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Full text of "Lehrbuch der Differential- und Integralrechnung und der Anfangsgründe der ..."

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LEHRBUCH 



DER 






DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHNUNG 



UND DER 



ANFANGSGRÜNDE DER ANALYTISCHEN GEOMETRIE. 



LEHRBUCH 

DER 

DIFFERENTIAL- MD INTEGRALRECHNUNG 

UND DER 

ANFANGSGRÜNDE DER ANALYTISCHEN GEOMETRIE 

MIT BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG 

DER BEDÜRFNISSE DER STUDIERENDEN DER 
NATÜRWISaSNSCHAFTEN 



//'% 




BEAHEU^ VON 

Dr. BT AflPRENTZ. 

PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT LEIDEN. 

. UNTKR MITWIRKUNG DES VEBFASSERS 

ÜBERSETZT VON 

DK. G. C. SCHMIDT, 

PROFESSOR AN DER KÖKI6L. FORSTAKADEMIE BBBRSWALDE. 

MIT 118 FIQÜREN. 




LEIPZIG, 
VERLAG VON JOHANN AMBROSIUS BARTH. 

1900. 






Alle Bechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten. 



Druck Ton Metzger A Wittig in Leipzig. 



Vorrede. 



Trotzdem heutzutage viele Vorlesungen über Differential- 
und Integralrechnung vor Zuhörern gehalten werden, welche 
dieses Fach hauptsächlich als Hilfsmittel zum Studium der 
Naturwissenschaften benutzen wollen, existiert kaum ein Lehr- 
buch, welches den Bedürfnissen dieser Art von Studierenden 
gerecht wird. Die vorhandenen Werke, wenigstens die hollän- 
dischen, scheinen mir einerseits zu ausführlich, andererseits 
von zu rein mathematischem Inhalt zu sein. Wem es haupt- 
sächlich auf die Anwendungen ankommt, den werden manche 
Betrachtungen über die Eigenschaften von krummen Linien 
und Oberflächen nur wenig interessieren. Dagegen haben viele 
Studierende der Naturwissenschaften wohl das Bedürfnis, zu 
verstehen, auf welche Weise viele Probleme der Physik und 
Mechanik auf die Grundbegriffe der Differentialrechnung führen 
und nur mit Hilfe dieser Begriffe behandelt werden können. 
In der Begel finden sie nicht die Zeit, um sich mit den vielen 
Methoden, mit deren Hilfe der Wert von Integralen berechnet 
werden kann, vertraut zu machen; indes werden sie genügende 
Kenntnisse von den Anfangsgründen der Integralrechnung und 
einige Übung, um Aufgaben, die auf einfache Integrale führen, 
zu lösen, nicht entbehren können. Ebenso werden sie sich in der 
Theorie der Differentialgleichungen auf die Behandlung einiger 
der einfachsten und wichtigsten Gleichungen beschränken müssen. 

Da ich kein Lehrbuch fand, welches nach diesen Grund- 
sätzen geschrieben war, beschloß ich, selbst eins zusammen- 
zustellen, welches rein mathematische Anwendungen in den 
Hintergrund treten ließ, dagegen zur Erläuterung ausgiebig 
Gebrauch machte von Beispielen aus der Mechanik und Physik. 

Auch in einigen anderen Punkten bin ich von dem ge- 
bräuchlichen Lehrgang abgewichen. So habe ich die Taylor^ 



415743 



VI Vorrede. 

sehe Reihe an der Stelle behandelt, die mir die natürlichste 
erschien, nämlich nach den Kapiteln über einfache und Doppel- 
Integrale. Ich glaubte dies ohne Bedenken thun zu können, da 
ja die in Betracht kommenden Leser sich nicht auf das Studium 
der Differentialrechnung beschränken können, sondern sich 
auch mit der Integralrechnung abgeben müssen. Dem Theorem 
von FouBiEB habe ich ein eigenes Kapitel gewidmet, welches, 
wie ich hoffe, ohne einen vollständigen Beweis zu liefern, ein 
genügendes Verständnis dieses wichtigen Gegenstandes ermög- 
lichen wird. Während ich dieses, sonst in einem elementaren 
Colleg nicht behandelte Theorem ziemlich ausführlich besprochen, 
habe ich dagegen manches, was allgemein vorgetragen wird, nur 
kurz entwickelt oder sogar ganz weggelassen; u.a. ist die Theorie 
der komplexen Größen nur soweit behandelt, als es für die 
Auflösung der linearen Differentialgleichungen nötig erschien. 
Da ich nur die Kenntnis der Lehren der sogenannten 
niederen Mathematik voraussetzte, so habe ich in den ersten 
Kapiteln eine Einführung in die analytische Geometrie gegeben. 
Zwar werden wohl die meisten Leser sich noch etwas ein- 
gehender mit diesem Gegenstand beschäftigen müssen, aber 
manchem wird es doch willkommen sein, schon früh mit dem 
Gebrauch von Koordinaten und von Gleichungen, auch in der 
Geometrie des Raumes, vertraut zu werden. 

Leiden, Mai 1882. 

H. A. Lorentz. 



Die vorliegende deutsche Bearbeitung dieses Lehrbuches 
unterscheidet sich von dem holländischen Original haupt- 
sächlich dadurch, dass auf Wunsch von Prof. Schmidt ein 
Kapitel über die goniometrischen Funktionen und deren An- 
wendungen aufgenommen worden ist, und in dem ersten Kapitel 
einiges vorkommt, das ich früher als bekannt vorausgesetzt 
hatte. Auch in den übrigen Teilen des Buches sind sowohl von 
Prof. Schmidt, wie auch von mir, einige Stellen geändert worden. 

Leiden, Juni 1900. 

H« A. Lorentz. 



Inhalt. 



»♦ 
»1 



Seite 
Kapitel I. Algebraische Funktionen, Exponentialgrößen und Lo- 
garithmen 1 

IL Theorie und Anwendung der goniometrischen Funk- 
tionen 36 

III. Graphische Darstellung von Funktionen 72 

IV. Analytische Greometrie des Raumes 107 

V. Grundbegriffe der Differentialrechnung 124 

VI. Regeln für die Differentiation. Anwendungen . . . 143 

„ VII. Differentialquotienten höherer Ordnung 178 

„ VIII. Partielle Differentialquotienten 203 

IX. Grundbegriffe und Grundformeln der Integrah'echnung 253 

X. Doppel- und mehrfache Integrale 304 

„ XI. Die Taylor'sche Reihe 342 

,, XII. Hilfsmittel für die Integration 366 

„ XIII. Die Fouricr'sche Reihe 884 

„ XIV. Differentialgleichungen 402 

Auflösungen der Aufgaben 454 






Kapitel I. 

Algebraische Fanktionen, Exponentialgrößen und 

Logarithmen. 

§ 1. Wenn zwei Größen derart voneinander abhängen, 
daß zu jedem Wert der einen ein bestimmter Wert der an- 
deren gehört, dann nennt man die eine Größe eine Funktion 
der anderen. So ist z. B. die Schwingungsdauer eines Pendels 
eine Funktion seiner Länge, die Intensität eines elektrischen 
Stromes eine Funktion des Widerstandes in der Kette, die 
Anziehung oder Abstoßung zweier elektrisierter Körper eine 
Funktion ihrer Entfernung. 

Mathematisch wird der Zusammenhang zwischen den beiden 
Größen, die auch Variable oder Veränderliche genannt 
werden, durch eine Gleichung dargestellt, in. der außer den 
beiden Variablen nur konstante Größen vorkommen dürfen. 
Bezeichnet z. B. x irgend eine variable Größe, und sind a, &, c 
u. s. w. Konstanten, so ist in jeder der folgenden Gleichungen 






y eine Funktion von x. 

Ebenso wie in diesen Beispielen werden gewöhnlich die 
Veränderlichen durch die Endbuchstaben des Alphabets und 
die Konstanten durch andere Buchstaben bezeichnet. 

Hätte man in obigen Gleichungen beliebige Werte für x 
angenommen, z. B. 1, 2, 8, 10, 100 oder andere, so wären 
dadurch die entsprechenden Werte von y bestimmt gewesen. 
Die Größe, deren Wert man beliebig bestimmt, nennt man 
die unabhängige, die andere dagegen die abhängige Größe. 
Wenn die beiden Variablen, wie das gewöhnlich der Fall ist, 

lOEEMTK, DifferentialrechnaDg. \ 



2 Erstes Kapitel. 

X und y heißen , so betrachten wir in der Regel x als die un- 
abhängig und y als die abhängig Veränderliche. 

§ 2. Man teilt die Funktionen nach den Operationen, die 
erforderlich sind, um die abhängig Variable aus der unab- 
hängig Variablen zu berechnen, in algebraische und trans- 
cendente. Genügen hierzu die vier Grundoperationen der 
Arithmetik oder eventuell die Erhebung auf eine Potenz oder 
die Ausziehung einer Wurzel — vorausgesetzt jedoch, daß 
der Exponent der Potenz oder der Wurzel eine konstante 
Zahl ist — , so heisst die Funktion eine algebraische. Diese 
zerfallen wieder in ganze Funktionen, wenn die unabhängig 
Variable nicht im Nenner eines Bruches vorkommt, und in 
gebrochene, wenn dies der Fall ist. Schließlich heißt eine 
algebraische Funktion rational, wenn die unabhängig Variable 
nirgendwo unter einem Wurzelzeichen steht, sonst irrational. 
Die letztere Bezeichnung rührt daher, daß die Wurzelgrößen 
in den meisten Fällen irrationale Zahlen sind, d. h. kein ge- 
meinsames Maß mit der Einheit haben. 

§ 3. Wir wollen zui^ächst auf die ganzen rationalen, alge- 
braischen Funktionen etwas näher eingehen. Dieselben lassen 
sich alle darstellen als die Summe von Gliedern, von denen 
ein jedes eine Potenz der unabhängig Variablen x mit ganzem 
positiven Exponenten enthält, sie haben also die Form: 

y = p^x^ 4- ;?n-i^"~^ + -^Pi^ + Po^ (1) 

wo die Koeffizienten p^, pn-i , . . . . Pq positive oder negative, 
ganze oder gebrochene konstante Zahlen oder sind. Man 
nennt einen solchen Ausdruck auch ein Polynom, und zwar 
ein Polynom n^^ Grades, wenn, wie in unserem Beispiel, der 
höchste Exponent n ist. 

Es ist klar, daß man durch Multiplikation von Funktionen 
niederen Grades miteinander Funktionen höheren Grades bilden 
kann. Besonders wichtig ist die Frage, zu welchen Funktionen 
man gelangt, wenn man eine Anzahl gleicher Faktoren ersten 
Grades, also zweigliedrige Ausdrücke oder. Binome, mitein- 
ander multipliziert Wir betrachten daher das Produkt: 

y = {x + a){x + a){x 4- a) . . . . (.r + a) = (:r -I- a)«, 

wo also n eine ganze positive Zahl ist. Wir werden be- 
weisen, daß 



Algebraische Funktionen, Exponentialgrößen und Logarithmen. 3 



ist. 



(2) 



+ '^-^-=^x»-8«3+ ..'.. + «- 

Durch Multiplikation erhält man 

(x + a)* = or* + 2xa + a*, 

(j- + af = x^ + 3ar«a + 3a:a2 + a', 

(:r + a)* = :r* + 4x^0 + 6^:*«^ + 4xa^ + a*. 

Diese letzte Gleichung kann man auch schreiben 
(:r + df = :i* + 42r4-i ^ +I:|ar*-2a2 + iL|:|;^-3^3 ^ ^4, 

Setzen wir in Gleichung (2) n = 2, 3 oder 4, so erhalten 
wir genau dieselben Ausdrücke, die wir hier eben abgeleitet 
haben. Gleichung (2) ist also jedenfalls richtig, solange n 
gleich 2 bez. 3, bez. 4 ist. 

Multiplizieren wir jetzt Gleichung (2) mit x + a, so er- 
giebt sich 

^ ^ 1.2 ^ 1.2.3 ^ 

. . . . + xa" 

wfn — 1) 



(;r + a)*+^ = 



+ j:"a + 



71 X 



n— 1/,2 



a' + 



•11—2 /jS 



1.2 



a^ + 



^ j .(n.l)(n-2)^^Sn(n-l) j^,^,^3+ /. . . +(„+ l),«n + ,n.i|. 

Setzt man hierin n + 1 = m und vereinfacht die in den 
eckigen Klammern stehenden Faktoren, so erhält man 

Dieser Ausdruck stimmt mit (2) der Form nach völlig 
überein. Wenn Gleichung (2) richtig ist für n = 4, so ist sie 
auch richtig, wie sich soeben ergeben, wenn n um 1 größer 
?m:d, wenn n also = 5 wird. Wir dürfen also weiter schließen, 
daß sie auch richtig bleiben wird, wenn wir nochmals mit 



4 Erstes Kapitel. 

(x + a) multiplizieren, oder was dasselbe ist, wenn n==^ ist. 
So fortfahrend, kommen wir zu dem Besultat, daß Gleichnng 
(2) für jede positive ganze Zahl gültig ist.^ 

Man nennt den eben behandelten Lehrsatz häufig den 
binomischen Lehrsatz von Newton. 

§ 4. Da durch Multiplikation von n Faktoren ersten 
Grades ein Polynom n*®° Grades entsteht, so liegt die Frage 
nahe, ob umgekehrt jedes Polynom von der Form (1) in Fak- 
toren ersten Grades zerlegt werden kann. Schreibt man für (1) 



^»-l^n-l . ^»-2 ._s 



Pi . Po\ 1 



•^ ' ^n Pn Pn PnJ'''\ (3) 

= (^'*+ ^n-l^""^ + yn-2^""- 4- . . . . + ^^.r +^Q )p^ 

SO ist klar, daß man behufs Beantwortung dieser Frage sich 
auf den Fall, wo der Koeffizient von .t» gleich 1 ist, be- 
schränken kann, wo also 

y = X" + y„_i*«-i + ^«-2^""- + . . . . + ^i^r + yj^ (4) 

ist. Sei a eine beliebige positive oder negative Zahl. Dividiert 
man (4) durch {x+a)y so erhält man ofiPenbar einen Quotienten 
Qy der eine Funktion (w — 1)**®° Grades ist und einen von x un- 
abhängigen Rest TP. Es besteht also die identische Gleichung 

7j=:{T + a)Q + Ji, (5) 

In (4) oder (5) kann man für x jeden beliebigen Wert 
setzen, also auch x= —a. Da das erste Glied rechts in (5) 
dann verschwindet, so muß y für x=— a gerade den Wert Ji 
annehmen. 

Geht die Division durch x + a auf, ist also -ff = 0, dann 
ist — fl eine Wurzel* der Gleichung 

or« + y„_i ^»-i + qn-2^-^ + + 91^ + ?o = 0. (6) 



^ Wir werden später beim TATLOR'schen Lehrsatz sehen, daß eine 
der Gleichung (2) ähnliche Formel unter gewissen Bedingungen^ fUr jeden 
beliebigen Wert von n gältig ist. 

* Unter einer Wurzel einer Gleichung verstehen wir bekanntlich 
jede Größe, welche der Gleichung Genüge leistet, d. h. die linke Seite 
gleich der rechten macht. Da nun, wenn .t = — a ist, y =■ 0, also — a 
die linke Seite von (6) zu Null macht, so ist — a eine Wurzel der 
Gleichung (6). 




Algebraische Funktioneni Ezponentialgrößen und Logarithmen. 5 

Umgekehrt können wir schließen, dass, wenn — a eine Wurzel 
der Gleichung (6) ist, dann die Punktion (4) den Faktor {x+cl) 
enthält. 

Um also die Faktoren des Polynoms (4) zu ermitteln, 
muß man die Wurzeln der Gleichung (6) suchen. Man könnte 
zu dem Zweck nacheinander alle Zahlen in die Gleichung (6) 
för X substituieren, indem man, bei — oo anfangend, die ganze 
Zahlenreihe in positiver Richtung durchliefe; fände man dabei 
eine Zahl a, die der Gleichung genügt, so ist [x — a) ein 
Faktor der Funktion y. Nachher könnte man auf ähnliche 
Weise weitere Wurzeln suchen. Zweckmäßiger ist es jedoch, 
erst y durch x^a zm dividieren und dann den Quotienten 
n— 1'*«" Grades, den wir hierdurch erhalten, nämlich das Polynom 

y = x^"^ + 7'n-2^""^ + + ^'o> 

weiter zu untersuchen. Gerade so wie wir, um einen Faktor von 
y zu ermitteln, nur eine Wurzel der Gleichung (6) zu suchen 
hatten, gerade so werden wir einen Faktor von y' gefunden 
haben, sobald wir eine Wurzel der Gleichung 

a:»-i + /„-.2^"-2 + +,?> + ?'o = (7) 

ermittelt haben. Es ist also das Problem auf die Untersuchung 
einer Gleichung w— 1*«^ Grades zurückgeführt worden. 

Was nun diese neue Gleichung betriflft, so brauchen wir 
offenbar bei derselben die Werte von ar, mit denen wir bei 
(6) den Versuch vergeblich gemacht haben, nicht mehr zu 
probieren. Wir fangen jedoch mit dem Werte a selbst an. 
Zeigt es sich, daß dieser eine Wurzel der Gleichung (7) ist, 
dann enthält y' den Faktor x^u und es steckt also in der 
ursprünglichen Funktion y der Faktor (x — a)*. 

Erst nachdem der Versuch mit dem Werte a mißlungen 
ist, probieren wir, ob andere Zahlen der Gleichung (7) genügen. 
Ist dies mit ß der Fall, so ist x — ß ein zweiter Faktor des 
gegebenen Polynoms. Indem wir dann y' durch diesen Faktor 
dividieren, gelangen wir zu einer neuen Funktion und einer 
derselben entsprechenden Gleichung n— 2*«° Grades. Mit dieser 
verfahren wir nun genau so, wie früher mit (6) und (7), und ' 
setzen diese Operationen soweit wie möglich fort. Entweder 
gelingt es schließlich, n Faktoren ersten Grades zu finden, 



6 Erstes Kapitel. 

unter denen bisweilen zwei, drei oder noch mehr einander 
gleich sind — oder man stößt schließlich auf eine Grleichang, 
die keine Wurzeln hat; sogar die erste Gleichung (6) hätte 
dieser Art sein können. 

Daß es wirklich Gleichungen giebt, die keine Wurzeln 
haben,, dürfte aus der Theorie der quadratischen Gleichungen 
bekannt sein. Der Formel 

^' + 71^ + ^0 = 
entspricht kein einziger Wert von x, sobald 

9i' - 4^, < 
ist.i 

Bekanntlich sind, wenn diese Ungleichheit nicht besteht, 



die Wurzeln der quadratischen Gleichung. Auch bei Gleichungen 
vom dritten und vierten Grade sind analoge Ausdrücke fiir 
die Wurzeln bekannt. Dieselben enthalten Wurzel ausdrücke 
3**° und 4^° Grades und sollen hier übergangen werden, weil 
sie ziemlich kompliziert und dazu von beschränktem praktischen 
Nutzen sind. 

§ 5. Um die Wurzeln der Gleichungen höheren Grades zu 
finden, bleibt nur das Probieren übrig. Dabei erweist sich 
oft folgender Satz- als nützlich: 

Wenn die Funktion y für zwei Werte von or, etwa für 
die Werthe r und s, entgegengesetzte Zeichen annimmt, so 
hat die Gleichung 

wenigstens eine Wurzel zwischen r und s. 

Läßt man nämlich x allmählich von r in s übergehen, 
so ändert sich auch der Wert von y ganz allmählich; j/ kann 
aber hierbei das Vorzeichen nicht wechseln, ohne durch den 
Wert hindurchzugehen. 

Es sei zunächst r = — oo und * = + oo . Wie man leicht 



^ Man sagt in diesem Falle auch, die Gleichung habe zwei ima- 
ginäre oder komplexe Wurzeln. Da aber derartige Größen jetzt noch 
gar keine Bedeutung fiir uns haben, so wollen wir lieber sagen, daß 
keine Wurzeln existieren. 



Algebraische Funktionen, Exponentialgrößen und Logarithmen. 7 

einsieht,^ überwiegt für sehr grosse positive oder negative Werte 
▼on X das Glied x" alle anderen Glieder mit niedrigeren Ex- 
ponenten. Für ar = — 00 oder a: = + oo ist also das Vor- 
zeichen von j:* maßgebend für das ganze Polynom; letzteres 
ist, wenn n eine ungerade Zahl ist, positiv für or = + cx) und 
negativ für x = — oo . Eine Gleichung ungeraden Grades hat 
also nach dem Vorhergehenden mindestens eine Wurzel und, 
wenn sie deren mehrere hat, so ist die gesamte Anzahl jeden- 
falls ungerade, da das Polynom ja 3 oder 5 oder 7 mal u. s. w. 
den Wert passieren könnte.^ 

Durch eine ähnliche Überlegung überzeugt man sich, daß 
die Gleichungen geraden Grades entweder keine einzige oder 
eine gerade Anzahl von Wurzeln haben. 

Für X = stimmt das Vorzeichen des Polynoms (4) mit 
dem von q^ überein, da alle anderen Glieder wegfallen. Nehmen 
wir nun an, es sei n ungerade, es existiere also eine Wurzel, 
und Jq sei positiv. Für x == + oc und für z = ist dann der 
Wert des Polynoms positiv, für ar = — oo dagegen negativ. 
Das Polynom wird offenbar = für irgend einen negativen 
Wert von x. Ist q^ dagegen negativ, so wird das Polynom 
= für einen positiven Wert von x. Fassen wir diese beiden 
Ergebnisse zusammen, so lassen sie sich folgendermaßen aus- 
drücken: Wenn n ungerade ist, dann besteht jedenfalls eine 

* Es sei i9 die Summe der in dem Polynom (4) auf oS^ folgenden 
Glieder. Man hat dann 

Indem man nun für x einen genügend großen Wert nimmt, kann man 
offenbar die rechte Seite dieser Gleichung so klein machen, wie man nur 
will. Man kann also für x immer eine so große positive oder negative 
Zahl nehmen, daß x^ die Summe 5 z. B. um das Hundert- oder Tausend- 
fache übertrifft. 

' Wer es nicht sofort einsehen sollte, d^ die Gleichung eine ungerade 
Anzahl von Wurzeln haben muß, kann sich dies auch folgendermaßen 
klar machen. Sei z. B. eine Gleichung fünften Grades gegeben. Die- 
selbe hat nach dem Obigen mindestens eine Wurzel a. Ergiebt sieh nun, 
daß noch eine zweite Wurzel ß existiert, so entsteht, wenn man [x — a) 
und (x—ß) heraussetzt, eine Gleichung dritten Grades, die wieder min- 
destens eine Wurzel hat. Es existieren also entweder 1 oder 3 oder 
5 Wurzeln. 



8 Erstes Kapitel 

Wurzel, deren Vorzeichen gerade entgegengesetzt dem von q^ 
ist. Wenn n gerade und q^ positiv ist, so läßt sich, bei ge- 
radem n, nichts über die £kistenz von Wurzeln aussagen. 
Wenn dagegen q^ negativ ist, dann besitzt die Gleichung, wie 
sich leicht nachweisen läßt, mindestens eine positive und eine 
negative Wurzel. 

Zum Schluß soll noch ein wichtiger Satz erwähnt w^erden, 
dessen Beweis wir jedoch übergehen müssen. Gesetzt, man habe 
alle Wurzeln der Gleichung (6), und also auch alle Faktoren 
ersten Grades des Polynoms (4) gefunden. Wenn man dann 
dieses Polynom durch alle diese Faktoren dividiert, so ergiebt 
sich in den Fällen, wo die Anzahl der Wurzeln kleiner als n 
ist, ein gewisses Polynom als Quotient, dessen Grad nach dem 
über die Anzahl der Wurzeln Gesagten immer gerade sein 
wird. Man hat nun nachweisen können, daß dasselbe sich 
immer in Faktoren zweiten Grades zerlegen läßt, und daß also 
das ursprünglich gegebene Polynom sich immer in Faktoren zer- 
legen läßt, die höchstens vom zweiten Grade sind. 

§ 6. Zur Erläuterung der vorstehenden Betrachtungen 
mögen folgende Beispiele dienen: 
Die Gleichung 

arS + 5;r2 - 18ar - 72 = 

muß, da das letzte Glied negativ ist, eine positive Wurzel 
haben. In der That genügt der Wert ar = 4. Dividiert man 
das Polynom durch x — 4, so wird man auf die quadratische 
Gleichung 

j:2 + 9:r + 18 = 

geführt, deren Wurzeln — 3 und — 6 sind. Das Polynom 
dritten Grades besteht also aus den Faktoren 

:r — 4, X + *6 und x + 6. 
Die Gleichung 

5:84.3^2 ^ \\x J^ 18 = 

muß eine negative Wurzel haben. Dieselbe ist — 2; eine weitere 
Zerlegung als in die Faktoren 

X +2 und x^ + X + ^ 

ist hier aber nicht möglich. 



Algebraische Funktionen, Ezponentialgrößen und Logarithmen. 9 

Die Gleichung vierten Grades 

x^ - lOx» + 17x2 + 52x - 60 == 

hat nach den Erörterungen auf S. 8 jedenfalls eine positive 
und eine negative Wurzel. Thatsächlich genügen ihr die Werte 
X = 1 und X = — 2. SchaflFt man die entsprechenden Faktoren 
forty so gelangt man zu der Gleichung 

X«- l\x + 30 = 0, 

welche noch die Wurzeln 5 und 6 hat. Die linke Seite der 
Gleichung vierten Grades läßt sich also in die Faktoren 

x-f2, X— 1, X— 5 und X — 6 
zerlegen. 

In der Gleichung 

;i.4 _ j:» _ x» + 6 = 

kann man aus dem Vorzeichen des letzten Gliedes nichts über 
die Ibcistenz von Wurzeln aussagen, und in der That ist hier 
nur die Zerlegung in die Faktoren 

X* + 2x + 2 und X* — 3x + 3 
möglich. 

§ 7. Wir wollen jetzt zu den gebrochenen Funktionen 
übergehen, und zwar zu den Brüchen, deren Zähler und 
Nenner ganze rationale Funktionen der unabhängig Variablen x 
sind. Einen eventuellen gemeinschaftlichen Faktor des Zählers 
und Nenners kann man nach einem bekannten Verfahren 
ermitteln und durch Division wegschaffen. Ist der höchste 
Exponent im Zähler ebenso groß oder größer als der höchste 
Exponent im Nenner, dann läßt sich die Division zum Teil aus- 
führen. Wir können uns daher auf solche Brüche 

I (8) 

beschränken, bei denen das Polynom P von niedrigerem Grade 
ist als das Polynom Q. 

Wir wollen annehmen, daß der Koeffizient der höchsten, 
in Q vorkommenden Potenz von x 1 und ihr Exponent n ist, 
so daß also der Nenner des Bruches die Gestalt 

q = .r» + 77„.ia-«-i + .... ^p^x +Pq 
besitzt. 



10 Erstes Kapitel. 

Lehrsatz: Läßt sich der Nenner Q in seine Faktoren 
ersten and zweiten Orades zerlegen, dann kann der Bruch (8) 
als die Summe einer gewissen Anzahl einfacherer Brüche dar- 
gestellt werden. Am einfachsten gelingt dieses, wenn der 
Nenner n voneinander verschiedene Faktoren ersten Grades 

enthält. Man setze in diesem Falle 

wo a, ß, . , . . X vorläufig unbekannte Konstanten sind. Multi- 
pliziert man nun diese Gleichung mit {x + a){x + b) » . . . ( jt -f A), 
d. h. mit Q, so erhält man 

P= a(ar -f Ä) [x + k) + ß{x + a) {x + k) + u. S. w. (10) 

Auf der rechten Seite steht hier ein Polynom vomw — 1®**° 
Grade, auf der linken Seite ein Polynom von gleichem, oder 
vielleicht von niedrigerem Grade. Gelingt es nun, die unbekannten 
Konstanten u, ß, . . , , x so zu bestimmen, daß in (10) jede 
Potenz von x rechts und links denselben Koeffizienten hat, so 
ist die Gleichung (10) und also auch die Gleichung (9) für 
alle Werte von x erfüllt. Dieses Ziel läßt sich immer erreichen, 
da die höchste Potenz von x in (10) :r""^ ist, und also die 
Gleichsetzung der beiderseitigen gleichstelligen Koeffizienten zu 
n Gleichungen führt. Dieselben sind in Bezug auf die n Un- 
bekannten alle vom ersten Grade und lassen sich also nach be- 
kannten Methoden auflösen. 

Ist z. B. der Bruch 

2a;« + 20x -f J2 

"{x~^2Jlx~+ \)(^+W 

gegeben und setzt man für die „Partialbrüche*' 

_«_ ß Y 

a;-2 ' x+l^ iC + 3' 

SO nimmt die Gleichung (10) folgende Gestalt an: 

2x2 ^ 20.r + 12 = a{x -j- l)(.r + 3) + ß {x - 2){x + 3) + 

+ /(.r-2)(x+l) (11) 

oder 

2^2 + 20x + 12 = (c^ 4- /? + v).r2 4- (4c? + /S - y)x + 

+ 3a -ßß " 2y. 



Algebraische Funktionen, Ezponentialgroßen und Logarithmen. H 

Dnrch Gleichsetzung der gleichstelligen Koeffizienten er- 
giebt sich 

a + ß + y=^2, 4ce + ß -^y =^20, 3« - 6/9 - 2y = 12, 

und hieraus schließlich 

a = 4, /S = 1, y = — 3. 

Etwas andei*s gestaltet sich die Zerlegung, wenn der Nenner 
Q zwar noch aus Faktoren ersten Grades besteht, aber einige 
dieser Faktoren untereinander gleich sind. Während dann, 
gerade wie oben, zu jedem nur einmal vorkommenden Faktor 
jr 4- a ein Partialbruch • 



a 



X -h a 

gehört, entsprechen einem p mal vorkommenden Faktor x + b, 
also einem Faktor {x + by, eine Reihe von ;? Brüchen von der 
Gestalt 

^ .^ • ^P-i Ji 

(X + h)^ ' (x + 6)^"^ ' x + b^ 

wo die Zähler ß sämtlich Eonstanten sind. Wenn man die 

p 
Gleichung, welche ausdrückt, daß -^ der Summe der nach 

diesen Regeln gewählten Partialbrüchen gleich ist, mit Q mul- 
tipliziert und sodann die Koeffizienten rechts und links ein- 
ander gleich setzt, so wird man immer gerade die zur Be- 
stimmung der unbekannten Konstanten erforderliche Zahl von 
Gleichungen, und zwar von Gleichungen ersten Grades erhalten. 
Als Beispiel diene der Bruch 

1 

Schreibt man 

1 « , 6L , Ä 



{X - \){x + l)- X- \ ' (x + If X + 1 ' 

so wird man auf die Gleichung 

1 = a[x + lf.+ ß^[x ~ 1) + ß^[x - l){.r + 1), 
und also auf 

c^+/9, =0, 2« + /92 = 0, a-ß^-ß.^l 
geführt. Die Auflösung ist 



12 Erstes Kapitel. 

Die soeben auseinandergesetzte Methode läßt sich, mit 
einer kleinen Änderung, auch dann noch anwenden, wenn der 
Nenner des gegebenen Bruches sich nicht ausschließlich in 
Faktoren vom ersten Grade zerlegen läßt. Wie wir sahen 
(S. 8), ist immer eine Zerlegung in Faktoren zweiten Grades, 
oder ersten und zweiten Grades, möglich. Wir wollen an- 
nehmen, daß diese Zerlegung ausgeführt sei und gleich den 
allgemeinsten Fall betrachten. 

Die in Q auftretenden Faktoren können offenbar folgende 
Gestalt haben: 

X + Uf {x + ö)P, x^ + ex + d, [x^ + ex + f)^. 

Bei der Zerlegung entsprechen den beiden zuerst genannten 
Größen die bereits angegebenen Partialbrüche. Zu einem 
Faktor x^ + ex + d dagegen gehört ein Partialbruch 

yx -{- d 
x^ -h ex + d 

und zu einem Faktor {x^ + ex + f)^ die Reihe von Brüchen 

(rr« + ea? + ff ' {x* + ex -h f)^"^ ' ' ' ' x* + ex + f ' 

Es sind hier alle mit y, ö, c, rj bezeichneten Größen Eon- 
stanten, deren Bestimmung immer nach dem angegebenen Ver- 
fahren möglich ist. 

Am besten wird man dieses Verfahren durch die Behand- 
lung einer Aufgabe verstehen. 

Es soll die Funktion 

ßx^ — 2bx + 89 



x^ — lx^ + 32a; — 60 



in Partialbrüche zerlegt werden. 

Auflösung. Die Faktoren des Nenners sind x — 3 und 
ar2 _ 4x + 20. 

Deshalb setzen wir 

6a;» - 25 a; + 89 _ J* , ^J' -h <5 

x^'-Tx^ + 32a; - 60 ~ x^~S "^ u;»-4x + 20 ' 

also 

6ar2 _ 25x + 89 = ax^ - ^ccx + 20a + yx^ -3yx + Sx — 3 J. 



Algebraische Funktionen, Ezponentialgrößen und Logarithmen. 13 

Durch Gleichsetzung der gleichstelligen Koeffizienten er- 
hält man hieraus 

a + y = 6, 

-4e<r-3;' + d=P=— 25, 
20c^- 3^ = 89, 

also cf = 4, y = 2, S = —3. 

Setzt man diese Werte oben ein, so ergiebt sich 

6a;* - 25a; + 89 _ 4 2^-3 

a;*^Ta;* +^2a;'^^60 "" a; - 3 "^ a;« -"4a: + 20 ' 

Es möge noch bemerkt werden, daß in dem Falle, wo 
alle Faktoren des Nenners vom ersten Grade und voneinander 
▼erschieden sind, die Eonstanten a, ßj . . » . x in der Glei- 
chung (10) mittels eines einfachen EunstgnfiPes bestimmt werden 
können. Da nämlich die Gleichung f)ir alle Werte von x gelten 
soll, so kann man auch x = -- a setzen. Man erhält dann 
sofort den Wert von cc. Setzt man z. B. in (11) a* = 2, so 
ergiebt sich 60 = 15£^, also a = 4. 

§ 8. Mit ein paar Worten müssen wir noch auf die 
Brüche, deren Zähler und Nenner einen gemeinschaftlichen 
Faktor enthalten, eingehen. Gegeben sei z. B. 

a;* - a; - 2 .-^^ 

Da hier sowohl im Zähler als auch im Nenner der Faktor 
X ^ 2 steckt, so verschwinden beide für x = 2, und es nimmt 
also für diesen Wert y die unbestimmte Gestalt -^ an. Man 
kann also nicht sagen, daß die Funktion (12) für x = 2 irgend 
einen bestimmten Wert habe. 

Wir wollen uns nun aber vorstellen, daß x sich dem 
Werte 2 allmählich nähere, ohne denselben völlig zu erreichen, 
und die Änderungen betrachten, die y dabei erleidet. Offenbar 
läßt sich statt (12) schreiben 

ein Resultat, welches man erhält, wenn man Zähler und Nenner 
durch a- — 2 dividiert. 

Wenn x sich dem Wert 2 nähert, so rückt y immer näher 
an den Wert ^ heran, den man aus (13) durch direkte Sub- 



14 Erstes Kapitel. 

stitution findet, und zwar kann man die DiflFerenz zwischen y 
und I 80 klein machen, wie man will, wenn nur x nahe genug 
bei 2 liegt. Man drückt dieses so aus, daß man sagt, es 
nähere sich die Funktion y für ar = 2, dem Grenzwerte |^. 
Wenn bei fortwährender Annäherung von x an einen Wert 
p eine von x abhängige Größe y ebenfalls immer näher an 
einen Wert q heranrückt, und durch geeignete Wahl von x 
beliebig nahe an diesen Wert herangebracht werden kann, so 
sagt man, es nähere sich y dem Grenzwerte ^, was man kurz 
ausdrückt durch die Formel 

Lim y = q, für x = p,^ 

Die obigen Worte „beliebig nahe" sind so zu verstehen, 
daß, wenn 6 eine beUebig gewählte kleine Zahl ist, der ab- 
solute Wert der DiflFerenz y^q noch kleiner als « werden kann. 

§ 9. unter irrationalen Funktionen verstehen wir, wie 
bereits erwähnt wurde, die Wurzelgrößen. Die numerischen 
Werte derselben lassen sich im allgemeinen weder durch eine 
ganze Zahl, noch durch einen Bruch, dessen Zähler und Nenner 
ganze Zahlen sind, also auch nicht durch einen endlichen oder 
periodischen Dezimalbruch darstellen. Das bekannte Verfahren 
der Wurzelausziehung liefert eine ins Unendliche fortlaufende 

Reihe von Ziflfern. Wenn man nun sagt, es habe y2 den 
Wert 1,414 .... , so ist damit eigentlich gemeint, daß, veenn 
man nur Ziflfern genug berechnet, man eine Zahl erhält, deren 
Quadrat so wenig von 2 verschieden ist, wie man nilr wünscht. 

Wir können das auch so ausdrücken: Wenn a„ = der 
Zahl 1,414 .... bis auf n Stellen ist, so ist Lim an* = 2, für 
n = cx). 

Ist der Exponent eine gerade Zahl und steht unter dem 
Wurzelzeichen eine negative Zahl, so besteht bekanntlich die 
Wurzel nicht;* befindet sich dagegen eine positive Zahl unter 
dem Wurzelzeichen, so erhält man bei geradem Exponent für 
die Wurzel zwei Werte, beispielsweise ist ]/9 = -f 3 und — 3. 



» „Lim" ist eine Abkürzung von „Limes" (Grenze). 
« Wir schließen nämlich, wie schon im § 4, imaginäre und komplexe 
Größen von der Betrachtung aus. 



Algebraische Funktionen/ Exponentialgrößen und Logarithmen. 15 

Wegen dieser Eigenschaft nennt man y^r eine zweiwertige 
Funktion von x, während im Gegensatz hierzu Funktionen wie 
die vorher betrachteten einwertige heißen. 

Auch Ausdrücke wie (3 — 2 j/o:)* sind zweiwertige Funk- 
tionen. 

In vielen Fällen schließt man den einen Wert aus, indem 

man z. B. festsetzt, es solle unter ^x immer der positive 
Wert verstanden werden. 

§ 10. Wir gehen jetzt zu den transcendenten Funk- 
tionen über und beginnen mit den exponentiellen. So nennt 
man die Funktionen, bei denen die unabhängige Variable im 

Ebcponenten einer Potenz auftritt, wie z. B. «*, a^*', a/^. Die 
Grundzahl a ist hierbei eine Eonstante. 

Es möge daran erinnert werden, daß in der Funktion a^, 
wenn a positiv ist, x jeden positiven oder negativen Wert 

haben kann. Setzt man für x einen Bruch ^ (p und q ganze 

positive Zahlen), so versteht man bekanntlich unter a^ den 

Wert yaPj welche Größe man immer bis auf eine beliebige 
Zahl von Dezimalen berechnen kann. Ist aber x eine irratio- 
nale Zahl, etwa '^2 = 1,414 ..... so ist a* der Grenzwert, 
dem sich die Größen 

10 100 10<K) 

a^.* = J/ «1* , «!'*! = y a^^S fli'^i* = V a^^i*, u. s. w. 

nähern. 

Ist X negativ, etwa gleich — m, so versteht man unter 

a* die Größe - -. Ist :r = 0, so ist a® = 1. 

Wie in der Algebra gezeigt wird, folgen aus diesen Defini- 
tionen die Beziehungen 

ay 



m 



Läßt man, wenn a > + 1 ist, in a* den Exponenten von 
ab fortwährend zunehmen, so wird a^ größer und kann dabei 
jeden beliebig gegebenen Wert übersteigen. Wenn a erheblich 



16 Erstes Kapitel. 

größer als 1 ist^ z. B. fQr a = 2 , leuchtet dieses sofort ein. 
Daß der Satz aber aach noch gilt, wenn a nur sehr wenig 
größer als 1 ist, zeigt folgende ÜberlegUDg. Man kann immer 
a = 1 -f € setzen, wo « eine, wenn auch kleine, positive Zahl 
ist. Der Wert von a* oder (1 + c)* läßt sich dann, wenn x eine 
positive ganze Zahl ist, nach dem binomischen Lehrsatz (§ 3) 
entwickeln. Alle sich dabei ergebenden Glieder sind positiv, 
und man erhält also einen zu kleinen Wert, wenn man die 
Entwicklung auf die beiden ersten Glieder beschränkt. Also 

(1 + 6)* > 1 + XB. 

Soll nun a* einen Wert p übersteigen, so hat man nur 

8 

ZU wählen, was möglich ist, wie klein 6 und wie groß p auch 
gewählt sein mögen. 

Der bewiesene Satz läßt sich durch die Gleichung 

a* = 00 für a > 1 

ausdrücken. Aus derselben folgt weiter, daß, wenn x immer 
größere negative Werte annimmt, a"" sich der Grenze nähert. 
Setzt man nämlich x = — x, so ist 



a* = 



a* 



Bei fortwährendem Zunehmen von x, welche Größe jetzt 

positiv ist, steigt a^ ins Unendliche; der Bruch — ^ kann 

also unter jede beliebig kleine Zahl sinken. 

Die Untersuchung des Falles, wo a < 1 (aber immer noch 
positiv) ist, läßt sich auf das oben Gefundene zurückführen. 

Setzt man nämlich a = — , , so ist a > 1 und 



a 



a =^ a 



Man ersieht hieraus, daß jetzt für .r = -f oo 

Lim a* = 

ist, während für x = — oo die Funktion a* positiv unend< 
lieh wird. 



Algebraische Funktionen, Ezponentdalgrößen und Logarithmen. 17 

Unter den exponentiellen Funktionen spielen vor allem 

diejenigen eine wichtige Bolle, bei denen die Zahl 2,718 , 

die von Napieb zur Grundzahl seines Logarithmensystems 
gewählt wurde, potenziert wird. Wie man gerade zu dieser 
Zahl gekommen ist, das möge das folgende Beispiel erläutern. 

§ 11. Ein Kapital von a Mark wird gegen p Prozent auf 
Zinseszins angelegt. Wird, wie das gewöhnlich geschieht, die 
Rente am Ende jedes Jahres zum Kapital geschlagen, dann 

ist das Kapital am Ende des ersten Jahres auf «fl +:^)? 

am Ende des zweiten Jahres auf «(l+^j^) > iiach ar Jahren 
(x eine ganze Zahl) auf 



a{l + 



p_\x 
lOOJ • 



gewachsen. Da das Kapital jeden Augenblick Zinsen trägt, 
80 könnte man sich auch fragen, wie hoch sich das Kapital 
belaufen würde, wenn die Zinsen nicht erst nach Jahresfrist, 
sondern jedesmal nach Ablauf eines Augenblickes kapitalisiert 
werden. Offenbar wird in diesem Fall das Kapital nach x Jahren 
großer sein als in der vorigen Aufgabe^ und ist also der soeben 
gefundene Wert nicht mehr richtig. 

Ein besseres Resultat wird sich schon ergeben, wenn 
die Zinsen nach jedem halben Jahr zum Kapital geschlagen 
werden, damit sie mit demselben weiter verzinst werden. 

Dann ist das Kapital nach dem ersten halben Jahr ai\ +2^)> 
nach dem zweiten halben Jahr «(l + öoö) ^^^^ ^^^h x Jahren 

Noch genauer muß das Resultat werden, wenn man an 
Stelle von einem halben Jahre noch kleinere Zeitintervalle der 
Rechnung zu Grunde legt. Teilt man die ganze Zeit, während 
der das Kapital auf Zinsen liegt, also die x Jahre, wo jetzt x 
jede willkürliche positive Zahl bedeuten kann, in kleine Teile, 
von denen ein jeder Ö Jahr betragen möge [8 ein kleiner 
Bruch), und fügt jedesmal am Ende eines solchen Zeitinter- 

LoRSHTZ, Differentialrecbnang. 2 



18 Erartes Kapitel. 

valls die Zinsen zu dem Kapital , dann ist entsprechend (14) 
der Wert des Kapitals nach x Jahren 



«(■+0 



(16) 



Offenbar wird das Resultat unserer Aufgabe, daß alle 
Zinsen, wie klein dieselben auch sein mögen, unmittelbar nach- 
dem sie fällig sind, dem Kapital zugeführt werden, um so besser 
entsprechen, einen je kleineren Wert man für S setzt. 

Der wirkliche Wert des Kapitals nach x Jahren kann 
daher als der Grenzwert angesehen werden, dem sich der Aus- 
druck (15) nähert, wenn darin a, p und x als Konstanten und 
S als eine fortwährend abnehmende Größe aufgefaßt werden. 

um diesen Grenzwert zu berechnen, setzen wird i^^ = €, 

' 100 

und fuhren diesen Wert in (15) ein: 



« (i + fol) ' = « (1 + ^y'^' = « 1(1 + «) • 



100 



Nähert sich S dem Werte Null, dann ist dasselbe mit a der 
Fall. Der gesuchte Wert des Kapitals ist also 

A = Lim {a [(1 + 6)"^]^, für Limc = 0. 

Da p, X und a ihren Wert unverändert beibehalten, wenn 
6 kleiner wird, so braucht man offenbar nur den Ausdruck 



Lim 



(1 + «)"• 



zu berechnen, um den Wert von A zu finden. 
Weil dieser Grenzwert in vielen ähnlichen Aufgaben eine große 
Rolle spielt, so hat man dafür ein besonderes Symbol, näm- 
lich e, eingeführt. Es ist also 



(1+6)' 



e = Lim 
und daher 

px 

A = ae^^ . 



, für Lim 6 = 



Daß (1 + «) ' sich einem bestimmten Grenzwert nähert, 
wenn e abnimmt, läßt sich streng beweisen. Hier möge es 
genügen, dies durch ICinsetzen einiger Zahlen für e nachzu- 



Algebraische Funktionen, Exponentialgrößen und Logarithmen. 19 

weisen. Führt man für s die in der ersten Zeile stehenden 

Werte ein, so erhält man für (1 + a) ' die in der zweiten Zeile 
verzeichneten Werte: 

6 = 1; 0,1 ; 0,01 ; 0,001; 0,0001. 
1 
(1+6)' =2; 2,594; 2,705; 2,717; 2,718. 

Die Zahlen zeigen deutlich, daß der Ausdruck (1 + 6)« 
sich einem bestimmten Grenzwert nähert, wenn a abnimmt. 
e ist eine irrationale Zahl, ihr Wert ist bis auf 7 Dezimalen 
genau 2,7182818. 

§ 12. Eine zweite Aufgabe, die ebenfalls zu der Zahl e 
führt, entnehmen wir der Physik. 

Gegeben sei eine für das Licht nicht völlig durchlässige 
Platte mit parallelen Flächen. Läßt man senkrecht auf die 
eine Fläche ein Bündel paralleler Lichtstrahlen von gleicher 
Farbe auffallen, dann ist die Intensität des aus der gegenüber- 
liegenden Fläche austretenden Lichtes geringer als die des auf- 
fallenden. Beobachtungen haben nun gelehrt, daß die Inten- 
sitäten der beiden Lichtbündel stets bei ein und demselben 
Körper in einem konstanten Verhältnis zu einander stehen. 
Ist also I die Intensität des einfallenden Lichtes, so ist/? /die 
des austretenden, wenn p ein echter Bruch bedeutet, der von 
der Dicke u. s. w. des Körpers abhängig, aber unabhängig von 
/ ist. Stellt man hinter die erste eine in jeder Beziehung 
gleiche zweite Platte parallel mit der ersten auf, dann wird 
in dieser das Licht in genau der gleichen Weise wie in der 
ersten absorbiert. Um die Intensität des durch die zweite hin- 
durchgegangenen Lichtes zu erhalten, wird man daher die In- 
tensität des auffallenden Lichtes mit dem Bruch p multipli- 
zieren müssen; da auf diese Platte ein Lichtbündel fällt, dessen 
Intensität bereits auf pl geschwächt ist^ so ist die Intensität 
des durch beide Platten hindurchgegangenen Lichtes p^L In 
analoger Weise schließen wir, daß die Intensit&t des durch 
drei gleichartige Platten hindurchgegangenen Lichtes p^I und 
durch n gleichartige Platten /?"/ ist. 

Nicht alle Platten absorbieren hierbei gleichviel Licht. 
Zieht man nämlich für jede Platte die Intensität des aus- 



20 "^ Erstes Kapitel. 

tretenden Lichtbündels von der des einfallenden ab, so erhält 
man für die absorbierte^ Lichtmenge nacheinander 

(1 - p) /, p{l - ;;) 7, p^{l - />) / n. s. w., (16) 

also Beträge, die allmählich kleiner werden. Dies rührt daher, 
daß zwar von dem auffallenden Licht stets der gleiche Bruch- 
teil absorbiert wird, aber auf die hinteren Platten weniger 
Licht fällt, als auf die vorderen. 

Das durch die Formeln (16) angedeutete Gesetz gilt natür- 
lich auch dann, wenn die verschiedenen Platten sich unmittel- 
bar berühren oder wenn sie eine einzige Platte von der n-fachen 
Dicke bilden. Bei Platten von verschiedener Dicke ist die 
Absorption daher nicht proportional der Dicke. 

Für sehr dünne Platten gilt jedoch angenähert die Pro- 
portionalität zwischen Dicke und Absorption. Denn der Grund, 
weswegen die Platten weniger absorbieren in dem Maße, als 
sie weiter in der Reihe stehen, ist, wie eben erwähnt, der, daß 
das Licht, welches auf die zweite Platte fällt, bereits durch 
die erste geschwächt ist. Diese Schwächung durch die vordere 
Platte ist aber um so geringer, je dünner dieselbe ist. Sind 
nun eine Anzahl von sehr dünnen, gleichartigen Platten auf- 
einandergeschichtet, dann können wir annehmen, daß jede 
einzelne das Licht angenähert proportional ihrer Dicke ab- 
sorbiert. Der Fehler, den wir hierdurch begehen, ist um so 
kleiner, je geringer die Dicke einer jeden ist. 

Fällt nun ein Lichtbündel von der Intensität / auf eine 
Platte, deren Dicke- sehr gering, etwa = <^, ist, so ist die ab- 
sorbierte Lichtmenge angenähert proportional I und 3, also 
= als, wo a unabhängig von / und S ist und nur von der 
Substanz der Platte abhängt, a bedeutet die Lichtmenge, 
welche eine Platte von der Dicke 1 bei der Lichtstärke 7=1 
absorbieren würde, wenn man die vorhin besprochene Pro- 
portionalität auch auf Platten von der Dicke 1 ausdehnen 
dürfte. 

§ 13. Nach diesen Auseinandersetzungen wollen wir eine 
Aufgabe lösen. 



^ Wir sehen hierbei von der Eeflexion des Lichtes an den Grenz- 
flächen der Platten ab. 



Algebraische Fonktionen^ Ezponentialgrößen und Logarithmen. 21 

Ein Körper, der aus derselben Substanz, wie die im vorigen 
Paragraphen besprochenen Platten besteht, ist auf der einen 
Seite von einer ebenen Fläche begrenzt, auf die senkrecht ein 
Lichtbündel von der Intensität / fällt. Wie groß ist die In- 
tensität in irgend einem innerhalb des Körpers gelegenen 
Punkte P, dessen Abstand von der Grenzfläche x ist? 

Wir teilen den Abstand x in eine sehr große Anzahl 
gleicher Teile 8 und denken uns durch die Teilpunkte ebene 
Flächen, parallel mit der Grenzfläche gelegt. Hierdurch ent- 
stehen y Schichten, durch die das Licht gehen muß, bevor es 

P erreicht. Die Absorption in der ersten Schicht ist alS, die 
Intensität des hindurchgegangenen Lichtes also /(l -— ad), 
die Absorption in der zweiten I[\ — a8)aS, die Intensität 
des durch die zweite Schicht hindurchgegangenen Lichtes also 
7(1 ^ aS)— I{\ — a8)aS = I{\ — aS)'^. Setzen ¥rir diese Über- 
legung in analoger Weise fort, so ergiebt sich für die Intensität 
in Punkt P der Wert 

X 

I{\ - ady. 

Das Resultat ist offenbar um so genauer, je größer die 
Anzahl der Teilpunkte von x oder, was dasselbe ist, je kleiner 
8 ist. Der wirkliche Wert der Lichtstärke in P ist daher 



i = Lim 



(B 



7(1 -aS)^ =7. Lim 1(1 - aS)^l fürLim<y=0. (17) 



Diese Ausdrücke sind denen des § 11 ähnlich; während 
dort eine Zahl, die nur wenig größer war als 1, potenziert 
wurde, geschieht hier dasselbe mit einer nur wenig unter 1 
liegenden Zahl. In beiden Fällen sind die Exponenten sehr 
groß. Da aS sehr klein ist, so istj^— aS nur sehr wenig 
kleiner als 1. Für eine derartige Zahl läßt sich immer setzen: 

1 — aJ= — " — , 

wo dann die Größe € gleichzeitig mit S sich nähert. Aus 
dieser Gleichung folgt 

aö=:r——~, — =: a -] 

1+8 8 



22 Erstes Kapitel. 

Substituiert man diese Größen in (17), so ergiebt sich 



.2 == /. Lim 



(l + e) 



ax 
— a» 

e 



für Limc = 0. C^^) 



Die Qröße in der eckigen Klammer läßt sich in die 
Faktoren 

ax 

(1 + e)""* und (1 +e)"^ 

zerlegen, deren erster offenbar den Grenzwert 1 hat. Da 

weiter 

1 



ax 



— ax 

7 



— ax — ax 



(1 + 6) ' = [(1 + b)\ 

80 ist (vergl. § 11) 

-• ax [ 1 

Lim (1 + «)" ' = Lim [(1 + a)^J """ = <? 

also die Intensität in P 

i= Je-«*. 

§ 14. Bei den beiden Aufgaben der §§11 und 13 sind 
die unabhängig Variablen die Zeit bez. der Abstand von der 
Grenzfläche, die abhängig Variablen der Wert des Kapitals 
bez. die Lichtintensität. Zu jedem Wert der unabhängig 
Veränderlichen gehört ein bestimmter Wert der abhängig Vari- 
ablen; nimmt die Zeit zu, so wächst das Kapital, wird der 
Abstand größer, so wird die Lichtintensität geringer. Trotz 
dieser Verschiedenheit haben beide Fälle etwas miteinander 
gemeinsam. Die Lichtintensität nämlich ändert sich durch 
die Absorption, wenn wir von einem Punkt zu einem sehr 
nahegelegenen übergehen, proportional der Intensität im ersten 
Punkt; und ebenso wächst das eine beliebige Zeit, z. B. .r Jahre, 
auf Zinsen gelegene Kapital nachher während einer sehr kleinen 
Zeit um einen Betrag, der proportional dem Wert des Kapitals 
nach den x Jahren ist. 

In allen Fällen, bei denen, wie hier, der zu einem be- 
stimmten Wert der unabhängig Variablen {x) gehörige Wert 
der abhängig Variablen (y) proportional diesem Wert von y 
sich ändert, wenn x um einen sehr kleinen Betrag größer wird, 
können wir die Aufgabe genau in der gleichen Weise wie 
in den §§11 und 13 lösen. Ist für jr = 0, y = a, so erhalten 



Algebraische Funktionen, Exponentialgrößen und Logarithmen. 23 

wir in diesen Fällen stets Formeln analog mit den früheren, 

nämlich 

y = ae^^ oder bez. y = ae^^^, 

wo p eine Konstante bedeutet. 

Zum Schluß möge noch darauf aufmerksam gemacht 
werden, daß diese Funktionen sehr schnell zu- bez. abnehmen, 
wenn die unabhängig Variable wächst. Führt man für x 
mäßige Werte ein, so ist ^ schon sehr groß und «~* sehr 
klein. Beides gilt in erhöhtem Maße von e^* bez. ^"^*, wenn 
p > \ ist. 

§ 15. Wenn die beiden Größen x und y derart vonein- 
ander abhängen, daß zu jedem Wert von x ein bestimmter 
Wert von y gehört, dann kann man im allgemeinen auch um« 
gekehrt den jedem beliebigen Wert von y entsprechenden 
Wert von x berechnen. Mit anderen Worten, wenn y eine 
Funktion von x ist, dann kann man auch y als die unab- 
hängig Variable und x als eine Funktion von y ansehen. Nimmt 
man diese Umkehrung mit einer algebraischen Funktion vor, 
so erhält man, wenn die Auflösung nach x möglich ist, wieder 
eine algebraische Funktion. 

Die ümkehrung der exponentiellen Funktionen fuhrt uns 
zu einer neuen Art von Funktionen, nämlich zu den logarith- 
mischen. 

Die Logarithmen sind bekanntlich Exponenten einer 
Basis, deren Potenzen die zugehörigen Zahlen bilden, d. h. 
wenn d^ = y ist, so nennt man x den Logarithmus von y für 
die Basis <f, was man durch die Formel 

ausdrückt. Oft läßt man den Index, der hier dazu dient^ um 
die Basis anzugeben, fort und schreibt einfach 

X = logy. 

Sind a und h zwei Exponenten und ist 

d^ = A und ^ = B, 

so leiten sich aus diesen Gleichungen die folgenden ab: 

rf«+^ = AB, rf«-» = A , d^' = ^% d^ = V^ , 



24 Erstes Kapitel. 

oder logarithmisch geschrieben: 

log^AB = a + b, log^-g=a-i, log^A'^ac, log^ ^ = ^ • 

Diese Gleichungen drücken die bekannten und f&r jede 
Basis gültigen Sätze über den Logarithmus eines Produktes, 
eines Quotienten, einer Potenz oder einer Wurzel aus. 

Wählt man zur Basis die Zahl 10, so gelangt man zu 
den gewöhnlich bei Rechnungen benutzten BfiiGG^schen Loga- 
rithmen. Wird dagegen als Basis die § 11 eingeführte Zahl e 
genommen, dann ergeben sich die sogenannten natürlichen 
Logarithmen. Dieselben werden mit lognat oder mit dem 
einfachen Buchstaben l bezeichnet. 

Der Übergang von einem Logarithmensystem zum anderen 
ist einfach. Will man beispielsweise von den natürlichen zu 
ai^deren Logarithmen, deren Basis d ist, gelangen, so hat man 
(die Symbole haben dieselbe Bedeutung wie oben): 

hieraus folgt 

a = log^ Ä und ald = lA , 
also 

log, A = 'A . (19) 

Ferner sei 

e* = A, 
Hieraus ergiebt sich 

b = lA und b log^ e = log^ A^ 

also 

loffj A 
IA^,~^—- (20) 

Will man von natürlichen zu den BRiaGs'schen oder um- 
gekehrt von den BBiGGs'schen zu den natürlichen übergehen, 
so braucht man nur 

/ 10 = 2,3025851 und log e = 0,4342945 

in (19) und (20) einzusetzen, um sofort das Resultat zu er- 
halten, übrigens enthalten die meisten Logarithmentafeln eine 
Tabelle, mit deren Hilfe die Umrechnung sich leicht aus- 
führen läßt. 



Algebraische Funktionen, ExponentialgrÖßeu und Logarithmen. 25 

§ 16. Die bis jetzt besprochenen Funktionen lassen sich 
in mannigfacher Weise zu neuen verwickeiteren Funktionen 
kombinieren, z. B.: 

In allen diesen und den vorher behandelten Fällen nennt 
man y eine entwickelte Funktion von x^ da die Beziehung 
zwischen x und y in einer für y entwickelten Gleichung ge- 
geben ist. Ist dagegen die x und y enthaltende Gleichung 
nicht filr y aufgelöst, so ist y eine unentwickelte Funktion 
von ar, beispielsweise ist in yx^ + 6a- + 8y*a:* = 0, y eine un- 
entwickelte algebraische Funktion von x. Hier könnte man 
freilich die Gleichung nach y auflösen. Häufig ist das aber 
unmöglich, und läfit sich also ?/, obgleich als unentwickelte 
Funktion gegeben, nicht in Form einer entwickelten Funktion 
darstellen; ja es giebt sogar Fälle, bei denen man, trotzdem 
man zu jedem Wert der einen Variablen den zugehörigen 
Wert der anderen kennt, die genaue Beziehung zwischen beiden 
nicht in der Gestalt einer Gleichung ausdrücken kann. So 
hat man beispielsweise für eine große Reihe von Temperaturen 
die zugehörigen Dampfdrucke des gesättigten Wasserdampfes 
gemessen, und aus diesen Werten kann man durch Interpola- 
tion auch für zwischenliegende Temperaturen mit genügender 
Genauigkeit die Dampfdrucke berechnen. Trotzdem man also 
zu jedem Wert der einen Variablen den zugehörigen Wert 
der anderen kennt, ist es noch nicht gelungen, eine Gleichung 
zwischen Temperatur und Dampfdruck aufzufinden. Dennoch 
ist der Dampfdruck als eine bekannte Funktion der Temperatur 
anzusehen. 

Will man andeuten, daß y eine Funktion von x ist, 
deren Form unbekannt ist oder vorläufig unbestimmt bleiben 
soll, so schreibt man 

y = F[x) , y = f{x\ y = (p{^) 

oder einen ähnlichen Ausdruck. Die verschiedenen Funktions- 
zeichen F[x), f{^)9 ^[^) bedeuten im allgemeinen mathematische 
Ausdrücke verschiedener Art, oder, was dasselbe ist, y hängt 
in F{x) in anderer Weise von x ab als in f{x). Bedeutet 



26 Erstes Kapitel. 

I eine konstante oder veränderliche Zahl, so bedeutet I^{£) 
den Wert, den man für t/ erhält, wenn man in F{x) für x die 
Größe I setzt. Ist z. B. F{x) = ar^^«, so ist J^(|) = |pä«^. 

§ 17. Wie bereits bemerkt, läßt sich der Zusammenhang 
zwischen zwei Größen durch numerische Tabellen darstellen. 

Dieselben werden gewöhnlich so eingerichtet, daß man f^ 
die unabhängig Variable nacheinander Zahlen einführt, welche 
stets um gleiche Beträge größer werden, die dazu gehörigen 
Werte der abhängig Variablen berechnet und beide GröBen 
in verschiedene Rubriken einträgt. Wir wollen einige von 
diesen aufeinanderfolgenden Werten der unabhängig Va- 
riablen mit 

■^1? "^S' *^3> ^V • • • • 

bezeichnen. Für die Differenzen : x^ — x^, x^ — x^, x^ — x^ . . . . , 
welche untereinander gleich groß sind, führen wir das Symbol 
Jx ein.^ 

Es seien weiter 

yv Vv Vz^ Vv (21) 

die entsprechenden Werte der Funktion y, wofür wir nach 
§ 16 auch 

^(^•i), n^2). l^Vzl ^K).---- (22) 

schreiben können. 

Zwischen den Werten y^, y^, ys> ^4 • • • • besteht natürlich 
ein gewisser Zusammenhang, sie bilden, wie man zu sagen 
ptiegt, eine Reihe oder Progression, welche je nach der 
Natur der ursprünglichen Funktion sehr verschiedener Art 
sein kann. 

Ist z. B. die Gleichung y = a + bx gegeben, dann isty^ — y^ 
= bAx, yg — yg = bAx, y^ — yg = bAx u. s. w. Die Differenz zwischen 
zwei aufeinanderfolgenden Werten von y ist also konstant. 
Man nennt in diesem Falle (21) eine arithmetische Reihe. 
Nennen wir die konstante Differenz Ay, so ergiebt sich für das 
n^^ Glied 



^ Der Buchstabe A bedeutet keinen Faktor, mit dem man x multi- 
plizieren muß. Das Zeichen A steht statt der Worte „Zuwachs von^'. 



Algebraische Funktionen, Exponentialgrößen und Logarithmen. 27 

Ist dagegen 

F{x) = ^i'* 
(j) konstant), so ist 

Jedes Glied der Reihe (21) ergiebt sich also jetzt aus dem Vorher- 
gehenden durch Multiplikation mit ^^'^. Eine derartige Reihe, 
bei der zwischen zwei aufeinander folgenden Gliedern immer 
dasselbe Verhältnis besteht, heißt eine geometrische. Ist 
das erste Glied a und das genannte Verhältnis r, so sind 
die folgenden Glieder ar, ar* u. s. w. Das »^® Glied ist in 
diesem Falle ar^-^. 

Für r > 1 oder < — 1 wachsen beim Forschreiten in der 
Reihe die absoluten Werte der Glieder ins Unendliche. Liegt 
dagegen r zwischen — 1 und +1, ist also r ein positiver oder 
negativer echter Bruch, so nähern sich die Glieder dem Grenz- 
wert 0. 

§ 18. Es lassen sich immer, welcher Art die Funktion 

F[x) auch sein mag, die DiflFerenzen yg — y^ ys ""^2» ^4 ""^s • • • • 
bilden. Diese Größen, die wir mit Jy^, /ly^, Ay^ .... be- 
zeichnen wollen, sind im allgemeinen voneinander verschieden; 
sie werden aber, ebenso wie die Zahlen (21) selbst, eine ge- 
wisse Gesetzmäßigkeit aufweisen, und also wieder eine ,,R6ihe'' 
bilden. Auch hier können wir die Differenzen je zweier auf- 
einanderfolgender Glieder, d. h. Ay^ — Ay^^ Ay^ — Ay^u.s.w., 
berechnen. Man nennt diese die Differenzen zweiter Ord- 
n u n g der ursprünglichen Reihe und bezeichnet sie dem- 
gemäß mit dem Zeichen A^. Um sie voneinander zu unter- 
scheiden, nennen wir die erste A^y^, die zweite A^y^ u. s. w. 
In dieser Weise kann man fortfahren und successive die 
Differenzen dritter, vierter Ordnung u. s. w. berechnen, was in 
dem folgenden Schema angedeutet ist: 

yu !/i7 ys» y^y Vh — » 

^yi» ^y2> ^ys» ^^4 — > 

A^y^ , J ^2 , A^y^ , 

u. s. w. 

Es ist nun eine interessante Frage, wie sich die Zahlen 
yj, ya, y4 • . . . wieder aus der ersten Zahl yj, der ersten der 



28 Erstes Kapitel. 

mit A bezeichneten Differenzen, also Jy^, der ersten Differenz 
zweiter Ordnung A^y^ u. s. w. aufbauen lassen. Die Antwort 
ergiebt sich in einfacher Weise, wenn man in Betracht zieht, 
daß die Größen Ay^^ Ay^^ Ay^ .... in derselben Beziehung 
zu Ay^, A^y^, A% stehen, wie y,, yj, y^ .... zu y^, 

^Vv ^Vi 

Zunächst ist 

^2=^1 + ^Vi ^^^ ^y2 = ^Vi + ^*yi • 

Durch Addition dieser Werte findet man 

Vz^Vi + 2Jyi + J*yi. 
Ebenso ist 

Ay^ = Ay^+2 A^y^ + A^y^ . 

Da nun y4 = ys + Ay^ ist, so folgt aus den beiden letzten 
Formeln 

y^^y^+ 3 Jy^ + 3 J^^ + J^i- 

Um y^ zu erhalten, hat man zu diesem Ausdrucke wieder 

^y, = ^Vi + 3^ Vi + 3 JVi + ^Vi 
zu addieren. 

Während in dem für y^ gefundenen Ausdrucke Bino- 

mialkoeffizienten zweiten Grades auftreten , erscheinen in y^ 

und yg die Binomialkoeffizienten dritten und vierten Grades 

(vergl. § 3). Wir dürfen also erwarten, daß in y^ (d. h. in dem 

„ten Qiiede unserer Reihe) die Binomialkoeffizienten des w — l*®'» 

Grades vorkommen werden. Eine nähere Betrachtung der 

Bildungsweise der Koeffizienten bestätigt dieses, und es ist 

somit 

. n-l . , (w - l)(n -2) .2 

yn = yi + — f- ^yi + — i" 2 ^ Vi + 

^ ^'^ \ (28) 

Das letzte Glied, das man niederzuschreiben hat, ist offenbar 
^'*~ Vi> ^^^ J* ^®^ ^®^ angewandten Additionsverfahren die 
weiteren Differenzen J^y^, A^'^^y^ u. s. w. keinen Einfluß auf 
y^ haben können. 

§ 19. In einigen Fällen bricht die rechte Seite der Glei- 
chung (23) schon früher ab. Ebenso nämlich wie bei einer ge- 



Algebraische Funktionen, Ezponenti&lgrößen und Logarithmen. 29 

wohnlichen arithmetischen Reihe die Differenzen erster Ordnung 
untereinander gleich sind, so kann es auch Torkommen, daß 
die Differenzen zweiter Ordnung gleiche Werte haben , oder 
daß dieses mit den Differenzen dritter Ordnung der Fall ist. 
Für den ersten Fall liefert z. B. die Reihe 

0, 2, 6, 12, 20 (24) 
und für den zweiten Fall 

1, 8, 27, 64, 125 (25) 

ein Beispiel. 

Im allgemeinen nennt man die Progression (21) eine 
arithmetische Reihe k^^ Ordnung, wenn die mit J^ bezeichneten 
Differenzen gleich werden. Natürlich sind dann alle noch 
höheren Differenzen null, und, sobald n>A ist, wird die rechte 
Seite von (23) bei dem Gliede mit J^y abbrechen. 

Es ist übrigens leicht, sich Beispiele für derartige Reihen 
zu verschaffen. Will man eine Reihe A^ Ordnung bilden, so 
kann man die k + 1 ersten Glieder nach Belieben wählen. 
Aus denselben findet man die Differenzen Jy^, J^y^j .... J^y^ 
und aus diesen mittels der Formel (28) die weiteren Glieder 
der Reihe. Setzt man in dieser Formel n=rl, 2.... k + 1^ 
so bekommt man natürlich die angenommenen Zahlen y^, 
Vij .... yjc+i wieder zurück. 

§ 20. Sehr bemerkenswert ist folgender Satz : Wenn F{x) 
eine ganze rationale Funktion A^" Grades ist, so ist die aus 
derselben abgeleitete Reihe (22) eine arithmetische Reihe 
Ä**'^ Ordnung. 

Um dieses zu beweisen, wollen wir der Differenz Jx ein 
für allemal einen bestimmten Wert beilegen und die Differenz 

F{z + Ax) - F{x) 
betrachten. 

Dieselbe hängt von x ab, ist also eine Funktion von x, 
und die Differenzen Jy^, Ay^, Ay^ u. s. w. sind eben die 

Werte dieser Funktion flir die Werte ^i, ^Tj» ^s • • • • ^^^ '^^" 
abhängig Variablen. 

Ist nun 

F{x) = aar* + bx^-^ + ...+/?, 



30 Erstes Kapitel. 

SO ergiebt sich 

F{x+Jx)-^F{x) = a[{x + Jxf-x^] I 

Hier lassen sich die Potenzen von x + Jx nach dem bino- 
mischen Lehrsatz (§ 3) entwickeln, wobei sich die Glieder mit 
x^ wegheben/ Die Funktion (26) ist also ein Polynom (A — 1)^«^ 
Grades, d. h.: 

Wenn y^^y^^y^ .... die successiven Werte einer Funktion 
^ten Grades sind, so sind Jy^, Jy,, Ay^ .... die successiven 
Werte einer Funktion (ä — 1)**° Grades. Ebenso sind A^y^^ 
A^y^ , A^y^ .... die Werte einer Funktion (A — 2)*®" Grades. 
Schließen wir in dieser Weise weiter, so ergiebt sich, daß 

^^^y\y '^^"Va» ^"^yz ' ' ' ' ^^® ^®^ Werten x^, x^ + Ax, 
x^ + 2Ax . . . , entsprechenden Werte einer Funktion ersten 
Grades sind. Dann haben also die DiflFerenzen J^y^, A^y^. 
A^y^ .... denselben Wert, was wir beweisen sollten. 

Es geht aus diesem Satze hervor, daß z. B. die k^^ Po- 
tenzen der natürlichen Zahlen 1, 2, 3 .... eine arithmetische 
Progression ä*«^ Ordnung bilden. Die oben als Beispiele an- 
geführten Reihen (24) und (25) werden erhalten, wenn man für 

^i> ^2' ^3 • • • • ^^® Werte 1, 2, 3 ... . wählt, und das eine 
Mal F{x) = x^^ Xj das andere Mal F{x) = x^ setzt. 

Wir bemerken noch, daß auch die Formel (23) mit dem 
eben bewiesenen Satze in Einklang steht. Es steht nämlich 
in dieser Formel auf der rechten Seite, wenn sie ohne unser 
Zuthun, wegen des Verschwindens der Differenzen höherer 
Ordnung, bei dem Gliede mit A^x abbricht, ein Polynom, das 
in Bezug auf n vom A^®^ Grade ist, und es müssen sich daher 
die Glieder einer Reihe k^^ Ordnung ergeben, wenn man für 
n eine Reihe äquidistanter Werte einsetzt. In der That 
ergeben die Substitutionen n = 1, 2, 3 .... die Reihe 

yiy ^2^ I/s • ■ • • 

Wir werden nun aber auch eine Reihe derselben Art er- 
halten, wenn wir für n die Zahlen 0, -, — , — u. s.w., wo 

? 9 ? 

q irgend eine positive ganze Zahl ist, substituieren. Die so 
entstehende Reihe unterscheidet sich von (21) dadurch, daß 
zwischen je zwei aufeinanderfolgende Glieder der letzteren 



Algebraische Funktionen, Ezponentialgrößen und Logarithmen. 31 

q — 1 neue Glieder eingeschaltet, oder, wie man sagt, inter- 
poliert sind. 

§ 21. Gegeben sei eine arithmetische Beihe erster Ord- 
nung. Man soll die Summe der n ersten Glieder derselben 
bestimmen. Die arithmetische Reihe hat nach dem Vorher- 
gehenden die Gestalt: 

aj a + dj a + 2rf, a + 3rf . . . ., m — - 2rf, u — dj m, 

wo u das n*« Glied bedeutet, w ist = a + (w — 1) d. 
Die Summe ist also 

iS = a-l-a + fl?+a + 2rf+ .... +u — 2d+u — d + u 

oder wenn wir sie in umgekehrter Reihenfolge schreiben 

S=^u + u — d + u — 2d+ .... + a + 2d+ a + d-\- a. 

Durch Addition dieser beiden Gleichungen findet man 

2S = n[a -h m), also S = ^-{a + u). 

Setzt man für u seinen Wert ein, so ergiebt sich 

5=|{2a + (7i-l)rf}. 

Soll die Summe 8 aller Glieder der geometrischen Reihe 
a, ar^ ar^, ar^, .... ar^^^ 
eraiittelt werden, dann multipliziert man 

S = a + ar + ar^ + ar^ + . . . . ar^~^ 
mit r, wodurch sich ergiebt 

rS = ar + ar^ + ör'+ ar* + . . . + ar". 

Durch Subtraktion der zweiten Gleichung von der ersten 
erhält man 

5(1 -r) = a{l -r«), 

1 -r" 



5= a 



1 -r 



Auch flir eine arithmetische Reihe höherer Ordnung läßt 
sich eine Summenformel aufstellen. Wir gewinnen dieselbe, 
indem wir aus der gegebenen Reihe 

Vu y%^ Vzy y^ (2"^) 



32 Erstes Kapitel. 

eine neue Reihe mit den Gliedern 

Sq^O, *i=yi, ^2 = ^1+3^2» *8 = yi + ya + ys u. s. w. (28) 

bilden, deren (n + 1)*®^ Glied s^ offenbar eben die Summe d^ 
n ersten Glieder von (27) ist. 

Von dieser neuen Reihe berechnen mr nun, gerade so, 
wie wir es im § 18 mit der Reihe (21) machten, die Diffe- 
renzen erster, zweiter, dritter Ordnung u. s. w. Die DifFerenzen 
in der Reihe (28) sind j/ij y^i y^i y^ . . . ., und es stimmen 
folglich die weiteren Differenzen mit den in § 18 angegebenen 
überein, nur daß jetzt z. B. A^y^ , A^y^ u. s. w. die Differenzen 
dritter Ordnung sind. Der Wert von «^ kann also in derselben 
Weise wie früher der von y^ berechnet werden; wir haben 
nur in der Formel (23) 

y^ , Ay^ , A^y^ .... und n 
durch 

0, y^, Ay^ .... und » + 1 

zu ersetzen. Es ergiebt sich dann 

n , w (n — 1) . , n(n — l)(w — 2) .- , /oq\ 

^n= i-yi + - f72 - ^yi + 1.2 3 ^V, + ---. (29) 

Bilden die gegebenen Zahlen eine arithmetische Reihe 
^ter Ordnung, so bricht (wenn n > A ist), die Summenformcl 
bei dem Gliede mit J*yj ab. 

Als Beispiel möge die Reihe dienen, welche aus den 
zweiten Potenzen der Zahlen 1, 2, 3 ... . besteht. Hier ist 
Jy^ = 3, A^y^ = 2, und also nach einiger Umformung 

5„= J-n(n+l)(2n + l). 

Ebenso wird man für die Summe der n ersten Glieder 
der Reihe 

13 08 Q3 

den Wert 

finden. 

§ 22. Es liegt oft der Fall vor, daß man von einer ab- 
hängigen Variablen y nur die Werte kennt, welche bestimmten 
vereinzelten Werten der unabhängigen Variablen x entsprechen, 
und daß man dennoch y auch für dazwischen liegende Werte 
von X zu ermitteln wünscht. Man versucht in diesem Falle 



^=^ 



1 

I 



Algebraische Funktionen, Ezponentialgrößen und Logarithmen. 33 

die gegebenen, etwa durch Beobachtung gewonnenen Werte 
der Funktion durch eine Gleichung zwischen x und y auszu- 
drücken; nachdem dieses vollkommen oder mit einer gewissen 
Annäherung gelungen ist, substituiert man in diese Gleichung 
die Werte von x, flir welche man die Werte von y zu be- 
rechnen wünscht. 

Oft genügt es, nur einige von den gegebenen Funktions- 
werten in Betracht zu ziehen und y als eine ganze rationale 
Funktion von x aufzufassen. Am einfachsten liegen die Ver- 
hältnisse, wenn, falls den Werten x^ und x^ der unabhängig 
Variablen die gegebenen Werte y^ und y^ entsprechen, y als 
eine Funktion ersten Grades dargestellt werden kann. 

Setzt man 

y^a + bx, (30) 

so ergeben sich die Eonstanten a und b aus den Bedingungs- 
gleichungen 

so daß 

wird. 

Man erhält übrigens diese Formel sofort, wenn man darauf 
achtet, daß bei einer Funktion ersten Grades zwischen den 
gleichzeitigen Änderungen von x und y ein konstantes Verhält- 
nis besteht, und daß also, wenn x sich nur um einen gewissen 
Bruchteil der ganzen Änderung x^ — x^ ändert, y, von dem 
Werte y^ ab gerechnet, eben denselben Bruchteil des ganzen 
Zuwachses y^ — y^ erfährt. Hierauf beruht das gewöhnliche 
Interpolationsverfahren, welches z. B. bei dem Gebrauch der 
Logarithmentafeln immer in Anwendung kommt. 

Genauer ist es in den meißten Fällen, wenn man von 
drei aufeinanderfolgenden Werten, yi,y2i!/sf Gehrauch macht 
und eine Gleichung zweiten Grades anwendet, z. B. 

y =z a + bx + cx^. 

Die sonst ziemlich mühsame Berechnung der Konstanten 
ö, 6, c vereinfacht sich erheblich, wenn die Differenzen x^ — x^ 
und x^ — x^ gleich sind; in diesem Falle läßt sich die Inter- 

LoRBivTZ, Differenlialreclmung. 8 



34 Erstes Kapitel. 

polation auf die Formeln der Yorhergehenden Paragraphen 
zurückführen. Setzt man nämlich 



n = 1 + 



jC "* jC« 



so kann man y auch als eine Funktion von n betrachten. Da 
nun den Werten ^i, x^f jt, die Werte n = 1, 2, 3 entsprechen, 
so muß für n = 1, 2, 3, y ^y^y^jy^ werden. Man betrachte 
nun yu y^i !/s ö-ls die ersten Glieder einer arithmetischen Reihe 
zweiter Ordnung und bilde die Differenzen Jy^ = y^ — ^i ^^^^ 
^ Vi = (ys ~~ Vm) ~ (y2 ~" Vi)- ^^^ ^^^ (^3) abzuleitende Formel 

y = yi + (« - i)^yi + K^ - i)(« - 2) j^i (32) 

liefert uns dann die gesuchte Darstellung der Funktion. 

Zur Erläuterung möge folgendes Beispiel dienen. Gresetzt, 
es sei y der BBiGOs'sche Logarithmus von x und man kenne 
für die Zahlen 

Xj = 1210; arg == 1220 und x^ = 1230 

die Logarithmen 

yj = 3,0827854; y, = 3,0868598 und y^ = 3,0899051. 

Für den Logarithmus von 1217 würde dann die einfache Inter- 
polationsformel (31) den Werth 3,0852875 ergeben. Will man 
die Formel (32) anwenden, so ist in derselben 

Jy^ =: 0,0035744, J^y^ = - 0,00000291, n = 1,7 

zu setzen. Man gelangt dadurch zu dem Werte 3,0852906. 
Dieser Wert ist wirklich bis auf 7 Stellen genau. 

§ 23. Oft hängt der Wert einer Variablen nicht nur Yon 
einer einzigen anderen, sondern von zwei oder noch mehr ab. 
So ist das Volum einer Gasmasse eine Funktion von Druck 
und Temperatur, die Schwingungsdauer eines Pendels eine 
Funktion seiner Länge und der Intensität der Schwerkraft. 
Li dergleichen Fällen haben wir es mit Funktionen von zwei 
oder mehr unabhängig Variablen zu thun.. Auch hier kann 
die abhängig Variable eine entwickelte oder unentwickelte 
Funktion der unabhängig Variablen sein, und es kann infolge- 
dessen alles in § 16 Auseinandergesetzte direkt auf diese Funk- 
tionen übertragen werden. Will oder kann man nicht die 



Algebraische Funktionen, Ezponentialgrößen und Logarithmen. 35 

genaue Beziehung zwischen den abhängig und unabhängig 
Variablen angeben, so schreibt man entsprechend § 16: 

z = ^(x,y), z=:/'(x,y), r = t^(ar,y,z) u. 8. w. 

Die Reihenfolge, in der man x^ y^ z , . . schreibt, ist nicht 
gleichgültig. Eine Änderung in der Reihenfolge bedeutet näm- 
lich einen Tausch der unabhängig Variablen untereinander. 

Ist z. B. 

F{x, y) = ar*y, SO ist F[tf, x) = y^x. 



Aufgaben. 

1. Die Gleichung 

besitze die n Wurzeln 

Zu beweisen, daß 

Pn-\ = - («1 + 0^2 + + ««) 

und 

ist. 

2. Wenn die Größe x mit einer anderen y durch die 

Formel 

x^Fiy) 

m 

zusammenhängt, so liefert die Substitution dieses Wertes in (1) 
eine neue Gleichung mit y, derart, daß jeder Wurzel dieser 
letzten Gleichung einer Wurzel von (1) entspricht. 

Man leite aus (1) eine Gleichung ab, deren Wurzeln das 
c-fache der Wurzeln von (1) sind. 

3. Aus der Gleichung 

x8+ 2x«- I3x + 10 = 

eine andere Gleichung abzuleiten, deren Wurzeln um a größer 
sind, als die Wurzeln der gegebenen Gleichung, und die Zahl a 
so zu bestimmen, daß in der neuen Gleichung das Glied mit 
dem Quadrat der Unbekannten fehlt 



36 



Zweites KapiteL 



4. Die Brüche 

4x + 11 



-c»+ a; +1 



(X- 4)ix + 2)(x-\-b)' 

in Partialbrüclie zu zerlegen. 
5. Die Summe 

14+ 2*+3*+ . . . 
zu berechnen. 



a?»+ 6 



(a;* + a; + l)(x«-x + 1) 



+ n* 



Kapitel 11. 

Theorie nnd Anwendnng der goniometrischen 

Funktionen. 

§ 24. um zu der Definition der verschiedenen gonio- 
metrischen Funktionen zu gelangen, wollen wir von dem Be- 
griff der Richtung einer geraden Linie ausgehen. Bekanntlich 
kann man längs einer G-eraden in zwei Richtungen fortschreiten, 
z. B. auf einer Horizontalen von links nach rechts, oder um- 
gekehrt. Wir wollen nun bei jeder Geraden nur die eine 
dieser Richtungen berücksichtigen und die andere gänzlich bei- 
seite lassen. 

Vorläufig beschränken wir uns auf Richtungen, die alle 
in ein und derselben Ebene liegen. Wir stellen diese dar durch 

gerade, aus einem festen Punkt in der 
Ebene gezogene^ Linien und vergleichen 
sie mit der Richtung einer festliegenden 
Linie oder „Achse" OX (Fig. 1). Die 
Reihenfolge der Buchstaben OX deutet 
darauf hin, daß wir nur die Richtung 
von nach X unserer Betrachtung zu 
Grunde legen. Eine jede Richtung, 
z. B. OZ^ ist dann durch den Sinn und 
die Größe einer von OX nach OL 
gehenden Drehung bestimmt, oder, wie 
man zu sagen pflegt, durch das algebraische Zeichen und 
die Größe des Winkels zwischen OL und OX. Wir setzen 




Fig. 1. 



Theorie und Anwendung der goniometrischen Funktionen. 37 

voraus, daß die positive Drehungsrichtung diejenige ist, die in 
Figg. 1 und 2 durch die Pfeile angedeutet ist. Es bildet also 
in Fig. 1 OL einen positiven stumpfen Winkel mit OX, OL' 
einen Winkel zwischen +270° und +360°. Da man eine 
Drehung nach beiden Richtungen beliebig weit fortsetzen kann, 
so können die positiven oder negativen Winkel auch beliebig 
groß sein. 

Während nun jeder Winkel eine einzige Richtung OL 
bestimmt, kann man nicht umgekehrt sagen, daß eine gegebene 
Richtung nur einen einzigen bestimmten Winkel mit OX bildet. 
In Fig. 1 bildet OL mit OX auch einen Winkel zwischen 
— 180° und —270°; ebenso kann man von einem negativen 
spitzen Winkel zwischen OL' und OX reden. Ist der Winkel 
zwischen OX und OL (Fig. 2) +30°, so gelangt man auch 
ebensogut von der ersten nach der zweiten Richtung durch 
Drehungen um +390°, +750°, -330° oder -690°. Wenn 
einer der Winkel a heißt, so sind o£fenbar alle übrigen in dem 
Ausdruck a + n x 360° enthalten, wo n, wie das auch in der 
Folge der Fall sein soll, eine positive oder negative ganze Zahl 
bedeutet. Wir werden in einigen Fällen durch geeignete Vor- 
aussetzungen diese Unbestimmtheit beseitigen; vorläufig halten 
wir aber an obiger Auffassung fest. 

Selbstverständlich kommt es, wenn von dem Winkel 
zwischen OL und OX die Rede ist, gar nicht auf die Lage 
von OLj sondern nur auf die Richtung an. Jede parallel zu 
OL gezogene Gerade bildet mit OX denselben Winkel wie 
OL selbst. 

Wie alle algebraische Größen können auch Winkel durch 
Addition und Subtraktion miteinander verbunden werden, und 
es lassen sich diese Operationen in einfacher Weise geometrisch 
deuten. Wenn man z. B., von OX ausgehend, durch eine posi- 
tive oder negative Drehung a nach der Richtung L gelangt 
und von dieser durch eine neue Drehung b von beliebigem 
Vorzeichen nach der Richtung M, so bildet letztere mit OX 
den Winkel a + b. Man überzeuge sich davon, daß dieses für 
alle Kombinationen der Vorzeichen von a imd b zutrifft, und 
daß die drei in Betracht kommenden Geraden sich nicht in 
einem Punkte zu schneiden brauchen. 

§ 25. Eine Strecke AB von bestimmter Länge, die auf 



88 Zweites Kapitel. 

eine gerade Linie von einem Punkte A aus nach einer be- 
stimmten Richtung aufgetragen ist, nennt man einen Vektor. 
Die Richtung kann man wie in § 24 durch die Reihenfolge 
der Buchstaben A und B oder dadurch andeuten, daß maa 
vor die Zahl, welche die Größe des Vektors angiebt, das 
Zeichen + setzt, wenn die Richtung des Vektors dieselbe ist 
wie die, welche in § 24 für die Richtung der geraden Linie 
festgelegt wurde, und das Zeichen — , wenn das Entgegen- 
gesetzte der Fall ist. 

Die soeben erwähnte, mit dem richtigen Vorzeichen ver- 
sehene Zahl wollen wir die algebraische Größe des Vektors 
nennen ; wir werden dieselbe oft mit einem griechischen Buch- 
staben bezeichnen. 

Wenn auf verschiedenen Linien von derselben Richtung 
eine Anzahl gleicher und gleichgerichteter Vektoren aufgetragen 
werden, so haben diese alle offenbar dieselbe algebraische Größe. 

Wir denken uns jetzt wieder die feste Achse OX und 
eine zweite Richtung OZ, die mit OX einen Winkel a bildet. 
Auf OL tragen wir einen beliebigen Vektor L^L^ auf, dessen 
(positive oder negative) algebraische Größe X heiße. Wenn 
wir nun aus L^ und 1^ Lote aut OX fällen, dann bestimmen 
die Fußpunkte X^ und X^ einen neuen Vektor, den man die 
Projektion von L^L^ auf OX nennt. Das Vorzeichen dieses 
neuen Vektors ist positiv, wenn die Richtung X^X^ mit der 
Richtung OX zusammenfällt, negativ, wenn das Entgegen- 
gesetzte der Fall ist. 

Die algebraische Größe des projektierten Vektors sei |. 
Mittels einfacher geometrischer Sätze läßt sich beweisen , daß 

das Verhältnis -^ ^^^^ nicht ändert, wenn man den Vektor 

ijij durch einen anderen von beliebiger Größe ersetzt, der 
auf OL oder auf einer zu Oi parallelen Geraden in derselben 
oder in der entgegengesetzten Richtung wie L^L^ aufgetragen 
ist. Das Verhältnis kann mithin nur von dem W^inkel a ab- 
hängen. Wir nennen dasselbe den Kosinus des Winkels und 
bezeichnen es kurz mit cos a, so daß 



cos a = -j- 



ist. 



Theorie and Anwendung der goniometrischen Funktionen. 39 

Zur Erläuterung möge Fig. 1 dienen. Wenn die positiven 
Zahlen p und q die absoluten Längen von L^ L^ und X, X^ 
darstellen, so ist die algebraische Größe des einen Vektors 
+ Pj und die des anderen — y.^ Der Kosinus des positiven 

stumpfen Winkels XOL hat also den negativen Wert — — • 

Wir überlassen es dem Leser, sich durch weitere Figuren 
völlige Klarheit über die gegebene Definition zu verschaffen, 
und gehen zu den übrigen goniometrischen Funktionen über. 

§ 26. Wir nehmen zunächst noch eine zweite feste 
Richtung OY an (Fig. 1), die mit OX einen positiven rechten 
Winkel bildet. Wir projizieren den auf der beliebigen Linie OL 
liegenden Vektor ijZ, auch auf 07, und bezeichnen die alge- 
braische Größe der Projektion Y^ Y^ mit 17. Das Verhältnis y , 

welches wieder eine Funktion des Winkels a ist, nennt man 
den Sinus des Winkels a. 

Wir wollen jetzt noch das Verhältnis 

IL 
I 

und die reziproken Werte der bisher besprochenen drei Ver- 
hältnisse, also 

JL A -1. 

ins Auge fassen. Man nennt ersteres die Tangente und die 
drei letzteren die Sekante, die Kosekante und die Ko- 
tangente des Winkels. Also ist in gebräuchlicher Abkürzung 

sin ö = -|-, tga = ^ , 

sec a = —iT n cosec a = — , cot a = — 

f 17 ' 7 



^ Denken wir uns, wir hätten die Richtung OX als die einzige, 
welche in Betracht kommt, festgelegt, so wäre durch die algebraische 
Größe und das Zeichen des Winkels a die Richtung OL als die einzige, 
welche wir zu berücksichtigen brauchen, bestimmt Tragen wir nun 
L| L, in Richtung OL auf, so ist Lj L, positiv, die Projektion, welche 
die entgegengesetzte Richtung wie OX besitzt, also negativ. Würde 
man L^ L, in Richtung L auftragen, so wäre L^ L, negativ und X^ X^ 
podtiv. 



40 Zweites Kapitel. 

Wenn die positive Zahl r die absolute Länge der Strecke 
Zj ¥^ in Fig. 1 bedeutet ^ so hat der Sinus des positiven 

stumpfen Winkels XOL den Wert + — . Die Tangente ist 

— *^ , die Sekante — ^- , die Eosekante + — und die Eotan- 

9 q r 

gente — ^- • 

§ 27. Der Anfänger möge sich durch die Betrachtung 
vieler Figuren eine Übersicht über die Werte und Vorzeichen 
der goniometrischen Funktionen für positive und negative Winkel 
verschiedener Größe verschaffen. Wir müssen uns in dieser 
Hinsicht auf einige kurze Bemerkungen beschränken. 

a) Da sämtliche goniometrische Funktionen von der Lage 
von OL in Bezug auf OX und OY abhängen, so müssen die 
goniometrischen Funktionen von zwei Winkeln, die um 360^ 
voneinander verschieden sind, dieselben sein. 

b) Das Vorzeichen der Funktionen hängt davon ab, in 
welchem Quadranten der Winkel liegt. Man sagt nämlich, 
der Winkel liege im ersten, zweiten, dritten positiven Qua- 
dranten u. s. w., wenn er zwischen 0® und +90^, zwischen 
+ 90® und +180^ zwischen +180® und +270® u. s. w. 
liegt. Der Winkel befindet sich im ersten negativen Quadranten, 
wenn er zwischen 0® und — 90® liegt u. s. w. 

Im ersten positiven Quadranten haben A, | und ri das- 
selbe Vorzeichen, und sind somit alle goniometrischen Funk- 
tionen positiv. Die Vorzeichen für den zweiten positiven 
Quadranten sind bereits (§ 26) mitgeteilt. 

c) Für einige spezielle Werte des Winkels lassen sich die 
goniometrischen Funktionen mittels bekannter geometrischer 
Sätze berechnen. Z. B. 

sin30® = |-, cos315® = |y2, tg(-45®)=-l, 

sec240®= - 2. 

Die Werte für die Winkel 0®, ±90®, ± 180® u. s. w. 
lassen sich leicht ermitteln. Auf einige derselben kommen 
wir noch zurück. 

d) Man kann sich die Aufgabe, einen Überblick über die 
Werte und Vorzeichen der goniometrischen Funktionen zu 
gewinnen, dadurch erleichtern, daß man den einen Endpunkt 



Theorie und Anwendung der goniometrischen Funktionen. 41 



von sämtlicheii in Betracht kommenden Vektoren in legt 
und demjenigen Vektor, der den Nenner des betrachteten 
Braches bildet, die algebraische Größe + 1 giebt Es wird dann 
die betreffende goniometrische 
Funktion unmittelbar durch 
den Zähler des Bruches ge- 
geben. Ersetzt man außerdem 
die Projektion 17 eines in an- 
fangenden Vektors Of auf OY 
durch das aus P auf OX oder 
der Verlängerung von OX ge- 
fällte Lot, dessen Vorzeichen 
sodann dadurch zu bestimmen 
ist, ob es auf der einen oder 
der anderen Seite von OX 




Fig. 2. 



liegt, so gelangt man zu der in Fig. 2 gegebenen Dar- 
stellung. 

Man sieht in derselben wieder die beiden festen Achsen OX 
(von links nach rechts laufend) und Y (von unten nach oben 
laufend), sowie den die positive Drehungsrichtung andeutenden 
Pfeil. Es ist weiter ein Kreis beschrieben worden, dessen Radius 
gleich der Länge 1 ist. In seinen Schnittpunkten mit OXund 
Y sind die Berührungslinien A T und BU in Richtung von 
OY und OX gezogen; OX, AT und BU sind rückwärts nach 
0X\ AT, BV verlängert. 

Der eine Schenkel des Winkels ist immer OX, der andere 
kann verschiedene Lagen haben, etwa für Winkel in den vier 
ersten positiven Quadranten die Lagen OL, 0L\ OL", OL'", 
Schneidet nun dieser Schenkel den Kreis in P (oder P', P", 
P'"), so giebt uns die Länge der von diesem Punkte auf OX 
(oder OX') gefällten Senkrechten PQ (oder FQ', P"q", P'"Q'") 
den numerischen Wert des Sinus. Der Kosinus ist durch 
die Entfernung OQ (oder OQ', OQ", OQ"') gegeben. Der 
Sinus ist positiv oder negativ, je nachdem der Schnittpunkt 
des Schenkels mit dem Kreise oberhalb oder unterhalb OX 
hegt. Dagegen hängt das Zeichen des Kosinus davon ab, ob 
die genannten Senkrechten rechts oder links von liegen. 

Der Schenkel OL [OL', OL", OL'") schneidet die Be- 
rührungslinie AT m B [R', B", B'") und die Gerade BU m 



42 Zweites Kapitel. 

S (S', Ä", 5'"). Die Tangente des Winkels ist gleich der 
Strecke AJR bez. AH/ resp. AR'' oder AJR"\ Sie ist positiv, 
wenn der Schnittpunkt des eines Schenkels mit der Berühnmgs- 
linie oberhalb A liegt. Desgleichen liefert uns die Entfernung 
des zweiten Schnittpunktes von B den Wert der Eotangent«, 
und ist diese Funktion positiv oder negativ, je nachdem dieser 
Schnittpunkt rechts oder links von B liegt. Endlich erblicken 
wir in OH [0R\ on\ OB'") die Sekante und in OS {0S% 
OS", 05'") die Kosekante, und zwar ist hier das positive Zeichen 
in Anwendung zu bringen, wenn diese Vektoren die Richtung 
des Schenkels OL {OL', OL", OL'") haben, das negative da- 
gegen, wenn sie jener Richtung entgegengesetzt sind. 

e) Die Änderungen, welche die goniometrischen Funktionen 
erleiden, wenn der Winkel größer wird, lassen sich leicht aus 
der Figur ersehen, wenn man den Schenkel OL im Kreise 
herumdreht, wobei sich z. B. Q der Linie TX und B der 
Linie TT entlang verschiebt. 

Der Sinus und Kosinus wandern zwischen den äußersten 
Werten — 1 und + 1 hin und her; in dem Augenblicke, wo 
sie das Zeichen wechseln, ist ihr Wert 0, und zwar verschwin- 
det die eine Funktion, wenn die andere + 1 oder — 1 ist. 

Die Tangente und Kotangente können alle positive und 
negative Werte annehmen, die Sekante und Kosekante alle 
Werte, mit Ausnahme derjenigen, die zwischen -r- 1 und + 1 
liegen. Auch diese vier Funktionen ändern wiederholt das 
Zeichen; jedoch werden sie dabei niemals 0. 

Wenn der bewegliche Schenkel von OX ab in positiver 
Richtung gedreht wird, steigt der Punkt B immer höher, 
und es kann AB beliebig groß werden, wenn nur der Winkel 
nahe genug an 90® herankommt. Die Tangente wird also 
jetzt + ex?. Hat man den Wert 90 « passiert, so kommt der 
Schnittpunkt B' auf AT zum Vorschein, und zwar zunächst 
in sehr großer Tiefe, so daß man sagen kann, daß beim ffinein- 
treten in den zweiten Quadranten die Tangente mit dem Wert 
— 00 anfängt. • 

§ 28. Die goniometrischen Funktionen positiver spitzer 
Winkel lassen sich als die Verhältnisse zwischen den Seitenlängen 
eines rechtwinkligen Dreiecks auffassen. Ist ABC {Fig. 3) ein 
solches Dreieck, und nennen wir die Seiten wie üblich a, b, c und 




Theorie und Anwendung der goniometrischen Funktionen. 48 

die spitzen Winkel B und C, so findet man sofort aus den Defi- 
nitionen 

sin ^ = , cos jB = — , tg jS = - , cot J? = ^ , 

und ähnliche Formeln für den Winkel C. 

Es bestehen nun Tabellen, die sogenannten Sinustafeln, in 
denen ftbr jeden Winkel zwischen 0^ und 90^ die numerischen 
Werte der goniometrischen Funktionen an- 
gegeben sind; wie diese berechnet worden 
sind, wird später auseinandergesetzt werden. 
Mittels derartiger Tabellen kann man auch 
umgekehrt zu jedem Werte irgend einer p. 

goniometrischen Funktion den entsprechen- 
den Winkel finden, und es ist nun klar, daß obige Formeln, 
in Verbindung mit der Beziehung 

a> = ^a + c», 

die Lösung mancher Probleme über rechtwinklige Dreiecke er- 
möglichen. Zunächst kann man, sobald neben dem rechten 
Winkel noch zwei voneinander unabhängige Elemente (Seiten 
oder Winkel) des Dreiecks gegeben sind, die übrigen Elemente 
berechnen. Sind z. B. die eine Kathete c und der anliegende 
Winkel B bekannt, so hat man 

' o 7 C08 5 

Es lassen sich aber auch andere Größen, z. B. der Inhalt 
des Dreiecks, das aus Ä auf die Hypotenuse gef&llte Lot und 
der Radius des eingeschriebenen Kreises mit Leichtigkeit be- 
stimmen. 

Eine gewisse Gewandtheit in der Behandlung derartiger 
Probleme wird jedem sehr zu statten kommen. 

Da die goniometrischen Funktionen häufig mit anderen 
Größen multipliziert oder durch andere dividiert werden müssen, 
so empfiehlt sich, wenn eine große numerische Genauigkeit ver- 
langt wird, das Eechnen mit Logarithmen; man hat daher 
Tafeln zusammengestellt, die für spitze Winkel die Logarithmen 
des Sinus, Kosinus u. s. w. (log sin, log cos u. s. w.) enthalten. 
Mittels derselben findet man auch sofort die Größe eines Win- 
kels, von dem der Logarithmus seines Sinus, Kosinus, seiner 
Tangente oder Kotangente gegeben ist. 



44 Zweites Kapitel. 

Oft enthalten die Sinustafeln gar nicht die Werte der gonio- 
metrischen Funktionen selbst, sondern nur die Logarithmen. 

Bei einfachen Rechnungen, wie sie in der Praxis häufig 
vorkommen, genügt es, mit drei Stellen zu arbeiten. Die An- 
wendung der Logarithmen ist in diesem Falle kaum zu em- 
pfehlen. 

§ 29. Wir kehren jetzt zu der Betrachtung ganz beliebiger 
Winkel zurück und wollen einige wichtige Formeln zusammen- 
stellen, die sich unmittelbar aus der Definition der gonio- 
metrischen Funktionen ableiten lassen. 

a) Erstens ist 

. sin a . cos a 

tff a = , cot a = . — , 

^ cos a ' sin a ' 

.1 1 1 

cot a = T — , sec a = , cosec a = - — • 

tg a ' cos a sin a 

b) Man dividiere die zwischen den in §§ 25 und 26 einge- 
führten Größen bestehende Gleichung 

I* + r?' = A» 

der Reihe nach durch l^, |^ und rj^. Man findet dann 
cos*a + sin*a = 1 , 1 + tg^« = sec^a, 1 + cot*a = cosec* a. 

c) Aus den Definitionen folgt 

sin(— a) = — sina, cos{— a) == cosa, tg(— a) = — tga 

und ähnliche Formeln für sec(— a), cosec (—a) und cot(— ä). 

d) Ebenso lehrt die Betrachtung der Figur 2: 

cos (180® — a) = — cos a, cos (180® + a) = — cos a, 

cos (860® — a) = cos a, 

sin (180® - a) = sina, sin(180® + a) = - sina, 

sin(360®- a)= - sina 
u. s. w. 

§ 80. Diese Beziehungen finden häufig Anwendung. Man 
ist z. B. oft in der Lage, die goniometrischen Funktionen des 
Supplementes eines Winkels mit den entsprechenden Funk- 
tionen des Winkels selbst zu vergleichen. Der Kosinus, die 
Sekante, die Tangente und Kotangente der Winkel a und 
180® — ö haben entgegengesetzte Vorzeichen. Dagegen sind 
die Vorzeichen des Sinus eines Winkels und seines Supple- 



Theorie und Anwendung der goniometriBchen Funktionen. 45 

mentwinkels die gleichen. Wenn z. B. zwei gerade Linien sich 
unter einem Winkel A schneiden und von dem Schnittpunkte 
ab auf der einen Linie eine Strecke von der Länge l auf- 
getragen wird, so ist der Endpunkt dieser Strecke um l sin A 
von der anderen Linie entfernt, wobei es gleichgültig ist, ob 
man unter A den spitzen oder den stumpfen Winkel versteht. 

Aus den Definitionen und den Formeln läßt sich leicht 
ableiten, wie weit ein Winkel durch eine der goniometrischen 
Funktionen bestimmt ist. Es existieren z. B. unendlich viele 
Winkel, deren Sinus gleich einem gegebenen Wert q (natürlich 
zwischen — 1 und +1) ist. Ist a einer dieser Winkel, so 
genügt auch der Winkel 180® — a der Bedingung, und ebenso 
alle Winkel, die sich von einem dieser beiden um n x 360® 
unterscheiden. 

Der Bedingung, daß die Tangente einen gegebenen Wert 
haben soll, genügt eine Reihe von Winkeln, die mit der kon- 
stanten Differenz 180® aufeinander folgen. 

Mit dieser Unbestimmtheit hängt der umstand zusammen, 
daß man, wenn eine der goniometrischen Funktionen gegeben 
ist, zwar mittels der Formeln des letzten Paragraphen Werte 
f&r alle anderen finden kann, daß dabei aber in einigen Fällen 
das Vorzeichen unbestimmt bleibt Ist z. B. für sina der 
positive Wert q gegeben, so folgt aus der Beziehung zwischen 
dem Sinus und dem Kosinus 

cos a = ± yi — q^. 

Das obere Zeichen gilt fiir den Winkel im ersten positiven 
Quadranten, dessen Sinus q ist, das untere Zeichen aber für 
das Supplement dieses Winkels, dessen Sinus ebenfalls q ist. 

Da, abgesehen von dem Vorzeichen, eine goniometrische 
Funktion eines Winkels die fünf übrigen bestimmt, so ist es 
nicht erlaubt, die Werte zweier Funktionen beliebig zu wählen. 
Wenn z. B. | und rj ganz beliebige Zahlen sind, so stehen im 
allgemeinen die Bedingungen, daß sin a = ^ und cos cc = r] sein 
soll, miteinander in Widerspruch; es sei denn, daß gerade 

|2 + ^« = 1 

ist Wohl kann man aber, wenn | und r] beliebig gegebene 
Zahlen sind, einen Winkel a so bestimmen, daß sein Kosinus 



46 Zweites Kapitel. 

und sein Sinus sich wie | und rj verhalten. Oder, was 
auf dasselbe hinauskommt, man kann immer den Faktor X und 
den Winkel a so wählen, daß 

I = Ä cos a und iy = A sin a (1) 

ist. Man kann sogar noch die Bedingung hinzuf&gen, daß X 
positiv sein soll. 

Durch Quadrierung und Addition der beiden Gleichungen 
ergiebt sich nämlich 

^' = |» + ^^ 



wählt man nun flir X den positiven Wert y|* + 7/^, so hat 
man zur Bestimmung von a 



cos a = -— =r 1 sm a = 



s 



Da jetzt das Zeichen, sowohl des Kosinus, wie auch des 
Sinus festgelegt ist, so giebt es in den ersten vier Quadranten 
nur einen einzigen Winkel, der den Bedingungen genügt. 

§ 81. Gegeben seien (Figg. 4 und 5) die festen Axen Ol 
und OY und eine Gerade OL, die mit OX den beliebigen 
positiven oder negativen Winkel a bildet. Durch Drehung von 





Fig. 4. 

OL in positiver Richtung um 90^ erhält man eine neue 
Linie OL', welche mit OX den Winkel 90«+« bildet Da 
nun durch eine Drehung um 90^ OX und OL in OY und 
OL' übergehen, so muß OL' dieselbe Lage gegen OJ" haben, 
w^ie OL gegen OX. Wählt man also auf OL und OL' zwei 
gleiche Strecken, etwa mit den Anfangspunkten in O, so muß 
die algebraische Größe der Projektion der ersten auf OX die- 
selbe sein, wie die der Projektion der zweiten auf OY. Also 

sin (90® + a) = cosa. 



Theorie und Anwendung der gopiometrischen Funktionen. 47 

Diese Formel ist ganz allgemein. Wir dürfen daher in 

derselben a durch — a ersetzen; wir finden dann, weil cos(— a) 

= cosa ist, 

sin (90®— a) = cosa. 

Hieraus folgt durch Vertauschung von a und 90®— a 

cos (90® — a) = sin a , 

und femer, unter Berücksichtigung früherer Formeln, 

tg(90®— a) = cota, sec(90®— a) = coseca. 

Der Kosinus, die Kotangente und die Kosekante eines 
Winkels sind also dem Sinus, bez. der Tangente resp. der 
Sekante des Komplementwinkels gleich. 

Weitere Beziehungen sind 

cos(90®+ a) = - sina, tg(90®+ a) = - cotö, 
sin (270®+ a) = — cosa u. s. w. 

Alle diese Formeln lassen sich auch direkt aus einer 
Figur und in mannigfacher Weise auseinander ableiten. 
Dies möge dem Leser überlassen bleiben. Übrigens kann 
man die zuletzt gefundenen Beziehungen dahin zusammen- 
fassen, daß die goniometrischen Funktionen von n x 90®± a, 
was ihre absoluten Werte betriflFt, für gerade n mit den 
entsprechenden Funktionen von a selbst, und für ungerade 
n mit denen von 90®— a übereinstimmen. Prägt man sich 
diese Regel ein, so hat man nur noch das Zeichen richtig zu 
wählen, und dazu braucht es, da ja die Formeln allgemein 
sind, nur der Betrachtung irgend eines besonders einfachen 
Falles mittels einer Figur. Man gewöhne sich daran, die 
Figuren nicht wirklich zu zeichnen, sondern sich dieselben 
nur vorzustellen. 

§ 32. Den weiteren Auseinander- 
setzungen schicken wir einige Definitionen 
und einen Satz aus der Theorie der Vek- 
toren voraus. Wenn (Fig. 6) der End- 
punkt £ eines Vektors AB mit dem An- 
fangspunkte eines zweiten £C zusammen- ^ F* 6 
fallt und dann A mit C verbunden wird, 
so sagt man, daß der Vektor ^67 aus AB und BC zusammen- 
gesetzt ist. Man nennt AC den resultierenden Vektor, 
AB und BC die Komponenten. 




48 Zweites Kapitel. 

Zwei Vektoren von derselben Richtung und Größe werden 
als gleich betrachtet — sie besitzen ja auch dieselbe algebraische 
Größe (§ 25). 

Zieht man nun von Ä aus einen Vektor ÄDy der, was 
Richtung und Größe anbetrifft, mit BC übereinstimmt, so sagt 
man auch, daß AC aus AB und AB zusammengesetzt sei. 

Offenbar entsteht durch die Verbindung von D mit C ein 
Parallelogramm. Also: wenn zwei Vektoren AB und AD, 
deren Anfangspunkte zusammenfallen, zu einem resultierenden 
Vektor vereinigt werden sollen, so hat man nur mit Hilfe der 
beiden Seiten AB und AB ein Parallelogramm zu zeichnen, 
und darin, von jenem Anfangspunkte aus, die Diagonale zn 
ziehen. 

Man kann auch umgekehrt AB und AB erhalten, wenn 
AC gegeben ist. Zieht man nämlich (Fig. 7} von dem An- 
fangspunkte A aus zwei gerade Linien 
AP und A(ij die mit dem Vektor 
AC ivL einer Ebene liegen, im übrigen 
aber willkthrlich sind, so kann man 
ein Parallelogramm konstruieren, 
dessen Diagonale AC ist, während 
die Seiten auf AP und AQ liegen. 
Man sagt jetzt: man habe den Vek- 
^S' ''• ioT AC nach den Richtungen AP und 

AQ zerlegt. 
Wenn wir in ähnlicher Weise den auf der Linie OL liegen- 
den Vektor (siehe §§ 25 und 26), dessen algebraische Größe 
wir X nannten, nach OX und OY zerlegen, erhalten wir gerade 
die beiden früher betrachteten Projektionen, deren algebraische 
Größen | und fy, oder 

X cos a und X sin a 
sind. 

§ 33. Der im Anfange des letzten Paragraphen erwähnte 
Satz lautet folgendermaßen: Wenn zwei Vektoren AB und 
AB (Fi gg. 8 oder 9) und auch der resultierende Vektor AC 
auf eine beliebige Gerade AP projiziert werden, so ist die 
algebraische Größe der Projektion von AC gleich der Summe 
der algebraischen Größen der Projektionen von AB und AD* 

Um dieses zu beweisen, bemerken wir vorher folgendes: 




Theorie und Anwendung der goniometrischen Funktionen. 49 



Wenn man auf einer und derselben geraden Linie von einem 
Punkte A aus zunächst einen Vektor AB aufträgt , und dann 
Yom Endpunkte desselben aus einen zweiten Vektor BC^ so 
ist offenbar die algebraische Größe des Vektors AC gleich der 
Suiume der algebraischen Größen der Vektoren AB und BC^ 




"wA 




Fig. 8. 



Fig. 9. 



und zwar trifft das zu f&r alle Kombinationen der Vorzeichen 
von AB und BC^ also sowohl wenn diese Vektoren dieselbe, 
als wenn sie entgegengesetzte Richtung haben. Geht man 
z. B. von A aus in positiver Kichtuug um drei Längeneinheiten 
weiter, und dann in negativer Eichtung um acht Einheiten, so 
ist man schließlich in negativer Richtung um f&nf Einheiten 
von A entfernt. 

Projiciert man nun die Eckpunkte B und C eines Parallelo- 
gramms AB CD (Figg. 8 und 9) auf eine beliebige, durch A 
gehende Gerade, und erhält man dadurch die Punkte B* und 
C\ so läßt sich auf die algebraischen Größen der Vektoren 
AB\ B'C* und^C das Gesagte anwenden, woraus sich der 
angefahrte Satz ergiebt. Es ist dabei noch zu bemerken, daß 
man die algebraische Größe der Projektion von BC durch die 
algebraische Größe der Projektion des gleichen Vektors AI) 
ersetzen kann. 

§ 34. Dieser Satz soll nun 
dazu dienen, die wichtigen For- 
meln für den Sinus und den Ko- 
sinus der Summe und der Differenz 
zweier Winkel abzuleiten. Zu dem 
Zwecke denken wir uns wieder — 
die Fig. 10 möge zur Erläuterung ^'^' ^^' 

dienen — die Axen OX und OY^ sowie die Geraden OL und 
0L\ vrelche aus OX und OY durch eine 

LoBJBiiTZ, DifferenÜalrecbnung. 4 




Drehung 



a ent- 



50 Zweites Kapitel. 

standen sind. Es ist also der Winkel zwischen OL und Ol 
a, und der Winkel zwischen OL' und OX 90®+ a. 

Es sei weiter O^eine heliehige Gerade, die mit OL den 
Winkel b und also mit OX den Winkel a + & bildet. Auf 
derselben wählen wir einen Vektor (etwa OP) von der alge- 
braischen Größe jLi, und zerlegen diesen nach OL und 0L\ 
Die algebraischen Größen der Komponenten (OQ und OQ') 
nennen wir X und X'\ es ist dann 

X == fi cos Ä, )/ = fi sin b . 

Wir wollen nun den Vektor und seine Komponenten auf 
OX projizieren. Da hierbei die drei Winkel a + b, a und 
90® + a in Betracht kommen, so sind die algebraischen Großen 
der drei Komponenten: 

fjL cos(a + b)j 

X cos a =s fi cos a cos b , 

V cos (90® + a) == jLt cos (90® + a) sin ä = — /* sin a sin b. 

. Wenn wir nun den § 33 bewiesenen Satz anwenden, er- 
halten wir nach Division durch ju die erste der vier Formeln 

cos (a + Ä) = cos a cos Ä — sin a sin ä, (2) 

cos (a — Ä) = cos a cos ä + sin a sin i, (3) 

sin (a + i) = sin a cos b + cos a sin ä , (4) 

sin (a — Ä) = sin a cos ä — cos a sin &. (5) 

Zu der zweiten Formel gelangt man, wenn man in der 
ersten b durch — b ersetzt, zu der dritten und vierten, wenn 
man in der ersten und zweiten 90® + a statt a schreibt. 

Wie aus der Ableitung hervorgeht, gelten die Gleichungen 
für alle positive und negative Werte von a und b. 

§ 85. Aus den bisher aufgestellten Formeln lassen sich 
nun noch viele Eelationen ableiten. 

a) Durch Division ergiebt sich aus (4) und (2) 



tg(a + Ä) = J^^L±i?^, 



tgatg6 

und ebenso aus (5) und (3): 

^ V" ""i 1 + tg a tg h 



Theorie und Anwendung der goniometrischen Fanktionen. 51 

b) In (2) und (4) setze man & = a. Es ist dann 

cos 2a = cos*a — sin*a, 

^ofbr sich auch schreiben läßt 

cos 2a = 2 cos* a — 1 (6) 

-oder cos 2 a =s 1 — 2 sin* a , (7) 

und 

sin 2a = 2 sina cosa. 

Weiter, wenn man in (2) und (4) ä = 2a set^t und die 
Werte von cos2a und sin2a berücksichtigt, nach einiger Um- 
formung 

cos 3a = 4 cos^a — 3 cosa, 

sin 3a s= 8 sin a — 4 sin^ a . 

In ähnlicher Weise findet man auch Formeln für den 
Sinus und den Kosinus eines beliebigen Vielfachen des Winkels. 

c) Durch Addition und Subtraktion Yon (2) und (3), wenn 
man gleichzeitig a + b ^ p und a -^ b = q setzt, gelangt man 
zu den Formeln 

Qosp + cosy = 2 cos^(p + q) cos^{p — y), (8) 

. cos/? — cos y = 2 sin ^{p + q) sin ^{q — p), (9) 

xind ebenso schließt man aus (4) und (5): 

sin/? + sin 7 == 2 sin |(p + y) cos !(/? - q), (10) 

sin/? — siny = 2cos^(/7 + q) sin j-(/? — q), (11) 

Diese Beziehungen werden sowohl bei der Transformation 
goniometrischer Formeln, als auch bei numerischen Rechnungen 
vielfach angewandt. 

d) Wir lösen die Gleichungen (6) und (7) nach cos a und 
sin a auf und ersetzen gleichzeitig a durch \ a. Als Resultat 
erhalten wir 



cos 



ia=±|/ 2 ' sm^a=±|/ (12) 

Man erkennt wohl ohne weiteres, weswegen hier die doppelten 
Torzeichen stehen und auch stehen bleiben müssen, solange 
nichts näheres über den Winkel a angegeben ist. Liegt der- 
selbe zwischen 0^ und 180^, so liegt ^a im ersten positiven 
Quadranten; dann gelten nur die oberen Vorzeichen. 



