domerarfve,  1857  (IiI3  kg)>  Botes,  1860  (3,02  kg), 
Hageby,    1861  (1,60  kg),  Lilla  Valla,    1863  (1,61  kg  Silber  und  35  g  Gold), 
Lilla  Wastäde,    1864  (2,05   kg),   Uggärds,    1865   (1,08  kg),   Roma,   1866 
(1,35   kg),  Fölhagen,    1866  (4  kg  Silber  und  26  g  Gold),  Westres,   1867 
(2,95   kg),    Lingsarfve,    1868    (1,23    kg),    Bjerby,    1869  (1,23   kg),    Buters, 
1869  (2,02  kg),  Wisby,    1869  (4,55   kg   Silber   und    202  g  Gold),   Öster 
Ryftes,  1871   (2,93  kg),    Nygärds,    1874  (1,92  kg),  Nore,   1874  (2,10  kg 
Silber  und  25  g  Gold),  Mannegärda,    1876  und  1900  (4,62   kg),  Spillings, 
1877  und    1878  (3,82  kg),  Botels,    1879  (4,42  kg),  Stora  Enbjenne,    188] 
(1,42  kg),  Grausne,    1882— 1888  (2,38  kg),  Öfvide,    1884  (1,57  kg),  Eke- 
skogs,   1884   (3,76  kg),   Österby,    1886  (3,82  kg),   Tune,    1891    (1,22    kg), 
Myrände,    1893  (3,61   kg),  Rondarfve,   1897  (1,17  kg),   Botwalde,    1899 
(2,91   kg)  und  Asarfve,    1903   (7,06  kg!),  Grötlingbo,    1904  (0,95  kg). 
Also  auf  dem  Festlande:      in    26   Funden     62,83    kg   Silber; 
auf  Öland:  „5         »  I2,5T     »         »      i 

auf  Gotland:  „    47         „  125,79     „ 

In    diesen    78    Funden    201,13   kg  Silber,  wozu    die  vielen   kleinen   Funde 
kommen,  welche  zusammen  ein  bedeutendes  Gewicht  repräsentieren. 

Unter   den    Goldfunden   aus    derselben   Zeit   sind    folgende    besonders  be- 
merkenswert: in  Uppland,  auf  der  Insel  Björkö,  unweit  der  Stadt  Birka,    1874, 
zwei  schwere  Armringe,  durch  einen  starken  Golddraht  verbunden  (529  g).  — 
Södermanland,  bei  Hörningsholm,  1847,  zwei  Armringe  (379  g)1).  —  Öster- 
götland2),   Skillberga,    1858,    ein  Armring   (61/   g);     Erikstorp,    1875,    in    dem 
oben  erwähnten  Silberschatz,  sieben  Armringe  und  eine  runde  Spange  (Gesamt- 
gewicht des  Goldes  785  g);  Sten,    1894,  vier  Armringe  (259  g);  Varsten,    1900, 
ein  Armring  (78  g,  Fig  468).  —  Westergötland,  Tursebo,  1851,  ein  Armring; 
Gudhem,    1878,    Bruchstück  eines  Ilalsringes    und    andere  Ringe  (12 19  g!).  ■ 
Bohuslän,    Helsö,    1868,    ein  Armring3);     Ed,     1881,    ein  Armring    (62  g).  — 
Hailand,  Eldsberga,    1862,   ein  Armring  (103   g).  —  Skäne,   Fjerrestad,    18 
ein  Armring  (106  g)4);     Fosie,    1846,  ein  Armring;    Houf,    184S,  ein   Armring; 
Fjelkestad,  1857,  ein  Halsring  (171  g);  Östra  Torp,    1868,  in  einem  Silberschatz, 
zwei  Armringe  (147  g  Gold)5);     Husie,   1883,  ein  Armring.  -      Blekinge,    auf 
der  Insel  Ytterön,    1829,  vier  Armringe  (217  g);  bei  Hörby,    1866,  ein  Armring 
(104  g);  Yxnarum,    1902,  in  einem  Silberschatz  (621  g  Silber),  ein  Armring  aus 
Gold.  —   Öland,   Norra  Möckleby,    1868,    Mittelstück    eines    Hals-   (oder  Arm- 
ringes; Köping,    1869,  ein  Armring.  —  Gotland,   Hamra,    1S35,  drei  Amin: 

IJ  (Hörningsholm)  Abgebildet  in  Antiqu.  sucd.,  Fig.  600.  —  2)  (östergötland)  Sv.  Fornm.- 
furUidskr.,  Bd.  12,  S.  23—33.  —  3)  (Helsö)  Vntiqu.  sued.,  Fig.  603.  —  4)  (Fjerrestad)  Ebenda, 
Fig.  608.  —   5)  (Ö.  Torp)   Ebenda,   Fig.  602. 


288 


Die  Wikingerzeit. 


(261  g);  Dinese,  1836  und  1840,  drei  Armringe  (144  g)1);  Norrgärda,  185 1, 
ein  Armring  (99,3  g);  Hulte  (im  Kirchspiel  Hemse),  1858  und  1859,  zehn  Gold- 
brakteaten2);  Ringome,  1869,  elf  Brakteaten2);  Wisby,  1869,  in  dem  oben  er- 
wähnten Silberschatz,  zwei  Armringe  (202  g  Gold);  Stora  Tollby,  1878,  sechs 
Goldbrakteaten2)  (und  zwei  römische  Denare  aus  dem  zweiten  Jahrhundert); 
Hulte  (im  Kirchspiel  Hemse),  1891  und  1894,  zwei  Armringe  (148  g);  Dalhem, 
1894,  dreizehn  Brakteaten  (das  Gold  mit  vielem  Silber  legiert)2);  Björke,  1896, 
achtzehn  Brakteaten  aus  Gold,  Silber  und  Bronze2)  nebst  zwei  Armringen  aus 
Silber  und  einigen  arabischen  Münzen. 

Daß  diese  Schätze  —  wie  diejenigen  der  älteren  Periode  (S.  180  und  218)  — 
der  Erde  übergeben  wurden,  beruht  jedoch  nicht  nur  auf  der  Unsicherheit  der 
Zeit.3)  Ein  anderer  Grund  mag  oft  der  Glaube  gewesen  sein,  daß   vergrabenes 

Gut  dem  Eigentümer  nach  dem  Tode 
zu  Nutze  komme,  wie  es  Oden  in  der 
Ynglingasage  seinen  Mannen  lehrt.  Den- 
selben Glauben  —  der  übrigens  bei  den 
Schweden  nicht  ganz  ausgestorben  ist4) 
—  findet  man  auch  bei  anderen  Völkern, 
so  z.  B.  bei  den  Lappen.5) 

Noch  heute  ist  im  Norden  die  Vor- 
stellung   nicht    ganz    ausgestorben,    daß 


solche  vergrabene  Schätze  von  ihren 
einstigen  Herren  bewacht  werden.  So 
wird  nach  dem  Volksglauben  in  Wärend 
der  Mann,  der  heimlich  Güter  ver- 
graben hat,  nach  dem  Tode  ein  Wurm 
oder  Drache,  der  auf  dem  Schatz  liegt6); 
eine  Frau  sitzt  darauf  als  große  schwarze 
Henne.  Verbreitet  ist  auch  der  Glaube, 
daß  es  an  den  Stellen  leuchte,  wo  versteckte  Schätze  liegen;  ein  Irrwahn,  der 
zur  Zerstörung  von  unzähligen  Grabhügeln  Veranlassung  gegeben  hat,  deren 
unzerstörter  Inhalt  freilich  ein  Schatz  für  die  Wissenschaft  hätte  sein  können. 
Als  Schutz  und  Zufluchtsort  bei  feindlichen  Einfällen  sind  die  meisten 
der  aus  der  Heidenzeit  stammenden  Burgen  errichtet  worden,  die  sich  auf  Berg- 
höhen in  verschiedenen  Landesteilen  befanden,   so  besonders  an  den  Ufern  und 


j  intter 

455.    Plan  der  Stenby  Burg  auf  der  Insel 
Tosterön  in  Mälaren. 


1)  (Dinese)  Antiqu.  sued.,  Fig.  601.   —   2)  (Hulte,  Ringome,  St.  Tollby,  Dalhem  und  Björke) 
Die  meisten  Brakteaten  sind  unseren  Fig.  487  und  488  ähnlich. 

3)  Auch  in  den  letzten  Jahrhunderten  hat  man  in  verschiedenen  europäischen  Ländern  während 
Kriegszeiten  seine  Kostbarkeiten  in  die  Erde  versteckt. 

4)  O.  Almgren,  En  sen  kvarlefva  af  en  forntida  tro,  in  der  Sv.  Fornm.-förs  tidskr.,  Bd.  10, 
(1899),  S.   229  (vgl.  S.   312). 

5)  Als  man  einen  Lappen  fragte,  weshalb  er  sein  Geld  vergrabe,  antwortete  er:   »Wenn  mein 
Geld  anderen  in  die  Hände  fällt,  wovon  soll  ich  im  Totenland  leben?« 

6)  G.  O.  Hylten-Cavallius,   Wärend  och  Wirdarne,    1    (Stockholm,    1863),  S.  461. 


Lebensweise. 


289 


auf  den  Inseln  des  Mälarsees  (Fig.  45  5) l).  Ihre  mächtigen  Mauern  sind  aus 
unbehauenen  Steinen,  oft  von  bedeutender  Größe,  die  lose  aufeinander  liegen, 
aufgetürmt  und  waren  nicht  mit  Mörtel  verbunden:  eine  erstaunliche  Arbeit,  da 


456.    Glasgefäß.    Björkö.    i/j. 

die  erforderlichen  Steine  oft  weither  und  steile  Berge  hinauf  geschafft  werden 
mußten.  Solche  Burgen  umschließen  oft  einen  ganz  bedeutenden  Flächenraum. 
Manchmal  sehen  wir  noch  innerhalb  dieser  Burgen  Anlagen  von  Häusern,  die 
denen,  die  sich  in  der  Burg  aufhielten,  Unterkunft  boten. 


457.    Silberschale,   mit  Bodenornament  und   Durchschnitt. 
Rand   und   Boden  vergoldet.     Gotland.     *  .,. 

Auf  Öland  gibt  es  ebensolche  Burgbauten,  aber  nicht  auf  Anhöhen, 
sondern  im  Flachland.  Die  Form  dieser  Burgen  war  kreisrund  oder  oval,  die 
Größe  oft  bedeutend,  und  Reste    der  Wohnhäuser    sind    nicht    selten    noch    zu 


1)   Sv.  Fornm.-fnrs   tidskr.,   Bd.    I,   S.  93,    und  Bd.   10,   S.  297.  Vgl.   A.    Erdmann,   Bidrag 

tili  kiinnedomen  om  Sveriges  qvartiira  bildningar  (Stockholm,    186S). 

Montclius,  Kulturgeschichte  Schwedens.  ig 


290 


Die  Wikingerzeit. 


sehen.  Die  besterhaltene  ist  die  Ismanstorp-Burg  bei  Folkeslunda,  im  Kirchspiel 
Länglöt.  Die  Mauern  aus  Granitplatten  und  Kalksteinfliesen  sind  fest,  obwohl 
kein  Mörtel  vorhanden  ist.  Sie  sind  an  den  unbeschädigten  Stellen  3,5  m 
hoch  und  3  m  dick.  Verschiedene  Tore  führen  in  das 
Innere,  das  einen  Durchmesser  von  nicht  weniger  als 
124 — 127  m  hat.      Grundmauern  zahlreicher  Wohnhäuser 

sind  noch  in  dieser  Burg  sicht- 
bar. Ob  die  öländischen 
Burgen  jedoch  aus  der  Wi- 
kingerzeit stammen,  ist  un- 
sicher; wahrscheinlich  sind 
sie   älter.1) 

458.  Tongefäß,  glasiert.  *  ;f.  :i: 

Gotland.   l/2. 


459.  Tongefäß.  Björkö.  1/3. 


460.  Löffel  aus  Eichhorn.  Björkö.  */,. 


Wir  kehren  nun  zu  den  eigentlichen  Wohnungen  zurück.  An  den  langen 
Winterabenden  waren  die  Hütten  oder  Hallen  hauptsächlich  vom  Herdfeuer 
beleuchtet  oder  von  Wandfackeln  aus  trockenen  harzhaltigen  Fichtenspänen.  In 
einer  Zeit,  in  der  weder  gelesen  noch  geschrieben  wurde,  brauchte  man  keine 
so  gute  Beleuchtung  wie    heute.     Einige    merkwürdige  Funde   haben   indessen 


1)  Über  Burgen  auf  Gotland,  siehe:    F.  Nord  in,  Om  Gotlands  fornborgar,  im  Mänadsblad, 
1881,  S.  97. 


Lebensweise. 


29I 


gezeigt,  daß  wenigstens  gegen  Ende  des  Zeitraums,  den  wir  betrachten,  Wachs- 
kerzen im  Norden  nicht  ganz  unbekannt  waren.  Feuer  schlug  man  mit  Stahl 
und  Feuerstein.  An  den  Kanten  sehr  zerschlagene  Feuersteinstücke  und  Feuer- 
stahl wurden  gelegentlich  in  den  Gräbern  jener  Zeit  gefunden. 

Von  dem  Hausgerät  in  den  letzten  Jahrhunderten  der  Heidenzeit  können 
wir  uns  mit  Hilfe  der  Funde  und  der  Sagas  eine  Vorstellung  machen.  Insbe- 
sondere sind  eine  große  Menge  Gefäße  verschiedenster  Art  bis  heute  gut  erhalten 
geblieben.  Kochtöpfe  waren  gewöhnlich  aus  gebranntem  Ton,  Topfstein  oder 
Eisen.  Letztere  wurden  aus  mehreren  kleinen  aneinander  genieteten  Eisen- 
platten gemacht,  da  die  Kunst,  Eisen  zu  gießen,  noch  nicht  bekannt  war. 
Noch  zahlreicher  indessen  als  Kochgefäße  sind  Trinkgefäße,  meistens  aus  Holz 
oder  gebranntem  Ton,  seltener  aus  Glas  (Fig.  456)  oder  Silber.  Die  Tongefäße 
sind  unglasiert;  äußerst  selten  findet  man  ein  glasiertes  Gefäß  aus  dieser  Zeit 
(Fig.  458).  Daß  feinere  Tongefäße  schon  ab  und  zu  aus  fremden  Ländern  ein- 
geführt wurden,  sieht  man  an  einigen  deutschen  Kannen  aus  gebranntem  Ton 
mit  Griff  und  Ausguß,  die  in  Gräbern  auf  Björkö  gefunden  wurden  (Fig.  459). 
Das  Nationalmuseum  besitzt  auch  eine  schöne  Silberschale  mit  Tierverschlingungen 
auf  dem  Boden  und  um  die  Kante,  die  durch  ihre  vollständige  Übereinstimmung 
mit  denen  der  Runensteine  zeigen,  daß  die  Arbeit  schwedisch  ist  (Fig.  457). 

Das  gewöhnlichste  Trinkgefäß  war  aber  das  Hörn,  »von  des  Ures  Stirn  ge- 
brochen«, das  schon  in  der  älteren  Eisenzeit,  wie  wir  sahen  (S.  189),  allgemein 
gebraucht  wurde.  Auf  Oland  hat  man  mit  anderen  Silbersachen  und  Münzen  aus 
dieser  Zeit  ein  kleines  Silberbild  gefunden,  eine  Frau  vorstellend,  die  ein  Trink- 
horn  darreicht  (Fig.  539).  Wir  lesen  in  den  Sagas,  daß  es  in  der  YYikingerzeit 
Sitte  war,  das  die  Töchter  des  Hauses  den  trinkenden  Männern  das  Hörn  reichten. 

Während  der  Mahlzeiten  waren,  wenigstens  bei  den  Reichen,   die   Tische 

mit  Tüchern  bedeckt,  wie  wir  in  dem  Eddaliede  Rigsmäl  aus  der  Schilderung 

von    Heimdals   Besuch    in   dem   Hause,    wo    der   Stammvater   der   Jarle   später 

geboren  wurde,  erfahren: 

Modir  nahm  nun 

ein   gemustertes  Tuch 

von  hellem  Leinen 

und    hüllte   die   Tafel; 

dann   trug  sie  flache 

Fladen  herbei 

von   lichtem   Weizen 

und   legt'   sie   aufs   Tuch. 

Ferner  brachte  sie 
volle  Schüsseln, 
mit  Silber  bezogen, 
und   besetzte  den   Tisch, 
auch  braunen  Speck 
und  gebratene   \   >gel; 
in  der   Kanne  war   Wein, 
die   Kelche  versilbert. 
Sie    tranken    und    schwatzten, 
der    Tag  ging    sur  Küst' 


292 


Die  Wikingerzeit. 


Die  Schüsseln  und  Teller,  auf  denen  die  Speisen  vorgesetzt  wurden,  waren 
wohl  gewöhnlich  nur  von  Holz  und  ganz  kunstlos,  wenn  auch  zuweilen,  wie  in 
den  eben  vorgeführten  Versen,  solche  erwähnt  wurden,  die  wenigstens  zum 
Teil  aus  Silber  waren.  In  den  schwedischen  Funden  aus  der  Wikingerzeit  hat 
man  keine  solche  Gefäße  getroffen.  Zinnteller  waren  noch  unbekannt  hier.  Die 
Speisen  wurden  mit  den  Messern  gegessen,  die  jedermann  im  Gürtel  bei  sich 
führte.  Gabeln  sind  erst  eine  Erfindung  späterer  Zeit;  in  der  heidnischen  Periode 

verrichteten  die  Finger  deren  Dienst,  weshalb  man 
sich  denn  auch  im  Norden  —  wie  im  homerischen 
Griechenland  —  vor  und  nach  der  Mahlzeit  die 
Hände  wusch.  Die  Löffel  waren  von  Holz,  Hörn 
oder  Knochen  {Fig.  460);  silberne  Löffel  hat  man 
in  den  schwedischen  Funden  aus  heidnischer  Zeit 
noch  nicht  angetroffen. 

Uns  ist  es  freilich  nicht  leicht,  uns  vorzustellen, 
wie  sich  das  Leben  zu  einer  Zeit  gestaltete,  in  der 
man  weder  Kartoffeln,  noch  Kaffee,  Tee,  Zucker, 
noch  die  südlichen  Gewürze  kannte.  Aber  man 
hatte  anstatt  der  Kartoffeln  Brot,  Milch  an  Stelle 
von  Kaffee  und  Tee,  Honig  anstatt  Zucker;  und  die 
beste  Würze  ist  und  bleibt  schließlich  der  Hunger, 
der  der  harten  Arbeit  folgt.  Außer  den  Erzeugnissen 
des  Ackerbaues  und  der  Viehzucht  gab  es  reich- 
lich Wild,  und  verschiedene  Funde  beweisen  uns, 
daß  man  schon  Gänse  und  Hühner  hatte. 

