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Full text of "Lehrbuch der Logik auf positivistischer Grundlage mit Berücksichtigung der Geschichte der Logik"

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Lehrbuch  der  Logik 

auf  positivistischer  Grundlage 
mit  Berficksiclitiguag  der  Qescbidite  der  Logilc 


Dr.  Th.  Ziehen, 

ord.  Professor  an  der  Universität  Halle. 


Bonn  1920 
A.  Marcus  &  E.  Webers  Verlag 

Dr.  jur.  Albert  Ahn. 

h.  1.  ii,l^.OOglc 


Nkckdruck  verboten. 

Alle  Hechte, 

bwoBden  das  der  tfbenetrang  in  bemde  Spnchen,  bdUlt  sidi  der  Terltg  t 

Copyright  1919  b;  A.  Mwoob  t  E.  'Weben  Verlag,  Bonn.      . 


Otto  inyiiid'i^e  Bnebdniek«Tu  G 


lA.OOgIc 


.:;;  i:j  mi 

.■Z.G 


Vorrede 


Der  nachfolgende  Versuch,  die  Logik  auf  positivistiBcher 
Grundlage  aufzubauen  und  darzustellen,  sehlieSt  sich  un- 
mittelbar an  meine  Psychologie  und  Erkenntnistheorie  an, 
soU   aber   auch  unabh&ngig  von  diesen  beiden,   als  rein 
logisches  Werk,  verständlich  sein.   Die  Geschichte  der  Logik 
ist  etwas  eingehender  beracksichtigt  worden,  weil  der  Za- 
«.«»   «,  «ioia«  t»»;<.«).,QQ  Problemen  am  leichtesten  auf 
Wonnen  wird.  Auch  sind  die  meisten 
e  in   enger  Verflechtung  mit  logi- 
m  und  nur  im  Zusammenhamg  mit 
:li,  so  daß  der  Logik  auch  die'  AuF- 
ndois  der  philosophisebeo  Systeme 
ibereiten. 

t  der  Zeitverhältnisse  war  ich  in 
lem  Verleger  erwachsenden  Druck- 
Fberschreitung  des  ursprünglich  ge- 
a  sich  im  Lauf  der  Arbeit  ergeben 
der  auszugleichen  und  daher  im 
;.  T.  sehr  erhebliche  Kürzungen  vor- 
S  es  mir  vergönnt  sein,  wird,  manche 
),  die  in  dieser  Weise  fortgefallen 
Stelle  mitzuteilen. 
Bken,  so  namentlicb  den  Bibliotheken 
München,  Wien,  bin  ich  für  ihre  Hilfe 
1  ist  es  mir  nicht  gelungen,  manche 
ire  and  ausländische,  zu  erhalten, 
einem  Sternchen  bezeichnet 
Herstellung  der  Register  hat  mich 
resentHch  unterstützt 

itember  1919. 

Th.  Ziehen. 


n,g,t,7l.dM,GOOglC 


Inhaltsübersicht 

S«iU 

1.  Teil.    Abgienzung  nnd  allgemeine  Oeechicht«  der  Logit 1 

1.  Kapital.    Aufgabe  der  Logik 1 

§    1.    AUgemeine  B^riffsbeelimmuDg 1 

§    2.    Logik  als  Norm-  nnd  WertwiHsenBobati 8 

§    3.    Lwik  aU  WisseiiBcbaHslebre 9 

g    4.    SteliaDg  der  hopk  innerhalb  der  Philosophie II 

g    5.    Stellang  zor  ErienntniBtheorie,  zur  Psychologie,  zur  Spi'ach- 

wissenschaft  und  Uathematik.    Die  vier  Gnuidlegangeu  .     .  13 

2.  Kapitel.    Allgemeine  Oesohiohte  der  Logit 17 

g    6.    Bsdeatun|;nud  literator  dar  all^meinenOeM^iolite  der  Logik  17 

6    7.    Logik  bei  den  orientalisoheo  Völkern  des  Altertums    ...  19 

I    6.    Die  vorariatotelische  Logik  bei  den  Griecbeii 20 

I    9.    Die  Logik  des  Aristoteles 29 

§  10.    Unmittelbare  Schülei  des  Aristotelee 41 

5  11.    Epiknrfter  nnd  Stoiker 41 

§  12.    Skeptiker  nnd  neuere  Akademie.    Eklektiker.    Neuplatoniker  46 

g  13.     Peripatetiker  und  Eommentatoren  der  Küserzeit     ....  47 

§  14.    Uartianoe  Capella  und  Boethius 51 

6  15.    Patristische  Logik 53 

I  16.    ScbolastiEche  Logik.    Allgemeine  Vorbemerkungen  ....  55 
9  17.    Frühperiode  der  scholastiBohen  Lo^.    Eiiugena.    ßosoelinns- 

Anaelmns 56 

g  18.    Übereangezeit  von  der  1.  zur  2.  Periode  der  Bcholestik, 

Abaelard.   Gilbert  Poiretanos.   Hago  von  Si  Victor.    Petras 

Lombardns.    Johannes  v.  Balisbury 63 

§  19.    B;zantioisohe  nnd  arabische  Logikei 67 

g  20.    Cnristliche  Scholsatiker  der  Hübezeit:  Alexander  von  Haies, 

Albertus  Magnns,  Thomas  von  Aqoino,  Petrus  Eispanns  .     .  72 

§  21.    ßoger  Bacon,  Raimund  Lollne 7S 

§  23.    Bpätperiode:  Duns  Scotns,  Oocam 79 

g  23.    Logiker  der  Kenaissanoe  und  der  Beformation 89 

g  24.    Die    natuTwiBBenscbaftlioh  -  induktive    Sichtung.      Baco    von 

Vemlam 96 

g  25.    Allgemeiner  EintluS  der  neueren  FhliloBophie  während  der 

nftcbeten  beiden  Jahibnndeite 97 

S  26.    CartMiiiB.    Hobbes 99 

§27.    Spinoza 103 

g  28.    Locke 106 

9  29.    Leibniz . 108 

9  30.    Berkeley.    SchottiBohe  Schule 111 

g  31.    Hnme 115 

|3a.    Wolff 117 

I  33.    Kant 124 


OC^IC 


lohiltsabenicht  T 

Saiu 

§  34.    Euta  Asbltiger  und  Gegner  in  dei  Logik 129 

§  35.     Fichte 132 

§  36.    Schslliiig.    Schletermftcher 135 

§  37.    Hegel 141 

§  38.    Fries 148 

S  39.    Herbart 149 

S  40.    Allgemeine  Vorbemerk ongea  über  die  Entnicklang  der  Logik 

in  den  letzten  80  Jahren  (ca.  1830  bis  jetzt)      151 

S  41.    An&Dge  der  psychologistischen  Logik  in  f  nmkreich.    Deatntt 

de  Tracy 154 

§  42.    Anfinge  der  psychologiatisf^en  Logik  in  Deutscblend.  Beneke  155 
I  43.    Die  indnktive  Logik  in  England.    Whewell,  HilJ,  Bain.    Pa- 
rallele Einftösse  des  PoutivisninB.    Comte 156 

9  44.    Gegenatröniungen:  a)  Reformvetsiiohe  auf  dem  Gebiet  der 

Eantschen  Logik.    Cohea.    Natorp 164 

lung.  Bolzano.  Bientano.  Hnsserl. 


172 


delenburg,  Ueberweg  u.  a.  . 


ondt,  Erdmann;  IJppB    ....  204 

a.    Dühriog 217 

evolationtstische,  pragmatistische 

23i; 

listische)  Logik 227 

iEche)  Logik 236 

logische,  BpnidiUohe  und  tntthe- 

241 

rnndlegnug 241 

eiteren  Sinn  (Oignomenologie)  und 


Agik  in  Betracht  koounendeti  er- 

Ipankte 243 

istheoretiscben  Baoptausichten  253 

1.    Die  Fandalien  and  die  Oegen- 

arateliongen 261 

n  Sinne  (ErkennLoiBkritik),  Richtig- 
irbatb  der  drei  Onindbeziehungen. 
ohtigkeit.     Adäquatheit  uad  Kod- 


elatire  und  absolute.    Propi-ietates 


I  Bestehen  von  Relationen.  Ps;oho- 
)  Anffassnng  des  Oeltens  .  .  . 
T  Gültigkeit.    AUgemeingültigkeit. 


273 


IxkretioD,  IsolatiOD,  Eomplexion 
pidnalTorstellniigeo.     Komparation 


OgIC 


Tt  InhaHsäbainchi 

Uta 
g    70.    Die  bd  dar  Sutetefanng  ahgelmtetor  YontelliingMi  McÜigleB 

Fnnktioiieii  (DifFerenzieniDpfanttiODaD) 34i 

%    71.    Abstrakte  und  konkrete  Vorstelliugai 348 

I    72.    Allganeine  and  spezielle  Eigeosduften  der  Voicfellnngen  354 

g    73.    IdeenassoziatioD.    Allgemeiner  Ablauf 361 

g  74.  ürteilsaBBoiiatioii.  Fsychologisobe  OiarakteriBtik  ....  3Ü3 
§    7S.    Allgemeine  Sigensobaftea  des  Urteils,  Bestandteils  seines 

Inhalts  und  BegleiteisoheiDiiiigen  des  Urteils 375 

9    76.    Psychologische  fSoteilang  der  ürteiUassoiiatiooen    .    .    .  382 

1    77.    Der  SchluB 301 

§    76.    LoRiache  Oeföhle 397 

S    79.    WillkOiücbee  Denken.    Zieldenkeo 400 

3.  EapitoL   ^rachliohe  Onutdlegnng  der  Logik 402 

§    80.     Allgemeine  BeEtehongen  iwisoben  Sprechan  and  Denken. 

BprachwiBseoBcbaft,  Psychologie  und  Lo^k 402 

§    81.    Logische  Idealspracbe 406 

4.  Kapital.  Hathamatiscbe  Qmndlegang  der  Logik 410 

§    82.    Der  Orandgedanke  der  matfaematiBaheB  Logik  und  seine 

partielle  Berechtignng 410 

§    63.    hoffk  and  Hengmüehra 414 

O.  Teil.    Antocbthone  Gnmdlegnng  der  Logik 417 

§    64.    Zweck  der  aotochthoDen  Gnudl^nng 417 

I    85.    Biobtigkeit  und  Falschheit  der  Denkeigebnisse      ....  410 

§    86.    Die  Bichtigkeit  der  Denkakte 421 

§    87.    Das  gignomenologisobe  Identitätsgeseti  und  das   logische 

IdeDÜtätspriniip ;  die  NormalToretellungen  oder  Begnffe    .  429 

g    88,    Wortb««imndong  der  Richtigkeit 447 

g    69.    EinteÜnng  der  Logik 461 

]T.  IUI.    Die  einzelnen  logischen  CieMde  und  ihre  Gesetze 4G9 

I.  Kautel.   Die  Lehre  von  den  Begriffen 4Sd 

g    90.    Begriff  im  allgemdnsten  Sinn.    Der  G^eostand  dee  Begriffs  459 

9    91.    Der  Inhalt  des  S^riSta 469 

g    92.    Genetische  Stufenleiter  der  B^tFe ;  ISnteilDng  nach  Gtond- 

fonktioneii 473 

g    93.    Einfache  ond  insammengesetzte  B^riffe.    Zerlegung  der 

Begriffe  in  TeUbegriffe.    Definition 478 

§    94.    Das  definitorisohe  VertaibTen  in  den  einzeben  BegrifEsklassen. 

a)  DeflnitioD  primärer  komplexer  Individnalbe^riSe  .  .  .  484 
g    95.    Logische   Definition,  Fortsetzung:   h)  Definition  primärer 

komparativer  lodividnalbegriffe 499 

g    96.    Logische  Definitioii,  Fortsetznng :  c)  DefinitJon  individneller 

Eontraktionsbe^ffe 501 

S  97.  I/igieolie  DeOoitiou:  d)  DeBnition  von  Allgemeinbegriffen  506 
I    96.    ZoEammenfaEsende  Charakteristik  der  logischen  Definition. 

SohirfereBestimnrangeimgerHsnpteigensduftenderBecriffe  523 
g    99.    Definition    als    Urteil-      Synthetische     nnd     kcnstiTiKtiTe 

Definitionen 532 

g  100-    Sprachliche  Fonnalierung  der  Definition.     Nominal-  und 

Bealdefinitionen 534 

g  101.    Bezeicbnong  der  Begriffe  durch  S^bole 537 

g  102.    Die  gegenseitigen  allgemeinen  Beziehnngen  der  Begriffe  im 

EinbUck  anf  Inhalt  und  Umfang.  l.Ne^tion  ....  6i3 
g  103.  Die  gegenseitigen  allgemeinen  BegriSsbeaehoDgen  im  Hin- 
blick aof  Inhalt  und  Umfang  (Forteetion^.    2.  Oleiehheit 

tmd  TeiBchiedenheit  des  Inhalts  ond  des  Umfatigs  .    .    .  558 


.oogic 


•m 


9  104.  Die  gagenseitigen  tt^mmnao  BtfntbbecMinDgeD  im  Hin- 
bliok  Uli  Inhalt  tud  Inntuig  (VoTtaetzang).   3.  BeihenbildiiDg 

§  105.  IHe  gegenseitigeii  allgemsinen  BegiifbbuieliQiigeii  im  Hin- 
Uiok  Bof  Inhalt  ond  DmfUK  (SohloS).  4.  Besondete 
BegiilbbeiiehoiigeD  im  Bereioh  der  Relationsbefrifle. 
D^endeoi,  insbrnondere  EomUtioii.  Belative,  inabesoader« 


S  106.    Boteiliugen  der  Uerkmale 586 

}  107.    Technik    der    Beghfbbildiug    (IdeatioD,    Dsfioition    vui 

Inoidination) 669 

.  EapitaL    IKe  Lehn  r<m  den  ürtaüeit 600 

§  106.    Dm  Urteil  im  aUgameinateii  logiKhen  Sinne.    iHgemtina 

kigiache  DTteilstheorieo 600 

§  109.    Der  Oegenstasd  dee  lo^adien  Drteila 614 

$  110.    DarlDtudtdasnrteilannddieBeetaDdtMledesTTrteilainhalta    616 
§  111.    Bprachliohe  Foimnlienmg  des  Urteils.    Der  Sati.    Sjwbolik 

dai  Urteils 620 

§  112.    CntFilm^  der  Urteile,  1.  nach  der  Zahl  der  Hanpt^iedar    826 
I  113.    fficteüang  der  Urteile  (Fortsetiang),  2.  nach  dem  EmpBn- 

dBDgs-  oder  Toratellongscharakter  von  8;  3.  natdi  der  Qualttit    637 
§  114.    SnteUoDg  der  Uneile  (Foitsetning),  4.  nach  dem  begriff- 
lichen Ciiarakter  von  8.    Einteitnng  der  Individnalnrteila    653 
g  115.    Eiotailiuig  der  Urteile  (FortBetzong),  5.  Einte&nng  nach  dar 

Belegni^  und  nach  d^n  Umfang  von  8  ^ach  der  Qnantitlt)    666 
§  116.    ESitteilQiig  der  Urteile  (Fortsetzung),  6.  Einteiloog  nach  der 
BetBiligong  der  IndividDalkoeffiiienten  tind  des  Inhalts  von 
S  tmd  P  an  dem  Veiglelohongsakt  des  Urteils     ....    675 
§  117.    EinteüoDg  der  Urteile   ^hluB),   7.  Binteilnng  nach   der 

Geltung  bezw.  Modalität 682 

§  118.    Beaehnngen  der  Urteile  nnteieioander 691 

I  119.    Logische  Ürteilspriniipiea 692 

9  120.    Zosammengesettte  Urteüe :  a)  EfpothetiBche  Urteile     .    .    697 
I  121.    ZnsammengeeeUte  Urteile:  b)  EofiigatiTe  Urteile      ...    703 

i.  EapiteL    Die  Lehn  von  den  Schlüssen 710 

%  122.    Der  Sohlnfl  im  logischen  Sinn ;  sein  Inhalt  und  Oegenstand 

nnd  seine  Bestandteile 710 

I  123.    Eisteflong  nnd  allgemeine  Symbolik  der  Sohlässe     ...    714 

I  124.    Unmittelbare  Schl&Bse 716 

§  125.    MitWlbaie  Bchlüsse.    Allgemeine  Definition  and  BintwliiDg. 

a)  Zosammenfassende  Schlosse 720 

§  126.    Uittelbare  Schlosse,  Fortsetznng :  b)  Fortschreitende  Schlüsse, 
allEemeine£inteilaiig  derselben;  ■)8jll<wiBmen  oderMittel- 

bepifbscUfiase 722 

§  127.    Mittelbare  fortschreitende  Schlüsse,    Syllogismen    (Fort- 

setzong):  Die  syllogistischeD  Figuren  ond  ilus  Uodl      .     .    736 
g  128.    Mittelbare  fortschreitende    Schlässe,    Syllogismen    (Fort- 
setzuDjS):  Varianten   der  einfachen  Syllogismen.     OUiqoe 
^llogiemen.    Hypothetische  Syllo^emen.   Syllogismeu  mit 

einer  disjnnktiTen  Prämisse 742 

S  129.    Mittelbare  fortschreitende  Schlüsse  (Fortsetzung) :  Verkürzte 

^rliogismen  (Enthymeme  nnd  Epichireme) 7D6 

§  130.    Mittalbare  fortschreitende   Schlösse   (Fortsetzung):    Syllo- 


eistiBohe  SchluJketten.    KettenschlnS  (Sorites) 
Mtttelbaie  fortstdireitsnde  Schlüsse  (Fortsetzung^    , ,  _ 
■chiettende    Schlüsse     ohne    Mittelbegriff.      L   Analogie- 


OgIC 


•yfTT  Inhalfsübetsichi 

Sein 
g  132.    Uittelbare  fortEchreitende  Schlösse  ohne  UittelbegriS  (FoR- 

setzimg).    il.  InduttioDSScblüsse 788 

§  las.    Mittelbare  fortschreiteode  Soblüsse  ohne  Jfittelbeghff  (Fort- 

seauDg).    III.  Paradigmatibche  Schlüsse      788 

§  134.    Fehl-  und  TrugschlOese 795 

4.  Eapitel.    Die  Lehre  von  den  Beweisen 797 

g  135.    Der  Beweis  im  allgemeinen.    Seine  Olieder,  aein  Oegeu- 

stand  nnd  Beine  OüIÜgteit 797 

§  136.  Teraohiedene  Formen  der  Beweise.  Direkter  und  in- 
direkter, analytischei  und  Bynthetisoher  Beweis    ....  806 

g  137.    Beweiafeliler 817 

5.  Eapitel.    Die  Lehre  von  den  Wiasenscbaften 818 

g  133.    Wissenschaft,  BjBtem,  Theorie    .    ^ 818 

g  139.    Der  togische  Aofbau  der  Theorien 821 

§  140.    Der  logische  Aafbaa  der  Systeme  und  Wissenschaften      .  826 

Saohr^iater  (inkl.  lateinische  Termini) 830 

Oriechisuhe  Termini 845 

Verzeichnis  der  Bachstabenabkännngeu  und  Symbole 848 

PeiBOnenre^ter 849 

Dmckfehler  ond  ZnsStze 863 


n,g,t,7l.dM,GOOglC 


l.  Teil 
Abgrenzung  und  allgemeine  Geschichte  der  Logik 

1.  Kapitel 

Aufgabe  der  Logik 

§1.  Alicemeine  Begrifflsbestimmnng.  Die  Logik  ist 
die  Lehre  von  der  formalen  Gesetzmäßigkeit 
des  Denkens  mit  Bezug  auf  seine  Richtigkeit 
und  Falschheit.  Diese  Definition  enthält,  wie  dies  bei 
einer  einleitenden  Definition  nicht  anders  möglich  ist,  zahl- 
reiche Begriffe,  deren  vollständige  Erklärung  nnd  Bestim- 
mung erst  im  Lanf  der  weiteren  Darstellnng  erfolgen  kann. 
£instweilen  sei  daher  nnr  folgendes  bemerkt 

An  nnaere  Sinnesempflndungen  schlieSen  sich  zunächst 
die  sogenannten  primären  Erinnerungsbilder  (primäre  Vor- 
stellungen)   an,    welche    aus   den   ersteren    durch    einfache 
Betention,  d.  b.   Erinnerung,  hervorgehen.     Die  Tatsache, 
daB  in  nnserem  Seelenleben,  wie  es  sich  tatsächlich   ab- 
spielt, solche  isolierte  Sinnesempflndungen  und  solche  iso- 
lierte primäre  Erinnerungsbilder  nur  sehr  selten  vorkommen, 
kann  hier  nicht  näher  erörtert  werden.    Es  genügt,  daß  die 
Erfahrungen  der  Psychologie  uns  nötigen,  solche   Empfin- 
dungen    und    Erinnerungsbilder    als     Elementarakte    des 
Iben  vorauszusetzen.   Unter 
n  der  oben  vorangestellten 
sei  vorläufig  die  Gesamtheit 
wanden,  welche  sich  an  die 
ren    Erinnerungsbilder    an-  ■ 
ierjenigen  Vorgänge,  welche 
sehen,  Begehren)  bezeichnen. 
h  namentlich  alles,  was  wir 
raid  allgemeiner  Voratel- 


1,1^. OQi 


-c^lC 


I.  Teil.  Uvrenziins  und  alltemeine  Geschichte  der  Loiik. 


langen,  als  Urteilen  und  Schliefen  bezeichoeiL.  Es  wird  die 
Aufgabe  der  Logik  selbst  sein,  entweder  selbständig  oder  mit 
Hilfe  der  Psychologie  diese  vorlänflge  Abgrenzung  des 
Denkens  durch  eine  exaktere  zu  ersetzen  und  die  Denk- 
vorgänge TollstäDdiger  aufzuzählen  and  systematisch  zn 
klassifizieren.  Jedenfalls  hat  es  also  nach  unserer  Definition 
die  Logik  weder  mit  den  Empfindungen  noch  mit  den  pri- 
mären Erinnerungsbildern  noch  mit  Gefühls-  und  Willens- 
Vorgängen,  sondern  ausschließlich  mit  den  eben  kurz  charak- 
terisierten D  e  n  k  Vorgängen  zu  tun. 

Wenn  nun  die  Definition  weiter  die  Tätigkeit  der  Logik 
auf  das  Denken  in  Bezug  auf  seine  „Richtigkeit  and 
Falschheit"  einschränkt,  so  kann  gleichfalls  erst  im  Lauf 
der  Entwicklung  der  logischen  Lehren  zur  vollen  Aufklämng 
gelangen,  was  diese  Richtigkeit  und  Falschheit  {oft  auch 
Wahrheit  und  Unwahrheit  genannt,  vgl.  ^  CO)  bedeutet.  Wie 
bei  der  Bestimmung  des  Begriffs  des  Denkens  die  Psycho- 
logie, so  wird  bei  der  Bestimmung  des  Begriffs  des  Richtigen 
und  Falschen  die  Erkenntnistheorie  zusammen  mit  der 
Psychologie  der  Logik  Hilfe  leisten  müssen.  Einstweilen 
kann  nur  darauf  hingewiesen  werden,  daß  die  Denkvorgänge 
sich  stets  auf  irgend  einen  Tatbestand  im  ^roitesten 
Sinn  beziehen,  mag  dieser  Tatbestand  im  Bereich  der 
Empfindungen  oder  der  Vorstellungen  oder  der  Gefühle  oder 
der  Wollungen  oder  irgendwelcher  gedachten  ,4>inge"  liegen, 
und  daß  bei  dieser  Beziehung  das  durch  den  Deskvorgang 
hervorgebrachte  „Denkergebnis"  mit  diesem  Tatbestand 
mehr  oder  weniger  oder  gar  nicht  „übereinstimmt".  Diese 
Übereinstimmung  bzw.  Nicht-Übereinstim- 
mung, deren  nähere  Erörterung  von  der  Logik  selbst  mit 
Hilfe  der  Erkenntnistheorie  geleistet  werden  muß,  ist  mit 
der  Richtigkeit  bzw.  Falschheit  der  obigen  Definition 
identisch.  Sie  kann,  da  sie  sich  jeweils  auf  einen  bestimmten 
Tatbestand  bezieht,  auch  als  material  bezeichnet 
werden. 

Auch  mit  der  Beschräukuug  der  Logik  auf  die  Unter- 
suchung der  Gesetzmäßigkeit  des  material  richtigen  und 
falschen  Denkens  ist  das  Gebiet  der  Logik  noch  nicht  eng 
genug  abgegrenzt.  Es  kommt  nämlich  der  Logik  nicht 
darauf  an,  irgend  einen  einzelnen  Tatbestand  —  abgesehen 
eben  von  diesem  allgemeinen  Tatbestand  des  richtigen  and 
falschen  Denkens  —  selbst  festzustellen.    Sie  will  vielmehr 

D„:,|.,"lh;COOglC 


1.  bpiUL  Auftibe  der  Logik.  3 

nw die  allgremeioen  Gesetze  feststellen,  welche  fär  den  Ein- 
fluß der  Denkvorgänge  auf  die  Eichtigkeit  bzw. 
Falschheit  der  Ergebnisse  gelten.  Ob  die  Denkergebnisse 
mit  Bezog  auf  den  einzelnen  Tatbestand,  den  sie  betreffen, 
richtig  sied,  d.  h.  mit  diesem  Tatbestand  übereinstimmen, 
ist  nicht  Gegenstand  logischer  Untersuchung.  Bezeichnet 
man,  wie  dies  vielfach  üblich  ist,  die  Denkprozesse ')  gegen- 
über diesem  Tatbestand,  der  I>enk„materie",  als  formal, 
so  kann  man  sagen,  dafi  die  Logik  den  formalen  Anteil 
an  der  materialen  Richtigkeit  der  Denkergebnisse  nnter- 
sacbt.  Sie  stellt  die  formalen  gesetzmäßigen  Bedingungen 
für  die  materiale  Kichtigkeit  fest.  In  diesem  Sinn  ist  es  zu 
verstehen,  wenn  in  der  vorangeschickten  Definition  der  Logik 
von  der  formalen  Gesetzmäßigkeit  gesprochen  wird. 

Da  die  Materie  des  Denkens  stets  mehr  oder  weniger 
spezialisiert  ist,  die  Denkvorgänge  hingegen  allenthalben  die- 
selben nnd  in  diesem  Sinn  allgemein  sind,  so  verbindet  sich 
mit  dem  formalen  Cbariikter  der  Logik  zugleich  ihr  „all- 
gemeiner" Charakter.  Die  Logik  ist  ihrem  Wesen  nach  stets 
allgemein,  obschon  sie  sich  oft  nachträglich  auch  bemüht, 
als  spezielle  oder  angewandte  Logik  ihre  allgemeinen  Gesetze 
an  spezielle  Inhaltsgebiete  anzupassen  nnd  für  spezielle 
Inhaltsgebiete  auszugestalten  (vgl.  auch  ^  33). 

ZnweileD  «ird  aach  behiiaptet,  daß  die  Logik  von  jedem  l&balt  des 
DaokoDB  yoUständig  abstiahiera.  Eioa  BOlche  Bebauptnng  ist  euiq  mindeeteo 
sehr  mißTerstindlich.  Eine  ToUs^dige  Abstraktion  vom  Inhalt  ist  überhaupt 
gar  nicht  möglich.  Auch  die  allgemeine  Logik  moB  irgendwie,  wenn  auch 
lebi  allgemeiD,  bestimmte  Inhalte  ihren  üntersnchnngen  za  gronde  legen, 
chankteiistiBch  ist  (Qr  sie  nur,  daQ  sie  die  materiale  Biobtigkeit  solcher  Inhalte 
nur  soweit  nnteraocht,  aiä  äe  von  den  fortnalen  allgemeinen  Denkproieseen 
als  solchen  aUiäogt. 

Im  einzelnen  kann  der  Zusammenhang  zwischen  der 
materialen  Richtigkeit  und  den  formalen  Denkprozessen 
vorlänfig  —  vorbehaltlich  der  ausführlicheren  Erörterung 
in  der  psychologischen  und  erkenntnistheoretischen  Grund- 
legung der  Logik  —  folgendermaßen  dargestellt  werden.  Die 
Empfindungen  —  einschließlich  der  unscharfen  Emp- 
findnngren  nnd  der  sogenannten  Sinnestänsohungen  —  sind, 


')  Die  vollständige  Anfklärang  über  die  Abgrenzung  der  Denfcprozeese 
gegen  die  Denkgrondlagen  (Oenkmaterie)  kann  erst  in  der  pByoholo^sohen 
Onmdlegong  gegeben  werden. 


4  t  Teil.  Absrenzung  und  allgemeine  Geacbichte  der  Logik. 

wie  Bich  später  ergeben  wird  (s.  §  6(B',  nur  in  Beziehung  auf 
hinzngedftchte  Beize  (Dinge,  Beduktionsbestandteüe)  und  inl 
Vergleich  mit  Normalempflndungen,  die  wir  den  letzteren 
zuoirdnen,  richtig  oder  falsch.  Aiit  0-efühle  and 
Wollungen  können  die  Attribute  „richtig"  und  „falsch" 
überhaupt  gar  nicht  einwandfrei  angewendet  werden.  Anders 
verhält  es  sich  mit  den  primären  Erinnerungs- 
bildern. Diese  können,  wenn  anch  mit  bestimmten  Ein- 
fichränkangen  and  Vorbehalten,  als  richtig  oder  falsch 
bezeichnet  werden,  je  nachdem  sie  den  zugehörigen  Grund- 
empfindungen entsprechen  oder  nicht.  Diese  TTbeTeinstim- 
mang  zwischen  primärem  Erinnerungsbild  und  Empfindung 
kann  man,  da  sie  sich  auf  den  speziellen  Tatbestand  bezieht 
und  mit  den  formalen  Denkvorgängen  überhaupt  noch  nichts 
zu  tun  hat,  als  material  (in  dem  oben  angegebenen  Sinn) 
bezeichnen.  Wenn  nun  das  Denken  die  primären  Erinne- 
rungsbilder weiter  zu  abgeleiteten  Vorstellungen 
(zusammengesetzten,  allgemeinen) ,  Urteilen  und 
Schlüssen  verarbeitet,  so  kann  diese  Verarbeitung,  wie 
soeben  erläutert  wurde,  formal  richtig  oder  formal  falsch 
sein.  Für  das  Benkergebnis,  d.  h.  die  abgeleitete  Vorstellung, 
das  Urteil,  den  Schluß,  ergeben  sich  damit  mehrere  Möglich- 
keiten, unter  welchen  einige  uns  bereits  für  das  Ziel  der 
jetzigen  Erörterung  wichtig  sind.  Wenn  schon  die  ersten 
Erinnerungsbilder  material  falsch  waren,  so  wird  in  der 
Begel ')  auch  das  Denkergebnis  material  falsch  ausfallen, 
d.  h.  mit  dem  Tatbestand  der  Empfindungen  nicht  überein- 
stimmen, und  zwar  wird  dies  auch  dann  eintreten,  wenn  das 
Denken  selbst  formal  richtig  vollzogen  wurde.  Waren  hin- 
gegen die  vom  Denken  verwerteten  primären  Erinnerungs- 
bilder material  richtig,  so  wird  das  Denkergebnis  nnr  dann 
material  falsch  ansfalleu,  wenn  das  Denken  formal  un- 
richtig vollzogen  wird.  Die  Logik  hat  es,  wie  oben  erörtert, 
nur  mit  diesem  zweiten  Fall  zu  tun.  In  beiden  Fällen  aber  — 
also  einerlei  ob  die  materiale  Falschheit  auf  der  materialen, 
nicht  in  das  Bereich  der  Logik  fallenden  Falschheit  der 
primären  Erinnerungsbilder  oder  ob  sie  auf  formaler  Un- 
richtigkeit der  von  der  Logik  erforschten  Denkprozesse  be- 
ruht —  ist  die  materiale  Falschheit  des  Ergebnisses, 


*)  AasDahmaweise   können  formale  DenUehler  die  materiale  Fabohheit 
der  Erinneiongsbilder  wieder  ansgleicfaen. 


L  Eapitei  Aubabe  der  Logik.  5 

äofern  mao  nnr  das  letztere  als  solches  im  Ver^eich  mit 
dem  Tatbestand  der  Empflodungen  ond  anabfaän^i^  von 
seiner  Entstehimg  betrachtet,  im  wesentlicfaeo  dieselbe.  Nicht 
aisQ  im  Denk ergebnis  liegt  der  für  die  Logik  in  Betracht 
kommende  Tatbestand,  sondern  in  den  Akten,  welche  zu  dem 
Krgebnis  geführt  haben.  Nur  hierin  liegt  der  formale 
Charakter  der  Logik.  Man  hat  allerdings  behauptet,  daß  in 
dem  zweiten  Fall  —  wenn  also  die  materiale  Unrichtigkeit 
des  Denkergebnisses  auf  formalen  Fehlern  der  Denkprozesse 
beruht  —  das  Denkergebnis  stets  auch  Widersprüche  in 
sich  außer  dem  materialen  Widerspruch  mit  dem  Tatbestand 
der  Empfindungen  zeigen  müsse,  nnd  hat  stillschweigend 
vorausgesetzt,  daB  in  dem  ersten  Falle  —  wenn  die  materiale 
Unrichtigkeit  des  Denkei^ebnisses  nur  auf  materialer  Un- 
richtigkeit der  verwerteten  primären  Erinnerun^bilder  be- 
ruht —  ein  solcher  innerer  Widerspruch  im  Denkergebnis 
niemals  vorkomme.  Auf  Grund  dieser  —  wie  sich  alsbald 
zeigen  wird  —  falschen  Vorausaetzungen  hat  mau  dann  die 
dnreh  formale  Denkfehler  zustande  gekommene  materiale 
Unrichtigkeit  des  Denkergebnisses  mit  dem  Vorhandenficin 
innerer  Widersprüche  im  Denkergebnis  gleichgesetzt 
"  irad  das  Fehlen  bzw.  Vorhandensein  innerer  Widersprüche 
im  Denkergebnis  als  formale  Eichtigkeit  bzw.  Unrichtigkeit 
bezeichnet').  Die  Logik  wurde  von  diesem  Standpunkt  aus 
geradezu  als  die  Lehre  von  der  formalen  Bichtigkeit  bzw. 
Unrichtigkeit  der  Denkergebnisse  im  Sinn  der  inneren 
Übereinstimmung  bzw.  Nicht-Übereinstim- 
mung definiert.  Diese  ganze  noch  hente  ziemlich  ver- 
breitete Auffassung  ßchcit^rt  schon  daran,  daß  auch  in  dem 
„ersten"  Fall  der  obigen  Aufzählung,  wenn  also  die  materiale 
Unrichtigkeit  des  Denkergebnisses  nur  auf  materialer  Un- 
richtigkeit der  primären  Erinnemngsbilder  bemht,  das 
Denkergebnis  sehr  oft  innere  Widerspriiche  aufweist,  also 
trotz  formaler  Bichtigkeit  der  Denkprozesse  im  Sinne  jener 
Auffassung  formal  unrichtig  ist.  Es  ist  also  nicht  angängig, 
die  formale  Kichtigkeit  bzw.  Unrichtigkeit  der  Denk  a  k  t  e 
mit  der  formalen  Richtigkeit  bzw.  Unrichtigkeit  der  Denk- 
ergebnisse  im  Sinn  der  inneren  Wide  rsprnchs- 


*)  Der  Tenniniis  „fomal"  bekommt  damit  abo  eine  andere  Bedeatuug, 
■k  sie  ihm  oben  S.  3  gegeben  waide. 


I.  Teil.  Altgrenzuns  tind  allgemeine  Geachiehte  der  Losik. 


losi^keit  bzw.  des  inneren  Widerspruchs  gleioh- 
ZQBetzen.  Bichtig  ist  nor,  daß  die  formale  Unrichtigkeit 
der  Denkakte  wohl  noch  etwas  häufiger  als  die  materiale 
Unrichtigkeit  der  primären  Erinnerungsbilder  zu  inneren 
Widersprüchen  im  Denkergebnis  führt,  und  daß  innere 
WiderBprüche  im  Ergebnis  durch  formale  Weiterverarbei- 
tung desselben  klarer  herausgearbeitet  werden  können. 

Als  Beispiel  mag  der  folgende  sehr  einfache  Fall  dienen. 
Ich  glaube  mich  zu  erinnern,  daß  die  Salbei  vier  Staub- 
gefäße hat  (während  sie  tatsächlich  nur  zwei  besitzt).. 
Weitere  Beobachtungen  zeigen  mir  stets  Exemplare  mit  zwei 
Stalihgefäßen.  Damit  ist  in  mein  Denken  ein  innerer  Wider- 
spruch hineingekommen,  aber  offenbar  hat  derselbe  gar 
nichts  mit  einem  logischen  Fehler,  d.  h.  mit  einer  formalen 
Unrichtigkeit  meiner  Denkakte,  sondern  lediglich  mit 
einer  materialen  Unrichtigkeit  meines  primären  Erinne- 
rnngsbildea  einer  Salbei  mit  vier  Staubgefäßen  zu  tun. 
Formale  Bichtigkeit  der  Denkakte  besteht  also  hier  mit 
materialcr  Unrichtigkeit  der  Denkei^ehnisse  zusammen. 
Sollen  wir  nnn  trotzdem  den  inneren  Widerspruch  des  Er- 
gebnisses als  formal  bez^chnen  and  seine  Anfdeckong, 
Untersuchung  und  Beseitigung  der  Logik  znwelsenl  Ich 
glaube,  daß  man  damit  der  üblichen  und  natürlichen  Ab- 
grenzung der  Logik  Gewalt  antun  würde.  Man  könnte  die 
Zugehörigkeit  eines  solchen  Falles  zur  Logik  höchstens  noch 
durch  die  Behauptung  aufrecht  zu  erhalten  suchen,  daß  eben 
jeder  innere  Widerspruch,  auch  wenn  er  auf  materialer 
Unrichtigkeit  der  Erinnerungsbilder  beruht,  doch  ein 
logischer  sei,  insofern  er  den  logischen  Denkgesetzea 
(a  nicht  =  non-a)  widerspreche.  Endgültig  kann  dieser  Ein- 
wand erst  widerlegt  bzw.  aufgeklärt  werden,  wenn  die  sog. 
logischen  Denkgesetze  selbst  näher  untersucht  worden  sind 
(§  85  ff.).  Vorläufig  ist  nnr  zu  bemerken,  daß  zwar  die 
Gleiehsetznng  sich  widersprechender  Vorstellungen  durch 
unser  Denken  ganz  entsprechend  unsrer  Definition  der  Logik 
den  logischen  Gesetzen  widerspricht  und  von  der  Logik 
untersucht  wird,  daß  aber  das  Vorhandensein  widersprechen- 
fler  Eigenschaften  in  einem  und  demselben  Tutbestand  vor 
allem  den  Seinsgesetzen  widerspricht  und  daher  auch  ohne 
Hilfeleistung  der  Logik  ausgeschlossen  werden  kann  (vgl. 
^  62).  Es  tritt  uns  nur  schon  an  dieser  Stelle  die  merk- 
würdige Korrespondenz   zwischen   logischen  Giesetzen  und 

„.,,„,^.oogic 


1.  KapiteL  Aufgabe  der  Locik.  7 

Seine^esetzen  entgegen,  die  ^later  noch  gründlicher  Fcetstel- 

foiiff  bedarf. 

¥40  kSonte  vielleicht  geneigt  sein,  das  Kriteriom  der  inoeren  Überein- 
stifflmuiig  dadnioh  für  die  DefiDition  der  Logik  zd  retteD,  daB  mau  ee  nicht 
auf  die  Deokergebnisee,  sondern  auf  die  Denkakte  bedeht  Damit  wire 
alleidii]^  eine  weseotütiie  JUmiherang  an  tmsere  Definition  der  Logik  ge- 
geben. Eb  wild  noT  sjdter  noch  eine  eingebeiKle  üntersochong  erforderlich 
KD,  ob  die  Richtigkeit  der  Denkakte,  die  wir  hier  noch  gans  nnbestiaunt  ge- 
luaen  haben,  wirklich  schlechthin  als  innere  Übereinatimmong  antgetait  werden 
bna,  iizw.  in  welchem  Sinne  dies  mllssig  ist    Vgl.  §  61  ond  85  f. 

Dieselbe  Überlegung,  die  soeben  für  einen  Tatbestand 
im  Bereich  der  Empfindungen  durchgeführt  wurde,  gilt  mit 
nnwesentlichen  Abänderungen  auch  für  jeden  anderen  Tat- 
bestand. Daher  kann  man  ganz  allgemein  sagen:  nnr  die 
formale  Bichtigkeit *)  der  Denkakte  ist  Gegenstand  der 
Ix^,  die  Widerepmchslosigkeit  der  Denkergebnisse 
hängt  nicht  nnr  von  der  formalen  Richtigkeit  der  Denkakte, 
sondern  anch  von  anderen  Bedingungen  (materialer  Bichtig- 
keit  der  Erinnerungsbilder)  ab,  ktinn  also  nicht  zur  Charak^ 
tenstik  des  Gegenstandes  der  Logik  dienen.  So  erklärt  es 
sich  anch,  daB  wir  gelegentlich  anf  formal  unrichtigem 
Wege  (dnrcb  formal  unrichtig«  Denkakte)  zu  material  und 
formal  richtigen  Ergebnissen,  z.  B.  infolge  eines  gegen- 
seitigen Ausgleichs  mehrerer  begangener  Denkfehler,  ge- 
langen. 

Mit  diesen  Erörterungen  ist  angleich  festgelegt,  daß  die 
l4)gik  nicht  etwa  nur  die  Aufgabe  hat,  die  innere  Oberein- 
stinunnng  der  Denkergebnisse  zu  kontrollieren,  also  gewisser- 
maSea  auf  eiDe  Denkpolizei  beschränkt  ist,  eioe  Auffassung, 
ZD  der  man  gerade  dann  leicht  gelangt,  wenn  man  im  Sinne 
der  eben  bekämpften  Ansicht  die  wesentliche  Aufgabe  der 
Ix^k  nur  darin  erblickt,  die  Denkergebnisse  auf  ihre 
imiere  Übereinstimmung  zu  prüfen.  Die  Logik  hat  viel- 
mehr vor  allem  auch  die  positive  Aufgabe,  die  formale  Ge- 
setzmääigkeit  des  Benkens  bezüglich  der  Erreichung  des 
MflTimnnn«;  tqu  materialer  Bichtigkeit  festzostellen  (bei 
einem  gegebenen  Material  von  Empfindungen  und  primären 
Erinoernngsbildem).  So  bat  beispielsweise  die  Logik  nicht 
nor  zn  untersuchen,  wie  Widersprüche  bei  der  Bildnng  von 


*)  Haidi  der  8.  5  getroffenen  Beatimmnng  ist  der  Zosata  ^anal"  fiber- 
UncBg,  er  ist  nur  dm  Nachdrucks  wegen  hier  nnd  anch  weiterhin  erfolgt. 

„.,,„,  ^.oogic 


S  L  Teil.  AbtCrenzuDg  und  alUemüne  Geschichte  der  Logik. 

Art-  und  Gattungsbegriffen  entstehen  und  zu  beseitige»  sind, 
sondern  auch  wie  diejenigen  Art-  und  Gattungsbegriffe  be- 
schaffen sind  und  gebildet  werden,  die  den  zugrunde  liegen- 
den IndiTidnalempfindungen  bzw.  IndividualvorstellungeD 
möglichst  genau  entsprechen.  Gerade  durch  solche  positive 
Leistungen  ist  die  Logik  imstande,  obwohl  sie  auf  Fest- 
stellung materialer  Tatbestände  im  übrigen  verzichtet,  unsere 
Erkenntnis  auch  positiv  zu  fördern. 

§  2.  LogUc  als  Norm-  nnd  Wertwissenschaft.  Nicht 
selten  wird  in  die  Definition  der  Logik  ausdrücklich  ihr 
„normativer"  Charakter  aufgenommen.  Mit  diesem  nor- 
mativen Charakter  ist  gemeint,  daß  die  Logik  nicht  Tat- 
sachen feststellt,  sondern  Begeln  —  bindende  Ratschläge  — 
für  das  Denken  gibt.  Die  Logik  hat  es  nach  dieser  Auf- 
fassung nicht  mit  dem  „Sein",  sondern  dem  „Sollen"  zu  tun. 
Richtig  ist  hieran  nur,  daß  sich  aus  der  Logik,  indem  sie  die 
Abhängigkeit  der  Richtigkeit  der  Denkergebnisse  von  den 
Denkvorgängen  untersucht  und  feststellt,  auch  Regeln  für 
das  richtige  Denken  ergeben.  £s  wäre  jedoch  ganz  willkür- 
lich, wenn  man  diesen  praktischen  Zweck  als  das  Ziel  all«r 
lügischen  Untersuchungen  betrachten  und  ihn  daher  in  die 
Definition  drer  Logik  aufnehmen  wollte.  Die  Feststellimg- 
der  gesetzmäßigen  Beziehungen  zwischen  den  Denkvor- 
gängen und  der  Richtigkeit  der  Denkergebnisse  ist  an  sich 
selbst  —  unabhängig  von  der  praktischen  Verwendung  — 
die  primäre  Aufgabe  der  Logik.  Die  Ableitung  von  Denk- 
regeln oder  Denknormen  ist  eine  sekundäre  Aufgabe,  deren 
Lösung  ganz  von  der  Lösung  jener  primären  Aufgabe  ab- 
bängig  ist.  Dieser  sekundären  Aufgabe  der  Logik  trägt  ein 
besonderer  Teil  der  Logik  Rechnung,  den  man  als  „logische 
Technik"  bezeichnet.  Wenn  diesen  technischen  Folge- 
rungen im  Bereich  der  Logik  besondere  Bedeutung  bei- 
gemessen wird  —  größere  z.  B.  als  der  Meßkunst  im  Bereich 
der  Geometrie  oder  den  Rechenregeln  im  Bereich  der  Al- 
gebra — ,  so  dürfte  dies  einerseits  mit  der  allgemeinen  Un- 
entbehrlichkeit  dieser  Denkregeln  und  andrerseits  mit  dem 
formalen  Charakter  der  Logik  zusammenhängen. 

Sie  einseitige  Auffa^aag  der  Logik  als  einer  NortiiwisseaBchaft  hat  daiu 
geführt,  sie  ab  eine  „Ksnat",  z.  B,  als  „ars  directira  ipsios  actus  rationts" 
('Diomas  t.  Aquino ')  oder  als  „art  de  bien  oonduire  1a  raison  dans  U  connatsgiDoe 


')  In  Aiialyt  poet  Xib.  1,  Lect  1  (ed.  Born.  1570,  Bd.  1,  9. 


17  a). 


1  Kapitel  Atifsabe  der  Losik.  9 

dM  cfaeees"  (Logiqne  de  Port-Rojal'),  oder  als  .^edidna  mentja"')  usf.  cn 
leieiehDeii,  unter  den  yielen  neuereo  SchriftslelleTii  Aber  Logil>,  welche  den 
nonutiren  Qiaiskter  m.  £.  mit  Unrecht  in  die  allgemeine  DefinidoD  der  Logik 
wfDebmeD,  sei  hier  beiapielBweise  Sigvart*)  angeführt,  der  die  Logik  als  ein« 
^onstldire  des  Deukeiu"  definiert,  velcbe  AnleitiuiK  gibt  zv  gewissen  and 
tilgrannngültigen  ^tzen  za  gelangen.  Sehr  viel  richtiger  nnteischeideD  schon 
maache  Scholattiker  (e.  B.  Lambert  Ton  Aaxene  *)  in  der  Logik  einen  wissen- 
schaftlichen Teil  (adenb'a)  und  einen  praktiscben  Teil  (ais),  beide  wurden  auch 
oft  als  ,^ogica  docens"  und  „logica  ntana"  nnterechieden  (so  schon  bei  Alfiiftbi, 
Tgl.  §  19  und  89). 

Mit  mehr  Berechtigung  hat  man  die  W  e  r  t  beziehuug 
in  die  Definition  der  Logik  aufgenommen  und  die  Logik 
geradezu  als  Wertwiseenschaft  aufgefaßt.  "Ea  leuchtet 
in  der  Tat  ein,  daä  die  Logik  zwar  ganz  neutral  feststellen 
kann,  welche  Denkvorgänge  zu  richtigen  und  welche  zu 
falscheu  Denkergebnieeen  führen,  daü  sie  dabei  aber  ge- 
wissermaßen stillschweigend  doch  schon  zwischen  den  rich- 
tigen und  falschen  Denkergehnissen  einen  Wertunterachied 
macht  und  weiterhin  machen  m  u  Q ,  wenn  sie  Denkregeln 
aufstellen  will.  Ausdrücklich  diese  Wertbeziehung  in  der 
Definition  anzuführen,  liegt  trotzdem  kein  ausreichender 
Grnnd  vor,  weil  sie  nicht  für  alle  logischen  Untersuchungen 
unerläßlich  ist.  Vollends  wird  man  Bedenken  tragen, 
wenn  manche  Logiker  den  Wertunterschied  zwischen  Bich- 
ligkeit  und  Falschheit  als  einen  objektiven  zu  erweisen 
versucht  haben  und  auf  Grund  eines  vermeintlichen  solchen 
Kachweiaes  in  irgendeiner  Form  in  die  Definition  der  Logik 
eingefügt  haben. 

S  3.  L<^k  als  Wlssenschaftslehre.  Nach  der  im  ^  1 
gegebenen  Definition  fällt  die  Gesetzmäßigkeit  eines  jeden 
Denkens  mit  Bezug  auf  seine  formale  Richtigkeit  und  Falsch- 
heit in  das  Untersuchungsgebiet  der  Logik.  Von  besonderer 
Wichtigkeit  für  die  Logik  iüt  unter  den  verschiedenen  Arten 
des  Denkens  das  wissenschaftliche  Denken.  Erstens 
hat  für  dieses  die  Bichtigkeit  und  die  Falschheit  der  Deuk- 


*)  La  logiqtie  oa  Tart  de  penser  von  Arnanldn.  Nicole,  Paris  1662,  1, 1,  S.  i 
(ed.  Amsteidam  1675,  S.  47). 

*)  So  lautete  £.  B.  der  Titel  der  TschinihanBenschen  L(^k  (vgl.  den 
UitoriadMn  AbriS). 

*)  Logik,  Froibnig  1889,  2.  AnfL  Bd.  i,  §  1,  ß.  1. 

*)  Bqsuds  lopc«e  *  (v^  Pnutl,  Oesohichte  der-Logik  im  Abendlande. 
Leipag  1867,  Bd.  3,  a  26). 

„.,.,„,>..oo^^ic 


10  I.  Teil.  Abgrenzung  und  aUtremeine  Geschidite  der  Logik. 


ergebnisee  eine  besonders  weittragende  Bedeutung,  insofern 
die  Ergebnisee  nicht  nur  eine  vorübergehende  Wirkung  für 
einzelne  Menschen  in  einer  augenblicklichen  Lage  haben, 
sondern  eine  dauernde  allgemeine  Gültigkeit  beanspruchen, 
□nd  zweitens  bietet  daB  wiseenscbaftliche  Denken,  insofern 
es  sich  nicbt  auf  mehr  oder  weniger  kurze,  einfache,  un- 
zuBammenhängende  Denkvorgänge  beschränkt,  sondern  ein 
sehr  ausgedehntes,  verwickeltes  System  von  Gedanken'- 
vorgängen  aufbaut,  der  Logik  ihre  Aufgaben  in  der  voll- 
ständigsten und  entwickeltsten  Form.  Die  Logik  wird  daher 
auf  das  wissenschaftliche  Denken  eine  ganz  besondei*« 
Rücksicht  nehmen  müssen.  Einzelne  Teile  der  Logik,  welche 
das  Denken  in  seinen  zasammengesetzteren  Formen  be- 
hemdeln  wie  die  Lehre  vom  Beweis,  vom  System  usf.,  werden 
es  sogar  fast  ausschließlich  mit  dem  wissenschaftlichen 
Denken  zu  tun  haben.  Das  letzte  Kapitel  der  Logik  kann 
geradezu  als  die  Lehre  von  der  Wissenschaft  —  natürlich 
stets  mit  Bezug  auf  formale  Bichtigkeit  —  bezeichnet 
werden  und  ist  auch  in  der  Tat  bereits  von  G.  E.  Schulze ') 
als  „Wissenschaftslehre"  bezeichnet  worden.  Irrtümlich  ist 
hingegen,  wenn  einzelne  Logiker  bis  in  die  neueste  Zeit  die 
Logik  ganz  auf  das  wissenschaftliche  Denken  beschränken 
und  diese  Beschränkung  in  die  Definition  der  Logik  auf- 
nehmen. Es  läQt  sich  schlechterdings  nicht  absehen,  wes- 
halb die  Logik  sich  nicht  auch  mit  dem  vorwiesenschaftlichen 
bzw.  nicht  -  wissenschaftlichen  Denken  beschäftigen  sollte. 
Vgl.  auch  ^  35. 

Zu  diesen,  meiues  Eraohteus  zu  engen  Definltionea  gehört  z.  B.  di^enige 
B.  Erdm&nns*),  welcher  die  Logili  als  „die  allgemeine,  fonoald  and  nonoatiTs 
WisBeoBcbaft  von  dep  methodischen  VoranssetztiDgen  des  wissenschartlicbea 
Denkens"  definiert  Ganz  verfehlt  tat  die  Defiuitioc  Bolzanoa*),  welcher  die 
Logik  erstens  auf  die  wisseoschaftlioben  Wahrheiten  beschräukt  und  Kchlecht- 
hin  als  'Wiasenschaftalehie  bezeichnet,  und  zweitens  sogar  ihre  Aufgabe 
lediglich  darin  Bieht,   Regeln   für  die  Zerlegung   des  gesamten   Oebietes  der 

')  Grundsätze  der  aUgemeinen  Logik,  4.  Aufl.  O&ttingen  1S22,  Q.  XI, 
22  u.  161.  Eants  urteile  über  den  Terminos  s.  Sämtl.  Werke,  Hartenst  Auag. 
1868,  Bd.  8,  S.  812. 

*)  Logik,  1.  Band,  2.  Aufl.  Halle  1907,  8.  25.  Tgl.  auch  Hnsserl,  Log. 
ünteis.,  Teil  I,  HaUe  1900,  S.  29  (2.  Aufl.  8.  28). 

■)  Wissensohaftslehre,  Sulzbach  1837,  Nendrook  I^eipzig  1914,  Bd.  I,  §  1, 
spez.  S.  6.  Übrigens  hlUt  Bolzano  selbst  diese  Definition  nicht  konsequent  fest 
(Tgl.  L  0.  8.  18  tt.  56). 


L  EapiteL  Atifnbe  der  Loffik.  IX 

Tahtbeit  in  eiiueliie  WJsasDBchaften  und  ffii  dia  Abfasmng  von  LehrbüDhern  Kr 
jede  Vissenschaft  za  geben.  Damit  vfire  der  griSBte  Teil  der  Logik  not  eine  noch 
iluu  vectoBeriichte  ats  „ateos"  im  Dienst  der  BpezialwissensÄaftaB  radnxiatt 

{  4.    Sfellani:  der  Logik  Innerhalb  4er  Philosophie.    Die 

Begriffsbestimmmig  und  AbgTenziiiig  der  PhiJosophie  selbst 
ist  so  Bchwankend,  daß  eine  exakte  Eingliederung  der  Logik 
in  die  Philosophie  auf  Grund  der  Definition  der  beiden 
Wissenschaften  nntunlich  ist.  Die  allgemeine  Zugehörigkeit 
der  Logik  zur  Philosophie  ergibt  sich  aus  folgender  Über- 
legoDg.  Wie  man  auch  die  Philosophie  definieren  und  ab- 
frensen  mag,  jedenfalls  ist  eise  ihrer  Hauptaufgaben,  das 
Oegebene  nach  geinen  Ähnlichkeiten  und  TJnahnlichkeiten 
EU  ordnen  nnd  die  Grundgesetze  der  Veränderungen  des  Ge- 
gebenen zu  ermitteln.  Derjenige  Hauptteil  der  Philosophie, 
welcher  sich  mit  dieser  Aufgabe  beschäftigt,  kann  als 
Oignomenologie  oder  Erkenntnistheorie  im 
weiteren  Sinn*)  oder  Grundwissenschaft*)  bezeichnet 
Verden.  Diese  Gignomenologie  liefert  uns  erstens  die  Ein- 
teilimg  alles  Gegebenen  (aller  „Gignomene")  in  Empfindun- 
gen (Empfindungsgignomene)  und  Vorstellungen  im  weite- 
sten Sinne  (Vorstellnngsgignomene),  welche  schon  im  ^  1  bei 
der  Besprechung  der  Definition  der  Logik  zugrunde  gelegt 
wurde.  Außerdem  aber  gelangt  sie  zweitens  za  bestimmten 
Zerlegungen  jedes  einzelnen  Gegebenen  (Gignomens),  die  in 


')  T^  über  dieses  weiteren  Begriff  der  Erkenntiuatliearie  Th.  Ziehen, 
Efkenotoistheorie,  Jena  1913,  §  119ff.  —  Stnmpfa  „Phänomenolo^e"  (Abb. 
d.  PieoB.  kk.  d.  Wiss.  v.  Jahr  1906,  Berlin  1S07,  S.  26  n.  45)  deckt  sich  in 
nitai  BeiiehDDgen  mit  dem  hier  in  Kede  stehenden  Banptteil  der  Philosophie. 
Dm  die  Doppelbedeatang  —  weitere  nnd  engere  —  des  Wortes  „Erkenntnis- 
Aeoaxl*  nnd  die  mit  der  Vieldeutigkeit  dee  Wortes  „Phänomenologie"  insammen- 
hingettden  HiSrerstfindnisse  m  vermeiden,  habe  ich  die  Bezeichnnog  „Oig- 
nomawlogie"  (Q^nemene  :=  WeidniBse,  Gegebenes)  Toi^eschlagen.  Vgl.  Grund- 
lagen der  Psychologie,  Leipx^-Berlin  1915,  Bd.  1,  S.  t>2. 

*)  Diese  Bezeichnung  wurde  in  ähnlichem  Sinne  schon  im  18.  Jahrhundert 
L  B.  von  H.  8.  Betmams  gebraucht  (Die  Vemunftlehre  usf.,  Hamburg -Kiel 
1783,  4.  Anfi.,  §  10).  Kenerdings  hat  sie  auch  Bebmke  Terweodet  (Philosophie 
^  Orrmdwiseenschaft,  Ldpiig-Piankfort  1910).  Die  „philosophia  prima" 
[S(m;  fiamt^la)  des  Aristoteles  (Akad.  Ausg.  uamentL  1(I2b,  l94b,  1036a, 
iC67a  n.  1061b}  deckt  sich  mit  der  Erkenntobtheorie  im  weiteren  Sinne  oder 
Onmdwissenscbaft  nicht,  da  sie  nach  Aristotelea  In  einem  Gegensatt  zur  Physik 
ab  der  pbitoäophia  seconda  (>h(|J  tat  ale^^t&t  »i^ae)  steht,  der  für  die  Er* 
kmntnistheorie  in  weiterem  Binne  nicht  zu  Recht  besteht 


1,1^. OQi 


,g,c 


12  J-  Teil.  AbgrenzuDB  und  allgemeine  Geschichte  der  Logik. 

vklen  Kichtangen  noch  sehr  strittig  sind,  aber  doch  wenier- 
stens  in  einem  Ergebnis  übereinstinmuen,  nämlich  in  dem 
Satz,  daß  innerhalb  des  Gegebenen  sich  durch  die  erkenntnifi- 
tbeoretische  Überlegung  zwei  Gebiete  ergeben:  ein  erstes 
Gebiet,  in  welchem  die  sog.  K  a  n  s  a  1  gesetze  gelten,  und  ein 
zwieites  Gebiet,  in  welchem  andere  Gesetze  als  diese  Kausal- 
gesetze gelten.  Dem  ersten  Gebiet  entsprechen  die  Natur- 
wissenschaften, dem  zweiten  Gebiet  entspricht  die 
Psychologie.  Ob  eine  vollständige  SIerlegung  noch 
weitere  Gebiete  ergibt,  z.  B.  ein  der  Mathematik  entsprechen- 
des, von  besonderen  mathematischen  Gesetzen  beherrschtes 
Gebiet,  kann  hier  unerörtert  bleiben.  Ebenso  ist  für  die  uns 
beschäftigende  Überlegung  die  Abzweigung  und  Herleitnng 
der  übrigen  Wissenschaften,  welche  sich  zum  Teil  auf  beide 
Hauptgebiete  erstrecken,  ohne  Bedeutung.  Um  so  wichtiger 
ist  für  nns  eine  zweite  Hauptfrage,  welche  an  die  Philosophie 
herantritt,  nachdem  sie  die  erste  Hauptfrage,  die  Eintei- 
lung und  Zerlegung  des  Gegebenen  erledigt  hat.  Diese 
können  wir  für  unseren  Zweck  folgendermaßen  formulieren. 
Unsere  Vorstellungen  im  weitesten  Sinne,  also  einfache 
und  abgeleitete  Vorstellungen,  Urteile,  Schlüsse,  Beweise, 
Systeme  erheben  allenthalben  den  Anspruch,  in  irgendeinem 
Sinne  dem  Gegebenen  zu  enteprechen.  Damit  ergibt  sieb 
die  Frage,  was  dieses  Entsprechen  bedeutet  und  welche 
Kriterien  uns  für  dieses  Entsprechen  zur  Verfügung  stehen. 
Nicht  nur  für  das  alltägliche  Denken,  sondern  gerade  anch 
für  das  philosophische  Denken  ist  eine  solche  Untersuchung 
unentbehrlich.  Da  das  philosophische  Denken  das  Gegebene 
irgendwie  vorstellen  oder  „erkennen"  will,  aber  anch  selbst 
zu  diesem  Gegebenen  gehört,  so  ist  es  geradezu  gezwungen, 
DU  die  allgemeine  Untersuchung  des  Gegebenen  eine  spezielle 
Untersuchung  der  Stellnng  des  Denkens  im  und  znm  Ge- 
gebenen gewissermaßen  in  reflexivem  —  auf  sich  selbst 
rückbezüglichem  —  Sinne  anzuschließen  nnd  das  in  Bede 
stehende  „Entsprechen"  zu  untersuchen.  Letzteres  ist  offen- 
bar ganz  identisch  mit  der  Übereinstimmung  zwischen  Denk- 
ergebnis und  Tatbestand,  welche  in  §  1  erörtert  und  auch  als 
materiale  Bichtigkeit  bezeichnet  wurde.  Diejenige 
philosophische  Wissenschaft  nun,  welche  sich  mit  dieser 
zweiten  Hauptfrage  beschäftigt,  also  die  Bedeutung,  Be~ 
dingungea  und  Grenzen  des  Entsprechens,  d.  h.  der  mate- 
rialen  Richtigkeit   des   Denkens    untersucht,   ist   die    Er- 

„.,,„,^.oogic 


L  EaiüteL  Aufgabe  der  Logik.  ]3 

ienntnistheorie  im  enteren  Sinne  oder  Er- 
kenntniskritik. Indem  aber  die  Erkenntniskritik  fest- 
stelit,  daB  die  materiale  Richtigkeit  der  Denkergebniase  ganz 
wesentlich  auch  von  dem  formalen  Ablanf  der  Denkakte  (in 
dem  S.  3  angegebenen  Sinne)  abhangt,  sieht  sich  die  Philo- 
eopbie  vor  eine  dritte  Hauptaufgabe  gestellt:  nämlich  zu 
nnfersuchen,  nach  welchen  Gesetzen  das  Benken  infolge 
seines  formalen  Ablaufs  bald  zu  richtigen,  bald  zu  falschen 
Denkergebnisaen  führt.  Dies  ist  aber  nichts  anderes  als  die 
Anfgabe,  welche  in  ^  1  der  Logik  zugewiesen  wurde.  Die  Logik 
achließt  sich  also  als  dritte  philosophische  Teilwisseuschaft 
eng  und  notwendig  an  die  Gignomenologie  und  die  Erkennt- 
niskritik an.  Damit  ist  die  Zugehörigkeit  der  Logik  zur 
Philosophie  und  ihre  Stellung  in  derselben  festgelegt.  Aller- 
ilings  ist  die  Logik  nicht  nur  für  die  Philosophie  vorhanden, 
sondern  sie  ist  zugleich  auch  für  alle  anderen  Wissenschaften 
eine  nnerläSHche  Vorbereitungsdisziplin.  Während  sie  aber 
für  die  letzteren  nur  formale  Regeln  gibt,  also  für  dieselben 
nur  normative  Bedeutung  hat,  ist  sie  für  die  Philosophie 
nicht  nur  gleichfalls  formale  Normlebre,  sondern  gehört  ihr 
zugleich  als  ein  integrierender  Teil  an. 

§  &.  Stellung  zur  Erkenntnistheorie,  cur  Psychologie, 
ZOT  SpraehwiBfienschaft  und  Mathematik.  Die  vier  Grund« 
legongen.  Durch  die  vorstehenden  Erörterungen  ist  die 
Stellang  der  Logik  zur  Erkenntnistheorie  bereits 
klargestellt.  Die  Erkenntnistheorie  im  weiteren  Sinne 
(Gignomenologie)  als  grundlegender  Hauptteil  der  Philo- 
sophie ist  —  abgesehen  davon,  daß  sie  wie  alle  Wissenschaf- 
ten formal  an  die  Segeln  der  Logik  gebunden  ist  —  von  der 
Logik  ganz  unabhängig,  dagegen  ist  die  Logik  auf  die  Er- 
kenntnistheorie im  weiteren  Sinne  insofern  angewiesen,  als 
sie  ihre  Grundbegriffe  „Gesetzmäßigkeit",  „Denken",  „for- 
mal" usf.  der  letzteren  entlehnen  muß.  Zur  Erkenntnistheorie 
im  engeren  Sinne  (Erkenntniskritik)  steht  die  Logik  in  enger 
Koordination.  Insbesondere  ist  die  Aufklärung  des  Begriffs 
der  Bichtigkeit  und  die  Abgrenzung  der  formalen  Bichtig- 
keit  gegen  die  materiale  eine  Aufgabe,  weiche  von  beiden 
gemeinschaftlich  bearbeitet  wird. 

Der  eben  festgestellten  Beziehung  der  Logik  zur  Er- 
kenntnistheorie muß  die  Logik  durch  eino  besondere  „er- 
kenntnistheoretischeOrnndlegung"  ihrer  Lehren 
Rechnung  tragen.    Vgl.  Teil  II,  Kap.  1. 


1,1^. OQi 


,g,c 


14  I'  ^BÜ.  Absrenzuus  und  allseionne  Oeachichte  der  hoek. 

Ee  ist  BelbstreratäDdlich,  ia&  tiii  diejenigen  Forscher,  velcbe  von  der 
Logik  im  Gegensati  ta  anserer  Definition  auch  irgend  eino  aodemeitige  Unter- 
BQchong  materiater  Tatbestände  —  anSer  der  formalen  GesetzmiBigkeit  des 
Denkens  —  verlangen,  der  Gegensats  zwiBohen  der  ürkenntnistheorie  nnd  der 
Logik  sich  verwisclit.  Ein  neneres  Beispiel  für  diese  Verschmelznog  von  Er- 
kenntniatbeorie  nnd  Logik  bietet  die  „eifceontniatheotetisobe  Logik"  Ton 
Schappe '). 

Die  Stellung  der  Logik  zur  Psychologie  ist  noch 
beute  sehr  umstritten.  Bald  wird  die  Logik  nur  als  eine 
„Sonderdisziplin  der  Psychologie"  Qjippa'))  hezeichnet,  bald 
—  wenigstens  in  einem  Hanptteil  —  vollständig  von  der 
Psychologie  losgelöst  und  als  I^ehre  von  „Vorstellungen  an 
sich",  „Sätzen  an  sich",  „Wahrheiten  an  sich"  aufgefaßt, 
denen  in  keiner  Weise  der  Charakter  psychischer  Vorgänge 
zukommen  soll  (Bolzano ')).  Die  Irrttimlichkeit  der  letzteren 
Anschauung  wird  sich  bei  Gelegenheit  der  erkenntnistheore- 
tischen  Grundlegung  der  Logik  ergeben.  Die  erstere  An- 
schauung ist  insofern  im  Kecht,  als  sie  gemäß  unsrer  Haupt- 
definition Denkvorgänge  im  psychologischen  Sinne 
als  das  Objekt  aller  logischen  üntersncfaungen  betrachtet. 
Manche  ihrer  Vertreter  werden  jedoch  der  Tatsache  nicht 
gerecht,  daß  die  Logik  in  vier  wesentlichen  Beziehungen  über 
die  Psychologie  hinausgeht,  nämlich: 

erstens,  insofern  sie  an  Stelle  der  wechselnden  Vorstel- 
lungen, Urteile  usf.  des  tatsächlichen psychischenGcschehens, 
auf  welche  die  Psychologie  sich  zn  beschränken  pflegt,  un- 
veränderlich gedachte  N  o  r  m  a  t  Vorstellungen,  Normal - 
urteile  usf.  setzt  (etwa  ähnlich  wie  die  theoretische  Physik 
zur  Ermittlung  der  Fallgesetze  an  Stelle  eines  durch  zahllose 
Nebenumstände  in  mannigfachster  Weise  variierten  tatsäch- 
lichen Falles  einen  von  allen  Nebenumständen  frei  gedachten 
Normalfall  setzt); 

zweitens,  insofern  die  Logik  das  Denken  ausschließlich 
mit  Bezug  auf  seine  Bichtigkeit  und  Falschheit, 
soweit  sie  von  den  formalen  Denkakten  abhängt,  untersucht. 


')  Erkenntnistheoretisclie  Logik,  Bonn  1878.  VgL  ancti  den  hisforischen 
Abschnitt  g  37ff.  n.  52. 

*)  Ornndiüge  der  Logik,  Hambnt^g-LaipEig  1893,  Neudruck  19l2,  S.  1. 
VgL  jedoob  anch  nnten  §  51. 

■)  'friBsenscbaftBlehre,  Solzbaoh  1837,  Nendruok  Läpsig  1914,  Bd.  1, 
a  61tf.,  71f.,  761/.,  99,  lllH.    Vgl.  auch  §45. 


iM,Googlc 


1.  Kapitel.  Aufgabe  der  Look. 


während  die  Psychologie  an  dieeer  Bezugnahme,  obwohl  sie 
auch  in  ihr  TJutersnchongagebiet  fällt,  kein  spezielles 
Intere^e  nimmt; 

drittenß,  insofern  die  Logik  einen  W  e  r  t  unterschied 
zwischen  Bichtigteit  nnd  Falschheit  macht  (vgl.  S.  ^, 
welcher  für  die  Psychologie  nicht  existiert,  nnd  ««ar  oft 
Tersncht,  für  diesen  iWertnnterschied  objektive  Be- 
dentong  nachzuweisen; 

und  endlich  viertens,  insofern  die  Ixigik  anf  Gmnd 
ihrer  Untersnchungen  praktische  Deakregeln  im  Sinne  von 
Normen  (vgl.  S.  8)  gibt,  während  die  Psychologie  solche 
praktische  Folgerungen  aus  ihren  Untersuchungsergebniflsen 
meistens  nicht  zieht,  sondern  das  Ziehen  dieser  Folgerungen 
den  beteiligten  Wissenschaften  (z.  B.  Pädagogik,  Ästhetik, 
Psychiatrie  usf.)  überläßt. 

Diese  vier  Momente  verleihen  der  Logik  trotz  ihrer 
psychologischen  Grundlage  eine  Sonderstellung  gegenüber 
der  Psychologie  nnd  haben  denn  auch  in  der  Geschichte  der 
Entwicklung  der  Wissenschaften  schon  froh  zu  einer 
Trennung  der  Logik  von  der  Psychologie  geführt.  Die  ali- 
gemeine Abhängiglteit  der  Logik  von  der  Psychologie  konmit 
dabei  insofern  doch  zur  Q^Itong,  als  für  die  Logik,  wie  eine 
erkenntnistheoretische,  so  auch  eine  „psychologische 
Grandlegnng"  nnentbehrlich  ist.  Vgl.  Teil  U,  Kap.  2. 
Diejenig^D  Logüer,  welche  wie  Bolsano  moht-psyohisohe  „VoratellaiigeD 
kB  sidt",  ^tze  an  fäoh"  nef.  anDehmen,  moBseo  für  diese  Gebilde  eine  be- 
sondeie  Ajt  des  Seins,  ein  drittes  Sein,  das  weder  materiell  noch  psychisch,  ist, 
annehoieD  oder  sie  sogar  als  ein  niobtseiendes  ,^wiBseB  Etwas"  einfnliTen. 
Sie  helfeii  dch  dann  mit  nnklaren  Aosdräcken  wie:  „es  gibt",  es  „bestehen" 
(adl.  Wahrheiten  m  sich).  Vgl  e.  B.  Bolzaoo,  1.  o.  ß.  144,  217,  222  o.  319. 
Im  histoiischen  Abschnitt  und  in  det  eiienntnistbeoretischen  Orondlegong  der 
Logik  witd  anf  diese  Lehre  nnd  die  mit  ihr  nahe  zusammenhangende  Lehre 
von  den  „G^enständen"  der  Vorstellungen,  Urteile  usf.  ausführlich  eing^angen 
weiden.  —  Oft  stellt  man  dieser  „logizJBtisohen'^  Bichtong  der  Logik 
diejenige  andere  extreme  Bichtnug,  welche  in  der  Logik  nnr  eine  Teildisziplin 
der  Psychologie  erbhokt,  alt  psychologistisohe  gegenüber. 

Mit  der  psychologischen  Abhängigkeit  der  Logik  hängt 
ihre  Beziehung  zur  Sprachwissenschaft  eng  zu- 
sammen. Unser  tatsächliches  Denken,  wie  es  Gegenstand 
der  Psychologie  ist,  ist  zwar  nicht  immer,  aber  doch  ganz 
überwiegend  mit  einem  sog.  innerlichen  Sprechen  ver- 
bunden, d.  h.  —  wie  sich  später  ergeben  wird  —  von  Wort- 


IG  I.  TeU.  Abcrenzung  und  allgemeine  Geschichte  der  Loiik. 

erinneningsbildem  irgendwelcher  Art,  sog.  Wortvorstel- 
loogren  begleitet  Auch  unterliegt  ee  keinem  Zweifel,  daß 
diese  „verbale  Begleitung"  für  das  tatsächliche  Denken  eine 
erhebliche  Bedeutung  hat.  Es  wird  sich  sogar  zeigten,  daß 
gerade  auch  für  die  Normalvorstrilungen,  welche  die  Logik 
an  Stell«  der  tatsächlichen  Vorstellungen  der  Psychologie 
setzt,  und  deren  Verknüpfungen  sprachliche  Bezeichnangen 
oder  andere  Symbole  irgendwelcher  Art  kaum  zu  entbehren 
sind.  Daher  wird  sich  an  die  erkenntnistheoretische  und 
an  die  psychologische  Grundlegung  eine  „sprachliche 
(linguistische,  symbolische)  Grundlegung"  an- 
schließen müssen.    Vgl.  Teil  II,  Kap.  3. 

Außer  der  Sprachwissenschaft  hat  auch  die  Mathe- 
matik bestinmite  Beziehungen  zur  Logik.  Vorläufig  können 
diese  dahin  formuliert  werden,  daß  die  Mathematik  über 
eine  Symbolik  und  eine  allgemeine  Methodik  verfügt,  welche 
für  die  Logik  vorbildlich  sein  können,  und  zugleich  die 
logischen  Sätze  auf  einem  besonders  einfachen  Anwendungs- 
gebiet zu  veranschaulichen  vermag.  Die  genanere  Prüfung 
dieser  Beziehungen  bleibt  einer  vierten  Grundlegung,  der 
mathematischen  Grundlegung  vorbehalten.  Es 
wird  sieh  bei  dieser  Prüfung  allerdings  ergeben,  daß  diese 
vierte  (mathematische)  Örundlegimg  diesen  Namen  nicht 
verdient,  und  daß  die  Mathematik  nur  durch  bestimmte, 
allerdings  sehr  wertvolle  Hilfelcistungien  für  die  Logik  in 
Betracht  kommt    Vgl.  Teil  II,  Kap.  4. 

Erst  nach  Erledigung  aller  dieser  Grundlegungen  kamt 
die  Logik  im  III.  Teil  sich  ganz  ihren  eigenen  Aufgaben 
widmen.  Dabei  beginnt  sie  mit  einer  „antoehthonen  Grund- 
legung", d.  h.  sie  stellt  dl«  der  Logik  selbst  eigentüm- 
liclien  spezüiRchen  Grundlagen  (vgl.  S.  14)  fest.  Insbesondere 
bandelt  es  sich  hier  mn  die  allgemeine  Erörterung  der 
für  die  Logik  charakteristischen  Normalgebilde,  da* 
Wesen  und  den  Wert  der  logischen  Bichtigkeit  und  des 
logischen  SoUens  (Normativcharakter  der  Logik).  Hierauf 
folgt  im  rv.  Teil  die  ausführliche  Darstellung  der  elnselnen 
logischen  Gebilde  und  Gesetze  (Begriff,  Urteil  usf.). 


n,g,t,7l.dM,GOOglC 


S.  Kajntd.    AüiemeinB  Gwchichte  der  Logik.  17 

2.  Kapitel 

Allgemeine  Geschichte  der  Logik 

§  8.  BedentnDp  und  Uterator  der  aUgemeinen  6»-. 
aefalehte  der  Logik.  Seltsamerweise  verfügrt  die  Logik,  ob- 
wohl ihre  einfacberen  praktiBcben  Begeln  von  jedem  Men- 
seben ohne  beeondere  Belehrung  im  alltäglichen  Denken 
richtig  angewendet  werden,  doch  keineswegs  über  ein 
System  allgemeiB  anerkannter  theoretischer  Sätze.  Vielmehr 
besteht  anch  heute  noch  eine  weitgehende  MeinnngB- 
veiscfaiedenheit  über  die  Grundprinzipien  der  logischen 
WiBsenachaft,  and  endgültige  Entscheidnng  im  Streit  der 
Ansichten  scheint  noch  in  weiter  Feme  zu  liegen.  Bei  dieser 
Sachlage  bekommt  die  allgemeine  Geschichte  der  Logik  für 
das  y««tändnis  der  Logik  eine  viel  gröBere  Bedeutung  als 
X.  B.  die  allgemeine  Geschichte  der  Mathematik  oder  der 
Botanik  oder  der  Philologie  für  das  Verständnis  dieser 
Wifisenschaften.  Es  wird  daher  im  folgenden  die  allgemeine 
Geacbichte  der  Logik  mit  einiger  Ansführlicbkelt  dargestellt 
werden  müssen. 

Die  iriohtigBteii  Werke,  velolie  dis  Oeaoliiohte  der  Logik  behandeln, 
and,  abfeeehen  Ton    ältenn  DanteUangeii  in  den  Werken  tob  P.  Bamns, 
P.  OMseodi  XL  a.,  folgende : 
Bartbolom.   EeokeriiiaDn(aB),   Fraeoognitomm    logiooram   traotatos   HI, 

HuoT.  159S,  2.AQfI.  1604,  a  76-203. 
JoIl  Alb.  Fabrioina,  Spooimem  elenoticDin.  histoiiae  logicae  eto.    Hambo^ 

1699  («och  in  Oposo.  hiet.'Orit-titar.  Bylloge.  Hambarg  1738,  B.  161—184). 
Jac  Frid.  BeimioaDu'),  Critineiender  OeaohichtB-Calender  von  der  Logica 

o.  a.  f.    Fmukf.  a.  H.  1699. 
lab.  Georg  Walohtios),  Hiatoria  logicae  in  Farerga  acadetnica.   Lips.  1731. 

a  463—848. 
loL  Jak.  Syrbina*,  Inatitntionee  philosophiae  rationalia  eolectioaa:  in  prae- 

fatione  historia  logicae  aaocincta  delineotur.    Jena  1717,  3.  AofL  1726. 
Colnrnbanna  Rdaaer,  Inaätntiouefl  lofpoae.    Wirceboig.   1775  (sehr  knner 

Appendix:  de  artis  logicae  aariptoribus  S.  163  ff.). 
V,  L.  0.  T.  Eberateiu,    Yeraucb  einer  Oescbiohte    der  I/)gik  ond  Meta- 

phjtäk  be;  den  Deatsoheo  ron  Leibnia  bis  auf  g^eowtotige  Zeit    Halle, 

Bd.  1  1794,  Bd.  2  1799. 

')  Beginnt  mit  der  eisten  „dispatatio  Theologioa"  nriAchen  Sra  nnd  dem 
6atan  L  J.  3947. 

ZUkan,  I«tobneh  d*r  Lo^.  3 


lg  L  Teil.  Aberenzdog  und  allsemetne  Geachkhte  der  Logik. 

Audr.  Metz,  InatitntioDeB  logicae.    Bamb.  et  Wiroebni^.    1796  (Appendix  de 

histoiia  logioee,  8.  230—248). 
Joh.  Nie.  Frobesias,  Bibliograph»  logica  in  Wolfii  logiott  in  oompendinin 

redacta.    Helmsädt  1746. 
Friedr.  Calfcer,  Denklebre  oder  Logik  ond  Di&lektik  nebet  einem  Abiifl  der 

Geschit^te  und  literatur  deiaelben.    Bonn  1822,  8.  13—198. 
Catl  Ftiedr.  Baoliinani],  SfBtem  dei  Logik.    Leipzig  1828,  TeU  3,  8.569 

bis  644. 
J.  F.  y.  Tioxler,    Logik,   die  Wisseiiechaft  des  Denkens  and  Kritik  aller 

ErkemitiuB.    Stut^art  d.  Tübingen,  Teil  3  1830. 
de  Reiffenberg,  Principes  de  logiqne,  saivis  de  rhistoire  et  de  U  biblio- 

graphie  de  cette  »rience.    Bnuelles  1833,  8.  289—408. 
J.  Barthelemy  Saint-Hilaire,  De  la  logiqne  d'Aiistote.     Paris  1838, 

Bd.  2,  8.  93—355. 
Ad.  Franok,   Esquisse  d'nne  histoira  de  la  logiqne,  precedee  d'nne  aoalyBe 

etendne  de  l'organam  d'Aristote.     Paris  1838,  S.  189  B. 
Bob.  Blake;,  Historical  sketch  of  logic,  from  the  eailiest  timea  to  tbe  proaent 

day.    London^Ediobni^h   18S1   (besonders  wertvoll  Kapitel  21  n.  22  über 

die  neuere  Logik  in  England). 
Call  Prantl,  Geschichte  der  Logik  im  Abendlande.    Leipzig,  Bd.  1  (griech.- 

röm.  Logiker  bis  Boethins)  1855 ;   Bd.  2  (mittelalterliche  Logiker  bis  etwa 

1200)  1861,  2.  Aufl.   188&;  Bd.  3  (mittelalterliche  Logiker  von  ca^  1200 

bis  Oocam  einschließlich)  1867 ;  Bd.  4  (mittelalterliche  Logiker  nach  Ocoam 

bis  ZOT  Befonnation)  1870;  weitere  Bände  sind  nicht  erschienen. 
Lecnb.  Rabns,  Logik  nnd  Metaphysik,     1.  Teil:  Erkenn tnislehre,  Geschichte 

der  Logik,  System  der  Logik.  Erlangen  1868,  8.  121—242  o.  453—518. 
Friedr.  Harms,  Die  Philosophie  in  ihrer  Geecbichte.    Teil  2:  Oeechichte 

der  Logik  (heiausgc^.  von  Laeson).    Berlin  I8S1. 
Friedr.  Deberweg,  System  der  Logik  und  Geeohiohte  der  logischen  Lehren. 

Bonn,  1.  Aufl.  1857;  4.  AnIL  1874,  8.  15—66;  5.  Aufl.  (von  JOigen  Bona . 

Meyer)  1882,  8.  15-94. 
Robert  Adamsoa,  A  short  history  of  logic.    London  n.  Edinb.  1911  (mir 

nicht  lugfiug^ch).    Vgl.  aoch  Eacyolopaedia  Britannica,  Art  Logic  (9.  AuQ. 

Bd.  14;  11.  AuCL  Bd.  16.  S.  896  H.  W.  Blnnt) 

Werke  und  Abhandinngen,  welche  nur  kleinere  Perioden  der  Geschichte 
der  Logik  oder  einzelne  logische  Schulen  oder  einzelne  Logiker  behandeln, 
werden  nnten  im  I^uf  der  Mnzelbesprechnng  namhaft  gemacht  werden. 

Eine  Einteilung  der  Geschichte  der  Logik  in  be- 
etinunte  aufeinander  folgende  Haaptperioden  laßt^sich  ohne 
Zwang  nicht  durehführen.  Man  bann  nur  einzelne  Hanpt- 
BtrÖmnngen  unterscheiden,  die  sich  mannigfach  kombinieren 
and  zum  l^il  auch  nebeneinander  herlaufen.  Als  solche  sind 
beeonders  hervorznheben: 


OgIC 


2.  Kapitel.    AllsemeiDB  Geachichie  d«r  Logik. 


a)  die  aristotelische  Logik  nnd  ihre  Aasseetaltoog  in  der 
Scholastik  etwa  bis  zum  End«  des  15.  Jahrhunderts; 

b)  die  Reaktion  geg«n  die  aristotelische  Logik  in  der  Zeit 
der  Renaissance  nnd  der  Reformation; 

c)  die  von  Baco  von  Vemlam  eingeleitete,  aber  erst  im 
letzten  Jahrhondert  zn  vollständiger  Entwicklung  ge- 
langte indoktive  Ricbtong  der  Logik; 

d)  die  liogik  von  Ijeibniz,  Wolff,  Kant  nnd  ihren 
Schülern ; 

e)  die  materiale  Logik  der  Flchteschen,  Hegeischen  nnd 
ächellingsch«ii  Philosophie; 

f)  die  It^zistische  Richtung  der  Logik,  wie  sie  von 
Solzano  begründet  wurde; 

g)  die  psychologistische  Richtung  der  Logik,  die  sich  im 
letzten  Jahrhundert  im  Änschlnß  an  die  Fortschritte 
der  neueren  Psychologie  entwickelte. 

Viel  Gewicht  ist  auf  diese  Aufstellung  nicht  zu  legen, 
da  viel«  wichtige  Nebenströmtmgen  dabei  unberücksichtigt 
bleiben  und  auch  innerhalb  der  HauptstrÖmnngen  die  ein- 
zelnen logischen  Systeme  weit  auseinander  geben. 

§  7.  Logik  bei  den  orientailschen  Völkern  des  Alter- 
tums. Die  philosophische  Literatur  der  Chinesen  scheint, 
soweit  bekannt,  die  Logik  ebenso  wie  die  Erkenntnistheorie 
vollständig  vernachlässigt  zu  haben.  Nur  der  von  Lao-tzs3 
(geb.  604  V.  Chr.),  der  etwa  50  Jahre  vor  Confucius  (K'huug- 
fo-tsze,  551 — 478)  lebte,  begründete  Taoismus  (Tao  etwa  == 
Logos)  soll  einige  logische  und  erkenntnistheoretische  Sätze 
enthalten*).  Erheblich  mehr  Berücksichtigung  fand  die 
Logik  bei  den  Indern.  Schon  auf  dem  Boden  der  alten 
brahmanischen  Spekulation  trat  zu  Buddhas  Zeit  eine  Gene- 
ration von  Dialektikern  auf,  die  man  geradezu  „als  eine  Art 
indischer  Sophistik"  bezeichnet  hat ').  Buddhas  Lehre  selbst 
bietet  trotz  einer  unverkennbaren  Neigung  zu  dialektischen 
Formulierungen  für  die  Logik  keine  nennenswerte  Ansbeute. 

')  VgL  c.  B.  Wilh.  Oraiit,  Geeohidkte  der  obineeisoheii  Litantur.  Leipsig 
1902  (Bd.  e  der  UteratnTen  d««  Ostens,  8. 139  ff.).  Bei  einem  Nachfolger 
I«>-teiXs,  C3iD«iig-tszI  (Nan-hoa-chen-jen)  findet  noh  inoh  ein  Anfang  einer 
Lehr«  TOn  Sabjdrt  nnd  Objekt 

*)  H.  Oldenberg,  Boddha,  sein  Leben,  seine  Lehn,  Bone  Qemeind«. 
3.  Anfl.   Bariin  1807,  a  78. 

2* 
h.  !■,  ii.l^.OOQIC 


20  I- 1*^-  Abennzumt  und  allgemeine  GeachicUe  der  Logik. 

Aach  die  sog.  Sämkhya-PhiloBophie*),  deren  Beziehung 
zum  Baddhismus  noch  nicht  völlig  aofgeklärt  ist,  steht 
logischen  üntersaehnngen  ziemlich  fem.  Dagegen  hahen  die 
beiden  letzten  der  sog.  sechs  hrahmaniächen  Systeme,  das 
Vai^eshikasystem  nnd  namentlich  das  Nyäyasystem,  eine  an- 
■rcrkennbare  logische  Tendenz.  Kanada,  der  Begründer  des 
Vaiceshikasystems,  unterschied  z.  B.  sechs  Grandformen  des 
Seins:  Substanz,  Qualität,  Bewiegmig  (Handlang),  Gemein- 
samteit  (Allgemeines),  Verschiedenheit  (Besonderes)  und 
Inhärenz  (Untrennbar heit)  *).  Die  Nyüya  =  Philosophie,  be- 
gründet von  Aksapäda  (meist  Gantama  oder  Gotama  ge- 
nannt), gibt  bereits  eine  sehr  «ingebende  Darstellung  der 
formalen  Logik  *).  Sie  führt  sogar  ihren  Namen  von  Nyäya, 
dem  Schema  des  Schlusses,  das  man  ans  fünf  Gliedern  — 
Behauptung,  Beweisgrund  (Voraussetzung),  Vordersatz, 
Nachsatz,  Schloß  —  zusanmiensetzte. 

Das  Avesta  der  Iranler  scheint  keinerlei  logische  Lehrrai 
za  enthalten.  Ebenso  ist  über  Anfänge  der  Logik  bei  den 
Ägyptern  nichts  Bemerkenswerte«  bekannt. 

§  8.  Die  Toraristotelische  Logik  liei  den  GrieohMi.  Die 
ersten  Eeime  der  griechischen  Logik  finden  sich  bei  den 
eleatischen  Philosophen,  insbesondere  Parmenides.  Das 
mit  der  Logik  eng  verknüpfte  Problem  der  Beziehung  des 
Denkens  zum  Sein  wird  hier  zum  erstenmal  mit  klaren 
Worten  aufgestellt  und  eine  Lösung  versucht.  Parmenides 
(Blutezeit  um  500 f)  lehrt*): 

taihop  (f  ittxi  voeJf  tb  xai  ovvsxiv  im  viijfuf 
ov  Y«Q  ^vev  %ov  löyios,  Iv  ^  rrsgiceftaßivov  iniVy 

'J  Vgl.  Eich.  Oarbe,  Die  SämUija-Pliilosoptiie.  eine  Diratelloog  des 
indiBohen  BatioDatiBinas.  Leipzig  1894  (e.  B.  8.280:  5  Arten  deslrrtoms  mit 
«2  UatererteD)  n.  Abb.  d.  1.  KL  d.  Egl.  Bayr.  Ak.  d.  WisB.  Ifüncben,  Bd.  19, 
Abt  3,  a  Ö17  ff. 

*)  Vgl.  Oarbe  L  c.  S.  116  ff.  Eüa  ap&terer  Vertreter  dee  Systems  ist 
Pnsastapäda.  Vgl.  anoh  Max  Hüller,  Ztschr.  d.  deotsoh.  Morgenl.  OeseUsofa. 
1852,  Bd.  6,  8. 1  (nam.  B.  10  ff.). 

*)  Di«  Hsaptqoelle  für  die  Ny äTaphilosopbie  Bind  die  NyäyasQtra,  gröSten- 
tnls  überaetxt  von  Ballan^ne,  Allabitbad  1850— 1S54,  ond  der  EommeDt&r  des 
VttBy&yona.  Vgl  ferner  Oarbe  1.  o.  6.  118  nod  Dametitliob  Hennaun  Jakgbi, 
Die  indische  Logik,  Nachr.  v.  d.  Egl  Qes.  d.  Wies,  z«  OöttingeD,  pbilos.-hist 
Kl.,  IdOl,  H.  4  (Oött  1902),  8.  460,  nam.  8.  476  ff 

■}  Hnllach,  Fragm.  philos.  Oraec  Bd.  1,  Paria  1860,  8.  123,  t.  94—97; 
H.  Dieb,  Die  Fragmente  der  VorsclTatikei.  2.  Aefl.  Berlin  1906,  Bd.  1, 
8. 120;  DeTB.,  Pannenides'  Lehrgedicht,  BerUu  1897,  8.  32,  38  d.  84. 


i.l^. OQi 


,g,c 


2.  Kapital.   Aücemems  Oesebkhte  dn  Logik.  21 

Silo  naftS  ^ov  ionos  ...'). 

Wie  Bich  Parmeoides  dies  Zasammenfallen  von  Sein  und 
Denken  vorstellt,  ist  unklar*).  Jedenfalls  kann,  da  das  Sein 
nach  Parmenides  ohne  Vielheit*)  und  ohne  Veränderung  ist 
und  die  Sinnesempfinduugen  (Saxonov  op/ta  und  ^xV^aaa 
i^xopf)  uns  allenthalben  Vielheit  nod  Verändemng  zeigen, 
nor  das  Denken  uns  die  Wahrheit  vermitteln,  nicht  die 
SinneHwahmehmong.  Parmenideä  kam  damit  za  einem  Er- 
gehnis,  zn  dem  vom  entgegengesetzten  Standpunkte  auch 
schon  Heraklit,  der  Vertreter  der  Lehre  von  der  all- 
gemeinen Veränderung  des  Wirklichen,  gelangt  war  *). 
Die  beiden  jüngeren  eleatischen  Philosophen,  Zeno 
von  S I  e  a  und  Melissue*)  (Blütezeit  um  460 
bzw.  440)  haben  diese  ersten  logisch  -  erkenntnistheo- 
retischen Lehren  inhaltlich  kaom  weiter  entwickelt,  aber 
formal  schärfer  zn  begründen  versucht.  Insbesondere  be- 
nröhte  sieh  Zeno  dorch  kunstgerechte  Beweise,  namentlieh 
indirekte,  die  Einheit  und  Unveränderlicbkeit  des  Seins 
nachzuweisen  und  trug  damit  zur  Entwicklung  der  logischen 
Technik  wesentlich  bei.  Von  Aristoteles  soll  er  daher  als 
Eifinder  der  Dialektik  (n^gtt^s  iiaXtxttx^s)  bezeichnet 
worden  seinO.  Er  vermittelt  damit  auch  den  Übergang  za 
der  sog.  sophistischen  Schule  (s.  onten). 

Die    atomistische    Schale     (Leacippas    und 


*)  In  der  nreiteii  Zeila  vermutet  Ih.  Bergk:  .ml'  if  fif  i  (nur  if 
Uimt.*    (fOäne  phildog.  Schiiften.     Halte  1886,  Bd.  2,  B.  81.) 

*)  Man  hat  anob  behanptet,  daB  Pannenidee  bereHa  das  IdeotititspriDäp 
■u^esteQt  habe,  und  sich  anf  den  Vera  berofen:  jr^q  li  Uynr  n  rsrfr  t* 
fir  t/t/urmt  (Hollach  1.  c.  43),  indem  man  überBetite:  nötig  ist  dies  m  sfgea 
und  lu  denken,  daS  das,  -was  ist,  ist  Ea  sduint  mir  jedeoh  viel  näher  m 
li^en,  mit  Diels  (fngm.  d.  ToraokratilEer,  2.  AoU^  Bd.  1,  S.  117)  in  über- 
setzen: „.  .  .  dafi  nnr  das  Seiende  existiert"  (nicht  aaob  das  fi^dir),  womit 
die  Beziebong  iiud  Identitataprinzip  sehr  in  die  Feme  rückt  Tgl.  aaob 
Dieb  L  c  8.  116,  Z.21. 

*)  TgL  jedoch  Zeller,  Die  Fbilosopbie  der  Qiiecben.  i.  Anfl.  Leipiig 
I8T6,  8.  DI6  ff. 

*)  Siehe  Bext  Empir.     Adr.  mathem.  TU,  1S6  (ed.  Bekker  B.  218). 

VVgl  OHner,  Arch.  f.  Oesob.  d.  PhDoa.  1891,  Bd.  4,  E  12  u.  A.  Pabst, 
Be  MeliSBi  Samii  fragmentis,  Bonnaa  1889. 

*)  Bei  Diogenes  I^ert.,  De  dar.  pbiloe.  vit  Till,  57  d.  IZ,  26  (ed. 
Cobet  S.  217  n.  233). 


Og\Q 


22  T-  'Fbü-  Abffrenzuag  und  allgemetne  G«3chichte  der  Logik. 

Bemocritus)  scheint  die  Logik  nur  wenig  berücksichtigt 
zu  haben.  Bemerkenswert  ist  nur,  daß  die  Bedeutung  der 
Wahrnehmong  für  das  Erkennen  von  den  Ätomistikem 
wesentlich  anders  eingeschätzt  wurde  als  von  den  Eleaten. 
Dies  et^ibt  sich  schon  daraus,  da3  erstere  für  das  Empfinden 
(Biff*j/tf6/s)  und  das  Denken  (ro^asti)  den  gleichen  und 
zwar  körperlichen  Ursprung  ihe^otmesi^  xov  aufiaros)  an- 
nahmen *).  Allerdings  erklärt  Demokrit  (geb.  um  46K))  aus- 
drücklich, daß  die  Sinnesempfindungen  nur  eine  dunkle*) 
Erkenntnis  (y*"^M  tncoti^^  vermitteln  und  nur  das  Denken 
CK»'»'©*«)  durch  seine  Forschung  (C^^ffig)  au£  Grund  von 
i.öyot  zur  echten  Erkenntnis  (Ywöfiii  yi^aiii),  nämlich  zur 
Erkenntnis  der  „Atome",  die  zu  den  votirä  gehören,  führe  "). 
Indessen  scheint  er  doch  im  Gegensatz  zu  den  ^lesten  die 
Sinneeempfindungen  als  den  notwendigen  Ausgangspunkt 
des  Erkennens  betrachtet  zu  haben  *'). 

Die  Sophisten")  haben  —  im  Gegensatz  zu  ihren 
erheblichen  Verdiensten  um  die  Erkenntnistheorie  —  die 
wissenschaftliche  Logik  nur  in  zwei  Sichtungen  wesentlich 
gefördert.    Erstens  bildeten  sie  die  logische  Technik  im  An- 


•)  Tgl.  z.  B.  Joaoii.  titobaeoB,  Florileg.  ed.  Ueineke,  Bd.  4,  8.  233  (ü, 
25,   12):     ..^vxuinor,    änfieitqätiie    (=^    JtiftSxqinc)    W   ah^iatK   xbJ    tAe 

*)  Zellar  (Arch.  f.  Oescb.  d.  Fhilos.  1892,  Bd.  5,  S.  444)  macht  es  sogar 
sehr  wahrscheinlich,  daß  bereits  Lenoippus  „die  bloBe  PhänomeDalität  der  sinn- 
lichen Qualitäten  der  Dinge"  gelehrt  habe.  Er  stützt  sieh  dabei  auf  Aetios, 
De  ploc.  philos.  IV,  8,  9 :  ol  ftip  äUoi  tpvvu  rv  miaS^ja,  Jtmtmnot  ii,  Jt/fii- 

Fnigm.  d.  Tarsoknäker,  2.  Aufl.,  Bd.  1,  Berlin  1906,  8.  349). 

"0  Vgl.  Beit.  Em[«r.  Adr.  HkÜi.  TU,  139  u.  140  (ed.  Bekker  S.  221). 
Siehe  auch  Natorp,  Ardi.  t.  syst  Pbiloa.  1688,  Bd.  1,  S.  348  a.  O.  Hart,  Zoi 
Seelen-  n-  Erkenntnialehra  des  Demokrit.    Oymn.-Pr<^.  Uülhanaen  i.  E.  1886. 

")  £)ne  gans  bestimmte  wndeutige  Bel^stelle  für  diesen  Satz  kann  idb 
allerdings  nicht  anführen,  er  soheiot  uch  mir  jedoch  ans  der  gauien  Lehre 
Demokiits  mit  Notwendi^eit  la  ergeben.  Dagegen  hat  Aristoteles  si^er  mit 
Unrecht  dem  Demokrit  die  Lehre  zngeschiieben,  dafi  die  sinnlichen  Eischei- 
aongan  als  solche  das  Wahre  seien  (i«  ii^9it  iZkm  xi  vMt«/if»wi>  in  De 
anima  A,  2,  Akad.  Ausg.  404  a,  28).  VgL  ZeUer  I.  o.  S.822;  Natorp,  For- 
schungen znr  Geschichte  des  Eikenntnisproblems  im  Altertum.  Berlin  1884, 
a  164S,;  Ad.  Bri^er,  Hermes  1902,  Bd.  37,  8.  56. 

")  VgL  namentlich  H.  Diels,  Die  Fragmente  der  Vorsokratiker,  2.  Aofl. 
Berlin  1907,  Bd.  2,  1.  mifte,  8.  524  C.  o.  Th.  Ocmperz,  Oriech.  Denker,  Bd.  I, 
Leipzig  1896,  8.  331—396. 


i,Cooglc 


2.  K&piM.    Aflgemeiiie  Geschichte  der  Logik.  23 

schlnB  an  Zeno  fa.  oben)  weiter  ans  "),  und  zweitens  lenkten 
ae  ge^DÜber  der  meistens  einseitigen  naturphilOBophiaohen 
Kichtnng  der  älteren  Schnlen  dnrch  stärkere  Betonung  der 
Subjektiven  Bediuarnogen  der  Erkenntnis  das  philosophisclie 
üntereese  direkt  anf  Erkenntnistheorie  nnd  Logik  bin.  Aller- 
dinga  bedingten  beide  Momente  zugleich  auch  die  Ausartung 
der  damaligen  Philosoph!«,  weiche  dem  Namen  Sophistik 
seine  üble  Nebenbedeutung  gegeben  bat.  Aus  der  sub- 
jektiven Bedingtheit  der  menschlichen  Erkenntnis  schlössen 
die  Sophisten,  daß  es  überhaupt  eine  von  den  wechselnden 
Meinmigen  des  einzelnen  Mensehen  unabhängige  Wahrheit 
Hiebt  gebe.  Die  Übereinstimmung  des  Denkens  mit  den  Tat- 
aachen und  mit  sich  selbst  (vgl.  ^  1)  verlor  ihre  Bedeutung. 
Gä  kam  nur  noch  darauf  an,  die  Meinung  des  Einzelnen  zu- 
gunsten eines  beliebigen  Satzes  zu  beeinflussen.  Die  hohe 
Aosbildong  der  logischen  Technik  bot  hierzu  die  wirksamsten 
Mittel  und  verführte  geradezu  zu  einer  solchen  Überredungs- 
philosophie. So  erklärt  sich  auch  das  enge  Verhältnis  der 
Sophistik  zur  Bhet«rik.  Die  Redekunst  mußte  die  loglacbe 
Technik  bei  dem  Überreden  unterstützen.  Während  bei 
Protagorae  noch  das  erkeantnistbeoretiech-logische 
Interesse  überwog,  war  Oorgias  (einige  Jahre  vor  Prota- 
goras  geboren)  der  Qauptvertreter  der  rhetorischen  Bich- 
tnng.  Übrigens  stiftete  letztere  wenigstens  insofern  einigen 
Kotzen,  als  die  Buchungen  der  Logik  zur  Sprache  mehr 
Beachtung  fanden.  Namentlich  hat  Prodikos  (geb.  am 
460 — 465)  durch  Untersuchung  der  Bedeutungsunterschiede 
sinnverwandter  Wörter  diese  wichtige  Hilfswissenschaft  der 
Logik  begründet"). 

Die  gefährliche,  auf  den  überredungasieg  zielende  und 
der  Becbthaberei,  oft  auch  dem  Geldgewinn  dienende  Bich- 
tong  der  sophistischen  Logik  wurde  durch  Sokrates  und 
Plato  mit  Erfolg  bekämpft  und  die  neu  errungene  logische 
Technik  in  den  Dienst  einer  lauteren  Wahrbeitsforschong 
g€6teilt.    Sokrates")  selbst  (c  470—399)  hat  namentlich 


">  Frotagoias  <geb.  nm  460)  aoll  sogar  eine  Hxi"i  iftmiiM'  v«rfkttt 
hibeo,  vgl.  Diogen.  Laert,  De  vitis  IX,  55  (ed.  Cobet  S.  240). 

")  Tgl.  I.  B.  AiistoteleB,  Top.  B,  6,  Akad.  Ansg.  112  b,  21  u.  Plato, 
Idch«  W  D  a.  Chanoidea  1Q3  D. 

")  Tgl.  Heinr.  Haier,  Sobatee,  sein  Werk  und  seine  geschieht).  Stallaog. 
Tatöngen  1913,  namentlich  &  262  ff.  o.  358  S. 


ih,Cooglc 


34  I-  Teil.  Alwreazung  und  allgemeine  Geachichte  der  Logik. 

in  drei  Bichtnngen  einen  maßgebenden  EinflnS  anf  die 
weitere  Entwicklung  der  {rriechischen  Logik  gehabt.  Erstens 
betonte  er  im  Gegensatz  zn  den  Sophisten  den  Wert  einer 
objektiv  gültigen,  von  den  wechselnden  Meinungen  un- 
abhängigen Wahrheitserkenntnis  —  Intot^ft^  gegenüber  der 
iöia,  wie  man  es  später  aTisdrückte  ")  — ,  der  er  sogar  das 
sittUotie  Handeln  unterordnete.  Zweitens  legte  er  —  in 
übereinstinunnng  mit  den  Sophisten  —  dem  Philosophieren 
prinzipiell  die  Definition  der  allgemeinen  Begriffe  (vi 
äfit^a^at  xa^öXov  oder  StaXiyetv  *€na  y^l^^  zugrunde 
und  stellte  damit  die  Bedeutung  der  Logik  für  die  Philo- 
sophie für  alle  Zeiten  fest.  Drittens  fährte  er  die  Methode 
der  inaxuxol  Xöyot  zum  Zweck  der  Feststellung  der  all- 
g^emeinen  Begriffe  ein*").  Wenn  man  ihn  im  Hinblick 
hierauf  zuweilen  geradezu  als  den  Begründer  der  induktiven 
Methode  bezeichnet  hat"),  so  ist  dies  allerdings  nnriehtig; 
denn  die  Methode  der  inaxttxoi  löyot  bestand  im  wesent- 
lichen nur  darin,  daß  durch  zweckmäßig  gewählte  Bei- 
spiele und  Analogien  {aanaßolaf)  der  PhiloBophierende 
sich  selbst  oder  seinem  Zuhörer  zur  Klarheit  über  die  All- 
gemeinbegriffe  verhalf.  Eine  methodische  Ableitung  der 
letzteren  ans  umfassenden  Beobachtungen  ist  noch  nirgends 
za  finden.  Mit  der  Methode  der  irtax.vt*oi  löyoi  hing  es 
auch  zusammen,  daß  Sokrates  —  wie  Zeno  von  Elea  und  die 
Sophisten  —  das  <f*a<U)'G(r#af,  das  philosophische  Gespräcfa,  als 
Hauptweg  zur  Erforschung  der  philosophischen  Wahrheit 
betrachtete.  Ln  übrigen  ist  die  Bedeutung  des  Sokrates  für 
die  Logik,  da  er  sich  anscheinenti  fast  ganz  auf  ethische 
Untersuchungen  beschränkte,  nicht  erheblich. 


")  TgL  ZeUer  1.  c.  8. 107,  Anm.  1. 

>')  Vgl.  Döring,  Anh.  f.  Gesoh.  d.  PhUos.  1892,  Bd.  6,  a  186. 
"}  Das  iweite  und  dritte  Homent  dieser  AofEählnDg  wini  Bohon  von 
Aristoteles  als  das  Haaptreidienst  des  Sotiatefi  bingestellt:   .ifM  fä^  tat», 

sa^JUv  .  .  .■  (Metaphjs.  M,  4,  Mad.  Ausg.  1078  b,  27).  An  anderen  Stellen 
wird  übrigens  not  das  zneite  UomeDt  erwähnt  (Metaph.  A,  6,  Akad.  Ausg. 
987  b,  3  u.  M,  9,  Akad.  Ans.  1066  b,  2).  Aaoh  Xeoophon  (Hemonb.  IV,  6,  1 
und  IV,  5,  12)  bebt  liB  das  Hanptbeetieben  dee  Sokratee  her?or:  ,4t»}ifyu» 
Kmtm  yir^  rä  xfäyfita«  rati  «avmtp,  rt  tuanof  lEi  r£v  Srzmw.' 

**)  Vgl.  t.  B.  Chr.  Aog.  Brandis,  Handb.  d.  OeMh.  d.  griech.-üfim.  Philoe. 
U,  1,  Beriin  1844,  S.  490. 


n,g,t,7l.dM,GOOglC- 


2.  Kapild.    ADsemeine  GocbkMe  itr  Lo^  25 

Unter  den  lokratiaolieii  Schnleo  hat  die  oyrenaisohe  {Lti- 
itippae)  (ii  die  Logik  niobts  geleistat  Die  oyniaohe  bat  aioh  unter  den 
fiofloB  ihres  ßtiftsn  Antisthenes**),  der  aeitwose  anch  SchnleT  des 
Oopaa  geweeen  war,  ebeiseits  wieder  der  sophistiacheD  Methode  geidhwt 
D)d  «ndereiseita  die  aokratisc^e  DeBnitionsniethode  verworfen.  Die  lo^aofae 
Stepeia  dea  Antiathenee  gipfelte  in  dem  Satc,  daS  jede  üttnlaverknüpfniig 
nrmr  AÜKemeinbegriffe  onznliseiK  sei;  man  mässe  aidi  auf  identiaofae  Kttie, 
TO  „der  Hoisoh  iat  «in  Uenach",  beaohiinkea  ").  Ob  er  auf  Orund  dieser 
lehre  alle  DefinitioneD  verwarf  oder  nur  die  DefinitioDen  einfacher  Be- 
griffe fOr  tumögüoh  eikUrt,  ist  zwedfelbaft  Die  megariaohe  Schnle**) 
(Satlides)  vereinigte  sokntiache  nnd  eleatiaclie  Lehnn,  anseheineDd  sdileS 
lie  nch  nun  Teil  aach  den  Sopbiatan  an.  Für  die  WeiterentwioklnDg  der 
lapk  hatte  sie  mnichst  keine  Bedeotang.  Die  spftteren  Megariker  — 
labalidea,  Diodorns  (Krouoe),  Philo  (Dialecticiis)  a.  a.  —  tmgen 
Bamantücb  mr  Entwicklang  der  Lehre  von  den  Tragsohlüssen  bei.  —  Die 
eliioh-eretrische  Schnle  (Fbaedo,  Henedemns)  scheint  in  ihren 
io^tcheu  Lehren  dem  Antiathenes  nahe  in  stehen"). 

Ungleich  größere  Bedeutung  als  alle  die  soeben  aaf- 
8«zälilten  sokratisehen  Sehnlea  hat  Flato'*)  (wahrschein- 
hch  427—347)  für  die  Eutwickltmg  der  Logik.  Plato  hat 
nicht  nnr  die  sokratische  Methode  der  Begriffsbestimmung 

")  Ang.  Wilh.  Tfinokelraann  hat  die  Fragmente  dea  Antistheoes  faeiana- 
Segeben  (Antisthenis  fragmenta,  Tnrioi  1842).  Sdir  eingehend  wird  AntiatheDee 
in  dem  Werk  Joels,  Der  echte  and  der  xeiwpboDtiaGbe  Sokrates,  Berlin,  Bd.  1, 
1893,  namentlich  S.  302,  u.  Bd.  2,  1901  behanddt,  er  wird  jedoch  hier  ertieb- 
Hdi  flbetachttzt  S.  aaoh  Oilleepie,  Arch.  f.  Qeaoh.  d.  FhUos.  1913,  Bd.  26, 
9.479,  n.  1914,  Bd.  27,  a  17. 

*■)  V^  Plato,  Sophist  2S1  B.  Aach  die  Angaben  im  IleAetet  201 E, 
andEothTdem  2KSS.  belieben  sich  wahrscheinlich  ant  Antietbenes.  Biehe  anob 
AriatateleB,  Hetaphya.  D,  29,  Akad.  Anag.  1024  b,  32. 

**)  Tgl.  nameotL  Praatl,  Oeschiobte  der  Logik  im  Abendlande,  Bd.  1, 
Leqaig  1855,  aSSff. 

■)  Vgl  PranU  L  o.  S.  57f. 

")  PUtos  It^pscbe  Lebren  behandeln  n.  a. :  Paal  Natorp,  Flatos  Ide«i- 
Idire,  £ne  Einfühmng  in  d.  Idealismus,  Leipdg  1903;  Nioolai  Eartmaao, 
Ratos  Logik  des  Seins,  Oohen-Natorps  Fbilos.  Arb.  Bd.  3,  Gießen  1909,  namenÜ. 
8.  US  ff.  und  447  ff. ;  Vincemty  Lotoslawski,  Origin  and  growth  of  Platoe  legis, 
London,  New  Tork,  Bombay  1897,  namentl.  B.  363—471  u.  517  ff. ;  Wilh. 
Tindelbaad,  PUton,  Stuttgart  1900,  oamentL  B.  65 ff.;  Heinr.  Maier,  Die 
Syllogistik  des  Aristoteles,  Täbingeo  1900,  Tei)  2,  Abt  2,  S.  23— fi6;  M.  AJteo- 
h^,  Ke  Metiiode  der  Hypothesis  bei  Plato,  Aristoteles,  Plotin,  Bisa.  Marburg 
190G;  P.  Oohlke,  Die  Lehre  T<m  der  Abstraktion  bei  PItto  und  Aristoteles, 
Halle  1914,  S.  13  ff.;  W.  v.  OoUer,  Die  analytische  nnd  synoptische  Begrifb- 
Udnng  bei  Sokrates,  Platon  d.  Aristoteles,  Diss.  Heidelberg  1913,  8. 16. 


26  T.  Teil.  Abgrenzung  und  allgemane  Geachkhte  der  LoplL. 

weiter  entwickelt  und  auf  daa  G  esamtgebiet  der  Philosophie 
angewandt,  sondern  aach  wichtige  neue  Methoden  der  Logik 
—  vor  allem  die  Division  —  zum  erstenmal  wissenschaftlich 
ein-  und  durchgeführt.  Die  platonische  Logik  steht  in  eng- 
stem Zusammenhang  mit  der  Metaphysik  und  Erkenntnis- 
theorie. Nach  Plato  kommt  dem  Allgemeinen  eine  besondere 
Wirklichkeit  zu,  die  von  derjenigen  des  Denkens  und  der 
Sinnendinge  verschieden  ist  und  sich  also  mit  dem  S.  15  er- 
wähnten dritten  Sein  der  „Vorstellungen  an  sich"  usf.  hei 
modernen  Logizistikem  im  wesentlichen  deckt.  Dies  All- 
gemeine wird  als  sldog  oder  ISia,  seltener  als  ßo^y^  be- 
zeichnet. Jedem  Allgemeinen  (jeder  Gattung  bzw.  Art)  ent- 
spricht eine  ,Jdee"").  Von  dem  Sein  der  Dinge  sind  die 
Ideen  ganz  unabhängig:  sie  sind  „ovffitu  xaSöXov'^  „xn^tfral 
TÜv  xaS'  %xaavov"  ^'^).  Die  Dinge  als  solche  haben  überhaupt 
kein  wahres  Dasein,  sondern  nnr  insofern  sie  an  den  Ideen, 
teilhaben  (ßi9sS*s}-  Die  Sinneswahmehmung  kann  aus 
daher  auch  die  Erkenntnis  der  Ideen  nicht  verschaffen,  son- 
dern uns  nur  Gelegenheit  und  Anlaß  geben,  die  Ideen  durch 
das  reine  Denken  {vöiiatg,  Xoyta/tol)  zu  erfassen.  Im  Hin- 
blick auf  eine  frühere  Existenz  der  Seele  kann  dies  Erfassen 
der  Ideen  auch  als  eine  Wiedererinnemng  (öfor/H^fftc)  be- 
zeichnet werden. 

Das  Denken  selbst  (vö^ctg)  vollzieht  sich  in  zwei  Stufen, 
einer  niederen,  der  iiävota,  die  noch  an  Voraussetzungen  ge- 
bunden ist  und  nicht  zum  Anfangsgrund  («^ z<f)  Selaogt,  und 
einer  höheren,  der  intax^ft^.  Der  vö^aK  stellt  Plato  die  Sota, 
die  bloße  Meinung  gegenüber,  die  dem  Irrtum  ausgesetzt  ist 


**)  Die  Auffassung  der  platonischen  Ideenlehre  ist  noch  immer  ia 
vielen  Funkten  stritlis.  Seit  Lotze  und  namentlich  seit  den  Arbeiten  Natorpa 
und  seiner  Schüler  ist  man  vielfach  zu  der  Annahme  geneigt,  daB  Plato  den 
Ideen  keine  metaphysische,  sandem  nur  eine  logische  Realit&t  habe  zu- 
schreiben  wollen.  Insbesondere  sucht  Natorp  für  die  späteren  Dialoge  nach- 
zuweisen, daB  Plato  unter  den  Ideen  nicht  Dinge,  sondern  „Erkenntnis- 
funktionen"  verstanden  habe  (vgl  z.  R  L  c  ä.  26^  283^  Siehe  aDdieT3eits 
H.  Gomperz,  Arcb.  f.  Gesck  d.  Phitos.  1906,  Bd  18,  Sl  U\.  Ich  selbst  bin 
Oberzeugt,  daB  Plato  die  beiden  Deutungen  selbst  nicht  strentg  und  konsequent 
auseinandergehalten  hat 

M)  Aristoteles,  Uetaphys.  M,  9,  Ak&d.  Ausg.  1086  a,  33.  Natorp  ist  allw- 
dingB  überzeugt,  daB  Aristoteles  hier  seinen  Lehrer  mißverstanden  bat  und 
Plato  eine  ao  scharfe  Trennung  nicht  oder  wenigstens  nicht  stets  gelehrt  hat 

(L  c.  z.  a  s.  aM  u.  366  fr.). 


OC^IC 


2.  Kapitel.    AllKemeiiie  0«8chicht«  der  Loflk.  27 

Ditd  ihrerseits  in  tixaela  (Vermutung:)  und  nict$g  (Olaaben) 
wrfällt"). 

Die  logische  Methode,  velche  nach  Plato  allein  befähigt 
ist  zur  Erkenntnis  der  Ideen  zu  fähren,  wird  von  ihm  in 
prägnantem  Sinn  als  SiaUyta&eu  (iuxlexrtx^  fi6&oSo()  be- 
ffiiohnet.  Die  dialektische  Wissenschaft  {AaXsxttx^  hriinij- 
p^)  hat  es  daher  mit  der  Peetstellnng  der  Allgemeinbegrifle 
lu  ttm,  dem  Sutxfhetv  xata  yivos ").  Freilich  tmterseheidet 
dabei  Plato  nicht  immer  scharf  zwischen  der  Methode  dieser 
Feststellung  and  der  Wiss^iachaft  dieser  Methode  einerseits 
nod  der  Wissenschaft  von  den  Ideen  selbst  andrerseits**). 
Unten  wird  sich  ergeben,  daß  man  später  die  BezeiehnaDg 
,^alektik"  gewöhnlich  für  die  Wissenschaft  der  Methode 
—  also  etwa  die  Logik  in  unserem  Sinn  —  verwendet  hat. 
Pör  Plato  fiel  die  Logik  mit  der  Erkenntnistheorie  und 
Uetapbysik  noch  ganz  in  der  Dialektik  zusammen. 

Im  Mittelpunkt  der  dialektischen  Methode  steht  zu- 
nächst, wie  bei  Sokrates,  die  Abgrenzung  der  Ällgemein- 
b^friffe  oder  ovvaytor^*").  Diese  stellt  in  dem  Vielen  der 
Sioneserfahrung  das  G«mein8ame  (rä  xotvä)  fest  und  gelangt 
30  von  dem  Vielen  zu  dem  Einen  oder  Allgemeinen  (rtoXXä  — 
h).  Hierbei  versteht  es  sich  von  selbst,  daS  alle  zufälligen 
Merkmale  ans  der  Begriffsbestimmung  (S^o;)  ausscheiden  und 
nur  die  Gesamtheit  der  wesentlichen,  bleibenden  Eigenschaf- 
ten, die  oiaia  das  Ziel  der  Dialektik  ist  (das  citfo;  avtö).  Zu 
diesem  synagogischen  Verfahren  kommt  aber  gewissermaßen 
im  Sinne  einer  Gegenprobe  die  Zerlegung  (Einteilung,  Divi- 
Non)  oder  Stai^et;,  welche  das  Allgemeine  in  der  Stufen- 
leiter seiner  Besonderungen  durch  Hervorhebung  aller 
unterschiede  {StagioQat)  bis  zum  Einzelnen  wieder  zurück- 
verfolgt. 

Ancb  die  awaytoyi^  Piatos  ist  alles  andere  eher  als  eine 
Induktion  im  Sinne  der  modernen  Logik.  Wie  bei  Sokrates 
liandelt  es  sich  nur  um  eine  geschickte  Verwertung  aus- 
erlesener Beispiele,  nicht  um  eine  systematische  Sammlung 
and  Verarbeitung  aller  zugänglichen  Beobachtungen.    Eine 


«)  RepqbL  611  Aft,  «6 DU.  u.  688Eff. 

**}  Sophist  258  E.    Ebenda  2580;  ««i<<  ytvn  iuu^ta^at. 

")  Vgl  Phileb.  fiSA,  wcwelbst  Toviiif  ta  der  Regel  sul  die  Dialektik 
bnocBD  winL 

**)  VsL  niMdrus  SeeB  u.  26ÖD  (,«fr  /itev  IHar  avroemna  Sytnr  ta 
**U>7Ä  ittnmffiiya*). 

„.,,,:,  I^.OOglC 


2g  1.  Teü.  Alvniinuis  und  aUseiDeine  Geschichte  itx  Logik. 

Kontrolle  für  die  Richtifirkeit  dieses  synagogischen  Ver- 
fahrens bietet  die  Priifnng  der  sich  aas  einer  probeweise  auf- 
gestellten (hypothetischen)  positiven  oder  negativen  Begriffs- 
bestimmnng  ergebenden  Folgerungen  (ra  evftßaivovra  Ae  %^c 
vno9iasms) "),  eine  Methode,  die  offenbar  nnr  anf  eine  Er- 
weiterung der  schon  von  den  Eleaten  geübten  indirekten 
Beweiamethode  (vgl.  S.  21)  hinauslief.  Die  itaiftOK  der 
Platonischen  Dialektik  hat  man  mit  einigem  Recht  mit  der 
Deduktion  im  Sinne  der  modernen  Logik  verglichen.  Zu- 
nächst bedeutet  sie  allerdings  nnr  eine  Zergliederung  des 
Allgemeinen  in  seine  Gattungen  und  Arten  (Tiftveti'  xavd 
Hilfl,  xst'  ä^&ffa)  anf  Grund  natürlicher  unterschiede,  ent- 
spricht also  etwa  der  Einteilung  oder  Division  der  späteren 
Logik  ").  Da  indessen  diese  Enteüung  vielfach  über  einfache 
BegrifFsbestinunungen  hinausgeht  and  sich  zu  einer  ganz  all- 
gemeinen- Herleitnng  des  Einzelnen  aas  dem  Allgemeinen 
-.ausgestaltet,  so  kann  man  in  der  Tat  in  der  JuUetats  auch 
den  ersten  Keim  der  späteren  Deduktion  erblicken. 

Die  oben  erwähnten  „xofrd*',  d.  h.  die  gemeinsamen 
Eigenschaften  der  Gegenstände,  auf  Grand  deren  wir  zu  den 
xa^oJtov  gelangen,  hat  Plato  nicht  systematisch  untersucht. 
Er  rechnet  zu  denselben  Sein,  Nichteein,  Ähnlichkeit,  Un- 
ähnlichkeit,  Dieselbigkeit  (td  Tavvöv)  und  Verschiedenheit 
(%6  iregov),  aber  auch  Geradzahligkeit  und  üngeradzahlig- 
keit  usf.  **).  An  einer  anderen  Stelle  führt  er  „das  Seiende 
selbst"  (t&  Sv  ttihö)  und  Ruhe  {mäffts)  und  Bewegung  als  die 
Ii4jtata  TÜv  yeväv  au,  alles  Bemerkungen,  die  vielleicht  als 
Vorläufer  der  aristotelischen  Kategorienlehre  aufgefaßt  wer- 
den können. 

Auf  vereinzelto  Ansätze  zu  einer  Lehre  von  urteil  and 
Schluß  sowie  anf  gelegentliche  Bemerkungen  über  all- 
gemeine Denkgesetze  wird  im  speziellen  Teil  dieses  Buches 
hingewiesen  werden.  Hier  sei  nnr  noch  erwähnt,  daß  Flato 
zum  erstenmal  Begriffe  und  urteile,  wenigstens  sprachlich, 
zu  unterscheiden  versucht:  eretere  werden  ohne  Verknüpf ung 
(avßnXox^),  letztere  in  Verknüpfung  ausgesprochen.  Die  dis- 
parate  VorsteUungsreihe  ,4jöwe,  Hirsch,  Pferd"  ist  eine  Auf- 

*>)  Farmenides  lS6Cfi. 

")  Vgl.  Franz  Lukas,  Die  Methode  der  Einteüung  bei  PUton,  BaUe  1868^ 
namentlich  S.  292  ff. 

»)  Theaetet  186  a 
**]  Sophist  S54  D. 

n,g,t,7l.dM,GOOglC 


2.  KapUeL    Allgemeiiie  QeschieUs  der  LofÜL  29 

eiiiaiiderfolge  {(rwixtta),  die  noch  keinen  ^öyog  bildet  Erst 
Airch  die  Verknüpfmig  von  ^ftuta  mit  ovöjuova,  d.  h.  von  Ans- 
eagewortem  (Verben)  mit  GegrenetandswÖrtem  (Sabetantiven) 
koDunt  ein  i-öyog  zustande '*).  Dabei  betont  übrigen«  Flato 
ansdriicklicb,  daS  die  reine  Erkenntnis  der  Ideen  auch  von 
den  Worten  abstrahieren  müsse  **). 

Die  älteste  platonische  Schule,  die  aos.  ältere  oder  erste  Aka- 
demie, schönt  nur  önzelne  logiache  Lehien  Plstos,  namentlich  die  Lehre 
nn  der  Bedeutung  des  jmitör  und  tii^f  weiter  au9geaii>eitet  zu  haben  "). 
SpenBippus  [etwa  SO  Jahre  jOnger  als  Flato)  bat  in  einer  nur  in  kleinen 
BrachstUckeii  erhaltenen  Schrift  "O/ina  sich  u.  a,  auch  nnt  den  STnonymien, 
Tautonymien  und  Heteronrnüea  des  sprachlichen  Ausdrucks  beschUtigt  Von 
Htlo  weicht  er  anscheinend  ab,  indem  er  auch  eine  wissenschaftliche  Knnes- 
■rfahrong  (inun^ftoruaf  ub^ait)  an  er  kannte"}. 

§9.  Die  Logik  des  AriBtotelM.  Aristoteles  (384  bis 
322)  vird  mit  Becbt  als  der  Begründer  der  wissenschaft- 
lichen Logik  betrachtet,  insofern  er  ihr  im  Gegensatz  zu 
Flato  in  vielen  Beziehongen  eine  selbständigere  Stellnng 
g^enüber  der  Met^hysik  anwies  nnd  zum  eisten  Male  eine 
fast  vollständige  and  systematische  Darstellung  der  logischen 
Lehren  gab. 

Die  Icgisohen  HanptweAe  des  Aristoteles  sind:  I.  KtmiyfUu,  2.  nifl 
iffninüUf  3.  'Jralvit»*  tifit*^  in  zwei  Büohem,  4.  'Jralwtaiä  S<tif«  (in 
2  BöcberD),  5.  Tmiw«  (in  »  Buchern),  6.  Jtguctuai  tltyx»*-  ^O"  diesen  be- 
handelt das  erste  die  Lehre  von  den  Katesorien,  das  zweite  die  Lehre  vom 
Urteil,  das  dritte  die  Lehre  t<hd  SchluB,  das  vierte  die  Lehre  von  der  Beweis- 
Mhruns  und  Vom  Aufbau  der  Wissenschaften,  das  fOnfte  und  sechste  die 
AigamentatioDskunat  (s.  unten).  Erst  von  den  späteren  Kommentatoren  sind 
alle  diese  lociscben  WeAs  unt«  dem  Geaamttitel  "Ögyamr  (Oreaniun)  zu- 
aunmenielaBl  worden').  Zitate  werden  im  folgenden  nach  der  Akademie- 
Ausgabe  gesd>en'),  die  einzelnen  WaAe  event.  unter  lateinischem  Titel 


")  Sophist  S62B. 

**]  Cratyl.  43SD:    rtnir    .  .  ,    Afvsref     ftii9äi'     ort«    ore/i«r«r    lä 

")  Tgl.  namentlich  E.  Hambruch,  Logische  Regeln  der  platoo.  Schiüe  in 
der  ariatoteL  Topik.  Wissenach.  BeiL  z.  Jahresbericht  des  Askan.  Gvmnas. 
Beriin  19«  (Frogr.  Nr.  66). 

"^  Allerdings  liegt  hierfür  nur  eine  nicht  ganz  beweiskriitiga  Beleg- 
stelle bei  Seztus  Empiricus  vor  (Adv.  mathem.  VII,  146  u.  146,  ed.  Bekker 

>}  Vgl  0.  Uielacb,  De  nomine  organi  Aristotelid,  Diss.  Aug.  Vind.  1B38, 
mmwitlich  S.  14.  über  den  Geaamtzusanunenhang  der  Oberlieferten  Weite 
a  Alb.  Ooedeckemerer,  Die  Gliederung  der  Ariat.  Philosophie,  Halle  191% 
Mmentlieh  S.  4— £7. 

*)  Oberseizungen  mit  Sriäuterungen  hat  KimhnMnn  in  der  Philosoph. 
BUiatb^  verOflentlicbt,  Soch  sind  diesriben  durchaus  nicht  fehlerfrei. 

„.,,„,  ^.oogic 


30  I.  Teil.  Aberenztmg  und  allgemane  Geschichte  der  Logik. 

(Categ.,  De  interpret.  usf.]  aoeeführt.  Auch  daa  apäter  als  Metaphysik  be- 
zeichnete Weifc  ist  eine  wichtige  Quelle  for  die  logischen  Lehren  des 
Aristoteles. 

Die  Echtheit  dieser  Werke  —  wenigstens  in  der  uns  jd^t  vorliegenden 
Fassung  —  istdun^aus  nicht  unbestritten.  Beispielsweise  wird  die  Eategoiieo- 
abhandlung  wohl  mit  Recht  als  nicht-aristotelisch  bezeichnet'),  wenn  auch  der 
Verfasser  wahrscheinlich  ein  von  Aristoteles  selbst  verfaBtes  gleichbetiteltes 
Werk  benutzt  hat.  Inst>esondere  ist  der  SchtuBteil  sicher  unecht.  Die  Schrift 
M^  tg/i^yflae  wird  gleichfalls  oft  fDr  unecht  erklärt,  indes  hat  B.  Maier 
neuerdings  mit  triftigen  Gründen  die  Meinung  vertreten,  daß  es  ach  um  eine 
ecbte,  aber  unvollendete  Schrift  des  Aristoteles  handelt  (Arch.  f.  Gesch.  d. 
Philos.  1900,  Bd.  13,  S.  23).  Die  vier  Übrigen  Weik.e  sind  sehr  wahi«:lieia' 
lieh  echt,  wenn  auch  im  einzelnen  etwas  überarbeitet.  Die  aatpionxal  tliyg»* 
sind  vielleicht  als  9.  Buch  der  Topik  zu  betrachten  (Th.  Waitz,  Aiistotelis 
Organen  graece.  Leipzig  18**  u.  1846,  Bd.  2,  S.  628).  Viele  andere  WeAe  sind 
uns,  wie  die  uns  überlieferten  Verzeichnisse  ergeben,  verloren  gegangen'). 

Zum  Verständnis  der  aristotelischen  Schriften  liefern  die  allen  Kommen- 
tare von  Alexander  v.  Apbrodisias,  Simplicius  u.  a.  manchen  Beitrag  (vgL 
%  13).  Eine  Gesamtausgabe  der  griechischen  Knnmentare  ist  von  der  PreuB. 
Akademie  der  Wissenschaften  veranstaltet  worden. 

Unter  den  zahlreichen  neueren  Werken,  wek:he  eine  Gesamtdarstellung 
der  Logik  des  Aristoteles  geben  oder  allgemein  wichtige  Fragen  bezOgUch  der 
aristotelischen  Logik  bebandeln,  seien  hier  folgende  genannt: 
S.  A  i  c  h  e  r ,  Kants  Begrüf  der  Erkenntnis  verglichen  mit  dem  des  Aristoteles, 

Diss.  Hallb  1907. 
W.  Andres,  Die  Prinzipien  des  Wissens  nach  Aristoteles,  Disa    Breslau 

190&. 
Otto  Apelt,  Beitrage  z.  Geschichte  d.  griecb.  Philosophie,  Leipzig  1881, 

S.  101—316. 
Itich.  Bauch,    Das  spekulative  Prinzip  der  aristotelischen  Kategorien, 
Wissensch.  Beil.  z.  Prc«i.  d.  Gytnn.  zu  Doberan,  Rostock  168*  (eine  Fort- 
setzung ist  1886  erschienen). 
FranzBie3e,Die  Philosophie  des  Aristoteles  etc.,  Bd.  1 :  Logik  u.  Meta- 
physik, Berlin  1836. 
R  e  i  n  h  0 1  d  B  i  e  s  e ,  Die  Erkenntnislehre  des  Aristoteles  und  Kants  in  Ver- 

gleichung  ihrer  Grundprinzipien,  Berlin  1877. 
H.  Bonitz,  Aristotelische  Studien,  Wien  1862—1867  (auch  Sitz.-Ber.  A. 
S.  Ak.  d.  Wiss.  zu  Wien,  Bd.  39,  *1,  4^  53  u:  66),  —  Ders.,  über  die 
Kategorien  des  Aristoteles,  Sitz.-Btr.  d.  K.  Ak.  d.  Wiss.  zu  Wien  1853^ 
Bd.  10,  S.  591. 
Chr.  Aug.  Brandis,  Abb.  d.  Berl.  Ak.  d.  Wiss.  a.  i.  J^j  1883,  BerLn  1835, 
S.  2i9  (Reihenfolge  der  Schriften). 


*)  Vgl.  Dupr£el,  Ariatote  et  te  tndtg  des  catägories,  Arch.  f.  Gesch.  d. 
Philos.  1909,  Bd.  22,  S.  SSO.  Siehe  auch  unten  g  13  u.  i*.  Gegen  die 
Echtheit  sprechen  sich  auch  Gercke  und  Gohlke  (L  c.  S.  61)  aus,  f  0  r  di» 
Echtheit  (mit  Ausnahme  des  Schlufiteils)  H.  Haier,  L  c.  TeU  I^  %  S.  201,. 

•)  Vgl.  Prantl  I.  c.  S.  SS,  Anra.  a 

n,5,t,7rjM,G00glc 


L  Kapitel.    AJlgeiDeiDe  G«scbicb(e  der  LoRik. 


Fraoz  Brentano,  Die  Psychologie  des  Aristoteles  usf.,  Mainz  1867.  — 

Den.,  Aristoteles'  Lehre  Tom  UispniDg  des  menschlichen  Geistes,  Leipzic 

1911  (tOr  die  aristotelische  Auffaasuns  des  »irer  wichtig). 
Giuseppe  Caldi,  UelodoloKia  senerale  deU&  interprelazioDe  scientifica, 

Vol.  1  u.  2:  La  logica  di  Aiiatotele,  Torino-Palenno.  189S  u.  18ft*. 
lad.  Enden,  Die  Uetbode  der  uislotdiBchen  Forschving  etc.,  Berlin  1872, 

S.  19—66. 
Altr.  Gercke,  Ursprung  der  arislotel.  Kategorien,  Arcb.  f.  Gesch.  d.  Fhilos. 

1891,  Bä.  *,S.  &i. 
FanlGohlke,  Die  Lehre  von  der  Ahstraklion  bei  Plato  u.  Aristoteles,  Abh. 

z.  Philos.  u.  ihrer  Geschichte  Nr.  44,  Halle  1914. 
W.  r.  G  0  B 1  e  r ,  Die  analytische  u.  STUoptiache  BegriSsbildung  bei  Sokiates, 

Hito  n.  Aristoteles,  Diss.  Heidelberg  1913,  S.  66  ff. 
FL  Gamposch,  Ober  die  Logik  u.  kw.  Schriiten  detf  Aristoteles,  Leipzig 

1839. 
Lor.  Haas,  Zu  den  lo^achen  Formalprindpien  des  Aristoteles,  Progr.  d. 

Studienanst.  Buighausen  1887. 
Georg  T.  Hertling,  Materie  u.  Form  u.  die  Definition  der  Seele  bei 

Arist,  Bonn  1871,  namentlich  S.  31  fi. 
flerm.    Hettner,    De    logices   Aristotelicae   spaculativo    principio,    Dias. 