52 Zweites Kapitel. 

Mit Hilfe der Formeln (12) lassen sich die goniometrischen 
Funktionen jedes gegebenen Winkels A mit beliebiger Genaaig- 
keit numerisch berechnen. Man kann nämlich den Kosinus 

und den Sinus fllr -r-, - u. s. w. und im allgemeinen, wenn 

n eine ganze Zahl ist, für — ^ und dann auch f&r alle Viel* 

fache dieses letzten Winkels berechnen. Nachdem man f&r n 
eine beliebige Zahl gewählt hat, kann man immer eine ganze 
Zahl k angeben, derart daß A zwischen 

Ä . — und (Ä + 1) — 

liegt. Die Differenz dieser beiden Winkel ist —^ ; dieselbe läßt 

sich, wenn nur die Zahl n genügend groß gewählt wird, immer 
so klein machen, daß die beiden Winkel in demselben Qua- 
dranten liegen wie A, Ist dies erreicht, dann ist auch der 
Kosinus von A von dem Kosinus dieser beiden Winkel ein- 
geschlossen und ist daher bis auf so viele Dezimalen bekannt, 
als in den numerischen Werten jener beiden Kosinus über- 
einstimmende Ziffern vorhanden sind. Die Anzahl der letz- 
teren läßt sich aber beliebig weit steigern, weil man die 

Differenz 

9^^ 

2« 

so klein machen kann, wie man will. 

§ 36. Nachdem wir hiermit das Wesentlichste aus der 
„Goniometrie" erschöpft haben, müssen wir noch auf die An- 
wendungen etwas näher eingehen. Zunächst wollen wir nach- 
weisen, wie man auch bei schiefwinkligen Dreiecken aus ge- 
gebenen Elementen (Seiten oder Winkeln) die unbekannten 
berechnen kann. (Ebene Trigonometrie). 

Wir bezeichnen das spitze oder stumpfwinklige Dreieck 
(Figg. 11 oder 12) mit ABC^ die Winkel, die jetzt wie in der 
Planimetrie als positiv und kleiner als 180^ betrachtet werden, 
mit A^ B und C, die Längen der denselben gegenüberliegenden 
Seiten mit a, b und c (positive Zahlen). 

Bekanntlich ist nun das Dreieck durch drei voneinander 
unabhängige Elemente bestimmt; es müssen sich daher aus 



Theorie und Anwendung der goniometrischen Funktionen. 53 

diesen die drei unbekannten Elemente berechnen lassen. Dazu 
dienen ßleichungen, welche die Seitenlängen und die gonio- 
metrischen Funktionen der Winkel miteinander verbinden, und 





zwar würde es eigentlich genügen, drei voneinander uuab- 
hängige Gleichungen aufzustellen, da sich hieraus drei un- 
bekannte berechnen lassen. Es ist indessen leicht, eine 
größere Zahl von Gleichungen zu gewinnen. 

a) Man fälle aus C ein Lot CD auf die Seite c, dessen 
Liänge sowohl gleich asin^, als auch gleich bmiÄ ist; diese 
Ausdrücke gelten sowohl, wenn Ä und B spitz sind, als auch, 
wenn einer dieser Winkel stumpf ist. Also: 

asin^ =r isin^. (13) 

Zu dieser Formel gesellen sich noch zwei ähnliche, und 
alle drei lassen sich in die sogenannte Sinusregel zusammen- 
fassen: 

a h c 

— — ^^ • 

sin A sin B sin C 

b) Indem wir das soeben genannte Lot fällten, prqji- 
cierten wir die Seiten a und b auf c; offenbar erhält man die 
Seite c (vergl. § 33), wenn man die absoluten Werte der Pro- 
jektionen addiert oder voneinander subtrahiert, und zwar muß 
addiert werden, wenn Ä und B beide spitz sind, subtrahiert, 
wenn einer dieser Winkel stumpf ist. Indem wir nun berück- 
sichtigen, daß der Kosinus eines stumpfen Winkels negativ ist, 
erhalten wir f&r beide Fälle 

c ^ a cos B + i cos A . (14) 

Für a und b gelten analoge Formeln. 

c) Aus (14) folgt 

a cos B = c — b cos A . 



54 



Zweites KapiteL 



Quadrieren wir nun diese Gleichung und ebenso (13) und 
addieren die so erhaltenen Resultate, so ergiebt sich die 
Eosinusformel: 

ß« = fi« + c« - 2 Jccos Ä (15) 

und analog: 

Ä* = a* + c' — 2ac cos £, 

c2 = a« + i«-. 2aÄC08C. 

Betrachtet man wieder b cos A als die Projektion von b auf Cj 
so drückt (15) den bekannten planimetrischen Satz aus: Das 
Quadrat einer Seite ist gleich der Summe der Quadrate der 
beiden anderen, vermehrt oder vermindert um das doppelte 
Produkt aus der einen und der Projektion der anderen auf 
sie, und zwar vermehrt oder vermindert, je nachdem der der 
zuerst genannten Seite gegenüberliegende Winkel stumpf oder 
spitz ist. Selbstverständlich hätte man auch aus diesem Sat? 
Formel (15) ableiten können. Mau überzeuge sich auch bei 
dieser Ableitung, daß die Gleichung (15) sowohl für einen 
spitzen, als auch ftlr einen stumpfen Winkel Ä gilt. 

§ 37. In aller Kürze sollen jetzt die verschiedenen bei 
der Auflösung ebener Dreiecke vorkommenden Fälle besprochen 
werden. 

a) Gegeben sind die drei Seiten a, b und c. Es soll der 
Winkel A berechnet werden. 

Man findet aus (15) 

6" + c* — «• 



cos A = 



2bc 



und hieraus, mittels der Formeln (12), die für die Rechnung 
bequemeren Gleichungen 



cos I ^ = y' 



8{s — ä) 



sini^ = -|/ 



(5-6)(«-c) 



b ' 2 *' Y bc 

WO 8 den halben umfang bedeutet. 

Weshalb die Wurzelgrößen hier mit dem positiven Zeichen 
zu nehmen sind, wurde schon unter § 27, d angegeben. 

Femer ist 



tgi^ 



und 



-1/ 



V^b) {s - c) 



5 (5 — a) 



sin u4 = 2 sin -^ ^ cos I -4 = -^ ]/* (s — a) (^ — b) {s-^c). 



bc 



Theorie and Anwendung der goniometriscben Funktionen. 55 

Mit Hilfe der Sinusregel findet man jetzt unmittelbar sin B 
und sin C. 

b) Gegeben sind die Seiten b und c und der eingeschlos- 
sene Winkel Ä. Es sollen a, B und C ermittelt werden. Man 
findet a mittels der Eosinusformel (15), die man in verschie- 
dener Weise umformen kann. Es ist z. B. 

aa = (Ä-c)« + 4*c8in2|^, 

also, wenn man einen EHlfswinkel (p aus der Gleichung 



berechnet, 

«2^(^^,).(l + tg» = ^, 

008 q> ' 

WO natürlich das Zeichen so zu wählen ist, daß a positiv wird. 
Nachdem a gefunden ist, findet man B und C mit Hilfe der 
Sinusregel. 

Man kann aber auch umgekehrt mit der Berechnung der 
unbekannten Winkel anfangen. Man hat nämlich die beiden 

Gleichungen 

B+C^ 180«-^, (16) 

and 

sin-ff :sinC= ä:c, 

deren Auflösung in folgender Weise gelingt. Aus der letzten 
Gleichung folgt 

(sin Ä 4- sin 67) : (sin ^ - sin C) = (ä + c) : (ä - c), 

oder, wenn man die Formeln (10) und (11) anwendet, 

Xg\{B + C): tg \[B ^C) = {b + c):{b-- c). 

Da B + C durch die Formel (16) gegeben ist,- so folgt aus 
der letzten Gleichung B^Cj so daß man auch B und C selbst 
und schließlich a mittels der Sinusregel berechnen kann. 

c) Gegeben seien zwei Seiten a und b und der der einen 
derselben gegenüberliegende Winkel Ay den wir als spitz voraus- 
setzen wollen. Wir berechnen c aus der in Bezug auf diese 
Unbekannte quadratischen Gleichung (15) und finden 

c = Ä cos A ± ya» -- b^ sin« A . (17) 




66 Zweites Kapitel. 

Es sind nun verschiedene Fälle zu unterscheiden, die sich 
am besten durch eine Figur erläutern lassen, um dieselbe zu 

konstruieren, tragen wir auf dem einen 
Schenkel (Fig. 13) des Winkels A eine 
Strecke AC^h auf und schlagen, um 
den dritten Eckpunkt zu finden, um C 
einen Kreis mit dem Radius a. 
Fig. 18. Wir Allen aus C auf den Schenkel A P 

ein Lot C7Q, dessen Länge 6 sin i^ ist. 
Wäre nun a < CQ oder a < J sin ^, so würde der ge- 
nannte Ereis den Schenkel AP gar nicht erreichen. Kein ein- 
ziges Dreieck würde der Aufgabe genügen, was sich auch in 
der Gleichung (17) durch den negativen Wert von a* — Ä*sin*^ 
ergeben würde. 

Ist a = CQ oder a = ^ sin ^ , so berührt der Kreis den 
Schenkel AP in Q\ es ergiebt sich ein rechtwinkliges Dreieck 
ACQ^ dessen Seite AQ oder c sowohl nach der Figur als auch 
nach der Formel gleich bco^A ist. 

Ist drittens a > ä sin ^, aber < i, so ergeben sich bei 
der Konstruktion zwei Dreiecke, etwa ACB\xndi ACB\ Dem 
entsprechen jetzt die beiden Wurzeln (17) der (rleichung, und 
man sieht leicht, wie der Umstand, daß B und B' gleich weit 
von Q entfernt sind, in der Formel zum Ausdruck kommt. 

Man erhält aber nur wieder ein einziges Dreieck, sobald 
nicht nur a > £ sin ^, sondern auch > b ist. Der eine Wert (17) 
ist dann negativ, er fällt fort, da in allen unseren trigono- 
metrischen Formeln vorausgesetzt wird, daß a, &, c positive 
Zahlen sind. In der Figur liegt jetzt der eine Punkt, in welchem 
der Kreis die Linie AP schneidet, links von A, 

Die Formel (1 7) ist zwar instruktiv, aber in den meisten 
Fällen wird man es bei der numerischen Rechnung vorziehen, 
zuerst den Winkel B zu berechnen. Es folgt nämlich aus der 
Sinusregel 

8ini? = *^-4. (18) 

Da zu einem gegebenen Werte des Sinus zwei Winkel, ein 
spitzer und ein stümpfer, gehören, so ergiebt sich auch aus (18), 
daß unsere Aufgabe nicht eindeutig bestimmt ist. 



Theorie und Anwendong der goniometrischen Funktionen. 57 

Ist a <^ bsin A, so ist die rechte Seite von (18) > 1, 
mnd es existiert kein Wert für JS. 

Ist a = bsinAj so wird sinÄ^ 1, und das Dreieck recht- 
winklig. 

Ist a > £ sin A, aber < &, so findet man die soeben ge- 
nannten zwei Werte für J?, denen die Dreiecke ACB und AGB' 
•entsprechen. 

Schließlich, wenn a > & ist, so ergeben sich zwar noch 
aus (18) zwei Werte für 5, aber eben weil sin j?.< sin^ wird, 
ist der spitze Winkel < A und der stumpfe > 180^ — ^. 
Letzteres ist aber in einem Dreieck unmöglich. 

In jeder Hinsicht stehen also die aus (18) gezogenen 
Schlüsse mit dem aus (17) oder aus der Figur abgeleiteten 
im £inklang. 

Den Fall, daß der gegebene Winkel A stumpf ist, über- 
lassen wir dem Leser. 

d) Sind eine Seite des Dreiecks und zwei Winkel gegeben, 
so genügt die Sinusregel zur Berechnung der beiden unbe- 
kannten Seiten. 

§ 38. Wir wollen zum Schluß unsere goniometrischen Formeln 
noch zur Lösung einiger stereometrischer Probleme anwenden. 
Wir schicken voraus, daß der § 33 bewiesene Satz über die 
Projektionen eines Vektors und seiner Komponenten auch dann 
.gilt, wenii die Richtung, auf welche man projiciert, nicht in 
der den Vektor und seine Komponenten enthaltenden Ebene 
liegt. Außerdem läßt sich der Satz noch erweitem, indem man 
den Vektor nicht in zwei, sondern in drei (oder sogar in be- 
liebig viele) Komponenten zerlegt. Man kann nämlich, nach- 
dem die Zerlegung von AC in AB und AJD (Fig. 7) statt- 
gefunden hat, den einen der beiden letzteren Vektoren, etwa 
ABj wieder durch zwei Komponenten ersetzen, und man sieht 
leicht ein, daß sodann diese beiden mit AB die drei Seiten 
eines Parallelepipeds bilden, dessen Diagonale AC ist. Drei 
von einem Punkte aus gezogene Vektoren OA^ OBy OC 
(Fig. 14) lassen sich demgemäß in der Weise zu einem einzigen 
zusammensetzen, daß man ein Parallelepiped konstruiert, 
dessen Kanten OA^ OBj OC sind, und daß man in demselben 
•die Diagonale OB zieht. 



58 



Zweites Kapitel. 



Umgekehrt läßt sich ein gegebener Vektor Ol) mit Hilfe 
eines Parallelepipeds nach drei beliebig gewählten Richtungen 
OXy OYj OZ zerlegen» Ist nun noch OL eine beliebige Rich- 
tung im Räume, und projiciert man OÄ^ OB, OC und OB 
auf dieselbe, so ist immer die algebraische Größe der Pro- 
jektion von OB die Summe der' algebraischen Größen der 
übrigen Projektionen. 





Fig. 15. 



Bekanntlich spielt in der Geometrie des Raumes die drei- 
seitige körperliche Ecke eine ähnliche RoUe, wie das Dreieck 
in der Planimetrie. Dieselbe entsteht, wenn man von einem 
Punkt im Raum drei gerade Linien, welche nicht in derselben 
Ebene liegen, zieht und durch je zwei derselben eine Ebene 
legt (Fig. 15). Seiten nennt man die spitzen oder stumpfen 
Winkel, welche die geraden Linien, die sogenannten Kanten, 
miteinander bilden, Kantenwinkel (oder kurz Winkel) 
die Winkel zwischen den Ebenen BOC\ COAxxndAOB. Wir 
wollen die an den Kanten OA, OB, OC liegenden Winkel 
mit A, Bj C und die denselben gegenüberliegenden Seiten mit 
a, bf c bezeichnen. 

Zwischen den goniometrischen Funktionen dieser sechs 
„Elemente^' bestehen nun eine große Zahl von Beziehungen, 
deren Untersuchung Gegenstand der „sphärischen Trigono- 
metrie" ist. Dieser Name rührt daher, daß man statt einer 
dreiseitigen körperlichen Ecke auch ebensogut das sphärische 
Dreieck, welches aus einer um den Scheitel als Mittelpunkt be- 
schriebenen Kugel durch die dreiseitige Ecke herausgeschnitten 
wird, den folgenden Betrachtungen zu Grunde legen kann (Fig. 15)» 
Die Kanten bestimmen auf der Kugelfläche die Eckpunkte Af 
B und C des sphärischen Dreiecks; die dieselben verbindenden 
Bogen größter Kreise sind die Seiten, welche in Winkelmaß 




Theorie und Anwendung der goniometrischen Funktionen. 59 

auszudrücken sind, nnd unter den Winkeln des Dreiecka 
versteht man die Winkel, welche die Seiten in den Eckpunkten 
miteinander bilden. Offenbar stimmen Seiten und Winkel de» 
Dreiecks mit denen der dreiseitigen körperlichen Ecke überein. 

§ 89. Wir wollen jetzt die wichtigsten Formeln der sphä- 
rischen Trigonometrie ableiten. In Fig. 16 seien OA, OB 
und OC die Kanten, als positiv wählen 
-wir bei jeder derselben die Eichtung 
von nach A, B bez. C. V und W 
sind diejenigen Teile der Ebenen AOB 
und AOCj welche auf derselben Seite 
von OA liegen, wie die Kante OB oder 
die Kante OC, Ziehen wir nun in diesen pj« jg 

Halbebenen die Geraden OF und OG 

senkrecht zu OA^ so ist FOG der Kanten winkel A der drei- 
seitigen Ecke; in der Figur ist derselbe als spitz vorausgesetzt, 
jedoch gelten die folgenden Betrachtungen ebensogut, wenn 
er stumpf ist. Auch die Seiten b und c, d. h. die Winkel, 
welche OC und OB mit OA bilden, brauchen nicht wie in 
der Figur spitz zu sein*. 

Wir ziehen ferner noch eine Linie OE senkrecht zur 
Ebene F, und zwar nach der Seite, wo die Halbebene /T, und 
also auch die Linien OC und OG liegen. Es bildet dann OB 
sowohl mit OC wie auch mit OG einen spitzen Winkel. Der 
Winkel GOE ist in unserer Figur 90^ — ^; wäre A stumpf^ 
80 wäre er = ^ — 90^ 

Wir wollen nun auf der dritten Kante einen V^ektor OG 
von der Länge 1, also von der algebraischen Größe + 1 auf- 
tragen, und denselben nach den drei zu einander senkrechten 
Bichtungen OA, OF und OE zerlegen. Zu dem Zwecke zer- 
legen wir zunächst OC in OH und OG, und den Vektor 00 
dann weiter in OP und OQ. 

Offenbar ist nun, es möge die Seite AOC oder b spitz 
oder stumpf sein, die algebraische Größe von OH: 

cos b , 

und die algebraische Größe von OG: 

sind. 



60 Zweites Kapitel. 

Daraus folgt idann, daß sowohl bei einem spitzen, wie anch 
bei einem stampfen Eantenwinkel A die algebraischen Oröfien 
-der Komponenten OT und OQ 

sin h cos A und ' sin h sin A 
sind. 

Da der Vektor OQ die Projektion von OC auf OE ist, so 

•ergiebt sich durch eine analoge Beweisf&hrung wie soebea 

für die algebraische Größe von OQ außer dem eben gefundenen 

Wert sin h sin A noch sin a sin B. Es ist also 

sin 3 sin ii = sin a sin ^, 

welches Resultat sich mit den beiden analogen Gleichungen 
in die Formel: 

Bin a sin h sin c 



sin A sin B sin G 



(19) 



;2usammenfassen läßt. Die Ähnlichkeit dieser Beziehungen mit 
•der Sinusregel der ebenen Trigonometrie fällt sofort ins Auge. 
§ 40. Zu anderen wichtigen Formeln gelangt man, wenn 
man den Vektor OC und seine Komponenten OjBT, OP und 
■OQ auf OB projiciert und den § 38 erwähnten Satz anwendet 
Da die vier Vektoren mit OB die Winkel a, c, ±{90^— <r) 
und 90® bilden, so sind die algebraischen Größen der vier 
Projektionen 

cos a , cos h cos c , sin & sin c cos A und . 

So findet man die erste der folgenden Formeln: 

cos a — cos h cos c + sin ä sin c cos A \ 

cos h = cos c cos a + sin c sin a cos B > (20) 

cos c = cos a cos ä + sin a sin h cos C J 

Man nennt diese oft die Grundformeln der sphärischen 
Trigonometrie, weil sich aus denselben alle anderen Formeb 
ableiten lassen. Da die Gleichungen unabhängig voneinander 
sind, so genügen sie, sobald drei der Elemente a, 6, c, A^ B^ C 
gegeben sind, um die drei übrigen zu berechnen. 

Während in den Grundformeln neben den drei Seiten 
jedesmal ein Winkel vorkommt, giebt es analoge Beziehungen 
zwischen je einer Seite und den drei Winkeln. Um diese ab- 
zuleiten, wähle man einen beliebigen Punkt 0' im Inneren der 



Theorie und Anwendung der goniometriscfaen Funktionen. 61 

dreiseitigen Ecke OABCj und fälle aus demselben die Lote 0'Ä\ 
O'B' und O'C auf die Ebenen 05 C, OCA und OAB. Diese 
JLiote betrachten wir als die Kanten einer neuen dreiseitigen 
Ecke, deren Kantenwinkel wir mit A'j B', C bezeichnen, wäh- 
rend die gegenüberliegenden Seiten a^b'^c' heißen mögen. 
Nach einem bekannten stereometrischen Satze sind nun die 
Winkel von O'A'B'C die Supplemente der Seiten von OABC\ 
ebenso sind die Seiten von O'A'B'C die Supplemente der 
Winkel von OABC. D.h.: 

^'=180<>-a, a'= 180°-^ U.S. w. (21) 

Wendet man die Formeln (20) auf die neue dreiseitige 
Ecke an, so ist z. 6. 

cos a = cos b' cos c' + sin ä' sin c cos A\ 

Substituiert man in diese Gleichung und in die analogen 
die Werte (21), so -erhält man . 

cos ^ = — cos B cos C + %inB sin C cos a 

cos 5 =s — cos C cos ^ + sin C sin A cos b \ (22) 

cos C = — cos A cos B + %\nA sin B cos c . 

§ 41. Aus den Formeln (20) ergeben sich unmittelbar 
die Werte der Winkel, wenn die der Seiten gegeben sind. 
Es ist z. B. 

. cos a — cos b cos e 

cos A = '—[—' > 

sin sin e 

woraus sich die Formeln 



1 t -M /sin « Hin (« — a) - ^ j •■ /sin U 

^A = 1/ — r-^-4 ~ j sm ^A = 1/ 

* J^ sin 6 sin c ^ y 



sin (« — 6) sin (« — <?) 



sin 6 sin c 



ableiten lassen, die denen des § 37 a) analog sind. Unter s^ 
ist hier die halbe Summe der Seiten zu verstehen. 

In ähnlicher Weis^ können die Gleichungen (22) dazu 
dienen, die Seiten aus den Winkeln zu berechnen. Aus der 
ersten folgt z. B., wenn A + B + C ^2S gesetzt wird, 



sin B sin C 



• 1 •. A cos S coa (S -^ Ä) , _ /cos{S' 

sin4a = l/ ^-jT^—ri- -' Cüs|a = 1/ — ^ 

* Y «laB BiuC * y si 

§ 42. Selbstverständlich vereinfachen sich auch die Formeln 
der sphärischen Trigonometrie erheblich, sobald einer der Winkel 



62 Zweites Kapitel. 

ein rechter ist, wenn man es also mit einer dreiseitigen Ecke 
zu thun hat, bei der zwei Seitenflächen senkrecht aufeinander 
stehen. Ist A der rechte Winkel, so sind a, ft, c, Bj C die 
Elemente, die noch in den Formeln stehen bleiben. 
Sofort folgt aus (19), wenn man ^ =* 90^ setzt, 

sin & = sin a sin B, (28) 

sin c = sin a sin C, (24) 

AUS der ersten der Formeln (20) 

cos a == cos b cos c, (25) 

und aus den Formeln (22) 

cos a = cot 5 cot C, 

cos 5 = sin C cos b , (26) 

cos C= sin-B cosc. 

Wenn man nun weiter (26) mit (23) multipliziert und 
durch (24) dividiert, erhält man 

sine = tgÄ cot-B, 

und in ähnlicher Weise 

sin b — ige cot C\ 

multipliziert man schließlich (24) mit (25) und dividiert durch 
{26), so ergiebt sich 

cos 5 = tgc cotd, 

welcher Gleichung wir noch die ähnlich gestaltete 

cos (7 = tg Ä cot a 
hinzufügen können. 

Die zehn Formeln, die wir für die rechtwinkligen sphä- 
rischen Dreiecke abgeleitet haben, lassen sich in eine einzige 
Kegel zusammenfassen. Wenn man nämlich an dem umfange 
des Dreiecks entlang geht, folgen die in den Gleichungen Yor- 
kommenden Elemente in der Reihenfolge 

^, (7, a, jB, c 

aufeinander. Man ersetze nun die beiden Katheten b und c 
durch ihre Komplementwinkel und ordne die fünf Größen 

90^-i, C, a, B, 90<'-c, 



Theorie und Anwendung der goniometrischen Funktionen. 63 

SO, daß sie auf einem Kreis za liegen kommen: 

90^-ft- 90*-c 

C > 

Die . Regel lautet dann : der Kosinus einer dieser fünf 
Orößen ist gleich dem Produkte aus den Kotangenten der 
beiden neben ihr stehenden und dem Produkt aus den Sinus 
der nicht neben ihr stehenden Größen. In der That erhält 
man, wenn man diese Regel anwendet, die oben erwähnten 
zehn Formeln. 

In BetreflF weiterer Einzelheiten müssen wir auf die Lehr- 
bücher über sphärische Trigonometrie verweisen. 

§ 43. Im Vorhergehenden ist stets angenommen worden, 
<daß die Größe eines Winkels in Graden , Minuten und Sekunden 
ausgedrückt sei. Von jetzt an soll eine neue Einheit ein- 
geführt werden, nämlich die dem Winkel entsprechende Bogen- 
länge eines Kreises, der mit dem Radius 1 um den Scheitel- 
punkt als Mittelpunkt beschrieben ist. Nach diesem Maßsystem 

sind die Winkel 360 ^ 180^ 90® durch 2n, n, ^ auszudrücken; 
die Winkeleinheit ist ein Winkel von — — = 57^18'. 

27t 

Durch diese neuen Einheiten werden viele Formeln sehr 
vereinfacht. Dieses rührt daher, daß wir jetzt für sehr kleine 
Bogen den Sinus gleich dem Bogen selbst setzen können; 
denn das Verhältnis aus dem Sinus eines Bogens und dem 
Bogen selbst nähert sich der Einheit, wenn der Bogen fort- 
während kleiner wird, was folgendermaßen bewiesen werden 
kann. 

Pur jeden Wert von x zwischen und ^n ist 

sin X <C Xf tg X > j: 

oder 

< 1, > COSX, 



X ' X 



Bino; 



€8 liegt daher der Wert des Verhältnisses zwischen 1 und 

cos X, Läßt man nun x kleiner werden, dann nähert sich cos x 



64 Zweites Kapitel. 



dem Grenzwerte 1, und da zwischen 1 und cos x liegV 



so muß der Grenzwert des Verhältnisses ^5_ gleich 1 sein. 



ler i^renzweri aes vernaitnisses 
Daher ist 

Lim = 1 , wenn Lim ar = 



§ 44. Wenn y jedesmal, nachdem x — von welchem 
Anfangswert man auch ausgehen mag — um einen be- 
stimmten Wert a größer geworden ist, seinen ursprünglichen 
Wert wieder annimmt , so nennt man y eine periodische 
Punktion von x und a ihre Periode. Teilt man bei einer 
solchen Funktion alle Werte, welche die unabhängig Variable 
durchlaufen kann, in gleiche Intervalle von der Länge a, dann 
wiederholen sich in jedem Intervall die Werte der Funktion 
in genau derselben Weise. 

Sämtliche goniometrischen Funktionen besitzen diese Eigen- 
schaft der Periodizität, und zwar kehren sin x, cos ar, sec x nnd 
coseca: nach einer Periode 27r zu ihrem ursprünglichen Wert 
zurück. Bei der Tangente und Kotangente liegen die Ver- 
hältnisse etwas anders, als bei den eben erwähnten Funktionen« 
Wenn eine Funktion denselben Wert wieder annimmt, nach- 
dem die unabhängig Variable um a größer geworden ist, so 
ist dasselbe natürlich auch der Fall, wenn die unabhängig 
Veränderliche um 2a, 8a, 4a .... na, wo n eine ganze Zahl 
bedeutet, zunimmt. Man kann daher auch der Funktion die 
Periode 2 a oder 8 a u. s.w. zuschreiben. Indessen versteht 
man gewöhnlich unter der Periode der Funktion den kleinsten 
aller in Betracht kommenden Werte. In diesem Sinn ist 9r, 
und nicht 2% die Periode von i%x und cotar. 

Ist y = sin 3ar, so ist y ebenfalls eine periodische Funktion 
von ar, deren Periode — - ist Ebenso ist die Periode von 

sin Aar oder cos Aar, wo k eine konstante Zahl bedeutet, -^- Soll 
die Periode gleich einem vorgeschriebenen Wert T sein, dann 
hat man A == -^ zu setzen, wodurch die goniometrischen Funk- 
tionen in sin -^ x und cos ~ x übergehen. Wenn der Bogen 



Theorie und Anwendung der goniometrischen Funktionen. 65 

außer dem von x abhängigen Olied noch eine additive Kon- 
stante ^ enthält, so ist dies auf die Periode ohne Einfluß. So 

ist z.B. -^ die Periode von asin(Äa:+/7) und a cos(Äa: +;?). 

Verwickelter liegen die Verhältnisse bei den goniometrischen 
Funktionen von Bögen, die kompliziertere Funktionen der un- 
abhängig Variablen sind. Die Funktion sin kx^ z. B. kehrt 
zwar stets zu demselben Wert zurück, wenn der Bogen hx^ 
eine Reihe von um 2:t auseinanderliegenden Werten annimmt, 
aber die Werte von ar, für welche dies zutriflFt, liegen nicht 
gleich weit voneinander ab. Es ist deshalb sinA^r^ keine 
periodische Funktion von x in dem gewöhnlichen Sinne des 
Wortes. 

§ 45. Wegen ihrer soeben besprochenen Eigenschaften 
werden die goniometrischen Funktionen häufig in der Physik an- 
gewandt Als Beispiel führen wir die einfach harmonische oder 
schwingende Bewegung an, die wir im 
Folgenden etwas näher untersuchen wollen. ^^ 
Lassen wir einen Punkt P (Fig. 17) den ^/_ 
Kreis APB mit konstanter Geschwindigkeit /^v 
durchlaufen, dann schwingt offenbar seine [ ^ 
Projektion Q auf der Mittellinie AB auf \ 
und ab. Um diese schwingende Bewegung \ 
mathematisch zu beschreiben, muß man an- ^--- 

geben, an welcher Stelle von AB sich Q in p. j^ 

jedem Augenblick befindet. Den letzteren 
bestimmen wir durch die seit einer willkürlichen Anfangszeit 
verflossene Zeit ^, wobei negative Werte von t Zeiten, die vor 
der Anfangszeit lagen, bedeuten. Die Stelle, wo sich gerade 
Q befindet, messen wir durch den Abstand y vom Mittel- 
punkt 0, wobei OA als positive und OB als negative Richtung 
angenommen werden soll. Unsere Aufgabe besteht nun darin, 
y als eine Funktion von t zu ermitteln. 

Wir rechnen die Zeit von dem Augenblick an, wo der 
bewegliche Punkt sich in A befindet, a sei der Badius OA^ 
r die Umlaufszeit. Aus OQ = OPcosPOQ folgt unmittelbar 



^ Eine additiye Konstante ist eine solche, die mit anderen Größen 
durch Addition verbunden ist. 

LoBEJtTZy Differeaüalrechnung. 5 



66 



Zweites Kapitel. 



y = a cos2;r-y , 

welche Formel, wovon man sich leicht überzeugen kann, für 
jeden positiven und negativen Wert von t die Größe und das 
Vorzeichen von y genau wiedergiebt. 

Hätte man die Zeit von dem Augenblick an gerechnet, 
wo der schwingende Punkt in Richtung von nach A den 
Mittelpunkt gerade verläßt, dann ergiebt sich (Fig. 18) aus 

Oq^OP^mMOP 
y ^ a sin2;r-=^- 





Da man die Wahl des Anfangspunktes der Zeitrechnung 
nicht stets in der Gewalt hat, so müssen wir noch den Fall 
besprechen, daß der auf dem Kreis sich bewegende Punkt sich, 
wenn ^ = ist, in einem willkürlichen Punkt P^ (Fig. 19) 
befindet. Bestimmt man dessen Lage durch den Bogen 
AP^^ 271 p, und sind zur Zeit t die beweglichen Punkte in 
P und Q, so ist 

Bogen AP^2n[^+p^ 

und 

y = acos2n(-Y+p]' 

Die Größe a nennen wir die Amplitude und T die 

« 

Schwingungsdauer, p bestimmt die Phase der Schwingung 
zur Zeit ^ = 0. 

§ 46. Mit einigen Worten müssen wir noch auf Funktionen, 
die als Summe von zwei oder mehr verschiedenen goniometrischen 
Funktionen dargestellt werden können, eingehen. Wir betrachten 



Theorie und Anwendung der goniometriBchen Funktionen. 67 

zunächst solche Funktionen, welche durch Addition von zwei 
goniometrischen Funktionen von derselben Periode entstanden 
sind, z. B. 

y = Ol cos 2n(^-^ + p^'j + a^ cos 2n [-^ + p^ , (27) 

wo wiederum t die unabhängig Veränderliche, T die Periode 
und a^, Oj, p^ und p^ beliebige Konstanten bedeuten. £s be- 
darf wohl keines besonderen Beweises, daß die Summe (27) 
dieselbe Periode wie die Einzelglieder besitzen muß. Mit Hilfe 
der Formel (2) (§ 34) entwickeln wir (27) und stellen die Glieder 
etwas anders zusammen. 

y = (flj cos 2;r/?j + a, cos 2np^ cos 2!;r -^ \ 

t (28) 

— (flj siD2!7r;7^ + a^ sin 2;rpj) sin2;r^- • j 

Wir sahen schon früher (§ 30)^ daß zwei gegebene Zahlen 
a und ß sich stets in die Form 

a = r cos q> und /S = r sin 9? 

bringen lassen. Wir können demnach für die Koeffizienten 

von cos-^- und sin-^ in (28) setzen 

Oj cos2!;rj!?i + a, cos27r/?2 = ^ cos2:7rP, | 

öj sin2;rp^ + a^ sin2np^ = A sin2:7rP, J ^ ' 

woraus die Größen A und P (beide sind natürlich konstant) 
berechnet werden können. Hierdurch geht y über in 

y = ^cos2;r(^ + p). (30) 

Durch Addition der beiden periodischen Kosinusfunktionen 
crgiebt sich also eine neue von ganz derselben Form. Quadriert 
man die Gleichungen (29) und addiert die Resultate, so er- 
hält man 

A^ = aj^ + a^^ + 2a^a^ cos27r(/?j — /?a). 

Die hier gewonnenen Resultate sind besonders wichtig für 
die Theorie des Schalles und des Lichtes. 

Sind mehr als zwei goniometrische Funktionen von der- 
selben Periode gegeben, so lassen sich dieselben in ähnlicher 

5* 



gg Zweites Kapitel. 

Weise wie oben zusammenfassen; man erhält schließlich eine 
einzelne Funktion von derselben Form wie die gegebenen. 

Auch durch Addition von goniometrischen Funktionen mit 
verschiedener Periode können wieder periodische Funktionen 
entstehen. So ist z. B. die Periode von 

7/ = Oj sin X + «2 sin 2x + a^ sin 3:r +....+«„ sin nx 

27t, da alle Glieder denselben Wert annehmen, wenn x um 
2n größer wird. 

In diesem Fall läßt sich i/ jedoch nicht mehr durch eine 
einzige goniometrische Funktion von der Periode 2;r darstellen. 
Mit anderen Worten: wir haben jetzt durch Addition von gonio- 
metrischen Funktionen eine kompliziertere periodische Funktion 
gewonnen. 

§ 47. Durch Umkehrung der goniometrischen Funktionen 
entstehen die cyklometrischen. In Fig. 20 sei der Radius 

= 1 , AB = X und der Bogen AC = y. Dann 
ist X = siny. Es ist also y der Bogen, dessen 
Sinus gleich x ist. Man schreibt dies: 

y Ä arc sinar. 

In analoger Weise sind die Symbole 
p. ' 2^ arc coso:, arc tgx, arc sec^c u. s. w. aufzu- 

fassen. 

Selbstverständlich lassen sich aus den Eigenschaften der 
goniometrischen Funktionen alle Eigenschaften der cyklo- 
metrischen ableiten. So entspricht der Periodizität der gonio- 
metrischen die Vieldeutigkeit der cyklometrischen Funktionen. 
Kennt man z. B. den einem bestimmten Wert von x ent- 
sprechenden Bogen y, so genügt nicht nur dieser Wert der 
Gleichung y = arc sin:r, sondern auch alle Bögen, die um 
2^1 größer oder kleiner sind. Bei arc sin :r existieren sogar 
noch mehr Werte, da der Sinus eines Bogens gleich dem 
Sinus seines Supplements ist. In ähnlicher Weise gehören auch 
zu arc cos 2- zwei Serien von Werten; die eine Reihe ergiebt 
sich aus der anderen durch ümkehruug der Vorzeichen, also 
etwa 

a — 4;r, a — 2;r, a, a + 27t, a + 4n, 

— a + 4;r, — a + 27tj — a, — a — 2;r, — a — 4;r u. s. w. 




J 



Theorie und Anwendung der goniometrischen Funktionen. 69 

Da die Periode der Tangente n beträgt, so genügt, 
wenn x gleich einer bestimmten Zahl ist, nicht nur ein be- 
stimmter Wert von y der Gleichung y a arc tg x , sondern 
auch die Werte y + n, y + 2;r, y + Sn u. s. w., y — tj, y — 2;r, 
y -^ Sn u. s. w. Ähnliches gilt von arc cot ar. 

Die Vieldeutigkeit in den Werten der cyklometrischen 
Funktionen wird oft durch geeignete Voraussetzungen beseitigt. 

§ 48. Die bisher behandelten Funktionen können in mannig- 
facher Weise miteinander kombiniert werden, wodurch sehr 
verwickelte Funktionen entstehen können. Beispielsweise läßt 
sich eine gewisse Bewegung eines Punktes längs einer Geraden 
darstellen durch die Gleichung: 

y = a^-^'cos2;r(-|,-+p), (31) 

wo / die Zeit, y den Abstand von einem festen Punkt und 
A eine positive Eonstante bedeuten. Diese Gleichung unter* 
scheidet sich von der letzten Gleichung in § 45 nur durch den 
Faktor e-^'. Wir haben es hier wieder mit einer schwingen- 
den Bewegung zu thun, da cos 2;r [-^ + /? ) abwechselnd positiv 

und negativ wird, wenn t zunimmt. Aber der im Lauf der 
Zeit stets kleiner werdende Faktor c^^ bewirkt, daß der 
schwingende Punkt sich allmählich immer weniger von der 
Ruhelage entfernt, die Amplituden nehmen also mit der Zeit 
ab und nähern sich 0. 

Die Formel (31) stellt eine durch Reibung gedämpfte 
schwingende Bewegung dar. 

Aufgaben. 

1. Den unbekannten Winkel x zu bestimmen aus der 

Gleichung . . . 

a cos X + Binx = c. 

2. Wie lang ist die Seite des einem Kreise vom Halb- 
messer r eingeschriebenen regelmäßigen 7-Ecks? 

3. Innerhalb eines gegebenen Winkels JOB :== (f ist 
eine gerade Linie OC derart gezogen, daß die Entfernungen 
eines ihrer Punkte von den Schenkeln OÄ und OB sich wie 
die gegebenen Zahlen m und n verhalten. Es sollen die 
Winkel AOC und BOC bestimmt werden. 



70 Zweites Kapitel. 

4. Die Projektionen einer auf OC (siehe die vorige Auf- 
gabe) liegenden Strecke auf OA und OB verhalten sich wie 
die gegebenen Zahlen a und b. Es sollen wieder die Winkel 
AOC und BOC bestimmt werden. 

5. Auf einer geraden Linie sind zunächst zwei Punkte 

Ä und G gegeben, und dann zwei weitere Punkte B und B^ 

der eine auf der Strecke A C, der andere außerhalb derselben, 

die der Bedingung 

AB:CB = ABiCB 

genügen. (Man nennt das System der vier Punkte in diesem 
Falle eine harmonische Punktreihe.) 

Man verbinde A, B, C und D mit einem beliebigen 
Punkte P. Es soll bewiesen werden, daß 

sin ABB : sin CPB = sin APD : sin CPB. 

Weiter soll gezeigt werden, daß die dieser letzteren Pro- 
portion genügenden Strahlen PJ, PB, PC, PD (man bezeichnet 
ein derartiges System als ein harmonisches Strahlen- 
büschel) eine beliebige Gerade in einer harmonischen Punkt- 
reihe schneiden, so daß, wenn a, b, c, d die Schnittpunkte sind, 

abicb =i ad: cd. 

6. In einem Parallelogramm AB CD sind die Seiten 
AB und ABy sowie der eingeschlossene Winkel A gegeben. 
Die Länge der Diagonale AC zu berechnen. 

7. Es soll der Inhalt eines Dreiecks bestimmt werden, 

a) wenn ein Winkel und die beiden anliegenden Seiten, 

b) wenn eine Seite und die Winkel an derselben gegeben sind. 

8. Außerhalb eines Kreises mit dem Mittelpunkte M 
und dem Radius r ist ein Punkt P, in der Entfernung MP^a 
vom Mittelpunkte gegeben. Durch denselben zieht man eine 
Gerade, die mit PM den Winkel (p bildet. Wie weit sind 
die Schnittpunkte dieser Geraden mit dem Kreise von P ent- 
fernt? 

9. Ein beliebiges, in einer Ebene V liegendes Vieleck 
wird auf eine Ebene F, die mit F den Winkel et bildet, pro- 
jiziert. Es soll bewiesen werden, daß zwischen dem Inhalt / 
des Vielecks und dem Inhalt F der Projektion die Beziehung 

r i= I cos u 
besteht. 



Theorie und Anwendung der goniometrischen Funktionen. 71 

10. Es sollen die Kanten winkel eines regulären Tetraeders 
und eines regulären Oktaeders bestimmt werden. 

11. Zwei gerade Linien 0^ und OB bilden miteinander 
den Winkel a, und mit der Vertikalen die Winkel p und q. 
Es soll die Projektion des Winkels ÄOB auf eine horizontale 
Ebene bestimmt werden. 

12. Welchem Grenzwert nähern sich die folgenden Aus- 
drücke, wenn x sich der in der Klammer stehenden Zahl nähert? 

a;' + 2x - 85 . __ - . 3a;» + 2a; + 4 . _ v 

a;« - 8a; +"15 ^^ "" ^^' 2a;» + a; + 5 ^^ ^ ^h 

ax^ + b f . sin aa? , ... tsx, ^v 

— — — (.r=30), --— (x = ü), ^{x = 0), 

cx + a ^ ^ 

l+x 

1 — cosa; / r\ sin Sa; 



x« 



(^ = ö), ^^(ar = ;r), (1 - 3ar) »(^ = 0), 



Jl Jl 1 

(1 + a sinar) * (a: = 0), (1 + ar») « (a: = 0), (1 + x) ^ [x = 0). 

13. In einer ebenen Fläche sind zwei gerade Linien L^ 
und L^ senkrecht zu einander gezogen. Eine dritte Linie AB 
von unveränderlicher I^änge wird so bewegt, daß der eine 
ihrer Endpunkte längs L^ und der andere längs L^ gleitet, 
wobei sie in abwechselnder Eeihenfolge den Schnittpunkt 
von L^ und L^ passieren. Es soll bewiesen werden, daß, 
wenn Ä eine harmonische Bewegung ausführt, B ebenfalls 
sich harmonisch bewegt. 

Ist dies auch noch der Fall, wenn der Winkel zwischen 
L^ und Zg ein schiefer ist? 

Der Winkel zwischen L^ und L^ sei wieder ein rechter. 
Welche Funktionen der Zeit sind dann der Winkel zwischen 
AB und L^ (oder L^ und der Abstand von bis AB? 

14. Es soll 

öj cos 2n {-^ + pA + flj cos 2% i-f + P2) -^ • • • • 

+ a„cos2;r(-^+;?„) 

so zusammengefaßt werden, daß das Resultat nur eine einzige 
goniometrische Funktion enthält. 



72 Drittes Kapitel. 

15. Es soll 

Oj cos 2n {-^ + pA + «a sin 2n i-^ + pA 

so zusammengefaßt werden^ daß das Resultat nur eine einzige 
goniometrische Funktion enthält. 

16. Wann ist 

cos ax cos ßx + cos yx cos Sx 

eine periodische Funktion von ar? 

17. Es soll bewiesen werden, daß, bei gehöriger Berück- 
sichtigung der Vielwertigkeit der cyklometrischen Funktionen, 



arc sin x + arc sin y = arc sin {x ]/l — y^ + y yi — ^*) 
und 



ist. 



arc tg JT + arc tgy = arc tg -^-^-^ 



Kapitel III. 

Graphische Darstellung von Funktionen. 

Grundlagen der analytischen Geometrie der Ebene. 

§ 49. Der Zusammenhang zwischen zwei oder mehr Ver- 
änderlichen wird häufig durch eine geometrische Figur ver- 
anschaulicht. Wir beschränken uns vorläufig auf den Fall, 
daß nur zwei Variable gegeben sind; die Figur, welche die 
Beziehung zwischen beiden veranschaulichen soll, kann dann 
in einer ebenen Fläche konstruiert werden. 

Wir ziehen in einer Ebene zwei Senkrechte (Fig. 21) OX 
und r. Die Lage irgend eines Punktes in der Ebene, z. B. 
von P, ist dann durch die Länge der Abstände PB von OY 
und Pä von OX bestimmt, wenn man außerdem weiß, auf 
welcher Seite von jeder der beiden Linien der Punkt liegt. 
Man braucht nämlich nur den einen Abstand von aus auf 
OX abzutragen und in dem so gefundenen Punkt A eine Senk- 



Graphische Darstellung von Funktionen. 



73 



rechte gleich dem anderen Abstand zu errichten. Diese beiden 
Grössen OA und AP (oder BP und AP, resp. OA und OB), 
welche die Lage des Punktes P bestimmen, nennt man die 
Parallelkoordinaten oder kurzweg Koordinaten des 
Punktes, die Linien OX und 0¥ die Koordinatenachsen 
und ihren Schnittpunkt den Ursprung oder Anfangs- 
punkt der Koordinaten. Man hat sich ferner geeint, durch 
das Vorzeichen anzudeuten, auf welcher Seite der Achsen P 
liegt, so daß Vorzeichen und Größe der Koordinaten die Lage 
von P völlig bestimmen. Die Richtungen OX und OY sehen 
wir nämlich als die positiven, die entgegengesetzten Richtungen 
als die negativen an und erteilen dementsprechend den Koor- 
dinaten das positive oder negative Vorzeichen, je nachdem sie, 
von O ab gerechnet, mit der positiven oder negativen Achsen- 
richtung zusammenfallen. 

Die Koordinate, welche auf der Achse OX liegt, oder der- 
selben parallel läuft, bezeichnen wir mit dem Buchstaben x, 
die andere mit ?/. 



u 







Fig. 21. 




Fig. 22. 



Sind mehrere Punkte gegeben, so unterscheidet man 
ihre Koordinaten durch Indices, z. B. x^, y^, x^, y^ u. s. w. 
Sind in Fig. 22 die Koordinaten der Punkte Pj, P^, P^, P^, 
^i> Vi ^^^' "^2» ^2 ^' ^' ^*f ^^ ^^^ offenbar 



^2 — '^l^ 

J* =ss — 7* 

•*^3 — 1 ' 

JT^ = X^, 



^2= yi» 



74 Drittes Kapitel. 

In welchem Quadranten ein Pankt liegt, darüber giebt 
uns also das Vorzeichen Auskunft. 

Die beiden Koordinaten spielen ganz dieselbe Bolle, ein 
eigentlicher Unterschied besteht zwischen ihnen nicht. Man 
kann sich indes vorstellen, daß man, um die Lage von P mit 
Hilfe seiner Koordinaten zu ermitteln, stets zuerst auf der 
or-Achse die Koordinate x abschneidet und in dem dadurch 
gefundenen Punkt die Senkrechte AP = y errichtet. Dem- 
entsprechend nennt man die x-Koordinate häufig die Abscisse 
und die y-Koordinate die Ordinate. 

§ 50. Da die Lage eines Punktes durch seine beiden 
Koordinaten gegeben ist, so wird man offenbar die Lage eines 
Systems von Punkten dadurch bestimmen können, daß man 
die Koordinaten eines jeden einzelnen Punktes angiebt. Ver- 
schiedene in dem System vorkommende Größen, vne die Länge 
von Linien, die Größe von Winkeln, der Lihalt von Flächen- 
teilen, lassen sich dann durch Rechnung^ finden. 

Gegeben seien die Koordinaten x 
und y eines Punktes P; es soll die 
Länge und die Richtung der Linie OP 
(Fig. 23) ermittelt werden. 

Die Richtung von OP bestimmen 
wir durch die Größe des Winkels t?-, 
den OP mit OX bildet, wobei wir die 
positive Drehungsrichtung so wählen, daß OY mit OX einen 
positiven rechten Winkel bildet (vergl. §§ 24 und 26). Aus 
der Figur ergiebt sich sofort 




r = j/x^ + y^ , 
cos 19- = — , sin 19- = -^ , 

tg.9- = 



X 



Diese Formeln gelten ganz allgemein, welche Lage P auch 
haben mag, nur muß man in Betreff des Vorzeichens das in 
§ 49 Gesagte berücksichtigen. 

Gegeben seien zwei Punkte Pj und P^ mit den Koordi- 
naten a-j, yj bez. :rj, y^ (Fig. 24). Es soll ihr Abstand und 
die Richtung von P-^P^ ermittelt werden. 



GraphiBcke Darstellung von Funktionen. 



75 



Es ist OD = Xy^ , OE = x^, DP^ = y^ , EP^ = y^. Für 
den Abstand P^P^ ^ l findet man 

Ferner ist, wenn i9- der Winkel 
ist, den die Richtung von P^ nach 
Pj mit J bildet, 



9in,9- = ?i^, 



tgi9' = 



3/0 — X. 




Fig. 24. 



Der Leser möge sich selbst davon überzeugen, daß diese 
Formeln gültig bleiben, in welchen Quadranten P^ und P^ auch 
liegen mögen. 

§ 51. Die beschriebene graphische Darstellung wird 
häufig zur Veranschaulichung des Zusammenhangs zwischen 
zwei Veränderlichen benutzt. Man kann nämlich bei jeder 
Funktion der unabhängig Variablen nacheinander verschie- 
dene Werte beilegen, die dazu gehörigen Werte der ab- 
hängig Variablen ermitteln und jedes Paar von einander ent- 
sprechenden Werten, das man in dieser Weise erhält, durch 
die Lage eines Punktes darstellen, indem man den Wert der 
unabhängig Veränderlichen als Abscisse und den Wert der 
abhängig Veränderlichen als Ordinate in die Figur einträgt. 
Natürlich ist dabei zunächst die Länge der Strecke festzu- 
setzen, die dem Wert 1 der Veränderlichen entsprechen soll. 

Durch alle gefundenen Punkte läßt sich schließlich eine 
Linie ziehen, deren Lauf ein Bild von den gleichzeitigen Ände- 
rungen der beiden Größen giebt. 

Ein Beispiel möge dies Verfahren erläutern. Gegeben sei 

1/ =s 2 + X — x^. 

Setzt man hierin für x die Zahlen 

- 1; 0; 0,5; 1: 1,5; 2; 3, 
80 ergiebt sich 

y = 0; 2; 2,25; 2; 1,25; 0; -4. 

Als Einheit wählen wir die Strecke OB (Fig. 25). Wenn 
jr = — 1 , also wenn die Abscisse = OF =: OB ist, ist y = 0; der 



V 



76 



Drittes Kapitel. 




diesem Werte entsprechende Punkt F liegt auf der Abscissen- 
achse in der Entfernung — 1 vom Ursprung. Wenn ar = 0, 
ist y = 2 ; der diesem Wert entsprechende Punkt liegt auf der 

Ordinatenachse in der Entfernung 
0^ = 2 vom Ursprung. Wenn 
.r = + 0,5 , so müssen wir von 
der auf OX in ^ errichteten Senk- 
rechten ein Stück = 2,25 ab- 
schneiden; wir gelangen so zum 
Punkt a. Wenn wir so weiter 
fortfahren und durch alle gefun- 
denen Punkte eine Kurve zieben, 
so erhalten wir die Linie FgabcDe, 
Es läßt sich aus dieser Kurve 
der jedem Wert der unabhängig 
Variablen entsprechende Wert der 
abhängig Variablen ablesen. Man 
Fig. 25. tat nur nötig, in dem betreffenden 

Punkt der Abscissenachse eine 
Senkrechte zu OX zu errichten. Die Länge der letzteren von 
der Abscissenachse bis zu dem Punkt, wo sie die Kurve 
schneidet, giebt dann unmittelbar den Wert von y. 

Ebenso wie die Figur die algebraische Beziehung zwischen 
X und y geometrisch veranschaulicht, lassen sich auch umge- 
kehrt die Eigenschaften der Kurve mit Hilfe von algebraischen 
Betrachtungen aus der Gleichung — die man deshalb die 
Gleichung der Linie nennt — ableiten. 

§ 52. In den folgenden Paragraphen sollen die wichtigsten 
Funktionen graphisch dargestellt werden. Wir beginnen mit 
der einfachsten, 

wo p eine Konstante ist. Wenn o.- = 0, ist y = 0, die Linie 
geht also durch den Ursprung. Setzt man für x nacheinander 
verschiedene Werte, berechnet die zugehörigen Werte von y 
und trägt dieselben in das Koordinatensystem ein, so erhält 
man eine gerade Linie OL (Fig. 26). Die Richtung derselben 
ist gegeben durch die Gleichung (§ 50) 

tgiO.T= !- = ;>. 



Graphische Darstellung von Funktionen. 



77 



Ist p positiv, 80 liegt die Linie innerhalb des Winkels XOY 
und seines Scheitelwinkels; wenn p negativ, innerhalb der 
beiden anderen durch die Koordinatenachsen gebildeten Winkel 
(siehe Fig. 27). 





Fig. 26. 



Fig. 27. 



Man kann aus dem Gesagten leicht ableiten, welche Linie 
die Funktion 

darstellt. Denn konstruiert man zuerst eine Linie 

dann braucht man nur (Fig. 26) zu allen Ordinaten QA Q,'^' 
u. s. w. ein Stück PÄ, T'W u. s. w. = y hinzuzufügen, um die 
Linie y ^ px + q zu erhalten. Die so konstruierte Linie MN 
läuft parallel mit OL und schneidet die Ordinatenachse in A, 
so daß OÄ = q ist. Ist q positiv, dann liegt die Linie oberhalb , 
Oi, wenn q negativ, unterhalb OL. Die Tangente des Win- 
kels zwischen MN und der Abscissenachse ist wieder = /?. 
Wenn p negativ und y = 0, so ergiebt sich, wie bereits 
gesagt, die Linie OL (Fig. 27); wenn p und q negativ, MN 
(Fig. 27). 

Der Anfanger thut gut, für p und q verschiedene posi- 
tive und negative Zahlen einzusetzen und die betreffenden 
Linien zu konstruieren. 

Da man durch Auflösung der allgemeinen Gleichung 

Ax + By +C=:iO 



78 



Drittes Kapitel. 



stets eine Formel von der Gestalt y ^ px + q erhält, so 
ist sie ebenfalls die Gleichung einer geraden Linie. Man 
nennt alle algebraischen Funktionen ersten Grades, vrie px + 9, 
lineare Funktionen, und alle Gleichungen mit zwei (oder 
auch mit mehr) Variabeln, solange nur die letzteren weder 
in höherem als dem ersten Grade, noch miteinander multi- 
pliziert vorkommen, lineare Gleichungen. 

Es verdient noch bemerkt zu werden, daß in der Glei- 
chung einer geraden Linie zwei Eonstanten {p und q oder die 
Verhältnisse von A, B und C) vorkommen, die nicht verändert 
werden können, ohne daß die Linie eine andere Lage erhält. 
Auch die Gleichungen von krummen Linien enthalten anßer 
den Koordinaten x und y Konstanten a, b, c u. s. w. Werden 
die letzteren verändert, so ändert sich auch die Kurve. Zum 
Teil behält sie aber dabei dieselben Eigenschaften — eine 
Gerade y ^ px + q bleibt z. B. eine Gerade, wenn man auch 
p und q ändert — , so daß alle Linien, welche sich nur durch 
die Konstanten a, b, c u. s. w. unterscheiden, zu derselben 
Klasse gerechnet werden können. Man nennt die Konstanten 
auch häufig Parameter. 

§ 53. Wir gehen jetzt über zu den Gleichungen zweiten 
Grades und beginnen mit der Gleichung für den Kreis. 

Liegt der Koordinatenursprung 
im Mittelpunkt und ist a der Ra- 
dius, dann folgt unmittelbar aus 
jp der Fig. 28: 




.2 



oder 



.r* + y* = flr 



3 _ 



Zu jedem Wert von x ge- 
hören zwei Werte von y, also 
zwei Punkte, von denen der eine 
Fig. 28. ebenso hoch über der Abscissen- 

achse liegt, wie der andere unter- 
halb derselben. Wenn :i- > a oder — a: > a, so existiert kein 
Wert für y. 

§ 54. Die Ellipse ist eine krumme Linie, welche die 
Eigenschaft besitzt, daß die Summe der Abstände irgend eines 



Graphische Darstellung von Funktionen. 



79 



ILX 



Punktes derselben von zwei festen Punkten F und G stets 
gleich groß ist (Fig. 29). Die beiden festen Punkte F und G 
heißen Brennpunkte und die Abstände Leitstrahlen oder 
Radiusvektoren. Wir wählen die Mitte von FG als Ur- 
sprung der Koordinaten und lassen 
die eine Achse mit FG zusammen- 
f^illen, während die andere senk- 
recht auf FG steht. Die oben- 
erwähnte Summe der Abstände von 
den beiden Brennpunkten sei 2 a 
und OG ^ c. Für einen beliebigen 
Punkt P der Ellipse mit den Koor- 
dinaten X und y ist 

PF = y(r+ cj^TyS 

PG = y(^- cf + yS 
also 

PF+ PG = y{x + cy + y» + y{x - c)» +"y« = 2a. 

Diese Gleichung läßt sich noch bedeutend vereinfachen. 
Zu dem Zweck schreiben wir sie folgendermaßen: 




Fig. 29. 



2a - yi^'cY + y» = Y{x + c)* + y^ 

und erheben sie ins Quadrat. Wir erhalten nach einer wei- 
teren Umformung 

(a« - c*)x» + a^y^ = a^{a^ - c«). 

Setzt man zur Vereinfachung 

a» - c« = ^«, 

was erlaubt ist, da a > c sein muß, so ergiebt sich 



X' 



+ 



Ä« 



= 1 



Jedem Wert von x entsprechen zwei Werte von y. Wenn 
X = 0, ist y « ± i; wenn :r = a, ist y = 0; es ist daher OA = a 
und OB = b, Man nennt OÄ die halbe große Achse und 
OB die halbe kleine Achse. (Der Name Achse oder Sym- 
metrieachse rührt daher, daß zu beiden Seiten einer solchen 
Linie alles symmetrisch liegt) Wenn b = a, geht die Ellipse 
in den Kreis über; man kann daher den Kreis als einen be- 
sonderen Fall der Ellipse ansehen. 



80 



Drittes Kapitel. 



§ 55. Löst man die Gleichung der Ellipse nach y auf, 
so ergiebt sich 

während man ftlr den Kreis mit dem Radius a 



y^ ±]/a2-x» 
erhält. Die beiden Werte unterscheiden sich voneinander 

nur durch den konstanten Faktor — . Wird also um den 

a 

Mittelpunkt der Ellipse (Fig. 30) mit dem Radius a ein 
Kreis beschrieben, so ist das Verhältnis zweier beliebiger Ordi- 
naten, z. B. CQ^ und CP, die derselben Abscisse entsprechen, 
konstant. Eine ähnliche Beziehung besteht auch zwischen der 
Ellipse und dem Kreis, der über der kleinen Achse als Mittel- 
linie beschrieben werden kann. Hieraus folgt, daß man eine 
Ellipse erhält, wenn man in einem Kreise einen Durchmesser 
zieht und die Abstände aller Punkte der Peripherie vom 
Durchmesser in einem konstanten Verhältnis vergrößert oder 
verkleinert. 





w- 



>< 





Fig. 30. 



Fig. 31 



§ 56. Bei der Hyperbel existieren ebenso wie bei der 
Ellipse zwei Brennpunkte F und G (Fig. 31); bei dieser Kurve 
ist aber die Differenz der beiden von den Brennpunkten nach 
einem Punkte der Linie gezogenen Leitstrahlen konstant. Die 
Kurve besteht aus zwei Zweigen, PQ und i?5, die sich nacli 
beiden Seiten bis in die Unendlichkeit erstrecken. Wir verbinden 
F mit G und wählen die Verbindungslinie, wie bei der Ellipse, 



Graphische Darstellung von Funktionen. 



81 



ZU der x- Koordinatenachse, die andere Achse steht senkrecht 
auf dieser in der Mitte von FG. Wir setzen wie bei der Ellipse 
OG = c und die konstante Differenz der Leitstrahlen = 2a. 
Dann ist für irgend einen Punkt P der krummen Linie, dessen 
Koordinaten x und y sind, 

y(x + c)2 + y2 „ ]/(ar-c)a+ya = ± 2a, 

wobei das obere oder untere Vorzeichen gUt, je nachdem der 
Punkt auf dem einen oder anderen Zweig liegt. Durch eine 
ähnliche Eechnung wie bei der Ellipse ergiebt sich wieder 

(a* - c^ x^ + a2y2 = a* (a» - c^ . 

Es ist aber jetzt a < c. Wir setzen daher a^ — c^ = — b^ und 
erhalten die Uyperbelgleichung 



X 

a 



2 ^» 



Ist y = 0, so ist a: = ± a. Die Strecken OÄ und OA' haben 
also die Länge a. 

§ 57. Zieht man durch zwei gerade Linien OD und 
OE (Fig. 32), deren Gleichungen 



V = -j — X und y = 



b 

X 

a 



sind, und vergleicht die zu einer 
gleichen Abscisse gehörenden 
Ordinaten der Geraden und der 
Hyperbel, z. ß. 



CQ = ^^, 




i'\ 



Fig. 82. 

so ergiebt sich , daß CP < CQ 

ist und daß der Hyperbelzweig AF mithin stets unter der 

Geraden OD bleibt. Die Differenz der beiden Ordinaten ist 



PQ = ^[x-yx^-a^\, 



wofür man auch schreiben kann, nachdem man mit x + Yx^-^a' 
multipliziert und dividiert hat, 

ab 



PQ = 



X + yx* — a 






LoRENTz, Differentialrechnung. 



6 



82 



Drittes Kapitel. 



Bei wachsendem x nähert sich PQ dem Grenzwerte 0. 
Die krumme Linie ÄF kommt also der Geraden OD be- 
liebig nahe. 

Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den übrigen Zweigen 
der Hyperbel. Man nennt solche Gerade, wie OD und OJ?, 
Asymptoten. Dieselben können bei der Hyperbel leicht kon- 
struiert werden, wenn man die Brennpunkte und die konstante 
Diffei^enz 2 a der Leitstrahlen kennt. Man hat nämlich nur 
nötig,, in dem Endpunkte Ä der Abscisse = a ein Lot von der 
Länge ^c^—a^ zu errichten und den Endpunkt des Lotes mit 
zu verbinden. 

§ 58. Ähnlich wie in den beiden behandelten Beispielen 
wird auch in anderen Fällen eine Kurve definiert durch eine 
allen ihren Punkten gemeinsame Eigenschaft, oder, wie man 
sich auszudrücken pflegt, als der geometrische Ort aller 
Punkte, denen diese Eigenschaft zukommt, um die Gleichung 

der Kurve zu erhalteu, braucht 
man nur die Eigenschaft ihrer 
Punkte, m. a. W. die Bedingung, 
der dieselben genügen sollen, 
algebraisch auszudrücken. 

Der geometrische Ort aller 
Punkte (Fig. 33), die gleich 
weit entfernt sind von einer ge- 
gebenen Geraden i?i2 und einem 
festen Punkte F (dem Brenn- 
punkte) wird Parabel ge- 
nannt. Wir setzen das Lot 
FÄ = p , und wählen den Hal- 
bierungspunkt desselben zum 
Anfangspunkt der Koordinaten. 
Die Achse OX legen wir längs 
OFj die Achse OY also parallel zu RR. 

Die Entfernungen irgend eines Punktes P mit den Koor- 
dinaten X und y von F und der Linie RR sind dann: 




Fig. 33. 



PF = ^iFß^ + PB^ = ]![x -\pY'+ tf, 
PC^ AR ^x + ^p. 



Graphische Darstellung von Funktionen. 



83 



Da nach der Definition PC^PF sein soll, also auch 
P(?2 = PF\ so folgt 

[x — \pf + y« = j-2 + j)x + \p^ 
oder 

y^ = 2px, 

Die drei Linien: Parabel, Ellipse und Hyperbel werden 
häufig mit dem allgemeinen Namen Kegelschnitte benannt, 
weil sie auf der Oberfläche eines Eotationskegels entstehen, 
wenn man denselben mittels Ebenen nach verschiedenen Rieh« 
tungen schneidet. 

§ 59. Wir haben bei der Ableitung der bisher be- 
sprochenen Gleichungen die Koordinatenachsen stets so ge- 
wählt, daß ihre Lage in Beziehung zu der zu untersuchenden 
Figur eine mögUchst einfache war. Im Laufe von mathematischen 
Untersuchungen kommt es indes häufig vor, daß man andere 
Koordinatensysteme einführen muß. Kennt man die Gleichung 
der Linie, bezogen auf das alte Koordinatensystem, dann läßt 
sich die Gleichung in Bezug auf das neue Koordinatensystem 
durch einfache geometrische Betrachtungen ableiten. 

Das neue Koordinatensystem kann aus dem alten auf 
dreierlei Weise entstanden sein: 1. durch parallele Verschie- 
bung; 2. durch Drehung; 3. durch Verschiebung und Drehung. 

Fall I. Das neue Koor- 
dinatensystem ist aus dem ur- 
sprünglichen durch parallele 
Verschiebung entstanden. Seien 
OX und OY (Fig. 34) die ur- 
sprünglichen, O'X' und OY' 
die neuen Koordinatenachsen, 
seien a und b die Koordinaten 
von 0' in Bezug auf OX und 
OYj X und y die ursprüng- 
lichen, x' und y' die neuen 
Koordinaten von irgend einem 
Punkte, so ist 

X^X+a, y=y'+b. 

Diese beiden Gleichungen sind ganz allgemein, welches auch 
die Vorzeichen der darin vorkommenden Größen sein mögen. 

6» 



y 


Y' 




-p 










jxr 






a 










(T. ^ 




X' 




\b 






' 

















X 



Fig. 34. 



84 



Drittes Kapitel. 



Fall II. Das neue Koordinatensystem ist aus dem ursprüng- 
lichen durch Drehung entstanden. OX und OY (Fig. 35) seien 
wieder die ursprünglichen, OX'und OY' die neuen Koordinaten- 
achsen, a der Drehungswinkel. Um nun die Beziehung zwischen 
den alten Koordinaten von P, x, y {OA , Ä P), und den neuen. 
x\ y' {OA'y J'P), zu ermitteln, beachte man, daß OA und AF 
die Projektionen der gebrochenen Linie OA'P auf OX und 
OY sind. Daraus folgt: 

X = x' cos a — y' sina , 
y = x' sina + y' cos u . 

Der Leser möge sich selbst davon überzeugen, daß diese 
beiden Gleichungen ganz allgemein, d. h. für beliebige positive 
und negative Werte von a, x und y' gültig sind. 




A B 




Fig. 35. 



Fig. 36. 



Fall III. Das neue Koordinatensystem ist aus dem alten 
durch parallele Verschiebung und Drehung entstanden (Fig. 36). 
Es seien wieder a und b die Koordinaten von 0' in Bezug 
auf OX und OY, Durch Kombination der Gleichungen von 
Fall I und II ergiebt sich unmittelbar: 

X ^= a + x' cos a — y' sin a , , 

. . . ^ \ (1) 

y = b + X sma-Hy cos cc, \ 

Wir sind jetzt in* den Stand gesetzt, die Gleichung irgend 
einer Linie, welche in Bezug auf ein Koordinatensystem OX, 
OY gegeben ist, in Bezug auf ein anderes System 0' X\ 0' Y' 
aufzustellen. Zu dem Zweck brauchen wir nur die auf der 
rechten Seite von (1) stehenden Ausdrücke in die gegebene 
Gleichung für x und y einzusetzen. Es ist nämlich klar, daß 



Graphische Darstellung von Funktionen. 85 

man in dieser Weise eine Beziehung zwischen x und y' erhält, 
der alle Punkte der Linie Genüge leisten. Führt man dies 
beim Kreis, und bei der Ellipse, Hyperbel und Parabel durch, 
80 erhält man im Vergleich zu früher ziemlich komplizierte 
Gleichungen. 

Umgekehrt kann man aber auch manchmal eine verwickelte 
Gleichung einer krummen Linie durch Transformation auf ein 
anderes Koordinatensystem vereinfachen. 

§ 60. Ein Beispiel möge zur Erläuterung dienen. Ein 
Punkt bewege sich in einer Ebene so, daß seine Projektionen 
auf den Koordinatenachsen OX und OY hin- und herschwingen 
nach den Gleichungen 

z = acos2;r-^, (2) 

y = Äcos2;r(-|r+;>), (3) 

wo i die Zeit und T die Periode bedeuten (vgl. § 45). Welche 
Bahn beschreibt der Punkt selbst? Um diese Aufgabe zu 
lösen, muß man t aus (2) und (3) eliminieren; man erhält dann 
nämlich eine Beziehung zwischen x und y, welche, eben weil 
sie t nicht mehr enthält, in jedem Punkte der Bahn gilt und 
welche daher die Gleichung der Bahn ist. Um die Eli- 
mination auszuführen, entwickeln wir die zweite Gleichung 
und schreiben 

^ = cos2!n?-y cos 27r/? — %y[\,2%-j^ wa^n'p 

und substituieren hierin die aus (2) folgenden Werte 

c. t X 

cos2;r^, = — , 
1 a 



8ia24=±|/l-;; 
Hierdurch erhalten wir 



y_ 

h 



oder 



X I r* 

= — cos2;r/? qp 1/ 1 — " i sin2;r;?. 



f + ^<^ös2>t;? = ± |/l - I* sin2;r;? 



86 



Drittes Kapitel. 



Erheben wir diese Gleichung ins Quadrat, so ergiebt sich 



X 



xy . y* 



a" 



^ - 2cos 2;r;? ^ + ^ = ^^^^ 2;r/? , 



ab 



(4) 



eine Gleichung, die sich von der früheren Ellipsengleichung 
durch das Glied mit xy unterscheidet. 

Da die ersten Potenzen von x und y fehlen, so folgt aus (4), 
daß, wenn die Werte x=^a, y = /5 der Gleichung genügen, 
auch — u und — ß dies thun. Geometrisch bedeutet dies, daß 
jedem Punkt P der Bahn des Punktes ein anderer Punkt F' 
entspricht, der auf der Verbindungslinie des Ursprungs O mit P, 
aber auf der entgegengesetzten Seite von so liegt, daß 
0P= OP' ist. Wegen dieser Eigenschaft nennt man O den 
Mittelpunkt der Bahn. Da nun die Lage des Ursprungs des 
Koordinatensystems in Bezug auf die Bahn bereits die möglichst 
einfache ist, so würde durch eine Verschiebung des Koordinaten- 
systems die Gleichung der Kurve nur verwickelter werden. 
(In der That würden durch diese Transformation noch die 
ersten Potenzen von x und y auftreten). Wir versuchen daher, 
ob sich nicht durch eine Drehung des Koordinatensystems 
Gleichung (4) vereinfachen läßt. Der vorläufig unbestimmte 
Drehungswinkel sei a. Um nun die Gleichung in Bezug auf 
die neuen Achsen OX' und OT' zu erhalten, müssen wir in (4) 
die auf S. 84 abgeleiteten Werte substituieren, nämlich: 

X = X* cos cc — y' sin c^, 
y = ar' sin a + y' cos a. 

Hierdurch geht (4) über in 

-. + ^J + [-. - -^TJ cos 2a ^ sm2« 

O r/ 1 1\ • O . 2C0S27IÜ ri 1 ^ / 

- Mb ~ *^] ''° ^" + ~^b- *^'2«J X y 

1,1\ /l 1\ o, 2co8 27rp . rt 

^' + 6») - b - 6^) °°' 2« + -^j^ 8m2« 

= 2sin*2;r/?. 

Wir bestimmen den Winkel a so, daß in dieser Gleichung 
das Glied mit x'y' wegfällt. Dazu muß 

*g2a = ^rry«cos2;r;7 



+ 



/2 



Graphische DarstelluDg von Funktionen. 87 

sein. Unter den verschiedenen Winkeln, welche dieser Gleichung 
genügen, wählen wir den aus, für welchen 

c. 2 ab C08 2n» 

Sin 2cc = —-. — - . 

ya* + 20" 6* cos 4np 4- b* 
und 

cos2a =^—z: _=- . - 

y a* -^ 2a* b* cos 4np -{• b* 

ist Die Gleichung der Bahn wird dann 

[a2 ^ ^2 _ y-4 ^ 2aH^cos47ip + ^*]x'« 
+ [aa4.^2 + y^* + 2a2^2cog4j^^^^4]y'2^2a«*«sin227r/?. 

Da hier alle Glieder positiv sind (von dem ersten läßt 
sich dies leicht beweisen), so kann man 



(5) 



2a" 6* sin' 2np ,« 



und 



rt* + 6« - >/a* + 2a« 6* cos 47ip + 6* 

2a«Ms i n*27ip , /j 



a* + 6* + |/a* + 2a' 6» cos inp + 6* 

setzen. Führt man dies in (5) ein, so ergiebt sich 

^" 4. yl - 1 

die Ellipsengleichung. Der Punkt bewegt sich also auf einer 
Ellipse, deren halbe große und kleine Achse a und b' sind 
und deren Achsen OX' und OT um den Winkel a gegen die 
ursprünglichen Koordinatenachsen gedreht sind. 

§ 61. Ähnlich wie wir im vorigen Paragraphen, um die 
Bahn des Punktes zu bestimmen, die Zeit t aus den beiden 
Gleichungen (2) und (3) eliminiert haben, können wir auch in 
anderen Fällen verfahren. Sobald durch die Gleichungen 

X = (p{t) und y = t/; {t) 

die Koordinaten eines Punktes als Funktionen der Zeit gegeben 
sind, erhält man nach der Elimination von t unmittelbar die 
Bahn des Punktes. Übrigens kommen auch Fälle vor, in denen 
die beiden Koordinaten eines beweglichen Punktes sich zu- 
nächst nicht als Funktionen der Zeit, sondern einer anderen 
unabhängig Variablen darstellen lassen. Auch dann bleibt die 
oben benutzte Methode anwendbar. Welches die Bedeutung 



88 



Drittes Kapitel. 



der unabhängig Variablen auch sein mag, stets ergiebt sich 
nach ihrer Elimination die Gleichung für die Bahn des 
Punktes. 

Ein einfaches Beispiel soll dies noch erläutern. Gegeben sei 
eine gerade Linie AB (Fig. 37) von der Länge a, die mit ihren 
Endpunkten längs den beiden Koordinatenachsen gleitet. Auf der 

Linie befinde sich ein Punkt P. Welche 
Bahn legt nun dieser während der 
Bewegung der Linie zurück? Als 
unabhängig Variable wählen wir hier 
den Winkel cc, den die Linie mit 
der ar- Achse bildet. Die Koordinaten 
von P seien x und y, und der Abstand 
von P zu dem Endpunkte Aj der 
r sich auf der Achse OX bewegt, 
heiße l. 

Es ist dann 




Fig. 37. 



und 



t/ = l sin a 



X = {a ^ l) cos a. 

Wir haben nun aus diesen Gleichungen a zu eliminieren. 
Zu diesem Zwecke leiten wir aus denselben ab 



2 



sm* a + cos^ cc — ^ + 



X' 



oder 



(a - /)* 



y' 



X 



= 1. 



Es zeigt sich also, daß der Punkt P eine Ellipse be- 
schreibt. 

§ 62. Statt auf ein rechtwinkliges Koordinatensystem 
ist es bisweilen zweckmäßiger, die Figuren auf ein schief- 
winkliges Koordinatensystem zu beziehen. Sind OX und OY 
(Fig. 38) die einen beliebigen Winkel miteinander bildenden 
Koordinatenachsen, so ziehe man aus dem betrachteten Punkt P 
die Linien PB und PA parallel zu diesen Achsen. Die Koor- 
dinaten des Punktes (Fig. 38) sind dann OA und OB oder die 
gleich großen Strecken J5Pund AP» In betreff der Vorzeichen 
der Koordinaten gilt dasselbe wie beim rechtwinkligen System 
(vergl. § 49). 



Graphische Darstellung von Funktionen. 



89 



Darch einfache Überlegungen, die denen des § 59 analog 
sindy kann man die in Bezug anf ein rechtwinkliges .Koordi- 
natensystem gegebenen Koordinaten eines Punktes oder die 



rj' 





Fig. 88. 



Fig. 39. 



Gleichung einer Linie so transformieren, daß sie sich auf ein 
gegebenes schiefwinkliges Koordinatensystem beziehen. Wir 
wollen dies mit der Hyperbel, deren Gleichung 



^1 -. ^ — 1 



a 



(6) 



ist, durchführen. Wir wählen die Asymptoten OX' und OY' 
za Koordinatenachsen (Fig. 39). Die Koordinaten irgend eines 
Punktes der Kurve, z. B. P, sind 

OB^x, BP^y, OB'=-x, B'P^y\ 

Da OB und BP die Projektionen der gebrochenen Linie 
OB' P auf die OX- und OT- Achse sind, so ergiebt sich unter 
Berücksichtigung von § 57, wenn man gleichzeitig die Größe c 
(vergl. §56) einführt: ^ 



^ Man beachte, daß 



tg-xor'=-, 



and also 



und 



sin ZOT' = 



cos X 07' = 



a 



c 

a 
c 



90 



Drittes Kapitel. 



a 



X = ^ (^' + y') 



Durch Substitution dieser Werte in (6) ergiebt sich 

Aus dieser einfachen Gleichung ersieht man sofort, daB 
t/' abnimmt, wenn x' größer wird, femer, daß für x' = x 
Limy' = ist, und umgekehrt, daß x' kleiner wird, wenn y' 
zunimmt. 

Offenbar stellt nun eine jede Gleichung 

xy =/?, 

wo p eine Eonstante bedeutet, eine 
Hyperbel dar, deren Asymptoten mit 
den Koordinatenachsen zusanunen- 
fallen. Stehen diese letzteren senk- 
recht aufeinander, dann entspricht 
der Gleichung eine Hyperbel mit zu 
einander senkrechten Asymptoten. Aus 
dem § 57 Gesagten geht hervor, daß 
dieser Fall eintritt, wenn a = & ist 
Die Hyperbel heißt sodann eine 
gleichseitige (Fig. 40). 
§ 63. Während die Gleichung einer geraden Linie vom 
ersten Grade ist, sind die Gleichungen der Ellipse (und auch 
des Kreises), der Hyperbel und der Parabel vom zweiten Grade. 
Dies gilt nicht allein in Bezug auf die früher gewählten 
Achsensysteme, sondern auch in Bezug auf jedes Achsensystem. 
Denn da die Transformationsformeln (§ 59) für den Übergang 
von einem Achsensystem zu einem anderen alle linear (vergl. 
§ 52) sind, so kann durch die Transformation der Grad der 
Gleichungen nicht geändert werden. 

Wenn die Gleichungen zweier gerader oder krummer, in 
einer Ebene liegender Linien gegeben sind, so kann man die 
Werte von x und y suchen, welche beiden Gleichungen gleich- 
zeitig genügen. Ein Punkt mit diesen Koordinaten gehört 
dann beiden Linien an. Offenbar schneiden sich die beiden 
Linien in so vielen Punkten, als man bei der Auflösung ihrer 







X 



Fig. 40. 



Grraphische Darstellaug von Funktionen. 91 

Gleichungen Paare zusammengehörender Werte für x und y 
erhält, die heiden Gleichungen genügen. Sind die beiden 
Linien gerade, dann sind ihre Gleichungen vom ersten Grade, 
und es genügt nur ein Wertepaar für x und y beiden Glei- 
chungen; es existiert also nur ein einziger Schnittpunkt. Sind 
eine Gerade und eine Ellipse, Parabel oder Hyperbel gegeben, 
dann muß man, um die eventuellen Schnittpunkte zu ermitteln, 
eine Gleichung vom ersten Grade mit einer vom zweiten Grade 
kombinieren. 

Es sei z. B. die Gleichung der geraden Linie 

ÄX + By +C=:0. (7) 

Lösen wir diese zunächst nach y auf, so ergiebt sich 

Substituiert man nun diesen Wert in die Gleichung der 
gegebenen Kurve, so erhält man eine in Bezug auf x quadra- 
tische Gleichung, welche zwei Wurzeln haben kann. Sind 
diese x^ und or,, so sind dies die Abscissen der Schnittpunkte, 
während man die Ordinaten derselben findet, wenn man in (8) 
X = x^ oder a: = Xg setzt. 

Man sieht hieraus, daß, gerade so wie der Kreis, auch 
die Eklipse, die Hyperbel und die Parabel von einer geraden 
Linie höchstens in zwei Punkten geschnitten werden können. 
Offenbar können aber auch Fälle vorkommen, wo die erwähnte 
quadratische Gleichung gar keine Wurzeln hat. 

Eine Gleichung zwischen x und y heißt eine algebraische 
vom n^^^ Grade, wenn sie in der Gestalt 

F[x, y) = (9) 

geschrieben werden kann, wo die links stehende Funktion eine 
Summe von Gliedern, wie 

axPy^ 

ist, mit ganzen positiven Exponenten p und q, und der höchste 
Wert von p + q gleich n ist. 

Sollen nun die Schnittpunkte der durch eine derartige 
Gleichung bestimmten Kurve mit der Geraden (7) bestimmt 
werden, so kann man wieder den Wert (8) in (9) substituieren. 
Man gelangt dadurch zu einer Gleichung n^^^ Grades in Bezug 



92 



Drittes Kapitel. 



auf X, und da diese, wie wir wissen, höchstens n Wurzeln hl 
so giebt es jetzt höchstens n Schnittpunkte. 

Wegen der innigen Beziehung, die also zwischen dem 
Grad der Gleichung einer krummen Linie und einer wichtigei 
geometrischen Eigenschaft besteht', ist es gerechtfertigt, M 
man die Linien nach dem Grade ihrer algebraischen Gleichmf 
klassifiziert; man spricht daher von Linien ersten, zweiten, 
dritten u. s. w. Grades. 

In betreflF der Gleichungen zweiten Grades möge noch 
erwähnt werden, daß jede derselben, wenn überhaupt eiDe 
krumme Linie, immer eine Ellipse (eventuell einen Kreis), oder 
eine Hyperbel, bez. Parabel giebt. 

Wegen des großen Eeichtums von Formen, die schon bei 
den Linien dritten Grades und in noch größerem Maße bei 
den Linien höheren Grades auftreten, ist die Theorie derselben 
äußerst verwickelt. Sie kann hier übergangen werden, da die 
Linien höheren Grades mit nur wenigen Ausnahmen in der 
Physik keine Verwendung finden. 

§ 64. Wir gehen jetzt zu der graphischen Darstellung 
einiger transcendenten Funktionen über. 

Gegeben sei die Gleichung 

(a und p positive Konstanten), deren graphische Darstellung 
Fig. 41 wiedergiebt. Wenn x = ist, isty = a. Die krumme 

Linie schneidet also die Ordi- 
natenachse in der Entfernung a 
vom Ursprung. Nimmt x zu, 
dann wird auch y größer, nimmt 
X ab, dann wird y kleiner. 
Wenn x = oo, ist y = oo ; wenn 
A- = — cxD, ist y = (siehe § 10). 
Während also die krumme Linie 
auf der Seite der positiven Ab- 
scissen bis in die Unendlichkeit 
steigt, nähert sie sich auf der 
anderen Seite asymptotisch der 
X-Achse. Charakteristisch für die Linie ist, daß ihre Ordinaten, 
wie Aa, Bb, Cc, Orf u. s. w. , die gleich weit voneinander ent- 
fernt sind, eine geometrische Reihe bilden. 









Y 














p/ 


1 


1 


c^ 


d 






A 


li 


C 





I 





f 




r a X 



Fig. 41. 



Graphische Darstellung von Funktionen. 93 

Die Konstante a beeinflußt die Größe der Ordinaten; setzt 
man Air a nacheinander zwei verschiedene Zahlen, so ist das 
Verhältnis der mit Hilfe dieser Zahlen berechneten, zu der- 
selben Abscisse gehörenden Ordinaten dasselbe wie das der 
Zahlen selbst. 

In welcher Weise die krumme Linie sich ändert, wenn 
man fiir p verschiedene Zahlen setzt, läßt sich ebenfalls leicht 
ermitteln. Konstruiert man nämlich die Kurve, deren Gleichung 

ist, so ergiebt sich unmittelbar, daß die zu einer bestimmten 
Abscisse gehörende Ordinate ebenso groß ist als die Ordinate, 
welche in der soeben betrachteten krummen Linie zu einer 

-' mal größeren Abscisse gehört. Man kann also die eine 

Kurve aus der anderen ableiten, indem man die Ordinaten 

unverändert läßt, alle Abscissen aber im Verhältnis ~ ver- 

P 

kleinert oder, wie man auch sagen kann, indem man die 
Figur in Bichtung der x- Achse zusammendrückt bez. auszieht, 
während man die Dimensionen in Richtung der y- Achse un- 
verändert läßt. 

Ein Beispiel haben wir hierfiir schon bei der Ellipse 
kennen gelernt, die ja ein nach einer Richtung ausgezogener 
Kreis ist 

Die allgemeinen Gleichungen fiir die erwähnte Formände- 
rung lassen sich leicht aufstellen. . Soll die krumme Linie, 
deren Gleichung 

y = ^W 

gegeben ist, eine solche Formänderung erleiden, daß die Länge 
aller Abscissen a mal größer wird, so ergiebt sich als Glei- 
chung ftir die neue Linie 



y-^[i] 



Ebenso ist 

die Gleichung einer Linie, die aus der Linie 

entstanden ist dadurch, daß alle Abscissen a mal und alle 



94 



Drittes Kapitel. 



Ordinaten ß mal größer geworden sind. Ist a =^ ß^ dann sind 
beide Linien einander ähnlich. 

Auf die übrigen exponentiellen Funktionen brauchen wir 
nicht näher einzugehen, da für sie das oben Auseinander- 
gesetzte mit geringen Abweichungen gilt. Der Leser möge 
sich selbst die Kurven 

y = a e"^ 

und y =: ^ a e"^ 

konstruieren. 

§ 65. Der goniometrischen Gleichung 

y = sin :r 
entspricht Fig. 42. 




Fig. 42. 

Die Kurve schneidet die x-Achse in einer Anzahl von 
Punkten Äj Bj 0, C u. s. w., die um die Strecke yr voneinander 
entfernt sind. In der Mitte zwischen zwei Schnittpunkten ist 
die Ordinate abwechselnd + 1 und — 1. Man erkennt deut- 
lich in der Figur die Periodizität der Funktion. 

Die Linie 

y = cos X 

unterscheidet sich in der Form nicht von der vorigen, nur ist 
sie in Richtung der negativen Abscissen um ^it verschoben. 
Die krummen Linien, deren Gleichungen 

y = a sin {kx + p) 
und y = o, cos {kx + p) 

sind, schneiden die Abscissenachse in Punkten, die um y 

voneinander entfernt sind; bei der ersten ist — ~, bei der 

zweiten — t" + Yk ^^® Abscisse eines dieser Schnittpunkte. 

Die Ordinate schwankt zwischen den äußersten Werten — a 
und + a hin und her. Die Größe k bestimmt also den Ab- 



Graphische Darstellung von Funktionen. 



95 



stand der einzelnen Schnittpunkte auf der or- Achse voneinander, 
p die Lage dieser Schnittpunkte und a schließlich die größten 
Entfernungen von der x- Achse. Ändert man p, so wird die 
Linie einfach in Richtung der ar- Achse verschoben; ändert 
man a, so werden alle Ordinaten in demselben Verhältnis 
vergrößert oder verkleinert; einer Änderung von k entspricht 
schließlich ein Zusammendrücken bez. ein Auseinanderziehen 
der Figur in Richtung der x-Achse (vgl. den vorigen Para- 
graphen). 




Fig. 43. 

Zur Erläuterung mögen die Linien Fig. 43 dienen, die 
den folgenden Gleichungen entsprechen: 

y — sin X , 

y = 1,5 sin 2x, 

y = 2sin(|ar-^;r), 



96 



Drittes Kapitel. 



Die hier besprochenen Kurven werden Sinusoiden oder 
einfache Wellenlinien genannt. Der doppelte Abstand zweier 
aufeinanderfolgender Schnittpunkte der Kurve mit der Absdssen- 
achse, d.h. die Periode der Funktion, heißt die Wellenlänge. 

§ 66. Ist y gleich der Summe zweier goniometrischer 
Funktionen, so braucht man nur auf ein und demselben 
Achsensysteme zuerst die Linie, welche dem ersten Glied ent- 
spricht, und darauf die Linie, die das zweite Glied dar- 
stellt, zu konstruieren und die algebraische Summe der Ordi- 
naten, welche zu ein und derselben Abscisse gehören, zu 
bilden und als neue Ordinate einzuführen, um die Beziehung 
zwischen x und y graphisch darzustellen. 

Ist z. B. 

y = a sin (äx + /?) + ä sin {kx + y) , 

so konstruiert man zuerst die Kurve, welche der Gleichang 

y =^ a sin (Ä.r + /?) , 
und darauf die Linie, welche der Gleichung 

y = b sin (Aar + q) 

entspricht. L^ und L^ mögen diese Kurven sein (Fig. 44). 
Addiert man nun die zu derselben Abscisse gehörenden Ordi- 
naten algebraisch, z.B. AP+ AQ = AR, BS^BT^ Bü 
u. s. w., so ergiebt sich die gesuchte Kurve; dieselbe ist in 
der Figur durch die Linie L^ dargestellt. 




Fig. 44. 



Dasselbe Verfahren läßt sich auch anwenden, wenn y 
gleich der Summe von mehr als zwei goniometrischen Funk- 
tionen ist. 

Aus den Erörterungen des § 46 folgt, daß man durch 
Zusammensetzung von zwei oder mehr Sinusoiden mit gleicher 
Wellenlänge wieder eine ähnliche Sinusoide erhält (vgl. Fig. 44). 



Graphische Darstellung von Funktionen. 



97 



Addiert man die zu einer gemeinschaftlichen Abscisse ge- 
hörenden Ordinaten zweier Sinusoiden, deren Wellenlängen 
ganze Vielfache voneinander sind, so resultiert eine Linie, die 
zwar aus aufeieanderfolgenden kongruenten Teilen besteht, 
aber keine Sinusoide mehr ist (Fig. 45). Dies stimmt mit dem 
in § 46 Angeführten überein, daß man durch Addition von 
goniometrischen Funktionen verwickeitere periodische Funk- 
tionen erhalten kann. 




Fig. 45. 

Auf die übrigen goniometrischen Funktionen, welche wir 

im vorigen Kapitel besprochen haben, brauchen wir nicht näher 

einzugehen. 

Die Funktion 

y = ö e~' * cos [kx + p) 

ist in Fig. 46 dargestellt, die wohl keiner näheren Erläuterung 
bedarf. 




Fig. 46. 

Die durch ümkehrung der besprochenen Funktionen ent- 
stehenden neuen Funktionen werden natürlich durch genau 
dieselben Figuren dargestellt wie die ursprünglichen. Bei- 
spielsweise gilt Fig. 41 nicht nur für die Funktion y = ac?*, 

sondern auch für :c = — / 1 ^- J und Fig. 42 für y = %mx 

und X = arcsiny. 

§ 67. Wir wollen jetzt noch einmal auf die Schnittpunkte 
einer Kurve mit einer geraden Linie zurückkommen und 

LoRKNTZ, DlfferentialrechnuDg. 7 . 



98 Drittes Kapitel. 

speziell die Schnittpunkte derselben mit einer der Koordinaten- 
achsen, z. B. der x-Achse, betrachten. 

Ist die Gleichung der Kurve in der Form 

y-m ' (10) 

gegeben, wo f{x) eine algebraische oder transcendente Funk- 
tion ist, so sind die Abscissen der gesuchten Punkte offenbar 
die Wurzeln der Gleichung 

/'W = 0- Ol) 

Lassen sich diese durch Rechnung bestimmen, so ist damit 
zu gleicher Zeit die geometrische Aufgabe gelöst. Umgekehrt 
läBt sich aber auch eine Gleichung graphisch auflösen. 

Ist dieselbe in der Gestalt (11) gegeben, so kann man 
immer die durch (10) bestimmte Kurve zeichnen und in der 
Zeichnung die Abscissen der Schnittpunkte mit der x-Achse 
messen; dadurch hat man dann die Wurzeln der Gleichung 
gefunden. 

Es ist klar, daß die Kurve, wenn sie in einem ununter- 
brochenen Zuge verläuft, zwischen zwei Punkten P und Q, die 
auf verschiedenen Seiten der x- Achse liegen, diese letztere 
jedenfalls einmal schneiden muß, und daß, wenn sie das mehrere 
Male thut, die Anzahl der Schnittpunkte zwischen P'und Q, 
notwendig ungerade sein wird. Zwischen zwei Punkten P und 
Q, die auf derselben Seite der o:- Achse liegen, giebt es dagegen 
entweder keine oder eine gerade Anzahl von Schnittpunkten. 
Diese Sätze entsprechen den in § 5 angeführten. In diesen letz- 
teren war allerdings nur von ganzen algebraischen Funktionen 
die Rede. Aber auch wenn die linke Seite der Gleichung (U) 
eine Funktion anderer Art ist, darf man behaupten, daß, so- 
bald die den Werten x^ und x^ entsprechenden Funktions- 
werte f[x^ und f[x^ entgegengesetzte Zeichen haben, wenig- 
stens eine Wurzel zwischen Xj und x^ liegen wird. Jedoch 
ist dabei notwendige Voraussetzung, daß die Funktion zwischen 
Xj und Xg sich ganz allmählich ändere. Obgleich z. B. tgJ" 
für x = \n positiv und für a: = ^;r negativ ist, verschwindet 
diese goniometrische Funktion für keinen zwischenliegenden 
Wert. 

Um dies an einem Beispiele zu erläutern, wollen wir die 
transcendente Gleichung 



Graphische Darstellung von Funktionen. 99 

tgar = a', (12) 

oder 

tg x — X =^ 

betrachten. Derselben genügt offenbar der Wert 2: = 0; außer- 
dem hat die Gleichung aber je eine Wurzel im dritten, fünften, 
siebenten positiven Quadranten u. s. w., und ebenso in den. 
entsprechenden negativen Quadranten, um dieses z. B. für den 
dritten positiven Quadranten zu beweisen, bemerken wir, daß 
am Anfange desselben igx den Wert hat, und also igx ^ x 
negativ ist; daß aber beim Durchlaufen des Quadranten tgor 
bis + 00, und x nur bis zu + 1^ ;r steigt, und mithin die Diffe- 
renz schließlich positiv werden muß. 

Mittels Betrachtungen, die wir später kennen lernen werden, 
läßt sich nachweisen, daß die Differenz tg^r — :r, während x 
von ;r bis fn wächst, sich fortwährend in derselben Richtung 
ändert; daraus folgt, daß es nur eine Wurzel in dem be- 
trachteten Intervalle geben kann. 

In dem zweiten, vierten, sechsten positiven oder negativen 
Quadranten können keine Wurzeln liegen; hier haben ja igx 
und X entgegengesetzte Vorzeichen. 

Will man die Wurzeln der Gleichung einer graphischen 
Darstellung entnehmen, so könnte man die Kurve 

y = tg ar — :r 

zeichnen. Einfacher ist es jedoch, die Kurve 

t/ = tgx 
zu benutzen und die Schnittpunkte derselben mit der durch 

y = X 

bestimmten geraden Linie aufzusuchen. 

§ 68. Um eine Funktion graphisch darzustellen, braucht 
man nicht notwendig die algebraische Beziehung zwischen den 
beiden Variablen zu kennen; es genügt, wenn für eine Reihe 
von Werten der unabhängig Variablen die zugehörigen Werte 
der abhängig Veränderlichen bekannt sind. Ein der Physik 
entlehntes Beispiel möge erläutern, wie man in diesem Falle 
zu verfahren hat. Es sei bei verschiedenen Temperaturen be- 
stimmt worden, wie viel Gramm eines Salzes sich in 1 Liter 
Wasser lösen. Man zeichne ein rechtwinkliges Koordinaten- 

7* 






100 



Drittes Kapitel. 



System und wähle eine Linie von bestimmter Länge, die eioe 
Temperaturdifferenz von 1 ^, und eine zweite, welche 1 Gramm 
Salz darstellen soll. Man trage dann weiter auf der Abscissen- 
achse die Temperaturen, auf der Ordinatenachse die Anzahl 
Gramme, die sich in 1 Liter lösen, auf und suche jedesmal 
den durch die zu einander gehörenden Koordinaten bestimmten 
Punkt. Nachdem man auf diese Weise eine Anzahl von 
Punkten erhalten hat, ziehe man durch dieselben eine Linie; 
diese stellt dann das Gesetz der Abhängigkeit der Löslichkeit 
von der Temperatur dar. Für verschiedene Salze sind auf 
diese Weise die in Fig. 47 gezeichneten Linien erhalten worden. 



SD 



HS 



HO 



35- — 



80 



SS 



10 



n 



w -j 











/ 












1 






t\ 












/ 




/ 


/ 


1 








/ja 






y 


' 




n 


' 










/ 




J 


n 










A 


/ 




V 










y 


/ 




^ ^ 


. 


1 






^ 


^ 




^^ 




m/ 






^ 


^ 










^ 






^ 












1 


















K 


1 2 


3 


4( 


9 S( 


? 6i 


> } 


9 S 


f 99 



Fig. 47. 



Man ersieht aus demselben, wie bei II die Löslichkeit eine 
lineare Funktion der Temperatur ist, und wie sie bei III an- 
fangs steigt, um dann zu fallen. Die Löslichkeit des Körpers / 
ist bei niederen Temperaturen geringer als die der Körper // 
und ///, bei höheren Temperaturen jedoch größer u. s. w. 
^uch um die Beziehung zwischen Dampfdruck und Tem- 






I 



Graphische Darstellung von Funktionen. 101 

peratur darzustellen und in zahllosen anderen Fällen wird 
dieses Verfahren angewandt. 

Selbstverständlich ist die Wahl der Einheiten flir die 
Abscisse und Ordinate willkürlich; legt man andere Einheiten 
der Figur zu Grunde, so erleidet dieselbe die in § 64 be- 
sprochene Formänderung.! 

Sobald man für eine genügende Anzahl von Werten der 
unabhängig Variablen die zugehörigen Werte der abhängig Ver- 
änderlichen ermittelt und mit Hilfe derselben die Kurve ge- 
zeichnet hat, kann man natürlich auch ftlr zwischenliegende 
Werte der Abscisse den Wert der Funktion aus der Kurve 
ablesen. Man nennt dies Verfahren die graphische Inter- 
polation. 

Man erreicht durch die graphische Darstellung noch den 
Vorteil, daß man häufig die direkt gemessenen Größen in 
gewissem Grade verbessern kann. Da nämlich allen unseren 
Messungen Fehler anhaften, so besitzt die durch alle, in 
der oben beschriebenen Weise erhaltenen Punkte gezogene 
Linie eine Anzahl Knicke, die im allgemeinen der Wirklich- 
keit nicht entsprechen, sondern nur von Versuchsfehlern her- 
rühren. Zeichnet man nun die Linie derart, daß sie glatt 
und gleichförmig verläuft, und sich dabei möglichst wenig von 
den Punkten entfernt, so eliminiert man wenigstens zum Teil 
die Versuchsfehler, wenn man aus der Kurve die zusammen- 
gehörenden Werte der beiden Variablen abliest. 

§ 69. Anstatt der bisher besprochenen rechtwinkligen 
Koordinaten benutzt man häufig Polarkoordinaten, um die 
Liige eines Punkted festzulegen. Die Lage von P (Fig. 48) 
wird dann bestimmt durch die Länge 
des aus einem festen Punkt ge- 
zogenen Radiusvektors oder Leit- 
strahls OP und die Richtung der 
Linie OP. Die letztere wird durch 
den Winkel & gegeben, den OP mit 




^ Die Ausführung der graphischen Darstellungen wird sehr er- 
leichtert durch die Benutzung des sogenannten Millimeterpapiers, das 
mit kleinen Quadraten von 1 mm Seitenlänge bedruckt ist. Dasselbe ist 
käuflich zu haben. Es läßt sich natürlich auch bei der graphischen 
Auflosung der Gleichungen anwenden. 



r' 



102 Drittes Kapitel. 

einer festliegenden Linie OX bildet. Man nennt 0- die Ano- 
malie, den Pol und OX die polare Achse. 

Mit Hilfe der Formeln des § 50 kann man leicht von recht- 
winkligen zu Polarkoordinaten übergehen. Ist die Gleichung 
einer Kurve in rechtwinkligen Koordinaten gegeben, so braucht 
man nur in dieselbe 

X = r cos d- und y = r sin d- 

zu substituieren, um eine Beziehung zwischen r und ß- zu er- 
halten. Macht man z. B. bei einer Ellipse den Mittelpunkt 
zum Pol und die große Achse zur polaren Achse, dann er- 

giebt sich 

2 /cos^^ sin' ^\ _ ^ 

Die Polargleichung einer krummen Linie läßt sich im 
allgemeinen in die Form 

T^F{ß) (13) 

bringen. Nimmt hierin F[ty) nach einem Zuwachse um 2:^ 
wieder seinen ursprünglichen Wert an, so wird r ebenfalls 
nach einer ganzen Drehung zu seinem ursprünglichen Wert 
zurückkehren. Dies wird stets der Fall sein, wenn eine aus 
gezogene gerade Linie die Kurve nur in einem einzigen 
Punkte schneidet, was beim Kreise, bei der Ellipse u. s. w. 

eintreten kann. Nimmt dagegen r fort- 
während zu oder ab, wenn ß- größer 
wird, so geht die Linie (13) in 
schneckenförmigen Windungen um 
den Pol herum; ^e bildet eine Spi- 
rale. Als Beispiel fuhren wir die 
Archimedische Spirale an (Fig. 49) 

Fig. 49. '' = ¥^ ^ ' 

wo a eine Konstante bedeutet. Für t^ = ist r = 0; für 
-d- = 2;r ist r = a; für i9- = 2-2^ ist r == 2a u. s. w. 

§ 70. In ähnlicher Weise, wie im Vorhergehenden bei 
der ebenen Fläche, läßt sich die Lage eines Punktes auch auf 
jeder krummen Fläche mittels „Koordinaten" bestimmen. Bei 
einer Kugeloberfläche — dies ist der wichtigste Fall — kann 
man folgendermaßen verfahren. 





Graphische Darstellung von Funktionen. 103 

Wir ziehen auf der Kugel (Fig. 50) einen festliegenden größten 
Kreis OAB und senkrecht hierauf einen zweiten größten Kreis, 
der durch den gegebenen Punkt Q geht. Nehmen wir noch 
einen festliegenden Punkt auf dem Kreise OAB a,n, dann be- 
stimmen die Bögen OA und AQ die Lage 
des Punktes Q. Der Bogen OA wird positiv 
nach einer bestimmten Richtung, etwa in 
Richtung OAB, genommen, während AQ 
positiv oder negativ genannt wird, je nach- 
dem Q auf der einen Seite von OAB oder 
auf der anderen liegt. Soll der Punkt alle 
Stellen der Oberfläche betreten, so muß FigTöO. 

OA von bis 2^1, AQ von — ^jt bis + ^n 
gezählt werden. In der Geographie und Astronomie wird dies 
Koordinatensystem vielfach benutzt. 



Aufgaben. 

1. In ein rechtwinkliges Koordinatensystem^ ist ein Dreieck 
so gezeichnet, daß die eine Spitze mit dem Ursprung zu- 
sammenfällt. Die Koordinaten der anderen Eckpunkte sind 
x^y yj und x^, y^. Wie groß ist der Inhalt des Dreiecks? 

2. Die Koordinaten der Eckpunkte eines Dreiecks sind 

Wie groß ist sein Inhalt? 

8. Gegeben sind zwei Punkte i\ und P, mit den Koor- 
dinaten Xj, y^ und Xg, yj. Es sollen die Koordinaten zweier 
Punkte bestimmt werden, von denen der eine auf der Ver- 
bindungslinie i^Pg, der andere auf der Verlängerung liegt und 
deren Abstände yon Pj resp. Pj sich wie m^\m^ verhalten. 

y4. Es soll die Gleichung aufgestellt werden: 

a) von einer geraden Linie, die durch den Ursprung und 
einen Punkt mit den Koordinaten x^, y^ geht; . 

b) von einer geraden Linie, die durch zwei Punkte mit 
den Koordinaten x^, y^ resp. .rg, y^ geht; 



* Auch in den weiteren Aufgaben wende man , wenn das eine Ver- 
einfachung herbeifuhrt, rechtwinklige Koordinaten an. 



104 Drittes Kapitel. 

c) von einer geraden Linie, welche durch einen Punkt 
mit den Koordinaten x^, y^ geht und parallel läuft niit einer 
gegebenen geraden Linie, deren Gleichung Äx + By + (7=0 ist 

>/ 5. Es soll die Gleichung der Geraden aufgestellt werden, 
die von den beiden Achsen die Stücke a und h abschneidet. 

6. Die Gleichungen zweier gerader Linien sind 

y == jox + q und y = "p* X + q , 

Es sollen die Koordinaten ihres Schnittpunktes und der Winkel, 
den sie miteinander bilden, ermittelt werden. 

7. Es soll dieselbe Aufgabe wie in (6) gelöst werden, wenn 
die Gleichungen in der Form 

Ax ■\-By -^C^^ und A' x + jB'y+ C'=:0 

gegeben sind. 

J 8. Gegeben sind eine gerade Linie Z 

Ax + £y + C==0 

und ein Punkt P mit den Koordinaten x^, y^ Es soll er- 
mittelt werden: 

a) die Gleichung der durch P senkrecht zu Z gezogenen 
Linie; 

b) die Koordinaten des Schnittpunktes Q\ 

c) der Abstand PQ. 

9. Wie lautet die Gleichung eines Kreises mit dem Ra- 
dius r, dessen Mittelpunkt die Koordinaten a und b hat? Als 
besondere Fälle sind hier zu behandeln, daß der Kreis durch 
den Ursprung geht, und daß er die beiden Koordinatenachsen 
berührt. 

10. Welchen Bedingungen müssen die Koeffizienten ge- 
nügen, damit die Gleichung 

Ax^ + Bxy + Cy^ + JDx-]- Ey + F=0 

einen Kreis darstellt? 

11. Es soll die Gleichung des geometrischen Ortes aller 
Punkte gesucht werden, für welche die Entfernungen von zwei 
festen Punkten in einem bestimmten Verhältnis zu einander 
stehen. Zu beweisen, daß der geometrische Ort ein Kreis ist. 

12. Eine Ellipse, deren Gleichung 

^-4-^ = 1 
a^ ^ b^ ^' 



Graphische Darstellung von Funktionen. 105 

und eine gerade Linie, deren Gleichung 

ist, sind gegeben. Von den Konstanten a, b^ p und q hängt 
es ab, ob die beiden Linien zwei Punkte, oder einen, oder 
schließlich keinen Punkt gemeinsam haben. Es ist zu unter- 
suchen, wie die Eonstanten beschaffen sein müssen, damit 
diese verschiedenen Fälle eintreten. 

13. Es soll die Gleichung einer Ellipse aufgestellt werden 
in Bezug auf ein Koordinatensystem, das aus den Halbierungs- 
linien der Winkel zwischen der großen und kleinen Achse besteht. 

14. Eine gerade Linie schneidet eine Hyperbel in den 
Punkten Ä und B und ihre Asymptoten in P und Q. Es ist 
zu beweisen, daß AP=£Q ist (man wähle die Asymptoten 
zu Koordinatenachsen, § 62). 

15. Ein Körper wird mit der Geschwindigkeit v in eine 
Kichtung geworfen, die mit dem Horizont den Winkel cc bildet. 
Wählt man als Ursprung der Koordinaten den Punkt, wo 
die Bewegung beginnt, die :r- Achse vertikal nach unten, die 
y-Achse horizontal, dann sind nach t Sekunden die Koordinaten 
des Körpers 

X = jfft^ — V sin a . t, 

1/ = V cosa . t, 

wo ff die Beschleunigung durch die Schwerkraft (eine Kon- 
stante) bedeutet. Es ist die Gleichung fiir die Bahn aufzu- 
stellen und nachzuweisen, daß die letztere eine Parabel ist. 

16. Eine gerade Linie und ein Punkt F außerhalb der- 
selben sind gegeben. Ein zweiter Punkt P soll der Bedingung 
genügen, daß seine Abstände von der Geraden und von F in 
einem gegebenen Verhältnis stehen. Es soll die Gleichung 
des geometrischen Ortes von P abgeleitet und mittels dieser 
Gleichung bewiesen werden, daß der geometrische Ort je nach 
dem Wert des genannten Verhältnisses eine Ellipse, Hyperbel 
oder Parabel ist. 

17. Gegeben sind die Gleidiungen zweier beliebiger Linien 

Xj und Zj 

(p{x,y) = und ip{x,i/)^0. 

Es ist zu beweisen, daß die Linie, deren Gleichung 



106 Drittes Kapitel. 

wo l einen willkürlichen konstanten Faktor bedeutet, durch die 
Schnittpunkte von Z^ und ig, wenn es solche giebt, geht 
Ferner soll bewiesen werden, daß, wenn Z^ und Z^ Kreise 
sind, auch die neue Linie im allgemeinen ein Kreis ist, daB 
aber für einen bestimmten Wert von l die dritte Gleichung 
die Gerade darstellt, welche die Schnittpunkte von Z^ und Z, 
verbindet. 

18. Es ist der Abstand zweier Punkte AJS =^2a gegeben. 
Man sucht den geometrischen Ort eines dritten Punktes P 
von solcher Lage, daß das Produkt aus seinen beiden Ab- 
ständen von Ä und £ gleich ist einer gegebenen Zahl b\ 
(Man lege die x- Achse in ^-B und die y- Achse senkrecht darauf 
durch die Mitte von AB. Man betrachte die drei Hauptfalle, 
wo ^ > a, b = a, b < a ist und zeichne die verschiedenen 
Linien. Dieselben werden Lemniscaten genannt.) 

19. Die Koordinaten eines sich bewegenden Punktes sind 



v = a cos2>Tfy + p], 



wo t die Zeit bedeutet. (Die Bewegung der Projektionen auf 
die Koordinatenachsen ist also eine harmonische; die Schwin- 
gungsdauer der einen ist jedoch nur halb so groß wie die der 
anderen.) Es soll die Gleichung der Bahn aufgestellt und 
dieselbe für einige Werte von p konstruiert werden, (Figuren 
von LissAjOüs. Besondere Fälle p = und p = ^.) 

20. Es sollen in die Gleichung 

y — a %\\ipx^ 

für X eine Reihe von verschiedenen Werten gesetzt und die 
betreflFende Linie konstruiert werden. 

21. Konstruiere die Linie 

y = 2^(^''-f-e-^*) 

(Kettenlinie). 

22. Es soll die Polargleichung der geraden Linie ange- 
stellt werden. (Pol und Achse sind willkürlich zu wählen.) 

23. Es soll die Polargleichung des Kreises aufgestellt 
werden, wenn die Polarachse durch den Mittelpunkt geht. 



Viertes Kapitel. Analytische Geometrie des Raumes. 



107 



24. Es sollen die Polargleichangen der Ellipse, Parabel 
und Hyperbel aufgestellt werden, wenn der eine Brennpunkt 
der Pol und die durch diesen Brennpunkt gehende Symmetrie- 
achse die polare Achse ist. 

25. Konstruiere die hyperbolische Spirale 



a 

»• = ¥ 



und die logarithmische Spirale 



r = a^'^. 



(Man erteile in dem zweiten Falle d- auch negative Werte.) 

26. Gegeben sind die geographischen Längen l^ und l^ 
und die geographischen Breiten b^ und b^ zweier Punkte auf 
der Erdoberfläche. Den zwischen diesen Punkten liegenden 
Bogen des größten Kreises zu berechnen. 



Kapitel IV. 

Analytische Geometrie des Raumes. 

§ 71. Zur Fixierung eines im Eaume befindlichen Punktes 
benutzt man ein den ebenen Parallelkoordinaten (§ 49) analoges 
System räumlicher Parallelkoordinaten. 
' Man denke sich (Fig. 51) drei in 
einem Punkt sich schneidende, zu 
einander senkrechte Linien OX, OY^ 
OZ und durch je zwei derselben ebene 
Flächen, die Koordinatenebenen, 
gelegt« Um die Lage des Punktes P 
zu bestimmen, fälle man auf diese 
drei Ebenen Lote PA, PB und PC. 
Durch deren Länge ist die Lage von 
P YoUkommen fixiert, sobald man 
noch weiß, auf welchen Seiten der Ebenen P liegt. 

Konstruiert man ein rechtwinkliges Parallelepipedon, dessen 




Fig. 51. 



108 Viertes Kapitel. 

Kanten den Koordinatenachsen parallel laufen und dessen 
gegenüberliegende Ecken und P sind, so kann man anstatt 
der Koordinaten von P, PA^ PB und PC, auch die Kanten 
OD^ OE und OF setzen. Man pflegt die Koordinaten durch 
die Buchstaben x^ y und z zu bezeichnen und sie als positiv 
zu betrachten, wenn sie von aus in Richtung OX, OY und 
OZ laufen, als negativ^ wenn ihre Richtung die entgegen- 
gesetzte ist. 

Wie auch die Vorzeichen von ar, y und z sein mögen, 
stets ist der Abstand des Punktes P vom Ursprung des Koor- 
dinatensystems durch die Gleichung 

7-2 = ;c2 + y» + z2 (l) 

gegeben. 

Seien a, ß und / die Winkel, welche OP mit OX, OJ', 
OZ bildet. Offenbar sind diese Winkel nicht unabhängig von- 
einander, denn wenn zwei gegeben sind, sind nur noch zwei 
Richtungen für OP möglich. Da 02), 0^ und Oi^ die Pro- 
jektionen von r auf die Koordinatenachsen sind, so ist 

X = r cos Uy y = T cos /?, z = ;• cos y. (2) 

Diese Gleichungen gelten ganz allgemein, wo auch immer 
P liegen möge, da das Vorzeichen von x, y und z stets mit 
dem von cosa, cos/? und cos/ übereinstimmen muß (vergl. 
§ 25). Substituiert man (2) in (1), so folgt 

cos^a + cos^jff + cos^y = 1 , (3a) 

eine Gleichung, welche den Zusammenhang zwischen den drei 
Winkeln ausdrückt. Wir wollen fortan unter den Richtungs- 
konstanten einer geraden Linie die Kosinusse der Winkel 
verstehen, welche dieselbe mit den Koordinatenachsen bilden. 
Bezeichnen wir die Richtungskonstanten einer geraden Linie 
durch /, m und », so ist also 

P+m^+n^=-\. (3b) 

§ 72. Gegeben seien zwei Punkte Pj und P^ mit den 
Koordinaten Xj, y^, z^ und x^, y^, z^. Wir konstruieren ein 
Parallelepipedon, wie es Fig. 52 zeigt, dessen gegenüberliegende 
Ecken P^ und P^ sind. Die Länge der Kanten desselben sind 

±K-^i)^ ±(y2-yi)» ±(2^2-^i)- 



Analytische Geometrie des Baumes. 



109 



Die Länge des Abstandes P^Pj, die Diagonale in dem 
Parallelepipedon ist bestimmt durch 

r' = (-^2 - ^i)' + (2^2 - yi? + (^2 - ^i)'- (4) 

Ferner sind die Kosinusse der Winkel, welche der von Pj 
nach P3 gezogene Vektor mit den positiven Koordinatenachsen 
bildet, gegeben durch: 

cos a = — — ~ , 
r 

cosß = ^'^^, 

* r 

Xq Xt 

cos y = — — — . 

Offenbar genügen auch hier 
cosa, C08/9 und cosyderGlei- 
chang (3 a), was von vornherein 
zu erwarten war, da man jede 
Linie ohne Veränderung der Rieh- /jT 
tangskonstanten nach dem Koor- 
dinatenanfang verschieben kann. 

§ 73. Man kann in Fig. 52 den Abstand Pj^P^ = r auch 
durch die Abstände OPj=^r^ und OP^=r^ und den Winkel 
P^OP^= & ausdrücken. Es ist nämlich 

,,2 _, ^^2 ^ y.^3 _ 2rj Tj cos & . 

Hieraus folgt 




Fig. 52. 



cos & = 



"2rir, 



Da nun 



so ergiebt sich 



''3^ = ^2^ + ya^ + ^2^ 



2rir8 



n^i 



Nennen wir nun weiter die Winkel, welche OP^ mit den 
positiven Achsen bildet, a^j /9j, y^ und die entsprechenden 
Winkel von OP3 «g, ß^, y^, so ist 



;ifj = Tj cos Cfj , 



x^ = Tg cos «2 > 1/1 = ^1 COS /9j u. s. w. 



110 



Viertes Kapitel. 



Daher 
cos & = cos a^ cos «2 + cos ß^ cos ß^ + cos y'j cos y^ , (5a) 

oder wenn wir die Richtungskonstanten mit /j, iWi, n^, Z^, i»,? «s 
bezeichnen 

cos i9- = /j /j + TWj TWg + Wj Wj . (ob) 

Mittels dieser Formel läßt sich der Winkel zwischen zwei 
Geraden berechnen, wenn deren Neigungen gegen die Koor- 
dinatenachsen gegeben sind. 

Es läßt sich die Beziehting (5 a) auch unmittelbar aus dem 
§ 38 erwähnten Satze ableiten. Man wälile auf der einen 

Geraden OL^ (Fig. 53) einen beliebigen 
Punkt P, dessen Koordinaten OB = j, 
Bä = i/ und äP=^z sind, während die 
Länge von OP r heißt. Die Projek- 
tion des Vektors OP auf OZj ist nun 
einmal 

r cos &j 

aber auch gleich der algebraischen 
Summe der Projektionen von OB, BA 
und AP, Also 

r cos & = X cos «I + y cos ßi + z cos y^ , 

was wieder auf (5 a) zurückführt, weil 

X ^ r cos a^, y = ^ cos ß^, z = r cos y, 
ist. 

Selbstverständlich ist die Gültigkeit der Formel 5 a oder 
5b nicht auf den Fall beschränkt, daß die beiden Linien 
durch den Ursprung gehen, sie können eine beliebige Lage 
haben. 

Stehen sie senkrecht aufeinander, ist also i9- = 90°, so 
hat man die Bedingung 

cos «j cos «3 + cos /?j cos /?2 + COS y^ cos y2=^ 

oder /j /g + m^ m^ + n^n^ = . 