Snorre  Sturlesson  erzählt  von  dem  norwegi- 
schen König  Sigurd  Syr  in  Ringerike,  Olaf  des 
Heiligen  Stiefvater,  daß  man  in  seinem  Haus  ab- 
wechselnd am  einen  Tage  Fisch  und  Milch,  am 
andern  Fleisch  und  Bier  bekam.  Ein  teureres  Getränk 
war  der  Met,  der  nur  bei  minder  gewöhnlichen 
Gelegenheiten  auf  den  Tisch  kam.  Um  ihn  be- 
rauschender zu  machen,  wurden  ihm  zuweilen  ge- 
wisse Kräuter  zugesetzt.  Der  Wein  war  nicht  un- 
bekannt, scheint  aber  sehr  selten  getrunken  worden  zu  sein. 

»Gastlichkeit«,  sagt  Adam,  ^zeichnet  die  Nordländer  in  hohem  Grade 
aus,  aber  besonders  die  Schweden,  denn  ihnen  gilt  nichts  als  größere  Schande, 
als  einem  Reisenden  gastliches  Dach  zu  verweigern.  Ja  sie  streiten  sich  sogar 
um  das  Vorrecht,  den  Gast  aufzunehmen.  Alles  was  Menschenliebe  bieten  kann, 
wird  einem  solchen  erzeigt,  und  wenn  derselbe  bei  ihnen  so  viele  Tage  zuge- 
bracht hat,  wie  er  selber  für  gut  befindet,  empfehlen  sie  ihn  an  ihre  Freunde 
von  einem  Ort  zum  anderen«. 


461.  Wollener  StofY  mit  Stickereien. 
Dänemark.   ]/„. 


Lebensweise. 


293 


462. 


Moderner  Webstuhl  von  den  Färö-Inseln.    1/w. 


Über  die  Tracht  der  Nordländer  in  den  letzten  Jahrhunderten  des  Heiden- 
tums geben  uns  die  Eddalieder,  die  Sagas  und  die  Funde  ziemlich  vollständige 
Auskunft.  Die  Edda,  noch  mehr  aber  die  Erzählungen  der  Sagen 
dürfen  jedoch  in  dieser  Beziehung  nur  mit  großer  Vorsicht  benutzt 
werden,  da  sie  einige  Jahrhunderte  später  niedergeschrieben  sind, 
und  sich  die  Kleidung,  besonders  bei  den  Wohlhabenden,  inzwischen 
geändert  hatte,  weshalb  es  manchmal  schwer  zu  sagen  ist,  ob  der 
Verfasser  eine  treu  erhaltene  Tradition  aufgezeichnet  hat,  oder  ob  er 
seine  Helden  nach  der  Mode  späterer  Zeiten  kleidet.     Einer  solchen 


1  1 


Ungewißheit    unterliegen    Abbildungen    und    Funde    aus     derselben 
Zeit  nicht. 

Verschiedene    Funde    zeigen,    daß    außer    Fell    und   Pelzwerk 
auch   Wolle,  Leinen    und  Seidenzeug    von    den  Nordländern    in    der 
Wikingerzeit   getragen  wurden.     Seidenstoffe    waren    aber   natürlich 
selten    und   kostbar.     Im   Rigsmäl  lesen    wir,    wie  der  neugeborene 
Jarl  in  Seide  gehüllt  wird,    und  in  einem    dänischen  Grab  aus  jener  schJwcrl 
Zeit  fand  man  Seidengewebe  mit  Silber  und  Gold  durchwirkt,  nebst    Wallfisch- 
einem    Mantel    aus    Wolle    mit    Stickereien,    die    Menschengesichter,    —-'  \?r 
Löwen  und  Blattranken  vorstellen  (Fig.  461). 

Wolle  und  Leinengewebe  waren  im  allgemeinen  Gegenstände  des  ein- 
heimischen Hausfleißes.  Die  Funde  aus  jener  Zeit  enthalten  auch  oft  Reste  von 
den  dabei   verwendeten  Gerätschaften,    die   aus  Stein   oder   Metall   waren.     So 


294 


Die  Wikingerzeit. 


hat  man  Spinnwirtel  gefunden,  Flachshecheln  und  die  Gewichte,  mit  denen 
der  Aufzug  auf  dem  Webstuhl  straff  gehalten  wurde.  Der  Spinnrocken,  der 
jetzt  in  den  Städten  oft  nur  als  ein  Andenken  an  den  Hausfleiß  verganeener 
Zeiten  gilt,  war  damals  im  Norden  wahrscheinlich  noch  unbekannt1).  Man 
gebrauchte  an  seiner  Statt  Spindeln,  wie  schon  in  der  älteren  Eisenzeit  (S.  177), 
und  wie  sie  die  Frauen  in  entlegenen  Ortschaften  Schwedens  noch  im  letzten 
Jahrhundert  benutzt   haben. 

Auf  Björkö  und  anderswo  fand  man  Spinnwirtel  von  Bernstein  aus  der 
W'ikingerzeit,  was  schließen  läßt,  daß  damals  wie  später  auch  reichere  Frauen 
selbst  spannen. 

Der  Webstuhl  hatte,  wie  viele  noch  später  im  Norden  benutzte  (Fig.  462), 
hängende,  nicht  wagrecht  liegende  Kettenfäden.     Auf  einem  solchen  Webstuhl 

konnte  man  leichter  als  auf  den  heute  gebräuchlichen  Zeug 
mit  komplizierten  Mustern  und  verschiedenen  Farben  weben; 
unsere  Maschinen  sind  aber  zeitsparender.  Die  Fäden 
wurden  mit  einem  solchen  schwertähnlichen,  dünnen  Stück 
Holz  oder  Knochen  wie  Fig.  463  zusammengedrückt. 

Die  Tracht  des  Mannes  bestand  in  der  Hauptsache  aus 
denselben  Stücken  wie  heute:  Hemd,  Schuhe,  Strümpfe, 
Hosen,  Rock  (eine  Art  Kittel),  der  mit  einem  Gürtel  zu- 
sammengehalten wurde,  darüber  ein  Mantel  und  auf  dem 
Kopf  eine  Mütze  oder  ein  Hut.  Diese  verschiedenen  Kleidungs- 
stücke, oft  in  grellen  Farben,  hatten  im  allgemeinen  dieselbe 
Form  wie  jetzt.  Doch  scheint  der  Rock  vorn  nicht  ganz 
offen  gewesen  zu  sein,  wie  unsere  jetzt  üblichen  Röcke;  er 
glich  eher  einer  langen  Bluse.  Der  Mantel  wurde  von  einer 
Spange  zusammengehalten. 

Allerdings  sind  diese  Angaben  aus  isländischen  Schriften 
entnommen,  aber  daß  sie  auch  für  Schweden  gelten,  zeigt  sich 
unter  anderem  durch  die  Abbildungen  von  schwedischen 
Kostümen,  die  man  auf  mehreren  Runensteinen  aus  jener 
Zeit  sieht  (Fig.  464). 
Um  ein  lebendigeres  Bild  von  der  Tracht  in  der  Zeit,  mit  der  wir  uns 
jetzt  beschäftigen,  zu  geben,  teilen  wir  hier  die  Beschreibung  des  Anzugs  von 
dem  oben  erwähnten  König  Sigurd  Syr  mit,  als  er  im  Herbst  10 14  auf  seinen 
Äckern  ging,  um  die  Korneinfuhr  zu  überwachen,  und  als  ihn  sein  Stiefsohn  Olaf 
Haraldsson,  später  »der  Heilige«  genannt,  besuchte.  »So  wird  erzählt  von  seiner 
(Sigurds)  Ausstattung«,  erzählt  Snorre,  »daß  er  einen  blauen  Rock  trug  und 
blaue  Hosen,  hohe  Schuhe  an  den  Beinen  festgebunden,  einen  grauen  Mantel 
und  einen  grauen  Hut,  einen  Schirm  um  das  Gesicht  und  in  der  Hand  einen 
Stab,  der  oben  mit  einem  vergoldeten  Silberknopf  versehen  war,  in  dem  ein 
silberner  Ring  saß«.  Um  nun  seinen  Stiefsohn  würdig  zu  empfangen,    »ließ  er  sich 

1)  In  der  Edda  kommt  das  Wort  »Rocken«  einmal  vor,  aber  es  kann  später  interpoliert 
worden   sein,   da  dieser  Gesang  wohl   erst  im  Mittelalter  niedergeschrieben   wurde. 


464.     Bild  auf  einem 

Runenstein.      Öster- 

götland. 


Lebensweise. 


295 


seine  Schuhe  ausziehen,  und 
zog  über  seine  Fül.je  lange 
Korduanstrumpfhosen  und 
band  vergoldete  Sporen  an; 
dann  nahm  er  Mantel  und 
Rock  ab  und  zog  ein  kost- 
bares Kleid  an,  nahm  dar- 
über einen  Scharlachmantel, 
umgürtete  sich  mit  einem 
schmuckreichen  Schwert, 
setzte  einen  vergoldeten 
Helm  auf  und  bestieg  sein 
Pferd,  das  einen  vergoldeten 
Sattel  und  ein  ganz  vergol- 
detes Zaumzeug  mit  Schmelz- 
steinen (Email)  hatte«.  Der 
Zaum  war  also  von  der- 
selben Art,  wie  der  in  einem 
Wendelgrab  gefundene  (Fig. 
409). 

Die  Kleidung  der  Frauen 
scheint  der  der  heutigen  Bäuerinnen  ähnlich  gewesen  zu  sein. 

Ein  Besuch  in  dem  an  kostbaren  Andenken  an  die  Wikingerzeit  be- 
sonders reichen  Nationalmuseum  zu  Stockholm  bestätigt  durchaus  die  alten 
Erzählungen  der  Sagas  über  den  Luxus  und  die  Pracht,  welche  die  Bewohner 
des  Nordens,  Männer  wie  Frauen,  vor  tausend  Jahren  zu  entwickeln  verstanden. 


465.  Halsring  von  Silber.    Gotland.  */« 


466.    Halsring  von  Silber.    Östergötland.     '  ,2. 


296 


Die  Wikingerzeit. 


467.    Armring  von  Silber.    Gotland.    1/1. 


Man  sieht  dort  prunkende  und  meist  recht  geschmackvoll  gearbeitete  Broschen 
und  Spangen  aus  Silber  und  Bronze,  letztere  oft  vergoldet  oder  mit  Platten  und 
Schnüren  von  Gold  oder  Silber  belegt;  Halsringe  und  Gürtel  aus  massivem 
Silber;  Armringe  und  Fingerringe  aus  Gold  und  Silber,  massiv  und  erstere 
zuweilen  sehr  schwer;  Ketten  und  Hängeschmuck  für  Hals  und  Brust  aus  Gold, 
Silber  und  Bronze;  große  prächtige  Perlen  aus  Silber,  Glas,  Glasmosaik,  Berg- 
kristall, Karneol,  Bern- 
stein und  ähnlichem1); 
Kämme  aus  Bein  oder 
Hörn  und  vieles  andere 
(Fig.  465—507). 

Diese  manigfaltigen 
Schmucksachen  sind 
aber  nicht  nur  deshalb 
wertvoll,  weil  sie  uns 
die  Prachtliebe  unserer 
Vorfahren  zeigen,  sie 
sind  noch  wichtiger,  da 
sie  beweisen,  daß  unsere 
Vorfahren,  diese  von 
Europas  übrigen  Völ- 
kern so  gefürchteten 
Heiden,  nicht  allein  als 
wilde  Krieger  ange- 
sehen werden  dürfen, 
sondern  auch  als  wohl- 
erfahren in  den  Künsten 
des  Friedens. 

Wohl  gab  es  eine 
Zeit,  da  man  erklärte, 
daß  alle  von  irgend- 
welcher Kunstfertigkeit 
zeugenden  Altertümer, 
die  in  schwedischer  Erde 
gefunden  wurden,  von 
den  Wikingern  aus  frem- 
den Ländern  als  Beute 
heimgeführt  sein  sollten. 
Die  geduldige  Forschung  unserer  Zeit  hat  aber  an  den  Tag  gelegt,  daß  die 
Mehrzahl  auch  der  bestgearbeiteten  Schmucksachen  Erzeugnisse  des  heimischen 
Kunstfleißes  sind,  und  wir  haben  jetzt  sogar  Anlaß  uns  zu  wundern,  wie  wenige 
solche  Gegenstände  man   in  der  Tat  in  Schweden  gefunden  hat,    die   man  als 

1)  Aus  dem  Süden  importierte  Schnecken  kommen  in  einigen  Funden  aus  dieser  Periode,  wie 
aus  den  älteren  Zeiten,  vor  (Fig.  489). 


468.    Armring  von  Gold.    Östergötland.   l/t. 


Lebensweise. 


297 


von    den    Wikingern    aus    West- 
europa    heimgeführt     betrachten 
kann.    Wenn  wir  die  Münzen  vom 
zehnten    und    Anfang  des    elften 
Jahrhundertes    ausnehmen,  bleibt 
nicht  viel,    was    an  die    häufigen 
Besuche   in  England,    Frankreich 
und  in  den  anderen  auf  den  west- 
lichen Heerzügen  von  den  Nord- 
männern    geplünderten     Ländern 
erinnert.      Die    Erklärung    dieser 
unerwarteten  Erscheinung  ist  wohl 
teils    darin    zu   suchen,    daß  uns 
nur  wenig  vom  Eigentum  unserer 
Vorfahren   überkommen  ist,    teils 
darin,    daß    ein    großer   Teil   der 
Gegenstände  von  Metall,    die  mit- 
gebracht  wurden,    im  Laufe  der 
Zeiten  hier  umgearbeitet  worden 
ist.     Dazu  kommt,  daß  viele  Wi- 
kinger   in    der    Fremde    blieben, 
und  daß  manches  zurückkehrendes 
Wikingerschiff  untergegangen  oder 
mit  aller  Ladung  die  Beute  eines 
stärkeren    Feindes    geworden  ist. 


472.     Goldring.    Skäne.   1/i. 

Natürlich  können  wir  hier 
nicht  näher  untersuchen,  welche 
Sachen  aus  jener  Periode  ein- 
heimische Arbeiten  und  welche 
eingeführt  sind.  Wir  wollen  nur 
einige  Worte  über  die  Werk- 
zeuge sagen  und  über  andere 
die  einheimische  Arbeit  beleuch- 
tende Sachen,  die  man  in  Schwe- 
den und  den  anderen  nordischen 
Ländern  fand. 


469  und  470.    Halsring  und  Armring  von  Silber. 
Helsingland.     '/a. 


471.     Armring  von  Silber.    Gotland.     l/i- 


473.     Armring   von   Silber:    mit   Detail.     Gotlaml.    l  1. 


298 


Die  Wikingerzeit. 


In  den  Grabhügeln  aus  der  Wikingerzeit  sind  Ambosse,  Hämmer  verschie- 
dener Art,  Zangen,  Feilen,  Pfriemen,  Bohrer,  Äxte,  Messer,  Hobel,  Schabeisen, 
Sägen  und  Wetzsteine  nicht  selten  (Fig.  508,  511  und  512).  Die  größeren 
Ambosse  waren  von  Stein,  die  kleineren  von  Eisen  (Fig.  513).  Außer  verschie- 
denen Werkzeugen  sehen  wir  auf  den  »Sigurdzeichnungen«  in  Södermanland,  die 
wir  in  folgendem  näher  beschreiben  werden,  auch  Blasebälge  abgebildet. 

Unter  den  bedeutenderen  hierher  gehörigen  Funden  können  wir  besonders 
einen  aus  dem  Kirchspiel  Eke  auf  Gotland  anführen,  der  im  Nationalmuseum 
zu  Stockholm  aufbewahrt  wird.  Bei  Anlegung  eines  Grabens  fand  man  dort 
eine  größere    Zange,    zwei    große   Gewichte    und    einen    starken   Haken,    wahr- 


477- 


481. 


4S2. 


4S3. 


484. 


474 — 484.    Perlen  und  Hängeschmuck  von  Silber.    Gotland  (475  und  476,  Helsingland).     i/i. 


scheinlich  von  einer  Wage,  alles  aus  Eisen,  zwei  kleine  Formen  aus  Bronze 
zum  Pressen  oder  Gießen  von  Zieraten,  drei  noch  zusammenhängende  kleine 
Spangen  aus  Bronze  (Fig.  496),  die  in  einer  Form  gegossen  und  offenbar  noch 
ganz  in  derselben  Verfassung  waren,  wie  sie  die  Form  verlassen  hatten, 
und  verschiedene  andere  Spangen,  Schlüssel  usw.  aus  Bronze  und  Eisen,  von 
denen  einigfe  abgenützt  sind  und  wahrscheinlich  zum  Umarbeiten  bestimmt  waren, 
während  andere  erst  halbfertig  und  also  wie  die  drei  ersterwähnten  Spangen 
als  Probe  der  Kunstfertigkeit  des  Schmiedes  betrachtet  werden  können,  der  aus 
unbekanntem  Anlaß  diese  Sachen  vergrub.  Dabei  ist  der  Umstand-  wichtig,  daß 
der  Hof,  auf  dem  alles  dieses  sich  befand,  Smiß  heißt,  was  der  Hof  des  Schmiedes 
bedeutet.  Wahrscheinlich  hat  der  Hof  seinen  Namen  daher  bekommen,  daß 
ein  oder  mehrere  Schmiede,  Sohn  auf  Vater,  dort  gewohnt  haben. 


Lebensweise. 


>99 


485.   Hüngeschmuck   von 
Bronze.   Helsingland.    '|i. 


4S6.    I  hingeschmuck   von 
vergoldetem  Silber. 
Södermanland.    */i. 


487.    Goldbrakteat.    Gotland.    1|i. 


/«  ; 


y 


j5-KX 


488.    Goldbrakteat,   mit  Filigran- 
verzierungen.    Gotland.    */i. 


489.  Cyprsea  Melonostoma, 
mit  Bronzering.   Gotland.   *fi. 


1)  Montelius,  Om  de  ovala  sj 
bucklorna,    im   Mänad.-bhul,    is;;    u.    's77 


1  iland.    '  1. ] 


300 


Die  Wikingerzeit. 


Was  das  Rohmaterial  betrifft,  so  müssen  wir  wohl  annehmen,  daß  Gold,  Silber 
und  Bronze  aus  fremden  Ländern  eingeführt  wurden.  Man  hat  auch  mehreremale 
in  der  schwedischen  Erde  kleine  Stangen  oder  Barren  von  Silber  und  Bronze 
(Kupfer  und  Zinn  oder  Zink)  aus  dieser  Zeit  gefunden,  offenbar  in  dem  Zustand, 
wie  sie  der  Handel  brachte.  Aber  unsere  Vorfahren  verstanden  schon  selbst  aus 
dem  Sumpferz  das  Eisen  auszuschmelzen.  Dahingegen  findet  man  keine  Spuren, 

daß  man  vor  Einführung  des 


Christentums  begonnen  hat, 
die  schwedischen  Eisengruben 
zu  bearbeiten. 

