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Full text of "Kunstgewerbeblatt"

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KUNSTGEWERBEBLATT 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


PROF.   KARL    HOFFACKER 

ARCHITEKT   IN    CHARLOTTENBURO-BERLIN 


NEUE  FOLGE 


ELFTER  JAHRGANG 


LEIPZIG  UND  BERLIN 

VERLAG    VON    E.   A.   SEEMANN 
1900. 


Inhalt  des  elften  Jahrgangs 


Seite 

Grössere  Aufsätze. 

Alphons  Maria  Mucha.    Von  Albert  Hofmann  (Beriin)        i 

Die  gegenwärtige  Lage  der  dekorativen  Künste  in 
Frankreich 5 

Die  Zimmerausstattung  auf  den  Ausstellungen  in 
Beriin,  München  und  Dresden  im  Sommer  1899. 
Von  A.  L.  Plehn 19 

Die  Zeugdruck-Ausstellung  im  Österreichischen  Mu- 
seum für  Kunst  und  Industrie  in  Wien.  Von  Dr. 
Fr.  Minkus 39 

Der  Sitzungssaal  der  Minister  bei  den  neuen  Gebäuden 
des  preussischen  Landtages  zu  Berlin 45 

Badisches  Kunstgewerbe 57 

Hat  das  Publikum  ein  Interesse  daran,  selber  das 
Kunstgewerbe  zu  heben?   Von  Hermann  Obrist  62,      91 

Vieriänder  Kunst.    Von  O.  Schwindrazheini     .    .   79,     111 

Geschichte  und  Ästhetik  des  künstlerischen  Buchein- 
bandes.   Von  P.  Kersten  (Aschaffenburg)     ....    101 

K.  k.  Österreichisches  Museum  für  Kunst  und  Industrie 
in  Wien.  Die  dritte  Winterausstellung  und  die 
Konkurrenz  aus  dem  Hoftiteltaxfond.  Von  Dr. 
Fräz  Minkus 123 

Neues  über  Altmeissner  Porzellan.    Von  K-  Berling .    133 

Die  6.  Kunstgewerbliche  Ausstellung  (arts  and  crafts 
exhibition)  London.     Von  H.  Muthesius- 141 

Das  arabische  Kunsthandwerk.  Von  Karl  Eugen 
Schmidt  (Paris) 163 

Das  Kunstgewerbe  auf  der  Pariser  Weltausstellung. 
Von  Walther  Gensei 171,     223 

Van  de  Velde  und  die  Berliner  Tischlerei.  Von  A. 
L.  Plehn 183 

Die  deutsche  Smyrnateppich-Industrie.   Von  L.  Hagen    201 

Bücherschau. 

Altägyptisches  Porzellan 100 

Ausstellung  von  Kunstwerken  des  Mittelalters  und  der 

Renaissance  aus  Berliner  Privatbesitz 158 

Böhaimd,  Aug.,  Der  Mäander 100 

M  eurer ,     M.,     Ursprungsformen     des     griechischen 

Akanthusornamentes  und  ihre  natürlichen  Vorbilder  199 
Meyer' s  historisch-geographischer  Kalender.   4.  Jahrg. 

1900 76 

Schultze- Naumburg,  Paul,  Häusliche  Kunstpflege   .    .  74 

Schumacher,  Fritz,  Im  Kampfe  um  die  Kunst ....  74 

Wagner,  Otto,  Moderne  Architektur 198 

Wallis,  Henry,  Persian  Lustre  Vases 99 

Japanische  Färbeschablonen 238 


Seite 
Vereine. 

Berlin,  Verein  für  deutsches  Kunstgewerbe      ....  137 

Breslau,  Kunstgewerbeverein 51,  73 

Frankfurt    a.    M.,     Mitteldeutscher    Kunstgewerbe- 
verein   51,  116,  157 

Kartsruhe,  Badischer  Kunstgewerbeverein 116 

Königsberg  i.  Pr.,  Kunstgewerbeverein 137 

Krefeld,  15.  Jahresbericht  des  Museums-Vereins  ...  179 

München,  Bayerischer  Kunstgewerbeverein  ...  13,  215 
Stuttgart,   Der  neunte  Delegiertentag  des  Verbandes 

deutscher  Kunstgewerbevereine 34 

Stuttgart,  Jahresbericht  des  Württembergischen  Kunst- 
gewerbevereins   116 

Stuttgart,   Verein   für   dekorative  Kunst   und   Kunst- 
gewerbe    n6 

Wien,  Wiener  Interieur-Club " 97 

Schulen. 

Berlin,  Kgl.  Kunstgewerbeschule 52 

Dresden,  Bericht  über  die  Kgl.  Sachs.  Kunstgewerbe- 
schule und  das  Kunstgewerbemuseum 178 

Elberfeld,  Bericht  der  Stadt.  Handwerker-  und  Kunst- 
gewerbeschule    194 

Genf,  Kunstgewerbeschule 194 

Hanau,  Jahresbericht  der  Kgl.  Zeichen-Akademie  .  .  195 
Karlsruhe,  Grossherzogliche  Kunstgewerbeschule  .  .  13 
Kassel,  Jahresbericht  der  gewerblichen  Zeichen-  und 

Kunstgewerbeschule 214 

Magdeburg,    Bericht   der  Kunstgewerbe-  und  Hand- 
werkerschule     158 

Paris,  Stadt.  Kunstgewerbeschule 97 

Paris,  Neuer  Lehrgang  im  französischen  kunstgewerb- 
lichen Unterricht 97 

Pforzheim,    Bericht   über  die  Grossherzogl.  Kunstge- 
werbeschule     215 

Plauen  i.  V.,  Bericht  über  die  Kgl.  Sächsische  Industrie- 
Schule  für  die  Jahre  1898  und  1899 116 

Museen. 

Basel,  Jahresbericht  des  Gewerbemuseums 213 

BfA-//«,  Oriop-Stiftung  für  Veröffentlichungen  des  Kunst- 
gewerbemuseums    54 

Berlin,  Kunstgewerbemuseum 158 

Bremen,  Bericht  des  Gewerbemuseums 213 

Brunn,  Mährisches  Gewerbemuseum 53,  214 


IV 


INHALTSVERZEICHNIS 


Seite 

Graz,  Bericht  des  Steiermärkischen  kulturhistorischen 

und  Kunstgewerbemuseums  über  das  Jahr  1898.    .  14 

Karlsruhe,  Kunstgewerbemuseum 15 

Krefeld,  Kaiser  Wilhelm-Museum                   53 

Leipzig,  Kunstgewerbemuseum 36,  54 

Lübeck,  Bericht  des  Kunstgewerbemuseums     ....  74 
Troppau,  Kaiser  Franz  Josef-JViuseum  für  Kunst  und 

Gewerbe 15 


Ausstellungen. 

Bericht  des  »Moniteur  des  Expositions«  über  die  Ge- 
winne und  Verluste  der  Weltausstellungen  ....    197 
Berlin,    Prof.    Seliger,    Ausstellung   von   Glasmosaik- 

bildem 218 

Düsseldorf,    Der  Arbeitsausschuss  für  die  Industrie-, 

Gewerbe-  und  Kunstausstellung  1902 98 

Göteborg,  Eine  schwedische  Buchgewerbeaussteilung    218 

Kanea,  1.  Internationale  Ausstellung 98 

Karlsruhe,  Deutsche  Giasmalereiausstellung  i.J.  1901 

138,  195 
Paris,    Französische    Keramische   Jahrhundert  -  Aus- 
stellung     139 

Paris,  Industrie  und  Weltausstellungen 198 

Paris,  Sonderausstellungen 118 

Paris,  Weltausstellung «5,  55,  179 

St.  Petersburg,   Kaiserliche  Gesellschaft  zur  Hebung 

der  Künste  in  Russland 55 

Vereinigte  Staaten  von  Amerika 98 


Wettbewerbe. 

Aachen,  Wettbewerb  um  Entwürfe  für  moderne  Gas- 
ofenmäntel        15 

Berlin,  Ergebnis  des  Wettbewerbs  um  Entwürfe  zu 
Plakaten  für  die  Firma  Jünger  &  Gebhardt  ....      36 

Berlin,  Preisausschreiben  des  Vereins  für  deutsches 
Kunstgewerbe  um  Entwürfe  zu  einem  Banner  für 
die  Innung  »Bund  der  Bau-,  Maurer-  und  Zimmer- 
meister«  196 

Berlin,  Preisausschreiben  für  ein  Plakat  zur  Ausstellung 
für  Feuerschutz 239 

Berlin,  Preisausschreiben  für  einen  Kopf  der  Tischler- 
zeitung       239 

Bremen,  Preisausschreiben  für  Entwürfe  zu  einem 
Tafelbesteck  in  Silber,  ausgeschrieben  von  der  Firma 
M.  H.  Wilkens  &  Söhne  in  Bremen 217 

Breslau,  Schlesisches  Museum  für  Kunstgewerbe  und 
Altertümer.    Wettbewerbe      179 

Charlottenburg,  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Ent- 
würfen für  die  künstlerische  Ausgestaltung  der 
Charlottenburger  Brücke 197 

Charlottenburg,  Wettbewerb  um  ein  Kaiser  Friedrich- 
Denkmal 239 


Seite 

Chemnitz,  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen 
für  ein  König  Albert-Museum 196 

Dresden,    Preisausschreiben    um    Entwürfe    für   den 

Neubau  der  Kgl.  Kunstgewerbeschule.    ...   16,      74 

Dresden,  Preisausschreiben  des  Akademischen  Senats    195 

Dresden,  Preisausschreiben  der  Cigarrettenfabrik 
Laferme  um  Etiquetten  für  Cigarrettenpackung   .    .    10 

Dresden-Loschwitz,  Preisausschreiben  zur  Erlangung 
von  Entwürfen  für  Zimmerdecken  und  Wandver- 
täfelungen        99 

Düsseldorf,  Wettbewerb  zur  Erlangung  von  Entwürfen 
zu  einem  Plakat  für  die  Rheinisch-Westfälische  In- 
dustrie und  Gewerbe- Ausstellung  in  Düsseldorf  1902    217 

Frankfurt  a.  M.,  Wettbewerb  für  den  auf  dem  Römer- 
hof zu  errichtenden  Brunnen 179 

Hamburg,  Ausführung  der  Deckengemälde  in  dem 
neu  zu  errichtenden  Schauspielhause 195,    217 

Hannover,  Preisausschreiben  der  KunstanstaU  /  C. 
König  &  Ebhardt  um  farbige  Plakat-Entwürfe    .   .      55 

St.  Johann  a.  d.  Saar,  Wettbewerb  für  eine  malerische 
Ausschmückung  des  Sitzungssales  in  dem  Rathause     196 

Köln,  Wettbewerb  um  Entwürfe  zu  einem  Kaiserin 
Augusta-Denkmal 16 

Köln  a.  Rh.,  Preisausschreiben  der  Gebr.  Stollwerck 
um  Entwürfe  für  den  Einband  eines  Stollwerck'schen 
Sammelalbums 56 

Leipzig,  Preisausschreiben  des  Bibliographischen  In- 
stituts um  Entwürfe  von  Bucheinbänden 119 

Mainz,  Preisausschreiben  für  künstlerische  Lösungen 
im  Dienste  der  Feuerbestattung 196 

München,  Wettbewerb  der  Redaktion  der  »Liebhaber- 
Künste«   99 

Nördlingen,  Wettbewerb  um  ein  Brunnendenkmal  .    .    195 

Oppeln,  Ideenwettbewerb  zur  Erlangung  von  Ent- 
würfen für  einen  Monumentalbrunnen  auf  dem 
Minerva-Platze 138,     196 

Paris,  Konkurrenz  um  das  Diplom,  für  die  Pariser 
Weltausstellung  1900 74 

Radebeul,  Wettbewerb  um  Entwürfe  für  Wandmale- 
reien im  Rathause  zu  Radebeul 217 

Siegmar,  Wettbewerb  um  Entwürfe  zu  einem  farbigen 
Plakat  der  A.-G.  Deutsche  Kognak-Brennerei  vorm. 
Grüner  &  Co 99 

Stuttgart,  Preisausschreiben  des  Vereins  für  dekorative 
Kunst  und  Kunstgewerbe 180 

Waidenburg  i.  Schi.,  Preisausschreiben  um  Entwürfe 
für  eine  Denkmünze 17g 

Wien,  Wettbewerb  um  Entwürfe  für  eine  Kopfleiste 
für  die  Wiener  Bauindustrie-Zeitung 16 


Verschiedenes. 

Zu  unseren  Bildern 76,  119,  140,  160,  219 

Vermischtes 200,  219 

Berichtigungen 36,  160,  180 


INHALTSVERZEICHNIS 


Verzeichnis  der  Illustrationen 


Seite 


Zierleisten,  Vignetten,  Initialen. 


C.  Adams '42,  237 

A.  Brunner,  Bad  Aibüng 202 

Daniel  Blick,  Berlin 100,  193 

Elly  Hirsch,  Berlin »" 

E.  Liesen,  Berlin lOQ 

H.  Lührig »52 

H.  Meyer,  Kassel »63,  201 

Rob.  Ore'ans,  Karlsruhe 57 

Hans  Schulze,  Berlin 163   ; 

M.  Seliger,  Berlin »37   | 

Helene  Varges,  Berlin        223   i 

W.  Winkler,  Idstein 240 

Innendekoration. 

Eck?  aus  dem  Zimmer  von  K.  Gross  auf  der  deutschen 
Kunstausstellung  zu  Dresden  189g 7,       18 

Stuckdecke  im  Zimmer  von  K-  Gross  auf  der  deutschen 
Kunstausstellung  zu  Dresden  1899 8 

Ecksitz  (Mahagoni).  Entworfen  von  R.  Riemerschmid, 
ausgeführt  in  den  Vereinigten  Werkstätten  für  Kunst 
im  Handwerk  in  München 16 

Zwischenwand  im  Zimmer  von  K.  Gross  auf  der 
deutschen  Kunstausstellung  zu  Dresden  1899     .     .      21 

Nische  von  der  Dresdner  Kunstausstellung  1899;  an- 
geordnet von  Architekt  Gräbner 22 

Speisezimmer  eines  Landhauses,  entworfen  und  ein- 
gerichtet von  Architekt  M.  Dülfer  in  München  24,  25,      26 

Jagdzimmer,  entworfen  von  H.  E.  von  Berlepsch- 
Valendas,  München 31,      32 

Der  Sitzungssaal  der  Minister  im  neuen  preussischen 
Landtagsgebäude  in  Berlin 38,  43,  47,      48 

Musikzimmer  von  Riemerschmid  auf  der  Dresdner 
Kunstausstellung  1899,  ausgeführt  von  den  Ver- 
einigten Werkstätten  für  Kunst  im  Handwerk, 
München 45,      49 

Vorraum  von  Bruno  Paul  auf  der  Dresdner  Kunst- 
ausstellung 1899,  ausgeführt  von  den  Vereinigten 
Werkstätten  für  Kunst  im  Handwerk,  München     .      50 

Moderne  Zimmerdecke.  Entwurf  von  W.  Lang, 
Karlsruhe 56 

Zimmer,  entworfen  und  ausgeführt  in  der  Hofmöbel- 
fabrik H.  Dietler,  Freiburg  i.  Br 71 

Kirche  zu  Altengamme,  aufgenommen  von  H.  Haase, 
Hamburg 78 

Dieleninterieur  aus  Neuengamme,  aufgenommen  von 
H.  Haase,  Hamburg 79,      84 

Vierländer  Stube  in  Neuengamme,  aufgenommen  von 
H.  Haase,  Hamburg 85 

Bäuerlicher  Sgraffito,  aus  alten  Vierländer  Bauern- 
häusern, aufgenommen  von  H.  Haase,  Hamburg  .      87 

Ecke  aus  dem  Schlafzimmer  von  Bernh.  Pankok  auf 
der  Dresdner  Kunstausstellung  1899  (Vereinigte 
Werkstätten  für  Kunst  im  Handwerk) 90 

Interieur  nach  Entwurf  von  Professor  J.  AI.  Olbrich, 
ausgeführt  von  A.  Ungethüm  in  Wien 122 


Seile 
Wohnzimmer  eines  verheirateten  Arbeiters,  ausgeführt 

von  S.  jaray  in  Wien '23 

Speisezimmer  nach  Entwürfen  von  Prof./.  Hoffmann, 

ausgeführt  von  A.  Pospischill  in  Wien »27 

Damenschlafzimmer,    nach  Entwurf  von  Max  Jaray, 

ausgeführt  von  Siegmund  Jaray  in  Wien    ....     129 
Zimmer  für  ein  Landhaus,  entworfen  und  ausgeführt 

von  F.  Schönthaler  in  Wien «3' 

Schrankthürfüllung  mit  Intarsien,  entworfen  von  Archi- 
tekt O.  Siedle,  Berlin 148 

Entwurf   zur    Büffetwand   eines   Speisezimmers    von 

R.  Organs  in  Karlsruhe 154.     '55 

Innenraum  aus  Teheran »Ö2,     167 

Aus  dem  Innenraum  von  Schneider  &  Hanau,  Frank- 
furt a.  M.  Ausgestellt  auf  der  Pariser  Weltaus- 
stellung 1900 »71.  '73>  »75.     '77 

Treppenhaus  im  »Deutschen  Haus«  auf  der  Pariser' 
Weltausstellung    1900.      Architekt    Bauinspektor  / 

Radke,  Berlin 204,    206 

Saal    für   die    Sammlung  Friedrich    des  Grossen    im 
»Deutschen  Haus«  auf  der  Pariser  Weltausstellung 
1900.    Architekt  Bauinspektor  y.  Radke,  Beriin  .    .    211 
Von  der  deutschen  kunstgewerblichen  Abteilung  auf  der 
Pariser  Weltausstellung  igoo. 
Durchgang  des  einen  Treppenhauses.    Architekt  Pro- 
fessor Karl  Hoffacker,  Chariottenburg  .     .    .182,    234 
Ansicht  der  Galerie  des  einen  Treppenhauses.    Archi- 
tekt Professor  Karl  Hoffacker,  Chariottenburg  187,    235 
Pfeiler  von  der  dekorativen  Frontarchitektur  des  Licht- 
hofes.   Architekt  Professor   Karl  Hoffacker,    Char- 
iottenburg     '89 

Diele,  Holzschnitzerei  von  Professor  G.  Riegelmann, 

Chariottenburg      ....  191,  195,  208,  209,  210,    220 
Hauplfront.      Architekt    Professor    Karl    Hoffacker, 

Chariottenburg 222 

Brunnennische,  entworfen  von  Professor  O.  Gussmann, 

Dresden 224 

Mittelpartie  auf  der  Galerie 227 

Aus  dem  »Zimmer  eines  Kunstfreundes«,  entworfen 
von  Maler  Richard  Riemerschmid,  ausgeführt  von 
den  Vereinigten  Werkstätten  für  Kunst  im  Hand- 
werk, München 228 

Ecke    eines  Zimmers,    entworfen    von   Maler  Bernh. 

Pankok,  München,  ausgeführt  von  den  Vereinigten 

Werkstätten  für  Kunst  im  Handwerk,  München     .    229 

Ecke  eines  Jagdzimmers,  entworfen  von  Maler  Bruno 

Paul,  ausgeführt  von  den  Vereinigten  Werkstätten 

für  Kunst  im  Handwerk,  München 230 

Raum,  Möbel  im  Besitz  Sr.  Maj.  des  deutschen  Kaisers     231 
Raum,  entworfen  von  Proitssor  Paul  Pfaun,  Schreiner- 
arbeiten ausgeführt  von  Wenzel  Till,  München  232,    233 

Möbel. 

Lehnstuhl  von  Bernh.  Pankok,  München  (Vereinigte 
Werkstätten  in  München) 27 

Schrank,  entworfen  von  K  Gross,  ausgeführt  von 
Udluft  &  Hartmann,  Dresden 28 


VI 


INHALTSVERZEICHNIS 


Seite 
Hocker  (Birnbaumholz),    entworfen    von  H.  Schlicht, 
Dresden,  ausgeführt  von  den  Dresdner  Werkstätten 

für  Handwerkkunst 29 

Fussbank  mit  Garnknäuelbehäiter  von  J.  V.  Cissarz, 
Dresden,  ausgeführt  von  den  Dresdner  Werkstätten 
für  Handwerkkunst 29 

Sessel  mit  Zeugdruckbezug  und  mit  handbemaltem 
Seidenbezug  aus  dem  18.  Jahrhundert  (Schloss 
Feldsberg,  Niederösterreich) 42 

Schnitzerei  von  einer  Bettschirmwand,  entworfen  von 
Bernh.  Pankok,  ausgeführt  von  den  Vereinigten 
Werkstätten  für  Kunst  im  Handwerk,  München     .      52 

Kredenz-Schrank,  entworfen  von  H.  Schlicht,  Dresden, 
ausgeführt  von  den  Dresdner  Werkstätten  für  Hand- 
werkkunst     56 

Büffet,  entworfen  und  ausgeführt  in  der  Hofmöbel- 
fabrik L.  J.  Peter,  Mannheim 65 

Stuhl,  Truhe  und  Wiege  aus  den  Vierlanden,  aufge- 
nommen von  H.  Haase,  Hamburg    ....     80,      81 

Kleiderschrank  aus  dem  Schlafzimmer  von  Bernh. 
Pankoli  auf  der  Dresdner  Kunstausstellung  1899 
(Vereinigte  Werkstätten  für  Kunst  im  Handwerk) .      89 

Kinderzimmermöbel  von  K-  Bertsch  (Vereinigte  Werk- 
stätten für  Kunst  im  Handwerk) 91 

Postament  und  Stühle  im  nordischen  Stil,  entworfen 
und  ausgeführt  in  den  Werkstätten  von  F.  A.  Schätz, 
Hofmöbelfabrik,  Leipzig 94.  95,      96 

Etagere,  entworfen  und  ausgeführt  von  Franz  Zelezny 
in  Wien 125 

Beleuchtungskörper. 

Beleuchtungskörper  in  Messing  von  Bernh.  Pankok, 
München  (Vereinigte  Werkstätten,  München)      .     .      30 

Tischlampe  für  elektrisches  Licht,  entworfen  von 
A.  Riegl,  München 164,     165 

Beleuchtungskörper  für  elektrisches  Licht,  entworfen 
und  ausgeführt  von  Ferd.  Paul  Krüger,  Kunst- 
schmiedewerkstatt, Berlin 200 

Textilarbeiten. 

Linzer  Zeugdruck  von  1812  (Fachschule  für  Textil- 
industrie in  Wien) 39 

Stoffdruck  von  Oberkampf  1770—1780  (Oesterreichi- 
sches  Museum) 39 

Javanischer  Batik-Sarong  (Österreichisches  Museum  .      40 

Dienerschafts-Kleidung  aus  der  Theatergarderobe  des 
fürstl.  von  und  zu  Liechtenstein'schen  Schlosses  zu 
Feldsberg,  18.  Jahrhundert,  2.  Hälfte 41 

Gednicktes  Tuch,  18.  Jahrhundert  (Oesterreichisches 
Museum) 42 

Bemalter  Behang  aus  dem  fürstl.  von  und  zu  Liechten- 
stein'schen Schlosse  zu  Feldsberg,  um  1760  ...      53 

Stickereien    aus    Vierlanden,    aufgenommen    von   H.  \ 

Haase,  Hamburg 112,     113   | 

Gewebter  Brustlatz  in  Seide,  aufgenommen  von 
H.  Haase,  Hamburg 115 

Tapetenmuster  von  Architekt  O.  S/erf/«',  Berlin  149,150     158 

Stickereien  von  Frau  Schtnidt-Pecht,  Konstanz  .    214,    215 


Glasarbeiten. 

Füllung  Weinrebe,  Füllung  Iris,  Aquarellentwürfe  für 
Glasfenster  von  Otto  Vittali,  Offenburg  .     .     . 

Olasfenster,  entworfen  von  Prof.  AGc/^g-fö,  Freiburg  i.Br. 

Qlasfenster  (dreiteilig),  C.  Oeck,  Glasmanufaktur, 
Offenburg 


Seite 


Olasservice,  nach  Entwurf  des  Prof.  K-  Moser,  aus- 
geführt von  E.  Bakalowits  Söhnen  in  Wien  .    .     .     126 

Entwurf  zu  einer  Glaskanne  mit  Silber-  oder  Zinn- 
montierung  von  Architekt  B.  Möhring,  Berlin   198,     199 


Edelmetalle. 

Ehrenpreis  d.  Grossh.  Bad.  Ministers  d.  L  Entwurf 
H.  Götz;  Ausführung  L.  Bertsch,  Karlsruhe  ...      58 

Ehrenpreis  Sr.  Kgl.  H.  des  Orossherzogs  von  Baden. 
Entwurf  von  Prof.  H.  Götz,  Karlsruhe;  Ausführung 
von  Prof.  K.  Weihten,  Pforzheim 73 

Schmucksachen  aus  den  Vierlanden,  aufgenommen 
von  H.  Haase,  Hamburg 82,      83 

Pariser  Goldschmuck,  ausgestellt  von  L.  A.  Gändel, 
Juwelier,  Leipzig gg 

Ehrenpreis  Sr.  Kgl.  H.  des  Grossherzogs  Friedrich 
von  Baden  zum  Mannheimer  Mairennen  1894.  Ent- 
wurf von  Prof.  H.  Götz,  Ausführung  von  Hof- 
juwelier L.  Bertsch.  Karlsruhe 110 

Ziervasen,  nach  Entwürfen  von  O.  M.  Werner,  in 
Silber  ausgeführt  von  /  H.  Werner,  Hofjuwelier, 
Beriin 117 

Ziergefäss,  Vasen,  Ourtschnalle,  Kamm  und  Haar- 
nadeln. Entworfen  von  O.  M.  Werner,  ausgeführt 
von  Hofjuweliery.  H.  Werner,  Berlin n8 

Goldschmuck,  entworfen  von  O.  M.  Werner,  ausge- 
führt von  Hofjuweliery.  H.  Werner,  Berlin  .     .     .     120 

In  Silber  montierte  Tiffany-Oläser  von  Hofgoldschmied 
H.  Schaper 144,  145,     146 

Schmuckgegenstände  von  Hofgoldschmied  H.  Schaper, 
Berlin 147 

Ehrenpreis  Sr.  Kgl.  H.  des  Grossherzogs  Friedrich 
von  Baden  zum  Iffezheimer  Rennen  i8g3.  Entwurf 
von  Prof.  H.  Götz,  Ausführung  von  Prof.  R.  Mayer, 
Karlsruhe 159 

Pokal  aus  vergoldetem  Silber  mit  eingesetzten  Ko- 
rallenästen von  A.  Riegl,  München 160 

Silberner  Weinkühler,  Kaiserpreis,  entworfen  und  aus- 
geführt von  O.  Rohloff,  Berlin 166 

Silberne  Bowle,  Kaiserpreis  für  Hannover,  Gr.  Armee- 
Jagd-Rennen.  Entworfen  und  ausgeführt  von  O. 
Rohloff,  Berlin 203 


Medaillen  und  Plaketten. 

Entwürfe  zu  Tauf-Plaketten  von  den  Bildhauern : 
C.  Gomansky,  Berlin,  Rad.  Bosselt,  Darmstadt, 
Georges  Morin,  Berlin,  und  Adolf  Aniberg,  Char- 
lottenburg     33,  34,  35,      36 

Medaillon  Bally,    Avers   und   Revers    von    Bildhauer 

H.  Bauser,  Karlsruhe 64 

Tauf-Plakette   von    Bildhauer   Ad.   Amberg,    Char- 
lottenburg     92 

Tauf-Plakette,     Entwurf    von     Bildhauer    Meinhard 
Jacoby,  Berlin 93 

Plaketten  »Medusa»  und  »Hygeia«  von  O.  Rohloff, 
Berlin 166 


I 


Arbeiten  in  Bronze  und  Kupfer. 
5 
70   I   Henkelvase  auf  Ständer,  in  Kupfer  entworfen  und  ge- 
trieben von  F.  X.  Abt,  Mindelheim 27 

76  j    Entwurf  zu  einer  Kanne  von  R.  Oreans,  Karlsruhe  .    204 


INHALTSVERZEICHNIS 


VII 


Seite 


Keramik. 


Fliesenbild  von  Prof.  Max  Länger,  Karlsruiie  ...       19 
Porzellanvasen,    entworfen    von    H.  Schlicht   und   E. 
Kleinhempel  in  Dresden,  ausgef.  von  der  Sächsischen 
Porzellanfabrik  in  Potschappel  bei  Dresden  ...      20 
Fayencen  von  Fran  Schmidt-Pecht,  Konstanz     ...       72 
Ofen,    nach  Entwurf   des  Architekten    Riid.  Hammel 

ausgeführt  von  L.  &  C.  Hardtmiith  in  Wien  .     125 

Alt-Meissner  Porzellan      ....  130,  133,  134,  135>     136 

Eisenarbeiten. 

Schirmständer  aus  Eisen  und  Messing.    Entworfen  von 
Prof.  R.  Weisse,  ausgeführt  von  KUhnscherf  &  Söhne, 

Dresden 52 

Blumenkübel,  Entwurf  von  ylü^.  0/as<'r,  München  157,     170 
In  Eisen  geschmiedete  Gruppe  von  Gebr.  Armbrüster, 
Frankfurt  a.  M.    Ausgestellt  auf  der  Pariser  Welt- 
ausstellung 1900 180 


Buchausstattung. 

Entwurf  zu  einer  Adressenmappe  von  Prof.  ff.  Götz, 
Karlsnihe 60 

Entwurf  zu  einer  Urkundenmappe  von  Prof.  ff.  Götz, 
Karlsruhe 61 

Komposition  einer  Randverzierung  von  Georg  Bötti- 
cher,  Leipzig 101 

Bucheinbände  von  P.  Kersten,  Aschaffenburg  102,  103, 

104,     105 

Buchverzierung,  gezeichnet  von  Liihrig         ....     140 

Einband  eines  alten  Dresdner  Gesangbuches  vom 
Jahre  1728.  Im  Privatbesitz  aufgenommen  von 
Georg  Bötticher,  Leipzig 197 

Buchverzierungen,  gezeichnet  von  Ed.  Liesen,  Berlin 

238,    239 

Stein-Arbeiten. 

Wandbrunnen,  entworfen  an  der  Grossherzogl.  Kunst- 
gewerbeschule Karisruhe  von  Wilh.  Merten  unter 
Leitung  von  Prof.  F.  Dietsche 57 

Steinversetzung  in  alten  Vierländer  Bauernhäusern, 
aufgenommen  von  ff.  ffaase,  Hamburg    ....      87 

Steinzeuggefässe.     K.  k.  Fachschule  in  Teplitz .     .     .     126 

Relief  in  Stein  am  Haus  des  Vereins  deutscher  In- 
genieure, ausgeführt  von  Prof.  G.  Riegelmann, 
Charlottenburg 183,  184,  185,  186,     196 

Brunnenschale  und  Kaminfries,  nach  Modell  von 
Professor  G.  Riegelmann  in  Alt-Warthauer  Sand- 
stein ausgeführt  von  Bildhauer  G.  ffartmann,  i.  F. 
Gebr.  Zeidler,  Hofsteinmetzmeister,  Beriin     .    .     .     184 


Seite 
Sandsteinfiguren,  ausgeführt  von  Bildhauer  P.  Hart- 
mann,   i.  F.  Gebr.  Zeidler,    Hofsteinmetzmeister  in 

Beriin 218,    219 

Zimmerbrunnen  auf  der  Pariser  Weltausstellung  1900. 
Entwurf  Professor  Otto  Rieth,  Berlin,  Modell :  Bild- 
hauer Adolf  Amberg,  Ausführung:  P.  Bruckmann 
&  Söhne,  Heilbronn 225 

Malerei. 

Plakat-Entwürfe  von  Alphons  Mucha  2,  3,  9,  12,  13,  14 

»Poesie«  von  Alphons  Mucha 4 

»Malerei     von  Alphons  Mucha 5 

»Tanz  und  Musik    von  Alphons  Mucha 6 

Entwurf  zu  einem  Medaillonbild  von  Alphons  Mucha 

10,  1 1 

»Salome-;  von  Alphons  Mucha 12 

Friese,  gemalt  von  Otto  Ubbelohde  (Vereinigte  Werk- 
stätten für  Kunst  im  Handwerk,  München)   ...  51 
Madonnenbild   für    die  Jakobskapelle  in  Gegenbach 

von  Prof.  H.  Götz,  Karlsruhe 59 

Akt,  gemalt  von  Herrn.  Göhler,  Karisruhe     ....  62 

Porträt,  gemalt  von  Herm.  Göhler,  Karlsruhe    ...  63 

Moderner  Fries,  gemalt  von  Herm.  Göhler,  Karlsruhe  63 

Grabengel  von  Prof.  F.  Dietsche,  Karisruhe  ....  68 

WeiblicherStudienkopf  von  Prof. /C/<o/-///ras,  Karlsruhe  69 

Naturstudien  von  Hermann  Heidrich,  Beriin      .    142,  143 
Lünettenbild  im  Treppenhaus   des  deutschen  Hauses 
auf  der  Pariser  Weltausstellung  1900,   gemalt  von 

Gustav  Wittig,  Charlottenburg 213 

Fächer,  entworfen  von  Maler  C.  Gehrts,  ausgeführt 

von  C.  A.  Beumers,  Düsseldorf 216 

Naturstudie  (Distel)  von  Maler  A.  Eckhardt,  Hamburg  217 

Verschiedenes. 

Wappen  von  Prof.  K-  Kornhas,  Karisruhe    ....      69 

Kamin  im  Sitzungssaal  der  Minister  im  neuen  preus- 
sischen  Landtagsgebäude  in  Berlin 46 

Kamin-Verkleidung,  ausgeführt  von  Kimbel  &  Fried- 
richsen,  Beriin 106,  107,     109 

Gaskamin  von  Prof.  M.  Länger,  Karlsruhe;  Gas- 
apparat von  Fr.  Siemens,  Dresden     ....     20,      23 

Arbeit  aus  der  dekorativen  Fachklasse  der  Kunstge- 
werbeschule zu  Karlsruhe 61 

Jardiniere  und  Schalen,  entworfen  von  Bildhauer  Alb. 
Mayer,  Geislingen 169 

Email-Füllungen.  Entwurf  von  Prof.  Karl  Gagel  und 
Maler  Aug.  Gagel  in  Karlsruhe,  ausgeführt  durch 
Bergmann' s  Email-Werk  in  Gaggenau  (Baden)    67,      75 

Künstler-Porträts. 
Alphons  Maria  Mucha.    Nach  einer  Photographie    .        1 


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ALPHONS  MARIA  MUCHA 

VON  ALBERT  HOFMANN -^ERLm 


IN  der  .lebhaften  Bewegung,  durch  welche  die 
Kunst  unserer  Tage  ausgezeichnet  ist,  ist  der  Name 
des  Künstlers,  welcher  Gegenstand  dieser  kurzen 
Betrachtung  ist,  vielgenannt.  Gleichwohl  ist  er  kein 
Neuerer  und  wenn  er  dennoch  beachtet,  ja  vielfach 
bewundert  wird,  so  zwingt  schon  dieser  Umstand  da- 
zu, der  eigenartigen  Kunst  nachzugehen,  die  es  ver- 
standen hat,  den  oft 
so  phantastischen 
und  überlauten  Äus- 
serungen des  Neue- 
rungsfiebers gegen- 
über nicht  nur  sich 
zu  behaupten,  son- 
dern trotz  diesem 
lauten  Getriebe  sich 
steigender  Anerken- 
nung zu  erfreuen. 
Bei  dieser  Anerken- 
nung darf  ich  frei- 
lich nicht  verschwei- 
gen, dass  es  mir 
scheint,  als  ob  diese 
Kunst  ihren  Höhe- 
punkt erreicht,  wenn 
nicht  überschritten 
habe.  Denn  auch 
Mucha  bietet  die 
vielfach  beobachtete 
Erscheinung  eines 
schnell  zu  Ruhm  und 
Ansehen  gekomme- 
nen Künstlers  dar, 
auf  den  heute  die 
Aufträge  in  einer 
solchen  Überzahl 
einstürmen,  dass  er 
kaum  im  stände  ist, 
sie  zu  bewältigen, 
geschweige  denn  so 
durchreifen  zu  las- 
sen, wie  seine  er- 
sten Werke,  die  ihn 
zur  Höhe  der  An- 
erkennung geführt 
haben.  Die  Welle, 
die  sich  ausbreitet, 
verflacht;  diese  na- 
türliche Erschei- 
nung lässt  sich  lei- 
der auch  an  unserem 

Kunstgewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  i. 


ALPHONS  MARIA  MUCHA.    Nach  einer  Photographie. 


Künstler  beobachten  und  die  Thatsache  ist  mit  um 
so  grösserem  Bedauern  zu  verzeichnen,  als  erfahrungs- 
gemäss  im  Individuum  selbst  in  einem  solchen  Stadium 
der  Entwicklung  kaum  mehr  die  Kraft  vorhanden 
zu  sein  pflegt.,  dem  verheerenden  Einfluss  der  zahl- 
reichen Aufträge  gegenüber  sich  widerstandsfähig,  ja 
ablehnend   zu  verhalten.     Es  ist  aber  auch  natürlich; 

denn  schliesslich 
geht  auch  die  er- 
habenste Kunst  nach 
Brot  und  wenn  ein 
Künstler  wie  Mucha 
lange  Jahre  empfind- 
licher Entbehrung 
hinter  sich  hat,  so 
ist  es  am  Ende  nur 
menschlich,  wenn  er 
die  gewinnbringen- 
den Aufträge  mit 
offenen  Armen  auf- 
nimmt. 

Afphons  Maria 
Mucha,  der  zu  den 
gefeiertsten  Plakat- 
künstlern und  Illu- 
stratoren unserer 
Zeit  zählt,  wurde 
am  24.  Juli  1860  in 
einer  kleinen  Stadt 
Mährens,  in  Eiben- 
schitz,  geboren  und 
ist  tschechischer  Na- 
tionalität. Esistnicht 
unwichtig,  das  zu 
betonen,  denn  aus 
diesem  Umstände 
erklärt  sich  manche 
charakteristische  Ei- 
gentümlichkeit sei- 
ner Werke,  die  eine 

so  merkwürdige 
Vereinigung  von 
französischem  und 
slavischem  Wesen 
zeigen.  Dieslavische 
Kunst  ist  jederzeit 
und  in  allen  ihren 
Zweigen  gern  der 
französischen  ge- 
folgt und  wenn  sie 
im  modernen  Kunst- 


ALPHONS  MARIA  MUCHA 


r.ntwurf  zu  dem  Plakat:    Die  Cameliendame«.    Von  ALPHONS  MUCHA. 


leben  eine  Bedeutung  erlangt  hat,  was  unzweifelhaft  der 
Fall  ist,  so  ist  es  auf  eine  gewisse  nationale  Wahlver- 
wandtschaft zurückzuführen,  die  sie  der  französischen 
Kunst  folgen  und  diese  zum  Vorbild  nehmen  Hess.  Die 
Anmut  der  Linie,  die  Feinheit  der  Farbengebung,  die 
Grazie  der  Formen  der  Werke  Mucha's  sind  ohne  Zweifel 
auf  französischen  Einfluss  zurückzuführen,  während  die 
Weichheit  und  die  besondere  Charakterisierung  seiner 
weiblichen  Gestalten,  ihre  materielle  Üppigkeit  vielleicht 
das  slavische  Element  in  der  Weise  des  Künstlers 
erkennen  lassen.  Mucha  begann  seine  Studien  in 
München  und  setzte  sie,  wenn  wir  recht  unterrichtet 
sind,  an  der  Wiener  Akademie  fort,  als  deren  Stipendiat 
er  dann  nach  Paris  ging,  um  hier  an  der  Akademie 
Julien  und  in  den  Ateliers  von  J.  Lefebre,  Boulanger 
und  Jean  Paul  Laurens  sich  weiter  zu  bilden.  Laurens 
war  es,  welcher  die  eigenartige  Begabung  des  Künstlers 
bald  erkannte  und  durch  seine  Vermittlung  erhielt 
er  schon  früh  Aufträge  für  französische  Firmen.  Auch 
Mucha  durchlebte  die  '  Bohemienne  >  der  französischen 
Künstler  mit  allen  ihren  Freuden  und  Leiden;  auch 
Mucha  machte  zehn  Jahre  des  Elends  und  der  Namen- 
losigkeit  durch,  bis  er  eines  schönen  Tages  durch 
Brunhoff,  den  Direktor  des  Renaissance -Theaters  in 
Paris,  den  Auftrag  erhielt,  für  Mme.  Sarah  Bernhardt 
das  Plakat  zu  ihrem  ersten  Auftreten  in  der  Rolle  als 
Ghismonda  zu  zeichnen  (S.  13). 

Dieses  Werk  war  es,  welches  den  Ruf  Mucha's 
begründete.  Es  folgen  nun  in  rascher  Reihenfolge 
zahlreiche  Affichen,  wie  die  für  den  Salon  des  Cent, 
für  die  Theaterstücke  Lorenzaccio  (S.  3),  die  Came- 
liendame  (S.  2)  und  für  «La  Samaritaine>  (S.  12); 
ein  interessantes  Blatt  schuf  er  für  die  '  Societe  popu- 
laire  des  Beaux-Arts>,  wieder  ein  anderes  für  Sarah 
Bernhardt,  mit  deren  von  Lilien  umgebenem  Kopf- 
biid  (S.  14).  Ausserordentlich  fein  ist  das  Plakat 
für  Cigarettenpapier  'Job>  (S.  9),  sehr  vornehm 
die  verschiedenen  Plakate  und  Umschläge  für  die 
Zeitschrift  'La  Plume>.  Prächtige  Kompositionen 
sind  in  Form  und  Farbe  die  beiden  Rundbilder 
mit  weiblichen  Köpfen,  die  wir  auf  S.  10  u.  n  wieder- 
geben. Alle  diese  Werke  zeigen,  wie  ein  öster- 
reichischer Beurteiler  Mucha's  sich  ausdrückt,  <  tüch- 
tige Durchbildung,  Pietät  für  die  Form,  Feinfühligkeit 
für  Linien-  und  Farbenreiz.  Wir  lernen  da  Mucha 
r.ls  Meister  der  historischen  Komposition,  des  Sitten- 
bildes, der  intimen  Studie  und  als  schöpferischen  Geist 
in  Erfindung  pikanter  Plakate  und  von  Illustrationen 
kennen,  welche  ganz  im  Geiste  der  Dichtungen,  welche 
sie  veranschaulichen  sollen,  ausgeführt  sind.  Ob  er 
uns  nun  in  einem  Karton,  als  Glasfenster  auszuführen, 
den  Ritter  Hubertus  oder  eine  anmutige  Scene  aus 
dem  Foyer  der  Grossen  Oper  vorführt,  immer  zeigt 
er  sich  vollkommen  Herr  des  Vorwurfes,  den  er  dar- 
stellen soll.  Der  Cyklus  'Die  vier  Jahreszeiten  >, 
reizende  weibliche  allegorische  Figuren,  als  Plakat  für 
eine  grosse  Industrie  gedacht,  sind  mit  derselben  Sorg- 
falt für  alle  Details  ausgeführt,  wie  die  Geschichtsbilder 
Johann  von  Leyden  >,  <  Der  Prager  Fenstersturz»  u.  s.  w. 
Ob  er  nun  eine  Affiche  für  eine  Cigarettenpapier- 
Fabrik  oder  das  Titelblatt  für  die  Zeitschrift  <  La  Plume» 


ALPHONS  MARIA  MUCHA 


Entwurf  zu  dem  Plakat    Lorenzaccio    für  Sarah  Bernhardt. 
Von  ALPHONS  MUCHA. 


ersinnt,  sein  Stift  und  sein  Pinsel  sind  immer  geist- 
reich; man  sehe  doch  nur  das  Bild,  wie  die  Muse 
dem  Pegasus  aus  seinem  Flügel  eine  Feder  raubt  und, 
damit  winkend,  den  Mitarbeitern  des  Blattes  ein  Zeichen 
giebt,  ihr  es  nachzuthun.  Zahlreiche  Studien  nach 
der  Natur  geben  Zeugnis  dafür,  wie  ernst  es  Mucha 
mit  seiner  Kunst  nimmt.  > 

Zu  den  Hauptwerken  Mucha's  zählt  das  in 
der  Buchhandlung  der  «Edition  d'Art>  des  Herrn 
Piazza  in  Paris  herausgekommene  Bändchen:  '  llsec, 
Princesse  de  Tripoli  >,  ein  köstliches  Werkchen,  in 
welchem  Mucha  für  die  Erzählung  von  Robert  de 
Flers  die  reizvollsten  Abbildungen  figürlichen  und 
ornamentalen  Charakters  lieferte.  Unser  österreich- 
ischer Beurteiler  sagt  hierüber  mit  Recht:  Eine  an 
fesselnden  Einfällen  unerschöpfliche  Phantasie,  eine 
Virtuosität  in  der  Veranschaulichung  derselben,  ein 
Sinn  für  Wohllaut  der  Linien  und  Farben  kommt  da 
zu  Tage,  welche  es  ganz  begreiflich  erscheinen  lassen, 
dass  das  Werk,  kaum  in  Paris  erschienen,  auch  schon 
vergriffen  war.  Originell  und  sinnvoll  sind  auch  die 
ornamentalen  Umrahmungen  und  Leisten;  Mucha  be- 
nützt da  alles,  was  die  Natur  an  eigenartigen  Er- 
scheinungen bietet:  Käfer,  Schmetterlinge,  Blätter,  ja 
totes,  gefedertes  Geflügel  —  das  sieht  sich,  aus  einiger 
Entfernung  betrachtet,  wie  stilisiert  an,  erscheint  aber, 
wenn  man  näher  tritt,  ganz  naturalistisch,  zierlich 
und  geschmackvoll  im  einzelnen  und  von  höchster 
Feinfühligkeit  in  der  Bindung  und  im  Zusammen- 
fassen des  Details.  Mucha  ist  in  allem  und  jedem 
ein  Bahnbrecher  auf  dem  Kunstgebiete,  der  sich  willig 
dem  Gewerbe  zu  Diensten  stellt,  ohne  -dadurch  an 
seinem  Werte  etwas  zu  verlieren  oder  von  seiner  Vor- 
nehmheit etwas  aufzugeben.»  Mit  dieser  interessanten 
Arbeit  befindet  sich  Mucha  in  den  ersten  Reihen  der 
französischen  Buchillustratoren;  die  «Princesse  de  Tri- 
polis tritt  neben  die  «Quatre  Fils  Aymon  >  des  köst- 
lichen Eugene  Grasset  und  neben  «das  Evangelium 
der  Kindheit  unseres  Herrn»  von  Carlos  Schwabe. 
Es  ist  nicht  die  einzige  Buchillustration  des  Künstlers 
geblieben.  Die  Abbildungen  zu  den  «Scenes  et 
Episodes  de  l'Histoire  d'Allemagne»  von  Charles 
Seignobos,  und  die  Bilder  zu  den  halb  ritterlichen, 
halb  orientalischen  Abenteuern  des  Troubadours  Jaufre 
Rudel    verdienen    daneben    die   besondere  Beachtung. 

Ein  interessantes  Werk  des  Künstlers  aus  dem 
Jahre  i8q8  ist  seine  Zeichnung  für  das  Titelblatt  der 
Wiener  Zeitschrift  Wiener  Chic>,  eine  lebhaft  bewegte 
sitzende  Frauengestalt,  mit  allem  dem  Beiwerk,  welches 
die  Mucha'sche  Kunst  zu  einer  so  dekorativen  macht. 
Grösser  in  der  Auffassung  als  diese  mehr  genrehafte 
Komposition  ist  das  gleichfalls  1 898  entstandene  Titel- 
blatt: «Au  Quartier  Latin»,  mit  einer  Hauptfigur,  die 
in  eigenartiger  Auffassung  eine  allegorische  Verkör- 
perung der  Stadt  Paris  darstellt.  Zu  den  schönsten 
seiner  Zeichnungen  gehören  zwei  Blätter,  die  der 
Künstler  für  das  Werk  «L'Estampe  Moderne»  schuf. 
Das  eine  «Incantation»,  giebt  eine  der  schönsten  Scenen 
aus  Gustave  Flauberts  farbenglühendem  Roman  Sa- 
lammbö  wieder;  das  andere  stellt  die  Salome  dar. 
Wir  geben  das  letztere  Blatt  in  Abbildung  S.  1 2  wieder. 


ALPHONS  MARIA  MUCHA 


»Poesie«.    Von  ALPHONS  MUCHA. 

Die  Wahl  des  Gegenstandes  dieser  beiden  Blätter  ist 
ungemein  charakteristisch  für  die  Kunst  Mucha's,  die 
dem  Weiblichen  hauptsächlich  in  den  Regungen  nach- 
geht, bei  welchen  das  Diabolische  in  weicher  und  den 
Sinnen  schmeichelnder  Weise  zum  Durchbruch  kommt. 
Mucha  ist  nicht  der  Künstler  grosser  Leidenschaften, 
ihn  beherrscht  vielmehr  das  Weibische  des  Weibes, 
die  durch  alles  mögliche  Beiwerk  gesteigerte  begierden- 
reizende Einwirkung.  Man  darf  diese  Kunst  deshalb 
nicht  kraftlos  nennen,  denn  sie  wendet  sich  einem 
Gebiete  zu,  bei  welchem  männliche  Kraft  gegenstands- 
los ist.  Nur  selten  beschäftigt  sich  der  Künstler,  dessen 
ganzer  Ausdruck  schon  seine  weiche,  weibliche  Em- 
pfindung verrät,  mit  der  männlichen  Figur  und  wo 
es  geschieht,  nimmt  auch  diese  den  Charakter  der 
Weichheit  an.  Ich  möchte  die  Kunst  des  Alphons 
Mucha  als  den  entgegengesetzten  Pol  der  Kunst  des 
Josef  Sattler  gegenüberstellen,  ohne  im  übrigen  den 
Kunstwert  dieser  durchaus  verschiedenen  Künsder- 
individualitäten  aneinander  messen  zu  wollen.  Beide 
aber  scheinen  ihr  Empfindungsvermögen  nur  nach 
einer  Seite  hin  ausgebildet  zu  haben:  Josef  Sattler  nach 
der    Seite    des    Männlichen,    mit    der    Steigerung  ins 


Gewaltthätige,  Rauhe,  oft  Titanenhafte,  Alphons  Mucha 
nach  der  Seite  des  Weiblichen  mit  der  Milderung  ins 
Betäubende,  Erschlaffende,  Weiche.  Darf  ich  einen 
anderen  nicht  erschöpfenden  Vergleich  wählen,  so 
möchte  ich  die  Kunst  Sattler's  mit  der  rauhen  Distel, 
die  Mucha's  mit  der  betäubenden  Tuberose  vergleichen. 

Einen  interessanten  Einblick  in  die  Schaffensweise 
unserers  Künstlers  gewährt  das  Heft  des  in  Wien  bei 
Gerlach  und  Schenk  erscheinenden  <  Kunstschatzes», 
welches  ausschliesslich  ihm  gewidmet  ist.  Unter  den 
zahlreichen  Studien,  Entwürfen,  ausgeführten  Blättern 
dieses  Heftes  ist  kaum  eines,  auf  welchem  der  Mann 
die  erste  Rolle  spielte,  immer  das  Weib  und  noch 
einmal  das  Weib  in  allen  möglichen  Auffassungen 
des  Lebens  wie  der  Liebesleidenschaft,  in  allen  mög- 
lichen Stellungen  und  Lagen,  wie  sie  nur  ein  reich 
entwickeltes  Sinnenleben,  dessen  starker  Trieb  in  über- 
wältigender Weise  den  Willen  beherrscht,  hervorbringen 
kann.  Dasselbe  lässt  sich  sagen  von  dem  Titelblatt, 
welches  der  Künstler  für  Heft  XI  des  I.  Jahrganges  von 
<  Ver  sacrum»  zeichnete  und  wiederum  dasselbe  drücken 
auch  die  beiden  Entwürfe  zu  Kalenderblättern  aus,  welche 
in  dem  gleichen  Hefte  zur  Veröffentlichung  gelangten. 
Diesen  Entwürfen  reiht  sich  ein  interessantes  Blatt  an, 
welches  die  No.  75  des  Jahrganges  1896  des  <  Figaro 
illustre»  giebt,  wieder  eine  weibliche  Gestalt,  in  mo- 
dernem Kostüm,  mit  aller  Weichheit  und  mit  all  dem 
betäubenden  Einfluss  ausgestattet,  welchen  das  fran- 
zösische Weib,  welches  sich  des  Willens  bewusst  ist, 
den  Mann  zu  erobern,  ausstrahlt. 

Ein  Titelblatt  für  das  <  English  illustrated  Magazine» 
in  London  führt  uns  auf  den  Weg,  den  Mucha  bei 
seinen  Buchillustrationen  einschlägt:  die  Verbindung 
einer  Art  Stilisierung  des  Weibes  mit  einer  eigenartigen 
Ornamentik,  welche  die  Motive  unbekümmert  um  ihre 
Herkunft  frei  wählt  und  ebenso  frei  mit  ihnen  schaltet 
und  waltet.  Interessante  Arbeiten,  zum  Teil  in  dieses 
Gebiet  einschlagend,  zum  Teil  besondere  Wege  gehend, 
sind  des  Künstlers  Illustrationen  zu  <  Le  Verglas», 
Jahrgang  1897,  S.  61  ff.  des  <  Figaro  illustre»;  sie 
lassen  noch  wenig  von  der  Freiheit  der  Mucha'schen 
Plakatkunst  erkennen.  Auch  in  den  Zeichnungen  zu 
<Le  Fou»,  legende  hongroise,  S.  221  f.  des  gleichen 
Jahrganges  des  Figaro,  ist  noch  eine  gewisse  Gebunden- 
heit bemerkbar,  die  sich  erst  in  den  Zeichnungen  für 
die  Weihnachtsnummer  1897  derselben  Zeitschrift  zu 
grösserer  Freiheit  löst. 

Für  die  ausgezeichnete  Zeitschrift  «L'Estampe  Mo- 
derne >  schuf  Mucha  vier  Kompositionen  «Die  Künste» 
(S.  4,  5  u.  6),  die,  wenn  sie  auch  nicht  zu  seinen 
Werken  ersten  Ranges  zählen,  sondern  unzweifelhaft 
ein  gewisses  Nachlassen  erkennen  lassen,  nicht  nur. 
durch  ihre  Auffassung,  sondern  auch  durch  ihre  Er- 
läuterung sehr  charakteristisch  für  die  Weise  unseres 
Künstlers  sind.  Ich  kann  mir  nicht  versagen,  die  Er- 
läuterungen dazu,  die  auch  ihrerseits  der  Weichheit  der 
Auffassung  entsprechen,  hierher  zu  setzen.  Zur  Poesie» 
wird  geschrieben:  «L'approche  du  crepuscule  guide 
l'äme  poetique  vers  les  plages  ideales  du  reve.  A 
contempler  l'etoile  d'or,  qui  s'est  levee,  lä-bas,  au  fond 
du   ciel,  sa  melancolie  longuement  s'attarde  dans  la 


DIE  GEGENWÄRTIGE  LAGE  DER  DEKORATIVEN  KÜNSTE  IN  FRANKREICH 


tristesse  du  joiir  qui  decroit. »  Ich  setze  als  besonders 
bemerkenswert  noch  die  Beischrift  für  die  Komposition 
<Musique>  hierher:  Dans  l'harmonie  des  soirs  d'ete 
que  baignent  les  clartes  lunaires,  ce  n'est  pas  seule- 
ment  les  trilles  melodieux  des  rossignols  que  notre 
oreille  entend:  c'est  aussi  le  chant  joyeux  —  mais  dejä 
lointain  —  des  beaux  jours  passes  que  croit  percevoir 
notre  äme,  qui  se  souvient.»  Und  in  der  Beischrift 
zu  der  Komposition  <  Peinture»  wird  man  die  Eigen- 
schaften des  Mucha'schen  Kolorits  wiedererkennen: 
«Toutes  les  radieuses  couleurs  de  l'arc-en-ciel  tiennent 
—  comme  I'Ocean  lui-meme  —  dans  une  seulegouttelette 
d'eau.  A  la  rosee  brillante  qui  les  rafraichit  et  les 
epanouit,  les  fleurs  ne  semblent-elles  pas  emprunter  les 
exquises  nuances  du  prisme  dont  elles  sont  revetues?» 

Damit  möchte  ich  die  flüchtige  Übersicht  über 
das  Lebenswerk  eines  der  feinsten  aber  auch  weichsten 
unserer  modernen  Künstler  schliessen  und  nur  noch 
eine  hervorragende  Arbeit  in  aller  Kürze  erwähnen. 
Es  ist  ein  Entwurf  Mucha's  für  das  Plakat  der  1898 
abgehaltenen  Ausstellung  des  Prager  Ingenieur-  und 
Architekten -Vereins,  den  die  Wiener  Monatsschrift 
«Der  Architekt»  veröffentlichte;  er  ist  unberechtigter- 
weise in  die  zweite  Linie  gedrängt  worden  und  des- 
halb nicht  zur  Ausführung  gelangt.  Daraus  zu  schliessen, 
dass  Mucha  bei  seinen  engeren  Landsleuten  —  es 
handelte  sich  um  eine  Ausstellung  mit  czecho-slavischem 
Charakter  —  nicht  dasselbe  Ansehen  geniesst,  wie 
sonst  allenthalben,  wäre  nicht  zutreffend. 

Ob  das  im  Vorstehenden  kurz  skizzierte  Lebensbild 
Mucha's  und  die  Charakterisierung  seiner  eigenartigen 
Kunst  bereits  eine  in  sich  abgeschlossene  Kunst  schil- 
dern, steht  bei  dem  noch  nicht  vorgerückten  Alter 
unseres  Künstlers  immerhin  dahin.  Ich  wiederhole 
aber,  dass  es  mir  scheint,  als  ob  Anzeichen  vorhanden 
seien,  welche  darauf  hindeuten,  dass  die  Kunst  Mucha's 
ihren  Höhepunkt  überschritten  hat.  Sollte  sich  an  ihm 
das  Wort  bewahrheiten:  <  Die  Flamme,  die  am  hellsten 
lodert,  erlischt  am  schnellsten?» 


»Malerei,  von  ALPHONS  MUCHA. 


DIE  GEGENWÄRTIGE  LAGE  DER  DEKORATIVEN  KÜNSTE 

IN  FRANKREICH 


IN  der  diesjährigen  General-Versammlung  der  Union 
centrale  des  arts  decoratifs  in  Paris  ist  durch  den 
Vorsitzenden  ihres  Aufsichtsrates,  Georges  Berger, 
namens  desselben  der  in  folgendem  in  seinem  all- 
gemeinen Teile  wiedergegebene  Bericht  erstattet  worden. 
Dieser  von  einer  hervorragenden  Persönlichkeit  an 
hervorragender  Stelle  erstattete,  vielleicht  in  manchen 
Punkten  nicht  völlig  objektiv  gehaltene  Bericht  be- 
schäftigt sich,  seinem  Thema  nach,  vorzugsweise  mit 
der  derzeitigen  Stellung  des  französischen  Kunst- 
gewerbes,   auf    welche    er    ungemein    bezeichnende 


und  interessante  Streiflichter  wirft,  enthält  aber  auch 
sehr  viele,  für  deutsche  Verhältnisse  gleichwie  für 
französische  zutreffende  Ausführungen  und  lässt  es 
namentlich  in  voller  Klarheit  erkennen,  mit  welchem 
Mindestmass  von  Wohlwollen  man  an  die  Beurteilung 
der  »von  jenseits  unserer  Grenzen«  kommenden  Aus- 
stellungsgegenstände für  die  nächstjährige  Pariser 
Weltausstellung  herantreten  wird. 

Der   Bericht   des   Herrn   Berger  lautet: 
Vor    allen  anderen  Völkern  hat  Frankreich  jeder- 
zeit sich  einerseits  durch  seine  vortreffliche  Rechnungs- 


DIE  GEGENWÄRTIGE  LAGE  DER  DEKORATIVEN  KÜNSTE  IN  FRANKREICH 


»Tanz<   und  >Musik<  von  ALPHONS  MUCHA. 


führung,  andererseits  durch  das  Blühen  und  die  Über- 
legenheit seines  künstlerischen  Genius  ausgezeichnet, 
mochte  es  sich  um  die  im  engeren  Sinne  sogenannten 
schönen  Künste  oder  um  die  angewandten  Künste, 
das  Kunstgewerbe,  handeln.  Sicherlich  ist  niemand 
darauf  gefasst  gewesen,  dass  der  Rechnungshof,  dieser 
verehrte  Wächter  unserer  guten  finanziellen  Sitten,  sich 
eines  Tages  davon  machen  würde,  aus  staubigen  Akten 
mehr  als  hundertjähriger  Archive  Barrikaden  zu  er- 
richten, um,  wie  ich  überzeugt  bin,  gegen  seine  Ab- 
sicht, jedoch  mit  einer  ungewöhnlichen  administrativen 
Rauheit,  den  Fortschritt  der  dekorativen  Kunst  Frank- 
reichs zu  unterbinden.  Das  Hindernis  hat  sich  gerade 
in  dem  Augenblicke  vor  ihr  aufgerichtet,  wo  die 
Union  centrale  des  arts  decoratifs,  mit  Hilfe  eines 
kräftigen  Vorgehens  von  privater  Seite,  dahin  gelangt, 
die  Gunst  der  öffentlichen  Gewalten  zu  gewinnen, 
sich  endlich  in  der  Lage  befand,  diejenigen  praktischen 
Mittel  zur  Aufrechterhaltung  des  Übergewichtes  unseres 
Kunstgewerbes  anzuwenden,  durch  welche  es  anderen 
Nationen  gelungen  ist,  ihren  Geschmack  zu  heben 
und  sich  ihren  natürlichen  Anlagen  gemäss  einzurichten. 


Wir  sehen  diese  Nationen  sich  zu  einem  er- 
bitterten Wettbewerbe  mit  uns  in  der  Herstellung  von 
Kunstgegenständen  und  künstlerischen  Kleinarbeiten 
erheben,  worin  wir  lange  Zeit  hindurch  die  Allein- 
herrschaft besassen.  Es  ist  weit  entfernt  davon,  dass 
wir  etwa  in  diesen  Dingen  übertroffen  werden,  und 
nach  wie  vor  wird  der  französischen  Marke  der  Vor- 
zug in  denjenigen  ausländischen  Kreisen  eingeräumt, 
denen  das  Gefühl  für  die  Schönheiten  der  Form  so- 
wie des  schmückenden  Beiwerkes  angeboren  ist.  Diese 
Kreise  sind  die  Heimat  einer  uns  treu  bleibenden 
Kundschaft,  weil  sie  dasjenige  herauszufinden  wissen, 
was  den  anderen  künstlerischen  Erzeugnissen  versagt 
ist.  Werden  letztere  aber  noch  lange  die  Mängel 
beibehalten,  welche  den  Rest  unserer  Stärke  aus- 
machen? Diese  Frage  dürfen  wir  uns  mit  Besorgnis 
vorlegen.  Die  Lähmung  allen  guten  Willens  verdammt 
uns  zu  der  Unmöglichkeit  einer  öffentlichen  Beweis- 
führung für  die  reichhaltigen  und  unendlich  entwicke- 
lungsfähigen  Hilfsquellen  der  dekorativen  Kunst, 
vorausgesetzt,  dass  dieselbe  in  der  Weise  ermutigt  und 
gefördert  werden  würde,  wie  es  bei  uns  der  Fall  sein 


Ecke  aus  dem  Zimmer  von  K.  Gross  auf  der  Deutschen  Kunstausstellung  zu  Dresden  1899. 


3 
N 


7; 

O 


DIE  GEGENWÄRTIGE  LAGE  DER  DEKORATIVEN  KÜNSTE  IN  FRANKREICH 


9 


müsste  und  wie  die  mit  uns  in  Wettbewerb  stehenden 
Nationen  gefordert  haben  und  mehr  denn  je  fordern, 
dass  es  bei  ihnen  geschieht. 

Das  in  seiner  Gesamtheit  einen  Besitz  der  Union 
centrale  bildende  National -Museum  der  dekorativen 
Künste  hat  seine  ihm  zugewiesene  Unterkunft  unter 
dem  Dache  des  Louvre,  im 
Pavillon  Marsan.  Dem  Ge- 
setze, welches  ihm  diese 
Stätte  zuwies,  ist  im  Jahre 
1897  seitens  des  Parlaments 
mit  Begeisterung  zugestimmt 
worden,  allein  die  Räume 
sind  durch  die  kaum  geord- 
neten Massen  von  Wischen 
des  Rechnungshofes  in  An- 
spruch genommen !  Der  Neu- 
bau für  denselben  verzögert 
sich,  nicht  im  geringsten 
etwa  durch  ein  Verschulden 
des  Architekten,  sondern  weil 
gewisse  reine  Verwaltungs- 
Formalitäten  in  Bezug  auf 
die  freie  Verfügung  über  den 

gesamten   erforderlichen 
Grundbesitz  nicht  zum  Ab- 
schluss  gelangen. 

Ihr  Verwaltungsrat  hat 
seine  Beschwerden  unabläs- 
sig zu  Gehör  gebracht  und 
es  auch  durchgesetzt,  dass 
die  Frage  dem  Ministerrate 
unterbreitet  worden  ist.  Die 
Regierung  hat  darauf  erklärt, 
dass  eine  solche  Lage  nicht 
länger  geduldetwerden  könne 
und  eine  amtliche  Note  hat 
feierlich  kund  und  zu  wissen 
gethan,  dass  der  Finanz- 
minister und  der  Minister  des 
öffentlichen  Unterrichts  und 
der  schönen  Künste  den  Auf- 
trag erhalten  haben,  dem 
Präsidenten  des  Rechnungs- 
hofes die  Räumung  des  Pa- 
villon Marsan  einzuschärfen 
und  ihm  jede  wünschens- 
werte Erleichterung  zu  ge- 
währen, um  diese  Räumung 
ohne  Verzug  zu  bewerkstel- 
ligen. Man  konnte  darauf 
eines  Tages  die  zuständigen 
Minister,  den  Präsidenten  des 

Rechnungshofes,  den  Architekten  und ,  den  Vorsitzenden 
der  Union  centrale  aus  dem  Finanzministerium,  wo  sie 
sich  bei  Tagesanbruch  versammelt  hatten,  in  Prozession 
sich  nach  dem  Pavillon  Marsan  begeben  sehen,  wo  sie 
dem  scharfen  Staube  in  den  Archiven  des  Rech- 
nungshofes Trotz  bietend,  lange  Beratschlagungen 
hielten.  Das  war  vor  drei  Monaten.  Nichts  ist  seit- 
dem geschehen,  nichts  gethan  worden  und  der  bisherige, 

Kunstgewerbeblatt.    N.  f.    XI.    H.  1. 


denkbar  erschl äffen dste  Zustand  bleibt  bestehen.  — 
Während  solchergestalt  auf  der  einen  Seite  das  Mu- 
seum der  dekorativen  Künste  körperlich  verhindert 
wird,  seine  grossen  und  lehrreichen  Sammlungen  auf- 
zustellen und  seine  Studien-  und  Vortragssäle  zu 
eröffnen,  verfallen  andererseits  unsere  Pariser  nationalen 


Entwurf  zu  einem  Cigarettenplakat  von  ALPHONS  MUCHA. 


kunstgewerblichen  Schulen  und  gefährden  die  Gesund- 
heit ihrer  Schüler  in  Bauten  ohne  die  elementarsten 
hygienischen  Vorsichtsmassregeln.  Die  Verwaltung 
der  schönen  Künste  verzweifelt  einem  solchen  Schau- 
spiele gegenüber,  doch  ist  es  darutn  nicht  minder 
wahr,  dass  dies  das  herzzerreissende  Bild  der  Lage 
der  dekorativen  Künste  in  Frankreich  darstellt.  Es 
ist   dem   Staate   nicht  genug,   aus   sich  selbst  nichts 


10 


DIE  GEGENWÄRTIGE  LAGE  DER  DEKORATIVEN  KÜNSTE  IN  FRANKREICH 


leisten  zu  können,  er  muss  sich  auch  noch  daran 
hindern  lassen,  von  dem  guten  Bissen  Nutzen  zu 
ziehen,  welchen  die  Union  centrale  ihm  zubringt, 
indem  sie  sich  ihm  zu  dem  Zwecke  zur  Verfügung 
stellt,  dasjenige  in  Frankreich  zu  vollbringen,  was  die 
fremden  Regierungen  seit  langer  Zeit  und  ohne  Rück- 
sicht auf  die  Kosten  für  ihr  heimisches  Kunstge- 
werbe thun. 


eines  Publikums  anzukämpfen,  welches  nicht  danach 
angethan  ist,  mit  ihnen  Fühlung  zu  nehmen,  das  viel- 
mehr bedeutsame  Arbeiten  unseres  neuzeitigen  Kunst- 
gewerbes hintansetzt,  um  in  unverschämter  Weise 
zum  Händler  mit  gefälschten  Nippsachen  zu  stürzen, 
wo  es  Summen  ausgiebt,  von  denen  so  manche,  der 
Bewunderung  werte  zeitgenössische  Künstler  leben 
könnten. 


Entwurf  zu  einem  Medaillonbild   von  ALPHONS  MUCHA. 


Unsere  Handwerker  und  dekorativen  Künstler 
gelangen  nicht  dahin,  die  ihrem  Scharfsinne,  ihren 
Fähigkeiten  und  ihrer  vielseitigen  und  verfeinerten 
erfinderischen  Begabung  gebührende  Anerkennung  zu 
erwerben.  Es  bedarf  ihrer  ganzen  Vaterlandsliebe, 
um  sie  an  dem  Gedanken  festhalten  zu  lassen,  dass 
die  Kunst  einen  wesentlichen  Bestandteil  der  nationalen 
Ehre  darstellt,  sowie  um  gegen   die  Gleichgültigkeit 


Inzwischen  brechen  nach  und  nach  Waren  über 
uns  herein,  welche  uns  von  jenseits  unserer  Grenzen 
die  Überspanntheiten  einer  Scheinkunst  bringen,  welche 
darauf  begründet  ist,  dass  sie  ihre  Hässlichkeit  unter 
dem  Scheine  lügnerischer  Eigenart  verbirgt.  Stoffe 
mit  übertriebenen  Mustern  und  schreienden  Farben, 
gemalte  oder  lackierte  Möbel  von  schmächtigen  Formen, 
Frauentoiletten,  bei  denen  der  anmutlose  und  unschick- 


DIE  GEGENWÄRTIGE  LAGE  DER  DEKORATIVEN  KÜNSTE  IN  FRANKREICH 


11 


liehe  Schnitt  des  Schneiders  an  die  Stelle  der  feinen 
französischen  Mode  tritt,  welche  die  Spitzen  und 
Stickereien  so  geschickt  mit  der  Pracht  ernster  Stoffe 
zu  verbinden  wusste  das  ist  es,  was  wir  überall 
in  den  Geschäften  bemerken,  deren  Inhaber  auslän- 
dische Namen  tragen.  Es  ist  Zeit,  uns  wieder  zu- 
sammen zu  nehmen  und  in  allem,  was  zur  künst- 
lerischen   Verschönerung    selbst    der    bescheidensten 


Unser  Mut  ist  indes  nicht  gesunken.  Wenngleich 
wir  gezwungen  sein  werden,  mit  Schmerzen  darauf 
zu  verzichten,  die  Pforten  des  Pavillon  Marsan  gleich- 
zeitig mit  denen  der  Ausstellung  von  iqoo  zu  öffnen, 
so  werden  wir  uns  darauf  einrichten,  innerhalb  der 
letzteren  würdig  zu  erscheinen.  Wir  haben  einen 
Baugrund  in  der  Nachbarschaft  desjenigen  Teiles 
der    Ausstellungspaläste    an    der    Invaliden- Esplanade 


Entwurf  zu  einem  Medaillonbild  von  ALPHONS  MUCHA. 


Wohnung  und  zum  persönlichen  Schmucke  dienen 
kann,  unseres  Stammes  zu  bleiben.  Die  Union  cen- 
trale des  arts  decoratifs  beklagt  weniger  die  lange 
Probe,  auf  welche  ihre  Geduld  und  ihr  guter  Wille 
gestellt  werden,  der  angewandten  Kunst  gute  Dienste 
zu  leisten,  als  das  Schauspiel  eines  durch  Oleichgültig- 
keit und  Unvermögen  auf  selten  der  Regierung  be- 
günstigten Verfalls, 


zugewiesen  erhalten,  in  welchem  die  Aussteller  der 
Gruppe  XII  (Dekoration  und  Mobiliar  von  öffentlichen 
Gebäuden  und  Wohnhäusern)  und  namentlich  die  der 
Klasse  66  (Unbewegliche  Dekoration  von  öffentlichen 
Gebäuden  und  Wohnhäusern)  vertreten  sein  werden. 
Auf  diesem  Grunde  wird  durch  einen  der  hervor- 
ragendsten Pariser  dekorativen  Architekten  ein  Pavillon 
errichtet  werden,  in  dessen  Sälen  die  Union  centrale 

8* 


12 


DIE  GEGENWÄRTIGE  LAGE, DER  DEKORATIVEN  KÜNSTE  IN  FRANKREICH 


Salome  von  ALPHONS  MUCHA.     Nach:  L'Estampe  Moderne. 

des  arts  decoratifs  als  Gesamt- Ausstellerin,  jedoch 
unter  Angabe  des  Namens  der  Verfertiger  aller  ein- 
zelnen Gegenstände,  die  teils  aus  ihren  Sammlungen 
gewählten,  teils  aus  den  im  Hinblick  auf  die  Pariser 
Wellausstellung  von  ihr  ausgeschriebenen  und  noch 
auszuschreibenden  Wettbewerben  hervorgehenden  be- 
merkenswertesten Erzeugnisse  der  zeitgenössischen 
französischen  dekorativen  Kunst  vereinigen  wird.  Die 
mit  der  Verteilung  der  für  diese  Wettbewerbe  ausge- 
setzten Preise  und  der  Empfehlung  dey  Ankaufes 
einzelner  preisgekrönter  Arbeiten  seitens  unserer  Ge- 
sellschaft betrauten  Richter  haben  eine  so  grosse 
Strenge  bewiesen,  dass  ein  beträchtlicher  Teil  der 
dafüi  ausgesetzten  Gesamtsumme  unverbraucht  ge- 
blieben ist,  welcher  dazu  Verwendung  finden  soll, 
dass  noch  ein  letzter  Wettbewerb  für  den  Anfang  des 
Jalirts  1900  ausgeschrieben  wird.  Derselbe  gilt 
1.  für  den  unbeweglichen  und  beweglichen  Schmuck 

von  Wohnhäusern   (Innen -Architektur,  Mobiliar, 

Gerät  u.  s.  w.), 


2.  für  den  persönlichen  Schmuck  (Stoffe,  Geschmeide 
u.  s.  w.) 
und  steht  ebensowohl  Bewerbern  um  einzelne  dieser 
Gegenstände,  wie  um  grössere  oder  kleinere  Zusammen- 
stellungen von  solchen  offen.  Da  für  diesen  Wett- 
bewerb ein  Betrag  von  22000  Francs  verfügbar  ist, 
lässt  sich  mit  Sicherheit  auf  eine  zahlreiche  Beteiligung 
daran  hoffen.  C. 


inmil  ETI  TR015'TRPLERU)!,En  VERS 
DE  117?  HDTTDriD  RDSTRHD 
n7U5ioi;E  DE  TO'GRMELPIERTTE 

a^^BKiBa^^i  iii    II.    —  ..  M     -  iL^=» 

Entwurf  zu  dem  Plakat:     La  Saniaritaine"  von  ALPHONS  MUCHA. 


Kleine  Mitteilungen 


Entwurf  zu  dem  Plakat  Ghismonda  für  Sarah  Bernhardt. 
Von  ALPHONS  MUCHA. 


VEREINE 

MÜNCHEN.  Der  Bayerische  Kunstgewerbeverein 
hat  beschlossen,  zur  Feier  seines  50  jährigen  Be- 
stehens im  Jahre  igoi  eine  Deutsch -nationale 
Knnstgewerbeaiisstellung  abzuhalten.  Zur  Beteiligung 
sollen  auch  Deutsch -Österreich  und  die  Schweiz  auf- 
gefordert werden.  Über  die  Platzfrage,  ob  Glaspalast 
oder  Kohleninsel,  ist  noch  keine  Entscheidung  ge- 
troffen, -u- 

SCHULEN 

KARLSRUHE.  Grossherzogliche  Knnstgew erbe- 
schule. Dieselbe  hielt  am  28.  Juli  d.  J.  ihren 
üblichen  Schlussakt,  der  mit  einer  Ansprache 
von  Direktor  Götz  eingeleitet  wurde  und  woran  sich 
dann  die  Preisverteilung  an  Schüler  für  gut  gelöste 
Konkurrenzaufgaben,  die  für  die  verschiedenen  Fach- 
gebiete gestellt  waren,  anreihte.  —  Die  Beteiligung 
an  diesen  Monatsaufgaben  war  in  diesem  Jahre  eine 
besonders  starke  und  erzielte  sehr  erfreuliche  Ergeb- 
nisse. —  Dem  bei  diesem  Anlasse  veröffentlichten 
Jahresberichte  der  Anstalt  ist  zu  entnehmen:  Die 
Schülerzahl  betrug  im  abgelaufenen  Jahre  206,  von 
welchen  sich  113  auf  die  6  Fachschulen,  3g  auf  die 
Winterschule  und  54  auf  die  Abendschule  verteilen. 
Dem  Berufe  nach  waren  Dekorationsmaler  81,  Bild- 
hauer 27,  Zeichner  22,  Schreiner  14,  Lithograph  9, 
Zeichenlehrer  7,  Architekt  5,  Dessinateur  4,  Modelleur 
4,  Ciseleur  4,  Techniker  4,  Graveur  3,  Glasmaler  3, 
Keramiker  3,  Steinhauer  3,  Tapezier  2,  Marqueteur, 
Drechsler,  Photograph,  Vergolder,  Buchbinder,  Schrift- 
setzer je  1 ,  unbestimmten  Berufes  4  Schüler.  Der 
Staatsangehörigkeit  nach  gehören  an:  Baden  145  (dar- 
unter Karlsruhe  mit  45,  das  übrige  Grossherzogtum 
mit  100),  Preussen  18,  Bayern  und  Pfalz  11,  Sachsen 
8,  Württemberg  4,  Bremen,  Mecklenburg,  Braunschweig, 
Hessen  je  2,  Elsass,  Hamburg,  Reuss  je  1  Schüler; 
dem  Ausland:  Dänemark  3,  Schweiz  2,  Norwegen, 
Frankreich,  Luxemburg,  Nordamerika  je  1  Schüler.  — 
Der  Erweiterungsbau  der  Anstalt,  welcher  räumlich 
umfangreicher  wird  als  das  jetzige  Gebäude,  hat  im 
abgelaufenen  Jahre  wesentliche  Fortschritte  gemacht 
und  steht  zu  erwarten,  dass  derselbe  spätestens  im 
Frühjahr  1901  bezogen  werden  kann.  Für  die  künst- 
lerische Ausschmückung  der  Fassaden  fertigt  die  An- 
stalt eine  Anzahl  figürlicher  Fayence-Medaillons  mit 
farbigen  Reliefporträts  alter  Meister,  ferner  ein  grösseres 
Fliesen-  und  ein  Fresco-Gemälde  an.  Zur  Weihe  der 
neuen  Räume  ist  eine  grössere  Ausstellung  von 
Schülerarbeiten  in  Aussicht  genommen.  —  Der  Unter- 
richt des  Holzschnitzens  wurde  durch  die  Errichtung 
einer  Werkstätte  für  Holzbildhauer  erweitert.  —  Zum 
Leiter  der  neu  begründeten  keramischen  Fachklasse 
wurde    Professor  Karl  Kornhas   ernannt,   ferner   die 


14 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


Maler  August  Oroh  und  Hermann  Göhler,  sowie  der 
Bildliauer  Otto  Feist  zu  Lehrern  der  Anstalt  berufen. 
Maler  Fridolin  Fenker  wurde  als  etatmässiger  Lehrer 
angestellt.  —  Zwei  Lehrer  der  Anstalt  waren  bei  der 
künstlerischen  Anordnung  von  gewerblichen  Aus- 
stellungen des  Landes  thätig.  —  Die  Beteiligung  des 
heimischen  Kunstgewerbes  bei  der  Weltausstellung  in 
Paris  wird  von 
dem  Vorstande  der 

Anstalt  geleitet 
und  ist  die  Kunst- 
gewerbeschule 
durch  die  Herstel- 
lung zahlreicher 
Entwürfe  bei  diesen 
Vorarbeiten  mit- 
wirkend. Insbeson- 
dere wurden  ihr 
seitens  des  Karls- 
ruher Stadtrates  die 
künstlerische  Aus- 
schmückung    des 

neuen  Rathaus- 
Trausaales  übertra- 
gen. —  Die  Leis- 
tungen der  Anstalt 
fanden  vor  kurzem 
in  zwei  Nummern 
der  in  Paris  er- 
scheinendenKunst- 
zeitschrift:  <  Revue 
des  Arts  decoratifs » 
und  imjuliheft  der 
illustrierten  Zeit- 
schrift «Kunst  und 
Dekoration  >  aner- 
kennende Würdi- 
gung. Bei  der 
im  vorigen  Jahre 
abgehaltenen  Zei- 
chenlehrerprüfung 
haben  sämtliche 
sechs  Kandidaten 
bestanden.       Drei 

frühere  Schüler 
wurden  als  Lehrer 

an  ausländische 
Kunstinstitute  und 


Entwurf  zu  einem  Plakat  für  Sarah  Bernhardt.     Von  ALPHONS  MUCHA 


ein     weiterer     als 

Lehrer  an    die  Grossherzogliche    Kunstgewerbeschule 

Pforzheim  berufen.  — 


MUSEEN 

GRAZ.  Dem  Bericht  des  Steiermärkischen  kultur- 
historisciten  und  Kunstgewerbe- Museums  über 
das  Jahr  i8g8  entnehmen  wir  Folgendes:  Die 
Erwerbungen  waren  für  sämtliche  Abteilungen  sehr 
namhaft  und  betrugen  398  Nummern.  Unter  den 
Ankäufen  sind  hervorzuheben  neun  Glasgemälde  aus 


der  zweiten  Hälfte  des  1 4.  Jahrh.  DieTafeln  sind  je  1 ,02  m 
hoch  und  0,36  m  breit,  sie  enthalten  zumeist  Darstel- 
lungen aus  dem  Leben  der  Maria  und  ihres  göttlichen 
Sohnes.  Von  tiefer,  sehr  wirkungsvoller  Farbengebung, 
zeigt  der  figürliche  Teil  grosse  selbständige  Auffas- 
sung; die  Architektur  enthält  reich  gegliederte  Rund- 
und   Spitzbogen   mit  Fialen,    Giebel   und   Baldachine 

und  erhebt  sich  von 

einem    dunklen 
Grunde,   der  teils 
mit  roten  und  zum 
Teil     mit     blauen 

Blattornamenten 
reich  belebt  ist. 
Diese  Glasmale- 
reien zählen  zu  den 
besten  Arbeiten 
ihrer  Zeit  und  sind 
daher  sehr  wohl 
geeignet ,  der  er- 
zieherischen Auf- 
gabe des  Museums 
in  hervorragender 
Weise  zu  dienen, 
zumal    nun    auch 

dieser  schöne 
Zweig  der  kirch- 
lichen Kunst  sich 
in  Graz  zu  beleben 
beginnt  und  von 
einigen  strebsamen 

Meistern  geübt 
wird.  Aber  auch 
für  die  Kunstge- 
schichte des  Landes 
ist  diese  Erwerbung 
von  hohem  Werte, 
da  die  Fenster  dem 

schönsten  goti- 
schen Kirchlein  der 
Steiermark,  Maria 
Strassengel ,  ange- 
hören. Zu  be- 
dauern ist  nur,  dass 

diese  schönen 
Werke  nicht  direkt 
in  den  Besitz  des 
Museums  gelangt 
sind  —  sie  wurden 
an  einen  fremden  Händler  verkauft  und  nur  ein  glück- 
licher Zufall  und  rasches  Eingreifen  des  Direktors 
ermöglichte  es,  dieselben  dem  Lande  zu  erhalten.  An 
wechselnden  Ausstellungen  wurde  veranstaltet  eine 
grössere  Sonderausstellung  von  Stickereien  und  Webe- 
reien, darunter  Webereien  aus  Scherrebeck  und  Chris- 
tiania,  und  eine  Plakatausstellung.  Auch  die  im  Museums- 
gebäude errichtete  ständige  Ausstellungs-  und  Verkaufs- 
halle des  Steierischen  Kunstgewerbe- Verein  wurde  im  Be- 
richtsjahre gut  beschickt  und  besucht.  Reges  Interesse 
wurde  auch  den  vom  Direktor  des  Museums  veranstalteten 
Führungsvorträgen  im  Museum  entgegengebracht,    -u- 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


15 


KARLSRUHE.  Kunstgewerbemuseum.  Dasselbe 
liat  im  Laufe  des  Jahres  verschiedene  Aus- 
stellungen veranstaltet  und  zwar:  Die  Wander- 
ausstellung des  Centralvereins  für  das  gesamte  deutsche 
Buchgewerbe  in  Leipzig,  bestehend  in  350  Original- 
holzschnitten; eine  Ausstellung  älterer  Bucheinbände 
des  16.,  17.  und  18.  Jahrhunderts;  die  Ausstellung 
des  künstlerischen  Nachlasses  vom  Professor  Ernst 
Häberle  (f);  die  Ausstellung  schwedischer  Webereien 
des  kulturgeschichtlichen  Vereins  in  Lund;  die  Aus- 
stellung von  700  Radierungen,  Stahl-  und  Kupfer- 
stichen aus  dem  Besitze  von  Direktor  Götz  und  die 
Ausstellung  von  800  Aquarellen,  Handzeichnungen, 
Reisestudien  und  Originalentwürfen  zu  Künstlerpost- 
karten badischer  Künstler,  nebst  Radierungen  von 
Professor  L.  Kühn.  Diese  Veranstaltungen  wurden 
zum  Teil  sehr  stark  besucht,  insbesondere  auch  von 
auswärtigen  Interessenten.  Auch  die  Vorbilder  des 
Museums  fanden  in  diesem  Jahre  für  die  Zwecke  der 
Praxis  zahlreiche  Benutzung.  Die  Sammlung  des 
Museums  hat  einen  Zuwachs  von  444  Nummern  zu 
verzeichnen,  darunter  eine  grosse  Zahl  wertvoller 
koptisch -ägyptischer  Textile.  Am  stärksten  sind  die 
Gruppen  von  Porzellan,  Fayencen,  Glas,  Schmuck, 
Silber,  Bronzen,  Eisen,  Möbel  und  Bucheinbänden 
vermehrt  worden.  Unter  diesen  Zugängen  befinden 
sich  namhafte  Stiftungen  aus  Privatkreisen,  sowie  der 
Jahresbeitrag  mit  1000  Mark  seitens  des  Badischen 
Kunstgewerbevereins. 

TROPPAU.  Nach  dem  Jahresbericht  des  Kaiser 
Franz  Josef-Museums  für  Kunst  und  Gewerbe 
für  das  Jahr  i8g8  wurde  in  einer  ausserordent- 
lichen Sitzung  des  Kuratoriums  des  Museums  aus  An- 
lass  der  sojährigen  Regierung  des  österreichischen 
Kaisers,  das  Kaiser  Franz  Josef-Museum  in  eine  Kaiser 
Franz  Josef-Jubiläumsstiftung  umgewandelt,  da  der  Be- 
stand des  Museums  durch  eine  grosse  Anzahl  von 
Subventionen  für  alle  Zeiten  gesichert  ist.  Aus  einer 
grösseren  Reihe  von  Ausstellungen  im  Berichtsjahre 
sind  zu  erwähnen:  eine  Ausstellung  der  bei  dem  Jubi- 
läums-Wettbewerb  der  »Wiener  Mode<  prämiierten 
Handarbeiten,  verbunden  mit  einer  Ausstellung  von 
Teppichen  des  norwegischen  Hausfleissvereins  in  Chris- 
tiania  und  der  Webereien  der  Webschule  in  Scherre- 
beck; eine  Ausstellung  von  Bildern  und  Kunstblättern 
von  Hans  Thoma,  Max  Klinger,  Greiner,  Stauffer-Bern, 
Sattler  u.  a.  Besonders  die  Kaiser-Jubiläums- Kunst- 
ausstellung war  ausserordentlich  reichhaltig  beschickt 
durch  eine  grosse  Anzahl  älterer  und  moderner  Bilder, 
besonders  des  Vereins  bildender  Künstler  Österreichs, 
der  Wiener  >Sezession<,  der  Wiener  Künstlergenossen- 
schaft und  der  Worpsweder  Malerkolonie,  sowie  durch 
eine  Sammlung  mustergültiger,  moderner  englischer 
und  amerikanischer  Möbel  und  schöner  Tiffanygläser. 
Im  Berichtsjahre  wurde  zum  ersten  Male  eine  Weih- 
nachtsausstellung veranstaltet,  bei  der  nur  die  Erzeug- 
nisse Troppauer  Gewerbetreibender  und  Firmen  be- 
rücksichtigt wurden.  Die  Beteiligung  war  eine  noch 
ziemlich  kleine.  Unter  den  Ankäufen  sind  zu  er- 
wähnen eine  Reihe  keramischer  Erzeugnisse  schlesischer 


Werkstätten,  darunter  ausserordentlich  dekorative  Schüs- 
seln und  Krüge,  welche  die  Delfter  Blaumalerei  des 
17.  und  18.  Jahrhunderts  imitieren,  und  besonders  ein 
grosser  Tauftopf  aus  der  2.  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts. 
Es  ist  die  Absicht,  diese  Sammlung  weiter  auszuge- 
stalten durch  Ausstattung  von  Zimmern,  die  ein 
genaues  Bild  des  altschlesischen  Bauernhaus-Interieurs 
geben  sollen.  -u- 

AUSSTELLUNGEN 

PARIS.  Die  Anfertigung  der  Medaillen  für  die 
Weltausstellung  igoo  ist  den  Künstlern  Chaplain 
und  Roty  übertragen  worden.  Chaplain  soll 
die  Medaillen,  welche  als  Anerkennung  und  Belohnung 
verliehen  werden,  gravieren,  während  Roty  die  Er- 
innerungs-Medaille schlagen  wird.  -u- 

PARIS.  Das  goldene  Buch  der  Buchdnickerkunst 
wird  auf  der  Weltausstellung  zu  sehen  sein. 
Es  wird  alle  Erfindungen  und  Neuerungen  auf 
dem  Gebiete  der  Buchdruckerkunst  in  Wort  und  Bild 
enthalten.  Die  Titelvignetten  und  die  Abbildungen 
überhaupt  sind  von  den  ersten  französischen  Malern 
und  Graveuren  entworfen.  Das  Papier  ist  von  be- 
sonders feiner  und  seltener  Qualität.  Der  Einband 
besteht  aus  Kupfer  in  getriebener  Arbeit  mit  silbernen 
Charnieren.  Gedruckt  wird  dieses  Kunstwerk  von 
der  französischen  National-Druckerei.  -u- 

PARIS  1900.  Nach  einer  vor  kurzem  festgestellten 
Liste  wird  die  französische  National-Manufaktur 
der  Gobelins,  einem  Berichte  in  Art  et  Deco- 
ration zufolge,  auf  der  nächstjährigen  Pariser  Welt- 
ausstellung mit  nicht  weniger  als  40  Arbeiten  vertreten 
sein,  von  denen  eine  Anzahl  unter  Angabe  der  Dar- 
stellungsgegenstände und  der  Namen  der  Urheber  der 
Kartons  einzeln  aufgeführt  werden.  Der  grösste  dieser 
Wandteppiche  in  den  Massen  von  7  m  18  cm  zu 
5  m  21  cm  ist  die  Wiederholung  einer  älteren  Arbeit 
nach  Charles  le  Brun  und  bringt  eine  Audienz  des 
päpstlichen  Kardinal-Legaten  Chegi  bei  Ludwig  XIV. 
in  Fontainebleau  zur  Anschauung;  der  nächstgrösste 
von  7  m  5  cm  zu  4  m  66  cm  stellt,  nach  Franz  Ehr- 
mann, den  Charakter  der  Künste,  Wissenschaften  und 
der  Litteratur  im  Mittelalter  dar. 

Das  genannte  Blatt  tadelt  es,  dass  so  viele  ältere 
Arbeiten,  darunter  allein  fünf  nach  Frangois  Boucher, 
wiederholt  werden,  da  eine  genügende  Zahl  zeit- 
genössischer Künstler  vorhanden  sei,  deren  Begabung 
sie  für  die  Herstellung  von  Kartons  für  Gobelins  bestens 
befähigen  würde.  -ss- 

WETTBEWERBE 

AACHEN.  Zu  dem  Wettbewerb  um  Entwürfe  für 
moderne  Gasofenmäntel  der  Firma  J.  G.  Hauben 
Sohn  Carl  wurden  über  hundert  Entwürfe  ein- 
gesandt. Der  erste  Preis  400  M.  wurde  nicht  verteilt, 
sondern  in  zwei  weitere  zweite  Preise  zerlegt.    Diese 


i6 


KLEINE   MITTEILUNGEN 


erhielten:  die  Architekten  Alois  Ludwig  in  Wien, 
E.  Kleinhempel  in  Dresden  und  Freiherr  v.  Tettau 
in  Charlottenburg.  Zwei  dritte  Preise,  je  loo  M., 
erhielten  Direktor  J.  Malina  in  Turnau  und  Ad.  Beuhne 
in  Hamburg.  Fünf  weitere  Arbeiten  wurden  zum 
Ankauf  empfohlen.  -u- 

DRESDEN.  Preisausschreiben  um  Entwürfe  für 
den  Neubau  der  Kgl.  Kunstgewerbeschule.  Da 
das  Gebäude,  in  dem  sich  zur  Zeit  die  hiesige 
Kunstgewerbeschule  nebst  dem  Kunstgewerbemuseum 
befindet,  schon  lange  den  Ansprüchen  der  Gegenwart 
nicht  mehr  genügt,  so  beabsichtigt  die  Regierung, 
unter  der  selbstverständlichen  Voraussetzung,  dass  die 
Stände  ihre  Genehmigung  geben,  den  Bau  eines  neuen 
Gebäudes  und  hat  zur  Erlangung  von  Entwürfen  be- 
reits ein  Preisausschreiben  an  die  deutschen  Architekten 
erlassen.  Für  den  ersten  Preis  sind  2500  Mark,  für 
den  zweiten  Preis  2000  Mark  und  für  den  dritten 
1500  Mark  ausgeworfen.  Preisrichter  werden  sein: 
Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  Wallot,  Geh.  Hofrat  Prof.  Graff 


(Direktor  der  Kunstgewerbeschule),  Geh.  Baurat  Wal- 
dow,  Landbaumeister  Reichelt  und  der  Leipziger  Stadt- 
baurat Prof.  Licht.  -ü- 


KÖLN.  In  dem  Wettbewerb  um  Entwürfe  zu  einem 
Kaiserin  Augusta- Denkmal  fielen  die  beiden 
ersten  Preise  den  gleichen  Bewerbern  zu:  den 
Bildhauern  Stockmann  und  Dorrenberg  im  Verein  mit 
dem  Bildhauer  Kirsch.  Den  dritten  Preis  erhielt 
Professor  E.  Herter  in  Berlin.  -u- 

WIEN.  In  dem  Wettbewerb  um  Entwürfe  für 
eine  Kopfleiste  für  die  Wiener  Bauindustrie- 
Zeitung  erhielt  den  1.  Preis  (100  Kr.)  Archi- 
tekt Professor  Franz  Schwertner  in  Wien,  den  2.  Preis 
(50  Kr.)  Hans  Milde  in  Wien.  Zum  Ankauf  empfohlen 
wurden  die  Arbeiten  des  akademischen  Bildhauers  und 
Illustrators  J.  Pfeiffer  und  Adolf  R.  Müller  in  Wien 
(für  je  30  Kr.).     Eingegangen  waren   10  Entwürfe. 

-u- 


Ecksite  (Mahagoni);  entworfen  von  R.  RIEMERSCHMID,  ausgeführt  in  den  Vereinigten  Werltstätten  für  Kunst  im  Handwerl<  in  München. 

(Gesetzlich  geschützt.) 


Herausgeber  und  für  die  Redaktion  verantwortlich:  Professor  Karl  Hoffacker,  Architekt  in  Charlottenburg- Berlin. 

Druck  von  Ernst  Hedricli  Nachf.  in  Leipzig. 


Fliesenbild  von  Professor  MAX  LÄUGER,  Karlsruhe. 


DIE  ZIMMERAUSSTATTUNO  AUF  DEN 
AUSSTELLUNGEN  IN  BERLIN,  MÜNCHEN  UND  DRESDEN 

IM  SOMMER  1899 


DIE  Wiederkehr  der  sommerlichen  Ausstelhingen, 
die  eine  Übersicht  in  grösserem  Umfange 
über  den  augenbiicl<lichen  Stand  des  deutschen 
Kunstgewerbes  ermöglichte,  giebt  Veranlassung  eine 
Reihe  von  Fragen  aufzuwerfen,  deren  Beantwortung 
nicht  unwichtig  ist.  Die  erste  Frage  lautet:  Thun 
die  Ausstellungen  das  Ihrige,  um  eine  gesunde  Ent- 
wicklung zu  fördern?  Zweitens:  Ist  ein  einheitlicher 
Fortschritt  in  bestimmter  Richtung  zu  erkennen? 
Endlich:  Wohin  könnte  eine  neue  Stilbildung  sich 
wenden?  Diese  Fragen  sollen  im  Folgenden  an  der 
Hand  der  Zimmerausstattungen  und  Gebrauchsgegen- 
stände, wie  die  Ausstellungen  sie  zeigten,  geprüft 
werden  mit  Beiseitestellung  aller  dem  Schmuck  dienen- 
den Einzelwerke  der  Kleinkunst. 

Wir  haben  fast  bis  zum  Überdruss  die  Leitsätze 
wiederholen  hören,  die  beim  Beginn  dieser  Bewegung 
in  Deutschland  dem  Auslande  nachgesprochen  wurden. 
Aber  haben  wir  sie  befolgt?  Da  hiess  es  zuerst,  der 
Künstler  solle  sich  nicht  zu  vornehm  dünken,  Hand- 
werker zu  sein.  Er  solle  mit  seiner  Phantasie  die 
nüchterne  Erfahrenheit  im  Technischen  befruchten. 
Und  die  Künstler  gingen  ans  Werk.    Sie  hatten  geist- 


reiche Einfälle  für  Einzelheiten  die  Fülle,  aber  nun 
drängte  die  Einzelheit  sich  vor  und  lebte  als  Schmarotzer 
von  der  Kraft,  die  das  Gebilde  als  organische  Einheit 
sollte  wachsen  lassen.  Statt  dass  der  Künstler  selbst 
Handwerker  wurde,  verdrängte  er  ihn.  Und  es  war 
nicht  einmal  überall  der  Künstler,  der  diese  Stelle 
einnahm.  Hin  und  wieder  war  es  der  Dilettant. 
So  gut  wie  in  der  Malerei  kann  der  Dilettantismus 
auch  in  jeder  angewandten  Kunst  förderlich  wirken, 
indem  er  Geschmack  und  Interesse  für  Dinge  weckt, 
die  so  lange  geduldig  und  ohne  viel  Nachdenken 
aus  der  Hand  des  Handwerkers  angenommen  wurden. 
Es  ist  auch  sehr  begreiflich,  dass  ein  Künstler,  selbst 
wenn  er  nicht  grade  neue  Vorschläge  für  die  Tisch- 
lerei zu  machen  hat,  sich  das  Möbel  für  seinen  Gebrauch 
nach  eigenem  Geschmack  zeichnen  will,  wenn  er  die 
Masse  und  die  Zahl  der  Fächer  an  einem  Schrank  an- 
giebt,  die  grade  seinen  Gewohnheiten  und  Ansprüchen 
entgegenkommen.  Aber  wenn  er  solch  einfaches  Gerät 
im  Kastenstil  entworfen  hat  mit  einfach  rechteckigen 
Flächen  und  mit  Bretterstärken,  welche  lieber  zu  plump 
gewählt  wurden,  damit  sie  nur  nicht  zu  schwach 
gerieten  —  denn  die  Erfahrung  im  Technischen  fehlt  — 

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20 


DIE  ZIMMERAUSSTATTUNG.  AUF  DEN  AUSSTELLUNGEN  IM  SOMMER  1899 


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Iessiurfrs0mfi*n: 


Porzellanvasen,  weiss  mit  blauer  Ornamentik,  i  bis  5  entworfen  von  H.  SCHLICHT,  6  und  7  entworfen  von  E.  KLEINHEMPEL,  Dresden, 
ausgeführt  von  der  sächsischen  Porzellanfabrik  in  Potschappel  bei  Dresden. 


dann  braucht  solch  Stück  nicht  unbedingt  ausgestellt 
zu  werden.  Nachdem  wir  die  englischen  Vorbilder 
lange  genug  gesehen  haben,  ist  solche  Leistung  eben 
keine  Heldenthat  mehr.  Solche  Schränke  sah  man 
aber  sowohl  in  Berlin  wie  in  Dresden  und  München. 
Auch  ist  das  Selbstvertrauen,  welches  sich  getraut 
eine  Wand  zu  dekorieren,  weil  ihm  bisher  Setzschirme 
in  japanisierendem  Geschmack  recht  wohl  gelangen. 


für  sich  allein  noch  nicht  des  Lobes  gewiss.  An  die 
grosse  Fläche  stellt  man  andere  Ansprüche.  In  Berlin, 
wo  der  Dilettantismus  ganz  besonders  eine  Stätte 
gefunden  hatte,  konnte  man  ein  Zimmer  sehen,  dessen 
stoffbespannte  Wände  in  Stickerei,  verbunden  mit 
Malerei,  dekoriert  waren.  Die  gelben  und  weissen 
Blüten  auf  Blaugrau  waren  wirkungsvoll  genug  und 
die    Raumfüllung    im    ganzen    glücklich    ausgeführt. 


Oaskamin  von  Prof.  MAX  LÄUOER,  Karlsruhe;  Oasapparat  von  FR.  SIEMENS,  Dresden.    (Oesetzl.  geschützt.) 


Zwischenwand  im  Zimmer  von  K.  Gross  auf  der  Deutschen  Kunstausstellnug  zu  Dresden  189g. 


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DIE  ZIMMERAUSSTATTUNG  AUF  DEN  AUSSTELLUNGEN  IM  SOMMER  1899 


23 


Aber  nun  die  Blütenstiele.  Ihnen  wäre  zwischen  den 
weitläufig  gestellten  Blumen  die  wichtige  Aufgabe 
zugefallen,  als  stimmunggebende  Linien  zu  wirken. 
Sie  mussten  konsequent  und  gefällig  geführt  sein  und 
hätten  dann  verraten,  inwiefern  die  Fähigkeit  zu  wirk- 
lichem Stilisieren  der  Naturform  vorhanden  war.  Das 
will  denn  doch  etwas  anderes  heissen,  als  das  blosse 
Auslassen  der  charakteristischen  Einzelheiten,  womit 
es  manchmal  verwechselt  wird.  Hier  jedenfalls  war 
dieser  Teil  der  Zeichnung  recht  oberflächlich  zufalls- 
niässig  ausgeführt.  Solche  Dinge  können  natürlich 
nicht  vorbildlich  wirken. 

Dann  wird  gesagt,  der  Künstler  solle  für  den 
praktischen  Gebrauch  statt  für  den  Luxus  arbeiten. 
Trotzdem  sind  in  den  Ausstellungen  die  Prunkgeräte, 
die  Schmucksachen  und  Vasen  noch  immer  unbe- 
dingter befriedigend  als  die  Möbel  und  Hausgeräte. 
Immerhin  ist  es  mit  Genug- 
thuungfestzustellen,  dass  heute 
mit  Vorliebe  für  den  Gebrauch 
gearbeitet  wird.  Die  Geräte 
sollen  dann  gern  so  schlicht 
und  schmucklos  auftreten,  dass 
man  gewiss  keine  andere  Ab- 
sicht argwöhnen  könne,  als 
die  der  praktischen  Verwen- 
dung zu  dienen.  Das  gilt  auch 
von  den  Tassen  und  Bechern 
aus  Steingut.  Ob  man  sie 
gerne  benutzen  wird?  Warum 
denn  nicht,  sie  sind  kostbar 
und  das  versöhnt  vielleicht 
manche  verwöhnte  Dame  mit 
der  derben  Form  und  mit  der 
Rauheit  des  Materials.  Sie 
gönnt  den  grauen  und  so  os- 
tentativ anspruchslosen  Tassen 
wohl  einen  Platz  auf  ihrem 
Frühstückstisch  und  verbannt 
dafür  Silber  und  Porzellan. 
Aber  so  lange  die  Tasse  leer 
dasteht,  kann  man  doch  ein 
gewisses  Unbehagen  nicht  los 
werden,  wenn  man  die  dick 
auf  dem  Boden  zusammen- 
gelaufene Glasur  bemerkt, 
welche  die  Vorstellung  er- 
weckt, als  sei  sie  noch  nicht 
erhärtet  und  eben  erst  an  dem 
Rande  des  Gefässes  herab- 
gesickert. Dies  Überfliessen 
der  Glasur,  diese  durch  den 
technischen  Vorgang  entste- 
hende Zufälligkeit  der  Deko- 
ration, ist  eine  Eigenheit,  auf 
welche  die  moderne  Keramik 
sich  etwas  zu  gute  thut.  Auf 
Schmuck-  und  Schaustücken 
bewundert  man  sie  willig,  aber 
hier  sollen  praktische  Geräte 
geschaffen  werden  und  ohne 


Rücksicht  darauf,  ob  die  Eigentümlichkeit  des  Materials 
sich  dafür  eignet,  musste  es  sich  dem  Eigenwillen  des 
Künstlers  fügen. 

Ein  weiteres  Beispiel:  Man  hat  die  Vorliebe  für 
die  kleinen  Linien,  die  unpraktischen  Winzigkeiten 
des  Rokoko  satt  bekommen.  Grosse,  ehrliche  Formen, 
die  ihren  Zweck  offen  eingestehen,  sind  die  Losung. 
Die  kleinen  Schreibzeuge  auf  Damentischen  z.  B., 
deren  zieHiches  Gestell  wenig  Sicherheit  gegen  das 
Umstossen  bot,  betrachtet  man  heute  nur  vollj,'mit- 
leidiger  Geringschätzung.  Stellen  wir  eine  grosse 
Schale  hin  mit  fester  Basis,  verzichten  wir  selbst  auf 
die  plastischen  Figuren,  die  eine  Zeit  lang  an  den 
Geräten  der  Du  Bois  und  Carabin  unvermeidlich 
waren,  wenn  sie  auch  mit  dem  Tintenbehäiter  eigent- 
lich nichts  zu  schaffen  hatten.  Aber  nun  kommen 
doch]]einige  einfache  Ornamente,  die  mit  ihren  grossen 


Oaskamin  von  Prof.  MAX  LÄUQER,  Karlsruhe  ;  Qasapparat  von  FR.  SIEMENS,  Dresden. 

(Gesetzl.  geschützt.) 


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Speisezimmer  eines  Landhauses,  entworfen  und  eingerichtet    von  Architekt  M.  DULFER-Mujichen. 


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Kunstgewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  2. 


Speisezimmer  eines  Landhauses,  entworfen  und  eingerichtet  von  Architekt  M.  DÜLFER- München. 


DIE  ZIMMERAUSSTATTUNG  AUF  DEN  AUSSTELLUNGEN  IM  SOMMER  1899 


27 


Schwingungen  we- 
nig Raum  für  eine 
Kleinigkeit  übrig 
lassen,  die  doch  an 
einem  Tintenfass 
Beachtungverdien- 
te: Der  Glasbehäl- 
ter ist  nämlich  auch 
hier  nicht  grösser 
als  an  jenen  für 
abgethan  erklärten 
Miniaturschreib- 
zeugen ,  in  denen 
die  Tinte  alle  paar 
Tage  eingetrocknet 
stand.  Diese  zu- 
fällig herausgegrif- 
fenen Beispiele  wa- 
ren französischen 
Ursprungs,  aber 
dergleichen  soll 
auch  bei  uns  vor- 
kommen. So  will 
man  z.  B.  am  Mö- 
bel jedem  Wun- 
sche nach  Bequem- 
lichkeit entgegen- 
kommen. Ein  Tisch 
vor  dem  Sofa  ver- 
stellte oft  störend 
den  Weg.  Und 
doch  will  man 
dies  oder  das  gerne 
schnell  aus  der 
Hand  legen.  Dar- 
um ist  aber  noch 
nicht  jede  Konsole 
oder  Etagere  prak- 
tisch, die  sich  neben,  über  oder  —  was  auch  vor- 
gekommen ist  -  unter  dem  Polstersitz  einschiebt. 
Dies  Zusammenschachtelsystem  wird  in  dem  Bestreben, 
nur  ja  alles  recht  bequem  einzurichten,  oft  zum  direkten 
Gegenteil.  Manches  in  der  Art  war  in  den  Ausstel- 
lungen zu  sehen.  Den  Triumph  der  grössten  Findig- 
keit im  Umbauen  eines  Sitzmöbels  mit  solchen  Auf- 
bewahrungsgelegenheiten feierte  aber  ein  Sofa  von  Jo- 
seph Hoff  mann  in  Wien,  welches  der  >  Artist«  kürzlich 
abbildete,  ohne  es  auffällig  zu  finden,  dass  ein  Baldachin 
über  dem  Sofa  mit  seinen  verschiedenen  Stützen 
die  Bank  nach  vorne  so  absperrte,  dass  nicht  mehr 
als  eine  Person  darauf  Platz  fand.  Dafür  durfte  sie 
ihren  Kopf  nach  rückwärts  gegen  einen  Spiegel  lehnen! 
Seitwärts  davon  war  der  Raum  zu  Bücherregalen 
benutzt,  welche  über  den  ganzen  Sitz  reichten.  Sollte 
es  nun  jemand  einfallen,  trotz  aller  entgegenstehenden 
Hindernisse  in  den  verbauten  Kasten  hineinzusteigen, 
um  sich  auf  dem  Ruhebett  auszustrecken,  so  mag 
man  sich  wohl  hüten,  dass  man  den  Kopf  nicht  oben 
an  dem  Regal  stösst!  Endlich  fand  sich  noch  ganz 
oben  ein  Platz,  welcher  nach  der  Abbildung  für  die 
Theemaschine  bestimmt  war! !   Nach  demselben  Prinzip 


Henkelvase  auf  Ständer,  in  Kupfer  entworfen 
und  getrieben  von  F.  X.  ABT,  Mindeltieim. 


sah  man  in  München  ein  Büffet,  welches  zwar  eine 
Menge  offener  Fächer  aufwies,  dieselben  aber  durch 
eine  Art  Lattenzaunsystem,  das  heute  vielfach  beliebt 
ist,  so  verbaute,  dass  man  wohl  thun  wird,  nichts 
hineinzustellen,  was  man  in  jedem  Augenblick  ver- 
wenden will. 

Das  aber  nennt  sich   für  den  Gebrauch  arbeiten! 

Wir  hörten  auch  viel  von  der  Notwendigkeit,  das 
konstruktive  Prinzip  recht  zu  betonen.  Statt  dessen 
macht  sich  häufig  eine  Willkürlichkeit  in  der  Linien- 
führung bemerkbar,  welche  die  Möbel  beinahe  wie 
freigewachsene  Gebilde  erscheinen  lässt  und  nicht  als 
das  planvolle  Anpassen  an  den  Zweck.  Und  hier  ist 
es  notwendig  einen  Namen  zu  nennen,  um  die 
betreffende  Richtung  deutlich  zu  charakterisieren.  Bern- 
hard Pankok  hatte  sowohl  in  München  wie  in  Dresden 
eine  Zimmereinrichtung  ausgestellt.  Hier  war  es  ein 
Schlafzimmer,  dort  ein  Vor-  oder  Warteraum.  In 
beiden  sprach  sich  dies  launenhafte  Schalten  deutlich 
aus.  Die  Füsse  und  Stützen,  die  Rücken-  und  Seiten- 
lehnen schwingen  und  biegen  bald  nach  dieser,  bald 
nach  jener  Richtung,  es  wird  ein  phantastischer  Ein- 
druck angestrebt  und  dem  Ungewöhnlichen  das  Ver- 
nünftige geopfert.  So  entsteht  z.  B.  ein  Schrank  mit 
einer  sehr  schmalen  Standfläche,  der  sich  nach  oben 
zu  ganz  beträchtlich  verbreitert,  und  bei  dem  man  die 


Lehnstuhl  von  BERNHARD  PANKOK-München  (Vereinigte  Werkstätten). 
(Oesetzl.  geschützt.) 


28 


DIE  ZIMMERAUSSTATTUNG  AUF  DEN  AUSSTELLUNGEN  IM  SOMMER  iSqq 


ungemütliche  Vorstellung  hat,  dass  er  nicht  feststehe. 
Man  überzeugt  sich  wohl  durch  den  Augenschein, 
dass  er  nicht  fällt,  aber  unsere  Augen  lassen  sich  auch 
durch  diese  Beobachtung  nicht  widerlegen,  ihnen  ist 
ein  Anpassen  an  den  logisch  notwendigen  Aufbau 
ein  unübertretbares  Gesetz,  das  durch  keine  selbst- 
gefällig ausgeführten  Manöver  umgangen  werden  darf. 
Dieselbe  Willkür  waltet  auch  in  Bezug  auf  die  Masse 
und  Holzstärken.  Alles  in  allem  liebte  Pankok  von 
jeher  das  Behäbige,  das  bei  ihm  leicht  in  das  Plumpe 
umschlug.  Aber  auch  darin  erkennt  er  keine  Kon- 
sequenz an.  Er  wählt  Hölzer  von  übertriebener  Stärke 
und  bildet  sie  zu  knolligen  Formen  aus,  und  dicht 
daneben  stellt  er  wieder  ganz  dünne  Stäbe,  die  in 
solcher  Nachbarschaft  doppelt  zerbrechlich  erscheinen. 
Ein  kleines  Ziertischchen  ruht  auf  ungeschlachtem 
Gestell  und  ein  grösserer  Eckttsch  im  selben  Raum, 
der  doch  bestimmt  ist,  schwerere  Lasten  zu  tragen, 
auf  einem  unregelmässig  gestellten  Gittersystem  leichter 
Stützen.  Nicht  der  feste  Plan,  der  augenblickliche 
Einfall  scheint  zu  regieren.  Dasselbe  gilt  auch  sonst 
von  den  mehrfach  wiederkehrenden  Möbelteilen,  welche 
demselben  Zwecke  dienen.  Da  finden  sich  an  den 
Armlehnen  der  Stühle  Formen,  ungefähr  wie  Hände, 
welche  die  nach  oben  verlängerten  Stuhlbeine  um- 
fassen. An  der  dazu  gehörigen  Bank  ist  an  derselben 
Stelle  ein  ganz  anderes,  wulstig  faltiges  Gebilde  an- 
gebracht, welches  ohne  sichtbare  Trennung  aus  der 
wagerechten  zur  senkrechten  Richtung  überleitet  Auch 
die  Bekrönungen  und  die  unteren  Endungen  der 
Möbel  zeigen  keine  Übereinstimmung.  Jeder  Fuss 
ist  für  sich  entworfen,  das  Bett  ruht  z.  B.  auf  Delphin- 
köpfen, der  Waschtisch  hat  an  der  Vorderseite  ge- 
schwungene nach  unten  spitz  zulaufende  Füsse,  und 
selbst  die  beiden  Schränke  haben  ganz  verschiedene 
Untersätze. 