Sind zwei beliebige Vektoren von den Längen r^ und r^, 
und mit den Komponenten x\, y^, z^, x^, y^, z^ gegeben, dann 
besteht immer zwischen dem Winkel, den sie miteinander, und 
den Winkeln, die sie mit den Achsen bilden, die Beziehung (5a). 
Multipliziert man diese mit r^r^, so ergiebt sich 




1 



(6) 



Analytische Geometrie des Raumes. 111 

rj Tj cos & ^ r^r^ (cos a^ cos u^ + cos ß^ cos ß^ + cos y^ cos ^^g); 

da Tj coscZj = ^1? ^2 co8£^2 = x^ u. s. w. ist, so geht die letzte 
Formel über in 

i\r^ cos & = X, :rg + y^y^ + ^1-2. 
Sollen die beiden Vektoren r^ und r^ senkrecht aufeinander 
stehen, so muß sein 

^i^2 + Viy% + -1^2 = ^• 

§ 74. Ist z — f{x,y), also z eine Funktion von zwei un- 
abhängig Variablen, so wird man, um die Beziehung zwischen 
X, y und z durch eine Figur im Baume graphisch darzustellen, 
folgendermaßen vorgehen können. Man setze ftir x und y 
willkürliche Werte und trage dieselben nach einer beliebigen 
Lineareinheit in die ar,y- Ebene (nämlich in die Ebene XOY) 
eines dreiachsigen Koordinatensystems so ein, wie wir es § 51 
ausführlich beschrieben haben. Wir gelangen so zu einem 
Punkt §. Aus der Gleichung z ^f{x^y) berechne man für die 
angenommenen Werte von x und y den Wert von z und trage 
letzteren auf der in Q auf der .r,y- Ebene errichteten Senk- 
rechten, und zwar nach der durch das Vorzeichen von z be- 
stimmten Seite ab. Offenbar genügen die Koordinaten des so 
erhaltenen Punktes P der Gleichung: z = f{x,y). Da man für 
X und y ganz beliebige Werte einsetzen kann, so kann der 
Punkt Q die ganze a:,y-Ebene durchlaufen; jeder Lage von Q 
entsprechen im allgemeinen ein (oder mehr) Punkte P. Es be- 
darf wohl kaum der Erwähnung, daß alle diese so bestimmten 
Punkte auf einer gewissen Oberfläche liegen. Diese Fläche 
ist nun eben die gesuchte graphische Darstellung im Räume, 
und die Gleichung z = f[x,y) wird die Gleichung der Fläche 
genannt. 

Obwohl man sich die Oberfläche meistens sehr gut vor- 
stellen kann, zieht man häufig, auch bei drei veränderlichen 
Größen, eine graphische Darstellung in der Ebene vor, wobei 
man folgendermaßen zu Werke geht. 

Man erteilt der einen unabhängig Variablen, sagen wir a-, 
einen bestimmten konstanten Wert :r^, die Funktion z hängt 
dann nur noch von y ab, eine Abhängigkeit, die durch eine 
krumme Linie in einer Ebene graphisch dargestellt werden 
kann. Hierauf setzt man für x einen anderen Wert x^ und 



112 Viertes Kapitel. 

zeichnet in dasselbe Achsensystem mit denselben Linearein- 
heiten eine zweite krumme Linie, welche für diesen Wert von 
X die Beziehung zwischen y und z darstellt. Selbstverständ- 
lich wird im allgemeinen diese letztere Linie sich von der 
ersteren unterscheiden. Konstruiert man in ähnlicher Weise 
die zu einer Reihe von passend gewählten Werten von x ge- 
hörigen Kurven, so stellt die ganze Figur die Beziehung zwischen 
Xj ij und z dar. Zieht man in der Figur eine Linie senkrecht 
zur y-Achse, dann geben die Schnittpunkte dieser Geraden 
mit den verschiedenen krummen Linien unmittelbar die einem 
und demselben Wert von y und den angenommenen Werten 
von X entsprechenden Werte von z. 

Man kann diese Konstruktionsmethode z. B. anwenden, 
um die Beziehung zwischen Druck, Volumen und Temperatur 
einer Gasmasse darzustellen. Man zeichne zu dem Zweck die 
krummen Linien, welche bei verschiedenen konstanten Tem- 
peraturen den Zusammenhang zwischen Druck und Volumen 
angeben. 

Diese eben beschriebene Konstruktionsmethode kommt auf 
dasselbe heraus, als ob man durch die bei der graphischen 
Darstellung im Baume erhaltene Figur eine Reihe von Durch- 
schnitten legt. Denn die krumme Linie, welche bei einem 
bestimmten Werte von x — x^^ die Beziehung zwischen y und z 
darstellt, ist der Durchschnitt der Oberfläche mit der senk- 
recht zur a:-Achse in der Entfernung x^ vom Ursprünge er- 
richteten ebenen Fläche. 

§ 75. Im Folgenden sollen die Gleichungen einiger der 
einfachsten Flächen besprochen werden. Wir beginnen mit 

der Ebene. 

\ jf Aus dem Koordinatenanfang O 

^ --"^ \ fälle man ein Lot A auf die Ebene U 

\. (Fig. 54). Durch die Länge 3 des- 

"y^ >v selben, verbunden mit den Winkeln 

'\ \v a, ß und /, welche das Lot mit 

/^ ^.. ^ den Koordinatenachsen bildet, ist die 

Lage von U völlig bestimmt. Diese 
Größen müssen daher als Parameter 
in der Gleichung der Ebene vor- 
Fig. 54. kommen. 



Analytische Geometrie des Kauines. TIS 

Sei F{x,y,z) ein beliebiger Punkt in der Ebene. Da 
offenbar die Projektion der gebrochenen Linie CBP auf das 
genannte Lot gleich OÄ sein muß, so ergiebt sich 

X cos a + y cos ß + z cos y = S. (7) 

Die Gleichung einer Ebene ist also vom ersten, Grad, 
umgekehrt läßt sich nachweisen, daß jede lineare Gleichung 

Ax + By + Cz + J) = 0, (8) 

welche Werte die Eonstanten A, B, C und B auch haben 

mögen, eine ebene Fläche darstellt. Um dieses einzusehen, 

bestimme man zunächst eine Richtung so, daß die Kosinusse 

der Winkel a, ß, /, welche sie mit den Koordinatenachsen 

bildet, sich verhalten wie Ä:B:C, daß also die Beziehung 

besteht 

cos cc: cos ß : cosy = Ä:B:C. (9) 

Es ist dies die Richtung der Linie, welche aus nach 
einem Punkte mit den Koordinaten Ä, B und C gezogen 
werden kann, wie eine leichte Überlegung mit Hilfe von Fig. 51 
zeigt. Aus (9) folgt 

cos^a : cos^ßicos^y = Ä^\B^i C^, 
(cos 2« + cos«/9 + cos V) : cos ^a = {Ä^ + B^+C^:A^ 
oder 

cos cc= ^ -, (10) 

da cos^a + cos*/S + cos*;' = 1 ist. In ähnlicher Weise findet 
man 

cos/?==-- -, 

cos y = . 

Dividiert man nun die gegebene Gleichung (8) durch 



yA^+ B^+ C^, so ergiebt sich mit Hilfe von (10) und (11) 

X cos a + y cos ß + z cos y = -^ -,- , (12) 

eine Gleichung, die der Form nach genaa mit (7) überein- 
stimmt. Gleichung (12) oder die identische (8) ist die Glei- 
chung einer ebenen Fläche, die senkrecht zu der durch a^ ß, y 

LOUEMTZ, DifferentUIredmnng. 8 



114 Viertes Kapitel. 

bestimmten Richtung steht. Der Abstand der Ebene vom Ur- 

. . D 
sprang ist — zz^-- . 

§ 76. Wenn die Koordinaten eines Punktes nicht wie 
soeben einer, sondern zwei linearen Gleichungen genügen 
sollen; so muß der Punkt sowohl in der durch die erste, als 
auch in der durch die zweite Gleichung bestimmten Ebene 
liegen. Dem System der beiden Gleichungen entspricht also 
die gerade Linie, in der sich die Ebenen schneiden. Die 
beiden linearen Gleichungen, durch welche in dieser Weise 
eine im Raum gegebene gerade Linie sich darstellen laBt^ 

können noch verschiedene Gestalt haben. 
Man kann z. B. die Gleichungen an- 
wenden, durch welche die Projek- 
h' jf » tionen der Linie auf zwei Koordi- 




\ / ^^ natenebenen bestimmt werden. Die 

\t ofj;;^ Gleichungen der Projektionen ab und 

ah' auf die Ebenen XOZ und YOZ 
(Fig. 55) sind offenbar von der Form 

^ Fig. 55. - = ;^- + ?, (13) 

y=;.'z + y', (14) 

wo -p und /?' die Tangenten der Winkel sind, die ah und a'h' 
mit der z-Achse bilden, und q und q' die Stücke, die ah und 
a'V von der ar-Achse, bez. y-Achse abschneiden. 

Man sieht wohl unmittelbar ein, daß die drei Koordinaten 
JT, y, z eines Punktes von AB selbst den beiden Gleichungen 
(13) und (14) gentigen, und daß jede dieser Gleichungen auch 
als die Gleichung einer Ebene aufgefaßt werden kann. 

Geht man nämlich von einem beliebigen Punkte aus, der 
in der Projektion ah liegt, dessen Koordinaten x und z also 
der Gleichung (13) genügen, so werden auch alle Punkte des in 
diesem Fußpunkte auf XOZ errichteten Lotes die Gleichung 
befriedigen, da alle diese Punkte dasselbe x und dasselbe z 
haben, wie der Fußpunkt. Im Baume entspricht daher der 
Gleichung (13) die Ebene, welche alle jene in den verschie* 
denen Punkten von ab errichteten Lote enthält, d« h. die durch 
ab senkrecht zur Ebene XOZ gelegte Ebene. Ahnliches gilt 
von der zweiten Gleichung. 



AnalytiBche Geometrie des Raumes. 



115 



Sind zwei beliebige Gleichungen 

gegeben y so stellt , wie wir schon wissen, jede derselben eine 
Oberfläche dar;' dem System der beiden Gleichungen ent- 
spricht daher die Schnittlinie dieser Oberflächen, eine Linie, 
die im allgemeinen nicht in einer Ebene liegt und sodann eine 
Kurve doppelter Krümmung genannt wird. 

umgekehrt läßt sich jede beliebig im Baume gegebene 
Kurve durch zwei Gleichungen darstellen. Man kann ja zwei 
unter den unzähligen Oberflächen, welche durch die Linie 
gelegt werden können, auswählen; jeder derselben genügt eine 
Gleichung zwischen den drei Koordinaten. 

§ 77. Bei geeigneter Wahl der Koordinatenachsen läßt 
sich die Gleichung der in der niederen Geometrie behandelten 
gekrümmten Flächen leicht angeben. 

Um z. B. die Gleichung der Oberfläche eines Umdrehungs- 
cylinders zu finden, dessen Achse mit der z-Achse zusammen- 
fallt (Fig. 56), beachte man, daß der Abstand aller Punkte der 
Oberfläche von der z- Achse gleich groß, = a ist. Aus der 
Figur ergiebt sich unmittelbar 

:r«» + y»=a». (15) 



z: 





'-•,^ 

^ 




J^r . 






P 




L 


M) 






AT 



A 




Fig. 56. 



Fig. 57. 



Bei einem ümdrehungskegel (Fig. 57) mit der Spitze in 
und der z-Achse als Drehungsachse ist für jeden Punkt P, 
wenn der halbe Scheitelwinkel tp ist, 



8' 



116 Viertes Kapitel. 

PD=^ ODigq), 

woraus unmittelbar die Gleichung 

x^ + y^=z^ig^(p (16) 

folgt. 

Bei einer Eugel vom Radius a, dessen Mittelpunkt mit 
dem Koordinatenursprung zusammenfällt, ist 

x^+i/^+z^=a^, (17) 

§ 78. Die drei soeben besprochenen Oberflächen sind 
die einfachsten Bepräsentanten gewisser allgemeiner Klassen 
von Flächen, welche wir hier noch kurz besprechen wollen. 

Entsteht eine Fläche dadurch, daß eine gerade Linie sich 
parallel mit sich selbst verschiebt (ohne dabei in einer und 
derselben Ebene zu bleiben), so wird sie cylindrisch ge- 
nannt. Legt man nun die z-Achse der beschreibenden Linie 
parallel, so kann die Gleichung der Oberfläche z nicht ent- 
halten. Denn man bleibt auf der Fläche, wenn man, von 
einem Punkt derselben ausgehend, x und y konstant hält und 
z beliebig ändert. Der Gleichung der Fläche muß dabei fort- 
während Genüge geleistet werden, was nicht möglich wäre, 
wenn dieselbe z enthielte. Die allgemeine Gleichung der 
Cylinderfläche ist also (vergl. Formel 15) 

Man kann diese Beziehung auch als die Gleichung einer 
in der x, y- Ebene gelegenen Linie betrachten. Offenbar ist die 
Linie die Schnittlinie derx,y-Ebene mit dem Cylinder, welche 
Schnittlinie auch häufig Leitlinie genannt vrird. 

Beispielsweise ist 

— 4- ^-1 

^4 t- j, — A 

die Gleichung eines elliptischen Cylinders. 

Eine zweite allgemeine Klasse von Oberflächen ist die 
der Kegelflächen. Eine solche wird beschrieben von einer 
geraden Linie, die bei ihrer Bewegung fortwährend durch einen 
festen Punkt geht, aber wiederum nicht in einer und derselben 
Ebene bleibt. Wir wählen den Punkt zum Anfangspunkt 
der Koordinaten. Gehen wir nun von einem Punkte der Fläche 
aus, so bewegen wir uns offenbar auf der beschreibenden Linie 



Analytische Geometrie des Raumes. 117 

und bleiben also auf der Fläche, wenn wir x, y und z in dem- 
selben Verhältnis größer oder kleiner werden lassen. Wir 
können das auch so ausdrücken: Ob ein Punkt P auf der 
Xegelfläche liegt, das hängt gar nicht von seinem Abstände 
von 0, sondern nur von der Richtung der Linie OP ab. Da 
nun diese Richtung durch die Verhältnisse von x^ y, z bestimmt 
wird, so muß die Gleichung der Oberfläche so geschrieben 

werden können, daß sie nur diese Verhältnisse, z. B. — und ^ , 

enthält. Die allgemeine Formel ist also 



Wi.f) = o. 



Die Gleichung (16) nimmt thatsächlich diese Form an, wenn 
man sie durch z' dividiert 

Ist endlich eine willkürliche Umdrehungsoberfläche, 
deren ümdrehungsachse die z- Achse ist, gegeben, so ist für 

alle Punkte mit gleichem z der Abstand: p = "^x^ + y * von 
der z-Achse gleich groß. Die Gleichung der Umdrehungs- 
oberfläche kann also nur q und z enthalten und ist von der 

Form 

qp(p,z) = 

(vergl. (15), (16) und (17)). 

Betrachtet man die Punkte der Umdrehungsfläche, die in 
einer durch die Achse gehenden Ebene liegen, so kann man z 
und Q als gewöhnliche rechtwinklige Koordinaten in dieser 
£bene ansehen. Obige Gleichung stellt dann den Durchschnitt 
der Umdrehungsoberfläche mit der Ebene, den sogenannten 
Meridiandurchschnitt dar. 

§ 79. In ähnlicher Weise, wie im vorigen Kapitel durch 
eine einfache Formänderung ein Kreis in eine Ellipse überging, 
können auch Figuren im Räume nach einer bestimmten Rich- 
tung auseinandergezogen oder zusammengedrückt werden, so 
daß alle Abmessungen nach dieser Richtung sich in demselben 
Verhältnis verändern, während alle Linien senkrecht hierzu 
unverändert bleiben. Unterwirft man z. B. die Kugelober- 
fläche: ar* + y*+ 2r* = a^ einer derartigen Formänderung in 
Richtung der 2:- Achse, so daß das von der z-Achse abgeschnit- 
tene Stück, welches ursprünglich die Länge a hatte, in c 
(> oder < a) übergeht, dann ergiebt sich die Gleichung für 



118 Viertes Kapitel. 

die neue Oberfläche, wenn man in der Gleichung der Kugel- 
fläche z durch —z ersetzt.^ Die Gleichung ist also: 

Man kann sich diese Oberfläche entstanden denken dordi 
die Umdrehung einer Ellipse mit den halben Achsen a und 
c um die Achse c. Man nennt die Figur daher ein Um- 
drehungsellipsoid. 

Eine neue Oberfläche erhält man, wenn man die be- 
sprochene Operation zum zweiten Mal ausführt, aber jetzt nach 
einer anderen Richtung. Wird nämlich durch Auseinander- 
ziehen oder Zusammendrücken in Richtung der y-Achse das 
auf dieser Achse ursprünglich abgeschnittene Stück a in ^ 
verwandelt, dann stellt die Gleichung 

d^ ^ h'' ^ c' 

die neue Oberfläche dar. Diese führt den Namen dreiachsiges 
Ellipsoid (oder kurzweg Ellipsoid). Sie schneidet von den 
Koordinatenachsen, vom Ursprung ab gerechnet, die Stücke 
a, b und c ab und wird von den Achsenebenen nach Ellipsen 
geschnitten. Man erhält z. B. als Gleichung des Durchschnittes 
mit der ariz-Ebene, indem man r = setzt, 

a« ^ 6> • 

§ 80. Auch in der analytischen Geometrie des Raumes 
lassen sich aus den auf ein bestimmtes Koordinatensystem ge- 
gebenen Koordinaten eines Punktes die Koordinaten in Bezug 
auf ein anderes Achsensystem berechnen. Soll z. B. der An- 
fangspunkt verlegt werden, während die neuen Koordinaten- 
achsen und Ebenen den alten parallel bleiben, so ist, wenn 
.r', y', z' die neuen, ar,y, z die alten Koordinaten eines Punktes P 



^ Sind nämlich x^ y, x die Koordinaten eines Punktes der neuen 
Fläche, so sind die Koordinaten des Punktes, aus dem er entstanden ist: 

a 
Diese Werte müssen also der Gleichung der Kugelfläche genügen. 



Analytische Geometrie des Raumes. 



119 



und a, b, c die Koordinaten des neuen Anfangspunktes 0' in 
Bezug auf die ursprünglichen Achsen bedeuten, 

X =s x' + a. 

Diese Ausdrücke in die gegebene Gleichung einer Fläche, 
oder die Gleichungen einer Linie eingesetzt, geben die Be- 
ziehung zwischen den neuen Koordinaten x\ y\ z\ 

Man kann auch leicht von einem Koordinatensystem zu 
einem anderen mit demselben Anfangspunkt, aber mit anderen 
Achsenrichtungen übergehen. Um diesen Fall allgemein zu 
behandeln, wollen wir annehmen, daß das neue System ein 
schiefwinkliges ist Man kann nämlich (vergl. Fig. 51), auch 
wenn OJf, 01\ OZ schief zu einander stehen, aus P in der 
Richtung der Achsen die Linien PA, PB, PC ziehen, welche 
die Koordinatenebenen in den Punkten Ay B, C schneiden. 
Diese Linien oder auch die Kanten OB, OB, OF des jetzt 
schiefwinkligen Parallelepipeds sind jetzt die Koordinaten des 
Punktes P. 

Seien OX, OY, OZ (Fig. 58) 
die alten rechtwinkligen und 0X\ 
0Y\ OZ' die neuen schiefwinkligen 
Koordinatenachsen. Werden nun 
die neuen Koordinaten x\ y\ z' 
eines Punktes P auf die alte 
Achse OX projiziert, indem man 
jede mit dem Kosinus des Winkels 
multipliziert, den sie mit dieser 
Achse macht, so ist die algebraische 
Summe jener drei Projektionen gleich 
der auf der Achse OX gemessenen alten Koordinate x (vergl. § 38). 

Da ähnliches auch von den Projektionen auf die beiden 
anderen Achsen gilt, so hat man einfach, wenn die in Betracht 
kommenden Winkel durch die leicht verständlichen Zeichen 
{xx) u. s. w. angedeutet werden, 

X ^ x' cos (x'a-) + y' cos (y'ar) + z cos (z'a:) , 
y = ar' COS {x'y) + y' cos (y y) + z' cos [z'y) , 
z = x' cos (z'z) + y' cos (y' £) + z' cos {z' z) . 



r 




X' 



Fig. 58. 



120 Viertes Kapitel. 

Unter den neun Winkeln, welche die neuen Achsen mit 
den alten bilden, sind sechs voneinander unabhängig, da die 
Winkel, welche eine Richtung mit OX, OZ, OZ bildet, der 
Gleichung 3 a (§ 71) G-enüge leisten müssen. Also 

COS*(x'ar) + COS*(ar'.y) + COS*(ar'z) = 1, 
cos*(y'j:) + cos^y'y) + cos%'z) = 1 , 
COS^(z'ar) + cos*{2:'y) + cos*(z'z) = 1. 

Sollen die neuen Achsen wieder senkrecht aufeinander 
stehen, also die Winkel (ar'y'), {x z') und {y'z*) rechte sein, so 
müssen zu den eben aufgestellten Bedingungen noch folgende 
hinzugefügt werden (vergl. Gleichung 6, § 73). 

QO%{xx) cos(y'ar) + cos(ar'y) C08(y'y) + cos(j:'z) cos(y'z) = 0, 
cos {x'x) cos {z'x) + cos [xy) cos [zy) + cos (ar'z) cos (z'z) = 0, 
cos {y'x) cos [z'x] + cos {y'y) cos {zy) + cos (y'z) cos (z'z) = 0. 

Da wir jetzt sechs Bedingungsgleichungen haben, so sind 
von den neun Winkeln nur drei voneinander unabhängig, wovon 
man sich auch leicht durch eine geometrische Betrachtung 
überzeugen kann. 

Man sieht unmittelbar, daß durch die Eoordinatenverwand- 
lung der Grad der Gleichungen nicht geändert wird. Dei 
Grad ist also ein unveränderliches Kennzeichen der Oberfläche, 
und ebenso wie früher die Linien, so können auch die Ober- 
flächen nach ihrem Grad klassifiziert werden. 

Die Oberflächen von §§77 und 79 sind vom zweiten Grad. 
Zu dieser Klasse gehören noch eine Reihe anderer Oberflächen, 
z. B.' die, welche durch Umdrehung einer Parabel oder Hy- 
perbel um eine Symmetrieachse entstehen, ferner die Cylinder- 
flächen, deren Leitlinie eine Kurve vom zweiten Grade ist, und 
ebenso die Kegelöächen, die entstehen, wenn die durch den 
festen Punkt gehende Linie bei ihrer Bewegung längs einer 
gegebenen Linie vom zweiten Grade gleitet. 

Mit dem Grade der Oberflächen hängt die Beschaffenheit 
ihrer ebenen Durchschnitte zusammen. Gesetzt, wir wollen 
den Durchschnitt einer Fläche zweiten Grades mit einer Ebene T 
bestimmen. Wir können dann zunächst das Koordinatensystem 
in der Weise umwandeln, daß V eine der Koordinatenebenen, 
etwa die ary- Ebene wird. Nachher haben wir dann, um die 



Analytische Geometrie des Baumes. 121 

Gleichung des Schnittes zu erhalten, nur z = zu. setzen. Da 
nun bei der Transformation der Grad angeändert geblieben 
ist, so wird die Schnittlinie im allgemeinen eine Kurve vom 
zweiten Grade sein. Beispielsweise wird ein EUipsoid von 
einer Ebene in einer Ellipse geschnitten, und entstehen, wie 
bereits erwähnt wurde, Ellipsen, Hyperbel, Parabel, wenn 
man einen ümdrehungskegel durch Ebenen nach verschiedenen 
Dichtungen schneidet. ^ 

§ 81. Auch durch Polarkoordinaten kann die Lage 
eines Punktes im Räume bestimmt werden, oder, was dasselbe 
ist, es können die rechtwinkligen Koordinaten eines Punktes 
in Polarkoordinaten verwandelt werden. 
Sei P (Fig. 59) der gegebene Punkt 
mit den Koordinaten x, y, z\ sei der 
Radiusvektor OP=^r, der Winkel 
XOP = & und der Winkel, welchen 
die Ebene XOP mit der Ebene XOY 
bildet, q>, so ist 

X =s r C08i9-, 

y = r sini?" cos 9), 

z == r sin i9- sin y) . 

(Man vergleiche [§ 70] die Ortsbestimmung eines Punktes auf 
einer Kugelfläche.) Soll der Punkt P den ganzen unendlichen 
Baum durchlaufen, so muß r von bis 00, i9 von bis n 
und q> von bis 2:;r genommen werden. 

§ 82. Das Grundprinzip der analytischen Geometrie des 
Raumes, die Ortsbestimmung eines Punktes durch seine Koor- 
dinaten, dient nicht allein dazu, um die Beziehung zwischen 
drei Variablen graphisch darzustellen, oder umgekehrt, um die 
Eigenschaften irgend einer Oberfläche durch algebraische Be- 
rechnung zu ermitteln, sondern es findet noch vielfach ander- 
weitig Anwendung; so z. B., wenn die Bewegung eines Punktes 
im Räume beschrieben werden soll, wobei man jede seiner 
Koordinaten als Funktion der Zeit auffassen muß u. s. w. 
Wir werden später einer Reihe von Beispielen aus der Physik 
begegnen, weswegen sie hier übergangen werden können. 




1 



122 Viertes Kapitel. 

Aufgaben. 

1. Der Inhalt einer geschlossenen, in einer ebenen Fläche 
gelegenen Figur ist /. Wird sie auf die Eoordinatenebenen 
XOY^ TOZj ZOX projiziert, so entstehen neue Figuren, deren 
Inhalte I^^y, ly^t, X,« seien. Es ist zu beweisen, daß 

2. Die Koordinaten zweier Punkte Pj und P, sind ^1, y^, 2^ 
und ^a » y« » ^2 • ^^® ^''öß ist der Inhalt des Dreiecks, dessen 
Eckpunkte P^ , P, und der Ursprung des Koordinatensystems 
sind? 

8. Unter dem Schwerpunkte zweier Massenpunkte versteht 
man den auf der Verbindungslinie so gelegenen Punkt, daß 
die Abstände von den beiden Punkten sich umgekehrt wie die 
Massen verhalten. Soll der Schwerpunkt eines Systems von 
Punkten P^, P,, Pg . . , . P^, deren Massen m^, Wj, nij . . . . m^ 
sind, ermittelt werden, dann suche man zuerst den Schwer- 
punkt von Pj und P^; derselbe sei in Q gelegen. Man bringe 
dann weiter in Q die Masse m^ + m^ an und bestimme nach 
obiger Regel den Schwerpunkt von Q und P,; dieser sei in 
R gelegen. In R denke mau sich, analog wie vorher, eine 
Masse m^ + m, + m^ und kombiniere diesen Punkt in der an- 
gegebenen Weise mit P^. So fortfahrend erhält man schließ- 
lich, nachdem man alle Punkte berücksichtigt hat, den ge- 
suchten Schwerpunkt oder Massenmittelpunkt M, Wenn nun 
die Koordinaten der Punkte Pj, P, .... P^ gegeben sind, 

nämlich x^, y^, z^, ^j, y,, ^a • • • •» ^'„j y„» ^„> welches sind 
dann die Koordinaten von M? 

4. Gegeben sind eine ebene Fläche, deren G-leichung 

Ax + By + Cz + D ^0 

sei, und außerhalb derselben ein Punkt P {x^^ y^, z^). Wie 
groß ist der Abstand des Punktes von der Ebene? 

5. Eine ebene Fläche schneidet von den Koordinaten- 
achsen die Stücke a, b und c ab. Wie lautet die Gleichung 
der Ebene? 

6. Eine Ebene, welche durch den Ursprung geht, bildet 
mit den Koordinatenachsen gleiche Winkel. Wie lautet ihre 
Gleichung? 



Analytische Greometrie des Baumes. 128 

7. Es ist die allgemeine Gleichung einer Kugeloberfläche 
aufzustellen, die durch den Eoordinatenursprung geht. 

8. Es soll bewiesen werden, daß bei der § 79 besprochenen 
Formänderung jede ebene Fläche eine ebene Fläche und jede 
gerade Linie eine gerade Linie bleibt. 

9. Die Gleichung einer Oberfläche 

sei gegeben. Wie wird sich die Gleichung ändern, wenn man 
die Figur nach einer Richtung, welche die Winkel a, ß und y 
mit den Achsen bildet, so auseinanderzieht, daß alle Abmes- 
sungen nach dieser Richtung p-msl größer werden und alle 
Abmessungen senkrecht zu dieser Richtung unverändert bleiben? 

10. Es soll bewiesen werden, daß bei einer solchen Aus- 
einanderziehung jede Oberfläche des zweiten Grades in eine 
andere von demselben Grade übergeht. 

11. Wenn ein EUipsoid durch eine Reihe paralleler, ebener 
Flächen geschnitten wird, dann sind alle Durchschnitte ähn- 
liche Ellipsen, deren Mittelpunkte auf einer geraden Linie 
liegen. 

12. Es ist die Gleichung der Oberfläche aufzusuchen, die 
durch Umdrehung einer Parabel um ihre Achse entsteht (Um- 
drehungsparaboloid). 

13. Durch wieviel Punkte ist eine Oberfläche vom zweiten 
Grade bestimmt? 

14. Die Polarkoordinaten zweier Punkte Tj, &j^, (p^ imd 
Tj, i9-„ 9)3 sind gegeben. Wie groß ist ihr Abstand? 

15. Es soll bewiesen werden, daß es bei einem beliebigen 
EUipsoid zwei Richtungen giebt, in denen eine Ebene dasselbe 
so schneidet, daß der Durchschnitt kreisförmig ist. 

16. Eine beliebige gerade Linie, welche die z-Achse 
kreuzt, wird um diese Achse herumgedreht. Es soll die Glei- 
chung der entstehenden Fläche aufgestellt und die Gestalt 
des Meridians ermittelt werden. 



124 Fünftes Kapitel. 

Kapitel V. 

Grundbegriffe der Differentialrechnung. 

§ 83. Wir gehen jetzt über zu einer näheren Betrach- 
tung der Veränderungen, welche eine Funktion durch 
Zu- oder Abnahme der unabhängig Variablen erfahrt. Die 
Untersuchung dieser Veränderungen ist die Aufgabe der Dif- 
ferentialrechnung. Wir beginnen mit einigen Beispielen. 

Um ein vollständiges Bild von der Bewegung eines Punktes 
zu erhalten, müssen wir nicht nur seine Bahn kennen, sondern 
auch die Zeit, in welcher die einzelnen Teile derselben durch- 
laufen werden. 

Am einfachsten liegen die Verhältnisse bei der gleich- 
förmigen Bewegung, bei der in gleichen Zeiten, wie groß 
oder klein dieselben auch gewählt sein mögen, gleiche We^ 
zurückgelegt werden. Den in der Zeiteinheit zurückgelegten 
Weg betrachten wir als das Maß für die G-eschwindigkeit der 
Bewegung; zur Abkürzung nennen wir diesen Weg selbst auch 
die Geschwindigkeit. Ist r ein willkürliches ZeitinteryaU, das 
größer oder kleiner als die Zeiteinheit sein mag, und <r der 
während dieses Zeitintervalles zurückgelegte Weg, so ist also 

die Geschwindigkeit — . 

Auch bei der ungleichförmigen Bewegung reden wir 
von der Geschwindigkeit Nehmen wir an, der Punkt habe in 
dem Intervall r die Strecke a zurückgelegt, so können wir den 

Quotienten — bilden. Dieser ist gleich der Geschwindigkeit 

eines Punktes, der bei einer gleichförmigen Bewegung in der- 
selben Zeit r ebensoweit gekommen sein würde, wie der be- 
trachtete Punkt bei seiner ungleichförmigen Bewegung wirklich 
gekommen ist. Man nennt diese Geschwindigkeit die mittlere 
Geschwindigkeit während der Zeit r. Oesetzt nun, wir 
kennten diese mittlere Geschwindigkeit für Zeitintervalle von 
je einer vollen Sekunde, also auch die jedesmal in einer vollen 
Sekunde zurückgelegten Wege, so könnten wir uns schon ein 
angenähertes Bild von der Bewegung machen. Vollständiger 
wird das Bild sein, wenn wir für jede ^/j^ Sekunde die Ge- 



Grundbegriffe der Differentialrechnung. 125 

schwindigkeit und den in dieser Zeit zurückgelegten Weg 
kennen, noch yoUständiger, wenn wir die mittlere Geschwindig- 
keit für Zeitintervalle von Yioo> */iooo Sekunde u. s, w. angeben 
können. In dieser Weise gelangt man dazu, den Grenzwert 

zu betrachten, dem sich - nähert, wenn r und damit auch 

fT sich der Null nähern. Diesen Grenzwert nennen wir jetzt 
die Geschwindigkeit, d. h. wir definieren letztere bei der un- 
gleichförmigen Bewegung durch die Gleichung 



a 



V = Lim — , fiir Lim r = 0. (1) 

Um die Definition zu yervollständigen, fügen wir noch 
folgendes hinzu: 

Wenn wir die Geschwindigkeit f&r einen bestimmten 
Augenblick ermitteln wollen, betrachten wir ein Zeitintenrall r, 
das in diesem Augenblick beginnt, um den Grenzwert (1) 
zu bestimmen, lassen wir r fortwährend abnehmen, während 
wir den Anfangspunkt dieses Intervalles, d. h. den der Rech- 
nung zu Grunde gelegten Augenblick, unverändert lassen. 

Sobald für jeden Augenblick die Geschwindigkeit und ihre 
Sichtung bekannt sind, kann man die Bewegung des Punktes 
von Augenblick zu Augenblick verfolgen und man besitzt daher 
ein vollständiges Bild seiner Bewegung. • 

§ 84. Für Lim - führt man gewöhnUch ein anderes 

Symbol ein. Gegeben sei wieder die Bahn des sich bewegenden 
Punktes. Wir rechnen die Zeit t von einem festen Augenblick 
an, und bestimmen die Lage des Punktes durch die längs der 
Bahn gemessene Entfernimg s von einem festen Punkte der 
Bahn, welche Entfernung wir in der einen Richtung positiv 
und in der entgegengesetzten Richtung negativ nennen. Es 
ist also s eine Funktion der Zeit t 

Zu einer bestimmten Zeit t möge jene Entfernung den 
Wert s haben, den wir als positiv voraussetzen wollen. Am Ende 
eines auf t folgenden Zeitintervalles wird, falls die Bewegung 
so geschieht, dass s mit der Zeit wächst, diese Entfernung 
etwas größer sein. Das Zeitintervall r können wir nun als 
einen Zuwachs der Zeit t betrachten; wir bezeichnen es des- 
halb durch das Symbol Jt (vergl. § 17). 



126 FOnftes Kapitel. 

Entsprechend sehen wir den zurückgelegten Weg a als 
den Zuwachs der Entfernung s an und bezeichnen denselben 
mit Ai. As ist also die Zunahme der abhängig Variablen, 
wenn die unabhängig Variable um At grösser wird. 

Die mittlere Geschwindigkeit während At ist nach § 83 

dann -^ und die Geschwindigkeit zur Zeit t 

t;=Lim4^ für Limj^ = 0. (2) 

Beispiel: Gegeben sei 

wo a eine konstante Größe ist. 

Wie groß ist der Grenzwert Lim -rr ? 

At 

Geht ^ in t + At über, so nimmt auch s zu, und es ist 

der neue Wert 

a{t+ Aty. 

Subtrahiert man hiervon den alten Wert, so ergiebt sich 

As = a{t+ Aty -^at^ 

==2atAt + aAt^. 
Hieraus ^ folgt 

-i^- = 2at + aAt. 

. At 

Machen wir nun At immer kleiner und kleiner, so nähert 
sich aAt dem Wert 0. 
Folglich ist 

V =Lim--- = 2at. 

At 

§85. Im vorigen Paragraphen wurde die Geschwindigkeit ü zur 
Zeit t als der Grenzwert der mittleren Geschwindigkeit während 
eines unmittelbar auf t folgenden Zeitintervalles angesehen. 
Zu demselben Resultat kommt man, wenn man ein t unmittel- 
bar vorhergehendes ZeitintervaU der Überlegung und Rech- 
nung zu Grunde legt. 

um dieses einzusehen, betrachten wir zwei gleiche Zeit- 
intervalle T, deren eines im Augenblick t endet, während das 



^ In der vorhergehenden Formel ist unter A^ das Quadrat von Jt 
zu verstehen. Den Zuwachs von t* würde man mit J(^ bezeichnen. 



Grundbegriffe der Differentialrechnung. 127 

andere zu dieser Zeit beginnt. Bei der ungleichförmigen Be- 
wegung wird man dann für beide Zeitintervalle verschiedene 

Werte für — erhalten, die sich jedoch einander immer mehr 

nähern werden, je kleiner man r macht; es wird dann näm- 
lich, was in dem einen Intervall geschieht, immer weniger 
verschieden sein, von dem was in dem anderen Intervall vor- 
geht.^ Hieraus folgt, daß Lim— für beide betrachtete Zeit- 
intervalle gleich groß ist. 

Auch wenn wir Lim— für ein dem Zeitpunkte t voran- 
gehendes Zeitintervall berechnen wollen, können wir die Schreib- 
weise (2) anwenden. Es sind jetzt, wenn wir von der Zeiji t 
und dem derselben entsprechenden Wert von « ausgehen, r 
und (T als gleichzeitige Abnahmen von t und s zu betrachten. 
Wir können aber eine Abnahme als eine negative Zunahme 
auffassen und, wie man leicht sieht, gilt dann noch immer die 
Formel (2). Nur sind jetzt ^t und Js negativ, was aber auf 
das Vorzeichen von v keinen Einfluß hat." 

Bewegt sich ein Punkt in der entgegengesetzten Richtung 
zu der Richtung, welche wir als positiv ansehen, so nimmt 
beim Wachsen von t die Entfernung s ab. Wenn Jt positiv 

ist, ist also Js negativ, und umgekehrt. Lim^ stellt uns 

wieder die Grösse der Geschwindigkeit dar, aber ihr negativer Wert 
zeigt uns, daß ihre Richtung der als positiv angenommenen 
entgegengesetzt ist. Die Formel (2) giebt also in allen Fällen 
das Vorzeichen und die Größe von v genau an. 

Man wird sich leicht davon überzeugen können, daß dieses 
auch noch gilt, wenn s selbst zu der betrachteten Zeit einen 
negativen. Wert hat. 

§ 86. Der analytischen Geometrie entnehmen wir ein 
weiteres Beispiel. Gegeben sei auf einer Kurve (Fig. 60) der 
Punkt P. Wir wählen einen zweiten Punkt Q und verbinden 
P mit Q. Lassen wir ^ in Q' übergehen, so ändert sich die 
Richtung der Sekante; sie geht aus PQ in PQ' über. Je mehr 



^ Hierbei ist angenommen, wie es in der Folge stets sein soll, daß 
sich die Bewegung nicht sprungweise ändert. 



128 



Fünftes Kapitel. 




wir Q dem Punkt P nähern, desto näher rückt die Verbindungs- 
linie an eine bestimmte Linie BRf heran, welche wir die Be- 
rührungslinie oder die Tangente 
an die gegebene Karve in 
Punkt P nennen. Es sei die 
Gleichung der Kurve bekannt, 
also die Ordinate y als Funk- 
tion von z gegeben. Wir können 
uns vorstellen, daß wir die Koor- 
dinaten von Q dadurch erhalten 
haben, daß die Koordinaten Ton 
Pig eo^ P(xundy) größer geworden sind; 

die dabei stattfindenden Zu- 
nahmen nennen wir Jx und Jy. Sei PX' parallel mit OX 
gezogen, dann ist PJB = Jx, BQ = Ay und 

tgepz' = 4f-. 

Nähert sich Q dem Punkt P, dann nehmen Ax und Ay 
ab; sie sind z. B., wenn Q in Q' übergegangen ist, gleich 

PB' und jB'ö'. Das Verhältnis -—- ist aber auch hier eben- 

^ Ax 

SO wie vorher gleich der trigonometrischen Tangente des 
Winkels zwischen der Verbindungslinie und OX, Der Grenz- 
wert dieses Winkels ist offenbar der Winkel RPX', welchen 
die Tangente mit OX bildet. Nennen wir denselben i9-, dann 
ist also 

tgiJ-^Lim^, für Lim Ja: =0. (3) 

Anstatt P mit Q zu verbinden, können wir P ebensogut 
mit einem Punkt Q" verbinden, dessen Abscisse kleiner ist, 
als die von P. Rückt nun Q" immer näher an P heran, so 
geht die Verbindungslinie auch hier in die Tangente ÜB' 
über. Die Formel (3) gilt auch jetzt noch, nur ist Ax= — ß" P^ 
Ay= - q"B\ Mithin ist 



tg(2"P5"=--5;?- 



also wieder 



-PB 



Ax 



tgi9' = Lim — - , für Lim Jx = . 
° Ax^ 



Grundbegriffe der Differentialrechnung. 



129 



Man beachte noch, daß man in der Formel (3) unter & 
nach Belieben den Winkel X'PS oder den Winkel J'PÄ' 
verstehen kann. Diese Winkel unterscheiden sich um n von- 
einander, haben also die gleiche trigonometrische Tangente. 

In Fig. 60 nahm y beim Zunehmen von x zu. In Fig. 61 
ist das Entgegengesetzte der Fall, es erhalten daher Jx und 
/ly entgegengesetzte Vorzeichen. Seien die Koordinaten von 
P (Fig. 61) X und y, so sind die Koordinaten von Q x + Jx 
und y + Jy, wobei Jx == + PJB und jdy = — QB. Für den 

Punkt Q' ist Ja: = - 5'P, Jy ^ + B'Q\ Lim 4^ ist also 

Jx 

negativ. Die Formel (3) bleibt gültig, nur ist in diesem Fall 
tg & negativ und, in der That liegt ja der Winkel &, welchen 
die Tangente mit der positiven Richtung der Äbscisse bildet, 
WTT im zweiten Quadranten; die trigonometrische Tangente 
desselben ist also negativ. 




C A V 

Fig. 61. 



"T 




Fig. 62. 



Das positive oder negative Vorzeichen von Lim -p- giebt 

uns Auskunft, ob eine Kurve steigt oder fällt. Wir sagen, 
daß eine Kurve steigt, wenn man auf ihr, in Richtung der 
positiven or-Achse gehend, sich zugleich in Richtung der posi- 
tiven y- Achse fortbewegt; sie sinkt, wenn das Gegenteil der 
Fall ist.^ Im ersten Fall, z. B. in den Punkten R und 5 
(Fig. 62), entspricht einer positiven Zunahme von x eine posi- 



* Man verwechsele das Steigen oder Fallen einer Knrve nicht 
mit dem Entfernen von der x- Achse oder dem Annähern an dieselbe. 
Eine Kurve kann beim Steigen sich der x-Achse nähern oder sich von 
ihr entfernen, es hängt dies nur davon ab, auf welcher Seite der Achse 
die Kurve liegt. 

LosENTZ, Differentialrechnung. 9 



130 



Fanftes Kapitel. 



tive Zunahme von y. Lim-r^ ist daher positiv. Im zweiten 

Fall, z. B. in den Punkten P, Q und T, sind die VorzeichcL 

von Jy und Jx entgegengesetzt und Lim-^ ist daher nega- 

tiv. Übrigens ist auch dann noch die Richtung der Tangente 
durch (3) bestimmt, wenn in dem betrachteten Punkte die 
Koordinaten beide, oder eine von beiden negativ sind. 

§ 87. Gegeben sei die Gleichung einer Parabel: y = ax*. 
Es soll die Lage der Tangente in verschiedenen Punkten be- 
stimmt werden. Eine mit dem Beispiele § 84 (S. 126) über- 
einstimmende Rechnung lehrt, daß 

tgtS- = Lim - - = 2 aar . 

Für X = ist tgt?", also auch tJ- = 0, die Tangente Mt 
in diesem Punkt mit der Abscissenachse zusammen. Werden 
in Pj, Pg, Pj, (Fig. 63), deren Abscissen im Verhältnis von 

1:2:3 stehen, Tangenten P^S^i 
P^B^, P^P^ gezogen, so müssen 
die trigonometrischen Tangenten 
der Winkel, welche diese Linien 
mit der 2r -Achse bilden, nach 
der eben entwickelten Formel sich 
ebenfalls wie 1:2:3 verhalten. In 
^-...L zwei Punkten, P^ und P^, deren 
Abscissen gleich sind, aber ent- 
gegengesetzte Vorzeichen haben 
(die Ordinaten sind nach der 
Gleichung der Parabel dann eben- 
falls gleich groß und besitzen 
dasselbe Vorzeichen), werden die Tangenten der Winkel, welche 
die Berührungslinien Pg B^ und P^ B^ mit der positiven Rich- 
tung der X-Achse bilden, gleich groß sein, doch ist ihr Vor- 
zeichen entgegengesetzt. Der eine Winkel ist spitz, der aodere 
stumpf. 

Die Gleichung der Kurve (Fig. 64) ist: 

y SS ax^. 

Geht ar in a: -f Ax über, darin wird die Ordinate 

a(x + Axf . 




Grundbegriffe der Differentialrechnung. 



131 



Also: 



J?/ = a(x + Axf — ax^ 

= 3ax* Ax + %ax Ax^ + aAx^, 



Ax 



= 3ax^ + Sax Ax + aAx^, 



Beim Übergang zur Grenze ver- 
schwinden die beiden letzten G-lieder, 
also wird 

ißd-zss Lim-T^ = 3aar*. 
° Jx 

Verhalten sich die Abscissen der Punkte 
Pj, P,, Pj u. 8. w. wie 1 : 2 : 3 u. 8. w., dann 
verhalten sich die trigonometrischen Tan- 
genten der Winkel, welche die Berührungs- 
linien in diesen Punkten mit OX bUden, 
wie die zweiten Potenzen dieser Zahlen. 
Der Wert von 6- bleibt unverändert, d. h. 
die Tangenten behalten ihre Richtung, 
wenn bei konstanter Größe das Vorzeichen 
von X geändert wird, wovon man sich 
leicht überzeugen kann, wenn man z. B. 
in P^ und P^ die Tangenten an die Kurve 
zieht. 

§ 88. Auch in vielen anderen Fällen wird man auf den 
Grenzwert des Verhältnisses zwischen den gleichzeitigen Ände- 
rungen einer unabhängig und einer abhängig Variablen geführt. 
Man hat daher für diesen Grenzwert eine einfachere Bezeichnungs- 
weise eingeführt. Man ersetzt nämlich das Symbol „A^* durch 
^yd^^j und da dies ausschließlich geschieht, wenn die Zunahmen 
sich der Null nähern und wenn von dem Grenzwert des Ver- 
hältnisses die Rede ist, so braucht man das letztere nicht 
besonders hervorzuheben. Anstatt des weitschweiiSgen Aus- 
druckes 




Fig. 64. 



Lim 



Jy 



Ax 



tritt der einfache: 



dx 



für Lim Ax =^ 



Die Formeln (2) und (3) können jetzt 



in der Form geschrieben werden: 



ds 1 
t? = -r: und 
dt 



tg* = 



dy 
dx 



9 



132 Fünftes Kapitel. 

Größen, die sich der Null nähern, nennt man unendlich 
klein; demgemäß heißen dx und dy die unendlich kleinen 
Zunahmen von x und y. Diese Zuwächse werden auch Dif- 
ferentiale genannt und dementsprechend ~- Differential- 
quotient, im Gegensatz zu dem Differenzquotienten -^• 

§ 89. Ist y = F{x\ so ist nach der gegebenen Definition 
der Differentialquotient: 

jy =Lim ^(^+^;)-P'(^) , flir LimJ;r = 0. (4) 

dx Jx ^ * 

Unter x ist hier der bestimmte Wert zu verstehen , fftr 
den man -^ berechnen will; von diesem Wert ist der Dif- 

dx 

ferentialquotient im allgemeinen abhängig; so ist in § 84 
-^ oder die Gesehwindigkeit v abhängig von der Zeit; in § 87 

ist ;t^ oder tg & eine Funktion von x. In der That lehrt ja 

€tX 

ein Blick auf die Figg. 60 bis 64, daß die Richtung der Tangenten 
je nach dem Wert, welchen man x erteilt, ganz verschieden ist. 

Es ist also ^ wieder eine Funktion von x. Im Gegensatz 

zu der ursprünglichen Funktion (y = F{x)j y = y(a:)u. s. w.) 

nennt man —- auch die abgeleitete oder derivierte Funk- 

ax 

tion und schreibt sie häufig: F'{x), (p' {x) u. s. w. 
Für (4) kann man also auch schreiben: 

i^'(x) = Lim ^^^+^;>-^^'^^ fttr LimJx = 0. 

^ ^ Jx 

§ 90. Wie aus den Entwickelungen der §§ 85 und 86 hervor- 
geht, kann der Differentialquotient sowohl positiv als auch nega- 
tiv sein. Das positive resp. negative Vorzeichen von -~ zeigt an, 

dx 

daß y bei der Zunahme von x größer resp. kleiner wird. Die ; 

Größe des Differentialquotienten ist die Änderung der Funktion 
pro Einheit der Änderung der unabhängig Variabein, wie sich 
diese Änderung aus der Betrachtung unendlich kleiner Zu- 
wächse ergiebt. Die Größe des Differentialquotienten ist also 
ein Maß für die Anderungsgeschwindigkeit der Funktion. 



Grundbegriffe der Differentialrechnung. 133 

Ein paar Beispiele sollen noch den Nutzen des Differen- 
tialqaotienten erläutern. Die Geschwindigkeit eines sich be- 
wegenden Punktes ist im allgemeinen eine Funktion der Zeit t 
Nimmt die erstere in willkürlich gewählten gleichen Zeitteilen 
(Stunden, Minuten, Sekunden u. s. w.) um gleich viel zu, so 
ist die Bewegung eine gleichförmig beschleunigte; die Zunahme 
der Geschwindigkeit v in der Zeiteinheit nennt man Beschleu- 
nigung. Ist die Bewegung eine beliebige, so verstehen wir 

unter der Beschleunigung den Differentialquotienten -^ y oder, 

wie man sagt, den Differentialquotienten der Geschwin- 
digkeit nach der Zeit. (Man denke hierbei an eine gerad- 
linige Bewegung.) 

Ist ein Körper wärmer als seine Umgebung, so wird er 
Wärme abgeben, wodurch seine Temperatur S- mit der Zeit t 
sinkt Die Abkühlung kann schneller oder langsamer vor sich 
gehen. Sinkt die Temperatur in gleichen Zeiten um gleich 
viel, dann ist die Abkühlungsgeschwindigkeit gleich der 
in der Zeiteinheit stattgefundenen Temperaturabnahme. Besteht 
das ebenerwähnte Verhältnis zwischen Abkühlung und Z^ nicht, 

dann ist — ^ ein Maß für die Abkühlungsgeschwindigkeit. 

(Das negative Vorzeichen ist hier angewandt, weil -jr- «inen 

negativen Wert hat, da die Temperatur mit der Zeit ja ab- 
nimmt; die Geschwindigkeit der „Abkühlung^' muß dagegen 
positiv sein.) 

Fließt eine Flüssigkeit in einer Bohre, dann ändert sich 
der Druck p längs der Röhre von Punkt zu Punkt. Er ist 
eine Funktion des Abstandes x des betrachteten Punktes von 
einem festen Punkte, etwa der Einströmungsöffnung der Bohre. 

Der Differentialquotient ^ giebt uns die Änderung des Druckes 

ftLr die Längeneinheit der Bohre; er ist mit umgekehrtem 
Vorzeichen das Druckgefälle längs der Bohre. 

§ 91. In Fig. 65 sei J der Inhalt der Fläche A^P^AP, 
also der Fläche, welche von der Kurve P^P, der Abscissen- 
achse OJ, der festen Ordinate AqPq und einer zweiten Or- 
dinate AP begrenzt wird. Sind die Gleichung der Kurve 
und AqPq gegeben, dann ist der Inhalt der Fläche nur noch 



134 Fanftes Kapitel. 

von der zur Endordinate AT gehörenden Abscisse 0-4 = x ab- 
hängig, ist also eine Funktion yon x. Es soll der Differential- 

quotient -^ gesucht werden. 

Läßt man x um Ax =^ AB zuneh- 
y men, dann wandert die Endordinate 

^ von AP nach J?Q, und J nimmt um 

' den Inhalt der Fläche APQB zu. Da 

die Endordinate jetzt größer ist, als 
vorher, so ist offenbar AJ größer als 
das aus AB als OrundUnie und Ät 

-^0 ^aUb X als Höhe gebildete Rechteck, dagegen 

Fig. 65. kleiner als das aus AB und ^Q ge- 

bildete Rechteck. Es muß also irgend- 
wo zwischen AP und BQ eine Ordinate CR liegen, so daß 
ein Rechteck, welches auf der Grundlinie AB mit dieser 
Höhe CR beschrieben wird, gerade gleich AJ ist, d. h. 

^^CR. 
Ax 

Lrot man jetzt Ax sich nähern, also ^Q an ^P heran- 
rücken, dann muß CR^ das ja stets zwischen AP und BQ, 
liegt, ebenfalls AP als Grenzwert haben. Ist y die der Ab- 
scisse X entsprechende Ordinate, dann ist also 

dJ 

di^y- 

Der Differentialquotient der betrachteten ebenen Flache 
ist also gleich der letzten Ordinate. 

§ 92. Die bis jetzt vorkommenden Gleichungen enthielten 

nur das Verhältnis zweier unendlich kleiner Größen. Indessen 

wendet man auch Formeln an, in denen dieses Verhältnis nicht 

direkt auftritt. 

Statt der Gleichung 

d 

in der S und 6 unendlich kleine Größen sind, und p ei^® 
endliche^ Größe bedeutet, schreibt man auch 

3 = pB, 

* So nennt man jede nicht unendlich kleine oder unendlich groBe' 
Größe. 



Grundbegriffe der DifferentialrechnuDg. 135 

Die Bedeutung einer solchen Gleichung mit unendlich 
kleinen Größen ist nun aber nicht, daß die Gleichheit Dir 
irgend welche bestimmte Werte jener Größen wirklich besteht, 
sondern daß, nachdem man durch eine der unendlich kleinen 
Größen dividiert hat, die beiden Seiten der Gleichung denselben 
Grenzwert haben, oder auch, was auf dasselbe hinauskommt, 
daß das Verhältnis der beiden Seiten sich dem Grenzwerte 1 
nähert. In diesem Sinne darf man, wenn y = F{^ ist, 
schreiben 

dy^F\x)dx. 

§ 93. Die in den §§ 83 und 86 behandelten Probleme sind 
nicht die ersten, bei denen wir unendlich kleine Größen an- 
getroffen haben. Die Zeiten, nach deren Verlauf in § 11 die 
Zinsen dem Kapital zugeschlagen werden mußten, die Dicke 
der Schichten, in welche wir § 13 den absorbierenden Körper 
zerlegten, waren unendlich klein. Dasselbe gilt Ton den 
Seiten des regelmäßigen Vielecks (Polygons), das man in der 
niederen Geometrie zur Berechnung des Kreisumfanges benutzt. 
Auch in vielen anderen Aufgaben leistet die Zerlegung in un- 
endlich kleine Größen oder „Elemente^' gute Dienste. 

Man unterscheidet unendlich kleine Größen verschie- 
dener Ordnung. Wenn die Größe 8 sich dem Werte 
nähert, so nimmt auch S^ fortwährend ab, aber rascher als d, 
so daß bald S^ viel kleiner ist als 8 selbst, und das Verhältnis 

-T- den Grenzwert hat. Noch rascher als 8^ nimmt 8^ ab 



u. s. w. Man drückt diesen unterschied dadurch aus, daß man 
8 eine unendlich kleine Größe erster Ordnung, 8'^ eine Größe 
zweiter Ordnung nennt u. s. w. Jede Größe 6, deren Verhältnis 
zu 8 einen endlichen Grenzwert hat, wird dann ebenfalls un- 
endlich klein erster Ordnung genannt; hat dagegen -^ einen 

endlichen Grenzwert, so ist 6 von der zweiten Ordnung, und 
im allgemeinen wird c eine Größe n^ Ordnung genannt (n ist 

eine ganze positive Zahl), wenn — endlich bleibt. 

Man wird leicht einsehen, daß die Division einer unend- 
lich kleinen Größe durch eine andere niederer Ordnung einen 
Quotienten ergiebt, dessen Grenzwert ist, und daß das Pro- 



136 Fünftes Kapitel. 

dukt zweier unendlich kleiner Größen von den Ordnungen m 
und n, von der Ordnung m + n ist. 

Ein paar Beispiele mögen dies noch erläutern. Seien die 
Höhe, Länge und Tiefe eines Körpers unendlich klein von der 
ersten Ordnung, dann ist die Oberfläche von der zweiten, der 
Inhalt von der dritten Ordnung. 

Es sei X ein unendlich kleiner Bogen von der ersten 
Ordnung, dann sind sin^r und tg;r ebenfalls von der ersten 

Ordnung, denn die Grenzwerte von ^^^ und -^ sind gleich 1 

(§ 43). 1 — cos^ ist dagegen von der zweiten Ordnung, da 

2 sm' — 

5 — endlich ist. 

Aus dieser letzteren Bemerkung geht hervor, daß die Pro- 
jektion einer Strecke a auf eine Linie, die mit a einen unend- 
lichen kleinen Winkel z erster Ordnung bildet, nur um eine 
Größe zweiter Ordnung von a selbst verschieden ist. Die 
Differenz ist ja a — a cosar = a(l — . cosar). 

Ln allgemeinen wird man bei einem Problem, in dem 
mehrere unendlich kleine Größen in Betracht kommen, eine 
derselben als von der ersten Ordnung annehmen; die succes- 
siven Potenzen derselben bilden dann gewissermaßen eine 
Größenskala, mit der alle anderen Größen verglichen werden 
können. Freilich wird man die Wahl der Größe erster Ord- 
nung in der Weise treflfen müssen, daß alle Größen in die 
Skala passen. 

§ 94, Sei d eine unendlich kleine Größe der ersten Ord- 
nung, 8 der zweiten, tj der dritten u. s. w., dann ist das Ver- 
hältnis von S + 6 + 7] + , , .'. zu einer anderen unendlich kleinen 
Größe SqI 

d + e + T/ , , . . 



•5. 



= l;(i + f + i + --)- (^) 

Unter dem Verhältnisse zweier unendlich kleiner Größen 
ist immer der Grenzwert des Verhältnisses zu verstehen. Da 

nun -T- , y u. s. w. sämtlich den Grenzwert haben, so können 

wir schreiben: 



5 + Ä + I7 + .... d i 



9o 



I 



Grundbegriffe der DifferentialrechnuDg. 137 

« 

Wenn in ^'+ «'+ i?'+ . . . . die einzelnen aufeinander 
folgenden Glieder stets unendlich kleine Größen von höherer 
Ordnung sind, dann ist: 

^ + « + »7 + .... ö ö d 

Der letzte Faktor nähert sich dem Werte 1; wir können 
also ftLr den gegebenen Bruch setzen 

ö 
Ebenso folgt aus der Gleichung: 

da ja die Bedeutung der Gleichung eben diese ist, daß das 
Verhältnis der Ausdrücke rechts und links den Grenzwert 1 
hat. In allen diesen Fällen konnten unendlich kleine Größen 
höherer Ordnung neben denen niederer Ordnung weggelassen 
werden. 

Daß man dabei auch nicht den geringsten Fehler begeht, 
rührt daher, daß man dem Verhältnis unendlich kleiner Größen, 
und einer Gleichung zwischen solchen Größen die oben ange- 
gebene eigentümliche Bedeutung beilegt. 

Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß jede unend- 
lich kleine Größe neben einer endlichen Größe weggelassen 
werden darf. 

§ 95. In einigen Fällen muß man jedoch vorsichtig sein. 
Ist z. B. z unendlich klein und kommt nur das Verhältnis von 
1 + sinx zu anderen Größen in Betracht, dann kann sinx 
weggelassen werden. Dies darf aber nicht mehr geschehen, 
wenn cos x von 1 + sin x abgezogen werden soll, denn in 

1 — cos a: + sin o: (6) 

ist l — cos a: = 2 sin* — , 

also eine unendlich kleine Größe zweiter Ordnung; in (6) muß 
also gerade sinz stehen bleiben. 



138 



FünfteB Kapitel. 



§ 96. Ein Beispiel möge noch zur Erläuterong des in 
den vorigen Paragraphen besprochenen dienen. Sei r = F{&) 
die Polargleichung der Kurve (Fig. 66). Es soll die Richtung 

der Tangente PT im Punkte P, dessen 
Koordinaten x^ und r sind, bestimmt 
werden. Seien die Koordinaten eines 
zweiten Punktes Q & + J& und r + Jr, 
dann ist, wenn PB ±0Q gezogen ist 

OÄ = r cos Jd, 
also QU = r(l — cos Ji?*) + Jr, 
Pi? = r sin Ji?-, 




Pig. 66. 



tgO(2P = ^^ = 



RQ r(l - cosJ^) + Jr 

Läßt man jetzt /i& und damit Jr abnehmen, dann nähert 
sich Q dem Punkte P, PQ der Tangente und z_ OQP dem 
Z. OPy. Da 1 — cos jd& = 2 sin^^Ji?-, also unendlich klein 

von der zweiten Ordnung und Lim ^'° = 1 ist, so er- 

giebt sich: 



^ dr F\ä) 



(7) 



Man kann den Beweis kürzer fassen, wenn man von vorn- 
herein von unendlich kleinen Größen ausgeht und die unendlich 
kleinen Größen der 2^^ Ordnung wegläßt, weil es sich um das 
Verhältnis zweier Größen 1*«' Ordnung handelt. Sei QOP^d&, 
die unendlich kleine Zunahme von &. Zieht man PJR J. OQ, 
dann ist (§ 93) OR^OP^ r, QR = dr, PR = rd&. Da 
ZL OPT^ Lim 1^0 QP, so erhält man unmittelbar Gleichung (7). 

§ 97. Ähnlich ist das folgende Beispiel. Um im Punkt P 
einer Ellipse mit den Brennpunkten F und (Fig. 67) die 
Lage der Tangente RR' zu bestimmen, wählen wir einen 
zweiten Punkt Q, unendlich nahe an P. Wir ziehen PF, PG, 
QF, QG und PC±FQj QD±GP. Beim Übergang von P 



* Da r = F(&)y so ist 
m r- — erhält man 



dr 
1^ 



F'(&). Durch Einsetzen dieser Werte 



dr 



F'{&) 



Grundbegriffe der Differentialrecbnaug. 



139 



nach Q nimmt der eine Leitstrahl um QC zu, der andere um 
PD ab. Es ist aber die Summe der Leitstrahlen kon- 
stant, folglich QC =: PD. Da 
^PCQ=^PDQ, so ist 

APQC^AQPDy 
daher M 

/_PQC=^^QPI>. 





Fig. 67. 



Beim Übergang zur Grenze 
wird /_PQC= /lPPF und 
Z. QPD = jL R'PG. Die Tan- 
gente bildet also mit den Leitstrahlen gleiche Winkel, RPF 
=^P'PG. 

§ 98. Das Verhältnis eines Bogens einer Kurve zu der 
zugehörigen Sehne wird sich der Einheit um so mehr nähern, 
je kleiner beide sind. Sind beide unendlich klein, so begeht 
man keinen Fehler, wenn man sie vertauscht, also den unend- 
lich kleinen Bogen als eine Gerade betrachtet. 

Es sei eine Kurve im Raum gegeben. Die Lage eines 
Punktes P auf derselben bestimmen wir durch die längs der 
Kurve gemessene Entfernung s von einem festen Punkte A, 
Es sind dann die rechtwinkligen Koordinaten x, y, z von 
P als Funktionen von s zu betrachten; diese Größen werden 
sich um dx, di/, dz ändern, wenn s um ds zunimmt, d. h. 
wenn wir von P zu einem unendlich nahe gelegenen Punkte 
P' fortschreiten. Das Mement PP' hat die Richtung der 
Berührungslinie in P; es möge mit den positiven Achsen- 
richtungen die Winkel a, ß, y bilden, und zwar beziehen sich, 
wenn wir ds positiv wählen, diese Winkel auf die Richtung, 
in der s zunimmt. Die Größen dx, dy, dz können nach Um- 
ständen positiv oder negativ sein. In jedem Falle sind die- 
selben aber die algebraischen Größen (§ 25) der Projektionen des 
Vektors PP' auf Ol, OY, OZ. Es ist also 



und 



dx = ds cos cc, dy = ds cos ß, dz = ds cos y, 
ds = ^dx'^+dy^ ^dz^. 



Bewegt sich der Punkt P längs der Kurve, dann sind 
sowohl s als auch x, y, z Funktionen von t und man hat: 



140 Fünftes Kapitel 

dx ds dy da n dx ds 



dx\* 



f. = !/(§)■+ (-!)■+ (a-:) 



Offenbar sind ^» ^ » jt ^^ Geschwindigkeiten, mit 

denen sich die Prqjectionen längs den Koordinatenachsen be^ 

wegen; -— - ist die Geschwindigkeit des Punktes selbst. Wird 

dieselbe als ein Vektor in Richtung der Tangente aufgefaßt, 

dann sind ihre Komponenten -^ cos a u. s. w. Dieselben 

sind also nach obigen Formeln gleich den Geschwindigkeiten 
der Projektionen. 

Liegt die Kurve in einer Ebene, so sind die Gleichungen 
einfacher; dann ist z. B., wenn die Tangente einen Winkel i^ 
mit der :r- Achse bildet: 

dx = ds cos i9* , rfy = rf« sin !?• , 



§ 99. Das Verhältnis zwischen den gleichzeitigen Zuwächsen 
zweier veränderlicher Größen hat, wie wir sahen, den Differen- 
tialquotient zum Grenzwert; wenn also die Zuwächse sehr klein 
sind, wird das Verhältnis nur wenig von dem Differential- 
quotienten abweichen und ohne großen Fehler diesem Quotienten 
gleich gesetzt werden dürfen. So gilt, was völlig richtig ist 
für unendlich kleine Größen, annäherungsweise fiir 
sehr kleine Größen. Einen kleinen Bogen einer Kurve 
wird man z. B. als gerade betrachten dürfen. 

Die successiven Potenzen irgend einer sehr kleinen Größe 
werden eine Skala von Größen verschiedener Ordnung bilden, 
und man wird in annähernden Berechnungen eine kleine 
Größe höherer Ordnung neben einer Größe niederer Ordnung 
vernachlässigen dürfen. 

Ist h sehr klein, und bedeutet f eine Funktion, so ist 
annähernd 

n^ + Ä) ~ f{x) = hf {X) , 

oder 

f{x + A) = f{x) + hf (x) . (8) 



Grandbegriffe der Differentialrechnung. 141 

Es sei z. B. f{x) = x^\ dann ist f [x) = 8ar» (vergl. § 87), 

also 

(ar + A)8 = ar» + %x^h. 

Hier könnte man die Genauigkeit weiter treiben, und für 
die Funktion setzen x^ + 3a:* ä + 3a: A*, oder, indem man noch 
das Glied h^ hinzufügt, ein völlig genaues Resultat erhalten. 
Wie sich auch bei anderen Funktionen Gleichungen aufstellen 
lassen, die genauer sind als (8), soll später erörtert werden. 

Als sehr kleine Größen dürfen gewöhnlich die Fehler be- 
trachtet werden, die bei der Ausfuhrung von Messungen begangen 
werden. Gesetzt, man habe eine Größe p durch Messung be- 
stimmt, und aus derselben durch ßechnung eine andere q = f[p) 
abgeleitet. Ist dann p mit dem kleinen Fehler S behaftet, so 
wird der Einfluß dieses Fehlers in q durch f'{p)S gegeben. 

Das gewöhnliche Interpolationsverfahren, das bei der Be« 
nutzung numerischer Tabellen in Anwendung kommt (§ 22), kommt 
darauf hinaus, daß man für ein kleines Intervall die Änderungen 
der Funktion denen der unabhängig Veränderlichen proportional 
setzt; wir könnnen darin also eine Anwendung der Formel (8) 
erblicken. 

Aufgaben. 

1. Der von einem Punkt durchlaufene Weg s ist mit der Zeit 
durch folgende Gleichung verknüpft: 

Es soll die Geschwindigkeit berechnet werden. 

2. Es soll die Richtung der Tangente an eine Kurve 
bestimmt werden, deren Gleichung: y = ax^ + ßx^ ist. 

3. Die Gleichung einer Kurve, bezogen auf schiefwinkelige 
Koordinaten, sei: y^F[x). Wie kann man die Richtung der 
Tangente bestimmen? 

4. Wann ist der Diflferentialquotient von: y = sin(Äa: + p) 
positiv und wann negativ? 

5. Ein Stück einer Ebene sei begrenzt durch die recht- 
winkeligen Koordinatenachsen, eine Kurve und eine zur Abscisse 
X gehörige Ordinate. Der Inhalt desselben sei, für einen be- 



142 Fünftes Kapitel. 

liebigeu Wert von x, = ax'* (a Konstante). Hieraus soll die 
Gleichung der Kurve abgeleitet werden. 

6. Der Inhalt eines Körpers, welcher von einer oder mehreren 
festen Flächen eingeschlossen ist und weiter begrenzt wird 
einerseits durch die yz- Ebene und andererseits durch eine im 
Abstände x der yz-Ebene parallele Fläche, sei J. Was ist die 

geometrische Bedeutung von -7—? 

7. Wenn S unendlich klein von der ersten Ordnung ist, von 
welcher Ordnung sind dann die Ausdrücke 

/( 1 + ^ und cosec 3 — cot S? 

8. Das Volumen eines Körpers sei eine Funktion der 
Temperatur t, und zwar nach folgender Gleichung: v ^a + bt 
+ et* + dfi. Wie groß ist die Ausdehnung für eine sehr 
kleine Temperaturerhöhung r (oder d{)? 

9. Es soll bewiesen werden, daß der kubische Ausdehnungs- 
koeffizient gleich dem dreifachen linearen ist. 

10. Für jeden Punkt einer Kurve bestehe zwischen den Ab- 
ständen u und V von zwei festen Punkten F und G (die 
Radiusvektoren) die Relation: v = F{u). Welche Beziehung 
besteht zwischen den Winkeln, welche die Tangente mit den 
beiden Radiusvektoren im Berührungspunkt bildet? Anwendung 
auf die Hyperbel. 

11. Es soll bewiesen werden, daß der Winkel, welchen 
der vom Brennpunkt nach einem beliebigen Punkt der Parabel 
gezogene Radiusvektor mit der durch denselben Punkt ge- 
zogenen Tangente bildet, gleich dem Winkel ist, den die 
Tangente mit der Achse bildet. (Man kann dies aus dem 
Resultat von § 87 oder direkt aus der Grundeigenschaft der 
Parabel ableiten.) 

12. Was kann man aus den Eigenschaften der Ellipse 
und der Hyperbel, wovon in Aufgabe 16 (S. 105) die Rede 
war, in Betreff der Tangenten an diese Kurven ableiten? 



Sechstes ElapiteL Segeln für die Differentiation. Anwendungen. 143 



Kapitel VI. 

Eegeln für die Differentiation. Anwendungen. 

§ 100. Um den Diflferentialquotient einer Funktion 

zu finden oder, wie man auch sagt, um die Funktion zu dif- 
ferentiieren, kann man stets von der Gleichung: 

d^^'^-^^ F(:c + Ax)-Fix) ^ Lim J;r = (1) 

dx Jx ^ ' 

ausgehen. 

Ist y = x"» , 

wo m zunächst eine ganze positive Eonstante bedeutet, dann ist 

dy j . (x + Axy^ — rc» 

dx ^ Jx ' 

Mittels des binomischen Lehrsatzes läßt sich diese 
Gleichung folgendermaßen umformen: 

4^ = Lim Lx«-i+ "H^^l^x^'^Jx + ... 



dx 

also 

d{x»«) 

dx 



1.2 



= wia:«-i, (2) 



da alle Glieder, welche Jx oder eine Potenz von Jx enthalten, 
beim Übergang zur Grenze zugleich mit Jx verschwinden. 

Ist m ein positiver Bruch = ^, wop und q ganze Zahlen 

sind, dann ist 

yQ =z xP 

{j/ + JyY = (x + Jx)p . 

Zieht man hiervon die vorige Gleichung ab und wendet 
wieder den binomischen Lehrsatz an, dann ergiebt sich nach 
einer kleinen Umformung: 

px*^ -i —~z: — o;^ JX + . . . . 

Jy Lif 



Jx 

qy 



^''^'-^y'-'äy^,,.. 



144 



Sechstes Kapitel. 



also 



— 1 



dy __ px^ 



woraus, da y ^ x^ und — = m, durch Substitution wieder 

Formel (2) entsteht. 

Ist der Exponent m negativ, etwa = — w', also y = ^"*'» 
wobei m' eine ganze oder gebrochene Zahl sein kann, dann ist: 



^1 = Lim 

ax 



=3 Lim 



= — Lim 



-m' 



ix + AxT - X 



.-«' 



Ax 



1 

(X + J:cr' 


1 ■ 
x^' 


Ja; 





{x-\'Ax)'^' - a;**' 
Ax 



1 1 

a?*'(a? + Ja;)"'J 



Der Grenzwert des ersten Ausdruckes in der Klammer 
ist gleich dem Diflferentialquotienten von ar"»', d. h. m'a:"'-^; der 
Grenzwert des zweiten Ausdruckes, in welchem x + Ax in x 

übergeht, ist -^-:, also 



X 



^m: 



dx 



= — Wl 



,a; 



111' -1 



X 



2m' 



= — m x~^'~^ 



Ersetzt man hierin —m' durch m, so erhält man wieder 
Gleichung (2). 

Wir sind also zu dem Resultat gelangt, daß der Differen- 
tialquotient von y = ar? , wo m eine positive oder negative, 
ganze oder gebrochene Zahl sein kann, gegeben ist durch die 
Formel 



woraus folgt 



—IL _ Twar*""^, 
dx ' 

dy = mx^"^ dx y 
d{x^) = mx^—^ dx . 



Man erhält also den Differentialquotienten, wenn man mit 
dem Exponenten m multipliziert und zu gleicher Zeit den 
Exponenten um 1 erniedrigt, d. h. durch x dividiert. 

Hat man sich diese Kegel eingeprägt, so kann man direkt 
alle Wurzeln der unabhängig Variablen und alle Brüche, deren 



Regeln für die Differentiation. Anwendungen. 145 

Kenner eine Potenz oder eine Wurzel dieser Variablen und 
deren Zähler 1 ist, differentiieren. 

Zur Übung möge man die folgenden Funktionen dififeren- 
üieren:^ 

d_ I 1 \ 2_ rf / 1 \ ^ 

dx UV" ^' dx[xP)^ x^^^ ' 

d / 1 \ ^ _ 3 rf / 1 \ __ 1 

dx \x}/x I "~ 2a;«y^ ' da? ^]P^5^/ " P,^\f^' 

Wie man sieht, tritt in dem Differentialquotienten einer 
Wurzelgröße immer die gleichnamige Wurzel auf. Ist die 
Wurzelgröße mehrwertig (§ 9), so muß man, wie aus der 
Ableitung hervorgeht, in der ursprünglichen Funktion und in 
dem Differentialquotienten denselben Wert wählen. 

§ 101. Ein konstanter Faktor geht bei der Diffe- 
rentiation als konstanter Faktor in das Differential- 
nrerhältnis über. 

Wenn y = af{^)) wo a eine Konstante bedeutet, so ist 

^y = «/'(^ + ^^) - ö A^) » 

Ay = aif{x + Ax)--f[x)\, 

g = a Umf^''±^l:^^ = a/"(:r). 

Der Differentialquotient von y = as^ ist hiernach: 

~- = aTwx"»-^ (Vergl. die Beispiele § 87.) 

Der Differentialquotient der Summe mehrerer 
Funktionen ist gleich der Summe der Differential- 
quotienten dieser einzelnen Funktionen. 



' In den folgenden Gleichungen ist -r— (y) nur eine andere Schreib- 

(iJC 

Art für -T^. 
ax 

LOREMTZ, DlfTerentialrechnuDg. 10 



146 Sechstes Kapitel. 

Sind Uj V und w Funktionen von x und ist y = ii + u + w, 

so i-^t 

y + Jy = M + Ju + V + Jv + w + Aw , 

also Ay = Au + Jr + Aw . 

Jy _ Jm Jr Jto 
J» Ja; Ax Ax' 

dp du , dv , dw 
dx dx dx dx 

Ist y = aw + Äv — cwj wo «, v und w wieder Funktionen 
von X und a, b und c Konstanten sind, so ist: 

diau •{- bv — ew) du , , rfr dto 

di "di + ^di-'i^- 

Eine additive konstante Größe ist bei der Diffe- 
rentiation ohne Einfluß. 

Ist y = f(^)+ ^ } so ist 

y + Ay =^f{x + Ax)+Ä^ 

dy ^ ^^^fJtJ^^xl^ili^ ^ 

dx Ax I \ f 

Zur Übung differentiiere man die folgenden beiden Aus- 
drücke: 

^[(1 + x^»] = ^(1 + 3^*+ 3ar*+ X«) = 

= ^x + \2x^+ 6a:« 



und 

d { X — 
^^\i/x--\l dx^' ' ' Z^x 8f5« 






§ 102. Der Differentialquotient einer exponentiellen Funk- 
tion läßt sich leicht aus den Überlegungen des ersten Kapitels 
ableiten. Aus Betrachtungen wie die §§ 11 und 13 mitgeteilten 
ergiebt sich, daß y = fl«^* die Funktion ist, welche für a:=sO 
den Wert a hat, und deren dem sehr kleinen (wir sagen jetzt 
besser dem unendlich kleinen) Zuwachse 8 von x entsprechende 
Zunahme gefunden wird, wenn man den Wert, welchen y 
schon hat, mit p8 multipliziert. Hieraus folgt, daß man den 



Regeln für die Di£ferentiation. Anwendongen. 147 

DiflFerentialquotient erhält, wenn man pSy durch S dividiert, 
also: 

Ebenso findet man: 

— 1^ L — _ ape-^^, 

dx ^ 

Setzt man in der ersten Gleichung a = 1 und /? = 1 , so 
erhält man: 



dx 



= «-. (3) 



Der Differentialquotient der Exponentialfunktion«' 
ist also der Funktion selbst gleich. 

Man kann dieses Eesultat noch auf anderem Wege ab- 
leiten. Ist 

y = ^, 

dann ist 

?y = Lim^— -j — 1 = e Lim-^— . 

dx Ax nx 

Je kleiner Ax wird, desto mehr nähert sich e^^ dem 
Werte 1. Der Ausdruck e^^—\ nähert sich also dem Werte 0. 
Setzen wir nun für diesen Ausdruck«, dann ist Ja: = /(l + e)y 
also 

^ = c* Ykm^rr—. — r = «* Lim = «* Lim - 



dx /(i + 6) 1 r i 

für Lim 8 » 0. 

Da nun nach § 11 der Grenzwert von (! + «)* =« ist, 

_i_ 

also Lim/(1 + «)•=/«=« 1 , so ist 

dx 
Ist y ^ a^j so findet man den Differentialquotienten, wenn 
man berücksichtigt, daß a' = c*'« ist und in die obige Formel 
für den DiflFerentialquotient von e^^ den Faktor p durch la 
ersetzt. Man erhält dann: 

dx 

10* 



148 Seehstes Kapitel. 

§ 108. Die Differentialquotienten der goniometrischeii 
Funktionen lassen sich leicht mit Hilfe einfacher goniometri- 
scher Formeln ableiten. Aus 

y 3s sin X 
folgt 

_| = Lim J Lim — ^— • cos (x + ^ J^) , 

da sin a — sin ^ = 2 sin -J- (a — b) cos •|-(a + b) ist. 

Je kleiner Jx wird, desto mehr nähert sich nach § 43 
das Verhältnis zwischen dem Sinus des Bogens ^/ix und 
diesem Bogen selbst der Einheit, also 

-1- SS cosar. (4) 

uX 

Ist y SS cosx, so ist 

Jy = cos {x + Jx) — cos or. 

Nach der Formel cos a — cos ä = — 2 sin ^ (a + ä) sin |(a — i) 
erhält man 

Jy = — 2 sin {x + ^Jx) . sin \Jx , 
dy T . sinlJa? . , . i ^ v 

^^ = -Lim^--.8m(x + iJx). 
Wie wir vorhin gesehen haben, ist Lim?^^— = 1. also 

d (cos 0?) . /;: t 

-^'=-8mx. (0) 

Weiter hat man 

^/ (tg a;) _ j^j^ tg(a; ±^x) -^x 
dx Ax 

sin (a; + Ja;) sin a; 
__ T . cos (x + ^4 j;) cos x 

Ax 

cos a: sin {x ■\- Ax) — sin x cos (a; + Ja;) 

j . cos X cos {x + Jaj) 

Ja; 

also, da sin (a — ä) = sin a cos i — cos a sin ä ist, 

dCtga;) T • sin Ja; 1 

,^ = Lim --; T— , 

dx Ax cos (a; + Ja;) cos a; 

dx cos^'x 



(6) 



Regeln für die Differentiation. Anwendungen. 



149 



In ähnlicher Weise ergiebt sich: 

d(cotx) 1 



dx 



sin'o; 



(7) 




Fig. 68. 



Der Leser möge zur Übnng die Rechnung selber durch- 
führen. 

Nach (6) ist der Differential quotient von tgor stets positiv, 
diese goniometrische Funktion muß also mit wachsendem x 
fortwährend zunehmen. Wie 
dieses geschieht, läßt sich 
durch die graphische Dar- 
stellung (Fig. 68) erläutern. 
Da tg or filr or s und allge- 
mein für a: = ±nn verschwin- 
det, so wird die Eur^e i/ ^ tg x 
die JT -Achse im Eoordinaten- 
arsprung und in unzähligen 
anderen, gleichweit von ein- 
ander abstehenden Punkten 
schneiden. Für x ^ ^n wird 
y = -t 00. Ist ar nur wenig 
kleiner als ^tt, so wird tgar 

sehr groß und positiv; ist die Abscisse etwas größer als ^n, 
so wird tgor sehr groß, aber negativ. Die Kurve besteht aus 
einer unbegrenzten Anzahl identisch gleicher Zweige, deren 
jeder sich sowohl in Richtung der positiven, wie auch der 
negativen y ins Unendliche erstreckt. In jedem dieser Zweige 
nehmen nun wirklich x und y gleichzeitig zu. 

Den plötzlichen Sprüngen von -|- oo in — oo entspricht 
kein Differentialquotient, weil von letzterem nur die Bede ist, 
wenn eine Funktion sich allmählich ändert. 

Während igx für bestimmte Werte von x plötzlich aus 
+ 00 in — 00 übergeht, kommen auch Fälle vor, in denen 
eine Funktion einen Sprung von einem endlichen Werte in 
einen anderen, ebenfalls endlichen Wert macht. In allen diesen 
Fällen nennen wir die Funktion diskontinuierlich, im 
Qegensatz zu den kontinuierlichen. Oft werden wir still- 
schweigend einen kontinuierlichen Verlauf der Funktionen 
voraussetzen. 



150 Sechstes Kapitel. 

In der Physik kommen häufig diskontinuierliche Funk- 
tionen vor. So nimmt z. B. die Dichte beim Übergang ans 
Luft in einen flüssigen oder festen Körper sprungweise zu. 
Dergleichen Diskontinuitäten sind jedoch oft nur scheinbare; 
in Wirklichkeit kann der eben genannte Körper von der Luft 
durch eine dünne Ubergangsschicht, in der sich die Dichte 
zwar schnell aber doch allmählich ändert, geschieden sein. 
Besteht aber thatsächlich eine Diskontinuität, so ist es doch 
in theoretischen Betrachtungen häufig zweckmäßig, zuerst einen 
kontinuierlichen Übergang vorauszusetzen und dann erst zu 
untersuchen, wie sich die so erhaltenen ßesultate modifizieren, 
wenn der Übergang immer rascher und schließlich diskon- 
tinuierlich wird. 

§ 104. Der Dififerentialquotient einer goniometrischen 
Funktion ändert sich ebenso wie diese selbst periodisch, und 

zwar mit derselben Periode. In (6) nehmen z. B. — -r- und 

tgx stets wieder denselben Wert an, wenn x um n wächst. 
Übrigens folgt, wie man leicht einsehen wird, aus der De- 
finition einer periodischen Funktion allgemein, daß ihr Diffe- 
rentialquotient ebenfalls periodisch ist. Bei einer oscillierenden 
Bewegung ist z. B. die Geschwindigkeit nach jeder Oscillation 
ebenso groß wie vorher. 

§ 105. Den Differentialquotient des Produktes uv zweier 
Funktionen von x erhält man in folgender Weise 

djuv) __ T • [u -h Jü)iv 4- J») — UV 
dx Ax 



\ Ax Ax Ax) 



dv . du ,n\ 

Das dritte Glied in der vorletzten Zeile verschwindet, 
da es neben dem Faktor -j- , der den endlichen Grenzwert ^ 

Ax dx 

hat, noch den Faktor Ju enthält, der fortwährend abnimmt. 
Beispiele : 

^~{eJ"'smax) = eP'{psmax + acosax), 
— (.!•'«<??*) = <?^*(wix*-i +px'^). 



Regeln für die Differentiation. Anwendungen. 151 

In ähnlicher Weise erhält man für den Differentialquotienten 
eiues Produktes von drei Funktionen: 

diuvto) die , du , dv .^. 

eine Formel, welche leicht auf eine größere Anzahl von Fak- 
toren erweitert werden kann. 

Für den Differentialquotienten des Quotienten — findet 

V 

man: 

u + Au u Au Av 

— — ff — _ n — 

T • V + Av V T . Ax Ax 

= Lim .- = Lim — r-r-r-< 

Ax v(v -hAv) 

du dv 

, , » V . u 

d 



dx 



{?) = -^^-v— • (10) 



Durch Anwendung dieser Formel läßt sich z. B. der Dif- 
ferentialquotient von tg:r aus den Differentialquotienten von 
mix und cosx ableiten. 

d{ß\nx) d{fiOBx) 

» cos X — ^ ~" sin X - 

d[iQx) d /sinrcN dx dx 



x) d /sin x\ 

dx Vcosx/ 



dx dx Vcosx/ cos'a; 

cos'a; + sin'oj 1 



cos'a; cos'x 

§ 106. Aus den Differentialquotienten der exponentiellen 
und goniometrischen Funktionen können die der logarithmischen 
und cyklometrischen leicht abgeleitet werden. Ist 

dann ist 

— = ev 
dy 

Wenn Ax und Ay die gleichzeitigen Zunahmen von x 
• und y sind, so hat natürlich das Verhältnis -^ den umge- 
kehrten Wert wie das Verhältnis -^ . Es muß mithin der 

Ay 

Grenzwert des ersten Verhältnisses, d. h. -^ , auch den umge- 



152 Sechstes Kapitel. 

kehrten Wert haben wie der Grenzwert -7- des zweiten Ver- 

dy 

hältnisses. Also im vorliegenden Fall 

rfy ^ i_ 
dx gy ' 

oder 

Ist die Basis des Logarithmensystems nicht «, sondern 
z. B. dj so hat man nach S. 24 

1 Ix 



§ 107. Man soll 



differentiieren. Es ist 



rf(logd x) _ 1 



y 33 arcsm:r 

:c = sin y , 
5^ = cosy, 



3ä cosy |/t :_ gin«y yi-a?" 



^(arcsina;) _ , 1 



,, ^±,-7^- . (12) 



Wir haben es hier mit dem Dififerentialquotienten einer 
mehrwertigen Funktion zu thun, und wollen hieran noch 
folgende Bemerkung knüpfen. Gesetzt, dem Werte x der 
unabhängig Variablen entsprechen eine Anzahl verschiedener 
Werte von y, etwa y^, y^j y^ u. s. w. Geht dann x in 
X + Ax über, so verwandelt sich y^ in y^ + Ay^ , y^ in y, + Ay^ 
u. s. w., und fär den Differenzquotient ergeben sich die Werte 

-T^, -j^, -~- u. 8. w. Daraus geht hervor, daß der Dif- 

^X /mX /mX 

ferentialquotient einer vieldeutigen Funktion im allgemeinen 
ebensoviele Werte als die Funktion selbst hat 

Jeder Wert von -^ gehört dabei zu einem bestimmten 

UiX 

Wert von y selbst. 



Regeln für die Differentiation. Anwendungen. 15S 

Durch eine geometrische Betrachtung läßt sich dies leicht 
klar machen. Haben wir eine Kurve , die durch eine der 
^■-Achse parallele Gerade in mehreren Punkten geschnitten 
wird, so werden im allgemeinen die Tangenten in diesen 
Punkten yerschiedene Richtungen haben. 

Es ist jedoch möglich, daß die verschiedenen Werte des 
Differentialquotienten alle oder zum Teil zusammenfallen. Dies- 
ist der Fall in (12), wo ungeachtet der unendlichen Anzahl 
Werte von arcsinor der Differentialquotient nur zwei Werte, 

nämlich + , und , , hat. Die Schnittpunkte 

der Sinusoide 

y = arc sin x 

mit einer der y- Achse parallelen Geraden können je nach 
3er Richtung der Tangente in zwei Gruppen geteilt werden, so 
daß in allen Punkten ein und derselben Gruppe die Tangenten 
dieselben Richtungen haben. 

Wenn nicht das Gegenteil ausdrücklich hervorgehoben 
wird, werden wir unter arc sin x einen Bogen verstehen, dessen 
Kosinus positiv ist. Dann fällt in (12) der eine Wert weg, 
and man hat: 

d{9X<t sin rc) __ 1 /mx 



In ganz ähnlicher Weise ergiebt sich: 

rf(arc cosa;) 1 



(14) 



dx . y 1 « a?» 

Hier ist arc cos x der Einschränkung unterworfen, daß sein 
Sinus positiv ist. 

Um y SS arc tg :r zu differentiieren, verfährt man folgender- 
maßen : 

y = arc tg x , 

^ = tgy, 

rfy ^ 1^ ^ 1 

dx 1 + tg'y l + a;' 

<2(arctga;) _^ 1 



dx -l+x«' ^^^ 




154 Sechstes Kapitel. 

In ähnlicher Weise erhält man 

^(arccota;) 1 ,,«. 

— di — ^^^riT^- ^^^^ 

Die Ausdrücke (13) und (14), ebenso (15) und (16) unter- 
scheiden sich voneinander nur durch das Vorzeichen. Es rfihit 

dies daher, daß arcsinx + arccos ar und 
ebenso arctgor + arccotor gleich einer kon- 
stanten Größe sind. In Fig. 69 ist z. 6. 

arc sin x = CD , 

arccos:r = AD, 

„. ^ ^ ^ arcsina: + arccosar = C Ü + AL = 4;r, 

Fig. 69. • T > 

arc sin X = — arc coso: H- \n. 

Da bei der Differentiation die konstante Größe \n weg* 
fällt, so können sich die Differentialquotienten von arc sin x 
und arc cos x nur durch das Vorzeichen voneinander unter- 
scheiden. 

§ 108. Um verwickeitere Funktionen zu differentiieren, 
betrachtet man häufig y nicht geradeswegs als Funktion von x , 
sondern als eine Funktion einer anderen Größe u^ die ihrer- 
seits wieder von x abhängt. Ist z. B. 

y = ^% 

dann setzt man x* =3. i£ und erhält so 

Es sei nun in einem derartigen Falle Ax ein Zuwachs 
von Xy Au die dadurch hervorgerufene Zunahme von u, and 
Ay die entsprechende Änderung von y. Natürlich ist dann 

Ay _Ay Au , 
Ax Au Az ' 

es ist also -^~ gleich dem Grenzwert des Produktes -,- -/" • 

dx ° Au Ax 

Der Grenzwert des zweiten Faktors ist 3—, des ersten 

dx ' 

— - , wobei y als eine Funktion von u angesehen wird. 

Also ist 

dy^ ^ dy du ^Pj 

dx du dx 



Regeln für die Di£Ferentiation. Anwendungen. 155 

Der erste Faktor ~ wird zunächst als Funktion von u 

du 

erhalten; substituiert man in derselben für u die durch diesen 
Buchstaben dargestellte Funktion von x, so ergiebt sich auch 

Im obigen Beispiel ist 



— - als Funktion von x. 
dx 



dy^^dydu ^2x^, 
dx du dx 

Man kann auch Formeln aufstellen, welche nicht die 
Differentialquotienten, sondern die Dififerentiale, d. h. die gleich- 
zeitigen unendlich kleinen Zuwächse von y, u und x enthalten, 
übrigens aber mit den obigen Formeln gleichbedeutend sind. 
(Vergl. § 92.) Aus y = ^ •* folgt z. B. 

dt/ = tf" du 
und aus 

du = 2xdx. 

Indem man diesen Wert von du in die Formel für dy 
einführt, ergiebt sich 

dy = 2x^dx = 2xeF^dx. 

Als weiteres Beispiel betrachten wir die Funktion y = sin mar. 
Setzt man mx ^Uj so ist 

y == sin 11 , 
dy = cos u du j 
du =s mdx j 
dy = m cos mx dx , 

dv 

-^ =s m cosmx. 

dx 

In ähnlicher Weise findet man: 

d (cos mx) 

— ^ ^ = — TU sm mx, 

dx ' 



156 Sechstes Kapitel. . 

Für die Geschwindigkeit der durch 

y = a C092n(Y+p] 

dargestellten einfachen harmonischen Bewegung (§ 45) findet 
man 

dy ^na > n f t . \ 

ü = -^ = - -y- sm2n[j+pj. 

Wenn man beachtet, daß 8ecar = und cosecx = -^ — 

ist, so kann man jetzt auch diese Funktionen leicht differen- 
tiieren. Man wird finden 

d (sec x) sin x 



und 



dx 008*26 

d (cosec x) cos x 

dx sin *x 



§ 109. In jedem der folgenden Ubungsbeispiele wird man 
sofort sehen, welche Funktion für u zu nehmen ist. Es 
empfiehlt sich übrigens, in nicht zu schwierigen Fällen den 
Buchstaben u gar nicht niederzuschreiben, sondern alles sofort 
in X auszudrücken. 

"^ [{1 + :r»)»] = 3 (1 + xy. 2x = 6a:(l + x^ (vergl. § 101); 



dx 



dx 



1 1 b + 2ox 

a -\- bx + cx*\ "" (a + bx -^ ex^ ' 



d 



[]/a + bx] = 



'^^ 2ya + bx' 

» 

— {eP') =peP'; 
-^--iF{a + bx)-] = bF'{a + bx), 

z.B. Ä[^(« + M] = --f,i; 



dx 



z. B. ± (O = m;r-i «•" , 



dx 

d 
dx 



(^sin»^ = ^8in« COSOr; 



Regeln f&r die Differentiation. Anwendungen. 157 

-j— (/ sm x) = - — = cot ar , 
dx ^ ' ßmx ' 

dx ^ ' xlx 



dx 



z. B. -j— (siu**ar) = m sin'»-^ x cos x ; 



dx 
d 



dx 



arctg — 



OL 



§ 110. In noch verwickeltereh Fällen wird man u nicht 
geradeswegs als eine Funktion von x, sondern als eine Funk- 
tion einer anderen Variablen v ansehen, welche letztere Oröße 
dann direkt von x abhängt. Da nun 



80 ist 



Ist z. B. 



dann setze man 



du du dv 

dx dv dx ^ 

dy dy du dv 

dx du dv dx 



3i 






X* 



a + bx^ =5 V 

und y v = w , 

woraus y = ^«. 

Man erhält so 



dy 2bx ya + bx* 

Kombiniert man die Regeln der letzten Paragraphen 
mit denen von §§ 101 und 105, dann kann man^ wenn 
man die Differentialquotienten von ar«, c*, sinx, cosa-, tga-, 
cotx, Ix, arasin.r, arccosor, arctg x dem Gedächtnis einge- 
prägt hat, viele sehr verwickelte Funktionen differentiieren. 
Man findet z. B. 



158 



Sechstes Kapitel. 



d 
dx 



w 



X 



X] 



1 dx 

~ - * 

2 



1^^L 



i/^-- 



X 
X 



2 V ^+x 



- i (l - a;) + (1 + X) 



(1 - x)^ 



(l - a;) }/l - a?« 



c^o; 



, 1 ^ b + 2cx 

= j 

ya + 6aj + cx^ 



dx 



[l[b + lex + 2yc{a + Äx + cor»)}] = 
c(6 + 2ca;) 



2c + -- 



^ |/c7a + 6a? + CO/*) 1 c 

~ 6 + 2ca; + 2 yc(ä^~Jx'+~cä^ " V a + bx + ex* ' 



tg (a + a;) 



^ [ tg(tt -a?) 
e/aj [ tg (a + a;) 

- l 



C08*(a — x) 



- tg(a -a?) 



C08'(a + x) 



tg*(a + a;) 
sin 2a cos 2a; 



8in*(o -f a;) co8'(a — x) 



§111. Es sei y = /'(ar) die Gleichung einer Enrye (Fig. 70), in 
welcher wir einen beliebigen Punkt M mit den Koordinaten f,y 
annehmen wollen. Denken wir uns in diesem Punkte an die 
Kurve eine Tangente gelegt und bezeichnen wir den Neigungs- 
winkel derselben gegen die Abscissenachse mit &, so ist 
nach § 86 

Die Stücke der Berührenden und der Normalen, welche 
zwischen der Abscissenachse und dem Punkte M der Kurve 
liegen, nennt man kurzweg Tangente, resp. Normale; wir 
wollen sie mit T und N bezeichnen. Die Projektionen dieser 



Regeln für die Differentiation. Anwendungen. 



15» 



Strecken auf die Abacissenachse nennt man Subtangente {St) 
und Snbnormale {8n). 

In der Fig. 70 ist also: 

St^BDy 

Sn^CD, 
und es ist: 

dy 



St^ycot&=y 



dx 

dx 
dy 




Fig. 70. 



iv=vj^rK&^=yi/rr(g)*. 

§112. Aus der Gleichung der Parabel (§ 58) 



folgt 



y = \2px 



dx 



Da dieser Wert um so kleiner ist, je größer x ist, so wird 
der Neigungswinkel der Tangente gegen die Abscissenachse- 
mit wachsendem x immer kleiner, d. h. die Richtung der Tan- 
gente nähert sich mit wachsendem x immer mehr der Ab- 
scissenachse, während sie bei der Hyperbel sich der Asymptote 
nähert. Hieraus ergiebt sich, daß eine jede Hyperbel, deren 
Brennpunkte auf der Parabelachse liegen, stets stärker 
steigen muß als die Parabel, falls nur x hinreichend groß 
gewählt wird. 

Setzen wir die Werte von y und — ^ in unsere aUge* 

meinen Formeln ein, so ergiebt sich jetzt (Fig. 71): 



160 



Sechstes SLapitel. 



Da AC=s2x, 80 ist der Schnittpunkt der Tangente mit 
-der Achse ebensoweit von entfernt, als A (die Projektion 
von P auf die Abscissenachse). Die Gleichungen lehren noch 
•eine merkwürdige Eigenschaft der Parabel, daß die äubnorm&Ie 
für alle Punkte gleich lang, nämlich immer dem Parameter;? 
gleich ist. 

Zieht man vom Brennpunkt F den Radiusvektor FP^ so ist 
dieser nach der Definition der Parabel (§ 58) = x + \p* 
Andererseits ist, wie oben gefunden wurde, 

OC^Oä=^x, 
mithin, da OF=:\p, 

CF^x + lp. 

Das Dreieck FCP ist also ein gleichschenkliges, daher 

Z. FCP = z. FPC. 

Die Berührungslinie bildet 
also gleiche Winkel mit dem 
Radiusvektor und der Abscissen- 
achse. 





m: 



Fig. 71. 



Fig. 72. 



§113. Aus der Gleichung der Ellipse (§ 54) 



folgt ftir einen Punkt mit positiven Koordinaten, z. B. P (ITig. 72): 



dy 
dx 



X 



« Va«-a;» 



Regeln für die Differentiation. Anwendungen. 161 

also, wenn PC die Berührungslinie ist, 

Durch Einsetzen dieses Wertes in die allgemeinen Glei- 
chungen von § 111 erhält man leicht Tj 8t, N und Sn, Die 

Subtangente ^ C = . Da dieser Wert ausschließlich von 

a und X abhängt, so folgt, daß, wenn man auf ein und der- 
selben Strecke als Achse verschiedene Ellipsen beschreibt, alle 
Tangenten an Punkten, deren Projektionen auf jene Achse 
zusammenfallen, die letztere in ein und demselben Punkte 
schneiden. Unter den genannten Ellipsen befindet sich auch 
ein Kreis; es bösteht also eine einfache Beziehung zwischen 
den Tangenten einer Ellipse und des auf einer ihrer Achsen 
als Halbmesser beschriebenen Kreises (vergl. § 55). 

Die Lage der Normale wird bestimmt durch die Gleichung 



Sn = £A=^ 



a» 



und für die Abstände der Punkte B und C vom Mittelpunkt 
findet man: 

OC :=0Ä + AC =x+-^^ = -. 

XX 

Wir berechnen aus dem ersten Werte das Verhältnis der 
Stücke BF und BG, in welche die Normale die Strecke 
zwischen den Brennpunkten teilt. Es ist 



BF=c+OB = c+^^-,P^ = c + ^, 



a' a' 



BG = c-OB = c-^, 



also 



BF:BG = {i + ^):{l-':^) 



Andererseits sind die Entfernungen PF und PG, wenn 
man den Wert 

LoBH2>TZ, Differentialrechnung. 11 



162 



Sechstes Kapitel. 



beilicksichtigt; 



y« = -^i («* - ^*) 



r . \0 . 9 -m / 



PF = Y{c + xf + f= |/(c + x)> + "-, (a« - *«) = 



= /" 



2 4.2C-X+ -^-.r» = a+ "** 



a' 



a 



PG^a^ 



ex 
a 



Aus dem Gefiindeiien folgt die Proportion 

ßF:BG = PF:PG. 

Nach einem bekannten planimetrischen Satze halbiert also die 
Normale P£ den Winkel zwischen den Leitstrahlen ; es müssen 
daher auch die Winkel, welche die Berührungslinie mit den 
Leitstrahlen bildet, gleich sein (§ 97). 

§ 114. Sind X und y als Funktionen einer dritten Va- 
riablen A (z. B. der Zeit t) gegeben, so kann man auch sagen , 
es hänge y durch Vermittelung von A von x ab. Es ist dann 
nach § 108 

dy __ (iy dX __ dX 
(ix dl dx dx 

~dk 

Als Beispiel betrachten wir die Tangente an der Cykloide. 
Wenn ein Kreis MB (Fig. 72) auf einer Geraden OX fortrollt, 
so beschreibt jeder Punkt der Peripherie dieses Kreises eine 




Kurve, die man Cykloide nennt, und die aus einer Aufein- 
anderfolge kongruenter Teile, wie OAQ besteht. Ein Punkt 
des Kreises soll ursprünglich auf der Geraden OX im Punkte 
liegen; rollt der Kreis so weit, daß der Mittelpunkt, welcher 



Regeln für die Differentiation. Anwendungen. 163 

ursprünglich sich auf OY befand, nach Jlf gelangt, so wird 
jener Punkt seinen Ort verändern und nach B gelangen. 
Die Koordinaten des Punktes JB sind 

OF=x, JBF^y. 

Ist ferner der Centriwinkel BMC gleich X und der Radius 

r, so ist 

0C= Bogen ÄC=rA, 

FC==BJS=-rsml, 

EM = r cos A , 

x^OF= OC-FC= rA-rsinA=:r(A-sini), 

y = BF=: MC-^ ME =:r-rcosX = r{l -cosA). 

Der Winkel l ist hier also die unabhängig Variable, von 
der sowohl x als auch j/ abhängen, und man hat 

dx 



dl 

dy 

dX 



= r{l — cosA), 
= rsinA. 



^ dx l — cos l * ' 



also & = ^n-'^X, Hieraus folgt, daß die Berührungslinie 
in B durch den höchsten Punkt B des Kreises geht, denn es 
ist /_BBC=-\ i_ BMC = I A, und also der Winkel, den BD 
mit OX bildet, \n — \},. 

Die Normale in B geht durch den tiefsten Punkt C des 
Kreises. 

§ 115. Die Relation zwischen x undy ist oft in Gestalt 
einer unentwickelten Gleichung gegeben. Wir werden später 
sehen, wie man dann, ohne die Gleichung nach y aufzulösen 

(was oft gar nicht möglich ist), immer den Wert von ~- be- 

Q,X 

stimmen kann; jetzt können wir aber schon zeigen, wie das 
in gewissen einfachen Fällen möglich ist. 
Die Gleichung habe z. B. die Form 

cp[y)^^p(x). (18) 

Substituierte man hier in dem Ausdruck links den Wert 
Ton y, als Funktion von x betrachtet, so wäre auch dieser Aus- 
druck eine Funktion von x, und zwar genau die Funktion \lf[x). 



164 Sechstea Kapitel. 

Für den Differentialquotienten dieser Funktion läßt sich nach 
§ 108 schreiben 

Der Differentialquotient muß aber auch tp {x) sein. Also 

dx (pUy) ' 
Ist die Gleichung 

5 + 1^ = 1 (1^) 

gegeben, so bemerken wir, daß die linke Seite, wenn man sich 
darin für y den in x ausgedrückten Wert substituiert denkt, 
eine Funktion wird, deren Differentialquotient nach x, nach 
§§ 101 und 108 

2x 2y dy 
a« "^ b* dx 

ist. Da aber diese Funktion für jeden Wert von x gleich 1 
sein muß, so muß der Differentialquotient sein. Also 



2x ^y dy _r. 

^8 "T" Kt rl ^ — V , 



2; 

ä» ' 6« dx 
dy h* X 



dx a^y 

(vergl. § 113). 

Man kann in diesen Fällen auch mit Differentialen 
operieren. Wenn x um dx und zu gleicher Zeit y um dy zu- 
nimmt, so erleiden (p{y) und i//(ar) die Zuwächse 

(p'(y)dy und 'W'{x)dx. 

Soll nun auch nach diesen Änderungen die Relation (18) 
bestehen bleiben, so müssen die Funktionen links und rechts 
gleiche Änderungen erleiden. Hieraus folgt 

was uns wieder den oben angegebenen Wert für -^ giebt. 
In ähnlicher Weise folgt aus (19) 



Kegeln für die Differentiation. Anwendungen. 165 

§ 116. Übungsaufgaben. Aus 

y = logtgx 
folgt 

dy ^ 2 log e 
dx sin 2x 

für kleine Zunahmen von x hat man also annähernd 

j 2 log e . 

^ 8in 2x 

Nimmt z. B. der Bogen um 10" zu und benutzt man die 
gewöhnlichen Logarithmen mit der Basis 10, so ist 

Ax^- ^-^'— = 0,000 048 48 , 

180.60.60 ^>v^^^-»"^"> 

. 0,000 042 11 

^ sin 2x 

Für X = 45 ^ wird 

Ay = 0,000 042 1 , 
fdr x=15<* 

Ay = 0,000 084 2 . 

Dies sind auch wirklich die Zahlen, die man in den 
Sinustafeln als Diff. logtgx angegeben hat. 

§ 117. Nach Magnus stellt die empirische Formel 

t 

die Beziehung zwischen der Temperatur t und der Spannkraft 
p des gesättigten Wasserdampfes dar. a, b und y sind Eon- 
stanten. Mit Hilfe des Differentialquotienten 

dp_ ^ n>f.lh ,-^-7 
dt ir + 0* 
kann man die Zunahme von/? für eine kleine Temperaturerhöhung 
finden. Ist die Temperatur in gewöhnlicher Weise in Graden 
ausgedrückt, so giebt der Ausdruck rechts annähernd die Zu- 
nahme der Dampfspannung für die Temperaturerhöhung von t^ 
auf /+ 1^ 

Benutzt man die REGNAULT^sche Formel 

log p = a + Ä . a' — c . /?', 
so bestimmt sich -^ aus 

at 



166 



Sechstes Kapitel. 



§ 118. Nach dem Coulomb' sehen Gesetz ziehen sich zwei 
ungleichnamige Magnetpole an, mit einer Kraft, welche dem 
Produkt ihrer magnetischen Massen proportional, dem Quadrat 
der Entfernung umgekehrt proportional ist. Dasselbe Gesetz 
gilt auch für die Abstoßung gleichnamiger magnetischer Pole. 
Die Wirkung läßt sich also darstellen durch den Ausdruck 

WO fi und fi' die Polstärken bedeuten und c eine Konstante ist 
An den Endpunkten einer sehr kleinen Magnetnadel denken 
wir uns nun zwei entgegengesetzte Pole von der Stärke fi, im 
Abstände 3 voneinander gelegen. Auf der Verlängerung ihrer 
Verbindungslinie, und zwar dem Nordpol gegenüber, befinde 
sich ein Nordpol eines anderen Magneten von der Stärke jEi', 
und zwar in einer Entfernung r vom Nordpol der Nadel. 
Dieser Pol ju' wird dann von dem Nordpol der Nadel mit der 
oben angegebenen Kraft abgestoßen, von dem Südpol dagegen 
angezogen mit einer Kraft 



Die resultierende Kraft ist eine Abstoßung 



CfJLfJL 



(r + d)^ 



= -cfxp 



1 



(r + ö)^ H 



Setzen wir § = y , so ist der Ausdruck in der Klammer 

die Zunahme von y, wenn r um S wächst. Ist nun 3 sehr 
klein im Vergleich zu r, so können wir es als ein Differen- 
tial dr auffassen. Wir erhalten dann 



1 1_ = dy dr = l*:^ ,lr . 

h öj* /■* dr dr 



(r + ö) 

Setzt man für dr seinen Wert S ein, so erhält man 
folgenden Ausdruck für die resultierende Kraft: 



cfi/ji' S 



1 



dr Vr^i 



^8 



Kegeln für die Differentiation. Anwendungen. 167 

§ 119. Bekanntlich ist die Beziehung zwischen der Inten- 
sität i eines elektrischen Stromes und der Ablenkung (p der 
Nadel einer Tangentenbussole gegeben durch die Gleichung 

I = flf tg qp , 

wo a eine Konstante ist, die von Apparat zu Apparat ver- 
schieden ist Aus 

Ai = — =— Aw 

kann man den £influß einer kleinen Intensitätsänderung auf 
die Ablenkung der Nadel berechnen. Die letzte Gleichung kann 
auch dazu dienen, den in der Bestimmung der Stromstärke 
vorgekommenen Fehler Ai zu berechnen, falls die abgelesene 
Ablenkung mit dem kleinen Fehler Acp behaftet ist. Für den 
relativen Fehler (Fehler in 2, ausgedrückt als Bruchteil von i) 
erhält man 

Ai Acp 2Aq> 

i sin <f> cos (p sin 2 9 

Für den gleichen Wert von A(p wird also dieser relative Fehler 
am kleinsten sein, wenn sin 2 9 möglichst groß ist, also die 
Ablenkung 45^ beträgt. 

§ 120. Manchmal kommt der Fall vor (z. B. bei einer 
transzendenten Gleichung), daß man den numerischen Wert 
einer Unbekannten nur durch eine Annäherungsmethode er- 
mitteln kann. Sobald man dann auf die eine oder andere 
Weise einen Wert gefunden hat, der nur wenig von dem 
wahren abweicht, kann man diesen durch Anwendung einer 
Differentialformel verbessern. 

Es soll z. B. X aus der Gleichung 

X — e sin x = /? 

berechnet werden, worin e und p bekannte konstante Größen 
sind. Durch Einsetzen eines Wertes x^ habe man für die 
Funktion links anstatt p den sehr nahen Wert p^ erhalten. 
Xj ist also noch mit einem kleinen Fehler behaftet, den man 
folgendermaßen bestimmen kann. Sei x=iXj^ + Ax der wirkliche, 
der Gleichung genügende Wert, so hat man 

x^ + Ax — € sin [x^ + Ax) = p, 



168 



Sechstes Kapitel. 



also, wenn wir hiervon die Gleichung Xj — ^sin^Tj = /»i sub- 
trahieren, 

x^ + jdx — ar j — tf sin (oTj + ^x) + ^ sin x^ ^ p — />j , 

2Jar — e COS JTj ijar = p — /?j , 

1 — C cos iCj 

Da o: = aTj + Jar, 80 ist also der wahre Wert der Unbe- 
kannten t 

Xy -|- • 

* 1 — 6 cos aj, 

§ 121. Wie schon mehrfach bemerkt, zeigt das positive 
oder negative Vorzeichen des DiflFerentialquotienten einer Funk- 
tion y an, ob sie bei Zunahme der unabhängig Variablen x zu- 
oder abnimmt. Es ist nun möglich, daß für einen bestimmten 
Wert a von x der Differentialquotient wird und dabei das Vor- 
zeichen ändert. Ist das Vorzeichen für x <.a positiv, ftir .r > c 
negativ, dann steigt die Funktion bis x=a, um danacli zu 
fallen. Ihr Wert für :r = a ist demnach größer, als die unmittel- 
bar vorhergehenden und die unmittelbar folgenden Werte (Fig. 74). 
Man sagt in diesem Falle, die Funktion besitzt an der Stelle 

X = a ein Maximum. Wenn umgekehrt - ^ erst negativ, später 

positiv ist, so hat die Funktion an der Stelle x = a ein 




O'^ 



a^ 



Fig. 74. 




(T 



cu 



Fig. 75. 



Minimum, d. h. ihr Wert ist bei ar = a kleiner als die* un- 
mittelbar vorhergehenden und folgenden Werte (Fig. 75). Eine 
Funktion kann, nachdem sie ein Maximum erreicht hat, später 
durch eine neue Steigung noch größer werden, ein Maximum 



Regeln für die Differentiation. Anwendungen. 



169 



ist daher nicht notwendig der größte aller Werte der Funktion. 
Darum war es notwendig in der oben gegebenen Definition 
von unmittelbar vorhergehenden und folgenden Werten zu 
sprechen. Dieselbe Bemerkung gilt fiir ein Minimum. 

Damit ein Maximum oder Minimum eintritt, genügt es 
nicht, daß der Differentialquotient für einen bestimmten Wert 

der unabhängig Variablen wird, sondern er muß auch sein 

Vorzeichen wechseln. Die Geschwindig- 
keit eines sich bewegenden Punktes kann 

z. B. einen Augenblick sein; bewegt er 

sich darauf in derselben Richtung weiter, 

so ist in diesem Augenblick die Entfernung s 

{§ 84) von einem festen Punkte der Bahn 

weder ein Maximum, noch ein Minimum. 

Kbenso kann eine Kurve, nachdem sie stets 

steigend einen Punkt erreicht hat, wo die 

Tangente der orAchse parallel läuft, also 

^ = ist, darauf weiter steigen (siehe 

Fig. 76). Die Ordinate ist dann in jenem 
Punkte kein Maximum oder Minimum. 

§ 122. Aufgabe. Die Grundlinie und 
Höhe eines Bechtecks zu bestimmen, wel- 
ches bei gegebenem umfang 2p den größten 
Inhalt I hat. 

Ist X die Grundlinie, dann ist /? — ar Pig ^g 

die Höhe und der Inhalt 

7 = :r (p — or) . 

Läßt man x von bis p zunehmen, so erhält man eine 
Schaar von Rechtecken. Die Änderung des Inhaltes bei Ände- 
rung von X ist gegeben durch 

dl o 

dx ' 

Da dieser Ausdruck für x =^ \p gleich wird und für 
Werte, welche <\p positiv, für Werte, welche > \p negativ 
ist, 80 ist der Inhalt für x = \p ein Maximum. Unter allen 
Bechtecken von gegebenem Umfang hat also das Quadrat den 
größten Inhalt. 




170 Sechstes Kapitel. 

• 

Soll umgekehrt die Grundlinie und Höhe eines Rechtecks 
bestimmt werden, welches bei gegebenem Inhalt Ij den mög- 
lichst kleinsten Umfang hat, dann setzen wir die Grundlinie 

wieder =^ x\ die Höhe ist dann — und der halbe Umfang 

;> = x + — , 

' X 

ax x* 

Hieraus folgt, daß für ar = ]/T der Umfang ein Minimum . 
wird. Unter allen Rechtecken von gleichem Inhalte hat also 
das Quadrat den kleinsten Umfang, was man übrigens auch 
aus dem Resultat der vorigen Aufgabe hätte ableiten können. 

§ 123. Der Differentialquotient einer willkürlichen alge- 
braischen Funktion vom zweiten Grade 

y =1 a + bx + ex* 
ist vom ersten Grade 

^=^b + 2cx. 

ax 

Da für jr = — — der Differentialquotient = wird und, 

a C 

wenn x diesen Wert passiert, sein Vorzeichen ändert, so wird 
die Funktion bei diesem Wert von x ein Maximum oder 
Minimum. Es sei z. B. 

y = 2 + o: — ar», 

also 3- = 1 — 2x. 

ax 

Wenn a: = 4, ist ^r^ = 0. Für kleinere Werte von x ist 

*' dx 

-— positiv, für größere negativ, also hat die Funktion bei 

X SS \ ein Maximum. Diesem Wert entspricht der Punkt a 
der Kurve 1 Fig. 25, Seite 76. 



^ Sobald dieser Punkt bekannt ist, liegt es auf der Hand^ durch 
Verschiebung der Koordinatenachsen nach demselben hin (§ 59) die 
Gleichung zu vereinfachen. Es ergiebt sich dann sofort, daß die Kurve 
eine Parabel ist. 



Regeln für die Differentiation. Anwendungen. 171 

§ 124. Zuweilen ergiebt sich durch eine einfache Über- 
legung, ob eine Funktion ein Maximum oder Minimum hat» 
Sei z. B. gegeben 

y = (^- - a^Y + {x- a^f + + (x -- ajS 

wo a, , «2, flj . . . . a^ Konstanten sind. Wenn o: = + oo, ist 
y = oo, wenn x = — oo, ist y ebenfalls oo, also muß sicher 
ftir irgend einen Wert von x die Funktion ein Minimum haben. 
Thatsächlich geht bei Zunahme von x 

^1 = 2 [nx - (a^ + a, + «3 + + «J] 

von negativen zu positiven Werten über, wenn 

0^1 4- fls 4- . . . . + »n 
n 

ist. 

Wenn y eine algebraische Funktion n*«° Grades ist, ist ~ 

vom n — 1^^ Grade. -- kann also für höchstens n — 1 ver- 

ax 

schiedene Werte von x gleich werden, und y kann daher 
höchstens n — 1 Maxima oder Minima haben. Ihre Zahl kann 
jedoch kleiner sein, da eine Gleichung n— 1*®" Grades nicht 
immer n — 1 Wurzeln hat, und da es außerdem möglich ist, 

daß fiir die Werte von x, bei denen -r^ = ist, kein Maxi- 

' dx % ^ 

mum oder Minimum eintritt (siehe § 121). 

§ 125. Die Gleichung einer Kurve, auf rechtwinkelige 
Koordinaten bezogen, sei 

Ax^ + 2Bxy + Cy^ = L, 

"WO Aj B, C und J) Konstanten sind. £s soll untersucht 
werden, wie sich die Länge des von nach einem Punkte P 
der Kurve gezogenen Leitstrahls ändert, wenn derselbe um 
herumgedreht wird. 

Führt man Polarkoordinaten r und & ein {§ 69), so wird 
die Gleichung 

r^{A cos« 19- + 2 fi sin »9- cos & + Csin« &) = D , 

D 



r2 = 



^co8"i^ +'2 58in£^cos^ + Csin'd ' 



172 



Sechstes Kapitel. 



man braucht also nur zu untersuchen, wie sich die Grröße 

A cos» {^ + 2Bsm& cos & + Csin» i^- , 

die wir s nennen wollen, mit ß- ändert. 

Es ist 

^ = (C - y/) sin 2 * + 2 5 cos 2 * , 

also, wenn man (vergl. § 30) 

C — A^y cos qp , 2 5 = / sin qr 

setzt, wo y und tp konstante Größen sind, 

^ = y8in(2,^ + <iP). 

Man sieht hieraus, daß bei fortwährender Zunahme Ton 
& der DiflFerentialquotient ^ das Zeichen wechselt, wenn 



und wenn 






ds 



und zwar geht 3^ das eine Mal von — in + , das andere 

Mal von + in — über. 

Wir folgern hieraus, daß es zwei zu einander senkrechte 
Richtungen giebt, derart^ daß der Leitstrahl flir die eine ein 
Minimum und-ftir die andere ein Maximum wird. (Vergl. hier- 
mit die Bestimmung der Achsen der Ellipse in § 60.) 

§ 126. Ein letztes Beispiel entnehmen wir der Physik. 