Halae  1848. 
CarlL.W.  Heyder,  Kritische  Darstellung  u.  Vergleichung  der  Methoden 

.Aiisloteliscber  u.  Begelscher  DialAtik  etc.,  Bd.  1,  AbL  1,  Erlangen  ISU, 

S.  131  fi. 
i.  Baith61emy  St.-Hilaire,  De  la  logique  d'Aristote,  2  Bde.,  Paris 

ISSa  —  Ders.,  Logique  d'Aristote  (Übere.  mit  Anmerk.),  Pari*  *  Bde. 

itaa—istL 

Iiaac  Husik,  Matter  and  form  in  Aristotle,  BibL  f.  Phikis.  herausg.  r. 

L.  Stein,  Bd.  3,  Berün  1912. 
WernerWilbelmJaeger,  Studien  z.  Entstehungsgeschichte  der  Meta- 
physik des  Aristoteles,  Berlin  191%  namentlich  S.  21  fi.  u.  S.  CS  fi. 
Job.  Imelmann,  Zur  aristotelischen Topik,  Progr. d.Friedr.Wilb.-Gymnas. 

in  Berlin,  1870,  S.  3. 
Fried r.  Ferd.  Kampe,  Die  EAenntnistheorie  des  Aristoteles,  Ldpzig 

187%  namentlich  S.  158  fi. 
Karl  Kahn,  De  noUonis  definitione  qualem  Aristoteles  consütuerit,  Dias. 

Halae  18M. 
WernerLuthe,  Beiträge  z.  Logik,  IL  Teil:  Die  Kategorien.    Der  SchluB. 

Beriin  1877,  namentlich  S.  1  fi.  u.  460^    Der  Aulsalz  über  die  Kategorien 

ist  schon  im  Ruhrorter  Programm  1874  abgednx^ 
Leopold  Habilleau*,  La  lc«ique  d'Aristote,  Toulouse  1884. 
Keinr.  Uaier,   Die   Syllogistik   des  Aristoteles,    1.  Teil   TOlnngen  1S9S 

(Urteilslebre),  a  Teil  1900  (Lehre  vom  SchluB  u.  Entstehung  d.  aristo- 
telischen Logik). 
Salom.Maimon,Die  Kathegorien  des  Aristoteles,  mit  Anmerii.  erUutert 

und  als  Propädeutik  zu  einer'  neuen  Theorie  des  Denkens  dargestellt, 

Berlin  1794. 
Fr.  H i c  h  e  I i  s ,  Aiislotelia   ntfl  i^/nifttac    librum  pro  restituendo  totius 

phUosopbiae  fundamento  interpretatua  est,  Heidelberg  1886. 
I.  .VeuhSuser,  Aristoteles'  Lehre  v.  d.  sinnl.  Erkenntnisvermögen  u.  seinen 

Organen,  Leipzig  1878^  namenUich  S.  7—19  u.  30  H. 


OgIC 


3S  I-  Teil.  Abgrenzung  und  aUgemeine  beschichte  der  Logik. 

D.  Neumark,  H&terie  u.  Form  bei  Arist.,  Arch.  f.  Gesch.  di  RiüoBh  IMl, 

Bd.  24,  S.  271. 
Clodius  Fiat,  Les  cat^eones  d'Anstote,  Her.  de  phik».  1901  (Ref.). 
C  a  r  I  F  r  a  Q 1 1 ,  Abh.  d.  Barr.  Ak.  d.  Wiss.,  phüoa-philaL  KL,  Bd.  7,  Abt.  1, 

Uünchen  1^3  (Ges.  Bd.  18ä&),  &  129  (Bedehung  zu  Flato). 
Herrn.  R&ssow,  Aristotelia  de  notionis  deflnitione  doctrina,  BeroL  IStö, 
Wilh.Scbuppe,  Die  arislolel.  Kategorien,  Berlin  1871  (auch  Grmn.-Frogr. 

Gleiwitz). 
H.  Steinthal,  Geschichte  d.  Sprachwissensch.  bei  d.  Griechen  u.  BömerD 

mit  bes.  ftOcksicht  auf  die  Logik,  BerUn  1863,  SL  179—368  (2.  Aufl.  Berlia 

1890, 1.  Teil,  s.  iaa-e7i). 

Charles  Thurot,  Etudes  aux  Aristote,  Paris  1860,  S.  llSfl. 

Fr.  Ad.  Trendelenburg,    Elementa  logices  Aristoteleae,  BeroL   ISSS 

(1.  Aufl.  1852,  9.  AutL  18B3).  —  Dera,  Erläuterungen  zu  den  Elementen 

der  aristot  Logik,  Berlin  1S42  (3-  Aufl.  187^.  —  Dera,  De  Aristotdi» 

categorii^,  mun.  prof.  prolusio  ex  instit  acad.  Berol.  18331  —  Dera.,  Histor. 

Beiträge  z.  Pbilos.,  Bd  1,  Berlin  18(6,  Geschiebte  der  Kategorie  niefaie. 

S.  1—196. 
Th.  Waitz,  De  Aristotelis  libri  »(^  Ifft^riiw  cap.  decimo,  Harburg  1844. 
J.  Wataon,  Aristotle's  posterior  analytica,  Fhüos.  Review  1904,  Bd.  13,  S.  1. 
R.  Witten,  Die  Kategorien  des  Aristoteles,  Arch.  f.  Oescbl  d.  Pbilos;  1904, 

Bd.  17,  S.  52  (auch  Dias.  Rostock). 
K.  Wotke,  Quellen  der  Kategorienlebre,  Serta  Harteliana  Wien  1896,  S.  33 

(dem  Verf.  nicht  zug&nglich). 

Für  Aristoteles  ist  das  Allgemeine  (tä  xa^ölov,  %ei 
xotvä)  nicht,  wie  fOr  Plato,  aufierhalb  des  Einzelnen 
(naffä  td  jioXXa),  sondern  in  diesem  (xatd  noXXiöv)  gegebec. 
Das  Einzelne  (Individuelle,  »a^htanop)  ^  ist  ein  Zusammen- 
gesetztes ievvoXov)  aus  dem  sl3os  (auch  fiOQfp^  oder  Xö/og 
genannt)  und  der  SXii  (vgl.  z.B.  De  anima  B  412  a  u.  414  a). 
Die  Sl^  —  deutsch  meist  mit  „Stoff"  (materia)  übersetzt  — 
ist  nur  fähig  zu  einer  bestimmten  individuellen  Existenz 
{oTTtf  Sv)  gestaltet  zu  werden,  sie  ist  nur  ftSvapie  (Potenz). 
Das  «Woc  —  deutsch  am  besten  mit  „begrifflicher  Form" 
(PranÜ)  wiederzugeben,  lateinisch  species  s.  forma  —  ver- 
wirklicht die  bestimmte  individuelle  Gestaltung  und 
wird  daher  geradezu  als  ivttXixeta  oder  Ivi^yeta  (Aktuali- 
sierung) bezeichnet  Das  eUos  stimmt  mit  der  platonischen 
Idee  überein,  insofern  es  stets  ein  Allgemeines  (xawä  nav- 
«d£,  xa&iXov) ")  ist,  unterscheidet  sich  aber  von  ihr,  insofern 

*)  Allerdings  braucht  Ariatoteles  diesen  Terminus  a^cb  fQr  das  weniger 
Allgemeine  (vgl.  Qohlke  S.  71). 

•)  Wie  Frantl  L  c-  S.  131  zu  zeigen  versucht,  bezeichnet  .««iri  ««»»«" 
dia  Allgemeinheil,  dagegem  saMJav  die  AllgenKinbcit  in  Vertiindung  mit  dena 
,a«y  «vtö*. 


2.  Xipitel.    AUgemnne  Oesobiohte  der  LogiL  33 


es  nur  in  dem  Einzelnen,  welches  von  ihm  aus  der  vi^ 
gestaltet  wird,  wirklich  ist    Vgl.  Zeller,  L  c.  ill,  S.  340. 

Die  Mt)  zeigen  untereinander  verschiedene  Stufen  der 
Allgemeinheit  Daher  kann  auch  ein  und  dasselbe  in  der 
eineD  Beziehung  vX^,  in  der  anderen  tlios  sein.  So  wird 
es  verständlich,  dafi  Aristoteles  von  einer  n^^ür^  Sl^  und 
einer  iaxär^  H^  spricht  Die  obersten  eiS^  sind  jedoch 
nicht  etwa  die  Gattangen  (yi»^),  sondern  seltsamerweise 
beschränkt  Aristoteles  die  eti^  auf  die  begriff Uchen  Art- 
formen.  Dio  yiv^  entsprechen,  insofern  die  Differenzierung 
hier  noch  auf  einer  allgemeineren  Stufe  stehen  geblieben 
ist,  der  undiSerenzierten  vlti-  Daher  stellt  er  zuweilen  die 
yivj  den  etJ^  geradezu  als  vXij  gegenüber.  Die  Unterschiede, 
durch  welche  die  liJij  sich  aus  den  )^*^  differenzieren,  sind 
die  itaytoQai  el6onotai  (differentiae  speciücae),  und  daher 
nennt  Ä.  die  ^ivi}  „dqxal  xüv  ilSüv^'  und  erklärt  ausdrücklich : 
„ix  toS  yivovs  xal  tw»  itagioqtSv  fä  eW»?"  (Metaphys.  1057  b,  7) '). 
Woher  die  ita^onal  selbst  stammen,  bleibt  unklar.  Bald 
erscheint  das  tidag  als  die  Ursache  der  dta^o^ai,  bald  als 
ihr  Produkt  {?),  bald  als  mit  ihnen  identiscli  (Metaphys. 
1038  a,  Top.  143  b  u.  a.  m.).  Jedes  eiSos  bestimmt  das  An 
sich  (vä  xa»'  avto)  des  von  ihm  verwirklichten  Einzelnen, 
d.  h.  seine  wesentlichen  Merkmale  {avfißeß^xota  xa9'  uvtä) 
und  —  nach  späterer  Auffassung  —  einen  unveränderlichen 
bleibenden  Träger  derselben^).    Woher  die  unwesentlichen 

*)  Die  unklare  Doppelstellung,  welche  somit  dem  arislotelischen  Beeriff 
d«  fttf  zukommt,  scheint  mir  noch  nicht  ganz  ausreichend  eewQrdift  worden 
m  jdn.  Wenn  man  mit  Prantl  (I.  c.  S.  829  u.  236)  u.  a.  der  aristotelischen 
GattniK  auch  ein  „stoECliches  Sein"  im  Gesensatz  zur  .^begrifflichen  Form" 
deg  üAie  zuschreibt,  so  ergeben  sich  für  die  aristotelische  Lehre  drei  total 
verschiedene  Dillerenzierungen ;  eine  SelbstdiSereii zierung  der  vi^,  welche  die 
vnsehiedenen  Gattungen  herrorbringt,  eine  von  der  „Natur"  {nupvöc)  der 
Gtttuagen  abh&ngige  Differenzierung  der  Gattungen  ii^  ttif?  und  eine  —  ge- 
«isEermaflen  rtk:klaufende  -:-  Differenzieruns  der  v^ii  tiurch  die  OSn-  Der 
Gedanke,  den  Dualismus  zwischen  v^  und  tUi/  und  diese  drei  Differen- 
narongeA  durch  die  monistische  Lehre  einer  fortschreitenden  SelbstdiUereu- 
zienuig  der  Siii  zu  ersetzen,  lag  Aristoteles  ganz  fem.  Vgl  Ober  diese 
Sehvierigkeilfn  auch  Gohlke  1.  c.  S.  81  u.  Hertling  1.  c.  S.  46. 

*)  Wie  «eit  Obrigeiis  Aiistoteles  selbst  neben  der  Zerlegung  in  (/^bc 
lud  vjif  eine  solche  Trennung  des  «a^*  'iri  und  dunit  der  o^ata  in  einen 
kenaluiten,  selbst  eigenschaftslosen,  aber  die  wesentlichen  und  unwesent- 
üebeo  Eigenschaften  tragenden  Träger  (Substanz  im  s(iäleren  Sinne)  und  die 
wegeDÜieben  Eigenschalten  gelehrt  hat,  ist  sehr  zweifelhall.  Jedenfalls  fehlen 
tür  beide  spezielle,  konstante  und  eindeutige  Bezeichnungen.  Strenggenommen 
Ziiliii,  'Lakcbuch  dsr  Ix«ik.  3 

„.,,„,  ^.oogic 


34  I-  Teil-    AI^TeDiang  and  oUgammne  Geschichte  der  Lo^. 

Merkmale,  das  zufällige  avfißtfi^xis*)  des  Einzelnen  kommt, 
wo  die  Grenze  zwischen  den  weseutlicheD  und  den  im- 
vesentlichen  Merkmalen  liegt,  und  wie  die  Vervielfältigung 
eines  sUog  zu  vielen  individuellen  Substanzen  {also  die 
sog.  Individuation)  zu  denken  ist,  hat  Aristoteles  in  den 
uns  erl^iltenen  Schriften  nicht  mit  ausreichender  Klarheit 
erörtert. 

Das  Einzelne  («o'dc  vi)  bekommt,  indem  es  von  dem 
zugehörigen  sJios  in  der  Sit}  gestaltet  wird  und  das  xaS^ 
ttito  dieses  e/<fo;  übernimmt,  damit  eine  bestimmte  Wesen- 
heit  {ovtria,  substantia)  aJs  icxatov  slSos  (De  part  anim. 
644  a,  23).  Diese  somit  unmittelbar  vom  eliog  abhängige 
wesentliche  Bestimmtheit  wird  von  Arist  zuweilen  auch  füs 
„To  %i  iaxt"  oder  auch,  insofern  sie  dem  zugrunde  liegenden, 


kennt  er  beide  nidit  einmal  im  losischea  Denken,  weder  im  Uriul  noch  in  der 
DeflnitioD.  Im  Urteil  unterscheidet  er  allerdings  daa  Subjekt,  das  üna>cf|Uo«r 
und  die  Piidikate,  die  xat^tfutifiivti  und  teilt  letztere  in  wesentliche,  die 
ttaii  i»v  vanxti/ilyov.,  und  unwesentliche,  die  if  iip  imanufiirif  ausgesagt 
werden.  Indessen  ist  hier  das  Subjekt  offenbar  nicht  ein  eigenschaflsloser 
Träger,  sondern  die  vollständige  oi«l<t  (=  il<bt  -1-  ^^)-  Übertr&gt  man  also 
lemiS  dem  allgemeinen  aristotelischen  Parallelismus  zwischen  Sein  (thiai) 
und  logischer  Aussage  (MmtiJYoqita»at)  den  logischen  SubjAtbegrifi  in  das 
Onlologiscbe,  so  erhält  man  die  oötfte.  Eljenso  wQrden  den  wesentlichen 
Pridikaten  ^xnt^e^fitfa  xatä  .  .  .)  einerseits  die  yirit^  andrerseits  die 
Asfiopai  tUimtiol  entsprechen,  da  beide  als  Prädikate  ausgesagt  werden 
können,  wobei  die  illegal  Moatui  von  den  M^  abhängig  zu  denken 
sind  und  bei  Aristoteles  nicht  immer  streng  von  ihnen  unterschieden  werdm. 
Den  unwesentlichen  Prädikaten  {Kaitiyoqoi/iii'v  ir. ..)  würden  ontologisch  die 
unwesentlichen  avftfitpiineta  entsprechen.  Auch  bei  der  ontologischen  Über- 
tragung bleibt  also  für  einen  eigenschaftslosen  Träger  kein  Platz.  In  der  Tat 
braucht  daher  Aristoteles  ontologisch  die  Bezeichnung  meKd/iamf  bald  for  die 
eiaüt,  bald  —  minder  korrekt  —  für  die  ,viii  (vsL  Metaphjs.  IC^  a,  lOtöa. 
lOät  b  u.  a.  m.),  fOhrt  aber  nirgends  —  v>edet  logisch  noch  ontologisch  — 
ein  reines  Subjekt  odc  eine  reine  Substanz  ein.  Dadurch,  daß  A,  noch  über- 
dies nicht  selten  das  Wort  eMa  auch  fOr  (JAr  braucht  (vgl.  unten  S.  36, 
Anm.  10),  ändert  sich  hieran  nichts.  Erst  viel  spater  trat  die  Spaltung  des 
«rffff«-  Begriffs  in  die  reine  substantia  und  die  aus  den  Wesenseigenschaften 
bestehende  essentia  ein.    Vgl.  auch  Gohlke  I.  c.  S.  78  ff. 

*)  Der  Terminus  ao/iflißii'ii  (accidens)  hat  bei  Aristoteles  eine  drei- 
fache Bedeutung.  Erstens  bezeichnet  er  das  zufällige,  d.  i.  unwesentliche, 
nicht  notwendige  und  daher  nicht  immer  vorhandene  Meitonal;  zwdtens  be- 
zeichnet er  das  wesentliche,  notwendige,  stets  vorhandene  MeAmal  und 
wird  dann  oft  genauer  formuliert  als  mtftfi*p^*ie  xttS^  avtä  (fast  identisch 
mit  lAsr  biw.  Üion  nä^os);  endlich  drittens  wird  er  für  das  Merkmal  Ober- 
haupt gebraucht. 


OgIC 


2.  Kqritol.    AUgemeinp  Oeechicbte  der  Li^k.  35 


gewissermaSen  (I)  zeitlich  früheren  slSog  entspricht,  als  „t6 
tj  fv  iivat"  bezeichnet  (=■  ovaia  arev  vl^s)  ")■ 

Za  der  kausalen  (verwirklichenden)  Beziehung  der  *t3^ 
za  den  einzelnen  Dingen,  wie  sie  in  allen  diesen  Lehren 
bervortritt,  kommt  nun  weiterhin  eine  finale :  die  individuelle 
Wesenheit  ist  zugleich  das  Endziel  (riXas)  des  Verwirk- 
liciiungsprozesses  des  «U05.  Mit  eioer  nicht  ganz  einwand- 
freien Verschiebung  der  Begriffe  kann  dann  auch  das  alioe 
selbst  nicht  nur  als  Ursache,  sondern  auch  als  Ziel  —  inso- 
fern es  sich  selbst  in  einer  individuellen  Substanz  verwirk- 
licht —  bezeichnet  werden  (z.  B.  Ausc.  phys.  199  a). 

Die  ersten  (obersten)  DiSerenzierungsrichtungen  des 
VerwirklJchungsprozesses  bezeichnet  Aristoteles  auch  als 
Kategorien^')  {al  xas^Y^f/iat  %ov  ovto;,  z.  B.  Metaph.  9, 
1045  b)  >^.  Sie  sind  also  die  allgemeinsten  gemeinsamen 
aossagbareQ  Bestimmtheiten  des  Seienden  {tä  xoira  nQita ; 
o[(  äfunat  so  öv)  und  entsprechen  in  manchen  Beziehungen 
den  xoivÄ  Piatos  (vgl.  S.  27).  Ob  die  später  meistens  über- 
Ueferte  Zehn  zahl  {ovaia  oder  ri  ian  =  substantia,  noaöy 
=  qnantum,  noiöv  =  qufile,  nfö^  t*  =  relatio,  nov  — ■  ubi, 


")  AJle  TerdeutschuDKen  dieser  AuadrOcbe  sind  unzuieicheml,  ich  hohe 
^a  die  giiechiflclien  Worte  sieben  lassen.  Die  Überaelzungen  Pruitla 
L  c.  S.  211)  —  „begrifOiches  Sein"  für  .lä  rl  im"  und  „schCpferischer 
^esensbegiiff'  für  t'^  tI  ify  »hitu*  —  scheinen  mir  nicht  recht  passend,  Aa, 
für  mein  Sprachgefühl  das  Begriflliche  dabei  etwas  mehr  in  den  Vordergrund 
Krackt  wird,  als  es  dem  Briechischen  Ausdruck  und  der  Intention  des  AA 
enUprichl.  Üher  die  Bedeutung  von  rö  rf  iy  iltvi  vgl.  auch  Trendelenburg, 
Rbeio.  Uus.  f.  Pbilol.  etc.  1826,  Bd.  2,  H.  4,  SL  «7  tl  F.  Natorp,  PUtos  Ideen- 
iebce,  Leipzig,  1906,  S.  386.  Übrigens  ist  Aiislcteles  selbst  in  seinen  Schrif- 
ten —  30,  wie  sie  uns  voriiegen  —  terminologisch  nicht  konseoaent.  Ins- 
betandere  neigt  er  dazu,  das  Wort  oäaUt,  das  streng  genommen  die  Vei>- 
«nigang  von  ('<bf  nod  ii^  bezeichnet  (Metaph.  1066  a),  gelegentlich  auch 
iTiMDvm  mit  tUt  anzuwenden.  —  Die  Bezeichnung  itmifm  ev«iat  für  die 
rJf  aod  iMf  (im  Gegensatz  zu  dem  Einzelnen)  findet  sich  nur  in  der  Eate- 
loiieittchrift  (2  a  u.  b).  —  Auch  der  Tenoiaus  ti  Ini  wird  nicht  eindeutig  ver- 
WHidei.  Bald  geht  et  nur  auf  die  Gattung,  bald  auf  die  im^a^i  (vgl 
V«<t[ri).  106O  a,  18),  bald  auf  beides. 

>')  Über  den  Terminus  s.  Uaier,  I.  c.  ü,  2,  S.  90{,  Anra.  1. 

")  Oleioh  bedeutend  naniftfiifiKia  und  tx'il""  '^'^  W*'i  '^^  "vv* 
7*fiiw.  Ansdruoklich  bezieht  fibrif^ns  Ar.  die  Kat^orien  auob  auf  daa./itq  er 
<!■  B.  Metaph.  1089  b).  Die  Beatong  des  tb  ir  in  der  Zusammenatellang 
HnT*^!  t*v  Sywof  ist  auBerdem  noch  strittig  (vgl.  Metaph.  1017  a).  Bonitz 
ud  Schappe  verstehen  darunter  das  Wirkliohe  (Bonitz  anch  das  Gedachte) ; 
iMh  Apelt  1.  c  S.  112  ist  lä  är  dos  i«€*  des  Drtdls,  ^so  die  Eopnla,  und 
der  Dispmng  der  Kategorien  somit  im  urteil  zu  snoheo. 


1,1^.001 


'S'c 


36  I-  '^eil-     AbgrenzDog  and  allgemeine  Gesolüolite  dar  Logili. 

ttort  =  quando,  leeia&at  =  situs,  ix""  =~  habere,  notsiv  = 
facere,  näax'tf  =  pati)  von  Arist  selbst  geleluii  worden 
ist,  ist  zweifelhaft'^.  Da  sie  sich- nur  an  zwei  Stellen 
(Cat  Ib,  25  u.  Top.  103  h,  21)  findet,  an  anderen  Sollen 
dagegen  andere  Aufzählungen  gegeben  werden,  hat  man 
wenigstens  anzunehmen,  daS  Arist.,  wenn  er  auch  anfangs 
10  Kategorien  gelehrt  hat,  später  an  dieser  Zahl  nicht  fest- 
gehalten oder  keinen  Wert  auf  die  Aufzählung  gelegt  hat 
Für  die  zweite,  dritte  und  fünfte  bis  zehnte  Kategorie  wird 
auch  der  zusammenfassende  Ausdruck  „irä-»^"  gebraucht 
Die  Kategorie  .  ft^ög  %t  wird  ausdrücklich  als  sekundär  be- 
zeichnet (Metaph.  N  1088  a,  22) ").  Insofern  die  Differen- 
zierung der  höchsten  Gattungen  gemäfi  den  Kategorien  er- 
folgt werden  die  letzteren  zuweilen  geradezu  als  yivii  be- 
zeichnet (De  anima  A  402  a,  23) ,  doch  ist  diese  an  Plato 
anklingende  Verschiebung  des  Begri5s  der  Kiitegorien  wohl 
nur  auf  eine  Ungenauigkeit  des  Ausdrucks  zurückzuführen. 
Von  den  GrundbegriHen  Sl^  und  eüos  bxw.  ivvaiiis  und 
ivi^eta  bleiben  die  Kategorien  insofern  geschieden,  als  sie 
sich  auf  das  tatsächliche  Denken  und  die  tatsächliche  Er- 
fahrung beziehen,  ohne  wie  jene  eine  metaphysische  Zer- 
legung in  erste  Gründe  (o^z^O  ^u  involvieren  (Bonitz; 
Luthe  S.  27). 

Der  erkennende  Mensch  tritt  dem  ontologischen  Tat- 
bestand in  einer  besonderen  Weise  gegenüber.  Die  eii%, 
die  „der  Natur  nach  das  Frühere"  (nQÖtena  j^  gtvtrti)  sind, 
sind  uns  als  solche  nicht  gegeben,  sondern  nur  die  einzelnen 
Dinge,  in  welche  die  tX^  sich  durch  die  ttSti  gestaltet  hat; 

'*)  Eine  sehr  TollsUndige  Zuummenstelluns  der  im  einzelnen  m&nnig- 
fach  abweichenden  Aulzählungen  der  K&tettorien  bei  Aristoteles  gibt  Apelt 
1.  c  S.  140.  Siehe  auch  das  Verzeichnis  der  Synonyma  ebenda  und  Maier, 
].  c.  Bd.  2,  Abu  2,  S.  S99  ff.  Ein  Hinweis  auf  die  kategorialen  Momente  findet 
sich  Obrigens  schon  be^  Plalo  (Tünaeus  37  A,  vgl.  Gercke  1.  c  und  Maier, 
l  c.  n,  2,  S.  394.  Anm.  1). 

")  In  dem  unechten  SchluBabachnitt  der  Kategorienschrilt  (14  b  ff.) 
werden  nachträglich  noch  folgende  Kategorien  hinzugefOgt:  ngiitfor,  Sf4», 
tUfitoK  aod  tjrtir  (letzteres  erscheint  also  zum  zweiten  H&le).  Philoponus 
(Comment.  in  categ.,  ed.  Busse,  Akad.  Ausg.  Bd.  13,  Pars  I,  Berlin  1898^ 
S.  13)  bezeichnete  diese  als  lä  ftua  nr  Matriyoglae;  die  späteren  Logiker 
nannten  sie  daher  postpraedicamenta  im  Gegensatz  zu  den  ursprOnglichen 
Kategorien,  den  praedicamenta.  Da«  doppelte  Auflceten  des  fx*'"  ^^ 
einigermaBen  verst&ndlich,  wenn  man  berücksichtigt,  daS  Aiist.  in  der  Auf- 
zählung der  Kategorien  gerade  fz**'   <>'t  ganz  wegläSt. 


2.  Eaintol.    AUgemetne  Gesohichte  der  Logik.  37 


die  einzelnen  Dinge,  wie  wir  sie  durch  das  Wahrnehmen 
(Empfinden,  aXo&^UH;)  kennen  lernen,  sind  also  „für  uns 
(mit  Bezog  auf  uns)  das  Frühere"  {n^ottga  n^äs  ^päg,  Analyt. 
post  A  71  b,  33).  Wir  sind  daher  darauf  angewiesen,  das 
Allgemeine  in  dem  Einzelnen  zu  erkennen.  Der  Teil  der 
Seele  (/töftov  v^t  ifmxijs),  welcher  die  Fähigkeit  hat,  aus 
den  einzelnen  Wahrnehmungen  oder  Emp&ndungen  nnd 
ihren  Erinnerungsbildern  (aladi^ftaTa  und  ^artdapata)  das 
Allgemeine  zu  erkennen,  ist  der  v«vf  i^).  Als  vove  na9iin- 
m  (intellectus  passivus)  bedeutet  er  nur  die  Fähigkeit, 
auf  Grund  der  Wahrnehmungen  das  Intelligible  {%ä  foijra) 
EU  erfassen,  ähnlich  wie  das  Empfindungsvermögen  das 
Sensible  -erfaßt»*).  Nur  potentiell  (später  intellectus  possi- 
bilis  genannt,  Ar.  spricht  nur  von  „dvväfut")  ist  er  im  Besitz 
der  voi/zä  (Ar.  sagt  sogar:  Jwa/ui  näg  iati  wä  poi/ta). 
Erst  bei  dem  wirklichen  erkennenden  Herausarbeiten  der 
tii^  und  damit  des  Allgemeinen  aus  i^en  Wahrnehmungen 
vird  er  aktiv  (später  vovg  noifitxo'c  genannt,  ~bei  Ar.  selbst 
nur  To  not^uxöv)  i').  In  seiner  letzten  und  höchsten  Tätig- 
keit vermag  der  vovg  sogar  sich  selbst  zu  erkennen  (avwog 
anin  vosiv,  De  anima  r  429  b,  9).  Dabei  wird  er  identisch 
mit  dem  Erkannten  >*)  {taiStiv  vovg  xal  wiijro'w,  Metaphys. 
^  1072  b,  21)  und  ist  —  ebenso  wie  die  Sinneswahrneh- 
mung  als  solche  —  dem  Irrtum  nicht  ausgesetzt  Bei  der 
Erkennung  des  Allgemeinen  im  Einzelnen  stützt  sich  der 
wvs  auf  bestimmte  Sätze,  die  er  unmittelbar  erkennt  Diese 
numittelbaren  Sätze  {n(fotäastg  ä/tsaoi,  Analyt.  post  Ä  72  a,  7) 
nnd  die  Sinneserfahrung  gestatten  dem  vovs,  die  yivij  und 
tii^  begrifflich  zu  bestimmen  (S^os,  Sgiuftös}  und  für  jedes 
T/ivos  und  gldog  das  ihm  an  sich  Zukommende  (tb  t^  ovt» 

")  Deutsch  wire  revr  nrit  „Veratanil"  oder  „Vernunft"  wiederzugeheiv 
Bei  der  sehr  verschiedenartigeQ  Gebrauchsweise  dieser  deutschen  Ternüni 
»U  jedoch  hier  nur  das  niechische  Wort  verwendet  werden.  Die  Stellung 
de«  rtif  ZOT  ^iiävoui'  ial  noch  sehr  strittig  (vgl.  Brentano,  Hertling,  Neu- 
hinset,  Kampe  u.  a.). 

'■)  Vgl.  Bokownew,  Der  »-wf  Tiati/tixie  bei  Aristoteles,  Afch.  f.  Gesch. 
i-  Fhilos.  1909,  Bd.  23,  S.  493.  Die  »•üs-LebTt  des  Aristoteles  ist  noch  in 
nden  Punkten  unklar. 

>>)  Vgl.  namentl.  De  anima  429-^1.  In  der  sehr  auUftUigen  Stelle  der 
?fitomach.  Ethik  lltöb  mächte  ich  annehmne,  daB  afeAqvv  im  allgemeinen 
Sinae  des  Eikennens  gebraucht  wird  (gegen  Prantl). 

")  De  anima  430a:  inl  ftir  fiq  lär  äftv  Siiit  ro  aiii  ian  xo  rnoin 
»1  (ä  ptovfitrcr. 


ogic 


38  1'  ^Bil-    AbgieozuDg  DDd  sUgemaDe  Oeschtohte  der  Logik. 

inä^X'^vra  x«^'  at%6,  Metaphys.  T  1003  a,  21)  festzustellen. 
Dadurch  bekommt  die  Erkenatais  den  Charakter  der  Not- 
wendigkeit und  Allgemeinheit  Das  Verfahreo,  welches  der 
erkennende  Mensch  dabei  anwendet,  wird  von  Aristoteles 
als  das  apodeiktische  bezeichnet  (auch  kurz  dnööet^H)- 
Es  ist  die  Qrundl^e  jeder  Wissenschaft  {inici^nii).  Ihm 
stellt  Aristoteles  immer  wieder  das  dialektische  Ver- 
fahren gegenüber,  welches  nicht  mit  notwendigen  Wahr- 
heiten, sondern  mit  zufälligen  Wahrscheinlichkeiten  zu  tun 
hat.  Bei  der  Apodeixis  wird  i^  alij^äv  xai  nQwtav  direkt 
oder  indirekt  das  Wahre  erschlossen  («««*  dl^Setav),  bei  der 
Dialektik  i^  ^rfof«v  das  Wahrscheinliche  (t^ös  Sö^av)  i»). 
Dort  handelt  es  sich  um  Notwendiges,  das  nicht  anders 

sein  kann  {ävoYxala  —  ovx  ipdix^tcn  aXlug  ix""))  ^'^^  ^™ 
Zufälliges,  das  auch  nicht  so  sein  könnte  (cvfißeß^uöra  — 
ivJixsrat  /*^  liwaex«*»")  *")■  Dort  ist  die  Selbstüberzeugung 
(xad-'  iavzöv),  hier  die  dewinnung  der  Zustimmung  eines 
Anderen  (nfAg  ftc^ov)  das  Wesentliche. 

Anders  ist  der  Gegensatz  der  änödst^g  zur  inayayfi 
i  oder  Induktion,  d.  h.  dem  SchluBfolgem  aus  gesammelten 
Einzelbeobachtungen.  Letztere  sind  notwendig,  um  die  eiä^ 
bzw.  das  Allgemeine  zu  erkennen,  aber  die  ärtöSeiiig  leitet 
nun  rückläufig  aus  dem  Allgemeinen  das  Einzelne  her  und 
unterscheidet  sich  insofern  wesentlich  von  der  htayrny^. 
Daher  heifit  es  ausdrücklich  einerseits:")  „Itfn  ^  (xiv  änö- 
Set^ff  ix  täv  xa&öXov,  ^  6'  inayioyij  ix  xäv  xata  fii^og"  und 
andererseits:  „divvatov  ii  lä  xaitöXov  ^eraq^aai  (x^  Jt  ina- 
ywy^s."  Das  wesentliche  Denkmittel,  welches  der  Apodeixis 
zur  Erreichung  ihres  Ziels  zur  Verfügung  steht,  ist  der 
avlloyiafiös,  d.h.  das  methodische  Schlufiverfahren,  durch 
welches  aus  gegebenen  Sätzen  ein  neuer  abgeleitet  wird, 
der  aus  jenen  notwendig  folgt  Die  Begründung  der  Lehre 
vom  Schluß  (im  logischen  Sinn)  ist  das  Hauptverdienst  des 
Aristoteles  um  die  Logik  ^>). 

Und  noch  einen  dritten  Gegensatz  stellt  Aristoteles 
fest     Insofern    die    Apodeixis    das    Zusammengesetztere 

»•}  Vgl  z.  B.  Tqp.  A  100 a  und  106b,  30  sowia  Analrt.  prior  A  «a 
und  B  65a,  35. 

'*)  VsL  Analyt  post.  A  76  a  und  Metaphya   ^  101&  u.  a.  cn. 

")  Analyt  post.  A  81  a. 

'*}  Vgl  Maiers  ausführliche  Darstellung  der  „Entdediimg"  des  Syllogis- 
mus. 1.  c.  U,  2,  S.  a6H.  u-  168  H. 


lA.OOt^lC 


2.  KspitsL    ABgememe  0«achiohte  der  Logik.  30 

auf  eiofacheTe  Prinzipien  zurückführt,  kann  ihr  Ver- 
ehren als  analytisch  bezeichnet  werden.  Äristotelee 
^braucht  daher  die  Bezeichnung  avälvatg  (gelegentlich 
such  dpayttri),  fast  gleichbedeutend  mit  dnöiat^ic")  (da- 
her auch  der  wohl  auf  Aristoteles  selbst  zurückgehende 
Titel  zweier  seiner  Werke,  s.  S.  29).  Dem  analytischen  Ver- 
fahren stellt  er  nun  das  logische  {Xornis  ^r^s)  gegen- 
über. Während  das  erstere  im  Sinn  der  Apodeizia  seine 
Schlüsse  aus  allgemeinen  Sätzen  und  Begriffen  ableitet, 
begnügt  sich  das  letztere  —  das  „logische"  Verfahren  im 
Sinn  des  Aristoteles  —  mit  Schlüssen,  die  auf  Argumenten 
im  Sinn  der  Dialektik  (siehe  oben)  beruhen.  „Logisch" 
und  „dialektisch''  deckt  sich  deiher  bei  Aristoteles  zu  einem 
wesentlichen  Teil**). 

Übrigens  war  Aristoteles,  wenn  er  auch  die  Dialektik 
der  Apodeiktik  unterordoete,  von  einer  Unterschätzung  der 
praktischen  und  technischen  Bedeutung  der  ersteren  weit 
entfernt.  Seine  Topik  (vgl.  S.  29)  behandelt  speziell  solche 
Fragen  der  logischen  Technik  und  entspricht  mehr  der 
dialektischen  als  der  apodeiktischen  Methode.  Insbesondere 
erörtert  er  hier  auch  die  Gesichtspunkte  (rönot),  von 
denen  aus  Fehlschlüsse  zu  vermeiden  und  zu  erkennen 
sind,  und  gibt  praktische  Regeln  für  die  Gewinnung  in  sich 
widerspruchsloser  Schlüsse  auf  Grund  wahrscheinlicher  Prä- 
missen. Die  fünf  Gegenstände  dieser  Argumentations- 
methodik sind:  Definition  (Sfo;  oder  Sinaii6s),  tStov  (ein- 
deutiges, aber  nicht  wesenhaftes  Merkmal),  yivos  und  diagpo^a 
(Gattung  und  Unterschied),  avfißtß^xös  (zufäJlige  Eügenschaft) 
and  ta'ÖKQv  (Dieselbigkeit,  d.  h.  Gleichbleiben  nach  Zahl, 
Art  und  Gattung)  *%  eine  Zusammenstellung,  die  durch  den 
Mangel  eines  einheitlichen  Einteilungsprinzips  auffällt 

Frägrt  man  nun,  wie  weit  die  Apodeiktik  und  Analytik  des 
Aristoteles  der  „Logik"  im  heutigen  Sinne  und  speziell 
uch  der  Logik  im  Sinne  onsrer  ersten  Definition  (S.  1)  ent- 
spricht, 80  ergibt  sich,  daß  die  Apodeiktik  des  Aristoteles  sich 
zwar  in  den  meisten  Beziehungen  mit  unsrer  Logik  deckt,  sie 

■^  AiwIyL  prior.  A  49  a,  IS  und  Analyt  post.  90  &,  37. 

**)  Vclz.fi.  Analyt.  post  AS4a  und  B  9a a,U;  Top.  168 b,  27;  andrer- 
wle  spricht  ArisL  zuweilen  auch  von  einer  loyixij  äniittfie. 

'*)  Vgl.  Top.  A  101  a.  Das  .nnor*  nimmt  Obrigens  eine  Sonderstsllunff 
«iD  (s.  Top.  A108*). 


iM,Googlc 


40  ^-  Teil.    AbgreoEDOg  und  allgemoine  Geecliichte  der  Lo^b. 

aber  doch  DOch  immer  in  einer  untrennbaren  Verbindong  mit 
ErkenntniBtlieorie  und  Metaphysik  enthält.  Aristoteles  gribt 
nicht  etwa  nur  eine  erkenntnistheoretische  Grundlegung  für 
die  Logik  —  wie  es  auch  die  modernen  Logiker  noch  sehr  oft 
tun  — ,  sondern  die  Ai>odeiktik  bzw.  Analytik  ist  als  Ganze*» 
noch  fast  vollständig  mit  erkenntnietheoretischen  und  vor 
allem  auch  metaphysischen  Lehren  verwoben.  Baß  Aristo- 
teles der  Logik  eine  größere  Selbständigkeit  gegeben  hat,  ist 
sonach  öur  im  Vergleich  mit  Plato  imd  im  Hinblick  auf  viele 
Einzelausfühnuigen,  die  sich  von  ßrkenutnistheorie  und 
Metaphysik  unabhängig  machen,  zutreffend  (vgl.  S.  20). 
Keinesfalls  ist  also  die  aristotelische  Apodeiktik  bzw.  Ana- 
lytik als  solche  —  ihrem  Hauptinhalt  und  ihrer  A4)sieht 
nach  —  mit  unsrer  Logik  zu  identifizieren.  Sie  umfaßt  ein 
viel  weiteres  Gebiet  als  letztere.  So  wird  es  auch  verständ- 
lich, daß  dje  moderne  Logik  zur  Dialektik  und  Logik  im 
aristotelischen  Sinne  nicht  in  jenem  scharfen  Gegensatz  steht, 
den  Aristoteles  immer  wieder  zwischen  den  beiden  letzteren 
und  der  Apodeiktik  hervorhebt.  Vielmehr  gehört  vieles,  was 
Aristoteles  zur  Dialektik  und  Logik  (in  seinem  Sinne) 
rechnet,  durchaus  zum  Bereich  der  modernen  Logik.  Auch 
wird  es  so  erklärlich,  daß  man  in  der  Folgezeit,  als  sich  das 
Gebiet  der  modernen  Logik  mehr  und  mehr  aus  der  Apo- 
deiktik (Analytik)  abgrenzte,  für  dieses  abgegrenzte  Gebiet 
die  Bezeichnungen  „Dialektik"  und  ,JjOgik"")  wählen 
konnte  (s.  unten),  die  bei  Aristoteles  an  manchen  Stellen 
geradezu  in  einem  Gegensatz  zur  Apodeiktik  (Analytik) 
stehen. 

Die  kurzeD  vorstehenden  Ausfühningen  geben  von  der  eAenntnis- 
thearetisch  -  metaphysischen  Grundlage  der  aristotehschen  Logik  seltist- 
verständlich  nur  ein  ganz  summarisches  Bild.  Auch  darf  nicht  verschwiegen 
werden,  daQ  erstens  in  den  aristotelischen  Schriften,  wie  ide  uns  überliefert 
sind,  manche  Unklarheiten  und  auch  Widersprüche  gerade  bezüglich  dieser 
Grundlagen  enthalten  sind,  und  daß  zweitens  auch  die  Auffassung  gerade 
dieser  Lehren  des  Aristoteles  noch  heute  in  manchen  wesentlichen  Punkten 
strittig  ist.  In  den  S.  30  zitierten  Schriften  sowie  in  den  Weiten  Ton 
PrantJ,  von  Brandis  und  von  Zeller  Qndet  man  ausgiebige  Belehrung  über 
diese  Schwierigkeiten.    Die  von  mir  gegebene  Darstellung  steht  der  Prantl- 

")  Der  Name  Logik  kommt  schon  bei  den  Uteren  Peripatetikem  vor. 
Vgl.  Boelhius,  In  Top.  Ciceron.  Comment.  I,  ed.  BasiL  S.  760  und  De  difl.  top. 
1,  S.  857  („omnis  ratio  disserendi  quam  Logicen  Peripatetici  veteres  appel- 
lavere,  in  duas  distribuitur  partes,  unam  inveniendi,  alteram  judicandi"). 
Aristoteles  selbst  braucht  das  Wort   ivyutit  nur  in  adjektivischem  Sinne. 


OgIC 


2.  Kapitd.    AUgemetne  OMohichte  der  Jjogik. 


vhm  tm  nichxten,  weicht  aber  von  ihr  auch  tn  mascheu  wichtigen  Punkten 
romtlich  ab,  ich  boße  diese  Abweichungen  an  andrer  Stelle  ausführiich  m 

berfisd«]. 

i  10.  Unmittelbare  Sehöler  des  Aristoteles.  Schon  bei 
dm  ältesten  Schalem  des  Aristoteles  macbt  sich  der  oben 
(S.  40)  angedeutete  ProseQ  der  Losloennfr  der  Logik  von  der 
Metaphysik  und  Erkenntnistheorie  und  der  Beschränkang 
auf  die  formalen  Denkregeln  bemerklich.  Wenigstens  ist 
dies  mit  großer  Wabrecbeinlichkeit  aus  den  zerstreuten  Be- 
merkungen zu  scblieOen,  welche  uns  über  die  Schriften  des 
TheophrastußM  (ca.  370  bis  ca.  285)  und  Eudemn8*> 
(etwa  gleichzeitig  mit  Theophrast,  vielleicht  etwas  jünger) 
überliefert  sind.  Damit  steht  es  wohl  in  Zusammenhang,  daß 
beide  sich  auch  besonders  eingehend  mit  den  Beziehungen 
der  Logik  zur  Sprache,  namentlich  zur  Grammatik  be- 
schäftigt haben').  Außerdem  wird  ihnen  die  Begründung 
der  Lehre  vom  hypothetischen  und  vom  disjunktiven  Urteil 
mgeschrieben,  TJrteiteformen,  deren  Bedeutung  Aristoteles 
nicht  gerecht  geworden  war  (vgl.  die  historischen  Bemerkun- 
gen in  dem  Spezialabschnitt).  Das  dialektische  latereBse  des 
Theophrast  bekundete  sich  auch  darin,  daß  er  die  Topik  ein- 
gehend behandelte.  Dabei  strich  er  von  den  fünf  Haupt- 
gesichtapunkten  des  Aristoteles  (vgl.  oben  S.  30)  das  tavrov 
und  trennte  die  dta^oQä  vom  y6po(.  Die  Reihe  lautete  jetzt 
also  {nach  der  Rekonstruktion  Prantls) :  ögts/iös  (^^o«),  r^vo«, 
iuifofä,  l3tov,  avßßtß^ög,  ohne  daß  wir  übrigens  imstande 
wären,  die  Bedeutung  dieser  5  Punkte  scharf  anzugeben. 

S  11.  Eplkoräer  und  Stoiker.  Epikur  (341—270) 
und  seine  Schüler  haben  die  Bedeutung  der  Logik  ent- 
Qirechend  der  praktischen  Tendenz  ihres  Systems  völlig  ver- 
kannt ').    Die  Logik  wurde  daher  auch  nur  ganz  nebenher  in 

*)  Am  «ichtigsten  sind  die  Angaben  von  Alexander  Aphrodis.,  Com. 
nuQt  in  Aristot  Graeca  Bd.  2,  Teil  1,  S.  ISS,  328,  388,  69,  132,  124,  378,  220. 

^  Alex.  Aphrod.  L  c.  220  U.  124;  Joh.  Philoponiu,  Commenl.  in  Aristot. 
Graeca  Bd.  18,  TeU  2.  BerUn  190b  (ed.  WaUiea),  S.  4ß,  12»,  129  u.  242.  Aus- 
iOhiliche  Angaben  auch  bei  PranU,  1.  c.  1,  S.  M9  lt. 

*)  DaB  diese  schon  bei  Aristoteles  selbst  bei  der  Entdeckung  und  Enl- 
■idiniis  der  STllogiatik  eine  groDe  Rolle  gespielt  haben,  hat  Maier  gezeigt 
Acn,  %  S.  1790.). 

'J  Cicero,  Acad.  prior,  n,  30,  97:  „Epicuro,  qui  totam  dialecticani  et 
«ntennit  et  jrridet»;  Diog.   Laert,  De  vit  X,  31   (ed.  Cobet  S.  261)    ,t«v 

"li  itie  jnr  n^Yitäimf  ^94y]ramc.'  ' 

„.,,„,  ^.oogic 


42  1'  7^1-    AbgreDzaog  nnd  allgem«De  Geechiobte  der  Logik. 

der  ErkenntniBttieOTie,  dem  xavovtxöv  *),  abgehandelt.  Hafi- 
gebend  für  die  Wahrheit  der  ErkenntniB  ist  die  angenschein- 
liche  G«wifiheit  (dvänytta)  der  Sioneswahmehmungen,  aus 
denen  wir  Erinnernngsbilder  (Tt^oX^ifuis)  zurückbehalten. 
Wir  kommen  daher  im  allgemeinen  nicht  über  Meinungen 
{i^^aty  vnoi.riif)stg)  hinaus,  deren  Gültigkeit  von  der  Bestäti- 
gung durch  die  Sinneserf ahmng  abhängt  *).  Unter  den 
späteren  Epikuräem  scheinen  Zeno  aus  Sidon  und  Philo- 
de m  u  e  sich  wenigstens  oberflächlich  mit  dem  Wesen  der 
Induktion,  namentlich  dem  Schliefien  aus  Zeichen  (tr^ptta) 
beschäftigt  zu  haben  *). 

Im  Gegensatz  zu  den  Epiknräem  beschäftigten  sich  die 
Stoiker  sehr  ausführlich  mit  der  Logik').  Äußer  dem 
Stifter  der  stoischen  Schule,  Zeno  von  Citium  (334/3 
bis  263  nach  Gomperz),  hat  namentlich  Chrisippns  (c  2^0 
bis  c205)  sehr  zahlreiche  logische  Schriften  verfaQt,  von 
denen  uns  allerdings  nur  sehr  spärliche  Bruchstücke  erhalten 
sind*).  Schon  bei  Zeno  erscheint  als  dritter  Hauptgegen- 
stand der  philosophischen  Erkenntnis  neben  dem    „jpvfftxör" 


>)  DioB.  Laert  1.  c.  X,  27  u.  391.  (ed.  Cobet.  S.  261).  Ein  Hauptwerk 
Epikurs  weit  betitelt;  ntfi  jifti^qiov  (n&mlich  der  Wahrheit)  ?  Kanöf.  Ein 
Buch  Demokrits  trug  anseblich  bereits  denselben  Titel  {ifQl  Uyinä-  *aniir). 

*)  V^.  hierzu  namentlich  Epicurea,  ed.  H.  Ilsener,  LeipziE,1887,  S.  177  K. 
und  Naiorp,  Forschungen  zur  Geschichte  des  Eikenntnis  Problems  im  Altertum, 
Beriin  188(,  S.  209  ff. 

*)  Vgl  Friedr.  Bohnach,  Des  Epikureera  Philodemus  Schrift  nt^l  a^fuimr 
«ai  v^fituüattv,  Lyck  1879;  Th.  Gomperz,  Herkulaoische  Studien,  H.  1 
Phitodemua  Ober  Induktionsschlüsse,  Loipzig  1865,  namentlich  S.  29. 

")  Vgl.  Joannes  ab  Arnim,  Stoicomm  veterum  ftaementa,  Bd.  1,  Lips. 
1906  Zeno  et  Zenoma  discipuU.'namentl.  S.  16  fl.,  Bd.  3,  1903  Cbrysippt  btg- 
menla  bgica  et  physica  S.  18—110,  Bd.  8,  SchlUer  des  Chrysipp,  S.  312  u. 
2K.  Unter  den  Schriften  tlber  die  Logik  der  Stoiker  sind  am  wichtissten : 
Imman.  Uenr.  Ritter,  De  stoiconom  doctrina,  praesertim  de  eomm  logica. 
Vratislav.  18(8,  nauL  §  4 f.  u.  16 ff.;  Rud.  Nicolai,  De  logicis  Chrralppi  libhs 
tarn  coUigendis  quam  ad  doctr.  rationes  accomm.  disponend.  conun.,  Grmnas. 
Progr.  QuedlinbuTB  1869,  S.  1 — iQ;  Rud.  Hirzel,  Do  bsica  Stoiconun,  in  Satura 
phJlologa  H.  Sauppio  oblata,  Berl.  1879,  S.  61;  Brochard,  Arch.  f.  Gesch.  d. 
Philos.,  189%  Bd.  b,  S.  449;  Faul  Barth,  Die  Stoa,  Sluttsait  190S,  S.  69«.  u. 
66fi.;  Ludw.  Stein,  Die  Eikennlnislheorie  der  Stoa,  Berlin.  Stud.  f.  klaas. 
Philol.  u.  Arch.,  1888*  Bd.  7,  a  1,  S.  87  ft.  und  Die  Psychologie  der  Stoa. 
ebenda  1886,  Bd.  3,  H.  1,  S.  1;  Hamelin,  L'ami6e  phUosophique,  Bd.  12  f. 
1901,  Fans  1902  *.  Prantl  und  Zeller  haben  die  Liwik  der  Stoiker  wohl  etwas 
xa  niedrig  eingeschätzt 

•)  Diogenes  Laeriius  zlhlt  über  100  Titel  auf  (I.  c.  VH,  189). 


OC^IC 


3.  KapitoL    ADgemeiDB  Oescliiohtt  der  Logik.  43 

OQd  „^txov'*  das  ^lorixöp"  0-  Die  hiermit  abgegrenzte 
qLogik"  umfaßte  jedoch  immer  noch  auch  die  Erkenntnis- 
theorie nnd  die  Rhetorik.  Der  Teil  der  Logik,  welcher  der 
Logik  in  unserem  Sinne  (also  im  formalen  Sinne)  entspricht, 
wnrde  als  Dialektik  bezeichnet  (JtaXtxttx^),  war  aber  weder 
fegen  die  Erkenntnistheorie  noch  gegen  die  Rhetorik  scharf 
abgegrenzt  ')■ 

Die  Dialektik  selbst  hat  es  einerseits  mit  den  sprach- 
lichen BezeichnimgeD,  den  a^ftaivovta  (auch  kurz  „gHoy^" 
genannt)  und  andererseits  mit  dem  Bezeichneten,  den  o^/iat- 
vofuva,  zu  tun.  In  dem  Uyos  trifft  beides  zusammen:  als 
iöjos  ivdtäd^ttof  ist  er  der  bezeichnete  Qedaokeninhalt,  als 
löfos  7Ttio^ofi$xög  das  bezeichnende  Wort  Die  stoische  Lehre 
voD  den  «fjuairovra  ist  im  Wesentlichen  eine  Laut-  und 
Sprachlehre,  scheint  aber  auch  Poetik  und  Musik  umfafit 
ZQ  haben.  Die  Lehre  von  den  a^ftaivöfuva  behandelt  nicht 
etwa  die  bezeichneten  Dinge  {n^yiutxa),  sondern  die  tod 
den  Worten  bezeichneten  QedanJceninhalte,  das  Xnnöv  (wört- 
lich fibersetzt:  das  Ausgesprochene,  die  Äussere).  Während 
die  ^mv^  (das  e^/iaivw)  lediglich  ein  körperliches  Laut- 
gfibilde  ist,  ist  das  lenvöv  die  unkOrperliche  Wortbedeutung. 
Von  dem  Denkakt,  der  nach  stoischer  Auffassung  als  eine 
kßrperliche  Veränderung  der  körperlich  gedachten  Seele 
anzufassen  ist,  soll  dies  Isxtov  verschieden  sein.  Es  ist 
eio  Mittleres  zwischen  dem  Denkakt  und  dem  Ding  {ftiaov 
nv  Tc  voiifunos  xol  %ov  n^äyttatos)').  Es  scheint  jedocb, 
da0  die  Stoiker  nicht  zu  einer  völligen  Klarheit  über  diese 
Mittelstellung  des  X»xTiv  gelangt  sind.  Jedenfalls  bezogen 
sie  die  formale  Logik  im  wesentlichen  auf  die  JUxtä  und 
schalteten  in  einer  für  die  Weiterentwicklung  der  Logik 
sehr  verhängnisvollen  Weise  das  Denken  als  Akt  aus  dem 

^  DütfeiL  Laeit  1.  c.  vn,  39  (edu  Cobet  S.  168).  Diese  DrdUilui» 
scheint  zum  ersten  U&le  ron  Xenokrates,  dem  Nachfoiser  des  Speusippus 
(nL  S.  SS)  Torgemommen  worden  zu  sein.  Vgl.  n&menU.  Sext  Empir.,  Advers. 
nalbem.  Vn,  16  (ed.  Bekker  ä  19S)  Übrigens  nnteischeidet  Arisloteles  selbst 
obm   n4(td«ne   i^vtai,    givaixol  und  i»jrixal  (Top.  A  10&  b,  20). 

*}  Atufohriich  beglicht  Zeller  diese  Einteilungen  (1.  c.  Bd.  4,  S.  63  B.). 

*)  Ammoniua,  Comcn.  in  Arist  Graec«  (de  interpr.),  Ak.  Ausg.  B±  i, 
Teil  5,  Bertin  1897,  S.  17.  Wenn  andrefseiU  berichtet  wird,  dafl  die  itxTi 
der  Stoiker  mit  deo  ve^ftma  idenlisch  seien,  so  ist  anzunebmen,  daJ  hier 
tnil  den  i>oq/i«i«  nicht  die  Denkakte,  sondern  der  Gedanke ninhalt  ge- 
mant  ist. 


44  I-  T^.    ÄbgrensunR  und  aUgemons  Gesohiohfe  dar  Logik. 

Gebiete  der  Logik  aus  '*').  Dabei  wurde  zugleich  dem  sprach- 
lichen Paktor  eine  zu  hohe  Bedeutung  beigemessen,  so  daß 
man  im  Hinblick  auf  die  spätere  Entwicklung  der  Logik 
(vgl.  §  17  ff.)  von  einer  „nominalistischen"  Tendenz  der 
stoischen  Logik  sprechen  kann. 

Auch  die  metaphysische  Grundlage,  welche  die  Logik 
bei  Plato  und  Aristoteles  hatte,  wird  von  den  Stoikern  fast 
g-anz  preisgegeben.  Nach  stoischer  Lehre  ist  nor  das  Körper- 
liche wirklich.  Die  Seele  ist  einschließlich  der  Denkakte  als 
körperlich  zn  betrachten.  Das  Wirkliche  beschränkt  sich  auf 
einen  gualitatlosen,  leidenden  Stoff  (änotos  Züti)  und  eine 
wirkende,  gleichfalls  körperliche  Ursache,  die  mit  der  Gott- 
heit identisch  ist  Die  Frage  der  Yävii  und  tÜ^  schied  damit 
aus  der  stoischen  Logik  fast  ganz  aus. 

Das  Verhältnis  des  menschlichen  Erkennen«  zu  dieser 
aus  vX^  und  Gottheit  entstandenen  Wirklichkeit  dachten  sich 
die  Stoiker  im  Sinne  eines  ausgeprägten  Sensualismus.  Die 
von  den  Dingen  hervorgemfenen  Empfindungen  und  ihre 
Erinnerungsbilder,  welche  als  ^aviaoiat  („vorläufige  Vot- 
stellungen",  Stein)  zusammengefaßt  werden  (im  Gegensatz  zu 
den  leeren  Einbildungen,  den  giavjiiffftata)  liefern  auf  einem 
Weg,  der  nicht  näher  untersucht  wird,  die  abstrakten  Vor- 
stellungen {iwotat).  Unter  den  letzteren  spielen  diejenigen, 
welche  von  allen  Menschen  in  übereinstimmender  Weise  ans 
der  Sinneserfahrung  abgeleitet  werden,  eine  besondere  KoUe: 
es  sind  die  xotval  (SfigivToi)  iwoiai  oder  n^oi^ipsts  (notiones 
communes,  Cicero;  praesnmtiones,  Seneca).  Durch  kunst- 
gemäBe  Bildung  und  Verbindung  von  Begriffen  entsteht  die 
Wissenschaft.  Das  Kriterium  der  Bichtigkeit  (Wahrheit)  bei 
der  BegrifEsbildung  liegt  in  dem  Zwang  zur  Zustimmung  (zur 
evyxcnä^eait) ,  die  Vorstellung,  die  einen  solchen  Zwang  aus- 
übt, heißt  im  Hinblick  auf  ihre  Überzeugungskraft  {xatä- 
^flV*s)    yfvraaitt  xaTaA^TTEtx^  i').    Sie  überträgt  sich  von  der 

'■)  Vgl.  namentlich  die  char&kterisUache  Bemerkuns  bei  Simplicius,  in 
Catee.,  Ak.  Ause-  S.  10;  „Uh  ii  leviove  (nfimlicb  die  Btoiker)  irratlr,  in  i« 
ir(^  roilfiätiily  xaSi  ro^fiitta  Xiytuf  ov  loyit^e,  diXa  Tqr  n((J  V'^JT^f  inur 
■jiQuyftatiiitc.'^  Es  ist  dies  wohl  die  älteste  Verwahrung  gegen  den  „E^ycho- 
logismnn"  (vgl.  §  42)  in  der  Logik. 

'')  Tgl.  zu  diesen  und  den  vorausgehenden  Angaben  namentlich  das 
7.  Buch  des  Werkes  De  vitis  dar.  philos.  etc.  von  Diogenes  Laertius  und 
Sextus  Empir.,  Adveraus  mathem.  VH,  237  ff.  und  Vni,  67  ff.  Übrigen«  icA 
dia  Bedeutung  des  ^xuivXiinuxii'    ia  der  stoischen  Lehre  noch  nicht  vfillig 


OgIC 


2.  EapiteL     Allgemeine  Oesoliiohte  der  Logik.  4& 

Dreprünglicheu  SiHnwerfahmQg  aaf  die  aas  ihr  abgeleitetes 
Vorstellangen. 

Offenbar  wären  nun  gerade  die  Regeln  dieser  Ableitung 
der  Tielitigste  Gegenstand  der  Logik  (in  unserem  Sinne),  und 
ee  hätte  sich  hier  eine  Gelegenheit  zu  einer  erkenntnistheore- 
tiscben  und  psychologiBchen  Grundlegung  der  Logik  geboten. 
Wie  indes  schon  &  44  hervorgehoben,  gaben  die  Stoiker  diesen 
Zmanunenhang  fast  ganz  auf  und  knüpften  die  logischen 
Gesetze  größtenteils  sehr  äußerlich  an  die  sprachlichen 
Faktoren  an.  So  gelangten  sie  zunächst  zu  der  oberfläch- 
lichen Einteilung  der  Xextä  in  unvollständige  (iXi-tn^),  d.  h. 
isolierte  Wortvorstellungen  und  vollständige  {avtoxti.^, 
d.  h.  Sätze,  speziell  Urteile  und  Schlüsse. 

Die  aristotelische  Kategorienlehre  wurde  von  den 
Stoikern  übernommen,  obwohl  sie  streng  genommen  zu  ihrer 
Lehre  von  der  Körperlichkeit  alles  Wirklichen  schlecht  paßte. 
Sie  setzten  dabei  an  Stelle  der  zehn  aristotelischen  Kate- 
gorien außer  dem  höchsten  Begriff,  dem  Seienden  {ri  6v) 
nsi  vier:  1.  Snbstrat  (vnoMifisvov),  2.  Bestimmtheit  (rü  rtotövf 
nnd  zwar  gattungs-  bzw.  artmäßige  und  individuelle  (xotvtäs 
noiit  und  Mug  notöv),  3.  zufällige  (unwesentliche)  Be- 
Bchaffeuheit  (lö  ntü;  Sx^v)  und  4.  relative  Beschaffenheit  (iö 
xföf  Ti  nms  ^X"")-  Oiese  vier  „Ttcäxa  oder  ytvixütata 
/rrf"  werden  von  den  Stoikern  durchaus  materiell  gedacht. 
^  sind  sämtlich  dem  „Seienden"  als  der  höchsten  Gattung 
nntei^eordnet.  Später  wurde  das  Etwas  (<ö  ji)  au  Stelle 
des  Seienden  (lö  Sv)  gesetzt^').  Einen  Fortschritt  gegenüber 
der  aristotelischen  Lehre  lassen  diese  Aufstellungen  höchstens 
insofern  erkennen,  als  die  unnatürliche  Gegenüberstellung 
von  slioe  (Art)  und  yivos  (Gattung)  beseitigt  wurde  (vgl. 
S.  33,  Anm.  7). 

In  der  Einzelbearbeitung  scheinen  die  Stoiker  die  Lehre 
von  den  Urteilen  und  den  Schlüssen  besonders  ausführlich 
behandelt  zu  haben,  allerdings,  soweit  nns  überliefert  ist,  in 
sehr  äoßerlicher  und  schematischer  Weise.    Wahrscheinlich 


ufieUlrL  Vgl  z.  B.  Barth,  1.  c.  S,  6&  u.  Dyroff,  Aich.  f.  Gesch.  d.  Fbüos., 
ISOt,  Bd.  17,  S.  14a  Auch  der  stoische  BegriB  der  xiaäi^^K  selbst  ist  noch 
i>)chi  einwandfrei  gedeutet. 

")  Siehe  Zeller  1.  c.  S.  92,  Anm.  3.  Vgl.  zur  atoiscbeD  Kategorientehre 
auch  Treodelenbuig,  Histor.  Beitr&ge  zur  FhUoaophie,  Berlin  1846,  Bd.  1, 
S.ai7E 

„.,.,„,>..oo^^ic 


46  I-  T^-    Abgraunuig  und  «llgeineiDe  Oeecbichte  der  Logik. 

haben  sie  auch  zum  ersten  Male  streng  zwischen  divisio  und 
partitio  unterschieden  (vgl.  den  spez.  Teil). 

§  IX    SkBpUk*!  sBd  nraera  Akidante,    KfclriHkOT.     Knplafamikab 

Die  alte  reo  Skeptiker'),  Pyrrho  (ca.  366  bis  ca.  275)  uod  san 
ScbOler  T  i  m  o  □  lehrten  den  Verzicht  auf  jede  Überzeugung  (''ie  axBiaiftMa) 
und  die  Zurückhaltung  eines  jeden  bestimmten  Urteils  (die  ino/ij).  Die 
sog.  neuere  Akademie')  —  namentlich  Arcesilaus  (geb.  ca.  316} 
und  Carneadea  (ca.  210  bis  ca.  130>  —  vertrat  gleichfalls  diesen  skep- 
tischen Standpunkt.  Die  Logik  wurde  dabei  entweder  lür  oberflOssig  eAlärt 
oder  —  von  Cameades  —  mit  Recht  auf  die  PrOfung  der  formalen  Ridi- 
tigkeit  der  ^tze  beschränkt*).  Zuweilen  wurde  sogar  die  Möglichkeit  einer 
logiseben  Beweisführung  bestritten  •).  Eine  wissenscliaftliche  Behandlung  der 
Logik  unterblieb  daher  fast  ganz.  Denselben  ablehnenden  Standpunkt 
nahmen  auch  die  jüngeren  Skeptiker  ein,  so  namentlich  Aenesidemus^) 
(im  L  Jahriiunderf  v.  Chr.)  tmd  Sextus  Empiricus  (gegen  Ende  des 
2.  Jahrii.  nach  Chr.).  Der  entere  stellte  zehn  allgemeine  Zweifelgründe 
{argiiM  oder  titot)  zusammen,  durch  welche  jede  dogmatische  Behauptung 
ihrer  Sichertieil  verlustig  gehen  sollte,  den  letztere  führte  diese  zehn  rpönM 
auf  drei  zurück  und  fafite  auch  dies«  unter  dem  gemeinsamen  Gesichtspunkt 
des  n^t  *h  d.  h.  der  Relativität  aller  unserer  Vorstellungen,  zusammen"). 
Übrigens  wurde  dabei  die  Forschung  (fifi^ir),  insbesondere  die  empirische, 
durchaus  nicht  etwa  absolut  verworfen '')  und  nur  die  Beschränkung  des  Er- 
kennens  auf  die  itä»^,  d.  h.  die  psychischen  Zustände,  insbesondere  die 
Sinneswahmebmungen  behauptet  ^), 


')  VgL  Tur  Logik  und  Erkenntnislehre  der  Skeptiker  im  allgemeinen 
auBer  Zeller  namentlich  Victor  Brochard,  Lee  sceptiques  grecs,  Paris  1687; 
Raoul  Richter,  Der  Skeptizismus  in  der  Philosophie,  Bd.  1,  Läpzig  1901  und 
Wundts  Philosoph.  Studien,  1S02,  Bd.  20^  S.  2*6;  Rud  Hirzel,  Untersuch,  zu 
Ciceros  philos.  Schriften,  Teil  3,  Leipzig  1883,  S.  Iff.  u.  493  fl.;  Albert  Goe- 
deckemeyer.  Die  Geschichte  des  griech.  Skeptizismus,  Leipzig  1906. 

*)  Ton  manchen  auch  als  „mittlere  Akademie"  bezdclinet,  so  dafl  die 
Bezeichnung  „spätere  Akademie"  für  die  letzten  Akademiker  zur  Zeit  des 
ersten  miUuidatischen  Krieges,  Philo  von  Larissa  und  Aotiochus  von  AAalon, 
vorbehalten  bleibt 

*)  Ahnlich  Cicero,  Acad.  prior.,  II,  28,  Ol. 

*)  VgL  Sextus  Empir.,  Advers.  mathem.,  VIII.  ^7fi.  (ed.  BAker, 
S.  362). 

■>)  VgL  namenll.  auch  Natorp,  Forschungen  zur  Geschichte  des  Er- 
kenntnisproblema  im  Altertum,  Berlin  18&t,  S.  63. 

*}  Vgl.  Ober  die  zehn  Tropen  des  Aenesidem  namentlich  Seit.  Empis., 
Pyrrbon.  hypotyp.  I,  36  ff.  (ed.  Bekker  S.  10  ff.)  und  Ober  ihre  Zusammea- 
fassung  zu  dem  relativistischen  Zweifelsgnmd  speziell  Pyrrfa.  hypot  I,  39. 
äehe  auch  Eug.  Pappenheim,  Die  Tropen  der  griech.  Skeptiker,  Beriin  1886 
(Progr.  d.  Kölln.  Gymnas.). 

1}  Daher  heiBt  es  bei  Diogenes  LaerL,  De  clar.  philos.  vitis  IX,  104c  (ed. 
Cobet  S.  201):    ■'sl  yäg   li   ifatröfnray  Ti9i/tt9a,  »v^  äe  nml  lotoiiar  £r.* 

•)  Diog.  Laert  1.  e,  IX,  103  (ed.  Cobet  S.  261) :  ,/i«>«  tänä»^  r*y^- 

„.,,n,^.OOglC 


2.  Eopitd.    AllKemeins  Geschichte  der  Lopb.  47 

Die  sog.  SrnkretisteD  (Eklektiker)  wie  P&n&etius, 
Paaidonius*),  Cicero,  Varro,  Seneca,  Epiktet,  Quin- 
lilian  D.  L  m.  sümmen,  wenn  sie  ttuch  die  skeptischen  Lehren  mehr  oder 
wenifer  entschieden  bekämpfen,  doch  in  der  Mißachtung  oder  wenigstens 
Vemichlttasigung  der  Logik  mit  den  Skeptikern  Qberein  und  können  daher 
hier  Obersangen  werden. 

Auch  dieNeaplatonikerCPlotinus,  Jamblichus,  Proc- 
lus)  haben  für  die  Geschichte  der  Logik  keine  nennenswerte  Bedeutung. 
I>ie  mTstische  Tendenz  dieser  Schule  muflte  dem  Interesse  fOr  logische  Unter- 
socbungen  entgegenwirken.  Nur  die  Kategorienlehre  wurde  etwas  mehr 
bnchtet  und  zum  Teil  umgdöldet.  So  unterschied  Plotin  (304 — Z70)  die 
üitegorien  in  der  Sinnenwelt  (/'  '»Tg  ata^nTf)  von  denen  in  der  Ge- 
dukenweit  (ir  it*t  yiitit)  und  zfihlte  diese  wie  jene  abweichend  von 
Aiialoleles  aül  ^•)-  I*ur  e  i  n  Schüler  des  PloUn,  Porphyriu«,  zugleich  Lehrer 
des  Jamblicbus,  hat  bei  der  Weiterentwkkhing  der  Logik  eine  grOBere  Rolle 
(espielL  Da  er  jedoch  in  seines  logischoi  Ansichten  ganz  von  Plotin  ab- 
deicht und  sich  den  Peripatetikem  anschließt,  wird  er  unter  diesen  be- 
sprochen (§  13). 

$  13.  PeripateUker  nnd  Kommentatoren  der  Ealsenelt. 

Die  Schale  des  Aristoteles  setzte  inmitten  aller  dieser  Strö- 
mongen  ihre  Tätigkeit  mit  mannigfachen  Schwanktmgen 
fort,  freilich  ohne  nennenswerte  selbständige  Produktion. 
Die  meisten  dieser  jüngeren  Aristoteliker  bescbränkten  sich 
«uf  eiDe  Verteidigung  der  aristotelischen  Lehren  gegen  die 
Ängpüfe  anderer  Schalen,  namentlich  der  stoischen,  wobei 
Überdies  auch  manche  stoische  Anschannng  mit  einigen  Äb- 
änderoDgen  in  die  aristotelische  Logik  hinnbergenommen 
wurde,  nnd  anf  eine  Aoslegung  der  Schriften  des  Aristoteles, 
hn  Hinblick  auf  die  letztere  Tätigkeit  werden  viele  anch 
kürz  als  „Kommentatoren"  bezeichnet'). 

OerUteste  dieser  Eommentatoren  war  Andronicus  von  Rhodus, 
dessen  Haupttaiigkeit:  wohl  in  die  Jahre  78— *7  v.  Chr.,  also  noch  vor  die 
Kaisencit  liUL  Er  soll  die  zehn  aristotelischen  Katcvorien  in  zwei  —Ma9-' 
■M*  and  ngif  u  —  zusammengefaEtt  haben ').     Sein  Schüler,  B  o  6 1  h  u  s 

*)  V^.  Ober  Panaetius  und  Posidonius,  die  man  auch  unter  der  Be- 
zeidmimg  „mittlere  Stoa"  zusammenfaüt,  namentlich  A.  Schmekel,  Die 
Hiikisophie  der  mittleren  Stea  und  ihr  geschichtlicher  Zusammenhang,  Berlin 
1SS%  S.  20ö  u.  263. 

")  Enneades  VI,  Buch  1,  Kap.  Ifi.  (lOUIf.;  ed.  Grenzer  und  Hoser 
S.  370ff.).  AusfOhrlich  ist  seine  Bedeutung  von  Ed.  v.  Hartmann  (Qe- 
xfaichte  der  UeUphysik,  Ausgew..  Weite,  Bd.  11,  Leipzig  1899,  S.  106—176) 
•rflrtert  worden. 

')  VgL  Ober  diese  im  allgemeinen  Chr.  Aug.  Brandis,  Abb.  d.  Kgl.  Ak.  d. 
Wiss.  zu  Berlia  a.  d.  J.  1838,  hisV  philol.  Kl.,  Berlin  1836,  &  24B  und  Max 
WilUes,  Die  griechischen  Ausleger  der  aristotelischen  Topik,  Berlin  1891 
[Fnir.  Soi^engymn.  Berlin). 


I.  Teil.    AbgreniDiif!  imd  allf^etneiae  Geschichte  der  Logik. 


&U8  Sidon,  scheint  in  manclien  Beziehungen  an  die  Stoiker  angeknüpft  zu 
haben  ■).  Zu  den  Kommentatoren  des  2,  Jahrhunderts  n.  Chr.  gehörten  u.  a. 
Aspasius  und  Herminug  some  namentlich  Claudius  Galcnus 
(131  bis  ca.  200).  Der;  letztere  hat  zaMreiche  logische  Werke  verfaBl.  von 
denen  uns  nur  die  kleine  Schrift  ncpi  TÜr  nagä  tir  Uiiv  oa^iayutcKur  erludteu 
ist*),  im  wesentlichen  vertritt  er  den'ariatotelischen  Standpunkt  An  die 
Stelle  der  TtQcräatK  ofimoi  (vgl.  S.  37)  werden  von  ihm  ioyixai  «p/ai 
(logische  Prinzipien)  gesetzt'),  wie  z.  B,  „Nichts  geschieht  ohne  Ursache", 
„Gleiches  zu  Gleichem  gibt  Gleiches"  usf.  Als  Vorbild  gilt  ihm  die  geo- 
metrische Beweisführung  (yim/tti^ixi  äitöStiiK).  Den  Kategorien  scheint  er 
im  Gegensatz  zu  den  Gattungen  jede  reale  Bedeutung  abgesprochen  zu  haben. 
Erwähnenswert  ist  auch,  daQ  bei  ihm  der  Ausdruck  .Xaytxig*  schon  allent- 
halben für  „Logik"  im  neueren  Sinne  gebraucht  wird  (statt  des  bei  den 
Stoikern  Qblichen  .Aaltxiuij*). 

Eine  Verschmelzung  peripaleliscber  und  stoischer  Lehren  zeigt  die  teil- 
weise erhaltene  Schrift  .itpJ  iQ/iiinttK* ,  weldie  uns  als  3.  Teil  des  Buchs 
„De  dogmate  Piatonis"  von  Appulejus  von  Uadaura  (geb.  um  130 
n.  Chr.}  überliefert  ist.  Die  Echtheit  ist  zweifelhaft  Pranll  nimmt  an,  dsB 
es  sich  um  die  Übersetzung  eines  griechischen  Schulkompendiums  der  Logik 
handelt.  Neue  allgemeine  Gesichtspunkte  enthält  die  Arbeit  nicht  (vgl.  jedoch 
§76). 

Sehr  viel  bedeutender  als  die  Vorgenannteu  ist 
Alexander  von  Äphrodieias,  der  unter  SeptimiuB 
Severus  peripatetische  Philosophie  in  Athen  lehrte.  Von 
seinen  Kommentaren  Bind  u.  a.  erhalben  der  zum  1.  Bnch  der 
Analytiea  prior»  und  zur  Topik  *).    Sie  zeichnen  sieh  durch 

')  Simplic.  in  Categ.,  Akad.  Ausg.  Bd.  B,  S.  63.  SimpUcius  nennt 
übrigens  auch  Xeookrates  als  Vertreter  dieser  Lehre.  Vgl  auch  Friedr.  Littig, 
Andronikos  von  Rhodos,  3  Teile,  Manchen  1B90,  Eriangen  18M  u.  18S6 
(Qymu.  progr.);  in  Teil  3,  Sl  12  ff.  eine  Zusammenstellung  der  ertialUoen 
Fragmente. 

=)  Vgl  Prantl  I.  c.  Bd.  1,  S.  6*0. 

*)  Koimsche  Ausg.  d.  Opp.  med.  gioec.  Lips.  1827,  Bd.  14,  S.  582.  Karl 
Kalbfleisch  (Jahrb.  f.  klass.  Philol.  1897,  23.  Suppl.-Bd.,  5.  679— '708)  sucht 
gc«en  Prantl  (I.  o.  S.  591  ff.)  nachzuweisen,  daB  auch  die  Schrift  tlattyvyii 
itaitxTtKij,  welche  zuerst  Minas  (M^rSc)  18*4  herausgegeben  hat  (spätere 
Ausgabe  von  C.  Kalbfleisch :  Institutio  logica  Gal.,  Lips.  1896),  im  wesentlichen 
echt  ist.  Vgl.  auBerdem  üben  Galens  Xxigik  u.  a.;  Emm.  Chauvet,  La  logique 
de  GaUen,  Compte-rendu  des  S£ances  et  Tiav.  de  l'Ac.  des  sc.  mor.  et  pol.  1883, 
Bd  117,  S.  4äO  u.  580;  Iwan  v,  MöUer,  Abh.  d.  philos.  philol.  KL  d.  Kgl. 
Bayr.  Ak.  d.  Wiss.  1897,  Bd.  20,  S.  40S  (betrifft  das  verlorea  gegangene  Weit 
ntiji  änoiflitaie),  —  Prantl  bespricht  übrigens  noch  einen  zweiten  Pseudo-Galeo. 

0)  Therap.  meth.  I,  4  (ed.  Kühn  Bd.  10,  1826,  S.  37). 

*)  In  der  von  der  Berl.  Akademie  veranstalteten  Ausgabe  der  griechischea 
Kommentare  zu  Aristoteles  nehmen  sie  die  beiden  ersten  Teile  des  2.  Bandes 
ein  (1883  u:  1891).  Unter  den  uns  eibaltenen  selbständigen  Werken 
Alexanders  (>i«?I  Vvzvt  usf.)  finden  sich  keine  speziell  logischen.  Aus 
Alexander  bat  dann  weiterhin  Asklepius  aus  Tialles  im  6.  Jahrhundert 
geschöpft  (Ak.  Ausg.  Bd.  6,  Teil  3). 

„.,.,„,>..oo^sic 


2.  XspiteL    Allgemeine  Oeeohicbte  der  Logik.  49 

Sebarfsiiui  nnd  Klarheit  vor  den  meisten  späteren  Kommen- 
tareo  ans.  In  einzelnen  Punkten  ireicht  Alexander  von 
Aristoteles  ab.  So  spricht  er  den  allgemeinen  Begriffen  jede 
Existenz  anOerhalh  unseres  Denkens  ab^),  Aach  beseitigt 
er  die  Ansnahmestellnng  des  aristotelischen  vovg,  soweit  er 
dem  Menschen  zokommt,  und  reiht  ihn  den  niederen  Seelen- 
lätigkeiten  unmittelbar  als  eise  gleichfalls  vergängliche 
Uyaiug  t^e  V^TTf  ^^-  -^^^  Anlage  (potentielles  Vermögen) 
ist  er  der  vovs  iitxös  xai  g/vautög,  als  tätige  Kraft  der  vovs 
iainiifog  (acqnisitus)  oder  xa^'  tSiv-  Die  Aktnalisiernng 
des  potentiellen  vovs  (des  ivväfiet  votif)  soll  durch  die  Ein- 
wirkung des  gottlichen  voig  »ot^tiijc  erfolgen  ^). 

Weit  anter  den  Leistong^i  Alexanders  stehen  die* 
jenigen  des  S>i47  bereits  erwähnten  Porph^rins  <geb.  232 
ader233,  gest.  nach  300— vielleicht 304—  n.Chr.),  trotzdem 
baben  seine  Lehren  infolge  ihrer  begnemen  schnlmäQigen 
Dantellnng  nnd  ihrer  Konnivenz  gegenüber  den  gegnerischen 
Anschannngen  (namentlich  der  stoischen  Schnle)  einen  viel 
größeren  Einflnß  auf  die  Weiterentwicklong  der  ZiOgik  ge- 
habt. Von  den  Kommentaren  des  Porphyrins  ist  nns  nur 
die  "Edjfiitrts  •!;  tag  'Jfjunoriiovs  xat^Offiag  *atä  neßetv  xal 
«tönfuttv  erhalten.  Sein  Ansehen  verdankt  er  jedoch  haupt- 
sächlich der  gleichfalls  erhaltenen  Schrift  filffoyujrij  aie  %äg 
A^tOtniXovf  xcniffofiitti  (auch  „ne^  twf  nivrs  {pwfüv"  be- 
utelt}^. Diese  behandelt  speziell  die  sog.  quinque  voces 
(nimt  fttwat):  y6voi^  ita^offä,  $lSi>(,  ütion  und  av/tfitfiiptög, 
die  uns  in  ähzilicher  Welse  schon  bei  Aristoteles  (S.  39) 
nnd  Tbeoplirast  (S.  41)  begegnet  waren.  Die  UnterscheiduDg 
von  jiwoe  (Gattung,  z.  B.  ^nimal)  und  tUoe  (Art,  z.  B.  homo), 
deren  Mißlichkeit  mit  Bezug  auf  die  aristotelische  Lehre 
S.  3S  und  45  hervorgehoben  wurde,  wird  aufrecht  erhalten, 
«bwohl  Porphyrius  selbst  zwischen  den  htfchstea  Gattungen 
und  den  niedrigsten  Arten  (/ura^i  täv  rwsxtnätm'  xai  %mv 
tUumtätmy)  zahlreiche  Zwischenstufen  (ftiea;  indlXiiXa;  S 


0  Jtf^J  tH>n*r,  Suppl.  Aristot.  Ak&d.  Ausb.  Bd.  2,  Teil  1,  Berlin  1887. 

Mf*W  xtd  »Mfä  if  v  ftir  Sntt^w  ir  talt  xa^hmni  »  xmk  Mimt  tgu  . 
"tiamrm  H  xmgie  it^t  xatfä  ri  xai  na9«iov  yUnai,  »at  tirl  ivtl  r*ie  «(«v 
rafiai .  ^  n  fii  rovtiB,  pM  Iotw  Sit, 

»)  L  c.  S.  88  ö. 

*}  Bade  Werice  siod  in  Bd.  4,  Teil  1  den  Berl.  Akad.  Ausgabe  der  griecL. 
Kommenlue  za  Aristoleles  at^edruckt  (1887). 

ZUhan,  Lduboch  dar  Itoglk.  4 


OgIC 


50  I-  ^il-    i-hgraisang  tmd  allgemeine  Ges<^ichte  der  Logit. 


xal  yivti  xal  «äff  Jtrr»  rä  airä)^")  anerkennt  Ebensowenig 
gelangt  Porphyriu3  zu  einer  Ideiren  Unterscheidung  von 
Sutyofä,  tiiov  und  evftßeß^iig.  Er  beschränkt  sich  im  ganzen 
darauf,  die  verschiedenen  üblichen  Auffassungen  dieser  drei 
Momente  nebeneinander  zu  stellen.  Die  meisten  Bestim- 
mnngen  fallen  daher  unklar  und  unsicher  aus.  So  wird 
beispielsweise  zur  Charakteristik  der  diagio^a  gegenüber 
dem  tSiov  angegeben,  dafi  erstere  ini  nlLet6»iop  eidmv  Ufsreu 
noJdäxH  (I),  letzteres  aber  igi'  ivös  el9ovs,  ov  iattv  Utov^'} 
u.  a  m. 

Den  Kategorien  schrieb  Porphyrius  wieder  gemäß  der 
ursprünglichen  Lehre  des  Aristoteles  reale  Bedeutung  zu. 
An  der  Zehuzahl  hielt  er  fest,  stellte  aber  die  erste  als 
ovaia  den  9  anderen  als  den  ävftßsßii%ö%a  scharf  gegenüber. 
Jene  ist  stets  das  ^noxei/tevov  für  diese  ^^).  Auffällig  ist, 
daß  die  Einzelwesen  {äto/noi  ovaiat)  als  Tr^wvai  ovoiat,  die 
«lAj  und  riv^  als  isv-rs^ai  oütriat  bezeichnet  werden  (vgl. 
S.  35 ,  Anm.  10).  Ganz  aufgeklärt  ist  der  Sinn  der  hierher- 
gehörigen  Stellen  noch  nicht  i'). 

Von  späteren  Kommen latoren,  die  zu  einem  großen  Teile  dem  Neuplalo- 
nisntus  aosehöreQ  oder  nahe  stehen,  seien  noch  genannt:  Dexippus**) 
(SchQter  des  Jantblichus,  gesL  nach  Busse  um  360  n.  Chr.),  T  h  e  m  i  s  l  i  u  s  ») 
(917  bis  ca.  390).  Syrianus")  (390  bis  ca.  «0),  Ammonius")  (Schüler 
des  Proklus,  Enkelschöler  des  Syrian),  Simplicius")  (ura  MO  n.  Chr.). 


">)  Vgl.  Aliad.  Aus«.  S.  4  u.  16. 

")  L.  c,  S.  18. 

")  L.  c.  a  88. 

'»)  Vgl.  die  Kritik  der  Pmntlschen  AuWaseung  bei  Zeller  L  c.  Bd.  5, 
S.  6*2,  Anm.  2.  Ich  bin  überzeugt,  daß  Porphyrius  die  aristotelische  Unter- 
scheidung des  nQÖn^y  x^ir  if't  und  des  n^it^v  ij;  tpivu  oiißverstandeii 
oder  übersehen  hat. 

!•)  Der  Kommentar  desDexippus  zu  der  aristoteUschen  Kategorienschrift 
ist  in  Bd.  i,  Teil  2  der  Berl.  Ak.  Aus«,  der  griech.  Kommentare  abgedruckt 
(1868).    Vgl  auch  Ad.  Busse.  Hermes  1888,  Bd.  28,  S.  402. 

")  Die  uns  erhaltenen  Kommentare  sind  in  Bd.  5,  Teil  1—3  der  Ak. 
Ausgabe  abgedruckt.  Die  in  Bd.  28  abgedruckte  Paraphrase  au  den  Analyt. 
prior,  stammt  sehr  wahrscheinlich  nicht  von  Themlstius, 

'•)  Kommentar  zur  aristotel.  Melaplivsik  in  Ak,  Aus«.  Bd:  6,  Teil  1 
(1902). 

")  Zum  Unterschied  von  anderen  Ammonius  Hermiae  sc.  liliuB  ge- 
nannt. Seine  Kommentare  (auch  zur  Isagoge  des  Porphyrius)  finden  sich  in 
der  Ak.  Ausg.  Bd.  i,  Teil  3—6. 

1»)  Akad.  Ausjr.  d.  griech.  Kommentaic.  namentlich  Bd.  8  (1907)  und 
Bd.  11  (1882). 


1,1^. OQi 


,g,c 


2.  EapiteL    Allgemeina  Geschichte  der  Logik.  51 

Jehaones  G  ramma  licus  P  h  i  lo  ponu  s  ■■)  (etwa  gleichzeitig  mit 
Simpltdus  in  der  1.  Hälfte  dea  6.  Jahrhundert^',  wie  dieser  Schüler  des 
Aranonius). 

Eine  wesentliche  Weilerbildung  oder  VeHiefung  der  aristotelischen  Logit 
st  Iq  dieseii  Kramaentaren  nicht  zu  linden.  Meiat  wurden  die  arisiDtelischen 
älEe  mehr  oder  weniger  umständlich  erklärt  und  ohne  wcdlere  Kritik  zu- 
sumnengesteUt.  Nur  hin  und  wieder  wurde  das  eine  oder  andere  Kapitel 
rtwM  spezieller  ausgefohrt.  Erwähnt  sei  nur,  daS  wahrscheinlich  e^t  von 
diesen  späteren  Koauoentstoren  neben  den  aristotelischen  Kal^orien  (imi^- 
jtfl**  BM«!)  die  S.  d6t  Anm.  14  schon  erwähnten .  vier  Nach-Kategorien 
imi  ii(  xar^yffae  aufgestellt  bzw.  anerkannt  wurden  ^o),  obwohl  dieK 
offenbar  in  den  zehn  ursprünglichen  Kategorien  schon  enthalten  waren. 

§  14.  Martianng  Capelia  und  BoSthiuB.  An  die  letzt- 
genaimteo  Kommentatoren  Bchließen  sich  einige  in  latei- 
nischer Sprache  schreibende  Philosophen  an,  welche  —  wie 
öbrigens  aoch  Philoponns  —  Christen  waren,  aber  doch  in 
ihren  philosopfaifichen,  namentlich  ihren  logischen  Schriften 
noch  keinen  erheblichen  Einfluß  der  christlichen  Lehren  er- 
kennen lassen.  Für  die  Weiterentwicklung  der  Logik  im 
Hittelalter  sind  sie  insofern  von  großen  Bedeutung,  als  die 
christliche  Philosophie  des  Mittelalters  bei  ihren  logischen 
Untersuchtingen  vorzugsweise  an  die  logischen  Komi>endien 
flieser  Ubergangsphilosophen  anknüpft. 

MartiannsCapella')  (in  der  1.  Hälfte  des  5.  Jahr- 
hunderts) schrieb  ein  Satiricon  betiteltes  Werk  über  die 
7  artes  liberales  in  9  Büchern,  von  denen  das  vierte  einen 
knrzen  Abriß  der  Lc^k  gibt.  E^  lehnt  sich  Vorzugsweise 
an  die  Isagoge  des  Porphyrius  an.  Die  qninque  voces  {nivtt 
y«*«/)  werden  als  genns,  formae  (=  species),  ditPerentia, 
aceideuB  und  proprium  aufgeführt,  aber  nicht  auedrucklieh 
als  solche  bezeichnet  und  ohne  scharfe  Trennung  definitio, 
totnni,  pai^,  divisio,  partitio,  aequivocum,  univocum,  pluri- 
vocmn  angereiht  (ed.  Eyseenhardt  S.  102  ff.);  die  prima  sub- 
slantia  wird  definiert  als  substantia,  quae  nee  in  subjecto  est 
inseparabiliter  neqne  de  nllo  subjecto  praedicatur,  die  secunda 
sabstantia  als  diejenige,  quae    de  priraa  praedicatur   (ed. 

"}  Akad.  Ausg.  Bd.  13— 16.'  Vgl.  Ober  Philoponus  A.  BaumsUit,  Arislo- 
tetes  bei  den  STrem,  Lpz.  1900,  M  1,  S.  15& 

**)  VgL  Pbilopouus,  In  Aristot.  Categorias  Comment,  Conun.  in  Aiist 
Oiaeca  Bd.  13,  Teil  1  (ed.  Busse),  Berlin  1898,  S.  13:  iwig  ^mytU,  Jof  ti 
*f<  w  «pirapo»-,  li  iz*'"- 

')  0«  nuptiis  pbilologiae  ei  Hercurii  (de  sep(«m  artibus  liberalibus), 
fierausgeg.  z.  B.  von  Franz  ETseenhardt,  Lips.  1866. 

„.,,„,  ^.oogic 


[.  Teil    AbgreDtang  und  allgemeiDe  Gssobiohte  der  Logik. 


Eyssenhardt  S.  110).  Die  10  Kategorien  (praedicationes) 
Verden  aufgezahlt  als  sabstantia,  qnalitas,  qaantitas,  rela- 
tiTnm,  facere,  pati,  Situs,  qnando,  ubi,  habitns  (1.  c.  S.  108 
bis  117).  Die  lateinisohen  Termini  wurden  vorzugsweise  aas 
Cicero  und  M.  Fabius  Qointilianns  (geb.  35  n.  Chr.,  Haupt- 
werk De  institatione  oratoria)  entlehnt 

Noch  viel  mehr  Einfluß  gewann  Anicios  Manilas  Tor- 
quatns  Sevenrinus  Boethiue*)  (oft  auch  fälschlich  Boetios 
geschrieben;  geb.  nm  480,  hingerichtet  524)  durch  seine 
Kommentare  und  Übersetzungen  logischer  Werke  des  Aristo- 
teles und  des  Porphyrias  *).  Bis  weit  in  das  Mittelalter 
hinein  schöpfte  man  die  Kenntnis  der  aristotelischen  Logik 
nicht  aus  den  Werken  des  Aristoteles  selbst,  sondern  vorzags- 
weise  aus  diesen  Bearbeitungen  des  Boethiiis.  Vor  allem  be- 
gründete er  aach  die  lateinische  Terminologie  für  die  Logik. 
Die  Kenntnis  seiner  uns  za  einem  groBen  Teil  erhaltenen 
Werke  ist  daher  für  das  Verständnis  der  mittelalterlichen 
ItOgik  unerläfilich. 

Die  Logik  ist  nach  B.  sowohl  die  pars  rationalis  philo- 
sophiae  wie  auch  instmmentnm  philosophiae  *).  Ihr  Ziel  ist 
inventio  jndiciumqae  rationom,  d.  h.  der  vemnnftgeinäfien 
Begründungen.  Die  Kategorien  (praedicamenta)  w^en  als 
„rerom  genera"  aufgefaßt*)  und  ähnlich  wie  bei  Capella 

3)  Vgl  Ober  ihn  Fnst;  1.  c  Bd.  1,  S.  679 ff.;  H.  Usenet,  Anecdoton 
Holden  etc.,  Festschr.,  Bonn  1S77,  S.  37  tL.  namentl.  S.  «  (AufzAhlunR  der 
loK.  Schriften);  M.  Gratnnann,  Die  Geschichte  der  scbolast  Methode,  Bd.  1, 
Preibun  i.  Br.'  190»,  S.  1466.  Von  den  selbaUndigen  Schriften  sind  am 
vichtigsten:  De  dlTisione,  Introductio  ad  syllogismoB  categoricos,  De  syllo- 
gismo  categorico,  De  sylloiimio  faTPothetico,  De  differentiis  topicis.  De  defi- 
nilione,  s&mtlich  in  Mignes  Patrologie,  Bd.  9t  abgedruckt.  Die  letztgenaonle 
Schrift  (de  definitione,  auch  de  diffinitione  überachrieben]  scheint  Obiigena 
von  G.  Marius  Victorinus  AXer  im  4l.  Jahrhundert  verfaßt  zu  sein. 

*)  Von  Boethius  selbst  stammt  nur  die  lÜHrsetzung  der  beiden  ariato- 
teliscben  Schritten  De  categoriia  und  De  interpretitione  und  der  Isagose  des 
Porphyrius.  Die  Übersetzungen  der  beiden  Analytiken,  der  Topik  und  der 
Elenchi  sophist.  rühren  von  Jacobus  t.  Venelia  (i.  d.  1.  HAtfte  des  13.  Jahr" 
bunderts)  her,  wurden  at>er  sp&ter  (im  16.  Jahihundert)  intomlich  in  die 
Weite  des  BoEthius  aulsenommen  (s.  Schmidlin,  niilos.  Jahrb.  1906,  Bd  IGs 
S.  168).  Zu  den  Kategorien  hat  S.  einen  Kommentsr,  zu  De  interpre- 
tatione  und  zur  Isagoge  je  zwei  KommeDtare  verfafii  Die  Kommentare  zu 
De  interpretaüone  hat  K.  Meiser  kritisch  herausgegeben  (Leipzig  1877 — ^1880, 
2  BSnde). 

*)  Comm.  in  Porph.  ed  Migne  S.  74. 

")  Ibid.  S.  78  D. 


n,5,t,7rjM,G00glc 


2.  EaftitsL    Allgemnoe  Oeschichte  der  Logik.  53 


beieichnet  *).  Die  qninqne  vocee  scheinen  aar  dazo  bestimmt 
la  sein,  die  Erleraai^  oad  AaweQdung  der  Kategoriea  za 
erleichtern.  Das  innere  Verhältnis  der  voces  zu  den  prae- 
dicamenta  wird  ebensowenig  antersacht  wie  die  tiefere 
Bedeotang  and  das  gegenseitige  Verhältnis  der  praedica- 
menta  nntereinander.  Die  erste  Kategorie  wird  als  sab- 
stantia  den  übrigea  9  (den  accidentia)  gegenäbergestellt  (vgl. 
oben  S.  50)  and  in  der  üblich  gewordenen  Weise  prima  and 
aKonda  eabstantia  onterscbieden  (vgl.  S.  50/51).  Die  primae 
sabstantiae  sind  in  den  sinnlich  wahrnehmbaren  Individnen 
gegeben,  die  secundae  sabstantiae  in  den  intelligiblen  on- 
körper liehen  Begriflen;  andrerseits  soll  doch  der  Unterschied 
der  Individnen  in  den  Ähzidentien  liegen  („differentia  aooi- 
dentalis",  vgl.  8.  63,  Anm.  13). 

Folcende  UteiiiisctM  OberaetzuDicen,  welche  Boeihius  tOr  aristatelisdie 
Termini  eingsföhrt  bat,  dod  besondere  iriobtig:  sctua  ^  M^yfim,  speoies  = 
Mk,  prinäpiiiin  =  Jgg^t  nnivenale  c=  «■»'  Si»p  (Znsammenfusnng  tou 
innu  uod  spedee[),  ftffinaatio  =^  xatü^aaie,  negatio  =  üj^nr,  dabi- 
btJD  ^=  ajtofia,  diHerentm  >=  Suuffi,  divisio  =  iialftate,  aocidens  =:  «r/t> 
fififit,  contingeiis  ^^  Mijrifuvw,  appositio  =  tigif9Mie,  poteotia  =  &irafue, 
inlyectiuii  =  iai«nti/iir*y,  speonl&tio  =  9tmflm,  dsfinire  =  iflfit^mi,  deter- 
man  =  MgofitfUCi'^*,  iiofl&atmt,  «eqnivoonm  =  tftmy*/ay,  oontn- 
dictio  =1  mni^aov,  coobatia  =  bmfila,  coiiTertitar  ^  inmft^t,  altenttio 
=  btfitic  (nach  Grabmana  L  c.  S.  157). 

Wesentlich  üeter  als  die  Weite  dee  Boethius  steht  die  Schritt  des 
HaiDasAmeliu8Cassiodor(i)U9  (nach  TeuSel  ca.  487  bis  ca.  5S3); 
De  artUnis  &c  disciplinis  liberalium  litterarum  *).  Er  beschrankt  üch  darai^, 
die  LAren  des  BoGthii»,  Appulejus  u.  a.  Icurz  zusammeniUBtellen. 

{  15.  Patristiaehe  Lofik.  Inzwischen  hatten  die 
Sircbenväter  (Patrist« n)  langsam  auch  einige 
Interesse  an  der  Logik  gewonnen.  Die  älteren  patristischen 
Schriftsteller  hatten  wichtigere  Aufgaben  als  die  logisch 
Gnbtile  philosophische  Begründang  der  christlichen  Glanbens- 
lehre.  Manche  bekämpften  die  Logik  sogar  als  eine  heid- 
nische, dem  Christentum  feindliche  Wissenschaft 


■}  Comm.  in  CaL  S.  201—364. 

'i  Hignes  PatroL  Bd.  70,  S.  1149.  Man  unterschied  damals  unter  den 
lilteiae  liberales  die  ft  artes  oder  scientiae  sermocinales  (Grammatik,  Dia- 
IfUi^  Bheiorik)  und  die  4  disciplinae  oder  scientiae  reales  (Arithmetik,  Geo- 
metrie, Hiuök,  Astronomie).  Erstere  wurden  als  Trivium  (zuweilen  auch  als 
i^Xica},  letztere  als  Quadrivium  (Physica)  zusammenselaflt.  Von  den 
■nuttgen  Schriften  Cassiodors  kommt  noch  in  Betracht  De  anima,  Mignes 
frtnA.  Bd.  70,  S.  1279. 


54  I-  ^^-    AbgreDzuQß  und  allgsmeine  Geschichte  der  Logik. 

Ob  die  beiden  unter  dem  Namen  Aususlins')  (35i — (30)  übtr- 
lieferten,  oft  als  „pseudo-aueuslinisch"  angeführlcn  logischen  Scbririen  Prin- 
cipia  dialeclicae  uod  Categoriae  decem  ex  Aristolele  decerptae  echl  sind,  ist 
zweifelhaft.  Die  erste  ist  oHenbar  unvollendet  und  wird  von  Prantl  fQr  ecbL 
gehalten.  In  der  zweiten  vermutet  Trantl  die  Ubersetzunit  einer  Solirift  des 
Themistijjs  (vgl.  S.  50).  Wesentlich  neue  Gesichtspunkte  sind  iu  beiden 
nicht  enthalten,  ebensowenig  in  einem  Fragment  De  arte  rhetorica^). 

I  s  i  d  0  r  u  3 ,  Bischof  von  Sevilla,  daher  Hispalensis  genannt  (ca. 
570— 63&),  gab  unter  dem  Titel „Ktymulogiae"  oder „Origines"  in  20 Büchern*) 
eine  Enzyklopädie  heraus,  in  der  aich  auch  manche  grammalische,  rhetorische 
und  logische  Artikel  finden.  Die  Dialektik  (=>t.ogik)  wird  im  2.  Buch,  Kapi  23 
definiert  als  „disciplina  ad  disaerendas  rerum  causas  inventa",  und  weiter 
heißt  es:  „ipsa  est  philosophiae  species,  quae  logica  dicitur  id  est  rationalis 
diffioiendi  quaerendi  et  discemendi  potens". 

Der  Mönch  Johannes  von  Damaskus  (Damascenus*),  ge- 
storben vor  7M]  suchte  bereits  die  antike  Philosophie  und  speziell  die  antike 
Logik  fOr  die  christliche  Theologie  zu  verwerten.  In  seiner  „Quelle  der  Er- 
kaDntnis"  (miyi  yi^nuf)  lehnt  er  sich  namentlich  an  Porphyrius  an.  Im 
Abendlande  verfaßte  etwa  zu  dersdben  Zeit  Beda.')  gen.  Venerabiüs  (674 
bis  735)  kurze  Lehrbücher,  welche  u.  a.  auch  die  Logik  im  Anschluß  namenthch 
an  Isidorus  Hispalensis  behandelten.  Etwas  bedeutender  ist  AIcuin  (736 
bis  80*),  der  Lehrer  und  Berater  Karls  des  Großen,  der  u.  a.  ein  Kompendium 
der  Dialektik  in  Dialogform  schrieb*).     Auch  er  schloß  sich  namentlich  an 

')  Mignes  Patrol,  Bd,  32,  S.  l-MXt  u.  H19.  Üher  die  Dialektik  bzw.  Logik 
des  Augustin  vgl.  H.  Hagen,  Jahrb.  f.  klass.  Philologie  IST?,  Bd.  18  (105). 
S.  7&7  und  W,  CreceUus,  S.  Aurel.  Auguslini  de  dialectica  liber,  Jahresber. 
aber  das  Gymn.  zu  Elberfeld,  Elberfeld  1857.  Der  letztere  gibt  S.  5  ff.  den 
Text  des  dialektischen  Werkes  mit  1«sarlen  und  Emendationen  wieder. 

")  Vgl.  Aug.  Reuter,  Amuslinische  Studien,  Gotha  1867  (mir  nicht  zu- 
gänglich) und  Ders.  in  KirchengesclHchll,  Studien.  H.  Reuter  gewidmet  von 
Th.  Brieger  u.  a,,  Lpz.  It^88.  S.  2'il— 351. 

")  U.  a.  herausgegeben  in  Mignes  Patrologiae  Cursus  conipl.  Bd.  83, 
S.  73.  Ebenda  Bd.  84,  S.  9  die  Schrift  Difterentiae  sive  De  proprietale  ser- 
moniun. 

•)  Opp,  ed.  Lequien,  Paris  1712,  und  Mignes  Patrol.  gr.  Bd.  9*,  S.  S&l. 
Siehe  auch  Joseph  Langen.  Johannes  v.  Damaskus,  Gotha  1879,  namentlich 
S.  34 — 52.  Damascenus  ist  Übrigens  in  vielen  Beziehungen  von  einen) 
Leontius  von  Byzanz  abhängig,  auf  den  namentlich  Loofs  aufmerksam  ge- 
macht hat  und  der  schon  über  3(X)  Jahre  früher  christljdi-theologische  Lehren 
mit  den  Lehren  des  Aristoteles  und  des  Porphyrius  in  Verbindung  gebracht 
hat.  Er  lebte  unter  Justinian  und  scheint  um  5*3  gestorben  zu  sein.  Vgl. 
Fr.  Loofs,  Leontius  v.  Byzanz  und  die  gleichnam.  Schriftsteller  der  griech. 
Kirche,  Leipzig  18S7  (Texte  u.  Unters,  z.  Gesch.  d.  altchristl.  Lit.  Bd.  31  1888). 

'■)  Über  die  Echtheit  mancher  der  ihm  zugeschriebenen,  in  Mignes  Patro- 
logie  Bd.  90  abgedruckten  SchrLIten  bestehen  Zweifel.  Vgl.  Prantl,  Sitz.-Ber. 
d.  Bayr.  Ak.  d.  Wiss.  1867,  ü,  S.  17ä  (17*  u.  179)  und  Kar!  Werner,  Beda,  der 
EhrwOrdige  und  seine  Zeit,  Wien  187b,  S.  236. 

«)  De  dialeclica,  Mignes  Patrologie  Bd.  101,  S.  849.  Siehe  auch  1.  B. 
Laforet,  AIcuin  restaurateur  des  sciences  en  occident  sons  Clharleniagne,  Diss. 
Louvain  185t,  namentlich  S.  03  ff.  u.  216  fl. 


OgIC 


2.  EspiieL    AUgemsioe  Gescfaiclite  der  Logik.  55 

fsdur  und  an  die  Deeudo-augustiaische  Kateeorienschrifl  (a.  oben  S.  üi)  «d. 
San  Schaler  Predesisius')  ergine  sich  in  sehr  oberflächlichen  Speku- 
ktimtn  über  den  Begrill  des  Nichts  und  der  FiDsternis.  Von  Isidor  und 
Htm  isl  auch  Babanus  (Hraban)  Naurus  r776— Sö6>  in  seiuem 
*oie  De  clericorum  inslilulione  abhängiB  *). 

S  16.  Seholastisehe  Logik.  Allffemeine  Vorb«merfciuigen. 

Die Kaaptanf gäbe  der  Scbolastik  bestand  darin,  für  die  kirch- 
liehen  Lehren  eine  philosophische  Grundlage  zu  schaffen.  Die 
Dt^meii  der  Kirche  stehen  vermöge  der  Antorität  der  Kirche 
fest  Es  handelt  sich  nur  darum,  sie  für  die  Vernunft  syste- 
matisch darzustellen  und  zu  l)egründen ').  Mit  dem  über- 
wiegend formalen  Charukter  dieser  Aufgabe  und  Tätigkeit 
faing  es  zusammen,  daß  die  Erkenntnistheorie  und  die  Tjogik 
Kr  die  Bcholastisehe  Philosophie  eine  besonders  große  Be- 
deutung bekam.  Der  sonstige.  Inhalt  der  alten  Philosophie 
war  für  die  Scholastik  größtenteils  überflüssig  oder  geradezu 
verboten,  inhaltlich  war  die  Scholastik  an  die  Dogmen  ge- 
bonden.  Höchstens  in  Fragen,  die  ab^it«  von  aller  Theologie 
lagen,  konnte  dieser  Inhalt  nebenbei  gelegentlich  verwertet 
werden.  Dagegen  bot  die  bochent\^  ickelte  antike  Erkenntnis- 
lehre nnd  Logik  ein  bequemes  Werkzeug,  um  die  Aiifgabe 
■ler  scholastiscben  Philosophie  zu  lösen. 

Für  die  Stellung  der  Erkenntnislebre  und  Logik  ergab 
sich  damit  eine  tiefgreifende  Veränderung.  Bei  Aristoteles 
waren  beide  noch  selbständige  Wisseneebaften  gewesen,  schon 
bei  den  späteren  Peripatetikern  galt  sie  überwiegend  nur  als 
Werkzeug  (ö^j^voi'}  der  praktischen  und  theoretischen  Philo- 
wphie,  bei  den  Scholastikern  kommt  überhaupt  fast  unr  noch 
diese  methodische,  vorbereitende  Bedeutung  in  Frage,  nnd 
zwar  jetzt  gegenüber  der  Theologie. 

Bei  dieser  Bichtnng  der  scholastischen  Philosophie  war 
»  sehr  begreiflich,  daß  sie  gerade  in  den  aristotelischen 
lehren  die  gewünschte  Hilfe  suchte  und  fand.  Die  aristo- 
teiisebe  Erkenntnislehre  und  Logik  war  zum  Teil  schon  bei 
Aristoteles  selbst,  vor  allem  aber  bei  den  späteren  Kommen- 
tatoren von  dem    metaphysischen   nnd  sonstigen  Inhalt  dei< 

')  Epistola  de  nihilo  et  tenebris,  Mignes  Palrol.,  Bd.  105.  S.  7&I.     Vsl, 
Xu  Abncr,  Fredegis  v.  Tours,  Leipzig  1S78,  namentlich  S.  .SHff. 
■)  Hirnes  Falrdogie  Bd.  107,  S.  293  (namenUich  111,  'ä))- 
')  Sehr  l^rreich  ist  hierfdr  die  Zusantmen Stellung  der  früheren  An- 
äidilen,  die  Abttdard  im  !.  Kap,  von  ^ic  et  non    ed.  Henke -lindenkohl,  Mar- 
l»iu  1H51.  S.  18—39)  gibt. 


O^^IC 


56  I-  ^sil'    Abgreniung  and  allgemeine  GeBchioHte  der  Logik. 

aristotelischen  Systeme  in  hohem  Maße  unabhängig  geworden 
lind  hatte  sich  dabei  formal  anßerordentlioh'hoch  entwickelt. 
Der  Keaplatonismus  hatte  Logik  nnd  Erkenntnistheorie  ge- 
radezu Temachtassigt  nnd  war  mit  metaphysischem  Inhalt 
geradezu  überlastet.  Die  stoische  Philosophie  mußte  schon 
durch  ihren  ausgeprägten  SensualismuB  (vgl.  S.  44)  nnd  durch 
die  offensichtliche  Bückständigkeit  ihrer  Logik  abschrecken. 
Von  einer  Verwertung  der  skeptischen  Lehren  konnte  die 
Scholastik  erst  recht  nicAits  hoffen.  Dazu  kam,  daß  zahl- 
reiche Kommentare,  Übersetzungen  und  Kompendien  die 
aristotelischen  I^ehren  sehr  bequem  zugänglich  machten. 
Später  konzentrierte  sich  daher  die  scholastische  Logik 
nnd  Erkenntnistheorie  ganz  auf  das  Studium  nnd  die  Ver- 
wertung der  aristotelischen  Lehren.  Sie  setzte  geradezu  in 
vielen  Beziehungen  bei  ihren  logischen  Untersuchungen  die 
Arbeit  der  heidnischen  griechischen  Kommentatoren  fort. 

Hierbei  fiel  nun  schwer  ins  Gewicht,  daß  ans  Gründen, 
die  hier  nur  angedeutet  werden  können  —  Seltenheit  der 
aristotelischen  Originalschriften  im  Abendlande,  Mangel  an 
Kenntnis  des  Griechisch^i  n.  a.  m.  —  die  Werke  des 
Aristoteles  selbst  in  den  ersten  Jahrhunderten  der  scholasti- 
schen Tätigkeit  im  Original  fast  gar  nicht  gelesen  und  ver- 
wertet wurden  ').  Man  kannte  vielmehr  seine  Lehren  nur  aus 
den  Kompendien,  Übersetzungen  bzw.  Kommentaren  des 
MartianuB  Capella,  des  Boethiua,  des  Casalodorus,  des  Augu- 
stinus bzw.  Pseudo-Aogustinuß  (s.  oben  S.  54).  Diese  Kenntnis 
war  aber,  wie  ans  den  vorausgegangenen  Erörterungen  ein- 
leochtet,  lückenhaft  imd  verfälscht:  lückenhaft,  insofern  vor 
allem  die  beiden  Analytiken  des  Aristoteles  in  den  Kom- 
pendien der  genannten  Schriftsteller  gegenüber  der  Schrift 
über  die  Kategorien  nnd  de  interpretatione ')  völlig  vernach- 
lässigt worden  waren;  verfälscht,  insofern  diese  Kompendi^i 
ihrerseits  sich  vorzugsweise  auf  die  Isagoge  des  Porphyrios 
stützten,  durch  welche  die  aristotelische  Lehre  in  vielen  Be- 
ziehungen verunstaltet  worden  war  (vgl.  S.  49).  Erst  zu  An- 
fang des  12.  Jahrhunderts  verbreitete  und  erweiterte  sich 
allmählich  die  Kenntnis  der  aristotelischen  Schriften  erheb- 

')  Die  Kenntnis  der  eriechisches  Sprache  bei  Eriueena  wer  eine  Aus- 
nafame. 

•)  Die  Schrift  De  interpretatione  wurde  zu  Anfang  des  11,  Jahrhunderts 
von  Notker  Ljibeo  sogar  in  das  Althochdeutsche  abersetzt  (vgl  GraS,  Hist.- 
phiios.  Abb.  d.  KbI.  Ai.  d.  Wiss.  a.  d.  J,  1886,  BerUn  1887,  S.  267  fl.). 


O^^IC 


3.  KApit^    Allgemeine  Geschichte  der  Logik.  57 

lieh  *),  wie  sich  unten  im  einzeloen  er^ben  wird.  Zum  Teil 
stand  die  damit  eintretende  ümgeetaltung  der  scholastischen 
Ii)gik  in  engem  Znaammenhang  mit  dem  Eingrreifdn  der 
byzantinischen  und  vor  allem  der  arabischen  Philosophie. 

Die  Einteilung  der  scholastisches  Philosophie  wird,  soweit 
t6  meh  am  Erkenntuislehre  und  Logik  handelt,  zweckmäBig, 
wenigstens  teilweise,  auf  diesen  verschiedenen  Umfang  der 
Kenntnis  der  aristotelischen  Werke  gegründet.  Mim  kann 
danach  drei  Hauptperioden  unterscheiden: 

1.  Frnhperiode  der  scholastischen  Logik 
(Periode  der  unvollständigen  Kenntnis 
der  aristotelischen  Werke)  ca.  800 — 1100. 
Hanptvertreter:  Johannes  Scotns  Griugena,  Bosce- 
linus,  Anseimus  von  Canterbury. 

2.  Die  Periode  der  vollständigeren  Kennt- 
nis und  z.  T.  auch  Fortbildung  der  aristo- 
telischen Werke  ca.  1100—1300. 

a)  Scholastiker  der  Übergangszeit  von 
derl.  zur  2.  Periode:  Abälard,  Gilbert  Porre- 
tanus, Hugo  St  Victor,  Petrus  Lombardns,  Jo- 
hannes V.  Salisbury. 

b)  Die  byzantinischen  und  arabischen 
Äristoteliker:  Psellus,  Älfäräbi,  Avicenna, 
Avcrroes. 

c)  Die  christlichen  Scholastiker  der 
Höhezeit:  Alezander  von  Haies,  Albertus  Mag- 
nus, Thomas  v.  Aqnino,  Petrus  Hispanns. 

d)  Scholastiker  der  Übergangszeit  zur 
3.  Periode:  Boger  Bacon,  Lnllns. 

3.  Spätperiode  ca.1300 — 1600:  Duns  Scotns,  Occam; 


Es  wird  sich  jedoch  ergeben,  daB,  unabhängig  von  dieser 
chronologischen  EinteUnng,  bestimmte  Hauptrichtusgeu  in 
<^r  scholastischen  Logik  unterschieden  werden  können, 
velche  teils  gleichzeitig,  teils  nacheinander  aufgetreten  sind 

*)  Uan  stellte  d&her  zuweilen  geradezu  auf  Grund  dieser  Verschieden- 
™  des  QueUenmaterials  eine  vetus  logica  UBd  eine  nova  logica  einander 
MUQber.  Die  erstere  umlafite  die  Katesoiien  und  de  interpretatione  von 
^istolcles,  die  Isasoge  des  Forphyrius,  die  Abhandlunsen  des  Boölhius  de 
WMDe  nnd  de  ditferentiis  topicia  und  den  Liber  sex  principionim  des 
'^'llwrt  Pon«tanus,  die  letztere  die  beiden  Analytiken,  die  Topik  vmd  die 
Soptiatici  elenchi  von  Aiiatoteles. 


OgIC 


58  T.  Teil.    AbgninzDiu;  tmd  allgemeine  Oesolüobte  der  Logik. 

und  durah  ihre  Stellungnahme  zu  einzelnea  Hauptproblemen 
der  Logik  und  Erkenntnistheorie  charakterisiert  sind. 

Unter  den  allgemeinen  Werken,  welche  die  Geschichte  der  scbolastischen 
Logik  behandeln,  sind  am  wichtigsten  Pranll,  Geschichte  der  Logit  im  Abend- 
lande,  Bd.  2,  Leipzi«  188&  {bis  Averroea  einschl.),  B4  3,  1867  (bis  Occam 
einschl.).  Bd.  *,  1870  (Schluß);  B.  Haur^u,  De  la  Philosophie  scolasUque, 
2  Bde.,  Paris  1850  u.  Hisloire  de  ia  Philosophie  scolastique,  3  Bde.,  Paris 
1872—1890;  M.  de  Wulf,  Hisloire  de  la  Philosophie  mfdiivalt.  Louvain  1900 
und  Le  probltoie  des  Universaus  dans  son  6vol,  bist  du  11. — 13.  3iöcle,  Areh. 
f.  Gesch.  d.  I'hilos.  1896,  Bd.  9,  S.  427;  W.  Kaulich.  Geschichte  der  scholast. 
Philosophie,  Teil  1,  Praff  1663  (Eriugena  bia  Ab&lard);  Albert  SlöckV  Ge- 
schichte der  Philosophie  des  Mitlelallers.  Ü  Bde..  Mainz  1864,  1865  a  1866^ 
K.  Werner,  Der  Entwicklungsgang  der  mittelalterlichen  Psychologie  von  Al- 
cuin  bis  Albertus  Maenus,  Wien  1676  (Denkschr.  d.  Wien.  Akad.,  philos.- 
hislor.  Kl.,  1876,  B^  2D,  S.  69),  und  Scholastik  des  späteren  Mittelalters, 
4  Bde.,  Wien  1881 — 1887;  H.  Siebecit.  Zur  Psychologie  der  Schoiaslik,  Arch. 
f.  Gesch.  d.  Philos.,  1888—1^0,  Bd.  1— Ö:  M.  Grabmano,  Die  Geschichte  der 
scholastischen  Methode,  FreiburR  1909  u.  1911  (bis  jetzt  2  Bde.  erschienen); 
Francois  Picavet,  De  l'orisine  de  la  scolastique  en  France  et  en  Allernaene, 
Bibl.  de  i'ic.  des  haut.  6t.  Bd.  1,  Paris  1688  *,  Estluisse  d'une  histoire  generale 
et  compar^e  des  philosophies  m^^vales,  Paris  1906.  2.  Aufl.  1907'*,  Essais 
3Ur  l'hist.  frtn.  et  comp,  des  thfologies  et  des  philoe.  mSdiSv.,  Paris  1913; 
J.  A.  Endres,  Geschichte  der  mittelalt.  Philos.  im  christl.  Abendlande,  Kempten- 
MQnchen  1908,  und  Forschungen  z.  Gesch.  d.  frühmittelallerl.  Philos.,  Münster 
189Ö  (in  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Philos.  d.  Mittelalt.,  Bd.  17,  H.  2—3);  CL  Bäucdccr, 
Die  europ.  Philosophie  des  Mittelalters,  Kult.  d.  Gegenw.,  I,  5,  Berl.-Leipzig 
1909;  Franz  Overbeck.  Vorseschichte  und  Jugend  der  miltelallerlichen  Scho- 
lastik, Basel  1917,  und  viele  andere.  Die  Werke  von  E.  Blanc  waren  mir 
nicht  zugänglich.  —  Viele  wertvolle  Terte  und  Untersuchungen  sind  in  den 
.Beitragen  zur  Geschichte  der  Philos.  des  Mittelalters",  hrsg.  von  CL  Bäuin- 
licr  (seit  1891)  und  in  der  Sammlung  .,Les  phUosophes  du  moven  Age",  hrsg. 
von  M.  de  Wulf  (seit  1903)  veröffentlicht.  Auch  die  von  Ilaur^au  veröflent- 
lichten  Kotices  et  extraits  de  quelques  manuscrils  lalins  de  la  bibliolhkiue 
nationale,  Paris  3890—1893,  sind  unentbehrlich. 

§  17.  Friihperiode  der  seholastischen  Logik.  Eriu^na, 
BoscelinuB,  AnaelmuH.  Johannes  Scotas  Eriugena 
(um  810  bis  ch.  877)  hat  sich  in  seinem  philosophischen 
Hauptwerk  De  divisione  naturaeO  anch  eingehend  mit 
logischen  Fragen  beschäftigt').    Die  Dialektik  oder  „logicu 

')  Dasselbe  ist,  obwohl  lateinisch  geschrieben,  unter  griechischem  Titel 
(ntfl  ^MtoK  fitputfuv)  veröffentlicht.  Von  neueren  Ausgaben  sind  am  leich- 
testen zugänglich  die  FloBsche  in  .Migncs  Palrologie,  Bd.  12E  (1863)  und  die 
SchlüUrsche.  Manchni  1838. 

')  Die  Bedeutung  Eriugenas  für  die  Geschichte  der  Logik  ist  zuerst  von 
l'rantl  (1.  c.  Bd.  2,  S.  2aitj  gewürdigt  worden.  Vibet>,  den  Text  des  Weites 
vgl.  L.  Traube  und  E.  K.  Band  in  AbK  d.  Kgl.  Bayer.  Ak.  d.  Wiaä,  philos, 
u.  phiIoL  bist.  Kl.,  1912,  B.  26,  1.  Abh. 

„.,.,„.>..oo^sic 


2.  Kapitel.    Ailgemeine  Gesctiicbte  dtr  Logik.  59 

rationalis"  ist  Dach  seiuer  Auffassung  diejeuige  Disziplia, 
velche  die  vernunftnoäßig  aufzufassenden  Gemeiobe^iffe 
erforscht  (communium  animi  conceptionum  rationabilioiu 
dütgeoB  investl^trixque  dificiplina,  De  div.  uat,  I,  29,  ed. 
Schlüter  S.  35),  also  von  der  Ehetorik  und  Grammatik  wohl 
Tu  nnterscheiden.  G«genüber  den  übrigen  Teilen  der  Wis^en- 
«chaft  (sophia),  nämlich  der  practice  activa,  der  phygice 
naturalis  und  der  theolt^ia  nimmt  »ic  insofern  eine  b<>' 
soudere  Stellung  ein,  als  sie  zeigt,  „quibus  reguHs  de  una- 
quaqne  trium  aliarum  partium  disputandum"  (I.  e.  III,  29 
a.  30,  S.  265).  Beide  Definitionen  fallen  insofern  zusammen, 
als  Gringena  die  wesentlicheu  „Regeln",  welch«  von  der 
lagik  den  anderen  Wissenschaften  geliefert  werden,  auf  die 
Bildung  der  Gemeiubegriffe,  die  divisiones  a  generallssimis 
ad  speeialiasLois  und  die  collectio  a  speeialiseiniis  ad  genera- 
lissima  bezieht  (I,  16,  S.  22).  Die  divisio  bezeichnet  er  auch 
als  merismus,  die  collectio  als  analytiee  (II,  1 ,  S.  86) ').  Die 
Stafenleiter  schreitet  also  von  den  Gattungen  (genera)  zu  den 
Arten  (forma«)  und  von  diesen  zu  den  Individuen  (ousiae) ') 
fort  Arten  und  Gattungen  sind  also  nicht  wie  bei  Aristoteles 
bet«rogen.  Die  höchsten  Gattungen  sind  die  Kategorien 
(essentia,  qoantitas,  qualitas,  ad  aliquid,  situs,  habitus,  locus, 
lempuB,  agere,  pati,  I,  16,  S.  22).  Diese  wie  auch  die  (äat- 
bugeo  und  Arten  existieren  nicht  nur  als  Begriffe  und  auch 
nicht  etwa  nur  i  n  den  Einzeldingen,  sondern  auch  unab- 
hängig vom  menschlichen  Deuten  und  vor  den  Einzeldingen 
als  ankörperliche  Wesen.  Die  Einzeldinge  erfassen  wir  mit 
den  Sinnen,  dem  sensus  corporens,  das  Allgemeine  —  die  res 
per  se  immatal>ile8  —  mit  dem  Intellekt,  dein  purus  mentis 
contuitns  (I,  63,  S.  64).  Trotz  dieser  realiBtiscli-outologischen 
Auffassung  der  Ällgemeinbegriffe  lehrt  Eringena,  daß  die 
Worte  mit  den  Allgemeinbegriffen  übereinstimmen,  wenn 
nicht  zosamnwnfallen,  entsprechend  der  Doppelbedeutung  des 
Wortes  iöyof,  und  zwar  infolge  der  von  Gott  den  Worten 
verliehenen  natura  superessentialis  (IV,  7,  S.  330  und  m,  9, 
S.  201).    Hierdurch  wird  verständlich,  daß  die  spateren  sog. 


')  .In  anderer  Steile  (De  divina  praedesl.,  I,  1.  .Mittne»  Patrol.,  Bd.  Vi2. 
ä.  36S)  unterscheidet  er  vier  Methoden :  iminnur^  s=  divisoiis,  ifMiM^  ^=^ 
iiAmixt,  mntittxtixi  =  demoostrativa,  ärmXvtai  ^  resolutiva. 

*j  Ka  scheint  mir  übriBeiis,  daß  Job.  Scolus  den  Tennlnua  ousia  in 
•topKllera  Sinne  braucht,  bald  lOr  Individuum,  bald  für  essentia. 


OgIC 


50  I.  T^    AbgrenniDg  and  aUgemaine  Oeeobioht«  der  Jjagik. 

Nominalisten  (e.  unten  S.  61)  sich  auf  Scotns  beriefen,  obwohl 
seine  Hanptlebre  dem  NommaliBmas  ^radezn  entgegen- 
gesetzt war.  Die  Beziehang  des  Intellekts  zu  den  Allgemein- 
begriffen  ist  nach  Scotna  so  zu  denken,  daB  das  Allgemeine 
dem  menschlichen  Geist  innewohnt  (inest)  und  durch  die 
Dialektik  nur  zur  Erkenntnis  gebracht  wird  (TV,  7 — 9). 

An  diese  Lehre  des  Scotus  Eriugena  und  an  eine  von 
Boethins  kommentierte  Stelle  der  Isagoge  des  Porpbyrins 
knüpften  sich  mannigfache  Streitigkeiten,  bei  denen  schon 
frühe  die  Bedeatong  der  Universalien  (vgl.  S.  53),  d.  b.  der 
AlIgemeinbegritEe  bzw.  des  Allgemeinen  die  Hanptrolle 
spielte*).  Es  traten  nämlich  Scholastiker  auf,  welche  den 
AIlgemeinbegrifFen  lediglich  eine  Existenz  in  dem  mensch- 
lichen Denken  und  in  den  das  Denken  ausdrückenden  Worten 
zuschrieben.  Im  Gegensatz  zu  den  früheren  Scholastikern, 
welche  den  Allgemeinbegriffen  und  speziell  den  Kategorien 
und  den  quinque  voces  auch  eine  objektive  Realität  an- 
schrieben und  daher  als  reales  (antiqui)  bezeichnet  wurden, 
bezeichnete  man  die  Anhänger  der  nenen  Lehre  als  nomi- 
nales (modemi  *).  Die  Begründung  der  nominalistischen 
Schule  wurde  schon  im  Mittelalter  Boscelinus  von  Com- 
piögne  zugeschrieben,  der  in  der  ^.  Hälfte  des  11.  Jahr- 
hundertB  gelebt  hat.  Es  ist  jedoch  nicht  ansgeschloseen,  daß 
Boscelin  ältere  Vorgänger  gehabt  bat.  Größere  Schriften 
sind  weder  von  ihm  noch  etwaigen  Vorgängern  erhalten,  so 
daß  wir  bezüglich  der  logischen  Anschauungen  dieser  älteren 
Nominalistenscbnie  fast  ganz  auf  die  Mitteilungen  ihrer 
Gegner,  namentlich  Anselms  (s.  unten)  angewiesen  sind  ^). 
Danach  läßt  sich,  wenn  man  alle  sichtlichen  Enfatelinngen 

')  Vgl.  Beinera,  Der  aristotel.  Realisoius  in  der  FrQhscbolastik  usvi. 
Aachen  1907,  und  die  S.  66  zitierte  ScLrilt  von  Willner.  —  Der  LibeUuB  de 
rational!  et  ratione  uti  von  G  e  r  b  e  t  t  (Sylvester  U,  t  ICXB),  Mignes  Patrol., 
Bd.  139,  S.  157,  sieht  außerhalb  der  groBen  Streitfragen,  die  damals  auf- 
tauchten (vgl.  Fr.  Picavet,  Un  pape  pbilosophe  d'apr^  l'hist.  et  d'aprfis  bt 
lögeDde,  Fatis  1897,  S.  lil  ff.].  Dasselbe  gilt  anscheinend  auch  von  R  &  d  u  I  - 
fusArdene  (um  1100},  aus  dessen  Speculum  universale  Grabmana  Lei, 
S.  348  nianches  Interessante  initteilt  (Einteilung  d.  Wissenschaften,  Einteilung 
der  Logik  in  Grammatica,  Dialectica  und  Rheloiica  usf.). 

*)  Abweichend  von  der  oben  em&hnten  Teiminologie  (S.  &7,  Antn.  4). 

'')  So  erklärt  sieb  auch,  daS  die  Oescbichtsschteiber  der  Scholastik 
Roscelin  außerordentlich  verschieden  beurteilen.  Vgl.  P^^  Picavet,  Roacelin, 
pbilosophe  et  th^oL  d'apris  l'histoire  etc.,  Fariä  1911  (auch  Ec.  prat.  des  h&ut. 
«.,  Paris  1896). 


3.  EapHeL    AUgemone  Oesohirbte  dar  Logik.  61 


der  nominalistisGhen  Lehre  durch  ihre  Feinde  beiseite  läßt, 
das  Prinzip  der  damaligen  Nomiaalisten  etwa  folgender- 
maSen  darstellen.  Wenn  wir  irgend  eine  Eigenschaft,  z.  B. 
eine  Farbe,  von  einem  farbigen  Gegenstand,  z.  B.  einem 
Pferd,  abstrahieren,  so  ist  diese  Abstraktion  lediglich  ein 
Produkt  unseres  Denkens  nnd  unserer  Sprache,  eine 
real  getrennte  Eigenschaft,  z.  B.  schwarz  exbtiert  nicht. 
Ebenso  ist  die  Zosammenfassung  von  Teilen  zu  einem  Ganzen, 
die  Zerlegung  eines  Ganzen  in  seine  Teile  und  die  Beziehung 
der  Teile  aufeinander  nichts  real  Existierendes,  sondern 
koomit  erst  im  Denken  und  Sprechen  zustande.  Wie  weit  die 
damaligen  Nominalisten  diese  Behauptung  auf  alle  Be- 
öehnngen  ausdehnten,  ist  zweifelhaft.  Jedenfalls  betrach- 
teten sie  die  Zusammenfassung  des  Gleichartigen  zu  Arten 
und  Gattungen  nnter  Abstraktion  von  den  individuellen  hzw. 
den  artbildenden  Merkmalen  als  einen  besonders  wichtigen 
Spezialfall  dieser  ihrer  Hauptsätze  nnd'  schrieben  daher  den 
Üniversalien,  d.  h.  den  Allgemeinbegriffen  nur  subjektive 
Existenz  im  menscblicben  Verstand  nnd  in  der  menschlichen 
Sprache  zu.  Die  Einheit  der  Arten  und  Gattungen  sollte  also 
nur  in  dem  genteinaamen  Namen  bzw.  Begriff  liegen.  Die 
Dominalistische  Aof f assung ')  der  AUgemeinbegritfe,  ins- 
besondere  auch  der  Kategorien,  scheint  also  nur  eine  einzelne 
besondOTS  wichtige  Konsequenz  einer  viel  umfassenderen 
nominalistiscben  Auffassung  der  gesamten  Logik  gewesen  zu 
■ein.  Auch  muß  es  unentschieden  bleiben,  wie  weit  diese 
älteren  Nominalistm  die  Prozesse  der  Zusammenfassung, 
Teilung,  Abstraktion,  Generalisation  usf.  nur  der  Sprache 
oder  der  Sprache  und  dem  Denken  zuschrieben*).  Naeh 
QutDchen  Darstellongen  ihrer  Gegner  mochte  man  das  erstere 
glauben,  innere  Grunde  sprechen  für  letzteres;  anch  ist  wohl 
möglich,  daß  die  Nominalisten  im  Hinblick  auf  die  damals 
angenommenen  geheimnisvollen  Beziehungen  zwischen  Be- 

'}  Vg\.  hierzu  aamentlich  einen  Brief,  den  Abaelard  Cber  Boscelin  an 
den  Bischof  von  Paris  schrieb  (Petri  Aluelardi  Opp.  bactenus  aeors.  edila  etc.. 
•d.  V.  Cousin,  Paria  1859,  Bd.  2,  S.  150^,  und  Cousins  Bemerltungen,  ibid.. 
Bd.  1,  S.  40  u.  51,  sowie  Abaelard,  De  divisioi\.  et  defin.,  Oeuvr.  inädils,  ed. 
Cousin,  Paris  1886,  S.  473^  lemer  Anselm,  De  fide  trin.  elc.  c.  2  (S.  366), 
und  Job.  t.  Salisbury,  Hetoloficus,  IT,  17  (S.  874}. 

'}  Uan  beachte,  daS  z.  B.  in  dem  oben  zilierten  Brie!  gerade  in  diesem 
fWkle  die  handscbriftUche  Überlieferunt!  divergiert  (bez.  der  Worte  „sed 
«Am  tocem"). 


1,1^. OQi 


,g,c 


I.  Teil.    AbgroOEung  und  alleeineine  Geschichte  der  D)gik. 


griffen  und  Worten  (vgl.  S.  59)  zwischen  Sprechen  und 
Denken  gar  nicht  scharf  nnterBchieden. 

An  der  Spitze  der  Keaktion  gegen  diesen  Nominalismas 
stand  A n 8 e i m n 8  von  Canterbury")  (1033— 1109),  d»r, 
an  piatonißch-auguatinische  Lehren  anknüpfend,  gegenüber 
den  Nominaliaten  —  den  haeretici  dialecticae,  wie  er  sie 
nannte  —  die  Realität  der  „snbBtantiae  universales"  be- 
hauptete und  sogar  die  Wahrheit  der  Urteile  in  die  Essenz 
verlegte  '^).  Der  sog.  outologische  Gottesbeweis  Änselms  (ab- 
gekürzt etwa:  Deo  nihil  majus  cogitare  potest  —  easet  in  io- 
telieetu  et  in  re  majus  est  quam  esse  in  solo  intellectu  — 
ergo  Deus  non  potest  cogitari  non  esse  —  ergo  est)  wird  von 
diesem  Standpunkt  aus  einigermaßen  verständlich.  Im 
übrigen  hat  Änselm  die  Entwicklung  der  Logik  nicht  ge- 
fördert. 

Eine  noch  extremere  Ausbildung  dieser  realistischen  Lehre  in  onto- 
loRischer  Richtung  versuchte  Wilhelm  v.  Champeaux")  (1070  bis 
1121],  von  dessen  Si^ritten  uns  nur  Fragmente  erhalten  sind.  Er  behauptcA, 
daB  in  den  Einzeldingen,  z.  B.  SokraleR,  nur  das  Allgemeine,  z.  B.  der  homo 
universalis,  Substanz  sei,  das  Individuelle  hingegen,  also  im  asgezogenen 
Beispiel  die  „Sokralitas"   nur  akzidentell   sei,  wie  ähnlich   schon  Boßthius 


'")  Kür  die  I«gilc  sind  folgende  Schritten  Anselins  am  wichtigsten: 
üialogus  de  verilale,  Üialogus  de  gramniatico.  Nfonologium  de  divinitatia 
essentia,  l'rDSlDgion  seu  Alloquium  de  Dei  existentia  und  De  lide  Irinitatis  et 
de  incimatione  Verbi.  Sie  finden  sich  sämtlich  im  158.  Band  der  Migneschen 
PatPologie  (1863—1864).  Über  Anselma  Stellung  zur  Logik  vgl.  auch  van  Wed- 
dingen, Essai  crilique  sur  ia  philoa.  de  St.  .\iiselme  de  Cant..  M*ro.  de  i'Acad. 
de  Belg.,  Bd.  46  (mir  nicht  zuganglich). 