Was  die  Farbenzusammenstellung  betrifft,  so  ist 
die  Harmonie  von  schwarz  poliertem  Birnbaumholz 
mit  der  hellen  ungarischen  Esche  an  den  vorderen 
und  Mahagoni  an  den  seitlichen  Flächen  der  Möbel 
mit  lachsfarbigem  Atlas  eine  sehr  glückliche.  Über- 
haupt sind  Einzelheiten  in  diesem  Zimmer  durchaus 
erfreulich.  Die  Form  der  Bettstelle  ist  zwar  schwer, 
aber  verhältnismässig  einfach  und  imponierend,  und 
es  ist  verdienstlich,  an  so  viel  betretener  Stelle  ein 
Beispiel  einer  Fensterumfassung  in  Holz  zu  geben, 
welche  eine  Gardine  nicht  nur  entbehrlich,  sondern 
sogar  unmöglich  macht.  Will  doch  die  moderne 
Hygiene  aus  dem  Schlafzimmer  alle  irgend  entbehr- 
lichen Stoffe  verbannen.  Gegen  den  Einblick  in  den 
Raum  von  aussen  schützt  undurchsichtiges  Glas  und 
für  den  in  hellen  Sommernächten  notwendigen  Aus- 
schluss des  Lichtes  mögen  aussen  angebrachte  Jalousien 
sorgen.  Schliesslich  dürfte  man  aber  erwarten,  dass 
in  einem  Raum,  den  der  Künstler  sich  in  den  Ab- 
messungen nach  freiem  Gutdünken  herrichten  lassen 
durfte,  der  so  wichtigen  Stellung  des  Bettes  grössere 
Aufmerksamkeit  geschenkt  wurde.  Dieses  sollte  nie- 
mals so  gerichtet  sein,  dass  der  Erwachende  direkt 
in  das  morgens  auch  durch  die  herabgelassene  Jalousie 
dringende  Licht  sehen  muss,  was  für  die  Augen  und 


Kopfnerven  gleich  schädlich  ist.  Es  ist  schon  genug, 
dass  in  fast  jedem  Hotelzimmer  gegen  diese  Regel 
Verstössen  wird,  wo  man  die  höhere  Kopfwand  des 
Bettes  am  häufigsten  in  die  dem  Licht  gegenüber 
liegende  Zimmerecke  rückt.  Es  bietet  entschieden 
eine  Schwierigkeit,  diese  Aufgabe  befriedigend  zu 
lösen,  aber  dies  ist  auch  eine  von  den  praktischen 
Forderungen,  welche  massgebend  auf  die  Anordnung 
des  Wohnraumes  einwirken  sollten.  Wenn  Zimmer- 
einrichtungen in  so  anspruchsvoller  Weise  vorgeführt 
werden,  so  sollten  sie  auch  in  jeder  Weise  vorbild- 
lich sein. 

Übrigens  ist  es  keineswegs  Pankok  allein,  der 
jene  Willkür  in  der  Formgebung  beliebt,  von  der 
vorhin  die  Rede  war.  Auch  andere,  die  mit  weniger 
Phantasie  —  was  vielleicht  nicht  unbedingt  ein  Schaden 
ist  -  aber  mit  ebensoviel  freudigem  Willen  mehr 
solide  Gebrauchsmöbel  schaffen,  verfallen  hie  und  da 
demselben  Fehler.  Man  kann  nicht  erwarten,  dass 
eine    Einrichtung    Stil    habe,    wenn    die    sonst    ganz 


Schrank,  in  Eiche  braun  gebeizt  niil  Eisenbeschlägen.     Entworfen  von] 
K.  GROSS,  ausgeführt  von  UDLUFT  und  HARTJMANN,  Dresden, 


DIE  ZIMMERAUSSTATTUNG  AUF  DEN  AUSSTELLUNGEN  IM  SOMMER  1899 


29 


Hocker  (Birnbaumholz),  entworfen  von  H.  SCHLICHT,  Dresden, 
ausgeführt  von  den  Dresdner  Werkstätten  für  Handwerkskunst, 

bürgerlich  solid  gestalteten  Möbel  im  selben  Zimmer 
bald  steife  und  dann  wieder  nach  auswärts  und  end- 
lich an  dritter  Stelle  einwärts  geschwungene  Beine 
haben.  In  demselben  Zimmer  -  es  war  von  Bruno 
Paul  fand   sich   an   dem   Büffet    noch    eine  Son- 

derbarkeit. Der  untere  Kasten  des  Mahagonimöbels 
wuchs  aus  einer  Art  Verbrämung  von  grauem  Eichen- 
holz hervor.  Um  nun  oben  eine  Übereinstimmung 
damit  zu  erzielen,  waren  die  Säulen,  die  den  Aufsatz 
trugen,  in  unregelmässig  abgerundete,  vorn  breiter  als 
hinten  gestaltete  Untersätze  hineingestellt,  in  denen  sie 
steckten,  wie  in  Filzschuhen,  als  sollte  dadurch  die 
Politur  der  Standfläche  geschont  werden.  Solch 
Zusammenstellen  der  regelmässigen  und  willkürlich 
wie  zufallsmässig  gebildeter  Formen  macht  natürlich 
einen  unruhigen  Eindruck. 

Auch  von  der  Bevorzugung  glatter  Flächen  am 
Möbel  hatten  wir  uns  Vorteile  versprochen.  Die 
Oesamtwirkung  sollte  einfacher  werden  und  die  hier 
ersparten  Kosten  einerseits  einer  gediegeneren  Arbeit  zu 
gute  kommen,  und  andererseits  die  weitere  Verbreitung 
geschmackvoller  Möbel  erleichtern.  Aber  nun  scheint 
man  auch  der  glatten  Fläche  schon  wieder  überdrüssig 
zu  sein.  Sollten  etwa  die  Schwierigkeiten  abgeschreckt 
haben?  In  der  That  verlangt  es  ein  sicheres  Form- 
gefühl und  mehr  Erfindungsvermögen,  um  mit  der 
einfach  ungeschmückten  Fläche  gefällig  zu  wirken, 
als  wenn  durch  irgend  eine  Verzierung  die  Aufmerk- 
samkeit von  der  Hauptsache  abgelenkt  wird.  So  sah 
man  sich  nach  Bundesgenossen  um:  zuerst  kam  das 
Xylektypon,  mit  seiner  Musterung  ohne  Muster,  der 
durch  Sandstrahlgebläse  aus  der  weichen  Holzmasse 
herausgeschälten  Maser,  und  wurde  reichlich  für  Fül- 
lungen verwendet.    Auch  das  war  noch  nicht  genug. 


Das  neue  Material  wurde  durch  Schablonenauflage 
stellenweise  gegen  die  Einwirkung  des  Sandstrahls  ge- 
schützt und  so  entstanden  glatte  Ornamente  auf  rauhem 
Grunde,  welche  die  vorhin  noch  ziemlich  bescheidene 
Flächenverzierung  etwas  unruhig  machten.  Auch  die 
schönfarbigen  und  gemaserten  Holzarten  genügen  jede 
für  sich  allein  nicht  mehr,  es  müssen  mehrere  zu- 
sammengestellt werden.  Endlich  stellen  die  Metall- 
beschläge sich  ein,  kleine  Kunstwerke  an  sich,  in 
reicher  Abwechslung  über  den  ganzen  Schrank  ver- 
teilt, womöglich  an  jedem  Schub  eine  andere  Form. 
Ist  die  Schlüssellochumfassung  in  Messing  ausgeführt, 
so  erhält  die  andere  Seite  der  Thür  einen  Zinnbeschlag. 
Im  Münchener  Glaspalast  konnte  man  einen  Schrank 
sehen,  der  aus  drei  verschiedenen  Holzarten  bestand 
und  mit  zweifarbigen  Metallbeschlägen  und  überdies 
mit  Schnitzerei  verziert  war.  Ein  anderes  Modell 
zeigte  ausser  zweifarbigem  Naturholz  mit  dunklen 
Metallbeschlägen  in  drei  lebhaften  Farben  bemalte 
Schnitzerei.  Wo  ist  da  die  vielbelobte  Einfachheit 
geblieben? 

Selbst  ein  Künstler  wie  H.  E.  von  Berlepsch  wirkt 
mit  seinen  Möbeln  noch  immer  unruhig,  besonders 
durch  die  vielfache  Gliederung,  die  er  seinen  Schränken 
und  Büffets  zu  geben  liebt,  und  durch  reichliche 
Metall  zugaben,  wenn  man  ihm  auch  zugestehen  muss, 
dass  er  grade  durch  Verwendung  des  Xylektypon 
seinem  Stil  viel  von  der  Buntheit  genommen  hat,  die 
von  seinem  Schreibtisch  vor  zwei  Jahren  in  München 
her  noch  unvergessen  ist.  Damals  ertränkte  er  die 
Konstruktion  förmlich  durch  die  Überfülle  höchst 
geistreicher  Verzierungen,  von  denen  jede  einzelne 
dankbar  begrüsst  worden  wäre. 

Und  wie  die  Farbenstimmung  des  einzelnen  Möbels 
häufig  unruhig  ist,  so  zuweilen  auch  die  des  ganzen 
Raumes.  Allerdings  ist  im  allgemeinen  die  Forderung, 
dass  eine  einheitliche  Farbengebung  den  ganzen  Raum 
beherrschen  soll,  von  allen  Leitsätzen  der  neuen  Be- 
wegung am  wenigsten  Phrase  geblieben.  Und  doch 
kommen  auch  hier  Entgleisungen  vor.  Was  hilft  es, 
wenn  die  Farbenwahl  für  den  ganzen  Raum  auf  ganz 
bestimmte,  überall  wiederkehrende  Nuancen  beschränkt 
wird,  dass  auch  Decke  und  Fussboden  in  die  Einheit 
hineingezogen  werden,  wenn  diese  Farben  unter  sich  zu 
fremd  und  gegensätzlich  sind,  als  dass  sie  ruhig  zu- 
sainmen    klingen    könnten.     In    einem    Billardzimmer 


Fussbank  mit  Oarnknäuelbehälter  von  J.  V.  CISSARZ,  Dresden,  aus- 
geführt von  den  Dresdner  Werkstätten  für  Handwerkskunst. 


30  DIE  ZIMMERAUSSTATTUNO  AUF  DEN  AUSSTELLUNGEN  IM  SOMMER  189g 

dem  schweren  Möbel  den  Ein- 
druck der  Plumpheit  ersparen. 
Die  ganzen  Zimmereinrich- 
tungen, selbst  wo  man  ihnen 
eine  gewisse  Einheitlichkeit  nicht 
absprechen  kann,  wirken  noch 
selten  recht  befriedigend.  Die 
deutsche  Stube  von  Billing  in 
Dresden  ist  in  ihrem  etwas  ge- 
waltsamen Archaismus  ungefähr 
das  Muster  der_  Unbequemlich- 
keit. Max  Rose's  Treppenhaus 
stellt  eine  Verschmelzung  von 
Empire  und  Van  de  Velde  dar 
und  das  Speisezimmer  für  ein 
Landhaus  von  Martin  Dülfer 
schwelgt  allzusehr  in  vielen 
kleinen  Nischen,  Eckschränken 
und  Bordbrettern,  wirkt  auch 
in  der  Farbenstimmung  etwas 
frostig. 

Am      konsequentesten     auf 
einen    wirklichen    Stil     in    der 
Tischlerei  hingearbeitet  hat  aber 
bisher    Riemerschmid,    der   am 
häufigsten  vollständige  Zimmer- 
einrichtungen  zeigte  und   ohne 
sich  selbst  zu  wiederholen  stets 
der  Einfachheit  treu  blieb.     Er 
arbeitet  für  einen  soliden  Bürger- 
geschmack   und    macht   in  die- 
sem Sinne  fast  immer  den  Ein- 
druck der  Behaglichkeit.   Jeden- 
falls wirkt  er  lieber  einmal  nüch- 
tern, ehe  er  extravagant  würde 
und  das  Möbel  verrät  stets,  war- 
um es  grade  so  gewollt  wurde.  Riemerschmid  liebt  die 
festen  Standflächen  am  Möbel  und   lässt  den  Aufbau 
nach  oben  gern  schlanker  werden.  So  vermeidet  er  die 
ewig   senkrechten  Linien,   die   an  schlichten  Oeräten, 
im  Raum  häufig  wiederholt,   ermüden  würden.     Aus 
dem   gleichen   Orunde    fügt    er    in    den   rechteckigen 
Holzrahmen   gern   eine  von  schwingender  Linie  um- 
schriebene Füllung  ein,   aber  auch  hierin  bescheiden 
Mass  haltend,  so  dass  das  Auge  die  Abweichung  nur 
eben  wohlthuend  empfindet  und  doch  die  Hauptrichtung, 
das     von  oben  nach  unten  <    als  massgebend  bestehen 
bleibt.    So  weiss  er  auch  an  einem  vielthürigen  Olas- 
schrank  durch  einen  in  der  Diagonalrichtung  über  die 
Scheibe  gelegten  Holzstreifen   eine  willkommene  Ab- 
wechslung in   die   Linienführung  zu   bringen.     Auch 
seine  Farbenzusammenstellungen  sind  stets  bescheider. 
Er  kommt  mit  wenigen  Nuancen  Blau-  oder  Grüngrau 
für  die  Wände  und  Stoffe  aus,   und  er  belebt  sie  je 
nach   der  Bestimmung  des  Zimmers  durch  die  Wahl 
der  Holzfarbe,  oder  er  dämpft  den  Eindruck,  wie  dies- 
mal für  ein  Musikzimmer,  dadurch,  dass  er  auch  als 
Holz  etwas  Stumpfes,  nämlich  gebeizte  graue  Wasser- 
eiche wählt.    In  dieser  Farbenstellung,  die  auch  inner- 
halb enger  Grenzen  nicht  monoton  wird,  erkennt  man 
den  feinen  Koloristen,  der  sein  Auge  nicht  vergebens 


Beleuchtungskörper  in  Messing  von  BERNHARD  PANKOK-München  (Vereinigte  Werkstätten). 

(Oesetzl.  geschützt.) 


im 'Münchener  Glaspalast  sah  man:  Blau,  Grün,  Rot, 
Gold  und  Weiss,  alle  Farben  in  ungebrochener  Stärke 
auf  grossen  Flächen  ausgebreitet.  Der  Eindruck  war 
entschieden  bunt  und  hart.  Dazu  waren  noch  nicht 
einmal  überall  die  Stoffe  von  derselben  Farbe  und 
Oewebeart.  Ein  Vorhang  grün,  einer  rot  —  wo  soll 
da  eine  gesammelte  Stimmung  herkommen? 

Es  giebt  aber  auch  eine  schlichtere,  besonnenere 
Richtung  in  der  neuen  Tischlerei.  Da  sind  z.  B.  einzelne 
Geräte  von  Michael  in  München,  oder  von  Gross, 
der  sich  bisher  vorwiegend  durch  seine  Zinnarbeiten 
bekannt  gemacht  hatte,  welche  auf  alle  Spitzfindigkeiten 
verzichten  und  doch  neu  und  gefällig  wirken.  Be- 
sonders die  Schränke  von  Michael,  die  ganz  in  Maha- 
goni ausgeführt  waren,  zeigten  eine  sehr  glückliche 
Verwendung  stilisierter  Naturform.  Der  wachsende 
Stamm,  zur  Stütze  umgebildet,  wurde  zum  Träger  der 
vorspringenden  oberen  Schubfächer,  auf  denen  er  sein 
Geäst  als  Flachschnitzerei  ausbreitete,  die  sich  ganz 
organisch  der  streng  regelmässigen  Form  des  Möbels 
anschmiegte.  Hierher  gehört  auch  der  schon  bekannte 
Lesetisch  von  Schnitze -Naumburg,  der  so  unaffektiert 
eine  neue  Form  aus  dem  praktischen  Zweck  ableitet 
durch  Schrägstellen  der  Füsse,  die  so  der  grossen 
Tischplatte   eine   gesicherte  Standfläche   bereiten   und 


DIE  ZIMMERAUSSTATTUNO  AUF  DEN  AUSSTELLUNGEN  IM  SOMMER  iSgg 


31 


lagdzimmer,  entworfen  von  H.  E.  v.  BERLEPSCH-VALENDAS,  München. 


an  verdienstvollen  Natiirstudien  schulte.  —  Nur  mit 
einer  Einrichtung  eben  jenes  Musikzimmers  konnte 
man  sich  nicht  befreunden  und  das  war  die  An- 
bringung des  elektrischen  Lichtes,  ist  auch  Riemer- 
schmid  die  Phrase  einmal  über  den  Kopf  gewachsen? 
Er  wollte  die  Anlage  aus  dem  Material  und  aus  den 
technischen  Bedingungen  heraus  entwickeln,  so  will 
es  ja  auch  einer  der  populär  gemachten  Leitsätze.  Um 
nun  seine  Leitungsdrähte  recht  offensichtlich  zur  Gel- 


tung zu  brin- 
gen, spannt  er 
in  weitem  Kreis 
einen  dünnen 
Stab  in  einiger 

Entfernung 
von  der  Decke. 
Hierüber  legen 
sich  vom  Mit- 
telpunktaus die 
Drähte,  jeder 
für  sich  und  je 
zwei  hängen 
zu  der  kleinen 
Glocke    herab, 

welche  die 
Olühdrähte  mit 
ihrer  Glasum- 
kleidung  be- 
herbergt. 
Wenn  ich  nicht 
irre,  waren   es 

24  solcher 
Glocken,  also 
48  Drähte,  die 
wie  ein  riesiges 
Spinngewebe 
über  dem  Zim- 
merschwebten. 
Müssen  die  Lei- 
tungen einmal 
gezeigt  wer- 
den, so  war  dies 
doch  jedenfalls 
ein  Ubermass. 
Ich  für  meine 
Person  gestehe, 
dass  ich  dies 
Sichtbarwer- 
den der  Strom- 
zuführung ent- 
behrlich finde. 
Möge  das  Licht 
da  sein  wie  das 

Tageslicht, 
nach       dessen 
Herkunft     wir 
auch  nicht  fra- 
gen,  und  also 

ist  mir  die 
Lichtquelle  un- 
mittelbaran  der 
Zimmerdecke  die  liebste.  Eine  sehr  glückliche  An- 
ordnung hatte  Gross  dafür  gefunden,  der  die  Glas- 
glocken unmittelbar  in  die  Stuckornamente  einer  Decke 
eingefügt  hatte.  Jedenfalls  ist  es  für  das  elektrische 
Licht  und  seine  Entstehungsursache  am  charakteris- 
tischsten, wenn  von  seiner  Anbringung  so  wenig 
Aufhebens  gemacht  wird  wie  möglich,  da  man  die 
eigentliche  Kraftquelle,  die  stromerzeugenden  Anlagen, 
doch  nicht  zeigen  kann.    Dies  Licht  verbraucht  keinen 


32 


DIE  ZIMMERAUSSTATTUNO  AUF  DEN  AUSSTELLUNGEN  IM  SOMMER  1899 


Stoff,  darf  also 
auch  nicht  mit 
einem  grossen 

Materialauf- 
wand prunken. 
Jedenfalls  kann 
es  der  Kronen 
entbehren,  an 
denen  es  oft 
noch  gewohn- 
heitsmässig  an- 
geordnet wird, 
und  ganz  be- 
sonders sollte 
es  durch  Ab- 
wärtswenden 
seine  vorneh- 
mere Natur  ge- 
genüber der 
stoffverzehren- 
den Flamme 
deutlich  ma- 
chen, welche 
an  eine  be- 
stimmte Rich- 
tung gebunden 
ist.  Bei  der 
Wichtigkeit  der 
Beleuchtungs- 
anlagen fürden 
ganzen  Raum 
ist  es  sehr  dien- 
lich, wenn  gra- 
de sie  recht  an- 
schaulich vor- 
geführt wer- 
den, freilich 
wäre  dann  noch 
zu  wünschen, 
dass  die  Be- 
leuchtung 
selbst  praktisch 
gezeigt  würde, 
damit  sich  die 
Wirkung  auf 
den  Raum  prü- 
fen Hesse.    Das 

war  freilich 
weder  in  Mün- 
chen noch  in 
Dresden  der 
Fall,  weil  die 
Ausstellungen 

vor  Dunkelwerden  schlössen.  —  Wenn  ich  nun  zu 
der  Zusammenfassung  dessen  komme,  was  aus  obigen 
Betrachtungen  für  die  Beantwortung  der  eingangs  auf- 
gestellten Fragen  folgt,  so  ergiebt  sich,  dass  die  Aus- 
stellungen nur  dann  ihre  Aufgabe  für  die  Ent- 
wicklung des  Kunstgewerbes  voll  erfüllen  könnten, 
wenn  sie  vorsichtiger  in  der  Auswahl  dessen  wären, 
was  sie  zulassen.    Jeder  noch  so  gut  gemeinte  Dilet- 


Jagdzimmer,  entworfen  von  H.  E.  v.  BERLEPSCH-VALENDAS,  München. 


tantismus  wäre  völlig  auszuschliessen.  Die  Vorführ- 
ungen an  diesen  Stellen  müssten  ein  Mustergültiges 
bieten,  das  auch  dem  simplen  Handwerk  Ziele  auf- 
stellte, nach  denen  es  streben  könnte.  Der  Muster- 
schutz, der  all  diesen  Arbeiten  zur  Seite  steht,  soll 
sie  doch  nur  vor  dem  direkten  Kopieren  schützen. 
Er  kann  und  soll  doch  nicht  mit  einem  Zaun  umbauen, 
was  etwa  an  allgemeinen  Prinzipien  dabei  gewonnen 


DIE  ZIMMERAUSSTATTUNO  AUF  DEN  AUSSTELLUNGEN  IM  SOMMER   1899 


33 


wird.  So  oder  so,  diese  Möbel  werden  nachgeahmt 
werden,  so  gut  die  alten  Stile  oder  die  englischen 
Möbel  nachgeahmt  wurden  und  so  gut  z.  B.  Van  de 
Velde's  Kunst  in  ihnen  selbst  Einfluss  geübt  hat.  Am 
leichtesten  nachgeahmt  wird  aber  nicht  das  Beste,  son- 
dern grade  das  Dilettantische  oder  das,  was  charakte- 
ristisch bis  zur  Übertreibung  ist. 

Ferner  musste  die  Vorführung  eine  mustergültige 
werden.  Bei  einem  Durcheinandermengen  verschieden- 
artigster Ausstellungsobjekte  wie  es  z.  T.  in  Berlin  und 
im  Münchener  Olaspalast  beliebt  wurde,  könnte  selbst 
dann    kein    voller  Nutzen    erzielt  werden,    wenn  nur 


auf  den  Ausstellungen  immer  neue,  noch  nicht  da- 
gewesene Musterstücke  erscheinen,  aber  was  hilft  es, 
wenn  sie  nur  deshalb  noch  nie  da  waren,  weil  sie 
dem  Vernünftigen  und  Praktischen  entgegenstreben. 
Wo  immer  sich  ein  Stil  bilden  will,  da  kann  er  nur 
in  langsamer,  folgerechter  Entwicklung  aus  unkompli- 
zierten Anfängen  hervorwachsen.  Alle  jungen  Stile, 
so  lange  sie  noch  entwicklungsfähig  waren,  zeichneten 
sich  durch  Einfachheit  aus.  Das  heisst  so  viel  als: 
so  lange  ein  kräftig  lebensfähiges  Prinzip  sich  erst 
gegen  Altes  durchsetzen  will,  so  lange  eben  dies 
Prinzip    an    sich    noch   mit  Freude  empfunden  wird, 


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Entwurf  zu  einer  Tauf- Plakette  von  Bildhauer  C.  QOMANSKY,  Berlin.     Hl.  Preis.') 


Outes  geboten  würde.  Das  Anordnen  einheitlicher 
Räume  wird  stets  am  erspriesslichsten  sein.  Dresden 
und  die  Sezessionsausstellung  in  München  hatten 
diesen  Weg  beschritten,  es  bliebe  nur  noch  mit 
grösserer  Konsequenz  vorzugehen.  Hie  und  da  fand 
sich  doch  noch  ein  fremdes  Stück,  das  willkürlich  in 
eine  Einheit  hineingestellt  war. 

Was  nun  die  Frage  nach  den  Fortschritten  betrifft, 
die  etwa  gemacht  worden  sind,  so  liegt  ihre  Beant- 
wortung bereits  in  obigen  Ausführungen.  Die  Oefahr 
scheint  nahe  liegend,  dass  trotz  aller  schönen  Reden 
die  Bewegung  sich  in  viele  kleine  Willkürlichkeiten 
zersplittern  könnte.    Es  mag  sehr  anregend  sein,  wenn 


1)  Vgl.  Kunstgewerbeblatt,  N.  F.  X.,  S.  196. 


so  lange  kommt  es  mit  geringem  Schmuck-  und  Bei- 
werk aus.  Ist  dies  Prinzip  erst  gefestigt  und  siegreich 
geworden,  dann  greift  es  nach  dem  Zierat,  gleichsam 
den  Siegeskränzen,  mit  denen  es  seinen  Triumph 
feiert.  Was  sollen  aber  die  Trophäen,  ehe  noch  ein 
Sieg  errungen  wurde?  Soldaten,  die  vor  der  Schlacht 
frohlockten,  kehrten  oftmals  als  Besiegte  von  der 
Walstatt  zurück.  Haben  wir  denn  schon  einen 
Stil,  d.  h.  ein  Oemeinsames,  an  dem  künftige  Zeiten 
die  Werke  unserer  Epoche  von  früheren  und  späteren 
unterscheiden  werden?  Wer  heute  im  Kunstgewerbe 
viel  Kraft  an  die  Einzelheit  wendet,  der  bringt  auf 
den  Oedanken,  dass  die  treibende  Idee  für  das  Oanze 
nicht  eben  stark  in  ihm  nach  Ausdruck  verlangt. 

A.  L.  PLEHN. 


Kunstgewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  2. 


Entwurf  zu  einer  Tauf-Plakette  von  Bildhauer  RUDOLF  BOSSELT,  Darrastadt.     I.  Preis.i) 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


VEREINE 

STUTTGART.  Der  neunte  Delegiertentag  des  Ver- 
bandes deutscher  Kunstgewerbevereine  fand  am 
25.  September,  vormittags  10  Uhr  im  Sitzungs- 
saale des  Königl.  Landesgewerbe-Museums  in  Stuttgart 
statt,  nachdem  sich  bereits  am  Abend  vorher  eine 
grosse  Anzahl  Delegierter  im  Hotel  Viktoria  zu  zwang- 
losem Zusammensein  vereinigt  hatten.  Die  Tages- 
ordnung lautete:  1)  Wahl  des  Bureaus  und  Festsetzung 
der  Präsenz  und  des  Stimmenverhältnisses.  2)  Geschäfts- 
und Kassenbericht  des  Vorortes.  3)  Voranschlag  für  die 
Geschäftsperiode  1899  bis  1901.  4)  Festsetzung  der 
Vereinsbeiträge  für  1899  und  1900.  5)  Anträge  des 
Oldenburgischen  Kunstgewerbevereins,  betreffend  aus- 
giebigere gegenseitige  Unterstützung  der  deutschen 
Kunstgewerbevereine  in  ihren  Bestrebungen  für  die 
Hebung  des  Kunstgewerbes  und  zwar  I.  Über  gegen- 
seitige Herleihung  von  Sammlungsgegenständen  zur 
Benutzung  bei  Fachausstellungen;  II.  Über  Austausch 
von  Dubletten  aus  den  Muster-  und  Vorbildersamm- 
lungen; III.  Über  ein  engeres  Zusammengehen  der 
deutschen  Kunstgewerbevereine  bei  Preisausschreibun- 
gen; IV.  Jährliche  gegenseitige  Mitteilungen  über  Ziele 
und  Resultate  des  in  den  Vereinen  erteilten  kunst- 
gewerblichen Unterrichts;  V.  Gegenseitige  Mitteilung 
über  staatliche  und  sonstige  Subventionen  der  ein- 
zelnen Vereine,  sowie  über  die  Dotierung  der  Be- 
amten derselben.  Letzter  Punkt  der  Tagesordnung: 
Neuwahl  des  Vorortes.     Zur  Sitzung  waren  27  Ver- 


1)  Vergl.  Kunstgewerbeblatt,  N.  F.  X.,  S.  196. 


treter  erschienen.  Nach  Eröffnung  der  Sitzung  und 
Begrüssung  der  Delegierten  gedachte  Bruckmann-Stutt- 
gart  des  vor  kurzem  verstorbenen  Fabrikanten  Stotz, 
der  sich  mit  warmer  Begeisterung  stets  den  Arbeiten 
des  Verbandes  und  der  Förderung  des  Kunstgewerbes 
gewidmet  hatte,  und  ersuchte  die  Versammlung  sich  zur 
Ehrung  des  Verstorbenen  von  den  Sitzen  zu  erheben. 
Die  Festsetzung  der  Präsenz  und  des  Stimmenverhält- 
nisses ergab  die  Vertretung  von  17  Vereinen  mit  36 
Stimmen,  von  24  dem  Verband  angehörenden  Vereinen 
mit  43  Stimmen.  Als  Vorsitzende  wurden  gewählt :  Pro- 
fessor Stier- Stuttgart  und  Direktor  Dr.  Brinckmann- 
Hamburg  und  als  Schriftführer  Direktor  Dr.  Graul- 
Leipzig  und  Maler  Flemming-Berlin.  Professor  Stier- 
Stuttgart  verlas  hierauf  den  Geschäftsbericht  des  Würt- 
tembergischen Kunstgewerbevereins  als  Vorort  des 
Verbandes,  sowie  den  Kassenbericht  der  mit  einem 
Kassenbestand  von  Mark  1009.10  abschliesst.  Als 
Revisoren  wurden  gewählt  die  Herren  Gesell -Pforz- 
heim und  Merk-München.  Der  Voranschlag  für  die  Ver- 
waltungsperiode 1899  —  iQOi  wurde  genehmigt,  wo- 
nach die  Beitrageinheiten  in  derselben  Höhe  wie  bis- 
her beibehalten  wurden.  Von  den  Oldenburger  An- 
trägen (Referent  Holtzinger-Oldenburg)  wurde  Punkt  I, 
Herleihung  von  Gegenständen  aus  den  Sammlungen 
dahin  erledigt,  dass  von  selten  des  Vorortes  an  alle 
Verbandsvereine  das  schriftliche  Ersuchen  gerichtet 
werde,  vorkommenden  Falles  derartigen  Aufforderungen 
Folge  zu  geben,  soweit  die  Vereine  überhaupt  im 
Besitz  von  Sammlungen  sind,  was  bei  der  Mehrzahl 
derselben  nicht  der  Fall  ist.  Bezüglich  des  Punktes  II, 
Austausch  von  Dubletten  betreffend,  glaubt  der  Dele- 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


35 


Entwurf  zu  einer  Tauf-Plakette  von  Bildhauer  GEORGES  MURIN,  Berlin.     Il.^Preis.,') 


giertentag  einen  Beschluss  nicht  fassen  zu  können  und 
überlässt  es  den  Einzelvereinen  in  direkten  Verkehr 
untereinander  zu  treten.  Nach  Verlesung  der  Referate 
über  die  Punkte  III,  IV  und  V  der  Oldenburgischen  An- 
träge, sowie  längerer  Debatte  über  diese,  zieht  Oldenburg 
den  Antrag  IV  zurück,  da  von  den  Vereinen  keine 
Unterrichtskurse  mehr  unterhalten  werden,  da  dieselben 
von  den  betr.  Regierungen  übernommen  worden  sind. 
Ebenso  soll  es  den  einzelnen  Vereinen  überlassen  bleiben, 
sich  über  die  in  Antrag  V  enthaltenen  Punkte,  Sub- 
ventionen und  Dotierungen  u.  s.  w.  im  direkten  Verkehr 
zu  informieren,  da  es  nicht  für  angängig  erachtet 
wird,  derartige  interne  Angelegenheiten  der  Einzel- 
vereine der  Öffentlichkeit  zu  übergeben.  Bei  Be- 
sprechung des  Punktes  III,  an  den  sich  eine  längere 
Debatte  schliesst,  wurde  der  Wunsch  geäussert,  der 
Verband  möge  in  seinen  einzelnen  Vereinen  den  jetzt 
öfters  sich  breit  machenden  Missständen  bei  Wett- 
bewerben entgegentreten  und  auf  deren  Einschränkung 
auf  ein  vernünftiges  Mass  hinwirken.  Es  wurde  der  An- 
trag gestellt,  dass  von  selten  des  Verbandes  die  er- 
schienenen Ausschreibungen  den  Mitgliedern  bekannt 
gegeben  werden  möchten.  Da  dies  bei  den  geringen 
für  Publikationen  zur  Verfügung  stehenden  Mitteln 
nicht  ausführbar  ist,  wird  beschlossen  auch  diesen 
Wunsch  in  dem  den  Verbandsvereinen  vom  Vorort 
zuzusendenden  Zirkular  zu  berücksichtigen.  Die  Re- 
daktion dieses  Schreibens  wird  dem  nächsten  Vorort 
überwiesen.  Angeregt  durch  eine  Anfrage  Hoffacker's 
an  den  Vorort  entwickelte  sich  eine  lebhafte  Aus- 
sprache über  den  Stand  der  Pariser  Ausstellungsarbeiten, 
wobei  aufrichtig  bedauert  wurde,  dass  der  Verband 
in  Folge  der  Beschlüsse  des  früheren  Delegiertentages 
sich  nicht  an  den  Arbeiten  beteiligte.  Von  verschie- 
denen Seiten  wurden  einige  Punkte  genannt,  z.  B.  die 
Frage  der  geschäftlichen  Vertretung  der  Aussteller,  der 
Reinhaltung  der  Gegenstände  u.  s.  w.,  des  Transportes, 
die  noch  nicht  gelöst  sein  dürften,  und  zur  weiteren 


Behandlung  s.  Z.  dem  jetzigen  Vororte  überwiesen 
waren.  Von  Stöffler- Pforzheim  wurde  der  An- 
trag gestellt,  der  Delegiertentag  möge  an  den  Reichs- 
kommissar den  Wunsch  richten,  dass  bei  Ankäufen 
für  die  Ausstellungslotterie  in  Paris  die  Erzeugnisse 
des  deutschen  Kunstgewerbes  Berücksichtigung  finden 
möchten,  was  bei  früheren  Gelegenheiten  nicht  ge- 
schehen sei.  Da  die  Befürchtung  vorliegt,  dass  mit 
schriftlichen  Eingaben  bei  der  Kürze  der  Zeit  nicht  viel 
zu  erreichen  sei,  so  wurde  beschlossen,  eine  Deputation, 
bestehend  aus  zwei  Herren  des  Vorortes  Stuttgart,  ferner 
v.  Thiersch-München,  Götz-Karlsruhe  und  Haupt-Han- 
nover binnen  kürzester  Frist  an  den  Reichskommissar  zu 
entsenden,  um  über  obige  Punkte  Rücksprache  zu  neh- 
men. Gesell-Pforzheim  regt  an,  für  Paris  eine  Art  kunst- 
gewerblichen Führer  herauszugeben,  sowie  in  Paris 
einen  Vereinigungspunkt  für  deutsche  Kunstgewerbe- 
treibende zu  schaffen.  Auch  diese  Anregung  wird 
der  Kommission  überwiesen.  Inzwischen  hatten  die 
Revisoren  die  Rechnungslegung  geprüft  und  richtig 
befunden,  so  dass  dem  Vorort  Decharge  erteilt  werden 
konnte.  Als  Vorort  für  die  nächste  Geschäftsperiode 
wurde  Hamburg  gewählt,  welche  Wahl  vom  dortigen 
Kunstgewerbeverein  angenommen  wurde.  Auf  Vor- 
schlag Stuttgarts  wurde  an  Geh.  Hofrat  Prof.  C.  Graff- 
Dresden  zu  seinem  25jährigen  Direktorjubiläum  eine 
Glückwunschdepesche  abgeschickt. 

Nach  Erledigung  der  geschäftlichen  Angelegen- 
heiten vereinigte  ein  vom  Vorort  Stuttgart  gegebenes, 
durch  viele  Reden  gewürztes  Festessen  die  Delegierten 
in  den  Räumen  des  Hotel  Viktoria.  Am  Dienstag 
unternahm  der  grösste  Teil  der  Delegierten  einen  vom 
Wetter  allerdings  wenig  begünstigten  Ausflug  nach 
Tübingen  und  Bebenhausen  unter  liebenswürdiger 
Führung  der  Stuttgarter  Herren,  von  denen  sich  be- 
sonders Herr  Professor  Stier  in  dankenswerter  Weise 
aufgeopfert  hatte.  E.  FL. 


1)  Vergl.  Kunstgewerbeblatt,  N.  F.  X.,  S.  196. 


5* 


36 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


MUSEEN 

LEIPZIG.  Unter  Teilnahme  eines  grösseren  Kreises 
von  Geladenen  wurde  am  25.  v.  Mts.  1 1  Uhr 
das  25jährige  Jubiläum  des  Kunstgewerbe-Mu- 
seums durch  einen  Festaktus  im  Vortragssaale  des 
Grassi-Museums  in  würdiger  und  weihevoller  Weise 
begangen.  Von  den  einstigen  Gründern  des  Museums 
und  den  ersten  Mitgliedern  des  geschäftsführenden 
Ausschusses  wohnten  die  Herren  Handelskammer- 
Sekretär  Dr.  Gensei,  Oberbürgermeister  Justizrat  Dr. 
Tröndlin  der  Feier  bei,  mit  ihnen  weiter  zahlreiche 
Vertreter  von  Kunst,  Wissenschaft  und  Kunstgewerbe. 
Nach  dem  Gesang  des  Thomanerchors  Lobe  den 
Herren,  den  mächtigen  König  der  Ehren«  hielt  Herr 
Dr.  Julius  Gensei,  der  erste  Vorsitzende  des  geschäfts- 
führenden Ausschusses,  dig  Festansprache,  mit  dem 
Rückblick  auf  die  Thätigkeit  des  Kunstgewerbe-Museums 
im  abgelaufenen  Vierteljahrhundert  einen  freudigen 
Ausblick  auf  die  kommenden  Aufgaben  und  Ziele 
desselben  verbindend.  Hieran  schloss  sich  eine  kurze 
Rede  des  Herrn  Direktors  Dr.  Graul,  deren  Inhalt  der 
Hinweis  auf  die  von  dem  Kunstgewerbe- Museum 
weiter  einzuschlagenden  Wege  bildete.  Nach  einer 
Begrüssung  und  Beglückwünschung  durch  Herrn  Ober- 
bürgermeister Justizrat  Dr.  Tröndlin  verkündete  Herr 
Stadtrat  Baurat  Dr.  A.  Rossbach  im  Namen  des  Ver- 
eins Kunstgewerbe-Museum  die  Ernennung  des  ersten 
Vorsitzenden  Herrn  Dr.  Julius  Gensei  in  dankbarer 
Bekräftigung  seiner  Verdienste  um  das  Museum  zum 
Ehrenmitgliede  desselben  und  überreichte  ihm  zugleich 
eine  von  Felix  Pfeifer  kunstvoll  modellirte  Plakette. 
Vorher  hatte  Herr  Professor  Treu  -  Dresden ,  der  Di- 
rektor der  Antikensammlung,  dem  Museum  die  Grüsse 
und  Glückwünsche  dieses   Institutes  überbracht.     Mit 


einem  Dankeswort  des  Herrn  Dr.  Gensei  und  dem 
Gesang  des  Thomanerchors  schloss  die  weihevolle 
Feier.  Nach  dem  Festaktus  unternahmen  die  Erschie- 
nenen einen  Rundgang  durch  das  Museum,  um  bei 
dieser  Gelegenheit  auch  der  heute  eröffneten  Aus- 
stellung von  Werken  modernen  Kunstgewerbes  eine 
eingehende  Besichtigung  zu  widmen. 


WETTBEWERBE 

BERLIN.  Ergebnis  des  Wettbewerbs  um  Entwürfe 
zu  Plakaten  für  die  Firma  Jünger  &  Oebhardt. 
In  dem  Wettbewerb  um  das  Plakat  für  Veilchen- 
duft« erhielten  den  I.  Preis  (400  M.)  A.  Weisgerber 
in  München,  zwei  II.  Preise  (je  300  M.)  A.  Grote  in 
Hamburg  und  Meinhard  Jacoby  in  Grunewald  bei 
Berlin.  In  dem  Wettbewerb  um  das  Plakat  für  -  Lanolin- 
Creme-Erzeugnisset  erhielten  den  I.  Preis  (500  M.) 
Albert  Klinger  in  Charlottenburg,  den  II.  Preis  (300  M.) 
Hans  Looschen  in  Berlin.  Über  den  III.  Preis  war 
eine  Einstimmigkeit  nicht  zu  erzielen.  Durch  Zuschuss 
der  ausschreibenden  Firma  von  100  M.  wurden  drei 
dritte  Preise  zu  je  100  M.  gebildet  und  verteilt  an: 
Julius  Voss  in  Berlin,  Ludwig  Kuba  in  München  und 
K.  Tuch  in  Leipzig.  -u- 

BERICHTIGUNG 

Durch  ein  bedauerliches  Versehen  ist  im  Sep- 
temberheft des  X.  Jahrgangs  ein  Preisausschreiben  der 
Kurkonnnission  in  Baden  abgedruckt,  das  längst  ent- 
schieden ist  und  von  dem  wir  s.  Z.  N.  F.  IX,  Heft  1, 
Seite  14  schon  Notiz  genommen  hatten. 


Entwurf  zu  einer  Tauf-Plakette  von  Bildhauer  ADOLF  AMBERO  in  Cliarlottenburg.     U.  I'reis.    (Vgl.  Kunstgewerbeblatt,  N.  F.  X.,  S.  196.) 


Herausgeber  und  für  die  Redaktion  verantwortlich:  Professor  Karl  Hoffacker,  Architekt  in  Charlottenburg- Berlin. 

Druck  von  Ernst  Hedrich  Nachf.  in  Leipzig. 


r 


Mlf^^: 


stoffdruck  von  Oberkampf,  1770     17S0.  (Österreichisches  Museum.) 


DIE  ZEUGDRUCK -AUSSTELLUNG 
IM  ÖSTERREICHISCHEN  MUSEUM  FÜR  KUNST  UND 

INDUSTRIE  IN  WIEN 


Linzer  Zcugdrixk  von  1S22. 
(Fachodiule  für  Textil- Industrio  in  Wien.) 


DAS  österreichische  Museum  hat  es  sich,  seitdem 
mit  der  neuen  Leitung  neuer  Geist  in  seine 
Räume  eingezogen  ist,  zur  dankbaten  Aufgabe 
gemacht,  die  reichen,  bislang  in  weiteren  Kreisen 
wenig  bekannten  Bestände  seiner  wertvollen  Textil- 
sammlung  dem  Publikum  zu  erschliessen  und  die 
infolge  ihrer  Menge  in  toto  nicht  ausstellbaren  Schätze 
dieser  Kollektion,  jeweilig  bereichert  durch  besonders 
interessante  Stücke  aus  fremden  Sammlungen,  in  einer 
Reihe  von  Spezialausstellungen  vorzuführen. 

Dank  der  ausserordentlichen  wissenschaftlichen  und 
organisatorischen  Tüchtigkeit  des  Verwalters  der  Textil- 
sammlung  des  österreichischen  Museums,  Dr.  Dreger's 
-  er  ist  in  dieser  Stellung  der  Nachfolger  zweier 
Gelehrten  von  Weltruf,  Franz  Wickhoff s  und  Alois 
Riegl's  —  bieten  diese  Ausstellungen  nicht  nur  dem 
Kunstindustriellen  förderndste  Anregung,  sondern  auch 
dem  wissenschaftlichen  Fachmann  eine  wahre  Fund- 
grube von  Belehrung  und  dem  Publikum  künstlerische 
und  technische  Aufschlüsse  über  Zweige  des  Kunst- 
handwerks, mit  welchen  es,  wenigstens  in  Wien,  bisher 
so  gut  wie  gar  nicht  vertraut  war. 

So  beweisen  diese  kleinen  Spezialausstellungen  des 
österreichischen  Museums,  so  manche  gegensätzlichen 
Prophezeiungen  glücklich  entkräftend,  dass  es  einem 
Kunstgewerbemuseum  —  eine  zielbewusste  Leitung 
und  fleissige,  gründlich  geschulte  Beamte  voraus- 
gesetzt —  sehr  wohl  gelingen  könne,  neben  der  an- 
gelegentlichsten Pflege  des  modernen  Geistes  im 
Kunsthandwerk,  auch  die  kunsigcscliiclitliche  Bildung 
des  Publikums  rege  zu  fördern.  Dies  gilt  namentlich 
von  der  jüngsten,  vor  etlichen  Wochen  eröffneten 
Ausstellung  von  Zeugdrucken,   die  einerseits  in  ihren 

6' 


40 


DIE  ZEUODRUCK- AUSSTELLUNG  IM  OSTERREICHISCHEN  MUSEUM  IN  WIEN 


lavanischer  Batik  -  Sarong.    (Österreichisches  Museum.) 


prächtigen  modernen  Sammet-  und  Kattundrucken  vor- 
nehmlich englischer  und  französischer  Provenienz  dem 
Praktiker  und  unter  den  österreichischen  Indus- 
triellen bilden  die  Zeugdrucker  eine  bedeutsame 
Gruppe  —  die  gediegensten  Vorbilder  darbietet, 
andererseits .  dem  Publikum  zum  erstenmal  eine  kunst- 
industrielle Technik  in  ihrem  historischen  Entwicklungs- 
gange vorführt,  der,  trotz  ihres  so  ausgeprägten 
stilistischen  Eigenwertes,  in  den  Augen  der  breiteren 
Kreise,  ja  leider  selbst  in  der  Auffassung  mancher 
Fachleute  das  Odium  der  Surrogattechnik  anhaftet. 

Die  Geschichte  des  Zeugdrucks  bestätigt  freilich 
das  Naheliegen  dieses  Irrtums:  Jahrhundertelang  hatte 
sich  der  Zeugdruck  durch  die  Nachahmung  aller 
möglichen  textilen  Techniken  durchzukämpfen  gehabt, 
bis  er  seine  eigene  stilistische  Sprache  fand,  und  immer 
wieder  —  bis  in  unsere  Zeit  —  verfiel  er  gelegentlich 
in  sein  altes  Erbübel,  die  Imitationssucht!  Aber  auf 
der  anderen  Seite  lehrte  auch  die  historische  Ent- 
wicklung des  Zeugdrucks  in  ihren  Kulminationspunkten 


—  die  gute  moderne  Produktion  zählt  gottlob  dar- 
unter, —  zu  welcher  Höhe  stilistischer  Selbständigkeit 
der  Zeugdruck  sich  aufzuschwingen  vermag  und  sich 
aufschwingen  muss,  um  den  Ehrenplatz  einer  kunst- 
gewerblichen Technik  in  des  Wortes  höchstem  und 
engstem  Sinne  einzunehmen! 

Die  ältesten  Gegenstände  der  Zeugdruckausstellung 
des  österreichischen  Museums  —  Teile  von  hand- 
bemalten ägyptischen  Mumienumhüllungen  —  weisen 
auf  das  Dekorationsverfahren  zurück,  dem  der  Zeug- 
druck seinen  Ursprung  verdanken  dürfte.  Der  älteste 
Zeugdruck  der  Ausstellung  befindet  sich  auf  einem 
Teil  der  Kleidung  einer  von  Theodor  Graf  in  Akhmin- 
Panopolis  ausgegrabenen,  etwa  1500  Jahre  alten  Puppe: 
das  Muster  ist  in  schwarzblauer  Farbe  auf  ungefärbtem 
Grunde  in  einer  Art  von  Reservagedruck  hergestellt 
und  ahmt  in  seiner  Ornamentation  die  Wirkerei- 
ornamentik der  Spätantike  getreulich  nach.  Das  frühe 
Mittelalter  ist  durch  eine  Reihe  vornehmlich  byzan- 
tinischer und  italienischer  Zeugdrucke  vertreten:  haupt- 


DIE  ZEUGDRUCK -AUSSTELLUNO  IM  ÖSTERREICHISCHEN  MUSEUM  IN  WIEN 


41 


sächlich  sind  es  Nachahmungen  blauer,  gold-  und 
silberdurchwebter  lucchesischer  und  palermitanischer 
Seidenstoffe,  die  die  billige  Industrie  jener  Zeit  mittelst 
des  Modeldruckes  schlecht  und  recht  hervorbrachte; 
derartige  gedruckte  Surrogate  der  kostbaren  Oold- 
und  Silberstoffe  wurden  im  Mittelalter  >Siglat'  genannt 
und  spielten  namentlich,  wenn  es  galt,  nach  fernen, 
minder  kultivierten  Ländern  blendende  und  —  billige 
Geschenke  zu  senden,  eine  grosse  Rolle:  so  schickte 
Rudolf  von  Habsburg  dem  Sultan  El  Malik  el  Mansur, 
neben  anderen  Gaben,  fünf  Lasten  Siglat's  zum  Zeichen 
seiner  Freundschaft.  Die  spätmittelalterlichen  Zeug- 
drucke der  Ausstellung,  darunter  eine  wunderschöne 
Heiligendarstellung  in  architektonischer  Umrahmung 
und  prächtige,  der  Sammlung  Figdor  angehörende 
Reste  von  granatapfelgemusterten  Tiroler  Leinwand- 
tapeten, bestätigen  den  von  der  Forschung  nachge- 
wiesenen nahen  Anteil  unserer  Technik  an  der  Erfindung 
des  Buchdrucks. 

Die  Renaissance-Epoche  ist  durch  gepresste,  in 
Färbung  und  Ornamentierung  gleich  schöne  Sammete 
italienischer  Provenienz  die  Sammetpressung  steht 
ja  der  Technik  des  Zeugdrucks  ungemein  nahe  — 
und  vornehmlich  durch  eine  herrliche  Casel  des 
XVI.  Jahrhunderts  repräsentiert,  deren  Stoff,  in  schwarz 
auf  weiss  und  weiss  auf  schwarz  bedruckt,  die  denk- 
bar feinst  gezeichnete  Musterung  aufweist.  Der  Barock- 
zeit gehören  in  unserer  Ausstellung  ein  schwarz  in 
schwarz  bedrucktes,  der  Pestzeit  entstammendes  Kelch- 
tuch, ein  in  zwei  Nuancen  von  Braun  bedrucktes, 
an  Ledertapeten  erinnerndes  Stück  kurzgeschorenen 
Sammetes  und  eine  technisch  sehr  interessante  rotweiss- 
goldene  Tapete  an,  deren  grossliniges  Muster,  zum 
Teil  mit  aufgeklebtem  Wollstaube  bedeckt,  den  An- 
schein des  Sammetes  vortäuscht. 

Besonders  reich  vertreten  sind  die  orientalischen 
Zeugdrucke,  deren  starker  Import  im  XVIII.  Jahr- 
hundert auf  künstlerischem  und  zum  Teile  auch  auf 
technischem  Gebiet  den  europäischen  Zeugdruck  so 
entscheidend  beeinflusste:  die  interessante  Technik  des 
indischen  Batekdrucks  wird  durch  eine  Serie  von 
Mustern  in  ihren  verschiedenen  Phasen  aufs  anschau- 
lichste geschildert,  der  unerschöpfliche  Schatz  reizvoller 
Dekorationsmotive  in  zahllosen  Beispielen  indischer, 
persischer,  cyprischer,  chinesischer  und  japanischer 
Zeugdrucke  vorgeführt.  Herrliche  grossblumige  Wand- 
behänge rein  chinesischen  Charakters,  mit  originellen 
Chinoiserien  bedruckte  Kleiderstoffe,  japanisierende  und 
chinesisierende  Handbemalungen  von  Möbelbezügen 
bestätigen,  in  wie  grosse  Abhängigkeit  sich  die  euro- 
päische Gewebemusterung  des  XVIII.  Jahrhunderts 
zum  ostasiatischen  Geschmacke  stellte.  Aber  auch 
Proben  reizvoller  Rokokomusterung  von  Zeugdrucken, 
die  freilich  in  tadelnswerter  Weise  die  Technik  der 
broschierten  Seidenweberei  nachzuahmen  trachten,  bietet 
die  Ausstellung  in  Hülle  und  Fülle  und  dazu  noch 
eine  lange  Reihe  von  Originalmodeln  der  im  Jahre 
1736  gegründeten  Kattunfabrik  zu  Sassin  in  Ungarn. 

Die  Zeit  des  Aufgebens  des  Handmodeldrucks 
und  der  Einführung  des  modernen  Walzendrucks 
bezeichnet    in    der    Ausstellung    des    österreichischen 

Kunstgewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  3. 


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Dienerscliafts-Kleidiillg;  aus  der  Tlieatergarderobe  des  fürstl.  von  und  zu 
Liechtenstein'schen  Schlosses  Vi  Feldsberg,  XVIII.  Jahrhundert,  2.  Hälfte. 


42 


DIE  ZEUGDRUCK -AUSSTELLUNG  IM  OSTERREICHISCHEN  MUSEUM  IN  WIEN 


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Sessel  mit  Zeugdruckbezug.    i8.  Jahrhundert,  2.  Hälfte. 
Schloss  Feldsberg,  Niederösterreich. 

Museums   ein   ausnehmend    schönes   Fabrikat   Ober- 
kampf's,    des  in  Jouy  bei  Versailles  thätigen    Refor- 
mators der  Zeug- 
drucktechnik. 

Ungemein  reiz- 
volle, kupferstich- 
artig feine  Drucke 
entstammen  der 
Empireperiode: 
so  ein  Paar  ita- 
lienischer Karne- 
valshandschuhe 
und  eine  entzük- 
kende  Schärpe, 
die  mit  buntfar- 
biger mytholo- 
gischer Darstel- 
lung bedruckt  ist. 
Das  Interes- 
santeste und  Über- 
raschendste in  der 

Zeugdruckaus- 
stellung des  ös- 
terreichischen 
Museums  aber 
sind  die  zumeist 
aus  böhmischen 
und  oberöster- 
reichischen Fabri- 
ken herrührenden 
bedruckten     Kat- 


Oedrucktes  Tucli.    Cypern  (?).     i8.  Jahrhundert.    Österr.  Museum. 


Sessel  mit  handbemaltem  Seidenbezug  mit  teilweisem  Mudell- 
vordruck  (von  1760).    18.  Jahrh.    Schloss  Feldsberg,  Niederösterreich. 

tune  des  zweiten  Drittels  unseres  Jahrhunderts  in  ihrer 
geradezu  frappierenden  Verwandtschaft  mit  der  Deko- 
rationsweise der 
allermodernsten 
Zeit.  Es  war  ein 
kühnes  Unterneh- 
men Dr.  Dreger's, 
kunstgewerbliche 
Erzeugnisse  der 
40er,  50er  und 
60 er  Jahre,  ge- 
rade jener  Periode 
auszustellen,  ge- 
gen deren  »ge- 
schmackliche Mi- 
sere«      seinerzeit 

das  österreich- 
ische Museum  ins 

Leben  gerufen 
worden  war:  es 
hat  sich  in  unge- 
ahnter, staunen- 
erregender Weise 
bewährt,  indem 
es  ein  gutes  Stück 
des  Schleiers  ge- 
lüftet hat,  der  uns, 
wie  stets  den  Zeit- 
genossen, den 
Werdegang  un- 
seres heutigen  Ge- 


Teil  der  Längswand  im  Sitzungssaal  der  Minister  im  neuen  Preussischen  Landtagsgebäude  in    Berlin. 


7* 


DER  SITZUNGSSAAL  DER  MINISTER  IM  NEUEN  PREUSSISCHEN  LANDTAGSGEBÄUDE        45 


schmacks    verhüllt:    es    lässt    sich,    wenn    man    die 
Zeugdruckmusier    jener   arg    verschrieenen    Zeit    mit 


den  unserigen  offenen  Auges  vergleicht,  nicht  mehr 
verkennen,  dass  die  Wurzeln  des  modernen  kunst- 
gewerblichen Geschmackes 
im  Kunsthandwerke  der  40  er, 
50er  und  60er  Jahre  ruhen! 
Nichts  aber  wäre  ver- 
kehrter, als  aus  dieser  ent- 
wicklungsgeschichtlichen 
»Entdeckung«  die  Konse- 
quenz zu  ziehen,  die  Moderne 
hätte  sich  ganz  ebenso  und 
noch  weitaus  früher  entfaltet, 
wenn  der  rückblickende  An- 
schluss  an  »unserer  Väter 
Werke«  in  den  70er  und 
80  er  Jahren  ihre  Entstehung 
nicht  gehemmt  hätte!  Dem 
ist  gewiss  nicht  so:  die  wu- 
chernden Triebe  des  schran- 
kenlosen und  zum  guten 
Teile  auch  verständnislosen 
Naturalismus  der  Mitte  un- 
seres Jahrhunderts  mussten 
mit  erfahrener  Hand  gestutzt, 
der  ungejätete  Boden  des 
damaligen  Kunsthandwerkes 
säuberlich  bestellt  und  mit 
dem  erquickenden  Jugend- 
brunnen der  alten  Stile  durch- 
tränkt werden,  um  die  Hoch- 
blüte des  modernen  Stiles 
zeitigen  zu  können. 

DR.  FRITZ  MINKUS. 


Ecke  aus  dem  Musikzimmer  von  RIEMERSCHMID  auf  der  Dresdner  Kunstausstellung  i8gg. 

DER  SITZUNGSSAAL  DER  MINISTER 
BEI  DEN  NEUEN  GEBÄUDEN  DES  PREUSSISCHEN 

LANDTAGES  ZU  BERLIN 


IN  der  stattlichen  Raumflucht  der  neuen  Gebäude 
der  beiden  Häuser  des  preussischen  Landtages, 
welche  sich  nach  den  Entwürfen  des  Geheimen 
Baurates  Fr.  Schulze  auf  dem  Gebäude  des  alten 
Herrenhauses  und  der  alten  Porzellanmanufaktur 
zwischen  Leipziger  und  Prinz  Albrecht-Strasse  erheben 
oder  in  der  Errichtung  begriffen  sind,  ragt  ein  Raum 
besonders  hervor.  Nicht  sowohl  durch  die  Grösse 
der  Abmessung         er  misst  nur  etwa  7,5  :  13  m    -, 


oder  durch  eine  architektonische  Gliederung  von  über- 
raschender Neuheit,  sondern  durch  das  feine  und  intime 
Empfinden,  mit  welchem  er  in  reicher  und  doch  wieder 
nicht  vordrängender  Pracht  und  im  Hinblick  auf  gute 
Vorbilder  der  niederländischen  und  französischen  Ver- 
gangenheit geschaffen  wurde.  Es  ist  der  kleine  Sitzungs- 
saal der  Minister,  in  einem  bescheidenen  Verbindungs- 
bau gelegen,  welcher  den  Verkehr  zwischen  dem 
Abgeordnetenhause  an  der  Prinz  Albrecht-Strasse  und 


46        DER  SITZUNGSSAAL  DER  MINISTER  IM  NEUEN  PREUSSISCHEN  LANDTAGSGEBÄUDE 


zwischen  dem 
in  der  Errich- 
tung begriffe- 
nen neuen 
Herren  hause 
an  der  Leip- 
ziger Strasse 
ermöglicht. 

Das  zufäl- 
lige    Zusam- 
mentreffen der 
Arbeiten    des 
inneren    Aus- 
baues des 
neuen    Abge- 
ordnetenhau- 
ses   mit    den 
Vorarbeiten 
für  die  Berli- 
ner Gewerbe- 
Ausstellung 
des  Jahres 
1 896  und  die 
Absicht      der 
Unterrichts- 
anstalt des  kgl. 
Kunstgewer- 
be-Museums 
zu  Berlin,  für 

die  Schul- 
abteilung  der 
genannten 
Ausstellung 
einen   hervor- 
ragenden 
Ausstellungs- 
gegenstand zu 
schaffen ,    der 
ein      Zeugnis 
von  der  hohen 
künstlerischen 
und  prakti- 
schen Leis- 
tungsfähigkeit 
der  Anstalt  ge- 
ben     könnte, 
haben      dazu 
geführt,     den 
seiner  Bestim- 
mung nach  zu 
einer  feineren 
Ausstattung 
wohl  geeigne- 
ten und  seinen 
Abmessungen 

nach   sich 
innerhalb  der 
Grenzen    des 
Erreichbaren 
haltenden  Mi- 
nistersitzungs- 


Kamin  im  Sitzungssaal  der  Minister  im  neuen  Preussischen  Landtagsgebäude  in  Berlin. 


saal  zum  Ge- 
genstand einer 

besonderen 
künstlerischen 
Ausgestaltung 

zu  wählen. 
Dazu  bedurfte 
es     allerdings 
reicherer  Mit- 
tel, welche  der 
Baufond     des 
Abgeordne- 
tenhauses   al- 
leinaufzubrin- 
gen   nicht    in 
der  Lage  war. 
Zu    den     auf 
etwa  50000  M. 
veranschlag- 
ten    Gesamt- 
kosten   des 
Saales  steuerte 
der    genannte 
Fond      daher 
nur  looooM. 
bei,   während 
der  Betrag  von 
40 000  M.  dem 
sogenannten 
150000  Mark- 
Fond  des 
Kunstgewer- 
be -  Museums, 
der  eigens  für 
die      Zwecke 
der     Ausfüh- 
rung kunstge- 
werblicher 
Arbeiten     be- 
steht, die  rei- 
chere     Mittel 
beanspruchen, 
entnommen 
wurde.    Über 
ähnliche  Sum- 
men  zu   dem 

gleichen 
Zwecke,     der 
vornehmlich 
darin   besteht, 
die  Schüler 
der  Anstalt 
nicht  nurtheo- 
retisch zu  un- 
terweisen,son- 
dern  sie  auch 

an    hervor- 
ragenden Aus- 
führungen zu 
bilden,  verfü- 
gen auch  die 


Mittelteil  der  Querwand  im  Sitzungssaa   der  Minister  im  neuen  Preussisclien  Landtagsgebäude  in  Berlin. 


Teil  der  Laiigswaiid  ini  Sitzungssaal  der  IMinister  im  neuen  Prcussischen  Landtagsgebäude  in  Berlin. 


DER  SITZUNGSSAAL  DER  MINISTER  IM  NEUEN  PREUSSISCHEN  LANDTAOSGEBÄUDE      49 


Anstalten  anderer  Staaten.  —  So  besteht  an  der  Kunst- 
gewerbeschule des  Österreichischen  Museums  für  Kunst 
und  Industrie  in  Wien  der  sogenannte  Hoftitel-Taxfond, 
mit  dessen  Hilfe  eine  grosse  Reihe  hervorragender 
kunstgewerblicher  Werke  geschaffen  wurde,  und  es 
besitzen  die  gleichen  französischen  imd  englischen  An- 
stalten ähnliche  Hilfsmittel  zur  Förderung  der  prak- 


tischen Kunstübung.  Dass  'diese  Mittel  reiche  Früchte 
tragen,  beweist  nicht  nur  der  hier  dargestellte  Saal, 
sondern  es  beweisen  dies  auch  die  Schülerausstellungen 
der  Unterrichtsanstalt  des  Kunstgewerbe-Museums. 

Den  Entwurf  zu  dem  Sitzungssaale  der  Minister 
lieferte  der  damalige  Lehrer  der  Unterrichtsanstalt 
Hr.  Prof.  Alfred  Messel  in  Berlin;  in  seiner  Klasse  la. 


Mtlsikzimmer  von  RIEMERSCHMID  auf  der  Dresdner  Kunstausstellung  1899,  ausgeführt  von  den  Vereinigten  Werkstätten  Kunst  im  Handwerk,  München. 
Kunstgewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  3.  g 


50      DER  SITZUNGSSAAL  DER  MINISTER  IM  NEUEN  PREUSSISCHEN  LANDTAGSGEBÄUDE 


wurden  sowohl  der  architeWonische  Teil  des  Entwurfes, 
wie  auch  die  Entwürfe  zu  den  sämtlichen  Teilen  der 
dekorativen  Ausschmückung  bearbeitet.  Die  Modelle 
zu  den  Holzbildhauerarbeiten  und  diese  selbst  wurden 
in  der  Klasse  IV.  unter  der  Leitung  des  Hrn.  Holz- 
bildhauer Taubert  gefertigt,  während  die  Herstellung 


der  Kaminmodelle  unter  Leitung  des  Hrn.  Prof.  Behrendt 
die  Klasse  IL  übernommen  hatte.  In  der  Klasse  VII. 
wurden  unter  Leitung  des  Hrn.  Maler  Prof.  Max  Seliger 
die  Kartons  für  die  Ledertapeten  bearbeitet,  welche 
das  Kaufhaus  >Hohenzollern<;  des  Hrn.  Hirschwald 
lieferte,  in  der  Klasse  Villa,   unter  Leitung  des  Hrn. 


i 


Vorraum  von  BRUNO  PAUL  auf  der  Dresdner  Kunstausstellung  1899,  ausgeführt  von  den  Vereinigten  Werkstätten  für  Kunst  im  Handwerk,  Münclien. 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


51 


Prof.  E.  Doepler  die  Gitter  und  Wappen  entworfen, 
deren  erstere  Paul  Marcus  ausführte.  Die  Einzel- 
zeichnungen zu  dem  grossen,  den  Boden  bedecken- 
den Teppich  wurden  in  Klasse  Vlllb.  unter  Leitung 
des  Hrn.  Maler  Timler  entworfen,  die  Malerarbeiten 
der  Decke  durch  die  Klasse  V.  unter  Leitung  des  Hm. 
Maler  V.  Schmitt  ausgeführt.  Kleinere  Arbeiten  über- 
wachten in  ihren  bez.  Klassen  die  Hrn.  Bastanier  und 
Rohloff.  Die  Ausführung  der  vorzüglichen  Tischler- 
arbeiten der  Wände  und  Decke  hatte  Tischlermeister 
G.  Olm  übernommen,  die  Möbel  lieferte  Aschenbach, 
den  Marzana-Kalkstein  des  Kamines  Plöger. 

Unter  der  Oberleitung  des  Architekten  und  der 
verständnisvollen  und  unterordnenden  Zusammenwir- 
kung dieser  hervorragenden  künstlerischen  Kräfte  und 


Kunsthandwerker  ist  ein  Innenraum  entstanden,  welcher, 
im  Geiste  der  schönsten  Innenräume  der  französischen 
und  niederländischen  Renaissance,  etwa  des  Schlosses 
von  Fontainebleau  und  des  Musee  Plantin  in  Ant- 
werpen geschaffen,  ein  Meisterstück  feingestimmter 
Innen-Dekoration  ist  und  zu  den  hervorragendsten 
Teilen  des  neuen  Monumentalbaues  an  der  Prinz 
Albrecht-Strasse  zählt.  Im  einzelnen  zeugen  die  Arbeiten 
von  einer  hohen  Leistungsfähigkeit  der  Unterrichts- 
anstalt des  kgl.  Kunstgewerbe-Museums.  Sowohl  die 
Beobachtung  der  feinen  Stilunterschiede  wie  die  kunst- 
handwerkliche Fertigkeit  in  der  Bearbeitung  des  Mate- 
riales  können  an  dem  schönen  Werke  in  rühmlicher 
Weise  festgestellt  werden. 

~  H.  — 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


VEREINE 

BRESLAU.     Im  Einverständnis  mit  der  Direktion 
des  schlesischen  Museums  für  Kunstgewerbe  und 
Altertümer    hat    der    Kunstgewerbe -Verein    zu 
Breslau    beschlos- 
sen,   die   für    den 
Monat    November 
festgesetzte    Eröff- 
nung des  Museums 
durch  eine  gleich- 
zeitig in  den  Räu- 
men desselben  statt- 
findende   Ausstel- 
lung neuer  kunst- 
gewerblicher A  rbei- 
ten  aus  der  Provinz 
Schlesien  zu  feiern. 
Die  Ausstellung 
wird    nur    solche 
Erzeugnisse  des 
Kunstgewerbes 
umfassen,  die  einen 

künstlerischen 
Charakter     zeigen 
und  in  Ausführung 
wie  Geschmack 
die  übliche  Markt- 
ware überragen. 
-u- 


Friese  gemalt  von  OTTO  UBBELOHDE. 
Vereinigte  Werlistätlen  für  Kunst  im  Handwerk  München.   (Ges.  gesch.) 


FRANKFURT   A.  M.       Dem    Jahresbericht    des 
Mitteldeutschen    Kunstgewerbevereins  für  i8g8 
entnehmen    wir    folgendes:      Für    die    Kunst- 
gewerbeschule    bedeutet     das    Berichtsjahr    eine    Zeit 

ruhiger  und  nor- 
maler Weiterent- 
wicklung im  Rah- 
men des  feststehen- 
den Lehrplans.  Für 
einzelne  Klassen 
war  ein  derartiger 
Zuwachs  zu  kon- 
statieren, dass  sich 
die  Schulleitung 
veranlasst  sah,  mit 
besonderem  Nach- 
druck auf  einer  aus- 
reichenden Vorbil- 
dung als  Aufnah- 
mebedingung zu 
bestehen.  Die  Aus- 
stellung von  Schü- 
lerarbeiten aus  dem 
Schuljahr  1897/98 
fand  vom  1 7.  April 
bis  zum  9.  Mai  im 
Hörsaal  der  Poly- 
technischen Gesell- 
schaft  statt.      Das 

8* 


52 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


Zeugnis  über  hervorragende  Leistungen  im  kunstgewerb- 
lichen Beruf  zum  Zwecke  von  Erleichterungen  beim  Ab- 
legen der  Prüfung  zum  Einjährig-Freiwilligen -Dienst 
konnteauch  im  Berichtsjahreeinem  SchülerderFachschule 
ausgestellt  werden.  Durch  die  städtischen  Behörden  wur- 
den die  Kräfte  des  Lehrerkollegiums  wiederholt  zu  künst- 
lerischen Leistungen  herangezogen.  Dadurch  wurde  be- 
sonders den  Schülern  Gelegenheit  gegeben,  in  der  für  die 
Schule  so  unentbehrlichen  Berührung  mit  der  kunst- 
gewerblichen Praxis  zu  bleiben.  Die  Bibliothek  geht 
mit  der  am  Schluss  d.  J.  zu  erwartenden  Fertigstellung 
ihrer  neuen  Räumlichkeiten  einer  neuen  Phase  ihrer 
Entwickelung  entgegen.  Der  Besuch  derselben  ist 
auch  aus  Kreisen,  die  dem  Vereine  bisher  ferner 
standen,  in  lebhafter  Zunahme  begriffen.  Von  den 
Sammlungen  des  Museums  hat  besonders  die  kera- 
mische Abteilung  unter  anderem  durch  Ankäufe  auf 
der  Auktion  Hirth  in  München  eine  nennenswerte 
Bereicherung  erfahren.  Diese 
Erwerbungen  haben  beson- 
ders die  in  ihren  ersten  An- 
fängen befindliche  Samm- 
lung italienischer  Majoliken 
um  einige  charakteristische 
Typen  vermehrt,  doch  gin- 
gen auch  die  Abteilungen 
der  Fayencen  und  Porzellane 
(Kleinplastik)  nicht  leer  aus. 
Nur  einen  geringen  Zuwachs 
erhielt  die  Möbelsammlung. 
Zu  erwähnen  ist  ein  nieder- 
ländischer Schrank  aus  dem 
Ende  des  16.  Jahrhunderts 
und  die  Vorderwand  einer 
Truhe  mit  gotischem  ge- 
schnitzten Laubwerk  und 
Tierfiguren.  Die  Edelmetalle, 
die  im  Museum  noch  vor- 
wiegend in  Reproduktionen 
vertreten  sind,  da  die  Er- 
werbung von  grösseren  Ori- 
ginalen der  hohen  Kosten 
wegen  nur  ausnahmsweise 
möglich   ist, 

hat  durch 
den    Ankauf 
von   16  gal- 
vanoplasti- 
schen Repro- 
duktionen 
nach  Stük- 
ken  aus  der 
Zeit  der  Go- 
tik und   der 
Renaissance 
eine  wesent- 
liche   Berei- 
cherung  er- 
fahren.   Der 

noch  vor 
Ende  des  Be- 


richtsjahres vollzogene  Umzug  des  Museums  in 
die  neuerbauten  Räume  hat  eine  vollständige  Neu- 
ordnung der  Sammlungen  bedingt.  Derselben  ist  im 
grossen  und  ganzen  die  technologische  Anordnung 
nach  Materialien  zu  Grunde  gelegt  Mehr  denn  zuvor 
ist  dadurch  klar  geworden,  was  bisher  in  dem  Museum 
erreicht  wurde  und  was  noch  anzustreben  bleibt. 
Auf  die  wechselnden  Ausstellungen  wurde  besonderes 
Gewicht  gelegt,  nachdem  die  Permanente  Ausstellung 
neuzeitiger  kunstgewerblicher  Erzeugnisse  in  Wegfall 
gekommen  war,  da  ein  Bedürfnis  dafür  nicht  mehr 
vorlag.  Dagegen  soll  durch  Sonderausstellungen  das 
Publikum  mit  den  Fortschritten  und  Wandlungen 
des  zeitgenössischen  kunstgewerblichen  Schaffens  im 
In-  und  Auslande  bekannt  gemacht  werden.  In  solchen 
Sonderausstellungen  wurden  vorgeführt:  Möbel,  Gläser 
und  keramische  Erzeugnisse  Emile  Galle's  in  Nancy; 
keramische  Erzeugnisse  der  Kgl.  Manufakturen  in  Ber- 
lin   und     Kopenhagen    und 

Rörstrand- Aktiebelag  in 
Stockholm;  Kunst- Lithogra- 
phien, zusammengestellt  von 
der  Düsseldorfer  Hofkunst- 
handlung Bismayer  &  Kraus; 
schliesslich  die  Wettarbeiten 
für  eine  Hochzeitsmedaille. 


B= 


Schirmständer  aus  Eisen  und  Messing.     Entworfen  von 
Prof.  R.  WEISSE,  ausgef.  von  Kühnscherf  &  Söhne,  Dresden. 


Schnitzerei  von  einer  Bettschinnwand.     Entworfen  von   B.  PANKOK, 
ausgeführt  in  den  Vereinigten  Werkstätten  für  Kunst  im  Handwerk.     München. 


-U- 

SCHULEN 

I  ERLIN.  Dem  Jalires- 
bericht  der  Königlichen 
Kiinstgewerbeschule  für 
das  Schuljahr  1898/99  ent- 
nehmen wir  folgendes:  Der 
ergänzende  Unterricht  im  Akt- 
zeichnen für  die  Fachklasse 
für  dekorative  Malerei  wurde 
mit  Anfang  Januar  von  6  auf 
4  Nachmittage  beschränkt,  für 
2  Nachmittage  aber  ein  er- 
gänzenderUnterricht  im  Pflan- 
zenzeichnen eingeführt.  Mit 
dem  Beginn 
desSommer- 

quartals 
wurde    eine 
neue  Abend- 
klasse für 
Pflanzen- 
zeichnen er- 
öffnet.    Die 
Abendklasse 
für  Fach- 
zeichnen er- 
hielt mit  Be- 
ginn des 
Schuljahrs 
diezutreffen- 
dere  Benen- 
nung   einer 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


53 


Klasse  für  Architekturzeiclinen. 
Die  Ausstellung  der  Schülerar- 
beiten der  Kunstgewerbeschule 
und  der  Kunstschule  fand  von 
November  bis  gegen  Ende  De- 
zember 1898  in  gruppenweiser 
Vorführung  statt.  Aus  dem  Fonds 
für  kunstgewerbliche  Arbeiten 
wurde  ausser  den  abschliessen- 
den Ausführungen  der  Einrich- 
tung des  Ministerial -Sitzungs- 
zimmers im  neuen  Landtagsge- 
bäude eine  der  Königlichen  Kunst- 
akademie zu  ihrer  Jubiläumsfeier 
von  den  Königlichen  Museen  ge- 
widmete Gedenktafel  fertiggestellt. 
Weitere  Arbeiten  sind  in  Angriff 
genommen.  An  sonstigen  Aus- 
führungen, die  den  Schülern  der 
Anstalt  Gelegenheit  zu  praktischer 
Bethätigung  boten,  sind  fertigge- 
stellt Worden  die  Restaurierung 
des  Melanchthon  -  Zimmers  zu 
Wittenberg,  die  Erneuerung  des 
Fassadenschmucks  der  König- 
lichen Kunstschule  zu  Berlin  und 
die  malerische  Ausschmückung 
der  Wandelhalle  im  Königlichen 
Gymnasium  zu  Erfurt.  Dazu 
traten  umfassende  Versuche  in 
Freskomalerei  nach  dem  Verfah- 
ren des  Malers  O.  Matthiesen,  so- 
wie die  in  dieser  Technik  von 
Schülern  der  Malklassen  ausge- 
führte Dekoration  der  oberen 
Wände  des  Treppenhauses  der 
Unterrichtsanstalt.  Die  zu  Beginn 
des  Schuljahrs  1896/97  begrün- 
dete Krankenkasse  der  Schüler 
der  Kunstgewerbeschule  und  der 
Kunstschule  hat  sich  weiterhin 
der  Ansammlung  eines  Reservefonds  beginnen  können 

-u- 

MUSEEN 

BRUNN.  Das  Mährische  Gewerbe- Museum  hat 
am  2g.  Oktober  eine  reichhaltige  »Ausstellung 
historischer  Trachten"  eröffnet,  in  welcher  zum 
erstenmale  die  Entwicklung  der  männlichen  und  weib- 
lichen Tracht  von  der  Antike  bis  zum  Beginn  unseres 
Jahrhunderts  darzustellen  versucht  wurde.  Dieser  Ver- 
such ist  in  jeder  Hinsicht  gelungen.  Freilich  mussten 
zu  diesem  Behufe  auch  Nachbildungen  ausgestellt 
werden.  Hierfür  hat  die  k.  u.  k.  General  Intendanz  der 
Wiener  Hoftheater  in  dankenswerter  Weise  die  Gar- 
derobe der  k.  k.  Hofoper  geöffnet,  deren  Kostüme, 
vom  Maler  Franz  Gau!  in  mustergültiger  Weise  und 
völlig  stilecht  entworfen,  in  wissenschaftlicher  und 
künstlerischer  Beziehung  den  höchsten  Anforderungen 
entsprechen.      So    war    es    möglich    die    Tracht    der 


Ägypter,  Assyrer,  Griechen,  Rö- 
mer, Kreuzfahrer  u.  s.  f.,  für  die 
man  sonst  nur  auf  Abbildungen 
angewiesen  gewesen  wäre,  vorzu- 
führen. Das  Hauptgewicht  lag 
selbstverständlich  auf  den  Origi- 
nalkostümen, die  in  stattlicher 
Zahl  vom  regierenden  Fürsten 
Liechtenstein,  Grafen  Hans  Wil- 
czek,  Freiherrn  von  Llpperhcide, 
Dr.  Albert  Figdor,  Maler  Franz 
Gaul  u.  A.,  sowie  von  den  öster- 
reichischen Museen  eingeschickt 
wurden.  Besonderen  Reiz  erhält 
die  hochinteressante  Ausstellung 
durch  zahlreiche  Porträts,  Ölbil- 
der, Miniaturen  u.  s.  f.  Der  aus- 
führlich beschreibende  Katalog 
umfasst  281   Nummern. 


K' 


Bemalter  Behang  mit  teilweisem  Modelvordrucl< 

aus  dem  fürstl.  von  und  zu  Liechtensteinisclien  Sclilosse 

zu  Feldsberg,  um  1760. 


entwickelt    und    mit      Charakter  zu  geben 


REFELD.  Das  Kaiser  Wil- 
helm-Museum hatte  aus  An- 
lass  der  Eröffnung  der 
Elektrizitätswerke  eine  Ausstellung 
von  Beleuchtungsgegenständen  für 
elektrisches  Licht  veranstaltet,  um 
dadurch  dem  zu  erwartenden  Be- 
darf an  solchen  Beleuchtungs- 
körpern eine  den  ästhetischen 
Anforderungen  des  modernen 
Kunsthandwerks  entsprechende 
Richtung  zu  geben.  Die  Aus- 
stellung war  von  deutschen,  eng- 
lischen und  amerikanischen  Fir- 
men reich  beschickt  und  zeigte, 
welch  ausserordentlich  grosser 
Formenreichtum  sich  auf  diesem 
noch  jungen  Gebiet  des  Kunst- 
gewerbes entfalten  lässt.  Um  der 
Ausstellung  einen  wohnlichen 
waren  vier  Räume,  ein  Herren- 
zimmer, ein  Salon,  ein  Damenboudoir  und  ein  Schlaf- 
zimmer hergerichtet  worden,  die  mit  Krefelder  Tep- 
pichen von  vom  Brück  Söhne  und  modernen  Mö- 
beln von  H.  Stroucken  ausgestattet  waren.  Unter  den 
deutschen  Ausstellern  sind  zu  nennen  die  Firmen: 
Joh.  Zimmermann  &  Cie.  in  München  mit  Beleuch- 
tungskörpern nach  Zeichnungen  von  O.  Eckmann, 
Paul  Stotz  in  Stuttgart  mit  drei  grossen  Kronen,  Otto 
Schulz  in  Berlin  mit  Wandbeleuchtungsgeräten  nach 
Entwürfen  von  Bernhard  Wenig  in  Berchtesgaden  und 
Steinicken  &  Lohr  in  München  mit  Lampen  jeder 
Art  nach  Entwürfen  von  Otto  Lohr.  Von  den  Eng- 
ländern war  die  Firma  Benson  &  Cie.  mit  einer  grossen 
Anzahl  von  Beleuchtungsgeräten  vertreten,  die  beson- 
ders durch  ihre  schlanken,  knappen  Formen  die  Schön- 
heit mit  grösster  Zweckmässigkeit  vereinigten.  Aus 
Amerika  hatte  L.  Tiffany  in  New-York  ausgestellt,  der 
es  besonders  versteht,  durch  seine  Opalescentver- 
glasungen  entzückende  Farbenwirkungen  hervorzurufen 
und  durch  sinnreiche  Konstruktionen  auch  die  Brauch- 


54 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


barkeit  zu  erhöhen.  Zu  der  Ausstellung  hatte  auch 
das  Kunstgewerbe-Museum  in  Berlin  eine  Reihe  von 
Gegenständen  hergeliehen.  -u- 

B ERLIN.  Orlop-Stiftung  für  Veröffentlichungen  des 
Kunstgewerbe-Museums.  Durch  letztwillige  Ver- 
fügung des  in  Genf  am  2Q.  Juni  1891  verstor- 
benen Herrn  Walter  Eugen  Alexander  Orlop  aus 
Halberstadt  ist  dem  Kunstgewerbe-Museum  in  Berlin 
ein  Kapital  zugefallen,  welches  mit  den  aufgelaufenen 
Zinsen  z.  Z.  186100  Mark  beträgt.  Mit  demselben 
wird  eine  dauernde  Stiftung  errichtet,  welche  den  Na- 
men führt:  »Orlop-Stiftung  für  Veröffentlichungen  des 
Kunstgewerbe-Museums  zu  Berlin«.  Der  Zweck  der 
Stiftung  ist  die  Veranstaltung  von  Veröffentlichungen 
aus  dem  Arbeitsgebiet  des  Kunstgewerbe-Museums, 
mit  der  Bestimmung,  historische  Kenntnisse  oder  vor- 
bildliches Material  zu  verbreiten  und  durch  vollendete 
Ausstattung  der  Bildung  des  Geschmackes  zu  dienen. 
Das  Stiftungskapital  ist  zinsbar  anzulegen  und  bis  zur 
Höhe  von  186100  M.  unangreifbar.  Die  Einnahmen 
der  Stiftung  werden  aus  den  Zinsen  des  Kapitals  und 
aus  dem  Erlös  verkaufter  Veröffentlichungen  bestehen. 
Der  1 86 1 00  M.  übersteigende  Betrag  des  Kapitals  und 
die  Einnahmen  sind  für  den  Stiftungszweck  verwend- 
bar. Die  Stiftung  wird  von  einem  Kuratorium  ver- 
waltet, welches  aus  dem  Generaldirektor  der  Kgl. 
Museen,  den  Direktoren  des  Kunstgewerbe-Museums 
und  dem  Justitiar  und  Verwaitungsrat  der  Kgl.  Museen 
besteht.  Sollten  die  jetzt  als  Kunstgewerbe-Museum 
vereinigten  Abteilungen  in  getrennte  Verwaltungen 
übergehen,  so  bleibt  die  Stiftung  bei  der  Sammlung 
und  den  mit  ihr  vereinigten  Abteilungen.  Der  Stiftung 
ist  unterm  29.  August  d.  J.  die  Allerhöchste  Geneh- 
migung erteilt  worden.  -u- 

LEIPZIG.  Das  25jährige  Jubiläum  des  Leipziger 
Kunstgewerbemuseums  wurde  am  14.  November 
durch  ein  Festspiel  gefeiert,  das  von  allen  neun 
Musen  begünstigt  zu  sein  schien.  Phantasien  in 
Auerbach's  Keller«  lautete  der  Titel  der  geistreiciien, 
humorgewürzten  Dichtung  Fritz  Scfiumaclier's,  die 
das  Gerüst  abgab  für  eine  Reihe  bewegter  lebender 
Bilder,  zu  denen  Otto  Wittenbecher  und  Karl  Frodl 
eine  gediegene,  sorgfältig  gearbeitete,  bald  heitere, 
bald  schwungvolle  Musik  geliefert  hatten.  Ein  an- 
sprechender Gedanke  in  geschmeidige,  oft  schlag- 
kräftige Verse  gekleidet,  unterbrochen  von  witzigen 
Couplets  und  einer  Reihe  farbenprächtiger,  »kunst- 
historischer Bilderbogen,  die  von  melodramatischer 
Musik  begleitet  waren:  diese  verschiedenartigen  Ele- 
mente waren  zu  so  glücklicher  Mischung  vereinigt, 
dassj^^die  ganze  Veranstaltung  wie  aus  einem  Gusse 
geformt  zu  sein  schien. 

In  Auerbach's  Keller  sitzen  zu  später  Stunde 
einige  Kunstgewerbemeister,  ein  Kunstgelehrter^  und 
ein  Musiker  im  Gespräch  am  Stammtisch  beieinander; 
die  Diskussion  wird  bald  zur  Debatte  über  den 
Gegensatz  alter  und  moderner  Kunst.  Mit  dem 
zwölften  Glockenschlage  der  Mitternacht  erscheinen 
die  ältesten  Stammgäste  des  Lokals,  Faust  und  Mephi- 
stopheles,  um   »ein  bischen  zu  revidieren <.    Mephisto 


in  seiner  Art  drängt  sich  heran  und  nimmt  bald  Teil 
am  Kampf  der  Geister;  ein  Spezialist  preist  das 
Gotische  als  das  Urdeutsche,  Mephisto  erbietet  sich, 
die  verblassten  Gestalten  der  längstvergangenen  Zeit 
lebensfrisch  an  die  Wand  des  Kellers  zu  malen ;  man 
nimmt  ihn  beim  Wort  und  unter  scherzhaftem  Hin- 
weis auf  die  Konzertmaler  skizziert  der  Herr  der 
Ratten  und  der  Mäuse  sein  Historienbild  mit  einem 
grossen  Besen  an  die  Wand.  Es  erscheint  darauf 
eine  bewegte  Scene  am  Hofe  Karls  des  Kühnen  von 
Burgund,  vornehme  Herren  und  Damen,  letztere  mit 
dem  bekannten  zuckerhutähnlichen  Kopfschmuck.  Ein 
Teil  der  historischen  Gestalten  sieht  von  erhöhter 
Estrade  einem  gemessenen  Reigen  zu.  Der  teuflische 
Kinematographiker  erntet  lauten  Beifall  ob  seiner 
Leistung  und  in  erhöhter  Stimmung,  die  durch  ein 
sächsisches  Couplet  des  Kellermeisters  auch  aufs 
Publikum  übertragen  wird,  geht  die  Debatte  weiter 
Alsbald  fordert  man  laut  die  deutsche  Renaissance, 
und  abermals  zeigt  Mephisto,  dass  er  hexen  kann, 
Ein  Osterspaziergang  vor  den  Thoren  Nürnbergs  mit 
einem  fahrenden  Spielmann  und  einem  Kupferstich- 
verkäufer zeigt  sich,  eingeleitet  durch  eine  heitere 
Musik  —  das  Ganze  wie  ein  Ausschnitt  aus  den 
Meistersingern.  Natürlich  entspinnt  sich  darauf  ein 
Gespräch  über  echte  und  falsche  Renaissance  und 
Mephisto,  so  recht  in  seinem  Fahrwasser,  parodiert 
die  weichliche  Butzenscheibenlyrik  der  vergangenen 
letzten  Jahrzehnte: 

»ein  Bub',  ein  Mädchen,  Rosen,  etwas  Minne, 
Ein  ganz,  ganz  kleiner  Kitzel  für  die  Sinne 
Und  eine  süsse  Adjektivensauce 
Hübsch  umgerührt  —    und  fertig  ist  die  Chose! 
Der  Ursprung  des  Rezepts  der  liegt  schon  weit, 
Der  stammt  noch  aus  der  alten  Schäferzeit, 
Nur  nahm  man  da,  so  wollte  es  der  Stil, 
Noch  etwas  Puder  in  den  Federkiel, 
Und  ging  dazu  bei  den  Franzosen  betteln.« 
Nach   diesem  Übergang,  den  Mephisto  selbst  her- 
beigeführt,   wird    nun    auch    der    Stil    des     Boudoirs 
und  der  Schminke«  gefordert;  wie  der  Kunsthistoriker 
sich  ausdrückt  »kraft  kunsthistorischer  Gerechtigkeit. 
Mephisto,   der   schon  A  und  B  gesagt  hat,  setzt  das 
Alphabet  fort   und  giebt  einige  Bilder  im  Stile  Wat- 
teaus:  Gesellschaft  im  Walde,  die  Figuren  der  italie- 
lienischen  Komödie  treten  auf,  Harlekin  erhält  Prügel 
u.  s.  w.      Eine    graziöse    Gavotte   erklingt    und    die 
Reihen    sondern    sich    zu    Paaren.      Immer    lebhafter 
schallt    der    Beifall,    die    Stimmung   wird    animierter; 
die    Biedermaierzeit    von     1820    bildet    eine    weitere 
Etappe,   lustige  Lieder  von  der  Entstehung  der  Stile, 
von    der  hypnotischen   Wirkung   der   Musik    werden 
zu  Gehör  gebracht.     In  die  Fidelität  fallen  nun  zwei 
späte    Gäste,    Vertreter   der    »Modernen«,    ein    Maler 
und  ein  Poet.    Natüriich  reden  diese  Herren  sogleich 
von  dem  Neusten  und  wollen  sich  dabei  »grenzenlos 
erdreusten«.     Auch  der  neuesten  Richtung  weiss  der 
Junker  Satan   zu  entsprechen,    indem  er  die  Goldene 
Treppe    des    Burne  Jones    in    Scene    setzt.     Angeregt 
durch    diese    Leistung   zieht   der    mit    Ȇberzeugung 
dekadente«    Poet  ein  eben  verfasstes  Gedicht  aus  der 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


55 


Tasche,  das,  wie  man  hört,  im  nächsten  Heft  des 
Pan  erscheinen  solL  Der  blühende  Blödsinn  dieses 
Liedes  weckt  nun  eine  neue  Erregung;  noch  einmal 
lässt  Mephisto  :  Die  Kleinen  von  den  Seinen«  an- 
tanzen und  diesmal  sind  es  die  Plakatgeister,  die  in 
grosser  Zahl  anschwirren  und  ein  neues  Oährungs- 
ferment  in  die  Parteien  bringen.  Ein  lebhafter  Wort- 
wechsel erhebt  sich: 

1.  Meister:  Stil  will  entwickelt,  nicht  erklügelt 
sein! 

Maler:  Ach  Gott,  ihr  Bürcherwürmer,  packt 
doch  ein! 

2.  Meister:  Das  Neue  ist  bisher  mehr  Schrei'n 
als  Sein! 

3.  Meister:  Gesunde  Kinder  melden  sich  mit 
Schrei'n! 

Gelehrter:  Es  giebt  auch  Kinder,  welche  sehr 
früh  sterben! 

3.  Meister:  Und  es  giebt  Männer,  die  nichts  thun 
als  erben!  Vor  dem  Erwerbszweig  hab  ich  keine 
Achtung! 

1.  Meister:  Mir  scheint  das  »Neue«  geistige  Um- 
nachtung! 

2.  Meister:  Dazu  ein  widriges  Sich-Überheben ! 

1.  Meister:  Nein,  ein  ästhetisches  Sich -Über- 
geben ! 

Maler:  Ja,  schimpft  nur,  schimpft!  u.  s.  w. 
Indes  Mephisto    dem   wachsenden   Lärm    mit  Be- 
hagen zuhört,  schlägt  sich  Faust  ins  Mittel  und  ver- 
söhnt die  Streitenden. 

So  ist  es  recht!    Such'  jeder  nach  dem  Wahren, 
In  vielen  Formen  kann  sich's  offenbaren 
Und  in  den  besten  Werken  jeder  Zeit 
Steckt  auch  für  uns  ein  Kern  Unsterblichkeit. 
Es  ist  die  Kunst  ein  schöner,  weiter  Garten, 
Drin  manch'  Geschlecht  schon  seine  Bäume  hegt. 
Und  wenn  wir  traulich  jener  Blüten  warten. 
Die  unsrer  Väter  Kunst  dort  einst  gepflegt. 
So  brauchen  wir  darum  nicht  zu  verzichten. 
Auch  unsern  eignen  Steckling  aufzurichten. 
Mit  einer  Apotheose  der  Schönheit,    die  alle  200 
Darsteller    zu     einem     farbensatten     Bilde     vereinigt, 
schliesst  das  Spiel. 

Wir  haben  den  Gang  der  Scenen  ausführlicher 
wiedergegeben,  weil  die  in  dramatische  Form  ge- 
gossene Auseinandersetzung  eine  weit  mehr  als  lokale 
Bedeutung  beanspruchen  darf.  So  reich  an  guten 
Sprüchen  und  in  so  heiterm  Gewände  ist  uns  noch 
nie  eine  kunstgewerbliche  Auseinandersetzung  aktueller 
Art  begegnet.  Schon  die  Dichtung  hätte  allein  hin- 
gereicht, die  Spannung  und  das  Interesse  der  Hörer 
zu  wecken  und  zu  steigern;  ihre  Verbrämung  mit 
der  Musik  und  die  choreographischen  Künste  kamen 
hinzu,  den  Abend  zu  einem  unvergesslichen  zu  machen. 
Der  Beifall  des  dichtbesetzten  Hauses  war  denn  auch 
ein  tosender  zu  nennen.  Der  Dichter  und  die  Kom- 
ponisten, Komitee  und  Balletmeister  wurden  lebhaft 
gerufen,  zum  Schlüsse  auch  Direktor  Graul,  der  diesen 
ganzen  »Zauber«  eingefädelt  hatte  und  in  dessen  Hand 


die  Fäden  dieses  Gewebes  zusammenliefen.  In  höchst 
ermunterter  Stinmmng  begaben  sich  Spieler  und  Hörer 
nach  den  festlich  geschmückten  Räumen  des  Krystall- 
palasts,  wo  sich  alsbald  das  bunte  Bild  eines  Kostüm- 
balles entwickelte.  Da  tanzte  denn  ein  Dürer  mit 
einem  neuen  Plakatgeiste,  Harlekin  walzte  mit  einer 
Engelsgestalt  des  Burne  Jones  und  so  reizvoll  war  das 
ungebundene  Dasein,  dass  die  kunsthistorische  Ent- 
wicklung rückläufig  wurde,  insofern  mancher  Bieder- 
maier  sich  benahm,  wie  weiland  Karl  der  Kühne. 
Trotz  der  hohen  Eintrittspreise  war  auch  bei  der 
dringend  geforderten  Wiederholung  des  Festspiels  am 
Sonntag  Vormittag  das  Theater  nahezu  ausverkauft. 

AUSSTELLUNGEN 

PARIS.  Der  offizielle  Qeneralkatalog  der  Welt- 
ausstellung iQOO  erhält  das  Format  des  Reise- 
führers von  Baedeker  und  wird  infolgedessen 
handlicher  als  diejenigen  der  beiden  vorangegangenen 
Pariser  Weltausstellungen  sein.  Er  umfasst  18  Bände, 
entsprechend  den  18  Hauptgruppen,  in  die  die  Aus- 
stellung eingeteilt  ist.  Der  Preis  des  Bandes  ist  auf 
3  Eres,  fixiert.  Die  Herstellung  desselben  wurde  der 
Firma  Lemercier  für  die  Summe  von  453000  Frcs. 
zuerkannt.  -u- 

ST.  PETERSBURG.  Die  kaiserliche  Gesellschaft 
zur  Hebung  der  Künste  in  Russland,  welche 
alljährlich  in  ihrem  eigenen  Ausstellungsgebäude 
Ausstellungen  von  Werken  aus  der  modernen  Kunst 
und  des  modernen  Kunstgewerbes  veranstaltet,  beab- 
sichtigt in  den  Monaten  Januar  bis  März  1900  deut- 
sche Kunst  und  deutsches  Kunstgewerbe  in  aus- 
erlesenen Stücken  zur  Ausstellung  zu  bringen.       -u- 

WETTBEWERBE 

HANNOVER.  Preis- Ausschreiben  der  Knnstan- 
stalt  J.  C.  König  &  Ebhardt  um  farbige  Plakat- 
Entwürfe  für  die  Branchen:  Chokolade  und 
Kakao,  Fahrräder,  Fleischextrakt,  Bier,  Parfümerien  und 
Seifen,  Kognak  und  Liköre,  Kaffee  und  Surrogate, 
Nähmaschinen,  Lederkonservierungsmittel  bzw.  Wichse, 
Pianoforte,  Bisquits  und  Cakes,  Automobile,  Kindernähr- 
mittel,Schaumweine.  Auch  Entwürfe  für  andere  Branchen 
werden  zur  Konkurrenz  zugelassen.  Die  Entwürfe 
sind  in  den  Hochformaten  82X108,  56X86,  48X72, 
36X75  cm  zu  liefern,  können  in  beliebiger  Maltech- 
nik (mit  Ausschluss  von  Ölfarbe)  ausgeführt  sein  und 
müssen  sich  für  die  farbige  lithographische  Verviel- 
fältigung ohne  weiteres  eignen.  Ausgesetzt  sind:  ein 
erster  Preis  von  1000  M.,  ein  zweiter  Preis  von  750  M., 
ein  dritter  Preis  von  500  M.,  vier  Preise  von  je  300  M., 
sechs  Preise  von  je  200  M.  Ankauf  weiterer  Entwürfe 
bleibt  vorbehalten.  Das  Preisrichteramt  haben  über- 
nommen die  Herren  Professor  Max  Liebermann,  Maler . 
Walter  Leistikow,  Professor  Franz  Skarbina,  Professor 
Direktor  Hugo  von  Tschudi,  Johannes  Kirdorf  (in 
Firma  Reuter  &  Siecke),  sämtlich  in  Berlin  und  einer 
der  Teilhaber  der  ausschreibenden  Firma.  Einzuliefern 
bis  15.  Januar  1900.  -u- 


56 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


KÖLN  a.  Rh.  In  Angelegenheit  des  Preisaus- 
ausschreibens der  Firma  Gebr.  Stollwerck,  betr. 
Entwürfe  für  den  Einband  eines  Stollwerck'schen 
Sammelalbums  haben  die  Preisrichter  (s.  Kunstgewerbe- 
blatt, N.  F.  X.  Heft  8,  S.  157/158)  bei  ihrer  am 
18.  Juni  d.  J.  in  Hamburg  stattgefundenen  Beratung 
von  der  Vergebung  eines  I.  Preises  Abstand  genommen. 
Der  entsprechende  Betrag  von  500  M.  wurde  jedoch 
in  Gestalt  eines  II.  Preises  von  300  M.  und  eines 
III.  Preises  von  200  M.  neben  den  im  Ausschreiben 
bereits  ausgelosten  II.  und  III.  Preisen  verteilt.  86  Ent- 
würfe waren  für  den  Wettbewerb  eingegangen  und 
wurden  der  Beurteilung  unterzogen.  Mit  einem  11.  Preise 
ausgezeichnet  wurden  die  Entwürfe  unter  dem  Kenn- 
wort: »y4/a//Co7««  von  Fritz  He/muth  Ehmcke-BtrVm 
und  »Märchen  (No.  52)  von  > Ernst  Neumann-München. 


Dritte  Preise  wurden  zuerkannt  den  Entwürfen  unter 
dem  Kennwort:  «Sophie«  von  Adolf  Höfer  und  Walter 
Püttner- München;  '> Kater  Murr«  von  Maximilian 
Liebenwein -Burghausen  a.  d.  Salzach  in  Oberbayern, 
sowie  »Blau  und  Oelb«  von  K.arl  //o7fe- Hamburg- 
Eilbeck.  Ausser  den  fünf  genannten  wurden  die  fol- 
genden Entwürfe  zur  engeren  Wahl  gestellt,  auch  den 
Herren  Gebr.  Stollwerck  zur  Auswahl  empfohlen,  falls 
sie  den  im  Ausschreiben  vorgesehenen  Ankauf  von 
nicht  prämiierten  Entwürfen  vorzunehmen  beabsich- 
tigten: y Hanne«,  y-lm  Abendgold«,  «Interessant«, 
»Hausmütterchen«,  »Albumdeckel«,  »Mohrenkuss«, 
»Siesta«,  »Drei  Mann  hoch«,  »Märchen  (Nr.  63)«, 
»Fahre  wohl«,  »Bonbon«.  Von  der  Ermittelung 
der  Urheber  dieser  Entwürfe  hat  das  Preisgericht 
abgesehen. 


Credeiiz  (helles  Fölirenholz).     Entworfen  von  H.  SCHLICHT,  Dresden. 
Ausgeführt  in  den  Dresdner  Werkstätten  (Schmidt  &  Müller). 


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Wandbnmnen :  entworfen  an  der  Orossherzogl.  Kunstgewerbeschule  Karlsruhe  von  WILHELM  MERTEN  unler  Leitung 

von  Prof.  F.  DIETSCHE. 


BADISCHES  KUNSTGEWERBE 


IE  Grundbedingung  für  eine  gediegene  Pflege  des  Kunstgewerbes  ist  die  Heranziehung  und 
Scfiulung  befähigter  Kräfte  und  ihre  tüchtige  Ausbildung,  sowohl  nach  künstlerischer,  wie 
auch  nach  technischer  Seite.  Diese  Erziehung  müsste  überall  da  geschehen,  woselbst  sich 
eine  Kunstindustrie  als  lebensfähig  erwiesen  hat,  wo  eine  gesunde  Grundlage  für  eine  plan- 
mässige  Weiterentwicklung  vorhanden  ist.  Dabei  sollte  aber  auch  stets  die  individuelle 
Eigenart  dieser  Kunstindustrie,  die  ja  meist  mit  dem  Volke  selbst  in  enger  Beziehung 
steht,  gewissenhaft  gewahrt  bleiben.  In  diesem  Sinne  hat  sich  die  staatliche  Organisation 
Deutschlands  als  vorteilhaft  und  weitaus  günstiger  erwiesen,  als  z.  B.  in  unserem  Nachbar- 
staate Frankreich,  bei  dem  die  Hauptstadt  Paris  fast  ausschliesslich  einen  tonangebenden  und 
bestimmenden  Einfluss  ausübt.  Daher  kann  man  auch  in  Deutschland  von  einem  Münchener, 
Berliner,  von  einem  bayerischen,  sächsischen  und  badischen  Kunstgewerbe  sprechen. 
Unsere  grösseren  Ausstellungen  haben  diese  Wahrnehmung  zur  Genüge  gezeigt,  denn 
überall  machte  sich  bei  denselben  die  charakteristische  Eigenart  unserer  verschiedenen  Volksstämme  bemerkbar.  — 
Über  die  Art  und  Weise  dieser  kunstgewerblichen  Erziehung  kann  man  ja  verschiedener  Ansicht  sein,  die 
Ergebnisse  allein  bieten  den  Beleg,  ob  der  betretene  Weg  der  richtige  ist.  Um  nach  diesen  Erfolgen  zu 
schliessen,  hat  das  verhältnismässig  kleine  Badnerland  sehr  günstige  Resultate  aufzuweisen,  da  es  überall  bei 
seinem  öffentlichen  Auftreten  ebenso  eigenartige  wie  tüchtige  Leistungen  vorführen  und  hierbei  den  Beweis 
liefern  konnte,  dass  das  badische  Kunstgewerbe  sich  im  steigenden  Fortschritte  kräftig  weiterentwickelt  hat. 
Im  Grossherzogtum  Baden  hat  man  aber  frühzeitig  die  Bedeutung  dieser  Schulung  erkannt,   da  hier  alle 

Kunsfgewerbeblatt.    N.  F.    XL    H.  4.  g 


Initial,  entworfen  von 
RGB.  OREANS. 


58 


BADISCHES^KUNSTOEWERBE 


Ehrenpreis  des  Gr.  Bad.  Minist,  d.  I.  für  das  Iffezli.  Rennen. 
Entwurf  H.  GÖTZ;  Ausführung  L.  BERTSCH,  Karlsruhe. 


massgebenden  Faktoren,  ein  kunstsinniger  Fürst,  eine 
weise  Regierung  und  opferwillige  Landstände  gemein- 
sam zusammenwirkten,  um  iiier  für  die  Pflege  des 
Kunstgewerbes  eine  den  Bedürfnissen  des  Landes  ent- 
sprechende Organisation  zu  schaffen.  Für  die  grossen 
altbewährten    Industrien     der     Uhrenfabrikation     des 


Schwarzwaldes  wurde  die  Uhrmacher-  und  Schnitzerei- 
schuie  in  Furtwangen,  für  die  Bijouteriefabrikation  in 
Pforzheim  die  Kunstgewerbeschule  daselbst  geschaffen. 
Die  Centrale  für  das  ganze  Land  bildete  nebst  der 
Grossherzoglichen  Landesgewerbehalle  hauptsächlich 
die  aus  dieser  Anstalt  hervorgegangene  Orossherzog- 
liclie  Kunstgewerbeschule  Karlsruhe.  Anfang  der 
siebziger  Jahre  begründet,  hat  sie  seit  ihrem  Bestehen, 
insbesondere  aber  seit  der  Errichtung  ihrer  Fachklassen 
auf  das  Emporblülien  des  badischen  Kunstgewerbes 
einen  ganz  bedeutenden  Einfluss  ausgeübt.  Später 
entstand  dann  noch  der  von  dem  Vorstande  der  Anstalt 
geschaffene  Kunstgewerbeverein,  der  in  wohlthuendster 
Wirkung  die  f^eziehungen  der  Schule  zu  der  Praxis 
vermittelt,  sowie  die  Sanunlung  des  Grossherzoglichen 
Kunstgewerbe- Museums.  Das  gesunde  Zusannnen- 
wirken  dieser  verschiedenen  Faktoren  hat  denn  auch 
eine  Reihe  der  glänzendsten  Erfolge  aufzuweisen,  da 
sie  bei  allen  grösseren  kunstgewerblichen  Unter- 
nehmungen leitend  an  der  Spitze  standen. 

Ausser  den  bereits  schon  angeführten  grossen 
Landesindustrien  haben  sich  in  Baden  auch  die  übrigen 
kunstgewerblichen  Gebiete  recht  wacker  herausent- 
wickelt. So  die  Möbelfabrikation,  die  Silberschmiede- 
kunst,  die  Emailtechnik,  die  Glasmalerei,  die  Ofen- 
fabrikation und  Keramik,  die  Tapetenfabrikation,  die 
Lithographie,  die  Kunstschmiedetechnik,  die  Kartonnage- 
fabrikation und  eine  Reihe  weiterer  verwandter  Gebiete. 

Auch  unser  Januarheft  istden  Erzeugnissen  Badens  ge- 
widmet, da  indemselbenausschliesslich  Illustrationen  von 
Werken  badischer  Meister  und  Schulen  enthalten  sind. 

Von  dem  Leiter  der  Karlsruher  Kunstgewerbe- 
schule Professor  Hermann  Götz  sehen  wir  zunächst 
ein  Madonnenbild,  welches  derselbe,  einem  Wunsche 
seiner  Heimat  nachkommend,  für  die  auf  einem  reizen- 
den Aussichtspunkte  des  badischen  Kinzigthales  ge- 
legene Jakobs-Kapelle  in  Gengenbach  gemalt  und  als 
eine  Erinnerung  an  seine  daselbst  verlebten  Jugend- 
jahre gestiftet  hat.  Es  ist  ein  Werk  von  edler  Kom- 
position und  wirkungsvoller  Farbenstimmung,  in 
Tempera  gemalt,  die  Figuren  etwas  über  Lebensgrösse. 
Oötz  versucht  sich  hier  erstmals  im  Gebiete  der  kirch- 
lichen Kunst,  doch  zeigt  der  vielseitige  und  in  allen 
Gebieten  bewanderte  Meister,  dass  er  auch  dieser 
Aufgabe  vollkommen  gewachsen  ist.  —  Weitaus  be- 
kannter sind  seine  künstlerischen  Entwürfe  für  Edel- 
metall. Zählen  sie  doch  zu  Hunderten,  darunter  eine 
Reihe  der  wertvollsten  und  reichsten  Prachtstücke, 
welche  die  deutsche  Silberschmiedekunst  in  den  letzten 
zwei  Jahrzehnten  geschaffen  hat.  Wir  erwähnen  nur 
den  Silberschatz  badischer  Städte  und  Gemeinden  zur 
Vermählung  des  Erbgrossherzogs,  den  Adressenschrein 
des  badischen  Landes  zum  Jubiläum  des  Grossherzogs 
und  die  Ehrengabe  zum  70.  Geburtstage  von  Rudolf 
von  Bennigsen.  So  fertigt  Oötz  seit  18  Jahren  die 
Entwürfe  zu  den  kostbaren  Ehrenpreisen,  die  der 
Grossherzog  alljährtich  zu  den  Iffezheimer  und  Mann- 
heimer Pferderennen  stiftet.  Dieselben  werden  durch 
verschiedene  Meister  des  Landes  in  Kartsruhe,  Heidel- 
berg, Mannheim  ;und  Pforzheim  ausgeführt.  Unsere 
Illustration  enthält  den  Goldpokal,  der  mit  der  Sunniie 


BADISCHES  KUNSTGEWERBE 


59 


von  100  000  Mk. 
den  diesjährigen 
grossen  Preis 
von  Iffezheim 
bildete.  Ei  ist 
nach  dem  Ent- 
wnrfe  des  Künst- 
lers durch  Pro- 
fessor K-  Weib- 
Icn  in  Pforzheim 
ansgefiihrt  nnd 
nnnniehr  in  fran- 
zösischen Besitz 
übergegangen. 
(Abbild.  S.  73). 
In  dem  weiteren 
Pokale  bringen 
wir  eine  Arbeit 
des  Meisters, 
die  ans  der 
Werkstätte  des 
Hofjnweliers  L 
Bertsch  in  Karls- 
rnhe  hervorge- 
gangeri  ist.  Un- 
gemein zahl- 
reich sind  ferner 
die  Ehrendiplo- 
me, die  Direktor 
Götz  meist  in 
flotten  Aquarel- 
len angefertigt 
und  auch  fürdie- 
selben  die  ent- 
sprechenden 
Mappen  gezeich- 
net hat.  Zwei 
derselben  in  po- 
lychromer Le- 
dertechiuk  sind 
in  unserem  Hefte 
vertreten.  Das 
Bedeutendste  je- 
doch, was  von 
ihm  in  dieser  Art 
gefertigt  wurde, 
istdieEhrenbür- 
gerurkundej  der 
badischen  Städte 
an  den  Fürsten 
Bismarck. 

Von   weite- 
ren Arbeiten  der 

Karlsruher 
Schule  sehen  wir 
das  flotte  Modeil 
für  einen  farbi- 
gen Majolika- 
Brunnen,  wel- 
ches ].  Merien 
in  der  Bild- 


Madonnenbild  für  die  Jakobskapelle  in  Qengenbach  von  Prof.  HERMANN  GÖTZ,  Karlsruhe. 


hauerfachkiasse 
der      Grossher- 
zoglichen 
Kunstgewerbe- 
schule unter  Lei- 
tung von  Profes- 
sor F.  Dietschc 
entworfen     hat. 
Von    dem    letz- 
teren  Meister 
stammt  auch  die 
Engelsfigur    für 
ein  Grabmal. 
Professor   Diet- 
sche    ist    z.   Zt. 
mit      grösseren 
Aufträgen       für 
das   Rathaus    in 
Freiburg  (Bron- 
zegruppen),  die 

Karlsruher 
Christuskirche 
(Reliefs)  und  Fi- 
guren für  die 
Stadt  Duisburg 
beschäftigt.  — 
Von  dem  Leiter 
der  neubegrün- 
deten kerami- 
schen Fachklasse 
der  Karlsruher 
Kunstgewerbe- 
schule Professor 
Karl  Kpriihas 
finden  wir  in 
zwei  Majolika- 
Reliefs,  einem 
weiblichen  Stu- 
dienkopf und 
einem  Wappen- 
Medaillon  Ar- 
beiten, die  leider 
sehr  unvollkom- 
men wiederge- 
geben sind,  da 
sie  der  Farben- 
wirkung entbeh- 
ren. Letztere  be- 
ruht hauptsäch- 
lich in  der  ge- 
flammten Lüs- 
terglasur, einer 
besonderen  Spe- 
zialität dieses  Ke- 
ramikers, bei  der 
die      metallisch 

schimmernde 
und  in  allen  Far- 
ben reflektieren- 
de     Stimmung 
eine    besondere 

9* 


6o 


BADISCHES  KUNSTGEWERBE 


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Adressen -Mappe;  Entwurf  von  Direktor  H.  GÖTZ,  Karlsruhe. 


Eigenart  bildet.  Kprnhas,  ein  geborener  Schwarzwäider, 
hat  diese  Technik  durch  jahrelangen  Aufenthalt  in  den 
ersten  italienischen  Fabriken  eingehend  studiert.  Die 
Wirkung  und  der  fördernde  Einfluss  dieser  keramischen 
Fachschule  dürften  sich  für  Baden  in  Bälde  fühlbar 
machen,  denn  die  Städte  Karlsruhe,  Mosbach,  Heidelberg, 
Baden,  Zell  a.  H.,  Hornberg,  Villingen  und  Kandern 
besitzen  bedeutende  Ofen-  undThonwarenfabriken.  Auch 
Frau  E.  Schmidt -Pecht  in  Konstanz  hat  sich  mit  sehr 
glücklichen  Versuchen  in  Schwarzwald -Majoliken  be- 
fasst,  wie  ja  auch  die  Erzeugnisse  des  aus  der  Karls- 
ruher Kunstgewerbeschule  hervorgegangenen  Kera- 
mikers Professor  M.  Läuger  überall  bekannt  sind. 