ABC (Fig. 77) sei der 
Durchschnitt eines Prismas 
mit einer Ebene senkrecht 
zur brechenden Kante. Ein 
Lichtstrahl PQ werde durch 
das Prisma nach Qi?, darauf 
nach 7? /S gebrochen. Es wird 
gefragt, bei welchem Ein- 
fallswinkel der gebrochene 
Strahl am wenigsten von 

seiner ursprünglichen Richtung abgelenkt wird. Man hat, 

wenn n der Brechungsexponent ist: 




Fig. 77. 



Regeln für die Differentiation. Anwendungen. 173 

sini = nsin?', 
r + r=A^, \ (21) 

sin 2*' = n sinr'. 

Sobald i gegeben ist, kann man aus diesen Gleichungen 
r y r' und i' und dadurch die Richtung des austretenden Strahles 
berechnen. 

Damit ist auch der Ablenkungswinkel zf bekannt: 

J = i+i' ^ A. 

Ändert sich die Richtung des einfallenden Strahles, so 
ändert sich auch J. Lassen wir i die unendlich kleine Zu- 
nahme dl erfahren, dann sind die hierdurch hervorgerufenen 
Veränderungen von r, r', f und J bestimmt durch die 
Gleichungen: 

cos i di = n cos rdr^ 

dr + dr — , 

cosi' di' = n cosr' dr' , 

dA = di + di' , 

die aus den obenstehenden durch Differentiation erhalten werden. 
Es lassen sich nun der Reihe nach dr^ dr', di' und dA durch 
di ausdrücken. Dadurch ergiebt sich 



\ cosr cos* / 



um nun zu entscheiden, ob beim Wachsen von i die Ab- 
lenkung größer oder kleiner wird, muß man untersuchen, ob 

cosicosr' ^1 ^1 
-7 < oder > 1 , 

cosr cos» 

oder ob 

cos» ^ j ^ cos»' 
< oder > 



cos r ' cos r 



ist Der Einfachheit halber legen wir die zweiten Potenzen 
dieser Größen der Untersuchung zu Grunde, da man diese mit 



^ Da die Summe der Winkel des Vierecks AQDR 360 <> beträgt, so 
ist z. QDR^ 180°- LA. Da r + r' = ISO«- i. QDR, so ist r + r' 
^ L A. Ferner ist Z. KQR - i - r und Z. KRQ = t' - r', mithin 
der Ablenkungswinkel A als Außenwinkel des Dreiecks QKR gleich 
i - r 4- i' — r', d. h. A — i + i' — A, 



174 



Sechstes Kapitel. 



Hilfe der GleichuDgen (21) in r und r' ausdrücken kann. San 
hat also zu entscheiden, ob 

r-z — < oder > -- — T-q—,- 

1 — 8iii*r 1 — 8m*r 

ist« Statt dieser Größen kann man auch schreiben 



n*- 



n» - 1 



1 — sin * r 



und 



w»- 



n* - 1 



und man sieht jetzt leicht ein, daß das erste oder zweite Un* 
gleichheitszeichen gelten muß, je nachdem 

r > oder < r 

ist. Hierbei ist n als > 1 vorausgesetzt. 

Nimmt der Einfallswinkel i von an zu, dann fangt auch 
r mit dem Werte an, und ist also, da r + r' = A ist, zu- 
erst r <, r\ Die Ablenkung /t wird also beim Zunehmen von 
r kleiner. Ist i so groß geworden, daß r > r' ist, so wird beim 
weiteren Wachsen J nicht mehr kleiner, sondern größer werden. 
Hieraus folgt, daß J für r = r', d. h. für i = i" ein Mini- 
mum ist. 



Aufgaben. 
Es sollen die folgenden Funktionen differentiiert werden: 
1. 4x»- 3.r2y^^+ 2.1-2 - 5ary.r- 2x + 3]/.i^ 

2. , 

x^ Yx yx 

l + X . 



1 



x^yx 
5. {a + bxP)^ ; 



3. — 3 -^- ; 4. 1 ± f X 4 - V X« + X 

yx Yx ' 



6. 



1 + x^ 






8. x{a + x)^{ö- x)', 



9. 



(a + bx-{- cx-f 
10. x{a + bx + cx2)„. 11^ (1 +x^^{l ^x + x^; 

''■TÜ-ly-^ 13. Vrr^; 14.--^^; 



15. 



]/m 



IG. 



]/er + X 



X 



Ya + Yx 



17 






18. 



X 



Ya -h b 



X* 



19. \a + *.r + c.r2; 



Regeln für die Differentiation. Anwendungen. 



175 



20. 



X 



■ 



ya + 6x + ex* 
23. [x + yr^^^T ; 



21. yi +3x] 22. 



■x + yi - X* 



24. 



Vi + X * + yi - X' 
yi Vx^ - y 1 -~x^ ' 



25. a:"-i(a + Äa:«)« ; 26. ^**; 27. cP + 9* + »-x«. 

28. a"*; 29. --^^^-^— ; 30. e^'\ 



e* +« 



-x' 



3\.p^^^'\ S2.xlx'-x] 83. /(a + *^*); 
34. l{p + qx + rx*); 35. /(«» + «"*); 

36. l[ßx + y^^~ß^~^^]', 

37. (x- l)<j2» + 4xß* + X + 2; 38. e^lx; 



39. / 



6 + 2(;x+ yb^ - 4ac 
-6 + 2 00;- 1/6* - 4 ac J ' 



40. sin'3x; 



j t • « » ^rt 81Il(« — X) 

41. 8in^xcos«x: 42. -r-^ -', 

sin (« + x) ' 
44. x"*8in/?x; 45. tgor — x; 46. 



43. 



smx 



X 

siunx 
Binx 



47. -r 



. . ^ , . 7- r ; 48. l/sin (d + x) sin (p — x) ; 

8in (a + x) sin (a — x) ' v/- • / vi- / j 

49. yi^flsin^x ; 50. 



2a smx 



1 + 2 o CO8X + a' ' 
öl. tgiyi-x), 5^. ,i„2«+ii52x' 



53. tgxtg^x; 54. e*»*cos/9x; 



55. 



e* CO8X 



1 + e* sin X 



56. .i + '8'; 57. /(^t|Jj); 58.lig^x; 

59. arc sin (a x) ; 60. arc tg ( p^ ] ; 

ßl. ararcsinx +]/l — x*; 62. sin (2 arc sin x); 



63. aresin 



6 + 2rx 



64 



V^- 4ac 

asinx __ ^ JyV-tl + ]/6- i tgjx\ 

'I+6COSX V5t_i Vl/r+ 1 - Vc- Ite^x/ 



176 Sechstes Kapitel. 

65. Es soll die Geschwindigkeit und Beschleunigung eines 
Punktes, der sich nach der Gleichung 



y = ac~^'cos2;r (-75 + p) 



bewegt, berechnet werden. 

66. Es soll die Richtung der Tangente an eine Hyperbel 
bestimmt werden, und zwar unter Benutzung sowohl der § 56^ 
als auch auf Grund der § 62 abgeleiteten Gleichung. Es soll 
auch bewiesen werden, daß die Punkte, wo die Tangente die 
Asymptoten schneidet, in gleichen Abständen vom Berührungs- 
punkt liegen. (Vergl. Aufgabe 14, S. 105.) 

67. Es soll die Richtung und Größe der Geschwindigkeit 
eines Punktes, dessen Koordinaten zur Zeit t 

X = a cos25r fy + jo j , y=:acos4:i; 

sind, bestimmt werden. (Vergl. Aufgabe 19, S. 106.) 

68. Welche Richtung hat die Tangente der Eettenlinie 

69. Es soll die Richtung der an die Archimedische 
Spirale (§ 69), an die hyperbolische und logarithmische Spi- 
rale (Aufgabe 25, S. 107) gezogenen Tangenten bestimmt 
werden. 

70. Eine Gasmaße, die anfangs unter dem Druck ^^ bei 
der absoluten Temperatur T^ das Volum t?^ einnimmt, dehnt 
sich aus, ohne daß dabei Wärme zu- oder abgeführt wird. Es 
seien während der Ausdehnung die gleichzeitigen Werte von 
Druck, Temperatur und Volum /?, T und v, dann ist: 

Po U ; ' T - 7i ' 

WO k eine Konstante ist. Welcher Zusammenhang besteht 
zwischen den gleichzeitigen unendlich kleinen Änderungen von 
Druck, Volum und Temperatur? 

71. Wie ändert sich die Stärke eines elektrischen 
Stromes, wenn sich der Widerstand in der Kette unendlich 
wenig ändert? 

72. Wie groß ist log(l + b), wenn 8 sehr klein ist? 



Regeln Ar die Differentiation. Anwendungen. 177 

73. Nach der Dispersionsformel von Ghbistgfpel ist der 
Srechungsindex eines Lichtstrahls von der Wellenlänge X: 

noV2 



n 



/^ + v + l/^ 



Xq und Uq sind Konstanten. Welche Veränderung von n ent- 
spricht einer sehr kleinen Änderung von A? 

74. £in vor einer Linse befindlicher leuchtender Punkt 
wird der Achse entlang unendlich wenig verrückt; wie ändert 
sich die Bildweite? 

75. Es ist der Winkel zu berechnen, den zwei im Spek- 
trum dicht bei einander gelegene Lichtstrahlen (z. B. die den 
beiden Natriumlinien entsprechenden) miteinander bilden nach 
ihrem Durchgang durch ein Prisma, B.uf welches sie unter 
einem gegebenen Winkel fallen. Der Unterschied dX der 
Wellenlängen und die Dispersionsformel n « F{X) (vergl. die 
vorletzte Aufgabe) für den Stoff, aus dem das Prisma besteht, 
sind gegeben. 

76. Es ist zu untersuchen, ob die Funktion 

ein Maximum oder Minimum hat. 

77. Zwei zu einander senkrechte Achsen OX und OYxmd 
ein Punkt P sind gegeben. Es soll durch P eine Linie so 
gezogen werden, daß die Länge des Stückes zwischen den 
Schnittpunkten der Linie mit OX und OY ein Minimum ist. 

78. Li eine gegebene Eugel soll ein Cylinder so einge- 
zeichnet werden, daß sein Inhalt ein Maximum ist. 

79. Es soll auf einer geraden Linie ein Punkt bestimmt 
werden, so daß die Summe der zweiten Potenzen seiner Ab- 
stände von zwei gegebenen Punkten ein Minimum ist. 

80. Für welche Werte von x wird 



m 



2 



ein Maximum? 

8L Eine Gerade Z und außerhalb derselben zwei Punkte 
Jy^ und J^ sind gegeben. Ein Punkt soll sich von A^ längs 
einer Geraden nach einem Punkt P auf L und von P wiederum 
längs einer Geraden nach A^ bewegen. Wenn diese Bewegungen 

LoRBSTK, DURurentialrechnuDg. 1^ 



178 Siebentes Kapitel. 

mit den vorgeschriebenen Geschwindigkeiten v^ und v^ vor sich 
gehen sollen, wie muß dann P gewählt werden, damit die Zeit 
welche für die ganze Bewegung nötig ist, ein Minimum wird? 
82. Zwei Drähte aus verschiedenen Metallen A und B, 
welche die Eigenschaft besitzen, daß an ihrer Berührungsstelle 
eine elektromotorische Kraft von Ä nach £ wirkt, die durch 
den Ausdruck a + bt + cfi als ENinktion der Temperatm* t 
gegeben ist, sind miteinander zu einer Kette verbunden. Die 
Temperatur der einen Berührungsstelle wird auf t^ konstant 
gehalten. Wie hoch muß man die andere Berührungsstdle 
erwärmen, damit die elektromotorische Kraft in der Kette ein 
Maximum oder ein Minimum wird? 



Kapitel VU. 

Differentialqnotieiiten höherer Ordnung. 

§ 127. Der Differentialquotient ist im allgemeinen wieder 
eine Funktion der unabhängig Variablen. Will man die Ver- 
änderungen ermitteln, welche derselbe beim Zu- oder Abnehmen 
dieser Variablen erfährt, so muß man ihn nochmals differen- 
^ tiieren, also die ursprüngliche Funktion zweimal differentiieren. 
'Man erhält so den Differentialquotienten zweiter Ord- 
nung oder den zweiten Differentialquotienten der ur- 
sprünglichen Funktion. Man. schreibt denselben (y ursprüng- 
liche Funktion, x unabhängig Variable) 



m 



dx 

oder 

d 

dx 



(ä-) 



Ist z. B. eine geradlinige Bewegung eines Punktes durch 
eine Gleichung von der Form 



Differentialqaotienten höherer Ordnung. 



179 



da^esteÜt (§ 84), dann ist die Geschwindigkeit 



" = ä' - ^'w- 



ds 



V oder "V ist also wieder eine Funktion von t^ und für die 

Beschleunigung ergiebt sich nach § 90: 

dv __ d /rf«\ 
dt " dt [dt) ' 
Ist Ä s=8 at^, so ist 

V = 2at 

und die Beschleunigung = 2a. 

§ 128. Ist y === /*(;r) die Gleichung einer Kurve, so zeigt 

uns, rechtwinklige Koordinaten vorausgesetzt, -^ =s tg d" die 

Richtung der Tangente, und also auch die Richtung der 
Kurve an. Diese Richtung ist von Punkt zu Punkt ver- 
schieden, sie hängt also von x ab. untersucht man die 
Änderungen, welche tg^ und & selbst von Punkt zu Punkt 
erleiden, so lernt man die Richtungs&nderung oder, wie 
man auch zu sagen pflegt, die Krümmung der Kurve kennen. 

Diese muß also mit dem zweiten Differentialquotient \^ ^ 

oder 3— (j^-) zusammenhängen. 

Schon das Vorzeichen dieses zweiten Differentialquotienten 
hat eine wichtige geometrische Bedeutung. Legt man durch 
einen Punkt P einer Kurve an dieselbe eine Tangente, so 
nennen wir die Kurve konkav nach oben, wenn die Kurve 

^ r 





Fig. 78. 



Fig. 79. 



in der Nähe des Berührungspunktes P auf beiden Seiten von 
diesem Punkt oberhalb der Tangente liegt (Fig. 78), dagegen 



12' 



180 



Siebentes Kapitel. 



konvex nach oben^ wenn die Kurve in der Nähe des Be- 
rührungspunktes P unterhalb der im Punkt P an die Kune 
gezogenen Tangente liegt (Fig. 79). 

Geht eventuell die Kurve in einem Punkt P aus der Kon- 
kavität in die Konvexität über, oder umgekehrt aus der Kon- 
vexitft in die Konkavität (Figg. 80 und 81), dann nennt man 
P einen Wendepunkt. Wenn man in einem solchen Punkt 
an die Kurve eine Tangente zieht, so liegen die benachbarten 
Punkte der Kurve auf der einen Seite des Wendepunktes 
oberhalb dieser Tangente, auf der anderen Seite unterhalb 
derselben. 









Fig. so. 



Fig. 81. 



Wir ziehen die y-Achse nach oben und erinnern uns, daß 
die gleichzeitigen Änderungen eines Winkels & und seiner 

Tangente immer dasselbe Vorzeichen haben (§ 103). Ist -^— 

oder j- j^i positiv, d. h. nimmt beim Zunehmen der 

Abscisse tgt?* und auch & selbst zu, so ist, wie die 
Figur unmittelbar zeigt, die Kurve nach oben konkav. 

Ist ^J oder ^— [-^\ negativ, so ist die Kurve nach 

oben konvex. Ist der zweite Differentialquotient für 
irgend einen bestimmten Wert der Abscisse, etwa x^a, 
gleich 0, und geht er, wenn x diesen Wert passiert, 
von positiven zu negativen Werten über (Fig. 80) oder 
umgekehrt (Fig. 81), so hat die Kurve für x ^ a einen 
Wendepunkt. 

Im Wendepunkt hat \%& und auch & selbst stets ein 
Maximum (Fig. 80) oder Minimum (Fig. 81). 



Differentialquotientön höherer Ordnung. 



181 



Beispiele: Es soll untersucht werden, ob die Kurve 

y = x^ + ax + b 

konvex oder konkav nach oben ist und ob sie einen Wende- 
punkt besitzt. 



Man erhält durch Differentiation 



dx 



= 2x + a, 



dx 



m ' '■ 



Da der letzte Wert stets positiv ist, so ist die Kurve 
überall nach oben konkav. 

Man soll in derselben Weise die Kurve 

y = Ä + (c — ar)5 
untersuchen. Durch Differentiation erhält man 



dy 



dx 
Für X = c ist 



= -3(c-:r)«, 



d 



dx 



{^) =«('-')■ 



-r^ = 0. Da -r^ negativ ist flir die un- 

ax ax 



mittelbar dem Werte x ^ c vorhergehenden und folgenden 
Werte, so hat die Ordinate unserer Kurve weder ein Maximum, 
noch ein Minimum. 

Da für ar = c, — [-2-] = 0, und flir x < c dieser Diffe- 
rentialquotient positiv, flir X > c negativ ist, so entspricht dem 
Wert X = c ein Wendepunkt. Vor demselben ist unsere Kurve 
konkav, hinter demselben konvex 
nach oben (Fig. 82). 

§ 129. Es soll jetzt nachge- 
wiesen werden, daß die Größe des 
zweiten Differentialquotienten uns 
lehrt, ob eine Kurve mehr oder 
weniger stark gekrümmt ist. 

Die Bichtungsänderung längs 
eines Kurvenstückes wird bestimmt 
durch den Winkel, den die Tan- 
gente am Ende mit der am Anfang 
des Kurvenstückes bildet. Ein Punkt 
bewege sich z. B. auf einem Kreis von F nach P' (Fig. 83). Am 
Anfang ist die Bichtung der Bewegung durch die Tangente PiZ, 




OM'O 



Fig. 82. 



182 



Siebentes Kapitel. 



am Ende durch die Tangente FR' bestimmt. Die Bichtungs- 
änderung ist also durch den Winkel QP'S' gegeben, und 
diesen können wir durch den gleich großen Centriwinkel PMF 

ersetzen. Ebenso ist die Richtiings- 
änderung längs des Kreisbogens PP" 
durch den Winkel Q'P"R" oder durch 
den gleich großen Winkel PMP" be- 
stimmt. Man sieht hieraus, wie bei 
ein und demselben Kreis die Bichtungs- 
änderung direkt proportional der Länge 
des betrachteten Bogens ist. Man wird 
in dieser Weise von selbst darauf ge- 
führt, die Bichtungsänderung pro £in- 
heit der Länge ins Auge zu fassen; diese 
betrachten wir als ein Maß der Krümmung und nennen sie 
auch kurz die Krümmung. Man erhält dieselbe, wenn man die 
Bichtungsänderung längs eines beliebigen Bogens, etwa FP\ 
d. h. den Winkel PMP' durch die Bogenlänge PP' dividiert 
Letztere ist aber gleich dem Produkt aus dem Centriwinkel 

und dem Badius jS, und es ist daher die Krümmung = 

Dieselbe ist also um so größer, je kleiner der Badius ist. 




Fig. 83. 



R 



Im Gegensatz zum Kreise zeigen bei allen anderen Kurven 
verschiedene Bögen von gleicher Länge ungleiche Bichtungs- 
änderungen, und erhält man daher für zwei beliebig gewählte 
Bögen verschiedene Besultate, wenn man jedesmal die Bich- 
tungsänderung längs des Bogens durch seine Länge dividiert. 

Man kann den in dieser Weise für irgend ein Kurven- 
stück gefundenen Quotienten füglich die mittlere Bichtungs- 
änderung pro Längeneinheit oder die mittlere Krüm- 
mung des betreffenden Kurvenstückes nennen. 

Will man aber die Krümmung von Punkt zu Punkt über- 
blicken, so liegt es nahe, den Grenzwert zu betrachten, dem 
sich die mittlere Krümmung nähert, wenn man den Anfangs- 
punkt P des Bogens festhält, die Länge desselben aber fort- 
während kleiner werden läßt. Diesen Grenzwert nennt man 
jetzt die Krümmung im Punkte P. Man kann dieselbe auch 
definieren als die Bichtungsänderung pro Einheit der Länge, 



Differentialquotienten höherer Ordnung. 



183 




berechnet aus der Richtungsänderung längs eines unendlich 
kleinen Bogens. 

§ 130. Gegeben sei die Gleichung der Kurve (Fig. 84), be- 
zogen auf rechtwinklige Koordinaten. Dann erhalten wir durch 
DiflFerentiation von y nach x die Tangente des Winkels zwischen 
der an jeden Punkt der Kurve ge- 
zogenen Berührungslinie und der ^ 
Abscissenachse, z. B. des Winkels 
RPr^». Von den beiden 
Richtungen der Tangente wollen 
wir die als die positive betrach- 
ten, in der x zunimmt, so daß 
also cosi?* stets positiv ist, tgi?- 
aber nach Umständen positiv oder 
negativ. Um nun die Krümmung 
in P zu bestimmen, gehen wir in 
der soeben festgelegten Richtung 
um den unendlich kleinen Bogen 

PP'= ds weiter; es ist ds eine positive Größe. In P' bildet 
die Tangente mit der Abscissenachse den Winkel R'P'X", Wir 
ziehen P'Q parallel PR. i_ QP'X" ist dann gleich &, 
Z.Ä'P'Q = rf*. Es soll nun zunächst die Größe des Win- 
kels cf?9', die Richtungsänderung längs PP'y berechnet werden. 

Beim Übergang von P nach P' wächst die Abscisse um 
ÄÄ' = rfa: = cos d- . ds. 

Infolgedessen wächst auch tgö- oder -r^, und zwar um 
-^— /. dx =^ - - (3^ I dx. Wir haben also 

ax ax \axj 

Da rf(tg d) = — i-r , so ist 



Fig. 84. 



also 



dß'^c,o%^&d{ig»), 
d& ^cos^& ^~(p]ds. 

ax \dx) 



Dividieren wir dO- durch ds^ dann erhalten wir die Krüm- 
mung in P. Es braucht wohl kaum daran erinnert zu werden, 



184 



Siebentes Kapitel. 



daß die Yorstehenden Gleichungen so aufzufassen sind, wie 

§ 92 dargelegt wurde. 

Will man nicht gleich Differentiale einführen, so läßt sich 

der Beweis der letzten Formel folgendermaßen einkleide. 

Wir bezeichnen mit Ax einen beliebigen Zuwachs der Ab- 

scisse, mit As den entsprechenden Teil der Kurve PP', mit 

Ji?-, Ay die entsprechenden Änderungen von -3- und y. Es 

ist offenbar 

AiX^b) Ax 

A& _ 

As ■" 



Ax As 



A» 

Diese Gleichung muß bestehen bleiben, wenn wir alle 
Änderungen unendlich klein machen, also gilt 

d(tg^) dx 
d& __ dx ' ds 
Is ~ d (tg ^) 

und cos &• = .-f 

as 



Da tg i9- = 



dy 
dx 



SO finden wir fiir die 



Krümmung 



d& 
ds 



J_(dy\ 
dx \dxj 



''^lc08* 



— = COS^Ö--: 



dx 



[dxj 



cos«^ 



Gewöhnlich giebt man, um die Kurve zu charakterisieren, 
nicht die Krümmung an, sondern den sogenannten Krüm- 
mungsradius (>, d. h. den Radius desjenigen Kreises, welcher 
dieselbe Krümmung hat, wie das unendlich kleine bei P be- 
findliche Stück der Kurve. Da nun die Krümmung dieses 

Kreises nach dem vorigen Paragraphen — ist, so folgt aus der 
Definition, daß o = --- ist, also 

^ dir 



(? = 



cos' 



oder 



dx \dx) 



9 = 



1 + 

'~d 
dx 



'dy 
dx 



■ \dx) 



% 



(1) 



Differential quotienten höherer Ordnung. 185 

Diese Formel ergiebt für q bald das positive, bald das 
negative Vorzeichen, und es erbebt sich also die Frage, welche 
Bedeutung dieses haben kann. Da wir ds stets positiv rechnen, 

80 hängt das Vorzeichen, welches wir f&r die Krümmung -=— , 

OS 

ds 

oder den reziproken Wert, den Krammungsradius -^ finden, 

nur von dem Vorzeichen von d& ab. Von P nach P' wächst 
die Abscisse ar; ob dabei & zu- oder abnimmt, das hängt 
davon ab, ob die Kurve nach oben konkav oder konvex ist. 
Im ersten Falle wird also das Verhältnis von d& und ds 
positiv, im zweiten Falle negativ. 

Das Vorzeichen des Ausdruckes (1) stimmt hiermit überein. 

Den Zähler, der statt — i - steht, haben wir hier nach dem 

über cos & Gesagten mit dem positiven Vorzeichen zu versehen. 
Der Nenner aber ist positiv, wenn die Kurve konkav, und 
negativ, wenn dieselbe konvex nach oben ist. 

§ 131. Der Krümmungsradius läßt sich auch als das 
Besultat einer geometrischen Konstruktion darstellen. Man ziehe 
in den Punkten P imd P' (Fig. 84) Normalen an die Kurve. 
Dieselben schneiden sich in einem Punkte M, und es läßt sich 
nun zeigen, daß M sich einer bestimmten Grenzlage nähert, 
wenn P' immer näher an P heranrückt und daß der Grenz- 
wert der Linie PM gerade der Krümmungsradius q ist. 

Wir verbinden P mit P' und fällen außerdem aus P ein 
Lot / auf MP\ (In der Figur sind diese Linien nicht ge- 
zeichnet.) 

In dem Dreieck MPP' ist 

sin PMP sm PMP PP 

Gehen wir zu den Grenzwerten über, so fallen die Linien / 

und PP' zusammen; der Faktor rrö/ bat also den Grenzwert 1 . 

In dem Faktor 

PP' 



sin PMP' 



läßt sich die Sehne PP' durch den Bogen PP'=^ds, und 
ünPMP' durch den Winkel PJIfP' ersetzen. Da nun dieser 



186 Siebentes Kapitel. 

Winkel zwischen den Normalen in P und P' dem Winkd 
QP'R' =^ d& zwischen den Tangenten gleich ist, so ist 

LimPJIf=^, 

also 

LimPJIf = Q. 

Der Punkt M in seiner Grenzlage heißt Krümmungs- 
mittelpunkt und der um denselben beschriebene Kreis, 
welcher die Kurve in P berührt, Krümmungskreis. Ans 
der Figur sieht man sofort, daß der Krümmungsmittelpankt 
immer auf der Seite liegt, nach der die Kurve konkav ist, 
also bald oberhalb, bald unterhalb der Kurve. Diesem Unter- 
schiede entsprechen die verschiedenen Vorzeichen, welche (1) 
für Q ergeben kann. 

§ 132. Beispiel. Es soll der Krümmungsradius der 
Parabel bestimmt werden, deren Gleichung 

y* =s 2px 
ist. 

dx 
dx \dx) 2 |/ 2»»' 

Im Scheitel, wo :r = 0, hat die Parabel dieselbe Ejrüm- 
mung, wie ein Kreis mit dem Radius p {p ^ das Doppelte des 
Abstandes des Scheitels vom Brennpunkt). Nimmt x zu, so 

wird p immer größer, die Krümmung -- also immer kleiner. 

§ 133. Wir wollen jetzt ein Problem der Mechanik be- 
handeln, bei dem die Krümmung einer Kurve in Betracht 
kommt. Ein Punkt bewege sich in irgend einer Weise auf 
der Kurve SS' (Fig. 85). Es ändert sich dann im allgemeinen 
die Größe der Geschwindigkeit und außerdem auch ihre Rich- 
tung von Ort zu Ort. Die Geschwindigkeit zur Zeit t, wenn 
der Punkt sich in P befindet, möge durch die Linie PQ, die 
Geschwindigkeit zu einer späteren Zeit t', wenn der Punkt 
nach P' gekoitimen ist, durch P'Q' dargestellt werden. K^ 



" yix ' 




Differentialquotienten höherer Ordnung. 187 

Richtung dieser Geschwindigkeiten fällt natürlich mit den an die 
Kurve in P und P' gezogenen Tangenten zusammen. Man kann 
sich nun vorstellen , daß die Geschwindigkeit in P' aus der 
ursprünglichen Geschwindig- 
keit dadurch entstanden ist, ^ yO^' 
daß der Punkt neben dieser 
letzteren noch eine neue Ge- 
schwindigkeit erhalten hat, 
welche mit der ursprünglichen 
nach der für die Zusammen- 
setzung von Vektoren (§ 32) " N 
gegebenen Regel vereinigt Fig- 85. 
worden ist Um diese y.hin- 

zugekommene'^ Geschwindigkeit zu bestimmen, ziehen wir von 
einem willkürlichen Punkt zwei Linien OÄ und OÄ' parallel 
und gleich groß mit PQ und P'Q\ Der Vektor ÄA' stellt dann 
die Geschwindigkeit dar, welche wir der ursprünglichen haben 
hinznfiigen müssen , damit wir die Resultierende OA' erhalten. 
Wir definieren nun die Beschleunigung des Punktes als die 
Geschwindigkeitsänderung pro Zeiteinheit, berechnet aus der 
während einer unendlich kleinen Zeit stattfindenden Geschwindig- 
keitsänderung. D. h. wenn die Bewegung von P nach P' in der 
Zeit At stattfindet, so ist die Größe der Beschleunigung gleich 

dem Grenzwert, dem sich —rr nähert, wenn At fortwährend 

abnimmt (wobei der Anfangswert von t festgehalten wird). Wir 
legen weiter der Beschleunigung die Richtung bei, der sich die 
Richtung von AA' nähert. Wir machen noch darauf aufmerk- 
sam, daß das Wort „Beschleunigung'' hier in einem etwas 
anderen Sinne als früher (§ 90) benutzt wird. Dort änderte 
sich nur die Größe der Geschwindigkeit, nicht aber ihre Rich- 
tung; hier ändert sich entweder die Richtung allein, oder sonst 
Richtung und Größe zu gleicher Zeit. Übrigens umfaßt die 
obige allgemeine Definition die in jenem Paragraphen ge- 
gebene. 

§ 134. Wir wollen zunächst den Fall betrachten, daß 
sich ein Punkt mit gleichförmiger Geschwindigkeit auf einer 
ebenen Kurve 88* (Fig. 86) bewegt. Da dann das Dreieck OAA' 
gleichschenklig ist, nähert sich AA' einer Richtung senkrecht 



188 



Siebentes Kapitel. 



ZU Oä. Die Richtung der Beschleunigung Mit daher nit 
der Normalen im Punkte P, also mit PN^ zusammenf und 
zwar ist dieselbe, wie die Figur zeigt, nach der konkaven 
Seite gerichtet. Um ihre Größe zu finden, nehmen wir an. 
daß der Bogen PP' unendlich klein sei » ds. Die anendlich 
kleine Geschwindigkeit AÄ' ist gleich dem Produkt aus dem 
Winkel AOA\ den wir % nennen wollen und der Geschwindig- 
keit OA = Vj also 

AA' = va, 

AA' _ V8 
dt "dt' 

Da JLAOA'^t die Richtungsänderung der Bahn längs 

PP' darstellt, so ist -^ die Krümmung der Bahn in f 

(§ 130), also, wenn wir mit q den Krümmungsradius be- 
zeichnen, 

JL ^ _L 

Setzen wir dies in die obige Gleichung ein, so geht die- 
selbe über in 

AA' ^ ^ «ff ^ 1^ 
dt Q dt Q 



ds 

6 = — 



(2) 



da ja 



ds 
"dt 



= V ist. 



Die Beschleunigung in der Richtung der Normalen, 
die sogenannte Normalbeschleunigung, ist also dem 
Quadrate der Geschwindigkeit direkt, dem Krüm- 
mungradius indirekt 
proportional. 

Um für den allge- 
meinen Fall (Fig. 85), wo 
sich außer der Richtung 
auch die Größe der Gre- 
schwindigkeit ändert, die 
Beschleunigung zu bestim- 
men, betrachten wir wie- 
derum ein unendlich kleines 
Stück der Bahn PF. Wir ziehen in dem Dreieck OAA' die Linie 
AB±_OA'. Die unendlich kleine Geschwindigkeitsänderung A A ' 
können wir uns nun als zusammengesetzt aus den Geschwindig- 





Fig. 86. 



Differentialqaotienten höherer Ordnnng. Ig9 

keitsändernngen AB und BÄ' denken. Demgemäß kann man 

AH "RA* 

jetzt von zwei Beschleunigungen -^r- und . ■ in den Richtungen 

AB und BA' reden. Die wirkliche Beschleunigung ergiebt sich 
aus diesen beiden, wenn man dieselben wie Vektoren zusam- 
mensetzt. 

Was nun zunächst die Richtungen dieser beiden Be- 
schleunigungen betrifft, so wird nach dem Übergang zur Grenze 
AB senkrecht auf OA stehen und BA' die Richtung von OA 
haben. Die erste Komponente der Beschleunigung ist also 
normal zur Bahn, die zweite tangential gerichtet. 

Für die Größe ^ der ersten Komponente ergiebt sich 
wieder der Ausdruck (2) und für die Größe der Tangential- 
beschleunigung 

Mit Weglassung von unendlich kleinen Größen zweiter 
Ordnung darf man nämlich schreiben 

BA' = OA' ^OA^ dv. 

Ist die Bewegung geradlinig [q = oo), so ist die Normalbe- 
schleunigung 0, und es bleibt nur die Tangentialbeschleunigung 
übrig. 

§ 185. Im allgemeinen ist auch der zweite Differential- 
qnotient wieder eine Funktion der unabhängig Variablen; er 
läßt sich also abermals differentiieren. Dadurch erhält man 
den dritten Differential quotienten; differentiiert man diesen, so 
gelangt man zum vierten u. s. w. Ist x die unabhängig Va- 
riable, y die Funktion, dann könnte man die verschiedenen 
Differentialquotienten folgendermaßen schreiben: 



dy ^ d 
dx ' dx 



©■ .4L4©]-'- 



An Stelle dieser schwerfälligen Symbole hat man ein- 
schere eingeführt. 

Um dieselben kennen zu lernen, wollen wir von § 18 
ausgehen. Die daselbst angefahrten Differenzen erster, zweiter 



^ Wir beschrfinken tuiB aach hier auf eine Bewegung in der Ebene. 



190 Siebentes Kapitel 

Ordnung u. s. w. bezogen sich alle auf einen bestimmten Werl 
des Zuwachses Ax, Wir können nun die Differenz erster 
Ordnung, Ay^ , durch Ax dividieren und erhalten dann den Dif- 
ferenzquotienten 

Ayy 

Ax 

dessen Grenzwert, wenn Ax fortwährend abnimmt, 

dy 
dx 
ist. 

Wenn Ax sich der Null nähert, nehmen auch die Diffe- 
renzen zweiter Ordnung ab, und zwar noch rascher als die 
Differenzen erster Ordnung. Es läßt sich nun zeigen, daß das 

Verhältnis 

A% 

Ax 



(4) 



einen endlichen Grenzwert hat und daß dieser eben der Wert 
des zweiten Differentialquotienten ist. 

Um dieses zu beweisen, bemerken wir zunächst, daß, so- 
bald der Wert von Ax festgelegt ist, für jede gegebene E\ink- 
tion (p der Differenzquotient 

A(p 



Ax 



(5) 



berechnet werden kann. Derselbe ist im allgemeinen eine 
Funktion von x, d. h. des dem Zuwachs Ax vorangehenden 
Wertes. Die durch (5) angedeutete Operation hat einige Ähn- 
lichkeit mit dem Differentiieren und geht hierin über, wenn Ax 
fortwährend abnimmt. 

Für (4) kann man nun schreiben 



^*.Vi 


Ax Ax 


Ax-" 


Ax 



Im Zähler stehen hier zwei aufeinanderfolgende Werte 
der Funktion ~- , und zwar die Werte, welche x^ und x^ ent- 

sprechen. Der Zähler selbst ist also der Zuwachs, den -r 
erleidet, wenn x um Ax zunimmt, und der Bruch selbst ist 



Di£Ferentialquotienteii höherer Ordnung. 191 

der Diflferenzquotient der Funktion -j-. Mit anderen Worten: 

man erhält (4), wenn man von der ursprünglichen Funktion zwei- 
mal nacheinander den Differenzquotienten bildet, und es muß 
also dieses Verhältnis den Ausdruck, den man durch zweimalige 
Differentiation erhält, zum Grenzwerte haben. 

Für diesen Grenzwert könnte man nun schreiben 

ähnlich wie bei dem Quotienten erster Ordnung ersetzt man 
aber auch hier das A durch ein d und läßt das Zeichen 
,.Iiim<' weg. Man schreibt also 

und dieses ist die übliche Bezeichnungsweise für den zweiten 
Differentialquotienten. 

Für die weiteren benutzt man die Zeichen 

zu denen man in ähnlicher Weise gelangt. 

Für die Formel (1) kann man jetzt schreiben 

, h(lf)T- 

dx* 

§ 136. Da der zweite, dritte, vierte u. s. w. Differen- 
tialquotient wieder Funktionen von x sind, so nennt man sie 
auch die zweite, dritte, vierte u. s. w. abgeleitete Funktion 
und schreibt sie analog wie in § 89 , wenn y = F{x) die ur- 
sprüngliche Funktion ist 

Man findet auch manchmal für die aufeinanderfolgenden 
Differentialquotienten die Schreibweise 



y\ y", y'" • . • . 



oder 



y^ y 



• * . • 



192 Siebentes Kapitel. 

§ 137. Zur Berechnung der Differentialqnotieiiteii höherer 
Ordnung braucht man nur die Regeln des vorigen Kapitels 
wiederholt anzuwenden. Manchmal läßt sich f&r die ver- 
schiedenen abgeleiteten Funktionen eine einfache allgemeiDe 
Regel aufstellen. 

Ist 

dann ist 

äx ^^ ' 

und allgemein 

— ~ = m(m — 1) . , . . (m — n + l)x"«-'*. 

Ist m = 4, so kann man Differentialquotienten bis zun 
vierten Ordnung ableiten , die folgenden sind ; ist m = 6, 
so ist der letzte Differentialquotient, der nicht verschwindet, 
von der sechsten Ordnung. Der Leser möge sich hiervon 
selber überzeugen. Bei wiederholten Differentiationen einer 
ganzen rationalen algebraischen Funktion (§ 3) fallen nach- 
einander alle Glieder fort, zuerst das konstante Glied und zn- 
letzt das Glied mit dem höchsten Exponenten. 

§ 138. Aus 
erhält man nacheinander 

^^P""' g =;>»«'» u. 8. w. 

Noch einfacher liegen die Verhältnisse bei der Funktion «*; 
hier sind alle abgeleiteten Funktionen gleich der ursprüng- 
lichen e*. 

Im folgenden sind noch einige höhere Differentialquotientea 
abgeleitet: 

y = sin/?ar, z = cospx, 

dy dx . 

^-f = - ;>» sin px , -^^j = -p' cospz, 



Differentialqüotienten höherer Ordnung. 193 

In diesen Formeln treten immer höhere Potenzen von p 
auf, während gleichzeitig die Sinus mit den Eosinas abwechseln. 
Nach zwei Differentiationen nimmt die Funktion ihren ur- 
sprünglichen , aber mit entgegengesetztem Vorzeichen und 
mit einem anderen konstanten Faktor versehenen Wert wieder 
an. Hieraus folgt, daß bei der einfachen harmonischen Be- 
wegung (§ 45) die Beschleunigung (zweiter Differentialquo- 
tient) dem Abstand von der Gleichgewichtslage (ursprüngliche 
Funktion) proportional, und nach der Gleichgewichtslage hin 
gerichtet ist. 

Es verdient noch hervorgehoben zu werden, daß man, 
wenn die Differentialquotienten einer Funktion für einen be- 
stimmten Wert x = a berechnet werden sollen, zuerst die 
Differentiation ausführen und erst nachher x ^ a substituieren 

muß. Hätte man schon in ^ ^ F' \^x) den Wert a eingesetzt, 

so könnte man aus dem gefundenen Werte F' (a) den zweiten 
Differentialquotienten nicht mehr ableiten. Seiner Bedeutung 
nach hängt ja auch F" (a) nicht bloß von dem einen Werte F'{d) 
des ersten Differentialquotienten ab; F" [a) wird vielmehr be- 
stimmt durch die Änderung, welche F' {x) in der Nähe von 
or SS a erleidet. 

§ 139. Die Regel von § 105 über die Differentiation 
eines Produktes zweier Funktionen von x läßt sich auch bei 
der Berechnung der Differentialquotienten höherer Ordnung 
anwenden. 

Bevor wir die allgemeinen Formeln aufstellen, geben wir 
ein Beispiel. Gegeben sei 



X o.m 



y SS e^^x 

EiS soll der zweite Differentialquotient dieser Funktion 
ermittelt werden. 

Wir setzen eP*= m, x"» = r und erhalten dann nach der 
allgemeinen Regel 

LosBMTZi Diflbrentialreclmimg. 18 



194 Siebentes Kapitel. 

dy dv , du 

^ = «»»»[mar»-! ^ jpa«] . 

Dieses ist wieder ein Produkt; differentiieren wir dasselbe 
wieder nach der allgemeinen Regel, so erhalten wir den zweiten 
Differentialquotienten^ nämlich 

^ = eP*[m{m — l)x^-^ + 2jE?mx«-i + p^x^']. 

Ist im allgemeinen 

y = «*», 
so findet man durch Differentiation von 

dy ^ dr , du 
dx dx dx 

WO jedes Glied wieder ein Produkt zweier Funktionen ist, 

d^y ^ dPv ^dudv cPt* 

da;' dx^ dx dx dx* 

Der dritte Differentialquotient ergiebt sich hieraus in ähn- 
licher Weise 

da;» "da;» ^ da; da;«" ^ ^ da;« da; ^ da;» ' 

und ebenso der vierte, f&nfte u. s. w. 

Auch die Begel von § 108 kann in ähnlicher Weise bei 
der Ableitung der höheren Differentialquotienten angewandt 
werden. Ist z. B. 

y = siutt, 

• i. dy dy du 

SO ist 3^ = 3 - 3 = 008M . tf*. 

dx du dx 

Um jetzt den zweiten Differentialquotienten ^^ zu er- 
mitteln, differentiiere man das Produkt rechts nach der ge- 
wöhnlichen Regel, also 

~'^ = cos u ~^-'^ 4- -^l^""-^ . 

dx* dx dx 



Differentialqaotienten höherer Ordnung. 195 

Da nun 

d(co8u) d(co9u)du du 

dx du dx dx 

iaty so wird 

(Pv du 

--r4- = COS i£ . e* — C* 8m7Z j— , 
dx* dx 

oder, indem man für u seinen Wert einsetzt, 



d^y 



= ef^ cos tf* — e^* sin ef . 



dx* 

Auch für derartige Fälle läßt sich eine allgemeine Formel 
entwickeln. 

Hängt y von u ab und u seinerseits von x, so ist zunächst 

dy ^_ dy du 
dx du dx 

Um -T~- zu bilden, hat man also ein Produkt zu differen- 
dx^ ' 

tiieren. Der Differentialquotient des zweiten Faktors ist -.-^ ; 

dx 

um den ersten nach x zu differentiieren, beachte man, daß 

ebenso wie y selbst auch -,- eine Funktion von u ist. Man 

•^ du 

differentiiere also nach u und multipliziere das Resultat mit 

dx \du ) du* dx 
Schließlich wird ' 

d^y dy d*u d*y fdu\^ 



% d*y fduY 
* "^ rft? [dxj 



dx* du dx* 

Der dritte Differentialquotient ist 



dy d^u n d*y du d^u d^y (du V 

du dx* du* dx dx* du^ \^^/ 



§ 140. Sind x und y Funktionen einer dritten Variablen Jl, 
^ so kann man nach § 114 den Differentialquotienten ableiten, 
ohne X zu eliminieren. Dasselbe gilt von den höheren Dif- 
ferentialquotienten. Es ist nach § 114 

dy 

dl 

13* 



196 Siebentes Kapitel. 

Da ~~ und -^ Funktionen von X sind, so ist y' ebenfEÜk 

dl dl y :^ 

eine Funktion von A. Durch nochmalige Anwendung der eben 
benutzten Regel erhält man also 

dy 

dl 



Ü°^Ä 



dy^ dl I dx 
dy' _ ^dl _ \dl 
dx ^x dx 

dl dl 

I dy\ 

ZU bestimmen, benutzen wir die allgemeine 



dk 



dx 

\ dl I 



Regel § 105 



also wird 



-(-) = 

dx\v ) 



du dv 
ff u — 

dx dx 

9 9 



dy \ dx d^y dy d}x 
d\di\ dl ~di} " dl l^P 



dl \ dx l (dx\* 



woraus folgt 



(dxY 
[dl) 



j 



dl 

dx cPy dy d^x 
d}y _ ~d~i 'dH} " d l d}} 
dx^ ~ /dxV 

[dl) 

Für die Cykloide ist z. B. § 114 

X = r (A — sin A) , y = r (1 — cos X) , 

dy sin l 

dx 1 — cosA 

d'y 1 



(7) 



dx* r(l — cos iL)' 

Für den Krümmungsradius findet man nach Formel (1) 

p= -2*/.r(l -cosA)V.. 

§ 141. Im folgenden soll noch eine Anwendung der 
Formel (7) gegeben werden. Bewegt sich ein Punkt im Ranm, 
dann kann man die Geschwindigkeit Vj die er zu einer be- 
liebigen Zeit t hat, nach drei zu einander senkrechten Eoor- 



DifFerentialquotienten höherer Ordnung. 1^7 

dinatenachsen zerlegen; wir wollen die Komponenten durch 
»^, V und v^ bezeichnen. Vergleicht man die Geschwindig- 
keit des Punktes zur Zeit ty OA (Fig. 85, § 133) mit 
der zur Zeit t + dt^ 0A\ so ergiebt sich sofort, daß die 
Projektionen des Vektors AA' auf die drei Koordinaten- 
achsen gleich den DiflFerenzen der Projektionen von OA' und 
OA sind. Dieselben sind also gleich den Zunahmen, die v^, 
V und v^ während der Zeit dt erfahren, also gleich dv^^ dv 
und dv. 

m 

Die Beschleunigung hat nun, wie wir sahen, die Richtung 
des unendlich kleinen Vektors AA'j und die Größe derselben 
wird erhalten, wenn wir AA' durch dt dividieren. Die Kom- 
ponenten der Beschleunigung nach den Koordinatenachsen er- 
geben sich also, wenn man die Komponenten von AA' durch 
dt dividiert. Dieselben sind also 

dv^ dVy dVg .rv^ 

-df' ~di' -dt' ^^ 

d. h. sie sind ebenso groß wie die Beschleunigungen, mit denen 
die Projektionen des beweglichen Punktes auf die Achsen sich 

bewegen. Da »^ = ^ , v^^ -j-, t?^ = -^ , so läßt sich für (8) 

auch schreiben 

d^x d^y d^% 

IW' 'd^' d?* 

Nach § 134 waren die Komponenten der Beschleunigung 

in Richtung der Tangente und Normalen — und — . Die 

Komponenten der Beschleunigung in Bichtung der Achsen sind 

nach dem Vorhergehenden . , , ~Ji^~ » ..» • Mit Hilfe der 

Formel (7) lassen sich nun, wenn die Bewegung in einer Ebene 
stattfindet und wir also nur zwei Koordinaten z und y ein- 
führen, aus den Komponenten der Beschleunigung in Bichtung 
dieser beiden Achsen die Komponenten in Bichtung der Tangente 
und Normalen ableiten. 

§ 142. Um dieses durchzufuhren, gehen wir von dem § 33 
bewiesenen Satz aus: Projiciert man einen aus zwei Kompo- 
nenten zusammengesetzten Vektor auf eine beliebige Rich- 
tung, so muß dasselbe herauskommen, wie wenn man die 
einzelnen Komponenten auf jene Richtung projiciert und diese 



198 Siebentes Kapitel. 

Projektionen algebraisch addiert. Projicieren wir also 
Beschleunigungen in Richtung der Achsen auf die Tangente 
und Normale der Bahn und addieren diese Projektionen, so 
erhalten wir direkt die Beschleunigungen in Bicbtung der 
Tangente und Normalen. Bildet die Tangente mit der x- Achse 
den Winkel &, die Normale also den Winkel 90®+ &j so 
sind die Projektionen der ersten Beschleunigungskomponente 

— ^ ) deren Richtung mit der x- Achse übereinstimmt, auf die 

Richtung der Tangente und Normalen 

cos & -r:^ und — siu & -j-r » 
dt* dt* 

die der Komponente -v^f^, 

dt* dt* 

Durch Addition findet man ftir die Tangentialbeschleuni- 
gung T und die Normalbeschleunigung N 

2'=co8^4^ + 8in*-g-. (9) 

jV=-8in^^ + co8^4;^. (10) 

dx 



Da 






cos & • 


dx 
~ ds " 


dt 

V 

dy 


und 






sint?- ! 


_dy _ 
" ds ~ 


dt 


so geht (9) 


über in 












y= 


1 fdx 
V [dt 


d*x 
dt* "^ 


dy d*y\ 
dt dt*)' 


Ist u < 


eine 


beliebige Funktion 


von t, dann ist stets: 








du 


,rfO 


u^ 



u 



dt 2 ^f 



Hieraus folgt, wenn man für u erst -^, dann -~ setzt 

dt dt 

(dx ^x dy d*y\ ^ id_ fdxy , i d_ fdyy 
[dt dt* "^ dt dt^' / ■" 2 ^^ [dt) "^ ♦ dt[dt) 

d(v*) vdr 



= i 



dt dt 



iv.-r-si g 



Differentialquotienten höherer Ordnung. 199 

Hierdurch geht (9) über in 

dt' 
In ähnlicher Weise erhält man aus (10) 

Ty _ 1 I dx d^y _ ^ dy d^x\ 
V \dt dt* dt dt*) ' 

Kombiniert man diese Gleichung mit (7), in welcher Glei- 
chung wir X durch t ersetzen können, weil ja :r und y beide 
von t abhängen, so erhält man 

= 1 (dxy 

" V [dt) 

Setzt man hierin schließlich für -^ den aus (1) folgenden 
Wert ein, so wird 

Wir haben also aus den Komponenten der Beschleunigung 
in Eichtung der Achsen die Normal- und Tangentialbeschleuni- 
gung berechnet. 

§ 143. Nach § 121 hat die Funktion: y ^ f\x) ein 

Maximum oder Minimum, wenn der Differentialquotient J^ für 

einen bestimmten Wert a von x gleich wird und das Zeichen 
wechselt, und zwar besteht ein Maximum, wenn beim Zu- 
nehmen Yon X der Differentialquotient von positiven zu nega- 
tiven Werten übergeht, und ein Minimum, wenn dabei ein 
Übergang von negativen zu positiven Werten stattfindet. Im 

ersten Fall nimmt ~- ab, -t4 muß also negativ sein: im 

dx ' dx^ ^ 

zweiten Fall nimmt -^ zu, -^^ muß also positiv sein. Um- 

ax ux 

gekehrt muß auch, sobald für den Wert ar = «, -?^ = und 

j K negativ oder positiv ist, -^ sein Vorzeichen ändern und y 

ein Maximum oder Minimum werden. Wir haben also folgende 
einfache Regel, um zu entscheiden, ob ein Maximum oder 
Minimum vorliegt. 



200 Siebentes Kapitel. 

» 
Wenn für irgend einen Wert von jr, /"'(x) = ist 

und f'\x) positiv, so bat die Funktion für diesen Wert 

von X ein Minimum. Ist dagegen f'{x) negativ, so hat 

die Funktion f{x) für jenen Wert von x ein Maximum« 

Auf den Fall, V70 für a: = a auch -^ (oder f"{x)^ ver- 
schwindet, kommen wir später zurück. 

Zur Bestätigung dieser Regel können die Beispiele von 
§§ 122 — 125 dienen. Wir fügen noch ein neues hinzu. 

Es soll der Gang der Funktion 

y «a:»— 9ar»+15x — 3 

untersucht werden. 

Durch Differentiation findet man 

^!- = 3x»-18:r+15, 



dx 



= 6ar- 18. 



Der erste Differentialquotient ist für 

X = 1 und jT =a 5. 

Für diese Werte von x ist -rK = — 12 und +12. y ist 

dx* ^ 

also ein Maximum für x = 1 , ein Minimum för x =s 5. 
Bei X = 1 geht ^ von positiven zu negativen Werten über, 

bei a: = 6 geht —^ von negativen zu positiven Werten über. 

Die Funktion besitzt, da -r- für keine anderen Werte von x 

' dx 

das Zeichen wechselt, keine weiteren Maxima, noch Minima. 

Nach dem Vorhergehenden ist es leicht, sich eine Vorstel- 
lung von dem Gang der Funktion zu bilden. Ist ar = — cx), so 
ist auch y = — 00, nimmt x zu, dann steigt auch y; für o: = 
ist y = — 3. Das Wachsen der Funktion hält an, bis bei 
X := 1 das Maximum + 4 erreicht ist. Für o: > 1 sinkt die 
Funktion, und zwar, bis sie für a: = 5 den Minimumwert — 28 
annimmt. Bei weiterem Zunehmen von x steigt y fortwährend, 
so daß f ür a: = 00 auch y ^ od wird. 

Der Leser möge sich diese Schlüsse durch eine graphische 
Darstellung veranschaulichen. 



DifPerentiHlquotienten höherer Ordnung. 201 

Aufgaben. 

1. Es sollen einige Differentialquotienten der folgenden 
Funktionen ermittelt werden: 

j/x , {a + bxy , Ix y sin (a + bx) , 
sin^ar , x"» sin px , «'" cos qx . 

2. Wie lauten die zweiten Differentialquotienten von 

ä", sint«, arctgtf, — , uvw^ 

wenn u, o, tr Funktionen von x sind? 

8. Die Geschwindigkeit und Beschleunigung des Schwer- 
punktes eines Systems materieller Punkte durch die Geschwin- 
digkeiten und Beschleunigungen der einzelnen Punkte auszu- 
drücken. (Vergl. Aufgabe 3, S. 122.) 

4. Es soll der Krümmungsradius der Ellipse und Hyperbel 
berechnet werden. 

5. Es soll der Krümmungsradius der gleichseitigen Hy- 
perbel berechnet werden , indem man von ihrer Asymptoten- 
gleichung ausgeht (§ 62). 

6. Berechne — ^ aus der Gleichung 

7. Wie lautet — ^, wenn 

X = a cos & und y = ä simS* (ö, ä Konstanten). 

8. Die Bewegung eines Punktes ist bestimmt durch die 
Gleichungen 

X = a cos2;r-»^, y = i sin2;r ^• 

E^ soll Größe und Richtung der Beschleunigung bestimmt 
werden. 

9. In Formel 7, S. 196, ist der zweite Differentialquotient 
fär den Fall, daß x und y von X abhängen, entwickelt worden. 
Es soll der dritte Differentialquotient entwickelt werden. 



1 



202 Siebentes Kapitel 

10. Welchen Wert muß die Konstante m haben, damit 



der Gleichung 



<S+^%*''-'> 



genüge? (A, B und C Konstanten.) 

11. Es soll bewiesen werden, daß, welche konstanten 
Werte C^ und C^ auch haben mögen, 





y = Ci 


sin nx + C^ cos nx + 


COBftlX 


stets der 


Gleichung 


(Py 
dx* 


-f- n^y = cos mx 





genügt, 

12. Es soll der Verlauf der Funktion 



y 



X» - 0? + 1 



j* 4- X - 1 

untersucht werden. 

13. Ebenso der Funktion 

y = sinx(l 4- cosx). 

14, Die Beziehung zwischen Druck p. Volumen v und 
Temperatur t eines Gases ist durch die van de» WAALs'sche 
Gleichung 

[r+ ;'.)v^-^^ = Ä(l + lrO 

besiiuuut» wo rt, A, A* ur.d a positive Konstanten sind. Es 
s\^Ueu die gleioh.'oitictMi Ar.vierunsren von r und p bei kon- 
st.r,aor Touuvn^uir t diskutiert wervien. ^Man betrachte v als 
die uni^bV„^v,j;\j;, i» hIs d:e übV.är.cic Variable,) 



Achtes Kapitel. Partielle Differentialquotienten. 203 

Kapitel VIII. 

Partielle Differentialquotienten. 

§ 144. Es giebt viele Fälle, in denen eine Größe von 
zwei oder mehr unabhängig Variablen abhängt. Wir wollen 
mit dem Fall zweier unabhängig Variablen x und y anfangen. 
Diese sollen die rechtwinkligen Koordinaten eines Punktes in 
einer Ebene sein; die abhängig Variable (p sei irgend eine 
Größe, die in jedem Punkte dieser Ebene einen bestimmten 
Wert hat, aber von Punkt zu Punkt veränderlich ist. Diese 
Größe kann z. B. die Strecke z sein, welche eine Oberfläche 8 
von dem im Punkte (or, y) errichteten Lote abschneidet. Es 
kann auch (p irgend eine physikalische Bedeutung haben, z. B. 
die Temperatur oder die Dichte einer elektrischen Ladung in 
dem betrachteten Punkte der Fläche. Sollten x und y nicht 
direkt Koordinaten sein, sondern eine andere Bedeutung haben, 
so könnten wir immer eine Hilfsfigur konstruieren, in der x 
und y als Koordinaten eines Punktes eingetragen werden; in 
jedem Punkte dieser Figur können wir uns dann den ent- 
sprechenden Funktionswert verzeichnet denken. 

§ 145. Es sei tpp der Wert der abhängig Variablen in 
dem Punkte P (Fig. 87) mit den Koordinaten jt, y. Wollen 
wir untersuchen, wie sich <p ändert, 
wenn wir nach irgend einem anderen y 
Punkt übergehen, so müssen wir unter- 
scheiden, in welcher Richtung diese Be- 
wegung vor sich geht, ob in Richtung 
der X-Achse, oder in Richtung der y- 
Achse, oder in einer beliebigen Richtung. 

Bewegt sich der Punkt von P längs der L 

mit OX parallelen Linie PX', so können p. g^. 

wir w als eine Funktion von x allein 

betrachten, und die Änderung von cp durch den DiflFerential- 

quotienten bestimmen, den wir durch eine gewöhnliche Difife- 

rentiation nach x bei konstantem y erhalten. Dagegen ist x 

konstant, wenn sich der Punkt P parallel mit OF längs der 

Linie PY' verschiebt. In diesem Falle haben wir in gewöhn- 




a ^' 



204 Achtes Kapitel. 

licher Weise nach y zu differentiieren. Solche DiffereDtial- 
quotienten, bei deren Ableitung nur eine der unabhängig 
Variablen als veränderlich betrachtet wird, während die andere 
konstant gelassen wird, nennen wir partielle Differential- 
quotienten und schreiben sie ^ 

dq> d<p 

dx ' dy 

Beispiele: Man soll die partiellen Differentialquotien- 
ten von 

ableiten. 

Betrachtet man y als konstante Größe, so ergiebt sich: 

II = 3-v, 

und ebenso, wenn man x als konstant ansieht 

Ist 

q> = x9, 

so findet man, indem man das eine Mal y, das andere Mal t 
als Eonstante behandelt 

Ebenso wie hier sind die partiellen Differentialquotienten 
im allgemeinen noch Funktionen von x und y. Man schreibt 
sie deswegen auch in Übereinstimmung mit der Schreibweise 
§ 89, wenn f{xj y) die ursprüngliche Funktion ist 

und nennt sie die ersten partiellen abgeleiteten Funk- 
tionen nach X und nach y. 



^ Einige Autoren benutzen an Stelle dieser Symbole die gewöhn- 
lichen: -z-9 -,-f andere schließen sie in Klammem ein 1^^)» 1^1» 
dx dy \dxj \dyl 

wieder andere schreiben -' - j -r- oder zeigen durch einen Index an, 

dx dy 

welche Variable konstant bleibt, also: f v--) > |^-| • 

\dx)y \dy)^ 



Partielle Differentialquotienten. 205 

§ 146. Den partiellen Differentialquotienten nach x erhält 
man nach dem Vorhergehenden, indem man x um Jx wachsen 
läßt, also indem man von P (Fig. 87) in Richtung der ^r-Achse 
um PQ s= Jx nach Q fortschreitet, den zu x + Jx gehörigen 
Wert von <p ins Auge faßt und hiervon den ursprünglichen 
Wert von (p (in P) abzieht. Man hat dann diese Differenz 
durch 2ix zu dividieren und schließlich Jx unendlich klein 
werden zu lassen. Also: 

g = Limi^^, farLimP<2 = 0. (1) 

In ähnlicher Weise kann man auch die Änderung von (p 
berechnen, wenn sich der Punkt in einer willkürlichen Rich- 
tung, etwa PH — wir wollen sie der Kürze halber h nennen 
— fortbewegt. Wir berechnen z. B., wenn der Punkt nach It 
gelangt 

Lim^!^^, für LimPÄ = 0. 

Diesen Ausdruck können wir ebensogut wie (1) als einen 
Differentialquotienten betrachten. Wir nennen ihn den Diffe- 
rentialquotienten nach der Richtung A, und bezeichnen ihn 

mit ^ , wo also im Nenner die Länge einer unendlich kleinen 

Strecke in der Richtung h steht, und im Zähler die beim 
Durchlaufen dieser Strecke stattfindende Zunahme von (p. 
Wenn man übrigens statt des ursprünglichen Koordinaten- 
systems neue Achsen einführt, deren eine die Richtung PH 
hat, und die darauf bezügliche Koordinate h nennt, so ist das 

oben eingeführte ^ nichts anderes, als der partielle Differen- 
tialquotient von (p nach dieser Koordinate. 

§ 147. Obschon es nach dem Vorhergehenden in jedem 
Punkte eine unendlich große Anzahl von Differentialquotienten 
geben muß, läßt sich beweisen, daß sie alle sich auf die beiden 

partiellen Differentialquotienten —^ und ^ zurückführen lassen, 

daß also die Änderung von g) in jeder beliebigen Richtung 

durch v^ und ^ vollständig bestimmt ist. 

Wir können von P (Fig. 87) nach R auf verschiedenen 
Wegen gelangen, entweder direkt oder z. B. längs der ge- 



206 Achtes Kapitel. 

brochenen Linie P8R. Für den Wert der Differenz (p^ — (p^ 
ist es völlig gleichgültig, ob wir den Punkt Ä direkt oder 
auf Umwegen erreicht haben, d. h. die Zunahme, die w beim 
Übergänge von P nach It erfährt, ist gleich der algebraischen 
Summe der einzelnen Zunahmen von tp beim Übergänge von 
P nach S und von 8 nach Ä. Es ist also 

Dividieren wir diese Gleichung durch PR^ so ergiebt sich, 
wenn wir den Winkel, den die Richtung h mit OX bildet, & 
nennen, 

—PR- = -PÄ-^^' * + —RS- '^^*- ^^^ 

Je näher Ä an P heranrückt, desto kleiner werden PS 
und SR, sowie die DifiFerenzen (fg^^Pp ^^^^ ^b^Vs^ während 
sini9- und cosi?* konstant bleiben, jßückt R unendlich nahe 
an P heran, dann gehen die in (3) stehenden Verhältnisse in 
die Grenzwerte über und wir erhalten 

j . (Pb- <Pp Q. T • ^S^^P , . Q. T • ^B" V'S 

Lim — 5^ — = cos ?T . Lim - ^ ö — h sm iT . Lim -,_ . 

r^jcC r^k> Ko 

Der Grenzwert linker Hand ist offenbar der Wert des 
Differentialquotienten ^ im Punkte P, und ebenso ist der 

erste Grenzwert rechts der Differentialquotient ^. Was den 

dritten Grenzwert in der Gleichung betrifft, so bemerken wir, 
daß, wenn der Punkt S festgehalten würde und der Punkt 5 
sich der Linie SR entlang demselben näherte, das Verhältnis 

~B'S~ 

sich immer mehr dem für den Punkt S gültigen Differential- 
quotienten 

d(p 
dy 

nähern würde. In Wirklichkeit findet nun auch die Annähe- 
rung von R an S statt, aber zu gleicher Zeit verschiebt sich 
der Punkt S nach P hin; für den Grenzwert ist also schließ- 



Partielle Differentialquotienten. 207 

lieh der Wert des Differentialquotienten ^ in P zu setzen. 
Wir erhalten also 

wo f&r sämtliche Differentialquotienten die dem Punkte P ent- 
sprechenden Werte zu setzen sind. Die Formel gilt für jeden 
Wert von ö*. 

Der Beziehung zwischen den Differentialquotienten ent- 
spricht eine ähnliche zwischen den Differentialen. Schreitet 
man von P in der Richtung h um die unendlich kleine Strecke dh 
weiter, so erleiden x und y die Zunahmen 

dx = cos ß- dh und dy = sin i^* dh. 

Die Zunahme von 9p, welche wir dcp nennen wollen , ist 

also nach (4) 

^9' = f|^^ + |f^i^- (5) 

Das erste Glied rechts ist die Zunahme, welche (p erfährt, 
wenn, bei konstantem y, die Variable x die unendlich kleine 
Zunahme dx erleidet. Das zweite Glied hat eine ähnliche Be- 
deutung, und die Gleichung selbst drückt also folgenden Satz aus: 

Wenn x und y zu gleicher Zeit die unendlich 
kleinen Zunahmen dx und dy erleiden, so ist der Zu- 
wachs von (p die algebraische Summe der Zunahmen, 
welche stattfinden würden, wenn das eine Mal nur x 
und das andere Mal nur y geändert worden wäre. 

Fast scheint dieser Satz selbstverständlich zu sein, aber 
das ist er doch nicht. Zwar wird immer, sogar bei endlichen 
Änderungen, die durch gleichzeitige Änderung von x und y 
hervorgerufene Zunahme einer Funktion in zwei Teile zerlegt 
werden können, indem man zuerst x sich ändern läßt, und 
dann y, während für x der neue Wert festgehalten wird. 
Das wurde eben durch die Gleichung (2) ausgedrückt. Aber 
in der Gleichung (5) war die Rede von den Änderungen, die 
(f erleidet, wenn man das eine Mal nur x und das andere 
Mal nur y sich ändern läßt, und dabei jedesmal von den 
dem Punkte P entsprechenden Änfangswerten ausgeht. 



208 Achtes Kapitel. 

In diesem Sinne gilt die Gleichung nur für unendlich kleine 
Änderungen. 

§ 148. Sind ~ und v— bekannt, so ist nach (4) ^ 

005 oy ^ * oh 

völlig bestimmt, wenn man für & irgend einen bestimmten 

Wert einführt. Für & = ist f^ = |^ , für * = 4-^ ist 

ah ax * 

|| = ^. Für^ = «, re8p.|5rist|| = -|j, resp. = -|j. 

Im allgemeinen wechselt das zweite Glied von (4) sein Vor- 
zeichen, wenn & um n zunimmt. Dies rührt daher, dafi die 
Funktion cp, wenn sie bei der Bewegung von P aus in irgend 
einer Richtung zunimmt, bei der Bewegung in die entgegen- 
gesetzte Richtung abnimmt. 

Im ersten Falle ist ^ positiv, im zweiten Falle negativ; 

es muß hiemach eine bestimmte Richtung geben, für die 

— = ist. Der Winkel , welchen diese Richtung mit der 

or-Achse bildet — wir wollen ihn &y^ nennen — wird bestimmt 
durch die Gleichung 

|^cos.^, + |^sini^, = 
ax ^ oy * 

cos »9-j = ^ ^/ , (6) 



oder durch 



i/fö)"+ r^' 



ßy) 

sin &, = - - , - -^II =. • (7) 



/(ir+iijy 



Setzt man die sich hieraus ergebenden Werte von ^ 
und ^ in (4) ein, so erhält man 



bh 



?-j/(if)'+(if)'- -(*-*.)• 



Ist i9- = ^;r + i^-j, so ist der Wert von —^ am größten, 

d. h. in einer Richtung senkrecht zu der Richtung, in welcher 
cp sich nicht ändert, ändert sich die Funktion am raschesten, 



1 



Partielle Differentialquotienten. 



209 




während für zwei Richtungen, die zu beiden Seiten gleich weit 
Yon dieser Richtung entfernt sind, -^T^^ gleich groß ist. 

§ 149. Geometrisch läßt sich die Formel (4) in folgender 
Weise deuten. Es sei die Gleichung einer Oberfläche: z=f{x,y). 
Legt man nun zuerst y einen kon- 
stanten Wert bei, so erhält man die 
Gleichung der Kurve A C (Fig. 88), 
in welcher die Fläche von der Ebene 
JPX'CA (welche parallel der x, z- 
Ebene läuft) geschnitten wird; daher 

ist ^ die Tangente des Winkels, 

welcher durch die in A an die 
Kurve AC gelegte berührende Ge- 
rade und die ir-Achse gebildet wird. 

fix. 

Ebenso ist ^ die trigonometrische ^ig, 88. 

Tangente des Winkels, welchen die 

Berührungslinie an den Schnitt AE, deren Ebene PY'EA 

senkrecht zur ar- Achse steht, mit der y- Achse bildet. 

Wir ziehen jetzt in der Ebene XOY durch P die Ge- 
rade PH in der Richtung h (Z_ HPX'= ü-), und schneiden 
die Oberfläche durch die Ebene APH. An die Schnittkurve -4 G 
legen wir die Berührungslinie AK. 

Wenn wir die Ebene APH um die Ordinate AP herum- 
drehen, erhalten wir jedesmal wieder eine neue Schnittkurve 
mit der Oberfläche und eine neue Berührungslinie in A. Die 
Gleichung (4) lehrt nun, daß alle diese Berührungslinien in 
einer Ebene liegen. 

Beweis. Es seien a, b, c die Koordinaten von A^ x, i/, z 
die Koordinaten eines beliebigen Punktes K der Berührungs- 
linie AKf PR die Projektion von AK auf die xy-Ebene, PS 

die Projektion von PR auf PX% p der Wert von -^— im 

du X 

runKxe Aj q aer wen von -v^, a der Winkel, den AK mit 
PH bildet. Man hat dann 



oy 



dx 
tga = ^. = p cos d + q sin i?*. 



T/>BENTZ, DlfTerentialrecbnunif. 



U 



210 Achtes Kapitel. 

Setzt man nun PR = /, so ist 

X -- a=i l cos & , 
y — b = l sin& , 

z — c = /tga=p/ cos 19- + ql sini?*. 
Aus diesen Gleichungen folgt 

z — c = ;? (ar — a) + y (y — Ä). 

Dieser Relation, welche neben x,y, z nur die Konstanten 
aj by Cj p und q enthält, genügen alle Punkte sämtlicher in 
A gezogenen Berührungslinien. Da die Gleichung in Bezug 
auf X, 1/j z Yom ersten Grade ist, so stellt dieselbe eine 
Ebene dar. 

Diese alle Tangenten enthaltende Ebene ^ nennt man die 
Berührungsebene an die Fläche, und eine senkrecht zu der- 
selben im Berührungspunkte gezogene Linie die Normale der 
Fläche. 

Ebenso wie man sagen kann, daß ein unendlich kleines 
Stück einer Kurve mit der Tangente zusammen Alit, so fallt 
auch ein unendlich kleiner Teil einer gekrümmten Fläche mit 
der Berührungsebene zusammen. 

Das folgt auch unmittelbar aus der Gleichung (5). Wenn 
nämlich x, t/, z die Koordinaten irgend eines Punktes der 
Fläche sind, der unendlich wenig von Ä mit den Koordinaten 
a, by c entfernt ist, so kann man schreiben 

X -^ a = dx , y -^ b = dy , z~-c^=dzj 

also nach (5) 

z — c^pix — a) + q{y — b), 

die Gleichung der Tangentialebene. 

§ 150. Die Betrachtungen der vorhergehenden Paragraphen 
lassen sich leicht auf drei unabhängig Variable ausdehnen. 
Ist qp =/'(^>y> z)y so ergeben sich die partiellen Di£fereQtiaI- 

quotienten 

d(p d(p d<p 

Tx^ 'Sy' öi" ' 

wenn man jedesmal nur eine Variable als veränderlich und 
die beiden anderen als konstant betrachtet. 



^ In einigen Ausnahmefallen, z. B. an der Spitze eines Eegelfl be- 
steht keine Berührungsebene in diesem Sinne. 



Partielle Differentialquotienten. 



211 




Diese drei Änderungen kann man sich veranschaulichen, 
wenn x, y, z rechtwinklige Koordinaten eines Punktes im 
Räume sind und q) irgend eine physikalische Größe, z. B. die 
Dichte eines Körpers bedeutet, 
welche von Punkt zu Punkt sich 
ändert, aber in jedem Punkte 
einen ganz bestimmten Wert 
hat. Ist dann P (Fig. 89) der 
Punkt, der den anfänglich für 
^iV'i ^ gewählten Werten ent- 
spricht, dann stellen ^> ^> 

ox oy 

-^ die Geschwindigkeiten dar, 

mit welchen die Funktion sich 

ändert, wenn man von P aus 

längs PX', P7' und PZ' in Fig. 89. 

Richtung der Koordinatenachsen 

fortschreitet. Bei einer unendlich kleinen Bewegung nach der 

willkürlichen Richtung PH werden ar, y, z zu gleicher Zeit sich 

ändern, und zwar x um PS, y um SR und z \xm RQ\ wir 

nennen diese Zunahmen dx, dy, dz. Der Zuwachs von (p 

ist dann 

dip = <p^-fpp-=^ {(fg- (pp) + {(pj,- (pg) + {(pg- (pj,). 

Die drei Ausdrücke auf der rechten Seite sind jedoch 

(u)/'. (if)/^. i^i"- 

wo mit K^l der Wert des partiellen Diflferentialquotienten 

im Punkte P bezeichnet ist u. s. w. 

Nun sind die Werte von f^) und ( „— ) nicht identisch 

\oyJs \dxjB 

mit den Werten von (^ j und j ^j , da ja die Koordinaten 

von S resp. S andere sind, als die von P. Da aber die 
Strecken PS und- SR unendlich klein sind, und die Diffe- 
renz einer Funktion in zwei in unendlich kleinem Abstände 
voneinander gelegenen Punkten unendlich klein ist, so ist 

f-ä^l — f-5^| unendlich klein. Es ist nun |-^| noch mit der 
\di/)8 \dy)p \dvl3 

14» 



y 



212 Achtes Kapitel. 

unendlich kleinen Größe dy zu multiplizieren; wir können 
daher, wenn wir Größen zweiter Ordnung weglassen, für (t^J^ 

auch K^-j schreiben. Ähnliches gilt für [^) . Es ist daher 

wo mit den drei Diflferentialquotienten die Werte in P ge- 
meint sind. 

Dividiert man diese Gleichung durch PQ, dann wird das 

erste Glied v> — > welchen Grenzwert man den Differentiw- 

quotienten von cp in Richtung PH nennen kann« Deuten to 
letztere durch A an und nennen wir a, /9, / die Winkel, welche 
sie mit den Koordinatenachsen bildet, dann erhalten wir die 
der Gleichung (4) entsprechende Beziehung 

-Jr = ä^ cos a + -^ cos /? + -ä^ cos y . (^) 

ah ox ay *^ ox ' 

§ 151. Die Beziehung (9) läßt sich in folgender Weise 

geometrisch deuten. Da in dem betrachteten Punkte ^i 

-^- , -^" bestimmte Werte, etwa /i, y, r haben, so kann man 

einen Vektor q konstruieren, dessen Komponenten gleich diesen 
Werten sind. Aus der Gleichung (9) folgt (vergl. § 38), daß 

man, um den Wert von -~- zu erhalten, nur den Vektor ^ 
' oh ' 

auf die Richtung h zu projicieren hat. 

Die Projektion und also der Wert des Differentialquotienten 
ist am größten, wenn h mit der Richtung von g zusammen- 
&llt. Dieser Vektor giebt also die Richtung an, in der sich 
die Funktion am geschwindesten ändert, und die Größe q des- 
selben bestimmt den Wert des Differentialquotienten nach 
dieser Richtung. Diese Größe ist 

i/ISMlfHiT- 

Bildet die Richtung h irgend einen Winkel xh mit der 
Richtung der raschesten Änderung, so wird die erwähnte 
Projektion 



Partielle Differentialquotienten. 213 



und also 


J _ C08* 1/ 






'{l:r-{l:)'^(l: 



Für alle Richtungen, die senkrecht auf dem Vektor q 

stehen , ist t^t = . 

' oh 

Mittels dieses Satzes kann man die Sichtung der Normale 
zu einer Fläche, deren Gleichung in der Form 

{C konstant) gegeben ist, bestimmen. 

Die Funktion F{xj y, z) hat natürlich in jedem Punkt 
des Raumes, auch außerhalb der Fläche, einen gewissen Wert, 
nur ist dieser Wert außerhalb der Fläche von C verschieden. 

Soll nun die Richtung der Normale in einem Punkte P 
der Fläche bestimmt werden, so berechnen wir die daselbst 
geltenden Werte der partiellen DiflFerentialquotienten, die wir 

kurz mit 

dF BF dF 

da? ' dy ^ dx 

bezeichnen wollen. Konstruiert man jetzt den obengenannten 
Vektor (>, dessen Komponenten diese Differentialquotienten 
sind, so wissen wir, daß bei einer unendlich kleinen Verschiebung 
senkrecht zu q die Funktion F sich nicht ändert. Anderer- 
seits ist es klar, daß, eben weil F auf der Oberfläche konstant 
ist, jede unendlich kleine Verschiebung, bei der F sich nicht 
ändert, in der Fläche liegen muß. Der Vektor q fällt mithin 
mit der Normalen zusammen, und die Richtungskonstanten der 
letzteren müssen sich wie die Komponenten von q verhalten, 
d. h., wenn die Normale mit den Koordinatenachsen die 
Winkel a, /?, y bildet, 

n dF dF dF ,-^. 

COS a : cos /? : cos y = -^ — ' ß ~ ' 'ö~ ' ^ ^ 

und (vergl. die Gleichungen (10) und (11) von § 75) 



cosa = 




214 Achtes Kapitel 

dF 



x/mH^r-m 



dF 

dx 
cos y = — ^z_ 



7©'^(l)"'^(I)'"' 



§ 152. Beispiele. Gegeben sei die Gleichung einer Engd 
mit dem Radius a. Es sollen die Stellungswinkel der Normalen 
berechnet werden. 

Legen wir den Ursprung des Koordinatensystems in den 
Mittelpunkt der Kugel, so ist die Gleichung derselben 

^* + y* + ^* = a*- 
Hieraus folgt 

dF ^ dF ^ dF ^ 



dx ' dy ^' dx 

und 

cos cc : cos ß : cos :y = xiyiz. 

Aus der letzten Gleichung folgt, daß die Normale durch 
den Mittelpunkt geht. 

Bei dem dreiachsigen Ellipsoid (§ 79), dessen Gleichung 

- - 4- ^ 4- -* = 1 
a« ^ ^« ^ c* » 

ergiebt sich 

d^F_ __ 2x dF_ _ 2y dF^ _ 2» 

"da; "*■ ä« ' dy " b^ ' ö» "" c« ' 

^ a; y * 

COS a : COS iS : COS y = -^ : ^ : -^ . 

Ist die Gleichung der Oberfläche in der Form 
^ = A^> y) oder f{x, y) - z = 
gegeben, also F{x,i/,z) = f{Xyt/) — z, dann wird 

_ö2^ ^ ^/ H_ ^ 1/^ :^^ = — 1 

dx dx dy dy ö* "" 

Hieraus folgt 

COS cc : cos /? : cos y = -^: ^ : — 1 , 

^ öx dx ^ 

COS a : cos ß : cos y = .— : -^- : — 1 . 
^ ' dx dy 



Partielle Di£Fereutialquotienten. 215 

Die letztere Gleichung läßt sich aus der § 149 abgeleiteten 
Gleichung der Berührungsebene ableiten. (Vergl. § 75.) 

§ 153. Die vorhergehenden Betrachtungen lassen sich 
auf beliebig viele unabhängig Variable ausdehnen. Nennen 
wir diese x^ y^ z^ u^ v . . . , und sei 

Man kann diese Funktion nach jeder der Variablen partiell 
differentiieren, also z. B. den Differentialquotienten 

dq> 

bilden. Die Bedeutung desselben ist diese, daß, wenn z um 
dz zunimmt^ während alle übrigen unabhängig Variablen kon- 
stant bleiben, 

der Zuwachs der Funktion ist, und zwar sind hier in —^ die 

' ax 

Werte einzusetzen, welche or, y, z, m, ü.... vor der Ände- 
rung dz gerade hatten. 

Wir gehen jetzt von gewissen Anfangswerten 

Xjt/jZf UjV , . . . (11) 

aus und lassen die Variablen gleichzeitig um 

dxjdt/ydz, dujdv, . . . 

zunehmen. Es soll die dadurch hervorgebrachte unendlich 
kleine Zunahme d(p, welche wir das totale Differential 
nennen, berechnet werden. Dieselbe ist offenbar die Summe 
der Zunahmen, welche q) erleidet, wenn zunächst x um dx zu- 
nimmt, dann, während x seinen neuen Wert behält, y um efy, 
femer z um dz^ u. s. w. Wir betrachten eine dieser partiellen 
Zunahmen, etwa die vierte. Dieselbe ist 

F{x + dxj 1/ + dy, z + dz, u + du, V , , , .) 
-— F{x + dxy y + dy, z + dz, m, r . . . .) 

und läßt sich darstellen durch 

wenn man den Differentialquotienten für die Werte 



216 Achtes Kapitel. 

X -f- dx^ y + dy^ z + dz^ u, v . . . . 
der unabhängig Variablen nimmt. 

Wir können nun aber ebensogut in ^ die ursprüng^Iichen 

Werte 

■Ca JF f 9 9 V » » » » 

einsetzen. Der Wert, den wir dann fttr den Differential- 
quotienten erhalten, weicht unendlich wenig von dem in (12) 
vorkommenden Werte ab. Auf die Größe (12) selbst hat das 
also einen Einfluß zweiter Ordnung, den wir vernachlässigen 
können. 

Wir, dürfen somit alle partiellen Zunahmen von <p be- 
rechnen mittels der für die ursprünglichen Werte genommenen 
partiellen Differentialquotienten. Das totale Differential ist 
daher 

^f-^^ä. + i^l-ä.+ l'tdz + f^-du...., (18) 

d. h. es ist die Summe der sogenannten partiellen Differentiale, 
mit welchem Ausdruck man die Zunahmen meint, wenn man, 
immer wieder von den ursprünglichen Werten aus- 
gehend, jedesmal einer einzigen Variablen ihre Ändermig 
erteilt. 

§ 154. Beispiele. Die Beziehung zwischen Druck />, 
Volum V und Temperatur t einer Gasmasse ist gegeben durch 

den Ausdruck 

Ä(i + «0 

P 

wo B und a Eonstanten sind. Steigt bei konstantem Druck 

die Temperatur um dt, dann ist die Änderung des Volums 

dt p 

Wird dagegen bei konstanter Temperatur der Druck um 
dp erhöht, so erleidet das Volum die Zunahme 

dv , Ä(l + oQ , 

^dp=^--,-^-dp. 

Das negative Vorzeichen zeigt an, daß das Volum bei 
Druckzunahme kleiner wird. 

Ändern sich Temperatur und Druck gleichzeitig, dann ist 
die totale Änderung des Volums 



Partielle Differentialqaotieiiten. 217 

oder dv = — — -dt — ^—^dp. 

P P' 

§ 155. Will man wissen, wie sich eine Flüssigkeit oder 
ein Gas bewegt, so muß man die Komponenten u, v, w der 
G-eschwindigkeit in Bezug auf drei zu einander senkrechte 
Achsen in jedem Augenblick und in jedem Punkt kennen. 

Sind Xy y, z die Koordinaten eines Punktes im Raum, 
ist femer t die seit einem bestimmten Äugenblick yerflossene 
Zeit, dann müssen Uy v, w eis Funktionen von x, y, z, t be- 
trachtet werden, da ja die Geschwindigkeit von Punkt zu 
Punkt und ebenso mit der Zeit sich ändert. 

Läßt man zunächst x, y, z konstant und ändert nur tj 
dann erhält man die Geschwindigkeit der Flüssigkeitsteilchen, 
die sich nacheinander in dem Punkt mit den Koordinaten 
Xj y, z befinden. 

Will man dagegen zu ein und derselben Zeit die Ge- 
schwindigkeit der verschiedenen Flüssigkeitsteilchen miteinander 
vergleichen, dann muß man die Werte von u, v, to im Punkt 
mit den Koordinaten x, y, z mit der Geschwindigkeit an 
anderen Stellen vergleichen. Man kann sich nun die Frage 
stellen, wie sich die Geschwindigkeitskomponente u eines be- 
stimmten Flüssigkeitsteilchens, das sich zur Zeit t in dem Punkt 
(^9 yj ^) ^^^ Baumes befindet, während der Zeit dt ändert 
Da in dieser Zeit die Koordinaten des Teilchens um dx = udty 
dy = vdty dz = todt zunehmen, so ist die gesuchte Änderung 



-( 



du , du , du , du\ ,. 



di dx dy dx) 

§ 156. Selbstverständlich gilt (13) streng nur für unendlich 
kleine Größen. Man wendet die Gleichung jedoch auch häufig 
für sehr kleine endliche Größen an; man rechnet dann mit 
diesen sehr kleinen Größen, als wären sie unendlich klein. 
Bezeichnen wir dieselben durch Jxy Jy, Jz . . , .y so ist der 
Zuwachs der Funktion Jcp 



218 Achtes Kapitel. 

Als solche sehr kleine Größen kann man gewöhnlich die 
Messungsfehler ansehen. Wird eine Größe dadurch gefunden, 
daß man die Besultate verschiedener Messungen miteinander 
kombiniert, so ist der Totalfehler im Eesultat gleich der 
Summe der Einzelfehler, die die Ungenauigkeit der einzelnen 
Messungen in dem Resultat hervorbringt. Ein Beispiel vrird 
dies klar machen. 

Um das spezifische Gewicht s eines Körpers zu bestimmen, 
hat man ihn erst in der Luft, dann unter Wasser gewogen. 
Die Eesultate dieser Wägungen seien p und q, dann ist 



und die Formel 

zeigt an, um wieviel man das spezifische Gewicht des Körpers 
zu groß erhalten hat, wenn man sich bei der Wägung in 
der Luft um Jp und bei der Wägung im Wasser um ^q 
geirrt hat. 

§ 157. Auch die für die Differentialquotienten nach irgend 
einer Richtung (§§147 und 150) abgeleiteten Resultate lassen 
sich für den Fall beliebig vieler unabhängig Variablen ver- 
allgemeinern. Zunächst bemerken wir, daß beim Fortschreiten 
nach einer bestimmten Richtung (vergl. Fig. 87 und 89) 
ganz bestimmte Verhältnisse zwischen den gleichzeitigen Ände- 
rungen der Koordinaten bestehen. In Fig. 87 ist 

Jx : Ay = cos ß", sin i9* 
und in Fig. 89 

Ax\ Ay\ Az =^ cos a : cos ß : cos y , 

wenn wir jedesmal nach TU fortschreiten. 

Analog hiermit wollen wir, wenn beliebig viele Variable 

a:, y, z, M, V vorliegen, von einem Fortschreiten in einer 

bestimmten Richtung h reden, wenn die gleichzeitigen Ände- 
rungen Ax^ Ay. Az^ Ju .... in bestimmten, durch eine Reihe 
von Zahlen a, ß, y, 8.,.. gegebenen Verhältnissen zu einander 
stehen, wenn also 

Ax: Ay\ Az: Au : . , , , =a cc: ßiyiS: . . . , (14) 



Partielle Differentialquotieiiteii. 219 

Um nun soviel wie möglich mit dem Früheren in Über- 
einstimmung zu bleiben, wollen wir noch festsetzen, daß die 
die Richtung A bestimmenden Zahlen cc, ß, y^ S . , . . der Be- 
dingung 

cc^ + ß^ + r^ + S^+ =.1 (15) 

genügen. Es wird hierdurch die Allgemeinheit nicht beein- 
trächtigt, denn es kommt in (14) nur auf die Verhältnisse 
zwischen a, ß, y, S . . . . an. Wären uns also solche Zahlen 
gegeben, daß die Summe ihrer Quadrate von 1 verschieden, 
etwa s^, wäre, so brauchten wir sie alle nur durch s zu divi- 
dieren, damit sie der Gleichung (15) genügten. Die so er- 
haltenen Zahlen würden wir dann zur Charakterisierung der 
Kichtung h benutzen. 

Da beim Fortschreiten nach h die Zunahmen Jor, Jy, 
jdzj Au , . . . der Bedingung (14) zu genügen haben, so können 
wir für dieselben auch schreiben 

Ja: = «6, Ay ^ ßtj Az^^Y^j Au=:Se...., 

wo 6 irgend eine bestimmte Größe ist. 

Es leuchtet ein, daß, während a, ß, y, d . . , . die Rich- 
tung bestimmen, es von dem Wert von 8 abhängt, wie weit 
wir in dieser Richtung gehen. Wir können also e die Strecke 
nennen, um welche wir in der Richtung h fortschreiten. 

Es sei nun 6 unendlich klein und ferner co die unendlich 
kleine Zunahme irgend einer von x, y, z, u , . . . abhängigen 

Größe (p. Wir nennen dann — den Differentialquotienten von 

{p in Richtung h und bezeichnen ihn durch ^. 
Da nun nach (13) 

dx öy^ dx' du ' 

80 wird 

l» = « |f + ^ f^ + y f ^ + ^ fj? + . . . . (16) 

oh dx ^ ay ' dz du ^ ' 

In dieser Formel sind die Formeln (4) und (9) als spezielle 
Fälle enthalten. 

Wir wollen schließlich noch bexuerken, daß man nach 
irgend einer durch die Zahlen a, ß, y, S . . . , bestimmten 
Richtung h differentiieren kann, welches] auch die Anfangs- 



220 Achtes Kapitel. 

werte von ar, y, z, u . . . . seien. Das Resultat wird immer 
durch die Formel (16) bestimmt, wobei natürlich -^^ , ^^- , 

-^ u. 8. w. von den Änfangswerten der unabhängig Variablen 

abhängen. 

§ 158. Sind die partiellen Differentialquotienten wieder 
Funktionen der unabhängig Variablen, so können sie nochmals 
differentiiert werden. 

Man erhält so partielle Differentialquotienten höherer 
Ordnung. Es sei (p eine Funktion von x und y, Differentiiert 

man -^- nach x und y, so erhält man 



dx 

dx 



ebenso aus -«-— 



(If) -»•' Mi:]' (" 



dx \dy ) dy \dy )' ^ ^ 

Dieses schreibt man gewöhnlich kürzer, und zwar 

Der Zähler zeigt in diesen Formeln an, wie oft differen- 
tiiert worden ist, der Nenner, nach welchen Variablen und in 
welcher Reihenfolge. Stets ist nach der Variablen, welche 
am meisten rechts steht, zuerst differentiiert worden, z. B. 
ist in 

dx'^dy dx^ 

zuerst dreimal nach z, dann einmal nach y, schließlich zwei- 
mal nach X differentiiert worden. 

§ 159. Es soll jetzt bewiesen werden, daß es auf den 
Wert der entstehenden abgeleiteten Funktion keinen Einfluß 
hat, ob man (p zuerst nach x und dann nach y differentiiert, 
oder ob man erst nach y und dann nach x differentiiert, 
daß also 



dxdy dydx 



(19) 



Partielle Differentialqaotienten. 



221 



u 



-w 



p,-^ Pj 



-A 



Wir wollen (vergl. § 1H5) zunächst statt der DiflFerential- 
quotienten die DifiPerenzquotienten betrachten. Es seien x undy 
die rechtwinkeligen Koordinaten in einer Ebene (Fig. 90) und 
es mögen Ax und Ay gewisse kon- 
stante Werte haben. Ist nun t/; irgend 
eine Funktion, so verstehen wir unter 
A^'kp in einem Punkte P die Zunahme, 
welche i/; erleidet, wenn man von P 
aus in der Richtung der ^r-Achse um Ax 
fortschreitet, und unter dem Differenz- 
quotienten 



^ 



^* 



Ax 



oder 



Ax 



W 



Fig. 90. 



das Verhältnis dieser Zunahme zu Ax. 

Ahnliche Bedeutungen legen wir den Zeichen A \j) und 

^ oder 
bei. 



^.(V') 



Es ist z. B., wenn die vertikalen Linien um die gleichen 
Abstände Ax und die horizontalen Linien um die gleichen 
Strecken Ay voneinander entfernt sind, und (p die gegebene 
f\inktion ist 



[ 



^w 



w 



Ay 



Ax 
(ppi — q>p 






Ax 

y^' - yp. 



P Ay 

U. S. W. 

Da die in dieser Weise erhaltenen Differenzquotienten 
selbst wieder von x und y abhängen, so können die Operationen 

A. .__:. A. ^20) 



-^ und --r- 
Ax Ay 



wiederum auf dieselben angewandt werden. Läßt man nun 
Ax und Ay fortwährend kleiner werden, so gehen diese Ope- 
rationen bei der Grenze in die durch 

und 



dx dy 

bezeichneten partiellen Differentialquotienten über. Wir werden 



222 Achtes Kapitel. 

daher diese Diflferentiationen miteinander vertauschen dürfen, 
wenn eine Vertauschung der Operationen (20) erlaubt ist. 
Wir haben demnach nur zu beweisen, daß 

Jx [ Ay ^*\ Ay [ Ao< 
ist. 

Wir berechnen den Wert beider Größen für den Punkt P. 

Es ist 

I — -. — I ^ I — — ■ 



(21) 



Ax 



/„n1 _ l ^y JPi [ ^y )p _ ^y 4lL 

^^^J " Ax '^ Ax 



Ay 

und ebenso 

<Pp- <Pp^ — 9>p 



Ax Ax 



.^IL [ A- (a,^l — l ^a; /p \ /fa; jp _ 

Ay [Ax ^^'J Ay Ay 

Man sieht sofort, daß diese beiden Ausdrücke einander 
gleich sind. 

§ 160. Der Satz, daß der Wert der Differential- 
quotienten von der Reihenfolge der Differentiationen 
unabhängig ist, gilt auch dann noch, wenn x und y eine 
andere Bedeutung als die im vorigen Paragraphen angenom- 
mene haben; denn wir können uns ja stets eine Hilfsfigur mit 
den rechtwinkligen Koordinaten x und y denken und q) als 
eine von diesen Koordinaten abhängige Größe auffassen. Ja 
der Satz bleibt bestehen, wenn (p eine Funktion von mehr als 
zwei Variablen ist; denn enthält die Funktion z. B. z, so 
bleibt diese Variable doch bei den Diflferentiationen nach x und 
y konstant. Ebenso gilt der Satz, wenn tp schon aus einer 
anderen Funktion durch DiflTerentiation entstanden ist. Hieraus 
folgt, daß, wenn eine Funktion beliebig viele Male nach einigen 
Variablen diflferentiiert werden soll, es auf die Reihenfolge 
dieser Operationen gar nicht ankommt. Denn man kann zwei 
aufeinanderfolgende Diflferentiationen miteinander vertauschen, 
und wenn man das mehrere Male thut, jede beliebige Reiben- 
folge der verschiedenen Operationen erhalten. Das Endresultat 
hängt nur davon ab, wie viele Male nach jeder Variablen 
zu diflferentiieren ist. 

§ 161. Zur Erläuterung der in den vorhergehenden Para- 
graphen gegebenen Formeln und Sätze diene folgendes Bei- 



Partieile Differentialquotienten. 223 

spiel. Gegeben seien zwei Punkte im Baume P und P' mit 
den rechtwinkligen Koordinaten Zy y, Zy x\ y% z\ Ihr Ab- 
stand (§72) 

r = Vi^^^ + (y - yY + (z - zf 

ist eine Funktion der sechs Koordinaten. 

Durch Differentiieren nach x erhält man hieraus 

ör 1 1 






2(ar - x') 



Ebenso 

ör y — y' ör » — ä' 

öy r ' dx r 

Diese Formeln lassen sich leichter durch Dififerentiation 
der Gleichung 

r^^{x^xy+{y-^yy+{z^zy 

erhalten. Nimmt hierin x um dx zu und wächst demzufolge 
r um dr, so müssen die links und rechts stehenden Ausdrücke 
gleiche Zunahmen erfahren, also 

2rdr = 2{x — ar') dx , 

ör a? — ic' 

= > 

in Übereinstimmung mit der obigen Gleichung. 

Da ^^^, ^^^y ^^:^ die Kosinusse der Winkel 

r r r 

zwischen P'P und den Koordinatenachsen sind, so ergiebt sich 
aus unseren Formeln, daß 3—, ^ > ä- gerade diesen Kosi- 

ox oy ox 
nussen gleich sind. Bedeutet h irgend eine Bichtung, so ist 

auch ^ gleich dem Kosinus des Winkels zwischen P' P und h ; 

denn es ist nach § 150 

dr X — x' . V — v' n . * — *' 

~ = ~ COS a + ^ — - cos ß H cos y , 

also gleich jenem Kosinus (§ 73). Dieses Besultat läßt sich auch 
leicht folgendermaßen gewinnen. Bewegt man P (Fig. 91) in 
der Bichtung h um die unendlich kleine Strecke PQ, dann geht 



224 



Achtes Kapitel. 



der Abstand r in P'Q über. Fallt man QR j. P'P, dann ist 
P' R nur um eine unendlich kleine Größe zweiter Ordnung von 
P'Q verschieden (§ 93), so daß beide Größen miteinander ver- 
tauscht werden dürfen. Es ist daher 
PR die Zunahme von r und 

Wir bemerken noch, da£ 







X — X 






y -y 



Fig. 91. 






*'- » 



ist, und daß diese Größen sich von ^, ^, ~ nur durch das 



dr dr dr 
dx^ dy ^ dx 
Vorzeichen unterscheiden. Es hängt dies damit zusammen, 

daß der Abstand zwischen P und P', wenn man beide Punkte 
um dieselbe Strecke in derselben Richtung bewegt, unver- 
ändert bleibt. 



§ 162. Da die Differentialquotienten 



«L. A?L, |r. häufig 



dx dy dx 

vorkommen, so dürfte es zweckmäßig sein, sie dem Gedächtnis 
einzuprägen; es lassen sich dann leicht mittels der früheren 
Regeln viele andere Differentialquotienten ermitteln. Z. B. 



dx 



r d Ix - x'\ ^ d f /\ , / 

' dx \ r j r dx ^ / • » 

J_ _ jx - xy 



-^Mv] 



== 


1 

r 


X — x' dr 
r« ' dx 


d'y^ "" 


1 

r 


(y - yy 


dx* 


1 

r 




Femer ist 




av 


d (x 


-^'^- 



7 - ;^«' ' ä7 






Denselben Wert findet man, dem Satze von § 159 ent- 
sprechend, wenn man r erst nach y und dann nach x diffe- 
rentiiert. 



Partielle Differentialqaotienten. 225 

Ebenso wie r selbst, wird auch jede Funktion F{r) dieser 
Größe von den sechs Koordinaten abhängen und nach denselben 
differentiiert werden können. Wendet man die Kegel von § 108 
an, so ergiebt sich 



Ö» r ™/ ,-> Ö 



t[^('-)]=ä. (^-^') 



ÖX* L V /J Q^ 



F'ir) 



r 



dxd 

Es ist z. B. 






F'(r) (x -x'i^ d_ 
r r dr 



-l*- f Li = __ 1. _L Q(^- ^0' 



.5 



ö« 



3(aj-a;')(y-y') 



§ 163. In welcher Weise diese und ähnliche Formehi in der 
Physik sich verwerten lassen, möge folgendes Problem zeigen. 
In einem Punkte P mit den Koordinaten x^y, z befinde sich die 
magnetische Menge pi\ liegt in einem Abstand r von dem- 
selben in einem zweiten Punkte P'(ar', y', z') die magnetische 

Menge 1, so erfährt diese eine Äbstoßung -^y wenn die Magne- 
tismen auf beiden Punkten gleichartig sind. Die Komponente 
der Abstoßung nach der :r-Achse ist 

'' ''^- = /* ^- • (22) 



•• - • r 



Andern P oder P' ihre Lage, so ändert sich auch die 
zwischen den beiden Punkten wirkende Kraft. Die DiflFeren- 
ziierung von (22) nach den Variablen ar,y, z giebt uns Aus- 
kunft, wie sich die Kraft ändert, wenn nur P seinen Ort 
ändert, P' dagegen an seiner ursprünglichen Stelle bleibt. 

Wir verschieben nun P in Richtung h nach dem sehr 
nahen Punkte Q, dessen Abstand von P= / sei, dann befindet 

LfORSNTZ, Pifferentialrechiiung. 15 



226 



Achtens Kapitel. 



sich die magnetische Menge ft — wir wollen annehmen, es sd 
Nordmagnetismus — jetzt in Q. Wir denken uns nun noch 
an der ursprünglichen Stelle P eine gleich große magnetische 
Menge/ aber von entgegengesetztem Vorzeichen, also Südmagne- 
tismus, so daß ein kleiner Magnet entsteht mit den Polen f 
und Q. Die Wirkung auf P' in Richtung der x -Achse ist 
jetzt gleich der Summe der Projektionen der beiden Eji^te, 
welche vom Nord- und Südpol ausgehen, oder was dasselbe 
ist, gleich der Projektion der Wirkung des Nordmaguetismos 
in Q vermindert um die Projektion der Wirkung einer gleichen 
Quantität Nordmagnetismus in P. Diese Differenz ist gleich 
dem Zuwachs, den (22) beim Übergang von P nach Q er&hrt 
also, wenn / sehr klein ist, gleich 






X — X 



Bildet h mit den Achsen die Winkel u, ß, y, so ist nach 
Formel (9), § 1 50 

, ö \x' -x^. 



= /iZ{cosaA 



X -- X 



^(ll[- 



cos« tyX —X 

-~8 +0- ^ 



+ '^^ ^ dH [-Hf-J + ««« y öT [-r- - Jl 
(o:' — ar)cosa + (y'— y)cos/9 + (z' — z)cosy [. 

In ähnlicher Weise lassen sich die Kräfte, welche in Rich- 
tung der y- und z- Achse auf P' wirken, bestimmen. 

§ 164. Der § 159 bewiesene Satz giebt uns noch zu 
folgender Bemerkung Anlaß. Sind zwei Funktionen X und Y 
gegeben, die beide von x und y abhängen, dann giebt es in 
gewissen Fällen eine Funktion ^, die partiell nach x und y 
differentiiert, X und Y liefert, aber im allgemeinen besteht 
eine solche Funktion nicht. Ist 



und 



und 






X=J? 

ox 
so ist 

dX ^ ö*qp 
dy "~ dydx 

folglich, auf Grund des erwähnten Satzes, 

dX _ dY 

dy dx 



(23) 



dY 
dx 



dxdy 



(24) 



Partielle Differentialquotienten. 227 

Also nur wenn (24) erfüllt ist, kann eine Funktion ip 
existieren y die, partiell nach x und y differentiiert, X und Y 
liefert. Bei den Gleichungen 

ist die Bedingungsgleichung (24) nicht erfüllt, da 

« M = 2 ^ - = 

by ^' dx ^' 

Es ist daher nicht möglich, jetzt eine Funktion (p zu be- 
stimmen, die (23) genügt. Bei den Gleichungen 

J=3arV, Y^x^ 

dagegen ist ^ = So:», -^~ = Sar«, 

also Gleichung (24) erfüllt. In der That braucht man jetzt nur 

zu setzen, um X und Y in der Form (23) schreiben zu können. 
In analoger Weise ergiebt sich, daß, wenn X, T, Z Funk- 
tionen Yon drei unabhängig Variablen x^ y, z sind, nur dann 
eine Funktion rp existieren kann, die partiell nach x, y^ z 
diflferentiiert, J, Y, Z ergiebt, wenn die folgenden Bedingungs- 
gleichungen erfüllt sind 

^? = i^ ^^öX . dX ^ dY 

dx ~~ dy ^ dx dx dy dx 

Diese Gleichungen sind nämlich notwendige Folgen der 
Gleichungen 

^-ii' ^=lh ^=ar- (25) 

§ 165. Ein im Räume beweglicher Punkt sei einer Kraft 
unterworfen, deren Richtung und Größe von der Lage des 
Punktes abhängen. Die Komponenten X, Y, Z dieser Kraft 
nach drei zu einander senkrechten Achsen sind dann Funk- 
tionen der Koordinaten x, y, z. In einigen speziellen Fällen 
sind nun diese Funktionen derart, daß sie sich als die 
partiellen Diflferentialquotienten einer einzigen Funktion dar- 
stellen, und also in der Form (25) schreiben lassen. Nehmen 
wir zunächst einmal an, daß ein fester Punkt P' mit den 
Koordinaten x\ y\ z' in der Entfernung r auf P{x,y, z) ab- 

15* 



228 Achtes Kapitel. 

stoßend wirke mit einer Kraft /*(r), dann ist, da , - - * 



^ 



— % 



die Kosinusse der Winkel zwischen F'P und den Kooir- 



r 
diuatenachsen sind 



X = ^^ rw , y = —^/"w . -^ = ^ Ao - 



Hat nun /"(r) eine einfache Form, dann kann man leicht 
eine andere Funktion F[f) angeben, die, nach r differentiiert 

f{f) liefert. Ist z. B. /"(r) = -^ oder /"(r) as r , dann ist 

F[f) = , resp. ^r*. Wie sich später zeigen wird, besteht 

auch bei verwickelterer Gestalt von /"(r) immer eine zweite 
Funktion Fify^ derart, daß 

/•(r) = F\T). 
Es ist dann (vergl. § 102) 

Da X ebenfalls =/'(r)-^^ - , so ist 

In analoger Weise ergiebt sich 

Es lassen sich also jetzt die Komponenten in der oben 
erwähnten Weise darstellen. 

Dies ist gleichfalls möglich, wenn eine beliebige Anzahl 
fester Punkte P^', P^' u. s. w. abstoßend oder anziehend auf P 
wirken. Es seien für diese Punkte Xj', y^', z^, x^\ y^', z,' u. s. w. 
die Koordinaten, r^, r^ u. s. w. die Entfernungen von P, f^ (rj). 
f^ (rj) u. s. w. die Abstoßungen. Wir verstehen dabei im all- 
gemeinen unter /'j, f^ u. s. w. Funktionen verschiedener Art 
da ja die verschiedenen Wirkungen nicht dasselbe Gesetz zu 
befolgen brauchen. Hat eine dieser Funktionen einen nega- 
tiven Wert, so bedeutet das eine Anziehung. 



Partielle Differentialquotienten. 229 

Die Komponenten der auf P wirkenden Kraft sind jetzt: 
X= ^^/;(rj) + ^-^/,(r,) + . . . . 
Y^ JL^f^ir,) + ^^f,{r,) + .... 

z = '---j^f,{r,) + ^^ /;(»•,) + • • • • 

Führen wir eine Reihe von Funktionen 

ein, welche mit /iCr^), /^(rg) u. s. w. in einem solchen Zusam- 
menhange stehen, daß 

ist, 80 läßt sich nach dem oben Gesagten für die Komponenten 
schreiben 

u. 8. w.; 
wenn man also 

y = ^iK) + ^2W + ---- 
setzt, so werden die Ausdrücke für die Kraftkomponenten die 
Form (25) annehmen. 

Die Funktion ^>y welche nach den Koordinaten di£feren- 
tiiert die Kraftkomponenten liefert, spielt in der Physik eine 
wichtige Rolle; man nennt sie Kraftfunktion oder Poten- 
tialfunktion. Differentiiert man dieselbe nach einer willkür- 
lichen Richtung A, so ergiebt sich die Projektion der Kraft 
auf diese Richtung. Den Beweis hierfür überlassen wir dem 
Leser. 

§ 166. Man erhält in den Fällen, wo eine Kraftfunktion ^ 
existiert, ein anschauliches Bild von der Art und Weise, wie 
sich die Kraft von Punkt zu Punkt ändert, wenn man durch 
alle Punkte, für die (p gleich groß ist, sich eine Fläche gelegt 
denkt; in dieser Fläche ist dann 

wo C eine Konstante bedeutet. Legt man dieser letzteren 
nacheinander verschiedene Werte bei, so erhält man eine 
Reihe derartiger Flächen, die sogenannten äquipotentiellen 



230 Achtes Kapitel. 

Flächen. Offenbar geht durch jeden Punkt des Raumes eine 
dieser Flächen. 

Aus den Erörterungen des § 151 geht nun unmittelbar 
hervor, daß die Kraft selbst^ deren Komponenten 

ox oy ax 

sind, in jedem Punkte des Raumes senkrecht zu der durch 
diesen Punkt gelegten äquipotentiellen Fläche steht. 

Den einfachsten Fall einer Kraftfunktion liefert uns die 
Schwerkraft. Auf den Punkt P {x, y^ z), dessen Masse gleich 
der Einheit sei, wirke die Schwerkraft g, dann ist, wenn wir 
die z- Achse vertikal nach unten legen 

Jf=0, r=o, Z=^g. 

Die Kraftfunktion ist^ 

(p^gz, 

und die äquipotentiellen Flächen, welche durch die Gleichung 

gz^C 

dargestellt werden, sind horizontale Ebenen. 

Wirkt außer der Schwerkraft noch eine andere Kraft Ln 
der Verlängerung des auf die ^r -Achse gefällten Lotes und 
proportional der Länge dieses Lotes*, so ist 

wo p eine Konstante bedeutet. Jetzt ist 

tp = ip(^* + y*) +^^.^ 
Die äquipotentiellen Flächen 

sind Umdrehungsparaboloide (§ 78). 



* In welcher Weise diese Gleichung aus den vorhergehenden er- 
halten wird, wird in der Integralrechnung gelehrt. Der Leser überzeuge 
sich jetzt, daß sich durch Differentiation von <)p nach x, y^ x die Werte 
von X, Yy Z ergeben. 

* Die Centrifugalkraft, welche auftritt, wenn das System, zu dem 
der Punkt P gehört, um die ä^- Achse rotiert, würde diesen Bedingungen 
geuügen. 



Partielle Differentialquotienten. 231 

Wird schließlich P von einem einzigen festen Punkt P' 
abgestoßen mit einer Eraft -^y dann ist, wenn P' in den 
Koordinatenursprung gelegt wird, 

und «r qp = 

Die äquipotentiellen Flächen sind Kugeln, deren Mittel- 
punkt P' ist. 

8 167. Ebenso wie wir z. B. ~ noch einmal nach x 
^ ax 

differentiieren können, läßt sich auch das § 157 betrachtete 
.[^ nochmals nach h differentiieren. Da nämlich, wie dort 

oh 

8chon bemerkt wurde, bei gegebenen a, /9, y, J . . . . , d. h. 
bei gegebener Richtung ä, ^ eine Funktion von .r, y, z, « . . . . 

ist, so können wir mit ~ genau so verfahren, wie mit der 

ursprünglichen Funktion (f. 

Wir wollen das kurz ausführen. Es war 



dgo 



= '^l! + /?f? + y|?+..-. 



dh dx ^ dy ' bx 

Wir schreiben daf&r 

WO nun die eingeklammerten Zeichen dazu dienen sollen, die 
Operation anzugeben, der die Funktion tp unterworfen wird, 
d. h. die Operation, welche darin besteht, daß man 9p nach 
X, y, 2: . . . . di£ferentiiert, die Resultate der Reihe nach mit 
a^ ßy Y , . , , multipliziert und schließlich addiert. 

Soll nun -^ nochmals nach h diflFerentiiert, also ^^ 
oh ' dir 

berechnet werden, so ist dieselbe Operation auf -Jj- j also 

schließlich zweimal nacheinander auf qp anzuwenden. Um das 
auszudrücken, hängen wir dem Zeichen der Operation den 
Index 2 an, wir schreiben also 



dh* \ dx 



+ ^-k + y d7 + ---'T'r' 



282 Achtes Kapitel. 

Eine ähnliche Schreibweise benutzen wir auch fftr die 
höhereu Differentialquotienten, also 

Es ist leicht, die obigen Ausdrücke weiter zu entwickeln. 
Hat man es mit nur zwei unabhängig Variablen x und y zu 
thun, so ist 

In dem §§ 144 u. flg. betrachteten Fall ist a^ zo%& und 
/9 = sin*. 

Die Wiederholung der Operation ergiebt 

ö'<p b { b(p , n dq)\ , a d f dq) , jj dtp\ 



dh 






also, wenn man die Gleichung (19) beachtet, 

^^.^^+2uß^%- + ß'^,. (26) 

Ebenso findet man 

Auf die Analogie dieser Entwickelungen mit denen des 
binomischen Lehrsatzes brauchen wir wohl nur hinzuweisen. 

§ 168. Es soll jetzt das Vorhergehende auf die Krüm- 
mung von Oberflächen angewandt werden. In einem Punkte 
einer Fläche legen wir die Berührungsebene und wählen diese 
als ary-Ebene eines rechtwinkligen Koordinatensystems, dessen 
2:-Achse also mit der Normale zusammenfällt. Es ist dann 
im Punkte 

-f— = 0, -1^=0. (27) 

ox ^ dy ^ 

Zur Veranschaulichung denken wir uns die Figur so ge- 
stellt, daß die Achse OZ vertikal nach oben zeigt. 

Wir legen nun durch diese Achse eine beliebige Ebene, 
welche die :ry-Ebene nach einer Linie Off, deren Richtung; 



Partielle Differentialqaotieuten. 



23» 



h nennen, schneidet; wir bestimmen dieselbe durch den 
^Vinkel ß-j welchen sie mit OZ bildet. Es soll f&r den Punkt O 

der Krümmungsradius q oder die Krümmung — des Durcli- 

scbnittes dieser Ebene mit der Fläche berechnet werden. 

Die Schnittkurve beziehen wir auf OH und OZ als Koordi- 
natachsen und nennen die Koordinaten eines Punktes h und r» 
Nach der Formel (1) des vorigen Kapitels (S. 184) ist 



9 






1 + 



'ö*\a '/t ' 



m 



also, da aus (27) folgt 



Aus der Formel 



dk 



= 0, 



5-r = ä— cos iT + ^- sm & 
oh dx ay 

tolgt durch nochmalige Differentiation (man vergleiche Formel (26)^ 
§ 167) 

, = cos*«?^^ + 2 sm 1» cos t» ^ ., + 8m*i9- 



dk 



dx' 



dxdy 



dy^' 



und zwar gelten diese Formeln in jedem beliebigen Punkte 
der Schnittkurve. Wir wenden die zweite derselben jetzt auf 
den Punkt an. 

Zur Abkürzung setzen wir ftir . die daselbst geltenden 

Werte 

dH 



dH _ 



d^x_ ^ 
dxdy ^ ' 



dy^ 



= t. 



Die gesuchte Krümmung wird dann 



— = r cos* i9- + 2 Ä sin i?- cos & •{- t sin* &, 
9 

Drehen wir jetzt die schneidende Ebene um die Normale 
herum, so erhalten wir immer wieder einen anderen ,,Normal- 
schnitt^^; hierbei ändert sich die Krümmung, da, während r, s 
und t konstant bleiben, der Winkel & variiert. 



234 Achtes Kapitel. 

Die Funktion von & mit der wir es jetzt zu thnn haben, 
hat dieselbe Gestalt wie der Ausdruck, den wir § 125 zu 
untersuchen hatten. Wir können hieraus sofort schließen, daß 
es zwei bestimmte, zu einander senkrechte Normalscbnitte 
giebt, die sich dadurch auszeichnen, daß die Erammüng far 
den einen ein Maximum und für den anderen ein Minimum 
ist. Man nennt diese beiden die Hauptnormalschnitte 
und die Krümmungsradien derselben die Hauptkrümmungs- 
radien. 

Die Formeln vereinfachen sich erheblich, wenn wir die 
X- und y- Achse in der Berührungsebene so wählen, daß die- 
selben gerade in den Hauptnormalschnitten liegen. Setzen 
wir für diesen Fall 

öx»"'*!' dxdy ""*!' ö.v«~ 1' 

so finden wir für die Krümmung eines Normalschnittes, dessen 
Ebene mit dem ersten Hauptnormalschnitt den Winkel & 
bildet 

— = r^ cos* & + 2s^ sin & cos & + t^ sin* & . 

Da nun aber diese Krümmung für ??• = ein Maximam 
oder Minimum sein soll, so muß für diesen Wert von & der | 
Differentialquotient nach & verschwinden, und dieses ist, wie 
man leicht sieht, nur möglich, wenn 

Äj =0. 
Also: 

— = r, cos* & + t, sin* & . 

Setzt man hier & = und i^ = ^;r, so muß man natür- 
lich die Hauptkrümmungen erhalten; bezeichnen wir die 

Hauptkrümmungsradien mit ^^ und B^y so ist also r, = -p- ? 

-"1 

Aus dieser Formel geht hervor, daß man die Krümmung 
aller Normalschnitte berechnen kann, sobald man die Haupt- 
krümmungsradien kennt. 



^ 



Partielle Differentialquotienten. 235 

Die Krümmung eines Normalschnittes kann positiv oder 
negativ sein (§ ISO). Positiv ist dieselbe, wenn die Schnitt- 
kurre Qacb oben konkav, negativ dagegen, wenn die Kurve 
nach oben konvex ist. 

Haben K^ und iP, dasselbe Vorzeichen, so stimmen nach 
(28) auch die Vorzeichen aller Krümmungsradien q mit den 
Vorzeichen von R^ und R^ überein. Man kann dann sagen, 
daß im betrachteten Punkt die Fläche nach oben konkav oder 
konvex ist. 

Wenn dagegen J?j und R^ entgegengesetzte Vorzeichen 
haben, so ist die Fläche in der einen Richtung nach oben und 
in der anderen Richtung nach unten konkav. Dieser Fall ist 
bei einer sattelförmigen Fläche realisiert. 

Haben R^ und R^ gleiche Vorzeichen und auch gleiche 
Werte, so sind nach der Formel (28) alle q einander gleich. 
Mit diesem Fall hat man es zu thun in jedem Punkte einer 
Kugel und an den Polen eines ümdrehungsellipsoids. 

Übrigens kann man sich in einfachen Fällen durch un- 
mittelbare Anschauung von der Existenz und der Lage der 
beiden Hauptschnitte eine Vorstellung bilden. 

Der Ausdruck ^(-p- + -p-) wird oft die mittlere Krüm- 
mung der Fläche genannt. 

§ 169. Auch bei Funktionen von zwei oder mehr unab- 
hängig Variablen können Maxima oder Minima auftreten. Wir 
beschränken uns zunächst auf den Fall, wo (f eine Funktion 
von zwei unabhängig Veränderlichen, x und y, ist. Faßt man 
X und y als die rechtwinkligen Koordinaten in einer Ebene 
auf (§ 144), dann kann es in einem Punkte P (Koordinaten a 
und b) vorkommen, daß, wenn man in irgend einer Rich- 
tung h durch ihn hindurchgeht, unsere Funktion (p in diesem 
Punkt aus dem Wachsen in das Abnehmen oder umgekehrt 
übergeht, also qp ein Maximum resp. Minimum ist. Dabei 
kann dies der Fall sein fiir alle Richtungen, nach denen man 
durch den Punkt P hindurchgehen kann, oder nur für einige. 
Anch ist es sehr gut möglich, daß qp in Bezug auf einige 
Richtungen ein Maximum, in Bezug auf andere ein Mini- 
mum ist. 



286 Achtes Kapitel. 

Faßt man (p als die dritte Koordinate eines Punktes auf 
und stellt den Verlauf der Funktion durch eine Fläche dar, 
so würde der letztere Fall eintreten, wenn die Fläche in der 
Nähe des Punktes mit den Koordinaten a und b sattel- 
förmig wäre. 