"]  „Est  igitur  verilas  in  omnium  quae  sunt  essentia.  quia  hoc  sunt, 
ciiiodin  summa  veritate  sunt"  Dial.  de  ver.  c.  1,  S.  176).  Als  EssenE  hatte 
üuintilian  (InstiL  orator.  III,  6,  23,  ed.  Rademacher,  Lips.  1907,  Bdj  1,  S.  144) 
die  erste  Kategorie  den  aristotelischen  Tafel,  also  die  ovo«»  bezeichnet,  fCtf 
die  er  sonst  auch  das  Wort  subslantia  braucht.  Allmählich  bekam  aber  der 
Terminus  essentia  eme  andere  Bedeutung.  Aristoteles  hatte  den  Terminus 
ohaUt  für  die  vuin  tltoi  KUcCallete  vili),  z^uweilen  aber  auch  für  daa  tU*e 
als  solches  gebraucht  (v^L  S.  83).  Pori^hvriu.s  und  Boüthius  hatten,  die  Einzel- 
iveseu  als  nfüttn  avahu  den  Mg  und  yivi}  als  den  dtviifta  *v<rfu  g^an- 
übergestellt  (S.  50  u.  53);  demgegenüber  machte  sich  bei  den  Patristen  und 
namentlich  bei  Scotus  Eriugena  ^Ue  divis.  uat.  1,  46  ü.  unter  Berufung  auf 
Dionysius  Areopagita)  das  Bestreben  gellend  die  otkfia  ^  essentia  als  abaolot 
unkörperiich  zu  deuten:  sie  ist  incorporea,  incorruptiblilis,  nulle  sensui  cor- 
poreo,  nullo  Jntellcclui  comprehensibilis  (seil,  quid  sit).  Die  prirase  sub- 
slantiae  des  Porphyrius  und  Boölhius  scheiden  damit  aus  den  Essenzen 
gänzlich  aus. 

")  Vgl.  ß.  Micliaud,  Guillaumc  de  Champeaux  et  les  6co1ea  de  Paria 
au  Xlie  a'\Me,  Paris  1867,  namenll,  I.  3—8,  S.  PS  ff.;  G.  Letövrw,  Les  varia- 


OgIC 


2.  Kapital.    Allgcmcia«  Geschichte  der  Logik.  g3 

bbaupiet  hatte  ■'].  Das  Allsemeine  existiert  vor  den  Eiozeldingen  (uni- 
retsaie  ante  res)  und  wflrde  auch  «tialieren,  wenn  keine  Ein^eldjnge 
fMüerter. 

§  18.  Übergattgsxeii  von  der  1.  zur  2.  Perlode  der  Seho- 
It&tik.  Abaelard.  Gilbert  Porretanos.  Hugo  St.  Victor. 
Petras  Lombardns.  Johannes  t.  Salisbnry.  Abaelard 
(1079 — 1142)  kaunte,  wie  Prantl  gezeigt  hat'),  wahrseheiB- 
lieh  bereits  auch  einige  hie  dahin  fast  unbekannte  aristo- 
telische Schriften,  so  namentlich  die  beiden  Analytiken. 
Auch  müBsen  zu  aeiner  Zeit  zu  den  Übersetzungen  des  Boe- 
tiins  bereits  nenere  hinzugekommen  sein  (vgl.  S.  65,  Anm.  8). 
Damit  ergab  sich  eine  wesentliche  Erweiterung  des  Gesichts- 
kreises der  logischen  Untersuchungen,  die  auch  in  den 
If^riscben  Anschauungen  Äbaelards*)  bereits  bemerklich 
wird.  In  seinen  ontologischen  Grundanachauungen  lehnt  sich 
Abaelurd  an  Plato  an,  in  der  Ausführung  der  logischen  Sätze 
bleibt  er  jedoch  fast  ganz  von  den  peripatetischcn  Lehren 
abhängig.  Die  Praedicamenta  und  Postpruodicamenta  wer- 
den wie  üblich  aufgezahlt,  die  quinqno  voces  ihnen  als  Ante- 
praedicamenta  vorauegeechickt,  dabei  aber  als  sechste  vox 
„individuum"  hinzugefügt  (Gloss.  in  Porph.  ed.  Cousin 
S.  553).    Die  substantia  oder  subsistentia  ist  das  generalissi- 


ÜDos  de  G.  de  Ch.  ei  la  queslion  des  Universaux :  Elude  suivie  de  doc.  orisiD)., 
Tiav.  et  Uim.  de  l'Unir.  de  Lille,  Tonte  VI,  taä8.  Htm.  No  20  (unter  den 
»Den  Dokumenten  a,  namentl.  Nr.  \;  S.  2L  „De  essentia  Dei,  et  substantia 
Dei  et  tribus  ejus  personis"). 

")  Comm.  in  Porphyr,  a  ae  Iranslat  Lib.  111  (Mignes  Patrol.,  Bd.  W, 
ä  106:  Dolla  . . ,  addiluii  diflerentia  suttsiantialis  ad  hominem,  ut  äocrates 
*«  aut  Cicero  . . .). 

')  L.  c.  Bd.  2,  S.  98H. 

*)  In  Betracht  kommen  für  die  Kenntnis  derselben:  Dialectica  (beraus- 
E^Rben  und  mit  diesem  Titel  versehen  von  V.  Cousin  in  den  Ouvrages  in^ls 
^AWtard,  Paris  1836,  S,  171  fl.),  zahlreiche  Kommentare  (Glossae  in  Por- 
Aninm,  in  CatCBorias  usf..  ebenda  S.  561 H.)  und  Invectiva  in  quentdam 
<niuvm  dialectices  (Opp.  ed.  Cousin,  Paris  18*9,  Bd.  1,  S.  6e&— 699).  Die 
SchnA  Über  diviaioausi  et  definilionuin  ist  von  Cousin  als  ä.  Teil  der  Dia- 
^%  L  c.  S.  4^0,  abgedruckt  worden,  nach  Prantl  handelt  es  sich  um  eine 
''ttindere  Monograiihie.  Die  Glossilae  super  Porphyrium  deren  Echtheit 
iKifethalt  ist,  sind  nur  in  einem,  französischen  Auszug  bekannt  (bei  Charles 
'ItRtinusal,  Abölard,  Paris  18*5,  Bd.  2,  S,  93^111,  vgl.  aber  Grabmann, 
^  c-  Bd.  2,  S.  175).  Die  sehr  interessante,  von  Cousin  dem  Abaelard  zu- 
rachriebene  und  in  den  Ouvr.  in^dils,  S.  505  ff.  mit  verüClentlichle  Sdirift 
:J**  tetieribus  et  speciebus"  ist  nach  Prantl  (1,  c,  S,  1t+)  u.  a.  sicher  nicht 
'on  ihm  verfaßte 


.oo^Sic 


Q^  I.  Teil.     Ät^retu-.nng  and  allKemmie  Oeschiobte  der  Lo^k. 

mom  und  daher  die  oberste  materia.  Dnroh  einen 
Schöpfnngsakt  (ereatio)  der  mens  dei  entstehen  ans  dem 
geaeraliesimnm  die  verschiedenen  Oattongen  und  ans  dieeeu 
die  Terschiedenen  Arten.  Allenthalben  werden  Gattungen 
und  Arten  als  gleichartig,  d.  h.  als  Stufen  desselben  Difleren- 
ziemii^prozesses  betrachtet*),  aber  allerdings  —  wie  schon 
bei  Aristoteles  selbst  —  die  Spaltung  des  generalisaimum  in 
genera  viel  weniger  erörtert  als  die  Spaltung  der  einzelnen 
genera  in  die  species.  Die  letztere  Differenzierung  erfolgt, 
wie  schon  Porphyrios  lehrte,  durch  die  düTerentiae  substan- 
tiales  (1.  e.  S.  477).  Die  species  besteht  materialiter  aus  der 
Gattung,  formaliter  ans  der  diflerentia  snbstantialis.  Die 
Arten  einer  Gattung  sind  durch  die  consiniilitudo  substantiae 
zu  einer  Einheit  verbunden.  Die  letzte  Stnfe  des  ganzen 
DifFerenziemi^aprozesses  sind  die  Einzeldinge  (Individuen). 
Indes  nimmt  Abaelard  für  die  Individuation  doch  eine 
wesentlich  andere  Differenzierung  an  als  für  die 
Spaltung  in  Gattungen  und  Axien,  Insofern  er  den  Individuen 
einer  Art  keine -differentia  snbstantialis  zuschreibt,  son- 
dern nur  eine  numerische,  „entiale"  Verschiedenheit,  ohne 
allerdings  diese  beiden  Arten  der  Verschiedenheit  klar  zu 
bestimmen  *). 

Ofienbar  entsprechen  diese  auch  von  Plato  stark  beeinIluBten  An- 
schauungen einem  gem&Bigteren  RealisnniB  (S.  60):  die  univeraalia  sind  zwftr 
nicht  ante  res,  aber  doch  als  ein  Belbst&ndiger  Bestandteil  in  rebus*). 
Damit  steht:  auch  in  FinUnng,  daB  die  Auffassung  der  Universalien,  obwohl 
sie  ihr  subsistere  nur  in  den  tndividuen  (per  individua)  haben,  doch  duich 
eine  besondere  Tätigkeit,  den  conceptus  (conceptio}  intellectus  (rationis),  d.  b. 
die  erfassende  Tätigkeit  der  Vemvinft  erfolgt.  Insofern  der  Intellekt  das 
Seiende  einlach,  wie  es  ist,  eifafit,  heiBt  er  intellectus  pums.  Und  doch  nähert 
sich  Abaelard  andererseits  einem  vemäßigten  Nominaliamus.  Er  lehrt  oftmr 
lieh  in  Übereinstimmung  mit  Aristoteles,  daB  die  Galtung  dasienige  sei,  „quod 

3)  Vgl.  Lib.  divis.  et  def.,  ed.  Cousin,  S.  4&7.  Selbst  wenn  ein  Schfip- 
fungsakt  vorliegt,  bleibt  die  Frage  nach  dem  Prinzip  der  Differenzierung 
zulässig. 

*)  Auch  scheint  mir  Abaelard  dieser  Lehre  untreu  zu  werden,  wenn  er 
vielfach  die  Individu«!  als  principales  oder  primae  substantiae  bezeicbneL 
Vgl.  oben  &  &»  u.  50. 

>)  Man  hat  diese  in  gewissem  Süme  zwischen  Nominaliamua  und 
RealisiDUB  stehende  Ansicht  auch  Konzeptualismus  genannt  (Cousin, 
Hauröau,  R6musat),  indes  ist,  wie  schon  Prantl  hervorgehoben  hat,  dieser 
Name  unzutreffend:  auf  die  begriffliche  Natur  oder  die  Denkauffassung  der 
UniversaUen  bat  Atiaelard  gar  nicht  das  entscheidende  Gewicht  gelwt  Jedeo- 
falls  muB  die  Abaelardsche  Ansicht  scharf  von  dem  späteren  Konzeptualismus 
getrennt  werden. 


2.  Ka^iteL    Allgemeine  Gesohichle  der  Lof^k.  55 

utmo  est  de  pluiibus  vraedicui".  Es  besteht  slso  snrissennaBen  eise 
nmosbeBtiminte  Beziebuiu  äta  AUsemunen  im  obiektiTen  Sinne  zu  unseren 
Innuen,  (Urteilen,  sennones).  Das  Allsemeine  kuin  d&her  insoweit  als 
Wort  (toi)  bezeichnet  werden,  als  unter  dem  Wort  nicht  die  Lauterscheinung, 
soideni  seine  allsemeine  Bedeutung  verstanden  wird.  So  weicht  also  Abaelard 
Tcn  dem  ausgesprochenen  Realismus  nicht  nur  dadurch  ab,  daS  er  eine  vom 
bxündiieDen  gesonderte  Existenz  der  Universalien  bestreitet,  sondern  auch 
iluin,  daB  er  dem  raeoscblicbea  Denken,  speziell  dem  aussagendea  Urteil, 
iwar  nicbl  die  Hervorbringung  der  Universalien,  aber  doch  eine  allgemein- 
Klttiie  uiaprflnglicbe  Bedeutung  lu  ihnen  zuschrieb.  Daher  ist  nach  Abaelards 
AdSusdos  auch  im  Urteil  weder  der  sprachliche  Ausdruck  noch  die  Ge- 
<^enTeri)indung  das  Wesentliche^  sondern  die  wirkliche  sachliche  Inh&renz 
iicnim  inhaerenlia  realis).  Dabei  bleibt  freilich  unaufgeklärt,  wie  die 
wechselnden  Urteile  diese  sachliche  Inhärenz  anders  als  durch  die  Vermittlung 
uiner  Gedanken  ausdrflcken  kannten.  Die  LOcken,  Dunkelheiten  und 
Wideraprüche,  welche  der  Abaelardschen  Lehre  in  dieser  und  anderen  Be- 
riehunien  anhaften,  erklären  sich  vielleicht  zum  Teil  aus  allmählichen  Wand- 
timgen  seiner  Ansichten;  auch  sind  wir  bezQglich  mancher  Schriften  zur 
Zeit  noch  auf  unvollständige  auszugsweise  Übersetzungen  angewiesen. 

Nach  einer  anderen  Ricbtung  als  Abaelard  versuchten  die  soc  I  n  - 
differentisten  zwischen  dem  extremen  Nomioalismus  und  dem  ex- 
tremen  Realismus  zu  vermitteln.  Als  ihr  Uauptvertreter  ist  wahrscheinlich 
Adelard  von  Batb  zu  betrachten,  der  zwischen  llOö  und  1117  eine 
Schrift:  De  eodem  et  diverao*)  verfaBteL  Nach  dieser  Ansicht  ist  das  Uni- 
rerselle  als  ein  Unterschiedsloses  (,4  n  d  i  1  f  e  r  e  n  s")  in  den  Einzeldingen 
Toiiiuiden;  sie  entfernt  sich  durchaus  nicht  so  weit  von  den  Ansichten 
.Uaelards,  als  man  nach  den  Angriffen  des  letzteren  auf  die  indifferentistische 
l'^re  veraiuten  möchte.  In  der  weiteren  Ausfahrung  scheinen  die  Inditteren- 
tisten  sich  wieder  teils  dem  Nominaliamns,  teils  dem  Realismus  angeschlossen 
ni  tubeo.  Die  ersteren  fahrten  es  lediglich  auf  die  Verschiedenheit  der  Auf- 
lassang  (respectus)  zurück,  warn  wir  bald  das  Allgemeiue,  bald  das  Einzelne 
ds  Dinge  auffassen,  die  letzteren  schrieben  den  Universalien  schlieBlich  doch 
wieder  eise  Existenz  nach  Art  der  plalonischen  Ideen  zu  (so  z.  B.  Adelard 
^n  ipsa  noy"  Gottes). 

Gilbertns  Porretanus  (de  la  Ponte,  ca.  107fr-llH)»),  der 
SKher  die  beiden  Analytiken  des  Aristoteles  bereits  kannte  ■},  untersdieidet 

'i  üorausgeg.  von  Hans  Willoer  in  den  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Fhilos.  des 
HiUelalters,  Bd.  4,  H.  1,  Hauchen  1906  (vgl.  iu  der  beigegebenen  Analyse 
itiiQeDUich  S.  Mff.]. 

*]  In  Betracht  konmit  hier  namentlich  der  Kommentar  zu  BoCthius,  De 
indtate,  abgedruckt  in  Bd.  H,  S.  1265  der  lligneschen  Patroltwe  und  der 
'Jtwr  sei  principiorums  abgedruckt  z.  B.  in  der  llt)&ndigen  Averroes-Ausgabe 
*.  J.  1560—1668  in  Bd.  1,  1662,  S.  31—8*,  und  in  Mignes  Patrol,  Bd.  188. 
S.  1367  (hier  aber  von  Ermolao  Barbaro  spracbUch  umgearbeitet).  Vgl.  über 
ilui  namenlücb  Berthaud,  Gilbert  de  la  Porrto  £ve<iue  de  Poitiera  ef  sa  phiio- 
scphie,  Poitiers  1892  (Th^e  de  Besancon),  namena  S.  81  ff. 

')  Die  Einführimg  der  Topife,  der  Analstiken  und  der  Sophtatici  elenchi 

in  Deutschland  (natürlich  in  lateinischer  Übersetzung)  ist  das  Verdienst  des 

^hofs  Otto  von  Freising  (IH*— 1168,  vgl.  Schmidlin,  Die  Philos.  Ottos 

«n  Freising,  Philos.  Jahrb.,  190Ö,  Bd.  18,  S.  156).    Als  Übersetzer  kommen 

2i)hen,  IjehAuch  der  Logik.  6 

„.,,„,  ^.oogic 


66  ^  T^^-    AbgreDnuig  nnd  allgemeine  Oesoluchte  der  Lc^k. 

du  ,/iuod  est"  der  Snbslanz  als  das  eubsisteiis  von  dem  „quo  est"  als  der 
flubsiatentia.  Die  Ide«i  sind  Hubststentiae.  In  der  Halerie  sind  sie  als  fonnae 
aiibstaDtiales  [fonnae  nativae)  wirksam  und  geben  so  AnlaS  zur  EntstAuns 
dei  Arien  und  schlieBlich  auch  der  Indrnduen.  Auch  letzleren  kommt  je  eine 
sinsuiaris  subsistentia  zu.  Während  aber  das  Individuelle  niebt  nur  sub- 
s  i  a  t  i  t ,  sondern  auch  aub  s  t  a  t ,  insofern  ea  auch  Irteer  von  Akzidentien 
im  Sinne  der  neun  letzten  Kategorien  ist,  heiBt  es  von  den  gntera  et  apecies: 
aubaistunt  tantum,  non  aubstant  vere.  Das.  menschliche  Denken  a&mm^t 
das  Allgemeine  aus  dem  Einzelnen  und  gelangt  so  zur  Erkenntnis  des 
Enteren.  Unter  den  neun  letzten  Kategorien  weist  er  die  Qualit&t  und  Quan- 
tität und  —  wenigstens  im  Kommentar  zu  Boetbius  —  auch  die  Relatioii 
dem  vere  esse  (der  natura  subsistentis)  zu,  während  die  übrigen  sich  nur 
auf  die  wechselnden  Zustände  (Status)  beziehen.  Die  EinzelerSrterung  der 
sechs  letzten  Kategorien  in  der  Schrift  „De  sex  principüs"  zeigt  keinen  Fort- 
schritt über  die  älteren  Logiker  heraus.  Ais  die  sechs  Prinzipien,  d.  h.  Kate- 
gorien, werden  hier  angefahrt:  actio,  passio,  quando,  ubi,  positio,  babitus. 
Vorausgeht  ein  Kapitel  de  forma,  am  SchluS  folgt  eine  Untersuchung  de  eo, 
quod  est  plus  minusve  susdper^  d.  h.  Ober  die  Frage,  ob  die  Gradabstufunsen 
in  der  Substanz  oder  den  Akzidentien  liegen. 

HugOTonStVictor»)Cca,  1096—11*1)  nimmt  eine  Sondeistellung 
ein,  insofern  er  die  Logik  wieder  fast  ganz  als  eine  propädeutische  Anweisung 
zum  wissenschaftlichen  Denken  und  zum  richtigen  sprachlichen  Ausdruck 
auffaßt  und  sie  in  grammatica  nnd  ratio  disserendi  einteilt  PetrusLom- 
b  a  r  d  u  s  '')  (gest  1164)  nahm  einen  ähnlichen  Standpunkt  ein.  Obwohl  aein 
Hauptweik,  Seutentianjm  tibri  qualuor,  die  Logik  fast  vollständig  ignotiert, 
gab  ea  doch  weiterhin,  da  es  lange  Zeit  das  gebräuchlichste  dogmaüsche  Lehr- 
buch hlieb,  fOr  die  logischen  Didcussionen  der  späteren  Scholastiker  vielfach 
Stoff  und  Grundlage  ab. 

Johannes  von  Salisburv")  (Sarisberiensis,  ea.   111&— 1180) 

Jakob  von  Venetia  (v^.  S.  f&,  Anm.  3)  und  ein  Henricus  Aristippus  von  Ca- 
tania  (gesi  11^  m  Betracht  Vgl.  darOber  Grabmann,  1.  o.  Bd.  %  S.  TOR. 
mit  weiterer  Literatur. 

*)  Eniditio  didascalica  oder  Didascalicon,  Mignes  Patolt^ie  Bd.  176, 
S.  738  (namentl.  B,  2ff.,  18tf.  ui  26B.)  und  De  unioqe  corporis  et  aniniae 
(Spiritus),  Mignea  Patrol  Bd.  177,  S.  286^-2».  Vgl.  Ober  ihn  AI  Hignoa,  Lea 
origines  de  la  scolastique  et  Hugues  de  Saint-Victor,  Paris  1895,  namentL 
Bd.  1,  S.  79«.;  B.  Hauriau,  Les  Oeuvres  de  Hugues  de  S,  "Victor,  a  Aufl., 
Paris  1886  (erste  Aufl.  luiter  d.  Titel:  Hugues  de  S.  Victor,  Nouvel  ezameit  de 
redition  de  ses  oeuvrea  1659).  Derselben  Schule  gehört  auch  Gottfried 
V.  St  Victor  an,  dessen  Föns  pbilosophiae *  (von  Charma  herausgegeben. 
Caen  1868}  eine  kurze  Wissenschaftslebre  in  Versen  gibt  (vgl.  Qrabmann, 
I.  c  Bd.  2,  S.  319). 

10)  Hignes  Patrologie  Bd.  192,  S.  619.  Für  den  Standpunkt  des  Petrus 
Lombardus  sehr  bezeichnend  z.  B.  Lib.  II,  Dist.  34,  Nr.  6.  Vgl.  tiber  ihn 
namentlich  Koeget,  P.  Lomb.  m  seiner  Stellung  zur  Philosophie  des  Hittel- 
altera,  Greifswald  1897,  und  J.  N.  Espenberger,  Die  Philosophie  des  P.  Lomb. 
und  ihre  Stellung  im  12.  Jahrbondert,  Münster  1901  (in  Beitr.  z.  Gesch.  d. 
Philosophie  des  Mittelalters  Bd.  3,  H.  6),  namenU.  S.  12  ff. 

")  Für  die  Logik  kommen  von  seinen  Schritten  namentlich  in  Betracht 
der  PolJcraticus  und  d«  Melalogicus  (Mignea  Patrologie  Bd.  199,  S.  38Da.  823). 


OgIC 


2.  EiqtiteL    Ailgemeioe  Oesdiicht«  der  Loeik.  67 

iireiiMr  der  eisten,  welche  die  gesamten  logischen  Schriften  des  Aristoteiea 
tuaten  (wahrscheinlich  nunetttUch  durch  VermitlluDS  von  Adam  de  Petit- 
Prot,  der  ein  Werk  de  arte  dialectica  mit  BenOtzung  einer  Übersetziins  der 
.ItalrttbeD  und  Topiken  schrieb).  Seine  eieenea  Leistungen  auf  dem  Gebiete 
iier  Locik  beschrftcken  sich  fast  ganz  aul  eine  redegewandte,  aufierliche 
Sanpiktion  der  ihm  zuglnglichen  bgischen  Lehren,  wobei  auf  die  innere 
rbeieinstinununc  kaum  geachtet  wurde.  Auch  betonte  er  selbet  immer  wieder, 
JiS  die  Lc«ik  im  wesentlichen  nur  als  Werkzeug  fflr  Ethik  und  Theologie  zu 
ifienen  habe,  und  grifi  die  Spitzfindigkeiten  der  SchuUogikar  (,<iiiwnil'xiui 
tenülalores")  heftig  an.  Wenn  er  sich  selbst  zur  Partei  der  modemi  (Metalog., 
Fnloc.;  Tgl.  S.  60)  stellt,  so  versteht  er  darunter  jetzt  nicht  mehr  die  nomi- 
mliitis^e  Richtur^,  sondern  die  mit  der  E^rweiterung  der  Kenntnis  der 
uutoteiischen  Schriften  Hand  in  Hand  gehende  allgemeine  Erweiterung  der 
logischen  Forschungen  ").  Insbesondere  tritt  bei  ihm  die  Lehre  vom  SchluB 
sdwn  vid  mäa  in  den  Vordemnind. 

Etwas  iOnger  als  Joh.  v.  Satisbury  ist  ein  Nicolaus  t.  Amiens, 
der  wahrscheinlich  als  Verfasser  der  Ars  catholicae  fidei  anzusehen  ist  (nach 
uderen  Alanus  de  Tnsulis).  Fflr  die  Geschichte  der  Logik  ist  dies 
VeA  deshalb  interessant,  weil  hier  die  malhematiBche  Methode,  wie  sie 
spiler  z.  B.  ^inoza  anwandte,  zum  ersten  Male  auf  einem  nidit-mathe- 
matischen  Gebiete  versucht  wird.  Vgl.  darüber  z.  B.  Grabmann,  1.  c.  Bd.  2, 
S.  a&B.  —  Petrus  v.  Poitiers  (gest  120^)  scheint  bereits  auch  die 
MetaphTsik  des  Aristoteles  gekannt  zu  haben. 

§  19.  ByzantiiilBehe  and  arabische  Logiker.  Die  Grün- 
dung: des  lateiDischen  KaiBertums  führte  dazu,  daß  —  nament^ 
lieh  auf  Betreiben  des  Papstes  Innozenz  Ut.  zd  Anfang  des 
13.  Jahrhunderts  —  Theologen  aus  Frankreich  nach  Eon- 
stantinopel  kamen,  wo  Bie  die  byzantioisehe  logische 
Literatur  kennen  -lernten  und  nach  ihrer  Rückkehr  im 
Abendlaade  weiter  verbreiteten.  In  Byzanz  hatten  nämlich 
im  AnschlnB  an  die  früher  erwähnten  Kommentatoren,  Joh. 
PhUoponos  n.  A.  (vgl.  S.  47),  zahlreiche  Schriftsteller  di« 
Beschäftigung  mit  den  aristotelischen  Schriften  fortgesetzt. 
Besonders  wichtig  wurde  für  die  weitere  Entwicklung  der 
Ix)gik  im  Äbendlande  ein  logisches  Kompendium,  betitelt 
2bo^(£  mI^  r^v  'Agtatotilovs  loytx^v  ijttm^fMiv^),  welches 
dank  seiner  didaktisch  geschickten  Abfassung  rasche  Ver- 
breitung im  Westen  gefunden  haben  muß.    Der  Text  dieser 

&slerer  ist  neuerdings  von  Clemens  C.  J.  Webb  mit  einer  Einleitung  und 
Anmeikungen  in  2  B&nden  herausgegdwn  worden  (Oxon.  1909).  Der  Mela- 
logicns  ist  auch  ftlr  die  Geschichte  der  scholastischen  Logik  eine  wertrolle 
Quelle. 

'^  Tgl.  hierzu  wie  flbeiiiaupt  zu  den  logischen  Schriften  des  Joh.  V. 
Salisborr  namentlich  PranU  Bd.  2,  S.  ll&fL  ^x.$»iB. 

')  Synopsis  organi  AiistoteUci,  M.  Psello  «utore,  ed.  EI.  Ehinger,  Witten- 
beig  1G07  (griech.  Text  mit  lat.  Übersetzung). 


1,1^. OQi 


,g,c 


igrenEnng  tud  aDgemeiae  Geachiohts  der  Lo^. 

Lt  nahezu  wörtlich  mit  den  später  zu  er- 
imulae  logicales  des  Petrus  Hispanns 
;rein,  ist  aber  nicht  vollständig'  erhalten. 
1")  annahm,  daß  ein  zu  Plato  hinneigender 
Dyzanimiscner  Philosoph,  Michael  Psellus*)  (1018  bis 
Oft.  1079),  die  Synopsis  verfaßt  habe  und  die  Summnlae  des 
Petrus  Hisp.  eine  Übersetzung  derselben  seien,  kommt  nach 
neueren  Untersuchungen*)  schwerlich  Psellus  als  Verfasser 
ia  Betracht;  auch  hat  man  hin  und  wieder  umgekehrt  die 
Synopsis  für  eine  Übersetzung  der  Summulae  gehalten  (wohl 
mit  Unrecht).  Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  beherrschte  dies 
Buch  für  mehrere  Jahrhunderte  den  Unterrieht  in  der  Logik. 
Was  den  Inhalt  anlangrt,  so  kamen  die  allgemeinen  Grund- 
lagen der  Logik  sehr  kurz  weg,  um  so  ausführlicher  wurde 
dagegen  die  logische  Technik  behandelt  und  zwar  durchweg 
im  Anschluß  an  die  aristotelischen  Lehren.  Für  die  spätere 
Entwicklung  besonders  einflußreich  war  ein  Abschnitt  „De 
terminorum  proprietatibns",  in  welchem  die  signiflcatio 
(a^ftaaitt,  Bedeutung),  suppositio  (vnö&sois,  Einsetzung  eines 
substantivischen  Begriffs  bzw.  Worts  für  ein  anderes,  z.  B. 
„Mensch"  für  „Sokrates"),  copulatio  [ffv/»7rJU*iJ,  Einsetzung 
eines  attributiven  Begriffs  bzw.  Worts  für  ein  anderes)  usf. 
erörtert  wurde').  Zum  ersten  Male  werden  hier  auch  die 
eymbolischen  Yokalbezeichnungen  für  die  vier  Hanptformen 
des  Urteils  und  entsprechende  Memorialworte  und  Memorial- 
sätze für  die  Schlußflguren ')  und  Urteilsverhältnisse  an- 
gegeben. 


»)  L.  c.  Bd.  1,  S.  658  u.  Bd.  3,  S.  266  H.  sowie  M.  Psellua  u.  Petrus 
Hispanus,  Leipzig  1867. 

*)  Von  Psellus  existieren  kurze  Paraphrasen  zum  Organen  des  Aristo- 
teles (z.  B.  voa  Jacobus  Foscarenus  herausgeit.  u,  übersetzt  Venet.  1532). 

<)  Vgl.  R.  Stapper,  Die  Summulae  logicales  des  Petrus  Hispanua  und 
ihr  Verhftltnia  za  Michael  Psellus.  Festschr.  z.  1100  jähr.  Jub.  des  Deutschen 
C.  sanlo  in  Rom,  Freiburg  1897,  S.  130—136. 

■>)  In  den  Summulae  des  Petrus  Hispanus  und  den  logischen  Werken 
des  Wilhelm  Shyreswood  und  Lambeit  v.  Auxerre,  die  ebenlalls  ganz  auf 
dem  Standpunkt  der  Synopsis  stehen  und  nach  Prantl  aus  ihr  geschöpft 
haben,  folgen  dann  Erörterungen  über  appellatio,  ampliatio,  restrictio,  distri- 
buüo,  relaüo  {vgl.  den  speziellen  Teil). 

•)  Die  Verwendung  geometrischer  Figuren  zur  Veranschaulichuni; 
einzelner  SchlußQguren  flndet  sich  schon  bei  Philoponus,  CommenL  in  duoa 
prior.  Analyt.  Arisl.  libr,,  7..  B.  Venet.  1560,  S.  13,  22  usf.  (in  der  Akad.  Ausg. 
nur  zum  Teil  abgedruckt,  g.  Bd.  XIII,  1,  S.  38  und  Bd.  XIII,  ^  FraefaL.  Supp] 
S.  XXXVir  u.  Vn,  Anm.  2). 


1,1^.001 


,g,c 


:  Eqntel.    Allgemaine  Gasohichte  der  Logik- 


Ebenso  bedenfflam  nud  ganz  unbestritten  ist  der  EinfloB 
der  arabischen  Philosophie^  aof  die  echolastische  Logik. 
Die  Araber  hatten,  wahracheinlicb  dnrcb  syrische  Lenker 
angeregt,  schon  viel  früher  als  die  Scholastiker  sämtliche 
Originalwerke  des  Ariatotetes  übersetzt  nnd  ihren  logischen 
üntersnehnngen  zugrunde  gelegt. 

Der  älteste  arabische  Schriftslciler,  von  dem  uns  auslührlichere  logische 
Scbrilten  erhalten  sind,  ist  A 1  k  e  n  d  i  ■)  (gest.  um  870),  der  vielleicht  den 
Atistoteles  selbst  übersetzt  und  zahlreiche  Eommenlate  zu  seinen  logischen 
Wnkao  geschrieben  haL  Bekannter  und  einflufireicber  wurde  im  Abendland 
Alf&rftbi')  (gesL  um  9fiO}.  Er  betrachtet  die Beweisfabruiw  (argumentatio) 
als  den  Hanptgegenstand  der  Logik.  Die  logica  utens  hat  es  mit  ihr  als 
Wofczeug  za  tun,  die  locica  docens  untersucht  das  Wesen  der  Beveisfübning. 
Qa>  Ziel  ist  Erkenntnis  eines  Unbdonnten  auf  Grund  des  Bekannten.  Bei 
dem  Suchen  des  Unbekannten  handelt  es  sich  entweder  um  die  einfädle 
Frage,  „quid  nt"  (=  incomplezum),  oder  um  die  Frage,  „an  verum  vel  falsum 
Bt"  ^  complexum).  Der  erste  Teil  der  Logik  behandelt  daher  die  „definitio" 
oder  „quiddit&s",  der  zweite  die  arjumentatio  (Urteile,  Scbltlsse,  Beweise}. 
Die  SchwieriAeit,  substantia  und  essentia  (vgl  S.  %  u.  f^  und  die  nunmehr 
Bocb  hinzugekommene  quiddilas  (vgl.  ro  tl  intr,  S.  34)  zu  imterscheiden, 
acheint  von  AU&r&bt  nicht  gelöst  worden  zu  sein.  BezOglich  der  Allgemein- 
begriSe  nahm  A.  einen  vermittelnden  Standpunkt  ein.  Das  Allgememe  (uni- 
versale) ist  ein  „unum  de  mutüs  et  in  multis".  Sonach  kommt  ihm  eine  ge- 
Koderte  Existenz  nicht  zu.  Dementsprechend  ist  auch  das  Individuelle 
(singulare)  nicht  lediglich  ,4n  sensu",  sondern  auch  „in  intellectu",  und  das 
Allgemeine  nicht  nur  ,4n  intellectu",  sondern,  insoweit  es  im  Individuellen 
memischt  ist  (in  singulari  nüitum  et  confusum),  auch  ,4n  sensu"  >"}. 


*)  VgL  zum  folgenden  im  alleemeinen  auBer  Prantl  1.  c  namentlich 
Ptiedr.  Dieterici,  Die  Logik  und  Psichologie  der  Araber  im  10.  Jabrh.  n.  Chr. 
Leipzig  1866,  S-  1&— M,  und  PhUoaophie  der  Araber  im  10.  Jahrb.,  Teil  I, 
Leipzig  1876,  namentl.  S.  131  ff.,  171 H.,  TeU  2,  1879,  S.  1*8—166. 

*)  Seine  pliilosophisehen  Abhandlungen  sind  von  Albino  Naer  in  den 
Beitr.  z.  Gesch.  d,  Philos.  des  MtlteUlters,  Bd.  8,  H.  6,  Münster  1897  herau»- 
Kgdwn  worden  (e.  namenU.  S.  41  ff.).  Vgl.  auch  G.  Flügel,  Al-Kindl,  gen.  d, 
Philosoph  d.  Araber  usf.,  Leipzig  18ö7  (Abb.  f.  d.  Kunde  des  MorgenL  Bd.  1, 
Sr.  2),  S.  7  B.  u.  21  L 

*}  Vgl.  Steinschneider,  Al-Farabi,  des  arab.  Philesophen  Leben  und 
Schriften  etc.,  Petersburg  1869  (Mgm.  de  l'Acad.  imp:.  d.  sc.  de  SL  Fätersb. 
T.  Siiie,  Tome  13,  No.  4,  S.  13  ff.)  und  Friedr.  Dieterici,  Alfarabis  Philosoph. 
Abhandlungen,  Leiden  13S2  (arab.  Ausg.  1880),  namentl.  S.  61  ff.,  83  u.  139  0. 
(Kategorien).  Eine  Kompilation  aus  Alfarabi  und  anderen  srabischen  Pbilo- 
upha  ist  die  um  1160  verfaßte  Schrift  De  divisione  philosopbiae  von 
Oamenicus  Gundissalinua  (vgL  Ludw.  Baur,  in  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Fhilos.  des 
UiltelalUra  Bd.  i,  H.  2-3,  Münster  1903,  namentl.  S.  69  ff.  u.  28i  fl.\ 

»)  Vgl.  Albert  Magn.,  Analyt.  post.  Lib:  I,  Tract  1,  Cap.  8,  ed.  Borgnet 
Bd.  2,  S.  9.  Obrigens  ist  zu  betonen,  daB  in  den  Berichten  des  Albertus 
Uagmis,  auf  welche  sich  diese  Darstellung  stützt,  oft  nicht  zwischen  den 
Uhren  des  Alfftrftbl  und  denjenigen  des  Avicenna  unterschiedeo  wird. 

„.,,„,^.oogic 


70  !•  Teil.    At^reDiang  und  sUgemeiDe  GsacbicJito  der  Lo^lt. 

Avicenna  (ca.  980—1037)  hat  «ine  Logik  verfaBt,  von  dei;  uns  nur 
eia  Teil  in  einet  alten  lateinischea  Übersetzung  erhatten  ist  i'].  AuBerdctm 
kennen  wir  ein  kürzeres  logisches  Kompendium  in  Qeatalt  einer  französischen 
Übersetzung  von  Vattier  ").  Er  steht  im  allgemeinen  auf  dem  aristotelischen 
Standpunkt^  bewahrt  sich  aber  in  vielen  Punkten  doch  eine  gewisse  Selb- 
ständigkeit. Sieht  man  von  der  neupta  toniseben  metaphrsischen  Grundlegung 
des  logischen  Systems,  die  auch  bei  Avicenna  noch  eine  große  Rolle  spielt, 
hier  ab,  so  bleibt  etwa  folgender  Gedankengang  ").  Es  gibt  zwei  Arten  der 
ExistenE,  die  potentielle  und  dia  aktuelle.  Das  Begriffliche  hat  potentielle, 
die  natürlichen  Dinge  haben  aktuelle  Existenz.  Während  für  das  höchste 
Wesen  quidditaa  und  Existenz  zusammenfallen,  bedarf  fOr  alle  anderen  Wesen 
nicht  nur  die  quidditas,  sondern  auch  die  Existenz  einer  besonderen  Ursache: 
die  quidditas  reicht  als  Existenigrund  nicht  aua  In  den  natürlichen  Dingen 
kann  man  —  wenigstens  in  Inldlichem  Sinne  —  Uaterie,  Form  und  Akij- 
dentien  unterscheiden.  Durch  die  beiden  ersten  werden  die  wesentlichen 
(ersten)  Eigenschaften  eines  Dings,  durch  die  von  den  neun  letzten  Kate- 
gorien abhängigen  Akzidentien  die  unwesentlichen  bestimmt  Das  Begriffliche 
ist  an  sich  weder  universal  noch  sinsulär.  Erst  in  seiner  VerwirUicbung  in 
den  Dingen  wird  es  universal  oder  singulär.  Daher  kann  Avicenna  sagen, 
daS  die  Gattungen  —  genera  logica  entsprechend  den  genera  naturalia  — 
sowohl  ante  res  wie  in  rebus  sind.  Sie  sind  aber  schließlich  auch  post  res, 
insofern  die  AllgemeinbegriSe  erst  in  unserem  Denken  (intetlectus)  atati«hiert 


*')  Abgedruckt  in  Avicennae  peripat.  philosophi  ac  medicorum  facile 
primi  opp.  in  lucem  redacta,  Venet  149&.  Sein  die  ganze  Philosophie  um- 
fassendes Hauptwerk  (Chifä  =  Heilung  oder  Eit&iMuäifü)  ist  bis  jetzt  nicht 
flbersetzt  worden.  Die  venelianische  Ausgabe  ausgewählter  Werke  in  latei- 
nischer Übersetzung  v.  1.  1495  enthält  u.  a.  einen  Teil  der  Logik.  Der  Auszug 
aus  dem  Hauptwerk,  den  A.  selbst  unter  dem  Titel  Nadj&t  (Kitfib-nagfit)  ver- 
Oflenllichte,  ist  in  seinem  die  Logik  behandelnden  Abschnitt  mit  dem  oben 
erwähnten,  von  Vattier  Qbc-setzten  Ic^ischen  Kompendium  identisch.  Kn 
weiteres  logisches  Werk,  Ichftj'at,  ist  nur  arabisch  veröffentlicht  (ed.  Forget. 
Levde  188S). 

>*)  La  logique  du  Als  de  Sina,  conununfment  appelä  Avicerme  etc., 
Paris  1668.  Außerdem  existiert  noch  eine  metrisch  abgefaßte  Daratellung, 
die  Schmölders  in  den  Documenta  philos.  Arabum,  Bonn.  1SS6,  S.  26  mit- 
geteilt hat.  Auch  die  Schrift  De  anima  (in  der  veneüan.  Ausgabe  v.  J.  1495 
mit  abgedruckt)  ist  fOr  die  Logik  A^cennas  wichtig.  Sie  existiert  Obrigeos 
in  sehr  verschiedenen  Texten  (vgl  S.  Landauer,  Ztschr.  d.  Deutsch.  Uorgenl. 
Ges.  1875,  Bd.  2ä,  S.  336).  Unter  den  Schriften  Aber  Avicenna  sind  fdr  das 
Verständnis  seiner  logischen  Lehre  am  wichtigsten:  Prantt,  I.e.  Bd. 2,  S. 32öff.; 
B.  V.  Haneberg,  Zur  Erkennlnislehre  v.  Ibn  Sina  und  Alb.  Magnus,  Abh.  d. 
philos.-philoL  Kl.  d.  Kgl.  Bayer.  Ak.  d.  Wiss.  1866,  Bd.  11,  1.  Abi,  S.  18»; 
Muh.  asch-Schabrar.iitni,  Religionsparteien  und  Philosoph enschulen,  äbers.  vi 
Th.  HaarbrQcker,  Teil  2,  Halte  ISöl.  namenll.  S.  21ätf.;  Carra  de  Vaux, 
Avicenue.  Paris  1900,  namentl.  S.  157  ff. 

")  Infolge  der  Schwerzugänglichkeit  der  arabischen  Originalwerke  Avi- 
cennas  sind  die  Darstellungen  seiner  Lehre  noch  oft  schwankend,  wider- 
spruchsvoll und  sichtlich  unzureichend.  Ich  bin  im  allgemeinen  der  Dar- 
steHung  von  Carra  de  Vaux  gefolgt 


OgIC 


2.  EapiteL    lllgemeiiie  Oeschiokto  det  Logik.  71 

vaita  und  dunit  zu  dem  Wesea  (essentia)  Akzidentiea  hiozutreteo,  welche 
iaa  Sein  des  Denkens  eicentOmlich  aind  (propiü  istiua  sui  esse  nint).  So 
iaatü  also  den  GaUungswesenheiten  eine  dreÜllUse  Art  des  Seina  zu. 

Die  Titiskeit  des  Denkens  verlauft  nach  Avicenna  so,  daB  eine  iuBere 
,.TO  vprehenäva"  die  sinnliche  Wahrnehroui«  besorgt  und  dann  die  „nres 
vprehendeates  ab  intus"  einoseils  di«  „formaa  sensibiles"  und  andreramts 
die  ^tentiones  sensibiUum"  auffassen.  Die  forma  senaibiliB  iit  daaienise, 
«u  die  iuBeren  Sinne  auffassen  und  dann  dem  inneren  Sinn  überliefern, 
ät  intentio  aber  dasjenige,  was  die  Seele  an  dem  Wahrnehmbaren  erfaßt 
(ipprehen^t  anima  de  seneibiU)  ■*).  Die  prinia  intentio  betrifit  die  indiyi- 
duelien  Dinge,  die  secunda  intentio  das  Allgemeine  in  ihnen  ^*)  wie  Dberhanpt 
alles,  was  der  InteUrtt  lu  dem  Gegebenen,  d.  h.  dem  Einzetoen  hinzudenkt. 
Die  Logik  will  vom  Bdiannten  211m  Unb^annten  gelangen,  toq  den 
islentionibus  primo  intelleclis  zu  den  inlentiones  inteilectae  secuiulo.  -  Da 
mm  die  Dinge  unbekannt  sind  nur  in  bezug  aul  uns  (nou  nisi  quanturo  ad 
dm!,  so  fillt  der  Logik  die  Aufgabe  zu,  nach  Analogie  des  T^h&ltnisses  der 
Grmunatifc  zom  Sprechen  den  Hergang  dieses  Bekanntwerdens  und  seine  Be- 
dingungen zu  untersuchen  und  so  das  Denken  vor  IrrtQmem  zu  bewahren. 
Speziell  hat  es  die  Logik  nüt  jenen  Akzidentien  zu  tun,  welche  dem  Denken 
aitatOmlicb  sind  oder,  wie  er  es  auch  ausdrückt,  den  dispoäliones  [>ropriae 
isteüectni  (vgl.  Log.  f.  3,  A  n.  B  und  De  philoBoph.  prima  1,  2;  s.  auch 
oben). 

Die  beiden  Hauptmethoden  des  Erkennens  ^d  die  Definition  und  die 
BeweiafQbrung  (Urteile,  Schlfisse).  Die  erstere  hat  es  rnit  den  incompleza, 
die  letztere  nüt  den  complexa  zu  tun.  Die  oft  sehr  ^itzflndigen  Einzel- 
autführungen  lehnen  sich  gräStenteils  an  Aristoteles  oder  Porphyrius  an.  Die 
<iuinque  voces  (genus,  speciea.  differentia,  proprium  oder  proprietas,  accidens) 
werden  vom  Standpunkte  der  Universalienlebre  sehr  ausfobrlicb  bebandelt, 
nlaü*  kOizer  die  Kategorien.  Bemerkenswert  ist  hier  vor  allem,  daf(  A.  das 
.mbslaotiale"  als  ein  Hittieres  zwischen  Substanz  und  Akzidens  eii^ 
■chiebt").  Er  nimmt  nämlich  an,  daB  bei  flbersiimlichen  einfachen 
Wesen  nur  eine  quidditas  roriiege  („signiBcana  esse"),  daS  dagegen  bei 
msunmengesetzten  Dingen  die  quidditas  zusammengesetzt  sei  aus  mehreren 
xibstantialia  (weniger  zweckmäßig  essentialia  genannt).  Diese  Substantialien 
and  mit  den  Unirersalien  identisch.  Sie  sind  das  quäle  quid  im  Gegensatz 
Zorn  einfachen  quid.  So  ist  z.  &  album  ein  Substantiale  fflr  Schnee,  animal 
lüi  homo  usf.  Von  den  Substantialien,  welche  die  Essenz  eines  jeden  Zu- 
»mmengesetzten  ausmachen  („es  konstituieren"),  sind  die  „begleitenden" 
Bgenschaften  zu  unterscheiden,  welche  das  Zusarnmengesetzte  außerdem  in- 
folge seiner  Zusammensetzung  bat.  übrigens  acheint  Avicenita  eine  gewisse 
PeUtiTitit  des  quid  und  duale  quid  zuzugestehen. 


")  De  anima  (in  Opp.  Venet.  1608)  f.  4a--5a  (Pars  I,  Cap.  6). 

")  VgL  auch  die  in  vielen  Punkten  abweichende  Darstellung,  welche 
i'rantl  gibt  (Geach.  d.  Log.  im  Abendl.  Bd.  3,  2.  Aufl.,  S.  391,  z.  B.  Anni.  88  0.^ 

■*)  LogTca  f  4,  A  u.  B.  Siebe  auch  Albertus  Magnus  (Top.,  Lih.  1, 
^racLS,  Cap.Gt  ed.  Borgnet  n,  S.  S66):  „Dicit  enim  Avicenna,  quod  substan- 
tiale  medium  est  inter  substantiam  et  non  substantiam:  et  neque  est  accidens 
ceque  subetantia  proprie"  [desgl.  De  praedicament,  II,  9^  ed.  Borgnet  I,  S.  186). 


I.  Teil.    Akfreaznng  und  allgemeine  Oeschichta  der  Logik. 


An  Avicenna  scMoB  Edch  eng  Algazeli")  an  (1069—1111).  Eine 
selbsUndigere  Stellung  nimmt  AverroCs  (1136 — 119$  ein,  der,  im  Gegen- 
satz m  den  Vorgenannten,  nicht  im  Orient,  sondern  teils  in  Spanien,  teils  in 
Marokko  lebte.  Er  Terfafite  zahlreiche  Kommentare  und  Paraphrasen  zum 
Organen,  eine  £pitonie  des  Organen  und  einige  selbständige  Abhandlungen, 
30  namentlich  eine  Epislola  de  connexione  intellectuaabstr&cticumhomine^'), 
Destruclio  destructionis,  De  animae  beatiludine,  Epistola  de  inleUectu,  Intro- 
ducUo  logica,  Prolegomena  philosopbiae.  Sein  Hauptverdienst  besteht  in 
einer  sorgfältigen,  meistens  richtigen  Wiedergabe  und  Erklärung  der  aristo- 
telischen Schriften.  Bemeikenswert  ist,  daS  er  die  Bedeutung  der  Kategorien 
sehr  niedrig  einschätzt:  sie  sind  zunächst  nur  logisches  Hilfsmittel  bei  der 
BegTiff^>estimmunK  (formatio),  die  Metaphysik  Qbernimmt  sie  von  der  Logik. 
Auch  weicht  er  darin  von  Aristoteles  ab,  daB  er  an  Stelle  der  ZweJteUune 
in  den  rtit  ns^iuESf  und  noiqitxef  (vgl.  8.  37  n.  49)  eine  Dreiteilnng  setzt 
in  intellectus  agens  s.  activus^  int.  materialis  (potentialis)  und  passivus,  auf 
deren  Bedeutung  und  Einzelheiten  hier  nicht  eingegangen  werden  kann. 

Keine  erhebliche  Bedeutung  fOr  die  Weiterentwicklung  der  Logik  haben 
die  jüdischen  Philosophen  des  11.  imd  12.  Jahrhunderts ;  Avicebron 
(^  Avencebrol,  ca.  1030  bis  ca.  1070,  Föns  vitae"]]  und  Maimonides 
(113&— 130t,  Vocabularium  logicae  und  „Leitung  der  Zweifelnden"  *°))  sowie 
im  U.  Jahrhundert  Gersonides  (1288— 1344)  =>). 

§  20.  GhriBtliehe  Seholastiker  der  Höhezelt:  Alexander 
von  Haies,  Albertos  Maj^os,  Thomas  Ton  Aqitino,  Petrus 
HIspanns.  Auf  dem  Boden  der  Logik  der  Übergangszeit  und 
unter    dem    EinilaQ    der    byzantinischen    und    arabischen 

*^  Logica  et  philosophia  Algazelis  Arabis,  Venet.  1506.  Mir  bland  eine 
Ausgabe  von  1536  zur  Verfügung.  Siehe  auch  Aug.  SchmOlders,  Essai  sur  les 
£coles  philosopbigues  cbez  les  Arabes  et  notamment  sur  la  doctrine  d'Algaz- 
2ali,  Paris  1842. 

'■}  Eine  llbäudige  Ausgabe  seiner  Werke  ist  z.  B.  zu  Venedig  1560  bis 
1652.  erschienen.  In  dieser  enthält  Vol.  1  die  wichtigsten  logischen,  VoL  6 
die  psychologischen  Schriften,  Vol.  8  die  Metaphysik,  Vol.  9  die  Destractio 
destractionum  philosophiae  Algazalis  u.  a.  Vgl.  auch  die  Aufzähluiw  bei 
Gmest  Benan,  Averro^  et  l'AvenoIsme,  Paris  1852  (3.  AufL  1866),  S.  49; 
femer  Prantl,  I.  c.  Bd.  2,  S.  380 ff.;  Max  Horten,  Die  Metaphysik  des  Averroes. 
Halle  1912  (Abb.  z,  Philos.  u.  ihrer  Geschichte,  Nr.  36),  namentl.  &  38  ff. 
und  die  Hauptlehren  des  Averroes  nach  seiner  Schrift:  Die  Widerlegung  des 
Gazali,  Bonn  1913,  namentl.  S.  182  u.  268  ff. 

")  VgL  die  Angabe  der  lateinischen  Übersetzung  des  Joh.  Hispanus 
und  Dominicus  Gundissalinus  von  O.  Bäumkcr  in  den  Beitr.  z.  Gesch.  d. 
Philos.  des  Mittelalters,  Bd.  1,  H.  2—4,  Münster  1895,  namentl.  S.  1720. 

'0)  Ausgabe  von  S.  Munk,  Le  guido  des  6gaiia,  8  Bde.,  Paris  1666,  1861 
u.  1866  (mit  Erläuterungen),  namentl.  Bd.  I,  S.  104  ff.  u.  HI,  S.  136  &. 

")  Seine  Kommentare  zu  den  aristotelischen  Schriften  findet  man 
vielfach  in  den  alten  lateinischen  Ausgaben  des  Organons  neben  den  Kom- 
mentaren des  Averroes,  an  welche  sie  sich  im  ganzen  anlehnen,  abgedruckt. 
Außerdem  ist  ffir  die  I>>gifc  sein  Kommentar  'zur  Isagoge  des  Poiphyrius 
wichtig. 


lA.OOgIc 


2.  EairiteL    Allgemeine  Oesohioht«  der  ho^.  73 

Logiker,  vor  allem  aber  wohl  auch  dank  eiDem  ZaBammeD' 
viiien  mehrere  besonders  begabter  Männer  entwickelte 
dch  die  seholaatische  Logik  im  13.  Jahrhundert  zn  ihrer 
Höhe.  Zagleich  gewinnen  die  logischen  Lehren  des  Aristo- 
teles dank  ihrem  volletändigen  Bekamitwerden  in  zahl- 
reichen Übersetzungen  ihren  größten  Einflufl.  Die  Ver- 
wertimg nnd  Weiterbildung  der  aristotelischen  Logik  im 
Dienste  der  christlichen  Glaubenslehre  ist  das  ausgesprochene 
Ziel  der  logischen  Literatur  dieser  Zeit. 

Schon  in  den  Werken  von  Alexander  von  Halea') 
(gest.  1245,  Franziskaner)  finden  wir  Einweise  auf  Avicenna 
imd  Algazel.  Seine  Lehre  von  dem  dreifachen  Intellekt 
(intellectus  agens  —  separatus  a  corpore,  intellectns  possi- 
bilis  —  aeparabilis  a  corpore,  intellectus  materialls  —  in- 
separabüis  a  corpore)  ist  ofFeabar  den  arabischen  Philo- 
sophen, vielleicht  sogar  Averroes'),  entlehnt.  Im  übrigen 
tritt  bei  ihm  das  logische  Interesse  noch  ganz  hinter  dem 
rein-theologischen  zurück. 

Albertus  Magnus')  (1193—1280,  Dominikaner)  hat 
mit  grofier  Gründlichkeit  die  Lehren  des  Aristoteles  und 
aeiner  Kommentatoren  zosammengestellt,  ohne  freilich  die 
zahlreichen  Widersprüche  und  Unklarheiten,  die  sich  bei  den 
letzteren  angehäuft  hatten,  auszugleichen  und  zu  einem  ein- 
heitlichen, selbständigen  System  zu  gelangen.  Er  zerlegt 
niit  der  aristotelischen  Schule  die  Dinge  in  forma  und 
materia.    Erstere  bestimmt  das  „esse"  im  Sinne  der  Gattut^, 

1]  Summa  lheol<wica,  NOrabers  1 J6S,  namenU.  Teil  2,  Qu&eai  68B.  u.  69, 
Uembr.  IL  TgL  auch  J.  A.  Endr«9,  PhUos.  Jahrb.,  1886,  Bd.  1,  S.  2i.  namentl. 
S.  266  ff. 

')  Allerdings  betont  Endrea  mit  Reckt,  d&B  der  intellectus  materialis  bei 
Aleauder  Ualensis  äballcti  wie  bei  Alezander  r.  Apbiodisias  {vgl.  S.  48), 
TORogsweise  das  sinnliche  Erkenntnisvermögen  umlaBt,  dagegen  bei  Averroes 
änt  intellektuelle  Funktion  s.  str.  ist. 

*]  Opp.  omnia,  ed.  Borgnet,  Paris  1890.  Am  wichtigsten  sind  für  die  Logik 
lolf.  Sduüten:  De  praedicabil.  s.  de  universal.  (Bd.1,  S.l);  De  praedicamentis 
(l.lt9);  De  sex  princirüs  (1,3%);  Analytica  (I,459u.Ü,l);  Ferihermeneias 
(1.  SaZ)',  Topica  (B,  233}i  De  anima  (V,  117,  auch  606);  Melaphysica  (VT,  1); 
CommenL  in  IV  Hbr.  aent  (XXV ff.);  De  intetlectu  et  intelligibiU  und  andere, 
^«t  Albeit  handeln  mit  besonderer  Berücksichtigung  seiner  Logik  namentlich : 
faaa,  I.  c.  Bd.  3,  S.  89ff.;  Q.-  v.  Hertling,  AM  Magnus,  Beitr.  zu  s.  WOrdi- 
tnng,  Festsctar.,  KOhi  1880;  E.  Uichael,  Deutsche  Wissensch.  u.  deutsche 
Miatik  während  des  IS.  Jahrhl).,  Freiburg  ISOä,  S.  69  fi.;  A.  Schneider,  Die 
^"nchotogie  Alberts  d.  <}r.,  yonster  IWß  u.'  1906  (Beitr.  z.  Gesch.  d.  Pbilos- 
^  Mitteialt,  Bd.  4,  H.  5  u.  6). 

„.,.,„,>..oo^sic 


74  I'  ^BÜ.    AbgreniDog  und  allgnunDe  Gesohichte  der  Logik. 

die  quidditas  (das  quid  erat  esse),  letztere  das  „hoc  esse",  das 
„hoc  aliqnid".  Daher  echreiht  A.  —  kaum  ahweichend  von 
Aristoteles  —  dps  esse  universale  der  Form  und  das  esse 
Bii^nlare  als  principinm  individuationis  der  Materie  za.  Das 
„esse"  schlechthin  ist  fast  identisch  mit  Bxistenz  („quo  ali- 
qnid est"),  das  „hoc  esse"  oder  „qnod  est"  mit  Essenz  („quo 
ali^id  est  hoc").  Damit  glaubt  Ä.  doch  die  Ansicht  ver- 
einigen zu  können,  daß  die  Gattungen  sowohl  in  rebus  als 
universalia  (qnidditates,  universale  in  re  sive  cum  re  sin- 
ffuIarO  als  auch  ante  res  als  essentiae  (universale  in.  se  ipso) 
und  post  res  als  conceptus  (universale  in  anima)  existieren. 
Demgemäß  unterscheidet  er  ein  „esse  materiale  et  naturale" 
der  üniversalien  „in  singulari",  ein  „esse  simples  in  se"  und 
ein  „esse  spiritnale  in  anima".  Im  ersten  Sinne  sind  die 
üniversalien  die  snbstantiae  rerum-,  im  zweiten  die  suhstan- 

tialia  rerum  principia,  im  dritten  accidentia  et  qnalitates 

^Gelegentlich  scheint  er  sich  dem  Konzeptualismos  zu  nähern. 
Wichtig  ist  auch  der  Satz:  ens  in  anima  potius  est  iatentio 
rei  quam  res  (De  intell.  Opp.  ed.  Janumy,  Lngd.  1651,  S.  245). 

Besondere  Aufmerksamkeit  hat  Albert  dem  Erkeontnis- 
akt  geschenkt.  Er  unterscheidet  den  intellectuB  agens  and 
den  intellectus  possibilis.  Letzterer  deckt  sich  im  wesent- 
lichen mit  dem  vovg  tUtxä;  oder  intellectus  materialis  des 
Alexander  v.  Aphrodisias  (vgl.  S.  48),  Alhert  bestreitet  aber 
gegen  Averroes  u.  a.  seine  Materialität  Er  wird  erst  durcii 
den  intellectus  agens  in  Tätigkeit  versetzt.  In  der  kompli- 
zierten weiteren  Einteilung  des  Intellectus  und  in  der  Ab- 
grenzung der  einzelnen  Intellekte  gegeneinander  verwickelt 
sich  Albert  in  unlösbare  Widersprüche.  Erwähnt  sei  daher 
nur  noch,  daß  er  an  anderer  Stelle  die  „intelligentia"  als 
die  intuitive  Erkenntnis,  die  weder  mit  Deflnitionen  noch  mit 
Beweisen  zu  tun  bat,  der  ratio  als  der  diskursiven  Erkenntnis 
gegenüberstellt, 

Thomas  von  Aquino')  (1227—1274),  Albert«  Schüler, 
Dominikaner  wie  dieser,  hat  mit  Erfolg  versucht,  die  logi- 

*)  Far  die  Logik  sind  folgende  Weike  am  wichtigsUa:  De  «nte  et 
essenlia,  Kommentare  zu  den  Schriften  des  Aristoteles  und  des  Petrus  Lom- 
baidus.  Summa  de  veritate  fidei  catbolicae  contra  gentiles  (genles).  Summa 
totius  theolosiae,  QuaesUones  diaputatae  s.  quodlibetales,  De  unitate  intel- 
Ivctua  contra  Avenoistas,  De  principia  individuationis,  De  potentiis  animae. 
Eine  neue,  noch  nicht  vollst&ndige  Gesamlausffabe  seiner  Werke  iat  von 
Leo  XIIL  veranstaltet  worden  (1862  ff.).    Altere  Ausgaben,  z.  B.  Rom  1S70, 


2.  Kapitel    Allgemeiae  Oeschichte  der  Logik.  75 

sehen  und  metaphysiBchen  Lehren  desgelben  zu  einem  «infaeit- 
liehen  System  zn  verbrnden.  Seine  eelbständigen  logiBclien 
Leigtongen  Bind  unerheblich.  Die  Logica  oder  rationalis 
seientia  wird  von  ihm  schon  scharf  aof  das  Formale  be- 
sehräukt  („congiderat  taatnm  res  secundnm  prineipia  for- 
maÜA").  Sie  ist  die  Nonnwissenschaft  (directiva  ipeins  actns 
lationis,  Tgl.  S.  8).  Die  Vemnnft  kann  sich  selbst  ihre  Xormen 
geben;  denn:  ^oc  est  proprium  intellectivae  partis,  nt  in  se 
ipea  reilectatar.  Nam  intellectoB  intelligit  seipsnm,  et  similiter 
ratio  de  sno  acta  ratiocinari  potest"  (in  Anal,  post  1, 1).  Onto- 
logisch  steht  Th.  zunächst  ganz  anf  aristotelischem  Stand- 
pniikt :  Das  Allgemeine  existiert  nicht  getrennt  vom  Einzelnen 
(oniversalia  habent  esse  solnm  in  singolaribns).  Dann  aber 
erkennt  er  doch  an,  daß  im  Oeist  Gottes  die  Ideen  existieren, 
mu]  zwar  als  formae  sine  materia,  und  daß  die  formae  in 
materia,  d.  h.  im  Einzelnen,  von  den  formae  sine  materia 
stammen.  So  ergeben  sich  auch  für  Thomas  sowohl  aniver- 
salia  in  re  wie  ante  rem.  Den  göttlichen  Ideen  steht  die  von 
Oott  geschaffene  prima  materia  gegenüber.  Die  dimensional 
bestimmte  Materie  (materia  determinata  dimensionibns  sive 
aignata)  ist  das  Prinzip  der  Individnation  *).  Sie  spielt  för 
die  Individnation  dieselbe  Bolle  wie  die  ditferentia  consti- 
tntiva  für  die  Entstehung  der  Arten  (species)  ans  dem  genus. 
Kur  für  die  formae  sine  materia  (framae  separatae),  wie  z.  B. 
die  menschlichen  Seelen,  ist  eine  Selbst-Individuation  an- 
zunehmen. 

Der  Mensch  nimmt  zunächst  mittels  der  Sinnesorgane 
die  apecies  sensibiles  auf.  Angeborene,  von  der  Sinneswahr- 
uehmung  unabhängige  Begriffe  existieren  nicht,  vielmehr  ist 


ToMdis  liSä,  Paris  1660:  Eine  sorgfUtige  Ausgabe  Beiner  Dhilosophisclien 
Sehriften  fehlt  noch.  Das  philosophische  Hauptwerk  De  veritate  usf.,  auch 
Samma  fhilosophica  genaimt,  ist  auch  wiederholt  separat  enchienen,  ao 
Neauna  1^3,  Rom.  187S  (mit  Kommentar)  u.  1898.  Die  Ausgabe  von  1868 
enthilt  auch  einzelne  kleinere  philosophioche  Schriften.  Von  den  logischen 
Amdiuuincen  des  Thomas  handeln  namentlich:  M.  Liberatore,  Die  Erkemit- 
»ittbeorie  des  h.  Thomas  von  Aquin,  übers,  v.  Frenz,  Mainz  1861;  Ch.  Wil- 
lems, Kalos.  Jahrb.,  1901,  Bd.  «^  S.  287  u.  16,  S.  löO);  Ludw.  Scholz, 
TkMDu-Ladkon,  Paderiwm  1881,  2.  AulL  1895;  U.  GloBner,  Dos  Prinzip 
te  bdinduation  nach  der  Lclire  des  h.  Thomas  und  seiner  Schule,  P&der- 
bnni  1887  *.  BezOgtich  weiterer  Literatur  mufi  auf  die  Belichte  und  Original- 
ubeiten  in  dem  Jahrbuch  f.  Fhilos.  u.  spek.  TheoL  verwiesen  weiden 
(1886  H.). 

•]  Vgl.  z.  B.  De  anima  U,  1%  c. 


n,5,t,7rjM,G00glc 


76  1'  T^-    Abgrensang  and  allgemeine  Oesobiohte  der  I/)gik. 

der  Intellekt  bei  der  BegriffsbUdmi^  auf  die  Sinneswahr- 
□ehmong  angewieseD,  wenn  auch  die  sensibilia  cognitio 
keineswegs  die  totalis  et  perfecta  cansa  der  iatellectnaliB 
cognitio  ist.  Er  muB  ans  den  „species  sensibiles"  die  .^peciee 
intelligibiles"  „abstrahieren".  Daher  kann  Thomas  behanp- 
ten,  daß  die  tmiversalia  doch  auch  p  o  s  t  rem  seien.  In  Über- 
einstinuniing  mit  Aristoteles  lehrt  er,  daß  der  Intellekt  ein 
zwiefacher  ist:  Erstens  die  Fähigkeit  auf  Grand  der 
species  (fotmae)  sensibiles  die  species  (formae)  intelligibileB 
zu  erfassen  (=  intellectns  possibilis  als  potentia  receptiva 
formarum  intelligibilium)  und  zweitens  diese  erfassende 
Tätigkeit  selbst  (=  intellectns  agens).  Die  komplizierte  und 
unklare  Albertsche  Einteilung  des/Intellekts  wird  auf- 
gegeben. Die  Beziehung  auf  das  ludividaelle  ist  in  der 
prima  intentio')  des  Denkens  gegeben,  die  Beziehung  auf  das 
Allgemeine  (genas,  species  et  similia,  quae  quidem  non  in- 
veniuntur  in  rerum  natura,  sed  considerationem  ratioois  con- 
sequuntur)  in  der  eecunda  intentio  oder  intentio  universali- 
tatis.  Bei  der  secunda  intentio  handelt  es  sich  also  stets  um 
ein  „ens  rationis"  (im  Gegensatz  zum  ens  naturae),  und 
Thomas  bezeichnet  diese  eotia  rationis  ausdrücklich  als  den 
eigentlichen  Gegenstand  der  Logik:  „proprio  subjectum  logi- 
cae" ').     Weniger  klar  ist  die  thomistische  Lehre  von  der 

")  Man  beachte,  daB  für  Thomas  die  p  r  i  m  a  intentio  eine  indirekte 
Tfiligkeit  des  Intellekts  involviert,  insoFem  der  Intellekt  direkt  nur  das  All- 
gemeine erkennt  und  nur  indirekt  durch  eine  ,/iuaedain  reflexio"-  das  Ein- 
zelne erkennen  kann.  Diese  indirekte  Erkenntnis  des  Einzelnen  wird  ihm 
dadurch  möglich,  daB  er  gezwungen  ist,  infolge  seiner  Verbindung  mit  dem 
Kdrper  bei  der  aktuellen  Ericennlnis  auch  nach  der  Abstraktion  der  species 
intelligibileB  zu  Phantasmen,  d.  h.  zu  sinnlichen  Vorstellungen  seine  Zuflucht 
zu  nehmen.  Vgl  Summa  theo!.  I,  Qu.  86,  a^t.  1  (ed.  Migne  I,  1381 B.): 
„Respondeo  dicendum,  quod  singulare  in  rebus  nmterialibus  intellectus  noster 
directe  et  primo  cognoscere  non  poteat  . . .  Unde  intellectus  noster  directe 
noD  est  cognoscitivus  niai  universalium.  Indirecte  autem,  et  quasi  per  (luan' 
dam  reflexionetn,  polest  cognoscere  singulare,  quia  . . .,  eiiam  poatquam 
species  intelligibiles  abstraxerit,  non  potest  secundum  eas  actu  inteiligere, 
nisi  convertendo  se  ad  phantasmata,  in  quibus  species  intelligibiles  intel- 
lisit  ...  Sic  igitur  ipsum  universale  per  speciem  intelUgibilem  directe  intel- 
ligit,  indirecte  autem  singularia,  quorum  sunt  phantasmata"  (man  erwartet  im 
3.  Satz  statt  non  potest  nisi  logisch  einfach  potest).  Vgl.  auch  ibid.  Qu.  8^ 
art.  7,  S.  1312  und  De  principio  individuationis  (Opuscula  Nr.  29,  S.  161; 
in  der  Ausgabe  der  Summa  philosopbica  v.  J.  16ö3,  Bd.  1,  S.  ÜTB.).  Dabei 
erkennt  Thomas  ausdrOcklich  aa:  Jn  cognittone  bum&na  fundamentum  et 
origo  est  sensus". 

■<)  Expos,  ia  Uetaphya  Ahst.  IV,  i,  110  (ed.  Paris  1660,  Bd.  *). 


2.  EaptteL    mgemniie  0«e(Aichto  der  Logik.  77 

existentia,  essentia  und  enbstantia.  Mit  Albert  (vgl.  S.  74) 
unterscbeidet  Thomas  die  essentia  ^  q  n  o  d  est  von  der  exi- 
ftentia  =  esse,  qao  est  Leztere  heiBt  aach  oft  „esse" 
wblechthin.  Die  eesentia  „comprebendit  materiatn  et  for- 
mam"  "),  die  exlsteotia  hängt  von  dem  verwirklichenden  Akt 
der  forma  ab  (Summa  pbil.  11,51 — 54).  Mit  dieser  Unklarheit 
iängt  aach  die  zweifelhafte  Stellnns  zusammen,  welche  die 
snbstantia  und  die  qnidditas  in  der  Thomasschen  Lehre  ein- 
Dehmen.  Aach  läßt  sich  der  oben  angeführte  Satz,  daß  alle 
bdividnalität  (Einzelheit)  auf  der  Materie  beruht,  schwer 
mit  dem  weiteren  Satz  vereinigen,  daß  alle  Einheit  anf  der 
Einheit  der  Form,  unitas  formae,  beruht  (nihil  est  simpliciter 
nnurn  nisi  per  fonnam  unam,  per  quam  habet  res  esse). 

Johannes  Bonaventura  (1221 — 1274,  Franziakaner]  hat  sich, 
cemlB  seiner  starken  Herrorhebiing  der  aflekÜTen  Seite  der  Theolocie,  nur 
wenis  mit  logischen  UutersuchuDsen  beschUtigt.  Im  Ganzen  gewann  die 
■Ibertistisehe  und  tbomisUscbe,  also  dominikanische  Bicbluns  der  Logik  zn- 
nldot  mehr  und  mehr  die  (Verband.  Not  gelegentlich  macht  sich  von  frao- 
ziakanischer  Seite  Widerspruch  geltend  (Richaid  v.  Middletown). 

In  dieselbe  Zeit  fällt  auch  die  achriftstellerische  Tätig- 
keit des  von  den  Dominikanern  für  ihren  Orden  in  Anspruch 
genommenen  Petrus  Hispanus  (ca.  1226 — 1277).  Die 
von  diesem  herausgegebenen  Summulae  logicales '),  die,  wie 
S.  68  erwähnt,  vielleicht  eine  Übersetznng  eines  griechi- 
fichen  Werkes  sind,  vermieden  ^de  Parteinahme  in  den 
schwebenden  großen  ontologischen  Streitfragen  (Universa- 
lienstreit nsf.)  nnd  fanden  wohl  gerade  deshalb  allenthalben 
—  nicht  nur  bei  den  Dominikanern  —  Eingang.  Besonders 
bedeutungsvoll  war  das  ztmehmend«  Eindringen  der  Lehre 
von  den  proprietates  terminonun  (vgl.  S.  68),  indem  es  die 
Aufmerksamkeit  anf  die  logische  Bolle  der  Wort  b'edeotun- 
sen  lenkte.  Man  stellte  jetzt  diese  dergestalt  erweiterte  Logik 
geradezu  als  die  logica  modemonim  der  früheren  rein  aristo- 
telischen Logik  (logica  antiqna)  gegenüber'"). 

*)  Vgl  die  Schrift  De  ente  et  esaentia,  Opnscuta  Nr.  30,  S.  161  v  (ed. 
1868,  I,  s.  307)  Ober  die  komplizierten  Verhaltnisse,  welche  sich  zwischen 
«nentia,  existentia,  quidditaa  (nach  S.  151,  Z.  6  von  unten  nur  ein  anderer 
liuue  der  Philosophen  fOr  esseutia},  diffinitio,  subatantia,  forma  und  maieria 

*)  Die  Summulae  logicales  und  seit  1180  sehr  oft  gedruckt  und  kom- 
■»nliert  worden  (z.  B.  von  Versorius  Parisiensis,  Venet  1672> 

")  Uan  darl  diesen  Gegensatz  nicht  mit  dem  froher  erwähnten  zwischen 
wtns  nnd  nova  logica  (vgl.  S.  57  Anm.  4  u.  S.  60)  verwechseln.  Jetzt  rechnete 


78  f'  Teil.    Abgrenmog  nnd  aUgemeine  OesohitAite  der  Logib. 


§  21.  Roger  Bacon,  Raimond  Lnllns.  Diese  beiden 
Philosophen  stehen  chronologisch  zwischen  der  Höhezeit  und 
der  sog.  Verfallszeit  der  Scholastik.  Naeh  ihren  Lehren,  ins- 
besondere auch  in  der  Logik,  nehmen  sie  eine  vom  Hanpt- 
verlauf  der  Entwicklung  aBeeits  gelegene  Stellung  ein. 

Boger  Bacon 0  (zwischen  1210  and  1214  bis  nach 
]292,  Franziskaner)  entwickelte  seine  eigenartigen,  zum  Teil 
an  die  Philosophie  der  Benaissance  erinnernden  Lehren  in 
direktem  Gegensatz  zu  Thomas  v.  Aquino.  Der  Grammatik 
und  der  Logik  erkennt  er  unr  bedingten  Wert  zn.  Statt  der 
Grammatik  verlangt  er  Sprachenkenntnis  (ed.  Bridges,  Bd.  I, 
S.  66;  Compend.  stud.  philos.  ed.  Brewer  S.  433  fl.).  Er  weift 
auch,  daß  infolge  des  Mangels  an  letzterer  Aristoteles  viel- 
fach falsch  übersetzt  worden  ist.  Der  Logik  stellt  er  als  Vor- 
bild die  Mathematik  auf  (necesse  est  logicam  a  mathematicis 
dependere)  (ed.  Bridges  I,  S.  99 — 103).  Dabei  hat  eich  der 
gewöhnliche  Mensch  auf  die  Erfahrung  der  Sinne  („arga- 
mentnm  non  snfflcit,  sed  experientia"),  und  zwar  die  „ez- 
perientia  per  sensus  exteriores"  zu  stützen,  da  ratio  und  anc- 
toritas  trügerisch  sind  (ed.  Brewer  S.  397),  nur  für  die  Patri- 
archen und  Propheten  existieren  auch  illuminationes  inte- 
riores  unabhängig  von  der  Sinneswahmehmnng  (ed.  Bridges 
Bd.  n,  S.  167  ff.).  Dementsprechend  konunt  dem  Einzelnen 
ein  viel  größerer  Wert  zn  als  dem  Allgemeinen,  letzteres  ist 
nnr  eine  „eonvenientia  plurium  individuorum"  (1.  c.  I,  42  und 
n,  430). 

In  einem  ganz  anderen  Sinne  nimmt  Baimundns 
L  u  1 1  u  s  ')  (Ramon  Lnll  1235 — 1315)  eine  Anenahmestellung 


man  auch  die  frtthere  nova  logica  zu  der  losica  antiilUa.  Übrigens  scheint 
mir  der  Sprachsebrauch  hier  sehr  geschwankt  zu  haben. 

1)  In  Betracht  kcnunen  namentlich  das  Opus  majus,  herauBS^.  von 
J.  H.  firidges,  Oxford  1697—1900,  und  das  Opus  mijiuB,  zusammen  mit 
einem  zweifelhaften  Opus  tertium  hcrausgeg.  von  S.  Brewer,  London  1669 
(namentUch  S.  322a.>.  VgL  auch  Karl  Werner,  Die  Pavchologie,  Erkenntnts- 
und  WissenschaJtslehre  des  Roger  Baco,  Sitz.-Ber.  d.  Ak.  d.  Wbss.,  phil.-hist. 
KL  zu  Wien  1879.  Bd.  93,  S.  467  (namenthch  »IfL);  und  Emile  CSuiries, 
Roger  Bacon,  sa  vie,  sea  ouvrages,  ses  doctrines  d'aprte  des  textea  ioMits, 
Paris  1861,  namentUch  S.  165  fi. 

')  Seine  Weike  sind  nur  zum  Teil  abgedruckt  in  der  Mainzer  Ausgabe, 
1721 — 1742.  Die  auf  die  ara  universalis  bezQgUchen  Werke  findet  man  in 
Lullua,  Opera  ea  quae  ad  adinventam  ab  ipao  artem  universalem  . . .  perttnent, 
Ed  postrema  Aigentorati  16Ö1.  Für  die  Logik  kommen  namentlich  in  Be- 
tracht: Ars  demonstrativa  und  Introductoria  artis  demonstrativae,  Ais  in- 


OgIC 


2.  EapiteL    ADgemeiiw  OeMhichte  der  Logik.  79 

«in').  Er  ordnet  nämlich  der  Logik,  welche  die  res  in  aniina 
behandeit  *),  and  der  Metaphysik,  welche  die  res  extra  animam 
behandelt,  eine  ars  ma^na  üher,  die  er  selbst  erfunden  hat  ond 
die  füx  alle  Wissenschaft  die  Grandlagen  abgeben  soll.  Das 
Wesentliche  dieser  neaen  Konst  besteht  darin,  daß  Grund- 
begriffe („principia",  „generalia")  mit  Bachstaben  bezeichnet 
woden,  z.  B.  Gott  mit  A,  Güte  mit  B  usf.,  ond  in  bestimmten 
Ftgoren  (Kammern,  Bingen)  angeordnet  werden.  Durch 
Orehong  der  Hinge  erhält  man  dann  alle  möglichen  Begrifls- 
kombinationen.  Die  Auswahl  der  mit  Buchstabenbezeich- 
nm^  versehenen  Grundbegriffe  ist  fast  ganz  willkürlich^ 
«beuBo  die  Anordnung  und  selbstverständlich  erst  recht  die 
mechanische  Herstellnng  der  BegrifEskombinationen.  Die 
Kategorien  kehren  dabei  übrigens  auch  etwas  abgeändert 
(ntnun  sit,  quid  est,  de  quo,  qnare,  qnantom,  qnale,  qnando, 
nbi,  qnomodo,  cum  quo)  als  qnaestiones  generales  oder  regnlae 
wieder ').  Daneben  unterscheidet  er  nenn  absolut«  Prädikate 
oder  Prinzipien,  die  in  der  unlogischsten  Weise  zusammen- 
S^stellt  sind  (Güte,  Daner,  Willen,  Wahrheit,  Bnhm  usw.). 

i  22.    SpStperiode:  Dans  Seotns,  Oeeun.     Während  in 

der  Glanzperiode  der  Scholastik  neben  Aristoteles  der  Bin- 
flufi  der  arabischen  Philosophen,  namentlich  des  Avioenna, 
überwog,  gelangte  vom  E^de  des  13.  Jahrhunderts  ab  die 
byzantinische  Lt^k  zn  groBerem  Einfloß.  Von  einer  „Ver- 
falleperiode" (Erdmann)  kann  dabei  zunächBt  nicht  wohl  ge- 
sprochen werden,  weder  in  bezng  auf  die  Philosophie  im  all- 
gemeinen noch  in  bezog  anf  die  Logik  im  besonderen.  E^ 
mnS  sogar  als  ein  Fortschritt  bezeiohnet  werden,  daß  erstere 
nicht  mehr  so  unbedingt  in  den  Dienst  der  Ideologie  gestellt 

TCDtin  Teritatia,  Ära  coimieiidiDsa  mveniendi  veritatem  s.  An  magna  «t 
'uiar,  Ära  umveisalis  s.  Lectura  aiüa  conqiendiaiae,  Arbor  nüentiae.  An 
'om»,  generalis  et  ullima.  An  brevis.  Tabula  generalis  luL  Die  Ära  brevis 
*ude  1@2  von  Tassr  Ina  Franzfiaische  Qberaetzt  (Le  fondement  de  rartific» 
^■»innel^i  dieser  Übersetzung  ist  ein  Abdruck  der  ,J^gica"  des  Lullus 
"«rtasieBchickt. 

■)  Vgl  Ober  ibn  aucb  P.  0.  Keicher,  Beitr.  z.  Gesch.  der  Philos.  da 
Utttlaltera,  1909,  Bd.  7,  H.  4—6,  namentlich  S  96  u.  71. 

*)  An  anderer  Stell«  (An  magna,  gen.  et  ult;  Francof.  l&SS,  S.  19  u. 
^3  n.  H7>  heiBt  es:  ,Jxigicua  ttactat  de  secundariis  inteDtionibus  adjunctis 
tximis:  led  generalis  artista  tractat  de  prinüs  per  secundam  spedero  recu- 
Ik  C  et  per  primam  et  quartam  de  secundariis  sicut  logicus." 

')  An  magna  gen.  et  ult.,  Francof.  l&OB,  S.  1  u.  15. 


iM,Googlc 


gO  I-  Teil.    AbgreoEnnfc  aad  allgemeine  Oesohlchte  der  Logik. 

/ 
wurde.     Aach  ist  unTerkeiinbar,  daß  g«radfi  die  logischen 
Fri^en    im    allgemeinen    klarer    und    schärfer    behandelt 
wurden. 

An  der  Spitze  dieser  Periode  steht  Dans  Scotns^) 
<ca.  1270—1308,  Franziskaner).  Er  unterscheidet  ähnlieh 
wie  frühere  Autoren  {vgl.  S.  69)  die  logica  docens,  die  als 
Wissenschaft  aus  notwendigen  und  eigenen  Prinzipien  zn 
notwendigen  Schlüssen  fortschreitet,  und  die  logioa  ntens 
oder  angewandte  Logik  (Quaest.  super  univers.  Porph., 
Qu.  1  ff.,  Opp.  omnia  Lugd.  I,  S.  87,  Paris  I,  S.  51  ff.).  Von 
der  Theologie  trennt  er  sie  schärfer  als  seine  Vorgänger,  in- 
dem er  der  ersteren  die  Stellung  einer  ganz  eigenartigen,  auf 
spezifische  Prinzipien  gestützten  Wissenschaft  und  überdies 
eine  mehr  praktische  als  theoretische  Bedeutung  zuweist. 
Ausdrücklich  hebt  er  hervor,  daß  die  Logik  weder  ein©  scien- 
tia  realis  (Wissenschaft  des  Realen)  noch  eine  scientia  sermo- 
cinalis  (Wissenschaft  der  sprachliehen  Ausdrucks-  und  Rede- 
weise), sondern  eine  scientia  rationalis  ist,  d.  h.  es  mit  dem 
conoeptos,  einem  „medium  tnter  rem  et  sermonem  vel  vocem" 
zu  tan  hat  (Quaeet.  super  praedicam.  Qu.  1,  Opp.  Lugd.  I, 
S.  124  a,  Paris  I,  S.  438  b).  Während  die  Metaphysik  oder 
prima  philosophia  sich  mit  dem  ens  sub  absoluta  ratione  („in 
Quantum  ens  est",  „secundum  suam  quidditatem")  und  die 
naturalis  scientia  mit  dem  ens  inquantum  mobile  beschäftigt 
(s.  auch  Qu.  super  libr.  elench.,  Qu.  1,  Lugd.  I,  S.  224  a, 
Paris  n,  S.  1  b),  untersucht  die  Logik  das  ens  rationis  (Super 
libr.  1  post  analyt.,  Qu.  47,  Lugd.  I,  S.  415  a,  Paris  II,  S.  320  a 
und  22  b). 

Innerhalb  der  Logik  selbst  betrachtet  er  die  Lehre  vom 
Begriff  und  Urteil  nur  als  Vorbereitung,  der  wesentliche 


')  Opp.  (mit  Ausnahme  der  rein  theologischen)  ed.  Lugdun  1689  in 
12  Banden,  Neudruck  Paris  1891—1896.  Über  Unechlheit  einzelner  Schril- 
len vgL  PranU,  1.  c.  Bd.  3,  S.  209  und  Baumgftrtner  in  Überwegs  Geschichte 
der  Phdos.,  Itt  Aufl.,  191&,  S.  676.  Für  die  Logik  kommen  von  den  Werke« 
über  Duna  Scotus  namentlich  in  Betracht:  K,  Wemer,  Sitz.-Ber'  d  Ak  il 
Wim.  zu  Wien,  phiIoB.-hislor.  Kk,  1877,  Bd.  86,  S.  545  und  Denkschr  der- 
selben Ak.,  philos.  hislor.  KL,  Bd.  26,  1877,  S.  3*5;  K.  Werner,  Joh.  Dans 
Seotus,  Wien  1881  (==  Bd.  1  der  „Scholastik  des  spfileren  Mittelalters-) 
namentüch  Kap.  5  u.  6;  Siebeck,  ZtschF.  t  Philos.  u.  phüos.  Krit.  W 
Bd.  94,  S.  161;  Reinhold  Seeberg,  Die  Theologie  dea  Joh.  Duns  Scotus  Leipzig 
1900.  S.  68  ff.;  Partenius  Minges,  Das  VerhÄltnis  zwischen  Glauben  und 
Wissen  usw.  nach  Duns  Scotus,  Paderborn  1908  (Forsch  z  christL  Lit  u. 
Dogmengesch.,  Bd.  7,  H.  4  u.  51. 


2.  Kapitel  ADmnaiiM  d«Kliicbt«  der  Lofik.  81 

ätpDstand  der  Lo^ik  (Bobjectom  primniu  et  proprinin, 
<Iueet  snp.  UniTers.  Porph.,  Qo.  3,  Lngd.  I,  S.  89,  Pari«  I, 
&  70  b)  ist  der  Schlafi  im  weiteren  Sinne,  durch  den  wir  vom 
BekHimteB  znr  Erkenntnis  des  ünbek&noten  fortachreiten. 
B^riff  und  Urteil  sind  die  partes  integrales,  Schlofi  (s.  str.) 
ond  Beweis  die  partes  snbjectivae  des  Syllogismas.  Dons 
Seotns  bezeichnet  daher  geradezo  die  Lehre  vom  SchlaS  als 
•ßtavH  It^ca",  die  Lehre  von  Urteil  und  Betriff  als  „vetnd 
togiea"  0  (Qoaeet  snp.  Univ.  Porph.  Qu.  3,  Lngd.  I,  S.  211, 
Paris  I,  S.  68  ff.,  spez.  70  b). 

Der  höchste  Gegenstand  ist  für  Dans  Scotos  das  eos.  Das 
tOE  nebst  seinen  Eigenschaften  ist  „transzendent".  Erst  wenn 
das  ens  zn  den  zehn  Kategorien  herabsteigt  (deecendit  in 
Septem  genera)  *),  wird  es  der  logischen  Analyse  znganglich. 
In  der  Stufenleiter  der  Verwirklichangen  des  ens  ist  das 
Eiioelne  (Individuelle)  die  letzte  (nltima  realita«)  nnd  voll- 
kommenste and  darf  keinesfalls,  wie  von  Thomas  getan,  als 
doicb  Beschränknng  oder  Negation  zustande  gekommen  ge- 
dacht werden.  Es  soll  sich  dabei  vielmehr  mn  eine  entitas 
positiTa  (von  ihm  aacb  als  causa  sine  qua  non  „haeoeeitas" 
genannt)  handeln,  die  nicht  von  der  Materie  abhängt,  sondern 
von  der  natura  speciei,  d.  h.  der  Beschaffenheit  der  zugehöri- 
gen Axt  Wenn  Duns  Scotus  trotzdem  gelegentlich  die  entitas 
individni  för  durchaus  verschieden  von  der  entitas  quiddita- 
tira  erklärt,  so  will  er  damit  nnr  sagen,  daß  die  quidditas 
ih  solche  zur  Individnation  nicht  ausreicht,  sondern  der  Er- 
gänzung durch  die  haecceitas  als  Individuationsprinzip  be- 
darf. Die  Existenz,  das  „esse  existentiae",  ond  die  Essenz, 
das  „esse  essentiae"  sind  die  beiden  Seinssrten  der  Substan- 
«n  *).  Zum  Individuum  als  solchem  (per  se)  gehört  die  Exi- 
stenz, zu  der  Elssenz  hingegen  nicht.  Oft  drückt  sich  Duns 
Seotns  auch  dahin  ans,  daB  jeder  Gattung,  jeder  Art  ond 
BchlieSlich  anch  jedem  Individnnm  in  der  logischen  Betrach- 

*)  TgL  Ober  diese,  wie  Biir  scheint,  soch  immer  nicht  gmz  BufgeklAtte 
B*«^hming  PranU  1.  c.  U,  S.  117  u.  lU,  S.  ^  26  u.  206.  Wichtig  fOr  die 
tottiiiTig  des  Dm»  Scotua  mnd  uich  die  ErliuteruoBen  des  Mauritius 
StwniDs  zu  der  Schrift  des  Duns  Scotus  Super  Universalia,  abgedruckt  iu 
itt  kjug.  T.  J.  16S9,  S.  4A1  ff.  (naioentUcb  S.  M»  ff.> 

*)  Opp.  omnia,  S.  %6a:  „. .'.  ena  ,. .  oon  dividitur  in  decem  Genera  per 
^Berenlias  enentiales,  sed  per  diverses  modos  esaendi,  quibus  correspondent 
dnos  modi  mmedictndi  .  .  ."   S.  jedocU  auch  ebenda  S.  14Sb. 

*}  VgL  Super  libr.  I,  Rnl.  AnalTL  Qu.  30^  Luid.  I,  S.SMb,  Parisn, 
S.aBb. 

Silben,  L*t>tb<iekd«Lo^.  6 


OgIC 


TeiL  AteraizuBt  und  aUfemtiM  G«scbicbta  d«r  Locik. 

«  znn^unende  formale  Beetimmtheit,  „formalitaa", 
B  (formslitas  specifica,  formalitas  iitdividai).  Im 
tz  za  Thomas  (vgl.  S.  74)  behanptet  er  daher  auch 
ralitas  formamm  und,  entsprechend  der  staCeovösen 
mg  der  Formen,   eine  intenaio  und  remissio  for- 

[TniverBBlienstreit  erkennt  Dans  Scotns  im  Eünklaiig 
1  diesen  Sätzen  das  universale  i  n  re  und  das  Uni- 
108 1  rem  ohne  Einschränkung  an.  Ersterem  ent- 
lie  prima  intentio,  letzterem  die  secnnda  intentio. 
rereäle  ante  rem  gilt  nur  insofern,  als  die  qnidditas 
laidditiva,  forma)  in  der  individuellen  res  verwirk- 
ÄIb  reines  Universale  existiert  es  nicht'):  erst  der 
tns  agens  facit  aliquid  repraesentativnm  nniveisalis 
lod  fnit  repraesentativnm  singularis".  Dabei  spielt 
ilne  Ding  nur  die  Rolle  der  occasio,  der  Intellekt  ist 
cipalis  causa  der  Auffassung  des  Univers^en  *)■ 
nmt  Duns  Scotns  nicht  etwa  an,  daß  der  Intellekt 
i:emeinbegrifF  aus  den  sinnlichen  Qualitäten  al» 
ibstrahiert,  sondern  er  glaubt,  daß  die  mit  den  leb- 
Einzelding  verbundene,  die  Quiddität  ausdrückende 
intelliglbilie  vom  Intellekt  aufgefaßt  wird  {über 
eidnng  von  species  impressa  und  expressa  s.  Opp- 
1  4,  S.  523  n.  526). 

«hren  des. Duns  ScotuB  fanden  E&hlreiche  AnhAnger  (z.  B.  An- 
LDdreaa'),  FranciscusH&Tron*),  so  daS  die  ScholasUk 
ji  zwei  Uauptparteien  —  Thomisten  und  Skotisten  —  smlttte. 

b  spricht  D.  Scotus  ausnahmtnveise  auch  von  der  species  in  dar 
i  (Oß.  II,  Feriherm.,  Qa  3,  Lugd.  I,  S.  215b,  Paris  I,  S.  688a)  nnd 
1  natürlichen  Dinsen  Wahiteit  zu,  insoweit  sie  zu  dem  scttticben 

Vergleich  gesetzt  «erden,  d.  h.  mit  den  sfitUichen  Gedanken 
nun.  Ein  Widerspruch  zu  den  oben  angelOhiten  Letu«n  von 
dstenz  feiner  Univenalien  entsteht  dadurch  nicht,  da  die  Bzistenc 
in  Geiste  eben  doch  ein  von-Gott-Gedacht-wetden  ist. 
.  auch  Bd.  IV,  S.  506:  „omne  quod  reciiHtur  in  alio  lecipitor  per 
Ipientis,  non  recepli". 

iptweite :  Ezpositio  super  artem  veterem,  Venel.  1492,  Qua«8tiones 
1  XU  hbros  metapbTS.,  Venet.  1405  (Lib.  I,  Qu,  IG^  Fol.  10  r: 
uDivers&le,  sc.  in  cauaando  et  in  praedicando"),  auch  VeneL  liBO 
Titel:  „Super  Iota  arte  vet«ri  Aristotelis  cum  quaesUonibus  ejus- 

De  tribus  principüs,  Venet.  1489  *. 

ige  Hauptwerke  sind  von  Nuciarelti  mit  anderen  Scbrilten  heraus- 
let  1617.  Aufieidem  In  IV  litv.  sentent.  und  Quotlibet  Quaestio- 
Florraz  1519  (von  Mauritius  Hibemicus  berausgeseben}. 


«.  XvUa.  ABcattiiiw  OMehichto  dm  Uglk. ^ 

iikrdan  vurden  nrifach  Teimiltelnde  Systeme  aufieBtaÜt,  s.  B.  von  A  •  v  i  - 
^iii  Romanus*},  gest.  1816,  AuiusUiier.  Hervaus  Nat«.li»>«), 
tat  t3S3,  Durand  ▼.  Pourcain"),  gest.  1982,  Johannes  Ora- 
ti«del  T.  Ascoli"),  geit  18+1,  B&mtlich  Dominikaner.  Ene  selb- 
Andicue  Stdton«  sesenOber  beiden  Parteien  nimmt  Walter  Bur- 
Itiih»)  (1367 — 1367)  ein  und  noch  mehr  Petrus  Aureolus")  (um 
QKO.  Letitef«r  vertritt  in  vielen  BexieliunBen  wied«'  einen  nominalislischep 
Stu^mnkt  in  der  Logik.  Als  Gegenstand  der  Logik  gilt  ihm  das  den  BegriR 
nadrOckende  Wort  (yox  expressira  co&ceplus).  Den  UniversaUen  gesteht 
er  tute  res  nur  eine  Existenz  in  der  göttlichen  Intelligenz  zu.  Auch  i  n  den 
Diofen  kommt  ihnen  keine  spezifische  Existenz  zu,  spedes  intelhgibilM  im 
Smt  der  ^otisten  existieren  nicht  Das  AUgsmeine  ist  nur  ein  Begriff 
des  der  menschliche  Inlsll^t  bildet,  und  zwar  nicht  durch  sachliche  Ab- 
Mnktian  von  dem  Uateridlen,  sondern  duTcl]|  modale  in  bezng  ant  die  Alt 
mi  Weise  des  Eikennens.  Damit  f&Ut  selbstverständlich  auch  die  schar(a 
TtcDDung  der  prima  und  dei;  secunda  intentioi 

Der  ausgeprägteste  Vertreter  dieses  schon  T(m  Petrus 
Änreolus  a.  a.  angebshuten  neueren  ^ominalistnus  (auch 
„TenninimnuB"  genannt)  war  Wilhelm  v.  Oecsm") 
(gest  ma  1347).    Br  betrachtet  die  Logik  durchaas  als  eine 


-  ■)  Für  die  Logik  kommen  namentlich  in  Betracht:  Quaestiones  meta- 
DhTsicales  (zur  Metaphysik  des  AristoUles),  z.  B.  Venel.  1499  (namentlich 
Bach  2  aber  den  Wabrfaeilsbegritf);  Quodlibet«,  z.  B.  Bonon.  1481;  ConmenL 
in  Ubroe  prior,  anatyticor.,  z.  B.  Venet.  l&4d  (siehe  namenllich  den  Prolog 
Ucr  die  allgemeine  Bedeutung  der  Logik};  De  ente  et  essentia,  Venet  IfiOft*. 

>*)  Namentlich  De  unitate  formae,  Venet  1613*  und  De  intenüonibus  *, 
und  in  IT  Petri  Lomb.  senUnUanun  Volumina,  Venet  IfiOb  (Üb.  I,  Dist  19, 
Oo.  3,  S.  41b:  „et  ideo  taha  dicuntur  esse  in  intellectu,  sicut  veritaa  et 
uinrsale  et  consimilia"]. 

»)  Super  sHitenL  thaologicas  Petri  I^mbardi  comm.  libri  IV,  Paris 
lUO.  CharakterisUsch  fOr  seine  Aulfassung  ist  z.  B,  folgende  Stelle  II,  18,  2 
(Ioll32b):  „Esse  intentienale  potest  dupliciter  accipi,  uno  modo  proutdisün' 
nitur  contm  esse  reale,  et  sie  dicuntur  habere  esse  intentionale  illa,  qua«  non 
■mit  nisi  per  operationam  intellectus  sicuf  genus  et  apecies  et  logicae  in- 
tentiones  et  iste  est  proprios  modus  accipiendi  intentionem  et  esse  inten- 
boDale . . .  AUo  modo  didtur  aliquid  habere  esse  intentionale  large,  quia  babst 
OK  debile  ..." 

■*)  In  tolam  artem.  veterem  Aristotilem,  Venet.  1493. 

")  Besonders  interessant  ist  die  SchriFt  De  intensione  et  remissione 
lonntnun.    Vgl.  Prantl,  1.  c.  Bd.  3,  S.  207  If. 

■•)  üommentaria  in  libros  Sententiarum  Petri  Lond)aidi,  Homae  1&06  tf. 
BBd  QnodUbeta  XVI,  Romae  1606  *.  Vgl.  auch  P.  Raym.  Dreiling,  Der  Kon- 
uptnalismus  i.  d.  Universalienlehre  des  Franz iakanetbischofs  P.  Aureoli  usf., 
fieilr.  t.  Gexh.  d.  Philos.  d.  Hittelalt  Bd.  11,  H.  6,  UOnster  1918,  namentt 
S.86fl. 

")  HauptweAe:  Super  IV  Uhros  Sentent  (Petri  Lond).)  1488  u.  Otter; 
Qnodhheta  TD,  Argmt  1401;  Expoaitlo  auiea  super  artem  veterem,  BBnoa. 
1496;  TnctatuB  locicae  s.  Summa  totius  locicae,  Paris.  1486,  Venet  1628  und 

6* 

„.,.,„,>..oo^sic 


g4  I-  Toü  Abfrenzuns  und  ■Uiemeine  GetchieW«  der  LogOc. 

praktische,  nieht-apekalative  Wissenschaft  wie  die  Bhetorik 
und  Grammatik  (Sap.  I  Sent.  Prol.  Qoaest  XI,  L.).  Sie  hat 
es  femer  nur  mit  den  Zeiehen,  s  i  g  □  a ,  d.  h.  mit  den  begriff- 
lichen nnd  sprachlichen  Bezi<ehangen  der  Dinge  zn  tnn  (Qnod- 
libeta  V,  5).  Dabei  gibt  Occom  doch  zu,  dafi  jedem  geepro- 
chenen  Satz  (propoeitio  vocalis)  im  Innern  eine  „propositio 
mentalis,  qoae  oolliaB  idiomatis  est",  vorausgeht,  nnd  be- 
schrankt sieb  in  seinen  logischen  ünterBUchongen  keine»- 
wegs  auf  die  propositiones  vocales  als  solche.  Er  rechnet 
eben  die  Begriffe  selbst  za  den  Signa. 

Die  üniversalien  existieren  nach  Ocoam  nnr  i  n  m  e  n  t  e. 
Das  Gemeinsame  der  Dinge  existiert  als  solches  in  den  Dingen 
weder  realiter,  wie  die  Bealisten,  noch  formaliter,  wie  Dons 
Scotos  o.  a.  meinen,  sondern  es  existieren  nur  die  Kinzeldinge 
mit  den  gemeinsamen  Eigenscbaiten.  Von  einer  Elxistenz 
der  üttiversalia  ante  rem  kann  natürlich  erst  recht  keine 
Bede  sein.  Anf  Omnd  dieser  Lehren  mofi  Occam  als  Eonzep- 
tnalist  bezeichnet  werden.  Die  Bezeichnimg  „Nominalismas" 
erscheint  also  für  die  Ocoamsche  Anseht  ebensowenig  im 
strengen  Sinne  zutreffend  wie  für  den  älteren  NominalismnB 
(vgl.  S.  60),  doch  hat  Occa^  dieser  extrem  nominalistischen 
Auffassung  seiner  Lehre  nicht  nnr  durch  die  angeführte 
Äufierung  über  den  Gegenstand  der  Logik,  sondern  anch 
durch  zahlreiche  andere  wenigstens  sehr  mifiverständliehe 
Sätze  selbst  Vorschab  geleistet  Bs  lag  sehr  nahe  —  nament- 
lich für  seine  Gegner  —  Ausdrücke  wie  signa  u.  a.  m.  nu  r 
anf  die  Worte  zu  bezieben,  und  damit  war  der  extreme  Komi- 
nalismos  fertig. 

Die  Einzeldinge  werden  von  ans  in  den  Sinneswahmeh- 
mnngen  erfaßt  (apprehendnntur),  nnd  diese  werden  vom  In- 
tellekt ohne  Dazwischentreten  von  species  intelligibiles  n.  dgl. 
verarbeitet.  Die  „actus  intelligendi"  sind  sonach  schlechthin 
paseiones  animae.  Die  auf  diesem  Weg  entstandenen  Be- 
griffe sind  also  nur  „Zeichen"  (signa  mentalia)  für  die  Din^, 
haben  aber  doch  dabei  eine  natürliche  Ähnlichkeit  mit  den 
Dingen  (sie  sind  similitudines  rerum).  Die  Worte  (signa 
vocalia)  sind  als  Zeichen  für  die  Begriffe  gewissermaßen 


After.    VoB  Occams  Logik  und  Eiiennlnislehre  handeln  u.  a.  i 

Sdwck,  Areh.  I.  Gesch.  4  Philo».  1897,  Bd.  10,  S.  S17  und  PrmnU,  L  c , 

S.  887.    Besonders  aulkl&read  ist  auch  die  Daratelluog  in  J,  E.  Erdmaana 
Giundtifi  d.  Geach.  d.  Philosophie,  4.  Auf!  Beriin  1888,  §  216. 

„.,,„,  ^.oogic 


aiaiMd.  ADienidne  Gtwehichte  d«r  tttfk. 85 

Zeichen  «weiter  Ordnang.  Sie  nnterscheiden  siofa  von  den 
B^rÜFen  soBerdem  dnrch  ihre  Bntstehnng  aaf  Orond  von 
Terabrednng.  Die  Begriffe  bezeichnet  O.,  da  eie  sich  aaf  die 
rec  direkt  bezieben,  anch  als  tenuini  primae  intentionis, 
äe  Worte,  da  sie  sich  nor  dnrch  Vennittlong  der  Begriffe 
auf  die  res  beziehen,  als  termini  secondae  intentionis  ^*).  Die 
istestiones  bekommen  damit  eine  andere  Bedentnng  als  seit- 
her (vgL  S.  71  D.  76).  Dabei  ist  nor  zq  beachten,  daß  Occam 
unter  res  nicht  nnr  Gegenstände  der  äußeren,  sondern  auch 
solche  der  inneren  Wahmehmnng  (psrchische  Prozesse)  ver- 
steht nnd  sich  dadurch  begreiflicherweise  in  viele  Schwierig- 
ketten und  auch  Widersprüche  verwickelt.  Die  Worte  selbst 
mfallea  nach  Occam  nochmals  in  nomina  primae  imposi- 
tionis  ond  nomina  secondae  impositionis:  mit  ersteren  be- 
leiehnen  wir  entweder  die  wirklichen  Dinge  (prima  intentio) 
oder  ihre  Begriffe  einschließlich  der  Allgemeinbegriffe 
(secnnds  intentio),  mit  letzteren  die  Worte  selbst  (termini 
aecimdae  intentionis).  Zu  den  nomina  sec.  impoe.  würde  also 
I.  B.  das  Wort  „nonven"  (=  Hauptwort),  „participiom",  „nu- 
rnems"  nsf.  gehören  (Super  I.  Sentent,  Dist  22,  qn.  1  und 
Tract  log.  P.  I,  cap.  11,  ed.  Paris  VI).  So  ergeben  sich  für 
jeden  terminus  drei  vertretende  Bedeutungen  (suppositiones): 
personaliter  pro  re,  simpliciter  pro  inteotione  animae,  mate- 
riaüter  pro  voce  (Beispiele  homo  cnrrit,  homo  est  species, 
botno  est  vox  disyllaba). 

Das  Sein  der  Gedanken  in  unserem  Geeist  bezeichnet 
Occam  gemäß  dem  damaligen  Sprachgebrauch  und  im 
direkten  Gegensatz  znm  jetzigen  auch  als  esse  objectivum« 
das  vom  Denken  unabhängige  Sein  der  Dinge  als  esse  sub- 
jectivnm.  Insoweit  unser  Denken  sieh  auf  Dinge  bezieht  und 
dem  ens  snbjectivum  der  Dinge  ähnlich  ist  (imago  simUlima, 


^}  Dabei  ist  0.  in  Wiaer  Terminoloeie  insoteni  nicht  ganz  genau,  als 
V  du  Wort  intentio  selbst  bald  für  dasjenige  braucht,  voraul  die  Beziehung 
•tttlfiDdet,  bald  für  dasienige,  welches  die  Beziehung  hat  Im  ersteren  Sinne 
iit  die  intentio  prima  die  „lea  realiter  ezistens",  die  intentio  secunda  „aliauod 
ia  anima  rebus  applicabile  praedicabile  de  nonünibus  rerum  .  .  .  ."  (eonceptus 
mentis),  vgL  z.  B.  Sup.  I  SenL,  Dist  23,  qu.  1  und  Quodl.  IV,  yu.  S;  im 
Ittileren  Siime  ist  die  intentio  stets  etwas  Geistige^  (intentio  animae,  wobei 
aber  animae  oft  weggelassen  wird,  ygL  z.  B.  Expos,  aur.,  Frooem-,  Traet  log, 
^- 1,  cap.  12},  und  die  intentio  prima  ist  dann  ^  onme  ngnum  intentionale 
niitens  in  snima ....  und  die  intentio  secunda  das  signum  tOr  diese  inten- 
äones  primae  (vgl  QnodUb.  IV,  qu.  19  und  Tract.  log.  P.  I,  cap.  12  ed. 
Puiivnv). 


tY^IC 


90  L  Teil  Alcrmcunf  and  ■UetmeiBe  OMchidito  der  Ixffk. 

siehe  oben),  kann  es  als  real  bezeichnet  werden,  einerlei  ob 
ee  das  Einzelne  oder  das  Allgemeine  der  Dinge  betrifft; 
sow«t  es  sich  dagegen  aaf  Zeichen,  speziell  Begriffe  bezieht, 
also  nicht  perscmaliter,  sondern  simpticiter  „anpponiert",  ist 
es  rational,  nnd  hierzu  gehört  die  gesamte  Logik.  Die 
Schwierigkeit  der  somit  erforderlichen  Unterscheidung 
zwischen  dem  realen  Wissen  mit  Bezug  auf  das  Allgemeine 
der  Dinge  nnd  dem  rationalen  Wissen  findet  keine  aus- 
reichende Elrörterung. 

Die  Kategorien  erkennt  Oceam  folgerichtig  nur  als 
grammatische  Gebilde  an.  Sie  stehen  daher  in  engster  Be- 
ziehung zu  dem  sprachlichen  Aiosdruck.  Es  ist  mithin  auch 
überflüssig,  von  der  Existenz  einer  ubitaa,  quandeitas, 
qnantitas,  relatio  usf.  als  einer  „res  distincta"  zu  sprechen; 
es  gibt  nur  eine'  res  qnanta,  eine  res  relata  usf.  (Tract.  It«. 
I,  41 — 62,  ed.  Paris  XXI  ff.).  ASjch  spricht  er  von  der  Mög'- 
lichkeit,  nur  SEbtegorien  (generageneralissima):  substantia, 
qualitas  und  reepectus  (=  Relation)  statt  des  „f amoeus  nume- 
rus" von  10  aufzustellen  (Sup.  I  Sent.  Dist.  8,  qu.  2).  Dabei 
hält  er  hier,  wie  in  der  B^el  auch  sonst,  daran  Ceet,  dafi  er 
von  der  wahren  Meinung  des  Aristoteles  nicht  abweiche. 

Nach  Occam  hat  die  Scholastik  kranen  bedeutenden  Logiker  mehr  hervor- 
gebracht  Dabei  schvoU  die  logiKh- dialektische  literariache  Produktion  auDer- 
ordentUch  an^  Als  Nachfolger  Occatns  bezOglich  seiner  ktgischen  Lehren  sind 
eiw&hnenswert:  QregorTonRimini")  (gest.  1868^,  Johann  Buri- 
dan'») (mit  Gregor  v.  R,  etwa  gWchzeitig,  ca.  1300—1360),  der  sich  nament- 
lich aualOhrlicher  mit  dem  Principium  identitalia  et  contr&dictionis  beachU- 
ligte.  Albert  V.  Sachsen")  (geat  1390).  Marsiliusv.  Inghen") 
(gesL  1396  od.  nU),  Peter  v.  Ailly")  (1850— 1^6),  der  in  sehr  ein- 
leuchtenden Auseinandersetzungen  den  Zweck  der  HitteUung  fOr  die  Sprache 
im  Gegensatz  zu  den  Begriffen  (termini  mentales)  betonte  und  demgemftB  das 
nominalisUsche  Element  des  Occamismus  gegenOber  dem  konzeptualistischert 
zurückdt&ngte.  u.  a.  Paulus  NicolettusVenetus  (gestorben  14ae() 

i^  Super  f  et  ü  Sentent,  Veneti  isaa  Vgl  namenll.  Lib.  I,  Oiat  3,  f.  37> 

")  Penitile  compendima  lotius  logicae,  VeneL  1409  (s.  SunamiUe,  Paris 
IQM)  und  Cranmentar.  in  Helapfars.  Aristotelis,  Paris  1618  *. 

")  Bauptweik  Logica  Atbertucii,  Venet  16S3  und  Quaestiones  zur  Expos, 
aurea  t.  Occam,  mit  dieser  herausgegeben  Bonon.  1406  *.  Bei  Albert  v.  Sachsen 
finden  sich  auch  schon  die  Ausdrttcke  demonstratio  a  priori  (=  procedens  ex 
cauais  ad  eflectum)  und  a  posteriori,  QuaesL  in  Analrt.  post.  I,  Nr.  9. 

*•)  Quaestiones  super  IV  libr.  SenL,  Ai^eni  IfiOl  u.  a. 

")  Quaestiones  super  libr.  sententiar.  1600;  Destructiones  iDodtmun 
aigniScandi  und  zwei  andere  Schriften,  die  Piantl  erwUmt,  waren  mir 
nicht  zug&nglich. 


n,g,t,7l.dM,GOOglC 


&  KspiteL  ABieBBÜw  0«achkbto  dar  Letik.  S7 

vntetto  in  Bönm  Logica  muna  >■)  mit  iroB«!!!  FleiB,  aber  ohn«  Kritik  die 
nUsKn  MdDQDgstußeninnn  neuwer  und  fttterei  Lociker  und  vbettat«  die 
kVKfce  KuiuaUk  und  SoidusUk  bis  ia  die  entleseaMen  KiiuelhäUa  «a 
Bhb  cxtRBiMt  ReKliamus  ««rsuchl«  nochnula  Johannes  WTclif**) 
(titt  1384)  dnrdinifQhreB.  Einen  vermittelnden  Standpunkt  zvisdieB 
nnaonua  und  Oocamiamus  nahm  Johannes  GersonM)  (laes — 143^ 
an.  Bier  sei  nur  erwUmt,  daB  er  scharf  zwischen  der  aignificatio  meta' 
phincaüi  und  der  dgnificatio  Eraimnaticae  vel  locicae  vel  rtietoiicae  unler- 
Kliädel  und  erstere  auf  ,j)riniae  impreaaionea  naturae,  quae  sunt  tranacen- 
tatoT  (eng  unum,  ena  verum,  ena  bonum,  cns  alitiuid)  lurikUQhrl«  und 
iedcm  ens  creatum  ein  doweltea  Sein,  ein  esse  ohjectale  und  ein  esse  reale 
mchrid)  (Db  mod.  nsnif.  S.  817  fi.)-  Dazu  kommt  nike  unveikennbai* 
Snodfuns  xu  der  damals  erwachenden  Uystik. 

Im  weiteren  Verlauf  des  Ih.  Jahrtninderta  traten  dann  noch  zahlreitte 
Kboluügdie  Logiker  auf,  wekdie  Irotz  der  nuia  und  mriir  sich  ausbreitanden 
HülaKiihie  der  RenaiBsaDce  im  Geist  der  alten  Schulen  Kommentare  und 
Ldirbodier  lodschen  Inhalts  aMafitoi.  Hinher  ^hOren  tL  a.  Petrus 
Hantnanus»],  Paulus  Pergulensis*^,  Petrus  Tartar«- 
tnC^  (1490  RtUor  dtf  UnivernUt  Paris).  Die  Parieinamen  „antiqui"  und 
^.Budenü"  (vgL  S.  77  u.  81)  wurden  jetzt  mehr  und  mehr  so  veniendet,  dal 
die  tfaeraiitisdie  und  z.  T.  auch  die  gkotistische  Richtung,  wriche  aoch  onto- 
kgiadie  Untersuchungen  verlangte,  als  via  antiqua,  die  occamistische  („t  0  r  - 
ninistische")  Richtung,  welche  sprachticfa-begrilHiche  UnterBUcbungett 
baniEogt«,  als  via  modema  bezeichnet  wurde.  Daneben  traten  vermittelDde 
Riehtangen  auf**).  Den  ausgesprochenen  Standmmkt  des  Thomas  vertrat 
I.  a  Lambertus  de  Monte**)  (v.  Herrei^rg,  gest  1499),  den 
„■Dodemen"  Standpunkt  —  allerdings  unter  Vermeidung  des  extremen  Nomi- 
uliantus  —  stellen  die  von  der  Mainzer  Fakult&t  r.  Jl  148&  herausgegebenen 
Modenorum  summulae  logicales  dar. 


**)  VenK.  1408,  vgl.  s.  B.  die  Argumentation  f.  (A—'TO.  Ein  Ausnig 
mchien  unter  dem  Titel  Logica  oder  Summulae,  Venet.  1488*. 

**)  Tractatus  de  logica,  ed.  M.  H.  Dziewicki,  London  1889  bis  1899 
nod  Diatogomm  libri  duatuor  1526,  S.  Xn  u.  XXIV  S.  (auch  FiUL-Lpx.  17&ft). 

■*}  Namentlich  Cenlilogium  de  conceptibus  und  de  nM>dia  significandi  in 
dm  4.  Bd.  der  Antwerpen»  Auwabe  v.  J.  1706. 

»•)  Logica,  Pavia  1488  und  Venet.  1*93. 

*•)  Logic«,  VeneL  149a 

**)  Namentl.  Ezpositio  in  Summulas  Petri  Hispani,  Friburg.  1404;  Com- 
owatationes  in  libn»  Aristotelis,  Friburg.  ?  (mit  Prolog,  logicae),  spUer  noch 
<A  henuisgegeben. 

>*)  Rieiiier  gehört  z.  BL  Agrippa  v.  Neltesheim  (1466—4665)  mit  seiner 
Schrift  ,4a  «rtem  brevem  Raim.  Lulli  Coiunentartum" ;  im  Alter  bek&mpft» 
W  die  Scholastik  (De  incertihidine  et  vanitate  scientiarum,  1606).  VgL  Ober 
ihn  den  Aufsatz  von  Meurer  in  Renaissance  u.  Philos.,  herausgegi  v.  DTrofI, 
Helt  Ä.  11.' 

**)  Copukla  pnlcbemina  dirareis  ex  autoribus  logicae  in  unum  corro- 
nia  in  veterem  artem  ArasL  etc.,  Colon.  14SS  und  Cop.  pule  in  novam 
lofieam  Arest  etc.,  Colon.  1486  und  Öfter.* 


n,5,t,7rjM,G00glc 


gg  I.  Teil  Atarcnzuiig  und  aJlgeradne  Geschieht«  der  Logik. 

Zu  den  Scholastiken!  gehört  trotz  mancher  einzelner  der  dunaUgea  Zeil 
weit  Tonuseilender  Lehren  auch  NikolausTonCusa*«)  (XiOl—lißf), 
der  sich  «uf  loffiscfaem  Gebiet  namentlich  an  Occam  und  Oerson  anschlieBt, 
abweichend  von  diesen  aber  neboi  der  ratio  noch  eine  ,4ntaitio  intellectualis" 
annimmt,  durch  welche  wir  die  coincid«itia  contradktorioruni,  wie  sie  in 
Gott  gegeben  ist,  erfassen.  Oberhalb  der  orfaes  r^onum  sennbilium  und 
regioDum  rationalium  existieren  die  orbes  regionum  intellectualiuin,  die  tOx 
das  TerstandesmftBige  Erkennen  unzugänglich  sind  (z.  B.  De  conjed  n,  IS, 
S.  107).  Dieses  bewußte  Nichtwissen  (=  docta  ignorantia)  ist,  insofern  es 
alle  Gegensätze  negiert,  rün  negativ.  Es  ist  eine  visio  sine  comprebensioDe, 
eine  theologia  mTStica.  In  späteren  Schriften  hat  übrigens  Nikolans  doch 
auch  eine  nicht-intuitive,  witkliche  comprehensio  Gottes  anerkannt 

Die  Refonnation  hat  auf  die  Richtung  der  scholastischen  Logik  ver- 
htltDi«mABig  wenig  EinfluB  ausgeObt.  Jobann  Eck*^)  (1486—1648)  ver- 
wertete fast  die  gesamte  scholastische  Literatur  zu  einer  eklektischen  Dar- 
steUung  der  Logik.  Auch  das  Compendium  dialecticae  (Venet.  14B6)  voa 
Silvester  de  Frieria  (gesL  1538}  versucht  einen  EompromiB  zwischen 
den  streitenden  Richtungen  der  ScholasÜc.  Endlich  fand  zu  Ende  des  16.  Jahr- 
hunderts dep  th<xnistische  Standpunkt  nochmals  einen  ausgezeichnete  Ver- 
treter in  Frans  Snarez'*)  (16tö— 1617,  Jesuit);  Sdiolastiker  ist  diesw 
noch  insofern,  als  er  noch  durchweg  an  die  aristotelischen  Lehren  ankn(lp5 
(wenn  auch  nicht  so  sklavisch  wie  manche  älteren  Scholastiker)  und  die 
nülosophie  noch  immer  als  Dienerin  der  katholischen  Theologie  betrachtet. 
Die  Dialektik'  (c=  Ixigik)  hat  nach  S.  die  Aufgabe,  „modum  scieadi  traders" 
(DiH),  I,  SecL  i,  g  30].  Dabei  soll  sie  jedoch  nicht  nur  die  leges  reete  defi- 
niendi,  argumentandi  aut  demonstrandi  angeben,  sondern  auch  die  rationes 

'*)  Opp.  Paris  1614,  Basil.  16^  In  Betracht  kommen  für  die  Logik 
namentlich:  De  docta  ignorantia  (ed.  Basel  S.  1—63),  Apologia  doctae  inia- 
ranliae  discipuli  ad  discip.  (S.  63 — 75),  De  conjecturis  (S.  75—118),  Dialog! 
idiotae  de  sapienUa  (S.  137  ff.).  De  mente  (später  als  3.  Buch  der  DiaXogi 
idiotae  abgedruckt,  S.  147),  De  venatione  sapientiae  (S.  298^  namenlL  306  ff.). 
Vgl.  Ober  ihn  namentl.  J.  üebinger,  Ztschr.  f.  Philoa.  u.  philos.  Krii  18M, 
Bd.  Vß,  &  6ö  und  1896,  Bd.  106,  S.  46  und  18S6,  Bd.  107y  S,  48. 

*')  Aristolelis  Stagyritae  Dialectica  cum  quinque  vocihus  Porphyrii 
Phoenicis  Argrropulo  traductore  a  J.  Edüo  theoL  tacili  explanatione  declaräta 
etc.,  Aug.  Viod.  1616  u.  1617;  Elementarius  dialecticae,  Aug.  Vind.  1617; 
Bursa  pavonis-Logices  exercitamenta  appellata  parva  logicalia,  Argent.  1607, 

")  Seine  Gesamtwerke  sind  wiedertiolt  herausgegeben  worden,  luletzt 
zu  Paris  ie&&—1861  in  36  Bänden.  Besonders  hervorzuheben  sind  die  Dispu- 
tationes  metaphysicae  universam  doctrinam  duodecim  librorum  Aristotelis 
comprehendentes  und  De  antma  (Bd.  25  u.  26  Ul  3).  Vgl.  über  seine  Lehren 
Karl  Werner,  Franz  Suarez  und  die  Scholastik  der  letzten  Jahrhunderte, 
R^ensburg  1861,  namentl.  Bd.  2,  S'.  1 — 71  u.  107-^^.  —  Suarez  steht  in 
manchen  Beziehungen  nahe  Pedro  da  Fonseca  (1628 — 1599)  in  seinem 
Institutiones  dialecticae,  Lissabon  1664v  Vgl.  über  ihn  M.  Uedelhofen,  Petnis 
Fonseca  als  Logiker  in  d.  Sammlung  Renaissance  u.  Philos.,  herausges-  v. 
Dvrolf,  H.  13.  Vber  weitere  spanische,  portugiesisclie  und  französische  Logiker 
der  damaUgen  Zeit  siehe  P.  Bl.  Soto,  Beitr.  z.  Gesch.  d^  Philo»,  d  UitteUItera» 
Suppl.-Bd.,  Monster  1913,  S.  390. 


■     n,g,t,7l.dM,GOOglC 


S.  XftpiteL  Allgemoiiie  OeachieU«  dir  Lo^.  89 

bnm  nmm  **).  Von  den  Dingen  bandelt  na  nicht,  ut  etium  essratiu  sl 
ntana  deeluet,  sondera  nur  ,jii  ordine  «d  conceptus  mentis  coordinkndes". 
Da  SUodpankt  des  Suarez  in  der  Frue  der  Re&litit  der  Besrifie  erhellt  am 
Mcn  m  folgenden  Sitzen:  »Hae  nsmaue  reUtionet  (deren  3.  drei  Heihen 
DitoKfaieden  hat  gsmlS  der  triplez  opeiatio  intelleclua)  non  conTeniunt 
nbos  Ncundum  se,  sed  ut  deoominatis  ab  aliiiua  Operations  intrilectus,  el 
ideo  Nmper  rationia  sunt  et  non  reales  . . .  Non  tamen  sunt  hae  r«lation«s 
ntit  conficlae,  sed  numto  aliquid  fundamenio  es  re,  qualia  est  aul  r«alis 
annnieDtia,  in  qua  tundatur  abstractio  univenalis,  <niae  etiam  variatur  in 
tma,  q>eciein  etc.,  ex  eo  quod  convenientia  major  est  Tel  minor;  vel  realis 
idtnülaa  aut  unio  unius  cum  alio,  in  ona  fundatur  atflnnatio  unins  de  alio; 
fri  lealig  «nanatio  uniua  ab  alio  aut  ctmcomitantia,  vel  aliguid  simile,  in 
VU  bmdatur  illatio  a  piiori  vel  a  postniori  (Disp.  LIV,  Sed.  6,  g  9).  Ke 
nlitioaes  generis,  speciei,  praedicati,  subjecti  etc.  bezeichnet  er  geradezu  als 
JDtenüonea  logieales".  Die  intentiones  secundae  faßt  er  daher  denn  auch 
nni  in  thomisÜschem  Sinne  auf:  ^Iqoe  ob  hanc  causam  solent  hae  ultiiii«0 
räitiones  rationia  (nimlich  generia,  speciei  etc.)  p«culariter  appell&ri  lecundae 
inttntifHies,  Quasi  resultantes  ez  secunda  intentione  seu  attentione  Tel  con- 
ndoatione  intellectus,  i|uo  nomine  proprie  vocatur  intdlectio  retleziTa,  quia 
suvonit  aUam  circa  ouam  Tersatur"  **).  Bemerkenswert  sind  auch  die  Aus- 
fiihnmgen  über  die  ^lecies  intentionales  (De  anima  m,  2)  und  die  doppdte 
•apvrefaenaio",  die  sich  an  die  sinnliche  receptio  anschlieBt:  die  apprehensio 
■inittoc  und  die  apprehnsio  eomposita  seu  compositio,  welche  in  einer  tbt- 
flcichenden  Titi^eit  besteht  (ibid.  m,  6).  Doch  ist  es  Suarez  nicht  gelungen, 
änt  Lehren  tor  die  Logik  fruchtbar  zu  machen. 

i  23.  Li^iker  der  BenaiMUice  nnd  der  Reformation. 
Die  BenaisBaDce  and  die  Beformation  haben  in  zwei  weseat- 
Ucheo  BichtongeD  einen  befreienden  EinfloS  auf  die  liogik 
■tugeübt,  die  erstere,  indem  sie  der  fast  ansscblwBliciien 
Herrschaft  der  arietoteliscben  Logik  mit  den  endlosen,  oft 
■opfaistiBchen  Interpretationen  der  aristotelischen  Schriften 
ein  Ende  machte,  die  letztere,  indem  sie  die  Logik  von  der 
katholischen  Theologie  endgültig  unabhängig  machte.  Wenn 
trotzdem  für  nnbefangeuQ  Betrachtang  weder  diese  noch 
jene  nnmittelbar  zn  erheblichen  positiven  Fortschritten  der 
logischen  Wissenschaft  führte  nnd  sogar  hier  und  da  auch 
numcher  wertvolle  Erkenntnisbesitz  für  längere  Zeit  ver- 
loren ging  and  andrerseits  mancher  Bückfall  in  die  Soho- 
Ustik  vorkam,  so  erklärt  sich  dies  daraus,  daß  jener  fördernde 
Einfloß  an  sich  doch  eben  nur  negativ  war,  indem  er  Schäd- 

*■)  iJJam  etiam  a  priori  demonstrat,  cur  recta  definitio  et  aigumen- 
latio  talcB  conditioues  et  proprietates  requirant"  Siehe  auch  Disp.  I,  SecL  ft, 
»a?  u.  XLIV,  12,  M  uk  XXXDC,  ProL.l. 

**]  VgL  auch  die  Untersuchung  ,,an  uniTersale  fit  per  comparationen 
u  Tcro  per  abslracUonem"  (De  anima,  Lib.  IV,  Cap.  3,  Dubium  E^  §  21]. 


■gO  L  Teil  Abfmizuni  und  aügeiMiiw  Gcscbidrte  der  Loiik. 

lichkeiten  beseitierte,  aber  kein  poBitiv  förderndes  Moment 
fär  die  Lo^ik  einschlofi.  Dazu  kam,  daß  die  Interessen  sich 
-nmöchst  ganz  anderen  Gebieten,  einerseits  der  Philologie 
und  Altertomswieeenschaft,  andrerseits  den  Glaubensfragen 
lawandteo. 

G«gen  die  scbolastische  Richtung  tnt  schon  im  11.  Jfthihundert 
Petrarca*)  (1806—1374)  auf,  dei;  sich  noch  nicht  so  sehr  gegen  die  Ein- 
soitigkeit  der  aristotelischen  Lehren  als  gegen  den  UiBbrauch  der  AutoriUt 
des  Aristoteles  durch  die  zeitgenössischen  IKalektiker  mit  ihren  conclusnui- 
enlis  wandte,  aber  doch  aucb  schon  Aber  VemachläasiguDg  des  Plato  Uasto- 
Direkt  gegen  den  Aristotelismus  wandte  sich  dann  naraeoUidt  Laurentiiis 
Valla*)  (1406—1467),  der  „auch  der  abgematteten  Veraunm-Lehre  äenUch 
^eder  uJS  die  Beine  geholfien"  (Beimmann).  Er  bezweifelte  die  ZehnsaU 
der  Kategorien  und  kritisierte  die  Grundbegriffe  der  scholastischen  Logik  in 
^rf&IHgater  Weise.  Seine  poeitiven  Leistungen,  in  denen  er  sich  übrifens  an 
Qnintilian  und  Cicero  anschloB,  waren  sehr  dOiftig.  Eine  Ihnliche  Bichtm« 
acblu«  Rudolph  (Rodolphus)  Agricola*)  (1443—1486)  ein,  der  als  Ziel 
der  Logik  aufstellte  .Formate  orationem"  und  „de  (Tuolibet  dicer»  prohabüitn" 
<1.  c.  Buch  II,  Kap.  2  u.  11^  S.VSBu.  297)  und  wie  seine  Voigftnger  fast  nnr 
durch  seine  Kritik  der  aristotriisctien  Lehren  (I,  3,  S.  2B  ff.)  Nutzen  stifivte. 
Bemeckenswert  ist  auch  seine  Befürwortung  des  G^naochs  der  Muttersprache 
neben  dem  Lateinischen.  Zu  derselben  Richtung  gehfiren  femer  L  u  d  o  ▼  i  - 
cus  Vives«)  (149^-1640)  und  Harius  Nizolius")  (14«&— 167&)  wie 

>)  Epistolae  de  rebus  familiär.  Flor.  18&&— 1663,  z,  B.  I,  Nr.  6  tl,  XU, 
Nr.  S,  XVII,  Nr.  1  u.  a.  m.;  Quatuor  Ubii  invectivarum  contra  quendam, 
lih.  n,  Cap.  17  (Opp.  ed.  BasU.  16W,  S.  1»%.  Vgtj  Ober  ihn  Heinr. 
Schmelzer,  Renaiss.  und  Philosophie,  heiausgeg.  von  DyrofI,  Heft  6^  Bonn 
1911,  S.  280. 

*)  Opera,  BasiL  1540,  darin  &  64&— 761  die  DiaJecticae  disputationes  in 
drei  BOchem  (Buch  2,  Kap.  Iff.  Angriff  auf  die  zeitgenössische  Dialektik). 
Gegen  die  scholastische  Methode,  aber  for  Aristoteles  trat  auch  Desiderius 
Brasmus  (1467— Ua6)  auf  (t^.  z.  B.  Encomium  moriae  1G09,  ed.  BaaL 
tKO,  S.  117  tt.  IL  £@4Q.).  Im  neuplatoniachen  Sinne  gegen  Aristoteles 
schrieb  Franctscus  Fatricius  (1^9 — 1597)  seine  Discussiones  pen- 
pateticae,  Basil.  1581  (vgl.  namentlich  Tom.  n  u.  Tom.  m,  lib.  4). 

')  De  inventione  dialectica,  Colon.  1553  (mit  Schollen)  und  Colon.  1657 
(nach  dieser  Ausgabe  ist  oben  zitiert).  Heinrich  VIII.  von  England  befahl 
ausdrOckhch,  dafi  neben  den  Werken  des  Aristoteles  anstatt  der  Kommentare 
von  Duns  Scotus  u.  a.  dies  Weik  von  Agiicola  verwendet  werden  sollte. 

*)  Sein  Hauptweik  De  discipUnis  hbri  XX  erschien  zuerst  16S1  in  Ant- 
werpen (sp&tere  Ausgabe  z.  B.  Colon.  1536).  Von  den  drei  Teilen  kommt  für 
die  Logik  namentlich  der  erste  „De  causis  comiptarum  artium"  (in  der  Ge- 
samtausgabe der  Vivesschen  Werke  ValenL  Edet.  17B6,  Bd.  f^  S.  S)  und  der 
dritte  „De  artibus"  in  Betracht.  Im  letzteren  sind  wichtig  die  Abhandlungen 
De  censura  veri  et  falsi  (Gesamlausg.  17fl3;  Bd.  3,  S.  165),  De  disputatione 
tS.  68]  und  De  instrumento  probabilitatis  (S.  BB).  Inä>c8ondere  ist  die  Schrift 
De  censura  veri  et  falsi  ein  kurzes  Kompendium  der  formalen  Logik.    Auch 


I;  KuiUL  Allgemnn«  0«scli)cUa  dar  Loiik.  9X 

MBTeilanch  Giordano  Bruno*)  (1M6— 1600)  und  Thomas  Cam- 
ptDella^  (Ifiea— 1^9). 

Sehr  viel  einflaßreicher  als  die  Vorgenaiinteit  war 
FetrDB  Bamns  <Pi«rFe  de  la  Bamäe  1515 — 1572),  dessen 
Schriften*)  für  lange  Zeit  an  vielen  Orten  dem  logischen 
Stodiom  and  Unterricht  zugrunde  gelegt  wurden.  Seine  an- 
finglichen  Angriffit!  auf  Aristoteles  überschreiten  oft  alles 
Hafi  und  wurden  auch  spater  von  ihm  selbst  zurück- 
SeDommen.  Wie  Valla  und  Agricola  und  Vives  betont  er 
selbst  das  rhetorische  Element  in  der  Logik  über  Gebühr: 
dialeetica  est  ais  bene  disserendi,  eodemque  sensu  logica 
dieta  est  (Dialect  I,  1  n.  Schot,  n,  1  u.  2).  Sie  zerfallt  in 
zwei  Teile:  der  erste  handelt  von  der  inventio  (Begriff  nnd 


die  Jugendachrift  In  Paeudo-Dialecticoa  (161B  verfaBt,  Gesamtausg.  Bd.  a, 
S.  37)  ist  bemerkenswert. 

■)  Antibaibarua  s.  De  yeris  principU»  et  vera  ratione  phUoMphandi 
esatia  psendophilooophoB,  Panna.  1&6S.  Er  betont  hnmet  wieder:  ,^d  veri' 
Uten  inTcsUsandam  redeque  phitosophanduni  longe  uliliorem  masisiiue 
neeesMiiam  smnmaticae  et  rhetoricae  coniitiotiem  quam  dialecticae  et  mctt- 
[^TSicae  esse"  (z.  B.  I,  1,  S.  7),  und  „inter  artes  et  scientias  nullom  nectue 
dklecUcae  neque  metaphTaicae  posse  esse  loeian  atqne  ideo  ambas  *■«>!"'■  m 
Uns  et  imitUes  et  non  necessarias  ab  omni,  acientiarum  et  artium  numero 
eitenmnandas"  (sc.  esse;  ibid.  S.  aOB).  Vd.  auch  U.  Glosner,  Nik.  v.  Cusa  . 
and  H.  Nizolius  ab  VorUuIer  der  neueren  Philosophie,  HOnster  18S1,  nament- 
Htb  S.  148 — ^laa.  Leibniz  hat  das  Werk  des  Nizolius  mit  einer  Dissertatio 
Wartiminari»  und  Anmerkungen  i.  J.  1670  herausEeieben. 