In  das  Gebiet  der  Medailleurkunst,  die  insbeson- 
dere in  Professor  Rud.  Mayer  in  Karlsruhe  einen 
trefflichen  Meister  besitzt,  gehört  ferner  die  Medaille, 


für  weiche  Bildhauer  H.  Bau- 
scr  für  die  Silberhochzeit  des 
Kommerzienrats  O.  Bally  in 
Säckingen  die  in  unserem 
Hefte  abgebildeten  Modelle 
gefertigt  hat.  Von  weiteren 
Lehrern  derKarlsruherSchule 
finden  wir  noch  die  poly- 
chrom behandelte  Decken- 
skizze von  Maler  Wilhelm 
Lang  für  einen  Plafond  des 
neu  restaurierten  Blumen- 
saales im  Konversationshause 
zu  Baden-Baden;  ferner  die 
figürlichen  Studien,  weib- 
licher Akt  und  Portrait  von 
Maler  Hermann  Göhler,  bei- 
des sehr  tüchtige  Leistungen. 
Auch  der  Reiherfries  ist  von 
demselben  Künstler,  während 
der  andere  Fries  mit  dem 
Bildnisse  von  Albrecht  Dürer 
in  der  dekorativen  Fachklasse 

der  Kunstgewerbeschule 
Karlsruhe  unter  Leitung  von 
Professor  Karl  Eyth  entwor- 
fen und  gemalt  wurde.  Als 
weitere  dekorative  Arbeiten 
sind  die  beiden  für  Email- 
technik komponierten  Friese 
von  Professor/<ö''/Oßg'^^und 
dessen  Bruder  August  Gagel 
anzuführen,  welche  dieselben 
für  Bergmanns  Emailwerke 
in  Gaggenau  ausgeführt  ha- 
ben. Diese  bis  zu  einer 
Grösse  von  mehreren  Metern 
auf  Eisenblech  hergestellten 
Emailarbeiten  sind  in  Fach- 
kreisen noch  viel  zu  wenig 
bekannt,  da  ihre  Technik 
sonst  vielmehr  Verwendung 
finden  würde.  Sie  eignet  sich 
namentlich  für  Fassaden- 
schmuck, da  sie  sich  für  je- 
den Witterungs-  und  Temperaturwechsel  als  äusserst 
widerstandsfähig  erweist  und  ungemein  dauerhaft  ist. 
Fabrikant  Bergmann,  der  sich  seit  vielen  Jahren  mit  der 
Vervollkommnung  dieses  Emailverfahrens  befasst,  hat 
für  sein  eigenes,  in  dem  badischen  Murgthale  gelegenen 
Anwesen  nach  den  Gagel'schen  Entwürfen  ein  höchst 
originelles  Repräsentationshaus  bauen  lassen,  welches 
die  praktische  Verwendung  dieser  Einailarbeiten,  so- 
wohl an  der  Aussenfassade,  als  auch  in  der  Innenaus- 
stattung zur  Anschauung  bringt.  Diese  keineswegs 
leichte  Aufgabe  hat  Professor  Oagel  mit  vielem  Ge- 
schick und  so  gelöst,  dass  diese  Emailfüllungen  in- 
mitten der  gebeizten  Naturholzfriese  eine  äusserst  har- 
monische Farbenstimmung  erzielen.  Ein  Teil  dieser 
Dekoration  wird  auch  in  Paris  im  nächsten  Jahre  zur 
Ausstellung  gelangen   und   so  den   weitesten  Kreisen 


BADISCHES  KUNSTGEWERBE 


61 


Arbeit  aus  der  dekorativen  Facliklasse  der  Kunstgewerbescliule  zu  Karlsruhe. 


zur  Einsicht  vorgefüiirt  werden.  Die  ersten  aber  noch 
unvollkommenen  Versuche  in  der  Anwendung  solchen 
Fassadenschmuckes  wurden  unseres  Wissens  in  Ham- 
burg gemacht. 

Die  Glasmalerei  hat  in  Baden  in  den  letzten  Jahren 
einen  bedeutenden  Aufschwung  genommen,  denn  das 
Land.zählt  insgesamt  acht  zum  Teil  sehr  grosse  Fabriken 
und  Ateliers,  die  nicht  allein  die  Bedürfnisse  des  Landes 
decken,  sondern  der  Hauptsache  nach  noch  sehr 
viel  für  das  Ausland  fertigen.  So  besitzt  die  Stadt 
Offenburg  allein  vier  grössere  Geschäfte,  in  denen 
ausserdem  noch  die  Glasätzerei  und  die  Anfertigung 
des  sogenannten  Musselinglases  betrieben  wird.  Aus 
den  Werkstätten  dieser  Fabriken  sind  schon  zahlreiche 
und  äusserst  tüchtige  Leistungen  nach  Amerika,  Eng- 
land, Schweden-Norwegen,  Russland,  Spanien  u.  s.  w. 
hinausgesendet  worden,  woselbst  sie  dem  badischen 
Kimstgewerbe  zur  besonderen  Ehre  gereichen.  Von 
dem  bekannten  Freiburger  Meister  Fritz  Gciges,  der 
namentlich  in  dem  Gebiete  der  mittelalterlichen,  kirch- 
lichen Kunst  Hervorragendes  leistet  und  sich  in  geradezu 
virtuoser  Weise  in  diese  Zeit  eingelebt  hat,  finden  wir 
in  unserem  Hefte  ein  grösseres  Kirchenfenster,  welches 
in  zwei  Teile  gegliedert  ist.  Auch  hier  vermissen  wir 
leider  die  eigentliche  Farbenwirkung,  welche  diesem 
Werke  den  besonderen  Reiz  verleiht.  Oeiges  steht 
neben  dem  Frankfurter  Linneinann  ausser  Zweifel  an 
der  Spitze  der  kirchlichen  Glasmalerei,  da  er  nicht 
allein  der  künstlerische  Erfinder  seiner  Werke  ist,  sondern 
dieselben  auch  technisch  meisterhaft  ausführt.  Seine 
Arbeiten  für  die  Münster  in  Freiburg  i.  B.,  Eichstätt, 
Konstanz,  Frankfurt  a.  M.,  Bonn,  Magdeburg  und  für 
zahlreiche  sonstige  Kirchen  geben  hierfür  ein  beredtes 
Zeugnis.  Auch  für  die  Augusta- Gnadenkirche  und 
die  Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche  in  Berlin  hat 
Oeiges  prächtige  Fenster  gefertigt,  die  mit  zum  Besten 
gehören,  was  in  Deutschland  überhaupt  in  neuerer 
Zeit  auf  diesem  Gebiete  geleistet  wurde.  Professor 
Oeiges  ist  z.  Zt.  mit  drei  grösseren  Glasgemälden  für  den 
Erweiterungsbau  des  Freiburger  Rathauses  beschäftigt, 
welche  geschichtliche  Momente  und  historische  Portraits 
zur  Darstellung  bringen.  Auch  der  dekorative  Fassaden- 
schmuck   des    Freiburger   Rathauses    ist   ein  sehr  be- 


achtenswertes Werk  dieses  Meisters.  —  Als  weitere 
Vertreter  der  badischen  Glasmalerei  nennen  wir  noch 
Drinneberg  in  Karlsruhe,  Beiler  in  Heidelberg,  Heimle 
und  Merzweiler  in  Freiburg  i.  B.,  Wilhelm  Schell, 
Adolf  Schell,  Vittali,  Börner  und  Gccit  in  Offenburg. 
Von  den  letztgenannten  enthält  unser  Heft  noch  ein 
dreiteiliges  Treppenhausfenster. 

Aus  dem  Gebiete  der  Möbelfabrikation  finden  wir 
von  der  Hofmöbelfabrik  von  A.  Dietler  in  Freiburg  i.  B. 
noch    die  Illustration    eines  Jagdzimmers.     Diese  be- 


Eiilwurf  zu  einer  Urkunden-Mappe  der  Säckinger  Walfisch-Gesellschaft 
von  Direktor  H.  OÖTZ,  Karlsruhe. 


62     HAT  DAS  PUBLIKUM  EIN  INTERESSE  DARAN,  SELBER  DAS  KUNSTGEWERBE  ZU  HEBEN? 


Akt,  gemalt  von  Herrn.  OÖHLER,  Karlsruhe. 

kannte  Firma,  die  sich  auch  nach  aussen  eines  be- 
deutenden Rufes  erfreut,  hat  in  den  letzten  Jahren 
eine  Anzahl  reicherer  Einrichtungen  für  die  Schlösser 
des  Orossherzogs  von  Luxemburg,  des  Herzogs  von 
Anhalt  u.  a.  geliefert.  Von  weiteren  Möbelfabriken 
des  Landes  sind  hervorzuheben  Gebr.  Himmelheber, 
A.  Qehrig,  L.  Distelhorst  und  M.  Reutlinger  in  Karls- 
ruhe, Gebr.  Müller  in  Baden-Baden,/.  L.  Peter  m  Mann- 
heim. Von  der  letzteren  sehr  leistungsfähigen  Firma 
stammt  auch  das  in  unserem  Hefte  enthaltene  Büffet. 
Unterstützt  werden  diese  Fabriken  durch  zwei  be- 
deutende Intarsiengeschäfte  des  Landes:  R.  Macco 
in   Heidelberg   und  H.  Maybach   in   Karlsruhe.     Die 


farbigen  Relief  Intarsien  des  letztgenannten  Meisters 
sind  eine  besondere  Spezialität,  die  auch  durch  zahl- 
reiche Aufträge  für  das  Ausland  ausgezeichnet  wird. 
Alle  hier  angeführten  Arbeiten  liefern  zugleich  auch 
den  Beweis,  dass  die  moderne  Bewegung  auch  in 
Baden  die  gebührende  Beachtung  gefunden  hat  inid 
zwar  in  jener  massvollen,  gesunden  Richtung,  wie  sie 
durch  die  Karlsruher  Schule  vorbildlich  gepflegt  wird. 


HAT  DAS  PUBLIKUM 
EIN  INTERESSE  DARAN, 
SELBER  DAS  KUNSTGE- 
WERBE ZU  HEBEN? 


Von  Hermann  Obrist 


DIE  Beantwortung  der  Frage,  die  wir  hier  aufwer- 
fen, ist  nicht  ganz  einfach  und  ihre  Berechtigung 
wird  wohl  sogar  angezweifelt  werden.  Man- 
cher Leser  wird  vielleicht  fragen:  Was  kann  denn 
das  Publikum  gross  dabei  eingreifen  und  mitwirken? 
Dazu  sind  ja  der  Staat,  die  Gemeinde,  die  Herren 
Fabrikanten  und  vor  allem  die  Kunstgewerbetreiben- 
den da! 

Ich  fürchte  sogar,  es  werden  viele  so  denken. 
Haben  sich  doch  die  grossen  Schichten  des  Bürger- 
tums immer  dabei  beruhigt,  dass  die  Regierung  alles 
Nötige,  die  Landwirtschaft,  den  Unterricht,  die  Hygiene 
und  natürlich  auch  die  Kunst  zu  heben  wissen  würde; 
wenn  nicht,  so  würde  man  ihr  in  der  Kammer,  im 
Landtage  schon  die  nötige  Rüge  erteilen! 

Es  ist  jedoch  ein  Irrtum  anzunehmen,  es  genüge, 
der  Regierung  die  Pflege  der  Kunst  allein  zu  über- 
lassen. Wir  möchten  uns  bemühen,  diesen  Irrtum 
etwas  zu  zerstreuen  und  zu  zeigen,  wie  wenig  es  ist, 
was  der  Staat  thun  kann  und  wie  enorm  der  Einfluss 
sein  könnte,  den  das  Publikum,  d.  h.  jeder  einzelne 
ausüben  könnte.  Mit  dem  Worte  heben  ist  nun 
schon  der  Begriff  des  Neuen,  des  Fortschreitens  eng 
verbunden.  Der  Staat  aber  kann  es  nicht  gut  ver- 
antworten, mit  dem  Gelde  der  Steuerzahler  in  den 
Kunstgewerbeschulen  oder  bei  Vergebung  grosser 
Bauten  Experimente  mit  neuen  Kunstrichtungen  zu 
machen.  Der  Staat  muss  sicher  gehen.  Das,  was 
die  Alten  geschaffen,  ist  wirklich  schön  und  bewährt 
Man  arbeite  in  diesen  Stilformen,  lehre  sie  in  den 
Schulen  und  man  wird  sicher  gehen.  Haben  sich 
dann  im  Laufe  der  Jahrzehnte  neue  Formen,  neue 
Systeme  bewährt,  so  kann  der  Staat  auch  diese 
brauchen.  Vorläufig  ist  Vorsicht  geboten.  Darum 
ist  es  schwer,  Vorschläge  zu  machen,  auf  welche 
Weise  der  Staat  das  Kunstgewerbe  heben  solle.     Es 


HAT  DAS  PUBLIKUM  EIN  INTERESSE  DARAN,  SELBER  DAS  KUNSTGEWERBE  ZU  HEBEN?     63 


sind  ihrer  schon  genug  gemacht  worden,  und  es 
geschah  fast  immer  umsonst. 

Was  die  Kunstgewerbetreibenden,  insbesondere 
die  Kunsthandweri<er  anbetrifft,  so  ist  auch  für  sie 
die  Herstellung  von  etwas  wirklich  Eigenartigem  eine 
sehr  riskante  Sache.  Sie  sind  alle  mehr  oder  minder 
abhängig  vom  Oeschmacke  des  Publikums,  und  erst 
wenn  das  Verhältnis  zwischen  diesem  und  jenen  ein 
klareres,  zuverlässigeres  geworden  ist,  kann  man  von 
ihnen  Initiative  verlangen.  Vorher  kann  man  den 
Kunstgewerbetreibenden  höchstens  vorschlagen,  Initia- 
tive zu  zeigen  und  sich  freuen,  wenn  es  ihnen  ge- 
lingt, den  Geschmack  des  Publikums  zu  bessern. 
Und  eben  dieses  Verhältnis  des  Publikums  zu  den 
Kunstgewerbetreibenden  wollen  wir  jetzt  etwas  be- 
leuchten. 

Also  das  Publikum  soll  bei  der  Hebung  des 
Kunstgewerbes  mitwirken,  offenbar  doch  wohl,  weil 
dies  noch  nicht  hoch  genug  steht?! 

Es  scheint  mir  sehr  wahrscheinlich,  dass  gleich 
von  vornherein  gegen  diese  Forderung  Einspruch 
erhoben  wird.  Ich  höre  Entgegnungen  aller  Art. 
Man  blicke  doch  um  sich,  wird  man  sagen,  strotzen 
nicht  alle  Läden  von  herrlichen  kunstgewerblichen 
Arbeiten,  giebt  es  nicht  Kaufhäuser  genug,  glänzende 
Ausstellungen,  wird  nicht  enorm  produziert,  erringt 
das  deutsche  Kunstgewerbe  nicht  vielfach  Triumphe 
im  Auslande?  Und  werden  bei  uns  nicht  auch 
herrliche  Einzelwerke  geschaffen?  Ist  unser  Kunst- 
gewerbe nicht  in  der  Lage,  allen  Anforderungen, 
allen  Bestellungen  in  jeglicher  Stilart  gerecht  zu 
werden  ? 

Kurz,  es  werden  Gründe  verlangt,  weshalb  denn 
eigentlich  das  Kunstgewerbe  noch  mehr  gehoben 
werden  soll.  Nun  gut:  sehen  wir  uns  einmal  um, 
was  für  Herrliches  uns  in  unseren  Läden  geboten 
wird.  Um  nicht  ungerecht  zu  erscheinen,  wollen 
wir  von  vornherein  zugeben,  dass  überall  in  be- 
schränkter Anzahl  ganz  gute,  sogar  schöne  Sachen 
erstanden  werden  können.  Wir  müssen  aber  hier 
einmal  klar  zu  erkennen  suchen,  wie  hoch  der  Durch- 
schnitt der  Ware  künstlerisch  steht. 

Gehen  wir  z.  B.  in  ein  Warenlager  von  Möbeln 
billigen  Genres,  so  finden  wir  viele  unbequeme 
Sofas,  Chaiselonguen,  schwere  Polstermöbel,  Zimmer- 


Portiät,  gemalt  von  HERM.  OOHLER,  Karlsruhe. 

einrichtungen  in  jener  entsetzlichen  missverstandenen 
Schreinerrenaissance  mit  aufgeleimten  Ornamenten. 
Gehen  wir  in  ein  besseres  Möbelgeschäft,  so  finden 
wir  teuere  Einrichtungen  im  schwersten  Architektur- 
Möbelstil  oder  von  goldstrotzenden  Barockmöbeln, 
alles  schwerfällige,  unbewegliche,  unbehagliche  Stücke, 
oder  im  Gegensatz  dazu  neu-englische  Stühle,  die  so 
dünn  und  leicht  sind,  dass  ein  Bürger,  der  sich 
achtete,  sich  noch  in  den  70er  Jahren  nicht  darauf 
gesetzt  hätte. 

Unsere  heimischen  Tapeten  sind  nur  zu  oft  kreidig 
oder  staubbraun  im  Tone  und  mit  Blümchen  oder 
mit  Mustern  aus  längstvergangenen  Zeiten  bedeckt 
oder  den  Engländern  nachgebildet.  Das  Linoleum 
imitiert  in  materialwidriger  Weise  Holzparkett  und 
Fliesen,  das  Porzellan  kommt  aus  den  Formen  des 
Rokoko    oder    der  geblümten    Muster   nicht    heraus. 


Moderner  Fries  (Reihermotivj,  gemalt  von  HERM.  OÖHLER,  Karlsruhe. 


64     HAT  DAS  PUBLIKKM  EIN  INTERESSE  DARAN,  SELBER  DAS  KUNSTGEWERBE  ZU  HEBEN? 


Medaillon   Bally,  Avers  und  Revers  von  Bildhauer  H.  BAUSER,  Karlsruhe, 


Unsere  Goldschmiede  machen  Pokale  nacii  altdeut- 
schen Vorbildern,  Jardinieren  in  Barock,  Tafelaufsätze 
in  Rokoko,  unsere  Juweliere  fertigen  Ringe  und 
Broschen,  die  Hunderte  und  Tausende  kosten,  imitieren 
aber  Blümchen  und  flatternde  Bänder  oder  geben 
überhaupt  wesenlose  Gebilde  und  die  schönsten 
Steine  werden  in  aufdringlicher  oder  protziger  Weise 
montiert. 

Die  Trinkgefässe,  Bowlen  und  Vasen  aus  Glas 
sind  so  mit  Emailmalereien  bedeckt,  dass  man  die 
Form  nicht  mehr  erkennen  kann. 

Treten  wir  in  ein  Lampengeschäft,  so  ist  es  fast 
unmöglich,  eine  einfache  Lampe  zu  entdecken.  Die 
Hängelampen  sind  mit  Zierat  bedeckt,  alles  ist  ver- 
goldete oder  imitierte  Bronze.  Die  Stehlampen  sind 
überall  mit  Buckeln,  Köpfen,  Festons,  Gekringel 
aller  Art  verziert.  Und  begeben  wir  uns  erst  in  ein 
Luxuswarengeschäft,  wie  flimmert  es  einem  da  vor  den 
Augen!  Man  sieht  den  Laden  vor  Prunkstücken 
nicht.  Was  für  Vasen  aus  Majolika  mit  Bronze 
montiert,  wie  grossartig  nutzlos!  Krüge  und  Schalen 
und  Gefässe  aller  Art,  bemalt,  emailliert  und  ver- 
goldet, aufdringlich  von  weitem,  in  der  Nähe  ordi- 
när. Geschnittenes  Glas,  gewundenes  Rokokopor- 
zellan und  verwirrende  Mengen  von  Statuen,  Statuetten, 
Bronzen;  dazu  ein  Sammelsurium  von  Tanagrafiguren, 
altdeutschen  Landsknechten,  französischen  Balleteusen, 
ferner  Masskrüge  mit  den  geschmacklosesten  Einfällen, 
Münchener  Kindl  und  Rokokoschmiedeeisen;  und 
vor  allem  jene  gefährlichen  Feinde  der  Kunst,  die 
Nippsachen,  wahre  Bazillen  des  Kunstgewerbes!  Man 
muss  es  erlebt  haben  wie  wir,  dass  eine  vornehme 
Frau  von  Geschmack  beim  Weihnachtseinkauf  den 
Laden  mit  Thränen  in  den  Augen  vor  Verwirrung 
und  Ratlosigkeit  verliess,  um  den  ganzen  Jammer 
dieser  Überproduktion  zu  ermessen. 

Kurzum,  wohin  man  blickt,    Überfülle,   aber  das 


Einzelne  zu  oft  kleinlich,  banal,  Fabrikware,  aber  bis 
zur  Grenze  der  Möglichkeit  mit  Ornament  bedeckt. 
Und  diesem  Zustande  muss  abgeholfen  werden. 

Und  in  der  That,  das  Publikum  wird  langsam 
inne,  dass  es  von  Bazarware,  von  Massenerzeugnissen 
umringt  ist,  und  dass  auch  die  schönsten  Arbeiten  der 
besten  Werkstätten  schwer  darunter  leiden,  dass  sie  aus 
der  Formengebung  der  Renaissance,  des  Barock,  des 
Rokoko,  des  Empires  und  des  neuerdings  beliebten 
neuenglischen  Stiles  nicht  herauskommen. 

Es  fehlt  nun  bei  uns  nicht  an  Personen,  die  ganz 
zufrieden  mit  ihrem  prachtvollen  Empfangssalon  in 
Rokoko,  etwas  verdrossen  fragen:  Ja,  ist  es  denn  wirk- 
lich so  nötig,  da  zu  reformieren ,  muss  denn  durchaus 
immer  etwas  Neues  gemacht  werden,  ich  finde,  dass 
wir  so  viel  Auswahl  haben,  dass  für  jeden  Geschmack 
etwas  da  ist?  Allein  die  überwiegende  Zahl  derer, 
die  zu  dem  Kunstgewerbe  überhaupt  ein  Verhältnis 
haben,  hat  doch  die  Erkenntnis  gewonnen,  dass  es 
zuviel  Gute-Stube-Kunstgewerbe,  zuviel  Restaurant- 
Luxus  und  vor  allem  zu  viel  Stilfexerei  giebt  und  dass 
dieses  Überwiegen  des  Banalen  und  Aufdringlichen, 
dies  Kennzeichen  der  letzten  Jahre,  einer,  aber  auch 
nur  einer  der  Gründe  ist,  weswegen  das  Kunstgewerbe 
gehoben  werden  muss.  Man  interessiert  sich  für  das 
Neue,  das  Einfache,  das  Gesunde,  man  sehnt  sich 
danach  und  das  ist  ein  Anfang  zur  Besserung.  Wie 
diese  bessere  Einsicht  nun  bethätigt  werden  könnte, 
darauf  kommen  wir  später  zurück.  Zunächst  wollen 
wir  klarstellen,  dass  und  warum  es  den  Kunstgewerbe- 
treibenden nicht  allein  überlassen  werden  kann,  an  der 
Beseitigung  der  Missstände  zu  wirken;  Dazu  ist  ein 
Blick  auf  ihre  Lage  und  ihr  Verhältnis  zur  allgemeinen 
Produktion  notwendig. 

Wer  in  den  Werkstätten  der  Kunsthandwerker  zu 
Hause  ist,  der  kann  nicht  ohne  Ernst  die  Sorgen  be- 
trachten, die  jene  Kreise  in  steigendem  Masse  erfüllen. 


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Kunstsewerbeulatl.    N.  p.   XI.    II.  4. 


10 


I 


HAT  DAS  PUBLIKUM  EIN  INTERESSE  DARAN,  SELBER  DAS  KUNSTGEWERBE  ZU  HEBEN?     67 


Es  wäre  eine  sehr  irrige  Meinung,  aus  der  Masse  der 
Ware,  die  man  auf  dem  Markte  sieht,  zu  folgern, 
es  ginge  diesen  Leuten  recht  gut,  sie  hätten  ja  vollauf 
zu  thun.  Die  grosse  Masse  dieser  Ware  stammt  aus 
Fabriken  und  leider  nur  zu  viele  Kunsgewerbetrei- 
bende  arbeiten  direkt  oder  indirekt  mit  oder  für  Fa- 
briken. Die  Mehrzahl  aller  gewöhnlichen  Möbel 
z.  B.  werden  im  Orossbetriebe  angefertigt.  Eben  diese 
Fabriken  aber  sind  es,  die  mit  solcher  beklagens- 
werten Energie  den  Markt  mit  schlechten  und  nach 
unseren  Begriffen  oft  unfassbar  geschmacklosen  Mö- 
beln überschwemmen.  Und  gerade  sie  sind  es,  die 
es  dem  Einzelarbeiter  so  schwer,  oft  sogar  unmöglich 
machen,  aus  seinen  eignen  Mitteln  heraus  eine  Ein- 
richtung zu  schaffen,  die  ihm  selber  geschmackvoller 
erschiene.  Denn  immer  wird  sie  den  Fehler  haben, 
dass  sie  etwas  teurer  wird  als  die  Fabrikeinrichtung 
und  dass  sie  etwas  anders  aussieht,  als  die  Massen- 
ware, was  den  Bürger  ja  anstatt  ihn  zu  erfreuen,  er- 
schreckt. 

Die  Fabrik  treibt  nur  zu  oft  den  Kunsthandwerker 
gegen  seinen  Willen  und  gegen  seine  bessere  Er- 
kenntnis in  die  Bahn,  etwas  Ordinäres  und  Langwei- 
liges machen  zu  müssen.  In  Ermangelung  sicherer 
Privataufträge  ist  er  dazu  gezwungen,  um  zu  verdienen. 
Daher  kommt  es,  dass  wir  trotz  der  hochentwickelten 
Technik  bei  den  Kunsthandwerkern  doch  in  ihnen 
kein  rechtes  Gegengewicht  haben  gegen  die  geschmack- 


lose Dutzendware  der  Fabriken.  Aber  viele  Hunderte 
dieser  Kunsthandwerker  ertragen  die  Zwangslage  nur 
mit  innerem  Widerstreben,  sogar  mit  Groll.  Sie 
wissen,  dass  sie  ewig  dieselben  Formen  wiederkäuen, 
dass  sie  nicht  aus  dem  Kreislauf  der  Stile  heraus- 
kommen. Nicht  einmal  die  Befriedigung  haben  sie, 
dass  sie  oft  genug  einen  Privatauftrag  bekommen, 
bei  dem  sie  sich  Zeit  nehmen  können,  in  diesen  nun 
einmal  hergebrachten  und  ausgebildeten  Stilen  etwas 
recht  verstandenes  und  ausgereiftes  auszuführen.  Dann 
kommen  sie  auch  selber  nicht  recht  dazu,  an  ihrer 
künstlerischen  speziell  erfinderischen  Ausbildung  weiter 
zu  arbeiten.  Denn  dazu  gehört  Müsse;  man  muss 
probieren,  entwerfen.  Und  dann,  wenn  sie  einmal 
etwas  versuchen,  so  bleibt  ihnen  meist  nichts  übrig, 
als  es  in  einer  permanenten  Kunstgewerbeausstellung 
zu  zeigen,  wo  es  unter  der  verwirrenden  Menge  von 
Kram  nicht  beachtet  wird,  und  von  den  Kollegen, 
die  ja  oft  doch  so  gern  ebenfalls  etwas  probieren 
möchten,  sonderbarer  Weise  recht  abfällig  kritisiert 
wird.  Wer  viel  in  Werkstätten  verkehrt,  was  ja  unter 
den  Gebildeten  beklagenswerter  Weise  nur  selten  ge- 
schieht, der  kann  diese  Stimmung  der  dumpfen  Un- 
zufriedenheit allerorten  fühlen,  die  Sehnsucht  nach 
der  Möglichkeit,  sich  einmal  frei  bethätigen  zu  dürfen, 
der  Hass  auf  die  alten  Formen,  die  Nervosität  infolge 
der  Hetze  und  Überarbeit,  die  einen  zu  keiner  Samm- 
lung  konnnen    lässt.     Hunderte  von    jungen   Leuten, 


Email -Füllungen;  Entwurf  von  Prof.  KARL  OAGEL  und  Maler  AUG.  OAGEL  in  Karlsruhe,  ausgeführt  durch  Bergmann's 

Emailwerk  in  Oaggenau  (Baden). 

10* 


68     HAT  DAS  PUBLIKUM  EIN  INTERESSE  DARAN,  SELBER  DAS  KUNSTGEWERBE  ZU  HEBEN? 


darunter  gerade  solche  die  etwas  leisten,  sind  inner- 
lich unzufrieden  mit  ihrem  Berufe.  Alles  haben  sie 
gegen  sich.  Sie  haben  kein  Geld,  um  auf  eigenes 
Risiko  etwas  auszuführen.  Sie  haben  keine  Müsse, 
keine  Sammlung,  um  etwas,  das  vielleicht  in  ihnen 
schlummert,  aussinnen  und  ausbilden  zu  können.  Sie 
haben  sogar  schwer  zu  kämpfen  gegen  die  auf  der 
Schute  nur  zu  gut  angelernten  Formen,  die  nun 
so  fest  sitzen,  dass  sie  fast  nicht  mehr  zu  verlernen 
sind,  und  sich  immer  zwischen  das  Papier  und 
die  naive  Erfindung  drän- 
gen. Und  sie  haben  auch 
oft  zu  kämpfen  gegen  den 
eigenen  Charakter,  gegen 
die  allzugrosse  deutsche 
Bedenklichkeit,  die  über- 
triebeneVorsicht  und  gegen 
den  Mangel  an  frohge- 
mutem Selbstvertrauen. 
Und  doch,  alles  in  ihnen 
treibt  und  gährt.  Dazu 
konnnt  noch,  dass  es  ihnen 
nicht  unbekannt  bleibt, 
dass  in  Frankreich  und 
England  gerade  im  Kunst- 
gewerbe ein  reges  und, 
betonen  wir  das  Wort, 
ein  erfinderisches  Treiben 
herrscht,  das  Trumpf-  und 
Losungswort  wenigstens 
für  Kenner  und  Kritik  dort 
ist:  eigenartig,  unbedingt 
eigenartig.  Sie  wissen 
nicht,  woran  es  liegt,  dass 
es  dort  geht  und  hier 
nicht,  und  so  probieren 
sie     denn     in     der     Eile 

die  unglaublichsten 
Dinge.  Eine  fieberhafte 
Arbeit,  aber  ohne  innern 
Fortschritt  ist  volkswirt- 
schaftlich nicht  gesund. 
Jedermaini  wird  verstehen, 
dass  es  ein  nicht  gesunder 
Zustand  wäre,  wenn  die 
deutsche  Industrie  jährlich 
Hunderte  von  Lokomoti- 
ven oder  Kanonen  produ- 
zierte, die  nicht  zweckmässiger,  ökonomischer  oder 
weittragender  gebaut  wären,  wie  solche,  die  vor  drei 
Jahren  angefertigt  wurden.  Und  was  bei  der  Loko- 
motive die  grössere  Leistungsfähigkeit,  bei  der  Kanone 
die  grössere  Präzision  ist,  das  ist  beim  Kunstgewerbe 
nicht  etwa  die  immer  sauberere  und  vollendetere  Aus- 
führung, sondern  der  neue  praktische,  künstlerisch  kon- 


OrabeiiEel   von  Prof.  F.  DIETSCHE,  Karlsruhe. 


struktive  oder   ornamentale 

eigenartigen  Ideen,   die  im 

Und  diese  zu   unterstützen 

kums.     Auf  eigene  Kosten 

kaut,    der    Geld   aber   keine  Einfälle  hat,  seine    neue 

Ware  lancieren,  der  Kunsthandwerker  aber,  der  Ideen 


Einfall,  die  neuen  ganz 
Kunstgewerbe  auftauchen, 
ist  die  Pflicht  des  Publi- 
kann  vielleicht  ein  Fabri- 


und  keiri  Geld  hat,  kann  das  nicht.  Denn  das  Pu- 
blikum geht  vorbei,  kritisiert  oder  freut  sich,  aber 
kauft  nicht,  auch  wenn  es  sich  freut,  nicht.  Wir  wie- 
derholen also:  eine  fieberhafte  Arbeit  ohne  inneren 
Fortschritt  ist  volkswirtschaftlich  nicht  gesund.  Und 
es  ist  eine  wirtschaftliche  Pflicht  der  Reichen,  die 
freie  eigenartige  Erfindung  im  Volke  energisch  zu  för- 
dern. Wir  wissen  zwar,  was  deutsche  Renaissance, 
deutscher  Barock,  deutscher  neu-englischer  Stil  ist,  wissen 
wir  aber  schon,  was  wahre,  herrliche,  deutsche  Er- 
findung in  der  dekorativen 
Kunst  ist? 

Ich  glaube  hierdurch 
einigermassen  klargemacht 
zu  haben,  dass  sowohl  des 
Staates,  wie  der  Kunstge- 
werbetreibenden Macht, 
das  Kunstgewerbe  zu  he- 
ben, eine  nur  beschränkte 
sein  kann  und  dass  es 
Pflicht  des  Publikums  ist, 
hier  helfend  einzugreifen. 
Doch  ich  bemerke  eben, 
dass  ich  wieder  das  Wort, 
Pflicht  des  Publikums< 
gebraucht  habe,  worauf  mir 
leicht  jedereinwerfen  kann : 
Das  ist  doch  zu  viel  ver- 
langt, dass  ich  mein  Geld 
ausgeben  soll,  um  die 
Kunsthandwerker  zu  för- 
dern. 

Nein,  nicht  von  Pflicht 
des  Publikums  wollte  ich 
reden,  sondern  von  dem 
eigenen  Interesse  dessel- 
ben. Jeder  ist  sich  selbst 
der  Nächste,  und  jeder  hat 
das  Recht  zu  fragen,  was 
habe  ich  davon,  wenn  ich 
mein  Geld  ausgebe.  Nur 
muss  man  sich  wundern, 
dass  so  ein  moderner  Mann 
noch  lange  nicht  genug 
an  sich  selber  denkt,  dass 
er  sich  der  argen  Selbst- 
täuschung hingiebt,  er  habe 
nun  die  allcrschönsten 
Sachen  und  genösse  in  vollen  Zügen  die  künstlerische 
Atmosphäre  seines  Berliner  altdeutschen  Salons  oder 
des  entzückenden  Empireboudoirs  seiner  Gemahlin. 
Ich  sage  Selbsttäuschung,  denn  er  könnte  diese  gute 
Meinung  nicht  haben,  wenn  er  sich  einmal  bewusst 
umschaute  und  sogar  in  seiner  eigenen  Stadt  seines 
Nachbars  Heim  mit  dem  seinen  vergliche,  oder  wenn 
er  auf  Reisen  nicht  bloss  in  Hotels,  sondern  auch 
bei  Gastfreunden  verkehrte  und  etwas  überlegte.  Es 
ist  ja  doch  ein  offenes  Geheimnis,  dass  bei  uns  in 
Deutschland  in  dem  letzten  Jahrzehnt  der  Dekorateur 
und  Tapezierer  fast  allmächtig  herrschen ;  das  giebt  jeder 
zu,  wenn  er  von  dem  Heim  seines  Nachbars  spricht. 


HAT  DAS  PUBLIKUM  EIN  INTERESSE  DARAN,  SELBER  DAS  KUNSTGEWERBE  ZU  HEBEN?     6g 


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Weiblicher  Studicnl<opf  von  I'rof.  K.  KORNHAS,    Karlsruhe. 

Kürzlich  fand  ich  in  einem  Zeitungsroman  folgen- 
den Passus:  »Jetzt  aber  mit  dem  erwachenden  Sommer 
erwacht  auch  Schloss  Petershagen.  Handwerker,  Tape- 
zierer und  Möbelhändler  aus  Berlin  erschienen  und 
richteten  das  Schloss  fast  neu  ein,  nur  die  Zimmer 
des  verstorbenen  Hans  Joachim  blieben  unberührt  in 
ihrer  schlichten  altmodischen  Einfachheit,  alle  andern 
Räume  wurden  aufs  Eleganteste  hergerichtet,  persische 
und  indische  Teppiche,  kostbare  Bilder  und  Spiegel 
mit  goldenen  venezianischen  Rahmen,  Möbel  im  Re- 
naissancegeschmack oder  nach  altdeutschem  Muster, 
kurz  das  alte  Herrenhaus  von  Petershagen  wurde  zu 
einem  hochmodernen  Schloss,  das  von  Grund  aus 
neu  hergerichtet  war.  < 

Dabei  kann  man  sich  eines  Lächelns  kaum  er- 
wehren und  doch  ist  die  hier  geschilderte  Pracht 
noch  zu  oft  der  Traum  unseres  Bürgers.  Vielleicht 
ist  der  Leser  der  Meinung,  ich  übertriebe  hier  wohl 
ein  wenig.  Es  ist  ihm  aber  wohl  nicht  dabei  auf- 
gefallen, dass,  wenn  er  in  die  Villa  seines  Nachbars 
einen  Blick  wirft,  er  ganz  ähnliche  Möbel  findet,  wie 
in  der  seinigen.  Es  dürften  wohl  auch  dieselben 
stilechten  Möbel  sein,  die  bei  der  Firma  X  im  Schau- 
fenster stehen,  vielleicht  auch  dieselben  englischen 
Möbel,  die  auf  der  Veranda  der  Frau  B.  stehen,  und 
die  Teppiche  sind  ja  auch  orientalische  Teppiche,  wie 
sie  Herr  A.  gleichfalls  besitzt;  auch  die  Nippsachen 
haben  wir  bereits  in  Berlin  in  der  Leipziger  Strasse 
gesehen.  Was  würde  man  aber  imn  dazu  sagen, 
wenn  man  jemand  zumutete,  in  seinem  Salon  dieselbe 


Landschaft  von  Schönleber,  dasselbe  Bild  von  Böcklin 
aufzuhängen,  wie  sie  dieser  und  jener  bereits  im  Be- 
sitze haben,  würde  man  das  Geniessen  nennen? 
Das  ist  aber  auch  ein  Kunstwerk,  höre  ich  entgegnen. 
Sollte  denn  ein  Mobiliar  im  Werte  von  Tausenden 
von  Mark  nicht  auch  ein  Werk  der  Kunst  sein  dürfen, 
das  nur  einer  besitzt  und  das  nicht  ebenso  in  einem 
beliebigen  Laden  erworben  werden  kaiui.  Eine  Hand- 
zeichnung eines  alten  Meisters,  die  man  für  loo,  8o 
oder  50  Mark  erhalten  kann,  und  die  man  mit  Stolz 
einrahmt,  das  ist  doch  sicher  ein  Kunstwerk;  ein 
Theekessel  aber  im  Werte  von  120  Mark  braucht  es 
nicht  zu  sein;  warum  nicht?  Wie  seltsam  mutet  das 
einen  an,  wenn  man  sieht,  wie  Tausende  von  reichen 
Leuten  nach  alten  echten  Sachen  fahnden,  welchen 
Spürsinn  sie  dabei  entwickeln;  und  sie  zählen  das 
Geld  nicht,  die  Antiquare  werden  reich,  und  diese 
Jäger  nach  dem  Alten  sind  glücklich  und  stolz.  Wir 
haben  auch  Galerien-Mäcene,  ja  es  giebt  sogar  schon 
jene  reichen  Herren,  die  die  jeweils  neuesten  raffi- 
niertesten Sachen  in  Paris  kaufen;  ist  aber  schon 
einer  auf  den  göttlichen  Einfall  gekommen,  bei  uns 
auf  die  Jagd  nach  erfinderischen  Talenten  zu  gehen, 
sich  keine  Mühe  verdriessen  zu  lassen,  schöne  neue 
Arbeiten  des  Kunsthandwerks  zu  erwerben  schwer- 
lich! und  doch,  welch  ein  ernstes  Gefühl  überkommt 
den  Betrachter,  wenn  ersieht,  wieviele  Hunderttausende 
in  einer  einzigen  Stadt  alljährlich  ausgegeben  werden 
für  kunstgewerbliche  Gegenstände,  ohne  dass  die 
Käufer  und  Besteller  ahnen,  was  ihnen  entgeht,  welche 
Freudigkeit,  welche  Befriedigung  des  eigenen  Ehr- 
geizes, welche  Steigerung  des  Genusses  "am  eigenen 
Heim  sie  erfahren  könnten,  wenn  sie  nur  auf  die 
Idee  kommen  wollten,  auf  die  eine  erfösende  Idee, 
sich  so  einzurichten,  wie  das  andre  nicht  thun. 
Es  ist  ja  doch  neben  vielem  Reichtumsstolz  und  rein 


Wappen  von  Prof.  K.  KORNHAS,  Karlsruhe. 


Olasfenster,   entworfen  von  Prof.  S.  QEIOES,  Freiburg  i.  Br. 


HAT  DAS  PUBLIKUM  EIN  INTERESSE  DARAN,  SELBER  DAS  KUNSTGEWERBE  ZU  HEBEN?     71 


äusserem  Ehrgeize  viel  starke  intime  Liebe  zum  eignen 
Heim  in  unsern  Bürgerkreisen  vorhanden.  Gerade 
unsere  Vorliebe,  das  ganze  Heim  in  einheitlicher  Art 


etwas  Neuartiges  in  sein  Interieur  zu  setzen,  da  es 
ja  nicht  hineinpasst' .  Um  so  mehr  ist  es  zu  ver- 
wundern, dass  sich  mit  verschwindenden  Ausnahmen 


zu  bauen  und  einzurichten,  hat,  da  sie  in  gleicher 
Weise  bei  den  Bestellern  wie  bei  den  Ausführenden 
vorhanden  ist,  im  Laufe  der  Zeit  zu  der  Stilfexerei 
geführt,    die  es  so    manchem  so  schwer  fallen  lässt, 


fast  kein  wohlhabender  Mann  findet,  der  in  direktem 
Gegensatze  zum  einheitlich  stilechten  etwas  einheitlich 
eigenartiges  herstellen  lässt,  absichtlich,  gewollt,  be- 
wusst  eigenartiges.     Etwas  Neues,  ja,  das  wollen  sie 


72     HAT  DAS  PUBLIKUM  EIN  INTERESSE  DARAN,  SELBER  DAS  KUNSTGEWERBE  ZU  HEBEN? 


Fayencegefässe  von  Frau  SCHMIDT- PECHT,  Konstanz. 


schon,  es  soll  wohl  auch  künstlerisch  vornehm  sein, 
aber  sie  wollen  immerhin  dabei  sicher  gehen;  sie 
trauen  sich  selber  die  Initiative,  das  Urteil  nicht  zu. 
Sie  haben  es  auch  immer  viel  zu  eilig,  sich  ihr  Haus 
zu  bauen,  ihr  Mobiliar  zu  kaufen,  ihre  Tapeten  und 
Teppiche  zu  besitzen.  So  wenden  sie  sich  denn,  um 
ihr  Geld  nicht  zu  riskieren,  an  solche  Kräfte,  Archi- 
tekten, Lieferanten  aller  Art,  die  schon  Bewährtes 
geschaffen  haben.  Dieses  Bewährte  aber  ist  bis 
jetzt  noch  immer  das  jahrhundertalte,  meinetwe- 
gen ausgereifte,  aber  immerhin  das  aufgewärmte 
oder  missverstanden  verwendete,  wie  der  neue  eng- 
lische Stil. 

Wir  haben  eben  dank  diesem  vorsichtigen  und 
bedenklichen  Misstrauen  vor  etwas  Eigenartigem  noch 
wenig  bewährte  Kräfte  auf  neuen  Bahnen,  und  doch, 
man  bedenke,  dass  einstmals  es  alle  diese  Stilarten, 
die  aufzuwärmen  wir  so  stolz  sind,  nicht  gab.  Dfe 
Renaissance   in   Deutschland   war    doch    auch   einmal 

neu,  wenn 
sie  auch  nach 

guter  deut- 
scher Sitte 

von  aussen 

eingeführt 

worden  ist. 
Und  diejeni- 
gen, die  in 
der  Chronik 
jener  Zeiten 

bewandert 
sind,  wissen 

von  einem 

herrlichen 
Eifer  zu  be- 
richten, mit 
dem  damals 
die  Bürger, 
die  Besteller, 
mit  den 


Fayencen  von  Frau  SCHMIDT -PECHT,  Konstanz. 


Künstlern  und  den  Kunsthandwerkern  wetteiferten,  um 
die  Gotik  los  zu  werden,  andere  Häuser,  andere 
Möbel  und  allüberall  andere  Verzierungen  zu  schaf- 
fen, zu  besitzen.  Welche  Freude,  welchen  Stolz  fühlte 
ein  reicher  Kaufherr,  wenn  er  seine  Freunde  nach  dem 
Mahle  mit  einer  Kassette,  einer  Truhe,  einem  Pokale 
überraschen  konnte,  der  ganz  neue  Formen  zeigte. 

Wir  haben  das  nur,  wenn  wir  z.  B.  ein  neues 
Bild  von  Menzel  erworben  haben;  das  beleuchten  wir 
mit  einem  gewaltigen  Reflektor.  Aber  wann  kommt 
es  vor,  dass  uns  ein  Bankier  in  ein  Speisezimmer 
führt,  wo  die  Möbel,  das  Tischzeug,  das  Porzellan, 
das  Glas,  Formen,  Farben,  Anordnungen,  Material 
zeigen,  die  die  unerwartete  schöpferische  Kraft  mehrerer 
individueller  Künstler  erkennen  lassen,  die  notabene 
eben  nicht  schon  berühmte  Maler  und  bekannte  De- 
korateure zu  sein  brauchen. 

Und  unter  Neuem  wollen  wir  ausdrücklich  nicht 
etwas   Sonderbares,   Bizarres  verstanden   wissen,  was 

das  Publi- 
kum in  sei- 
nem Miss- 
trauen so  oft 
vermeint. 
Ebensowe- 
nig ist  dar- 
unter   etwas 
Kostbares 
gemeint. 
Nein,  die 
Grundele- 
mente der 
zweckmässi- 
gen Kon- 
struktion der 

Gebäude- 
teile, des  Mo- 
biliars, kön- 
nen ,   dürfen 
und  sollen 


I 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


73 


niemals  ignoriert  werden  einer  Laune  des  Entwerfers 
oder  des  Baulierrn  zu  Liebe.  Eine  Treppe  ist  und 
bleibt  eine  Treppe  und  um  stabil  und  bequem  zu 
sein,  muss  sie  struktiv  so  gebaut  werden,  wie  sie  von 
jeher  gebaut  worden  ist.  Das  Geländer  aber  z.  B. 
muss  denn  das  Renaissance,  Barock  oder  neu  englisch 
sein,  kann  es  nicht  einmal  anders  geartete  Stäbe,  an- 
dere Verzierungen,  andere  Verteilung,  andere  Holz- 
arten, andere  Farben  haben?  Man  gebe  uns  einen 
einzigen  vernünftigen  Grund  an,  warum  man  nicht 
eine  solche  Treppe  ausführen  sollte. 

Man  stelle  sich  ein  ganzes  Haus  vor,  das  gebaut 
wäre  mit  dieser  Lust,  dieser  Freude  an  etwas  eigen- 
artigem, das  nicht  jeder  Nachbar,  und  wäre  es  der 
Reichste,  hat!  Allgemein  wird  die  Wirkung,  die  die 
direkte  tägliche  Umgebung  in  der  eigenen  Wohnung 
auf  Gemüt  und  Stimmung  hat,  unterschätzt.  Unbewusst 
leben  wir  dahin;  dass  ein  Zimmer  nach  dem  Garten, 
wo  die  Sonne  hineinscheint,  besser  ist,  als  ein  Zimmer 
nach  der  Strasse  zu,  das  ist  uns  allen  klar.  Auch  die  gute 
Stube  mit  ihrer  Symmetrie,  ihren  Sofas,  ihren  Photo- 
graphien und  ihren  Araucarien  wird  jetzt  schon  vielfach 
verhöhnt.  Ein  skulptiertes  Renaissancekamin  aber  mit 
Bronzelüstern  links  und  rechts,  wird,  wenn  es  4000  M. 
gekostet  hat,  noch  immer  geschmackvoll  gefunden  und 
ist  doch  bloss  die  gute  Stube  der  Reichen. 

Und  wie  rasch  gewöhnt  man  sich  an  die  Interieurs, 
die  man  fix  und  fertig  vom  Architekten  hergestellt 
bezieht.  Hat  man  aus  Griechenland  aber  einen  vor- 
nehmen antiken  Kopf,  durch  List  und  viel  Geld 
gewonnen,  heimgebracht,  wie  anders  hängt  man  an  ihm. 
Wie  eifersüchtig  stolz  ist  ein  Sammler  auf  seine  langsam 
aufgespürten  Schätze.  Wie  voll  ist  sein  Leben  mit  Inter- 
esse, Spannung,  Zielbewusstsein.  Wie  gesteigert,  ver- 
schärft ist  sein  ästhetisches  Wahrnehmungsvermögen. 
Und  alle  diese  Freude  am  selbst  Entdeckten,  selbst 
Erworbenen  auf  kunstgewerblichem  Gebiete  lassen  wir 
uns  entgehen  aus  Gleichgültigkeit,  Misstrauen  gegen 
das  Neue  und  vornehmlich  aus  Hast.  Statt  wie 
Humboldt  in  unbekanntes  Land  zu  dringen,  mit  aller 
Spannung,  Erregung  und  dem  Hochgefühl  des  Ent- 
deckers, ziehen  wir  es  vor,  mit  300  anderen  per 
Dampfschiff  und  Eisenbahn  in  Eile,  müde  und  nur 
etwas  neugierig  nach  Chicago  zu  reisen.  Jeder  reiche 
Mann  aber,  der  sich  wieder  einmal  ein  Haus  von  Firmen 
fix  und  fertig  einrichten  lässt,  statt  es  nur  für  sich  von 
Künstlern  ersinnen  zu  lassen,  schlägt  einen  weiteren 
Nagel  ein  in  den  Sarg  des  Kunstgewerbes. 

(Schluss  folgt.) 

KLEINE 
MITTEILUNGEN 

VEREINE 

BRESLAU.    Kiinstgewerbeverein.     Am  2.  Juni  d.  J. 
hielt  Herr  Zeichenlehrer  Sonnenkalb  einen  Vor- 
trag über  >' moderne  Reformvorschläge  im  Zeich- 
nenunterricht ,  verbunden   mit  einer  Ausstellung  von 

Kunsluewerbcblatt.    N.  F.    XI.    H.  4. 


Ehrenpreis  S.  K.  H.  des  Qrosslierzogs  von  Baden  zum  Ufezheimer 

Rennen  189g.     Entwurf  von  Direktor  H.  GÖTZ,  Karlsruie 

Ausführung  von  Prof.  K.  WEIBLEN,  Pforzheim. 


74 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


entsprechenden  Schülerarbeiten.  Nach  Abtauf  der 
Sommerpause  berichtete  am  20.  Oktober  Herr  Direktor 
Dr.  Masner  über  den  Verbandstag.  In  einer  ausser- 
ordentlichen Versammlung  beschloss  der  Verein,  nach- 
dem er  seine  Bibliothek  dem  neuen  Kunstgewerbe- 
museum überwiesen,  nunmehr  auch  fortlaufend  die 
bisher  für  Büchereizwecke  gebrauchten  Geldmittel  dem 
Museum  zu  geben.  G.  SC/i. 

MUSEEN 

LÜBECK.  Dem  Bericht  des  Oewerbeinuseums  über 
das  Jahr  i8g8  entnehmen  wir  folgendes:  Die 
Neuerwerbungen  kamen  verschiedenen  Abtei- 
lungen zu  gute.  Die  Medaillen-  und  Plakettensamm- 
lung wurde  durch  französische  Medaillen  und  Plaketten 
der  Künstler  Oudine,  Dupuis,  Chaplain,  Dubois,  Pillet, 
Borrel,  Vernon,  Degeorge  bereichert.  Die  an  sich 
noch  sehr  kleine  Gruppe  der  französischen  Luxus- 
bronzen wurde  durch  eine  Schreibtisch-Stehuhr  ver- 
mehrt, ein  hervorragend  schönes  Stück  des  18.  Jahr- 
hunderts. Die  im  vorigen  Bericht  angekündigte 
Plakatausstellung  des  Kunstgewerbe-Vereins  hat  im 
September  stattgefunden  und  bei  einem  allerdings 
schwachen  Besuch  grosses  Interesse  und  viel  Aner- 
kennung gefunden.  Eine  neue  Einrichtung  bilden 
die  populärwissenschaftlichen  Vorträge,  die  für  alle 
Abteilungen  seit  Beginn  des  Winters  eingeführt  wor- 
den sind.  Dieselben  finden  regelmässig  Sonntags  in- 
mitten der  Besuchszeit  statt  und  erfreuen  sich  eines 
fleissigen  Besuches.  -u- 

WETTBEWERBE 

DRESDEN.  In  dem  Wettbewerb  um  Entwürfe  für 
den  Neubau  der  Kunstgewerbeschule  mit  Kunst- 
gewerbemuseum erhielten  den  I.  Preis  Regierungs- 
Baumeister  Em.  Heimann  in  Neubabelsberg,  den  II.  Preis 
Architekt  Richard  Senf  in  Düsseldorf,  den  III.  Preis 
Regierungs-Bauführer  Koch  in  Bautzen.  -u- 

PARIS.  In  der  Konkurrenz  um  das  Diplom  für 
die  Pariser  Weltausstellung  igoo  ist  der  Preis 
von  10000  Eres,  dem  Entwurf  von  Camille 
Boignard,  einem  22jährigen  Künstler  zuerteilt  worden. 
Der  Entwurf  zeigt  eine  allegorische  Darstellung  der 
Arbeit  mit  einer  zwischen  Eiche  und  Olive  aufragen- 
den symbolischen  Figur.  Das  Ganze  unterscheidet 
sich  durch  seine  Originalität  von  den  gewöhnlichen 
Ausstellungsdiplomen  und  macht  durch  sinnige  Auf- 
fassung und  markige  Ausführung  einen  sehr  vorteil- 
haften Eindruck.  -u- 

BÜCHERSCHAU 

Fritz  Schumacher.    Im  Kampfe  um  die  Kunst,  Bei- 
träge zu   architektonischen   Zeitfragen.     Strassburg, 
J.  H.  Ed.  Heitz  (Heitz  &  Mündel),   1899.     2  M. 
»Wir  streben  neuerdings  danach,   uns  im  Kunst- 
gewerbe loszumachen   von  der  Nachahmung  unserer 
Altvorderen,  und  was  thun  wir,  um  das  zu  erreichen? 
Wir    machen    die    modernen    Engländer    nach.«    — 


-Aber  das  Predigen  allein  thut's  nicht.  Man  gebe 
uns  das  natürliche  Selbstbewusstsein  dieser  Nation, 
und  wir  würden  weiter  sein  als  sie.«  —  »Das  Orna- 
ment ist  nicht  die  Melodie,  sondern  die  Begleitung.«  — 
»Bei  jedem  Urteil  zuerst  die  Betrachtung  des  Ganzen, 
dann  erst  die  Kritik  des  Einzelnen!  Wenn  man  diese 
Kritik  des  Ganzen  anlegt  der  Architektur  unserer  Zeit 
gegenüber,  dann  erst  kann  man  finden,  ob  und  wo 
Keime  zu  »Neuem«  in  unserem  Schaffen  liegen.«  — 
»Das  was  gemeinhin  als  die  neue  Stilentwicklung 
erscheint  und  dafür  ausgegeben  wird,  das  ist  eigentlich 
nur  ein  leichtes  Gespinnst  flüchtiger  Moden,  hinter 
denen  wir  in  unbestimmten  Umrissen  die  eigentliche, 
wirkliche  Stiluniwandlung  sich  sehr  langsam  vollziehen 
sehen.«  —  Eine  falsche  Scheu  muss  man  es  nennen, 
wenn  ein  Künstler,  der  aus  modernem  Empfinden 
heraus  selbständig  arbeitet,  sich  bei  der  entsprechen- 
den Aufgabe  schämt,  an  historische  Formen,  die  dem 
vorliegenden  Zweck  und  Aufgabecharakter  konform 
sind,  anzuküpfen,  bloss  weil  sie  historisch  sind.  Soll 
man  alle  alten  Obstbäume  verdorren  lassen,  weil  man 
sie  nicht  selber  gepflanzt  hat?  Ist  es  eine  Thorheit, 
auch  an  alten  Bäumen  weiterziehend  und  veredelnd 
nach  neuen  Sorten  zu  trachten?«  Bedarf  es  nach 
diesen  Auszügen  noch  vieler  Worte,  um  das  Ganze 
zu  empfehlen?  Da  ist  einmal  ein  Mann  in  der  Hochflut 
der  heutigen  Kunstschreiberei,  der  wirklich  etwas  zu 
sagen  hat;  kein  Litterat  oder  Professor,  sondern  ein 
Künstler,  ein  Architekt  von  anerkanntem  Ruf,  der 
zugleich  eine  Feder  führt  von  seltener  Kraft  und  Fülle. 
Frei  von  landläufigem  Modeurteil  folgt  er  dem  Kampfe 
und  Ringen  der  Architektur  und  des  Kunstgewerbes 
mit  sicherem  Blick,  und  was  er  in  den  zwölf  Kapiteln 
sagt,  das  fesselt,  packt  und  belehrt  auf  jeder  Seite. 
Die  Sehnsucht  nach  dem  »Neuen,  Stil  und  Mode, 
Der  Maler  und  das  Kunstgewerbe,  Englische  Eindrücke, 
das  sind  einige  der  Überschriften.  Überall  lebendiger 
Geist  in  klarer  Fassung.  Er  spricht  von  den  steinernen 
Citaten,  in  denen  viele  unserer  Architekten  reden;  er 
vergleicht  den  klassizierenden  Unterricht  auf  unseren 
technischen  Hochschulen  dem  Latein  des  Gymnasiums 
und  nennt  die  gleichförmigen  Granitdenksteine  unserer 
Kirchhöfe  ein  steingewordenes  Adressbuch;  er  übt  an 
Van  de  Velde  eine  freimütige  Kritik  und  verfolgt 
das  Dekorative  in  Klinger's  Werken«  mit  dem  ge- 
übten Auge  des  Architekten.  Kurzum:  neben  all  den 
behenden  Schreibern  und  Schreiberinnen  eine  Per- 
sönlichkeit, und  aus  dem  Zeitungswirrwarr  heraus  ein 
Buch,  ein  Buch  für  jeden,  der  selbst  im  Kampfe  steht. 
Möge  es  nicht  vergeblich  geschrieben  sein. 

Paul  Schultze-Naumburg:.     Häusliche   Kunstpflege. 
Mit  Buchschmuck  von  J.  V.  Cissarz.     Verlegt  bei 
Eugen  Diederichs,  Leipzig,  1900.     3  M. 
Auch  hier   spricht    ein  Künstler,    ein    Maler    von 
Geschmack,  der  die  Not  unserer  Wohnungkunst,  be- 
sonders in  den  Mietswohnungen,  beobachtet  hat  und 
die  weiten  Kreise  der  -Gebildeten'  in  gefälliger  Form 
zu  belehren  sucht,  wie  sie  auch  mit  massigem  Aufwand 
die  gegebenen  Räume  angemessen  und  geschmackvoll 
herrichten    und   ausstatten    können.      Über    alle    ein- 


Email-Friese.     Entwurf  von  Prof.  KARL  OAOEL  und  Maler  AUGUST  GAOEL  in  Karlsruhe, 
ausgeführt  durch  Bergmann's  Emailwerke  in  Oeppenau  (Baden). 


76 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


schlägigen  Fragen,  die  Dekoration  der  Wände  und 
der  Deci<en,  die  Ofen,  die  Vorhänge  und  Teppiche, 
die  Möbel,  die  Beleuchtungskörper,  das  Tafelgedeck 
u.  a.  weiss  er  nutzbare  Ratschläge  zu  geben;  besonders 
verdient  beherzigt  zu  werden,  was  er  aus  eigensten 
Erfahrungen  heraus  über  den  Wandschmuck,  die  Ge- 
mälde, die  Rahmen  u.  s.  f.  zu  sagen  hat.  Unserer 
kunstgewerblichen  Bewegung  ist  sehr  damit  gedient, 
wenn  ein  solches  Buch  in  möglichst  viele  Hände 
kommt.  Überdies  ist  der  Band  bei  Drugulin  so  trefflich 
gedruckt  und  nach  besten  Grundsätzen  von  Künstler- 
hand geziert,  dass  er  auch  der  ernsthaften  Buchkunst 
neue  Freunde  werben  wird.  p.jessen. 

Meyer'S  Historisch-geographischer  Kalender,  vier- 
ter Jahrgang,  1 900,  Preis  2  Mark,  ist  Ende  November 
dieses  Jahres  wieder  zur  Ausgabe  gelangt.  Den  em- 
pfehlenden Worten  bei  der  Besprechung  der  früheren 
Jahrgänge  ist  höchstens  hinzuzufügen,  dass  der  neue 


Jahrgang  gleich   seinen  Vorgängern   die   Empfehlung 
rechtfertigt. 

Der  im  gleichen  Verlage,  dem  bibliographischen 
Institut  in  Leipzig,  erscheinende  Hand-Atlas  ist  mit 
1 1 3  Kartenblättern  mit  9  Textbeilagen  soeben  voll- 
ständig erschienen  und  es  genügt,  auf  die  zweite 
Auflage  dieses  Buch-Atlas  besonders  hinzuweisen. 

ZU  UNSERN  BILDERN 

Wir  bemerken  nachträglich,  dass  der  Entwurf  des 
farbigen  Umschlags  des  ersten  Heftes  des  laufenden 
Jahres  vom  Maler  Molitor  in  Leipzig  herrührt,  der 
des  zweiten  Heftes  vom  Maler  L.  Sütterlin,  Berlin, 
der  des  dritten  Heftes  vom  Professor  E.  Döpler  d.  j. 
in  Berlin,  während  Herr  Maler  H.  Göhler  in  Karls- 
ruhe i.  B.  den  Entwurf  zum  Umschlag  des  vorlie- 
genden Heftes  lieferte. 


Olasfenster  (dreiteilig);  C.  OECK,  Olasmanufaktur,  Offenburg. 


Herausgeber  und  für  die  Redaktion  verantwortlich:  Professor  Karl  Hoffacker,  Architekt  in  Chadottenburg- Berlin. 

Druck  von  Ernst  Hedrich  Nachf.  in  Leipzig. 


Kirche  zu  Altengamme.     Aufgenommen  von  H.  Haase,  Hamburg. 


Dieleniiiterieur  aus  Neuengamme.     Aufgenommen  von  H.  Haase,  Hamburg. 


VIERLÄNDER  KUNST 


UNTER  den  vielen  Zweigen,  welche  dem  ge- 
meinsamen Stamme  der  deutschen  Kunst  ent- 
sprossen sind,  ist  einer,  dem  man  bis  heute 
ausserordentlich  wenig  Beachtung  geschenkt  hat:  die 
deutsche  Bauernkunst.  Die  Beschauer,  welche  uns 
unsere  deutsche  Kunst  bisher  schilderten,  haben  sich 
immer  so  gestellt,  dass  dieser  eine  Zweig  ihnen  un- 
sichtbar blieb,  weil  er  bescheiden  sich  unter  den 
vielen  ihn  überragenden  anderen  versteckte.  Erst  in 
letzter  Zeit  ist  man  auch  auf  ihn  aufmerksam  ge- 
worden, indem  man  die  Sache  einmal  von  anderem 
Standpunkte  aus  betrachtete. 

Die  Bauernkunst  unterscheidet  sich  in  mancherlei 
Beziehung  äusserst  auffallend  von  ihrer  prunkenden 
Schwester,  der  städtischen. 

Zunächst  dadurch,  dass  es  keine  eigentlichen  Be- 
rufskünstler oder  -Kunsthandwerker  sind,  die  sie  aus- 
üben, sondern  Leute,  die  entweder  halb  Bauern,  halb 
Handwerker  sind,  oder  die,  von  Beruf  Bauern,  nur 
aus  Liebhaberei  für  den  Schmuck  des  eigenen  Heims 


diese  oder  jene  Technik  pflegen,  es  spielt  also  bei  ihr 
die  Liebhaberkunst  eine  recht  grosse  Rolle. 

Der  zweite  Unterschied  liegt  darin,  dass  die 
Bauernkunst  kein  Kunstwerk  kennt,  das  sich  Selbst- 
zweck ist.  Sie  ist  lediglich  praktisch  angewandte 
Kunst,  sie  stellt  nichts  dar,  sondern  stellt  stets  etwas 
her.  Es  giebt  in  ihr  nicht  das,  was  wir  im  höchsten 
Sinne  Malerei  und  Bildhauerkunst  nennen.  Architektur 
und  Kunsthandwerk  sind  ihre  beiden  einzigen  Zweige, 
ein  altertümlicher  Zug,  in  dem  sie  der  ältesten  deut- 
schen Kunst,  die  auch  keine  Staffeleigemälde  u.  dgl. 
kannte,  entspricht. 

Zum  dritten  zeigt  sie  eine  Eigentümlichkeit,  die 
zwar  früher  auch  unserer  städtischen  Kunst  eigen 
war,  von  der  wir  heute  aber  so  gut  wie  keine  Spuren 
mehr  in  der  letztgenannten  finden  können:  sie  zeigt 
einen  ausserordentlich  grossen  Reichtum  an  landschaft- 
lich begrenzten  Sonderstilen,  die  bisweilen  von  Dorf 
zu  Dorf  wechseln. 

Wenn  man  eine  Karte  von  Deutschland  entwerfen 

12* 


8o 


VIERLÄNDER  KUNST 


stuhl  aus  den  Vierlanden.     Aufgenommen  von  H.  Haase,  Hamburg. 

würde,  auf  welcher  diese  Sonderstile  gegen  einander 
abgegrenzt  wären,  würde  man  die  merkwürdige  Er- 
scheinung beobachten  können,  dass  dieselbe  ausser- 
ordentliche Ähnlichkeit  mit  einer  Bevölkerungskarte 
von  Deutschland  hat,  auf  der  aufs  Genaueste  und 
Kleinlichste  die  verschiedenen  Volksstämme  und  Völker 
eingetragen  sind,  ja,  dass  sie  sich  fast  mit  derselben 
deckt.  Slavische  und  germanische  Stämme,  reine  und 
gemischte  germanische  Stämme,  Friesen,  Sachsen, 
Franken,  Thüringer,  Bajuvaren,  Alemannen,  Chatten 
u.  s.  w.,  alteingesessene  und  Kolonistenbevölkerungen 
heben  sich  in  der  Bauernkunst  deutlich  voneinander 
ab.  Andere  Unterschiede,  wie  die  Hauptbeschäftigungs- 
art, z.  B.  ob  Fischerei,  ob  Schiffahrt,  ob  Ackerbau, 
Gartenbau  u.  s.  w.,  wie  ferner  die  Konfession,  ob 
katholisch,  ob  protestantisch,  wie  endlich  die  grössere 
oder  geringere  Nähe  einer  grösseren  Stadt  u.  a.  m. 
haben  noch  ferner  mitgewirkt,  um  innerhalb  der 
grösseren,  umfassenderen  Stile  kleine  und  kleinste 
Sonderstile  hervorzurufen,  so  dass  das  Bild  des 
Ganzen  ein  äusserst  buntscheckiges  wird. 

Wie  gesagt,  man  fängt  heute  erst  an,  der  Bauern- 
kunst Beachtung  zu  schenken,  teils  infolge  des  Auf- 
blühens der  neuen  Wissenschaft  der  Volkskunde,  teils 
aber  auch,  weil  die  modernen  Bestrebungen  im  Kunst- 


gewerbe in  der  Eigenart,  welche  sich  unsere  deutschen 
Bauernstile  gegenüber  städtischen  Einflüssen  in  hohem 
Masse  gewahrt  haben,  ein  Vorbild  in  ihrem  Kampfegegen 
die  bis  vor  kurzem  übermächtig  herrschenden  Stilarten 
vergangener  Zeiten  und  Völker  sehen  und  auch  in 
der  That  sehen  dürfen.  Denn  in  mustergültiger 
Weise  sehen  wir  die  Bauernkunst  souverän  mit  irgend 
welchen  eindringenden  Formen  und  Gedanken  um- 
springen, sie  sich  nmndgerecht  machen,  gerade  so, 
wie  jede  gesunde  Kunst  der  Vorzeit  das  gethan  hat 
—  ich  erinnere  nur  an  das  Verhalten  der  deutschen 
Renaissance  gegenüber  der  italienischen.  —  Es  wäre 
zu  wünschen,  dass  die  tapfere  Verteidigung  der  be- 
sonderen Stammeseigenart,  wie  wir  sie  von  unserer 
Bauernkunst  geübt  sehen,  unserem  deutschen  Kunst- 
gewerbe auch  ein  Vorbild  im  Kampfe  unserer  deut- 
schen Eigenart  mit  modern  ausländischen  Formen  wäre! 

Unter  den  deutschen  Bauernstilen  sind  ein  paar, 
die,  durch  allerlei  Umstände  begünstigt,  in  höherem 
Masse  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  gelenkt  haben. 
Sei's,  dass  sie  unter  ihren  Schwestern  hervorragen, 
sei's,  dass  sie  durch  ihre  Lage  nahe  einem  Verkehrs- 
zentrum bekannt  geworden  sind,  sei's,  dass  sie  einem 
von  Sommerfrischlern  oder  Künstlern  vielbesuchten 
Ländchen  eigen   sind  u.  s.  f. 

Das  ist  z.  B.  der  Fall  mit  dem  tiroler  Stil,  mit 
dem  Schwälmer,  das  ist  auch  der  Fall  mit  dem  Vier- 
länder Stil. 

Der  Vierländer  Stil  ist  ein  ganz  besonders  dras- 
tisches Beispiel  eines  ausserordentlich  unabhängigen, 
mit  den  Grenzen  eines  bestimmten  Volksstammes  sich 
deckenden  Stiles.  Nur  geringe  Spuren  seines  Ein- 
flusses finden  wir  in  den  Nachbarländchen,  in  der 
Winsener  Marsch  und  den  Landschaften  Bill-  und 
Ochsenwärder;  im  Norden,  in  Stormarn  finden  wir 
absolut  keine.  In  der  gesamten  deutschen  Bauern- 
kunst anderer  Landschaften  finden  wir  niemals  etwas, 
das  ihr  auch  nur  im  geringsten  ähnelt. 

Die  Vierlande  liegen  oberhalb  Hamburgs  am 
Nordufer  der  Elbe.  Sie  sind  im  Grunde  ehemalige 
Eibinseln,  die  durch  Kolonisten,  und  zwar  in  der 
Hauptsache  holländischen,  seit  dem  12.  Jahrhundert 
eingedeicht  worden  sind.  Zwei  ehemalige  Eibarme, 
die  Dove-  und  die  Gose-Elbe  durchströmen,  mit 
dem  Ausgang  des  15.  Jahrhunderts  an  ihrem  oberen 
Ende  durch  Deiche  geschlossen,  das  Ländchen, 
das  im  Perleberger  Frieden  1420  von  Lauen- 
burg an  Hamburg  und  Lübeck  abgetreten,  nach 
447  jähriger  beiderstädtischer«  Verwaltung  1867 
Hamburger  Gebiet  geworden  ist. 

Die  Bewohner  sind  ein  Mischvolk  aus  allerdings 
nahe  verwandten  Elementen,  Holländern  und  Nieder- 
sachsen beider  Eibufer,  in  dem  aber  das  hollän- 
dische Blut  stark  vorwiegt.  Klar  beweisen  das  Vor- 
namen, wie  die  Mädchennamen  Gesche,  Wobke, 
Becke,  Ancke,  Elsche,  Mette,  Barber,  Tiecke,  Jan- 
thrin,  sowie  die  Männernamen  Ties,  Harm,  Hencke, 
Theis  u.  a.  m.  Das  beweisen  ferner  die  alte  volks- 
tümliche Tracht,  der  Schmuck  u.  a.  m.  Ja,  man 
möchte  sagen,  die  Landschaft  beweise  das  desgleichen. 
Da  giebt's  z.  B.  eine  Rembrandt'sche  Radierung,  eine 


VIERLÄNDER  KUNST 


81 


Truhe  aus  den  Vierlanden.     Aufgenommen  von  H.  Haase,  Hamburg. 


Land- 
schaft, 
eine   je- 
nereigen- 
tüm- 
lichen, 
zwecks 
Durch 
lassen  ei- 
nes Schif- 
fes hoch- 
zuziehen- 
denBrüi<- 
i<en    dar- 
stellend, 
die  wie 
ein  Ei 
dem    an- 
dern ei- 
ner Vier- 
länder 
Land- 
schaft mit 
genau  derselben  Brücke  gleich  sieht. 

Die  Vierländer  haben  in  den  ersten  Jahrhunderten 
offenbar  tapfer  um  die  Erhaltung  ihres  Landes  gegen- 
über der  Gewalt  des  mächtigen  Stromes,  in  dessen 
Flutgebiet  dasselbe  noch  liegt,  kämpfen  müssen.  Mit 
der  Zeit  aber  sind  sie  zu  Wohlstand  gelangt,  insbe- 
sondere, als  die  Stadt  Hamburg  infolge  ihres  ge- 
waltigen Aufschwunges  seit  dem  16.  und  17.  Jahr- 
hundert ein  immer  dankbarerer  Abnehmer  für  ihre 
gärtnerischen  Produkte  wurde. 

Mit  dem  Beginn 
des  allgemeinen  Wohl- 
standes hat  in  Vierlan- 
den offenbar  der  an- 
geborene Kunstsinn  der 
Bewohner  kräftigeren 
Aufschwung  genom- 
men. Die  beiden  präch- 
tigsten alten  Vierländer 
Häuser,  aus  den  Jahren 
1593  und  1595  datiert, 
reich  mit  Holzschnitze- 
reien geziert,  beide  nahe 
nebeneinander  in  gröss- 
ter  Nähe  Hamburgs  be- 
legen, geben  uns,  sicher 
in  Zusammenhang  mit 
dem  durch  Hamburgs 
Aufschwung  verursach- 
ten grösseren  Wohl- 
stande stehend,  deut- 
liche Merkzeichen  für 
den  Beginn  der  Blüte 
der  Vierländer  Kunst. 

Dass  schon  vorher 
allerlei  Kunstübungvor- 
handen  war,  davon  le- 
gen Reste  alter  Kirchen- 


Wiege  aus  den  Vierlanden.    Aufgenommen  von  H.  Haase,  Hamburg. 


Kunstgewerbeblalt.    N.  F.    XI.    H.  5. 


bankthü- 
ren ,  so- 
wie ande- 
re typi- 
sche Bän- 
ke (z.  B. 
auf  der 

Diele 
Seite  79), 
Schränke 
und  Tru- 
hen, die 
vereinzelt 
sich  fin- 
den, 
Zeugnis 
ab.  Ers- 
tere  stam- 
men noch 
aus  der 
Zeit  des 
gotischen 
Stiles, 
letztere  bewahren,  obschon  später  entstanden,  charak- 
teristische Züge  der  Gotik.  Endlich  weisen  jene  bei- 
den Häuser  durch  die  treffliche  Ausführung  und  den 
feinen  Geschmack  ihres  Zierwerks  auf  eine  schon 
länger  gepflegte  Kunstübung  hin.  Renaissance,  Ba- 
rock, Rokoko,  Louis  XVI.,  ja  sogar  Empire  haben 
nachher  ihre  Wellen  auch  nach  den  Vierlanden  ge- 
worfen, immer  aber  sind  sie  typisch  in  Vierländer 
Dialekt  übersetzt  und  völlig  eigenartig  entwickelt,  so 
dass  in  Verbindung  mit  eigenen  Zuthaten  etwas  durch- 
aus Eigenes  entstanden 
ist,  das  absolut  nicht 
mit  irgend  etwas  an- 
derem verwechselt  wer- 
den kann.  Da  liegt  z.B. 
unterhalb  Hamburgsauf 
dem  linken  Eibufer  das 
Alte  Land,  dessen  Be- 
wohner, Brabanter  Ko- 
lonisten, den  Vierlän- 
dern blutsverwandtsind. 
Es  wäre  somit  nicht 
verwunderlich,  wenn 
ihre  nationale  Kunst 
der  der  Vierländer  täu- 
schend ähnelte  -  das 
ist  aber  durchaus  nicht 
der  Fall,  beide  Stile 
unterscheiden  sich  total 
voneinander.    - 

Werfen  wir  zunächst 
einen  flüchtigen  Blick 
auf  die  Architektur. 

Im    Gegensatz    zu 
den    Altländern,  deren 
Hausgiebel    in    seinen 
beiden    in    Schwanen- 
form ausgesägten 

>3 


82 


>  Windfedern  <,  d.  i. 
Giebelbrettern,  noch 
typisch  uralte  Stam- 
mestradition festhält, 
haben    die  Vierlän- 
der in  ihrem  Haus- 
bau das  niedersäch- 
sische Einhaus  mit- 
samt seinem  Pferde- 
kopfgiebel  adoptiert, 
haben  es  aber  ausser- 
ordentlich reich  aus- 
gebildet. Vorkra- 
gende obere  Stock- 
werke,   geschnitztes 
oder  bemaltes  Stän- 
derwerk, Ziegelmus- 
ter, reich  verschnör- 
kelte Pferdekopfgiebel,  (es  kommen  auch  Blumen-  und 
andere    Formen    vor),    schön    ausgebildete    Thüren, 
schmucke  Hofeingänge  in  der  Gartenhecke  vereinen  sich 
zu   einem  ausserordentlich    malerischen    Gesamtbilde; 
der  stets  schön    gepflegte   Garten,    in    dem   Blumen- 
und  Gemüsezucht  sich  die  Wage  halten,  die  schönen 
Obst-  und  anderen  Bäume,  Lauben  u.  s.  w.  thun  ein 
übriges  hinzu. 

Zwei  andere  Gebäude  hat  die  Profanarchitektur 
der  Vierländer  noch  aufzuweisen,  die  künstlerisch 
interessant  sind,  turmartige  hölzerne  Kornspeicher  und 
malerische,  an  siamesische  Pagoden  lebhaft  erinnernde 
Heuschober  erstere,    wie's  scheint,    rein    vierlän- 

disch,  letztere  kommen  auch  in  anderen  Hambur- 
gischen Marschen  vor.  Von  den  schönen  Korn- 
speichern steht  nur  noch  einer,  von  den  Heuschobern 
ist,  glaube  ich,  in  diesem  Jahre  der  letzte  vierländische 
gefallen.  Die  Scheunen,  die  bei  grossen  Bauernhäusern 
hie  und  da  vorkommen,  sind  nur  selten  mit  ein  paar  ge- 
schnitzten Konsolen  oder  der- 
gleichen versehen. 

Die  Vierländer  Kirche  hat 
den  alten  Typus  des  freistehen- 
den Glockenturmes  bewahrt, 
iTiit  Ausnahme  der  Altengammer 
wo  er  aber  auch  nur  in  locke- 
rer Verbindung  mit  dem  eigent- 
lichen Kirchengebäude  steht.  Die 
nicht  grossen  Kirchen  sind  äus- 
serlich  wenig  ansehnlich;  aus 
gotischer  Zeit  stammend,  ein- 
fach im  Grundriss,  haben  sie 
höchstens  im  vorigen  Jahrhun- 
dert durch  Anbau  einer  Ein- 
gangshalle, Oberlicht-  und  an- 
derer Fenster,  deren  Sprossen - 
werk  das  Rokoko  verrät,  u.  dgl. 
m.   eine   Bereicherung  erfahren. 

Anders  ist's  im  Innern,  da 
kann  man,  namentlich  wenn 
man  die  Altengammer  Kirche 
ins  Auge  fast,  von  wahren  Mu- 
seen   volkstümlicher   Kunst   im 


Brustkette  der  Frauen. 
Aufgenommen  von  H.  Haase,  Hamburg. 


VIERLÄNDER  KUNST 

Dienste  des  Gottes- 
hauses sprechen. 

Und  das  führt 
uns  zu  dem  Gebiete, 
auf  dem  die  Vier- 
länder Kunst  ihr 
Höchstes  geleistet 
hat,  auf  die  orna- 
mentale Kunst  und 
das  Kunstgewerbe. 

Schon  im  Schmuck 
des     Hauses     zeigt 
sich  die  charakteris- 
tische Neigung  der 
Vierländer  Kunst  zu 
grosser      Schmuck- 
freude, die  aber  im- 
mer Mass  zu  halten 
weiss    und    Überla- 
dung scheut,  die  manchmal  einfach  durch  eine  schöne 
Linie,    durch   wenig,   aber   wirkungsvolles  Ornament 
ihren  Zweck  erreicht.    Zierlichkeit   und   Sauberkeit   in 
der  Ausführung  sind    desgleichen   Eigenschaften,    die 
man  ihr  nachrühmen  muss.    Neben  der  Eigenart  in  der 
Verwendung  überkommener  Formgedanken  ist  ihr  eine 
besonders  hoch  zu  schätzende,  grosse  Urwüchsigkeit  im 
selbständigen  Erfinden  glücklicher  neuer  Formen  eigen. 
Ein    Beweis    dafür   sind    vor   allem    die    schönen 
schmiedeeisernen    Huthalter   der    Kirchen,    die    ganz 
original    dastehen    und   nirgends  ihresgleichen  haben. 
Ein  gleicher  Beweis  dafür  war,  um  noch  ein  einzelnes 
Beispiel  zu  nennen,    eine  drollige  Zierde    der  Spitze 
eines   jener    merkwürdigen  genannten  Heuberge:    ein 
aus  Weidenruten    geflochtener  Storch.     Und    anderes 
mehr. 

Seit  der  Mitte  des  letzten  Jahrhtmderts,  zusammen- 
hängend jedenfalls  mit  der  aufblühenden  Blumenzucht, 
beobachten  wir  ein  ausserordentlich  starkes  Vorwiegen 
des  naturalistischen  Blumenmo- 


Hcnidspange  aus  den  Vicrlandcn. 
Aufgenommen  von  H.  Haase,  Hamburg. 


tivs  in  der  gesamten  Ornamen- 
tik, das,  wie  es  alle  Renaissan- 
ce- und  Rokokoornamente  ver- 
drängte, auch  den  später  kom- 
menden Motiven  des  Empire 
fast  nirgends  Eingang  gestattet 
hat.  Immer  sind  es  die  nach 
der  Natur  gestalteten  Blumen 
des  Gartens:  Rosen,  Tulpen, 
Nelken,  Lilien,  Ringelblumen, 
Maiglöckchen,  Akelei,  Schwert- 
lilie, allerlei  Beeren  u.  a.  m., 
die  wir  antreffen.  Auch  sonst 
hat  man  gelegentlich  frisch  in 
Natur  und  Leben  hineingegriffen. 
Von  Tieren  finden  die  Vögel 
viel  Verwendung.  Wir  finden 
ferner  Bauern  auf  der  Jagd, 
Reiter  u.  dgl.  dargestellt,  wir 
finden  Wetterfahnen,  welche  die 
Gestalt  der  Gemüseschiffe  (Ewer) 
haben,  Windmühlen  in  Ziegel- 
muster.   Manchmal  hat  man  in 


VIERLANDER  KUNST 


83 


barocker  Laune  auch  bei  Bank- 
lehnen '  und  Ofenthüren  das 
Profil  eines  menschlichen  Kop- 
fes als  Motiv  genommen. 

Allegorische  Figuren  spielen 
in  der  Kirchenornanientik  eine 
grössere  Rolle.  Neben  dem  ural- 
ten Pferdekopfmotiv  des  Gie- 
bels kommt  der  Donnerbesen 
oftmals  an  der  Hausfront  vor.  Der 
Doppeladler,  der  in  der  deut- 
schen Bauernkunst  überhaupt, 
z.  B.  in  der  süddeutschen  und 
pommerschen,  ein  beliebtes  Mo- 
tiv ist,  spielt  auch  hier,  unter- 
stüzt  durch  den  Umstand,  dass 
er  zugleich  das  Wappen  Lü- 
becks, der  ehemaligen  Mitbe- 
sitzerin Vierlandens,  ist,  eine  grosse  Rolle. 

Hoch  entwickelt  ist  die  Verwendung  von  Schrift- 
zügen als  Ornament;  der  älteren,  monumentalen  An- 
tiqua gesellte  sich  im  vorigen  Jahrhundert  ausnehmend 
schön  geschwungene  lateinische  Schreibschrift,  in  der 
namentlich  die  Namen  der  Besitzer  in  das  Haus- 
mobiliar eingelegt  sind.  Wappen,  die  in  der  Bauern- 
kunst anderer  Gegenden,  z.  B.  Hadelns,  Wurstens 
u.  s.  w.  eine  Rolle  spielen,  kommen  hier  selten  vor. 

Betrachten  wir  zunächst  die  Ornamentik  des 
Hausäusseren. 

In  den  Schnitzereien  des  Ständer- 
werks finden  wir  die  Halbsonnen  der 
deutschen  Renaissance,  daneben  aber 
auch  schon  im  16.  Jahrhundert  eigen- 
artige, aber  noch  nicht  naturalistische 
Blumenzweige.  Durch  Verwendung  von 
etwas  Rot  ist  gelegentlich  die  Wirkung 
noch  gehoben. 

Die  Pferdeköpfe  des  Giebels  haben 
reiche  ornamentale  Ausbildung  erfah- 
ren; bemalt  sind  sie  nur  sehr  selten. 

Ziegelmuster  finden  wir  an  ein 
und  demselben  Hause  in  allerlei  ver- 
schiedener Zusammensetzung,  obschon 
lange  nicht  in  demselben  Masse,  wie 
an  Altländer  Häusern  (Seite  87).  An 
einigen  wenigen  Häusern,  besonders 
in  Altengamme,  beobachten  wir  eine 
andere  Schmucktechnik,  eine  Art  Sgraf- 
fito,  von  der  unsere  Abbildung  Seite  87 
ein  schönes  Beispiel  giebt.  Über  den 
Ziegelsteingrund  ist  erst  eine  gleich- 
massige,  dünne,  weisse  Mörtelschicht 
aufgetragen.  Dann  ist  durch  Über- 
malen mit  Rot  mit  Auslassung  grös- 
serer weisser  Flächen  und  Wieder- 
herauskratzen  weisser  Ornamente  (Kreis- 
linien und  Blumenmotive)  eine  sehr 
reiche  und  schöne  Wirkung  erreicht. 
Dieselbe  Technik  finden  wir,  wenn- 
schon heute  sehr  selten,  im  Innern 
des  Hauses  bisweilen  angewandt.   Auch 


Hemdknöpfe  für  Männer  und  Ehering. 
Aiifijenommen  von  H.  Haase,  Hainbtirjj^ 


Pantoffel.     Adler  .auf  rot  Flanell,  grün. 
Kontur  ziegelrot,   blau,  grün,  rosa,  gelb 

weiss.    Schwarz,  rot,  gelb  Leder. 
Aufgenommen  von  H.  Haase,  Hamburg. 


auf  Ziegelsteinumrahmungen 
ovaler  Giebelfenster  finden  wir, 
aber    gleichfalls    selten,     einen 
Blätterkranz  in  ähnlicher  Weise 
hergestellt. 

Die  Fenster  sind  äusserlich 
schmucklos,  die  Thür  dagegen 
ist  ornamental  schön  ausgebil- 
det. Ich  muss  hier  einschieben, 
dass  die  grosse  Thür  des  Vier- 
länder Hauses  der  Strasse  abge- 
wandt ist  und  selten  besonders 
verziert  ist,  die  Schaugiebelseite 
hat  keine  Thür  (wieder  im  Ge- 
gensatze zum  Alten  Lande),  da- 
gegen hat  jede  Langseite  eine 
solche.  Anfangs  geradlinig  oder 
viertelkreisförmig  abgeschlossen, 
hat  der  nut  Schrift  und  etwas  Ornament  gezierte  obere 
Balken  der  Thüreinfassung  später  immer  reicheren 
Umriss  angenommen.  Die  Thür  besteht  aus  Ober-  und 
Unterteil,  sie  ist  durch  ein  paar  ausgesägte  Leisten  ein 
wenig  verziert,  hie  und  da  finden  wir  noch  alte 
eiserne  Thürklopfer.  Bei  vielen  Thüren  findet  man  ein 
kleines  schmales  Vordach  mit  einer  hübschen,  eigen- 
artigen Krönung. 

Fahnden  wir  nun  einmal  im  Innern  des  Hauses 
herum.  Es  ist  da  unumgänglich  nötig,  dass  wir  der 
grossen  Liebenswürdigkeit  ein  Lob  zol- 
len, mit  welcher  die  Vierländer  uns 
ausnahmslos  in  ihrem  Hause  jederzeit 
umherführen. 

Es  ist  im  Innern  aber  so  viel  zu 
schildern,  dass  eine  Einteilung  absolut 
im  voraus  erforderlich  ist. 

Ich  nehme  zunächst  die  Teile  des 
Hausrats  heraus,  die  nicht  Vierländer 
Ursprungs  sind,  sondern  aus  der  Stadt 
Hamburg  stammen.  Das  sind  zunächst 
die  schönen  Barock-  und  Rokoko- 
schränke, die  im  Flett,  d.  h.  der  Quer- 
diele des  Hauses,  stehen,  das  ist  ferner 
der  blaubemalte  Ofen  der  Wohnstube, 
der  in  seinen  schönsten  Exemplaren 
der  hochentwickelten  Hamburgischen 
Ofenbaukunst  des  vorigen  Jahrhunderts 
entstammt  (Seite  85).  Wir  finden  aber 
auch  ältere,  plastisch  verzierte  Öfen 
Lüneburger  Stils  (obschon  höchst  selten) 
und  spätere  mit  leichtem,  blaugemalten 
Blumenwerk  und  schüchternen  Louis 
XVI.- Motiven  verzierte  Öfen  aus  dem 
kleinen  Städchen  Bergedorf.  Nicht 
Vierländer  Arbeit  sind  ferner  die 
Kacheln,  welche  zum  Teil  die  Wände 
der  Stuben  und  den  Unterbau  der 
deutschen  Herde  auf  der  Diele  beklei- 
den. Die  ältesten  Kacheln,  die  vorkom- 
men, mit  schön  gezeichnetem,  dunkel- 
blauen Tulpenornament  bemalt,  sind 
holländischen  Ursprungs,  ebenso  die  sie 


13* 


84 


VIERLANDER  KUNST 


Dielenintericur  aus  Neucngamme.     Aufgenoiiiineii  von  H.  Haase,   Hamburg. 


einrahmenden  und  zugleich  zu  grossen  Viereci<en  zu- 
sammenschliessenden  manganvioietten,  etwas  marmo- 
rierten Kaciieln.  Die  anderen  Kacheln  zeigen  jene  be- 
kannten typischen  landschaftlichen  und  figürlichen  Mo- 
tive, Mühlen,  Bauernhäuser,  Schiffe,  phantastische 
kleine  Schlösser  u.  dgl.  m.  Ausserdem  kommen  noch 
einfarbige  grüne  und  gelbe  Kacheln  vor,  die  gern  zur 
Bekleidung  des  Herdunterbaues  benutzt  werden. 

Diese  Teile  der  Hausausstattung,  dazu  die  Delfter, 
englischen  u.  a.  Teller  der  Wandbörten  ausgenommen, 
herrscht  im  Hause  absolut  Vierländer  Eigenkunst. 

Da  haben  wir  zunächst  die  Ausstattung  der  Diele, 
soweit  sie  aus  Holz  ist.  Treppengeländer  in  ein- 
fachen Rokokoformen  ausgesägt,  sowie  die  grossen 
Thüren  der  Herde  wären  zu  erwähnen.  Letztere  sind 
wohl  ganz  original  (Seite  84).  Sie  sind  aus  senk- 
rechten Brettern  zusammengefügt,  oben  mit  wenigen 
Ausnahmen  halbkreisförmig  abgeschlossen.  Der  obere 
Halbkreis  ist  mit  mehr  oder  weniger  reichem,  aus- 
gesägten Ornament  verziert.  Kleeblattformen,  Spät- 
renaissance, Blumen-  und  Laubwerk  wiegen  vor.  Die 
Innenseite  der  Thür  wird  ausgenutzt,  um  daran  Löffel, 
Topfdeckel  u.  dgl.  aufzuhängen  -  man  möchte  sagen, 
es   sei    das   ein  Seitenstück    zu  der  sorgsamen   Aus- 


nutzung des  Gartenterrains  bis  ins  Kleinste,  die  wir  im 
Lande  überall  beobachten. 

Die  Thüren  der  Alkoven  der  Diele,  welche  die 
Schlafstellen  der  Knechte  enthalten,  sind  nur  ausser- 
ordentlich selten  etwas  verziert,     (s.  Seite  79.) 

An  beweglichen  Möbeln  finden  wir  auf  der  Diele 
Bänke,  die  zugleich  lange  Laden  vorstellen  und 
immer  originelle  Seitenlehnen  mit  irgend  einer  be- 
wegten Kontur  oder  mit  durchbrochenem  Ornament 
haben.  Echt  Vierländer  Schränke  sind  selten,  indessen 
giebt  es  doch  alte,  stark  gotisierende  grössere  und 
kleinere  aus  dem  16.  Jahrhundert,  sowie  auch  origi- 
ginelle  spätere  Eckschränke,  ihre  Stelle  ersetzen  die 
Truhen,  die  wir  zwar  auf  der  Diele  finden,  die  wir 
aber  auch  in  der  Stube  antreffen  und  dort  besprechen 
wollen. 

Die  Stubenthür  ist  auch  auf  der  Diele  meist  etwas 
verziert,  z.  B.  mit  hitarsien  in  Sternform  und  Eisen- 
beschlag. Ein  kleines  Fenster,  das  Stube  und  Diele 
verbindet,  ist  bisweilen  mit  Blei  verglasung  in  geo- 
metrischem Muster  verziert.  Daran  knüpfen  wir  gleich 
die  Erwähnung  der  sich  noch  heute  findenden  kleinen 
bemalten  Fensterscheiben,  die  gemäss  ehemaliger  Sitte 
von  Freunden  beim  Bezug  des  Hauses  oder  anderen 


Vierländer  Stube  in  Neuengamme.     Aufgenommen  von  H.  Haase,  Hamburg. 


VIERLANDER  KUNST 


87 


Steinversetzung  in  den  alten  Vierländer   Bauernhäusern.     Aufgenommen  von  H.  Haase,  Hamburg. 


^ 


freudigen  Gelegenheiten  gescheni<t  wurden  und  aller- 
lei Schmuck,    einen  Reiter,    Wappen  u.  s.  w.  tragen. 

In  der  Stube  wollen  wir  uns  zunächst  die  Wände 
besehen.  Sie  sind,  wie  schon  erwähnt,  zum  Teil  mit 
Kacheln  belegt,  in  der  Hauptsache  aber  sind  sie  reich 
getäfelt.  In  frühester  Zeit  wurde  die  Schnitzerei  zum 
Schmuck  des  Getäfels  benutzt,  es  giebt  noch  sehr 
schöne  Beispiele  dieser  Art,  die  Renaissance-  und 
Barockmotive  zeigen.  Sehr  selten  kommt,  aus  der 
Rokokozeit  stammend,  Bemalung  der  Täfelung  vor, 
vorwiegend  treffen  wir  überall  als  Schmuck  derselben 
die  Intarsia  an,  die  alte  Lieblingstechnik  der  Vierländer 
Möbeltischler.  Es  kommen  Renaissance-  und  Barock- 
niotive,  sowie  naturalistische  Blumen  vor,  sehr  beliebt 
sind  ferner  reich  detaillierte  Sterne;  die  Namen  der 
Besitzer  finden  wir  an  Wand  und  Thür.  In  der  Wand 
finden  sich,  durch  Schiebethüren  abgeschlossen,  Al- 
koven für  die  Betten,  auch  Wandschränke,  sowie  über 
den  Thüren  kleine  Porzellanschränke,  die  immer  Glas- 
thüren,  mit  durchbrochenem  Holzornament  überzo- 
gen, haben,  um  den  Reichtum  des  Hauses  an  schönem, 
goldschimmernden  Porzellan  und  jenem  wirkungs- 
vollen, kupferüberzogenen  und  mit  buntbemalten  Re- 
liefs verzierten,  im  Bruch  rotbraunem  Steinzeug  zu 
zeigen,  das  bei  den  Bauern  in  Norddeutschland  überall 
sehr  beliebt  war. 

Bisweilen  tritt  der  Alkoven  etwas  zu- 
rück hinter  der  anderen  Wand,  so  dass 
eine  kleine,  besondere,  durch  einen  Vor- 
hang abzuschliessende  Zimmernische  ent- 
steht, deren  Eingang  oben  in  verschiedener 
Weise  portalähnlich  gestaltet  ist.  Korb- 
bögen auf  durchbrochenen  Konsolen, 
Doppelbögen,  geradliniger  Abschluss  unter 
Ausfüllung  der  Ecken  durch  Konsolen 
u.  dgl.  kommen  da  vor. 

Einen  festen  Bestandteil  der  Wand  bil- 
det neben  dem  schon  erwähnten  blaube- 
malten, von  der  Diele  aus  zu  heizenden 
Ofen  die  hohe  Standuhr,  die  zu  einem 
vornehmen,  schönen  Typus  ausgebildet  ist. 

Wir  kommen  damit  zu  den  Vierländer 
Möbeln. 

Der  Tisch,  bisweilen  ausziehbar,  zeigt 
Kugel-  oder  Balusterfüsse.  Die  Verzierung 
steigert  sich  bis  zu  grossem  Reichtum  an 
geschnitzten  oder  eingelegten  Ornamenten. 
Eine  sehr  selten  vorkommende  Form 
ist  der  mit  einer  Schmalseite  an  der  Wand 
befestigte  Klapptisch,    der   auf    der  ande- 


ren   Seite    sich    auf    ein    hübsch    ausgesägtes    Brett 
stützt. 

In  Bezug  auf  die  Stühle  müssen  wir  zwei  Typen 
unterscheiden,  der  ältere  (Seite  80),  steifer  in  der  Form, 
zeigt  neben  reicher  Drechslerarbeit  an  den  Rücklehnen 
geschnitztes  Ornament:  Embleme,  Renaissanceornament, 
zwei  Vögel  mit  Krone,  Doppeladler  u.  dgl.  m.  Der 
jüngere  Typus,  zu  ausnehmend  eleganten  Formen 
neigend,  hat  die  Drechslerarbeit,  fein  ausgebildet,  bei- 
behalten und  mit  der  Intarsia  verbunden.  Bemalte 
Stühle,  die  sonst  in  der  deutschen  Bauernkunst  stark 
vertreten  sind,  finden  sich  hier  nie.  Neben  einfacheren 
Stühlen  finden  wir  reichere  mit  Armlehnen,  die  auf  zier- 
lichen Docken  aufliegen.  Namentlich  die  sogenannten 
Brautstühle  sind  manchmal  ausserordentlich  reich  ausge- 
stattet und  bilden  wahre  Prunkstücke.  Vasen,  aus  denen 
naturalistische  Blumen  hervorspriessen,  Blumenbouquets, 
Vögel,  die  auf  den  Zweigen  sitzen  oder  darüber  fliegen, 
sind  die  Hauptmotive  für  die  Intarsia  der  Rücklehnen, 
selten  kommen  Jagddarstellungen  vor.  Die  Schmuck- 
liebe geht  bisweilen  so  weit,  dass  sogar  die  Rückseite 
der  Rücklehnen  verziert  wird,  es  zeugt  aber  von  dem 
feinen  Geschmack  der  Vierländer,  dass  hier  nur  ein 
kleines,  ellipsenförmiges  Ornamentstück  oder  ein  Stern 
in  den  dunklen  Grund  eingelegt  ist. 


Bäuerlicher  Sgraffito,  Füllung  zwischen  dem  Ständerwerk  an  alten 
Vierländer  Bauernhäusern.    Aufgenommen  von  H.  Haase,  Hamburg. 


88 


VIERLÄNDER  KUNST 


Die  Vierländer  Stuhlsitze  haben  binsen-  oder 
rohrgeflochtene  Sitze  und  sind  stets  für  Belag  mit 
Kissen  berechnet.  Unter  diesen  ragen  aus  den  un- 
schönen modernen  Kissen  aus  geblümtem  Stoff  oder 
in  Straminstickerei  die  alten  Flickenkissen,  in  geo- 
metrischen, schönen  Mustern  aus  verschiedenen  bunten 
Tuchstücken  zusammengesetzt,  und  alte  Oobelinkissen 
mit  Blumen  oder  Wappen  hoch  hervor,  denen  wir 
auch  in  der  Kirche  begegnen  werden. 

Das  dritte  Hauptmöbel  ist  die  Truhe.  Ausser- 
ordentlich selten  nur  treffen  wir  geschnitzte,  überall 
aber  die  mit  Intarsia  ausgestattete  an  und  zwar  in 
zwei  auffallend  abweichenden  Formen.  Die  eine, 
offenbar  ältere,  erinnert  an  gotische  Formen  und  steht, 
nach  unten  ausladend,  hochbeinig  auf  Brettfüssen,  die 
mit  Vorder-  und  Rückfläche  aus  einem  Stück  ge- 
arbeitet sind.  Die  andere,  niederere  Form  hat  Kugel- 
füsse  (Seite  84).  Bisweilen  wird  erstere  Form  als 
Männertruhe,  die  andere  als  Brauttruhe  erklärt,  und 
da  es  vorkommt,  dass  man  in  einer  Stube  neben  einander, 
gleich  datiert,  mit  ganz  gleichem  Ornament  verziert,  je 
eine  Truhe  der  beiden  Formen  stehen  sieht,  jene  den 
Namen  des  Bräutigams,  diese  den  der  Braut  auf- 
weisend, mag  es  oftmals  so  sein  —  die  erste  Form  hat 
in  der  That  etwas  Mannhafteres,  Trutzigeres,  als  die 
andere,  welche  einen  weichlicheren,  zierlicheren  Ein- 
druck macht.  Einmal  finden  wir  bescheidene,  ja  spär- 
liche, aber  stets  gut  verteilte  Ornamentik,  ein  ander- 
mal steigert  sich 's  zu  grösster  Fülle.  Neben  Vasen 
mit  Blumen  u.  dgl.  kommt  öfters  ein  stattlicher  Reiter 
in  Rokokotracht  als  Ziermotiv  vor. 

Schränke  finden  sich  in  den  Stuben  nie;  sie  sind 
durch  Wandschränke   und   Truhen   genügend   ersetzt. 

Die  Wiege  hat  der  Kunstsinn  der  Vierländer 
ebenfalls  schön  ausgebildet,  oftmals  steht  sie  auf 
einem  besonderen  zierlich  ausgesägten  Brett,  das  die 
Wiege  auf  demselben  Fleck  festhält.  Wie  auch  sie 
mit  Intarsien  geziert  ist,  so  auch  allerlei  kleine  Kästen, 
Uhrgehäuse,  Wandschränkchen  u.  dgl.  Kleingerät. 

In  Bezug  auf  Bänke  kenne  ich  kein  Beispiel  von 
Verwendung  der  Intarsia;  an  den  Fensterwänden  be- 
findlich, zeigen  sie  nur  ausgesägte  Seitenlehnen  und 
Vorderbrett  unterhalb  des  Sitzes.  Rücklehne  ist  gar  nicht 
vorhanden,  nur  bei  Gartenbänken  findet  sie  sich,  immer 
sehr  zierlich,  bisweilen  aus  ausgesägten  Formen  gestaltet, 
meist  aber  aus  gedrechselten  Gliedern  zusammengefügt. 

Die  Decke  der  Stube  zeigt  einfache  Täfelung  oder 
Rokokostuckverzierung,  an  den  oft  sichtbar  durch- 
gehenden Balken  sind  Haken  zum  Aufhängen  von 
Körben  mit  vorkeimenden  Kartoffeln  u.  dgl.  ange- 
bracht. Auch  durch  daruntergenagelte  Bretter  gebil- 
dete schmale  Börter  finden  sich. 

Durch  die  geöffnete  Thür  des  Alkovens  blicken 
wir  auf  das  aufgemachte  Bett,  das  uns  auf  die  Kunst 
der  Frauen  und  Mädchen  bringt. 

Die  weissen  Überzüge  der  farbigen  Kissen  sind 
durch  breite  Streifenzwischensätze  geziert,  die  in  feiner 
Netzstickerei  gearbeitet  sind.  Allerlei  symbolische 
Motive  spielen  dabei  neben  Blumen-  und  Tierorna- 
menten eine  Rolle,  die  in  der  Bauernkunst  überall  be- 


liebten, sich  schnäbelnden  Tauben,  Herzen,  von  Figuren 
gehalten,  Engel,  auch  Wappen  kommen  vor.  Die 
Namen  oder  Anfangsbuchstaben  sind  in  schwarzer 
Seide  in  das  Leinen  eingestickt  und  mit  schönem, 
der  Technik  entsprechend  umgestalteten  Blumen-  und 
Blattwerk,  namentlich  Rosetten,  zu  einem  wirkungs- 
vollen Ganzen  verbunden;  ebenso  sind  die  Sticke- 
reien der  Betttücher  in  gleicher  Technik  gestaltet. 

Eine  ganze  Sammlung  schöner  Stickmotive  weisen 
die  Mustersammlungen,  die  sogenannten  Namentücher 
der  Vierländerinnen  auf,  Vasen  mit  Blumen,  Doppel- 
adler, Herzen,  Kronen  und  alle  anderen  beliebten 
Formen  deutscher  Bauernkunst  begegnen  uns,  bis  tief 
in  unser  Jahrhundert  hinein  noch  von  hohem  Ge- 
schmack zeugend. 

Bezüglich  der  Paradehandtücher  ist  es  noch  nicht 
sicher,  ob  sie  im  Lande  gewebt  wurden,  sie  sind 
reich  mit  roten  oder  schwarzen  eingewebten  Borten, 
sowie  schwarz  gestickten  Namen  geziert. 

Andere,  sehr  schöne  Stickereien  zeigt  uns  die 
Tracht  der  Vierländerinnen,  namentlich  die  Ärmel  der 
Jacken  und  die  violetten  Schürzen  zeigen  Namen  und 
in  Plattstich  eigenartig  voll  gestickte  Vierecke  mit 
Blumenornamenten  in  blauer  und  roter  Seide,  die 
den  Grund  vollständig  verdecken;  auch  an  den  Hemden 
kommen  bunte  Stickereien  vor.  Sehr  reich  gestickt, 
in  buntem,  in  Farbe  fein  gestimmtem  Plattstich  oder 
Gold-  und  Silberstickerei  unter  Verwendung  kleiner, 
kreisrunder  Goldplättchen,  sind  die  Brustlätze  der 
Vierländerinnen,  wobei  auch  Goldbrokatstoff  und 
in  Hamburg  geklöppelte  Metallspitzen  zur  Verwen- 
dung gelangen.  Vasen  mit  Blumen,  Vögeln  u.  dgl. 
sind  die  Motive.  Ersetzt  sind  die  gestickten  Brust- 
lätze bisweilen  durch  schönfarbene,  gleichmustrige 
Sammetstücke,  in  Bergedorf  gewebt.  Gleichfalls  findet 
Sammet,  in  abwechselnd  verschiedenfarbigen  Quadraten 
geschacht,  an  den  Schürzen  Verwendung.  Dass  auch 
schön  gestickte  Pantoffeln  u.  a.  m.  vorkommen,  zeigt 
unsere  Abbildung  Seite  83. 

Von  der  Tracht  der  Vierländerinnen  zu  ihrem 
Schmuck  ist  ein  kleiner  Schritt.  Auffällig  ähnelt  der- 
selbe in  einzelnen  Stücken  dem  Schmuck  seeländischer 
Bäuerinnen,  z.  B.  die  kreisrunden  grossen  Hemd- 
spangen (Seite  82)  gleichen  denen  der  Seeländerinnen 
in  Form  und  Technik  vollständig.  Sie  sind  in  sehr 
geschmackvollen,  verschiedenen  Mustern  in  Filigran 
auf  einer  Silberplatte  hergestellt  und  mit  bunten  Glas- 
steinen verziert.  Die  Filigrantechnik  finden  wir  auch 
wieder  an  den  Mittelstücken  der  Brustketten  zum  Zu- 
sammenhalten der  Jacken,  sowie  an  den  halbkugelförmi- 
gen Zierknöpfen  der  Jackenärmel.  Die  genannten  Brust- 
ketten bestehen  aus  zwei  halbkreisförmigen  Seitenstücken 
und  den  5  13  sie  verbindenden  Ketten.  Die  zwei 
Seitenstücke  sind  durchbrochen,  in  Silber  gegossen 
und  zeigen  wieder  Blumen,  Herz,  Vögel  und  Krone 
(Seite  82).  Bisweilen  ist  in  der  Mitte  der  Ketten  noch 
das  erwähnte  schmale  ovale  Mittelstück  in  Filigran,  so 
breit  wie  das  ganze  Schmuckstück,  in  der  Mitte  mit 
einem  bunten  Glasstein  oder  einer  in  Silber  ge- 
arbeiteten    Blume     besonders     verziert,     angebracht. 


VIERLÄNDER  KUNST 


89 


Auch  die  Trauringe  waren  ehemals  besonders  ausge- 
stattet. Sie  waren  durchbrochen  gearbeitet  und  mit 
symbolischen  Motiven,  verschlungenen  Händen,  Herzen 
u.  s.  w.,  verziert;  die  Abbildung  Seite  83  zeigt  als  auf- 


fallendes Motiv  eine  kleine  Madonna.  Von  sonstigem 
Schmuck  sind  noch  die  Halsketten  aus  Glasperlen 
oder  Granaten  mit  einfachem  Schloss,  zwei  gravierten 
Silberplatten,    die  Zierknöpfe    der  Männer  an  Hemd, 


Kunstgewerbeblatl. 


Kleiderschrank  aus  dem  Schlafzimmer  von  B.  Pankok  auf  der  Dresdner  Kunstausstellung  1899. 
Vereinigte  Werkstätten  für  Kunst  im  Handwerk,  München.    (Ges.  gesch.) 
N.  F.    XI.    H.  i;. 


14 


90 


VIERLÄNDER  KUNST 


Jacken  und  Beinkleid  (einer  Art  Pumphose),  sowie 
silberne  Hutschnallen  zu  erwähnen;  auch  das  Gesang- 
buch kommt  mit  Silberschmuck  (gravierte  Platten  an 


den  Ecken  und  Schliessen)  vor.  (S.  über  weibliche  Hand- 
arbeit und  Schmuck  Prof.  J.  Brinckmann's  Führer  d.  d. 
Hamb.  Mus.  f.  Kunst-Gewerbe.)  (Schluss  folgt.) 


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Kopfleiste,  gezeichnet  von  DANIEL  BÜCK,  Bciiin. 


HAT  DAS  PUBLIKUM  EIN  INTERESSE  DARAN,  SELBER 
DAS  KUNSTGEWERBE  ZU  HEBEN? 


Von  Herimann  Obrist 


(Schluss.) 


WAS  sollen  wir  denn  aber  thun,  so  wird  wohl 
mancher  denken.  Wir  sind  doch  nicht  alle 
reiche  Leute,  die  sich  ihr  Haus  bauen  können. 
Wir  müssen  doch  kaufen  was  da  ist,  wir  können  uns 
doch  nicht  darauf  einlassen,  extra  zu  bestellen.  Über- 
haupt, was  sind  denn  das  für  phantastische  und  para- 
doxale  Pläne.  Nun,  schon  bei  den  kleinen,  alltäg- 
lichen Einkäufen  in  den  Läden,  wo  es  sich  darum 
handelt,  unter  vielem  etwas  hübsches,  auch  dauerhaftes 
zu  wählen,  kann  vom  Käufer  ein  Einfluss  ausgeübt 
werden.  Freilich,  wenn  man  das  Geschäft  eilig  be- 
tritt und  verwirrt  durch  die  grosse  Menge  der  Gegen- 
stände und  geniert  durch  die  Gegenwart  und  die  Blicke 
so  vieler  Angestellten  ziemlich  ratlos  sich  von  den 
Verkäufern  herumführen  und  beeinflussen  lässt,  dann  ^ 
kommt  man  nicht  dazu,  etwas  zu  kaufen,  was  einem  [f 
wirklich  und  ganz  persönlich  gefällt.  Es  steht  ausser^; 
allem  Zweifel,  dass  wenn  jemand  nur  suchen  will,!;, 
in  mehreren  Geschäften  suchen  will,  er  sehr  oft  etwas; 
wirklich  gutes,  geschmackvolles  finden  kann.  Thäte" 
man  das,  so  würde  es  sich  herausstellen,  dass  sehr 
viele  Leute  im  Grunde  einen  ganz  richtigen  Geschmack 
haben.  Doch  wollen  wir  diesem  Mittel  nicht  mehr 
Bedeutung  zumessen,  als  es  wirklich  hat.  Der  wirk- 
liche Einfluss  jedoch,  den  das  Publikum  auf  die  Pro- 
duktion ausüben  kann,  fängt  dann  an,  wenn  grössere 
Bestellungen  derselben  Art  von  Gegenständen  erfolgen 
müssen.  Und  dahin  gehören  in  erster  Linie  die  Aus- 
stattungen. Und  hier  ist  eine  Wandlung  nur  mög- 
lich, wenn  die  Frauen  uns  helfen.  Und  diese  Hilfe 
muss  eine  bewusste,  ausgebildete  werden.  Bis  jetzt 
ist  das  Kunstgewerbe  von  den  Männern  gemacht  und 
beherrscht  worden.  Und  die  Frauen  sind  nur  auf 
denselben  Wegen  nachgefolgt,  die  die  Männer  be- 
schritten hatten.  Sie  beschränkten  sich  darauf,  alles 
das,  was  die  Männer  produzierten,  zu  kaufen  und  im 
Hause  zu  verteilen.  Die  Frauen  sind  nie  gefragt 
worden,  ob  man  denn  alle  diese  alten  Stile  neubeleben 
sollte  und  wir  getrauen  uns  zu  behaupten,  dass  sie, 
befragt,  davon  abgeraten  hätten.  Nein,  sie  haben  sich 
diesen  ganzen  Geschmack  wie  so  vieles  andere  auf- 
drängen lassen,  ohne  auf  den  Gedanken  zu  kommen, 


zu  widerstehen  und  etwas  neueres  vorzuschlagen.  Von 
Natur  liebt  die  Frau  all  das  Alte  nicht.  Ihr  ganzer 
Instinkt  treibt  sie  zum  Neuen,  zum  Heitern,  zu  dem 
was  anregt  und  die  ästhetische  Neugier  befriedigt. 
Nicht  nur  zieht  sie  die  Gegenwart  der  Vergangenheit 


Kinderzimmer-Möbel  von  K.  BERTSCH. 

Ausgeführt  von  den  Vereinigten  Werkstätten  für  Kunst  im  Handwerk, 

München.    (Ges.  gesch.) 