Soll (p in Bezug auf alle Richtungen ein Maximum oder 
Minimum sein, so muß (§ 121) für jede Richtung -^ = sein. 
Da nach Formel (4), S. 207 

-^ = -^ COS 19-+ -^ sin & 
ah ox oy 

ist, so ist die notwendige und hinreichende Bedingung hierfor^ 
daß für X = a und y = b 

J^ = und 1^ = 0. 

ax oy 

Um zu entscheiden, ob wir es nun wirklich mit einem 
Maximum oder Minimum zu thun haben, müssen wir unter- 

suchen, ob -^ sein Vorzeichen wechselt (vergl. § 121) und in 

welchem Sinn dies geschieht, wenn man in der Richtung h 
durch P hindurchgeht. Wie wir schon wissen (vergl. § 143), hängt 

dies vom zweiten Differentialquotienten, also hier von ^%- 

ab. Es folgt nun aus der Formel für ^ durch abermalige 
Differentiation (man vergleiche Formel (26), § 167), 

%l- = cos^i? 5^, + 2sin* cos,9-/|-+ sin^^ft, 

Öhr ox* oxoy oy* 

oder, wenn wir zur Abkürzung 



setzen. 



dx'* ' dxdy ' dy* 

ä~i? = r cos* & + 28sinT9' cosd- + tsin^ & . 

Ohr 



Untersuchen wir zunächst, unter welchen Bedingungen 
dieser Ausdruck für alle Werte des Winkels & positiv ist Da 



Partielle Differentialquotienten. 237 

derselbe fiir i?- = in r und {ür & = ^n in t übergeht, so 
muß r > und ^ > sein. Es läßt sich weiter schreiben 

^ = [yi^cos* + -'^.sm&Y + (t-y]sm^&. 
Dieser Ausdruck reduziert sich auf 

iprenn man 

setzt. Soll also auch für den hierdurch bestimmten Wert von 

^ der zweite Differentialquotient positiv sein, so muß /— — > 0, 

oder, da wir schon wissen, daß r positiv ist, r^ — ** > sein. 

Findet aber diese Ungleichheit statt, so ist -^^ als Summe 

zweier Quadrate für alle Werte von & positiv. 

Die notwendigen und ausreichenden Bedingungen für ein 
absolutes Minimum sind also 

r>0, ^>0, rt — 3^>0y 

wobei noch zu bemerken ist, daß die zweite Bedingung in der 
ersten und dritten enthalten ist. 

In ähnlicher Weise findet man als Bedingungen für ein 
absolutes Maximum 

r<0, ^<0, r^ — Ä«>0. 

Sobald r^— ** > ist, tritt entweder der erste oder der 
zweite Fall ein. Ist dagegen rt — s^ < , so hat man es je 
Bach der für h gewählten Richtung mit einem Maximum oder 
einem Minimum zu thun. Wir haben dann nämlich 

-^^ = r sin^ & (cot & — ?w)(cot i9- — n), 

wo 

»w = 1 Vs^ — rt, 71= V«^ — r? 

r r ^ ' r r ' 

ist. 

Der Differentialquotient hat nun das eine oder das andere 
Vorzeichen, je nachdem coti9- zwischen den Größen m und n 
oder außerhalb dieses Intervalles liegt 



238 Achtes Kapitel. 

§ 170. Ist (p eine Funktion von mehr als zwei Variablen, 
etwa eine Funktion von ar, y, z, u . . . ., so lassen sich die 
etwaigen Maxima und Minima in analoger Weise wie im 
vorigen Paragraphen ermitteln. 

Damit (p für gewisse Werte jtj, yj, Zj, «^ . . . . ein Maxi- 

mum oder Minimum ist, muß für jede Richtung h -et=^ 

sein. Hieraus und aus Gleichung (16), S. 219 folgt, da die die 
Richtung bestimmenden Größen a, ß, y, S .... sehr ver- 
schiedene Werte haben und auch alle, mit Ausnahme einer 
einzigen gleich sein können, 

d<P _Q^ 1^ = 0, 1^ = 0, 4^ = 0.... (29) 



dx ^ dy ' ö* ' du 

Sind diese Gleichungen erfüllt, so ist offenbar auch für 

jede Richtung -5^ = 0- Um zu entscheiden, ob man es 

dann auch wirklich mit Maxima oder Minima zu thun hat, 
sind ähnlich wie im vorhergehenden Paragraphen die zweiten 

Differentialquotienten -^^ heranzuziehen. Dadurch wird die 

Untersuchung oft sehr ei-schwert. 

Zuweilen kann man jedoch aus der Natur der vorliegenden 
Funktion direkt erkennen, ob für die betreffenden Werte von 
Xj y, z, u , , . . ein Maximum oder Minimum existiert. 

§ 171. Mit einem derartigen Falle hat man es z. B. bei 
der Berechnung von Beobachtungsresultaten nach der Methode 
der kleinsten Quadrate zu thun. 

Alle unsere Messungen sind mit Fehlern behaftet, die 
durch ünvoUkommenheit unserer Sinnesorgane und Instru- 
mente oder durch andere störende Einflüsse entstehen. Wir 
nehmen an, daß die Fehler einmal in einem Sinn, das andere 
Mal in entgegengesetztem Sinn ungefähr in gleichem Maße 
auftreten. Ist dies der Fall, so kann man die Resultate 
bis zu einem gewissen Grad von den Fehlem befreien, wenn 
man die Messungen wiederholt. Handelt es sich dabei um 
die direkte Ausmessung einer einzigen Größe, dann ist der 
Mittelwert aller Einzelresultate, d. h. die Summe aller 
Werte dividiert durch die Anzahl, der wahrscheinlichste 
Wert. 



(30) 



Partielle Differentialqaotienten. 239 

In vielen Fällen liegen die Verhältnisse verwickelter in- 
sofern, als mehrere Größen zu ermitteln sind, die nicht direkt 
durch Messung gefunden, sondern erst aus anderen Größen 
berechnet werden müssen. Von einem Stab sei beispielsweise 
bekannt, daß er sich bei Erwärmung nach der Formel 

l^p + qt 
ausdehnt, wo / die Länge, p und q Eonstanten und t die Tempe- 
ratur bedeuten. .Will man p und q aus Beobachtungen ableiten, 
so wird man im Hinblick auf die jeder Messung anhaftenden 
Fehler die Länge des Stabes nicht nur bei zwei verschiedenen 
Temperaturen, sondern bei mehreren t^j t^^ /"j u. s. w. be- 
stimmen. Ergeben sich hierbei als Resultate die Längen /^, 
l^j /, u. s. w., dann hat man zur Berechnung von p und q 
eine Anzahl von Gleichungen, nämlich 

P + 9h^h 
u. s. w. 

Wären alle Messungen vollkommen genau, so würde man, 
welche zwei dieser Gleichungen man auch der Rechnung zu 
Grande legen würde, stets dieselben Werte für p und q er- 
halten. In Wirklichkeit wird dies nie der Fall sein, und äs 
erhebt sich da die Frage, welche Werte von p und q als die 
wahrscheinlich richtigsten sich aus den Gleichungen ergeben. 

Würde man für p und q bestimmte Werte setzen und 
daraus die Länge des Stabes bei verschiedenen Temperaturen 
berechnen, so würde die berechnete Länge, von der direkt be- 
obachteten abweichen. Die Fehler 

P + qt^-hy P+9h-h^ /? + 9^3-/8 U.8.W. (31) 

sind offenbar Funktionen der für p und q angenommenen 
Werte. Aus Betrachtungen über die Wahrscheinlichkeit des 
Auftretens größerer und kleinerer Fehler hat man nun abgeleitet, 
daß die wahrscheinlichsten Werte für p und q diejenigen sind, 
für welche die Summe der zweiten Potenzen der Fehler, also die 
Größe 

* = (/^ + 9^1 - l^? + {/^ + 7^2 - ^2)' + • • • • r 

5= V(/^ + y^-0' (32) 

möglichst klein ist. 



"240 Achtes Kapitel. 

Es leuchtet wohl unmittelbar ein, daß fiir diese Sammc 
ein Minimum existieren muß. Es ist nämlich S immer poä- 
tiv, welche Werte man auch fiir p und q einsetzt , und Ton 
«iner Anzahl positiver Zahlen muß immer eine die alier- 
kleinste sein. 

S kann freilich nicht Null werden; das wäre nur mög- 
lich, wenn alle Gleichungen (30) genau erfüllt wären, vas 
eben durch die Beobachtungsfehler verhindert wird. 

Ohne auf die Ableitung aus der Wahrscheinlichkeitsrech- 
nung einzugehen, kann man leicht einsehen, daß diejenigen 
Werte von p und y, welche S zu einem Minimum machen, 
auch solche sind, die sich allen Beobachtungen ziemlich gut 
anschmiegen. Wenn nämlich die Summe der Quadrate der 
Differenzen (81) klein wird, kann keine einzige dieser Differenzen 
einen beträchtlichen Wert haben; man wird sich daher von 
keinem einzigen der Beobachtungsresultate gar zu weit ent- 
fernen. 

§ 172. Die Werte von p und q, für welche S ein Mini- 
mum ist, berechnen wir aus den Gleichungen (vergl. § 170) 

&S Q dS Q 



dp dq 

woraus sich ergiebt 

{p + qt,--l,) + (p + qi^-^l^)+ ....^0 I ^^^, 

und t^{p + qt^ - ly) + t^{p + qt^ -- l^) + =0, ) 

oder, wenn n die Anzahl der Messungen bedeutet, 

pn + q2:t'- 2:1=0 j 

p2t + q2fi- 2:it = o. 

Aus diesen Gleichungen mit bekannten Koeffizienten lassen 
eich p und q leicht berechnen. Es leuchtet nun auch ebne 
eine Untersuchung über die zweiten Differentialquotienten sofort 
ein, daß die für p und q gefundenen Werte wirklich ein Mini- 
mum ergeben. Denn einerseits wissen wir, wie bereits bemerkt 
wurde, im voraus, daß ein Minimum existiert, und müssen die 
diesem Minimum entsprechenden Werte von p und q den ßlei- I 
ehungen (33) genügen. Andererseits können diese Gleichungen, 
da sie linear sind, durch keine anderen Werte befriedigt 
werden. 



Partielle Differentialquotienten. 241 

Hätte man ein und dieselbe Größe mehrere Male ge- 
messen und würde man ihren wahrscheinlichsten Wert nach 
der Methode der kleinsten Quadrate berechnen, so würde man 
den gewöhnlichen Mittelwert erhalten (vergl. § 124). 

§ 173. Die Methode der kleinsten Quadrate kann auch 
bei mehr als zwei unbekannten Größen angewandt werden. 
Sollen py qj Vj s . , , . berechnet werden aus den linearen Glei- 
clmngen 

^1 = ^iP + ßi9 + YiT + S^8 + . . . . 

^t=^ ^^P + ß29 + Ti^ + *a* + 

4 = a8P+Äy + /8^ + *8* + u. s. w.S 

wo ^, /j, /g .... Messungsresultate und cc^, ß^, y^, 5, . . . ., 
ofg, ^j, y^, 5j .... u. s. w. bekannte Koeffizienten sind, so 
würden die wahrscheinlichsten Werte sich aus der Regel er- 
geben, daß die Summe der Quadrate der Fehler, nämlich 

{^2P + ßiV + r^r + S^s + , . . . — l^)^+ u. s. w., 

ein Minimum sein muß. Die Bedingungen hierfür, 

dS fK dS rx oS fv BS rt _ 

.— = 0, ^— = 0, ^- =0, -«- = u. 8. w., 

dp ^ oq ^ ar ^ OS ' 

geben zur Ermittelung der Unbekannten soviel Gleichungen 
vom ersten Grade, als Unbekannte zu berechnen sind. 

Die auseinandergesetzte Methode leistet gute Dienste in 
allen Fällen^ wo eine Reihe von Messungen durch eine empi- 
rische Formel dargestellt werden soll, in welcher nur einige 
linear vorkommende Eonstanten vorläufig unbekannt sind. Hat 
man z. B. für einige Lichtstrahlen mit verschiedenen Wellen- 
längen X die Brechungsindices n bestimmt und will man die 
Beziehung zwischen beiden durch die Formel 

ausdrücken, dann wird man, um einen möglichst guten An- 
schluß zwischen den beobachteten und berechneten Werten zu 
erhalten. Ä, B und C so bestimmen, daß die Summe der 



^ Natürlich wird hierbei vorausgesetzt, daß die Anzahl der Glei- 
changen größer ist als die der Uubekanuten. 

LOBBNTZ, DifferentialrechniiDg. 16 



242 Achtes Kapitel. 

Quadrate der Differenzen zwischen den beobachteten und den 
nach der Formel berechneten Brechnngsindices möglichst 
klein wird. 

§ 174. Auch aus nicht linearen Gleichungen können die 
wahrscheinlichsten Werte der unbekannten Größen mit Hilfe 
der Methode der kleinsten Quadrate berechnet werden. Sollen 
z. B. Pj q, r, s , . . . aus den nicht linearen Gleichungen 

h = ^i(Py9y^9^ )f 

h = -^2 (P» 9'» ^ * ) » 

/g = F^ [p, q, r, .V . . . .) u. s. w. 

berechnet werden, so würde man wieder dieselben so be- 
stimmen, daß die Summe S der Quadrate der Größen : 

^1 {Py 9j^j^ ) - ^1 » ^2^Piq^r,8 ) — ^ u. s. w. 

ein Minimum würde. Die erforderliche Anzahl von Gleichungen 
hätte man dann in 

öp-^' ä7 = ^' -5- = 0u.8.W. 

Jedoch wäre die Auflösung dieser Gleichungen , die nicht 
mehr linear sind, in vielen Fällen sehr schwierig. Durch 
einen einfachen EunstgrifF gelingt es indessen stets, die Auf- 
gabe auf lineare Gleichungen zurückzuführen. Angenommen, 
man hätte auf diesem oder jenem Wege f&r die Unbekannten 
die angenäherten Werte /^o> ^o» ^o» *o • • • • gewonnen, die nur 
noch kleiner Verbesserungen bedürfen. Bezeichnen wir diese 
mit p\ q'j r\ s , . . . und setzen wir also 

P=Po + P'y 9 = 9o+ 9\ r=:r^+ r', s = 8q+ s' u. s. w., 

so dürfen wir, wenn p\ q\ r', s' . , . . sehr klein sind, schreiben 
(vergl. § 156) 

F^{p,qyr,...) = F^{p^,q^,r^...,)+-^^^p'+ q-^9 + -q^' ^' + "- 

In dieser Gleichung sind uns das erste Glied auf der 
rechten Seite und ebenso die Koeffizienten z* > ^-* .... 

dp aq 

bekannt, da wir in diesen abgeleiteten Funktionen die Werte 
P — Poy 9 — 9oy '■ =^ ^ü • • • • einsetzen dürfen. 



Partielle Differeotialqaotienten. 243 

Aus der Gleichung 

^ = ^1 (;^ 7. '• ) 

ergebt sich nun 

^J^t f t ^^l 'I ^-^l ' I 7 1/7/ \ 

Analoge lineare Gleichungen erhält man mit l^, l^ Aus 

denselben lassen sich die Verbesserungen p\ q\ r' . . . . nach 
der Methode der kleinsten Quadrate berechnen. In der eben 
geschilderten Weise werden z. B. die vorläufig berechneten 
Klemente einer Planeten- oder Kometenbahn so verbessert, daß 
die letztere sich möglichst gut an alle ausgeführten Ortsbe- 
stimmungen des Himmelskörpers anschließt. 

Glaubt man, daß unter einer Anzahl von Messungen einige 
zuverlässiger sind, als die anderen, so kann man dies in Rech- 
nung bringen, indem man verfährt, als ob die Beobachtungen, 
welche' man für besonders gelungen hält, nicht einmal, sondern 
zwei- oder noch mehrere Male und zwar mit demselben Resultat 
ausgeführt wären. Wollte man z. B. in der Aufgabe § 171 
der ersten Messung ein doppelt so großes „Gewicht" zuer- 
kennen, als den übrigen, so würde man p und q so bestimmen 
müssen, daß 

5= 2(p + qt, - /,)» + {p + qt, -l,)'+ .... 

ein Minimum würde. In der That wirft dann die erste Mes- 
sung mehr Gewicht in die Wagschale, als die übrigen. 

§ 175. Wir wollen zum Schluß noch zeigen, wie die 
partiellen Differentialquotienten bei dem Differentiieren einer 
Funktion Verwendung finden. 

Wir differentiierten § 108 eine Funktion y, die nicht 
direkt, sondern durch Vermittelung einer Variablen u von x 
abhängt. 

Es sei jetzt y eine Funktion von u, v, to . . . . , die alle 
wieder Funktionen von x seien. Wächst x um dx und er- 
fahren demzufolge m, v, w die Zuwächse du, dv, dw , 

dann ist nach § 158 der Zuwachs von y 



dy = ,. du + J^ dv + 

•^ du dv 



16* 



244 Achtes Kapitel, 

und nach Division mit dx 

dy^ _^dy du dy dv »«n 

dx " dudx "^ dvdx'^ ^^^ 

Die hier vorkommenden Differentialquotienten 3— , —-.... 

^ ax dx 

sind direkt Funktionen von x, die partiellen DifferentialquotienteD 

^y -^ . . . . dagegen zunächst Funktionen von «, v 

du ov ^^ ^ ^ 

Da aber u^ v . . , . Funktionen von x sind, so lassen sich 

~-7 ^ > und also auch -^ , als Funktionen von x dar- 

ou öv dx 

stellen. Man wird sogar oft —^ sofort in dieser Form nieder- 
schreiben können. 

Wie sich aus Formel (34) ergiebt, besteht der DiflFerential- 

quotient ^- aus einer Anzahl von Teilen, deren erster Äch 

ergeben würde, wenn Vy to... . konstant wären und nur u von j 
abhinge, der zweite, wenn nur v variabel wäre u. s. w. 

Die Formel (34) enthält die allgemeine Regel fiir die is 
§105 besprochenen speziellen Fälle. Aus 

y = M» 
folgt 

öy _ dy _ 

du ^ dv 

und also in Übereinstimmung mit dem früher gefundenen 
Resultat 

dy _^ du dv 

dx dx dx 

Ebenso ergiebt sich aus 

u 
y — — > 

^ — A ^y — ** 

du V ^ dv V* 

du dv 

f) — u - - 

dy dx dx 

dx v* 



Ist 
dann ergiebt sich 



y^u% 



Partielle DifferentialquotienteD. 



245 



daß 



du 



= ütt»-l 



ov ' 



-^ = r^t^-i-ü + a^/t« 



c^o; 



da; 






So ist z. B. 



da? 



[x^) = ar» (1 + /ar) . 



Es verdient noch bemerkt zu werden, daß, wenn u, v ,,. 
und also auch y außer von x noch von anderen Veränder- 
lichen x' . . . , abhängen, die Formel (34) gültig bleibt, wenn 
man die letztgenannten Größen als Eonstanten betrachtet. Um 
dies auszudrücken, schreibt man dann besser 



dy _ dy du ^y_J^^ 
dx "" Ott dx dv dx 



+ 



• • • • 



(35) 



§ 176. Gegeben seien zwei Linien S und S' und auf 
denselben zwei feste Punkte A und A' (Fig. 92). Die Lage irgend 
eines Punktes P auf S bestimmen wir durch die längs der 
Linie in bestimmter Richtung gemessene 
Entfernung s von A, ebenso die Lage eines 
Punktes P' auf S' durch die längs 5' ge- 
messene Entfernung s' von A'. 

Wir denken uns ein rechtwinkliges 
Koordinatensystem, dann sind die Koor- 
dinaten X, y, z von P Funktionen von s, 



und die Koordinaten x\ y\ z' von P' 




Fig. 92. 



Funktionen von s\ Der Abstand PP'=^ r, 

der direkt von z, y, z, ar', y', z' abhängt, hängt also indirekt 

von s und s' ab. Also ist 



Nach § 161 sind 



br dx , br dy dr dx 
dx ds dy da dx ds 



(36) 



dr 



dr 

dy 



dr 



^ , . , ^ die Kosinusse der Winkel, 
dx dy dx ' 

welche die von P' nach P gezogene Gerade mit den Koordi- 
natenachsen bildet. 

Ebenso steUen (§ 98) g , g , J die Kosinusse der 

Winkel dar, welche ein Element der Linie 8 bei P mit den 
Achsen bildet 



246 Achtes Kapitel. 

Deshalb ist 

li = cos * , 

wenn & den Winkel bedeutet, den das genannte Element mit 

P'P bildet. 

Ebenso ist 

dr r,, 

3 7 =a COSlT , 
08 ' 

wenn x9' den Winkel bedeutet, den ein Element der Linie S 
bei P' mit der Verbindungslinie, in entgegengesetzter ßichtung 
wie soeben genommen, bildet. 

Nach dem schon § 161 gefundenen, enthalten übrigens 
diese Gleichungen nichts neues. 

Um auch ^ ^-, zu ermitteln, schreiben wir für (36) 

0808 ' ^ 

dr X — x' dx t^y — y' dy _. ^ - *' djL 

ds ~~ r da r da r ds 

und behalten im Auge, daß x, y, z. -^-, — r^, — ,— unab- 

° ' ^ ^^ ^ ds ds äs 

hängig von s' sind, daß dagegen x', y\ z und demzufolge 
auch r von s' abhängen. 
Man findet dann: 

b\r ^ __ 1 /dxdx' dy df dx dx^. __ 
dsds^ ■"" r \d8 ds' "^ ds dV '^ ds'ds') 

\f f.dx . f\f^y t , ^ öf»l 1 dr 

- [(^-^)d, + (y -y )ä.- + (^ - o rfv) • r-dv = 

r [ds ds' ■*" ds ds' "*" dsds') r dJ ds' ' 

Nennen wir den Winkel, den die beiden, bei den Punkten 
F und P" liegenden Linienelemente ds und ds' miteinander 
bilden, e, so ist 



Also 



und 



cos « = ~ — ' -I- ^^ ^ o. ^ ^ 
ds ds' "*■ ds ds' "^ ds ds' 

d^r __ ^ cos fi + cos ^ cos ^' 
dsds' ~~ r 

< 

COS« = — r- , —-----. 

dsds dsds 



Diese Formeln sind namentlich für die Elektrodynamik 
wichtig. 



Partielle DifferentialquotienteD. 247 

§177. In §115 sahen wir, wie man in einigen ein- 
fachen Fällen den Differentialquotienten einer unentwickelten 
Funktion ableiten kann, ohne daß man die Gleichung nach der 
abhängig Variablen aufzulösen braucht. Dieses läßt sich jetzt 
folgendermaßen yerallgemeinem. Gegeben sei die Gleichung 

Fix, y) = C, (37) 

WO C eine Eonstante ist. Wenn man nun, ausgehend von 
einem bestimmten Wert von x und dem dazu gehörigen von y, 
welcher der Gleichung (37) Genüge leistet, beide Variable 
unendlich wenig, um dx und dy, wachsen läßt, dann wird im 
allgemeinen auch die Funktion F(x, y) einen anderen Wert 
annehmen. 

Ihr Zuwachs wird nach § 147 gleich sein 

dF , , dF . 
-^dx+-^dy, 

wenn wir die Funktion der Kürze halber mit F bezeichnen. 

Sollen auch die neuen Werte von x und y der Gleichung (37) 
Genüge leisten, so können dx und dy nicht beide beliebig ge- 
wählt werden, denn es muß 



sein, und also 



I\.,y) + '^ld. + '/-d!,= C 



Hieraus folgt 



dF , , BF , .. 

dx oy ^ 

dF 
öS, 

Man kann diese Formel auch auf folgende Weise ableiten. 
Da y eine Funktion von x ist, so hängt F(x, y) auf zweifache 
Weise von x ab, nämlich erstens direkt und zweitens indirekt 
durch Vermittelung von y. Wir können also die Formel (84) 
(§ 175) anwenden, indem wir y durch F, u durch x und t; 
durch y ersetzen und erhalten . 

— = — -h— ^. (39^ 

dx dx dy dx' ^ ' 

Diese Gleichung würde gelten, welche Funktion y auch 



sein, also 



248 Achtes Kapitel. 

von X wäre. Soll aber y gerade in solcher Weise von x ab- 
hängen, daß F{x^y) den konstanten Wert C erhält ^ so muß 

ax 

woraus die Formel (38) sofort folgt. 

8 178. In ähnlicher Weise läßt sich —,—- berechnen. 

Da ^— , ^— und ^ Funktionen von x sind, so erhalten 

ax oy ax ' 

wir aus (40), indem wir die Regel für die Dififerentiation eines 
Produktes anwenden, 

dx[dx) '^ dx[dy )dx^ dy dx* ''^' ^ ^ 

Nun ist analog Formel (39) 

d fdFX ^ 5«F d\F dy 
dx \dx ) ~ dx* dx dy dx ' 



d [dF\ _ d^F d^Fdy 



dz\dy I dxdy dy^ dx 
Durch Einsetzen dieser Werte in (41) erhält man 



d^F 
dx" 



;» ■*" dxdy dx "^ dy* \dx) "^ dy dx' 
Setzt man hierin aus (40) den Wert fiir ^- ein, so hat 

man -~f als eine Funktion von x und y. 

Man kann diesen Wert von -j^ auch dadurch erhalten, 

dx* 

daß man (38) direkt nach x difFerentiiert. Man erhält dann 

d*y _^ dxdx\dy) dydx\dx) 

dx* " pFy 

[dyl 
oder 

dFf d*F d*Fdy\ _ dF ld*F d*F dy\ 
d*y _^ dx \dxdy dy^ dx) dy \dx* dxdydx) 
dx* "" WFy 



Partielle Difterentialquotienteu. 249 

Der Leser möge sich selbst davon überzeugen, daß man 

auf beide Weisen denselben Wert für -=— - erhält. 

§ 179. Wir behandeln schließlich noch einen allgemeinen 

Fall. Gegeben seien p Variable ar^, ar^, x^, die miteinander 

durch die folgenden q Gleichungen verbunden sind {q < p) 

Jf^\X^j x^y x^ . . . . X^j = ü , 



Man kann dann von den Variablen p ^ q == r, also z. B. 
x^j x^, x^ .... x^, eis die unabhängig Veränderlichen betrachten, 
von denen die übrigen ar^+i, ar^+g • • • • ^« abhängen, und eine 
jede dieser letzteren Größen partiell nach einer der unabhängig 
Variablen diflFerentiieren. Dabei brauchen wir, ähnlich wie in 
den vorigen Paragraphen, die Gleichungen nicht erst nach den 
abhängig Variablen aufzulösen. Es kommt in der ersten Funk- 
tion F^ die unabhängig Variable x^ in zweierlei Weise vor, 
einmal direkt, und zweitens durch Vermittelung der abhängig 
Variablen arr+i> ^r+2 • • • • ^p» Durch partielle Diflferentiation 
nach x^, d. h. indem man x^ . . . . x^ als konstant betrachtet, 
ergiebt sich also [vergl. Gleichung (40)] 

dF, dF, dx^^i JF,_ dx^^ dF^dx, ^ ^ 

dXi ^^r+l ^^1 ^^r+2 ^^1 •" • • • ^^^ ^^.^ "" 

und ebenso 

ö-P, dFt dx^^^ dF^ dx^^2 ^-^« ^^p 

Diese Gleichungen enthalten zweierlei partielle Dififeren- 
tialquotienten. Es sind nämlich F^j F^ .... Funktionen der 
p Variablen x^ . , , . x , so daß in den partiellen Diflferential- 
quotienten dieser Funktionen jedesmal p — l Variable als 
konstant betrachtet sind. Dagegen wurden Xr+i . . , , x^ als 
Funktionen der r Veränderlichen or^ . . . . a:^ aufgefaßt und sind 

^* +1 
also bei den Differentiationen wie —/-— jedesmal r — 1 Größen 

als konstant vorausgesetzt. 



250 Achtes Kapitel. 

Wir haben jetzt q Gleichungen mit den g unbekannten 

~d^~' ~dx\ ö^' 

während die verschiedenen Differentialquotienten von F^, F^.... 
u. s. w. bekannte Funktionen von x^, x^, x^ .... x sind. 
Da die Gleichungen linear sind, können sie stets aufgelöst 
werden, wodurch die unbekannten Differentialquotienten als 
Funktionen von x^j x^, Xj^ , . . , x gewonnen werden. Natür- 
lich können die Differentialquotienten der abhängig Variablen 
nach x^j x^ . . . . x^ auf dieselbe Weise berechnet werden. 

Aufgaben. 

1. Wie lauten die ersten und zweiten partiellen Diffe- 
rentialquotienten von 

^"y", ]/y. ^X^y), ^> + y), 

x^ cos pt/ j x^ePy, eP' cos yy , ^* + ^^ , 

<?«*• + ^*y + y y* , arc tg ( -- j , 

2. Es soll bewiesen werden, daß 

wenn r die Entfernung zweier Punkte mit den Koordinaten 
X, y, z und x\ y', r' ist. 

3. Welche Werte erhält man für 

a«r d*r d*r 
dx^ "^ dy* "^ dx* ' 

und im allgemeinen für 

dx* "^ öy« "^ äV ' 



Partielle Differentialquotienten. 251 

4. Ferner für 

5. Es soll bewiesen werden, daß 

6. Eine Funktion qp der rechtwinkligen Koordinaten x und 
y eines Punktes kann auch als eine Funktion der Polarkoor- 
dinaten r und & aufgefaßt werden. Es sollen die ersten und 
zweiten Differentialquotienten nach x und y durch die Diffe- 
rentialquotienten nach r und & ausgedrückt werden. (Man 
steUe sich vor, daß qp durch Vermittelung von r und iV- von x 
und y abhängt.) 

7. Eine Größe i/; sei eine Funktion der rechtwinkligen 
Koordinaten x, i/^ z eines Punktes im Räume, und also auch 
der Polarkoordinaten r, & und qp (§ 81). Es sollen die ersten 
und zweiten Differentialquotienten nach x, y, z in den Diffe- 
rentialquotienten nach den Polarkoordinaten r, & und (p aus- 
gedrückt werden. Femer soll 

d^tp d^yj d^yj 

in derselben Weise ausgedrückt und das erhaltene Resultat 
mit dem der Aufgabe 3 verglichen werden. 

8. Welchen Bedingungen müssen die Konstanten a und ß 
in der B\inktion 

genügen, damit 



dx" "* öf« "^ dt 



sei? 



/ ö« ö« 5« \ 
* Hr T + ^r-o + -=r • M^ bedeutet, daß die Funktion F zweimal 

nach X, y und * difierentiiert und die erhaltenen Werte addiert werden 
sollen. 



252 Achtes Kapitel. 

9. Gegeben seien zwei kleine Magnete (vergL § 163) in 
beliebiger gegenseitiger Lage. Wie groß ist die r-Komponente 
der Kraft, mit welcher der eine Magnet auf den anderen wirkt? 

10. Die beiden krummen Linien, von denen § 176 die 
Rede war, sollen Leitungsdrähte darstellen^ welche in Kichtung 
der positiven s und s' von elektrischen Strömen mit den In- 
tensitäten i und t" durchflössen werden. Nach dem Gesetze 
von Amp£be ziehen sich dann die beiden Elemente ds und ds' 
an mit einer Kraft, die gegeben ist durch die Forme} 

Aii'dsds' ^2cosg + 3 cos & cos &') 

{A = const). Es soll bewiesen werden, daß man hierfür anch 
schreiben kann 

yV dsds' 

11. In einem Körper werden zwei Linien L und Jj' ge- 
zogen, die mit den Koordinatenachsen die Winkel a, /9, /, resp. 
^'9 ß'i y' bilden. Wenn jetzt der Körper in den Richtungen 
der Achsen unendlich kleine Dilatationen erleidet, so daß die 
Dimensionen in diesen Richtungen l-f^, 1 + «, l + f(^>«?C 
unendlich klein) mal größer werden, wie ändert sich dann der 
Winkel zwischen L und L'l 

12. Ein dreiachsiges EUipsoid weicht unendlich wenig von 
einer Kugel ab. Es soll der unendlich kleine Winkel zwischen 
der Normalen in irgend einem Punkte und der Verbindungs- 
linie dieses Punktes mit dem Mittelpunkte bestimmt werden. 

13. Es soll bewiesen werden, daß in einem Punkte P 
einer Umdrehungsoberfläche der eine Hauptkrümmungsradius 
der Krümmungsradius des Meridians ist, der andere der Teil 
der Normalen dieser Linie, der sich zwischen P und dem 
Schnittpunkte mit der Achse befindet. 

14. Es soll die mittlere Krümmung in irgend einem 
Punkte der Oberfläche berechnet werden, die entsteht, wenn 
die Kettenlinie (Aufgabe 21, S. 106) um die a:- Achse rotiert. 

15. Auf einen materiellen Punkt mit den rechtwinkligen 
Koordinaten x^ y, z wirkt eine Kraft mit den Komponenten 

^ 3a/*— r' v- 3-^y n 3a:? 



Neuntes Kapitel. Grandbegriffe und Grandformeln n. s. w. 253 

(r* = ar* + y^ + 2:*). Besteht in diesem Falle eine Kraftfunktion, 
and wie lautet dieselbe? 

16. Gegeben sind n Punkte P^j P^ . . , . P^ mit den recht- 
winkligen Koordinaten ar^ y,, z^\ ^2> ^2» ^2 ^* ^- ^' ^^^ welche 
Lage eines Punktes A wird die Summe der Quadrate der Ent- 
fernungen AP^y AP^ .... APn zu einem Minimum? 

17. Wenn für irgend einen Stoff zwischen dem Druck p, 
dem Volum v und der Temperatur t eine Beziehung besteht, 
dann kann man v als Funktion von p und t ansehen und die 

Differentialquotienten -^ und -^ bilden. Man kann jedoch 

auch, indem man v konstant läßt, den Differentialquotienten 

-^ bilden. Es soll -^ mit Hilfe der beiden zuerst genannten 

Differentialquotienten ausgedrückt werden. 



Kapitel IX. 

Grundbegriffe und Grundformeln der 

Integralrechnung. 

§ 180. Wenn eine Größe y als eine Funktion F{x) der 
Variablen x gegeben ist, so liefert uns die Differentialrechnung 

in der abgeleiteten Funktion: ~- =^ f[x) ein Maß für die Ge- 
schwindigkeit, mit der y sich ändert, wenn x zunimmt. Oft 
ist es aber notwendig, umgekehrt aus dem Differentialquo- 
tienten, also aus den Änderungen einer Funktion, diese selbst, 
soweit das möglich ist, abzuleiten. Dies ist die Aufgabe der 
Integralrechnung. 

Beim Differentiieren werden zwei aufeinanderfolgende Werte 
einer Funktion voneinander subtrahiert. In der Integralrech- 
nung handelt es sich dagegen um die Bestimmung einer Summe. 

Ist nämlich der Differentialquotient -~ für verschiedene Werte 
von X gegeben, so kennt man die Zunahme von y für sehr 



254 



Neuntes Kapitel. 



kleine (eigentlich unendlich kleine) Zuwächse von x. Mittels 
einer Addition läßt sich hieraus der einer beliebigen Ändenmg 
von X entsprechende Zuwachs von y ermitteln, und zwar ist 
diese Differenz der Werte von y, welche bestimmten Werten 
von X entsprechen, das einzige, was sich, wenn sonst nichts 
bekannt ist, aus dem gegebenen Differentialquotienten ab- 
leiten läßt. 

§ 181. Ein paar Beispiele mögen das Additionsverfahren, 
mit dem wir es in der Integralrechnung zu thun haben, er- 
läutern. 

Die Gleichung der Kurve (Fig. 93), auf rechtwinklige Koor- 
dinaten bezogen, sei 

Es soll der Inhalt der Ebene APQ£ bestimmt werden, 
welche von der Kurve und der ar- Achse begrenzt wird und 

zwischen den Ordinaten AP und BQ 
liegt. Behufs Lösung dieser Aufgabe 
teilen wir die Gerade ^-B in eine 
Anzahl Teile AC, CB u. s. w. und 
ziehen durch die Teilpunkte Senk- 
rechte parallel zu OY, Irgend einen 
der Teile von AB^ z. B. CjD, wollen 
wir mit Ax bezeichnen; der Inhalt 
^ des auf diesem Teil stehenden Strei- 
fens CBSD ist gleich dem Produkt: 
Grundlinie multipliziert mit einer 
Ordinate, die irgendwo zwischen C und B liegt (vergl. § 91, 
S. 134). Ist y die Ordinate in C, so können wir für die 
Ordinate, mit welcher wir Ax multiplizieren müssen, um den 
Inhalt CRSB zu erhalten, immer y + e schreiben, wo e eine 
Größe ist, die sich der Null nähert, wenn Ax fortwährend ab- 
nimmt. Es ist nun 

Inhalt CBSB = yAx + bAx. 

Einen ähnlichen Ausdruck können wir für jeden der 
Streifen, in welche der Fläclieninhalt APBQ geteilt worden 
ist, aufstellen, wenn wir jedesmal y und e passend wählen. 
Also ist, wenn wir alle die einzelnen Flächenteile summieren, 

Inhalt APQB ^'^y Ax + ^eAx. 




Grandbegriffe und Grundformelu der Integralrechnung. 265 

Diese Gleichung gilt, wie groß die Anzahl der Teile, in 
die man AB zerlegt hat, auch sein mag. Lassen wir diese 
Anzahl fortwährend zunehmen^ so daß die Länge jedes Teiles 
sich der Null nähert, so wird auch der Grenzwert 

Lim 2y -^^ + ^^^ ^bJx 

noch immer dem gesuchten Inhalt gleich sein. 
Es läßt sich nun zeigen, daß 

Lim2« Jx = 0. 

Zu dem Zwecke bemerken wir, daß, sobald man AB in 
irgend einer bestimmten Weise zerlegt hat, alle Größen e ganz 
bestimmte Werte haben. Unter denselben ist einer am klein- 
sten — wir wollen ihn 6j nennen — und einer am größten, Cg» 
so daß also e^ — b^ positiv ist, und alle anderen Werte von a 
zwischen e^ und e^ liegen. 

Ersetzt man nun in ^bAx jedes b durch c^, so wird die 
Summe offenbar zu klein; ersetzt man dagegen jedes b durch 
€g, so erhält man für die Summe einen zu großen Wert 
Da nun 

2^1 ^x = B^^ ^x = B^ X AB 
und 

^e^Ax=^ B^^Ax== B^X AB 

ist, so liegt ^B Ax zwischen e^xAB und b^X AB. Läßt man 
nun alle Ax abnehmen, so nähern sich auch alle e, und also 
auch die äußersten Werte b^ und b^ der Null. Die Produkte 
B^XAB und B^xAB, und demzufolge auch die zwischen beiden 
liegende Summe ^a Ax haben daher den Grenzwert Null. Wir 
erhalten somit 

Inhalt APBQ = Lim 2^ ^^ = Lim ^f{x) Ax , (1) 

d. h. der Inhalt ist der Grenzwert, dem sich die Summe der 
in der Figur gezeichneten Rechtecke nähert. 

Dieser Grenzwert läßt sich, wenn man die Anzahl der 
Teile Ax genügend steigert, mit jedem beliebigen Grad der 
Annäherung ermitteln. Zwar wird dabei jedes Glied der Summe 
äußerst klein, aber das wird durch die Zunahme der Anzahl 
der Glieder kompensiert. (^bAx dagegen nähert sich dem 
Werte Null, weil hier die Glieder in viel höherem Maße ab- 
nehmen, als in ^yAx.) 



256 Neuntes Kapitel. 

§ 182. Ein Punkt bewege sich längs einer gegebenen 
Bahn mit einer Geschwindigkeit v, die fiir jeden Angenblick 
bekannt ist, v ist also eine Funktion der Zeit, es ist v = f(tj. 
Wir fragen uns, welchen Weg legt der Punkt zwischen zwei 
durch die Zeiten ^ und t^ bestimmten Augenblicken zurück? 
um diese Aufgabe zu lösen, teilen wir das ganze Zeitinterrall 
jfj — t^ in eine große Anzahl kleiner Teile. Es sei Jt einer 
dieser Teile, v die Geschwindigkeit am Anfang desselben und 
As der in demselben zurückgelegte Weg. Wäre die Bew^nng 
gleichförmig, so hätte man 

As == vAt, 

Bei einer ungleichförmigen Bewegung gilt diese Gleichung 
nicht mehr. Wir müssen bei derselben, um As zn erhalten, 
At mit der mittleren Geschwindigkeit multiplizieren. Für 
diese können wir setzen v + e, wo b eine Größe ist, die sich 
nicht näher angeben läßt, von der wir aber wissen , daß sie 
sich der Null nähert, wenn Ai fortwährend abnimmt Eß 
ist ja ü der Grenzwert der mittleren Geschwindigkeit. Wir 
haben jetzt 

As == {v + e) At = vAt + sAt. 

Eine ähnliche Gleichung läßt sich für jedes der Zeitinter- 
valle At aufstellen, doch ist dabei zu beachten, daß v und i 
für jedes Zeitintervall andere Werte annehmen. Addiert man 
nun alle diese kleinen Wegstrecken, so erhält man den ganien 
während t^ — t^ zurückgelegten Weg. Derselbe ist also 

^vAt + ^sAt. 

Läßt man jetzt alle Zeitteile At immer kleiner und kleiner 
werden, so bleibt dieses Resultat stets richtig. Es muß also 
auch die Summe der Grenzwerte der beiden Glieder, d. h. 

him^v At + Lim^e At 

den zurückgelegten Weg darstellen. Nun ist aber Lim 2*^' 
= 0, — der Beweis läßt sich in ähnlicher Weise führen, wie 
für Lim 'S 6 id 3: im letzten Paragraphen — und wir finden also 
für den zurückgelegten Weg 

Lim^v At=^Um'^f{t)At, [2] 



Grundbegriffe und Grundformeln der Integralrechnung. 257 

§ 183. Die beiden oben behandelten Probleme lassen 
sich noch etwas anders fassen. Man kann in Fig. 93 die Ordi- 
nate ^^P^ ein für aUemal festlegen und den Inhalt der Fläche 
zwischen dieser Ordinate und einer anderen, die zur Abscisse x 

gehört, mit / bezeichnen. Es ist dann j- =y = /{^) (§ 91)« 

Andererseits bedeutet /den Inhalt A^P^PÄ, wenn man x^OA 
nnd den Inhalt AqP^QB, wenn man x = OB setzt. Der Inhalt 
APQB, für den wir den Wert (1) fanden, ist also die Zu- 
nahme von t/, wenn x von OA in OB übergeht. 

Analog hiermit kann man sagen, man habe in § 182 die 
Zunahme berechnet, welche eine Funktion, deren Differential- 
quotient V oder f{t) ist, erleidet, wenn t von ^ bis t^ wächst. 
Denn, wenn s die längs der Bahn gemessene Entfernung von 

einem festen Punkte ist, so ist einerseits ^^=b v und anderer« 

' at 

seits der im Intervall t^ — t^ zurückgelegte Weg gleich der 
Zunahme von s in dieser Zeit. 

Im allgemeinen wird man auf Ausdrücke wie (1) und (2) 
geführt, wenn der Differentialquotient f(x) einer Funktion 
y = F{x) gegeben ist, und wenn die Zunahme von y, die dem 
Übergänge von x = a in x = b entspricht, berechnet werden 
soll. Man zerlege das Intervall von a bis b in kleine Teile, 
nenne Ax einen derselben, Jy die entsprechende Zunahme von 
y und verstehe unter f{x) den Wert der gegebenen Funktion 
am Anfange des Intervalles Ax. Dsl, für Lim Ja: = 0, 



ist, so setzen wir 



Lim ^ = A-) 



Jx 

wo dann e zugleich mit Ax verschwindet. Aus dieser Glei- 
chung folgt 

Jy = f{x)Ax + bAx y 

und für die ganze Zunahme 

F{b) - F(a) = ^t\x)Ax + 2 6^^. 

Nähern sich alle Ax dem Werte Null, so verschwindet 

£ A X also 

F{b) - F{a) = Lim ^f{x)Jx. (3) 

LOBEKTz, DiffeTentialrechnung. li 



258 Neuntes Kapitel. 

§ 184. Solche Grenzwerte von Summen, wie wir sie in 
den vorhergehenden Paragraphen betrachtet haben, konunen 
so häufig vor, daß man dafür besondere Symbole eingefthrt 
hat. Da jedes Glied der Summe sich der Null nähert, während 
die Gliederzahl fortwährend zunimmt, so sagt man, es handele 
sich um die Summe unendlich vieler unendlich kleiner G-rößen. 
Wie in der Differentialrechnung läßt man das Zeichen Lim 
fort und schreibt statt Ax wieder dx. Außerdem benutzt man 
statt ^ ein anderes Summenzeichen, nämlich / (Integral- 
zeichen). Ferner setzt man bei diesem Zeichen noch den An- 
fangs- und Endwert der unabhängig Variablen, und zwar den 
ersten unten, den letzteren oben. Formel (3) geht hierdurch 

über in 

h 

F{b)-^F{a)^ Jf{x)dx. (4) 

« 

a 

Man nennt Jf(x)dx das bestimmte Integral von f{x) 

a 

zwischen den Grenzen a und b. „Integral" wird der Aus- 
druck genannt, weil derselbe die volle oder ganze Zunahme 
von F{x) im Gegensatz zu den unendlich kleinen Zunahmen 
darstellt. „Bestimmt" heißt das Integral im Gegensatz zu 
dem sogenannten „unbestimmten Integral", das wir später 
kennen lernen werden. 

Die Glieder f{x)dx, aus denen sich das Integral zu- 
sammensetzt, nennt man die Elemente des Integrals. Jedes 
derselben ist ein unendlich kleines von derselben Ordnung, 
wie dx, sagen wir von der ersten Ordnung. Dahingegen 
waren die Größen eJx in §§ 181 und 182 unendlich klein 
zweiter Ordnung. Ebenso wie diese Größen wegfielen, so darf 
man im allgemeinen in jedem Elemente eines Inte- 
grals unendlich kleine Größen zweiter oder höherer 
Ordnung weglassen, ohne daß hierdurch der geringste 
Fehler entsteht. Es darf also auch ein Element durch jede 
andere Größe ersetzt werden, deren Verhältnis zu dem Ele- 
mente beim fortwährenden Abnehmen von Jx'den Grenzwert 1 
hat. Zwei Größen erster Ordnung, deren Verhältnis diese 
Eigenschaft besitzt, können ja nur um eine Größe höherer 
Ordnung voneinander differieren. 



Grundbegriffe und Grandformeln der Integralrechnung. 259 

Es ist daher nicht notwendig, daß in dem Elemente f{x) dx 
der erste Faktor gerade den Wert der Funktion unmittelbar 
vor dem Zuwachse dx bedeutet, sondern man darf unter f\x) 
ebensogut den dem Ende dieses Zuwachses entsprechenden 
oder einen beliebigen, während des Zuwachses vorkommendea 
Wert verstehen. Alle diese Werte unterscheiden sich von- 
einander nur um unendlich kleine Größen, die in dem Pro- 
dukte mit dx Größen zweiter Ordnung liefern. 

Die Elemente des Integrals können sowohl positiv als auch 
negativ sein. Nicht nur kann f[x) verschiedene Vorzeichen 
haben, sondern auch die Differentiale dx brauchen nicht, wie 
wir es in den Beispielen voraussetzten, positiv zu sein. Die- 
selben sind in dem Problem des letzten Paragraphen negativ, 
sobald a > £ ist; der Übergang von a nach b läßt sich dann 
in unendlich kleine Abnahmen zerlegen. 

Man ersieht hieraus, wie notwendig es ist, auf die ge- 
hörige Stellung des Anfangs- und Endwertes, des einen unter, 
und des anderen über dem Integralzeichen, zu achten. Ver- 
tauscht man die beiden Grenzen miteinander, so er- 
halten sämtliche Elemente, und demzufolge auch das 
ganze Integral das entgegengesetzte Vorzeichen. Dem 
entspricht auch die Formel (4), deren linke Seite bei dieser 
Vertauschung in F{a) — F{b) übergeht. 

§ 185. Zuweilen kann man die in der Formel 

h 
Jf{x) dx = Lim ^f{x)Ax (5) 

a 

vorgeschriebenen Operationen direkt ausführen. 

Beispiel I: Die Geschwindigkeit eines frei fallenden Kör- 
pers ist direkt proportional der seit dem Beginn der Bewegung 
verflossenen Zeit t\ es ist also 

v^gt, (6) 

wo g eine Konstante ist. Der während der Zeit t^, vom Be- 
ginn der Bewegung an gerechnet, zurückgelegte Weg ist nach 
Formel (2), S. 256 

s = him^vJt = Jvdt=zJgtdt. (7) 



17* 



260 Neuntes Kapitel. 

Um diesen Grenzwert zu berechnen, teilen wir das Zeitinter- 
vall <i in eine Anzahl (n) gleicher Teile Jt.^ Die Geschwin- 
digkeit zu Anfang des ersten Zeitintervalls At ist nach (6) Null 
die bei Beginn des zweiten ff Jt, die bei Beginn des dritten 
2ffJt u. s. w. Setzt man diese Werte ein, so ergiebt sich 

^vJt = ffAt.At + 2ffAt. At+ + (n — \)gAt. At = 

= ^[1+2 + 3 + . ... + (n-l)], 

da At— -' ist, woraus durch Summation der arithmetischen 
Reihe folgt 

Schreibt man den Bruch in der Form 1 und läßt 

n 

man n unendlich groß werden, dann ergiebt sich^ 

s^ f fftdt^ ifft^^. 



Beispiel II. Es soll der Inhalt einer Pyramide bestimmt 
werden, deren Grundfläche G und deren Höhe H ist. 

Wir legen in der Entfernung x von der Spitze eine Ebene 
parallel der Grundfläche durch die Pyramide; ihr Flächen- 
inhalt sei /. Dann ist 

also I=j^x^. 

Legen wir nun noch eine zweite Fläche im Abstände 
X + dx, parallel der ersten, durch die Pyramide, dann ist der 



^ Man könnte das Zeitintervall auch in eine Anzahl ungleicher Teile 
zerlegen f die Rechnung würde dadurch aber verwickelter. 

In den allgemeinen Betrachtungen der vorhergehenden Paragraphen 
haben wir über die Gleichheit oder Ungleichheit der Teile Jx keine 
Voraussetzung gemacht. Wie die Zerlegung auch ausgeführt sein mag. 
stets wird man, falls nur sämtliche /ix sich der Null nähern, denselben 
Grenzwert für die betrachtete Summe finden. 

' Hätte man jedes Zeitteilchen Jt multipliziert mit der Geschwindig- 
keit am Ende desselben, dann hätte man anstatt der Reihe 1+2 + 3 

+ + (n - 1) die Reihe 1 + 2 + 8 + +(n-l)+« erhalten. Der 

Wort von him'^vJt würde aber derselbe geblieben sein. 



Grundbegriffe und Grundformeln der Integralrechnung. 261 

Inhalt des Elementes, welches wir aus der Pyramide geschnitten 
haben, bei Vernachlässigung unendlich kleiner Größen der 
zipireiten Ordnung oder, was dasselbe ist, indem wir es auf- 
fassen als ein Prisma mit unendlich kleiner Höhe 



Addieren wir alle Volumelemente, die sich aus der Pyra- 
mide in ähnlicher Weise herausschneiden lassen, so erhalten 
wir ftlr den Inhalt des Körpers 

H 


Um die Berechnung durchzuführen, teilen wir die Höhe 
in eine Anzahl (n) gleicher Teile Ax und legen durch die 
Teilpunkte parallel der Grundfläche Ebenen durch die Pyra- 
mide. Der Inhalt des auf der Grundfläche ^^x^ errichteten 
Prismas mit der Höhe Ax ist 

-pßX^ Ax. 

Die Summe aller auf ähnliche Weise erhaltenen Prismen ist 

= ^t [(^*)*- -^^ + (2 Jx)». Jx + ....+ {(n - 1)J*}*. Ja:] = 

Die Summe der eingeklammerten arithmetischen Reihe 
zweiter Ordnung ist nach Formel (29), S. 32 

= in(n-l)(2«-l). 

Also 2'#.-'^- = i<^^(l-lS-)(2-i)- 

Lassen wir hierin n unendlich groß werden, so ergiebt 
sich der Inhalt der Pyramide 



B 






X* dx = ^ GH. 



262 



Neuntes Kapitel. 



Für das Resaltat ist es gleichgültig, ob wir die auf den 
einzelnen Grundflächen nach oben oder nach unten errichteten 
Prismen unserer Rechnung zu Grunde legen, oder, was das- 
selbe ist, ob wir den Inhalt der Pyramide als den Grenz- 
wert der Summe der eingeschriebenen oder umgeschriebenen 
Prismen auffassen. 

§ 186. Die folgenden Beispiele sollen zeigen, wie auch 
viele andere geometrische Probleme auf bestimmte Integrale 
führen. Die Gleichung der Kurve AB (Fig. 94), auf Polar- 
koordinaten bezogen, sei 

Die Winkel, welche die beiden Radiivektoren OA und OB 
mit der x- Achse bilden, seien &^ und -0-^, Man soll den Inhalt 

des Sektors AOB berechnen. 

Wir teilen die ganze Fläche durch 
eine Reihe von Radiivektoren in eine 
Anzahl unendlich kleiner FlächenstQcke 
und nennen die Winkel, welche zwei 
beliebige, aufeinanderfolgende Radiivek- 
toren, z. B. OC und D mit der j:- Achse 
bilden, & und & + d&. Da das un- 
endlich kleine Flächenelement OCD sich 
nur um ein unendlich kleines zweiter 
Ordnung von dem Kreissektor OCB unterscheidet, so können 
wir beide miteinander vertauschen. Nun ist CB = rdd-y also 
OCE=\r^d» und 

Inhalt OAB=^f^r^d& = ^f[F{&)Yd&, 




Fig. 94. 



(8) 



#1 



*i 



Da [F{&)]* eine Funktion von ist, so hat man hier eiu 
bestimmtes Integral von derselben Art wie in § 184. Geome- 
trisch bedeutet Gleichung (8), daß der Sektor OAB der Grenz- 
wert ist, dem sich die Summe der in der Figur gezeichneten 
Kreissektoren nähert. 

§ 187. Auch die Länge einer Kurve kann man durch ein 
bestimmtes Integral darstellen. Teilt man in Fig. 93 die Strecke 
^j5 in unendlich viele dx, so wird auch der Bogen PQ durch 
die in den Teilpunkten errichteten Senkrechten auf der x-Achse 



Grundbegriffe und Grundformeln der Integralrechnung. 268 

in unendlich viele Teile geteilt. Nennen wir irgend eins der 

letzteren dsj und & den Winkel, welchen dieses Element ds 

(oder die Tangente in dem betreffenden Punkt) mit der x- Achse 

bildet, dann ist 

ds = sec & dx , 

also wenn die Gleichung in der Form 

y = m 

gegeben ist, 

2 






Hier ist j/l + [f' (x)]* eine bekannte Funktion von x. 
Durch Integration erhält man hieraus, wenn OA = a und 

OB = b, 

i, 

Bogen PQ=Jyi + [f'{x)ydx. 

a 

§ 1 88. Die Methode, die wir § 1 85 zur Ermittelung des 
Inhaltes einer Pyramide l^enutzt haben, läßt sich auf andere 
Körper übertragen. Man denke sich zu dem Zwecke durch 
den Körper parallel der y, r-Ebene eine Reihe von unendlich 
nahen Durchschnitten gelegt. Der Inhalt des Yolumelementes, 
welches zwischen den beiden von der y, z-Ebene um x und 
X + dx entfernten Flächen liegt, ist, wenn S der Inhalt des 
in der Entfernung x liegenden Querschnittes bedeutet, Sdx.^ 
Der Inhalt des Teiles, welchen die Ebenen x = a und x ^ b 
aus dem Körper herausschneiden, ist daher 

h 
I=fSdx. (9) 

a 

Am einfachsten ist die Berechnung, wenn die Oberfläche 
des Körpers eine ümdrehungsoberfläche, deren Achse mit der 
X-Achse zusammenfällt, ist. Bei dem Körper, der durch Um- 
drehung der Fläche APQB (Fig. 93) um die ar- Achse ent- 
steht, ist 
S=ny^= 71 [f{x)]*. 

^ S ißt natürlich im allgemeinen eine Funktion von x. 



264 Neuntes Kapitel. 

Der Inhalt des Körpers ist also 

b 
I=nf[f{x)ydx. (10) 

Auch die Größe der Oberfläche dieses Körpers kann leidit 
durch ein bestimmtes Integral ausgedrückt werden. Irgend 
eins der Linienelemente, z. B. RS, beschreibt bei seiner Um- 
drehung die Oberfläche eines unendlich kleinen abgestumpften 
Kegels, deren Größe 



ist. Die Größe der durch den Bogen FQ beschriebenen Ober- 
fläche ist daher 

b 

= 2njf(x) yrriTW* dx. (1 1) 

a 

§ 189. In der Physik kommen bestimmte Integrale sehr 
häuflg vor. Wie wir § 182 sahen, kann der Weg eines sich 
bewegenden Punktes aus seiner Geschwindigkeit berechnet 
werden. In analoger Weise ergiebt sich, wenn die Tangen- 
tialbeschleunigung p als eine Funktion der Zeit gegeben ist 
(§ 134), für die Differenz der Geschwindigkeit zur Zeit t^ und 

zur Zeit t^ 

tt 

Jpdt. 

Wenn ein Punkt, auf den eine konstante Kraft K wirkt, 
sich längs eines Weges s, der mit der Kraft den Winkel a 
bildet, fortbewegt, so ist die von der Kraft geleistete Arbeit 

Ks coscf. 

Bewegt sich der Punkt auf einer Kurve, die mit der Rich- 
tung einer veränderlichen Kraft an jedem Punkte andere Winkel 
einschließt, und auf den die Lage des Punktes durch die 
Bogenlänge s (§ 84) bestimmt wird, so kann man die Bewegung 
längs des unendlich kleinen Kurvenelements ds als eine gerad- 
linige auffassen und annehmen, daß auf dieser Strecke ds 
weder die Größe, noch die Richtung der Kraft sich ändert 



Grundbegriffe und Grundformeln der Integralrechnung. 265 

Die Arbeit der Kraft während dieser unendlich kleinen Be- 
ilegung ist 

K cos a dB , 

wo nun A! cos c^ eine Funktion von s ist. Durch Integration findet 
man hieraus für die von der Kraft längs des Weges s^ — s^ 
geleistete Arbeit 

r K cos u ds . 

Unter der spezifischen Wärme c eines Stoffes versteht man 
diejenige Wärmemenge, welche man der Masseneinheit zuführen 
muß, um seine Temperatur um einen 6rad zu steigern. Sind 
je nach der Anfangstemperatur des Körpers für eine bestimmte 
Erwärmung verschiedene Wärmemengen nötig, so ist diese 
Definition in der Weise zu verstehen, daß man c mittels einer 
Proportion aus der für eine unendlich kleine Temperatur- 
erhöhung erforderlichen Wärmemenge ableitet. Es ist jetzt e 
eine Funktion der Temperatur, und die Gesamtwärme, welche 
nötig ist, um die Temperatur von t^ auf t^ zu steigern, ist 

J cdt. 

Die Erfahrung hat gelehrt, daß die durch einen elektri- 
schen Strom von der Intensität i in einem Leiter entwickelte 
Wärme ai^ ist, wo a von der Natur des Leiters abhängt. 
Ändert sich die Intensität des Stromes mit der Zeit, dann 
kann man trotzdem die entwickelte Wärme berechnen, wenn 
man annimmt, daß der Strom während der unendlich kleinen 
Zeit dt konstant bleibt. Die Wärmeentwickelung während des 
Zeitelements dt ist ai^dt. Die in der Zeit ^— <i entwickelte 
Wärme ist also 

a J Pdt. 

Im allgemeinen wird man bei einem Phänomen, das nicht 
fortwährend in derselben Weise vor sich geht, am ehesten zu 
einfachen Gesetzen gelangen, wenn man dasselbe in unendlich 
kleine Teile zerlegt. Der Übergang von unendlich kleinen zu 
endlichen Größen geschieht dann mit Hilfe einer Integration. 



266 Neuntes Kapitel. 

§ 1 90. In den Fällen, wo man nicht, wie in dem § 185, 
durch eine einfache Rechnung den Wert des bestimmtem 
Integrals finden kann — und diese Fälle sind bei weitem die 
häufigsten — verfährt man anders, um zum Ziel zu gelangen. 

Man sucht nämlich eine Funktion, deren Differentialquotiest 

b 

gleich dem in dem bestimmten Integral ff{x)dx vorkommen- 

a 

den f{x) ist. Ist F{x) eine solche Funktion, so ist das 
Integral gleich der Zunahme, welche diese Funktion erleidet 
wenn x von a in b übergeht (vergl. Formel (4)). Man hat also 
nur in F{x) für z zunächst die untere und sodann die obere 
Grenze zu substituieren, und den ersten sich hierbei ergeben- 
den Wert von dem zweiten zu subtrahieren, um den Wert des 

h 

bestimmten Integrals Jf{x)dx zu erhalten. 

a 

Soll z. B. das Integral 

s = J fftdt 



bestimmt werden, so beachte man, daß die Funktion ff t der 
Differentialquotient von ^gt* ist. Für ^=0 wird letzterer 
Ausdruck Null, für t =^ t^ wird derselbe \fft^*; also 

Desgleichen genügt zur Bestimmung von 



die Bemerkung, daß sich die Funktion -01 ar* durch Differen- 

jCZ 



tiation von 

G 

X 



O 3 



3^i- (12) 

ergiebt. Wenn man hierin für x die Werte Null und H ein- 
führt, so ergiebt sich Null und \GH\ es ist daher 

Die Bedingung, dass der Differentialquotient der Funktion 
gleich f[x) sein soll, reicht zur Bestimmung derselben nicht 



Grundbegriffe und Grundformeln der Integralrechnung. 267 

völlig aus; denn man kann derselben immer eine beliebige 
additive Eonstante hinzufügen , ohne daß dies den Differential- 
quotienten ändert. Eine solche unbestimmte Konstante werden 
wir immer mit dem Buchstaben C bezeichnen; ist also F{x) 
eine Funktion, die der gestellten Bedingung genügt, so 
schreiben wir allgemeiner für die Funktion ^(x) + C Übrigens 
sind in diesem Ausdrucke alle Funktionen enthalten, deren 
Differentialquotient f(x) ist. Wenn nämlich zwei Funktionen 
denselben Differentialquotienten haben, so ist der Differential- 
quotient ihrer Differenz Null, und also diese Differenz selbst 
konstant. 

Die durch die HinzufÜgung von C ausgedrückte Unbe- 
stimmtheit hat auf die oben angegebene Ableitung des be- 
stimmten Integrals gar keinen Einfluß. Wenn man in die mit 
C behaftete Funktion einmal x == a und dann x = b setzt, und 
die Ilesultate voneinander subtrahiert, so fällt C fort. 

Man hätte z. B. bei der Bestimmung des Pyramideninhaltes 

statt (12) 

setzen können. Für x = hätte sich dann der Wert C, und 
für x^H der Wert \GH + C ergeben; die Differenz ist 
^eder \GH. 

Welche Bedeutung die Funktion F[x) selbst hat, ist in 
jedem speziellen Falle leicht anzugeben. Ist z. B. die Ge- 

ds 

schwindigkeit v =: f{t) gegeben, so stellt offenbar, da v = — 

ist, die Funktion F{t), deren Differentialquotient f{t) ist, den 
zur Zeit t zurückgelegten Weg s dai* und die Unbestimmtheit 
rührt daher, daß man diesen Weg von einem beliebigen An- 
fangspunkte ab rechnen kann. 

Man nennt auch die Funktion, die f(x) zum Differential- 
quotienten und also f{x)dx zum Differential hat, ein Integral, 
aber zur Unterscheidung von der § 184 betrachteten Größe 
wird dieselbe das unbestimmte Integral von f{x) oder 
auch von f{x)dx genannt. Man benutzt für dasselbe das 
Zeichen 

fmdx, 



268 Neuntes Kapitel. 

SO daß also 

/ f{x) dx = F{x) + C 

ist. 

Aus dem unbestimmten Integral ergiebt sich nun das be- 
stimmte Integral zwischen den Grenzen a und b durch Ein- 
setzung dieser Werte und nachherige Subtraktion, was mu 
oft durch die Zeichen 

P[x)''^^ oder Fix) 

ausdrückt. Dieselben sind also gleichbedeutend mit 

F{b) - F{a). 

Der Nutzen dieser Berechnungsweise bestimmter Integrale 
besteht nun darin, daß man häufig das unbestimmte Integral 
durch ümkehrung der Ergebnisse der Differentialrechnni^ 
leicht angeben kann. 

§ 191. Es sollen jetzt die einfachsten Formeln für un- 
bestimmte Integrale mitgeteilt werden. Aus der Regel f&r die 
Diflferentiierung einer Potenz folgt 

faf'dx = — — ar"» + i + C. 
J ni+ 1 

um eine Potenz von x zu integrieren hat man also mit 
X zu multiplizieren und durch den neuen Wert des Exponenten 
zu dividieren. 

Diese Regel gilt für alle positiven und negativen, ge- 
brochenen und ganzen Werte von m mit Ausnahme von m = — 1- 
Besondere Fälle sind z. B. 

fdx =x + C, Cxdx =:^x^+C, 

fx^dx^^x^+C, J5- =-^ + C, 

/l* =-4^ + ^' fyicdx^lx]fx + C, 

^ y^ ^ x\x* V«» 

— findet man durch Umkehrnng der 
Formel (11), § 106 



I 



Grandbegriffe und Grundformelu der Integralrechnang. 269 
Weiter ergiebt sich 

I sinxdx = -- cos x + C, l cos or c?x == sin x + C , 
f-^,- =tgar + C, f-^ =-C0tar + C, 

Wir fügen noch einige weitere Grundformeln bei, die, wie 
später gezeigt werden soll, aus den obenstehenden abgeleitet 
werden können. Der Leser möge sich jetzt durch Differen- 
tiation der rechts stehenden Ausdrücke von der Richtigkeit 
derselben überzeugen. 

je nachdem ar < oder > 1 ist. 

§ 192. Das Integral einer Summe (oder Differenz) Ton 
Funktionen ist gleich der. Summe (oder Differenz) der Integrale 
dieser einzelnen Funktionen, und ein konstanter Faktor, mit 
dem eine Funktion multipliziert ist, geht ungeändert in ihr 
Integral über. Gesetzt z. B., es handle sich um das Integral 

J{au + bv -^ cw + ....) dx , 

vfo Uj Vj w . , . . Funktionen von x, und a, £, c • . . . Eon- 
stanten sind, und es sei gelungen, die Integrale 

Judx, JvdXf Jtodx .,,, 

zu bestimmen, d. h. Funktionen aufzufinden, deren Differential- 
quotienten u, Vj w . , . , sind. Man bilde dann den Ausdruck 

a J u dx -\' b J V dx ^ c J w d X -\- , . , , 



270 Neuntes Kapitel 

Differenziiert man diesen nach x, so ergiebt sich nach 
§ 101 au + bv — cw + . , . , Die Funktion genügt also der 
gestellten Bedingung, d. h. 

j{au + bv^cw+ ,...)dx=afudx+bfvdx'-cfw dx+ .... (13] 

Wir haben hier auf der rechten Seite keine additive Kon- 
stante hinzugefügt, weil wir uns denken können, daß jedes der 
Integrale fudx, fvdx .... bereits eine solche Konstante 
enthält, woraus sich dann von selbst ergiebt, daß (13) eine 
Konstante enthält. Man kann aber auch in den einzelnen 
Integralen die Eonstanten fortlassen; dann ist schließlich noch 
eine hinzuzufügen. 

Eine mit (13) übereinstimmende Formel gilt auch für be- 
stimmte Integrale. Sind die Grenzen p und q, so ist 

? « « tf 

J{au + bv — CW + . , , .)dx^ajudx '\'bfvdx-^cjwdx + — 
p p ' p p 

Man gewinnt diese Formel entweder aus (13), indem oian 
hier einmal x =i p und dann x = ^ setzt und die Besultat^ 
voneinander subtrahiert, oder direkt aus der ursprOnglichen 
Definition eines bestimmten Integrals. 

Beispiele: 

/i-.../^l+;f. _! + ,,+<., 

fx{l -.r)2rfx= r(x-2x»+a:3)^x= ^x« - f a:» + ^x* + f. 

fj—dx =z C({ +X + x^dx = x + ^x^ + ^x^ + C. 

§ 193. Aus § 105 folgt, daß, wenn u und v Funktionen 
von X sind und du, dv dem Zuwachs dx entsprechen 

d{uv) =s udv + vdu. 
Also udv = d{uv) -^ vdu. 

Da das unbestimmte Integral von d{uv) natürlich uv ist, 
80 ist 

J udv = UV ^ f vdu. (H) 

Will man in dieser Formel hervorheben, daß die Diffe- 
rentiale du und dv den Zuwachs dx als Faktor enthalten. 



GrundbegriflPe und Grundformeln der Integralrechnung. 271 

dann bat man nur, wenn die abgeleiteten Funktionen von u 
und V dnrcb u' und v' dargestellt werden ^ zu schreiben: 
du = u' dx, dv = v' dxj wodurch man erhält 

Juv'dx = UV ^ Jvu'dx. (15) 

Es läßt sich also ein Integral auf ein anderes zurück- 
ftkhren, sobald die zu integrierende Funktion sich in zwei 
Faktoren u und v' zerlegen und sich das Integral v der einen 
angeben läßt. Man integriert dann zunächst, als wäre der 
andere Faktor u konstant, man hat dann aber von der so er- 
haltenen Funktion uv ein neues Integral zu subtrahieren. In 
diesem erscheint die soeben durch Integration des einen Faktors 
erhaltene Funktion r, multipliziert mit dem Differential des 
Faktors u, den man zunächst ungeäudert gelassen hat. Dieses 
Integrationsyerfahren heißt teilweise Integration. Sie kann 
häufig mit Erfolg zur Bestimmung von fudv angewendet 
werden, nämlich dann, wenn fvdu entweder unmittelbar mit 
Hilfe der bereits abgeleiteten Formeln angegeben werden 
kann, oder wenigsteus einfacher als fudv ist. 

Den Formeln (14) und (15) braucht keine Integrations- 
konstante beigefügt zu werden, da das zweite Glied fvdu oder 
fvudx ein unbestimmtes Integral darstellt, und infolgedessen 
bei der Entwickelung von selbst eine Eonstante auftritt. 

Ein paar Beispiele mögen zur Erläuterung der wichtigen 
Formeln (14) und (15) dienen. 

Es soll flxdx bestimmt werden. Wir setzen w = /x, 
t? = X, dann ist 

j Ixdx == xlx — \ X' — =^ xlx — X + C. 

Setzt man u = Ix und v = ^ x^, dann erhält man 

[xlxdx^ Clx.d{^x^^^x*lx- l fx*-^ =^x»/x-|x»+67. 

In derselben Weise würde man fx'^lxdx entwickeln 
können. 

Bei der Anwendung der teilweisen Integration auf eine 
gegebene Differentialfunktion kommt es vor allen Dingen darauf 
an, die Faktoren u und dv zweckmäßig zu wählen. Ein Bei- 
spiel* mag dies erläutern. 



272 Neuntes Kapitel. 

Es soll die Funktion x^dx integriert werden. Setzte man 

0^ =s t£y :rrfx = rfü, 

80 würde sich ergeben 

Wir hätten also die Bestimmung yon f x^dx auf die Be- 
stimmung von / x'e' dx zurückgeführt. Da nun aber das letzte 
Integral weniger einfach als das ursprüngliche ist, so wären 
wir auf diesem Wege unserem Ziele nicht näher gekommen. 
Setzt man dagegen x =^ u, &^dx ^ dv, so ergiebt sich 

fxe^dx=i f xd{e*) = are* -^ fe'dx = xe* — c* + C 

In ähnlicher Weise findet man 

f X sin xdx = — f xd (cos x) = -^ x cos ^ + f cos xdx = 

= — ar cos X + sinx + Cj 

f X cos xdx = fx d{sin x) = x sinx -^ f sin x dx = 

= X sin X + cos X + C, 

Sollen die Integrale 

fx'^^dxj fx^sinxdx, Caf^ cosxJx 

bestimmt werden, wo m eine ganze positive Zahl bedeutet, so 
verfährt man genau wie oben; man erhält dann ein Glied, 
welches fx^^^e'dxj resp. fx^^^cosxdx oder / x^-^ sin xdi 
enthält, welches also einfacher ist, als das ursprüngliche Inte- 
gral. Durch wiederholte Anwendung der teilweisen Integration 
kann in diesen Fällen die ursprüngliche Funktion vollständig 
integriert werden. 

Auch bei bestimmten Integralen kann die teilweise Inte- 
gration häufig mit Erfolg benutzt werden. Da die Formel (lo) 
für alle Werte von x gelten muß, so kann man für x einmal a, 
dann b einführen und die beiden Weile voneinander subtra- 
hieren. Dies giebt 

b b 

f uv' dx = uV ~ — \ vu dx , (Iv) 

J x^ a J 



Grundbegriffe und Grundformeln der Integralrechnung. 273 

Man kann sich auch vorst eilen , daß diese Gleichung da- 
durch entstanden ist, daß man den Zwischenraum zwischen a 
und b in unendlich viele dx geteilt hat; für jedes dieser dx 
gilt die Beziehung 

uv' dx = d{uv) — vu' dxj 

^woraus durch Addition die Formel (16) entsteht. Aus dieser 
Formel ergiebt sich z. B. 

fe-'^dx=^\e'^x^'^y^+2fe-^x^dx', 



da für jr = auch xe"''* = 0, so erhält man nach einer ein- 
fachen Umstellung 

p p 

Je-'^x^dx = — ^pe-P* + ^fe-'^dx. 



Das Integral links ist hierdurch auf ein einfacheres zurück- 
geführt worden. 

§ 194. In den Fällen, wo es nicht möglich ist, die Inte- 
gration durch direkte Anwendung der Fundamentalformeln 
(§ 191) zu vollbringen, kommt es im wesentlichen darauf an, 
die Aufgabe auf die Fundamentalformeln zurückzuführen. 
Zwei Hilfsmittel, die hierbei Verwendung finden können, haben 
wir §§192 und 193 kennen gelernt. Ein drittes besteht 
darin, daß man statt x eine neue Variable u, die auf be- 
kannte Weise mit x zusammenhängt, einführt. 

Gesetzt, es soll das Integral 

/ = Jf{^) dx , 

d. h. die Funktion, deren Differential 

dJr=.f[x)dx (17) 

ist, bestimmt werden. Führt man dann eine in irgend einer 
Weise mit x zusammenhängende Variable u ein, so läßt sich 
/ auch als eine Funktion von u auffassen. Indem man nun 
f[x) durch u, und dx durch u und du ausdrückt, erhält man 
aus (17) einen Ausdruck von der Gestalt 

F[u) du 

LOHSKTZ, Differentialrechnung. 18 



274 Neunteß Kapitel. 

für das dem Zuwachse du entsprechende Di£ferential von J> 
Es ist daher 

J = J F[u) du . 

Ist nun F{u) einfacher als f{x), so läßt sich diese Inte- 
gration vielleicht ausführen. Man erhält dadurch J zunächst 
als Funktion von ti, kann aber in dieselbe, auf Grund der 
zwischen u und x bestehenden Beziehung, diese letztere Variable 
einführen. 

Hat die Beziehung zwischen u und x die Gestalt 

x = ^{u), 
so ist 

f{x) dx^f [ff'iu)] (f\u) du , 

also die oben mit F[u) bezeichnete Funktion 

/'(«) = /-[qpC«)] 9 '(«)• 

Am einfachsten gestaltet sich die Transformation, wenn 
die gegebene Funktion f[x) sich in zwei Faktoren zerlegen 
läßt, deren einer dör Differentialquotient einer Funktion ^{r) 
ist, wenn es sich also etwa um die Integration von 



handelt. Setzt man 
80 wird das Integral 



Jwifj'{x)dx 

^{x) = u, 

f w du , 



und die Integration läßt sich ausführen, wenn sich der Faktor tc 
in einfacher Weise durch u ausdrücken läßt. 

Die Einführung einer neuen Variablen ist auch bei be- 
stimmten Integralen anwendbar. Wenn, wie wir es oben 
voraussetzten, 

f{x)dx = F{u)du (18) 

ist, und wenn den für x gegebenen Grenzen .r^ und x^ die 
Werte u^ und u^ der neuen Variablen entsprechen, so ist 

Jf{x) dx== f F{u) du. (19) 



u, 



Wenn nämlich x mit unendlich kleinen Zunahmen dx aus 
Tj in x^ übergeht, so verwandelt sich u mit den entsprechen- 



Grundbegriffe und Grundformeln der Integralrechnung. 275 

den unendlich kleinen Zunahmen du aus u^ in u^. Stellt man 
nun für jedes dx die Gleichung (18) auf und addiert alle diese, 
so erhält man (19). 

§ 195. Beispiele. Es soll fe^^dx bestimmt werden. 
Wir setzen ax = Uy dann ergiebt sich 

^e^^dx = fe« — = - e« + C^ = - «" + C. 
J J a a a 

In ähnlicher Weise erhält man, wenn man für u gleich 
seinen Wert einsetzt, 

I sin axdx = — 1 sin ax d{ax) = cos ax + C, 

I cos ax dx = — i cos axd{ax) = — sin ax + C, 

Die Größe a kann auch negativ sein. Ist beispielsweise 
a = — 1, dann geht die erste Formel über in 

J e-^'dx = — Je-*r/(— x) = — ^-* + C, 

— —T— ZU finden, setzt man a + bx = u. dann ist 
dx = , , also 

o 
J a + bx b J ti b b ^ ' 

In ähnlicher Weise erhält man 

f __^? ^ _ ^ - + 6' 

J (a + 6a;)» 6(a + ia;j ^ ' 

I sin (a + bx) dx = — -j- cos (a + bx) + C, 

r^« + **£/a: = i-e« + ** + C, 

r/(l +a-)(/x= r/(l +x)rf(l +x) = 

=.\\ +x)l{\ +x)-x + C (vergl. § 193). 

Die Einführung einer neuen Variablen leistet auch gute 
Dienste, wenn x in dem Ausdruck a + bx + cx^ auftritt und 
sonst keine Funktion von x unter dem Integralzeichen steht. 
Ist c positiv, dann ist 

18* 



276 Neantes Kapitel. 

Setzt man nun 

und führt diese Variable in das gegebene Integral ein, so kommt 
die unabhängig Variable nur noch in der zweiten Potenz Tor. 
Ist c negativ, dann läßt sich eine ähnliche Transformation 
anwenden. 

Es soll z. B. f— - — 77>^ — TT-, entwickelt werden. Da 

J 17 + 12a; -f Sjj« 

17 + 12ar + 3j:«=:5 + 3(x + 2)« 
ist, so ergiebt sich, wenn man x + 2 ^ u setzt, 

r du , r du _ 1 r d{yi u) __ 

J 5 + 8w« *■ *J 1 + {yfu)^ - yfö J (i 4.]/fw)2 ~ 

= -l.arctg(Vf «) + C, 

ylO 

also 

Mittels des Substitutionsverfahrens lassen sich alle die- 
jenigen Integrale vereinfachen, welche nur eine Funktion von 
.r* multipliziert mit xdx enthalten. Es ist nämlich xdi 

Zum Beispiel: 

§ 196. Viele Integrale können durch geeignete Kombi- 
nation der behandelten Methoden — d. h. der Zerlegung m 
zwei oder mehr Teile (§192), der partiellen Integration (§ 193) 
und der Einführung einer neuen Variablen (§ 194) — berechnet 
werden. 

Um z. B. 

dx 



f 



1 - X* 

zu entwickeln, geht man aus von 



i - X» "■ ^ 



\ -\- x'^ l - X 



Grundbegriffe und Grundformeln der Integralrechnung. 277 
Man hat dann 

(vergl. § 191). 

In ähnlicher Weise ist 

/.-(Ä^-/?-/lTi-"-'0+')+<'- 

um 

xdx 



f 



a + bx + ex* 



X 



zu berechnen, fassen wir r = als die Differenz zweier 

' a + bx + cx^ 

Brüche auf, von denen einer im Zähler den Faktor b + 2cx 
enthält. Wir schreiben also 

/ xdx i_ r b + 2cx fi _ ^ C ^^ 
a + bx + cx^ "~ 2cJ a -V bx •\- ex* 2eJ a + bx + ex* ' 

Im ersten Integral ist der Zähler b + 2cx gerade der 
Differentialquotieut des Nennei's a + bx + cxK Für dieses 
Integral findet man daher — indem man den Nenner als 
neue Variable einführt — den Wert 

l{a + bx + cx^), 
und es wird 

r. «^f.^ ^i.i^a + bx + ex») - i- r — ^? — -.. 

Ja + bx+cx* 2c ^ ' ^ 2eja + bx + cx* 

Der Wert des Integrals auf der rechten Seite läßt sich 
in der § 195 angegebenen Weise berechnen. 

§ 197. Im folgenden sollen noch einige häufiger vor- 
kommende Integrale berechnet werden. 

Durch partielle Integration erhält man aus 

fsiTi^xdx 

{m eine ganze positive oder negative Zahl] 

fsin^xdx = fsiii'^-'^x.sinxdx = 

= — sin""^a:cosar + {m — \)Jsin^-^xcos*xdx. 



278 Neuntes Kapitel. 

Da C08*a: = 1 — sin^x ist, so ergiebt sich hieraus 

fsin'^xdx == — sin*"-^ j: cos X + (w — 1) fsin^^-xdx — 

— (m — l)fsin^xdx. 

Bringen wir nun das Glied — (w — l)/sm'^xdx auf die 
linke Seite, so erhalten wir 

mfsiü^xdx = — sin"*~^a:cosar + {?n — 1) fsin^^-^^p^j. 
oder 

sin** arr/.r = sin'^'^a-cosA' -\ - / sin^-^xdx. (20) 

Ist m und m — 2 positiv, so ist f sin^^^xdx einfacher 
als fsin^xdx; ist m negativ, so gilt das Umgekehrte. Auf 
jeden Fall können wir also mittels der abgeleiteten ,,Reduk- 
tionsformel" das verwickeitere Integral auf ein einfacheres 
zurückführen. 

Beispiel. Es sei m = S, 

fsin^xdx = — ^sin^xcosar + f T sinxdx = 

= — ^(sin*x + 2)cosa: + (7; 
für w = 2 

fsin^xdx = — -J^sin^: cosx + ^fdx= — J-sin.rcosa: + -J^a: + C. 

Für höhere Werte von 7n muß man die Formel (20) 
wiederholt anwenden. Je nachdem m gerade oder ungerade 
ist, wird zum Schluß das Integral zurückgeführt auf 

fsinxdx = — cosar + C oder f dx = ar + C 

Ist m negativ, so ist, wie bereits gesagt, fsm'^''^xdx 
komplizierter als fsin^xdx. Wir bringen dann das erstere 
Integral auf die linke Seite von (20) und das andere auf die 
rechte Seite. Setzt man zu gleicher Zeit »w — 2 = — n, wo 
7i nun eine positive Zahl bedeutet, dann erhält man 

/^^ — __ 1 cosar n - 2 r dx .^.. 



Grundbegriffe und Grundformeln der Integralrechnung. 279 

Hieraus folgt z. B. 

I -r^ = " cotx + C, 
J 8in*aj ' 

-. — wird im nächsten Paragraphen berech- 

8in X « *r 

net werden. 

In ähnlicher Weise lassen sich für 



dx 
sinx 



I cos™ X dx und | 



eia; 



coa^ic 



Kcduktionsformeln aufstellen; wir überlassen dies dem Leser. 
Übrigens lassen sich diese Integrale durch die Substitution 
a: = J.;r -y auf (20) und (21) zurückführen. 

— — ZU berechnen, nehmen wir den halben 

sinx ' 

Bogen, also ^x als neue Variable. Dann ergiebt sich 

J sina? J sin^xcos^a; J tg J ic "^ 

Aus dieser Gleichung folgt ferner 

CA''. = _ r- ^(^"-"\ = - /tg(i« - ix)+ c= 

J cosic J sinf-^n-x) ^^* 2 / • 

= 'tg(i;r + |x) + C. 

Wir fügen noch ein paar andere einfache Integrale von 
goniometrischen Funktionen bei: 

« 

fsinxcosxdx = fs\nxd{sinx) = ^sin*:i- + C. 

/. , r sinxdx • Cd (cos x) , , ^ 

isxdx = I - = — -^- - = — Icosx + C. 

° J COBX J C08X 

/. , rcoaxdx r disinx) , . , ^, 

cotxrfx = / — V = I — ; — ~ = /sin j- + 6. 
J sina? J sinx 

f.. -<*^ ._ = f^i) = /tgx + C. 
J sinajcosa; J tgx " 

Führt man bei dem ersten dieser Integrale die Rechnung 
etwas anders durch, so erhält man scheinbar andere Werte 
für das Integral. 



280 Neuntes Kapitel. 

Man hat nämlich 

f sinx cosxdx = — rcosx^(cOB:p) = — -J^cos'r + C, 

oder auch durch EinftQirung des doppelten Bogens, also 2x, 
als neue unabhängig Variable 

fsinxcoBxdx = \fsia2xd(2x)= — -^^008 22:+ C. 

Da sin^ic + cos*ar = 1 und co8 2ar = cos^ar — sin^x, so 
kommen diese verschiedenen Resultate auf ein und dasselbe 
heraus, nur hat man in den drei Formeln unter C nicht den 
nämlichen Wert zu verstehen. 

Die Einführung des doppelten Bogens kann auch bei der 
Berechnung anderer Integrale vielfach gute Dienste leisten. 
Zum Beispiel 

f sin^x cos^xdx = ^ rsin*2arc?(2a:) = 
= — -jig- sin 2x cos 2x + ^x -Y C. 

Wir hätten diesen Ausdruck auch auf Integrale von der 
Form (20) zurückführen können, wenn wir anstatt cos*x den 
identischen Wert 1 — sin^ar gesetzt hätten. Es wäre dann 

fsin^x cos^x dx = fsin^x dx— f sin*x dx 

zu berechnen gewesen. 

§ 199. Aus den unbestimmten Integralen der verschiedenen 
goniometrischen Funktionen lassen sich leicht bestimmte In- 
tegrale ableiten. Die Werte der letzteren sind besonders ein- 
fach, wenn die Grenzen 0, ^n, ^, ^n u. s. w. sind. 

Beispiele: 

fsinxdx = l, Jcosxdx^l^ 



fsm^xdx = \nj f co^^xdx = J;t, 



J sina:cosxrf:p = i> 





t| 

I 



Grundbegriffe und Grundform ein der Integralrechnung. 281 



r sin^ar cos xdx =^ ^j f cos^x sin a: c/x = ^ , 



fsm^xdx = ^^n, fcos*xdx^^n, 



r sin^ar cos'ar dx = ^n . 



Setzt man in (20) einmal ar»^!T, darauf x = (wobei 
das erste Glied rechts jedesmal verschwindet) und zieht die 
beiden Werte von einander ab, so ergiebt sich 

V.« v.« 

j sin*" xdx =i ^~ I sin"*-2 ^ ^j. , 



Ersetzt man hierin m diirch m — 2, dann erhält man 

/8ijjTO-2-j.^-i. _ ^"" j sin*»-* xrfor. 
W-2J 



Dieser Wert in die vorhergehende Gleichung eingesetzt, giebt 

Vi» V'i» 

Sin«* jr aar = ^^ t-^^-^-tt^ — - I sm"*""*a;aa:. 

m (m - 2) J 



Indem man aufs neue die Reduktionsformel (20) anwendet, 
kann man das Integral fsm'^'^xdx in ein anderes Integral 







^;'f« 



f siii^'^ X dx umformen. Wenn man dies so oft wie nötig wieder- 



holt, erhält man schließlich, wenn m gerade ist: 

Vt» Vf« 

r • « j (w-l)(m-3) 3.1 r, 

I Sin*" X dx = ^^ —^ -^ — dx = 

J m{m-2) 4.2j 



— (y^^- l)(^-3) 3. 1 ^ , 

~ w(w-2)....4.2 * 2^' 

und wenn m ungerade ist: 



282 Neuntes Kapitel. 

J w(w-2; 3j mim— 2) 3 

ü 

Der Leser möge in ähnlicher Weise das Integral 

*j 



berechnen. 

§ 200. Einige der oben behandelten bestimmten Integrale 
lassen sich durch einfache Betrachtungen unmittelbar ohne 
Zuhilfenahme des unbestimmten Integrals ableiten. 

Wir schicken den Satz voraus, daß 

f sinPxdx s= f cos^:r dx (22} 



ist. Um dieses zu beweisen, substituieren wir in das letzte 
Integral :i = -J-;r — y. Es wird dann 

J cos^.r dx = — f sin^y cfy .. (23) 

Es ist nämlich dx =^ — dy, während für ar = 0, resp. ^;r. 
y = ^7r, resp. wird. Da wir nun femer (vergl. § 184) die 
Grenzen eines bestimmten Integrals miteinander vertauschen 
dilrfen, wenn wir zu gleicher Zeit das Vorzeichen umkehren, 
so läßt sich statt (23) schreiben 

y* cos^ xdx = f sinP y rfy , (24) 



gerade die zu beweisende Formel. Daß hier in dem einen 
Integral die Variable mit y und in dem entsprechenden Inte- 
gral in (22) mit x bezeichnet ist, ist ohne Belang. Im allge- 
meinen haben die bestimmten Integrale 

b h 

ff{x) dx und Jf\y) dy 

a a 

nach der Definition (§ 184) dieselbe Bedeutung und also auch 
denselben Wert. 

übrigens kann man sich von der Richtigkeit der Glei- 
chung (22) auch in folgender Weise überzeugen. Man zerlege 



6rundbegri£Fe und Grundformeln der Integralrechnung. 283 

bei den beiden Integralen das Intervall zwischen und ^n 
in solcher Weise in Elemente, daß jedem Element dx des 
ersten Integrals ein gleiches Element dx des zweiten entspricht, 
das ebenso weit von ^n^ wie jenes von entfernt ist. Da dann 
der Wert von sin x für das eine Element ebenso groß ist, wie 
der Wert von cosx für das andere, so sind auch die ent- 
sprechenden Elemente sinPxdx und cos^xdx einander gleich; 
auch die beiden Summen müssen also gleich groß sein. 

Vt« V.« 

Aus (22) lassen sich die Werte von f sin *x dx und f cos ^x dx 



unmittelbar ableiten. Da die beiden Integrale gleich groß 
sind, so ist jedes derselben gleich der Hälfte ihrer Summe, 
woraus folgt 

Vt--« . Vi« V9-T Vf'-^ 

fsin^xdx = j* cos^x dx =^ \ f {ün*x + Qos^x) dx = \fdx = \n. 



Denselben Wert haben auch die Integrale zwischen den 
Grenzen ^n und n, n und |7r u. s. w.^ also 

r sin ^xdx = f sin ^xdx = J sin ^xdx = ^n, 

V9.-J n 

fco9^xdx = fcos^xdx = Ccos^xdx =3 ^;r. 
Vt« « 

Beweis. Wir setzen y = ;r — x, dann ist 

fsin^xdx = — Tsin^y rfy = Tsin^yflfy = fsin^xdx. 

In ähnlicher Weise läßt sich der Beweis führen, wenn die 
Grenzen n und ^n u. s. w. sind. 

§ 201. Bei der Berechnung von bestimmten Integralen ist 
es häufig von Vorteil, das Integrationsgebiet in kleinere Inter- 
valle zu zerlegen. Bedeutet m eine beliebige Zahl zwischen 
den Grenzen a und b, so ist 

b m b 

Jf(x) dx = ff(x) dx + ff[x) dx . (25) 



m 



284 Neuntes Kapitel. 

Die sich von or = a bis x ^ b erstreckende Reihe tob 
Elementen f(x)dxy welche das links stehende Integral zo- 
sammensetzen, läßt sich nämlich in zwei Gruppen zerlegen^ von 
denen die eine von x = a bis o: = m, die andere aber Ton jt = ■ 
bis or = J geht. Ist z. B. x die Zeit und f{x) die Geschwindig- 
keit eines sich bewegenden Punktes, so drückt (25) weiter 
nichts aus, als daß die zwischen den Zeitpunkten a und b 
zurückgelegte Bahnlänge die Summe der zwischen den Augen- 
blicken a und m, resp. m und b durchlaufenen Wege ist Bine 
ebenso einfache Bedeutung hat die Formel, wenn x die Ab- 
scisse und f{x) die Ordinate eines Punktes einer Kurve ist. 

Die Formel (25) ergiebt sich auch aus dem Zusammen- 
hange der bestimmten Integrale mit den unbestimmten. Ist 
das unbestimmte Integral 

Jf{x)dx = F{x)+C, 

so sind die Werte der in (25) stehenden Glieder 

F{b) ^F{q), F{m) - F{a), F{b) ^ F{m) , 

woraus sich die Formel sofort ergiebt. 

Eine ähnliche Formel läßt sich aufstellen, wenn m eine 
Zahl außerhalb des Intervalls {a, b) ist. Liegt dieselbe an 
der Seite der Grenzet, so daß das Intervall (afin) aus den 
Intervallen (a, b) und {b, m) besteht, so ist^ 



m 



Jf{x)dx=^f f{x) dx-f f{x) dx . (26) 

a a b 

§ 202. Es lassen sich nun die Integrale 



.-x *!t7z 2n 



fsin^xdx, f^in^xdx, fsin^xdx u. s. w. 



und die entsprechenden Integrale mit cos^a: leicht entwickeln. 



^ Da wir für das letzte Integral in (26) schreiben dürfen 

m b 

f fix) dx ^ — j f{x)dxj 

b m 

SO gelangt man auch in diesem Falle zu der Gleichung (25). 



Grundbegriffe und Grundformeln der Integralrechnung. 285 

Zerlegt man nämlich bei dem Integral 



n 



fsin^xdx 



das lutegrationsintervall (0, n) in die Intervalle (0, ^n) und 
{^Tty 7i)j SO erhält man zwei Integrale, von denen jedes den 
Wert \n hat Also 

fs'm^xdx = ^TT . 



Ebenso ist auch 



Auch die Integrale 

Jsin^xdx , fsin^xcos^xdx, fcos^xdx 



können jetzt berechnet werden. Für das zweite findet man, 
wenn man 2x — y setzt, 

fsin^x cos^xdx = i f sin*yrfy = -j^^i?. 
* 

Um die beiden anderen zu berechnen, gehen wir aus von 
der Gleichung 

8in*:r + 2sin^ar cos^^r + COS^a- = 1. 
Hieraus ergiebt sich 

Jsiu^xdx + 2 fsin^x cos^xdx + Jco^*xdx = ^tt, 



oder, da Jsin^xdx = fcos^xdx (§ 200) ist, 



2fsin^xdx + 2 J'sin^ar cos^xdx = ^;r, 



also 

Jsin^xdx + i^g^;r = ^;r 



286 



Neuntes Kapitel. 



und 



Vi« v/t« 







Zum Schluß machen wir noch darauf aufmerksam, daS 
man zuweilen direkt erkennen kann, daß ein bestimmtes Inte- 
gral den Wert Null hat, nämlich dann, wenn man dasselbe 
derart in Elemente zerlegen kann, daß stets zwei gleich große. 
aber mit entgegengesetztem Vorzeichen vorkommen. So ist z. B. 



n 



f sin ^x cos xdx — , 



da die Funktion sin*a: cosar ftir zwei Werte von x, von denen 
der eine ebensoweit von entfernt ist, wie der andere von :r, 
gleich groß ist, aber entgegengesetztes Vorzeichen hat. 

§ 203. Mit Hilfe des § 198 gefundenen können wir die 
beiden letzten Integrale, welche wir § 191 unter die Fnndamen- 
talformeln aufgenommen haben, berechnen. In 

dx 



f^ 



Vx^ + l 
setzen wir :r = tg 99 , wodurch das Integral übergeht in 



fvc^-^-^''ii^^ + ^'P) + C. 



Da 



tg(i « + \(p) = tg y + sec y = :r + yx* + 1 , 
30 ergiebt sich 



/yÄT = 't^ + l^'^+^^ + ^- 



Um 



/ 



dx 



Yx^'-l 

ZU entwickeln, setzen wir x = sec^. Die Rechnung ist dann 
fast dieselbe wie soeben, xmd es ergiebt sich 

§ 204. Wir wollen jetzt die in den vorhergehenden Para- 
graphen entwickelten Formeln zur Lösung von Aufgaben be- 
nutzen. 



Gmndbegriffe und Grrundformeln der Integralrechnung. 287 



Es soll der Inhalt der Fläche OPB (Fig. 95), die von der 
X^arabel OP, der Achse OB und der Ordinate BP begrenzt 
-wird, berechnet werden. Setzt 
man OB ^ a, und benutzt man 
dieselben Bezeichnungen wie 
§ 58, so ist 



Inh. OPB 







^j\2p 



xdx , 








Das unbestimmte Integral ist 

ry2pi dx = ^2j) f^x dx = 

= fjry2px + C'. 
Hieraus folgt ^'^' ^^' 

Inh. OPB = ^ay'^pa = f 05 x BP. 

Der Flächeninhalt ist also |- von der Fläche des Recht- 
ecks, dessen Seiten OB und BP sind. 

Es soll jetzt die Länge des Bogens OP der Parabel be- 
rechnet werden. 

Nach § 98 ist 

ds = 



dx 



cos & 



also die Länge des Bogens 







dx 
cos v^ 



Mit Hilfe der Formel (§112) 



tg* = |/ 



2x 



kann man cos & durch x ausdrücken. Einfacher wird jedoch 
die Rechnung, wenn wir nicht x, sondern d- als die unab- 
hängige Variable wählen und also dx durch dd' ausdrücken. 
Aus der letzten Formel ergiebt sich 

X = \p cot^i?-. 



288 Neuntes Kapitel. 

also dx = — ü —TTiT d& . 

Für X ^ wird & z=^ ^n, für j: = a nimmt der Winkd 
den Wert t?j an, welcher der Tangente in P entspricht \md 
sich aus der Gleichung 

ermitteln läßt. Man hat also 

Bogen OF^-pf^^pf^. 
Nach § 197 und § 198 ist 

also 

Rotiert die Figur um die or- Achse, so entsteht ein Um- 
drehungsparaboloid. Der Inhalt des ßaumes zwischen dieser 
Fläche und einer in B auf OX senkrecht stehenden Ebene ist 
nach § 188, Formel (10) 

a 

2itpfxdx== npa^. 



Errichten wir auf dem mit £P beschriebenen Kreise einen 
Cy linder mit der Höhe OB, so ist der Inhalt dieses Cylinders; 
nBP^ X OB — 2npa X a =^2npa^j also doppelt so groß, als 
der des eben betrachteten Botationskörpers. 

Der Teil, welchen die obengenannte, in B errichtete Ebene 
von der Rotationsfläche abschneidet, ist 

ü 

oder, wenn wir wieder i^ als unabhängig Variable einführen, 

= 2np^f^d». 

^1 



Grundbegriffe und Grundformeln der Integralrechnung. 289 

Das unbestimmte Integral 

hieraus folgt 

§ 205. Ein weiteres Beispiel entnehmen wir der Physik. 
A£ (Fig. 96) sei ein geradliniger, sich beiderseits bis in die 
Unendlichkeit erstreckender Stromleiter, von dessen Dicke wir 
absehen. In der Richtung AB fließt ein elektrischer Strom. 
PQ ist ein unendlich- kleines Stück ds eines zweiten Strom- 
leiters, der parallel dem ersten 
liegt und in derselben Richtung, ^rr~^ 

wie der erste, von einem elek- ! 

trischen Strom durchflössen wird. i 

Es soll nach dem Gesetz von ! 

Amp^b (Aufg. 10, S. 252) die Wir- A S dn B 

kung von AB auf PQ berechnet Fig. 96. 

werden. Wir fällen aus irgend 

einem Punkt von PQ, z. B. ausP auf AB eine Senkrechte, und 
bestimmen die Lage eines Punktes von AB durch die Ent- 
fernung X von dem Fußpunkte 0, wobei als positive Richtung 
die des Stromes gewählt werden soll. Zunächst berechnen wir, 
welche Anziehung oder Abstoßung PQ von irgend einem Ele- 
mente von AB, etwa von CD erfährt. Es sei OC = x, CD = dx, 
PC = r, z. OPC = xp. Sind die Stromintensitäten i und i\ 
dann ziehen sich die beiden Stromelemente nach dem Gesetz 
von AMP:fcRB mit einer Kraft 

. . ./ , 2 — 3 sin* Vf j 
All dS' r -dx 



r* 



an. Diese Kraft können wir in eine parallel PQ und eine 
zweite senkrecht zu PQ zerlegen; die erste ist 

^»•'rf.- ^'-^y^^^ rfx, (27) 

die zweite 

Aii'ds.^^^^^l^^^^dz. (28) 

Es gelten, wie man leicht sieht, diese Ausdrücke auch 
für ein links von liegendes Element, wenn man für dieses 

LosBHTZ, DUferentlalreclmaiig. 19 



290 Neuntes Kapitel. * 

den Winkel i// negativ nimmt, dem Differential dx aber immer 
das positive Vorzeichen beilegt. Um nun die totale, in Rich- 
tung PO wirkende Kraft zu erhalten, wird man alle durch 
(28) dargestellte unendlich kleine Kräfte summieren müssen. 
Da X hierbei alle Werte von — cx) bis + oo durchläuft, so 
ergiebt sich 



— 00 



* Drückt man hierin r und i// als Funktionen der unab- 
hängig Variablen x aus, so hat man in diesem Integral nur x 
als unabhängige Variable. Es ist, wenn man PO = / setzt. 

Einfacher gestaltet sich die Rechnung, wenn man -w als 
unabhängig Variable auffaßt. Aus 

folgt dx = — ^ — rft//. 

° cos'v' 

Femer ist 

/ 
r = , 

cosv' 

und da für a: = — CX) und + oo, tp = — i^r bez. + ^n wird, 
so ist die in Richtung PO wirkende Kraft 

Äti^ ds 



- — ^1(2 — 3sin*i/^)cosi^cft/; 






^^^j^j2cosyjdyj-fSsm^^d{smxp)^ =2—^^. 



-Vt--^ -V.^ 



In ähnlicher Weise ergiebt sich aus (27) fiir die in Rich- 
tung PQ wirkende Kraft 



Aii' ds 



- — - I (2 — 3 sin* t/;) sin \p dyj; 



-Vi'-' 

dieser Ausdruck ist jedoch = 0, da flir gleiche positive 
und negative Werte von ip die Funktion unter dem Integral- 



Grundbegriffe und Grandformeln der Integralrechnung. 291 

zeichen denselben Wert, aber mit entgegengesetztem Vorzeichen 
hat (yergl. § 202). 

Liegt PQ nicht parallel AB^ sondern senkrecht dazu, 
und zwar in der Verlängerung von OP, so ergiebt sich fiir 
die Anziehung von CD auf PQ 

Die Komponenten in Richtung A3 und PO sind 
und 



r« 



6 All as -^ — -dx. 



r« 



Integriert man von — c» bis + cx), so erhält man aus 
dem letzteren Ausdruck den Wert 0, aus dem ersteren 

2Att'd8 

l 

§ 206. Wir haben bis jetzt nur solche Integrale behandelt^ 
die eine einzige unabhängig Variable enthielten. Im folgenden 
sollen Integrale mit zwei oder noch mehr unabhängig Variablen 
untersucht werden. Seien x und y zwei unabhängig Variable 
die durch gleichzeitige Änderungen aus ihren Anfangswerten 
jT. und y^ in x, und y^ übergehen. Wir teilen dann die 
Änderungen von x und y in unendlich viele unendlich kleine 
Teile und verstehen unter dx und dy gleichzeitige Zuwächse. 
Seien femer zwei Größen X und Y gegeben, die von x und y 
abhängen (und zwar eine jede im allgemeinen von den beiden 
unabhängig Variablen). Wir bilden den Ausdruck 

Xdx+ Ydy, (30) 

indem wir für X und Y die Werte wählen, welche die Funk- 
tionen haben, bevor die unabhängig Variablen die Zuwächse 
dx und dy erfahren. Wir wollen nun für jeden der unend- 
lich kleinen Schritte, in die wir die Gesamtänderung von x 
und y zerlegt haben, einen ähnlichen Ausdruck wie (30) auf- 
stellen und diese alle addieren. 

Diese Summierung hat viel Ähnlichkeit mit der in § 184 
behandelten, man nennt die Summe deswegen ebenfalls ein 
(bestimmtes) Integral und bezeichnet sie mit 

J(Xdx + Ydy). (31) 

19* 



292 Neuntes Kapitel. 

Dies Integral imterscheidet sich jedoch wesentlich von den 
bisher behandelten, nämlich insofern, als man auf sehr ver- 
schiedene Weise von den Werten x^, y^ zu den Werten x,, y^ 
übergehen kann. Man kann z. 6. erst x allein wachsen, und 
darauf, indem man x konstant läßt, y allein zunehmen lassen, 
oder umgekehrt, oder man kann x und y gleichzeitig sich 
ändern lassen, so daß das Verhältnis zwischen dx und dy bei 
allen Schritten dasselbe ist, oder auf irgend eine andere 
Weise die Zuwächse von x mit denen von y kombinieren, und 
dennoch stets von denselben Anfangswerten aus dieselben 

Endwerte erreichen. Zur Erläuterung 
betrachten wir x und y als die Koordi- 
naten eines Punktes in einer Ebene (Fig. 97). 
Die Koordinaten von P^ seien x^ und y^ 
die Koordinaten von P^ x^ und y,, dann 
kommt der Übergang von or^, y^ in x,, y^ 
auf eine Bewegung von P^ nach P, hinaus. 




Fig. 97. Diese kann jedoch längs unendlich vielen 

Wegen geschehen. Für jeden „Integra- 
tionsweg'^ hat die Summe (31) einen ganz bestimmten Wert, 
der aber im allgemeinen je nach dem gewählten Weg verschieden 
ist. Solche Integrale wie (31) sind also durch die Anfangs- 
und Endwerte der unabhängig Variablen nicht ganz bestimmt 

Sei beispielsweise X = y, Y^ a (konstant). Wählt man zu- 
nächst den Integrationsweg P-i QPj, dessen Seiten parallel mit 
den Achsen laufen, dann kann man (31) in zwei Teile zer- 
legen, welche den Linien P^Q und QP, entsprechen. 

Auf der ersten Strecke ist y = y^, also dy = 0] ftir diesen 

Weg wird also das Integral (31) 

«t 
Jyidx = y^ (xj -oTi). 

Auf der Strecke QP^ ist x = x^^ rfa? = 0; dieser Weg 
liefert also zu der gesuchten Summe den Beitrag 

fady=-a{y^ -y^). 
yi 
Das Resultat der Integration über den ganzen Weg 
ist also 



Grundbegriffe und Gnindforineln der IntegralrechnuDg. 293 

f{Xdx +rdy)=^ y, {X, ^x,) + a (y, - y,) (32) 

PtQPt 

(um den Integrationsweg anzudeuten, haben wir dem Integral- 
zeichen den Index P^QP^ beigefügt). 

Analog findet man 

[{Xdx + Ydy) = y^ {x^ - x^) + a(y, - y^). (33) 

Pi^Pt 
Wählt man dagegen den Integrationsweg längs der Geraden 
jP|P,, dann besteht zwischen den gleichzeitigen Zuwächsen dx 
und dy auf der ganzen Strecke die folgende Beziehung: 

so daß (30) übergeht in 



X, -aji 



ydy + ady, 



y* -Vi 
und das gesuchte Integral in 

f{Xdx + Ydy)^ ^^Jy ^y + «J'^y 

PxPt Vi yi 

= 1(^2 + yi) (*2 - ^i) + ö {y2 - yi)- (3^) 

Wollten wir schließlich den Wert des Integrals für irgend 

einen krummlinigen IntegrationswegP^x^P, ermitteln, so könnten 

wir einen Teil des Bogens vom Punkt P^ an gerechnet, z. B. 

P|4$, s nennen. Wächst s um dx, dann nehmen x und y 

(§ 98) um 

dx = cos i9- ds, dy = sin i9- ds 

zu, und (30) geht infolgedessen über in 

(Xcosi9-+ r&m&)ds. 

Da für jeden Punkt der Kurve X, Y und & bestimmte 
Funktionen von s sind, so läßt sich, wenn wir den ganzen 
Bogen durch 8 bezeichnen, der Wert der Summe 

a 
f(X dx + Ydy) = /(Xcos ti^ + Tsin *) ds (35) 

auf eine Integration nach s zurückftihren. 

Ebenso wie nun die Werte (32), (33) und (34) voneinander 
verschieden sind, so würde man im allgemeinen auch für jede 




294 Neuntes Kapitel. 

Kurve zwischen Pj und P, wieder einen neuen Wert des Inte- 
grals erhalten. Dies führt noch zu einem weiteren wichtigen 
Schluß. Man kann ar^, y^ in x^, y^ auf dem einen Wege über- 
gehen lassen und die Variablen auf einem andern Weg wieder 
nach den ursprünglichen Werten zurückfuhren. Geometrisch 
dargestellt, können wir also z. B. yon P^ nach P^ (Fig 98) auf 
dem Wege P^QP^ gelangen und auf dem Wege P^BP^ nach 
dem Anfangspunkt zurückkehren. Da (yergl. § 184) der Wert 

irgend eines Integrals längs P^RP^ gleich 
ist dem Wert desselben Integrals längs 
P2RP1 aber mit entgegengesetztem Vor- 
zeichen, so ergiebt sich der Wert des In- 
tegrals längs der geschlossenen Kurve 
P^QP^RP^ gleich der DiflFerenz der Integrale 

längs Pj QPj und P^RPy Da diese beiden 

p. ^ Integrale im allgemeinen ungleich sind, so 

schliessen wir, daß der Wert des Integrals 
Yon verschieden ist, wenn man von bestimmten Anfangs- 
werten für X und y ausgehend längs einer geschlossenen Eorve 
nach denselben Anfangswerten zurückkehrt. 

In dem oben behandelten Fall (Fig. 97) ergiebt z.B. die 
Integration längs P^P^Q^P^ 

§ 207. Diese Auseinandersetzungen können leicht auf 
den Fall, wo mehr als zwei unabhängig Variable gegeben sind, 
ausgedehnt werden. Es seien Xy y, z . , . . die unabhängig 
Variablen und X, T, Z . . . . bekannte Funktionen derselben. 
Gehen die Variablen von den Anfangswerten ar^ , y^ , Zj . . . . 
in die End werte ar^, y,, Zg . . . . über, so können wir diesen 
Übergang in unendlich kleine Schritte zerlegen, für jeden 
derselben, wenn dx, dy^ dz . . , , die gleichzeitigen Zuwächse 
bedeuten, den Ausdruck 

Xdx + Ydy + Zdz + . . . . 

bilden und schließlich die Summe 

^(Xdx + Ydy + Zdz + ) (36) 

aufstellen. Der Wert dieses Integrals ist im allgemeinen ab- 
hängig von dem Integrationsweg und von verschieden, wenn 



Grundbegriffe und Grandformeln der Integralrechnung. 295 

nach einem Kreislauf die unabhängig Variablen wieder zu 
ihren Anfangswerten zurückkehren. 

Sind drei unabhängig Variable gegeben, so kann man 
dieselben als Eaumkoordinaten auffassen. Jedem Integrations- 
weg entspricht dann ähnlich wie im letzten Paragraph eine 
gewisse Linie. 

Nur in einem Fall ist der Wert des Integrals unabhängig 
Yom Integrationsweg, nämlich dann, wenn die Funktionen X, 7, 
Z, .. als die partiellen Differentialquotienten einer Funktion (p 
nach X, y, 2: . . . . aufgefaßt werden können (yergl. § 164). 

Ist nämlich 

dann ist 

Xdx + rdv + Zdz+ .=.ptdx + ^dv + pdz + 

^ ox oy ^ dx 

der Zuwachs (§ 153), den (p erfährt, wenn x, y, z , . , , um 
dx, dy, dz ... , wachsen. Da dies fiir jedes der Elemente des 
Integrals (36) gilt, so ist die Summe aller Elemente der ganze 
Zuwachs von (p bei dem Übergang der unabhängig Variablen 
aus den Anfangs werten x^, y^, z^ . . . . in ihre End werte x^^ 
j/^y z^ . . . . Dieser Zuwachs ist natürlich unabhängig von 
dem Wege, auf dem der Übergang stattfindet. Kehrt nach 
einem Kreislauf von Veränderungen g> zu seinem ursprüng- 
lichen Wert zurück, dann ist j (^ dx +^dt/ + -^dz +....)= 0, 
also für diesen Fall auch 

/ {Xdx + Ydy + Zdz + ) = 0.^ 

Ist in einer Ebene X = ^ , T = ^ und sucht man den Wert 

X oy 

des Integrals (35) für die Kurve P^SP^ (Fig. 97), dann ist, wenn 
man (p als eine Funktion von s ansieht, nach Formel (4), 
S. 207, 

Xcos d- + Tsin i?- = ^^ , 



^ Hierbei ist vorausgesetzt, daß die Funktion <p eindeutig ist Ist 
dies nicht der Fall, dann braucht das Resultat der Integration über eine 
geschlossene Kurve nicht stets zu sein. 



296 Neuntes Kapitel. 

und das Integral 

ist gleich der Differenz der Werte von y in P^ und P^. 

. § 208. Einige Beispiele mögen zur Erläuterung des Vor- 
hergehenden dienen. Wir beginnen mit einem Fall aus der 
Mechanik. Ein Punkt P mit den Koordinaten x, y, r, und 
auf den eine Kraft K wirkt, erleide die unendlich kleine Ver- 
rückung ds in einer Richtung, die mit K einen Winkel i9- 
bildet. Die von der Kraft geleistete Arbeit ist sodann 

Zcosö-flf*. (37) 

Sind nun Z, T, Z die Komponenten von K nach den 
Achsenriclitungen, und dx^ dy^ dz die bei der Verrückung 
ds stattfindenden Zunahmen der Koordinaten, so sind die 
Bichtungskonstanten von K und ds 



X 


Y 


Z 


K' 


K' 


K 


dx 


dy 


dx 


ds' 


ds' 


ds ' 



und 

Leitet man hieraus in der § 73 angegebenen Weise den 
Wert von cos & sth, so findet man für die Arbeit (3 7) auch 
den Ausdruck 

Idx + Ydy + Zdz. 

Durch Integration wird man hieraus die von der Kraft 
geleistete Arbeit berechnen können, wenn der Punkt eine end- 
liche Strecke von Pj nach P, zurücklegt. 

Wären X, T, Z willkürliche Funktionen der Koordinaten, 
dann würde diese Arbeit für verschiedene Wege zwischen Pj 
und Pg ungleich sein. Sobald jedoch die Kraftkomponenten 
(§ 165) als die partiellen Differentialquotienten einer Kraft- 
funktion (p dargestellt werden können, dann ist die Arbeit 
unabhängig von dem eingeschlagenen Wege; dieselbe ist dann 
gleich der Differenz der Werte von <p in P^ und Pj. Be- 
schreibt der Punkt eine geschlossene Bahn, so ist in diesem 
Falle die Arbeit 0. 

Als zweites Beispiel denken wir uns einen Körper, dessen 



GnindbegrifiEe und Grundformeln der Integralrechnung. 297 

Zustand durch die Temperatur t und das Volum v vollständig 

bestimmt ist. 

Änderungen des Zustandes lassen sich dann in der Weise 

beschreiben, daß man die gleichzeitigen Änderungen von v und t 

&ngiebt; unendlich kleine Änderungen sind durch die Zu- 
wächse dv und dt bestimmt. 

Im allgemeinen ist, um die Zustandsänderung herbeizu- 
führen, Zufuhr einer gewissen Wärmemenge erforderlich; diese 
läßt sich, wenn es sich um eine unendlich kleine Änderung 
handelt, darstellen durch 

Xdv+ rdt, (38) 

wo X und Y Funktionen von t; und t sind.^ Die Erfahrung 
lehrt nun, daß die Wärmemenge, welche man dem Körper 
zuführen muß, wenn derselbe aus einem bestimmten Anfangs- 
zustand in einen bestimmten Endzustand übergeht, abhängig 
ist von dem Wege, auf welchem die Änderung geschieht. 'Ejr 
können daher X und Y nicht als partielle Differentialquotienten 
einer Funktion (p aufgefaßt werden, und es ist auch nicht 

(§ 164) ä7 = ^« Die mechanische Wärmetheorie lehrt weiter, 

daß der Ausdruck, welcher entsteht, wenn man (38) durch die 
absolute Temperatur T (die eine Funktion von t ist) dividiert, 

als Differential einer Funktion aufgefaßt werden kann. -= 
und -^ sind also die partiellen Differentialquotienten dieser 



T 
Funktion nach v und t und sie genügen der Beziehung 

d 



t[T) dv[T)' 



Der Wert des Integrals 

Xdv -f- Ydt 



s 



T 
hängt nur von dem Anfangs- und Endzustand des Körpers ab 



^ Bisweilen wird für den Ausdruck (S8) die Bezeichnung dQ oder 
eine ähnliche angewandt. Aus dem Gesagten geht hervor, daß dieses 
nicht 80 anfznfaßen ist, als wäre Q eine Funktion von v und /, und d Q 
deren Differential. Das Zeichen d Q bedeutet nichts weiter als ,,eine un- 
endlich kleine Wärmemenge/^ 



298 



Neuntes Kapitel. 



und versohwindet für einen Kreisprozeß, bei dem der Körper 
schließlich wieder in seinen An£angszustand zurückkehrt. 

Aufgaben. 
Es sollen die folgenden Integrale bestimmt werden: 

b 
6. I -:j-— — dx (n eine positive ^anze Zahl); •• / — ; 



CO 



P + 9 



8.y*$; 9.fx*dx; 



'"■im 



P-« 







dx ; 



11. Je-P'dx [p positiv); 12. f _^^ ; 



13. f-fi=, 



+1 



»■ I^'-' ''■ Syfh' 







Ve.T 



-1 
+ a 



a 



16. fsinarrfar; 17. f-^ ; 18. rsinaj:(/ar; 

c/ ^ cos 37 ^ 

— o 

+ a 



19. /(«* + e-^)dx. 



— a 



Durch Einführung einer neuen Variablen und wenn nötig 
durch Zerlegung der zu integrierenden Funktion sollen die 
folgenden Integrale berechnet werden: 



■ m^' 






26 



. J/(l ^x^dx] 27. rsin(a + ar)^x; 



Grundbegriffe und Grundformeln der Integralrechnung. 299 
28. fBm(a + x)cos(ß + x)dx: 29. r "n(« + ^ )^^. 

ü 

33. f--£^=(x^ig(p)] 34. rVl-2ar2rfar: 







35. r^L^rfo:; 36. f — ^ ; 

37. /sin X sin 2. rf. ; 38. /^ ; 39. /-^. ; 



40. r^^, 41. fx^p + qx^dx; 42. fc^+^^^ar^ar; 



43 



. fe^x^dx; 44. rZ(l +:r«)arrfa:; 



45. r ^ fictx = yy 46. r ^^ 

J a cos* X + 6 sin' a; ^^ ^''' ' J a + 6 cos' a; + c sin'a; ' 
47. / — (x = 2y): 48. / — -. %: (man setze 

J p + q cosa? ^ '^^ Ja sino; + p coso? ^ 

a = r COS y und /9 = r sin qp, vergl. § 30) ^ 

49. I ^^ — (multipliziere erst Zähler und Nenner mit cosar): 

J a + btgx ^ ^ '' 

50. ftg'xdx; 51. J-^(fl« = y); 

53. Durch partielle Integration sollen die Werte von 

f arc sin x dx und f arc tg x dx 
berechnet werden. 