•)  De  bt  cansa,  piincipio  et  uno,  VeneL  IbBt;  rd.  z.  B.  Dial.  I,  ed. 
U.  Walser,  Ups.  1880,  Bd.  1,  S.  SSbO.  (ed.  da  Lanrde^  Oottinfa  188«^  I, 
Sl  190).  Ober  die  Scbiift  Ais  inrenliva  per  XXX  itatuu  vgl  Lutoslaw^ 
Aldi.  f.  Gesch.  d.  Philo«,,  1800^  Bd.  3»  S.  894.  Audi  eine  Fortbildunc  der 
Badistabenkombinatorik  des  R.  Lullus  vü.  S.  78)  hat  Biuno  venucbt  Siehe 
euch  die  von  Qfrßter  heniugegebene  Sammlung  seiner  lateinischen  Schriften, 
Stntltard.  ISSa^  VoL  %  S.  SBb^  001^  821  und  namentlich  708  (De  prosressu  et 
lanpade  Teaatoria  losicoTum  etc.). 

^  Phifesophia  sensibua  demonetrata,  Neap.  1596*;  nülosophiae  ratio- 
«ili»  partes  V,  Paris  IßBe  (F.  II  Dialectica  1K7)  a  a.  m. 

*)  Aristoteleae  anitnadversione«,  Paris  1648;  Dialecticae  partitionea, 
I^ris  1548,  i  X  1668  unter  dem  Titel  Inatilutionum  dialecticaniro  übri  lU 
und  16&6  unter  dem  Titel  Dialecticae  Ubri  II  wieder  herausgegeben;  Dia- 
ledique  1566  (unzugAnglicb};  Scbolae  in  liberales  artes,  Basti.  1569  (Teil  8, 
S.  1—615  Scholae  dialecticae  in  30  BOchem);  Defenaio  pro  Aristotele  adr. 
lac.  Scfaeduno,  Laos.  1571.  Vgl.  über  ihn  namentlich  C.  Waddington-Kastna, 
Ranus,  sa  Tie,  ses  «crita  et  ses  opinions,  Paris  1866  (auch  lat.  Paris  lS4e^ 
wnentlich  S.  109  0.);  PrantI,  Sitz.-Ber.  d.  irfulos.,  phUol.  und  histor.  Kl.  Ak. 
d.  Wiss.,  UOncb«!  1878^  Bd.  a,  S.  157;  Qeorf  Waricert,  Enzyklopädie  des 
Prinis  Rasuis,  Leipng  1898;  J.  Owea,  The  skeptics  of  tbe  French  Renaissance, 
Uodon  laOS,  S.  491  fl. 


92  I'  Teil  AbnenzuBf  und  aIl(eiD«iDe  Q«scliicht«  der  Lofik. 

Definition),  der  zweite  vom  jndicinm  (Urteil,  Schloß,  Methode). 
An  anderer  Stelle  onterscheidet  er  die  topica  (inventio  ar^- 
mentorom,  i.  e.  medionun,  principiorom,  elementonun)  and 
die  aoalytica  (dispositio  eorom).  In  seiner  Ontologie  sind 
platonische  Elemente  unverkennbar. 

Die  SchOler  und  AnfaftoBer  des  Petrus  Rumis  Teibreiteten  seme  Lehien 
ftllenlh&lbeD,  so  in  Deutschlaud  Job.  S t u rm  Ufi07 — 1689%  dessen  Vor- 
lesungen P.  Ramus  Obhsens  in  Paris  besucht  hatte  und  dessen  Icsischea 
Hauptweik *)  vor  den  Hauntweiken  des  P.  Ramus  abgefaBt  ist.  Frans 
Fabricius")(lK7— 1573),  Christoph  Cramer(us)  "),  Job.  Pia- 
eator")  (16*7—1636),  Fredericus  Beu  rhusiusi»)  (1586—1«»), 
Job.  Thomas  Freigius")  (1643—1568)  u.  a.,  in  Engtand  &  B.  Wil- 
liKin  Temple")  (IClß—i^,  in  Holland  Rudolf  Snell'*)  (lUS 
bis  1619)  usf.  Von  der  Dialektik  des  Ramus  erschienen  bis  1670  gegen 
30  Auflwen.  Zu  den  „Semiramisten"  rechnet  man  u.  a.  Rudolf  Oocle- 
nius^')  (15*7 — 162^.    Andrerseits  telilte  es  auch  nicht  an  viellachen  An- 

*)  Partitionum  diatecticanim  libri  IV,  Argeni  1589  und  Öfter,  z.  B.  1691 
mit  SchoUen  von  Havrenreuter  (auch  Etütome  von  Job.  Bentz,  Aigent.  ISOB). 
Kit  diesem  Job.  Sturm  ist  nicht  zu  verwechseln  ein  andrer  Job.  Stunn,  Prgf. 
d.  lied.  u.  Logik  in  Greifswal^  gesL  1625,  der  Disputationes  logicae  ma 
veritate  et  Aristotele  conceptae  veröKentlichte  (von  Abrah.  Battus  neu  her- 
ausgegeben,  Gryphisw.  164B). 

")  Die  Arbeiten  von  Fabricius  varen  mir  nicht  zugänglich. 

")  DialecUca  Ramea,  mir  nicht  zugänglich,  soll  spiter  von  Goclenius 
herausgegeben  worden  sein.  Er  darf  nicht  mit  Daniel  Crsmerus  (1568 — 1S37), 
der  Viginti  duae  disputationes  logicae,  Vitenb.  lö9B  gegen  Ramus  schrieb, 
und  mit  Andreas  Gramer  (1582 — 1640),  dem  mehr  theologischen  Verfasser 
von  Disputationes  logicae  (mir  nicht  zug&nglich)  verweabsell  werden. 

1*)  Animadversionea  in  dialecticam  P.  Rami  ezemplis  Sscr.  literatum 
PBSsim  illustratae,  2.  AuIL  Ftancofurt.  1582  (1.  Aufl.  15807),  vgl  namentlidt 
die  Bpist  dedicat.  S.  5fL  Hber  seine  Bekehrung  zur  Lehre  des  Hamus. 

>*)  Z.  B.  Defensio  P.  Rami  dialecUcae  etc.  1588;  Paedagogia  logica  in 
3  TeUen  (Teil  2  Colon.  1586,  Teil  3  1566). 

'*}  Quaestiones  logicae  et  ethicae,  Basil.  1676,  namentlich  S.  1 — 67; 
Trium  artium  logicarum,  grammaticae,  dialecticae  et  rbetoricae  breves  suc- 
ciDclique  schematismi  etc.  (vgl.  namentlich  F  5ti.,  tabellarisch  gehalten,  von 
Helanchthon  abhängig);  Logicae  Rameae  triumpbus,  Basil.  16^;  De  logiea 
iurisconsullorum,  Basil.  1682. 

")  Epistolae  de  P.  Rami  dialectica  etc.,  Francof.  löSl,  Cantobr.  ISSt; 
Rami  instituliones  dial.,  scholiis  G.  Tempeüü  illustr.  et  emend.,  Cambridge 
1584;»  Pro  defensione  P,  Rami,  Francof.  168*.  Vgl  auch  J.  Freudenthal, 
Aich.  1  Gesch.  d.  PhiJos.  1892,  Bd.  5,  S.  L 

^*)  Commentarius  doctissimus  in  dialecticam  F.  Rami  etc.,  Heibom 
1587  u.  1696  (im  Anhang  Tractatio  guaedam  compendiosa  de  praxi  logiea  etc.); 
De  rat.  discendi)  et  exercendi  logicam  i>er  analysin  et  genesin  facili  et  per- 
spicua  (s.  Commentationes  dialecticae),  Herbem  1609. 

")  Isagoge  in  Organen  Aristotelis,  Francof.  1698;  Problemata  logiea  et 
philosopbica,  Uarp.  1589,  i.  Avß.  1606  (mit  Appendicea,  Marp.  1604^  cum 
TeilinDialogtorm);   Praxis  logiea  etc.,   2.  Aufl.  Francof.  1698;   Commentaiiolus 


^^^^^     ä  K«nteL  AUgerarine  OaKUcfate  dar  Logik.  93 

nfin.  Die  wichtissten  Gemer  des  Bamus  wuen:  J«c.  Carpenl&riua, 
Uimnu  utifl  diagereodi  deacriptio  ra  ArisL  k)Cico  organo  cnlleeU  etc.  ParU^ 
l  ML  15ect*  2.  Aufl.  1664  (in  3  Bflcheon),  Animadrenionea  in  libros  HI 
noütiitioinim  dialecticarum  Petr.  Buni,  Paris  Ibbi,  ComDendium  in  eota- 
nniwm  artem  diaserendi,  Paris  1&65  [rsl.  z.  B.  S.  3 11  Da  duinque  rocibiu), 
nd  id  expositionem  diaputationis  de  metbodo,  contn  Thessalum  Ossatum . . . 
imoaxo,  Paris  IBM;  Everaid  Digby"),  Templea  Lehrer  (ca.  1&60  bis 
ÜB),  Theoria  analTtica,*  Lond.  1679;  femer  Nicodemus  FrischUn 
(1H7— lß90)  Dialogus  logicus  contra  P.  Rami  prolesBoris  regii  sophiatici^n 
mAristotäe,  Francofurt.  IMO;  Job.  Heinr.  Aisted  (AMediua)  (168H 
ht  ISSSj,  Compendiimi  logicae  bamonicae,  2.  Aufl.  Berbomae  Nasser.  16831 
k  dieser  als  Anhang  Nncleus  logicae  etc.,  ClaTis  artis  Lullianae  et  veiae 
kiieei,  Argentar.  1609,  Compendiuin  pfailosophicum,  Hertwrn  1628,  S.  1629  S,, 
UfcM  sTitema  hannomcum  etc.,  Herbom  1614,  Comp,  systematis  logid  etc., 
Hnbom  1611  sowie  mehrer«  enzYktoptdische  Werke.  Vgl  auch  Kecker- 
maniiu)  in  dem  S.  17  ziUerUn  Werk,  S.  2Hir. 

Die  Beformation  nahm  anfangs  nicht  nur  eine  anti- 
Beholastische  und  antiaristotelische,  sondern  auch  eine  fast 
antiphilosophische  Stellung:  «in.  Lnther  (1483 — 1516)  ver- 
langte, daB  die  „philosophia  and  logica,  at  nunc  habentnr** 
ausgerottet  nnd  durch  anderes  ersetzt  werden,  und  gesteht  der 
Phiioeophie  höchstens  eine  Einsicht  in  das  Zeitliche  zu.  An 
die  Stelle  der  Äntorität  der  katholischen  Kirche  setzt  er  eine 
asdere  Antoritat:  diejenige  der  Bibel.  Schon  Melan- 
chthon  gab  jedoch  diesen  Standpunkt  auf,  und  es  ist  sehr 
bemeikenswert,  daß  er  nnd  viele  andere  Reformatoren  nun 
doch  wieder  auf  Aristoteles  zurückgingen  nnd  damit  in 
Gegensatz  zu  dem  Bamismns  traten.  Auch  Luther  gab  später 
dieser  aristotelischen  Tendenz  nach.  Melanchthou  **)  (1497 
bis  1560)  selbst  gab  in  seinen  Lehrbüchern  eine  didaktisch 
sehr  geschickte,  aber  doch  etwas  oberflächliche  Darstellung 
der  aristoteliflchen  Lehren.    Die  Logik  oder  Dialektik,  wie 


de  latione  definiendi,  Fnncof.  1600  etwas  abweichend  De  tropo  definiendi, 
IhiPDig.  leOS};  Isagoge  in  Peripateticormn  et  scholaBticonim  primam  philo- 
«phiam,  quae  did  consuerit  metaphysica,  Fnncof.  1&98  (namenlUch  Kap.  6 
De  vero  et  latso^i  Fortitionum  dialecticarum  lihri  II,  2.  AuIL  Francot.  1&98. 
^  Vgl  J.  Freudenthal,  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.,  1891,  Bd.  1,  S.  4fiOi 
")  Bartholom.  Keckermann  hat  selbst  ein  Systema  logicum  in  drei 
Badiem  verlafit  (1.  Aufl.  wohl  1600,  &  Aufl.  1613  Hanoviae);  auSerdem  bat 
Adnamis  Panli  E.'s  Heidelberger  Vorlesungen  unter  dem  Titel  Gymnasium 
logiaim,  Hanoviae  1608,  benuiagegebea 

"i  Compendiaha  dialectices  ratio,  Lips.  ISSO  (Corp.  relorm.  XX. 
ä  70B);  [HalecticB,  Hagan.  1S2B;  ErotemaU  dialectices,  1.  Aufl.  1U7  (Corp. 
rd  Xn^  S.  fiO?);  De  anima,  Viteb.  lUO  (Corp.  lef.  XIO,  S.  1).  S.  Aber 
Hekiichthons  Logik  Dütber,  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.  18BS,  Bd.  6,  S.  34A 


94  I.  Teil  Abvcanmt  imd  inKiiinne  GMchidita  der  LoRik. 

er  sie  gewöhnlich  nennt,  hat  selbst  anch  voizagBweise  eine 
didaktische  Äafgabe:  sie  ist  die  ars  eea  via,  recte,  ordine  et 
perspicue  docendi  (1),  qaod  fit  recte  definiendo,  dividendot 
argumenta  vera  conneciendo,  et  male  cohaerentia  eeu  falsa 
retezendo  et  refutando  {Erot.  dial.  S.  1).  In  der  UniTer- 
ealienfrage  neigt  er  zum  NominaliBmos:  genas  est  nomen 
commune  nmltis  speciebos  et  praedicatnr  de  eis  in  qoaestione, 
qnid  sit  (ibid.  S.  13)  und  analog  species  nomen  oommime 
prozimnm  individuis  etc.  Die  Kategorie  (praedicamentom) 
ist  „ordo  generum  et  speciemm  sub  uno  genere  generalissimo, 
qnod  ant  snbstantiam  aut  accidens  aliquod  signiflcat"  (ibid. 
8.  22).  Di«  Existenz  ist  als  solche  stete  eine  individoelle. 
Die  5  voces  (Praedicabilia)  —  species,  genus,  differentia, 
proprium,  accidens  —  und  die  10  Kategorien  werden  ähnlich 
wie  bei  manchen  Scholastikern  abgehandelt.  In  seine  Lehre 
TOD  den  letzten  Prinzipien  mischt  er  platonische  Sätze  ein, 
ohne  einen  organischen  ZueammeDhang  mit  seinen  logischen 
Qnmdanschauangen  herzostellen. 

Joachim  I  CamersTius«)  (l&OO— 1&74),  Jakob  Schegk'^ 
(1611— 1S&7)  und  viele  andere  Terbreileten  diese  Melanehlhonsche  DanteHuni 
d«r  aristotelischen  Lehre  an  den  deutschen  Hochschulen,  so  daß  gegen  Ende 
des  16.  Jahrhunderts  sich  in  der  Logik  drei  Hauptrichlungen  gegenOberataD- 
den:  die  protestantisch -aristolelische  Uelanchthons,  die  katholisch-aristote- 
lische des  Suarez  und  die  aotiaristoteUsche  des  Petnis  Ramus  "]. 

*i)  De  Ph.  Helaochlhoius  ortu,  totius  vitae  cumculo  etc.,  Lins  1606.  Er 
gab  auch  die  Werke  von  Aristoteles  griechisch  und  lateinisch  heraus  (1690  fl-)- 

**)  De  demonstfatione  libri  XV,!  novum  opus,  Galeni  librorum  ejusdem 
argumenti  jacturam  resarciens,  Basil.  1664  (vgl.  tlber  seine  Stellung  nament- 
lich S.  9fl.}.  Vgl.  auch  Chr.  Sigwart,  Ein  Collegium  logicum  im  16.  Jshr- 
hundert,  Freiburg  1S90,  und  Kleine  Schriften,  Freiburg  1989,  2.  AuO.,  Bd.  1, 
&  366. 

")  Ein  gutes  Beispiel  der  aristotelischen  Richtung  aus  dem  Anlang 
des  17.  Jiüirhunderts  ist  das  Werk  von  Jacobus  Martinus:  Inatitu- 
tionura  loficarum  libri  VK  Wittebergae  1610  (auch  Praelectiones  extempo- 
raneae  in  srstema  logicum  B.  Keckerm&nni  1617,  und  l^gicae  peripateticae 
per  dichotomias  in  gratiam  Ramistaruro  resolutae  libri  11,  6.  Aufl.,  Wilte- 
bergae  1616).  Einen  vermittelnden  Standpunkt  versucht  in  derselben  Zeit 
Clemens  Timplerus  in  seinen  Logicae  eystema  methodicum  libris  V 
Gomprehensum  etc.,  Hanoviae  1612,  einsunebnten,  desgL  auch  Conradus 
Bergius  im  Ariificium  AristoleEico-Lullio-Rameum,  in  quo  per  utem 
intelligendi,  logicam  etc.,  Bregae  1615.  Vgl.  ferner  Casp.  Bartho- 
lin u  s ,  Logicae  peripateticae  praecepta  ita  perspicue  atque  breviter  scholüs 
exemphsque  illustrata  usf.,  ed.  sexta  Francofurti  ISäl  (1.  Aufl.  wohl  1611); 
M.  Georgius  Gutkius  Logicae  divinae  seu  peripateticae  ad  rectae 
raäonis  principia  in  abstractione  entis  ut  vocant,  revocatae  usf.,  Coloniae 
Iffll  (zum  Teil,  bis  S.  208^  mit  fortlaufender  deutscher  Übersetningl);  Con- 

„.,,„,  ^.oogic 


ft  KtpiteL  lUnaaiM  GcBhioIri«  te  Lofik.  (|& 

S  24.  Die  natnrwineMduiftUeh-bidnkUve  Biehtiiiir. 
Bmo  tob  Vcvnlain.  Schon  der  oben  (S.  90)  erwähnt«  KizoUoB 
batte  jegriiche  Dialektik  and  Metaphysik  verworfen  und  nur 
Physik  nnd  Politik  als  Philosophie  anerkannt  Koch  ent- 
schiedener verlang  Bernardinns  Telesins*)  (150S 
Im  1588)  eine  auf  £rfahmng:  gestützte  Erkenntnis.  Dabei 
ist  ihm  die  Erfahmn^  fast  ganz  identisch  mit  Natur- 
trfafamng.  Nur  für  die  unsterbliche  Seele  räumt  er  ein« 
i^orma  superaddita"  ein.  Besonders  bemerkenswert  ist,  daft 
«r  auch  für  die  Gheometrie  die  Notwendigrkeit  der  Erfahmng 
bdanptet  (1.  c.  Lib.  Vm,  cap.  4,  ed.  1586,  a  316  CT.). 

Während  die  Anhänger  und  Nachfolger  des  Telesina 
teils  m  rein  naturwissenschaftlichen  Untersuchungen  über- 
pBgen,  teils  einem  platonisierenden  Myetizismas  Terflelen, 
hat  Francis  Bacon  v.  Verulam*)  (1561—1626)  das 
empiristische  Prinzip  cur  Methode  der  wissenschaftlichen 
Induktion  umgestaltet. 


ridna  Dietericfa  (Dietericua),  Epitoine  ptMceptonun  dialecUcaB  etc., 
ÜK.  1636  (voftier  Institutiooea  logiaLe  et  ifaetoncae,  Giessae  1609);  M«r- 
tai  Priedericns  Wendelinus,  Logicae  insUtutioDee,  ServetUe 
UM;  Cbristophorus  Scbeibler,  Opus  logicain  quatuor  partibu» 
unanam  huiua  artia  srstema  comprehendens,  ed.  novianma,  Qenevae  1661 
(Tomde  tmi  1638  datiert,  relativ  neutnl]  Toriier  einzeln  Introductio  loficae. 
Ginne  1613,  Commentaria  topica  16U  li  a.  m.);  ConradusUorneius, 
laditatioBes  logicae,  2.  AulV,  Francof.  166Si  Job.  Conradus  Dann- 
hawerus,  Epiknne  dialectica,  3.  Aufl.,  AigentoraL  l€68i  U.  Jacobus 
Saurins,  Synlagmatis  losid  VI,  Stetin^  KSK;  H.  Antonius  Illerue, 
Snopaia  pbilosophiae  rationalis  >eu  Nueleus  pneceptonim  logtconun  etc. 
i.  Aufl.,  FntncoL  1660;  Johannes  Scbarfius,  Hamiale  loBicum. 
&  Anfl,  Wittebeis.  1667  (vom  Standpunkte  des  Aristoteles  und  Helanditban 
Ktclirid>en,  vieUach  auch  hemuBsegeben  als  Hedulla  manualis  losici  Schar- 
Gani,  z.  B.  in  a  AuO.,  Jena  166(Q. 

>)  De  rerum  natura  juzta  propria  prindpia,  Romae  1566  u.  Neapoli  1670 
lin  2  Bachern),  dann  Neapoli  1686  (in  9  BOchem  wovon  6  neu). 

1}  Cogitata  et  visa,  ca.  1607  veifaBt  (erst  1668  fednickt),  spAter  zun 
Nomn  oTSanum  scientianim,  London  1630  umsearbeitet,  und  Of  the  pro- 
fotnce  aad  advancement  of  leaming,  London  160^  spater  erweitert  zu  De 
dinitate  et  eugmentis  scientianim,  London  1620.  Beide  bilden  Teile  eines 
nn  Bacon  geplanten  Gesamtwerks  .^natauratio  magna".  Gesamtausgabe 
Kiner  Werke  von  J.  Spedding,  R.  L.  EUis  und  D.  D.  Healh  in  li  Bftnden 
(inkL  Bride),  London  1867—1874  (fOr  die  howk  kommen  nur  Bd.  1—6  in  Be- 
tadit).  Unter  den  Schriften  Ober  Bacon  sind  für  seine  Stellung  als  Lwker 
■n  wicht^sten:  Ad.  Lasson,  Über  Baco's  v.  Ver.  wissenschaftl.  Fiinzipieu, 
Uuedtcr,  d.  Luisenst  Realschule  in  Berlin,  1800,  S.  S—3i;  J.  v,  Uebig, 
Fr.  Bacon  v.  Verulam  und  die  Geschichte  der  Naturw.,  Manchen  1868;  C.  Sig- 
»arl,  F»uS.  Jahrb.  IBEB,  Bd.  1^  S.  93  (gegen  Liebigs  flb^riebene  Vorwürfe); 

„.,,„,  ^.oogic 


96  I-  TeiL  AbBrenzung  und  allgemüne  Gesduchte  der  Logik. 

In  seiner  bekannten  Binteilangr  der  Wissenschaften  ge- 
hört die  Logica  za  der  doctoins  circa  animam  hominis  and 
spezieller  za  der  doofrina  de  nsn  et  objectis  faoaitatnm 
animae,  and  zwar  hat  sie  es  mit  der  Anvendang  und  den 
Gegenständen  des  „intellectns  und  der  ratio"  zo  tnn  (De 
dign.  et  augm.  V,  1).  Sie  zerfällt  in  die  ars  inveniendi,  jadi- 
candi,  retinendi  und  tradendi,  ninfaßt  also  nach  Baco  anch 
die  Technik  dee  Gedächtnisses  (adminicola  memoria«  etc.) 
und  die  Lehre  vora  Ansdmck  der  Gedanken  (Grammatik, 
Bhetorik  usf.).  Die  inventio  zerfällt  in  die  inveatio  artium 
et  Bcientiarnm  nnd  die  inventio  argnmentonun  et  sermonmn. 
Die  erste  inventio  geht  entweder  nur  von  Experiment*)  zn 
Experiment  und  könnte  etwa  als  experimentelle  Methodik 
im  weitesten  Sinne  bezeichnet  werden,  die  zweite  inventio 
geht  von  Experimenten  zu  Axiomen  nnd  von  diesen  zn  jenen 
über.  Die  erste  wird  von  Baco  auch  als  „Experientia  lite- 
rata",  die  zweite  als  „interpretatio  natnrae"  oder  „novnm. 
Organum"  bezeichnet.  Nur  die  zweite  kann  als  Wissenschaft 
im  strengen  Sinne  bezeichnet  werden.  Ihr  ist  daher  anch 
das  eine  Hauptwerk  Bacos  anter  gleichem  Titel  gewidmet. 
E!r  stellt  hier  die  interpretatio  naturae,  welche  stetig  und 
stufenweise  von  den  einzelnen  Sinneewahmehmangen  zum 
Allgemeinsten  fortschreitet  („a  sensu  et  particnlaribus  ex- 
citat  axiomata,  ascendendo  continenter  et  gradatim,  at  ultimo 
loco  perveniatnr  ad  maxime  generalia"  Nov.  Org.  I,  19),  auch 
der  bisher  üblichen  Methode  der  anticipationes  naturae 
gegenüber,  welche  vorschnell  vom  Einzelnen  zu  den  allge- 
meinsten Sätzen  hinfliegt  („advolat")  und  vom  Standpnnkt 
solcher  allgemeinen,  unwandelbar  wahren  Prinzipien  dann  die 
„uxiomata  media"  beurteilen  und  finden  will.  Die  interpre- 
tationes  „subjugant  res",  die  anticipationes  nur  „assensum". 
Die  Methode  dieser  Interpretation  der  Natur  ist  die  Induk- 
tion („spes  est  una  in  inductione  vera").  Sie  ist  zugleich  das 
geeignetste  Abwehrmittel  gegenüber  den  vier  Hanptirrtnms- 
tendraizen:  deoi  idola  tribns,  specos,  fori  nnd  theatri  (d.  h. 
den  in  der  menschlichen  Natur  im  allgemeinen,  den  in  der 

Walter  Schmidt,  Fr.  B.  Theorie  der  Ind.,  Zlschr.  f.  Pfailos.  u.  philos.  KnL 
1888,  Bd.  11^  S.  «2  (s.  auch  Bd.  lOQ,  S.  79);  Kuno  Fischer,  Oeach.  d.  n. 
Philos.,  Bd.  Üt  3-  Aufl.  Heidelb.  190«.  S.  Slfi.  Hans  Natge,  Über  Fr.  S. 
Ponnenlehre,  Lpz.  1801. 

■}  Bei  den  Scholastikern  bedeutete  experimentura  die  Erfahrung. 

„.,,„,  ^.oogic 


L  KApileL  Allgemeine  Getchicbte  der  Loffik.  97 

i&dmdnellen  Persönlichkeit  begründeten,  den  im  gegen- 
eeitigen  Verkehr  übertragenen  und  den  von  Lehrsyetemen 
emgeärang«n«n,  vgl.  Nov.  org.  I,  28  fF.  u.  De  dign.  et  angm. 
V,  4).  "Ober  die  weiteren  Einzelheiten  der  Baconschen  In- 
dnküoDglehre  ist  der  Spezialabechnitt  über  Induktion  zu  ver- 
fleicIieD. 

Dem  novom  Organum  gegenüber  kommt  die  inyentio 
ar^tuuentomm  et  sermoaum  nur  sehr  kons  weg.  Sie  proda- 
nert  nichts  Nenes,  sondern  ruft  nur  Bekanntes  am  geeigneten 
Ort  in  die  Erinnerung  znrück  (De  dign.  et  augm.  V,  3).  Sie 
üerßllt  in  die  promptnaria  und  die  topica,  die  topica  wieder 
in  die  topica  generalis  nnd  topica  particnlaris,  unter  welch 
lettterer  Baco  im  wesentlichen  eine  auf  die  Spezialwissen- 
scliaften  angewandte  Topik  versteht. 

Die  ars  judicandi  (s.  oben)  behandelt  die  natura  proba- 
tionum  s.  demonstrationum  (ibid.  V,  4).  Das  Judicium  er- 
folgt per  indoctionem  oder  per  syllogismum  (die  nnldgische 
Einteilung  der  artes  logieae  führt  zu  dem  doppelten  Auf- 
treten der  indnctio).  Die  Bedeutung  des  Syllogismus  gegen- 
über der  indnctio  schätzt  B.  sehr  gering  ein:  ,^yIIogiBmns  ad 
principia  scientiamm  non  adhibetur,  ad  media  aziomata 
fmstra  adhibetnr,  cnm  sit  snbtilitati  natura«  longe  impar" 
(Nov.  org.  I,  13). 

Die  speziellen  Ansfnfamngen  Bacos  sind  gröfitenteils 
ziemlich  oberfiäehlich  ,nnd  enthalten  zahlreiche  Irrtümer. 
Jedenfalls  bleibt  ihm  aber  das  Verdienst,  die  induktive 
Methode  znm  ersten  Male  systematisch  dargestellt  zu  haben, 
wenn  auch  genugsam  nachgewiesen  ist,  daß  er  die  Qedankeu 
derselben  ans  anderen  Werken  geschöpft  imd  selbst  im 
G^ensatz  zn  seiner  Lehre  fast  gar  nicht  experimentell  be- 
obachtet hat 

{  25.  AUgemeiner  EUnfinB  der  neueren  Philosophie 
wihrend  der  niehsten  beiden  Jahrhunderte.  Der  Einfluß  der 
neneran  Philosophie,  deren  Begründung  mit  Recht  dem 
Cartesins  zugeschrieben  wird,  auf  die  Iiogik  ist  zunächst  nn- 
vertiältnismäBig  gering  gewesen.  Während  die  Logik  des 
Altertums  und  des  Mittelalters  im  allgemeinen  mit  der  Meta- 
physik und  Erkenntnistheorie  (soweit  es  eine  solche  gab) 
Huid  in  Hand  ging,  trennten  sich  jetzt  ihre  Wege  für  längere 
Zeit    Die  großen  Philosophen  de«  17.  nnd*  18.  Jabrhnnderts 

Zi«h<n,  Iichitaik  dar  Logik.  /7 

„.,,„,  ^.oogic 


98  I-  l'ei!-    Absrenzung  und  allsemeine  Geschichte  der  Logik. 

haben  sicli  fast  an&aahmslos  nur  nebenher  mit  einigen 
logischen  Fragen  beschäftigt.  Stillschweigend  akzeptierten 
und  befolgten  sie  die  allgemeinen  Regeln  der  Ic^ischen 
Technik  und  kümmerten  sich  um  die  Bedeutung  der  logischen 
Gesetze  und  ihre  Beziehung  zu  den  metaphysischen  und  er- 
kenntnistlieoretischen  Problemen  nur  relativ  selten.  Die 
Weiterentwicklung  der  Logik  stockte  dabei  zunächst  fast 
ganz  und  blieb  dann  Philosophen  zweiten  Ränget,  wie  Baum- 
garten,  WolC  u.  a.  überlassen.  Selbst  die  von  Kant  aus- 
gehende Umwälzung  der  Philosophie  hatte  zunächst  auf  die 
Iiogik  8.  str.  nur  geringen  EinfluQ.  Erst  die  idealistische 
Schule,  welche  nach  Kant  zu  Anfang  des  19.  Jahrhunderts 
zur  Herrschaft  gelangte,  namentlich  Hegel  stellte  wieder 
eine  engere  Verbindung  zwischen  Metaphysik  und  Erkennt- 
nistheorie einerseits  und  Logik  andrerseits  her. 

Sehr  charakteristisch  ist  für  die  Logik  des  17.  und  18. 
Jahrhunderts  auch  ihi%  Entfremdung  von  der  Psychologie. 
Man  ist  erstaunt,  bei  den  Scholastikern  des  Mittelalters  oft 
mehr  psychologische  Anknüpfungen  in  den  logischen 
Systemen  zu  finden  als  in  den  üblichen  logischen  Lehr- 
büchern des  17.  und  18.  Jahrhunderts.  Selbst  Wolff  unter- 
schätzte trotz  seiner  vielfachen  Beschäftigung  mit  Psycho- 
logie die  Bedeutung  einer  psychologischen  Grundlegung  der 
Logik  noch  so  sehr,  daß  er  die  Logik  der  Psychologie  voraus- 
schickte (s.  nuten).  Auch  Herbart  vertrat  noch  einen  ganz 
antipsycbologischen  Standpunkt  in  der  Logik.  Erst  im  wei- 
teren Verlauf  des  19.  Jahrhunderts  hat  sich  mit  der  raschen 
Entwicklung  der  empirischeu  und  speziell  der  experimen- 
tellen Psychologie  wieder  ein  zunehmender  Einfluß  der 
Psychologie  auf  die  Logik  geltend  gemacht  und  sogar  viel- 
fach zu  einer  unberechtigten  Verwischung  der  Grenzen  beider 
Wissenschaften  geführt  (sog.  Psychologismus). 

Jedenfalls  ist  es  begreiflich,  daß  die  Logiker  des  17,  und 
18.  Jahrhunderts  infolge  dieser  Loslösung  der  Logik  sowohl 
von  der  Erkenntnistheorie  und  Metaphysik  wie  von  der 
Psychologie  sieh  fast  ganz  auf  die  logische  Technik  be- 
schränkten! Die  Logik  sank  meistens  zu  einer  bloßen  Normen- 
lehre herab.  Im  Bereich  einer  solchen  wurde  allerdings  viel 
geleistet.  Insbesondere  wurde  allmählich  der  von  der  Scho- 
lastik überkommene  Wirrwarr  von  Regeln,  Formeln,  tech- 
nischen Ausdrücken  gesichtet,  geordnet  und  oft  auch  mit 
Erfolg  vereinfacht. 


1,1^. OQi 


,g,c 


2.  KapttcL  Allgemsüie  Gnchicbte  der  Locik.  99 

i  26.  Cartesins *).  Hobbes.  Benee  Deseartes(Car' 
tesitis,  1596 — 1650)  hat  die  Logik  namentlich  in  zwei 
Sichton^n  gefördert:  dnrch  seine  Methoäenlehre  nnd  durch 
eeise  Lehre  von  den  Kriterien  der  Wahrheit. 

C.  unterscheidet  zwei  Wege  der  Erkenntnis:  den  intuitus 
wewtiB  und  die  deductio  ').  Unter  ersterem  versteht  er  nicht 
etwa  die  Sinneswahmehmung,  sondern  den  „mentis  purae  et 
attentae  non  dubiam  conceptnm,  qni  a  sola  rationis  Inee  nas- 
citnr".  Unmittelbare  evidentia  et  certitudo  sind  seine  charak- 
teristiachen  Eigenschaften.  Er  verhilft  ung  zur  Erkenntnis 
der  principia  prima.  Demgegenüber  schlägt  die  dedactio 
einen  indirekten  Weg  ein,  insofern  sie  aus  bekannten  Sätzen 
nene  erschließt.  Sie  hat  daher  keine  praesens  evidentia,  son- 
dern nur  eine  gewissermaBen  der  Erinnerung  entlehnte.  Nur 
wenn  es  sich  um  einen  sofortigen  Schluß  aus  den  ersten  Prin- 
zipien handelt,  kann  man  sowohl  von  intuitus  wie  von  deduc- 
tio sprechen;  bei  allen  entfernteren  Schlüssen  liegt  nur  de- 
dacUo  vor.  Die  deductio  kann  gegenüber  dem  intuitus  auch 
als  das  sukzessive  Erkennen  bezeichnet  werden.  Die  einzige 
zuverlässige  indirekte  E)rkenntni8  (deduktive  Erkenntnis)') 
ist  die  Induktion  (inductio  s.  sufficiens  enumeratio).  Die 
Regeln  der  Dialektiker  („Logistae")  sind  überflüssig  oder 
sogar  hinderlich  bei  dem  intuitus  mentis  (für  die  ratio  pura); 
die  Dialektik  kann  nur  zuweilen  nützlich  sein,  um  die  schon 
erkannten  Satze  anderen  leichter  auseinanderzusetzen,  sie  ge- 
hört daher  zur  Rhetorik  und  nicht  zur  Philosophie  *).  Als 
Beispiele  einer  intuitiven  Erkenntnis  führt  C.  die  Erkenntnis 

')  Von  den  loKischsn  Prinzipien  dea  CartcsLus  handeln  u.  a.  namentlich: 
P-  Natorp,  Descartes'  Erkenntnistbeotie,  Harbum  1882,  namenll.  Kap.  1,  S.  1 
bis  3£i;  v.  HeTtling,  Deacartes'  Beziehunsen  zur  Scholastik,  Sitz.-Ber.  d.  philos.- 
PhiloL  KL  ±  kgl.  bayer.  Ak.  d.  Wiss.  zu  Uflnchen  ise7,  Bd.  2,  S.  339  u.  ISSd, 
Bd  1,  S.'S;  Jos.  Geyser,  Philoa^  Jahrb.  1900,  Bd.  13,  S.  10»;  H.  Heimsoeth, 
Die  Uetitode  der  Erkennte  bei  Descartea  u.  Leibniz,  Philoa.  Aib.  v.  Cohen 
n.  Nalorp  Bd.  6,  H.  1,  Giefien  191%  S.  27  B.;  Bovca  Gibson,  The  reffulae  ol 
Dewurtes,  Mind  N.  S.  Bd.  7,  leBS,  Nr.  SB,  S.  14ö  u.  Nn  Sr7,  S.  382;  firoder 
ChristianaeD,  Das  Urteil  bei  Descarlesi  Hanau  1902  (Freiburser  Dissut.); 
AÜr.  Kaslil,  Studien  zur  neueren  Erkenntnistheorie,  I.  Descartea,  Halle  a,  S. 
UOg  (oamentl.  S.  110  S.). 

')  Vgl.  zum  Folgenden  namentL  Regulae  ad  direct  insen.,  herause.  r. 
fiucbenai^  Leipzig  1907,  S.  8^  19  u.  30  (Ubers.  i.  d.  PhUoa.  Bibl.  Bd.  36  a). 

*)  L.  c  S.  30. 

•)  L.  c.  S.  10,  11  u.  39;  D«  meth.  2. 


lA.OOgIc 


100         I-  ^^>I-  Absreimins  nnd  allfemeiiM  Geachicbte  der  Locik. 

an:  se  ezistere,  se  cogitare  *),  triangnlnm  termmari  tribn» 
lineis  tantum  usf. 

An  anderer  Stelle  (Hedil.,  Resp.  ad  sec.  obj.)  unterscheidet  C.  zwei 
rationea  demonatnuadi :  per  analysim  und  per  svntfaesim.  Die  AnalTsis 
„veram  viam  ostendit,  per  auam  res  methodice  et  tanQuam  ■  piioti  iuventa  est'V 
die  Synthesis  „per  viam  oppositam  et  tanquam  a  posteriori  quaesilam  —  etsi 
saepe  ipsa  probatio  Bit  in  hac  masis  a  priori  quam  illa  —  claie  <iuid^a  id, 
quod  condusum  est,  demonsirat  utituniue  lonca  definitionum,  petitiontun, 
anomatum,  theorematum  et  problematum  serie".  Er  gibt  iQr  philosophische 
Untersuchungen  der  Analysis  didaktisch  den  Vorzug,  ohne  die  Beziehung  zank 
intuitus  mentis  völlig  klarzustellen. 

Als  Kriterium  der  Wahrheit  betrachtet  C.  znnächst  bei 
dem  intuitiveii  Erkennea,  dann  aber  ganz  allgemein  die  Klar- 
heit und  Distinktheit  *).  All«»,  was  wir  „fort  clairement" 
{„dare"  s.  „dilncide",  zuweilen  anch  „eTidenter")  und  „fort 
distinctement"  vorstellen  („eoncevoofi"),  ist  wahr.  Eine  be- 
stimmte subjektive  Beschaffenheit  des  Denkens  soll  also  die 
objektive  Wahrheit  verbärgen.  Klar  nennt  C.  diejenige 
Vorstellnng  (perceptio),  welche  nienti  attendenti  praesens  et 
aperta  eet,  distinkt  diej«iige,  welche  „cum  clara  ait,  ab 
omnibos  alÜs  ita  Bejtmcta  e«t  et  praecisa,  nt  nihil  plane 
aliud,  quam  qnod  olarum  est,  in  se  contineat".  Die  Mim^el- 
haftigkeit  dieser  Beetimmong  echeint  C.  übrigens  selbst  ge- 
fühlt zu  habtti,  denn  er  epricbt  von  „einigen  Schwierig- 
keiten, welche  es  habe  zu  bemerken,  ob  wir  etwas  distinkt 
vorstollen"  ^.  Einen  Versuch,  diese  Schwierigkeiten  d^nitiv 
und  allgemein  zu  beseitigen,  macht  C.  nicht.  Er  gibt  nur 
eine  Beihe  methodischer  Batschläge  in  der  Dissertatio  de 
methodo  (1637)  und  in  den  Begulae  ad  directionem  ingenü 
(1628/9),  um  praktisch  diese  Schwierigkeiten  zu  mildem. 

Während  Cartesius  selbst  jede  Anknüpfimg  an  die 
traditionelle  Logik  verschmäht  hatte,  wurde  von  seinen 
Sehülem  schon  bald  eine  Verbindimg  der  cartesianisehen  Er- 
kenntnistheorie mit  der  ajten  Logik  hergestellt. 

So  schrieb  Johann  Clanberg  (1622—1665)  eine 
Logica  vetuB  et  nova  (Dotsbarg  1658,  3.  Aufl.  Snlzbaci 
1685)*).    Die  Logik  wird  hier  definiert  als  ars  rationis  for- 

>)  Sp&ter  hat  C.  bekanntlich  die  Folgerung  des  existere  aus  dem 
cogitare  des  Ich  als  evident  bezeichnet. 

■)  L.  c.  S.  aO;  Med.  de  prim.  pfailos.  U  u.  VI  sowie  Resp.  ad  Mcmid. 
object.;  Princ.  philosj  I,  4&  u.  00;  De  meth.  4  u.  a.  m.  ^  De  meth.  4. 

■)  ].  Aufl.  wohl  Amsterd.  16M.  AuBerdem  Ontoeophia,  Tigur.  Il694 
(mit  Logica  contiacta  als  Anhang)  <=  8.  Aufl.  der  Hetaphrs.  ivaec.  16W/7, 

h.  !■,  II,  l^.OOQIC 


a.  KspiteL  Altgemeiiie  Geschichte  der  Lofik.  IQI 

aandae  und  in  «ine  pars  genetics  (recta  formatio  suamm 
cogitatioamn)  nnd  eine  pars  analytica  (recta  form,  alienamm 
tag.)  eingetoilt  (Proleg.  Cap.  6).  An»  der  Scholastik  (Fr.  Hay- 
noi,  Tract.  fomuilitatnm)  nahm  er  mit  eini^n  Änderungen 
die  Lehre  von  den  Distinktionen  hinüber  nad  verschaffte  ihr 
dimit  Eingang  in  die  nenere  Philosophie.  Er  definiert: 
„distinctio  rationis  eet  inter  snbstantiam  et  aliquod  eins  attri> 
bntnm,  sine  quo  ipea  int«Uegi  non  potest,  vel  inter  dno  talia 

attribnta  ejnsdem  enbetantise ;  dist.  reatis  est  inter  dnas 

Tel  plnres  res  stricte  dictaa  aen  snbstantias,  qnamm  nna 
abaqne  altera  potest  clare  ac  distinote  intellegi;  dist  modalis 
est  inter  modnm  et  sabstantiam,  enios  est  modus,  ant  inter 
iam  modofl  ejnsdem  substantiae"  (1.  c.  3.  Anfl.  S.  61).  Noc-h 
mehr  Verbreitung  fand  die  von  Äntoine  Arnanld  (1612 
1)isl6M)  und  Pierre  Nicole  (1625—^695)  i.  J.  1662  in 
Parifi  heran^^egebene  Art  de  penser  *),  die  e<«.  Logikvon 
Port  Boyal,  auf  deren  durchweg  cartesianische  Lehren 
ia  den  Einzelabscbnitten  noch  öfter  zurückzukommen  sein 
wird.  Ebenso  behandelte  Pierre  Silvain  Begis  (1632 
bis  1707)  im  erst^i  Band  seines  Coors  entier  de  Philosophie 

5.  1—62  (Paris  1691),  Antonius  Le  Orand  in  seiner  In- 
stitatio  philoeophiae  sec.  princ.  B.  Ben.  Deec.  ^*)  (London 
1672)  nnd  Michel  Angeto  Fardella  (1650—1711)  in  seiner 
Logica  (Venet  1691*)  die  Logik  vom  Standpunkt  des  Carte- 
sins.  Eine  selbständigere  Stellung  nimmt  Arnold  Qen- 
linox  (1625 — 1669)  in  seiner  Logica  suis  fundamentia  reeti- 
tnta  (Lngd.  Bat.  1662)  nnd  der  Schrift  Methodus  inveniendt 
ugomenta  ")  (Lugd.  Bat  1663)  ein.  Eine  kurze  Behandlung 
einzelner  allgemeiner  logischer  Fragen  findet  sich  auch  im 

6.  Buch  der  Becherche  de  la  v6ritÄ")  von  Nicol«  Male- 
branche (1638—1715).  Die  Wahrheit  ist  nach  M.  eine 
wirkliche  Beziahnng  entweder  der  Gleichheit  oder  der  Cn- 

*)  Eine  neue  Ausgabe  derselben  nüt  AnmeTkunsen  hat  Alfr.  FouiU^e 
1879  in  Farn  veröfientlicht.  V^L  auch  Curt  Liebmann,  Dia  Logik  toq  Port- 
BoTal  im  Veihiltnis  zu  Descartes,  Disa  Leipzig  1908.  Über  die  Verfasser- 
tnie  ridis  Racine,  Abriei  da  llustoire  de  P.-R,  Paris  1865,  Anhang. 

")  In  der  mir  zug&nglichen  Ausgabe  Norimb.  169&  wird  die  Logik  im 
1-  Teil,  S.  1—115  abaehandeli 

")  Werke  herausgeg.  Ton  Land,  Hag.  Com.  Bd.  I,  S.  165  u.  *56  «,  ]l, 
S.  1.  Bemeikenswert  ist  sein  Versuch,  die  Beiatumg  in  den  Uiltelpunkt  der 
lonk  zu  sielten:  „radix  logices  est  aftirmalio"  (Log.  I,  1, 1,  ed.  Land,  S.  17&>. 

")  Zucisl  erschienen  Paris  167*  u.  75. 


OgIC 


102  I-  "^^^   Alsreiiiuns  und  ftUgerneine  Geschichte  der  Logik. 

gleichheit,  xmd  zwar  findet  diese  wirkliche  Beziehnng  ent- 
weder zwischen  zwei  Ideen  oder  einem  Ding:  «nd  «einer  Ide»- 
td'nne  chose  k  Bon  idde  und  umgekehrt)  oder  zwischen  zwei 
Dingen  statt.  Als  Beispiel  für  die  erste  Art  führt  er  an: 
„2X2  =  4",  für  die  zweit«;  „es  gibt  eine  Sonne",  für  die- 
dritte:  „die  Erde  ist  größer  als  der  Mond".  Nnr  die  Wahr- 
heiten der  ersten  Art  sind  unveränderlich  und  für  den  Geist 
ohne  Bilfe  der  Sinne  unfehlbar  (inf aillihlement) ")  zu  er- 
kennen. Seine  Methodenlehre  schließt  sich  eng  anCartesinsan^ 

Unter  den  Gegnern  des  Cartesius  hat  namentlich  Pierre 
Gassend  (PetrusGassendi  >*),  1098— 16&&)  sich  eituiebender  mit  der 
1x>8ik  beschäftigt  Die  Logik  hat  die  Aufgabe,  das  „bene  cogit&re"  zu  lehren^ 
und  letzleres  zeri&Ut  in :  bene  imaginari,  bene  proponere  (urteilen),  ben« 
colligere  (schließen),  bene  ordinäre  (Anordnung  der  Beweise).  Die  Sinnen- 
«ahraehmung  verbiUt  zur  imaginBlio  simplex,  der  Verstand  entwickelt  aus 
der  letzteren  die  Allgemeinbegriffe,  und  zwar  entweder  durch  Aggregalion 
(homo  =  aggeries  ex  ideia  SocraÜB,  Platonis  elc),  oder  durch  Abstraktion 
(homo  =  animal  bipes,  erecta  facie  etc.).  Selbstverständlich  haben  sie  wie: 
alle  logiseben  G^ilde  nur  Existenz  im  Denken. 

Den  skeptischen  Standpunkt  -vertraten  gegenüber  der  cartesianischetr 
Philosophie  der  Bischof  Peter  Daniel  Huet  (16B0— 1721)  in  seiner 
Schritt  Censura  philosophiae  Cartesianae  (Paris  1689^  Campis  1690),  und 
De  imbecillitale  roentis  humanae  (Amst  1738  u.  17S8)")  und  Pierre 
B  a  T 1  e  (1617 — 1706)  in  seinem  Systeme  de  Philosophie  eoalenant  la  logique 
vt  la  m^tapbysique  (postunl  1737).  Letzterer  dehnte  die  Zweifel  sogar  au£ 
die  mathematischen  Axiome  aus. 

Den  arislolelt sehen  Standpunkt  vertrat  u.  a.  in  Deutschland  Erhard 
W  e  i  g  e  1  (1626—1699).  Seine  beiden  Hauptweilce  —  Universi  corporis  pan- 
sophici  Caput  summum  etc.,  Jenae  1673,  und  Analvsis  Aristotelica  ex  Euclide- 
reslilttta  etc.,  Jenae  1668  —  verdienen  auch  heute  noch  Beachtung.  Er  will 
die  Logik  des  Aristoteles  nach  dem  Vorbild  der  euklidischen  Geometrie  dar- 
stellen.   Dabei  wendet  er  sich  ausdrücklich  einerseits  gegen  die  Scholastikcr- 

■')  De  la  rech,  de  la  vtr.  VI,  1,  ed.  Simon,  Paris  1M2.  S.  *8+  It. 

")  Opp.  Lugd.  Batav.  16&8  und  Flor.  1727,  Für  die  Logik  sind  am 
wichtigsten  die  Exercitationes  paradoxicae  adversus  Arislotelem  (GratianopoL 
192it,  in  Bd.  3  der  Florent.  Ausg.)  und  das  postume  Syntagma  philosophicum 
(Bd.  1  der  Florent.  Ausg.,  davon  Pars  prima  s.  logica,  S.  27  ff.  mit  anschliefien- 
der  Instilutio  logica  in  i  Teilen,  S.  61  ä.).  Zu  den  Gegnern  ist  auch  F  e  t  r  u  a 
P  Dir  et  (1640—1719)  zu  rechnen.  Er  schrieb  einen  „Tractalus  de  vcra 
melhodo  inveniendi  verum"  (aebe  namenllich  I,  18  über  verilas  roaterialis. 
sive  facti  und  veritas  menlis  s.  conceplus  aut  conscienliae),  und  „De  erudi- 
lione  solida,  superficiaria  et  falsa"'  etc.  (siehe  namenllich  II,  37  u.  3^ 
S.  172  If.),  beide  AmsUlodami  1692. 

")  Vgl.  in  der  lat  Ausgabe  von  1738  namentlich  S.  11  (Definition  der 
Wahrheit).  Huet  war  sribst  erst  begeisterter  Cartesianer  gewesen  (ibid. 
S.  6).  Die  erste  Aussähe  erschien  17a  postum  in  franz.  Sprache,  schon 
3724  folgte  «ine  deutsche  Obersetzung  (Frankfurt). 


3.  Kapilel  AlUenwine  GCBchicfale  der  Loeik.  ]03 

(mdiewDder«  das  „coiifusum  somnium  Lullii")  und  aodrerseils  sesen  Car- 
ttSBS.  Noch  «{was  Alter  ist  die  sog.  Los^ica  Hamburgensis  von 
JoichiiD  Juiig(e)  (1687—1657),  die  1638  in  erster  Aunafie")  in  Ilombur« 
«T^chien  and  in  vorsichliger  Weise  die  aristotelischen  Lehren  den  neuen  An- 
fcrdemngen  —  zum  Teil  unter  dem  EinduB  des  B«mus  —  anzupassen  ver- 
weht; Leibniz  empfiehlt  sie  uns  ausdrücklich  "),  (Vgl.  Bartholoroaei,  Ztschr. 
t  eiairte  Philos.,  1871,  Bd.  9.  S.  250,  namenlUch  S.  253  Ober  Weigel). 

Eine  sehr  seibslflndige  Stellung  nimmt  auch  in  der  LoBik  Thomaa 
Kobbes  (158Ö — 1679)  ein,  dessen  philosophische  Hauptwerke'*)  erst  nach 
den  Hauptwerken  des  Cartesius  erschienen  sind.  Im  Gegensatz  zu  den 
meisten  zeitgenfissischen  Philosophen  gibt  er  seiner  Erkenntnislehre  eine 
rtycbologische  Grundlegung.  Die  Dinge  rufen  durch  ihre  Bewegung  die  ihnen 
UBZ  unähniiche  Empfindung  (sensio)  hervor.  Das  Gedächtnis  bewahrt  von 
dieser  eine  Vorstellung  ^idea,  Phantasma).  Die  Vorstellungen  werden  mit 
VSrtera  bezeichne!  (signa).  Da  die  Vorstellungen  weniger  deutlich  als  die 
Empfindungen  sind,  wird  e  i  n  Wort  z.ura  Zeichen  für  viele  ähnliche  Vor- 
tldhingen  und  bekommt  dadurch  eine  allsemeine  Bedeutung  (wahrscheinlich 
EinfluB  Occams).  Die  Verliindung  der  Vorstellungen  im  Denken  (reasoning) 
«eilt  sich  am  reinsten  im  BechDen  dar:  reason  is  nolbing  bul  rcckoning,  die 
Logica  fftllt  mit  der  Computalio  luaammen  (vgl.  namenllich  Kap.  5  de  rationo 
fi  Kienlia  im  Levialhan,  Pars  1,  De  homine  u.  Elem.  pliilos,  Sect.  1,  De  con)., 
l'ajs  1).  Wahrheit  kommt  nur  den  Sätzen  (pro  Position  es),  d.  h.  den  Wort- 
vertriaduniten  zu.  £ip  beruht  also  in  letzlcr  Linie  auf  der  Bedeutung  der 
Werter  und  somit  auf  Definitionen,  Bei  dem  Verbinden  der  Wörter,  also  dem 
Reclincn  im  weitesten  Sinne,  kommt  es  darauf  an,  die  WortbedeutunBen  fest- 
zuballen  und  dasselbe  Wort  immer  in  demselben  Sinne  zu  brauchen. 
Der  Satz  vom  Widerspruch  ist  daher  die  Grundlage  alles  vernQnftigen  Den- 
kena  Trotz  dieser  sensuaUsli sehen  und  nominal istischen  Tendenz  seiner  Er- 
kenntnislehre  bek&mpft  doch  Hobbes  andrerseits  die  ausschließliche  Kerr- 
Kfaaft  der  induktiven  Methode.  Er  verlangt  sowohl  die  methodus  resoluliva  s. 
aoalTtica  wie  die  methodus  composiliva  s.  synthetica,  d.  h.  sowohl  den  For- 
xitungsweg  a  scnsibusad  inventionem  principiorum  nie  den  umgekehrten  (De 
<Gip.  1,  6,  ed.  Molesworth,  London  1859,  Bd.  1,  S.  09).  Inwesondere  nimmt 
u  Ijlr  die  Erforschung  der  AllgemeinbegriKe  ausschließlich  dte  anaivlischen 
Methoden  in  Anspruch  („concludemus  ilaque  melhodum  invesligandi  rationes 
Mrem  universales  esse  pure  analylicam",  1.  c.  S.  61,  siehe  iedoch  auch 
S.  WB.  u.  71). 

S  27.  Spinoza ').  BarnchdeSpinoza  (1632—1677) 
tat  seine  It^ischen  Ansichten  namentlich  in  dem  wahrschein- 

'*)  3.  AulL  Hand)urg  1681  mit  Einleitung  des  Jeh.  Vagclius. 

")  Philos.  Werke,  Gerh.  Ausg.,  Bd,  7,  S.  498. 

")  Fär  die  Logik  kommen  vor  allem  in  Betracht  Etementa  philosophiae, 
Sect  1.  De  corpore.  Pars  1,  Logica  und  Leviathan,  Pars  1,  De  homine  sowie 
^  kleine  Schrift  De  principiis  et  ratiocinalione  geomeiric&  Vgl.  auch 
9.  Tonnies,  Hobbes'  Leben  und  Lebre,  Stuttgart  1896,  namentlich  S.  112  ü. 
<A.  AnfL  unter  dem  Tilel:  Tb.  Hobbes,  Der  Mann  und  der  Denker,  Oslerwieck 
und  Leipzig  ISia,  S.  91  ff.) 

')  Die  wiehtigsten Schriften,  welche  sich — weDigstensunleranderem— 
eiag^ender  mit  den  logischen  Lehren  Spinozas  bescb&fUgen,  sind:  Freuden- 


OgIC 


]04  I'  '^ci'-   AbgrenzuDB  und  BÜcemeiDe  Geschichte  äer  Losüi. 

lieh  schon  vor  1662  verfaßten,  aber  unvollendeten  Tractatu» 
de  intellecttis  emeodatione  niedergelegt.  Die  Wahrheit  ist 
nach  Spinoza  die  Übereinstimmung  einer  Idee  mit  ihrem. 
Gegenstand  (EHhice  I,  Ax.  6:  „idea  vera  debet  cum  buo  ideata 
convenire").  Diese  convenientia  ideae  cum  suo  ideato  gibt 
jedoch  nur  die  äußere  Eigenschaft  (proprietas  extrinseca)  der 
idea  vera  an,  die  letztere  hat  auch  bestimmte  innere  Eigen- 
schaften (proprietates  sive  denominationes  intrinsecas),  die 
ihr  bei  der  Betrachtung  an  sich  ohne  Beziehung  auf  das  Ob- 
jekt (in  se  sine  relatione  ad  objectum)  zukommen.  Die  so 
durch  ihre  inneren  Eigenschaften  als  wahr  gekennzeichnete 
Idee  nennt  Sp.  „adäquat"  (Eth.  II,  Def.  ^.  Die  i  n  adäquaten 
Ideen  bxw.  Irrtümer  entstehen  dadurch,  daß  ims  Kenntnisse 
fehle«  {privatione  cognitionis).  Sie  werden  daher  auch  als 
„mutilatae  et  confusae"  bezeichnet,  während  die  adäquaten 
Ideen  mit  Cartesius  „clarae  et  distinctae"  genannt  werden 
(Eth.  II,  Prop.  17  SchoL,  28,  35).  Dasjenige,  was  allen  Dingen 
gemeinsam  ist  und  gleichermaßen  in  einem  Teil  und  im 
Ganzen  ist,  muß  nach  Sp.  stets  adäquat  aufgefaßt  werden, 
woraus  sich  die  Existenz  adäquater,  allen  Menschen  gemein- 
samer B^riffe  (notiones  communes)  ergibt,  welche  die  Grasd- 
lagen  unseres  vernünftigen  Denkens  bilden  (Eth.  II,  Prop.  38 
bis  40).  Die  Sinnesorgane  liefern  uns  nur  verstümmelte,  ver- 
worrene, ungeordnete  Vorstellungen  und  ermöglichen  daher 
nur  eine  „cognitio  ab  experientia  vaga".  Diese  sowie  die 
Erkenntnis  ex  signis  (z.  B.  durch  Hörensagen)  faßt  Sp.  als 
„opinio  vel  jmaginatio"  zusammen  und  stellt  dieser  die 
„ratio"  als  die  Erkenntnis  ans  den  notiones  communes  und 
■ —  als  höchste  Stufe  -—  die  scientia  intuitiva  gegenüber, 
■welch  letztere  „procedit  ab  adaequata  idea  essentiae  formalis 
quorundam  Dei  attributorum  ad  adaequatam  cognitionem 
easentiae  rerum"  (Etb.  II,  Prop.  40,  Schol.  2).  Zu  der  cognitio 
ex  experientia  vaga  und  ex  signis  gehören  alle  falschen  (in- 
adäquaten) Ideen,  dagegen  liefert  die  ratio  und  scientia  in- 
tuitiva stets  notwendig  adäquate  d.  h.  wahre  Ideen.     Selt- 

tbal,  Spinoza  und  die  Scholastik,  Philos.  AuFs.,  Ed.  Zeller  eewidmel,  Leipzig 
18S7,  S.  iß;  Paul  Lesbazeilles,  De  logica  Spinozae,  Faiis  1883;  Fr.  Ertiardt. 
iDie  Pliilqsophie  des  Spinoza  im  Lichte  der  Kritik,  Leipzig  1906^  ntunentlictt 
S.  S7^195;  L.  Busse,  Über  die  Bedeutung  der  Begriffe  essenÜK  und  exislenlia 
bei  Spinoza,  Vjhrschr.  I.  wiss.  Phikia,  188^  Bd.  10.  S.  283;  Friedr.  Meier, 
Die  Lehre  vom  Wahren  und  Falschen  bei  Descarles  und  Spinoza.  Uissertat 
L«pKig  1897,  S.  37  fi. 


n,g,t,7l.dM,GOOglC 


2.  S^teL   Allgemeine  Gcachichte  der  Loiik.  IO5 

usMrweiee  gibt  Sp.  in  dem  Tractat.  de  intell.  emendatione 
(ed.  Ginsberg,  S.  140ff.  v.  162)  eine  wesentlich  andere  J>ar- 
Eteilang.  An  der  Stelle  der  ratio  üteht  hier  diejenige  „per- 
«eptio,  ubi  e^entia  rei  ex  alia  re  coDcladitor"  (z.  B.  bei  dem 
SchlnS  von  der  Wirkung  anf  di«  Ursache)  und  an  Stelle  der 
acientia  intuitiva  dieienige  „perceptio,  ubi  res  percipitnr  per 
solam  Buam  essentiam  vel  per  oognitionem  saae  proximae 
csnsae";  vor  allem  aber  wird  die  peroeptio,  ubi  ess.  rei  ex 
aüa  re  conclnditur,  hier  für  nicht-adäquat  erklärt. 

Den  Abschluß  erhält  diese  ganze  Erkenntnislehre  Spi- 
nozas niit  dem  charakteristiaclien  Satz,  der  bis  heute  von 
manchen  I^ogikem  in  den  mannigpfachsten  Abänderungen 
immer  wieder  aufgestellt  worden  ist:  „Qui  veram  habet 
ideam,  simul  seit  se  veram  habere  ideam,  nee  de  rei  veritate 
potest  dnbitare"  (Eth.  II,  Prop.  43  n.  Tr.  de  intell.  emend.,  ed. 
Ginsberg  S.  167).  Zo  der  übrigens  nicht  näher  definierten 
Adäquatheit  der  idea  vera  soll  also  noch  ein  besonderes  Adit- 
qnaUteitsbewußtseiu  kommen.  Worin  diese  Oewißheit  be- 
stellt, gibt  Sp.  nicht  weiter  an.  Veritas  norma  sui  et  falsi 
est,  sie  tragt  ihre  Kriterien  in  sich.  Wenn  jemand  an  einer 
falschen  Meinung  festhält,  so  liegt  nach  Sp.  keine  certitndo, 
sondern  nur  ein  non  dnbitare  vor.  Die  positive  Gewißheit 
ist  mit  der  falsitas  unverträglich  (Eth.  II,  Prop.  49  Schot). 

Die  methodischen  Kegeln  für  die  Wahrheitsforschnng, 
vetche  Sp.  im  Schlußteil  des  Tract  de  int.  em.  zusammen- 
stellt (1.  c.  S.  148  ff.),  haben  bemerkenswerterweise  fast  nichts 
nüt  der  üblichen  logischen  Normenlehre  gemein,  sondern 
eind  grÖBtenteils  Folgerungen  aus  den  erkenntnistbeore- 
Üschen  Omndsätzen  Spinozas.  Inabesondere  gebort  dahin 
«Dch  die  Bevorzugung  der  deduktiven  Methode,  wie  sie  Sp. 
wlbet  in  seinem  Hauptwerk  streng  dprchgeführt  hat.  Die 
niathematiscbe  Gliederung  (mos  mathematicus)  im  letzteren 
»t  för  Spinozas  Methode  nicht  charakteristisch,  sie  wurde 
Khon  vor  ihm  gelegentlich  angewandt  und  ist  von  ihm  selbst 
nicht  stets  angewandt  worden.  Immerhin  hat  das  in  der 
Ethice  gegebene  Beispiel  auch  in  dieser  Beziehung,  vielfach 
Xachabmimg  gefunden. 

Kne  eiDgehendere  DarstelluDg  der  Logik  telbst  von  dem  eben  kuTZ  dar- 
inteilten  Standpunkt  wurde  auch  hier  erst  von  einem  Schflier  gegeben  in 
dKn  L  J.  1664  zu  fiand>ui8  erachieaenen  anonymen  Wert :  P  r  i  n  c  i  p  i  a 
Panlosophiae,  welches  im  1.  Teil  —  betitelt  „Specimen  artis  ratio- 
■cinandi  naturalis  et  artificialis  «d  pastosophiae  principÜL  manuducens  ~ 

„.,,„,^.oogic 


106  '-  '''<''''    Abgrenzung  und  allgemeiae  Geschichte  der  Jjogit. 

einleitungsweise  S.  1—359  die  Logik  behandelt  Für  den  Verfasser  hftlt  nuui 
Albr.  Job.  Kuffelaer  (CuHelenia).  Neben  der  ablichen  Logik,  im  Sinn» 
elwa  des  Melanchthonsclien  L'ehrbuehs  und  der  Rrkenntnislebre  Spinozas, 
KPielt  die  Hobbessche  AufFassung  des  Denkens  als  eines  universalen  Hech- 
ncns  eine  Hauplrolle  (raliocinatio  =  „nihil  aliud  quam  compulalio  quaedam, 
i.  e.  simptex  additio  subtractiove  nostronim  conceptuun^  quae  a  vulgari 
aritbmelicorum  operatione  nihil  omnino  diSert  nisi  solo  objecto" ). 

S  2a  Loeke.  John  Locke')  (1632—1704)  steht  auf 
streng  protästhetiecheni  Standpunkt,  indem  er  alle  Vorstel- 
lungen (ideas)  vonWahm«limungen,  äuSeren  (sensations)  oder 
inneren  (refleetions),  herleitet.  Die  intellektuellen  Prozesse, 
in  welchen  diese  Herleitung  sich  vollzieht  und  durch  welche 
weiterhin  Urteile  und  Schlüsse  zustande  kommen,  werden 
nur  oberflächlich  untersucht.  Es  genügt  ihut,  die  Haupt- 
gesetze,  nach  weichen  die  Auswahl  der  Vorstellungen  bei 
ihrer  Verbindung  zu  zusammengesetzten  Vorstellungen  und 
Urteilen  erfolgt,  in  den  sog.  Assoziationsgesetzen  naelizu- 
weiseu.  Die  logische  Bedeutung  und  der  Inhalt  dieser  Ver- 
knüpfungen, des  „putting  together  und  separating",  wird 
kaum  berücksichtigt  Die  Wahrheit  besteht  nach  Locke 
daher  auch  nur  in  der  Verbindung  und  Trennung  der  Zeichen 
(Worte)  entsprechend  dem  Zusammenstimmen  oder  Nicht- 
Zueammenstimmen  der  bezeichneten  Dinge  (,joining  or  sepa- 
rating of  signs,  as  the  things  signified  by  theiii  do  ngree  or 
disagree  one  with  another",  Esa,  IV,  5,  ^  2).  Insofern  die 
Zeichen  Vorstellungen  von  Dingen  bezeichnen,  kann  man 
neben  dieser  verbalen  Wahrheit  eine  geistige  Wahrheit 
(mental  truth)  unterscheiden,  die  in  der  Verbindung  oder 
IVennung  der  Vorstellungen  im  Verstand  gemäß  der 
Znsamraenstinuuung  oder  Nicht  -  Zusammenstimmung  der 
Dinge  besteht  (ibid.  %  6).  Nur  insoweit  die  bezeicbmjten  Vor- 
stellungen mit  ihren  >,archetypes"  übereinstimmen,  soll  die 
Wahrheit  „wirklich"  (real)  sein  (ibid.  ^  9).  Locke  gibt  zu, 
daß  es  selbst-evidente  Satze,  maxims  and  axioms,  gibt  (z.  B. 
ein  Kreis  ist  ein  Kreis),  und  daß  für  diese  eine  intuitive  Er- 
kenntnis (intuitive  knowledge)  existiert,  bestreitet  aber,  daß 
solch©  allgemeine  Sätze  die  Wissenschaft  erheblich  fördern 

')  Außer  dem  Hauptwerk  „An  essay  conceming  human  underslandins" 
(London  1690),  kommt  für  Lockes  logische  Lehren  die  nach  aemem  Tode  er- 
achienene  Schrill  „Ol  tbe  conduct  of  Üio  understanding"  m  Betracht.  Vgl. 
lemer  Ed.  Marünak,  John  Lockes  Lehre  von  den  Vorstellungen,  Gnx  1887 
<Leobener  Gynmaa  Jahresbcr.)*,  und  Die  Logik  J.  Lockes,  Halle  ISM. 


.DOglC 


a.  Kaptle).  Altentwlne  Oesebkhle  der  Lorik.  107 

Ükid.  7,  ^  11);  sie  sind  nur  nQtzlich  bei  dem  Uaterricht  und 
in  der  Disputation.  Wenn  zvei  VoretellaogeD  vollkommen 
dentUch  (entire  distinct)  sind,  so  urteilt  der  Verstand,  sobald 
er  die  termini  versteht,  mit  unfe'hlbarer  Sicherheit,  ohne  dafi 
eis  Bevcis  erforderlich  ist  (ibid.  %  10).  L.  bezweifelt  dah«r 
awh,  daS  Schlüsse  (syllogisms)  das  „proper  Instrument  of 
reason"  sind  (IV,  17,  %  4).  Wenn  es  vielleicht  auch  möglich  ist, 
neue  wirkliche  Hilfsmittel  für  die  Förderung  der  Erkenntnis 
zn  finden:  die  zur  Zeit  übliche  Logik  (the  logic  now  in  use) 
gehört  zu  diesen  Hilfsmitteln  nicht  (ibid.  %  7).  Wir  sind 
unmer  angewiesen  auf  intuitive  knowledge,  d.  h.  die  Wahr- 
nehmong  der  sicheren  Zosammenstimmnng  oder  Nicht- 
Znsammenstinonung  zweier  Vorstellungen  bei  nnmitteibarem 
Vergleich,  oder  durch  Vermittlnog  einer  oder  mehrerer  an- 
derer Vorstellungen  (rational  knowledge,  ibid.  %  17).  Für 
des  letzteren  Weg  gibt  die  Mathematik  das  beste  Vorbild 
(Cftnd.  of  the  underst  ^  7).  Rein  logische  Untersuchungen 
»ind  so  überflüssig  wie  etwa  für  den  Maler  das  Zählen  der 
Haare  seines  Pinsels  (ibid.  ^  43). 

Trotz  dieser  scharten  AblehaunK  der  formalen  Logik  haben  doch  cin- 
«Ine  Anhlnser  von  Locke  versuch!,  von  seinem  e rke nntn ist h corelischen 
SUndponkl  aus  die  Logik  zu  bearbeiten.  Hierber  gehört  z.  B.  die  Logik  von 
Iiaac  Watts  (Logic  or  (he  rigbt  use  of  reason  in  the  enquirr  aller  trulh 
etc.,  Ijjodon  1724  *),  deutsch  Leipzig  1765,  u.  Supplement  lo  hia  tiealise  of 
iotje,  London  174-1),  die  Locke  gewidmete  Logica  ».  Ars  ratiocinandi  von 
JoanncsClericus  (Jean  Leclerc,  Amst.  169Ö)  und  die  Logik  von  Jean 
Pierre  de  Cro  USB  z  (Nouvel  essai  de  logique  Amst.  1712»),  und  Systime 
dr  logique  abreg6  par  son  auteur,  Lausanne  1736}.  Namenlücli  bei  letzterem 
«iid  Obrigens  der  Lockesche  Standpunkt  vielfach  nicht  streng  festneliallen, 

IKe  sog.  Enzyklopädisten  haben  sich  mit  logischen  Fragen 
nüBteoteils  nicht  eingebend  beschäftigt,  in  den  gciegenlhchen  kleineren 
Artwiteu  (vgl  namentlich  di^  Artikel  Logique  und  SvtloRisme  in  der  EncV' 
clopMe  ou  Dictionnaire  raisonni  des  sciences,  des  arls  et  des  m^liers*)  aber 
in  wesenllichea  den  I^ockeschen  Slaodpunkl  eingenommen.  Fast  wie  ein 
-Anachronismus  mutet  es  an,  wenn  fast  ICO  Jahre  nach  dem  Erscheinen  des 
Lodiracben  Werkes  E  ti  en  ne  B  on  n  o  t  de  Condillac  (1715—1780)  in 
xiner  Logik  (La  logique  ou  les  Premiers  dtvetopiiemena  de  l'art  de  penser, 

'■)  Mir  war  nur  eine  Ausgabe  vom  Jahre  lf2i  (Edinburgh)  zug&nglich. 
Bemerk ensn'ert  ist  z.  B.,  die  scharfe  Verurteilung  der  Kategorienlehre. 

')  Auch  latein.  unter  dem  Titel  Job.  Petrus  de  Crasa,  Loglcae  systenia, 
ioxt«  principia  ab  ipso  in  Gallico  opere  posita  etc.,  Genevae  1724  (in  3  Bdn.) 
Der anatühriiche  Titel  der  französischen  Ausgabe  lautet:  Systeme  de  reflexions 
mi  peuvent  contiibuer  ä  la  nettelä  et  l'£tendue  de  nos  connoiasances  ou 
nouvel  essai  de  logique,  Arosterdam  1712  (beide  Bftnde). 

•)  Paris  1761— a77a 


ih,Googlc 


108  I-  Teil  AbTrenzuns  und  allgemciDe  Geschiehte  der  Logik. 

Paris  1781}  ■)  sanz  ähnliche  Lehren  wie  Locke  entwickelt  und  sie  als  durch- 
aus neu  bezeichnet.  Neu  ist  an  denselben  höchstens  die  scb&rfere  Herroi^ 
hetaiutf  'der  Bedeutung  der  AnalTse  und  die  Tendenz  zu  einem  sanz  ex- 
tremen Sensualismus"),  der  sich  nicht  damul  beschränkt,  im  Sinn«  des 
protisthetischen  Prinzips  die  Unenlbehrlichkeit  der  En^^ndungen  fflr  alle 
Denkvon&nge  zu  behaupten,  sondern  auch  die  eigenailtgen  Vorgänge,  durclt 
weicbe  aus  den  Bmpflndungen  Vorstellungen  (ßegrllle)  und  Urteile  entstehen, 
mehr  oder  neniger  vollständig  ignoriert  und  lediglich  als  eine  Abscbwlchung 
der  Empfindungen  und  VeAnflpfung  abgeschwächter  Hrnpflndungeu  deutet. 

In  Italien  schrieb  Antonio  Genovesi  (Antonius  Genuensis  1713 
Ins  1769)  eine  Logik  von  einem  etwas  gemilderten  Lockeschen  Standpunkt 
(Elementonim  ariis  logico-crilicae  libri  V,  Neapoli  17tö,  mir  in  einer  si>&teren 
Auflage,  Bassan.  177^  zugänglich,  hier  namentlich  Froleg.  §  9  u..  10  Qber  den 
Begriff  der  Ars  logico-critica;  ferner  Logica  pei  giovanetti,  Neapoli  1761;  siehe 
auch  Opere  scelte,  Hilano  18Zi — 1835) ').  Auch  die  Logica  dei  probabili  tod 
Pagano  (Napoli  1806)*  gebOrt  hierher.  CondiUac  stehen  in  ihj^n  logischen 
Schritten  nahe  Giovanni  Domenico  Romagnosi  (1761^1835^ 
z,  B.  Vedute  fondamentali  suü'  arte  logica,  Gesamtausgabe  seiner  Werke, 
Milaso  1841,  Vol.  1,  Parte  1,  S.  209t  namentlich  S.  2^—272;  S.  216  lobt  er 
flbrigens  Genovesi,  weil  er  die  beiden  Eitreme,  Sensualismus  und  Spiritualis- 
mus, vermieden  habe) ^),  Melchiore  Gioia  (1767 — 1S39,  Logica.  äelU 
slatistica,  Hilano  1806^  Ideologia,  4  Bde.,  Milano  1822*  u.  a.},  und  Fran- 
cesco Soave  (1743 — 1816,  Instituzioni  dÜ  logica,  metaflaica  ed  etica) *). 

§  29.  Leibnlz.  Ungleich  tiefer  als  die  logiscben  Lehren 
von  Locke  sind  diejenigen  von  Q.  W.  Leibniz  (1646  bis 
1716).  Auch  Leibniz  hat  kein  zusammenbängendeeWerk  aber 
Logik   geschrieben,    vielmehr    sind    seine    Ansichten    tber 


')  Eine  weitere  Schrift:  La  lan^ue  des  calculs,  Paris  1798,  ist  mir  leider 
nicht  zugänglich  gewesen.  Vgl.  auch  Louis  Robert,  Lea  thteries  logiques  d« 
Condillac,  Paris  1869,  und  0.  Noel,  LogiQue  de  Condillac,  Paris  190a*      , 

*)  Uan  hüte  sich  nur  davor,  diesen  extremen  Sensualismus  mit  der 
AssoziationspsTcbologie  zu  verwechseln.  Die  letslere  lehrt  nur,  daß  die 
Au^swabl  der  Vorstellungen  bei  der  Zusammensetzung  der  Erinnerungs- 
bilder zu  komplexen  Vorstellungen  und  zu  Urteilen  ausschlie Blich  durch  die 
sog.  Assoziationsgesetze  und  nicht  durch  besondere  neue  Vermögen  oder 
Prozesse  (Apperzeption,  Wille  usw.)  bestimmt  wird,  kann  aber  die  eigenartige 
Bedeutung,  den  spezifisch  neuen  Inhalt  der  hierbei  entstehenden  G^Ide  ' 
(Begriffe,  Urleile)  und  ihre  totale  Verschiedenheit  von  den  Empfindungen 
durchaus  anerkennen. 

')  In  der  etwas  älteren  Logik  von  Jacobus  Facciolatus  (Logicae 
disciplinae  rudimenta  etc.,  Venelüs  1738)  hat  man  den  Eindruck,  als  existierte 
[KKh  gar  keine  neuere  Philosophie. 

■)  Beachtenswert  ist  die  soziologische  Tendenz  bei  Romagnosi  (s.  B. 
L  c.  S.  251-,  221 U.). 

•)  Bei  Pasquale  Galluppi  (1770—1846,  Elementi  di  filoso&a. 
Logica  pura  und  Psicologia,  1830^  Lezioni  dt  logica  e  metafisicst  Napoli 
lS3ä~-ia86)  wird  der  EinfluB  Lockes  schon  sehr  durch  denjenigen  Kants  ge- 
dämpft.   Vgl.  Giov.  Gentile,  Dal  Genovesi  aL  Galluppi,  Napoli  1903,  S.  S16  ff. 


OgIC 


2.  KapiUL    Atlgemeine  Genchichle  der  Logik.  109 

k^edie  Fragen  sehr  zerstreut  in  kleineren  ÄbbaAdlanffea  *) 
and  Briefen,  und  in  den  Xonveanx  essais  enr  l'entendanent 
hnmün  niedergele^.  Wenn  L.  auch  die  bisherige  Logik  für 
,^101)  «inen  Schatten"  dessen  hält,  ,,80  er  wünscht  und 
glnehsam  von  ferne  siebt",  gesteht  er  ihr  doch  viel  Nntsen 
za  (Vn,  516  ff.  o.  488  sowie  IV,  425).  Er  versteht  unter  der 
Logik  die  Ekinst  „den  Ventand  zn  gebrancben,  also  nicht 
allein,  was  fürgestellet,  zn  beurteilen,  sondern  anch  was  ver- 
borgen, zn  erfinden".  Statt  von  einer  Logica  ntens  will  er 
von  einer  Li^ca  serviene  reden  (I,  166). 

Schon  der  Tatbestand,  den  Leibniz  seinen  logischen  An- 
sehannngen  zognmde  legt,  wich  weit  von  dem  von  Locke  an- 
genommenen ab.  Dieser  hatte  die  Tätigkeit  des  Verstandes 
bei  der  Verarbeitnng  der  Sinneswahmehnrnngen  fast  ganz 
ignoriert.  Leibniz  legt  anf  diese  Mitwirkung  dee  Verstandes 
eia  entscheidendes  Gewicht  Es  gibt  nach  Leibniz  (V,  79) ') 
zwar  keine  pens^es  innres,  wohl  aber  veritte  inn^s,  also  zwar 
keine  actions  nnd  coonaissances  actnellefi,  aber  doch  connais- 

')  Besonders  wichtig  sind  die  Briefe  an  Conriog  (I),  Buroelt  (^t),  an 
ränen  Fteaad  in  Bremen  (IV,  S2b),  Kfinixin  Sophie  Charlotte  (VI)  uod  Gabr. 
Vaener  (VII);  femer:  Diseeriatio  de  arte  combinatoria  (IV];  AnimadversioDes 
in  putcm  generalem  principionim  Cartesianonim  (IV);  UeditalJones  de  cosni- 
tione,  verilate  et  ideis  (IV,  zuerst  in  den  Act  Eiud.  Lips.  368t  erachieoen); 
sog.  Petil  discours  de  m^taphynque  (IV,  -4217);  Sur  ce  (|ui  parae  let  lens  et  la 
rnaüire  (VI);  soc.  Monadologie  (VI);  Schriften  zur  Scientia  genenüis  und 
Chancleristica  realis  (VII);  De  ffmthesi  et  anairsi  universali  (Vll,  293;  e. 
auch  S.  290  anschUeBendes  Bnichstdck).  Die  beigesebEten  römischen  Ziffern 
--  hier  vie  oben  im  Text  —  beziehen  sich  auf  die  Bände  der  Oerhardlschen 
inasabe  der  pfailos.  Schriften  (Berlin  1876—1880),  Mit  den  Imiachen  Lehren 
im  Leibniz  besch&ttigen  sieb  u.  a. :  Fiuiz  B.  Kvel,  Leibnitzens  Logik,  Frar 
1%T;  Ad.  Trendelenbun,  Histor.  Beitr.  z.  Pbilos.  Bd.  S,  Berlin  1867,  S.  1 
B.  48;  Louis  Conturat,  La  logique  de  Leibniz  d'apris  des  documenta  in£di(e, 
FuialSOl;  Fr.  Rintden,  Leibnizens  Beziehungen  zur  Scholastik,  Arch.  f< 
Gtteh.  d.  FhiloB.  1906,'  Bd.  16,  S.  167;  R.  Zimmennann,  Über  L.'9  Konzep. 
tualiamus,  Sitz.-Ber.  d.  Wien.  Ak.,  philos.  bist.  Kl.  18M,  Bd.  1%  S.  661; 
WüiT  KaMtz,  Die  Philosophie  des  jungen  Leibniz,  Heidelb.  1909  (Nacbveis 
der  metapbTS.  Grundlage  der  loschen  Logik);  H.  Heimsoeth,  Die  Methode  der  Er- 
luDiitnis  bei  Descartes  u.  Leibniz,  Philosoph.  Arb.  t.  Cohen  u.  Natorp,  Bd.  6, 
Seit  2,  GieBen  1914,  S.  201  fL;  W.  Frertag,  BemeAungen  zu  Leibnizens  Er- 
kontnisthecrie  etc.,  Arch.  1,  d.  ges.  Psrchol.  191^  Bd.  88,  S.  186;  Bertiand 
Rusell,  A  critical  exposition  d  the  Philosoph?  of  Leibniz  with  an  appendix 
vi  leading  passages,  Cambridge  ISOO  (namentl.  Kap.  2,  8  u.  14,  S..  8ft.,  86  ff. 
a.  IflOff.).  Vgl.  auch  Opuscules  et  fragments  inidits  de  Leibniz  extraits  d» 
la  laUietbiqne  royale  de  Hanovre,  par  L.  Couturat,  Paria  1908. 

*)  Man  beachU,  daS  in  der  Qerh&rdtacben  Ausgabe  die  S.  6»-^9  nicht 
lichtif  leoidnet  sind  (Falekenbet?}. 

„.,,„A.OOglC 


I^Q  I.  Teil   AbgreDZUBS  und  «llsameine  Geschichte  dar  Logik. 

eances  virtuelles  als  habitades  und  dispoaitions  (aptitudes. 
preformations).  Er  verwahrt  sich  auch  ausdrücklich  da- 
gegen, daB  man  diese  v4rit^  inn^  (värit^  neoeBsaires  oo. 
ötemellee,  principes  speculatifs,  mazimes  gen^ralee),  die  aas 
dem  reinen  Verstand  (du  seul  entendement)  stammen,  etwa 
nur  als  facultas  nues  oder  pures  puissanees  auffasse;  e« 
handle  sich  vielmehr  um  eine  „dispositioa  particuli^re  ii 
Taction"  und  eioe  „tendance  ä  raotion",  die  niemals  ohne 
irgendeine  Wirkung  sei  (V,  100).  Ihre  Gewißheit  berulit 
nicht  auf  der  Sinneserfahrung,  sondern:  ,jie  vieot  que  de  oe 
<iui  est  en  nous"  (V,  72).  Die  Sinne  geben  uns  nur  (Gelegen- 
heit, die  angeborenen  Wahrheiten  zu  bemerken.  L.  erkl&rt 
auch  ausdrücklich,  daß  den  angeborenen  Wahrheiten  beson- 
dere intellektuelle  Ideen,  d.  h.  Ideen,  die  nicht  aiis  der  Sinnes- 
erfahning  stammen,  zugrunde  liegen  (V,  77)'). 

Dementsprechend  unterscheidet  L.  weiter  die  verites  de 
raisonnement  und  verites  de  faits  (VI,  612,  490,  404  *).  Die 
ersteren  lassen  sich  auf  einfachere  Ideen  und  Wahrheiten 
und  so  schließlich  auf  die  primitiven  (angeborenen)  Idieen 
und  Wahrheiten  (v^rit^  primitives,  principes  primitifs) 
durch  Analyse  zurückführen  und  sind  notwendig  (neces- 
saires),  die  letzteren  beruhen  auf  Erfahrung  und  sind  zu- 
fällig (contingentes).  Die  primitiven  Ideen  siod  keiner  Defi- 
nition, die  primitiven  Prinzipien  —  die  identischen  Satze, 
veritßs  primitives  de  raison  (V,  343)  —  keines  Beweises  fähig-. 

Alle  „raisonnements"  sind  auf  zwei  Hauptprinzipien  ge- 
gründet (VI,  612),  das  principe  de  la  contradiction  ou  de 
I'identite  und  das  principe  de  la  raison  süffisante  (principe 
de  la  raison  determinante  VI,  127).  Dem  ersteren  znfolgt) 
betrachten  wir  als  falsch,  was  einen  Widerspruch  enthält, 
und  als  wahr,  was  dem  Falschen  entgegengesetzt  ist  oder 
widerspricht  („ce  qüi  est  oppos^  ou  contradictoire  au  fauat'*). 
Dies  Prinzip  reicht  aus,  um  die  ganze  Mathematik  zu  be- 
weisen (VII,  355).  Demgegenüber  besagt  das  Prinzip  des  liin- 


»)  Bemerkenswert  ist  dabej,  daB  Lejbniz  den  Eat«orien  nur  eine  ujttei- 
Eeordoete  Bedeutung  zuschreibt;  doch  will  er  sie  nicht  ganz  streichen,  aaadera. 
BuF  fOnf  reduzieren:  substances,  quantil^a,  qualilfs,  actions  ou  passiom  und 
relation  (V,  324). 

•)  In  jüngeren  Jahren  (I,  IMff.,  205)  lehrte  L.,  daB  „omnea  veritatee 
resoivunlur  in  definitione»,  propositiones  identicas  et  ezperimenta",  tagt«  aber 
schon  damals  hinzu:  „quarnquam  verilates  pure  intelligibiles  experimenti» 
neu  indigeant".     Ebenda  Ober  Synthese  und  Analyae. 


2.  Kapitel.   Altfemeine  Gescfaichle  dsr  Logik.  m 

raehendeu  GruudeB,  daß  nichts  wahr  oder  ezistiepend  sein 
kann  („ancim  fait  ne  sanrait  se  trouver  vray  on  existent  . . .), 
sansqu'il  y  ait  one  raieon  saffisante,  pourqaoy  il  en  soit  ainsi 
et  Dou  pae  aatrement".  Diese  raison  süffisante  ist  nicht  nur 
för  die  vdrit^  de  raisonnonent,  sondern  anch  für  die  virit^ 
de  fait  erforderlich  (VI,  612  °).    Vgl.  oben  S.  102,  Anm.  14. 

Ale  Kriterinm  der  Richtigkeit  gibt  L.  für  die  v^rit^  de 
raison  einmal  die  exakte  Anwendung  der  Regeln  der  Logik 
sn  (VT,  404).  Gewöhnlich  aber  betrachtet  er  mit  Cartesius 
bestimmte  Eigenschaften  der  Vorstellungen  und  Erkenntnisse 
(ideanun  et  cognitionum)  als  das  wesentliche  Kriterinm  ihrer 
Wahrheit.  Er  stimmt  auch  mit  Cartesiua  darin  überein,  daß 
Klarheit  und  Distinktheit  diese  charakteristischen  Kriterien 
sind,  vermiBt  aber  mit  Recht  (s.  oben  S,  100)  eine  scharfe  Be- 
ütiomimig  der  Bedeutung  dieser  Klarheit  und  Distinktheit 
(in,  269).  Er  selbst  definiert  als  elara  cognitio  (IV,  422 ff.): 
„cum  habeo  unde  rem  repraeeentatam  agnoscere  possim". 
Die  clara  cognitio  ist  bald  confusa,  bald  distincta,  und  zwar 
letzteres  dann,  wenn  wir  imstande  sind  „notas  ad  rem  ab 
aliis  discemendam  snfficientes  separatim  enumerare"  (defl- 
nitio  nominalis).  Diese  Bestimmung  erleidet  nur  insofern 
eine  Einschränkung,  ais  es  auch  eine  cognitio  distincta  notio- 
nis  indefinibilis  gibt,  nämlich  in  Gestalt  der  primitiven  Ideen 
und  Erkenntnisse  (s.  oben),  die  unzerlegbar  (irresolubiles) 
sind  und  „non  nisi  per  se  intelleguntur"  (IV,  423;  III,  247). 
Endlich  sind  die  cognitioues  distincta«  bald  adäquat,  bald 
inadäquat,  und  zwar  ersteres  dann,  wenn  die  Analyse  bis  zum 
Ende  durchgeführt  ist  und  auch  alle  in  die  Erkenntnis  ein- 
gehenden Vorstellungen  (Merkmale)  selbst  distinkt  sind  (IV, 
423;  ni,  257).  Nur  die  notitia  numerorum  nähert  sieh  einer 
vollkommenen  adäquaten  Erkenntnis.  Wenn  wir  die  ganze 
Keihe  der  Teüvorstellungen  nicht  zugleich  denken  können, 
iielfen  wir  uns  mit  Zeichen  (cogitatio  symbolica).  Ist  gleich- 
zeitiges Denken  möglich,  so  heißt  die  Erkenntnis  intuitiv 
(ct^itio  intuitiva,  (Gegensatz  suppositiv  IV,  450).  Für  pri- 
mitive distinkte  Erkenntnisse  existiert  überhaupt  nur  eine 
intuitive  Erkenntnis  (IV,  423). 

')  Ohrigens  erstreckl  sich  dies  Prinzip  des  hinreichenden  Grundes  nickt 
nur  auf  Wahrheiten,  sondern  auch  auf  die  „raiwn  süffisante,  pour  qu'unc 
cbosc  existe,  qu'un  6v£nenient  arrive,  qu'une  v4ril6  ait  lieu"  (VII,  ilö  u.  3&d). 
TiL  Aiisloleles.  Uetaph.  -i  1013  a:  .naoüi'  .  .  .  »«tvir  jüir  apj^ür  ji  itQV- 
if  tJnu  S9w  q  cartr  Ij  yiyyuat  ^  yiywtMXtiai.' 


1,1^. OQi 


,g,c 


112  I-  ^^''-   AbffTenzuns  und  allgemeiae  Geacbicbte  der  Logik. 

Nur  sebwer  läßt  es  sich  mit  diesen  Sätzen  in  Einklang" 
lirit^ren,  wenn  Leibniz  weiter  behanptet,  zu  einer  toU- 
kommenen  Wissenschaf t  seien  anßer  den  erwähnten  Nominal- 
deänitionen  anch  Bealdefinitionen  erforderlich,  welche  die 
Möglichkeit  der  definierten  Sache  ergeben,  nnd  nun  er- 
klärt: idea  vera  est,  cum  notio  est  possibilis,  falsa,  cam 
contradictionem  involvit  (IV,  425;  lU,  257).  Die  Möglichkeit 
soll  entweder  a  priori  erkannt  werden  (cum  notionem  resol- 
Timns  in  sca  reqnisita  seu  in  alias  notiones  ct^rnitae  possi- 
bilitatis  nihilqae  in  iUis  incompatibile  esse  scimus)  oder  a 
posteriori  (cum  rem  actu  existere  ezperimnr).  Über  „eaaen. 
tielle"  Definition  s.  IV,  450. 

Eine  besondere  Anregang  hat  schließlich  L.  der  Logik 
darch  seinen  Plan  eiQer  Scientia  generalis  und  Charaete- 
ristica  realis  gegeben  (im  Anschloß  übrigens  an  ältere 
Arbeiten  von  Äthan.  Kircher'),  Jos.  Glanvil^), 
John  Wilkins')  nnd  George  Dalgarno').  -Die 
iäcientia  generalis  sollte  eine  übersichtliche  Darstellung  der 
ullen  Wissenschaften  gemeinsamen  Prinzipien  und  ihrer  An- 
wendungsweiae  geben,  also  offenbar  eine  Wissenschaftslehre 
im  weitesten  Sinne  (mit  Einschluß  der  Logik)  sein.  Im 
Interesse  dieser  Scientia  generalis  wollte  er  eine  allgemeine 
Charakteristik  anfstellen,  in  welcher  die  elementaren  Begriffe 
nach  Art  der  Algebra  mit  Zahlen  oder  Buchstaben  (Alpha- 
betun  cogitationum  humanarum)  bezeichnet,  die  zusammen- 
gesetzten zerlegt  und  dementsprechend  durch  Bnchstaben- 
kombinationen  ausgedrückt  und  urteile,  Schlüsse  usw.  dnrch 
mathematische  Bechnnngsweisen  zustande  gebracht  werden, 
sollten.    In  der  sprachlichen  Grandlegung  der  Logik  (2.  Teil, 


*)  Ars  magna  sciendi  e.  combinatoria,  Amstelod.  1669,  namenfl.  S.  158tl. 
u.  SMfl.;  Polygraphia  nova  et  umversaüs  ex  combinatoria  arte  detecta,  Ron. 
1668^  nameoa  Syntasma  m,  S.  128—1^ 

>)  Fhia  ultia  or  the  progress  and  advancement  of  acience  aince  the  time 
of  AiiBtoUe,  London  1668  und  The  vanitr  ol  dogmatizing,  Lond.  1661  (2.  Aufl. 
unter  dem  Titel  Scepsis  scientifica  1666,  von  Owen  1885  neu  berausgegebea). 

■)  Meicunr  or  tbe  secret  and  awitt  messenger,  London  1641,  auch  ab- 
gedruckt  in  The  mathem.  and  pbilosopb.  works  of  J.  Wilkins,  London  1708 
als  dritte  Abhandlung  (1707),  uamentl  Kap.  11  ff.  (S.  Üi);  An  essay  towards 
a  real  character  and  a  pbilosophical  l&nguage  und  An  alphabetical  dictioaarr, 
London  1668,  uamentl.  S.  SSbft. 

*)  Ars  aignonun,  vulgo  chuacter  uiiveraalii  et  lingua.  philosophica, 
London  1661  ^mil  Lexicon  lating- Philosoph.  S.  95  ff.),  Works  Edinb.  ISM. 


müne  Gcsebicbt«  der  Lofik.  HS 

Plan  von  Leibniz  zorüekznkomiaeii 
ib  Contorat  1.  o.  S.  33—387). 
üistische  Erkenntnislehre  Locke» 
jogik  schlechterdings  keine  Gmnd- 
die  Lehren  von  Leibniz  im  hoben 
Wicklung  im  Sinne  eines  logischen 
mannen  denn  auch  in  der  Tat  bald 
zumal  sie  bei  der  allgemeinen 
littlnngstendenz  der  Leibnizschen 
1  der  verschiedemten  Schulen  An- 
fanden durch  Wolff  eine  allseitige 
tnng  (s.  nuten  ^  32). 

br  Rber  von  Spinoza  beeinfioBt  iit  Ehrenfr. 
1— !1708].  In  seiner  Hedicina  mentis  i.  ten- 
diaseritur  de  melhodo  deteiendi  inconiitae 
steUt  er  als  Kriterium  der  Wahrheit  die  Be- 
nbiBC  eigo  ^flcitur,  falmtatem  quidem  con- 
eondpi;  veritatem  mro  in  eo,  quod  potest 
itont  er  nachdrildcUcb,  daB  die  Begriffe  nicht 
is  eine  Bejahung  oder  Vemeinung  bezQBlich 

—  trotz  literarischer  Fduje  —  in  manchen 
omasins  (1666—1796)  an.  Im  Obrigen 
id  philoMphiam  auUcam,  Leipzig  16SS  (Ein- 
f.-Lpz.  1710)  einen  eklektischen  Standpunkt 
uchbaAeit  in  den  Tordergrund  (s.  auch  Aus- 
L6ei)  ").  Cbarakleristiech  ist,  daB  er  tOr  daa 
Atiken  unUrachied  (EinL  z.  Hofph.  S.  113): 
'  (d.  h.  der  Scholastiker),  des  Helanchthon, 
IS.  Sein  Schaler  Nie.  Hier.  Gundling 
ler  Tia  ad  veritatem  et  speciatim  quidem  ad 
ketcben  Standpunkt.  Viele  Autoren  behalfen 
Igen  mit  einem  kompilatoriscben  Verfahren, 
lise")  {l«4a— 1708)  u.  a. 

ae  anonym  erschienene  Ausgabe  vor  unter 
I  artis  inveniendi  praecepta  geneialia,  Editio 
unterzeichnet  sich  der  Verf.  mit  EJ  W;  D.  T. 
nen  unter  dem  Titel  Praxis  logices,  Francot 

iften:  Gundlingiana,  27.  n.  SK  Stflck,  Halle 
lCt8— 181,  namentL  gegen  Sirbius  gericbtet); 
Halae-Uagdebiug,  2.  AutL  1726  (k.  B.  |  7tf.)^ 
IflBl,  Lips^-Francof.  1690  (mir  war  die  Ausg. 
logicae,  Zitt.  16et  u.  ups.  1706;  Curieus« 
ITOa  Job.  Chr.  LangiuB  (leaO-lTam 
L  den  Nucleus  logica»  wieder  berau8gegd>en 
K  s.  T.  aal  den  Compandium  logices  von 

fi~-itea).* 


lA.OOi 


.c^lC 


1\^  l.  TeiL   Abcnnzung  und  allsemetne  Geschichte  der  Logik. 

S  30.  Berkeleif.  SchottlMbe  Schule.  Das  idealiatiaohe 
System  George  Berkeleys  (1684^1753)  hat  als  aolohes 
auf  die  Entwicklong  der  wissensehaftlich^i  iMgik  nur  B^r 
^ringen  EinfloB  ausgeübt.  Es  war  schlieBlich  für  die 
formale  Logik  nicht  von  weaentlieher  Bedeutoug,  dafi  auch 
die  Dinge  geistige  Wesen  (notional  beings)  sein  sollten.  Nor 
eine  bestimmte  Lehre  Berkeleys,  nämlich  seine  Aoffasson^ 
der  Ailgemeinbegriffe,  wurde  für  die  Logik  in  hoh^n  Maße 
bedeatsam  und  hat  auch  in  der  Tat  —  wenn  auch  erst  viel 
später  — ■  in  der  Logik  Verwertung  gefunden.  Berkeley  be- 
hauptet, dafi  «s  weder  etwas  Allgemeines  noch  auch  All- 
gemeinvorstellnngen  *)  gibt  (erkenntnlstheoretisch  fällt  für 
ihn  beides  zusammen)  und  die  Sprache  uns  einen  solches 
Besitz  nur  vortäuscht.  Es  handelt  sich  gewissermaßen,  wenn 
man  nur  das  logische  Moment  berücksichtigt,  lua  eine  neue 
Variante  des  Nominalismog  (vgl.  S.  83).  Dabei  sohloB  er,  wie 
spater  nachzuweisen  sein  wird,  fälschlich  aus  dem  Feilen 
einer  anschaalichen  AUgemeinvorstellung  „Dreieck" 
auf  das  Fehlen  einer  solchen  AUgemeinvorstellung  über- 
haupt.  Berkeley  selbst  scheint  übrigens  später  diese  schwere 
Verwechslung  bemerkt  zu  haben;  denn  er  hat  in  der  3.  Auf- 
lage seines  Älciphron  die  hierauf  bezüglichen  Paragraphen 
weggelassen  *)■  Mit  der  Verkeunung  der  Bedeutung  der  all- 
gemeinen Begriffe  verband  sich  bei  Berkeley  eine  voll- 
ständige Verkennoug  und  ünterschätzung  der  Mathematik  *) 
und  eine  Überschätzung  des  „common  sense",  für  den 
Übrigens  B.  selbst  doch  eine  Aufklärung  durch  denkende 
Männer  verlangen  mußte  *). 

Es  ist  begreiflich,  daB  solche  Ansichlen  Berkeleys  in  der  wisaenschaft- 
liehen   Logik   wenig   BerOcksicbliguiig   fanden'}.     Nur   seine    Lehren   vom 


*)  Vgl.  namentl.  Princ.  o(  hum.  knovl.,  tntrod  6—31  u.  Älciphron  VTI, 
5—7.  B.  spricht  b&ld  von  universal  oder  general,  bald  von  abstnut  oder 
auch  abstract  geneial  ideas  (notions),  da  er  Abstraktion  und  Genenlisition 
nicht  unlerscheideL    Vgl  auch  g  09  u.  71. 

')  Vgl  auch  die  Einschiebung  in  der  Z  Ausgabe  der  Principles  t,  143. 

*}  Vgl.  z.  B.  CommonpL  Book,  ed  Fräser  I,  47  und  Princ  o(  hum.  kn. 
I,  1191. 

*)  Älciphron  VI,  la  wird  der  oommoa  sense  definiert  als  „either  the 
geneial  sense  of  nuuikin^  or  the  improved  reason  o(  ihinfcing  men"i  Vn,  18 
wird  vom  „metaphrsical  abstiacted  senae"  «n  den  „common  sense  of 
monkind"  appelliert. 

■)  In  England  scheint  damtüs  die  aristotelische  Logik  noch  die  Vor- 
herrschaft behauptet  zuhaben.  Vgl  z.B.  GuilelmusPrice,  ^^^ia logica« 


B.  KApiteL  AUsenwiiw  GMchichte  te  Locik.  II5 

tvoMi MDW  wurden  Ton  d«r  ichotL  Schal«  wgiterfebildet,  di«  dnieh 

rraBGiBHutchesoiL{lfiM— 1747,  LogicM  Compradinm,  QUafow  176% 

intnknü  1772)   Lockesche   Gedaiik«ii   aufieBommen   hatt«.    Inabeaoad«» 

k^    ThomKs     Reid«)     (1710—179^,     daS     bei     aUea     Henadun 

anpfOn^iche  (d.  fa.  ang«boRiw)  und  nttfliikhe  Urtale  (orifiD»!  uid  lutui«! 

aimiait»)  als  „Töl  unmr  KooBtitution"  vorixandan  sind  und  die  Orandlag« 

«der  vDtnt  Ternunftentdackunfen  und  allea  FflrwahrhaHeBa  (belM)  bUdan. 

Sa  nachen  den  „common  tenae  of  manUnd"  aua.    Die  ETkllniog  imd  Aut- 

HUdoc  dieser  „Prinzipien"  iat  eine  der  Hauptaufgaben  der  Lofik').  R.  aelbst 

becnflit  lieh,  eine  evidence  of  senae,  of  memorr  und  ol  reaaonini  ai  unler- 

aehäden*).     Andere  WahilieitakriUrien   existieren   nicht*).     Ea   libt  locar 

fbst  pdndplea,  die  mm  mebi  oder  weniger  wahncheintich  and").    Eine 

Ahnüdie  Vennischunf  der  Lehr»  vom  common  aense  mit  der  Lehre  von  den 

ameboreneD  Wahrheiten  —  Qbrigena  dabei  doch  fast  immer  auf  dem  Boden 

tinea  Lockeachen  SenauaÜMnui  n"^  in  theologiacher  Einkleidung — findet  sich 

auch  bei  Reids  NacUolfem,  die  aUerdinga  bereits  «nei  witeren  Periode  an- 

tebören.     fn    Betracht    kommen   unter    dieaen    fOr    die   Logik:    James 

Baattie")     (1736—1806),    Dugalt     Stewart»)    (1789—1888)     nnil 

ThomaB  Brown'»)  (1778—1880). 

Einen  in  manchen  Beziehungen  ihnüchen  Standpunkt  nahm  auf  dem 
«crop&iscben  Festland  der  Haiquii  d'Argens  ein  in  seiuMn  Werk:  La 
riiüoMpiiia  du  bon-sens  ou  RMenona  philoaophiques  sur  l'incertitud»  des 
«cBuuiaaances  humainea  4  Tusage  des  caraliers  et  du  beau  ssze  (S.  Aufl., 
Dnada  llbt.  Bd.  1,  R^  3  coneemant  la  logiqua,  9.  168  tl.).  Nach  Amerika 
worden  spUer  ahnliche  L^ren  ron  Jamea  HcCosh  (1811— 18H)  Tir> 
pflanzt  (Firat  and  fundamental  truths,  London  1880  u.  a.). 

{31.  Hnmeu  Die  Lehren  David  Harn esO  (1711  bis 
1776)  waren  nngreachtet  ihrer  groBen  erkenntnistheoretischen 


^  E  theatro  9wldoniano  17C0  (Automamen  fehlt  auf  dem  Titd- 
UaU). 

*)  Reids  Hauptwerke  aind:  An  inquirr  into  tbe  human  nänd,  an  the 
tnndplea  of  common  sense,  London  176t,  uikd  Essars  ob  the  inteüectual 
»wert  of  man,  Edinb.  178&.  Gesarotauagabe  seiner  Werke  duich  Hamilton, 
Edinb.  1847  nnd  Öfter. 

>)  Inquirr  VII,  4;  On  the  inUU.  powers  R,  20  u.  TT,  S  U.  4B.;  A  brief 
aoconnt  of  AriatoUe's  togic  Kap.  fl, 

*)  Eine  sehr  naiv*  AufzUUnng  der  flrst  principlea  findet  sich  On  the 
int  powera  VI,  6  u.  6. 

*)  On  the  intdL  p.  IV,  3. 

u)  nüd.  VI,  4. 

*')  Essay  on  Uie  nature  and  immitabilitr  of  truth  in  Opposition  lo 
«qddstaT  and  sceptioism,  Edinb.  1770  (deutsch  Copenh.  u.  Leipzig  1778). 

>*)  Elements  of  the  philoa.  ol  the  human  mind  (Works  ed.  Hamilton 
Bd.  8,  namentl  S.  40^  106, 1888.);  Philoai  Esaaya  (ibid.  b.  S,  48L  a  llOf.). 

»)  Ibid.  VI,  t 

1*)  Fhiloeophr  ol  the  human  mind,  Edinb.  183),  namenIL  Lact.  4t  u.'  GO. 

*}  Vgl  tlber  Bume's  Logik  namentlich  A.  Ueinoi«,  Hume-Studien,  Sitz.- 
Brr.  4.  iMoa.  bist  KL  ^  Ak.  d.  Wiss;.  Wien  1877  n.  188^  Bd.  8(7,  ^  9.  1» 
o.  Bd.  100^  I(  S.  &7S;  J.  Zimels,  D.  Hiuoee  Lehra  vom  Glauben,  Beitia  1908; 


X10         I.  TeQ.  AlvnnzuBt  md  «llgMarine  Geachkht«  der  Logik. 

Bedentnng  «bensowenig  wi«  diejenigen  Berkeleys  dam  an- 
getan, die  wissenschaftliche  Logik  za  fördern.  H.  unter- 
scheidet ')  in  der  Erkenntnis  Sätze,  welche  Beziehnngen  von 
Vorstellangen  (relations  of  ideas),  nnd  Sätze,  welche  Tat- 
sachen (matters  of  fact)  betreffen.  Eratere  können  durch 
reine  Qedankenoperation  gefunden  werden,  letztere  nnr  durch 
Erfahrung.  Seine  Skepsis  bezieht  sich  anf  die  Sätze  der 
zweiten  Art  (z.  B.  betr.  Ursachen  und  Wirkungen).  Hier 
wii^t  nur  die  (Gewohnheit,  und  unser  Fürwahrhalten  iet  hier 
mehr  ein  Akt  des  sensitiven  als  des  kc^itativen  Teils  unserer 
Natur*).  Außerdem  miBtrsnt  H.  der  Leistungsfähigkeit 
unserer  Vernunft,  zumal  bei  verwickelten  Beweisführungen. 
Nur  der  Algebra  und  Arithmetik  (nicht  auch  der  Geometrie) 
gesteht  er  eine  vollkommene  Sicherheit  zu.  Die  Begriffe 
stimmen,  abgesehen  von  ihrer  geringeren  Intensität,  In  jeder 
Beziehung  mit  den  Empfindungen,  aus  denen  sie  hervorgehen, 
überein*),  können  also  keinerlei  Anspruch  auf  eine  Sonder- 
stellung macheu.  Über  die  Bedeutung  der  logischen  Nonnen 
selbst  hat  sich  H.  nirgends  eingehend  ausgesprochen.  Im 
übrigen  hat  seine  extrem-sensualistische  Tendenz  (vgl.  S.  107) 
die  Weiterentwicklung  der  Logik  in  England  erheblich  be- 
einflußt 

Nur  eine  Lehre  Humes  bedarf  hier  noch  der  Erwäh- 
nung: seine  Aufzählung  der  Grundbeziehungen  (moBt  uni- 
versal and  comprefaensive  relations).  Als  solche  nennt  er'): 
Ähnlichkeit  (resemblanoe),  Dieeelbigkeit  (TJnveränderlich- 
keit,  identity),  räumlich-zeitliche  Beziehungen,  Beziehun^ren. 
der  Quantität  oder  Zahl,  Beziehungen  der  Qualitätsgrade  *), 
Gegensätzlichkeit  (contrariety)  und  Kausalverhältuis  (causa- 
tion).  Zum  Teil  erinnern  diese  sieben  Belationen  aa  die 
aristotelischen  Kategorien;  sie  sind  auch  wi«  diese  unter  sich 
äußerst  ungleichartig  und  nicht  ohne  Willkör  zusammen- 
gestellt. Vier  derselben,  nämlich  Ähnlichkeit,  Gegensätzlich- 
keit, qualitative  Gradabstufnng  und  Quantität,  hängen,  wie 
H.  sagt,  nur  von  Vorstellungen  ab  und  können  «ich  nicht 


O.  Ouast,  Dar  Bcsnfl  dca  beUd  bei  D«v.  Hunw,  HAÜe  ISA  (Abk.  z.  Fbikow 
V.  ihrer  Geech.  Nr.  17),  naroeiitl.  S.  öOß. 

■)  bum.  coDC.  the  bum.  nnderal  4,  1. 

')  Tnut  of  bifm.  tut.  I,  *,  1. 

*)  Ibid.  I,  1,  6  u.  r,  8,  t. 

»)  Ibi4  1,  8,  1  u.  I,  1,  7. 

■)  Hier  miscbl  B.  QusUttt  und  hlttdlll  dorchcükiader. 


.oogic 


X  KapiM.  Allfemeine  G«Khichla  dar  Lodk.  117 

iwiera  ohne  gleichseitige  Ändernng  der  Voratolliingeii;  diese 
stdien  daher  OegenstÜnde  der  Erkenatnis  and  der  GewiBheifc 
Verden  können. 

(32.  Wt^.  Inzwiäcben  hatte  in  Deatschland  Christian 
"Wollt  (1679 — 17M)  im  ÄnschloB  an  die  Lehren  von  Leibniz 
en  System  der  Logik  aufgestellt,  welches  für  fast  ein  Jahr- 
londert  nahezu  allenthalben  als  die  Logik  *at'  t^ox^  an- 
eAaimt  wnrde.  Dasselhe  ist  Torzngsweise  niedergelegt  in 
den  „YemänJf tig<en  Gedancken  von  den  KrfitFten  des  mensch- 
lichen Veratandee  nnd  ihrem  richtigen  Gebrauche  in  Er- 
käntniS  der  Wahrheit",  Halle  1712,  nnd  in  der  „Philosophia 
lationalis  s.  Logica".  Francof.  et  Li]».  1728.  2.  Anfl.  1732 '). 
8.  auch  Batio  praelectionum  Wolfian.,  Hai.  Magd.  1718, 

aus. 

Nach  Wollt  ist  die  Fbiloeophie  die  scieatia  possibiliom, 
^oatenns  eese  possnnt  (Log.,  Disc  praelim.  ^  29)  nnd  die 
logik  derjenige  Teil  derselben,  welcher  den  Gebranch  der 
EAenntnisfäbiigkeit  bei  dem  Erkennen  der  Wahrheit  und 
dem  Vermeiden  des  Irrtums  lehrt  (ibid.  ^  61  n.  135).  Die 
hogik  entnimmt  ihre  Prinzipien  der  Ontol(^ie  und  Psyoho- 
li^  (^  89),  nnd  zwar  der  empirischen  Psychologie  (^  111). 
Auch  die  Vorschriften  der  Logik  mttsBen  bewiesen  werden 
Üjog.  Prol.  %  2).  Sie  zerHillt  in  Logica  naturalis  und  arti- 
iSeialis,  beide  wieder  in  L.  ntens  und  docens. 

Das  Erkennen  vollzieht  sich  in  drei  Akten  (mentis  opera- 
tionee):  dem  Begriff  mit  der  einfachen  Erfassnng  des  Oegen- 
«tandee  (notio  cum  simplici  appreheosione),  dem  urteil 
{Judicium),  welches  intuitiv  heifit,  soweit  es,  wie  z.  B.  Wahr- 
MhmungBnrteile  (^  71fi),  nur  vom  Begriff  aussagt,  was  in 
ÜQik  enl^alben  ist,  und  dem  SchlnB  (ratiocinatio  oder  dis- 
«Msns),  durch  welchen  wir  aus  mehreren  Urteilen  zu  einem 
vmea  Urteil  (einem  „diskursiven"  urteil)  gelangen  (Log., 
I**»  I,  4  51  ff.  n.  332).  AIlgemeinbegrifFe  können  nicht  ohne 
Beihilfe  von  Urteilen  und  Schlfissen  gebildet  werden  .(^  55). 
Gattungen  und  Arten  existieren  nur  in  den  Individuen  (^  56), 
letxtere  bilden  atoo  den  Ausgangspunkt  für  die  Erkenntnis 
j«  AÜgemeinen  (%  57  u.  710  f.). 

')  Die  lolcenden  ZlUte  beliehen  sich  auf  die  2.  Ausgabe.  Unter  den 
AibniiB  QberWolB  ist  beaonders  bemeikenswart'.  HansKchler,  Über  Christian 
VoUb  Ont^ona,  Leipzig  1910;  Carl  GOnther  Ludorici,  Ausführlicher  Entwurit 
"ur  nllaUad.  Historie  der  WoUGscben  IliUoMphiQ,  2.  AulL,  Leiptif  173S 
^Bdc;  die  1.  AvD.  eracUen  17%  u.  d.  Tit.  „Xonar  Entwarf  .  .  ."•)._ 


Ug         I.  Teil  Abrnnzuis  und  aUiemeine  GMchkhte  der  Lotik. 

An  diese  psycholc^bche  Ornndle^ang  schUeßt  sioli  ein» 
ontologisch«.  Bemerkenswert  und  charakteristisch  sind  in 
dieser  folgendeDefloitioDMi  <ibld.  ^  64If.):  ea,  qnae  oonatanter- 
inennt  (sc.  enti  cnidam),  qiionim  tarnen  nnnnl  per  alterium 
non  determioatDr,  essentialia  appello;  ea,  qnae  constanter 
insunt,  sed  per  essentialia  siniiil  determinantor,  attrihuta 
dico;  attribnta,  qnae  per  omnia  essentialia  simnl  deter- 
minantnr,  dicnntnr  proprietates  •  •  •;  mntabilia,  qnae  enti' 
insant  nee  per  essenti^ia  determinantor,  modos  appellare 
eoleo  (scholastici  aooidens).  Dann  wird  weiter  gefolgert 
(^  69ff):  essentialia  et  attribnta  de  ante*)  absolute,  modi  sub^ 
certa  tantnm  conditione  ennntiantnr;  per  essentiaiia  genera 
et  species  determinantor;  genera  et  speciee  possnnt  a  nobia 
distingni  per  attribnta,  etei  essentialia  ignorentnr;  si,  qoaer 
in  notione  speciei  indeteoninata  snpersnnt,  stngnla  detenni- 
nentnr  nee  determinatio  generalibns,  quae  notioni  speciei. 
insant,  repngnat,  notio  individni  prodit. 

Die  Doppelstellnng  des  Begrifflichen  führt  zn  den  beiden 
Definitionen:  differentiam  notionnm  formalem  dieimns^ 
eam,  qnae  a  modo  cognoscendi  desnmitor  i%  77),  mate- 
rialem,  quae  a  materia  earundem:  seo  re  repraesentatfr 
desnmitor  (§  103).  Klarheit  und  Distinktheit  sind  formale 
Eigenschaften  der  Begriffe.  Die  Definition  dieser  beideik 
Eigenschaften  gibt  W.  etwas  abweichend  von  Leibniz  (vgl. 
S.  111)  dahin,  doB  klar  derjenige  Begriff  heifit,  der  uns  aas- 
reichende  Merkmale  zum  Erkennen  nnd  unterscheid  ea 
eines  Gegenstandes  bietet  (^  80),  distinkt  aber  derjenige, 
dessen  Merkmale  wir  zu  unterscheiden  vermögen  (%  88).  Die 
Adäqnatbeit  wird  ganz  ähnlich  wie  bei  Leibniz  definiert 
(i  94  n.  95). 

Ans  der  Urteilslehre  sei  in  dieser  allgemeinen  Ubensicht 
'  nnr  herroi^ehoben,  daB  es  nach  Wolff  unbeweisbare  Sätze 
gibt  (theoretische  =:  Axiome,  praktische  =  Postnlate).  Vgl. 
^  262  ff.  Eine  Erörterung  der  Herkunft  dieser  Sätze  wird 
.Tsrmifit 

Erst  im  zweiten  („praktischeb")  Teil  bespricht  W.  das 
Kriterium  der  Wahrheit    Die  logische  Wahrheit,  d.  h.  die 

')  Hauche  S&tze  WoUfa  erinneni,  wie  Gomperz  und  Pichler  horror- 
relwben  tutten,  «n  die  moderne  Gefenstandstheorie  von  UeiaoDg  u.  <l  Oma 
•na  bei  WolB  ist  der  Gegenstand  ohne  Racksicht  aul  Sein  oder  NictOrSeüi. 
Ob  freilieh  WoUt  das  nicht-seiende  Ens  wirklich  klar  als  ■dbsUadiEeib 
kiciscben  Gegenstand  aufnOfit  bat,  ist  aar  sehr  zweafelbaA. 


.oogic 


%  KU«teL  AHgemeiDe  G«tehicht«  d«T  Locik.  ]]9 

If^luiieit  vom  Standpunkt  der  Lo^k,  ist  die  übereinatim- 
naag  imseree  ürtedls  mit  dem  Objekt  (dem  vorbestellten 
OegeDStsnd).  Außer  dieser  .^ominaldeflnitioii"  tH,  ^  505*) 
gibt  W.  folgende  ,3«aldefiDition" :  „verita»  est  determina- 
bUitas  praedicati  per  notionem  snbjeeti"  (§  513).  Di«  Wahr- 
heit in  diesem  letzteren  Sinne,  die  wir  hente  ningekehrt  eher 
als  nominal  oder  als  formal  bezeichnen  würden,  entspricht, 
wie  vorgreifend  BchoQ  jetzt  bemerkt  sei,  in  vielen  Beziehungen, 
aber  keineswegs  vollkommen  der  Wahrheit  analytischer 
Sätze  bei  Kant 

Das  Eriterinm  der  Wahrheit,  d.  h.  ihr  inneres  Er- 
kennnngBzeichen  (^  523)  ist  die  „determinabilitas  praedicati 
per  notionem  snbjeeti"  (^  524).  Da  dies  Merkmal  eben  ver- 
wendet wnrde,  nm  die  Wahrheit  zn  definieren,  so  ist  nicht 
alBneeben,  wieso  es  jetzt  nochmals  als  Kriterium  angefahrt 
vird.  Anch  wird  jetzt  plötzlich  nur  die  Wahrheit  im  Sinn 
der  ,3eal"deflnition  berücksichtigt.  Anf  Gmnd  dieser  Sätze 
gelangt  W.  in  Übereinstinunnng  mit  Tschimhaneen  zn  dem 
Satz:  „propositio  vera  est,  qnae  est  eonceptihilis"  (%  528).  Die 
Elaibeit,  Dtetinktheit  nnd  Adäqnatheit  finden  anffälliger- 
weise  hier  keine  entspre«hende  Verwendung. 

Erkennen  wir,  daß  ein  Satz  wahr  ist,  ist  der  Satz  uns 
ffiwiß  („nobis  eerta"  ^  564).  Wer  all«  „requisita  ad  veri- 
talem"  erkennt,  d.  h.  alles  das,  wodurch  ein  Prädikat  als  ein 
dem  Subjekt  zuzuerteilendee  bestimmt  wird  („snbjecto  tri- 
buendum  determinatur"),  der  erkennt  die  Wahrheit  mit 
OewiBheit  („certo"  ^  573  f.).  Diese  reqnisita  sind  die  Gründe 
(rationes),  weshalb  ein  Prädikat  einem'  Subjekt  zukommt, 
und  machen  zosammen  die  ratio  sufficiens  dieses  Zukommen» 
aiis  (§  575  n.  Disc.  prael.  %  4). 

Die  Ermittlung  der  Wahrheit  erfolgt  entweder  a  poste- 
ricnri,  d.  b.  nur  durch  die  Sinne  („»olo  sensu"!)  oder  a  priori, 
d.  h.  durch  Schlüsse  aus  Bekanntem  anf  Unbekanntes  („ex 
ahig  eognitis  ratiocinando  elioimus  nondnm  cognita").  Vgl. 
46«3fr. 

Wie  sich  aus  dieser  Übersicht  über  die  Grundgedanken 
«tgihtt  varen  die  Sätze  der  Logik  Wolfls  größtenteils  nicht 
neu  ond  erst  recht  nicht  von  einem  einheitlichen  Prinzip  be< 
berrscht,  aber  sie  boten  nach  langer  Zeit  zum  erstenmal 

*)  Die  N«ininaldefimtiini  ist  dadurch  chuakterislert,  daB  durch  sie  ,^od 
Mtd  rem  definitam  esse  possibtlem"  (1.  gl»).    Vgl  auch  ]I,  g  lad 


OgIC 


120  1-  ^^'^   Abgrenzuns  und  BllienKine  Geschichte  der  Lonilc 

wieder  e^oß  systematisclie,  didaktisch  sehr  geschickte,  um* 
fassende  Darstellung  der  gesamten  Logik.  Hier  worde  alle» 
definiert*),  alles  bewiesen,  alles  eingeteilt,  alles  lückenlos  bis 
in  das  Kleinste  ausgeführt.  Die  ziemlich  genau  paragra- 
phierte  Anordnung,  die  streng  festgehaltene  Terminologie 
ymd  die  Folgerichtigkeit  im  Zusammenhang  der  Sitze 
tänschte  über  die  Schiefheit  und  Oberflächlichkeit  vieler 
Definitionen  hinweg.  Mui  übersah,  dafi  die  Schwierigkeiten 
oft  viel  mehr  durch  willkürliche  BegrifFsbeetimmungen  ver- 
deckt als  gelöst  wurden.  Man  glaubte,  jetzt  sei  die  Logik 
nach  Art  der  Mathematik  fiir  alle  Zeiten  fest  begründet.  So 
kam  es,  dafi  die  Wolffache  Logik  in  den  nächsten  Jahrzehnten 
•ein«  auBerordentlicfae  Verbreitung  fand  und  zu  einem 
starken  Anschwellen  der  logischen  Literatur  Anlafi  gab;  Ala 
die  wichtigsten  literarischen  Vertreter  der  Wolffechui  Bieh- 
tung  seien  folgende  angeführt: 

Mich.  Got  Hieb  HanschCieaft— 1768):  De  arie  invoniendi  aive  »ynopsi» 
resularum  praecipuamm  artia  inveniendi,  cum  praxi  regulanim,  in  in- 
venienda  veritate  per  eiperientiam,  i72J  °)  (derselbe  ist,  wie  auch  di» 
Vorrede  besagt,  oocb  mehr  von  Leibniz  selbst  als  von  WolII  abliAnsiB). 

Joh.  Gott  lieb  Heineccius  (1681— 1741):  Elemeata  philosophiae  ratio- 
nalis  et  moralia,  Francof..  1738,  10.  Aufl.  1762,  &.  67  tf.  (Opp.  Genevae 
V}U,  Sd.  1  =  &.  AufL). 

Israel  Gotllieb  Ganz  (1690 — t7&S]:  Humaoae  cosnitionis  fuDdamenta. 
dubÜB  onmibua  firmion  seu  Ontologia  polemtca,  Lips.  1741,  namentl. 
S.  248  ff.  CS  116  tl.). 

Job.  Peter  Reusch  (16&1— 1767):  Vis  ad  perfecüonem  intellectus  con». 
pendiaiia,  Jsenaci  172S*  und  Systema  losicum  «nliquiorum  atque  receu- 
tiorum  etc.,'  Jena  17S4,  4.  Aufl.  1760  (ybL  %  109  Ober  „claritas  SYnthetica" 
und  ,fü.  analTlicft"). 

GeoriBernb.  Bilf  inser  (BQlffinger,  16BS— 1760);  Dilucidaliones  phito- 
sophicae  de  Deo,  anima  humana,  mundo  et  generalihus  renun  aflectio- 
nibug,  Tubing.  1726,  i.  Aufl.  1766  (namenU.  §  1— »4  u.  a63fL)  und 
Praecepta  logica  etc.,  Jen.  1738  (§  7  ,J^rica  ^=  an  cogitandi  rebua  cos- 
fonnilet"). 

Berm.  Sam.  Heimarus  (1694— '1768] :  Die  Vemuoftlehra,  ala  eine  An- 
Weisung  z.  rieht  Gebf.  der  Vernunft  in  der  ETfcenntnin  der  Wahrfa.,  aua 
zwoen  ganz  natOri.  Regeln  der  Einstimmung  u.  d.  Widerspr.  heifeleilet, 
Hand>.  u.  Kiel  1756,  2.  AufL  1758,  4.  Aufl.  1788  (in  Uteren  Auflasen 
H.  S.  H.  P.  J.  H.  signiert). 

*)  Man  vergleiche  z.  B.  die  {^ilosoptua  defioitiva  Baumeisters,  «nes 
Wolffianers,  der  die  ganze  Logik  in  Definitionen  und  Positionen  auflQst  (s.  U. 
S.  181). 

*}  Der  Verlagsort  ist  in  dem  mir  zur  VerlOguag  stehenden  BxetDoUr 
nicht  angegeben  (Halle?). 


■)„:,tP<.-JM,G00glc 


9.  Kapitel  AllBemeiae  Geschichte  der  Lofik.  121 

lid«.  PhiL  Thümraii  (1697—1728):  Inslitutione»  phüo»phiM  Wol- 
bnu  in  usus  academ.  adonutAe,  Fnncof.-Lips.  17t6  {Tom.   1;  S.  1 
bii  96  Iiutit.  logiue  seu  philosophiae  rationalia).  ' 
Joh-Chfistoph  GottBched  (1700—1766):  Erste  Gründe  der  fesamten 

Wcitwnaheit  usf.,  Leipnf  1734,  2.  AulL  173«  (namentUcb  S.  ab— 114). 
CliriBüan  Joh.  Antoa.  Corvinus:  InstiUitiones  phüosophiAe  ratio- 
nalis  metbodo  scientifica  conacriptae,  Jenae  1742  (schließt  sich  nament- 
ticb  luch  an  Reusch  am  TSt.  insbesondere  Ptaelimj  g  189ff.  uL  151 II. 
tbti  die  ftllgeroeine  Stellung  der  Logik  und  Logica  ipsa  S.  33  fl.). 

Joh-Heinr.  Winkle  r(17(»— 1770):  Insütutiones  philosophiae  uiriversae. 
Ups.  1735,  2.  Aufl.  1742;  g  B70— 1111  (oamenlüch  S.  963B.). 

Jok.  Aui.  Ernesti  (1707—1781):  Imlia  docthnae  aolidiom,  Lipa.  1736 
BDd  Öfter  (vgl.  namentUch  ed.  1788,  S.  3Bl~tO(). 

JeL  friedr.  Stiehrilz  (1707—1773):  ErUutarunt  der  vernflofl.  Ge- 
duicken  r.  d.  Kiiflten  des  menscbl.  Vetstande^  Halle  1741. 

Joh.  Justin  Scbierscbmid  (1707-4770):  niilosophia  ralionaUs, 
Dresden  1797. 

Friedr.  Christian  Baumeister  (1700—1786):  Fhilosopbia  deflnitiva 
h.  e.  d^nitiones  philosophicae  es  systemate  WolB.  etc.,  Vitemb.  1738*), 
S.  l~(ß  u.  207 — 329;  Institutiones  pbilos.  rationalis  melh.  Wolfii  conscr.. 
VHemb.  1736,  16.  Aufl.  Viennae  1766;  Denkuneswissenscbatt.  Obers,  v. 
Mnserschmid,  Vitt.  u.  LObben  1766;  Eleisenta  philosophiae  recentioris 
etc.,  ed.  nora,  Lips.  17&5  (1.  Aufl.  1747),  worin  S.  11 — 134  über  Ltwiki 
nülosoptiia  recens  controvena  complexa  deflnitiones  theoremata  Quaes- 
tbnes  etc.,  Lips.  et  Gorlici  1749  (S.  1— CO  Defloiliones  logicae). 

Job.  Heinr.  Sam.  Forraey  (1711—1797):  U  belle  Wolfienne,  Bi  3 
(resle  de  la  locique),  Ha^g  1749,  namentbch  S.  1— 'lOG^  und  Le  tiiompha 
de  l'iTideace,  Berlin  1756  (vorher  17bl  in  etwas  andrer  Gestalt,  Obenetzt 
TOD  Haller  unter  dem  Titel  „Piflfunc  der  Sekte,  die  an  allem  zwitileii", 
in  Göltiogen  erschienen). 

Uarlin  Knutzen  (171^-1761):  Elementa  philosophiae  rationalis  eeu 
loKkae  com  generalis  tum  specialioris  malhematica  melhodo  in  usum 
aoditor.  suorum  demonstrata,  3.  Aufl.,  Regiomont.  et  Lips.  1771,  namenl- 
lieh  eingebende  Besprachung  der  Lehre  von  den  Irrtümern,  §  47011. 
(3.  Aufl.  S.  SllB.);  Fhilosopbia  rationalis'),  Königsberg  1747.    . 

Alex.  GottL  Baumgarten  (1714—1762):  Acroaais  logica  (in  Chr.  de 
ffolfi  dicUbat  . . .),  Halae-Mageb.  1761  (3.  Ana  von  Joh.  GotU.  Toellner, 
HaL-Magdeb.  1773);  Fhilosopbia  generalis')  ed.  Joh.  Chr.  Fürster,  lUl.- 
Hwdeb.  1770  (namentlich  S.  GSfl.,  80  fr.  u  a.). 

*)  Das  Titdblatt  trigt  die  Jahreszahl  1758,  die  Braetatio  ist  1738  datiert 
(1  AaS.  wohl  1738>  Durch  die  LahrbOcbeii  von  Baumeister  und  WinkUr 
^«ibieilete  sich  die  WoUIscbe  Logik  namentlich  auch  in  RuBland  (vgl  J.  Ko~ 
loWikr;  Zt«hr.  f.  ntilos.  u.  idülos.  KriL,  1894,  Bd.  104^  S.  GB). 

')  Vgl.  Aber  Knutzen  auch  B.  Erdmann:  Martin  Knutzen  und  seine  Zeil. 
Uitti|l876,  S.  107 II. 

^  Baumgaiten  teilt  die  Philosophie  in  organische,  theoielisehe  und 
Vf^tiiidie.  Die  organische, Mit  de  cognosoendo  (et  pnpoaenda"),  und  eu 
ibc  tefaOH  die  Logik. 


1,1^. OQi 


,g,c 


122  ^-  '^^^   Absrcnnins  und  Bllgemeitie  Getchichle  der  Lofik. 

GeoTB  Friedr.  Meier  (1718— 1777):  Vernunftlehre,  Halle  176^  a  AuIL 
176S;  AuBZUK  aus  der  Vernunftldire,  Halle  l?fiQ  (von  Kant  seinen  Vor- 
lesunsen  zugnutde  gelegt). 

Zum  Teil  wichen  diese  L<4iker  (z.  B.  Winkler)  Obrigens  in  einzelnen 
Punkten  nicht  unerheblich  von  Wolfi  ab.  Auch  prinzirieU  steht  der  Wölfi- 
schen Lehre  etwas  ferner  Sam.  Christian  Hotlmann  (1696— 17S7)r 
nüloaophia  raUtmaiis,  quae  logica  yulio  dicitur  etc.,  Qotlini.  1746  (nament- 
lich S,  80  u.  196  *),  und  Prima  phiiosopfaia,  quae  met^hyaicaTulgodicitar  etc., 
GotUng.  1747'«).  Noch  selbsUndiger  ist  Qotttried  Ploucquet 
(1710 — 1700),  der  vielfach  an  Leibniz  selbst  wieder  anzuknüpfen  sucht  Seine 
Hauptweike  auf  logischem  Gebiete  sind:  Principia  de  sutnlantiis  et  phaeno- 
meniai  Accedit  methodus  calculandi  in  logids  ab  ipao  inrenta  cui  praemitti- 
tuT  commentalio  de  arte  charaeteristica,  Francof.  et  Upa.  llbZ,  SL  Au(L|  1764 
(der  Anhang  ist  auch  als  Nr.  26  abgedruckt  in  den  Commentationea  philo- 
sophicae  selecticres,  antea  aeoraim  editae,  nunc  ab  ipso  auctore  recognitae  et 
passim  emendatae,  Trajecti  ad  Rhen.  1781  unter  dem  Titel  „De  arte  charac- 
teristica.  Subiicitur  methodus  ca]culandi  in  loeicis  ab  auctore  inventa  1768'V 
S.  560 — 692)  i  Methodus  tarn  demonstrandi  directe  omnes  sTlIogismorunt  . 
actecies  quam  vitia  formae  delefendi,  Tubing.  1768;  Fundamenta  philosopbiae 
speculativae,  Tubing.  1769  (S.  7,  §  M  Ezplicatio  quonindam  sisnorum,  S.  61  fL 
Fundammta  methodi);  Untersuchung  und  Abänderung  der  logikaliscben  Kon- 
struktionen Herrn  Prof.  Lan^rts,  Tübingen  178fi ").  Er  nahm  den  Haa 
einer  algebiaischen  Logik  (vgl.  S.  112)  wieder  auf")  und  Tersuchte  eine- 
geometrische  Darstellung  der  SchluBfiguren  (Prioritälsslreit  mit  Lambert, 
B.  Sammhing  v.  Scbrilten  ed.  Boek,  S.  160).  Auch  in  der  Lehn  vom  Urteil 
schlug  er  teUweise  neue  Wege  ein. 

Anfangs  wurden  die  Wolfischen  Lehren  auch  vielfach  scharf  angegriffen, 
und  zwar  nicht  nur  von  Theologen  (Joachim  Lange»)  1670— 1744^, 
u.  a.),  sondern  auch  vcn  Philosophen.  Zu  den  letzteren  gehOren  iL  B.  J  d  b. 
Franz  Buddeus**)  (1667—1729,  Glementa  philosophiae  instrumentalis,. 
zugleich  Bd.  1  der  InsUtuttones  philosophiae  eclecticae,  Hai.  1708,  8.  AufL 

*)  Die  erste  Auflage  erschien  wohl  1727  (Vilemb.),  eine  zweite  ITSf. 
Auflerdem  kenne  ich  eine  Auflage  von  1767. 

■*)  Die  beiden  angeführten  Werke  sind  auch  betitelt:  Pars  I  und 
Pan  n  paullo  uberioris  in  universam  philosopbiam  introductionia. 

")  Siehe  auch  Sammlung  der  Schriften,  welche  den  logischen  Catcul 
Herrn  Prot.  Floucqueta  belreHen,  herausgeg.  von  Aug.  Friedr.  Bflk,  F^okf. 
und  Lpz.  1766  (mit  neuen  Zusätzen  Tabing.  1773).  Von  Floucqueta  logischen 
T,eiatungen  handelt  u.  a.  Karl  Ancr,  Goltfr.  Ploucquets  Leben  und  Lehren, 
Bonner  Diss.,  Halle  1909  (Abh.  z.  Philos.  u.  ihrer  Gesch.,  Nr.  8^,  S.  17  0. 

"}  Inzwischen  war  David  Solbrig  (De  scriplurae  oecumon 
quam  omnes  gentes  . . .  etc.,  Hiscell.  BeroL  ad  increm,  scient,  ConUa.  I,  17SS, 
S.  28 — 69),  und  Job.  Christian  Langius  [Inventum  novum  quadmtt 
kwici  universalis  in  trionguli  quoque  formam  commode  redacti,  Giss.  1714; 
vgl  auch  oben  S.  118^  Anm.  18)  auf  diesem  Gebiete  tätig  gewesen. 