•4' 


92     HAT  DAS  PUBLIKUM  EIN  INTERESSE  DARAN,  SELBER  DAS  KUNSTGEWERBE  ZU  HEBEN? 


Tauf-Plakette  von  Bildhauer  ADOLF  AMBERO  in  Cliarlottenburg.     II.  Preis.') 


vor,    sondern 
sie  greift  gern 
der  Zukunft 
vor.    Fast  im- 
mer haben  die 
Frauen  wenig- 
stens die  Nei- 
gung zum 
fortgeschritte- 
nen Ge- 
schmack in 
Kunst  und  Lit- 
teratur.     Und 
wenn  sie  sich 
nur    auf   sich 
selber    besin- 
nen    wollten, 
so][würden  sie 
auch     finden, 
dass  sie  mehr 

Sinn  dafür 
haben,  ob  ein 
Gerät  prak- 
tisch,'bequem  und  zweckmässig  ist,  als  die  Männer,  ganz 
speziell  die  Männer,  welche  eben  diese  Geräte  anfertigen. 
Welcher  Widerspruch  liegt  doch  darin  z.  B.,  dass  alle 
diejenigen  Handwerker,  ganz  speziell  die  Tapezierer, 
welche  alles  das  erzeugen,  was  in  unseren  Salons  zum 
Gebrauche  und  zur  Zierde  herumsteht,  gar  nicht  in 
die  Lage  kommen,  in  eben  diesen  Salons  zu  verkehren, 
um  so  sich  zu  überzeugen,  wie  unzweckmässig  und 
direkt  hässlich  vieles  darin  ist.  Und  wir  alle,  nicht 
zum  wenigsten  unsere  Frauen,  für  die  alles  das  in 
erster  Linie  existiert,  reagieren  viel  zu  wenig  und 
lassen  sich  viel  zu  sehr  tyrannisieren  von  Fabrikanten, 
Ladeninhabern,  Dekorateuren  und  von  dem  Geschmacke 
desjenigen  Teils  des  Publikums,  der  in  der  That,  aber 
leider,  existiert;  der  das  reich  aussehende,  das  imi- 
tierte, das  in  die  Augen  springende  liebt,  und  auf 
den  die  Fabrikanten  in  der  That,  aber  leider,  mit 
Sicherheit  spekulieren  können  und  es  auch  reichlich 
thun.  Statt  dass  die  Verfeinerten,  die  Vorgeschrittenen, 
diejenigen,  die  Zeit  und  Müsse  haben,  sich  der  künst- 
lerischen Ausgestaltung  des  Heims  zu  widmen,  und 
das  sind  in  erster  Linie  die  Frauen  unserer  wohlha- 
benden Stände,  die  Initiative  ergreifen,  um  den  Ge- 
schmack im  Kunstgewerbe  zu  diktieren,  lassen  sie  sich 
im  Strome  treiben,  nehmen  was  da  ist,  lassen  sich 
den  ganzen  minderwertigen  Geschmack  der  Produ- 
zenten gefallen,  von  dem  dann  jene  sagen,  dass  es 
der  unsere  ist.  Der  Fabrikant  hat  gut  reden:  Das 
Publikum  verlangt  diese  und  jene  Ware.  Gewiss, 
ein  Teil  des  Publikums  verlangt  im  Laden  direkt  ver- 
goldete Kandelaber  im  Barockstil  auf  chinesischem 
Vasenkörper.  Aber  der  andere  Teil  des  Publikums, 
dessen  Zahl  leider  viel  zu  gering  angeschlagen  wird, 
verlangt  sie  nicht,  sondern  lässt  sie  sich  nur  gefallen, 
ohne  sie  besonders  zu  goutieren.  Die  ganze  Legende, 
dass  die  Fabrikanten  und  die  Kunstgewerbetreibenden 
nur  das  produzieren,  was  das  Publikum  verlangt,  be- 


ruhtauf einem 
subtilen,  aber 
folgeschwe- 
ren    Missver- 
ständnis, an 
dem  Schuld 
trägt  die  Indo- 
lenz    desjeni- 
gen Teils  der 
Gebildeten, 
welcher  der 
führende  sein 
sollte.    Nie- 
mand wäre  er- 
staunter als 
der  Produzent, 
wenn  das  Pu- 
blikum einmal 

etwas  ver- 
langte. Man 
stelle  sich  ein- 
mal die  Ver- 
wirrung in 
den  Geschäften  vor  und  die  Ratlosigkeit  der  Ladenin- 
haber, wenn  innerhalb  weniger  Tage  fünfzig  Menschen 
einmal  ein  Porzellanservice  verlangten,  das  nicht 
Meissener,  nicht  Nymphenburger  und  nicht  neueng- 
lischen Stil  hätte. 

Aber  das  können  wir  ja  gar  nicht  verlangen,  wird 
man  mir  zurufen.  Ich  möchte  wieder  auf  den  oben 
erwähnten  Begriff  Ausstattungen  zurückkommen.  Hier 
ist  es,  wo  das  Publikum,  speziell  unsere  Frauen,  den 
Hebel  ansetzen  können.  Hier,  wenn  es  sich  um  die 
Einrichtung  eines  neuen  Heims  handelt,  ist  der  Wende- 
punkt im  Leben  jeweils  zweier  Menschen  gekommen, 
wo  die  Macht  des  Alten,  des  Ererbten  einmal  ge- 
brochen werden  könnte.  Wer  die  Mittel  hat,  eine 
Ausstattung  bestellen  zu  können,  sogar  eine  einfache, 
und  in  dieser  Lage  sind  doch  jetzt  zahlreiche  Men- 
schen, der  sollte  seinem  Schicksale  danken,  der  sollte 
sich  selber  zurufen:  Ich  will  jetzt  aus  dem  mir  vom 
Schicksale  oder  von  meiner  eigenen  Arbeit  verliehenen 
Mitteln  das  denkbar  grösste  Mass  von  Genuss  mir 
selber  erzeugen.  Es  soll  alles  behaglich  sein.  Es 
soll  vornehm  sein,  was  nur  möglich  ist  bei  Abwesen- 
heit von  Überladung  und  Imitiertem.  Es  soll  meinen 
persönlichen,  nicht  den  sogenannten  durchschnittlichen 
Bedürfnissen  angepasst  sein.  Es  soll  hübsch  und 
apart  sein,  wenn  irgend  möglich  sogar  schön  und 
eigenartig  sein.  Ich  will  mir  das  alles  mit  Mitarbeitern 
extra  ausdenken  und  wenn  Freunde  zu  mir  kommen, 
sollen  sie  mich  bewundern,  ja  beneiden.  Es  soll  mir 
Lust  und  Spass  machen  trotz  der  vielen  Mühe,  ich 
will  eitel  stolz  auf  mein  Heim  werden  und  auf  jeden 
Stuhl  darin,  auf  mein  Heim,  das  nicht  ist  wie  das 
meines  Nachbars.  Ich  will  ihn  nicht  übertrumpfen 
damit,  dass  ich  überbiete,  sondern  damit,  dass  er 
mich  sobald  nicht  kopieren  kann. 

So  soll  der  mit  Gütern  gesegnete  reden.  Statt 
dessen  wird  nur  zu  oft   folgendes   gethan,    wenn   es 


i)  Vergl.  Kunstgewerbeblatt,  N.  F.  X.,  S.  196. 


HAT  DAS  PUBLIKUM  EIN  INTERESSE  DARAN,  SELBER  DAS  KUNSTGEWERBE  ZU  HEBEN?     93 


Entwurf  zu  einer  Tauf-Plakette  von  Bildhauer  MEINHARD  JACOBY,  Berlin.     III.  Preis,  i) 


gilt  ein  neues 
Heim  zu  grün- 
den. Die 
Hochzeit  soll 
in  so  und  so- 
viel Wochen 
oder  Monaten 
sein.  Da  gilt 
es  sich  zu  spu- 
ten. Die  gros- 
sen Geschäfte 
werden  aufge- 
sucht, Möbel, 

Tischzeug, 
Geräte  werden 
rasch    gekauft 
oder  nach  vor- 
handenen 
Mustern     be- 
stellt, alles 
wird  vorsich- 
tig ausge- 
dacht, damit  ja 

nichts  fehle  später,  ein  Termin  gesetzt  für  die  Ablieferung 
und  wenn  nur  Geld  genug  da  ist,  dann  geht  ja  alles 
herrlich  glatt.  Und  damit  ist  das  erste  Hemmnis  ge- 
schaffen für  den  weiteren  Fortschritt.  Je  nobler  und 
je  fertiger,  je  stilechter  ein  Zimmer  hergestellt  wird, 
desto  unmöglicher  wird  es  dann  den  meisten  Men- 
schen, etwas  eigenartiges,  fremdartiges  auch  noch 
später  unterzubringen.  Und  das  bischen  Platz,  was 
an  Wänden  und  auf  Möbeln  noch  übrig  bleibt,  ist 
mit  Hochzeitsgeschenken  anderer  Leute  besetzt,  die 
man  nicht  kränken  darf,  indem  man  ihre  Sachen  auf 
den  Speicher  stellt.  Und  bei  solchen  Herrschaften, 
die  nun  gar  in  ein  altes,  ererbtes  Heim  einziehen, 
ist  es  erst  recht  schwer.  Die  wollen  durchaus  kein 
neuartiges  Büffet  in  ihr  altes  Speisezimmer  stellen; 
dieselben  Menschen,  die  ohne  weiteres  in  ihren  Salon 
einen  Böcklin  ganz  nahe  an  einen  Tizian  und  unweit 
davon  einen  Watteau  neben  einen  Uhde  hängen  wür- 
den, wenn  sie  sie  nur  kriegten.  Das  stört  sie  nicht, 
aus  dem  Grunde  nämlich  nicht,  weil  sie  wissen,  dass 
solche  Kunstwerke  einen  hohen  Wert  haben,  Unika 
sind,  um  deren  Besitz  und  Genuss  sie  lebhaft  beneidet 
werden.  Dass  aber  ein  Büffet,  ein  Tisch,  sogar  in 
ganz  einfacher  Ausführung,  ein  Kunstwerk  sonder 
gleichen  sein  kann,  dass  ein  Treppenhaus  ein  Traum 
sein  kann  wie  nur  irgend  eine  Radierung  von  Klinger: 
wenn  einer  das  sagt,  läuft  er  bei  uns  Gefahr,  für 
einen  überspannten  Fanatiker  des  Kunstgewerbes  ge- 
halten zu  werden,  womit  dann  auch  alle  seine  Er- 
örterungen als  abgethan  betrachtet  werden. 

Wir  wollen  deshalb  auch  aus  diesem  Traumlande 
wieder  heruntersteigen  und  uns  darnach  umsehen,  ob 
mit  den  einfacheren  Mitteln,  die  dem  Bürger  oder 
seiner  Gattin  zur  Verfügung  stehen,  etwas  geleistet 
werden  kann.  Und  da  liegt  mir  ein  Fall  vor,  der 
charakteristisch  genug  ist,  um  hier  angeführt  zu  wer- 
den.    Ich    habe    einmal    einen    jüngeren  Gutsbesitzer 

1)  Vergl.  Kunstgewerbeblatt,  N.  F.  X.,  S.  196. 


gekannt.  Er 
war  ein  Träu- 
mer und  ein 
stiller,  nach- 
denklicher 
Mensch.       Er 

war  aber 
kunstliebend 
und  trotz  sei- 
ner Träumerei 
ein    praktisch 

angelegter 
Mann.  Als  er 
heiratete,  kam 
er  dazu,  wie 
die  Ausstat- 
tung von  sei- 
ner Schwie- 
germutter be- 
sorgt werden 
sollte.  Da  gab 
es  schwere 
Kämpfe.  Ihm 
passte  nichts.  Es  war  zum  Verzweifeln.  »Er  hat 
so  eigenen  Geschmack,  er  weiss  nicht  was  er 
will«,  so  klagten  die  Frauen.  Und  im  Zorne 
überantwortete  man  ihm  den  Kauf  des  Mobi- 
liars. Mein  Freund  ging  auf  die  Suche.  Er  Hess  es 
sich  recht  sauer  werden.  Wochen  vergingen.  In 
einer  Stadt,  berühmt  als  Hochburg  der  massivsten 
Renaissance,  des  prunkreichsten  Barocks  fand  er  einen 
Tischlermeister,  der  nie  ausstellte,  der  nie  von  sich 
reden  machte,  der  ihm  aus  Fichtenholz,  aus  nicht 
fourniertem  Fichtenholz,  eine  Ausstattung  machte,  fein, 
ruhig,  das  Holz  mildbraun,  die  matten  Farben  vor- 
nehm abgestimmt,  das  Ornament  apart,  so  dass  sich 
jeder  freute,  der  die  Möbel  sah.  Auch  die  Formen 
waren  ganz  andere.  Und  das  Unbegreiflichste  war, 
dass  es  nicht  Renaissance,  nicht  Rokoko,  nicht  Empire 
und  auch  nicht  neuenglisch  war.  Ja,  was  war's  denn  für 
ein  Stil?  Es  war  gar  kein  Stil,  es  hatte  nur  Stil.  Ich 
möchte  nur  noch  sagen,  dass  die  Schwiegermutter, 
eine  vernünftige  Frau,  mit  der  Ausstattung  zufrieden 
war,  die  Preise  waren  aber  auch  recht  massige.  Die 
Braut  aber  war  nicht  zufrieden,  und  wie  einmal  eine 
Freundin  zu  ihr  sagte:  »Du,  es  sieht  aber  alles  ein 
bischen  dünne  aus,  da  weinte  sie  vor  Ärger.  Denn 
die  Frau  liebt  zwar  das  Neue,  traut  sich  aber  doch 
nicht  leicht,  die  Kritik  herauszufordern.  Sie  hatte  eben 
noch  gar  nicht  verstanden,  dass  ihr  Mann  in  mehr 
oder  weniger  klarem  Drange  das  ausgeführt  hatte, 
was  wir  alle  thun  sollten.  Wir  sollen  uns  nicht  den 
Fabrikantengeschmack  aufnötigen  lassen,  von  dem  jene 
behaupten,  dass  es  der  unsere  ist.  So  also  soll  man 
handeln.  Ein  Mann  könnte  mir  hier  einwerfen:  'Dazu 
haben  wir  aber  keine  Zeit.«  Eine  Frau  aber  darf  so 
einen  Einwurf  nicht  machen,  ganz  speziell  nicht  eine 
wohlhabende  junge  Frau,  die  noch  nicht  die  Sorgen 
einer  ganzen  Familie  auf  sich  genommen  hat.  Wenn 
es  die  Frauen  nicht  thun,  wird  es  sobald  nicht  anders 


94     HAT  DAS  PUBLIKUM  EIN  INTERESSE  DARAN,  SELBER  DAS  KUNSTGEWERBE  ZU  HEBEN? 


werden.  Selbstredend  geht  das  nicht  so  rasch  und 
es  gehört  dazu  Courage,  Zähigkeit  und  Ausdauer. 
Zuerst  würde  sie  sich  gewiss  wohl  an  eine  bewährte 
Firma  für  Möbelschreinerei  wenden  mit  dem  ausdrück- 
lichen Bedeuten,  das  Mobiliar  müsse  unbedingt  anders 
ausschauen  als  das,  was  man  so  wie  so  anfertigt.  Zur 
Erleichterung  des  Verständnisses  würde  es  sich  hierbei 
empfehlen,  als  Richtschnur  folgende  Bedingungen  zu 
stellen:  i)  Es  darf  nicht  deutlich  an  eine  der  vorhan- 
denen Stil- 
arten, inklu- 
sive des 
Neueng- 
ischen er- 
innern, je- 
denfalls 
nicht  be- 
züglich der 
Verzierun- 
gen und 
Farben.  2) 
Jedes  Mö- 
bel muss  in 
erster  Linie 


Postament  und  Stuhl  im  nordischen  Stil,  entworfen  und  ausgeführt  in 

Hofmöbelfabrik,  Leipzig. 


chend  gebaut  sein  und  alle  Verzierung  muss  sich 
der  Konstruktion  und  der  zweckmässigen  Form 
unterordnen,  darf  niemals,  wie  bei  den  Renaissance-, 
Barockmöbeln  üppig  werden  und  nur  als  Selbstzweck 
existieren.  3)  Es  darf  und  soll  eigenartig  wirken, 
jedoch  unter  keinen  Umständen  bizarr  oder  lediglich 
kurios  sein.  4)  Es  soll  einfach  sein  und  massige 
Kosten  nicht  übersteigen.  Sollte  eine  Bestellung  unter 
solchen  Bedingungen  erfolgen,  so  könnte  es  ja  pas- 
sieren, dass  der  kühnen  Bestellerin  gleich  Entwürfe 
vorgelegt  würden,  die  apart  und  gelungen  wären. 
Wahrscheinlich  aber  ist  es,  dass  die  Firma,  die  auf 
solche  Überraschungen  nicht  vorbereitet  ist  und  deren 
Zeichner  ganz  auf  Stile  dressiert  sind,  wenig  gelungene 
Zeichnungen  lieferte.  Dann  würde  es  sich  empfehlen, 
sich  an  einen  Kunstgewerbeverein  zu  wenden,  dem 
Vorstand  Wunsch  und  Bedingungen  zu  unterbreiten, 
Zahl  der  Stücke  sowie  anzuwendende  Summe  zu 
nennen  und  ihn  zu  veranlassen,  innerhalb  des  Vereins 
eine  Umfrage  zu  veranstalten.  »Mein  Gott«,  so  wird 
manche  Frau  hier  sagen,  »da  müssen  wir  ja  zu  all  den 
Leuten  gehen,  zu  Vorstandsmitgliedern,  die  wir  gar 
nicht  kennen.  Das  ist  alles  sehr  genant.«  Darüber 
kann  man  sich  beruhigen.  Ein  Mensch,  der  die  Initia- 
tive hätte,  solche  Bedingungen  zu  stellen,  würde  wie 
Manna  vom  Himmel  begrüsst  werden,  und  es  würde 
an  Zuvorkommenheit  und  Eifer  nicht  fehlen.  Bei  ein- 
fachen Aufträgen  wür- 
de es  nunmehr  sehr 
wahrscheinlich  gelin- 
gen, aus  den  vielen 
eingereichten  Skizzen 
ganz  interessantes,  an- 
ziehendes herauszule- 
sen. Sollte  die  Be- 
stellung eine  ernstere 
Sache  sein,  handelte 
es  sich  nun  gar  um 
eine  fürstliche  Aus- 
stattung, so  würde 
sich  wohl  herausstel- 
len, dass  man  künstle- 
rische Kräfte  auch  aus- 
serhalb des  Kreises 
der     Gewerbtreiben- 

den  heranziehen 
müsste.  Esmüssteeine 
weitere  Umfrage  ver- 
anstaltet werden  mit 
Preisen  zur  Anfeue- 
rung  auch  Fernerste- 
hender. Es  werden 
Architekten,  Künstler 
aller  Art  mit  dem 
Besteller  in  Verbin- 
dung treten  müssen. 
Davor  wird  nun  man- 
che, auch  reiche  Frau 
zuerst  zurückschrek- 
ken.  Schreckt  aber 
eine     mutige     nicht 


den  Werkstätten  von  F.  A.  SCHÜTZ, 


HAT  DAS  PUBLIKUM  EIN  INTERESSE  DARAN,  SELBER  DAS  KUNSTGEWERBE  ZU  HEBEN?     95 


davor  zurück,  die  Verwalterin  iiires  eigenen  Gutes 
zu  sein  oder  ein  Geschäft  wie  das  von  Bon- 
Marche  zu  gründen,  so  braucht  sie  auch  nicht 
davor  zurückzuschrecken,  in  Berührung  zu  kommen 
mit  einer  gewissen  Öffentlichkeit,  immer  eingedenk, 
dass  ihr  daraus  so  viel  Interesse,  Freude  und  ge- 
steigerte Regsamkeit  erblüht,  dass  die  Mühe  reichlich 
aufgewogen  wird.  Hier  liegt  ein  reiches  Feld  der 
Thätigkeit  für  unsere  beschäftigungslosen  Frauen,  die 
nicht  alle  einen  Beruf  ergreifen  können,  dürfen  oder 
mögen.  Um  nun  aber  einem  Missverständnis  vor- 
zubeugen, wollen  wir  ausdrücklich  betonen,  dass  es 
nicht  nur  für  die  Reichen  möglich  ist,  auf  solche 
direkte  Weise  in  Kontakt  mit  den  Kunstgewerbe- 
treibenden zu  kommen.  Auch  nicht  bloss  bei  Be- 
stellung von  ganzen  Ausstattungen,  Mobiliar,  Por- 
zellan, Tischzeug.  Nein,  es  giebt  wenig  Einzelgegen- 
stände, die  nicht  extra  bestellt  werden  könnten.  Immer 
Neues  braucht  ja  ein  Heim,  das  mit  zunehmender 
Wohlhabenheit  immer  behaglicher  und  luxuriöser  wird. 
Man  braucht  neue  Tische,  neue  Lampen.  Ein  ganzes 
Zimmer  wird  für  die  erwachsene  Tochter  eingerichtet. 
Ein  Rauchzimmer  wird  der  Wohnung  hinzugefügt. 
Eine  Blumenetagere,  neue  Stühle  werden  nötig,  und 
wenn  es  nur  ein  Spiegel  wäre,  stets  kommt  wieder 
eine  neue  Gelegenheit,  etwas  Geschmackvolles  zu 
erwerben.  Man  wird  mir  nun  aber  einwenden:  Das 
wird  alles  viel  zu  teuer,  es  dauert  auch  viel  zu  lange, 
ehe  man  es  bekommt,  wozu  denn  auch,  es  lohnt  sich 
doch  nicht,  es  wäre  schade  um  das  Geld.  Nun  gut, 
lassen  wir  einmal  diese  Einwände  gelten.  Zugestanden, 
dass  die  Indolenz  des  Menschen  so  gross  ist,  dass 
er  sich  nicht  einmal  die  Mühe  geben  will,  sich  etwas 
zu  tummeln,  um  sich  später  freuen  zu  können.  Es 
bleiben  doch  noch  die  zahllosen  Geschenke  übrig, 
die  alljährlich  zu  Weihnachten,  zum  Geburtstag,  zur 
Hochzeit  vergeben  werden.  Und  hier  kann  man  nicht 
sagen,  dass  der  Bürger  es  nicht  für  der  Mühe  wert  hält, 
Geld  auszugeben.  Ebenso  wie  er  Hunderte  für  ein 
stattliches  Diner,  Hunderte  für  einen  wohlbestellten 
Weinkeller  ausgiebt,  ebenso  verausgabt  er  mit  oder 
ohne  Zaudern  grosse  Summen  für  Geschenke  und 
Repräsentation.  Er  unternehme  einmal  das  Wagnis, 
bei  einem  Juwelier  etwas  ganz  apartes,  künstlerisch 
eigenartiges  zu  bestellen  unter  obengenannten  Be- 
dingungen, und  es  ist  ausser  allem  Zweifel,  dass  er 
mit  seinem  Geschenk  einzig  dastehen  würde  unter 
allen  Gebern.  Statt  einer  silbernen  Fruchtschale  in 
Rokoko  oder  englischem  Empire  dringe  er  darauf, 
verlange  er,  befehle  er  etwas  ganz  anderes,  einfaches 
aber  neu  ersonnenes.  Man  würde  in  der  Werkstatt 
sich  vor  Staunen  nicht  recht  zu  helfen  wissen,  aber 
gerade  die  Verwirrung  würde  vielleicht,  vielleicht 
etwas  neues  entstehen  lassen. 

Und  wenn  die  Männer  keine  Mühe  scheuen,  für 
den  Keller,  die  Jagd,  den  Sport,  d.  h.  für  Essen, 
Trinken  und  Amüsement,  das  ihnen  am  besten  kon- 
venierende so  lange  zu  suchen,  bis  sie  es  bekommen, 
könnten  auch  die  Frauen,  die  von  der  »Natur  durch 
geringere  Ausbildung  solcher,  wie  sollen  wir  sagen, 
mehr  physiologischer  Triebe  besonders  bevorzugt  sind, 


das  Suchen  nach  etwas  apartem,  neu  ausersonnenen 
zu  ihrer  grossen  Lebensfreude  ausbilden.  Sie  haben 
doch  Zeit,  Müsse,  Geld,  Kraft  für  ihre  Schneiderin, 
warum  nicht  für  die  doch  ganz  anders  anregenden 
Gänge  und  Besprechungen  in  den  Werkstätten  der 
Kupferschmiede,  der  Tischler,  der  Juweliere,  und  der 
Glasmaler?  Statt  der  erschöpfenden  Seancen  bei  den 
Schneiderinnen  wären  das  Stunden  der  reinsten  Freude, 
der  Freude,  künstlerisch  und  schöpferisch  thätige  Meis- 
ter und  Gesellen  an  der  Arbeit  zu  sehen,  an  einer  Arbeit, 
die  für  einen  selber  angefertigt  wird,  die  man  wachsen 
sieht  wie  ein  Kind  wächst.  Zweifelsohne  ist  das  alles 
nicht  ohne  beträchtliche  Anstrengung  und  Mühe  zu  er- 
reichen, jedoch  darf  man  sich  das  nicht  übertrieben  vor- 
stellen. Diejenigen  Frauen  und  Männer,  die  die  ersten 
sein  würden,  solche  neuen  Wege  zu  wandeln,  auf  die 
Suche  zu  gehen  nach  dem  Schönen,  dem  noch  nicht 
tausendfach  wiederholten  Schönen,  auf  die  Jagd  nach 
Talenten,  statt  in  Eile  das  erste  beste  in  einem  Laden, 
was  ihnen  leidlich  gefällt,  zu  kaufen,  die  müssten  sich 
zuerst  nicht  abschrecken  lassen,  da  ihnen  nicht  alles 
auf  dem  Präsentierteller  entgegengebracht  werden  kann; 
vor  allem  müssten  sie  die  verhängnisvolle  moderne 
Hast  verlernen  oder  hintan  setzen  können.  Der  einzige 
Einwand,  den  wir  gelten  lassen  können,  wenn  man 
solche  Vorschläge  als  phantastisch  bezeichnen  sollte, 
dürfte  der  sein,  dass  man  so  lange  auf  das  auf  diese 
Weise  bestellte  warten  müsste.  Wenn  aber  ein  Mann, 
der   die  Jagd    als  Sport  betreibt,    es  sich   nicht  ver- 


Armlehnstuhl  im  nordischen  iSii,  ^:.i.vu.;^.i  und  ausgeführt  in  den 
Werkstätten  von  F.  A.  SCHÜTZ,  Hofmöbelfabrik,  Leipzig. 


96     HAT  DAS  PUBLIKUM  EIN  INTERESSE  DARAN,  SELBER  DAS  KUNSTGEWERBE  ZU  HEBEN? 


driessen  lässt,  Jahre  lang  sich  abzumühen,  um  ein 
brauchbares  Tier  zu  erziehen,  so  ist  nicht  abzusehen, 
warum  er  und  seine  Gemahlin  zusammen  nicht  sich 
gedulden  sollten,  um  ein  Interieur  zu  schaffen,  das 
einzig  in  seiner  Art  dastehen  würde,  ohne  deswegen 
irgendwie  besonders  kostspielig  gewesen  zu  sein. 
Wirklich  kostspielig  werden  jedoch  nurGegenstände,  die 
ohne  besonnene  Überlegung  gemacht  werden.  Wenn 
man  aber  mit  den  früher  erwähnten  Bedingungen  an 
einen  Kunsthandwerker  herantritt  und  nicht  eher  an- 
gefangen wird,  als  bis  Zeichnung  oder  kleines  Modell 
geprüft  worden  sind,  deren  Kosten  nicht  gross  sind, 
dann  geht  man  so  gut  wie  sicher. 

Wenn  nun  die  Kreise  der  Kunsthandwerker  wieder- 
holt innerhalb  kurzer  Zeit  durch  die  energische  Initia- 
tive einzelner  kunstsinniger  Bürger  durch  solche  Auf- 
träge überrascht  worden  wären,  so  würde  das  ein- 
treten, was  sich  anderorten,  besonders  in  England, 
längst  gezeigt  hat.  Es  würden  sich  an  den  un- 
vermutetsten Stellen  Talente  melden.  Wie  man  in  den 
Wald  ruft,  so  schallt  es  heraus.  Man  entgegne  mir 
nicht,  dass  der  Geschmack  unserer  Frauen  noch  nicht 
genug  entwickelt  sei,  dass,  wenn  sie  kein  eigenes 
Vermögen  haben,  sie  von  ihren  Männern  abhängig 
wären  u.  s.  w. 

Wenn  die  Diskretion  es  nicht  verböte,  so  würde 
es  mir  zur  seltenen  Freude  gereichen,  das  Nähere  von 


Tisch  und  Stuhl  im  nordischen  Stil,  entworfen  und  ausgeführt  in  den  Werkstätten 
von  F.  A.  SCHÜTZ,  Hofmöbelfabrik,  Leipzig. 


einer  Frau  zu  erzählen,  die  nicht  etwa  theoretisch  vor- 
handen ist,  sondern  die  thatsächlich  lebt,  und  die  ich 
persönlich  kenne,  die  noch  vor  zwei  Jahren  ein  ganzes 
Haus  voller  ;  guten  Stuben«  bewohnte  und  die  jetzt 
nicht  nur  zwei  Töchter  bei  ihrer  Verheiratung  aus 
eigener  Initiative  ganz  einzig  eigenartig  ausgestattet 
hat,  sondern  jetzt  sogar  angefangen  hat,  im  eigenen 
Heime  eine  »gute  Stube«  nach  der  andern  systematisch 
auszurangieren.  Und  ihr  Mann,  weit  entfernt  davon, 
sie  daran  zu  verhindern,  lässt  sie  ruhig,  wenn  auch 
mit  etwas  Staunen  gewähren,  denn  sie  macht  es 
systematisch  und  mit  Erfolg,  nicht  launisch  und  hastig, 
und  ein  Mann  bewundert  immer  etwas,  was  mit  Plan 
und  Überzeugung  geschieht. 

Diese  Frau  ist  eine  von  den  ganz  wenigen  Müttern, 
die  es  begriffen  haben  und  ihren  Töchtern  klar  gemacht 
haben,  dass  sie  von  dem,  was  sie  zur  Aussteuer  er- 
hielten, nunmehr  zwanzig  Jahre,  wenn  nicht  noch 
länger  umgeben  sein  werden,  und  dass  man  garnicht 
vorsichtig  genug  darin  sein  kann  zu  verhüten,  dass 
das,  was  einem  jetzt  elegant  und  hochmodern  vor- 
kommt, später  als  Krempel  erscheine. 

Und  wenn  man  uns  nun  zuguterletzt  noch  ein- 
wenden wollte,  es  sei  doch  zu  viel  verlangt,  so  auf 
gut  Glück  blindes  Vertrauen  in  etwas  zu  haben,  wovon 
so  gut  wie  nichts  zu  sehen  ist,  so  können  wir  auch 
hier   zur  Beruhigung   darauf    hinweisen,    dass    in   so 

manchen  Orten  unserer  schö- 
nen deutschen  Lande  sehr  hoff- 
nungsvolle Anfänge  zu  einer 
solchen  neuen  Zeit  gemacht 
worden  sind,  und  dass  das 
Traumland,  das  ich  schon 
skizzierte,  anfängt  Gestalt  zu 
gewinnen.  Die  Anfänge  sind 
nichtmehrzu  machen,  sie  sind 
gemacht.  Es  haben  Künstler 
teilsaus  eigener  Initiative,  teils 

geholfen,  angeregt  durch 
kunstsinnige  Mäcene,  neue 
Bahnen  im  Kunstgewerbe  be- 
schritten und  sie  auch  kom- 
merziell so  ausgestaltet,  dass 
der  Käufer  ohne  grosse  Mühe 
das  finden  kann,  wovon  wir 
gesprochen.  In  München,  Ber- 
lin, Dresden,  Karlsruhe, 
Darmstadt  und  in  noch  manch 
anderer  Stadt  herrscht  ein  re- 
ges Leben.  Man  unterstütze 
dieses,  wenn  man  am  Orte, 
wo  man  lebt,  daran  verzwei- 
felt, das  neue  Leben  zu 
wecken.  Das  Beste  aber  ist: 
den  heimischen  Kräften  neues 
Blut,  neue  Zuversicht  einzu- 
flössen. 

Es  würde  ein  Treiben 
und  Knospen  sondergleichen 
im  Kunstgewerbe  und  unter 
den  Künstlern  entstehen.  Man 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


97 


glaube  uns,  die  wir  mitten  drin  stehen  und  man  denke  Dingen  so  auch  hier,  das,  was  man  ersehnt,  erträumt, 

vor  allem  an  das  eigene   Interesse.     Man  gehe  nicht  wahr   zu    machen    aus    eigener  Kraft.     Man  verlange 

nach  Hause  indem  man   sagt:   mag  sein,  wir  wollen  und  es  wird  gehoben  werden. 
aber  erst  abwarten.    Nein:  man  versuche,  wie  in  allen 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


VEREINE 

WIEN.  Nach  dem  Vorbilde  der  Münchener 
Vereinigungen  hat  sich  unter  dem  Namen 
>  Wiener  Interieur  -  Club ,  Oesellschaft  zur 
Pflege  der  K.unst  im  Handwerk'  eine  Gesellschaft  von 
Künstlern  und  Vertretern  des  Kunsthandwerkes  gebil- 
det, die  eine  Art  Zentralstelle  für  die  kunstgewerbliche 
Bewegung  moderner  Richtung  in  Österreich  sein  will. 
Die  Zwecke  der  Gesellschaft  sind  die  künstlerische 
Förderung  ihrer  Mitglieder  und  die  wirtschaftliche 
Ausnutzung  der  künstlerischen  Erzeugnisse  derselben. 
Das  Österreichische  Museum  für  Kunst  und  Industrie 
steht  den  Bestrebungen  sympathisch  gegenüber.  Für 
den  Monat  März  igoo  plant  die  Gesellschaft  ihre  erste 
Ausstellung.  -u- 

SCHULEN 

PARIS.  Die  Ausstellung  der  städtischen  Kiinst- 
gewerbeschule.  Alljährlich  veranstaltet  die  Ecole 
Boulle  eine  Ausstellung  von  Schülerarbeiten,  um 
so  den  Freunden  der  Anstalt  und  dem  Publikum  im 
allgemeinen  Gelegenheit  zu  geben,  über  die  Leistungen 
der  Schule  ein  Urteil  zu  fällen.  Die  Ecole  Boulle 
hat  ihren  Namen  von  dem  im  Jahre  1642  geborenen 
französischen  Kunsttischler  Boulle,  dessen  Möbel  sich 
besonders  durch  die  reiche  Verzierung  mit  eingelegtem 
Schildpatt,  Zinn  und  vergoldetem  Kupfer  auszeichnen. 
Gegründet  wurde  die  Anstalt  im  Jahre  1886  von  der 
Stadt  Paris,  um,  wie  es  im  Programm  heisst,  »Arbeiter 
heranzubilden,  die  imstande  sind,  den  traditionellen 
Geschmack  und  die  Superiorität  der  französischen  Er- 
zeugnisse auf  dem  Gebiete  der  Kunsttischlerei  aufrecht- 
zuerhalten .  Etwa  250  Schüler,  die  beim  Eintritt  in 
die  Schule  mindestens  13  und  höchstens  16  Jahre 
alt  sind,  werden  daselbst  praktisch  imd  theoretisch 
unterrichtet.  Die  Schulzeit  beträgt  vier  Jahre  und  um- 
fasst  die  folgenden  Fächer:  Schreinerei,  Polstern,  Holz- 
schnitzen, Drechseln,  Ziselieren,  Gravieren,  Formen 
u.  s.  w.  Theoretischen  Unterricht  erhalten  die  Schüler 
in  Geometrie,  Technologie,  Kunstgeschichte,  Muster- 
zeichnen, Dekoration  u.  s.  w.  Die  zu  Anfang  Oktober 
eröffnete  diesjährige  Ausstellung  zeigt,  dass  die  Schüler 
allerdings  eine  gewisse  technische  Handfertigkeit  er- 

KunstgewerbebUtt.    N.  F.    XI.    H.  5. 


langen,  dass  aber  im  übrigen  nicht  viel  zum  Lobe 
der  Anstalt  zu  sagen  ist.  Die  Lehrer  versteifen  sich 
einzig  darauf,  die  vorhandenen  Stile  sorgfältig  kopieren 
zu  lassen,  und  der  Schüler  lernt  zwar  eine  Kommode, 
einen  Stuhl  oder  sonst  ein  Hausgerät  im  Stile  Louis 
quinze  oder  Louis  seize  anzufertigen,  darauf  beschränkt 
sich  aber  auch  sein  Wissen  und  Können.  Von  irgend 
einem  frischen,  originellen  Zuge  ist  nichts  zu  spüren, 
und  während  man  in  Pariser  Künstlerkreisen  die  Neu- 
gestaltung unseres  Hausrats  anstrebt,  bleibt  die  Ecole 
Boulle  den  alten  verknöcherten  und  versteinerten 
Formen  treu.  Wir  glauben  nicht,  dass  auf  diese 
Weise  die  oben  angeführte  Absicht  des  Programms 
erreicht  werden  kann,  und  unseres  Erachtens  thäte 
die  Stadt  Paris  gut  daran,  einen  oder  mehrere  der 
im  Salon  des  Champ  de  Mars  ausstellenden.  Kunst- 
handwerker für  den  Unterricht  in  der  Ecole  Boulle 
zu  gewinnen.  Denn  wenn  es  sich  nur  darum  handelt, 
Leute  zu  bilden,  die  vorhandene  Muster  treu  kopieren 
können,  so  mag  man  die  Erziehung  und  Lehre 
der  jungen  Handwerker  getrost  den  Schreinerwerk- 
stätten und  Möbelfabriken  überlassen.  Was  die  Zög- 
linge der  Ecole  Boulle  in  dieser  städtischen  Anstalt 
lernen,  könnten  sie  ebenso  gut  in  irgend  einer  Möbel- 
fabrik des  Faubourg  St.  Antoine  lernen.  Die  Stadt 
Paris  könnte  mit  dem  Gelde,  was  sie  jährlich  für  die 
Ecole  Boulle  hergiebt,  das  Kunstgewerbe  bedeutend 
fördern  und  heben;  aber  die  Sache  müsste  anders 
angefangen  werden.  Es  handelt  sich  dabei  durchaus 
nicht  um  Aufgabe  der  guten  alten  Tradition,  aber 
man  müsste  den  Schülern  daneben  Gelegenheit  geben, 
auch  die  neueren  Bestrebungen  kennen  zu  lernen. 
Bei  dem  sklavischen  Kopieren  der  alten  Schablonen, 
wie  es  jetzt  in  der  Ecole  Boulle  geübt  wird,  kann 
von  einer  Belebung  und  Förderung  des  Kunsthand- 
werkes nicht  die  Rede  sein.  SCH. 

PARIS.  Neuer  Lehrgang  im  französischen  kunst- 
gewerblichen Unterricht.  Die  Zeitschrift  »Art  et 
Decoration'  berichtet:  Im  National-Konservato- 
rium  für  Kunst  und  Handwerk  ist  im  Laufe  dieses 
Jahres  ein  ausserordentlich  zweckmässiger  Lehrgang 
eingerichtet  worden,  wie  ihn  unsere  grossen  indus- 
triellen Schulen  schon  längst  ihren  Schülern  hätten 
bieten  müssen.    Allzuhäufig   giebt    der   kunstgewerb- 

15 


98 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


liehe  Unterricht  ausschliesslich  Regeln  für  die  deko- 
rative Anordnung,  während  die  mit  ihm  verknüpften 
praktischen  Unterweisungen  zu  sehr  für  Anfänger  ein- 
gerichtet sind.  Der  neue,  auf  drei  Jahre  berechnete 
Lehrgang  wird  sich  abwechselnd  mit  den  sämtlichen 
Sondergebieten  des  Kunstgewerbes  beschäftigen,  die 
Erfordernisse  und  Vorteile  jeder  Technik  einer  Be- 
trachtung unterziehen  und  die  auf  diese  Weise  fest- 
gestellten Grundregeln  durch  Beispiele  aus  der  Kunst- 
übung aller  Zeiten  belegen.  Für  diesen  Anschauungs- 
unterricht wird  durch  photographische  Abbildungen 
ein  wesentliches  Hülfsmittel  geboten  werden;  mehr 
aber  noch  werden  die  Zeichnungen  des  Lehrers  an 
der  Wandtafel  und  die  auf  der  Grundlage  dieser  Zeich- 
nungen durch  die  Schüler  ausgeführten  Arbeiten  diese 
eingehend  über  die  Unterschiede  in  der  Behandlung 
der  verschiedenen  Werkstoffe  unterrichten.  Diese  Ar- 
beiten sind  bestimmt,  mit  der  Zeit  eine  Art  von  prak- 
tischem Museum  zu  bilden.  Hiernach  giebt  der  sehr 
ausführlich  gehaltene  Artikel  einen  Abriss  der  Vor- 
träge, welche  zur  Einführung  in  diesen  Lehrgang  ge- 
halten worden  sind.  Eine  vollständige  Wiedergabe 
würde  hier  zu  weit  führen,  es  seien  deshalb  nur  die 
einleitenden  Sätze  gegeben,  welche  den  Geist  und  die 
Richtung  kennzeichnen,  in  denen  der  Unterricht  ge- 
führt werden  soll.  Sie  lauten:  Eine  sogenannte  Ein- 
teilung der  Kunst  in  eine  hohe  und  eine  niedere,  in 
schöne  Kunst  und  Kunstgewerbe  hat  in  der  Wirklich- 
keit keinen  Sinn  und  der  Schönheitsgedanke  sowie 
der  der  künstlerischen  Vollendung  ist  der  gleiche  für 
jedes  aus  der  Menschenhand  hervorgegangene  Werk. 
Die  Kunst  ist  die  nämliche  beim  Eisenschmiede  wie 
beim  Maler,  in  der  Bildhauerei  wie  in  der  Stickerei; 
es  sind  lediglich  die  Ausdrucksmittel,  welche  vonein- 
ander unterschieden  sind.  Des  weiteren  wird  sodann 
ganz  besonders  eindringlich  auf  die  Beobachtung  der 
Natur  hingewiesen,  in  welcher  der  eigentliche  Auf- 
schluss  über  die  Kunstformen  zu  finden  ist.  Eine 
Anzahl  den  Artikel  begleitender  Abbildungen  veran- 
schaulichen noch  deutlicher  die  Eigenart  und  den 
Gang  des  Unterrichts.  So  ist  beispielsweise  der  näm- 
liche Distelzweig  als  Vorlage  für  eine  Steinmetz-Arbeit, 
für  eine  solche  in  Schmiedeeisen  und  für  ein  Glas- 
fenster in  Bleifassung  verwendet,  ein  Zweig  blühender 
Lilien  in  einer  Vase  für  eine  durchbrochene  Arbeit  in 
Haustein  und  für  ein  Glasmosaik.  Zwei  weitere  Ab- 
bildungen zeigen,  einander  gegenübergestellt,  ein  aus 
lauter  geschwungenen  Linien  komponiertes  metallenes 
Gitterwerk  und  ein  solches,  das  aus  lauter  gebrochenen 
Linien  zusammengesetzt  ist.  -ss- 

AUSSTELLUNGEN 

DÜSSELDORF.  Der  Arbeits-Ausschuss  für  die 
Industrie-,  Gewerbe-  und  Kunst-Ausstellung  1Q02 
versendet  soeben  die^Ausstetlungsbedingungen. 
Ausser  Rheinland- Westfalen  wird  auch  der  Regierungs- 
bezirk Wiesbaden  zur  Ausstellung  zugelassen.  Mit 
Ausnahme  von  kunstgewerblichen  Altertümern  und  der 
Ausstellung  technischer  Lehranstalten  und  wissenschaft- 
licher Vereinigungen  dürfen  nur  solche  Gegenstände 


ausgestellt  werden,  die  in  den  genannten  Bezirken, 
mittels  gewerblicher  Thätigkeit  gewonnen  aber  durch 
eine  wesentliche  Bearbeitung  oder  Verarbeitung  von 
auswärts  bezogener  Stoffe  hergestellt  sind.  Für  die 
Dauer  der  Ausstellung  ist  die  Zeit  vom  1.  Mai  bis 
20.  Oktober  1902  in  Aussicht  genommen.  Die  An- 
meldungen zur  Ausstellung  müssen  bis  zum  1.  Januar 
1901   eingesandt  werden.  -u- 

V EREINIGTE  STAATEN  VON  AMERIKA.  Dem 
Moniteur  des  Expeditions  zufolge  haben,  nach 
Mitteilungen  des  Times  Herald  in  Chicago  meh- 
rere grosse  amerikanische  Städte  die  Absicht,  in  näherer 
oder  fernerer  Zeit  Ausstellungen  ins  Leben  zu  rufen. 
Abgesehen  von  der  Greater  American  oder  nationalen 
Ausstellung,  welche  seit  dem  1.  Juli  d.  J.  die  Erzeug- 
nisse des  neuen  Kolonialbesitzes  der  Vereinigten  Staaten 
in  Omaha  (Nebraska)  zur  Anschauung  bringt,  ist  die 
Rede  von  einer  Ohio-Hundertjahr-Ausstellung  in  Toledo 
im  Jahre  1902,  anlässlich  der  hundert  Jahre  vorher 
erfolgten  Einverleibung  des  Staates  Ohio.  An  dieser 
Ausstellung  werden  insbesondere  die  Staaten  Illinois, 
Indiana,  Michigan,  Minnesota  und  Ohio  beteiligt  sein, 
da  sie  den  Hauptteil  des  nordwestlichen  Territoriums 
der  Vereinigten  Staaten  bilden.  Ferner  rüstet  die  Stadt 
St.  Louis  (Missouri)  sich,  die  Erwerbung  Louisianas 
durch  eine  grosse  Ausstellung  im  Jahre  1903  zu  be- 
gehen. Die  nächste  sämtlicher  bevorstehender  Aus- 
stellungen wird  die  für  Buffalo  um  das  Jahr  igoi 
geplante  panamerikanische  Ausstellung  sein. 

Einer  jeden  dieser  grossen  Städte  liegt  es  natur- 
gemäss  am  Herzen,  sich  durch  die  Veranstaltung  dieser 
Ausstellungen  ein  besonderes,  ihren  eigenen  Interessen 
nützliches  Ansehen  zu  geben.  Nicht  weniger  aber  ist 
vielleicht  die  in  den  Vereinigten  Staaten  allgemein  ver- 
breitete Überzeugung,  dass  Ausstellungen  der  Beleh- 
rung der  Massen  förderlich  sind,  einer  der  haupt- 
sächlichsten Beweggründe  für  alle  diese  Pläne.  Es 
herrscht  das  Bestreben,  sich  zu  unterrichten  und  zu 
kräftigen,  um  mit  immer  wachsender  Sicherheit  an  die 
Eroberung  der  fremden  Märkte  gehen  zu  können. 
Und  das  ist  eine  überaus  dringende,  durch  die  un- 
gewöhnliche Entwickelung  der  Produktionsmittel  des 
Landes  herbeigeführte  Notwendigkeit.  »Wir  haben«, 
äusserte  kürzlich  der  Vorsitzende  der  Gesellschaft  der 
amerikanischen  Ausfuhrhändler,  eine  Bevölkerung  von 
75  Millionen  Seelen  und  sind  im  stände,  Güter  zur 
Befriedigung  der  Bedürfnisse  von  1 50  Millionen  Seelen 
zu  erzeugen.«  -ss- 

KANEA.  Eine  1.  Internationale  Ausstellung  wird 
vom  11.  April  bis  7.  Mai  1900  unter  dem 
Protektorat  des  Prinzen  Georg  von  Griechen- 
land, Oberkommissars  von  Kreta,  stattfinden  und  alle 
Erzeugnisse  auf  dem  Gebiete  der  Industrie,  des  Ge- 
werbes, des  Handels  und  der  Landwirtschaft,  der 
Volksernährung,  der  Kunst  und  des  Unterrichts  um- 
fassen. In  Betracht  kommen  besonders  Maschinenbau, 
Elektrizität,  Beleuchtung,  Textilindustrie,  Chemie,  Sport. 
Als  Auszeichnung  kommen  zur  Verteilung  Ehren- 
diplome, sowie  Diplome  der  goldenen,  silbernen  und 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


99 


bronzenen  Medaillen.  An  der  Spitze  des  Ausstellungs- 
komitees steht  der  fürstliche  Finanzrat  Dr.  Konstantin 
M.  Foumis.  Zum  Kommissar  für  die  Ausstellung 
wurde  ernannt  Arthur  Oobiet  in  Prag- Karolinenthal, 
an  den  die  Anmeldungen  zur  Beschickung  der  Aus- 
stellung zu  senden  sind.  -u- 

WETTBEWERBE 

DRESDEN -LOSCH  WITZ.  Preisausschreiben  zur 
Erlangung  von  Entwürfen  für  Zimmerdecken 
und  Wandvertäfelungen,  ausgeschrieben  von 
der  Aktien -Gesellschaft  für  Kartonnagen -Industrie. 
Ausgesetzt  sind  drei  Preise  von  300,  250  und 
200  M.  Einzuliefern  bis  zum  1.  März  1900. 
Näheres  durch  die  ausschreibende  Firma. 

-u- 

SIEGMAR.  In  dem  Wettbewerb  um  Ent- 
würfe zu  einem  farbigen  Plakat  der 
»Aktien-Gesellschaft  Deutsche  Kognak- 
Brennerei  vorm.  Grüner  &  Co.  haben  erhal- 
ten den  I.  Preis  Paul  Perks  in  Dresden,  den 
II.  Preis  Paul  Rössler  in  Dresden,  den  III. Preis 
Gurt  Tuch  in  Leipzig,  den  IV.  Preis  Joh. 
Loawiu  in  München.  -u- 


M 


ÜNCHEN.  In  dem  Wettbewerb  der  Re- 
daktion 


der 
>Liebhaber- 
künste-'^  für 
die  besten  Ge- 
genstände 
nach  Vorlagen 
und    Motiven 
aus  den  »Lieb- 
haber- 
künsten '     ha- 
ben  erhalten : 
den    I.    Preis 
(250  M.)   Frl. 
Else  Kette  aus 
Kassel  für  eine 
grosse  Sam- 
melmappe für 


Bilder,  hergestellt  aus  Holzdecken  mit  Flach-  und 
Kerbschnitzerei,  den  IL  Preis  (150  M.)  Julius  Schmitt 
aus  Esslingen  in  Baden  für  einen  dreiteiligen  Tisch- 
Paravent,  hergestellt  aus  Brettchen  mit  Flach-  und 
Kerbschnitzerei,  den  III.  Preis  (100  M.)  Frl.  Gertrud 
Scherz  aus  Fretzdorf  in  der  Ostpriegnitz  für  einen 
kleinen  Wandschrank  aus  Lindenholz  mit  Kerbschnitt 
und  Brandmalerei,  den  IV.  Preis  (75  M.)  Frl.  Emilie 
Stickel  aus  Herleshausen  bei  Eisenach  für  einen  Licht- 
schirm aus  Holzrahmen,  verziert  mit  Stickerei  und 
Brandmalerei,  den  V.  Preis  (50  M.)  H.  Pfannstiel 
aus  Weimar  für  einen  dreiteiligen  Wandschirm  in 
Lederschnitt-  und  Treibarbeit,  den  VI.  Preis  (25  M.) 
Frau  Dr.  B.  Kräh  aus  Hannover  für  eine 
Kastenmappe  zur  Aufbewahrung  von  Reise- 
erinnerungen, -u- 

BÜCHERSCHAU 

Henry  Wallis,  Persian  Lustre  Vases.    With 
illustrations  by  the  author.     Leipzig,  Karl 
W.  Hiersemann,  1899.    4".    Mit  4  Farben- 
tafeln und  25  Textbildern. 
Mr.  Henry  Wallis   ist  den  Freunden  der 
älteren  Keramik  als   unermüdlicher  Sammler 
und  Forscher  auf  dem   schwierigen  Gebiete 
der  persischen  Fayencen  bekannt.    Seit  1885 
hat   er    eine    ganze    Reihe    stattlicher    Bände 

und  Hefte  ver- 
öffentlicht mit 

trefflichen 
Farbentafeln, 
für  dfe  er  selbst 
die    Vorlagen 
gezeichnet  hat. 
Darin    hat   er 
die  seltenen 
Beispiele  von 
Gefässen  und 
Fliesen  be- 
kannt ge- 
macht, die  aus 
der  ältesten 
Kunstepoche 
des  mohame- 
danischen 


Pariser 

Ooldschmuck, 

ausgestellt 


von 

L.  A.  GÜNDEL, 

Juwelier, 

Leipzig. 


15' 


100 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


Persiens,  aus  dem  13.  Jahrhundert  n.  Chr.,  teils  als  Er- 
gebnisse gelegentlicher  kleiner  Ausgrabungen,  teils  als 
vereinzelte,  nach  Afrika  oder  Südeuropa  verschlagene 
Stücke  aufgetaucht  sind.  Ihm  stehen  nicht  nur  die 
wertvollen  Privatsammlungen  Londons,  vor  allem  die 
reiche  Sammlung  von  Mr.  F.  Ducane  Oodman,  zu 
Gebote,  sondern  er  verfolgt  mit  bewundernswerter 
Zähigkeit  auch  das  entferntere  Material,  das  in  andern 
Sammlungen  europäischer  Hauptstädte  sich  zerstreut  hat. 

Die  Gattung,  die  Mr.  Wallis  durch  seine  rastlose 
Arbeit  zu  Ehren  gebracht  hat,  ist  wohl  zu  unter- 
scheiden von  den  bekannteren  persischen  und  vorder- 
asiatischen Fliesen  des  1 6.  und  1 7.  Jahrhunderts,  von 
denen  auch  unsere  kleineren  Museen  Proben  auf- 
zuweisen pflegen.  Sie  lässt  sich  nach  einigen  chrono- 
logischen Anzeichen  in  das  13.  Jahrhundert  hinauf- 
rücken. Ihre  Glasur  ist  meist  eine  undurchsichtige 
Zinnglasur,  und  ihr  Hauptschmuck  ist  durch  metal- 
lische Lüsterfarben  bewirkt,  deren  mannigfache,  leuch- 
tende Töne  zu  wunderbaren  Wirkungen  zusammen- 
klingen, tiefer  und  glanzvoller  als  beispielsweise  die 
spanischen  Lüsterfayencen,  dem  zauberhaften  Farben- 
spiel des  Labradorfeldspats  vergleichbar.  Die  Orna- 
mente zeigen  das  bekannte,  orientalische  Rankenorna- 
ment in  reiner,  edler  Form,  kufische  Zierschriftzeichen, 
Tiere  und  menschliche  Gestalten. 

Der  vorliegende  Band,  der  auch  in  deutschem 
Verlage  erschienen  ist,  bringt  auf  vier  prächtigen  Tafeln 
in  Naturgrösse  je  ein  färben-  und  glanzreiches  Bei- 
spiel dieser  schönen  Ware,  Oefässe  von  verschiedener 
Form.  Der  Text  ist  durch  weitere  Beispiele  von  Vasen, 
Schalen,  Fliesen  und  Bruchstücken  illustriert;  er  ergänzt 
die  früheren  Werke  und  bespricht  den  Zusammenhang 
dieser  Arbeiten  mit  den  Ausgrabungen  in  der  ägyp- 
tischen Ruinenstadt  Fostat,  der  zerstörten  Vorgängerin 
des  heutigen  Kairo,  und  mit  einer  neuerdings  auf- 
getauchten Gruppe  ähnlicher  Stücke  von  noch  un- 
sicherer Herkunft.  Es  ist  nicht  leicht,  die  durch  den 
Kunsthandel  verbreiteten  Arbeiten  dieser  Art  nach  Ort 
und  Zeit  zu  bestimmen,  weil  die  Händler  den  Ur- 
sprung ihrer  Ware  sorgfältig  zu  verheimlichen  suchen. 
Wir  dürfen  wünschen,  dass  es  den  weiteren  Studien 
des  Verfassers  gelingen  möge,  noch  mancherlei  Zweifel 
und  Fragen  über  die  Geschichte  der  mittelalterlichen 
Keramik  des  Islam  aufzuklären.  Den  deutschen  Fach- 
kreisen, denen  die  wertvollen  Originale  dieser  Gruppe 


schwer  zugänglich   sind,    sei    das  Studium    und  die 
Anschaffung    des    Werkes   angelegentlich    empfohlen. 

P.  JESSEN. 

Der  Mäander  von  August  Böhaimd,  kgl.  Reallehrer 
München,  Verlagsanstalt  und  Druckerei  Dr.  Franz 
Paul  Datterer  &  Cie.,  G.  m.  b.  H.  Preis  10  M. 
Auf  52  Tafeln  giebt  der  Verfasser  eine  grosse 
Anzahl  Variationen  der  Mäanderformen  unter  Beach- 
tung einer  systematischen  Entwicklung  und  Einteilung. 
Die  Verwendung  des  Mäanders  zu  Flächenmustern, 
wie  zu  Einfassungen  mit  Ecklösungen  werden  gezeigt. 
Wenn  auch  mit  Rücksicht  auf  die  billigen  Anschaf- 
fungskosten nur  zwei  bis  drei  Farben  im  allgemeinen  für 
die  Muster  in  Anwendung  kamen,  so  wird  der  Lehrer 
leicht  andere  passende  Farben  durch  die  Schüler  wählen 
lassen  können.  Trotz  der  vielen  Vorlagenwerke,  welche, 
wenn  auch  nicht  ausschliesslich,  den  Mäander  eingehend 
behandeln,  darf  dieses  Werkchen  doch  als  ein  sehr  brauch- 
bares für  die  Schule  warm  empfohlen  werden.         V- 


Altägyptisches  Porzellan.  Einer  der  jüngsten 
Sitzungsberichte  der  französischen  Akademie  der  Wissen- 
schaften enthält  eine  Mitteilung  von  H.  Le  Chatelier 
über  einen  Fund  altägyptischen  Porzellans,  der,  voraus- 
gesetzt, dass  seine  Echtheit  unanfechtbar  feststeht,  von 
grosser  Bedeutung  für  die  Geschichte  der  Keramik 
sein  würde.  Es  wäre  dadurch  nämlich  erwiesen,  dass 
das  Porzellan  eine  sehr  viel  ältere  Erfindung  ist,  als 
man  bisher  annahm  und  dass  ihr  Ruhm  nicht  den 
Chinesen,  sondern  den  alten  Ägyptern  gebührt.  Die 
bereits  mehrfach  erörterte  Frage  nämlich,  ob  dieselben 
schon  echtes  Porzellan  hergestellt  haben,  ist  bisher 
immer  verneint  worden,  so  auch  von  Brogniart  in 
seiner  Traite  des  arts  ceramiques,  der  erklärt,  alle  in 
Ägypten  gefundenen  Proben  von  Porzellan  seien 
chinesischer  Herkunft.  Nunmehr  aber  ist  dem  oben 
genannten  Berichterstatter  mit  einer  Sendung  von  Proben 
aus  Ägypten  das  Bruchstück  einer  aus  Saggarah  (Memphis) 
stammenden  kleinen  Figur  aus  einem  Grabmale  zuge- 
gangen, deren  hieroglyphischelnschriften,  seiner  Behaup- 
tung nach,  nicht  den  geringsten  Zweifel  an  ihrer  ägyp- 
tischen Herkunft  lassen,  und  deren  chemische  Analyse 
ergiebt,  dass  sie  aus  echtem  Weichporzellan  in  einer 
Zusammensetzung  besteht,  welche  von  der  des  chine- 
sischen Porzellans  durchaus  verschieden  ist.    — ss — 


Vignette ; 
entworfen 


von  DANIEL  BÜCK, 
Berlin. 


Herausgeber  und  für  die  Redaktion  verantwortlich:  Professor  Karl  Hoffacker,  Architekt  in  Chariottenbiirg- Berlin. 

Druck  von  Ernst  Hedrich  Nachf.  in  Leipzig. 


GESCHICHTE  UND  ÄSTHETIK 
DES  KÜNSTLERISCHEN  BUCH- 
EINBANDES 

VON  P.  Kersten-Aschaffenburo 


DIE  Technik  unserer  heuttgen  Verzierungsweise  des  künstle- 
rischen durch  Handvergoldung  und  Ledermosaik  verzierten 
Bucheinbandes,  d.  h.  der  Gebrauch  von  Rolle,  Bogen  und 
Stempel  unter  Verwendung  von  Blattgold,  stammt  ohne  Zweifel 
aus  dem  Orient  und  ist  wahrscheinlich  arabisch-persischen  Ur- 
sprungs. Sie  wurde  von  Orientalen  zuerst  in  Venedig  ausgeübt 
und  von  dort  aus  verbreitet.  Der  Ungarkönig  Matthias  Corvinus, 
gest.  14Q0,  ein  eifriger  Förderer  der  Künste,  dessen  Bibliothek  von 
50000  Bänden  für  damalige  Zeit  geradezu  als  erstaunlich  zu  be- 
zeichnen ist,  zog  die  bedeutendsten  Buchschreiber  und  Miniatur- 
maler, die  damals  auch  die  Einbände  fertigten,  an  seinen  Hof; 
darunter  den  berühmten  Attavante  aus  Florenz.  Aus  dieser  Biblio- 
thek nun  stammen  die  ältesten  bekannten  Bucheinbände,  die 
mit  obengenannten  Werkzeugen  verziert  wurden.  Bei  jenen  Ein- 
bänden sind  es  hauptsächlich  drei  Stempel,  die  unsere  Aufmerk- 
samkeit erwecken  und  die  den  Beweis  erbringen,  dass  die  Art 
und  Weise  unserer  heutigen  Einbandverzierung  aus  dem  Orient 
stammt.  Die  Stempel  bilden  ein  gerades  und  ein  im  Halbkreise 
gebogenes  Band  zwischen  zwei  glatten  Rändern,  mit  schrägen, 
schnurähnlich  gewundenen  Strichelchen  und  einem  kleinen  punzen- 
artigen Kreis  mit  einem  Punkt  im  Zentrum.  Diese  drei  Stempel 
finden  wir  nun  ebenfalls  in  genau  derselben  Anordnung  bei  einem 
im  Düsseldorfer  Museum  befindlichen  arabischen  Einband.  Es  lässt 
sich  kaum  ein  besserer  Beleg  für  obige  Behauptung  erbringen. 
In  Venedig  war  es  Aldus  Manutius,  gest.  1515,  der  die 
Einbandverzierung  in  Anlehnung  an  orientalische  Bände  und  unter 
Verwendung  typographischer  Ornamente  umgestaltet  hat.  Aus 
seiner  Offizin  stammen  auch  ohne  Zweifel  die  ersten  jener  herr- 
lichen Einbände,  auf  denen  Verschlingungen  von  Bändern,  Linien 
und  Ranken  mit  angesetzten  Blättern  und  Blüten  (Arabesken)  die 
ganze  Decke  überziehen,  anfänglich  farbig  bemalt,  später  mit  far- 


^^ci^^^y^  <^^m^ 


^. 


r-JT- 


Komposition  einer  Randverzierung  von  GEORG  BÖTTICHER,    Leipzig. 
Kunstgewerbeblatt.    N.  F.    >(I.    H.  6. 


16 


102 


GESCHICHTE  UND  ÄSTHETIK  DES  KÜNSTLERISCHEN  BUCHEINBANDES 


Bucheinband  von  P.  KERSTEN,  Aschaffenburg. 

bigem  Leder  ausgelegt.  In  Italien  war  der  bekannteste 
Liebhaber  dieser  Einbände  Thomas  Majoli.  Durch 
ihn  wahrscheinlich  wurde  der,  zu  dieser  Zeit  in  Italien 
weilende  französische  Bücherfreund  Jean  Orolier, 
Vicomte  d'Aiguisy,  gest.  1565,  mit  solchen  Entwürfen 
bekannt,  und  Groiier  wieder  verdankt  die  französische 
Buchbinderei  jene  prächtigen,  heute  mit  Gold  aufge- 
wogenen Einbände,  zu  welchen  er  meistens  die  Vor- 
lagen selbst  geliefert  haben  soll.  Aus  derselben  Zeit 
ist  auch  Demetrio  Canevari,  der  Leibarzt  des  Papstes 
Urban  VIII.,  als  grosser  Bücherfreund  bekannt;  seine 
Einbände  zeigen  gewöhnlich  in  der  Mitte  des  Deckels 
ein  von  Linien  und  Ranken  umgebenes  kameenartiges 
Relief,  meistens  Apollo  am  Fasse  des  Parnasses  dar- 
stellend, mit  griechischer  Umschrift. 

Von  den  Majoli-  und  Grolierbänden  weichen  die 
Einbände  des  Geoffroy  Tory  ab,  der,  ein  Zeitgenosse 
Groliers,  mit  diesem  in  geschäftlicher  Beziehung  stand; 
er  war  Buchdrucker,  Buchbinder,  Verleger,  Maler  und 
Formschneider  zugleich.  Seine  Einbände  zeigen  meis- 
tens ein  von  unten  aufsteigendes,  von  der  Mittellinie 
sich  nach  den  Seiten  zu  entwickelndes  Ornament,  das 
gewöhnlich  mit  seinem  Firmenzeichen,  einem  zer- 
brochenen Krug,  verbunden  ist.  Unter  Heinrich  III. 
ist  Jacques  Auguste  de  Thou,  gest.  1617,  als  hervor- 
ragendster Bücherfreund  zu  nennen.  Seine  Einbände, 
fast  immer  in  rotem,  grünem  oder  gelbem  Maroquin 
oder  rotgelbem  Kalbleder,  lieferten  ihm  die  Eves,  eine 
Buchhändlerfamilie,  die  von   1578  bis  1631  den  Titel 


Relieurs  du  Roi«  führte.  Ihre  Einbände  waren 
mit  Bandverschlingungen  verziert,  in  dessen  freien 
Feldern  teils  Lorbeerzweige,  teils  spiralförmige 
Ranken  (fanfares)  angebracht  sind. 

Aus  jener  Zeit  stammen  auch  die  ä  la  Filigran 
verzierten  Einbände,  die  bisher  allgemein  einem 
gewissen  Le  Gascon  zugeschrieben  wurden  und 
unter  diesem  Namen  bekannt  geworden  sind.  Den 
Forschungen  Leon  Gruels  verdanken  wir  den 
wirklichen  Namen  des  Verfertigers;  er  hiess  Flori- 
mond  Badier  und  lebte  noch  in  den  ersten  Jahren 
der  Regierung  Ludwigs  XIV.  Mit  ihm  und  seinen 
Nachfolgern  ist  die  grosse  Zeit  des  französischen 
künstlerischen  Einbandes  vorüber.  Als  besonders 
hervorragend  sind  nur  noch  die  Buchbinderfamilien 
Padeloup  und  Derome  unter  Ludwig  XV.  und 
Pierre  Paul  Dubuisson  und  Thouvenin  unter  Lud- 
wig XVI.  anzuführen. 

In  England  finden  wir  den  künstlerischen  Buch- 
einband   in    unserem    Sinne    viel    später    als    in 
Frankreich.    Auch    hier   war  es  ein  französischer 
Edelmann  namens  Louis  de  Saint-Maure  Marquis 
de  Nesles,  der  155Q  als  Geisel  der  Königin  Elisa- 
beth   übergeben,    die  Engländer   zuerst    mit  den 
herrlichen  Lederbänden  eines  Groiier  etc.  bekannt 
machte.      Vor    dieser   Zeit   wurden    die    meisten 
kostbaren  Bücher  Englands    in  Geweben,  beson- 
ders   in    farbigem    Sammet   gebunden    und    mit 
Metallbeschlägen  verziert.    Die  Einbände  Eduards 
IV.,    Heinrich  VIII.    und    der    Königin    Elisabeth 
waren    alle    in    dieser    Art   gehalten.      Jacob    I. 
führte    zuerst    das    Maroquin    zu    allgemeinerem 
Gebrauch  für  die  Bücher  der  königlichen  Bibliothek 
ein.     Als  bedeutendster  Bücherfreund    damaliger  Zeit 
ist    Thomas    Bodley    zu    verzeichnen.     Auch    die   so 
charakteristischen  sächsischen  Einbände,  die  in  grossen 
Mengen  mit  der  Ausbreitung  der  Reformation  in  Eng- 
land Eingang  fan- 
den,    verbreiteten     

den  Geschmack  für 
den  künstlerischen 

Ganzlederband. 
Der  hervorragend- 
ste unter  den  eng- 
lischen Bibliophi- 
len des  18.  Jahr- 
hunderts war  Har- 
ley  Earl  of  Oxford, 
der  die  Entwürfe 
ähnlich  wie  Gro- 
ber meistens  selbst 
lieferte;  dieselben 
haben  in  der  Regel 
einen  roten  Maro- 
quinüberzug, der 
Deckel  eine  breite 
Umrahmung  und 
ein  Mittelornament 
aus  meistens  pf  lanz- 
lich  stilisierten  Mo-  .        „    ,  „ 

.         „    ..  Bucheinband  von  P.  KERSTEN, 

tiven      m     Spitzen-  Aschaffenburg. 


GESCHICHTE  UND  ÄSTHETIK  DES  KÜNSTLERISCHEN  BUCHEINBANDES 


103 


Bucheinband  von  P.  KERSTEN,  Aschaffenburg. 

musteraiiordming.  In  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jahr- 
hunderts steht  Roger  Payne,  f  1 779,  als  der  bedeutendste 
an  der  Spitze  der  englischen  Buchbinder.  Seine  Werke, 
die  sehr  gesucht  waren,  sind  mit  grosser  Accuratesse 
vergoldet;  er  band  besonders  für  Lord  Spencer.  Die 
Zeichnungen  zu  seinen  Einbänden  und  die  Werkzeuge 
dazu  fertigte  er  selber.  Weder  vor  ihm  noch  nach 
ihm  hat  ein  anderer  seiner  Landsleute  es  verstanden, 
so  künstlerisch  individuelle  Werke  zu  schaffen  wie 
er;  auch  war  er  einer  der  ersten,  wenn  nicht  gar  der 
erste  überhaupt,  der  die  Einbandverzierung  mit  dem 
Inhalt  des  Buches  in  Einklang  zu  bringen  versuchte. 
In  Deutschland  fand  der  künstlerische,  mit  Hand- 
vergoldung verzierte  Oanzlederband  um  die  Mitte  des 
16.  Jahrhunderts  Eingang  und  zwar  ebenfalls  von 
Venedig  aus;  teils  geschah  es  durch  die  Frankfurter 
Buchhändlermesse,  auf  welcher  schon  seit  Jahren  in 
Venedig  gedruckte  Bücher  gehandelt  wurden,  teils 
durch  gelehrte  deutsche  Mönche,  die,  in  Italien  stu- 
dierend, mit  den  dortigen  Druckern  bekannt  wurden 
und  deren  Werke  auch  gebunden  nach  Deutschland 
brachten,  wie  der  gelehrte  Mutianus  Rufus  des  Klos- 
ters Oeorgenthal,  der  mit  Aldus  Manutius  persönlich 
bekannt  gewesen  sein  soll.  Als  Wiege  des  deutschen, 
ganz  besonders  des  sächsischen  Einbandes  ist  die  1 502 
von  Kurfürst  Friedrich  dem  Weisen  gegründete  Uni- 
versität Wittenberg  zu  bezeichnen.  Von  den  deutschen 
Bücherfreunden  damaliger  Zeit  ist  besonders  den 
Fuggers  in  Augsburg,  dem  Grafen  Mansfeld,  vor 
allem  aber  dem  Kurfürst  August  von  Sachsen,  gest. 
1586,  die  Einführung  der  neuen  Art  der  Buchdecken- 
verzierung zu  verdanken.  Letzterer  rief  1566  den 
Augsburger  Buchbinder  Jakob  Krause  an  seinen  Hof, 


dem  später,  1578,  Kaspar  Meuser  nachfolgte.  Die 
Verzierung  der  deutschen  Einbände  bestand  anfänglich 
in  Kartuschen-  und  Stempelrankenwerk,  dem  sich 
dann  das  spitzen-  und  fächerartige  Ornament  anschloss. 

Der  dreissigjährige  Krieg  führte  leider  auch  den 
Verfall  der  Kunstbuchbinderei  herbei. 

Aus  dem  Ende  des  18.  und  dem  Anfang  des 
19.  Jahrhunderts  sind  Bucheinbände  von  Bedeutung 
fast  gar  nicht  bekannt.  Erst  seit  den  vierziger  Jahren 
ist  wieder  ein  Aufschwung  in  der  Kunstbuchbinderei 
zu  verzeichnen,  und  zwar  waren  es  zunächst  die 
Deutschen  Purgold  und  Trautz  in  Paris,  Baumgärtner, 
Kalthöfer  und  ganz  besonders  Zähnsdorf  in  London, 
die  den  Einbänden  neuen  künstlerischen  Wert  ver- 
liehen. Weiter  sind  noch  von  französischen  Buch- 
bindern von  Bedeutung  die  Pariser  Michel  sen.,  Duru, 
Cape,  Niedree,  Cuzin,  Lortic  und  ganz  besonders 
Amand,  der  sich  durch  wirklich  originelle  Einband- 
entwürfe auszeichnete,  zu  nennen.  In  Österreich  war 
es  zuerst  Franz  Wunder  in  Wien,  der  auf  der  Wiener 
Weltausstellung  1873  m't  seinen  künstlerischen  Buch- 
einbänden in  Handvergoldung  und  Ledermosaik  ein 
ungeheueres  Aufsehen  erregte;  Wunder  ist  auch  der- 
jenige, dem  wir  die  Wiederbelebung  der  Lederpunz- 
arbeit verdanken.  Durch  seine  Arbeiten  wurden  die 
tüchtigsten  deutschen  Buchbinder  angeregt,  und  lang- 
sam begann  sich  der  künstlerische  Bucheinband  wieder 
Bahn  zu  brechen.  Voigt,  Collin  und  Demuth  in 
Berlin,  Graf  in  Altenburg,  Scholl  in  Durlach,  Kreyen- 
hagen  in  Osnabrück,  Anderssen  in  Rom,  Beck  in 
Stockholm,  Vogel  in  Jena,  Krehahn  in  Weimar, 
Fritzsche  und  Julius  Hager  in  Leipzig,  Attenkofer  in 
München,  Pollack  und  Franke  in  Wien,  sind  hier 
zu  nennen.  Später  waren  es  die  Vergoldeschulen, 
besonders  die  von  O.  Hörn  und  W.  Patzelt  in  Gera 
und  von  A.  KuUmann  in  Glauchau  geleiteten,  die  den 
Sinn  und  das  rechte  Verständnis  für  künstlerische 
Einbände  in  Hunderte  ihrer  fleissigen  Schüler  ver- 
pflanzten. 

Was  die  künst- 
lerischen Einbände 
der  Jetztzeit  betrifft, 
so  ist  bei  allen 
Nationen  teilweise 
ein  mehr  oder  we- 
niger grosser  Fort- 
schritt zu  verzeich- 
nen; eine  ausge- 
bildetere Technik 
in  der  Herstellung 
des  Buchblockes, 
welches  Privilegi- 
um man  früher  nur 
den  Franzosen  zu- 
erkennen konnte, 
und  Originalität  in 

den  Entwürfen 
zeichnen  die  jetzi- 
gen Einbände  aus. 
Wie     allenthalben 

;«  Hör.  rloU^-o+I.ra«  Bucheinband  von  P.  KERSTEN, 

m  den  dekorativen  Aschaffenburg. 

i6» 


104 


GESCHICHTE  UND  ÄSTHETIK  DES  KÜNSTLERISCHEN  BUCHEINBANDES 


Bucheinband  von  P.  KERSTEN,  Aschaffenburg. 

Künsten,  so  macht  sicli  auch  im  Buchgewerbe  eine  neue, 
auf  naturalistischen  Grundlagen  beruhende  sog.  moderne 
Richtung  in  der  Ornamentation  bemerkbar,  dieauchnatur- 
gemäss  einen  mächtigen  Einfluss  auf  die  Verzierung 
des  Bucheinbandes  ausübte.  Englische  Kunstbuch- 
binder waren  die  ersten,  die  Dank  den  Anregungen 
Walter  Crane's  und  W.  Morris'  sich  der  neuen  Rich- 
tung in  die  Arme  warfen  und  ganz  hervorragende 
Einbände  lieferten.  Ich  nenne  hier  besonders  Cobden- 
Sanderson,  Riviere,  Roger  de  Coverly,  Zähnsdorf  jr., 
auch  die  Damen  Prideaux,  Birkenruth,  Nichols  und 
JVlac  Coli  zählen  zu  den  besten  der  englischen  Bin- 
derinnen. Da  will  ich  hier  einschalten,  dass  im  An- 
fange dieses  Jahres  in  London  sich  eine  Gilde  von 
Buchbinderinnen  konstituiert  hat,  die  bereits  67  Mit- 
glieder zählt  und  alljährlich  eine  Ausstellung  veran- 
staltet. Hervorragende  Vertreter  der  neuen  Stilrichtung 
sind  ferner  die  Dänen  Flyge,  Petersen  und  A.  Kyster 
in  Kopenhagen;  der  Schwede  G.  Hedberg  in  Stock- 
holm, der  seine  Ausbildung  in  Paris  fand,  und  der 
Belgier  Ciaessens  in  Brüssel.  In  Frankreich  finden 
wir  M.  Michel  jr.,  Mercier,  Gruel,  Lortic  jr.,  ChamboUe, 
David,  P.  Ruban,  Ch.  Meunier  in  Paris  als  die  be- 
deutendsten lebenden  Kunstbuchbinder,  die  sehr  her- 
vorragende Arbeiten  geschaffen  haben,  aber  in  den 
Geist  der  wirklich  modernen  Ornamentation  sich  nur 
schwer  hineinfinden  können;  ihre  Landsleute  Magnier 
in  Lyon  und  Rene  Wiener  in  Nancy  hingegen  zählen 
wieder  zu  den  Vertretern  der  extremsten,  symbolisieren- 
den Richtung  des  neuen  Stiles.  In  Amerika  finden  wir 
zur  Zeit  (Matthews  ist  vor  einigen  Jahren  gestorben) 


nur  einen  Kunstbuchbinder  von  Bedeutung;  es  ist 
unser  Landsmann  Otto  Zahn  in  Memphis  im  Staate 
Tennesee,  jetzt  Mitinhaber  der  Firma  Toof  &  Co., 
stets  künstlerisch  entwerfend,  die  Dekoration  der  Buch- 
deckel womöglich  in  Einklang  mit  dem  Buchinhalte 
bringend,  ist  er  ein  Virtuose  in  der  Handhabung  der 
Vergolderwerkzeuge  sowohl,  als  auch  in  der  Behand- 
lung des  Maroquin  ecrase.  Seine  Herstellung  des 
Buchblocks  ist  tadellos  in  des  Wortes  vollster  Bedeu- 
tung. Seine  Handvergoldungen  der  letzten  Jahre  er- 
innern stark  an  diejenigen  Cobden-Sandersons  und 
sind  doch  wieder  ganz  eigenartig  und  anders  in  ihrer 
Wirkung.  Er  bindet  für  die  meisten  New-Yorker 
Millionäre. 

So  sehr  wir  nun  auch  die  Fortschritte  anerkennen 
müssen,  die  die  deutsche  Kunstbuchbinderei  in  den 
letzten  Jahren  genommen,  so  sehr  zu  bedauern  ist  es, 
dass  wir  in  Deutschland  so  wenig  Bücherfreunde  be- 
sitzen, die  Interesse  für  einen  künstlerischen  Einband 
haben;  dies  ist  auch  die  Ursache,  dass  wir  so  wenig 
Kunstbuchbinder  von  Bedeutung  haben.  Die  älteren 
deutschen  Meister  habe  ich  schon  oben  genannt,  die 
der  Gegenwart,  die  im  Geschmacke  der  modernen 
Verzierungsweise  arbeiten,  sind  besonders  E.  Ludwig, 
Frankfurt  a.  M.,  Paul  Adam,  Düsseldorf,  Hulbe  in 
Hamburg,  Georg  Collin,  G.  Böttger  und  Herm. 
Söchting  in  Berlin,  Hans  Bauer  und  F.  Rudel  in  Gera, 
Dannhorn  in  Berlin,  F.  Zichlarz  in  Wien  u.  a.  — 

Ich  komme  nun  zur  Ästhetik  des  künstlerischen 
Bucheinbandes.  Während  sich  in  den  früheren  Jahr- 
hunderten die  Dekoration  des  Einbandes  dem  herr- 
schenden Stil  anpasste,  begnügten  sich  die  Kunst- 
buchbinder der  neueren  Zeit  im  allgemeinen  mit 
sklavischen     und     schablonenhaften     Nachahmungen 


Bucheinband  von  P.  KERSTEN,  Asciiaffenburg. 


GESCHICHTE  UND  ÄSTHETIK  DES  KÜNSTLERISCHEN  BUCHEINBANDES 


105 


Bucheinband  von  P.  KERSTEN, 
Aschaffenburg. 


alter  Vorbilder,  der 
Groliers,  Majolis, 
LeGasconsu.  s.w., 
selten  einmal  durch 
moderne  Auffas- 
sung von  Lederver- 
schlingungen, 
Stempelzusam- 
mensetzungen u.  s. 
w.  einen  selbstän- 
digen, originellen 
Gedanken  verra- 
tend. Dies  mag 
wohl  zum  gröss- 
ten  Teil  seine  Ur- 
sache darin  haben, 
dass  besonders  in 
Deutschland  Archi- 
tekten die  Vorlagen 
zu  den  Einbänden 
lieferten,  die  sich 
streng  an  ihre  his- 
torischen Stilarten 
und  ihren  gewohnten  architektonischen  Aufbau  hiel- 
ten; da  ihre  Entwürfe  gewöhnlich  ohne  Kenntnis  der 
Vergolde-Technik  gefertigt  waren,  so  mussten  diese, 
um  sie  ausführbar  zu  machen,  meist  erst  umgezeichnet 
und  korrigiert  werden.  Dass  dadurch  mitunter  die 
Wirkung  verloren  ging,  kann  natürlich  nicht  Wunder 
nehmen.  Die  Buchbinderei  steht  erst  dann  auf  der  Höhe 
ihrer  Kunst,  wenn  der  Entwurf  Hand  in  Hand  mit  der 
Ausführung  geht,  und  die  Meisterschaft  ist  nur  dann 
bewundernswürdig,  wenn  sie  glückliche,  das  ästhetische 
Gefühl  befriedigende  Er- 
findungen zum  Ausdrucke 
bringt.  Ein  Umschwung 
zu  Gunsten  einer  moder- 
nen Bucheinbanddekora- 
tion macht  sich  seit  etwa 
zehn  Jahren  energisch  be- 
merkbar. Von  den  Japa- 
nern abgelauschte,  natura- 
listische Motive  waren  es 
zuerst,  die  von  den  Kunst- 
buchbindern  mit  mehr  oder 
weniger  Geschick  ver- 
wandt wurden,  bis  die 
moderne  Geschmacksrich- 
tung sich  selbständigen, 
edlen  Verzierungsformen 
zuwandte.  Meister  der 
englischen  Kunstbuchbin- 
derei, die  von  jeher  schon 
ihre  eigene  charakteristi- 
sche Bahn  gewandelt,  ver- 
suchten als  erste,  mit  den 
alten  Arten  der  Verzie- 
rungsweise zu  brechen, 
und  die  Bahn,  die  nun 
einmal  beschritten  war,  be- 
traten   bald    die    hervor- 

Kunstgewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  5. 


Bucheinband  von  P.  KERSTEN, 
Aschaffenburg. 


Bucheinband  von  P.  KERSTEN,  Aschaffenburg. 


ragendsten     Fach- 
leute aller  Länder 
und  zwar  meist  mit 
gutem  Glück. 
Die  Ansichten 
der  ausübenden 
Kunstbuchbinder 
über   die   Art  der 

Einbandverzie- 
rung sind  natürlich 
sehr  verschieden. 
Während  die  einen 
das  Buch  nach  ih- 
rem eigenen  oder 
des  Zeichners  Gut- 
dünken einfach  ar- 
chitektonisch aus- 
schmücken und auf 
den  Inhalt  des 
Werkes  gar  keine 
Rücksicht  nehmen, 
halten  die  anderen 
sich   streng  daran, 

den  Buchdeckel  mit  dem  Inhalt  in  Einklang  zu 
bringen;  die  ersteren  verfallen  dabei  oft  in  Langweilig- 
keit, die  letzteren  häufig  in  Extreme.  Wieder  andere 
binden  die  Bücher  im  Geschmack  und  dem  Stil  der 
Zeit,  der  dem  Inhalt  Stimmung  giebt.  Die  Natura- 
listen wenden  mit  Vorliebe  Blumen,  Zweige,  Tierbilder, 
Landschaften  in  möglichst  getreuer  Nachbildung  und 
unsymmetrischer  Anordnung  zur  Verzierung  an.  Was 
ist  nun  das  richtige?  —  Die  Antwort  auf  diese  Frage 
kann  natürlich  nur  von    dem   Standpunkt   aus    erteilt 

werden,  den  ich  selbst  in 
dieser  Sache  einnehme;  ich 
kann  also  nur  meine  per- 
sönliche Ansicht  ausspre- 
chen. Der  Entwurf  soll 
in  erster  Linie  wirken,  be- 
stechen, sich  dem  Auge 
einschmeicheln,  und  das 
ist  jeder  Zeichnung,  die 
im  ganzen  sowohl  als  auch 
in  den  Einzelheiten  dem 
Auge  wohlgefällig  er- 
scheint, die  es  immer  von 
neuem  anzieht,  nicht  ab- 
stösst,  und  die  das  Schön- 
heitsgefühl anregt.  Der 
Entwurf  soll  auch  modern 
sein  und  sich  in  der  herr- 
schenden Geschmacksrich- 
tung bewegen,  die  zur 
jeweiligen  Zeit  die  ge- 
samte Kunstrichtung  ein- 
nimmt, und  er  soll  schliess- 
lich auch,  wenn  irgend 
möglich,  mit  dem  Inhalte 
des  Buches  im  Einklang 
stehen. 

Der  Entwurf  soll  fef- 


17 


io6 


GESCHICHTE  UND  ÄSTHETIK  DES  KÜNSTLERISCHEN  BUCHEINBANDES 


Geschnitzte  Füllung  zu  der  Kaniinverkleidung  von  KIMBEL  &  FRIEDRICHSEN,  s.  Abb.  S.  107. 


ner  ein  woiildurchdachtes  Motiv  haben,  ein  Muster, 
das  ihn  in  seinen  verschiedenen  Teilen  als  etwas 
Ganzes  und  Zusammengehöriges  erscheinen  lässt. 
Der  Plan,  die  Ordnung  und  die  richtige  Einteilung 
sind  die  ästhetisch  wirkenden  Faktoren. 

Der  einzige  Zweck  der  Verzierung  ist  der,  den 
Buchdeckel  zu  verschönern,  nicht  aber  ihn  zu  illu- 
strieren. Der  Entwurf  muss  daher  originell  sein,  sich 
nicht  sklavisch  an  ältere  Vorbilder  anlehnen  oder  gar 
schon  vorhandene  Motive  direkt  benutzen ;  er  soll  eigene 
Erfindung  sein.  Der  entwerfende  Einbandkünstler 
muss  notwendigerweise  zeichnerisches  Talent  und 
einen  bis  ins  feinste  ausgebildeten  Farbensinn  be- 
sitzen und  vor  allem  ideenreich  sein;  er  muss  ver- 
stehen, dem  Unbedeutendsten  seine  Aufmerksamkeit  zu 
schenken  —  das  winzigste  Ornament  kann  ihm  dabei 
das  Motiv  zu  seinem  Entwürfe  liefern.  Wie  oft 
schon  hat  mir  eine  kleine  Vignette,  eine  Zierleiste, 
ein  verschnörkelter  Initial,  ein  verziertes  Schluss- 
zeichen u.  s.  w.  die  Idee  zu  einem  Entwurf  gegeben. 
Ein  andermal  gab  ein  Tapeten muster,  eine  gehäkelte 
Spitze,  ein  eisernes  Gitter,  ein  gemalter  Plafond,  eine 


gewebte  Gardine  Veranlassung  zu  einer  Einband- 
dekoration. Daneben  muss  man  natürlich  die  sämt- 
lichen historischen  Stilarten,  besonders  die  gotische 
gründlich  kennen.  Von  ungeheurem  Wert  ist  ein 
energisches,  frisches,  Studium  der  Natur,  speziell  der 
Pflanzenwelt,  denn  dass  sich  aus  ihr  der  Zukunftsstil 
des  gesainten  Kunstgewerbes  entwickeln  wird,  ist 
kaum  noch  zweifelhaft.  Als  Hauptbedingung  soll 
man  es  stets  betrachten,  die  Entwürfe  des  Vorder- 
deckels, Rücken,  Hinterdeckel,  Innenkante  und  Buch- 
schnitt, falls  er  verziert  wird,  in  vollständiger  Über- 
einstimmung miteinander  zu  bringen.  In  Bezug  auf  die 
technische  Ausführung  der  Entwürfe  glaube  ich,  dass  die 
Zukunft  des  Handvergoldens  hauptsächlich  in  der  An- 
wendung des  Bogensatzes  und  der  einfachen  Linienrolle 
mit  spärlicher  Anwendung  von  Stempeln  liegen  wird. 
Was  den  im  gesamten  Gebiete  der  Kunst  und 
den  dekorativen  Künsten  seit  Jahren  schon  tobenden 
Kampf  zwischen  > Alten'  und  >Jungen«,  zwischen 
Vertretern  der  »alten  Richtung'  und  den  Anhängern 
des  Modernen«  betrifft,  so  ist  ein  endgültiges  Urteil 
darüber    noch    nicht    zu    fällen  und  müssen  wir  das 


Geschnitzte  Füllungen  zu  der  Kaniinverkleidung  von  KIMBEL  &  FRIEDRICHSEN,  s.  Abb.  S.  107. 


»7' 


Einzelheit  der  Kaminverkleidung  von  KIMBEL  &  FRIEDRICHSEN,  s.  Abb.  S.  107. 


einer  späteren  Zeit  überlassen;  soviel  aber  ist  sicher, 
dass  sich  eine  durch  nichts  aufzuhaltende  Umwälzung 
zu  Gunsten  des  modernen  Stiles«  bei  den  Künstlern 
aller  Nationen  vollzieht.  Wenn  nun  auch  hie  und 
da  einigemale  nicht  gerade  ästhetisch  wirkende  Arbeiten 
geschaffen   wurden,    so    soll    man    nicht  gleich    -das 


Kind  mit  dem  Bade  ausschütten«  und  die  ganze 
Bewegung  verdammen.  Die  >Jugend«  hat  gesundes 
Blut  in  ihren  Adern,  und  alle  bösen  Säfte  wird  sie 
mit  der  Zeit  schon  ausscheiden. 

Und  will  der  Most  sich  noch  so  absurd  geberden, 
Er  giebt  zuletzt  doch  noch  'nen  guten  Wein. 


St 


Schlussleiste,  gez.  von  E.  LIESEN,  Berlin. 


Ehrenpreis  S.  K.  H.  des  Orossherzogs  Friedrich  von  Baden  zum  Mannlieimer  Mairennen  1894. 
Entwurf  von  Direktor  HERMANN  GÖTZ,  Ausführung  von  Hofjuwelier  L.  BERTSCH,  Karlsruhe. 


Kopfleiste,  gezeichnet  von  Elly  Hirsch,  Berlin. 


VIERLÄNDER  KUNST 


(Schluss.) 


VonS^sonstiger  Metallarbeit  [käme  noch  das 
Schmiedeeisen  in  Betracht,  das  wir  im  und  am  Hause 
in  Giebelkrönungen  aus  Blumen,  in  Thürklopfern, 
ringförmig  oder  in  Tierform,  sowie  in  sonstigem  Thür- 
und  Fensterbeschlag  antreffen;  die  eisernen  Kessel- 
haken der  Vierlande  sind  nicht  verziert,  wohl  aber 
treffen  wir  bisweilen  Waffeleisen  in  Scherenform, 
deren  Platten  eingegrabene  Hohl  Verzierungen,  z.  B. 
Hamburger  Wappen  und  Doppeladler  zeigen. 

Eine  ganz  andere  Rolle,  als  im  Hause,  spielt  das 
Eisen  in  der  Vierländer  Kirche,  der  wir  uns  nunmehr 
zuwenden. 

Bei  der  Kirche  des  Dorfes  Curslak  sehen  wir  noch 
heute  den  Eingang  zum  ummauerten  Kirchhofe  durch 
ein  hölzernes  originelles  Thor  mit  Ziegeldach,  an 
altländer  Hofthore  erinnernd,  gebildet.  Beim  Herum- 
wandeln um  die  Kirche  sehen  wir  auf  den  Gräbern 
allerlei  typische  Vierländer  Kreuzformen,  aus  Holz  ge- 
arbeitet, stehen.  Die  Kreuzenden  sind  recht  ver- 
schiedenartig ausgebildet,  wir  treffen  gleich  lange 
Arme,  langen  Mittelarm  oder  längere  Seitenarme  an. 
Immer  sind  sie  weiss  gestrichen,  bisweilen  schwarz 
umrändert.  Auch  hölzerne  Grabtafeln  in  allerlei  Aus- 
gestaltungen der  Krönung  finden  sich  vor.  Merk- 
würdigerweise kommt  das  Schmiedeeisen,  das  in  der 
Kirche  so  sehr  dominiert,  auf  dem  Kirchhofe  garnicht 
vor,  nur  auf  dem  zu  Kirchwärder  stehen  auf  einem 
allen  liegenden  Grabstein  als  auffallender  Schmuck 
zwei  niedere  geschmiedete  Kreuze  mit  lilienförmigen 
Enden.  Dagegen  zeigt  uns  die  reich  ausgebildete 
Wetterfahne  der  gleichen  Kirche,  mit  Lilienkranz,  mit 
einem  ganzen  Blumenstrauss  und  darüber  schwebender 
Taube,  sowie  dem  die  Gesetzestafeln  in  der  Hand 
haltenden  Moses  verziert,  ein  schönes  Stück  Vierländer 
Schmiedekunst. 

Treten  wir  ins  Innere. 

Hier  zeigt  sich  die  Vierländer  Intarsiakunst  in 
ihrem  höchsten  Glänze,  denn  die  weit  überwiegende 


Mehrzahl  der  Bankthüren  und  -wangen  aller  Kirchen 
ist  in  dieser  schönen  Technik  geschmückt.  Zu  den 
Sternen,  Vierländer  Blumenornamenten,  Namenszügen 
und  Renaissanceornamenten  treten  hier  architektonische 
Motive  und  Allegorien  hinzu.  Hier  wie  fast  immer 
sind  es  nur  zwei  Holztöne,  die  zusammengesetzt 
sind,  Farbe  kommt  nie  vor,  wohl  aber  Halbtöne,  durch 
Behandlung  mit  heissem  Sand  erzielt;  die  Innenkonturen 
der  Formen  sind  graviert  und  geschwärzt.  Bisweilen  ist 
die  Intarsia  verbunden  mit  Schnitzerei  und  Kröpf- 
arbeit. Die  nicht  eingelegten  Thüren  sind  vielfach 
reich  geschnitzt,  selten  einmal  auch  in  Kerbschnitt. 
In  der  Altengammer  Kirche  finden  wir  ferner  derb, 
aber  nicht  ungeschickt  gemaltes,  naturalistisches 
Biumenornament  auf  hellblauem  Grunde  vor,  wie 
auch  sonst  an  Emporen,  Orgel,  Decke  u.  s.  w.  allerlei 
bäurische  Maierei  sich  entfaltet. 

Eingelegte  Arbeit  zeigen  auch  die  vor  den 
Sitzen  an  der  Rückseite  der  Vorwand  befindlichen 
Gesangbuchkästen.  An  sonstigen  Holzarbeiten  ein- 
heimischen Ursprungs  finden  wir  noch  alte  Lesepulte, 
durchbrochene  Ornamente  über  Thüren,  an  Kanzel 
und  Kanzelgeländer,  Aufsätzen  u.  s.  w.;  auch  die 
Rückwände  der  Bänke  sind  bisweilen  oben  durch- 
brochen, aus  senk-  und  wagrechten  Sprossen  fenster- 
kreuzartig zusammengefügt.  Altar  und  Kanzel,  Kron- 
leuchter, Taufstein  und  Orgel  sind  überall  städtischen 
Ursprungs  oder  doch  in  der  Hauptsache,  einzelnes 
mag  im  Lande  hergestellt  sein. 

Ein  besonderer,  höchst  auffallender  Schmuck  der 
Vierländer  Kirchen  verdankt  den  Schmieden  des  Lan- 
des seinen  Ursprung:  die  Huthalter.  An  jeder  Bank- 
wange und  an  den  Rücklehnen  derselben,  da  wo 
Quergänge  den  Mittelgang  kreuzen,  ragen  sie  empor, 
von  der  Decke  hängen  sie  über  den  Emporen  herab. 
In  diesem  Falle  sind  sie  meist  nur  einfach,  anker- 
förmig,  in  ersterem  Falle  aber  sind  sie  ausserordent- 
lich   verschiedenartig   und    reich    gestaltet.      Niedere, 


1  12 


VIERLÄNDER  KUNST 


einfache,  zwei-  oder  dreiarmig,  mit  Blumen  endende, 
wechseln  ab  mit  meterhohen,  ausserordenthch  reich 
verzierten,  aus  verschlungenem  und  gedrehtem  Linien- 
werk zusammengesetzt,  aus  Rokokoornamenten  auf- 
getürmt oder  originelle  Kompositionen  aus  Blumen- 
motiven zeigend.  Wieder  finden  wir  die  Blumen  des 
Vierländer  Gartens,  geschickt  in  Schmiedeeisen  nach- 
gebildet, lebhaft  bunt  gemalt  und  vergoldet.  An  Be- 
sonderheiten kommen  auch  wohl  Figuren  vor,  hohe 
cylindrische  Kronen,  an  die  Kronen  im  Kölner  Stadt- 
wappen erinnernd,  auch  ein  einfacher  Blumentopf  mit 
Blumen   findet   sich,    natürlich  auch  hie  und  da  der 


Doppeladler,  sowie  Schrifttafeln  und  durchbrochen  ge- 
arbeitete Schrift.  Die  Pferdeköpfe  des  Hausgiebels 
finden  sich  auch  wohl  verwendet,  ein  Schmied  hat 
auch  Hufeisen  als  Schmuck  angebracht.  Sehr  stechen 
von  diesen  für  den  fröhlichen  eigenartigen  Charakter 
der  Vierländer,  wie  der  deutschen  Bauernkunst  über- 
haupt bezeichnenden  Huthaltern  spätere  messingene, 
öde  und  langweilige  Formen  ab,  die  einen  hervor- 
ragenden Mangel  an  Erfindungsgabe  zeigen  und 
sicher  städtischen  Ursprungs  sind.  Glücklicherweise 
sind  sie  nur  selten.  (Siehe  die  Abbildung  Seite  78.) 
Die  Sitze  der  Kirchenbänke  sind  mit  Kissen  be- 


Zwischensatz  an  einem  Staatskissen;  gestickt,  linke  Hälfte.     Aufgenommen  von  H.  Haase,  Hamburg. 


Gestickter  Einsatz  aus  den  Vierlanden.     Aufgenommen  von  H.  Haase,  Hamburg. 


Kudstgewcrbeblatt.     N.  F.  XI.    H.  6. 


18 


114 


VIERLÄNDER  KUNST 


legt,  natürlich  eine  Menge  moderner  öder  Fabrikate 
darunter,  aber  es  sind  auch  nicht  wenig  alte  vorhan- 
den, so  Oobelinkissen,  alte  schöne,  zerschlissene,  gross- 
blumige Stickereien,  vor  allem  aber  Flickenkissen  in 
abwechslungsreichen  schönen  Mustern.  — 

Haus  und  Kirche  sind  durchstreift,  es  bleiben 
noch  der  Garten  und  das  Feld.  Als  Erzeugnis  der 
Bauernkunst,  wennschon  der  bescheidensten,  untersten 
Stufe,  müssen  wir  auch  den  Feldzaun  ansehen,  in  dem 
man  ja  eine  der  ältesten  Erfindungen  des  mensch- 
lichen Geistes  vor  sich  hat,  und  den  wir  mancher- 
orts, z.  B.  in  Tirol,  der  Lüneburger  Haide  u.a.O.  drollig 
ausgebildet  finden.  Auffallenderweise  wiederholt  sich 
auch  beim  Zaun  die  der  gesamten  Bauernkunst  eigene 
Eigenschaft,  von  Stamm  zu  Stamm  sich  zu  ändern. 
Das  einfache  Thema  hat  bei  all  unseren  deutschen 
Stämmen  verschiedene  Lösungen  gefunden.  In  den 
Vierlanden  ist  er  aus  dem  Grunde  sehr  selten,  weil 
er  nicht  nötig  ist:  alle  Felder  sind  nämlich  durch 
schmale  Gräben  von  einander  getrennt.  Wo  wir  ihn 
einmal  finden,  besteht  er  aus  weit  von  einander 
stehenden  Pfostenpaaren,  die  durch  zwei  Weidenruten- 
schlingen  oben  und  in  halber  Höhe  verbunden  sind, 
und  auf  die  Schlingen  aufgelegten  langen  Latten. 
Auch  der  Gartenzaun  ist  nicht  häufig,  da  die  Hecke 
ihn  ersetzt,  und  hat  keinen  besonderen  Typus  ausge- 
bildet. Nur  die  Feldeingänge  und  Garteneingänge 
sind  ausgebildet.  Erstere  bilden  ein  langes,  niederes 
Gatter,  das  oben  einen  dicken,  über  den  Drehpunkt 
hinaus  verlängerten  Balken  trägt.  Dadurch  ist  das  Gatter, 
Heck  genannt,  leicht  beweglich.  Eine  besondere 
Stütze  stützt  das  offenstehende  Heck.  Der  ausgebil- 
dete Garten-  oder  Hofeingang,  der  indes  nicht  besonders 
häufig  ist,  besteht  aus  zwei  oder  drei  dicken,  abge- 
fassten,  profilierten  und  oben  flach  pyramidal  abge- 
schlossenen Pfosten,  zwischen  denen  eine  niedere 
Doppelthür  aus  Latten  und  runden  Stäben  für  Wagen 
und  eine  einfache  für  Fussgänger  sich  bewegen. 
Alles  ist  weiss  gestrichen. 

Hie  und  da  finden  wir  im  Garten  anmutige 
weisse  Lauben  aus  Latten  und  runden  Stäben  recht 
hübsch  zusammengefügt,  offenbar  unter  Einfluss  des 
Louis  XVI.-Stiles  entstanden,  manchmal  ist  z.  B.  in 
dem  oberen  Giebeldreieck  eine  strahlende  Sonne  aus 
solchen  Stäben  gebildet.  Desgleichen  zeigen  die 
Gartenbänke  Louis  XVI.  Einfluss.  — 

Lassen  wir  das  Bild,  wie  es  sich  vor  uns  auf- 
gerollt hat,  in  seiner  Gesamtheit  noch  einmal  an  uns 
vorübergleiten,  so  erhalten  wir  den  Eindruck  einer 
ausserordentlich  gesunden,  an  innerem  Eigenleben 
ausserordentlich  reichen  Kunst,  die  allezeit  mitten  im 
Leben  stand,  die  sich  völlig  deckt  mit  dem  Charakter 
der  Bevölkerung,  wie  des  Landes,  einer  Kunst,  die 
im  wahren  Sinne  des  Wortes  volkstümliche  Kunst  ist 
—  gewesen  ist,  wie  wir  leider  sagen  müssen. 

Wie  es  ein  Jammer  ist,  wenn  wir  einen  Mann 
von  ausgeprägtem  Eigencharakter  vom  Schicksal  dazu 
verurteilt  sehen,  durch  allerlei  Misere  an  der  Aus- 
bildung und  dem  Ausleben  seines  Charakters  verhin- 
dert zu  werden  und  in  der  grossen  Masse  von  Nullen 
spurlos  unterzugehen,  so  ist  es  auch  ein  trauriger  An- 


blick, wenn  man  ein-  so  lebensvolles  Gebilde,  wie 
solch  volkstümliche  Sonderkunst,  in  den  Augenblicken 
seines  Absterbens  beobachtet. 

Die  lebendigen  Zeugen  kräftigen  eigenen  Schön- 
heitssinnes der  Vorfahren  treten  in  der  Wertschätzung 
der  Enkel  zurück  vor  den  köstlichen  Gebilden  der 
modernen  Möbel-  und  Fünfgroschenbazare!  —  »Wat 
schall  Ein  dorbi  dauhn?«  —  achselzuckend  schaut 
man  dem  Schauspiele  zu,  's  ist  ja  so  und  sovielmal 
theoretisch  bewiesen,  dass  die  alte  deutsche  Bauern- 
kunst, der  selbständigsten  Zweige  unserer  deutschen 
Kunst  einer,  der  ehrwürdigsten  einer,  untergehen  muss! 

Muss  er's  wirklich? 

Es  sieht  in  den  Vierlanden  so  aus.  Die  alten 
Bauernhäuser  machen  hochmodernen  Kästen  im 
Schweizerstil  und  mit  griechisch  sein  sollenden  Orna- 
menten Platz,  die  alten  Öfen  verschwinden  einer  nach 
dem  andern,  die  Vertäfelungen  weichen  der  Papier- 
tapete u.  s.  w. 

Nur  die  Lieblingstechnik  der  Intarsia  wird  von 
den  Tischlern  des  Ländchens  noch  ab  und  zu  einmal 
ausgeübt,  ja  mit  Vergnügen  hört  man,  dass  einzelne 
junge  Tischlergesellen  mit  grösster  Hingabe  sie  zu 
pflegen  sich  bemühen. 

Das  ist  aber  gerade  ein  Umstand,  der  zu  denken 
giebt. 

Es  sind  also  unter  der  Jugend,  der  Zukunft  des 
Landes,  Elemente  vorhanden,  welche  die  alte  volks- 
tümliche Kunst  schätzen  und  weiterzubilden  bereit 
sind,  wenn  man's  von  ihnen  fordert. 

Was  ist's,  das  der  alten  Kunst  den  Untergang 
bereitet?  Die  Stadt.  Nun  sehen  wir  aber  gerade  die 
städtische  Kunst  im  Begriff,  sich  im  Grunde  umzu- 
ändern und  zwar  gerade  in  einer  Richtung,  die  sie 
alter  volkstümlicher  Kunst  wieder  nähert,  nachdem  sie 
so  und  so  lange  den  Charakter  künstlich  getriebener 
Kunst  aufwies. 

Eigenart  will  sie  entwickeln,  aus  dem  gegen- 
wärtigen Bedürfnis  heraus  will  sie  ihre  Formen  ent- 
wickeln, einfache  Schönheit  will  sie  bevorzugen,  aus 
der  Natur  will  sie  ihre  Zierformen  holen  —  ja  ist 
denn  das  etwas  anderes,  als  was  die  deutsche  Bauern- 
kunst, die  Vierländer  mit  in  erster  Linie,  immer  ge- 
than  hat? 

Lassen  wir  ein  paar  Jahre  einmal  vorüber  sein, 
bis  die  neuen  Gedanken  Allgemeingut  sind,  bis  auch 
insbesondere  unser  deutscher  Volkscharakter  sich  die- 
selben unterworfen  hat,  thun  wir  dann  etwas  dafür, 
dass,  wie  in  der  Stadt,  so  auch  auf  dem  Lande  etwas 
für  Handwerker-  und  Dilettantenausbildung  geschieht 
—  erscheint  es  dann  so  undenkbar,  dass  es  neben 
einer  gesunden,  eigen-lebendigen  deutschen  städtischen 
Kunst  auch  eine  wiedererwachte  gesunde  bäurische 
Kunst  giebt,  die  uns  erst  wirklich  von  volkstümlich  ge- 
wordener Kunst  sprechen  lässt? 

Inzwischen  wäre  es  wünschenswert,  dass  man 
sich  die  deutsche  Bauernkunst  einmal  ein  bissei  ge- 
nauer ansähe;  abgesehen  von  Mielke's  »Volkskunst«, 
Zell's  kürzlich  erschienenen  Bauernmöbeln  aus  den 
Bayerischen  Hochlanden«  und  dem  Artikel  von 
A.  Kurzwelly  über  die  Bäuerliche  Kleinkunst  Sachsens 


VIERLÄNDER  KUNST 


115 


(in  Dr.  R.  Wuttke's  eben  erschienenem  Buciie 
»Sächsische  Volksi<unde<),  giebt  es  ja  heute  so  gut 
wie  keine  Veröffentlichungen,  die  uns  mit  ihr  bekannt 
machen.  Wir  würden  staunen,  was  alles  zutage  käme, 
erhielten  wir  einmal  genauere  Kenntnis  von  all  dem 
Eigenartigen  und  Schönen,  das  unsere  Bauernkunst 
geschaffen  hat!  Haase's  vortreffliche  Zeichnungen 
sind  sicher  geeignet,  als  appetitreizende  Probe  dafür 
zu  dienen! 

Möchten  namentlich  unsere  Regierungen,  die  die 
Aufzeichnung    und    Aufbewahrung     alter     deutscher 


Kunstdenkmale  sich  angelegen  sein  lassen,  auch  die- 
sem Kleinod  alter  deutscher  volkstümlicher  Kunst 
ihre  Aufmerksamkeit  schenken  -  es  wird  allmählich 
höchste  Zeit,  wenn  es  gelingen  soll,  der  Nachwelt 
vollkommene  Bilder  der  einzelnen  deutschen  Bauern- 
stile aufzubewahren!  Deutscher  Volkskunde  und 
Kunstgeschichte,  wie  auch  unseren  modernen  Be- 
strebungen im  Kunstgewerbe  würde  ein  ausserordent- 
lich grosser  Dienst  geleistet  werden,  dessen  Wichtig- 
keit man  heute  noch  garnicht  ganz  absehen  kann! 

O.  SCHWINDRAZHEIM- HAMBURG. 


Gewebter  Brustlatz  in  Seide.     Muster  durch  Ausschneiden  hervorgebracht.     Aufgenommen  von  H.  Haase,  Hamburg. 


i8* 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


VEREINE  UND  SCHULEN 

BADISCHER  KUNSTGEWERBEVEREIN.  Die 
jährliche  Generalversammlung  des  Vereins 
wurde  am  22.  Januar  d.  J.  im  Saale  der  Vier 
Jahreszeiten  in  Karlsruhe  unter  dem  Vorsitz  des 
Herrn  Direktors  Götz  abgehalten.  Die  umfangreiche 
Tagesordnung  wurde  Dank  der  gründlichen  Vorarbeiten 
rasch  erledigt.  Die  vier  satzungsgemäss  ausscheidenden 
Mitglieder:  Architekt  Bayer,  Fabrikant  Kammerer, 
Professor  Kossmann  und  Professor  Volz  wurden 
wiedergewählt.  Aus  dem  Jahresbericht  des  Vorsitzenden 
ist  hervorzuheben:  im  letzten  Vereinsjahr  wurden 
Vorträge  gehalten  von  Reallehrer  Emele  über  »Die 
Herstellung  von  Künstlerpostkarten  <-,  von  Professor 
Kornhas  über  »Die  Beurteilung  keramischer  Produkte 
unter  Berücksichtigung  der  neuzeitlichen  Bestrebungen«, 
von  Professor  AferA  über  »Die Technik  und  geschicht- 
liche Entwicklung  des  Kupferstichsund  der  Radierung«. 
Der  erste  und  letztgenannte  Vortrag  erfolgte  im  An- 
schluss  an  die  gleichzeitig  vom  Grossherzoglichen 
Kunstgewerbemuseum  veranstalteten  Ausstellungen  auf 
den  entsprechenden  Gebieten.  Für  letztere  Anstalt 
spendete  der  Verein  auch  im  vergangenen  Jahre 
einen  Beitrag  von  1000  Mark  und  ermöglichte 
dadurch  die  Anschaffung  von  26  kunstgewerblichen 
Gegenständen.  Sodann  berichtete  der  Vorsitzende 
über  die  Beteiligung  des  badischen  Kunstgewerbes 
an  der  Pariser  Weltausstellung  und  gab  einen  aus- 
führlichen Überblick  über  die  zur  Ausstellung  ange- 
meldeten kunstgewerblichen  Gegenstände.  Es  ging 
daraus  hervor,  dass  das  Badische  Kunstgewerbe 
namentlich  auf  den  Gebieten  der  Möbel-  und  Uhren- 
industrie, der  Gold-  und  Silberschmiedekunst,  der 
Holzschnitzerei,  Keramik,  Kunstschmiedetechnik,  Email- 
malerei, Buchbinderei,  Ledertechnik  und  kirchlichen 
Kunst  in  mehr  oder  weniger  umfangreicher  Weise 
vertreten  sein  wird.  Ebenso  wird  die  Uhrenfabrikation 
des  badischen  Schwarzwaldes  und  die  Bijouterie- 
Industrie  von  Pforzheim  zahlreiche  Arbeiten  ausstellen. 
Besondere  Erwähnung  verdient  die  fördernde  Unter- 
stützung einer  Reihe  von  Ausstellern  durch  Aufträge 
S.  K  H.  des  Grossherzogs,  sowie  der  Städte  Karls- 
ruhe, Mannheim,  Heidelberg,  Pforzheim,  Freiburg 
und  Konstanz.  Schliesslich  gelangte  ein  Antrag  des 
Vorstandes  zur  Annahme,  im  Jahre  1901  in  Karls- 
ruhe eine  Deutsche  Glasmalereiausstellung  abzuhalten, 
die  das  ganze  Gebiet  dieser  interessanten  Kunsttechnik 
in  erschöpfender  Weise  vorführen  soll.  Über  dieselbe 
wird  im  nächsten  Hefte  Ausführliches  berichtet. 

STUTTGART.  Unter  dem  Namen  » Verein  für 
dekorative  Kunst  und  Kunstgewerbe -^^  hat  sich  hier 
eine  Vereinigung  gebildet,  welche  die  Förderung 
des  heimatlichen  Kunstgewerbes  auf  einer  modernen, 
gesunden  Basis  anstrebt.     Der  neue  Verein  macht  es 


sich  zur  Aufgabe,  durch  Veranstaltung  von  Vorträgen, 
Studienkursen,  Preisausschreiben  und  Ausstellungen 
auf  die  verschiedenen  Zweige  des  Kunstgewerbes  an- 
regend einzuwirken  und  im  Publikum  das  Interesse 
an  künstlerisch  durchdachten  und  gediegen  ausge- 
führten Arbeiten  zu  wecken.  -u- 

P LAUEN  i.  V.  Wie  wir  dem  Bericht  über  die 
K  Sächsische  Industrie -Schule  für  die  Jahre 
i8q8  und i8gg  entnehmen,  ist  die  Nachfrage  nach 
tüchtig  geschulten  Musterzeichnern  in  stetiger  Zu- 
nahme begriffen.  Es  fanden  daher  sämmtliche  Schüler, 
welche  zu  Michaelis  1898  und  1899  nach  zurück- 
gelegtem viereinhalbjährigen  Kursus  die  Schule  ver- 
liessen,  sofort  gute  Stellungen  als  Musterzeichner,  und 
die  Direktion  war  nicht  immer  in  der  Lage,  allen  Nach- 
fragen zu  genügen.  Der  Wirkungskreis  der  Anstalt 
erfuhr  durch  die  Eröffnung  einer  dritten  Zweigabteiiung 
zu  Eibenstock  am  16.  April  1899  eine  wesentliche  Er- 
weiterung. Die  im  Laufe  der  letzten  Jahre  vorge- 
nommenen Erweiterungen  und  Veränderungen  in  der 
Einrichtung  der  Industrieschule  machten  eine  Neu- 
aufstellung des  Organisationsplanes  notwendig.  In 
der  Zeit  vom  2.  bis  14.  Januar  1899  fand  eine  Aus- 
stellung der  von  der  nach  Ostasien  entsandten  Reichs- 
kommission erworbenen  Gegenstände  statt.  Die  Aus- 
stellung der  gewerblichen  Lehranstalten  des  König- 
reichs Sachsen  zu  Michaelis  1898  gab  der  Schule 
Gelegenheit,  ihre  Leistungen  und  Ziele  auch  weiteren 
Kreisen  vorzuführen. 