Um  das  Sumpferz  zu 
schmelzen,  hatte  man  zu  jener 
Zeit  wahrscheinlich  nur  das- 
selbe Verfahren,  das  noch  in 
spätesten  Zeiten  im  oberen 
Dalarne  und  Härjedalen  be- 
nutzt wurde,  und  das  bis 
heute  in  Finnland  und  im 
Innern  Rußlands  fortbesteht. 
In  kleinen  Gruben  oder  Öfen 
Fig.  25  3)  aus  Stein  oder  Lehm 
wird  das  Erz  mit  Hilfe  ein- 
facher Blasebälge  zu  kleinen 
Luppen  niedergeschmolzen. 
Vielerorts  in  Schweden  hat 
man  in  Gräbern  aus  der  Wi- 
kingerzeitSchlackestücke  und 
Eisenklumpen  gefunden,  An- 
denken an  diese  alte  Eisen- 
verarbeitung. 

»Schmied«  hieß  zu  jener 
Zeit  jeder  Mann,  der  sich 
auf  Metallbearbeitung  ver- 
stand. Die  Sagen  erwähnen  wohl  die  Zwerge  als  besonders  geschickt  im 
Schmiedehand  werk,  aber  sie  sprechen  auch  von  Menschen,  die  als  Schmiede 
in  gutem  Ansehen  standen.  Beweis  dessen  ist  das  eddische  Lied  von  Wölund 
(dem  deutschen  Wieland),  und  einer  der  freigeborenen  Bauernsöhne  in  der 
Rigsmäl  wird  Schmied  genannt,  ein  Name,  der  auch  oft  auf  Runensteinen  vor- 
kommt. Die  isländischen  Sagen  erwähnen  sogar  mehrere  Könige  und  andere 
mächtige  Männer,  die  selbst  verstanden,  ihre  Waffen  zu  schmieden.  Des  be- 
rühmten Egils  Vater  Skallagrim,  einer  der  vornehmsten  Isländer  seiner  Zeit, 
stand  selbst  in  seiner  Schmiede  und   »hämmerte  das  Eisen«. 

Gewöhnlich  ist  man  allzusehr  geneigt,  unseren  Vorvätern  eine   ganz   aus- 
schließliche Vorliebe   für   die    lockenden  Abenteuer   und    die  leichte  Beute   der 


491.    Bronzespange.     Üland.     i/l. 


Lebensweise. 


30I 


Wikingerzüge  zuzuschreiben,  und  man  stellt  sich  gern  vor,  als  hätten  sie  die 
ruhigen  Beschäftigungen  des  Friedens  durchaus  verachtet  und  nur  ihren  Sklaven 
überlassen,  die  unwürdig  waren,  Waffen  zu  führen.  Eine  solche  Vorstellung 
widerspricht    indessen    ganz    bestimmt   dem,    was  wir  von    dem    Leben    in    der 


492.    Zwei  Spangen  aus  vergoldeter  Bronze,  mit  Kette  von  Perlen  aus  Karneol, 
Bergkristall  und  Glas.    Uppland.    1/s. 


Wikingerzeit  wissen.  Es  genügt  die  Schilderung  der  Edda  von  der  Beschäftigung 

des  freigeborenen  Kauernsohnes  anzuführen: 


»Zu  wachsen  begann   er 
und  wohl  zu  gedeihen, 
er  zähmte   Ochsen 
und   zimmerte   Ptliige, 
stellte   Häuser 
und  Ställe  her, 
Lastkarren   baut  er 
und  lenkte  den   1  (aken  . 


302 


Die  Wikingerzeit. 


Snorre  erzählt  auch  von  dem  schon  erwähnten  König  Sigurd  Syr,  daß 
die  Kunde  von  Olafs  Heimkehr  den  König  draußen  auf  dem  Acker  traf,  wo 
er  »viel  Leute  hatte,  von  denen  einige  das  Korn  schnitten,  andere  es  in  Garben 
banden  und  zur  Scheune  brachten.  Der  König  und  zwei  Mann  mit  ihm  gingen 
auf  dem  Acker  dahin  und  dorthin,    wo  das  Korn  eingebracht   wurde«.     Diese 

und  viele  ähnliche  Züge  be- 
weisen, wie  sehr  die  Arbeit 
in  Ehren  gehalten  wurde. 
Damals  wie  heute 
rechneten  Ackerbau  und 
Viehzucht  zu  den  wichtig- 
sten Produktionszweigen. 
Wie  wir  früher  sahen  (siehe 
S.  14),  gab  es  schon  mehr 
als  dreitausend  Jahre  vor 
dem  Ende  der  Heidenzeit 
beinahe  alle  Haustiere  in 
Schweden,  die  noch  heute 
die  wichtigsten  sind:  Hun- 
de, Pferde,  Rinder,  Schafe, 
Ziegen  und  Schweine.  Daß  es  an  Federvieh  Gänse  und  Hühner  gab,  wurde 
schon  erwähnt.  Das  Leben  in  den  »Viehbuden«  (Fäbodar)  oder  Sennhütten 
von  Dalarne  und  Norrland  ist  wohl  noch  in  unseren  Tagen  im  wesentlichen 
dasselbe   wie    vor    tausend    Jahren,    in    gleicher    Einfachheit    und    Frische    und 

gleicher  Einsamkeit,  welche  die  poetische,  etwas 
schwärmerische  Gemütsbeschaffenheit  erzeugt,  der 
das  Volkslied  so  beredten  Ausdruck  gegeben  hat. 
Bienen  züchtete  man  schon  in  der  heidnischen 
Zeit;  der  Honig  wurde  unter  anderem  zur  Bereitung 
des  Mets  gebraucht.  Einigemale  hat  man  auch 
in  nordischen  Gräbern  aus  dem  letzten  Teil  der 
Heidenzeit  Wachs  gefunden.  Mit  Einführung  des 
Christentums    wurde    die     Bienenzucht    wegen    des 


493.    Bronzespange,   von  zwei  Seiten  gesehen.    Uppland.   J/i. 


494.    Bronzespange.1)     Wester- 
götland.     1/i. 


großen    Bedarfes     der     Kirchen     an    Wachskerzen 
noch  wichtiger. 

Das  gewöhnliche  Getreide  der  Wikingerzeit  war  die  Gerste;  außerdem 
wurden  Hafer,  Roggen  und  Weizen  gebaut.  In  der  Rigsmäl  werden  »dünne 
Brote  weiß  von  Weizen«  erwähnt.  Mißwuchs  und  Hungersnot  traf  nicht  selten 
ein,  und  das  kräftigste  Mittel  dagegen  suchte  man  in  noch  reicheren  Opfern  für 
die  erzürnten  Götter.  Half  nichts  anderes  mehr,  so  griff  man  zu  Menschenopfern; 
und  wir  wissen,  wie  die  Ynglingasage  erzählt,  daß  die  Svear  nach  mehrjähriger 
andauernder  Mißernte  ihren  König  opferten. 


1)  H.  Hildebrand,  Djurformade  spännen,  im  Mänadsblad,    1896,   S.   132. 


Erwerbszweige. 


303 


An  Ackerbaugeräten  aus  jener  Zeit  haben  wir  nicht  mehr  viel.  Doch  hat 
man  außer  den  Äxten  auch  einigemale  Pflugscharen,  Sicheln  und  Sensen  ge- 
funden (Fig.   509,   510  und   514);  letztere  glichen  den  heute  gebräuchlichen. 

Das  Getreide  wurde  mit  Dreschflegeln  gedroschen  und  in  Handmühlen 
gemahlen;    das  war,  wie  wir  unter  anderem  aus  der  Sage  von  Frode  ersehen, 


495.    Spange   von   vergoldetem  Silber;   mit  Details.    Skane.    l|i. 


die  Arbeit  der  Sklavinnen.     Die  ältesten  und  einfachsten  Mühlen  waren  flache 

Steine  mit  einer  ovalen  Vertiefung  zum   Zerdrücken  des  Getreides  (siehe  S.  14  : 

sie    wurden    wahrscheinlich    immer    noch    verwendet.      Aber    auch     rotierende 

Mühlsteine  wie  die  unserigen,  wenn  auch  kleiner,  waren  in  Gebrauch;  und  daß 

man    gegen   Ende    der    Heidenzeit    eine 

Art    besser    eingerichteter    Handmühlen 

kannte,  wird  in  dem  eddischen  Lied  von 

Helge    dem    Hundingstöter    angedeutet, 

welches  erzählt,    wie  Helge,    um  seinen 

Feinden  zu  entgehen,  die   Kleider   einer 

Magd    anzog    und    Getreide    zu    mahlen 

begann.     Fr  tut  das  so,  daß   »die  Steine 

bersten  und  die  Kufe  springt   ,  weshalb 

einer  seiner  Feinde  sagt: 

»Mich   dünkt  es   zienn- 
für  diese   Hand 
sich  der  Schwertgriff  mehr 
als  die  Müblenstange 


ngen  auf  einmal   g<  gössen. 
Gotland.   »L 


304 


Die  Wikingerzeit. 


Wassermühlen  wurden  von  den  Römern  schon  in  der  Kaiserzeit  ange- 
wendet, aber  wir  wissen  nicht,  ob  sie  vor  Einführung  des  Christentums  in 
den  Norden  kamen.  In  unseren  ältesten  Pergamenturkunden  werden  sie  allerdings 
erwähnt,    aber   diese  Schriften  sind  beinahe  zweihundert  Jahre    jünger    als    der 


497.    Silberspange  (Filigran),  mit  einer 
Glasperle  und  zwei  Silberketten.  Öland.   !/i. 


498.  Silberspange  (Filigran). 
Gotland.     !/i. 


499.     Silberspange  mit  aufgenieteten  Tierbildern.    Helsingland.     1/i. 


Untergang  des  Heidentums  in  unserem  Land.  Windmühlen  sind  wahrscheinlich 
eine  neuere  Erfindung;  soweit  wir  wissen,  werden  dieselben  in  Schweden  zuerst 
im  vierzehnten  Jahrhundert  erwähnt. 

Von  der  Gartenkultur  in  der  Wikingerzeit  wissen  wir  wenig;     sie    dürfte 
wohl  nicht  hoch  gestanden  haben.  Erst    hinter   den    stillen  Klostermauern    des 


Erwerbszweige. 


305 


500.    Bronzespange.    Gotland.    1fi. 


Mittelalters  kam  sie  zu  Ehren.  Die  Sage  von 
Iduns  Äpfeln  zeigt  jedoch,  daß  diese  Frucht 
auch  in  der  Heidenzeit  bekannt  war1);  in 
einem  der  Eddalieder  sagt  Frö's  Diener  Skirnir 
zur   Riesentochter   Gerd: 

»Elf  Äpfel  hab'   ich 

aus  eitel  Gold, 

die  will   ich   dir  geben,   Gerd, 

das   Bekenntnis   zu   kaufen, 

daß   dir  keiner  von  allen 

Lebenden  lieber  als  Frö«. 

Auch  werden  Haselnüsse 
und  Nußbaumhaine  erwähnt, 
wo  die  Frauen  im  Sommer 
sich  ergingen,  während  die 
Männer  der  Jagd  pflegten. 

Jagd  und  Spiele  im  Freien 
waren  dieHauptzerstreuungen 
der  Männer.  Anfangs  war  die 
Jagd  unentbehrlich,  um  Nah- 
rung zu  besorgen ;  dann  wurde 
sie  ebensosehr  ein  Vergnügen, 
das  mit  Eifer  zu  einer  Zeit  ge- 
trieben wurde,  die  die  Gefahr 
nicht  mied  und  sich  an  aller 
Kraftübung  erfreute.  Jagden 
mit  Falken  oder  »Habichten«, 
wie  es  damals  hieß,  waren  in 
der  Heidenzeit  w7ohl  bekannt, 
und  der  Norden  war  damals 
wie  im  Mittelalter  berühmt 
wegen  seiner  Jagdfalken.2) 

1)  In  einem  dänischen  Kinder- 
grabe aus  der  älteren  Bronzezeit  lagen 
drei  Holzäpfel  (Prunus  malus  sil- 
vestris).  Boye,  Fund  af  Egekister 
fra  Bronzealderen  i  Danmark,  S.  77. 
pl.   XV  Fig.   B  2. 

2)  Daß  die  Jagdfalken  aus  dem 
Norden  im  Mittelalter  hochgeschätzt 
wurden,  ergibt  eine  päpstliche  Bulle 
vom  Jahre  1347,  die  dem  schwedi- 
schen König  Magnus  Eriksson  die 
Erlaubnis  gab,  fünf  Jahn-  lang  an  die 
Länder  des  »babylonischen  Sultans« 

Falken  zu  verkaufen,  damit  der  König  dadurch  Gelegenheit  habe,  seine  Schulden  zu  bezahlen.  —  Daß  in 
einem  der  Gräber    von  Wendel   ein  Jagdfalke  mit  bestattet  worden  war,   i-t  oben  erwähnt  (S.   2 

Montelius,  Kulturgeschichte  Schwedens.  20 


501.  Bronzespange,   mit  Gold   und  Silber  verziert.    Gotland.    '  ,. 


502.  Boden  einer  solchen  Bronzespange  \\  ie  li.;.  .vi.  '  rotland. l  i. 


3o6 


Die   Wikingerzeit. 


Snorre  erzählt  von  Olof  Skötkonung,  daß  er  eines  Morgens  frühe  mit 
seinen  Falken  und  Hunden  ausritt,  und  mit  ihm  seine  Mannen.  Als  sie  die 
Falken  auswarfen,    erlegte  des  Königs  Falke  zwei  Birkhühner  in  einem  Fluge, 


503.    Bronzespange,  von  zwei  Seiten  gesehen;  mit  Runenschrift.    Gotland.    Vi-1) 


JlHs 


ULl^./O. 


504.    Silberspange  (Filigran),  von  zwei  Seiten  gesehen.    Östergötland.    \. 


und  gleich  darauf  flog  er  von  neuem  und  tötete  noch  drei  Birkhühner.  Die 
Hunde  liefen  und  brachten  jeden  Vogel,  der  zur  Erde  fiel;  und  der  König  ritt, 
froh  über  seinen  Erfolg,    heim.     Als  er  auf  den   Hof  ritt,    kam    seine  Tochter 


1)  Vgl.  Mänadsblad,   1900,  S.   50. 


Erwerbszweige. 


307 


heraus  und  begrüßte  ihn.  Er  erzählte  sogleich  seine  Jagd  und  sagte:  *  Weißt  du 
einen  König,  der  in  so  kurzer  Zeit  so  viel  Wild  gewonnen  hätte?  Sie  antwortete: 
»Eine  gute  Frühjagd  war  das,  Herr,  wenn  Ihr  fünf  Birkhühner  erlegt  habet; 
mehr  aber  war  es,  als  Olaf,  Norwegens  König,  an  einem  Morgen  fünf  Könige 
fing  und  ihre  Reiche  sich  unterwarf  . 

M 


507.    Nadel   von  vergoldetem 
Silber;    mit  Details.    Gotland. 
II 


506.    Schmuck  von  vergoldetem   Silber.    Bjorkö.   i 


Von  den  Spielen  in  freier  Luft  soll  das  Ballspiel,  wie  das  S.  191  erwähnte 
Spiel  Warpa«,  seine  Ahnen  schon  in  der  Heidenzeit  haben.  Zum  Ballwerfen 
und  zu  anderen  kräftigenden  Übungen  sammelte  sieh  wohl  die  lugend  der 
ganzen  Gegend  bisweilen  auf  bestimmten  Spielplätzen,  wie  es  noch  in  unseren 
Tagen  auf  Gotland  der  Fall  ist. 

Die  Anlage  der  Nordländer  für  Musik  zeigte  sich  schon  in  der  Heiden 
Von  musikalischen  Instrumenten  werden  Hörner,   Pfeife,   Fiedel,  Geige,   und  vor 

20* 


308 


Die  Wikingerzeit. 


allem,  als  eines  der  ältesten  und  beliebtesten,  die  Harfe  erwähnt.  Snorre  erzählt 
von  Olof  Skötkonung,  daß  wenn  die  Gerichte  auf  des  Königs  Tisch  aufgetragen 
wurden,    Spielleute  da  waren,    »mit  Harfen,   Geigen  und  anderen  Instrumenten«. 


I 


n3 


509.   Pflugeisen. 

Westergötland.    J/5. 


50S.  Eiserne  Zange. 
Södermanland.   1/3. 


512.  Eiserne  Säge.  Norwegen.  1/2 


510.  Eiserne  Sichel. 
Östergötland.   1/3. 


\W 


511.  Eiserener  Hammer. 
Smäjand.  ]/s- 


513.   Amboß  von  Eisen;   mit  Durchschnitt. 
Norwegen.    1|4. 


.■>>. 


\ 


514.    Eiserne  Sense.    Södermanland.    J 


4- 


Zur  Harfe  trugen  die  Sänger  meist  ihre  Lieder  vor,  und  Proben  der  damaligen 
Dichtkunst  in  Schweden  geben  uns  viele  Inschriften  in  Versen  auf  Steinen  in 
verschiedenen  Teilen   des  Landes.1)     Sänger    verweilten    am    königlichen    Hof; 


1)  J.  G.  Liljegren,  Anteckningar  rörande  versar,  skrefne  med  runor,  in  Det  Skandinaviske 
Litteraturselskabs  Skrifter,  Bd.  17  (Kopenhagen,  1820).  —  E.  Brate,  Runverser,  in  der  Antiqv. 
tidskr.  f.  Sv.,  Bd.    10  (1887— 1891). 


Erwerbszweige. 


309 


manche  kamen  von  Island.  So  wird  erzählt,  daß  der  Isländer  Hjalte  zu  Olof 
Skötkonung  kam,  und  bei  ihm  bereits  zwei  Landsleute,  die  Sänger  Gissur  und 
Ottar,  antraf. 

Würfel  waren,  wie  wir  früher  gesehen  haben,   schon  im  älteren  Teil  der 
Eisenzeit  bekannt  (S.  190  und  246);  auch  in  den  Gräbern  aus  den  letzten  Jahr- 


515.  Spielstein  von 
Knochen.  Björkö.  i\i. 


516.  Spielstein  von  Glas  (der     König«), 
von  zwei  Seiten  gesehen.  Björkö.  1|i. 


■■:;::;:-:  . 


517.  Würfel  von 
Knochen.  Björkö.    1|1. 


518.  Torshammer  von  Silber. 
Uppland.    *|  . 


519.    Torshammer  von  Silber,  vergoldet  und  mit  Filigran  verziert, 
an   einer  Silberkette  hängend;   mit  Details.      Östergötland.    }  i. 

hunderten  der  Heidenzeit  findet  man  nicht  selten  Spielsteine  und  Würfel.  Jene, 
meist  halbkugelförmig,  waren  aus  Knochen,  Bernstein  oder  Glas  (Fig.  515  und 
516).  Einer  ist  oft  von  allen  anderen  abweichend;  bisweilen  hat  er  die  Form 
eines  Königs  mit  Krone.  Die  Würfel,  mit  1  bis  6,  gleichen  unseren,  sind  aber 
ein  wenig  länglich   (Fig.    5 1 7). 


->IQ  Die  Wikingerzeit. 

Selbst  das  Schachspiel  war  wahrscheinlich  im  Norden  schon  vor  Ende 
der  Heidenzeit  bekannt. 