")  Bescheidene  und  aurfobrl.  Entdeckung  der  falschen  und  sch&cU. 
Philosophie  in  dem  Wtjltfiani sehen  Systemate  metaphysico  von  Gott,  der- 
Wclt  und  dem  Menschen  usf.,  Halle  1724  (vgl.  z.  B.  S.  206). 

>*)  Job.  Jac.  Lehmann,  Neueste  u.  nQtzlichste  Art  die  Vemunllt-Ijelite 
...  ZV  eriemcn  etc.,  Jena  1728  steht  B,  nahe. 


2.  KttpiteL  AUgenwiDe  G«9cliichle  dar  Logik.  123 


1»,  umentHcfa  S.  SOSS.);  Andr.  R  Qdicer  (1673-1731,  De  seani  veri 
H  liisi,  Ehl.  1709,  £.  Aud.  Lips.  1739^  De  usu  et  abusu  terminonim  techni- 
coniDi  in  pfailoaophia,  und  De  novia  mtionandi  adnuniculis  [mir  nicht  zu- 
fbHÜeh];  Hül(wn>hia  Byntheli«  metbodo  nuUbematiue  aemula,  lipi.  1707, 
S.1— 96  [apäter  unKeaibeitet  als  Institutionea  erudilionia,  HaL1711]u.  a.  m.); 
loltJak.  Syrbiua  (1674 — 1738,  Institutioaea  phjlosoirtiiae  rationalia  un« 
coB  hiatoria  loKices,  Jena  1718);  Jak.  Friedr.  Malier  (erst  in  den 
ffütereB  Schritten  von  1730  an  Gegner  Wolfia,  Entwurf  der  alüem.  (lelehr- 
rnnkät  und  Klugheit  zu  studieren  usl.,  Leipzig  1718  [namentlich  Buch  S, 
Kap.  !Q  imd  eineneita  z.  B.  Artkuli  generalea  de  veria  et  talaia  philos.  con- 
fpcetum  integri  tractatua  ezhibentea,  Frankf.  u.  Leipzig  1736,  andererseits 
ZtcU«!  geteo  H.  Wolfia  vemflnft.  Ged.  usf.,  Gießen  1731*};  Joh.  Georg 
Walch  (1698 — 1T7&,  Einleitung  in  die  nüloacphie,  Leipzig  1727,  latein. 
Cbcn.  1730,  darin  2.  Buch,  S:  9SH.  Philoaophia  rationalia;  vgl  auch  oben 
S.17);  Adolph  Friedr.  Höftmann  (IMB— 17«,  Gedanken  OberWoBt» 
U^  Leipzig  173B;  Verounttlelire,  anderer  Teil,  Leipzig  1737);  Chr.  AuB, 
Crasius  (1715 — 177&,  Weg  zur  OewiBheit  und  ZuverliBsigkeit  der  menschl. 
bkeantnia,  Leipzig  1747,  spatere  Auflage  1762  tll&2  S.j;  Entwurf  der  not- 
*(odigen  Vernunft-Wahrheiten  usf.,  Leipzig  1746  [vorwiegend  Ootologie  und 
thewet.  natQrl.  Tlieologie];  Diasertatio  dt!  uau  et  limitibua  principii  rationia 
detenoina&tis  vulgo  sufficientia^  Lips.  174S  [2.  Ausg.  deutsch  von  Pezold, 
LipB.  1766)  >*);  De  summis  rationia  prinGipiia,  Lipa.  1758  u.  a.  ta.). 

Einen  ddektischm  Standpunkt  behauptete  inmitten  dieser  Streitigkeiten 
loacbimOeorgDarieB  (1714—1773).  In  seinem  logischen  Hauptwerk 
flTia  ad  veritaton  commoda  auditoribus  methodo  demanstrata",  Jena  1755. 
tnreitert  er  die  Wofflache  Definition  der  Wahriieit  dahin,  daB  sie  allea  sei. 
nod  cogitari  polest  et  ipiod  non  idem  siinul  esse  et  non  esse  iDTolvil  (Sect.  T, 
i  1>  S.  (^  Auch  die  etwas  filteren  logischen  Werke  von  Joh.  Friede- 
niann  Schneider  (Fundaments  philosophiae  rationalis  seu  logicae  etc., 
HsL-Hagd.  1728),  und  loh.  Heinr.  Zopf  (Logica  enucleaU  oder  erlnch- 
terle  Vernunft-Lehre,  2.  Aufl.,  Halle  1786)  gehCren  einer  solchen  eUdtiacheA 
nichtoDg  an. 

Eine  fast  selbständige  SteUung  im  Kampfe  der  Parteien  nimmt  femer 
Johann  Heinrich  Lambert  (1728—1777)  ein,  dessen  Neues  Oi«anon 
(t  Bde.,  Leipzig  1764)  und  Anlage  zur  Arctritektonik  usf.  (Riga  1771)  >*)  lange 
Zdl  vor  Kants  Hauptwerken  erschienen  sind.  Das  erstgenannte  Werk  be- 
handelt in  seinem  ersten  Hauptteil,  der  Dianoiologie,  „die  Lehre  von  den 
(•«adxen  des  Denkens"  ganz  vom  Standpunkt  der  Logik,  im  zweiten  Haupt- 
^  der  Alethiologie,  „die  Unterscheidung  der  Wahrheit  vom  Irrtum",  imdril- 
1*n,  der  Semiotik,  „den  Einflufi  der  Sprache  und  anderer  Zeichen  auf  die  Er~ 
kenntnia  der  Wahrheit,  und  im  vierten,  der  Phänomenologie,  „die  Lehre  vom 
Schein".  Lambert  glaubt  zehn  „einfache"  Begrifie  gefunden  zu  baben^  auc 
denen  alle  anderen  Begriffe  hervorgehen  (Org.,  Bd.  1,  S.  498;  vgl.  auch  ArchiLr 


")  Auch  abgedruckt  in  Chr.  Aug.  Crusii  Opuscula  philosopbico-theo- 
iociea.  Ups.  1760,  S.  152  tf.  (mit  Appendix  S.  2880.).  ' 

'*)  Siriie  auch  Lambarta  log.  und  philoa.  Abbandl.,  herauageg.  von 
Job.  BemouilU,  Bd.  1,  Beriin  178^  worin  u.  a.  „Sechs  Versuche  einer  Zeichen- 
kuntl  in  der  Vemunftlehre",  S.  8—180;  femer  Abhandlung  vom  Ciiterium 
^«litatit,  BerÜD  1915  (ietzt  von  K.  Bopp  zum  erstenmal  aus  dem  Uäk,  heraus- 


OgIC 


124         I-  '^^'^  AbsnBEumr  und  allEemeiM  Geschieht«  der  Logik. 

Bd.  I,  &  40  SO-  Die  Wahrheit  dieser  einfachen  Begrifie  besMit  in  ihnr 
„Gedenkbukait",  di^ienige  der  zusammensesetzten  in  der  IfOitlicbkeit  der 
ZasunmensetzunB",  dieoenige  der  S&tze  iü  der  ,JlöElichkeit,  das  Prtdikat 
durch  das  Subjekt  zu  bestimmen"  (S.  038  u.  663).  Diese  Forderunsen  grfindea 
sidt  i^ast  unmittelbar  auf  den  Satz  des  Widerspruchs".  Das  .Jirige"  liegt 
also  nicht  in  den  einlachen  Begiiffen  seU>st,  sondern  nur  in  ihrer  Veibiaduni 
(S.  563),  in  jedem  Irrtum  ist  Wahrheit,  .jolern  er  Bedenkbar  ist"> 

Wihrend  zunft(±3t  WolSs  Gegner  die  Oberhand  zu  gewinnen  schienen 
und  K«ar  i.  J.  173B  bei  Friedrich  Wilhelm  L  seine  Absetzung  und  Laikdm- 
verweisung  durchsetzten,  nahm  in  der  Folgezeit  der  lileransche  Kampf  mehr 
und  mehr  eine  Wendung  zugunsten  der  WoUfschen  Lehre.  Seine  HoA- 
berufung  nach  Halle  durch  Friedrich  Ü.  i.  J.  17M  brachte  auch  lufteibdi 
diesen  Sieg  zum  Ausdruck.  Um  die  Milte  des  JahrtiuDderts  war  Wollb  Herr- 
acliaft,  wenigstens  auf  dem  Gebiet  der  Logik,  kaum  mehr  bestritten.  Zugleich 
steigerte  sich  das  Interesse  für  die  logische  Wissenschaft  in  ganz  auBw- 
ordentlicher  Weise.  Die  Zahl  der  logischen  LehrtiOcher  war  damals  erbeb- 
lich grOBer  als  heute.  Nicht  nur  WoUIs  eigene  Werke  und  die  seiner  Haopt- 
anhftnger  erlebten  fortgesetzt  neue  Auflagen,  sondern  selbst  die  LehibOcher 
mancher  seiner  weniger  bedeutendoi  Anh&nger  wurden  Ober  ein  dutsendmal 
aufgelegt  Die  ramistische  und  die  scholastische  Logik  >^}  halten  in  Deutadi- 
land  nur  hier  und  da  noch  einzelne  Vertreter,  wihrend  sie  in  den  romanis^en 
Ländern  noch  das  tibergewicht  behaupteten.  Ganz  vereinzelt  versuchte  aout 
auch  noch  direkt  an  die  griechischen  und  römischen  Logiker  anzuknO[rfea 
und  die  neueren  Logiker  nur  eklektisch  nebenher  zu  berflcksich  Ligen.  Hieifaer 
gehört  X.  B.  Daniel  Albert  Wyttenbach  (1746—1830),  dessen  Frae- 
cepta  philosoiduae  logicae  (Amsterdam  1782)  von  Joh  Aug.  ^xrhvd,  HaBm 
17H,  nüt  einigen  Ablnderungen  herausgegeben  «urden  (siehe  n«[npiitii<^ 
S.  9  n.  18  fL). 

§  33.  Kant.  Trotz  dieeer  sosgeaprochenen  Vorherrschaft 
der  WoIflBchen  Logik  um  1750  trat  verhältnism&ßig  rasoh 
ihr  Niedergang  und  Sturz  ein.  Es  war  dies  die  Folge  der 
NeQorientienmg,  welche  Kant  (1724 — 1804)  der  gesamt^i 
Philosophie,  insbesondere  der  Erkenntnistheorie,  gab.  Dabei 
stand  Kant  selbst,  wie  in  der  Psychologie,  soauohinderLoffik 
fast  ganz  auf  dem  Boden  der  Wolffschea  Schule  (vgl.  S.  119). 
Erst  indirekt  führte,  trotz  dieses  konservativen  logischen 
Standpunkts,  seine  Erkenntnistheorie  zu  einer  Umgestaltung 
auch  der  logischen  Wisaeoaehaft.  Wir  besitzen  von  Kant 
kein  Originalwerk,  welches  die  Logik  speziell  behandelt,  in- 
dessen hat  6.  B.  Jaesche  im  Auftrag  Kants  auf  Grand  von 
handschriftlichen  Aufzeichnungen  des  letzteren  die  Kant- 
echen  Vorlesungen  über  Logik  in  Form  eines  „kompendiöeen 
Handbuchs"  i.  J.  ICIOO  herausgegeben  (abgedruckt  x.  B.  io 

'^  Hierher  gehört  z.  B.  Dominicus  Beck,  dessen  ^■m■^^^^^ffil«ff# 
togieae  (Saldnug  ITSO^  mir  in  3.  Auflage  ohne  Jahreszalil  bekannt)  ekldügeh 
die  Sttze  der  neueren  Logik  mit  scholastischen  Prinzipien  verbinden. 


2.  Kkintd.   AUgetntiiM  Geachichte  der  Losik.  ^25 

Bd.  6  der  S&mtl.  Werkte  Kants  in  der  Hartensteinschen  Aos^. 
]8(%V).  Für  Kants  prinsipielle  Stellnnfr  xa  den  logischen 
Qnmdlonnen  nnd  namentlich  für  den  nmgeetaltendea  Ein- 
Ihifl  Beiner  Erkenntnietheorie  aof  die  Logik  liefern  die 
Haaptverke  Kant«  weit  mehr  Beiträge*). 

Der  Einfloß  Kants  anl  die  Entwicklung  der  Logik  be- 
sieht flieh  namentlich  auf  drei  Punkte:  erstens  die  Er- 
w«iternng  der  Logik  am  das  Gebiet  der  trao- 
Bzendentaleo  Logik,  zweitens  die  TJntersch'eidnng 
der  analytischen  und  ay nthetiecben  Urteile 
und  dntt«i6  die  Kategorienlehre. 

Zorn  «raten  Pnnkt  ist  vor  allem  za  bemerk«!,  daS 
Kant  die  Lc^k  sehr  weit  definiert,  nämlich  als  „Wiseen- 
Bchaft  derVerstandesregeln  tiberhanpt"  (K  77;  „Wissenschaft 
▼on  der  bloßen  Form  des  Denkens  überhaupt",  H  VIII,  77; 
B.  anch  H  IV,  342).  Sie  verfällt  weiter  in  die  Logik  des  a  1 1  - 
Sf«meinen  nnd  die  liogilt  des  besonderen  Verstandee- 
gebrancbB.  Die  erstere  (anch  Elementarlogik  genannt)  ent- 
hält die  schlechthin  notwendigen  Regeln  des  Denkens  ohne 
B-acksicht  aaf  die  Verschiedenheit  seiner  Gegenstände,  also 
unter  Abstraktion  von  allem  Inhalt  des  Erkennens,  die  letz- 
tere enthält  die  Regeln,  „über  eine  gewisse  Art  von  Gegen- 
ständen richtig')  zn  denken",  also  die  Denkregeln  für  die 
einzelnen  Wiesensehalten.  Die  allgemeine  Logik  ist  ent- 
weder „rein"  oder  „angewandt".  Die  reine  allgemeine 
Logik  abstrahiert  von  allen  empirischea  Bedingungen  der 
VeratandesaoBÖbnng  (z.  B.  dem  Einfluß  der  Sinne,  dem  ^iel 
der  Einbildung,  den  Gesetzen  des  Gedächtnisses  usf.),  d.  h. 
allen  zuföUigen  Bedingungen  des  denkenden  Subjekts,  und 


'}  Kne  seue  Auagabe  mit  Einleitung  von  W;  Kinkel  ist  in  Leipzic  19U 
(fiäka.  BibL,  Bd.  tö)  encUeaen.  Wertroll  für  die  Beoiteilunc  sind  aucti 
äa  Reflexioaen  zur  Logik  (haadschr.  Nachlaß)  in  Bd.  16  d.  Bert.  Kantausgabe, 

^  Im  folgenden  wird  die  Kritik  der  reinen  Vernunft  nach  der  Sehrbach- 
■eben  Ausgabe  (K)  zitiert,  die  Obrigen  Werke  nach  der  9:  Hartensteinschen 
Zugabe  T.  J.  IMJim  (H).  Von  KanU  logischen  Lehren  handeln  u.  a.:  Erait 
Wiileiiliagen,  Die  Logik  bei  Kant,  Disa.,  Jena  1868;  Q.  Biedermann,  Kants 
Knift  der  retnea  Vernunft  und  die  Begdache  Logik  in  ihrer  Bedeutung  für 
die  BegriflMnneaschaft,  Prag  1869. 

*)  Das  Wort  ,jiehtig"  hatte  bei  der  allgemeinen  Definition  der  Logik 
nffhH,  tat  aber  woU  auch  bei  dieser  au  eninsen.  Jeäenialli  bat  Kant  nicht 
•ttef  genug  zwlachen  den  Oeaetsen  des  talatchüchen  Denkens,  den  Qesetaen 
daa  nötigen  Drakens  nnd  den  Hegeln  zur  Erzieluug  daa  leUlena  uiflw'- 
flnUcden. 

„.,,„,^.oogic 


126  ^  ^^''-  At^renzung  ond  allcemeiiie  Gcachichte  der  Lofik. 

brachäfUgt  sicli  also  nur  mit  apriorischen  Prinzipiea  des 
Denkens,  und  zwar  —  als  allgremeine  Logik  —  nur  mit  den 
formalen  (ohne  Rücksicht  auf  den  Inhalt).  Sie  schöpft  daher 
nichts  aus  der  F^ychologne  (K  78  n.  12,  H  Vni,  14);  alles  in 
ihr  moß  vätlig  a  priori  gewiä  sein.  Demgegenüber  handelt 
die  angewandte  allgemeine  Logik  von  den  empirischen 
Bedingungen  des  Denkens  in  concreto  (z.  B.  der  Aufmerksam- 
keit) and  ist  auf  die  Hilfe  der  Psychologie  angewiesen.  Di« 
irreführende  Bezeichnung  „angewandte"  Logik,  welche  viel 
eher  für  die  Logik  des  besonderen  Verstandesgebranchs  (die 
„spezielle"  Logik)  pafit,  haben,  nachdem  schon  Maimon  (vgl. 
S.  132)  sie  abgelehnt  hatte,  Kants  Schüler  später  fallen  lassen 
und  Ton  „empirischer"  I<ogik  gesprochen,  soweit  sie  nicht 
diesen  ganzen  Teil  ans  der  Logik  gestrichen  haben  (a.  schon 
H  Vin,  18). 

Neben  der  allgemeinen  Logik  stellt  nun  Kant  noch  eine 
transzendentale  Logik  auf,  welche  also,  str«ig  ge- 
nommen, zur  speziellen  Logik  gehört  (obwohl  Kant  dies  nicht 
ausdrücklich  ausspricht).  Diese  transzendentale  Logik  ab- 
strahiert nicht  von  allem  Inhalt  der  £«rkenntnis  (wie  die  all- 
gemeine Logik  tut),  sondern  berücksichtigt  diesen  wenigstens 
iiwofem,  als  sie  den  Unterschied  zwischen  reinem  und  empi- 
rischem Denken  der  Gegenstände,  wie  ihn  die  transzendentale 
Ästhetik  nahelegt,  akzeptiert  und  sich  speziell  nur  mit  den 
ßegeln  des  reinen')  Denkens  eines  Gegenstandes  beschäf- 
tigt. Ihr  weist  K.  dann  auch  die  weitere  Aufgabe  zu,  den 
Ursprung  unseiwr  Erkenntnisse  von  Gegenständen  zn  unter- 
suchen. -Wenn,  wie  Kant  in  der  Kr.  d.  rein.  Vem.  nach- 
znweisen  veisaeht,  Denkregeln  a  priori  unsere  Erkenntnisse 
von  Gegenständen  bestimmen,  so  würde  in  der  Tat  die  Unter- 
suchung dieses  Ursprungs  noch  in  das  Bereich  der  Logik 
nach  der  weiteren  Definition  Kants  fallen.  Gibt  es  also  solche 
a  priori  auf  Gegenstände  bezügliche  Verstandeebegriffe,  so 
entspricht  ihnen  die  transzendentale  Logik  als  „Wissenschaft 
des  reinen  Verstandes  und  Vemunfterkenntnisees,  dadnrch 

«)  Han  beachte  auch  hier  die  UozweokmABigkeit  der  T«nninok>cie'. 
innerbalb  der  allgemeiDen  Logilc  wurde  bereits  ein  ,^iiier"  Teil  untersdiiedeii. 
Die  Zweideutigkeit  ist  hier  sogar  nicht  auf  das  Tenmnologische  bcschilDkL 
Später  hat  man- oft  schlechthin  die  transzendentale  Logik  als  „reine''  Logik 
bezeichnet  In  der  Haupteinte^Jung  Kants  baüeht  sich  die  Reinheit  nkht  mJ 
den  Gegenstand  des  Denkens,  sondern  den  Ursprung  des  Denkens  bnrg  KU* 
Beeidung  zum  Psychologischen. 

„.,,„,  ^.oogic 


a.  KamtflL  Allgemeine  Oeachichte  der  Lofik.  127 

vir  Gegenstände  völlig  a  priori  denken"  (K  79f.  □.  138)*). 

nTnutszendental"  bedeutet  dabei:  auf  die  Mögliehkeit  ^irio- 

lischer  Beziehnng  aof  Oegenstände  der  Erfabnmg  gehend  *). 
■  Es  kochtet  ein,  daß  damit  die  v^ritfe  iim^  (performatioDB) 

von  Leibniz  (vgl.  S.  109)  auch  für  die  Logik  eine  gani  andere 

Bedentnng  bekommen  muBten. 

Sowohl  die  (reine)  allgemeine  Ix^ik  wie  die  traasaen- 
dentale  Logik  geben  lediglich  Bedingungen  an,  denen  keine 
Erkenntnis  widersprechen  darf  (K  82  tl  84),  dagegen  sind 
beide  nnföhlg,  ohne  Hilfe  der  Erfahrung  uns  Erkenntnisse 
über  Erfahningsgegenstände  zu  verachaffen.  Die  reine  all- 
gemeine Logik  bleibt  stets  formal,  nnd  die  transzendentale 
lätgik  kann  nur  die  Prinzipien  nachweisen,  ohne  die  kein 
Offenstand  gedacht  wterden  kann.  Beide  können  daher  nienuüs 
über  die  Ehrfahmng  hioansgehen  („tranezen  d  e  u  t"  werden). 
Die  yemHnft„kritik"  beschränkt  die  allgemeine  Logik  auf 
den  formalen,  die  transzendentale  Logik  auf  den  transzen- 
dentalen Gtebranch.  Der  Teil  der  Logik,  sowohl  der  all- 
gemdnen  wie  der  transzendentalen,  welcher  innerhalb  dieser 
Qrenzen  bleibt,  wird  von  Kant  als  „Analytik"  ^  bezeichnet, 
tjbeieehreitet  die  allgemeine  Logik  diese  zulässigen  Grenzen, 
«o  wird  sie  zur  Dialektik  (K  83);  äbersohreitet  die  transzen- 
dentale Logik  dieselben,  so  übt  sie  selbst  als  „transzendentale 
Dialektik"  Kritik  an  dieser  Überschreitung  und  deckt  den 
falschen  Schein  solcher  AnmaBimgen  anf. 

Von  diesem  Standpnnlfte  ans  konnte  Kant  auch  viel 
schärfer  als  seine  Vorgänger  die  Frage  nach  dem  Kriterium 

der  Wahrheit  beantworten  (K  81  IT.).    Ein  inhaltliches 


■)  Die  bezüglicbe  Stelle  der  Kritik  der  reineo  Vernunft  iat  sehr  noch- 
ttaaig  abgebiBl  oder  verdruckt  Ich  lese  mit  Erdmuiii  K.  81,  Z.  6  von  <^ii 
.nerdeiL*'  st&tt  „wiid".  Die  VaUünserscbe  Verbesserung  (Kftat-StuX  IV,  IfiS] 
wird  dun  Qberflüssig. 

■)  über  die  Bedeutung  der  Kantschen  Tramzendentalit&t  vgL  Vaihinger, 
XoDuoentar  zu  Kanla  Krit.  der  rein.  Vernunft,  Stuttgart  1881,  Bd.  1,  S.  «7  tf. 

*)  Ancb  bei  dieser  miBverst&ndlichen  Bezeichnung  muB  vor  falsdien 
Jlmtiuigea  gewuitt  werden.  Die  Analytik  Kants  deckt  sich  nimii^A  nur 
am  TeU  mit  der  Analytik  des  Aristoteles  (vgl.  S.  39)  und  hat  mit  Kants 
eiiener  Unterscheidung  zsiachen  analytischen  und  synthetischen  Urteilen 
'öctäM  zu  tun.  Kant  wollte  viehnebi  mit  dem  Terminus  .Analytik"  nur  auf 
die  Zergliederung  der  formalen  Verstandest&tigkeit  in  ihre  Ele- 
Bnite  (K  8^  bzW.  unseres  gesamten  Erkenntnisses  a  priori  in  die  Elemente 
der  reihen  Veistandesetkenntnis  hätweisen.  Vgl.  auch-  Reftezionen,  BdL  \ 
M6t  S.  lai,  Hr,  *8a 


128  ^-  '''^'^   Abgrenzuac  und  aUgemeioe  Geschichte  der  Lo^. 

allgemeineB  KHterinm  kann  es  naeh  Kant  überhanpi 
nicht  geben,  da  bei  einem  solchen  von  allem  Inhalt  abatzB- 
biert  werden  müßte,  nm  die  Allgemeinheit  des  Kriteriums 
feetzabalten.  Es  bleibt  also  —  abgesehen  TOn  der  Nominal- 
definition der  Wahrheit  als  der  „Übereinstimmong  der 
Erkenntnis  mit  ihrem  Gegenstände"  —  nnr  ein  formales 
allgemeines  Eriterinm:  die  Übereinstimmung  mit  den  Denk- 
regeln  der  Logik;  dieses  ist  aber  offenbar  nur  ein  „nega- 
tiver Probierstein  der  Wfihrheit".  Eine  Erkenntnis  kann. 
der  logischen  Form  völlig  gemäß  sein,  d.  h.  sich  selbst  nicht 
widersprechen  und  doch  dem  Gegenstand  vidersprechen. 

Der  zweite  Hauptpunkt,  in  dem  Kants  Lehre  um- 
gestaltend auf  die  Logik  wirkte,  ist  die  Unterscheidung  der 
analytischen  und  der  synthetischen  Urteile  (K  39;  H IV,  14 
u.  Vni,  59  u.  108).  Analytisch  ist  nach  Kant  dasjenige 
Urteil,  dessen  „Rrädikat  B  zum  Subjekt  A  als  etwas  gebort,. 
was  in  diesem  Begriffe  A  (versteekterweise)  enthalten  ist";, 
synthetisch  dasjenige  Urteil,  dessen  Prädikat  B  ganz 
anfieriialb  des  Begriffes  A  liegt,  obwohl  es  mit  diesem  ver- 
knüpft wird.  In  den  analytischen  Urteilen  wird  also  die 
Verknüpfung  durch  die  Identität  gedacht,  in  den  syntheti- 
schen ohne  Identität.  In  jenen  geht  das  Prädikat  eigentlich 
auf  den  Begriff,  in  diesen  auf  das  Objekt  des  Begriffs  *).  Bei 
den  synthetischen  Urteilen  genügt  der  Snbjektbegriff  nicht, 
um  zu  dem  Urteile  zu  gelaojren,  sondern  «s  muß  etwas  hinzu- 
kommen, und  zwar  ist  dies  Hinzukommende  bei  den  synthe- 
tischen Erfahmngeurteilen  die  Erfahrung,  bei  den  von  Kant- 
angenommenen  synthetischen  Urteilen  a  priori  (z.  B.  den 
Sätzen  der  reinen  Mathematik,  dem  Prinzip  der  Kausalität,, 
dem  Prinzip  der  Beharrlichkeit  usf.)  die  apriorische  Banm- 
und  Zeitauschauung  und  die  von  Kant  sog.  Kategorien,  d.  h. 
die  apriorieehen  allgemeinsten  Erkenntnisbegriffe.  Auf  die 
Bedeutung  dieser  Kautscheu  Einteilung  der  Urteile  für  die 
Logik  wird  in  der  Lehre  vom  Urteil  aosführlicher  eingegan- 
gen werden. 

Der  dritte  Hauptpunkt  ist  Kants  Kstegori«ilehre.  Ais- 
Kategorien  bezeichnete  Kant,  wie  eben  bereits  angedentet, 
abweichend  von  Aristoteles  (vgl.  S.  35)   „die  reinen  Ver- 


•)  LoM  BlKtUr  aui  KuBta  NftcfaUB,  mitfet.  voa  Rnd.  Rek^  KAoifdv. 
1B89  tt.  18e&  («ach  AtbmiB.  MonaUb..  Bd.  Si^  SO  «  81},  Httt  1,  S.  «.<VgL 
«och  ebenda,  S.  38,  ISl^  ie»-a67,  SBÜ. 


a.  Kapitel.   AUgeoeine  Oescfaichle  der  Logik, 


129 


•taoilefibegriffe,  wetcho  a  priori  auf  Q^mostände  der  An- 
»haDiut^  überhaupt  e«heu"  (E  96).  Eine  Itesondere  Beden- 
tnag  bekamen  diese  Kategorien  weiterhin  noch  dadnrch  für 
die  Logik,  dafi  aie  nach  Kant  den  logischen  Funktionen  in 
Bneeien  Urteilen  entsprechen,  nnd  Kant  daher  die  Tafel 
iRDer  Kategorien  ans  der  Tafel  der  Denkfnnktionen  in  den 
UrteUen  ableitete.  Dabei  gelangte  er  znr  folgenden  Ornppie- 
niDg(E89,  96): 

ngehdrige  Estesori«n 
l  Qaantität     a)  allgemeine    .     ■     .     Allheit 
Vielheit 


2.  Qualität 


3.  Relation 


urteil« 

a)  allgemeine 

b)  besondere 
c)  einzelne    .    . 

a)  bejahende 

b)  vemeinend^i. 

c)  unendliche  . 
a)  kategorische 


b)  hypothetische 


c)  disjunktive 


Einheit 
Bealität 
Negation 
Limitation 

Ifahärenz     und    Sabsi- 
stenz   (substantia  et 
accidena) 
EAusalität  and  Depeo- 
denz    (üiTBache    und 
Wirkong) 
Gemeinschaft     (Wech- 
selwirkung zwischen 
dem  Handelnden  und 
Leidenden) 
Möglichkeit  —  Unmög- 
lichkeit 
Dasein  —  Nichtsein 
Notwendigkeit  —  Zu- 
fälligkeit. 
In  den  Einzelabschnitten  wird  auf  diese  Eantsehe  Tafel 
noch  öfter  zurückzukommen  sein,    über  die  Beziehongeu  der 
SaatBchen  Erkenntnistheorie  zur  Logik  ist  auch  %  56  und  57 
^  Tergleichen  (PhänomenalismuB). 

i  U.  Kuh  AwtlBtw  ud  Oaga«  in  tu  Lailt  Kants  Schüler  und 
AnUnmr  versuchten  schon  sehr  bald,  auf  des  von  Kant  EescbaBenen  Gnmd- 
ateo  die  Logik  umzuatbeiten,  und  gaben  dabei  die  WoUfsche  Logik,  von  d;r 
«dl  Kant  niemals  völlig  befreit  hatte,  mehr  oder  weniger  voilständiK  preis. 
Ue  «tchtigiten  unter  diesen  von  Kant  abhAnsigen  Logikern  sind  folgende: 
Friedrich  Gottlob  Born  (1743—18(17}:  Varsuch  Ober  die  Ursprung). 

Gnmdlagea  des  memcbL  Denkens  usw.,  Leipzig  1791  (namentlich  §  SC 

bis  38). 

'>*b*n,  Lthrinich  dir  Lopk.  9 


i  Modalität    a)  problematische 


b)  assertorische 
e)  apodiktische 


1,1^. OQi 


'S'c 


130         I'  T«!!-  AbtrnnzuDV  uod  alUemeine  0«acIiichl«  der  Loiik. 

J«h.  Aug.  Heinr.  Ulrich  (1746-4813):  lostttuliones  logica«  et  meU- 
physicae,  Jen.  1786.  a  Aufl.  1793,  S.  87— B8a 

Dielerich  Tiedemann  (1748— 1B0&) :  Theaetet  od.  Ober  das  menachL 
Wiben,  Fikft.  a.  M.  17M,  namentUch  S.  133  ff. 

Maternus  ReuB  (1751—1826);  Losica  umTersalia  et  analyüca  faculUUs 
cognoscuidi  purae,  Wiiceb.  1789^  S.  IH.  u.  84  S.;  Vodesuosen  Obw  die 
theoret.  u.  pnkL  Philosophie,  1.  Teil;  Voriesunsen  Ober  die  L(«ik,Wan- 
buis  17S7  (S.  1—72  reine  Logik;  viellach  auch  von  Iteinhold  abhäncis). 

Carl  Leonhard  Beinhold  (17S8— iieSB):  Gnindlegung  mner  Stdo 
nymik  elc,  Kiel  1612;  Versuch  einer  neuen  Theorie  des  menschlichen 
VorsteUungsrermögens,  Prag  uod  Jena  1788;  Das  menschl.  Erkenntnis- 
vermögen, aus  dem  Gesichtspunkte  des  durch  die  Wortsivache  ver- 
mittelten  Zusanunenhangs  zwischen  der  Sinnlichkeit  und  dem  Denk- 
vermögen, Kiel  1816  (namentlich  S.  1120.);  Versuch  einer  Critik  der 
Logik  aus  dem  Gesichlspunkte  der  Sprache,  1806,  namentlich  S.  8 — 62. 

Job.  Heinr.  Tieftrunk  (17^-3697):  GnindiiB  der  Logik,  HaUe  1801; 
Die  Denklehre  in  reindeuladiem  Gewände  etc.,  Halle-Leipzig  1886  C^de 
z.  T.  zweckmfcBige  Verdeutschungsversuche  logischer  Termim,  z.  B.  S.  27 
Kategorien  =s  Urbegrifie  usf.). 

Ludw.  Heinr.  v.  Jakob  (1760— d8S7):  GrundriB  der  allgemeinen  Logik 
und  kritische  AnlangsgrOnde  zu  der  altgemrinen  Metaphysik,  HaUe  178&, 
2.  Aufl.  1790. 

Carl  Christian  Efb.  Sehraid  (1761—1812):  GrundriB  der  Logil^ 
Jena-Leipzig  1887  (namentlich  S.  SB,  71,  IfiOff.). 

Joh.  Heinr.  Abicht  Cl?ea— 180*'} :  Enzyklop&die  der  Philosophie  mit 
literarischen  Notizen,  Frankf.  a.  M.  1801  (Theorie  der  Wahrtieätdnuisl, 
S.  330  C);  Philosophie  der  Erkenntnisse,  Bayreuth  1791  (namentlich 
S.  93—86^;  Verbesserte  Logik  oder  Wahrheils  wissenschafi,  Fürth  1800*; 
Anleitung  und  Materialien  zu  einem  logiscb  -  praktischen  Institut,  Er- 
langen 1796  (kurzer  Leitfaden  der  Logik  mit  praktisdien  Anwendungen). 

Job.  Gottlieb  Buble  {176»-^821):  Einleitung  in  die  allgemeine  Logik 
und  die  Kritik  der  reinen  Vemunit,  Gatt.  1796;  Entwurf  der  Tranazeh< 
dentalphiloso^e,  Gfitt.  1796  (namentL  %  113—178). 

Job.  Christoph  Eoffbauer  (1766—1828):  AnalyUk  der  UrleUc  und 
Schlosse  mit  Anmerkungen  etc.,  Halle  1792;  Über  die  Analysis  in  der 
Philosophie  usf.,  Halle  1910  (namentL  Absclm.  1  u.  3);  Versuch  Ober  die 
sicherste  und  leichteste  Anwendung  der  Analysis  in  der  philos.  'Wiasen- 
echaft,  Leipzig  1810  (S.  ISO  ff.,  Konstruktion  logischer  Begriffe);  Anfauss- 
grOnde  der  Logik  nebst  einem  GrundriB  der  Erlahnmgsseelenlehre,  HaUe 
179«,  S.  139  ff.  (2,  AufL  1810,  S.  17  fi.);  Tentamina  semiologica,  Halae 
1789  •• 

Job.  Gebh.  Ehrenr.  MaaB  (1766—1823):  GrundriB  der  Logik,  Halle- 
Leipzig  1793,  4.  AufL  ISEB  (stark  veiindert). 

Friedr.  Bouterwek  (1766—1828):  Idee  einer  ApodikUk.  ein  Beytra«  z. 
menschl.  SelbstversUndigung  usf.,  Halle  1799  (namentL  Bd.  1,  5.  2»fL); 
Idee  einer  allgemeinen  ApodikUk,  GOttin^sches  Fbiloscvh.  llusaum  1798, 
Bd.  1,  Stück  3,  S.  49ff.  (Forts.  Bd.  2.  Stück  1,  S.  17ff.,  logische  ApodiÜik) ; 
Lehrbuch  der  Philosoph.  Voricetmtnisse,  GOttingen  ISIC^  ^  Aufl.  ISSO^ 
S.  8Sft.;  Lehrbuch  der  Philosoph.  Wiaensch.,  Gfitüngen  1813,  2.  Aufl. 
1830,  Teit  1,  S.  17—66. 

h.  !■,  ii,l^.00^1C 


ä.  KapilBl.  AOscmeiite  Geschichte  der  I^k.  131 

Andreis  Uetz  (17S?— 1839):  InttitutMiies  togici«,  Barab.  ei  Wircebarc. 
17S6  (VI).  S  17),  ntmeiiU.  S.  660.;  Huidbucb  der  Logik,  Bamb.  u.  W-Onib. 
180%  a  AuO.  1816. 
iob.  GoU fr.  Kar)  Christian  Kiesewetler  (1766—1819):  Rrund- 
hfi  einet  reinen  allsemeinen  Logik  nach  Kartischen  Grundaitzen,  Frank- 
furt IL  Leipzig  179ft');  Grundriß  einer  allsemeinen  I^sik  sowolil  der 
raaen  als  der  angewandten  nach  Kanüacfaen  Gnudsitzen,  BeiUn  1796 
(mgleich  3.  Aufl.  dea  erstgenannten  Werks,  eine  weitere  Ausgabe  erschien 
Berlin  1802;  aufierdem  Nachdrucke);  Logik  zum  Gebrauch  für  Schulen, 
3.  Aufl.,  Leipzig  17H;  Kompendium  einer  altg.  Logik,  Leipzig  1796*. 
«ilh.  Traugott  Krug  (1770— 1M2):  SysUm  der  Iheoret.  Philosophie, 
Kdaigsberg  1&06,  2.  AufL  1819,  8.  AufL  18%,  1.  Teil  DenUehre,  namentl. 
S  ^11;    Versuch    einer   aystemat  Enzyklopädie    der  Wissenschaften, 
L  teil,  Willenb.  u.  Lpz.  1796,  5  «2  ff.,  S.  169  ff.;  Handbuch  der  Philo», 
and  philos.  Literatur,  Bd.  1.  Leipzig  1^0,  S.  117  ff. 
Gsttlob  Wilh.  Gerlach  (1786— 186t):  Grundriß  der  Logik,  Halle  1817. 
Heinrich  Christoph  Wilh.  Sigvart*)  (1769—1844):  Handbuch  ni 
VorlesungLD  Ober  die  Logik,  Tübingen  1618,  namentl.  §  3—36,  u.  Handb. 
d.  theor.  Philos.,  Tflb.  1830,  g  112fL  (S.  65ff.}. 

Teils  hielten  diese  Forscher  den  Kantschen  Standpunkt  streng  fest, 
idb  (z.  B.  Tiedunann,  Ulrich,  Hoffbauer,  Jakob)  wichen  sie  in  einzelnen 
I'oakten  von  Kant  ab  oder  schwankten  in  ihren  Anschauungen  (wie  z.  B. 
C.  L  Reinhold). 

Auch  an  Gegnern  fehlte  es  der  auf  Kants  Lehren  gegründeten  Ixigik 
uchL  So  vertrat  Joh.  Aug.  Eberhard  (173a~1809)  in  seiner  ,rAllge- 
meinen  Theorie  des  Denkens  und  Empfindens"  (Berlin  1776)  den  Leibnizschen 
Standpunkt,  Job.  Georg  Ueinr.  Feder  (1740-~1821]  suchte  Kant  g^en< 
ül)er  eine  hektische  Stellungnahme  zu  verleidigen  (Logik  und  Hetaphyak, 
GälL  u.  Gotha  1769,  ö.  Aufl.  G6tt  1778;  Grundriß  der  philos.  Wissenschaften 
•^^  Coburg  1767,  S.  63—80;  Grundsfitze  der  Logik  und  Metaphysik,  GQtL 
1794;  Insüt.  tag.  et  metaphys-,  Gott  1777),  Joh,  Christoph  SchwaB 
(170—1821)  bemühte  sich  in  einer  Pretsschrift  [Welche  Fortschritte  hat  die 
Metaphysik  seit  Leibnizens  und  Wolffs  Zeilen  in  Deutschland  Bi'macht? 
BerÜD  1796)  zu  zeigen,  daß  die  Wolfische  Lehre  Doch  unerschüttert  sei. 
Ernst  Pia  tn er  (1744—1818)  schrieb  ein  „Lehrbuch  der  Logik  und  Meta- 
PtiTrik"  (Leipzig  17%,  laut  Vorrede  Auszug  und  Nachtrag  zu  den  Aphorismen ; 
l-ofik  S.  6 — HO],  das  bei  allen  Angriffen  gegen  Kant  doch  allenthalben  den 
EiafhiB  seiner  Lehre  erkennen  ließ*}.  Christoph  Heiners  (17(7  bis 
iSlO)  trat  fOr  die  Federschen  Lehren  ein  und  betonte  einseitig  den  rein 
pnch^giscben  Standpunkt  (Revision  der  Pliilosophie,  Gottingen- Gotha  1772, 
MiwatL  S.  G8  a  S.  l&9ff.;  Untersuchungen  Über  die  Denkkräfte  und  Willens- 
bifte  des  Menschen,  GCttingen  180%  Tdl  1,  5.  18S— 215). 

')  Vielleicht  handelt  es  sich  um  einen  Nachdruck.  Die  Vorrede  ist  von 
1791  aus  Berlin  datiert 

>)  Diesem  steht  wiederum  nahe  Andreas  Erhard,  Handbuch  der 
Usik,  München  1839. 

■)  Vgl  Ober  Fiatners  Stellung  zu  Kant  auch  B.  Seligkowils,  Tlertetjahrs- 
Kttdt  L  wisa.  Philosophie  189%  Bd.  Iflt  &  7A 

„.,.,„.>..oo^sic 


182  I.  Teil  Ahfrcnzung  und  aHgenieine  Ceachidite  dtt  Lo^ 

Viel  bedeutender  war  der  „Versuch  einer  neuea  Lacik  oder  Theorie  des 
Denkens"  (Beriin  17H  Neudruck  Beriin  1912)  '*nn  Salomon  Maimon 
(17fri — 1800)^  der  zwsr  «och  tesen  Kuils  Lehre  gericfatet  war,  aber  doch 
Kilon  (anz  von  der  Kaatach«!  Fragestellunt  bdierrscht  war.  Hainioii  ^fi- 
niert  die  Lcdk  als  die  Wissenschaft  des  Denkens  eines  durch  innere 
Merkmale  unbestiimnten  und  tdoB  durch  das  Verhiltnis  zur 
Denkbaikeit  bestimmten  Cttijektes  Oberhaupt  (S.  1).  Objekt  der  Logik 
ist  nicht  das,  was  durch  das  logiBche  Denken  bestimmt,  soadem  das,  worüber 
lofiach  gedacht  wird.  Das  Denken  ist  die  Uandluns  des  Subjekts,  «odurclv 
unter  Vorausaelzung  der  identischen  Einheit  des  Subjekts  im. 
BewuBtsein  des  Mannigfaltigen  des  dem  Denken  gegebenen  Objekts,  eiite 
objektive  Einheit  dieses  Mannigfaltigen  bervorgebracht  wird.  Die  Wahrheit 
von  Vorstellungen  und  BegriKen  ist  eine  logische,  wenn  sie  mit  ihren 
Objekten  nach  den  Gesetzen  des  Widerspruchs  und  der  Identität  Obeieiii- 
stimmen,  sie  ist  dsgesen  eine  metaphTsiscbe,  wenn  sie  als  Bestandteile  des 
im  Objekt  verbundenen  Masoigfaltigen  nicht  nur  infolge  Hangeb  eines  Wider- 
spruchs gedacht,  sondern  ausGrOnden,  die  auBerfaalb  des  Denkvennfifens- 
liegen,  eAannt  werden  (S.  15).  Die  Unterscheidung  zwischen  analrtiachen 
und  synthetischen  Urteilen  venucht  M.  anders  zu  formulieren,  ohne  sachlich 
von  Kant  abzuweichen  (S.  lOS).  Die  Kantsche  Tenninologie  der  reinen  und 
angewandten  Logik  wurde  von  ihm  vert>essert  (vgl.  oben  S.  126).  Die  Her- 
leitunfl  der  Kategorien,  die  MainMn  als  „die  a  priori  bestimmten  Element«r- 
prftdikale  oder  notwendigen  Prftdikate  aller  reellen  Objekte"  auffallt  (S.  13+), 
BUS  den  Urteilsfunktionen  wird  von  M.  verworfen  und  eine  Ableitung  aus  den 
Bedingungen  der  Möglichkeit  des  Denkens  eines  reellen  Objekts  versucttt 
(S.  13S).  Die  Tafel,  zu  der  H.  so  gelangt,  stimmt  Qbrigens  mit  einer  Aeis- 
nahme  (Wegfall  der  Kausalitlt)  ganz  mit  der  Kantschen  hbereio.  Vgl.  Ober 
Uaimon  auch  S.  31  u.  §  öi  in  diesem  Buche. 

Eine  besondere  Stellung  unter  Kants  Gegnern  nimmt  endlich  Gottlob- 
Ernst  Schulze  (1761 — 1883)  ein.  Seine  Hauptscbrift *)  „Aeneüdemus" 
(ohne  Angabe  des  Druckorts  1792,  Berlin  1911  von  Liebett  neu  herausgegebeii) 
Var  zwar  nach  dem  Titel  gegen  Reinholds  Elementarphilosophie  gerichtet, 
griff  aber  allenthalben  auch  die  Grundlehren  Kants  vom  Standpunkt  des 
^eptizismus  an.  Auf  die  veitere  Entwicklung  der  Logik  hat  sie  keinen 
nachhaltigen  EinHuB  gehabt.  Tgl.  auch  S.  10. 

6  35.  Fiehto.  Job.  Gottlieb  Fichte  a762— 1814) 
definierte  die  Wissenscfaaf  talehre  als  diejenige  Wissen- 
echaft,  welche  die  Möglichkeit  des  Wissens  erklärt.     Dleee 

•)  Außerdem:  Gnindsfttze  dei*  allgem.  I,ogik,  HebiBtftdt  1800,  i.  Aufl.,. 
Gottingen  1822i  Enzrklopadie  der  Philosoph.  Wissenschaften  usw.,  2.  Aufl.» 
Gdttingen  1818  (namentl.  S.  20ilL);  Über  die  menschl.  Erkenntnis,  GötUnsen 
1832  (S.  1 — 317);  GrundriS  der  Philosoph.  Wissenschaften,  Wittenberg  u. 
Zerbst^  Bd.  1^  1788,  Bd.  2, 1790  (namentL  Bd,  1,  §  17  ff.  u.  » ff.). 

')  Für  die  Logik  kommen  namentlich  in  Betracht:  Ober  den  Begriff  der 
WiSBenschaftalehre  usf.,  Weimar  179«  (SAmtl.  WW.,  Berlin  1846,  Bd.  1, 
S.  29);  Grundlage  der  gesamten  WissenscbaftsJehre,  Jena-Leipzig  1794  (WW. 
Bd.  1,  S.  86);  Grundriß  des  Eigentflmlichea  der  Wissenschsftslehre  usf.,  Jena. 
179b,  sowie  Philosoph.  Joum.  1797,  Bd.  6—7;  Einleitungsvo riesungen  in  di« 

h.  !■,  II,  l^.OOQIC 


2.  KaiHteL   AÜtwnein«  Geachichle  dar  Logik. jgg 

FkliteecheWiseenschaftslehre  ist  also  von  derWisseuBcliatts- 
Jeliie,  vie  sie  kurz  danach  von  G.  B.  Schulze  aufgestellt 
wurde  und  von  mir  in  der  Einleitung  S.  9  charakterisiert 
wurde,  wesentlich  verechieden.  Sie  ist  nicht  ein  Teil  der 
Logik,  sondern  eine  Wissenschaft,  von  der  die  gesamte  Logik 
ebenso  wie  jede  andere  Wissenschaft  abhängt  Sie  ist  das 
Wi88^  vom  Wissen  (I,  45;  II,  9).  Die  Möglichkeit  alles 
Wiflsens  beruht  nach  F.  auf  dem  absolut  ersten,  unbeweis- 
baren und  doch  dorch  sich  selbst  vollkommen  gewlaaen 
Gnmdsatz:  „Bas  Ich  setzt  ursprünglich  sein  eigenes  Sein." 
In  dem  denkenden  loh  und  dem  gedachten  Ich  sind  beide 
identisch,  im  Selbstbewußtsein  ist  Subjektives  und  Objek- 
tives unzertrennlich  vereinigt  Die  Weiterentwicklung  des 
Fiditeschen  Systems  aus  diesem  ersten  Grundsatz  kann  hier 
nicht  verfolgt,  sondern  nur  die  Beziehung  zur  Logik  kurz 
hervorgehoben  werden.  Ans  dem  materialen  Satz  „Ich  bin" 
entsteht  durch  Abstraktion  von  seinem  Inhalt  „der  bloß  for- 
male nnd  logische"  „Grundsatz  der  Identität" :  A  =  AiI,  105). 
Indem  das  Ich  w«iter  „das  Entgegengesetztsein  überhaupt" 
als  Nicht-Ich  setzt,  ergibt  sich  durch  analoge  Abstraktion 
der  logische  Satz:  —  A  nicht  =  A  („Grundsatz  des  Gegen- 
Betzens").  Abstrahiert  man  endlich  von  der  bestimmten 
Handlung  des  Urteikens  ganz  und  sieht  bloß  auf  die  Form 
der  Folgerung  vom  Entgegengesetzsein  auf  das  Nicht-Seia, 
eo  erhält  man  die  Kategorie  der  Negation.  Der  Gegensatz 
T^ifichen  dem  Ich  und  dem  entgegengesetzten  Nicht-Ich  führt 
■Ol  dem  Begriff  der  Teilbarkeit  des  Ich:  ich  setze  im  Ich  dem 
teilbaren  Ich  ein  teilbares  Nicht-Ich  entgegen,  und  dem  ent- 
spricht logisch  der  „Satz  des  Grundes":  A  zum  Teil  =  — A 
und  on^Tckehrt.  Jedes  Entgegengesetzte  ist  seinem  Ent- 
gegengesetzten in  Einem  Merkmal  =  X  gleich  (Bezlehongs- 
gnmd),  und  jedes  Gleiche  ist  seinem  Gleichen  in  Einem  Merk- 
>nal=X  entgegengesetzt  (Unterscheidnngsgmnd).  Das  „anti- 


ViSKDschattslehre,  die  IranszendenUle  Logik  und  die  Talsachen  d«a  BewuSt- 
»ins.  NicbgeL  WW.  Bd.  1,  Bonn  1684  (=  Bd.  9  der  Sftmtl.  WW.J.  Hit 
^cbtea  Logik  beschäftigen  sich  u.  >.  i^amenlllcfa'.  E.  Lask,  Fichles  Idealismus 
md  die  Geschichte,  Tfibingen  u.  Leiuzig  1D02,  namentL  S.  SSIf.;  Fr.  Hedkus. 
J-  G.  Fichte,  Beriin  1905,  namentL  S.  2Cäi  AUr.  HenzeV  Die  Grundlagen  der 
Pichteacben  WissenscbaHslehre  in  ihrem  Verfaällnis  zu  Kants  KrilizismuB, 
Leips«  1909;  Lanz,  Fichte  und  der  transzendentale  Wahrheitsbegrill,  Ardi. 
IGtKb.  d.  Fhilos.  1918,  Bd. 26,  S.1;  W.  Kabitz,  Studien  zur  EntwicUuQgs- 
^Ndiichte  der  Fichteschen  Wiasenschattslehre  usl.,  Berlin  190^  nam.  S.  B7ff. 

„.,,„,  ^.oogic 


134  '■  T^^  Abcreaiuog  nnd  (ütsemeioe  Oescbichte  der  Logik. 

thetische  (analytisclie)  Verfahren  sacht  das  letztere,  das  „S70- 
thetiache"  Verfahren  das  erstere  Merkmal  auf  (I,  110 — 113, 
etwas  abweichend  337  S.).  Antithesis  ohne  Synthesis  ist 
ebenso  unmöglich  wie  Synthesie  ohne  Antithesis,  and  beide 
sind  anmöglich  ohne  eine  Thesis,  d.  h.  ein  ,^tzen  schlecht- 
hin", dnrch  welches  ein  A  (das  Ich)  keinem  anderen  gleich 
nnd  keinem  anderen  entgegengesetzt,  sondern  bloB  schlecht- 
hin gesetzt  wird. 

Indem  das  Ich  ein  Kicbt-Ich  anachant  (im  Sinne  einer 
reflektierten  Tätigkeit  I,  228,  s.  jedoch  auch  340  n.  354  u. 
391  ff.),  soll  diese  Äosehanang  fixiert  werden,  „nm  als  eins 
und  dasselbe  aufgefaßt  werden  zu  können".  Dies  geschieht 
durch  den  Verstand  (im  Gegensatz  zur  Vemnnft,  dem 
„schlechthin  setzenden  Vermögen  im  Ich").  Dnrch  „Selbst- 
bestimmung" and  „Wechselbestimmung"  ergeben  sich  wei- 
tere logische  Tätigkeiten  and  Beziebungea.  Jedenfalls  also 
sind  alle  logischen  Prozesse  gegenüber  den  ursprünglichen 
Tathandlungen  des  Ich  sekundär.  Dos  Anschauen  seiiier 
selbst,  welches  —  vor  aller  logischen  Begriffsbildnng  —  der 
Philosoph  „im  Vollziehen  des  Aktes,  durch  den  ihm  das  Ich 
entsteht",  hat,  wird  von  Fichte  als  „intellektuelle  An- 
schauung" bezeichnet  (I,  463).  Diese  intellektuell«  An- 
schauung meines  Selbstbewußtseins  begleitet  aber  überhaupt 
alle  meine  Handlungen,  sie  ist  nicht  spezifisch  logisch.  In  den 
Späteren  Darstellungen  seines  Systems  hat  F.  manche  dieser 
Sätze  wesentlich  modifiziert  Die  Identität  des  absoloten 
Seins  mit  dem  absoluten  Denken  im  „absoluten  Wissen"  tritt 
in  den  Vordergrund  (II,  14  tT.).  Daher  heifit  es,  daQ  alles 
Sein  Wissen  ist  Ql,  35)  und  die  absolute  Form  des  Wissens 
darin  besteht,  „schlechthin  für  sich  zu  sein".  Auch  wird 
noch  viel  schärfer  betont,  daß  „von  irgendeinem  empirischen 
Ich  in  der  Wissenschaf  Islehre  nicht  die  Bede  ist"  (II,  163  u. 
116),  daß  es  sich  also  um  ein  überindividuellee,  wie  Fichtee 
Sohn  bemerkt,  „überfaktisches"  Ich  bandelt.  Daß  vollends  die 
dritte  —  theistisch  -  ethische  —  Umgestaltung  der  Wissen- 
Bchaftslehre  sich  ganz  von  der  Logik  (im  herkömmlieben 
Sinne)  entfernen  muß,  ist  selbstverständlich.  Es  muß  nur 
betont  werden,  daß  die  Neigung,  das  Theoretische  dem  Prak- 
tischen und  insbesondere  das  Logische  dem  Ethischen  unter- 
zuordnen und  das  letzte  Kriterium  aller  theoretischen  Wahr- 
heit im  Sittengesetz  zu  suchen,  aach  achon  in  den  früheren 


2.  Kapitel.    Alltcmeiae  Geachiebte  dw  Logik. 135 

Waiea,  namentlich  in  dem  System  der  Sittenlehre  (1798), 

oft  scharf  heryortritt. 

Za  den  logiKheo  Waken,  w^be  aus  Fichles  Schule  hervorfCMiigen 
sn^febann:  GoltLErnstAug.  Uehmel  (1761— lUO),  Vetsoch  eioef 
bHVendiahschea  Daretellung  der  Philosophie  zur  ErleichlcniDS  ihres  Stu-. 
iSiDiis,  1.  Heft:  Theorie  des  VorsteUimgsvennögeDS  als  elementare  Grundlage 
dtr  Riilosophie,  Erlangen  1797  (auf  einem  2.  Titelblatt;  Versuch  einer  voll- 
stlDdigen  Theorie  des  Votstellungsrennögens  als  elementare  Grunctlage  der 
nidoHiihie>);  Versuch  einer  voUstlndigen  analytischen  Denldebre  als  Vor- 
pkäosophie  und  im  Geiste  der  Philosopliie,  namentt  g  18  u.  19,  Erlangen 
ISB;  Job.  Baptista  Schad  (17Eie~aeU},  Keuer  GrundriB  der  transzen- 
•imUlen  Logik  und  Metaphysik  nach  den  Pr^zipien  der  WisBeDschaftdehre, 
lau  o.  Leipzig  1804  u-  Institutiones  philosophiae  universae,  Bd.  1:  logicam 
canvkctens,  Charkow  u.  Halle  1812*;  Gottlob  Christian  Friedr, 
Cischhaher  (1779—1626),  Lehrbuch  der  Logik,  Stutig.  1818;  Cliriatian 
Weis  (1774 — 1868),  Lehrbuch  der  Logik  nebst  einer  Einl.  zur  Philosophie 
libeilisupt  und  bes;  zu  der  bisherigen  Uetaphysik,  Leipzig  1801  (vieU&cb  Ab- 
wacfaungen  von  Fichte,  in  der  Vorrede  und  zum  SchluB  in  g  342  eiue  .4n- 
tüsdigunK  einn  ganz  neuen  Wendung  seiner  pbilos.  Denkart  im  Sinne  des 
ins.  Büciertscben  „Realismus");  Aug.  Ernst  Umbreit,  System  der 
Utik,  fieidelbeig  18BS  (vgl.  namena  S  &  u-  S  10  fl.)- 

Kit  Fichte  stimmt  in  einem  wesentlichen  Punkte  auch  Anton 
GQnlber  (1783—1868,  Gesammelte  Schrillen,  Wien  ISBl)  bberein,  insofcm 
tr  den  Grand  aller  GewiBheit  in  der  Identit&t  von  Denken  und  Sein  im  Ich 
lAchirnseti  zn  kfinnen  glaubt  und  zwar  nur  in  dem  absoluten  (gCtt- 
üchca}  Ich.  Zu  einer  lolgerichtigen  Enlwickhing  der  logischen  GewiBheit  (Ur 
du  indiriduelle  Ich  ist  Günther  nicht  gelangt  Die  Kategorieolehre  verdankt 
ibm  manche  wichtige  Anregungen.  Ihm  steht  nahe  W  i  1  h.  K  a  u  1  i  c  h  (gesL 
ISBl,  Handbuch  der  Logik,  Prag  1869).  In  dieselbe  Entwicklungsreihc  gehören 
uKh  Martin  Deutinger  (1816—64',  Oruodlinien  e.  pos.  Philosophie  etc., 
Hegensburg  18(3—1849,  Teil  3,  Denklehre,  Bd.  »),  Job.  Heinr.  Löwe 
'jest.  IfiSg,  Lehrb.  der  Logik,  Wien  1881)  und  Georg  Neudecker  (geb. 
18M).  Letzterer  betrachtet  in  seiner  Grundlegung  der  reinen  Logik  (WQrz- 
tmg  1882)  das  Selbslbewufitsein  des  individuellen  Ichs,  in  dem  daa  Besondere 
BBt  seinem  Allgemeinen  und  das  Sein  mit  dem  Denken  unmittelbar  zusammen- 
Unit,  als  die  Grundlage  aller  GewiBheit  der  Eifcenntnis  (vgl.  z.  B.  L.  c  St  2S). 

$36.  SehelUnK.  Sehlelermaelter.  Friedr.  Wilh.  Joa. 
SchellingO  (1775 — 1854)  lehrt  bekamitlich  —  wenigstens 
in  seinen  Hauptwerken  ans  den  Jahren  1800 — 1802  — ,  daß 
die  Vernunft  die  totale  Indifferenz  des  Subjektiven  und  Ob- 

n  der  Vorrede  auch  seine  Beziehungen 

1)  System  des  Iranuendentalen  Ideahsmus,  TObingen  1800  (^mlL 
Vtikc,  Stuttgart-Augaburi  ISG8,  Bd.  8,  S.  327);  Vorlesungen  Ober  die  Methode 
detatad.  Stud-,  Stuttgart  u.  TQbii««i  1808  (S&mtl.  Werte  180»,  B4  &,  S.207), 
uninilL  Vori.  4  u.  6;  System  der  geiomten  FbiloBophie  und  dei  Naturphilo- 


pgic 


136  I'  ^'''-   Abgrenzung  und  aUgemeioe  Geschichte  der  Logik. 

jektiven,  die  „absolute  Identität"  ist  („absolutes  Identitäts- 
eystem"  oder  „objektiver  Idealismus"  im  OegonBatz  znm 
„änbjektiven"  Fichtes).  Außer  ibr  existiert  nichts.  Alles 
Erkennen  ist  Selbäterkennen.  Je  nachdem  in  der  Identität 
des  Snbjekt-ObjektB  die  Subjektivität  oder  die  Objektivität 
überwiegt,  ist  die  Vernunft  „Geist"  oder  „Natur".  In  der 
'Anschauung  sind  Objekt  nnd  BegrifF  identisch.  Erst  in  der 
Reflexion  (Abstraktion)  werden  beide  getrennt  Bie  absolnte 
Identität  enthält  sowohl  das  Prinzip  des  Wissens  (nicht  n  n  r 
des  Wissena,  wie  Fichte  lehre)  als  auch  dasjenige  des  Seine. 
Sie  ist  daher  auch  absolutes  Bewußtsein  oder  Selbst- 
anschaunng.  i)ie  Grundsätze  des  Wissens  und  des  Seine 
fallen  somit  zusammen.  Die  Logik  im  üblichen  Sinne  (als 
fonnale  Logik)  gehört,  insofern  sie  nur  einseitig  die  formalen 
Gesetze  des  Erkennens  feststellt,  „ganz  zu  den  empirischen 
iVersuchen  in  der  Philosophie"  (V,  S.  260);  sie  ist  eine  ganz 
empirische  Doktrin,  welche,  die  Gesetze  des  gemeinen '  Ver- 
Btandee  als  absolute  aufstellt,  also  z.  B.  lehrt,  daß  von  zwei 
kontradiktorisch  entgegengesetzten  Begriffen  jedem  Wesen 
nur  einer  zukomme,  was  nach  Schelling  „in  der  Sphäre  der 
Endlichkeit  seine  vollkommene  Bicbtigkeit  hat,  nicht  aber  in 
der  Spekulation,  die  nur  in  der  Gleicbsctsung  Entgegwi- 
gesetzter  ihren  Anfang  hat"  (ibid.  u.  VI,  S.  529). 

Die  Grundsätze  der  Logik  sind  daher  anch  „nicht  nn- 
bedingt",  sondern  ebenfalls  von  höheren  Sätzen  abzuleitwi. 
Sie  entstehen  „bloß  dadurch,  daß  wir,  was  in  den  anderen 
bloß  Form  ist,  selbst  wieder  zum  Inhalt  der  Sätze  machen; 
die  Logik  kann  also  überhaupt  nur  durch  Abstraktion  von 
bestimmten  Gesetzen  entstehen".  „Ensteht  sie  auf  wissen- 
»cbaftliche  Art,  so  kann  sie  nur  durch  Abstraktion  von 
den  obersten  Groudsätzen  des  Wissens  entstehen,  und  da 
diese  als  Grundsätze  hinwiederum  selbst  schon  die 
logische  Form  voraussetzen,  so  müssen  sie  von  der  Art  sein, 
daß  in  ihnen  beides.  Form  und  Gehalt,  wechselseitig  sich 
iwdingt  nnd  herbeiführt"  (UI,  S.  360). 

Die  höchste  oder  absolute  Erkenntnisart  ist  die  intellek- 
tuelle Anschauung  (Vemnnftanschanung).     Sie   entspricht 

eophie  insbesonäere,  ISOi  (Sämtl.  Weike  1860,  Bd.  6,  &  IM,  namentl  auch 
S.  blBB.y,  D&ratelluns  meines  Systems  der  Philosophie,  Ztachr.  f.  apA. 
Physik  1801,  Bd.  2  (SftmU.  Werke  1866,  Bd.  {.  S.  106);  Fernere  I!>ar3{eIlu]ia«B 
a.  d.  Syst  d.  Philos.,  Neue  Ztschr.  i  spek.  Physik  18061  Bd.  1  (SioAX.  Weft» 
Iföe,  Bd.  *,  S.  93^;  Bruno,  BerUn  180B  (ebenda  S.  21S,  namena  S.  OBtL). 


.OOC^IC 


2.  KaintaL   ADgemeUie  GeschJcble  der  Lo^  137 

der  reinen  sreometriBchea  Anfichaunng  aof  dem  Gebiete  der 
Kitliematlk.  Wie  diese  ist  sie  „etwas  Entschiedenes  und 
vorüber  kein  Zweifel  statuiert  oder  Erklärung  nötig  ge- 
fmdeo  wird.  Sie  ist  das,  was  schleohthin  und  ohne  alle 
Fcvdemng  vorausgesetzt  wird,  und  kann  in  dieser  Bücksicht 
nidit  eimnal  Postulat  der  Hiilosophie  heÜten"  (IV,  8.  361). 
Die  luunittelbare  Erkenntnis  des  Absoluten  ist  „das  Frinsip 
und  der  Grund  der  Möglichkeit  aller  Philosophie"  UV,  S.  36^. 
Die  Bedingung  dieser  unmittelbaren  Evidenz  ist:  Einheit  des 
Wesens  und  der  Form.  Änsdrücklich  verwahrt  sich  Seh.  da- 
fingen,  daß  man  dabei  etwa  an  „das  bloß  logische  Gesetz  der 
Identität"  denke,  „welches,  wie  die  Logik  selbst,  eine  bloße 
Verstandeslehre  Bei"*  und  „anch  nur  den  analysierenden  Ver- 
stand bestimme";  es  handle  sich  vielmehr  um  das  „Vemnnft- 
geeetz  der  Identität,  in  Ansehung  dessen  der  Gegensatz  des 
Analytischen  und  Synthetischen  selbst  nicht  existiere,  und 
velches  einziges  Prinzip  aller  konstruktiven  und  demonstra- 
tiven Erkenntnis  sei"  (TV,  S.  345).  Die  philosophische 
Methode  ist  daher  auch  weder  synthetisch  noch  analytisch, 
fiondem  die  Philosophie  bat  nur  die  eine  „absolute  Methode". 
Die  höchste  Erkenntnis  (=  Vernunft)  ist  diejenige,  worin  die 
Oleichheit  des  Subjekts  und  Objekts  selbst  erkannt  wird  oder 
njene  ewige  Gleichheit  sich  selbst  erkennt"  (VI,  S.  141  u. 
497  ff.).  Jede  Erkenntnis  ist  daher  wahr,  wenn  sie  mittelbar 
oder  unmittelbar  die  absolute  Identität  des  Objektiven  und 
Snbjektiven  ausdruckt 

Vom  Standpunkt  ScbeUinn  siad  folgedde  logische  Werke  verfaBl; 
Georg  Michael  Klein  (1776—1830),  Verstandeaiehre,  Baroberg  1810'. 

3.  Aufl.  (Anscbauungs-  und  Denklebn),  Bamberg^Wflrzburg  iS18. 
Franz  ignazThanaer  (1770--18S6],  L^rbuch  dei*  tbeoreL  Philosophie. 

Teil  1,  Salzbuis  1811  u.  Handbuch  der  Vorbereitung  u.  Einleitung  cum 

selbsUnd.  wiss.  Slud.  besonders  der  Philosophie,  1.  formaler  Teil:  Di« 

Deoklebre,  Uflnchen  1807  >). 
linaz  Faul  Vitalia  Trozler  (17afr-^lSe6).  Naturlehre  des  inenschl. 

Eikennens,  Aarau  1S2S  (nameDlL  S.  19  IT.,  149  iL,  209  If.)  und  Logik,  die 

Wissenschaft  des  Denkens  uod  Kritik  aller  EAenntnis  etc.,  Stultaait- 

TUlMcgen  1899/30'). 

*)  Nebentitel:  Lehifouch  der  Logik  nüt  isagogischen\ Beme Aungen  Ober 
<^  ikad.  Studium  als  (onnale  Einteilung  zur  Philosophie  (v^  namentL 
S.  36  o.  69). 

*i  Ober  »eioa  dgrae  Slallung  gibt  ar  Teit  3,  S.  181 1.  AuAunft.  Intar- 
c»a&t  ist  leiae  Eiateilunf  der  zeitgeaCssiachen  Logiker,  ebenda  S.  164. 


138  I'  "^^I'   Abcreazuos  und  aQgenwioe  Oesehichte  der  Lofik. 

Job.  Jftk.  Wagner  (177b~lMl),  Orsuion  der  menschl.  Eikennüüs,  Ulm 

1861  (1.  AuO.  Eria9gen  ISBO). 
Leonh.  Rabus  (geb.  1886),  Lehrbuch  d«r  Logik  in  neuer  Dustelluns  usf., 
Eriauen  1868  (schliefil  sichi  an  J.  I.  Wagner  an;  bezeichnet  die  Induktion 
als  eine  „Ausschreitung"  der  Logik,  %  \0i);  Logik  und  Metaphysik, 
Erlangeu  1868;  Die  neuesten  Bestreb,  aut  dem  Gebiete  der  Log.  bei  d. 
Deutschen  u.  d.  logische  Frage,  Erlangen  1880;  Logik  und  Srstem  der 
Wissenschaften,  Erlaogen-Leipzig  18Ö6,  zugleich  Bd.  2  des  LchA.  z.  Ein- 
leit.  in  die  Phil osophie  {nam.  S.  66;  auch  viele  historische  AnknQi:du&gen]. 
Wilh.  Joseph  Anton  Werber  (1788  toder  1800]  bia  1878),  Die  Uhte 

von  der  menschlichen  EAenntnis  etc.,  Karlsruhe- Freiburg  1S41. 
Franz  Anl.  NOBlein  (1776—1832),   Gnmdlinien  der  Logik  zum  Ge- 
brauche bei  Vorlesungen  nebst  einem  Anhange:  BegriO  und  Einteilung 
der  Philosophie  elc,  Bamberg  1824,  namenll.  S.  17  (§  36)  u.  Anhang 
S.  ab  (§  37  *). 

Etwas  femer  steht  der  Schellingschen  Lehre  Karl  Christian 
Friedrich  Krause  °)  (1781— 188S),  der  überdies  namentlich  in  seinen 
späteren  Schriften  stark  unter  den  EinfluB  Hegels  geriet.  Schelfings  intel- 
lektuelle Anschauung  kehrt  bei  ihm  als  „Wesensschauung"  wieder.  Die  Selbst- 
schauung  des  Ich  als  Leib  weist  auf  die  Natur  als  das  zugehörige  Ganze,  die 
Selfastscbauung  des  Ich  als  Geist  auf  die  Vernunft  ab  das  zugehörige  Ganze 
hin.  Beide  zusammen  weisen  auf  ein  „Urwesen"  bin.  Difl  Schauung  „Wesen 
oder  Gott"  bildet  den  AbschluS.  Diejenigen  philosophischen  Disziplinen, 
welche  untersuchen,  was  „Wesen  an  sich"  ist,  sind  nach  Krause  die  formalen 
DisziplineD  oder  „W  e  s  e  n  hsttslehren"  im  Gegensatz  zu  den  materialen 
Disziplinen  oder  „Wesen lehren",  die  untersuchen,  was  Gott  „in  neb  und 
unter  sich"  ist.  Zu  den  Wesenheitslebren  gehört  neben  der  Mathematik 
auch  die  Logik.  Die  Wesenheiten  bilden  ein  System  von  Kategorien,  welche 
Krause  mit  Kant  anerkennt,  aber  wesentlich  anders  gliedert  (GrundriB  S.  33). 
Die  Logik  als  Wissenschaft  vom  menschlichen  Eikennen  (Ericenntnis-  04«" 
Erkennlehre,  AbriS  g  1  u.  4)  hat  einerseits  analytisch  (historisch)  das  Denken 
zu  beschreiben  und  andrerseits  die  objektive  Gültigkeit  der  Denkfonn«i  und 
Denkgesetze  darzutun.  Hiemach  unterscheidet  Kt.  eine  analytische  oder 
histnische  und  eine  synthetische  oder  metaphy^sche  oder  philosophische 
(a  stf.)  Logik.  Manche  neuere  logizislische  Lehren  (vgl.  g  46)  werden  hier 
bereits  vorgetragen.  Entsprechend  seiner  Lehre  von  der  „Uathesis"  als 
der  allgemeinen  Wissenschaft  des  Erstwesentlichen  (Lehre  v.  EA.,  Encykl 
S  8,  S.  466)  verstattet  er  der  mathematischen,  speziell  der  geometrischen  Ver- 
bildlichung  des  Logischen  einen  breiten  Raum. 


*)  In  manchen  Funkien  weicht  NoSlein  übrigens  erheblich  von  ScheJ- 
ting  ab. 

')  Hauptwerke  auf  logischem  Gebiet:  Vorlesungen  über  das  Syston  der 
Philosophie,  Gott  1828  S.  asaff.;  Vorles.  über  synthetische  Logik,  Lpz.  18S<; 
AbriB  des  Systems  der  Logik  als  Philosoph,  Wissenschaff  nebst  der  meta- 
physischen Grundlage  der  Logik  und  einer  neuen  schematischen  Bezeichnunc 
der  Formen  der  Urteile  und  der  Syllogismen  etc.,  ISSG^  2.  Ausg.  Qottingen 
1828;  GrandriB  der  histor.'Logik  für  Voriesungen,  Jena-Leipzig  1808;  Vor- 
ksunsen  Ober  die  Grundwahrheiten  der  Wissensdiaft  etc.,  QOttingen  1829, 
namentl.  S.  181 — SM;  Die  Lehre  vom  Erkennen  und  von  der  Erkenntnis,  als 
erste  fiinleit  in  die  Wiswiiach.  (postum),  QCUincen  1880. 


OgIC 


2.  Eaintel.    AIlfaimDe  Geschichte  der  Loirik.  ]39 

&II  KrauMS  Lehren  knüirflen  dann  wcitertiiD  Guillauine  Tiber- 
lbitn(1819 — 1901,  nanieDUich  Ia^uc,  la  tcience  de  U  comtaissance,  Paris 
Iffi'.md  Essai  Uitoriquc  et  historiquc  sur  1>  tfafraüon  des  eonnaissuices 
ktnamn  ete.,  Bmx.  1844,  nam.  S.  B6ft.  u.  76  R.;  Tgl.  Aber  ihn  L.  du  Roua- 
sn,  Her.  ntescol.  190S,  Bd.  9,  S.  aB6)  und  Heinr.  Simon  Linde- 
■  iDD  (1807—1866.  Die  Denfckunde  oder  Logik,  Sololhurn  1B(6,  ntmentl. 
1130.),  MTie  iD  Spanien  Inlian  Sanz  del  Rio  (Doctrinal  de  lotica 

Eine  eiientomliche,  lum  Teil  weit  abweichende  Weiterbildung  der 
Schdlraneheii  Auffassung  Tertochlen  auf  logischem  Gebiet  auch  Benedikt 
Fraoz  Xaver  t.  Baader*)  (1766—1841)  und  sein  Schaler  Franz 
Hoffmaan'}  (1804—1681].  Sie  stellten  der  theosophischen  Losik  als  dem 
rrtiiJd  eine  anthroposophische  als  ihr  Abbild  gegenDber.  Die  Logik  ist,  wie 
li^  in  Übereinstimmung  mit  Fichte,  SchelUng  und  Hegel  lehren,  nichl  bloBe 
Jkenltformen  Wissenschaft",  sondern  als  „Erkenntniswissenscfaatl"  auch 
fnbiEts Wissenschaft.  Sie  ist  also  metaphysisch,  umfaßt  aber  nicht  wie 
bei  Hege]  (s.  unten)  die  g  a  n  z  e  Metaphysik.  Die  Lehre  von  Gott  lillt  gleich- 
hVs  in  das  Gebiet  der  Logik,  wenigstens  derjenige  Teil,  welcher  Gott  als  das 
al<9olat  erkennende  Wesen  darstellt  Hierin  liegt  aber  die  Aufgabe  der  „theo- 
uphischen"  Logik.  Die  wahre  Logik  ist  notwendig  christlich;  denn  die 
Takttwit  kann  nicht  ohne  die  Vermittlung  der  Wahrheit,  d.  b.  des  absoluten 
Götti  gehmden  werden,  und  Gott  ist  als  Logos  oder  Gotlsohn  Vermiltler  fOr 
du  menschliche  Erkennen. 

Noch  phan  laslisch  er  ist  das  „System  der  positiven  Logik"  (Erlangen 
IMl)  Ton  Emil  Aug.  t.  Schaden  (1814—1862),  das  Obrigens  auch 
■ttDche  wertTolle  Anregungen  gqeben  hat  (z.  B.  scharfe  Betonung  des  flkUven 
Quuakters  der  Ealegorien,  L  c.  S.  6;  andrerseits  ZurOckführung  altes  Seica 
Bsd  Werdens  einschlieSlich  der  Logik  auf  die  Kegetgestalt). 

Die  bedeutendste  ÄasgeatalttiDg  der  logischen  Prinzipien 
Schellings  bietet  sich  «ndlich  in  der  Dialektik  Friedr. 
Dan.   Ernst    Sehleiermachers')    (1768—1834)    dar. 

*)  Fennenta  cognitionis,  Heft  1—6  Berlin  1GQ2-^S4,  Heft  8  Leipzig  1825 
(SifflU.  WeAe  Leipzig  1861  ff.,  Bd.  2,  5.  137—442);  Ober  den  EinfluB  der 
Zachen  der  Gedanken  auf  deren  Erzeugung  und  Gestaltung,  Sonkordia 
1830/31,  Heft  2  (Säratl.  WeAe  Bd.  2,  S.  126;  kuQpfl  an  L.  Gl.  de  St.  Martins 
Sdmfl  Ober  denselben  Gegenstand  y.  J.  1799  an).  Vor  Baader  fast  schon 
f^iedrich  T.  Schlegel  (1773—1^4)  eine  theosophisch  gerichtete  Logik  in  seinen 
lUlosoidüschen  Vorlesungen  aus  den  Jahren  1804—1806  (aus  dem  Nachlaß 
kenusgegeben  Ton  C.  J.  H.  Windiachmann,  Bd.  1,  Bonn  1886,  S.  1—227,  s. 
auch  Bd.  2,  1(07,  S.  406-i*10)  vertreten. 

^  Gnindrifi  der  reinen  aUgem.  Logä,  2.  Aufl.,  WOrzburg  1866;  Gnind- 
ztge  ^er  Geschichte  des  BegriBs  der  Logik  in  Deutschland  von  Sant  bis 
Biader,  Lnpzig  1661  (Vorrede  u.  Einl.  zu  Baaders  Weiken).  Der  Baaderachen 
Sitele  nihert  sich  in  vielen  Punkten  auch  KarIPhitippFischer  (1807 
Us  1886):  GrundzDge  des  Systems  der  Philos.  od.  Enzykloplidie  der  philos. 
Wäsenschaften,  Bd.  1  GrundzOge  der  Logik  u.  Philos.  der  Natur,  Erlangen 
181^  S.  SB— 168  u.  Bd.  2,  I.Abt.,  1850,  S.  887  8.,  sowie  Hart  in  Katzen - 
berger.  Die  Qnmdfngen  der  Logik,  Leipzig  1868  (siehe  ■.  B.  §  66). 

*)  Von  L.  Jonas  in  Bd.  2,  Abt.  2  des  UterariachcD  Nachlasses,  Berhn 
UM  ^  Bd.  4,  Teil  2  der  sftmtl.  Werke)  herausgegeben.    Siehe  auch  Hslpem, 

„.,,„,  ^.oogic 


140         ^  ^^  Abireozang  und  allgemetoe  Gescbicbte  der  Loiik. 

Nach  Schi,  ist  Logik,  formale  Philosophie  ohne  Metaphysikt 
transeeiidentale  Philosophie,  keine  Wissenschaft;  Sein  und 
Wissen  kommen  nar  in  einer  Beihe  von  Terknäpft«n  Er- 
scheinnngen  vor  (^  15  n.  16).  Die  ,J)ialektik"  ist  das 
„Organon  des  Wissens,  d.  h.  der  Sitz  aller  Formeln  seiner 
Eonstroktion"  und  „das  Mittel,  sich  üher  jedes  einzelne  als 
Wiesen  Gegrebene  zu  orientieren  durch  Änknüpfonfr  an  die 
zur  Klarheit  gebrachten  letzten  Prinzipien  alles  Wissens . . ." 
(%  51b,  52,  17).  „Wissen"  ist  dasjenige  Denken,  „welches 
vorgestellt  wird  mit  der  Notwendigkeit,  daß  es  von  all^n 
Duikensfähigen  auf  dieselbe  Weise  produziert  werde,  und 
welches  vorgestellt  wird  als  einem  Sein,  dem  darin  gedachten, 
entsprechend*'  (^  87  u.  238).  Da  wir  im  Selbstbewußtsein 
zQgleich  Denken  imd  Gedachtes  sind,  ist  die  absolute  Ver- 
schiedenartigkeit  und  Inkommensurabilität  dea  Gedankens 
und  des  Seins  kein  triftiges  Bedenken  gegen  die  gegebene 
Definition  des  Wissens  (^  101).  Das  Eorrespondieren  des 
Denkens  nnd  Seins  ist  durch  die  reale  Beziehung,  in  der  die 
Totalität  des  Seins  mit  der  Organisation  steht,  vermittelt 
(%  106).  Das  Denken  zerfällt  in  drei  Gebiete:  das  eigentliche 
Denken  mit  überwiegender  Vemunfttätigkeit  und  anhangen- 
der  organischer,  das  Wahrnehmen -mit  überwiegender  oma- 
nischer und  anhangender  rationaler  und  das  Anschauen  mit 
dem  Gleichgewicht  beider  (^  115).  In  allem  Denken  ist  die 
Vemunfttätigkeit  die  Quelle  der  Einheit  und  Vielheit,  die 
organische  Tätigkeit  die  Qnelle  der  Mannigfaltigkeit  (^  118). 
Die  Gemeinsamkeit  der  Erfahrung  und  der  Prinzipien  sind 
mit  der  Idee  des  Wissens  gesetzt.  In  Wirklichkeit  gibt  es 
also  kein  reines  Wissen,  wir  müssen  nur  hinter  der  Differenz 
des  gesonderten  Wissens  eine  allgemeine  Identität  notwendig 
yoraossetzen  (§  122  ff.).  Die  Vemunfttätigkeit  ist  im  Idealen, 
die  organische  Tätigkeit  als  abhängig  von  den  Einwirkungen 
der  Gegenstände  im  Realen  gegründet.  Ideales  und  Böales 
laufen  parallel  nebeneinander  fort  als  Modi  des  Seins.  Das 
Ideale  im  Sein  ist  dasjenige,  was  Prinzip  aller  Vemnnf ttätig- 
keit  ist,  inwiefern  diese  durchaus  nicht  von  der  organischen 
Tätigkeit  abstammt,  und  dos  Reale  dasjenige,  vermöge  dessen 


Enlwii^iuigsgang  der  Schleiennach ersehen  Dialektik,  Atch.  f.Qesch.d.PhilM. 
laoi,  Bd.  14,  S.  210  und  Georg  Fr.  L.  WeiBenbom  (tbI.  S.  146),  VorienuKen 
Ober  Schleiermachera  Dialektik  und  Dogmalik,  1.  Teil  Darstelluo«  und  Eiitik 
der  Schleiermacherxheii  Dialektik,  Leipzis  1M7,  Damena  S.  1—187  u.  SSSfl. 


OgIC 


2.  Kapitel.   AIlcaneiDe  Geschichte  der  L(«ik.  141 

€8  fämp  der  or^aniBchen  Tätigkeit  ist,  iawiefem  diese 
AtreluQS  nicht  von  der  Vemtmfttätigkcrit  abstammt  (%  132tF.). 
Qm  Tnnfixendentale  ist  sonach  „die  Idee  des  Seine  an  sich 
niter  zwei  entgegengiesetzten  nnd  sich  anfeinander  beziehen- 
dBD  Arten  oder  Formen  Tind  modis,  dem  idealen  nnd  realen, 
ah  Bedingnngr  der  Bealität  des  Wissens"  i%  1'36).  Die  Idee 
des  ftbeointen  Seins  als  Identit&t  von  Begriff  nnd  Gegenstand 
ist  Bellwt  kein  Wissen,  aber  der  transzendentale  Gnmd  nnd 
die  Form  alles  Wissens  (§  153,  154).  Begriff  nnd  urteil  sind 
die  einzigen  Formen  des  Denkens  (^  138).  Beide  setzen  sich 
gtgeiiBeitig  vorans  (%  140  ff.  n.  233).  Die  Unterscheidung 
iwiscben  analytischen  nnd  synthetischea  Urteilen  ist  daher 
nielit  aafreoht  zn  erhalten  (^  155). 

Li  dem  zweiten  oder  „technischen"  Teil  (^  230  ff.)  legt 
San  gpoBee  Gewicht  auf  die  Untersnchong  der  Idee  des 
WisBens  in  der*  Bewegung,  d.  h.  im  Werden.  Da  das  reine 
Senken  nor  ans  dem  bedingten  entsteht,  mnß  man  an  den 
hrtum  anknüpfen  and  sich  doch  vom  Irrtum  frei  halten.  Den 
[rrtam  selbst  betrachtet  Schi,  als  eine  onvermeidliche  Sünde. 
Auf  weitere  Binzelansfühmngen  Schleiermachers  wird  in 
dem  speziellen  Teil  zurückgekommen  werden. 

Schleiennacfaera  EinlluB  auf  die  Weiterentwicklung  der  LcBik  in 
DntKhknd  ist  verhiltaismiBi«  btdB  Kewesen.  Unmiltelbar  schlieBen  sich 
AniuBt  Hcinr,  Ritler  (1791—1869)  und  Franz  Vorländer  (1806 
lis  ISIT)  aa  ihn  an.  Von  Rilter  kommen  namentlich  in  Betracht:  Vor- 
'tMotta  zur  Einleitung  in  die  Logik,  Berlin  1828;  Abriß  der  philos.  Logik, 
Berlin  18M  (2.  Aufl.  18S9},  namenll.  S.  1—39  a  «—186;  System  der  Logik 
lud  HeUphysik,  2  Bde.,  GOltingen  1866  und  Enzyklop.  der  philoa.  Wissen- 
KMen,  Bd.  1,  GOttingcu  1862  (namenlL  S.  297  tf.);  von  Vorlander:  Grund- 
'iaiea  einer  org.  Wissenschaft  der  mensch).  Seele,  Beriin  IMl,  namenU. 
S-HOD.  und  Wissenschalt  der  Erkeimtnis,  Marburg-Leipzig  1847. 

Sehleiennacher  steht  auch  nahe  Aug.  Detlev  Christian 
^«esten  (1789—1865),  dessen  J.ogik,  insbesondere  die  Analytik"  {Schles- 
wig ISSb')  jedoch  vor  dem  Erscheinen  der  Schleiermacherschen  Dialektik 
»wMentlicbt  ist  (vgl.  Vorrede  XXXDC)  und  auch  viel  Eigenartiges  enthalt. 
So  UEleracheidet  er  eine  „anairtische  Logik",  die  „mehr  zu  einer  in  sich  ein- 
^tamiien  und  konsequenten  Entwicklung  schon  vorhandener  als  zur  Grzeu- 
twt  neuer  EAenntnisse  fQhrt"  und  eine  „synthetische  Logik",  der  „die  Bil- 
iiiot  (Synthesis)  auch  solcher  Begriffe,  Urteile  und  Erkenntnisse,  die  nicht  als 
*l»n  «geben  vorausgesetit  werden"  (S.  XXVI  u.  §  19  ff.  u.  261  ff),  obliegt. 

S  37.  Hegel.  Inzwischen  hatte  lange  Zeit  vor  der  Ver- 
öffentlichung des  postumen  Werks  von  Schleiermacher  die 

*)  Aufierdem  GnindriB  der  analytischen  Logik,  Kiel  1634  (Auszug  aus 
^Äaptw<A}. 


i,l^.OOglc 


\42  '■  ^'>'-   Abgrenzunt  und  ftUcemeine  Gexhichte  dei  LoEik.  | 

Logik  durch  Georg  Wilhelm  Friedrich  Hegel*)  I 
(1770—1831)  im  AnachlaB  an  Fichte  and  SchellingB  fräfaere 
Werke  nochmals  eine  entschieden  metaphysische  Wendnng 
genommen.  Hegel  lehrt,  z.  T.  wohl  in  ÄUHchluß  an  Chri- 
Btoph  Gottfried  Bardili')  (1761—1808),  daß  sowohl 
der  Weltgeiat  bzw.  die  Menschheit  wie  das  einzelne  Subjekt 
drei  Hauptstafen  der  Entwicklung  durchlauft:  BewuStsein, 
SelbsthewnBtsein  and  Vernunft,  welch  letztere  sich  nochmals 
in  vier  Stufen  gliedert:  Vernunft  s.  str.,  Geiet  (als  sittlicher 
Geist),  Religion  und  absolutes  Wissen,  in  dem  Wahrheit  und 
Gewißheit,  Inhait  und  Form  der  Erkenntnis  zusammenfallen 
(III,  28  u.  35)^  Die  Logik  steht  jenseits  des  Gegensatsee 
zwischen  „Sache"  und  „Gedanken",  Inhalt  und  Fonn.  Sie  ist 
daher  durchaus  nicht  etwa  eine  formale)  Wissenschaft,  son- 
dern die  Wissenschaft  des  reinen  Denkens,  der  absolaten 
Wahrheit,  wie  sie  ohne  Hülle  an  und  für  sich  selbst  ist  Die 
Logik  bedarf  daher,  lirn  dieser  ihrer  eigentlichen  inhalt- 
lichen Aufgabe  gerecht  zu  werden,  einer  „totalen  Um-  j 
arbeitung".  Die  Methode,  durch  welche  sie  ifare  Aufgabe  löst, 
ist  die  „d  i  a  1  e4  tische"  (im  prägnanten  Sinne  Hegels)  and 
besteht  in  einer  „inneren  Selbstbewegung"  des  Denkinhalt«. 
Indem  eine  „Gestalt  des  Bewußtseins  sich  in  ihrer  Beali- 

■)  Für  die  Losik  kommen  aamenUIcb  in  iktiachl:  PMaomeDolosie  d«3 
GeisUa,  Bunburg-Würzbucs  1807  (S&mU.  Werke,  Bd.  2);  Wisaeoschaft  der 
Losik,  NQmberg  1612  u.  1816  (Simtt.  We^e,  Bd.  3—0),  2.  AutL  1833— IS»; 
Euzvklop&die  der  philoMuh.  WissenscbalLen  im  Giundrisse,  Heideiben  ISl^ 
aAua  182P,  3,Aun.  isao,  Teül.  Wissensch.  der  Logik  (SimtL  Werke,  Bift 
hier  von  L.  v.  Henning  mit  Zus&tzen  aus  Hegelschea  Vorlesungaiieflen  und 
Nackschrilten  der  Zuhörer  berauagegeben)!  PropJLdeutik  (S&mtliche  Weik^ 
Bd.  IS,  nach  fainterlassenen  Heften  usf.  von  Itosenkiauz  herauagegeben). 
Unter  den  Scbriften  über  Hegels  Logik  sind  am  wichtigsten:  Kuno  Fiäcber, 
Hegels  Leben,  Werke  u.  Lehie,  Heidelberg  190i;  oamenU.  TeU  1,  S.  i3»B.; 
AI.  Sdunid,  EDl^icLelungsgbsich,  oer  Hegeischen  Logik^  Begensburg  ISbS; 
Georges  Noei.  La  logique  de  Hegel,  Paris  1687;  McTaggäit,  A  commeulan' 
an  Hegels  logic,  Cambridge  1910  Cs-  auch  Mind  1693,  S.  56)  u.  Sludics  in 
(he  Hegelian  üialectic,  (lambridge  1896;  E.  B.  UcGilvan';  I'he  dialectical 
method,  Mind,  Bd.  7.  1699,  S.  560.;  Ad.  Trendelenburg,  Die  log.  Frage  ia 
Hegels  System,  I^ipzig  1843;  Ed.  v.  Hartmann,  Über  die  dialekl.  Uelbode, 
Berlin  186Et  2.  Aufl.,  Sachsa  1910;  J.  Stuhrmann,  Die  Wurzeln  der  Ilegel- 
schen  Logik  bei  Kant  1887.  Der  3.  Bd.  der  WW.  wird  nach  d.  2.  Aufl.  zitiert. 

')  Grundrüt  der  Ersten  Logik,  gereiniget  von  den  Irrtümern  bisheriger 
Logiken  überhaupt,  der  Eantisdien  in^Ksondere  etc.,  Stuttgart  1800  (TgL 
z.  B.  S.  3  u.  33Bff.);  Philosophische  Elementarlehre  etc.,  Landshul  iSOS, 
Heft  2,  tetn  nameoU.  1,  ISait.  u.  %  1430.;  Beitrag  z.  BeuileUung  d.  gegeDV. 
ZuBtandes  der  Verannftlebre  etc.,  Laudsbut  \iSI33. 

„.,,„,  ^.oogic 


aKwtel.    Allfaneiiw  Geschichte  der  Logik.  143 

täenn^  zugleich  selbst  aoflösf",  negiert  sie  sich  Belbst,  aber 
dÜM  Negation  bedeutet  nicht  die  Äuflösuog  in  ein  abstraktes 
Nichts,  sondern  onr  die  Negation  eines  besonderen  In- 
Mta  nnd  damit  die  Erhebung  des  negierten  Begr;ifles  auf 
One  liöbere  Stufe:  er  wird  zur  Einheit  seiner  selbst  und  seines 
Entgegengesetzten.  Das  Negative  also  „macht  das  wahrhaft 
Dijüektische  aus"  (III,  43),  in  ihm  als  dem  .J^assen  des  Ent- 
gegengesetzten in  seiner  Einheit"  (des  Positiven  im  Xega- 
tivtfo)  besteht  das  Spekolative.  Dos  System  der  Logik  ist 
^e  Welt  der  einfachen  Wesenheiten,  von  aller  sinnlichen 
Efmkretion  befreit".  In  der  Logik  ist  der  Gegensatz  zwischen 
Snbjekt  und  Objekt  überwunden:  „das  Sein  wird  als  reiner 
fi^riff  an  sich  selbst  und  der  reine  Begriff  als  das  wahrhafte 
Sein  gewuflt".  Indem  sie  einerseits  den  Begriff  an  sich  als 
Sein  nnd  andrerseits  den  Begriff  als  Begriff  untersucht,  zer- 
fiUtt  sie  in  objektive  und  subjektive  Logik.  Zwischen  der 
Lehre  vwn  Begriff  und  der  Lehre  vom  Sein  steht  inmitten 
die  Lehre  tmu  „Wesen"  (III,  52  u.  IV,  3  ff.).  Die  objektive 
Logik  entspricht  zum  Teil  der  transzendentalen  Ix^ik  Kants, 
mnfaBt  aber  anch  die  Ontologie  sowie  die  gesamte  Meta- 
physik'). Das  Denken  ist  eben  mit  dem  Sein  nach  Hegel 
idaitisch. 

Mau  könnte  nun  erwarten,  datt  die  subjektive  Logik 
Hegels  wenigstens  im  allgemeinen  das  Gebiet  der  formalen 
Logik  ütt  unserem  Sinne)  behandeln  werde.  In  der  Tat  aber 
gliedert  sie  sich  nochmals  in  drei  Abschnitte,  betitelt  „die 
Sabjektivität",  „die  Objektivität"  nnd  „die  Idee".  Der  Be- 
griff ist  nämlich  auf  einer  niederen  Stufe  nur  ein  s  u  b  j  e  k  - 

')  Hegels  Definitionen  und  Einteilungen  der  Logik  »linunen  in  aeineu 
■'erachiedenen  Weiten  nicht  oberein.  Namentlich  in  der  Propädeutik  und 
in  der  EnzTUopSdie  d.  pbilos.  Wissensch.,  die  allerdings  beide  von  Uenos- 
Rbera  erst  zusttnunengestellt  worden  sind,  finden  sich  manche  Alnrei- 
diiingen-  In  der  ersleien  werden  als  Inhalt  der  Logik  ansegeben  „die 
ciientfUnlicbea  Bestimmungen  des  Denkens  selbst,  die  gar  keinen  anderen 
Gnmd  ala  das  Denken  haben"  (XVIU,  91  ff.).  Der  Gedanken,  heißt  es 
*eiler,  sind  dreieriei:  1.  die  Kategorien,  2.  die  Heflezionsbestiranungen, 
3-  die  BegriOe.  Die  beiden  ersteren  behandelt  „die  objektive  Logik  in  der 
Hetapbrsik",  die  letzteren  die  „eigentliche  oder  aubjeklive"  Logik.  Spiter 
fXVQI,  UV)  wird  die  l«gik  eingeteilt  in  ontologische  Logi^  subjektire 
I^k  und  Ideenlehie.  Die  ontolog.  Logik  ist  das  System  der  feinen  Be- 
nitle  dea  Seienden,  lUe  lul^.  Logik  das  Sistem  der  reinen  Begriffe  des  All- 
nraeineD,  und  die  Ideenlehia  „enthUl  den  BegriH  der  Wisaenachaft".  Vgl. 
uefa  XVm.  1*8;  U,  21Si  VI,  IWtt,  lUfl..  SIAH.;  UI,  U. 

„.,.,, :,>..OO^SIC 


144  '-  l*^'-  AbgreDttin«  und  «IlgemeiDC  Geschidile  dei  Logik. 

tives  Denken,  eine  „der  Sache  äoBerliche  Reflexion"  und 
dab«r  nnr  der  formelle  Begriff  (V,  32).  Auf  einer  höheren 
Stnfe  wird  die  Trennung  dee  Begriffs  von  der  Sache  anf- 
g«hoben,  nnd  die  darana  hervorgebende  Totalität  (Einheit 
ist  der  objektive  Begriff,  nnd  dieser  objektive,  mjt  der 
Sache  identische  Begriff  mnB  sich  endlich  nnn  nochmals  „al& 
die  Seele  des  objektiven  Daseioe  die  Form  der  Subjektivität 
geben,  die  er  als  formeller  Begriff  unmittelbar  schon  gehabt 
hatte,  nnd  so  macht  er  nnn  die  Identität  mit  der  Objektivität, 
die  er  an  nnd  für  sich  als  objektiver  Begriff  hat,  „zu  einer 
aneh  gesetzten",  womit  die  Stnfe  der  „I  d  e  e",  „der  sich  selbst 
enthäuten  Wahrheit"  gegeben  ist.  IHwas  abgekürzt  könnte 
man  die  drei  Stufen  auch  bezeichnen  als:  reine  Vorstellang' 
—  Vorstellung  mit  Sache  identisch  —  Vorstellnng  sich  in 
ihrer  Identität  mit  der  Sache  vorstellend  (setzend). 

Hier  ist  nicht  der  Ort,  diese  seltsame  Snplikation  nnd 
Rücklänfigkeit  des  Prozesses  zn'  kritisieren,  ich  beschränke 
mich  daher  daranf,  zn  bemerken,  daß  die  Lehre  von  der 
Objektivität  nichts  mit  der  Logik  in  unserem  Sinne  zu  tnn 
hat,  sondern  „Mechanismns",  „Chemismus"  und  „Teleologie" 
behandelt,  nnd  daB  anoh  die  Lehre  von  der  Idee  auBer  der 
Idee  des  Erkennens  (Idee  des  Wahren  und  Idee  des  Guten) 
auch  „das  Leben"  nnd  „die  absolute  Idee"  erörtert.  Für  die- 
formale  Logik  bleibt  sonach  im  wesentlichen  nur  der  „die- 
Subjektivität"  behandelnde  Abschnitt  der  subjektiven  Logik. 
Wie  hier  Hegel  verflacht  hat  seine  ootologische  Auffassang 
des  Logischen  im  einzelnen  durchzuführen,  wird,  soweit  er- 
forderlich, im  speziellen  Teil  an  passender  Stelle  angegeben 
werden.  Es  mufi  nur  noch  ausdrücklich  betont  werden,  daß  dia- 
logischen Lehren  Hegels  in  seinen  Hauptwerken  und  deren 
einzelnen  Aufl^en  keineswegs  vollkommen  übereinstimmen 
nnd  selbst  innerhalb  eines  nnd  desselben  Werkes  Wider-  . 
Sprüche  nicht  fehlen  (z.  R  auch  bezüglich  der  Begriffs- 
bestimmung der  Logik  selbst,  b.  oben  S.  143,  Anm.  3). 

Die  logischen  Lehren  Heg«ls  fanden  weit  mehrf  als  die- 
jenigen Fichtes  und  Schellings  unmittelbare  Beachtung  und 
Weiterbildung.  Die  vollständige  Loslösnng  des  Logischen 
von  der  Psycholof^e,  insbesondere  von  der  Empfindnngslehre, 
die  stärkere  Berücksichtigung  der  sog.  Oeisteswiasenschaften 
und  die  eindringliche  Hervorhebung  des  Prinzips  der  histo- 
rischen Entwicklung  waren  auch  für  viele  annehmbar,  die 
das  metaphysische  System  Hegels  gar  nicht  oder  nur  sehr 

„.,,„,^.oogic 


2.  Kapitel.    AUfemeine  GescUchU  der  Loiik.  145 

oBfaclinmkt  gelten  lieBeoi.  Die  wichtigsten  Schfiler  nod 
Aabinger  Hegels  auf  It^iBohem  Gebiete  sind : 
IliaddaenB  Anselm  Risner  (1760—1886):  Aphorismen  aus  der 
Monpliie  etc.,  Landshnt  1809  (S.  4£ff.}.  3-  AufL  Sukbacb  1818  untir 
d.  Titel  j^boriKneD  der  sesaioten  Philos.",  namentL  1.  fiaadchen: 
lein-lbeorel.  Philos.,  S.  18B.  u.  230.  (R.  scheint  Obncsns  zu  seinen 
Hauptkhren  unabhängig  von  Hecel  gekommen  zu  sein,  betont  aber 
selM  seine  Übereinstimmuns  mit  ihm  in  der  Vorrede;  z.  Teil  n&bert 
er  lieh  auch  Scfaelling). 

Geori  Andr.  Qabler  (178S— 18C6):  Lehrb.  d.  Philosoph.  Propädeutik 
als  EiDl.  z.  WissenKb.,  1.  Abt.  Kritik  des  BewuBta,  Erlanceo  1687, 
neu  herausseg.  Leiden  1901. 

Hcimanu  Friedr.  Wilh.  Uinricba  (17W— 1861):  Orundliaien  der 
Fbiknophie  der  Logik,  BaBe  1826;  Die  Genesb  des  Wissens,  1.  Teil, 
Heidelberg  1S35. 

JeL  George  Mufimann  (1798—1883):  Grundlinien  der  Logik  und  Dia- 
lektik, Berlin  1S£8;  De  logicae  ac  dialecticae  notione  historica,  Berol. 
el  Ral.  läse  (sp&ter  Qbrigens  oft  von  Hegel  abweichend). 

Eni  Ludwig  Michelet  (1801—1898):  Esquisse  de  tegiciue,  Paris 
18&6;  Das  System  der  Philosophie  als  exakter  Wissenschaft,  Berlin 
1876—1881;  Rosenkranz'  Wissenschaft  der  lodschen  Idee,  Der  Ge- 
danke 1861,  Bd.  1',  S.  SO«. 

Itinz  Biese  (1808—1895):  Philosoph.  PropideuUk.  Berlin  1845  (vrI. 
auch  S.  SO). 

ich.  Karl  Friedr.  Rosenkranz«)  (180fr-187B):  Die  Modifikationen 
der  Logik,  abgeleitet  aus  dem  Besrifi  des  Denkens  (=  3.  Teil  der  Stu- 
dien), Leipzig  1846  (für  die  Unterscheidung  der  logischen  Richtungen 
nicbt  unwichtig);  System  der  Wissenscbalt,  ein  philosophisches  En- 
cheiridion,  Kfinigsbers  18&0,  %  ISiB.;  Wissenschaft  der  logischen  Idee 
[1-  Toi  MetaphTS.,  2.  Teil  I*|ik  u.  Ideenlehre),  Königsberg  1858/&9; 
Epilegomena  zu  meiner  Wissenschaft  der  log.  Idee,  ebenda  1862  (vgl. 
namentlidi  die  Unterscheidung  einer  ,j]srchologischen"  Logik  von  der 
spekulativen,  S.  90.  u.  S.  24  Ober  Abweichung  von  Hi«et). 

loh.  Eduard  Erdmann  (ia0&-nl892) :  Vorlesungen  Ober  Glauben  u. 
Wissen  etc.,  Berlin  1897,  namentl.  S.  139fi.;  Grundriß  der  X«gik  u. 
MelaphTsik,  Halle  18«,  S.  Aufl.  1«^  6.  Aufl.  1875. 

latl  Friedr.  Werder  (1806— 18M):  Logik,  als  Kommentar  u.  Ergfin- 
nmg  zu  Hegels  Wissenschaft  der  Logik,  1.  AbL,  Berlin  1841  (S.  26 
J)ie  Logik  ist  das  "Spiel  des  Wissens  mit  ^ch  selber,  dos  Wissen  in 
seiner  götUichen  Freiheit"). 

Iiniz  Job.  Hanusch  (Hanul)  (1813—1869):  Handbuch  der  wissen- 
KhaftL  Denklehre,  Lemberg  1848,  2.  Aua  Prag  1860  *. 

nnilav  Biedermann*)  (geb.  1815):  'fte  Wissenscbaftslehrc,  Leipzig 

*)  Wilfa.  Uartin  Joachim  Rosenkrantz  (1821— d874),  Jurist,  schrieb 
üe  „WisHenschaft  des  Wissens  etc."  (Bd.  1,  Manchen  1866,  Bd.  %  Mainz: 
IHB)  Tom  Scbellingscben  Standpunkt  Vgl.  Hayd,  Ztschr.  f.  Philos.  u.  philos. 
Siit.  IB90,  Bd.  97,  a  26*  u.  1881,  Bd  «8,  S.  89. 

*)  Auch  der  Schweizer  Alois  Emanuel  Biedermann  (1819—1886)  stellt 
m  Teil  anl  Hegelachem  Boden.  Seine  Schriften  sind  iedoch  vorzugsweise 
i)>Nte(iMhai  Inhalts. 

ZithtB,  Lahrback  dm  I««iL  10 


.oogic 


146         '-  ^^    Absrenmng  und  ^teameias  Geschichte  der  Logik. 

166fr— tSEOi  DU  'WimeoBchaft  des  Geiites,  Prag  1858— 1860^  Z  AwD. 
(mir  war  nur  diese  zuianelich)  186%  nuneaU.  S.  60  0.;  Kanls  Kiitik 
der  reinen  Temunfl  u.  die  Hegelache  Logik,  Prag  1869;  Zur  logischeD 
Frage,  Prag  1870. 
Georg  Friedr.  Ludw.  Weißenborn  (1816—1874):  Vorlesungen  Ober 
Schlciermacbers  Diaicfctik  u.  Oogmatik,  2  Teile,  Leipzig  18(7  ü.  1849 
(vgl.  S.  139,  Anm.  8);  Logik  u.  Metaphysik  ete.,  Halle  19B0  v.  51  (be 
sondera  bemerkenswert  §  1 — 3,  7  a  26  H.). 
Guslav  Ferd.  Thaulow  (1817—1^3):  Kinlcitung  in  die  Philosophie, 

Kiel  1862. 
ConradHermann  (1818—1897):    Die  Sprachwissenschalt    nach  ihren 
ZuBamenhang  tnil  Logik,   menschlicher   Geistesbildung   u.   Philosophie, 
Leipzig  187&;  Hegel  u.  die  log.  Frage  der  Philos.  i.  d.  Gegenwart,  Leip- 
zig 1878;  Philosophische  Granimatik,  Leipzig  1868  (namentl.  g  7,  8  u.  Sl). 
Karl  Christian  Planck  (1818^-1879) :  Grundriß  der  Logik  als  krit 
Einleitong  zur  Wissenschaftslehre,  Tübingen  1878  (entfernt   ach  n^- 
facb  von  Hegel):  Log.  Kausalgesetze  etc.,  NOrdl.  1877,  S.  1—107. 
Ernst  Enno  Berthold  Fischer  (183^—1907):  Logik  u.  MeUphyK^ 
oder  WiBSenachaftslehre,  Heidelberg  1862  (vgl.  namentlich  S.  XV  u.  38 
fiber  Fischers  Stellung  zu  Hegel},  2.  Aufl.  Syst.  d.  Log.  u.  Mclaph.  etc.. 
Heidelberg  1889  (auch  prinzipiell  verändert),  3.  Aufl.,  1909. 
Fcrd.  Job.  Gottlieb  Lassalle  a82&— 186«):    Die  Hegeische  und  die 
Rosenkranzische  Logik  und  die  Grundlage  der  Hegeischen  GescKichts- 
philosophie  im  Hegeischen  System;  Der  Gedanke  18&1„  1.  Jafarg«  Bd.  2. 
Nr.  Sb,  S.  1^  (betrachtet  die  Roseokranziscbe  Logik  als  „Neo-Eantia- 
nisDius"). 
Adolf    Lassen**),    geb.    tSSi:    Vorbemerkungen    zur    Ericenntnistbeone. 
I^ilos.  Monatshefte  188»,  Bd.  26,  S.  513. 

Auch  Christian  Hermann  Weiße  (18D1— 186S,  Über  den 
gegenwärtigen  Standpunkt  der  Philosoph.  Wissenschaft,  in  besonderer  Be- 
ziehung aul  das  System  Hegri^  Leipzig  18S&)  ging  von  Hegel  aus,  wandte 
sich  aber  später  mehr  und  mehr  von  ihm  ab.  An  Weiße  und  zum  Teil 
auch  an  Lotze  (vgl.  §  47)  schließt  sich  Rudolf  Seydel  an  (1886— 189S. 
Logik  oder  Wissenschaft  vom  Wissen,  Leipzig  1866) '. 

Eine  Vermittlung  zwischen  Schleiermacher  und  Hegel  versucht« 
Christian  Jul.  Braniss  (1792-1873^  Die  Logik  in  ihrem  Vertiältnis 
zur  Philosophie  geschichtlich  betrachtet,  Berlin  1323;  Grundriß  der  Logik. 
Breslau  1880;  Die  wissenschaftL  Aufgabe  der  Gegenwart  usw.,  Breslau  18*8. 
namentl.  Vorles.  2).  Die  Logik  ist  nach  Br.  ,J}ar3tellung  der  Beziehung  zwi- 
schen dem  Denken  und  Sein".  Letztere  beiden  sind  an  sich  voneinander 
unabhängig,  aber  der  .fesrifi"  als  ihre  Beziehung  aufeinander  ist  „dasjenige. 
worin  beide  einander  berohren  und  eins  sind".  Die  Logik  ist  also  ,J)arslel- 
luns  des  Begrifls".  Einen  ähnliphen  Vermittlungsversuch  macht  auf  anderon 
Wege,  zum  Teil  unter  dem  Einfluß  von  Trendelecburg  (s.  §  49).  auch 
Leopold  George  (1811 — 1873)  in  seinem  „System  der  Metaphrak" 
(Berlin  18U)  und  der  ,X-oäk  als  WissenschaftsJehre"  (Berlin  1868).  EineB 
■kiektischen  Standpunkt  gegenüber  den  drei  großen  idealistischen  Philo- 
sophen nimmt  der  Sohn  des  Verfassere  der  Wissenschattslehre  Immanuel 

•)  Vgl.  B.  G.  Engel,  Ad.  Lassen  als  Logiker,  Ztschr.  f.  Fhiloa.  u.  phOM 
Ertt.  lOH  Bd.  leSi  S.  9. 


2.  Sapilel.    Allsenwiiie  Gescbicfate  der  Locik.  147 

fittnann  t.  Fichte  (1796— 1B79>  in  winea  „GrandzQfen  zum  System 
te  rbkwapbie" ')  (Abt.  1.  Du  EAennsn  als  SelbstarkeBnen,  H«idelben 
m  DunentL  8  ««— IfiS  u.  SCO-£QB  u.  AbL  ^  laW,  Die  Ontolofie,  im 
■rmntficbeii  KatHMiBolehre)  und  Job.  Erich  v.  Berger  (177S— 18S^ 
in  Minen  „Allg.  Gmodzagen  sur  Wissenschaft"  (Bd  1,  Analyse  des  Er- 
bonbiisirermfiffens,  Allona  1817,  s.  auch  g  M)  ein. 

loch  im  Aualand  verschaBte  sich  die  Uegdache  Logik  ziemlich  rasch 
Euiang.  Scbon  Antonio  Rosmini-Serb&ti  (1797—1865)  hatte  sich 
In  seinem  Nnovo  sasgio  suU'origine  delle  idee  (Ideolc«ia  e  logica,  Roma  19B0, 
Müuu  laas,  zuletzt  Intni  1S7&)  und  in  dem  postumen  Saggio  storio-critico 
alle  calegorie  e  la  dialettica  (Torino  1888,  namenll.  S.  46ö>  in  manchen 
ftuASxD  &n  Hegel  angeschlossen ■},  ebenso  seine  Schüler  Giovanni 
Sattiala  Peyretti  in  einem  Saggio  di  logica  geniale  (Torino  IBGO) 
•BdGiQseppe  Allievo  in  den  Saggi  filoscdci  (Hilano  1S66)  und  der 
Stbift  LUegelianismo,  la  scienza  e  la  vita  (UÜano  1866).  Eine  Vermittlung 
nischen  dem  Thomismus  und  der  Hegel- Rosminiscben  Lehre  versuchte 
Pietro  Maria  Ferr6  (Detii  universali  secondo  la  teoria  ro»niniana  etc., 
Unle  1880—188^.  Weiter  von  U(«el  entfernt  ist  die  Logik  von  Vin- 
«enio  Gioberti  (1801-4868,  Introduzione  allo  studio  della  flbatfia. 
Snodles  183B — 18M;  Della  protologia,  postum  Torino  1867).  Demgegen- 
über begrOndete  Augusto  Vera  (1S13 — ^188Gv  Introduction  k  la  philo- 
KEhie  de  Hegel,  Paris  18E6;  La  k«ictue  de  Hegel,  Paris  1869  u.  a.  m.)  eine 
Henlache  Schule  strengster  Observanz.  Unter  vielen  anderen  gehörte  zu 
«iostlben  auch  Bertrando  Spaventa  (1817— 188S)  in  seiner  Intni- 
dukme  alle  lezioni  di  fllosolia  *)  (Napoli  1863)  und  —  allerdings  nur  in  seiner 
«rden  Periode  —  Antoliio  Labriola  (1813— 19M)  in  seiner  Ditesa 
delU  dialettica  di  Hegel  (Napoli  1882).  -An  diese  Richtung  knüpfte  weitertiin 
itt  italienische  Neubegelianismus  an  (vgl.  §  iB). 

In  EngUnd  machte  William  Wallace  (184»— 1897)  die  HKelsche 
Lehre  dunäi  Ubeisetzunien  seiner  WeAe  bekannt.  Auch  schrieb  er  selbst 
üne  Logik  vom  Standpunkt  Hegels  (The  logic  of  Heget  Oidord  1879).  Zu 
einem  grODeren  EinfluB  gelangte  jedoch  hier  erst  die  neuhegelsche  Logik, 
^e  ipUer  zu  be^irechen  sein  vird.  In  Amerika  vurde  die  Hegeische  Logik 
auch  William  T.  Harris  (Hegels  logic,  a  book  on  the  generis  of  thl^ 
caHgnies  of  the  human  mind.  Chicago  1890)  u.  a.  eingefOhrl. 

In  Schweden  vertrat  Johann  Jakob  Borelius  (1828~1908)  ur- 
siMnglich  den  aKhegelschen  Standpunkt  (Om  ideena  förfa&llande  tili  verklig- 
heten,  TJpsala  18(9;  Lär^ok  i  den  formella  logiken,  Kalmar  1869,  mir  nicht 
miiBglich),  wich  aber  später  wesentlich  von  denselben  ab  (Über  dm  Salz 
ia  Vider^nichs  und  die  Bedeutung  der  Negation  Philos.  Honatsh. 
18«,    Bd.     17,'    S.     886).     —     In     Dänemark     schrieb     Job.     Ludw. 

^  Andere  fflr  die  Logik  wichtige  Schriften;  De  principiorum  contntdic- 
lioBis,  identitatia,  exclusi  tertii  in  logicis  diguttate  et  ordine  comm.,  Bonn 
IMO;  BeitiHge  zur  Charakteristik  der  neueren  Riilosophie  etc.,  Sulzbach 
1929,  2.  AufL  iMl;  Über  Gegensalz,  Wendepunkt  und  Ziel  heutiger  Philo- 
XBbie,  Haidelbeis  1S33  (1.  krit.  Teil). 

')  Vgl-  Francesco  de  Sario,  La  logica  di  A.  Rosmini  ed  i  problemi  della 
lotiea  modmna,  Roma  1898. 

■)  S.  auch  Frammenti  inediti,  verötfentlidit  von  Oiov.  Oenlile  in  La 
niom  dcUa  dialettica  hegeliana,  tleraina  IBIS,  S.  4ft— 71. 

10* 

„.,.,„,>..oo^sic 


248  I-  '^'^    Abcrenzunc  und  allgmiaute  Geschicbte  der  Locik. 

H  e  i  b  e  r  K  einen  Leitf&den  zu  Voriesunsen  über  spetulatne  Logik  int 
Hefeischen  Sinn  (vgl.  audv  tlber  J.  B.  v.  Berger,  S.  147),  doch  QberwoB  hier 
der  direkt  segen  Hegel  gehcbtele  EinfluB  von  SSren  A&bve  Kierke- 
gaard CIS13— 1866),  Gnindideemes  Logik,  Kopenhagen  1864>— 186^.  In 
Norwegen  vertraten  Markus  Jak.  Uonrad  (1816—1867,  Udsigt  over 
den  hoeier«  Logik,  Christiania  ISttl)*  und  G.  V.  Lyng  (gestorben  18Sf, 
Grundtankemes  System,  ChristJania  1886-^88?)  *  den  Standpunkt  Hegels  in 
der  Logik. 

§  38.  Fries.  Während  Fichte,  SohelUn«.  He^el  und  fast 
alle  ihre  Schüler  darin  ühereinstimmten,  daß  sie  die  Logik, 
anknöpfend  an  Kants  transzendentale  Logik,  zu  einer  in- 
haltlichen Wissenschaft  machen  nnd,  abweichend  von 
Kant,  den  log^hen  Gesetzen  und  Formen  eine  ontologiscbe 
(metaphysische)  Bedeutung  und  Bealität  außerhalb  des 
Denkens  beilegen,  ist  Jakob  Friedrich  Fries^)  (1773 
bis  1843)  der  Kantschen  Auffassung  der  Logik  in  der  Ab- 
lehnung des  Ontologisohen  treuer  geblieben,  andrerseits  aber 
über  Kaut  weit  hinausgegangen,  indem  er  „das  Vorurteil  des 
Transzendentalen"  ganz  fallen  ließ  und  nur  die  psycho- 
li^isehe  oder,  wie  man  es  damals  ausdrückte,  „anthropo- 
logische" Grundlage  der  Logik  scharf  betonte.  ÄuBerdem 
ninmit  er  —  wiederum  im  Gegensatz  zu  Kant  imd  in  Ati- 
lehnung  an  Friedr.  Heinr.  Jacbbis  sog.  Glaubensphilosophie  — 
auch  unbeweisbare  ursprüngliche  Erkenntnisse  in  uns  au. 
Die  erregbare  Selbsttätigkeit  des  Erkenntnisvermögens  (Syst. 
S.  41),  der  wir  diese  unmittelbaren  Erkenntnisse  verdanken, 
ist  die  Vernunft,  die  mittelbare  Erkenntnis,  durch  die  wir 
uns  dieselben  zum  Bewußtsein  bringen,  ist  die  Reflexion  des 
Verstandes.  Die  Lelstong  der  Beflexion  beschränkt  sich  aaf 
eine  Verdeutlichung  nnsrer  Erkenntnisse.  Während  wir 
durch  „Beweise"  zu  mittelbaren  urteilen  gelangen, 
stützen  sich  unsere  unmittelbaren  urteile,  die  letzten 
„Gmndurteile"  oder  „Grundsätze"  auf  „Deduktionen", 
die  darin  bestehen,  daß  wir  aus  einer  „Theorie  der  Vernunft" 
die  uns  notwendig  znkonmiende  ursprüngliche  Erkenntnis 
ableiten  (Syst  S.  438).  Bei  diesen  Deduktionen  sind  wir  a:iif 
die  innere  Erfahrung  angewiesen:  wir  können  nur  „auf- 


*)  tu  Betracht  tommt  namentlich:  System  der  Logik,  Heidelberg  1811: 
(3.  AiÜage  1819);  dem  System  der  Logik  ist  in  beiden  Auflagen  ein  „Qrund- 
riB  der  Logik"  vorauageschickt  und  zwar  mit  eigener  SeitenzUihinc  (S.  1 — ^141 
hzw.  12*).  Vgl.  zu  der  Logik  von  Fries  namentlich  Th.  Ebenhans,  I'ries  und 
Kan^  Gießen  1906  (indws.  S.  W-SOS). 


Z  Kapitel.    AUgemeine  Geschichte  der  LoRik.  149 

t 
weisen",  daß  der  bez.  „Gnmdsate"  „in  jeder  endliehen  Ver- 
BDnft  lie^".  Die  Mathematik  beruht  auf  Demonstratiraen 
und  DednÜionen,  die  Philosophie  anf  Deduktionen.  Die 
Logik  zerfällt  in  eine  „philosophische"  oder  „demonfitratlve" 
Logik,  welche  die  notwendigen  Qmndsätze  der  Denkbarkeit 
der  Tünge  überhaupt  ermittelt,  nnd  eine  „anthropologiBche", 
welche  „die  Natur  und  das  Wesen"  speziell  des  mensch- 
liehen Verstandes  untersucht  (Onmdriß  S.  4).  Die  erstere 
~~  auch  „Wissenschaft  der  analytischen  Erkennbiis"  von 
Fries  genannt  —  hat  ee  eben  mit  der  Festst^Uunsr  jener  un- 
mittelbaren Grundsätze  zu  ton,  die  letstere  mit  der  Beeohrei- 
laag  der  Denkformen.  Die  philosophische  Logik  läßt  sich 
ohne  die  anthropologische  weder  aufstellen  noch  verstehen. 
Sie  ist  von  der  letzteren  so  abhängig  und  selbst  so  arm  an 
Gehalt,  daB  sie  gar  nicht  abgesondert  für  sich  aufgestellt 
verdeai  kann  (Syst  S.  8).  Bei  der  anthropologischen  Be- 
obachtung unseres  eigenen  Erkennrais  „werden  wir  die  Bin- 
Wiht  in  die  philosophische  Zx>gik  gleichsam  miterhal(«i" 
(ibid.  S.  10). 

ba  WesentUchen  auf  dem  FrieMchen  SUndminkt  stehen  u.  a.: 
Friedr.  r.  CaUer  (1790— 1S70):  Denklehre  odez  Logik  und  Dialektik  usw. 

BoDn  ISBZ  (jü.  auch  S.  18). 
Etnst  Friedr.  Apelt  (1812— 1869):  Die  Theorie  der  Induktion,  Leipzis 
UM;  HaUphTsik,  Leipzig  1867,  namentl.  S.  10—68  u.  93—393. 
In  iOiicster  Zeit  haben  Leonard  Nelson  u.  a.  in  den  „Abhand- 
hiDgm  der  Friesschen  Schule",  JKeue  Folge,  herausgeg.  v.  0.  Heseenbent  u.  a., 
Gtlüocen  1904  B.,  versucht,  die  Frieaecfaen  Lehren  mit  einigen  Abänderungen 
*Mder  aulzunehmen.  Eine  Spezulbearfaeitung  der  Logik  ist  aus  diesen  Be- 
ttretnngen  bis  jetzt  nicht  herrorseganien. 

839.  Herbart:  Auch  J o h.  Friedr.  Herbart*)  (1776 
bis  1841)  steht  zu  der  Fichte-ScheUing-Hegelschen  Richtung 
bufem  in  Gegensatz,  als  er  die  Logik  als  eine  reine  Formal- 
vtasenechaft  auffaßt.  Die  allgemeine  Aufgabe  der  Philo- 
*opliie,  „die  Begriffe  zu  bearbeiten"  U,  27),  wird  von  der 
Metaphysik  nach  der  inhaltlichen,  von  der  Logik  nach  der 
fonnalen  Seite  gelöst.    Die  Jj>gik  hat  es  mit  „den  BegriSen 


')  Am  wichtigsten  für  die  Logik  sind :  Lehrfa.  zur  Einleitung  in  die 
^UoMphie  (1.  Aufl.  ISIS,  4.  Aufl.  18S7,  Hartenst.  Aus«,  d.  stmtl.  WeAa 
190-.186^  Bd.  1,  5.  1];  Hauptpunkte  der  Logik  1808  (äienda  Sd.  1, 
^  H&);  Enrze  Enzyklop.  d.  Fhilos.  aus  prakt.  GesichtHninkten  antworles 
^  ^  %  S.  1).  Die  Zitate  im  Text  beziehen  ach  aul  die  Band-  nad 
StilnuaUen  der  Hattenstdnachen  Ausgabe  v.  J.  18G0— 1863. 


150         I-  "^^    Abgremtmf  und  •Ugemeine  Geschichte  der  Logik. 

als  solohea"  zu  ton,  ihrem  „Verhältnis  und  ihrerVerknüpfmig' 
ohne  Bticksieht  auf  die  Frage,  iralche  Oültigkeit  die  Begriffe 
haben  mögen"  (n,  7).  Ebeiuo  ist  üe  Ton  Psychologie  ganz 
unabhängig,  der  „Äktns  des  VorstelleiKs"  ist  nicht  ihr  Gegen- 
stand Q,  467):  „in  dar  IJogik  ist  es  notwendig,  alles  Psycho- 
logisobe  zu  ignorieren,  weil  hier  lediglich  diejenigen  Formen 
der  möglichen  Verknüpfung  des  Ctedachten  sollen  nach- 
gewiesen werden,  welche  das  Gedachte  selbst  nach  seiner 
Beschaffenheit  znläSt"  (I,  78).  Sie  beschränkt  sich  darauf, 
die  allgemeinsten  Vorschriften  für  die  Sonderung,  Ordnung 
und  Verbindung  der  Begriffe  zu  geben,  die  sie  als  bekannt 
Toraufisetzt  und  um  deren  eigentümlichen  Inhalt  sie  sich 
niobt  kümmert  Sie  ist  daher  nicht  eigentlich  ein  Werkzeug 
der  Untersuchung  hehufs  Auffindung  von  Neuem,  sondern 
„eine  Anleitung  zum  Vorürag  dessen,  was  man  schon  weifi" 
(Z,  42).  Positiv  betrachtet,  erscheint  sie  meistens  als  ein 
Mentor,  der  mehr  warnt  als  hilft  <II,  228).  Ihre  Gmnd- 
fordemng  ist  „Eiiutimmung  in  den  Begriffen",  also  das 
Prineipinm  identitatis  (I,  78ff.  u.  536  ff.). 

Eierbarts  Schaler  h&ben  diese  I.ehren  in  der  ausgiebigsten  Weise  in 
zablreicheii  Lehrbüchern  darsestellt  und  zum  Teil  auch  weiter  ausgeführt. 
Am  wichtigsten  sind: 
Friedr.  Konrad  Griepcakerl  (1783—18*9):  Lehrbuch  der  Logik  in 

kurzen  Umrissen,  Braunschw.  1828,  2.  Aufl.  Hehnst.  1831. 
Moritz    Wilhelm    Drobisch    (1803—1886):     Neue    DarstelluBC  der 
Logik  nach  ihren  einfachsten  Verh&ltnissen  mit  Rücksicht  auf  Hathe- 
nutik  und  Naturwissenachaft,  Leipzig  1836,  in  den  späteren  Auflagen 
(18M,  186ff,  tSfTb,  1867)  zum  Teil  erheblich  umgeaibeitet  (dabei  ein 
kig.-math.  AnhanÄ- 
Bd.  Bobrik  :  Neues  prakL  System  der  Logik,  ZOrich  18S6  (unvoBendet). 
Friedr.  Heinr.  Theodor  Alllhn  (1811—1886):  Antibaitarus  logicus, 
Halle  IS&O  (unter  dem  Pseudonym  cäjus),  in  8.  Auli.  neubearbeitet  von 
O.  Flügel  unter  dem  Titel  .rAbriS  der  Logik  und  die  Lehre  v,  d.  Trug- 
Schlüssen",  Langensalza  1894,  5.  Aufl.  1914;  Einleitung  in  die  allg.  foi^ 
male  Logik  von  Cajus  (_=  2.  verb.  u.  verm.  Aufl.  des  1.  Teils  des  Anli- 
baibanis  logicus),  Halle  18CB  (S.  i7B.  u.  94  ff.  Kritik  des  „hypenriisen- 
Bckaftlichen  Wahns"  Hegels). 
Ludw.  StrOmpell  (1813— d899):  Entwurf  der  Logik,  UiUn  u.  Leipzig 
1846;  GrundriQ  der  Logik  oder  der  Lehre  vom  wissenscbaftL  Denken. 
Leipzig  1881. 
1.  H.  W.  Waits:  Haupüehroi  der  Logik,  Erfurt  1840. 
Theodor  Waitz  (1681— 18«) :   LehAuch    der   Psychologie   als   Nalnr- 
«issenschaft.  Brannschweig  IBtß  (weicht  jedoch  von  Heibart  wesent- 
ücb  ab.  Tgl.  z.  B.  S.  MS). 
Franz  Karl  Lott  (1807—1874):  Zur  Logik,  GSttingen  1846,  nam.  S.t-Si- 
Roh.    r.     Zimmermann    (1834—1896):     Fhilosophiacbe     Pnptdeutik, 
ytiea  iäOS.  %  Aufl.  16fl0  (namenU.  S.  \%  ft  S),  S.  Ana  IHB?. 

„.,.,,:A.OO.^K- 


2.  Eapild.    AJlfemeiBe  GeschichU  der  Lofik.  ]5^ 

UilbUs  Arnos  Drbal  (182ß~lSB5]:   Lehrbtich   der   ptop&deutiKhen 

Locifc,  Wien  1865  (vgl  z.  B.  %  8  v.  %  8.  Aufl.  1S74;  Prmküscb«  Logik 

odn  Denklehre,  Wien  187S. 
ßnsL  Ad.  Lindner  (182ft-18S7):  Ldirbuch  der  lommlen  Logik  nach 

FoteL  Methode,  Graz  1S80,  Z  Aofl.,  Wien  1863,  3.  erweit.  Aufl.  1874 

ä  Aufl.  1881. 
Kirl  Volkmar  Stoy  (1S1&— .1886):   Pbilos.   PropftdeutUc,  Abi.    1.    Die 

philoe.  Probleme  und  die  Loitik,  Leipzig  1869. 

SeÜHtändiier  ist  Heymann  (Heinr.)  Steiulhal  Ciasa-iaeft). 
da  in  seinen  Werken  — r  vor  allem  „Grammatik,  Logik  und  Psychologie, 
ihn  PiTDziinen  und  ihr  Verhältnis  zueinander",  Bertin  IBbö.  namentL 
S.  337— SB^  und  AbriB  der  Spracbwisaenscbaft,  Teil  1.  IKe  Sprache  im  All- 
moeinen.  Einleitung  in  die  Psycbol.  und  Spraehwiss-,  Berlin  1871,  2.  Aufl. 
1S81  —  anknüpfend  auch  an  Wilh.  v.  Humboldt,  insbesondere  die  Bezie- 
i.mgea  zwischen  Sprachwissenschaft  und  Logik  untersucht  hat ')  ;vgl.  |  55). 
Noch  weiter  entfernt  sich  vod  Heit«rt  Steinthab  Schaler  Gustav  Qlo- 
cao  (18U^18M),  der  in  seinem  Abriß  der  pbilos.  GniDd-WissetiBcbaftea 
(Breslau  1880.  u.  1889)  auch  die  Logik  ausfohrlich  behandelt  >). 

Den  ausuchtslosen  Versuch,  einen  Mittelweg  zwischen  Kerbart  und 
Hegel  .  zu  finden,  bat  Heinr.  Moritz  Chalybaeus.  gemacht 
CITK— IflBB,  Entwurf  eines  Systems  der  Wissenschaflslehre,  Kiel  18*6; 
l'iudunenUIpbilosophie.  Kiel  1861,  nament).  S.  66  tf.)- 

1 40.  AUfemelne  Vorbemerfcimgvn  Aber  die  EntwicUnnir 
4er  Locik  in  dM  letsten  SO  Jahren  (ea.  1830  bis  jeiii).  Die 
logische  WisseiiBChaft  seigt  von  1830  ab  eine  aoff allende  Zer- 
sidittenmff.  Während  die  Logiker  vorber  jeweils  je  nach 
ibrar  Stellung  sa  bestimmten  allgemeinen  Prinzipienfragen 
in  groBe  gegensätzliche  Gruppen  serfallen  (z.  B.  Bealisten 
Dod  Nominalisten,  Bamisten  nnd  Antiramisten,  Wolfflaner 
md  Antiwolffianer  nsf.),  die  sich  nm  ein  oder  mehrere  über- 
n^ende  schalenbildende  Parteihäcpter  scharen,  treten  jetzt 
(fie  Bisammenf aesendeu  Grandfragen  mehr  zurück,  nnd  große 
Partei-  und  Schulbildnngen  sind  kaum  mehr  zu  erkennen. 
Die  alten  Schulen  sind  noch,  nicht  erloschen:  Kantianer, 
Hegelianer,  Herbartianer  n.  a.,  selbst  Thomisten  und  Aristo- 
teÜBten  treten  bis  in  die  neueste  Zeit  noch  hier  nnd  da  in 
^  Logik  auf,  wie    z.  T.  schon  vorgreifend  erwähnt  wurde. 


*]  Sein  Vorgänger  in  dieser  Richtung  war  Job.  Werner  Meiner,  Ver- 
Wk  nner  an  der  menachl.  Sprache  abgebildettn  Vemunftlehre  oder  I>hilo-  . 
»Pili«  u.  allg.  Sprachlehre,  Leipzig  1781. 

■)  Vgl.  namentl.  leü  3,  Abt.  2,  Abacha.  »  .Meeb&nik  des  Denkpro- 
MSKT  (Bd.  1,  S.  386  tf.)  u.  Teil  ^  Abt.  8  „NoStik"  (Bd.  2,  S.  *37n.).  Von 
'lOMiben  itna:  Die  Haaptldiren  der  Logik  und  Wiwenschaftriebre,  Kiel 
B.  L^zig  18M  (S.  1— tO^:  Vgl.  Ober  ihn  H.  Clasen,  Ztschr.  f.  FbUos.  u. 
E^i.  Eril.  1902,  Bd.  119,  spei.  S.  U9  S. 


i,l^.OOglc 


]52  '•  "^^^    AbierenninB  und  allgemeiDe  Geschichte  der  LotriV. 

z.  T.  noch  anzuführen  sein  wird,  aber  neue  Schulen  kommen 
nur  in  kleinsten  Kreisen  zustande.  Statt  dessen  treten  Tiele 
einzelne  Logiker  auf,  die  unabhängig  von  einer  be- 
stimmten Schclrichtung  bald  dnrch  originale  Leistungen  die 
TjOgik  neu  zn  gestalten  versuchen,  bald  nnd  zwar  viel  öfter 
durch  eine  umfassende  Eklektik  die  angeeanunelten  logischen 
Kenntnisse  systematisch  ordnen.  Dabei  bekommt  die  Logik 
anch  einen  internationalen  Charakter.  Während  eine  neae 
logische  Bewegung  früher  meistens  in  einer  bestimmten 
Periode  vorzugsweise  in  einem  Land  auftrat  und  sich  auf 
dieses  beschränkte  und  nur  hier  und  da  anf  die  Nachbar- 
iänder  übergriff,  einzelne  Länder  sogar  jahrhundertelang 
sich  an  der  Fortentwicklung  der  Logik  nicht  beteiligten,  ja 
kaum  etwas  von  ihr  bemerkten,  setzt  jetzt  eine  gleichmäSi- 
g«re  Beteiligung  der  verschiedenen  Kulturländer  an  der 
logischen  Wissenschaft  ein,  und  öfter  nnd  rascher  werden  die 
logischen  Werke  eines  Landen  auch  in  den  übrigen  bekannt 
imd  verwertet. 