STUTTGART.  Nach  Aemjahresbericht  des  Württem- 
bergischen Kunstgewerbevereins  für  das  Jahr 
/89S/99  zählte  der  Verein  413  Mitglieder,  unter 
den  verstorbenen  Mitgliedern  beklagt  er  besonders 
das  Ableben  des  artistischen  Vorstandes  Paul  Stotz. 
Unter  den  in  der  Vereinsausstellungshalle  veranstalteten 
kunstgewerblichen  Ausstellungen  wurden  als  Sonder- 
ausstellungen vorgeführt  dekorative  Malereien  von 
Josef  Rösl  in  München,  Pflanzennaturabgüsse  von 
Joh.  Bofinger  in  Stuttgart  und  architektonische  und 
kunstgewerbliche  Entwürfe,  Skizzen  und  Studien  von 
G.  Halmhuber.  In  seiner  Eigenschaft  als  Vorort  des 
Verbandes  deutscher  Kunslgewerbevereine  hatte  der 
Verein  zum  25.  September  einen  Verbandstag  einbe- 
rufen. Gleich  zahlreichen  anderen  Vereinen  und 
Korporationen  hatte  auch  der  Verein  aus  Anlass  der 
Vermählung  der  Prinzessin  Pauline  von  Württemberg 
mit  dem  Erbprinzen  von  Wied  eine  Hochzeitsgabe, 
bestehend  in  einem  silbernen  Theeservice,  dargebracht. 

-u- 

F RANKFURT  a.  M.    Dem  Jahresbericht  des  Mittel- 
deutschen Kunstgewerbevereins  für  i8gQ  entnehmen 
wir  folgendes:    Der  Unterricht    in   der  Kunstge- 
werbeschule  erfuhr    keine    Änderungen.      Das    letzte 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


117 


Ziervase    Nacht« 


Ziervasen ,    nach   Entwürfen 
von    O.   M.  WERNER.     In 

Silber  ausgeführt  von 

J.  H.  WERNER,  Hofjuwelier, 

Berlin. 


Ziervase  »Tag« 


Quartal  weist  eine  niedrigere  Ziffer  für  die  Tages- 
fachl<lassen,  dagegen  eine  hohe  für  die  Abendi<lassen 
auf.  In  diesen  Zahlen  spiegelt  sich  einigermassen 
die  gesamte  Lage  des 
Kunstgewerbes  wieder,  in- 
sofern ein  niedriger  Stand 
desselben  vielen  Kräften 
während  der  Tageszeit  zu 
ihrer  Ausbildung  die  nö- 
tige IVluse  giebt,  bei  einem 
Hochstand  der  kunstge- 
werblichen Produktion 
aber,  wie  er  seit  einigen 
Jahren  eingetreten  ist,  der 
Zudrang  zu  den  kunstge- 
werblichen Abendklassen 
zunimmt.  Eine  Studien- 
reise zur  Aufnahme  alter 
dekorativer  Wandmalerei- 
en mit  den  Schülern  der 
Malerklasse  wurde  nach 
Strassburg  i.  E.  gerichtet, 
wo  die  wahrscheinlich  auf 
Dietterlein  zurückzufüh- 
renden Wandmalereien  im 
»Frauenhause«  reichesStu- 
dienmaterial  ergaben.  Vier 
Schülern  konnte  das  zu 
einer  Erleichterung  bei  der 
Einjährig  -  Freiwilligen  - 


Prüfung  berechtigende  Zeugnis  über  hervorragende 
Leistungen  erteilt  werden.  Eine  Ausstellung  der 
Schülerarbeiten   fand  zu   Beginn  des  Sommerquartals 

statt.  Eine  wesentliche  Be- 
reicherung erfuhr  im  Be- 
richtsjahre die  gelegentlich 
der  Umgestaltung  der  Mu- 
seumsräume in  übersicht- 
licher Weise  neu  eröffnete 
Oypsabguss  -  Sammlung. 
Zu  erwähnen  sind  auch 
die  zahlreichen  und  bedeu- 
tenden Aufträge ,  durch 
welche  die  an  der  Schule 
wirkenden  Künstler  mit 
der  Praxis  in  Verbindung 
erhalten  wurden.  Die  Bib- 
liothek hat  zu  Ostern  ihre 
neuen  Räume  bezogen  und 
sieht  damit  eine  der  bedeut- 
samsten Voraussetzungen 
ihrer  Weiterentwickelung 
erfüllt.  —  Für  die  Entwick- 
lung des  Kunstgewerbe- 
museums war  das  Jahr 
1 899  ein  sehr  bedeutungs- 
volles ,  indem  der  Er- 
weiterungsbau fertigge- 
stellt und  hierdurch  die 
Neuordnung   der   Samm- 


ii8 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


lung  ermöglicht  wurde.  Die  An- 
ordnung erfolgte  in  bestimmten 
Gruppen,  für  welche  einesteils 
das  Material,  aus  welchem  die 
Gegenstände  angefertigt  sind,  im 
übrigen  die  zeitliche  Zusammen- 
gehörigkeit derselben  massgebend 
war.  Die  Neuerwerbungen  des 
Museums  kamen  auch  in  diesem 
Jahre  im  wesentlichen  der  kera- 
mischen Sammlung  zugute.  Im 
Berichtsjahre  fanden  folgende  Son- 
derausstellungen statt:  Japanische 
Holzschnitte  aus  dem  Besitz  des 
Ingenieurs  C.  Vogel  in  Cronberg, 
Pflanzenstudien  von  H.  von  Ber- 
lepsch  in  München,  die  Wettar- 
beiten für  eine  Taufmedaille  aus 
dem  vom  Kultusministerium  er- 
lassenen Preisausschreiben,  eine 
typographische  Ausstellung,  eine 
Buchkunstausstellung  und  eine 
Ausstellung  elektrischer  Beleuch- 
tungskörper. 


AUSSTEL- 
LUNGEN 

PARIS. 
Im 
Winter 
pflegen    die 
Pariser 
Künstler 
in     Sonder- 
Ausstellun- 

gen  die  Werke  noch- 
mals zu  zeigen,  die  das 
Publikum  bereits  im 
Salon  gesehen  hat  und 
die  damals  keinen  Käu- 
fer fanden.  Dies  Ver- 
fahren würde  Tadel 
verdienen,  wenn  nicht 
die  Menge  der  Kunst- 
werke im  Salon  jedes- 
mal so  gross  wäre,  dass 
man  achtlos  an  vielen 
bemerkenswerten  Ar- 
beiten vorübergeht.  Die 

Sonderausstellungen, 
die  selten  mehr  als  ei- 
nige hundert  Nummern 
enthalten,  gestatten  da- 
gegen eine  genaue  Be- 
sichtigung ohne  Ermü- 
dung und  Übersätti- 
gung. In  der  Rue 
Caumartin  sind  gegen- 
wärtig ei  n  ige  Möbel  aus- 


Vase,  Ourtschnalle,  Kamm,  Haarnadeln.     Ausgeführt  nach 
von  O.  M.  WERNER  von  Hofjuwelier  J.  H.  WERNER, 


gestellt,  die  wir  im  Mai  in  der 
Ausstellung  des  Champ  de  Mars 
bereits  gesehen  haben,  ohne  ihnen 
damals  mehr  als  vorübergehende 
Aufmerksamkeit  schenken  zu  kön- 
nen. Desto  bereitwilliger  ergrei- 
fen wir  jetzt  die  Gelegenheit,  von 
ihnen  zu  sprechen.  Selmershelm, 
Plumct  und  Sauvage  arbeiten  alle 
drei  in  ganz  ähnlicher  Art,  und 
da  man  dieselbe  Art  auch  bei  den 
modernen  Kunsttischlern  Englands 
und  Deutschlands  findet,  so  könnte 
man  sich  versucht  fühlen,  von 
einem  neuen  Stil  zu  reden.  Dieser 
Stil  geht  von  den  eleganten  und 
zierlichen  Louis  Seize- Möbeln 
aus,  um  nach  einem  Umweg  über 
England  und  durch  den  Garten 
in  das  Boudoir  zurückzukehren. 
Unterwegs  hat  er  den  weissen 
Lack  abgestrichen  und  hat  zum 
natürlichen  Holze  gegriffen,  wie 
es  uns  von 
jenseits  des 
Ozeans  in  so 
prächtiger 
Auswahl  ge- 
schickt wird. 
Undmitdem 
weissen  Lack 
hat  auch  so 

mancher 
ZieratderRo- 
kokozeit  ver- 
schwinden 
müssen:  Der 
neue  Stil  verlangt  ein- 
fache, schöne,  elegante 
und  praktische  Formen 
und  gestattet  Zierat  nur 
da,  wo  er  logisch  be- 
gründet ist.  Die  Schrän- 
ke, Tische  und  Stühle 
der     drei      genannten 
Künstler      entsprechen 
allen    diesen    Anforde- 
rungen ;   sie    sind    ge- 
schmackvoll und 
brauchbar,     und     den 
einzigen   Zierat  liefern 
die  Schlösser  und  Hen- 
kel   aus    Bronze    oder 
Kupfer.     Der  in  dieser 
Ausstellung  gezeigte 
Toilettetisch  von 
Selmersheim  und  Plu- 
inet  ist   in  Berlin  aus- 
gestellt und  für  das  dor- 
tige Kunstgewerbemu- 
seum gekauft  worden. 


Entwürfen 
Berlin. 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


119 


O.  M.  WERNER,  Ziergefäss;  ausgeführt  von  Hofjuwelier 
|.  H.  WERNER,  Berlin. 

Kaum  weniger  graziös  in  ihrer  schönen  Einfachheit  sind 
die  Stühle,  der  Schrank  und  der  Tisch  derselben  Künstler. 
Dampt,  der  gewöhnlich  zu  sehr  den  Bildhauer  zeigt, 
um  einfache  Gebrauchsmöbel  herstellen  zu  können, 
hat  dieses  Mal  seinen  Fehler  ganz  verborgen.  In 
seinem  Schreibtische  aus  ungarischem  Eschenholz 
sucht  und  findet  er  vielmehr  die  glücklichsten  Farben- 
effekte; das  grüne  Holz  bildet  mit  dem  blassblauen 
Seidenstoff,  der  die  Wand  hinter  dem  für  das  Boudoir 
der  Gräfin  von  Bearn  bestimmten  Schreibtisch  be- 
decken soll,  eine  äusserst  wohlthuende,  sanfte  Farben- 
harmonie, und  der  Tisch  selbst  ist  einfach  und  schön 
in  seinen  Formen.  Auch  Alexandre  Charpentier  hat 
bei  seinen  beiden  Sesseln  den  Bildhauer  abzustreifen 
gewusst  und  sich  möglichster  Einfachheit  bei  aller 
Eleganz  der  Form  befleissigt  Ausser  diesen  Möbeln 
sind  eine  Anzahl  hübscher  Teppich-  und  Vorhang- 
muster von  Felix  Aubert  ausgestellt;  Moreau-Nelaton 
hat  mehrere  seiner  Fayencen  gesandt,  deren  einfache 
Form  er  den  ländlichen  Geschirren  von  Isle  de  France 
ablauscht,  wie  auch  die  bunte  Dekoration  mit  Blumen- 
motiven nur  die  städtische  Übersetzung  bäuerischer 
Anregungen  ist,  und  Nau-Jahn  ist  mit  einer  Vitrine 
Schmucksachen  vertreten,  die  in  dem  an  ägyptische 
sowie  auch  altgallische  Vorbilder  erinnernden  halb- 
barbarischen Geschmack  gehalten  sind ,  wie  ihn 
Henry  Nocq  und  einige  andere  Kunsthandwerker  des 
Champ  de  Mars  kultivieren.  k.  e.  s. 

WETTBEWERBE 

EIPZIQ.  Preisausschreiben  des  Bibliographischen 
Instituts  um  Entwürfe  von  Bucheinbänden.  Ge- 
wünscht wird  zu  vier  näher  bezeichneten  Ver- 


lagswerken des  Bibliographischen  Instituts  eine  farbige 
Zeichnung  des  Buchrückens  in  ganzer  Grösse  und 
Zeichnung  von  einem  Viertel  des  an  der  Innenseite 
des  Buchdeckels  befindlichen  Vorsatzes.  Jeder  Rücken 
soll  als  Titelschrift  den  Namen  des  Verfassers  und  den 
Inhalt  abgekürzt  enthalten.  Ausgesetzt  sind  für  jede 
der  vier  Aufgaben  Preise  von  300,  200,  150  und 
100  M.  Bei  gleichwertigem  Befund  mehrerer  Ent- 
würfe behält  sich  das  Preisgericht  eine  andere  Ver- 
teilung der  Preise  vor.  Nicht  prämiierte  Entwürfe 
können  für  50  M.  angekauft  werden.  Preisrichter  sind 
Direktor  Dr.  Kautzsch  in  Leipzig,  Direktor  Dr.  P.Jessen 
in  Berlin,  Buchbindereibesitzer  A.  Sperling  in  Leipzig 
und,  wie  wir  annehmen,  ein  Vertreter  der  ausschreiben- 
den Firma.  Einzuliefern  bis  zum  15.  April  igoo  an 
die  ausschreibende  Firma.  -u- 

ZU  UNSERN  BILDERN 

Die  in  diesem  Hefte  abgebildeten  Einbände  von 
P.  Kersten  in  Aschaffenburg  sind  sowohl  in  der  tech- 
nischen Ausführung,  wie  in  der  Zeichnung  und  der 
Wahl  der  verschiedenfarbigen  Leder  besonders  be- 
merkenswert. Bezüglich  der  Ausführung  im  einzelnen 
sei  bemerkt:  Der  Einband  zu  »Der  Radfahrsport  in 
Bild  und  Wort«  (S.  102  oben  links)  ist  ausgeführt  in 
marineblau  Ecraseleder,  Handvergoldung  und  Leder- 
mosaik. Die  magnolienähnlichen  Blüten  sind  heliotrop- 


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Bluiuenvase;  ausgeführt  von  Hofjuweiier  J.  H.  WERNER,  Berlin. 


120 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


färben,  die  aufgelegten  Ornamente  olivgrün.  Der  auf 
S.  102  unten  abgebildete  Einband  zu  einem  Poesie- 
buch zeigt  saftgrünes  Ecraseieder,  weiss  und  violettes 
Ornament,  Handvergoldung  und  Ledermosaik.  Auf 
S.  1 03  finden  wir  einen  Einband  in  dunkelrot  Saffian- 
leder zu  einem  Oästebuch  oder  einer  Hauschronik 
mit  Handvergoldung  und  Ledermosaik.  Das  innere 
Ornament  ist  olivgrün,  das  äussere  Ornament  hellrot 


Blüten  heliotropfarben  gehalten,  und  in  Handvergol- 
dung und  Ledermosaik  ausgeführt.  Der  Einband  wurde 
mit  dem  ersten  Preis  der  König  Ludwigs-Preisstiftung 
des  Bayerischen  Gewerbemuseums,  Nürnberg  1898, 
ausgezeichnet.  Der  Einband  (S.  105  oben  links)  zu: 
»Industrie- Ausstellung  Leipzig  1897'  ist  in  terracotta- 
farbenem  Ecraseieder,  das  innere  Ornament  im  Mittel- 
feld hellblau,    das  äussere  Ornament  olivgrün  ausge- 


Ooldschmuck.     Nach  Entwurf  von  O.  M.  WERNER,   ausgeführt  von  Hofjuwelier  J.  H.  WERNER,  Berlin. 


gehalten.  Das  auf  derselben  Seite  abgebildete  Poesie- 
buch ist  in  hellblau  Saffian  gebunden,  das  Ornament 
wassergrün  gehalten.  Der  Einband  zu  einer  Biographie 
von  »Bonnassieux*  (ein  französischer  Bildhauer),  S.  104 
oben,  zeigt  marineblaues  Ecraseieder,  dunkelblau  ge- 
beiztes Ornament  und  Handvergoldung.  Er  ist  für 
die  Buchbinderei  H.  Sperling,  Leipzig,  gefertigt  worden. 
Der  Einband  zu  Uzanne's,  L'art  dans  la  Decoration 
exterieure  des  livres  (S.  104  unten),  ist  in  orange- 
farbenem  Saffianleder,    das    Ornament   olivgrün,    die 


führt,  die  Blüten  hellblau.  Der  auf  Seite  105  oben 
rechts  wiedergegebene  Einband  zu  Berger's  Novellen 
zeigt  dunkelgrünes  Ecraseieder  mit  grünen  Blättern 
und  hellblauen  Blüten,  während  der  unten  auf  S.  1 05 
abgebildete  Einband  zu  Uzanne's  L'art  dans  la  Deco- 
ration exterieure  des  livres  eine  Ausführung  in  Hand- 
vergoldung auf  rotbraunem  Ecraseieder  erhalten  hat, 
wobei  das  punktierte  Band  dunkelrot  gebeizt,  die 
Blüten  hellblau  gehalten  sind.  Dieser  Einband  wurde 
für  die  Buchbinderei  H.  Sperling,    Leipzig,  gefertigt. 


Herausgeber  und  für  die  Redaktion  verantwortlich:  Professor  /Ca/-/  Hoffacker,  Architekt  in  Charlottenburg- Berlin. 

Druck  von  Ernst  Hedrich  Nachf.  in  Leipzig. 


Kunstgewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  7. 

19 


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Wohnzimmer  eines  veriieirateten  Arbeiters,  ausgeführt  von  S.  )ARAY  in  Wien. 


K.  K.  ÖSTERREICHISCHES  MUSEUM  FÜR  KUNST  UND 

INDUSTRIE  IN  WIEN. 

DIE  DRITTE  WINTERAUSSTELLUNG  UND  DIE  KONKURRENZ 
AUS  DEM  HOFTITELTAXFOND. 


Als  ich  vor  zwei  Jahren  in  den  Spalten  dieser 
Zeitschrift  die  erste  »Winteraussteliung«  der 
Aera-Scala,  —  das  Debüt  des  »neuen  Kurses« 
besprach,  schloss  ich  meinen  Bericht  mit  einem  Hin- 
weis auf  die  fundamentale  Wichtigkeit  einer  liebevoll 
eingehenden  Pflege  der  bis  dahin,  wenigstens  bei 
uns  zu  Lande,  arg  vernachlässigten  billigeren,  für  ein- 
fachere Kreise  arbeitenden  Kunstindustrie,  als  des 
einzigen  Weges,  auf  dem  sich  die  neue  Richtung 
wahrhaft  popularisieren,  zugleich  aber  auch  dauernd 
über  das  Niveau  der  Mode  erheben  liesse.  Und  ich 
glaubte,  an  ein  paar  Objekte  der  Ausstellung,  die, 
unter  Wahrung  einheitlicher  künstlerischer  und  tech- 
nischer Gediegenheit,  dank  ihrer  bedeutenden  Preis- 
und  daher  auch  Stilunterschiede  durchaus  verschie- 
denen Gesellschaftsklassen  galten,  die  freilich  noch 
einigermassen  schüchterne  Hoffnung  knüpfen  zu 
dürfen,  dieses  wesentlichste  Postulat  einer  gedeihlichen 
Entwicklung  über  kurz  oder  lang  verwirklicht  zu 
sehen.     Thatsächlich  hat  die  zweite  Winterausstellung 


des  Österreichischen  Museums  in  ihren  vielen  für 
weniger  bemittelte  Gesellschaftsschichten  berechneten 
Arbeiten  die  Hoffnungen  des  Vorjahres  in  erfreu- 
lichstem Masse  erfüllt.  Das  heurige  Jahr  aber  hat  sie 
aufs  überraschendste  übertroffen.  Denn  das  Öster- 
reichische Museum  hat  sich  durch  eine  sehr  bedeut- 
same Preisausschreibung  für  die  »Einrichtung  des 
Wohnzimmers  eines  verheirateten  Arbeiters«  mit 
schöner  Energie  sogar  jener  Gesellschaftsklasse  ange- 
nommen, deren  geschmackliche  Sanierung  selbst  den 
alleroptimistischsten  Zukunftsträumern  stets  als  allzu- 
kühne Utopie  erschienen  war:  des  allerkleinsten 
Mannes,  dem  bislang  der  unerhörte  Schund  schmäh- 
lichster Trödelware  —  ohne  dass  sich  die  mass- 
gebenden Stellen  auch  nur  einen  Pfifferling  darum 
gekümmert  hätten  —  den  letzten  Rest  ästhetischen 
Gefühles  erstickt  hatte,  der  ihm  etwa  noch  aus  den 
guten  alten  Zeiten,  da  das  Handwerk  auch  ihm  tüch- 
tigen, anständigen  Hausrat  bot,  geblieben  sein  mochte! 
Obwohl  die  Ausstellung  der  bei  dieser  Konkurrenz 

19' 


124 


K.  K.  ÖSTERREICHISCHES  MUSEUM  FÜR  KUNST  UND  INDUSTRIE  IN  WIEN 


eingelaufenen  Arbeiten  und  Entwürfe  —  ich  habe  auf 
sie  weiter  unten  noch  des  näheren  zurüci<zukommen  — 
erst  einige  Zeit  nach  der  Eröffnung  der  diesjährigen, 
dritten  Winterausstellung  des  Österreichischen  iVluseums 
stattgefunden  hat,  glaubte  ich  doch  einen  Hinweis  auf 
sie  der  Besprechung  dieser  letzteren  vorausschicken 
zu  sollen,  denn  nur  die  schöne  Tendenz  gleich- 
massiger  Förderung  des  strikte  differenzierten  Kunst- 
gewerbes aller  sozialen  Klassen,  die  die  erwähnte 
Konkurrenz  so  glücklich  verkörpert,  scheint  mir  die 
erfreuliche  Erreichung  des  richtigen  Niveaus  vollauf 
erklären  zu  können,  auf  dem  sich  die  Arbeiten  der 
Winterausstellung  in  nahezu  völliger  Einheitlichkeit 
halten. 

Eine  langatmige  Auseinandersetzung  dessen,  was 
ich  —  und  mit  mir  wohl  jeder,  der  der  Entwicklung 
des  modernen  Kunsthandwerks  Anteil  entgegenbringt  — 
unter  diesem  »richtigen  Niveau«  verstehen  zu  sollen 
glaube,  möge  ein  Hinweis  auf  die  schönen  und  be- 
herzigenswerten diesbezüglichen  Ausführungen  A.  L. 
Plehn's  ersetzen,  die  das  zweite  Heft  des  laufenden 
Jahrgangs  dieser  Zeitschrift  enthalten  hat.  Was  Plehn 
an  den  Zimmerausstellungen  der  letzten  Ausstellungen 
in  Berlin,  München  und  Dresden,  unter  gerechter  An- 
erkennung des  vielen  Trefflichen,  das  sie  boten,  mit 
Recht  getadelt  hat,  —  das  peinliche  Vordrängen  der 
Einzelheiten,  die  modische  Spielerei  einer  gemachten, 
raffinierten_  Einfachheit  oder  andererseits  das  ver- 
wirrende Überwuchern  des  Dekorativen,  kurz  alle  die 
naheliegenden  Konsequenzen  einer  rastlosen  Sucht 
nach  dem  Aparten,  Nochnichtdagewesenen:  all  das 
ist  planmässig  und  nachsichtslos  aus  dem  Boden  des 
Wiener  Kunsthandwerks,  wie  es  die  diesjährige  Winter- 
ausstellung vorführt,  ausgejätet  worden. 

Das  nahezu  einzige  Objekt  der  Ausstellung,  auf 
das  das  Gesagte  vielleicht  nicht  vollständig  zutrifft, 
ist  das  vielbesprochene,  lebhaft  angegriffene,  lebhaft 
verteidigte  Interieur,  das  A.  Ungethiim  nach  den  Ent- 
würfen Prof.  Olbrich's  ausgeführt  hat,  des  genialen 
Architekten,  den  die  Darmstädter  Künstlerkolonie  dem 
ihm  so  viele  fördernde  Impulse  dankenden  Wiener 
Kunstleben  entführt  hat.  Meines  Erachtens  lässt  sich 
nicht  leugnen,  dass  die  Konzeption  des  Raumes  nicht 
frei  sei  von  einer  gewissen  Originalitätshascherei  und 
einer  Unruhe  in  den  Formen  und  namentlich  den 
Farben,  die  die  Wohnlichkeit,  —  ich  möchte  fast 
sagen,  die  Bewohnbarkeit  des  Zimmers  höchst  proble- 
matisch macht:  das  helle  Holzwerk  der  Möbel  mit 
seinen  derb  gefärbten  Intarsien,  die  aschfarbenen 
Polsterungen  mit  ihren  feuerroten  Applikationen,  vor 
allem  die  riesigen  grün-blau-schwarzen  Applikationen 
der  weisslich-grauen  Wandbezüge  —  in  der  in  unserer 
Abbildung  wiedergegebenen  Kaminpartie  des  Raumes 
wurden  diese  Wandappliken  durch  nachträgliches  Ab- 
spritzen mit  weisser  Farbe  etwas  gedämpft  —  dies 
alles  ergiebt  einen  ans  Wirre  grenzenden  Gesamt- 
effekt. Freilich  entschädigt  für  die  Dissonnanz  des 
Totaleindrucks  die  ausserordentliche  technische  Tüch- 
tigkeit der  Ausführung  —  A.  Ungethüm,  der  sich 
im  Vorjahre  durch  ein  brillantes  Herrenzimmer  aus- 
gezeichnet hat,  zählt  ja  zu  den  bewährtesten  Firmen 


Wiens  —  und  insbesondere  die  unvergleichlich  liebe- 
volle Durchbildung,  die  geistvolle  Erfindung  der 
Details,  namentlich  die  Fülle  von  Motiven,  in  denen 
Olbrich    bei    aller  Dominanz    seines   Lieblingsmotivs 

—  des  mit  grosslinig  stilisiertem  Blüten-  und  Blatt- 
werk gefüllten  Kreises  —  unerschöpflich  schwelgt; 
von  diesem  Standpunkt  aus  betrachtet,  ist  das  Interieur 
ein  Unikum  genialer  künstlerischer  Kraftäusserung; 
doch  muss  man  wünschen,  dass  es  Unikum  bleibe 
und  nicht  Schule  mache:  »Quod  licet  Jovi « 

Die  übrigen  Interieurs  der  Ausstellung  erfreuen, 
wenn  man  von  einer  misslungenen  Zimmerausstaltung 
C.  Bamberger's  absieht,  die,  im  Gegensatz  zu  dem 
vorjährigen  prächtigen  Sheraton-Speisezimmer  derselben 
Firma,  in  einem  sehr  banalen  und  aufdringlichen 
Tapeziererstil  gehalten  ist,  durch  wohlthuende  Zurück- 
haltung gegenüber  den  Extravaganzen,  zu  denen  neue 
Richtungen  so  leicht  verlocken,  durch  gesunde,  auf- 
richtig betonte  Zweckmässigkeit,  durch  klare  Knapp- 
heit und  Straffheit  in  der  Formgebung  und  durch 
feine  Bescheidenheit  im  Dekorativen.  Es  zeigt  sich  in 
ihnen  deutlich,  dass  in  der  modernen  Innendekoration 
der  Architekt  den  Tapezierer  abgelöst  hat:  keine  viel- 
fältigen Draperien  mehr,  wie  sie  seinerzeit,  licht- 
raubend und  luftraubend,  die  Zimmer  ->schmückten«; 
keine  »schwellenden«  Polsterungen  mehr,  wie  sie  ehe- 
dem die  Sitzmöbel  zu  marklosen,  schwammigen  Ge- 
bilden machten!  Aber  auch  beileibe  keine  »Archi- 
tekturen«, wie  es  etwa,  unter  der  Prädominanz  der 
Baukunst,  in  der  Zimmerausstattung  der  späteren 
Gotik  der  Fall  war,  sondern  echte,  wahre  Tektonik, 
die  aus  dem  Material,  aus  dem  Bedürfnis  heraus,  auf 
dem  kürzesten  und  einfachsten  Wege  Kunstformen 
bildet,  auf  alles  Überflüssige,  Spielende  verzichtet  — 
verzichten  kann,  weil  sie  es  nicht  zur  Bemäntelung 
grundgedanklicher  Leere  braucht ! 

Die  diesen  Bericht  begleitenden  Abbildungen  des 
Pospischill'schen  Speisezimmers  und  des  Schönthaler- 
schen  Landhauszimmers  unserer  Ausstellung  werden 
das  Gesagte  bestätigen;  das  erstere,  ein  überaus  ele- 
ganter, beinahe  pompöser  Raum  —  wenn  man  den 
Ausdruck  angesichts  der  Anspruchslosigkeit  der 
Formengebung  lediglich  in  Hinsicht  auf  die  Vor- 
nehmheit des  Materiales  (schönstes  Mahagoni,  Kristall- 
glas, Bronzebeschläge)  und  die  ungemeine  Feinheit 
der  Ausführung  gebrauchen  darf  —  ist  von  Prof. 
J.  Hoffmann  entworfen,  der  durch  seine  eigenen 
Arbeiten,  sowie  durch  seine  zu  immer  grösserer  Be- 
deutung heranwachsende  Schule  einen  ebenso  grossen 
wie  glücklichen  Einfluss  auf  das  Wiener  Kunsthand- 
werk nimmt,  und  kann  als  Typus  einer  wahrhaft  ge- 
sunden Moderne  gelten;  die  Ausstattung  des  von 
Schönthaler  entworfenen   und    ausgeführten   Zimmers 

—  ein  selten  bequemes  und  behagliches  und  dabei 
bei  der  glänzenden  Tüchtigkeit  der  Arbeit  staunens- 
wert billiges  Mobiliar  (es  kostet  nicht  ganz  looo  Kro- 
nen) —  ist,  wenn  man  von  kleinen  Anlehnungen  an 
den  gemütlichen  Biedermännerstil  absieht,  der  ja  seit 
kurzem  in  die  Reihe  der  »offiziell  anerkannten«  Stile 
vorgerückt  ist,  gleichfalls  durchaus  modern  im  schönsten 
Sinne  des  Wortes.  —  In  beiden  Räumen  ist  die  nahezu 


K.  K.  ÖSTERREICHISCHES  MUSEUM  FÜR  KUNST  UND  INDUSTRIE  IN  WIEN 


125 


puritanische  Schlichtheit  der  Formen  und  des  ganzen 
Arrangements  wettgemacht  durch  den  ^  Zauber  der 
Farbe:  im  Hoffmann -Pospischill'schen  Zimmer  hebt 
an  den  Wänden  und  den  Bezügen  der  Sitzmöbel  ein 
feines  Grau- blau  den  prächtigen  Ton  des  dunklen 
Mahagoni  und  den  Glanz  der  spiegelnden  Kristall- 
scheiben ;  im 
Schönthaler- 

schen    In- 
terieur klingt 
die  reizvolle 
Färbung  des 
schwach  sie- 
gellackrot 
gebeizten 
und   in    der 
Maserung 
leicht  mit 
grünlicher 
Bronzefarbe 
eingelasse- 
nen Eichen- 
holzes mit 
den    matten 

Messingbeschlägen,  dem  Lawendel- 
blau  der  Tapeten,  den  bunten  Blu- 
men des  im  Fond  blauen  Cretons 
der  Bettdecke,  der  Vorhänge  u.  s.  w. 
zu  einem  unvergleichlich  schönen, 
frischen  und  doch  sanft  abgedämpf- 
ten  Gesamtaccord  zusammen. 

Auch  bei  einem  dritten  Juwel 
unter  den  neun  Interieurs  der  dies- 
jährigen Winterausstellung,  einem 
von  M.  Niedermoser  reizend  aus- 
gestatteten Damensalon,  spielt  die 
feindurchdachte  Zusammenstellung 
der  Farben  —  hellgrau  gebeiztes 
Ahornholz,  leuchtendgelbe  Wand- 
und  mattblaue  Möbelbezüge  —  die 
Hauptrolle;  doch  ist  hier  das  deko- 
rative Moment  nicht  so  schlankweg 
negiert,  wie  in  den  beiden  früher  ge- 
nannten Räumen;  das  gilt  insbe- 
sondere von  dem  zwecklich  nicht 
erforderten,  aber  im  Effekt  sehr  hüb- 
schen und  flott  gezeichneten  Holz- 
bogen, der,  zwei  einander  gegen- 
überstehende Pfeilerschränkchen  ver- 
bindend, das  Zimmer  in  zwei  Kom- 
partimente  teilt  und  dadurch  die 
malerische  Wirkung  des  Raumes 
wesentlich  erhöht,  ohne  sie  jedoch 
im  geringsten  gesucht  oder  aufdring- 
lich zu  gestalten. 

Diese  richtige  Mitte  zwischen 
Rein-Nutzmässigem  und  Dekorati- 
vem, zwischen  Streng- Tektonischem 
und  Malerischem  ist  auch  in  den 
übrigen  Interieurs  der  Ausstellung 
glücklich    eingehalten    worden:     in 


Etagere,  entworfen  und  ausgeführt  von  FRANZ  ZELEZNY  in  Wien. 


einer  vom  Architekten  Leopold  Müller  entworfenen,  von 
J.  W.  Müller  ausgeführten  schönen,  anheimelnden 
»Hall«,  in  der  eine  nach  der  oben  ringsumher- 
laufenden Galerie  führende,  sehr  malerisch  wirkende 
Treppe,  eine  eingebaute  behagliche  Kaminecke  und 
ein  angebautes  trauliches  »Cosy  Corner«  ebenso  durch 

ihre  reizvol- 
len   Details, 
wiedurch  ih- 
re gelungene 
Zusammen- 
stimmung 
gerechte  Be- 
wunderung 
erregen;     in 
einem    nach 
den  Entwür- 
fen  des  Ar- 
chitekten 
Baron  F. 
Kraus     von 
Portois  CrFlx 
hergestellten 
»Atelier«,  in 
dem  das  in  den  Einzelheiten  einiger- 
niassen   an   van   der  Velde    gemah- 
nende Holzwerk,  trotz  seiner  etwas 
missglückten,  schmutzig  graubraunen 
Färbung,  angenehm  auffällt;  in  einer 
ausserordentlich  phantasievollen  Jagd- 
lialle   (Entwurf  von   Max    Schmidt, 
Ausführung  von  F.  O.  Schmidt),  in 
der  bequeme  modernenglische  Leder- 
fauteuils  die  zweckmässige  Möblie- 
rung bilden,    während    eine   eigen- 
artige   Architektur   (flaches   Kuppel- 
gewölbe   über    mächtigen    Penden- 
tifs,  breite  Bogen,  gedrungene  Zwerg- 
säulen) —  ein  glänzend  gelungener 
Versuch,    mittelalterliche  Bauformen 
mit    modernem    Geiste    zu    durch- 
setzen  —   den   überaus    poetischen, 
fascinierenden     Rahmen     abgiebt'); 
schliesslich  in  dem  interessanten  nach- 
Max  Jaray's   Zeichnung  von  Sieg- 
mund Jaray    geschaffenen    Damen- 
schlafzimmer, das  eine  unserer  Illu- 
strationen zeigt;  dieser  luxuriöse  und 
namentlich  in  der  einheitlichen  hell- 
gelblich-violetten    Farbenstimmung 
märchenhaft  schöne  Raum    ist    ins- 
besondere beachtenswert  wegen  der 
aparten    Schnitzereien,     mit    denen 
F.  Zelezny  das  durchgehends  mit  un- 
poliertem  Cedernholz  fournierte  Holz- 
werk verziert  hat:  das  Fournierholz 


,Ofen ,  nach  Entwurf  des  Architekten 

RUDOLF  HAMMEL  ausgeführt  von 

L.  &  C.  HARDTMUTH  in  Wien. 


i)  Leider  Hess  sich  dieser  hochin- 
teressante Raum  infolge  Misslingens  der 
photographischen  Aufnahmen  nicht  re- 
produzieren. 


126 


K.  K.  ÖSTERREICHISCHES  MUSEUM  FÜR  KUNST  UND  INDUSTRIE  IN  WIEN 


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Olasservice,  nach  Entwurf  des  Prof.  K.  MOSER  ausgeführt  von  E.  BAKALOWITS'  SÖHNEN  in  Wien. 


ist  nämlich  entsprechend  den  Konturen  der  geschnitz- 
ten Rosen  ausgeschnitten,  und  diese  selbst  sind  in 
flachstem  Relief  im  Blindholz  ausgeführt  und  leicht 
polychromiert. 

Die  Werke  F.  Zelezny's,  der  sich  in  den  letzten 
Jahren  zum  virtuosesten  Holzbildner  Wiens  heraus- 
gebildet hat, 

nehmen 
auch  unter 
den  zahllo- 
sen Einzel- 
gegenstän- 
den unserer 
Ausstellung 
einen  her- 
vorragenden 
Platz  ein :  die 
hier  abgebil- 
dete Rosen- 
etagere, in 
der  sich  seine 
Eigenart  — 
die  nur  auf 
Grund  phä- 
nomenaler 
Beherr- 
schung der 
Technik 
mögliche 
treffsichere  Skizzenhaftigkeit  der  Darstellung  —  beson- 
ders prägnant  ausspricht,  zählt  zu  seinen  interessan- 
testen Arbeiten;  daneben  hat  er  noch  eine  Reihe  an- 
derer Werke  ausgestellt,  so  eine  wundervolle  holzge- 
schnitzte Maske  Beetho- 
ven's,  die,  was  Auffassung, 
liebevolles  Eingehen  in 
die  Details,  gewissenhafte 
und  doch  keineswegs  klein- 
liche Ausführung  anbe- 
langt, ihresgleichen  sucht! 

Die  Einzelmöbel  der 
Ausstellung  bestechen 
gleichfalls  nahezu  durch- 
gehends  durch  die  grosse 
Gediegenheit  der  Arbeit; 
insbesondere  gilt  dies  von 

einigen  Nachbildungen 
mustergültiger  alter  Möbel, 
so  einer  von  /.  Kßpfer 
ausgeführten  Kopie  eines 
aus  der  Zeit  um  1 8oo  da- 
tierenden englischen  Toi- 
lettetisches des  South- 
Kerisington-Museums:  die 
einsichtsvolle  Leitung  des 

Osterreichischen  Museums  hält  an  dem  löblichen 
Prinzip  fest,  dass  es  den  modernen  Kunsthandwerker 
nur  fördern  kann,  wenn  er  ab  und  zu  bei  den  alten 
Stilen  wieder  einmal  in  eine  strenge  Schule  geht! 

Auf  die  ausgezeichneten  Leistungen  der  Wiener 
Kupfertreibkunst    —    an    ihrer    Spitze    steht    Georg 


Steinzeuggefässe.    K.  K.  Fachschule  in  Teplitz. 


Klitnt  —  habe  ich  bereits  im  Vorjahre  eingehender 
hingewiesen;  sie  ragen  auch  in  der  heurigen  Winter- 
ausstellung ganz  besonders  hervor,  ebenso  die  Bronzen, 
auf  deren  Gebiet  ein  junger,  an  der  Wiener  Kunst- 
gewerbeschule herangebildeter  und  dann  in  Paris 
längere  Zeit    thätig    gewesener,    überaus   talentvoller 

Bildhauer, 
G.  Oursch- 
ner,  mit  sei- 
nen etwas  an 
Valgreen  ge- 
mahnenden, 
für  Aschen- 
schalen, Be- 
leuchtungs- 
körper und 
dergleichen 
verwendeten 

pikanten 
Frauenfigür- 
chen  beson- 
ders    excel- 
liert. 

Unter  den 
Glaswaren 
nehmen 
nach  wie  vor 
die  Arbeiten 
MOnE.Baka- 
lowits'  Söhnen  und  der  im  Tiffany-Genre  arbeitenden 
Spaun'schen  Glashütte  Klostermühle  die  ersten  Plätze 
ein,  wenn  sich  ihnen  auch  in  diesem  Jahre  zum  ersten- 
male  wieder    tüchtige    Leistungen    L.  Lobmeyr's,    der 

endlich  mit  der  »neuen 
Richtung«  ausgesöhnt  ist, 
an  die  Seite  gestellt  haben. 
Viel  Neues  und  ganz 
hervorragend  Schönes  bie- 
tet heuer  die  Keramik. 
Zum  erstenmale  sieht  man 
einfache  moderne  Öfen 
und  Kamine  ausgestellt, 
darunter  ein  wirklich  präch- 
tiges Stück,  den  vom  Ar- 
chitekten R.  Hammel,  dem 
trefflichen  artistischen  Bei- 
rat   des    Österreichischen 

Museums  gezeichneten, 
von   L.  &  C.  Hardtmuth 

fabrizierten  hellgrünen 
Ofen,  den  unsere  Abbil- 
dung wiedergiebt.  An 
klein -keramischen  Objek- 
ten wären  vornehmlich  zu 
erwähnen  die  hübschen 
U^aÄ/Äss'schen  Porzellane  in  Kopenhagener  Art  und 
die  ausgezeichneten  Eosin -Fayencen  von  Zsolnay  in 
Fünfkirchen,  die,  nach  einer  recht  langen  Zeit  höchst 
unerfreulichen,  unsicheren  Umhertappens  im  Finstern, 
nun  auf  einmal  sowohl  in  formaler,  als  in  kolo- 
ristischer Hinsicht  zu  entzückendem  Eigen  -  Charakter 


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K.  K.  ÖSTERREICHISCHES  MUSEUM  FÜR  KUNST  UND  INDUSTRIE  IN  WIEN 


gelangt  sind.  Durch  ganz  ausnehmend  schöne  Stein- 
zeugarbeiten (vergl.  Abbildung)  überrascht  die  k.  k. 
Fachschule  in  Teplitz,  die  sich  unter  der  Leitung 
ihres  trefflichen  Direktors  Stäbchen -Kircher  aus  den 
unscheinbarsten  Anfängen  zu  hervorragender  Be- 
deutung aufgeschwungen  hat:  es  sind  Vasen,  Krüge, 
Blumentöpfe  und  dergl.,  die  im  allgemeinen  einiger- 
massen  teils  an  Läuger,  teils  an  die  ähnlichen  fran- 
zösischen Arbeiten  erinnern,  dabei  aber  im  Stil  durch- 
aus unabhängig  und  eigenartig  sind  und  sich 
namentlich  durch  erquickende  Unmittelbarkeit  der 
Naturbeobachtung  in  ihrem  plastischen  Blumendekor 
auszeichnen. 

Neu  sind  im  Österreichischen  Museum  auch  die 
schönen  Juwelierarbeiten,  die  die  Firmen  Hauptmann 
und  Rozet  &  Fischmeister  ausgestellt  haben,  desgleichen 
die  vorzüglichen  Silberschmiedearbeiten  von  /  Bannert, 
V.  Mayer's  Söhnen  u.  a. 

Die  ausgezeichneten  Leistungen  moderner  Stick- 
kunst, mit  denen  schon  im  Vorjahre  L.  Nerotny,  die 
Frauenerwerbschule  zu  Ischl  u.  a.  schöne  Erfolge  erzielt 
haben,  sind  in  diesem  Jahre  durch  eine  Reihe  tüchtiger 
Dilettantenarbeiten  vermehrt  worden,  unter  denen  die 
in  Zeichnung  und  Ausführung  gleich  wunderbaren 
Stickereien  der  Frau  Bertha  Landauer  besonders 
hervorragen. 

Dass  das  Gesamt-Arrangement  der  Ausstellung  ein 
überaus  ansprechendes  ist,  dafür  bedarf  es  nur  eines 
Hinweises  auf  den  anerkannt  vornehmen  Geschmack 
des  Direktors  des  Österreichischen  Museums,  Hofrats 
von  Scala  und  auf  den  Stab  hingebender  Mitarbeiter, 
den  er  an  den  Beamten  des  Museums  gefunden  hat: 
es  geht  ein  eigenartiger  Zug  grossstiliger  Noblesse, 
der  das  Talmiehafte,  Protzige,  Gekünstelte  und  Ge- 
schniegelte, ebenso  fern  liegt,  wie  die  Philisterei,  durch 
alle  Unternehmungen  des  Österreichischen  Museums, 
durch  das  gesamte  Wiener  Kunsthandwerk,  soweit  es 
unter  der  Ägide  dieses  Institutes  steht. 

Der  Hauptgrund  aber  für  die  innerliche  Gediegenheit 
des  Wiener  Kunsthandwerkes,  für  die  ruhige,  gleich- 
massige,  durch  keinerlei  modische  Excesse  gestörte 
Fortentwicklung,  die  die  Moderne  hier  gefunden,  liegt 
meines  Erachtens  —  ich  wiederhole  es  —  darin,  dass 
das  moderne  Wiener  Kunstgewerbe  von  vornherein, 
soweit  es  anging,  radikal  gegen  die  Gefahren  der  Mode 
gefeit  ward,  indem  man  sich  massgebenden  Orts  be- 
strebte, den  vernichtenden  Wirbel  der  Mode  zu  hemmen, 
der  alles  Gute,  Neue,  verschlechtert  und  verbilligt  in 
alle  gesellschaftlichen  Kreise  hinunterzieht  und  so  zu 
rastloser  Neuerung,  zum  ewigen  Haschen  nach  der 
»höchsten  Nouveaute«  treibt;  indem  man  die  geschmack- 
liche Leitung  der  unbemittelteren  Schichten  nicht  mehr 
der  Plunderindustrie  überliess,  sondern  sie  selbst  in 
die  Hand  nahm.  Damit  bin  ich  auf  die  bedeutungs- 
volle Konkurrenzausschreibnng  des  Österreichischen 
Museums  zurückgekommen,  von  der  ich  eingangs 
dieser  Zeilen  gesprochen. 

Die  Preisausschreibung  aus  dem  Hoftiteltaxfond, 
jener  seit  den  Zeiten  Eitelberger's  den  Zwecken  des 
Osterreichischen   Museums   zur  Verfügung   gestellten, 


reichen  Einnahmsquelle  i),  die  unter  dem  früheren 
Regime  fast  ausnahmslos  zur  Anschaffung  der  un- 
brauchbarsten Prunkstücke  verwendet  worden  war, 
hatte  ausser  der  erwähnten,  auf  die  Einrichtung  eines 
Arbeiterzimmers  bezüglichen  Aufgabe,  noch  drei 
weitere  Preisaufgaben  gestellt,  die  der  sehr  reform- 
bedürftigen Speisetisch -Ausstattung  des  einfacheren 
Haushaltes  —  Damasttischzeug,  Porzellan-  und  Glas- 
services für  12  Personen  —  galten. 

Die  erste  dieser  Aufgaben  hat-,  dank  den  gut- 
geschulten Zeichnern  der  grossen  österreichischen 
Leinwandwarenfabriken  und  dank  der  Trefflichkeit  und 
Universalität  der  Wiener  Kunstgewerbeschüler,  eine 
Reihe  höchst  befriedigender  Entwürfe  eingebracht: 
der  erste  Preis  ist  einem  sehr  vornehmen,  einiger- 
massen  anglisierenden  Entwurf  J.  Benesch's  (Kgl.  Wein- 
berge, Prag)  zugefallen,  der  die  Musterung  des  Tisch- 
zeuges —  ein  ziemlich  streng  stilisiertes  Beerenmuster  — 
lediglich  auf  die  Bordüren  beschränkt;  den  zweiten 
Preis  hat  M.  Pillis  (Mährisch-Schönberg)  mit  einem 
flott  gezeichneten  Windenmuster  errungen,  das  nur 
in  der  Eckbildung  einigermassen  schwerfällig  ist; 
lobende  Anerkennung  fanden  u.  a.  Fräulein  M.  Peyfuss 
(Kunstgewerbeschule  Wien)  mit  einem  entzückenden 
Schierlingmuster  und  M.  Benirschke  (Kunstgewerbe- 
schule Wien)  mit  einem  schönen,  phantasiereichen 
Paradiesvogelmuster,  bei  dem  wieder  einmal  der  hübsche, 
aber,  wie  es  scheint,  im  Publikum  nicht  goutierte 
Gedanke,  die  Plätze  der  Teller  in  der  Musterung 
vorzuzeichnen,  in  Anwendung  gebracht  ist. 

Die  auf  das  Porzellanservice  bezügliche  Preis- 
ausschreibung hat  einen  ziemlich  kläglichen,  immerhin 
aber  insofern  dankenswerten  Erfolg  gehabt,  dass  der 
geschmackliche  Tiefstand  eines  gründliche  Nachhilfe 
dringend  erfordernden,  wichtigen  Gebietes  unseres 
kunsthandwerklichen  Schaffens  klar  vor  Augen  geführt 
worden  ist:  die  eingesandten  Entwürfe  sind  durch- 
gehends  so  geistlos,  zweckwidrig  und  unschön,  dass 
sie  eine  auch  nur  flüchtige  Erwähnung  überflüssig 
machen.  Ich  will  hier  nur  auf  den  wahrschein- 
lichen Grund  dieser  bedauerlichen  Erscheinung  hin- 
weisen, der  wohl  darin  zu  suchen  sein  dürfte,  dass 
unsere  zahlreichen  grossen  Porzellanfabriken  ihr  Haupt- 
augenmerk auf  die  Erzeugung  von  künstlerisch  sehr 
minderwertiger  Massenexportware  richten  und  daher 
auf  gründlichere  Ausbildung  ihrer  Dessinateure  durch- 
aus kein  besonderes  Gewicht  legen. 

Ganz  ausgezeichnet  ist  hingegen  die  Konkurrenz 
für  das  Qlasservice  ausgefallen,  und  insbesondere  ver- 
dient das  erstprämiierte,  von  Kolo  Moser  gezeichnete, 
von  Bakalowits  ausgeführte,  billige  Service,  das  unsere 
Abbildung  zeigt,  eingehendste  Beachtung:  ich  möchte 
namentlich,  was  seinen  praktischen  Wert  anbelangt, 
auf  die  kräftige  und  doch  keineswegs  schwerfällig 
wirkende  Bildung  der  Wandungen  und  der  Stängel 
und    die    kluge   Verlegung    der    Schwerpunkte    nach 


i)  Bei  Zuerkennung  des  Titels  eines  K.  u.  K.  Hof- 
lieferanten hat  die  betreffende  Firma  eine  Taxe  zu  ent- 
richten, die  über  Anordnung  des  Kaisers  dem  Österreichi- 
schen Museum  zufliesst. 


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Kimstgewerbeblatl.    N.  F.    XI.    H.  7. 


20 


130 


K.  K.  ÖSTERREICHISCHES  MUSEUM  FÜR  KUNST  UND  INDUSTRIE  IN  WIEN 


unten,  was  den  künstlerischen  Wert  betrifft,  auf  die 
noblen  Silhouetten  der  einzelnen  Gefässe  und  auf  den 
einfachen,  der  Technik  des  Gusses  so  entsprechenden 
und  die  Brillanz  so  wesentlieh  erhöhenden  Dekor  durch 
stellenweise,  scheibenförmige  Abplattungen  hindeuten. 

Das  weitaus  lebhafteste  Interesse  aber  nimmt  nahe- 
liegender Weise  das  Ergebnis  der  vierten  Preisaufgabe 
in  Anspruch,  welche  die  in  praktischer  und  ästhetischer 
Hinsicht  befriedigendste  Einrichtung  des  Wohnzimmers 
eines  verheirateten  Arbeiters  zum  Gegenstande  hatte. 
Der  Höchstbetrag  der  Kosten  dieser  Einrichtung  war 
mit  300  Kronen  präliminiert,  —  nach  einstimmigen 
Urteil  der  Fachkreise  der  Minimalpreis  einer  wirklich 
gediegenen  Einrichtung  —  und,  um  etwaige  in  Wahrheit 
teurere  Reklamearbeiten  fernzuhalten,  hatte  die  Preis- 
ausschreibung die  Bedingung  aufgestellt,  dass  die 
Bewerber  sich  verpflichten  mussten,  gegebenenfalls 
binnen  Jahresfrist  zwanzig  solcher  Einrichtungen  zum 
gleichen  Preise  anfertigen  zu  können.  Trotz  dieser 
strengen  Bestimmungen  war  die  Beteiligung  an  der 
Konkurrenz  eine  sehr  rege:  es  liefen  33  Entwürfe 
und  12  vollständig  ausgeführte  Mobiliare  ein,  und 
unter  den  Konkurrenten  waren  nahezu  alle  bedeuten- 
den Möbelfirmen  Wiens  vertreten,  —  erfreuliche  Beweise 
für  die  richtige  Würdigung,  die  die  schöne  Tendenz 
der  Preisausschreibung  in  den  Fachkreisen  gefunden. 

Unter  den  Konkurrenzarbeiten  befinden  sich  einzelne 
sehr  hervorragende  Leistungen.  Der  Hofmann-Schüler 
C.  Sumetzberger  (Kunstgewerbeschule  Wien)  hat  den 
ersten  Preis  mit  einem  vorzüglichen  Entwurf  davon- 
getragen, in  dem  die  einzelnen  Möbel  sich  ebenso 
durch  ihre  grosse  Zweckmässigkeit  —  keine  staub- 
fangenden und  leicht  zu  beschädigenden  Ornamente, 
glatte,  gut  reinzuhaltende  Flächen,  praktische  Formen 
—  als  durch  ihre  sehr  ansprechende  Zeichnung  er- 
freuen.    In  dem  zweitprämiierten  ya/'oy'schen  Interieur 


(vgl.  die  Abbildung)  steckt  viel  Gutes,  doch  scheinen 
mir  die  eingelassenen  Flachschnitzereien,  abgesehen 
davon,  dass  sie  den  Preis  auf  Kosten  mancher  wich- 
tigerer Dinge  unnötig  erhöhen,  zu  fein  und  zart  für  den 
derberen  Geschmack  des  Arbeiters  zu  sein,  während 
andererseits  die  unpraktischen  Strohpolsterungen  der 
Stühle  ein  höchst  überflüssiges  Kokettieren  mit  der 
sehr  zweifelhaften,  sentimentalen  Idylle  der  -glücklichen 
Armut«  darstellen  dürften.  Sehr  tüchtig  ist  eine 
behagliche  Eichen-Einrichtung ScAö«//ra/e/s  ausgefallen, 
desgleichen  ein  prächtiges  Rusten-MobiliarPos/j/sc/r/V/'s 
und  eine  sehr  zweckmässige  Zimmereinrichtung 
Niedermoser' s,  die  freilich  einen  etwas  gar  zu  ernsten, 
unfreundlichen  Eindruck  macht. 

Es  ist  eben  sehr  schwierig,  hier  die  richtige  Mitte 
zwischen  unsolidem  Scheinluxus  und  nüchterner  Ge- 
diegenheit, den  Ausgleich  zwischen  dem  naiven,  rohen 
Geschmack  des  Arbeiters  und  den  geschulten  und  oft 
blasierten  Schönheitsideen  der  gebildeteren  und  wohl- 
habenderen Kreise  zu  finden!  Vielleicht  müsste  man, 
um  die  gewiss  nicht  leichte  Frage  der  zweckmässigsten 
und  gefälligsten  Arbeiterzimmer-Ausstattung  endgültig 
und  durchaus  befriedigend  zu  lösen,  weitergehen  und 
das  Arbeiterhaus  zum  Ausgangspunkt  nehmen. 

Jedenfalls  ist  die  ganze  weittragende  und  seit  Jahr- 
zehnten verruderte  Angelegenheit  nunmehr  im  besten 
Fahrwasser,  da  das  Österreichische  Museum  ihr  Steuer 
in  seine  glückliche  Hand  genommen:  das  Museum 
hat  damit  zum  mindesten  eine  ebenso  gute  That 
gethan,  wie  mit  der  durchgreifenden  Reform  unseres 
in  der  Winterausstellung  in  so  glänzender  Vollkommen- 
heit repräsentierten  Luxus-Kunsthandwerks,  an  deren 
Spitze  es  sich  seinerzeit  gestellt,  und  deren  Leitung 
es  zielbewusst  und  unbeirrt  in  seinen  Händen  zu 
behalten  verstanden  hat! 

Wien,  im  Dezember  1 899.       DR .  FRITZ  MINKUS. 


Alt-Meissner  Porzellan.     Bunt  bemalte  Figuren,  14,5  cm  hoch  (TH.  BEHRENS,  Hamburg). 


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Altnieissner  Porzellan.     Bunt  bemalt,  34,5X22,3  cm.     (Kgl.  Scliloss  in  Dresden.) 


NEUES  ÜBER  ALTMEISSNER  PORZELLAN.') 


Wenn  ich  einer  Aufforderung  der  Redaktion 
dieser  Zeitschrift  nachi<omme  und  zu  der 
Herausgabe  eines  von  mir  verfassten  Werkes 
selbst  ein  paar  begleitende  Worte  schreibe,  so  wird 
dies  vielleicht  hier  und  da  einiges  Befremden  erregen. 
Tadel  oder  Lob  darf  man  natürlich  nicht  erwarten. 
Ob  das  Werk  dem  von  mir  und  dem  mich  unter- 
stützenden Komitee  (Gurlitt  und  von  Haugk)  ange- 
strebten Zweck  entspricht,  ob  es  eine  bis  zum  ge- 
wissen Grade  abschliessende  Behandlung  der  Ent- 
wicklungsgeschichte des  Meissner  Porzellans  enthält, 
ob  die  ganze  Anordnung  praktisch,  ob  dieser  Gegen- 
stand nicht  hätte  kürzer,  jener  ausführlicher  behandelt 
werden  können,  das  Urteil  darüber  muss  ich  selbst- 
redend andern  überlassen. 

Unsere  Kenntnis  von  der  Erfindung  des  sächsischen 
Porzellans  und  der  ersten  zehn  Jahre  seiner  Fabrikation 
begründete  sich  im  wesentlichen  auf  die  von  C.  A.  Engel- 
hardt  im  Jahre  1 837  herausgegebene  Lebensbeschreibung 
Böttgers.  Da  aber  Engelhardt  nach  Sitte  der  damaligen 
Zeit  seine  Quellen  nicht  angab,  ist  man  gewohnt, 
Phantasiegebilde  bei  ihm  zu  vermuten.  Ich  gestehe, 
dass  ich  früher  die  gleiche  Ansicht  hatte.  Je  mehr 
ich  indessen    an    der  Hand  des  authentischen  Akten- 


1)  Das  Meissner  Porzellan  und  seine  Geschichte 
1709— 1814  von  Karl  Beding.  Mit  15  Chromolithographien, 
15  Heliogravüren,  219  Textabbildungen  und  einer  Marken- 
tafel.    1900.    Verlag  von  F.  A.  Brockhaus,  Leipzig. 


materials  nachprüfte ,  um  so  mehr  erkannte  ich, 
dass  Engelhardt  nicht  nur  fleissig,  sondern  auch  ge- 
wissenhaft gearbeitet  hat.  Es  sind  daher  auch  nicht 
gerade  allzuviel  Thatsachen,  die  ich  für  die  älteste 
Zeit  neu  aufzuführen  vermochte.  In  einer  Reihe  von 
Schlussfolgerungen  bin  ich  indessen  auf  Grund  der 
inzwischen  gemachten  Forschungen  (W.  von  Seidlitz 
und  J.  Brinckmann)  und  meinen  eigenen  Unter- 
suchungen der  Porzellane  selbst  zu  anderen  Resultaten, 
vor  allem  zu  einer  höheren  Wertschätzung  von 
Böttger's  eigentlichem  Können  gekommen.  Im  übrigen 
habe  ich  mich  über  die  Verhältnisse  der  in  Frage 
kommenden  Menschen,  die  Engelhardt  breit  und  mit 
allen  Nebenumständen  erzählt,  möglichst  kurz  gefasst 
und  das  Hauptgewicht  auf  das,  was  man  in  Meissen 
schuf,  gelegt.  Mir  war  es  vor  allem  Zweck,  zu 
schildern,  welche  Veränderungen  das  Meissner  Porzellan 
in  den  verschiedenen  Entwicklungsperioden  erfuhr, 
und  durch  wen  dies  geschah.  Damit  gebe  ich  aber 
gleichzeitig  eine  Art  von  Künstlergeschichte  der 
Meissner  Fabrik.  Allerdings  habe  ich  sie,  um  nicht 
zu  ausführlich  zu  werden,  kürzer  gekalten,  als  ich 
zuerst  beabsichtigte.  Meissner  Personallisten  haben 
sich  in  grosser  Anzahl  erhalten.  Nur  für  die  Jahre 
1731,  1775  und  1786  bin  ich  ausführlicher  gewesen. 
In  den  beiden  zuletzt  genannten  Jahren  wurden 
wegen  Lohnverkürzungen  die  Meissner  Künstler  ihren 
Fähigkeiten  gemäss  in  mehrere  Klassen  eingeteilt.  Es 
war  mir  daher  möglich,  die  der  »vorzüglichsten«  bez. 


134 


NEUES  ÜBER  ALTMEISSNER  PORZELLAN. 


»ersten  Klasse«  herauszuheben  (Anmkg  351).  Das 
im  Wortlaut  gegebene  Aktenstück  Nr.  4  enthält  alle 
Bildhauer  und  Maler,  die  im  Jahre  1731  in  Meissen 
thätig  waren,  mit  Angabe  der  Art  ihrer  Arbeit,  wie 
lange  diese  bereits  gedauert,  wann  und  wo  sie  ge- 
boren.    Auch  sämtliche  Vornamen  sind   hinzugefügt. 

Dies     ist    aber  

nicht  ohne  Be- 
deutung, wenn 

man  berück- 
sichtigt, dass  in 
Meissen  immer 

ein  wenig- 
Günstlingswirt- 
schaft  betrieben 

wurde,  wo- 
durch verschie- 
dene  Personen 
gleichen  Na- 
mens   beschäf- 
tigt worden 
sind.    So  kom- 
men u.  a.  zwei 
Herold,      zwei 
Kaendler,    drei 
von  Löwenfink, 
vier  Mehlhorn, 
fünf  Lücke  vor. 
An  den  von 
mirangeführten 

Thatsachen 
wird  sich  nicht 
allzuviel  ändern 
lassen.    Sie  be- 
ruhen auf  An- 
gaben   in    den 
im  Dresdner 
Hauptstaats- 
archive   aufbe- 
wahrten Fabrik- 
akten; einer 
eventuellen 
Kontrolle    we- 
gen gebe  ich  in 
jedem  einzelnen 

Falle  meine 
Quelle  an.  Aber 
so     reichhaltig 

diese  Akten 
auch  sein   mö- 
gen, vollzählig 

sind  sie  nicht.  Ein  oder  das  andere  Stück  scheint 
während  der  Kriegsunruhen  verloren  gegangen  zu 
sein.')  Mehrfach  liess  sich  aber  das  von  mir  be- 
treffs der  künstlerischen  Entwicklung  für  wichtig  er- 
achtete aus  den  Akten  nicht  herausfinden.    Ich  glaube 


Altmeissner  Porzellan.    Uhr  in  Bronzegestell  mit  buntbemalten  Porzellanfiguren  und  -Blumen. 
65,5  cm  hoch.     (Kgl.  Schloss  Wilhelmsthal  bei  Kassel.) 


1)  Aus  dem  Jahre  1739  stammt  ein  Verzeichnis  der 
bei  der  Fabrik  »gehaltenen  Akten«  (H.  St.  Arch.  Loc.  1342. 
Vol.  X,  Bl.  225),  das  mehreres  heute  nicht  mehr  Vor- 
handenes enthält. 


nun  wohl ,  dass  einige  meiner  in  colchen  Fällen  ge- 
machten Schlussfolgerungen  auf  Widerspruch  stossen 
werden.  So  meine  Ansicht  über  das,  was  Tschirnhaus 
gefertigt  hat  (S.  6  f.),  über  die  Unterschiede  der  ver- 
schiedenen Steinzeuge  (S.  25  f.),  über  die  sog.  Callot- 
figuren  (S.  44),  über  die  Goldmarken  (S.  1 63  f.)  u.  dgl.  m. 

Ich    habe    hier 

nur  Vermu- 
tungen ausge- 
sprochen und 
bin  gern  bereit, 
mich  belehren 
zu  lassen.  Ge- 
wiss hätte  man 
in  der  Beweis- 
führung mehr- 
fach weiter 
gehen  können, 
man  hätte  z.  B., 
um  die  Unter- 
schiede zwi- 
schen den  Bött- 
ger-Steinzeugen 
undderenNach- 
ahmungen  wis- 
senschaftlich 
festzulegen,  zu 
der  chemischen 
Analyse  greifen 
sollen.  Meine 
Absicht  war  das 
auch,  ich  fand 

aber  trotz 
meiner  Bemüh- 
ungen nicht  die 
hierfür  geeig- 
nete Kraft.  Ich 
musste  hierund 
in  einigen  an- 
deren Fällen  auf 

eine  weitere 
Verfolgung  der 
Angelegenheit 
wegen  der  ge- 
ringen mir  zur 

Verfügung 
stehenden    Zeit 

verzichten. 
Denn,  um  die 
finanzielle  Seite 
des  Unterneh- 
mens zu  ermöglichen,  hatte  ich  die  Fertigstellung  des 
Werkes  zur  Pariser  Weltausstellung  zusichern  müssen. 
Wenn  aber  auch  in  dieser  oder  jener  Einzelheit 
mit  der  Zeit  eine  andere  Ansicht  wie  die  meine  für 
richtig  erkannt  werden  sollte,  so  gebe  ich  mich  doch 
der  Hoffnung  hin,  in  dem  vorliegenden  Buche  zum 
erstenmale  ausführlich  und  für  den  Sammler  und 
Museumsmann  brauchbar  diesen  Gegenstand  auf  Grund 
des  Aktenmaterials  und  meines  Studiums  der  Porzellane 
selbst  behandelt  zu  haben. 


NEUES  ÜBER  ALTMEISSNER  PORZELLAN. 


135 


Derjenige,  welcher  mit  der  einschlägigen  Fach- 
litteratur  nicht  ganz  vertraut  ist,  wird  Mühe  haben, 
festzustellen ,  was  in  dem  vorliegenden  Buche  neu 
und  worin  von  den  bis  dahin  geltenden  Ansichten 
abgewichen  ist.  Ich  will  daher  einiges  hierauf  Be- 
zügliche herausheben. 

Es  ist  hier  zum  erstenmale  der  Versuch  gemacht 
worden,  das  Aussehen  der  Glasflüsse  zu  beschreiben, 
die  W.  von  Tschirnhaus  in  der  Absicht,  den  Chinesen 
das  Porzellan  nachzuerfinden,  herstellte.  Damit  ist 
aber  eine  Handhabe  gegeben,  um  sie  von  den  vielen 
unter  Tschirnhaus'  Namen  in  den  Handel  gebrachten 
späteren  Erzeugnissen  zu  trennen.  Dann  sind  von 
den  Böttger  -  Steinzeugen  die  Formen  und  »Ver- 
feinerungen' ausführlicher,  als  es  bis  dahin  geschah, 
behandelt.  Letztere  wur- 
den dabei  in  folgende 
vier  Gruppen  eingeteilt: 
1)  »Eisenporzellan«,  2)  das 
rotbraune  Steinzeug  mit 
roh  gelassener  Oberfläche, 
3)  das  polierte  und  ge- 
schliffene und  4)  das  gla- 
sierte Steinzeug.  Mehrere 
Seiten  (21/25)  sind  der 
Besprechung  der  Böttger- 
Nachahmungen  gewidmet. 
Die  sich  hieraus  ergeben- 
den Unterscheidungsmerk- 
male der  Böttger -Stein- 
zeuge von  den  chine- 
sischen, von  denen  von 
Plane  a.  d.  H.,  von  Bay- 
reuth, von  Böhmen  und 
von  Kamenz  sind  am 
Schlüsse  dieses  Abschnittes 
nocheinmal  kurz  zusam- 
mengefasst. 

Auch  über  die  Anfänge 
des  Porzellans  bis  zum 
Tode  Böttger's  (f  1719) 
wird  der  Leser  manches 
Neue  finden.      Besonders 

die  Behauptung,  dass  die  Anwendung  von  Farbe  in 
dieser  Zeit  nur  versuchsweise  vorgenommen  wurde, 
wird  viele  überraschen. 

In  der  Periode  von  1720 — 35  war  die  Malerei 
die  Hauptsache,  und  Johann  Gregor  Herold  die 
Seele  des  ganzen  Unternehmens.  Er  herrschte 
über  die  Maler  uneingeschränkt,  denn  er  stellte 
sie  an ,  teilte  ihnen  die  Arbeiten  zu  und  bezahlte 
sie  nach  seinem  Ermessen.  Die  Fabrik  hatte  es 
bei  Abnahme  der  Gegenstände  und  Bezahlung  nur 
mit  ihm  zu  thun.  Diese  Angelegenheit  änderte  sich, 
als  der  König  August  II.  im  Jahre  1731  selbst  die 
Oberleitung  übernahm.  Denn  damals  erst  stellte  die 
Fabrik  die  einzelnen  Maler  und  zwar  in  Stücklohn 
an.  Nur  Herold  und  13  Maler  erhielten  festen  Ge- 
halt. Ausführlich  ist  behandelt  worden,  wen  Herold 
beschäftigte  und  wie  man  damals  in  Meissen  arbeitete, 
wobei    ich   besonders   auf   eine  weitgehende  Arbeits- 


Altmeissner  Porzellan.     Bunt 
(R.  Bandli, 


teilung  aufmerksam  machen  musste.  Diese  Ausführungen 
sind  aber  dazu  angethan ,  die  bisherigen  Ansichten 
von  der  Bemalung  einzelner  Stücke  und  deren 
Markierungen  zu  berichtigen.  Auch  die  Meinung 
über  das,  was  Herold  selbst  gemalt  hat,  dürfte  eine 
bedeutende  Einschränkung  erfahren.  Es  wurde  weiter 
entwickelt,  dass  das  Abgehen  von  der  früher  fast 
ausschliesslich  herrschenden  chinesischen  Geschmacks- 
richtung in  Meissen  besonders  durch  den  Einfluss  des 
vom  Grafen  Hoym  begünstigten  Pariser  Händlers 
Lemaire  eingeleitet  wurde. 

In  der  dritten  Periode  (1735 — 56)  ist  das  sich 
mehr  und  mehr  zeigende  Übergewicht  Kaendler's  über 
Herold  ausführlich  geschildert.  Das  aktenmässige 
Datieren    des  Schwanen-   und  Sulkowskiservices    und 

des  Eindringens  von  Ro- 
kokoformen in  Meissen 
mag  hier  besonders  her- 
ausgehoben werden.  Aus 
den  Akten  liess  sich  weiter 
die  Thätigkeit  Kaendler's 
in  den  Jahren  1740  und 
1741  Stück  für  Stück  be- 
legen. Aus  dieser  Zeit 
stammen  von  bekannten 
Gruppen:  der  heilige  Hu- 
bertus, ein  heiliger  Nepo- 
muk,  der  Schneider  auf 
dem  Ziegenbock,  die  Frau 
mit  dem  Dudelsack,  der 
Marktschreier,Joseph  Fröh- 
lich auf  Schlitten,  Fröhlich 
und  Schmiede!  mit  Mause- 
falle und  Eule  u.  a.  m. 

Um  einen  Begriff  von 
dem  staunenswerten   For- 
menreichtum zur  Blütezeit 
Meissens  zu  geben,  wurde 
das  Aktenstück  Nr.  5  bei- 
gefügt. Es  enthält  eine  Auf- 
zählung sämtlicher  Porzel- 
lane,    die    der    Minister 
Brühl  im  Jahre  1 753  besass. 
Auch  über  die  Malerei  dieser  Zeit  im  allgemeinen 
und  über   die    in    einem    besonderen  Abschnitte    be- 
handelte   Blaumalerei    ist    manches    neue  beigebracht 
worden. 

In  der  IV.  Periode  ist  die  noch  vielfach  verbrei- 
tete Ansicht,  dass  die  Preussen  einen  Teil  der  Arbeiter 
und  Formen  von  Meissen  nach  Berlin  haben  schaffen 
lassen,  aktenmässig  widerlegt.  Friedrich  der  Grosse 
war  im  Gegenteil  während  des  siebenjährigen  Krieges 
der  Hauptauftraggeber  und  nahm  an  dem,  was  die 
Fabrik  für  ihn  schaffen  musste,  den  regsten  Anteil. 
Nur  so  konnte  es  überhaupt  geschehen,  dass  man 
damals  in  Meissen  noch  Porzellan  herstellte,  das  höhe- 
ren künstlerischen  Anforderungen  genügte.  Das  ist 
aber  entgegen  der  gewöhnlichen  Meinung  in  ausge- 
dehnter Weise  geschehen,  wovon  noch  heute  einzelne 
Porzellane  in  den  preussischen  Schlössern  Zeugnis 
geben.     Ich    glaube    dann    ferner,    das  Verdienst  des 


bemalte  Fi^^uren.     2S  cm  hoch. 
Hamburg.) 


136 


NEUES  ÜBER  ALTMEISSNER  PORZELLAN. 


Vase,  weiss  ^belegt«,  33,5  cm  hoch. 
(Qraf  K.  v.  Brühl,  Seifersdorf.) 


Kommer- 
zienrats  Hei- 
big um   die 

Eriialtung 
der  Fabrii< 
auf  das  rich- 
tige Mass  zu- 
rückgeführt 
zu  haben 
So  uneigen- 
nützig, wie 
man    früher 

annahm, 
scheint    mir, 
hat     Heibig 
niciit  gehan- 
delt. 

hl  den  bei- 
den folgen- 
den Perio- 
den habe  ich 
versucht,  die 

einzelnen 
Qründe,wel- 
che  den  all- 
mählichen 
Verfall  her- 
beiführten, 
zu  kenn- 
zeichnen. Den  ersten  Anlass  hierzu  hatte  sicher  der 
Krieg  gegeben.  Von  dem  Bezahlen  grosser  Pacht- 
summen und  dem  unentgeltlichen  Abgeben  vieler 
Porzellane  hat  sich  Meissen  bei  dem  damaligen  Auf- 
blühen der  Konkurrenzfabriken  lange  nicht  erholen 
können.  Dazu  kam  noch,  dass  es  in  dieser  Zeit  an 
einer  kräftigen  und  mächtigen  künstlerischen  Persön- 
lichkeit fehlte.  Dies  alles,  femer  die  Anstellung  des 
Pariser  Bildhauers  Acier,  dessen  Nebenbuhlerschaft 
mit  Kaendler,  die  Missstände  unter  der  Leitung  Mar- 
colini's  bis  zu  dessen  am  i.  Januar  1814  erfolgter 
Abdankung,  ist  ausführlich  und  mit  vielen  noch  nicht 
bekannten  Einzelheiten,  besonders  betreffs  des  künst- 
lerischen Betriebes,  geschildert  worden. 

Am  Schluss  habe  ich  dem  Markenwesen  ein  Kapitel 
eingeräumt.  Dies  ausserordentlich  schwierige  Gebiet 
ist  meines  Wissens  bisher  im  Zusammenhange  über- 
haupt noch  nicht  behandelt  worden.  Einige  gelegent- 
liche Andeutungen  und  Markentafeln  waren  alles,  was 
man  bis  dahin  hierüber  kannte.  Die  letzteren  waren 
aber  nicht  allzuviel  wert,  da  in  ihnen,  besonders  nach 
dem  Vorgange  von  Graesse,  eine  grosse  Anzahl  in 
der  Form  wenig  voneinander  abweichende  Schwer- 
termarken mit  verschiedenen  Jahreszahlen  aufgeführt 
waren.  Darnach  musste  man  glauben,  dass  die  Form 
der  Schwerter  in  diesem  Jahre  so,  in  jenem  anders 
gewesen  sei.  Ich  bin  zu  einem  anderen  Resultate 
gekommen  und  zwar  auf  Grund  meiner  Untersuchungen 
über  die  Art,  wie  die  Markierung  in  Meissen  bewerk- 
stelligt wurde.  Um  dies  ganze,  immerhin  etwas  schwie- 
rige Gebiet  übersichtlicher  zu  gestalten,  habe  ich  die- 
jenigen Marken,  welche  nur  auf  den  inneren  Betrieb 


Bezug  nehmen,  die  Arbeitermarken,  von  den  Fabrik- 
marken getrennt. 

Es  war  mir  möglich,  aktenmässig  nachzuweisen: 
die  erste  Anwendung  von  K.  P.  M.,  die  Verfügung, 
dass  die  Marke  AR  nur  für  die  Porzellane  der  Könige 
August  II.  und  III.  verwandt  werden  sollte,  welche 
Bedeutung  der  sogeannte  Merkurstab  mit  und  ohne 
Punkt  gehabt  habe  u.  dgl.  m.  Ich  spreche  weiter  die 
Vermutung  aus,  dass  K.  P.  M.  von  1723  bis  höchstens 
1730,  die  Schwertermarke  von  1725  bis  heute,  AR 
von  1725  bis  1740  und  der  sogen.  Merkurstab  von 
1727  bis  1735  gebraucht  worden  sind. 

Ich  möchte  an  dieser  Stelle  nicht  unerwähnt  lassen, 
dass  mir  die  mit  mir  zum  Komitee  zusammengetre- 
tenen Herren,  Cornelius  Gurlitt  und  Arthur  von  Haugk, 
während  der  Herausgabe  des  Werkes  jederzeit  in 
weitgehender  Weise  ihre  Unterstützung  zu  Teil  wer- 
den liessen. 

Meine  Ausführungen  sind  von  einem  ausnahms- 
weise reichen  Abbildungsmateriale  begleitet,  das  in 
15  Chromolithographien,  15  Heliogravüren  und  219 
Textillustrationen  weit  über  500  den  verschiedensten 
Sammlungen  entnommenen  Meissner  Porzellane  ver- 
anschaulicht. Jedes  Kapitel  zeigt  ausserdem  eine  An- 
fangsleiste, Initiale  und  Schlussstück,  die  sich  aus  für 
die  betreffenden  Zeilen  charakteristischen,  Meissner 
Porzellanen  entnommenen  Motiven  zusammensetzen. 
Die    Verlagsbuchhandlung    hat    bei    der    Ausstattung 


Altnieissner  Porzellan.    Vase,  weiss  »belegt«,  54,5  cm  hoch. 
(Oraf  K.  V.  Brühl,  Seifersdorf.) 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


137 


keine  Mühe  gescheut.  Sie  hat  die  erwähnten  Abbil- 
dungen nicht  nur  ausserordenthch  sorgfältig  ausge- 
führt, sondern  auch  des  besseren  Verständnisses  wegen 
die  Böttger- Steinzeuge  braun,  die  blaubemalten  Por- 
zellane blau  drucken  lassen.    Auch  das  Vorsatzpapier 


und  der  blau  und  weiss  gehaltene  Einband  zeigen 
Meissner  Motive.  Dass  von  der  Verlagsbuchhandlung 
ein  sorgfältig  und  praktisch  angelegtes,  sehr  ausführ- 
liches Register  hinzugefügt  worden  ist,  wird  den 
Gebrauch  des  Buches  wesentlich  erleichtem. 

K.  BERLING. 


Kopfleiste.^gez.  von  Maler  M.f SELIGER,  Lehrer  am  Kgl.   Kuiistgew.-Mus.,  Berlin. 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


VEREINE 

BERLIN.  Im  Verein  für  deutsches  Kunstgewerbe 
in  Berlin  wurden  in  der  Zeit  von  Oktober  bis 
Ende  Dezember  1899  folgende  vier  Vorträge 
gehalten,  die  meist  durch  entsprechende  Ausstellungen 
und  Lichtbilder  illustriert  waren:  Am  11.  Oktober 
sprach  Herr  Professor  Karl  Hoffacker  über  die  Ge- 
staltung der  Pariser  Weltausstellung  1900;  am  8.  No- 
vember führte  der  Direktor  des  Buchgewerbe-Museums 
in  Leipzig,  Herr  Dr.  R.  Kautzsch,  den  modernen  Holz- 
schnitt und  seine  Aussichten  vor;  am  29.  November 
sprach  Herr  Julius  Leisching,  Direktor  des  Mährischen 
Oewerbemuseums  in  Brunn,  über  alte  und  neue 
Möbelbeschläge  und  am  1 3.  Dezember  Herr  C.  Götze, 
Vorsitzender  der  Lehrervereinigung  für  die  Pflege  der 
künstlerischen  Bildung  in  Hamburg,  über  die  Reform 
des  Zeichnenunterrichtes.  —  In  der  am  10.  Januar 
stattgehabten  Generalversammlung  des  Vereins  wurden 
bei  der  statutengemässen  Vorstandswahl  gewählt  als 
Vorsitzender:  Herr  Architekt  Professor  Karl  Hoffacker; 
1.  Stellvertreter  des  Vorsitzenden:  Herr  Direktor  Dr. 
P.  Jessen;  2.  Stellvertreter  des  Vorsitzenden:  Herr 
Geh.  Hofrat  E.  Schröer;    Schatzmeister:    Herr  Fabri- 

Kunstgewerbeblatt.    N.  F.  XL    H.  7. 


kant  Gustav  Rading;  Schriftführer:  Herr  Maler  Ernst 
Flemming;  i.  Stellvertreter  des  Schriftführers:  Herr 
Prokurist  Ernst  Heiberg;  2.  Stellvertreter  des  Schrift- 
führers: Herr  Fabrikant  Paul  Schirmer.  Als  Aus- 
schussmitglieder gingen  aus  der  Wahl  hervor  die 
Herren:  Professor  E.  Doepler d.  j.,  Wirkl.  Geh.  Oberreg.- 
Rat  K.  Lüders,  Fabrikant  A.  Müller,  Fabrikant  W.  Quehl, 
Schlossermeister  R.  Schaale  und  Goldwarenfabrikant 
L.  Schluttig.  E.  FL. 

KÖNIGSBERG  i.  Pr.  Der  Kunstgewerbe -Verein 
hat  seit  unserem  letzten  Bericht  (Juni-Heft  1899) 
eine  weitere  gedeihliche  Entwicklung  genommen. 
In  mehreren  vorberatenden  Sitzungen  und  zwei  General- 
versammlungen wurden  neue  Satzungen  beschlossen, 
aus  deren  Inhalt  hier  lediglich  die  Erhöhung  des 
Jahresbeitrags  von  9  auf  1 2  Mark  erwähnt  sei.  Während 
des  Sommers  wurden  der  neue,  edlem  Sport  gewidmete 
und  recht  eigenartig  eingerichtete  Bau  der  Palästra 
Albertina,  ferner  die  Universität,  das  Simering-Museum 
und  die  dem  17.  und  18.  Jahrhundert  entstammenden 
wertvollen  Stuckdecken  im  Rathaus  gemeinsam  be- 
sichtigt; auch  wurde  ein  Ausflug  nach  Lochstädt, 
einem  Schloss  der  Deutschordensritter  mit  zierlichen 

21 


138 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


dekorativen  Bildhauerarbeiten  des  13.  und  umfang- 
reichen, erst  vor  3 — 4  Jahren  entdeckten  Wand- 
malereien des  14.  Jahrhunderts  unternommen.  Bei 
den  beiden  vom  Verein  veranstalteten  Preis-Ausschreiben 
siegten  die  Herren  C.  Andreae  (Bemalung  eines  ein- 
fachen Schrankes)  und  Nitsch  (farbiger  Umschlag  für 
die  Satzungen).  Aus  dem  Verlauf  der  Vereinssitzungen 
sei  folgendes  herausgehoben.  In  der  Juni -Sitzung 
sprach  Herr  Andreae  über  die  Bedeutung  des  Bern- 
steins für  das  Kunstgewerbe;  infolge  der  lebhaften 
Erörterung,  die  sich  hieran  knüpfte,  soll  der  für  das 
Königsberger  Kunstgewerbe  so  wichtige  Gegenstand 
späterhin  nochmals  zur  Verhandlung  gelangen.  Am 
1 7.  November  hielt  Herr  Messelhäuser  einen  fesselnden 
Vortrag  über:  Stuckmarmor  und  stucco  lustro,  wobei 
er  die  Technik  auseinandersetzte  und  zahlreiche  von 
ihm  bei  Herrn  Glaubitz  in  Königsberg  ausgeführte 
Arbeiten  in  z.  T.  recht  grossen  und  durchweg  vor- 
trefflich gelungenen  Platten  vorlegte;  zum  Vergleich 
waren  auch  die  verschiedensten  echten  Marmorarten, 
z.  T.  Originalstücke  aus  antikrömischen  Kaiserpalästen 
(Palatin,  Villa  des  Hadrian  u.  s.  w.)  ausgestellt.  Am 
11.  Dezember  gab  Herr  Dr.  Ehrenberg  einen  Über- 
blick über  die  Geschichte  der  Töpferkunst  mit  be- 
sonderer Berücksichtigung  Bernard  Palissy's;  Frau 
Rittergutsbesitzer  Behrend  aus  Arnau  bei  Königsberg 
hatte  im  Jahre  1898  in  den  Pyrenäen  unter  merk- 
würdigen Umständen,  die  den  Gedanken  an  eine 
Fälschung  ausschliessen,  eine  echte  Schale  Palissy's 
(in  der  bekannten  Art  mit  über  Natur  geformten 
Tieren  u.  s.  w.)  entdeckt  und  sie,  sowie  eine  in  der 
Sevres- Manufaktur  angefertigte  Nachbildung  dem  Verein 
für  diesen  Abend  überlassen ;  Herr  Direktor  Dr.  Jessen 
hatte  ausserdem  eine  grössere  Zahl  einschlägiger 
Photographien  gesandt,  so  dass  sich  ein  übersicht- 
liches Bild  über  Palissy's  Wirksamkeit  gewinnen  Hess. 
Am  8.  Januar  behandelte  Herr  Messelhäuser  den  Stuck 
und  führte  die  verschiedenen  Arten  des  Gussverfahrens 
praktisch  vOr.  An  weitere  Kreise  des  Königsberger 
Publikums  wandte  sich  ein  Vortrag,  den  der  Direktor 
der  Bibliothek  des  Berliner  Kunstgewerbemuseums, 
Herr  Dr.  Jessen  am  12.  Januar  über  »die  Aufgaben 
des  heutigen  Kunstgewerbes«  unter  Vorführung  von 
Lichtbildern  hielt;  die  grosse  Aula  des  Altstädtischen 
Gymnasiums  vermochte  die  Zuhörer  kaum  zu  fassen, 
die  dem  Redner  für  seine  glänzenden,  fast  zwei 
Stunden  währenden  Darlegungen  mit  lang  anhaltendem 
Beifall  dankten.  Zu  diesem  bedeutenden  äusseren 
Erfolge,  den  Herr  Dr.  Jessen  in  selbstloser  Bereit- 
willigkeit der  Sache  des  Kunstgewerbes  in  Königsberg 
bereitete,  gesellte  sich  bald  ein  zweiter,  indem  Herr 
Stadtrat  Prof.  Dr.  Walter  Simon  dem  Verein  die 
Summe  von  500  Mark  überwies,  aus  der  in  erster 
Linie  ein  Skioptikon  beschafft  werden  soll.  Von 
einem  ungenannt  gebliebenen  Mitglied  war  dem  Verein 
vorher  der  Betrag  von  100  Mark  zugegangen.  Eine 
wesentliche  Vereinsförderung  ist  auch  darin  zu  er- 
kennen, dass  infolge  eines  besonderen  Abkommens 
die  Mitglieder  vom  1.  Januar  I.  J.  ab  ohne  weitere  Nach- 
zahlung Dauerkarten  zum  Besuche  des  neugegründeten 
Kunstsalons  von  Bon  bekommen,  der  nach  dem  Vor- 


bilde von  Keller  &  Reiner  eine  ständige  und  häufig 
wechselnde  Ausstellung  hervorragender  neuer  Kunst- 
werke und  kunstgewerblicher  Neuheiten  unterhält.  — 
Den  Vorstand  des  Vereins  bilden  seit  November  v.  J. 
die  Herren:  Dr.  Ehrenberg,  Vgl.  Archivar  und  Privat- 
dozent, Vorsitzender;  Glaubitz,  Fabrikbesitzer  und 
Architekt  f.  Kunstgewerbe,  stellvertretender  Vorsitzender; 
C.  Andreae,  Architekt  für  Kunstgewerbe,  Schriftführer; 
Bernhardt,  Malermeister,  stellvertretender  Schriftführer; 
Emil  Allzeit,  Architekt  für  Kunstschmiede-Arbeiten, 
Schatzmeister;  Köhler,  Malermeister,  Bibliothekar; 
Schwartz,  Lithograph  und  Buchdruckereibesitzer.  Über 
die  Aufnahme  neuer  Mitglieder  entscheidet  ein  Aus- 
schuss,  der  aus  dem  Vorstand  und  den  Herren 
Holzbildhauer  Boy,  Malermeister  Leo  Müller,  Ver- 
golder Trogisch  und  Malermeister  Schultz  zusammen- 
gesetzt ist;  die  beiden  letzten  Herren  sind  zugleich 
zu  Rechnungsprüfern  gewählt. 

WETTBEWERBE 

OPPELN.  Ideenwettbewerb  zur  Erlangung  von 
Entwürfen  für  einen  Monumental  -  Brunnen 
mit  figürlichen  Darstellungen  auf  dem  Minerva- 
platze, 'ausgeschrieben  von  dem  Ministerium  der  geist- 
lichen u.  s.  w.  Angelegenheiten  unter  allen  preussischen 
und  in  Preussen  ansässigen  deutschen  Bildhauern.  Aus- 
gesetzt sind  zehn  gleiche  Preise  von  je  500  Mark. 
Über  die  Verteilung  derselben  entscheidet  die  Landes- 
Kunstkommission,  welcher  zwei  Vertreter  der  Stadt 
Oppeln  mit  Stimmrecht  hinzutreten.  Es  ist  in  Aus- 
sicht genommen,  mit  dem  Verfasser  eines  preisge- 
krönten Entwurfes  wegen  der  Ausführung  des  Werkes 
in  Verbindung  zu  treten  oder  einen  engeren  Wett- 
bewerb unter  mehreren  preisgekrönten  Verfassern  zu 
veranstalten.  Einzuliefern  bis  zum  10.  Mai  d.  J.  Die 
Preisausschreiben  nebst  Lageplan  versendet  unentgelt- 
lich das  Bureau  der  Kgl.  Akademie  der  Künste  in 
Berlin  NW.,  Universitätsstrasse  6  und  das  Magistrats- 
bureau in  Oppeln.  -u- 

AUSSTELLUNGEN 

KARLSRUHE.  Deutsche  Olasmalereiausstellung  in 
Karlsruhe  im  Jahre  igoi.  Der  Badische  Kunst- 
gewerbeverein hat  auf  Anregung  seines  Vorsitzen- 
den, Herrn  Kunstgewerbeschuldirektor  Götz,  in  der  Ge- 
neralversammlung vom  22.  Januar  den  einmütigen  Be- 
schluss  gefasst,  im  kommenden  Jahre  igoi  in  Karlsruhe 
eine  Deutsche  Glasmalerei-Ausstellung  zu  veranstalten. 
Schon  vor  mehr  als  einem  Jahrzehnt  hat  man  bei  uns 
den  Wert  der  Spezialausstellungen  für  einzelne  kunst- 
gewerbliche Betriebe  erkannt  und  den  Gedanken  auch 
alsbald  in  die  That  umgesetzt.  Im  Jahre  1 887  wurde 
eine  Deutsche  Kunstschmiedeausstellung  abgehalten, 
vier  Jahre  später  folgte  eine  Deutsche  Fächerausstellung. 
Beide  haben  nicht  bloss  nachhaltig  die  Entwicklung 
der  betreffenden  Zweige  kunstgewerblicher  Thätigkeit 
gefördert,  sondern  auch  befruchtend  auf  das  heimische 
Kunstgewerbe  überhaupt  eingewirkt.  Dem  gleichen 
Zweck  soll  auch   die  geplante  Glasmalereiausstellung 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


139 


dienen,  die  zum  erstenmale  das  gesamte  Gebiet  der 
einst  so  bedeutenden,  dann  aber  lange  Zeit  vernach- 
lässigten und  erst  in  unsern  Tagen  wieder  zu  Ehren 
gekommenen  Kunsttechnik  in  erschöpfender  Weise 
vorführen  wird.  Bereits  sind  Einladungen  zur  Be- 
teiligung an  zahlreiche  Interessenten  ergangen,  soweit 
dieselben  ermittelt  werden  konnten  und  ihnen  die 
betreffenden  Bedingungen  zugesandt  worden.  Durch 
diese  Zeilen  sollen  auch  andere  Anstalten  für  Glas- 
malerei und  ebenso  die  ausübenden  Künstler,  denen 
etwa  eine  Einladung  nicht  zugekommen  ist,  sowie 
weitere  Kreise  auf  das  Unternehmen  aufmerksam  ge- 
macht werden. 

Die  geplante  Ausstellung  —  wie  schon  erwähnt, 
die  erste  ihrer  Art  —  will  ein  übersichtliches  Ge- 
samtbild über  die  Glasmalerei  und  die  verwandten 
Techniken  geben  und  wird  daher  zunächst  eine 
moderne  Abteilung  enthalten,  welche  eigentliche  Glas- 
gemälde, Kunstverglasungen  und  Glasmosaiken.  Glas- 
ätzungen und  schliesslich  Kartons  und  Entwürfe  zu 
einschlägigen  Werken  enthält.  Während  diese  Gruppe 
die  mannigfaltigen  Bestrebungen  wie  die  technischen 
Fortschritte  und  die  erzielten  Leistungen  der  Gegen- 
wart auf  den  genannten  Gebieten  vor  Augen  führen 
soll,  wird  eine  zweite  Abteilung  stilistisch  und  technisch 
interessante  Arbeiten  aus  früheren  Kunstperiuden  ver- 
einigen und  bei  hinreichender  Beteiligung  die  ver- 
schiedenen historischen  Entwicklungsstufen  der  Glas- 
malerei veranschaulichen.  In  einer  dritten  Abteilung 
sollen  schliesslich  die  wichtigsten  Text-  und  Illustrations- 
werke über  Glasmalerei  und  verwandte  Techniken 
zusammengestellt  werden,  um  den  Besuchern  der 
Ausstellung  weitere  Anregung  zu  vermitteln.  Die 
Einladung  zur  Beteiligung  ergeht  daher  an  die 
deutschen  Glasmaler  und  an  die  entwerfenden  Künst- 
ler, an  die  Besitzer  von  Glasgemälden  und  an  die 
Buch-  und  Verlagshandlungen.  Die  hervorragendsten 
Arbeiten  der  modernen  Abteilung  erhalten  Auszeich- 
nungen in  der  Form  von  Ehrenpreisen  und  Medaillen. 
Das  Preisgericht  wird  aus  sieben  Fachmännern  be- 
stehen: zwei  Glasmalern,  zwei  Malern,  zwei  Archi- 
tekten nnd  dem  Vorsitzenden  der  Ausstellungs- 
kommission. Die  Namen  derselben  werden  später 
bekannt  gegeben. 

Als  Ausstellungsraum  ist  der  ^bis  Anfang  des 
kommenden  Jahres  fertiggestellte  Neubau  der  Grossh. 
Kunstgewerbeschule  in  Karlsruhe  vorgesehen.  Für 
eine  Ausstellung  von  Glasmalereien  erscheint  dieser 
besonders  geeignet,  da  er  ausser  den  zahlreichen 
sonstigen  Lichtöffnungen  allein  40  grosse  Fenster  mit 
Nordlicht  enthält,  über  deren  Form  und  Grösse  den 
Interessenten  ein  autographiertes  Fensterverzeichnis 
auf  Verlangen  zugesandt  wird.  Für  grössere  Glas- 
malereien, wie  Kirchenfenster  u.  s.  w.,  die  wegen  der 
beträchtlichen  Abmessungen  im  Schulgebäude  nicht 
unterzubringen  sind,  wird  ausserdem  nach  Bedarf  ein 
besonderer  Anbau  mit  Nordlicht  erstellt,  so  dass  allen 
Ansprüchen  in  weitgehendstem  Masse  Rechnung  ge- 
tragen werden  kann.  Aus  naheliegenden  Gründen 
ist  für  letztere  Kunstwerke  eine  Platzmiete  zu  ent- 
richten,   welche  für  den  Quadratmeter  20  M.  beträgt. 


während  alle  im  Hauptbau  aufgestellten  Gegenstände 
davon  befreit  sind.  Die  Aussteller  grosser  Fenster 
haben  daher  im  Anmeldebogen  anzugeben,  ob  die 
Unterbringung  im  Anbau  gewünscht  wird,  oder  ob 
die  Fenster,  in  Einzelteile  zerlegt,  im  Schulgebäude 
untergebracht  werden  sollen.  Weiter  ist  zu  erwähnen, 
dass  die  Ein-  und  Zurücksendung  der  Ausstellungs- 
gegenstände auf  Kosten  und  Gefahr  der  Besteller 
erfolgt,  das  Aus-  und  Einpacken  und  die  Rücksendung 
dagegen  das  Unternehmen  auf  eigene  Kosten  besorgt. 
Auf  Wunsch  übernimmt  die  Ausstellungskommission 
auch  die  Vermittlung  über  die  Versicherung  gegen 
Feuersgefahr  bei  einer  Ortsagentur  auf  Grund  gegen- 
seitiger Verständigung.  Die  Anmeldung  zur  Aus- 
stellung hat  längstens  bis  zum  1.  November  igoo  zu 
erfolgen.  Im  Anmeldebogen  sind  die  für  den  herzu- 
stellenden Ausstellungskatalog  erwünschten  Notizen 
zu  vermerken.  Auch  wird  um  Überlassung  von  etwa 
vorhandenen  Autotypieslöcken ,  die  zur  Illustration 
des  Katalogs  geeignet  erscheinen,  gebeten. 

Zur  bleibenden  Erinnerung  an  die  Ausstellung 
beabsichtigt  der  Badische  Kunstgewerbeverein  ein 
Werk  herauszugeben,  welches  die  besten  Arbeiten 
der  modernen  wie  der  historischen  Abteilung  zu- 
sammenfasst.  — 

Dem  geplanten  Unternehmen  ist  dadurch  eine 
wesentliche  Förderung  zuteil  geworden,  dass  S.  K-  H, 
der  Grossherzog  Friedrich  von  Baden  das  Protektorat 
und  S.  K-  H.  der  Erbgrossherzog  das  Ehrenpräsidium 
übernommen  haben.  Gewiss  wird  denselben  auch 
eine  rege  Unterstützung  von  selten  der_  Glasmalerei- 
anstalten wie  der  ausübenden  Künstler  zuteil.  Be- 
kanntich ist  der  Sinn  für  künstlerisch  behandeltes 
Glas  im  Volk  wieder  erwacht,  nicht  bloss  in  Kirchen 
und  öffentlichen  Gebäuden ,  auch  in  den  bessern 
Privathäusern  findet  es  mehr  und  mehr  Eingang. 
Bedeutende  Künstler  wenden  sich  wieder  dem  inter- 
essanten Kunstgebiet  zu,  zahlreiche  Anstalten  für 
Glasmalerei  sind  entstanden.  Auch  Baden  hat  eine 
Reihe  leistungsfähiger  Geschäfte  in  Freiburg,  Karls- 
ruhe, Offenburg,  Heidelberg,  Konstanz  aufzuweisen. 
EineZusammenfassung  der  mannigfaltigen  Bestrebungen 
in  einer  Fachausstellung  erscheint  um  so  wünschens- 
werter, als  bei  allen  grösseren  und  kleineren  allge- 
kleinen  Ausstellungen  die  Glasmalereien  nie  recht  zur 
Geltung  kommen,  meist  schon  aus  dem  Grunde,  weil 
sie  nur  in  ungenügender  Weise  aufgesellt  werden 
können.  Ohne  Zweifel  hat  der  badische  Kunstgewerbe- 
verein mit  der  geplanten  Ausstellung  einen  glücklichen 
Griff  gethan  und  er  wird  sie  jedenfalls  in  ebenso 
erfolgreicher  Weise  durchführen  wie  die  vorausge- 
gangenen Veranstaltungen  auf  anderen  Gebieten  kunst- 
gewerblichen Schaffens.  M. 

PARIS.  Französische  keramische  Jahrhundert- 
Ausstellung.  Im  Namen  der  mit  der  Aufstellung 
der  französischen  Abteilung  der  Klasse  72  der 
Pariser  Weltausstellung  betrauten  Personen  hat  Ed. 
Garnier,  der  Konservator  des  keramischen  Museums 
von  Levres,  sich  in  einem  offenen  Briefe  an  den  Her- 
ausgeber  des   Journal  des  arts   gewandt,    um  dessen 


140 


ZU  UNSERN  BILDERN 


Beihilfe  für  den  von  ihnen  unternommenen  schwierigen 
Versuch  zu  erbitten,  eine  nach  Mögiichi<eit  vollständige 
und  anziehende  Ausstellung  der  französischen  Keramik 
des  19.  Jahrhunderts  ins  Leben  zu  rufen. 
In  dem  Briefe  wird  ausgeführt,  dass  man 
für  diese  Ausstellung  nicht,  wie  in  der 
Regel  bei  anderen,  rückschauenden  Aus- 
stellungen, lediglich  an  bekannte  Thüren  zu 
pochen  brauche,  denn  es  giebt  keine  Samm- 
ler neuzeitiger  Keramik,  ausgenommen  eine 
kleine  Anzahl  von  Liebhabern,  die  es  sich 
haben  angelegen  sein  lassen,  einzelne  der 
bemerkenswertesten,  im  Laufe  der  letzten 
fünfzehn  Jahre  in  den  Salons  ausgestellten 
Arbeiten  zusammen  zu  bringen.  Das  der 
geplanten  Ausstellung  gesteckte  Ziel  ist  in 
der  Hauptsache,  die  Art  von  Renaissance 
vorzuführen,  welche  nach  dem  Zustande  von 
Stockung,  oder  richtiger  Erstarrung,  einge- 
treten ist,  in  dem  die  keramische  Kunst  sich 
während  der  ersten  Hälfte  des  Jahrhunderts 
fortgeschleppt  hat.  Diese  Bewegung  trat 
zuerst  etwa  um  1850  schüchtern  zu  Tage, 
um  dann  gegen  das  Jahr  1 875  zu  der  herr- 
lichen Blüte  zu  gedeihen,  welche  vorzugs- 
weise mit  dem  Namen  Theodor  Duck  ver- 
knüpft ist.  Es  wird  verhältnismässig  leicht 
sein,  einige  schöne  und  interessante  Proben 
von  Arbeiten  der  in  dem  Briefe  namhaft  ge- 
machten Keramiker  von  Fach  aus  diesem  Zeit- 
abschnitte zusammen  zu  bringen ;  ausserdem 
sind  aber  noch  andere,  sehr  viel  seltenere, 
jedoch  vorzugsweise  erwünschte  Arbeiten 
vorhanden,  die  von  zahlreichen  und  her- 
vorragenden, indes  nur  zeitweise  auf  kera- 
mischem Gebiete  thätig  gewesenen  Künst- 
lern herrühren.  Darüber,  wo  Arbeiten  dieser 
Art  zu  finden  sind,  bekennt  der  Verfasser 
des  Briefes  in  vollständiger  Unwissenheit 
zu  sein  und  dankt  im  Voraus  denen,  die 
ihn  auf  alles  aufmerksam  machen  werden, 
was  dazu  beitragen  kann,  an  der  Hand 
der  Erzeugnisse  der  französischen  Keramik 
des  Jahrhunderts    ihre    bisher,   aus  Mangel 


an  Belegstücken,  noch  niemals  geschriebene  Geschichte 
darzustellen.  -ss- 


ZU  UNSERN  BILDERN 


Der  Entwurf  zum  Umschlag  dieses 
Heftes  rührt  vom  Architekt  G.  Siedle  in 
Berlin  her,  während  die  Zeichnung  zum 
Umschlag  des  letzten  Heftes,  wie  nach- 
träglich bemerkt  sein  mag,  vom  Maler 
W.  Weimar  in  Berlin  geliefert  wurde. 


Die  diesem  Hefte  mit  gütiger  Geneh- 
migung der  Herren  F.  A.  Brockhaus  beige- 
gebenen Abbildungen  aus  dem  Werke: 
»Das  Meissner  Porzellan  und  seine  Ge- 
schichte 1709 — 1814  von  Karl  Beding« 
können  natürlich  keinen  genügenden  Beweis 
für  die  überaus  sorgfältige  und  reiche  Aus- 
stattung des  Werkes  geben.  Mit  Rücksicht 
darauf,  dass  das  Werk  auf  der  Pariser  Welt- 
ausstellung dieses  Jahres  in  der  deutschen 
buchgewerblichen  Abteilung  berufen  sein 
soll,  Zeugnis  abzulegen  für  die  gediegene, 
künstlerische  Ausstattung,  welche  man  in  der 
letzten  Zeit  immer  mehr  den  Erzeugnissen 
des  deutschen  Buchgewerbes  zu  geben  be- 
strebt ist,  hat  Anlass  gegeben,  dass  das 
Werk  aus  den  für  die  Weltausstellung  be- 
reit gehaltenen  Mitteln  vom  Reichskommissar 
dotiert  worden  ist.  Wir  heben  diesen  Um- 
stand als  Beweis  dafür  hervor,  dass  die 
Verlagsbuchhandlung  wie  der  Verfasser  des 
Werkes  alles  daran  gewendet  haben,  dem 
Werke  eine  dem  Werte  des  Inhaltes  ent- 
sprechende Ausstattung  zu  geben.  Für  die 
Illustrationen  sind  je  dem  Gegenstande  ent- 
sprechend die  geeignetsten  Reproduktions- 
verfahren in  Anwendung  gekommen.  Über 
die  Reichhaltigkeit  der  Abbildungen  ver- 
weisen wir  auf  die  Schlussausführungen  des 
Verfassers  des  Werkes,  der  in  seiner  kurzen 
Abhandlung  auf  S.  136  dieses  Heftes  da- 
rüber  nähere  Angaben  macht. 


Buchverzierung,  gezeichnet  von  LÜHRIG. 


Herausgeber  und  für  die  Redaktion  verantwortlich:  Professor  K^rl  Hoffacker,  Architekt  in  Charlottenburg- Berlin. 

Druck  von  Ernst  Hedrich  Nach/.,  O.  m.  b.  H.  in  Leipzig. 


Kopfleiste,  gezeichnet  von  C.  ADAMS. 


DIE  SECHSTE  KUNSTGEWERBLICHE  AUSSTELLUNG 

(ARTS  AND  GRAFTS  EXHIBITION) 

IN  NEW  GALLERY,  REGENT  STREET,  LONDON. 


Seitdem  im  Jahre  1888  der  »Verein  für  kunst- 
gewerbliche Ausstellungen«  (Arts  and  Grafts  Ex- 
hibition  Society)  in  London  zum  erstenmale 
seine  Pforten  öffnete  und  der  Welt  den  neuen  Geist, 
der  sich  unter  der  Führerschaft  William  Morris'  einer 
ganzen  Kunstgemeinde  aufgeprägt  hatte,  offenbarte, 
seitdem  sind  die  Londoner  Arts  -  and  -  Grafts  -  Aus- 
stellungen in  der  gesamten  Kunstwelt  zu  Ereignissen 
ersten  Ranges  geworden.  Auf  diesen  Ausstellungen 
wurde  es  zuerst  zur  Oewissheit,  dass  sich  auf  eng- 
lischem Boden  in  aller  Stille  eine  neue  Formenwelt 
vorbereitet  hatte,  von  der  die  Welt  nichts  geahnt 
hatte,  dass  sich  hier  Knospen  zum  Aufbruch  be- 
reiteten, die  möglicherweise  einen  neuen  Kunstfrühling 
in  unsere  alternde  Kultur  heraufzaubern  konnten. 
Vor  allem  wurde  es  den  kontinentalen  Ländern  l<lar, 
dass,  während  sie  sich  noch  in  dem  Wiederholen  der 
alten  Stile  genügten,  hier  wirklich  ein  neuer  Ausgang 
genommen  war,  von  dem  sich  manches  und  vielleicht 
das  Höchste  erhoffen  Hess.  Wer  die  letzte  dieser 
Reihe  von  Ausstellungen  im  Herbst  1896  durch- 
wanderte, konnte  sich  mit  Erstaunen  des  weiten  Ab- 
standes  bewusst  werden ,  der  die  englische  Kunst- 
entwicklung von  der  festländischen  in  den  Kleinkünsten 
trennte. 

Seitdem  haben  sich  die  Verhältnisse  in  einer  merk- 
würdigen Weise  geändert.  Eine  neue  Kunst  ist  auch 
auf  dem  Kontinent  in  die  Höhe  geschossen,  und  es 
wird  in  ihrer  Bethätigung  ein  Eifer  entfaltet,  der  alle 
früheren  Versäumnisse  im  Sturm  wieder  gut  machen 
zu  wollen  scheint.  Kühn  genommene  Anfänge  sind 
in  ganz  kurzer  Zeit  zu  einer  Reife  entwickelt  worden, 
die  erstaunlich  sein  würde,  wenn  sie  überall  gesund 
und  natürlich  wäre.     Zum  mindesten  muss   man    in- 

Kunstgewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  8. 


dessen  zugestehen,  dass  die  neue  kontinentale  Kunst, 
obgleich  im  letzten  Grunde  auf  den  Schultern  der 
englischen  Bewegung  stehend,  eine  selbständige  ist 
und  in  anderer  Richtung  sich  entwickelt,  wie  die 
englische. 

Bei  dieser  Sachlage  musste  man  auf  die  im 
Herbst  1899  stattfindende  sechste  Ausstellung  des 
englischen  Vereins  ganz  besonders  gespannt  sein. 
Hatte  England  Schritt  gehalten  mit  dem  Kontinent? 
Waren  seine  vorhandenen  neuen  Anfängn  in  derselben 
Breite  erweitert  worden,  wie  die  kontinentale  Kunst 
neugestaltet  worden  war?  Wie  stellte  sich  ein  Ver- 
gleich zwischen  der  englischen  und  der  neuen  fest- 
ländischen Kunst? 

Die  Ausstellung  in  Regentstreet  giebt  die  Antwort  auf 
diese  Fragen  nur  in  unvollkommenem  Masse.  Sie  wird 
dem  Beschauer,  und  zumal  dem  kontinentalen,  Ver- 
anlassung geben ,  ein  weniger  günstiges  Urteil  zu 
fällen,  als  die  früheren  Ausstellungen  ihm  abnötigten. 
Wir  sind  bei  uns  daran  gewöhnt,  auf  ähnlichen  Aus- 
stellungen besondere,  von  langer  Hand  vorbereitete 
Veranstaltungen  zu  sehen,  Aufstellung  ganzer  Zimmer, 
Unterordnung  der  ganzen  Aufstellungsart  unter  einen 
einheitlichen  künstlerischen  Gedanken.  Nichts  von  alle- 
dem ist  hier  geschehen.  Niemand  hat  besondere  Vor- 
kehrungen für  die  Ausstellung  getroffen,  nirgends  hat 
sich  eine  Künstlergruppe  zu  einer  abgeschlossenen 
Leistung  vereinigt.  Das  sich  hierin  aussprechende 
starke  Mass  von  Gleichgültigkeit  ist  für  die  Wirkung 
der  Ausstellung  bedauerlich,  aber  dem  Kenner 
englischer  Verhältnisse  geläufig.  Einmal  ist  der  eng- 
lische Gewerbetreibende  bei  der  jetzt  herrschenden  Hoch- 
flut des  Geschäftsdranges  gerade  augenblicklich  stark 
beschäftigt,  er  hat  nicht  Zeit,  besondere  Ausstellungs- 

22 


142       DIE  SECHSTE  KUNSTGEWERBLICHE  AUSSTELLUNO  IN  NEW  GALLERY,  LONDON 


stücke  herzustellen.  Dann  aber  besitzt  er  überhaupt 
eine  starke  Abneigung  gegen  jede  Art  von  Ausstellungen, 
die  besondere  Opfer  von  ihm  verlangen.  So  kommt 
es,  dass  eine  ganze  Reihe  der  bekanntesten  englischen 
Gewerbekünstler  überhaupt  nicht  ausgestellt  haben, 
sie  lassen  Lücken,  deren  sich  der  Uneingeweihte  nicht 
bewusst  wird.  Die  jetzige  Ausstellung  ist  im  allge- 
meinen nichts  als  eine  Zusammenstellung  der  in  den 
verschiedenen  Künstlerwerkstätten  zufällig  vorhandenen 
und  abkömmlichen,  für  andere  als  für  Ausstellungs- 
zwecke gefertigten  Sachen. 

Freilich  ist,  das  muss  zu- 
gestanden werden,  bei  Durch- 
musterung der  Ausstellerliste 
der  Umstand  überraschend, 
dass  sie  ziemlich  genau  mit 
der  Liste  von  1896  überein- 
stimmt. Fast  kein  neuer  Name 
tritt  auf,  kein  neues  Talent 
macht  sich  geltend.  Auch  die 
Ausstellungsgegenstände  wei- 
sen fast  genau  denselben  Cha- 
rakter auf,  wie  die  vor  drei 
Jahren.  Man  hat  wieder  die 
Stoffe  von  Voysey,  die  Metall- 


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Sachen  von  Dawson  wie  damals,  man  sieht  die  Schmuck- 
sachen von  Ashbee,  die  Einbände  von  Cobden  Sander- 
son,  die  man  1 896  bewunderte,  und  sie  beherrschen  ge- 
rade noch  so  das  Feld  wie  damals.  In  dieser  Stetigkeit 
scheint  sich  ein  gewisserStillstand  bemerklich  zu  machen. 
Noch  eineandere  kleineNebenerscheinungist  bedenklich; 
man  fängt  an,  sich  einem  deutlich  hindurchblickenden 
Selbstkultus  in  den  Reihen  jener  Männer  hinzugeben, 
die  einst  so  tapfer  vorkämpften,  um  die  Phalanx  der 
künstlerischen  Interesselosigkeit  des  Publikums  zu 
durchbrechen.  Abgesehen  davon,  dass  etwa  der  vierte 
Teil  der  ganzen  Ausstellung 
den  Werken  des  seit  drei  Jah- 
ren toten  William  Morris  ge- 
widmet ist,  macht  sich  eine 
gewisse  Wichtigthuerei  der  Ge- 
meinde, die  dem  Meister  ihr 
Dasein  verdankt,  in  vielen  Ne- 
bensächlichkeiten bemerkbar. 
Man  hat  oft  Gelegenheit,  die 
feierliche  Miene  zu  belächeln, 
mit  welcher  nichtige  Kleinig- 
keiten vorgeführt  werden,  die 
Wichtigkeit,  mit  welcher  der 
Katalog   eine    Reihe    von    oft 


Naturstudien  von  HERMANN  HEIDRICH,  Berlin. 


DIE  SECHSTE  KUNSTGEWERBLICHE  AUSSTELLUNG  IN  NEW  GALLERY,  LONDON        143 


fünf  oder  sechs  Personen  aufzählt,  welche  an  einem  bescheidenen 
Bauernstuhl,  an  einem  silbernen  Löffel  mitgewirkt  haben.  Das  sonst 
sehr  zu  billigende  Bestreben,  dem  Hersteller  jeden  Dinges  sein  Recht 
zu  gewähren,  kann  auch  so  weit  getrieben  werden,  dass  es  lächerlich 
wirkt. 

Ist  der  Eindruck  der  Ausstellung  der,  dass  sie  nicht  so  gut  ist, 
wie  man  hätte  erwarten  können,  so  lehrt  ein  weiteres  Studium  der- 
selben doch,  dass  sie  besser  ist,  als  sie  auf  den  ersten  Blick  zu 
sein  scheint.  Einzelne  Gebiete  sind  vorzüglich  vertreten,  so  vor  allem 
der  Schmuck,  die  Metallarbeiten  und  die  auf  das  Buch  bezüglichen 
Gewerbe.  Stoffe  sind  in  derselben  Vorzüglichkeit  wie  früher  vorhanden, 
ein  Schrank  mit  Gläsern  erregt  unsere  Bewunderung,  die  dekorative 
Malerei  und  Plastik  hat  einige  gute  Leistungen  aufzuweisen.  Dagegen 
zeigen  einige  andere  Gebiete  wieder  eine  ganz  auffallende  Leere,  und 
dahin  gehört  vor  allem  dasjenige,  das  man  als  Hauptgebiet  einer  Aus- 
stellung ähnlicher  Art  ansehen  müsste,  das  des  Möbels. 