Lieber  aber  als  Jagd  und  Spiel  war  den  Nordländern  wilder  Kampf,  wie 
sie  auch  die  Seligkeiten  Walhalls  sich  in  täglichen  mächtigen  Kämpfen  vor- 
stellten, nach  welchen  die  Kämpfer  —  Sieger  und  Besiegte  —  an  frohem 
Gelage  in  Odens  Halle  sich  erquickten.  Bei  einem  solchen  Glauben  war  es 
natürlich  nicht  wunderbar,  wenn  mancher  Jüngling  auf  die  Worte  des  alten 
Liedes  hörte: 

>Da  rief  eine  Krähe, 

rastend  im   Baume : 

,Kon,   du  junger 

was   kirrst  du   Vögel? 

Richtiger  wär's 

auf  die  Rosse  zu  steigen 


und  den  Feind  zu  vernichten. 

Herrlich   sind  Dans 

und  Danps   Hallen, 

ihr  Erbgut  ist  reicher 

als  euer  Besitz; 

kundig  sind  sie 

den  Kiel  zu  reiten, 

Waffen   zu  prüfen 

und  Wunden  zu   schlagen'«. 


5.  Religion.  —  Gräber.        Die  jüngeren  Runen. 

Die  Schriften,  die  uns  über  die  Religion  der  Wikingerzeit  aufklären1),  und 
die  aus  noch  älterer  Zeit  stammenden  Gebräuche  mit  religiöser  Beziehung,  die 
dem  tausendjährigen  Bestehen  des  Christentumes  getrotzt  haben,  ergeben,  daß 
dem  Christentum  bei  unseren  Vorfahren,  wie  bei  anderen  Völkern,  verschiedene 
Religionsepochen  vorangegangen  sind,  ohne  daß  das  Jüngere  stets  das  Altere 
ganz  verdrängen  konnte. 

So  haben  bis  in  die  neueste  Zeit,  ungeachtet  aller  Anstrengungen  der 
Kirche,  gewisse  Gebräuche  fortgelebt,  die  älter  selbst  als  die  Wikingerzeit  sein 
müssen  und  ihren  Ursprung  auf  die  Verehrung  der  Bäume,  der  Quellen  und 
anderer  Naturerscheinungen,  der  verstorbenen  Ahnen  und  des  Sonnengottes 
zurückführen  (siehe  S.   54  und    135). 2) 


1)  Die  Edda  oder  Sämunds  Edda  ist  eine  Sammlung  von  altnordischen  Gesängen,  deren  einer 
Teil  uns  den  Glauben  und  die  Weltanschauung  unserer  heidnischen  Vorfahren  kennen  lehrt,  der 
andere  die  Helden  der  Vorzeit  besingt.  Neben  der  älteren  Edda  spricht  man  von  der  »jüngeren«, 
der  prosaischen  Snorra  Edda,  einer  in  ihren  ursprünglichen  Bestandteilen  von  Snorre  Sturlesson  in 
der  ersten  Hälfte  des  dreizehnten  Jahrhundertes  gegebenen  Darstellung  der  heidnischen  Götterlehre 
und   Weltanschauung  und   der  altnordischen  Dichtkunst. 

2)  G.  O.  Hylten-Cavallius, Wärend  och Wirdarne  (Stockholm,  1863—  1868).  —  Meddelanden 
frän  Nordiska  Museet  (Stockholm,  1897  und  folg.;  vgl.  Samfundet  för  Nordiska  Museets  främjande, 
1881    und   folg).   —   W.   Mannhardt,   Wald-   und   Feldkulte  (2.   Aufl.,   Berlin,    1904). 


Religion.  ->  j  j 

Noch  in  unseren  Tagen  wie  vor  Jahrtausenden  galten  gewisse  Bäume  als 
heilig;  man  durfte  sie  nicht  beschädigen  oder  gar  fällen,  man  betete  in  ihrem 
Schatten  und  benetzte  ihre  Wurzeln  mit  Milch  oder  Bier. 

Heute  noch  wie  in  der  Heidenzeit  opfert  man  den  Quellen,  von  deren 
»heiligem  Wasser  man  trinkt  oder  auf  kranke  Körperteile  bringt,  früher  unter 
Gesängen  oder  indem  man  uralte  Gebräuche  beobachtete;  vielerorts  hing  man 
an  Bäume  in  der  Nähe  des  Quells  Kleider  und  anderes  auf,  das  den  Kranken 
gehörte.  Lange  Zeiten  wagte  niemand  die  in  den  Quell  geworfenen  Gaben  zu 
berühren,  die  später  gewöhnlich  Kupfermünzen,  Nadeln  und  andere  Kleinig- 
keiten waren.1) 

Daß  man  schon  in  der  heidnischen  Zeit  Quellen  für  heilig  hielt,  ersehen 
wir  daraus,  daß  von  einer  Odensquelle  im  dreizehnten  Jahrhundert  in  der  Nähe 
von  Gudhem  in  Westergötland  gesprochen  wird,  und  daß  eine  Opferquelle  bei 
Skatelöf  in  Smäland  »heilige  Torsquelle«  heißt:  sie  war  von  alters  her  dem  Tor 
geheiligt,  und  das  Andenken  daran  hat  fortgelebt,  nur  hat  man  den  alten  heid- 
nischen Gott   »heilig«   genannt,  weil  die  anderen  Quellen  Heiligen  geweiht  waren. 

Auch  gewisse  Seen  und  Flüsse  galten  als  heilig. 

In  Seen,  Flüssen,  Quellen,  Bäumen  und  anderen  Naturerscheinungen  lebten 
Wesen,  die  sich  in  Menschengestalt  zeigten.  Sie  haben  im  Volksmund  ver- 
schiedene Namen:  »Sjöräet «  (Seegeister),  »Skogsräet«  (Waldgeister),  »Necken«, 
»Wättar«,  »Alfer«  (Eiben)  und  »Alfvor«.  Viele  der  letzteren  wohnen  im  Wasser 
oder  in  Bäumen,   andere  in   Grabhügeln. 

Man  glaubte,  daß  die  Verstorbenen  ihr  Leben  als  Schlangen  (»Tomtormen«) 
oder  andere  Tiere  fortführten  oder  auch  in  Menschengestalt.  In  letzterem 
Fall  hielten  sie  sich  entweder  in  der  Erde  oder  in  den  Grabhügeln  auf,  als 
»Alfvor«  und  »Wättar«,  oder  in  dem  früheren  Heim  als  Wättar;  und  »Tomtar  . 
Sie  waren  kleine  Männchen,  glichen  im  übrigen  Menschen,  waren  wie  diese 
gekleidet  und  lebten  wie  diese.  Ihnen  wurde  besonders  zu  Weihnachten  und  an 
anderen  Festen  geopfert.  Diese  Opfer  bestanden  teils  und  zwar  hauptsächlich 
aus  Eßwaren  —  am  Weihnachtsabend  Grütze  mit  Milch  —  teils  aus  neuen 
Kleidern  für  den  »Tomte  .  Noch  in  späten  Jahrhunderten  hat  der  Tomtorm 
Milch  bekommen;  zuweilen  trank  er  aus  derselben  Milchschale  wie  die  Kinder. 

Wie  in  der  Heidenzeit  opfert  man  noch  heute  in  Älfkvarnar  (  Elben- 
mühlen«;  siehe  S.  55)  und  beobachtet  manchen  anderen  Brauch,  der  im  Zu- 
sammenhang mit  dem  Ahnenkultus  steht. 

Überbleibsel  aus  dem  Sonnenkultus  sind  noch  in  unserer  Zeit  die  Feuer 
an  den  Tagen  oder  vielmehr  in  den  Nächten,  wo  man  wichtige  Ereignisse 
im  jährlichen  Kreislauf  der  Sonne  feierte:  die  Tag-  und  Nachtgleiche  im  Herbst 
und  Frühling  und  die  Sommer-  und  Wintersonnenwende.  So  flammen  noch 
heute  Feuer  am  Osterabend  oder  an  Walborgsmässoafton  (Walpurgisabend, 
30.  April),   also  kurz  nach    der  Frühlingstag-    und  Nachtgleiche,    oder  am  Mitt- 

1)  Im  Jahr   1901   fand  man  iu  zwei  Opferquellen,  den  sogenanten  •Barnabrunnarna     (Kir. 
brunnen)  im    Kirchspiel   Tolg,   Smäland,   l><inahe   6000   Münzen,   dir  meisten   von  Ivu|  I  I   ^ten 

waren  im  vierzehnten  Jahrhundert  geprägt,    die  jüngsten  für  den  noch  regierenden  Ken  .  1    II. 


312 


Die  Wikingerzeit. 


sommerabend.  Früher  tanzte  man  um  das  Feuer  und  sprang  hinüber.  Andere 
Erinnerungen  an  den  Sonnenkultus  sind  auch  die  vielen  alten  Gebräuche,  die 
im  Zusammenhang  mit  den  heidnischen  Weihnachten  standen,  des  heidnischen 
Nordländers  größtem  Fest,  das  jedoch  im  Heidentum  ungefähr  einen  Monat 
später  als  das  christliche  Weihnachten  gefeiert  wurde.1)  Da  opferte  man  für 
guten  Jahrwuchs,  und  bei  dem  Weihnachtseber  wurden  Gelübde  für  Großtaten 
im  neuen  Jahr  abgelegt. 

In  der  Heidenzeit  wurden  auch  zwei  andere  jährliche  Opfer  gefeiert:  das 

eine  zu  Sommersanfang,  »das  Siegopfer«, 
wo  man  für  den  günstigen  Erfolg  der 
Heerfahrten  im  Sommer  opferte;  das 
zweite  im  Herbst,  ein  Danksagefest  für 
die  glücklich  beendigte  Ernte. 

Der  Sonnengott,  dessen  Anbetung 
man  bis  in  die  Steinzeit  verfolgen  kann 
(siehe  S.  5  5),  wurde  später  von  ver- 
schiedenen Standpunkten  aus  betrachtet 
und  erhielt  so  verschiedene  Namen. 
Nach  und  nach  wurde  aus  jedem  dieser 
Namen  ein  besonderer  Gott.  Die  haupt- 
sächlichsten dieser  verschiedenen  Namen 
waren  Tor,  Oden  und  Frö  (oder 
Freyr). 

Die  meisten  Spuren  hinterließ  der 
Kultus  des  Tor.2)  Er  war  der  starke 
Beschützer  der  Götter  und  Menschen 
gegen  die  Riesen  und  »Troll«,  die  zer- 
störenden Naturkräfte.  Seine  Waffe  (der 
IH  Blitz)  ist  der  Hammer  »Mjolner«,  den  er 
gegen  seine  Feinde  schleudert,  der  aber 
ständig  wieder  in  seine  Hand  zurück- 
fliegt. Tor  fährt  auf  einem  Wagen,  der 
von  zwei  Widdern  gezogen  wird;  noch 
heute  heißt  es  in  manchen  Gegenden  des  Nordens,  wenn  man  den  Donner  (»tor- 
dönet«)  rollen  hört,  daß  Tor  ausfährt.3)  Tor  dachte  man  sich  als  einen  über- 
mächtigen Mann  mit  einem  roten  Bart,  also  von  derselben  Farbe  wie  Sonne  und 
Blitz  haben;  er  trug  Handschuhe  von  Eisen,  und  seine  Kraft  verdoppelte  sich, 
wenn  er  seinen  Gürtel  um  den  Leib  zuzieht. 


520.    Torshammer  auf  einem  Runenstein. 
Stenqvista  in  Södermanland. 


1)  Montelius,  Midvinterns  solfest,  in  der  Sv.  Fornm.-förs  tidskr.,  Bd.  9,  S.  68. 

2)  Unter  Oden,  Njord  und  Frö  hat  man  sich  auch  Könige  vorgestellt,  das  ist  nicht  der  Fall 
mit  Tor. 

3)  Das  Wort  äska  (Gewitter)  ist  eine  Verkürzung  von  asikkia ,  das  ist  das  Fahren  des  Äsen 
oder  des  Gottes.  Von  »Torkeilen«  (Steinäxten)  und  deren  Kraft  gegen  Gewitter  und  anderes 
Unglück  zu  schützen,  siehe  S.   68. 


Religi 


on. 


5'j 


Tors  Name  —  der  Bezug  auf  den  Gewitterdonner  hat,  indem  der  Sonnen- 
gott mit  Donnerkeilen  (j» Torkeilen«)  seine  Feinde,  die  Mächte  der  Finsternis, 
bekämpft  —  kommt  öfter  als  irgend  ein  anderer  in  Orts-  und  Personennamen 
vor.  So  findet  man  noch  im  Mittelalter  nicht  nur  folgende  Männernamen:  Tor- 
berg, Torbjörn,  Tord,  Tordjärf,  Tore,  Torfast,  Torger,  Torgisl  (Torgils),  Torgny, 
Torgot,  Torgrim,  Torkarl,  Torketil  (Torkel),  Tormod,  Tormund,  Torsten,  Torulf, 
Torvid,  Bergtor,  Haldor,  Megintor,  Sigtor  und  andere  mehr,  sondern  auch 
mehrere  Frauennamen:  Tora,  Torborg,  Torfrid,  Torgun,  Torgärd,  Torlaf  (Torluf , 
Torlos  und  Torun  wie  auch  Bergtora.  Unter  den  Ortsnamen  sind  besonders 
zu  nennen:  Torsharg  (jetzt  Torshälla  in  Södermanland),  Torslunda  und  Torlunda 


'■,22.   Silberkreuz. 


Björkö. 


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521.    Hängeschmuck  von  Silber  (»der  Baum  des  Lebens«). 


523.    Kruzifix  von 

Silber  (Filigran). 

Björkö.     1|i. 


(in  Uppland,  Westmanland,  Södermanland,  Westergötland,  Östergötland.  llalland 
und  auf  Öland),  Torsvi  (in  Uppland)  und  Torsberg,  Torsberga  oder  Torsberget 
(in  Södermanland,  Dalarne,  Wärmland,  Dalsland,  Bohuslän,  Westergötland, 
Östergötland  und  Smäland),  Tors  hall  (ein  Berg  in  Uppland),  Tors  klint  (ein 
Berg  in  Östergötland),  Torslund  (Skäne),  die  alle  zweifellos  Stätten  bezeichnen, 
an  denen  dem  Tor  geopfert  wurde.  Außerdem  trifft  man  Tors  Namen  in  vielen 
anderen  in  verschiedenen  Landschaften  vorkommenden  Ortsnamen  wie:  Tors- 
äker,  Torsjö,  Torso,  Torsbro,  Torsäs,  Torsborg  (in  Westergötland),  Torsburgen 
(auf  Gotland)  und  andere  mehr. 

Tors  Bild  wird    oft  als    in  Tempeln  aufgestellt    oder    an   I  fochsitzpfeilern 
ausgeschnitten  erwähnt;  kleine   Hämmer  als  seine  Symbole   (Fig.  518  und   519 


514 


Die  Wikingerzeit. 


wurden  von  den  heidnischen  Schweden  getragen1),  wie  später  das  Bild  des 
Kreuzes  (Fig.  522  und  523).'-)  Sein  Hammer  ist  auch  auf  einigen  Runensteinen 
abgebildet  (Fig.  520),  sowie  ähnliche  Steine  später  von  den  Christen  mit  dem 
Kreuz  geschmückt  wurden  (Fig.   538V3) 

Noch  heute  leben  Andenken  an  Tors  Namen  und  Tors  Anbetung  auf 
eine  Weise,  wie  es  sonst  bei  keinem  Asengott  der  Fall  ist. 

So  tief  war  nämlich  der  alte  Glaube  in  dem  Volk  gewurzelt,  daß  noch 
zu  unserer  Zeit,  tausend  Jahre  nach  dem  Eindringen  des  Christentums  hier,  viele 
Andenken  an  den  Glauben  unserer  heidnischen  Vorfahren  leben,  wenn  auch  im 
Gewand  des  Aberglaubens  versteckt.  Der  Donnerstagabend  wurde  noch  nach 
der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  vielerorts  als  heilig  (» Torshelgen  c)  gefeiert: 
die  Sitte  verlangte,  daß  man  sich  still  und  ruhig  verhielt,  Spinnen  und  lärmende 
Arbeit  mied.  Dieser  Abend  galt  als  besonders  günstig  für  allerlei  abergläubisches 
Gebahren,  das  mitunter  nicht  nur  eine,  sondern  drei  aufeinander  folgende 
Donnerstagnächte  in  Anspruch  nahm. 

Der  Xame  Oden  (deutsch:  \Votan;  bedeutet  ursprünglich  der  wütende«, 
der  wie  die  Stürme  Vorwärtseilende,  und  steht  im  Zusammenhang  mit  dem 
noch  lebenden  Volksglauben  an  den  wilden  Jäger.  Die  Anbetung  Odens  ist 
sicher  aus  dem  Süden  verhältnismäßig  spät  gekommen,  wahrscheinlich  erst 
einige  Jahrhunderte  nach  Christi  Geburt.  Zu  Snorres  Zeit  erzählte  die  Sage  von 
Odens  Einwanderung  mit  den  Äsen;  aber  von  Tors  Herkunft  gibt  es  keine 
Sage.  Oden  scheint  auch  von  weniger  Bedeutung  für  das  Volk  gewesen  zu 
sein  wie  Tor. 

Ortsnamen  auf  Oden  sind  seltener  und  noch  seltener  Personennamen. 
Folgende  Ortsnamen,  die  Odens  Xamen  enthalten,  sind  doch  zu  bemerken: 
Odinsharg  (heute  Odensala  in  Uppland»,  Odensala  (in  Södermanland,  Jämtland, 
und  Halland),  Odenslunda  in  Uppland,  Westergötland  und  Skäne),  Odensvi 
(in  Westmanland.  Xerike  und  Smäland),  Odensberg  oder  Onsberga  (in  Söder- 
manland. Westergötland,  Östergötland  und  Skäne),  Odens  kulle  (in  Westergöt- 
land), Odens  backe  (in  Xerike),  Odensjö  oder  Onsjö  (in  Westmanland.  Wester- 
götland, Smäland.  Halland  und  Skäne),  Odensö  (in  Dalsland,  Westergötland 
und  Skäne),  Odensäker  (in  Uppland,  Westergötland  und  Östergötland),  Odins 
fiisor  (auf  Olandj  und  andere  mehr.  Unter  Personennamen  sind  nur  der  männ- 
liche Xame  Odinkar  und  der  weibliche  Odindisa  bekannt:  beide  waren 
sehr  selten. 

Unsere  Vorfahren  dachten  sich  Oden  als  einen  einäugigen  Mann,  mit 
einem  weiten  Mantel  und  einem  breitkrämpigen  Hut;  so  hat  man  noch  in  den 

1)  H.  Hildebrand,  Tors  hammare,  im  Manadsblad,  1S72  und  1875.  —  S.  Müller,  En 
Stöbeform  tili  »Thorshamre  .  in  den  Aarböger  f.  nord.  Oldkynd.,  1900,  S.  189.  —  Montelius, 
Solgudens  yxa  och  Tors  hammare,  in  der  Sv.  Fornm.-förs  tidskr.,  Bd.    10,  S.   277. 