Zugleich  ändert  eich  allmählich  auch  die  Stellung  der 
Logik  zn  den  übrigen  Wissenschaften,  insbesondere  zn  d^a 
anderen  philosophiechen  Disziplinen.  Bis  zum  Anfang  des 
19.  Jahrhunderts  War  die  Logik  meistens  mit  einem  meta- 
physischen oder  erkenntnistheoretisehen  System  eng  ver- 
knüpft und  sehr  oft  auch  von  diesem  abhängig.  Das  all- 
gemeine Scheitern  der  philosophischen  Systembildnng,  wel- 
<-hes  für  die  J.  1820— 185Ö  charakteristisch  ist  nnd  z.  T.  mit 
dem  Nachwirken  des  Kritizismus  zusammenhängt,  befreite 
die  Logik  von  dieser  Verknüpfung  und  Abhängigkeit  Sie 
bekam  eine  früher  nur  selten  verwirklichte  Selbständigkeit. 
Die  TitelvCTbindnng  ,Jx>gik  nnd  Metaphysik"  verschwand 
fast  ganz.  Dies  hatte  weiter  znr  Folge,  daö  die  Logik  nnn 
erst  wirklich  formal  sein,  d.  h.  auf  ihr  formales  (Gebiet  sich 
beschränken  konnte.  Früher  war  eie  durch  die  Verbindung'mit 
Metaphysik  bezw.  Ontologie  immer  wieder  —  trotz  mancher 
Einsprüche  und  Warnnngen  (vgl.  §  39)  —  verführt  worden, 
oft  geradezu  gezwungen  gewesen,  auch  inhaltlich  tätig  zn 
sein  and  damit  ihre  Qi«nzen  zu  überschreiten,  ^etzt  blieb 
diese  Verführung  nnd  dieser  Zwang  fast  ganz  weg. 

Dazu  kam  die  veränderte  Stellung  zur  Psychologie.  Diese 
hatte  sieh  schon  im  18.  Jahrhundert  etwas  von  der  Meta- 
physik losgelöst  nnd  im  19.  errang  sie  endgültig  ihre  8elb< 
ständigkeit.    Ihre  Umbildung  erst  zur  empirischen  und 


a.  Kapitel.    Allfemeine  Geschichte  der  LoBik.  153 

dann  noch  spezieller  zar  physiologischen  oder  ez- 
perimentellen  PsTchologie  hatte  eine  enorme  Venneb- 
tjog  and  Befeatignng  der  psycholf^iec^en  Erkenntnisse  zur 
Ftdge.  Elam  dieser  Znw&chs  auch  zonächst  Torzogttweise  der 
hydioIoKie  der  Empfladunirea  zognte,  so  blieb  doch  die 
fiäekwirknngr  auf  die  Psychologie  der  Denkvorgänge  nicht 
aas.  Aach  diese  machte  von  Jahrzehnt  zu  Jahrzehnt  grofle, 
Biehere  Fortsehritte.  Die  Logik  als  die  Lehre  von  der  Qesetz- 
näfiigkeit  des  Denkens  in'  bezng  anf  formale  Bichtigkeit 
(vgL  ^  1)  konnte  diese  Fortschritte  nicht  ignorieren^  Trotz 
des  Protestes  Herbarts  und  im  Einklang  mit  der  von  Fries 
eingeschlagenen  Biohtnng  gewann  die  Psychologie  mehr  und 
mehr  Einfluö,  mitonter,  wie  sich  zei^n  wird,  sogar  zu  viel 
fänfloQ  auf  die  Logik  (sog.  Psychologismns  in  der  Logik). 
AllerdingB  nicht  ohne  Kampf  nnd  Widersprach.  G«rade  die 
extreme  Betonung  des  psychologischen  Standpunkts  in  dtit 
Logik  stiefi  aof  eine  oft  katuu  weniger  extreme  Reaktion, 
velcbe  Logik  und  Psychologie  absolut  trennen  will  (sog. 
Xiogizismns)  und  daher  auch  geneigt  ist,  dem  Logischen 
irgffiideiae  ontologische  Bedeutung  außerhalb  des  Denkens, 
entweder  im  Sinne  eines  besonderen  logischen  Seins  oder  mit 
Bezng  auf  die  Grundlagen  der  sinnenmäSigen  Erscheinnn- 
gm  zuzuschreiben.  Wenn  man  überhaupt  noch  allgemeine 
Farteig^ensätze  in  der  heutigen  Logik  anerkennen  will,  so 
vürde  der  Gegensatz  zwischen  diesen  beiden  Bichtungen  noch 
am  ehesten  als  solcher  angeführt  werden  können. 

Endlich  änderte  sich  die  Stellung  der  Logik  zu  denNatur- 
vüeeoschaften.  Die  Induktion  war  trotz  Baco  ein  Stiefkind 
der  Logik  geblieben.  Die  gewaltige  Entwicklung  der  Natur- 
viMenschaft  lehrte,  welche  Bedeutung  gerade  die  Induktion 
nicht  nur  für  die  Erweiterung  unserer  praktischen,  sondern 
aticb  für  Erweiterung  unserer  theoretischen  Erkenntnis  hat. 
Die  Lc^ik  konnte  sich  daher  der  Aufgabe  einer  wissenschaf t- 
Jichen  Unt«i»uchung  der  Induktion  und  der  mit  ihr  zu- 
sananenhangenden  naturwissenschaftlichen  Methodik  nicht 
mehr  entziehen. 

Durch  das  Zusammenwirken  aller  dieser  verschieden- 
artigen Einflüsee  kommt  das  vielgestaltige  und  etwas  zer- 
rissene Bild  der  hentigen  Logik  zustande.  Bei  der  folgenden 
Dantellung  ist  versucht,  trotz  des  hervorgehobenen  Zurück- 
tretens  der  Bildnng  wissenschaftlicher  Schalen  und  Par- 
teien ancb  die  Lofpker  der  letzten  80 — 90  Jahre  in  Gruppen 


1,1^. OQi 


,g,c 


154  ^-  '^^'-    Al«renzuBg  und  aUeemüne  GeMhichte  der  Logik. 

zasammenzQordnen.  E^  sei  jedoch  nochm^  darauf  hin- 
gewiesen, dafi  auf  diese  Qrnppiemitgea  zam  Teil  nicht  viel 
Oewieht  zn  legen  ist,  weil  eben  ansge^roehene  ZuBanunen- 
scfalüase  za  bestimmten  Bichtangen  selten  sind.  Insbeeon- 
dere  ist  auch  die  Beihenfolge  der  Qrappen  einigermaßen 
willknrlicb.  Da  die  Bedeutung  vieler  neuerer  Logiker  nicht 
von  einem  Hauptwerk  abhängt,  so  ist  eine  chronologische 
Anordnnng  ganz  nndorchfQhrbar.  Im  wesraitlichen  habe  ich 
mieh  bemiiht,  die  Groppea  nach  ihrer  iimerllchen  Verwandt- 
schaft zu  ordnen. 

f  41.  Anfinge  dn*  psyehologisehen  Logik  In  Frankreteh. 
Dcstntt  de  Traey.  Die  ersten  Erscheinungen  der  neueren 
psychologischen  Logik  begegnen  uns  in  Frankreich.  Sie 
hatte  hier  bereits  in  Condillacn  Logik  v.  J.  1781,  auf 
deren  Zastunmenhang  mit  den  Lockeechen  Lehren  in  ^  28 
hingewiesen  wurde,  ihre  Hauptsätze  konseQnent  entwickelt, 
allerdings  in  Abhängigkeit  von  einem  extremen  Sensaalis- 
mus, wie  er  durch  Locke  nnd  Hume  (vgl.  ^  26  u.  31)  zur 
Oeltnng  gekommen  war,  der  aber  durchaus  keine  notwendige 
Voraussetzung  und  kein  notwi»idiger  Bestandteil  der  paycho- 
logistischen  Logik  ist.  Eine  weitere  Ausbildung  erfuhren 
diese  Lehren  durch  Antoine  Louis  Claude  Destntt  de 
Tracy')  (1754 — 1636),  dessen  Blemens  d'idtologi«  nament- 
lich im  3.  Teil  di«  Logik  ausführlich  behandeln.  Das  Denk- 
.vennögea  besteht  nach  ihm  aus  vier  Elementarvermögen: 
sensibilitä  s.  str.,  mj^moire,  jugement  nnd  volonte  (IdöpL 
1801,  S.  321).  Auch  das  Urteil  ist  nur  eine  „esp^oe  de  sen- 
8ibilit6";  denn  es  ist  „la  facnltä  de  sentir  des  rapports  entre 
noe  perceptioDs"  Q.  c.  S.  324).  Die  AllgemeinbegrifFe  sind 
nnr  „des  maniöres  de  claseer  nos  id^es  des  individus"  (S.  329). 
Die  logische  Wissenschaft  besteht  nur  „dans  l'ätude  de  noe 
Operations  intellectnelles  et  de  leurs  etfets",  die  Theorie  der 
Logik  nnr  dans  l>tude  de  nos  moyois  de  conniütre. 

Einen  Ithnlic^en  Standpunkt  vertraten  aucb  Joseph  Harte  de 
G«rando  (1772—184^  Dee  signes  de  t'art  da  penset  etc.,  Paris  1800)  und 
Pierre  La  Romiguiäre  (1756—1^7,  Lewns  de  Philosophie  air  le» 
principe  de  rintellisence,  Paria  1B16— 181B,  7.  Aufl.  1SÖ8). 

Francois  Pierre  Maine  de  Biran>)  (1789— 1SS4)  vertnl  in 
»einer  ersten  Periode  einen  ähnlichen  Standpunkt  *ic  Tracv,  später  wandt» 

>)  Projet  d'«l£nKnts  d'idCologie,  Teil  1[  Ideologie,  PansAn  IXCcslSOl^ 
Teil  2,  Grammaire  itairale  IMS,  TeU  3,  Lotfque  180&  (auch  Paris  18a&— S7). 

*)  Ocurr.«  philos.,  ed.  Cousin,  Paris  IMl  u.  Oeurrea  in&).,  puht.  par 
R  NaviUe,  Paris  16&S. 


a  Kwitel.    Ansemeiae  Geschichte  der  Logik.  155 

a  äA  cnlsehiedcn  eegen  di«  BansualisUsche  AuffaGSung,  ohne  jedoch  die 
iiqdokitistJKhe  ganz  aufzuteben.  Direkt  bekimrit  wurde  die  letztere  von 
Htlor  Couain*)  (1793—1887},  der  Hegdscfae  Lehr«n  vertrat,  schlJeB- 
Mi  aber  zu  einem  sehr  unbestimmten  Eklektizismus  überRinS  *). 

§  42.  AnfXnce  der  pSTehoIosiatlMheii  Logik  in  Deutaeh* 
lui,  Bmeke.  Auch  in  Dentachland  lassen  sich  die  ersten 
Wurzeln  der  psycholo^stischeu  Lo^ik  bis  in  daslS-Jahrhan- 
dert  und  noch  weiter  zurückverfolgen.  Fries  (vgl.  S.  148) 
listte  sich  der  psycholt^isttschen  Atiffaesaiig  schon  sehr  ge- 
nähert Der  erste,  allerdings  anch  noch  nicht  konsequente 
Versuch  einer  systematischen  psychologistisehenDarstellung 
der  gesamten  Logik  stammt  bei  nns  von  Friedrich 
Sdnard  Beneke')  (1798—1854).  B.  betrachtet  dio  „Er- 
fahningsseelenlehre"  als  Grundlage  allen  wahren  Wissens. 
Auch  die  Logik  fuBt  dnrohaoe  anf  der  Psychologie.  Sie 
onteracheidet  sich  von  letzterer  nnr  dadnrcb,  daß  sie  nicht 
iii]r  darstellt,  wie  tatsächlich  gedacht  wird,  sondern  anch 
ixigt,  wie  gedacht  werden  soll.  Alle  Begriffe,  auch  die 
bntischen  Kategorien,  „entstehen  durch  Zusammenfassung 
von  AnsohanQDgen",  dabei  ist  jedoch  eine  „Selbsttätigkeit 
«fcs  Geistes"  (vgl.  über  deren  fihiffache  Gliederung  Syst.  d. 
Log.  Bd.  2,  S.  24  tt.)  unentbehrlich.  Begriffsbildnng,  urteil 
and  SchloB  ergeben  niemals  einen  inhaltlichen  Fort- 
abritt  des  Vorstellens,  sondern  nur  einen  formalen  in 
besag  auf  Stärke  und  Klarheit  des  Vorstelleos.  Alles  in- 
tutitliche  Fortschreiten  unserer  Erkenntnig  beruht  auf  syn- 
ftetisohen  Vorgängen,  bei  denen  die  Logik  „gleichsam  nur 
Jas  Znsehen  hat".  Die  eynthetiaehen  Vorgänge  selbst  be- 
ndien auf  bestimmten  synthetischen  Grundverhältnissen 
(Etmtiguität,  Sukzession,  Kausalität  usf.),  und  die  Logik  bat 
Dur  die  Aufgabe,  die  letzter^i  „in  Hinsieht  des  Bigentäm-' 
liehen  und  der  Schwierigkeiten"  zu  untersuchen,  welche  sie 

')  Du  »rai  du  beau  et  du  bieo,  Paris  1867,  7.  Aufl.  1868^'  1£  Aufl.  1873 
(tUMntL  S.  1 — 181  d,  7.  Aufl.);  FraameDts  de  lÄüos.  conlempor.,  Fans  182B, 
K>  iMUeren  AuIUgea  (fflnfte  186Q  sehr  vermehrt. 

')  Vgl  de  Reiffenberg,  Principea  de  logique  suivis  de  rhistoire 
a  de  la  bibliosiaphie  de  celte  acience,  Bnucelles  1888  (namentl.  S.  3480.). 

*)  Eikenntntaiehre  nach  dem  BomiBtseiii  der  reinen  Vernunft  Mc,  Jena 
'aO;  Lehrbuch  der  Logik  als  KiuuUehre  des  Denkens,  Berün-Paaen-Bronberg 
IW;  Sratem  dti  Logik  als  Kimstiehre  des  Denkens,  ä  Bde.,  B«ttn  iBtö; 
oorum  analyticoTum  origines  et  oido  naturalis,  Beral.  1S39. 


156  ^-  '^'^-    AbffrenmnB  und  allgemeine  Geschichte  der  Losik. 

für  die  VerarbeitTingimDenkeii  darbieten  (1.  ß.  Bd.  1, 
S.  255  ff.). 

An  Beoeke  scblieBen  sich  eoir  Jobano  Gottlieb  DreBler 
(1799— 1S67;  Praktische  Denklehre,  Bautzen  18E3  und  Grundlehrea  der  Fst- 
chologie  und  Logik,  Leipzis  1867}  und  Friedr.  Dittes  (1839— 18B6; 
Lehitnich  der  praktischen  Logik,  bes.  f.  Lehrer,  Wen  187S)*)  an.  Auch 
Otto  Friedrich  Gruppe  (1804—1876)  vertrat  mit  sroKer  Entschieden- 
heit einen  psycholoiistischen  und  empiristischen  Standpunkt  (AntAm  et«!., 
Berlin  ISBi;  Wendepunkt  der  Philos.  im  19.  JahiiL,  Berlin  18Bf,  S.  SB— 1G6; 
Gegenwart  und  Zukunft  der  Hulosophie  in  Deutschland,  Beriin  1856v  namenü. 
S.  179  C).  Insbesondere  nahm  er  den  alten  Universalienstreit  in  modemeir 
KJmeestaltung  wieder  auf  und  lehrte,  daß  alle  abstrakten  Besri&e  nur  ab- 
kürzende Hillszeichen  zur  Erleichtenrns  der  logischen  Rechnung  sind,  aber 
nicht  als  etwas  Abselutes  und  Fertiges  betrachtet  werden  dflifen.  Sehr  cba- 
rakteristisch  war  für  seinen.  Standpunkt  die  scharfe  Bek&mpfung  sowohl  der 
aristotelischen  wie  der  hegelschen  Lo^  imd  der  eindringliche  Binweis  auf 
Baco  und  auf  die  Wichtigkeit  der  Induktion  für  die  l^ogik.  Er  bezeichnet  die 
neue  Methode  direkt  als  eine  „Verallgemeinerung  der  Baconischen  Methode", 
die  in  ihrer  uraprQnslichen  Form  nur  für  die  Naturwissenschaft  ausreicht 
(Wendepunkt  S.  IB). 

In  neuester  Zeit  hat  Theodor  Elsenhans  dm  psrcbotofisdien 
Standimnkt  besonders  eindringlich  und  konsecpient  vertreten  (Das  TerhJUtnis 
der  Logik  zur  PsTchoIogie,  Ztschr.  I.  Fhflos.  u.  philos.  Krif.  18D6,  Bd.  lOO^ 
S.  166;  PsTchologie  und  Logik,  Leipzig  ISeq,  i.  Aufl.  1913).  Einen  sensua- 
listiflchen  und  zugleich  nominalistischen  Standpunkt  scheint  auch  H  e  i  n  r. 
Gomperz  einzunehmen  (Zur  Psychologie  der  log.  Grundtatsachen,  Löpzig- 
.Wien  1897,  vgl.  z.  B.  S.  SOS.);  doch  bat  derselbe  in  einem  neueren  Weik, 
von  dem  bis  jetzt  3  Teile  erschienen  sind  (Weltansch^uungdehre,  lena — 
LeipEig  1905  u.  1908)  seinen  Standpunkt  etwas  alweindert,  er  sucht  jetzt 
nachzuweisen,  daB  im  Bewußtsein  alle  Formen  der  Erfahrung  durch  Ge- 
fühle dargestellt  werden  (1.  c.  Bd.  1,  S.  274;  vgl.  auch  S.  116,  177.  800^ 
Der  pSTcholi^iBtischen  Richtung  stehen  ferner  nahe;  Julius  Schultz 
(Psychologie  der  Axiome,  GOttingen  1899,  z.  B.  5.  37  0.  u.  a.)  sowie  Ernst 
Schrader  (Zur  Grundlegung  der  Psychologie  des  Urteils,  Leipzig  190S, 
namentL  S.  920.,  und  Elemente  der  Psychologie  des  Urteils,  Bd.  1  Analyse 
des  Urteils,  Leipzig  1906)  und  G.  Heymans  (Die  Gesetze  und  Elenteiite 
des  wissenschafllichm  Denkens,  Leipzig  1890^  2.  Aufl.  1906,  namenU.  S.  36 
u.  4»S.). 

§  43.  Die  indaktive  Logik  in  England.  Whewell,  Mill, 
Bain.  Parallele  ElaflQMe  des  PosiilTismns.  Comte.  In- 
zwischen hatte  in  England  die  Logik  eine  ähnliche  Bichtong 
eingeschlagen.  Hier  hatte  die  Logik  zunächst  unter  dem 
Einfloß  der  Lehren  von  Locke  nnd  Hnme  gestandon  und  war 

*)  1878  in  4.  Aufl.  zusammen  mit  dem  Lehibuch  der  Psychologie  als 
Lehrbuch  der  Psychol.  u.  Logik  in  Leipzig  herausgegeben  und  hier 
S.  168— SBB  zu  finden.  Eine  9.  Aufl.  *  ist  18(Hi  erschienen.  Dittes  hat  auch 
DreSlers  Qrundldiren  187S  in  8.  Auflage  berausgefebfo. 


OgIC 


2  KftpiteL    Allgemeine  Gescbtchte  der  Logik.  257 

dam  «iner  fast  TSUigen  VemacUässigiuig  anheimgefallen. 
Ent  die  im  wesentlichen  eklektischen  Elements  of.  logic  von 
Bich.Whately  (1787—1863)  (London  1825,  4.  Anfl.  1 831 , 
9i  Anfl.  1848)  belebten  das  Inter^ee  an  logisoben  üntei> 
iDohnngen  wieder^).  Eine  nene  Ära  der  Logik  in  England 
sebte  dann  mit  den  Werken  A.  William  Whewells 
(1794^1866)  über  die  induktiven  Wiseenschaftea*)  ein.  Wh. 
lutte  viele  Lehren  von  Kant  angenommen  und  anch,  wie  er 
aelbet  berichtet,  Sehelüng  viel  zn  verdanken.  Er  ging  daher 
nicht  von  dem  extrem  aenenaUstischen,  ja  nicht  einmal  von 
dem  protaathetischen  Standponlrt  aas  (vgl.  z.  B.  Phil.  ind. 
BC  I,  S.  27  n.  n,  S.  436  fl.  d*  457  tF.);  indem  er  aber  die 
logische  Bedeutung  der  Induktion  untersuchte,  gelangte  er 
doeh  mehr  und  mehr  —  fast  gegen  seinen  Willen  —  dazu, 
die  enorme  Bedeutung  der  letzteren  anzuerkennen  nnd  damit 
doch  der  eenenalistisehen  Richtung  (der  „sensational  school", 
wie  er  sie  nennt)  manche  Zugeständnisse  zu  machen.  Eine 
allgemeine  logische  Theorie  hat  Wh.  nicht  anfgeetellt 

Hier  setzt  nun  die  Tätigkeit  von  John  Stuart  Mi)l 
(1806 — 1873)  ein,  dessen  Hauptwerk  „A.  System  of  logic  ratio- 
önative  and  inductive,  being  a  connected  view  of  the  prin- 
ciples  of  evidence,  and  the  methods  of  scientific  investigation" 
1843  in  London  erschien  und  in  25  Jahren  7  Auflagen  erlebte, 
auch  bereits  i.  J.  1849  in  dentschef  Übersetzung  (von 
i.  Sebiel)  veröffentlicht  wurde*)-    J.  St.  Hill  unterscheidet 


')  TgL  Forsythe,  Questions  on  WbatelTS  Elemeols  of  Losic,  London 
1853;  B.  H.  ShtLtp,  A  letter  to  Dr.  Wbately  on  the  eCfect  whicb  bis  wodc 
Qonenta  of  Logic  has  hid  in  reUrding  the  piogress  of  Locke's  philosophsij 
i^aitm  1868".  Whately  stützt  sich  Obrigens  aui  zwei  altere  Werke  Ton 
>tia  VkUit^  Instilutio  logieae,  Ozon.  1^7,  und  Henry  Aldiicb,  Arüs  logicu 
ixnnpendiiun,  16dli,  die  fortgesetzt  .in  neuen  Auflagen  erschienen  (beide  mir 
mäa.  zngSnsiicb). 

>)  History  of  the  inductive  sciences  from  the  earliest  to  the  present 
linNS,  London  1837  (schon  ISiO—iStl  in  Stuttgart  von  J.  J.  v.  Ljttrow  in 
deatidier  Übersetzung  veröfientlicht);  The  philosophy  of  ihe  inductive  sci- 
«B«^  London  1840  (2  Bde.);  letztere  wurde  spftter  in  3  getrennten  Teilen 
l>aui|^eben,  speziell  der  zveite  Tei)  unter  dem  litel  Novum  Organum 
nwnatam  (3.  Aufl.  18»). 

*)  V^  aufierdem  An  examination  of  Sir  ^llUun  Hanüllons  philo- 
»Sibt  etc,  London  18^  nam.  Ch.  17—23.  Von  Hills  Logik  handeln  u.  a. 
^  Stfglich,  Ztschr.  f.  Philos.  u.  philos.  Erit.  1910,  Bd.  187,  S.  111;  Th.  Hill 
■^"«en,  The  logic  of  ].  S.  Uitl  (in  WoAs^  London  1S86,  Bd.  2,  S,  196); 
*■  Üehen,  Om  J.  St^  Mills  logit,  Chriatiaoia— KjobenhaTn  1685. 


OgIC 


158         ^'  "^^    Abstwizuac  und  aUgameui«  Geschichte  der  Losik. 

unmittelbar  bewoflte  und  erschloflsene  Walirheiten  (tmths 
known  by  intnition  or  immediate  conscionsneae  und  trutbK 
known  only  by  way  of  inferenoe).  Zn  ersteren  gehören  unsere 
eigrenen  „bodily  sensationB  and  mental  feelings",  zu  letzteren 
z.  B.  auch  alle  nur  dnrch  HörenBagen  bekannt  gewordenen 
Ereiccnisse  (wie  z.  B.  die  historiechen).  Die  Frage,  welche 
Tatsachen  Objekte  der  ,Jntnition"  und  welche  Objekte  der 
tJnfereoJE"  (inferenoe,  reasoning)  sind,  bat  die  „Metf^hysik" 
(wir  würden  sagen:  die  Erkenntnietheorie)  zu  «itsobeiden. 
Die  Logik  beecbränkt  sieb  darauf,  die  erschlossenen  Wahr- 
heiten ohne  Rücksicht  auf  die  Art  der  WahrbeitMi,  ans 
denen  sie  erschlossen  sind,  zu  untersuchen.  Sie  ist  die 
Wiseenachaft  „des  Beweises  oder  der  Evidenz"  (scienoe  of 
proof  or  evidenee).  Insofern  hiermit  schliefllioh  dasselbe  ge- 
sagt wird,  was  die  mittelalterliche  Philosophie  mit  dem  Fort- 
schreiten vom  Bekannten  zum  Unbekannten  als  Qegenstand 
der  Logik  meinte  (vgl.  z.  B.  S.  81),  hatte  sich  Milll  bis  dahin 
von  der  traditionellen  Logik  kaum  entfernt.  Auch  seine  aus- 
führliche Untersuchung  der  Namen*)  und  Sätze  (names  and 
propositions),  welcher  das  ganze  erste  Buch  seines  Werks  .ge- 
widmet ist,  scheint  nach  ihrer  Geeamtabsieht  noch  keinen 
prinzipiell  neuen  Standpunkt  einzuführen;  haben  doch  im 
späteren  Mittelalter  ausführliche  Erörterungen  der  termini, 
eignifieationes  usf.  nicht  gefehlt.  Ein  genaueres  Studium  der 
Ausführungen  Mills  in  diesem  1.  Buch  ergibt  jedoch,  daß 
hier  bereits  ganz  neue  Lebren  hervortreten.  Es  wird  näm- 
lich fast  die  ganze  Lehre  von  den  Begriffen  und  Urteilen 
dieser  einleitenden  Untersuchung  der  Namen  und  Sätze  ein- 
verleibt, so  daß  für  die  Logik  selbst  im  wesentlichen  nnr  die 
Lehre  von  den  Schlüssen  bleibt.  Abn  wichtigsten  ist  für  die 
Millschen  Lehren  das  5.  Kapitel  des  1.  Bachs  „of  tbe  Import 
of  propositions".    Hier  sucht  Mill  zu  rechtfertigen,  daß  er  im 


*)  „Name"  („lutme")  ist  bei  MUl  mit  „Worl"  („nord")  nicht  gleichbedeu- 
lend.  Namen  sind  nach  seiner  Terminotogie  nur  solche  Worte,  von  deren 
Gegenstand  eine  bejahende  oder  verneinende  Aussage  möglich  iat  Partikel, 
Adrertiienv  Casus  obliqui  von  Substantiven  betrachtet  Hill  daher  nicht  slt 
Namen,  sondern  als  Worte,  die  Teile  von  Namen  sind.  Auch  faßt  er  eine  Zu- 
sammenstellung von  vielen  Wbrten,  die  nur  einen  Gegenstand  bezeichnet, 
nur  als  einen  Namen  auf.  Zu  einer  vollstindig  klaren  Unterscheidung 
zihscben  dem  Gegenstand  des  Begiifla  uad  dem  Begriff  bzw.  der  Vorstellung 
aslbat  ist  eben  Mill  nie  gelaogt.  Seiue  Berufung  auf  Hobbes  ist  nur  zum 
Teil  zutreSend. 


OgIC 


2.  K^tel.    Allretneiiie  Geschichte  der  Locik.  159 

Oegflnaatz  zu  fast  allen  früheren  Logikern ")  -das  Wesentliche 
des  Urteil«  nicht  in  der  Beziehong  zweier  Begriffe  er- 
iSekt  Dabei  macht  er  zunächst  die  wichtige  Bemerkung 
—  aof  der  die  späteren  Lehren  von  Brentano  und  Meinong 
faBen  — ,  daß  Verkntipfnngen  von  Begriffen  bald  mit,  bald 
ohne  Znstimmnng  (assent,  belief'))  bzw.,  wenn  negativ, 
bald  mit,  bald  ohne  Verwerfnng  (dissent,  disbelief)  aus- 
StqODchen  werden  könnmi.  So  könne  nuui  die  Vorstellnng 
nBog"  nnd  „golden"  verbinden,  ohne  wirklich  zu  glauben, 
da8  der  (bzw.  ein)  Berg  golden  sei.  Nun  meint  Hill,  daß 
jedenfalls  die  Bedeutung  (Import)  der  „Urteile"  (judgmenta) 
und  der  vcm  diesen  sich  nur  durch  den  hinzukommenden 
■mchliehen  Ansdruck  unterscheidenden  „Sätze"  (propo- 
äti<ntB)  *)  mit  der  Natur  dieser  Zustimmung  zur  Verbindung 
tweier  BegrifEe  bzw.  ihrer  Verwerfung  nichts  zu  tun  hat. 
IHe  Untersuchung  der  Natur  dieses  belief  -  Zustandes  mit 
Beeng  aof  die  verknüpften  Begriffe  geht  die  Logik  nichts 
a&;  denn  Satee  (Urteile)  sind  nioht  Behauptungen  bezüglich 
onBrer  Begriffe  von  den  Dingen,  sondern  Behauptungen 
bozfiglich  der  Dingeselbst,  und  M.  gibt  sich  Mühe  naoh- 
nwftisen,  daß  jeder  Satz  (mit  Ausnahme  der  rein  sprach- 
Uchen)  sieh  anf  Existenz,  Koexistenz,  Sukzession,  Kausation 
od»-  Ähnlichkeit  der  Dinge  beziehe ').  Dabei  übersieht  er 
fum,  daß  es  auch  zahlreiche  Urteile  gibt  —  die  analytischen 
im  Sinne  Kants  (vgl.  S.  126)  — ,  in  denen  eich  die  Zustim- 
nnmg  und  Verwerfung  gerade  ansechließlich  auf  die  Ver- 
knflpfong  zweier  Begriff«  beziehen  und  das  Verhalten  der 
Dinge,  d.  h.  der  mit  den  B^prlffen  gemeinten  Gegenstände 
Wa  außer  Betracht  bleiben  kann,  und  daß  gerade  diese 

*)  Leider  hat  Mill  eine  Kenauere  Versleichung  seiner  Ansichten  mit 
in  lUKniiutlist lachen  von  Occam  u.  a.  unterlassen.  Siehe  aber  z.  B.  I, 
Ol  e,  §  1. 

■)  Schon  bei  Carteaiua  apielt  dieser  assensus  eine  Rolle.  Hume  be- 
'whsete  ihn  ab  beliel  und  neigte  dazu,  ihn  nur  ab  eine  „streng  and 
'^T  conception  ot  any  idea,  and  such  as  approaches  in  some  measure 
to  an  immediate  inyiression"  aufzufassen  (Treat.  ot  hum.  nal.  I,  3,  7,  Anm.). 
^'!t-  0.  Quast,  Der  BegriQ  des  beUef  bei  Dav.  Hume,  Halle  1009  (Abb.  z. 
ftiilos.  u.  ihrer  Geach.  Nr.  17).  J.  St  Mül  betrachtet  .^eüeT*  als  ein©  loteU 
■"iniortiale,  für  unser  Urteilen  und  zum  Teil  auch  Vorstellen  charakte- 
'iAMhe  BevuBlseinatataache. 

']  V^  z.  6.  EsaiQ.  ol  Sir  Harn.  phUos.  S.  857. 

■)  An  anderer  Stelle  fügt  er  vorsichtiger  hinzu;  everr  propositJon 
*i)ichcon«CTs  real  information  asseris  m  matter  ot  faet  .... 


-.ooi^lc 


1^  L  TeiL    Abgrenzunc  und  ftUgemeiDe  Geschickte  der  Logik. 

Fälle  in  des  Bereich  der  formalen  Logik  fallen.  Er  übersieht 
femer  oder  unterschätzt  wenigstens  auch  bei  den  äbrigen 
Urteilen  —  den  syntbeÜBChen  in  Kante  Sinn  —  die  Be- 
dentang  der  VermittlongsroUe,  welche  unsere  Begriffe 
zwischen  den  Dingen  nnd  dem  Urteil  übernehmen.  Nachdem 
er  nnn  aber  einmal  in  dieser  Weise  die  Begriffe  und  BegriflE- 
▼«rknüpfnngen  aus  der  Logik  e.  str.  ausgeschaltet  hat,  blübt 
für  diese  eben  in  der  Tat  nnr  die  Lehre  vom  Schluß  übrig. 
Die  Lehre  vom  Begriff  und  Urteil  kann  von  diesem  Stand- 
pnnkt  ans  in  der  Lehre  von  den  sprachlichen  Bezeichnungen 
—  Namen  und  Sätzen  —  erledigt  werden. 

3iocb  einschneidender  aind  die  Umänderungen,  welche 
Mill  in  dei^  Lebre  vom  Schluß,  also  der  eigentlichen  Logik 
naeh  seiner  Auffassung,  vornimmt  Er  unterseheidet  zvei 
Formen  des  Schlusses:  die  Induktion  und  die  Batiozination 
oder  den  Syllf^ismus.  Bei  der  Indnktion  ist  der  Schluß  all- 
gemeiner als  die  Prämissen,  bei  der  Batiozination  ist  der 
Schluß  weniger  allgemein  oder  höchstens  ebenso  allgemein 
als  die  Prämissen  (Log.  ZI,  1,  3).  Danach  könnte  es  zunächst 
noch  scheinen,  als  werde  der  „Syllogismus",  d.  h.  also  in 
Mills  SiniK  der  deduktive  Schluß  (vom  Allgemeinen  auf  Be- 
sonderes oder  weniger  Allgemeines),  wenigstens  als  gleich- 
berechtigt neben  der  Indnktion  anerkannt;  indes  Mill  jer- 
sucht,  durch  längere  Ausführungen  zu  zeigen,  daß  eine 
korrekte  Analyse  auch  bei  den  Syllogismen  (deduktiven 
Schlüssen)  gar  keinen  Schluß  von  Allgemeinem  auf  Beson- 
deres ergibt,  sondern  immer  nur  einen  Schluß  von  Bescm- 
derem  auf  Besonderes  (vgl.  nam.  Log.  II,  3,  5).  Der  all- 
g«mieine  Obersatz,  z.  B.  alle  Menschen  sind  sterblich,  faßt 
nnr  registrierend  viele  Einzelbeobachtungen  zusammen.  Die 
allgemeine  Fassnng  des  Obersatzes  bat  nur  eine  Reibe  prsi- 
tiecher  Vorteile,  vor  allem  erleichtert  sie  die  Kontrolle  der 
Schlüsse.  Schließlich  ist  also  Induktion  die  Grundlage 
aller  Schlüsse,  und  jede  Deduktion  (jeder  Syllogismus)  ist 
nnr  eine  sekundäre  Umgestaltung  induktiver  Schlüsse  i^I- 
Über  Einzelheiten  den  Spezialabschuitt).  Damit  ist  nnn  in 
der  Tat  die  Indnktion  fast  Alleinherrscherin  in  der  Logik 
geworden,  und  dementsprechend  widmet  ihr  Mill  eine  sehr 
ausführliche  Besprechung,  die  über  die  aphoristische  Bscos 
weit  hinausgeht 

Und  diese  Darstellung  der  Lehre  von  der  Indukticm  sr- 
gibt  noch  einen  weiteren  Fortschritt  In  älteren  Logiken  war 

„.,,„,^.oogic 


2.  Kapitel.    AUfenwinB  Geachidit«  der  Lofik.  161 

mt  meh  achou  oft  von  der  .rUethode",  ,rtfet}iodenlehre"  die 
B«h  gflveaen,  aber  man  hatte  eich  doch  meiBtena  auf  einige 
aUiemeine  Satze  beschränkt.  Mill  gibt  zum  entenmal  eine 
«afnhrlichere  Darstellnng-  der  wiasenschaftlichen  Methodik 
iiad  berücksichtigt  dabei  eingehend  aach  einzelne  Wissen- 
^ehafteo,  and  zwar  sowohl  NaturwiMensehaften  wie  Geistee- 
jrinenschaften  (ntoral  sciences,  z.  B.  peychology,  „ethology", 
nfloeial  scieuce"  usf.).  Mag  auch  vieles  den  Wideispmch 
bcraoBfordem,  jedenfalls  war  damit  die  Logik  anf  ein  neues 
vMtes  Arbeitsfeld  mit  Becht  hingewiesen. 

Hau  kann  nicht  sagen,  daB  die  Zahl  der  speziellen  logiacbeo  Werke, 
«•lebe  auf  dam  Boden  dieser  induktiven  Locik  Uüt's  enchtenen,  beeondei« 
tmi  wite.  Inmerbin  versuchten  namentlich  in  England  einzelne  Forscher 
HiD's  Lehren  noch  weiter  auszubauen  und  zum  Teil  auch  zu  verroUkomm- 
DCB.  So  stellte  Alexander  Bain  (ISld— 19(»i  Logic,  deduclive  and  in- 
tecine,  London  1870)  «ne  enger«  Tetbindong  der  englischen  Assoziations- 
»Tchalogie  mit  MiU's  induktiver  Logik  b«r.  Thomas  Fowler  (1831  bis 
iSOk;  The  Clements  o!  deducUve  logic,  Oxford-London  1867^  lO.AufL  lSd7; 
Ttte  Clements  ot  induclive  logic,  ib.  1869  u.  1884;  Logic^  deductive  and  in- 
duetive,  ib.  1895)  gab  ihr  mancherlei  didaktische  Abnindunsen,  ohne  an  den 
Qnmdlehrea  wesentlich  zu  ändern.  lohn  Venn,  Symbolic  logic,  London- 
!««w  York  1881^  ä  Aufi-  1894;  On  the  forms  ot  logical  proposition,  Mind  188l^ 
Bd.%  Sl336;  The  logic  of  chance,  London -Cambridge  1866,  namentl.  Fre< 
Uce  S.  Xni;  The  principles  ot  empirical  or  inductive  logic,  London  1889, 
!2.  Aufi.  ISCFT)  kleidete  die  tlillscben  Sätze  in  das  Gewand  der  sog.  mathema- 
ÜKben  oder  symbolischen  Logik  (vgl.  g  54). 

Koch  bedeutsamer  nnd  tiefer  greifend  war  die  Wendung, 
*ekhe  Herbert  Spencer  (1820—1903;  First  principles 
of  a  new  system  of  phllosophy "),  London  1860 — 1662,  6.  Antl. 
1889,  nam.  Parti  1,  Ch.  3 — 5;  Principles  of  psychology,  Lon- 
don 1855,  5.  Aufl.  1890,  u.  a.)  den  Mlllschen  Gedanken  gab. 
Et  behauptet  nämlich,  daß  die  Logik  sich  mit  den  allgemein- 
steB  Qesetzeu  der  Beziehongeu  (most  general  laws  of  corre- 
lation)  zwischen  Wirklichkeiten,  soweit  sie  als  objektiv 
betrachtet  werden,  beschäftigt,  und  bezeichnet  die  Logik 
daher  auch  geradezu  als  objektiv  (Pr.  of  psych.  II,  S.  87  ff., 
^  302  IT.).  Damit  tritt  sie  ia  G^ensatz  zur  Erkenntnistheorie 
(tbeory  of  reasoning),  welche  die  allgemeinsten  Gesetze  der 
Besiebungen  zwischen  den  jenen  Wirklichkeiten  entsprechen- 
ilen  Vorstellungen  (ideaia)  aufsucht.    Die  Behauptungen  der 

*)  Spater  lautete  der  Titel  nur  kurz:  First  principles.  Sie  bilden  den 
e«en  Band  des  Werts  „A  System  of  synthetic  philosophy",  die  Principles 
gl  psiebology  den  vierten  und  tOnften.  Die  Zitate  im  Text  beziehen  sich  auf 
die  3.  Auflage  beider  Werke. 

Zicbau,  I«hrt>D«b  der  Logik.  11 

n,i.iiA.OOt5IC 


lQ-2  I-  Teil.    Abffrenzunc  vind  aUfemeioe  Geschichle  der  Logik. 

Logik  sollen  sicli  aiso  aaf  die  Verkntipfiingea  der  „Diagt)", 
soweit  Bie  als  aaBerhalb  nnseres  Bewußtseins  existierend  be- 
trachtet werden,  beziehen.  Von  der  Notwendigkeit  des  Glau- 
bens an  s<^che  extrapsyehisehe  Dinge  ist  Spencer  fest  öber- 
zengt  (First  Princ,  S.  87  ff.,  ^'  26).  Es  existiert  aber  nebw 
dem  bestimmten  BewuQteein,  dessen  Gesetze  die  lit^ik  for- 
muliert, ein  □nbeetimmtes  Bewußtsein  (indefinite  consciooB- 
ness),  welches  keiner  Formulierung  zugänglich  ist,  aber  doch 
zn  den  „normal  affections*'  des  Intellekts  gi^ört  (ebenda, 
S.  38).  Die  Beschränkung  des  Denkens  auf  Relationen  (thin- 
king  =  relationing,  S.  86)  ist  vom  biologischen  Standpunkt  der 
Entwicklung  aus  selbstverständlich.  Nor  pin  solches  Denken 
ist  nützlich  für  uns  (vgl.  die  Bemerkungen  über  evolutio- 
nisti&che,  biologische  und  pragmatistiscbe  Iiogik  in  ^  53  dieses 
Buches).  Auf  die  tieferen  Probleme,  welche  sich  aus  der  An- 
nahme eines  „objektiven"  Charakters  der  Logik  ergeben,  ist 
Spencer  nicht  eingegangen. 

Die  Lehre  von  Spencer  i^t  in  bemeriunswerler  Weise  w^tergebi^t 
worden  von  Carvetb  Read  (On  the  theoir  of  logic :  an  essay,  London 
167d  u.  Logic,  deductive  and  inductive,  London  1886).  Dieser  nüiert  üch 
wenigstens  prinzipiell  insofern  dem  Fositiviamus  (siehe  unten  tmter  g  &), 
als  er  die  Logik  definieit  als  „a  science  of  universal  matter-of- 
fact",  die  weder  objektiv  noch  subjektiv  ist  (l.  c.  S.  1*).  Bei  der  weiteten 
AusfOhning  bleibt  er  diesem  Standpunkt  allerdings  nicht  treu. 

Viel  zahlreicher  waren  die  Anhänger  der  Millschen  Lehre,  welche  as 
der  spezifisch  bgisch -nissenschafUicben  Seite  derselben  kein  Interesse 
nahmen,  aber  ihre  Spezialwissenschaften  vom  Standpunkt  Mills  aufiaBten 
und  eine  weitere  Darlegung  und  Begrflndung  der  Millschen  Satze  für  ganz 
aberfldssig  hielten.  Insbesondere  legten  die  Vertreter  der  Naturwissen- 
schaften (im  weitesten  Sinn)  größtenteils  Hills  Auffassung  mehr  oder  weniger 
bewuBl  und  klar  ihren  allgemeinen  Anschauungen  zugrunde. 

Das  etwa  gleichzeitige  Auftreten  von  Auguste  Comte 
(1798 — 1857),  dessen  Cents  de  Philosophie  positive  in  den 
Jahren  1830 — 1842  erschien,  trug  zu  diesem  Erfolg  wesent- 
lich bei;  denn  obwohl  Comte  in  diesem  Werk  die  Logik  als 
Wissenschaft  fast  ganz  ignorierte,  war  doch  allenthalben  un- 
verkennbar, daß  hier  das  Induktionsprinzip  als  für  alle 
Wissenschaften  maßgebend  hingestellt  wurde:  „l'nsage  bien 
eombin^  du  raisonnemeat  et  de  l'observation"  war  nichts 
anderes  als  die  Anwendung  der  Induktion  auf  die  Beobach- 
tung. Selbst  die  Mathematik  ist  nach  Comte,  wenn  seine 
Ausführungen  auch  in  diesem  Punkt  keineswegs  klar  und 
eindeutig  sind,  von  der  Erfahrung  abhängig  und  daher 
schließlich  auf  Induktion  angewiesen.     Die  Zurückföhmng 

„.,,„,^.oogic 


ä  Kapitel.    Allgemeine  Geschichte  der  Lofik.  163 

aller  Wissenscliaften  (mit  ÄUBnahme  der  Hatbemaiik)  anf 
PbfBik,  insbesondere  die  Degrradation  der  Psychologie  zn 
eiatsm  Anhängsel  der  Himphyaiologie,  und  die  Reduktion 
der  So2iol(^e  anf  „physiqne  sociale"  konnten  kaum  anders 
als  im  Sinn  einer  Alleinherschaft  der  Induktion  verstanden 
Verden.  Comte  behauptet  sogar,  daS  die  Gesetze  der  Logik 
»Ibst  nur  durch  eine  „Observation  approfondie"  der  bei  der 
Bildung  der  wissenschaftlichen  Theorien  tatsächlich  ange- 
wendeten Verfahmngsweieen  („l'examen  des  procäd^  r^Ue- 
ment  employ^  pour  obtenir  les  diverses  connaiwances 
eiactes  . . .  dejä  acquises",  Cours  de  philos.,  5.  Anfl.,  I,  S.  27) 
«rkannt  werden  können,  allerdings  läßt  er  dahingestellt,  ob 
es  später  vielleicht  einmal  möglich  werde,  a  priori  die 
großen  logischen  Methoden  zu  entwickeln  (1.  c.  S.  33). 

Comte  seibat  hat  in  späteren  Weiten,  namentlich  seiner  Synthese  sub- 
xctire,  ou  Systeme  univenal  des  couceptions  propres  i.  l'tM  normal  de 
lliamaiüt^,  Bd.  1  Systeme  de  logigue  positive  ou  trailä  de  i^losophle 
mithänatique,  Paris  iSSß"),  seinen  ursprangiichen  Standpunkt  nicht  fest- 
(efaalten  und  die  Loeik  in  Mathematik  und  Mystik  autgelöst.  Dabei  «iid 
udeieneils  der  Nfltzlicbkeitsstandpunkt  last  ganz  im  Sinn  des  spfttereo 
PnsmaÜimus  eingehalten.  So  lautet  x.  B.  die  endgoltige  Definition  der 
l^k  [1.  c  S.  27):  ,Je  concours  normal  des  sentimeats,  des  Images  et  des 
signes,  pour  noua  inspirer  les  concepUons  qui  conviennent  k  nos  besoins, 
nuiau^  intellectuela  et  physiques".  Die  ersten,  übrigens  unvollst&ndigMi 
englischen  ttbetsetzungen  des  Uauplweikes  erschienen  1861  und  18G6. 

Ant  dem  Boden  der  induktiven  Logik  steht  in  vielen  Beziehungen  auch 
-]«T  boQ&ndische  Philosoph  Cornelia  Willem  Opzoomer  (1831  Ixs 
1882]  in  seinem  LeeAoek  der  Logica,  Amsterdam  1868 '').  Er  bestreitet  die 
Kantsche  Lehre,  dafi  die  Form  der  Erfahrung  nur  im  &ibjekt  wurzelt  und 
knnen  obäektiven  Ursprung  hat,  und  rechnet  auch  die  Mathematik  zur  Natur- 

**)  So  spricht  er  S.  65  von  der  science  mathämatique,  rAg6n6rte  sous 
1«  Dom  de  logique,  gibt  aber  dann  nicht  etwa  eine  mathematische  Logik  im 
mideraen  Sinn,  sondern  eine  wenig  klare,  religiCs  gefärbte  Philosophie  der 
Mathematik,  in  der  z.  B.  die  .^lorobres  sacr^s"  eine  Rolle  spielen  (S.  109).  Er- 
bueichnet  dies  selbst  als  „enseignement  sacerdolal  de  1a  logique"  <S.  90). 
IntcRssant  ist  die  starke  Hervorhebung  der  Bedeutung  des  GefOhlB  fOr  die 
I^gik;  „A  la  t6te  des  moyens  loBiques^  il  faut  donc  plaeer  les  sentintenls 
qtii,  founiissaDt  k  la  fois  la  sourc«  et  la  destination  des  pensäes^  les  combi- 
neat  d'aprto  la  conneiit6  dea  6motiona  correspondantes"  (S.  29)  und  „la 
»TStematisation  logique  eat  autant  due  gue  l'unitö  g£n£rale  k  la  pr6pond6- 
iiDce  du  coeui  sur  l'esprit".  Vor  Comte  hatte  sdion  Burdin  *  (Mim.  sur  la 
xience  de  lliomme)  erklärt:  „La  math^matique  transcendante,  qui  n'est 
«ilre  chose  Que  la  science  g£n6ralB  de  comparaison,  antremeot  dit  la  logi- 
lue  ...  ." 

"}  Andere  Hauptwerke:  De  weg  der  wetenschap,  Leyden  1961,  3.  Au(L, 
Bet  mzea  der  kennis,  Amsterdam  186B  (unter  dem  Titel  „Die  Methode  der 
TissQucbafl,    ein    Bandbuch    der   Logik",    ins   Deutsche    Obersetzt   von 

11» 

„.,.,„.>..oo^sic 


]g4         I-  T'öl.    AbgienzuDS  und  »ng^neine  Geschieht«  der  Losik. 

wiBMoacball.  Die  Logik  hat  die  AulSab^  die  bewthrten  naUuwiMenschaftr 
liehen  Uethoden  zu  beschreiben  und  den  Geisteswissenschaften  zur  Befol- 
guDg  zu  empfehlen. 

In  Italien  wurde  die  Lncik  in  positivisltfcbem  Sinn  von  C&rl» 
Catl«neo  {180V— läS^  Scritti  di  filoso&a,  fürenze  18SS^  Bd.  3)  imd  wn 
Bpberto  Ardigö  (geboren  räBB,  Opeoe  filonfich^  nam.  Bd.  8,  Padon 
IfiB&k  RelstiviU  ddla  logica  umana,  S.  413  ff.  und  Riv.  di  fllos.  1911,  Bd.  3, 
S.  SIT)  ausgebildet.  Auch  Federigo  Enriques  (leb.  1871]  gehört 
hierher  (I^blemi  della  sdenza,  Bokxna  1906,  2.  Aufl.  1910;  Die  Probleme 
dar  Logik,  Enzrkkvid.  der  iriulos.  Wiss.,  hentusaeg.  von  Ä.  Rüge,  Bd.  1, 
TOtnagen  1B12,  S.  219—213;  Ut  nteUphyuaue  de  Hegel,  Rev.  de  miUvh.  et 
de  mor.  1910,  Bd.  18;  S.  1;  Les  concepts  tondamentaux  de  la  scienc?, 
Paris  1913)  *. 

S  44.  O^enstrSmiingeB:  a)  BeCarmTerHiebe  amt  d«a 
Gebiet  der  Kantsehen  Lt^ik.     Cohen.     Natorp.     Die   im 

vorausgehenden  knrz  geschilderten  Strönniagen,  die  extrem- 
.  sensualistische  Lo^rik  Destntt  de  Traeys,  die  psycholo^ietische 
Benekes,  die  indnktiv-poBitiTistiscbe  Mills  und  Comtes  ver- 
einigten sich  gewisBermaBen  za  einem  konzentrischen  An- 
griff auf  die  alte  Logik.  Allerdinga  stimmten  sie  bei  aller 
Verwandtschaft  keineswegs  unter  sich  überein.  Beneke 
wollte  von  dem  extremen  Sensnalismus  der  Nachfolger  Con- 
dillaos  Dichte  wissen  und  hatte  doch  andererseits  Bedraiki-n 
gegen  die  von  Whewell  and  Kant  übemonunene  lichre  von 
apriorischen  Elementen  („ftmdamental  ideas") ');  Com^te  hielt 
die  ganze  Psychologie,  wie  sie  z.  B.  Beneke  trieb  und  der 
Logik  zugrunde  legen  wollte,  für  ganz  überflüssig,  Gruppe') 
und  Hill  *)  nahmen  wiederum  an  vielen  positivistiscbea 
Lshren  Anstofi  usf.  la  der  Verwerfung  der  herrschenden 
Logik  waren  sie  jedoch  einig. 

Demgegenüber  waren  die  Vertreter  der  letzteren  größten- 
teUs  in  einer  miälichen  Lage.  Die  Fichtesche  und  Schelling- 
sehe  Schule  hatte  schon  fast  alle  ihre  Anhänger  eingebüßt 
Die  H^relsohe  war  zwar  noch  sehr  einfiuBreich,  aber  dieser 
Biofluä  äußerte  sich  bereits  mehr  in  anderen  Oeiateewissen- 
schaften  ((Jeechichte,  Jura  usf.)  a\t  gerade  in  der  Philosophie 

0.  Schwindt,  Utrecht  1852,  nam.  S,  11);  De  warheid  en  hare  kenbronoLii, 
Amsterdam  18B8,  2,  Aufl.,  Leyden  1863.  tn>rigens  vertritt  Opz.  andeierscils 
eine  an  Jacobi  erinnernde  Gefoblslehre. 

")  System  der  Logik,  TeU  ^  S.  aOß. 

*)  Siehe  S.  1B6.  AusfOhrliche  ErCrterung  im  Wendepunkt  der  Philo». 
J.  c.  Vgl.  «ich  Gruppes  Bedenken  gegen  Uill  in  Gegenwart  u.  Zukunft  der 
PhiloiL  in  Deutschland  S.  181. 

')  Auguste  Comte  and  PoMüvism,  Westminster  Re».  1865,  April. 


1,1^. OQi 


,g,c 


£  K>intel.    JUltemüne  Geschichte  der  Logik.  IQg 

wibtt  In  dieser  wankte  der  Olanbe  an  den  Panlofrümns  be- 
reite allenthalben.  Daza  kam^i  die  Streitigkeiten  ioneriiolb 
der  flegvlschen  Scbnle,  welche  die  Aufmerksamkeit  der  Ver- 
treter der  H^elecfaen  Lehre  von  des  aoBariialb  der  Sehale 
drohenden  (Gefahren  ablenkten.  Erst  viel  iqiätcr  (t^I.  %  48) 
gelangten  dnrch  dm  sog.  Ken-HegclianiBmns  anch  Hegels 
logische  Ijebrea  wieder  zum  Wort.  Die  Herbartaehe  Schnle 
kam  öb^iaapt  kaum  in  Bctraeht.  Ihr  Ansehen  beschränkte 
äeh  tmt  gttm  auf  päda^ogiKbe  Kreise,  amd  infi^ffe  dinw 
Spestalisiemng  beteiligte  sie  sich  nnr  auverhältninaiMg 
wenig  an  der  allgemeinen  Weiterentwicklung  der  Philo- 
tofäät,  insbeeoodere  der  Logik.  Letsteres  gilt  aneh  von  der 
Frieaehen  Schule,  ans  deren  Mitte  ül»i0enB  Äpelt  sehr  ant- 
Bchiflden  g^en  Mill  auftrat  *}. 

So  blieb  denn  der  Kampf  gegen  die  neuen  Siehtnufen 
laiiäch st  vorzugsweise  Vieren  Schulen  überlassen,  die 
doRli  die  Fichte -Sehelliog- Hegeische  Richtung  zeitweise 
xinückgedränfft  «ordeD  wann,  jetat  aber  uaeh  dem  äeheiteni 
dieeer  System©  sich  wieder  erhoben  und  ihre  alten  Lrtnm 
~~  nun  Teil  allerdings  unter  erheblichen  Umgestaltungen 
und  reformierenden  ÄnpasBungen  —  gegenüber  dem  An- 
shirm  des  Psychologismus,  Seiunuüiaauis  und  Indnktivismns 
verteidigteai. 

Am  «nebligsten  ist  onler  diesen  ReftktioBastrtmunsen  gefen  die  neue 
Logik  dieieilite  derSantscben  Schule.  In  England  trat  tetztere  scbon 
<«tir  fttA  f^en  J.  St  Hill  auf,  mib^  aüerdinRif  manche  seltsame  Hitnr- 
tündstee  und  Umdnlungen  der  Kantscbeit  Lehren  vurkanten.  Die  Bsnpt- 
mtreler  dieser  RicfatunK  waren  Henry  Longneville  Hanftet 
(ta!D-~ie71,  Prolegtnnena  logica,  an  inqtürr  inio  the  psycfaolosieal  charactw 
«( logicftl  processes,  Oxford  1861;  The  liniitfl  of  irilgious  ttiought  etc.,  Ottori 
1^  naiBentL  Leeture  3  u.  b,  S.  14A;  Tke  Umita  of  a  domonstrative  acience 
«Diida«!  in  a  letter  to  the  Rev.  W.  WheweU,  Oxford  1SG3>;  Artis  logicae 
radhnenta,  from  the  text  of  Aldrich,  with  notes  and  introduction,  Oxford 
IW),  William  Thompson  (Outline»  oa  the  necenaiy  la«n  ol  tbouftl; 
*  Instiie  «n  puic  and  apidied  lofic,  London  lSt2,  8.  AuD.  ISSB),  und  •nt 
^lem  William  Hamilton  (1786— 1656^  Lectures  on  mrtaphvsics  and 
knc,  Edinburgh  lacd—iee^  wovon  Bd.  3  u.  4  Lectures  oo  logic^  3.  Aufl., 
^nbnish  u.  London  1866  mit  einem  uhlniche  Fragmente  enthaltenden 
Amendix;  vgl  auch  §  M).  Die  Lebren  des  letzteren  erinnern  QbrtSR»  hier 
and  da  aa  die  später  zn  bewrechenöe  ArifaMong  Bdzanos  (v^  3.  17^,  so 
**im  er  coneapt  und  eoDeeption  miterscfacidet  and  rasteren  wie  alW  Pn>- 
ii^  to  Duften«  der  Lafik,  letxtcoe  wie  alle  Operationen  des  Denk«»  4m 
fnäata^  zniMist  (Logk.  Bd.  S,  L«et  fi,  &  Aufl.,  S.  74,  Eiehc  andi  S.  », 

•)  Dia  Tbrntw  am  Induktioa,  Leipdi  18M,  S,  171 B. 

h.  i.MM,Googlc 


]gg'        I.  T«L    Aberenmns  und  all«emein«  Geschichte  der  Lo^ 

In  Belgien  nahm  E.  T  a  n  d  e  1  einen  ähnlichen  Standpunkt  ein  [Coure  de 
lodove,  Liäfe  18U  *).  In  Italien  rertraUn  Alfonao  Testa  (1784^1860. 
Filoaofia  della  mente,  Piacenza  1686*)  und  später  Carlo  Ca.ntoni 
(IStO— 1906,  Coiso  elementare  di  filosof.,  Uilano  1870,  13.  Aufl.  190S,  Bd.  1} 
den  Kantschen  Standpunkt  gesenDber  den  neuen  Lehren. 

Viel  bedeutsame^'  ist  die  Reaktion,  welche  in  Deutschland  von  der 
wiedererwacbenden  Kantschen  Schule  —  allerdings  eilieblich  sp&ter  —  geEen 
die  Beneke-Comte-Mi tische  Richtung  ausging.  Schon  Cbristian  Ej'nst 
Oottlieb  Jens  Reinhold  (1793—1856)  halte  in  zahlreichen  Werten  o) 
die  Lehren  seines  Vaters  (rgl.  S.  180)  und  Kants  geeenQber  der  Fiebte-Schet- 
ling-Hegelsdien  Richtung,  sfxnM  auch  auf  logischem  Gebiet  mit  relatiT  un- 
bedeutenden Ab&ndanmgen  (Logik  1827,  Vorrede  S.  V)  vertreten.  Aber  erst 
viel  apftter,  nftmlich  im  7,  Jahrzehnt  des  Jahrhunderts  verscbaSte  Mch  der 
Bot:  „Zurück  zu  Kant"  allgemeines  Geher  und  zwar  insbesondere  auch  aul 
dem  Gebiet  der  Logik,  und  kehrte  man  den  Angriü  bzw.  die  Verteidigung 
gegen  die  neue  psTchologiatische,  sensualistische  und  induktive  Logik.  Die 
„kritische  Abhandlung"  Otto  Liebmanns  v.  J.  186&  „Kant  und  die  Epi- 
gonen" bezeichnet  ziemlich  scharf  den  Anfangspunkt  dieser  neuen  Beregung. 
AuaführUcher  und  positiver  wurde  der  neue  Standpunkt  von  Frif^drich 
Albej-t  Lange  (182S — 1876)  in  seiner  Geschichte  des  Materialismus  (Iser- 
lohn 1866^  2.  sehr  vermehrte  AufL  1873,  7.  Aufl.,  Leipzig  190S^  berausgeg. 
von  H.  Cohen)  entwickelt.  Bemerkenswert  sind  darin  vor  allem  aoch  die- 
erheblichen  Zugeständnisse,  welche  L.  allenthalben  der  induktiv -natur- 
wissenschafllichen  Anschauung  macht. 

In  einär  kleineren  unvollendeten  Schrift,  die  H.  Cohen  aus  dem  Nach— 
laB  herausgegeben  hat,  betitelt  „Logische  Studien,  ein  Beitrag  eur  Neu- 
begrandung  der  formalen  Logik  und  der  EAenntufartheorie"  (leertohn  1877, 
2.  AufL  iSBi),  bat  Lange  die  Lehre  vom  Urteil  und  vom  SchhiS  weaentliclr 
gefordert,  wie  in  den  Spezialabschnitten  weiter  zu  erCrtem  sein  wird.  Seine 
Angriffe  richten  sich  hier  viel  mehr  gegen  die  alte  aristotelische,  d.  h.  die- 
metaphysische  Logik  als  gegen  die  neue  psTcbokigistische  und  iaduktiTe.  Der 
letzteren  kommt  L.  sogar  vielfach  weit  entgegen.  Neu  und  selbeUndig;. 
wenn  auch  sicher  unhaltbar*)  ist  die  in  diesen  Studien  entwickelte  Lehre 
Langes,  daß  alle  unsere  Denkbegiitfe  und  BegriffsverhAltnisse  aus  der^ 
Raumanschauung  entspringen. 

Noch  viel  schärfer  wendet  aicli  die  folgende  Generation  der- 
Neakantschen  Schale  gegen  die  psychologistische,  sensua- 
listische  nnd  induktive  Logik.  Es  hängt  dies  einerseits  mit 
der  zunehmenden  Abwendnng  der  Schnle  von  den  Natur- 
wissenschaften nnd  andrerseits  mit  ihrer  Neigung  zu  einer 
rein  lf>gi5chen  (statt  It^isch-paychologischen)  Auffasenn^  dor 


■)  QrdndzOge  eines  Systems  der  Etkenntnisldire  und  Doiktehre, 
Sditesirig  1822,  S.  176B.  (g  109 fL);  Versuch  einer  BcvrOndunf  und  neuen 
Darstellung  der  log.  Formen,  Leipzig  1819;  Die  Logik  oder  die  aUfemeinS' 
Denklonneniehre,  Jena  1827;  Theorie  des  menschl.  ErkenntnisvamCgens  und. 
Metaphysik,  Gotha-Erfurt  1833— IBM;  Lehrb.  der  philos.  prop&devL  Psy- 
chologe nebst  GrundzOgen  der  formalen  Logik,  Jena  1686. 

«)  VgL  A.Riebl,  Vierteliahrsscbr.  f.  «iss.  PhUos.  ISiS.  B.S,  S.H6tL 


Z  KftpiUl.    Allgemeine  Geschichte  der  tosik.  167 

LehnD  Kants  zoBammen.  Nach  Alois  Biehl')  (geb.  1344) 
ungm  aelbfit  in  der  theoretischen  Naturwissenschaft  die 
lUsaehen  der  Sinne  durch  Induktion  und  Experiment  „nuter 
Begrilte  a  priori  gebracht  werden",  om  Erkenntnis  zu  liefern. 
Drb  Mlt^nscb-mathematische  Wissen"  ist  eine  nicht  minder 
areprängliche,  nicht  weniger  wesentlich»  Quelle  des  Er- 
kennens  wie  die  Wahmehmnngstatsacben.  Die  Psychologie, 
imd  speziell  die  physiologische  I%yehologie  wird  ganz  in  den 
Hiot^^ond  gedrängt  Vgl.  auch  ^  57.  Noch  ausgeprägter 
vertritt HermannCohen*)  (1842—1918)  denselben  Stand- 
paukt.  Er  bestreitet,  daß  „in  der  Wahrnehmung  das  natür- 
liche Becht,  die  unmittelbare  Gewißheit,  die  absolute  Quelle 
der  Wirklichkeit"  zn  erblicken  sei  (Prinz,  d.  Inßn.  S.  27). 
Das  Denken  ist  eine  der  Anschauung  ebenbürtige  Erkenntnie- 
qoelle.  Jede  „gegenständliche"  (jed«  „spezielle")  Erkenntnis 
iet  dareh  die  Verbindung  beider  Erkenntnisquellen  bedingt 
d  c.  S.  16).  Später  erklärt  C.  noch  schärfer:  Die  Schwache 
in  der  Grundlegung  Kants  liege  darin,  daß  dem  Denkeu 
>Min  Anfang  in  Etwas  außerhalb  seiner  selbst"  zugeschrie- 
ben werde.  Cohen  lehnt  es  ab,  „der  Logik  eine  Lehre  von  der 
Simlichkeit  voranfgehen  zu  lassMi":  „wir  fangen  mit  dem 
Denken  an".  ,J>as  Denken  darf  keinen  Ursprung  haben 
»Lfierhalb  seiner  selbst . . ."  (Log.  d.  rein.  Erk.  8. 11),  Das  reine 
Ocoikea  in  sich  selbst  und  ausschließlich  muß  die  reinen  Er- 
kenntnisse zur  Erzeugung  bringen.  Das  Zusammenwirken 
von  Anschauung  ond  Denken  ist  also  hier  nicht  erforderlich. 
Ifithin  muß  die  Lehre  vom  Denken  die  Lehre  von  der  Er- 
k™"tnifi  werden.  ,^Als  solche  Lehre  vom  Denken,  welche  an 
öeh  Lehre  von  der  Erkenntnis  ist",  will  C.  „die  Logik  niit- 


1  ndlosopbie  der  Geienwart,  a  AnfL,  Leipzig  190«  (z.  B.  S.  VSStS.); 
In  idnlosoph.  KiitizismuB  u.  a  Bedeutung  iQr  die  pos.  Wissanachal^ 
l^Big  1878,  1879  u.  1887,  2.  Aufl.,  Bd.  1,  1908.  Die  ,3eitra«o  zur  Ugik" 
(VittlelMtiiBscbT.  f.  wiss.  Fhilos.  18^  Bd.  16,  S.  1;  2.  AutL,  Leipzig  1912) 
bchudeln  spezielle  Probleme;  Logik  und  Eiteuntnistfaeorie,  Kultur  der 
'^fmwirt  I,  6,  Beriin  1907.  Eine  Uittelatdlung  zwischeu  der  alteren 
LumcheD  und  der  neueren  Riehlschen  Richtung  mmmt  der  oben  be- 
Kiit  ervfihnte  Otto  Liebmann  in  seinen  spateren  Werken  ein  (1840 
^  1^,  Zur  AnaiTBis  der  Wirklichkeit,  StraBburs  1S76,  i.  AufL  1911;  Ge- 
*«iken  u.  Talsachen  etc.,  Bd.  1.,  Straßburg  1883— 18S9,  Bd.  3,  1901—190*, 
^  Aufl.  1904),  doch  bat  er  togische  Fragen  niemals  auStahrlich  behandelt. 

*)  Kants  Theorie  der  Erfabrong,  Berlin  1871,  3.  Aufl.  ie8&;  Das  Prin- 
^  da  Infiniteaimalmethode  u.  seine  Qeachichte,  Berlin  1889;  Logik  des 
'öuea  EAennen»  (=  System  der  Philosophie.  1.  TeU),  Berlin  1902. 


16S  '•  '^^'    Absrenzunc  und  allgemeiae  Geschicli<e  der  Locik. 

bauen".  lu  diesem  Sinne  spricht  er  auch  von  dem  i,Q«^ 
üpeost  einer  Normalen  Lo^ik".  Der  Lo^ik  muß  die  uatürtiolie 
Beziehung  auf  sachliche  Geltung  wiedergegeben  werden,  „dtw 
Interessengebiet  der  alten  Metaphysik  darf  ihr  nicht  entrüokt 
werden".  ,4>a8  Sein  ist  das  Sein  des  Denkens."  Die  alte. 
von  Parmenides  gelehrte  BelatifHi  der  Identität  von  Denken 
imd  Sein  muß  festgehalten  werden.  Der  BegrifF  fragt:  was 
isti  Die  Antwort  ist  die  „Idee".  Die  letztere  ist  „das  Selbet- 
bewnfltsein  des  Begriffs'',  „die  Bechenschaft  des  BegrtfCs" 
(Log.  d.  r.  Erk.  S.  14).  Für  die  Psychologie  bleibt  lediglioh 
das  Subj^t,  die  Einheit  der  menschlichen  Kultur,  die  Btn- 
heit  des  Bewußteeins  als  Einheit  des  KulturbewoBtseins. 
Die  Logik  hat  es  mit  dieser  Einheit  nicht  zu  tun,  sondMii  mit 
„der  Einheit  des  Denkens  als  des  Denkens  der  Erkenntnis"  "). 

Es  leuchtet  ein,  daß  damit  jede  psychologtstische  und 
eensualistische,  ja  sogar  jede  empirische  Richtung  der  Ijosik 
durchaus  abgelehnt  wird.  Die  induktive  Logik  vcfümI  ilira 
von  Mill  behauptete  Bedeutung.  Zt^Ieich  wird  überhaupt 
die  formale  Logik  beiseite  geschoben  und  die  transeendeatale 
Log]  k  Kants  (vgl.  S.  126)  als  d  i  e  Logik  x««'  ifox^p  hingestellt. 
Die  Logik  hat  danach  lUe  apriorischen  Bedingrui^n  des 
Denkens  eines  Gegenstands  zu  untersuchen.  Aber  Cohen  g^t 
über  diesen  Kantschen  „Transzendentalismus"  noch  hinaus. 
Die  Beziehung  auf  die  Anschauung,  die  Kaut  als  unentbehr- 
lich erachtete,  wird  jetzt  für  das  reine  Denken  ganz  anf- 
gehoben.  Das  reine  Denken  muß  die  reinen  Erkenntniaee 
ganz  aus  sich  selbst  schöpfen.  Und  auch  die  Beziehung  Etun 
Sein  verschiebt  sich.  An  Stelle  der  Kantschen  BeziehoD« 
des  Denkens  auf  Anschaunngien  tritt  eine  etwas  geheimai»- 
volle  Identität  von  Denken  und  Sein.  Die  metaphysische  Be- 
deutung, welche  die  Logik  bei  Plato,  Aristoteles,  bei  den 
Scholastikern,  bei  Hegel  hatte,  wird  jetzt  wieder  ausdrück- 
lich für  sie  in  Anspruch  genommen. 

So  hat  die  neu-kantsehe  Ix^k  in  dieser  von  Cohen  ver- 
tretenen Richtung  nicht  nur  gegenüber  der  psychologisii- 
echen,  sensualiatischen  und  induktiven  Logik  den  KantacbttD 
transzendentalen  Standpunkt  wieder  betont,  sondern  ist  atxdi 
über  diesen  noch  hinausgegangen,  so  daß  sie  einerseits  tnit 


■)  Auf    die    merkwürdige    VberacUtiunS    dw    I 
Welches  C.  lOr  ein  Produkt  du  reinea  De«kena  hUt  und  in  dan 
Punkt  der  Logik  Btelten  vill,  kuin  hier  Dicht  einseganien  werden. 


3  Kapitel.    Allgemeine  Geschiebte  der  Lofik.  169 

äiaw  Bjchtungen,  andreneite    mit    der    alsbald    za    be- 
spfficlienden  logizistischen  zasammentritft. 

Unter  Cohens  SdiOlem  tut  ach  nuDentlicb  Ernst  Gtssirer  (feU 
ISH;  SnhatOTifhegrifl  u.  FunktiombeffriS,  Betlin  1010  il  a.)  auch  mit  Idti- 
■tken  ?nsen  beacbUügt.  Vnwandte  Anschauunien  finden  sich  in  der  von 
}.  Pktter  bersusgegebenen  Logilc  von  Aug.  Stadler  (1860—1910),  Leip- 

Dem  Ck>Iien6chen  Stanijpunkt  steht  Faul  Natorp**) 
fg6b.  2854)  sehr  nahe.  Wie  Cohen  nimmt  er  an  der  Kantschen 
Fordemng  des  durchgängigen  Zusammenwirkens'  von  An- 
Khaanng  und  Denken  ÄnstoB.  Nicht  nur  für  die  Logik  selbst, 
sondern  auch  für  die  Mathematik  soll  eine  rein  logische, 
aprioriBche  Begründung  unabhängig  von  der  Anschauung 
m^lieh  sein.  Die  Unterscheidung  einer  „reinen  Anschauung" 
und  eines  „reinen  Denkens"  im  Eantschen  Sinne  wird  über- 
haupt preisgegeben.  Dabei  wird  doch  ein  Zusammenfalien 
<ier  Logik  mit  der  Mathematik  bestritten  ").  Die  Mathematik 
ist  wie  die  Naturwissenschaften  eine  konkrete  Wissenschaft 
und  als  solche  direkt  auf  ihren  besonderen  Gegenstand  ge-  - 
richtet,  während  die  Lc^ik  die  Gesetze  der  Synthese  selbst, 
vonach  irgendein  „Gegenstand  der  Wissenschaft  sich  zum 
Gegreostand  erst  gestaltet,  also  die  Gesetze  des  Wissen- 
schaffens aJa  solchen  feststellt".  Die  Logik  kann  daher  als 
eine  „neue  Art  der  Beflexion"  bezeichnet  werden.  Der 
1*¥ische  Charakter  kommt  der  Mathematik  nur  zu,  insofern 

■*)  Die  logischen  Grundlagen  der  exakten  Wissenschalten,  Leipzig- 
Berlin  1910,  u.  AUg.  Psychologie  nach  kritischer  Methode,  1.  Buch,  Tobingen 
W13,  nam.  S.  MB.  u.  aOOfl.;  Logik  (Grundlegung  u.  log.  Aulbau  der  Math. 
n.  math.  Naturwissensch.}  in  Leitsätzen  zu  ak.  Vories.  19M,  2.  Aufl.  Mar- 
targlBia 

'>)  Ein  solches  Zusammenfallen  lehrten  von  anderem  Standpunkt  aus 
GoUk«)  Frege  (Die  Grundlagen  der  Aiithm.  etc,  Breslau  18»,  S.  99, 
S  87;  Funktion  u.  Begriff,  Jena  18B1,  S.  IttO.;  Grundgesetze  ddr  Arith- 
»tik  etc.,  Jena  1808  u.  19»),  Bertraod  A.  W.  Russell  (An  essky  on  Ibe 
'nsdalions  ol  geomelrr,  Caübr.  1897;  The  Problems  of  idiilosoiAy,  Lon- 
in  in*  (Kap.  7  u.  9— 1»);  The  principks  of  matbematica,  Bd.  1.  Cam- 
bridge 190B;  La  Uiteiie  des  types  logiques,  Rev.  de  mätaph.  et  de  mar. 
ino^  Bd.  1^  S.  263;  Amer.  Jouro.  of  Math.,  Bd.  30,  S.  238;  Mind  19ll\ 
U.  18,  3.  aOi  Ober  Heiuings  Lehren;  Hiilos.  Rer.  1906,  Bd.  16,  S.  400), 
*ä.  Ntnth  'Whitehead  (A  trmtise  on  universal  aJgebra.  with  aptdicatienst 
^  1,  Cunbr.  ISBS),  Louis  C  o  u  t  u  r  a  t  (Lea  principes  des  matbömatiques, 
Paris  1906,  deutsch  von  C.  Siegel,  Leipzig  1906;  Die  Priniipien  der  Logik 
■n  Bnzrttep.  d.  philos.  Wisaensch.,  Bd.  1,  Tobingen  1913,  S.  137—301;  Rev. 
^  nttaph.  et  äe  mor.  190*,  Bd.  1%  ä  1»«.,  1906,  Bd.  IS,  S.  SW^  191% 
U.  30,  a  1]  u.  a.    VgL  auch  3  Ul 

„.,.,, :,>..OO^SIC 


370         L  '^^-    Abfrenzunc  und  allcemeine  Gesdiichte  der  Logik. 

ihre  Onmdbegriffle  dnrch  die  Logik  dargeboten  mid  zi^leicb 
Belbflt  Begriffe  der  Logik  sind  nud  ihre  erfiteu  Orandsätze  iu. 
den  Gesetzen  der  Logik  enthalten  oder  ans  ihnen  ableitbar, 
nicht  blofi  in  irgendeinem  allgemeinen  Sinne  logisch,  d.  h. 
widersprnclufrei  und  zusanuncnhängend  sind. 

Den  Standpunkt  der  rein-formalen  Logik  verwirft  dem- 
gemäß anch  N.  durchaus.  Diese  formale  Bichtung  der  Logik 
beschränkt  nach  N.  die  ganze  Leistung  der  ßrkenntniB  auf 
die  analytische  Verarbeitung  dinglicher  Inhalte,  die  auf 
dem  Wege  der  Wahrnehmung  ihrem  'wesentlichen  Bestand 
nach  vorauBgegeben  sind,  und  äbersieht,  daß,  wie  Kant  ge- 
zeigt hat,  die  vorausgegebenen  Dinge,  soweit  von  solchen  zu 
reden  überhanpt  Sinn  hat,  vielmehr  voraus  vollzogene,  aber 
nicht  immer  rein  und  richtig  vollzogene  Synthesen  „eines 
primitiven  Verstandes"  sind.  Bei  dieser  von  Kant  fest- 
gestellten Sachlage  kann  die  Analyse  allerdings  wolil 
auch  zu  richtigen  Ergebnissen  führen,  die  letzteren  aber 
niemals  „ans  sich  verstehen  und  rechtfertigen",  während  die 
Absicht  nicht  widersinnig  sein  soll,  die  Synthesis  „zum 
Verständnis  zu  bringen  und  sicherzustellen  auf  dem  Weg 
der  Synthesia  selbst". 

Die  hiermit  verlangrt«  „synthetische  Begründung"  des 
Krkennens  will  N.  in  genetischem  Sinne  verstanden  wissen. 
Die  Möglichkeit  der  Erfahrung  als  Wissenschaft  im  Sinne 
der  transzendentalen  Ixtgik  Kants  untersuchen  bedeutet  nach 
N.  den  unendlichen  Werdeprozefi  der  Wissenschaft,  von  dem 
bereits  Plato  gesprochen,  aufdecken.  Man  „setzt"  bei  dieser 
unendlichen  Aufgabe  notwendig  irgend  etwas  zum  einst- 
weiligen Anfang  und  sucht,  indem  man  einerseits  hinter 
diesen  Anfang  wieder  zurückzugehen  strebt,  andrerseits  über 
jeden  scheinbaren  Abschluß  wieder  hinausdringt,  zu  immer 
fundamentaleren  Voraussetzungen  und  schließlich  zu  einem 
Voraussetzungslosen  zu  gelangen.  Das  Voraussetzungsloee 
kann  aber  nichts  anderes  sein  als  „das  Gesetz  dieses  ganzen 
Prozesses",  ,M  Piatos  Sprache  das  Gesetz  des  Jjogos',  daa 
ürgesetz  /les  Logischen'  oder  das  Gesetz  des  reinen  Denkens'*. 

Man  darf  diese  „genetische"  Auffassung  Nat»rps  natür- 
lich in  keiner  Weise  psychologisch  auffassen.  „Jeder, 
anch  der  entfernteste  Schein  einer  Begründung  im  Subjek- 
tiven des  Denkerlebnieses"  soll  gründlich  beseitigt  sein. 
Ebensowenig  darf  man  von  einem  „gegebenen"  Gegen- 
stand reden  und  also  auch  nicht  von  der  Erk^mtnis  als 


1,1^. OQi 


,g,c 


t  Kttpitel.    Allnmeiii«  Geschichte  der  Lc«ik.  ny 

UoBer  Analyse  dieses  O^rebenen,  sondern  „gerade  der 
Gegenstand  ist  Anfgabe,  ist  Problem  me  Unendliche", 
vobei  N.  offenbar  den  anf  dem  Wßg  der  Reflexion  nnter- 
nshten  synthetischen  Prosessen  eine  Sonderstellung  in  oder 
sogar  anSerhalb  des  Gegebenen  zuweist.  SehlieBIicb  denkt 
sieh  Natorp  das  gesuchte  ursprüngliche  als  eine  Einheit,  die 
veder  Bejahong  noch  Verneinung,  weder  Identität  noch  Ver- 
Behiedenbeit,  weder  Syntbesis  noch  Analysis  ist,  sondern 
,^Dsammenhang**  durch  „Ursprungseinheit".  Die 
Präge  des  „Ursprung'«"  —  den  Aasdmck  „Urspmnjr" 
batte  schon  Cohen  in  fast  gleichem  Sinne  gebrancht  **)  — 
bezeichnet  sonach  die  universale  Aufgabe  der  liogik. 

Nalom  stehen  unter  den  iflnseren  Forachem  nahe:  Weither  Kin- 
tel,  Beiträge  zur  Erkenntniduitik.  GieBen  1900,  u.  Idealismus  u.  Raalis- 
nm,  GGttingen  1911,  sowie  Nicolki  Hartmftnn,  Systematische  Me- 
thode, Logos  1913,  Bd.  3,  S.  121. 

Der  Ziisammenhang  dieser  Natorpechen  Anffassong  der 
Logik  mit  der  Kantschen  transzendentalen  Logik  ist  nnver- 
kennbar,  andrerseite  geht  auch  Natorp  wie  Cohen  erheblieh 
aber  Kant  hinaas  und  nähert  sich  mit  seiner  vollständigen 
Ablehnung  des  i»yohologiBch-indtiktiven  Standpunkts  gleich- 
falls der  logizistischen  Bichtnng.  Bemerkenswert  sind  wieder 
die  vielfachen  Ubereinetimmongen  mit  Plato  und  Hegel. 

Auf  dem  Boden  des  filtereo  Neukantianismus  steht  auch  zum  Teil 
Job.  Tolkelt  («eb.  IBiß;  Erfahrung  n.  Denken,  Hamburg-Leipzig  1886; 
Kc  Ouellen  der  meDschl.  GewiBheit,  Manchen  1906,  u.  Ztschr.  f.  Philos.  u. 
rtdoi.  SiiL  188»,  Bd.  96,  S.  27  n.  -1990,  Bd.  »7,  S.  26  sowie  1915,  Bd.  157, 
&  IBS}.  Er  fordert  mit  den  meisten  Kantiaitem  im  Sinn  des  sog.  PbAnomena- 
Ünmis  die  Existenz  transsubjeküver  Wesenheiten.  Zugleich  n&hert  er  sich 
*l>er  den  im  folgenden  Paraeiaphen  zu  besprechenden  Logiziaten,  indem 
M  auBer  der  Erfahrungagewißheit  eine  Ober  das  Gegebene  hinausgehende, 
Tan  ihm  unaUi&neige  Gewiflheit  der  Denknotwendigkeit  annimmt. 

K)ch  niher  steht  der  ursprOnglicben  Ldira  Kants  die  Schrift  von 
E-  Harens,  Die  Elementariehre  zur  allgemeinen  Logik  und  die  Qrund- 
iQie  der  Inui  szendental  es  Logik,  Herford  1906  •*)  (s.  namentlich  S.  IM  ff.). 
Auch  Anklinge  an  Bolzanoscbe  S&tze  (s.  unten)  finden  sich  hier. 

Auch  in  Frankf«ch  hat  sich  eme  Schule  im  Sinn  eines  Neukantianis- 
»Ui  unter  dem  EinflnB  namentlich  von  Charles  Renouvier  (1S15  bis 
13CB)  entwickelt,  jedoch  in  einer  wesentlich  Teischiedenen,  vorzugsweise 
PbbioFaeDalistiscben   Richtung.      Eine    selbständige    Darstellung    der   Ix^k 

")  Nur  hat  Cohen  für  die  Frage  des  Drsprungs  eine  Antwort  zu 
haben  geglaubt  und  daher  an  Stelle  der  Fnce  ein  Prinzip  des  Ursprungs 
iwetri. 

>*]  Eine  zweite,  unter  dem  Titel  Logik  1911  erschienene  Anagabe  war 
'"it  nicht  zngändich. 


172         I-  "^^    Abtrennmg  und  allsemein»  Geschichte  der  Logik. 

ist  «US  ihr  nicht  hervonegangea.  Renouvier  sdbst  hat  die  Katfsorienldin 
Kanta  erfaehUch  umgestallct,  sonst  aber  logische  Fngen  9.  str.  nur  nebenher 
behandelt  (Essais  de  Crilique  generale,  1.  Logique^  Paris  ISU;  2.  Aufl.  tBl6, 
3.  Aufl.  IB12  u.  d.  Titel  Trait£  de  logique  generale  et  l<wi(lue  formale  u. 
Les  cat^gories  de  la  raiMii  et  la  roMaphTBique  do  l'absolu,  Annte  ^k>- 
sophidue  1886).  Dasselbe  gilt  von  Octave  Hamelin  (1866—1907),  der 
in  seinem  Essai  sur  les  älfaoenls  principauz  de  la 'repi^entation  (I^ris 
1907)  die  Benouvierachen  Kategorien  deduktiv  lu  entwickeln  versucht.  Die 
logiachen  Arbeilen  von  Jules  Lachelier  (gebiven  1832),  der  ebenfalls 
von  Kant  ausginf,  aber  seine  Lehren  in  dotmatisierender  spiritualistlschef 
Rit^tuni  umgestaltet  hat,  betreten  namentlich  die  Lehre  ron  den  SchlOMen 
und  «erden  daher  oni,  splter  berOcksicht^  werden  (De  natura  syllogiaad, 
Paris  1871;  Eludes  sur  le  svllogisme  etc^  Paris  1907;  [emer  Du  fondement 
de  l'induclioD,  Thise  de  Paris,  1871,  2.  Aufl.  Paris  1886,  i.  Aufl.,  1««)  '.  In 
Holland  hat  Cornelius  Bellaar  Spruyt  (gestorben  1001)  ein  Leer- 
boek  der  formale  Logica  (postum  Huriem  IWSI)  von  einem  etwas  modi- 
fiziertea  Kantsehen  Standpunkt  aus  verfaßt 

§  45.  b.  Logizistlsclie  (Je^nstrSmQDf .  Boizano.  &«ntaiio. 
Hnueri.  Helnong.  Eine  andere  Gegenströmung  gegen  die 
psychologistisch-seusualistiscb-mdaktive  Ricbtang  ist  von 
der  neokantscben  Bewegung  iu  ihren  Ausgangspunkten  tost 
ganz  unabhängig,  wenn  sie  auch  in  ibrer  weiteren  Entwick- 
lung sich  mit  ihr  in  nicht  wenigen  Paukten  begegnet>  Die 
gemeinBame  Orundlefare,  von  der  alle  Anbänger  dieser 
zweiten  Gegenströmung  ausgeben,  ist  der  Satz,  daß  außer 
den  Empftudnngen  und  den  aus  ihnen  iierTorgegaOgenen 
Vorstellungen  sowie  den  etwa  syntbetiech  für  die  Empfln- 
dungsn  als  Grundlage  uima«hmendea  Dingen  an  aiob  d» 
Logisehe  in  irgendeiner  Weise  eine  eigene,  selbständige 
Existenz  hat,  also  gewlssermaBen  neben  den  psychischen 
Vorgängen  der  Empfindungen,  der  Vorstellungen  und  des 
Denkens  und  neben  den  Dingen  an  «iob  (oder  wie  mau  soast 
das  den  Ihnpflndungen  zngronde  Liegende  nennen  will)  ein 
drittes  ßein  darstellt  Die  nahe  Verwandtschaft  mit  dem 
scholastischen  lEealismus  (vgl.  ^  17)  llegi  auf  der  Hand.  Zu- 
gleich leuchtet  ein,  daQ  jede  psychologistiscb-sensualiatiBche 
Auffassang  der  Logik  mit  dt«een  Lehren  ganz  anvapeinbar 
ist.  Da  die  meisten  Anhänger  der  letzteren  auOerdem  fttr 
die  Auffassung  dieses  spezifisch  Logischen  eine  ganz  iK- 
Bondere  Tätigkeit,  die  nicht  auf  gewöhnliche  sammelnde  Kr- 
fahnmg  gegründet  Ist,  annehmen,  so  mußte  auch  ein  scharfer 
Gegensatz  zu  der  Millscben  induktiven  Richtung  der  Logik 
hervortreten.  Dagegen  könnt«  sich  die  in  Bede  stehende 
Lelire  verhältnismäßig  leicht  mät  der  Eantacheo  transzen- 


_.ooglc 


2.  Kapitel.    Allgemeine  Geachichte  der  Logik.  173 

dntaloi  Logik  abfinden. .  Das  speaiflsoh  Logifiche,  dem  Jen« 
wUafcKBdiBe  I^xiaienz  zogesehrieben  vord«,  soUto  eben  auch 
dwjeoigd  sein,  was  naeh  Kant  die  Erfahrung  allererBt  mög- 
tich  jnoeht  Ein  weBenüicber  Unterschied  blieb  dabei  (rei- 
lid  insofern,  als  nach  Kaut  dies  Lt^ische  sich  auf  inhalts- 
leere Formen  beschränkt,  während  die  neue  Bichtnng  für 
das  qtezifiaeh  Logiscbe  aneh  einen  mannigfachen  Inhalt  in 
Aoiqiraoh  nahm  nnd  hin  und  wieder  es  fast  im  Sinne  eines 
Dings  an  sieh  behandelte.  Da  indeä  die  neu-kantscbe  ßich- 
tong  diesem  Daaliarnns  von  Inhalt  and  Form  nicht  tren  ge- 
blieben war,  so  mudte  der  genannte  Unterschied  gegenüb» 
dieera  Biehtong  viel  au  Bedeatung  verlieren.  Eine  zn- 
oehnMude  Konvergenz  der  beiden  Bichtnngeu  ist  daher  anch 
in  den  letzten  Jahrzehnten  onverkeunbar. 

Die  so  gekennzeichnete  Biehtung  wird  im  folgenden 
^n  die  logizistische  genannt  werden,  nm  auf  die 
Hanptlehren  von  der  selbstAudigen  Existenz  spezifleeh  logi* 
echer  Gebilde  hiDSuweisen.  Sie  steht  in  vielen  Beziehungen 
in  einem  ähnliehen  Verhältnis  zu  den  älteren  Neukantianern 
(Biebl,  I^nge)  wie  B%el  zu  Kant  selbst  0. 

Als  ihr  Begrndder  ist  Bernard  Bolzano  (1781  bis 
1848)  EU  betrachten.  In  seinem  Hauptwerk  „Wisaenscbafts- 
lehre" ')  (vgl.  auch  S.  10)  stellt  Bolzano  die  Behauptung  auf, 

'}  Zuerst  bat  wohl  L.  Busse  die  Bezeichnuns  , J,  o  e  i  s  m  u  s"  tQr  die 
Hnaserlscbe  Logik,  aläo  einen  speziellen  Zweig  der  in  Rede  stehenden 
Ricbtong  gäiraucbt  (Ztschr.  f.  Psvch.  u.  Phys.  d.  Sinn.  19(6,  Bd.  3%  S.  153). 
kfa  bibe  dieselbe  Bezeichnung  für  die  ganze  Richtung  vorgeschlagen  (Er- 
tmntniitbeorie,  Jena  IftlS,  S.  iil\  dann  aber  durch  die  Bezeichnung 
Logiiiimus  eraetzl  (Z.  g^enw.  Standp.  d.  Erkenntnistheorie,  Wies- 
bxden  leu^  S.  33),  da  der  Terminus  .^'Ogistik."  seit  langer  Zeit  nament- 
lich in  Frankreich  für  die  sog.  algebraische  Logik  gebraucht  wird.  Auch 
E.  Oiooa  (Ztschr.  f.  Psycho).  191SI  Bd.  62,  S.  271)  verwendet  die  Bezeich- 
DUM  JLi^iziBmucr  Uinlich  wie  idi.  —  Von  „Logistik"  spricht  z^  B.  schon 
Franz  Vieta  im  Sinn  von  Rechenkunst  und  Algebra  (vgl.  S.  228).  W.  Tr. 
Km«  (vgl  S.  131)  gibt  im  Philos.  BandwOfterbuch  an,  .J^ogisUk"  bedeute 
eigeatlicb  Rechenkunst,  werde  aber  zuweilen  auch  für  SvUogistik  (ebraucbt. 
Die  bestimmte  Einschränkung  der  Bedeutung  auf  die  algebraische  Logik  er- 
loigle  i-  J.  1904  durch  Cuuturat,  Itelson  u.  LaJande  (Rev.  de  mftaphys.  et 
de  011».  19M,  Bd.  12,  S.  1012;  s.  auch  Meinong,  Zlscbr.  f.  Philos.  u.  philoa. 
Kiit  1WI7,  Bd.  130,  S.  13).    Vgl.  auch  S.  99. 

*)  Sulzbach  1887  (4  Bde.).  Der  1.  u.  2.  Band  ist  inzwischen  in  einem 
cnginalgetreuen  Neudruck  von  Alois  HOfler  wieder  herausgegeben  worden 
(Läpzig  1914  u.  1915).  Von  sonstigen  Schriften  Bolzanos  kommt  für  die 
Logik  namentlich  noch  in  Betracht:  Wiasenschaltslehre  u.  Religionswissen - 
»duli  in  einer  beurteilenden  Übereicht,  Sulzbacb  1841  (anonym  erachiesen); 

„.,,„,  ^.oogic 


174  I-  '^^-    Absrenzuiw  und  aUveoMiiie  Geschichte  der  Logik. 

daS  es  niclit  nur  ^redachte  (und  «ventoell  ausgeBprocliene) 
Sätze,  sondern  aoch  „Sätze  an  sich"  g«be,  und  definiert 
den  Satz  an  sich,  als  „irgendeine  Aussage,  dafi  etwas  ist  od^ 
nicht  ist,  gleichviel  ob  diese  Aussage  wahr  oder  falsch 
ist,  ob  sie  von  irrend  Jenuind  in  Worte  gefaßt  oder 
nicht  gefaßt,  ja  auch  im  Geiste  nur  gedacht  oder  nicht  ge- 
dacht worden  ist"  (Wissenschaftslehre,  Bd.  1,  S.  77).  Die 
Bezeichnung  „Aussage"  darf  also  offenbar  hier  nicht  wört- 
lich verstanden  werden:  Qas  Ausgesagtwerden  und  sogar 
das  Gedachtwerden  und  ebenso  das  Färwahrgehaltenwerden 
kommt  dem  „Satz  an  sich"  nach  B.  im  Gegensatz  zum  Urteil 
nicht  notwendig  zu,  er  ist  von  ihnen  unabhängig.  Andrer- 
seits zeigt  die  Anwendung  des  Terminus  „Aussage"  auf  die 
Sätze  au  sich,  daß  B.  unter  letzteren  auch  nicht  etwa  Tat- 
sachen der  sog.  Wirklichkeit  versteht  ,J)er  Satz  an  sich, 
der  den  Inhalt  des  Gedankens  oder  Urteils  ausmacht,  ist 
überhaupt  nichts  Elxistierendee". 

Der  ,3atz  an  sich"  ist  seinerseits  wieder  zusammen- 
gesetzt aus  „Vorstellungen  an  sich"  (S.  99  u.  216).  Als  Bei- 
spiel eines  Satzes  an  sich  führt  Bolzano  u.  a.  an:  Dasjenige, 
„was  durch  die  Worte:  ,ein  gleichseitiges  Dreieck  ist  auch 
gleichwinklig*  auegedräckt  wird,  falls  sie  auch  niemand  liest 
und  versteht".  Was  dabei  durch  den  Anblick  der  Worte  im 
Lesenden  erzeugt  wird,  ist  im  Gegematz  zum  Satz  an  sich 
ein  gedachter  Satz;  was  diejenigen  Leser,  „welche  die 
Wahl-heit  dieses  Satzes  erkennen,  bei  seiner  Aussprache  tun, 
nur  das  erst  ist  ein  Urteil"  (S.  99).  Die  „Wahrheiten  an  sich" 
sind  „eine  Art  von  Sätzen  an  sich",  nämlich  solche,  die  etwas 
aussagen,  so  wie  es  ist  (S.  112  u.  121).  Auch  die  Wahrheiten 
an  sich  haben  also  „kein  wirkliches  Dasein'),  d.  h.  sie  sind 
nichts  Solches,  das  in  irgendeinem  Orte,  oder  zu  irgendeiner 
Zeit,  oder  auch  sonst  eine  Art  als  etwas  Wirkliches  be- 
stände".    Nur   erkannte    oder   gedachte    Wahrheiten 

Paradaxien  des  Unendlichen,  Leipzig  1851  (aoasUt.  Neudnick,  Berlin  1689)- 
Uber  Bolzano  vrI.  Hugo  Befginann,  Das  Philosoph.  WeA  B.  Bolzanos,  Ball« 
1909,  u.  Gerii.  Gottliardt,  Bolzanos  L*hre  v.  Satz  an  sich  in  ihrer  metbodo- 
Icgischeo  Bedeutuns,  Berlin  1906. 

*)  Uan  beachte  also  wohl,  daß  Bolzano  hierin  —  bei  aller  sonstiien 
übereinatimmuns  —  von  den  scholastischen  Realisten  abweicht  D»* 
Wahre  und  das  Seiende  ist  tflir  B.  nicht  identisch,  die  Wahriieit  ist  nicbl 
auf  existierende  Gegenstände  beschFftnkL  Im  Obrigen  meint  aber  Bolu"*' 
selbst,  daS  seine  Wahrheit  an  sich  schon  dem  Thomas  v.  Aquino  u.  >■ 
vorgeschwebt  habe  (Wissenschattslehre  I.  S.  HS  f.). 


2.  KapiM.    AllBemeine  Geschichte  der  Logik.  175 

hbea  „in  dem  Gemütfae  desjenigen  Weaeitö,  das  sie  erkennt 
odei  denkt,  ein  wirkliches  Dasein  zu  bastinunter  Zeit".  Die 
Wahriieiten  an  sich  können  sich  anf  Wirkliches  beziehen, 
und  aber  nicht  dieses  Wirkliche  selbst  und  können  sich  auch 
saf  Nicht- Wirkliche»  beziehen.  Was  nnn  eigentlich  ein  Satz 
an  sieh  bedeutet  außer  dem  objektiven  Tatbestand  und  auAer 
(!em  fiabjektiveu  Tatbestand  des  Denkens  bzw.  Gedacht- 
Terdens,  klärt  B.  trotz  aller  Ausführlichkeit  nicht  aof. 
Wenn  man  ihm  vorhalten  würde,  daß  alle  falschen  Sätze 
nnrim  Gedaohtwerden,  alle  richtigen  „Sätze"  gleich- 
falls im  Oedachtwerden  vorhanden  sind  und  außerdem  den 
letzteren  Gesetze  des  objektiven  Tatbestandes,  d.  h.  in- 
duktiv festgestellte  Ähnlichkeiten  im  Gegebenen  und  seinem 
Ablauf  entsprechen,  so  würde  in  seinem  Werk  keine  Ant- 
wort zu  finden  sein,  was  diese  ,3ätze  an  sieh"  nnn  aoßerdem 
noch  sein  sollen.  Er  sf^  nicht,  was  es  bedeutet,  daß  es 
Sätze  an  sich  „gebe".  Auch  seine  Anseinondersetzang  über 
den  Sinn  der  Behauptung,  daß  es  Wahrheiten  an  sieb 
gebe  (Wissensehaftslehre  ^  30),  hilft  keinen  Schritt  weiter: 
ima  Bolzano  erläutert  diese  Behauptung  dahin,  „daß  ge- 
visae  Sätze  die  Beschaffenheit  von  Wahrtieiten  an  sich 
haben",  versäDDit  aber  aach  hier  mitsuteilen,  was  es  bedeuten 
soll,  daß  es  Sätze  an  sich  gebe.  Der  Sinn  des  Satzes:  „es 
^bt  gefallene  Engel"  wird  nicht  deutlicher,  wenn  ich  sage: 
er  bedeutet,  daß  gewisse  Engel  gefallen  sind.  Die  Schwier^- 
keit  der  Bolzanoechen  Lehre  wird  noch  größer  daduivh,  daß 
er  die  Vorstellung  an  sich,  obwohl  sie  den  „Stoff"  einer  ge- 
wöhnlichen —  gedachten  —  Vorstellung  abgeben  kann,  doch 
dorchaus  von  dem  „Gegenstand"  der  gedachten  Vorstellung 
—  d.  h.  dem  „Gegenstand,  anf  den  sich  eine  gedachte  Vor- 
stellung bezieht"  —  unterscheiden  will  (§  49).  In  der  Tat 
haben  die  Nachfolger  Bolzanos,  wie  sich'  nuten  ergeben  wird, 
mm  Teil  an  diesem  schwachen  Punkt  seiner  Beweisführung 
mit  ihrer  Weiterbildung  seiner  Lehre  eingesetzt. 

Zunächst  blieben  Bolzanos  Gedanken  fast  ganz  un- 
tieacbtet.  Der  katholischen  Theologie  war  er  zu  wenig  scho- 
lastisch, insofern  er  sich  zn  weit  von  den  kirchlich  anerkann- 
ten scholastischen  Auffassung  entfernte  —  er  verlor  sogar 
i.  J.  1820  seine  Professur,  weil  er  sich  weigerte,  seine  Lehren 
m  widerrufen  — ,  der  nicht  katholisch-theologischen  Philo- 
sophie war  er  größtenteils  zu  scholastisch,  zumal  er  gelegent- 
licii  davon  spraoh,  daß  die  Wahrheiten  an  sich  doch  wenig- 

„.,,„A.f>OglC 


176  "-  ^*^    Abcrrazuiut  und  allgemune  Geschichte  der  Logik. 

Btens  von  Gott  als  dem  Allwüsendeu  fortwäIu«iid  vor- 
gMiellt  würden  (z.  B.  I.  c.  S.  113).  Erst  aa£  eiDem  Umweg 
Tflisehaffien  sieb  seine  Lebren  in  den  letsten  30 — 10  Jahren 
langsam  einen  verapäteten  Einfluß.  Eine  Bichtnnff  der 
Psychologie  nämlioh,  die  Brentano  voe  etwa  40  Jahren 
einsehlng,  brachte  dem  Grundgedanken  Bolsanos  eine  in- 
dir^te  Hilfe. 

Franz  Brentano  (1838— 1917)  bat  selbst  kein  logi- 
sches Werk  verfaßt,  aber  sein  psycfaologifiches  Hauptwerk 
„l^ychologie  vom  empirischen  Standpunkt"  (Leipzig  1874)  *) 
ist  für  die  psychologische  Orundlegung  der  Logik  so  wichtig 
und  insbesondere  auch  für  die  Weiterentwicklung  der  Bol- 
utnoschen  Richtung  der  Logik  so  bedeutsam,  daß  es  auch 
in  der  Gesehiehte  der  Logik  erwähnt  werden  muß.  Brentano 
lehrte  nämlich,  daß  alle  psychischen  Phänomene,  d.  h. 
alle  „Vorstellungen,  Urteile  und  Phänomene  der  Liebe  un3 
des  Hasses'*  sieh  durch  „die  Beziehung  auf  etwas 
als  Objekt"  von  den  psychischen  Phänomenen  unter- 
scheiden. Im  Anschluß  an  unliebe  Lehren  mancher  Scho- 
lastiker bezeichnete  er  dies  charakteristische  Merkmal  auch 
als  „intentionale  Inezistenz  [eines  Gegenstande s'V 
deutsch  etwa  „Beziehung  auf  einen  lühalt"  oder  .Richtung 
auf  ein  Objekt"  oder  immanente  Gegenständlichkeit"  (1.  c. 
S.  115  n.  127 ff.)«).  Weiter  schUeßt  dann  Br.,  daß  eine 
Wahrnehmung  im  eigentlichen  Sinne  nnr  von  den  psychi- 
schen 'Phänomenen  möglich  sei,  und  daß  nnr  den  letzteren, 
außer  der  intentionalen,  auch  eine  wirkliche  Existenz  zu- 
komme, während  die  physischen  PhänMuene  nnr  „phäno- 

*)  Vgl.  auch  Von  der  Klassifikation  psychischer  Phänomene,  Leipzigs 
1911,  neue,  durch  NachtT&ge  stafk  vermehrte  Ausg.  d.  Psn^boL  v.  enuiir. 
Standp.,  namentl.  S.  &S  u.  71.  Uanche  EixänzuDsen  auch  in  der  Schrift 
„Vom  UrspnmB  sittlicher  Eikenntnia",  Leipzig  1889.  Von  Brootauo)  Logik 
handelt  u,  a.  W.  Enoch,  Franz  Brentanos  Beform  der  Logik,  Fhiloa.  Mo- 
natshefte 1893,  Bd.  2d,  S.  483. 

')  Terminologisch  ist  flbrigens  sehr  miBlich,  daB  Br.  einerseits  das 
chaiAteristische  Meikmal  der  psTchischen  Phänomene  als  „intentionale  In- 
existeoz"  bezeichnet  (wo  also  streng  genommen  Inesislenz  t=s  Enthalten) 
und  andrerseits  von  einer  ,4ntentionalen  Inezistenz"  des  Gegenstan- 
des <al£o  doch  wohl  i^=  Enthaltensein)  im  Sinn  einec  Eigenschaft 
dieses  Gegenstandes  spricht.  Dazu  kommt,  daB  Br.  auBerdem  den  Aus- 
druck „intentionale  Existenz"  imracht,  welche  sowohl  den  physiacbea 
wie  den  psTchischen  Phinomenen  zukommen  soll  (S.  127  a  122}.  Ich 
bezeichne  die  int.  Inexistenz  im  ersten  Sinn  als  „Intentionali tat". 


OgIC 


2.  Kapitel,    ungemeine  Qeschichte  der  Logik.  ]77 

aesal  and  inteutional"  bestehen  sollen.  Dia  Empflndimgen 
ab^kte'*  ^hör«n  zn  den  psychischen  Phänomenen 
^  l(ß,  129),  die  in  ihnea  intentional  inexistierenden  Inhalte 
(Objekte)  sind  physische  Phänomene  (S.  127  n.  129). 
Wie  sich  diese  physischen  Phänomene,  auf  welche  sich  die 
Gmp0ndung8akte  beziehen,  zu  den  äußeren  ÜTsachen  der 
fin^findnnsr,  welche  außerdem  von  Br.  angenommen  wer- 
den (S.  128/9),  verhalten,  wird  nicht  näher  erörtert  nnd  nur 
«isdräcklich  die  Anwendung  des  Ausdrucks  „physische 
I^ÜDomene"  auf  die  in  den  äuBeren  Ursachen  wirksamen 
Kräfte  als  mifibräuchlich  bezeichnet  (S.  128).  Besonders 
bedentsam  wird  diese  ganze  Lehre  Brentanos  dadurch,  daß 
»auch  von  physischen  Phänomenen  der  Phantasie 
spricht  <S.  127  u.  129).  Ob  er  diese  als  direkte  Objekte  der 
Phantasie  betrachtet  oder  eine  Vermittlong  dnrch  die  Emp' 
flndnngsinhalte  annimmt,  ist  nicht  ersichtlich.  Jedenfalls 
sollen  diese  physischen  Phänomene  der  Phantasie  nicht  in 
das  Bereich  der  Naturwissenschaft  fallen. 

Über  die  Natur  der  Gegenstände,  welche  den  psychischen 
Phänomenen  inexistieren  und  auf  welche  diese  sich  im  Sinne 
eines  Aktes  beziehen,  bleiben  somit,  obwohl  sie  von  Br.  als 
physische  Phänomene  bezeichnet  werden,  noch  viele  Zweifel. 
Wir  hören  eben  nur,  daß  den  physischen  Phänomenen  keine 
wirkliche,  sondern  nur  intentionale  Existenz  zukommt 
(S.  122).  Namentlich  bleibt  auch  ihre  Beziehung  zur  Logik 
fanz  unklar.  Überhaupt  hat  Brentano  selbst  aus  seiner  all- 
fmneinen  Inteationslehre  für  die  Logik  keine  weiteren 
Folgerungen  gezogen*),  insbesondere  auch  keine  Anknüp- 
fong  an  die  Bolzanosehen  Aufstelltmgen  versucht  Selbst, 
wie  sieh  psychologisch  dieses  „einen-Oegenstand-Bnt- 

*}  Die  logischen  Grörtenuigeii  S.  3Ü3t(.  habea  mit  jenem  allgemeinen 
anz  keinen  notwendigen  Zusammenhang,  sondern  beziehen  sich  aul  spe- 
^Ue  Fragen  ^r  Lehre  vom  Urteil  und  Schluß  und  sollen  daher  etai  un 
lienellen  Teil  berflclcsichtigt  werden  (vgl.  g  76).  Die  von  Brentano  in  Äus- 
^ttU  gestellte  Verölfenllicbung  seiner  Würzburger  Vorlesungen  über 
ijitik  ist  meines  Wissens  nicht  erfolgt.  Die  speziellen  Lehren  Brentanos 
'om  Urteil,  auf  welche  erst  im  speziellen  Teil  eingegangen  wird,  wurden 
««itergebildet  von  Anton  MaTty  (vgl.  §  56^  Franz  Mitlosich 
lWa-1881,  Subieittlose  Sätze,  2.  Aufl.  Wien  188d)  u.  FranzHillebrand 
'Xä>.  1863),  Die  neuen  Theorien  der  kategor.  Schlüsse,  Wien  1881  u.  Zur 
I^hr«  V.  d.  HypoUiesenbildung,  Wien  ISSG).  An  Brentano  und  Marty 
^iefit  sich  Hugo  Bergmann  an  (Untersuch,  z.  Problem  der  Evidenz 
^r  inneren  Wahrnehmung,  Halle  1906). 

ZicbcD,  Lebrbneii  der  LogUc.  12 

h.  1.  iiA.OOt^lC 


178        '-  'I'^'-    AbsienzuDg  und  «Ugemeine  Gcvcbichte  der  Lofik. 

halten"  zn  den  8<«.  Merikmalen  oder  ESgenschaften  derVor- 
etellungen  verhält,  bleibt  unerörtert.  Erst  andere  ForBoher 
baben  den  inexistenten  Oegenetand  Brentanos  in  logizisti- 
scbem  Sinne  ans^edeatet  nnd  mit  der  „Vorstellimg  an  sich" 
Bolzanos  identifiziert  oder  wenigstens  in  -raigen  Znsammeii- 
bang  gebracht 

Unter  dieeoi  neueren  an  Bolzano  und  Brentano  anknüp- 
fenden logizistifichen  Theorien  stellt  die  „Gegenstands- 
theorie"  Alexiu«  v.  Meinongs')  (geb.  1853)  ge- 
wifisermaBen  cfie  geradlinige  Fortsetzung  der  Bolzanoscheo 
und  Brentanoechen  Lehre  dar.  Meinong  versteht  unter 
„Gegenstand",  soweit  das  Denken  in  Betracht  kommt,  im 
wesentlichen  dasselbe  wie  Brentano.  Der  Qegenstand  ist 
also  dasjenige,  was  man  vorstellt,  worüber  man  urteilt  usf. 
Zugleich  deckt  sich  der  Meinongscbe  „Oegenstand"  auch  fast 
ganz  mit  Bolzanos  Vorstellung  an  sich.  Auch  die  Gegen- 
stände Meinongs  sind  nicht  auf  Existierendes  beschränkt 
(z.  B.  Vm,  1906,  S.  70)  nnd  von  den  psychologischen  hx- 
halten  der  Vorstellungen  verschieden.  Aber  Meinong  ver- 
sucht sehr  viel  genauer  als  Bolzano  die  Beziehung  der  Gegen- 
stände zur  Existenz  und  die  Beziehung  der  Gegenstände  zam 
Vorstellung«  Inhalt  festzustellen.  Mit  Bezug  auf  den 
emteren  Punkt  unterscbeidet  M.  (VI,  S.  124;  VU,  &  39) 
zwischen  Sein  als  Existenz*)  (Existieren)  nnd  Sein  als  Be- 

0  Für  die  Lofik  kommea  lumenllich  iolgende  Schriften  bzw.  BOcÜer 
Meinonsa  in  Betracht:  1.  Hume-Studien  (S.  115  bereits  zitiert);  U.  Zur 
PsTchol.  d^  Komplexioaen  u.  Delationen,  Ztscbr.  f.  Psych,  u.  FhTS.  d. 
Sinn.,  1681,  Bd.  %  &  SH;  m.  BeitrUe  z.  Theorie  der  psychd.  Analyse, 
ebend.,  18M,  fid.  6,  S.  SM;  IV.  über  Gegenstände  höherer  Ordnung,  ebend., 
am»,  Bd.  31,  S.  1B3;  V.  Abstnhieren  u.  Vergleicben,  ebend.^  1900^  Bd.  % 
S.  34;  VL  Über  Annahmen,  Erglnzungaband  2  z.  Ztschi;.  f.  Psych,  u.  Phys. 
a.  Sinn.,  Leipzig  1902  (2.  Aul,  1910);  VH.  Über  Gegenstandstheorie  in 
UnteisucL  Z.  Gegenslandsth.  u.  Psrchol.,  berausgeg.  t.  Heinons,  Leipzig 
ISM,  S.  1;  Vra.  Über  die  SteUung  der  Gegenstandsth.  im  System  der  Wissen- 
schaften, Leipzig  1907,  u.  Ztschr.  f.  Hiilos.  u.  pbiloB.  Kritik  1906^  Bd  ISS, 
S.  «  «-  1907,  Bd.  laa  S.  1;  IX.  Urteilsgefühle,  Aich.  f.  d.  ge&  Psycho). 
1906,  Bd.  6,  S.  22;  X.  Über  die  Ertahningsgrundlagen  unseres  Wissens, 
Berlin  1906;  XI.  Vibei  Möglichkeit  und  Wahracheinlichkeit,  Leipzig  IBlfi. 
Ein  Teil  der  genannten  Schriften  ist  auch  in  Mdnongs  Gesammelten  Ab- 
handlungen, Bd.  1  u.  2,  Leipzig  19U  u.  1913  abgedlniekt.  Auf  die  rtni- 
aohen  Zittern  weisen  die  Zitate  oben  im  Text  hin. 

*)  Die  Terminologis  ist  leider  dadurch  sehr  in  Verwirrung  gerate^  dafi 
ein  andrer  Anhänger  Brentanos,  A.  Hartv,  umg^ehit  das  Udnongsche  Exi- 
stieren als  ReaUtAt  und  das  Ueinongschc  Bestehen  als  Existieren  bezeich- 
net hat.    Zeitlich  geht  die  Haitysche  Arbeit  (Tierteljahrsscbr.  t.  vim.  Pbiloa 

h.  !■,  II,  l^.OOQIC 


2.  KipiteL    AUcMaeine  Oeachidite  der  Logik-    179 

Btmil  (Bestehen).  IHe  Existens,  auch  als  Realität  oder  Wirk- 
Mkeit  oder  Dasein  bezeichnet,  ist  entweder  psychisch  oder 
(AysiBch.  So  „existieren"  z.  B.  die  Vorstellmigen  und  ihre 
Inhalte  (z.  B.  IV,  S.  187).  Die  den  Vorstellnngen  immanen- 
ten Oegenstände  „bestehen",  müssen  aber  nicht  „existieren". 
Kaoche  YorsteUnngsgegemtändel  existieren  nicht,  wie  z.  B. 
der  goldene  Berg,  das  runde  Viereck  usf.  Man  kann  in 
dtesem  Falle  höchstens  von  einer  Psendo-Existenz  oder 
QnsBi-Wirklichkeit  (Existenz  in  der  Vorstellung)  sprechen. 
&  ist  ein  YoruTteU,  wenn  man  oft  das  „Nicht-wirkliche" 
ftls  identisch  mSt  „nichts"  betrachtet.  Daher  nntersoheidet 
M.  2wischen  „realen  Gegenständen",  d.  h.  Oegenatänden,  die 
«irklieh  existieren  oder,  falls  sie  nicht  wirklich  existieren, 
ihrer  Natnr  nach  doch  jedenfalls  existieren  könnten,  und 
tödealen  G^enstanden",  „die,  anch  we«in  sie  in  gewisser 
Weise  affirmiert  werden  müssen,  doch  wieder  ihrer  Natnr 
Dtch  niemals  ohne  Inkorrektheit  als  existierend  beseiohnet 
*erdai  d&rfen"  OV,  3.  198).  Als  Beispiel  eines  idealen 
Gegenatanides  führt  Meinong  □.  a.  .Jlbnlichkeit"  an.  Selbet- 
Tentandlich  erhebt  sich  anch  hier  wieder  die  Frage,  wa« 
das  »Bestehen"  der  Gegenstände  bedeuten  soll,  und  ob  es 
fiberhanpt  bei  den  realm  wi«  bei  den  idealen  Gegenständen 
Doch  etwas  anderes  bedeutet  als  die  Wirklichkeit  eines  be- 
stimmten Vorstellnngsinhalts  in  psychologischem  Sinne,  so 
daS  bei  den  realen  Gegenständen  nur  noch  die  „Wirklich- 
keit", bei  den  idealen  überhanpt  nichts  zu  dem  Vorstellunga- 
inhalt  hinzukommen  würde.  In  seinen  späteren  Schriften  hat 
it.  mit  Entschiedenheit  die  Meinung  vertreten,  daß  Gegen- 
stand und  Vorstellungsinhalt  verschieden  seien  (TV, 
S.  185 ff.)*).  Er  beruft  sich  namentlich  darauf,  daS  der 
(Gegenstand  einer  Vorstellnng  nicht  wirklich,  nicht 
psychisch,  nicht  gegenwärtig  sein  müsse,  während  der  In- 
halt einer  Vorstellnng  stets  — '  wie  diese  seihst  —  wirk- 
üch,  psychisch  und  gegenwärtig  sei.  Hiergegen  ist  aller- 
dings einzuwenden,  daß  einerseit«  nicht-wirkliehe,  also  in 

VU,  Bd.  8,  S.  161,  namenU.  S.  171)  dea  oben  ütieHeo  Meinongscbea 
ntiua.  Auch  Brentano  selbst  eAlKrt  in  äer  SchnH  Vom  Urspr.  sitll.  Br-> 
bnntnis,  S.  TJ^  ea  korome  auf  dasselbe  hinaus,  (A  man  sage,  ein  affir- 
nttna  Urtdl  sei  wahr,  oder  ob  man  sage,  sein  Oesenstand  sei  exiatiennd. 
*)  Dieselbe  Fiase  behandelt  au!  anderem  Wege,  .aber  mit  fast  dam- 
MlbcD  Kitebms  auch  Kasimir  Twardowski,  Z.  Lehn  v.  Inhalt  u.  OegensL 
1  VontcUaneen,  Wien  IBM.  u.  Über  begrifllicbe  Vorstellungen,  Wlsaensclv 
BeiL  I.  ifi.  Jahresbeneht  d.  Pbiloa.  Oea,  a.  d.  Un.  Wien.  Leipzig  1906^  &  1. 

12» 
i.f,  II,  l^.OOQK 


180        '-  ^^-    AbgTNisung  und  «Usemeine  Oeschiehte  der  Losifc. 

MeinongB  Sinn  „ideal«"  Gegenstände  nicht  nscbgewieeen 
sind  und  die  Beispiele,  die  M.  fär  solche  anführt,  sehr  vohl 
als  wirkliche  Vorstellnngsinhalte  —  anschanliche  oder  va- 
ansehanliche,  dentlicfae  oder  nndentliche  —  gedeatet  werden 
können '"),  und  daB  andrerseits  die  wirklichen,  ,;rea]en" 
Oegenstände  Meinongs,  soweit  sie  nicht  psychisch  nnd  nicht 
gegenwärtig  sind,  mit  den  wirklichen  Dingen  identisch  sind. 
Noch  weiter  scheint  M.  in  den  seit  1904  erschienenen  Schrif- 
ten die  Gegenstände  ans  dem  Bereich  des  Psychischen  her- 
anezarttcken.  Während  er  noch  i.  J.  1890  das  Bestehen,  die 
Fsendoexistenz  der  Gegenstände  als  ein  Existieren  in  der 
Vorstellimg  gelten  ließ  (allerdings  nhter  Vorbehalt),  wird 
jetzt  die  ganze  Mathematik  von  ihm  als  „im  wesentUchen 
ein  Stück  Gegenstandstheorie"  betrachtet  (Vn,  S^  27).  IXe 
Brücken  znr  Psychologie  erscheinen  damit  abgebrochen,  an 
Stelle  der  konzeptnalistischen  Auffassung  der  BegritTe  tritt 
die  realistiscfae  (in  scholastischem  Sinne). 

Die  Gegenstandstbeorie  ist  nach  Meinong  mit  Unrecht 
als  Teil  der  Logik  (a.  B.  unter  der  Beaeichnong  „reine 
Logik"),  aufgefaßt  worden  *'),  nach  seiner  Meinung  gibt  sie 
nur  „eine  wesentliche  Grundlage"  für  die  Logik  ab  (Vlil, 
1907,  S.  25).  Die  Gegenstandstbeorie  erstreckt  eich  auf  alles 
dasjenige,  was  „aus  der  Natur  eines  Gegenstandes,  also 
a  priori,  in  betreff  dieses  Gegenstände«  erkannt  werden 
kann"  (VII, S. 40).  Sie  betrilFt  das  „So sein"  des  Gegebenen 
und  das  Sein  nur,  soweit  dies  ans  dem  „Sosein"  erkennbar 
ist.  Ihre  Satze  sind  „daseinsfreie"  Erkenntnisse  des  „wa- 
rum", nicht  des  „daß"  und  können  das  sein,  weil  das  „So- 
sein" von  dem  „Sein"  unabhängig  ist  (VTII,  1906,  S.  77  fr.; 
VII,  S.  7  ff.). 

Auf  die  weiteren  Sätze,  welche  M.  in  seiner  Gegen- 
standstbeorie entwickelt,  wird  zum  Teil  in  den  speziellen 
Abschnitten  eingegangen  werden  müssen.  Hier  sei  nur  noch 
erwähnt,  daß  M.  nicht  nur  jeder  Vorstellung,  sondern  auch 
jedem    Urteil    einen    Gegenstand    oder    wenigstens    „etwas 

*')  Eine  Auanahme  machen  auch  widersinnige  VoratellunKCa  wie  ^ud- 
dea  Viereck"  Dich),  Bei  solchen  h&ndelt  es  sich  um  blofle  WortverbüidiiQ- 
gen  (sukzessive  Klaugvorstellungen)  oder  sukzessive  SftcbvoiBtcllungen, 
deren  Zusammendenken  als  Aufgabe  gestellt  wird,  sich  aber  als  unausführ- 
bar erweist.  Vgl.  jedoch  auch  S.  271. 

")  So  z.  B.  von  llelson,  Revue  de  m^taphya.  et  mor.  19M,  Bd.  Vi, 
S.'  1037  („la  logique  est  la  scienc«  des  objets  en  gfinöral"). 


i.l^. OQi 


,g,c 


2.  Kwitel.    AllsemeiD«  GeichichU  der  Li«ilt-  161 

Gegenstaad-Ähnlichea"  zascfareibt  (VI,  S.  150).  Im  UrtsU: 
„es  gibt  Schnee  dranAen"  ist  Schnee  der  beurteilte  V  o  r  - 
stellan^agegenstand;  aber  die  ernrteilte  Erkeantnis, 
dsSes  Sehne«  gibt,  ist  das  Oegenätandartige,  welches  dem 
urteil  zakommt.  Jenen  Gegrenstaitd  bezeichnet  M.  als 
„Objekt",  dieses  Oegenstandartige  als  „Objektiv"  (vgl. 
aueh  die  etwas  abgeänderte  Darstellnng  in  VI  *,  S.  42  ff.). 

Nicht  minder  wichtig  für  Heinongs  Anffaseang  ist  die 
l'nlerscheidnng  von  G^enständen  niederer  nnd  höherer 
Ordnung  (IV,  S.  189 ff.;  VI,  S.  129 ff.).  (Jegenstände  höherer 
Ordnong  (Snperiora)  sind  Gegenstände,  denen  man  eine  in 
ilirer  Nator  gelegene  innere  ünaelbstäDdigkeit  nachsagen 
kann",  oder  „die  eich  gleichsam  anf  andere  Gegenstände 
Qoferiora)  als  nnerläBliche  Voranssetzungen  **)  aofbanen". 
So  ist  z,  B.  „Verschiedenheit"  ein  Gegenstand  höherer  Ord- 
nniig,  da  sie  ohne  Bezugnahme  anf  Objekte  (Inferior^  gar 
niciit  gedacbt  werden  kann.  Für  VcMTstellungen  nnd  Urteile, 
«elehe  einen  Gegenstand  höherer  Ordnung  haben  (z.  B.  „Bot 
nnd  Blau  sind  Terschieden"),  ist  der  letztere  der  „primäre 
Oegenstand"  (im  angeführten  Beispiel  die  Verschiedenheit), 
nnd  dessen  Inferior»  (z.  B.  Bot  nnd  Blau)  können  ttls  „sekun- 
däre  Gegenstände"  bezeichnet  werden.  Die  Beziehung 
zwischen  Gegenständen  hi^rer  nnd  niederer  Ordnung  ist 
oatorlich  nur  relativ,  insofern  ein  Superius  wieder  für 
Gegenstände  noch  höherer  Ordnung  als  Inferius  auftreten 
^snn.  Die  Beziehung  zwischen  dem  Superius  und  seinen 
Inferiora  bezeichnet  M.  auch  als  Fundierung:  das  Supe- 
nns  wird  durch  seine  Inferiora  fundiert  (VI,  3.  8). 

Die  sogenannten  logischen  Denkgesetze  bekommen  vom 
Standpunkt  der  Gegenstandstheorie  eine  andere  Bedeutung. 
&e  sind  keine  Normen,  das  Imperativische  ist  überflüssig, 
<<ndem  sie  können  einfach  formuliert  werden:  dafi  jeder 
beliebige  Gegenstand  entweder  Ä  oder  non-A  ist,  das  „ist 
»ahr"  („das  ist",  „das  ist  Tatsache").  Es  handelt  sich  um 
&  priori  einsichtige  logische  Urteile,  deren  Objektiv  selbst 
wieder  Objektive  zum  Material  hat  Auch  von  einem 
nOesetz"  könnte  also  nur  in  dem  Sinne  die  Bede  sein,  wie 
etwa  auch  der  pythagoreische  Lehrsatz  ein  (besetz  genannt 
werden  kann.  Vor  allem  ist  von  keinem  Denkgesetz  die 
fiede,  sondern  man  könnte  höchstens  von  einem  (besetz  des  A  - 

'*)  Vonussetzuneea  üt  hier  als  Akkusaliv  zu  verstehen. 

h.  i."iM,Googlc 


182         '-  ^''''    Abfrenzims  unA  allgemetiie  Geachidit«  d«r  Logik. 

oder  von  einem  Gesetz  grewiBser  Objektive  sprechen  (VIII, 
1907,  R  44). 

Unter  MdnoDn  Anhftnfem  uod  Schülern,  die  sich  abrisenn  z.  Teä 
selbotlndig  an  der  Waterbüduns  der  guizen  Tbeoh»  beteiligt  haben,  sind 
nammthch  zu  nennen: 

AloisUefler,  seh.  1868^  Giundlehran  der  Logik  u.  Paycholosie,  Leipzig- 
Wien  1S90,  auch  sepant  Orandlehren  der  Logik,  i.  Aufl.,  1907;  Philos. 
Propädeutik,  1.  Tal,  Logik,  Leipzig-Wien   IWO';    Zur  gegenwbtigen 
Natttiphilosophie,  Abh.  2.  Didaktik  u.  Philo*,  d.  NalunrissenadL  her- 
auKeg.  V.  Foske,  Uö&er  u.  GrimseU,  Berlin  19U  *. 
Sl«phan  Witasek   (1870—1916),   Gnindiinien   de»   Psychologie,   Leip- 
zig 1908. 
Ernst  Hatly,  Untersuchungen   z.    Gegenstandstheorie  des  Uessena  in 
Meinongs  Unters,  x.  Gegenstandsth.  u.  Psych.,  Leipzig  ISU,   S.  181; 
Gegenslandstheoretische    Gnmdlag«t    der    Logik    u.   Logistik,    Leipzig 
1912  (Eiginzungsheft  z.  Ztschr.  [.  PbÜos.  u.  philos.  Krit.). 
Rud.  Ameseder,  Beitrige  z.  Grundlegung  d.  Gegenstandsth.  in  Hcuiong» 

.  Unters.,  S.  51. 
Wilh.  H.  F  ran  kl,  Inhalt  u.  Umfang  v.  Begriffen,  Arch.  f.  syst.  Philos. 
1911,  Bd.  17,  S.  486  (s.  auch  ebenda  S.  11«);  Über  (konomie  des  Den- 
kens  in    Ueinongs   Unten.,    S.    263;    Logik,    eine   wissensch.    tbeoiet 
Unters,  nach  den  Forschungserg.  Meinongs,  1906  '. 
Konrad    Zindler,    geb.  1866,    Beitr.  x.  Theorie  d.  math.  Erkenntni« 

Wien  1888. 
Hans  Pichler,  Ober  die  Qltennbarkeit  der  Gegenstände,  Wien  1909; 
Über  Chr.  Wolffs  Ontologie,  Leipzig  1910  (P.  sucht  an  WollI  anzu- 
knöpfen); UflgUchkeit  u.  Wideispruchslosiduit,  Leipzig  1912. 
Jos.  Klemens  Kreibig,  Die  intellektuellen  Funktionen,  Wien-Leip- 
zig 1909. 
Eduard  Hartinak,  geb.  1869,  Psycholog.  Untersuchungen  z.  Bedeu- 
tungslehre, Leipzig  1901. 
UnaMiängig  von  Meinong  und,  wie  es  scheint,  auch  unabhängig  von 
Bolzano  hat  G.  F  r  e  g  e  (vgl  S.  169,  Anm.  11)  schon  vor  fiber  30  Jahren  die 
Lehre    vertreten,    daB    auBer    den    sinnlich  wahmehmbareD  Dingen  auch 
logische  Gegenstiode  anäritannt  werden  maßten  (vgL  z.  B.  Funktion  u. 
Begriff,  Jena  1801,  S.  3  u.  18;  Vierteljabrsschr.  I.  wiss.  Philos.  180%  Bd.  16, 
S.  192,  u.  Ztschr.  f.  Fbilos.  u.  phUos.  Krit.  1802,  Bd.  100,  S.  100).     Nach 
Frege  ,M  Gegenstand  alles,  was  nicht  Funktion  ist,  dessen  Ausdruck  als» 
kane  leere  Stelle  mit  sich  fflhrt".     FOf  „Gegenstand"  braucht  er  auch  den 
Terminus  ,3edeutung":  „Abend-"  tmd  ,Jlorgenstem"  haben  dieselbe  Be- 
deutung, aber  nicht  denselben  Sinn. 

Wie  Meinong  knöpft  auch  CarlStumpf")  (geb.  1848) 
in  vielen  Beziehnngen  an  Brentano  an  und  trifft  in  njancb«ii 

")  Für  die  Logik  sind  folgende  Schnften  am  wichtigsten:  Zur  Ein- 
leihing  d.  Wissenschaften,  Abh.  d.  PreuB.  Ak.  d.  Wiss.  t.  J.  190^  Berlin 
1907;  Erscheinungen  u.  psychische  Funktionen,  ebenda  1907;  Psydulogie 
u.  Erkenntnistheorie,  Abh.  d.  bayer.  Ak.  d.  Wiae.,  Bd.  19,  2.  AU,  1891. 
S.  Mfi. 


tY^IC 


2.  Sa«it^    AUfemeiD«  Qe«Aichte  der  LoiiL  ig3 

Ponkten,  die  für  die  Logrik  in  Betracht  kommen,  mit  Mei< 
iMHig  Zusammen ").  St.  nuterscheidet  jjßrscheinnnffen" 
nnd  „psychisch»  Funktionen  (Akte,  Zustände,  Kr- 
lebnime)".  Zu  den  ersteren  gehören  die  ,  Jnhalte  der  Sinoes- 
empflndongen"  und  die  gleichnamigen  Oedäehtnisbilder;  sie 
entqirechen  im  wesentlichen  etwa  den  physischen 
Phäsranenen  von  Brentano  (vgl.  S.  176).  Bie  Verhältnisse, 
die  zwischen  den  Erscheinungen  bestehen,  „sind  in  und  mit 
äax  Erscheinungen  gegeben,  nicht  von  uns  hineingelegt,  son- 
dern darin  oder  dmran  wahrgenommen".  Sie  sind  nicht 
selbst  Fimktionen  noch  auch  Erzeugnisse  von  solchen.  Zu 
den  psychischen  Fonktionen  gehört  das  ,3«iuerken"  von  Er- 
Kheinimgen  und  ihren  VerhältniBsen,  das  Znsammenfeseen 
vcm  Ebscheinnngen  zu  Komplexen,  die  Begriffsbildung,  das 
Auffassen  nnd  Urteilen  usf.  Jede  Funktion  außer  der  grund- 
legenden des  Wahraehmens  hat  ein  Korrelat,  dessen  all- 
8«iqeine  Nator  —  wie  die  der  Funktion  selbst  —  nur  durch 
Bespiele  erläntert  werden  kann.  Gin  solches  ,  J>ritte8  außer 
Kncheinung  nnd  Funktion"  steUen  z.  B.  für  die  Funktion  des 
begrifflichen  Denkens  (des  Erfassens  der  einfachsten  He- 
griffe)  die  Begriffe  dar.  Für  das  Urteil  spielen  „Bpezifitwthe 
ürteilsinhalte"  („Sachverhalte")  die  Rolle  des  Korrelats. 
IHeee  Korrelate  oder  Qebilde  entsprechen  offenbar,  soweit 
das  Denken  in  Betracht  koaunt,  in  den  meisten  Punkten  ganz 
den  „Vorstellungen  an  sich"  und  „Sätzen  an  sich"  Boizanos 
»nd  den  „Gegenständen"  (Objekten  und  Objektiven)  Mei- 
iHHigs.  Fraglich  bleibt  nur,  ob  St.  die  Gebilde  als  etwas  Selb- 
ständiges betrachtet,  was  mehr  ist  oder  bedeutet  als  ein  Er- 
lengniB  der  Denkfnnktionen  aus  den  Erscheinungen,  und 
ilioen  also  eine  jenseits  des  Psychischen  liegende  Existenz 
nwrkennt  (vgl.  uamentL  Brsch.  n.  ps.  F.,  S.  30  ff.).  Als  beson- 
ders beachtenswert  sei  auch  hervorgehoben,  daß  St.  gegen  die 
Neukantianer  (Neokritizisten)  hervorhebt,  daß  aach  Snbstnn- 


'*)  Stumpf  selbst  betont  mehr  seine  Cbereinsümmung  mit  Uusserl 
ItUerdiiiga  lagen  ihm  damals  die  neueien  Arbeiten  des  letzteren  noch  nicht 
W}  uut  eihdit  gegen  Meinongs  Absrenzung  der  Oegenatandstheorie  mancha 
Uftige  Bedenken  (Z.  Einteil.  d.  Wisa.,  S.  6  u.  40).  Auf  die  bemerken»- 
vtrten  Obercimtimmungen,  welche  zwischen  den  Stumvfschen  Funktionen 
■lud  dem  *«£c  des  Aristoteles,  speziell  dem  rsür  jw^hw  der  Ariatoteliker, 
«ie  ihn  namenllicb  Brentano  aufgelaBt  hat  (vgl.  S.  31,  U,  47,  75)  be- 
Mm,  sei  hier  nur  hingewiesen. 


OgIC 


\^         I.  Teil.    Abfrenzune  und  allgemeine  Geschichte  der  Logik. 

zialitat  nnd  Kausalität  nicht  Benkf onktionen,  Bondera 
Gebilde,  also  Korrelate  von  Funktionen  aind. 

Während  Meinong  —  allordiDg«  namentlich  in  seinen 
früheren  Schriften  —  zwar  einer  psychologisÜsehen  Auffas- 
sung: der  Logik  entgegengetreten  war,  aber  doch  nicht  jede 
Beziehung  zur  Psychologie  abgebrochen  hatte,  verbannt  Ed- 
mund O.  Husfierl'")  (geh.  1859)  die  Psycholc^ie  voUstän- 
ttig  aus  der,  Logik.  In  seinen  Werken  tritt  die  logizistisohe 
Lehre  von  der  absoluten  Selbständigkeit  des  Logischen  und 
die  Opposition  gegen  die  sensualistisch-psychologistisch- 
indnktive  Richtung  der  Logik  am  schärfsten  hervor.  H. 
akzeptiert  den  (Gegensatz  zwischen  Fsychtschem  und  Phy- 
sischem (y,  S.  311  ff.)  und  stellt  das  erstere  als  Phänomwa 
dem  letzteren  als  der  Natur  gegenüber.  Während  die  Katur 
in  Grscheianogen  erscheint,  existiert  in  der  psychisciien 
Sphäre  kein  Unterschied  zwischen  Erscheinung  und  Sein. 
Das  Psychische  ist  „Erlebnis"  und  „in  der  Reflexion  er- 
schautes Erlebnis",  „erscheint  als  seihst  durch  sich  selbst". 
Als  solches  ist  es  aoch  der  Forschung  zugänglich.  Diese  hat 
dabei  auf  jede  „Naturalisierung"  za  verzichten,  sie  muß  rein 
immanent  bleiben,  die  „phänomenologische  Einstellung"  kon- 
eeqneut  und  rein  festhalten.  So  gelangen  wir  zum  „Wesen." 
der  Phänomene  '*).  Dies  Wesen  kann  also  in  „unmitteU)arem 
Schauen*'  (Intuition)  adäquat  erfaßt  werden.  Im  Gegensatz 
zur  experimentellen  Psychologie  handelt  es  sich  dabei  nm 
eine  nicht-empirische  phänomenologische  Weseosana- 
lyse.  So  können  wir  dnrch  Wesensschaunng  (intuitiv)  uns 
z.  B.  das  Wesen  „Farbe",  das  Wesen  „Wahrnehmung"  „zu 
voller  Klarheit,  zu  voller  Gegebenheit"  bringen  (V,  S.  315) 

*')  I.  Philosophie  der  Arithmetik,  psrchoL  u.  log.  Untersuchungen,  Bd.  1, 
Halle  ISOl;  H.  I^rchototiecbe  Studien  z.  elementaren  Losik,  Philos.  Ifonats- 
hofle  18M,  Bd.  sa  S.  150;  UI.  Beriebt  über  deutsche  Schriften  zur  Logik, 
Arch.  i.  syst  Philos.  1S97,  Bd.  S^  &  316  ff„  IM»,  Bd.  9,  S.  113  fi.,  IMM, 
Bd.  10,  S.  101;  IV.  Logische  Untersuchungen,  2  Teile,  Halle  1900  u.  1901, 
2.  Autl  (noch  nicht  vollständig  erschienen)  1918;  V.  Philosophie  als  stiens« 
Wissenschaft,  Logos  1910/11,  Bd.  1,  S.  2S9;  VI.  Ideen  zu  einer  reinra 
rhänomenologie  u.  ph&nomenol.  Philosophie,  Jahri).  f.  Philos.  u.  pb&noinefiaL 
Forsch.  191B,  Bd.  1  (auch  separat  erschienen).  Husserls  Lehren  haben  siofa 
im  Lauf  der  letzten  26  Jahre  eUiebiicb  um-  und  ausgestaltet.  Der  Dar- 
stellung oben  im  Text  ist  namentlich  die  an  letzter  Stelle  angeftiute 
Schrift  zugrunde  gelegt. 