54. Es soll die partielle Integration in den verschiedenen 
möglichen Weisen auf die Integrale 

Je^* cosßxdx und f e°' ^inßxdx {ce und /9 Konstanten) 

angewandt, und aus den Resultaten der Wert dieser Integrale 
abgeleitet werden. 



800 Neuntes Kapitel 

55. Zu berechnen 



oc oo 



f e-' sin X dx und f e-* cos x dx . 



56. Es soll eine Beduktionsformel fiir 

C x^BiTLpxdx 

{m und p konstant) aufgestellt werden und mittels derselben 
der Wert des Integrals f&r m = 1, 2 und 3 ermittelt werden. 

57. Es sollen die Integrale 

Jx*e''dx und * Jx^lxdx 

berechnet werden. 

58. Es soll die partielle Integration auf verschiedene 
Weise auf die Integrale 

r X"* c« * cos ßx dx und Jx^ e!^ * sin ßx dx 

angewandt und eine Formel gesucht werden, welche die Inte- 
grale auf andere mit niederen Exponenten von x zurückf&hrt. 

59. Das Integral 

r e^^hX'\rC3^ dx 

soll auf ein einfacheres zurückgeführt werden. 
Es sollen berechnet werden 

60. Jsin^xdx; 61. T sin* a: cos* ar rf:r ; 62. Jsin^xdx ; 

ü 

63. fsin* {a + x)dx; 64. fsm{a + x) cos(/? + x)dx ; 



ä" st 

65. fsin*kxdx] 66. fsinrnj: sinnxrf:r 



(bei dem letzten Integral sind m und n ganze Zahlen, und soll 
einmal m von n verschieden, das andere Mal m = n sein). 

67. Die Gleichung einer Kurve bezogen auf schiefwinke- 
lige Koordinaten sei : y = f{x). Wie berechnet man den Inhalt 
der Fläche, welche von zwei Ordinaten, der Abscissenachse 
und der Kurve begrenzt wird? 



Grundbegriffe und Grundformeln der Integralrechnung. 301 

68. Bei einer Hyperbel sind die Asymptoten als Koordi- 
natenachsen gewählt Man soll den Inhalt der von der Enrve, 
zwei Ordinaten und der Abscissenachse begrenzten Fläche be- 
rechnen. 

69. Die Gleichungen der Ellipse und Hyperbel sind ge- 
geben (§ 54 und § 56). Man soll den Inhalt der Fläche, welche 
zwischen diesen Kurven, der or- Achse und einer Ordinate liegt, 
berechnen. Wie groß ist der Flächeninhalt der ganzen Ellipse? 

70. Wenn eine Figur in einer Ebene die in § 64 be- 
sprochene Form Veränderung erleidet, wie ändert sich dann 
ihr Inhalt? 

71. Es soll der Inhalt der Fläche ermittelt werden, die 
von der Kettenlinie (Aufgabe 21, S. 106), den beiden Koordi- 
natenachsen und einer Ordinate begrenzt wird. 

72. Eine Kurve ist durch die Gleichung 

y « ar» - 9x2 -I- 23a? - 15 

gegeben. Man soll den Inhalt der Fläche berechnen, welche 
von der Kurve, der Abscissenachse und den Ordinaten :r = 1 
und ar = 3 begrenzt wird. 

73. Den Inhalt eines Sektors zu ermitteln, der von 
einem Teil der Parabel, der Achse der Kurve und einem 
aus dem Brennpunkt gezogenen Radiusvektor begrenzt wird. 
(Man benutze die Polargleichung Aufgabe 24, S. 107.) 

74. Es seien x und y die rechtwinkeligen Koordinaten eines 
Punktes einer Kurve. Welches ist die geometrische Bedeu- 
tung von 

h 

Jydx, 

a 

wenn in dem Intervall (<i, b) die Ordinate y nicht fortwährend 
dasselbe Vorzeichen hat? 

75. Es soll der Inhalt des von zwei parallelen Ebenen 
aus einer Kugel herausgeschnittenen Stückes nach der § 188 
angegebenen Methode bestimmt werden. 

76. Berechne den Inhalt des Körpers, der von einem 
Rotationsellipsoid und einer senkrecht zur Achse stehenden 
Ebene begrenzt wird. 



302 Neuntes Kapitel. 

77. Bei dem Körper, von dem § 188 die Eede war, sä 
der Durchschnitt 8 durch die Formel 

S ^ p + qz + rx^ (or] 

(;?, y, r konstant) gegeben. Es soll bewiesen werden, daß 
dann der Inhalt den Wert 

^h(G + B + ^M) 

hat, wenn man mit G und B die Flächeninhalte der beiden 
parallelen Grenzflächen bezeichnet, mit k deren Abstand und 
mit M den Flächeninhalt des zu diesen Ebenen parallelen und 
in der Mitte zwischen denselben liegenden Querschnittes. 

78. Es soll bewiesen werden, daß die Bedingung (a) er- 
füllt ist bei dem Prismoid, bei der Eugelscheibe und bei den 
Körpern, die entstehen, wenn ein Botationsellipsoid, -para- 
boloid, oder -hyperboloid von zwei senkrecht zur Achse stehen- 
den Ebenen geschnitten wird. 

79. Die Kettenlinie (Aufgabe'^.21 , S. 106) dreht sich um 
die ar- Achse. Wie groß ist der Inhalt des Körpers, welcher 
durch die so entstandene Oberfläche und zwei zur j:-Achse 
senkrechte Ebenen ar = und x = a begrenzt wird? 

80. Die Polargleichung einer Kurve ist: r = Fi^-). Wie 
läßt sich die Länge des Bogens zwischen & = &^ und & = &^ 
durch ein Integral darstellen? 

81. Es soll die Länge des Bogens OA der Cycloide (Fig. 73, 
S. 162) berechnet werden. (Man führe den Winkel BMC als 
unabhängige Variable ein; wächst derselbe beim Fortrollen des 
Kreises um eine unendlich kleine Grösse, dann beschreibt der 
Punkt B einen unendlich kleinen Kreisbogen mit dem Mittel- 
punkt in C). 

82. Eine gleichmäßig mit Materie belegte gerade Linien- 
strecke AB und außerhalb derselben ein Punkt P seien ge- 
geben. Irgend ein Element dx von AB, dessen Abstand von 

P gleich r ist, zieht P mit einer Kraft ^^ (a konstant) an. 

Es sollen die Komponenten der Kraft in Richtung AB und 
senkrecht dazu, welche die ganze Linie auf P ausübt, ermittelt 
werden. 

83. Ein beweglicher Punkt P wird von einem festen 
Punkt mit einer Kraft angezogen, die proportional der 



Grundbegriffe und Grundformeln der Integralrechnung. 303 

f^ten Potenz der Entfernung ist. Welche Arbeit leistet die 
Kraft, wenn bei einer Bewegung von P der Abstand zwischen 
-P und von r^ in r^ übergeht? 

84. Das Volumen einer Gasmasse unter dem Druck p^ 
sei Vq, Dehnt sich das Gas aus, so ändern sich der Druck/) 
und das Volumen v nach der Formel 



P_ ^ KV 



(Ji konstant). Es leistet das Ga« bei der unendlich kleinen 
Ausdehnung dv die Arbeit pdv. Welche Arbeit leistet es, 
'wenn sich sein Volum von v^ auf v^ vergrößert? Besonderer 
FaU: Ä = 1. 

85. Eine Flüssigkeit strömt durch eine Röhre mit kreis- 
förmigem Querschnitt vom Radius R. Die Bewegung ist überall 
parallel der Achse der Röhre gerichtet, und die Geschwindig- 
keit in einem Punkt, dessen Abstand von der Achse r ist, ist 
gleich a (Ä^ — r*), wo a eine Konstante ist. Welches Flüssig- 
keitsvolum strömt während der Zeiteinheit durch den Quer- 
schnitt? (Man beschreibe in dem zur Achse senkrechten Quer- 
schnitt zwei Kreise, konzentrisch zum Umfang der Röhre, mit 
den Radien r und r + dr und berechne zuerst die Flüssigkeits- 
menge, welche durch den schmalen Ring zwischen den beiden 
Kreisen fließt Durch Integration findet man dann die ge- 
samte durch den Querschnitt fließende Flüssigkeitsmenge.) 

86. Nach dem ToBBicELLi'schen Gesetz fließt unter dem 
Einfluß der Schwerkraft durch eine kleine Öffnung in einer 

dünnen Wand pro Zeiteinheit die Flüssigkeitsmenge a^h aus, 
wo a eine Konstante und h die Höhe des Flüssigkeitsspiegels 
über der Öffnung bedeuten. Bei einem gegebenen Gefäße 
ist die Größe des Flüssigkeitsspiegels Q natürlich eine be- 
kannte Funktion der Höhe h. Man soll einen Ausdruck f&r 
die Zeit ermitteln, welche nötig ist, damit der Flüssigkeits- 
spiegel um ein bestimmtes, unendlich kleines Stück sinkt, und 
ferner für die Zeit, welche nötig ist, damit die Höhe des 
Flüssigkeitsspiegels über der Öffnung von h^ auf Aj sinkt. 
Besondere Formen des Gefäßes : ein vertikal gestellter Cylinder, 
ein Kegel, dessen Ausströmungsöffnung in der Spitze liegt, 
eine Kugel mit der Öffnung im tiefsten Punkt. 



304 Zehntes Kapitel. 

87. Eine Funktion f{x) ist gegeben. Es werde das Inter- 
vall zwischen einem bestimmten Anfangswerte x = a und einem 
bestimmten Endwerte x = b in n gleiche Teile zerlegt^ nnd es 
seien x^, x^ , . . . x„.i die in dieser Weise erhaltenen Zwischen- 
werte von x, f{x^^ /^{^a)> • • • fi^n-^x) die entsprechenden Werte 
der Funktion, und M das arithmetische Mittel derselben. Den 
Grenzwert, dem sich M bei fortwährender Zunahme der Zahl 
n nähert, nennt man den Mittelwert der Funktion fftr das 
Intervall (a, b). Es soll bewiesen werden, daß dieser Mittel- 
wert sich durch 

b 

jf{x)dx 



b — a 

darstellen läßt. 

88. Der Wert / des Integrals 

h 
ff{x)dx 

a 

hängt von den Grenzen a und b ab, ist also eine Funktion 
von a und b. Welchen Wert haben die partiellen Differential- 
quotienten ^ und ^? 



Kapitel X. 

Doppel- und mehrfache Integrale. 

§ 209. Es sei F eine horizontale Ebene. Oberhalb der- 
selben sei eine krumme Fläche S gegeben. In irgend einem 
Punkt von F sei ein Lot errichtet, welches bis S reicht Femer 
sei durch eine geschlossene Kurve oder gebrochene Linie ein 
gewisser Teil A der Ebene F abgegrenzt, und hierauf als Grund- 
fläche ein gerader Cy linder, bez. ein Prisma errichtet, der 
oben durch die Fläche 8 abgeschnitten wird. Wir stellen uns 
die Aufgabe, den Inhalt I des so gebildeten Körpers zu be- 
stimmen. 



Doppel- und mehrfache Integrale. 305 

Wir zerlegen die Grundfläche in eine gewisse Anzahl von 
Teilen, die wir mit AV^ bezeichnen, und den Körper selbst in 
Cylinder bez. Prismen, welche je auf einem dieser Teile stehen. 
Offenbar ist der Inhalt von einer dieser Säulen gleich AFmvMi^ 
pliziert mit einer bestimmten, innerhalb AF errichteten Senk- 
rechten, welche natürlich der Gleichung der Fläche 4$, also 
z =^f(xjy), genügen muss. Nimmt man für diese Senkrechte 
den Wert von z in einem willkürlich gewählten Punkt inner- 
halb AV oder auf dem Umfang von AV, so wird man im all- 
gemeinen einen Fehler begehen. Man wird aber immer für 
die Höhe, mit der man A V multiplizieren muß, um genau den 
Inhalt der Säule zu erhalten, schreiben dürfen z + Bj wo z 
der soeben genannte Wert und € eine nicht näher angebbare 
Größe ist. Der Inhalt der Säule wird sodann: zAV + bAV, 
Wenn wir nun den Inhalt aller Säulen, in die wir unseren 
Körper zerlegt haben, addieren, so erhalten wir für den Inhalt 
des ganzen Körpers 

I^^zAr+^BAF. (1) 

Die Größen 6 sind in den meisten Fällen schwierig zu be- 
rechnen. Je kleiner wir jedoch die Dimensionen von AF 
machen, desto mehr verschwinden die Differenzen zwischen den 
in den verschiedenen Punkten dieses Flächenteils errichteten 
Höhen. Nehmen also jene Dimensionen fortwährend ab, so 
vrird schliesslich Lim 6 = 0. Daraus geht hervor, daß (vergl. 
§181) auch Lim -2*6^7=0 ist. Es ist daher, da ja die 
Gleichung auch dann gilt, wenn A F fortwährend abnimmt, 

7=Lim2^^^- 
§ 210. Die Analogie zwischen diesem Grenzwert und 
den Integralen des vorigen Kapitels fällt sofort ins Auge. 
Auch hier hat man es mit einer unendlichen Anzahl unendlich 
kleiner Größen (Elemente) zu thun. Ähnlich wie wir in einem 
Element f(x)dx eines gewöhnlichen Integrals unter f(x) nach 
Belieben den Wert verstehen konnten, welcher der Funktion 
entweder vor oder nach dem Zuwachse dx zukommt, so können 
vrir jetzt für z den Wert wählen, der einem beliebigen Punkt 
innerhalb AF oder auf dem Umfang dieses Plächenteils ent- 

^ A V bedeutet nicht den Zuwachs einer Größe, sondern nur einen 
Teil von V, 

LoRKMTZ, DiffereatialrechnuDg. 20 



306 Zehntes Kapitel. 

spricht. Auch dürfen wir z durch jede Grösse ersetzen, derai 
Verhältnis zu z den Grenzwert 1 hat 

In Übereinstimmung mit der Schreibweise der früheren 
Paragraphen vertauscht man das Symbol A mit d^ und 2 mit/ 
und schreibt also 



-/ 



zd7. (2) 



In einem Punkt unterscheidet sich das Integral (2) von 
den früher behandelten. Es nähern sich nämlich alle Di- 
mensionen des Flächenelements dV der 0, und es sind also, 
wenn wir diese Dimensionen unendlich klein erster Ordnung 
nennen, dV selbst und auch das Element z «f F unendlich klein 
zweiter Ordnung (vergl. § 93). Damit hängt zusammen, daß, 
wie sich bald ergeben wird, die Berechnung von (2) zwei auf- 
einanderfolgende Integrationen der früher behandelten Art er- 
fordert. 

Die im vorigen Paragraphen eingeführte Größe ^AV wird, 
wenn A V abnimmt, schließlich unendlich klein dritter Ordnung; 
im allgemeinen wird man in einem Element des Integrals 
Größen von dieser oder noch höherer Ordnung weglassen dürfen. 

§ 211. Die Teilchen AT brauchen nicht notwendig, so- 
lange sie noch endlich ausgedehnt sind, den vorgeschriebenen 
Teil A der Ebene, das sogenannte Integrationsgebiet, genau 
auszufüllen. Die Summe derselben kann unbedenklich von A 
abweichen, vorausgesetzt nur, daß die Abweichung mit zu- 
nehmender Anzahl der Teile fortwährend abnimmt; das Inte- 
gral (2) wird ja immer den Inhalt des Cylinders darstellen, 
dessen Basis die Grenze ist, welcher sich der von sämtlichen 
A V eingenommene Teil der Ebene nähert. 

Man wird also, welches auch die Gestalt der Grenzlinie 
sein mag, den Flächenelementen dV eine einfache Gestalt 
geben können. Oft empfiehlt es sich z. B., die Ebene mittels 
zweier Systeme von parallelen Linien in Rechtecke zu teilen. 
Elemente von dieser Gestalt können, wenn dieselben nur klein 
genug gewählt werden, auch einen Flächenteil mit krumm- 



^ Von. diesem Symbol d gilt dasselbe, was von A auf der vorigen 
Seite erwähnt wurde ; d V bedeutet einen unendlich kleinen Teil von V. 



Doppel- und mehrfache Integrale. 307 

liniger Begrenzung mit jedem beliebigen Grade der Annähe- 
rung ausfüllen. 

§ 212. Viele andere Probleme führen auf Ausdrücke wie 
(2). Hierbei braucht das Integrationsgebiet nicht notwendig 
eine Ebene zu sein, sondern es läßt sich in der gleichen Weise 
auch über eine krumme Fläche integrieren. 

Es sei z. B. auf einer Fläche S Materie (oder Elektrizität) 
mit der veränderlichen Dichte a verteilt. Da wir unter Dichte 
in einem Punkt die auf einem unendlich kleinen Teil der Ober- 
fläche befindliche Masse bez. Elektrizitätsmenge, dividiert durch 
die Größe dieses Oberflächenelements (d. h. die Masse pro 
Oberflächeneinheit, berechnet aus der auf einem unendlich 
kleinen Oberflächenteil befindlichen Masse), verstehen, so ist 
umgekehrt die auf einem Element dS befindliche Masse durch 
das Produkt adS gegeben. Will man hieraus die Masse be- 
rechnen, welche sich auf irgend einem endlichen Teil von S 
befindet, dann muß man das Integral 



/ 



(TdS 



für diesen Flächenteil berechnen. 

Im allgemeinen wird man, wenn qp irgend eine Punktion 
ist, die in jedem Punkte der Oberfläche einen bekannten Wert 
hat, die Summe f(pdS bilden können. Man sagt sodann, man 
habe die Funktion (p über die Fläche S integriert. 

Es ist nicht notwendig, daß die Integration auf den von 
einer geschlossenen Grenzlinie eingefaßten Teil der Fläche be- 
schränkt bleibt. Oft hat man z. B. über die ganze Oberfläche 
einer Kugel zu integrieren. Bei einer Fläche, die sich ins 
Unendliche erstreckt, kann man integrieren über ein nur teil- 
weise begrenztes Gebiet, bei einer Ebene z. B. über den Streifen 
zwischen zwei parallelen Linien, oder sogar über die Fläche in 
ihrer ganzen Ausdehnung. Es kann dabei sehr gut ein end- 
licher Wert herauskommen, wenn nur die zu integrierende 
Funktion in weit entfernten Punkten der Fläche klein genug 

wird (vergl. das endliche Integral fe^^^dx). Eine endliche 



Elektrizitätsmenge kann sich z. B. unter dem Einfluß 
eines äußeren, mit entgegengesetzter Elektrizität beladenen 

20 ♦ 



308 Zehntes Kapitel. 

Punktes P so über eine unendliche Ebene verteilen, daß die 
Dichte a mit der Entfernung von P schnell abninunt, aber 
trotzdem nirgends ist. Selbst wenn wir in diesem Falle d^s 
Integral fadS über die unendliche Fläche ausdehnen, erhalten 
wir dafbr einen endlichen Wert. 

§ 218. In ähnlicher Weise, wie wir in den Torhergehen- 
den Paragraphen über eine Fläche integriert haben, können 
wir auch über einen begrenzten oder unbegrenzten Baum inte- 
grieren. 

Es sei (p eine Funktion, die in jedem Punkte des Raumes 
einen bekannten Wert hat Nachdem man den Baum in eine 
gewisse Anzahl von Teilen zerlegt hat, kann man den Inhalt 
jedes dieser Teile mit dem Werte, den (p irgendwo im Innern 
desselben annimmt, multiplizieren und alle so erhaltenen Pro- 
dukte addieren. Das Resultat nähert sich einem bestimmten 
Grenzwerte, wenn man die Dimensionen der Baumteile fort- 
während verkleinert, und zwar kommt es, was diesen Wert 
betrifft, gar nicht darauf an, welchen der innerhalb eines 
Baumteiles vorkommenden Funktionswerte man jedesmal ge- 
wählt hat. Jenen Grenzwert nennt man das Integral von q 
über den gegebenen Baum; indem man mit dr einen unend- 
lich kleinen Baumteil bezeichnet, schreibt man für das Integral 



1 (pdx , 



Ist (f die Dichte der in einem Baum befindlichen Materie 
(die Menge der Materie pro Volumeneinheit), so bedeutet das 
Integral die Gesamtmenge in dem betrachteten Baum. 

Auch bei diesen Integralen ist es nicht notwendig, daß 
die Teilchen, in welche wir den Baum geteilt haben, das 
Volum genau ausfüllen, solange sie noch endlich sind. Es 
genügt, wenn der von sämtlichen Elementen eingenommene 
Baum das vorgeschriebene Volum zur Grenze hat. 

Sind die Dimensionen jedes Volumelementes unendlich 
klein von der ersten Ordnung, so ist ein Element (pdx des 
Baumintegrals unendlich klein von der dritten Ordnung (vergl. 
§ 93). In demselben dürfen Größen vierter Ordnung weggelassen 
werden. 

§ 214. Wir lassen ein paar Beispiele fUr Baumintegrale 
folgen. Wenn eine Anzahl von materiellen Punkten mit den 



Doppel- und mehrfache Integrale. 309 

Massen m^, m^f m, , . . . . und den Koordinaten x^j y^ , z^y 
x^y y^y z^j . . , , gegeben sind, so sind die Koordinaten ihres 
gemeinschaftlichen Schwerpunktes (vergl. Aufg. 3, S. 122) 

Befindet sich die Materie nicht in einzelnen Punkten an- 
gehäuft, sondern bildet sie ein Kontinuum^ das einen gewissen 
Baum erfüllt, so ist, wenn q die Dichte bedeutet, die Masse 
in dem Yolumelement dx gegeben durch gdr, und die Gesamt- 
masse 2m durch fgär. 

Auch die übrigen Summen 2mxy SSmy, 2m z lassen sich 
durch Integrale ersetzen. Die Koordinaten aller Punkte von dr 
unterscheiden sich nämlich yoneinander nur um unendlich wenig. 
Man kann daher auch mit Vernachlässigung von Gliedern höherer 
Ordnung allen Punkten eines Elementes dr dieselben Koordinaten 
zuerteilen. Den Beitrag, den dieses Element zu 2mx liefert, '/ 
erhält man daher, wenn man die Masse gdx mit dem x eines 
beliebigen Punktes des Elementes multipliziert, und es wird 
daher 

and ebenso 

2my = I Qydxy 2mz = | gzdr. 

Die Bestimmung des Schwerpunktes ist also auf die Aus- 
rechnung von Integralen zurückgeführt worden. 

Unter dem Trägheitsmoment eines materiellen Punktes 
bezogen auf eine gerade Linie L versteht man bekanntlich das 
Produkt: Masse multipliziert mit dem Quadrat des Abstandes r 
von der Geraden. Das Trägheitsmoment eines Systems mate- 
rieller Punkte ergiebt sich, wenn man für jeden Punkt dieses 
Produkt bildet und alle so erhaltenen Werte addiert. 

Das Trägheitsmoment eines Körpers, welches den Raum 
stetig erfallt, von der Dichte q wird also nach dem Vorher- 
gehenden sein 

Qr^dr. 



/« 



Will man ermitteln, welche anziehende oder abstoßende 
Kraft ein solcher Körper auf einen äußeren materiellen Punkt 



310 



Zehntes Kapitel. 



P ausübt, 80 zerlegt man denselben wiederum in unendlich 
kleine Raumteile. Ist die Dichte und das Gesetz der An- 
ziehung oder Abstoßung bekannt, dann kann man die Aus- 
drücke für die von einem beliebigen Volumelement auf P nach 
den drei Koordinatenachsen ausgeübten Kräfte leicht aufstellen. 
Die Integration über alle Elemente des Körpers liefert dann 
für jede dieser Richtungen die Totalkraft. Am einfachsten 
gestaltet sich die Berechnung, wenn sich die Kraftkomponenten 
in der § 165 angegebenen Weise darstellen lassen, d. h. wenn 
die Kraft eine Potentialfunktion hat. Es genügt dann nämlich, 
diese letztere zu bestimmen, was in der Weise geschieht, daB 
man zunächst die Kraftfunktion bildet, welche der Wirkung eines 
einzigen Volumelementes entspricht und nachher integriert. 

Offenbar lassen sich die in diesem Paragraphen be- 
handelten Aufgaben in ähnlicher Weise lösen, wenn die Materie 
nicht, wie oben, einen bestimmten Raum erfüllt, sondern auf 
einer Fläche verteilt ist. 

§ 215. Wir wollen jetzt untersuchen, in welcher Weise 
die Integration über eine Fläche auszuführen ist. Wir be- 
ginnen mit dem Fall, wo ein Integral von der Form (2): 
S zdf ^ wo z eine beliebige bekannte Funktion bedeuten mag, 
über den durch die geschlossene Linie L (Fig. 99) begrenzten 
Teil der Ebene berechnet werden soll. Zunächst gilt es fest- 
zustellen, in welcher Weise 
wir die Fläche in Elemente 
zerlegen sollen. Benutzt man 
rechtwinkelige Koordinaten, so 
liegt es nahe, durch eine Reihe 
von Parallelen zu OX und O Y 
die Fläche in unendlich viele, 
unendlich kleine Rechtecke zu 
zerlegen. PQP'^ sei eins der- 
selben; X und y seien die Ko- 
ordinaten des Punktes P und 
X + dx, y + dy die Koordi- 
naten von Q', so daß also die 
unendlich kleinen Seiten PP' und PQ dx bez. dy sind. Hier- 
aus ergiebt sich für das Flächenelement dV=dxdy und für 
ein Element des gesuchten Integrals zdV^ zdxdy^ oder auch. 




Doppel- und mehrfache Integrale. 311 

wenn wir den Wert einsetzen, den z im Punkte P hat, und 

der f{x^y) heißen möge 

f\x,y)dxdy, (3) 

Um nun f zdV zu bestimmen, verfahren wir folgender- 
maßen. Die durch P parallel zur y-Achse gezogene Linie 
schneidet den Umfang L in den Puiikten R und 8, Die Strecke 
RS zerlegen wir nun in unendlich kleine Teile, wie PQ, und 
konstruieren auf jedem derselben ein Kechteck, wie PQP'Qf, 
so daß alle diese Rechtecke zwischen den Linien AS und Ä'S' 
liegen. Wir dürfen dann annehmen (vergl. § 211), daß diese 
£lemente zusammen den Streifen RSS'R! bilden. Wir addieren 
nun zunächst diese Rechtecke, nachdem wir ein jedes mit dem 
ihm zukommenden Wert von z multipliziert haben. Hierbei 
bleibt dx konstant und kann also als gemeinschaftlicher Faktor 
vor das Integralzeichen gesetzt werden; ebenso ist x in f\x^y) 
als eine konstante Größe zu betrachten. 

Die angegebene Summierung reduziert sich also auf eine 
Integration von (3) nach y zwischen den Grenzen AR und AS. 
Wir wollen AR^y^ und A8 =^ y^ setzen. Es i&ragt sich jetzt, 
welche dieser Größen als obere und welche als untere Grenze 
zu setzen ist. Da dF als positiv vorausgesetzt wird, so müssen 
dx und dy dasselbe Vorzeichen haben; am einfachsten macht 
man beide positiv und legt dementsprechend die Grenzen der- 
art fest, daß beim Übergang von der unteren nach der oberen 
Grenze y wächst. Als Resultat unserer ersten Summierung 

erhalten wir 

y* 

dxjf{x,y)dy. (4) 

Vx 

Läßt sich diese Integration nach den Regeln des vorigen 
Kapitels ausfahren, so hat man den Anteil gefunden, welchen 
der Streifen R8R8' an dem Integral f zdV hat. Das Resultat 
enthält natürlich dx als Faktor und zweitens eine Größe, die 
aus doppeltem Grunde von x abhängt. Denn erstens bleibt 
im allgemeinen bei einer Integration eine in der gegebenen 
Funktion vorkommende Eonstante in dem Resultat bestehen 
und wird also auch das in f[xy y) vorkommende x in dem Wert 
von (4) auftreten. Zweitens sind die Grenzen y^ und y^ eben- 
falls Funktionen von x. Denn hätten wir z. B. an Stelle des 



312 Zehntes Kapitel. 

Streifens IIR'S'S einen bei JR^S^ liegenden betrachtet, so 
wären die Grenzen A^^ R^ und A^ S^ gewesen. Der Ausdruck (4) 
nimmt also nach der Integration die Gestalt 

%]j{x)dx (5) 

an; dies Resultat gilt für jeden vertikalen Streifen. £s seien 
nun unter allen zu OY parallelen Linien die durch B und C 
gehenden die äußersten, welche noch einen Punkt mit dem Inte- 
grationsgebiet gemein haben (in Fig. 99 sind das natürlich 
Berübrungslinien der Kurve L) und es sei OB = Xj, (9C* = x,, 
welche Werte offenbar konstant sind. Zerlegt man BC 
in Elemente dx, so entspricht jedem derselben ein verti- 
kaler Streifen und die Addition der Beiträge, welche diese zu 
/r^r liefern, besteht in einer gewöhnlichen Integration von 
(5) zwischen Xj und Xg, wobei der kleinste dieser Werte als 
untere Grenze zu nehmen ist. Es wird also^ 



I zdF :=: I ^p{x)dx, 



wofür man auch schreibt 



Jdxjf{x,y)dy 



Xi Vi 

oder auch 



j jf{x,y)dxdy. (6) 



*i Vi 



Derartige Integrale nennt man Doppel-Integral e." Nach 
Übereinkunft schreibt man das Differential der Variablen, in 



* Wenn x die in 4$ 209 angegebene Bedeutung hat, dann istJ'xdV 



Vt 



das Volum eines Körpers und tp{x) = [fix, y)dy der Inhalt eines senk- 

Vi 

recht zur x Achse durch den Körper gelegten Querschnitts (§ 181). Das 

Resultat jtp{x)dx entspricht dem § 188 gefundenen. 

' Um auszudrücken, daß für die Berechnung eine doppelte Inte- 
gration nötig ist, kann man auch anstatt fxdV schreiben ffxdV. 



Doppel- und mehr^Eushe Integrale. 818 

Bezug auf welche zuerst integriert wird (also iu unserem 
falle dy) und ebenso das sich auf die erste Addition beziehende 
Integralzeichen mit den veränderlichen Grenzen hintenan. 

§ 216. Für das Resultat der Summierung ist es gleich- 
gtiltig, ob man, wie oben, zuerst in Bezug auf y oder ob 
man in umgekehrter Reihenfolge summiert. Will man zuerst 
in Bezug auf x summieren, dann betrachtet man y und dy 
:ils Eonstanten und summiert über alle Rechtecke, wie 
^QQP'j die zwischen den Linien TU und TV liegen. Die 
Grenzen sind DT und 1)U, Diese Größen, die wir x^ und ar, 
nennen wollen, sind Funktionen von y. Aus diesem Grunde, 
und überdies, weil in f{x.y) die bei der ersten Integration als 
Konstante angesehene Größe y vorkommt, wird das Resultat 
der Integration sich als das Produkt einer Funktion von y 
mit dem Differential dy darstellen. Beachtet man die Be- 
merkung des vorigen Paragraphen über die Reihenfolge der 
Differentiale, so ergiebt sich als Resultat der ersten Integration 



Jf{x,y)dydx. 



Dieser Ausdruck bedeutet den Anteil des Streifens TUT U' 
an dem Integral fzdV. Summiert man über alle derartigen 
Streifen, oder was dasselbe ist, integriert man in Bezug auf y 
zwischen den Grenzen OE = j^ und OF=j^, den äußersten 
Werten, die y in unserer Figur hat, so erhält man als End- 
resultat 

Natürlich muß dies mit (6) übereinstimmen. 

§ 217. Bei der Bestimmung der Grenzen hat man nur 
darauf zu achten, daß alle in dem Intcgrationsgebiet liegenden 
rechtwinkeligen Elemente mit berücksichtigt werden. Am ein- 
fachsten liegen . die Verhältnisse, wenn man über ein Rechteck, 
dessen Seiten parallel den Koordinatenachsen liegen, zu inte- 
grieren hat. Ist die Entfernung der einen zur ar-Achse Senk- 
rechten vom Koordinatenursprung x = a, die der anderen 
X = b und ist entsprechend für die beiden anderen Seiten y = c 



314 Zehntes Kapitel. 

und y = d^ dann sind, gleichgültig in welcher Beihenfolge 
integriert, a und b die Grenzen f&r Xj c und d die Grenze 
für y. In diesem besonderen Fall kann man die Reihenfolge 
der Integrationen umkehren, ohne an den Grenzen etwas 
ändern zu brauchen. Ist a = — oo, & = + cx), dann erstreckt 
sich das Integral auf den unendlich langen Streifen zwischen den 
parallelen Linien, für welche y = c und y = (2 ist Integriert 
man auch in Bezug auf y zwischen ^ oo und + oc, dann hat 
man über die unendliche Ebene in ihrer ganzen Ausdehnung 
summiert. 

Wir lassen jetzt ein etwas komplizierteres Beispiel folgen. 
Die Gleichung einer Oberfläche sei 

z = aar* + ßxy + yy>. 

Man soll den Inhalt I des Körpers berechnen, dessen 
Grundfläche das Dreieck OPQ (Fig. 100) ist, der femer von der 

genannten Oberfläche und schließlich 
von drei auf der :ry-Ebene senkrechten 
Ebenen begrenzt wird. Wir legen eine 
Reihe von parallelen Ebenen, welche 
auf der ory-Ebene senkrecht stehen 
und zugleich teils der y-, teils der 
AA' P X ar- Achse parallel sind, durch den 

*^* Körper und schneiden so Säulen her- 

aus, deren Volumen jedesmal zdxdy ist. Indem wir zunächst x 
und dx konstant lassen, integrieren wir in Bezug auf y zwischen 
den Grenzen und AR, also wenn man OP ^p und OQ^ q 

setzt, zwischen und —[p — x). Hierdurch erhält man den 

Inhalt eines unendlich kleinen Teils des Körpers, dessen Grund- 
fläche der Streifen ARA'R' bildet. Darauf integrieren wir 
noch in Bezug auf x zwischen den Grenzen und OP = p. 
Man hat also 

-|-(p-a») 
P P 






Nun ist 



/ = JJ{f^^'^ + ß^y + ry^dx dy. 



J{ax^ + ßxy + ry^)dy == ax^y + \ßxy^ + ^yy« + 6, 



Doppel- und mehrfache Integrale. 315 



a.l8o 
7 



(j> - X) 






(ax' + ßxy + yt/*)dy = «a« .^(p-x) + ^ßx. i| (p i_ r)t 
+ yY-{T{p--)' = ^r9'-{^-ißq')x 

Multipliziert man dies mit dx und integriert noch in 
Bezug auf x zwischen den Grenzen und /?, dann erhält man 

^= ^P9{^<^p^ + ßpq + 2rq^. 

Integriert man erst in Bezug auf x und darauf in Bezug 
auf .V, so wird man dasselbe Resultat erhalten. 

§ 218. In dem folgenden Beispiel ist der Teil der Ebene, 
über den integriert werden soll, von einer Kurve umgrenzt. 

Die Fläche einer Ellipse (Fig. 29 S. 79) sei gleichmäßig 
mit Materie von der konstanten Dichte a belegt. Es soll das 
Trägheitsmoment T der ganzen Masse in Bezug auf eine zur 
Ebene senkrechten, durch gehenden Linie berechnet werden. 
Da das Quadrat der Entfernung eines Elementes von dieser 
Linie x^ + y* ist und die Masse des Elementes adxdy be- 
trägt, so haben wir den Ausdruck 

o'(^^ + y^dxdy 
zu integrieren. 

Wir wollen mit der Integration nach y anfangen. Aus 
der Gleichung der E^ipse 

_ 4. iL — 1 

a» ^ 6« ^ 

folgt fiir die äußersten, zu einem bestimmten x gehörenden 
Werte von y 

-^yP^T^ und + Aya2-x2. 

Die äußersten Werte von x sind — a und + a. Wir er- 
halten also 

+ a ' 

T=a( ({x^ + y*)dxdy. 



316 



Zehntes Kapitel. 



Da 



b 

a 



+ - Va« - 



J(x^+y^)dy = 2|x2 l/a» - or« + | ^- y"(a» - x^f 



--^V^nr^i 



ist, so folgt 



+ a 



+ a 



T^2^a\x^^a^-^x^dx + f J (t ff^^ - x^^dx. 



— a 



— a 



Setzt man arssasiny, so wird (vergl. § 199) 



— a 



+ a 






/ ]/(a* — ar^)» dx := a^ I cos* 9 rf 9? = f 5r «*, 



— a 

.uDd hieraus folgt 



-'A« 



2'=|iijai(a* + i«)(7. 



§ 219. Das folgende Beispiel zeigt, wie zu verfahren ist, 
wenn das Integrationsgebiet nicht dnrch eine geschlossene 

Linie, die durch eine einzige 
Gleichung dargestellt wird, be- 
grenzt wird. 

Es soll das Integral 




^Jx^ydF, 



Fig. 101. 



für das gleichschenklige recht* 
winkelige Dreieck OAB (B'ig, 101) 
mit der Hypotenuse OA =^ 2 a be- 
rechnet werden. Nimmt man für x 
einen Wert, der kleiner als 00 ist, z. B. OD^ dann sind die 
Grenzen ftlr y und DJB = OD = x\ wählt man dagegen für 
X einen Wert, der größer als 00 ist, z. B. OD', dann sind die 
Grenzen f&r y und i)'^' = ^jÖ' = 2a - ar. Ein Streifen 
längs DE von der Breite dx liefert also für / den Beitrag 



Doppel- und mehrfache Tntegrale. 317 

X 

1 x^ydxdy = \x^ dx^ 



ein ähnlicher Streifen längs B' E' 

x^ydxdy = ^x^f^a — x^dx. 



Die ersteren Streifen erstrecken sich von a: = bis .r = « ; 
sie geben also für das gesuchte Integral * 






\Jx^dx = T^^a«. 



Ebenso erhält man für die letzteren Streifen, die das 
Dreieck BCÄ erfüllen, 

2a 

ifx\2a - xYdx = ^a». 

a 

I ist die Summe dieser beiden Besultate, also ^a^. 

Auf einfachere Weise erhält man dasselbe Resultat, 
wenn man zuerst in Bezug auf x integriert. Die Grenzen 
eines beliebigen horizontalen Streifens, z. B. eines bei GH 
liegenden, sind FO = OF='y und Fff= 2 a — y. Bei der Inte- 
gration mit Hilfe von horizontalen Streifen braucht man also 
das Integrationsgebiet nicht erst in zwei Dreiecke zu zerlegen; 
man erhält sofort 

a 2a " y 

I = JJx^ydydx =« ^J^a«. 

y 

§ 220. Die in § 215 stillschweigend gemachte Voraus- 
setzung, daß eine Parallele zur y- Achse die gegebene Kurve 
nur in zwei Punkten schneidet, ist nicht immer erftiUt. Eine 
solche Linie kann, nachdem sie die Kurve in zwei Punkten 
geschnitten (vergl. Fig. 102), aufs neue in die Figur eintreten, 
um sie bei einem vierten Schnittpunkt zu verlassen; sie kann 
auch sechs Punkte mit der Kurve gemeinschaftlich haben. In 
diesen Fällen setzt sich der Streifen, welcher durch zwei un- 
endlich nahe Parallele aus der Figur herausgeschnitten wird, 
aus zwei oder mehr Stücken zusammen, deren jedes einen 
Beitrag zu dem Integral liefert. Wird z. B. o: == 0^, dx = AA' 



318 



Zehntes Kapitel. 








AA' 
Fig. 102. 



gesetzt und soll in Bezug auf y integriert werden, dann sind 
Grenzen zunächst i^P und AQ und ferner AR und AS. Die Bß- 

sultate dieser beiden Integrationen 
müssen addiert werden, um des 
Beitrag zu erhalten, welchen der 
durch die Parallelen AS und IS 
aus der Figur herausgeschnitteDe 
Streifen zu dem Integral liefert 

§ 221. Soll über eine Ebeoe 
integriert werden, in der die Lage 
eines Punktes mittels Polarkoordi- 
naten r und & (§ 69) festgelegt ist, 
dann teilt man die Fläche nicht 
in unendlich kleine Rechtecke dxdjf, 
sondern man bildet Flächenele- 
mente, indem man aus dem Pol 
eine Reihe von Radiivektoren zieht und um den Pol als Mittel- 
punkt eine Serie von Kreisen beschreibt. Auf diese Weise 
erhält man Flächenelemente wie PQQfF (Fig. 103). Seien r 
und & die Koordinaten von P, r + dr und & + d& die Ko- 
ordinaten von Qf {dr und dtJ sollen stets positiv sein und 9 
positiv in der Richtung entgegengesetzt der Bewegung eines 

Uhrzeigers). Dann ist bis auf 

eine Größe von höherer Ordnong 

dF=^PQrq = rdrd&. 

Es möge zunächst, wie in 
Fig. 103, der Pol außerhalb 
des von der Kurve Z einge- 
schlossenen Integrationsgebietes 
liegen. Wir summieren bei kon- 
stantem & und d& über alle 
^Elemente, die zwischen den 
Fig. 108. Linien OS und OS' liegen. Bei 

dieser Integration in Bezug auf r sind OR und 08 die Grenzen, 
welche selbstverständlich Funktionen von & sind. Hat man 
durch diese Summation den von dem Streifen RSR'S' her- 
rührenden Teil des Integrals 




/ 



zdF 



Doppel- und mehrfache Integrale. 819 

oder, wenn z = /"(r, &) ist, des Integrals 



/ 



/\r, »)rd»dr 



ermittelt, dann müssen noch die Beiträge aller Streifen summiert 
werden. Dies geschieht, indem man nach & zwischen den 
äußersten Werten von i?-, nämlich XOÄ nnd XOB, integriert. 

Will man umgekehrt mit der Integration in Bezug auf 
i9* beginnen, wobei zunächst r und dr konstant bleiben, so 
muß man zunächst alle Elemente, die auf dem Streifen TUT V 
zwischen den beiden Kreisen mit den ftadien r und r -^r dt ^ 
liegen, berücksichtigen. Die Grenzen von d- sind hierbei die 
Winkel, welche die Radiivektoren von T und U mit OX bilden, 
und die natürlich Funktionen von r sind. Bei der hierauf 
folgenden Integration in Bezug auf r sind die Grenzen die 
äußersten Werte von r, also die Radien der Kreise, welche 
den Umfang L der Figur berühren, OC und OD. 

§ 222. Etwas anders liegen die Verhältnisse, wenn der 
Pol innerhalb des Integrationsgebietes liegt (Fig. 104). Wir 
können dann wieder durch eine Reihe von Kreisen und Radii- 
vektoren Flächenelemente aus der Ebene herausschneiden. 
Summieren wir zunächst einmal 
alle Beiträge, welche ein Streifen 
zwischen zwei benachbarten Radii- 
vektoren, deren einer etwa OP ist, 
liefert, oder, was dasselbe ist, inte- 
grieren wir zunächst bei konstanten 
d' und dß- in Bezug auf r zwischen 
den Grenzen r = und r ^ OP^ 
dann müssen wir nachher noch ^. _, 

J?lg. 104. 

in Bezug auf & zwischen den 

Grenzen und 2n integrieren, um f zdV vollständig zu er- 
halten. 

Integriert man umgekehrt zuerst in Bezug auf 0-, also bei 
konstanten r und dr^ dann muß man das Integral in zwei 
Teile zerlegen. Die erste Integration kommt in diesem Fall 
auf die Summation der Beiträge aller Flächenelemente hinaus, 
welche sich in einem von zwei konzentrischen Kreisen be- 
grenzten Ringe befinden. Ist r kleiner als 0.^, wo ^ der 
Punkt der Kurve ist, welcher dem Pol am nächsten liegt, so 




1 



320 Zehntes Kapitel. 



muß die Integration in Bezug auf & zwischen und 2n ao»- 
geftifart werden. Integriert man das so erhaltene Besoltat 
nochmals in Bezug auf r zwischen den Grenzen r = und 
r= OAj so erhält man den Anteil, welchen die Kreisfläche 
OA 2M dem Integral f zdV hat. 

Ist dagegen r größer als OA^ so sind die konzentrischen 
Kreise nicht mehr geschlossen. Es sei z. B. r = 0£; dann muß 
man nach & integrieren zwischen den Werten, welche dieser 
Winkel in den Schnittpunkten B und C des Kreises mit der Kurve 
besitzt, also zwischen dem negativen stumpfen Winkel XOB und 
dem positiven spitzen Winkel XOC. Das so erhaltene Integral 
muß nun nochmals nach r zwischen OA (kleinster Wert von r, 
daher untere Grenze) und OB (größter Wert von r, daher 
obere Grenze) integriert werden. Man erhält auf diese Weise 
den Anteil an dem Integral fzdVj welcher von dem außer- 
halb des Kreises OA liegenden Teil der Figur herrührt. 

Würde ein um beschriebener Kreis oder ein lUdius- 
vektor die Peripherie der gegebenen Figur in mehreren Punkten, 
als oben vorausgesetzt, schneiden, so müßten die Grenzen in 
ähnlicher Weise wie in § 220 festgelegt werden. 

§ 223. Besonders einfach liegen die Verhältnisse beim Ge- 
brauch von Polarkoordinaten, wenn übör einen Kreissektor 
oder Kreis integriert werden soll, dessen Mittelpunkt mit dem 

Pol zusammenfällt. Bei einem Kreissektor 
sind die Grenzen von & offenbar die beiden 
Winkel, welche die zwei den Sektor begrenzen- 
den Radien mit der Achse bilden und ist 
nach r zwischen und dem Radius des 
Kreises zu integrieren. Bei einem voUen 
Kreise hat man für & die Grenzen und 
2n. Wird zwischen & = und »^ = 2», 
-^ r = und r = oo integriert, dann erstreckt 

Flg. 105. gj^jj jjg Summation über eine unendlich 

große Ebene. Da in allen diesen Fällen die Grenzen Konstanten 
sind, so kann man die Reihenfolge der Integrationen umkehren, 
ohne etwas an den Grenzen ändern zu brauchen (vergL § 217). 
Beispiel. Der Kreissektor OAB (Fig. 105) sei gleich- 
mäßig mit Materie belegt. Es sollen die Koordinaten seines 
Schwerpunktes ermittelt werden. Die beiden rechtwinkligen 




Doppel- und mehrfache Integrale. 



321 



Koordinatenachsen legen wir so, daß die j:- Achse den Winkel 
des Sektors halbiert; dann ist offenbar 2my = 0, d. h. der 
Schwerpunkt liegt auf der jr-Achse. Sein Abstand von ist 
gegeben durch die Gleichung 



1 = 



a fxdV 



2 



m 



WO (T die konstante Dichte bedeutet. Wir setzen OA ^ B 
und z. XOB = a, dann ist -2*»? = aR^a\ außerdem führen 
wir noch Polarkoordinaten ein, so daß x = r cos i^ wird. Durch 
^Einsetzen dieses Wertes ergiebt sich 



+ a R 



+ « 



Cxiir = /' ^r^ cos » d» dr = \li^ fcos d-dii- = | Ä» sin a, 



-a 



so daß 



i = fÄ 



— a 

sin n 
a 



wird. 

§ 224. In dem folgenden Beispiel ist die Bestimmung der 
Grenzen weniger einfach. Es soll über das rechtwinklige 
Dreieck OAB (Fig. 106), dessen eine Seite mit der polaren 
Achse zusammenfällt, integriert werden. Wir setzen OA^a, 
l_ AOB =i (fj und können nun zuerst bei 
konstantem & (z. B. & = AOC) in Bezug 
auf r zwischen den Grenzen und 0C = 
a sec & und darauf in Bezag auf & zwischen 
den Grenzen und cp integrieren. Will 
man dagegen zuerst nach & integrieren, 
dann hat man zu unterscheiden, ob r < 
oder > a ist. Wir zerlegen jetzt durch 
den Kreisbogen AD das Dreieck in zwei 
Teile. Bei dem einen, dem Sektor OAB, 
sind die Grenzen & = und i?" = y, r = und r = a, bei 
dem anderen Teile wächst, wenn r einen konstanten Wert, 

etwa OEy hat, t9- von /_ AOE = axc cos— bis (p. Nachher 

hat man noch in Bezug auf r zwischen den Grenzen OA — a 
und 0-S = a sec f/) zu integrieren. 

LORBNTZ, Differentialrochnung. 21 




322 



Zehntes Kapitel. 




§ 225. Wir wollen jetzt ein paar Fälle behandeln, bei 
denen über eine Kugeloberääche zu integrieren ist. Wir 
nehmen anf derselben einen festen Punkt P (Fig. 107) an und 
ziehen durch diesen einen größten Kreis PA (vergl. § 70). 

Dann ist die Lage irgend eines 
Punktes y z. B. Q, durch den 
sphärischen Abstand PQ = & 
und den Winkel 9), den PQ 
mit PA bildet, bestimmt. Diesen 
Koordinaten entsprechend zer- 
legen wir die Kugeloberfläche 
in Elemente, indem wir durch 
P eine Serie von größten Krei- 
sen legen und senkrecht zu diesen 
eine Schar von Kreisen ziehen, 
deren Pol P ist. Zwischen zwei der letzteren, JBQC und B'Q'C, 
mit den sphärischen Radien 9- und & + d& liegt ein unendlich 
schmaler Bing, dessen Oberfläche 

ist, wo R den Radius der Kugel bedeutet. Durch die aus P 
gezogenen größten Kreise wird dies ringförmige Element in 
unendlich kleine Teile der zweiten Ordnung zerlegt. Die Ober- 
fläche irgend eines desselben, z. B. des bei Q mit den Koordinaten 
xJ- und (p zwischen den Kreisen PQP' und P^P'^ die mit 
PA die Winkel (p und q) + dcp bilden, gelegenen Flächen- 
elements ist 

dS=S^smß^d&d(p. 

Soll nun das Integral 



ff\&, tf) dS 



über irgend einen Teil der Kugeloberfläche ausgewertet werden, 
dann muß zweimal, nach & und (p integriert werden, wobei 
die Grenzen ähnlich wie in den §§215 und 221 zu bestimmen 
sind. Für die ganze Kugel sind die Grenzen 9) = und 
y = 2ji;, i9- = und & = 7t. Die Integration kann wieder in 
zweierlei Weise vorgenommen werden. Entweder integriert 
man zuerst in Bezug auf tp, was auf die Berechnung von 
ff{9', (p) dS für irgend ein ringförmiges Element, z. B. BffCC, 



Doppel- und mehrfache Integrale. 823 

herauskommt, oder man integriert zuerst in Bezug auf &; 
dann berechnet man zunächst ff {9-, cp) dS für einen unendlich 
kleinen Sektor, wie PQP'Q*. Nachher muß natürlich noch in 
"Bezug auf &y bez. im letzteren Fall in Bezug auf <p integriert 
werden. 

§ 226. Ein Beispiel aus des Physik möge zur Erläute- 
rung dienen. Auf einer Eugelfläche befindet sich eine in be- 
kannter Weise verteilte Elektrizitätsmenge. Welche Wirkung 
übt dieselbe auf die in einem äußeren Punkt D (Fig. 107) 
befindliche Elektrizitätseinheit aus? Nennen wir dS irgend ein 
Flächenelement der Kugel, r dessen Entfernung von D und tr 
die Dichte der Ladung, dann ist die mit entgegengesetztem 
Vorzeichen versehene Kraftfunktion ^ (vergl.§ 165), die sogenannte 
Potentialfunktion in D 



=/ 



adS 



WO über die ganze Oberfläche zu integrieren ist. 

Wir nehmen zunächst an, daß die Dichte überall gleich 
groß ist, und wählen der Einfachheit wegen den Punkt, wo 
die Verbindungslinie von D mit dem Mittelpunkt die Oberfläche 
schneidet, zum Pol F. Man erreicht hierdurch den Vorteil, 
daß r nicht von q>, sondern nur von 19- abhängt. Wir setzen 
ferner MJ) = /. Aus dem A MJ) Q folgt 

r^ = P + S^-2lRcos&. (7) 

Setzen wir in das obige Integral den im vorigen Para- 
graphen gefundenen Weit für dS ein, so ergiebt sich 



r=(7Ä^rr^^"^^' 







* Nach dem CoüLOMB'schen Gesetz stoßen sich die Elektrizitäts- 
mengen adS und 1 in der Entfernung r mit einer Kraft - ,— ab. Die 

Rraftfunktion ist also nach § 16'5 -. 

r 

21* 



324 Zehntes Kapitel. 

Durch Integration in Bezug auf (p geht dieser Ausdruck 
über in 

r=2jr<T7?* f-i^i^'-*'^* . (8) 



Um dieses Integral zu berechnen, wählen wir anstatt t^ 
den Abstand r als unabhängig Variable, wobei wir die aus 

(7) sich ergebende Beziehung 

rrfr = /S8in*rft9- 

benutzen. Die neuen Grenzen erhalten wir, wenn wir in (7] 
& einmal gleich 0, das andere Mal gleich n setzen; wir 
finden dann r = l — R und r = Z + Ä, welche Werte sich 
übrigens auch sofort aus der Figur ergeben. Die Gleichung 

(8) geht hierdurch über in 



l + B 






§ 227. Zweitens wollen wir den Fall behandeln, daß die 
Dichte dem Kosinus . des sphärischen Abstandes QA = ^ ron 
einem festen Punkte Ä der Fläche proportional ist Die eine 
Hälfte der Kugel hat dann eine positive, die andere eine nega- 
tive Ladung; der größte Kreis, dessen Pol A ist, trennt die 
beiden Hälften voneinander. Längs dieses Kreises ist <t = 0; 
die größte Dichte findet sich in A und in dem diametral gegen- 
überliegenden Punkt. Nennt man die Dichte in A (Tq, so ist 
in jedem anderen Punkte 

0- =r <7q cos \p. 

Um nun die Potentialfunktion für den Punkt D zu be- 
rechnen, wählen wir wieder den D zugekehrten Punkt P zum 
Pol; überdies legen wir den größten Kreis, von welchem an 
wir gp rechnen, durch A, Setzen wir noch z_ AMB^a, so 
folgt aus dem sphärischen Dreieck QAP 

cos ip = cos cc cos i9- + sin of sin & cos <p. 

Die PotentialAmktion ist also: 



n .in 



rr 7J2 / / COS n COS i9^ + Sin ff sin & cos flö . n j rx j 







Doppel- und mehrfache Integrale. 325 

Integriert man zuerst nach ip, so liefert das zweite Glied 
des Zählers den Wert 0; also: 



«/ 



^r rt 7j« I COS ifi^ ßin ^ rfd" 

r == 2 :t (Tq Ä^ COS 





Hier wollen wir wieder r als unabhängig Variable ein- 
flCÜiren, wobei für cos??* der aus (7) sich ergebende Wert zu 
setzen ist. Schließlich wird 



■p' tuTq cos 

f - - -^ - 



« r{(/2 + 722) _ ^2} ^^ ^ 4 -^^OÄ'COS« 



l" R 

Wir überlassen es dem Leser, die Potentialfunktion zu 
berechnen, welche die beiden betrachteten Elektrizitätsver- 
teilungen in einem inneren Punkte hervorbringen. Liegt letzterer 
auf der Linie MP in der Entfernung / vom Mittelpunkte, so 
hat man die abgeleiteten Formeln nur insofern zu ändern, 
daß man bei der letzten Integration als untere Grenze R — l 
statt l — R nimmt. 

§ 228. Wenn man zur Ortsbestimmung eines Punktes auf 
einer Ebene oder einer Eugeloberfläche andere Koordinaten 
als die in den vorhergehenden Paragraphen angewandten be- 
nutzt, dann ist die Fläche auch in anderer Weise in Elemente 
zu zerlegen. Gegeben sei, um einen ganz allgemeinen Fall 
zu behandeln, eine willkürliche Fläche S, über die das Integral 
f (f dS berechnet werden soll. Man kann dann zunächst zwei 
Größen cc und ß einführen, durch welche die Lage des Punktes 
P auf der Fläche bestimmt ist, und welche wir daher Koordi- 
naten nennen dürfen.^ Ist für eine derselben, z. B. a, ein 
bestimmter Wert gegeben, dann kann der Punkt noch ver- 
schiedene Lagen haben, die aber alle auf einer bestimmten 
Linie liegen. Hat man es z. B. mit einer Ebene zu thun, sind 
a und ß die Abstände von zwei festen Punkten A und JB und 
ist der Wert von a bekannt, dann liegt P auf dem mit dem 
Radius a um Ä geschlagenen Kreise. Ebenso entspricht im 
allgemeinen jedem Wert von a eine bestimmte Linie. Wir 



' a und ß können z. B. die längs der Oberfläche gemessenen Ab- 
stände von zwei festen Punkten, oder von zwei festliegenden Linien sein, 
oder eine andere Bedeutung haben. 



326 Zehntee Kapitel. 

können uns nun eine große Anzahl derartiger Linien, un- 
endlich nahe bei einander, gezogen denken. In ähnlicher 
Weise können wir ein System von Linien ziehen, welche die 
Eigenschaft haben, daß in allen Punkten einer und derselben 
Linie ß denselben Wert besitzt, während bei dem tJbergang 
zu der nächstfolgenden diese Größe sich um unendlich wenig 
ändert. Durch die beiden Systeme von Linien wird die Fläche 
in viereckige Elemente zerlegt. Diese müssen dann zur Be- 
rechnung von ftpdS benutzt werden. 

Sind die Koordinaten von zwei Eckpunkten eines solchen 
Vierecks, welche einander gegenüberliegen, a und ß bez. cc + da 
und ß + dß, dann wird man in jedem speziellen Fall die 
Größe dS des Viereckchens berechnen können, wobei man es 
als eben ansehen und unendlich kleine prößen höherer als 
der zweiten Ordnung weglassen dar£ Das Resultat wird so- 
wohl der Größe da als auch dß proportional sein und also 

die Form 

d8=^f\cc,ß)dadß 

annehmen. 

Ist nun auch ip als Funktion der Koordinaten gegeben, 

dann wird 

f(pdS= ff^\c£, ß)f{c^j ß) da dß. 

Es muß jetzt sowohl nach /?, als auch nach a integriert 
werden. Bei der ersten Integration sind a und da konstant; 
man erhält so den Anteil an fq>dS^ der von dem Streifen 
zwischen zwei benachbarten Linien des ersten der obenge- 
nannten Systeme herrührt. Eine Summierung über alle Streifen 
dieser Art, eine Integration also in Bezug auf a^ giebt dann 
das vollständige Besultat. 

Die Grenzen sind in ähnlicher Weise wie in §§ 215 und 
221 festzulegen. Es braucht übrigens wohl kaum erwähnt zu 
werden, daß man bei gehöriger Wahl dieser Grenzen die 
Reihenfolge der Integration umkehren und also auch schreiben 
kann 

J<pdS=^ fff\€c, ß) f{a, ß) dß da. 

§ 229. Wenn eine Funktion tp über einen Raum, der 
von einer Fläche S begrenzt wird, integriert werden soll, dann 



Doppel- und mehrfache Integrale. 



327 



bangt die Art, wie derselbe in Elemente zu zerlegen ist, wieder 
üTon dem benutzten Koordinatensystem ab. Am einfachsten 
liegen die Verhältnisse bei rechtwinkligen Koordinaten. Bei 
diesen zerlegt man durch eine Schar von Flächen, die senk- 
irecht zur x-^ y- und z- Achse stehen, das Volum in unend- 
lich kleine rechtwinklige Parallelepipede. Sind die Koordinaten 
eines Eckpunktes von irgend einem solchen Parallelepipedon, 
z. B. Ton P (Fig. 108), x, y, z und die des gegenüberliegenden 
Eckpunktes x + dxj y + dy, z +'dz (man sorge dafür, daß 
dxy dy, dz stets positiv sind), dann ist das Volumelement, 

dr = dxdydz, 

Ist ferner (p als eine Funktion von x, y, z gegeben, also 
€p =^ F[x^yjZ) und multipliziert man dr mit dem Wert, der 
dem Eckpunkt P entspricht, dann wird 



l (pdr = j F{XjyyZ)dxdydz. 



li7 



xAO 



T' 



Wir wollen nun zuerst in Bezug auf z integrieren, indem 
wir X, y, dx und dy konstant lassen, oder was dasselbe ist, 
wir summieren über alle Elemente, 
welche in der Richtung der z-Achse z 
neben einander liegen, die also die 
auf der x,y-Ebene senkrecht stehende 
Säule mit der rechteckigen Grund- 
fläche CD = dx dy ausfüllen. Natür- 
lich dürfen wir nur über die Elemente 
summieren, welche innerhalb des ge- 
gebenen Körpers liegen; die Grenzen 
von z sind also die Werte CA = ar^, 
und C£ =s z^j welche diese Variable 
in den Schnittpunkten der Säulenseite 
CB mit der Überfläche S hat.^ Die 
Größen z, und z^ sind im allgemeinen 
Funktionen der Koordinaten x und y, da die Oberfläche S von 
den in den verschiedenen Punkten auf der a:,y-Ebene errichteten 








Fig. 108. 



' Hierbei ist der Einfachheit wegen angenommen, daß eine senk- 
i-echt auf die x, ^-Ebene errichtete Linie die Oberfläche S nur in zwei 
Punkten schneidet Ist eine größere Zahl von Schnittpunkten vorhanden, 
dann ist ähnlich wie in § 220 zu verfahren. 



328 Zehntes Kapitel. 

Senkrechten ungleich lange Stücke abschneidet. Als Resultat 
der ersten Integration erhalten wir einen Ausdruck yon der 
Form 

f{^i y) ^^ ^y- (ö) 

Jetzt gilt esy über alle Säulen zu summieren, in die wir 
das Volum des Körpers zerlegen können. Man beachte dabei, 
daß, wenn man alle Punkte des Körpers auf die x^y-Ebene 
projiziert, die Projektionen innerhalb einer geschlossenen Linie 
L liegen. Die Grundflächen dxdy der Säulen füllen die Ton 
L begrenzte Fläche aus; wir brauchen daher den Ausdruck (9) 
nur noch über diese Fläche zu integrieren. Wir integrieren 
z. B. zuerst in Bezug auf y zwischen den Grenzen EF = y^ 
und EF = y^ (Funktionen von x) und erhalten dadurch den 
Anteil, den eine unendlich dünne Scheibe zwischen den durch 
FF und GG' parallel zu ÖZ gelegten Ebenen an dem Inte- 
gral hat. Dieser Anteil hat die Form: ^{x)dx. Integrieren 
wir schließlich noch in Bezug auf x zwischen OH = x^ und 
OB' = Xj (Xj und Xg sind Konstanten), dann haben wir nnser 
Integral vollständig berechnet. Diese Auseinandersetzungen 
lassen sich in die Gleichung 

X« yt *t 
l (pdz = j l I F(xj y, z) dx dy dz 

zusammenfassen. Über die Reihenfolge, in der bei diesem 
dreifachen Integral die Differentiale dx^ dy^ dzj sowie die 
denselben entsprechenden Integrationszeichen zu schreiben 
sind, gilt das in § 215 Gesagte. Übrigens kann die Reihen- 
folge geändert werden, wenn man nur die Integrationsgrenzen 
jedesmal in passender Weise wählt. Sind die Grenzen Kon- 
stanten, dann braucht man an denselben nichts zu ändern, wenn 
man die Reihenfolge der drei Integrationen ändert Der Körper 
ist in diesem FaU ein Parallelepipedon, dessen Kanten den 
Koordinatenachsen parallel laufen. Sind bei jeder Integration 
die Grenzen — oo und + od, dann erhält man den Wert von 
/(pdr flir den ganzen unendlichen Raum. 

§ 230. Zur Erläuterung diene das folgende Beispiel. 
Gegeben sei ein dreiachsiges Ellipsoid (§ 79), welches gleich- 



Doppel- und mehrfache Integrale. 329 

mäßig mit Materie erftillt ist; es soll das Trägheitsmoment in 
T3ezug auf eine der Achsen berechnet werden. 

Die Gleichung der Oberfläche des Ellipsoids sei 

a« ^ 6« ^ c» "" ^' 

Die Grenzen von z bei konstantem x und y sind 

Will man jetzt nach y integrieren, so muß man beachten, 
daß die Projektion des Ellipsoids auf die z,y- Ebene eine 
[Ellipse ist, deren Gleichung 

a* "^ 6» 

ist, so daß die Grenzen von i/ 

_*|/l-^; und +a/i-"-^ 

sind. Schließlich sind die äußersten Werte von x ~- a und 
+ a. Das Trägheitsmoment in Bezug auf die x- Achse ist 
jetzt, wenn q die konstante Dichte bedeutet, 

r = qJ f J(y« + z») dx dy dz (10) 



t 



— a 



Da die beiden ersten Integrationen von (10) das Trägheits- 
moment einer unendlich dünnen elliptischen Scheibe bezogen 
auf eine senkrecht zur Scheibe durch den Mittelpunkt ge- 
zogene Achse geben, so muß das Resultat dieser beiden Inte- 
grationen mit dem des § 218 übereinstimmen; man hat in 
den Formeln jenes Paragraphen nur x, y, a, b mit y, z^ 

by \ — ^ und cy \ — ^^ zu vertauschen. Demzufolge geht 
die Formel (10) über in 



+ o 



T= \nnbc{h^-{-c^)^i\ - ^T^.^= r\7iQabc{b^ + c^ 



— a 



880 Zehntes Kapitel. 

* 

Da der Inhalt / des EUipsoids fffdxdydz mit den- 
selben Grenzen wie (10) ist, woraus sich nach der Integration 

/= ^nabc 

ergiebt, so ist die Masse des Ellipsoids 

M = ^TtQ abc 
und daher 

§ 231. Rechnet man mit räumlichen Polarkoordinaten 
^1 ^j V (§ S^)} ^^^Q ^mi das Volum des Körpers, über den 
integriert werden soll, in folgender Weise in Elemente zerlegt 
werden. Aus einer beliebigen durch den Körper gelegten Ebene 
(Fig. 109) werden durch die aus gezogenen Radiivektoren 
und durch die um geschlagenen Kreise unendlich kleine 

Fl&chenelemente herausgeschnitten (FergL 
§ 221). Eins derselben, z. B. PqqP 
ist = rdr dd-. Rotiert nun die in dieser 
Weise entstandene Figur um die Achse 
OX, dann beschreibt PQQ'P' ein ring- 
förmiges Volumelement, welches durch 
Fig. 109. ein System von durch OX gelegten Ebenen 

in unendlich kleine Teile dritter Ordnung 
zerlegt wird. Zwei dieser Ebenen, welche mit einer festliegen- 
den, durch OX gehenden Ebene die Winkel ^ und (p + d^ 
bilden, schneiden aus dem obengenannten Bing ein Element 
heraus, dessen Inhalt r^ sin &drd&d(p ist. Die Koordinaten 
zweier einander gegenüberliegenden Ecken dieses Elementes 
seien r, &j <p und r + dr, & + d&, (f + dcp^ dann erhalten 
wir für das Raumintegral einen Ausdruck von der Form 




/// 



« 

P{r, &y cp) r^ sin & dr d& drp . 



Man kann natürlich in ähnlicher Weise, wie früher, die 
Reihenfolge der Integrationen beliebig verändern, wenn man 
nur die Grenzen passend wählt. 

um die Bedeutung der verschiedenen Integrationen klar- 
zulegen, bemerken wir, daß die oben eingeführten Elemente 
durch die Durchschneidung dreier Systeme von Oberflächen 
entstehen. Es sind dies 1. Kugeln, deren Mittelpunkt ist, 
2. Umdrehungskegel mit der Achse OJ, 8. durch OX gehende 



Doppel- und mehrfache Integrale. 331 

£benen. Integriert man nun zunächst in Bezug auf r, dann 
T)erücksichtigt man alle Volumelemente , welche sich in einer 
der Pyramiden befinden, die durch die ümdrehungskegel und 
die durch OX gehenden Ebenen gebildet werden; integriert 
man weiter in Bezug auf tp, dann summiert man über alle der- 
artige Pyramiden, welche zwischen zwei benachbarten Um- 
drehungskegeln liegen. Bei der Integration in Bezug auf & 
durchwandert man schließlich das ganze Volum des Körpers. 
Würde man mit der Integration nach (p anfangen, während 
man r und & konstant läßt, so würde man zunächst das oben- 
genannte ringförmige Element berücksichtigen. 

Über die Grenzen gilt Ähnliches wie früher; wir erwähnen 
nur noch, daß, wenn über den ganzen unendlichen Raum inte- 
griert werden soll, die Grenzen für r und cx), für d- und 
Ttj ßlr (pO und 2n sind. 

§ 232. Mit der zuletzt besprochenen Zerlegung des 
Raumes in Elemente ist die folgende nahe verwandt. 

Wir beschreiben (Fig. 110) um als Mittelpunkt eine 
Kugel S mit dem Radius 1 und zerlegen die Oberfläche der- 
selben in Memente dS. Auf jedes 
dS als Grundfläche, z. B. auf J^, • 
konstruieren wir eine Pyramide mit 
der Spitze in und verlängern sie 
bis in die Unendlichkeit. Schließ- 
lich denken wir uns eine Reihe 
von konzentrischen Kugeln mit dem 
Mittelpunkt 0. Durch dieselben 
werden aus den Pyramiden Stücke 
herausgeschnitten, z, B. PQQ'P' 

= r^dSdr. Wir können zunächst in Bezug auf r integrieren. 
Liegt außerhalb des Integrationsgebietes, dann sind die 
Grenzen von r die Stücke, welche die Oberfläche des gegebenen 
Raumes von OP abschneidet. Liegt dagegen innerhalb des 
Integrationsgebietes, dann ist die untere Grenze von r 0. 
Schließlich muß noch über die Kugeloberfläche integriert werden. 

Wird die letztere auf die in § 225 besprochene Weise in 
Elemente zerlegt, dann ergiebt sich dieselbe Zerlegung des 
Raumes, welche wir im vorigen Paragraphen behandelt haben. 
Wir machen noch zum Schluß auf die Ähnlichkeit zwischen 




•^ Sf? *« "1 

fSIf 



832 Zehntes Kapitel. 

dem in § 229 und dem hier befolgten Verfahren aufmerksam. 
Wie dort jeder Punkt des Körpers auf die Ebene XO Y pro- 
jiziert wurde, so wird hier jeder Punkt perspektivisch auf die 
Kugeloberfläche S projiziert. 

§ 233. In den bis jetzt betrachteten Integralen waren 
die Integrationsvariablen Größen, durch welche die Lage ein« 
Punktes in einer Fläche oder einem Baum bestimmt wurde. 
Es können aber auch diese Variablen eine andere Bedeutung 
haben, und die Zahl derselben kann beliebig groß sein. Der 
Ausdruck 

a^ y« 2« «• 

F[x^ y, r, v) dx dy dz du (1 1) 

«i Vi «1 «1 

z. B. bedeutet, daß die gegebene Funktion zuerst bei konstant 
gehaltenen x, y, z, dx^ dy, dz, nach u zwischen den Grenzen 
v^ und Uj , dann, während x, y, dx, dy konstant bleiben, nach 
z zwischen z^ und z^ integriert werden soll u. s. w. Es sind 
dabei u^ und u^ gegebene Funktionen von x, y, z\ z, und r, 
gegebene Funktionen von x und y; y^ und y^ Funktionen von 
X, und schließlich x^ und x^ Konstanten. Die Ergebnisse der 
drei ersten Integrationen haben die Form q){x,y,z)dxdydzj 
x{x,y)dxdy, yj{x)dx, während die letzte Integration zu einer 
bestimmten konstanten Zahl fuhrt 

Damit die Grenzen angegeben werden können, muß in 
irgend einer Weise das „Integrationsgebiet", d. h. der Inbegriff 
aller zulässigen Werte von x, y, z, u angegeben sein. Folgen- 
des Beispiel möge das erläutern und zu gleicher Zeit zeigen, 
daß man, ohne an dem Resultat etwas zu ändern, die Reihen- 
folge der Integrationen ändern kann, wenn nur jedesmal die 
Grenzen gehörig gewählt werden. 

Es seien Jx, Ay, Jz, Au vier beliebige konstante 
Größen. Nachdem wir diese gewählt haben, können wir eine 
mit der Differenz Ax ansteigende und sich von — cx> bis + oo 
erstreckende Reihe von Werten der ersten unabhängig Variablen 
bilden. Ebenso können wir auch für jede der drei anderen 
Variablen eine Reihe von Werten aufstellen, derart, daß in 
diesen Reihen die Differenzen Ay, Az und Au bestehen. 

Wir können nun aus jeder der so gebildeten Reihen einen 
beliebigen Wert herausgreifen, diese vier Werte von x, y, z, u 



Doppel- und mehrfache Integrale. 333 

stls ein zusammengehöriges Wertsystem betrachten und den 
demselben entsprechenden Wert einer gegebenen Funktion 
jF'{x,y,z,u) ins Auge fassen. Es sollen die so erhaltenen 
iFunktionswerte mit Ax Ay Az Au multipliziert und dann zu 
einander addiert werden, und zwar sollen dabei alle Wert- 
systeme berücksichtigt werden, welche der Bedingung genügen, 
daß der Ausdruck 

ist, wo cc, ß, y, S gegebene konstante Zahlen sind. Wir er- 
halten dann eine bestimmte Summe S, und es soll nun schließ- 
lich der Grenzwert ermittelt werden, dem diese sich nähert, 
wenn man Ax, Ay, Az, An fortwährend abnehmen läßt. 

Diese Aufgabe können wir in folgender Weise lösen. Wir 
greifen aus den drei ersten Reihen, nämlich aus den Reihen 
für X, y, z, beliebige Werte heraus, welche aber der Bedingung 
genügen müssen, daß sich denselben noch Werte von u in der 
Weise hinzufligen lassen, daß der Bedingung (12) genügt wird. 
Offenbar ist dazu erforderlich, daß 

r^ -/2 ,v2 

:-.+f +^.-<i (13) 

ist. 

Wir können nun die für x, y, z herausgegriffenen Werte 
mit einigen Werten aus der Reihe für u kombinieren, nämlich 
mit allen Werten, welche zwischen 



- V^ - 5 - $ - ^ ^^^ + V^ - f. -?- - y 

liegen. Zur Abkürzung schreiben wir statt dieser Ausdrücke 
u^ und u^, und flir die Summe der Ausdrücke 

F{x, y, z, u) Ax Ay Az Au, 

insoweit dieselben den soeben genannten Wertsystemen (alle 
mit denselben x, y, z, aber mit verschiedenen u) entsprechen: 

Ax Ay Az^F{x,y,z,u) Au (14) 

«1 

Jedes System von Werten von x, y, z, das mit der Be- 
dingung (13) verträglich ist, liefert einen derartigen Beitrag 
zu der gesuchten Summe S, In diesem Beitrage steckt immer 



884 Zehntes Kapitel. 

der Faktor Ax Ay Az\ übrigens hängt der Wert desselben 
davon ab, welche Werte man iJax x, y, z gewählt hat. Um 
nun die ganze Snmme 8 zu erhalten, brauchen wir nur einen 
Ausdruck wie (14) f)ir alle mit (13) verträglichen Systeme 
{xj y, z) aufzustellen und dann zu addieren. Dabei können 
wir nun zunächst bei bestimmten Werten von x und y, welche 
der Bedingung 

-— - 4- — <r 1 
^, -r ^ <. 1 

genügen, stehen bleiben, und diese Werte mit allen zulässigen 
Werten von z kombinieren. Addieren wir nun alle in dieser 
Weise erhaltenen Ausdrücke (14), so können wir die Summe 
darstellen in der Form 

^x Ay^[Az^F{x,y,z) Au\ , 

wo z^ und z^ die äußersten mit (13) verträglichen Werte von z 
sind, also die Werte 

und das Zeichen ^ bedeutet, daß die Summierung sich er- 

strecken soll über alle der gewählten Reihe angehörige Werte 
von z, welche zwischen z^ und z^ liegen. 

Es ist leicht, diese Betrachtung weiter zu führen, und 
man gelangt dann schließlich zu folgendem Ausdruck für 8: 

S-^^\^^^Uy^Uz±F[x,y,z,u)Ai^\\, 



wo 



yi 



= -/'l/i-$'i'»=+/^l/i-5' 



OTj = — a, Xj = + Of« 

Wenn wir nun die Diflferenzen Axj Ay^ Azy Au sich der 
Null nähern lassen, so verwandeln sich alle die oben ange- 
gebenen Summen in Integrale, und der Grenzwert von 8 wird 
gerade das vierfache Integral (11). Um das einzusehen, wird 
es genügen, die erste Summation 

^F[x,y,Zju)Au 

u. 



Doppel- und mehrfache Integrale. 885 

zu betrachten. Da hier ar, y, z konstant sind, so ist F{x,y,z,u) 
eine E^inktion von der einzigen Variablen Uj und es handelt 
sich also schließlich nm die Summe einer unendlich großen 
Anzahl aquidistanter Werte dieser Funktion, jeder multipliziert 
mit dem Differential du\ dieselben liegen zwischen den Grenzen u^ 
und Kg. Diese Summe ist eben das bestimmte Integral 

\ F[x,y,z^u)du. 

Daß man die Summe 8 auch ebenso gut berechnen kann, 
indem man z. B. zuerst nach z und dann nach x, u und y 
integriert, dürfte nach dem Vorhergehenden unmittelbar ein- 
leuchten, nur müssen die Grenzen dann anders gewählt werden. 

§ 234. Wir geben noch ein paar Beispiele für doppelte 
und mehrfache Integrale. Wenn in zwei dünnen Leitungs- 
di^hten s und s elektrische Ströme von bekannter Intensität 
fließen, und man die Kraft berechnen will, die der zweite 
Draht auf den ersten in irgend einer Richtung ausübt, dann 
teilt man zweckmäßig die beiden Drähte in Stromelemente 
ds und ds. Kennt man die Wirkung in der gewählten Rich- 
tung, welche ds auf ds ausübt, dann findet man die gesuchte 
Ejraft durch eine Integration in Bezug auf s und s. Die 
Reihenfolge der beiden Integrationen ist dabei willkürlich. 
Integriert man zuerst in Bezug auf s\ dann erhält man die 
Kraft, die das Element ds von dem ganzen Strom s' erfährt; 
integriert man umgekehrt zuerst in Bezug auf «, dann ist das Re- 
sultat die Kraft, welche von einem Element ds' auf den ganzen 
Stromleiter s ausgeübt wird. 

Will man in ähnlicher Weise die Kraft nach einer be- 
stimmten Richtung berechnen, die zwei materielle Körper Ä 
und Bj deren Teilchen sich nach einem bekannten Gesetz an- 
ziehen, aufeinander ausüben, dann zerlegt man beide in Volum- 
elemente. Sind die Koordinaten eines Punktes in A x, y^ z 
und in B x\ y\ z\ dann ist der Inhalt eines solchen Volum- 
elementes dxdydz bez. dx dy dz\ 

Für die Wirkung zwischen diesen beiden Volumelementen 
läßt sich dann aus dem gegebenen Gesetz ein Ausdruck ab- 
leiten, der sowohl dxdydzy als auch dx dy' dz als Faktor 



336 Zehntes Kapitel. 

enthält. Eine sechsfache Integration nach x, y, Zj x'y y\ z 
liefert die gesuchte Gesamtwirkung. 

Wir denken uns schließlich eine üasmasse, deren Mole- 
küle sich in allen möglichen Richtungen geradlinig bewegen. 
Die Bewegung eines jeden Moleküls ist durch die Komponenten 
I, f/, I seiner Geschwindigkeit nach drei zu einander senk- 
rechten Achsen bestimmt. Diese Größen sind nicht für alle 
Teilchen gleich groß. Wir teilen die Moleküle in Gruppen, 
die z. B. dadurch charakterisiert sein können, daß die Ge- 
schwindigkeitskomponenten der Moleküle, welche zu einer 
Gruppe gehören, zwischen | und | + ^^, ^ und ^ + rfiy, f und 
t,-\- di, liegen. Will man die eine oder andere Wirkung der 
Bewegung der Moleküle berechnen, z. B. den Druck gegen eine 
feste Wand, dann wird man erst die Wirkung der Teüchen 
einer einzelnen Gruppe berechnen und dann nach |, 17, ^ 
integrieren. 

§ 235. Da die Rechenoperationen bei den mehrfachen 
Integralen dieselben sind wie bei den einfachen, so lassen sich 
selbstverständlich alle Regeln des vorigen Kapitels auch behufs 
Entwickelung mehrfacher Integrale anwenden. Wir brauchen 
darauf nicht näher einzugehen. Nur bei der teilweisen Inte- 
gration (§ 193) wollen wir noch einen Augenblick verweilen. 

Es sei z. B. die Aufgabe gestellt, das Integral 



/ 



(T, -^ dr 

' ox 



{(p und \p sind Funktionen von x, y, z und dt = dxdydz) för 
den in § 229 betrachteten, von einer Fläche S begrenzten 
Raum zu berechnen. Wir verfahren dann folgendermaßen: 
Wir integrieren zuerst in Bezug auf z, also über die unendlich 
kleine Säule (Fig.- 108) mit der Grundfläche Ci>, welche Säule 
von der Fläche 8 bei A und B geschnitten wird. Durch teil- 
weise Integration ergiebt sich 

Setzt man hierin einmal z = z^, das andere Mal z = z^ 
(§ 229) und zieht die Resultate von einander ab, dann er- 
hält man 



Doppel- und mehrfache Integrale. 837 

und nach Multiplikation mit dem konstanten Faktor dxdr/ 



f 



(p -^- dx dy dz = 



(15) 
= (qp t/;)fi dx dy — (qp -i^)^ dx dy -^ j yj^dxdydz. 

In diesen Formeln dienen die Indices A und £ zur Be- 
zeichnung der Werte, welche die Funktion (p i/; in den Punkten 
A und £ annimmt. 

Die Säule, über die wir integriert haben, schneidet aus 
der Oberfläche S die in Fig. 108 bei A und JB angedeuteten 
Elemente heraus, deren Projektion das Rechteck CI) = dxdy 
ist. Nennt man dSj, das Oberflächenelement bei A, dann ist 
dx dy = dS^ X Kosinus des Winkels zwischen dSji und der 
jr, y-Ebene, also = dS^ x Kosinus des Winkels, den die Normale 
auf 8 mit der z-Achse bildet. Ahnliches gilt von dSß- Der 
Kosinus muß dabei stets positiv gewählt werden, da wir alle 
Flächenelemente und auch dx und dy als positive Größen der 
Rechnung zu Orunde legen. 

Wir ziehen nun in jedem Punkt der Oberfläche die Nor- 
male, und zwar in Bezug auf den Integrationsraum nach außen. 
Die Winkel, welche diese Linien mit den positiven Achsen 
bilden, mögen A, /^, v heißen, dann ist t^ in ^ stumpf, in B 
spitz, so daß wir haben: 

dx dy = (cos V dS)B = -- (cos v dS)^^ 

wo dS das eine Mal dS^ und das andere Mal dSß bedeutet. 
Für die Gleichung (15) kann deswegen auch geschrieben 
werden: 



/ 



(p -^ dx dy dz = 



(16) 
= (qp t/; cos V dS)B +{(p'ip cos v dS)j^ "~ / V^ ^~ ^^ ^y ^^• 

LoKXifTZ, Dliferontialrechiiiuig. 22 



338 Zehntes Kapitel. 

Eine analoge Beziehung kann für jede der auf der r,y- 
Ebene senkrecht stehenden Säulen ^ in die wir den Körper 
zerlegt haben, aufgestellt werden. Addieren wir dann alle 
diese Gleichungen, dann geht das erste Glied von (16) in das 
Integral 



h 






und das letzte Glied auf der rechten Seite in 



/ 



'Ü)~-dT 



über. Beide Integrale sind über den ganzen vorgeschriebenen 
Banm auszudehnen. In betreff der übrigbleibenden Glieder in 
(16) beachte man, daß jede kleine Säule zwei Elemente dS 
aus der Oberfläche herausschneidet und daß alle diese Ele- 
mente zusammen die ganze Oberfläche bilden. Beim Summieren 
aller der mit {tpyj cos v dS)B + {(p'^ cos vdS)j^ übereinstimmen- 
den Glieder erhält man daher 

l (ptp cos V dS, 

welches Integral für die ganze Oberfläche berechnet werden 
muß. Das Endresultat ist also 

j Vj}dT=^ j (fxp cos vdS^J^tJ^dT. 

Derartige Beziehungen zwischen Oberflächen- und Raum- 
integralen spielen in der mathematischen Physik eine große Bolle. 

Dem Leser bleibe es überlassen, Ausdrücke wie tp-^dx 

und (p -^- dx partiell nach x bez. y zu integrieren, sowie nach- 
zuweisen, daß das oben erhaltene Resultat noch gilt, wenn 
eine mit der 2:-Achse parallele Linie die Oberfläche in mehr 
als zwei Punkten schneidet. 

Aufgaben. 
1. Ein gerader Cylinder, dessen in der x,y- Ebene ge- 
legene Basis die Fläche der Ellipse -^ + -^ = 1 ist, wird durch 
eine Fläche, deren Gleichung 



Doppel- und mehrfache Integrale. 839 

isty geschnitten. Wie groß ist das Volum des durch die Fläche 
abgeschnittenen Stücks des Cylinders? 

2. Die Achsen zweier ümdrehungscylinder, deren Badien 
gleich groß (= a) sind, schneiden sich unter einem rechten 
Winkel. Wie groß ist das Volum des beiden gemeinsamen 
Stücks? 

3. Zwei Massen m und m in Abstand r ziehen einander 

mit einer Kraft = — ^ an. (Dieses Gesetz werde auch in den 

folgenden Aufgaben angenommen.) Es soll die Anziehung er- 
mittelt werden, die eine homogene^ Kreisfläche mit dem 
Radius a auf die Masseneinheit ausübt, die sich auf der Achse 
des Kreises in einem Abstand h vom Mittelpunkte befindet« 
Flächendichte (auch in späteren Aufgaben) a, 

4. Es soll die Anziehung einer homogenen quadratischen 
Platte (Seitenlänge a) auf die Masseneinheit berechnet werden, 
die sich auf der im Mittelpunkt errichteten Senkrechten im 
Abstand h von befindet. 

5. Wie groß ist die Anziehung eines homogenen Um- 
drehungscjlinders (Radius a, Höhe H) auf eine Masseneinheit, 
die auf der Verlängerung der Achse in einem Abstand k von der 
Endfläche des Cylinders liegt? Die Dichte sei (auch in den 
späteren Aufgaben) q. 

6. Es soll der Schwerpunkt ermittelt werden von 

a) einer homogenen ebenen Fläche, welche die Gestalt 
eines Trapezes hat (parallele Seiten a und £, Höhe if), 

b) einem homogenen abgestumpften Kegel (Radien der 
beiden Endflächen Ä, und Ä,, Höhe Ä), 

c) dem Körper, dessen Volum § 204 berechnet wurde. 

7. Es soll die Abscisse des Schwerpunktes des Körpers 
berechnet werden, wovon in Aufgabe 77 S. 302 die Rede war. 

8. Wenn eine ebene Figur um eine in ihrer Ebene ge- 
legene Achse rotiert, dann ist das Volum des Umdrehungs- 
körpers gleich dem Volum dieser Figur multipliziert mit dem 
Wege, den der Schwerpunkt zurücklegt. Wie läßt sich dies 
beweisen? 



^Homogen bedeutet, daß die Dichte überaU gleich groß ist In 
den folgenden Aufgaben wird stets die homogene Verteilung der Materie 
vorausgesetzt 

22 ♦ 



340 Zehntes Kapitel. 

9. Es soll bewiesen werden, daß der zwischen zwei senk- 
recht zur Achse stehenden Ebenen gelegene Teil einer Um^ 
drehungsoberiläche gleich ist der Länge des korrespondierenden 
Teils des Meridians multipliziert mit dem Wege, den der 
Schwerpunkt dieses Linienteils bei der Umdrehung zurücklegt 

10. Ein rechtwinkliger Cylinder mit beUebiger Grundfläche 
wird von einer zur Achse des Cylinders geneigten Ebene g^ 
schnitten. Es soll bewiesen werden, daß das Volum des ab- 
geschnittenen Stückes des Cylinders gleich ist dem Prodnkt 
aus dem Inhalt der Grundfläche und der Länge der auf die 
Grundfläche im Schwerpunkt derselben errichteten SenkrechteD. 

11. Das Trägheitsmoment eines Systems von materielleD 
Punkten, deren Gesamtmasse M ist, in Bezug auf eine durch 
den Schwerpunkt gehende Achse ist T. Es soll bewiesen 
werden, daß das Trägheitsmoment in Bezug auf eine parallele, 
im Abstand h von der ersten befindliche Achse T+ Mh^ ist 

12. Es soll das Trägheitsmoment berechnet werden: 

a) von der Fläche eines gleichseitigen Dreiecks (Seiten- 
länge d) in Bezug auf eine Seite und in Bezug auf eine in 
einem Eckpunkt auf der Fläche errichteten Senkrechten, 

b) von einem regelmäßigen n-Eck (Badius des umge- 
schriebenen Kreises R) in Bezug auf eine im Mittelpunkt auf 
der Fläche errichteten Senkrechten, 

c) von einem rechtwinkligen Parallelepiped in Bezug auf 
die Kanten (Kantenlängen a, b und c), 

d) von einem Umdrehungscylinder (Radius Ä, Hohe li) 
in Bezug auf die Achse und einen Durchmesser der Grundfläche, 

e) von einem Umdrehungskegel (Höhe ZT, halber Scheitel- 
winkel et) in Bezug auf die Achse und eine in der Spitze 
senkrecht zur Achse errichteten Linie, 

f) von einem Kugelsegment (Radius des Kugel Ä, Höhe 
des Segments R) in Bezug auf die Achse. 

13. Auf einer Kugeloberfläche & (Radius 1) ist O-^ der 
sphärische Abstand eines Punktes von einem festliegenden Punkte 
und ß-^ der Abstand von einem zweiten festliegenden Punkt, 
der 90^ von dem ersten entfernt ist. Es sollen die Integrale 

fcos* d-^ dS, fcos* &^ dS, fcos« &^ cos^ &^ d8 
für die ganze Kugeloberfläche berechnet werden. 



Doppel- und mehrfache Integrale. 



341 



1 4. Die Flächendichte einer elektrischen Ladung auf einer 
Kugeliläche sei o* = ^0-^,(3 cos* t/; — 1), wo Gq eine Xonstante 
ist und \p dieselbe Bedeutung hat wie in § 227. Welchen 
Ausdruck erhält man für das Potential? 

15. Auf einer Eugel mit dem Radius R sei die elektrische 
Ladung E verteilt, so daß die Dichte umgekehrt proportional 
der dritten Potenz des Abstandes r von einem festen Punkt 
ist. Die Entfernung des letzteren vom Mittelpunkt ist a. Wie 
groß ist die Dichte in jedem Punkt? 

16. Es soll die Richtigkeit der folgenden Gleichungen 
bewiesen werden — die Bedeutung der Symbole ist dieselbe 
wie in § 235 — : 



a) 



/ 



dtp 
dx 



dz 



h 



cos X dS, 



b) 



= / r^ (Xcos X + Tcos pL + ^cos v) dS — 



dX , dY , dZ\ ^ 
dx + dy + -dx) "^ ■ 



C) 



d) 



J Ui' 



+-^+al^)''-/l:- 






dS. 






S) ^' = 



J ' on J \dx dx dy ay dx dx J 



'J{4l-i'^)''+jA^S 



"^ dy^ "^ dx 



') 



dz. 



Hier sind (pj rp, X, Y, Z Funktionen der Koordinaten, 
n ist die Richtung der auf der Oberfläche nach außen er- 
richteten Normalen. (In den drei letzten Gleichungen zerlege 
man die gegebenen Integrale in drei Teile und integriere diese 
partiell nach x, bez. y und z.) 



342 Elftes Kapitel. 



Kapitel XI. 

Die Taylor'sche Eeihe. 

§ 236. Nach den früheren Auseinandersetzungen läßt sich 
die Zunahme einer Funktion F{x) für den Fall, daß x Ton 
irgend einem Wert a in irgend einen zweiten b übergeht, dar- 
stellen als die Summe unendlich kleiner Teile, deren jeder sich 
ergiebt, indem man einen Zuwachs dx mit dem Wert des 
Differentialquotienten F' {x) multipliziert, d. h. 

h 

F{b) - F{a) = (f' (ar) dx. (1) 

a 

Es soll jetzt gezeigt werden, daß sich für das rechts- 
stehende Integral noch ein anderer Ausdruck ableiten läßt. 

Wir gehen zu dem Zweck aus von dem Satz: Macht man 
in einer Summe alle Glieder zu groß oder zu klein, so erhält 
man auch für die Summe ein zu großes bez. zu kleines Re- 
sultat. Die Worte „groß** und „klein" werden hier im allge- 
braischen Sinne gebraucht, d. h. von zwei Zahlen, auch von 
negativen, ist diejenige die größere, welche in der sich von 
— 00 bis +00 erstreckenden Zahlenreihe + oo am nächsten 
steht. Lassen sich nun zwei Funktionen fp{x) und t^(ar) an- 
geben, derart, daß für alle Werte von x zwischen a und b die 
Ungleichheit 

(p{x)>F'{x)>^^f{x) 

besteht, dann muß auch (wir setzen vorläufig a < b^ also dx 
positiv) 

h b h 

fy {x)dx> JF' {x) dx > ft/; {x) dx (2j 

a a a 

sein. Läßt sich das erste und letzte Integral ermitteln, dann 
haben wir zwei Grenzen gefunden, zwischen denen F{b) — F{d\ 
liegen muß. Offenbar gilt (2) auch dann noch, wenn F'[x] 
für einzelne Werte von x gerade gleich q){x) oder t/;(ar) wird; 
es darf nur nicht in dem Intervall von a bis b F' {x) > y {x) 
oder < \u (.r) werden. 



Die Taylor'sche Beihe. 843 

Am elDfachstea lassen sich die beiden Grenzen berechnen^ 
wenn wir tp (x) und ebenso t/; {x) gleich einer Eonstanten setzen, 
nnd zwar (p [x) = M, gleich dem größten Wert, den die Funktion 
F' [x) in dem Intervall b — a annehmen kann, und i/; {x) = Ny 
dem kleinsten Wert der Funktion in demselben Intervall.^ 
Die Ungleichung (2) geht hierdurch über in 

6 

(* - a)M> JF'{x)dx >(Ä - a)N. 

a 

Hieraus folgt, daß F{b) — F[a) gleich sein muß [b — a) 
multipliziert mit einer gewissen zwischen M und N liegenden 
Zahl P. Ist die Funktion F {x) kontinuierlich (§ 103) — und 
dies wollen wir von allen in diesem Kapitel zu betrachtenden 
Funktionen voraussetzen — , dann muß sie alle Werte zwischen 
dem größten M und dem kleinsten N durchlaufen, wenn x von 
a bis b zunimmt, und also auch wenigstens einmal » P wer- 
den. Hieraus ergiebt sich, daß zwischen a und b eine Zahl c 
existieren muß, die in F'{x) für x eingesetzt, bewirkt, daß 

P(*)- J^{a) = (6-a)P'(c) 

wird. Da wir nun jede zwischen a und b liegende Zahl durch 
a + d-^b — a) darstellen können, wo & einen positiven echten 
Bruch bedeutet, so muß auch ein derartiger Bruch & existie- 
ren, der 

F[b) = F{a) + (Ä - a)F'\a + &{b - a)] (3) 

macht. 

Diese Gleichung läßt sich leicht geometrisch deuten. Sei 
y = F{x) die Gleichung der Kurve in Fig. 93, S. 254, und also 
F{p)^F{a) der Flächeninhalt der § 181 betrachteten Figur, 
die von der Kurve, der x-Achse und den zu den Abscissen 
OA^ a und OB ^b gehörenden Ordinaten AP und BQ be- 
grenzt wird, dann ist F{b) — F{a) = AB multipliziert mit einer 
zwischen A und B liegenden Ordinate, also = (Ä — a)i^'(c), 
wenn wir die Abscisse der betreffenden Ordinate c nennen. 
In ähnlicher Weise existiert unter den verschiedenen Ge- 
schwindigkeiten, die ein beweglicher Punkt innerhalb eines 



^ Es wird hierbei vorausgesetzt, daß die Funktion F'ix) zwischen 
X = a und x =^ b niemals unendlich wird. Wir setzen daswlbe von allen 
im weiteren vorkommenden Funktionen voraus. 



344 Elftes Kapitel. 

gewissen ZeitinterTalls annehmen kann, sicher eine, die, mit 
der Länge des Zeitintenralls multipliziert^ gerade den zurück- 
gelegten Weg liefert. 

& ist nach dem Vorhergehenden eine zwischen und l 
liegende Zahl; je nach der Funktion und den fiir a und b 
gewählten Werten ist der Wert von & ein verschiedener. In 
der Folge werden wir allerlei zwischen a und 6 liegende 
Zahlen durch a + ^{b ^ a) bezeichnen, so daß & in den ver- 
schiedenen Formeln nicht denselben Bruch zu bedeuten braucht 

Ist b nur wenig von a verschieden, dann ändert sich andi 
F'{x) nur wenig, wenn r aus a in & übergeht. In diesem 
Fall dürfen wir in erster Annäherung von der Änderung von 
F'{x) absehen, und es gilt daher die Gleichung 

F{b)=^F{a) + {b^a)r{a) (4) 

(vergl. § 99) oder auch 

F{b)r=F{a) + {b''a)F'{b). 

§ 237. Ebenso wie in Gleichung (1) F{b) gleich war dem 

Änfangswert F {a) vermehrt um die Summe der Zuwächse 

F'{x) dx, können wir uns auch denken, daß jeder Wert F^ (x), der 

in (1) vorkommt, aufgebaut ist aus dem Anfangs wert F' {a) und 

einer Reihe von Zuwächsen, deren jeder sich ergiebt, wenn 

wir einen Zuwachs dx mit dem Differentialquotienten von F' [x), 

d. h. mit F"{x) multiplizieren. (Wir bezeichnen die erste, 

zweite, dritte u. s. w. abgeleitete Funktion durch F'{x), F"(x)f 

F'" {x\ F^ (x) jP(«) {x)). Um dieses auszudrücken, schreiben 

wir zunächst für (1) 

b 

F{b) = F{a) +fF' (I) rf| 1 (5) 

a 

und substituieren hierin 



^ Es ist, wie bereits § 200 bemerkt wurde, vollkommen gleichgültige 

mit welchem Buchstaben man in einem bestimmten Integral die unab- 

h 

hängig Variable bezeichnet; es hat also j F'(^dS dieselbe Bedeutung) 



wie fF'(x)dx 



Die Taylor'Bche Reihe. 345 

I 

a 

so daß 

F{b) = F{a) + {b^a) F' (a) + jd^JF^' [x) dx . (6) 

a a 

Auf dieses doppelte Integral wenden wir nun eine ähn- 
licbe Betrachtung an, wie auf die in (1) Torkommeude Summe« 
Ss sei jetzt M der größte und N der kleinste aller Werte, die 
^" {x) annimmt, wenn x das Intervall von a bis b durchläuft, 
dariin ist auch für das kleinere Intervall von a bis | 

M> F''{x)> K 
Hieraus folgt 

c 

(I - «) ilf > JF" {x) dx>{i- a) N, 



a 



f{i-a)Atdi> Jdifr' {x) dx > fil - a) iWdi 

a a a a ' 

oder 

h { 

|(Ä - «)» 3f > jd^JF" {x) dx>\[b^ af A\ 

a a 

Das letzte Glied in (6) muß also gleich sein dem Produkt 
ans ^{b — äf und einer zwischen M und N liegenden Zahl, 
die wir P nennen wollen. Da die Funktion F"{x) als kon- 
tinuierlich vorausgesetzt wird, so muß sie alle Werte zwischen 
dem größten M und dem kleinsten N durchlaufen, wenn x von 
a bis b zunimmt, sie muß also auch wenigstens einmal = P 
werden. Wir können daher analog wie im vorigen Para- 
graphen für P den Ausdruck F"[a + &{b ^ a)] schreiben. 
Hierdurch geht (6) über in 

F{b) = F{a) + (« - a) F' (a) + i (* - a^ F" [a + ^ (3 - a)\ (7) 

Ist das Intervall b — a sehr klein, so dürfen wir F" (x) 
als konstant betrachten und (7) ersetzen durch 

F{b) = F[a) +[b-a)F' (a) + | (^ - af F" (a). 



846 Eli^tes Kapitel. 

Diese Gleichung ist genauer, als (4), da man der Veränder- 
lichkeit Ton F' {x), wenn auch nur annähernd , RechDung ge- 
tragen hat. 

§ 238. Diese Betrachtungen lassen sich noch weiter fort- 
setzen. Wir können uns nämlich wieder denken^ daß jeder Wert 
von F" (x) in (6) aus dem An&ngswert F" [a) und einer Eeihe 
von Zuwächsen F"'{x)dx besteht, so daß also F(d) sich aas 
diesen letzteren Größen und femer aus F\ä)j P{a) und ^(a) auf- 
baut^ Ist nun M der größte und N der kleinste Wert von 
F'" {x) in dem betreffenden Intervall, dann ist das Sesnltat 
für F{p) zu groß, wenn man einmal F'" {x) durch M ersetzt 
zu klein, wenn man N für F'" {x) einführt. Um das Resultat, 
zu dem diese Betrachtung führt, zu erhalten, können wir 
in der Beweisführung des vorigen Paragraphen 4, Fj JP\ F" 
durch die Größen |, F' , F" y F'" ersetzen. Es ergiebt sich 
dann, daß ^'(|) kleiner sein muß als 

F'{a) + (I - a)F'\a) -|- i(| - a)^M. 

Führt man diesen Ausdruck an Stelle von F'(£) in 
das letzte Glied von (5) ein, so erhält man den folgenden zu 
großen Wert für F{b) 

Ersetzt man hierin M durch Ny so ergiebt sich ein zn 
kleiner Wert für F{b). Aus beiden Ungleichheiten folgt 

F{b) = F{a) + {b- a)F'{a) + ^^^F"{a) + 

+ T^ ^"t« + *(* - ")]• 
Diese Formel ermöglicht es, indem man die äußersten 
Werte von F^{x) einführt, die Funktion F'{x) zwischen zwei 
Grenzen einzuschließen und also durch Substitution in (5) zwei 
neue Grenzen für F{b) zu gewinnen. Indem man auf diese 
Weise fortfährt, erhält man schließlich 

F{b) = F{a) + (b-a)F{a)+^^=-fF"(a) + '^F"'{a)+.... 

1 (8) 

+ i^":S^ ^'- ^^ («) + xf:? « ^''' t« + ^ (* - «)]. 

^ Dieses Verfahren ist mit der § 18 'mitgeteilten Ableitung der 
Formel (23) S. 28 offenbar nahe verwandt 



Die Tajlor'ache Eeihe. 847 

Hier bedeutet n eine beliebige Zahl. Ersetzt man a durch 
ar und b durch x + h, dann geht (8) Qber in 

^{x + A) = F[x) + hF{x) + j*^ F"{x) + j-a'.l^'" W +••• 

,.»-1 Ä« (^) 

Diese Beihe heißt die TAXLOB'sche. 
Macht man in (8) a = und ersetzt b durch x, dann er- 
giebt sich die Mac LAüBm'sche Beihe: 

F{x) = /'(0) + x^'(0) + j^/'"(0) + --^--/""(0)+... 

^»-1 ,» (10) 

+ 1.2.8. .(n-i -)^^"-^no) + r:Ä:3r^'"H^')- 

Es bedarf noch der Erwähnung, daß Formel (8) ebenso- 
gut gilt, wenn b < a, als wenn b > a ist. Im ersten Fall ist 
in (1) dx negativ, aber dies ist auf die Beweisführung, ab- 
gesehen davon, daß einzelne der Zeichen > und < umgekehrt 
werden müssen, ohne Einfluß. Infolge der AUgemeingUltigkeit 
von (8) können ferner h in (9) und x in (10) sowohl negativ wie 
positiv sein. 

§ 289. Gegeben sei die Funktion: y = F{x). Durch wieder- 
holte Differentiation ergeben sich die abgeleiteten Funktionen 
P' {x\ F" (ar), i'"' {x).... Führt man in diese für x den Wert 
ein, dann erhält man ftLr die Koeffizienten aller Potenzen 
von X in (10), mit Ausnahme der höchsten ^r*^ konstante Zahlen. 
Setzt man 

dann kann man für (10) auch schreiben 

Da man die Beihe auf der linken Seite so weit fortsetzen 
kann, als man will, wenn man nur die willkürliche Zahl n 
immer größer und größer wählt, so drängt sich die Frage auf, 
was aus der Summe dieser Beihe wird, wenn man (für irgend 
einen bestimmten Wert von :r) n stets größer werden läßt. Die 
Antwort hierauf hängt von der Größe von R ab. Da man den 



348 elftes Kapitel. 

Wert von & nicht kennt, so läßt sich auch der genaue Wert tod 
B^ nicht berechnen. In manchen Fällen läßt sich aber be- 
weisen, daß, welchen Wert zwischen und 1 & auch haben 
mag, E^ bei fortwährender Zunahme von n sich dem Grenx- 
wert nähert. In diesem Fall nähert sich die Summe d& 
Reihe (12) dem bestimmten Werte F{x). Man sagt dann, dsB 
die Reihe konvergiert, nennt jenen Wert F{x) die Summe 
der unendlichen Reihe und schreibt demgemäß 



«' T3»#/^v . a?' 



F{x) ^I{0) + xF'{0) + f^ F"{0) + j-|-3 ^"' (0) + . . . (13) 

Die Möglichkeit, auf diese Weise die Funktion JP{x) in 
eine Reihe mit steigenden Potenzen von x zu entwickeln, be- 
ruht darauf, daß, wenn man die Funktion aus ihrem Anfangs- 
wert bei X = und ihren successiven Differentialquotienten 
aufbaut (§§ 236 — 238), der Einfluß der letzteren um so kleiner 
wird, je höher die Ordnung der Differentialquotienten isL 
Bricht man, wie in (12), die Reihe bei dem n^^ Gliede ab, 

dann stellt die Größe X das dar, was noch an der Reihe 

fi ' 

fehlt, um F{x) zu erhalten« Man nennt deswegen R^ das 
Restglied der Reihe. 

Es giebt auch Fälle, wo bei wachsendem n R^ sich nicht 
nähert, sondern stets größer wird. Es nähert sich dann 
die linke Seite von (12) nicht mehr einem bestimmten Grrenz- 
wert Man nennt solche Reihen divergente. Für diese gilt 
die Gleichung (13) nicht. 

Ähnliche Betrachtungen gelten auch fbr die Reihen (8) 
und (9). Wenn in (9) bei wachsendem n das letzte Glied sich 
nähert, dann kann man F{x + h) in eine konvergierende 
Reihe nach steigenden Potenzen von h entwickeln. Es ist dann 

F{x + h) == F{x) + hF' {x) + ^]^F''{x) + . . . 

§ 240. Im folgenden sollen einige Beispiele für die Mac 

LAURiN'sche Reihe gegeben werden. 

Gegeben sei 

F{x) = ^. 

Da alle abgeleiteten Funktionen gleich ef^ sind (§ 102), 
so ist F[0) = F' (0) = J^" (0) = . . . = 1. Es nimmt also die 



Die Tajlor'sche Reihe. 349 

Reilie (10) eine sehr einfache Gestalt an. Für das Bestglied 
ergiebt sich 

V = e^ 

« 1.2.3...n 

Um den Wert dieses Restgliedes für große Werte von n 
zix ermitteln, betrachten wir zunächst einmal den Bruch, welcher 
sich auch schreiben läßt 



X X X X X 



, • • • • 



1.2.3...n 1 2 3 w ^ ^ 

Es läßt sich leicht nachweisen, daß dieser Ausdruck, 
"welcher Wert x auch beigelegt werden mag, für n = cx) gleich 
O ist. Setzt man nämlich in (14) für n nacheinander immer 
größere Zahlen ein, dann treten zwar stets neue Faktoren auf, 
die aber wegen des Nenners immer kleiner werden. Es kann 
daher bei hinreichendem Wert von n das Produkt (14) so klein 
werden, wie man nur wünscht. Dies ergiebt sich unmittelbar, 
wenn man zunächst das Produkt bei einem Faktor < \ ab- 
bricht — dazu braucht man nur n> 2x zu machen — und 
dann den Wert P des Produktes berechnet. Setzt man dann 
die Keihe der Faktoren noch weiter fort, so sind alle neu 
hinzukommende < ^; der Grenzwert des Produktes ist also 0, 
da dieses schon der Fall wäre, wenn die Faktoren, mit denen 
P multipliziert wird, nicht < \, sondern = J wären. Auch 
Lim S^ muß daher sein, da e^ zwischen 1 und ef liegt, also 
jedenfalls einen endlichen Wert hat. 

Die Reihe (13) konvergiert also in diesem Falle, und man 
hat für jeden Wert von x 

c* = 1 + "^ + - "- + -'^- - H "^ + • • • (15) 

^1^1.2^1.2.3^1.2.3.4^ ^^ 

Diese Formel giebt z. B. für x = 1 

^ = 1 + 1 4- ^ -I ^ 1 ^ 1 

^^1.2^1.2.3^1.2.3.4^ 

Mit Hilfe dieser Reihe läßt sich die Grundzahl e mit jeder 
beliebigen Genauigkeit berechnen. Der Leser möge dies selbst 
ausführen. Wir bemerken noch, daß, wenn man das Restglied 
R^ auch nicht kennt, doch, sobald man eine Zahl Q, die gewiß 
größer als F^ {& x) ist, angeben kann, sich behaupten läßt, daß 

B- kleiner als -z-~~ ar" ist. Man kann auf diese Weise 

" 1 . 2 . 3 . . .n 



350 Elftes Kapitel 

beurteilen, wie weit man die Beihe fortsetzen muß, um die g^ 
wünschte Genauigkeit zu erreichen. 

Als zweites Beispiel diene die Funktion 

F{x) = sin X, 

Es ist 

^(0) = 0, . ^'(0)= 1, 

^"(0) = 0, i^'"(0) = - 1 u. 8. w., 

und je nach dem Wert von n 

B^= ± sin &a:^--- oder ± cos &x - — - „ 

" -^ 1.2.3...n -^ 1.2. 3. ..ff 

Da sin &x und cos ß-x höchstens 1 sein können, so nähert 
sich mit wachsendem n das Restglied dem Grenzwerte 0. Für 
jeden Wert von x gilt also die Reihe 

1.2.3^ 1.2.3.4.5 1.2.. .7 ^ ^ ' 

Ebenso findet man fQr jeden Bogen 

COS:r= 1 - ^ + ^ f ' ^ — +... (17) 

1.2^1.2.3.4 1.2. ..6^ ^ ^ 

Da die Formeln (15), (16) und (17) flir jeden Wert von 
.r gelten, so kann man x auch durch ax ersetzen, wodurch 
man Reihen für e^', ^inax und cosax erhält. Schreibt man 
für X in (15) xla, dann ist die Summe der Reihe gleich a** 

§ 241. In einigen Fällen empfiehlt es sich, eine andere 
Formel fär das Restglied R^ anzuwenden. Um zu derselben 
zu gelangen, kehren wir noch einmal zu der Gleichung (6) 
zurtLck. In dem letzten Gliede 

S^fdiJP''{x)dx (18) 

a a 

derselben treten alle Werte auf, welche die Funktion F"{r] 
in dem Intervall (a, b) annimmt. Wir wollen nun zunächst 
ermitteln, wie oft oder in welchem Maße diese verschiedeoen 
Werte an dem Doppelintegral beteiligt sind. Es genügt hierzu, 
die Reihenfolge der beiden Integrationen umzukehren; Üßi 
man nämlich bei der ersten Integration x konstant, so be- 
deutet dies, daß man alle Elemente des Doppelintegrals, üi 
welchen dasselbe F" {x) vorkommt, zusammenfaßt. 



Die Taylor'sche Reihe. 351 

Es fra^ sich nun, welche Grenzen bei der Integration 
zunächst nach | und dann nach x einzuführen sind. Betrachtet 
xna^xi X und | als die rechtwinkligen Koordinaten in einer 
Hilfsfigur, so entspricht den Grenzen in (18) ein gewisses Inte- 
giTSLtionsgebiet, und zwar hat dieses, wie man ohne Mühe 
finden wird, die Gestalt eines rechtwinkligen gleichschenkligen 
Dreiecks, dessen Seiten den Gleichungen 

ar = a, | = Ä und | = * 

genügen. (Man zeichne selbst die Figur.) Daraus folgt, daß bei 
konstantem x die Variable | von x bis b geht, während a und b 
die äußersten Werte von x sind.^ Es ergiebt sich mithin 

h b 

R=J[F"{x)dxd^. 



a X 



Diese Formel hat noch den Vorteil, daß sich die erste 
Integration wirklich ausführen läßt. Dadurch erhalten wir 

h 
Ii=f{b'-x)F''{x)dx, 

a 

und also statt (6) 

b 

F{b) = F{a) + (Ä - a) J^' (a) + J{b - x) F" {x) dx . (1 9) 

a 

Hieraus folgt nun wieder eine Gleichung, die F'" {x) enthält. 
Da (19) allgemeingültig ist, so dürfen wir nämlich schreiben 

/"(l) = F\a) + (I - a)F''{a) + j[^ - x)F-{x)dx, 

a 

und, indem wir dieses in (5) einsetzen, 

F{b) = F[a) + (* - a) F' (a) + ^^-^f- F" (a) + 

b s 
+ fd^J{i-x)F'''{x)dx. 

a a 

Hier vertauschen wir ähnlich wie oben die beiden Inte- 
grationen und führen die eine, nach |, aus. Das letzte Glied 
wird dann 



^ Es läßt sich dieses auch wohl ohne eine geometrische Darstellang 
einsehen. Die Figur dient nur zur Erläuterung. 



852 Elftes Kapitel. 

b b b 



//(l - x) F- (X) dx di = i- J(* - zf F'" (x) dr, 



a X 

und also 



F{b) = F{a) + {b-a) F' [a) + ^^^^^ F" {a) + 



1.2 



+ :^f{l>-x)>F"'{x)dx. 



Ein weiterer Schritt besteht darin, daß man hier Fj F\ 
F\ F'" durch F\ F'\ F"% F^ und b durch | ersetzt, den 
dadurch gefundenen Wert in (5) substituiert und die Integration 
nach I Yornimmt. In dieser Weise kann man fortfahren; es 
ergiebt sich dann wieder die Gleichung (8), mit dem unter- 
schiede jedoch, daß statt des letzten Gliedes der Ausdruck 

b 



R 



herauskommt. 

Wollte man das hier auftretende Integral in der Weise 
zwischen zwei Grenzen einschließen, daß man f&r :f<») (x) ein- 
mal den größten und dann den kleinsten Wert dieser Funktion 
einführte, so käme man auf die frühere Gestalt des Best- 
gliedes zurück. Wir können das Integral aber auch dar- 
stellen als das Produkt von ä — a und den Wert der Funktion 
[b — xY"'^ F^'^^x) für einen nicht näher angebbaren Wert von 
X zwischen a und b. Schreibt man für letzteren a + &{b — d^, 

so wird 

6 « o: = (1 - &){b - a), 

und also das Integral 

(1 - ^)«-i(Ä - aYF^^)[a + »{b - a)]. 

Wir erhalten schließlich 

und fiir die Mac LAüBiN'sche Beihe 

B =Ji-*)"r_'ZÜ^i^:,«. (20) 

" 1.2...(n- 1) ^ ' 



Die Taylor'sche Reihe. 353 

§ 242. Es sei jetzt 

^wo m eine beliebige positive oder negative, ganze oder ge- 
l)rochene Zahl bedeutet. Substituiert man in die Funktion 
und in die Differentialquotienten x = 0, so erhält man 

F'"{0) = m{m - l)(m - 2) u. s. w.; 
«obald für n = 00, Lim i2„ =■ ist, gilt also die Entwicklung 

+ ar)* =r 1 + —X + \ g ' x^ + 
, m(m- l)(m- 2) . , ^ ^ 

die Binomialreihe für einen beliebigen Exponenten.^ 

um das Bestglied S^ zu berechnen, wollen wir zunächst 
die Formel (11), welche jetzt in 

j^ ^ m(m^l) .(m^n + l) ^ *;r)--«:r* (22) 

» 1.2...n \ I / V / 

übergeht, anwenden. 

Legt man hier n immer grössere Werte bei, so wird 
im aUgemeinen & nicht dieselbe Zahl bleiben; wir können 
jedoch, wenn wir untersuchen wollen, was fbr sehr groBe n 
aus E^ sind, uns vorstellen, daß von Anfiäng an der Bruch & 
den Wert hat, den er schließlich f&r n s oo annimmt, und 
von dem wir wissen, daß er zwischen und 1 liegt. 

Es läßt sich nun zeigen, daß für 

0<x< + 1 

Limjß, s ist, und also die Formel (21) gilt 

Wenn man in (22) n durch n + 1 ersetzt und das Ver- 
hältnis zwischen dem neuen Bestgliede Jßn + i und dem alten 
2t^ betrachtet, so ergiebt sich 

Än+i m-n X ^23) 



B^ n + l l-b^x' 



^ Ist m eine ganze positive Zahl, so bricht die Reihe von selbst ab. 
Man kommt dann auf die ftlr jeden Wert von x geltende endliche Bi« 
nomialfbrmel (§ 8) zurück. 

LORKHTZ, Differentialrechnung. 23 



S54 Elftes Kapitel. 

Wenn nun x zwischen und + 1 liegt, so ist der Bruch 

;— < 1. Der Grenzwert des Faktors ist —1, wenn 

1 + ^a? ^ n + 1 ' 

n fortwährend wächst. Ist also a der Wert von - — ^^^, so 

ist für 71 = 00 

Lim-;^=-«. 

Das Verhältnis der Werte von Ä^, welche zwei aufeinander 
folgenden Werten von n entsprechen, wird also schließlich, 
dem absoluten Werte nach, < 1. 

Von einem gewissen Werte von n an muß also jB^, wenn 
man zu noch höheren Werten von n übergeht, fortwährend 
sinken; es läßt sich nachweisen, daß das Bestglied sich daher 
wirklich dem Grenzwerte nähert. ^ 

§ 243. Die Binomialreihe konvergiert ebenfalls und die 
Entwickelung (21) ist richtig für negative, zvrischen und — I 
liegende Werte von x. Wollen wir dieses beweisen, so läßt uns 
jedoch die Formel (22) im Stich, da wir nicht beweisen können, 
daß der absolute Wert des in (23) vorkommenden Bruches 

X 



1 +^a; 



^ Es sei ß eine beliebige Zahl zwischen 1 und a, also 

«</?<!. 

Da das Verhältnis der absoluten Werte von -ß« ^ i und R^ — welche 

wir mit \R^ ^ {\ und [i2^] bezeichnen wollen — beliebig nahe an « 

herangebracht werden kann, so muß dasselbe von einem gewissen Werte 
von n, beispielsweise von dem Werte ^ an, unter der Zahl ^ bleiben. 
Es ist also 

[Rf, + i] < ß[R^], [Rf. + 2] < ß[Rf. + 1] u. s. w., 
woraus folgt, daß [i?/* + i], [-ßu + 2], [i?/* + s] u. s. w. kleiner sind als 

ß[R,;\, ß'lR^], ß'lRf.] u. s. w. 
Da nun, wegen ß < l, für /; = c» 

Lim.^^ = 
ist, so muß auch 

Lim [Rf, + k] = 
sein, d. h. 

Lim Rn = 0. 