2)  Ein  in  einem  Grabe  auf  der  Insel  Björkö  gefundener  christlicher  Hängeschmuck  aus  Silber 
mit  dem  Bilde  des  heiligen  Baumes  ist  Fig.   521   abgebildet. 

3)  Saxo  erzählt,  daß  der  dänische  Prinz  Magnus  Nilsson  im  zwölften  Jahrhundert  einen  Tempel 
in  Schweden  plünderte  und  dabei  ungewöhnlich  schwere  Torshämmer«  aus  Bronze  mitnahm,  »durch 
welche  man  das  Donnergetöse  nachahmte,   und   welche  von  alters  her  verehrt  gewesen  waren«. 


Religion. 


315 


spätesten  Jahrhunderten  ihn  zu  sehen  geglaubt.  Die  Edda  erzählt,  daß  Oden 
ein  Auge  hergab,  um  Weisheit  zu  gewinnen;  zweifelsohne  ist  das  eine  spätere 
Erklärung  für  die  Einäugigkeit  Odens,  die  in  Wirklichkeit  darauf  beruhte,  daß 
Oden  der  Sonnengott  und  die  Sonne  sein  Auge  war. 

Odens  Waffe  war  der  Speer,  sein  achtfüßiges  Roß  hieß  Sleipnir.  Es 
ist  auf  einigen  gotländischen  Steinen  abgebildet  (Fig.  524).  Die  acht  Füße  sollen 
die  Schnelligkeit  an- 
deuten, mit  der  sich  die 
Sonne  bewegt.  Auf  den 
Steinen  istSleipnirmehr- 
mals  mit  vier  Vorder- 
und  vier  Hinterbeinen, 
einmal  aber  mit  zwei 
Vorder-  und  sechs  Hin- 
terbeinen dargestellt. 

Zwei  Raben,  Hugin 
und  Munin,  das  ist  Ge- 
danke und  Gedächtnis, 
bringen  Oden  Kunde 
von  allem,  was  in  der 
Welt  geschieht  (siehe 
S.  250).  Er  hatte  zwei 
Wölfe,  denen  er  alle 
Nahrung  gab,  die  auf 
seinen  Tisch  kam;  selbst 
lebte  er  von  Wein  und 
nichts  anderem.  Von 
den  Zwergen  hatte  er 
einen  Goldring,  von  dem 
jede  neunte  Nacht  acht 
ebenso  schwere  Ringe  'WW^^,, 
tropften. 

Die    Walküren, 
Odens    durch    die    Luft 
reitende    Speerjung- 


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524.     Bildstein  mit  dem  achtfüßigen  Sleipnir,  einem  Schiff    Mast 
und   Segel)   und  Runenschrift.      Tjängvide,   Gotland. ] 


frauen,     >  kürten        die- 
jenigen,  die  in  der  Schlacht   fallen    sollten   und    dadurch    den    Eintritt   in    Odens 
Saal  Walhall   gewannen. 

Auch  Frigg,  die  Gemahlin  des  Sonnengottes2),  war  in  Schweden  ( regenstand 
besonderer  Verehrung  wie  ( )rtsnamen  (Friggeräker  in  \\  ötland  und  vielleicht 

Friggerstorp    Frögistorp    in  Östergötland    und  andere   Umstände  beweisen. 

1)  C.   Säve,   in   Runa,    1845,   S  Anti.jv.   üdskr.    f.  Sv.,    Bd.  5     - 

2)  In  der  Edda  wird    Frigg   Odens  Gemahlin  genannt;     im  schwedischen   Volksglauben    steht 
sie  aber  in  Zusammenhang   mit  Tor,   was  vielleicht  das  ursprünglich 


ijg  Die  Wikingerzeit. 

Die  Anbetung  Frös  soll  aus  Südskandinavien  nach  Svealand  und  von 
da  bis  in  die  Gegend  von  Trondhjem  gedrungen  sein.  Der  Name  bedeutet 
ursprünglich  »Herr«  und  wurde  für  den  Sonnengott  besonders  als  Geber  der 
Fruchtbarkeit  gebraucht,  bis  er  schließlich  der  Name  eines  besonderen  Gottes 
wurde.  Der  Name  kehrt  in  vielen  schwedischen  Orts-  und  Personennamen 
wieder.  Folgende  Ortsnamen  sind  besonders  bemerkenswert:  Fröslunda  oder 
Frölunda  (in  Uppland,  Westmanland,  Södermanland,  Westergötland,  Ostergöt- 
land  und  auf  Öland),  Frösvi  oder  Frövi  (in  Uppland,  Westmanland,  Söderman- 
land, Nerike,  Westergötland,  Östergötland  und  Smäland),  auch  Fröberga,  Frös- 
aker,  Frösunda,  Fröstuna  oder  Frötuna,  Frösön  (in  Jämtland),  Frösjö  und  andere 
mehr.  Als  Männernamen  kommen  Fröbjörn,  Fröger,  Frömund,  Frösten  und 
Frövid,  und  als  Frauennamen  Fröborg,  Frödis  und  Frögun  oft  vor. 

Frö  gehört  der  Eber  Gullinbursti,  dessen  Borsten  aus  Gold  waren.  Das 
Pferd  war  dem  Frö  heilig,  jedoch  wurden  ihm  auch  Ochsen  geopfert.  Aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  war  es  Frö,  dem  am  Weihnachtsabend  ein  Eber  ge- 
opfert wurde,  auf  welchen  man  die  Hände  zum  feierlichen  Gelübde  legte. 
Weihnachtsferkel  und  Weihnachtsschinken  erinnern  noch  heutzutage  an  die 
uralten  Sitten. 

Frös  Bild  wurde  zu  Wagen  umhergefahren.  Dasselbe  erzählt  Tacitus  von 
der  germanischen  Göttin  Nerthus  (siehe  S.  140),  der  in  Schweden  der  Gott 
Njord  oder  Njärd  entspricht.  Nach  der  Edda  war  Njord  Frös  Vater.  Von 
Njord  stammen  folgende  Ortsnamen:  Närdalunda  (Närlunda  in  Uppland,  West- 
manland, Södermanland  und  Westergötland),  Närdavi  (jetzt  Nalavi  oder  Mjärdevi, 
in  Nerike  und  Östergötland),  Närdinghundra  (Kreis  in  Uppland)  und  andere  mehr. 
Bezügliche  Personennamen  sind  nicht  bekannt. 

Njords  Gemahlin  war  Skade,  von  Riesengeschlecht.  Ihr  Name  scheint  in 
Skadalunda  und  Skadevi  zu  stecken  (aber  wahrscheinlich  nicht  in  Skedvi 
und  dergleichen). 

Von  anderen  in  der  Edda  vorkommenden  Göttern  haben  nur  Uli  und  Ty 
bei  uns  Spuren  hinterlassen. 

Ulis  Name  lebt  in  einigen  Ortsnamen  weiter:  Ullalunda  (Ullunda,  in  Upp- 
land und  Södermanland),  Ullevi  (Ullvi,  in  Uppland,  Westmanland,  Dalarne, 
Södermanland,  Nerike,  Westergötland,  Östergötland,  Smäland  und  auf  Öland), 
Ulleräker,  Ulltuna  und  andere  mehr.  Uli  wird  als  guter  Bogenschütze  und 
Skiläufer  geschildert,  da  er  als  Gott  des  Winters  betrachtet  wird. 

Ty  war  wahrscheinlich  in  älteren  Zeiten  der  Sonnengott,  wurde  aber 
später  durch  Tor,  Oden  und  Frö  verdrängt. 

Einige  der  genannten  Gottheiten  haben  ihre  Namen  auch  den  Wochen- 
tagen gegeben:  Ty  dem  Tisdag«  (Dienstag),  Oden  dem  »Onsdag«  (Mittwoch), 
Tor  dem  »Torsdag;  (Donnerstag),  und  Frigg  dem  »Fredag«,  im  Mittelalter 
»Friggedagher«  (Freitag).  Dies  zeigt,  daß  unsere  Vorfahren  schon  in  der  Heidenzeit 
durch  Berührung  mit  dem  Latein  redenden  Europa  die  Einteilung  des  Jahres 
in  Wochen  annahmen.  Die  sieben  Tage  der  Woche  waren  ja  nach  der  Sonne, 
dem    Mond    und    den    damals    bekannten    fünf  Planeten    benannt  —  die    Erde 


Religion.  •  -,  j  - 

wurde  nicht  als  Planet  betrachtet,  sondern  als  der  Mittelpunkt  der  Welt.  Die 
ersten  zwei  Tage  hießen  nach  Sonne  und  Mond,  die  folgenden  nach  den 
nordischen  Göttern,  die  man  den  Planetengöttern  substituierte.  Ty — Mars, 
Oden — Merkurius,  Tor— Jupiter  und  Frigg — Venus.  Saturnus,  nach  welchem  der 
Sonnabend  seinen  Namen  hatte,  ist  bei  uns  vergessen  worden;  er  lebt  aber 
noch  im  englischen    >Saturday«. 

Von  den  erwähnten  Göttern  und  Göttinnen  haben  die  Edda  und  auch 
andere  bis  heute  erhaltene  Schriften  viele  Sagen  zu  erzählen.  Von  ihnen  lernen 
wir  auch  die  Mythen  kennen,  die  den  Ursprung  des  Menschen  und  der  ihn 
umgebenden  Welt  erklären  sollen. 

Indessen  hat  sich  herausgestellt,  daß  viele  von  diesen  Mythen,  wenigstens 
in  der  Form,  in  welcher  wir  sie  nun  kennen,  nicht  altnordisch  waren,  sondern 
unter  Einwirkung  dessen,  was  die  Nordländer  von  den  Christenvölkern  in  West- 
europa hörten,  entstanden  sind.1)  Das  gilt  unter  anderem  auch  von  Halder 
und  seinem  Tod,  wie  von  der  Weltesche  Yggdrasil. 

Eine  Schilderung  dieser  Mythen  gehört  indessen  mehr  in  eine  nordische 
Mythologie  als  in  die  Kulturgeschichte  Schwedens.  Wir  begnügen  uns  hier  mit 
einigen  Hauptzügen. 

Unsere  Vorfahren  dachten  sich  zwei  Göttergeschlechter:  die  Äsen  und 
die  Vanen,  die  in  Streit  miteinander  lagen,  aber  schließlich  P'rieden  schließen 
und  sich  miteinander  verbinden.  In  scharfem  Gegensatz  zu  den  Göttern  stehen 
die  Riesen  oder  »Tursen  ,  wie  sie  auch  genannt  werden;  jene  sind  gute  geistige 
Gewalten,  diese  rohe,  zerstörende  Kräfte.  Andere  böse  Wesen  heißen  noch 
»Troll«. 

Der  ärgste  Feind  der  Äsen  war  Loke,  obwohl  selbst  Ase.  Im  Anfang 
der  Zeiten  mischten  er  und  Oden  Blut  zusammen,  wobei  der  letztere  sagte, 
er  wolle  nie  einen  Trunk  schmecken,  wenn  er  ihnen  nicht  beiden  gereicht  sei. 
Loke  wird  deshalb  auch  Odens  Bruder  genannt.  Mit  Oden  zusammen  erschuf 
er  dann  die  Menschen,  die  von  ihm  ihre  bösen  Gelüste  bekamen.  In  seinem 
Äußeren  ist  Loke  schön,  aber  sein  Sinn  ist  böse  und  all  sein  Wandel  unstät. 
Schlau  und  listig  ist  er  und  nimmt  es  nicht  genau  mit  den  Mitteln.  Stets  greift 
er  in  das  Leben  der  Äsen  ein,  verderbend  oder  helfend. 

Durch  viele  Untaten  und  schließlich  durch  die  rücksichtslose  Art,  wie 
er  bei  einem  P'est  alle  Götter  und  Göttinnen  beschimpft,  zieht  sich  Loke  den 
Zorn  der  Götter  zu.  Er  muß  flüchten  und  hält  sich  den  Tag  über  in  einer 
Stromschnelle  versteckt,  nachdem  er  sich  in  einen  Lachs  verwandelt  hatte. 
Aber  Oden  hatte  gemerkt,  wo  er  sich  befand,  und  es  glückte  den  Äsen  endlich, 
ihn  zu  fangen.  Mit  den  Därmen  seines  Sohnes  wird  er  an  drei  aufrechtstehende 
Steinplatten  gebunden  und  ein  Drache  auf  ihn  gesetzt,  so  daß  ihm  das  Gift 
ins  Gesicht  tropft.  Aber  seine  Gattin  Sigyn  steht  treu  bei  ihm  und  fangt  mit 
einem  Gefäß  die  Gifttropfen  auf.     Wenn  das  Gefäß  voll  ist.   muß  sie  es    fort- 

i)  S.  Bugge,  Studier  over  ilc  nordiske  Gude-  og  Heltesagns  Oprindelse  (Christian  ia,  1SS1 
bis  1889).  —  Derselbe  in  den  Aarböger  f.  nord.  Oldkynd.,  1S95.  —  G.  Stephens,  in  den  Memoires 
de  la  Soc.  d.  Antiqu.   du   Nord,    1S78 — 83  und    1884 — S9. 


-j  j  g  •  Die  Wikingerzeit. 

nehmen,  um  es  auszugießen,  und  das  Gift  tropft  in  Lokes  Antlitz.  Dann  reißt  er 
so  gewaltsam  an  seinen  Fesseln,  daß  die  Erde  bebt;  das  nennt  man  Erdbeben. 
So  Hegt  er  gefesselt  bis  an  den  Untergang  der  Götter. 

Mit  einem  Riesenweibe  hatte  Loke  drei  Kinder  gezeugt:  Fenresulfven, 
Midgärdsormen  und  Hei.  Als  die  Götter  erfuhren,  daß  diese  drei  Geschwister 
in  Jötunhem  (Heim  der  Riesen)  aufgezogen  wurden,  und  die  Orakel  sagten, 
viel  Unheil  werde  von  Lokes  Kindern  kommen,  ließ  der  Allvater  sie  holen. 
Den  Wurm  (Midgiirdsormen)  warf  er  ins  Meer,  das  alle  Lande  umschließt,  und 
dort  wuchs  er  derart,  daß  er  mitten  im  Meere  Hegt  und  sich  in  den  Schwanz 
beißt.  Hei  schleuderte  Allvater  nach  Niflheim  und  gab  ihr  Herrschaft  über  neun 
Welten,  daß  sie  dort  in  ihrer  Wohnstatt  alle  empfangen  konnte,  die  durch  Krankheit 
und  Alter  sterben.1)  Den  Wolf  (Fenresulfven)  zogen  die  Äsen  zu  Hause  auf,  aber 
schließlich  wurde  er  so  gefürchtet,  daß  sie  versuchten,  ihn  mit  einem  von  den 
Zwergen  aus  Svartalfahem  verfertigtem  Band  zu  binden.  Der  W7olf,  der  alle  Bande 
zerriß,  bei  denen  kein  Betrug  war,  wollte  nicht,  daß  die  Äsen  bei  ihm  dies  Band 
probieren  sollten,  außer  wenn  einer  von  ihnen  die  Hand  in  seinen  Rachen 
legte  zum  Unterpfand,  daß  es  frei  von  Betrug  sei.  Ty  tat  das  und  verlor 
seine  Hand,  als  der  Wrolf  merkte,  daß  er  sich  nicht  losmachen  konnte. 


Das  alte  Eddalied  Völuspä  läßt  uns  wissen,  wie  unsere  heidnischen  Vor- 
fahren sich  die  Schöpfung  der  Welt  und  der  Menschen  dachten. 

Die  Yala  singt: 

»In  der  Urzeit  war's 

als  Ymir  lebte: 

da  war  nicht  Kies  noch  Meer 

noch  kalte  Woge ; 

nicht  Erde  gab   es 

noch   Oberhimmel, 

nur  gährende  Kluft, 

doch   Gras  nirgends«. 

Vor  dem  Werden  der  Erde  gab  es  zwei  Welten:  unten  war  Niflheim, 
die  Welt  der  Nebel,  Kälte  und  Finsternis,  und  oben  Muspelheim,  die  Welt 
der  Wärme  und  des  Lichtes;  dazwischen  war  Ginungagap,  der  gähnende  Ab- 
grund, den  die  Vala  erwähnt.  Die  beiden  Welten  berührten  einander,  und 
Ymer,  das  Grundmaterial  zu  Himmel  und  Erde,  wurde  im  Ginungagap 
gebildet.  Von  ihm  stammen  alle  »Rimtursar«  (Reifriesen)  ab.  Selbst  war 
Ymer  kein  Gott;  er  war  böse,  wie  alle  seine  Nachkommen.  Er  lebte  von 
der  Milch  der  Kuh  Audhumla:  diese  Kuh,  aus  dem  schmelzenden  Rauhreif  ent- 
standen, fristete  ihr  Leben  dadurch,  daß  sie  die  Reifsteine  beleckte,  welche 
salzig  waren,  wobei  am  dritten  Tage  ein  Mann  hervorkam,  der  Bure  hieß. 
Er  war  schön,  groß  und  stark;  sein  Sohn  Bur  oder  Bor  zeugte  mit  einer  Riesin 
drei  Söhne,  Oden,  Wile  und  We,  »des  Himmels  und  der  Erde  Steuerer«. 
Oden  führt  also  selbst  seinen  Ursprung  von  den  Riesen  her. 


i)  Von  Hei  (gelesen  hall)  ist  das  Wort  Helvete  (Hölle)  gekommen. 


Religion.  Tjlg 

Oden  und  seine  Brüder  töteten  den  Ymer  und  machten  aus  seinem  Körper 
Himmel  und  Erde.  Die  Erde  schufen  sie  aus  seinem  Fleisch,  die  Berge  aus 
seinen  Knochen,  die  Bäume  aus  seinem  Haar,  die  Meereswogen  aus  seinem 
Blut  und  den  Himmel  aus  seinem  Schädel:  aus  seinem  Gehirn  machten  sie  die 
schweren  Wolken.  Im  Norden  finden  wir,  wie  auch  in  anderen  Ländern,  ein 
Gegenstück  zu  der  Sündflut  der  morgenländischen  Völker.  Die  Edda  erzählt: 
als  Ymer  getötet  wurde,  strömte  so  viel  Blut  aus  seiner  Wunde,  daß  alle  Reif- 
riesen außer  einem  ertranken,  der  sich  mit  seiner  Frau  in  ein  Boot  rettete.  Er 
hieß  Bergeimer  und  von  ihm  stammen  alle  Riesen  der  Erde  ab. 

Von  der  Erschaffung  der  Menschen  erzählt  Voluspä: 

»Da  kamen    zum    Meerstrand 

mächtig  und  hold 

aus  diesem  Geschlecht 

drei  der  Äsen; 

auf  freiem  Felde 

fanden  sie  kraftlos 

Ask  und  Embla1), 

unsichren  Loses. 