An  Möbeln    hat  die    meisten    und    auch   die   auffallendsten    Stücke 
C.  R.  Ashbee  gesandt.     Namentlich  zwei  reich  verzierte  Damenschreib- 
tische fallen 
durch  ihre  un- 
gewöhnliche 
Erscheinung 
auf.  Eine  ziem- 
lich plumpeGe- 

samtform  ist 
durch  reich  ver- 
zierte Zusatz- 
teile  interessant 
gemacht,  das 
ganze  Möbel  so- 
zusagen in  zwei 
Teile  zerlegt,  in 
den  Grundkör- 
per und  den 
Schmuck.  Der 
letztere,  an  sich 

sehr  reizvoll, 
verliert  'r  durch 
die  gleichartige 
Wiederholung 
an  Wirkung;  die 
in     Handarbeit 
hergestellten 
Zierteile  er- 
wecken in  ihrer 
Vielheit  den 
Eindruck  der 
Fabrikarbeit. 
Bei   dem  grös- 
seren   Schranke 
stört    die    An- 
bringung   brei- 
ter,   die    Ham- 
merschläge zei- 
gender schmie- 
deeiserner Bän- 
der auf  der  fein 
polierten  Maha- 
gonifläche. Die 

Schreibtafel 
ruht  in   beiden 

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Naturstudien  von  HERMANN  HEIDRICH,  Berlin. 


144        DIE  SECHSTE  KUNSTGEWERBLICHE  AUSSTELLUNG  IN  NEW  GALLERY,  LONDON 


In  Silber  montiertes  Tiffanyglas  von  Hofgoldschmied 
SCHAPER,  Berlin. 


Fällen  auf  Ausschiebehölzern  von  einer  ganz  auf- 
fallenden Massigkeit.  Aber  ein  Gutes  lässt  sich 
von  beiden  Schränken  sagen,  sie  verkörpern  den 
wichtigen  Gedanken,  nicht  nur  das  Äussere,  sondern 
auch  das  Innere  gehörig  auszubilden.  Die  ganze 
bei  geöffneten  Thüren  sichtbare  Fläche  des  Innern 
ist  in  feinem  hellen  Holze  gearbeitet  und  zeigt  die 
kostbarste  Ausbildung  in  eingelegtem,  zum  Teil 
plastisch  heraustretenden  Holze.  —  Einige  weitere 
Stücke  Ashbees  zeigen  ungefähr  den  gleichen  Charakter, 
man  könnte  sagen,  sie  taumeln  zwischen  Bauerntum 
und  Verfeinerung  hin  und  her,  nicht  ohne  dabei  einen 
starken  Stich  ins  Affektierte  zu  zeigen. 

Ganz  anders  treten  Voysey's  Möbel  auf.  Sie  sind 
klar  und  werkmässig  gedacht,  verkörpern  ohne  Um- 
schweife ihren  Zweck  und  atmen  in  der  Erscheinung 
der  schlichten ,  ungeheizten  Eichenholzflächen  eine 
gewisse  saubere  Bürgerlichkeit,  aber  sie  streifen  auch 
stark  ans  Nüchterne.  Sie  sind  kaum  anders  als  in 
einer  Bauernstube  denkbar.  Das  starke  Unterstreichen 
der  Konstruktionsmotive,  häufig,  wie  bei  den  Arm- 
stühlen, auf  Kosten  der  Bequemlichkeit,  ist  heute,  wo 
man  wieder  werkmässig  zu  arbeiten  versteht,  wohl 
kaum  mehr  am  Platze.  Auch  Voysey  ist  von  Affektiert- 
heiten nicht  frei ,  wie  die  scharfen  Spitzen  an  den 
Rückenlehnen  seiner  Armsfühle  zeigen. 

Wie  weit  indessen  die  Verirrung  in  dieser 
Richtung  gehen  kann,  zeigt  ein  Anrichteschrank  von 
H.  Barnsley,  ein  in  einer  Art  Zimmermannsarbeit  roh  zu- 


sammengefügtes Eichenholzmöbel,  das  etwa  unserm 
Kulturzustande  zur  Zeit  der  Römereinfälle  entsprechen 
würde.  Selbst  der  Gedanke  der  Rahmen  und  Füllungen 
erscheint  dem  Verfasser  zu  kultiviert,  er  wählt  Bretter- 
thüren;  statt  Metallgriffen  zeigt  das  Möbel  mit  Huf- 
nägeln aufgenagelte  Holzgriffe,  die  Zapfen  der  Pfosten 
reichen  bis  zur  Tischplatte  durch  und  zeigen  oben 
die  eingetriebenen  Holzkeile.  Das  Möbel  atmet 
förmlich  die  Atmosphäre  des  Bauernhofes.  Und 
doch  geniesst  es  die  Bewunderung  der  -Arts-  and- 
Crafts- Clique«  und  ihres  litterarischen  Anhanges. 

Neben  einer  guten  Anzahl  braver  Leistungen,  die 
aber  nichts  besonders  Bemerkenswertes  bieten,  bleiben 
eigentlich  an  guten  Möbeln  der  Ausstellung  nur  zwei 
Stücke  übrig,  ein  Scl|jubfachschrank  in  Teakholz  von 
M.  Macartney  und  ein  Kleiderschrank  von  Heal.  Der 
letztere,  einfach  und  vernünftig  in  der  Form,  hat 
einen  recht  wirksamen  Schmuck  in  einem  Fries,  der 
in  einem  blau  gebeizten  Holzstreifen  die  Einlage  von 
Ornamenten  und  Zierschrift  in  Zink  zeigt. 

Auffallenderweise  bemerkt  man  an  vielen  der 
Möbel  Mängel  in  der  Ausführung,  die  in  Deutschland 
heute  nicht  mehr  möglich  sein  würden.  Nicht  genau 
eingepasste  Holzteile,  rohe  Schrauben,  zu  grosse 
Zapfenlöcher  sind  keine  Seltenheit. 

Die  Möbel  sind  vielleicht  die  grösste  Enttäuschung, 
die  die  Ausstellung  bietet.  Weit  entfernt,  den  guten 
Eindruck  derfrüheren  Ausstellungen  zu  wiederholen  oder 
zu  verstärken,  scheint  das  dies  Jahr  Ausgestellte  eher  ge- 
eignet, die  Vermutung  aufkommen  zu  lassen,  dass  es 
mit  dem  mo- 


eng- 
Mö- 


dernen 
lischen 
bei     seinem 
Ende  entge- 
gengeht. 
Den  ge- 
wohnten 
neuengli- 
schen      Stil 
halten      nur 
noch     Voy- 
sey's Sachen 
ein.   Die  an- 
dern     Aus- 
steller    ent- 
gleisen mehr 
oder     weni- 
ger auf    Irr- 
wegen.   Lei- 
der   ist    die 
Olasgower 
Künstler- 
gruppe    auf 
der  Ausstel- 
lung gar 
nicht  vertre- 
ten, ebenso- 
wenig    wie 
der  poetische 
Baillie  Scott 


In  Silber  montiertes  Tiffanyglas  von  Hofgoldschmied 
SCHAPER,  Berlin. 


DIE  SECHSTE  KUNSTGEWERBLICHE  AUSSTELLUNG  IN  NEW  GALLERY,  LONDON        145 


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Tiffanyglas  in  Silber  montiert 
von  Hofgoldschmied  H.  SCHAPER,  Berlin. 


und  der  begabte  Geo.  Walton.  Es  wäre  sonst  ein 
besserer  Eindruck  von  dem,  was  in  England  im 
modernen  Möbel  jetzt  geleistet  wird,  zu  erwarten 
gewesen.  Indessen  muss  bemerkt  werden,  dass  auch 
die  Bestrebungen  dieser  Künstler  vereinzelt  und 
ohne  sehr  weitreichenden  Einfluss  sind.  Was  der 
ganzen  Richtung  hemmend  anhaftet,  ist  der  ge- 
ringe Sinn  für  die  Bedürfnisse  des  feineren  Hauses. 
In  diesem  sind  die  bäuerlichen  Anläufe  der  neueren 
Schule  wenig  geschätzt  und  auch  wenig  am  Platze. 
Hier  herrscht  heute,  nachdem  die  Chippendale-Periode 
vorüber  ist,  durchaus  das  Sheraton-Möbel  wieder, 
das,  in  seiner  natürlichen  Entwicklung  um  die  Wende 
des  letzten  Jahrhunderts  heimisch,  heute  eine  glänzende 
Neuherrschaft  über  das  ganze  bessere  englische  Haus 
angetreten  hat.  Seine  fein -schlichte  Form  und  Aus- 
bildung, die  ihm  den  Charakter  einer  zur  reicheren 
Entwicklung  und  Verfeinerung  der  Lebensführung 
gelangten  Bürgerlichkeit  verleihen,  lassen  diese  Herr- 
schaft gerechtfertigt  erscheinen.  Seitdem  Morris  tot 
ist,  scheint  niemand  mehr  vorhanden  zu  sein,  der 
ein  der  vornehmeren  Lebensart  entsprechendes  Möbel 
in  neuartiger  Form  erfinden  kann.  Während  der 
Kontinent  jetzt  die  mindestens  sehr  interessanten 
Möbel  von  van  de  Velde,  Plumet,  Eckmann  und 
Riemerschmidt  aufzuweisen  hat,  scheint  in  England 
die  Quelle  einer  lebenskräftigen  Empfindung  auf  diesem 
Gebiet  mehr  und  mehr  zu  versiegen. 

Kunstgewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  8. 


Ganz  anders  ist  dies  auf  dem  Gebiet  des  Stoff- 
musters. Hier  kommt  den  Engländern  der  grosse 
unwägbare  Schatz  zugute,  der  durch  die  jahrzehnte- 
lange Pflege  der  Stilisierung  der  Blume  angehäuft 
worden  ist.  Pflanzenstudium  und  Verwendung  der 
Pflanze  zu  dekorativen  Entwürfen  ist  in  England 
heute  eine  ganz  volkstümliche  Kunst,  die  sogar  schon 
den  Kern  des  Zeichenunterrichts  in  der  Volks- 
schule bildet.  Das,  was  ein  Morris,  Walter  Crane 
und  Voysey  in  dieser  Kunst  für  das  Stoff-  und 
Tapetenmuster  geleistet  haben,  wird  daher  nicht  nur 
von  den  breitesten  Volksschichten  verstanden  und  ge- 
würdigt, sondern  diese  Erzeugnisse  werden  auch 
massenhaft  verbreitet  und  gekauft.  Die  Verhältnisse 
liegen  heute  in  England  so,  dass  das  blöde  Fabri- 
kantenmuster, das  die  vorigen  Jahrzehnte  beherrschte, 
zum  mindesten  durch  das  neuartige  künstlerische 
Muster  stark  verdrängt,  wenn  nicht  ersetzt  wird. 
Hier  hat  England  seine  Kulturaufgabe,  die  Kleinkünste 
auf  eine  neue  Grundlage  zu  stellen,  am  vollkommensten 
und  glänzendsten  erfüllt.  Nach  William  Morris,  der 
die  Prachtreihe  von  Stoffen  schuf,  die  in  der  gegen- 
wärtigen Ausstellung  die  Wände  des  Südsaales  zieren, 
hat  für  das  Stoffmuster  Voysey  die  Führerschaft  über- 
nommen. Seine  Stoffe  sind  nicht  so  ernst  und  tief, 
wie  die  des  Altmeisters.  Sie  sind  tändelnder  und 
leichter  im  Charakter  und  durchaus  einer  andern 
Stufe  in  der  Qualitätsleiter  angehörig.  Die  ständige 
Wiederholung  des  stilisierten  Vogels  und  anderer 
Kinderstubenmotive  schwächt  auf  die  Dauer  den  Ein- 
druck ab.  Aber  er  hat  doch  Treffer  ersten  Ranges. 
Und  die  bestellenden  Fabriken  kommen  ihm  mit 
einer  vortrefflichen  Technik  und  vor  allem  mit  einem 
äusserst  sichern  Nachfühlen  seiner  Farbenabsichten 
entgegen.  So  lassen  sich  auch  in  der  gegenwärtigen 
Ausstellung  wieder  wahre  Prachtstücke  unter  den  von 
seiner  Hand  herrührenden  Stoffen  entdecken.  Voysey's 
Arbeiten  über- 
wiegen auf 
diesem  Gebie- 
te durchaus, 
an  Zahl  so- 
wohl wie  an 
Qualität.  Wal- 
ter Crane  hat 
einiges  nicht 
weiter  Hervor- 
ragende aus- 
gestellt, ein 
neuer  Name 
ist  in  Allan 
F.  Vigers  zu 
verzeichnen, 
der  einige  sehr 
interessante 
Seidenstoffe 
vorführt.  Ta- 
peten sind 
ziemlich  we- 
nig  vertreten, 

d-       «,,.  Tiffanyglas  in  Silber  montiert 

le    AUS-  von  Hofgoldschmied  H.  SCHAPER,  Berlin. 

23 


146       DIE  SECHSTE  KUNSTGEWERBLICHE  AUSSTELLUNG  IN  NEW  GALLERY,  LONDON 


wüchse  des  grossen  grellen  Musters,  die  sich  auf  dem 
neueren    Markte    breit    machen ,    erhalten    wenigstens 
durch  die  gegenwärtige  Ausstel- 
lung keine  Rückendeckung. 

Wie  in  Stoffen,  so  sind  auch 
in  Metallarbeiten  vortreffliche  Lei- 
stungen in  grosser  Zahl  vorhan- 
den. Die  Palme  gebührt,  wie  vor 
drei  Jahren,  wieder  dem  Künstler- 
ehepaar Nelson  und  Edith  Daw- 
son,  sowie  C.  R.  Ashbee.  Nelson 
Dawson  hat  ein  gutes  grosses 
Eisengitter  und  einen  kunstvoll 
geschmiedeten  Kamineinsatz  nebst 
zugehörigem  Vorsatzgitter  als 
Hauptwerke  ausgestellt.  Eine  Reihe 
weiterer  kleinerer  Arbeiten  in 
Edelmetallen  haben  Nelson  und 
Edith  Dawson  in  einem  beson- 
deren Schranke  ausgestellt,  dessen 
Inhalt  wohl  zu  dem  besten  ge- 
hört, das  die  Ausstellung  auf- 
weist. Es  handelt  sich  vorwie- 
gend um  Schmuckkästchen  und 
Schmuck.  Der  letztere  ist  ein 
neues  Gebiet  für  die  Dawsons, 
aber  was  sie  geleistet  haben,  stellt 
sie  auch  hier  sogleich  an  die 
Spitze.  Den  andern  englischen 
Arbeiten  gegenüber  ist  ihnen  eins 
besonders  gelungen:  die  Verfeine- 
rung, das  Verlassen  der  lediglich 
derben  Wirkungen,  die  dem  bis- 
herigen englischen  Schmuck,  be- 
sonders dem  Ashbee's  anhafteten. 
Schmelz  und  alle  Zweigkünste 
sind  hier  wie  dort  in  Anspruch 
genommen.  Leider  sind  diese 
Arbeiten  der  Dawsons  so  hoch 
im  Preise  bemessen,  dass  ihre 
Erwerbung  naturgemäss  auf  eine 
kleine  Klasse  von  Menschen  be- 
schränkt bleiben  muss. 

Zwei  grosse,  mit  Schmuck 
und  kleineren  Metallarbeiten  Ash- 
bee's gefüllte  Schränke,  deren  In- 
halt in  der  von  ihm  geleiteten 
Guild  of  Handicraft  ausgeführt 
worden  ist,  ziehen  unbedingt  das 
Interesse  auf  diesem  Gebiete  am 
stärksten  auf  sich.  So  anfechtbar 
Ashbee's  Leistungen  im  Möbel 
sind,  so  überzeugend  sind  sie  auf 
dem  Gebiete  des  Edelmetalles. 
Wie  1896  erfreut  vor  allem  wie- 
der sein  Tafelgerät.  Seine  Scha- 
len, Theegefässe,  Bratenschüsseln 
mit  zugehörigen  Deckeln,  Pfeffer- 
und  Salzbüchsen,  Pokale  und  Blumengefässe  sind  ge- 
nugsam und  durch  Ausstellung  auch  in  Deutschland 
bekannt.     Entzückend  sind  jene  faustgrossen   Silber- 


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Tiffanygläser  in  Silber  montiert 
von  Hofgoldschmied  H.  SCHAPER,  Berlin. 


dosen  mit  Deckeln  in  blauem  und  grünen  Schmelz, 
eine  einfache  Zeichnung  tragend.  Sie  haben  eine  in 
ihrer  Einfachheit  packende  Form, 
verbunden  mit  dem  hohen  Reiz 
der  Farbe,  den  der  Schmelz  ge- 
währt. In  seinem  Schmuck  hat 
Ashbee  die  ihm  früher  geläufigen 
Formen  durch  neue  bereichert 
und  zeigt  eine  grosse  Mannig- 
faltigkeit in  Zusammenstellungen 
von  Steinen,  Metallflächen  und  Or- 
namentformen. Lebhafte  Schmelz- 
farben heben  die  Einzelteile  treff- 
lich heraus  und  verhelfen  zu 
grossen,  hier  und  da  glänzenden 
Wirkungen.  Aber  dieser  Schmuck 
kommt  doch  über  einen  gewissen 
bäurischen  Charakter  nicht  hinaus 
und  passt  nur  für  eine  gewisse 
Art  von  Frauen  mit  grossen  Zü- 
gen und  von  drastischer  Erschei- 
nung. Er  war  hochwillkommen 
als  Gegensatz  gegen  die  verkom- 
mene und  verkleinlichte  Kunst 
unserer  Juwelierläden,  aber  er  ist 
einseitig  auf  dem  Standpunkt  der 
derben  Wirkung  stehen  geblieben. 
Immerhin  verraten  Ashbee's  Ar- 
beiten eine  Frische,  die  sie  zu 
den  erfreulichsten  der  Ausstellung 
macht. 

Im  Schmuck,  der  vor  drei 
Jahren  von  Ashbee  allein  in  neuer 
Form  vorgeführt  wurde,  sind  eine 
ganze  Reihe  anderer  Künstler  er- 
standen, die  dieses  Jahr  als  Mit- 
bewerber auftreten.  Vor  allem 
H.  Wilson.  Dieser  früher  durch 
seine    genialen    Architekturblätter 

Aufsehen  erregende  Künstler 
scheint  sich  jetzt  ganz  auf  das 
Gebiet  der  kleinen  Metallkünste 
begeben  zu  haben.  Nicht  frei 
von  Affektiertheit  und  von  einer 
düster-mystischen  Phantasie  ge- 
leitet, hat  er  seinen  Ausstellungs- 
stücken zwar  auch  hier  eine  hohe 
Eigenart  zu  geben  vermocht,  al- 
lein immer  nicht  eine  solche  ge- 
winnender Natur.  Für  seinen 
Schmuck  wählt  er  ganz  helles 
Gold  von  einer  grüngelblichen 
Farbe.  Glänzende  Blechflächen 
wechseln  mit  getriebenen  Gebil- 
den, meist  figürlicher  Art,  deren 
mystische  Verschwommenheit  Rät- 
sel zu  lösen  giebt.  Besser  sind 
seine  grösseren  Metallstücke,  Altar- 
kreuze und  dergleichen,  in  denen  sehr  interessante 
Farbenversuche  durch  Anlaufenlassen  der  Metallfläche 
angestellt  sind. 


DIE  SECHSTE  KUNSTGEWERBLICHE  AUSSTELLUNG  IN  NEW  GALLERY,  LONDON        147 


Entschiedene  Fortschritte  sind  in  den  letzten 
Jahren  in  England  in  der  Kunst  des  Schmelzes  ge- 
macht worden.  Der  Vater  der  wiedererweckten 
Technik  ist  Alexander  Fisher,  seine  Arbeiten  sind 
schon  seit  etwa  zehn  Jahren  bekannt  und  waren 
ihrerzeit  die  einzigen  in  England.  In- 
zwischen hat  gerade  diese  Technik  «n- 

gemein    an  Boden  gewonnen,    sie  wird 
an  allen  Kunstschulen   gelehrt  und  von 
allen  Metallkünstlern  gepflegt,  ja  bereits 
von  einer  Reihe  von  Dilettanten   ausge- 
übt.    Auch  Maler,   wie  Herkomer,  und 
Bildhauer,  wie  Frampton,    widmen  sich 
ihr  mit  Glück.     Sie  gehört  zu  den  po- 
pulärsten der  jetzt   in  England   geübten 
Kleinkünste.      Und    so    weist   auch    die 
gegenwärtige  Ausstellung 
eine    ungemeine    Anzahl 
von  Schmelzarbeiten  jeder 
Art  auf.  Am  auffallendsten 
sind    die   grossen   Stücke 
von    Fisher,    die    in    der 
Behandlung   des  Schmel- 
zes meisterhaft,    im   Ent- 
wurf der  Metallarbeit  da- 
gegen oft  nicht  unbedingt 
glücklich  genannt  werden 
können.    Ein  merkwürdi- 
ges Zwitterding  zwischen  Gebrauchsstück 
und  Kunstwerk  an  sich  ist  ein  elektrischer 
Wandleuchter,    der    lediglich    aus   zwei 
kleinen  Glühlampen  besteht,  die  auf  ei- 
nem   mächtigen    Schild    mit    einem    als 
Körper  heraustretenden  Pfau  sitzen:   ein 
Werk    ohne    rechte    künstlerische   Über- 
zeugungsfähigkeit. 

An  weiteren  Metallarbeiten  sind  die 
diesmal  nicht  so  sehr  hervortretenden 
Erzeugnisse  der  Birmingham  Guild 
of  Handicraft  zu  erwähnen,  sodann 
aber  vor  allem  die  trefflichen  Be- 
schläge Rathbone's,  beides  alte  be- 
währte Bekannte  für  jeden,  der  die 
englische  Kunstbewegung  verfolgt 
hat.  Die  Arbeiten  beider  Aussteller 
haben  sich  seit  der  letzten  Ausstel- 
lung nur  sehr  wenig  verändert.  Die 
Birminghamer  Gilde  pflegt  als  neues 
Gebiet  jetzt  auch  den  Schmuck  und 


^WC 


k 


fertigt  silberne  Geräte  in  grösserer 


Schmuckgegenstände  von 
Hofgoldschmied  H.  SCHAPER,  Berlin. 


Anzahl,  ohne  dabei  die  Höhe  ihrer  Sachen  in  Messing 
und  Kupfer  immer  beizubehalten.  Ausser  den  hier 
genannten  wichtigsten  Ausstellern  sind  noch  ein  gan- 
zes Heer  von  Künstlern  und  Dilettanten  vorhanden, 
die  getriebene  Arbeiten  jeder  Art,  Teller,  Krüge,  Töpfe, 
Füllungen,  Leuchter,  Schmuckkästchen 
u.  s.  w.  ausstellen.  Diese  Arbeiten  kön- 
nen zumeist  tüchtiggenanntwerden,  einige 
sind  sogar  von  hohem  Reize  in  Form 
und  Arbeit,  ein  näheres  Eingehen  auf 
sie  würde  indes  zu  weit  führen.  Im 
allgemeinen  machen  die  ausgestellten  Me- 
tallarbeiten einen  guten ,  um  nicht  zu 
sagen  vorzüglichen  Eindruck.  Ein  treff- 
licher Sinn  für  Werkmässigkeit  geht  mit 
einer  gewissen  vornehmen  Gesinnung  in 
Bezug  auf  Formengebung 
und  Ornament  Hand  in 
Hand.  Diese  Art  Arbeiten 
haben  immer  etwas  Er- 
frischendes, und  wenn  sie 
auch  auf  einer  gewissen 
primitiven  Stufe  stehen 
bleiben,  so  sind  an  ihnen 
doch  Geschmacksverirrun- 
gen, Übertreibungen  und 
phantastische  Überladung, 
zu  der  manche  kontinen- 
tale Arbeiten  neigen,  unbedingt  ausge- 
schlossen. Hier  und  da  pocht  man  et- 
was allzusehr  auf  den  Handwerker.  So 
hat  es  wohl  wenig  Sinn ,  auf  einem 
glänzenden  Theegeschirr  aus  Silber,  das 
einen  vornehmen  Tisch  zieren  soll,  die 
wuchtigen  Hammerschläge  der  Treibar- 
beit stehen  zu  lassen. 

Eine  ausgesprochen  englische  Tech- 
nik, die  hier  zum  erstenmal  in  grösserem 
Umfange  vorgeführt  wird,  verkör- 
pern die  Arbeiten  in  getriebenem 
und  gegossenem  Blei.  In  der  alten 
englischen  Kunst  wurde  Blei  zu  aller- 
hand kunstgewerblichen  Zwecken, 
zur  Herstellung  von  Gartengefässen, 
Wasserbehältern ,  verzierten  Abfall- 
rohren  und  selbst  zu  Bildwerken  in 
grosser  Ausdehnung  verwendet.  Der 
Architekt  Lethaby  hat  sich  der  Tech- 
nik wieder  angenommen  und  sie 
zum  Gegenstande  eines  Lehrfaches 

23* 


148        DIE  SECHSTE  KUNSTGEWERBLICHE  AUSSTELLUNG  IN  NEW  GALLERY,  LONDON 


in  der  von  ihm  geleiteten  Central  School  of  Arts  and 
Grafts  in  London  gemacht.  Die  ausgestellten  Arbeiten 
stellen  allerhand  grössere  Gefässe,  eine  Sonnenuhr  und 
künstlerisch  ausgebildete  Regenrinnen  vor.  Die  letz- 
teren namentlich  sind  von  hohem  Interesse. 

In  Töpfer-  und  Glasarbeiten  sind  einige  treffliche 
Sachen  vorhanden ,  ohne  dass  die  allgemeine  Ent- 
faltung eine  imponierende  wäre.  Auf  dem  ersteren 
Gebiet  beherrschen  Doulton  &  Co.,  auf  dem  zweiten 
Powell  &  Söhne  das  Feld,  beides  grosse  Fabrikanten, 
welche  indessen  doch  die  beste  Art  von  Arbeit 
pflegen.  Die  von 
Japan  her  einge- 
führten »Zufällig- 
keitsglasur« ,  die 
die  Begriffe  in 
der  Keramik  heut- 
zutage etwas  zu 

verwirren  be- 
ginnt,   findet    in 

England  noch 

wenig  Pfleger. 
Doulton  hat,  aus- 
ser seiner  bekann- 
ten rotornamen- 
tierten Lüsterwa- 
re (auf  der  selt- 
samerweise   und 

mit   Hohnspre- 
chungderGrund- 
sätze    der    Arts- 
and -  Grafts  -  Ge- 
sellschaft eine  Art 

Glasurbruch 
künstlich  nach- 
geahmt ist)  eine 
ganze  Reihe  von 
Tellern,  Schüs- 
seln und  Vasen 
ausgestellt,  die 
sehr  gute  Farben- 
wirkungen in  ei- 
ner Art  Bauern- 
majolika vorfüh- 
ren. In  Glasar- 
beiten erregt  ein 

Schrank  feiner 
Tafel-  und  Zier- 
gläser von  Powell  &  Söhne  gerechtes  Aufsehen. 
Ausser  einer  zierlichen,  dabei  doch  grosse  Einfachheit 
des  Umrisses  einhaltenden  Form  sind  feine  Farben- 
versuche gemacht,  zum  Teil  durch  die  Wahl  einer 
interessanten  Gesamtglasfarbe,  zum  Teil  durch  Ein- 
blasen einer  streifigen  Textur  in  einem  Farbentone, 
zum  Teil,  indem  der  Kopf  der  Gläser  ganz  in  tiefen 
Glastönen  gehalten  ist.  Gerade  in  letzterer  Beziehung 
sind  einige  Haupttreffer  gelungen ,  die  eine  Freude 
für  den  Sammler  bilden  müssen. 

Eine  Reihe  feinerer  Majolikaarbeiten  stellt  die 
Della  Robbia  Pottery  in  Birkenhead  aus,  ein  Haus, 
dessen    Waren    auf    keiner   englischen    gewerblichen 


Schrank -Thürfüllung  mit  Intarsien,  entworfen  von  Arcliitekf  G.  SIEDLE,  Berlin. 


Ausstellung  zu  fehlen  pflegen.  Die  Sachen  ahmen 
im  Charakter  stark  die  Werke  der  Meisterfamilie  nach, 
deren  Namen  das  Haus  angenommen  hat,  ohne  die 
saftige  Farbengebung  der  Originale  zu  wagen.  Zu 
Zeiten  sind  recht  gefällige  Wirkungen  ereicht.  Er- 
zeugnisse ersten  Ranges  sind  jedoch  selten  zu  finden. 
Auf  dem  Gebiet  der  dekorativen  Plastik  hat  sich 
in  den  letzten  Jahren  in  England  ein  Kunstzweig  ent- 
wickelt, der  jetzt  von  verschiedenen  Künstlern  gepflegt 
wird,  es  ist  das  farbige  Relief.  Die  erste,  Aufsehen 
erregende  Arbeit  dieser  Art  war    ein  Fries  von   dem 

jungen  Künstler 
Moira  im  Traca- 
dero  -  Restaurant 
in  London.  In 
der  Folge  nahm 
Anning  Bell  die 
Technik  auf  und 
ausser  einigen 
Werken  dieses 
Künstlers  weist 
die  jetzige  Aus- 
stellung auch 
zwei  grosse  Re- 
liefs von  Walter 
Crane  auf.  An- 
ning Bell's  Ar- 
beiten zeichnen 
sich  durch  jenen 
grossen  Liebreiz 
aus,  der  auch  den 
Zeichnungen  die- 
ses Künstlers  ei- 
gentümlich zu 
sein  pflegt,  ohne 
indes  tiefer  zum 
Herzen  des  Be- 
schauers zu  spre- 
chen. Das  in  Eng- 
land zurBerühmt- 
heit  gelangte  Re- 
lief »Musik  und 
Tanz«  zeigt  die 
Stärke  des  Mei- 
sters treffend.  Die 
Handhabung  des 
Farbigen  ist  in 
beiden  Reliefs 
sehr  gut  gelungen.  Das  Relief  ist,  der  Technik  ent- 
sprechend, ganz  flach  gehalten,  die  Färbung  aber 
dabei  so  erfolgt,  dass  die  Vertiefungen  einen  dichteren 
Farbenauftrag  zeigen  als  die  hochstehenden  Teile, 
so  dass  die  plastische  Wirkung  durch  die  Färbung 
gehoben  wird.  Die  beiden  grossen  allegorischen  Reliefs 
Walter  Crane's  haben  ein  viel  höheres  Relief  und  eine 
ziemlich  bunte  Färbung.  Man  kann  die  Empfindung 
nicht  unterdrücken,  dass  sie  auch  in  der  allgemeinen 
Durchbildung  etwas  stark  Dilettantisches  an  sich  haben 
und  gegen  die  besseren  früheren  Arbeiten  des  Meisters 
zurückstehen.  Dasselbe  lässt  sich  diesmal  von  zahl- 
reichen   ausgestellten    Zeichnungen     und    Entwürfen 


DIE  SECHSTE  KUNSTGEWERBLICHE  AUSSTELLUNG  IN  NEW  GALLERY,  LONDON        149 


Walter  Crane's  sagen,  die  auf  derselben  Wand  zu- 
sammengestellt sind.  Wie  weit  der  erwähnte  Selbst- 
kultus in  den  Reihen  der  Gesellschaft  gediehen  ist, 
kann  man  an  einem  kleinen  Bücherschränkchen  sehen, 
das  ebendaselbst  unter  Walter  Crane's  Namen  ausge- 
stellt ist.  Es  ist  nichts  als  ein  ganz  gewöhnliches, 
weisslackiertes  Wandschränkchen  von  trivialster  Form 
und  mit  schlechten  Beschlägen,  und  man  fragt  sich 
vergeblich,  unter  welcher  Berechtigung  dieses  voll- 
kommen gleichgültige  Stück  seinen  Platz  einnimmt. 

Wie  die 
dekorative 
Plastik,  so  ist 
auch  die  de- 
korative Ma- 
lerei  in   das 
Programm 
der    Gesell- 
schaft aufge- 
nommen. 
Hier  sind  ei- 
nigetüchtige 
Arbeiten  aus- 
gestellt,   die 
durch  Farbe 
und  Kompo- 
sition erfreu- 
en ,    so    ein 
Wandschirm 
von  dem  be- 
kannten Künst- 
ler Brangwin 
und  zwei  präch- 
tige   Stellschir- 
me von   R.  M. 
Nance.  An  son- 
stigen     maleri- 
schen   Arbeiten 
sind     hier    die 
Entwürfe  für  far 
b ige  Glasfenster 
zu  erwähnen 
(Fenster    selbst 

auszustellen 
verbot  die  Ört- 
lichkeit), zu  de- 
nen Walter  Cra- 
ne,  der  bekann- 
te Glasmaler 
Christopher 
Whall,  ferner  Louis  Davis,  Anning  Bell,  Mary  Newill 
u.  a.  Beiträge  geliefert  haben,  die  zum  Teil  vielver- 
sprechend sind.  Des  erstgenannten  Künstlers  Entwürfe, 
die  farbig  vorgeführt  sind,  bewegen  sich  ganz  in  der 
Richtung,  die  Burne-Jones  dem  farbigen  Glas  in  Eng- 
land vorgezeichnet  hat.  Die  Arbeiten  Whall 's,  die  nur 
in  flüchtigen  Kohlezeichnungen  gegeben  sind,  sind 
durch  einen  gewissen  modernen  Bestandteil  in  Auf- 
fassung und  Linie  bemerkbar. 

Unter    den    weiblichen    Handarbeiten    fallen   vor- 
wiegend   die    Stickereien    auf,    zum    Teil    Arbeiten 


•a»|55>'i|-'3!l«'».5»« 


Tapetenbordüren,  entworfen  von  Architekt  Q.  SIEDLE,  Berlin. 


grössten  Masstabes,  von  denen  sich  indes  nicht  all- 
zuviele  zu  Kunstwerken  in  einem  höheren  Sinne  er- 
heben. Viele  verfehlte  Versuche,  Unmögliches  zu 
erreichen,  können  an  den  Wänden  der  Ausstellung 
studiert  werden.  Am  besten  gefallen  noch  die- 
jenigen Stickereien,  die  die  Grundfläche  nicht  ganz 
zudecken,  sondern  diese  in  einer  gewissen  Weise 
mitsprechen  lassen.  In  dieser  Beziehung  sind  von 
der  Kunstschule  in  Birmingham,  wo  eine  vortreffliche 
Richtung     in     der    Stickerei    schon    längst    gepflegt 

worden  ist, 
einige  sehr 
interessante 
Stücke  aus- 
gestellt. 
Auch  einige 
Altarvorhän- 
ge sind  vor- 
handen, die 
ein  grosses 
Stilgefühl 
bekunden. 
Merkwürdi- 
gerweise ist 
die  sonst  in 
England  ge- 
übte Art  von 
Kunststicke- 
rei (für  die 
in  London 
eine  eigne  Schu- 
le vorhanden  ist, 
"die  nächstens 
ihr  Heim  in  ei- 
nem prächtigen 
Neubau  finden 
wird)  nicht  ge- 
eignet, unsertie- 
feres  Interesse 
zu  erregen.  Man 
bevorzugt  einen 
Plattstich,  der  in 
einer  die  ganze 
Fläche  überdek- 
kenden  Zeich- 
nung und  in 
meist  stark  zu- 
rückgehaltenen 
Farben  von  der 
erwünschten 
Gegensatzwirkung  zu  wenig  Gebrauch  macht,  um  die 
besten  Möglichkeiten,  die  sich  für  die  Technik  bieten, 
zu  erschöpfen.  Zu  einer  ungemein  packenden  Wir- 
kung ist  dagegen  die  aufgenähte  Arbeit  neuerdings  in 
England  entwickelt  worden,  und  zwar  hauptsächlich 
von  Godfrey  Blount  in  Haselmere,  der  eine  seiner 
prächtigen  Arbeiten  in  einem  Vorhang  vorführt. 

Das  letzte  hier  zu  betrachtende  Gebiet,  das  Ge- 
biet der  auf  das  Buch  bezüglichen  Gewerbe,  ist  zu- 
gleich eins  der  erfreulichsten  der  Ausstellung.  Ob- 
gleich   die  gute  Buchausstattung   in  England    nie  so 


150       DIE  SECHSTE  KUNSTGEWERBLICHE  AUSSTELLUNO  IN  NEW  GALLERY,  LONDON 


Tapetenmuster,  entworfen  von  Architekt  O.  SIEDLE,  Berlin. 

vollständig  ausgestorben  war  wie  bei  uns,  so  hat  doch 
auch  hier  mit  dem  Wiederaufblühen  der  Kleinkünste 
eine  äussere  Umgestaltung  des  Buches  stattgefunden, 
wie  sie  einschneidender  nicht  gedacht  werden  kann. 
Bekanntlich  wies  auch  hier  Morris  die  Wege,  nicht 
sowohl,  indem  er  den  Stil  des  Buches  feststellte,  als 
indem  er  durch  die  unantastbare  künstlerische  wie 
technische  Qualität  seiner  Leistungen  eine  Höhenmarke 
vorzeichnete,  die  sich  von  seinen  Nachfolgern  im 
besten  Falle  wieder  erreichen,  aber  keineswegs  über- 
schreiten liess.  Von  der  Höhe  dieser  Leistungen 
strahlt  ein  Wiederschein  auch  auf  das  gewöhnliche 
Marktbuch  zurück,  der  auch  hier  nur  einen  Ein- 
fluss  ,  bester  Art  ausüben  kann.  Aber  auch  im 
Luxusbuch  und  hier  erst  recht,  ist  Morris'  Einfluss 
heute  der  massgebende.  Schon  seit  i8q6  trat  neben 
Morris  ein  neuer  Name  auf  mit  eigenartigen,  wenn 
auch  etwas  excentrischen  Arbeiten ,  es  war  Charles 
Ricketts.  Auf  der  diesjährigen  Ausstellung  hat  er 
eine  ganze  Reihe  vorzüglich  ausgestatteter  Bücher 
ausgestellt,  die  in  der  Vale  Press  gedruckt  und  von 
ihm  mit  Borten  und  Abbildungen  geschmückt  sind. 
Diese  herzerfreuenden  Leistungen  erheben  sich  durch- 
aus wieder  auf  die  Höhe  der  besten  Erzeugnisse  der- 
frühen  Buchdruckerkunst.  Einige  nicht  minder  guten 
Bücher  stellen  Lucien  und  Esther  Pissaro  aus.  Neben 
der  Vale  Press  liefert  die  Chiswick  Press  Erzeugnisse 
ersten  Ranges  und  stellt  eine  Reihe  davon  aus.  Zu 
den  von  früher  her  bekannten  Buchgewerbe-Künstlern 
tritt    endlich    diesmal    noch    ein    neuer    Name:    der 


Ashbee's,  welcher  in  seiner  Guild  of  Handicraft  eine 
Druckerei  eingerichtet  und  einen  künstlerischen  Verlag 
mit  einer  typographisch  vorzüglich  ausgestatteten 
Übersetzung  von  Benvenuto  Cellini's  Abhandlung 
über  die  Emaillierkunst  eröffnet  hat. 

Der  Bucheinband  ist  wie  auf  den  vorigen  Aus- 
stellungen, durch  Cobden  Sanderson  in  der  allbekannten 
musterhaften  Weise  vertreten.  Veränderungen  gegen 
früher  sind  nicht  bemerkbar,  dieselbe  ganz  tadellose 
technische  Behandlung,  dasselbe  vorzügliche  Material, 
dieselbe  stilistische  Ausgestaltung,  derselbe  tiefe  Ernst 
in  der  künstlerischen  Auffassung.  Neben  ihm  treten 
noch  die  bekannten  Kunstbuchbinder  Cockerell  und 
Zähnsdorf  mit  Arbeiten  auf.  Ricketts  hat  eine  ganze 
Sammlung  von  nach  seinen  Entwürfen  gebundenen 
Büchern  ausgestellt ,  die  eigenartigen ,  ebenfalls  von 
früher  bekannten  Arbeiten  von  Miss  Maccoll  sind 
ebenfalls  vertreten.  Schliesslich  sind  noch  die  Buch- 
binder-Erzeugnisse der  zwei  hervorragendsten  eng- 
lischen Kunstgewerbeschulen  von  heute,  der  von 
Birmingham  und  der  Central  School  of  Arts  and  Grafts 
in  London  zu  erwähnen,  die  beide  dem  künstlerischen 
Bucheinband  ein  hohes  Mass  von  Aufmerksamkeit 
widmen.  Gepflegt  wird  vor  allem  der  Lederband 
mit  Goldpressung  durch  Teilstempel;  auch  das  Leder- 
mosaik und  überhaupt  alle  Arbeiten  der  besseren 
Technik  finden  Beachtung.  Dabei  wird,  was  den 
Entwurf  anbetrifft,  auf  möglichste  Selbständigkeit  in 
der  Eifindung  das  grösste  Gewicht  gelegt,  die  Schüler 
werden  von  Anbeginn  vor  die  Aufgabe  gestellt,  selbst 
einen  Dekorationsgedanken  auszudenken  und  seine 
Darstellung  mit  den  gegebenen  Mitteln  zu  versuchen. 
Was  in  dieser  Beziehung  aus  den  Schulen  hervor- 
geht, verdient  unsere  höchste  Bewunderung,  die  vor- 


Tapetenmuster,  entworfen  von  Arcnitekt  O.  SIEDLE,  Berlin. 


DIE  SECHSTE  KUNSTGEWERBLICHE  AUSSTELLUNG  IN  NEW  GALLERY,  LONDON        151 


geführten  Beispiele  stehen  weit  über  dem,  was  man 
als  Schülerarbeit  zu  bezeichnen  pflegt. 

Für  das  künstlerisch  gebundene  Buch  liegt  in 
England  ein  breiterer  Bedarf  vor  als  bei  uns.  Alle 
besseren  Buchandlungen  halten  eine  grosse  Auswahl 
von  allgemein  begehrten  Büchern  in  den  besten 
durch  Handpressung  verzierten  Lederbänden  vorrätig. 
Eine  grosse  Bevölkerungsklasse  ist  vorhanden,  welche 
willig  20  bis  50  Mark  für  einen  guten  Einband  aus- 
giebt.  Selbst  eine  Anzahl  von  Buchbindern,  die 
das  Zehnfache  des  genannten  Betrages  für  ihre  Bände 
verlangen,  finden  ihren  Kundenkreis.  Aber  nicht  nur 
der  als  Kunstwerk  auftretende  Bucheinband,  auch  das 
Marktbuch  ist  in  England  für  gewöhnlich  künstlerisch 
einwandfrei,  hier  und  da  sogar  ungemein  anziehend 
ausgestattet.  Gerade  auf  diesem  Gebiete  kann  uns 
England  noch  lange  als  Lehrmeisterin  dienen. 

Die  Buchillustration  ist  diesmal  schlecht  vertreten. 
Ausser  einer  Anzahl  Zeichnungen  von  Walter  Crane, 
die  ziemlich  weit  unter  dem  Niveau  dessen  stehen, 
was  man  von  seiner  Hand  gewöhnt  ist,  ist  so  gut 
wie  nichts  vorhanden.  Dass  trotzdem  die  Illustrations- 
kunst in  England  nicht  ruht,  beweisen  die  fortlaufend 
erscheinenden ,  meist  vortrefflich  in  dem  richtigen 
Schwarz-  und  Weiss  -  Charakter  illustrierten  Bücher, 
so  dass  die  Leere  der  Ausstellung  als  rein  zufällig 
bezeichnet  werden  muss. 

Der  ganze  südliche  Saal  des  Ausstellungsgebäudes 
ist  mit  Entwürfen  und  ausgeführten  Arbeiten  William 
Morris'  gefüllt.  So  wenig  es  am  Platze  erscheint, 
diese  Arbeiten  in  eine  Ausstellung  aufzunehmen,  die 
eigentlich  den  jetzigen  Stand  des  Kunstgewerbes  dar- 
stellen soll,  so  dankbar  wird  jeder  Besucher  dem 
Verein  sein ,  diese  einzige  Sammlung  zusammenge- 
bracht zu  haben.  Nach  den  gemischten  Eindrücken, 
die  die  übrigen  Säle  hinterlassen,  tritt  man  hier  wie 
in  einen  Tempel  ein,  in  welchem  der  erhabene 
Geist  eines  grossen  Genies  waltet,  das  unbeirrt  von 
der  Strömung  des  Tages  seine  eigenen  Wege  ging. 
Gegenüber  dem  Ernst  dieser  Werke  schnellen  die 
Leistungen  der  übrigen  Säle  bedenklich  in  die  Höhe. 
Morris  ist  tot  —  das  empfindet  man,  wenn  man  diese 
Säle  im  Rückgang  wieder  durchschreitet.  Von  höchstem 
Interesse,  ja  von  kulturgeschichtlichem  Werte,  ist  die 
grosse  Reihe  von  Werkzeichnungen,  die  die  Wände 
dieses  Sales  zieren,  sie  enthüllen  uns  die  Seele  des 
künstlerischen  Schaffens  des  Meisters,  sie  gewähren 
einen  Einblick  in  jenen  Brunnen  unversiegbarer 
Erfindungskraft,  aus  dem  er  schöpfte.  Denn  wie 
jeder  grosse  Künstler  fasste  er  jede  neue  Aufgabe  von 
einem  neuen  Gesichtspunkt  auf,  er  drang  immer  vor- 
wärts und  blieb  immer  ein  Lernender.  So  bewahrte 
er  seinen  Werken  jene  ewige  Jugendfrische,  die  sie 
von  denen  des  Routiniers  so  grundverschieden  macht. 
Über  den  Werkzeichnungen  sind  die  Stoffe  und 
Gobelinwebereien  des  Meisters  aufgehängt,  eine  Reihe 
von  Schaukästen  bergen  seine  Entwürfe  für  den  Buch- 
druck, sowie  seine  Bücher.  Die  Mitte  des  Zimmers 
nimmt  ein  riesiger  Teppich  ein,  der  nach  seinem 
Entwürfe  in  seinen  Werkstätten  gefertigt  ist. 

Das  Denkmal,  das  die  Gesellschaft  der  Morris'schen 


Kunst  in  diesem  Saale  errichtet  hat,  wirft  seinen 
Schatten  über  den  ganzen  übrigen  Teil  der  Aus- 
stellung. Morris  war  zwar  in  seiner  Kunst  im  ge- 
wissen Sinne  archaistisch,  ein  Mann,  der  sich  ent- 
schieden dem  Strom  seiner  Zeit  entgegenstemmte  und 
sein  Heil  in  mittelalterlichen  Zuständen  erblickte,  aber 
er  war  eine  kraftstrotzende  Erscheinung,  eine  Per- 
sönlicheit,  die  ihren  Jahrzehnten  den  Stempel  auf- 
drückte. Die  Leute,  die  heute  auf  den  von  ihm 
aufgesuchten  Pfaden  weiter  wandeln,  sind  Epigonen, 
und  der  Mehrzahl  von  ihnen  fehlt,  verglichen  mit 
dem  Meister,  Kraft  und  Saft.  Ein  merkwürdiger 
Unterschied  gegen  den  Kontinent:  in  England  liegt 
heute  eine  ungemeine  Breite  in  der  Entwicklung  der 
neuen  Kunst  vor,  die  gewerblichen  Künste  sind  auf 
der  neu  geschaffenen  Grundlage  ganz  volkstümlich 
geworden,  ein  Heer  von  Dilettanten  übt  sie  aus,  aber 
es  scheinen  kraftvolle  Führer  zu  fehlen,  deren  Genie 
weitere  Bahnen  öffnete;  auf  dem  Kontinent  haben  wir 
einige  bedeutende  Führer,  aber  keinen  volkstümlichen 
Untergrund.  Die  gegenwärtige  Ausstellung  zeigt 
viele  brave  Sachen,  aber  keine  grössere,  irgendwie 
weiter  ausfassende  Leistung.  Hunderte  von  Kästchen, 
Schalen,  Schränkchen,  Gefässen  und  Metallsachen,  fast 
alle  niedlich  in  sich,  hier  und  da  auffallend  gut,  im 
Grunde  alle  werkmässig  tüchtig  und  gesund,  aber 
alles  Kleinkram. 

Noch  eine  andere  Erscheinung  ist  auffallend.  Man 
beschränkt  sich  ganz  und  gar  auf  das  einseitige  Ge- 
biet des  Primitiven.  Und  dem  Kenner  der  englischen 
Volkseigenart  erscheint  es  ganz  wahrscheinlich,  dass 
dies  auch  so  bleiben  wird.  Das  Ländliche,  im  ge- 
wissen Sinne  Bäurische,  ist  der  ausgesprochendste 
englische  Zug,  ein  Zug,  der  dieses  Land  und  seine 
Bewohner  so  ausserordentlich  verschieden  von  allen 
Ländern  des  Kontinents  macht.  Man  wird  über 
dieses  Primitive  schwerlich  weit  hinauskommen,  vor 
allem  aber  auch  schon  deshalb  nicht,  weil  man  das 
Elegante  gar  nicht  schätzt  und  versteht.  Es  kommt 
hinzu,  dass  gerade  die  Arts-and-Crafts-Gesellschaft  in 
ihrer  starken  Beimischung  von  Demokratismus  diesen 
Hass  gegen  das  Verfeinerte  auf  die  Spitze  treibt. 

In  dieser  Einseitigkeit  liegen  die  Grenzen  vorge- 
zeichnet, die  der  neuen  englischen  Kunstentwicklung 
wahrscheinlich  gesteckt  sein  werden.  Sie  wird  immer 
vernünftig  und  werklich  gesund,  aber  wahrscheinlich 
auch  ziemlich  schwung-  und  phantasielos  bleiben.  Hier- 
aus soll  ihr  kein  Vorwurf  erwachsen,  die  ausgesprochene 
Eigenart  macht  sie  vielmehr  selbständig  und  verleiht 
ihr  etwas  ausgesprochen  Bodenwüchsiges.  Aber  ge- 
rade deshalb  hat  sie  auf  englischem  Boden  zu  ver- 
bleiben, und  irgend  welche  Übertragungen  können  von 
geringem  Nutzen  sein.  Die  englische  Bewegung  kann 
uns  nur  das  eine  lehren,  von  denselben  Grundlagen 
von  vorn  anzufangen,  von  denen  sie  ausging,  den 
Grundlagen  des  Naturstudiums  und  der  Werkmässig- 
keit.  Diese  Grundlagen  sind  allgemein  gültig.  Wenn 
wir  dies  thun,  dann  haben  wir  eine  neue  Kunst- 
entwicklung, die  von  selbst  von  der  englischen  ver- 
schieden ist.  Sie  wird  die  ganze  Färbung  der  deut- 
schen Eigenart  enthalten,   wie  die  englische  die  der 


152        DIE  SECHSTE  KUNSTGEWERBLICHE  AUSSTELLUNG  IN  NEW  GALLERY,  LONDON 


englischen  Eigenart  enthält,  sie  wird  lebensfreudiger, 
phantasiereicher  und  weitblickender,  vielleicht  aber  auch 
derber  und  zunächst  weniger  sicher  im  Auftreten  sein 
als  die  englische.  Aber  der  Anfang  von  vorn,  das 
Aufbauen  der  Grundlagen  von  unten  wird  uns  nicht 
erspart  bleiben.  An  den  englischen  Verhältnissen, 
die  uns  auch  diese  Ausstellung  wieder  vorführt,  bleibt 
immer  noch  die  Breite  der  Bewegung,  die  Volks- 
tümlichkeit derselben  und  die  Vielheit,  in  welcher  die 
technischen    Künste    in    England    bereits    ausgeführt 


werden,  für  uns  beneidenswert.  Dies  bleibt  auch  dann 
noch  bestehen,  wenn  festgestellt  worden  ist,  dass  die 
diesjährige  Ausstellung  weniger  viel  Gutes  gebracht 
hat,  als  man  erwarten  konnte,  ein  Umstand,  bei  dessen 
Beurteilung  man  übrigens  die  eingangs  erwähnten 
Milderungsgründe,  um  nicht  zu  einem  schiefen  Ge- 
samturteil zu  gelangen,  nicht  ausser  Betracht  lassen 
darf. 

London,  im  Dezember  1899. 

H.  MUTHESIUS. 


Schlussleiste,  gezeichnet  von  H.  LÜHRIG. 


Kunslgewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  8. 

24 


Entwurf  zur  Buffetwan.!i' 


Biii]i«nrafln*iiJiiiiii!iiiinnKi3iinnninjiiiviiiiajiiaaiaiiiiiiii3Eti 


-I f 


Maasstab  =  1-10. 


Speisezimmers  von  R.  OREANS  in  Karlsriilie. 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


STUTTGART.  Nach  dem  Jahresbericht  des  Würt- 
tembergischen Kunstgewerbevereins  für  das  Jahr 
i8g8jgg  zählte  der  Verein  413  Mitglieder,  unter 
den  verstorbenen  Mitgliedern  beklagt  er  besonders  das 
Ableben  des  artistischen  Vorstandes  Paul  Stotz.  Unter 
den  in  der  Vereinsausstellungshalle  veranstalteten  kunst- 
gewerblichen Ausstellungen  wurden  als  Sonderaus- 
stellungen vorgeführt  dekorative  Malereien  von  Josef 
Rösl  in  München,  Pflanzennaturabgüsse  von  Joh.  Bo- 
finger  in  Stuttgart  und  architektonische  und  kunst- 
gewerbliche Entwürfe,  Skizzen  und  Studien  von  O. 
Halmhuber.  In  seiner  Eigenschaft 
als  Vorort  des  Verbandes  deut- 
scher Kunstgewerbevereine  hatte 
der  Verein  zum  25.  September 
einen  Verbandstag  nach  Stuttgart 
einberufen.  Oleich  zahlreichen 
anderen  Vereinen  und  Korpora- 
tionen hatte  auch  der  Verein  aus 
Anlass  der  Vermählung  der  Prin- 
zessin Pauline  von  Württemberg 
mit  dem  Erbprinzen  Wied,  eine 
Hochzeitsgabe,  bestehend  in  einem 
silbernen  Theeservice,  dargebracht. 

FRANKFURT  a.  M.  Dem 
Jahresbericht  des  Mittel- 
deutschen Kunstgewerbe- 
vereins für  i8gg  entnehmen  wir 
folgendes:  der  Unterricht  in  der 
Kunstgewerbeschule  erfuhr  keine 
Änderungen.  Das  letzte  Quartal 
weist  eine  niedrigere  Ziffer  für 
die  Tagesfachklassen,  dagegen  eine 
hohe  für  die  Abendklassen  auf. 
In  diesen  Zahlen  spiegelt  sich 
einigermassen  die  gesamte  Lage 
des  Kunstgewerbes  wieder,  inso- 
fern ein  niedriger  Stand  desselben 
vielen  Kräften  während  der  Tages- 
zeit zu  ihrer  Ausbildung  die 
nötige  Müsse  giebt,  bei  einem 
Hochstand  der  kunstgewerblichen 
Produktion  aber,  wie  er  seit 
einigen  Jahren  eingetreten  ist, 
der  Zudrang  zu  den  kunstge- 
werblichen Abendklassen  zunimmt. 
Eine  Studienreise  zur  Aufnahme 
alter  dekorativer  Wandmalereien 
mit  der  Schülern  der  Malerklasse 
wurde  nach  Strassburg  i.  Elsass 
gerichtet,  wo  die  wahrscheinlich 
auf  Dietterlein  zurückzuführenden 
Wandmalereien  im  »Frauenhause«     Blumenkübel,  Entwurf  von 


reiches  Studienmaterial  ergaben.  Vier  Schülern  konnte 
das  zu  einer  Erleichterung  bei  der  Einjahrig-Freiwilligen- 
Prüfung  berechtigende  Zeugnis  über  hervorragende 
Leistungen  erteilt  werden.  Eine  Ausstellung  der 
Schülerarbeiten  fand  zu  Beginn  des  Sommerquartals 
statt.  Eine  wesentlicheBereicherung  erfuhr  im  Berichts- 
jahre die  gelegentlich  der  Umgestaltung  der  Museums- 
räume in  übersichtlicher  Aufstellung  neu  eröffnete 
Gipsabguss-Sammlung.  Zu  erwähnen  sind  auch  die 
zahlreichen  und  bedeutenden  Aufträge,  durch  welche 
die  an  der  Schule  wirkenden  Künstler  mit  der  Praxis 
in  Verbindung  erhalten  wurden. 
Die  Bibliothek  hat  zu  Ostern  ihre 
neuen  Räume  bezogen  und  sieht 
damit  eine  der  bedeutsamsten 
Vorausssetzungen  ihrer  Weiter- 
entwicklung erfüllt.  Für  die 
Entwicklung  des  Kunstgewerbe- 
Museums  war  das  Jahr  1899  ein 
sehr  bedeutungsvolles,  indem  der 
Erweiterungsbau  fertiggestellt  und 
hierdurch  die  Neuordnung  der 
Sammlung  ermöglicht  wurde.  Die 
Anordnung  erfolgte  in  bestimmten 
Gruppen,  für  welche  einesteils 
das  Material,  aus  welchem  die 
Gegenstände  angefertigt  sind,  im 
übrigen  die  zeitliche  Zusammen- 
gehörigkeit derselben  massgebend 
war.  Die  Neuerwerbungen  des 
Museums  weisen,  abgesehen  von 
den  zahlreichen  Schenkungen,  39 
Nummern  auf,  wovon  20  etwa 
auf  keramische  Gegenstände  ent- 
fallen. Grössere  Sonderausstel- 
lungen sind  fünf  im  Berichtsjahr 
veranstaltet  worden:  Japanische 
Holzschnitte  des  Herrn  C.  Vogel 
in  Cronberg,  Pflanzenstudien  von 
H.  F.  v.  Berlepsch,  Entwürfe  für 
eine  Tauf  medaille,  eine  Ausstellung 
von  typographischen  Leistungen, 
eine  Buchkunst-Ausstellung,  end- 
lich eine  Serie  von  elektrischen 
Beleuchtungskörpern.  Die  Be- 
suchsziffer des  Museums  belief 
sich  auf  6703  Personen.  Es 
wurden  sechs  Vereinsexkursionen 
veranstaltet.  Die  Zahl  der  Mit- 
glieder ist  von  494  auf  723  ge- 
stiegen; das  Wachstum  sowie  die 
Beitragserhöhungen  vieler  Mit- 
AuQ  Ql'vsej^  glieder    sind    den    Bemühungen 

AUG.  OLASER,  München,     der  Kommission  zu  danken,   die 


t58 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


Tapetenmuster,  entworfen  von  Architekt  O.  SIEDLE,  Berlin. 

dafür  gewählt  worden  war.  Die  Jahresrechnung  schhesst 
wieder  mit  einem  Defizit  von  M.  7234.28  ab,  hervor- 
gerufen durch  die  steigenden  Anforderungen  an  den 
Verein,  mit  denen  die  Einnahmen  nicht  gleichen  Schritt 
halten  konnten.  Durch  Erhöhung  behördlicher  Sub- 
vention, Steigerung  der  Mitgliederzahl  und  zum  Teil 
Erhöhung  einzelner  Beiträge  ist  diesem  Übelstande 
einigermassen  abgeholfen  worden.  Dennoch  wird 
infolge  grösserer  Aufwendungen  der  Etat  fürs  künftige 
Jahr  im  Voranschlage  noch  um  mehr  als  4000  M. 
überschritten.  Zum  Vorstande  wurden  gewählt  die 
Herren  Ed.  Beit,  Wilh.  Flinsch,  L.  Orüder,  M.  Grune- 
lius,  F.  Günther,  W.  Maus,  H.  Seckel,  M.  Sondheim, 
W.  Stock- de  Neufville;  zu  Revisoren  wurden  die 
Herren  G.  Flörsheim,  Ch.  Risdorf  und  C.  Schaub 
ernannt. 

BERLIN.  Im  Königlichen  Kunstgewerbe-Museum 
ist  zur  Zeit  eine  Schriftsammlung  des  Malers 
Ansgar  Schoppmeyer,  Lehrer  für  Schriftzeichnen 
an  der  Unterrichtsanstalt  des  Museums  ausgestellt, 
welche  sowohl  in  wissenschaftlicher  wie  künstlerischer 
Hinsicht  Interesse  bietet.  Sie  enthält  getreufarbige 
Kopien  von  Initialen  und  Miniaturen  der  mittelalter- 
lichen Bilderhandschriften  und  giebt  zugleich  auf 
460  Tafeln  eine  Uebersicht  über  das  gesamte  Schrift- 
wesen des  1 6.  Jahrhunderts. 

SCHULEN 

MAGDEBURG.  Nach  dem  Bericht  der  Kunst- 
gewerbe- und  Handwerkerschule  über  das  Schul- 
jahr iSgSjgg  wurde  die  Anstalt  im  Sommer- 


halbjahr 1898  von  1335,  im  Winterhalbjahr  1898/99 
von  1494  Schülern  besucht.  Verhandlungen  mit  der 
Uhrmacher-Innung  führten  dazu,  dass  vom  1.  April 
1898  ab  das  Uhrmacher-Fachzeichnen  auf  einen  Wochen- 
vormittag ausgedehnt  wurde.  Neben  dem  Tages- 
unterricht im  dekorativen  Malen  wurde  vom  1.  April 
ab  ein',  Sonntags-Kursus  hierfür  eingerichtet.  Das 
bisherige  »Freihandzeichnen  nach  Wandtafeln  und 
Körpern«  erfuhr  insofern  eine  Umgestaltung,  als  auf 
das  Körperzeichnen  mehr  Gewicht  gelegt  und  dieses 
dem  Zeichnen  nach  Moser'schen  Wandtafeln  voran- 
gestellt wurde.  Das  Körperzeichnen  wird  nunmehr 
auf  der  Unterstufe  nach  Stuhlmann'schen  Modellen 
betrieben.  Für  vorgeschrittene  Schüler  kunstgewerb- 
licher Fächer  wurden  in  beiden  Semestern  je  sieben 
Wettaufgaben  ausgeschrieben  und  bestimmt,  die  Ar- 
beiten nicht  wie  bisher  mit  Namen,  sondern  mit  Kenn- 
wort versehen,  einzureichen.  Seit  dem  1.  Januar  1898 
besteht  für  die  Lehrer  der  Anstalt  ein  Kursus  für 
Körperzeichnen,  welchen  der  Direktor  leitet.  Leider 
konnte  die  Beschaffung  der  nötigen  Klassenzimmer 
mit  dem  Anwachsen  der  Schülerzahl  nicht  gleichen 
Schritt  halten,  so  dass  zu  Beginn  des  Winterhalbjahres 
eine  Anzahl  neuer  Schüler  abgewiesen  werden  musste. 

-u- 

BÜCHERSCHAU 

Ausstellung  von  Kunstwerken  des  Mittelalters  und 
der  Renaissance  aus  Berliner  Privatbesitz,  veranstaltet 
von  der  Kunstgeschichtlichen  Gesellschaft,  20.  Mai  bis 
3.  Juli  1898.  Berlin,  G.  Grothe'sche  Verlagsbuch- 
handlung, 1899.  Gr.  4*.  178  S.,  mit  Textbildern 
und  60  Tafeln  in  Lichtdruck. 
Der  stattliche  Band,  der  durch  das  opferwillige  Zu- 
sammenwirken von  Kunstfreunden  und  Kunstgelehrten, 


Tapelenmuster,  entworfen  von  Architekt  O.  SIEDLE,  Berlin 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


159 


Drucktechnikern  und  der  Verlagsfirma  entstan- 
den ist,  ist  ein  Denkmal  deutscher  Arbeit  im 
Dienste  der  Kunst,  auf  das  alle  Beteiligten  stolz 
sein  dürfen.  Was  vor  zwanzig  Jahren  nur  in 
Paris  oder  London  möglich  schien,  eine  ge- 
schlossene und  ansehnliche  Ausstellung  alter 
Kunstwerke  einer  begrenzten  Epoche  nur  aus 
Privatbesitz  zu  vereinigen,  das  ist  durch  die  uner- 
müdliche Anregung  fast  eines  einzigen  Mannes 
und  durch  die  kunstfreudige  Teilnahme  zahl- 
reicher feinsinniger  Sammler  auch  in  Berlin 
erreichtworden.  Der  Kunstbesitz  in  der  Berliner 
Gesellschaft  um  1 870  war,  von 
wenigen  Ausnahmen  abgesehen, 
recht  bescheiden.  Was  der 
preussische  Adel  besass,  war 
an  sich  nicht  beträchtlich  und 
wurde  grösserenteils  auf  den 
Landsitzen  aufbewahrt.  Auf 
die  Beamten  war  nicht  zu 
rechnen.  Die  Bürgerkreise 
hatten  weder  Kunstbesitz  noch 
Kunstsinn  ererbt.  Das  künst- 
lerische Interesse  der  Gesellig- 
keit drehte  sich  um  die  Musik. 
Die  kunstgewerbliche  Ausstel- 
lung im  Zeughaus  1872  musste 
sich  vornehmlich  auf  die 
öffentlichen  Sammlungen  und 
das  königliche  Haus  stützen. 
Das  ist  anders  geworden,  seit 
die  königlichen  Museen  in  den 
siebziger  Jahren  unter  that- 
kräftige  und  einsichtige  Führer 
gestellt  wurden.  Unter  ihnen 
waren  Männer,  die  sich  nicht 
damit  begnügten,  ihreMuseums 
bestände  zu  vermehren,  son- 
dern die  es  als  ein  Stück 
ihres  Amtes  und  ihres  Berufes 
ansahen,  die  Freude  an  guten, 
alten  Kunstwerken  in  weiteren 
Kreisen  planmäsig  zu  pflegen 
und  in  Berlin  neben  dem 
öffentlichen  auch  einen  privaten 
Kunstbesitz  zu  schaffen,  der 
uns  so  sehr  fehlte.  Das  ist 
nicht  nur  für  die  Museen  ein 
unschätzbarer  Gewinn.  Sie 
bedürfen  eines  festen  Kreises 
verständnisvoller  Freunde,  Be- 
obachter, Förderer;  sie  schwe- 
ben in  der  Luft  ohne  einen 
solchen  Unterbau, 
auch  eine  Frage  der 
Kunsterziehung,  das 
alte  Kunstwerk,  das 
der  Einzelne  schätzt 
und  zum  dauernden 
Genuss  erwirbt,  sei 
es  ein  Gemälde,    ein 


Ehrenpreis  S.  K.  H.  des_Orossh.  Friedrich 
Entwurf  von  H.  GÖTZ,  Ausführung 


vonÄBadi 
von  Prof, 


plastisches  Kunstwerk  oder  ein  gutes  Stück 
der  Kleinkunst,  wird  ihm  und  seinen  Freunden 
als  ein  Masstat)  dienen  für  die  Schätzung  der 
Kunst;  es  führt  sein  Interesse  weiter  zu  ver- 
wandten Arbeiten;  es  wird  über  kurz  oder 
lang  sein  Kunstgefühl,  sein  Kunstbedürfnis, 
seinen  Geschmack  heben  und  richten.  ,  Es 
ist  kurzsichtig,  wenn  die  Freunde  lebender 
Kunst  sich  über  die  Freude  an  solch  altem 
Besitz  beklagen.  Wie  die  Kunsthistoriker, 
so  gehören  auch  die  Sammler  heute  zu 
den  wärmsten  Förderern  neuester  Kunst.  Als 
ein  Mittelpunkt  dieser  Interessen 
ist  1 886  die  Kunstgeschichtliche 
Gesellschaft  in  Berlin  begründet 
worden.  Sie  hat  bisher  drei 
Ausstellungen  aus  Privatbesitz 
veranstalten  können,  eine  für 
niederländische  Kunst,  eine 
für  das  18.  Jahrhundert  und 
als  reifste  und  fruchtbarste  im 
Frühjahr  1 898  die  Renaissance- 
Ausstellung,  von  der  dieser 
Band  berichtet.  In  den  Aus- 
stellungssälen der  Kgl.  Aka- 
demie, Unter  den  Linden, 
waren  Gemälde,  Bildwerke, 
Zeichnungen,  Möbel,  Metall- 
geräte, Majoliken  und  andere 
Arbeiten  des  Kunsthandwerks 
in  sorgfältiger  Anordnung  auf- 
gestellt; neben  Ihren  Majestäten 
dem  Kaiser  und  der  Kaiserin 
Friedrich  und  wenigen  An- 
stalten hatten  siebzig  Privatleute 
beigesteuert.  Durch  das  vorlie- 
gende Werk  werden  ;die  Kunst- 
wissenschaft und  die  Kunst- 
freunde in  die  Lage  gesetzt, 
aus  der  erfolgreichen  Ausstel- 
lung einen  dauernden  Gewinn 
zu  ziehen.  Berufene  Gelehrte 
besprechen  die  einzelnen  Grup- 
pen nach  ihrem  kunsthistori- 
schen und  künstlerischen  Wert; 
die  sechzig  Tafeln  und  zahl- 
reichen Textbilder  geben  die 
Hauptarbeiten  in  vorzüglichen 
Lichtdrucken  wieder.  Als  Her- 
ausgeber ist  Wilhelm  Bode 
genannt.  Jeder  Kundige  weiss, 
dass  seinem  unerreichten 
Schaffensmut  nicht  nur  dieses 
Werk,  sondern  auch  die  Aus- 
stellung selbst 
und  ihre  Ver- 
anstalterin, die 
Kunstgeschicht- 
liche Gesell- 
schaft, ja  der 
grösste  Teil  des 


^fit^-^i 


ex-^ 


en  zum  Iffezheimer  Rennen  1893. 
R.  MAYER  in  Karlsruhe. 


h 


i6o 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


hier  vorgeführten  heimischen  Kunstbesitzes  ihr  Dasein 
danken.  In  dem  vorliegenden  Bande  hat  er  ausser 
der  Einleitung  noch  einige  besonders  ausführliche,  zu 
selbständigen  Bildern  abgerundete  Aufsätze  g'eschrieben, 
über  die  italienischen  Bronzen,  die  florentiner  Haus- 
möbel und  die  altflorentiner  Mosaiken,  Studien,  die 
jeder  Bearbeiter  des  alten  Kunst- 
gewerbes wird  zur  Hand  haben 
müssen.  Unter  der  sorgfältigen 
Redaktion  von  Richard  Stettiner 
haben  ausserdem  Max  J.  Fried- 
länder, H.Mackowsky,  O.  Gronau, 
W.  Voege,  L.  Kaemmerer,  H.  von 
Tschudi,  F.  Knapp,  J.  Menadier, 
F.  Sarre,  W.  Weisbach  die  ver- 
schiedenen Gruppen  behandelt. 
Der  Genuss  an  den  abgebil- 
deten Kunstwerken  und  die 
Achtung  vor  der  wissenschaft- 
lichen Arbeit  wird  noch  er- 
höht durch  das  Äussere  des 
Buches,  das  in  jeder  Hinsicht 
mustergültig  ist  und  es  mit  allen 
ähnlichen  Publikationen  des  Aus- 
landes aufnehmen  kann.  Das 
Papier,  der  Druck  in  allen  seinen 
Teilen,  der  sorgfältige  Lichtdruck, 
den  man  nicht  nur  für  die  Ta- 
feln, sondern  sogar  für  die 
Textbilder  angewendet  hat  (eine 
Mühe,  die  der  Kundige  würdigen 
wird,  weil  es  zweimaligen  Druck 
bedingt),  alles  ehrt  ebenso  die 
Herausgeber  wie  die  beteiligten 
Druckanstalten  (Reichsdruckerei 
und  Albert  Fritsch)  und  die 
opferwillige  Verlagshandlung. 
Möge  der  deutsche  Bücher- 
markt beweisen,  dass  er  solchen 
kunstfrohen  Wagemut  zu  schätzen 
weiss.  Das  gilt  besonders  auch 
für  unsere  kunstgewerblichen 
Kreise,  Privatleute,  Bibliotheken 

und  Museen. 

Peter  Jessen. 


zu  UNSERN  BILDERN 

Wir  bingen  in  diesem  Hefte  verschiedene  Ent- 
würfe des  Architekten]  .,G.  Siedle  in  Berlin.  Der 
Künstler  denkt  sich  den  Entwurf  für  Intarsie  auf 
Seite  148  als  SchrankthürfüUungen.  Es  sollen  diese 
Füllungen  gewissermassen  Ge- 
denkblätter an  die  Schwarz- 
waldheimat des  Künstlers  sein. 
Das  Haus,  auf  der  Höhe  zwi- 
schen Furtwangen  und  Oüten- 
bach  gelegen,  zur  Gemeinde 
Neukirch  gehörig,  heisst  »der 
Bregema«  und  ist  die  Stamm- 
heimat seiner  Familie,  das  Haus 
im  Thal,  »die  Breg«  bei  Furt- 
wangen die  Geburtsstätte  des 
Künstlers. 

Bei  seinen  Zugabenentwürfen 
leitete  den  Künstler  der  Gedanke, 
vor  allem  »deutsche  Zugaben«, 
d.  h.  also  Zugaben  zu  liefern, 
welche  in  ihrem  Muster  sich 
nicht  an  englische  und  andere 
Arbeiten  anlehnen.  Leider  ist 
es  nicht  möglich,  die  farbigen 
Tapetenentwürfe  in  ihrem  rich- 
tigen Tonwerte  zu  reprodu- 
zieren. Bei  der  Wahl  der 
Farben  ging  der  Künstler  von 
dem  Grundsatze  aus,  jedem 
Raum  eine  seinen  Zwecken 
entsprechende  Grundstimmung 
zu  geben.  Sämtliche  Arbeiten 
waren  auf  der  letztjährigen 
grossen  Berliner  Kunstausstellung 
ausgestellt  gewesen. 

BERICHTIGUNG 

Der  in  unserem  Heft  6  ver- 
öffentlichte Kamin  ist  nach  einem 
Entwurf  und  unter  Leitung  der 
Herren  Architekten  Kayser  und 
von  Groszheim  für  das  Schloss 
Varchentin  in  der  Werkstatt  der 
Firma  Kimbel  &  Friederichsen, 
Berlin,  Yorkstr.  43,  ausgeführt 


Pokal  aus  vergoldetem  Silber  mit  eingesetzten  Korallenästen,  entworfen  von  A.  RIEOL,  München. 


Herausgeber  und  für  die  Redaktion  verantwortlich:  Professor  Karl  Hoffacker,  Architekt  in  Charlottenburg  -  Berlin. 

Druck  von  Ernst  Hedrich  NachJ'.,  G.  m.  b.  H.,  Leipzig. 


Kunsigewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  g. 

25 


Innenraum  aus  Teheran. 


h.iMEYEK-CASjEL  <,g 


DAS  ARABISCHE  KUNSTHANDWERK 


VON  Karl  Eugen  Schmidt  (Kairo). 


IE  arabische  und  im  allgemeinen  die  ganze  moslimische  Kunst  unter- 
scheidet sich  sehr  wesentlich  von  allen  abendländischen  Kunstrichtungen 
dadurch,  dass  hier  niemals  eine  Trennung  der  Kunst  vom  Handwerke 
stattgefunden  hat.  Der  arabische  Künstler  war  und  ist  heute  noch  zu- 
gleich Handwerker,  und  der  Handwerker  ist  Künstler.  Diese  Verbindung 
ist  so  innig,  dass  man  beim  Schreiner,  beim  Schlosser,  beim  Gold-, 
Silber-  und  Kupferschmied,  beim  Weber,  beim  Sticker  und  beim  Leder- 
arbeiter Nordafrikas  nirgends  die  Linie  ziehen  kann,  wo  das  Handwerk 
aufhört  und  die  Kunst  anfängt.  Zu  keiner  Zeit  hat  sich  in  den  Ländern 
mit  arabischer  Kultur  das  Bestreben  gezeigt,  die  Kunst  vom  Handwerk  zu 
trennen  und  eine  sogenannte  reine  Kunst  zu  schaffen,  sondern  wie  in  Europa 
zur  Zeit  der  höchsten  Blüte  des  Kunsthandwerks  hatte'  und  hat  bei  dem 
Araber  und  bei  den  von  arabischem  Geiste  durchdrungenen  Völkern  die 
Kunst  stets  nur  den  Zweck,  das  Schöne  mit  dem  Nützlichen  zu  ver- 
binden! Es  gab  und  giebt  keine  arabische  Kunst  um  ihrer  selbst  willen, 
sondern  alle  arabischen  Kunstwerke  aus  alter  und  neuer  Zeit  dienen  einem 
nützlichen  Zwecke,  und  die  Kunst  wurde  und  wird  einzig  dazu  ange- 
wandt, um  notwendige  Gegenstände  zu  verschönern,  handele  es  sich  nun 
um  die  Dekoration  einer  Moschee  oder  eines  Wohnhauses  oder  um  die 
Verzierung  einer  Truhe  oder  eines  Kochtopfes. 

Dass  die  arabische  Kunst  auf  diesem  festen  Boden  unwandelbar  stehen 
geblieben  ist,  während  sich  überall  im  Abendlande  Kunst  und  Handwerk 
trennten,  hat  sie  vielleicht  grossenteils  der  strengen  Auslegung  jener  Koran- 
stelle zu  verdanken,  welche  die  Götzenbilder  verdammt.  Diese  an  sich  ganz 
unschuldige  Stelle,  die  sich  lange  nicht  so  gut  zu  einer  derartigen  Deutung 
schickt,  wie  das  jüdische  »Du  sollst  Dir  kein  Bildnis  noch  irgend  ein 
Gleichnis  machen',  ist  von  den  Kommentatoren  zu  einem  Verbote  der 
Nachbildung  aller  lebenden  Wesen  und  weitergehend  aller  existierenden 
Dinge  überhaupt  verdreht  worden.  Obgleich  nun  das  auf  diese  Weise 
entstandene  Verbot  niemals  allzugenau  befolgt  worden  ist,  so  wurde  doch 
der  arabischen  Kunst  gerade  jene  Stütze  entzogen,  die  in  allen  Ländern  und 
bei  allen  Völkern  von  Anfang  an  der  Haupthalt  der  aufblühenden  Künste 
gewesen  ist.  Während  die  höchsten  Kunstbestrebungen  des  Urbewohners 
von  Australien,  Afrika  und  Amerika  der  Herstellung  und  Ausschmückung 
des  Götzenbildes  galten,  und  während  in  gleicher  Weise  die  Bildhauer  und 
Maler  Europas  ihre  schönsten  Werke  im  Dienste  der  Kirche  schufen, 
blieben  die  arabischen  Moscheen  den  Bildern  des  wirklichen  Lebens  ver- 
schlossen, und  im  Gotteshause  blieb  die  arabische  Kunst  eine  angewandte, 
dem  Zwecke  untergeordnete  und  rein  dekorative  Kunst,  wenn  auch  mancher 
Fürst  die  Säle  seines  Palastes  mit  Gemälden  und  Statuen  ausschmücken  mochte. 

25* 


104 


DAS  ARABISCHE  KUNSTHANDWERK 


In  der  Moschee  durfte  nichts  in  der  Dei<oration 
an  in  der  Wirkhchkeit  existierende  Dinge  erinnern, 
und  höchstens  findet  sich  hie  und  da  ein  dekoratives 
Motiv,  was  ursprünghch  der  Pflanzenwelt  entnommen 
scheint,  obgleich  es  in  seiner  starken  Stilisierung  kaum 
noch  an  sein  natürliches  Vorbild  erinnert.  Wenn  man 
bedenkt,  eine  wie  grosse  Rolle  Religion  und  Kirche 
in  der  Entwicklung  der  Kunst  des  Abendlandes  ge- 
spielt haben,  so  kann  man  leicht  begreifen,  dass  dieses 
Verhalten  der  moslimischen 
Kirche  fühlbare  Folgen  für 
die  arabische  Kunst  haben 
musste.  Sie  wurde  dadurch 
von  der  Darstellung  lebender 
Wesen  abgehalten,  und  so 
konnte  hier 
weder  der  Hi- 
storien- noch 
der  Porträt-, 
weder  der 
Genre-  noch 
der  Tiermaler 
entstehen.  Die 
weitere  Aus- 
dehnung des 
Verbotes  auf 
alle  existieren- 
den       Dinge 

überhaupt 
machte    auch 
den        Land- 
schafter sowie 

den  Maler  von  Stillleben  und  Archi- 
tektur unmöglich.  Ebenso  ging  es 
der  Bildhauerei,  und  wie  hätte  sich 
nun  unter  so  gestalteten  Umständen 
eine  der  europäischen  entsprechende 
»hohe,  reine  Kunst«,  ein  art  pour  l'art, 
entwickeln  können? 

Indem  somit  die  arabische  Kunst  auf 
fast  alle  jene  Gebiete  verzichtete,  welche 
der  europäischen  Kunst  ihre  Vorbilder 
lieferte,  zwang  sie  sich  zugleich,   dem 
Handwerk  treu  zu  bleiben, 
denn  was  hätte  der  Schöpfer 
eines  selbständigen,  keinem 
praktischen  Zwecke  dienen- 
den Kunstwerkes  darstellen 
können?  Wenn  deshalb  dem 
von  den  italienischen  Schatz- 
kammern   der  Kunst  kom- 
menden   Rei- 
senden dieara- 
bischenKunst- 
werke   Kairos 
uninteressant 
und  kaum  be- 
achtenswert 
erscheinen,  so 
kann  dies  nur 
für  denjenigen 


Tischlampe  für  elektrisches  Licht,  entworfen  von  A.  RIEOL,  München. 


zutreffen,  der  Gemälde  und  Statuen  sucht.  Wer  da- 
gegen den  Spuren  der  eigentlichen  Volkskunst,  des 
Kunsthandwerks,  nachgeht,  der  wird  in  den  Ländern 
arabischer  Gesittung  eine  Fülle  beachtenswerter  Kunst- 
werke finden.  Nicht  nur  die  hinlänglich  bekannten 
Ornamente  der  Decken  und  Wände  der  Moscheen, 
jene  als  Arabesken  bezeichneten  endlosen  Schnörkel 
und  Linien,  die  sich  rastlos  ein-  und  ausschlingen, 
immer  wieder  neue  Verbindungen  eingehen  und  trotz 
anscheinender  Willkürlichkeit 
und  Planlosigkeit  stets  genau 
berechnete  geometrische  Fi- 
guren bilden;  nicht  nur  die  un- 
übertroffene Meisterschaft  der 
Araber  auf  dem  Gebiete  der 
dekorativen 
Kunst,  wie  wir 
sie  in  den  von 
märchenhafter 
Farbenpracht 
erglänzenden 
Sälen  der  Al- 
hambra  zu 
Granada  und 
desAlcazarszu 
Sevillabewun- 
dern ,  reizen 
den  Freund 
der  volkstüm- 
lichen Kunst 
in  Marokko, 
Algier,  Tunis 
und  Ägypten,  sondern  mit  nicht  minder 
hohem  Genuss  wird  er  in  den  Bazaren 
und  Werkstätten  der  Töpfer  und  Tisch- 
ler, der  Schmiede  und  Weber,  derGold- 
und  Lederarbeiter  Umschau  halten.  Denn 
die  Künstler  der  genannten  Länder  be- 
gnügen sich  heute  noch  mit  der  Her- 
stellung und  Ausschmückung  von  Ge- 
brauchsgegenständen, und  die  drei- 
hundert Goldschmiede,  welche  in  den 
engen  Buden  des  Suk-en-Nahasin  zu 
Kairo  ihrem  Gewerbe  ob- 
liegen, sind  richtige  Kunst- 
handwerker, Leute,  die  mit 
Verständnis  und  Freude  das 
RohmateriaLselbständigzum 
Armband.FussringoderOhr- 
gehänge  umwandeln.  Eben- 
so steht  es  mit  den  Kupfer- 
schmieden, 
deren  Bazar  an 
den  der  Gold- 
schmiede 
stösst,  mit  den 

Drechslern, 
den  Teppich- 
wirkern,   den 
Verfertigem 
der       bunten 


DAS  ARABISCHE  KUNSTHANDWERK 


165 


Vorhänge,  den  Webern,  den  Sattlern  ir.  s.  w.  So  ein 
kairenischer  Sattel  ist  i<ein  Schablonenstüci<,  wie  sie 
zu  Hunderttausenden  aus  der  Fabril<  kommen,  sondern 
ein  stolzes  Kunstwerk,  verziert  mit  unzähligen  bunten 
Fransen,  Messingnägeln,  Perlenschnüren,  Olöckchen 
und  Gott  weiss  was  sonst  noch.  Ebenso  herausge- 
putzt ist  der  Zaum  des  Esels,  und  auf  diese  Weise 
schmückt  der  Nordafrikaner  von  Ägypten  bis  Marokko 
auch  das  gewöhnlichste  Hausgerät. 

In  der  Art  der  Dekoration  folgt  das  heutige 
arabische  Kunsthandwerk  ganz  genau  den  alten  Vor- 
bildern, und  man  kann  ruhig  sagen,  dass  sich  in  der 
arabischen  Kunst  seit  vier  Jahrhunderten  nicht  das  Ge- 
ringste geändert  hat.  Denn  wenn  ein  reicher  Ägypter 
oder  die  Regierung  von  einem  europäischen  Bau- 
meister ein  Gebäude  errichten  lässt,  so  ist  das  eben 
keine  arabische  Kunst,  und  wenn  irgend  ein  Bey  oder 
Pascha  einem  arabischen  Schreiner  nach  europäischen 
Vorbildern  Möbel  anfertigen  lässt,  so  stehen  wir 
wiederum  nicht  vor  Erzeugnissen  des  arabischen  Kunst- 
handwerkes. In  neuerer  Zeit  bemühen  sich  nämlich 
die  oberen  Zehntausend  Nordafrikas  -  Marokko  allein 
ausgenommen  europäische  Sitten  nachzuäffen,  und 
besonders  in  Ägypten  wird  darin  Erkleckliches  ge- 
leistet. Der  reiche  Ägypter  kleidet  sich  nach  Pariser 
Mode,  sein  Haus  ist 
von  einem  deutschen 
oder  französischen 
Architekten  erbaut, 
seinem  Garten  steht 
ein  europäischer  Gärt- 
ner, seinem  Stalle  ein 
englischer  Kutscher 
vor,  und  in  seinen 
Zimmern  sind  nur 
Wiener  Möbel  zu 
sehen.  Das  geht  so 
weit,  dass  der  reiche 
Ägypter  sogar  die 
herrlichen  orientali- 
schen Stoffe,  die  Vor- 
hänge, Decken  und 
Teppiche  aus  seiner 
Wohnung  verbannt 
hat,  um  dafür  Chem- 
nitzer, Krefelder  und 
Lyoner  Erzeugnisse 
anzuschaffen. 

Nur  die  mittleren 
und  unteren  Klassen 
Ägyptens  sind  den 
heimischen  Trachten 
und  Sitten,  dem  hei- 
mischen Hausrat  und 
der  heimischen  Kunst 
treu  geblieben,  und 
für  diese  Klassen  ar- 
beiten die  Hand- 
werker, die  wie  bei 
uns  im  Mittelalter 
nach    den  Gewerben 


Tischlampe  für  elektrisches  Licht,  entworfen  von  A.  RIEOL,  iWünchen. 


zusammenwohnen  und  den  Strassen  und  Vier- 
teln ihre  Namen  geben.  Das  ist  an  vielen  Orten 
Europas  heute  noch  ein  bisschen  so:  in  Paris  giebt 
es  immer  noch  ein  paar  Goldschmiede  am  Quai  des 
orfevres,  und  ich  erinnere  mich,  dass  ich  einst  in 
Rom,  um  einen  Koffer  zu  kaufen,  die  Strasse  der 
Koffermacher  aufsuchte.  In  Nordafrika  ist  dieser  alte 
Brauch  noch  ganz  im  Schwang,  und  sowohl  in 
Marokko  wie  in  Algier  und  in  Ägypten  habe  ich  be- 
obachtet, dass  ganze  lange  Strassen  mit  Schuster- 
werkstätten angefüllt  sind,  während  in  einer  anderen 
Strasse  die  Schreiner,  weiterhin  die  Schlosser,  die 
Bäcker,  die  Goldschmiede,  die  Büchsenmacher  u.  s.  w. 
ihre  Kunst  ausüben. 

In  Marokko,  wo  sich  das  Volk  am  reinsten  er- 
halten hat  und  am  wenigsten  von  europäischer  Tünche 
bedeckt  worden  ist,  bietet  das  Kunsthandwerk  die 
interessantesten  Seiten.  In  Tetuan  wird  eine  ganze 
Breite  des  Marktes  von  den  Büchsenschmieden  ein- 
genommen, die  jene  abenteuerlichen  Flinten  mit  dem 
zwei  Meter  langen  Lauf,  dem  kühn  geschwungenen 
Kolben  und  den  famosen  Steinschlössern  bauen.  Alles 
das  wird  von  dem  Meister  mit  seinen  Gesellen  vor 
den  Augen  des  Vorübergehenden  gemacht:  der 
Büchsenschmied  von  Marokko   ist  kein  Händler,  der 

im  höchsten  Falle 
gerade  noch  im  stände 
ist,  eine  ihm  von  der 
Fabrik  zugeschickte 
Flinte  zu  zerlegen 
und  wieder  zusam- 
menzusetzeUj  sondern 
die  ganze  Arbeit  geht 
aus  seinen  Händen 
hervor.  Er  hobelt 
und  schnitzt  den 
Kolben  zurecht,  er 
schmückt  ihn  mit  ein- 
gelegtem Silber,  Perl- 
mutter und  anderen 
bunten  oder  glänzen- 
den Dingen,  er  schmie- 
det die  einzelnenEisen- 
teile  und  verziert  sie 
mit  eingeritzten  Figu- 
ren und  Inschriften, 
die  häufig  durch  ein- 
gelegte Silberplättchen 
deutlicher  gemacht 
werden,  und  wenn 
er  mit  all  der  Arbeit 
fertig  ist  und  das 
Werkstück  zusam- 
mengesetzt hat,  geht 
er  damit  hinaus  vor 
das  Stadtthor  und 
feuert  die  ersten 
Probeschüsse  aus  der 
neuen  Waffe.  Be- 
sonderes Vergnügen 
machte    es    mir,     in 


i66 


DAS  ARABISCHE  KUNSTHANDWERK 


Plaketten  „Medusa"  und  „Hygeia"  von  O.  ROHLOFF,  Berlin. 


Tetuan  der  Arbeit  des  Malers  zuzusehen.  Dies 
war  der  Mann,  der  die  bunten  Wandbretter,  Kre- 
denzen und  Truhen  verfertigte,  die  den  Kaffeehäusern 
und  Wohnstuben  in  Marokko  zum  Hauptschmuck 
gereichen,  sintemalen  es  daselbst  weder  Tische  noch 
Stühle,  weder  Spinde  noch 
Schränkegiebt.  DerMarok- 
kaner  hängt  an  seineWände 
eine  Anzahl  hölzerner  bunt 
bemalter  Wandbretter,  die 
unseren  kleinen  Bücher- 
brettern ähneln,  und  darauf 
kommen  dann  die  zumeist 
in  Fez  hergestellten  schö- 
nen Vasen  und  Krüge  zu 
stehen.  Die  Frauen  ber- 
gen ihre  Habseligkeiten 
in  hölzernen  Truhen  von 
der  Form  eines  etwas 
kurzen  und  hohen  Sarges, 
der  auf  das  bunteste  mit 
Gold,  Rot,  Grün  und 
Weiss  bemalt  ist.  Im 
übrigen  giebt  es  in  den 
Zimmern  nur  Teppiche 
und  Kissen  als  Hausrat, 
und  die  Belegung  der 
Wände  mit  bunten  Kacheln 
und  noch  bunterem  Stuck 
oder  kunstvollem  Holz- 
getäfel vervollständigt  die 
Wohnlichkeit  der  Räume. 
Dem  Maler  von  Tetuan 
habe  ich  stundenlang  bei 
seiner  Arbeit  zugesehen 
und  dabei  gelernt,  dass 
diese  Leute,  obgleich  der 


■■1. 

1 

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Silberner  Weinkühler,  Kaiserpreis,  entworfen  und  ausgeführt  von 
O.  ROHLOFF,   Berlin. 


geometrische  Charakter  ihrer  Dekorationen  die  An- 
ordnung von  Schablonen  geradezu  herauszufordern 
scheint,  stets  aus  freier  Hand  arbeiten.  Dies  scheint 
mir  bemerkenswert,  weil  durch  diesen  Verzicht  auf 
mechanische  Hilfsmittel,  die  doch  in  diesem  Falle  so 

nahe  lägen,  der  Hand- 
werker seine  Selbständig- 
keit behauptet  und  seiner 
Arbeit  den  Stempel  der  In- 
dividualität d.  i.  der  Kunst 
aufdrückt.  Zwischen  einem 
so  bemalten  Schrein  und 
einem  nach  der  Schablone 
geschmückten  besteht  der- 
selbe Unterschied  wie 
zwischen  einem  Buche  vor 
und  einem  solchen  nach 
der  Erfindung  der  Buch- 
druckerkunst. 

Etwas  ähnliches  be- 
obachtete ich  mit  Bezug 
auf  die  Herstellung  der 
bunten  Kacheln,  deren 
man  sich  in  Nordafrika 
und  Spanien  zum  Pflastern 
der  Fussboden  und  der 
unteren  Hälfte  der  Zim- 
merwände, sowie  auch 
häufig  zum  Ausschmücken 
der  Aussenmauern  und 
Dächer  bedient.  Die  alten 
Arbeiten  dieser  Art,  die 
sich  in  der  Moschee  von 
Cordoba  sowie  in  anderen 
Bauten  aus  der  Mauren- 
zeit in  Südspanien  erhalten 
haben,^ unterscheiden  sich 


Innenrauin  aus  Teheran. 


DAS  ARABISCHE  KUNSTHANDWERK 


169 


sehr  wesentlich 
von  den  »Azule- 
jos«,  die  heute  in 
den  Fabriken  von 
Triana  bei  Sevilla 
hergestellt  werden. 
In  der  alten  Zeit 
war  der  Maurer, 
der  den  Fussboden 
und  die  Wand  mit 
diesen  »Azulejos« 
belegte,  keine  Ma- 
schine, sondern  ein 
denkender  Mensch: 
er  stellte  die  klei- 
nen Plättchen,  de- 
ren jedes  nur  eine 
einzige  Farbe  hatte, 
so  zusammen,  dass 
sie  regelmässig  verlaufende  und  immer 
bindungen  eingehende  blaue,  braune, 
grüne  Linien  und  Figuren  bildeten.    Es 


dern  hat  die  Ma- 
schine den  denken- 
den Arbeiter  um- 
gebracht und  aus 
dem  Handwerker 
einen  Maschinen- 
teil gemacht,  wäh- 
rend bei  den  Völ- 
kern arabischer  Ge- 
sittung die  Ma- 
schine ihren  Sie- 
geszug noch  nicht 
angetreten  hat  und 
somit  der  Hand- 
werker ein  selbst- 
thätiges,  denken- 
des Wesen  geblie- 
ben ist. 

Auf  die  einzel- 
neue   Ver-      neu    Erscheinungen    des    arabischen    Kunsthandwerks 
weisse    und      einzugehen,    dünkt  mir  wenig  angebracht,    weil  sich 
war  das  ein      hierin    seit   Jahrhunderten    nichts    geändert   hat.     Die 


Jardiniere,  entworfen  von  Bildhauer  ALB.  MAYER,  Geislingen. 


aus  kleinen  Stückchen  bestehender  Mo- 
saik aus  Fayence.  So  ist  es  noch  heute 
in  Marokko.  In  Spanien  aber  werden 
jetzt  nur  noch  quadratische  Azulejos 
hergestellt,  die  gleich  mit  der  bunten 
Zeichnung  in  mehreren  Farben  ge- 
brannt werden.  Der  spanische  Maurer 
braucht  also  nur  ein  Quadrat  neben 
das  andere  zu  legen,  und  die  Zeich- 
nung stimmt  dann  immer  ganz  von 
selbst.  Jeder  Pudel  könnte  diese  Ar- 
beit verrichten,  aber  zu  der  altspani- 
schen und  maurischen  Arbeit  ist  ein 
Mensch  erforderlich.  Und  so  geht  es 
mit  allen  den  Künstlern  des  Handwerks. 
Überall  in  Europa  und  in  den  von 
europäischer  Kultur  heimgesuchten  Län- 

Kunstgewerbeblalt.    N.  F.    XI.    H.  9. 


Schalen,  entworfen  von  Bildhauer 
ALB.  MAYER,  Geislingen. 


arabischen  Kunstformen  des  Mittelalters, 
die  heute  noch  ganz  unverändert  das 
Kunsthandwerk  beherrschen,  dürften  all- 
gemein bekannt  sein  und  keiner  Be- 
schreibung benötigen.  Es  handelt  sich 
in  der  arabischen  Kunst  fast  ausschliess- 
lich um  Flachornamentik,  bestehe  diese 
nun  aus  dem  Bekleiden  der  Wände  mit 
Fayenceplatten,  aus  dem  Verschalen  der 
Kanzeln  und  Thüren  mit  Mosaik  von 
Holz,  Metall  oder  Perlmutter,  aus  dem 
Einkratzen  geometrischer  oder  auch 
pflanzlicher  Muster  in  Kupfer-  und 
Bronzekessel  oder  aus  dem  obener- 
wähnten bunten  Bemalen  des  hölzernen 
Hausrats.  Von  erhobenen  Ornamenten 
wussten  und  wissen  die  Araber  so  gut 

26 


170 


DAS  ARABISCHE  KUNSTHANDWERK 


wie  nichts,  und  was  sie  in  dieser  Beziehung  ge- 
leistet haben  —  die  Stalaktiten  in  ihrer  Architektur 
ausgenommen  —  ist  auf  fremde  Einflüsse  zurück- 
zuführen. 

Unser  jetzt  anscheinend  zu  neuer  Blüte  auf- 
schiessendes  europäisches  Kunstwerk  wird  von  dem 
arabischen  kaum  etwas  lernen  können,  vor  allen  Dingen 
deshalb  nicht,  weil  unsere  modernen  Bestrebungen  im 
Grundprinzip  den  arabischen  Kunstformen  diametral 
gegenüberstehen.  Wir  suchen  uns  in  Europa  so  viel 
wie  möglich  an  die  Natur  anzuschliessen;  wir  wollen 
keine  anderen  als  die  Beispiele  der  Natur  als  Vor- 
bilder  anerkennen,  —  und   die  arabische   Kunst   hat 


von  jeher  genau  das  Gegenteil  gethan.  Hat  dies 
einerseits  die  Folge  gehabt,  dass  sich  die  der  Volks- 
kunst so  schädliche  Trennung  des  Handwerks  und 
der  Kunst  nicht  vollzog,  so  ist  andererseits  durch  das 
Verwerfen  aller  natürlichen  Vorbilder  die  arabische 
Kunst  in  eine  Sackgasse  gedrängt  worden,  deren  Ende 
sie  bald  erreicht  hatte  und  wo  sie  nun  seit  Jahr- 
hunderten steht,  ohne  einen  Schritt  vorwärts  zu  thun. 
Denn  die  Natur  ist  unendlich  und  bietet  uns  immer 
wieder  neue  Formen  in  unerschöpflicher  Fülle,  während 
selbst  dem  kühnsten  Grübler  und  Tüftler  nichts  mehr 
einfallen  kann,  was  vor  ihm  andere  Grübler  und 
Tüftler  nicht  schon  gedacht  hätten. 


Blumenkübel,  Entwurf  von  AUG.  GLASER,  München. 


Tisch  und  Stuhl  aus  dem  Innenraum  von  SCHNE1DEF<  &  HANAU,  Frankfurt  a.  M.     Ausgestellt  auf  der  l'ariser  Weltausstellung  1900, 


DAS  DEUTSCHE  KUNSTGEWERBE 
AUF  DER  PARISER  WELTAUSSTELLUNO 


I. 


ALS  im  Jahre  1851  die  erste  Weltausstellung  in 
London  stattfand,  waren  die  > Schönen  Künste« 
vom  Progamm  so  gut  wie  ausgeschlossen.  Und 
als  der  französische  Kommissar,  Graf  de  Laborde,  es 
dennoch  versuchte,  die  Künstler  seines  Landes  zur 
Teilnahme  zu  bewegen,  wurde  ihm  von  fast  allen 
Seiten  erwidert,  man  wolle  sich  nicht  kompromittieren, 
der  Künstler  gehöre  nicht  in  einen  »Bazar«.  Der 
Zusammenhang  zwischen  Kunst  und  Handwerk  schien 
für  immer  verloren,  und  die  unausbleibliche  Folge 
davon,  ein  allgemeiner  Rückgang  des  Geschmackes, 
machte  sich  bereits  deutlich  fühlbar;  schleunige  Hilfe 
war  unbedingt  nötig.  Aus  diesen  Erfahrungen  und 
Erwägungen  heraus  entstand  de  Laborde's  berühmter 
Bericht  über  die  Londoner  Ausstellung,  dessen  leitende, 
später  in  seinem  Buche  über  die  »Vereinigung  der 
Künste  und  Industrie«  weiter  ausgeführte  Gedanken 
nicht  nur  in  Frankreich  den  grössten  Widerhall  fanden 
und  mit  den  wichtigsten  Anstoss  zu  der  allgemeinen 


Bewegung  für  die  Wiederbelebung  des  Kunstgewerbes 
gaben.  Aber  die  in  London,  Paris,  Wien,  Berlin, 
Hamburg,  Dresden,  Leipzig  und  vielen  anderen  Städten 
gegründeten  Kunstgewerbemuseen  und  die  überall 
emporschiessenden  Kunstgewerbeschulen  führten  im 
allgemeinen  nur  zur  verständnisvollen  Wiederaufnahme 
früherer  Stilweisen.  Man  erinnert  sich,  welche  Be- 
geisterung in  Deutschland  eine  Zeit  lang  für  die  ita- 
lienische Renaissance  herrschte,  wie  dann  nach  dem 
70er  Kriege  »altdeutsch«  die  Losung  wurde,  wie  man 
dann,  der  schweren  Eichenschränke  und  Eichenstühle 
müde,  dem  Barock  und  Rokoko  Eingang  verschaffte 
und  schliesslich  auch  das  Empire  begeisterte  Anhänger 
fand.  Von  einem  wirklich  modernen  Kunstgewerbe, 
das  seine  Formen  aus  dem  Gebrauchszwecke  und  der 
Natur  des  Materials  entwickelt  und  sich  im  Dekor  an 
die  Motive  der  heimischen  Fauna  und  Flora  anlehnt 
und  diese  zu  stilisieren  sucht,  kann  man  erst  seit  der 
Mitte  der  80er  Jahre  reden.     Heute  erscheint  uns  die 

26* 


172 


DAS  DEUTSCHE  KUNSTGEWERBE  AUF  DER  PARISER  WELTAUSSTELLUNG 


einstige  Veraclitung  der  »kleinen  Künste«  fast  unbe- 
greiflicli.  Ja,  die  Rollen  sind  heute  beinahe  vertauscht. 
Oiebt  es  doch  schon  Leute,  die  ein  Gemälde  oder 
eine  Skulptur  nur  auf  ihre  dekorative  Wirkung  hin 
prüfen. 

Es  war  zu  hoffen,  dass  die  diesjährige  Weltaus- 
stellung zum  erstenmale  einen  grossen  Überblick 
über  die  neuen  Bewegungen  geben  und  so  ein  Urteil 
über  ihre  Bedeutung  erlauben  würde.  Diese  Hoffnung 
hat  sich  in  der  glänzendsten  Weise  erfüllt.  Das  Kunst- 
gewerbe steht  vielleicht  an  der  allerersten  Stelle.  Es 
füllt  nicht  allein  zwei  grosse  Paläste  und  eine  ganze 
Anzahl  Annexe  auf  der  Invaliden-Esplanade  aus,  son- 
dern ist  auch  in  fast  alle  anderen  Abteilungen  ein- 
gedrungen. Vor  allem  haben  natürlich  die  meisten 
Völker  sich  bestrebt,  ihre  am  Quai  d'Orsay  gelegenen 
eigenen  Paläste  bis  in  alle  Einzelheiten  aufs  Vor- 
nehmste und  Geschmackvollste  auszustatten  und  haben 
einige  überhaupt  ihre  besten  kunstgewerblichen  Er- 
zeugnisse in  ihnen  vereinigt.  Dann  aber  begegnet 
man  fast  überall,  bei  den  Nahrungsmitteln  wie  bei 
den  Garnen  und  Geweben,  bei  den  wissenschaftlichen 
Instrumenten  wie  bei  den  chemischen  Produkten,  dem 
Bestreben,  die  Erzeugnisse  in  künstlerisch  ausgeführten 
Schränken  oder  Räumen  aufzustellen  und  diese  zu 
einem  architektonisch  gegliederten  harmonischen  Ganzen 
zu  vereinigen,  das  zugleich  die  Natur  dieser  Erzeug- 
nisse, soweit  möglich,  andeuten  soll.  Wenn  man  z.  B. 
früher  dem  Deutschen  vorwerfen  konnte,  dass  er  seine 
guten  Waren  geschmacklos  und  unvorteilhaft  ausstelle, 
so  ist  es  um  so  höher  anzuschlagen,  dass  Deutsch- 
land und  mit  ihm  Deutsch  -  Österreich  diesmal  auf 
mehreren  Gebieten  in  solchen  Arrangements  das  Beste 
geleistet  haben.  Überhaupt  bekommt  man  nach  den 
ersten  Besuchen  den  Eindruck,  dass  Frankreich  in 
mehreren  Gruppen,  wie  vor  allem  der  Juwelierkunst, 
noch  den  ersten  Rang  behauptet,  dass  es  aber  in 
vielen  andern  von  den  germanischen  Völkern  Deutsch- 
land, Österreich,  England  und  Skandinavien  überholt 
oder  wenigstens  eingeholt  worden  ist,  und  dass  um- 
gekehrt die  südlichen  romanischen  Völker  den  Kampf 
scheinbar  aufgegeben  haben. 

Mit  dieser  Ungeheuern  Bedeutung,  die  das  Kunst- 
gewerbe in  der  letzten  Zeit  erlangt  hat,  steht  die  Ver- 
ständnislosigkeit,  mit  dem  ihm  an  leitender  Stelle  be- 
gegnet worden  ist,  in  schneidendem  Widerspruche. 
Die  offizielle  Einteilung  der  Ausstellung  kennt  den 
Begriff  Kunstgewerbe  überhaupt  nicht.  Sie  hat  wohl 
eine  Gruppe:  Dekoration  und  Ausstattung  von  öffent- 
lichen Gebäuden  und  Wohnräumen,  aber  in  diese  sind 
weder  die  Bronzen  noch  die  Juwelierarbeiten,  noch 
die  Gold-  und  Silbersachen,  dagegen  Heizröhren, 
Thermometer  uud  Lampencylinder  aufgenommen  wor- 
den. Nach  der  Ansicht  der  Ausstellungsleitung  gehört 
ein  silberner  Tafelaufsatz  nicht  zu  den  Porzellanvasen, 
sondern  zu  den  Bürsten  und  Korbwaren,  d.  h.  zu  der 
Verlegenheitsgruppe:  Verschiedene  Industrien.  Auf  den 
Protest  verschiedenerauswärtiger  Kommissare  hin  hat  man 
sich  dann  entschlossen,  die  beiden  Gruppen  zusammen- 
zuwerfen. Und  so  erleben  wir  es  denn,  dass  bei 
Amerika  die  Tiffany-Gläser  dicht  neben  Tintenflaschen 


und  Reisekoffern  stehen.  Deutschland  und  ein  paar 
andere  Völker  haben  sich  so  zu  helfen  gewusst,  dass  sie 
für  die  nicht  rein  kunstgewerblichen  Gegenstände  der 
beiden  Gruppen  besondere  kleine  Gebäude  errichtet 
haben. 

Eine  der  wichtigsten  modernen  Bestrebungen  ist 
darauf  gerichtet,  die  Zimmereinrichtungen  in  Form 
und  Ton  so  harmonisch  wie  möglich  zu  gestalten. 
Eine  völlig  einheitliche  Durchführung,  die  dem  Zufall 
und  der  Laune  gar  keinen  Spielraum  liesse,  würde 
sich  allerdings  mit  Behaglichkeit  und  Eigenart  nicht 
immer  vereinigen  lassen;  jedenfalls  aber  will  man  von 
Bric-ä-brac  nichts  wissen.  Nun  aber  sind  die  Aus- 
stellungen immer  geradezu  eine  Schule  des  Bric-ä-brac 
gewesen.  Der  Besucher  kam  von  ihnen  zurück  wie 
von  einer  Reise  in  fremde  Länder,  hatte  sich  die 
verschiedenartigsten  Gegenstände  zusammengekauft  und 
verwandelte  seine  Wohnung  in.einMiniatur-Musum  für 
die  staunenden  Bekannten.  Dieser  Neigung  galt  es  nach 
Kräften  zu  steuern  und  dies  Hess  sich  nur  durch  die 
Schaffung  von  abgeschlossenen  vorbildlichen  Zimmern 
bewerkstelligen.  Andererseits  aber  soll  eine  Ausstellung 
möglichst  vollständige  Übersichten  über  die  einzelnen 
Industriezweige  geben  und  Vergleiche  ziehen  lassen. 
Man. konnte  sich  also  nicht  damit  begnügen,  einzelne 
Bronzen,  Goldarbeiten,  Porzellanvasen  oder  Steingut- 
töpfe in  die  Zimmer  zu  stellen,  sondern  musste  sie 
in  eigenen  Räumen  geschmackvoll  vereinigen.  Beide 
Zwecke  sind  in  der  deutschen  Abteilung  durch  ihren 
Architekten  Professor  Hoffacker  in  trefflicher  Weise 
erreicht  worden. 

Kommt  man  von  der  amerikanischen  Abteilung 
her  auf  die  deutsche  zu,  so  wird  man  aufs  angenehmste 
überrascht.  Die  hässlichen  Doppeltreppen  im  Eiffel- 
stil  sind  verschwunden,  und  auch  die  mageren  Rippen 
der  Eisenkonstruktion  sind  so  viel  wie  möglich  ver- 
hüllt. Wir  glauben  in  die  Vorhalle  eines  vornehmen 
Palastes  zu  treten.  An  der  Eingangsseite  ist  der 
Raum  nur  durch  eine  niedrige  Mauer  abgeschlossen, 
an  den  üb:-gen  drei  Seiten  bilden  grau  getönte,  bis 
zum  Gelär.-'.cr  des  Oberstocks  hinaufgehende  und  sich 
nach  allen  Seiten  in  weiten  flachbogigen  Durchgängen 
öffnende  Wände  den  Abschluss,  über  welchen  ein 
reich  geschmiedetes  Gitter,  unterbrochen  von  vorge- 
legten Stuckbaikonen  den  Abschluss  nach  oben 
bildet.  Dieselbe  Architektur  wiederholt  sich  mit  ge- 
wissen Abweichungen  im  Oberstock,  bildet  aber  hier, 
da  der  Deutschland  dort  zugewiesene  Raum  fast 
doppelt  so  gross  ist,  ein  geschlossenes  Viereck.  In 
der  Mitte  des  ganz  mit  Kiefersfelder  Marmor  ausge- 
legten Fussbodens  erhebt  sich  auf  einem  mit  Moos, 
Epheu,  Farren-  und  Haidekraut  bewachsenen  Felsen 
eine  grosse  schmiedeeiserne  Gruppe,  die  nach  dem 
Modell  des  Professors  Fritz  Hausmann  von  Gebr. 
Armbrüster  gefertigt  worden  ist:  ein  mächtiger  Adler, 
der  den  Drachen  der  Zwietracht  besiegt  hat.  Dahinter 
stehen,  den  Eingang  zum  Durchgangsraum  flankierend, 
auf  hohen  Sockeln  die  beiden  bekannten  Maison'schen 
Reiter  vom  Reichstagsgebäude,  in  halber  Grösse  wie 
die  Originale  von  Knodt  in  Frankfurt  a.  M.  in  Kupfer 
getrieben.     Von    der  Mittelwand   des  Obergeschosses 


Kaminecke  aus  dem  Innenraum  von  SCHNEIDER  &  HANAU  in  Frankfurt  a.  M.     Ausgestellt  auf  der  Weltausstellung  in  Paris  1900. 


174 


DAS  DEUTSCHE  KUNSTGEWERBE  AUF  DER  PARISER  WELTAUSSTELLUNG 


aber  leuchten  uns  drei  nach  Kartons  des  Professors 
Max  Koch  von  Puhl  und  Wagner  ausgeführte  Mosaik- 
gemälde entgegen:  Der  Friede  beschützt  die  deutsche 
Arbeit.  Links  und  rechts  unten  stehen  an  Pfeilern 
je  zwei  der  in  Bronze  gegossenen  Kaiserstatuen  vom 
Reichstag.  Um  diese  festliche  Halle  gruppieren  sich 
nun  mehr  als  ein  Dutzend  vornehm  ausgestattete 
Zimmer,  zu  denen  fast  ebenso  viele  im  Oberstock 
kommen.  Wir  finden  die  grösste  Mannigfaltigkeit, 
neben  völlig  modernen  solche  in  früheren  Stilweisen, 
neben  fürstlichen  oder  für  öffentliche  Gebäude  be- 
stimmten Prunkräumen  schlichte  Wohn-  und  Schlaf- 
zimmer. Bedingung  war  nur,  dass  sie  einen  künst- 
lerischen und  einheitlichen  Charakter  tragen.  Links 
gelangen  wir  zunächst  zu  dem  äusserst  kostbaren 
Schlafzimmer  in  Cedernholz,  dessen  Täfelung  nach 
Hoffacker's  Entwurf  von  G.  Olm,  Berlin,  dessen 
Möbel  von  J.  Zwiener  für  den  deutschen  Kaiser  aus- 
geführt wurden.  Daneben  befinden  sich  ein  grösserer 
und  ein  ganz  kleiner  Raum  der  Fabrik  Buyten  &  Söhne 
in  Düsseldorf,  der  erstere  nach  Entwürfen  von  v.  Ber- 
lepsch-München,  der  andere  nach  Angaben  des  Land- 
schaftsmalers Oeder-Düsseldorf.  Rechts  liegen  andere 
von  Berliner  Künstlern  entworfene  Räume,  deren 
Möbel  zum  Teil,  neben  einem  Speisezimmer  von 
J.  Groschkus,  Berlin,  ebenfalls  für  die  königlichen 
Schlösser  bestimmt  sind,  und  dahinter  ein  altnieder- 
deutsches Zimmer  von  Heinrich  Sauermann-Flensburg, 
ein  gewölbtes,  gänzlich  in  Marketeriearbeit  ausgeführtes 
Musikzimmer  von  Wölfel-Stuttgart  nach  Entwürfen  von 
Gustav  Halmhuber,  ein  kleiner  Salon  im  Louis  XVI.- 
Stil  von  Schneider  &  Hanau  in  Frankfurt  a.  M., 
ein  modernes  Zimmer  mit  Marketerie  von  Robert 
Macco-Heidelberg  nach  Entwürfen  von  J.  Süssenbach- 
Berlin,  endlich  zwei  kleine  ganz  moderne  Nischen 
eines  Treppenhauses  von  Bodenheim-  Berlin,  zu  denen 
der  Architekt  H.  Werle  die  Zeichnungen  geliefert  hat. 
Hinten  bildet  ein  von  Emanuel  Seidl  -  München  in 
Anlehnung  an  den  pompejanischen  Stil  entworfenes 
Prunkzimmer  mit  Möbeln  von  Franz  Stuck  den  Durch- 
gang zur  Porzellanabteilung.  Daran  schliessen  sich 
links  ein  Zimmer  eines  Kunstfreundes,  ein  Erkerraum 
und  ein  Jagdzimmer,  zu  denen  die  Münchener  Maler 
Riemerschmied,  Pankok  und  Bruno  Paul  die  Entwürfe 
geliefert  haben  und  die  in  der  Hauptsache  von  den 
Vereinigten  Werkstätten  für  Kunst  im  Handwerk  aus- 
geführt worden  sind.  Rechts  von  dem  Prunkzimmer 
befinden  sich  ebenfalls  Münchener  Räume  nach  Ent- 
würfen von  Gabriel  Seidl  und  Paul  Pfann.  Die  hinter 
diesen  Räumen  gelegene,  durch  Oberlicht  erleuchtete 
Verbindungshalle  ist  neben  einigen  kleinen  anderen 
Räumen  der  Austeilung  der  Keramik  eingeräumt. 
Der  grosse  Saal  hinter  dem  Prunkzimmer  enthält  die 
Erzeugnisse  der  Berliner  und  Nymphenburger  Por- 
zellanmanufakturen und  verschiedener  Privatfabriken. 
Auf  ihn  folgen  links  die  Meissener  Porzellanmanufaktur 
und  die  Kunsttöpfereien  Mehlem-Bonn  und  Villeroy  & 
Boch-Mettlaq];i  und  Dresden,  rechts  ein  Raum  mit  ver- 
schiedenen keramischen  Erzeugnissen  und  eine  Galerie 
mit  den  Glasfenstern  und  Bronzefiguren  für  den  Frei- 
burger Rathaus-Neubau  u.  s.  w. 