")  In  der  letzten  Schrift  (VI,  S.  76)  unterscheidet  H.  da»  Sein  «Is 
.Bewußtsein"  („Erlebnis")  und  das   Sein  als  „Realität"   („Ding"). 


OgIC 


2.  Kapitel.    Allgemeine  Geschichte  der  Lopk.  185 

md  aoßh  „die  im  Weaensschanen  getaBten  Wesen  in  festen 
Bej^en,  in  aehr  weitem  JJmtange  mindestenB,  fixieren"  und 
dsrüber  absolut  grfiltige  Anssagen  ab^ben:  „Die  Scbanonft 
erfaßt  dabei  daä  Wesen  als  Wesenssein  and  setzt  in  keiner 
Weise  Dasein"  (man  vergleiche  Meinong^s  (Gegenüberstellung 
von  „Soeein"  und  „Sein").  Diese  reine  Wesensforsohung,  die 
also  mit  Selbstbeobachtung,  sog.  innerer  Wahrnehmung 
nichts  zu  tun  hat,  wird  von  H.  als  reine  Phänomenologie  be- 
zeiehnet.  Sie  macht  das  gemeinsame  Fundament  jeder  Philo- 
sophie (inkl.  Erkenntnistheorie)  und  Psychologie  aus. 

Die  Wissenschaften,  welche  sich  in  dieser  Weise  mit  dem 
„Wesen"  (Eidos)  beschäftigen,  bezeichnet  H.  als  Wesens- 
visBenschaften  oder  eidetisebe  Wissenschaften.  Zu  den  reinen 
Wesenswlssenechaften  gehört  die  reine  Logik,  die  reine 
Mathematik,  die  reine  Zeitlehre  usf.  Überall  ist  hier  statt 
der  Erfahrung  di&  Wesenserscbaunng  der  letztbegründende 
Akt  (VI,  S.  17).  Von  diesen  eidetischen  Wissenschaften  vill 
aber  H.  die  „reine  BewuBtseinsforschung  der  Phänomeno- 
logie", soweit  sie  sich  auf  deskriptive  Analyse  mittels  reiner 
lotnitton  beschränkt,  noch  trennen.  In  diesem  Sinne  kann 
(üe  reine  deskriptiv«  Phänomenologie  sogar  die  formale  Logik 
nitd  damit  anch  alle  Disziplinen  der  formalen  Mathesis  (Alge- 
bra, Zahtentheorie,  Mannigfaltigkeitslehre  usf.)  bei  ihrem 
Forschen  „ausschalten"  („in  Klammer  setzen"),  vgl.  VI,  112. 
Di»  Phänomenologie  wird  eo  zu  einer  rein  deskriptiven  Dis- 
liplin,  welche  das  „Feld  des  transzendental  reinen  BewuBt- 
Mios  in  der  puren  Intnitioa  durcbforscht".  Die  logischen 
Sätze,  auf  die  sich  zu  berufen  sie  je  Anlaß  finden  könnte, 
vären  also  durchaus  logische  Axiome,  wie  der  Satz  vom 
Widetspmch,  deren  allgemeine  und  absolute  Oeltung  die 
Phänomenologie  an  ihren  eigenen  (Gegebenheiten  exempla- 
ntch  einsichtig  machen  könnte.  Die  phänomenologische 
Kom  geht  also  dahin,  „nichts  in  Anspruch  zu 
nehmen,  als  was  Wir  am  Bewußtsein  selbst,  in 
reiim  Immanenz  uns  wesensmäBig  einsichtig  machen  kön- 
nen", ■  Die  reine  oder  transzendentale  Phanomenolgie  ist  die 
<l«afaiptiv«  Wesensiehre  transzendental  reduzierter  (nioht- 
>^ler)  Phänomene. 

Diese  Lehre  von  der  Wesensschauung  verknüpft  Hus- 
■erl  nun  mit  Lehren,  die  auf  Bolzano  und  Brentano  zurück- 
geben. Er  behauptet,  daß  viele  „Erlebnisse"  („BewuSteeine"), 
und  zwar  sowohl  individuelle  Anschannugen  wie  Wesens- 


OgIC 


Ig6         I.  Tai.    MliMtziuw  tutd  iJteniaDe  Geachichle  der  Unft. 

schanungen  BewiiBtseis  »von  etwas  siod"  (VI,  S.  64):  sie 
haben  ein  ,4ntentioDale8  Objekt"  (Gegenstand).  Diese 
Intentionalität  ist  nicht  etwa  —  man  beachte  die  Äbweichoi^ 
von  Stumpf  —  mit  der  Beziehang  zwischen  einem  psycho- 
k^iscfaen  Vorgang  (wie  Achten,  Aufmerken  oder  Erfassen) 
ttnd  einem  realen  Objekt  identisch,  sondern  soll  den  Erleb- 
nissen ihrem  „Wesen"  nach  zukommen.  Bei  den  „aktnel- 
len"  intentionalen  Erlebnissen  kommt  zn  der  allgemeinen 
intentionalen  Beziehung  als  Wesensmerkmal  noch  das  „Oe- 
richtetsein  auf  („im  Blick  haben",  ,Jchblick")  hinzn,  du 
je  nach  dem  Akt  „wahrnehmend"  oder  „wollend"  usf.  ist  Die 
Erfassung  oder  Bettchtang  ist  eine  besondere  Modifikation, 
welche  erst  nnter  bestimmten  Umständen  zu  dem  Akt  als 
eine  zweite  intentio  hinzutritt.  Nur  bei  den  einfachsten  sinn- 
lichen Vorstellungen  deckt  sich  der  „Ichblick"  eo  ipso  mit 
der  Erfassong  (VI,  S.  63  ff.).  Bei  allen  anderen  Akten  würde, 
wenn  sie  vollständig  sind,  dreierlei  zu  unterscheiden  sein:  die 
allgemeine  intentionale  Beziehung  auf  ein  Objekt,  die  für  den 
Akt  kennzeichnende  Zuwendung  des  Ich  und  die  Erfassong 
des  Gegenstandes  „in  einer  eigenen  vergegenständlichenden 
Wendni^'.  Dazu  kommt  weiter,  daB  jedes  Erlebnis  selbst 
wieder  intentionalee  Objekt  eines  neuen  Erlebnisses  werden 
kfmn  (durch  „reflektive  Blickweadung"). 

Das  Zugrundeliegende  eines  Erlebnisses  wird  von  Huseerl 
als  „sensueller  StofT'  bezeichnet,  dasjenige,  was  die  Stoffe  zu 
intentionalen  Erlebnissen  formt  und  das  Spezifische  der  In- 
tentionalität hineinbringt,  als  „noetisches  Moment"  oder 
.^Noese"  (VI,  S.  174).  Im  reinen  Wesen  der  Noesen.  liegt  die 
,J^nktlon"  begründet,  Bewußtsein  von  etwas  zustande  zu 
bringen  und  damit  eine  synthetische  Einheit  möglich  zu 
machen  und  dem  Erlebnis  einen  „Sinn"  za  geben.  Während 
in  dieser  Weise  das  Erlebnis  selbst  in  stoffliche  und  noetische 
Beetandteile  durch  „reelle"  Analyse  zerlegt  wird,  ergibt  das 
intentionale  Korrelat  des  Ergebnisses  „noematische  Bestände" 
(=  „intentionale"  Analyse).  So  würde  z.  B.  für  das  Urteilen 
das  Genrteilte  als  solches  das  Noemal  sein  (VI,  S.  182).  Des 
Verhältnis  dieser  Noemen  zn  den  intentionalen  Gegenständen 
ist  auch  in  der  letzten  Schrift  Husserls  nicht  ganz  aufge- 
klärt"). 

")  Vgl.  zur  Kritik  der  Husseriscben  Lehre  Tb.  Elsenliuia,  Kautstudien, 
19}B,  Bd.  ao,  9.  3S«i  Tb.  Ziehen.  Zlschr.  S.  FsTCbol.  IfilS,  Bd.  li,  S.  ISi 


a  Kwrttet.    Alhtemwne  Geacbichte  der  Logik. 187 

Dae  Kriterinm  für  die  Wahrheit  der  Weeensschanangr  ist 
naeb  Hosserl  dadaroh  gegeben,  daß  es  für  jedes  Wesen  sozs- 
sagBB  eine  absolute  Nähe  gibt,  in  der  seine  Gegebenheit  ab- 
solut klar  ist,  eine  „Selbstgegebenheit"  ist  (VI,  S.  126).  Woran 
wir  diese  abaolnte  Nähe  merken,  wird  nicht  gesagt.  Die 
scharfe  GegenäbersteUnng  der  „assertorischen  Evidenz"  bei 
dem  asfiertorischen  Sehen  eiuea  Individnellen  und  der  »apo- 
diktischea  Evidenz"  bei  dem  apodiktischen  Einsehen  eines 
Wesens  oder  Wesensverhaltens  (VI,  S.  286)  bleibt  daher  doch 
unbestimmt,  znmal  ein  besonderes  Bvidenzgefühl  nach  Hoe- 
su{  nicht  in  Frage  kommt  (VI,  S.  39).  Die  „Evidenz"  ist 
nimlich  kein  Gefühl,  sondern  vielmehr  das  Erlebnis  der 
Wahrheit  selbst,  and  reziprok  ist  die  Wahrheit  „eine  Idee, 
deren  Einzelfall  im  evidenten  urteil  aktuelles  Erlebnis  ist" 
tIV,  3.  Änfl-,  Bd.  1,  S.  18»  f.  u.  Bd.  2,  S.  593  ff.). 

Der  Gegenstand  Brentanos  ist  damit  seiner  psycholo- 
giecben  Bedeutung  ganz  entkleidet,  die  Bolzanoeche  „Vorstel- 
lung an  sich"  als  ein  nicht-psychologiBches  „Wesen"  wieder 
hergestellt  and  ihr  ein  nicht-psychologischer  Vorgang  der 
Weeensschaanng  zugeordnet.  Die  „reine  Xjogik",  die  iu 
HnsBeris  älteren  Werken  (vgl.  z.  B.  IV,  1900,  Teil  1,  S.  223) 
noch  diese  Wesensontersuchungen  zu  nrnfassen  schien,  wird 
ietat  za  Gonsten  einer  reinen  Phäoomenologie  auf  ein  engeres 
Qebiet  beschränkt,  dessen  Abgrenzung  freilich  nicht  ganz 
klar  ist 

Vom  Siaadpunkl  der  Husserlscben  Lehren  sind  u.   a.   folgende   zur 

l^wk  in  Beziehuiw  stehende  Art>eitea  veilaBt: 

Ahe.  Gallinger,  Das  Problem  der  objektiTen  HOBÜchkeit,  LeipziB  IdlS 
(Sehr.  d.  Ges:  f.  psychol.  Forsch,  4  Samml.,  Heft  16)  u.  Zur  Grend- 
itKaag  einer  Lehre  von  der  Eiinnenutf,  Halle  19U  (ia  beiden  Ai- 
beiten  ist  auch  der  EinlluB  von  Lippa  bemaAbar),  namenlL  S.  71  ft. 

Erich  Heinrich,  Untersuchungen  zur  Lehre  vom  Begrifl,  Dias.  GCttin- 
ten  1910. 

Moll  Läpp,  Die  Wahrheit,  ein  erkennlnieiheoret  Verauch  orientiert  an 
^^^m,  Musaerl  u.  an  Vaihiosers  Philosophie  des  Als  ob,  Stuttg.  1913  (auch 
^  Dias.  Versuch  tlber  den  Wahrheitsbegrifl  mit  besond.  BerOcksicht. 
^  1.  L,  Erlangen  1912);  W.  Jerusalam,  Der  kritische  Idealismus  u.  die 
Xite  Logik,  Wien  1906  (n&mentl.  S.  91  ff.);  P.  Natorp,  Zur  Frage  der  log. 
■l^ode,  Kantstudien  1901,  Bd.  6,  S.  270;  Heinr.  Maier,  Logik  u.  Fsrcbo- 
I«n«,  Festschr.  L  Riehl,  Halle  1914,  S.  311,  namentl.  319  H.  u.  860  ff. 

")  bi  den  älteren  Arbeiten  scheint  Husserl  die  Phänomenologie  ntehr 
)lt  aae  Vorbereitungswissenscbaft  der  reinen  Logik  la  betrachten  fJV, 
1800,  3.  T«1,  S.  18). 


.oogic 


Igg        L  Teil.    Abgrenning  und  aUgemuna  Geschichte  der  Li^ik. 

Wilh.  Schapp,  BeitrMe  zur  Phinomenolotie  der  Wahrnehmung,  Disa. 

HaUe  IBia 
Heinr.  Hofmana,  Untersuchungen  Ober  den  Emp^ndungsbegriS,  Disa 
Goitingeu  1912  u.  Arcb.  I.  d.  ges.  Psychol  1913,  Bd.  36,  S.  Salt. 

In  RuBland  bat  Nikolaj  LoBkij  (Die  Umgestaltung  des  BewuBI- 
seinsbetfciffes  in  der  modernen  Erkenntnistheorie  u.  ihre  Bedeutung  für  die 
Logik,  in  EnitTklop.  d.  philos.  WIssl,  Bd.  1,  Tobingen  1912,  S.  S43— 37i) 
einen  Standpunkt  vertreten,  der  dem  Husserlachen  sehr  nahe  steht  Er 
behauptet,  daB  im  Moment  der  Urteil aauassge  Erkenntnisobjekt  und  Er- 
kenntniainhalt,  mögen  sie  auch  sonst  transzendHit  sein,  „dem  BewuBtsein 
Bes  erkennenden  Subjektes  immanent  «erden,  und  zwar  dank  der  vorüber- 
gehenden Funktion  des  Individuums,  die  in  der  Hinlenkung  der  AufmeA-^ 
aandceit  besteht"  („Intuitivismus"). 

Als  ein  Vorläufer  von  Husserl  kann  in  manchen  Beziehungen  Wil- 
helm Dillbev  (1833 — 1911)  betrachtet  werden,  wenigstens  in  seinen 
neueren  Schriften.  FQt  die  Logik  kommen  namentlich  folgende  Werke  in 
Betracht:  Grundriß  der  I^ogik  u.  des  Syslem*  der  philos.  Wissenschaftei^ 
Berlin  1866;  Einleiiung  in  die  Geisteswissenschaften,  Bd.  1,  Leipzig  188% 
namentl.  S.  491 — 619  u-  S.  146;  Ideen  über  eine  beschreibende  imd  zerfElie- 
demde  Fsrchologie,  Sltzungsber.  d.  Kgl.  Pr.  Ak.  d.  Wiss.  zu  Berlin,  Jahrg. 
18«.  Berlin  189*,  S.  1309;  Studien  z.  Gnmdlegung  der  Geisteswissenach. 
ibid.  1906y  1.  Halbband,  S.  dßO.  IfaiDentlich  DUtheys  Lehre  von  einer 
„unmitteltuirea  G^ebenheit  des  inneren  Zusammenhangs"  im  Psychischen 
(z.  B.  Sltzungsber.  ISM,  S-  1M3)  oder  von  einem  „Strukturzusammenhang" 
(5.  1346)  steht  Husserls  sp&teren  Lehren  einigermaßen  nahe.  Zu  einer 
systematischen  Ausgestaltung  seiner  neueren  logischen  I«hren  ist  D.  nicht 
gelangt. 

In  einigen  Punkten  berührt  sich  mit  Bolzano  und  Husserl  endlich  auch 
Melchior  Fal&gyi  (Der  Streit  der  Paycbologisten  und  Formalisten  ia 
der  modernen  Logik,  Leipzig  1902;  Kant  u.  Bolzano,  Halle  1903*;  Die  Logik 
auf  dem  Scheidewege,  Beiün  1908),  obwohl  er  in  der  erstgenannten  Schrift 
scharfe,  aber  gr6Blenteils  auf  MiSverstandnissen  beruhende  Angriffe  gegeu 
Husserl  gelichtet  hat  (rgL  die  Antwort  in  der  Husserlschen  Besprediunt 
Ztschr.  f.  Psychol.  IKÄ^  Bd.  31,  S.  287).  Die  Logik  hat  e»  nach  P.  mit 
der  Besinnung  fiberttaupt",  die  PsYchologie  mit  der  .Besinnung  hier  und 
jetzt"  2u  tun.  Die  Logik  ist  daher  „die  allxemeine  Wissenschaft  von  der 
Besinnung".  Auch  Hans  Schmidkuni  (GrundzOge  einer  Lehre  v- 
d.  log.  Evidenz  (Ztschr.  f.  Philos.  u.  philos.  Erit.  191%  Bd.  14S,  S.  1}  scbUeBt 
sich  in  vielen  Punkten  an  Husserl  an.  Noch  Ober  ihn  hinaus  geht  in 
manchen  Punkten  Bruno  Bauch  (Studien  zur  Philosophie  der  eiaklen 
WissenschafUn,  Heidelberg  1911,  namentl.  S.  aWHJ. 

§  46.     c)  Werttbeoretiselier  LoKizismus:  Windelbud; 

Rlekert  Ebenfalls  in  direkter  Reaktion  gegen  die  indoktlve 
uod  psycholog'iBtische Logik  undiaeng'emZusammeiihaiigiDit 
dem  Nen-Kantianismus  entwickelte  eich  in  Deutschland  eine 
weitere  Richtung  der  logischen  Forschung,  welche  man  als  die 
werttheoretische  bezeichnen  kann.    Ihr  Begründer  ist 


OgIC 


2.  Kapitel.    Allgenuine  Geachiehte  der  Logik-  189 

Wilhelm  WindelbaDd')  (1848—1915).  Auch  er  verlangt 
,^'e  meüiodisebe  Unabhängigbeit  der  Logik  von  psycholo- 
siMben  Voraossetiungen".  Die  Psychologie  mnfi  nur  be- 
summte  Vorarbeiten  för  die  Logik  leisten  und  kann  ihr 
uSenlein  wichtige  Anregungen  geben.  Die  Erkenntnis- 
theorie ist  für  W.  nur  ,^r  dritte  Teil  der  Logik"  (vgl.  unten). 
Die  Logik  omfafit  also  die  ganze  „philosophische  Lehre  vom 
Wiesen  als  Theorie  der  theoretischen  Vemanft".  Mit  der 
jfthetik  vod  Ethik  zosammen  stellt  Bie  die  drei  „philoso- 
I^ÜBchen  Gmndwissenschaften"  dar,  andere  existieren  nicht. 
Die  Fundamentaltatsache,  die  aller  logischen  Besinnung  zn- 
Snmde  liegt,  besteht  darin,  daß  wir  zwischen  unseren  Vor- 
stellungen den  Wertunterschied  des  Wahren  and 
des  Falschen  machen.  Im  Mittelpunkt  der  Logik  steht 
fSr  W.  wie  für  viele  moderne  Logiker  die  Lehre  vom  Urteil. 
Etwas  extrem  drückt  dies  W.  sogar  gelegentlich  durch  den 
Sati  aus;  „Die  Logik  ist  Urteilslehre."  Mit  Kant  betrachtet 
eralB  den  allgemeinsten  Charakter  des  theoretischen  Bewußt- 
Being  das  Prinzip  der  Synthesis  (synthetische  Einheit  dnrch 
eine  verknöpfende  Form).  Pie  Logik  zerfällt  demgemäß  in 
3  Teile:  erstens  die  formale  Logik  (von  W.  sehr  miß- 
verständlich auch  als  „reine"  Logik  bezeichnet),  welche  „die- 
imigen  Formen  des  Denkens,  von  welchen  die  ErftiUnng  des 
Vshrheitszwecks  im  Erkennen  und  Wissen  abhängt,  in  der 
Alntraktion  isoliert  und  in  ihrer  unmittelbaren  Evidenz  auf- 
KJgt**,  zweitens  die  Methodologie,  welche  mit  Bezug 
nif  die  besonderen  Erkenntniainhalte  „die  planvollen  Zu- 
■annnenhänge  von  logischen  Formen  darlegt,  worin  die  ein- 
Klnen  Wissenschaften  mit  Rücksicht  auf  die  formale ')  und 

')  WichtifBte  tosiscbe  Schhlteo ;  Beiträge  zur  Lebre  v.  negativen  Ur- 
>(il  (in  StnBbuner  Abb.  z.  Philos.  z.  Zellers  70.  Geburisla»  StraQburg 
»4  S.  166;  Präludien,  Freiburg  u.  Tüb.  188^  i.  Aufl.  Tübingen  1911 
(uiDenUicb  Bd.  2,  S.  ZiB.  Über  Denken  und  Nachdenken^  u.  S.  5911.  Noi^ 
'"^  u.  Na(ur«esette  u.  S.  99  H.  Kritische  od.  geneiiscbc  UelhodeT);  Vom 
äMem  der  Kategorien  (in  der  Festschr.  f.  Sigwart),  Tübingen  1900,  S.  41; 
l^xit;  in  „Die  Philosophie  im  Beginn  des  SO.  Jahrh."  (Feslscbr.  f.  K.  Fischer), 
Bfidelberg  IBO*,  2.  Aufl,  1907,  S.  186—207;  tJber  Gleichheit  u.  Identität, 
.•^Jlnuigsber.  d.  Heidelb.  Ak.  d.  Wisa.,  philo8.-hisl.  Kl.  IMO,  Abb.  1*;  Die 
^ääen  der  Logik  (in  Enzyklop.  d.  philos.  Wiss.,  Bd.  1),  Tübingen  1812; 
^■nltitung  in  die  Philosophie,  TObingen  1314,  nam.  TeU  1,  Kap.  3,  S.  1900.; 
DwffUle  zur  Wahrheil,  Heidelbere  1909,  über  die  Gewißheit  der  Erkeanlnis, 
B«Hn  1S73. 

>)  Der  Widerspruch,  der  in  dieser  ,4  o  r  m  a  1  e  n  Natur"  der  Gegen- 
»liDde  liegt,  wird  von  W.  nicht  aufgekl&rt. 


lA.OOgIc 


190         ^-  ^^-    Abcrenzimg  und  allgemetne  Geschichte  der  Logik. 

Bachliche  Natur  ihrer  Oegenstände  ihren  Erkenntniszweok 
erfüllen",  und  drittras  die  Erkenntnistheorie,  welche 
untersacht,  wie  sieh  das  ans  der  Arbeit  der  Wiseensohriten 
herTorgegangene  „objektive  Weltbild  za  der  absolnten  Wirk- 
lichkeit verbält,  die  nach  den  Voraassetznngen  des  naiTCD 
Bewnfitseine  ihren  ^)  Gegenstand  bildet". 

Während  hiernach  bei  Windelbaod  das  Wertmoment  bei 
aller  Betonong  doch  keinen  entscheidenden  Einfluß  auf  die 
Wesensauffassui^  der  gesamten  Logik  gewinnt,  hat  Hein- 
richKickert*)  (geb.  1863)  konsequent  versucht,  die  Logik 
verttheoretisch  zu  begründen.  Er  ninunt  an,  daß  es  neben 
der  „immanenten  wirklichen"  Welt  noch  eine  andere  „in  der 
Sphäre  des  Wertes"  gelegene,  von  jedem  Bealen  unabhängige 
und  insofern  transzendente  Welt  gibt,  die  uns  als  ein  Sollen 
gegenübertritt,  das  sich  nie  auf  ein  Seiendes  zuräck- 
föhren  läßt.  Zwischen  diesen  beiden  Welten,  der  „seienden" 
und  der  „geltenden"  steht  das  theoretische  Subjekt,  das  beide 
Welten  'doroh  sein  urteilen  miteinander  verbindet.  Zo- 
nächst  leuchtet  die  Verwandtschaft  dieeer  Lehre  mit  der 
logizistischen  (^  45)  ein.  Die  geltende  Welt  deckt  sich  in 
vielen  Punkten  mit  den  Vorstellungen  an  sich  usf.  von  Bol- 
zano  und  den  Wesen  von  Husserl.  Eine  Abweichung'  tritt  eist 
darin  hervor,  daß  Kickert  diese  Welt  des  Logischen  der 
Logizisten  jeden  Seins  Charakters  entblößen  will:  „dae 
Logische  existiert  nicht,  sondern  es  g  i  1 1".  Und  auch  damit 
würde  noch  kein  allzu  erheblicher  Unterschied  gegenüber 
dem  Logizismns  Bolzanos  gegeben  sein,  wenn  Bickert  nicht 
dies  „Gelten"  ganz  im  Sinn  eines  Wertes  —  statt  im  Sinn 


')  Ich  möchte  Termuten,  dafi  statt  „ihren"  stehea  mOSte  „seinen"- 
*)  Zur  Lehre  v.  d.  Definition,  Diss.,  Freibur«  18S8,  2.  Aufl.  Tflbioien 
191&;  Der  Gesenstand  der  Erkenntnis,  Freibur?  IStß,  8.  Aufl.  Tflbiuai 
1916;  Die  Grenzen  der  naturwissensch.  Becrifisbildi^tg,  TflbinBea  u.  Leip- 
äg  190S,  2.  Aufl.  1919  (vgl.  auch  Vieiteljahrsschr.  f.  wiss.  Philos.  ISH, 
Dd.  18,  S.  277,  nam.  5.  290 ff.};  Kultunriseenschaft  u.  Natunrissenscbaft, 
Freiburg  1899,  3.  Aufl.,  1916;  Zwei  Wege  der  EAenntnisUieorie,  Kant-Stu- 
dieo,  1909,  Bd.  1^  S.  169;  Über  log.  u.  eth.  GeUumc,  ebenda  191^  Bd.  14 
S.  182;  Vom  Begik  d.  Philosophie,  Logos  1910/11,  Bd.  1,  S.  1;  Das  Eine, 
die  Einheit  u.  die  Ein^  ebenda  1911/1%  Bd.  2,  S.  36;  Urteil  u.  Urteileii, 
ebenda  191^  Bd.  S,  S.  230;  Vom  System  der  Werte,  eben<&  1919^  Bd.  ( 
S.  295.  Die  Ansichten  Rickerta  haben  ^h  im  Laut  der  Jahre  in  manclMti 
Funkten  geftndert  und  ausgestaltet  Die  Zitate  oben  im  Text  beaebee 
sich,  wenn  nichts  anderes  bemerkt  ist,  auf  die  8.  Aufl.  des  an  zweiter 
Stelle  gokatuilen  Werks. 


a.  Kapitel.    Allc«ineioe  Oesclücbt«  der  Logüi.  191 

mfT  Tatsache  oder  tatsächlichen  ÜbereioBtimmong  —  uaf- 
taäte.  Die  Logik  ist  daher  nach  Bickert  eine  „'W«rt'wia8eD- 
lefaift".  Alles  TheoretiBche  hat  einen  „Wertcharakter*'. 
Eine  „ontoloffiache  Logik"  im  Sinne  der  Logizisten  ist  naoh 
B.  unmöglich.  Da  auch  nach  ihm  das  Urteil  (der  Satz)  den 
Banptgegenstand  der  Logik  bildet,  so  kann  die  Bickertsohe 
Ansicht  aneh  spezieller  dahin  formnliert  werden,  dafi 
eisten  6  der  „transzendente  Urteilegehalt"  („der  objektive 
oder  transzendente  Sinn,  der  wahr  ist")  *)  von  dem  ,rA.kt  des 
UrteilenB*'  dnrchaos  verschieden  ist*),  insofern  er  seinem 
Tesen  nach  nur  unwirklich  sein  kann,  aod  alao  zum  Akt  des 
nrieilenden  Verstehens  in  einem  prinzipiell  anderen  Ver- 
hähnis  steht  als  z.  B.  der  wahrgenommene  Körper  zom  Akt 
desWahmehmens  (S.259),  nnd  daQ  zweitens  dieser  trans- 
wndente  Sinn  des  Urteils  ein  „tranezendenter  Wert"  ist 
(8.  272  o.  Kantätud.  Bd.  19,  ä  185). 

Was  das  Wort  „Wert"  bedeutet,  bleibt  dabei  freilich  unklar.  H.  gibt 
kUM  an,  daB  der  Begrifi  des  Wertes  sich  ebensovenig  wie  der  des  Seins 
<i(&ueren  laase,  und  daB  er  daa  Wort  «Wert"  t»auche  „fOr  Gebilde,  die 
nicht  existieten  und  trotzdem  Etwas  sind"  (S.  266).  Nun  bedeutet  aber 
loch  tllfemeioeni  und  si>ezie)l  auch  nach  wiasenschafüichem  Sprach- 
Rtntich  „Wert"  etwas  viel  Spezielleres,  und  auch  Ricktal  toiucht  „Wert" 
k«in«swees  stets  in  jenem  ganz  unbestinunten  Sinn  eines  nicht^ezifftiefen- 
den  und  doch  etwas-seienden  Gebildes.  Us  mQBle  also  der  Nachweis 
«ineht  werden,  daB  der  piisnante  flhliche  Sinn  und  jener  ganz  unbe- 
slmmte  Sioa  zusanunenlallen,  und  dieser  Nachweis  steht  aus. 

ADerdings  gibt  R.  ein  Kriterium  zur  Unterscheidung  ders.Seinsbegnfle" 
von  den  Wertbegriften  an  (S.  266).  Die  Negation  soll  bei  Wiertbegriffen 
zwei  Bedeutungen,  bei  SeiDsbeariOen  nur  eine  Uelem.  Wann  ha(  Keil 
es  „Seinsbegnff"  ist,  nach  R.  nur  eine  Bedeulun«  der  Verneinung,  nin- 
Wi:  Abwesenheit  von  warm  (Abwesenheit  in  logischem  Sinne).  B« 
dnn  konträren  Gegensatz  „kait",  den  man  im  Sinn  eines  Einwände  gegen 
Riekni  vielleicht  anffUiren  mfichte,  handelt  es  sich  nach  R.  nicht  um  eine 
tiiie  Negation,  sondern  zugleich  um  eine  positive  Eigänzung;  er  soll  daher 
»*di  R.  nicht  in  Betracht  kommen,  tai  Gegensatz  zu  warm  sollen  z.  B.  gut, 
*t)>r  Dsw.,  weil  es  sich  hier  um  „Wertbegriffe"  handelt  bei  reiner  Vemei- 
>>">£  iwei  Bedeutungen  eirgeben,  nimlich  erstens  ,>öse"  bzw.  ,J!alsch"  usw. 
oiid  zweitens  Abwesenheit  von  gut  und  bCse  bzw.  wahr  und  falsch  ^),  Das 
Hiuiikonunen  der  ersten  dieser  beiden  Bedeutungen  soll  für  die  Wert- 
■WiBt  charakteristisch  sein.     Hiergegen  ist  jedoch  folgendes  einzuwenden. 

*)  Die  Transzendenz  beruht  nach  R.  auf  der  Wahrheit  (S.  363). 

■)  In  dam  Aufsatz  im  Logos  191%  S.  SSO  unterscheidet  R.  1.  die  psr- 
'^'•che  UrteilswirUichkeit,  2.  den  unwirklichen,  d.  b,  nicht-psTchischen, 
'"'uiUichen  tbteilsgehalt  und  8.  den  insnanenlen  Sinn  des  Urteilsaktes. 

')  Sehen  die  Formulierunt  „Abwesenheit  von  wahr  und  falsch"  ist 
uUkomfct 


1,1^. OQi 


,g,c 


192         '■  Teil.    Abgrepzuni  imd  aHgemeine  Geschichte  der  Logik. 

Auch  die  reine  Negalion  von  wahr  ist  nur:  Abwesenheit  von  «ahr.  falsch" 
ist  keine  reine  Negation,  soDdem  involviert  bereits  eine  positive  AusfQUunt 
der  Negation  des  W&hren,  ähnlich  wie  kalt  eine  solche  der  N««ation  des 
Warmen.  Bemerkenswert  ist  allerdings,  daS  ich  unter  der  Bezeichmmg 
,Jslach"  alle  innertialb  derselben  Klasse  *)  m<>glicben  positiven  KrstnzunKen, 
also  olle  die  verschiedenen  Falschbetten,  die  zu  einer  Wahrheit  gdiöreii, 
in  einem  Begrifl  und  Wort  zusammentasse.  Aber  dies  ist  auch  bd  den 
,3  e  i  n  s  begriffen"  sehr  wohl  möglich.  Ich  kann  z.  B.  den  Begriff  der 
„nicht-srOnen  Farbe"*)  bilden:  dieser  umfaBt  dann  sleichlalls  alle  positiven 
Auslflllungen  des  Nieht-granen  innerhalb  der  Klasse  der  Farben '<>)'  Solche 
Begriffe  sind  uns  nicht  so  geläufig,  weil  derartige  Zusammenfassungen  auf 
dem  Gebiet  der  SinnesqualitAten  praktisch  nicht  so  bedeutsam  sind.  Lc^isch 
betrachtet  sind  sie  jedoch  ebenso  berechtigt  wie  die  Begriffe  böse,  falsch  usf. 
Sobald  praktisches  Bedtlrtnis  vorliegt,  bilden  wir  denn  auch  ganz  entspre- 
chende negative  Seinsbegriffe.  Besonders  lehrreich  ist  in  dieser  Beziehung 
der  Betfifi  „verschieden"  („ut^leich")  als  Negation  von  gleich.  Hier  hat  die 
Zusammenfassung  der  positiven  Ausfüllungen  der  Verneinung  auch  mnen 
geläufigen  sprachlichen  Ausdruck  gefunden.  Auch  die  Begriffspaare  hoch  — 
tief,  rechts  —  links  lassen  sich  zu  analogen  Erwägungen  vdrwerten.  Jedeo- 
lalls  kann  also  die  Doppeldeuligkeit  der  Verneinung  nicht  als  zutreffendes 
spezifisches  Heitmal  irgendeiner  Begrifisklasse,  geschweige  denn  im  Beson- 
deren der  Klasse  der  Wertbegrifie  gelten. 

ScbUeBticb  wird  man,  wenn  R.  den  Wertbegiiff  im  üblichen  wgeni 
Sinn  versteht,  bezweifeln  müssen,  daB  „Wert"  und  „Gelten"  zusammen- 
fallen, da  man  sich  „gelten"  und  „wahr  sein"  sehr  wohl  audi  triine  „Wert" 
(s.  sIr.)  denken  kann.  Es  bleibt  daher  bedenklich,  wenn  R.  „Wert"  nod 
„Gelten"  piomiacue  braucht  Der  Schritt  über  das  Gelten  im  Sinn  von  Bol- 
zano,  Brentano  u.  a.  hinaus,  wie  er  in  der  Bickertachen  Einführung  des 
Wert  bepritfa  hegt,  bleibt  daher  unklar  und  anfechtbar. 

B.  gründet  auf  den  Wertcliarakter  des  transzendenten 
Urteilssiims  den  Gedanken  „einer  Wissenschaft,  welche  die 
Wertformen  des  transzendenten  Urteilesinnes  systematisch 
dannstellen  hat,  und  die  sich  ansschlieQlich  in  einem  Reich 
der  transzendenten  theoretischen  Werte  bewegen  könote, 
ohne  dabei  SückBicht  anf  das  wirkliche  Erkennen  zu 
nehmen  . .  .",  und  will  diese  als  „reine  ")  Logik"  bezeichnen 


<)  Nämlich  der  auf  Wahrheit  und  Falschheit  bezüglichen  Urteils- 
prSdikale. 

■]  Das  Beispiel  der  Temperaturempfindungen  hat  die  Besonderheit,  daB 
im  Bereich  derselben  nur  2  Qualitäten,  warm  und  kalt,  existieren,  eine  solche 
Zusammenfassung  des  nicbt-warmen  bzw.  nicht-kallen  also  gar  nicht 
in  Frage  kommt. 

'*■)  Die  positive  Ergänzung  wird  durch  die  Zusammenfassung,  inso- 
fern dabei  die  speziellen  Differenzen  —  rot,  blau,  gelb  usf.  —  EurOckge- 
diängt  werden,  nur  verdeckt,  aber  nicht  ganz  aufgehoben. 

")  Das  Wort  „rein"  wird  hier  also  abermals  in  einem  neuen  Sinn  ge- 
braucht, vgl.  S.  126  Anm  i  und  Rickert,  Logos  11,  S.  30  ff.  In  der  letzleieo 
Abhandlung  (S.  38)  gibt  Rickert  übrigens  eine  Bestimmung  des  j.rein  legi- 


OgIC 


3.  Kapitel.    Allganeine  Geschichte  der  Locik.  1  \)^ 

(&  272).  Sie  wäre  eine  reine  Wertwissenscfaaft,  die  ,^  weder 
mit  einem  physischen  noch  mit  einem  psychischen  Sein, 
weder  mit  einem  realen  noch  mit  einem  idealen,  weder  mit 
eioer  sinnlichen  noch  mit  einer  übersinnlichen  Wirklichkeit, 
soüdem  aUein  mit  dem  nicht-seienden  Sinn  der  Sätze  über 
die  seienden  Objekte  und  mit  den  Formen,  die  als  Werte 
diesen  Sinn  konstituieren,  za  ton"  hat.  Sehr  mißverständlich 
bcMichnet  B.  diese  reine  Logik  anch  als  „objektive"  Lc^k. 
Er  Hill  damit  offenbar  jede  Beziehung'  auf  ein  Subjekt 
UHebalten.  Es  soll  sich  nicht  nm  eine  Norm,  „ein  transzen- 
dentes Sollen"  für  ein  Subjekt  handeln,  sondern  dos  Wesen 
des  Transzendenten  soll  anf  theoretischem  Gebiet  restlos  in 
seiner  nnbedingten  Geltung  aufgehen:  „ee  fragt  nicht,  für 
»en  es  gilt"  {S.  279).  Die  Umwandlung  der  Werte  in 
Nonnen  für  den  wirklichen  ErkenntniaprozeB  ist  keine 
winensehaftliche  Anfgabe  mehr,  sondern  Sache  der  Technik 
(S.  280).  Andrerseits  hebt  B.  gegen  Iiosk  (s.  unten)  hervor, 
daß  eine  solche  reine  Logik,  welche  das  erkennende  Subjekt 
and  damit  die  Erkenntnis  geflissentlich  ignoriert,  unvoll- 
stäiid^  bleibt  und  durch  eine  „Transzeudentalpsychologie", 
3nf  welche  hier  nicht  einzugehen  ist,  ergänzt  werden  muS 
(S.294tt.).  So  glaubt  B.  doch  eine  Brücke  zwischen  der  Welt 
der  theoretischen  Werte  und  den  psychischen  Erkenntnis- 
akten schlagen  zu  können.  Das  „überempirische  Beich  des 
Logischen"  —  lehrt  die  Transzendentalpeychologie  —  ist 
dodt  nur  als  „eine  Welt  der  theoretischen  Werte  zu  ver- 
itdien,  die  dem  erkennenden  Subjekt  als  Sollen  gegenübcr- 
treten".  Es  wird  zugegeben,  daß  „alles  Erkennen,  obwohl 
es  gewiß  mehr  als  einen  psychischen  Prozeß  bedeutet, 
inunfir  auch  ein  psychischer  Prozeß  ist"  (S. 296).  An  dem 
payehischen  Sinn  des  Erkennens  muß  sich  daher  irgend  etwns 
finden  lassen,  was  das  „mehr  ala  bloß  psychisch"  verbürgt, 
and  dies  immanente  Kriterium  ist  die  Gewißheit  (Evidenz). 
Dabei  verzichtet  E.  auf  die  Annahme  einer  überrationalen 
Sikeontnisfähi-gkeit  oder  Intuition  (etwa  im  Sinne  Scbcl- 
lings). 


Kl>a  Gegenstandes"  (oder  des  „logiseben  Urphänomena"),  die  sich  ouc 
scbver  mit  der  Werttheorie  vereiiügeii  l&Bt.  Hier  heiBt  es  nainllch,  daß  „der 
nü  lociKhe  Gegeostand  einerseits  aus  dem  Einen"  (der  Form)  „und  dem 
andern"  (dem  Inhalt),  andrerseits  aber  „auch  aus  der  Einheit  dieses  Mannig- 
f«hes  ttettebe,  von  dem  das  Eine  sich  als  das  Einrache,  nicht  IQr  sich  be- 
Bt^rade  Uoment  am  Qegensüinde  unterscheidet". 

Zifhta,  LArtHicli  d«t  Logik.  13 

„.,,n,^.OOglC 


1P4         '  "f^'-    Abtrenzung  und  allsemeiae  Geschichle  der  Loüik. 

Die  weitere  Lehre  Ftickerts,  da.B  auch  das  Qberindividnellc  (unpenäo- 
hche)  „Bewußtseio  Oberhaupt"  iiimier  noch  als  „ein  urieilendes,  das  SoHeo 
bejahendes  Subiekt"  gedacht  werden  mtlsse,  steht  bereits  Banz  auSerimlb 
der  Loitik  im  Sinn  unserer  .Vbgrenzunf  (vgl  namcnli.  1.  c.  Kap.  4%  g  10  u.  11). 

Neben  der  Logik,  die  «ä  mit  dein  „rein  logisclien  Ge^n- 
htJinde"  oder  der  »Einheit  von  Form  und  Inhalt  übirhanpl" 
zu  tan  hat,  erkennt  übrigens  auch  R.  eine  Logik  an,  die  sich 
mit  den  nieht  mehr  rein  logiBchcn  Formen,  d.  h.  Formen, 
die  mit  einem  inlialtlichen  Faktor  in  eigenartiger  Weise 
verschmolzen  sind,  beschäftigt.  Aber  anch  diese  nicht  gam 
reine  Logik  fragt,  selbst  wenn  sie  es  mit  den  besonderen 
Gegenständen  zn  tun  hat,  immer  nur,  dnrch  welche  Form 
und  durch  welchen  Inhalt  dieselben  zu  Erkenntnisgegen- 
Ktünden  werden,  nntersncht  aber  die  Gegenstände  selbst  nicht 
(T_ogos  n,  S.  74). 

Zur  Rickertachen  Schule  (tehört  u.  a.  Broder  CbristianscD 
^Daa  Urteil  bei  Descartes,  Freiburg  1902;  Kfitik  der  Kantischeit  Eikenntnis^ 
lehre.  Berlin-Steglitz  1913}  und  Rieh.  Kroner  (Über  log.  und  ästhei 
.'Mleemeingüitigkcit,  Zlschr.  f.  niilos.  u.  philos.  Krit  1909,  Bd.  ia4,  S,  2äl 
u.  Bd.  136,  S.  10).  Auch  die  „utä^auistischc"  Autfassung  von  Jonas  Cobn 
(geb.  1S69,  VoraussGlzunsen  und  Ziele  des  Erkennens,  tintersiicbungen  über 
die  Gnindlrageo  der  Logik,  Leipzig  1908}  ist  der  Rickertschcn  nahe  ver 
wandt.  Teils  zu  Rickert,  l«ils  zu 'Husscrl  neigt  Fried  r.  Kunze  (Die  khl. 
Lehre  von  der  Objektivitäl,  Heidclbers  IHOfi  u.  Festschr.  {.  Rielil,  H»Ili- 
1914.  S.  ICB— 165). 

Winrielhand  und  «ickcrt  sehr  nahe  steht  Emil  Last:  (1S7&— 1915). 
Insbesondere  haben  sich  Rickert  und  Lask  in  mannigfacher  Weise  gegen 
seilig  beeinflußt.  Außerdem  ist  Lask  noch  sichtlich  von  E&ntschen  Ldiren 
abhängiger  als  Windelband  und  Rickert.  Lasks  llauptachriften  aul  logischem 
Gebiet  sind:  Die  Logik  der  Philosophie  und  die  Kategoritnlehre,  Tlibingeti 
1911,  und  Die  Lehre  vom  l'rteil,  Tübingen  1912.  Von  Bolzttno  und  Husserl 
weicht  L.  namentlich  insofern  ab,  als  er  die  Zeitlosigkcit  der  Wahrheiten 
(Mlze  an  sich)  nur  ihrer  Form,  nicht  ihrem  Inhalt  zuschreibt  und  daher 
im  Gegensatz  zu  den  Logizisten  ein  Zusammenfallen  der  „Wahrheiten"  und 
der  „GegensUnde"  lehrt  (Log.  4  Pbilos.  S.  38  fi.).  Damit  entfallt  für  Last 
auch  der  Gegensalz  des  Logischen  wie  Oberluiupt  des  Gellenden  zum  Sein 
und  die  Priorität  des  Geltcns  (Sollens)  vor  dem  Sein,  wie  äe  Rickert  be 
hjiuptct.  Nur  das  Seinsmatcrial,  nicht  das  Seiende  als  Ganzes,  wie  es 
JUS  Material  und  Form  besteht,  ist  dem  Geltenden  entgegengesetzt  (1.  c- 
S.  46).  Das  „Ineinander  von  hingellender  Form  und  betroffenem  Matenal" 
bezeichnet  L.  auch  als  „Sinn"  (l  c.  S.  38\  Die  theoretischen  Foimen  (im 
Gegensatz  zur  ästhetischen  Form),  die  den  speziellen  Gegenstand  der  Logik 
ausmachen,  sind  die  Kategorien.  Da  es  nach  L,  auch  „Formen  der  Formen" 
gibt,  sind  die  Kategorien  nicht  auf  das  sinnliche  Material  beschrlnkL.  son- 
dern es  gibt  auch  Kategorien  der  nicht -sinnlichen  Fahnen  (vgl  die  Bemer- 
kungen Ober  Plotin  S.  47  in  diesem  Werk).  Durch  die  ..Subjektivität",  d.  li 
das  Denken  des  Subjekts,  bekommen  die  Kategorien  „reflexiven"  und  ,^ene- 
rellen"  Ofiuakter  (statt  des  urspTOngUchen  „konstitutiven"  und  ttanssub- 


1,1^. OQi 


,g,c 


__         3.  Kapitel.    AllgeiOMne  GcBchiehtc  der  Logik.  J95 

ictbia].  Die  seitherige  formale  Logik  als  ,4^rc  von  den  generellen  lo«i- 
xhD  fblnomeBen"  hat  vielfach  hetenigene  Beatandteile  —  koDstitutive  und 
nSain  ~  zusamroengeworien.  Die  Logik  zerftlH  daher  in  1.  die  LeUre 
'^ca  ien  iiegenständlichen  logischen  Ptiänomenen  {^=  transzendentale  oder 
titonliustheoretische  Logik)  und  3.  die  Lehre  von  den  nicht  gegenst&nd- 
Mm  logischen  lUnomenen  (=  [annale  Logik}.  Da  nach  meinen  Dar- 
'«iiiUMi  besonderelogiBche  Gegenst&nde  nichtbestehen, 
Tielmehr  künstliche  Begriffskonstruktionen  sind  (vgl 
ip  aulochthone  Gnindlrgung  §  SS),  so  fällt  der  erste  Teil  der 
Losikim  Sinne  l.asks  ganz  mit  der  Elrkennlnislheorie 

Auch  Hugo  Hiinsterberg")  (geb.  ISGS)  steht  in  vielen  Bczie- 
buDjen  der  Windelbandschen  werttheoretisch ün  Auffassung  der  Lc^ik  nahe. 
Et  btingl  nur  ähnlich  nie  Fichte  die  Werttheorie  in  engen  Zusammenhang 
mit  dw  W  i  1 1  e  n  3  thtorie.  Durch  eine  ursiirünBliche  Talhandlung  tj.Gnind- 
Ül")  bejahl  der  Wille  eine  von  uns  unabhängige  Weil  und  ochaJJt  damit  ab- 
soNile  Werte,  zu  weichen  auch  die  logischen  g^ören.  Bei  den  logischen 
Akten  soll  es  sich  um  die  „aberindividuelle  Beiahung  von  /usammenhänsen" 
larnjeln.  Der  Zusammenbang,  den  die  Logik  fQr  sich  selbst  als  Wissen- 
:clialt  lierstellt,  wird  gedeutet  als  „die  Zusammenfassung  des  zerstreuten 
TOwUich  mannigfaltigen  Materials  logischer  Akte  unler  einfachen  einheil- 
lidieii  allgemeinen  GrundwiUr'nsakten." 

I  47.    d)  Halbe  Lf^idsten.    Lotse.     TelehmaUer.    Die 

loeizistiscbe  Richtung'  der  modernen  Logik  ist  in  den  beiden 
letzten  Paragraphen  von  Bolzauo  aus  in  ihren  mannigfaltigen 
l'iDSestaltiingen  (gegenstandstheoretisehe,  werttheoretische 
Anffaeenng  tief.)  bis  in  die  neueste  Zeit  verfolgt  worden.  Es 
muß  jetzt  nachholend  zu  einigen  älteren  antipsycho- 
lo^stischen  bzw.  antisensnalistiscben  und  aotipositivistiBehea 
Gegenströmungen  (vgl.  S.  164)  zurückgekehrt,  werden,  die 
iiwar  vielfach  It^izistiscbe  Ansichten  vertreten  und  zum  Teil 
uueh  nicht  ohne  Einfluß  auf  die  logizietische  Richtung  ge- 
blieben sind,  aber  doch  in  wesentlichen  Punkten  von  ihr  ab- 
wichen und  zu  keinem  endgültigen  Abschluß  in  logizisti- 
».'hem  Sinne  gelangt  sind. 

Hderher  gehört  vor  allem  Rudolph  Hermann 
Lotze')  (1817 — 1881),  der  schon  durch  seinen  Lehrer  Chr. 

")  Namentlich  GrundzUge  der  Psychologie  Bd.  1,  Leipzig  1900  (insbes. 
S-  Ifia— 16&)  und  Philosophie  der  Werte,  Leipzig  1908  (insbcs.  S.  R3ff.  u. 

s.  mtl.). 

')  Logik,  Leipzig  l&fcJ;  System  der  Philosophie,  1.  Teil,  Drei  Bücher 
^  Logik  (Untertitel ;  Logik,  Drei  Bücher  vom  Denken,  vom  Untersuchen 
y^  vom  Erkennen),  Leipzig  IflTi,  3.  Aufl.  (bis  auf  eine  Anmerkung  ober 
'•^lien  Kalkül  nicht  wesentlich  verändert)  1880,  Neudruck  in  der  philos. 
WÄirthek  Bd.  141,  1»12;  GrundzQge  der  Logik  und  Enzyklopäd.  der  Philos. 
(■^tate  aus  den  Vdrlesungen),  Ldpzig  1S8B,  5.  Autt.  1613.    Die  Zitate  im 

„.,.,„.>..oo^sic 


196         '■  'I^^'-    Absrenzung  und  AÜKemeiDe  Qeschicbte  der  Losik. 

H.  WeiBe  (vgl.  S.  146)  in  Hegeleohe  Gedankenkreise  «in- 
geführt worden  war,  dann  aber  teils  dorch  WeiBe  selbst,  teils 
dnreh  naturwissenschaftÜch-psychologische  TJntersnchnngen 
von  Hegel  abgekommen  war.  In  seiner  Logik  vom  Jahr«  184S 
hob  L.  das  ethische  Moment  in  der  Logik  hervor.  Kr 
glaubte  —  hierin  znm  Teil  mit  Fichte  übereinstimmend  (vgl. 
S.  132)  —  die  Notwendigkeit  der  Denkgesetze  darin  suchen 
zu  müssen,  daß  der  Geist  nnr  durch  die  Denkgesetze  „seine 
ethische  Natnr  verwirklichen",  „seine  wahre  Bestimmung 
erreichen"  könne.  In  der  ansführlichen  späteren  Darstellnng 
der  Logik  vom  Jahre  1874  führt  L.  den  Begriff  der  „Gel- 
tung" als  maBgebendes  Prinzip  des  Logischen  ein.  Er 
glanbt  nachweisen  zu  können,  dafi  „diejen^e  Bealität,  die 
wir  den  dnrch  unser  Denken  erzeugten  ÄUgemeinbegriffeB 
znerkennen  wollen,  völlig  onähnlich  einem  Sein  ist  nnd  nur 
in  einer  Geltung  von  dem  Seienden  bestehen  kann  (8.  549, 
^  341).  Die  logische  Denkhandlnng  hat  nnr  eine  „subjek- 
tive Bedeutung",  der  durch  sie  erzeugte  Q«dauke  dagegen 
hat  objektiv«  Gelttmg.  Das  Objekt  wird  dank  seiner 
gleichen  Entstehung  bei  vielen  Denkenden  von  der  Subjek- 
tivität des  einzelnen  Denkenden  unabhängig  (S.  557,  ^  345). 
Die  Denkbandlungen  selbst  sind  darum  doch  nicht  als  „nur 
subjektiv"  zu  bezeichnen,  da  eine  jede  ungeachtet  ihrer  indi- 
viduellen Bestimmtheit  stets  auch  dnreb  den  allgemeinen 
Zusammenhang  der  Sachenwelt  bedingt  wird.  Beal  sind  nnr 
die  Dii^pe,  insofern  sie  „sind",  und  die  Ereignisse,  sofern  sie 
„geschehen",  „in  ihrer  dem  Denken  jenseitigen  Wirklich- 
keit". Die  „logischen  Gedauken",  d.  h.  die  Produkte  der 
Denkhandlungen,  haben  in  bezng  auf  das  jenseitige  Beale 
sachlich  keine  unmittelbare  Geltung,  sondern  nur  dem  Denk- 
inhalt  als  solcheoi  gegenüber.  Sie  haben  eine  Wirklichküt 
des  Seins  nnr  in  den  Augenblicken,  in  welchen  sie  gedacht 
werden,  zugleich  aber  ist  doch  „die  Natur  aller  Geister  so  ge- 
artet, daB  immer,  sobald  dieselben  beiden  Beziehongsponkte 
a  nnd  b  gedacht  wurden,  auch  sich  selbst  gleich  dasselbe 


Text  beziehen  sich  auf  die  Logik  v.  J.  187*.  Uit  Lotzeo  Logik  besdiÄfÜgt 
sich  u.  a.  G.  Fonsegrive,  Rev.  philosophique  1888  A,  Bd.  21,  S.  618;  0.  Kreb* 
Der  WiosenBchaftabegrifi  bei  H.  Lotie,  Viertelirtreachr.  t.  wios.  Philo».  1887, 
Bd.  3t,  a  26  (Dunentl.  zutrefiende  Kritik  der  Lotzeschen  Wahrtieitslehre); 
Chr.  F.  Pfeil,  Der  EinfluB  Lo(h8  aut  die  log.  Bewfigung  dar  Gesennrt,  dar- 
gestellt am  Begriff  der  HQeltung"  und  am  Begrifi  der  Wahrheit  und  de» 
J^priori,  Dis9.  Erlangen  10U  (Druckort  TObingeo). 

„.,,„,  ^.oogic 


2.  Kapitel.    Allfemeiite  G«sehidil«  der  Logik.  197 

ÜHeÜ  C  über  ihr  Kegeii8eitig«B  Verhältats  gefallt  wird" 
Ca  561,  ^  346).  Wie  im  platoniBchen  Ideenreich  stehen  alle 
Tontellbaren  Inhalte  in  festen  nnd  nnveränderlichen  Be- 
ziehongeu,  die  ein  fSr  allemal  gegeben  Bind.  Die  Möglich- 
keit, daß  diese  „wnnderbarate"  Tatsache  „in  der  Welt"  auf 
der  Beschaffenheit  der  dinglichen  (seienden)  Wirklichkeit 
und  den  ihr  angepaßten  Denkfnnktioneni  benihen  könnte, 
bleibt  nnberöcksichti^  Das  „Oelten"  einer  Wahrheit  ist 
nach  Lotze  „ein  durcfasTis  nur  auf  sich  beruhender  Orond- 
bogriff"  (trotz  der  Entstellung  äer  Gedanken  ans  Denkhand- 
Inogenl).  E^  hat  weder  die  Wirklichkeit  des  Seins  noch  ist 
f&  vom  Denken  abhängig  (S.  500,  ^  316).  Die  spezielle  Wirk- 
Kehkeit,  welche  hiernach  den  Gedanken  (Denkinhalten)  zu- 
kommt, drückt  Lotze  auch  durch  den  Terminns  .fachlich 
gegeben"  aus  (S.  558,  ^  345). 

Lotze  bestreitet  daher  auch,  daß  die  Logik  wesentlichen 
Xutsen  aus  der  Erörterung  der  Bedingungen  ziehen  könne, 
unter  denen  das  Denken  als  Vorgang  verwirklicht  wird.  Er 
weht  „die  Bedentung  der  logischen  Formen"  vielmehr  „in 
ieta  Sinuc  der  Verknüpfungen,  in  welche  wir  den  Inhalt 
nnarer  Voistellungswelt  bringen  sollen"  .  .  .  (Logik '  1874, 
a  531,  §  332). 

Wie  mannigfach  sich  diese  Lehren  mit  den  älteren  Bol- 
unoB  und  den  neueren  einerseits  von  Cohen  und  Natorp, 
andrerseits  von  Windelband  and  seiner  Schnle  berühren,  liegt 
nitage*).  Es  maß  nur  betont  werden,  daß  Lotze  nicht  zu 
einer  konsequenten  Ansgestaltong  dieser  Auffassung  ge- 
ktnunen  ist  und  über  die  dritte  Existenzart  des  Logischen 
nie  zu  völliger  Klarheit  gelangt  zu  sein  scheint. 

Unter  L«t2e9  Schalem  hat  natnenUich  With.  HolleaberB  das  lo- 
■nche  Gebiet  etwas  ausfohdicher  behandelt  (Logik,  Psrchologie  und  Ethik 
*)>  PlukQopbiaelw  Propädeutik,  Elberfeld  1800}. 

Wesentlich  bedeutender,  wenn  anch  aus  äußeren  Grüu- 
^  viel  weniger  beachtet  als  diejenigen  Lotzes  sind  die 
l(«i8clien  Leistungen  Gustav  Teichmüllers')  (1832  bis 
1838).    Auch  Teichmüllcr  nähert  sich  den  Logizisten,  indem 

='}  Vgl.  auch  Rieh.  Falckenber^  Ztschr.  f.  Philo»,  u.  philos.  Kiilik  1SI3, 
^-  IC^  &  37  (40)  und  Georg  Miwh,  Einleitung  L  d.  Neudnick  der  Logik, 
"ipog  1M2,  Bd.  1,  S.  IX-ÄCI,  namentl.  XXXVU  ff.  u.  LXXII  ff. 

')  IHe  wirkliche  und  die  scbeinbaTe  Welt,  neue  Grundlegung  der  Meta- 
*^ak,  Breslau  1883  (Buch  1,  Kap.  a— 7J  und  namentl.  Neue  Grundlegung 
wf  Psichologie  und  Logik,  berausseg.  von  J.  Ohse.  Breslau  ISÖB. 

.........X.OOgh. 


198         '-  '^^'''    Abgrenzung  und  allgemeine  Geschichte  der  Logik. 

er  neben  dem  „realen  Sein"  der  Erkenntnisakte  and  sonstigen 
psychischen  Akte  und  dem  „sobstanziellen  Sein"  des  Ich  ein 
„ideelles  Sein"  annimmt  (N,  Gmndl.  d.  Psych,  n.  Log. 
S.  17).  Dies  ideelle  Sein  ist  der  „Inhalt  und  Gegenstand 
iinsrer  Erkenntnisfunktion"  und  somit  unsrer  „Gedanken". 
Lotzes  Geltungstheorie  wird  von  TeichmülJer  ausdrück- 
lich abgelehnt  (I.  e.  S.  117).  „Der  gegebene  ideelle  Inhalt" 
wird  nach  T.'„ii^ndvie  durch  den  metaphysischen  Verkehr 
unseres  Ichs  mit  den  Wesen  außer  uns  bestimmt".  Die  Ord- 
nni^  der  Dinge,  die  als  ideeller  Inhalt  in  unserem  Bewußt- 
sein erscheinen,  stammt  aus  der  Ordnung,  dem  „inneren 
Koordinatensystem"  unserer  Funktionen  (I.  c.  S.  283).  Jedw 
Erkennen  ist  ein  Schluß,  durch  den  mindestens  zwei  „Be- 
ziehnngsptinkte"  unter  einem  „Gesiclitspunkt"  zu  der  Einheit 
einer  Funktion  zusammengefaßt  werden  (S.  19,  312).  Die 
elementaren  Beziehungspunkte  werden  von  den  Empfin- 
dangen,  den  Gefühlen  und  dem  .Jchbewußtsein"  geliefert 
(S.  265  n.  313).  Das  Wesentliche  des  Erkennen^  ist  also  in 
T.S  Terminologie  ein  „Koordinatensystem",  Elategorien  und 
apriorische  Prinzipien  existieren  nicht.  Durch  das  Erkeuuen 
kommen  die  ,Jdeen"  zustande.  Die  Funktion,  welche  dabei 
wirksam  ist,  wird  als  Vernunft  bezeichnet.  So  konmit  z.  B- 
der  Veruunftakt  des  Zahlens  bzw.  die  Idee  der  Zahl  dadurch 
zustande,  daß  das  Bewußtsein  irgendwelcher  gleichartiger 
Sachen  als  ideelles  Sein,  das  Bewußtsein  der  Perzeptiou 
der  einzelnen  Sachen  als  reelles  Sein  gegeben  ist  and  die 
Vernunft  die  funktionelle  Zusammenfassung  der  reellen 
Akte  in  Beziehung  auf  die  ideellen  Bilder  des  BewuSt- 
seins  vornimmt  (S.  293).  Alle  Gedanken  —  auch  die  empi- 
rischen individuellen  1  —  bilden  ihrem  ideellen  Inhalt  nach 
ein  „festverkettetes,  identisches  und  unveränderliches 
System"  (S.  329).  Bei  dem  Erkennen  kommt  zu  diesem 
„ideellen  oder  objektiven"  Koordinatensystem  eine  bestimmte 
Ordnung  xmsrer  geistigen  Funktionen  als  „snbjektives  Ko- 
ordinatensystem" hinzu  (S.  324). 

Auch  bei  T.  bleiben,  wie  diese  kurze  Darstellung  zeigt 
und  eine  ausführlichere  —  die  seine  Metaphysik  mitberüek- 
sichtigen  müßte  —  bestätigen  würde,  vielfache  Lücken  und 
Unklarheiten  bezüglich  des  ideellen  Seins,  was  zum  Teil  wohl 
darauf  zurückzuführen  ist,  daß  der  Tod  ihn  vor  Abschluß 
seines  Hauptwerks  überraschte.  Seine  antiaensualistische 
und  antipsychologistische  Stellung  hat  er  selbst  an  vielen 

„.,,„,^.oogic 


2.  Kapitel.    .Allffemeine  Geschichte  der  Logik.  199 

StfUeo  scharf  betont  (z.  B.  1.  c.  S.  273,  283,  287,  324),  ebeiisu 
sfioe  Anerkennung:  der  Tendenz,  der  He^elschen  Dialektik 
dm  Angriffen  anf  dieselbe  ansdrücklich  voransgeschickt. 

i^u  den  Halb-Lügizisten  gehört  —  allerdings  in  wesentlich  anderer  Üich- 
luct  als  Teichmüller  —  in  vielen  Beziehungen  auch  JuL  Bergmaon 
.l6tiU19l>{,  Allgeiu.  Logik,  Teil  1  Beine  Logik,  Berlin  1879,  nunentl.  g  1-^ 
11.210.;  Die  Grund  Probleme  der  Logik,  Berlin  läS2,  S.  völlig  unurearb.  Aufl., 
BeriiD  1895;  Sein  und  Erkennen,  Berlin  1380;  Über  Glauben  und  Gewißheit, 
ZbiJtr.  r.  Hiilos.  u.  phitos.  EntJk  1896,  Bd.  107,  S.  176;  Über  don  Satz  des 
laäch.  Grundes,  Zlschr.  f.  imman.  Phtlos.  1897.  Bd.  2.  S.  261)  *).  In  Berg- 
"BODs  logischen  Lehren  siod  namentlich  Anklänge  an  Fichte  und  Lotze, 
nin  Teil  auch  an  Lcibniz  zu  erkennen.  Das  sich  zum  Inhalt  habende  Be- 
iiStsein  ist  selbst  das  Subjekt,  dem  es  zukommt,  und  das  Übic4(t,  auf  wcl- 
ehea  es  gerichtet  isL  Jedes  Seiende  ist  ganz  und  Rar  wahrnehmendes 
^iekt  und  ganz  und  gar  Objekt  seines  Wahrnehmens.  Das  Sein 
«iDdr  Bestinuntheil  besteht  in  ihrer  Inhäreoz  in  einer  Substanz,  das  :^eiii 
aner  Substanz  in  ihrer  Inhäreui;  im  „Weltgrunde",  Jedes  Attribut  gehört, 
iir  Jdentität"  seiner  Substanz.  Die  Logik  untereutiht  sowohl  den  Begritf 
iei  formalen  wie  den  der  matcrialen  Wahrheil.  Die  formale  Wahrheit  will 
B.  »uf  tormale  Identität  zurilckführen,  die  materiale  »11  auf  drr  Exisleiia 
fe  Vorgestellten  und  somit  auf  der  maferialen  Identität  beruhen.  —  Be- 
Mnders  wertvolle  Anregungen  hat  ß.  in  der  Lehre  vom  iTieil  cesebrn. 

(  48.  e)  NeH-HegeliaB«r.  Während  die  altereu  He^ijl- 
seben  Sehtilen  ztuneist  dnreh  innere  Streitigkeiten  und  oft 
weh  durch  einen  grewissen  Schulenhoehmnt  von  einer 
näheren  B^tchäftignin^  mit  der  nenen  psychologiBtischen, 
PositivistiBchen  und  Induktiven  Ijogik  abgehalten  wui'den 
(vgl  8.  144),  richtete  die  neu-Hegelsche  Schule,  die  in  den 
letzten  40  Jahren  namentlich  außerhalb  Dentschlatidä  ziem- 
ßch  zahlreiche  Vertreter  fand,  ihre  Front  gerade  vorzugs- 
vtise  gegen  die  psychologistisehe,  {Mwittvistische  und  induk- 
tive Bichtung  der  Logik.  Sie  spielt  daher  heut«  unter  den 
(Gegenströmungen  gegen  die  letztere  in  manchen  Ländern 
eine  einflußreiche  EoUe. 

Eine  bemerkenswerte  Übergangserscheinung  zwischen  dem  älteren  und 
»^ereii  Hegelianismus  stellt  auf  dem  Gebiet  der  Logik  der  „Grundrifi  der 
l«cik  und  Metaphysik,  dargestellt  als  Entwicklung  des  menschlichen  Geistes, 
Haue  1878  voQ  G  ü  n  t  h  e  r  T  h  i  c  1  o  (1841—1911)  dar.  Er  weicht  von  Hegel 
umenllich  in  der  starken  Hervorhebung  des  denkenden  aberzeitlichen  indi- 
'^«'uellen  Ichs  als  „Trager  der  Kategorien"  ab. 

In  Deutschland  näherten  sich  die  .Veu- Kantianer  und  die  l.ogi- 

')  Die  beiden  letzten  Aulsätze  und  einige  andere  finden  sich  La  ntuei- 
BwtKitmig  auch  in  dem  Werk  „Untersuchungen  über  Hauptpunkte  der  Phi- 
■«oplae",  Martwnt  19Ö0,  S.  1  u.  70.  Vgl  über  Bergmanna  Logik,  W.  Schuppe» 
ViBtaüahrsschr.  t  wiss.  Philos.  IfifT»,  Bd.  3,  S.  467  und  E.  Hosserl,  .^i^h.  f. 
^«em.  Philos.  190B,  Bd.  9,  S.  113  ff.      ■ 


i,l^.OOglc 


200        I-  ''^^i'-    Abrrenmng  and  allsemeine  Geacttichte  der  Losik. 

zisten,  nantentiich  Natorp,  Husserl  und  WindeUnnd  (vgl.  g  fö  u,  46)  vidbdi 
den  HeKelschen  Auffassuiigen,  ohne  jedoch  die  panlosistiaclie  Tendsnz  Henli 
und  die  mit  ihr  zusammenhAngonde  Lehre  von  der  „iiinereD  Selbstbewefun^ 
des  Denkinhalts  anzunehmen.  Auch  treten  bei  diesen  Forschem  dis  Ober- 
einstimmungen  mit  Hegel  gegendber  anderweitigen  Anknüpfungen  (Käst, 
Plato)  mehr  in  den  Hintergrund.  Enger  an  Hegel,  speziell  an  die  losischen 
Lebren  Hegels,  schlössen  sich  nur  vereinzelle  Forscher  an,  wie  z.  B.  J alias 
Ebbinghaus,  Relativer  und  absoluter  Idealismus  usw.,  Leipzig  191IX 
namenlL  S.  6Bf.,  Eberhard  Zschimmer,  Das  Welterl^nis,  Leipzig 
1909—1913*  (8  Bände  roit  Anhang:  Prolegomena  zur  Panlogik)  tind  Enil 
Mammacher,  Die  Bedeutung  der  Philosophie  Hegels  usf.,  Leipzig  1911. 
Wesentlich  einfluBreicher  ist  der  Neu-Hegelianismus  in  Italien. 
Sein  Hauptvertreler  ist  hier  BenedettoCroce  (geb.  1866),  der  in  seiner 
Logica  come  sdenza  del  concetto  puro  ^)  (Bart  idOZ,  3.  AufL  1909,  vgL  z.  B. 
S.  6,  17  B.,  66)  und  „Die  Aufgaben  der  Logik"  (EnzvklopL  der  pbüos.  Wiaa 
Bd.  1,  Tobingen  1912,  S.  202  S.)  Hegels  logischen  Standpunkt  ohne  wesent- 
liche Abweichungen  vertritt  Vgl.  auch  Giovanni  Gentile  (ßA.  ISJb), 
La  riforma  della  dialeltica  hegeliana,  Messina  1913  (nameutL  S.  13).  In  Eng- 
land gehören  hierher:  John  M.  ElUs  Mc  laggart  (Studies  in  (he 
Ueaelian  DialecUc,  Cambridge  1886,  siehe  z.  B.  S.  288,  und  A  commenlarr  oa 
Hesel's  logic,  ebenda  1910;  Mind  1897,  N.  S.  Nr.  22.  S.  164>,  JamesBlack 
B  &  i  1 1  i  e  (The  origin  and  significance  of  Heget's  logic,  London  1901,  namenlL 
Kap.  12,  S.  SBSff,  Criticism),  Bernafd  Bosanquet  (Knowledge  and 
rcalitv,  a  criticiran  of  Ur.  Bradley's  „Frinciples  of  logic",  London  1886, 
'J.  Aufl.  1892;  Logic  or  Ihe  morphology  of  knowledge,  2  Bände,  Oxford  18S3'). 

2.  Aufl.  1912;  The  essentials  oF  logic,  London  u.  New  York  188&)  und  Harald 
H.  J  o  a  c  h  i  m  (The  nature  of  truth,  Oxford  1906,  coherence  theory :  „truth  in 
its  essential  nature  is  that  systematic  coherence,  which  is  the  character  of 
a  significant  whole").  In  Amerika  steht  u.  a.  John  Giier  Hibben 
(Inductire  logic,  New  Yoik  1896*;  Hegel's  logic,  New  York  1903,  nament- 
licb  Kaf.  Uff.;  Logic,  deductive  and  inductive,  New  York  1806)  auf 
dem  Boden  des  Neuhegelianismus.  In  Holland  tut  G.  J.  P.  J.  Bolland 
eine  Wiedeiiwlebung  der  Hegeischen  Logik  versucht  (CoUegium  logicum, 
lidden  IBOi  u.  a.). 

Decm  Logizismns  einerseits  und  dem  NeubegelianismuB 
audrerseits  steht  in  manchen  Punkten  auch  Ed.  v.  Hart- 
mann*)   (1842 — 1906)   nahe,   soweit    die   allgemeine   Auf- 

*)  Zudeich  Bd.  2  der  Filosofia  come  scicnza  dello  spirito. 

3)  So  kommt  BosanqueL  S.  236  zu  folgendem  allgemeinen  Ergebnis: 
;,logical  Science  is  the  analysis,  not  indeed  of  indiv-idual  leal  objects,  iHit  ol 
Ihe  intellectual  structure  of  reality  as  a  whole". 

*)  Philosophio  des  Unl>ewuBlen  usw^  Berlin  1869,  11.  Aufl.  Sschsa 
300«  (die  ZiUte  im  Text  beziehen  sich  auf  die  6.  Aua,  Beriin  1S74);  Ober 
die  dialektische  Methode,  BerUn  1868,  2.  Aufl.,  Sachsa  1910;  Das  Ding  an 
sich  u.  s.  Beschaffenheit,  BerUn  1S71,  2.  Aufl.  unter  d.  Titel  Erit.  Grund- 
legung des  transzendentalen  Bealismus  etc.,,  Berlin  1ST5  CnamcntL  S.  Itl  ^)> 

3.  Aufl.  1386  (Ausgew.  Werke,  Bd.  1);  Kategorienlehre,  Leipzig  1896  (AuB- 
gew.  Wciie,  Bd.  10,  namenlL  S.  173fE.);  System  dar  Phüos.  im  Grtmdrift 
Sachsa  1807—1908  (namcnit.  Bd.  1:  Grundr.  d.  Ericenntnislehre,  S.  1—« 
U.  165  It.). 


3.  Kapitel.    Allgemeine  Geschichle  der  Logik.  201 

tagm^  der  Logik  in  Betracht  kommt.  Auen  H.  nimmt 
nämlich  an,  daß  das  ,iLogiscbs'*  auch  anQerhalb  des  indivi- 
(hMflen  (bewußten)  Denkens  existiert  und  zwar  neben  »ün- 
lo^ischem".  Das  Logische  ist,  metaphysiscli  betrachtet,  nach 
H.  „die  allereinfacbste  Vernunft,  ans  der  sich  alles  Ver- 
aänftige  erst  ableitet",  und  damit  „der  formale  Regulator 
der  iobaltlichen  Selbstbestimmung  der  Idee",  „die  formale 
Seitoder  onbewußten  Intuition  des  ÄU-Eiuen,  deren  in- 
b^tliebe  oder  materiale  Seite  die  Idee  s.  str.  ist"  (S.  802). 
An  sich  selbst  fällt  „das  Logische  oder  die  Vernunft"  mit 
dem  Jf^ischen  Formalprinzip,  d.  b.  dem  Satz  der  Identität 
lind  des  Widerspruchs  zusammen.  Während  dieses  nun  in 
«einer  positiven  Gestalt  (als  Satz  der  Identität)  schlechthin 
improduktiv  ist,  kann  es  sich  in  seiner  negativen  Gestalt  auch 
prodoktiv  betätigen,  wenn  es  auf  ein  „unlogisches"  trifft. 
Ein  solches  Unlogisches  ist  „der  innere  Widerstreit  dea  leeren 
W<^enB,  das  wollen  will  und  doch  nicht  kann".  Indem  das 
Wollen  fordert,  das  A  nicht  A  bleibe,  sondern  sieh  zu  B  ver- 
ändere, ist  es  die  Negation  des  Satzes  der  Identität,  d.  h.  des 
pobitiv  Logischen.  Demgegenüber  n^iert  das  Logisehe  diese 
^legation  seiner  selbst  und  sagt:  der  Widerspruch  (nämlich 
gegra  mich,  das  Logische)  soll  nicht  sein.  Damit  setzt  es 
sieb  den  Zweck,  nämlich  die  Aufhebnng  des  Unlogischen,  des 
Wollens.  Es  gibt  daher  nach  H.  eigentlich  auch  keine  reine 
Logik,  sondern  nur  angewandte  Logik,  d.  h.  „Betätigung 
des  Logischen  in  und  an  seinem  Andern,  dem  Unlogischen". 
Dafi  in  diesen  Itehren  auch  eine  Annäherung  an  Hegel  liegt, 
tut  H.  selbst  anerkannt  unbeschadet  zahlreicher,  vielfach 
betonter  prinzipieller  Abweichungen.  Besonders  bedeutsam 
and  snch  H.s  Auseinandersetznngen  zur  Kategorienlehre, 
^ruiser  Bewußtsein  sind  die  Kategorien  nur  abstrakte 
Begriffe.  Da  aber  die  Dinge  an  sich  nichts  anderes  sind  als 
die  vom  Willen  realisierten  intellektuellen  Intuitionen  der 
reinen  Vernunft,  so  sind  auch  in  ihnen  die  Kategorien  im- 
plicite  enthalten.  Als  unbewußte  logische  Formen  sind 
die  Kategorien  sowohl  im  Denken  wie  im  Sein  a  priori,  als 
bewußte  logische  Formen  sind  sie  a  posteriori  (Krit.  Grundl. 
■t.  .\nfl.,  S.  99  u.  106). 

i  49.    f)  Nen-AristoteUkcr.    Trendelenburg,    Ueberw^ 

*>•  a.  Ungleich  bedeutender  als  die  neu-Hcgelaehen  logischen 
Scliritka  sind  die  wissonschaftlicben  Untersuchungen  einer 


OgIC 


202         ^-  T^'l-    Abgrenzui^  und  allgemeine  Geschichte  der  LogiV. 

kleinen  Beihe  von  Philosophen,  welche  auf  die  logischeu 
Lehren  des  Arietoteles  zariickgehen  und  ihre  Umbildung  ttnd 
Ausgestaltung  entsprechend  dem  wisseöschaftlicheu  Stand- 
punkt der  Gegenwart  verlangen. 

.  Der  Hauptvertreter  dieser  Richtung  ist  Adolf  Treu- 
dclenbnrg^)  (1802—1872).  Auch  Tr.  scheidet  die  Logik 
streng  von  der  Psychologie.  Während  die  letztere  nur  die 
subjektiven  Bedingungen  darstellt,  faßt  die  erstere  das  Er- 
kennen in  seineu  objektiven  Ansprüchen  auf  (Log.  Unters.  L 
S.  101).  Die  formale  Logik  verfehlt  aber  ihr  Ziel,  da  sie  aicb 
auf  den  fertigen  Begriff  beüchräukt  und  damit  auf  jede  Ent- 
wicklung und  jede  Begründung  verzichtet.  Die  dialektiBcln^ 
Methode  Hegels  versagt,  weil  das  Denken  jiicht  imstande  ist, 
iille  Wahrheit  aus  sieh  bclbst  zu  schöpfen.  Es  kommt,  um 
die  Beziehung  des  Benkens  zum  Sein  zu  erklären,  darauf  uu, 
ein  Gemeinsames  zu  finden,  welches  den  Gegensatz  zwisciioa 
beiden  vermittelt.  Dies  Gemeinsamie  glaubte  Tr.  ia  der  „B  e  - 
wegung"  gefunden  zu  haben  (Veränderung  ist  nach  Tr.  »ui* 
eine  spezielle  Art  der  Bewegung,  1.  c.  S.  119).  Die  Bewegang 
ist  ee  z.  B.,  die  —  „in  sinnlichem  Verstände  genommen"  — 
„im  (3eiste  Gestalten  und  Zahlen  entwirft  und  die  Möglich- 
keit der  grollen  apriorischen  Wissenschaft  erzengt,  die  wir 
in  der  reinen  Mathematik  bewundern".  Diese  von  Tr.  noch 
vielfach  weiter  ausgebaute  Ijebre  von  der  „koustmktiven 
Bewegung"  —  die  übrigens  den  Hegeischen  Lehren  näher 
steht,  als  man  nacli  der  scharfen  Polemik  Tr.s  gegen  Hegel 
erwarten  sollte  —  hat  wenig  Kinfluß  erlangt;  um  so  bedeut- 
samer war,  daß  Tr.  allenthalben  seine  Übereinstimmung  mit 
Aristoteles  betonte  und  in  den  meisten  logischen  Prägen  nicht 
nur  auf  ihn  zurückging,  sondern  auch  oft  geradezu  seine 
Lehren  zugrunde  legte.  Dazu  kam,  daß  Tr.  den  damals  fast 
ganz  verkünvnerten  Sinn  für  die  Geschichte  der  Philosophie, 
insbesondere  der  Logik  durch  zahlreiche  eigene  wissenschaft- 
liche Untersuchungen  wiederbelebte  (vgl.  auch  S.  32)  und 
statt  der  Häufung  immer  neuer,  stets  wieder  von  vom  an- 
fangender Systeme  eine  stetige  Weiterentwicklung,  vor  allem 
auch  durch  einzelne  Untersuchungen  verlangte. 

An  Trendelenburg  schUeBen  atch  eng  an  Carl  L.  W.  Heyder  (1813 
bis  1886),  Kritische  Uarstellune  u.  VorgleichuDg  der  Methoden  ariatoteL  n. 

■)  Logische  Uatcrsuchuntieii,  BeHin  ISW  (2  BAnde),  2.  Aufi.  1604 
3.'  Aun.  1870;  Die  logische  Frag«  in  Hegels  Syslem,  Leipzig  ISid;  Histcw- 
Brälräge  z.  Philosophie,  Berlin  1846,  1865  u.  1867  (3  Bfinde), 


I 


i 


\ 


i.  Kapitel.    Allgemeine  Geschieht«  der  Logik.  203 

htfcM«  Dialektik  u.  s.  S.  1.  M>L  Eiiansen  1816.  und  A.  h.  Kym 
liSS—lfOS),  Tfendeleobufss  Logiscti«  Untersuch  unffen  u.  ihre  Gegner, 
äxbr.  L  Philos.  u.  Hubs.  Kiit.  Iä69.  Bd.  bi.  S.  261  (Forts.  Fhilos.  MoiuUs- 
bffle  1868-1870,  Bd.  4,  S.  436). 

Mit  Trendelenbupg  stimmt  Friedrich  Ueberwfipr') 
(1826—1871)  namentlich  iu  der  Aiiknüpfunjr  an  Aristoteles, 
«lanii  aber  auch  in  der  Beachtung  der  Qeschlcbte  der  Logik 
(vgl  8. 18)  überein.  Dabei  steht  «r  aber  den  psychologischen 
AnsehaDttngen  Benekes  sehr  viel  näher.  Bedeutsam  war  es 
auch,  daß  üeberweg  die  Logik  wieder  im  wesentlichen  auf  das 
Gebiet  der  sog.  „formalen"  Logik  beschränkte  und  meta- 
physiechen  und  erkenntnistheoretischen  Erörterungen  mehr 
nne  grundlegende  und  vorbereitende  Rolle  anfierhalb  der 
Log^ik  6.  str.  zuteilte.  Er  kehrte  also  zn  der  alten  Tradition 
znröck  und  fand  hierin  bald  in  Sigrwarf:,  Wundt,  Erdmann 
n.  a.  (vgl.  §  51)  Nachfolger. 

Auch  PI  ata  9  Lehren  sind,  obwohl  sie  nur  selten  aul  logische  FruGun 
im  engeren  Sinne  eingingen,  neuerdings  hin  und  wieder  zum  Aufbau  logi- 
selm  llieorien  verwendet  worden,  so  namentlich  von  G  o  s  w  i  n  K. 
Iphaes  (1841— 191Ö,  Einführang  in  die  moderne  Logik,  Oslerwieck  1901, 
i.  ncuverfaBle  Aufl.,  Osterwieck-Leipzig  1S13;  Zur  Krisis  in  da-  Logik,  Ber- 
lin 1903;  Brkenntniskritisehe  Logik,  Halle  190ft,  s.  auch  S.  3»,  Ann).  1), 
desKD  Standpunkt  sich  allerdings  im  Lauf  der  Jahre  merklich  vtirschobcn 
btt,  und  George  Edward  Moore  (The  nalore  of  judgment,  Mind  1S09, 
a.  S.  Bd.  8.  S.  176,  namentl.  S.  193;  IdentitT.  Proc.  Anstot  Soc.  1901. 
Bd.  I,  S.  103).  .4uf  die  Beziehungen  der  Natorpschen  Lehren  zu  Ptato 
"orde  S.  107  bereits  hingewiesen. 

§  50.  g)  Nea-Thomisten.  Auch  von  der  katholischen 
Philosophie  aus  entwickelte  sich  eine  zunehmende  Gegen- 
Htrömung  gegen  die  psychologistisch-positivistiscb-indubtive 
Bichtnng  der  Logik.  Seit  dem  Ende  der  achtziger  Jahre 
hatte  der  Versuch  begonnen,  auf  der  Grundlage  der  Lehren 
deelhomas  v.  Aqnino  (vgl.  S.  74)  die  scholastische  Philosophie 
wieder  zu  beleben.  Dabei  verstand  es  sich  von  selbst,  daß 
dieser  „Neu-Thomismus"  auch  vielfach  auf  Aristoteles  zn- 
rSckging  und  eich  ganz  besonders  aach  der  Logik  des  letz- 
teren zuwandte.  Prinzipielle  neue  Anregungen  ergaben  sich 
von  dieser  Seite  nicht,  wohl  aber  verdanken  wir  ihr  zahl- 
reiche wertvolle  historisch«  Feststellungen.  Hierher  gehören 
z.  B,'): 

*>  Sistem  der  Logik  u.  Geschichte  der  logischen  Lehren,  Bonn  18ö7, 
^  AufL  l8gQ  (herausgegeben  von  jQigen  Bona  Ueyer). 

*)  Als  ein  Vorläufer  kann  in  manchen  Beziehungen  Alphon  se 
■^'»tr?  (18n&-.1872)   betrachtet   werden,    der   in   seiner  Logik   (Logique, 


OgIC 


204         !■  ^^'-    Abgrenzung  und  allgemeine  Geschichte  der  Logik. 

Albert  Stftckl  (1899—1605,  LehitL  d.  FbUosoplue,  Mainz  186%  &.  AufL 
1906  (Bd.  1  Logik),  beariwitet  von  G.  Wohhnuth  (GegensUnd  der  Logik 
ist  die  „Fonn  des  wisaensdttfllichen  Denkens"). 

Georg  Hagcraann  (1838—1908),  raemenfe  der  Ilukoopbie,  Bd.  1. 
Logik  und  Noetik,  Monster  1868,  9.  u.  la  Aufl.  Fräburg  191&,  neu  be- 
arbeitet V.  Ad.  DyToÖ. 

Tilmann  Fesch  (1886—1899),  Institutiones  1ogicale%  Freiburg  1889. 

Joh.  Jos.  Urr&buru,  Ugica,  ValUsoleU  1880*. 

Konstantin  Gutberiet,  geb.  1S37,  Ldirtiuch  d.  Philosophie,  Mon- 
ster 1878— 18M,  darin  Logik'  u.  Erkenntnistheorie,  4.  Aufl.  1909 
namenUich  S.  3  ff.). 

Otto  Willmann,  geb.  1^9,  Philosoph.  Propideulik,  1.  TeU  Logik.  Frei- 
buis  1901  (namentL  S.  2b-~my,  2.  Aufl.  190&. 

Alt.  Lehmen  (1847—1910),  Lehib.  d.  ntäosophie auf  arislolelisch-acbolast 
Gnmdlage;  Freibui«  1889,  *.  AufL  1917  (Bd.  1,  Logik,  Kritik  u.  Ontolosie). 

Carl  Braig,  geb.  1863^  Tom, Denken,  AbriB  der  Logik,  FröbiuR  1896 
(namentl.  §  a  u.  3). 

Carl  Friclc,  g'eb.  18&«^  Logica  in  usum  scholarum,  Freibunr  1893,  *.  Aufl. 
1908. 

Joseph  Gerser,  geb.  1809,  Über  Wahrheit  und  Evidenz,  FreibuiE  1918; 
Grundlagen  der  Logik  und  Erkenntnialehre  usw.,  Mflnster  1909  (namoitl. 
S.  1—74;  stdit  zum  Teil  unter  dem  Einfluß  Husseris). 

Albert  Steuer,  geb.  ISfli,  Lehit.  d.  Philosophie,  Bd.  1  Logik  u.  No«ik^ 
Paderborn  1907  (S.  31—142). 

AuBUSto  Conti  (18S3— 1906).  H  vero  nell'  oidine,  o  ontobgia  e  logica, 
Firenze  1876,  2.  Aufl.  1891*. 

George  Hayward  Joyce,  Principles  of  logic,  London  1908. 

Rieh.  F.  Clarke,  Logic  in  The  manuals  of  calholic  philosophy,  Iiondoo 
1888,  2.  Aufl.  1908  (mir  nicht  zugänglich). 
Eine  freiere  Richtung  inneAalb  der  katholisiAen  Lehre  schlug 

Edouard  le  Roy  ein,  gA.  1870,  La  logique  de  l'invention,  Paris  1906. 

§  51.  Koiiziiiiiisten.  Slirwu^  Wandt,  Brdmaon;  Uppa. 
Bei  allen  von  ^  44  ab  angeführten  Lt^ikem  spielte  —  nnbe- 
scbadet  der  vielfachen  positiven  Leistangren  —  die  Opposition 
^egen  die  psyehologiBtisehe,  positivistische  und  induktive  Lo^ik 
eine  wesentliche  Bolle.  Damit  hing  es  TioBammen,  dafi  alle 
diese  Logiker  die  sog.  formale  Logik  im  Sinne  Kant«  gegenüber 
der  reinen  oder  transzendentalen  Logik  (im  Sinne  desselben 
Philosophen)  zurückdrängten.  Die  formale  Logik  erschien. 
oft  nur  als  ein  nebensächliches  Anhängsel.  Mit  der  scharfen 
Abwendung  von  der  Psychologie  verband  sich  meistens  eine 
weitgehende  Annäherung  an  die  Erkenntnistheorie;  dieQren- 

Paris,  3.  Aufl.,  18&8,  2  Bde.)  die  induktive  und  die  platonische  dialektische 
Methode  mit  thoniistiachen  Lehren  zu  verbinden  sucht  und  insbesondere 
auch  die  Identität  der  bgischen  Induktion  nüt  dem  Inflnitesimalvcrfahren 
nachzuweisen  sucht  (11^  S.  87). 


2.  K«pilal.    AHtemeine  Geschichte  der  Logifc.  205 

MD  irischen  der  Logik  und  der  letzteren  schienen  sieh  oft 
gas  ZQ  verwiBcheo.  Aach  der  normative  tmd  methodolo- 
SÜebe  Teil  der  Log^ik  trat  oft  ganz  zarüek. 

Till  Gegensatz  hierzu  ist  hei  den  Logikern,  die  im  folgen- 
den miter  der  Bezeichnung  „Konzinnieten"  ^)  zosammengefeßt 
werden  solleo,  vor  allem  von  einer  so  scharfen  Abwendung 
von  der  Philosophie  keine  Bede.  Sie  erkennen  im  Gegenteil 
die  Cnentbehrlichkeit  einer  psychologischen  Qmndlage 
—  neben  anderen  Qmndlagen  —  für  die  Logik  an.  Bem- 
eot^echend  kommt  es  nicht  zn  einer  so  weit  gehenden  Yei-- 
sehmelznng  mit  der  Erkenntnistheorie.  Die  letztere  ist  nor 
insofeni  für  die  Logik  wichtig,  als  sie  eine  weitere  Grandläge 
der  Logik  liefert;  sie  wird  daher  höchstens  als  ein  Teil  der 
Ix^iik  anerkannt.  Infolgedessen  tritt  die  „transzendentale" 
(„reine")  Logik  wieder  gegenüber  der  fonnalen  zorück.  Aach 
iommt  damit  wieder  der  normative  nnd  methodologische  Teil 
der  Logik  zn  seinem  Becht.  Sie  teilen  anBcrdem  mit  Trcn- 
delenbnrg,  der  ihnen  überhaupt  anter  den  I<ogikem  der  im 
Voraosgehendeu  besprochenen  Schalen  am  nächsten  steht,  die 
Abneigang  g^en  abrupte  Systembildungen  und  die  Bevor-, 
ZQgang  einer  kontinoierltchen,  namentlich  auch  auf  Einzel- 
nntersnchungen  sich  stützenden  Weiterentwicklung  der  Logik. 
Wie  diese  kurze  Zasanmienfassung  zeigt,  bleibt  inner- 
halb dieses  Konzinnismus  noch  ein  breiter  Spielraum  für 
miumigfacbe  Abstufang^i  und  Modifikationen  der  Gmnd- 
anffasBung  der  Logik.  In  der  Tat  wird  sich  ergeben,  daß  die 
Merher  gehörigen  Logiker  bei  aller  Übereinstimmung  in  den 
wesentlichen  Punkten  der  Grundauffassung  der  Logik  doch 
in  einzelnen  Beziehungen  sehr  weit  divergieren. 

Ab  ein  Vorläufer^)  der  konzinuistischen  ßichtunE  kann  in  man- 
cIkii  BeEiefaungen  Hermann  Ulrici  (1806— ISM,  über  Phnzip  und 
Methode  der  Heselschen  Philosophie,  Halle  1811^  namentj.  S.  Si—lU;  über 
iaa  Wesen  der  log.  Kalegorien,  Zeitschr.  f.  PhUos.  u.  phil.  Kr.,  l&U^  Bd.  19, 
S.  9Ii  System  der  Logik,  Leipzig  18&2;  Kompendium  der  Logik,  Leipzig  1S80, 
2.  AdQ.  1872;  Zur  logischen  Frage,  Halle  1870)  gelten.    Wie  U.  selbst  eTkiart, 


')  Concionare  bedeutet:  in  schicklicher  Weise  zusammenfügen.  Die 
Bezetchnang  iat  gewählt,  um  die  scIiicUiche  Zusammenfassung  der  Fsycho- 
l«i^  der  Eritenntnistheorie  und  der  fonnalen  Logik  einschlieBhch  ihres 
Donnativen  Teils  auazudrOtdien. 

>)  Ein  noch  Uteier  Vorl&ufer  ist  der  Dttne  Frederik  Christian 
Sibbern  (1786—1872),  der  anfangs  unter  Schellings  EinIluB  stand.     Sein     . 
'■xräcbes  Rauptnerk  sind  die  Logikens  Elemeuter,  KiobenbaTn  1822  (&  Aufl. 
1866),  TgL  namenU.  S.  1,  *,  ^  146. 


206        !■  ^^1-    Abffrenzung  und  allgemeine  Geschichte  der  Logik. 

will  er  die  I<onk  in  ihrer  InleRriUt  als  SommXe:,  grundlegende  Wissenschaft 
bestehen  lassen  und  sie  doch  zugleich  zur  Erkenntnistheorie  wie  zur  Psycho- 
logie und  Metaphysik  in  unmittelbare  Beziehung  setzen.  Er  verwirft  sovobl 
die  Hegeische  ,Jdentiflziening  der  Logik"  mit  der  Melaphysik  wie  die  von 
Trcndelenbunt  u.  a.  vertretene  Verschmelzung  mit  der  Erkenntniatheorie. 
Von  Erkenntnistheorie  und  Metaphysik  kann  nach  V.  Oberhaupt  erst  die  Redi' 
.Spin,  nachdem  die  Logik  die  allgemeinen  Cieeetze,  Normen  und  Formen  des 
Denkens  Oberhaupt  festgestellt  hat  Der  „TatsÄchlichkeit"  der  Empfin- 
dungen st^l  nach  V.  das  Bewußlsein  als  eine  SeibstlfiliKkeil  der  Seele  gegen- 
über und  beruht  durchweg  auf  einer  „unterscheidenden  Tätigkeit". 
Die  Logik  hat  die  Aulgabe  „die  bestimmte  Art  und  Weise  zn  enmtteln.  in 
wetcber  sich  diese  unterscheidende  Tätigkeit  ...  ihrer  Natur 
tiem&Q  vollzidil.  Die  logischen  (iesetze  sind  zugleich  „Gesetze  des  ceeUen 
Seins  der  Dinge".  Darauf  beruht  ihre  „objektive  Geltung".  Die  allgemeinen 
bestimmten  Beziehungen  des  Unterscheidens  änd  die  logiseben  Kategorien 
(Qualität,  QuantitAt).  Sie  sind  also  keine  Begriffe,  sondern  a  priori  gegebene 
„leitende  Normen"  unserer  unterscheidenden  TAIigkeit  Erst  sekundär 
ergibt  sich,  daB  die  Kategorien,  obwohl  an  sich  nur  logischer  Natur. 
doch  zugleich  eine  metaiifaysische  Bedeutung  liaben.  Die  theistische  Deu 
tung,  welche  U.  hieran  knQpft.  bietet  hier  kein  Interesse. 

Ais  der  älteste  Vertreter  der  neueren  konzinnistiacheo 
Hiehtung  kann  Christoph  Siffwart  (18:J0— 1904)  gelten. 
JSoine  Logih'),  deren  erster  Band  1873  in  erster  Auflage  er- 
schien, ist  eines  der  wichtigsten  Werke  der  gesamten  logi- 
schen Iiiteratur.  S.  definiert  die  Logik  als  „Kunstlehre  dee 
lienkens",  welche  Anleitung  gibt  zu  gewissen  und  all- 
gemeingültigen Sätzen  zu  gelangen  {Logik',  S.  1).  Sie 
Jehrt  das  Denken  „so  vollziehen,  daß  die  aus  ihm  lier\'or- 
gehendeu  Urteile  walir,  d.  h.  notwendig,  und  geviü, 
d.  h.  vom  Bewußtsein  ihrer  Notwendigkeit  begleitet,  und  eben 
darum  allgemeingültig  seien".  Die  Notwendigkeit,  um 
die  es  sich  hier  handelt,  „wurzelt  rein  iu  dem  Inhalt  und 
Gegenstand  des  Denkens  selbst,  ist  also  nicht  in  den  ver- 
änderlichen subjektiven  individuellen  Zutiliiuden,  sondern  der 
Natur  der  Objekte  b<^rründet,  welche  gedacht  werden",  und 
kann  insofern  objektiv  heißen  (1.  c.  S.  6).  Die  Beziehung 
auf  d«n  eben  angegebenen  Zweck  scheidet  die  logische  Be- 
trachtung  des  Denkens  von  der  psychologischen  (S.  10).    Die 

^J  Tübingen  1873— 187f,  2.  Aud.  Frribuvg  IhS»— l«es,  3.  Aufl.  noch 
bearbeitet  von  Sigwart  sell>st,  aber  henuisgcg.  von  H.  Maier  190*.  4.  Aufl. 
tltll.  AuB«4«n  Beiträge  zur  Lelire  vom  hypotheL  UHeil,  Tübingen  1871; 
Die  Impersonalien,  Freiburg  1886;  Logische  Fragen,  Vierteljahisschr.  f.  wiss, 
Thilos.,  188Ct  Bd,  4,  S.  46t,  u.  1881,  Bd.  5,  S.  97;  Kleine  Schriften,  Fxeibura 
ItJBl,  4.  Aufl.  1901  (historisch  inleress.inle  Aufsätze  über  Agrippa  von  Nettes 
heim,  J.  Schegk  u.  a,;i. 

„.,,„A.OOglC 


S.  Kapitel.    AJIsemeine  Geschichte  der  Logik.  207 

Itpfik  iintersacht  nicht  wie  die  Psychologie  das  wirkliche 
Denken,  sondern  stellt  einerseits  die  Kriterien  dea  wahren 
Denkens  anf,  wie  sie  sieh  aus  der  Forderung  der  Notwendig- 
keit und  Ällgemeingültigkeit  ergeben,  und  gibt  andrerseits 
Anweisang,  die  Denkoperationen  so  einzurichten,  daß  der 
Zweck  —  das  wahre  Denken  —  erreicht  wird  (1.  e.  S.  10). 
Die  erkenntnistheoretisch«  Untersuchung  über  das  Verhält- 
nis von  Erkennen  und  Sein  und  über  die  Erkennbarkeit  des 
Seins  kann  dabei  außer  Betracht  bleiben.  Insofern  die  Logik 
nur  Eeigt,  welche  allgemeine  Forderungen  vermöge  der  Natur 
Dnseres  Denkens  jeder  Satz  erfüllen  muß,  um  notwendig  und 
all^^neingültig  sein  zu  können,  und,  unter  welchen  Be- 
dingui^en  und  nach  welchen  Begeln  von  gegebenen  Voraus- 
selznngen  ans  auf  notwendige  und  allgemeingültige  Weise 
fortgeschritten  werden  kann,  indem  sie  also  darauf  verzichtet 
Sber  die  Notwendigkeit  und  Ällgemeingültigkeit  der  je- 
weiligen Voraussetzungen  zu  entscheiden,  hat  sie  in  diesem 
Siime  notwendig  formalen  Charakter.  Die  Befolgung 
ihrer  Regeln  verbürgt  nicht  notwendig  die  materiale 
Wahrheit  der  Ergebnisse,  sondern  nur  die  formale  Bioh- 
ligiceit  des  Verfahrens.  Damit  will  S.  jedoch  keineswegs 
sagen,  daß  dio  Logik  das  Denken  überhaupt  als  eiiie  bloß 
fonoale  Tätigkeit  auffassen  solle,  die  getrennt  von  jedem  Ju- 
fa&U  betrachtet  werden  könnte,  oder  daß  man  bei  der  logischen 
Untersnchung  von  der  allgemeinen  BesehaiTenüeit  des  Inhalts 
und  der  Voraussetzungen  des  wirklichen  Denkens  ganz  ab- 
sehen und  sie  ignorieren  solle  (1.  c.  S.  14). 

Die  Fähigkeit,  objektiv  notwendiges  Denken  von  nicht- 
notwendigem:  zu  unterscheiden,  äußert  sich  nach  8.  in  dem 
„unmittelbaren  Bewußtsein  der  Evidenz,  wel- 
ches notwendiges  Denken  begleitet".  „Die  Erfahrung  diesei^ 
Bewußtseins  nnd  der  Glaube  an  seine  Zuverlässigkeit  iöt 
ein  Postulat,  über  welches  nicht  znrückgegangen  werden 
liBnn". 

Die  Logik  zerfällt  entsprechend  diesen  Dai'legungen  bei 
^  ineinen  analytischen  Teil,  der  das  Wesen  der  Funktion 
betrachtet,  für  welche  die  Begeln  gesncht  werden  sollen,  einen 
gesetzgebenden  Teil,  welcher  die  Bedingungen  und  Qe- 
setze  des  normalen  Vollzug  der  Funktion  aufstellt,  und  einen 
teehnisehen  Teil,  welcher  die  Begeln  des  Verfahrens  zur 
Vorvollkommnung  des  natürlichen  Denkens  gibt  (1.  c.  S.  16). 
Der  wichtigste  Abschnitt  des  letzten  —  technieehen  —  Teils 


1,1^. OQi 


,g,c 


20g         I.  Teil.    AbRrenzuiw  und  aUgeroÖpe  Geschichte  der  Logit- 

ist  die  Theorie  der  Induktion  (1.  c.  S.  21).  Der  m-istoteliBch- 
soholastische  Formelballast  wird  von  S.  auf  ein  Minimom 
reduziert. 

Auf  viele  Einzellehren  Sigwarts  —  so  namentlich  auf 
seine  Anffassun^  der  „Normalgesetze"  (Lt^ik,  2.  Aufl.,  Bd.  1, 
S.  383)  wird  in  den  Spezialabschnitten  zuirfickgekonunen 
werden. 

Unter  den  von  Sigwart  ausgegangenen  Forschem  ist  besonders  Hein- 
rich Maier*)  (geb.  1867)  auzulohren.  Er  geht  Ober  Sigwart  hinaiu.  in- 
dem er  neben  dem  „erkennenden  Denken"  auch  ein  „emotionales" 
(atiiAlives  und  volitives)  „Denken"  aimimmt,  das  z.  B.  in  den  Tatsachen- 
kreiaen  der  Religion  und  des  ästhetischen  Geniefiena  hervortreten  und  gestal- 
tend, nicbt  auffassend  tfttiK  sein  soll.  Wahrheit  ist  allerdings  nur  fOr  das 
erkennende  Denken  Zweck  und  Maßstab,  aber  das  Bewußtsein  der  logischen 
Notwendigkeit,  d.  b.  das  Bewußtsein,  daB  ein  Denkakt  „durch  gegebene  Vor- 
stellungsdaten gefordert  ist",  und  der  Anspruch  auf  allgemeine  Geltung  kommt 
auch  dem  emotionalen  Denken  zu.  Daher  fordert  und  entwidcelt  H.  n^n 
der  kognitiven  Logik  eine  emotionale  Logik,  die  u.  o.  fflr  das  religiöse  und 
ästhetische  Denken  Normen  aufstellt  °). 

Etwas  später  als  Sigwart  ist  Wilhelm  Wundt  (geb. 
1832)  mit  seiner  Logik  *)  hervorgetreten.  Seine  Abgrenzung 
der  Logik  gegen  die  Psychologie  stimmt  im  wesentlichen  mit 
der  Sigwartschen  überein.  Auch  für  W.  ist  die  Logik,  ähn- 
lich der  Ethik,  eine  normative  Wissenschaft.  Sie  soeht 
für  die  Methoden  des  Denkens,  die  bei  den  Forschungen  der 
einzelnen  Wissenschaften  zur  Anwendung  kommen,  die  all- 
gemeinen  Regeln  festzustellen.  Zu  diesem  Zweck  „scheidet 
»ie  aus  den  mannigfachen  Vorstellnngsverbindnogen  unseres 
BewuStseins  diejenigen  ans,  .die  für  die  Entwicklung  unseres 
Wissens  einen  gesetzgebenden  Charakter  besitzen".  In  der 
näheren  Bestimmung  der  Aufgaben  der  Logik  weicht  W.  von 
Sigwart  insofern  erheblich  ab,  als  er  die  Erkenntnistheorie 

*)  Psychologie  des  emotionalen  Denkens,  Tübingen  1908  (namentL 
S.  40e.  u.  S4»fi.);  Logik  u.  Erkenntnistheone,  Festschr.  f.  ägwart,  Tübingen 
1900,  S.  217;  Logik  u.  Psychologie,  Festscbr.  f.  Riehl,  Halle  1914,  S.  911; 
Das  geschichtliche  EAennen,  Göttingen  1914. 

■)  TgL  Thtedule  Ribot,  l*  logique  des  sentiments,  Paris  190^  nanwnll. 
S.  918.,  9.  Aufl.  190B;  und  G.-H.  Luquet,  Logique  rationelle  et  psyclnloiinK 
Re».  philos.  190»,  Bd.  62,  S.  60a 

•)  1.  Aufl.  (2  Binde).  Stuttgart  1880  u.  1888^  2.  Aufl.  (9  Töle)  18BS  bi» 
1805  (NamensTCrzeichnis  und  Sachregister  von  H.  Lindau.  Stutt^url  190S}. 
3.  AulL  1906— 1908  i  Zur  Geschichte  und  Theone  der  abstrakten  BegöB^^ 
PhiJos.  Stud.,  1885,  Bd  2,  S,  161;  Die  Logik  der  Chemie,  ebend.  1888.  Bd  1> 
S.  *78;  System  der  Philosophie,  Leipzig  1689,  3.  Aufl.  (in  3  Binden)  19^ 
(namentl.  Bd.  1,  S.  2711.,  138K.,  806fr.);  Psycbologismus  und  LogiBsm«»- 
Kleine  Schriften,  Bd.  1,  Leipzig  1910,  S.  511— «8t. 


O^^IC 


__. ä  Kapitel    Alltemeine  Geschichte  der  Lorüc.  209 

in  veitem  ümfnng  ia  die  Logik  hineinzieht  W.  verlangt 
niadieh  von  der  wiflsenschaftiichea  Logik  ,^eben  der  Dar- 
slellnng  der  logiechen  Normen"  dreierlei:  entens  eine  psycho- 
higiBelie  Entwicklnngsgeschiohte  des  Denkens,  zweiten«  eine 
OntMsnchang  der  GnmdlRgen  und  Bedingongen  der  Er- 
keuBtiuB  und  drittens  eine  Analyse  der  logischen  Methoden 
wiasenschaftlicher  Forschong.  Da  W.  die  psycbologiache 
Estwieklnngsgeschichte  dee  Denkens  der  Untersnehnng  der 
Grundlagen  der  Erkenntnis  beizählen  zn  können  glanbt,  so 
kommt  er  zu  dem  SchlnS,  daß  „die  Iiogik  der  Erkenntnis- 
tbeorie  za  ihrer  Begründnhg  and  der  Methodenlehre  zn  ihrer 
Vcdkndtmp  braucht"  (Logik  *,  I,  S.  2).  Er  nennt  daher  aneh 
iea  ersten  Teil  seiner  Logik  geradezu  Erkenntnielehre,  den 
zweiten  Teil  Methodenlehre.  Die  „Darstellnng  der  logischen 
Nonnen",  die  offenbar  Sigwarts  „gesetzgebendem"  Teil  ent- 
sprechen müßte,  wird  im  wesentlichen  mit  der  Erkenntnis- 
iebre  verschmolzen. 

W.  wendet  sich  daher  auch  sowohl  gegen  die  „formale 
Änffasäung"  der  Logik,  welche  die  Darstellung  der  Formen 
des  Denkens  als  die  einzige  Auf  ^be  der  logischen  Wiseen- 
seWt  ansieht  und  behanptet,  daB  es  eine  „bloQ  formale 
Wahiheit"  gebe,  wie  anch  gegen  die  „metaphysische  oder 
■dialektische  Auffossting",  welche  das  logische  Denken  ffir 
ßhig  hält,  anch  den  Inhalt  des  Wissen»  aus  sieh  hervor- 
ntkringeo. 

Die  fundamentalen  Eigenschaften,  welche  das  logische 
Denken  gegenüber  uideren  psychologischen  Yerbindimgen 
des  Denkens  auszeichnen,  sind  Evidenz  nnd  Allgemeingültig- 
keit  Auf  ihnen  bemht  anch  der  normative  Charakter  der 
lagicchen  Denkgesetze  (I.  e.  S.  8B).  Da  beide  Eigenschaften 
immer  nnr  bestimmten  Gedankenzusammenhängen  zukom- 
moi,  lassen  sich  in  dem  wirklichen  Deuten  die  togischen 
Oeokgcsetze  niemals  völlig  von  den  psychologischen  sondern. 
,^h»  psychologische  Denken  bleibt  immer  die  umfassendere 
Porm."  Alle  Evidenz,  die  mittelbare  (bei  dem  Schließen)  wie 
die  nsmittelbare,  glaubt  W.  auf  „Anschauung"  als  <ilelegen- 
)>ätnusaebe  nnd  auf  die  frei  verknüpfende  Tätigkeit  des 
Dentens  als  eigentlichen  Grund  0-  c.  S.  80  f.)  zurückführen 
m  ktanen ').  Die  subjektive  Allgemeingültigkeit  des  Denken? 

*)  Qende  diese  Dantrihlng  ncbeint  mir  vor  LQckcn  und  UnUarheilea 

2>ilieD,  Ltbrbnch  d«r  Lo(ik,  14 

h,  1.  iiA.OOt^lC 


210         I-  'f^l-    AbCTCDZung  und  aUsemeioe  Geschichte  der  Loeik. 

ist  nach  W.  eine  niunittelbare  Folge  seiner  Evidenz,  die  ob- 
jektive besteht  nar  ioeofem,  als  wir  „an  die  innere  wie  an 
die  änßere  Erfahrung  mit  dem  Poetnlat  herantreten,  daB 
alles,  was  Gegenstand  nnsrer  Erfahrung  wird,  sich  in  einem 
durchweg  begreiflichen  Znsanunenhang  befinde"  (1.  c.  S.  86). 
Sigwarts  Merkmal  der  Notwendigkeit  tritt  gegenüber  der 
Evidenz  ganz  in  den  Hintergrund.  Dafür  betont  W.  sehr 
entschieden,  daS  das  Denken  in  höherem  Grade  als  alle  an' 
deren  Vorstellungsverhindnngen  den  Charakter  einer  i  n  n  e 
ren  Tätigkeit  trage  (1.  c.  2.  Aufl.,  S.  79,  in  der  3.  Aufl. 
weggefallen).  Er  will  daher  das  Denken  als  eine  „nnmittel- 
bare  innere  Willenshandlnng"  (in  der  3.  AufL  heifit  es  ledig- 
lich: „eine  Willenshaudlung")  und  demgemäß  die  logischen 
Gesetze  als  Gesetze  des  Willens  auffassen.  Der  „Wert" 
des  Ic^rischen  Denkens  findet  somit  nach  Wnndt  seinen  Aus- 
druck in  drei  Merkmalen,  durch  deren  Verbindung  sich  das 
logische  Denken  vor  allen  anderen  psychischen  Vorgängen 
auszeichnen  soll:  Spontaneität,  Evidenz  und  Allgemeingnltig- 
keit  (1.  c.  3.  Anfl.,  S.  74). 

Ein  besonderes  Verdienst  hat  sich  Wnndt  um  die  Ent- 
wicklang der  Lf^rik  dadurch  erworben,  daß  er  die  tatsächliche 
Entwicklung  der  wissenschaftlichen  Methoden  in  den  ein- 
zelnen Wissenschaften  seiner  Methodologie  der  Logik  i» 
weitesten  umfang  zugrunde  gelegt  hat  und  allenthalben  die 
Bedeutung  der  speziellen  Methoden  ausführlich  erörtert  hat 

SchOler  bat  Wuudt  auf  dem  Gebiete  der  Logik  nur  wenige  gdundec 
BinisermaBcn  nahe  steht  ihm  RudoHEisler  (geb.  1878)  in  den  31^™™' 
ten  der  Locik"  (Leipzig  1898,  2.  Aufl.  EBliogen  1910*). 

Als  dritter  Hauptvertreter  des  Konzinnismiu  sei  B  e  n  n  o 
Erdmann  (geb.  1851)  angeführt,  dessen  logisches  Haupt- 
werk") 1892  in;  erster  Anflage  erschienen,  aber  leider  noch 
unvollendet  ist 

■)  Logik,  1.  Band  Logische  Elementariehrc,  Halle  189%  2.  Aufl.,  rtlUs 
umceaibeitet,  1907  (der  zweite  Band  ist  noch  nicht  erschienen).  Wettere 
loEdschc  Schriften:  Die  Axiome  der  Geometrie,  Leipzig  1877;  Die  Gliedemng 
der  WiBsenachaften,  VierteljahTSBchr.  t  wiae,  Fhilos.  187^  Bd.  2,  5.  73; 
LoEische  Studien,  ebeada.  188S,  Bd.  6,  S.  3B,  und  1887,  Bd.  7;  S.  ISi;  Zai 
Theorie  der  Beobachtung,  Arch.  f.  System.  Philos.  1886,  Bd.  U  S.  1*;  Die 
peycholog.  Gnindlagen  der  Beziehungen  zwischen  Sprachen  und  Denken, 
dienda  1896,  Bd.  2,  S.  3fiS^  1897,  Bd.  %  S.  81.  1901,  Bd.  7,  S.  «9;  tlmri» 
mr  Psychologie  äea  Denkens,  Sigwartfestschr.,  Tübingen,  Freiburg,  Leipzig 
1900,  S.  1,  a  Aufl.  1908;  Die  Funktionen  der  Phantasie  im  wissensch.  Denket^ 
Beriin  1918;  Erkennen  und  Terstdien,  »(z.-Ber.  d.  KgL  Pr.  Ak.  d.  Wi>^  i91X 


g-KapiM.    äSgmtinti  Gcadiichte  dw  Loiik.  211 

Erdmann  nntersoheidet  ein  „fonmüiertes"  (d.  h.  irgend- 

Tie  epractiiich  fonnnliertes)  nnd  ein  nieht-fonnnliertes  o^r 
„IntnitiTee"  Denken.  Dieses  wie  jenes  ist  bald  Wissenschaft- 
lieb,  b&ld  anwisBensch&ftlicli.  Das  intuitive  Denken  ist  bald 
■^Tperlogisch"  (dichterische  Konzeptionen,  praktische  Kom- 
binationen eines  Politikers  oder  GroBkanfmanns  nsf.),  bald 
ntiTPologisch"  (Ansätze  zn  einem  Vergleichen  nnd  ünterachei- 
ftra  bei  Kindern  und  Tieren).  Die  Aufgabe  des  wissenschaft- 
Üdwn  Denkens  besteht  darin,  die  in  der  Sinnes-  nnd  Selbst- 
Tahmehmnng  gegebenen  Gegenstände  dnrch  allgemeinglU' 
%  Urteile  zn  bestimmen  (S.  10).  Strenge  Allgemeingültig- 
keit ist  ein  Ideal  des  Denkens,  das  anf  dem  Gebiet  der  Wissen- 
«htften  Ton  Tatsachen  niemals  völlig  erreichbar  ist.  Wir 
monen  ose  daher  oft  mit  wahTsoheinlioben  Urteilen  (statt 
wahrer)  befTnüS^Bn. 

Die  Wissenschaft,  welche  sich  mit  der  allen  Wissen- 
schaften (einschließlieh  ihr  selbst)  zngnninde  liegenden  Vor- 
»nssetznng  der  Möglichkeit  des  Gewinnens  all- 
gemeingültiger Urteile  über  das  Seiende  be- 
iwhäftigt,  wird  von  E.  „Wissenschaftslehre"  genannt 
(vrl.  dieses  Werk  S.  9  u.  134).  Sie  aerfällt  in  Erkenntnis- 
theorie nnd  Logik.  Die  erstere  nntersncht  die  allen 
E^naelwissenschsften  gemeinsamen  Voranssetznngen  über  die 
tnaterialen  Gmndlageii  unseres  Erkennene,  die  letztere 
■Üe  formalen  ünethodiechen)  Grundlagen  unseres  wissen-. 
!ichaftlichen  Deutens  (S.  15  ff.).  So  gelaugt  E.  zu  der  bereits 
S.  10  angeführten  nnd  als)  zu  eng  beanstandeten  Definition 
der  Logik  als  der  „allgemeinen,  formalen  und  normatiTen 
Viuenschaft  von  den  methodischen  Voraussetzungen  des 
"isaensdiaftlichen  Denkens".  Dabei  verwahrt  sieh  auch  Erd- 
■num  dagegen,  daß  die  Formalität  der  Logik  etwa,  wie  Kant 
von  der  allgemeinen  Logik  sagte  (vgl.  dies  Werk  ^  33),  so 
*«it  ginge,  daß  von  allem  Inhalt  der  Verstandeserkenntnis 
md  aller  Verschiedenheit  ihrer  Gegenstände  abstrahiert 
werde. 

Von  diesem  Standpunkt  nun  halt  E.  daran  fest,  daß  das 
Ol)jekt  der  Logik  nicht  etwa  ein  Teil  des  Objekts  der  Psycho- 

^  IMO;  PSTchologie  des  Eigen^irachens,  ebenda  ^Pl*.  S.  2;  Kritik  der 
''■cUemlage  in  Kants  transEendentaler  Deduktion  der  Kateeorien^  elmida 
%^  S.  190;  Uethodoloc.  Konsequenzen  aus  der  Theorie  der  Afastraktioi^ 
tbcadi  1916,  a  4S7.  Die  Zitate  im  Text  bezidten  ad^  soweit  nichts  anderM 
bmvfct  ist,  stmOkli  auf  dia  S.  AuHage  da-  Logik. 

„.,":,^.oosic 


212         T.  Teil.    Ahgreiming  und  aUgameiiM  Geschidtte  ger  Logik. 

lo^e  ist  (S.  27)*).  Im  OegeoBaiM  zur  Psychologie  hat  die 
Loffik  ein  Urteil  oder  einen  Urteilezasammenhang  als  <M>jekt 
n«r  mit  BäckBicht  auf  die  Frage:  welche  Beziefanngm  mäBaen 
zwisclien  den  Bestandteilen  dee  Urteils  oder  Urteilsznsammen- 
hangB  Toraosgresetzt  werden,  wenn  diese  gfUtiK  »ein 
«ollen.  Troti  dieses  Oegensataes  aber  kann  die  Logik  die 
psyehologisohe  Ermittlung  des  Tatbestandes  nnsrer  Denk- 
Torgänge  nicht  entbehren.  In  der  Tat  schickt  denn  auch  Erd- 
raann  seinen  logischen  Entwicklangen  allenthalben  ansfdhr- 
liche  „psychologische  Vorbetraohtnngen"  voraas.  Er  ver- 
wirft al«o  sowohl  die  einseitige  erkenntnistheoretische  wie  die 
einseitige  peychologisierende  (psychologistische)  Logik  (S.  32). 
Eine  besondere  Darstellang  widmet  E.  aach  den  Beziehnagen 
zwischen  Logik  nnd  Orammatik,  wie  das  selbstverständlich 
ist,  da  nach  E.  das  formolierte  Denken,  das  eigentliche  Objekt 
der  logischen  Normierung,  ein  sprachliches  ist. 

Brdmann  stehen  u.  •-  nahe:  Willy  FreTt&g  (.geb.  187S),  Der 
Realiiniua  und  dts  Tnui9zendeazprobl«n>,  Versuch- einer  Gruadletung  der 
Logik,  Halle  IfiOS  (eingehende  Behandlung  der  Lehre  vom  induktiven  Sch]ull)i 
Jobann  Eduard  Th.  Wildschrcy,  Die  Grundlagen  einer  voUaUii- 
ditw  SyUogistik,  Halle  1907  (AbhandL  z.  Philos.  u.  ihrer  Geschichte»  Nr.  Sß); 
Richard  Herbeitz,  Dag  Wabifeeitsprotalem  in  der  Kriech.  Pfailoaoiriiie. 
BeiUa  191S  (ein  neiMres  Werk  ist  betitelt  „Protefotnena  zu  einer  realistischen 
Logik,  HtUe  1916). 

Zu  den  Konziunisten  kann  man  auch  T h o ma sG.  Uasaryk  (jpii. 
18B0)  rechnen  (Versuch  einer  konkreten  Logik,  Klasaifikation  und  Oigtni- 
sation  der  Wissenschaften,  Wien  1867;  eine  etwas  frflhn  erschienene  böh- 
mndm  Ausgabe  «ar  mir  nidit  zug&ngUch);  er  betrachtet  die  Logik  als  eine 
vorniBireise  apriorische  WiMenschaft  (g  82ff.,  S.  20äB^  und  teilt  «e  in 
abetiakte  (=  aUgenteine)  Logik,  die  sich  im  wesentlichen  mit  der  Eifce&ntnis- 
theorie  deckt,  und  konkrete  Logik,  die  der  Uethodenlehre  entspricht  Vielfach 
n&bert  er  sich  dem  Positivismus. 

Einen  konzinntstischen  Standpunkt  scheint  femer  Oswald  Kütpe 
(1SB3 — 1916)  eingenommen  zu  haben;  ein  vorzeitiger  Tod  hat  ihn  leider  Ter- 
hindert,  aöne  Anschauungen  vollständig  zu  entwickeln  (a  aaioeiMlicfa  Die 
ReaÜMerung,  Leipzig  1«12,  Bd.  1,  &  11  ß.,  17  B.,  214  fi.,  326  ff.,  und  Zur  Kate- 
gorieidehre,  Sitz.-Ber.  d.  Ktf.  Bayer.  Ak.  d.  Wies.,  Philos. -phüol.  u.  faisL  KL 
1916,  6.  Abb.). 

Nur  mit  sehr  erheblichen  Vorbehalten  kann  euch  Theo- 
dor Lipps")  (1851 — 1914)  zu  den  Konzinnisten  gerechnet 


*)  In  der  OslerrdcbBchen  Ausgabe  der  11.  Aufl.  von  Oberwegs  Gnnd- 
rifi  der  Geschichte  der  Philoaophie,  Teil  4,  S.  490,  wird  Erdraum  fUtdüidi 
die  entgegengesetzte  Meinung  zueeachivdwn. 

>*)  QnindzQga  der  Logik,  Hamburg  18iB  (unverAndertar  Neu- 
druck, Leipzig-BaD^urfcl913),-  BswsBtaein  und  QegeBstinde,  I^choLIMcr- 

„.,,„,^.oogic 


2.  SapiteL    AUteneine  Geachichle  der  Logik.  213 

vetduL  In  seinem  älteren  Werk  nämlieh  —  den  Qjrond- 
^gn  der  Logik  vom  Jahre  1893  —  steht  Lippe  der  pejcho- 
logMiachen  AuffasRnng  noch  näher  alB  in  seinen  späteren 
ArMten.  Damals  definierte  er  die  Lc^k  als  die  Lehre  von 
da  Formen  nnd  Gesetzen  des  Denkene.  Die  besondere  Hw- 
vorlulianK  ihres  normativen  Charakters  schien  ihm  nicht 
erforderlich,  da  „wir  immer  richtig  denken  in  dem  Maße, 
als  vir  denken".  Die  Frage,  was  man  tun  solle,  ist  nach  L. 
immer  znrückführbar  auf  die  Frage,  was  man  tun  mösse, 
veiut  ein  heetimmtes  Ziel  erreicht  werden  solle,  und  somit 
aof  die  Frage,  wie  das  Ziel  tatsächlich  erreicht  werde  (Gnmd- 
löge  S.  1).  Damals  nannte  L.  die  Logik  geradezu  am 
nSonderdisziplin"  der  Psychologie  und  bemerkte,  dafi  aller- 
^gs  für  die  Psychologie  zum  Unterschiede  von  der  Logik 
der  Gegensatz  von  Erkenntnis  und  Irrtum  nicht  in  Betracht 
komme,  daß  damit  aber  nicht  gesagt  sei,  dafi  die  Psychologie 
diese  beiden  v(»ieinander  verschiedenen  Tatbestände  als  gleich 
ausgebe,  sondern  nur,  daß  sie  beide  in  gleicher  Weise  ver- 
Btttodtich  3U  macheu  habe. 

Bas  Material  des  Denkens  nnd  Erkenneos  sind  nach  der 
Älteren  Darstellung  vtm  Lippe  die  Bewußtseinsobjekte.  Das 
Daaein  und  die  Beschaffenheit  derselben  ist  das  absolut  „Tat- 
sächliche" und  bildet  die  Grundlage  für  alles  Brkenuen.  Er- 
kenntois  ist  „objektiv  notwendige"  (d.  h.  lediglich  von  den 
Objekten  selbst  bedingte)  „Ordnung  von  Objekten  des  Be- 
vnfttseinfi";  sie  ist  daher  gleichbedeutend  mit  „Wahrheit 
oder  objektiver  (Jewißheit",  während  das  Bewußtsein  der- 
wlben  gleichbedeutend  mit  „WahrheitsbewnBtsein"  oder 
nBnbjektiver  Gewißheit"  ist  Die  objektiv  notwendige  Otd- 
uimg  ist  unanfhehbar,  das  Bewußtsein  der  objektiven  Kot- 
veodigkeit  hingegen  nicht;  es  muß  sich  erst  als  nnaufbebbar 


«eh.  1907,  Bd.  1.  S.  1 ;  Vom  FOUsn^  Wollen  u.  Denken,  Sehr.  d.  Ges.  f.  jnychoL 
f<nch.  IflO^  Bd.  8,  H.  1&  u.  U,  S,  Aufl.  1907;  Einheiten  und  BriaboDen, 
Uiinig  1902;  Über  „UiteilsBefOhle",  Arch.  f.  d.  gea.  FsychoL  1906t  Bd  7, 
S.1;  Subjektive  Kategorien  in  Objekt  Urteilen,  Philos.  Monatsh.  1804,  Bd.  80. 
S.  97;  Inhalt  und  Gegenstand;  Psychologie  und  Logik,  SiU.-Ber.  d.  philos.- 
bMoL  u.  d.  tust  Kl  d.  Bayer.  Ak.  d.  Wiso.  1906,  H.  4,  S.  5111  Eine  au»- 
fUiriicl»  Darstellung  der  neueren  Urteilslehre  von  Lipps  hat  kürzlich  Q.  An- 
Kbütz  gegd)»  (Arch.  f.  d.  ges.  Psychol.  1914,  Bd.  80,  S.  240)  und  dabei  auch 
Voriesumen  and  gelegentliche  Äußerungen  von  Lipps  verwertet  und  zugleich 
u  einigen  Stellen  versncht,  den  Lippsschen  Gedankenkreis  noch  weiter  aus- 


OgIC 


214         ^-  '^^"-    AbtranzuQs  und  «Ug^tneine  Geschichte  der  Logik. 

erweisen  und  ist  dann  als  „Wissen"  zu  bezeiclmen  (sonst  als 
Meinen).  Bas  „Objektive",  .d.  h.  das  Bedingtseiu  durch  die 
Objekte,  soll  —  wie  L.  dann  in  schwerlich  einwandfreier 
Weise  folgert  —  daa  Kennzeichen  alles  Logischen  im.  G«een- 
satz  zn  dem  lediglich  Psychologischen  sein  (1.  c.  S.  4).  Weiter 
nnterscheidet  L.  zwischen  ObjektiTitätsbewuBfsein  und  Sub- 
jektivitätsbewufitsein,  beide  können  entweder  formal  oder 
material  sein.  Bern  Gegensatz  des  formalen  und  materialen 
Objektivitätsbewußtseins  entspricht  in  unserem  Erkennen  der 
Oegensatz  zwischen  formaler  und  materialer  Erkenntnis. 
Eine  ausreichende  Klarheit  über  die  Bedeatnng  dieBCs  Qeg«i- 
satzes  und  seine  Beziehung  zur  Logik  wird  in  dem  altereu 
Werk  nicht  erreicht. 

In  seineu  neueren  Arbeiten  nähert  sich  Lipps  in  vielen 
Punkten  teils  den  älteren  Anschauungen  Brenteüios,  teils  den 
neueren  Meinonge  und  Husserla  Die  „innere  Zuwendmig" 
(d.  h.  die  Tätigkeit  der  Aufmerksamkeit  oder  noch  genauer 
die  irAnffassungstätigkeit")  „zn  dem,  was  erst  nur  mein  In- 
halt ist  und  für  mich  Gegenstand  werden  soll,  spielt  jetzt  eine 
erhebliche  BoUe  (vgl.  die  Intentionslehre  Brentanos).  Der 
Eintritt  des  Erfolgs  dieser  Tätigkeit,  „das  mir  Oegenüber- 
treten  des  Gegenstandes",  ist  das  ,J)enken".  Dies  ist  selbst 
nicht  Tätigkeit,  sondern  Ergebnis  meiner  Tätigkeit:  „es  ist 
ein  Akt".  „Die  Tätigkeit  ist  etwas  Lineares,  d.  h.  iu  der  Zeit 
Verlaufendes",  „der  Akt  ist  ein  Punkt,  nämlicfa  im  Ich",  er 
ist  „ein  punktförmiges  Icberlebnis",  zugleich  aber  Anfangs- 
punkt z  n  einer  Tätigkeit  „oder  die  natürliche  Vollendang 
einer  Tätigkeit"  (Bew.  u.  C^g.  S.  23  ff.).  Die  Auffassung  iet 
„noch  seelische  Funktion",  das  Denken  schon  „geistige". 
Damit  wird  offenbar  —  ganz  ähnlich  wie  bei  Stumpf  (vgl. 
S.  183) —  zwischen  dem  Empfinden  und  „Vorstellen"  (sc.  von 
Gedächtnisbildem)  einerseits  und  dem  „Denken"  andrerseits 
eine  tiefe  Scheidnngsliuie  gezogen.  Das  „Gterichtetsein"  des 
Ich  soll  in  beiden  Fällen  durchaus  verschieden  sein,  dort  auf 
einen  „Inhalt",  hier  auf  einen  „Gegenstand"  (vgl.  Meinongi 
^45). 

Im  „schlichten"  Denkakt  setzt  der  Geist  einfach  Gegen- 
stände. Daneben  gibt  es  eine  Denktätigkeit,  welche  einen 
Gegenstand  sjjeziell  ins  Auge  faßt  („beeondert",  „für  sie'' 
stellt").  Diese  bezeichnet  L.  als  Apperzeption  (J.  e.  S.  53)  ond 
unterscheidet  bestimmte  Arten  derselben  („ordneades",  be- 
fragendes" Apperzipieren).    In  diesem  neuen  Sinn  wird  dfls 


OgIC 


, 2.  Kapitel.    Alliemeine  Geschieht«  der  Logit.  215 

Dmten  gleicfabedentend  mit  „Urteilen".  Der  apperzipkrte 
O^atBtand  maeht  dem  Ich  ^^niiber  den  Ansprach,  als  ein 
aBabhängiffer  gedacht  xa  werden.  Insofern  die  Gegenstände 
solcbe  gr^ordernngen"  erbeben,  die  für  alle  Zeiten  ond  fftr 
sUe  iDdividnen,  also  schlechthin  „gelten",  schreiben  wir 
ilmen  Gültigkeit  zn  (vgl.  oben'  überLotze,  S.  196).  Das  Erleb- 
nis jer  „Forderung"  eines  G^enstandes  bezeichnet  L.  als 
«Sollen"  mid  unterscheidet  es  jetzt  sehr  scharf  von  dem 
JlflsBen"  (siehe  oben  S.  213). 

Das  Urteil  ist  von  diesem  Standpunkt  ans  das  BewuBt- 
ttin  nnd  der  Akt  der  „Anerkennnng"  (wie  dies  schon  Bren- 
tano gelehrt)  oder  Abweisung  einer  wirklichen  oder  ver- 
memtiichen  ,  J'orderung"  eines  Gegenstandes  (1.  c.  S.  57).  Der 
IntDm,  d.  h.  das  falsche  Urteil  als  Akt"),  ist  die  Auerken- 
anug  einer  vermeintlichen,  d.  h.  ungültigen  Gegenstands- 
forderong.  Damit  gelangt  L.  zn  den  Begriffen  der  Bicbtig- 
keit  tmd  Falschheit.  Das  Urteil  ist  zugleich  der  „reinste" 
Akt  Hier  entsteht  der  „absolut  reine"  Gegenstand  als  Kor- 
lelat  des  reinen,  überindividnetlen  Ich. 

,J)i«  Tätigkeit  des  Ich  fordert  nämlich,  vermöge  ihres 
muDittelbar  erlebten  relativen  Wertes,  das  Denken  und  das 
unbedingte  Werten  dieser  Tätigkeit  und  damit  zugleich  die 
«ntsprechende  unbedingte  Zwecksetzung.  Diese  absolute 
'Ktigkeit  ist  das  absolute  Ich."  ,Jn  allen  leben"  findet  sich 
Tidas  eine  und  selbige  transzendente  Ich"  (nberindividuelle 
Ich,  I.  c.  S.  180).  Damit  ist  der  Sprung  in  den  Logizismus  ei-- 
folgt  (mit  Entlehnungen  von  Windelband  nnd  Rickert). 

Die  Gesetze  des  Denkens  nod  Urteüens  sind  daher  nach 
Lipps  zngleich  auch  Gesetze  der  gedachten  Gegenstände.  Sie 
kommen  also  gewissermaßen  zweimal  vor.  Das  Gravitations- 
TGBetz  besagt  einerseits,  daß  für  das  reine  Denken  die  Not- 
*aiidigkeit  besteht,  zwei  oder  mehr  Körper  sieh  in  dieser 
Weise  verhaltend  zu  denken,  und  andrerseits  muß  doch  das- 
selbe Gesetz  auch  in  den  Gegenständen  selbst  zum  Ansdmck 
kommend  gedacht  werden  (vgl.  Änschütz,  1.  c.  S.  322  f.).  Das 
Weeentliche  der  Denkgesetze  soll  jedenfalls  nicht  in  der  An- 
erkennung von  „Forderungen"  der  Gegenstände  besteheiii 
stHidem  die  Denkgesetze  sollen  wesentlich  der  Ausdruck  eines 
^Ugemeinen  Erlebnii^ses  sein :  das  Ich  soll,  sofern  es  über- 


,  ")  Das  Urteil  als  Geltungsauspruch  (Objektiv  Meinonua)  kioia 
Mch  LippB  Oberhaupt  nicht  wahr  oder  fniseh  sein. 


OgIC 


216        I-  Tdl.    AbcrenzuDf  und  allBemeine  Geschichte  der  Loeik. 

iudividuelles  leli,  Vertreter  des  Oeistee  nberhaapt  iBt,  ein 

AUgemeines  erleben. 

Alles  Wisseu  von  einer  wecbeelseitigen  Abhängigkeit  der 
Dluge  von  einander  schließt  nnch  Lippe  „das  Urteil  der 
Elxistenz  einer  von  ihnen  verschiedenen,  doch  nicht  aufiechalli 
ihrer  liegenden  Einheit,  welche  die  Dinge  in  eiob  tragt  oder 
hegt,  in  ßich"  (=  „Welteubetanz").  Diese  Einheit  soll  för  die 
sinnliche  Erfahrung  und  Vorstellung  ein  reines  X  sein  (Bew. 
11.  Gegenst.  8.  100  f.). 