Hauch  und  Seele 

hatten  sie   nicht, 

Gebärde  noch  Wärme, 

noch  blühende   Farben; 

den  Hauch  gab   Oden, 

Hünir  die  Seele, 

Lodur  die  Wärme 

und  leuchtende   Farben«. 

Das  Schicksal  der  Menschen  und  der  Welt  wurde  von  den  Göttern  bestimmt, 
aber  deren  Herrschaft  war  nicht  unbeschränkt.  Stetig  dauert  der  Kampf  gegen 
die  Riesen  fort,  die  ihnen  an  Macht  gleich  sind,  und  mächtiger  als  Riesen  und 
Götter  ist  das  unvermeidliche  Schicksal. 

Die  Schicksalsgöttinen  wurden  von  unseren  Vorfahren  Xornen  genannt. 
Völuspä  redet  von  dreien,  deren  Namen  l'rd,  Werdande2)  und  Skuld  sind. 
Sie  sitzen  am  See,  bei  Urds  heiliger  Quelle  unter  der  ewig  grünenden  Esche 
Yggdrasil,  die  sie  mit  dem  Wasser  der  Quelle  begießen. 

Von  den  Xornen  heißt  es  in  der  Edda: 

»Des  Lebens  Lose 
legten  sie  fest 
den   Menschenkindern, 
der  Männer  Schicksal. 
Alles   kommt  von   ihnen    . 

Es  gibt  jedoch  mehr  als  drei  Xornen.  Zu  jedem  Mann  kommen  nämlich, 
wenn  er  geboren  wird,  mehrere  Nornen   aus   dem  Göttergeschlecht,   um  seine 


i)  In  der  jüngeren  Edda  steht,  daß   Ask   und  Embla   zwei  Bäume   waren,  aus  denen  Menschen 
geschaffen  wurden. 

2)  Der  Ton  liegt  auf  der  ersten  Silbe,  und  das  Wort  ist  vom  S  werden 


•?2o  Die  Wikingerzeit. 

Lebenslänge  und  sein  Schicksal  zu  bestimmen;  noch  andere  stammen  aus  dem 
Eiben-  und  Zwergengeschlecht.  Besonders  finden  sich  die  Nornen  bei  der  Geburt 
von  Helden  ein  und  weben  das  Gewebe,  das  ihr  kommendes  Leben  aus- 
machen wird. 

So  steht  die  Welt  bis  zum  >Ragnarök«,  dem  Untergang  der  göttlichen 
Mächte.  Die  Äsen  und  die  anderen  übernatürlichen  Wesen,  die  wir  kennen 
gelernt  haben,  sind  nämlich  nicht  ewig.  Sie  gleichen  den  Menschen  nicht 
nur  im  Äußeren,  sondern  auch  in  anderen  Dingen.  Wie  die  Menschen  konnten 
sie  sich  durch  heimliche  Künste  verwandeln  und  die  Gestalt  von  Tieren  annehmen. 
Götter  und  Riesen,  Eiben  und  Zweige  heiraten  und  zeugen  Kinder;  sie  essen 
und  trinken,  sie  schlafen  und  wachen,  sie  arbeiten  und  spielen;  sie  altern  sogar, 
wenn  ihnen  die  verjüngenden  Apfel  der  Idun  entwendet  werden,  und  sie 
können,  wie  Balder  sterben.  Durch  materielle  Mittel,  durch  herumfliegende 
Raben,  die  ihnen  Botschaft  bringen,  durch  das  Besteigen  eines  bestimmten 
Platzes  in  Asgard.  von  dem  aus  man  die  ganze  Welt  übersieht,  allenfalls  sogar 
durch  Anfragen  bei  weisen  Riesen  oder  Seherinnen,  erfahren  sie,  was  in  der 
Welt  vorgeht;  zu  ihren  Reisen  bedürfen  sie,  falls  sie  nicht  zu  Fuß  wandern 
wollen,  der  Rosse  oder  Wagen,  oder  sie  müssen  durch  Umwerfen  eines  Feder- 
hemdes oder  durch  den  Gebrauch  anderer  Zaubermittel  Tiergestalt  annehmen, 
um  Luft  und  Wasser  rasch  durchschneiden  zu  können;  ihre  Kämpfe  führen 
sie  mittelst  leiblicher  Waffen,  welche  sie  sich  gerne  von  kunstfertigen  Zwergen 
schmieden  lassen.  Wollen  sie  nicht  in  eigener  Person  Hand  anlegen,  so  be- 
dürfen sie  zur  Vollstreckung  ihrer  Beschlüsse  besondere  Diener,  die  sich  auch 
wohl  einmal,  wie  die  Valkyrje  Sigrdrifa  oder  Brynhildr,  widerspenstig  zeigen 
und  damit  des  Gottes  Absicht  vereiteln;  überhaupt  sind  die  Götter  nicht 
weniger  als  die  Menschen  dem  Irrtume  und  der  Täuschung  ausgesetzt,  und  es 
kann  daher  durch  List  und  Betrug  auch  bei  ihnen  gar  manches  durchgesetzt 
werden.  Socrar  den  Gemütsbewegungen  und  den  Leidenschaften  der  Menschen 
sind  die  Götter  gleichmäßig  unterworfen;  sie  werden  froh  oder  betrübt,  sie 
sind  freundlich  oder  erzürnt;  Kummer  und  Sorge,  ja  selbst  Furcht  und  Schrecken 
bleiben  auch  ihnen  nicht  fremd,  und  um  ihrer  Leiblichkeit  Willen  können  selbst 
die  herrlichen  Götter  der  Sünde  verfallen1). 

Unsere  Vorfahren  glaubten,  daß  der  schnelle  Lauf  der  Sonne  und  des 
Mondes  am  Himmelsgewölbe  darauf  beruhe,  daß  sie  von  Wölfen  verfolgt 
würden.  Schließlich  sollte  der  Mond  von  einem  Wolf  verschlungen  werden. 
Dann  verliert  die  Sonne  ihren  Schein,  und  der  große  Winter  bricht  an,  die 
Stürme  rasen,  und  Streit  und  Mord  und  entsetzliche  Sünden  herrschen  unter 
den  Menschen;  selbst  Brüder  ermorden  einander,  und  jedes  heilige  Band  zer- 
reißt. Die  Esche  Yggdrasil  stürzt,  und  die  dort  von  den  Göttern  gebundenen 
Mächte  werden  frei. 

Der  letzte  fürchterlichste  Kampf  zwischen  den  Göttern  und  den  bösen 
Mächten   wird   nun   ausgekämpft.     Oden    fällt    durch    Fenresulfven ,    wird    aber 

i)  K.  Maurer,  Die  Bekehrung  des  norwegischen  Stammes  zum  Christentume,  2  (München, 
1856),  S.    16. 


Religion. 


321 


von  seinem  Sohn  Widar  gerächt,    der  sein  Schwert   in    das  Herz   des  Untieres 
stößt.     Tor  tötet  Midgärdsormen,    geht  aber  nur  neun  Schritte,    ehe  er  selber 
fällt,  von  dem  Gifte  des  Wurmes  getötet.    Endlich  wirft  Surt,  der  Beherrscher 
der  Feuerwelt,  eine  Lohe  über  die  Erde  und  verbrennt  die  ganze   Welt. 
Das  ist  jedoch  nicht  das  Ende.     Die  Vala  singt: 

Aufsteigen  seh'   ich  Auf  unbesätem  Acker 

zum  andern  Male  werden  Ähren  wachsen, 

aus  der  Flut  die  Erde  alles  Böse  schwindet, 

in  frischem  Grün;  denn  Balder  erscheint: 

über  schäumenden  Fällen  Hropts  (Odens)  Siegerburg 

schwebt  der  Adler,  beziehen  Hod  und  Balder, 

Fische  fängt  er  die   Wohnung  der  Streitgötter  — 

an   felsiger  Wand.  könnt  ihr  weit'res  verstehen? 

Einen  Saal  seh'  ich  stehen 

—   die  Sonne  überstrahlt  er  — 

mit  Gold  gedeckt 

auf  Gimles   Höhen : 

dort  werden  wohnen 

wackere  Scharen 

und  ein  Glück  genießen, 

das  nimmer  vergeht. 

* 

Für  den  Gottesdienst1)  gab  es  keinen  eigentlichen  Priesterstand,  sondern 
die  Sorge  dafür  war  mit  dem  weltlichen  Regiment  des  Landes  vereinigt,  und 
die  Landschaften  sorgten  wie  jeder  Hausvater  daheim  für  die  Opfer.  Dem 
König  lagen  die  gemeinsamen  Opfer  für  das  ganze  Land  ob.  Die  politische 
Bedeutung,  die  der  Uppsalakönig  allmählich  erhielt,  dürfte  im  wesentlichen  auf 
seiner  Stellung   als  Vorsteher  des   heiligsten  Tempels  der  Svear  beruht  haben. 

Von  diesem  Tempel,  der  auf  demselben  Platz  stand,  wo  die  Kirche  von 
Gamla  Uppsala  (Alt-Uppsala)  jetzt  steht,  erzählt  Meister  Adam:  »In  diesem 
Gotteshaus,  das  ganz  mit  Gold  geschmückt  ist,  betet  das  Volk  die  Bilder 
dreier  Götter  an,  derart,  daß  Tor,  der  mächtigste  von  ihnen,  den  Hochsitz  in 
der  Mitte  einnimmt,  während  Oden  und  Frö  ihre  Plätze  ihm  zur  Seite  haben.« 
Xach  einem  gleichzeitigen  Bericht  stand  »in  der  Nähe  des  Tempels  ein  sehr 
großer  Baum  mit  weit  ausgestreckten  Zweigen,  beständig  grün,  Winter  und 
Sommer;  welcher  Art  er  war,  weiß  niemand.  Dort  war  auch  eine  Quelle,  wo 
die  Opfer  verrichtet  wurden,  und  in  welcher  lebende  Menschen  entränkt 
wurden.  Wenn  der  Körper  nicht  wieder  zum  Vorschein  kommt,  geht  der 
Wunsch  des  Volkes  in  Erfüllung«.  Der  Zusatz,  daß  eine  goldene  Kette  rund 
um  die  Zinnen  des  Tempels-  ging,  beruht  wahrscheinlich  auf  einem  Mißver- 
ständnis. Bei  dem  Tempel  lagen  eine  Menge  Grabhügel,  über  welchen  sich 
die  drei  mächtigen  Königshügel  erhoben  (Fig.  402). 

Adam  erzählt  weiter:  »Wenn  Pest  und  Hungersnot  herrschte,  wurde  dem 
Bilde   Tors    geopfert;    bei    Krieg    dem    Oden;    bei    I  lorh/.citsfesten    dem    Frö. 

1)   II.    Petersen,   Om  Nordboernes  Gudedyi!  Gudetro  i  I  ledenold  (Kopenhagen.   li 

Montelius,  Kulturgeschichte  Schwedens.  21 


■2  22  Die  Wikingerzeit. 

Jedes  neunte  Jahr  pflegte  man  außerdem  in  Uppsala  ein  Opferfest  für  alle 
Landschaften  Schwedens  gemeinsam  zu  feiern.  Keiner  durfte  sich  der  Teil- 
nahme entziehen.  Könige  und  Volk,  alle  schickten  ihre  Opfergaben  nach 
Uppsala,  und  die,  welche  schon  zum  Christentum  übergetreten  waren,  mußten 
sich  davon  freikaufen.  Mit  dem  Opfer  verfuhr  man  folgendermaßen:  von  allen 
Arten  lebender  Wesen  männlichen  Geschlechts  wurden  neun  Stück  geopfert, 
mit  deren  Blut  man  die  Götter  versöhnte.  Die  Körper  wurden  in  einem  Hain 
in  der  Nähe  des  Gotteshauses  aufgehängt,  und  dieser  Hain  ist  in  den  Augen 
der  Heiden  so  heilig,  daß  jeder  Baum  für  göttlich  angesehen  wird  auf  Grund 
des  Todes  und  des  Blutes  der  Opfer.  Dort  sieht  man  Hunde,  Pferde  und 
Menschen  zusammenhängen;  ja  ein  Christ  hat  mir  erzählt,  daß  die  Anzahl  der 
Körper,  die  er  so  hängen  sah,  bis  auf  72  ging.  Die  Gesänge,  die  bei  einem 
solchen  Opfer  abgesungen  zu  werden  pflegten,  sind  mannigfaltig  und  zugleich 
so  unanständig,  daß  man  ihren  Inhalt  lieber  verschweigt«.  Dieses  große  Fest 
feierte  man  zur  Frühlings-Tag-  und  Nachtgleiche. 

Diese  Erzählung  ist  nicht  der  einzige  Beweis  dafür,  daß  gegen  Ende  der 
Heidenzeit  —  also  vor  nur  800  Jahren  —  noch  Menschen    geopfert  wurden. 

Ein  Tempel  oder  »Hof«,  wie  man  damals  sagte,  befand  sich  auch  an 
vielen  anderen  Orten  außer  in  Uppsala;  wahrscheinlich  waren  sie  ganz  aus 
Holz.  Nicht  überall  hatte  man  jedoch  Gotteshäuser,  sondern  der  Gottesdienst 
wurde  auch  vielerorts  in  heiligen  Hainen  oder  bei  einer  heiligen  Quelle  gehalten; 
und  aus  guten  Gründen  kann  man  viele  von  den  unter  dem  Namen  »Domar- 
ringar«  (Richterringe)  oder  »Domarsäten«  (Richtersitze)  bekannten  Kreisen  von 
großen,  nicht  weit  voneinander  liegenden  Steinen  als  Opferstätten  betrachten. 
Die  Anzahl  der  Steine  in  einem  solchen  Kreis  ist  oft  die  in  den  Augen  unserer 
Vorväter  heilige  »Neun«,  und  in  der  Nähe  des  Kreises  findet  man  nicht  selten 
eine  Quelle,  bei  der  noch  in  der  letzten  Zeit  geopfert  worden  ist. 

Wenn  wir  auch  nicht  die  Lokalsagen  beachten,  können  wir  eine  große 
Menge  Orte  angeben,  wo  unsere  Vorfahren  den  Asengöttern  opferten.  Solche 
Opferstätten  sind  die  in  vielen  Landschaften  vorkommenden  Orte,  die  Hof, 
Harg  oder  Vi  heißen.1)  Oft  können  wir,  wie  schon  gezeigt  wurde,  sogar 
bestimmen,  welchem  Gott  die  Stätte  geheiligt  war.  Dabei  ist  zu  bemerken, 
daß  der  Name  Vi  nördlich  von  Hälsingland  selten  angetroffen  wird,  und  daß 
die  beiden  anderen  Namen  überhaupt  kaum  nördlich  vom  Dalelfven  vorkommen. 

Der  Umstand,  daß  viele  von  diesen  Namen  nun  Kirchen  bezeichnen,  zeigt, 
daß  in  Schweden  wie  auch  anderswo  die  christlichen  Kirchen  oft  da  erbaut 
wurden,  wo  schon  in  der  Heidenzeit  Gottesdienst  abgehalten  worden  war.  Die 
Päpste  verordneten  selbst  diese  Maßregel,  weil  man  bei  Einführung  der  neuen 
Lehre  so  viel  wie  möglich  am  Alten  und  Gewohnten  festzuhalten  für  nütz- 
lich fand. 


1)  Harg  entspricht  ungefähr  einem  Altar;  Vi  bedeutet  Heiligtum,  heilige  Stätte. 


Sittenlehre. 


323 


Nicht  weniger  als  der  Glaube  unserer  Vorfahren  ist  ihre  Sittenlehre 
beachtenswert.  Der  Grundgedanke  nordischer  Lebensweisheit  ist  die  fest 
wurzelnde  Überzeugung  von  der  Vergänglichkeit  des  Lebens  und  alles  Irdischen, 
der  nur  ehrenvoller  Ruhm  entgeht.  Klar  wird  dies  in  dem  Eddalied  Havamal 
ausgedrückt,  wo  die  Hauptsumme  der  Lebenserfahrungen  der  heidnischen  Nord- 
länder in  Form  von  kurzen,  inhaltsreichen,  sprichwortartigen  Lebensregeln  nieder- 
gelegt ist.  Ein  Mann  sollte  selbständig,  klug,  vorsichtig,  freigebig,  gastfrei, 
mäßig,  treu  und  edelmütig  gegen  den  Schwachen  und  Schutzsuchenden,  fest 
in  seinen  Gelübden  und  treu  in  seinen  Verbindungen  sein.  Als  Probe  für  den 
Inhalt  des  Havamals  können  folgende  Weisheitsregeln  dienen: 


Am  besten  ist's, 

bringt  man  vom  Trünke 

einen   klaren   Kopf  nach  Haus. 

Männiglich   lebe, 

munter  und  froh, 

bis  dich  das  Ende  ereilt. 

Deines  Hauses  sei   froh, 
und   wär's  eine  Hütte, 
daheim  ist  jeder  Herr. 


So    gut  ist  kein  Mann, 

daß  er  ganz  ohne  Fehl  sei, 

noch  so  schlecht,  daß  er  nütze  zu  nichts. 


Seitab  liegt 

der  Sitz  des  Feindes, 

wenn  er  am  Weg  auch  wohnt; 

zum  Freunde  aber 

führt  ein   Richtsteig, 

zog  er  auch   fernhin   fort. 


Es  stirbt  das  Vieh, 

es  surbt  die  Verwandtschaft, 

auch   dich   trifft   der  Tod; 

doch   nimmer  kann 

der  Nachruf  sterben, 

den  löbliches  Leben  schuf. 


Diese  Hoffnung  auf  unvergänglichen  Ruhm,  die  zu  so  mancher  Helden- 
tat begeisterte,  ist  doch  den  meisten  nicht  erfüllt  worden.  Wohl  stehen  noch 
heute  manche  Bautasteine  aufrecht  da,  aber  die  Namen  und  öfter  noch  die 
Taten,  zu  deren  Ehren  sie  gesetzt  wurden,  sind  seit  langem  vergessen. 

Hoch  wurde  die  Treue  bei  Mann  und  Weib  geschätzt,  und  ein  schöner 
Zug  tritt  in  der  Brüderschaft  hervor,  dem  Bund  zweier  Männer,  die  ihr  Blut 
vermischten  und  schwuren,  im  Leben  Lust  und  Leid  zu  teilen  und  einer  des 
anderen  Tod  zu  rächen.  Heilig  war  nämlich  die  Blutrache,  oder  die  Pflicht, 
den  Tod  des  Freundes  oder  Blutbruders  zu  rächen,  was  langwierige  Streite  in 
den  Geschlechtern  veranlagte.  Heilig  war  auch  das  Gesetz  der  Gastfreundschaft, 
und  der  Gast  hatte  nichts  zu  fürchten,  auch  wenn  er  sich  unter  dem  Dach 
seines  Todfeindes  befand. 