Wir  hatten  gesehen,  dass  die  ursprünglichen 
Treppen  des  Kunstindustrie-Palastes  von  dem  deutschen 
Architekten  beseitigt  worden  waren.  An  ihre  Stelle 
sind  geräumige  Treppenhäuser  von  bedeutender 
Wirkung  getreten.  Zu  ihnen  gelangt  man  von  den 
abgeschrägten  Ecken  der  Vorhalle  aus  durch  sehr 
reizvolle  Durchgänge  mit  eigentümlichen  Mittelsäulen, 
deren  gedrungene  Schäfte  mit  Mosaik  bekleidet  sind 
und  deren  phantastisch  reiche,  mächtige  Kapitelle 
durch  eine  Art  Spangen  mit  den  Gewölberippen  ver- 
bunden werden.  Das  linke  Treppenhaus  erinnert  an 
eine  altdeutsche  Diele.  Die  in  drei  Absätzen  recht- 
winklig emporführende  Treppe  besitzt  ein  von  Prof. 
Riegelmann-Charlottenburg  mit  Jagdscenen  in  Holz- 
schnitzerei reich  geschmücktes  Geländer.  Am  ersten 
Absatz  ist  in  einer  Nische  ein  kleiner  Wohnraum  mit 
Kamin  von  Max  Läuger-Karlsruhe  angebracht,  dessen 
schöne  Fliesen  an  verschiedenen  Stellen  der  deutschen 
Abteilung  die  Wände  beleben  und  insbesondere  auch 
den  unteren  Teil  des  anderen  Treppenhauses  schmücken. 
Dieses  ist  zum  grössten  Teil  mit  Stuckornamenten 
verziert  und  macht  einen  ungemein  prächtigen  und 
freundlichen  Eindruck.  Die  Treppenflügel  führen  aus 
einem  mit  gemalter  Tonne  überspannten  Durchgang 
in  ziemlich  niedrigen  Gewölben  empor,  vereinigen  sich 
in  halber  Höhe  auf  einem  Podest,  um  sich  dann 
wieder  zu  teilen  und  in  offenen  Galerien  aufzusteigen. 
Oben  sind  diese  Galerien  von  in  Holz  geschnitzter 
Bogenstellung  unterbrochen.  Die  Halbrundfelder  über 
ihnen  sind  mit  Bildern  aus  deutschen  Märchen  von  Max 
Koch  geschmückt.  Der  Plafond  ist  mit  deutschen  Adlern 
und  die  deutsche  Kraft  und  Arbeit  versinnlichenden  Moti- 
ven reich  geschmückt.  Die  Galerien  jenseits  der  Treppen- 
häuser ähneln  der  entsprechenden  unten,  der  Raum  zwi- 
schen ihnen  wird  fast  völlig  von  dem  nach  Lechterschen 
Entwürfen  von  Pallenberg-Köln  ausgeführten  und  dem 
dortigen  Kunstgewerbemuseum  geschenkten  Saal  mit 
Erker  ausgefüllt.  An  den  Langseiten  des  oberen 
Stockwerks  finden  wir  links  zunächst  das  vom  Zeichen- 
bureau der  Karlsruher  Kunstgewerbeschule  unter 
Leitung  ihres  Direktors  H.  Götz  entworfene  Trau- 
zimmer des  Rathauses  zu  Karlsruhe,  dann  ein  modernes 
Herrenzimmer  der  Münchner  Möbelfabrikanten  und 
einen  Raum  mit  Musikmöbeln  und  Teppichen 
von  Eckmann,  rechts  ein  Badezimmer  von  Voltz  & 
Wittmer  in  Strassburg,  ein  Musikzimmer  in  Marketerie 
vom  Maler  Carl  Spindler  und  ein  modernes  Empfangs- 
zimmer der  Darmstädter  Künstlerkolonie.  Die  übrigen 
Räume  sind  auch  hier  wieder  den  Ausstellungen  be- 
stimmter Zweige  des  Kunstgewerbes  gewidmet,  und 
zwar  finden  wir  drei  Zimmer  mit  Juwelierarbeiten, 
Gold-  und  Silbersachen,  mit  Bronzen,  Zinnsachen, 
Kunstgläsern  u.  s.  w.  und  zwei  mit  Spielwaren,  ferner 
je  einen  kleinen  Raum  mit  Hulbe'schen  und  Collin- 
schen  Lederarbeiten  und  einen  mit  Ankersteinbaukasten. 
Man  sieht,  die  reinliche  Teilung  zwischen  Kunstgewerbe 
und  Industrie  war  nicht  völlig  durchzuführen,  nachdem 
die  beiden  einmal  zusammengeworfen  worden  waren. 
So  mussten  beispielsweise  die  durchaus  künstlerisch 
ausgeführten  Uhren  der  Münchner  Werkstätten  neben 
solchen    Erzeugnissen    der   Uhrenindustrie   ausgestellt 


Aus  dem  Inneiiraiim  von  SCHNEIDER  &  HANAU,  hraiiKiur    a.  M.     Ausgestellt  auf  der  Pariser  Weltausstellung  iQoo. 


Ecke  aus  dem  Innenraum  von  SCHNEIDER  &  HANAU,  Frankfurt  a.  M.,  ausgestellt  auf  der  Pariser  Weltausstellung     s.  Abb.  S.  173. 
Kunstgewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  g.  27 


178 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


werden,  deren  Wert  einzig  auf  dem  mechanischen 
Gebiete  liegt,  also  unter  den  »Verschiedenen  Industrien  < 
des  Annexes.  In  diesem  Annexe,  der  gleichfalls  von 
Hoffacker  erbaut  worden  ist,  kommt  für  uns  haupt- 
sächlich die  ziemlich  reich  ausgeschmückte  Kapelle  mit 
den  Gegenständen  der  kirchlichen  Kunst  in  Betracht. 
Damit  ist,  wie  aus  dem  früher  Gesagten  schon 
hervorgeht,  die  Beteiligung  Deutschlands  auf  den 
Gebieten  des  Kunstgewerbes  keineswegs  erschöpft. 
Vor  allem  ist  natürlich  auf  die  innere  Ausschmückung 
des  vom  Postbauinspektor  Radke  erbauten  deutschen 
Hauses  die  grösste  Sorgfalt  verwendet  worden.  Ganz 
besondere  Beachtung  verdient  hier  die  grosse  Halle 
mit  ihrem  wirkungsvollen  Glasgemälde  von  Lüthi- 
Frankfurt  a.  M.  und  den  fein  abgestimmten  Wand- 
malereien des  Malers  Gustav  Wittig.  In  jeder  Weise 
gelungen  erscheint  auch  die  Dekoration  des  Wein- 
restaurants vom  Architekten  Möhring.  Ein  Vorbild 
edelsten  Geschmackes  ist  ferner  das  Arrangement  der 
deutschen  Kunstabteilung  in  dem  Grossen  Palaste  der 
Champs-Elysees.  Allerdings  scheint  es  hauptsächlich 
als  ein  Rahmen  für  Lenbach's  tieftonige  Bildnisse 
berechnet  zu  sein  und  stimmt  weniger  gut  zu  den 
hellen  modernen  Bildern.  Auch  hier  hat  sich  Emanuel 
Seidl  an  die  Antike  angeschlossen.  Den  Glanzpunkt 
bildet  der  ganz  mit  gelbem  Damast  ausgeschlagene 
mittlere  Saal  mit  seinem  weissen  Fries  auf  schwarzem 
Grunde  und  den  streng  stilisierten  Eingängen.     Von 


Seidl  rührt  auch  das  Münchner  Spatenbräu  mit  seiner 
fröhlich-bunten  Ausschmückung  her.  Einen  sehr  reiz- 
vollen Eindruck  macht  ferner  der  deutsche  Schiffahrts- 
pavillon des  Hamburger  Architekten  Thielen.  An  der 
Ausschmückung  der  im  Innern  der  Industriepaläste 
gelegenen  deutschen  Abteilungen  haben  besonders 
die  Architekten  Hoffacker,  Möhring  und  Radke  mit- 
gewirkt. Ausserdem  sei  auf  die  Schränke  der  chemischen 
Industrie  von  Griesebach,  diejenigen  der  Optik  und 
Feinmechanik  von  Otto  Rieth  und  auf  das  elegante 
Arrangement  der  Krefelder  Seidenindustrie  von  Hugo 
Koch  hingewiesen. 

Dieser  flüchtige  Überblick  zeigt,  wie  grosse  An- 
strengungen von  selten  Deutschlands  gemacht  worden 
sind.  Wie  nun  auch  das  Ergebnis  im  einzelnen  aus- 
fallen mag  —  und  dass  Deutschland  auf  allen  Ge- 
bieten Triumphe  feiert,  wäre  wahrhaftig  zuviel  ver- 
langt —  vergeblich  werden  sie  nicht  gewesen  sein, 
und  Anerkennung  werden  sie  in  vollem  Masse  finden. 
Das  Erfreulichste  ist,  dass  sie  mit  ganz  vereinzelten 
Ausnahmen  nicht  von  der  Sucht  nach  leerem  Ge- 
pränge, sondern  von  geläutertem  Geschmacke  geleitet 
worden  sind.  Mögen  wir  auf  manchen  Gebieten 
auch  die  anderen  Völker  noch  nicht  erreicht  haben, 
bei  keinem  zeigen  sich  so  viele  entwicklungsfähige 
Keime,  keins  übertrifft  uns  in  der  Stetigkeit  und 
Freudigkeit  des  Vorwärtsstrebens. 

WALTHER  GENSEL. 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


VEREINE  UND  SCHULEN 

DRESDEN.  Dem  Bericht  über  die  Kgl.  Säcli- 
sische  Kunstgewerbe- Schule  und  das  Kunstge- 
werbe-Museum auf  das  Schuljahr  iSgyjgS  und 
i8g8JQQ  entnehmen  wir  folgendes:  Die  von  Jahr  zu 
Jahr  gestiegenen  Anforderungen,  welche  an  die  Kunst- 
gewerbeschüler bei  dem  Eintritt  in  eine  praktische  Thätig- 
keit  gestellt  werden,  veranlassten  die  Direktion,  dem  Mi- 
nisterium des  Innern  eine  Abänderung  des  Stunden- 
planes vorzuschlagen.  Derselbe  sollte  wesentlich  ver- 
einfacht, alle  Nebenfächer  als  vorbereitender  Unter- 
richt in  die  Unterklassen  verlegt  und  die  hierdurch 
gewonnene  Zeit  von  den  Schülern  zu  Arbeiten  ihres 
Faches  benutzt  werden.  Ferner  sollte  die  Beschäf- 
tigung einer  grösseren  Anzahl  von  Lehrern  in  einer 
Klasse  vermieden,  vielmehr  der  Unterricht  atelierartig 
eingerichtet  werden  mit  nur  zwei,  höchstens  drei  Lehrern 
in  einer  Klasse.  Dem  Lehrer  soll  hiermit  die  Mög- 
lichkeit geboten  werden,  die  Eigenarten  und  Fähig- 
keiten jedes  einzelnen  Schülers  besser  kennen  zu 
lernen  und  den  Unterricht  dementsprechend  zu  gestalten. 
Das  Ministerium  genehmigte  die  Vorschläge  und  die 
neuen  Lehrpläne   sind    demgemäss    seit  Ostern   1898 


zur  Einführung  gelangt.  Die  Unterklasse  wurde  ge- 
teilt in  eine  Abteilung  für  Architekturzeichner,  Mo- 
delleure und  Ciseleure  und  in  eine  Abteilung  für  De- 
korationsmaler und  Musterzeichner.  Letztere  Abtei- 
lung ging  an  die  im  August  1897  wieder  selbständig 
gemachte  Vorschule  über.  Der  Stundenplan  erfuhr 
i8q8  noch  insofern  eine  Erweiterung,  als  noch  der 
bisher  fehlende  Unterricht  in  Stillehre  eingeführt 
wurde.  Derselbe  wird  in  vier  Gruppen  erteilt  und 
zwar:  1.  die  antike  Periode  (Griechen,  Römer  und 
deren  Vorläufer),  2.  das  Mittelalter  (romanisch  und 
gotisch),  3.  die  Renaissance  bis  zum  Barock,  4.  die 
Neuzeit  (Barock,  Rokoko,  Louis  XVI.,  Empire,  u.  s.  w.). 
Jede  Gruppe  wird  für  sich  in  wöchentlich  zweistün- 
digen Vorträgen  behandelt,  mit  den  Vorträgen  sind 
Skizzierübungen  verbunden,  welche  den  Schülern  die 
Eigenarten  eines  jeden  Stiles  klar  vor  Augen  führen. 
Zu  einer  bessSren  Ausbildung  in  figürlichen  Dar- 
stellungen sind  sowohl  der  Unterricht  im  Zeichnen 
nach  dem  lebenden  Modell  als  auch  die  Vorträge 
über  plastische  Anatomie  des  Menschen  vermehrt 
worden.  Der  in  der  Abendschule  neu  eingeführte 
Unterricht  im  Zeichnen  nach  dem  lebenden  Modell 
erfreut  sich  einer  regen  Beteiligung  besonders  aus  den 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


179 


Kreisen  der  Lithographen,  Porzellan-  und  Dekorations- 
maler. Dem  stets  empfundenen  Mangel  an  Platz  im 
Schulgebäude  soll  durch  einen  Neubau  abgeholfen 
werden.  Zur  Beschaffung  geeigneter  Entwürfe  für 
dasselbe  ist  ein  Preisausschreiben  an  deutsche  Archi- 
tekten ergangen.  —  Im  Kunstgewerbe-Museum  hat 
die  Beschränkung  des  Raumes  die  Leitung  veranlasst, 
grössere  Gegenstände  im  Vestibül  und  Treppenflur 
zur  Aufstellung  zu  bringen  und  die  Wandflächen  der 
Museumsräume  durch  eine  völlig  systematische  Aus- 
nutzung zu  verwenden.  Eine  beträchtliche  Entlastung 
ist  durch  die  Lehrmittelsammlung  eingetreten.  In 
ihr  wurden  die  als  Unterrichtsmittel  geführten  Gegen- 
stände mit  den  Dubletten  und  den  weniger  bedeu- 
tenden Stücken  des  Museums  für  den  Gebrauch  von 
Lehrern  und  Schülern  in  zwei  gesonderten  Räumen 
vereinigt.  -u- 

K REFELD.  Dem  XV.  Jahresbericht  des  Museums- 
Vereins  für  das  Jahr  i8qq  entnehmen  wir  Fol- 
gendes: Am  Schlüsse  des  Jahres  1898  war  aus 
dem  Vorstande  des  Vereins  unter  dem  Namen  »Aus- 
schuss  für  Kunstarbeit«  eine  Kommission  gewählt 
worden,  um  in  weiteren  Kreisen  das  Interesse  für  die 
aufstrebende  Kunstarbeit  der  Gegenwart  zu  verbreiten 
und  namentlich  den  Krefelder  Kunsthandwerkern  frucht- 
bringende Anregungen  zuzuführen.  Zu  diesem  Zwecke 
wurde  besonders  die  regelmässige  Abhaltung  von  Vor- 
tragsabenden empfohlen.  Es  wurde  beschlossen,  für 
die  Mitglieder  des  Museums- Vereins  sechs  Vorträge 
im  Laufe  des  Winters  abzuhalten,  darunter  auch  so- 
genannte Fachabende  mit  Vorführung  mustergültiger 
Kunstarbeiten  aus  der  neueren  Zeit  zur  Belebung  des 
einheimischen  Kunsthandwerks,  an  die  sich  freie  Be- 
sprechungen schliessen  sollen.  Als  Geschenke  sind 
zu  erwähnen  die  Porträts  des  Fürsten  Bismarck  und 
des  Papstes  Leo  XIII.,  beide  gemalt  von  Franz  von 
Lenbach;  ferner  ist  es  den  mehrjährigen  Bemühungen 
einer  Vereinigung  von  Kunstfreunden  aus  den  Kreisen 
des  Museums -Vereins  gelungen,  eine  grössere  Anzahl 
klassischer  Bildwerke  der  italienischen  Renaissance 
aus  der  Sammlung  Ad.  von  Beckerath  zu  erwerben. 
Am  Schlüsse  des  Berichtsjahres  zählte  der  Museums- 
Verein  138g  Mitglieder  gegen  1369  im  Vorjahr,     -u- 

AUSSTELLUNGEN 

PARIS.  Der  Amtliche  Katalog  der  Pariser  Welt- 
ausstellung igoo  wird  30  Bände  umfassen,  wäh- 
rend derjenige  der  Ausstellung  von  1889  nur 
ihrer  12  füllte.  Die  Gesamtzahl  der  Aussteller  wird 
rund  100000  betragen,  etwa  37000  mehr  als  bei  der 
letzten  Weltausstellung.  Als  eine  Neuerung  wird  der 
Katalog  an  der  Spitze  jeder  industriellen  Klasse  amt- 
liche, auf  Grund  der  Zählung  vom  Jahre  1896  her- 
gestellte Tabellen  enthalten,  aus  denen  die  Zahl  und 
die  Verteilung  der  leitenden  und  arbeitenden  Kräfte 
Frankreichs  in  diesen  Klassen  ersichtlich  ist. 

WETTBEWERBE 

RESLAU.  Das  Schlesische  Museum  für  Kunst- 
gewerbe und  Altertümer  schreibt  folgende  drei 
Wettbewerbe  aus:    1)  Für  ein  Ex-libris  der  Bi- 


B 


bliothek  des  Museums.  Das  Ex-libris  muss  die  Worte 
»Schlesisches  Museum  f(ür)  Kunstgewerbe  u(nd)  Alter- 
tümer« enthalten,  wobei  nur  die  durch  die  Klammern 
angedeuteten  Abkürzungen  statthaft  sind,  und  einen 
genügend  grossen  leeren  Raum  für  handschriftliche  Ein- 
fügung des  Namens  des  Geschenkgebers.  Als  äusserstes 
Grössenmass  ist  ein  Flächenraum  von  135  qcm  fest- 
gesetzt. Mehr  als  drei  Farbenplatten  resp.  Cliches 
sind  nicht  zulässig.  Preis  1 00  Mark.  —  2)  Für  einen 
künstlerischen  Bibliotheksband  des  Museums  in  Quart- 
format. Es  dürfen  nur  fertige  Einbände,  nicht  Ent- 
würfe eingereicht  werden.  Auf  dem  Rücken  des 
Buches  muss  der  Name  des  Verfassers  und  der  Titel 
des  Buches  stehen.  Alles  übrige  bleibt  dem  Ermessen 
des  Buchbinders  überlassen.  Der  Herstellungspreis, 
der  genau  anzugeben  ist,  darf  nicht  mehr  als  30  Mark 
betragen.  Zwei  Preise  im  Betrage  von  80  und  50 
Mark.  Die  Museumsdirektion  beabsichtigt,  nach  den 
preisgekrönten  Musterbänden  bei  den  Verfertigern  eine 
Anzahl  von  Werken  in  Arbeit  zu  geben.  —  3)  Für 
die  Zeichnung  eines  künstlerischen  Standrahmens  zu 
dem  im  Besitze  des  Museums  befindlichen  reichge- 
stickten gotischen  Kreuze  von  einem  Messgewande 
aus  der  ehemaligen  Rathauskapelle.  (Höhe  1,20  m, 
Breite  0,64  m.)  Der  Rahmen  ist  bestimmt,  vertikal 
frei  aufgestellt,  nicht  an  eine  Wand  gehängt  zu  werden, 
muss  eine  massige  Tiefe  haben,  verglast  sein  und  sich 
versperren  lassen.  Er  kann  in  gotischem  oder  mo- 
dernem Stile  gehalten,  darf  jedoch  nicht  so  reich 
gedacht  sein,  dass  seine  Ausführung  in  Holz  mehr 
als  250  Mark  kosten  würde.  Preis  80  Mark.  —  Zu 
diesen  drei  Wettbewerben  sind  nur  schlesische  Künstler 
und  Kunsthandwerker  zugelassen.  Die  Entwürfe  resp. 
Musterbände  sind,  mit  einem  Motto  versehen,  bis 
15.  September  1900  bei  der  Direktion  des  Schlesischen 
Museums  für  Kunstgewerbe  und  Altertümer  (Graupen- 
strasse) einzureichen. 

WALDENBURG  i.  Schi.  Preisausschreiben  um 
Entwürfe  für  eine  Denkmünze  aus  Anlass  der 
Feier  der  300jährigen  Benutzung  der  Heil- 
quelle Oberbrunn  in  Bad  Salzbrunn  i.  Schi,  igoi, 
veranstaltet  von  der  Fürstlich  Plessischen  Centralver- 
waltung  in  Schloss  Waidenburg  i.  Schi,  unter  Künstlern 
aus  Deutschland,  Österreich-Ungarn  und  der  Schweiz. 
Ausgesetzt  sind  drei  Preise  von  600,  500  und  400  M. 
Für  die  Überlassung  des  Eigentums  des  zur  Aus- 
führung bestimmten  Entwurfes  wird  eine  besondere 
Entschädigung  von  500  M.  gewährt.  Das  Preisgericht 
bilden  die  Herren  Bildhauer  Professor  Chr.  Behrens, 
Maler  Professor  Ed.  Kaempffer  und  Maler  Professor 
Max  Wislicenus  in  Breslau.  Einzusenden  bis  zum 
1.  Oktober  d.  J.  an  die  Fürstlich  Plessische  Central  Ver- 
waltung, Dr.  Ritter,  Schloss  Waidenburg  i.  Schi.,  welche 
auch  die  Wettbewerbsunterlagen  verabfolgt.         -u- 

F RANKFURT  a.  M.     Zu  dem  Wettbewerb  für  den 
auf  dem  Römerhof  zu  errichtenden  Brunnen  waren 
30  Entwürfe  eingegangen.     Prämiiert  wurde  der 
Entwurf    des    Bildhauers    Josef    Kowarzik    in    Frank- 
furt a.  M.  und  unter  der  Bedingung,  dass  der  Künstler 
noch  ein  Modell   in  grösserem    Masstab    liefert,    zur 

27* 


i8o 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


Ausführung  empfohlen.  Den  zweiten  Preis  erhielt 
Architekt  Karl  Meckel  in  Freiburg  i.  Br.,  den  dritten 
Preis  Professor  Varnesi  in  Gemeinschaft  mit  Architekt 
Hallenstein  in  Frankfurt  a.  M.  -u- 

STUTTOART.  Zufolge  des  vom  Verein  für  de- 
korative Kunst  und  Kunstgewerbe  im  Auftrage 
der  Firma  Alfred  Bühler,  Ledermöbelfabrik  Stutt- 
gart, veranstalteten  Preisausschreibens  zur  Erlangung 
künstlerischer  Entwürfe  liefen  60  Arbeiten  ein.     Den 

I.  Preis    erhielt    Schmidt  Helmbrechts -München,    den 

II.  Preis  Herzog- Stuttgart,  den  III.  Preis  Kraus-Stuttgart. 


BERICHTIGUNG 

Infolge  eines  bedauerlichen  Versehens  sind  einige 
auf  S.  1 1 8  und  1 20  des  6.  Heftes  des  lfd.  Jahrgangs 
abgebildete  Schmucksachen  als  von  Herrn  O.  M.  Werner 
entworfen  bezeichnet  worden.  Von  S.  118  rührt  nur 
der  Entwurf  der  Vase  (oben),  von  S.  120  nur  die 
Entwürfe  der  oberen  sechs  Schmuckstücke  von  Herrn 
O.  M.  Werner  her,  während  alle  übrigen  Stücke  nach 
Entwürfen  des  Herrn  Maler  Hirzel  in  Berlin  von 
Herrn  Juwelier  Louis  Werner  ausgeführt  sind. 


In  Eisen  geschmiedete  Gruppe  von  OEBR.  ARMBRÜSTER  in  Frankfurt  a.  M.     Ausgestellt  in  der  deutschen  Kunstgewerbe- Abteilung 
auf  der  Weltausstellung  in  Paris  1900.     (Spannweite  der  Adlerflügel  ca.  3,60  m.) 


Herausgeber  und  für  die  Redaktion  verantwortlich:  Professor  Knrl  Hoffacker,  Architekt  in  Charlottenburg- Berlin. 

Druck  von  Ernst  Hedrich  Nachf,  G.  m.  b.  H.,  Leipzig. 


Künstgewerbeblatl.    N.  F.    XI     H.  lo.  28 


Durchgang  nacli  dem  Treppenhaus.     Deutsche  kunstgcwerbhche  Abteilung  auf  der  Weltausstellung  in  Paris  igoo. 
Architekt  Professor  K.  HOFFACKER,  Berlin. 


Relief  in  Stein  am  Haus  des  Vereins  deutscher  Ingenieure  ^ausgeführt  von  Professor  O.  RIEGELMANN,  Charlottenburg. 


VAN  DE  VELDE  UND  DIE  BERLINER  TISCHLEREI 


Initial,  gezeiclinet  von 
HANS  SCHULZE,  Berlin. 


NTER  den  neuen  Erscheinungen,  welche  für  die  Berliner  Tischlerei  vor- 
nehmen Stils  gutes  hoffen  lassen,  ist  die  wichtigste  die  Gründung  der 
Gesellschaft  van  de  Velde,  welche  gerade  begonnen  hat,  ihre  praktischen 
Beispiele  vor  die  Augen  der  Öffentlichkeit  hinzustellen.  Angesichts  dieser 
neuen  Bethätigung  werden  gewiss  einzelne  fortfahren,  den  vielunistrittenen 
über  alles  Mass  zu  bewundern,  viele  werden  ihn  auch  jetzt  nicht  verstehen, 
manche  werden  ihn  nicht  lieben,  aber  keiner  wird  ihm  bestreiten  können, 
dass  er  eine  Erscheinung  so  aus  einem  Gusse  ist,  wie  sich  heute  kaum 
eine  zweite  auf  diesem  Gebiet  finden  dürfte  —  und  aus  solchen  werden 
die  Mittelpunkte,  von  denen  starke  Impulse  ausgehen. 

Man  kann  von  van  de  Velde's  Arbeit  für  die  dekorative  Kunst  nicht 
sprechen,  ohne  des  Verdienstes  der  englischen  Tischlerei  um  eine  einfache, 
gesunde  Konstruktion  zu  gedenken.  Denn  von  dem  englischen  Möbel  ist 
auf  Anregung  von  Serourier  auch  van  de  Velde  ausgegangen.  Seine  frühen 
Schränke  waren  so  gradlinig  und  rechtwinklig,  als  nur  irgend  ein  Ashbee 
oder  Voysey  sie  hätte  machen  können,  und  diese  niedrigen  Möbel  stehen 
auf  den  bekannten,  dünnen,  vierkantigen  Beinen  und  laufen  meist  auf  Rollen. 
Offenbarungen  sind  da  nicht  zu  finden,  ja  man  will  kaum  glauben,  es  mit 
Arbeiten  desselben  Mannes  zu  thun  zu  haben,  welcher  durch  die  Dresdener 
Ausstellung  von  1897  in  ganz  anderer  Gestalt  in  weiteren  Kreisen  Deutsch- 
lands bekannt  wurde. 

Während   die  englische  Tischlerei,    wo  sie  gesund  blieb,    nicht   über 

2S' 


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VAN  DE  VELDE  UND  DIE  BERLINER  TISCHLEREI 


Relief  in  Stein  am  Haus  des  Vereins  deutsciier  Ingenieure;  ausgeführt  von  Professor  G.  RIEOELMANN,  Charlottenburg. 


die  ewige  Nüchternheit  der  parallelen  Linien  hin- 
auskam, lockte  ein  Geist  voll  Schwung  und  Phan- 
tasie van  de  Velde  auf  andere  Wege.  Aber  seiner 
Natur  lag  es  gänzlich  fern,  in  die  spielerische  Un- 
symmetrie  zu  verfallen,  welche  die  Kehrseite  der  eng- 
lischen Tischlerei  bezeichnet.  Mir  ist  nur  ein  ein- 
ziges unregelmässig  gebautes  Möbel  von  dem  bel- 
gischen Künstler  bekannt.  Es  ist  ein  Schränkchen  in 
einem  Berliner  Privathause,  dessen  streng  rechtwink- 
liger Aufbau  in  der  einen  Hälfte  um  zwei  Fächer 
über  die  andere  hinaufragt.  Aber  solch  primitives 
Motiv  der  Abwechslung  erschien  ihm  bald  allzu  billig, 
sein  Ehrgeiz  verschmäht  neuerdings  so  leichte  Arbeit. 
Man  weiss  wie  energisch  van  de  Velde  das  Logische 
als  die  Quelle  der  Schönheit  bezeichnet  hat.  Da  er 
nicht  nur  ein  produktiver,  sondern  auch  ein  polemischer 
Geist  ist,  so  hat  er  sich  hier  und  da  auch  schriftlich 
über  seine  Grundsätze  geäussert.  Es  ist  interessant, 
zu  untersuchen,  wie  weit  Theorie  und  Praxis  sich  bei 
ihm  decken.  Aus  dem  Zweck  heraus  erfindet  er  die 
Form,  und  er  giebt  an,  nur  darum  beständig  seine 
Modelle  zu  ändern,  weil  ihm  noch  nie  eines  seiner 
Werke  vollkommen  genügt  habe.  Wenn  ihm  erst 
einmal  ein  Stuhl  wirklich  vollendet  gelungen  sei,  dann 
wolle  er  weiterhin  stets  nur  denselben  wiederholen. 
Ihn  schreckt  so  wenig  die  sich  hierdurch  eröffnende 
Perspektive  der  Gleichförmigkeit,  dass  er  an  derselben 
Stelle    hinzufügt,    es  sei  sein  Ideal,    diesem    einzigen 


Möbel  in  möglichst  vielen  Exemplaren  die  weiteste 
Verbreitung  zu  geben,  denn  höchste  Aufgabe  der 
Kunst  sei  es,  dem  Schönheitsbedürfnis  und  dem  Be- 
hagen der  grossen  Masse  der  Menschheit  zu  dienen. 
Diese  Ansicht  hängt  eng  mit  der  sozialen  Anschauung 
zusammen,  welche  die  Menschen  im  Grunde  für  gleich- 
artig hält,  und  welche  dieselben  Neigungen  und  das- 
selbe Gefühl  bei  allen  voraussetzt,  so  dass  alle  durch 
die  gleichen  Formen  befriedigt  werden  könnten.  Wir 
anderen,  die  wir  an  dieser  Gleichartigkeit  zweifeln, 
und  welche  auch  nicht  glauben,  dass  jemals  eine 
solche  Verarmung  an  individuellem  Empfinden  ein- 
treten wird,  dass  man  ihm  mit  einer  einzigen  Form 
beikommen  könnte;  wir  haben  nur  zu  wünschen,  dass 
der  Künstler  sein  Ideal  niemals  erreichen  möchte, 
damit  er  immer  fortfahre,  neues  zu  ersinnen.  Einst- 
weilen ist  er  rüstig  am  Werk,  und  wer  der  quellen- 
den Frische  seiner  Erfindung  aufmerksam  gefolgt  ist, 
der  wird  sich  sagen,  dass  jene  sicherlich  festbegrün- 
dete Überzeugung  wie  bei  manchem  anderen  Künstler 
nicht  allzuviel  mit  seinem  wirklichen  Schaffen  zu  thun 
hat.  Dass  thatsächlich  der  Reichtum  seiner  Formen 
nicht  allein  aus  der  nackten  Notwendigkeit  hervorge- 
gangen ist,  wird  aus  näherer  Betrachtung  mancher 
Einzelheiten  hervorgehen. 

Für  den  ersten  Blick  ist  in  allem,  was  dieser 
Künstler  schafft,  die  Vorliebe  für  die  geschwungene 
Linie  am    bemerkbarsten.     Freilich    muss    bei    einem 


VAN  DE  VELDE  UND  DIE  BERLINER  TISCHLEREI 


Relief  in  Stein  am  Hans  des  Vereins  deutscher  Ingenieure;  ausgeführt  von  Professor  G.  RIEGELMANN,  Charlotleiiburg. 


bestimmten  Möbel,  auch  bei  den  erklärten  Anhängern 
des  rechtwinkligen,  die  Rücksicht  auf  Bequemlichkeit 
zur  Vermeidung  der  geraden  Linie  führen.  Das  ist 
der  Stuhl  und  seine  Lehne.  Von  hier  aus  breitet 
sich  dann  die  gebogene  Linie  über  die  übrigen  Möbel, 
ja  bis  zu  den  Umrahmungen  der  Thür-  und  Eenster- 
öffnungen,  wohl  auch  auf  die  Verbindung  zwischen 
Zimmerwand  und  Decke  aus.  Für  van  de  Velde 
besonders  folgt  hier  ein  Schritt  aus  dem  anderen, 
weil  er  von  allen  modernen,  dekorativen  Künstlern 
am  entschiedensten  danach  gestrebt  hat,  die  Raum- 
ausstattung als  zusammengehöriges  Ganzes  zu  behan- 
deln. Nirgends  erhält  man  stärker  den  Eindruck, 
dass  kein  geschicktes  Zusammenfügen  verschiedener 
Einzelpläne  die  Raunidekoration  mit  dem  Gerät  so 
harmonisch  verband,  sondern  dass  ein  klares  Bild 
des  Ganzen  im  Geist  des  Erfinders  das  Ursprüng- 
liche war,  aus  dem  sich  dann  die  Einzelheiten  mit 
Notwendigkeit  entwickelten.  So  geht  der  gleiche 
Grad  von  Solidität,  von  schwungvoller  Repräsentation 
oder  von  schlichter  Zierlichkeit  je  nachdem ,  auf 
welche  dieser  Eigenschaften  die  Bestimmung  des 
jedesmaligen  Raumes  hinweist,  durch  sämtliche  Fak- 
toren der  ganzen  Einrichtung.  Das  klingt,  so  nüch- 
tern ausgesprochen,  vollkommen  selbstverständlich 
und  ist  doch  etwas  so  selten  Vorkommendes,  dass 
sehr  energisch  auf  diesen  Punkt  hingewiesen  werden 
muss.  Ja  die  Zusammengehörigkeit  ist  so  ernsthaft 
gemeint,  dass,  wo  es  angeht,  möglichst  viel  von  dem 
Gerät  ganz   eng  untereinander  zusammengeschlossen 


auch  wohl  an  eine  Holztäfelung  fest,  angelehnt  er- 
scheint, eine  Erinnerung  an  Gepflogenheiten  des 
gotischen  Stiles  und  das  direkte  Gegenteil  der  eng- 
lisch-japanisierenden  Mode,  welche  so  gerne  mit  dem 
Mobiliar  im  Räume  umhervagabundiert.  Immer  aus 
dem  gleichen  Bestreben  fliesst  auch  die  Neigung,  die 
Höhenverhältnisse  der  Möbel  einander  zu  nähern,  um 
dadurch  den  Eindruck  behaglich  zu  machen  und  die 
Aufmerksamkeit  zu  konzentrieren.  Wo  eine  Holz- 
täfelung angebracht  ist,  da  ragen  die  Thüren  und 
Schränke  nur  gerade  so  viel  über  deren  oberen  Ab- 
schluss  hinaus,  um  durch  wiederholte  Überschneidungen 
in  die  wagerechte  Linie  Abwechslung  zu  bringen. 
Bei  den  Schränken  und  Büchergestellen  spricht  dabei 
freilich  vor  allem  wieder  der  Zweck  sein  Machtwort, 
dem  es  besser  entspricht,  wenn  die  Fächer  sich  nicht 
zu  schwer  erreichbarer  Höhe  türmen. 

Bei  so  lebhaftem  Einheitsstreben  nuiss  natürlich 
die  Linie  nächst  den  Geboten  der  Zweckmässigkeit 
die  Verordnungen  der  Übereinstimmung  befolgen, 
und  diese  Übereinstimmung  kann  für  einen  Geist 
von  solchen  Grundsätzen  nicht  im  Zufälligen,  Äusser- 
lichen  liegen.  Man  wird  keine  reiche  Ausbeute 
haben,  wenn  man  in  diesen  Ausstattungen  auf  die 
Jagd  nach  zusammenfassenden  Ornamenten  geht, 
welche  an  anderer  Stelle  manchmal  allein  für  den 
Eindruck  der  Zusammengehörigkeit  Sorge  tragen 
müssen.  Hier  liegt  die  Einheitlichkeit  im  Organischen. 
Und  doch  regiert  keineswegs  die  Uniform.  Weit 
davon    entfernt,    dass   die  Kurve    mit  plumper  Aus- 


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VAN  DE  VELDE  UND  DIE  BERLINER  TISCHLEREI 


7 >  \„ . ,.A  - 


Relief  in  Stein  am  Haus  des  Vereins  deutscher  Ingenieure; 
ausgeführt  von  Professor  G.   RIEOELMANN,  Charlottenburg. 


schliesslichkeit  überall  den  Fuss  hingesetzt  hätte. 
Nur  wo  der  Zweck  es  befiehlt,  oder  wo  kein  Zweck 
berührt  wird,  füiirt  sie  ihre  Bewegungen  aus,  während 
unmittelbar  daneben  die  rechtwinklige  Tischplatte 
oder  die  senkrechte  Schrankfläche  mit  ihren  gerade 
abschliessenden  Linien  mit  dem  vollen  Rechte  der 
Selbstverständlichkeit  auftreten,  wo  eben  nur  sie  allein 
die  Aufgabe  befriedigend  erfüllen  können.  Ein  gutes 
Beispiel  für  die  vorurteilslose  Verbindung  der  geraden 
und  der  gekrümmten  Flächen  und  Linien  bildet  das 
bekannte  Herrenzimmer  von  der  Münchener  Aus- 
stellung. Hier  bestimmte  der  Schreibtisch,  als  das 
wichtigste  Möbel  die  Haltung  des  Zimmers.  Darum 
war  er  in  die  Mitte  gerückt.  Indem  somit  die  Rück- 
sicht auf  das  feste  Anlehnen  an  eine  Wandfläche 
fortfiel,  welche  neben  anderen  Rücksichten  unseren 
Möbeln  die  vorwiegend  rechtwinklige  Gestalt  auf- 
gedrängt hat,  ergab  sich  die  Möglichkeit,  die  Grund- 
fläche als  flache  Bogenform  zu  gestalten.  Dadurch 
werden  die  seitlichen  Schrankthüren  und  Fächer  dem 
Schreibenden,  der  im  Augenblick  eine  Notiz  ver- 
gleichen will,  bequemer  erreichbar,  als  wenn  sie  sich 
in  gerader  Richtung  von  ihm  entfernten.  Vor  allem 
aber  wird  die  Gestalt  des  umfangreichen  Möbels,  auf 


das  sich  an  seinem  bevorzugten  Standort  alle  Auf- 
merksamkeit konzentriert,  durch  die  Schwingung  ge- 
fällig gemacht.  Sie  wird  doppelt  empfunden,  da  die 
an  den  Wänden  lehnenden  Schränke  für  Mappen  und 
Akten  nach  den  strikten  Anforderungen  ihrer  Auf- 
gabe nur  von  geraden  Linien  umschrieben  sind  und 
nur  in  den  Umrahmungen  der  Glasthürcn  duich  be- 
scheiden bewegte  Einfassungen  eine  reichere  Lebendig- 
keit erhalten,  welche  die  Harmonie  mit  den  Formen 
des  Schreibtisches  herstellt. 

Dass  er  kein  besonderer  Freund  der  geraden  Linie 
sei,  bewies  van  de  Velde  schon  längst  durch  die 
Behandlung  der  Thür.  Manchmal  vermeidet  er  sogar 
den  senkrechten  Abschluss  nach  den  Seiten  hin  und 
ersetzt  ihn  durch  Teile  von  Kreislinien.  Das  kann 
natürlich  nur  geschehen,  wo  der  lichte  Raum  der 
Maueröffnung  weit  genug  ist,  um  eine  teilweise  Ver- 
engung zu  ertragen.  Für  den  Privatwohnraum,  wo 
das  nicht  zutrifft,  wird  die  Thür  seitlich  geradlinig 
begrenzt  und  der  Rahmen  nach  oben  von  vorsichtig 
bewegten  Schwingungen  gekrönt.  Bei  dieser  herr- 
schenden Tendenz  konnte  es  auch  nicht  überraschen, 
dass  es  van  de  Velde  war,  der  einen  Bilderrahmen 
aus  bewegten  Linien  statt  aus  der  rechteckigen  Leiste 
formte,  eine  Neuerung,  welche  manche  von  uns  bereits 
erwartet  und  vorhergesagt  hatten,  während  bisher  alles, 
was  von  der  Schablone  abwich,  eine  Anlehnung  an 
die  Fonrien  des  mittelalterlichen  Altarrahmens  oder 
an  die  des  Rokoko  darstellte. 

Schon  aus  dem  bisher  Gesagten  geht  hervor,  dass 
es  nicht  nur  eine  einzige  Form  zu  sein  braucht,  die 
der  Zweck  vorschreibt.  Die  Thüre  und  das  Fenster 
würden  z.  B.  ihre  Aufgaben  ebenso  gut  erfüllen,  wenn 
sie  von  den  banalsten  geraden  Linien  abgeschlossen 
wären,  als  wenn  Phantasie  dabei  verschönernd  mit- 
wirkte, und  so  giebt  es  noch  weitere  Beweise,  dass 
die  vorhin  erwähnten  Theorien  zu  eng  gefasst  sind, 
um  auch  nur  das  eigene  Schaffen  dessen,  der  sie 
formulierte,  erschöpfend  zu  bezeichnen,  geschweige, 
dass  sie  für  alles  Schaffell  überhaupt  massgebend 
wären.  Van  de  Velde  selbst  giebt  z.  B.  an,  dass  er 
bei  einem  Mänteliialter  zuerst  daran  denke,  in  welcher 
Höhe  er  die  Haken  zum  Aufhängen  anbringen  wolle. 
Danach  berechne  er  dann  die  Breite  der  Standfläche 
des  Möbels  und  verbinde  diese  mit  dem  oberen  Ende 
durch  seitliche  Streben,  welche  sowohl  der  Festigkeit 
zu  dienen,  wie  auch  das  Hinausbauschen  der  aufge- 
hängten Kleider  nach  den  Seiten  zu  verhindern  hätten. 
Beiden  Zwecken  würden  aber  auch  einfach  schräg 
gestellte,  geradlinige  Holzstützen  genügen,  und  wenn 
man  wollte,  könnte  man  diese  Lösung  als  die  logischste 
bezeichnen,  weil  sie  den  Zweck  vollkommen  und  mit 
dem  geringsten  Kraftaufwand  erreichte.  Wenn  trotz- 
dem auch  in  diesem  Falle  die  energische  Schwingung 
bevorzugt  ist,  welche  durch  ihre  Gefälligkeit  die  Auf- 
merksamkeit von  dem  Zweckdienlichen  abzieht,  so  ist 
das  ein  erneuter  Beweis,  dass  es  um  Schönheit  an 
sich  zu  thun  war,  und  solcher  schönen  Linien  für 
diese  Stelle  würden  sich  noch  mehrere  finden  lassen, 
welche  alle  die  Aufgabe  gleich  gut  erfüllen  könnten. 
Thatsächlich    sind    hier    die    Bewegungsmöglichkeiten 


Ansicht  der  Galerie  des  einen  Treppenhauses  in  der  deutschen  kunstgewerblichen  Ahleilung  auf  der  Pariser  Weltausstellung  looo. 

Architekt  Professor  K.  HOFFACKER,  Berlin. 


VAN  DE  VELDE  UND  DIE   BERLINER  TISCHLEREI 


189 


Pfeiler  von  der  dekorativen   Frontarcliitektur  des  Liclitliofes  der 

deutschen   kunstgewerblichen  Abteilung  auf  der  Weltausstellung 

in  Paris  1900.     Architekt  Professor  K.  HOFFACKER,  Berlin. 

Kunstgewerbeblatt.    N.  F.  XI.    H.  10. 


für  die  Phantasie  durchaus  nicht  eng  begrenzt,  und 
van  de  Velde's  Praxis  beweist,  dass  er  Veränderungen 
findet  und  auch  bewusst  danach  strebt,  ohne  dass 
darum  die  erste  weniger  logisch  und  zweckdienlich 
wäre  als  die  folgenden  Lösungen. 

Wenn  es  demnach  auch  nicht  nur  eine  zweck- 
mässige und  darum  nur  eine  schöne  Form  giebt, 
so  liegt  doch  die  Bedeutung  dieses  Künstlers  un- 
zweifelhaft, wie  er  auch  selbst  richtig  empfindet,  gerade 
für  unsere  Zeit  darin ,  dass  er  im  Gegensatz  zu 
manchen  deutschen  Künstler-Handwerkern  die  Schön- 
heit nie  ausserhalb  des  Zweckmässigen  sucht.  Darum 
kann  sein  Beispiel  für  uns  wichtig  werden,  und  es 
ist  freudig  zu  begrüssen ,  dass  seit  Begründung  der 
Gesellschaft  in  Berlin,  die  seinen  Namen  trägt,  seine 
Arbeiten  häufiger  bei  uns  erscheinen  werden.  Das 
erste  Werk  dieser  Gesellschaft  in  der  Reichshauptstadt 
ist  die  Ladeneinrichtung  der  Continental  -  Havanna- 
Compagnie  in  der  Mohren  Strasse,  welche  vom  ersten 
bis  zum  letzten  Stück  den  Plänen  des  Belgiers  ent- 
stammt. Diese  Räume,  welche  stets  dem  grossen 
Verkehr  offen  stehen,  werden  wirksamer  als  das,  was 
sich  bisher  in  Ausstellungen  begrenzten  Gesellschafts- 
klassen zeigte,  dazu  beitragen,  die  Augen  der  grossen 
Masse  an  die  zweckmässige  Schönheit  zu  gewöhnen. 
Viele  werden  dort  einsehen  lernen,  dass  die  Ge- 
fälligkeit eines  Geräts  nicht  in  dem  äusserlich  an- 
gehefteten Schmuck  liegt.  Denn  wenn  es  immer  zu 
den  charakteristischen  Eigenschaften  dieses  Künstlers 
gehörte,  dass  er  mit  ganz  wenigen  Ornamenten  aus- 
kam, und  dass  diese  sich  nur  als  bescheidene  Er- 
weiterungen der  notwendigen  Biegungen  seiner 
Konstruktionsformen  darstellten,  so  ist  in  diesem 
Räume,  der  mit  seinen  rings  die  Wände  umstellenden 
Repositorien  von  der  Menge  der  Waren  reichlich 
ausgefüllt  ist,  absichtlich  jedes  schmückende  Ornament 
vermieden.  Nur  an  dem  obersten  Teil  der  Wände 
füllt  ein  schablonierter  Fries  die  leere  Fläche  und 
Thür  und  Fenster  zeigen  in  ihren  Kunstverglasungen 
farbige  Ornamente.  Es  giebt  einen  Unterschied  der 
Gesetze  für  die  Gestaltung  eines  dem  nüchternen 
Geschäft  dienenden  Raumes  einerseits  und  anderer- 
seits einer  Halle,  welche  dem  heiter  festlichen  Aufbau 
von  Kunstwerken  dienen  soll.  In  dem  Laden  der 
Mohrenstrasse  rings  bescheidene  Zurückhaltung  in  der 
Linienführung  und  knappe  Behandlung  des  Materials, 
das  sich  jeder  entbehrlichen  Biegung  enthält.  In  der 
Verkaufshalle  des  Kunstsalons  Keller  &  Reiner  da- 
gegen ,  wo  reichlicher  Platz  vorhanden  ist,  und 
die  Aufstellung  vielfacher  Ziergegenstände  zum  Ver- 
weilen und  beschaulichen  Geniessen  einladet,  findet 
sich  eine  vornehm  repräsentierende  Fülle  der  Formen, 
die,  über  das  Notwendige  hinausgehend,  Auge  und 
Phantasie  beschäftigen  und  sich  doch  streng  logischen 
Gesetzen  unterordnen. 

Merkwürdigerweise  hat  gerade  die  Sachlichkeit 
und  Zurückhaltung  van  de  Velde's  sogar  in  der 
Fachpresse  Äusserungen  des  Widerspruchs  erfahren. 
Man  vermisst  an  ihm  die  Phanfasie,  giebt  zu,  dass 
seine  »ungeheure  Vernünftigkeit  und  überwältigende 
Logik«  dem  Norddeutschen   zwar  imponieren  müsse, 

29 


IQO 


VAN  DE  VELDE  UND  DIE  BERLINER  TISCHLEREI 


dem  Süd-  und  Südwestdeutschen  aber  »befremdend, 
wo  nicht  herausfordernd  und  ärgerlich«  sei.  Dort 
zu  Lande  sei  das  Schmuckbedürfnis  ein  grösseres. 
Gleichzeitig  wird  dann  an  derselben  Stelle  sogar  ge- 
klagt, dass  wir  in  den  Ausstellungen  jetzt  »Arme- 
Leute-Einrichtungen  für  reiche  Leuten  zu  sehen  be- 
kämen. Die  modernen,  deutschen  Möbel  seien  zu 
kostspielig,  wenn  sie  so  einfach  gemacht  würden. 
Das  nennt  man  nun  allerdings  einen  Protzengeschmack, 
welcher  verlangt,  dass  der  Kaufpreis  deutlich  aus  dem 
Gegenstand  hervorschreie.  Ausserdem  scheint  mir, 
wie  ich  schon  einmal  an  dieser  Stelle  angeführt  habe, 
dass  Zimmereinrichtungen,  wie  Bruno  Paul,  Bernhard 
Pankok  und  selbst  von  Berlepsch  sie  in  München  und 
Dresden  gezeigt  haben,  eher  logische  Einfachheit  als 
reichliche  Schmuckzuthaten  vermissen  lassen.  Wenn  man 
sie  auffordert,  »reichere«  Formen  zu  erfinden,  so  klingt 
das,  als  wenn  man  Leuten,  die  noch  nicht  einmal 
Brot  haben,  anrät,  sich  nach  Kuchen  umzusehen. 
Wir  haben  kaum  angefangen,  uns  darauf  zu  besinnen, 
dass  wir  Geräte  für  moderne  Zwecke  gebrauchen. 
Auch  Süddeutschland  hat  keineswegs  auf  eine  fester 
begründete  Basis  hinzudeuten.  Gerade  wollen  sich 
die  ersten  Keime  für  entwicklungsfähige  Formen 
aus  manchen  auf  gut  Glück  gemachten  Versuchen 
herausschälen,  und  statt  ihnen  Zeit  zu  gesunder  Ent- 
wicklung zu  lassen,  sollen  sie  gleich  bei  ihrem  Auf- 
spriessen  dadurch  erstickt  werden,  dass  man  sie  von 
oben  her  mit  Nebensächlichem  behängt  und  verdeckt? 
Warum  denn  diese  Ungeduld,  die  natürliche  Ent- 
wicklung zu  beschleunigen.  Keine  Frage,  dass  auch 
der  Wunsch  nach  Schmuck  seine  Berechtigung  hat 
und  dass  auch  die  moderne  Nutzkunst  einmal  eifrig 
danach  streben  wird,  durch  reiche  Formen  verwöhnten 
Ansprüchen  zu  genügen.  Aber  heute  ist  die  Zeit 
noch  nicht  gekommen.  Das  Schlimmste,  was  der 
neuen  Bewegung  geschehen  könnte,  wäre,  dass  ihre 
Vertreter  auf  Ratschläge  wie  der  angeführte  hörten 
und  noch  mehr,  als  dies  schon  hie  und  da  geschieht, 
ihrem  Schmuckbedürfnis  die  Zügel  schiessen  Hessen. 
Wenn  wir  einmal  einfache,  bequeme  und  gefällige 
Möbel  haben  werden,  wenn  die  Stuhl- und  Tischbeine 
nicht  mehr  zwischen  erschreckender  Plumpheit  und 
nervös  machender  Spindeldürre  hin  und  her  schwanken 
werden,  wenn  kein  Gerät  mehr  droht  nach  vorne 
oder  hintenüber  zu  fallen,  wenn  nicht  mehr  in  einem 
und  demselben  Raum  widersprechende  Konstruktions- 
glieder möglich  sein  werden  —  dann  ist  die  Zeit 
gekommen,  darüber  zu  reden,  wie  nun  auch  Luxus- 
ansprüche befriedigt  werden  können.  Bis  dahin  aber 
wird  man  immer  noch  berechtigt  sein,  angesichts  des 
reichverzierten  Möbels  zu  bezweifeln,  ob  sein  Urheber 
imstande  gewesen  wäre,  die  ungeschmückte  Form 
schön  und  logisch  zu  gestalten  und  den  Verdacht 
nicht  gänzlich  zurückweisen  können,  dass  die  Zuthat 
nicht  sowohl  der  Zierde,  als  vielmehr  der  Bedeckung 
und  Verheimlichung  organischer  Fehler  dienen  solle. 
In  diesem  Sinne  kann  man  gewisse  Bestrebungen 
der  Berliner  Tischlerei  mit  Genugthuung  verfolgen. 
Die  Kunsthandlung  Keller  &  Reiner  hat  seit  dem 
vergangenen  Herbst  die  ersten  Proben    der  in   ihren 


eigenen  Werkstätten  hergestellten  Möbel  gezeigt.  Nach 
dem  Vorbilde  von  Bing  in  Paris,  dessen  art  nouveau« 
dem  Berliner  Salon  von  Anfang  an  massgebend  war, 
will  er  sich  nun  nicht  länger  begnügen,  nur  Sammel- 
stelle für  die  Kunst  aus  aller  Herren  Länder  zu  sein. 
Die  Firma  will  selbst  in  die  Entwicklung  eingreifen. 
Man  wird  die  weitere  Arbeit  abwarten  müssen,  ehe 
man  Entscheidendes  darüber  sagen  kann,  was  von 
dem  Unternehmen  zu  erwarten  ist.  Die  bis  zum  Ende 
des  Jahres  189g  gezeigten  Proben  gehen  nicht  über 
ein  Verwerten  besonders  englischer  Anregungen  hinaus. 
Aber  das  muss  betont  werden,  dass  diese  Möbel  sich 
vorteilhaft  von  dem  unterscheiden,  was  man  bis  vor 
kurzem  in  Berlin  unter  englischem  Stil  <  verstand. 
Jenes  Tothetzen  der  Unsymmetrie  und  das  Überkleben 
des  Möbels  mit  Bordbrettern  und  Galerien,  welches 
System  für  die  allgemeine  Begriffs-  und  Geschmacks- 
konfusion so  bezeichnend  war,  vermisst  man  bei  den 
Möbeln  der  Werkstätten  Keller  &  Reiner  zu  seiner  ent- 
schiedenen Genugthuung.  Höchstens  dass  sich  hier 
und  da  die  Neigung  zeigt,  das  verständig  gebaute 
Möbel  mit  einem  Zuviel  an  Metallauflagen  und  far- 
bigen  Verglasungen  zu  »bereichern«. 

Auch  die  Werkstätten  des  Hohenzollernkaufhauses 
(Firma  Hirschwald  &  Co.)  lassen  nach  eigenen  Ent- 
würfen Zimmereinrichtungen  herstellen.  Auch  hier 
führt  hauptsächlich  der  englische  Stil  das  Regiment, 
und  zwar  in  seiner  schlichtesten,  gegen  jeden  Einwand 
gesicherten  Form.  Ganz  vernünftig  praktische,  aus 
der  rechtwinkligen  Kastenform  heraus  entwickelte 
Möbel  setzen  einen  gesunden  Sinn  bei  dem  Publikum 
voraus,  an  das  sie  sich  wenden.  Eigentlich  Neues 
wird  also  auch  hier  nicht  angestrebt,  dafür  aber  ein 
Geschmack  der  Einfachheit  verbreitet,  welcher  eine 
sichere  Grundlage  für  die  weitere  Entwicklung  zu 
werden  verspricht.  Ausserdem  wird  in  denselben  Werk- 
stätten auch  nach  den  Enfwürfen  verschiedener  deutscher 
und  ausländischer  Künstler  gearbeitet,  welche  ihrem 
Werk  ausser  allgemeinen  Zeittendenzen  auch  einen 
persönlichen  Stempel  aufzudrücken  vermögen.  Von 
den  Deutschen  ist  besonders  Professor  Eckmann  zu 
nennen.  Man  kann  dort  einige  der  Möbel  sehen,  die 
er  für  das  Arbeitszimmer  des  Grossherzogs  von 
Hessen  entworfen  hat.  Das  Gebiet,  auf  dem  sich 
der  Vielseitige  hier  bewegt,  ist  für  ihn  bisher 
noch  Neuland,  man  wird  deshalb  erst  mit  der  Zeit 
ergiebigere  Ernten  von  ihm  erwarten  dürfen.  Ver- 
glichen mit  seinen  Tapeten  und  Teppichen,  die  mit 
ihren  Flachmustern  innerhalb  der  eigentlichen  Domäne 
dieses  Meisters  der  stilisierten  Pflanzenform  liegen, 
zeigen  die  Möbel  noch  nicht  die  gleiche  anmutige 
Sicherheit,  welche  das  Gewollte  zugleich  als  das 
Notwendige  erscheinen  lässt.  Aber  ein  überlegtes 
Zweckbewusstsein  spricht  sich  in  der  Formenwahl 
aus  und  besonders  in  dem  Verschwinden  jeder 
naturalistischen  Form,  welche  freilich  auch  dem 
Möbel  noch  weniger  angemessen  wäre,  als  dem  Be- 
leuchtungskörper aus  Metall,  bei  dem  Eckmann 
manchmal  bis  hart  an  die  Grenze  streifte,  welche  das 
Gebrauchsgerät  vom  reinen  Ziergegenstand  trennt. 
Bei  den  Möbeln  giebt  es  auch  kein  Neuheitsbestreben 


Diele,  Holzschnitzerei  von  Professor  O.  RIEOELMANN,  Charlottenburg,    Deutsche  kunstgewerbliche  Abteilung 

auf  der  Weltausstellung  in  Paris  1900. 


29* 


VAN  DE  VELDE  UND  DIE  BERLINER  TISCHLEREI 


193 


um  jeden  Preis,  und  nur  hier  und  da  wird  eine 
praktische  i<ieine  Veranstaltung  als  eigene  Erfindung 
ungezwungen  in  den  Rahmen  der  Konstruktion  ein- 
gefügt: ein  Bücherbrett,  das  am  Innern  der  geöffneten 
Schrankthür  herabgelassen  und  nach  dem  Gebrauch 
wieder  aufgeklappt  werden  kann,  oder  ein  Lesepult 
innerhalb  der  Platte  eines  Tisches  für  ein  Bibliothek- 
zinimer,  welches  durch  eine  verstellbare  Stütze  in 
dem  Tischkasten  aufgerichtet  und  ebenso  wieder  in 
gleiche  Ebene  mit  dem  übrigen  Teil  der  Platte  zurück- 
gelegt werden  kann.  Die  Holzstärken  dieses  Tisches, 
der  bei  Keller  &  Reiner  ausgestellt  war,  wirkten 
ebenso  wie  die  dazu  gehörigen  Stühle  etwas  massiv, 
was  freilich  dadurch  besonders  empfindlich  wurde, 
dass  das  Mobiliar  mit  verschiedenen  anderen  Möbel- 
proben von  abweichendem  Charakter  mehr  bazarmässig 
zusammengestellt  war,  als  dies  dem  Programm  jenes 
Kunstsalons  entspricht.  Als  kleinstes,  aber  in  sich 
vollendetstes  Stück  will  ich  eine  Fussbank  nicht  un- 
erwähnt lassen  mit  ihrem  schräg  gestellten  Kissen, 
das  auf  einem  gefälligen  und  sehr  natürlich  ge- 
schwungenen Holzgestell  ruhte. 

Aber  auch  für  jene,  die  gar  zu  ungeduldig  nach 
dem  ausschauen,  was  nach  dem  einfachen  nur  aus 
der  Konstruktion  entwickelten  Möbel  kommen  soll, 
haben  die  Werkstätten  des  Hohenzollern -Kaufhauses 
einen  Wink  zu  geben.  Dort  steht  in  den  Muster- 
zimmern eine  Saloneinrichtung,  welche  nach  Plänen 
der  französischen  Künstlerfirma  Plumet-Selmersheim 
in  Berlin  ausgeführt  wurde.  Die  Franzosen  sind 
beide  von  Hause  aus  Architekten,  während  van  de 
Velde  als  Maler  begonnen  hat.  Wer  das  nicht  weiss, 
könnte  eher  glauben,  es  verhielte  sich  umgekehrt. 
Von  dem  Architekten  sollte  man  erwarten,  dass  ihm 
die  Logik  des  Zusammenhanges  aller  Teile  über  alles 
ginge,  während  man  dem  Maler  eher  zutrauen  könnte, 
dass  ihn  die  Reize  des  Details  besonders  fesselten. 
Und  doch  ist  es  diesmal  der  letztere,  welcher  von 
dem  Aufbau  des  Ganzen  ausgeht  und  ihm  jede  Einzel- 
heit unterordnet,  während  die  Architekten  zwar  ihre  J^ 
Konstruktion  gefällig  durchführen,  aber  es  zugleich VB 
nicht  lassen  können,  den  Blick  auf  Kleinigkeiten  zu 
heften  und  dadurch  Überraschungen  zu  bereiten.  Es 
ist  etwas  von   der  Neigung  des  Rokoko  zu  tausend 


Kriegslisten,  was  hier  in  völlig  veränderter  Gestalt 
auflebt.  Während  man  bei  van  de  Velde  durch  einen 
starken  Charakter  mit  einem  Schlage  besiegt  wird, 
sind  es  bei  den  Galliern  die  angenehmen  Plänkeleien 
und  Vielseitigkeiten,  welchen  sich  unsere  Augen  ge- 
fangen geben.  Aber  es  sind  ganz  leise  und  ohne 
viel  Aufhebens  vor  sich  gehende  Manöver,  die  diesen 
Erfolg  erringen.  Man  kommt  nicht  mit  einem  Blick 
hinter  ihre  Schliche.  Man  muss  auch  die  tastenden 
Finger  zu  Hilfe  nehmen,  um  ihnen  auf  die  Spur  zu 
kommen.  Dann  fühlt  man  sich  mit  Genuss  an  diesen 
Formen  entlang,  die  nach  verborgenem  Gesetz  all- 
mählich anschwellen  und  wieder  abnehmen,  folgt  dem 
Dehnen  und  Ineinanderschmiegen,  als  sei  es  ein  leben- 
diges Wachsen  eines  organischen  Wesens.  Und  siehe 
da,  hier  oder  da  löst  sich  auch  schon  ein  Blatt  aus 
dem  Stamm,  schmiegt  sich  bescheiden  an  den  grossen 
Zug  der  Bewegung  —  ein  erster  verstohlener  Realis- 
mus. Dies  ist  das  erste  Deckblatt,  das  aus  dem 
Samenkorn  hervorquillt,  so  lange  es  noch  halb  im 
nährenden  Erdreich  verborgen  ruht,  das  noch  nichts 
von  der  reichen  Bildung  der  künftigen  Pflanze  verrät, 
und  welches  doch  mit  voller  Sicherheit  anzeigt,  wie 
sich  das  Ganze  einmal  weit  und  reich  entfalten  wird, 
mannigfache  Schösslinge  nach  allen  Seiten  aussendend. 
Mit  wie  sicherem  Takt  auch  diese  Franzosen  sich 
davor  hüten,  diese  kommende  Entwicklung  vorweg 
zu  nehmen,  so  ist  natürlich  ihr  Beispiel  sehr  leicht 
dem  Missverständnis  ausgesetzt,  als  liege  in  den  kleinen 
Zuthaten  das  Geheimnis  ihrer  anmutigen  Wirkung. 
Das  Schmuckdetail,  so  bescheiden  es  auch  sei,  wird 
immer  früher  bemerkt  werden  als  da?  Konstruktions- 
gesetz, und  es  ist  für  alle  Fälle  leichter  —  nach- 
zumachen. 

Die  prinzipiell  einfache  Tischlerei,  zu  deren  er- 
folgreichsten Vertretern  man  immer  van  de  Velde 
wird  zählen  müssen,  sammelt  das  Vermögen  an  sicherer 
Gediegenheit  an,  das  Grundkapital,  dessen  Erbschaft 
einmal  der  Stil  antreten  wird,  von  dem  man  in  den 
Arbeiten  der  Franzosen  die  ersten  Andeutungen  er- 
kennt. Besonders  für  bestimmte  Zwecke,  nämlich 
überall  da,  wo  es  auf  heitere  Zierlichkeit  ankommt, 
wird  er  sich  siegreich  neben  dem  schlicht  Zweck- 
dienlichen seinen  Platz  erobern.  A.  L.  PLEHN. 


Schlussleiste,  gezeichnet  von  Daniel  Bück,  Berlin. 


n  .fior-Tinn 


'^'^'-^^ssriigc 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


SCHULEN 

ELBERFELD.  Nach  dem  Bericht  der  Städtischen 
Handwerker-  und  Kunstgewerbe  seh  nie  über  das 
Schuljahr  iSggIrgoo  hat  sich  die  Anstalt  im 
letzten  Jahre  erfreulich  weiter  entwickeU.  Die  Schüler- 
zahl betrug  im  letzten  Winter  Q20  Schüler  gegenüber 
711  Schülern  im  Winterhalbjahr  1898/99.  Anfang 
Juli  1899  konnte  die  Schule  die  Räume  des  früheren 
Realgymnasiums  in  Benutzung  nehmen;  aber  auch 
diese  Räume  haben  sich  als  völlig  unzulänglich  er- 
wiesen. Diesen  Übelständen  wird  durch  den  Neubau, 
der  in  diesem  Frühjahr  begonnen  werden  soll,  abge- 
holfen werden.  Eingerichtet  wurde  eine  ständige 
Ausstellung  von  Schülerarbeiten,  welche  ein  anschau- 
liches Bild  von  den  Leistungen  der  Schule  bieten 
soll,  ferner  folgende  neuen  Klassen:  ein  Kursus  für 
Elektrotechniker  und  Installateure,  zwei  Kurse  für 
Musterausnehmen  für  Bandwirker,  ein  Parallel-Kursus 
für  Mathematik,  ein  Kursus  für  Gärtner.  Im  Berichts- 
jahre nahmen  zum  erstenmale  Damen  an  dem  Unter- 
richt teil.  Um  Schule  und  Werkstatt  noch  mehr  zu 
verbinden,  wurden  in  der  Schule  ausgeführte  Zeich- 
nungen durch  die  Schüler  in  den  Werkstätten  ihrer 
Meister  unter  Aufsicht  des  Fachlehrers  zur  Ausführung 
gebracht.  Derartige  Versuche  sind  zunächst  in  der 
Kunstschlosserklasse   gemacht  worden.     Durch  Erlass 


des  Herrn  Ministers  für  Handel  und  Gewerbe  wurden 
vier  Lehrern  die  Mittel  gewährt,  um  unter  Professor 
Meurer's  Leitung  die  im  Vorjahre  begonnenen  Natur- 
studien in  Rom  fortsetzen  zu  können.  Die  Schule 
wird  dadurch  in  die  Lage  versetzt,  den  Unterricht  von 
Grund  aus  auf  das  Naturstudium  zu  gründen,     -u- 

GENF.  In  einer,  der  Schweiz  und  ihrer  Beteili- 
gung an  der  Pariser  Weltausstellung  gewid- 
meten Sondernummer  bringt  die  Revue  illustree 
in  Paris  Mitteilungen  über  die  Kunstgewerbeschule  in 
Genf,  aus  denen  hier  das  rein  Thatsächliche  folgt: 
Die  Schule  nimmt  Zöglinge  mit  dem  zurückgelegten 
1 5.  Jahre  auf.  Ihr  Unterricht  will  in  die  nachstehend 
bezeichneten  Industrien  einführen  und  umfasst:  Kunst- 
und  Stilgeschichte;  Bau-,  Figuren-  und  Ornament- 
zeichnen; Modellieren  und  Komposition  von  Figuren 
und  Ornament;  Aktzeichnen;  Ciselieren,  Goldschmiede- 
arbeit; dekorative  Bildhauerei  für  Bauzwecke;  Model- 
lieren in  Gips;  Holzbildhauerei;  Kunstbronze,  künst- 
lerische Schlosserarbeit  (Schmiedeeisen);  Holzschnitt, 
Keramik  und  dekorative  Malerei;  Emailmalerei.  Der 
Unterricht  ist  unentgeltlich;  das  Schuljahr  läuft  von  An- 
fang August  bis  Ende  Juni.  —  Nebenden  in  den  einzel- 
nen Klassen  ausgezeichneten  Arbeiten  stellt  die  Genfer 
Kunstgewerbeschule  in  Paris  einen  ausschliesslich 
durch  ihre  Schüler  hergestellten  Speisesaal  aus.    -ss- 


1.  Brunnenschale  vor  dem  sog.  romanischen  Haus.    2  und  3.  Kaminfries  im  Hotel  Bristol  in  Beriin,   nach  Modell  von  Professor  O.  RIEOELMANN 
in  Alt-Warlhauer  Sandstein  ausgeführt  von  Bildhauer  O.  HARTMANN  i.  F.  Oebr.  Zeidler,  Hofsteinmetzmeister,  Berlin. 


KLEINE  MITTEILUNGEN 
IT 


195 


Diele,  Holzschnitzerei  von  Professor  O.  RIEQELMANN,  Charlottenburg.     Deutsche  kunstgewerblicla  ., 

auf  der  Weltausstellung  in  Paris  igoo. 


HANAU.  Nach  dem  Jahres- Bericht  der  Kgl. 
Zeichen-Akademie  für  iSggjigoo  betrug  die  Ge- 
samtzahl der  Schüler  und  Schülerinen  307 
gegen  296  im  Vorjahre.  Pfingsten  1899  fand  eine 
Ausstellung  von  Klassen-  und  Wettarbeiten  der  Schüler 
statt,  welche  auch  von  den  im  Mai  in  Frankfurt  a.  M. 
versammelten  Deutschen  Gewerbeschuimännern  besucht 
wurde.  An  Stipendien  wurden  verliehen  die  beiden 
Staatsstipendien  zu  je  500  M.  für  ein  Jahr  und  ein 
Stipendium  von  250  M.  aus  der  Stiftung  der  Stadt 
Hanau  für  Kunst  und  Wissenschaft.  Ferner  wurde 
29  Schülern  und  einer  Schülerin  der  unentgeltliche 
Besuch  des  Unterrichts  gewährt.  Auf  der  Pariser 
Weltausstellung  ist  die  Anstalt  durch  eine  Kollektion 
von  Goldschmuck-Gegenständen  vertreten,  welche  in 
den  drei  Fachwerkstätten  im  Laufe  des  letzten  Jahres 
hergestellt  worden  sind.  -u- 

WETTBEWERBE 

DRESDEN.  Preisausschreiben  des  Akademischen 
Senats  unter  sächsischen  und  in  Sachsen  leben- 
den Künstlern.  Gefordert  werden:  1.  Gemälde 
für  zwei  einander  gegenüberliegende  Wandflächen  der 
Schmalseiten  des  Sitzungssaales  im  Gewandhause  zu 
Bautzen,  2.  ein  Gemälde  für  die  Stirnwand  der  Aula 


des  kgl.  Lehrerseminars  zu  Annaberg.  Die  Entwürfe 
sind  im  Masstab  1:10  bis  zum  4.  Juli  bei  der  kgl. 
Kunstakademie  in  Dresden  einzuliefern,  woher  auch 
die  näheren  Bedingungen  zu  erhalten  sind.         -u- 

HAMBURG.  Professor  Carl  Marr  in  München 
ist  auf  Grund  der  zur  Konkurrenz  eingelieferten 
Entwürfe  mit  der  Ausführung  der  Deckengemälde 
in  dem  neu  zu  errichtenden  Schauspielhause  beauftragt 
worden.  -u- 

KARLSRUHE  i.  B.  Deutsche  Glasmalerei -Aus- 
stellung iQOi.  In  dem  im  Aprilheft  des  Kunst- 
gewerbeblattes erschienenen  Artikel  über  die 
Deutsche  Glasmalereiausstellung  hat  sich  ein  Fehler 
eingeschlichen,  indem  Seite  139  irrtümlich  gesagt  ist, 
das  Unternehmen  besorge  auf  eigene  Kosten  auch 
die  Rücksendung  der  Ausstellungsstücke.  Nach  Ab- 
satz 1 1  der  Bestimmungen  für  die  Beschickung  hat 
jedoch  die  Einsendung  und  Zurücksendung  auf  Kosten 
und  Gefahr  der  Aussteller  zu  erfolgen,  worauf  hiermit 
nachdrücklichst  hingewiesen  wird. 

NÖRDLINGEN.       In    dem    Wettbewerb    um   ein 
Brunnendenkmal  wurde  ein  I.  Preis  nicht  ver- 
teilt.    Zwei    II.  Preise    erhielten     die     Herren 
Jakob  Bradl  und  H.  Wrba,  beide  in  München.       -u- 


ig6 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


MAINZ.  Preisausschreiben  für  künstlerische  Lö- 
sungen im  Dienste  der  Feuerbestattung.  Der 
Verband  der  Feuerbestattungsvereine  deutscher 
Sprache  erlässt  in  Gemeinschaft  mit  den  Vereinen  für 
Feuerbestattung  in  Mainz  und  Wiesbaden  vier  Preis- 
ausschreiben, welche  zunächst  die  Erlangung  von 
Plänen  für  den  Bau  eines  Crematoriums  auf  dem 
Friedhofe  zu  Mainz  bezwecken.  Zugleich  soll  aber 
auch  ein  Versuch  gemacht  werden  für  die  Beisetzungs- 
stätten der  Aschenreste  und  die  Aschenurnen  neue 
eigenartige  Formen  zu  ge- 
winnen. Den  Künstlern 
soll  hierdurch  ein  neues 
Feld  ihrer  Thätigkeit  er- 
öffnet werden.  Die  Preis- 
ausschreiben zerfallen  in: 

1.  Einen  Wettbewerb  für 
den  Neubau  eines  Crema- 
toriums in  Mainz,  mit 
3  Preisen  von  looo  Mk., 
600   Mk.    und    300    Mk. 

2.  Wettbewerb  für  eine 
Columbariumwand,  aus- 
gesetzt sind  ein  I.  Preis 
350  Mk.,  IL  Preis  200 
Mk.,    IIL  Preis    125   Mk. 

3.  Wettbewerb  für  eine 
Einzelbestattungsstätte.  Es 
sind  ausgesetzt  I.  Preis 
200  Mk.,  IL  Preis  125 
Mk.,    IIL    Preis    75    Mk. 

4.  Wettbewerb  für  eine 
Aschenurne.  Zur  Vertei- 
lung kommt  ein  I.  Preis 
100  Mk.,  IL  Preis  75  Mk., 
III.  Preis  50  Mk.  Die 
Ausstellung  der  einlaufen- 
den Arbeiten  wird  in 
Frankfurt  a.  M.  gelegent- 
lich des  Verbandstages  der 

deutschen  Feuerbe- 
stattungsvereine am  6.,  7. 
und  8.  September,  sodann 
in  Mainz  und  Wiesbaden 
erfolgen.    Als  Preisrichter 

werden  fungieren  die 
Herren:  Dr.  Ed.  Bracken- 

hoeft,  Vorsitzender  des  Verbandes  deutscher  Feuer- 
bestattungsvereine in  Hamburg,  Professor  K.  Henrici, 
Aachen,  Stadtbaunieister  Felix  Genzmer,  Wiesbaden, 
Geh.  Oberbaurat  Hof  mann,  Darmstadt,  Architekt  R. 
Opfermann,  Mainz,  Architekt  W.  Prösler,  Frankfurt 
a.  M.,  Carl  Schmahl,  Kaufmann  und  Stadtverordneter, 
Mainz.  Das  Programm  für  die  Preisausschreiben  ist 
von  Herrn  Carl  Schmahl,  Mainz,  kostenlos  zu  be- 
ziehen. Die  Einlieferung  der  Arbeiten  hat  bis  30. 
August  er.  zu  erfolgen. 

BERLIN.     In  dem  Preisausschreiben   des  Vereins 
für   deutsches    Kunstgewerbe   um   Entwürfe  zu 
einem  Banner  für  die  Innung  ^'Bund  der  Bau-, 
Maurer-    und   Zimmermeistert    haben    erhalten:    den 


I.  Preis  (300  M.)  Adolf  Eckhardt,  je  einen  Preis  von 
100  M.  Georges  Otto  und  Albert  Klingner,  sämtlich 
in  Berlin.  -u- 


O' 


iPPELN.  Zu  dem  Wettbewerb  um  Entwürfe  für 
einen  Monumentalbrunnen  waren  72  Arbeiten 
eingegangen.  Die  in  dem  Preisausschreiben 
ausgesetzten  10  Preise  von  je  500  M.  wurden  folgenden 
Bildhauern  zuerkannt:  Professor  Gustav  Eberlein, 
E.  Gomanski,  Herm.  Hosaeus,  Georges  Morin,  Stephan 

Walter,  E.  Wenck,  S.  Wer- 
'  ~]       nekinck,  sämtlich  in  Ber- 

i  lin,  R.  Felderhoff,  Fritz 
I  Klimsch,  Alfred  Raum 
I  sämtlich  in  Charlotten- 
I  bürg.  Zur  Gewinnung 
eines  für  die  Ausführung 
zu  bestimmenden  Ent- 
wurfs hat  das  Preisgericht 
einen  engeren  Wettbewerb 
zwischen  den  Bildhauern 

Felderhoff,  Gomanski, 
Klimsch,  Wenck  u.Werne- 
kinck  vorgeschlagen,   -u- 


c 


CHEMNITZ.  Zudem 
Wettbewerb  zur  Er- 
langung von  Ent- 
würfen für  ein  König 
Albert- Museum  waren  45 
Entwürfe  eingegangen.  Es 
erhielten  einen  Preis  von 
3000  Mk.  die  Architekten 
F.  Hessemer  und  J.  Schmidt 
in  München,  einen  Preis 
von  2000  Mk.  der  Archi- 
tekt F.  Berger  in  Stettin 
und  Preise  von  je  1000 
Mk.  die  Architekten  M. 
Lindemann  in  Dresden 
und  H.Behrens  in  Bremen. 


b 


._!_ 


Darnpf's  Relief  in  Stein  am  Haus  des  Vereins  deutscher  Ingfenieure  in 
Berlin,  ausgeführt  von  Professor  G.  RIEGELMANN,  Charlottenburg. 


ST. 
S; 


JOHANN  a.  d. 
Saar.  In  dem  Wett- 
bewerb für  eine  male- 
rische Ausschmückung  des 
Sitzungssaales  in  dem  Rathause  erhielt  den  I.  Preis 
(3000  M.)  Maler  Wilh.  Wrage  in  Berlin,  den  IL  Preis 
(2000  M.)  Maler  O.  Wichtendahl  in  Hannover,  den 
III.  Preis  (1000  M.)    Maler   H.  Koberstein    in  Berlin. 

-u- 

DRESDEN.  Zu  dem  Preisausschreiben  der  Ci- 
garettenfabrikLaferme  um  Etiketten  fürCigaretten- 
packung  gingen  909  Entwürfe  ein.  Es  erhielten 
den  I.  Preis  (1000  M.)  Bernsmeier  &  Perks  in  Dresden, 
den  IL  Preis  (500  M.)  Leissner  in  Hamburg-Hohen- 
felde,  den  III.  Preis  (300  M.)  Leuteritz  in  Dresden, 
den  IV.  Preis  (200  M.)  Kozel  in  Leipzig,  den  V.  Preis 
(100  M.)  Gottschlag  in  Weimar  und  einen  Extrapreis 
(100  M.)  Ignaz  Taschner  in  München.  -u- 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


197 


c 


AUSSTELLUNGEN 


»HARLOTTENBURG.     In  dem  Wettbewerb  zur 

Erlangung  von  Entwürfen  für  die  künstlerische 

Ausgestaltung  der  Charlottenburger  Brücke 
waren  52  Entwürfe  eingegangen.  Es  erhielten  den 
I.  Preis  (3000  Mk.)  Architekt  F.  Pützer  in  Darmstadt, 
zwei  H.  Preise  (je  1500  Mk.)  Architekt  J.  Weiz  in  die  fünfzehn  wichtigsten  derselben,  über  welche  eine 
Berlin  und  Regierungsbaliführer  K.  Winter  in  Ravens-  Rechnungslegung  vorhanden  ist,  insgesamt  Gewinne 
bürg  (Württemberg).  Zum  Ankauf  wurden  drei  Ent-  von  25000000  Eres,  erzielt,  denen  auf  der  anderen 
würfe  empfohlen.  .  Seite    Fehlbeträge    von   125000000  Frcs.  gegenüber- 


WIE  der  Boniteur  des  Expositions«  in  einer 
kurzen  Mitteilung  über  die  Gewinne  und 
Verluste  der  Weltausstellungen  angiebt,  haben 


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Einband  eines  Dresdener  Gesangbuchs  vom  Jahre  1728.^  Braunes  Kalbleder,  ..Ornament  in  Goldprägung  mittels  einzelner 
Stanzen,  im  Privatbesitz  aufgenommen  von  GEORG  BOTTICHER,  Leipzig. 


Kunsigewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  10. 


30 


198 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


Entwurf  zu  einer  Glas-Kanne  mit  Silber-  oder  Zinnmontierung 
von  Architekt  B.  MÖHRINO,  Berlin. 


stehen.  Aus  der  Reihe  dieser  Ausstellungen  schloss 
die  Londoner  von  1851  mit  einem  Überschuss  von 
2600000  Pres.,  dagegen  die  Pariser  von  1855  mit 
einem  Fehlbetrage  von  22000000  Pres,  und  die 
Londoner  von  1862  mit  einem  solchen  von  250000  Pres. 
Die  Pariser  Ausstellung  von  1867  ergab  einen  Über- 
schuss von  beinahe  3000000  Pres.,  die  Wiener  von 
1873  den  höchsten  bishervorgekommenen  Fehlbetrag 
von  50000000  Pres.  Die  Ausstellung  in  Philadelphia 
1876  hatte  einen  bedeutenden  Fehlbetrag,  die  in  Paris 
1 878,  ungeachtet  ihrer  Eintrittsgelder  von  1 5032  735  Prs., 
einen  Fehlbetrag  von  fast  9000000  Pres.  Hiernach 
vergingen  nahezu  zehn  Jahre  ohne  weitere  Ausstellungen. 
Diejenigen  von  1887  in  Manchester  und  von  1888  in 
Glasgow  ergaben  ziemlich  gute  Überschüsse,  die  Pariser 
von  1889  ebenfalls  einen  solchen  von  8000000  Frcs., 
dagegen  erhielt  sie  einen  Zuschuss  von  25000000  Pres. 
Die  Ausstellung  in  Chicago  1893  brachte  einen  Über- 
schuss von  fast  7000000  Pres.  Das  sind  die  rohen 
statistischen    Ergebnisse,   allein    es    ist    klar,   dass  der 


Fremdenverkehr  und  der  Geldstrom,  die  eine  Welt- 
ausstellung mit  sich  bringen,  den  buchmässigen  Fehl- 
betrag reichlich  ausgleichen.  -ss- 

PARIS.  Nach  dem  »Moniteur  des  Expositions«  haben 
in  Paris  bisher  die  folgenden  Industrie-  und  Welt- 
ausstellungen stattgefunden:  Im  Jahre  1798  auf 
dem  Marsfelde,  1801  und  1802  im  Hofe  des  Louvre, 
1806  auf  der  Invaliden-Esplanade,  1819,  1823  und 
1827  im  Louvre,  1834  auf  dem  Concordienplatz, 
1839  und  1844  im  Carree  Marigny,  1849  auf  den 
elysäischen  Feldern,  1855  die  erste  Weltausstellung 
im  Industriepalast,  1867  auf  dem  Marsfelde,  1878  auf 
dem  Marsfelde  und  dem  Trocadero,  1889  auf  dem 
Marsfelde,  bei  den  Invaliden,  auf  dem  Trocadero  und 
dem  Quai  d'Orsay.  Auf  der  ersten  Ausstellung  von 
1798  waren  110  Aussteller  vertreten,  von  denen  23 
ausgezeichnet  wurden  und  sie  dauerte  13  Tage;  die 
Weltausstellung  von  1867  zählte  50226  Aussteller 
und  war  217  Tage  lang  geöffnet.  —  Von  den  bis- 
herigen Weltausstellungen  bedeckte  diejenige  von  1 855 
eine  Fläche  von  168000  qm,  davon  120000  bebaut; 
1867:  687000  qm,  166000  bebaut;  1878:  750000  qm, 
280000  bebaut;  1889:  960000  qm,  290000  bebaut; 
die  diesjährige  Weltausstellung  nimmt  eine  Fläche  von 
1080000  qm  in  Anspruch,  von  denen  460000  bebaut 
sind.  Es  ergiebt  sich  hieraus,  dass  die  bebaute  Fläche 
im  Verhältnis  zum  gesamten  Umfange  der  Ausstellung 
diesmal  bei  weitem  grösser  ist,  als  in  den  Jahren 
1878  und  1889.  —  Von  verschiedenen  Seiten  wird 
behauptet,  dass  die  bebaute  Fläche  zu  gross  sei,  dass 
Zwischenräume  fehlen  und  dass  die  Bewegungsfreiheit 
der  zu  erwartenden  zahlreichen  Besucher  gehemmt  sein 
werde.  Allerdings  musste  infolge  der  Anforderungen  der 
Aussteller  eine  sehr  grosse  Fläche  bebaut  werden,  doch 
hofft  man,  dass  durch  die  für  die  Freiheit  der  Be- 
wegung getroffenen  Einrichtungen  in  Verbindung  mit 
der  geschickten  Benutzung  des  freigebliebenen  Raumes 
die  Besucher  nicht  darunter  leiden,  wohl  aber  das 
Interesse  ah  der  Ausstellung  wachsen  werde.  —  (Die 
Stauungen  im  Verkehr  im  Innern  der  Gebäude,  welche 
bei  nur  einigermassen  starkem  Besuche  eintreten  und 
eine  Besichtigung  der  Einzelgegenstände  kaum  zu- 
lassen, beweisen  leider,  dass  der  für  den  Verkehr  frei- 
gelassene  Raum   zu   knapp  bemessen  wurde.     D.  R.) 

-SS- 
BÜCHERSCHAU 

Otto  Wagner:  Moderne  Architektur.  Zweite  Auflage. 
Wien,  Verlag  von  Anton  Scholl  &  Co. 
Als  der  Oberbaurat  Otto  Wagner  vor  vier  Jahren 
seine  individuell  gefärbten  Betrachtungen  über  den 
Geist  und  die  Ziele  der  modernen  Baukunst  veröffent- 
lichte, hatte  er  damit  nur  im  Sinne,  seinen  Schülern 
einen  Führer  und  Leitfaden,  sozusagen  ein  theore- 
tisches Einleitungs-Kapitel  für  seine  praktischen  Vor- 
lesungen an  die  Hand  zu  geben.  Bei  der  so  ein- 
flussreichen Stellung,  die  Wagner  an  der  k.  k.  Aka- 
demie der  bildenden  Künste  zu  Wien  als  Professor 
einnimmt,  war  es  begreiflich,  dass  seine  Stimme  weit- 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


199 


hin  gehört  wurde,  Beifall  und  Widerspruch  erweckte. 
Der  Grundgedanke  seiner  Schrift,  >dass  die  Basis  der 
heute  vorherrschenden  Anschauungen  über  die  Bau- 
kunst verschoben  werden  und  die  Erkenntnis  durch- 
greifen muss,  dass  der  einzige  Ausgangspunkt  unseres 
künstlerischen  Schaffens  nur  das  moderne  Leben  sein 
kann.«  Dieser  Grundgedanke  ist  an  sich  ja  unan- 
fechtbar, aber  durch  so  manche  befremdende,  dunkle 
und  provozierende  Wendungen  in  der  weiteren  Be- 
weisführung stachelte  Wagner  nicht  nur  die  Anhänger 
der  älteren  Richtung,  sondern  auch  manche  Für- 
sprecher moderner  Anschauung  zu  Entgegnungen 
an  und  es  entfaltete  sich  ein  etwas  wildes  Streiten 
und  Plänkeln  in  jenem  Zeitpunkt,  da  die  Wiener 
Kunst  sich  zu  einer  scharfen  Biegung  anschickte. 
Auch  für  akademische  Doktorfragen  unter  den  Zunft- 
genossen gab  das  Wagner'sche  Buch  reichlichen  An- 
lass,  so  entstand  eine  etwas  hochtrabend  theoretische 
Entgegnungsschrift  des  polemisch  veranlagten  Wallot- 
Schülers  R.  Streiter,  gegen  deren  verzwickte  Theoreme 
im  Grunde  noch  mehr  Einwendungen  zu  machen 
waren  als  gegen  Wagner's  präzis  hingehauene  Ge- 
danken. Nun  aber,  da  die  zweite  Auflage  seiner 
Schrift  erscheint,  steht  Wagner  als  Sieger  auf  dem 
Plan  und  mit  ihm  die  von  ihm  verfochtene  moderne 
Wiener  Kunst,  die  sich  in  den  letzten  drei  Jahren 
mit  so  heissblütigem  Temperament  der  Hegemonie 
in  der  Donau-Metropole  bemächtigt  hat.  Das  kon- 
statiert Wagner  mit  einem  triumphierenden  Wohlge- 
fühl. Er  sagt:  Durch  den  Vorstoss  der  Modernen 
hat  die  Tradition  den  wahren  Wert  erhalten  und 
ihren  Überwert  verloren,  die  Archäologie  ist  zu  einer 
Hilfswissenschaft  der  Kunst  herabgesunken  und  wird 
es  hoffentlich  immer  bleiben.  Nicht  alles  was  mo- 
dern ist,  ist  schön,  wohl  aber  muss  unser  Empfinden 
uns  dahin  weisen,  dass  wirklich  Schönes  heute  nur 
modern  sein  kann.  Wie  gesagt,  die  Bedeutung  der 
Wagner'schen  Abhandlung  liegt  darin,  dass  sich  in 
ihr  der  Geist  der  heute  massgebenden  Kunst  getreu- 
lich wiederspiegelt.  — x. 

M.  Meurer:  Die  Ursprungsformen  des  griechischen 
Akanthusornamentes  und  ihre  natüriichen  Vorbilder. 
Mit  54.  Illustrationen.  Berlin,  Verlag  von  G.  Reimer. 
In  der  Reihe  der  berühmten  und  grundlegenden 
Untersuchungen  Prof.  Meurer's  über  die  Entstehung 
einzelner  Typen  des  überlieferten  Ornamentes  aus 
pflanzlichen  Gebilden  und  anderen  Formen  der  Er- 
scheinungswelt steht  die  Untersuchung  der  Ursprungs- 
formen des  griechischen  Akanthusornamentes  an  erster 
Stelle.  Es  ist  begreiflich,  dass  Meurer  gerade  mit 
diesem  Typus  begann,  der  in  der  Weltgeschichte  der 
Kunst  eine  so  glänzende  Rolle  gespielt  hat  und  immer 
noch  spielt.  Die  eingehende  Vergleichung  der  natür- 
lichen und  ornamentalen  Formen  ist  dazu  geeignet, 
auf  den  eminent  künstlerischen  Gehalt  der  Natur- 
formen aufmerksam  zu  machen  und  darin  bietet  sich 
ein  wesentliches  Mittel,  das  äusseriiche  Kopieren  der 
überiieferten  Formen  zu  verhüten  und  das  selbständige 
und  daher  echt  künstlerische  Studium  der  Natur  an- 
zuregen. Die  geniale  Untersuchungsmethode  Meurer's, 


der  auf  klassischem  Boden  das  ganze  Bereich  der 
antiken  Monumente  wie  die  wechselnden  und  stark 
variierenden  Erscheinungsformen  der  Akanthusstaude 
beherrscht,  ist  zu  so  schlagenden  Ergebnissen  gelangt, 
dass  die  langandauernden  Untersuchungen  nunmehr 
mit  einem  Schlage  als  völlig  abgeschlossen  zu  betrach- 
ten sind.  Meurer  weist  zuerst  nach,  dass  das  Akan- 
thusornament  sich  nicht  aus  dem  üppig  gestalteten 
Laubblatt  besagter  Pflanze,  sondern  aus  den  mehr 
rudimentären  Stützblättern  und  weiter  aus  den  Hoch- 
blättern ,des  Blütenstandes,  aus  der  knospenartigen 
Blüten-Aehre,  also  aus  dem  unscheinbarsten  Teil  der 
stacheligen  Staude  entwickelt  hat.  Dafür  sprechen 
die  ältesten  Denkmäler  mit  schüchternen  Akanthus- 
formen,  die  Grabstelen  aus  der  Mitte  des  5.  Jahr- 
hunderts V.  Chr.  Seit  daher  datiert  das  Ornament, 
es  ist  also  bedeutend  jünger  als  die  Palmette.  Dass 
es  sich  zuerst  als  Stelenkrönung  findet,  kommt  wohl 
daher,    dass   die   Pflanze   im  Totenkultus    eine   Rolle 


Entwuif  zu  einer  ülas-Kanne  mit  Silber-  oder  Zinnmontieruiii^ 
von  Architekt  B.  iMÖHRlNQ,  Berlin. 

30' 


200 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


spielte  und  in  dieser  Eigenschaft  zu  einer  Kultur- 
pflanze mit  üppigeren  Formen  wurde,  so  ist  uns 
überliefert,  dass  der  Leichenwagen  Alexanders  des 
Grossen,  mit  goldenen  Akanthusgehängen  geschmückt 
war.  Im  einzelnen  verfolgt  Meurer 
die  Entwicklung  der  Akanthus- Ur- 
form an  den  Bracteen  der  Stelen, 
an  den  weissgrundigen  attischen 
Lekythen,  den  Grabkrügen  mit 
skizzenhaften  Zeichnungen,  die  den 
Toten  mit  in  die  Gruft  gegeben 
wurden,  dann  an  den  Anthemien- 
bändern,  wo  der  Akanthus  in  Kelch- 
form als  Relief  oder  Malerei  an 
Simen  und  Friesen  erscheint,  ferner- 
hin an  den  Stirnziegeln,  wo  er  als 
Stützblatt  der  Palmetten  dient,  und 
endlich  als  Deckblatt  am  Schafte 
plastischer  oder  gemalter  Ranken. 
Die  naturalistische  Ursprungsform 
des  Akanthus  ist  dann  im  späteren 
Verlauf  der  Entwicklung  zu  diffe- 
renzierten Gestaltungen  gelangt,  die 
zackigen  Rand- 
gliederungen 
vermehrten  sich 
reichlich  und  es 
ist  klar,  dass 
für  diese  Fort- 
bildung des  Or- 
namentes die 
entwickelten 
Blätter  am  Mit- 
telstengel der 
Pflanze  als  Mo- 
dell dienten.  So 
fand  man  den 
Übergang  zum 
Akanthus  am 
korinthischen 
Kapitell,  und  in 


dieser  endgültigen  Gestalt  erobert  sich  das  Ornament 
die  Kulturwelt  von  Europa.  Dieses  Kapitell  zeugt  von 
dem  wunderbar  feinen  Natursinn  der  Griechen.  Aus 
der  Art,  wie  sich  die  Blätter  an  den  Stengel  der  Pflanze 
anfügen,  lernte  der  Grieche  die  Um- 
schliessung  des  Säulenschaftes  durch 
Blattformen.  Meurer  schliesst  mit  der 
tiefen  Betrachtung,  wie  die  tech- 
nischen Kunstformen  aus  einfachen 
Formenelementen  allezeit  hervorge- 
hen und  wie  sie  sich  in  der  fort- 
schreitenden Gestaltung  und  Ver- 
vollkommnung den  wechselnden 
Daseinsbedingungen  wunderbar  an- 
passen. Auch  dafür  giebt  uns  die 
Natur,  wie  sie  uns  Darwin  aufzu- 
fassen gelehrt  hat,  ein  unübertreff- 
liches Vorbild.  — x. 

VERMISCHTES 

IE  kunstgewerbliche  Anstalt 
von  Wilhelm  Schell  in  Offen- 
burg ist  erfolgreich    bemüht, 

den  Formen- 
schatz ihrer  Er- 
zeugnisse den 
modernen  De- 
korationsprinzi- 
pien anzupas- 
sen. Die  Tafel, 
die  dem  heuti- 
gen    Hefte     in 

leuchtendem 

Farbendrucke 
beiliegt,     giebt 

eine  anschau- 
liche und 
erfreuliche  Pro- 
be    von     dem 
Streben  des  In- 
stituts. 


Beleuchtungskörper  für  elektrisches  Licht,  entworfen  und  ausgeführt  von  FERD.  PAUL  KRÜGER, 

Kunstsciimiedewerkstatt,  Berlin. 


Herausgeber  und  für  die  Redaktion  verantwortlich:  Professor  Karl  Hoffacker,  Architekt  in  Charlottenburg- Berlin. 

Druck  von  Ernst  Hedrich  Nachf.,  G.  m.  b.  H.,  Leipzig. 


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Kopfleiste,  gezeichnet  von  H.  MEYER-Cassel,  Stnrnberg. 


DIE  DEUTSCHE  SMYRNATEPPICH- INDUSTRIE 


IN  der  Neuzeit,  wo  das  Interesse  an  dem  Empor- 
blühen der  verschiedenartigsten  Verzierungsweisen 
auf  allen  erdenklichen  Gebieten  des  Kunstgewerbes 
so  ungewöhnlich  gross  ist,  dürfte  es  nicht  ohne 
Nutzen  und  Interesse  sein,  der  Geschichte  der  deut- 
schen Smyrnateppich- Industrie  einige  Aufmerksamkeit 
zu  widmen.  Sie  ist  nach  verschiedenen  Richtungen 
hin  der  Beachtung  wert,  da  sie  einesteils  zeigt,  welche 
vielseitigen  Bedingungen  für  das  Gedeihen  einer  Tech- 
nik erfüllt  werden  müssen  und  weil  sie  andererseits 
beweist,  dass  es  immer  noch  bestimmte  Grenzmarken 
giebt,  welche  das  Nebeneinanderbestehen  von  Hand- 
arbeit und  Maschinenarbeit  anscheinend  auf  lange 
Zeit  hinaus  sichern. 

Bekanntlich  ist  die  Industrie  des  Teppichknüpfens 
mit  Unterstützung  der  Regierung  in  Deutschland  ein- 
geführt worden.  Durch  Vermittelung  der  Gesandt- 
schaften gestattete  die  türkische  Regierung  einem  tüch- 
tigen schlesischen  Weber,  das  Knüpfen  des  unlöslichen 
morgenländischen  Teppichknotens  zu  erlernen.  Dieser 
Weber  wurde  dann  vor  reichlich  fünfzig  Jahren  der 
Lehrmeister  vieler  Schlesierinnen  und  Spreewäldlerin- 
nen,  die  allmählich  einen  Grundstamm  von  geschickten 
Knüpferinnen  stellten.  Es  war  keine  geringe  Aufgabe, 
alle  die  Arbeiterinnen  heranzuziehen,  die  gegenwärtig 
in  den  verschiedensten  Gegenden  des  deutschen  Reiches, 
in  Spremberg,  Kottbus,  Hannover- Linden,  Ansbach, 
Würzen,  Elberfeld  u.  s.  w.  thätig  sind.  Die  unschein- 
bare Arbeit  des  Knüpfens  ist  nämlich  keineswegs  so 
einfach,  wie  es  auf  den  ersten  Blick  erscheint.  Ab- 
gesehen davon,  dass  weitaus  nicht  alle,  die  als  Lehr- 
linge eintreten,  die  unentbehrliche  Fingerfertigkeit  und 

Kunstgewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  n. 


Fingerfestigkeit  erlangen,  ist  ein  ganz  erheblicher 
Aufwand  an  Intelligenz  erforderlich.  Die  Arbeite- 
rinnen sitzen  in  langen  Reihen  auf  einer  Lade  vor 
dem  Webstuhl.  Auf  letzteren  ist  die  Kette  aus  kräf- 
tigem Hanf-  oder  Leinenfaden  aufgezogen.  Jede 
Arbeiterin  hat  ein  patroniertes  Muster  vor  sich.  Sie 
knüpft  danach  ihre  bestimmte  Zahl  von  Fäden  in  die 
Kette  hinein.  Selbstverständlich  ist  sie  für  das  rich- 
tige Aufeinandertreffen  der  Übergänge  verantwortlich. 
Ferner  giebt  es  Ecken  und  Musterfiguren  von  rechts 
nach  links  umzusetzen;  auch  werden  häufig  die  Vor- 
lagen in  andere  Farbenstellungen  übertragen.  So 
wird  der  Blick  für  Abstufungen  und  Schattierungen 
geschärft  und  der  Farbensinn  in  einer  Weise  geschult, 
die  nicht  ohne  Einfluss  auf  die  Geschmacksbethätigung 
der  Arbeiterinnen  in  ihrer  häuslichen  Umgebung 
bleiben  kann.  Dass  die  Thätigkeit  am  Teppichweb- 
stuhl eine  verhältnismässig  gesunde  ist,  macht  das 
Aufblühen  dieser  Industrie  besonders  erfreulich.  Da 
besondere  Maschinen  zum  Zerschneiden  der  Woll- 
fäden in  die  erforderliche  Länge  vorhanden  sind, 
atmen  die  Arbeiterinnen  nur  wenig  Wollstaub  ein. 
Aller  vorhandene  Staub  wird  überdies  so  bald  und 
so  weit  wie  möglich  beseitigt. 

Das  Schiffchen,  welches  den  derben  wollenen 
Einschlagfaden  zwischen  dem  Aufzug  hin  und  her 
führt,  ist  von  einfachster  Beschaffenheit;  in  der  That 
stellt  es  nur  ein  schlichtes  Holzbrettchen  mit  Gabel- 
enden dar.  Der  Einschlagfaden  wird  von  den  Ar- 
beiterinnen mit  einem  schaufeiförmigen  Kamm  fest- 
geschlagen, dessen  Metallzinken  in  den  Kettenfaden 
hineingreifen.      Zur   Hersteilung   des   Einschlagfadens 

31 


202 


DIE  DEUTSCHE  SMYRNATEPPICH- INDUSTRIE 


'^. 


dienen  diejenigen  Teile  der  Wolle,  die 
vom  Wolf,  von  dem  Käinmer  und  Sel- 
factor  zur  Anfertigung  des  scliarfge- 
drehten,  aus  vielen  feinen  Einzelfäden 
bestehenden  Knüpffadens  nicht  nach- 
giebig genug  befunden  werden.  Die 
Erfahrung  hat  die  deutschen  Teppich- 
fabrikanten gelehrt,  dass  man  am  besten 
thut,  den  Faden  an  Ort  und  Stelle  zu- 
zubereiten und  ihn  in  einer  eigenen 
Färberei  ganz  nach  Bedarf  zu  färben. 
Alle  neuesten  Vervollkommnungen  des 
Färbesystems  werden  in  den  Dienst  der 
deutschen  Teppichweberei  gestellt.  Seit- 
dem die  Anilinfarben  ihren  Weg  in  das 
Morgenland  gefunden  haben,  ist  es  be- 
kanntlich um  die  Farbenechtheit  der 
orientalischen  Teppiche  nicht  sonderlich 
gut  bestellt.  Um  so  mehr  Veranlassung 
liegt  vor,  bei  der  Herstellung  der  deut- 
schen Teppiche  das  Beste  zu  benutzen, 
dessen  man  habhaft  werden  kann.  In 
der  Anwendung  der  Gärungsmethode, 
die  beim  Indigo  längst  üblich  war,  hat 
man  ein  Mittel  gefunden,  die  Farben 
wesentlich  dauerhafter  zu  machen  als 
bisher.  Ihre  Leuchtkraft  wird  durch 
Oxydation,  d.  h.  durch  Einwirkung  der 
Luft  hervorgerufen.  Eben  diese  Einwir- 
kung der  Luft  ist  es  freilich  auch,  die 
mit  der  Zeit  wieder  wegnimmt,  was  sie 
gab.  Immerhin  ist  der  Vorgang,  im 
Vergleich  zu  dem,  was  mit  den  eigent- 
lichen Anilinfarben  zu  geschehen  pflegt, 
um  sehr  vieles  verlangsamt.  Wichtiger 
noch  ist  es,  dass  die  durch  das  neuere 
Verfahren  gewonnenen  Farben,  genau 
wie  die  alten  Pflanzenfarben,  gleich- 
massig  verblassen,  während  die  Anilin- 
farben sich  derart  verändern,  dass  alle 
Farbenharmonie   aufgelöst  wird.      Der 


eigentliche  Glanz  der  Farben  tritt  erst 
hervor,  nachdem  der  fertiggeknüpftc 
Teppich  von  der  Scherwalze  bearbeitet 
wurde.  Diese  Walze  ist  nach  der  Ana- 
logie der  Rasenscheren  hergestellt  und 
giebt  jene  sammetweiche  Ebenheit  des 
Schnittes,  die  auf  den  Teppichliebhaber 
eine  besondere  Anziehungskraft  ausübt. 
Nachdem  der  Teppich  geschoren  ist, 
vermag  man  erst  endgültig  darüber  zu 
entscheiden,  ob  die  Arbeit  wirklich  ge- 
lang. Hat  es  sich  nämlich  während  des 
Knüpfens  herausgestellt,  dass  von  einer 
Farbe  oder  Schattierung  nicht  genug 
Wolle  vorhanden  war,  so  muss  nach- 
gefärbt werden.  Es  ist  aber  nahezu  un- 
möglich ,  genau  denselben  Ton  im 
Durchschnitt  der  Wolle  zu  liefern, 
wenn  auch  die  Aussenseiten  beider 
Fäden  gar  nicht  voneinander  zu  unter- 
scheiden sind.  Kapitalkräftige  Fabrikan- 
ten lassen  daher  immer  mehr  Wolle 
färben,  als  sie  voraussichtlich  brauchen 
werden.  Selbstverständlich  entsteht  da- 
durch ein  beträchtlicher  Verlust  an 
Material. 

Der  Besitz  einer  eigenen  Färberei 
ist  auch  deshalb  für  den  Teppichfabri- 
kanten unentbehrlich,  weil  sehr  häufig 
Dekorateure  oder  Hausbesitzer  die  An- 
fertigung von  Teppichen  in  ganz  be- 
stimmten Farbentönen  verlangen.  Eben- 
so werden  bestimmte  Grössen  Verhält- 
nisse vorgeschrieben  und  auch  über 
den  »Stil«  der  Ornamentation  werden 
bestimmte  Anweisungen  gegeben.  Die 
Möglichkeit,  Teppiche  in  jeder  belie- 
bigen Grösse  (bis  zu  11X13  m)  herzu- 
stellen, wird  dem  Knüpfteppich  immer 
einen  bestimmten  Vorsprung  vor  den 
Maschinenteppichen  sichern.    Man  kann 


Zierleiste  von  A.  BRUNNER,  Bad  Aibling. 


DIE  DEUTSCHE  SMYRNATEPPICH- INDUSTRIE 


203 


Teppiche  so  knüpfen,  dass  sie  sich  genau  den  Rundungen 
und  den  verschieden  gestalteten  Winkein  der  Treppen- 
absätze anpassen;  es  können  Ausschnitte  vorgesehen 
werden,  bei  denen  die  Aufstellung  der  Möbel  berück- 
sichtigt wird  u.  dgl.  m.  Für  alle  diese  besonderen 
Fälle  eigene  Maschinen  zu  bauen,  ist  durchaus  un- 
möglich. Wer  also  für  einen  ganz  bestimmten  Fall 
einen  ganz  besonderen  Teppich  braucht,  wird  immer 
einen  Knüpfteppich  wählen.  Einen  solchen  im  Orient 
in  Auftrag  zu  geben,  ist  immer  ein  schwieriges  Unter- 
nehmen. Es  bestand  also  ein  wirkliches  Bedürfnis 
für  die  Einführung  der  Knüpfteppich -Industrie  in 
Deutschland.  Dieses  wirkliche  Bedürfnis  ist  dann 
auch  der  Hauptgrund,  weshalb  in  derselben  Zeit,  wo 
die  Handweberei  und  hundert  andere  Industriezweige 
gänzlich  dem  Maschinenbetrieb  Raum  geben  mussten, 
der  handgeknüpfte  Tep- 
pich sich  ein  breites  Ab- 
satzgebiet erobern  konnte. 
Das  Gesetz  des  wirklichen 
Bedürfnisses  wird  stets  der 
Faktor  bleiben,  der  das 
Verhältnis  der  Handarbeit 
zur  Maschinenarbeit  regelt 
und  man  wird  gut  thun, 
diesem  Gesetze  die  gebüh- 
rende Aufmerksamkeit  zu 
widmen,  wo  immer  es  sich 
darum  handelt,  die  Lage 
des  Handwerkes  und  der 
Handarbeit  zu  heben.  Be- 
merkenswert ist  auch  das 
feine  Verständnis  und  die 
Umsicht,  mit  der  in  dieser 
Industrie  jeder  Hebel  be- 
nutzt wird,  welchen  die 
Fortschritte  der  modernen 
Technik  und  Chemie  bie- 
ten, um  den  Erfolg  der 
Handarbeit  zu  sichern 
der  Menschenhand  und 
dem  Menschengeiste  nur 
gerade  dasjenige  Arbeits- 
quantum zuzumuten,  das 
unbedingt  erforderlich  ist 
und  sie  durch  Maschinen- 
arbeit zu  unterstützen,  wo 
immer  es  angeht.  Ge- 
rade in  dieser  Hinsicht 
sind  die  auf  dem  Gebiete 
des  Knüpfteppichs  gesam- 
melten Erfahrungen  un- 
gemein lehrreich  für  ver- 
schiedene Zweige  der 
Luxusindustrie,  die  neuer- 
dings die  Berücksichti- 
gung unserer  dekorativen 
Künstler  gefunden  haben. 
Je  feinsinniger  der  Ent- 
wurf, desto  dringender  die 
Notwendigkeit  höchst  voll- 


Silberne  Bowle,  Kaiserpreis  für 
Entworfen  und  ausgeführt 


endeter,  in  liebevoller  Hingabe  an  die  Sache  durch- 
geführter technischer  Ausarbeitung  des  Entwurfes.  In 
dieser  Hinsicht  bleibt  dem  aufmerksamen  Beobachter 
in  unserer  neueren  kunstgewerblichen  Entwicklung 
noch  sehr  vieles  zu  wünschen  übrig. 

In  der  Ausstattung  der  zahlreichen  neueren  Kunst- 
salons in  Berlin  gelangen  durchweg  Perserteppiche, 
oft  auch  neu -englische  und  wohl  gar  recht  minder- 
wertige deutsche  Nachahmungen  neu-englischer  Sachen 
zur  Verwendung.  Dann  und  wann  sieht  man  einen 
Eckmann  oder  Lenimen  letztere  natürlich  niemals 
so,  dass  sie  von  den  Fussspuren  der  Besucher  leiden 
könnten.  Mit  Persern  und  sonstigen  'Orientalischen<', 
die  eine  Zeit  lang  im  Gebrauch  waren,  wird  bekannt- 
lich immer  noch  ein  ganz  schwunghafter  Handel  ge- 
trieben.    Ihre  dunkle  Farbe  lässt  nicht  leicht  erkennen, 

wieviel  sie  schon  benutzt 
wurden.  An  den  sogenann- 
ten englischen  Sachen,  de- 
ren riesengrosse  helle  Blät- 
ter sehr  bald  recht  un- 
freundliche Spuren  des 
Vergänglichen  aufweisen, 
wird  schwerlich  ein  Käu- 
fer zum  zweitenmal  Ge- 
fallen finden.  Die  Folge 
davon  ist  die,  dass  die 
grosse  Masse  des  deut- 
schen Publikums  den  sehr 
minderwertigen  Mustern 
treu  bleibt,  die  in  Schleu- 
derbazaren  und  Teppich- 
lagern' anzutreffen  sind. 
In  absehbarer  Zeit  wird 
man  auch  leider  auf  die- 
sem Gebiete  schwerlich 
Wandel  schaffen.  Man 
wird  vermutlich  weder 
durch  Klagen,  noch  durch 
Belehrung  eine  wesentliche 
Besserung  erreichen.  Für 
diejenigen  aber,  die  den 
Fortschritt  des  Dekora- 
tionswesens aus  Selbst- 
erhaltungstrieb oder  aus 
Liebe  zur  Sache  zu  fördern 
bemüht  sind,  dürfte  es  sich 
lohnen,  mit  dem  Ge- 
schmack des  Publikums 
einen  Augenblick  als  mit 
einem  gegebenen  Faktor, 
mit  einem  Gewordenen  zu 
rechnen.  Die  eingehende 
Untersuchung  der  Ur- 
sachen und  der  Eigenart 
des  Vorhandenen,  des  Ge- 
wordenen, ist  ja  ein  Haupt- 
merkmal des  Geistes  der 
Gegenwart.  Man  braucht 
nur  einen  Teppich  von 
Tournay  oder  Brüssel  an- 


Hannover, Gr.  Armee-Jagdrennen, 
von  O.  ROHLOFF,  Berlin. 