Die Taylor'sche Reihe. 355 

etuch jetzt < 1 ist. Gerade in diesem Falle können wir uns 
ater der Formel (20) bedienen. Aus derselben leiten wir 
zunächst ab 

und sodann, wenn wir wieder annehmen, daß der Bruch i^* 
immer den Wert hat, den er schließlich annimmt, 

Ist nun X negativ, aber dem absoluten Werte nach < 1, 
so ist der Nenner des zweiten Bruches ebenso wie der Zähler 
positiv. Es ist aber 

l + d-x^l-d-, 

so daß der absolute Wert des Faktors 

1 - ^ 
1 + »x^ 

eine gewisse Zahl a <\ ist. Weiter können wir dann schließen 
wie im letzten Paragraphen. 

Das Ergebnis unserer Untersuchung ist also, daß die 
Formel (21) für jeden Wert von m gilt, wenn x zwischen — 1 
und + 1 liegt. Man gelangt in dieser Weise z. B. zu den 
folgenden ßeihenentwickelungen 

/(l +T) = (1 + :ry/. ^\+^x-\.\x^ 

^2.3 T(f 2.3.4 ^ 

— ^-^, = (1 + ^)-^ = 1 - 2x + 3:r2 - 4:r» + 52r* 

(1 + rr)' ^ ' 

ir-^ = (1 + x)-/. = 1 - J , I:. + ^ ^ X« 

- 1 2.5.8 3 2.5.8.11 4 

Ist der absolute Wert von x > 1, so steigt R^ bei wachsen- 
dem n; die in (21) rechts stehende Reihe divergiert und die 
Formel darf nicht angewandt werden. 

Wir bemerken zum Schluß noch, daß mittels der Formel 
(21) auch (a + by in eine Reihe entwickelt werden kann, in- 
dem man, wenn & < a ist, für j: in (21) — setzt und das Re- 
sultat mit a^ multipliziert. 

23* 



356 Sitzes Kapitel. 

§ 244. Es soll /(l + x) nach steigenden Potenzen von x 
entwickelt werden. Wir benutzen wieder die Mac LAUBiK'sche 

Reihe oder Formel (13). Aus F{x) = /(l + ar) folgt F' {x) = rx"» 

^ ^ (1 + a;)*' ^ ^ (1 + ic)»' ^ ' "~ (1 + «)* 

Das Restglied nimmt eine ähnliche Gestalt an wie bei (1 + x]" 
und es läßt sich zeigen, daß auch hier, wenn x zwischen — 1 
und + 1 liegt, Limif^ = ist. Da nach obigem 

F{0) =0, F'{0) = 1, 

F''{0) = - 1, F'"{0) = 1 .2, u. s. w., 

so gilt für die genannten Werte von x die Reihe 

/(l+:r) = x--^ + ^-^ + ... (24) 

Diese Reihe giebt also die natürlichen Logarithmen aller 
Zahlen zwischen und 2. Daraus können die Logarithmen 
aller anderen Zahlen abgeleitet werden, worauf wir aber nicht 
näher eingehen wollen. Wir bemerken nur noch, daß, wenn 
die natürlichen Logarithmen bekannt, sich die Bsioos'schen 
aus denselben leicht berechnen lassen (vergl. § 15). 

§ 245. Um die cyklometrischen Funktionen in Reihen 
zu entwickeln, könnten wir genau so verfahren, wie in den 
vorhergehenden Paragraphen. Schneller kommen wir zum Ziel, 
wenn wir uns die Eigenschaft zu nutze machen, daß ihre 
Dififerentialquotienten algebraische Funktionen sind, die sich 
leicht in Form von Reihen darstellen lassen. Aus diesen 
letzteren ergeben sich durch Integration ähnliche Reihen 
für die cyklometrischen Funktionen. 

Wenn die Funktion F' (|) sich in der § 239 besprochenen 
Weise in eine Reihe entwickeln läßt, wenn also 

F'ii) = ^ + ^1 + (7|2 + ... + jr|«-i + i?« 

ist, wo Äj JSj C.K bekannte Koeffizienten sind, so eigiebt 
sich durch Substitution in 

^W = /-(O) + J^' (I) rf| ^25) 







die Gleichung 



Die Taylor'schr Reihe. 357 

F{x) = F{0) + Ax + \Bx^ + \Cx^ + . . . 

X 

(26) 



+ LKx'^+JrjI 





Hierin ist das Bestglied B^ eine unbekannte Funktion 
Ton |. Wenn man jedoch x einen solchen Wert zuschreibt, 
daß fiir alle Werte von | zwischen und x und auch jfilr 
und I selbst die Reihe für F{^) konvergiert, dann nähern sich 
beim Wachsen von n die Werte von B^, die in dem Integral 

j B^d^ vorkommen, alle dem Grenzwerte 0, also auch das 



Integral selbst. Deshalb konvergiert die Reihe (26) und ist 
F{x) = J^(0) + Ax + ^Bx* + ^Cx^ + . . ., 

d. h. man kann in (25) die unendliche Reihe für F' {^) sub- 
stituieren und Glied für Glied integrieren. 
Es sei nun 

F{x) = aircsinx, 
dann ist 

F' (i) ^ yj= = {i - iY''* . 

Wir wählen das positive Vorzeichen, verstehen also unter 
arcsinar einen Bogen, dessen Kosinus positiv ist (vergl. § 107). 
Wenn nun — 1 < | < + 1 ist, giebt die Binomialformel 

Wir setzen arc sin (0) = 0, was erlaubt ist, da der Kosinus 
von positiv ist, und substituieren den letzten Ausdruck in 
Gleichung (25). Als Resultat ergiebt sich 

arc sin a: = X + ^.^x^ + |._!_ ar« + f -g^^Te ^^ + ' " (2"^) 

Dadurch, daß wir arc sin (0) = setzten, haben wir jede 
Unbestimmtheit in der Bedeutung von arc sin o: eliminiert, da 
man sich bei der Anwendung von (25) vorstellen muß, daß F{x) 
diifch kontinuierliche Veränderung aus F{0) entsteht. Arc sin jt 
ist also ein Bogen im ersten positiven oder im ersten negativen 
Quadranten. 



858 Elftes Kapitel. 

Vermittelst einer analogen Betrachtung erhält man 

arc tgar = ar — Jar« + |ar» — f j:^ + . . . , (28) 

wo X wieder zwischen — 1 und + 1 liegen muß und unter 
arc \%x wieder ein Bogen im ersten positiven oder negativen 
Quadranten zu verstehen ist. 

Aus (27) und (28) läßt sich leicht die Zahl n berechnen. 
Setzt man z. B. in (27) x — \^ so ergiebt sich 

> = i + i-ia)» + i-2Ti(^)' + ---- 

Es läßt sich zeigen, daß die Formeln (27) und (28) auch 
noch gelten, wenn x = — 1 oder + 1 ist. Wenn x =• -\-\ ist, 
so erhält man aus (27) 

und aus (28) 

§ 246. Wir sahen § 121, daß, wenn ftir einen gewissen 
Wert x^a der Differentialquotient F'[x) verschwindet, die 
Funktion F{x) ein Maximum oder ein Minimum sein kann, 
und § 143, daß dies wirklich der Fall ist, sobald für x = a 
der zweite Differentialquotient einen positiven oder negativen 
Wert hat. Den Fall, daß auch dieser Differentialquotient ver- 
schwindet, haben wir damals nicht in Betracht gezogen. Wir 
können ihn jetzt mit Hilfe der TAYLOs'schen Reihe behandeln« 

Gegeben sei die Funktion ^(x), deren (n — 1) erste Diflfe- 
rentialquotienten für 2r = a gleich sind und deren n^' Diffe- 
rentialquotient also der erste ist, welcher nicht verschwindet 

Aus der Gleichung (9) folgt 

F[a + Ä) - F[a) = j_^-^-_ J?^(n) (« + *A). 

Von dem Vorzeichen des GUedes auf der rechten Seite 
hängt es ab, ob F{x) zu- oder abnimmt, wenn x von a in 
a + Ä übergeht. Für sehr kleine Werte von A muß das Vor- 
zeichen von ^(") (a + ß-K) dasselbe sein, wie von F^^\ä). Ist 
nun n eine gerade Zahl, dann stimmt das Vorzeichen von 
F{a + A) — -P(a), gleichgültig, ob A positiv oder negativ ist, 
mit dem Vorzeichen von F^^\d) überein und ist daher F{x) 



Die Taylor'sche Reihe. 369 

fiir ar = a ein Maximum, wenn ^")(a) negativ, dagegen ein 
l^inimum, wenn F^^^{a) positiv ist. 

Ist dagegen die erste Abgeleitete, welche nicht verschwindet, 
von ungerader Ordnung, so besteht f ür or = a weder ein 
IMLaximum noch ein Minimum, weil das Vorzeichen von 
^{a + k) — F{a) positiv ist für positive Werte von h und 
negativ für negative Werte von ä, oder umgekehrt. 

§ 247. Mit Hilfe der TAYLOB'schen Reihe läßt sich auch 
cler Grenzwert des Verhältnisses zweier Funktionen, f{x) und 
^{x\ ermitteln, die für a: = a beide werden. Setzt man 
o: = a + Ä, so braucht man nämlich nur den Wert von 

Lim Q^ t ^l > flir Lim Ä = 

ZU ermitteln. Man entwickele mit Hilfe von (9) Zähler und 
Nenner. Wir wollen annehmen, daß für a:=a nicht bloß f\x) und 
F{x) verschwinden, sondern auch eine gewisse Zahl der ab- 
geleiteten Funktionen f {x)^ -^'W» ^« s« w. Es sei n die erste 
Zahl, für welche /"(">(«) ^^^ F^'')[a) nicht beide den Wert 
haben, dann kann man schreiben 



also 



^(« + A) = r. 2-^3t::7i ^'"^ (^ + '^'^^^ 

Limi^^^tM = Lim ^^'^ ^" ^ ^^^ = ^^ 
F{a + h) 2P(»)(^ + ^^h) F^''\a) ' 



oder, wie man auch wohl kürzer schreibt 

f{a) ^ f^^\a) 
F(a) F^''\a) ' 

Ist z. B. f{x) = ar — sin ar und F{x) = x^ und a = 0, dann 
sind die beiden ersten Abgeleiteten bei beiden Funktionen 
= 0. Da /"" (0) = 1 und F'" (0) = 6, so ist für x = 

T • X — sin X 1 

Lim — ^ — = |. 

Am einfachsten ist natürlich die Rechnung, wenn schon 
die ersten Abgeleiteten f (a) und F' {a) nicht =» sind. Oflfen- 
bar ist im allgemeinen der gesuchte Grenzwert endlich, wenn 
der erste Differentialquotient, welcher nicht verschwindet, bei 



360 Elftes Kapitel. 

beiden Funktionen von derselben Ordnung ist. Elrreicht nuui 
dagegen bei der wiederholten Differentiation und Substitation 
X s= a bei dem Nenner eher einen Yon yerschiedenen Wert 
als bei dem Zähler, dann ist f^^^{a) = und der Grenzwert 
des Verhältnisses ebenfalls 0; im entgegengesetzten Fall wird 
das Verhältnis oo. 

§ 248. Auch eine Funktion von mehreren unabhängig 
veränderlichen Größen läßt sich in eine Beihe entwickeln. Wir 
beschränken uns zunächst auf zwei unabhängig Variable. 

Es sei z irgend eine Funktion von x und y, z. B. 

z = F[x,y), 

und es handle sich darum, den Zuwachs Jz, den z erleidet 
wenn man, von bestimmten Anfangswerten ausgehend, zu gleiche: 
Zeit X um h undy um k zunehmen läßt, in einer Reihe darzustellei. 
Es sei also 

^z = ^(o: + Ä, y + Ä) - F{x,y) 

zu entwickeln. Zu diesem Zwecke nehmen wir zunächst an, 
daß sich allein x ändere. Für den Wert, den z dadurch er- 
reicht, erhalten wir nach dem Taylob' sehen Lehrsatze (y als 
konstant betrachtet) unter der Voraussetzung, daß die Beihe 
konvergiert, was in jedem einzelnen Fall zu prüfen ist, 

F{x + A, y) = F{x,y)+hFJ{x,y) + -^FJ'{x,y) + 

+ 17273 ^*««"(''''y^+'"' 

wo die den Zeichen jP', F", F'" angehängten Indices x, xx, 
XXX bedeuten, daß einmal, bez. zwei-, bez. dreimal nach x za 
differentiieren ist. Analog hiermit wollen wir z. B. mit F*'* die 
Funktion bezeichnen, die man erhält, wenn man zweim^ nach 
X und einmal nach y differentiiert« Die eingeklammerten x 
und y sollen anzeigen, daß man fUr die betreffenden Funktionen 
die Werte zu nehmen hat, welche den ursprünglichen Werten 
X und y der unabhängig Variablen entsprechen. 

Ersetzt man in der Gleichung (29) y durch y + A, so geht 
dieselbe über in 

F{x + A, y + Ä) = F{x,y + Ä) + A F;{x,y + A) + 



Die Taylor'sche Reihe. 361 

Offenbar kann man hier das erste Glied rechter Hand, 
sowie auch die Koeffizienten von A, A*, A®,... nach dem 
TAYLOB'schen Lehrsatz entwickehi — natürlich Konvergenz 
der verschiedenen Reihen vorausgesetzt — , wobei man be- 
achten muß, daß jetzt x als eine Konstante aufgefaßt werden 
muß, während y jedesmal um k zunimmt. Es ergiebt sich dann 

^(^,y + Ä) = F{x,y) + F;\x,y)k + f,;{x,y)^'- + ... 

u. s. w. 
Dies in (29) substituiert, ergiebt: 
F{x + h,y + Ä) = F{x,y) + F;(x,y)h + F^[x,y)k + 

+^xx"(^,y)n*2 + ^»;'(^'y)A* + ^y;'(*'y)Ä + ••• ^^"^ 

Für die totale Zunahme Az von z =s F{xjy) hat man also 
in bequemer Bezeichnung: 

Für die verschiedenen Di£fereutialquotienten sind hier die 
Werte einzusetzen, welche den Anfangswerten x und y ent- 
sprechen. Sind die Anfangswerte der unabhängig Variablen 0, 
die Endwerte x und y, so verwandelt sich (30) in 






(32) 



wo alle Abgeleiteten fiir die Werte x s=z und y = berechnet 
werden müssen, so daß alle Koeffizienten Konstanten sind. 

Ahnliche Entwickelungen gelten auch, wenn man es mit 
mehr als zwei unabhängig Variablen zu thun hat. 

§ 249. Das im letzten Paragraphen behandelte Problem 
läßt sich auch in folgender Weise lösen, wodurch man eine 
bessere Einsicht in das Bildungsgesetz der Reihen gewinnt. 



862 Elftes Kapitel 

Es sei (f die gegebene Funktion der unabhängig Veränder- 
lichen Xf y, Zy Uj . . (vergl. § 157). Es soll die Zunahme Äff 
berechnet werden, welche stattfindet, wenn, von bestimmten 
Anfangswerten x^ t/j z, u, . ■ aus, die Variablen gleichzeitig 
die endlichen Zuwächse Jxy Jy, Jzy Auy . . . erleiden. Wir wollen 
uns vorstellen, daß diese Änderungen allmählich vor sich gehen, 
und zwar in solcher Weise, daß zwischen den gleichzeitigen 
Ändeiningen von x, y, • z, «, . . fortwährend dieselben Verhältr 
nisse bestehen, so daß, wenn z. B. x den n^^ Teil der ganzen 
Zunahme erreicht hat, auch y, 2:, ti, . . gerade den n*^ TeO 
ihrer Zunahmen erhalten haben. Wir dürfen dann sagen, daß 
bei dem Übergang von x, y, z, u, . . in x -t- jdx^ y + Jy, 
2: + Jz, M + Jtf, . . die unabhängig Variablen sich fortwährend 
in derselben Richtung ändern. Diese Eichtung h bestimmen 
wir nun, wie in § 157, durch die Größen a, /?, /, 8j . ., welche 
Axy Ayy Azy Au, . . . proportional sind und die so gewählt 
sind, daß die Summe ihrer Quadraten gleich 1 ist. Setzen 
wir dann weiter 

Ax = aa, Ay = /9e, Az = yc. Au == ^6, . ., (33) 

so bestimmt e die Oröße der Änderung. 

Wenn wir einmal die Anfangswerte und die Richtung der 
Änderungen festgelegt haben, hängt oflFenbar der Wert der 
Funktion nur noch von der Variablen e ab. Da nun das ge- 
suchte A(p dadurch hervorgebracht wird, daß diese Veränder- 
liche von bis zu dem in (33) vorkommenden Werte wächst, 
so können wir Aq) mittels der Mac LAUBm'schen Reihe fbr 
eine einzige unabhängige Variable entwickeln. Wir setzen 
voraus, daß die Reihe konvergiert — was natürlich in jedem 
Falle zu untersuchen ist — und schreiben also 

WO flir ^ , -^ , . . die für e = geltenden Werte einzusetzen 

sind. 

Eine aufmerksame Betrachtung lehrt nun, daß diese Diffe- 
rentialquotienten gerade das sind, was wir §§157 und 167 mit 

öÄ' ö^ bezeichnet haben. 



Die Taylor'sche Reihe. 363 

Also: 

Das erste Glied rechts wird hier erhalten, indem man qp 
zunächst nach der Richtung h differenziert und das Ergebnis 

mit . 6 multipliziert, eine Operation, die wir mit 6 ^-r andeuten 

können. Abgesehen von den Zahlenfaktoren ergeben sich die 
weiteren Glieder der Reihe, wenn man diese Operation zwei 
oder drei Mal u. s. w. anwendet. 

Nun ist aber, wie § 1 67 gezeigt wurde, die Operation ^ 

gleichbedeutend mit der durch 

ox ^ oy ' ax du 

angezeigten. Demzufolge läßt sich die Operation e^y durch 

ö , /) ö , d , ^ d , 

ox * ^ dy ' ax du ' 

oier, wegen der Beziehungen (33) durch 

a a a a 

dx ^ . dy dx du 

ersetzen. 

Zeigen wir nun Wiederholungen dieser Operation durch 
die Indices 2, 3, ... an (vergl. § 167), so erhalten wir statt 
(35) die übersichtliche Gleichung 

eine Gleichung, aus welcher leicht (31) abgeleitet werden kann. 
§ 250. Geht man von dem Werte einer Funktion aus, welcher 
bestimmten Werten der unabhängig Variablen entspricht, so läßt 
sich nach dem Vorhergehenden, wenn die unabhängig Variablen 
um ein geringes zu- oder abnehmen^ der neue Wert der Funktion 
in eine Reihe entwickeln. Hiervon macht man in der Physik 
ausgiebig Gebrauch. Wenn z. B. ein elastischer fester Körper 
eine bestimmte Formänderung erleiden soll, so sind die hierzu 



864 Elftes Kapitel. 

erforderlichen Kräfte Funktionen der Größen oder ParameUi,^ 
welche die Deformation bestimmen. Von diesen Fuiiktioiie& 
weiß man a priori nichts oder sehr wenig, aber man kanSf 
wenn die Formänderungen sehr klein sind, die Kräfte in Beihefl 
nach den wachsenden Potenzen der genannten Parameter ent- 
wickeln. In jedem besonderen Fall hat man dann nur die 
Koeffizienten in den Reihen auf experimentellem Wege zu be- 
stimmen, um ein urteil über den Zusammenhang zwischen den 
Deformationen und den Kräften zu gewinnen. 

Wir führen noch ein zweites Beispiel an. Man denke sieb 
ein System einer großen Anzahl materieller Teilchen, die unter 
dem Eiinfluß von gegenseitigen Anziehungen und Abstoßonges 
bestimmte Gleichgewichtslagen einnehmen. Werden die Teil- 
chen aus diesen Lagen yerschoben, und zwar in ungleichem 
Maße (man denke an die schwingenden Bewegungen eines 
elastischen Körpers), dann ändern sich auch die Ej-äfte, welche 
die Teilchen aufeinander ausüben. Um die auf ein bestinuntes 
Teilchen wirkende Kraft vollständig zu berechnen, würde man 
wissen müssen, wie die Teilchen im Raum verbreitet sind, wie 
sie sich verschieben und eidlich, wie die gegenseitige Wir- 
kung von dem Abstand abhängt. Das Theorem von Taylob 
ermöglicht es, auch ohne das man dies alles weiß, eine f&r vide 
Probleme ausreichende Theorie aufzustellen. Die Komponenten 
der Verschiebungen der Teilchen sind nämlich Funktionen ihrer 
Koordinaten in der Gleichgewichtslage, und wenn man an- 
nimmt, das auf ein Teilchen P nur die unmittelbar herum- 
liegenden wirken, so kann man die Unterschiede ihrer Ver- 
schiebungen, verglichen mit der von P in eine, nach steigenden 
Potenzen der Unterschiede der Koordinaten fortlaufende Reihe 
entwickeln. Hierdurch erzielt man eine erste Vereinfachung. 
Eine zweite erhält man, wenn man annimmt, daß die Ver- 
änderung der Abstände der Teilchen sehr klein ist, verglichen 
mit den Abständen selbst; man kann dann nämlich auch f&r 
die Veränderungen, welche die Anziehungen oder Abstossungen 
durch die Verschiebungen erfahren, aus dem Theorem von 
Taylor einen Ausdruck ableiten. 



' Diese Parameter sind z. B. die Änderungen, welche die Dimen- 
sionen oder gewisse Winkel des Körpers erleiden. 



Die Taylor'sche Keihe. 365 

IVir machen zQm Schluß noch darauf aufmerksam, daß, 
wenn man eine Funktion in eine Reihe entwickelt, die Eigen- 
Bch&ften der Funktion oft einen Schluß auf die Gestalt der 
Reihe zulassen. Weiß man z. B., daß die Funktion Jf'izjy, z, u,. .) 
unverändert bleibt, wenn x sein Vorzeichen ändert, dann 
dilrfen in der Beihe yon Mao Laübin nur gerade Potenzen 
von or auftreten, umgekehrt kommen in der Beihe nur un- 
gerade Potenzen yon x vor, wenn bei Änderung des Vor- 
zeichens von X auch die Funktion ihr Vorzeichen wechselt, 
dahei aber denselben Wert behält (vergl. die Beihen für sin :r 
und cos x), 

Aufgaben. 

1. Es soll bewiesen werden, daß für das Bestglied der 
TAYiiOB^schen Beihe auch 

» 1 .2...(n - l)p' ^ ' 

geschrieben werden kann, wo & zwischen und 1 liegt und 
p eine willkürliche Zahl bedeutet. (Für /? = n und p ^ 1 
erhält man die Formeln §§ 289 und 241). 

2. Von einer Funktion F{x) ist bekannt, daß sie in die 
konvergente Beihe 

F{x) :=> A^ + Ä^x + A^x^ + A^x^ + . . . 

entwickelt werden kann. Di£ferentiiere diese Beihe wiederholt 
nach X und beweise mittels der Substitution ^r = 0, daß 

J, = ^(0), A,^F{0), ^3=^u.s.w. 

3. Es soll aus der Mac LAüBiN'schen Beihe die TAYLon'sche 
abgeleitet werden. 

4. Es sollen die folgenden 'Funktionen in unendliche 
Beihen entwickelt werden: 

*^ VT^ + 7r^' ^^ ^" + ^"^ c)sinarcosar; 
d) cos'ar; e) j/l + 2cosx; 1) tgaar; g) e"*8in/9ar; 
h) «"•cos/Sar; i) Isinx; j) /[ar + yf+P]. 



866 Zwölftes Kapitel. 

6. Es soll bewiesen werden, daß 

X - 1 



Iz 



"j~+ r "^ * 



mr+Mf^)'-^--) 



6. Wieyiel Glieder muß man berücksichtigen, um mitt& 
der Reihe 

^"■^"*" 1.2 ■*"i.2.8 "*" 1.2.3.4"*"' ••• 

6 bis auf 7 Dezimalen genau zu berechnen? 

7. Berechne durch Eeihenentwickelung log* 102 bis anf 

7 Dezimalen genau. 

8. Die Koordinaten eines Punktes x, y, z erfahren die 
kleinen Zunahmen a^ ß, y. Wie groß ist der Za wachs des 
Abstand es r des Punktes vom Koordinatenursprung? Es dürfai 
hierbei die Glieder, die in Bezug auf a, ß, y von der dritten 
oder noch höherer Ordnung sind, vernachlässigt werden. 

9. Berechne in analoger Weise den Zuwachs von — . 

r 

10. Ermittele den Grenzwert der folgenden Ausdrücke für 
die dahintergesetzten Werte von x\ 

a) "'--Irx = 0); b) ^;^^(a: = a); 
e) -L - 1 (a: = 0); i)xlx(x^O); 

X e — 1 
g)^(. = 0), h)-if-(x = 0). 



Kapitel XII. 

Hilfsmittel für die Integration. 

§ 251. Im folgenden sollen einige Methoden und Re- 
sultate der Integralrechnung näher besprochen werden. 

Wir erwähnen zunächst, dass eine rationale algebraische 
Funktion sich in allen Fällen integrieren läßt Von ganzen 
Funktionen (Polynomen, § 3) leuchtet dies wohl sofort ein. 



Hilfsmittel für die Integration. 367 

Gebrochene Funktionen lassen sich, wenn sie eine kompliziertere 
Form haben, in der § 7 angegebenen Weise zerlegen. Man 
gelangt dabei zu Integralen von der Gestalt 

r P_+J?5__ ._ d X und r ^^ , 

J {a + bx + ex^f Jlai-bxf 

wo n eine positive ganze Zahl, die auch gleich 1 sein kann, 
bedeutet. 

Das letzte Integral kann leicht nach der Substitutions- 
methode entwickelt werden; ftir das erstere hat man ^) (vergL 
das letzte Beispiel, § 196): 

C ^^^^ dx = ^ - + 

J (o -f Äx-f cx^f 2e(n- l)(a + bx -f oa;«)""^ 

'^ Y 2 o]] (a + 6 x -f c Jc*)" 
und, wenn n = 1 : 

r_/ ± i.^ rf :r = /- /(a + * ;r + c X») + 
Ja-hbx-^ex^ 2e ^ * 

, / _ *^\ r dx 

"^V 2c) J a -i- bx ■{■ cx^' 

£s handelt sich also nur noch um die Bestimmung des 
Integrals C—^ , wenn man zur Abkürzung a + bx + cx^^x setzt. 

£s besteht nun die ßedüktionsformel 

dx _r<^^_ 6 + 2ca? 2c(2n-3)rda; ,.. 

Es kann also j— ^- auf f— ^ zurückgeführt werden, dessen 
Wert (§ 195) bekannt ist. Man hat nämlich für A, > 

/dx 2 i. Ä + 2ex , ^ 
— .-. — ; j = — -arctg- -r h C*; 

für A = 

r__.A^ ^ i . ^ 

J a + bx + ex- b -\- 2cx "^ 

und für A < 

1) Viele Gleichungen, die wir in diesem Kapitel ohne Beweis an- 
führen, lassen sich dadurch verifizieren, daß man die beiden Seiten nach 
der unabhängig Variablen differentiiert. 



368 Zwölftes Kapitel. 



r dx _ __ 1 , / ]/- l + b + 2ecc \ % q 



Y^i Vi/ 

oder 



^ 1 ^/ b + 2cx^y-^i \ ^ c. 

V~^ [ b + 2oa;- V- X / 



je nachdem )/— X > oder < b + 2cx ist. 

Mit Hilfe dieser Resultate lassen sich alle zu Anfang 
dieses Paragraphen genannten Integrale durch algebraische, 
cyklometrische und logarithmische Funktionen darstellen. 

§ 252. Unter den Integralen von irrationalen algebrai- 
schen Funktionen können diejenigen, welche nur irgend eine 
Wurzel aus einer linearen Form a + bx enthalten, leicht auf 
Integrale von rationalen Funktionen zurückgeführt werden, wenn 
man jene Wurzel als neue Veränderliche einflihrt. Etwas 
weniger einfach sind die Integrale, welche eine Quadratwurzel 
aus einem Ausdruck vom 2^^ Grade enthalten. Als Grund- 
form derselben kann man das Integral 

dx 

B 



/ 



Ya + bx + cx^ 

betrachten, dessen Wert (vergl, § 195) für c > 



/, 



dx 1 



yä + bx + ox'^ ]/( 

und für c < 



l\b + 2 c X + 2^c^ a + b X + cx^'\ + C 



f 



dx 1 . — ft — 2ex . r> 

arc sm — + C. 



Da Formel (1) für alle Werte yon n, auch gebrochene 
und negative, gültig ist, wobei nur zu beachten ist, daß, 
wenn n negativ, das letzte Integral als das weniger einfache 
aus der Gleichung aufgelöst werden muß, so kann mai), so- 
bald n^p -\- \ ist, wo /? eine ganze positive oder negative 

— auf (2) reduzieren. So 
ist z. B. 

Jj/a + ia: + cx^dx = - — ]/a + bx + ex* 



+ 



4c 
X r dx 



il/a + 



8c jj/« + i,a? H- ex* 



Hilfsmittel für die Integration. 369* 

Man begegnet auch Fällen, wo unter dem Integralzeichen 

ausser '^a'\-bx + cx^ und einer ganzen Potenz von a + bx + cx^ 
noch im Zähler oder Nenner eine ganze Potenz von x vor- 
kommt. 

Es leistet dann die folgende Reduktionsformel gute Dienste : 

x^x^ dx = T-^ I af^^^-T^dx — 

(2n + m + l)ö (2w + ?w + l)oJ ,«. 

(2n + w+l)cJ 

Sie gilt für jedes Vorzeichen von m, nur muß für nega- 
tive Werte das letzte Integral als das weniger einfache aus 
der Formel berechnet werden. 

In . einigen Fällen kommt man mit der Gleichung (8) nicht 
2um Ziel; es ist z. B. unmöglich, mittels derselben den Fak- 
tor X im Integral 

d X 



/-. 



X ya + 6 a; + c a?* 

aus dem Nenner verschwinden zu lassen. 

Setzt man aber x ^ — * so geht [^dieses Integral über in 



-/ 



X 

dx 



welches leicht integriert werden kann. 

Man kann übrigens alle Integrale^ die ]/a + & or + c ar^ ent- 
halten, durch die Substitution von § 195 auf Integrale mit 

yi + y*, yi — y*, oder Vy*— 1 zurückführen. Setzt man hierin 
y = tg(Pf y = sin^y bez. y ss sQC<py so erhält man oft ziem- 
lich einfache Integrale mit goniometrischen Funktionen (vergl» 
-§ 203). 

Die Integrale von einigermaßen verwickeiteren irrationalen 
Funktionen, z. B. schon diejenigen, bei welchen unter dem 
■Quadratwurzelzeichen ein Ausdruck vom S***^ oder 4*®" Grad 
steht, lassen sich mit Hilfe der in diesem Paragraphen aus- 
•einandergesetzten Methoden nicht entwickeln; dieselben können 
überhaupt nicht, wie die einfacheren, mittels algebraischer, 
logarithmischer oder cyklometrischer Funktionen dargestellt 
werden. Man kann in diesen Fällen weiter nichts thun als 
^aß man die Integrale durch geeignete Substitutionen auf mög- 

LORBNTZ, Differentialrechnung. 24 



S70 Zwölftes Kapitel. 

liehst einfache Grundformen zurückführt. Diese letzteren, die 
unbestimmten Integrale nämlich, sind dann Funktionen Ton a 
die sich nicht mittels der in Kap. I und II eingeführten Zeichen 
darstellen lassen. Nichtsdestoweniger kann man, etwa durch 
Entwickelung in unendlich fortlaufende Reihen, den Wert 
derartiger Funktionen für bestimmte Werte der unabhängig 
Variablen kennen lernen. Abgesehen yon der additiven Kon- 
stante, ist in diesem Sinne jedes unbestimmte Integral, ebenso- 
gut wie sinar, Ix oder arctgor eine bekannte Funktion. 

§ 253. Die Reduktionsformeln für / sin* x dx und /cos* x dr 
(§ 197) sind besondere Fälle der Formel: 



/ 



sin^arcos^arda: 



sin' "^ X cos' '^^ X 



sin' ^^ x C08* "^ x 



+ — I sinP""2a:co8«arrfa7, 

P +? J 

+ — ~ - I sin' X cos«-- X dx. 



die für negative Werte von p oder q umzukehren sind. Mit 
Hilfe dieser Gleichungen läßt sich das Integral 



I sin^arcos^xrfar, 



wenn p und q ganze positive oder negative Zahlen sind, auf 
eine der Formeln von § 198 zurückführen. 

Uebrigens lässt sich jedes Integral mit goniometrischen 
Funktionen in ein algebraisches verwandeln, wenn man eine 
der Funktionen als neue Variable einführt. Welche Sub- 
stitution die geeignetste ist, hängt natürlich von der Form 
des gesuchten Integrals ab. In 



/ 



(a sin* x-hf> cos' x)" 

würde man tgx als neue Veränderliche zu wählen haben. Hat 
man in dieser Weise (4) gefunden, so kennt man auch das 
Integral 



/ 



dx 



{p + q cos x)" 

welches sich durch Einführung von-|-^ als Integrationsvariable 
auf (4) reduzieren läßt. 



Hilfsmittel für die Integration. 371 

§ 254. Mittels partieller Integration ergiebt sich 

j x^sinxdx ^ — ar™ cos x+m | .r* ■* ^ cos xdx^ 

l j:"*cos xdx = x^ sin x — m / x"* ~ ^ sin x dx , 

Diese Beduktionsformeln sind in den folgenden aUgemeineren 
Gleichungen enthalten: 

I ^» ^a (5Qg ffxdx=s ^ ^-^-Jl r^^ _ 

— -^Täi \^ j:t^''^e^'cosßxdx + ß jx^^-^e^' sin/Sar dx] , 

J ^ «' + P* ' 

+ ,^^ \ß \x^^^e^'QO%ßxdx — a far^-^ ««* sin ßx dx\' 

Alle diese Formeln gelten auch f&r m = 0; die beiden 
letzten geben in diesem Falle die Werte von 

j e'^'cosß xdx und j e^'sinßxdx. 

Wenn 71t negativ ist, so ergeben sich nach der ümkehrung 
der Gleichungen Beduktionsformeln für 

/e* , r sin a; , 

Dieselben versagen jedoch, wenn n=l. Die Integrale 



/6 j C amx j C coi 

— dx, ] axy \ — 
X ^ ^ X Ja 



cos.r , 
ax 



gehören eben zu denjenigen, die nicht mittels der Funktionen, 
die wir kennen gelernt haben, dargestellt werden können. 

§ 255. In einigen Fällen, in denen das unbestimmte 
Integral sich nicht durch die uns zur Yerfbgung stehenden 
Funktionen ausdrücken läßt, kann man doch bei speziellen 
Werten der Grenzen das bestimmte Integral berechnen. 

Als Beispiel diene das Integral 



00 



fe dx ^ 





24 



872 Zwölftes Kapitel 

welches in der Wahrscheinlichkeitsrechnung und in einigen 
physikalischen Theorien vorkommt. Sein Betrag I kann durch 
den folgenden KunstgriflF berechnet werden. Ist y eine zweite 
Variable, so hat man 

GO OD 



Für das Produkt der beiden Integrale laßt sich schreiben 
p = Je'''dx.Je''^dy = Jfe-'^^^'''dxdy. (5) 



Wenn wir nämlich in dem Doppelintegral die Integration nach 
y ausführen, so ergiebt sich 

e dx.je dy, d.h. 7.« dx, 



Die Integration nach x liefert dann 

00 



lfe'"^dx=:P. 



Der Wert des Doppelintegrals läßt sich nun durch Ein- 
führung einer neuen Veränderlichen ermitteln. Wir betrachten 
zu dem Zweck x und y als die rechtwinkligen Koordinaten eines 
Punktes P in einer Ebene F^ dessen Abstand vom Ursprung r 
sei. Dann ist 

p^fe'^'dF, 

wenn man die Integration über den vierten Teil der Ebene 
ausdehnt 

Es liegt nun nahe, das in der Weise auszuführen, dass 
man diesen Quadranten mittels um beschriebener Kreise in 
Elemente zerlegt. Zwischen zwei Kreisen mit den Radien r 
und r + dr liegt der Flächenteil ^Ttrdr. Das Integral (6) 
wäre also 

oo 

l» = \nje-''rdr, (6) 



Hilfsmittel fOr die Integration. 



378 



Indessen bedarf dieses nocli der Rechtfertigung. Die ge- 
suchte Größe I kann als der Grenzwert angesehen werden, 

dem sicli das Integral 

p 

ftf" dx 



nähert, wenn p immer größer und größer wird. Analog ist 
das Doppelintegral (5) der Grenzwert von 



Sf 





e 



- («• + y«) 



dxdy y 



d. h. /* ist der Wert von f e-^dV, wenn man dieses Inte- 
gral über ein unendlich großes Quadrat erstreckt. Dagegen 
ist in (6) 



QO 



i^/ 



e rdr 



der Grenzwert, dem sich der Ausdruck 



e rdr 







nähert, wenn q immer größer und größer wird. In Glei- 
chung (6) ist P daher der Wert von fe-'^dV^ wenn man 
dieses Integral f&r einen unendlich 
großen Kreissektor berechnet. Es er- 
erhebt sich also die Frage, ob das 
Integral f&r ein unendlich großes Qua- 
drat und für den unendlich großen 
Sektor denselben Wert annimmt. 
Wir konstruiren ein Quadrat ABC 
(Fig. 111) mit den Seiten -p und 
schlagen um zwei Kreise mit den 

Radien A == p und JB r=^ p^J. 
Dann wird offenbar die Integration 
der Funktion e^^* über das Quadrat AB CO einen Wert er- 
geben zwischen den Werten, welche man erhält, wenn mau 
einmal über den Sektor OAC und dann über den Sektor OED 
integriert. Nähert sich nun das Integral 




Fig. 111. 



874 Zwölftes Kapitel. 



einem bestimmten Grenzwert, wenn q ^ co wird, so gilt 
dieser für beide Sektoren, also auch tüx das unendlich große 
Quadrat. Die obige Frage muß also bejaht werden. 
Das unbestimmte Integral in (6) ist 



hieraus folgt 



fe-^rdr^ -| 



-r«. 



00 



und 
also 







00 



I^fe-^dx^^^Tt. (7) 



Hieraus ergiebt sich weiter, wenn a eine positive Zahl ist, 
durch Einführung einer neuen Variablen x yä 

00 

|.-«^rfx=||/|. (8) 

§ 256. Mit Hilfe dieser Resultate lassen sich auch alle 
Integrale von der Form 



GO 



p-«*'ar«rfjr, (9) 



für ganze positive Werte von m ableiten. Durch partielle 
Integration findet man nämlich 

Je-^^x^ dx ^ _J_^-ax«^m-i ^'^^ACe-^^x^-'^dx. (10) 

Hieraus ergiebt sich eine Reduktionsformel für das bestimmte 
Integral, wenn man einmal a: = cx) und dann or s= setzt und 
die Resultate voneinander subtrahiert. Das erste Glied auf 
der rechten Seite von (10) nimmt für :r » oo die unbestimmte • 
Form X CX) an. Man kann indes beweisen, daß beim Wachsen 
▼on X der erste Faktor e"*^^ in viel höherem Maße abnimmt, 



Hilfsmittel für die Integration. 375 

als der zweite x^~^ zunimmt, so daß der Grenzwert des Pro- 
duktes ist. ^ 

Da das Produkt auch filr x = verschwindet, so folgt 
AUS (10) 

OD 00 

2« J 


Durch diese Formel wird, wenn m gerade, das Inte- 
ns! schliesslich auf (8) zurückgeführt, ^enn m dagegen un- 
gerade, auf den Ausdruck 

OD 

I e^°-^ xdx ^ 



dessen Wert aus dem unbestimmten Integral abgeleitet werden 
kann. 



' Wir betrachten zu dem Zweck den einfacheren Ausdruck 

e-yy^, (11) 

wo p eine positive Zahl bedeutet, und stellen uns vor, daß y von einem 
gewissen positiven Wert ab jedesmal um eine Einheit zunimmt Ist zu- 
erst y ^ ky darauf y = A; + 1, so erhält man fttr (11) erst 

und dann 

Der letzte Ausdruck entsteht aus dem ersten durch Multiplikation 
mit dem Faktor 

' ' ' (12) 



Jl p + iy 

e\ k ) 



1 

Ist k sehr groß, so nfthert sich (12) dem Wert — . Hierausfolgt, daß 

man fQr k stets eine solche Zahl k^ angeben kann, daß (12) unterhalb 

einer bestimmten, zwischen 1 und — liegenden Zahl fi Iz. B. /i » -j liegt. 

Wird nun zunächst m \yY) y ^ k^ gesetzt, dann ist das Produkt gleich 
einem endlichen Wert, welcher, wenn y weiter stets um 1 zunimmt, 
fortwährend mit Faktoren, die kleiner als ^ sind, multipliziert werden 
muß. Der Grenzwert des Produktes muß deshalb sein. Wie hoch also 

auch der Elxponent p sein möge, die Zunahme des Faktors y' in (11) 
kann die Abnahme von e "^ ^ nicht aufwiegen. Da nun durch die Sub- 
stitution aaj' = y die Größe e"**^»"*"! in (11) übergeführt werden 
kann, so nähert sich beim Wachsen von x auch diese Größe der Null. 






376 Zwölftes Kapitel. 

§ 257. Das Integral (9) kann noch auf andere Wdäe 
berechnet werden. 

Wenn nämlich in einer Funktion die Konstante a vor* 
kommt, so hängt auch das zwischen den Grenzen p und f 
genommene Integral dieser Funktion — p und j sollen unab- 
hängig von cc sein — von u ab. Man kann dies ausdrücken 
durch die Formel 

'f{x,a)dx'^F{a). (13) 

p 
Die Funktion F{cc) kann nach cc differentiiert werden und 
zwar folgenderweise. Wir teilen das Intervall von p bis g in 
Elemente dx, und betrachten die Summe aller ssu diesen 
Elementen gehörenden Größen f{x, a)dx. Diese Summe, deren 
Wert eben F[a) ist, differentiieren wir Glied für Glied in Be- 

zug auf of. Eins der Glieder giebt -^-\f(x,aj\da:j wobei 

unter x und dx dasselbe zu verstehen ist, wie in dem Gliede 
selbst. Die Summe der Differentialquotienten bildet wieder 
ein Integral zwischen den Grenzen p und q\ d. h* es ist 

d 



/ 



da 
P 



[f(x,a)-]d»: = F'{a). 



Da nun -^— [f{xy a)"] eine andere Funktion von x ist, als 

f{x, ä) selbst, so hat man mittels der Differentiation aus (1 3) 
ein neues Integral abgeleitet 

CD 

Mittels dieses Kunstgriffes läßt sich /«-««^x^rfar fiir ge* 



rade m leicht berechnen. Wir gehen zu dem Zweck aus von (8) 



OD 



f^-'"''^=iyT 





und differentiieren nach a. Wir erhalten dann 



QO OD 



J^[«-«^]rfa:= -/.-«• x^rf.= -i-y^, 





also 



Hilfsmittel für die Integration. 377 



00 



/ 



e'^^x 





Aus diesem Integral findet man auf analoge Weise die 
"Werte von 

00 00 

• 

"o. s. w. Wir überlassen es dem Leser, diese Resultate mit denen^ 
welche die Reduktionsformeln des vorigen Paragraphen liefern, 
zu vergleichen. 

§ 258. Wenn andere Methoden versagen, kann man seine 
Zuflucht zu einer Entwickelung der zu integrierenden Funktion 
in eine unendliche Reihe nehmen. Um z. B. 



/ 



— dx 

X 



zu berechnen (§ 254), substituiert man (§ 240) 

«•=l+x + — + j^+... + 1.2.3. ..(«-D +^..> 

WO B^ eine Funktion von x ist, die beim Wachsen von n 
sich dem Wert Null nähert. Indem man Glied für Glied 
integriert, erhält man 



/ 



C* T 1 X^ 7? 



X • ' 1.2« ' 1.2.8« 

^-^ _ rB.^ (^^) 

•••+ 1.2...(n-2)(n-l)«~+J x ^'^• 

Das letzte Glied enthält eine unbestimmte .Eonstante. Wir 
können z. B. annehmen, daß die Funktion, deren Differential- 

quotient — ^ ist, für x = den Wert C hat. Für irgend einen 

anderen Wert von x ist jene Funktion dann gleich C vermehrt 
um den Zuwachs, den sie erfährt, wenn x von in den an- 
genommenen Wert übergeht, also gleich 

C + f^d..^ 





^ In diesem Ausdruck sind sowohl die verschiedenen Werte, welche 
die anabhängig Veränderliche in dem Integrationsintervall annimmt, als 



878 Zwölftes Kapitel. . 

Für (14) kann man deshalb schreiben 

9 

•••"*■ 1.2...(n-2)(n-l)« ■*"j "^^•^• 



Aus der Formel flir ß^ {§ 240) folgt, daß der Grenzwöt 

von — ^ fttr jeden Wert von x, auch für x =s 0, sich bei wachaeo- 

dem n dem Wert nähert. Deshalb muß auch f&r jeden 
Wert der oberen Grenze die Summe 

X 



f 



dx 



X 


für n =: 00 den Grenzwert haben, so daß die Reihe in der 
obenstehenden Gleichung konvergiert, und 

wird. 

§ 259. Als zweites Beispiel diene die Bestimmung des 
ümfanges P einer Ellipse. Wenden wir die Bezeichnungen des 

8 54 an und setzen — » 6, so ist 








oder, wenn mai^ die Substitution x = a^mtp benutzt, 

Vt« 

P=:4a Jyi-e^sin'y rf9>. (15) 



Aus der Binomialformel folgt 

]/ 1 — €* sin^ <p =1—^6* sin* qp — -— - «* sin* q> — 

i * «S gt * a 



auch der Endwert derselben durch x bezeichnet, was wohl kaum su einer 
Verwechselung Anlaß geben wird. Obrigens hätte man den unter des 
Integralzeichen stehenden Buchstaben x auch durch einen anderen e^ 
setzen können. 



Hilfsmittel fiir die Integration. 379 

'^reiche Gleichung für jeden Wert von (p gültig ist, da stets 
« sin (f <\ ist. Durch eine ähnliche Betrachtung, wie die im 
letizten Paragraphen mitgeteilte, läßt sich nun zeigen, daß man, 

rtm — — zu erhalten, nur jedes Glied der Reihe mit dtp zw, 

xxixiltiplizieren und zwischen und ^ ;r zu integrieren braucht, 
an findet also unter Berücksichtigung des § 199 Gefundenen 



-P = 23ia 



1 






Das Integral / y 1 — «* sin* tp d tp und die hiermit ver- 
"wandten 

d qi 



r _^.._ und ( 

J ]/l -6«8in> J (l+Asin« 



gp) y 1 — e' sin* <p 



kommen in vielen Aufgaben vor. Da die Bestimmung der 
Liänge eines elliptischen Bogens auf ein solches Integral hinaus- 
kommt, so nennt man sie elliptische Integrale. 

§ 260. Ebenso wie in den behandelten Beispielen kann 
man auch in vielen anderen Fällen die Funktion unter dem 
Integralzeichen nach steigenden Potenzen, sei es der unab- 
hängig Variablen, sei es einer Eonstanten, entwickeln und so 
für das Integral eine konvergierende Reihe aufstellen, so daß 
man, wenn man nur genug Glieder addiert, den Wert des- 
selben mit jedem Grad von Genauigkeit bestimmen kann. 

Ein anderes Mittel, um einen angenäherten Wert fiir ein 
bestimmtes Integral zu finden, ergiebt sich unmittelbar aus 
der Auffassung des Integrals als eine Summe unendlich vieler 
Glieder. Ist z. B. f&r jeden Augenblick die Geschwindigkeit 
eines beweglichen Punktes gegeben, so wird man einen Nähe- 
rungswert für den in einem bestimmten Zeiträume zurück- 
gelegten Weg erhalten, wenn man dieses Intervall in kleine Zeit- 
teilchen zerlegt, für jedes derselben den Weg berechnet, als wäre 
die Bewegung gleichförmig, und schließlich addirt. Man wird 
sich weniger von der Wirklichkeit entfernen, wenn man die 
Bewegung während jedes Zeitteilchens als gleichförmig be- 
schleunigt oder verzögert betrachtet, und noch weniger, wenn 
man annimmt, es sei die Geschnrindigkeit eine quadratische 
Funktion der Zeit. 



880 Zwölftes Kapitel. 

• 

Natürlich sind derartige Näherungsrechnungen auch ba 
bestimmten Integralen, welche eine andere Bedeatung habco, 
anwendbar. Handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts 
eines Flächenteiles wie ÄPQS (Fig. 93, S. 254), und zeriegt 
man diesen in vertikale Streifen, so kann man die obere 
Begrenzung jedes Streifens ersetzen durch eine zur x-AAm 
parallele Gerade (erste Näherung), resp. eine zu OZ geneigte 
Gerade (zweite Näherung) oder durch einen Parabelbogen (dritte 
Näherung). 

Wir erwähnen noch folgendes. Soll das Integral 

n 

I = ff{x) da; 

m 

ermittelt werden, so kann man, wenn die Grenzen m und n 
nicht zu weit auseinander liegen (größere IntegrationsinterysJle 
kann man zerlegen und jedes der entsprechenden Teilintegrale 
für sich behandeln), die Funktion f{x) annähernd (vergl. § 22) 
als eine quadratische Funktion 



ff {x) = a + bx + cx^ 

darstellen. In derselben lassen sich die Koeffizienten so be- 
stimmen, daß für drei Werte von x die Funktion f{x) genau 
erhalten wird. Wir wählen fttr jene Werte von x die beiden 
äußersten, m und n, und den in der Mitte zwischen diesen 
liegenden Wert, so daß für diese drei Werte 

wird. 

Der gesuchte angenäherte Wert des Integrals ist nun 

n 

f{a + bx + cx^)dx, 

m 

was man leicht berechnen kann. Das Resultat läßt sich 
schreiben in der Form (vergl. Aufg. 77, S. 302) 

I=^i{n - m)[(jp(m) + i<p{i{m + n)] + (p{n)] 

oder 

/ = i(n - m) [f{m) + 4/-{i(m + n)] + /(«)]. 



Hiffsmittel für die Integration. 88 1 

Dies Ergebnis köDnen wir benatzen, nm näherungsweise 
den Flächeninhalt irgend einer Figur, bei welcher die be- 
grenzende Knrve nnr durch die Ordi- 
nateen einzelner Punkte gegeben zu 
sein braucht, zu bestimmen. Man 
teile die Grundlinie IP (Fig. 112) in 
eine gerade, aber sonst beliebige An- 
zahl gleicher Teile k und ziehe durch 
die Teilpunkte Parallele zu der^-Achse. 
Setzt man 7>4 =y(,, JCJ = y„ iC = yj Fig ,,3 

u. 8. w., 80 ist n&herungsweise 

IäCL = ^A(y, + 41,, -hy,), 

NEGP=\hiy^ + iy,+y,). 

Durch Addition ergiebt sich 

lAGP^ iÄ(y„ + 4y, + 2y, + 4y, + 2y^ + 4y, + y^). 

Hätte man die Basis iu eine beliebige andere gerade An- 
zahl (n) Teile geteilt, so hätte man analog erbalten 

lA CP= ^Ä(yo-»-4yi -J-2y,+ 4yj -|- 2j.^ +4y, + -)-yJ (16) 

Diesem Besultate entspricht folgende Gleichung, in der 
Torausgesetzt ist, daß man das Integrationsintervall n — m in 
eine gerade Anzahl gleicher Teile h zerlegt hat 

jf{x)dx = ^A[/V) + 4/-{»i + A) + 2/-(m + 2A) + 
+ 4/-(m + 3A) + 2A'» + 4A) + ... 
+ 2/-(n-2A) + 4/'(n-A)-^ /■(«)]. 

Der hierin ausgedrückte Satz heißt die SiHFSOK'sche ßegel. 

§ 261. Auch ohne Berechnung, mit Hilfe von eigens zu 
diesem Zwecke konstruierten Apparaten läßt sich der Wert 
von Integralen ermitteln. 

Ein solcher von Jaues Thomson erfundener Integrations- 
apparat ist folgendermaßen eingerichtet. Ein horizontaler 
Umdrehungscflinder C, dessen Axe man sich in Fig. 113 senk- 
recht zur Ebene der Zeichnung zu denken hat, ist frei um 




882 Zwölftes Kapitel. 

seine Achse, und eine ebene runde Scheibe AB um die ia 
ihrem Mittelpunkt errichtete Senkrechte OL drehbar. 
Die Ebene steht ebenfalls senkrecht zur Ebene der Figur und 
ist der Achse des Gylinders parallel, aber in Bezug auf de& 

Horizont geneigt. Eine Kugel K drQch 
vermöge ihrer Schwere auf den Cylinder 
und die Ebene; sie läßt sich in der 
Richtung senkrecht zur Zeichnung Ter- 
schieben; geschieht dies, so beschreiben 
die beiden Berührungspunkte gerade 
Linien, und der Apparat ist so ein- 
p. ^jg gerichtet, daß die eine dieser Linien 

gerade durch den Mittelpunkt der Scheibe 
geht. Während die Kugel verschoben wird, kann sie sich frei 
um ihren, jenen Linien parallelen Durchmesser drehen; und in 
den Berührungspunkten ist die Reibung genügend, um ver- 
mittelst der Kugel die Umdrehung der Scheibe auf den Cylinder 
zu übertragen. 

Es sei nun y eine gegebene Funktion der Zeit t, und es 
werde nach dem Wert des Integrals fydt gefragt. Man er- 
teile der Scheibe eine konstante Winkelgeschwindigkeit m und 
verschiebe die Kugel fortwährend so, daß der Abstand ilires 
Mittelpunktes von der mittleren Lage, in der K das Centram 
der Scheibe berührt, ^ cy (c konstant) sei. Der Berührungs- 
punkt der Kugel mit der Scheibe, also auch der mit dem 
Cylinder, hat dann eine Geschwindigkeit cG^iy. Ist der Badias 
des Cylinders=a, so ist die Winkelgeschwindigkeit des letzteren 

-— y. Zwischen den Augenblicken ^ und t^ wird also der 

Cylinder sich um einen Winkel 



4 



dt 



drehen; liest man diesen Winkel an einer passend angebrachten 
Teilung ab^ so hat man auch den Wert des Integrals 

^ydL 



Hilfsmittel für die Integration. 883 

Außer diesem existieren noch verschiedene andere In- 
'tegrierapparate. Hierher gehören unter anderem diePlanimeter, 
"welche man benutzt, um einer Zeichnung (z. B. einer Karte) den 
Xnhalt eines begrenzten Teiles zu entnehmen. 

Aufgaben. 
Es sollen die folgenden Integrale berechnet werden: 

J 1 + a?»' J 1 - x«' ''' J (x+l)ix + 2)(x + 8) ' 

4 r ^^ . 5 rVZEKdr' 6 f-^^-; 

7 f ^ - . ö r ^^ 

J V'(a + 6a;4-ca;y' ''• J si 



Bin' X cos' a; ' 



Vt« 



9. fsm^xcos^xdx: 10. fr — 4- ;i • 

J J (a + 6 cos xy 



11. Es sollen Beduktionsformeln fär 

/ dx , r rfa; 

(1 + a;«)» ^" J a^y^^^ 

aufgestellt werden. 

12. Es soll der Werth der folgenden Integrale berechnet 
werden: 

+ » +00 +00 

Je-^^'dx, Je^-^^dx, Je^'^^'^^dx. . 



^ Of* — GO — 00 



13. Die Schwingungsdauer deines mathematischen Pendels 
von der Länge / ist gegeben durch die Formel 



^=VI/ '' 



yi — sin* \ a sin* (p 


WO cc die größte Abweichung aus der Gleichgewichtslage dar- 
stellt. Es soll' 7 in eine Reihe nach steigenden Potenzen von 
sin^l« entwickelt werden. 



384 Dreizehntes Kapitel. 



Kapitel XIII. 

Die Fourier'sche Eeihe. 

§ 262. In § 46 (vergl. § 66) wurde nachgewiesen, daK 
man durch Addition von goniometrischen Funktionen kom- 
pliziertere Funktionen erhalten kann, die mit den goniometrischen 
die Mgenschaft der Periodizität gemein haben. So besitzt eine 
Reihe, deren Glieder die mit konstanten Koeffizienten multi- 
plizierten Sinus der Vielfachen von x enthalten, die Periode 2 sl 
Dasselbe gilt, wenn auch Glieder mit den Cosin\is der Viel- 
fachen Yon X auftreten und wenn ein konstantes Glied vor- 
kommt Von FouBiEB wurde nun nachgewiesen, daß man 
jede willkürliche Funktion von x^ deren Periode 2 % ist, durch 
eine solche Reihe mit unendlich vielen Gliedern darstellen 
kann, daß also, wenn f(x) eine solche Funktion bedeutet, die 
Koeffizienten so gewählt werden können, daß für jeden Wert 

von X 

f(x) = a + b^ cos X + b^ cos 2x + b^ cos 3 x + , . . . 

+ Cj sin j: + c^ sin 2 a: + C3 sin 3 X + • . . . 
ist. 

Die Integralrechnung setzt uns in Stand, wenn wir die 
Möglichkeit dieser Entwickelung voraussetzen, den Wert der 
Koeffizienten zu bestimmen. 

Wir schicken die Bemerkung voraus, daß, eben weil 2% 
die Periode von f{x) ist, die Reihe (1) flir alle Werte yon x 
gilt, sobald sie ftir irgend ein Intervall, dessen Anfangs- und 
Endpunkt um 2 n voneinander entfernt sind, z. B. ftlr das 
Intervall x =:-' n bis x =+ n gilt. Wir beschränken uns 
daher auf dieses Intervall. Innerhalb desselben kann die 
Funktion f{x) jeden willkürlichen Verlauf nehmen, so daß flir 
— ;r < X < + ;r jede Funktion, mag sie periodisch sein oder 
nicht, nach Formel (1) entwickelt werden kann. 

§ 263. Wir wollen zuerst versuchen, das konstante Glied a 
zu bestimmen. Man sieht leicht ein, daß dasselbe im allge- 
meinen auftreten muß; denn wäre a = 0, so würde, da jedes 
Glied der Reihe zwischen a: = — (?r und x =^ + n positive und 
negative Werte in gleichem Maße anninmit, dasselbe von f(r) 



Die Foorier'sehe Jleihe. 385 

gelten müssen, was im allgem^en nicht der Fall ist. Die 
Funktion f{x) kann z. B. im ganzen Intervall* positiv sein, oder 
können die positiven Werte überwiegen. Beides ist nur 
LÖglich, wenn a positiv ist. 

Um nun a zu bestimmen, multipliziere man die Glei- 
-clinng (1) mit dx and integriere zwischen den Grenzen — n 
lind +n. Alle Glieder mit einem Sinus oder Cosinus geben 
•dann 0, aber aus dem ersten Glied entsteht 2;ra, so daß 

+ n 

[x)dx (2) 



- i/ « 



— n 



«ein muß. Ist f{x) gegeben, so ist dieses Integral eine be- 
•stimmte konstante Zahl. 

§ 264. In analoger Weise lassen sich alle anderen Koeffi- 
zienten in (1) ermitteln, z. B. der Koeffizient b^ von cos mar. 
Man multipliziere zu dem Zweck die Gleichung nicht bloß 
mit dxj sondern überdies noch mit einem anderen Faktbr, 
der so gewählt wird, daß, wenn man zwischen ^n und +n' 
integriert, alle Glieder mit Ausnahme von dem mit b^ weg- 
fallen. Man beachte dabei, daß im vorigen Paragraphen alle 
•Olieder mit einem Sinus oder Cosinus beim Integrieren 
lieferten y weil sie in dem Integrationsintervall in gleichem 
Maße positive und negative Werte hatten. Damit also jetzt 
h^ nicht verschwindet, wird man mit einer solchen Größe 
multiplizieren müssen, daß dieser Umstand bei cos m x wegfällt. 
Dies ist der Fall, wenn man co^mx dx als Faktor wählt. 
Denn es ist (§ 200) 

QO^'^mxdx = w. 



/ 



— « 



Die übrigen Glieder verschwinden, denn man hat, wenn it 
irgend eine von m verschiedene ganze Zahl bedeutet: 



+ « + « 



f cos m X cos nxdx =^ ^ \ cos [m -{- iC)x dx + 



+ Ä 



+ \\ cos(iii — n)xdx =s 0, 



— n 



LORBSTZ, Differentialrechnung. 25 



386 Dreisehntes Kapitel. 

da die beiden Integrale mit cos {m + n)x und cos (m — n) 
verschwinden. Ebenso ist 

+ W + Ä 

I cos m ar sin n ar rf ar = J- I sin (m + n)ar rfa: — 



— W . — X 



— ^ I sin (»! — n) ar rfa: = , 



— Ä 



welch letztere Formel auch gilt, wenn n = m ist. 

Da also durch die angegebene Operation auf der rechten 
Seite Ton (1) nur b^n herauskommt, so erhält man 

+ n 



Ä^ Ä — / f{x) coB mxd X , 



(3) 



— n 



Da man hierin für m nacheinander 1, 2, 8 u. s. w. ein- 
setzen kann, so lassen sich alle Koeffizienten ft^, i,, 63, . . . . 
berechnen. Wir bemerken noch, daß, wenn man die Formel 
auch flir m SB anwendet, und also aus derselben einen Koeffi- 
zienten b^ ableitet, das erste Glied a in (1) durch ^b^ ersetzt 
werden darf. 

In ähnlicher Weise läßt sich der Koeffizient von sin m x^ 
also c^, bestimmen. Man multipliziere zu dem Zweck (1) mit 
%mmxdx und integriere wieder zwischen ^n und +3r. Da 

I %\Ti}mxdx = n 



— n 



und, wenn m und n voneinander verschieden sind, 

+ n 

I sin 772 X sin n a: ^x = 0, 
sro ergiebt sich 



— n 



+ n 



^« 



= — / f{x) sin mxdx , (4) 



— 71 



§ 265. Als Beispiel setzen wir 

f{x) = x. 
Man findet dann leicht, daß 



Die Fourier'sche Reihe. 



387 



+ --r 



= ^/' 



COS mxdx SS 0, 



— n 



+ n 



1 r • 

= — I xsw 



2 2 

-^ / orsin mar c?ar = oder + 



m 



m 



— n 



je nachdem m gerade oder ungerade ist. 

Nach dem Theorem von Foubieb muß also für alle Werte 
von X zwischen —it und +n 

\x = sinar — ^8in2x + j-sinSx — ^sin4x + . • . . (5) 

sein. In Fig. 114 ist dieses Resultat graphisch dargestellt 
Die punktierten Sinusolden stellen die drei ersten Glieder der 




A~l!, 



Fig. U4. 

Beihe dar; durch Zusammensetzung derselben (§ 66) ist die 
ausgezogene Linie entstanden. In ihrem mittleren Teil nähert 
sich die letztere einer Geraden^ deren Gleichung 

y^\x 
ist. 

Als zweites Beispiel setzen wir/(ar) = x^. Es ergiebt sich 

+ w 



a= 2*^ J x»d:p = ^;r», 



— n 
+ n 



= - - l x^ COS m ar d jr = H — v oder ^ 

n J m* nr 



— n 



25 



888 



Dreizehntes KapiteL 



je nachdem m gerade oder ungerade ist. Femer findet man 

c^ sa: — / ar* sin m ar rfar =s , 



^ n 



(6) 



SO daß fllr — n < x < + n 

•J^ ar* — ^ «' s= — COS X + \ cos 2 ar — ^ cos 3 ar + 

+ -jlg- cos 4 ar — . . . . 

In Fig. 115 stellen die punktierten Linien wieder die drei 
ersten Glieder dar. Die daraus zusammengesetzte Kurve 
nähert sich der Parabel 

Substituiert man in (5) und (6) f&r x irgend einen Bruchteil 
von n^ so erhält man Reihen, aus denen sich der Wert von n 
oder von n^ berechnen läßt (vergl. § 245). 




Fig. 115. 

Daß in der Reihe (5) nur die Sinus und in (6) nur die 
Cosinus auftreten, rührt daher, daß die linke Seite von (5) bei 
Umkehrung des Vorzeichens von x ebenfalls ihr Vorzeichen 
wechselt — ihr absoluter Wert bleibt ungeändert — ^ während 
die linke Seite von (6) dabei dasselbe Vorzeichen behält. 

Im allgemeinen werden, wenn f{x) die erste Eigenschaft 

hat, von den Elementen des Integrals Jf{x)ooBmxdx sich 



— X 



gegenseitig je zwei aufheben, so daß b^=^0 wird. Bleibt 
dagegen beim Wechsel des Vorzeichens von x sowohl das Vor- 
zeichen als auch der Wert der Funktion ungeändert, so wird aus 
Tihnlichem Grunde c^^ sein. In der Entwickelung einer 



Die Fourier'sche Reihe. 389 

^^llkürlichen Funktion, der weder die eine noch die andere 
Sigenschaft zukommt, treten sowohl Glieder mit Sinus als auch 
mit Cosinus auf. 

Übrigens gelten die Gleichungen (5) und (6) nur inner- 
halb des angewiesenen Intervalles. Überschreitet man das- 
selbe, so wiederholt sich die der Reihe entsprechende Curve^ 
da ja eine jede der Linien, aus denen sie zusammengesetzt ist^ 
die Periode 2n besitzt. Im ersten Beispiel (Gleich. 5) folgen 
also Teile von geraden Linien aufeinander, im zweiten para- 
bolische Bögen. Mit anderen Worten, die Reihen (5) und (6) 
stellen periodische Funktionen dar, die für -^ n <x < + n 
den durch f{x) = |ar oder f{x) = ^a:* — -jly ;i* bestimmten Ver- 
lauf nehmen. Im ersten Beispiele muß diese periodische 
Funktion für a- = ± ;r, ± 3 -w: u. s. w. diskontinuierlich sein 
und aus dem Wert ^n in — ^n überspringen. Die Reihe (5) 
kann natürlich für diese Werte von x nicht gleichzeitig beide 
Werte annehmen, thatsächlich ist sie, wie man leicht einsieht, 
= 0. Sobald jedoch x nur wenig größer oder kleiner ist als 
die Werte, bei denen die Diskontinuität auftritt, stellt die 
Reihe den Wert der oben genannten periodischen Funktion dar. 
§ 260. Die Auseinandersetzungen am Anfange dieses 
Kapitels können nicht als ein Beweis für das Theorem von 
. FouBiEB gelten, denn die Möglichkeit der Reihenentwickelung 
wurde unbewiesen angenommen. Da ein vollständiger Beweis zu 
weit führen würde, so wollen wir uns damit begnügen, einiger- 
maßen zu erläutern, warum die Reihe, deren Koeffizienten 
durch (3) und (4) gegeben sind, konvergiert und warum ihre 
Summe f{x) ist. 

Eine unendliche Reibe konvergiert, wenn die Summe S^ 
ihrer n ersten Glieder sich bei zunehmendem n einem be- 
stimmten Grenzwert nähert. Dazu ist erforderlich, daß die 
neu hinzutretenden Glieder schließlich nur noch einen sehr 
geringen Einfluß auf S^ ausüben. Die Glieder der Reihe, die 
vielleicht, von dem ersten ab gerechnet, eine Zeit lang wachsen 
können, müssen also schließlich immer kleiner werden. Dies 
ist wirklich bei der Reihe von Foubieb der Fall; denn für 
m = 00 ist sowohl Lim b. als auch Lim c^ = 0. Um dies 
einzusehen, betrachten wir die Integrale (3) und (4) etwas ge- 
nauer. Die Funktionen cosm^ und sinm^ir werden, wenn x 



890 Dreizehntes Kapitel. 

von — « in + n übergeht, wiederholt gleich 0, indem sie ihr 
Vorzeichen wechseln, und zwar geschieht dies für Werte von 2, 

die in den Abständen — voneinander entfernt liegen. Ist nun 

m 

m sehr groß, so wächst die Anzahl dieser Intervalle — , wäh- 

93% 

rend ein jedes sehr klein wird. Die Werte, welche f{x) m 
zwei aufeinander folgenden Intervallen annimmt, unterscheiden 
sich dann nur sehr wenig voneinander. Wäre f(jc) g\mdi 
einer Konstanten, so würden, wie sich leicht nachweisen läßt, 
zwei aufeinander folgende Intervalle gleiche Beiträge för düe 
Summe (3) oder (4), aber mit entgegengesetztem Vorzeichen 
liefern. Hieraus folgt, daß wenn m sehr groß ist und f{x) 
irgend eine kontinuierliche Funktion bedeutet, die Teile, welche 
in den Summen (8) und (4) von zwei aufeinander folgenden 
Intervallen herrühren^ einander beinahe aufheben. Es müssen 
daher ä und c sehr klein werden, und zwar um so kleiner, 
je größer m ist. 

§ 267. Nachdem wir so die Möglichkeit der Konvergenz 
dargethan haben, wollen wir die Summe einer endlichen An- 
zahl von Gliedern bilden und zeigen, daß sich diese Summe 
einem bestimmten Grenzwerte nähert, wenn die Anzahl der 
Glieder zunimmt. Gehen wir also aus von der Reihe 

i ^0 + *i ^^s ^ + *8 <^os 2 ar + A3 cos 3 JT + ... 
+ Cj sin ar + C3 sin 2 ar + C3 sin 3 j: + . . . , 

in welcher die Koeffizienten die Werte 



*« = ^/ AI)cosin|d| 



— TT 

und 

+ w 



= i/AI)si 



«^»--l Al)8iii»»|rf| 



— n 



haben. 

(In den beiden letzten Formeln haben wir nicht, wie in 
(8) und (4), ar, sondern | flir die Integrationsvariable geschrieben, 
um in der Folge Verwechselungen zu vermeiden). Wir legen 
nun X einen bestimmten, bei der folgenden Betrachtung fest- 



Die Fourier'sche Beihe. 891 

-»t^ehenden Wert zwischen — n und + n bei und bilden die 
Summe 8^ der Reihe, bis zu den Gliedern, welche cos nx 
xjLTid sin nx enthalten. Zu dem Zweck setzen wir die Werte 
der Koeffizienten in die Reihe ein, schreiben den konstanten 
Oosinus und Sinus unter das Integralzeichen und vereinigen 
schließlich alle Glieder zu einem einzigen Integral nach |. 
'Eis ergiebt sich so 

Sn = — I f{i) [ J- + COS I cos x + ... + cos n I cos n X 

+ sin I sin or + ... + sin n | sin n or] <f | 



— 7t 



(7) 



+ n 



= ^ / f{i)[i + C08(| - .r) + ... + cosw(| - x)] d| 



+ n 

oder ^ 



«.-i/nsn&^^j^"«- w 



— » 



Diese Gleichung gilt für alle Werte von | — x, auch für 
^ — X = 0, wenn man in diesem Falle für den Bruch seinen 
Grenzwert n + \ nimmt. Es sind ja, wenn | — o; » 0, alle 
Cosinus in (7) 1, so daß f{i)d^ in jener Gleichung wirklich 
mit n + \ multipliziert ist. 

Der Ausdruck (8) hängt ausser von x noch von n ab. 
Wir wollen jetzt untersuchen, welchen Wert er annimmt, wenn 
n fortdauernd zunimmt. 



^ Um die Samme 8 der Reihe 

co8a + co8 2a + coB3a4- ••• + ton na 

XU bestimmeo, multiplixiert man dieselbe mit 2 sin l a. In dem dadurch 
entetehenden Ausdruck 

2«.8in|a = 2 8in|aco8a + 2 8in|aco82a + ... + 2 sin -J^a cos na 

«netze man die Glieder recht8 durch 

sin { a — sin ^ a, sin ^ a — sin | a, ... sin (n + 1) a — sin (n — \)a. 

Man erhftU dann 

2 « . sin I a » sin (n + i) a — sin i a, 
folglich 

8in(n4- i)a 

^' 2sinia *• 



892 



Dreizehntes Kapitel 



§ 2^. Dm diese Frage zu beantworten, betrachten vir 
den Verlauf der Fui^ion 

8in(fi+ Die -x) .g. 

2 sin !({-») ' ^' 

Wenn ^ das Intervall yon -- 9r bis + n durchläuft, wird de? 
Zähler dieses Bruches wiederholt gleich 0. Zuerst tritt dieser 
Fall ein, wenn f = a: ist, femer für alle Werte von ^, die 
man hieraus durch jedesmalige Addition oder Subtraktion toq 



271 



2n + 1 



erhält, also f&r 



und 



| = ^ + 



| = x- 



2n 



2n+ 1 



271 



| = ^ + 



^ = ^ 



4n 



2n + 1 



471 



U. S. W. 



U. 8. W. 



2» + 1 ' ** 2» + 1 

Verschwindet der Zähler, während der Nenner von Tcr- 
scbieden ist, so ist der Wert des Bruches 0. Dies ist der 
Fall für alle obengenannten Werte mit Ausnahme des ersten, 
wenn | » x ist. In diesem letzteren Falle ist auch der Nenner 0; 
für den Bruch ist dann, wie bereits bemerkt, n + ^ m setzen. 

Jedesmal, wenn die Funktion (9) wird, wechselt sie ihr 
Vorzeichen. 

Teilen wir also das ganze Intervall von — 9ir bis + x in 

kleinere, und zwar in ein Intervall von x — - — ^-- bis x + - — ^^ 

und in Intervalle, welche halb so breit wie dieses letztere sind, 
so wird die Funktion (9) in den aufeinander folgenden Inter- 
vallen abwechselnd das positive und negative Vorzeidien haben. 
In jedem Intervall ist der absolute Wert der Funktion einmid 
ein Maximum; bei dem zuerstgenannten liegt dieses Maximum 
genau, bei den anderen nahezu in der Mitte. 

Fig. 116 diene zur Erläuterung. Die Abscissen stellen 
die Werte von |, die Ordinate die von (9) dar. (Der Ursprung 
und auch die Punkte, für welche | = — ;r und | == + jr ist^ 
liegen außerhalb der Figur.) 

In A ist I =s a:, ferner ist 

und 

Aa = n + ^. 



Die Fourier'sche Reihe. 



898 



Diese Figar kann nun auch zur Veranschaulichung von (8) 
dienen. Man denke sich nämlich, daß in jedem Punkt der 
Elbene der Wert der Funktion f(^) aufgezeichnet sei (l&ngs 
jeder Ordinate ist der Wert von f{^) derselbe). Dann ist das 
Integral in (8) das Oberflächenintegral ff{i)dF, bezogen auf 
die Fläche PaQbBcS u. s. w., welche durch die krumme 
liAnie und die Achse AD begrenzt wird. Es ist das so zu 
▼erstehen, daß man die Bei- 
träge, welche die oberhalb 
der Abscissenachse liegenden 
Fl&chenteile, mePaQ,ltcS 
liefern, mit dem positiven 
Vorzeichen, und die von den 

unteren Flächenteilen , wie 

Qb 2t herrührenden Beiträge 

mit dem negativen Vorzeichen 

in Rechnung bringt. 

Offenbar ist der Wert 

von /*(!) in irgend einem 

Punkte unabhängig von n. 

Es todert sich daher, wenn 

n zunimmt, nur das Integra- 
tionsgebiet. Während bei A 

die Maximum-Ordinate be- 
stehen bleibt, rücken die 

Schnittpunkte der krummen 

Linie mit der x- Achse näher 

aneinander, wenn n zunimmt, 




Fig. 116. 



denn der Abstand dieser Schnittpunkte ist stets 



2n 



Fer- 



2n + 1 

ner wird mit wachsendem n das Maximum bei A =: n + ^ 
stets größer, ebenso die unmittelbar nach rechts und links 
folgenden Maxima; aber die Maxima, die in einem endlichen 
Abstand von A liegen, nehmen nicht in gleicher Weise zu, 
wie das bei A. Betrachten wir z. B. einen im Abstand 
i^j^n von A gelegenen Punkt T, Ist n= 1000, dann liegt 
in der Nähe jenes Punktes das 10^ Maximum von A ab 
gerechnet (wenn man das bei A gelegene nicht mitzählt). Den 
Wert dieses Maximums erhält man annähernd, indem man in (9) 



;394 Dreizehntes Kapitel. 

^ — X ^ yI+t ^ ^®*2^ 5 ®^ ^^^ ungefölir gleich 30, während (ks 
Maximum bei A gleich 1000 + ^ ist. Ist dagegen r'= lOOOOO, 
dann liegt in der Nähe desselben Punktes T das 1000*** Maxi- 
mum, dessen Betrag wieder ungefähr SO ist, während das 
Maximum bei A gleich 100 000 + ^ ist. 

Man kann nun nachweisen, daß die Teile des Integra- 
tionsgebietes, die in einem endlichen Abstand von A ent- 
fernt liegen, beim Wachsen von n je länger, je weniger zum 
Oberflächenintegral ffü) d V beitragen. Zunächst beachte man, 
daß der Inhalt der etwas von A entfernten, abwechselnd ober- 
und unterhalb der Achse gelegenen Figuren stets kleiner wird, 
wenn n zunimmt, da ihre Breite längs der Achse stets abnimmt 
während die Höhe, die Maximumordinate, nach dem Vorhergehen- 
den nicht in demselben Maße zunimmt. Deshalb werden auch die 
Beiträge, welche diese Figuren für das Integral ff{^)dT 
liefern, stets kleiner. Dazu kommt noch, daß, wenn n sehr 
groß ist, der Nenner des Bruches (9) innerhalb zweier aufein- 
ander folgender Intervalle beinahe konstant, etwa = p bleibt, 
so daß die Kurve (Fig. 116) in endlicher Entfernung von A beinahe 

mit der Sinusolde — sin (n + |^) (| — x) zusammenfallt. Zwei 

aufeinander folgende ober- und unterhalb der Achse gelegene 
Flächenteile besitzen daher beinahe denselben Inhalt. Die Bei- 
träge, welche diese beiden zum Integral ffi£)dV liefern. 
sind beinahe gleich; da sie aber entgegengesetztes Vorzeichen 
haben, so heben sie sich beinahe gegenseitig auf. Aus diesem 
Grund verschwindet in f f{^)d F der Einfluß des Integrations- 
gebietes, welches um eine endliche Strecke von A entfernt ist. 

Anders liegen die Verhältnisse bei den TeUen des Inte- 
grationsgebietes, welche in unmittelbarer Nähe von A liegen. 
Auch hier nimmt mit wachsendem n die Breite eines Inter- 
valles längs der Achse fortwährend ab. Da aber die Höhe 
fortwährend zunimmt, so bleiben diese Teile endlich. Über- 
dies nehmen auch die Differenzen in den Werten der Maxima 
hier stets zu, so daß die von den verschiedenen Teilen des 
Integrationsgebietes in der Nähe von A herrührenden Beiträge 
für //(l)rfFsich nicht gegenseitig aufheben. 

Hieraus geht hervor, daß das Integral (8) einen endlichen 
Wert behalten kann. Da nun in dem Oberflächenintegral 



Die Fourier*8che Reihe. 396 

J'/"(§)<f r alle Werte, welche /*(!) in endlicher Ehitfemung von 
^ z=^ a: annimmt, einen bei wachsendem n stets abnehmenden 
£jiiifiiiß haben, so ist es wohl begreiflich, daß nur der Wert 
für ^ ^ Xj d. h. /(x), für den schließlichen Wert des Integrals 
znstßgebend ist. Das Integral muß also ebenso groß sein, als 
wenn alle /*(|) dem f{x) gleich wären. Ersetzen wir in (8) 
/"(g) durch f{x), so erhalten wir für das Integral 






das ist 

wie man leicht findet, wenn man den Bruch unter dem Inte- 
gralzeichen wieder durch die Reihe ersetzt, an deren Stelle er 
getreten war. 

Es ergiebt sich somit 

Lim 5„ = f{x) , 

womit die Richtigkeit der FouBiEB'schen Reihe bewiesen ist. 
§ 269. In dem Beweis, den wir hier in seinen Haupt- 
Zügen mitgeteilt haben, wurde in Bezug auf die Funktion f(x) 
nur vorausgesetzt, daß sie für jeden Wert yon x zwischen 
— n und + n einen einzigen Wert annimmt. Dabei braucht 
die Beziehung zwischen f{x) und x nicht in dem ganzen Inter- 



vall von — ;k bis + ;r dieselbe zu sein; die Kurve f{x) kann 
aus verschiedenen krummen oder geraden Linien zusammen- 
gesetzt sein. 

Nehmen wir z. B. an, daß die Funktion f{x) = — x zwischen 
— 91 bis 0, daß sie dagegen = + x zwischen :r = und + n 
sei, so entsteht die gebrochene Linie A0£ (Fig. 117), in der 
Oa= Ob =^ n. Es ist dann 



S96 Dreizehntes Kapitel. 

+ w » 



ff{x) C08 mxdx zsz Jf{x) cos mxdx + ff{x) cos mxdx 



-» — » 

n 



== — Jxcos m X dx + Jx cos m x rfx 



— n 

n 



= 2 Jxcosmxdx =as 





=3 0, wenn m gerade, dagegen = ^ , wenn m ungerade. 

Ferner ist 



ff{x) sinmxdx =i 



und 



— n 



+ n 



Jf{x)dx = Ä*. 



— ;i 



Die FouBiEB^sche Reihe wird dann 

f{x) = -J Ä cos X —^- cos 3 X — -^r-^^os 5 j: — ... 

Der Leser möge sich selbst durch eine graphische Darstel- 
lung davon überzeugen, daß man durch Zusammensetznng 
einer geraden Linie {y = \n) und der den weiteren Gliedern 
entsprechenden Sinusolden die gebrochene Linie ÄO B vsA 
wenn man sich nicht auf das Intervall — ^ bis + ^ be- 1 
schränkt, die ganze gebrochene Linie ÄOBPC. erhält. 

Zum Schluß erwähnen wir noch, daß die Funktion f[x) 
sogar nicht kontinuierlich zu sein braucht, sondern an irgend 
einer Stelle einen Sprung zeigen darf, vorausgesetzt nur, daß 
sie nirgends unendlich groß wird. Die Integrale (3] und (4) 
lassen sich auch dann auswerten und die Beweisführung des 
vorigen Paragraphen bleibt unverändert. Wenn indes für x 
der Wert eingesetzt wird, bei dem die Funktion aus einem 
Wert p in einen anderen q sprungweise übergeht, so ist in 
Fig. 116 links von der Ordinate Ä a die Funktion /'(l) = p und anf 
der anderen Seite /*(|) = q. Zieht man dies bei der Berechnung 
des Oberflächenintegrals ff(i)dF in Betracht, so ergiebt sich, 
daß die Summe der FouBiEB'schen Reihe für diesen Wert 



Die Fourier'sche Reihe. 397 

von X weder p noch q^ sondern ^(p + q) ist. Analog giebt die 
JFoxJBiKR'sche Reihe, wenn die Funktion f{x) für x = — ;y und 
jp SB 4- TT nicht denselben Wert annimmt, für diese beiden 
^Werte \[f{—n) + f{+n)'\ (vergl. das erste Beispiel § 265). 
Sei beispielsweise, zwischen ar = — !t und ar = 0, f{x) = — ä. 
zwischen x ^0 und a? = + jt dagegen f{x) ^ + a{a konstant), 
«o ergiebt sich 

\f{x) sinmxdx = 2a jsiumxdx ^ — , oder = , 

je nachdem m ungerade oder gerade ist. 
Femer ist 

lf{x) cos m xdx =s , 

— n 

«o daß 

f[£) s — (sin * + J sin 3 ar + -J- sin 5 ar + . . .). 

Die durch Zusammensetzung der entsprechenden Sinusolden 
erhaltene Linie f&llt flir alle Werte yon x mit Ausnahme von 
O, ± 9r, ±2 9r,... mit einer der geraden Linien AB^ CJD^ 
AB, Ciy u. s. w. (Fig. 118) zusammen {0 P =^0(i ^n, 
OB ^ OC = a). Für ar = 0, ± tp u. s. w. ist die Reihe gleich 0, 
^0 gleich der halben Summe von + a und — a, 

c D C' Ji- £1. 



P: 



! : 5 

j i L 



! I 

I I 



y 



A B Ä* B' A" B" 

Fig. 118. 

§ 270. Durch einen einfachen Kunstgriff läBt sich Glei* 
'Chung(l) derart erweitem, daß sie nicht nur für ^ n <x <, + ;c, 
sondern für jedes beliebige Intervall gilt. Sei z. B; die Funktion 
i^(ar) zwischen den Grenzen a; == — A und ar a + A gegeben. 

Setzt man ar = — x\ dann ist -P(ar) = J?[ — x\ wofür man 

auch fS,x) schriBiben kann. Da nun, wenn x das Intervall 
von.— Abis + A durchläuft, x von — ;i bis + ji variiert^ so 



39S 



Dreüehnt«! Kapitel. 



i+b ix 



kann man f&r alle Werte von x zwischen — h und 
Funktion ffz") nach GMeichung (1) entwickeln. Es ei^k 
sich dann 
f{x') ^ \ b^ + ö^ coB X + bgCoa 2 x' + bg cos 3 
+ c, ein x' + c, sin 2 j' + c, sin 3 . 



(in 






Ersetzt man nun in (10) /'(«') durch F(x) and x' durch - 
dann wird für jeden Wert von x zwischen — A und + h 

F(x) = ^i« + Öj cos -^ + ÄjCOS-^ f- i,C08^^ + ■ . • 

+ Ci Sin ^^ + c, sin -j- + c, sin -^ + . . . , 
während nach Einftihmng von ^ (11) Übergeht in 

*, = \ fF(x)cos-^-dx, 



^ \frix)sin'^-^dx. 



{13} 



Ist F{x) periodisch mit der Periode h, dann gilt Gleichung (12) 
■^ ■> '" . ^ yjjij jjj^ erhält daher den fiir lüe 

tigen Satz, daß man jede willkflrlicbe 
, deren Periode T (= 2h) ist, darch 
onen mit den Perioden T, ^T, ^T, ^2 
an. 

lan durch die Gleichimg (12) auch den 
zwischen den willkürlichen Werten « 
en Variahlen durch goniometrische Fonk- 
a ttkhre zu dem Zweck x' ~ x — \{a + (?) 
> ein und beachte, daß dieses V iwischen 



Die Fourier'sche Reihe. 399 

— ^ iß — cc) und + \{ß — cc) variieren kann. Setzt man also 
\ (J3 — ä)^ h, dann kann man direkt Gleichung (12) benutzen. 

§ 271. Die Entwickelungen des vorigen Paragraphen gelten, 

^wie groß die Zahl h auch sein mag; ja man kann selbst zu 

älem Grenzfall h^oo übergehen, wobei sich dann ergiebt, daß 

sicli jede beliebige Funktion in ihrer vollen Ausdehnung mittels 

goniometrischer Funktionen darstellen läßt. 

Um den Übergang zur Grenze fbr As=cx) auszuführen, 
Bchreiben wir zunächst statt (13) 



K-^ifmcos^di], 



- h 
+ h 



:,= lfF(i)sin^;ldi, 



- h 

und substituieren diese Werte in (12), wobei wir unter x einen 
bestimmten Wert verstehen. Wir erhalten dann 

+ h +h 



- A - A 



+ A 



+ J/'(|)cos2-J(|-x)rf| + .... 



- A 

oder kürzer ausgedrückt 

+ Ä 



^(^)=H^/^^^^'^^+ 






(14) 




+ ^/-^(|)co8^(|-;r)rf§] 



-A 

Setzt man ^^ = >l, so ist jedes Glied der rechts stehen- 
den Summe von der Form 

+ A 



fF(l)cosX{i^x)di. 



- A 



400 DreizehnteB Kapitel. 

Betrachtet man x und h als Konstanten, so ist diesei 
Integral eine bestimmte Funktion von X, etwa q) (A). In Glei- 
chung (14) müssen jetzt flir Ä die Werte 0, -^ , — ^ , —^ — ge- 
setzt werden. Konstruiert man eine Kurre, indem man ak 
Abscissen X und als Ordinaten tp (X) benutzt und zieht eine Reihe 

von Ordinaten im Abstand -^ voneinander , betonend mit 

Jl = 0, dann ist die Summe dieser Ordinaten gleich dem Aus- 
druck in der Klammer in Gleichung 14. (Die erste Ordinate 
muß noch mit ^/^ multipliziert werden.) Multipliziert man 
diese Summe mit dem Abstand der Ordinaten voneinander, 

also mit ^ , so ergiebt sich der Wert von n F{j:y. Läßt man 

jetzt h wachsen, so verändert sich zunächst die Funktion f (4 
von welcher wir aber annehmen wollen, daß sie endlich bleibt, 
selbst wenn h unendlich wird. Schließlich verwandelt sieb ^ (i) in 

— 00 

um nun hieraus wieder jt.P{x) zu berechnen, muß man 
zwischen. As und Asoo die zu der Linie y^{X) gehörigen 
Ordinaten ziehen, und zwar in den unendlich kleinen Abständen 

-^, und die Summe der Ordinaten mit diesem Abstände -r 

multiplizieren. Hierbei ist es offenbar gleichgültig, ob man 
die erste Ordinate ganz oder halb in Rechnung bringt. Das 
Resultat der Summation kann dargestellt werden durch 

OD 

Cip{X)dX, 



und man erhält also 

00 +00 

^(*) = ^Jd ^ r^CI) cos A (!-«) rf|. (15) 

- OD 

Jedes Olied dieses Integrals, nämlich 

dxjF(i)coi?.(i-z)di, 

— 00 

wofür man auch schreiben kann 



Die Fourier'sche Reihe. 401 

» 

+ 00 +00 

cosAoT.rfA r^(|)co8A|rf| + 8inA.r.rfÄ ri^(|)sinA|rf|, 

— 00 - 00 

ist eine goniometrische Funktion yon x mit der Periode —^* 

Die Gleichung (15) lehrt daher, daß man für alle Werte von x 
eine jede Funktion betrachten kann als die Summe einer un- 
endlich grossen Anzahl von goniometrischen Funktionen^ deren 
Amplituden unendlich klein sind, während die Perioden unendlich 
wenig Yoneinander verschieden sind und alle möglichen Werte 
haben können. 

Aufgaben. 

1. Es soll bewiesen werden, daß für < ar < (hp jede Funk- 
tion dargestellt werden kann durch eine der Eeihen 

F{x) = j- Jj^ + Äj cos ar + Äj cos 2 ar + A3 cos 3 a: + .... 

F{x) = Cj sin X -^^ c^ sin 2 a: + Cj sin 3 x + • • • • 9 
wo 

Ä = — / F{x) cos mxdx y 



m 





n 



= v/^(") «^' 



c^ = — / F(x^ sin mxdx 




ist. 

2. Es sollen die Koeffizienten in der Reihe (1) (§ 262) fiir 

F(x) = x^ und F{x) = ar sin ar 

« 

bestimmt werden. 

3. Desgleichen für F(x) = sin A ar {k gleich einer ganzen 
Zahl). 

4. Welche Vereinfachung erfährt das Resultat von § 271, 
wenn F{x) = F{—x) ist? 

5. Es soll bewiesen werden, daß für alle positiven Werte 
von X 

LOBXHTZ, Differentialrechnung. 26 



402 Vierzehntes Kapitel. 



00 OD 



F(x)^-^ fcosXxdl fF{i)cos}Lidi = 





OO OD 



= -^ f sin Ix dk fF(^)smXSd^ 



ist 



6. Es soll bewiesen werden, daß 

00 OD "t" OD 4'<X> 



ist 



-00 -00 

COS i (I — a?) COS jLt (i? — y) dXdfid^ d tj 



Kapitel XIV. 

Differentialgleichangen. 

§ 272. Ist eine Funktion durch die Gleichung 

y = /•(*) 

gegeben, so läßt sich aus derselben ableiten 

und es lassen sich dann durch Kombination dieser Gleichungeo 

mehr oder weniger einfache Beziehungen zwischen x^y, -^u.8.w. 

ableiten, welchen Beziehungen jedes System yon zu einander 
gehörenden Vi^erten dieser Größen genügt. 
Aus y = «' folgt z. B. 

aus y = a^ 



ä.-^l (2) 



und aus y — «"sinx 

S-24^ + 2y = 0. (3) 



dx^ dx 



Differentialgleichungen. 403 

Ähnliche Beziehungen können auch zwischen den par- 
tiellen Differentialquotienten bestehen, wenn man es mit mehr 
als einer unabhängig Variablen zu thun hat. Aus z=^€*^' + fi9 
folgt z. B. 

und 

Jede Gleichung, welche wenigstens einen Differential- 
quotienten enthält — sie kann auch deren mehrere enthalten 
und dürfen auch die Veränderlichen selbst in der Gleichung vor- 
kommen — heißt eine Differentialgleichung. Während wir 
in den obigen Beispielen eine derartige Gleichung aus einer 
gegebenen Beziehung zwischen den Variablen abgeleitet haben, 
kommt es auch oft vor, daß gerade die Differentialgleichung 
der unmittelbare Ausdruck der Bedingungen eines Problems ist. 
Bewegt sich z. B. ein materieller Punkt auf einer Geraden unter 
dem Einfluß einer Kraft, die eine Funktion des Ortes, wo sich 
der Punkt gerade befindet, oder was dasselbe ist, des Ab- 
standes s von einem festen Punkt der Bahn ist, so ist auch 
die Beschleunigung eine Funktion von s, was man durch die 

Differentialgleichung: ^-^ = F(s) ausdrücken kann. 

§ 273. Man unterscheidet gewöhnliche Differential- 
gleichungen und partielle Differentialgleichungen. Ist y eine 
Funktion von nur einer Variablen x, und kommen also in der 
Differentialgleichung nur die nach dieser einen Variablen x 
genommenen Differentialquotienten vor, so heißt die Gleichung 
eine gewöhnliche Differentialgleichung. Ist dagegen 
die Funktion von mehreren Variablen abhängig und enthält 
die Differentialgleichung die partiellen Differentialquotienten 
nach diesen Variablen, so heißt die Gleichung eine partielle 
Differentialgleichung. 

Man teilt die Differentialgleichungen in verschiedene Ord- 
nungen ein nach der Ordnung des höchsten Differential- 
quotienten. Eine Differentialgleichung von der n^®° Ordnung 
ist also eine solche,' in welcher ein oder mehr Differential- 
quotienten von der n*®° Ordnung, aber keine höheren vor- 

26 ♦ 



404 Vierzehntes Kapitel. 

kommen. So sind z. B. die folgenden DifferentialgleichangeB 
von der ersten Ordnung: 

und 

Die Gleichung 

ist von der zweiten Ordnung, die Oleichung 

ist von der n^^ Ordnung. 

Man unterscheidet schließlich lineare Differential- 
gleichungen und nicht lineare. In einer linearen Gleichung 
kommen die abhängig Variablen und ihre Dififerentialqnotienten 
nur in erster Potenz vor und keine Produkte der Funktion 
mit den Dififerentialqnotienten oder der Differentialquotienten 
untereinander. Eine gewöhnliche lineare Dififerentialgleichüng 
y^ter Ordnung ist danach von der Form: 

cP V dv -,,- 

n— 2 fix* ' «—1 rfic "--^ ' 

WO ÖQ, Äj, ttj, . . . . a„, X Funktionen von x allein oder kon- 
stante Grössen sind. Ist X = , enthält also die Gleichung 
kein Glied, welches von der gesuchten Funktion y frei ist, 
sondern sind durch die Dififerentialgleichüng nur Glieder, welche 
die gesuchte Funktion und ihre Dififerentialquotienten linear 
enthalten, in Verbindung miteinander gebracht, so heiBt die 
lineare Gleichung homogen. 

§ 274. Ist eine Dififerentialgleichüng gegeben, so besteht 
ofifenbar eine gewisse Beziehung zwischen den Veränderlichen. 
Man kann demnach die Aufgabe stellen, diese Beziehung durch 
eine Gleichung zwischen den Variablen selbst, ohne Dififerential- 
quotienten auszudrtickien. Diese neue Gleichung nennt man 
die Auflösung oder auch die Integralgleichung der gegebenen 
Dififerentialgleichüng. Unter der Auflösung oder Integration 



Differentialgleichangen. 405 

DifferentialgleichuDg versteht man die Operationen, mit deren 
Hilfe man aus der Dififerentialgleichong zu der Beziehung 
zwischen den Variablen selbst gelangt. 
Ist z. 6. die Gleichung 

gegeben, so erhält man mit Hilfe der Integralrechnung un- 
mittelbar 

y^fF(x)dx+G^ 

Diese Gleichung ist offenbar , welchen Wert die Eonstante C 
auch haben mag, eine Auflösung der Differentialgleichung (4). 
£ben8o wie in diesem Beispiele ist auch im allgemeinen eine 
Funktion durch eine Differentialgleichung nicht ganz bestimmt. 
So wird z. B., wie sich leicht nachweisen läßt, Gleichung (1) 
§ 272 genügt durch y == C«*, Gleichung (2) durch y = Car» und 
(3) durch y =a «* (C^ sin or + Cj cosar), welche Werte man den 
Konstanten auch zuerkennen mag. (Hinfort soll Cj nötigen- 
falls mit einem Index oder mit Accenten^ stets eine unbe- 
stimmte Eonstante darstellen.) 

Daß in den Integralgleichungen unbestimmte Eonstanten 
auftreten, liegt übrigens in der Natur der Sache. Gesetzt, 
wir haben eine gewöhnliche Differentialgleichung erster Ord- 
nung. Wir können uns immer vorstellen, daß dieselbe nach 

-p^ aufgelöst, und daß also dieser Differentialquotient als eine 

Funktion von x und y gefunden sei 

%-n-,y)' (5) 

Die Beziehung zwischen x und y ist uns hierdurch völlig 
bekannt, sobald wir den zu einem bestimmten Wert x = a 
(etwa ar = 0, oder x = 1) gehörigen Wert y^ von y kennen. 
Erteilen wir nämlich, von a ausgehend, der unabhängig Vari- 
ablen den unendlich kleinen Zuwachs Sj so folgt aus ^5) fttr 
den entsprechenden Zuwachs von y: 



^ Hinfort wollen wir unter fF{x)dx nicht alle, sondern nur einen 
der Werte des unbestimmten Integrals verstehen, sodaB in diesem Aus- 
druck noch keine unbestimmte Konstante vorkommt. 



406 Vierzehntes Kapitel. 

Wir kennen jetzt zwei neue zusammengehörige Werte a + S 
und y^ + 6. Eine zweite unendlich kleine Zunahme von x, 
etwa S'f führt zu einem Zuwachse von y^ für den wir nach (5) 
schreiben dürfen 

und der uns also auch bekannt wird. So gelangen wir zu einem 
dritten Wertepaar a + S + S^f y© + * + •> ^^^ indem wir in 
dieser Weise fortfahren, können wir den allmäblichen Ände- 
rungen von y Schritt für Schritt folgen. 

Die Unbestimmtheit der Auflösung besteht nun darin, daS 
man den zu x ^ a gehörigen Wert y^ willkürlich wählen kann. 

Geometrisch läßt sich das Gesagte wie folgt erläutenL 
Wenn x und y rechtwinklige Koordinaten in einer Ebene sind, 
so läuft die Frage nach der Beziehung zwischen x und y dar- 
auf hinaus, daß man den Lauf einer Kurve zu bestimmen hat. 
Die Gleichung (5) zeigt uns nun in jedem Punkte der Ebene 
die Richtung der Kurve an. Wenn uns diese Richtung gegeben 
ist, so können wir zwar von einem beliebigen Punkte aus nur 
eine einzige Kurve ziehen ; da wir aber den Anfangspunkt nach 
Belieben wählen können, erhalten wir nicht eine einzige Kurve, 
sondern eine ganze Schar von krummen Linien. Hat die 
gegebene Differentialgleichung die Gestalt (4), dann muß in 
allen Punkten einer zu der y- Achse parallelen Linie, die Rich- 
tung der durch dieselben gehenden Kurven dieselbe sein. 
Daraus geht hervor, daß die eine Kurve aus der anderen 
durch eine Verschiebung (ohne Änderung der Form) in Rich- 
tung der y- Achse erhalten wird, und das ist es eben, was 
durch die jetzt additiv auftretende Konstante in der Integral- 
gleichung ausgedrückt wird. 

Erst wenn für C aus irgend einer Nebenbedingung, z. B. 
daraus, daß die Kurve durch einen gegebenen Punkt gehen 
soll, ein bestimmter Wert abgeleitet ist, ist jede Unbestimmt- 
heit in der Integralgleichung beseitigt. 

Solange die Konstante C einen beliebigen Wert hat, 
nennt man die Auflösung der Differentialgleichung eine all- 
gemeine, und dementsprechend heißt das Integral dann das 
allgemeine Integral. Wenn dagegen der Wert der Inte- 
grationskonstanten bestimmt ist, so nennt man das Integral 
ein partikuläres Integral. 



Differentialgleichungen. 407 

§ 275. Ähnliches wie von den Gleichungen erster Ordnung 
^ilt auch von denen höherer Ordnung. Ist in einer gewöhn- 
lichen Differentialgleichung — — der höchste Differentialquotient, 
so können wir die zu einem bestimmten Wert o: = a gehören- 
den Werte von y , ^ , . . . ^ , beliebig wählen, etwa die 

"Werte y^, l^] .... ( -^-1 . Dadurch ist dann der weitere 

^0' \dx)o' Uaj'-Vo 

Verlauf von y völlig bestimmt. Zunächst l&Bt sich nämlich 

der Wert von — - , der zu j: = a und den vorher gewählten 

Werten der übrigen Größen paßt, aus der Differentialgleichung 

berechnen: es sei dieser Wert ( — ^| . Erteilt man dann x 

den unendlich kleinen Zuwachs Sj so ergeben sich als neue 

Werte von y, -j^, . . . r- 

^' dx' da^-^ 



Hieraus berechnen wir nun wieder mittels der Differential- 
gleichung den neuen Wert ( — —] des n*«° Differentialquotienten. 

\da^ n 

Dadurch sind wir dann im Stande die Veränderungen zu be- 
rechnen, welche durch einen zweiten unendlich kleinen Zu- 
wachs von X hervorgebracht werden, und so können wir fort- 
fahren. 

Die Werte y^j, [^j , . . . [ — ^^ j können bei diesem Ver- 
fahren nach Belieben gewählt werden. Diese Größen, oder 
eine gleiche Anzahl anderer, die mit ihnen in irgend einem 
Zusammenhange stehen, müssen daher in der Integralgleichung 
als unbestimmte Eonstanten auftreten. Wie man sieht, ist die 
Anzahl dieser Eonstanten bei einer gewöhnlichen Differential- 
gleichung der Ordnungszahl n gleich. 



408 Vierzehntes Kapitel 

Das einfachste Beispiel einer Gleichung von der n*** Ord- 
nung ist 

WO im zweiten Gliede nur z vorkommt. Man findet hieraus y. 
indem man n-mal hintereinander nach x integriert. X>ies giebt 



dar 

U. 8. W. 



4^ = fdx fFix)dx + qx + C, 
dx J «^ 



7 



80 daB in y zum Schluß n unbestimmte Eonstanten auftreten. 

Da nach dem Obigen das Integral einer Gleichung nf^ Ord- 
nung n unbestimmte Konstanten enthält^ so kann, man auch 
umgekehrt schließen, daß man die allgemeine AuflösuD^^ einer 
Gleichung vf^^ Ordnung gefunden hat, in der alle partikuläre 
Lösungen enthalten sind, sobald man in irgend einer Weise 
zu einer Gleichung zwischen x und y mit n Eonstanten ge- 
langt ist. 

§ 276. Das oben in Bezug auf das Auftreten der un- 
bestimmten Eonstanten Auseinandergesetzte wird noch be- 
stätigt, wenn man sich das Ziel setzt, eine Dififerentialgleichung 
aufisusuchen, deren allgemeine Auflösung eine gegebene Glei- 
chung mit einer Eonstanten C ist. Wenn 

F{x,y, C) = 

ist, dann hat man 

dF .dF^dy^ ^q 
dx dy dx 

Eliminiert man aus diesen beiden Gleichungen C, so er- 
hält man eine Beziehung zwischen x, y, und -^ , die gültig 

ist, welchen Wert man auch C beilegen mag, also die ge- 
suchte Differentialgleichung. 

Geht man von einer Gleichung zwischen x und y mit n 
unbestimmten Eonstanten aus, dann kann man daraus durch 
wiederholte Differentiation n andere Gleichungen ableiten. 
Eliminiert man aus diesen und der ursprünglichen Gleichung 



A 



Differentialgleichungen. 409 

die Konstanten, so ergiebt sich eine Dififerentialgleicbung von der 
^t«n Ordnung, deren allgemeine Auflösung eben die gegebene 
Grleichung ist. 

§ 277. Im folgenden sollen einige Fälle besprochen wer- 
den, in denen die Auflösung einer Differentialgleichung ziem- 
lich leicht gelingt. 



Gegeben sei 



ax 



oder 

Xdx+ rrfy = 0, (6) 

^wo X nur von x und ¥ nur von y abhängen soll. Man 

bilde die Summe der unbestimmten Integrale fXdx und 

y* Tdy. Die Gleichung enthält links das Differential dieser 

Summe und sagt also aus, daß bei den gleichzeitigen Ände-^ 

rangen von x und y die erwähnte Summe konstant bleibt 

Also 

fXdx + fTdy=:i C. 

So folgt z. B. aus 

xdx +y rfy = 0, 

ar« + y> = C. 

Manche Gleichungen, die nicht gerade die Form von (6) haben, 
lassen sich hierauf zurückführen. Um z. B. die Gleichung 

ydx — xdy = 

aufzulösen, dividiere man durch xy. Man erhält dann 

dx __ dy^ ___ ^ 

woraus folgt 

Ix-^ly^lC 
oder 

y 

Um das Resultat so einfach wie möglich zu gestalten, 
ist f&r die unbestimmte Eonstante in der vorletzten Gleichung 
IC geschrieben worden, was natürlich erlaubt ist, da man 
jede konstante Zahl als den Logarithmus einer anderen kon- 
stanten Zahl ansehen kann. 



1 Zur Übung möge der Leser, auch in den spSteren Beispielen, aus 
der Auflösung wieder die Differentialgleichung ableiten. 



410 Vienehntes Kapitel. 

§ 278. Zur Übung mögen folgende Aufgaben diesen 
Man soll die Gleichung derjenigen Kurven suchen, dem 
Subnormale in allen Punkten denselben Wert p hat. 

Die gesuchten Kurven sind charakterisiert durch die 
Oleichung (vergl. § 111) 



^.-y'^-v- 



Hieraus folgt 



ydy =pdx, 
y» = 2px + C. 

Die EurveUi welche die verlangte Eigenschaft haben, sind 
also (§ 58) Parabeln, bei denen der Brennpunkt um die Strecke j^ 
vom Scheitel entfernt ist, deren Symmetrieachse mit der 
Abscissenachse zusammenfällt und deren Scheitelpunkt eine 
beliebige Lage auf dieser Achse hat. 

Wenn eine vollkommen biegsame Schnur an ihren End- 
punkten befestigt ist, so senkt sie sich vermöge ihrer eigenen 
Schwere. Es soll die Form der Kurve bestimmt werden. 
Ofifenbar liegt dieselbe in der Vertikalebene, welche durch 
die Auf hängepunkte geht. 

Man lege in dieser Ebene zwei rechtwinklige Achsen 
X und Yy wovon die erstere nach rechts, die letztere nach 
oben zeigt. Es seien x und y die Koordinaten eines Kurven- 
punktes, und & der Winkel, den die nach rechts gezogene Tangente 
in diesem Punkt mit X bildet (Drehungsrichtung wie in § 50). 

Es besteht nun in der Schnur an allen Stellen eine ge- 
wisse Spannung, deren Wert im Punkte (ar,y) wir S nennen 
wollen, d. h. der rechts von diesem Punkte liegende Teil zieht 
an dem links liegenden mit einer Kraft 5, und erleidet von 
dem linken Teil eine gleiche Kraft in entgegengesetzter Rich- 
tung. Zerlegen wir diese Kräfte nach den Richtungen Ol 
und ¥y so erhalten wir für die Komponenten der zuerst- 
genannten Kraft 

und ftlr die zweite Kraft — J und — £. Die Werte von A 
und £ in verschiedenen Punkten unterscheiden wir durch an- 
gehängte Indices. 



Differentialgleichangen. 411 

Es seien M und N zwei beliebige Punkte der Schnur, 
deren zweiter am meisten nach rechts liegt, und also das 
größte X hat; P sei das Gewicht des Teiles MN. Auf diesen 
"Peil wirken außer der Schwerkraft die Spannungen der rechts 
und links an denselben grenzenden Teile, also parallel zu X 
die £jräfte Ä^ und — Ä^, und in der Richtung Zdie Kräfte 
JB^ und — B^. 

Da nun sowohl die horizontalen, wie auch die vertikalen 
Kräfte sich das Gleichgewicht halten müssen, erhalten wir die 
Bedingungen 

J„ - ^« = 0, 

Die erste Gleichung lehrt uns, daß die horizontale Span- 
nangscomponente an allen Stellen denselben Wert hat, daß 
also Ä konstant ist. 

Die zweite Gleichung wenden wir auf einen unendlich 
kleinen Teil der Schnur, dessen Länge dx und dessen Pro* 
jektion auf OX gleich dx sei, an. Wenn wir das Gewicht 
pro Längeneinheit mit p bezeichnen (es sei dies eine Eon- 
stante) und berücksichtigen, daß 

so verwandelt sich die Gleichung in 

Äd{ig&)=pd8, 
oder wenn man mit dx dividiert 



A 



d X C08 ^ 

dd^ p , 



C08^ 



.woraus folgt (§ 198) 

l\%{\n^\&)^^{x+C) 



oder 



T (* + 0) 



tg(i^+i'^)=^^ 

tg,^==i[4^"^^-r^^'-^1, 

dy 
dz 



= i 






+oj 



412 Vierzehntes Kapitel. 

Eine nochmalige Integration liefert dann die GieichiiLg 
für die Kurve, nämlich 

Die Größen J, C und C können bestimmt werden, wenn 
die Koordinaten der Aufhängepunkte und die LäDge der 
Schnur gegeben sind. Wir überlassen dem Leser, dies weiter 
zu untersuchen und zugleich durch Verschiebung der Koordi- 
natenachsen die Formel auf die Gleichimg (Aufgabe 21, S. 10€] 
der Kettenlinie zurückzuführen. 

§ 279. Ein drittes Beispiel entlehnen wir der EHektricitäts- 
lehre. Ein elektrisierter Körper verliert seine Ladung allmählich 
infolge mangelhafter Isolierung. Hierbei soll der EHektricitäts- 
verlust proportional der gerade vorhandenen Ladung sein, 
kann also, wenn diese = i? ist, während der Zeit dt durch 
a E dt dargestellt werden (a konstant). Die Differential- 
gleichung 

dt 
giebt uns E als Funktion der Zeit. Schreibt man hierfür 

und integriert, so ergiebt sich 

also 

E=- Ce-^K 

Die Konstante C hat eine einfache Bedeutung, sie stellt näm- 
lich die Größe der Ladung zur Zeit t^O dar. 

Der Leser behandle in ähnlicher Weise die Aufgaben 
§§11 und 13 und vergleiche das Obenstehende mit den Aus-, 
führungen in § 11. 

§ 2 80. Die Differentialgleichungen der vorigen Paragraphen 
hatten die Form 

f{x)dx^(p{y)dy, 

oder konnten auf einfache Weise auf diese Form gebracht 
werden. Jede Seite dieser Gleichung enthält nur eine der 
beiden Variablen und ihr Differential. Man sagt deshalb, die 
Variablen seien gesondert oder getrennt. Zuweilen, wenn 



Differentialgleichungen. 413 

Trennung der Variablen nicht unmittelbar möglich ist, 

S^lii^gt sie doch, wenn man vorher eine neue Veränderliche 

einführt. Dies ist der Fall bei allen Gleichungen, die auf 

die Form 

dy 



=^(v) 



dx 

gebracht werden können. Substituiert man hierin 

^wo auch u eine Funktion von x ist, so erhält man die G-lei- 
chung 

deren allgemeines Integral 

r_du_ ^i^^c 
JF{u)-'U *^"r^ 

ist. Nach der Integration hat man bloß u » ^- zu setzen, um 

die verlangte Beziehung zwischen x und y zu erhalten. 

§ 281. Auch wenn die Veränderlichen nicht getrennt 
werden können, kann man zuweilen die Integration unmittel- 
bar ausführen. 

Jede Gleichung der ersten Ordnung kann auf die Form 

Xdx + Ydy = (8) 

gebracht werden, wo X und Y im allgemeinen sowohl x als 
auch y enthalten. Läßt sich nun eine Funktion (f angeben, 
deren vollständiges Differential ^ Xdx + Y dy ist (§ 153, 
vergl. auch § 164), so ist 

die Auflösung der gegebenen Differentialgleichung. So folgt 

z. B. aus 

[2x + y)rfa: + (x + 2y)dy = 0, 

x^ + xy +y^^ C. 

Die Integration läßt sich ebenfalls leicht ausführen, wenn die 

Gleichung die Gestalt 

d(p = F{x)dx 

hat {(p eine Funktion von x und y) und im allgemeinen bei 
einer Gleichung von der Form 

d(p + d'tp + rf/ + ....« 0, 



414 Vienehntes Kapitel. 

wenn tp und x Bbenso wie cp Funktionen von x und y «aL 
Aus der ersten Gleichung folgt 

(p^fF{x)dx+ C 
und aus der letzten 

9 + V^ + / + = t'. 

§ 282. Nur in den seltensten Fällen läßt sich Gleichung (ff, 
in der angegebenen Weise integrieren. Zuweilen gelingt dia 
aber nach vorhergehender Multiplikation mit einer passend 
gewählten Größe, welche man sodann den integrierendes 
Faktor der Gleichung nennt Ist z. B. die Gleichnng 

^ + X,y^X, (9) 

gegeben, wo X^ und X^ Funktionen von x allein sind, daDo 
läßt sich ein integrierender Faktor €p angeben, der ebenMs 
nur von x abhängt. Nach der Multiplikation mit diesem Faktor 
geht (9) über in 

X^y(pdx+tpdy^X^ipdx, (10) 

In dieser Gleichung ist die linke Seite ein totales Differen- 
tial, wenn X^ytp und <p als die partiellen Differentialqaotienten 
nach X und y einer und derselben Funktion aufgefaßt werden 
können. Dazu ist nach § 164 nötig, daß 

d {X^ y q>) ^ 09 
dy dx 

oder 

ist, welcher Bedingung Genüge geleistet wird durch 

l^=(X^dx oder qp^^^^****. 

Dies in (10) eingesetzt liefert 

d{yef^^'')=^X,dx.ef''^'% 

eine Gleichung, die unmittelbar integriert werden kann. 

§ 283. Zu einer Gleichung von der Form (9) gelangt man, 
wenn man die Strömung einer Flüssigkeit durch eine cylindriscbe 
Röhre, deren Länge / sehr groß ist im Vergleich zum Badiasi^ 
des kreisförmigen Querschnittes, untersucht Zwischen den 



Differentialgleichangen. 415 

\>eiclen Enden der Bohre herrsche der Druckunterschied P. 
I>ie Bewegung finde überall in Bichtung der Achse statt. 
>^egen der Beibung ist die Geschwindigkeit in der Achse am 
größten, an den Wänden ist sie dagegen, falls wir es mit 
einer benetzenden Flüssigkeit zu thun haben, Null. Die 6e- 
scliwindigkeit v ist also eine Funktion des Abstandes r von 
der Achse. In der Hydrodynamik wird nun gelehrt, daß die 
Funktion v der Gleichung 

^wo fA den sogenannten Beibungskoeffizienten bedeutet, genügen 
muß. Da diese Gleichung v selbst nicht enthält, kann sie 

durch die Substitution -^ = v auf 

dl/ . i , P 

dr r IfjL 

zurückgeführt werden, was von der Form (9) ist. Der inte- 
grierende Faktor ist hier r und das Integral yon 

dr' . P 

r -: h ü =s — -— r 

dr l fi 

ist 
d. L 

dv_ P_ C 

dr 2lfi^'^r' 

woraus durch abermalige Integration folgt 

Da in der Achse (für r = 0) die Geschwindigkeit nicht oo 
werden kann, so muß C^O sein; C ergiebt sich aus der Be- 
dingung, daß für r = Ä (an der Wand) v verschwinden muß. 
Man findet schließlich 

Vergl. ferner Aufgabe 85, S. 303. 

§ 284. In vielen Fällen läßt sich, nachdem die Auflösung 
einer Differentialgleichung, wie in den vorhergehenden Para- 
graphen, auf eine gewöhnliche Integration oder, wie man auch 



416 YierzehnteB Kapitel. 

sagt, auf eine Quadratur^ zurückgeführt worden ist, di«€ 
letzte Operation nicht ausführen. Schon hieraus erhellt es, 
daß die durch die Differentialgleichung bestimmte Funktion 
sich nicht immer mit Eülfe der einfachen Funktionen von 
Eap. I und II darstellen läßt Die mit der Auflösung der 
Differentialgleichungen verbundenen Schwierigkeiten werden 
aber noch durch den Umstand vergrößert, daß man vieliSftck 
nicht einmal zu einer Quadratur gelangen kann. Trotzdem 
ist die abhängig Veränderliche in einer Differentialgleichung 
eine (abgesehen von den Eonstanten) ganz bestimmte Fnnktioii. 
Können wir eine Gleichung nicht auflösen, so liegt es alleia 
daran, daß die Funktion durch die uns zu Gebot stehenden 
Symbole nicht dargestellt werden kann. In solchen Fällen 
kann man für die Funktion, welche der Gleichung genügt, 
ein neues Symbol einführen, aus der Gleichung die Eigen- 
schaften der Funktion ableiten, und (z. B. durch Reihenent- 
wickelung) für jeden Wert der unabhängig Veränderlichen den 
der Funktion bestimmen. Man kann dann diese Funktion als 
ebensogut bekannt betrachten, als die in Eap. I und II ein- 
geführten. 

§ 285. Die linearen Differentialgleichungen mit konstanten 
Eoeffizienten (§ 273) sind von besonderer Wichtigkeit. Sind 
in der linearen Gleichung 

dx"" ^ dx""'^ dx 

Xj, Xj . . . . willkürliche Funktionen von ar, so kann die Glei- 
chung nur integriert werden, wenn sie von der ersten Ord- 
nung ist (§ 282), sind dagegen X^, ü^, . . . . Eonstanten, so 
läßt sie sich, wie im folgenden gezeigt werden soll, stets auf- 
lösen, selbst dann noch, wenn das Glied Xn+i eine Funktion 
von X ist. Einstweilen nehmen wir an, daß das Glied X« + i 
nicht vorkommt. Ist nun die Gleichung von der ersten Ord- 
nung, also 

4J + «y = o, 



1) Diese Bezeichnung rahrt daher, daß die Inhaltsbestimmong einer 
ebenen Figur (das Ermitteln eines inhaltsgleichen Quadrates) auf eine 
Integration führt, und daß umgekehrt jedes Integral als ein Inhalt auf- 
gefaßt werden kann. 



DifferentialgleichaDgen. 417 

SO ergiebt sich die Auflösung unmittelbar durch Trennung der 
Veränderlichen (§ 280). Wir gehen daher gleich zu den Glei- 
chungen der 2^^ Ordnung über und betrachten zunächst die 
Gleichung ^ 

^=«y- (12) 

§ 286. Es ist nicht schwierig, ein Paar partikuläre 
Integrale zu ermitteln. Sei zunächst a positiv — p^, so sieht 
man leicht ein, daß der Gleichung 



d^y _ 



... -P'y (13) 

Gentige geleistet wird durch 

y = eP' und y = e"*»*. 
Femer genügen der Gleichung (13) die Ausdrücke 

y=Ce^* und y =z C e-^'' 
und auch 

y = CeP' + C «-!»*. 