Repräsentiert  diese  Sittenlehre  auch  eine  relativ  hohe  Stufe,  so  steht  sie 
doch  der  christlichen  nach.  Sklaverei  war  allgemein,  und  der  Gedanke,  daß 
alle  Menschen  Brüder  seien,  hatte  keinen  Weg  nach  drin  Norden  gefunden. 
Allzu  oft  ermahnt  die  Edda  zum  Guten  und  verbietet  das  Böse  mehr  deshalb, 
weil     es    klüger    sei,    rechl    ZU    handeln,    als    um    de-    Rechtes    selbst    willen;    und 

21* 


->2j.  Die  Wikingerzeit. 

bis   zu    dem    Gebot,    auch   den   Feind   zu    lieben,   schwingt   sich   die    nordische 
Heidenmoral  selten  auf.     Havamal  sagt  sogar: 

Findest  du  Wen,  dem  als  Freund  du  vertraust 
und  willst  von  ihm  Liebes  erlangen, 
dann  tausche  mit  Solchen  Gesinnung  und  Gut 
und  eil  dich,  ihn  oft  zu  besuchen. 

Doch  findest  du  Wen,  dem  du  wenig  vertraust, 
du  willst  aber  Vorteil  gewinnen, 
dann  rede  nur  freundlich   bei   falschem  Sinn, 
dem  Wankelmut  lohne   mit  Lügen. J) 

Im  allgemeinen  wurde  jedoch  hoher  Wert  auf  Offenheit  und  Ehrlichkeit 
gelegt.  Der  Totschläger  mußte  sich  selbst  zu  erkennen  geben,  und  Diebstahl 
war  eine  unauslöschliche  Schande,  während  offener  Raub  und  Plünderung  als 
ehrenvoll  gepriesen  wurden.  Kraft  und  Mut  wurde  vor  allem  von  einem 
Manne  gefordert,  dessen  höchstes  Gut  vollständige  Freiheit  und  ein  unbefleckter 
Xame  war. 

In  dem  Kampf,  der,  so  lange  die  Welt  besteht,  zwischen  Göttern  und 
Riesen,  zwischen  den  guten  und  den  bösen  Mächten  weiter  gekämpft  wird, 
stehen  auf  seiten  der  Götter  alle  Menschen,  die  eines  ehrenvollen  Todes  mit 
der  Waffe  in  der  Hand  sterben,  weshalb  ein  solcher  Tod  das  höchste  Ziel 
jedes  Mannes  war.  Dieser  Glaube  muß  dem  kriegerischen  Sinn  des  Volkes 
Nahrung  gegeben  und  die  Todesverachtung  gesteigert  haben,  die  ihre  Wurzel 
schon  in  der  Überzeugung  hatte,  daß  unser  Todestag  von  einer  höheren  Macht 
unwiderruflich  bestimmt  sei.  Aber  diese  höhere  Macht  galt  nicht  als  eine 
liebevolle  Vorsehung,  sondern  als  ein  blindes  Schicksal,  dem  die  Menschen 
sich  nicht  demütig  und  vertrauensvoll,  sondern  mit  Trotz  im  Herzen  unterwerfen. 
Dieser  Glaube,  wohl  geeignet,  ein  schwaches  Volk  zu  verweichlichen,  hatte 
auf  die  kraftvollen  Söhne  des  Nordens  nur  die  Wirkung,  daß  sie  die  Gefahr 
verachteten.  War  es  unmöglich,  dem  Schicksal  zu  entgehen,  so  zeigte  die  Art, 
wie  man  ihm  begegnete,  den  Wert  des  Mannes. 

Die  kampflustige  Kraft,  die  von  unseren  heidnischen  Vorfahren  so  hoch 
geschätzt  wurde,  vertrug  sich  mit  Edelmut  und  Milde,  nur  durfte  die  Milde 
nicht  aus  Schwäche  oder  Furcht  hervorgehen.  Auf  der  anderen  Seite  dart 
nicht  verschwiegen  werden,  daß  die  heidnischen  Nordländer  auch  Züge  un- 
menschlicher Grausamkeit  aufweisen;  so  waren  z.  B.  die  Eltern,  die  nicht  im 
stände  waren,  ihre  Kinder  zu  ernähren,  berechtigt,  diese  auszusetzen. 

Ein  fremder  Forscher,  der  in  hohem  Grade  mit  dem  nordischen  Leben 
vertraut  war,  schrieb  vor  mehreren  Jahren:  »Das  Gewicht,  das  auf  den  Um- 
gang mit  anderen  gelegt  wird,  und  die  Freude  an  heiteren  Festen  und 
Gastereien,  die  freie  und  geachtete  Stellung  der  Weiber  und  die  tief  innige 
Auffassung  ihrer  Beziehungen  zum  Manne,  welche  sich  in  den  Sagen  nicht 
selten  ausspricht,  die  Wertschätzung,  welche  der  Dichtkunst  und  allem  sonstigen 
W7issen   und   Können   gezollt   wurde,    und    der  Eifer,    mit   welchem  man  durch 

i)  Der  Übersetzung  von  Hans  von  Wolzogen  entnommen. 


Sittenlehre. 


32? 


Reisen  im  Auslande  solches  zu  gewinnen  bestrebt  war,  zeigen  nicht  minder  als 
eine  Reihe  anderer  Züge  im  altnordischen  Volksleben,  daß  man  das  Leben 
nicht  bloß  von  seiner  finsteren  und  rauhen  Seite  aufzufassen  wußte,  und  dal- 
wir  uns  die  heidnischen  Skan- 
dinavier keineswegs  als  die 
zucht-  und  gefühllosen  Bar- 
baren vorstellen  dürfen,  als 
welche  sie  uns  von  ihren 
englischen  oder  fränkischen 
Gegnern  geschildert  zu  wer- 
den pflegen«.1) 

Einige  Gesänge  der 
Edda  haben,  wenn  auch  ver- 
ändert, lange  nach  dem  Ende 
der  heidnischen  Zeit  in  dem 
Volke  weitergelebt. 

Daß  die  eddische  Sage 
von  den  Völsungen  auch 
in  Schweden  bekannt  war, 
zeigen  mehrere  auf  Steine  ein- 
geritzte Bilder.  So  sieht  man 
auf  dem  Ramsundsberget 
im  Kirchspiel  Jäder,  Söder- 
manland(Fig. 525),  verschie- 
deneSzenen  aus  derSagevon 
Sigurd    dem  Fafnerstöter. 2) 

1)  Maurer,  Die  Bekehrung 
des  norwegischen  Stammes  zum 
Christentume,  Bd.  2,  S.  185. 

2)  C.  Säve,  Sigurds-rist- 
ningarne  ä  Ramsundsberget  och 
Göks-stenen,  in  den  K.  Witterhets 
Historie  och  AntiqvitetsAkademiens 
handlingar,Bd.26  (Stockholm,  1 869), 
mit  2  Taf.  —  Derselbe,  Zur  Ni- 
belungensage. Siegfriedbilder.  Aus 
dem  Schwedischen  übersetzt  von 
J.  Mestorf  (Hamburg,  1870),  mit 
4  Taf.  —  Vgl.  Upplands  Fornminnes- 
fdrenings  tidskrift,    Bd.  2    (1877  — 

1890),  S.  XXXVI,  und  Mänadsblad, 

1890,  S.  85.  —  Die  Kenntnis  dieser 

Sage     scheint     aus    England     nach 

Schweden  gekommen   zu   sein.      II. 

Schuck,   Sigurdsristningar,   in  der 

Nordisk  tidskrift,   1903,  S.  193. 


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326 


Die  Wikingerzeit. 


Der  Inhalt  der  Sage  in  der  Edda,  soweit  man  ihn  kennen  muß,  um  die 
Bilder  auf  diesem  Stein  zu  verstehen,  ist  folgender:  Sigurd,  Sohn  des  Königs 
Sigmund,  des  Sohnes  Volsungs  in  Frankenland  (Süddeutschland),  wird  erzogen 
und  unterrichtet  von  Regin,  der  ein  Zwerg  war  und  geschickter  als  irgend  ein 


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Mann;  er  war  schlau,  grausam  und  zauberkundig.  Regin  erzählt  Sigurd  von 
seinen  Vorvätern  und  einer  Begebenheit,  die  die  wichtigsten  Folgen  nach  sich 
zog.  Oden,  Höner  und  Loke  waren  einmal  an  eine  fischreiche  Stromschnelle 
gekommen,  wo  der  Zwerg  Andvare  sich  in  Form  eines  Hechts  aufhielt.    Regins 


Gräber. 


327 


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Bruder  Utter  pflegte  auch  dort  in  Gestalt  einer  Otter  zu  sein.  Als  die  drei 
Äsen  nun  an  den  Fluß  kamen,  schlug  Loke  Utter  mit  einem  Stein  tot,  worauf 
er  ihm  das  Fell  ab- 
zog. Die  Äsen  wur- 
den indessen  von 
Utters  Vater  Hreid- 
mar  und  von  seinen 
Brüdern  Regin  und 
Fafner  gefangen  und 
konnten  ihr  Leben 
nur  retten,  indem  sie 
eine  große  Menge 
Gold  versprachen. 
Loke  wurde  ausge- 
schickt, um  das  Löse- 
geld zu  holen,  und 
es  gelang  ihm,  And- 
vare  zu  fangen,  der 
ihm  all  sein  Gold 
geben  mußte,  auch 
seinen  letzten  Ring, 
auf  welchen  er  des- 
halb einen  schweren 
Fluch  legte.  Nun 
wurde,  nach  dem  Ge- 
lübde, Utters  Haut 
mit  Gold  gefüllt  und 
auch  außen  mit  Gold 
bedeckt,  wobei  je- 
doch ein  Barthaar  un- 
bedeckt blieb;  Oden 
mußte  dieses  mit 
Andvares  Ring  be- 
decken. Regin  und 
Fafner   töteten  aber 

ihren  schlafenden 
Vater,  weil  er  ihnen 
keinen  Anteil  an  dem 

Schatz  gewähren 
wollte;  Fafner  nahm 

ihn    jedoch     ganz    an  Grabfeld.     Grimcton   in   Hailand. 

sich  und    legte    sich 

zu    seiner   Bewachung    als    Drache    auf    die   Gnitaheide.     Nachdem  Regin   dies 

Sigurd  erzählt  hatte,  machte  er  ihm  ein  scharfes  Schwert,  das  Gram  hieß,  und 


328 


Die  Wikingerzeit. 


stachelte  ihn  auf,  Fafner  zu  töten;  Sigurd  gelobte,  das  zu  tun,  und  grub  unter  dem 
Weg,  auf  welchem  Fafner  zum  Wasser  kroch,  ein  Loch,  in  das  er  sich  hinein- 
setzte. Als  Fafner  an  die  Grube  kam,  durchbohrte  ihn  Sigurd  mit  dem  Schwert, 
so  daß  er  starb.  Sigurd  briet  nun  Fafners  Herz  an  einem  Spieß.  Er  faßte  es 
mit  dem  Finger  an,  um  zu  sehen,  ob  es  gar  war,  aber  verbrannte  sich  und 
führte  den  Finger  darauf  zum  Mund.  Als  Fafners  Herzblut  an  Sigurds  Zunge 
kam,  verstand  er  die  Sprache  der  Vögel  und  hörte  nun,  wie  ein  paar  Habichte 
zueinander  sagten,  daß,  wenn  Sigurd  Fafners  Herz  äße,  er  weise  werden 
würde,  daß  er  auch  Regin  den  Kopf  abschlagen  solle,  der  läge  und  Ränke 
spinne,  um  Sigurd  zu  betrügen  und  den  Tod  des  Bruders  zu  rächen,  dann 
würde  er  auch  allein  über  Fafners  Schätze  herrschen.  Sigurd  hieb  deshalb 
Regin  den  Kopf  ab,  aß  Fafners  Herz  und  nahm  den  Schatz,  den  er  auf  das 
Pferd  Grane  lud. 


528.     Grabhügel  mit  hohem  Bautastein.    Gödestad  in  Hailand. 

Die  Bilder  des  Ramsundberges  zeigen  uns  die  Otter  und  darunter  Regins 
Amboß,  Zange,  Hammer  und  Blasebalg;  ferner  wie  Sigurd  mit  seinem  Schwert 
Fafner  (die  Schlange,  auf  welcher  die  Runen  stehen)  durchstößt,  sein  Herz  über 
das  Feuer  hält  und  den  Finger  in  den  Mund  steckt.  Außerdem  sieht  man  die 
zwei  auf  einem  Baum  sitzenden  Vögel,  deren  Gespräch  Sigurd  anhörte,  Regin 
mit  abgeschlagenem  Kopf  und  Grane  mit  Gold  beladen.  Die  Inschrift,  die 
von  einem  Christen  herrührt,  enthält  nichts,  was  auf  den  Inhalt  deutet. 


Die  Bestattungsart  der  Wikingerzeit  in  Schweden  lernen  wir  aus  zahl- 
reichen Gräbern  jener  Zeit  kennen.  Wir  sehen  daraus,  daß  die  Toten  teils  ver- 
brannt, teils  unverbrannt  begraben  wurden.  Die  Gräber  sind  entweder  mit 
einem  Erdhügel   oder   mit  Steinen   bedeckt,    die    in  einem  Kreis,  Viereck  oder 


Gräber. 


329 


Dreieck  liegen,  oder  ein  an  beiden  Enden  spitzes  Schiff  bilden  (Fig.  526 — 534).1) 
Über  dem  Hügel  lag  manchmal  ein  runder,  mit  Kreislinien  oder  sonst  ornamen- 
tierter Stein.2) 

Wenn  der  Tote  verbrannt  werden  sollte,  wurde  er  gewöhnlich  auf  den 
Scheiterhaufen  in  Kleidung  mit  Waffen  und  Schmuck  gelegt,  weshalb  man  die 
letzteren  oft  durch  das  Feuer  sehr  beschädigt  findet.  Nicht  selten  wurden  auch 
Pferde,  Hunde,  Falken  und  andere  Tiere  mit  verbrannt.  Die  auf  der  Feuer- 
stätte gesammelten  Knochen  wurden  dann  meist  in  ein  Tongefäß  gelegt. 

Die  Sagen  enthalten  mehrere  Berichte  von  Männern,  die  in  ihren  Schiffen 
bestattet  wurden.    Wir  haben  schon  (siehe  S.  249  und  264)  bedeutende  Funde 


529.     Sammlung   von  Grabhügeln  und   Steinsetzungen.     Asby   in  Södermanland. 


dieser   Art    kennen    gelernt.     Im    Zusammenhang    hiermit    stehen    offenbar    die 
eben  erwähnten  Steinsetzungen  in  Form   eines  Schiffes.3) 

Einer  alten  Sage  entlehnen  wir   folgende  Schilderung   von    König  Harald 
Hildetands  Begräbnis.    »Am  Tage  nach  der  Schlacht  (bei  Brävalla)  ließ  König 


1)  N.  II.  Sjöborg,  Samlingar  för  Nordens  l'orniilskare  (Stockholm,  f822— 1830).  —  R.Dy- 
beck,  Runa  (Stockholm,  1842 — 1850  und  1865  — 1874).  —  Derselbe,  Svenska  minnesmiirken  (Stock- 
holm ,  185  r ).  —  Derselbe,  Mälarens  öar  (Stockholm,  1861).  —  O.  Almgren,  -  irn- 
lemningar  (Stockholm,  1904).  —  Auf  den  von  »Sveriges  geologiska  undersokning  her..  nen 
geologischen  Karten  ist  meistens  die  Lage  der  Grabhügel  und  Steinsetzungen  angegeben. 

2)  O.Hermelin,   »Stenkloten     pä  ättehögarne,  in  der  Sv.  Fornm.-fÖr«  lidskr.,   Bd.  2  (if 
S.    165. 

3)  Innerhalb   eines  norwegischen  Grabhügels  hat   man    eine  ähnliche  Steinsetzung  in  Form 
eines  Schiffes  gefunden.     In  diesem    "Steinschifl     lagen  die  gebrannten   Knochen   eines  Mannes  <.mit 
seinen   Waffen   und   eine   Menge  Nieten  eines   Bootes;      wahrscheinlich   ist  das   Ro>>t  mit   dem  i 
verbrannt  worden.    Stavanger   Museum.  Aarshefte   for    [902     - 


130 


Die  Wikingerzeit. 


Ring  die  Leiche  Haralds  auf  dem  Walplatz  aufsuchen,  waschen,  nach  alter 
Sitte  schmücken  und  in  den  Wagen  legen,  den  Harald  im  Streite  gehabt  hatte. 
Darauf  ließ    er    einen    großen  Hügel    aufwerfen    und    den  Wagen    mit  Haralds 


530.    Dreispitzige  Steinsetzung.    Sorunda  in  Södermanland. 

Leiche  durch  das  Pferd,  mit  dem  er  im  Kampfe  bespannt  war,  in  den  Hügel  hinein- 
ziehen. Das  Pferd  wurde  getötet,  und  König  Ring  ließ  den  Sattel  abnehmen,  auf  dem 
er  selbst  gesessen,  gab  ihn  dem  König  Harald  und  sagte  ihm,  daß  er  jetzt 
selbst  bestimmen  sollte,    ob  er    nach  Walhall   reiten    oder   fahren    wolle.     Ehe 

aber  der  Hügel  geschlossen  wurde,  bat 


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König   Ring    alle    Großen    und    Krieger 


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531.  Grundriß  der  Steinsetzung  Fig.   530. 


zugegen  waren,  s__  _.„s, 
gute  Waffen  zur  Ehre  König  Harald 
Hildetands  in  den  Hügel  zu  werfen. 
Darauf  wurde  der  Hügel  sorgfältig  zu- 
geworfen, und  mit  einem  prächtigen 
Gastmahl  schloß  König  Ring  Haralds 
Leichenfeier«. 

Von  dieser  Schilderung,  die  von 
keiner  Verbrennung  der  königlichen  Leiche 
spricht,  weicht  jedoch  Saxo  ab.  Er 
erzählt:  »Als  König  Haralds  Leiche  ge- 
funden ward  samt  seiner  Keule,  spannte 
Ring  sein  eigenes  Pferd  vor  den  Wagen, 
schenkte  Harald  dies  Pferd,  bat  ihn, 
nach  Walhall  zu  eilen,  als  erster  Mann  des 


Gräber. 


331 


Kampfes  und  bei  Oden,  Walhalls  König,  eine  gute  Herberge  für  Freunde  und 
Feinde  zu  bestellen.  Der  Scheiterhaufen  ward  angezündet,  und  die  Dänen  legten 
auf  Rings  Befehl  König  Haralds  vergoldetes  Schiff  darauf.  Während  das  Feuer 
die  Leiche  verzehrte,    gebot  dann  Ring  seinen  Häuptlingen,    um  das  Feuer  zu 


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gehen  und  Klagen  anzustimmen,  ermahnte  sie  auch,  freigebig  Waffen,  Gold  und 
andere  Kostbarkeiten  zu  opfern,  damit  das  Feuer  so  viel  länger  auflohe,  zur 
Ehre  des  großen,  mächtigen,  allen  Herzen  teuren  Königs.  So  winde  die  Leiche 
verbrannt,    die  Asche  gesammelt,    in  eine   Urne  gelegt    und    auf    Rings    Befehl 


•?-j2  Die  Wikingerzeit. 

nach  Lejre  (in  Dänemark)    geschickt,    um    dort    mit  dem    Pferd    und    mit   der 
Rüstung  auf  königliche  Weise  begraben  zu  werden«. 