204 


DIE  DEUTSCHE  SMYRNATEPPICH- INDUSTRIE 


tenwmwWM 


MimM.J    , .  '^ 


Cntwurf  zu  einer  Kanne,  von  R.  OREANS,  Karlsruhe. 


zusehen,  der  etwa  aus  den  fünfziger  Jahren  unseres 
Jahrhunderts  stammt,  um  zu  begreifen,  wie  die 
grosse  Unsicherheit  des  Geschmacks  gerade  auf  dem 
Gebiete  des  Teppichs  zu  stände  i<am.  Brüllende  Lö- 
wen, plastisch  abschattierte  Blumenkränze,  schwellende 
Rokoko-Ornamente  und  andere  mehr  sind  auf  diesen 
Teppichen  keine  Seltenheiten.  Seitdem  hat  man  nun 
wohl  die  Teppichfabrikanten  und  auch  einen  Teil 
des  Publikums  darüber  belehrt,  dass  ein  Teppich- 
muster nicht  erhaben  erscheinen  darf.  Immerhin  sind 
die  Teppiche  aus  der  eben  erwähnten  Zeit  von  solcher 
Dauerhaftigkeit,  dass  sie  wenigstens  in  Grossmutter- 
stübchen  noch  nicht  aufgehört  haben,  ihren  Einfluss 
auszuüben  auf    die    empfänglichen    Gemüter    der 

Kinder,  deren  schönste  Erinnerungen  meistens  mit 
so  einem  Grossmutterstübchen  verwachsen  sind. 

Natürlich  wird  die  glückliche  Braut,  die  bei  der 
Beschaffung  des  Hausrates  für  ihr  eigenes  Heim  alles 
Neueste  wählt,  in  Bezug  auf  einen  Teppich  nur  in 
den  seltensten  Fällen  ausgeprägtes  Stilgefühl  besitzen. 
Ihre  Mutter  hat  vor  sechs  oder  sieben  Jahren,  als  die 
Familie  eine  grössere  Wohnung  bezog,  eine  Rokoko- 
Einrichtung  für  den  Salon  angeschafft.  Dazu  kaufte 
sie  pflichtschuldigst  einen  Rokokoteppich,  denn  auch 
die    Stuckornamente    der  Zimmerdecke    waren    ja   im 


Rokokostil  gehalten;  Putten  oder  Nixen  aus  Stuck 
trieben  da  oben  in  den  Medaillons  zwischen  den 
gebrochenen  Muschelformen  ihr  Unwesen,  oder,  wenn 
der  Hausbesitzer  weniger  hochherrschaftlich  ist,  lächelt 
eine  Landschaft  mit  winterlich  rutenförmigen  Bäumen 
oder  sonst  eine  logische  Unmöglichkeit  von  oben 
herab«  aus  den  Eckfiguren  der  Deckenornamente. 
Wenn  nun  die  Mutter  glaubte,  ihr  Zimmer  »stilvoll <' 
eingerichtet  zu  haben,  indem  sie  zu  der  Rokokodecke 
und  Rokokotapete  einen  Rokokoteppich  fertigen  Hess, 
so  darf  man  sich  nicht  darüber  wundern,  dass  die 
Tochter  zu  den  »englischen'  Möbeln,  dem  englischen 
Wandfries  und  der  englischen  Tapete  einen  »eng- 
lischen« Teppich  wählt.  Natürlich  reichen  die  Mittel 
nicht  für  einen  besonders  guten.  Wäre  das  der  Fall, 
so  könnte  man  sich  kaum  darüber  freuen,  denn  es 
würde  nur  bedeuten,  dass  ein  schlechtes  Muster  auf 
viele  Jahre  hinaus  einen  ungünstigen  Einfluss  auf  das 
Schönheitsgefühl  der  Bewohner  ausübt.     - 

Sehr  häufig  wird  übrigens  die  angehende  junge 
Hausfrau  des  deutschen  Mittelstandes  den  grossblumigen 
modern  englischen  Teppich  unpraktisch  finden,  weil 
er  sehr  bald  fleckig  wird.  Nun  kommen  natürlich  die 
orientalischen  Teppiche  in  Frage.  In  sehr  wohlhaben- 
den Häusern  lässt  man  wohl  einen  Teppich  direkt 
aus  Konstantinopel  oder  Smyrna  kommen.  Gewöhn- 
lich aber  wird  eines  jener  wenig  lobenswerten  deutschen 
Erzeugnisse  genommen,  die  in  harten,  höchst  unsym- 
pathischen braunroten,  grünlichen  und  gräulichen  Far- 
ben gehalten  sind,  welche  als  Ausfluss  des  ersten  An- 
stosses  zur  Benutzung  des  Renaissancestils  in  der 
modernen  deutschen  Mittelstandswohnung  hängen 
geblieben  sind.  Diese  farblosen,  teils  künstlich  ver- 
schossenen, teils  unreinen  Farben  stehen  noch  heute 
der  Verbreitung  einer  munteren  Farbenfreudigkeit  im 
deutschen  Hause  hindernd  im  Wege.  Allein,  wer  einige 
im  wirklichen  Leben  wurzelnde  Bekanntschaft  mit  den 
breiten  Schichten  des  deutschen  Mittelstandes  besitzt, 
wird  vollauf  verstehen,  dass  man  weder  durch  die  Ein- 
führung orientalischer  Teppiche,  noch  auch  durch  Be- 
vorzugung solcher  im  »Jugendstil«  in  eben  diesen 
Kreisen  eine  Geschmacksverbesserung  erzielen  wird. 
Die  solide  Hausfrau  aus  der  Masse  des  kauffähigen 
Publikums  sperrt  sich  schlankweg  gegen  die  Be- 
nutzung eines  Teppichs  im  Jugendstil.  Ihr  gesundes 
Gefühl  sagt  ihr,  dass  diese  Dinge  auf  das  Empfindungs- 
leben einer  schöngeistigen  Gesellschaftsschicht  gestimmt 
sind,  deren  Nerven  reizbedürftig  oder  auch  wider- 
standsfähig genug  sind,  um  sich  in  einer  Wohnung 
wohl  zu  fühlen,  deren  Einrichtung  jede  Beziehung 
zum  traditionellen  Arbeits-  und  Familienleben  der  Masse 
des  deutschen  Volkes  abgebrochen  hat.  Diese  modernen 
Einrichtungen  im  Spielzeugstil  taugen  für  Leute,  die 
alle  fünf  Jahre  ihre  Wohnung  frisch  einrichten  können. 
Ein  Dekorateur,  dem  daran  liegt,  sich  seine  Mittel- 
standskundschaft zu  erhalten,  wird  nur  seinen  reichen 
Kundinnen  den  Ankauf  von  Sachen  im  Jugendstil 
empfehlen.  Seine  Erfahrung  auf  diesem  Gebiete  reicht 
schon  jetzt  hin,  um  zu  bestätigen,  dass  selbst  die 
besten  Sachen  von  Walter  Grane  oder  H.  Christ 
ausserordentlich  schnell   Überdruss    erwecken.     Eben 


Treppenaufgang  im  »Deutschen  Haus*  auf  der  Weltausstellung  in  Paris  1900. 
Architekt:  Bauinspektor  J.  RADKE,  Berlin. 


208 


DIE  DEUTSCHE  SMYRNATEPPICH-INDUSTRIE 


Diele  auf  der  deutschen  kunstgewerblichen  Abteilung  der  Weltausstellung  in  Paris  1900.     (s.  S.  189  des  lfd.  Jahrg.) 
Schnitzerei  von  Professor  O.  RIEOELMANN,  Charlottenburg. 


deshalb  können  sie  nur  in  den  Wohnungen  der  Hoch- 
begüterten Verwendung  finden. 

Eigentümlich  ist  die  Abneigung  der  deutschen 
Mittelstandsfrau  gegen  orientalische  Teppiche.  Nur 
sehr  selten  wird  man  sie  dahin  bringen,  einen  sol- 
chen aus  vollem  Herzen  zu  bewundern.  Allenfalls 
haben  einige  erwachsene  Töchter  in  modernen  Roma- 
nen etwas  über  Kelims,  Djidjims  und  ähnliche  fremd- 
klingende Dinge  gelesen.  Infolgedessen  gelingt  es 
von  Zeit  zu  Zeit  einem  verschlagenen  Bazarinhaber, 
seine  Ware,  deren  Muster  von  europäischen  Zeichnern 
beeinflusst,  deren  Wolle  in  Anilin  gebadet  ist,  an  den 
Mann  zu  bringen.  Fragt  man  aber  die  Käuferin  auf 
Ehre  und  Gewissen,  ob  und  weshalb  ihr  der  Teppich 
gefällt,  so  wird  sich  herausstellen,  dass  er  ihr  gar 
nicht  gefällt,  sondern,  dass  sie  nur  blindlings  einer 
Modevorschrift  gefolgt  ist.  Lässt  man  das  gesunde 
Gefühl  der  deutschen  Frau  zur  Geltung  kommen,  so 
wird  sie  an  dem  orientalischen  Teppich  zweierlei  aus- 
zusetzen haben.  Einmal  passen  seine  Massverhältnisse 
nicht  in  deutsche  Wohnräume  und  zu  deutschen  Möbel- 
formen und  dann  ist  die  zum  Teil  gekünstelt  naive 
unregelmässige  Zeichnung  dieser  Teppiche  nur  sehr 
schwer  mit  den  Ornamentformen  unserer  Möbel, 
Möbelbezüge,  Fenster-  und  Thürbehänge  u.  dgl.  m. 
in  Einklang  zu  bringen. 

Selbstverständlich  brauchen  diese  beiden  Einwände 
keinem  echten  Künstler  oder  künstlerisch  empfinden- 
den Dilettanten  die  Freude  an  einem  schönen  morgen- 
ländischen  Teppich   zu   verderben.     Allein   wir   alle 


wissen,  dass  schon  vor  zehn  Jahren  amerikanische 
Händler  die  allergrösste  Mühe  hatten,  noch  Teppiche 
aufzutreiben,  die  wirklich  Kunstwerke  im  Sinne  der 
alten  überlieferten  Teppichkunst  zu  heissen  verdienen. 
Schon  damals  haben  diese  Händler  die  mühseligsten 
Reisen  nicht  gescheut,  um  da  und  dort  in  einsamen 
Wüstenorten  einen  alten  Muselmann  gegen  schweres 
Geld  zur  Hergabe  seines  Gebetsteppichs  zu  bewegen, 
von  dem  ein  solcher  feiner  Kenner  dann  wohl  unter 
Thränen  Abschied  nahm.  Einen  solchen  Teppich  aber 
wird  die  deutsche  Durchschnittsfrau  wohl  nur  ganz 
selten  oder  nie  erlangen.  Wenn  sie  ihn  hat,  wird 
sie  kaum  verstehen,  ihn  zu  benutzen,  denn  Kunst- 
werke haben  bekanntlich  die  Eigentümlichkeit,  dass 
ein  Künstler  dazu  gehört,  sie  zur  richtigen  Geltung 
zu  bringen.  Die  Art,  wie  in  manchen  dilettantisch 
»stilvollen«  Wohnungen  mittelmässige  morgenländische 
Erzeugnisse  verwendet  werden,  trägt  gerade  nicht  zur 
Förderung  des  nationalen  Kunstsinnes  bei. 

Man  hat  nicht  selten  das  Vorhandensein  natio- 
nalen Kunstempfindens  in  der  Gegenwart  ganz  und 
gar  in  Abrede  gestellt.  Es  fragt  sich  aber  doch,  ob 
nicht  das,  was  die  grossen  Massen  von  heute  an 
Kunstsinn  und  dekorativem  Geschmack  besitzen,  viel- 
fach verkannt  wird,  ob  nicht  vor  allen  Dingen  in  den 
Kreisen  derer,  die  den  Geschmack  pflegen  und  ent- 
wickeln wollen,  etwas  von  der  Ungeduld  der  Kinder 
herrscht,  die  Knospen  ihrer  schützenden  Hülle  berauben, 
um  die  Blüten  schneller  zur  Entfaltung  zu  bringen. 
Die  Masse    der   deutschen    Frauen    fordert    —    nicht 


DIE  DEUTSCHE  SMYRNATEPPICH- INDUSTRIE 


209 


in  wohlgesetzten 
Worten ,  sondern 
durch  einen  ge- 
wissen Eigensinn 
bei  der  Auswahl 
—  eine  bestimmte 
innere  Verwandt- 
schaft der  Mass- 
verhältnisse     aller 

Gegenstände  in 
ein  und  demselben 
Raum.  Sie  fordert 
ferner,  dass  die  einzelnen 
Ornamente,  die  zur  Ver- 
wendung kommen,  auf  glei- 
cher Höhe  der  zeichneri- 
schen Technik  stehen.  Der 
Sinn  für  die  Reize  des 
Naiven  und  Unbeholfenen 
in  morgenländischen  Tep- 
pichen geht  ihr  ab.  Sie 
empfindet  dies  Naive  wie 
etwas  Unfertiges,  Ordnungs- 
widriges in  der  Kultur  Zu- 
rückgebliebenes. Schon  darum  lehnt  sie  sich  gegen  den 
morgenländischen  Teppich  auf.  Ferner  leuchtet  es  ihr 
nicht  ein,  weshalb  man  einen  langen  schmalen  Teppich  in 
ein  quadratisches  Zimmer  hineinlegen  soll.  Sie  wird 
allenfalls  zugeben,  dass  ein  sehr  grosser  Künstler  dies 
schwierige  Problem  so  lösen  kann,  dass  eine  ästhetische 
Wirkung  erzielt  wird.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
wird  aber  der  Künstler  den  Teppich  so  legen,  dass 
er  täglich  Anlass  zu  irgend  einem  Unglücksfall  giebt. 
Überdies  hat  Vittore  Carpaccio,  dieser  phänomenale 
Meister  der  schönen  Abmessungen,  in  dem  einzigen 
Briefe,  der  uns  von  ihm  erhalten  ist,  ausgesprochen, 
dass  man  durchaus  nicht  alle  Massverhältnisse  will- 
kürlich bezwingen  kann.  Das  Gefühl  der  deutschen 
Frau  ist  also  in  diesem  Punkte  ganz  richtig.  Sie 
empfindet  z.  B.,  dass  der  Rhythmus  einer  recht  eng- 
lischen Tapete  nicht  auf  den  Rhythmus  des  deutschen 
Fenster-  und  Thürformates  gestimmt  ist.  Aussprechen 
wird  sie  das  selten,  aber  da,  wo  man  ihr  freie  Hand 
lässt,  wird  sie  unwillkürlich  nach  einer  Tapete  von 
Josef  Rösl  greifen,  so  gut  ihr  auch  die 
englischen  Muster  gefallen  mögen. 

Auch  in  Bezug  auf  die  Farbenstellung 
hat  die  deutsche  Frau  ihr  eigenes  Em- 
pfinden —  immer  vorausgesetzt,  dass  sie 
sich  nicht  blindlings  von  der  Autorität  der 
Mode  ins  Schlepptau  nehmen  lässt.  Und 
selbst  diese  Mode  wird  trotz  aller  schwan- 
kenden äusseren  Einflüsse  von  einem  inneren 
Gesetze  der  Fortentwicklung  beherrscht, 
das  sich  unbewusst  immer  wieder  Geltung 
verschafft.  Wäre  das  nicht  so,  so  hätte 
niemals  eine  Knüpfteppich  -  Industrie  in 
Deutschland  heimisch  werden  können.  Es 
ist  sehr  viel  darüber  theoretisiert  worden, 
welche  Farbentöne  sich  für  Teppiche  am 
besten   eignen.     Immer  wieder   haben   sich 

Kunstgewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  11. 


feinsinnige  Schön- 
heitslehrer für  den 
morgenländischcn 
Teppich  entschie- 
den. Der  brutale 
Instinkt  des  deut- 
schen Volksge- 
schmacks hat  sich 
ebenso     oft     aber 

wieder  dagegen 
aufgelehnt.        Der 
Deutsche  verlangt, 
dass    sich    eine    Farbe    der 
anderen   in   Anlehnung   an 
den    Geist    der    Zeichnung 
unterordne    —    er    fordert 
Subordination,  Schattierung 
und  Harmonie.    Das  Mor- 
genland    arbeitet    —    wie 
schon    G.    Semper     nach- 
wies   —    mit    Kontrastwir- 
kung durch  Nebenein- 
anderstellung   von    Farben 
gleicher  Intensität,  gleichen 
Gewichtes. 

Diese  letzte  Forderung  des  deutschen  Volksge- 
schmackes ist  es  auch,  die  uns  schliesslich  zu  gesunden 
Anfängen  einer  im  vollsten  Sinne  des  Wortes  deutschen 
Teppich-Industrie  verholfen  hat.  Die  Ironie  des  Schick- 
sals will  freilich,  dass  der  Hauptmarkt  für  diese  Er- 
zeugnisse noch  im  Auslande  gesucht  werden  muss. 
Da  besonders  die  Vereinigten  deutschen  Smyrna- 
teppich  -  Fabriken  den  Sonderansprüchen  der  ver- 
schiedensten Länder  Rechnung  tragen  müssen,  so 
ist  natürlich  der  Charakter  der  Zeichnung  schwan- 
kend und  die  speziell  deutsche  Musterproduktion  ge- 
ring. Gerade  das  aber,  was  an  eigentlich  deutschen 
Mustern  vorhanden  ist,  vereint  so  sehr  die  Eigenschaf- 


Ffillungen  vom  Treppengeländer  der  Diele 

auf  der  deutschen  kunstgewerblichen 

Abteilung  der  Welt.iusstellung  in  Paris  1900. 

Holzschnitzerei  von 

Professor  O.  RIEQELMANN,  Charlottenburg. 

(s   S.  189  des  lfd.  Jahrg.) 


32 


210 


DIE  DEUTSCHE  SMYRNATEPPICH- INDUSTRIE 


Holzschnitzerei  aus  der  Diele  auf  der  deutschen  kunstgewerbhchen  Abteilung  der  Weltausstclhing  in  Paris  iqoo. 
Von  Professor  O.  RIEOELMANN,  Charlottenburg. 


ten  absoluter  Ruhe,  gänzlich  liegender  Zeichnung  und 
wohlthuender  farbiger  Wärme,  dass  es  sich  zweifellos 
die  Herzen  der  deutschen  Frauen  erobern  wird.  Es  wäre 
dringend  zu  wünschen,  dass  sich  befähigte  Zeichner  ein- 
gehend mit  den  Eigentümlichkeiten  gerade  dieser  Tep- 
piche beschäftigten  und  die  zweifellos  vorhandenen 
Ansätze  zu  einem  künstlerischen  Teppichstil  fördern 
möchten.  Mit  einem  diktatorischen  Eingreifen,  das  völli- 


gen Bruch  mit  dem  sorgfältig  Herangezogenen,  dem  Ge- 
wordenen, bedingt,  würde  man  nur  Vernichtung  des 
bisher  Erreichten  erzielen.  Nur  inniges  Vertrautsein 
mit  allen  technischen  Existenzbedingungen  und  mit 
den  erworbenen  künstlerischen  Qualitäten  des  deutschen 
Teppichs  kann  zur  Erreichung  des  begehrenswerten 
Zieles  führen,  ihn  im  deutschen  Heim  heimisch  zu 
machen.  L  HAGEN. 


Der  obere  Teil  des  Paneels  in  der  Diele  auf  der  deutschen  kunstgewerblichen  Abteilung 
der  Weltausstellung  in  Paris  1900.     Von  Professor  O.  RIEOELMANN,  Charlottenburg. 


iaal  liir  die  Saniiiiliing  Friedrich's  des  Grossen  im    DcutscI'.en  Hnus    auf  der  Wcltai:ssteliiii;g  in  Paiis  1500. 
Architekt:  Bauinspel<tor  J.  RADKE,  Berlin. 


32* 


Lünettcni)ild  im  Treppenhaus  des  >  Deutschen  Hauses <  auf  der  Weltausstellung  in  Paris  1900. 
Gemalt  von  GUSTAV  WITTIG,  Charlottenburg. 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


VEREINE  UND  SCHULEN 

BASEL.  Dem  Jahresbericht  des  Gewerbe- Museums 
für  das  Jahr  i8gg  entnehmen  wir  folgendes: 
In  erster  Linie  wurden  die  Amtsordnungen  für 
den  Direktor  und  den  Konservator  neu  aufgestellt  und 
vom  Erziehungsrate  genehmigt.  Mit  Herrn  Dr.  Stehlin 
wurde  namens  der  historischen  Gesellschaft  ein  Ab- 
kommen getroffen,  wonach  der  Konservator  eine  Reihe 
von  Aufnahmen  älterer  Baseler  Bauten  aus  dem 
15.  Jahrhundert  für  die  Festschrift  von  1901  bear- 
beitet. Namens  einer  Anzahl  kleinerer  Schreinermeister, 
die  beabsichtigen,  sich  an  der  Ausstellung  von  1901 
zu  beteiligen,  war  der  Wunsch  geäussert  worden,  das 
Museum  möchte  ihnen  durch  eine  Kollektivausstellung, 
ähnlich  wie  s.  Zt.  in  Zürich,  hierzu  behilflich  sein. 
Demzufolge  beschloss  die  Kommission  eine  Kollektiv- 
ausstellung zu  veranstalten  und  allen  Teilnehmern  die 
hierfür  nötig  werdenden  Zeichnungen  unentgeltlich 
zu  liefern.  Von  Sonderausstellungen  verdient  be- 
sonderer Erwähnung  die  »Jugend «-Ausstellung,  in  der 
die  Originale  der  bedeutenderen  Illustrationen  und  die 
Titelblätter  dieser  Zeitschrift  vorgeführt  wurden,  eine 
Sammlung  schöner  Teppiche  aus  der  Kunstwebeschule 
zu     Scherrebeck     und    Hoizschnittdarstellungen     des 


Züricher'schen  Xylographen -Verbands.  Der  Besuch 
der  Bibliothek  weist  eine  Zunahme  gegen  das  Vor- 
jahr auf,  ebenso  erfuhr  die  Zahl  der  im  Auskunfts- 
bureau ausgeführten  Aufträge  eine  geringe  Zunahme. 
Die  vorjährige  Publikation  über  das  Zscheckenbürlin- 
Zimmer  hatte  zur  Folge,  dass  einige  der  dortigen 
modernen  Möbel  seither  durch  zeitgemässe  im  Stil 
des  Raumes  ersetzt  wurden  und  weitere  diesen  folgen 
sollen.  Die  Entwürfe  hierzu  sind  dem  Museum  über- 
tragen worden.  Mustersammlung  und  Bibliothek 
haben  sich  auch  im  Berichtsjahre  ansehnlicher  Be- 
reicherung zu  erfreuen  gehabt.  Hervorzuheben  ist 
besonders  die  Rehfuss-Sammlung,  eine  reiche  Samm- 
lung von  Goldschmiedemodellen  aus  der  Werkstatt 
der  beiden  Silberschmiede  Rehfuss  Vater  und  Sohn 
in  Bern.  Weitaus  die  grösste  Bereicherung  erfuhr 
jedoch  die  Holzabteilung  durch  den  Ankauf  von  Mo- 
dellen und  Probestücken  aus  der  Werkstatt  des  Holz- 
bildhauers Burgi.  -u- 

BREMEN.  Dem  Bericht  des  Gewerbemuseums  für 
das  Geschäftsjahr  iSgg  entnehmen  wir  folgen- 
des: die  im  Winterhalbjahr  des  vorhergegangenen 
Jahres  durch  den  ersten  Assistenten  begonnenen  öffent- 
lichen   und   unentgeltlichen  Vorlesungen    wurden    in 


214 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


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Ueslickte  Decke  von  hraii  SCHMID  1  -  l'hCH  f,   Konstanz. 


gleicher  Weise  fortgesetzt.  Aus  der  Mustersammlung 
für  Kunstgewerbe  wurde  eine  Reihe  von  Gegenständen, 
welche  s.  Z.  von  der  historischen  Gesellschaft  des 
Künstlervereins  der  Anstalt  überwiesen,  aber  wegen 
geringer  kunstgewerblicher  Eigenschaft  nicht  ausge- 
stellt, sondern  als  Depot  betrachtet  wurden,  teilweise 
aber  doch  für  Bremen  geschichtliche  Bedeutung  be- 
sitzen, an  die  kunsthistorische  Kommission  abgegeben. 
In  gleicher  Weise  sind  gerahmte  farbige  Wappenfenster 
an  die  Verwaltung  des  Rathauses  abgeliefert.  Der  ge- 
samte Zuwachs  betrug  136  Nummern,  welche  sich 
auf  die  Gruppen  Holz  und  verwandte  Arbeiten,  Me- 
tallarbeiten, Textil-,  Leder-  und  Papierarbeiten,  Stein-, 
Glas-,  und  Keramarbeiten  verteilen.  Die  im  ursprüng- 
lichen Programm  für  die  Permanente  Ausstellung  vor- 
gesehene Einzelausstellung  kunstgewerblicher  Arbeiten 
beginnt  sich  mehr  zu  geschlossenen  Kollektivausstel- 
lungen zu  verdichten,  gegen  welche  hervorragende 
Bremische  Einzelerzeugnisse  zurücktreten.  Durch  Lage 
und  Grösse  des  Erdgeschosses  sehr  begünstigt,  fanden 
im  Berichtsjahre  zehn  Sonderausstellungen  statt.  In 
der  Vorbildersammlung  ist  die  Wahrnehmung  gemacht 
worden,  dass  von  den  Besuchern  mit  Vorliebe  ge- 
bundene Vorhilderwerke  benutzt  werden,  während  die 
Benutzimg  der  in  Mappen  systematisch  geordneten 
Einzelblätter  entschieden  nachgelassen  hat.  Das  mit 
der  Vorbildersammlungin  Verbindung  stehendeZeichen- 
bureau  erledigte  73  Aufträge  mit  86  Zeichnungen. 

-u- 


C ASSEL.  Nach  dem  Jahresbericht  der  Qewerb- 
lichcii  Zeichen-  und  Knnstgewerbeschule  für 
das  Scliuljahr  iSggligoo  betrug  die  Zahl  der 
Abend-  und  Sonntagsschüler:  303  im  Sommer-  und 
458  im  Winterhalbjahr,  die  der  Tagesschüler:  120  im 
Sommer-  und  184  im  Winterhalbjahr.  Auf  Grund 
von  Zeugnissen  über  hervorragende  Leistungen  in  der 
Schule  wurden  neun  Schüler  zur  erleichterten  Prüfung 
für  Einjährig-Freiwillige  zugelassen.  Vom  6.  bis  13. 
August  fand,  nach  mehrjähriger,  durch  Umbauten  im 
Anstaltsgebäude  verursachter  Pause,  eine  Ausstellung 
von  Schülerarbeiten  statt.  Nachdem  in  den  letzten 
Jahren  durch  Ergänzungs-  und  Umbauten  die  räum- 
lichen Verhältnisse  der  Anstalt  sich  wesentlich  ge- 
bessert haben,  ist  auch  die  sichere  Aussicht  vorhanden, 
dass  noch  im  Laufe  des  Sommers  1900  die  Frage  der 
festen  Anstellung  der  vollbeschäftigten  Lehrer  der 
Anstalt  zu  einem  gewissen  Abschluss  kommen  wird. 

-u- 

BRÜNN.  Wie  wir  dem  25.  Jahresbericht  des 
Mährischen  Gewerbe -Museums  für  das  Jahr  iSgg 
entnehmen,  blieben  die  sämtlichen  Abteilungen 
auf  der  Bahn  der  bisherigen  erfolgreichen  Entwicke- 
lung  nicht  nur  nicht  zurück,  sondern  weisen  sowohl 
dort,  wo  es  sich  um  eine  thätige  Beeinflussung  des 
modernen  Gewerbes  handelt,  wie  im  kunstgewerblichen 
Atelier  und  in  der  technischen  Abteilung,  als  auch 
in  den  Sammlungen  erfreuliche  Fortschritte  und  eine 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


215 


bedeutende  Vermehrung  auf.  Für  die  höheren  Klassen 
der  Staatsgewerbe-  und  Textilschulen,  der  Mittel-  und 
Handelsschulen  wurden  Führungen  veranstaltet,  ebenso 
fanden  offizielle  Führungen  durch  den  Direktor  statt, 
welche  sich  eines  guten  Besuches  erfreuten.  In  den 
Sammlungen  gelangten  zwei  vollkommen  eingerichtete 
mährische  Bauernstuben,  eine  deutsche  und  eine  sla- 
vische,  zur  Aufstellung,  und  zwar  im  Anschluss  an  die 
Sammlung  der  mährischen  Keramik  als  deren  wün- 
schenswerteste Ergänzung.  Zur  Neuordnung  gelangte 
unter  gleichzeitiger  Ausscheidung  älterer  minderwer- 
tiger Erwerbun- 
gen die  Abteilung 
der  Schmiedear- 
beiten. Einem  im- 
mer lebhafter  ge- 
äusserten Wun- 
sche entspre- 
chend, wurde  im 
Oktober  ein  Zei- 
chen-, Mal-  und 
Modellierkursus 
eingerichtet ,  zu 
welchem  überaus 
zahlreiche  An- 
meldungen ein- 
liefen. Im  Be- 
richtsjahre fanden 
elf  Sonderausstel- 
lungenstatt, unter 
denen  besonders 
zu  nennen  sind: 
Moderne  kunst- 
gewerbliche Er- 
zeugnisse aus 

Österreich, 
Deutschland, 
England,  Hol- 
land, Frankreich, 
Amerika,  eine 

Historische 
Trachtenausstel- 
lung    und     eine 
Historische    Mö- 
belausstellung. 
Besonders     rege 
gestaltete  sich  im 
Berichtsjahre  die 

Veranstaltung 
von  Wanderaus- 
stellungen in  der  Provinz.  Sie  umfassten  ausschliess- 
lich moderne  Arbeiten  des  Kunstgewerbes  und  waren 
mit  einem  Vortrage  des  Direktors  über  »Paris  und  seine 
nächste  Weltausstellung'  verbunden.  Die  Abteilung 
zur  technischen  Förderung  des  Kleingewerbes  am  Mu- 
seum beendete  mit  dem  Jahre  1899  ihre  bei  der  Grün- 
dung als  Probezeit  angesetzte  fünfjährige  Thätigkeit. 
Diese  Institution  findet  von  Jahr  zu  Jahr  eine  immer 
wachsende  Inanspruchnahme,  so  dass  der  Weiterbe- 
stand der  Aktion  als  unbedingtes  Bedürfnis  und  auch 
als  gesichert  erscheint.  -u- 


M' 


Stickerei  von  Frau  SCHMIDT -PECHT,   Konstanz 


lÜNCHEN.  Nach  dem  Bericht  über  die  Oeneralver- 
samm/iiiig  des  Bayrisclien  Kunstgewerbcvereins 
am  27.  März  1900  zählte  der  Verein  1801  Mit- 
glieder. In  der  Ausstellungshalle  konnte  im  Jahre 
1899  ein  um  fast  10 "/o  höheres  Ergebnis  als  im 
Vorjahre  festgestellt  werden.  Die  Beschickung  der 
Halle  blieb  nach  Stückzahl  und  Wert  etwas  hinter 
dem  Vorjahre  zurück;  der  höhere  Umsatz,  einer  der 
höchsten  bisher  in  der  Halle  erreichten,  ist  daher 
hauptsächlich  auf  die  rührige  Thätigkeit  der  Hallen- 
leitung zurückzuführen.  Der  Umsatz  betrug  180016,85 

Mark  gegen 

165  151,68M.  im 

Vorjahre.  Aus  der 

Beteiligung  an 
der      Glaspalast- 
ausstellung hat 
sich  für  den  Ver- 
ein trotz  der  Zu- 
schüsse seitens 
des   Staates   und 
des  Ausstellungs- 
unternehmens 
(Künstlergenos- 
senschaft) ein 
Fehlbetrag  von 
4000  M.  ergeben, 
und     es     gelang 
auch    nicht,    bei 
der  Künstlerge- 
nossenschaft den 
Antrag  auf  Dek- 
kung  des  Fehlbe- 
trages   aus    den 
Ausstellungs- 
erübrigungen 
durchzubringen. 
Bedauerlicher- 
weise    hat    eine 
starke  Gegenströ- 
mung eines  Tei- 
les der  Kunstge- 
nossenschaftsmit- 
glieder  eine  Be- 
teiligung des 
Vereins    an    der 
Ausstellung  im 
Glaspalast  un- 
möglichgemacht. 
Für   Projektie- 
rungsarbeiten zur  Jubiläums-Ausstellung  hatte  der  Aus- 
schuss  einen  Kredit  von  2000  M.  eröffnet  und  nach 
dessen  Verbrauch  sich  eine  Erhöhung  des  Kredits  auf 
5000  Mark  von   der  Generalversammlung  bewilligen 
lassen.  -u- 


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IFORZHEIM.  Nach  dem  Bericht  über  die  Gross- 
herzogliche Kßnstgewerbeschule  für  das  Schul- 
jahr iSggjigoo  betrug  die  Schülerzahl  269, 
gegen  235  im  Vorjahre.  Vom  14.  bis  17.  April  1899 
fand  eine  Ausstellung  von  Schülerarbeiten  statt,  welche 


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C 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


217 


sich  eines  lebhaften  Besuches  von 
Seiten  der  Einwohner,  wie  auch 
von  auswärts  zu  erfreuen  hatte. 
Eine  ständige  Ausstellung  von 
Schülerarbeiten  ist  in  einem  be- 
sonderen Saale  eingerichtet  und 
gewährt  im  grossen  und  ganzen 
einen  Überblick  über  die  Organi- 
sation des  Unterrichts.  Neu  auf- 
genommen wurde  in  den  Lehr- 
plan der  Unterricht  im  Email- 
malen und  Emaillieren  mit  prak- 
tischen Übungen.  Mit  Rücksicht 
auf  den  Besuch  der  Weltausstel- 
lung Paris  1900  durch  die  Leh- 
rer der  Anstalt  sind  die  Studien- 
reisen im  Berichtsjahre  unterblie- 


Naturstudie  (Distel),  von  Maler  A.  ECKHARDT,  Hamburg. 
Kunstgewerbeblait.    N.  F.    XI.    H.  11. 


ben.  Drei  Schüler  haben  sich  auf  Grund 
ihrer  Leistungen  in  der  Schule  und  in 
ihrem  Berufsgeschäft  um  die  Berechtigung 
zum  einjährigen  Militärdienst  beworben 
und  haben  dieselbe  erhalten.  Die  Samm- 
lungen sind  auch  im  Berichtsjahre  erwei- 
tert worden  durch  Ankäufe  von  Vorlage- 
werken und  Modellen,  letztere  bestehend 
in  Gipsabgüssen  allgemeiner  ornamentaler 
und  figuraler  Darstellungen,  in  kunstge- 
werblichen Modellen  in  Metall,  in  Schmuckgegen- 
ständen  und  Naturgebilden.  -u- 

WETTBEWERBE 

BREMEN.  Preisausschreiben  für  Entwürfe  zu 
einem  künstlerisch  eigenartigen  und  zweck- 
mässigen Tafelbesteck  in  Silber,  ausgeschrie- 
ben von  der  Firma  M.  H.  Wilkens  &  Söhne  in 
Bremen  und  Hamburg.  Ausgesetzt  sind  drei  Preise 
zu  500,  300  und  200  M.  Einzusenden  bis  zum 
1.  November  1900.  Nähere  Bedingungen  durch 
den  Direktor  der  Kunsthalle  Dr.  G.  Pauli,     -u- 

DÜSSELDORF.  Zu  dem  durch  den  Central- 
Gewerbe- Verein  ausgeschriebenen  Wettbe- 
werb zur  Erlangung  von  künstlerischen  Ent- 
würfen zu  einem  Plakat  für  die  Rheinisch -west- 
phälische  Industrie-  und  Gewerbe-Ausstellung  in 
Düsseldorf  1902  waren  gegen  900  Entwürfe  einge- 
gangen. Es  erhielten  den  I.  und  II.  Preis  (1200 
und    800    M.)     Martin    Wiegand-München,     den 

III.  Preis  (600  M.)   Ida   Störer- München   und  den 

IV.  Preis  (300  M.)  Hans-Looschen-Berlin.      -u- 

AMBURG.  Zu  dem  Wettbewerb  um  Entwürfe 
zu  einem  Deckengemälde  des  deutschen 
Schauspielhauses  waren  45  Entwürfe  ein- 
gegangen. Professor  Karl  Marr  in  München  wurde 
mit  der  Ausführung  betraut.  Ausserdem  erhielten 
Preise:  Johannes  Leonhard-München,  Georg  Drah 
und    Hugo  Löffler- Wien.     Zum    Ankauf   wurden 

empfohlen  die  Entwürfe 

den    und    Adolf   Closs- 
Stuttgart.  -u- 

R  ADEBEUL.  Wett- 
bewerb um  Ent- 
h  H  würfe  für  Wand- 
malereien im  Rathause 
zu  Radebeul,  ausgeschrie- 
ben von  der  Herrmann- 
Stiftung  für  alle  sächsi- 
schen und  in  Sachsen 
lebenden  selbständigen 
Künstler.  Der  1.  Preis 
(3500  M.)  besteht  in  der 
Ausführung,  der  II.  Preis 
beträgt  500  M.,  der  III. 
Preis  300  M.   Stoff  und 

33 


2t8 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


Romanisches  Haus,  Baurat  SCHWECHTEN,  Berlin. 

Pfeiler-Aulsatz  in  Rackwit/cr  Sandstein  ausgeführt 

von  Bildhauer  P.  HARTMANN,  in  Firma: 

GEBR.  ZEIDLER,  Hofsleinmetzmeister. 


Anordnung  sind  freigestellt,  nur  sind  reine  allegorisctie 
Darstellungen  nicht  erwünscht.  Einzusenden  bis  zum 
1.  Oktober  d.  J.  Näheies  durch  den  Kastellan  der 
Dresdener  Kunstgenossenschaft  (Dresden,  Schöner- 
gasse 4).  -u- 

AUSSTELLUNGEN 

BERLIN.  Prof.  Max  Seliger  hat  in  seinem  Atelier 
im  Kunstgewerbemuseum  zwei  von  der  deut- 
schen Glasniosaikgesellschaft  Puhl  &  Wagner 
ausgeführte  grössere  Mosaikbilder  ausgestellt,  die  einer 
Besichtigung  empfohlen  seien.  Der  Künstler  hat  die 
Kartons  gleichfalls  ausgestellt,  so  dass  sich  ersehen 
lässt,  wie  weit  die  musivische  Ausführung  seinen 
Ideen  gerecht  geworden  ist.  Das  eine  Bild  stellt  die 
Besiegung  des  Bösen  durch  das  Gute  dar.  Die  Fülle 
fein  zusammengestimmter  Farbentöne  in  den  Figuren 
und  Rüstungen  verbindet  sich  harmonisch  mit  dem 
tiefen  Blau  des  Himmelsgrundes,  aus  dem  die  Sterne 
funkeln  und  der  Blitzstrahl  zuckt.  Gross  und  kühn 
giebt  sich  die  Komposition,  entsprechend  dem  Gegen- 
stande, den  sie  darstellt.  Das  zweite  Mosaikbild  stellt 
Christus  am  Kreuz  dar  —  eine  Figur  voll  tragischer 
Grösse  und  heiligen  Schmerzes.  Auch  hier  ist  die 
Farbenstimmung  eine  musterhafte.  Während  in  der 
Figur  des  Gekreuzigten  die  Farbe  nur  ernste  Klänge 
anstimmt,  schlägt  sie  in  der  Gruppe  der  reich  ge- 
wappneten Kriegsknechte  volltönende  Accorde  an. 
Nächst  dem  Künstler  verdient  die  Werkstatt,  in  der 
die  musivische  Arbeit  ausgeführt  wurde,  Anerkennung. 
Mit  hoher  Feinheit  ist  sie  den  Intentionen  ihres  Auf- 
traggebers gerecht  geworden.  Was  in  den  Kartons 
an  Tönen  .gegeben  ist,  findet  sich  auch  im  Mosaik 
getreulich    wiedergegeben.      Dabei    ist   die  Wirkung 


auf  das  Grosse  und  Monumentale  stets  im  Auge  be- 
halten, sowie  die  musivische  Flachheit  nach  Gebühr 
angestrebt  worden.  Mit  einem  gewissen  Stolz  nimmt 
man  wahr,  zu  welcher  Höhe  der  Leistungen  in 
einigen  Jahrzehnten  unser  deutsches  Glasmosaik  empor- 
gestiegen ist,  und  wie  wir  nicht  mehr  nötig  haben, 
unseren  Tribut  auf  diesem  Gebiete  Venedig  zu  ent- 
richten, wo  bekanntlich  einst  Salviati  die  alte  Technik 
wieder  ins  Leben  gerufen  hatte.  Erwähnt  mag  noch  sein, 
dass  die  beiden  Mosaikbilder  für  die  neue  romanische 
Garnisonkirche  in  Dresden  bestimmt  und  von  dem 
sächsischen  Kriegsminister  Frhr.  von  Planitz  gestiftet 
sind.  Erbauer  der  Kirche  sind  die  Architekten  von 
Lossow  und  Viehweger. 

GÖTE- 
BORG 
Eine    ■ 
Schwedische 
Buchgewer- 
be-Ausstel- 
/««^findetin 
Verbindung 
mit  der  Jah- 
resversamm- 
lung des  A!l- 
gemeinen 
Schwedi- 
schen Buch- 
druckerei- 
Vereins  und 
zugleich   als 
Huldigungs- 
feier für  Jo- 
hann Guten- 
berg's    500- 
jährigen  Ge- 
burtstag    in 
der  Zeit  vom 
15.  Juli  bis 
1 .  September 
d.  J.  in  Go- 
tenburg statt. 
Die  Ausstel- 
lung wird  in 
grossen  Zü- 
gen eine 
übersicht- 
liche Darstel- 
lung von  der 
Entwicklung 
des  Buchge- 
werbes, von 
der  Erfin- 
dung der 
Buchdruk- 
kerkunst    an 
bis  zu  ihrem 
gegenwärti- 

,  ,  '         Sandsteinfigur,  ausgeführt  von  Bildhauer 

punkte,  p.  HARTiWANN,  Berlin. 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


2IQ 


Romanisches  Haus,  Baurat  SCHWECHTEN,  Berlin. 

Pfeiler-Aufsatz  in  Rackwitzer  Sandstein  ausgefülirt 

von  Bildliauer  P.  HARTMANN,  in  Firma; 

OEBR.  ZEIDLER,  Hofsteinmetzmeister. 


geben.  Die  Ausstellung  wird  umfassen:  i.  Drucke  von 
der  ältesten  Zeit  bis  zur  Gegenwart,  2.  Bucheinbände, 
3.  a)  Originalzeichnungen  für  Buchillustration,  sowie 
Kompositionen  für  Buchschmuck,  b)  Oiaphische  Künste, 
c)  Cliche-Erzeugnisse.  -u- 

VERMISCHTES 

PARIS.  Das  Modell  der  Ausstellungs-Qedenk- 
Medaille  ist  von  Roty  in  folgender  Anordnung 
entworfen  worden.  Das  endende  Jahrhundert 
ist  auf  derselben  durch  eine  Frauengestalt  dargestellt, 
die  die  Fackel  des  Fortschritts  hoch  emporhält.  Ein 
junger  geflügelter  Genius  eilt  herbei,  um  die  Fackel 
zu  erfassen.  In  einem  'Sonnenstrahle,  der  die  Zweige 
einer  Eiche  umstrahlt,  auf  die  sich  das  alternde  Jahr- 
hundert erschöpft  stützt,  liest  man  die  beiden  Jahres- 
zahlen: ,,1801  —  1900".  Die  Rückseite  der  recht- 
eckigen, 50  mm  hohen  Medaille  zeigt  einen  mit 
Rosen  durchflochtenen  Lorbeerzweig  über  den  Worten : 
»Exposition  universelle  internationale  de  1900.  Paris  , 
ferner  eine  Perspektive  der  Avenue  Alexander  III,  von 
den  Champs-Elysees  aus  genommen.  -u- 

ZU  UNSERN  BILDERN 

Die  Gebäude  der  fremden  Staaten  auf  der  Welt- 
ausstellung in  Paris  sind  alle  an  der  Seine  am 
Quai  d'Orsay,  zwischen  Pont  des  Invalides  und 
Pont  de  i'Alma  errichtet  worden  und  weisen,  dicht 
aneinander  gereiht,  eine  ganze  Musterkarte  der  ver- 
schiedensten Baustile  und  der  Bauformen  der  ver- 
schiedenen Länder  auf.  Der  Baumeister  des  deutschen 
Hauses,  Post- Bauinspektor  J.  Radke,  hatte  für  die 
äussere  Gestaltung  des  Hauses,  das  von  einem  über 
60  m  hohen  Turme  überragt  wird,    sich  an  gotische 


und  Frührenaissanceformen  angelehnt;  war  aber  durch 
die  Zweckbestimmung  des  Hauses,  das  im  Innern 
eine  Reihe  von  Ausstellungsgegenständen  aufnehmen 
musste,  genötigt,  da  und  dort  diese  mittelalterlichen 
Bauformen  Grössenverhältnissen  anzupassen,  die  wir 
an  alten  Bauwerken  natürlich  nicht  zu  sehen  gewohnt 
sind.  Die  vier  Fassaden  des  Hauses  wurden  von 
Maler  Böhland,  Berlin,  mit  vielfarbigen,  ornamentalen 
Malereien  geschmückt.  Auch  das  Innere,  insbesondere 
das  grosse,  monumental  gehaltene  Treppenhaus  erhielt 
farbigen  Schmuck.  Die  Malereien  der  Decke  des 
Treppenhauses,  wie  das  Lünettenbild  der  Abschluss- 
wand  des  ersten  Stockwerkes  wurden  von  Maler 
Wittig-Charlottenburg  (s.  Abb.  S.  207  und  S.  213)  in 
vorzüglicher 
Weise  aus- 
geführt und 

zeichnen 
sich      insbe- 
sondere 
durch  ihre 
feine  Farben- 
Stimmung 
aus.     Die 
Frontwand 
des  Treppen- 
hauses er- 
hielt ein  far- 
biges   Glas- 
fenster   von 
Maler  Lüthi 
in  Frankfurt 
a.  M.,  wäh- 
rend die  aus 
den   Abbild. 
S.  205   und 
S.    207    er- 
sichtlichen 
Wandbilder 
von  Prof. 
Gussmann, 
Dresden,  ge- 
maltwurden. 
Die  doppel- 
arniige  Trep- 
pe ist  in  hel- 
lem  Unteis- 
berger  Mar- 
mor von  der 
Aktiengestll 
Schaft  für 
Marmor  -  In- 
dustrie »Kie- 
fer« in  Kie- 
fersfeldeaus- 
geführt,   die 
Füllungen 
desTreppen- 
geländers 
wie  die  Kan- 

Holahoi-      oiif  Sandsteinfigur,  ausgeführt  von  Bildhauer 

ueidoer      aui  p,  hartmann,  Berlin. 

33' 


220 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


den  Zwischenpodesten  sind  von  Schulz  und  Holde- 
fleiss,  Berlin,  in  Aluminiumbronze  geschmiedet  wor- 
den. Auf  den  Anläufen  der  Treppe  stehen  je  zwei 
aus  dem  Reichstagsgebäude  herrührende,  nach  Pro- 
fessor Vogel's  Modellen  von  de  Kock  in  Berlin  in  Holz 
geschnitzte  Figuren.  Die  Treppe  führt  zu  den  nach 
der  Seine  zu  im  ersten  Stockwerk  gelegenen  vier 
Ausstellungsräumen,  in  welchen  die  aus  der  Kunst- 
sammlung Friedrich 's  des  Grossen  herrührenden 
Kunstwerke  französischen  Ursprungs,  Gemälde,  Mar- 
morbüsten und  Bronzemöbel  ihre  Aufstellung  gefun- 
den haben.  Wir  bringen  in  diesem  Hefte  ein  Bild 
des  grossen  Mittelsaales,  aus  dem  zu  ersehen  ist,  dass 
der  Baumeister  versucht  hat,  die  Ausstattung  des  Rau- 
mes dem  Inhalte  entsprechend  zu  gestalten.  Die  in 
den  Ornamenten  versilberte  Stuckdecke  ist  Motiven 
eines  Saales  aus  dem  Potsdamer  Stadtschlosse  nach- 
gebildet, für  die  Wände  wurde  nach  einem  ahen,  im 
königlichen  Schlosse  schon  verwendeten  Muster  eine 
gelbe  Seidendamastbespannung  eigens  hergestellt.  Die 
Glaslüster  lieferte  die  Aktien-Gesellschaft  für  Fabrika- 
tion von  Bronzewaren,  vorm.  J.  C.  Spinn  &  Sohn,  Berlin. 
Ferner  geben  wir 
in  diesem  Hefte 
noch  einige  Ein- 
zelheiten der  Holz- 
schnitzereien der 
Diele,  welche  wir 
schon  im  vorigen 
Hefte  in  der  Ge- 
samtansicht brach- 
ten, und  welche  in 


der  deutschen  kunstgewerblichen  Abteilung  auf  der 
Weltausstellung  in  Paris  zur  Ausstellung  gelangte. 
Da  die  diesmalige  Pariser  Ausstellung  aus  Platzmangel 
in  allen  Gebäuden  Galerien  anordnete,  so  war  auch 
zur  Verbindung  mit  dem  Erdgeschoss  die  Anlage 
grösserer  Treppen  nötig.  In  der  deutschen  Abteilung 
hat  Professor  Hoffacker  unter  Verzicht  auf  die  ge- 
plante französische  Treppe  zwei  grosse  architektonisch 
reich  ausgestattete  Treppenhäuser  geschaffen.  Das  eine 
dieser  Treppenhäuser  erhielt,  soweit  die  Dimensionen 
bei  einer  Stockwerkhöhe  von  7  m  dies  zuliessen,  den 
Charakter  einer  altdeutschen  Diele.  Die  Decke  wie 
das  Treppengeländer  wurden  von  Professor  Riegel- 
mann, Charlottenburg,  nach  dessen  Entwürfen  reich 
in  Holz  geschnitzt,  ebenso  erhielt  das  Geschoss  zu 
ebener  Erde  Paneel  und  Sitzmöbel  in  Kiefern-  resp. 
Eichenholz.  Professor  Riegelmann  wollte  die  »deutsche 
Jagdo  in  den  einzelnen  Füllungen  des  Geländers,  wie 
den  Schmuckmotiven  der  Treppe  zur  Darstellung 
bringen.  Die  Abbildungen  dieses  wie  des  vorigen 
Heftes  geben  einigermassen  ein  Bild  der  Arbeiten  Riegel- 
mann's.  Als  besondere  Leistung  muss  hervorgehoben 
^^^^  werden,  dass  es 
'•*  .>  .{^9BHi  Riegelmann  gelun- 
gen ist,  bei  der  infol- 
ge besonderer  Um- 
stände so  knappen 
Zeit  von  2V2  Mona- 
ten Entwurf  und 
Ausführung  der 
ganzen  Holz- 
schnitzarbeiten 
herzustellen. 


•^lii% 


Figuren  vom  Treppenhause  der  Diele 

auf  der  deu(sclien  kunstgewerblichen  Abteilung  der  Weltausstellung  in  Paris  iQoo. 

Holzschnitzerei  von  Professor  O.  RIEGELMANN,  Charlottenburg. 

(s.  S.  189  des  lfd.  Jahrg.) 


Herausgeber  und  für  die  Redaktion  verantwortlich:  Professor  Karl  Hoffacker,  Architekt  in  Charlottenburg- Berlin. 

Druck  von  Ernst  Hedrich  Nachf.,  G.  tn.  b.  H.,  Leipzig. 


Kunstgewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  12. 


Hauptfront  der  deutschen  kunstgewerblichen  Abteilung  auf  der  Weltausstellung  in  Paris  1900. 
Architekt:  Professor  KARL  HOFFACKER,  Charlottenburg. 


Kopfleiste,  gezeichnei  von  HELENE  VARGES,  Berlin. 


DAS  KUNSTGEWERBE 
AUF  DER  PARISER  WELTAUSSTELLUNG 


II. 


DIE  deutsche  Abteilung,  deren  imponierender  und 
harmonischer  Aufbau  in  der  Juni -Nummer 
beschrieben  worden  ist,  befindet  sich,  von  der 
Seine  aus  gerechnet,  fast  am  Ende  des  rechten  Palastes 
der  Invaliden-Esplanade.  Den  noch  übrigen  Raum  hin- 
ter ihr  haben  sich  Russland  und  Belgien  geteilt  und  zwar 
so,  dass  Russland  die  Galerien  und  die  Hälfte  des 
Platzes  zu  ebener  Erde,  also  etwa  zwei  Drittel  des 
Ganzen  einnimmt.  Ein  monumentales  Thor  schliesst 
seine  Ausstellung  gegen  die  belgische  ab.  Links  vom 
Mittelgang  enthält  ein  hoher  Glasschrank  einige  der 
wertvollsten  Erzeugnisse  der  verschiedenen  kaiserlichen 
Manufakturen  zu  Petersburg.  Mehr  ein  Kuriosum  ist 
die  in  Marmor  und  Edelsteinen  ausgeführte  Karte  von 
Frankreich,  ein  Geschenk  des  Zaren  an  die  Republik. 
Andere  wertvolle  Gegenstände  der  kaiserlichen  Fabri- 
ken in  edlem  Material  finden  wir  im  Pavillon  der 
kaiserlichen  Domänen  im  sibirischen  Palaste  des  Tro- 
cadero.  Schmucksachen  und  Gefässe  in  Jaspis,  Ne- 
phrit u.  s.  w.  hat  ferner  Faberge  ausgestellt.  Einen 
grossen  Raum  nehmen  die  bekannten  Email-  und 
Filigranarbeiten  im  byzantinischen  Geschmacke  ein; 
die  Firma  Owtschinnikoff,  von  der  auch  zwei  Riesen- 
altäre herrühren,  hat  allein  mehrere  Schränke  voll 
ihrer  Erzeugnisse  ausgestellt.  In  einer  Ecke  machen 
uns  Photographien  und  Erklärungen  die  Herstellung 
des  riesigen  schmiedeeisernen  Gartenthores  für  den 
kaiseriichen  Winterpalast  anschaulich,  das  unter  den 
Skulpturen  der  Champs-Elysees  seine  Aufstellung  ge- 
funden hat.  Ausserdem  enthält  die  Ausstellung  Bron- 
zen, Moskauer  Porzellan  und  solches  von  der  finn- 
ländischen  Fabrik  Arabia  in  Helsingfors,  Krystall- 
waren  und  sehr  eigentümliches  Bauernsteinzeug  von 
dem  Künstler  Golowin,  unter  anderem  einen  hölzer- 


nen Waschtisch  mit  eingelegtem  Mosaik  und  origi- 
nellem Geschirr  und  eine  Bowle  in  Form  einer  Henne. 
Golowin  gehört  zu  einer  Gesellschaft  russischer  Kunst- 
freunde und  Künstler,  die  die  weitverbreitete  bäuerliche 
Hausindustrie  zu  heben  suchen,  indem  sie  unter  An- 
lehnung an  die  besten  Erzeugnisse  früherer  Zeiten 
den  Bauern  Zeichnungen  und  Material  für  Möbel, 
Stickereien,  Thonwaren,  Damaszierungen  u.  s.  w.  liefern. 
Eine  reiche  Sammlung  dieses  bäuerlichen  Kunstge- 
werbes findet  man  in  dem  an  den  sibirischen  Palast 
angebauten  sogenannten  'Russischen  Dorfe«,  dessen 
Architekt  Korowin  sich  hauptsächlich  Häuser  und 
Kirchen  des  Gouvernements  Archangel  zum  Muster 
genommen  hat.  Die  oberen  Galerien  der  russischen 
Abteilung  in  den  Invaliden  werden  zum  grossen  Teil 
von  Arbeiten  der  Kunstgewerbeschule  des  Barons 
Stieglitz  zu  Petersburg  eingenommen.  Hingewiesen 
sei  ferner  auf  die  Stickereien  und  Handwebereien  der 
Moskauer  Firma  Tschokoloff,  unter  denen  sich  man- 
ches Eigenartige  befindet. 

Die  Ausstellung  Belgiens,  das  in  der  Entwicklung 
des  modernen  Kunstgewerbes  eine  so  wichtige  Rolle 
gespielt  hat,  bringt  eine  grosse  Enttäuschung.  Die 
meisten  grossen  Firmen  sind  überhaupt  nicht  vertreten 
und  an  ihrer  Stelle  macht  sich  billige  Jahrmarktware 
breit.  Gut  und  reichhaltig  haben  eigentlich  nur  die 
Fayencefabrik  von  Boch,  die  fast  alle  Arten  der  mo- 
dernen Kunsttöpferei  hervorbringt,  und  der  Juwelier 
Hoosemans  in  Brüssel  ausgestellt.  Von  letzterem 
seien  ausser  dem  grossen  Tafelaufsatz  ein  paar  Leuchter 
hervorgehoben,  bei  denen  nackte  weibliche  Figuren 
in  Elfenbein  sich  mit  dem  matten  Silber  reizend  ver- 
binden. Wenn  wir  ausserdem  den  grossen  dreiteiligen, 
nach    einem    Karton    von  Oeets    hergestellten  Wand- 

34* 


224 


DAS  KUNSTGEWERBE  AUF  DER  PARISER  WELTAUSSTELLUNG 


Bninnennische  in  der  deutschen  kunstgewerblichen  Abteilung  auf  der  Weltausstellung 
in  Paris  igoo.     Entworfen  von  Prof.  O.  OUSSMANN,  Dresden. 


feppicli  der  Mechelner  Manufaktur  Braquenie,  den 
monumentalen  Kamin  aus  Sarrancolin-Marmor  der 
Firma  Evrard  Leonce  in  Brüssel  und  die  Möbel  von 
Rosel  nennen,  so  ist  die  Summe  des  Beachtenswerten 
wohl  erschöpft.  In  dem  Annexbau  befindet  sich  noch 
ein  hübsches  vlämisches  Speisezimmer  nach  Entwürfen 
des  Brüsseler  Architekten  van  Massenhove. 

Nördlich  der  deutschen  und  zur  Hälfte  in  sie 
hineingebaut  liegt  die  Abteilung  der  Vereinigten 
Staaten.  Es  ist  eigentümlich,  dass  die  Amerikaner 
bei  der  äusserlichen  Ausschmückung  und  Abgrenzung 
ihrer  sämtlichen  Sektionen  sich  das  klassischste  Motiv 
von  allen  ausgesucht  haben,  von  goldenen  Lorbeer- 
guirlanden  umwundene  weisse  korinthische  Säulen, 
deren  Gebälk  in  gewissen  Abständen  mit  dem  Sternen- 
banner geziert  ist.  Ihre  kunstgewerbliche  Abteilung 
besteht  aus  einem  mit  Glasmalereien  geschmückten 
Centralbau,  um  den  sich  offene  Säulengalerien  grup- 


pieren. Die  Haupteingänge  tragen  den 
amerikanischen  Adler,  ihre  Bogenfelder 
sind  mit  nicht  sehr  bedeutenden  allegori- 
schen Malereien  geschmückt.  Der  sehens- 
werteste Raum  ist  derjenige  der  Kunst- 
töpfereien. Er  enthält  die  Erzeugnisse  von 
zwei  Fabriken,  von  denen  die  eine  zum 
allerersten  Male  in  Europa  auftritt  und  die 
andere  zwar  schon  i88g  eine  goldene 
Medaille  errungen  hat,  seitdem  aber  in 
jeder  Weise  fortgeschritten  ist.  Die  Grueby- 
Fayencen  sind  in  der  Mehrzahl  ganz 
schlichte  mattgrüne  Vasen  mit  grossen 
Blattornamenten,  deren  ganz  feines  Cra- 
quele  an  die  Maserung  wirklicher  Blätter 
erinnert,  die  Rookwood-Töpfereien  dagegen 
sind  unterglasierte  Fayencen,  bei  denen 
der  Dekor  ~  meist  ziemlich  einfache 
Blumen  leicht  erhaben  ist.  Bevorzugte 
die  Fabrik  früher  dunkle  Farben,  z.  B. 
Verbindungen  von  tiefem  Rot  und  Grün 
oder  von  Gelb  und  Schwarz,  so  sind  ihre 
neuesten  Vasen  meist  in  ganz  lichten, 
zarten  rosa,  grünen  oder  violetten  Tönen 
gehalten,  die  zum  Teil  an  die  Porzellane 
von  Roerstrand  erinnern.  Seltener  ange- 
wendete Spezialitäten  sind  ihre  auf  galva- 
nischem Wege  erzeugten  Metallverzie- 
rungen und  ihr  an  japanische  Lackarbeiten 
erinnernder  Goldschimmer.  Dem  Pottery- 
room  gegenüber  liegt  ein  Raum  mit  Er- 
zeugnissen von  Louis  Tiffany.  Neben 
den  bekannten  prächtigen  Gläsern  und 
Glasmalereien  sind  mehrere'grosse  Lam- 
pen mit  trefflich  patinierten  Bronzefüssen, 
ein  grosser  Glasmosaik-Fries  und  die  ganz 
neuen  Bronzegefässe  mit  Emaildekor  zu 
beachten.  Nächstdem  treten  besonders  die 
Ausstellungen  der  Juweliere  Gorham  &  Cil. 
und  Tiffany  &  0'"=.  hervor,  beide  aus  New 
York.  Landsberg -Chicago  hat  ein  paar 
gute  Schmucksachen  ausgestellt.  Von  Mö- 
beln haben  die  Amerikaner  fast  ausschliess- 
lich Schreibtische,  Schulbänke,  Aktenschränke  und  Bil- 
lards gesandt,  bei  denen  die  rein  praktische  Seite  allein 
ausschlaggebend  ist.  Ein  kleines  Schlafzimmer  mit 
eingelegten  Emails  macht  eine  Ausnahme. 

Auch  die  Engländer  haben  nicht  so  grosse  An- 
strengungen gemacht,  wie  man  es  wünschen  möchte. 
Als  Gesamtheit  entbehrt  ihre  Ausstellung  jeglichen 
Schmuckes.  Am  zahlreichsten  ist  ihre  Beteiligung, 
zumal  wenn  man  die  Einrichtung  des  englischen 
Repräsentationshauses  hinzurechnet,  bei  den  Möbeln. 
Aber  auch  hier  fehlen  einige  der  grössten  Häuser, 
wie  Maple.  Waring  &  Gillow  stehen  an  erster  Stelle. 
Sie  haben  drei  Zimmer  des  englischen  Hauses  aus- 
gestattet und  hier  auf  den  Invaliden  in  einem  mitten 
in  der  Halle  stehenden,  aber  nach  allen  Seiten  ab- 
geschlossenen Viereck  fast  eine  ganze  Wohnungsein- 
richtung zur  Schau  gestellt:  ein  Schlafzimmer  aus 
Atlasholz  im  Sheraton-Stile  mit  feinster  Intarsia,    ein 


Zimmerbrunnen  auf  der  Weltausstellung  in  Paris  1900  (s.  auch  Abbild.  S.  227). 
Entwurf:  Professor  OTTO  RIETH,  Berlin;  Modell:  Bildhauer  ADOLF  AMBERO;  ausgeführt  von  P.  BRUCKMANN  &3SÖHNE,  Heilbronn. 


DAS  KUNSTGEWERBE  AUF  DER  PARISER  WELTAUSSTELLUNG 


227 


munteres  Badezimmer,  ein  mehr  originelles  als  allen 
praktischen  Anforderungen  genügendes  modernes 
Kinderzimmer,  einen  trefflich  gearbeiteten  Speisesaal  in 
einem  Übergangsstil  von  der  jakobianischen  zur  elisa- 
bethanischen  Renaissance,  eine  komfortable  Yacht- 
kabine und  einen  echt  englischen  Landhaus-Drawing- 
room.  Hinter  Waring  und  in  dem  hier  anstossenden 
Seitenflügel  des  Palastes  finden  wir  Möbel  von  John- 
son &  Appleyards,  zwei  behagliche  Schlafzimmer  von 
Heal  &  Son  und  Möbel  in  Citronenholz  von  J.  S.  Henry, 
Waring  gegenüber  gute  Möbel  von  Howard  und  da- 
hinter Büffets,  Bücherschränke  u.  s.  w.  von  den  Bath 
Cabinet  Makers.  Im  englischen  Hause  erregen  haupt- 
sächlich die  Schlaf-  und  Ankleidezimmer  von  Johnson 
&  Appleyards  und  der  Bromsgrove  Guild  Aufmerk- 
samkeit. Ausserdem  verdienen  hier,  um  dies  gleich 
vorwegzunehmen,  besonders  die  von  Morris  nach 
Kartons  des  verstorbenen  Bume-Jones  ausgeführten 
fünf  Wandteppiche  mit  Darstellungen  aus  der  Artus- 
Sage,  die  prächtigen  Vorhänge  und  Bettdecken  der 
königlichen  Stickereischule,  die  von  Elkington  her- 
gestellten Reproduktionen  der  überaus  reichen  silbernen 
Möbel  und  Geräte  aus  Knole  und  Windsor  und  die 
allerdings  fast  ausschliesslich  retrospektive  Ausstellung 
der  königlichen  Porzellan  -  Manufaktur  zu  Worcester 
Beachtung.  Neben  Waring  und  Howard  haben,  um 
zur  Invaliden  -  Esplanade  zurückzukehren,  die  Gold- 
smiths and  Silversmiths  Company  und  die  Juweliere 
Mappin  Brothers  in  Sheffield  besondere  Räume.  Das 
Hauptstück  der  ersteren  ist  ein  aus  neun  Stücken 
bestehender  silberner  Tafelaufsatz 
mit  Nereiden.  Ferner  befinden  sich 
hier  die  Ausstellungen  einiger  kera- 
mischer Fabriken,  so  besonders 
von  Doulton  &  Co.  und  von  Elton 
(Clevedon).  Die  auf  den  Galerien 
und  in  dem  oben  erwähnten  Seiten- 
flügel ausgestellten  Gegenstände 
sind  zum  grössten  Teil  rein  in- 
dustrieller Natur.  Doch  finden  wir 
in  dem  letzteren  noch  gute  Tep- 
piche, Tapeten  und  bedruckte  Stoffe 
und  den  reizenden  kleinen  Pavillon 
der  Benson'schen  Kupfergeschirre 
und  Beleuchtungsgegenstände.  Ben- 
son's  Apparate  für  die  elektrische 
Beleuchtung  sind  nicht  hier,  son- 
dern im  Elektrizitäts- Palaste  zu 
suchen. 

Die  nun  folgende  italienische 
Abteilung  macht  einen  ziemlich 
trostlosen  Eindruck.  Auch  sie  um- 
fasst  nur  einen  Teil  des  Kunst- 
gewerbes, da  die  ganze,  äusserst 
umfangreiche  Keramik- Ausstellung 
und  die  Glaswaren  in  dem  grossen 
italienischen  Palast  am  Quai  d'Or- 
say  untergebracht  worden  sind. 
Der  Geschmack  steht  hier  auf 
einer  bedenklich  tiefen  Stufe.  Bei 
den   Möbeln   werden   die  allerver- 


schnörkeltsten  und  allergewundensten  Vorbilder  früherer 
Epochen  kopiert  oder  durch  noch  barockere  neue  Erfin- 
dungen übertrumpft;  die  Marmorhändler  lassen  sich  von 
den  Künstlern  die  allerfadesten  und  allersüsslichsten  Mo- 
delle liefern  und  machen  mit  ihnen  leider  glänzende 
Geschäfte;  die  Keramiker  leisten  technisch  zum  Teil 
Vortreffliches,  wo  sie  alte  Vasen  und  Teller  kopieren, 
und  tappen  fast  überall  völlig  unsicher  herum,  wenn 
sie  Neues  bringen  wollen.  Wie  wenig  Geschmack 
auch  die  besseren  Firmen  besitzen,  beweist  das  Bei- 
spiel des  berühmten  Glasfabrikanten  Salviati,  der  in 
die  helle  gotische  Halle  des  Palastes  ganz  massive 
dunkle  Renaissanceschränke  für  seine  Ausstellung  ge- 
setzt hat.  Am  schlimmsten  steht  es  auf  der  Galerie 
des  Invaliden-Palastes,  wo  die  ganz  billigen  venezia- 
nischen Schmucksachen  feilgehalten  werden.  Man 
glaubt  hier  wirklich  in  einem  Bazar  und  nicht  auf 
einer  Weltausstellung  zu  sein,  bei  der  alle  Völker 
doch  besondere  Ehre  einlegen  wollen.  Im  einzelnen 
wird  der  gewissenhafte  Beobachter  natürlich  manches 
Gute  entdecken,  vorausgesetzt,  dass  er  nicht  vorher 
den  Mut  verliert.  So 
sei  auf  die  unter  dem 

Einflüsse  Tiffany's 
entstandenen  und  zum 
Teil    nicht    übel    ge- 
lungenen neuen  Glä- 
ser von  Salviati,   auf 

die  Schmucksachen 
und  die  Nachbildung 


Mittelpartie  auf  der  Galerie  der  deutschen  kunstgewerblichen  Abteilung. 
Weltausstellung  in  Paris  1900. 


228 


DASfKUNSTGEWERBE  AUF  DER  PARISER  WELTAUSSTELLUNO 


Aus  dem  «Zimmer  eines  Kunstfreundes    in  der  deutschen  kunstgewerblichen  Abteilung  auf  der  Pariser  Weitausstellung  igoo. 
Entworfen  von  Maler  RICHARD  RIEiHERSCHMID,   ausgeführt  von  den  Vereinigten  Werkstätten,  München. 


des  für  die  Kronprinzessin  gearbeiteten  Silbergeschirrs 
des  Juweliers  Giacinto  Melillo  aus  Neapel  und  auf  die 
Fayencen  von  Ruggieri-Pesaro  und  Cantagalli-Florenz 
hingewiesen,  bei  denen  neben  vielem  Geschmacklosen 
doch  manches  Beachtenswerte  zu  finden   ist. 

Die  dänische  Abteilung  bietet  nach  der  italie- 
nischen eine  wahre  Erholung.  Sie  ist  nicht  sehr  reich, 
aber  aufs  sorgfältigste  ausgewählt.  Fast  jedes  Stück 
verdient  Beachtung.  Je  eine  aus  Hartstuck  errichtete, 
mit  gedrungenen  vergoldeten  Ornamenten  sparsam  ge- 
schmückte weisse  Mauer  mit  hohem  Thor  grenzt 
sie  nach  beiden  Seiten  ab.  Im  Mittelpunkt  stehen 
die  prächtigen  Ausstellungen  der  Kopenhagener 
Königlichen  Porzellanmanufaktur  und  der  Manufaktur 
von  Bing  &  Gröndahl.  Mortensen  und  Liisberg  haben 
bei  den  ersteren  wohl  die  schönsten  Stücke  gezeichnet, 
ferner  finden  wir  prächtige  grosse  Vasen  mit  sehr 
stimmungsvollen  Gemälden  von  Rode  («Die  Dämme- 
rung-).     Auch    Tierfiguren    sind    sehr   beliebt.      Die 


Krystallglasuren  scheinen  etwas  abzunehmen,  wahr- 
scheinlich weil  sie  von  den  andeien  Manufakturen 
so  häufig  nachgeahmt  worden  sind.  Dagegen  hat 
man  in  neuester  Zeit,  wohl  zunächst  nur  ver- 
suchsweise, begonnen,  Vasen  in  grauen  und  braunen 
Tönen  herzustellen.  Auch  Bing  &  Gröndahl  haben 
vortreffliche  Tiere  ausgestellt;  famose  Stücke  sind  die 
Eule,  das  Rhinozeros  und  vor  allem  die  Möve  von 
Dalli -Jensen.  Die  Plastik  spielt  im  allgemeinen  hier 
eine  viel  grössere  Rolle  als  drüben.  Willumsen's 
Einfluss  ist  überall  bemerkbar,  besonders  in  der  grossen 
Vase  »Das  Wachstum  <  von  Fräulein  Plockross.  Über- 
haupt ist  die  Nebeneinanderstellung  der  beiden  Fabriken 
sehr  interessant  und  lehrreich.  Hier  die  Betonung 
der  weissen  Masse,  bei  Kopenhagen  fast  alles  farbig; 
hier  die  tiefen  Emailfarben,  dort  ganz  zarte  Töne. 
Originalwerke  von  Willumsen  finden  wir  in  der 
Kollektivausstellung  von  Gegenständen,  die  hauptsäch- 
lich   dem   Kopenhagener   Kunstgewerbe-Museum   an- 


DAS  KUNSTGEWERBE  AUF  DER  PARISER  WELTAUSSTELLUNG 


229 


gehören.  Kunsttöpfereien  haben  Hansen -Jacobsen, 
Petersen,  Frau  Ipsen  und  insbesondere  Kaehler  aus- 
gestellt, der  bei  seinen  lachs-  oder  hummerfarbigen 
oxydierten  Gefässen  nach  sehr  eigenartigen  Formen 
strebt  und  ebenfalls  gern  Tierleiber  verwendet.  Sehr 
schön  ist  sein  Fries  mit  den  über  das  Meer  fliegenden 
Vögeln.  Der  Königlichen  Porzellanmanufaktur  gegen- 
über befindet  sich  die  Ausstellung  des  bekannten 
Goldschmiedes  Michelsen.  Besonders  in  die  Augen 
fällt  hier  der  grosse,  aus  mehreren  Stücken  beste- 
hende silberne  Tafelaufsatz,  ein  Ehrengeschenk  für 
den  König,  der  nach  Zeichnungen  von  Krog  von 
Hannleff  und  Brandstrup  modelliert  worden  ist.  Zu  be- 
achten sind  ferner  die  silbernen  Becher  und  Schalen  nach 
Zeichnungen  von  Bindesböll  und  Slott-MöUer  und  die 
von  Henriksen  mit  geschmackvollem  Gold-  und  Silber- 
dekor versehenen  Porzellanvasen.  Unter  den  Zeichnern 
von  Bucheinbänden  steht  wieder  Bindesböll  an  erster 
Stelle;  ausser  ihm  haben  Skovgaard  und  Jerndorf  treff- 
liche Arbeiten  geliefert.  Endlich  seien  die  Arbeiten  in 
geschnittenem  Leder  von  Cathrine  Hassa- 
ger  erwähnt.  An  Möbeln  enthält  die  Ab- 
teilung nur  eine  Garnitur  in  Rosenholz 
mit  eingelegten  bunten  Blumen  und 
einige  Möbel  nach  Zeichnungen  des 
Malers  Rohde.  Um  zu  sehen,  was  in 
Dänemark  auf  diesem  Gebiete  geleistet 
wird,  muss  man  in  das  kleine  dänische 
Haus  gehen.  Die  Einrichtung  ist  zwar 
sehr  einfach  und  hat  den  Kunsthand- 
werkern nur  in  wenigen  Fällen  Ge- 
legenheit zum  Glänzen  gegeben,  ist  aber 
dafür  ausgezeichnet  zusammengestimmt, 
anheimelnd  und  wohnlich.  Der  Verfasser 
von  »Palastfenster  und  Flügelthür«  würde 
an  ihr  seine  Freude  haben. 

Auf  der  Galerie  schliesst  sich  nörd- 
lich an  Deutschland  Schweden  an.  Sein 
Architekt  hat  die  Abteilung  durch  Quer- 
wände in  sechs  Räume  geteilt  und  diese 
Wände  ebenso  wie  die  hintere  Mauer 
mit  Dachfirstmotiven  von  schwedischen 
Bauernhäusern  geschmückt.  Darunter 
läuft  ein  Fries  von  Kiefern  hin,  die  die 
drei  Kronen  des  Wappens  tragen.  Das 
Ganze  macht  in  seinen  graugrünen  Tö- 
nen einen  ungemein  freundlichen  Ein- 
druck. Den  ersten  Raum  nimmt  die 
Stockholmer  Porzellan-  und  Fayencen- 
Fabrik  Gustafsberg  ein.  Neu  sind  bei 
ihr  die  nach  Zeichnungen  des  Künstlers 
Vennerberg  mit  einfachen  Blattmotiven 
grün  auf  hellgrün  oder  blau  auf  hell- 
blau bemalten  Fayencen.  Dann  folgt  die 
Krystallglasfabrik  von  Kosta,  die  neuer- 
dings Galle'sche  Farben  und  Muster  in 
etwas  vergröbernder  Weise  aber  nicht 
ohne  Glück  nachahmt.  Auch  die  be- 
rühmte Porzellanfabrik  von  Rörstrand, 
deren  reiche  Ausstellung  den  zweiten 
Raum  füllt,  bringt  vieles  Neue.    Grossen 

Kunstgewerbeblatt.    N.  F.    XI.    H.  12. 


Erfolg  haben  die  1 897  zuerst  ausgestellten,  von  Alf  Wal- 
lander entworfenen  Vasen  mit  ganz  lichtem  Blumendekor 
—  Iris,  Alpenveilchen,  Mohn  u.  s.  w.  auf  schwarzem 
Grunde.  Noch  jüngeren  Datums  scheinen  die  Stücke 
mit  gelbem  Dekor  auf  grünem  Grunde  zu  sein. 
Aber  auch  die  älteren  Erzeugnisse  der  Firma  finden 
viele  neue  Freunde.  Im  dritten  Raum  finden  wir 
die  Sammelausstellung  damaszierter  Eisenarbeiten  der 
Fabriken  von  Eskilstuna  in  Södermanland  und  die 
Ausstellungen  der  Stockholmer  Goldschmiede.  Ganz 
besondere  Aufmerksamkeit  verdienen  die  nächsten 
Räume,  in  die  sich  die  Aktiengesellschaft  für  Kunst- 
gewerbe S.  Giöbel  und  die  »Handarbeitsfreunde« 
(Handarbetets  Vänner)  geteilt  haben.  Beide  stellen 
hauptsächlich  Handwebereien  und  Handstickereien 
aus,  Gobelins,  Fussteppiche,  gestickte  Decken,  National- 
trachten u.  s.  w.,  die  alle  in  mehr  oder  minder  freier 
Anlehnung  an  die  neu  belebte  uralte  Bauernindustrie 
von  namhaften  Künstlern  entworfen  sind.  Den  Go- 
belins   liegen  Kartons    von  Alf  Wallander    und  Karl 


Erker  eines  Zimmers  auf  der  deutschen  I;::ns:ge\veihliclicii  Abteilung  der  Pariser 

Weltausstellung  1900.     Entworfen  von  Maler  BERNHARD  PANKOK,  München, 

ausgeführt  von  den  Vereinigten  Werkstätten  für  Kunst  itn  flandwerk,  O.  m.  b.  H.,  München« 

35 


230 


DAS  KUNSTGEWERBE  AUF  DER  PARISER  WELTAUSSTELLUNG 


Ecke  eines  Jagdzimmers  in  der  deutschen  kunstgewerblichen  Abteilung  auf  der  Weltausstellung  in  Paris  1900. 

Entworfen  von  Maler  BRUNO  PAUL, 
ausgeführt  von  den  Vereinigten  Werkstätten  für  Kunst  im  Handwerk,  O.  m.  b.  H.  lV\ünchen. 


Larsson  zu  Grunde.  Ersterer  zeichnet  rein  dekorativ, 
letzterer  erstrebt,  besonders  in  dem  trefflichen  »Krebs- 
fang« mehr  bildähnliche  Wirkungen.  Giöbel  stellt 
ausserdem  einige  Stühle  und  Bauernschnitzereien  aus. 
Den  Beschluss  der  schwedischen  Abteilung  machen 
Möbel,  unter  denen  ein  gewaltiger  reichgeschnitzter 
und  im  Innern  mit  prächtigstem  Intarsia  geschmückter 
Maliagonischrank  von  Boberg  Aufsehen  erregt. 

Die  durch  keinerlei  architekturale  Gliederung  aus- 
gezeichnete spanische  Abteilung  ist  sehr  ärmlich. 
Sie  enthält  hauptsächlich  Damaszierungen  und  In- 
krustationen von  Gold  in  Stahl,  zum  Teil  auch  in 
Silber  in  allen  erdenklichen  Stilarten,  pompejanisch, 
persisch,  maurisch,  Renaissance,  ohne  einen  Ansatz  zu 
Neuem  und  Eigenartigem;  ferner  einige  Rokoko-  und 
maurische  Möbel. 

Dagegen  macht  sich  Norwegen  schon  von  weitem 
vorteilhaft  bemerkbar.  Der  Architekt  Fin  Hörn  hat 
aus  holzgeschnitzten  Motiven  von  romanischen  Kir- 
chenportalen eine  ungemein  reizvolle  Einfassung  in 
rotbrauner  Tönung  geschaffen.  In  drei  Zweigen 
zeichnet  sich  das  nordische  Kunstgewerbe  noch  immer 
aus,  in  der  Handweberei  und  Stickerei,  in  der  Gold- 
schmiedekunst und  in  der  Holzschnitzerei.  Wir  ge- 
langen zunächst  zu  einem  Räume  mit  Möbeln  von 
Borgerson,  unter  denen  einige  trefflich  gelungene 
Nachbildungen  alter  Bauernsessel  in  romanischem 
Stil  besonders  auffallen.  Nebenan  befindet  sich  die 
Ausstellung  der  vom  Staate  unterstützten  nordischen 
#Hausfleissvereinigung«     in    Christiania,    deren    Be- 


strebungen denen  der  schwedischen  Handarbeitsfreunde 
ähneln,  aber  sich  auf  viel  mehr  Industriezweige  er- 
strecken. An  erster  Stelle  stehen  auch  hier  gewebte 
Wandteppiche  und  Fussteppiche,  Tischdeken,  Vor- 
hänge, Kissen  und  Sofabezüge,  zum  Teil  nach  alten 
bäurischen  Mustern,  zum  Teil  nach  Zeichnungen 
von  Gerhard  Muntlie,  Holmboe,  Fräulein  Aubert  und 
anderen;  dann  Stickereien  und  Hardanger-Spitzen, 
zum  Teil  von  ausserordentlicher  Schönheit.  Einen 
grossen  Raum  nehmen  auch  die  Holzschnitzereien 
ein,  Stühle  und  Fussbänke,  allerlei  Etuis,  Bierkrüge 
und  Trinkhörner,  Messer,  Salatbestecke  u.  s.  w.  Echt 
norwegisch  sind  die  mit  grellen  Blumenmustern  bemal- 
ten Kindermöbel,  Schüsseln  und  Kannen.  Weitere  ähn- 
liche Arbeiten  befinden  sich  in  einem  Nebenzimmer.  Auf 
der  nun  folgenden  Galerie  ist  die  Wand  mit  Teppichen 
behängt,  die  zum  grössten  Teil  in  der  erst  1897  ge- 
gründeten nordischen  »Billedvaeveri«  zu  Christiania 
hergestellt  sind.  Zwei  Künstler  treten  hier  in  den 
Vordergrund,  die  Leiterin  der  Anstalt  Frida  Hansen 
und  Gerhard  Munthe.  Frida  Hansen  ist  zarter,  lieb- 
licher, gewinnt  rascher,  wirkt  aber  auf  die  Dauer 
leicht  ein  wenig  flau.  Besser  als  ihre  grossen  Gobelins 
»Der  Tanz  der  Salome«  und  »Die  klugen  und  thö- 
richten  Jungfrauen«  sind  die  Vorhänge  mit  einfachen 
grossen  Blumenmustern,  insbesondere  die  transpa- 
renten. Dagegen  wirken  die  Munthe'schen  Teppiche, 
insbesondere  der  grosse  »Einzug  König  Sigurd's  in 
Konstantinopel«  um  so  grossartiger,  je  öfter  man  sie 
sieht.     Es  sind  meines  Erachtens  weitaus  die  hervor- 


DAS  KUNSTGEWERBE  AUF  DER  PARISER  WELTAUSSTELLUNG 


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ragendsten  Versuche  einer  wirklich  neuen  Teppich- 
kunst. Vor  den  Teppichen  befindet  sich  eine  reiche 
Ausstellung  von  Werken  des  in  Deutschland  ge- 
borenen und  in  Paris  lebenden  Kunsttöpfers  St.  Lerche, 
der  bei  seinen  zum  Teil  an  Paiissy  anknüpfenden 
Fayencen  und  Steinzeug  viel  metallische  Verzierungen 
anwendet  und  auch  mehrere  selbständige  Arbeiten  in 
Bronze  und  Zinn  ausgeführt  hat.     Unter  den  Gold- 


sich Österreich  und  Ungarn  an,  die  demnächst  in 
einem  besonderen  Artikel  behandelL  werden  sollen. 
Geht  man  oben  durch  die  österreichische  Abteilung 
hindurch  auf  die  andere  Seite  des  Palastes  hinüber, 
so  gelangt  man  zur  Ausstellung  Hollands.  Die  De- 
koration ist  einfach  und  freundlich,  Geländer  in  leicht 
geschwungenen  Linien  aus  hellem  Holz,  hier  und  da 
mit  mattgrünen  Sammetstoffen  bespannt.     Mindestens 


Raum  auf  der  deutschen  kunstgewerblichen  Abteilung  der  Pariser  Weltausstellung  1900. 
Möbel  im  Besitz  Sr.  Maj.  des  deutschen  Kaisers. 


schmieden  ragt  Tostrup  -  Christiania  weit  über  die 
anderen  hinaus,  dessen  aus  translucidem  Email  in 
feinstem  Cloisonne  ausgeführte  Vasen,  Schalen  und 
Schmuckkästchen  sich  den  Arbeiten  des  bekannten 
Franzosen  Thesmar  würdig  an  die  Seite  stellen. 
Ausserdem  sei  auf  die  seit  einigen  Jahren  rühmlichst 
bekannten  Lederarbeiten  der  Frau  Thaulow  hin- 
gewiesen. 

Unten  an  Dänemark,  oben  an  Norwegen  schliessen 


die  Hälfte  der  gesamten  Ausstellung  wird  von  den 
Fayencen  in  Anspruch  genommen.  Am  meisten  tritt 
die  Delfter  Fabrik  Thooft  &  Labouchere  hervor. 
Man  ist  hier  bekanntlich  in  den  letzten  Jahren  zu 
den  von  den  alten  Delfter  Fabriken  angewendeten 
Malereien  auf  Zinnemail  zurückgekehrt,  giebt  aber 
jetzt  den  blauen  Dekor  immer  mehr  zu  Gunsten 
eines  polychromen  auf.  Besonders  beliebt  sind  stark 
impressionistische   Malereien   in  Zusammenstellungen 

35* 


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DAS  KUNSTGEWERBE  AUF  DER  PARISER  WELTAUSSTELLUNG 


Raum  in  der  deutschen  kunstgewerblichen  Abteilung  auf  der  Pariser  Weltausstellung  looo. 

Entworfen  von  Professor  PAUL  PFAUN, 

Schreinerarbeiten  ausgeführt  von  WENZEL  TILL,  München. 


von  grauen,  braunen,  grünen,  und  gelben  Tönen. 
Unter  den  Künstlern  stehen  Le  Comte  und  Senf 
obenan.  Der  amüsanteste  und  originellste  aber  ist 
Bodart,  der  auch  ein  paar  reizende  Tintenfässer  ent- 
worfen hat.  Neu  sind  die  Jakoba-Fayencen,  bei 
denen  der  Dekor  vor  dem  ersten  Brande  eingraviert 
und  nach  diesem  mit  Email-  und  Scharffeuerfarben 
bedeckt  wird;  sie  finden  hauptsächlich  bei  grossen 
Vasen,  Jardinieren,  Kacheln  und  Mosaikgemälden  Ver- 
wendung. Endlich  stellt  die  Fabrik  ganz  neuerdings 
Wanddekorationen  in  Steinzeug  her,  bei  denen  die 
einzelnen  Stücke  nicht  quadratisch  sind,  sondern  sich 
in  der  Form  der  Zeichnung  anschmiegen.  Hinter 
Delft  finden  wir  die  Fabrik  Rozenburg,  die  für  die 
Weltausstellung  eine  grosse  Überraschung  vorbereitet 
hat.  Ihr  Direktor  Kok  hat  nämlich  im  vorigen  Jahre 
nicht  nur  eine  neue  Porzellanmasse  erfunden,  in  der 
sich  Gefässe  von  einer  an  die  chinesische  »coquille 
d'oeuf«  erinnernden  Leichtigkeit  und  Transparenz  her- 


stellen lassen,  sondern  für  diese  neuen 
Gefässe  auch  neue  Formen  und  neue 
Ornamente  entworfen.  Grosse  Blu- 
men, besonders  Disteln,  Schmetter- 
linge, ausländische  Vögel,  Pfauen, 
Drachen  herrschen  vor,  oft  ist  der 
Dekor  aber  auch  völlig  frei.  Immer 
ist  er  mit  der  grössten  Leichtigkeit 
und  ganz  impressionistisch  aufgetra- 
gen. Unter  den  Farben  spielen  Schwarz, 
Rubinrot,  Lila  (mauve)  neben  Grün 
und  Gelb  eine  grosse  Rolle,  also 
Farben,  die  noch  nie  auf  Porzellan 
zur  Verwendung  gekommen  sind.  Die 
gegenüber  ausgestellten  Rozenburger 
Fayencen  sind  gut  bekannt.  Die  üb- 
rigen Fabriken  haben  geringere  Be- 
deutung. Neben  der  Keramik  ist  ein 
echtes  Hindelooper  Zimmer  mit  sei- 
nen bunten  Möbeln  aufgebaut  worden. 
Ausserdem  sei  auf  das  nach  Zeich- 
nungen des  Architekten  Berlage  van 
Hillen-Amsterdam  ausgeführte  Speise- 
zimmer, auf  die  Schmiedearbeiten  von 
Braat  in  Delft,  die  Kirchenfenster 
von  Schonten,  die  Batik-Stoffe  aus 
dem  Haag  und  die  Möbel  von 
Tekstra  hingewiesen.  Von  den  Silber- 
schmieden hat  Begeer-Amsterdam  ein 
sehr  anmutiges  Kaffeeservice  ausge- 
stellt. Über  die  anschliessende  portu- 
giesische Abteilung  auch  nur  ein  Wort 
zu  verlieren,  wäre  schade. 

Hinter  der  österreichischen  und 
unter  der  holländischen  befindet  sich 
die  reichhaltige  japanische  Sektion. 
Sie  bietet  insofern  eine  Enttäuschung, 
als  sie  kaum  irgend  etwas  Neues  und 
Überraschendes  bringt.  Allein  wenn 
man  im  Grand  Palais  der  Ausstellung 
gesehen  hat,  zu  welch  unpersönlicher 
und  langweiliger  Nachahmung  euro- 
päischer Kunstweisen  die  »modernen«  japanischen  Be- 
strebungen auf  dem  Gebiete  der  Malerei  geführt  haben, 
kann  man  dies  nicht  bedauern.  Ebenso  ist  es  im  Inter- 
esse des  europäischen  Gewerbes  nur  freudig  zu  be- 
grüssen,  dass  die  Japaner  ihre  Preise  ganz  gehörig  in 
die  Höhe  geschraubt  haben.  Von  »blosser  Marktware« 
aber  zu  reden  ist  durchaus  ungerecht,  da  die  Technik 
auf  vielen  Gebieten  immer  noch  auf  einer  von  den 
Europäern  noch  längst  nicht  erreichten  Höhe  steht 
und  inbesondere  eine  ganze  Reihe  Prachtstücke  im 
Werte  von  Zehntausenden  von  Mark  ausgestellt  sind, 
macht  sich  die  billige  und  schlechte 
wie  nicht  geleugnet  werden  soll,  auch 
ist,  bei  ihnen  lange  nicht  in  der  Weise 
in  Italien,  Spanien,  Belgien,  Ungarn 
in  ein  oder  zwei  Räumen  der  deutschen 
bei  denen  der  für  ein  Machtwort  geeignete 
Augenblick  leider  verpasst  worden  war.  Das  äussere 
Arrangement  ist   höchst  dürftig,  schmucklose  braune 


Jedenfalls 
Ware,    die, 
vorhanden 
breit     wie 
und  selbst 
Abteilung, 


DAS  KUNSTGEWERBE  AUF  DER  PARISER  WELTAUSSTELLUNG 


233 


Glasschränke  stehen  in  langen  Reihen 
nebeneinander.  Gute  Arbeiten  sind 
insbesondere  bei  den  Bronzen  und 
Lackarbeiten ,  dann  aber  auch  bei 
den  Elfenbeinschnitzereien  zu  fin- 
den; in  der  sehr  reichhaltigen  ke- 
ramischen Abteilung  werden  sie 
von  den  Erzeugnissen  zweifelhaften 
Wertes  etwas  erdrückt.  Märchen- 
haft schön  sind  einige  der  auf 
dem  Marsfelde  ausgestellten  japani- 
schen Stickereien.  Die  Teppiche  fal- 
len hauptsächlich  durch  ihre  Billig- 
keit auf. 

In  der  Schweizer  Abteilung,  die 
den  Beschluss  macht,  überwiegen 
gänzlich  die  Gewerbszweige,  die 
in  der  deutschen,  als  kein  wesentliches 
künstlerisches  Interesse  bietend,  in  den 
Annexbau  verbannt  worden  sind.  An 
erster  Stelle  stehen  natürlich  die 
Uhren,  für  die  in  dem  Hauptraum 
ein  mächtiger  Holzbau  in  der  Form 
einer  durchbrochenen  Kuppel  errichtet 
worden  ist  Das  Bestreben,  die  Ge- 
häuse der  Taschenuhren  künstlerisch 
zu  gestalten,  macht  sich  fast  überall 
bemerkbar,  hat  aber  nur  ganz  selten 
zu  einem  befriedigenden  Ergebnis 
geführt.  Ebenso  findet  man  unter 
den  Filigranarbeiten,  Inkrustationen, 
Schmucksachen  und  Emailmalereien 
kaum  etwas  Beachtenswertes.  Gut 
sind  ein  paar  Glasmalereien  und  die 
Medaillen  von  Hans  Frei  in  Basel, 
ganz  belanglos  dagegen  die  Kera- 
mik und  die  Holzschnitzereien.  Hier 
ist  der  Ausdruck  »Marktware  am 
Platze.  Wenigstens  erwähnt  seien 
die  von  den  Brienzer  Holzschnitzerei- 
schülern und  den  Genfer  Tapezierlehrlingen  herge-  Teil  dieses  Palastes  nimmt  die  französische  keramische 
stellten  Zimmer.  Den  hier  anschliessenden  nördlichsten      Abteilung  ein.  WALTHER  GENSEL. 


Raum  in  der  deutschen  kunstgewerblichen  Abteilung  auf  der  Pariser  Weltausstellung  1900. 

Entworfen  von  Professor  PAUL  PFAUN, 

Schreinerarbeiten  ausgeführt  von  WENZEL  TILL,  München. 


Druckverzicrung,  gezeichnet  von  ELLY  HIRSCH,  Berlin. 


Aus  dem  einen  Treppenhaus  de^    deutschen  kunstgewerblichen    Abteilung  auf  der  Weltausstellung  in  Paris  1900. 
Architekt:  Professor  KARL  HOFFACKER,  Charlottenburg. 


Ansicht  der  Galerie  des  einen  Treppenhauses  in  der  deutschen  kunstgewerblichen  Abteilung  auf  der  Pariser  Weltausstellung  iqoo. 
Architekt:  Professor  KARL  HOFFACKER,  Charlottenburg.     (s.  auch  Abb.  Heft  lo,  S.  187.) 


BÜCHERSCHAU 

Sammelwerke.  Eine  ganze  Reihe  von  litterari- 
schen Unternehmungen  ist  gegenwärtig  darauf  gegrün- 
det, das  weitschichtige  Gut  des  Wissens  und  der  For- 
schung auf  allen  Gebieten  der  Kunst,  des  Kunstgewerbes 
und  der  Wissenschaft  in  knappen  und  leichtfasslichen 
Darstellungen  zu  popularisieren,  für  den  Hausgebrauch 
oder  für  die  autodidaktischen  Neigungen  des  Laien 
und  kleinen  Mannes  zurechtzulegen.  Derartige  instruk- 
tive Büchlein  sind  gewiss  nicht  gering  anzuschlagen 
für  die  idealen  Zwecke  der  Volksbildung  und  die 
Erfahrung  lehrt,  dass  die  im  Rahmen  grösserer  Sam- 
melwerke gruppierten  populären  Veröffentlichungen 
auch  mit  bestem  Erfolg  konsumiert  werden.  Den 
kunstgewerbschen  Kreis  tangieren  etwa  folgende  Werke: 
In  der  Reihe  von  J.  J.  Weber's  illustrierten  Kate- 
chismen hat  der  stark  illustrierte  'Katechismus  der 
Kunstgeschichte«  von  Bruno  Bucher  bereits  die  fünfte 
Auflage  erlebt,  was  sowohl  für  die  Gangbarkeit  des 
Weber'schen  Unternehmens  als  auch  für  die  Brauch- 
barkeit des  präzis  und  klar  gehaltenen  Büchleins 
spricht.  Ähnliche  Zwecke  verfolgt  die  Sammlung 
Göschen.  Hier  wäre  eine  illustrierte  'Stilkundc  des 
bekannten  Badener  Architekten  und  Gewerbschul- 
direktors  Karl  Otto  Hartmann  hervorzuheben.  Von 
der  altegyptischen  Kunst  bis  zur  sprunghaften  Renais- 
sance unserer  Tage  hat  der  Verfasser  in  seiner  Eigen- 
schaft als  gewerblicher  Pädagoge  die  springenden  Punkte 
aus  dem  Formenschatz  der  Weltkunst  für  die  Zwecke 
des  Unterrichts  und  der  Selbstbelehrung  sehr  geschickt 
zur  Darstellung  gebracht,  namentlich  scharf  erfasst  sind 
die  Wandlungen,  welche  die  Renaissance  auf  ihrem 
weiteren  Etappenwege  vom  Barock  bis  zum  Empire 
durchlaufen  hat.  Eine  wertvolle  Beigabe  dieses  Taschen- 
buches sind  die  ausserordentlich  klaren  Illustrationen. 
Fernerhin  wäre  aufmerksam  zu  machen  auf  eine  Samm- 
lung wissenschaftlich  gemeinverständlicher  Darstel- 
lungen »Aus  Natur  und  Geisteswelt«  aus  dem  Verlage 
von  B.  G.  Teubner.  Das  8.  Bändchen  der  Reihe  ist 
eine  »Deutsche  Baukunst  im  Mittelalter«  des  Kieler 
Kunsthistorikers    Prof.    Dr.   Adelbert  Matthaei.     Von 

Kunstgewerbeblatt.    N.  F.    XL    H,  12. 


schwerem  wissenschaftlichen  Ernst  getragen,  geht  die 
anschauliche  Darstellung  auf  Grund  der  neuesten 
Forschungen  bis  an  die  Wurzeln  des  Kunstschaffens, 
aus  der  Tradition  und  aus  dem  Geist  der  Zeit  heraus 
werden  die  grossen  Stilfolgen  des  Mittelalters  erfasst 
und  an  prägnanten  Beispielen  klar  gelegt.  Das  Niveau 
des  Buches  ist  ein  so  hohes,  dass  es  die  Hörer 
kunstgeschichtlicher  Vorlesungen  mit  Erfolg  in  Ge- 
brauch nehmen  dürften.  Mehr  als  ein  Formenschatz 
für  Kunstgewerbler  kennzeichnet  sich  das  von  Hubert 
Jofy  herausgegebene  Sammelwerk  von  »Meisterwerken 
der  Baukunst  und  des  Kunstgewerbes'  aller  Länder 
und  Zeiten  aus  dem  Vertag  von  K.  F.  Koehler  in  Leip- 
zig. In  trefflichen  Autotypien  bietet  die  erste  Lieferung 
eine  Blumenlese  der  hervorragendsten  Werke  italieni- 
scher Kunst;  bleibt  das  Weitere  auf  derselben  Höhe, 
so  ist  gewiss  ein  schätzenswertes  Hülfsmittel  für  das 
Kunststudium  davon  zu  erwarten.  Und  endlich  präsen- 
tiert auch  der  Verlag  von  Siegfried  Cronbach  in  Berlin 
eine  Serie  populärer  Darstellungen,  für  welche  Paul 
Bornstein  als  Herausgeber  zeichnet.  Der  Sammeltitel 
»Am  Ende  des  Jahrhunderts«  fasst  in  sich  eine  Rück- 
schau auf  hundert  Jahre  geistiger  Entwicklung.  Ein  we- 
sentliches Glied  dieser  dem  endenden  Jahrhundert  ge- 
widmeten Reihe  ist  ein  Buch  des  Münchners  Karl 
Rosner,  welches  »Die  dekorative  Kunst  im  neunzehnten 
Jahrhundert'  dem  Leser  im  Fluge  vorführt,  den  Zu- 
sammenhang von  Kunstschaffen  und  Zeitgeist  zu  er- 
fassen versucht,  mit  langen  Namensreihen  schaffender 
Künstler  und  regsamer  Kunstförderer  paradiert  und  in 
der  Hauptsache  sich  begeistert  für  die  modernen  Phasen 
des  Kunstgewerbes  ausspricht.  Ein  eigentlich  hoher 
wissenschaftlicher  Standpunkt  ist  in  dem  Buch  noch 
nicht  gewonnen,  weiss  doch  niemand,  wohin  die  neue, 
hie  und  da  noch  chaotisch  wogende  und  dilettanten- 
haft  gehandhabte  Richtung  führen  wird,  heutige  Tages- 
grössen  werden  in  zehn  Jahren  verschollen  sein.  Zu 
betonen  ist,  dass  der  Verfasser  auf  dem  Münchener 
Gebiet  gut  orientiert  ist,  dagegen  hat  er  dem  nord- 
deutschen und  Berliner  Kunstgewerbe  nichts  weniger 
als  auf  den  Grund  geschaut. 


?6 


238 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


Japanische  Färbeschablonen.  Hundert  Muster 
kleineren  Formates.  In  Originalgrösse  herausge- 
geben und  mit  einer  Einleitung  versehen  von  Artur 
Seemann.  Leipzig  und  Berlin,  Verlag  von  E.  A. 
Seemann.  Preis  in  Mappe  20  Mark. 
Die  Kunst  Japans  birgt  reiche  Schätze;  das  zeigt 
sich  nirgends  deutlicher,  als  in  den  Flachmustern  des 
japanischen  Volkes.  Hier  offenbart  sich  ein  ausge- 
prägt feiner  Raumsinn,  und  zwar  ebenso  für  Sym- 
metrie wie  für  das  Ebenmass,  das  Gleichgewicht  der 
Dekorationselemente  mit  dem  Grunde.  Die  symmetri- 
sche Anordnung  linearer,  pflanzlicher  und  tierischer 
Gebilde  ist  dem  Japaner  ein  Leichtes;  auch  versteht 
er  virtuos  zu  stilisieren  und  das  Naturprodukt  immer 
weiter  umzubilden,  so  dass  durch  diese  Manier,  wenn 
sie  bis  zur  äussersten  Konsequenz  getrieben  wird, 
die  Urform  des  Vorbildes  in  Linien-  oder  Punkt- 
gewirre aufgelöst  werden  kann,  die  kaum  noch  das 
zu  Grunde  liegende  Motiv  erkennen  lässt.  Diese 
Überbildungen  sind  als  Auswüchse  bizarrer  dekora- 
tiver Laune  nicht  selten  angewandt,  und  etwa  anzu- 
sehen wie  zeichnerische  Begriffswitze.  Im  allgemeinen 
sind  in  den  guten  Erzeugnissen  die  natürlichen  Ge- 
bilde in  ihrer  struktiven  Erscheinung  ausserordentlich 
treu  wiedergegeben,  und  ihre  geschickte  Verwendung 
zur  Belebung  von  Flächen  (Stoffe)  zeigt  den  Japaner 
als  Meister  des  Gleichgewichtsgefühls.  Scheinbar 
regellos  ausgestreut,  sind  diese  Motive  so  in  den 
Raum  gezeichnet,  dass  keine  schwachen  Stellen  im 
fortlaufenden  Muster  erscheinen.  Hier  können  alle 
Tapeten-  und  Teppichzeichner  lernen:  nicht  durch 
Kopieren  und  Übertragen,  sondern  durch  oft  wieder- 
holte Betrachtung,  durch  Abwägen  mit  dem  Auge. 

Die  japanischen  Papierschablonen,  welche  dazu 
dienen,  Stoffe  mit  einem  gefärbten  Grund  zu  versehen, 
bieten  eine  unübersehbare  Menge  des  wertvollsten 
Materials  —  nicht  zum  Nachzeichnen  und  Pausen, 
sondern  zur  Schulung  des  Auges,  als  Anregung,  nicht 
als  Krücke  oder  Eselsbrücke.  Die  Muster  sind  bald 
symmetrisch  auf  einem  Netz  sich  schneidender  und 
zwar  häufiger  schiefwinklig  als  rechtwinklig  kreuzender 
Linien  entwickelt,  bald  freihändig  in  das  gegebene 
Quadrat  oder  Rechteck  komponiert.  —  Der  Schnitt 
des  Musters  in  dem  zähen  Papier  erfolgt  teils  mit 
Messern,  teils  mit  Punzen.  Bei  denjenigen  Mustern, 
die  ohne  ein  besonderes  Hilfsmittel  wegen  ihrer  Weit- 


räumigkeit nicht  halten  würden,  wendet  der  Japaner 
ein  sinnreiches  Verfahren  an.  Er  legt  zwei  Papier- 
blätter zusammen,  schneidet  alsdann  das  Muster  mit 
dem  Messer  aus  und  klebt  zwischen  die  beiden  aus- 
geschnittenen Musterblätter  ein  Netz  von  Seidenfäden. 
Schon  die  grosse  Zähigkeit  des  japanischen  Papiers 
gestattet  dem  Schablonenschneider  weitgehende  Frei- 
heiten; die  Applikation  des  Seidennetzes')  gestattet 
ihm,  seine  dekorativen  Erfindungen  fast  ohne  Rücksicht 
auf  den  Zusammenhalt  der  Schablone  zu  entwerfen. 
Die  Zahl  der  Papierschablonen  ist  Legion.  Im 
Hamburger  Museum  für  Kunst  und  Gewerbe  befinden 
sich  mehrere  Tausend,  in  Aarau  über  zehntausend. 
Wer  eine  solche  Sammlung  auch  nur  durchblättert, 
staunt  über  den    Reichtum   der  Motive,    die  Freiheit 


1)  Von  den  V<^rkäiifern  werden  die  Seidenfäden,  ver- 
mutlicli  um  die  Schablone  interessanter  und  appetitlicher 
zu  machen,  für  Menschenhaare  ausgegeben. 


Buchverzierungen,  gezeichnet  von  ED.  LIESEN,  Berlin. 


KLEINE  MITTEILUNGEN 


239 


der  Erfindung,  die  charakteristische  Zeichnung,  die 
ausgeschnitten  noch  ihren  Reiz  bewahrt  hat,  und  wer 
sich  in  den  Geschmack  des  japanischen  Stils  gefunden 
hat,  muss  sich  sagen,  dass  die  Japaner  ein  Volk  von 
Künstlern  sind,  deren  Flächenmuster,  z.  B.  mit  un- 
serm  Tapetendekor  verglichen,  weit  über  den  abend- 
ländischen Erzeugnissen  stehen.  Überall  gewahrt  man 
in  diesen  Kunstproben,  dass  Naturstudiuni,  das  liebe- 
volle Versenken  in  die  Gestalten  der  Flora  und  Fauna, 
das  A  und  O  allen  Künstlertums  ist.  Durch  die 
unendliche  Liebe  und  Sorgfalt,  mit  der  der  Japaner 
den  Naturformen  nachspürt  und  sie  ins  Handgelenk 
zu  bekommen?  sucht,  wird  die  gesamte  japanische 
Kunst  ein  Abglanz,  ein  treuer  Spiegel  der  Natur  selbst. 
Von  ihr  gilt  denn  auch  das  Goethe'sche  Wort: 

»Und  es  ist  das  ewig  Eine, 

Das  sich  vielfach  offenbart: 

Klein  das  Grosse,  gross  das  Kleine, 

Alles  nach  der  eignen  Art. 

Immer  wechselnd,  fest  sich  haltend. 

Nah  und  fern  und  fern  und  nah. 

Sich  gestaltend,  umgestaltend. 

Zum  Erstaunen  bin  ich  da.< 
So  ist  denn  die  Verbreitung  dieser  wohlfeilen 
Mappe  in  allen  kunstgewerblichen  Ateliers  zu  wün- 
schen. Dann  und  wann  ein  Blick  in  ihren  graziösen 
Inhalt  vermag  der  versiegenden  Erfindungsgabe  neue 
Kraft  zu  geben. 

WETTBEWERBE 

BERLIN.  Preisausschreiben  um  Entwürfe  für  ein 
Plakat  zur  Internationalen  Ausstellung  für  Feuer- 
schutz- und  Feuerrettungswesen  in  Berlin  igoi. 
Ausgesetzt  sind  drei  Preise  von  1000,  500  und  250 
Mark.  Einzusenden  zum  15.  Oktober  1900.  Dem 
Preisgericht  gehören  an  von  ausübenden  Künstlern: 
Geh.  Regierungsrat  Ende,  Professor  Dettmann,  Professor 
E.  Doepler  d.  J.  und  Maler  Jüttner.  -u- 

B  ERLIN.    Preisausschreiben  um  Entwürfe  für  einen 
modernen  Zeitungskopf  für  die  y>  Deutsche  Tischler- 
zeitung«.   Die  Entwürfe  müssen  in  Strichtechnik 
mit  schwarzer  Tusche  ausgeführt  werden  und  320  mm 
breit  und   163  mm  hoch  sein.     Ausgesetzt  sind  zwei 
Preise  zu   150  und  50  Mark.     Einzusenden  bis  zum 


15.  Oktober  1900  an  F.  A.  Günther,  Zeitungsverlag, 
Berlin,  Lützowstr.  6.  Dem  Preisgericht  gehören  an 
die  Herren  Professor  E.  Doepler  und  Direktor  Dr. 
P.  Jessen,  beide  in  Berlin.  -u- 

CHARLOTTENBURG.  Wettbewerb  zur  Erlangung 
von  Skizzen  für  ein  auf  dem  Luisenplatz  zu 
errichtendes  Kaiser  Friedrich- Denkmal,  aus- 
geschrieben vom  Magistrat  zu  Charlottenburg  für 
deutsche  Künstler.  Ausgesetzt  sind  drei  Preise  von 
4000,  2500,  1500  Mark.  Dem  Preisgericht  gehören 
an  Ober-Baudirektor  Hinckeldeyn,  Geh.  Regierungsrat 
Prof.  Ende  und  Prof.  Herter  in  Berlin,  Prof.  Maison 
in  München,  Stadtbaurat  Bratring  und  Stadtverordneter 
Reg.-Baumeister  a.  D.  Reimarus  in  Charlottenburg. 
Einzusenden  zum  15.  November  d.  J.  Nähere  Be- 
dingungen zu  erhalten  vom  Magistrat  in  Charlotten- 
burg, -u- 


Buchvcrzierungen,  gezeichnet  von  ED.  LIESEN,  Berlin. 

36* 


240 


zu  UNSERN  BILDERN 


ZU  UNSERN  BILDERN 

Zu  berichtigen  ist  zunächst,  dass  die  auf  Seite  164 
und  1 65,  Heft  9  des  lfd.  Jahrganges  abgebildeten  zwei 
Tischlampen  von  Ernst  Riegel,  nicht  A.  Riegl,  in  Mün- 
chen, entworfen  sind,  wie  irrtümlicherweise  gedruckt 
wurde.  Ferner  sei  ergänzend  bemerkt,  dass  die  auf 
S.  218  und  219  des  letzten  Heftes  abgebildeten  Sand- 
steinfiguren für  das  Verwaltungsgebäude  der  Stadt 
Berlin  am  Mühlendamm  bestimmt  waren.  Dieselben 
wurden  nach  alten  Sandsteinfiguren  im  Märkischen 
Museum  ergänzt  und  in  Rackwitzer  Sandstein  ausge- 
führt. —  Der  auf  S.  225  abgebildete  Brunnen  von 
P.  Bruckmann  &  Söhne,  Heilbronn,  soll  eine  Allegorie 
auf  die  deutsche  Musik  darstellen.  In  der  Mitte  des 
dreiteiligen  Aufbaues,  der  gegen  drei  Meter  hoch  ist, 
steht  die  Figur  der  deutschen  Musik,  auf  die  Harfe 
gelehnt,  in  der  Linken  einen  Lorbeerzweig  haltend. 
Im  reich  ornamentierten  Saum  des  Gewandes  sind 
die  Namen  deutscher  Komponisten  mit  dem  Orna- 
ment verwoben.  Zwei  Putten  unterhalb  des  Sockels 
der  Hauptfigur  halten  an  jeder  der  drei  Seiten  die 
Reliefs  der  drei  Meister  Mozart,  Beethoven,  Wagner. 
Die  grossen,  wasserspeienden  Masken,  wie  die  weib- 
lichen, am  Fuss  angebrachten  Figuren  sollen  den 
Charakter  der  Musik  je  eines  der  drei  Meister  zum 
Ausdruck  bringen. 

Die  drei  von  Adlern  überschatteten  Elfenbein- 
masken tragen  als  Kapitale  drei  sitzende  allego- 
rische Figuren:  Inspiration,  Komposition  und  Direk- 
tion.    In    den    Medaillons    zwischen    diesen    Figuren 


ist  die  Streichmusik,  Blasmusik  und  Schlagmusik  dar- 
gestellt. 

Auf  dem  Hauptgesims  ruht  eine  Kuppel  aus 
Strahlen,  über  welcher  ein  Tanzreigen,  als  Verkör- 
perung der  heiteren  Musik,  eine  Art  Tambour  bildet. 
Letzterer  wird  noch  von  einem  kronenartigen  Ab- 
schluss  überragt,  und  die  oberste  Endigung  bildet 
ein  auf  einer  Elfenbeinkugel  stehender  Genius. 

Das  Wasserbecken  ist  aus  Marmor,  die  drei 
Streben  und  alle  architektonischen  Teile  sind  aus 
Bronze,  aller  ornamentale  und  figürliche  Schmuck  ist 
Silber  (es  wurden  250  Kilo  Silber  verwendet).  Um  eine 
einheitliche  Wirkung  zu  erzielen,  wurde  das  Silber  teils 
vergoldet,  teils  grau  oder  grünlich  oxidiert.  Zu  dem 
Ganzen  hat,  wie  schon  erwähnt,  Professor  Otto  Rieth 
in  Berlin  den  Entwurf,  Bildhauer  Amberg  die  Mo- 
delle geliefert. 

Zu  der  Abbildung  des  einen  Treppenhauses  der 
deutschen  kunstgewerblichen  Abteilung  (Abb.  S.  234 
und  S.  235)  sei  noch  bemerkt,  dass  sämtliche  Modelle 
für  die  ornamentalen  Stuckteile  nach  Hoffacker's  Ent- 
würfen von  der  Bildhauerwerkstätte  von  R.  Schirmer 
in  Berlin  herrühren,  gleichwie  in  dem  in  den  früheren 
Heften  abgebildeten  unteren  Treppenhause,  zu  dem 
Riegelmann  die  Holzschnitzereien  der  Decke  und 
Treppe  lieferte.  Das  Lünettenbild  hat  Professor  Max 
Koch  gemalt,  das  Bogengitter  im  Eingang  Miksits  in 
Berlin  geschmiedet;  die  dreiteilige  Bogenstellung  der 
Galerie  ist  nach  Hoffacker's  Zeichnungen  von  Prof. 
Riegelmann  geschnitzt;  die  Bronzegusskrone  für  elek- 
trisches Licht  lieferte  Paul  Stotz  in  Stuttgart. 


Schlussstück,  gezeichnet  von  Maler  W.  WINKLER,  Idstein  ijTaun. 


Herausgeber  und  für  die  Redaktion  verantwortlich:  Professor  Karl  Hoffacker,  Architekt  in  Charlottenburg- Berlin. 

Druck  von  Ernst  Hedrich  Nachf.,  Q.  m.  b.  H.,  Leipzig. 


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