Da die letzte Gleichung zwei unbestimmte Eonstanten 
enthält, so ist sie die allgemeine Auflösung der Gleichung (13) 
(vergl. § 275). 

Wie bei dieser linearen Gleichung 2^' Ordnung, so kann 
auch bei jeder anderen linearen Gleichung, die kein Glied 
ohne y oder einen DifiPerentialquotienten enthält, also bei jeder 
homogenen linearen Gleichung aus einer Funktion, welche der 
Gleichung genügt, durch Multiplikation mit einer willkürlichen 
Konstanten eine andere gewonnen werden, die ebenfalls die 
Gleichung befriedigt; und ebenso wie hier, ist auch die Summe 
verschiedener so gewonnener Funktionen eine Auflösung der 
Gleichung. 

In ähnlicher Weise kann man vorgehen, wenn der Koeffi- 
zient a in (12) negativ = —p^ ist; die Auflösung besteht jetzt 
aber aus goniometrischen Funktionen. 

Der Gleichung ^ 

wird nämlich Genüge geleistet durch 

y = sinpx und y = cospx 
und die allgemeine Auflösung ist also jetzt 

y = Csin px + C cos p x . 

Loseutz, DifferenüalrecbnuDg. 27 



4 

I 



418 Vierzehntes Kapitel. 

Gleichungen von der Form (14) kommen sehr häufig vor. 
Wenn z. B. ein materieller Punkt P sich längs einer geradoi 
Linie hewegt unter dem Einfluß einer Kraft , die fortdauernd 
nach einem festen Punkt dieser Linie gerichtet und pro- 
portional dem Abstand OP = x ist, dann ist, wenn man noch 
durch das Vorzeichen von x die Richtung angiebt, die Eraft 
=z — kx {k positive Eonstante). Andererseits ist die Kraft 
gleich dem Produkt aus der Masse des Punktes und seiner 

Beschleunigung ^^ (als unabhängig Veränderliche wird die 

Zeit gewählt), so daß 

m-^^-^kx (la) 

ist. Hieraus folgt 

X = Csin |/|- / + C cos |/^^ (16) 

wo C und C bestimmt werden können, sobald für irgend einen 
Augenblick der Ort und die Geschwindigkeit des Punktes ge- 
geben sind. 

Die beiden Glieder in (16) können zu einer einzigen 
goniometrischen Funktion vereinigt werden (vergl. § 46). 
Die Bewegung ist eine einfach harmonische, deren Periode 
m 



_ /m 



ist. 



In der Gleichung (12) hängt es nach dem Vorhergehenden 
von dem Vorzeichen von a ab, ob die Auflösung aus expo- 
nentiellen oder goniometrischen Funktionen besteht. Ähnlich 
liegen die Verhältnisse bei vielen anderen Gleichungen; je 
nach dem Wert und dem Vorzeichen der in der Differential- 
gleichung auftretenden Konstanten erhält man in der Auf- 
lösung Funktionen der einen oder anderen Art Durch Eän- 
führung von sogenannten komplexen Größen kann man 
nun die Behandlung der linearen Gleichungen mit konstanten 
Koeffizienten sehr vereinfachen. 

§ 287. Eine komplexe Größe oder Zahl ist eine Zu- 
sammenstellung zweier Zahlen, die man, da sie nicht dieselbe 
Bolle spielen, dadurch voneinander unterscheidet, daß man der 
einen den Buchstaben i hinzufügt, und die man durch das 
Zeichen + , das hier also keine Addition bedeutet, aneiaander 



Differentialgleichungen . 419 

heftet, also z. B. a + 6iy oder, wie man auch schreibt, a + ib. 
I>ie Zahlen a und b können sowohl positiv als auch negativ 
Bein; ist b negativ, etwa — c, so stellt man den komplexen 
.Ausdruck nicht durch a + {-'C)i, sondern durch a^ci dar. 
In a + bi nennt man a den reellen und bi den imagi- 
nären Teil, und auch wohl die Zahl b den Koeffizienten des 
imaginären Teiles. 

Ist eine der Zahlen Null, so wird die Ziffer nicht hin- 
geschrieben, sondern einfach der eine Teil in dem komplexen 
Ausdruck weggelassen. Für a = wird derselbe also b i ; man 
nennt diesen Ausdruck eine rein imaginäre Zahl. 

Hat b den Wert 1 oder — 1, so schreibt man kurz a + i, 
oder a — t. In dem ersten Ausdruck steht also i statt 1 z; 
man nennt das die imaginäre Einheit. 

Heisst es, zwei komplexe Größen seien einander gleich, 
so versteht man darunter, daß sowohl die reellen Teile fiir sich, 
als auch die imaginären Teile für sich einander gleich sind. 

Die Gleichung 

a + bi = a+b'i 
bedeutet also, daß 

a==a und b = b' ist. 

Hängen a und b beide von einer Größe x ab, so daß der 
Ausdruck die Gestalt 

(p{x) + 'ip {x) i 

hat, so nennt man denselben eine komplexe Funktion von x. 
Wenn zwei komplexe Zahlen gegeben sind, so hindert uns 
natürlich nichts daran, mit den vier darin enthaltenen Zahlen 
beliebige Rechenoperationen vorzunehmen, und zwei Besultate, 
die man in dieser oder jener Weise aus den Zahlen abgeleitet 
hat, zu einer neuen komplexen Zahl zu kombinieren. 

Einige besonders einfache Operationen mit zwei, oder 
auch mehreren komplexen oder imaginären Zahlen, bez. mit 
einer solchen Zahl und einer gewöhnlichen (reellen) hat 
man nun als Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division 
definiert. 

§ 288. Was die drei zuerst genannten Operationen be- 
trifft, so hat man sich darüber geeinigt, diese gerade so aus- 
zuführen, als ob i ein gewöhnlicher Zahlenfaktor wäre, nur 

27* 



420 Vierzehntes Kapitel. 

dass man, sobald i^ auftritt, dieses durch den Faktor —1 er- 
setzt. Demgemäß ersetzt man i' durch ? i oder — £, i* diuti 
i* i* oder —Ix— 1 = + 1, i* durch i, u. s. w. 

In dieser Weise führt die Addition, Subtraktion xud 
Multiplikation zweier komplexen Zahlen, und auch die Multi- 
plikation mehrerer solcher Zahlen, sowie die Srhebung auf 
eine Potenz immer wieder zu einem komplexen Ausdruck. 

Beispiele für die Multiplikation. Es ist 

22=2X2 = -1 

und ebenso 

In diesem Sinne kann man sagen, es sei i oder —i die 
Quadratwurzel aus —1. 
Ferner ist 

Ist in der quadratischen Gleichung 

x^ + qiX + q^^Q 

so kann derselben durch keine gewöhnliche oder reelle Zahl 
für X gentigt werden. Setzt man nun aber für x eine der 
komplexen Zahlen 



^i=-i?i+i'y4y„-yj, ^a=-i?,-iiy4yo-yJ, (17) 

und entwickelt man deren Quadrat nach der angegebenen 
Kegel, so wird die Gleichung befriedigt. Man nennt daher 
Xj und x^ die komplexen Wurzeln der Gleichung. Weiter 
2eigt es sich, daß sich die linke Seite der Gleichung als das 
Produkt von x — ar^ und x — x^, d. h. als 



darstellen läßt. In dem Falle also, wo wir eine rationelle 
Funktion zweiten Grades nicht in zwei reelle Faktoren zer- 
legen konnten, läßt sich dieselbe als ein Produkt zweier kom- 
plexer Faktoren auffassen. 

Wir erwähnten § 5, daß man jedes Polynom in Faktoren 
zerlegen kann, die höchstens vom zweiten Grade sind. Wendet 
man auf jeden Faktor, den wir damals nicht weiter zerlegen 



Differentialgleichungen. 421 

konnten, das soeben Gesagte an, so ergiebt sich, daß man 
jedes Polynom in lineare Faktoren zerlegen kann, unter welchen 
einige aber komplex sein können. Hiermit hängt es zusammen, 
daß jedes Polynom n^^ Grades n Wurzeln hat, wenn man auch 
komplexe Wurzeln zuläßt. Sind diese n Wurzeln des Polynoms (4) 
S. 4 oTj, Xj . . . . x^, so läßt sich für das Polynom schreiben 

£s ist hierbei zu bemerken, daß die komplexen Wurzeln 
immer paarweise zusammengehören, wie oben die Ausdrücke 
(1 7). Man nennt zwei derartige komplexe Größen, die sich nur 
durch das Vorzeichen des imaginären Teiles voneinander unter* 
scheiden konjugiert. 

Unter dem Quotienten 

^±4^-, (18) 

c + dt ^ ' 

^on zwei komplexen Größen a + bi und c + di versteht man 
einen komplexen Ausdruck, der, mit c + di multipliziert, a + bi 
ergiebt. Aus dieser Definition läßt sich ableiten, daß man 
in (18) die beiden Ausdrücke, den „Zähler^^ und den „Nenner^', 
mit derselben komplexen Größe multiplizieren darf, ohne etwas 
an dem Quotienten zu ändern. Diesen Satz benutzt man, um 
in einfachster Weise den Quotienten zu bestimmen. Man 
multipliziert nämlich Zähler und Nenner mit c^di, und er- 
hält dann 

a + hi ae + bd , bc — ad . 



C + di e^ + d' ' c* + rf' 

Schließlich definieren wir 



lf{a + bi) 

als eine komplexe Größe, die, zur n^^ Potenz erhoben, den 
gegebenen Ausdruck a + bi wieder liefert. Es läßt sich eine 
komplexe Größe, die dieser Bedingung genügt, auch wirklich 
angeben, doch wollen wir dabei nicht länger verweilen. 

Da die Differentiation in einer Subtraktion besteht, so 
liegt in dem oben Gesagten schon enthalten, was man unter 



* Es ist hierbei zu bemerken, dass einige der Grössen Xi, x^, , . x^ 
einander gleich sein können (vgl § 4). Man sagt dann, es habe die 
Gleichung einige gleiche Wurzeln; nur wenn man jede dieser Wurzeln 
fQr sich mitzählt, wird die Anzahl aller Wurzeln n. 



422 



Vierzehntes Kapitel. 



dem Differential und dem Differentialquotienten einer komplexen 
Funktion von x zu verstehen hat. Man hat den reiellen Teil 
und den Koeffizienten des imaginären Teiles jeden für sich zi 
differen tiieren . Also 



dx 



[(p + irp]^ 



dq> , . dw 

^ +1 ^ 



dx 



dx 



(19) 



und in derselben Weise 



Sagt man, es genüge die komplexe Funktion y=^(p + i^ 
der linearen homogenen Differentialgleichung mit konstanten 
und reellen Koeffizienten 



a 







da?" 



-1 



+ «1 -r-nJi + + ^»-15^ = 0, 

ax 



dann bedeutet dieses, daß 



^ +t 



dx"" 



dx' 



+ öj 






dx^ 



da^ 



-1 



+ . 



oder 



+ an-i[(p + iy/] = 0, 



<i"<p 



-1 



+ ^ . n-l + + ^-1 9 = 0. 



^ dx» • * dx" 



und 



«0 -^ + «1 7^ + ••••+ ^n - 1 V = . 



Man hätte also ebensogut sagen können, daß die Funk- 
tionen (p und ip jede ftir sich der Differentialgleichung genügen* 
Unter dem unbestimmten Integral 



j{(p + ixfj)dx 



versteht man eine komplexe Funktion, deren Differentialquotient 
(p-\'i\f) ist. Für dieselbe läßt sich, wie aus dem in (19) aus- 
gedrückten Satz hervorgeht, schreiben 



I (fd X + i \ yjdx. 



DiBFerentialgleichangeii. 423 

Ebenso hat das bestimmte Integral mit den reellen 
Gi-renzen a und b 

J{<p + iyf)dx 



die Bedeutung 



I (pd X -^^ i l rpdx . 



§ 289. Bis jetzt war die Bede von algebraischen Ope- 
rationen, denen komplexe Größen unterworfen werden sollten. 
Man hat nun aber auch ftir andere Funktionen von kom- 
plexen Veränderlichen Definitionen eingeführt , die sich soviel 
wie möglich an die Definitionen der entsprechenden Funk- 
tionen mit reellen Variablen anschließen. 

Wir brauchen hier nur die exponentiellen Funktionen 
näher zu betrachten. 

Wenn a eine reelle Zahl ist^ so könnte man 

definieren als die Funktion, die der Differentialgleichung 

dy 



dx 



= fly 



genügt und für or s den Wert 1 annimmt. 
Analog wollen wir nun 



y = « 



tax 



definieren als. eine komplex^ Funktion,, die der Differential- 
gleichung 

^ - i-y (20) 

genügt, und für or = den Wert 1 hat. 

Es sei diese Funktion P + t Q , dann findet man durch 
Substitution in (20) 

^^^ + i^^i<P+iQ)=-aq + iaP, 

woraus folgt 



424 Vierzehntes K&pitel. 

Substituiert man den Weii; von Q aus der vorletzten 
Gleichung in die letzte, so ergiebt sich 

so daß [vergl. Gleich. (14)] 

P = C sin a x+ Ccosax (2i; 

und also 

Q= - Ccosax + 6^ sin aar (22) 

sein muß. Da flir x = 0, tf<«* = P + iQ den Wert 1 haben 
muß, so folgt f&r diesen Wert 

P = 1 und Q = 0. 

Das ist nur möglich, wenn C = und (7=1, so daß man 

«»«*= cos aar + I sin aar (23) 

setzen muß. Hierin kann x jede positive oder negative Zahl 
bedeuten. Für a = 1 ergiebt sich 

tf<* = cosx + tsinar . (24) 

Vermöge der getroffenen Festsetzungen bleibt die dnrch die 

Gleichung -^— (e"*) = a e** ausgedrückte Haupteigenschaft der 

exponentiellen Funktionen bei imaginärem a bestehen. 

Auch andere Eigenschaften der exponentiellen Funktionen 
gelten unverändert, wenn der Exponent eine imaginäre Gröfie 
ist. So findet man z. B. durch Ausmultiplikation 

(cos X + i sin x) (cos ar' + i sin ar') = (cos x cos x' — sin x sin x') + 

+ i(sinarcosx'4-cosarsinx') = cos(ar + ar') + tsin(x4-ar'), 

also 

«<»«»«' = eHx + «'). (25) 

Leicht kann man hieraus ableiten 






Man findet weiter durch wiederholte Anwendung von (25) für 
jeden ganzen positiven Wert von m 

d. h. (cosx + isinx)* = cosmar + isinmx, 

die wichtige Gleichung von Moivbe. 



Differentialgleichungen. 425 

Z. B. ist Air m := 3 

cos 3 a; + t sin 3 ar = (cos x + i sin j:)' , 
also 

cos 3x + «sin 3 o: = cos'ar + 3 cos'or . isiu x + 

+ 3 cos X . (i sin x)^ + (i sin o:)' , 

cos3:r + 2sin3:r = cos'ar — 3cosar8in*ar + 

+ i [3 co8*x sin X -- sin'ar] . 
Wirldich ist 

cos 3 X = cos' o: — 3 cos X sin* ar, 

sin 3 j: SS 3 cos* or sin x — sin'or . 

In ähnlicher Weise kann man die MoiVBE'sche Gleichung 
anwenden, um sin4ar, cos4ar u. s. w. zu finden. . 

Man kann auch mit Ausdrücken operieren, wo der Ex- 
ponent von e komplex ist. Wir definieren e^ + «» als das Pro- 
dukt von eP und e^^ und setzen demgemäß 

eP + «« = «p. tf«» = tf^cos^ + iePQinq . 

Aus dieser Definition kann man leicht ableiten , daß die 
Regeln, welche durch die folgenden Gleichungen 



dx ^ ^ ' dx^ 

ausgedrückt werden, auch gelten, wenn a eine willkürliche 
komplexe Zahl bedeutet. Aus der vorletzten Gleichung folgt 
noch, daß auch die Formel 

allgemein gültig ist. Setzt man a ^ cc + iß {cc und ß kon- 
stante Zahlen), dann wird dieses 

U«*(cos/9x + ismß x)dx = e"^*- — ^ ^~^ + C = 

_ ^^ (orco8/ga? + ^Bin^a;) + i{— ßc osßx + g sin/ga;) ^ 

Diese Formeln stehen im Einklang mit dem früher (Auf- 
gabe 54, S. 299 und § 254) Gefundenen. 



426 Vierzehntes Kapitel. 

§ 290. Kehren wir jetzt zur Gleichung (12) zurüdL 
Wenn a^ -^ p^ ist, dann genügt nach dem Vorhergehenden 
die Funktion 

der Gleichung. Der komplexe Ausdruck 

y SS Qo%px + isinpx 

ist also eine Auflösung von (14). Da dies aber bedeutet, dflfi 
der reelle und der imaginäre Teil, ein jeder für sich, der 
Gleichung genügt, so müssen 

ysscospx und ysssinpx 

partikuläre Auflösungen sein, woraus dann wieder die all- 
gemeine Auflösung zusammengesetzt werden kann. Dies ist 
kein neues Resultat, denn wir haben bei der Auseinander- 
setzung über die Bedeutung von e*^' schon die auf anderem 
Wege erhaltene Auflösung der Gleichung (14) benutzt. 

Folgendes ist nun aber ein Beispiel von einer noch nidit 
von uns aufgelösten Gleichung, die wir jetzt mit Hilfe der 
komplexen Grössen leicht behandeln können. 

Auf einen materiellen Punkt wirke, wie in § 286, eine Kraft, 
die seinem Abstand von der Gleichgewichtslage proportional ist 
Die Bewegung des Punktes werde aber durch Reibung oder 
durch den Widerstand des Mittels, in welchem die Schwin- 
gungen vor sich gehen, gedämpft, so daß derselbe endlich 
ganz zur Ruhe kommt Die Reibung sei proportional der 

Geschwindigkeit, also gleich — i-jjy ^o / eine Konstante be- 
deutet und das negative Vorzeichen eingef&hrt ist, weil der 
Widerstand der Bewegung entgegengesetzt gerichtet ist Die 
Bewegungsgleichung ist also 

'"l|-+'ft + *' = «• (26) 

Wir probieren, ob dieser Gleichung die Funktion 

. JT = e^< (27) 

genügt; wo p eine reelle, imaginäre oder komplexe Konstante 
bedeutet. Bildet man die ersten und zweiten Differential- 
quotienten von (27) und substituiert sie in (26), so folgt 

mp^ -t- //? + Ä = 0, 



Diffbrentialgleichungen. 427 



also, wenn man — « t und — ^ K setzt, 



971 tu 



Ist nun der Widerstand nicht zu groß, dann sind die 
beiden Werte von p komplex, nämlich 

Der Gleichung (26) wird deswegen genügt durch. 

^^^[-V.i'+«MVTF^r^<^ (28) 

also durch 



X = ff- V.J'<cos [|/y4 h! - r*] + i«-v.r/8in[|^y4Ä' -Y»]. (29) 

In dem letzten Ausdruck müssen nun sowohl der reelle als 
auch der imaginäre Teil, jeder für sich, der Gleichung ge«* 
nttgen. Man erhält also zwei partikuläre Auflösungen (die 
man auch aus der zweiten komplexen Auflösung würde ab- 
leiten können), und durch Addition derselben die allgemeine 
Auflösung 



x«e-V.i'«{Cco8[|^y4Ä'-^*] + Crsin[|^y4ir-f»]}, 

in welcher Gleichung die Konstanten C und C wieder aus der 
Anfangslage und der Anfangsgeschwindigkeit des Punktes be- 
stimmt werden können. 

Wir erinnern daran, daß die Gültigkeit von (28) darauf 

beruht, daß auch für komplexe Werte von /?, -jr {e^^^pe^^ 

ist, und dies ist der Fall, eben weil man übereingekommen 
ist, unter (28) den Ausdruck (29) zu verstehen. 

Nach der eben auseinandergesetzten Methode kann auch 
die allgemeine Gleichung 

wenn alle Koeffizienten Konstanten sind, behandelt werden. Der 
Gleichung genügt 

y = 6^', 

wenn p die Bedingungsgleichung 

p« + «iP*»-! + + a^^ip + a„= (31) 



428 Vierzehntes Kapitel. 

erfüllt. Hat man diese letztere Gleichung aufgelost, daim 
entspricht jeder reellen Wurzel p^ eine Auflösung 

und jedem Paar komplexer Wurzeln cc + ßi und a ^ ßi em 
Paar Auflösungen 

-y = Ä«»cos/9ar und y = «««sin/ffx. 

Man erhält also, wenn die Wurzeln von (31) alle von- 
einander verschieden sind, n partikuläre Auflösungen. Multi- 
pliziert man diese mit unbestimmten Konstanten, und addiert 
sie alle, so erhält man eine Auflösung von (30), welche, da 
sie die erforderliche Anzahl von Eonstanten enthält, die all- 
gemeine Auflösung sein muss. ' 

§ 291. Die Gleichung (30) kann auch nach einer anderen 
Methode aufgelöst werden, die zugleich benutzt werden kann, 
wenn (31) gleiche Wurzeln hat und wenn auf der rechten Seite 
der Dififerentialgleichung ein Glied ohne y und ohne einen 
Differentialquotienten vorkommt, welches also eine Funktion 
von X ist, d. h. wenn gegeben ist: 

d"v d""^t/ . dy V 

Wir führen eine Schreibweise analog der in § 167 be- 
nutzten ein. Wenn nämlich von dem Differentialquotienten 
einer Funktion y diese Funktion selbst, mit irgend einer Größe 
p^ multipliziert, subtrahiert werden soll, so werden wir das 
Besultat in der Form 

darstellen. Soll diese Größe (32) nach x differentiert und von 
dem Besultat das Produkt aus (32) und einer Zahl p^ sub- 
trahiert werden, so schreiben wir analog 

In ähnlicher Weise läßt sich ausdrücken, daß derartige 
Operationen öfters wiederholt werden sollen. 
Entwickelt man (32), so ergiebt sich 

dy 

11^ -Pi^' 



Dififerentialgleichaiigen. 429 

und aus (33), wenn p^ und p^ konstante Größen sind, 

was man auch durch die Formel 

( d \ f d \ \ d* , ^ d . 

ausdrücken kann. Vergleicht man dies mit der Gleichung 

[p-P%){p-Pi)=^P^ - {Pi +Pi)P + P1P21 

dann leuchtet ein, daß die Entwickelung von (83) analog ist 
der Entwickelung eines Produktes. 

Der Leser wird sich leicht überzeugen können, daß dies 
auch noch gilt, wenn Operationen der besprochenen Art noch 
öfter mit der Funktion y vorgenommen werden. 

Seien nun Pu p^j Ps • > * * Pn ^^^ reellen oder komplexen 
Wurzeln von (31), dann kann man für das erste Glied auch 
schreiben (§ 288) 

{P-Pdip-Pz) iP-Pn) 

und hieraus folgt für das erste Glied von (30) der Ausdruck 

Die Gleichung 

worin das zweite Glied eine Funktion von x ist, kann also 
ersetzt werden durch 

(H-ft)(Ä-ft)----(Ä-'>.)y-^- m 

Diese Gleichung giebt uns direkt Auskunft, welche Opera- 
tionen man mit y vornehmen muß, um X zu erhalten. Hat 
man nun die Differentialgleichung aufzulösen, d. h. bei gegebe- 
nem X die Funktion y zu bestimmen, so hat man nur alle 
diese Operationen successive umzukehren, was wirklich mög- 
lich ist 



430 Vierzehntes Kiq>itel. 

§ 292. Setzt man nämlich 

(Ä-^«)----(Ä-'P-)y = y' 

dann geht (35) über in 



d X 



— p^tp^X, 



welche Gleichung nach der Methode von § 282 aufgelöst werden 
kann (der integrierende Faktor ist «-J*»*). Hierdurch erhalt 
man (p als eine Funktion X^ Ton x, die eine unbestimmte 
Konstante enthält. Indem man nun weiter 

(Ä-''»)----(Ä-^-)y=9'i 

setzt, findet man 

d(pi -IT 

welche Gleichung, auf dieselbe Weise behandelt, (p^ liefert. 
Setzt man die Rechnung in ähnlicher Weise fort, so erhält man 
schließlich y. Da bei jeder weiteren Integration eine unbestimmte 
Konstante hinzutritt, so gelangt man wirklich zu der allgemeinen 
Auflösung mit n Konstanten. Die Methode bleibt anwendbar, 
wenn einige der Größen p^, p^, - ' • ' Pn einander gleich sind. 
Kommen unter den Wurzeln von (31) komplexe Ausdrucke 
vor, so bleibt ebenfalls das Gesagte gültig. Die Größen ^"a* 
g-Ä« u. s. w. sind auch dann noch die integrierenden Fak- 
toren, sofern man ihnen die in § 289 augegebene Bedeutung 
beilegt. Als Resultat erhält man einen komplexen Ausdruck 
für y; berücksichtigt man jedoch, daß der reelle Teil für sich 
der Gleichung genügen muss, so ergiebt sich eine Auflösung Air 
die Gleichung mit reellen Größen. 

§ 293. Um die vorhergehenden Betrachtungen zu erläutern, 
kehren wir nochmals zu dem schwingenden Punkt zurück 
(§ 286), nehmen aber an, daß auf ihn noch eine Kraft wirkt, 
die eine gegebene periodische Funktion der Zeit ist. Die 
Bewegungsgleichung ist dann 



— ,- + k X = a cos 2 ;r -y , 



d'^x 
~d 



Differentialgleichungen. 431 

k 
-wo cc und T bekannte Eonstanten sind, und ä' = — Hier- 

für kann auch geschrieben werden 

Setzt man 

dann wird 

-^ + 2 V Ä' flp = a cos 2 ST -=- . 

at ' ' 1 

Der integrierende Faktor ist 

tf < V*'. < = cos {iK.t) + i sin (y ä". , 
und die Integration giebt 

= « j^ + C, 

oder 

■t/77 o ^ . 271 . ^ ^ 

»y^ cos 2 71 -^ + -^ sin 2 71 -^ 



2^« 
Es muß jetzt noch die Gleichung 

dx .^rr, 

dt -'V^'^^V 

integriert werden. Der integrierende Faktor ist hier « - •* V*'- < 
und man findet 

woraus folgt 

„ t 

cos 2 71 -;^ 

4 TT« 2 yk' 

^ 2'% ~ 

Entwickelt man die beiden letzten Glieder und ersetzt 
man die Koeffizienten von cos yX'. t und sin y>P . t durch C" 
und C" (diese Größen können dann reell sein), so ergiebt sich 



432 Vierzehntes Kapitel. 



C0827I 

X = cc — 



-^ + C" cos {fk\ t) + C" sin ()/ä'. 0, 

TT 7» 



worin die Konstanten C" und C"' aus der Anfangslage und 
der Anfangsgeschwindigkeit des Punktes ermittelt werden können. 
Aus der Formel ergiebt sich, daß der Punkt eine zu- 
sammengesetzte Bewegung ausführt. Die beiden letzten Glieder 
stellen Schwingungen dar, deren Periode nur von der Intensität 
der nach der Gleichgewichtslage wirkenden Kraft abhängt, 
Schwingungen^ wie sie auch ohne die Wirkung der Kraft 

772 c^ cos 2 ;r -^ bestehen könnten (freie Schwingungen). Hierzu 
kommt noch eine schwingende Bewegung (erzwungene Schwin- 
gungen), deren Periode mit der der Kraft maQXi%2n-=f über- 
einstimmt und deren Amplitude desto größer wird, je weniger 
sich die Periode der freien Schwingung — ^ von der Periode^ 

der Kraft unterscheidet 

§ 294. Alle oben besprochenen Gleichungen können 
übrigens auch ohne Einführung von komplexen Größen auf- 
gelöst werden. Wenn in der Gleichung 

S + a.4l + «^y = (86) 

ist und sie daher nach der Methode von §§ 291 und 292 nicht auf 
zwei Gleichungen der ersten Ordnung mit reellen Koeffizienten 
reduziert werden kann, so kann man leicht unmittelbar ein 
partikuläres Integral von der Form 

y =z tf«*COS/Sar 

finden. Substituiert man dies in (36), so ergiebt sich nach 
Division mit e^' 

[(«2 - ^2) ^ ^ ^ + ^j COS /Sa: - [2 a/9 + Oj /?] 8in/9x = 0. 

Dieser Gleichung ist genügt, wenn 

(a* - /92) + Oj a + Oj = 

und 

2a+ a^ = 0, 

also 

/9= iYW-^' 



/ 



Differentialgleichungen. 433 

Führt man f&r a und ß diese Werte ein, dann läßt sich leicht 
nachweisen^ daß auch 

y = tf«*8in/9ar 

der Gleichung genügt und daß also 

y = Ctf«*co8/9ar + C'e««sin/9ar (37) 

die allgemeine Auflösung ist. 

Es möge dem Leser überlassen bleiben, die Aufgabe 
von § 290 nach der eben angegebenen Methode zu lösen und 
nachzuweisen, daß man auf diese Weise zu demselben Resul- 
tat gelangt, wie bei Benutzung von komplexen Größen. 

' § 295. Durch einen einfachen Kunstgriff kann nun weiter 
die Gleichung 

& + «i|f + «.y = ^' (38) 

wo das zweite Glied X irgend eine Funktion von x ist, auf- 
gelöst werden. Man setze vorläufig zu dem Zweck X = und 
suche das allgemeine Integral von (36); dasselbe ist uns durch 
Formel (37) gegeben. Es läßt sich nun nachweisen, daß eine 
Auflösung der Gleichung (38) gefunden werden kann, wenn 
man in (37) der Konstanten C und C durch zwei passend 
gewählte Funktionen von x — dieselben mögen ,u^ und u^ 
heißen — ersetzt. 

Man setze zur Abkürzung 

^*cos/Sar=yj und e*»*sin/9ar =^2, 

so haben wir also in (38) zu substituieren 

Aus dieser Gleichung folgt zunächst 

dy dyi , dy^ , du^ . du. 

Durch eine neue Differentiation würde man hieraus -r-^ 

dx* 

finden. Um nun zu bewirken, daß dabei keine Glieder mit 

-r^ und -j-^ auftreten, unterwerfen wir u, und u^ der Be- 
dx* dar ' ^ ^ 

dingung 

^145+^30 = 0. (39) 

LoRBMTZ, DifferentialrechnuDg. 28 



r» 



434 Vierzehntes Kapitel. 

Dadurch wird 

dx ^ dx ^ dx 
und 

d^y _ ,, d^Vi , ,, <^y« , dyi dUi dy^ du^ 

dx^ "" ^ doj* "•" 3 dx" '^ dx dx"^ dx dx 

Substituiert man nun die Werte von y, -z^ und -^-^ in 

" ax ajET 

(38), dann erhält man, wenn man berücksichtigt, daß 
und 

-dS + '^^ + ^^y'^^ 

ist (y = yi und y = yg sind ja Auflösungen von (36)) , 

rf». d«. ^dj^c^^j^ (40) 



(ia;cf2;*c{a/(ia; 



welche Gleichung, mit (39) verbunden, u^ und k^ so bestimmt, 
daß der gegebenen Differentialgleichung Genüge geleistet wird. 

Da nämlich die beiden Unbekannten -^^ und — j^ sich aas (39) 

ax ax ^ ' 

und (40) ermitteln lassen, so ergeben sich auch ohne Schwierig- 
keiten u^ und u^. 

Um schließlich die allgemeine Gleichung (34) ohne kom- 
plexe Größen aufzulösen, beachte man, dass das erste Glied 
der Gleichung (31) stets in reelle Faktoren ersten und zweiten 
Grades zerlegt werden kann (§ 5), und daß also auch die 
Operation, die man in (34) mit y vornehmen muß, um X zu 
erhalten, in eine Anzahl von Einzeloperationen zerlegt werden 
kann, welche sich durch die Symbole 



und 



d» 



dx^-Pji + 9 

darstellen lassen. 

Wenn man dann weiter, ähnlich wie in § 292, von der 
gegebenen Funktion X zu der unbekannten y gelangen will, 
so hat man nur Gleichungen von der Form 



Differentialgleichungen. 435 

und 

&ufzulösen; was nach dem oben gesagten ohne Eiinflihren von 
komplexen Größen geschehen kann. 

§ 296. Wir gehen jetzt über zu den Gleichungen, welche 
neben einer einzigen unabhängig Variablen mehrere abhängig 
Veränderliche enüialten. Hierhin gehörige Fälle haben wir 
schon in § 289 (P und Q) und im vorigen Paragraphen (t<^ 
und u^ kennen gelernt. Ist die Anzahl der Differential- 
gleichungen gleich der Anzahl der abhängig Variablen, dann 
läßt sich durch eine der Auseinandersetzung von.§ 274 ähn- 
liche Betrachtung nachweisen, daß diese letzteren soweit be- 
stimmt sind, als das überhaupt mittels Differentialgleichungen 
geschehen kann. Die Differentialgleichungen sind aufgelöst, 
wenn es entweder gelungen ist, jede abhängig Variable f&r 
sich durch die unabhängig Variable auszudrücken, oder eine ge- 
nügende Anzahl von Gleichungen (ohne Differentialquotienten) 
zwischen den verschiedenen Veränderlichen abzuleiten. Natür- 
lich werden dabei eine gewisse Anzahl willkürlicher Eonstanten 
auftreten. 

Folgendes ist ein einfaches Beispiel derartiger sogenannten 
„simultanen^' Differentialgleichungen. 

In zwei Gefäßen, deren Inhalt v^ und v^ ist, befindet sich 
ein und dasselbe Gas, aber unter den verschiedenen Drucken 
Pj und P^. Dieselben werden miteinander durch eine Kapillare 
in Verbindung gesetzt, wodurch in der Zeiteinheit eine Menge 
Gas aus dem einen Gefäß in das andere strömt, die, in Ge- 
wichtseinheiten ausgedrückt, proportional der Differenz der 
Quadrate der Drucke ist. Wie groß sind die Drucke p^ und 
p^ in den beiden Gefässen, nachdem das Gas ^Sekunden über- 
geströmt ist? 

Die Gasmenge, welche während der unendlich kleinen 
Zeit dt durch die Kapillare fließt, ist gleich 

28* 



436 Vierzehntes Kapitel. 

wo a eine Eonstante bedeutet. Andererseits ist sie gleich 



und auch 






wenn b die Gasmenge bedeutet, die unter dem Drucke 1 das 
Volum 1 ausf&llt. Wir wollen nämlich die Temperatur als 
konstant betrachten, so daß die in einem bestimmten Raum 
befindliche Gasmenge dem Drucke proportional ist. 
Es ergeben sich somit die Gleichungen 

und 

Hieraus folgt zunächst 

Px ^i + 7^2 ^a = ^y (43) 

eine Gleichung, welche aussagt, daß die totale Masse des Gases 
unverändert bleibt. Die Eonstante C berechnet sich aus den 
Anfangsdrucken P^ und P^ mittels der Gleichung 

C^P,v, + P^v^. 

Multipliziert man nun femer die Gleichung (41) mit 
/?jt7ji?j, und (42) mit PiV^v^ und subtrahiert (42) von (41), so 
ergiebt sich unter Berücksichtigung von (43) 



v,v^ 



{p.'^h-p<'ir)--^<"^'--p:>' 



dx a 



oder nach Division mit vi , wenn man — = x setzt. 



Die Auflösung dieser Gleichung ist 
so daß, wenn man C aus dem Anfangszustand bestimmt^ 



DiflPerentialgleichungen. 437 

'wird. Durch diese Gleichang und Gleichung (43) werden p^ 
und p^ völlig als Funktionen von t bestimmt. 

Ebenso wie in diesem Beispiel muß man auch in anderen 
Fällen danach trachten , durch geschickte Kombination der 
Oleichungen zu anderen zu gelangen, die integriert werden 
können. 

§ 297. Zu einem System von simultanen Differential- 
gleichungen führen die meisten Aufgaben aus der Mechanik. 
Ss sei z. B. ein System materieller Punkte mit den Massen m^, 
^ 9 - • • gegeben, die sich unter dem Einfluß von teils äußeren, 
teils inneren Kräften bewegen. Es besteht dann für jeden 
Punkt die bekannte Beziehung zwischen seiner Beschleunigung 
und der Kraft, welcher er unterworfen ist. Führt man ein 
rechtwinkliges Koordinatensystem ein und nennt man die 

Koordinaten der Punkte bez. ^i, yi, «i, ^2, y2> ^a • • •> welche 
Größen alle von der Zeit abhängen, so sind die Beschleuni- 
gungen in Richtung der Achsen ^-^ , -^ u. s. w. Die Pro- 
dukte aus diesen Beschleunigungen und den entsprechenden 
Massen müssen gleich den Komponenten der Kräfte, welche 
auf die Punkte wirken, sein. Nennen wir die in den Achsen- 
richtungen auf den ersten Punkt wirkenden Kräfte X^ , Yi, Z^, 
und die auf den zweiten Punkt wirkenden X^j 1^, Z^ u. s. w., 
80 erhalten yni die Bewegungsgleichungen 






(44) 



u. s. w. 



In der Regel sind X^ Y^j Z^ u. s. w. bekannte Funktionen 
der Koordinaten. 

Aus diesen Gleichungen können wir nun einige Folge- 
rungen ziehen, die in vielen Fällen gültig sind und die Be- 
handlung von Aufgaben aus der Mechanik und Physik sehr 
yereinfachen. 

§ 298. Durch Addition erhält man zunächst aus (44) 

-j^(mj J?, + m,ar, + ) = 2^ + X, + . . . . = ^X ^ 



488 Vierzehntes Kapitel. 

und zwei analoge Gleichungen, die sich auf die y- und z-Ach» 
beziehen. Diese Formeln lassen sich bedeutend vereinfachec, 
wenn man die Goordinaten x, j, z des Massenmittelpunktes des 
Systems (vergl. Aufg. 3, S. 122), die natürlich auch Funktionen 
der Zeit sind, einführt Man erhält dann, wenn man die 
Summe aller Massen M nennt, 

^f^-2^. ^S=2^, «%=^^- m 

Diese G-leichungen sagen aus, daß der Schwerpunkt sich so 
bewegt, als ob die ganze Masse des Systems in ihm auf- 
gehäuft wäre und alle Kräfte auf ihn wirkten. 

Die Auflösung der Bewegungsgleichungen wird jedoch 
durch diese Gleichungen (45) nur dann vereinfacht, wenn die- 
selben sich integrieren lassen. Am einfachsten liegen die Ver- 
hältnisse, wenn nur innere Kräfte zwischen den Punkten wirken, 
Ist dabei die Wirkung stets entgegengesetzt gleich der Gegen- 
wirkung, so ist 2^ = 2^ = 2^=0 ^^<i *^8 (45) folgt 

d. h. der Schwerpunkt erfährt keine Beschleunigung, er muß 
sich also entweder mit konstanter Geschwindigkeit längs einer 
Geraden bewegen oder in Buhe sein, was auch aus der Auf- 
lösung der Differentialgleichungen (46) folgt 

wo eventuell Cj, C7,, C^ = sein können. 

§ 299. Wir wollen noch eine zweite Folgerung aus unseren 
Bewegungsgleichungen ziehen. Ein einzelner Punkt soll sich 
jetzt in einer ebenen Fläche (der ary-Ebene) bewegen unter 
dem Einfluß einer Kraft, deren Richtung fortdauernd durch 
einen festen Punkt geht. Wird dieser letztere zum Ursprung 
der Koordinaten gewählt, dann sind die Kraftkomponenten pro- 
portional X und y, also 



Hieraus folgt 



dt* '' dt^ -^-y- 



DifPerentialgleichungen. 439 



Hierfür kann man auch schreiben 

d 



i ( dy dx\ f. 



d 
^woraus durch Integration 

^dy dx _^ 

geAinden wird. 

Die Bedeutung dieser Formel wird durch Einführung von 
Polarkoordinaten r und & (§ 69) sofort in die Augen springen. 
Man findet dann nämlich 

Das erste Glied stellt den Inhalt des unendlich kleinen 
Sektors dar, welcher während der Zeit dt von dem von nach 
dem beweglichen Punkt gezogenen Radiusvektor beschrieben 
wird, und da nach der Formel dieser Sektor gleich ist dem 
Produkt aus der verflossenen Zeit und der Eonstanten \Cj 
so müssen auch die in endlichen Zeiten durchlaufenen 
Sektoren proportional den verflossenen Zeiten sein (zweites 
EIsFPLEB'sche Gesetz). 

§ 300. Einen dritten Satz wollen wir für einen im Baum 
sich bewegenden Punkt beweisen. 

Multiplizieren wir die Bewegungsgleichungen 

bez. mit ^-r, ^r» 3^» ^^^ addieren dann, so ergiebt sich 

dt dt dt ' ^ 



^[Hm'H^rH^)) 



« x4^ + r^ + z^^ 



(47) 



dt ' dt ' dt 

Man nennt das halbe Produkt aus der Masse und dem 

Quadrat der Geschwindigkeit die lebendige Kraft Bezeichnen 

wir diese Größe mit T und multiplizieren wir (47) mit dtj so 

erhalten wir 

dT=^ Xdx + Ydy + Zdz, (48) 

d. h. der Zuwachs an lebendiger Kraft während einer un- 
endlich kleinen Zeit ist gleich der während jener Zeit von 
der auf den Punkt wirkenden Kraft geleisteten Arbeit. Da 



440 Vierzehntes Kapitel. 

dieser Satz für jedes Zeitelement gilt, so kann er auch auf 
endliche Zeitintervalle übertragen werden. 

Soll dieses Resultat bei der Auflösung der Bewegungs- 
gleichungen von Nutzen sein, so muß man die während eines Zeit- 
intervalles geleistete Arbeit berechnen können. Dies ist mög- 
lich, wenn eine Eraftfunktion 90 (§ 165) besteht. Die Arbeit 
ist dann gleich dem Zuwachs dieser Funktion während des be- 
treffenden Intervalles (§ 208), und dieser Zuwachs muB also dann 
nach Gleichung (48) gleich dem Zuwachs von T sein. Analy- 
tisch ausgedrückt, wenn 

Xögo y d (p y B (p 

ox ay dz 

ist, so kann man für (47) schreiben (wenn (p eine Funktion 

von X, y, z ist, die allein durch Vermittelung dieser Größen 

von t abhängt) 

dT _ d^ 

dt " dt ' 
woraus folgt 

T=(p + a 

§ 301. In den bisher besprochenen Aufgaben hingen die 
abhängig Variablen nur von einer einzigen unabhängig Ver- 
änderlichen ab; in vielen Aufgaben treten jedoch mehrere un- 
abhängig Veränderliche auf, und es muß die Funktion aus 
Beziehungen zwischen ihren partiellen DüTerentialquotienten 
abgeleitet werden. Ein paar Beispiele sollen zur Erläuterung 
dienen, in welcher Weise derartige partielle Differential- 
gleichungen aufgestellt und nachher aufgelöst werden. 

In einem cylindrischen, sich bis in die Unendlichkeit er- 
streckenden Rohr werde das Gleichgewicht der in demselben 
sich befindenden Luft gestört, so daß dieselbe in Bewegung 
gerät Im Gleichgewichtszustand sei der Druck überall p^ 
und die Dichte Qq, welche Größen bei der Störung in p 
und Q übergehen. Ein Luftteilchen, das sich zur Zeit t in 
einem bestimmten Punkt der Bohre befindet, besitze die 
Geschwindigkeit u, deren Sichtung parallel der Achse der 
Röhre sei. Ofi'enbar wird man die durch die Störung hervor- 
gerufenen Zustandsänderungen genau verfolgen können, wenn 
man in jedem Punkt und zu jedem Augenblick jp, q und u 
kennt. Wir wollen jetzt die vereinfachende Voraussetzung 



Di£Ferentialgleichungen. 441 

machen, daß der Zustand des Gases in allen Punkten eines 
senkrecht zur Achse gelegenen Querschnittes derselbe ist. 
Liegen wir die ar- Achse in ßichtung der Rohrachse, so sind 
dann die Veränderlichen Funktionen von x und t um nun die 
Beziehung zwischen den abhängig und unabhängig Variablen 
aufzustellen, muß uns zunächst das Gesetz bekannt sein, nach 
welchem sich der Druck mit der Dichte ändert. Als erste 
Gleichung haben wir also 

Eine zweite Gleichung, und zwar eine partielle Differential- 
gleichung, ergiebt sich, wenn wir die durch die Bewegung der 
Luft hervorgerufene Dichtigkeitsänderung näher betrachten. 

Durch einen im Abstand x vom Ursprung gelegenen Quer- 
schnitt S der Bohre strömt in Richtung der positiven x- Achse 
in der Zeit ^^ eine Luftmenge, deren Masse Sgudt ist. Durch 
einen im Abstand x + dx befindlichen Querschnitt fließt in 
derselben Zeit die Luftmenge Sg'u'dt, wo die Striche die 
Werte von q und u in den Punkten dieses Querschnittes an- 
zeigen. Nun ist 

QU ^ QU = a ' dx. 

In dem Baume zväschen den beiden Querschnitten wird 
also in der Zeit dt die Luftmenge um 8 ^^ dx dt ver- 
mindert. ]Qieraus folgt 

Eüne dritte Gleichung ergiebt sich aus dem Zusammen- 
hang zwischen der Beschleunigung eines Teiles der Luftmasse 
und der darauf wirkenden Kraft. Die Beschleunigung ist 
(vergl. § 155) 

du du 

und da zwischen den beiden oben betrachteten Querschnitten 
eine Masse gleich Sgdx sich befindet, so muß darauf in 
Richtung der x-Achse eine Kraft 



o fdu , öi«\ , 



442 Vierzehntes Kapitel. 

wirken. Dieselbe kann nur aus den Drucken ^ welche & 
zwischen den beiden Querschnitten liegende Masse Ton det 
benachbarten Schichten erleidet, herrühren. Nun ist p der 
Druck auf die Einheit der Fläche, die Differenz der beidei 
Drucke, welche in entgegengesetzter Richtung wirken, ist also 

so daß sich ergiebt 

(du , du\ dp ,R,, 

Die erhaltenen Gleichungen genügen, um, sobald p, q und i 
ftir alle Punkte der Bohre und für einen bestimmten Augen- 
blick gegeben sind, die Zustandsänderungen Schritt f&r Schritt 
zu verfolgen. 

§ 802. Die Gleichungen erfahren eine erhebliche Verein- 
fachung, wenn die Störungen des Gleichgewichtes sehr klein 
sind. Es ist dann u sehr klein und ebenso, wenn wir 

P = ?o (1 + *) 
setzen, die Größe s, {s nennt man die Kondensation oder Ver- 
dichtung.)- Wir brauchen dann von diesen Größen nur die 
ersten Potenzen zu berücksichtigen; höhere Potenzen und die 
Produkte dieser Größen miteinander können wir vernach- 
lässigen. Es folgt dann aus (49) 

also wenn wir 

setzen (diese Größe muß nämlich positiv sein, weil bei Ver- 
größerung der Dichte auch der Druck zunimmt) 

P^Po + ^^9o^' 
Zweitens erhält man aus (50) und (51), wenn man berück- 
sichtigt, daß von Größen, die stets und an allen Stellen sehr 
klein sind, auch die Differentialquotienten wenig von Null ab- 
weichen, a ja a a 

^^ _ p^ du ^ 2 Ö« .p,rt\ 

woraus man noch die einfachen Beziehungen 
ableiten kann. 



Differentialgleichangen. 443 

§ 303. Diese GleichuDgen sind denen der §§ 286 und 290 
einigermaßen ähnlich. Es ergiebt sich auch hier, ebenso wie dort, 
die allgemeine Auflösung durch Addition einer genügenden 
Anzahl partikulärer Auflösungen. Die letzteren können in 
älinlicher Weise, wie in § 290, gefunden werden. 

Setzen wir 

8o wird den Gleichungen (52) Genüge geleistet, wenn 

ßp ^ -^ aq j /?y=s — a*a/? 

ist. Daraus folgt 

Setzen wir noch y == aSj dann erhalten wir also zwei 
partikuläre Auflösungen, die für jeden Wei*t von p, a und 8 
den Gleichungen genügen, nämlich 

und 

Die Bewegungszustände, welche durch diese Gleichungen 
dargestellt werden, kommen in Wirklichkeit nicht vor. Wir 
gelangen besser zum Ziel, wenn wir die Gleichungen dadurch 
umformen, daß wir a gleich einer imaginären Größe = ia 
setzen und von den hierdurch entstehenden komplexen Aus- 
drücken nur die reellen Teile nehmen. 

Man findet dann 

8 ^ p cos a {x ^ at + S)^ u = ap cos a'{x -- at + S) (54) 

und 

8 =s p cos £c'{x + at + S)j u = -- ap cos a {x + at + ö). (55) 

Wenn wir in diesen Ausdrücken x als eine Konstante 
betrachten, so sind s und u periodische Funktionen von t, 

deren Periode —^ ist. Die Bewegung eines jeden Luftteilchens 

in den Auflösungen (54) und (55) ist also eine einfach harmo- 
nische, da u durch eine einzige goniometrische Funktion von t 
dargestellt wird. 

Auch in Bezug auf x sind s und u periodische Funktionen. 

An Stellen, die um — (Wellenlänge) voneinander entfernt 



444 Vierzehntes Kapitel. 

sind, ist der Zustand der Luft zu ein und derselben Zeit der 
nämliche. Bei der durch (54) gekennzeichneten Bewegung 
wiederholt sich der Zustand, der in irgend einem Augenblick 
in einem beliebigen Punkt besteht, nach einer Zeit r is 
einem Punkt, der in Eichtung der positiven x-Achse in einem 
Abstand ar vom ersten gelegen ist; es pflanzen sich also hier 
die Schwingungen mit der Geschwindigkeit a in fiichtung der 
positiven :r-Acfase fort. In derselben Weise ergiebt sich, daß 
in (55) sich die Schwingungen in entgegengesetzter Sichtung 
fortpflanzen. 

§ 804. Durch Addition verschiedener Auflösungen von 
derselben Art wie (54) und (55) (mit verschiedenen Werten 
von p^ d und S) erhält man allgemeinere Auflösungen der 
Bewegungsgleichungen. Man kann es dabei so einrichten^ daß 
die Auflösung den Zustand zu Anfang des Versuches, z. B. 
zur Zeit ^ = 0, wiedergiebt, so daß die erhaltene Auflösung 
die Bewegungen darstellt, die aus diesem Anfangszustand ent- 
stehen. Der Einfachheit halber wollen wir annehmen, daß zur 
Zeit ^ = die Luft überall in Buhe ist, also u = 0, und daß i 
als irgend eine Funktion von x durch die Gleichung 

8 = F{x) 
gegeben ist. 

Wenn wir nun zunächst die Auflösungen (54) und (55) 

zusammensetzen, so ergiebt sich 

Ä = ;? cos a'(x — 0^+^)+;? cos «' (a: + a ^ + ^ , | 

w = aj9 cos a' {x ^ at -^r S) — ap cos d[x + a ^ + d'). J 

Da hier fär ^ = auch t^ = ist, so ist der einen Be- 
dingung genügt, wenn wir weiter nur analoge Ausdrücke wie 
diese addieren, um auch der anderen Bedingung zu genügen, 
beachte man, daß aus (56) für ^ = folgt 

s = 27?cosa (x + S) (57) 

und daß also eine Summe von Auflösungen, wie (56), mit ver- 
schiedenen Werten von ci und J filr ^ = 

« = 22;? cos oi{x + S) (58) 

giebt. In der That können nun die verschiedenen Werte von 
j9, d und b so gewählt werden, daß diese letzte Summe den 
vorgeschriebenen Wert F{x) annimmt; denn, wie in § 271 be- 



Differentialgleichaxigen. 445 

^Kriesen, kann mit Hilfe der FoüBiEB'schen Reihe jede willkür- 
liclie Funktion F{x) als die Summe einer unendlich grossen 
Anzahl goniometrischer Funktionen dargestellt werden. Sind 
auf diese Weise die Werte ermittelt, welche /?, u und 8 in 
^edem Glied von (58) haben müssen, dann entsprechen jedem 
G-lied die bekannten Ausdrücke (56), und deren Summe stellt 
den gesuchten Bewegungszustand dar. 

Das Endresultat erhält man auf einfache Weise, wenn 
man beachtet, daß die beiden Glieder, woraus s in (56) zu- 
sammengesetzt ist, aus (57) erhalten werden können, wenn 
man in der einen Hälfte des letzten Ausdruckes x durch x ^ at, 
in der anderen x durch x -{- at ersetzt. Da nun dies von 
jedem Glied gilt, aus dem die Summe (58) zusammengesetzt 
ist, 80 ergiebt sich schließlich auch die Summe aller Aus- 
drücke (56), also der Total wert von s, indem man in die 
beiden Hälften der Summe (58), also von F[x)y die eben- 
erwähnten Werte substituiert. Hierdurch erhält man als 
Resultat 

8 = \F{x '-at) + \F[x + ai)j (59) 

welche Gleichung aussagt, daß die eine Hälfte der anfäng- 
lichen Verdichtung sich mit der Geschwindigkeit a in Richtung 
der positiven x- Achse, die andere Hälfte mit der gleichen Ge- 
schwindigkeit in Richtung der negativen x- Achse fortpflanzt. 

Die Geschwindigkeit der Luftteilchen ist in jedem Augen- 
blick und in jedem Punkt gegeben durch 

u ==\aF[x ^ at)^\aF{x + at). (60) 

§ 805. Das erhaltene Endresultat kann noch auf ein- 
fachere Weise, als oben, abgeleitet werden. Führt man näm- 
Uch in die Gleichungen (58) anstatt x und t die Größen 

X — a ^ = Ij und x + at == ^^ 

als unabhängig Veränderliche ein, so lassen sich die partiellen 
Differentialquotienten nach x und t in den Differentialquotienten 
nach 1^ und 1, ausdrücken; es verwandelt sich dann die erste 
der Gleichungen (53) in 

_ Jlf_. . 
öl, ö f, "' 



s 



446 Vierzehntes Kapitel. 

Die allgemeine Auf lösang dieser Gleichung ist nun lacht 

ZU finden. Da nämlich -^-^ beim Differentiieren nach |« NnQ 

geben soU^ so darf dieser Ausdruck 1, nicht enthalten; er kann 
jedoch jede willkürliche Funktion von |^ sein. Man setK 
deshalb 

ji = Ali)- («>) 

Diese Bedingung wird befriedigt durch 

welche Funktion von |j wir qp(|i) nennen woUen. 

Der Gleichung (61) wird jedoch auch GentLge geleistet 
wenn man zu dem soeben gefundenen Wert von s noch eine 
Größe addiert, die beim Differentiieren nach |^ Nall giebt 
Diese kann eine willkürliche Funktion von I3 , etwa tp (l,) sein. 
Da auch 9>(|i), als Integral der willkürlichen Funktion /(l^)^ 
ebenso wie diese selbst unbestimmt ist, so ergiebt sich 2k 
allgemeine Auflösung 

s = (p{x — ai) + rp{x+ at) (62] 

mit zwei unbestimmten Funktionen. 
Aus (52) folgt weiter 

u = a (p{x -- at) — ailj{x + at) + aC. (63) 

SoU nun für / = 0, u = und s = F(z) sein, so lassen 
sich die Funktionen (p und yj leicht ermitteln. Aus (63) folgt 
nämlich für / == 

u == a[(p{x) ^ ip {x) + C], 

Soll überall ti = sein, so muß ^{x)^ \jj [x) — C sein. 
Für f = ist daher 

und ist nun 5 s= i^(x), so müssen 

^[x)^\F[x)^\C und ^{x)^\F{x) + \C 

sein, wodurch man wieder zu den Formeln (59) und (60) gelangt 
§ 806. Wir führen noch ein zweites Beispiel einer par- 
tiellen Differentialgleichung an. Ein vertikal gestellter CyUnder 
(Querschnitt = 1) ist mit einer Salzlösung gefüllt, deren Kon- 
zentration am Boden größer ist, als am offenen Ende. Die 



I 



DifFerentialgleichongen. 447 

Konzentration soll in allen Punkten eines horizontalen Qaer- 
sclmittes gleich groß sein; sie ist daher eine Funktion der 
ELöIie z vom Boden ab gerechnet. Außerdem hängt sie von 
der Zeit ab, da das Salz durch Diffusion aus den konzen- 
trierteren Stellen zu den verdünnteren übergeht. 

Wir definieren zunächst die Konzentration s als die in 
G^ewichtsteilen ausgedrückte Salzmenge, welche in der Volum- 
einlieit vorhanden ist. Weiter machen wir von einem experi- 
mentell bewiesenen Satz Gebrauch, nach dem die in der Zeit- 
einheit durch die Querschnittseinheit diffundierende Salzmenge 
proportional dem Eonzentrationsgefälle in einer Richtung senk- 
recht zum Querschnitt ist Den Proportionalitätsfaktor, den 
sogenannten Diffusionskoeffizienten, wollen wir mit k bezeichnen. 
Aus diesem Gesetz folgt, daß die Salzmenge, welche während 
der Zeit dt durch irgend einen in der Höhe z oberhalb des 
Bodens befindlichen Querschnitt nach oben diffundiert, gleich 

-ki-dt 

ist. Die Differenz der Salzmengen, welche durch zwei in den 
Höhen z und z + dz befindliche Querschnitte diffundieren, ist 

— k-z — =■ dz dt. 

Um diesen Betrag nimmt die Salzmenge zwischen den 
beiden Querschnitten ab; hieraus folgt 

Diese Gleichung bestimmt den Verlauf der Diffusion in 
jedem Punkt der ßöhre. Um aber über die Erscheinung voll- 
ständig orientiert zu sein, müssen wir noch den Anfangszustand 
kennen, und müssen wir außerdem wissen, was am Boden und 
am Ende der Bohre vor sich geht. 

Was den ersten Punkt betrifft, so wollen wir annehmen, 
daß fiir ^ = die Konzentration überall uns bekannt ist, daß 

also für ^ = 

s =1 F{z) (65) 

ist. Da weiter am Boden kein neues Salz hinzugeführt wird 
(es soll dort auch kein Vorrat von festem Salz liegen), so 
muß in dem unmittelbar am Boden befindlichen Querschnitt 



448 Vierzehntes Kapitel. 

die Diffusion zu allen Zeiten Null. sein. Also für alle Werte 
von t ist 

1^ = 0, für z = 0. m 

Was das obere offene Ende der Bohre betrifft, so woHen 
wir annehmen, es sei das ganze Bohr in eine große Masse 
reinen Wassers untergetaucht. Ist dann der Querschnitt nicht 
allzu groß, dann können wir annehmen^ daß jedes Saizteilchen, 
sobald es nach oben gelangt , unmittelbar darauf weggefbhrt 
wird, so daß dort die Konzentration Null bleibt. Ist h die 
Höhe der Bohre, so muß also für jeden Wert Ton t 

Ä = 0, für 2r = A (67) 

sein. 

Es gilt jetzt eine Auflösung von (64) zu finden, die den 

Nebenbedingungen (65), (66) und (67) genügt. 

§ 307. Eine partikuläre Auflösung von (64) ist 

wenn ß ^ ku^ i&i {p ist eine unbestimmte Zahl). Macht man 
a imaginär, etwa =s tu', so müssen der reelle und der ima- 
ginäre Teil, jeder für sich, der Differentialgleichung genügen, 
sodaß man die beiden für unsere Zwecke geeigneteren Auf- 
lösungen 

s =s ;?<?-*«'•' cos a'ar (68) 

und 

s =/>e-*<«'**sina'ir 

erhält. Bei (68) ist die Bedingungsgleichung (66) erfüllt; wir 
brauchen also auf diese letztere nicht weiter zu achten, wenn 
wir nur Ausdrücke, wie (68), zu einander addieren. Wählen 
wir dabei für a solche Werte, daß cos a h^Q ist, also 

dann wird auch (67) Genüge geleistet. Wir brauchen jetst 
nur noch in 

s = p^e cos -5-7- + J0J e cos8-jr^ + 

^* ^* (69) 

Ah* .> TT X 

+ p^e cos 5 YT + ^* s* w- 



Differentialgleicliangeii. 



449 



die Koeffizienten p so za bestimmen^ daß auch (65) erfüllt 
wird, daß also 



J^{z) =ft cos^ +;?3C083-^ +JD3COS5-JJ + u. s. w. (70) 

ist, damit (69) die Aaflösung der Aufgabe darstellt. 

§308. Die gegebene Funktion F(z) läßt sich wirklich fllr 
alle Werte von z zwischen und h in eine Beihe von der Form 
(70) entwickeln. Diese Entwickelung ist im vorigen Kapitel 
nicht besprochen; da aber die Koeffizienten in (70) sich in 
genau der gleichen Weise wie die Koeffizienten der dort be- 
handelten Eeihen bestimmen lassen und die Richtigkeit der 
Kntwickelung sich wie in den §§ 267 und 268 beweisen läßt, 
so überlassen wir dies dem Leser, und erwähnen nur, daß die 
Werte der Koeffizienten 



Pi 






cosS^^- dz u. s. w. 

z n 











sind, l^ind diese Integrale berechnet, so giebt (69) den ganzen 
Lauf der Erscheinung wieder. Will man z. B. die Salzmenge g 
berechnen, die von ^ = bis ^ = T durch irgend einen Quer- 
schnitt diffundiert, so hat man nur in Betracht zu ziehen, daß 
die Diffusion in einem Zeitelement beträgt 



— k-^r-dt = 



.T 



dx 



2h 



+ 3;?.(? 



+ ^Ps^ 






4A« 



kt 



. nx , 



kt 



O TT* , 



2ön* 



4/t« 



kt 



sin bZr + u. s. w. 
2 h 



Integriert man diesen Ausdruck zwischen den Grenzen 
und T, so ergiebt sich 



7 = 



2h 



71 



:i' 



p,[l-e 4M*^jsin^* + 



LORK27TZ, DifferentialrechnuDg. 



sin 3 ~- + u. s.w. 

2s n 



29 



450 Vierzehntes Kapitel. 

Setzt man hierin z ^ h, so findet man, wieviel Salz ans 
der Bohre hinaus diffundiert ist, nämlich 

9.1« 




Es wird dem Leser nicht schwer fallen, hieraus absmleiten, 
daß die Salzmenge, welche noch in der Röhre vorhanden ist, 
dargestellt wird durch 









*'*• — U. S.W. . 



§ 309. Die vorstehenden Aufgaben werden dem Leser 
einen Begriff gegeben haben, wie einfache partielle Differential- 
gleichungen aufgelöst werden können. Gleichungen, wie die 
in den vorhergehenden Paragraphen behandelten, welche die 
Differentialquotienten linear und mit einem konstanten Koeffi- 
zienten multipliziert enthalten, kommen sehr häufig vor (z. B. 
in der Theorie der Wärmeleitung, der Hydrodynamik und der 
Elastizität). Vielfach sind sie allerdings, wenn noch eine 
größere Anzahl von unabhängig Variablen, z. B. die drei 
Koordinaten x, y, z und die Zeit t auftreten, von verwickel- 
terer Form. In all diesen Fällen kann man damit anfangen, 
partikuläre Integrale zu suchen, woraus dann allgemeinere 
sich zusammensetzen lassen. Oft bestehen die partikulären 
Auflösungen aus exponentiellen Größen, wie tf«« + ^» + y* + *', 
oder aus den goniometrischen, die hieraus durch Einführung 
von komplexen Größen entstehen. In einigen Fällen muß man 
jedoch von andersgestalteten partikulären Lösungen ausgehen^ 
z. B. bei der Gleichung 

die in der Theorie der Elektrizität und des Magnetismus eine 

wichtige Rolle spielt. Hier ist y = — eine Auflösung, wenn 

r den Abstand des Punktes mit den Koordinaten ar, y, z von 
einem festen Punkt bedeutet, (Vergl. Aufgabe 2, S. 250.) 



Difiüßrentialgleichangen. 451 

Bei der Auflösung von Aufgaben, die zu linearen par« 
Hellen Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten 
führen, liegt die Hauptschwierigkeit in der Regel darin, die 
verschiedenen partikulären Auflösungen auf solche Weise 
miteinander zu kombinieren, daß die der Differentialgleichung 
hinzugefugten Nebenbedingungen erfüllt werden. Aus den oben 
besprochenen Beispielen wird man ersehen haben, wie hierbei 
die FouBiEa'sche Beihe oft gute Dienste leistet. Ist die Auf- 
gabe offenbar ganz bestimmt, wie in jenen Beispielen, und 
hat man die partikulären Auflösungen so miteinander kombi- 
niert, daß die zum Schluß erhaltene Auflösung auch allen 
Nebenbedingungen genügt, so kann man sicher sein, daß die 
letztere die einzig mögliche Auflösung ist 

Aufgaben. 

1. Es sollen die folgenden Differentialgleichungen auf- 
gelöst werden: 

a) (1 + x*)yrfa: — (1 — y*)ar£fy = 0; 

b) sina: cosy £fx — cosarsiny rfy = 0; 

c) (p(y)dx + yj{x)dy = 0\ 

d) X i/{j/dx + xdi/) + x^dx =i 0\ 

e) {!/''x)dy + ydx = (§280); . " 

f) {Si/ + 10 x)dx + {5t/ + 7 x)di/ ^ 0; 
y, dy , X 1 



dx ' 1 + X* ^ 2x{l + z^) 

2. Desgleichen die Gleichungen: 

8. Bei welcher krummen Linie ist die Länge der Normalen, 
gerechnet bis zum Schnittpunkt mit der x- Achse, konstant? 

4. Bei welcher Linie bildet die Tangente überall denselben 
Winkel mit dem nach einem festen Punkt gezogenen Badius- 
vektor? (Man benutze Polar koordinaten.) 

5. In einer vertikalen Röhre befindet sich eine Gasmasse, 
die überall dieselbe Temperatur hat und auf welche die Schwer- 

29* 



452 Vierzehntes Kapitel. 

kraft überall mit derselben Intensität wirkt. £s sollen die 
Dichte Q und der Druck p als Funktionen der Höhe z über 
dem Boden ermittelt werden. Dabei ist p ^ ap (a == konsi) 
und die Beschleunigung der Schwerkraft ff. (Man beachte, d&B 
eine unendlich dünne horizontale Schicht von der Differenz der 
Drucke, die sie beiderseits erfährt, getragen wird.) 

6. Zwei vertikale cylindrische Gefäße, die durch ein hori- 
zontales Kapillarrohr miteinander verbunden sind, sind mit ein 
und derselben Flüssigkeit auf ungleiche Höhe gefällt. Durch die 
Kapillare strömt in der Zeiteinheit ein Flüssigkeitsvolnm, das 
proportional der Höhendifferenz in den beiden Gref&ßen ist 
(Proportionalitätsfaktor ä). Die horizontalen Querschnitte der 
Gefäße seien S^ und S^ und die Höhen der Flüssigkeitsspiegel 
über der Kapillaren für f = H^ und If^. Es sollen diese 
Höhen für einen beliebigen Zeitmoment berechnet werden. 

7. Es soll die Bewegung des § 286 betrachteten Punktes 
untersucht werden, wenn außer der in diesem Paragraphen 
angenommenen Kraft noch die Kräfte von § 290 und § 293 
wirken. 

8. Es soll dieselbe Aufgabe gelöst werden, wenn auf den 

Punkt die Kraft von §286 und überdies zwei Kräfte, ct^ m cos 2 7ty 
und «j m cos 2 ;r -^- 1 wirken. 

9. Es sollen für die Gleichung 

Auflösungen gesucht werden, welche die Form g> = F{r\ bez. 

xf{r) und i/'(o) haben, wo r = ^^^ +!/^ + z^ und o = Y^^+y^ 
ist. (Durch Substitution von y = F{r) u. s. w. in die Glei- 
chung, erhält man eine gewöhnliche Differentialgleichung; bei 
dieser Substitution achte man besonders auf die Größen 

- F'{r), - f [r) und i//'(o) und suche in erster Linie diese 

zu bestimmen.) 

10. Die Aufgabe von § 304 soll flir den Fall gelöst 
werden, daß für ^ = überall « = 0, aber u = f(x) ist 

11. Desgleichen für den Fall, daß für ^ = 0, s ^ F{x) 
und u = f(T) ist. 



Differentialgleichungen. 453 

12. Wie groß wird in der Aufgabe Ton §§ 306 — 308 
der Wert von y', wenn für ^=0 die Röhre bis zu */, der 
Höhe mit einer Salzlösung, deren Konzentration s^ ist, und 
darüber mit reinem Wasser gefüllt ist? 

13. In einem langen cylindrischen Stab, dessen Quer- 
schnitt = 1 ist, ändert sich in der Längsrichtung die Tem- 
peratur T von Punkt zu Punkt, während sie in jedem hierzu 
seDkrechten Querschnitt an allen Stellen gleich ist. Die Wärme- 
menge, welche in der Zeiteinheit durch solch einen Quer- 
schnitt fließt, ist proportional dem in der Längsrichtung des 
Stabes bestehenden Temperaturgefälle. Der Proportionalitäts- 
faktor sei Ä. Die durch die Temperaturerhöhung hervor- 
gerufene Ausdehnung des Stabes soll vernachlässigt werden 
und an der Oberfläche des Stabes soll Wärme weder auf- 
genommen noch abgegeben werden. Die Wärmemenge 7^, welche 
nötig ist, um die Temperatur der Volumeinheit um einen Grad 
zu erhöhen, sei bekannt. Es soll eine Differentialgleichung 
aufgestellt werden, welche t als Funktion von Ort und Zeit 
bestimmt (vergl. die Aufgabe § 306). 



Anflösnngen der Aufgaben. 



Kapitel I. 

2. y" + cPn-l y""^ + • • • + c""^p, y + c*Po = 0. 

3. Setzt man a = |, bo wird die neue Gleichung 

4 _i V i_. _J \_ . 



a? - 4 o; + 2 a; + 5 ' (a; + 1)» (x + 1)« a? + l ' 

Ja? 4-3 -5a; + 3 



a;* + aj+l a;* — sb+I' 
5. i{»5n(n+ l)(2n+ l)(3n' + 3n- 1). 

Kapitel II. 



1. Man setze cosx = ± Vi — sin'a;, wodurch man eine quadrati- 
sche Gleichung zur Bestimmung von sina; erhfilt, oder man führe die 
beiden durch a « mcosp, 6 = msinj9 (vergl. § 30) bestimmten Hülfs- 
großen m und p ein. Die Unbekannte x ergiebt sich dann aus der Glei- 
chung cos (a? — p) s= 



m 





2. 2 r sin JLLO_ = 0,868 r. 

3. Es sei z. ^ (7 = aj, z. B - y. Die Summe und die Diffe- 
renz dieser Unbekannten berechnet man aus 

x^y^ify tg^(x - y) = ^ . ^ tg|y (vergl. § 37b). 

4. Setzt man L Ä = x, lBOC — y^ so ist 

aj-f y = 9, tgi(a;-y) = y^-^cot|9. 



6. ^(7=yi:^ + ^L>*-H 2 AB X i4Z>cosX 

fr ^ 1 j. • i-T l.^ 1 « siu B sin G 

7. a) -Ja 6 sin C; b) J a« -.^^^--^ . 

8. Die gesuchten Entfernungen sind die Wurzeln der Gleichung 

a;' — 2 a a? cos y -I- a* = r*. 



\ 



Auflösungen der Aufgaben. 465 

10. arc cos ^ = 70<> 32'; 2 arc cos yp= 109<> 28'. 

11. Die gesuchte Projektion x wird gefunden aus der Gleichung 

cos a « cos^ cos q + sinp sin q cos x. 

12. 1. Man dividiere Zfihler und Nenner durch x — b. Als Grenzwert 

ergiebt sich 6; 2. f ; 8. — wenn m = n; wenn m < fi, und oo wenn 

^. Binax - . sin a a; . 

m > n ist; 4. Lim = a Lim = a; 5. 1 ; 

X ax 

1 ~" cos X l Bin A iij \ 

6. Lim 5 « Lim \ ( — t-^ — | =« \\ 7. Man setze x — 71 = a/, dann 

X* \ 1 äJ / 

ist der gesuchte Grenzwert —Lim -, — für 35' = 0, also — 3; 

8. Setze 1 — 3 aj = , der Grenzwert ist «-8; 

X "7" o 



1 r 

9. Tiim (1 + a sin a;)* = Lim 

1 


(1 + asina; 

r In 


1 1 sin OS 

— - — a 

xaslnac x _. ^a. 

Ml 


10. Lim (1 + «■) * = Lim 


(1 + x^'^ 


= Lim e* = 1 : 



11. Lim(l + a;)* = 00. 

18. Wir wählen auf jeder der beiden Linien L, und L, von dem 
Schnittpunkt ab die eine Richtung als die positive. Es sei A = x, 
O B = yj dann muss, wenn AB = a und der Winkel zwischen den Linien 
« & gesetzt wird, 

a?* + y' — 2 X y cos & = a^ 

sein. Der äusserste Abstand, den A von erreichen kann, ist a cosec &. 
Führt also A eine einfache harmonische Bewegung aus, dann muss 

X = a cosec & cos 2 « 1 -^- + p 1 

sein. Aus der obenstehenden Gleichung folgt dann 

y » a cosec ^ cos 2?! j-^- + p J ± & 

sodaß also auch B eine harmonische Bewegung ausfuhrt 

Ist^ = |7i, dann wird a;«acos 2711-^ + pU y = ±asin27rf-^ + PI • 

Der Winkel zwischen A B und Li ist dann 2n 1-- + p J . Die aus 

auf A B gefällte Senkrechte ± a sin 2 tt [-= + p 1 cos 27i I— + p) . 

16. Wenn a, ß, /, Ö untereinander commensurabel sind. 

17. Die beiden Gleichungen ergeben sich aus den Formeln für den 
Sinns und die Tangente der Summe zweier Winkel (§ 34 und § 35). 

In der ersten Gleichung muss das Vorzeichen von }/l — a?* und Vi — y' 



466 AuflösuDgen der Aufgaben. 

dasselbe sein, wie das der Kosinas der Bogen, die im ersten Gliede vor- 
kommen. Die Formeln sind allgemein gültig in dem Sinne, dass, irena 
man für jedes Glied auf der linken Seite unter den unendlich vielen 
Werten einen auswählt, die Summe einer der vielen Werte sein 'wird, 
die der Bogen auf der rechten Seite annehmen kann. Versteht man 
jedoch unter arcsino; oder arctgo; stets einen Bogen zwischen — ^s 
und + ^Tif dann ist, wenn das Vorzeichen von x und y dasselbe ist, 
bei der ersten Formel noch die Bedingung x^ + y^ < 1, bei der zweiten 
xy < 1 einzuführen. 

Kapitel IH. 

2. ± i [(iCi y, - «, yi) + (x, s/s - a;, y^) + (a;, y^ - x^ y^j]. 

3. ?^.?L_t_!^?? ^ yi + Wi y, ^^^ WjX, -- WiX, rn^^jn^y^ 

4. a)-^ = --; b) ^~^^ = -— -^-; i^) A{x - x,) -^ B{y - y,) = 0. 

5. In: 2^ » p o; 4- ^ bestimme man p und 9 so, dass von den Achsen 
die Stücke a und h abgeschnitten werden. Man findet für die Gleichung: 

^ y . 
+ ■/ = 1. 

a 

8. a) 5(a; - X,) -- Aiy^y,)^ 0; b) -^^ a* + B*- ^ 

9. (x - a)« + (y - ^>)* = r«. 

10. ^ = a j? == 0. 

12. Die drei Fälle treten ein, je nachdem 

a'jo' -f 6* — 5* > , = oder < ist. 

18. Wenn die kleine Axe 2 b den Winkel zwischen den positiven 
Axen X* und Y' halbiert, dann wird die Gleichung 

15. Die Koordinaten des Scheitels der Parabel sind 

— v^ sin* ff , »' sin a cos a 



und 



^9 9 

16. Es sei (Fig. 33 S. 82) RR die gegebene gerade Linie, AF=dy 
das gegebene Verhältnis P F:P C — e. Man wähle A zum Ursprung und 
A R zur z/- Achse. Die Gleichung ist dann: (x — d)* + y* = e'x*. Wenn e 
nicht gleich 1 ist, so wird die x- Achse in zwei Punkten geschnitten. Man 
verschiebe die ^-Achse nach dem Punkt, der gleich weit von den beiden 
letzteren entfernt ist. Es ergiebt sich dann , daß die Linie für e < 1 



Auflösungen der Aufgaben. 457 

eine Ellipse, fiir e > 1 eine Hyperbel ist. Für 8 = 1 ist sie eine Parabel 
(§ 58). In jedem Fall ist F ein Brennpunkt der Kurve. 

18. Die Gleichung lautet: (x« + y« + a*)« - 4a»x« = 6*. 

^^' (5 " 2ä '^''^ ^ ""^ ~ '^J ^ ^ "''' 4 Tip (l - -^*) . Für p = 0, 

Parabel. 

22. Man fälle aus dem Pol ein Lot auf die betreffende Linie. 
Die Länge des Lotes sei Öy und der Winkel, den es mit der Achse bildet a. 
Die Gleichung lautet dann: r ~ dsec(^ — a). 

28. HadiuB a; Radiusvektor des Mittelpunktes b. Gleichung: 
r" — 2 6rcos d^ ■■ o' — 6*. Besonderer Fall: Der Pol befinde sich auf 
dem Umfang. 

24. Man berücksichtige Aufgabe 16. Man wähle F (Fig. 88 

P 

S. 82) zum Pol, FÄ zur Achse, dann wird r = — -. Dabei ist 

' ' ' 1 + e cos ^ 

p = e d die Ordinate im Brennpunkt. Man leite die Gleichung 

P 
r B i- — --- auch aus der auf rechtwinklige Koordinaten bezogenen 

Gleichung ab. 

26. Man nenne eine nördliche geographische Breite positiv, eine 
südliche negativ. Aus dem sphärischen Dreieck, dessen Eckpunkte die 
gegebenen Punkte und der Nordpol sind, ergiebt sich für den Kosinus 
des gesuchten Bogens 

sin &! sin b^ + cos bi cos b^ cos (/} — 1^). 



Kapitel IV. 

1 . Wenn eine auf der Ebene errichtete Normale mit den Achsen die 

« 

Winkel a, /?, y bildet, so ist 

^y,f = -^C^8«» ^,x=^COSj!^, 7^y = /cOS7. 

2. Kombiniere die Resultate von Aufgabe 1, Kap. III und Auf- 
gabe 1, Kap. IV. 

3. — — , u, s. w. 

5_-- + -5;- + -^_ 1. 
a b c 

6. X + 2/ + * = 0. 

7. (x - a)« 4- ü/ - />)- + (; - cY = a* + i>* H- c\ 

9. Wenn bei der Auseinanderziehung der Ursprung an seiner Stelle 
bleibt, 80 ist die Verschiebung jedes Punktes 

(p — 1) (jc cos « + */ cos ^ -f » cos y)- 



458 Auflösungen der Aufgaben. 

Die neuen Koordinaten o/, y', x\ sind gegeben durch 

a/ =1 a? + (p — 1) coß a (o; cos o + y cos |9 + * cos 7^), u. b. w. 
Hieraus folgt 



X 



oj' + 1 1 ) cos ff {x' cos ff + y' cos ß + x' cos /) , u. s. w. 



Durcfa Substitution dieser Werte in FiXy y, x) ^ entsteht eine nene Gki- 
chung, welche o/, y'y x' enthält und welche die neue Oberfläche daisteSi 

11. § 79 und Aufgabe 8, Kap. IV. 

12. y» 4- .%• = 2;>a? (§ 58). 

13. Durch neun Punkte, da in der Gleichung ^.j «• + ^, y* + J, s* 
+ 2 5iy*+2 5j«a; + 2ß;a;y + 2Cia?+2<7,y + 2C,* + Z> = n«i 
Verhältnisse der Koeffizienten vorkommen. 

14. "j/ri* 4- r,* — 2 rjr, [cos i^j cos iu^, + sin ^^ sin ^, cos (gp, — ^]. 

15. Wenn a > 6 > c ist, so muß die gesuchte Ebene die Richtiaf 
der y-Achse enthalten. Ihre Lage wird durch die Gleichung 

cos' qo sin* «p 1 

bestimmt, wo (p den Winkel bedeutet, welchen die Ebene mit der 
o;, y-£bene bildet 

16. Man wähle zum Ursprung den Punkt der »-Achse, dessen Ab- 
stand von der gegebenen Linie möglichst klein ist Es sei d der Ab- 
stand uud ff der Winkel, den die Linie mit der Achse bildet Die Ent- 
fernung irgend eines Punktes der sich bewegenden Linie von der Achse 

ist dann ^ »> y(P + x^ tg* a. Die Gleichung des Meridians ist 

9* Ä* tg* rt 



diese Linie ist also eine Hyperbel. 



= 1; 



Kapitel V. 

1. 3a^". 

2. tgü^ = 3aa;»-f 2|?a;. 

3. Wenn die beiden Koordinatenachsen den Winkel a miteinander 
bilden und die Tangente mit der a:-Achse den Winkel ^, dann ist 

sin^ dy , ^ ^ ^ \ dx 

— - = — -^ oder cot ^ = cot a + — ; -j— . 

sm (ff — v^) a a; %\VLa dy 

5. Für die Ordinate findet man die Gleichung: y^Zax^\ die 
Kurve ist also eine Parabel. 

6. Der Inhalt der senkrecht auf der o;- Achse stehenden Endfläche. 



7. Von der ersten Ordnung, da --^—j. — - = l 



(1 + ^H ist, 



dessen 



Grenzwert beim Abnehmen von ^ gleich 1 ist, und cosec ^— cot ^=tg} h iät 
8. (6 + 2c^ -f 3d^«)r. 



AuflösuDgen der Aufgaben. 459 

10. Die KosinoBse dieser Winkel verhalten sich wie du zu dv oder 
wie 1 : 1' {u). 

12. Daß die Kosinusse der Winkel, welche die Tangente mit dem 
Radiusvektor und mit der Achse, auf der die Brennpunkte liegen, bildet, 
Bicli wie zu 1 verhalten. 



Kapitel VI. 

„ 11 « l4-2a? ^ -.3-fa? + fx^ + 3 a; 
Z. — äTHT " u. ^ r — . 4. ■ 

bix^yx sxyx ßxyx 

b. bpqixr '^{a + bary ^. 6. — p-— — ^^ — . 7. 



(1 + o^V •• (1 + ^.)«+l 

8. (a + a;)[a6 + (36- 2a)ic- 4a;«]. 9. n (b-{-2o x) ^ 

(a + ÄX + cx*)""*"^ 

10. [a + (n+ l)6a? + (2n+ l)ca;«](a + ftaj + ca?")""^. 

11. (1 +a?*)(l -x + a;V(- 3 + lOaj - 7aj*+ 10a;«). 

1 + 12a; + 4a?« ^ 2 + x 

(l+a;+2a;»)* j/l - a;« 2y(rTä;)' 

15. - 16. '^ 



(1 -a;)l/l -a;>" ' 2 (j/a + |/^)» )/ a; (a + x) * 

17. a?«(-3 + a;») ^^ a 

(1 + a?«) j^(l - a?«)« ' ' l/(a + 6 a;»)» ' 

6 -f 2 ca; _3ojf 2 6 a; + c a;» 

2Va + 6a? + ca;» ' 8|/(a + 6a; +7^*7 ' 

3 a; - VT — a;* 

21. -^ .22. -^ V * 



23. 



5f(TT3^)"* [0? + yr - a;*J«l/l - a:» 

w[a? + yr^x^T"^ [- a; + l/T - ^] 



]/ 1 - x^ 



2x 
24. - 



VT- x* - (1 - a;*) 



^ '^-l 



25. (w- l)a;"*-2(a + 6a;")« 4- 6n ^x™ + ""2(a + 6a;")« 

26. 6a;e^*\ 27. (o + 2ra;)e' + «' + *"**. 28. -^a""* 

a;* 



460 



Auflösungen der Aufgaben. 



29. 



—x\i 



(e* + «-*) 



30. 



(1 + xy 



. e 



X 

1 + as 



Xlp Yi-'a* 

31. --Z — ,p 



84. 



yi-x^ 

q + 2rx 



32. Ix. 



.* ' 



35. 



X — X 

e — e 



p '\- qx -^ rx^' g^ + g-* 

37. (2aj- l)c^* + 4(x+ l)e*+ 1. 

yy«"-:ia^ 40. 3 Sinex. 



33. 



36. 



2bx 



a + bx*' 
ß 



38 



. e* (ix + — ) . 



89. - 



a + bx+ ex' 



41. (pcos'iC — 58in*a;)8m^ ^xcos^ ^x, 42. 



sin 2 a 



8iu*(a + X) 



43. , . 44. X (mninpx + pxcospx), 45. tg^x 



46. 



48. 



n cos n x sin x — sm n x cos x 



sin*« 



sm x cos X 



47. 



sin* a sin 2 a; 



sin*(a 4- x) sin*(a — x) 



y sin (p + x) sin (/> — x) 



asino/eosa; 
49. - — ^— 



^^ 2a[2a + (1 + a*) cosx] 
50. — 



[1 + a* + 2 rt cos x]* 



51. - 



y 1 — a sin* X 

sec* (yr-^x) 

2yi -~x 



52. - -; . 



4 sin 2 a cos 2 x 



(sin 2 a + sin 2 x) 



2 • 



55. 



6* (cos X — sin x) — 6 



2« 



(1 + ß-^sinxj' 



2a8 
57^ T c ^ 

a* cos* X — ^ sin* x 



53. -?^. 54. e**(«co8.:?x-i?8inixl 
C08*X v.r. 



56. sec'x.e^ + *«=". 
1 ., a 



58. -: 



59. 



60. - - — i. 
1 + x' 



61. arcsinx. 



sm X y 1 _ a^j.^ 

2 (1 - 2 X«) 



62. 



ß«- 1 



yi- 



X' 



63. 1/ : — , o . 64. -. .^ . 

|/a + ox + cx* (1+e cos xj* 

65. - ae~'^'Ucos27if-^ +pj + -^ 8in27i(y +pj und 
ae--^' ^i« - ~~jcos2 7r(^ + pj +^^^ . 



6'x 
66. Benutzt man die Gleichung von § 56, dann ist tg^ = -| , 

woraus folgt , daß die Tangente den Winkel zwischen den Leitstrahleo 



Auflösungen der Aufgaben. 461 

i&lbieirt (vergl. § 118 und Aufgabe 10^ Kap. V). Benutzt man die § 62 
kl>geleitete Gleichung, so wird (vergl. Aufgabe 3, Kap. V) 

sin ^ _ y' 

sin (rt — v^) x' ' 

67. Die Projektionen der Geschwindigkeit auf die Koordinaten- 
aclisexi sind 

j,- «n 2 71 ( y + jDJ und - ^ sm 4 TT ^ . 

68. tg^ = |(e** -e"'^*). 

69. Bei den drei Linien ist die trigonometrische Tangente des 
"Winkels zwischen der Berührungslinie und dem Leitstrahl (§ 96) &, — d- 

1 



und 



b ' 

70. dpidvidT^ - kpiviil - k)T. 

■ 

71. Stromstärke t, Widerstand tr: dt= dw. 

w 

72. dloge. 

^o j wnj dX 



V'-f 



74. Die Abstände des leuchtenden Punktes und des Bildes vom 

optischen Mittelpunkt der Linse seien a und b. Die Verschiebung des 

b* 
Bildes wird gefunden, indem man die des leuchtenden Punktes mit -^ 

multipliziert. 

75. Man findet diesen Winkel (in Bruchteilen des Radius ausgedrückt), 

indem man die Diflferenz der Wellenlängen l mit r. - — ^-z- (§ 126) 

cos i cos r dl 

d n 
multipliziert. Dabei muß - aus der Dispersiousformel berechnet wer- 
den (vergl. Aufgabe 73). 

♦M h 

76. Es seien b, m und n positiv. Maximum für x = . 

77. Die Linie muß mit XO einen Winkel bilden, dessen Tangente 

= V tg l' X ist. 

2 

78. Höhe = - . x Radius der Kugel. 

ys 

79. Der gesuchte Punkt liegt gleichweit entfernt von den Projek- 
tionen der gegebenen Punkte auf die Linie. 

80. Die gesuchton Werte sind die Wurzeln der Gleichung tg a; = a;. 
Man findet dafür, indem man erst den Versuch mit einigen Werten von 
X macht und darauf dieselben verbessert (vergl. § 120), 0; 1,4304 rr; 
2,4590 n ; 3,4709 n u. s. w. 



462 



Auflösungen der Aufgaben. 



81. Die Sinusse der Winkel, die AiP und PA^ mit einer 
rechten auf L bilden, müssen sich verhalten, wie Vi : v^. 

b 



82. ^ = - 



2c 



Kapitel VII. 



1. 



3 



u. s. w., 



21/a;' 4xyx' Sx^Yx 

bp{a + bx)^"^, b^pip - l)(a + bx'f'^ u. s. w., 

• ~~ ä « a U. S. W», 

6 cos(a + ft 05), — 6' sin (a + & x), — &• cos (a + 6 a?) u. s. w. 
m sin"-i o; cos aj, ^ (w - 1) sin"-^ o; - w« sin" x , 



«-3 



,8 eir»*""l 



[m (m — 1) (w» — 2) sin o? — »»• sin a?] cos a? u. s. w., 

.«-1 



,«1-2 



mx sinpa; + j»a; cospa?, 

,w-l 



m{m " 1) x sin 1? a; + 2ptn x cosp x — p^x srnp x u. a. w^ 
e^^ip cos qx — qsmqx), e^^ [{p* — q^) cos <y a? — 2 p g sin ^ a;] il s. w^ 



2. c 



+ cost.^^,-, 



(duY cPu] . /rfttV 

_ 2^ /^y 1 d*u 

(1 + w»)* l,d^j ■*" 1 + «*» rfa?« ' 



1 <Pu 2 du ctt; 
t? dx^ V* dx dx 



d^u 



VW 



d^v 



d!^w 



-^-wu-r-^ + uv--^ +2w 



dv dw 






^ dwdu ^ dudv 

^ 2t? h2ir-;— :r"' 

dx dx dxdx dxdx 



dx* dx* dx"^ 

3. DiflFerentiiere die Formeln, die in Aufgabe 3, S. 122 erhalten 
wurden, nach der Zeit; man erhält dadurch die gesuchten Gesch windig- 
keits- und Beschleunigungskomponenten. 

4. Bei beiden Linien ist (§§ 55 und 56) der Krümmungsradius 

(a* y« + 6* a? V/t 



Q= - 



a*b' 



0. Q = 



(x« 4- yVI* 
2xy 



6. 



7. 



« y /^ .N a; 

dx* " ^ ^-^ >,,2m-l 



^y 

dx* 



a* sin^ ö- 



9. 



Auflösungen der Aufgaben. 463 

(dxyd^y dxdyd^x dy Id^x^ dxd^x d^y 

dl) rfl» ■"älrfl'äl» "^ di\dT^I ^ Jl~dl^dl^ 



da^ /dx 



Gl) 



lO. w muß die Gleichung: -4w* + -Bwi + C7=«0 befriedigen. 

1 2. Wenn x von — oo bis + oo übergeht, dann beginnt die Funktion 
mit dem Wert 1 und steigt bis x — — -^(1 + y 5), wo sie den Wert 
+ oo erreicht. Jetzt springt y plötzlich von + oo zu — oo über und 
stei^ aufs neue, bis für x » ein Maximum a — i erreicht wird. Dann 
sinkt die Funktion, wird = — oo für a:=-J ("~ ^ + V^)» springt darauf über 
in 4- CO und sinkt aufs neue, bis x — 2 wird. Hier ist ein Minimum 
= ^ erreicht; jetzt folgt ein fortlaufendes Steigen, bis für x = oo die 
Funktion den Wert 1 annimmt. 

18. Für X = \n Maximum. 

14. Wir beschränken uns auf v > b. Für v ^ b wird p = oo, für 
V =^ CO ist p 8 0. Der Verlauf von p wird weiter bestimmt durch 

(v — by 

Die hier vorkommende Funktion ~- ist für t^ = fc, steigt dann, 

4 
bis för V = Sb ein Maximum » — v erreicht wird, und sinkt darauf, um 

für t» = 00 den Wert zu erreichen. Ist nun Ä(l+oQ>— r-., dann 

^ 21 b 

liegt i? (1 + a <) sogar oberhalb des Maximums von 2 a jp^ , sodaß, 

wenn v zunimmt, p stets sinkt. Ist dagegen i2(l -f a ^) < ^ .-, dann 

nimmt p für kleine und ebenso für sehr große Werte von v ab; nur 

in der Nähe von v — Zb steigt p. Der Druck hat dann ein Minimum 

iv — b^ 
und ein Maximum für die beiden Werte von r, die 2 a - — ^ = Ä (1 + a /) 

machen. 

Kapitel VIII. 

1.') 1. »»ar"*-^y'*, naj"»y'»-^ in (w - 1) a;'"-^ ^n ^ 
w n a;"*"^ y**"\ w (n - 1) x** y**"^ ; 

"VyTy' ^^yy"' ''~^x'y '~^y-x^' *l/?' 



*) Die DiflFerentialquotienten sind hier angegeben in der Reihen- 
dF dF d^F ö»^ d^F 



464 



AuflösuDgen der Aufgaben. 



^.yF'ixy), xF'ixy), y^F"{xy), F'ixy) ■{- xy r'{xy), x^ F^'ix ^: 
4. F'(x + J/), F'(X'\-y), F"{x + y), F''{x + y), /^"'(x + yj; 

5. w.r*~ cosp ty, —px^Bmpy, mim— l)x^ cospy, 
— p m x^"^ Binpyj —p*x^coapy^ 

6. wx-^-^r^^ px'^e^y, m{m - l)x'^-'^eP», 



7. pe^'^ oosqy^ — ge^* sing y, p'e^* cos ^y, — pq^' sin qy ^ 



— g'e'^'cos jy; 



a ax, ßx, o«x, a|9», /?«*(« = ««* + '^y) ; 
Q. (2ax+ ßy)x, {ßx + 2Yy)Xy [2 a -h {2 ax + ßy)^]x, 
[ß+ {2ttx + ßy){ßx + 2yy)lx, [2Y + {ßx + 27^)«]*, 



(t = ga«* + ^*y + yj/V 



y 



2a; 2/ 



X* — y* 



2a;y 



^^x^ + y»* x'^ + y*' (x^ + yV (a;* + y'J-' (*» + yV' 



X y r' — x' 

11. ~ ' « ) ä > 



xj/ r* - y* 

^3 ' ' ^8 5 



X 

12. - • » 



t/ 3 x* - r* 3 X y 3 y» — r* 



13. -^- F' (r), f F' (r), -J- F' (r) - -^-j F' (r) + ^, F" (r), 



3. --, -i, - .F'(r) + i^"(r). 



r ' r* ' r 



4. X 



iT' (r) + F" (r) 



xy 



6 



F' (r) + 



i^" (^)] . 



ö<p xÖQ) yöqp 6»<jp y^ d(p xy d(p 



dx r dr r'^dit'd 



r^ d r 



x^ ö' qp __ X y _ö^gp_ y- ö* (jD g^y 

H ö r» ~ r» ö r ö ^ r* ö ^» * öxdy 



+ 



2 y" — ^' (jp X y ö* <p X* — y* 6* (jp 



..4 



ö;^ 



+ 






_ x^y dq^ 
r^ d r 

xy d* (p 
'• drd& '7*"d^«' 



Auflösongeo der Aufgaben. 465 

oder -^- = co8^ .'- - Bm&- -^ , . J = siii'^- -^- + 
X vT r o ir ö X vor 

H- 28in^co8Ä^— v-^ + C08»i5^-.~^ - 2 8m ^co8^— ^ .V + 

r o xT o f r o r o \r 

+ (wn»* - cos' »)\^'^^ + sin * cos * 4'-? + 

T^ \r Ö r" 

+ (cos« » - sin« *) 1 ^ - - «n * cos * -i |> . 
' ö aj'-* dy^ dx^ ~ r dr dr* r^&iux^ d & 

j^ öv . 1 a'y 

r« a ^« r« 8in« & d q>^ ' 

8. a»=r^|?*+ B|9. 

9. ju und / sollen dieselbe Bedeutung haben, wie in § 163; fi' und 
/' seien die entsprechenden Größen für den zweiten Magneten. Wir be- 
zeicbnen die Richtungen der Magnete durch h und ä'; dieselben sollen 
die "Winkel a, ß, /, a% ß' und /' mit den Koordinatenachsen bilden. Wenn 
die Magnete sich in den Punkten (Xj y^ x) und {pify %f^ x') im Abstand 
IT voneinander befinden, so ist die in Eichtung der a^ Achse auf den 
zw^eiten Magneten wirkende Kraft 

11. Wenn ^ der ursprüngliche Wert des Winkels ist, dann ist der 
gesuchte Zuwachs 

cot ^ [d (cos* a + cos' «0 + « (cos* ß + cos* j?') + J (cos* y + cos* y')] — 

2 

r ,. f 5 COS a cos a'+ « cos /9 cos ff + t cos y cos /] . 

sin o^ ^ * / / j 

12. Die halben Achsen des Ellipsoids seien l+a, 1+/?) ^+/ 
(a, ß, f unendlich klein). In einem Punkte, dessen Koordinaten x, y^ x 
sind, ist der gesuchte Winkel 

2 yiä^ßj' x'^y^ + (ß- Yf y» x* + {f - «)« ** x\ 

14. Die beiden Hauptkrümmungsradien haben dieselbe Länge; da 
ihr Vorzeichen entgegengesetzt ist, so ist die mittlere Krümmung 0. 

15. Die Kraftfunktion ist — p . t • 

r* 

16. Die Koordinate des gesuchten Punktes in Bezug auf eine der 
Achsen ist das arithmetische Mittel der Koordinaten der gegebenen 
Punkte in Bezug auf dieselbe Achse. 

dp _ _ ötJ dv 
^^' 'dt~ "dt '' di ' 

LOREKT/, DIffcrentlalrechDUug. 30 



466 



Auflösungen der Aufgaben. 



8a O' 



9- 2 p* </ + J <?». 10. jj- a V' «'• 11- - 



1«. ? 



Kapitel IX. 

1. - .L + <^- -• i ^" V^^ + ^- 3. I a:Vi"* + G. 

4. (3-a; + }x*)yx+a 5. /ic-|a;* + C7. 

6. X + i ic» +'«» + .... + - a/* + C. 7. / 1 — 1 . 

12. |7r. 13. J^n 

/* 

14. |7i. 15. /(I+V2"). 16. l-i>/3. 17. 2fga. 

19. 2 (c'' - c" *) . 20. 1(2 + a;/ + C. 
21. -ix + l/Cl +2x)+a 22. -rp + /[| t^] + (7. 

25. (1 +ic)/(l +x) + (1 -x)l(\-x) + C. 

26. (1 + rc) /(l + ») - (1 - a;) /(l - a;) - 2 X + C. 

27. ein o + cos of. 28. 1 71 sin (a — ^) + | cos (a + ß). 

29. C08(« — !?)/(— cot ^) + ^71 sin (« — |?). (Dies gilt indes nur so 
lange, als in dem Intervall von x = bis x—\n der Nenner co8(|? + a;) 
nicht wird. Wäre dies der Fall, dann wQrde die Funktion unter dem 
Integralzeichen unendlich gross werden und dabei das 2ieichen flndero. 
Die Summe verliert dann ihre Bedeutung.) 

' 2 a? + 6 + 8 y^ 



2 1 + 2a; 

30. ---rare tg --, - -\- C. 

V3 1/3 



31, - 



l 



6y2 \ 2a; + 6-3y2 
32. yi arctgy|(a;- })+a 83. 1. "" ^ 

35. - } X Yl^x^ + 1 arc sin a; 4- C. 86. i [a: + 1 + yi""+2« + 2]. 
37. .^sina;-]sin3a;+ a 38. -^j. 39. -'^\~-x'^C, 



34. ^ -- . 
4/2 



40. - ^ /(l - a;«) + C. 41. / '\^{p -f- </ a;«j* + C. 

ö ^ 



44. .V [(1 + x'') / (1 + x«) - x'l + a 45. --:.^arc tg 1/ - 

y^ \l^ ö 

(Hierbei ist vorausgesetzt, dass a und 6 dasselbe Vorzeichen haben.) 



(l/^-) 



+a 



Auflösungen der Aufgaben. 467 

46. —7 =:::^_-7Tr^_^arctg(l/^ «. tg fl? 1 + C (wcnn a+6 und a+c 

d&sselbe Vorzeichen haben). 

47. — -^_=^ arc tg f l/~7-^ tgix] +C (wenn «* > q^ ist). 

48. Das Integral wird 

— Itgiix-h (f) + C. 

49. a^r sin <p, b == r cos qp. Das Integral ist 

— [cos q> l sin (x + <p) + (x-i- q>) sin cp] + C 

50. tgx-a;+ ö. 51. a?-/(l + e*) + C. 52. arctg(e*)+ a 



58. X arc sin o? + yi — a?* + C und a? arc tg a; — | / (1 + a?*) + (7. 

54. Vergl. § 254. 

55. Der Wert der beiden Integrale ist |. 



56 



. l x^sinpxdx — x^ cos px -i j x^"^ cos pxdxf 

j: cos pxax = — xsinpa; / x Binpx dx» 

P P J 

57. -(a;« + 2x + 2)6"'"+ C und |a;*/a;- yV^* + ^• 

58. Vergl. § 254. 

59. Ist c positiv, dann setze man x)/c -i r- = y, wodurch das 

2}/c 

Integral - - e *^ I e^ dy wird. Eine ähnliche Umformung gilt, wenn e 
yc J 

negativ ist 

60. -fjn. 61. |n. 62. — ^J + ^tj. 63. ^tt + sin a cos ct. 

64. I TT sin (et - I?) + J cos (o + ß). 65. -^ • 

66. 0, wenn m > oder < n ist, ^ti, wenn m = n. 

67. a und 6 seien der Anfangs- und Endwert der Abscissc und a 
der Winkel zwischen den Koordinatenachsen, so ist der gesuchte Inhalt 

b 

/ = sin a I f(x)dx, 

a 

68. Gleichung der Hyperbel : y = ; 7 = p sin a / [ ] . 

30* 



468 Auflösungen der Aufgaben. 

69. Es sei p die zur Endordinate gehörende Abscisse, dann ist bei 
der Ellipse der gesuchte Inhalt 

p 
b 



a 

— o 



/ ya*-x^dx^ ab |arcsin[^] +^n + ^^l/l - ^1 , 



P 
wenn aresin -- im ersten positiven oder negativen Quadranten genrähh 
et 

wird. Inhalt der Ellipse nab. Bei der Hyperbel ist der gesuchte Inhalt 

a 

70. Der Inhalt verändert sich in demselben Verhfiltnis, wie die 
Dimensionen in der Richtung, in welcher die Figur auseinandergezogen 
oder zusammengedrückt wird. 

71. Ist a die zur Endordinate gehörende Abscisse, so ist der Inhalt 

72. 4. 

73. Winkel des Sektors a. Inhalt ^^ P' *g i « (2 + sec" J a). 

74. Die krumme Linie, die a;-Achse, die Anfangs- und Endordinate 
bilden zwei oder mehr Figuren, welche teils auf der positiven, teils anf 
der negativen Seite der Achse liegen. Wenn die Inhalte dieser Figuren 
ebenso mit dem positiven bez. negativen Vorzeichen versehen werden, 
dann stellt das Integral die algebraische Summe derselben dar. 

76. Wenn eine Ellipse mit den Achsen 2 a und 2 6 sich um die 
erstere dreht, und der Umdrehungskörper durch eine senkrecht zur Achse 
und im Abstand p vom Mittelpunkt gelegene Ebene geschnitten wird, 
dann sind die Inhalte der beiden Teile 

b* b* 

7ib^(a-p) — J 71 — j- (a* - p*) und nb^ia-^p) — } ti — ^ («' + p^ . 

79. g';^.{e2»<._,-2Ä«^4^^|. 






80. 

81. Nach der Schreibweise von § 114 ist 



Bogen OiL = 2r I sin^XdX «^ ^r , 



82. Es sei / die Senkrechte von P auf AB^ und das Element dx 
befinde sich auf AB im Punkt Q. Ferner sei rp der Winkel (positiv 
oder negativ je nach der Richtung), den P Q mit / bildet, und schliefi- 



Auflösungen der Anfgsiben. 469 

lieh ^, und xp^ die Werte von y/ in den äußersten Tunkten Ä und Bf 
dann sind die gesuchten Kraftkomponenten 

(cos ipi — cos V'j) und -j- (sin Tp^ — sin rpy) . 

83. Die Anziehung in der Entfernung 1 sei x. Die gesuchte Arbeit ist 

85. J^TTÖÄ*. 

Kegel Q = eh^ (e konstant), bei einer Kugel mit dem Radius R ist 
Q = 71 h{2 R — h). In diesen drei Fällen wird die Ausströmungszeit bezw. 



86. — / -~-^- dh. Bei einem Cylinder ist Q konstant , bei einem 



^ (V*; - VK ). 5"* (*! V^i - AI Vkt ) , 



88.|-f---Aa). ll-m- 



Kapitel X. 

1. \nab {a^p + 6* q). 

2. »jßa». 

3. 2n<r/l r^ : -l • 

4. aJ2 71 — 8 aresin U 1/2 ^ -=, l (arc sin im ersten Qua- 

dranten). 

5. 2nQ\H+ Yh^+a'' -!/(/* + //)* + ci'\. 

^a + lh 

6. a) Abstand des Schwerpunktes von der Seite a: — -l~ H\ 

b) Abstand von der Grundfläche: J-il. ^l^ ff * f * T tf ' ' 

c) Der Schwerpunkt liegt (Fig. 95, S. 287) auf l der Linie O B, 
von ab gerechnet. 

7. Wenn G^ B und 3/ die Inhalte der Grund-, Ober- und Mittel- 
fläche darstellen, und h die Höhe ist, dann liegt der Schwerpunkt im 

Abstand -v ,, ,7*^ von der Grundfläche. 

Cr -I- 4 jW + iJ 



470 Auflösungen der Aufgaben. 

12. a) Vi Ks . a a* und /y j/sT. a a* ; 

• N , r»A . 2 Jr /^ 2 TT \ 

b) A- n (T Ä* am 2 + cos ; 

n \ n j 

c) 5 9 a 6 c (6' + c*) , u. B. w. 
d)j7T()Ä*J? und 7r9Ä«//(JÄ«+ J/T«); 

c) -jig^ 71 ß fl* tg* er und -^^ n q H^ (tg* « + 4 tg* a) ; 
f) \n Q H^'l^ R" -- R H + \ IP\, 

13. JtI, |7I, jV"- 

,^ - TT (To Ä* (» cos« « - 1) 

Ä* - a* 
15. Wenn a < Ä, findet man für die Dichte j^* - — fz—^ • 

Kapitel XI. 

. V «/. . 1-3 . 1.8.5.7 . A / • ,> 

4. a) 2ll + 2T4 ■*"2T4:6:8^ "*■ '^^ ®' ^ )' ^^ <^^» 

^> ^ - tSs- ^' "*-r:2 .xrrs ^ - ^- ^- ^ ' 

d) f [a + l)-(8+l)^ + (3»+ 1) j;^3;^ - u. 8. w ] ; 

e) 1/3 |l - Ja;»- --\- ic«- -„-^„-^-' • • • • 
^ '^ [ •* 2160 72576 

f ) « -r + i «' x* + A a* J^ + u. s. w , I — - — < X < + — - ) : 

\2'* 2a/ 

g) I? x + a f^ X* + J (3 « « f? - j-^ ) X» + J (o » |9 - a ^ jr* + u. 8. w ; 

h) 1 + o X + H«* - ^) J^* + i i"' - 3 a !?•) X* + u. s. w ; 

i) Da, fi'ir x = 0, / sin x = 00 ist, so ist eine Elntwickelong nach 
steigenden Potenzen von x nicht mr»glich, wohl aber nach steigenden 
Potenzen von } n — x. Man hat / sin x = / cos (^ 71 — x) = — ^ (^ »i — x)* — 
— ,^j (} n — x)* — y\ (il^ " "• •**)* — u. s. w. . . . ; 



Ix» l.S X* 1.3.5 x^ 
J^-^- 2 3 ^2.4 5 -2.4.6 7 "^ '^^ ^ ^" 

5. Man berücksichtige, dass, wenn -*--- = f« ist, * =* r — wird. 

6. Nimmt man n Glieder, dann ist der Rest kleiner als --—- • 

1.2 w 

Indem man also w = 12 setzt, wirü er kleiner als ongefilhr — — • 10" 

© 48 ♦ 

und ist deshalb die verlangte Genauigkeit sicher erreicht 



Auflösungen der Aufgaben. 



471 



ax-^ßy + Y^ . , «* + |^ + r' . {nx + ßy-hyzY 
o. - — H 5 i -. • 

•• f T 

az-^-ßy + vx . «» + /?• + /' , , {nx-^ßy + fxy 
9. -^3 i ^ + i ^ 

10. a) 1; b) a« '); c) i; d) J-; e) Lim ^^jJ = J ; 

f) Setze /a5 a= — y, dann ist x Ix = — y e~^. Um hiervon den Grenz- 
er ert für y ■> Qo zu ermitteln, lasse man y fortwährend, jedesmal um die £in- 
licit zunehmen und berechne das Verhältnis von zwei aufeinander folgenden 

'Werten von ye"' (vergl. S. 375, Fussnote). Man findet Lima;/a; = 0; 



g) 



\ cot aj X ) 



Kapitel XII. 

2. ,,/(L±-J(ij:L^l + _ \ _-arctg/-V:8 )^a 
»^ (1 -a;)»(l +X') 21/3 U -a;«/ 

3. } /(a; + 1) - 4 /(a; + 2) + f /(a? + 3) + a. 



X 



X 



4» t: — 5~7 "i äT + «~iftrctc- — . 

2 a« (a« + a;«) 2 a> ^ a 

5. a/ 



a — )/ a* — a;' 

X 

2 6 + 2ca; 



+ y«» _ X» + C. 



- + a. 



6. 



3 y(i - X*}* 



+ c. 



' 4ae - 6»']/a + bx + ex* 

■ 

8. .J(8ec*a; - cosec'a;) + 2/tga;. 9. j,\. 10. Für b < a: 

<» -* lyft'-«« \yb + a-yb-atgixl a + beo8xf 

II r ''^ _ * 2« — 8 Z' dx 

' J (l + x*f ~ 2 (« - 1) (1 + a;«)"-l 2 (n - 1)J (1 + x«)"~ ^ 

, C dx Vrt'-jS «-2 f dx 
und I , . ^^ = — r + I — li 

Jx"]/«' - -e' I« - Ija'x"-^ (w - ll«Vx"-2>/«'-x« 

12. Vj«; cl/in; ^ «» j/'^. 

.3. r = . |/-j jl + ( J )' sin« } « + (;; Jj'sin^ ,• « + . . .) . 



*) In der Aufgabe soll stehen a" statt a*. 



472 



Auflösungen der Aufgaben. 



Kapitel XIII. 



2. a) a =s 0, 6« = 0, c« = i ( - ^- - t | , je nachdem 

\ m tnr / 



M mh 



gerade oder gerade ist. b) a = 1, ft„ = ^ — , — - , je nachdem m getwk 

Tri ~~ X 

oder ungerade ist, aber 6i = — } . e«, = 0. 

3. Ca = 1 ; alle anderen Koeffizienten = 0. 

CO 00 

cosXxdX JF{S)coBXSdS- 








Kapitel XIV. 



X. a) q *-] + i(a;* + y») - C; b) cosy = Ccosa;; 

') f- W + r -''.^ = C; d) 2*V + X* = 0; e) -"" + /j, = C; 
J ip(x) J (p(y) " y 



f) (2/ + 2 «)» (y + x)» = C; 



^^'M^I-^' 



1 + )/l + *'J yi + a;* 



2. a) y = Ce' + O'e^*; b) y = 0«* H- C"e** + yV(4^ + 5); 
c) y = Csina? + Ccosa? ■\- x\ d) y = (Cx + C")c"*. 

3. Bei dem Kreis. 

4. Bei der logarithmischen Spirale (Aufgabe 25, S. 107). 



--^-« 



-^« 



5. 9 = Ce " , p = aCe "* . 



7. aj = « 



('- '^') 



r I cos 2 71 -^ + — ^ sm 2 TT ^ 



/,, 4 7in« 4 7i»n 



-V/«i'< 



+ e ■ {(7cos[il/ 4Ä;' - r-W] H- C"sin[^y 4A;'-/'«/]}. 

Die beiden letzten Glieder stellen Eigenschwingungen des Punktes 
dar (vergl. § 290), das erste Glied Schwingungen mit der Periode der 
wirkenden Kraft Wenn die Bewegung lange gedauert hat , dann kann 
ß-Vti'<_o gesetzt werden. Die Eigenschwingungen sind dann durch 
den Widerstand vernichtet. 



Auflösungen der Aufgaben. 473 

8. Die Auf losung unterscheidet sich von der von § 293 durch das 

t 
cos 2 n ^ 

Auftreten eines zweiten Gliedes, analog mit a — - — -. ^ und welches 

u _ ^ ^ 

sicli auf die zweite äußere Kraft bezieht 

10. 5 = -^[fix- at)- f(x + at)], u = -^[fix--ai) + f(x + a{)]. 

11. Kombiniere die Auflösung der vorigen Aufgabe mit der von 
§ 304. 

r- r «• . ^ 25 w« , „ 49 jc« , „. 

12. C>'=*^*A..Je *" -iV« *' -t'»« *'■ +U.8.W.J 

71 

(^0 wird hierbei als konstant vorausgesetzt) 
13. Wenn die o;- Achse in der Richtung des Stabes läuft^ dann ist 



die gesuchte Gleichung: ;j 7 = ^r-^ 

t Yd x^ 



Register. 



Abgeleitete Funktion 182, 204. 
Abhängige Größe 1. 
Abscisse 74. 
Achse 36, 73. 

Anderungsgesch windigkeit einer 
,. Funktion 132. 
Äquipotentielle Fläche 229. 
Algebraische Funktion 2. 

— Größe eines Vektors 38. 
Allgemeines Integral 406. 
Amplitude 66. 

Anidytische Geometrie der Ebene 72. 

des Raumes 107. 

Anfangspunkt der Koordinaten 73. 
Anomalie 102. 
Arithmetische Reihen 26. 

höherer Ordnung 29. 

Asymptoten 82. 

Basis eines Logarithmensystcms 23. 

Berührungsebene 210. 
Berührungslinie 128. 
Beschleunigung 133, 187. 
Bestimmtes Integral 258. 
Binom 2. 

Binomialreihe 353. 
Binomischer Lehrsatz 4. 
Brennpunkt 79, 80. 
BRiQGs*sche Logarithmen 24. 

Cykloide 162. 

Gy klometrische Funktionen 68. 

C^lindrische Fläche 116. 

Derivierte Funktion 132. 

Differential 132. 
Differentialgleichungen 402. 
— , partielle 403, 440. 
— , simultane 435. 

— verschiedener Ordnung 403. 
Difierentialquotient 132. 

— höherer Ordnung 178. 



Differentialrechnung 124. 
Differenzen 27. 
Divergenz 348. 
Doppel-Integrale 304, 312. 
Durchschnitt 112. 

Ebene 112. 

Einwertige Funktion 15. 

Element 135, 258. 

Ellipse 78. 

EUipsoid 118. 

Elliptisches Inteeral 879. 

Entwickelte Funktion 25. 

Exponentielle Funktion 15. - 

FoüRiEB'sche Reihe 384. 
Funktion 1. 

Cj-anze Funktion 2. • 

Gebrochene Funktion 2. 
Geometrische Reihen 27. 
Geometrischer Ort 82. 
Geschwindigkeit 124. 
Gewicht einer Messung 243. 
Gewöhnliche Differentialgleichung 

403. 
Gleichung 1. 

— der Bahn 85. 
Goniometrische Funktion 36. 
Grad 2. 

Graphische Darstellung 72. 

— Interpolation 101. 
Grenze 258. 
Grenzwert 14. 

— des Verhältnisses zweier Funk- 
tionen, die für einen bestimmtrii 
Wert der unabhängig Variablen 
beide werden 13, 859. 

Harmonische Bewegung 65. 

— Panktreihe 70. 

— Strahlenbüschel 70. 



Register. 



475 



auptkrummungsradius 234. 

auptDormalschnitt 284. 

omogen 889, 404. 
Hyperbel 80. 
— , gleichseitige 90. 
Hyperbolische Spirale 107. 

Imaginftr 6, 419. 

Inhalt 260, 268. 
Integral, bestimmtes 258. 
— , elliptisches 379. 
— , unbestimmtes 267. 
Integralrechnung 258. 
Integrationfigebiet 306. 
Integrierender Faktor 414. 
Interpolation 41. 
Irrational 2. 

Kanten 58. 

Kantenwinkel 58. 

Kegelfläche 116. 

Kegelschnitt 88. 

Kettenlinie 106. 

Komplex 6, 418. 

Komponente 47. 

Konjugierte komplexe Größen 421. 

Konkav 179. 

Kontinuierliche Funktion 149. 

Konvergenz 348. 

Konvex 179. 

Koordinaten, rechtwinklige 73, 108. 

— , schiefwinklige 88. 

Koordinatenachse 73, 108. 

Koordinatenebene 107. 

Koordinaten transformation 83, 118. 

Kosekante 89. 

Kosinus 38. 

Kosinusformel 54, 60, 61. 

Kotangente 39. 

Kraftfunktion 229. 

Krümmung 179, 181, 282. 

Krümmungskreis 186. 

Krümmungsmittelpunkt 186. 

Krümmungsradius 184. 

Kurve doppelter Krümmung 115. 

Leitlinie 116. 

Leitstrahl 79, 80, 101. 

Lemniscate 106. 

Limes 14. 

Lineare Differentialgleichung 404. 

— Funktion 78. 

— Gleichung 78. 
Logarithmen 23. 
Logarithmische Spirale 107. 



Mag Laürin's Reihe 347. 
Maximum 168, 199, 235, 358. 
Mehrfache Integrale 304. 
Mehrwertige Funktion 15, 152. 
Meridiandurchschnitt 117. 
Methode der kleinsten Quadrate 238. 
Minimum 168, 199, 235, 858. 
Mittelpunkt 86. 
Mittlere Krümmung der Fläche 235. 

Natürliche Logarithmen 24. 
Normale 158, 210. 
Normalschnitt 233. 

Oberfläche 111. 

Ordinate 74. 

Ordnung 27, 135, 178, 403. 

Parabel 82. 
Parallelkoordinaten 73. 
Parameter 78. 
Partialbrüche 10. 

Partielle Differentialgleichung 403, 
440. 

— Differentialquotienten 203. 

— Integration 271. 
Partikuläres Integral 406. 
Periode 64. 

Phase 66. 
Planimeter 383. 
Polare Achse 102. 
Polarkoordinaten 101, 121. 
Polynom 2. 
Potentialfunktion 229. 
Progression 26. 
Projektion 38. 

Quadrate, Methode der kleinsten 238. 
Quadratur 416. 

Radiusvektor 79, 80, 101. 

Rational 2. 
Reell 419. 
Reihe 26. 
Restslied 348. 
Resultierender Vektor 47. 
Richtungskonstanten 108. 

Schwingende Bewegung 65. 
Schwingungsdauer 66. 
Seite 58. 
Sekante 39. 

SiHFsoN'sche Regel 381. 
Simultane Differentialgleichungen 
485.