Wenn  auch  diese,  lange  nach  dem  Ereignisse  geschriebenen  Erzählungen 
voneinander  abweichen  und  nicht  als  zuverlässige  Beschreibungen  eben  dieser 
Leichenfeier  gelten  können,  sind  sie  doch  interessant  als  die  damaligen  Be- 
gräbnißsitten  schildernd,  wie  sie  auch  durch  Funde  und  Sagen  bestätigt  werden. 
In  mehreren  Gräbern  hat  man  nämlich  bei  verbrannten  und  unverbrannten 
Leichen  Reste  von  Pferden,  Zaumzeug,  Steigbügeln,  Geschirr  usw.  gefunden. 


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534.    Schiffsförmige  Steinsetzung;  der  Mast  und  die  Ruderbänke  sind  angegeben.    Öland. 

Ebenso  wie  in  den  älteren  Zeiten  wurden  oft  Bautasteine  (Fig.  528  und  529) 
den  Toten  zum  Andenken  gesetzt;  aber  nur  in  den  Fällen,  wo  die  Namen  der 
Toten  auf  die  Steine  eingehauen  waren,  sind  diese  der  Nachwelt  erhalten 
geblieben. 

* 

Die  einzigen  Schriftzeichen,  die  zu  jener  Zeit  in  Schweden  angewendet 
wurden,  waren  die  Runen.1)  Sie  unterscheiden  sich  bedeutend  von  denen,  die 
im  älteren  Teil  der  Eisenzeit  gebräuchlich  waren,  und  eine  sorgfältige  Unter- 
suchung hat  gezeigt,  daß  mit  der  Form  der  Runen  in  gewissen  Fällen  sich  auch 
ihre  Bedeutung  geändert  hat.  Außerdem  sind  einige  ältere  Runen  außer  Brauch 
gekommen,  wodurch  die  in  den  letzten  Jahrhunderten  des  Heidentums  benutzten, 
gewöhnlich  die  »jüngeren«    genannten  Runen  nur  folgende  sechzehn  sind: 

rnt>*RK:*  +  |  +  H:T&rY>k 

futhork     hnias      tblm-r 

Wie  in  älteren  Zeiten  (siehe  S.  208)  hatte  jede  Rune  ihren  Namen,  der 
mit  dem  Buchstaben,  dem  die  Rune  entspricht  anfängt2).   Nur    die  letzte  Rune 


1)  J.  G.  Liljegren,  Run-lära  (Stockholm,  1832).  —  Derselbe,  Die  nordischen  Runen.  Nach 
J.  G.  Liljegren,  mit  Ergänzungen  bearbeitet  von  Karl  Oberleitner  (Wien,  1848).  —  U.  W.  Dieterich, 
Runen-Sprach-Schatz  oder  Wörterbuch  über  die  ältesten  Sprachdenkmale  Skandinaviens  (Stockholm, 
1844).  —   L.  Wimmer,  Die  Runenschrift  (Berlin,    1887). 

2)  Da  man  keine  schwedischen  Aufzeichnungen  dieser  Namen  kennt,  werden  sie  hier  in  der 
Form  aufgeführt,  die  sie  auf  Island  hatten,  die  aber  beinahe  der  gleichzeitigen  schwedischen  ent- 
spricht, wurde  fe  (Vieh)  genannt,  ll  ür  (Unwetter),  r  Purs  (Riese)  oder  Porn  (Dorn),  H1  öss 
(Flußmündung),  R  reiS  (Ritt),  K  kaun  (Beule),  ^  hagall  oder  hagl  (Hagel),  +  naü5  (Not),  I  fss  (Eis), 
+  ar  (Jahr),  H  söl  (Sonne),  T  Tyr  (Ty),  fc  bjarkan  (Birkenfrucht),  T  l0gr  (Wasser),  T  maSr  (Mann), 
A  yr  (Pfeilbogen).  —  Die  drei  »Geschlechter«,  in  welche  die  jüngere  wie  die  ältere  Runenreihe  ein- 
geteilt ist,  wird  nach  der  ersten  Rune  jedes  Geschlechtes  genannt;  die  dritte  heißt  also  »Tys  Geschlecht«. 


Die  jüngeren  Runen. 


333 


A.  macht  in  gewisser  Weise  hier  eine  Ausnahme.  Diese  Rune  steht  meist  wie 
das  Y  der  älteren  Runenreihe  am  Schluß  des  Wortes  und  entspricht  unserem 
f;  aber  zuweilen  kommt  sie  auch  mitten  in  einem  Wort  vor  und  bezeichnet 
dann  einen  Vokallaut:  gewöhnlich  y,  seltener  e  oder  ae.  Der  Name  »yr«  gibt 
diese  beiden  Bedeutungen  an. 

Aus  dem  £  (a)  der  älteren  Runenreihe  entstand  allmählich,  wie  die  oft 
vorkommenden  Zwischenformen  fc  (nasales  a)  und  A  zeigen,  die  Rune  £;  in  Über- 
einstimmung mit  der  Verände- 
rung der  Sprache  erhielt  dieses 
Zeichen  schließlich  die  Bedeu- 
tung o  anstatt  des  a. 

Die  Runen  +,  +,  H,  T  und  Y 
haben  auch  die  Formen  k  =  n, 
A  =  a,  i=s,  1  =  t  und  CP  =--  m. 
Gegen  Ende  der  Heidenzeit  fing 
man  an,  die  sogenannten  »punk- 
tierten« Runen  l  =  e,  K  =  g, 
1  =  d,  Fl  =  y  und  £  =  p  anzu- 
wenden. Eine  Art  Runen,  die 
sich  im  allgemeinen  dadurch 
auszeichnet,  daß  ihnen  der  Stab 
oder  der  lotrechte  Strich  fehlt, 
ist  unter  dem  Namen  Helsinge- 
runen  bekannt,  weil  sie  haupt- 
sächlich in  Helsingland  vor- 
kommen. ]) 

In  älteren  Zeiten  wurden 
die  Runen  in  geraden  Reihen 
lFig-  535—538)  geschrieben; 
gegen  Schluß  der  Heidenzeit 
kommt  dies  seltener  vor,  wohin- 
gegen die  Inschrift  in  den  meisten 
Fällen  entweder  den  Kanten  des 
Steines  folgt,  oder  in  kunst- 
reichen Schlingen  angeordnet  war 
Svealand  zeigen. 

Viele  Runensteine  geben  uns  nicht  nur  den  Namen  derer,  die  den  Denk- 
stein setzten,  und  derjenigen,  zu  dessen  Andenken  man  ihn  setzte,  sondern  auch 
den  Namen  dessen,  der  die  Runen  schrieb  und  oft  mit  ungewöhnlicher  Kunst- 
fertigkeit eingrub.  Am  bekanntesten  von  diesen  ältesten  schwedischen     Künstlern 
ist  Ybber  (Beiform  zu  Ubbe),  dessen  Namen  man  auf  etwa  vierzig  Runensteinen 


535.    Runenstein.    Rök  in  Östergötland. 

wie    sie    hauptsächlich   die   Runensteine  in 


1)  M.  Celsius,    De   runis  Helsingicis   oratio  habita,    cum   rectoratum  academicum  d 

anno    1675    (Upsala,    1707). 


334 


Die  Wikingerzeit. 


findet;  ferner  Bale,  Asmund  Karesson,  Torbjörn  Skald  (der  Dichter)  und  Amunde. 
Alle  diese  haben  in  Uppland  und  den  angrenzenden  Gegenden  gearbeitet. 

Das  Wort  »Rune«  scheint  eigentlich  Geheimnis  zu  bedeuten;  und  lange 
wurde  es  wohl  auch  mit  Recht  als  ein  wunderbares  Geheimnis  betrachtet,  wie 
man  durch  einfache  Striche  anderen  seine  Gedanken  mitteilen  konnte.  Unsere 
Vorfahren  glaubten  daher  Oden  selbst  für  die  Runen  dankbar  sein  zu  müssen, 

wie    er    auch    die  Dichtkunst   den  Men- 
schen lehrte.     Weil  man    die  Runen    so 


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536.   Runenstein.   Westerlösa  in   Östergötland.  537.   Runenstein.   Wärfrukyrka  in   Uppland. 

betrachtete,  lag  es  nahe,  ihnen  auch  eine  geheime  Zauberkraft  zuzuschreiben. 
So  lesen  wir  in  der  Edda,  wie  eine  Walküre  Sigurd  lehrt,  Siegesrunen  in  den 
Griff  des  Schwertes  zu  ritzen  und  dabei  zweimal  den  Namen  Ty  zu  nennen, 
wenn  er  siegen  will1);  Sturmrunen  im  Steven  und  Ruder,  wenn  er  das  Schiff 
bergen  will;  Denkrunen  zu  kennen,  wenn  er  weise  sein  will,  usw.  Die 
isländischen    Sagas     erzählen   auch     oft    von    Zauberrunen,     die    Unglück    über 

1)  Bei  Gilton  im  südöstlichen  England  fand  man  ein  angelsächsisches  Schwert,  mit  am  Griff 
eingeritzten  Runen.  In  dem  oben  (S.  198)  erwähnten  Torfmoore  von  Torsbjerg  fand  man  Runen- 
inschriften auf  einem  Schildbuckel  und  auf  dem  Ortband  einer  Schwertscheide.  Ty  war,  wie  aus 
dem  Vorhergehenden  ersichtlich   ist,   gleichzeitig   der  Name  einer  Rune  und   eines  der  Asengötter. 


Die  jüngeren  Runen. 


335 


den  Feind  bringen  oder  Krankheit  vertreiben;  aber  die  Sagas  reden  auch  von 
»Geheimrunen«,  die  auf  ungewöhnliche,  im  voraus  bestimmte  Art  geritzt  wurden, 
um  alle  Uneingeweihten  irre  zu  führen,  also  einer  Art  Chiffreschrift. 

Die  Anzahl  der  schwedischen  Runeninschriften  aus  der  letzten  heidnischen 
Zeit  und  aus  dem  ältesten  Mittelalter  ist  sehr  groß,1)  —  sie  übersteigt  1500,  — 
und  diese  Inschriften  sind  von  hohem  Wert  für  die  Sprachforschung  und  ver- 
schiedene Zweige  der  Kulturgeschichte.  Nennenswerte  Beiträge  zur  politischen 
Geschichte  liefern  sie  dagegen  nur  ausnahmsweise.  Gelten  sie  doch  nur  dem 
Gedächtnis  Einzelner,  und  sind  sie  in  Rücksicht  auf  das  unbequeme  Material 
doch  auch  möglichst  kurz  gehalten. 

Die  längste  Runeninschrift  auf  einem 
schwedischen  Denkstein  befindet  sich  auf 
einem  großen  Stein,  der  bis  1862  im  Kirch- 
turm von  Rök  in  Östergötland  eingemauert 
war,  aber  damals  aus  der  Mauer  heraus- 
genommen und  auf  dem  Kirchhof  aufgestellt 
wurde.  Die  Breitseiten,  von  denen  die  eine 
Fig.  535  abgebildet  ist;  beide  Schmalseiten 
und  die  obere  Fläche  sind  mit  Runen  be- 
deckt, von  denen  die  meisten  der  jüngeren 
Runenreihe  angehören,  obwohl  einige  von 
ihnen  von  der  gewöhnlichen  Form  abweichen 
(die  oberste  Reihe  auf  Fig.  535),  und  ältere 
Runen  sind  in  der  Absicht  angebracht, 
dem  Stein  ein  altes  und  würdigeres  Aus- 
sehen zu  geben.  Die  Inschrift  soll  aus  dem 
zehnten  Jahrhundert  stammen. 2) 


538.    Runenstein.     Wik  in   Uppland. 


1)  Schon  zur  Zeit  Gustaf  II.  Adolphs  hat  J.  Bureus  den  Auftrag  erhalten,  Runensteine  ab- 
zubilden, und  diese  Arbeit  wurde  im  siebzehnten  Jahrhundert  von  J.  Hadorph ,  J.  Peringskiöld, 
O.  Celsius  und  anderen  fortgesetzt.  —  J.  Hadorph  veröffentlichte  im  J.  1680  die  Runensteine  des 
Kreises  Färentuna  in  UpplaDd.  —  J.  Peringskiöld,  Monumentorum  Sveo-Gothicorum  liber  primus, 
Uplandise  partem  primariam  Thiundiam  continens  (Stockholm,  1710 — 1 7 19).  —  J.  Göransson, 
Bautil,  det  är  Alle  Svea  ok  Göthena  Rikens  Runstenar,  upreste  ifran  verldenes  ar  2000  tili  Christi 
ar  1000  (Stockholm,  1750;  die  meisten  der  1 1  73  Holzschnitte  von  Runensteinen  waren  vor  dem  Ende 
des  siebzehnten  Jahrhunderts  ausgeführt  worden,  man  hatte  aber  wegen  der  unglücklichen  Zeiten 
sie  nicht  drucken  können).  —  J.  G.  Liljegren,  Run-Urkunder  (Stockholm,  1833,  8°;  eine  andere 
Auflage,  40,  1834).  —  R.  Dybeck,  Svenska  run-urkunder  (aus  Uppland,  Södermanland  und  Öster- 
götland ;     Stockholm,    1855  —  57).     —    Derselbe,    Sverikes     runurkunder,    Uppland    (Stockholm,    1 

—  76).  —  Sveriges  runinskrifter,  utgifna  af  K.  Witterhets  Historie  och  Antiqvitets  Akademien,  I.  ( »lands 
runinskrifter,  granskade  och  tolkade  af  S.  Söderberg  Stockholm,  1900).  — C.  Säve,  Gutni>ka  ur- 
kunder (die  Runeninschriften  Gotlands ;  Stockholm,  1859).  —  K.  Torin.  Westergötlands  runin- 
skrifter (Lund,  1871 — 99).  —  S.  Boije,  Bohusläns  runinskrifter .  in  Bidrag  tili  kännedom  otn  Bo- 
husläns  fornminnen,   Bd.   3   (1886). 

2)  S.  Bugge,  Tolknir.g  af  runinskriften  pä  Rökstencn  i  östergötland,  in  dir  Antiqv.  tidskr. 
f.  Sv.,  Bd.  5  (1873).  Vgl.  G.  Stephens  und  F.  Läffler,  ebenda,  Bd.  5  und  <>,  und  Bugge,  in 
K.  Witterhets  Historie  och  Antiqvitets  Akademicns  handlingar,  Bd.  11:3.  —  F.  Läffler,  in  der 
Nordisk  tidskrift,    1878,  S.    165. 


^.,(5  I^ie  Wikingerzeit. 

Der  Runenstein  von  Rök  und  andere  schwedische  Runeninschriften  zeigen, 
daß  dieselbe  Art  der  Dichtkunst  wie  in  anderen  nordischen  Ländern  hier  geübt 
wurde.  Das  charakteristische  für  diese  Dichtkunst  ist  teils  die  häufigen  Um- 
schreibungen, teils  daß  die  Reimbuchstaben  nicht  am  Schluß,  sondern  am  An- 
fang  der  Worte  stehen.  Diese  Art  von  Reim,  wie  bekannt  Alliteration  genannt, 
findet  sich  nicht  nur  bei  anderen  Germanenvölkern,  wie  in  der  altenglischen  und 
altdeutschen  Dichtung,  sondern  auch  bei  den  Finnen  und  anderen  Völkern. 

Die  Runensteine,  besonders  in  Svealand,  sind  auch  durch  ihre  Ornamentik- 
wertvoll.  Diese  Ornamentik,  fast  das  einzige,  was  noch  von  den  Kunsterzeug- 
nissen aus  den  letzten  Jahrhunderten  des  Heidentums  übrig  geblieben  ist1), 
besteht  hauptsächlich  aus  Tierverschlingungen  (Fig.    536 — 538). 

Die  schwedische  Ornamentik  der  Wikingerzeit  kennen  wir  nur  durch  die 
Proben,  die  sich  auf  Gegenständen  von  Metall  und  Stein  befinden;  die  noch 
größeren  und  zahlreicheren  in  derselben  Art  verzierten  Holzarbeiten  sind  schon 
längst  verloren  gegangen.  Wenn  wir  sehen,  mit  welcher  Sicherheit  und  Leichtigkeit 
die  prächtigen  Verschlingungen  in  dem  harten  und  unebenen  Material  der  Runen- 
steine ausgeführt  sind,  müssen  wir  die  Kunstfertigkeit  jener  Zeit  sehr  hoch  schätzen, 


539.  Silberbild;   eine  Öse  auf  der  540.  Silberbild,  von  zwei  Seiten  gesehen. 

Rückseite.   Öland.  1/'1.  Björkö.    1/i. 

und  wir  haben  allen  Grund,  den  Verlust  der  Holzschnitzereien  dieser  Periode  zu 
beklagen.  Viele  Erzeugnisse  nordischen  Kunstfleißes  in  der  Wikingerzeit  können 
sich  mit  den  gleichzeitigen  Arbeiten  des  christlichen  Europas  durchaus  messen. 

Nicht  nur  die  Erzählung  von  den  drei  Götterbildern  im  Tempel  zu  Upsala 
zeigt,  daß  die  heidnische  Kunst  des  Nordens  sich  bis  zur  Statuarkunst  entwickelt 
hatte;  auch  sonst  werden  Götterbilder,  besonders  solche  Tors,  erwähnt.  Von 
diesen  Bildern,  die  ohne  Zweifel  alle  von  Holz  waren,  ist  keines  erhalten;  sie 
sind  wohl  zerstört  worden,  als  das  Christentum  angenommen  wurde. 

Einige  Figurendarstellungen  — kleinere  in  Metallguß  (Fig.  539  und  540)  und 
größere  in  Relief  oder  Zeichnung  auf  Stein  —  sind  uns  doch  erhalten  worden, 
besonders  auf  Gotland,  wo  die  sogenannten  Bildsteine  (Fig.  524)  eine  besondere 
Aufmerksamkeit   verdienen.2)     Die  meisten  sind  mit  Runeninschriften  versehen. 

1)  Montelius,  Svensk  konst  under  hednatiden,  in  der  Sv.  Fornm.-förs  tidskr.,  Bd.  1 
(1871),  S.   52. 

2)  C.  Säve,  Tjängvide-stenen  pä  Gotland,  in  R.  Dybecks  Runa,  1845,  S.  82.  —  Derselbe, 
Alskogsstenarne  pä  Gotland,  in  den  Annaler  f.  nord.  Oldkynd,  1852,  S.  1 7 1.  —  H.  Pipping,  Om 
runinskrifterna  pä  de  nyfunna  Ardre-stenarna,  in  Skrifter  utgifna  af  K.  Humanistiska  Wetenskaps- 
Samfundet  i  Uppsala,  Bd.  VII  (1901).  —  F.  Nordin,  Till  frägan  om  de  gottländska  bildstenarnas 
utvecklingsformer,  in  Studier  tillägnade  O.  Montelius,  S.    142.