Über  diese  ztun  Teil  an  die  Logik  der  Identitätsphilo- 
^phen  erinnernden  Sätze  ist  L.  bei  der  Entwicklung  seines 
neuen  allgemeinen  Standpunktes  nicht  hinausgekommen. 
Insbesondere  vermifit  man  eine  klare  Bestimmung  der  Anf- 
gabe  der  Logik  vom  Standpunkt  seiner  neuen  Auffassungen- 
Der  Versuch  einer  solchen  Bestimmung  in  der  Abhandlnn; 
aus  dem  Jahre  1905  konunt  über  eine  eklektische  Daratellnng 
Hasserischer,  Rickertscher  und  Meinongscher  Anschauungen 
nicht  hinans. 

Wollte  roan  nur  die  neueren  Schriften  von  Ilppa  ber&cksichtiBeD,  n 
köDole  maa  ihn  keineslalla  zu  den  Koncinmsl«n  Techam.  sondern  mOBte 
ihn  etwa  «Js  eklektischen  Logizisten  bezeichnen.  Nur  im  Hinblick  aul  wök 
ältere  Auffaseung  der  Losib  und  im  Hinblick  auf  die  Tatsache.  daB  li.  doch 
auch  in  seinen  neueren  Schriften  bei  der  Behandlung  spezieller  logischer 
Fragen  trotz  der  Einführung  des  reinen  (absotuten,  überindividuellen}  Ichs, 
der  G«Benstands„forderunv"  usf.  allenthalben  p sy  c hole gi  sehe  und 
erkenntnistheoretische  Beliachtungsweise  verknüpft,  kann 
i;r  in  die  Nliie  der  Konzinnisten  gestellt  werden. 

Unter  den  Schülern  von  Lipp9  sind  auf  dem  Gebiet  der  Logik  tnment- 
Jich  zu  nennen:  Morit«  Geiger  (Methodologische  und  experimentdle 
fieilitge  zur  QDantitAtclehre^  Psycho!.  Untersuch,  herauqeg.  von  Th.  Lippe 
1907,  Bd.  1;  S.  325).  Alfred  Brunsnii  (Das  Vei^eichen  und  die  ReU- 
tionstricenntnis,  Leipzig  1910),  und  vor  allen  Ernst  v.  Aster  (Phn- 
zipien  der  Erkenntnislehre,  Versuch  zu  einer  Neubegründung  des  Nonanaü»- 
mus,  Leipzig  1913,  namentL  S.  Itöff.;  Untersuchungen  über  den  logischen 
ßehalt  des  Kausalgesetzes.  Psychol.  Unterst  herau^eg.  v.  Lipps  1907,  Bd.  1. 
S.  305).  Die  ersten  beiden  neigen  zur  Husserischen  Richtung,  der  Utst- 
genanate  zu  einer  im  Sinn  von  Mach,  Avenarius  u.  a.  eingeschlagenen  neo- 
positivistischen  Richlungj  die  alsbald  noch  kurz  zu  erwähnen  sein  wird. 

Etwas  femer  steht  Harald  Hötfding  (geb.  ibtö)  der  konzinniiÜ- 
Bchen  Richtung  (Formel  Logik,  6.  Aufl.  Eöbenhavnog  Kristiania  1913,  namentL 
S.  7B.;  Den  menneskelige  Tanke,  dens  Former  og  dens  Opgaver,  Kjtbenfaafn 
1910,  deutsch  Leipzig  1911;  über  Kategorien,  Annal.  d.  Naturpbilos.  1S(4 
Bd.  7,  S.  121;  La  base  psychologictue  des  jugements  logiques,  Rev.  pbikiä 
1901,  Bd.  5S,  S.  34Ö).  Ein  eigenartiges  Gepräge  bekommt  seine  Lisifc,  ^ 
Eich  sonst  auch  viellach  an  Jevöns  (vgl.  S.  231)  anschließt,  dmch  die  starke 
Betonung  der  Bedeutung  der  vergleichenden  Funktion  für  das  Urteilen  ww 
üiierhaajji  alle  logischen  Vorgänge. 


OgIC 


S.  Kapitel.    AUfemeine  Geschichte  der  Logik.  217 

{52.  NMpeiiltiTistm.  —  Schupp«.  USkriiiK.  DerPosi- 
tirisrnnä  ist  im  allgemeinen  am  schärfsten  dadurch 
diankterisiert,  dafi  er  die  Erkenntnis  gana  anf  das  Gegebene 
beeehränkt,  er  fällt  sonach  mit  dem  Immaoenttsrnns  (der  aof. 
Immanenzphilosophie)  zusammen').  Der  ältere  Positivis- 
QDS,  wie  ihn  Comte  be^rnndet  hatte,  war  diesem  Grund- 
prinzip insofern  nicht  trea  ^«blieben,  als  er  ganz  unkritisch 
das  G^^bene  allenthalben  mit  dem  Materiellen  identifizierte. 
Anf  dem  Gebiet  der  Logik  war  er  wissenschaftlich  — ■  ab- 
gesehen von  seiner  Begünstignng  der  induktiven  Logik  — 
fast  gaoz  einflußlos  und  unfruchtbar  geblieben  (vgl.  S.  182). 
Der  neuere  Positivismns,  als  dessen  charakteristische 
Hanptrertreter  Mach  und  Avenarius  gelten  können,  hat  sich 
TOT  der  materialistischen  Inkonsequenz  des  älteren  im  gapzen 
)K«Ber  gehütet.  Oft  ist  er  sogar  in  die  entgegengesetzte  In- 
koDseqnenz  verfallen  und  hat  im  Sinne  des  Psychomonismus 
(Pampeyehismne)  alles  Gegebene  ohne  weiteres  als  psychisch 
—  sIs  Empfindungen  und  Vorstellnngen  —  betrachtet,  so  daB 
w  sich  dem  Idealismus  oder  auch  dem  Spiritualismus 
näherte ').  Es  ist  begreiflich,  dafi  er  bei  dieser  Bichtung  viel 
riier  zur  Behandlung  logischer  Fragen  gelangte  als  der 
ältere  fast  rein  naturwissenBchaftlich-soziologische  Poeitivis- 
nms  Comtes.  Trotzdem  haben  die  eben  genannten  Hanpt- 
vertreter  sich  nur  beiläufig  mit  logischen  Fragen  beschäftigt 
Auch  ist  bemerkenswert,  wie  änfierst  verschieden  der  Stand- 
ponkt  der  einzelnen  Positivisten  sich  in  der  logischen  Frage 
prestaltet  hat. 

Richard  Avenarius  (1843 — 1896)  hat  in  seinem 
Hanptwerk,  der  Kritik  der  reinen  Erfahrung  (Leipzig  1688 
n.  1890),  der  Logik  nur  einige  aphoristiBche  Bemerkungen 
gewidmet.  Er  nimmt  an,  daß  die  Li^k  nur  in  der  Form  der 
nNorm"  („Begel",  „Forderung")  das  enthalte,  was  die  Ent- 
wicklung der  abhängigen  Vitalreihen  (im  bekannten  Sinn 
des  Avenariusschen  Empiriokritizismus)  bereits  verwirklicht 
hat,  indem  sie  einerseits  „zn  einer  immer  größeren  Vielheit 
und  Vielartigkeit*',  andrerseits  aber  auch  zu  einer  denkbar 

'1  VbL  zu.  dieser  Charakteristik  des  Positivismus  Th.  Zitbat,  Vber  dea 
menvlitiieii  StaudimDkt  der  EAenntniBtheori^  Wie^taden  WH,  S.  SOS. 

^  Im  Gecenaatz  za  dem  von  Jtüi  vertretenen  neutralen  (binoimstischen) 
ftniüvismoB,  der  den  tiblichen  OefensatK  zwischen  „matericU"  und  „wr- 
'^Kh"  nicht  anerkennt 

„.,,„,^.oogic 


218         '-  '''^>'-    Aberenzung  und  albemeine  Geschichte  der  Logik. 

germgst«ii  formalen  Anderelieit  „innerhalb  jener  Vielheit 
und  Vielarügteit"  fortschreitet  (Bd.  2,  S.  329  ff.). 

Ernst  Mach  (geb.  1838)  hat  sich  gleichfalls  mit 
einigen  knrzen  Hinweisen  begnügt.  Er  glaubt,  daB  die 
Formen  der  Logik  aus  Fällen  wirklichen  wissenschaftlichen 
Denkens  dnrch  Abstraktioa  gewonnen  worden  sind  (Er- 
kenntnis nnd  Irrtum,  Leipzig  1905,  S.  178).  Den  Hanptwert 
der  Logik  erblickt  er  darin,  daß  sie  uns  die  Abhängigkeit  der 
Erkenntnisse  voneinander  zu  klarem  Bewußtsein  bringt  und 
uns  daher  erspart,  eine  besondere  Begründung  für  einen 
Satz  zu  suchen,  wenn  dieser  schon  in  eiuem  anderen  enthalten 
ist  (1.  c.  S.  302).  Auf  die  Omndprobleme  der  Logik  geht  er 
ebensowenig  ein  wie  Avenarins.  Dagegen  legt  er  die  größte 
Bedentim^  auf  die  „ökonomische"  nnd  „biologische"  Be- 
dentnng  des  wissenschaftlichen  Denkens.  Die  Wissenschaft 
hat  die  Aufgabe,  Erfahrongen  zu  ersetzen  oder  zu  ersparen, 
indem  sie  zahlreiche  Tatsachen  gedanklich  zusanunenfafit; 
selbst  die  Algebra  besteht  wesentlich  darin,  daß  sie  das 
Bechnen  abkürzt  oder  uns  ganz  erspart 

Auch  Ernst  Laas  (18B7— 1885,  Kants  Analogien  der  Erfahrung, 
Berlin  187^  namentl.  S.  3iff.;  IdeaHsraus  und  PositivisDniE^  Berlin  187S  bis 
JSßi,  namentl.  Bd.  3)  hat  sich  vom  positivistischen  Standpunkt  Ober  die 
logische  Frage  geäußert  Er  stellt  den  Satz  auf,  daS  alle  formalen  logischen 
Gesetze  nur  „t  autologisch  oder  analytisch"  seien  (gegen  Wtodd- 
band,  der  sie  fOr  synlhetiscb  erklärt  hatte),  und  iKzeichnet  konsequent  diesen 
Standpunkt  selbst  als  nominalistisch  (1.  c.  Bd.  9,  S.  e7&).  Jede  Ifanszenden- 
tale  Logik  fallt  für  Laas  selbstv'erstftndlich  el)enso  wie  alle  Transzendenz  w«g. 

Im  Gegensatz  zu  Avenarius,  Mach  und  Laas  >hat  sich 
ein  dritter  Vertreter  des  neueren  Positivismus,  Wilhelm 
Schuppe')  (1836—1913),  sehr  eingehend  mit  der  Logik 
beschäftigt.  Schuppe  ist  Positivist,  insofern  er  strenge 
Immanenz  im  G^egebenen  verlangt,  bleibt  aber  dieser  buma- 
nenz  nicht  treu,  insofern  er  das  Gegebene  als  ein  „Bewofit- 
sein"  mit  Inhalten  auffaßt  und  einem  Ich  zuordnet.  In  seinen 

^)  Das  meoscbL  Denken,  Berlin  1870;  Eik.  theoret.  Logik,  Bonn  läTSi 
GnmdriB  der  Eriranntnislbeorie  und  Logik,  Berlin  le&i,  2.  Aufl.  1910;  BW^ 
und  Grenzen  der  Psvchologie,  Zeitschr.  f.  imman.  Philos.  1896,  Bd.  1,  S.  31; 
Das  Systsm  der  Wissensch.  und  das  des  Seienden,  ebenda  1898^  Bd.  9,  S.  6S; 
Zum  Psrcliologismus  und  zum  Normeharakter  der  LiOgik,  Arch.  f.  syst  Pbilo>- 
1901,  Bd.  7,  S.  1;  Beremanns  reine  Logik  usw.,  Vierteljahrsschr.  f.  tii» 
Philos.  1679,  Bd.  S.  S.  467;  Die  Normen  des  Donkens,  obenda  1888,  PA-  "•' 
S.  385  u.  a.  m. 


n,g,t,7rJM,GOOglC 


3.  Kapitel.    AUgemeine  Geacbicbte  der  Logik.  219 

spetaren  Bchiifton  nimmt  er  sogar  neben  den  individoellen 
^  ein  allgemeines  Ich  und  ihm  zagehörig  ein  BewaBtsein 
nbeiianpt  nnd  «inen  allen  Individuen  notwendig  gemein- 
sunen  BewnBtseinsiolialt  an.  Die  Logik  kann  nach  Seh. 
DÜbt  von  der  ^Erkenntnistheorie  getrennt  werden.  Sie  wird 
inimer  wieder  bei  ihren  speziellen  Aufgaben  auf  die  Orund- 
frafieD:  was  iet  das  DenkenT  was  ist  das  wirkliche  Sein, 
*«lchefi  das  Objekt  des  Denkens  werden  soUl  zarückgeführt. 
Se  lehrt  also  nicht  etwa  nur  eine  subjektive  Verfahrungs- 
nise  des  bloßen  Denkens,  sondern  strebt  nach  inhaltlichen 
Brkenntniesen  allgemeinster  Axt  vom  Seienden  überhaupt 
and  seinen  obersten  Arten.  Zum  Begriff  nnd  Wesen  des 
Denkens  gehört  es,  daß  es  einen  Inhalt  hat  nnd  dieser  Inhalt 
virllich  Seiendes  ist.  Das  nrspröngliehe  Objektsverhältnis 
zvisehen  dem  Denken  und  seinem  Inhalt  ist  undefinierbar 
und  imbeschreiblich. 

Zu  den  allgemeinsten  Sätzen  vom  Seienden  gelangt  das 
Denken  durch  Beflexiou  auf  sich  selbst.  Auf  diesem  Weg 
stellen  wir  zwei  .Jtenkprinzipien  oder  Gesetze"  fest,  die  sog. 
»Kategorien":  Identität  und  Kausalität  und  erkennen  das 
Verhältnis  der  Kategorien  zum  Wahmehmungsinhalt  CJte- 
lleiionsprädikate" '),  z.  B.  „dies  ist  ein  Ding,  eine  Ursache 
nsf").  Ein  besonderer  Akt  der  Anwendung  dieser  kategori- 
alen  Begriffe  findet  überhaupt  nicht  statt  Sie  haben  dieselbe 
Objektivität  wie  das  Oegebene  selbst.  Sie  gehören  zum  „Be- 
wnfltsein  überhaupt"  und  konstituieren  erst  die  wirkliehe 
Welt  als  den  gemeinsamen  Teil  der  Bewußtseinsinhalte  (s. 
oben).  Das  Denken  besteht  daher  nur  in  Urteilen,  d.  i.  dem 
BemBtfiein  der  Identität  oder  Verschiedenheit  und  der  kau- 
salen Beziehungen  von  Gegebenem.  Obwohl  also  Seh.  in 
^eten  Punkten  sich  dem  Logizismns  nähert,  trennt  er  sich 
liier  scharf  von  ihm.  Das  Logische  bildet  nicht  eine  dritte 
Sonderwelt,  sondern  fällt  im  Sinne  der  Immanenzphilosophie 
mit  den  ,3estinmitheiten  des  Gegebenen"  zusammen. 

Bei  dieser  Verlegung  des  Logischen  in  das  Sein  scheint 
für  die  formale  Logik  überhaupt  kein  Baum  zu  bleiben.  Alle 
Irrtümer  scheinen  sieh  anf  Widerspruch  mit  den  Tatsachen 

*)  GrindriB,  L  Aufl.,  S.  16*  H.  Genaueres  über  Schuppes  BeOezioDS- 
prädikate  s.  Ziehen,  BA.  tbeoret.  AuMinandersetz.,  Ztschr.  I.  Psych.  19C8, 
W.  33,  S.  119».    Tbl  int  übrigen  auch  Wundl,  Philoa  Slud.  1896.  Bd.  12. 


OC^IC 


220         J-  Teil.    Abgrenzupi  and  allgemMi»  GeachiiAte  der  Logik. 

ZU  reduzieren,  der  formal-lo^eche  Widerspruch  scheint  alle 
Bedeutung  zu  verlieren.  In  der  Tat  glaubt  Seh.,  daä  ,^er 
Irrtum  in  Wahmehmougen  und  urteilen  bestehe,  welche  den 
individuelleD  Unterachteden  der  einzelnen  Bewußtseine,  nieht 
dem  gattungsmäßigen  Weaen  angehören"  (GmndriS  1,  S.  171), 
und  weiM  die  Ermittluug  der  störenden  individuellen  (sub- 
jektiven) Faktoren  der  Psychologie  zu.  Die  Tatsache,  daß 
durch  diese  Paktoren  Wider^rfiehe  im  Sinne  der  formalen 
Lt^ik  —  und  zwar  auch  bei  Richtigkeit  der  zugrunde  lie^n- 
den  Wahmehmnngen  —  bedingt  werden,  und  daß  diese 
Widersprüche  ebenso  wie  die  formalen  Übereinstimmungen 
auch  unabhängig  von  der  Psychologie  und  ohne  Bücküeht 
auf  das  „Sein"  einer  wissenschaftlichen  Untersuchung,  näm- 
lich eben  in  der  formalen  Logik,  zugänglich  sind,  kommt 
begreiflicherweise  bei  diesem  Standpunkt  zu  kurz. 

Den  NeopoätivisUD  stehea  außerdem  mehr  oder  weniger  nah«*): 
Josef  DietzBen  (1838—1888),  Das  Wesen  der  menschlichen  Korfaibett, 

Hamburg  186B;  Briefe  übet  Logik  usw.  iaBO-^1883,* 
Carl  Göhring  (18*1—1876),  System  der  triüspchen  Philosophie,  Lelpn* 
1874  u.  18176,  DamentL  TeU  1,  Kap.  18—16,  S.  339  B.  (Äabei  auch  vid- 
fachc  AnknapfuDgen  an  Herttart,  Hanmann    Zetlw  u.  a.). 
Richard  t.  Schubert- Soldern  (geb.  18fi2),  Über  Tianszendenx  des 
Objekts  und  des  Subjekts,  Leipzig  1882^  namentl.  S.  9111.;  Grundlagen 
einer  Erkenntnistheorie,  Leipzig  188t,  namentl  ä.  86—220. 
A.  Döring,  Gnindlimen  der  Logik  als  einer  Uethadenl^re  uniTerseHer 
sachlicher  Ordnung  nnsrer  Vorstelhmgen,  Leipzig  1S12;  Grundzflge  der 
allgemeinen  Logik,  1.  Teil,  Doitnnind   1880;  Vierteljahisschr.   f.  imi. 
PhilDS.  laeo^  Bd.  9,  S.  324^  und  1890.  Bd.  U,  S.  121. 
Anton  V.  Leclair  (geb.  ISt8),  Lehrbuch  der  allgemeinen  Logik,  Leipaf 

18M,  8.  Aufl.  190B,  8.  Aufl.  191**  (mit  G.  A.  Lindner  jun.). 
Shadworth  HollwaT  Hodgson  (1863—1913),  The  pbilosophy  of 
reflection,  London  1878,  namentl  Kap.  &  6  u.  10;  The  maUFAyaie  of 
.  ezperienoe,  London  1898,  namentl  Bd.  3,  Kap.  i,  &  236—386;  Wbat 
is  logic,  Proc.  Arist.  Soc.  1889,  Bd.  1,  S.  11. 
.Adolf  StOhr  (geb.  1865),  liCitfaden  der  Logik  in  psychologisierender  Dar- 
stellung, Leipzig-Wien  1905;  L^irbuch  der  Logik  in  psychologisieieiider 
DarateUung,  Leipzig-Wien  1910;  Algebra  der  Grammatik,  Leipaig-Wieo 
1898. 

HansCornelius  (geb.  1863),  Versuch  einer  'nieorie  der  Esiatenzial- 
urieile,  München  189i;  Psychologie  als  Eriahrungswisaenschaft,  Ldpzü 
1887  (S.  SISB.);  Einleitung  in  die  Philosophie,  Leipzig  190S,  2<  AulL  ISlli 
Hit  Cornelius  stimmt  in  vielen  Punkten  auch  der  S.  S16  bereits  anfelOliitc 
Ernst  T.  Aster  üborcin. 

Max  Reinhard  Kauftmann  (1868—1896),  Fundament  der  Er- 
kenutnistheorie  und  Wissenschaftslehre^  I>ipzig  1890  (namentl.  §  30  f.  und 
S37tf.), 

'')  über  Jerusalem  s.  S.  238. 

n,g,t,7l.dM,GOOglC 


2.  KapiM.    Allcemnne  Getchicbte  der  Ltvik.  221 

fikBG  Drieacfa  (geb.  1867,  Ordnunnlebra  usw.,  Jeu  1912;  Die 
Ldfi  tis  Aofgabe  usw.,  Tübincen  1813)  leht  von  eincni  positivMiaBbea 
uid  —  iNnwUns  vorlfiufiR  —  Mlipsistiscken  aUfanttsen  Standponkt  ans, 
fdufl  ator  daan  unter  AntehnuuB  an  die  Denkpsycbolo«ie  dsr  KOipeachea 
Stkü»  za  AjHicbteii,  die  äch  denieniceB  Heinongs,  HuMerk  und  Naterps 
aa  Teil  «ehr  oUiMti.  Dabei  b&lt  er  jedoch  KegmOber  dem  Befriffareatiunua 
dKU  iest,  daA  die  aOeicnsUiide  der  Kathematä,  des  AUfemeiiien,  dee  nin 
MnranhaHen"  nur  „Gedankemnhalte"  sind  (Log.  ale  Aufg.  S.  90  u.  67). 
Ke  Ltgik  «ird  Ton  Dr.  als  eine  „Ordnungitehre"  ■)  auigelaflt:  ,4>er  Logiker 
nU  die  Eilä>theit  und  alles  durch  Eriebtheit  Gemeinte  durchaus  und  äi  jeder 
Faatllwit  als  Geordnetes  mMen"  und  „auSerden  wissen,  venaäge  wrekhei 
Ktouncfara  Erlebtheit  und  alles  durch  aie  gemeinte  unmitteihar  Gegenslind- 
hcke  »ordnet  ist"  (L  c.  S.  »1). 

Za  der  iwopoaitivistiBcben  Ricbluv  der  Logik  kaan  schbefllich  auch 
die  Logik  von  Karl  Eugen  DQhring^  (l^S— 1901)  gerechnet  werden. 
D.  unterscheidet  jjtedankUcbe"  und  „sachlicbe"  Axionte.  Ke  ersteren  Bind 
..KUatmsUlndliche  Einsichten",  die  Miteren  ,^ht  weiter,  zectegbare 
■NttuWsadien"  (wie  z.  B.  das  Bebarrvafsgesetz,  I^.  u.  Wiie.  S.  28). 
Bade  müssen  „eüifaeitlicb  zosammeagelatt"  werden;  denn  bmden  Gebieten 
umat  ein  „einheitUcfaes  Sein"  und  eine  „gemeinsasM  logiacbe  Grundgeslalt" 
n  [dmu  beachte  die  Vbei«instimnK)Bg  DOit  Schuppe  in  dieaem  Punkt).  Das 
lenken  kann  daher  aw^  die  einfachen  TataichHchkeiten  gar  nicht 
udns  Jasaei:^  als  sie  witklich  sind.  IrrtOmer  ergeben  sich  erst  bei  der 
Zusammensetzung  des  Einlachen.  Die  Hathemalik  rechnet  D.  zu 
dea  itin  gedanklichen  Wissenschaften  (L  c.  S.  86).  Die  ,j^n  logischen" 
iame  (Prinzipien)  sind  —  auf  gedanklichem  und  sachlichem  Gebiet  — 
vUte,  die  alten  Wissenschaften  (nicht  nur  einer  besonderen)  angehören. 
Do  denkende  Verstand  darf  nicht  „formal  borniert",  d.  h.  auf  eine, von  den 
SioneMovfindunKen  getrennte,  rein  formale  Tlti^eit  beschrftnkt  weiden, 
wnderD  hftngt  mit  der  SinnesUti^eit  untrennbar  zuaanunen  (L  c.  S.  71  ff.). 
DL  bestreitet  nicht,  daB  z.  B.  bei  dem  Satz  2XSc=;>4  zu  dem  SachreiiiaJt 
nut  dem  Donken  des  Sachverhalts  etwas  hinzukommt,  behauptet  aber; 
yAta  darin,  daS  ach  die  nngewufltc  Wiiklidtkeit  völlig  streng  in  das  Denken 
ilienetzt,  ohne  das  Geringste  von  ihrem  wesentlichen  Inhalt  aulzug^>en. 
bntebt  die  EUnertefteit  des  denkbaren  Gehalts  der  Dinge  und  des  darauf  be- 
öWcben  Gebalts  der  Gedanken."  Die  sachlich  gegenständliche  Bedeutung 
^  rein  logischen  und  mathematischen  Wahrheiten  beruht  sonach  nicht 
duaof,  daS  unser  Deidien  „als  solches  mit  diesm  Notwendigkeiten  behaftet 
isl",  anndem  darauf,  daB  „sich  die  sachlich  an  sich  vorhandenen  Vcrb&lt- 

*)  Von  einer  „Ordnungswissenschaft"  spricht  auch  Josiah  Royce 
iPtiiuiDien  der  Logik  in  Ruges  Enzyklopädie  d.  philos.  Wissenscb.,  Bd.  1, 
TtOringen  1B1£^  S.  61 — 136;  The  spint  of  modern  phüosophy,  Boston  u.  New 
Tttk  ISSB,  S.  368  fi.;  llie  wortd  and  the  individual,  first  series,  New  York 
IWB,  tecond  series  IBM).  Er  schwankt  im  übrigen  ziemlich  unklar  zwisdien 
iHaren  Xantschen  und  Hegeischen  und  neueren  Uttnslerbergschen  und 
^Ixkertschen  Anschauungen. 

')  Natürliche  Dialeictik,  neue  iog.  Grundlegungen  der  Wissenschaft  u. 
IWoeophie,  Berlin  1965;  Lork  u.  Wisaenschaftstheorie,  Leipzig  1878,  2.  Aufl. 
IKK;  WiiUkhkeitsphilosophie  (Teil  S  des  Geaamtkursus  der  Philosophie), 

i^iHtg  ia9&,  &  68a. 


tY^IC 


222        I-  "^^l-    Abfreazun«  und  allc«meine  Gwchicbte  der  Loeik. 

□isse  in  den  fnsUcfaen  Begriffen  und  Wahifaeiten  bekunden  und  ihrer  gecea- 
st&ndlichen.  Notwendigkeit  in  einer  dem  Ich  einverleibten  N6tisun(  einen 
B«danklichen  Ausdruck  vetschaHen"  (I.  c  S.  168/9).  Über  diese  Befamdnnc, 
NOtiKung,  Fortpflanzuiig  durch  das  Denkweikzeue  gibt  D.  keine  nihere  Aus- 
kunft. Das  Denken  ist  nach  seiner  Auffassung  eben  mne  „spezieUere  Artong". 
ein  „besonderer  Fall"  der  Wiridicbkdt,  in  dem  „ungeachtet  der  SpenaüUl 
dieser  neuen  SeinsbeUtigung  doch  alle  Beatimmungen  zur  absoluten  Eifcenst- 
uis  zulänglich  entbalten  sind"  (I.  c.  S.  171}.  Unser  Denken  ist  nur  das 
Produkt  einer  an  sich  und  ohne  Denken  voihandenen  Notwendigkeit  (L  <- 
S.  810).  Den  GrundverhUtniasen  der  Begriffe  mOasen  G^enstOcke  iti 
„Gnindvetb&Hnissen  der  SeinsBcberoatik"  entsprechen.  Manche  der  hierher 
gehfirigen  AusfOhrunsen  Dohringe,  die  man  geradezu  als  logisch-ontolociacheD 
Parallelismus  bezeichnen  könnt«,  erinnern  fast  an  einzelne  Satze  der  Look 
der  Identitatsphüoeophen;  nv  darf  nicht  Qberaehen  werden,  daß  D.  doch 
stets  den  Standpunkt  seiner  Wiiklichkeitsidiilosopbie  mit  ihrer  sensualisti- 
schen  GfuncBage  festzuhalten  sucht 

Ein  besonderea  Verdienst  DOhrings  liegt  darin,  daB  er  ähnlich  wie 
Wundt,  aber  von  einem  ganz  anderen  Standpunkt  aus  die  Logik  in  ibicr 
Anwendung  und  Betitigung  auf  dem  Gebiet  der  einzdnen  Wlas^iscbaRen 
untersucht  und  überhaivt  die  praktische  wissen scbaftUche  Ff)r8chung  «n- 
gehehd  berOdraiditigt  hat.  Seine  maßlose  Polemik  gegen  Aristoteles  uiuJ 
Kant  —  von  den  Angriflen  auf  die  Scholastiker  ganz  zu  schweigen  —  isl 
nur  ausnahmsweise  durch  ausreichende  sachliche  Ausführungen  gesUttzL 

§  63.  Skeptisebe,  relatiTistiscbe»  «volutiontetlsche,  pnf' 
matistisehe  Lo^er.  Alle  bis  hierher  angeführten  modernen 
Logriker  —  einschließlich  auch  der  meisten  neopositivisti- 
Bchen  —  stimmen  darin  übereiu,  daß  sie  den  logischen  Ge- 
setzen bzw.  Begeln  eine  absolute  Cteltung  nicht  nur  innerhalb 
des  menschlichen  Erkennens,  sondern  auch  noch  weit  darüber 
hinaus  znerkennen.  I>»ngegeiiüber  sind  in  den  letzten 
50  Jahren  auch  mehr  und  mehr  BichtungeD  hervorgetreten, 
welche  die  Gültigkeit  der  l(^(i8chen  Gesetze  mehr  oder  weniger 
eiiuchränken  oder  gemdezn  anzweifeln.  Von  Tomherein  mnfi 
bemerkt  werden,  daS  manche  Vertreter  dieser  Bichtungen 
'wegen  der  Unwissenschaftlicbkeit  ihrer  Arbeiten  im  folgen- 
den ganz  übergangen  werden. 

Ein  absolnter  Skeptizismus  bezüglich  der  Logik  ist 
begreiflicherweise  kaum  jemals  vertreten  worden;  müßte  sieb 
ein  solcher  doch  folgerichtig  auf  ein  kopfschüttelndes 
Schweigen  nnd  Ohrenzuhalten  beschränken.  Immerhin  war 
schon  im  Aitertnm  die  Skepsis  gelegentlich  auch  auf  die 
logischen  Qesetze  ausgedehnt  worden  (vgl.  ^  It!),  und  aucb 
in  der  Folgezeit  traten  immer  hin  nnd  wieder  Forscher  anf. 
die  solche  Zweifel  wiederholten.  Zuweilen  wurde  sogar  direkt 
in  senauatistischem  Sinne  der  Sinneswahmehmung  noch  ein* 

„.,,„,^.oogic 


2.  Kapitel.    AIISMoeine  Otsctuchte  der  Logik.  223 

lelatire  SicfaerhMt  zogestanden  und  alle  Unsicherheit  gerade 
b  das  Denken  verlegt  So  erklärte  z.  6.  Francisons 
SanchezO  („philosophns  et  medicns  doctor",  1552 — 1632): 
,fiertaäma  onmiom  c(wnitio  est,  qnae  per  seosns  fit;  incer- 
tisgiiii&  omniom  gnae  per  diacnrsnm.  Nam  haec  non  vere 
eo^tio  est,  sed  palpatio,  dabltatio"  etc.  *)  und  „omnis  seientia 
fictio  est'**).  Und  doch  ist  selbst  dieser  Forscher  von  einer 
absoluten  konsequenten  logischen  Sepsis  weit  entfernt. 
Sie  veitgehendeu  skeptischen  Bedenken  gegen  die  mathe- 
matiBch«!  Axiome,  welche  von  Pierre  Bayle  erhoben 
«lirdeii,  sind  froher  bereits  erwähnt  worden  (S.  102).  Der 
tiodenie  Skeptizismos  —  Hnzleys  Agnostizisnras  —  hat 
meistens  nur  die  Unsicherheit  aller  materialen  Erkenntnis 
behauptet,  dagegen  eich  über  die  Gültigkeit  der  logischen 
Gesetze  nicht  geäußert  ^ 

Noch  gemäßigter  tritt  die  relativistische  Bichtnng 
der  Logik  auf.  Der  Belativismos  gibt  zn,  daß  wir  zu  wahren 
Erkwintniasen  gelangen  können,  behauptet  aber,  daß  alle 
dieee  unsere  Erkenntnis  lediglich  für  den  erkennenden  Men- 
Kben  göltig  Ist  und  insofern  jede  Wahrheit  relativ  ist  Be- 
ifiglich  der  formalen  Logik  stellt  er  sich  daher  in  der  Bege) 
auf  den  Standpunkt,  daß  die  logischen  Gesetze  eine  Spezia- 
lität des  menschlichen  Erkennens  sind  nnd  über  dieses  hinaus 
keiue  Gültigkeit  mit  zureichenden  Gründen  beanspruchen 
können. 

Ein  Vertreter  dieser  Sichtung  ist  z.  B.  Bichard  Shute 
in  seinem  Discourse  od  tnitti,  London  1877  *).  Nach  Shnte 
glibt  es  keine  nnveränderliche  Wahrheit  Ebenso  wie  die 
Wahmehmungan  ist  auch  die  Vernunft  veränderlich,  unser 
lenken  ist  von  unsrer  Organisation  abhängig  und  wechselt 


')  Vgl.  zu  den  logischen  Lehren  voa  Sancbes:  L.  Oeikrftth,  Fnnz 
^aoäiK  usf.,  Wien  1860  und  John  Owen,  The  skeptk»  ot  the  Frencb 
RtDüfiano^  London  1808,  S.  616  ff. 

*)  Quod  nihil  idbir.  Lugdun.  1681,  S.  6ß.  tJbrigens  wendet  sich  S. 
'»DKutüch  gegen  die  auf  die  AatoriUt  des  Aiiatoielea  sich  benilenden 
Diikküker  und  weist  dieeen  gegenOber  auf  daa  „expeiiraentum",  die  Br- 
>>l>mog  hin  CL  c.  S.  90). 

*]  L.  c  S.  S4.     Tgl.  auch  S.  Ol:  ^.Sensoa  Mhim  «Tterioni  videt:  oec 


*}  Auch  deutsch  herausgegdien  von  K.  G.  U[diues^  Breslau  IBSft  (out 
ilienacliUieher  Gnleitnng  und  kritischem  Schlaft;  in  Betracht  kommt  samenU 
^  Kap.  Q). 

„.,,„,  ^.oogic 


224         !■  "^^i'-    Abgrenzung  und  Ulwmeine  Geachidite  der  Logik. 

d^er  mit  ihr.  Die  DenksesetEe  bleiben  nar  dieeelben,  so- 
isnge  der  Menecli  derselbe  bleibt '). 

Schon  Shnte  hat  diesen  relativiatiecbea  Standpunkt  noch 
in  BWei  Bichtnngen  veiter  anszngestalten  versucht:  in  der 
eTolationiBtisch-biologischen  nnd  in  der  p r a g - 
matifitischen.  Allee  Denken  ist  nach  eeiner  AnffasBimg' 
nar  ein  Mittel,  am  das  Leben  den  jeweiligen  Lebens- 
bedingungen anzupassen,  nnd  hat  sich  mit  all  «einer  Oeaets- 
m&Sigkeit  anter  dem  Einfloß  solcher  Anpassungen  ent- 
wickelt (evolntionistisch-biologischer  Standpnnkt).  Sein  Wert 
baniBt  sich  daher  auch  lediglich  nach  seinem  Erfolg,  also 
nach  seiner  Nützlichkeit  für  das  menschliche  Handeln 
(inagmatistiBcher  Standpunkt). 

Weiter  ausgebildet  wurde  diese  evolutionislisch-prMmattsUscbe  Auf- 
fassung der  Logik  in  einem  Sammelweric  ■)  von  8  Mitittedern  dar  Oxtoder 
t'nivemt&t:  George  F.  Stouf),  Ferdinand  Oänning  Scott 
Schiller,  W.  R.  Boy ce  Gibson«),  Henry  Sturt»)  u.  a.  Schil- 
ler hat  dann  in  demselben  Sinne  noch  mehreve  andere  Wette  vnfaBt  und 
MÜe  besondere  RichtuiK  äes  PramalisiDus  als  Hnmanisrnua**)  be- 
zacfanet  (Studies  in  humanism,  London  1907,  2.  Aufl.  1912;  Humaaifiin, 
FhUofloph.  e3sa.y9,  London  190S,  2.  Aufl.  1912,  namenU.  S.  XIV  B.,  awli 
deutsch  von  R.  Eisler,  Leipzig  1911 ;  Axions  as  postulates,  in  dem  erwähnten 
Saautetwerk,  London  1906;  Formal  logic,  a  scientific  and  social  proUem, 
London  191S,  z.  B.  Pieface  S.  IX;  Logic  or  ps?ch<^OKT,  Uind  1906,  N.  S. 
Bd.  18,  S.  400;  The  anduguity  of  trutb,  ibid.  1906^  Bd.  ISy  S.  161  u.  a.  m.). 
Die  überlieferte  Logik  ist  nach  Schiller  „fundamentallT  tncoosistent  non- 

'^)  Andeutungen  eines  solchen  Pragmatismus  finden  sich  schon  bei  Feder 
(vgl.  S.  181),  Grunds,  d.  Log.  u.  Melaphys.  S.  107. 

*)  Unter  dem  Titel  Personal  idealism  herausgeg.  v.  R  Sturb,  London- 
Hew  ToA  1902. 

')  In  Mnen  sonstigen  Schriften  nähert  sich  Staut  zuweilen  dem  Lo^- 
aamus,  indem  er  zwischen  der  Vorstellung,  die  i  m  BewuBtsein  erlebt  wir^ 
und  4em  Objekt  des  Denkens^  das  für  du  BewuBisdn  vorhanden  ist,  unter- 
scheidet. Vgl.  z.  B.  Proceed.  Ariatot.  Soc  191S  N.  S.  Bd.  13,  S.  SSI  und 
Analytic  Psychology,  l-ondon  1909  (3  Bde.),  nameatL  Book  II,  Cb.  5,  9  u.  10. 

*}  In  einem  späteroi  Werk  Hie  ptoUem  of  tosic,  London  1906  (ä.  Band 
meines  Wissens  sodt  nicht  erschienen)  sudit  Gibson  zwischoi  dem  eni- 
lischen  Neu-Hegelianismus  und  dem  Pregmatimms  zu  vennitteln. 

>}  Henry  Sturt,  Idola  tbeatri.  A  critidsm  of  Oxford  thought  and  thinken 
from  the  standpoiot  of  personal  idealism,  London  1906.  Die  Idola  tbeatri,  die 
SL  bekämpft,  sind:  Inlelldrtualiwous,  ^»ohitismuB  und  äubjektiviannta  Be- 
merkenswert ist  namentlich  die  auafObrliche  Kritik  von  Bradley  (S.  StOS.J 
und  von  Bosanquet  (S.  SS2fl.).  Im  allfemeinen  steht  Sturt  von  den  Obrigeo 
Brotutionisten  und  vollends  von  den  Pragmatisten  durch  die  Betonung  des 
persOalichen  Ideali  mMs  und  dea  Vohmtarianus  weiter  ab. 

^  Windelband  (Der  WiUe  zur  Wahrheit,  Heidelberg  1906)  schlägt  stril 
dessen  die  korrAtera  Bezeichnung  ,Poaäiüsaaa"  vor. 


OgIC 


2.  Kspttel.    AUsuneine  Geschichte  der  Logik.  o>).^ 

MB".  AQe  Wahriieitea  sind  nur  meDSchiicbe  logische  Werte  (loaical  valuesj, 
'lenBedenttuiir  auf  ihrer  praktischen  Braucbl>arkeit  beruht.  Abstrakte  Vtattr- 
iHila  lind  Qberhaopt  keine  leetlen  Wahrheiten  (not  fullr  trutha  at  att,  Stud. 
iiit<aiLS.AuIL  S.  8}.  Ähnliche  S&tze  finden  sich  bei  Alf  red  Sidgivick 
(^VlriicalJon  of  locic,  London  1910,  namentl.  S.  267 ff.;  Fallauea,  a  view 
ef  Jose  frgm  the  jiractical  side^  London  1863;  The  process  of  aigumcnt  etc., 
l«*ii  ISSei  S  18*;  The  use  of  words  in  reasoning,  London  1901).  „Wahr- 
iMlra  mossen  angewandt  werden,  um  wahr  z\i  werden  und  am  Ende  wahr 
n  btebea"  (Schiller  I.  c.  S.  9),  und  alles  (logische)  Meinen  hfingt  von  einsni 
Zaed  (Dorpose)  ab.  Die  Logik  ist  daher  nur  die  systematische  Bewertung 
des  allueUen  Wissens  (^vstematic  cvalualion  of  acliial  knowing",  I.  c.  S.  7&). 
Sthit  niv  die  Aufgabe  empirisch  festzustellen,  auf  neJchem  Wece  wir  zu 
^  wertroUslen  Wahrheiten  kommen.  Sie  ist  daher  auch  auf  die  Hilfe  des 
'^dxriogie  angewiesen.  Entscheidend  bleibt  schließlich  immer  die  ,^d<< 
»oiöice"  (Sidgwick). 

Noch  mehr  Anklahg  fanden  solche  Lehren  in  Amerika.  Charles 
^iDliago  Peirce  hatte  schon  ld76^  also  nur  wenig  spater  als  Shute, 
>n  mta  Au^t^  betitdt  „How  to  make  cur  ideas  clear"  (Populär  Science 
ItodhlT  187%  Jan.  XII,  Sl  2fö,  mir  nicht  zugänglich,  und  Rev.  philos.  1&7&, 
Bi  6t  S.  öaa,  und  1879,  Bd.  7,  S.  36),  ahnliche  Sätze  aufgestellt "),  aber  doch 
■H^  Ton  einer  mathemalischen  Logik  (s.  unten  §  54)  eine  selbsländigo 
Vatneohricklung  der  Lt^k  erwartet  und  seine  Lehre  als  Fragmalidsmus 
vgD  IVagmatiamus  unterschieden  (Studies  in  logic,  from  J.  Hopkins  Univers., 
Boshm  1883;  Honist  1896/97,  Bd.  7,  S.  19  u.  161,  und  19»,  Bd.  16,  S.  161  u. 
^  aamentl  S.  180  Ober  die  Stellung  zum  Uegelschen  absoluten  Idealismus, 
n.  Ifloe,  Bd.  Ifi,  S.  492).  Sehr  viel  radikaler  wurde  der  Pragmatismus  dann 
m  John  Dewey  (Studies  in  logical  theory,  Chicago  1903,  2.  Aufl.  1909^ 
"^  Beiträgen  von  Schalem;  InDuence  of  Darwin  on  phUosophy  and  cther 
«»TJ  ele.,  New  York  1910;  Journ.  of  philos.,  psychol.  and  scient.  meth,  1910, 
Bd.  7,  S.  169)  und  namentlich  von  William  James  (Fragmalism  etc., 
-lew  York  etc.  1907,  deutsch  von  W.  Jerusalem,  Leipzig  1908;  The  meanink 
^  Inith  elc,  New  York  etc.l90g^  3.  Aufl.  1911;  The  pragmatist  aocount  et 
"Dth  and  ils  misunderstanders,  Philos.  Review  1906^  Bd.  17,  S.  1 ;  Mind  190*, 
8i  13,  S.  467)  vertreten  i*).  Insbesondere  stimmt  James,  der  auch  den 
■''UDen  mgmatismus  schon  im  Jahre  1898  eingeführt  hat,  in  den  wesentlichen 
I^len  mit  Shute  und  Schiller  Uberein.  Auch  bei  ihm  besteht,  wie  schon 
tei  Shute,  der  Pragmatismus  aus  einer  Reihe  von  Sät2en,  die  nicht  notwendi« 
nnierelnander  zusammenhangen.  Zu  dem  Hauptsatz  der  pragmatistischen 
l^re,  daB  die  Wahrheit  eines  Satzes  von  seiner  Nützlichkeit  im  Leben  ab- 
lilxie,  werden  Sätze  hinzugefügt,  die  auch  von  ganz  anderen  Standpunkten 
>nt  aufgestellt  «erden  k&nnen  und  schon  längst  und  oft  aufgestellt  worden 
^  N  z.  B.  der  Satz,  daB  unser  Denken  biologisch  zweckmäQig  ist "),  daC 

")  Es  ist  sehr  charakteristisch,  daB  Peirce  zugleich  die  schlieBlicho 
^Iteneine  Zustimmung  der  Forschenden  als  Wahrheitskriterium  hinstellt 
Joiömon  prMestinte  k  r^tmir  finalement  tous  les  chercheurs  est  ce  que  neu? 
^PWlcDs  le  Tiai  et  l'objet  de  cette  opinion  est  le  räd"). 

")  Siehe  auch  A.  K.  Rogers,  Prof.  James'  theory  ol  knowledge,  Philos. 
aw.  1SQ6,  Bd.  15.  S.  677— 59a 

'^)  Vgl  z.  B.  G.  Sinimel,  Aich.  L  svatem.  PhUos.  1896,  Bd.  1,  S.  34. 
äehe  weh  unlen  S.  236. 

2)tb«D,  Lchibneh  der  Iiogik.  15  -i  -*  il  -. 


226         1-  Teil.    Abnenzung  und  sUgemeine  Geschichte  der  Logik. 

hei  der  Entwicklung  unseres  Denkens  AnpassungsvorBänse  im  Gehirn  be- 
teili|[t  sind,  daB  die  Best&Uguns  durch  die  weitere  Eifahning  ein  ausgezach- 
neter  Prflfstein  tQr  die  Wahrheit  vieler  oder  gar  aüw  Sätze  ist,  daB  im  Sann 
des  Fosttivismus  (Inunanentismus,  bei  James  „radical  empirism"]  die  niih)- 
sophie  durchaus  an  das  Gegebene  gebunden  ist  und  auch  alle  Relationen  zu 
dem  Gegebenen  gehCren,  dafi  alle  Erkenntnisse  im  Sinne  des  s<w.  RelatiriB- 
rous  nur  tor  die  besondere  Konstitution  unseres  Intellekts  gelten  uri. 

Auch  in  Deutschland  fand  die  evoluüonisUsche  und  praematislische 
Richtung  einzehie  Anhänger'*)  unter  den  Logikern.  Macbs  Ldire  von  der 
Qkonomischen  Bedeutung  des  Denkens  (vgl.  S.  318)  und  die  von  Avenaiins 
vertretene  biologische  Auffassung  der  reinen  Erfahrung  kamen  dem  Bvolu 
tionismua  direkt  entgegen.  So  wird  es  verständlich,  dafi  z.  B.  Wilhelm 
Jerusalem  (geb.  1864),  der  in  seinen  frttheren  Schriften  (Die  Urimb^ 
funktion,  Wien  1895;  Über  psychologische  und  logische  Urteilstheo rien. 
Vicrteljahreschr.  f.  wiss.  Philos.  1897,  Bd.  21!,  S.  157;  Einleihing  in  die  Philo- 
acphic,  Wien  1899,  6.  AuflL  1913;  Der  kritische  Idealismus  und  die  reine 
fj^gik,  Wien-Leipzig  1905)  einen  positivistischen  Standpunkt  vertreten  hatte, 
in  einem  neueren  Aufsatz  (Deutsche  Lileraturz^.  '2b.  1.  19G^  Jahrg.  29,  Nr.  4 
S.  198)  sich  zum  Prasmatismus  bekennt,  ohne  jedoch  bis  jetzt  die  letzten 
Konse<iuenzen  desselben  für  die  Logik  zu  Eiehen^'),  Auch  Georg  Simmel 
(läöU— 1918)  steht  in  seiner  Philosophie  des  Geldes  (Leipzig  1900,  S.  6(, 
2.  Aufl.  1907)  auf  ähnlichem  Standpunkt,  desgleichen  GOntber  Jacob v. 
Der  Pragmatismus,  Leipzig  1909  (z.  B.  S.  15).  In  Italien  wird  der  Pragma- 
tismus in  etwas  mystischer  Form  z.  B.  von  Giovanni  Papini  vettieieo 
(Sul  pragmatismo,  Sa^i  e  licerche,  Milano  1913).  Der  Eonformismus 
von  0.  V.  d.  Pfordten  veifaiOpft  pragmatistische  Anschauungen  nüt  wert 
theoretischen  Lehren  Windelbands  (Versuch  einer  Theorie  von  Urt^  und 
Begriff,  Heidelberg  1906^  z.  B.  S.  3,  9  u.  &;  Konformismus,  eine  Philosophie 
d.  normaUven  Werte,  bis  jetzt  3  Bde.,  Heidetb.  1910—13,  z.  B.  Bd.  I,  S.  1W> 
Dem  PragmaUsmus  steht  auch  der  „genetische  Instrumen- 
ta 1  i  s  m  u  b"  von  James  Hark  Baldwin  sehr  nahe  (Thought  and 
things,  or  Ganetic  logic,  Bd.  1:  Functional  logic,  or  genetic  theory  of  know- 
ledge,  London-New  York  1909'*),  Bd.  2:  fizperimental  logic  or  genetic  tbaon 
of  thought,  190^  Bd.  3:  Interest  and  art  being  real  logic,  1911).  B.  betont 
vor  allem  den  evolutionistischen  Standpunkt  und  meint  auf  genetischem 
Weg  das  Erkennen  und  speziell  das  logische  Denken  erklären  zu  können. 
Die  ästhetische  Betrachtung  wird  als  „Oberbgiache"  Stufe  der  Eikeantnis 
aufgefaBt,  der  logischen  Erkenntnis  eine  voriogische  und  quasUogische  Stufe 
vorausgeschickt  Gegen  die  Übertreibungen  des  Pragmatismus,  gerade  auch 
mit  Bezug  auf  die  logischen  Gesetze,  hat  sich  B.  ausdräcklidi  verwabrt 
(Psychol.  Rev.  1904,  Bd.  11,  S.  30,  namentl.  S.  62  ff.). 


'*)  Auch  einzdne  Äußerungen  von  Nietzsche  gehören  hierher,  sieht' 
2.  B.  Weite,  Bd.  7,  S.  12,  56,  MB— *70  u.  Bd.  l'^  S,  828 1  u.  3B6f.  („das 
Perspektivische",  daher  die  Bezeichnung  „Peiapektivismus").  Vgl.  aoch 
Herder,  UetakriUk,  Werke,  Bd.  31,  S.  286  („pragmatischer  Glauben"). 

")  Andrerseits  nähert  nch  J.  der  psycbologistischen  Logik  (Erit.  Id. 
S.  78  UL  95)  und  bezeichnet  sich  selbst  als  Realisten  (ebenda  S.  66  u.  lOfij), 

'*)  Eine  Übersetzung  der  beiden  ersten  Bände  von  W.  F.  G.  Gäase  ist 
Leipzig  igOft— 19U  erschienen. 


1,1^. OQi 


'S" 


_^  2.  Kuiitel.    AUferoeüiB  Geschidite  der  Eogik.  227 

Sna  dem  Precmalismus  enUteBenBesetzteD  >*),  übrigens  sehr  gem&BiR- 
Im  Rdativisniiis  vertrilt  in  «iBcnarÜKer  Weise  Fraac«B  Herbert 
Bridley  (Principles  of  logic,  London  1S68;  Appeanuue  «nd  realilr,  Lod- 
dn  18B3,  2.  Aufl.  1897,  5.  Druck  190B).  Seibat  die  absolute  Wahrheit  ist 
«ht  jsnz  wahr"  C^o  possible  truth  b  quite  true".  ^p.  a.  real.  1908, 
£.  Üi),  »e  ist  zwar  intell^luell  nicht  mehr  konigieiiiar,  aber  ne  gibt  nur 
fa  AUiemeine  der  Wirklichkeit,  nicht  alle  ihre  Knzelheiten.  Dabei  stellt 
Sr.  in  seiner  Urteilslehre  den  staik  zum  LoBizismus  und  auch  Hesetianis- 
tm  nagenden  Satz  auf,  daß  das  Urteil  im  logischen  Sinn  von  dem  Urteil 
•li  psychischer  Tatsache  völlig  verschieden  sei  und  im  Subjekt  eine  Wirk- 
Alikit  enthalte,  aui  welche  «in  ideeller  Inhalt  (ideal  content)  bezogen 
TOde"). 

$  54.  Die  umthemstisehe  UymbolUtlsehe)  Lo^lk.  Neben 
allen  den  in  den  vorausgehenden  Paragraphen  dargestellten 
StrÖmniigen  der  neueren  Logik  geht  eine  Bewegung  einher, 
nlehe  durch  Einführnus  von  Symbolen  nach  Art  der  mathe- 
matischen nnd  sonstige  Anwendung  der  mathematischen 
Uethoden  zo  einer  Beform  oder  wenigstens  Weiterentwick- 
huigder  Ix^ik  za  gelangen  hofft.  Diese  sog.  ,^ymboliBti8che" 
nnd  mathematische"  Logik  (vgl.  such  ^  81  u.  82)  war  auch 
is  früheren  Jahrhunderten  nicht  unbekannt  (vgl.  z.  B.  8. 112 
n-liS),  ist  aber  doch  erst  im  letzten  Jahrhundert  systematisch 
an^ebitdet  worden.  Dabei  ist  es  leicfat  verständlich,  daB  die 
Verbeter  dieser  mathematischen  Bichtung,  da  es  sich  eben 
im  wesentlichen  nur  um  ein  methodologisches  Prinzip 
tiandelte,  im  äbrigen  bezüglich  ihrer  (Jeeamtauffaasang  des 
logischen  bzw.  der  Logik  weit  auseinandergii^^n  und  sich 
ans  fast  allen  den  im  Vorigen  angeführten  Schulen  rekra- 
ttertea.  Auch  knüpften  die  Vertreter  der  mathematischen 
Lo^  oft  an  üntersnchnngen  über  die  logischen  Onmdlagen 
der  lUsthematik  an,  so  daß  die  „mathematische  Logik"  sich 
zuweilen  eng  mit  einer  „Logik  der  Mathematik"  verband. 
Atif  die  anBerordentliche  Bedeutung  der  mathematischen 
Satxe  für  Erkenntnistheorie  und  Logik  hatte  ja  schon  Kant 
eindringlich  hingewiesen.  Diese  Beziehung  zwischen  mathe- 
■■utischer  Logik  und  Li^ik  der  Mathematik  mußte  sich  um 
*>  enger  gestalten,  als  die  Mathematik  selbst  bei  ihrer  fort- 
Khreitendeu  Entwicklang  in  der  Bichtong  auf  die  Funk- 

")  Vö-  Bradlev,  On  truth  and  practice,  Mind  IflOt,  N.  S.  Bd.  13,  S.  90» 
«  Sehillw,  Studies  in  hnmanism  191^  S.  lU  ff. 

'*)  Unter  dem  Einfluß  ist  Bradleyschen  Lehren  steht  auch  Sydney 
Herbert  Hellone  (An  introductory  text-bodc  of  logi«^  Edinb.  u.  Lon- 

h.  ^?Ti,i^.oo^ic 


228         '-  '^^'''    Abgrenzung  und  aJIcemeiDe  Geschidite  der  Logik. 

tionentheorie  anscheinend  mehr  and  mehr  die  Beschrän- 
knng  auf  den  GröQenbegriff  hatte  fallen  lassen  nnd  xn  einer 
„allgemeinen  Mannigfaltigkeitslehre"  (s.anten) 
'gelangt  war.-  Damit  schien  geradezu  eine  Versoluuelzung  der 
Logik  mit  der  Mathematik  vollzogen,  nnd  in  der  Tat  worde 
z.  B.  von  manchen  Logizisten  die  allgemeine  MannigfalUg- 
keitslehre  als  ein  Teil  der  sog.  „reinen"  Logik  in  Ansprach 
genommen  (vgL  §  SS). 

Die  Anlehnung  an  die  Matheäiatik  kann  in  dopjKlter 
Weise  erfolgen.  Entweder  ahmt  die  Logik  nnr  die 
Methoden  der  Mathematik  nach,  schafft  sieh  also  eigene 
Symbole  nach  Art  der  mathematischen  für  die  Vorstellnngen 
(Begriffe)  nnd  Denkoperationen  und  baut  nun  unabhängig 
von  der  Mathematik  ihr  System  auf  (vgl.  z.  B.  S. 48),  oder 
sie  entlehnt  der  Mathematik  direkt  deren  Symbole  und  ver- 
sDcht  auch  bei  dem  Aufbau  ihres  Systems  die  mathematisofaeit 
Operationen  (Addition,  Mnltiplikation  nsf.)  allenthalben  mit 
entsprechenden  Abändernngen  oder  auch  ümdeatnngen  an- 
zuwenden. Die  erste  Bichtung  kann  man  als  symbolisti* 
sehe  Logik  (s.  str.),  die  zweite  als  mathematische 
Logik  (s.  str.)  bezeichnen.  In  der  Geschichte  der  Logik 
haben  sich  beide  Richtungen  in  einer  vielfach  unklaren  Ver- 
bindung miteinander  entwickelt,  so  daß  in  dieser  geschicht- 
lichen Einleitung  eine  Trennung  derselben  nicht  durch- 
geführt werden  kann. 

Des  weiteren  kann  die  Lo^ik  entweder  getanetrische  oder 
algebraische  (arithmetische)  Symbole  nachahmen  bzw.  der 
Mathematik  entlehnen.  Die  Verwendung  geometrischer 
Symbole  ist  weit  älter.  Dem  Joh.  Philoponus  war  sie  jeden- 
falls schon  bekannt ').  Sie  war  dann  allgemein  gebräuchlich, 
teils  um  den  Umfang  der  Begriffe,  teils  um  die  B^riffs- 
verhältnisse  in  den  ScbluSfiguren  darzustellen.  Ein  scharf- 
sinniger Versuch,  über  die  hergebrachten  räumlichen  Sche- 
mata hinauszugelangen,  stammt  von  Qenlincs*)  (vgl. 
S.  101).  Lambert  (vgl.  S.  123)  bemühte  sich  die  geometrische 


')  Siehe  z.  B.  Philoponus^  Comm.  in  Analyt.  prior.  Akad.  Auag.  BeroL 
190b,  S.  381  u.  B.  Vgl.  I.  Barthölany  Ssint-Hilaire,  De  la  logique  d'Aristote, 
Paris  ISSe,  Bd.  2,  S.  888  If.  (App«ndice). 

=}  Logica,  Lugd.  BataV.  1663,  namenU.  a  11,  100,  399  CHI,  3,  can.  9). 
„Cubus  logicua  resolvitur  in  sex  quadrata,  quodlibet  quadratum  in  quatuor 
axiomata.  Axioma  voco  proposilioncm  necessariam  et  per  se  notam  aut  ex 
tali  evidenter  demonstrataia" 

h.  !■,  II,  l^.OOQIC 


^ a.  Kapitd.    AHg«ineine  Gesdiichto  der  Logik.  229 

CatstelluEg  ,fi.vA  der  Natar  der  Sache  hemileiten"  *)  and  ver- 
veodele  einfache  Linienlangen,  Ploucquet  (vg^.  S.  122)  zt^ 
.Quadrate  vor,  Christiaa  Weise  *)  nnd  E  a  1  e  r ')  Sreise,  MaaB 
f^i.  S.  130)  Dreiecke.  Weeentliehe  wissenschaftliche  Fort- 
sehriite  warden  bei  allen  diesen  geometrischen  Darstellnngs- 
veisnchen  nicht  erreicht*),  wenn  aaeh  ihre  didaktische  Nütz- 
lieUelt  anznerkennen  ist  Ein  neuerer  Versacfa  Fr.  A.  Langes 
(fgL  S.  166),  alle  Denkrerhältnisse  ans  der  Baumansehaanng' 
bwmleiten,  ist  mißglückt  ^). 

Viel  anssichtsreicher  hat  sich  die  Verwendung  alge- 
braiBcher  Zeichen  für  die  Lofflk  gestaltet.  Schon  Loltos 
(TgiS.78)  verwandte  Buchstahenbezeiehnui^eo  für  Begriffe 
tun]  zwar  in  Verbindung  mit  räomlicfaen  Anordnangen 
UCamniem"  usf.),  aber  in  so  willkürlicher,  üuSerlicher  Weiee, 
daS  keinerlei  Fortschritt  erzielt  wurde.  Buchstabenbezeicfa- 
nniigen  warden  daher  lange  Zeit  vorzugsweise  als  moemo- 
1«(-liiiiBche  Hilfsmittel  verwendet*).  Fr.  V  i  e  t  a  gab  dann  mit 
der  Einführung  von  Buchstaben  für  ZahlengröBen  in  seiner 
Algebra  nova  *)  den  AolaB  zu  weiteren  Versuchen.  Er  unter- 
schied eine  „logistice  (d.  h.  Bechenkunst)  numerosa,  qnae  per 
oomeros"  und  eine  „logistice  speciosa,  quae  per  ftpecies  seu 
nmm  formas  exhibetur,  utpote  per  alphabetica  elementa". 
Cbor  die  hierher  gehörigen  Arbeiten  von  Wllkios,  Dal- 
ganio  und  Leibniz  wurde  schon  oben  (S.  112  f.)  *')  berichtet 


■)  Keaes  Oimnon  usw.  Bd.  1,  Leipzig  17M,  S.  lOBIf.  (§  173— IM). 

')  Nudeus  loBicae  Weisianae,  ed.  J.  Chr.  LaDgitu»,  Gissae  1713.  D«r 
SiKleoa  logicae  von  Weise  selbst  ist  1691  erschienen,    VbI.  S.  113. 

')  Leonbard  Euler  (1707 — 1788),  Letlrea  &  une  princesse  d'AIlemagne 
*lc.,  Paris  1766—72,  n.  Lettre  M H.  (ed.  IVia  19*8,  S.  260 H). 

*)  Tgl.  die  EiDwendtmgen  gegen  die  geometrische  Symbolik  bei  Heg^l 
(ffissensch.  d.  Logik,  U,  1,  1,  WW.  Bd.  &,  S.  57X  und  dazu  Bolzano,  Wissen- 
schsflslehre,  Sulzbach  1837  S.  47*  u.  488  sowie  Schopenhauer,  Die  Welt  als 
Wille  und  Vorstellung,  Leipzig  1811),  Griscbschsche  Ausg.  Bd.  1,  S.  81. 

0  Vgl.  dazu  die  Kritik  Rud.  Serdels,  Zeitschr.  f.  Philos.  u.  pbilos.  Krit. 
1588s  Bd.  94,  S.  210. 

')  Vgl.  z.  B.  Joh.  JueIus  Winckelmann,  Logica  memorativa,  Halle  1658'. 
Sehr  Tiel  iltor  und  nicht  rein  mnenwtechnisch  ist  die  symbolische  Bezeich- 
nung der  4  UHeilsUassen  mit  den  Buchstaben  a,  e,  i  und  o  ^zw.  «v\  die 
ach  zuerst  bei  Psellus  zu  finden  scheint.  VgL  PrantI,  Gesch.  d.  Log.  im 
AiwKll..  2.  AufL,  Bd.  2.  S.  27B  u.  283.  und  Bd.  1,  S.  663,  Anm.  Iö6. 

*>  Ffancieci  Vielae  in  artera  analyticem  Isagiwe,  seorsim  «xcussa  ab 
"^^^  mtitutae  inaUiemaUcae  analyseos,  seu,  algebra  nova,  Turonis  1&91,  S.  E. 
^)  Von  Glanvil  liegen  keine  bestimmte  Formulierungen  vor. 


lA.OOgIc 


230         ^  '^^''    AbcrenzunR  und  allBemeiiie  Gescbichie  der  Logik. 

Die  Ergebnisse  blieben  zun&chst  unbedeutend.  Ebensowenig  «reich- 
ten Floucquet  (vgl.  S.  123)  und  Lambert  i«)  (t^.  S.  128).  Der  letzten  glaubte 
z.  B.  adjeküTische  BeiwOrter  nut  Koeffizienten  vei^eichen  zu  können.  Wert- 
voller waten  die  ToiSchUge  von  Salomon  Maimon  (vtf.  S.  138)  in 
seinem  Versuch  einer  neuen  hwpk  oder  Theorie  des  Denkens  (^erlin  179^, 
S.  64  fl.;  s.  auch  Verauch  über  die  Transzendentalphilosophie  usn.,  Beriin 
1790).  Von  kantachem  Standpunkt  verfaßte  Ludw.  Benedikt  Trede 
{1781—1819}  seine  „Vorachläge  zu  einer  notwendigen  Spmchlehrei"  ^^),  zu 
denen  auch  eine  eigenartige  Zeichenschrift  gehörte.  Unter  dem  EinfluB 
Hegels  steht  die  Algdwa  der  Ideen  von  Joh.  Erich  v.  Berger")  (vgl 
S.  147).  Herbarts  loatheraatische  Behandlung  der  Vorstelhmgspsycbologie 
stand  diesen  Bestrebungen  zun&chat  fem,  insofern  dabei  der  Voistellusgs- 
inhalt  —  abgesehen  von  den  einlacbaten  F&llen  des  Gegensatzes  —  ganz 
unberücksichtigt  blieb.  Erst  Drobisch")  (vgl.  S.  lüO)  veisuchU  auch 
den  Inhalt  der  Be^rifie  mathematisch  zu  fassen,  indem  er  die  GrABe  des 
Inhalts  ab  com  A,  die  GrQBe  des  Umfangs  als  amb  A  bezeichnet«  und  »  B. 
comA^=iComA|  +  1  setzte  (wo  A,  eine  Art  zweiter  Ordnimg  innerhalb  A, 
bezeichnet).    Einen  ähnlichen  Versuch  machte  auch  B  e  n  e  k  e  (vgl.  S.  156). 

Bedeatsamer  waren  die  Ajuregrungen,  die  Hamilton 
(vgl.  S.  165)  in  seiner  „New  anolytic  of  logfic^  forms'"*) 
gab,  indem  er  jedes  Urteil  als  Gleichung  anffafite,  anch  dem 
Prädikat  des  ÜrteiU  Qaantitüt  zuschrieb  C^uantifleation  of 


")  Neues  Org.,  Bd.  2;  S.  28  fl-,  109,  140. 

'^)  Anonym  ohne  Ortsangabe  (Handnitg  ?)  1811  erschienen.  VgL  dazu 
Ad.  Trendelenbuig,  Histor.  Beltr.  z.  Philos.,  Bd.  3>  Bertin  1867,  S.  480, 

»»)  Allgem.  Gnmdzüge  z.  Wias.,  Bd.  1,  Altona  1817>  S.  375.  —  Beich- 
licbe  Verweudung  von  algebraischen  Buchstaben  und  Zeichen  findet  man 
anch  in  dem  S.  1-^  erwähnten  GrundriB  Bardilis  (z.  B.  S.  183  u.  S86). 

")  Neue  Darstellung  det  Logik  usw.,  Leipzig  1^6,  Log.-math.  Anhang, 

4.  Aufl.  1875,  S.  310. 

**)  Die  erste  Verüffentlichung  soll  1846  (Edinb.  Review  7)  erfolgt  sein 
(mir  nicht  zugänglich).  Ein  Wiederabdruck  findet  sich  in  den  Discu^ons  on 
phihMopby  and  literature  etc.,  London  ISGSt  Am  leichtesten  zugänglich  ut. 
die  ,jiew  analytic"  in  den  von  Hansel  u.  Veitch  herausgegebenen  Lectuies 
an  metaphysics  and  logic  (Bd.  4,  Edinh.  London  3.  Aufl.  1866,  Appendii 
Nr.  6,  S.  3&1).  Die  Scbhfi  ist  übrigens  ein  Fragment  gebUeben.  über  die 
PrioriUtsfrage  vgl.  Hamiltons  ,J.etter  to  A.  de  Morgan.  Esd.,  on  bis  claim  to 
an  indep^ident  re-discovenr  of  a  new  principie  in  the  theory  of  syllogism, 
London  and  Edinb.  1847*.  Ein  Vorgänger  Hamiltons  in  den  bezeichneten 
Lehren  war  George  Bentham,  An  ouUine  of  a.  new  System  of  logic, 
London  1837.  Vgl.  aber  diese  Richtung  der  enghschen  Logik  auch  L.  Uaid, 
Die  neuere  englische  Logik,  Übers,  v.  J.  Imelmonn,  Beriin  1880,  namentL 

5.  84  ff. ;  Th.  Spoicer  Baynes,  An  essay  on  the  new  analytic  of  logical  forros, 
Edinb.  1860,  3.  81;  L.  Nedich,  Wundts  PhiloR  Stud.  1886,  Bd.  9,  S.  180; 
Jevons,  Contemp-  Review  ISTO  Hai,  S.  728.  Da»  Werte  von  William  llomp- 
son  (Outhnes  on  the  necessary  laws  of  tbought*,  London  184^  &  Aufl.  1883^ 
der  ebenfalls  die  Priorit&t  der  quantification  of  the  piedicate  beansnvcbl, 
war  nur  nicht  zugänglich  (vgl  S.  161). 


I 


2.  Kapitel.    Allgemeine  Geschichte  der  Logik.  'j;;i 

pfcdieate")  nnd  neben  geometrischen  Veranschaulichungea 
aneb  Bnehstabenzeichen  in  weiterem  Umfang  verwendete ''). 
Tliomas  Spencer  Baynes  hat  dann  diese  Gedanken 
fiuttiltons  in  seiner  Preisschrift  Essay  on  the  new  analytic 
of  kifpea]  forma  (Edinburgh  1850)  ansfüfarlicher  dargestellt, 
ebeoBO  auch  Francis  Bowen  (1811 — 1890)  in  seinem 
Treatise  on  iogic  or  the  laws  of  pure  thought,  Cambridge 
C.  S.  1864  ÜO.  Aufl.  1874)  '. , 

An  Hamilton  knüpft  George  Boole  (1815—1864)  an, 
der  mit  seinen  beiden  Hauptwerken  ")  —  The  mathematical 
analysis  of  Iogic,  Cambridge-London  1847  imd  An  investi- 
gation  of  the  laws  of  thought,  on  wbich  are  founded  the 
msäiematical  theories  of  Iogic  and  probabilities,  London 
1854  —  als  der  Begründer  der  neueren  algebraischen  Lc^ik 
angesehen  werden  kann.  Er  sieht  die  Lc«ik  gewissermaßen 
alB  einen  Spezialfall  der  Algebra  an,  in  dem  alle  Größen  nur 
den  Wert  1  oder  den  Wert  0  annehmen  können.  »The  ultimate 
laws  of  thought  are  mathematical  in  their  form."  Der  Satz 
des  Widerspruchs,  den  Boole  als  das  logische  Grundprinzip 
betrachtet,  wird  von  ihm  dnrch  die  Gleichung  ausgedrückt 
i=x'  oder  (1  —  x)(x  =  0),  worin  i  eiöe  Klasse  von  (Jegen- 
standea  und  z  —  1  die  nicht  in  dieser  Klasse  enthaltenen 
(l^mBtände  bezeichnet.  An  Boole  schlieBt  sich  William 
Stanley  Jevons  an  in  seinen  Werken  The  Substitution 
of  Bimilars,  the  trnej  prineiple  of  neasoning,  derived  from  a 
modifieation  of  Aristotle's  dictum,  London  1869  und  The  prin- 
ciples  of  scienoe:  a  treatise  on  Iogic  and  scientific  method, 
London  1874  (7.  Aufl.  1900").     Er  gibt  die  komplizierten 


")  L.  c.  3.  279  u.  288. 

^*)  Eine  gute  Übersicht  Ober  seine  HaupUehren  gibt  auch  seine  kurz» 
t  The  calculua  of  Iogic  im  Cambridge  and  Dublin  Mathem.  Journ. 
18i%  VoL  8  (=3  VoL  7  des  Cambr.  Math.  Joutd.),  S^  188.  Die  drei  ersten 
HiDptthesen  lauten  hier:  „The  business  of  Iogic  is  with  the  relations  of 
cluKS,  and  with  the  modes  in  which  the  mind  conteroplates  thoae  relations. 
Anlecedenüy  to  our  recognition  of  the  eiistence  of  prepositjons,  there  are 
!*W3  to  which  the  conception  of  a  class  is  subiect,  — ■  laws  whicli  are  depen- 
dul  mwn  the  Constitution  of  the  iatellect,  and  wbich  delemune  t!ie  character 
ud  form  of  Ihe  reasoning  process.  —  Thosc  laws  are  capable  of  malhenm- 
<)al  ezprewioQ,  and  they  Ihus  constitute  Ihe  baas  of  an  interpretabie 
tifeulua." 

''}  AuBerdem  hat  Jevons  Elemeutary  tessons  in  Iogic:  deductire  and 
"■Aocttre  Teriaflt,  die  London  1870  in  erster,  190K  in  2S.  Autlage  ersi^ienen 
nod^deutKbe  Obersetzung  von  H.  Kleinpeter  unter  dem  TUc\:  Leitfaden  der 


OgIC 


232         '-  Teil.    AberenzunB  and  allgemeine  Gcschiclite  der  Logik. 

mathematischeu  Formeln  von  Boole  gröfiteateilf;  preis,  haU 
aber  di«  BezeicLuungsweiBe  und  die  elemeotAren  It^nec^wn 
Ilerechnungsniethodeii  fest.  Auf  Gnmd  der  letzteren  hat  er 
nach  eine  „logiBche  Maechine"  konstruiert  (Proceed.  of  the 
Roy.  Sog.  20. 1.  1870,  Bd.  18,  S.  166  u.  Philos.  Traueact.  1870). 

ungefähr  gleichzeitig  mit  Boole  arbeitete  Auffusta« 
de  Morgan  (Formal  logic,  or  the  caiculus  of  iiif«reiice 
necessary  and  probable,  London  1847,  und  Syllabus  of  a  pro- 
posed  System  of  logic,  Cbioago  1860)*  eia  algebraisch-logisches 
System  aus.  Etwas  später  folgten  die  Arbeiten  von  Charles 
8.  Peirce  (vgl.  S.225);  Logical  papera,  St.  Louis  1867*;  On 
an  iinprovement  in  Boole's  Caiculus  of  logic,  Cambr.  1870;*; 
On  the  algebra  of  logic,  Aaner.  Jouni.  of  Math.  1880,  Bd-  3, 
K.  15—57  u.  1885,  Bd.  7,  S.  180—202;  The  regenerated  logic, 
Monist  1896/97,  Bd.  7,  S.  19;  The  logic  of- relatives,  ebenda 
1896,  Bd.  7,1  S.  161,  und  der  S.  161  bereite  erwähnte  John 
iTenn  (Symbolie  logic,  London-New York  1881,  2.  Anfl.  1894). 

In  Deutschland  wurde  die  mathematische  Logik  von 
Frege,  Schroeder  und  Wundt  eingeführt.  GottlobFrege 
(vgl.  S.  169  n.  182)  erfand  eine  besondere  Begriffsschrift  und 
wandte  diese  einerseits  auf  die  Logik,  andrerseits  auf  die 
Arithmetik  an  (Begriffsschrift,  eine  der  arithmetischen  nach- 
gebildete Formelsprache  des  reinen  Denkens,  Halle;  1879; 
Fonktion  und  Begriff,  Jena  1891;  Grundgesetze  der  Arith- 
metik, begriffsschriftlich  abgeleitet,  Jena  1893  n.  1903;  Die 
Grundlagen  der  Arithmetik,  log.-matb.  Unters,  über  den  Be- 
griff  der  Zahl,  Breslau  1884).  Seine  Hauptdefinitionen  sind 
(vgl.  z.  B.  Grundl.  d.  Ar.  S.  67):  1.  Einem  Begriff  kommt  die 
Zahl  0  zu,  wenn  allgemein,  was  auch  a  sei,  der  Setz  gilt,  daB 
a  nicht  unter  diesen  Begriff  falle,  und  2.  Einem  Begriff  F 
kommt  die  Zahl  1  zu,  wenn  nicht  allgemein,  was  auch  a  sei, 
der  Satz  gilt,  daß  a  nicht  unter  F  falle,  und  wenn  aus  den 
Sätzen:  a  fällt  unter  F  und  b  fällt  unter  F  allgemein  folgt, 
daß  a  und  b  dasselbe  sind.  In  seiner  allgemeinen  Auffassung 
des  Logischen  nähert  sich  Frege  der^Lehre.Bolzauos.  Mehr 
Verbreitung  und  Anerkennung  haben  die  WeAe  von  Ernst 
Bohroeder  (1841 — 1902)  gefunden,  namentlich  Der  Opera- 
tionskrcis  des  Logikkalkuls,  Leipzig  1877;  Vorlesungen  über 
die  Algebra  der  Logik  (exakte  Logik),  Leipzig,  1.  Bd.  1890, 


Logik,  Leipzig  1906,  2.  Aufl.  1913.    Famer  Pure  logic,  or  the  logic  oi  qui^r 
uart  irom  quanütv,  Lond.  1864^  3.  Aufl.  1890;  Stud.  in  ded.  log.  Lond.  ISU- 


n,g,t,7l.dM,GOOglC 


2.  Kapitel.    Allgemeine  Geschichte  der  LoRik.  233 

i  Bi  1.  Abt.  1891,  2.  Abt.  (heransgeg.  v.  Eugen  MüUct)  1905, 
aBd.  1.  Abt  1895  (betitelt  Algebra  nnd  Logik  der  Eelative); 
ibriS  der  Algebra  der  Logik,  Leipzig-Berlin,  bearbeitet  von 
fingen  MüUer,  1909  n.  1910  (bis  jetzt  2  Hefte  erschienen)»). 
Scnreit  überhaupt  algebraische  Formnlienmgen  sich  zweck- 
QäSjg  erwiesen  haben,  werden  im  Spezialteil  dieses  Buches 
vorzugsweise  die  Schroederschen  verwertet  werden.  In  vielen 
Beziehungen  anfklärend  hat  auch  der  die  „Logik  der  Mathe- 
matik" behandelnde  Abschnitt  in  Wu  n  d  t  s  logischen  Haupt- 
werk gewirkt  (Logik,  Stuttgart  1880,  Bd.  2,  S.  217ff.  u.  339ff., 
epätere  Auflagen  s.  ohen  S.  208).  Wundt  spricht  in  Anleh- 
Dnng  an  Delboenf  (vgl.  unten  S.  234)  von  einem  „Algorith- 
mas"  der  Logik  "). 

Noch  engere  Beziehungen  zwischen  der  Logik  und 
Mathematik  ergaben  sich  durch  die  Begründung  der  sog. 
■Mengen-"  oder  „M  annigfaltigkeitslehr  e".  Schon 
E. Dedekind'")  hatte  von  einer  „einfachsten  Wissenschaft, 
Dämlicb  demjeaigen  Teil  der  Logik,  welcher  die  Lehre  von 
den  Zahlen  behandelt",  gesprochen  und  den  Zahlbegriff  für 
»einen  nnmittelbaren  Ausflnß  der  reinen  Denkgesetz«"  er- 
klärt. Die  von  GeorgiCantor")  (gest.  1918)  begründete 
Mengenlehre  faßte  den  Begriff  der  „Menge"  so  allgemein, 
daß  er  in  der  Tat  den  rein  mathematischen  Charakter  ein- 
büßte und  eine  allgemeine  logische  Bedeutung  bekam.  In 
den  anf  Grund  dieses  Mengenbegriffä  vorliegenden  Unter- 
suchungen und  Ergebnissen  tritt  allerdin^  allenthalben  doch 
wieder  der  spezielle  mathematische  Inhalt  in  den  Vorder- 
grund").   ■ 

In  Italien  fand  die  mathematische  Logik  eine  selbständige  BeartwitiuiE 
dnfch  Giuseppe  Feano  (CalcoJo  geometrico  secondo  TAusdehnungB- 
lehre  di  H.  Grassmann,  Torino  188^  Übers,  v.  Ad.  Schapp,  Leipzig  1891 ; 
Mmetices  prindpia  nova  methodo  esposita,  Aue,  Taur.  1889,  namcntl.  S.  VI 

")  Vgl.  auch  F..  Müller,  tlbef  die  Algebra  der  Logik  und  über  die  hinter- 
iass.  aljebr.  log.  Schritten  v,  E.  Schroeder,  Internat,  philo».  Kongr.  in  Heidcl- 
btrg  1909. 

"J  Übrigens  war  schon  ein  Werk  ron  G.  K.  Caslillon  betitelt:  „Sur  uu 
nouv«!  algorithme  logique",  litfo.  de  VAc.  Boy.  Jahrg.  1803,  Berlin  1805,  S.  141. 

")  Was  sind  und  was  sollen  die  Zahlen,  Braunschweig  1888,  3.  Aufl. 
1811,  Vorrede. 

")  Grandlagen  einer  allgenieincD  Hannitrlalligkcilslcltre,  Leipzig  1883^ 

**)  AnslQhrlichfl  Erörterungen  über  dieses  „Verhältnis  der  Logik  mr 
KcDgenldir«''  findet  man  in  meiner  gleichnamigen  Schrift,  Berlin  1917.  Da- 
*6lb»l  auch  weitere  Literaturangaben. 


.oogic 


L  Teil.    Atwrenzung  und  &U8«ineiiie  GeschichU  der  Losilc. 


bis  XVI;  1  priocipii  di  geom.  logicamenle  esposti,  Torino  1869,  nameoU.  S.  9: 

Notationa  de  losique  math.,  IntroducUon  au  formuUire  de  math^Diatiquea,  Turin 

tSM;  Fonnulaire  de  mathämatiques,  Paris  1895B.*.  Bamericenswert  ist  ferner 

der  Verauch  von  Joseph   Delboeuf   (1681—1806)   in   seiner  Losigue 

alsonUiimque,   Bnuelles    1877  (vorher   Proligomtoes   phiJosopiiiques  de  la 

CtomMrie  et  Solution  des  Postulats,  Li^e  IdGO  (namentL  S.  3 — 8i)  und  Es»i 

de  logique  scientifique,  Prol^om^nes  suivis  d'une  ätude  «ir  la  <iueBUan  du 

mouvement  consid6r6e  dans  ses  rapports  avec  le  principe  de  contradiction. 

Liege  186&,  namenU.  S.  3—130). 

In  den  letzten  26  Jahren  sind  dann  viele  Abhandlungen  und  Werke 

erachienen,  von  denen  nur  die  wichtigen  im  folgenden  angeführt  werden: 

L£on  Brunöchwicg,  Leg  £lapes  de  la  Philosophie  mathfimatique, 
Plans  191%  namenU.  S.  36»  ff.  u.  4S7fi.,  und  Hev.  de  mMaph.  et  de  nur. 
mi.  Bd.  19,  S.  145—176. 

Cesare  Bufali-Forti,  Logica  matematica,  Hilano  18Mi  und  Bendi- 
conU  del  circ.  matemat.  di  Palertno  1897,  Bd.  11  (unzug&ngUcb). 

Louis  CoutUTat  (1868—1914),  Les  principea  des  mathtaiatiques,  Paris 
1906,  Übers,  v.  Siecel,  Leipzig  1906;  La  logique  de  Leibniz  etc.,  l'aris 
.1901  (vgL  S.  109);  Manuel  de  logisUque,  Paris  1905;  L'alggbre  de  U 
losique,  Paris  1906  (Scientia,  M&rz);  Bev.  de  mätaph.  et  de  nur.  ia9E^ 
Bd.  6,  S.  3öi  u.  1906.  Bd.  1^  S.  20e  u.  316  (vgl.  auch  S.  168«  Aom.  11). 

Christine  Ladd  Franklin,  On  some  characteriatics  of  symbolic 
logic,  Aroer.  Joum.  of  Psychology  1889,  Bd.  2,  &  MS;  und  Studies  in 
logtc  by  membera  of  the  J.  Hopkins  Universitv,  Boston  188d  (mit  Mitchell 
u.  Peirce). 

J.  D.  Gergonne,  £ssai  de  dialecL  rat.,  Ann.  de  Math.  1817,  Bd.  7, 
S.  186  u.  346. 

Hermann  GxaSmann,  Die  Wissenschaft  der  extensiven  Gröfie  oder 
die  Ausddumngslehre,  eine  neue  mathemat.  Disziplin  usw.,  Leipzig  1844, 
2.  unverftnd.  AufL  1878;  Die  Ausdehnungslehre  voUstandig  u.  in  strenger 
Form  beartieitet,  Berlin  1883;  beide  Schriften  auch  in  den  Ges.  math.  u. 
phys.  Werken,  berausgeg.  von  Fr.  Engel,  Leipzig  1684  u.  1886  (siehe  . 
namentl  Bd.1,  Tetll,  8.22  f.  Über  d.  Terh&ltnis  d.  Formenlehre  z.  Logik}. 

Robert  Graßmann,  Die  BegriCtslehre  od.  Logik.  Stettin  1672;  Logik  u. 
Fonnenlehre.  Stettin  1890  u.  1891;  Die  Logik,  Stettin  1896,  2.  AufL  1900*. 

David  Hartley  (1704— fi7),  Observalions  on  man,  b.  Aufl.  Bath-London 
1810,  Bd.  1,  &  847  a  971. 

David  Hubert,  Grundlagen  der  Geometrie,  4.  AuQ.,  I^eipzig  u.  Berlin 
1913  (namentl.  Kap.  2  u.  Anhang  7). 

P.  J.  Helwig,  Die  kombinatorisch-ästheU  Funktion  u.  die  Formeln  der 
symboUscben  Logik,  Arch.  f.  sTStem.  Philos.  1896,  Bd.  4,  S.  4S& 

Felix  Hausdorff,  Grundztlge  der  Hengenl^re,  Leipzig  1914. 

J.  Homans,  La  logique  algorithmiqu^  Rev.  nk>-scoL  19Ce,  Bd.  9,  S.  344 
bis  9M  (schUeBt  sich  Hontheim  an). 

Jos.  Uontbeiin,  Der  logische  Algorithmus  in  seinem  Wesen,  seiner  An- 
wendung tmd  in  seiner  philosophischen  Bedeutung,  Berlin  J896. 

E.  T.  Huntington,  Sets  of  indep^ident  postiüates  for  tbe  algsbn  of 
logic,  TransacL  Amer.  Math.  Soe.  1004,  Bd.  av  S.  288-309. 

W.  E.  Johnson,  Um  locical  cakulus.  Mind  189%  N.  S.  Bd.  1.  S.  8, 
336  0.  340. 


tY^IC 


2.  Kapitel    AllgMnrine  Gesdiichte  der  Lotik.  235 

A-B.Iempe,  Ün  Ute  relalion  between  tfae  ktgical  theory  ol  closees  and 
^  geometiical  theory  of  points,  Proceed.  LoDd.  Math.  Soc.,  Bd.  21, 
I8W,  S.  1*7—182. 
Jnlm.NevilleKeyDes,  Sludies  and  exercises  in  tbnaal  logic  etc.,  Lon- 
don im,  nuoBDtL  Teü  i.  S.  290«.;  a  AuA  IBM. 
hiiusibaig,  Neue  Grundlagen  d«r  Logik,  Arithmetik  und  Mengenlehre, 

Uipag  1914  (nanienlf.  S.  81). 

i-lerselt,  .(ahresber.  d.Deulschen  Uath.-Vei«ins  1906^  Bd.  1%  S.  i02; 

mb,  Bd.  14,  S.  366;  1908,  Bd.  17,  S.  96;  1911;  Bd.  20,  S.  86«  (Anhänger 

Bolianos). 

Albino  Nagy,  Fondamenti  del  calcolo  lofico,  Torino  1890;  Pnncipi  di 

lofka  esposti  secondo  le  dottrine  moderne,  Torino- Fire&se-Botoa  1903*. 

C  J.  Levis,  Implication  and  Ihe  Algebra  of  logic,  Hind  191%  Bd.  21, 

S.622. 
Ernst  llally.  Gegen standstheoret.  Grundlagen  der  Logik  und  Lofiglik, 

Leimig  1913. 
Huih  U c  C o  tl ,  Symholic  logic  and  iU  appücatioDs,  London  1906^  femer 
Und  1880,  Bd.  6,  S.  46,  1897,  N.  S.  Bd.  6,  S.  403^  1900,  Bd.  ^  S.  7Ei 
IWS,  Bd.  11,  S.  36StltK»,  Bd.  IS^  S.  366  (VennitUungsvereuch  zwischen 
Boole  und  Jerons). 
mCactarlane,  Priociples  of  tbe  algebra  of  Logic,  with  examples,  Edin- 

bntth  1879. 
Cmt.  Uineo,  Lt^ica  e  matematica,  Kiv.  di  filosof.  1911,  Bd.  8^  H^  1, 

&*9-7a 

Aleasandro  Padoa,  Conf£i«nce  sur  la  logique  malh^nutique,  Bnuelles 
1S99;  La  logiquc  d^udive  dans  sa  demiire  phase  de  d^eloppement, 
Paris  1B12  (auch  Rev.  de  mMaph.  et  de  mor.  1911,  Bd.  19,  S.  928,  u.  1912, 
Bd.  30,  S.  4a 

^  Lucaa  de  PesJoQan,  Les  Systeme»  logiques  et  'la  logiatique  etc., 
Paiia  1909,  nunentl  S.  127  fT. 

Henri  Poincar6  (1863 — 1912),  Sur  les  principes  de  gtemHrie,  Rev.  de 
mitaphys.  et  de  mor.  1896,  Bd.  6,  S.  1;  Les  math^matiquet  et  ta  loBique, 
I  ebenda  ISOEi,  Bd.  13,  &  816;  Science  et  m^thode,  Paria  1909. 

fUton  Poretsky,  Sept  loia  londamentales  de  la  thtorie  des  tfalites 
logiques,  Eazan  1699  (ipAtere  Ergänzungen  1903  u.  190t,  mir  nicht  zu- 
ADglicb),  und  Her.  de  metaph.  et  de  mor.  1900^  Bd.  8,  S.  168. 

Btitritnd  A.  W.  Russell  (leb.  1S73\  The  principles  of  mathematics, 
Bd.  1,  Cambndge  190B  (Kap.  2,  S.  10 S.  Syndxilic  logic);  An  essay  on  the 
fmmdations  oE  geometry,  Cambridge  1807;  Mind  1886,  N.  S.,  Bd.  6,  S.  1; 
Key.  de  mitaph.  et  de  mor.  1911,  Bd.  19,  S.  281,  u.  1906,  Bd.  18,  S.  906 
(*d.  auch  S.  169,  Anm.  H)»»). 

*-T.Shearman,  The  derelopment  of  symboUc  logic,  London  1906;  The 
1B06;  The  scope  ol  formal  logic,  London  1911. 

QiflTtnni  Vailati  (18^—1909),  H  metodo  deduttivo  coma  strumento 
^  ricerca,  Torino  1898  (auch  Rev.  de  m^Upb.  et  de  mor.  1886,  Bd.  6, 
8.  687—70%  und  Riv.  di  matem.  l891i,  Bd.  1.  S.  100  u.  ig?  (Scritü, 
^Pug-Fiiense  S.  1). 

")  Mit  Whitefaead  bat  R.  verSOentJicht:  Piincipia  mathemaüca,  Cam- 
?4t  ISlO— 1913.  Für  die  Logik  kommt  nantentlich  die  Einleitung  und 
""  1  Maihematical  logic  Od.  1,  a  89-34Sf)  in  Betracht. 


tY^IC 


236         '■  ^''''    Abgrenzuns  and  allgemeine  Geachkhte  d«r  Losik. 

Andr»a.s  Voigt,  Die  Auflösung  von  UrteilssTstemen  usw.,  I.eipzig  ISSO 

(schließt  sich  meistens  Schroeder  an),  i 
Alf.  NojTth  Vhitehead,  A  treatise  an  imivereal  algebra,  Cambridge 

18S8  (vgl.  S.  16»,  Anm.  11  u.  S.  236,  Anm.  2B}. 
Max  Winter,  Ia  mithode  dans  la  philoaophie  des  mathämaliciues,  Paris 
-    1911  (B.  auch  Rev.  de  m§taph.  et  de  mor.  1906^  Bd.  13,  S.  5B9— 619). 

Am  wichtigsten  unler  diesen  Arbeiten  sind  die  WIerite  von  Couturat,  na 
Mally  und  von  Busrell. 

Neuerdings  scheint  sich  namentlich  im  Ausland  unter  dem  EinfluB 
Couturats  die  Bezeichnung  .J^gistik"  fOr  die  mathemalische  Logik  einzu- 
bürgern (Tgl.  hierzu  S.  179,  Anm.  1). 

Mit  der  mathematischen  Logik  darf  die  Logik  der  Mathematik 
nicht  verwechselt  werden  (vgl.  S.  SSTT).  Die  letztere  beschSitigt  sich  mit  den 
logischen  Grundlagen  der  Mathematik,  ist  also  ein  bestimmter  Zweig  der 
weziellen  oder  angewandten  Logik  (vgl.  §  86).  Übrigens  fallen  viele  Arbdtei\ 
insofern  ne  die  noch  vielfach  strittigen  Beziehungen  zwischen  Mathematik 
und  Logik  behandeln,  sowohl  in  das  Gebiet  der  mathematischen  Logik  wie 
dasienige  der  Logik  der  Mathematik. 

§  55.  Die  linsraistische  (^ammatiselie)  ijogik.  Difl 
großen  Fortschritte  der  Sprachwissenschaften  im  Lanfe  der 
letzten  120  Jahre  (namentlich  seit  dem  B^anntwerden  des 
Sanskrit)  haben  auch  Anlaß  gegeben,  die  Beziehnngen  des 
io£:ischen  Denkens  zur  Sprache  eingehend  zu  untersaeben. 
In  der  Tat  haben  diese  Untersuchungen  die  Logik  in  vielen 
Hinsichten  gefördert.  Andrerseits  gingen  manche  Forscher 
so  weit,'daB  sie  überhaupt  die  Logik  auf  die  Sprachwissen- 
schaft gründen  zu  können  glaubten.  Biese  exkluaiv- 
linguistische  Bichtung  hat  sich  jedocli  nirgends  halten 
können. 

Während  im  Mittelalter  der  Nominalismus  zu  einer 
sprachwissenschaftlichen  Änffassnng  der  Logik  hinneigte 
und  daher  das  Verhältnis  von  Wort  und  Begriff,  Satz  ond 
Urteil  vielfach  untersuchte,  hatte  die  Logik  der  neueren 
Philosophie  zunächst  weniger  Interesse  für  die  Beziehungen 
zwischen  Denken  und  Sprechen  gezeigt.  N\a  die  sensaa- 
listiacbe  Logik  (vgl.  z.  B.  S.  154)  hatte  erklärlicherweise  öfter 
das  Bestreben,  die  Denkvorgänge  irgendwie  auf  Sprachvor- 
gänge  zurückzuführen  oder  gar  mit  ihnen  zu  identifizieren. 

Vom  Standpunkt  Kants  und  Fichtes  versuchte  gegen 
Ende  des  18.  Jahrhunderts  Aug.  Perd.  Bernhardi(1770 
bis  1820,  Vollst,  latein.  Granunatik,  I,  Berlin-Leipzig  1795* 
Anfangsgründe  der  Sprachwissenschaft,  Berlin  1805,  §  4  ff. 
u.  92fl.;  Sprachlehre.  Bd.  I,  Berlin  1801,  namentl.  S.  119ff. 
u.  Bd.  II,  1803,  S.  189  ff.)  Logik  und  Sprachwissenschaft  in 

„.,.,„.>..oo^sic 


2.  Kapitel.    Allgemeine  Geschichte  der  Logik.  2U7 

fogttt  Beziehung:  zu  bringen,  ohne  jedoch  bei  den.  Logikern 
erfaebliche  Beachtong  zu  finden.  Etwa  gleichzeitig  machte 
Joli.  Gottf  r.  Herder  (1744^1803)  in  seiner  Metakritik 
zur  Kritik  der  reinen  Vernunft  (Teil  1 ;  Verstand  und  Er- 
fahrung, Teil  2:  Vernunft  und  Sprache,  Leipzig  1799,  Sümtl. 
Weite  ed.  Suphan,  Berlin  1881,  Bd.  21,  z.  B.  S.  208  f.,  251, 
367,  317)  eindringlich  und  mit  nachhaltigerem  Elrfolg  aof  die 
Bedeatung  der  Sprache  für  das  Denken  aufmerksam '). 

Id  Ensland  hatte  sich  James  UaTrie  (1700—1780)  in  seinem  Her- 
DKSi  OT  a  phüoBOphical  iaquirv  conceniing  language  and  universal  grammar, 
ia  «hieb  the  most  decidcd  dissent  is  expressed  from  the  fundamental  asioms 
«1  Lade,  London  17öO  *)  bereits  »ehr  entschieden  gegen  die  Lockesche  Lehre 
ran  den  Wörtern  gewandt  und  aul  Verslandestormen  (intetligible  forms,  pat- 
Uras,  ideas)  hingewiesen,  die  aller  sinnlichen  Tdtigkeit  vorausgehen. 

Ohne  direkt  auf  logische  Fragen  im  einzelnen  einzu- 
gehen, hat  dann  Wilh.  v.  Humboldt  (1767—1835)  durch 
seine  sprachphilosophischen  Werke ')  das  Interesse  für 
SprachwisseDschaft  bei  den  Philosophen  und  speziell  bei  den 
Psychologen  und  Logikern  angeregt  und  vertieft.  An  ihn 
knüpfte  einerseits  H.  Steiuthal*)  (vgl. S.  151)  und  andrer- 
seits KarlTerd.  Becker")  (1775—1849)  an.    Auch  Hegel 

')  Vgl.  auch  Abhandlung  Ober  den  U.rsprung  der  Sprache,  Berlin  177'J, 
2.  Ann.  1788  (WW.  ed.  Suphan  Bd.  5). 

'}  Die  mir  zugangliche  2.  Auflage  iQhrt  den  'Titel  liermcs  or  a  phiios. 
iwrairy  conceming  univeraal  grammar,  London  176&  (namentl.  S.  381  ff.). 
Eine  deutsche  tUwreetzutig  von  Chr.  G.  KweAeck  erschien  1768  in  Halle 
(namenU.  Buch  3,  S.  243  ff.  u.  279  ff.). 

*)  Uerausge«.  und  erlAutert  von  H.  Steinihal,  Berlin  ISS»  u.  äi.  .'Un 
nichtigsten  ist  das  Buch  (,t}ber  die  Verschiedenheit  des  menschlichen  Sprach' 
'vots  und  ihren  Einfluß  auf  die  geistige  Entwicklung  des  Menschengeschlechts 
(web  von  A.  Fr.  Pott  mit  wertvoller  Einleitung  herausgegeben,  2.  Aufl.  Ber- 
^  1S80).  In  der  Alcademie-Ausgabe  der  gesammelten  Schriften  (Berlin 
I9UB.)  finden  sich  die  hierher  gehSrigen  Schriften  vorzugsweise  im  5l  bis 
'.  Band.  Tgl.  auch  Moritz  Scheinert,  W.  v.  Humboldts  Sprachphilosophie, 
Arch.  1,  d.  ges.  Psychol.  1908,  Bd.  18,  S.  lil. 

*)  Hier  kommt  auch  Steinthals  Charakteristik  der  hauptsächlichsten 
Trpen  des  Sprachbaues^  Bedin  1860,  in  Betracht,  namentlich  Abschn.  2, 
&ie  allgemeinen  Prinzipien,  S.  76—106.  Dies  Werk  ist  die  Neubearbeitung 
önes  älteren,  betitelt  „Klassifikation  der  Sprachen,  dargeslellt  als  die  Enl- 
wickiung  der  Sprachidee,  Berlin  1850.  Eine  neue  Ausgabe  verdanken  wir 
Uisteli  (Berlin  1896).  Auch  Steinthals  Geschichte  der  Sprochwisseüschafb 
im  den  Griechen  und  Römern  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Logik, 
Berim  1863  (E  Aufl.  1890  u.  91)  bietet  fflr  die  spreebliche  Grundlegung  der 
Logik  reiche  Aurfjeule,  desgL  Philologie,  Gesidiichte  und  Psrrchologie  in  ihren 
nitnseiligen  BeziehUi^en,  Berlin  1864. 

*)  Deutsche  Sprachlehre,  Teil  1:  Organinnus  der  Sprache,  Frankf.  a.  XI. 
Ifi^  (2.  AuO,  1841),  und  Teil  2:  Deutsche  Grammatik,  1829.    Vgl.  namenlL 

„.,,„,  ^.oogic 


238         1'  ''^''    Ateienzuns  und  allsemeine  Geschichte  der  Loffik. 

lind  die  ältere  Hegelsche  Schule  beschaftigtea  sich  vielfach 
mit  Fragen  der  sprachlichen  Logik,  wenn  auch  zunächst  vor- 
zugsweise in  deduktivem  Sinne.  Die  wissenschaftliche  Philo- 
logie, insbesondere  die  vergleichende  Spraehkunde  und  inner- 
halb der  letzteren  die  vergleichende  Grammatik  gaben  diesen 
Forschungen  weiterbin  eine  gesicherte  empirische  Grundlage. 
So  haben  Jakob  Grimm  (1785—1863,  Über  den  Urapniiig 
der  Sprache,  4.  Aufl.  Berlin  1858  [Abb.  d.  Egl.  Ak.  d.  Wies. 
V.  J.  1851]),  Franz  Bopp  (1791—1867,  Über  das  Konju- 
gationssystem  der  Sanskritaprache  usw.,  Frankfurt  a.  M. 
1816°)),  August  Friedrieh  Pott  (1802— 1887,  Etymolo- 
gische Forschungen  usw.,  Lemgo  1833—36,  2.  Aufl.  1850  bis 
1873,  RegUter  1876),  Christian  Friedrich  Diez  (1794 
bis  1876,  Grammatik  der  romanischen  Sprachen,  Bonn  1836 
bis  1844  und  öfter),  Rudolf  Georg  Herrn.  We&tphal 
(1826—1892,  Philosoph.  -  histor.  Grammatik  der  deutschen 
Sprache,  Jena  1869,  o.  Vergleich.  Grammatik  d.  indogerman. 
Sprachen,  Bd.  1,  Jena  1873,  namentl.  Anbang  S.  56),  nnd 
viele  andere  auch  für  die  Logik  zahlreiche  wichtige  Tat- 
sachen festgestellt. 

In  neuerer  Zeit  haben  sich  mit  den  Beziehungen 
zwischen  Denken  und  Sprechen  teils  in  logischer,  teils  ia 
psychologisch-logischer  Richtung  namentlich  folgende  For- 
scher beschäftigt: 

Theodor  Conrad,  Sprarchphiios.  Untersuch.  I,  Arcfa- 
f.  d.  ges.  Psychol.,  1910,  Bdl9,  S.  395;  L.Co«turat,  Snr 
la  stmctore  logique  du  langage,  Rev.  de  metapfa.  et  de  mor., 
1912,  Bd.  20,  S.  1;  Benedetto  Croce,  Estetica  cwne 
scienza  deU'  espressione  e  Unguistica  generale,  Palermo  1902, 
2.Aufl.l904  (vgl. auch  S.200);  Berth.  Delbrück,  Gmnd- 
fr^en  der  Sprachforschung  mit  Rücksicht  auf  W.  Wundts 
Sprachpsychologie  erörtert,  Strasburg  1901;  Ottomar 
Dittrich,  Grundzüge  der  Sprachpsychologie,  Bd.  1  Ein- 
leitung und  allgemein  -  psychologische  Grundlegung,  Halle 
1903,  und  die  Probleme  der  Sprachpsychologie,  Leipzig  1913; 
Karl  Otto  Erdmann,'  Die  Bedeutung  des  Wortes,  Leipzig 


§  lOi  Ober  dms  Verhältnis  der  Logik  zur  Sprachlehre  (wie  Mathematik  zw 
Hiysik). 

*}  Bopp  bezeichnet  ee,  wie  WiDdischmann  in  der  Einleitung  £  IX  w 
gibt,  selbst  als  aeinen  EstschluB,  „Aaa  Sprachstudium  als  ein  historisches  und 
philosophisches  zu  behandeln".  Vgl.  auch  ebenda  S.  U  und  beispidsnreise 
S.  8  If.  (tbra  die  Bedeutung  der  Kopula. 


2.  Kapitel.    AllgenKine  Geschiebte  der  Logik.  239 

1800,  2.  Ä-nfl.  1910;,  Benno  Erdmann,  zablreiche  S.  210 
bereits  angeführte  Schriften;  Franz  Nikolana  Finck, 
Die  KlasBteUtation  der  Sprachen,  Marbni«  1901;  Die  Aof- 
^be  nnd  Gliedening  der  Sprachwiasenachaft,  Halle  1905; 
Fedfirico  Qarlanda,  I>a  flloaofla  delle  parole,  Borna, 
1  Aufl.  1900;  Lazarus  Geiger  (1829—1870),  Der  Ur- 
spnmg  der  Sprache,  Stuttgart  1869,  und  Die  menschliche 
Sprache  nnd  Vernunft,  Stuttgart  Bd.  1  1868,  Bd.  2  (ans  dem 
Nachlaß)  1872,  2.  Anfl.  1899;  Jac.  van  Ginneken,  Prin- 
cipes  de  lingnistique  psychologiqne,  Leipzig  1907;  Edm. 
HuBserl  in  den  S.  184  zitierten  Logischen  Untersuchungen; 
Moritz  Lazarus  (1824—1903),  Geist  und  Sprache  (= 
Leben  der  Seele,  Bd.  2),  Berlin  1856/57,  3.  Anfl.  ohne  Jahres- 
ahl  (Vorrede  1884);  Br.  Liebich,  Die  Wortfamilien  der 
lebendMi  hochdeutschen  Sprache  usf.,  Breslau  1899  (namentl. 
S.  V  n.  3);  Anton  MartyO  (1847—1914),  Ursprung  der 
Sprache,  Wünsburg  1875,  Über  subjektlose  Sätze  und  das 
Verhältais  der  Grammatik  zu  Logik  u.  Psychologie,  Viertel- 
iahrsechr.  f.  wiss.  Philoe.,  1884,  Bd.  8,  S.  56  ff.,  1894,  Bd.  18, 
S.3^ir.,  nnd  1895,  Bd.  19,  S.  19,  Über  Sprachreflex,  NativU- 
miw  usw.,  ebenda  1884,  Bd.  8,  a  456,  1886,  Bd.  10,  S.  69  ff., 
1889,  Bd.  13,  S.  195,  1890  Bd.  14,  S.  55,  1891,  Bd.  15,  S.  251 
nnd  1892,  Bd.  16,  S.  104,  Über  das  Verhältnis  von  Grammatik 
und  Logik,  Symbolae  Pragcnses  1893,  Über  die  Scheidung 
von  grammatischem,  logischem  und  psychologischem  Subjekt 
regp.  Prädikat,  Areh.  f.  syst  Philo».,  1897,  Bd.  3,  S.  174;  Zur 
^irachphilosophie,  Die  „togischen",  „lokalistischen"  und 
andere  KasnsÖieorien,  Halle  1910,  Über  Begriff  und  Methode 
der  allgemeinen  Grammatik  n.  Sprachphilosophie,  Zeitschr. 
r.  Psycho!.,  1910,  Bd.  55,  S.  257,  Untersuchungen  zur  Gmnd- 
legong  der  allgemeinen  Grammatik  und  Sprachphllosophie, 
Bd.  1,  Halle  1908;  Marki«,  Studien  zur  exakten  Logik  und 
Grammatik,  Bndolfswert  1899* ;Ed.  Martinak,  Psycholog. 
Vntersuehongen  znr  Bedentnn^lehre,  Leipzig  1901  (vgl. 
S.  177);  Fritz  Mauthner,  Beiträge  zu  einer  Kritik  der 
Sprache,  Bd.  3,  Zur  Grammatik  und  Logik,  Stuttgart  1902; 
Aug.  MessQr,  Kritische  Untersuchungen  über  Denken, 
Sprechen  nnd  Sprachunterricht  (Sammlung  Schiller-Ziehen), 
Berlin  1900;  ErnstMenmann,  Die  Entstehung  der  ersten 


')  Kürzlich  liat  auch  eine  Hcrauacabe  seiner  Oes&mmelten   Schritleo 
begonna  (Bd.  1,  Halle  191«). 

„.,.,n.>..OO^^IC 


240         '■  1'^''-    Abgrenzuns  und  alleemein«  Gescbicbte  der  Logik. 

Wortbedeutungen  beim  Kinde,  PhUos.  Stnd.  1902,  Bd.  20. 
S.  152  (mit  Verzeichnis  der  Literator  über  diese  Frage); 
Priedr.  Max  Müller  (1823—1900),  Science  of  thouglit, 
London  1887  (deutach  Leipzig  1888)  nnd  Lectnres  on  the 
Bcience  of  language,  London  1861 — 64,  7.  Äofi.  1873,  in  neuer 
Bearbeitung  anter  dem  Titel  „Scieuce  of  luiguage"  London 
1891  veröffentlicht  (Übers,  v.  Fick  u.  Wischmann,  Bd.  1, 
Leipig  1892,  namentl.  Kap.  1,  2  a.  14,  und  Bd.  2,  1893,  Kap.  2 
u.  13);  Hermann  Paul,  Prinzipien  der  ^rafehgeechicbte, 
Halle  1880,  4.  Aufl.  1909;  Hermann  Schwarz,  Die  ver- 
schiedenen Punktionen  des  Worts,  Zeitachr.  f.  Philo»,  a. 
phüos.  Krit.  1908,  Bd.  132,  S.  152;  Cl.  o.  W.  Stern.  Die 
Kinderspraehe,  Leipzig  1907;  Adolf  Stöhr,  Algebra  der 
(Grammatik,  Leipzig-Wien  1898  (s.  auch  S.  220) ;  L  u  d  w.  S  ü  t  - 
t erlin.  Das  Wesen  der  sprachlichen  Gebilde,  Heidelbei^ 
1902,  namentl.  S.  144  ff.  (Kritik  der  Wnndtschen  Sprach- 
psychologie), und  Die  deutsche  Sprache  der  Gegenwart, 
Leipzig  1900,  2.  Aufl.  1907,  narftentl.  S.  Ifl.,  86 ff.,  282 ff., 
3.  Aufl.  1910;  Ferd.  Tönnies,  Philosophical  terminology, 
Mind  1899,  N.  S.,  Bd.  8,  S.  289  und  1900,  Bd.  9,  S.  46  (für 
die  allgemeine  Bedeutungs-  und  Zeichenlehre  wichtig); 
K.  Voöler,  Positivismus  in  der  Sprachwissenschaft,  Hei- 
delberg 1904;  William  Dwight  Whitney,  lianguagc 
and  its  study  etc.,  seven  lectures  London  1876  (namentl.  Vor- 
lee. 1 — 3),  Oriental  and  linguistio  stndies,  First  Series,  The 
Weda,  the  Avesta,  the  science  of  language,  New  York  1874, 
Langnage  and  the  study  of  language,  twelve  leotures  on  the 
principies  of  linguistic,  London  1867,  3.  Aufl.  1876  (enthält 
aufier  dem  oben  an  erster  Stelle  genannten  Werk  noch  fünf 
weitere  Vorlesungen,  von  J.  JoUy  übersetzt  iind  nm- 
gearbeitet  unter  dem  Titel  ,J>ie  Sprachwissenschaft",  Mün- 
chen 1874),  femer  Leben  und  Wachstum  der  Sprache,  übers. 
V.  Leskien,  Leipzig  1876;  Herm.  Wolff  (1842—1896), 
Logik  und  Sprachphilosophie,  Berlin  1880,  2.  Aufl.  Leipzig 
1883,  und  Handbuch  der  Logik,  Leipzig  1884;  W.  Wnndt, 
Völkerpsychologie,  Bd.  1,  Die  Sprache,  Leipzig  19(X) 
(2 Teile)*),  vgl. auch  S.208,  und  Sprachgeschichte  u.  Sprach- 
psychologie, Leipzig  1901  (Antwort  auf  die  oben  angeführte 
Schrift  Delbrücks). 

*)  In  der  3.  u.  3.  Aufl.,  welche  eine  n«ue  EinleUuiiK  des  Gesaiotwerfcs 
gd«n,  bildet  du  Weik  über  die  Sprache  den  1.  und  2.  Band.  .  Die  3.  Aufl. 
ist  in  2  Teilen  1911  und  1912  enchicnen. 

„.,,„,^.oogic 


Erkenntnistheoretische,  psycholoj^ische,  sprach- 
Ucbe  and  mathematiscbe  Grnndleguag  der  Logik 

1.  Kapitel 

erkenntnistheoretische  Grundlegung 

I  5S.  Die  ErkCBBÜitetfaeorie  im  v^teren  Sinae  (Qi^o- 
wwdafie)  and  ihre  Zerlegangr  des  GecebeBen.  Die  Erkennt- 
Ibeorie  im  weiteren  Sinne  (Phänomenologie  Stnmpfs,  Gigno- 
masologie  -  meiner  Nomenklatnr)  nntersnelit,  wie  bereits 
ä  11  korz  bemerkt  wurde,  das  Gegebene,  ohne  irgendwelche 
Vdraosaetzungen  zi^mnde  zn  legen  (also  ohne  z.  B.  schon 
eiwa  Gegensatz  zwischen  Subjekt  nnd  Objekt,  Materiellem 
imd  Pgychisehem  nsf.  als  schon  erwiesen  anzunehmen). 
Atwh  der  Gegenstand  der  Logik,  das  Denken  ist  ihr  bei  Be- 
P«B  ihrer  Untersaohungen  noch  nicht  als  etwas  Gesondertes 
gegeben,  sondern  in  der  Mannigfaltigkeit  des  Gegebenen 
allenthalben  zerstreut  nnd  mit  anderem  vermischt  enthalten. 
Die  Gignomenologie  hat  eben  ei*st  die  Aufgabe,  das  Gegebene 
und  seine  Verändemngen  nach  Ähnlichkeiten  zu  ordnen  nnd 
tiadarch  zu  den  allgemeinen  Klassen  nnd  G^esetzen  des  Ge- 
gebeuGu  zn  gelangen.  Die  Logik  hat  an  den  Ergebnissen 
dieser  gignomenologischen  Untersuchung  insofern  ein 
wesentliches  Interesse,  als  die  Abgrenzung  ihres  eigenen 
(i^enstaodes,  des  Denkens,  zu  diesen  Ergebnissen  gehören 
nmB,  wofern  dag  Denken  überhaupt  ein  besonderer,  abgrenz- 
barer  Gegenstand  ist. 

Bestände  nun  bezüglich  dieser  Ergebnisse  allgemeine 
übeteinstimmung,  so  wäre  die  erkenntnistbeoretieche  Grund- 

Zi«b«n,  Labibach  dflt  Logik.  16 


242       !'■  Teil.    Erkenntniolheoretische  usw.  Grundleguut  der  Logik. 

lejning  (in  diesem  weiteren  Sinne)  für  die  Logik  rasch  er- 
ledigt. Bekanntlich  sind  jedoch  diese  Ergebnisse  fast  in 
jeder  Beziehung  strittige*  Aller  Kampf  der  philosophischen 
Systeme  dreht  sich  in  letzter  Linie  um  diese  Omndfrage  da 
ersten  Klassifikation  und  Gesetzlichkeit  des  Gegebenen.  Ja 
nicht  einmal  über  die  Formulierung  der  Grundfrage  besteht 
irgendwelche  Einigkeit. 

Die  Logik  —  in  dem  Sinne,  wie  sie  in  ^  1  definiert  wurde 
und  Gegenstand  dieses  Buchs  ist  —  sieht  sich  daher  vor  die 
Frage  gestellt,  ob  sie  für  ihre  im  allgemeinen  sehr  viel  ge- 
sicherteren nnd  auch  größtenteils  allgemeiner  Zustimmtmg 
sieh  erfreuenden  Gesetze  überhaupt  eine  erkenntaistbeo- 
retische  Grundlegung  suchen  soll  und  nicht  besser  das 
Denken  als  aJlgemein  bekannten,  wenn  auch  nicht  wissen- 
schaftlich abgegrenzten  Gegenstand  innerhalb  des  Gegebenen 
voraussetzt.  Ein  solcher  Verzicht  ist  jedoch  nnzalässig.  Jede 
Wissenschaft  wird  auch  die  Abgrenzung  ihres  Gegenstandes 
irgendwie  prüfen  müssen,  auch  wenn  die  Schwierigkeiten 
dieser  Abgrenzung  zur  Zeit  noch  so  groB  sind,  daß  ein  ab- 
solut sicheres  Ergebnis  ausgeschlossen  ist.  Auch  der  Che- 
miker und  Physiker  verzichtet  nicht  darauf,  die  Abgrenzung 
des  Gegenstandes  seiner  Wissenschaft  —  etwa  einer  hypo- 
thetischen Materie  —  zu  erörtern,  obwohl  diese  Abgrenzung 
mit  ganz  analogen  Schwierigkeiten  verknüpft  ist.  Die  Logik 
hat  also  trotz  aller  Uneinigkeit  der  erkenntnistheoretischen 
Systeme  doch  die  Pflicht  und  das  Becht,  eine  erkeuntnie- 
thoretische  Grundlegung  ihres  Gegenstandes  zu  versucbeo 
oder  wenigstens  zar  Erörterui^  zu  bringen.  -  Sie  wird  sich 
dabei  nur  immer  klar  bleiben  müssen,  daß  jede  solche  Grund- 
legung hypothetisch  ist,  und  daher  nicht  zugunsten  irgend- 
einer hypothetischen  Grundlegung  ihre  eigenen  gesicherten 
Ergebnisse  irgendwie  umgestalten  oder  preisgeben  dürfen  — 
eb«i80wenig  wie  der  Chemiker  oder  Physijrer  die  von  ihm 
festgestellten  Tatsachen  nnd  Gesetze  zugunsten  einer  hypo- 
thetischen Theorie  der  Materie  vergewaltigt.  Mit  anderen 
Worten:  die  erkenntnistheoretische  .(gignomenologische) 
Grundlegung  der  Logik  kann  nicht  in  dem  Sinne  eine 
Grundlegung  sein,  daß  sie  die  Gesetze  der  Logik  von  er- 
kenntnistheoretiscfaen  Sätzen  abhängig  macht,  sondern  nur 
in  d  e  m  Sinne,  daß  sie  für  die  Gesetze  der  Logik  erkenntnis- 
theoretische Gesichtspunkte  aufstellt,  welche  für  die  Deu- 
tung der  logischen  Gesetze  grundlegend  sein  können. 

„.,,„,^.oogic 


1.  Knjiitel.    ErkenDtnistheo  retische  GrandleguDS.  243 

'  Damit  ist  zugleich  gen&gt,  daß  die  erkenntnistheoretische 
Grandlesfimg  der  Jjogik  zweckm&äig  so  verfährt,  daß  sie  aas 
der  Geschichte  der  Philosophie  die  wichtigsten  hisher  attf- 
Restellten  erkeDiitnistheoretiselien  Abgrenznngen  des  Den- 
kess  ans  der  Fülle  dee  Gegebenen  kritisch  zusatnineiistellt 
nnd  dann  nnter  allen  Vorbehalten  und  ohne  Bindung  einer 
beetimmten  den  Vorzog  gibt.  Die  nachfolgende  Übersicht 
veraaeht  diese  Aufgabe  zo  leisten.  Dabei  ist  die  Einteilung 
und  Beihenfolge  so  gewählt,  wie  sie  dem  hier  vorliegenden 
Zweck,  d.  h.  eben  der  Onmdlegang  der  Logik,  am  bebten 
entepricht '). 

§  57.  Die  wiehtigsten  fär  die  Logik  in  Betracht  kommen- 
den o-kenntnUtheoretlschen  Standpunkte,  Dem  naiven 
Denken  des  nicht-phüoeophierenden  Menschen  steht  die  An- 
sicht des  psyehophyslschen  Dnalismos  am  nächsten.  Danach 
vird  das  Gegebene  in  Psychisches  und  Materielles  (Phy- 
sisches) eingeteilt,  nnd  das  Denken,  der  Gegenstand  der  Logik, 
mit  allen  seinen  Komponpnten,  Variationen  und  Ergebnissen 
als  eine  besondere  Art  des  Psychischen  aufgefaßt.  Die  Be- 
Qehong  zwischen  dem  Psychischen  —  einschließlich  des 
l)enkens  —  nnd  dem  Materiellen  kann  dabei  noch  in  ver- 
schiedener Weise  aufgefaßt  werden,  so  daß  sich  mehrere 
Hanptvarianten  des  psychophysischen  Dualismus  ergeben. 
So  behanptet  der  peyehophysische  Kausalismus  eine  Wechsel- 
wirkung zwischen  den  beiden  Beihen,  der  psyehophysische 
Parallelismus  eine  wechselseitige  Zuordnung  derselben. 
Beide  stimmen  darin  überein,  daß  sie  das  Psychische  und 
das  Materielle  als  koordiniert  betrachten.  DemigegMiüber 
Suchen  der  Materiallsmos  und  der  Spiritualismus,  obwohl  sie 
gleichfalls  von  der  Einteilung  dfs  Gegebenen  in  Psychisches 
und  Materielles  ausgehen,  nachträglich  wieder  eine  Einheit 
herzustellen,  indem  sie  eine  Subordination  der  einen  Keihe 
nnter  die  andere  behaupten.  Der  Materialismus  subordiniert 
(De  psychische  Keihe  der  materiellen,  indem  er  erstere  als 
^geoschaft,  Wirkung  usf.  der  letzteren  deutet.  Der  Spiri- 
tnalismus  subordiniert  nmgekefart  die  materielle  Reihe  der 
psychischen.  Femer  gehören  hierher  der  Tdentismus  (Identi- 

')  Bne  den  Zwecken  An  Erfcennlnislheone  selbst  eD(spr«cheiide  Klassi- 
Bkation  findet  nun  in  meiner  Abhandlung  „Zum  gesenwärtigen  Stand  der 
Etkenntniatheorie",  Wiesb«den  1914. 

16« 

„.,.,„,>..oo^sic 


244      !'■  '''^i'-    Eii^iBlnisUmreUgchc  usv.  GnindlectUS  der  L<wik. 

iätohypothese)  und  der  Unitarisiaus.  Beide  geben  gewöhn- 
Hek  von  irg^ideiiier  Fona  des  psychophysiseheo  FaraUelis- 
mas  aus  und  sind  trotz  ihres  NanwraE  dem  peycliepfaysäsohen 
Dogilisiaus  zuzuieehnen,  da  sie  den  G^ie^sats  zwischen 
I^yohisohfflB  und  MaterjeUeio  alcaeptieren  und  erst  nach- 
träglich scheinbar  beseitigen :  der  Identismus,  indem  er  das 
P«y«hische  als  die  inaere,  das  Materielle  als  die  äuSere  Seite 
«in««  und  deaselben  Praeesses  bezeiobaet  (Speaeer,  Fecbner, 
Ehbinghaus),  der  TTnltarismus,  indem  er  das  Psychische  «od 
äaß  Materielle  in  eioer  rein  V^Trifflich  konstruierten  Kiakeit 
verbindet,  z.  B.  wie  Spinoza  als  Attnbute  der  einen  &ib- 
stanz  (Dens  sive  mundus)  aoffafit. 

Weitere  Varianten  ergeben  «ich  daraus,  daß  die  Be- 
ziehung der  beiden  Reihen  —  sie  mag  Wechselwirkung  oder 
Paralleiismus  usf.  sein  —  bald  für  beide  Beiheu  in  ihrer 
giftnzen  Ausdehnung  behauptet  wird,  bald  für  die  eine  «der 
die  andere  Reihe  beachränkt  wird.  So  kann  z.  R  die  Wechsel- 
wirkung zwischen  beiden  Reihen  bezüglich  der  materiellen 
Reihe  auf  die  Gro^imrinde  oder  bezüglich  der  psychischen 
Reihe  auf  die  Empfindungen  (also  mit  Ausschluß  gerade  der 
Denkvorgänge)  beschränkt  werden  usf. 

Auch  begnügt  sich  der  psychophysische  Dualismus,  so- 
bald er  als  philoeophischea  System  auftritt,  in  der  Regel 
nicht  damit,  wie  der  niÜTe  Mensch  den  Gegeitsatz  zwischen 
den  beiden  Reihen  als  gegeben  ohne  weitere  Untersuchung 
hinsunehmen,  sondern  er  versucht,  diesen  Gegensatz  irgend- 
wie durch  Angabe  bestimmter  Unterscheidungsmerkmale 
zu  fixieren.  So  wird  z.  B.  das  Psychische  als  das  Unrämn- 
liche  dem  Materiellen  als  dem  Räumlicben  gegenübergestellt 
(Bain)  oder  einer  besonderen  „inneren  Wahmdtunung"  za- 
gewiesen  oder  durch  eine  „intentionale  Beziehung",  d.  h. 
die  „Beziehung  auf  einen  Inhalt",  die  ,3ichtung  auf  «in 
Objekt"  charakterisiert  (Brentano').  Aber  selbst  bei  diesen 
wissenschaftlichen  Weiterbildungen  wird  der  psychophy- 
sische  Dualismus  nicht  überwunden,  insofern  der  Gegen- 
satz zwischen  Psychischem  und  Materiellem  festgehalten  und 
auch  ein  Drittes  neben  beiden  nicht  anerkannt  wird. 

Vom  psychophysischen  Dualismus  unterscheidet  sich  der 
Egotismns,  die  zweite  Hauptform  der  erkenntnistheoretischeii 

')  Vgl.  hierzu  Th.  Ziehen,  Die  GrundUsen  der  Psycboloei^  Leipwe- 
Berlin  191&,  Buch  1,  S.  69  ff. 


1.  Kapitel.    ErfcenntnisÜieioretigche  GnindleguPf ■  __245 

ZerieftmfeD  des  Ge^benen,  dadarcfa,  daQ  er  den  OegcQsatz 
nilchen  leh  aiid  Nicht-Ich  rogtunde  legt.  Der  Gegensatz 
itiokea  Materiellem  nnd  Fisrehischem  wird  von  den  V/go- 
tisten  biüd  ffanst  beseitigt,  hald  zwar  feetgehaltes,  aber  als 
sekHnilär  hii^eetellt ").  An  Stelle  deß  Qfigensatzee  zwiacheu 
Ich  und  Nicht-Ich  wird  raweilen  auch  der  OegenaatB  zwischen 
Subjekt  und  Objekt  angesetzt.  Das  Ich  (bzw.  Subjekt)  wird 
TOD  dem  Egotismns  bald  entsprechend  einer  großen  ^hl 
inJiTidaeller  Ichs  als  vielfach  angenommen,  bald  wird  ein 
überindividnelles  allgemeines  („nniversclles"  oder  „abBO- 
iates")  Ich  d^  indLvidaelleA  Ich«  irgendwie  übergeordÄet 
(Pichte  nnd  viele  andere).  Wie  der  psychophysische  Doftlis- 
B1U8  oft  nachträglich  doch  eine  Einheit  hensofltellen  ver- 
radtt,  hat  au^  der  egotistische  Daaliamas  nicht  selten  eine 
DtoaistiBche  Tendenti,  indem  er  z.  B.  das  Nicht-Ich  aus  dem 
lefa  hervorgehen  läBt  (Fichte),  unverkennbar  neigt  ferner 
der  EgotismaB  dazn,  das  Ich  bzw.  die  Ichs  dem  Psychischen 
wbet  zn  stellen  als  dem  Materiellen.  Stillschweigend  akzep- 
tiert er  dann  also  nebenher  au^  das  Prinzip  der  ersten 
Hanptamicht.  Dementsprechend  wird  daher  das  Ich  oft  noch 
i^endwie  naher  psychologisch  charakterisiert,  z.  6.  als  Be- 
vitUsein,  SelbstbewttBteein,  Apperzeption,  Einheitsfunktion 
des  Denkens,  Willenstätigheit  nef.,  oder  anch  ganz  allgemein 
als  »Seele".  Das  Denken  ist  für  die  egotistische  Lehre  in 
der  Regel  eine  Funktion  des  Ichs,  die  im  einzelnen  von  den 
Terschiedenen  Egotisten  sehr  verschieden  anfgefaBt  wird. 

Eine  dritte  Hanptansicht  stellt  der  sog.  Idealisnns 
dar.  Da  der  Terminus  jJdealiBmns"  in  der  mannigfaltigsten 
und  znm  Teil  auch  in  widersprechender  WeiBe  definiert  nnd 
venrendet  worden  ist,  sei  voraaabemerkt,  daß  er  hier  im 
ftfine  des  Pampsyehismus  (Psychomonismus)  gebraucht 
'nrden  soll  *).     Charakteristisch  ist  hiernach  also  für  den 

')  Ebenso  wie  tuusekehrt  die  anderen  Haupbuisichlen  nicht  selten 
Hkund&r  egoistische  Annahmen  hinzufügen  (s.  unten). 

*)  Etwa  entsprechend  der  DcSnitlon  von  Chr.  Wtolt  (PsycholoBia  empir. 
l'ttt  S.  26,  9  36):  ,4deatistae  dicuOlur,  mii  nonnisi  idealem  corporum  in 
Uimabus  noslris  eiistentiam  conceduut  adeoquc  realem  mundi  et  corporum 
uislenliam  oesant"  —  Manche  Idealisten  haben  sich  selbst  als  „naive 
Healislen"  bezeichnet  und  snd  auch  von  anderen  so  bezeichnet  wonien. 
Verst&ndüch  wird  diese  Bezeicfanung,  wenn  man  in  Betracht  ziebt^  iAB  der 
Ui*e  Mensch  in  der  Tat  dazu  neift,  im  aUsemeinen  seine  Emplindunfsiidialte 
BDI  der  Wtftlicbkeit  zu  identifizieren  (Jti.  z.  B.  Schuppe.  GnindriD  d.  KA. 
«■  Lof.  ISH  S.  9*>. 


1,1^. OQi 


,g,c 


246      II-  '''^'-    EAenntnistheoietische  usw.  Gnmdtegune  der  Logik. 

Idealismus,  dafi  er  alles  Materielle  überhanpt  leo^oet  und 
alles  Wirkliche  als  psychisch  betrachtet.  Er  macht  also  nicht 
wie  der  Spiritualismos  daa  Materielle  von  dem  Psychischwi 
ii^endwie  abhängig:,  sondern  bestreitet  die  Existenz  de» 
Materiellen.  £r  bedenkt  dabei  nicht,  daB  mit  diesem 
Streichen  des  Gogenglieds  das  Wort  „psychisch"  seinen  In- 
halt ganz  einbüfit  nnd  ganz  bedentnngslos  geworden  ist. 
Indem  der  Idealismus  mit  seiner  ansschließlichen  An- 
erkennung des  Psychischen  and  der  Identiflziemng  des 
Psychischen  mit  dem  Wirklichen  streng  innerhalb  des  Oe- 
gebenen  za  bleiben  behauptete,  verschmolz  er  in  der  Ge- 
schichte der  neueren  Philosophie  oft  mit  dem  Positivismus 
bzv.  der  Immanenzphilosophie  (z.  B.  bei  Mach,  vgl.  S.  218), 
obwohl  diese  letzteren  durch  ihr  Grundprinzip  gar  nicht  ge- 
zwangen sind,  das  Gegebene  als  ausechlieBlich  psychisch 
zu  betrachten  und  sogar  sehr  wohl  den  ganzen  Gegensatz 
„psychisch-materiell"  in  seinen  beiden  Gliedern  verwerfen 
können.  Oft  schlng  er  auch  eine  egotistiscfae  Richtung  ein') 
und  ordnete  dem  Psychischen  ein  universales  Ich  oder  viele 
individuelle  Ichs  zu,  die  ihrerseits  ntm  als  rein-psychisch  (als 
„Seelen")  gedacht  wurden  (Schuppe,  S.  218;  Berkeley,  S.  114). 
Zu  einer  einheitlichen  Abgrenzung  des  Denkens  inner- 
lialb  des  Gegebenen  ist  der  Idealismus  nicht  gelangL  Wenn 
er  sich  überhaupt  mit  dem  Problem  des  Denkens  beschäftigt 
hat,  hat  er  meistens  angenommen,  daB  das  Denken  durch 
irgendwelche  Prozesse,  z.  B.  durch  Funktionen  eines  Ich  aoä 
den  Empfindungen  hervorgehe.  Das  Denken  besteht  in  be- 
sonderen ,3e8timmtheiten  des  Gegebenen",  die  „im  Bewußt- 
sein auftreten"  (Schuppe).  Bald  hat  dann  der  Idealismus 
darauf  verzichtet,  zwischen  den  Empfindungsbestimmtheiteo 
und  den  Denkhestimmtheiten  eine  weitere  Beziehung  (ab- 
gesehen von  der  Abhängigkeit  der  letzteren  von  den  ersteren) 
anzunehmen  (so  z.  B.  Mach),  bald  hat  er  in  einer  an  Plato 
erinnernden  Art  und  Weise  die  Ähhängigheitsbeziehnng  um- 
gekehrt und  die  AUgenieinvorstellnngen  des  Denkens  als 
„den  tragenden   Grund   und   die  innere   Möglichkeit   alles 

*)  Die  DeSDition  des  Idealismus,  welche  Kant  in  den  Prolegomena  z- 
dner  jed.  kQnft.  MeUphys.  usw.  (§  13,  Anm.  2}  gibt,  triflt  cur  auf  die  ego- 
tislische  Variaute  des  Idealismus  zu  („der  Idealismus  besteht  in  der  Be- 
bauptuDg,  daS  es  keine  anderen  als  denkende  Wesen  gebe . . ."  usw.).  lo  der 
Khtik  der  reinen  Vernunft  (Kehifa.  Ausg.  S.  31%  vgl.  auch  S.  SOS)  feUl  diese 
bestimmte  ctiolistische  Modifikation  der  Defioition.    Siehe  auch  unten  S.  3*7. 


OgIC 


1.  ^pilel.    Erkenntnistbeoretische  Gnmdlecuiw.  247 

^petjflschea"    and    damit    also   vor   allem    d«r    gegebenen 
Bmi^dangen  betrachtet  (Schnppe^). 

Als  V  i  e  r  t  e  Hanptansicht  sei  der  PbKiiomnialfBmiis  an- 
geführt. Dieser  nimmt  in  seiner  nrsprüngUchen  Form  an, 
dafi  den  Erscheinongen  („Phänomenen")  nnerkennbare,  weder 
materieUe  noch  psychische  ,J)inge  an  sich"  irgendwie  zu- 
gruade  liegen  *).  Er  zerlegt  das  Gegebene,  d.  h.  die  Erschei- 
DDiigen,  in  solche  Dinge  an  sich  nnd  apriorische  Anschaunngs- 
fwmen  (Kanm,  Zeit).  Letztere  können  anch  als  „formale 
Bedingnngen"  betrachtet  werden.  Kant,  der  erste  Vertreter 
dieger  Lehre,  hat  sie  anch  als  „transzendentalen  (oder 
k;ntisehen)  Idealismus"  bezeichnet ').  Nach  der  oben 
(&  245)  feetgestellten  Definition  ist  die  Bezeichnnug  „I  d  e  a  - 
liBmns"  nnzatreffend '),  insofern  der  PhänomenaliBt  die 
JSxistenz  von  Dingen  an  sieh  behauptet  nnd  diesen  Dingen 
ui  eich  keinen  {»ychiscben  Charakter  zuschreibt,  sondern 
sie  för  ganz  unerkennbar  erklärt.  Trotzdem  hat  sie  einen 
Sewisaen  Sinn,  insofern  die  Erscheinungen  selbst  (also  das 
begebene)  nach  der  Iiehre  des  Phänomenalismus  „bloße  Vor- 
gtellimgen"  sind.  „Transzendental"  nennt  Kant  seine 
I«iue,  weil  sie  sich  mit  der  Möglichkeit  einer  apriorischen 
G^enntnis  von  Gegenständen  beschäftigt*);  diese  Möglicb- 
^  soll  sich  nach  Kant  eben  daraus  ergeben,  daß  die  Er- 
scheinungen uns  in  den  erwähnten  Anechaunngsformen  ge- 
Reben sind. 

Der  Gegensatz  zwischen  „psychisch"  nnd  „materiell"  ist 
bei  dem  Phänomenalismus  sonach  nicht  vollständig  beseitigt. 
Das  Ding  an  sich  ist  allerdings,  da  es  völlig  unerkennbar 
Bein  soU,  weder  materiell  noch  psychisch,  aber  die  Erschei- 

>)  Tgl.  EHceniitnistheorel.  Logik,  Bonn  1878,  S.  182.  In  seiueD  spüteren 
Schriften  drOckt  sich  Schuppe  veniser  beBUmmt  aus. 

*)  Kant  eikliit  in  der  Krit.  d.  rein.  Vem.  Eehrb.  Auss.  S.  330  ausdrück- 
^:  „Das  transzendentale  Objekt,  welches  den  äußeren  Erschei- 
oonsea,  inwleicfaen  das,  was  der  inneren  Anschauung  zum  Grunde  liegt,  ist 
weder  Materie,  noch  ein  denkend  Wesen  an  sich  selbst,  sondern  ein  uns  un- 
bekannter Grund  der  Erscheinungen,  die  den  empirischen  BcgriFf  von  der 
ersten  sowohl  als  zweiten  Axt  an  die  Hand  geben." 

'}  Kril.  d.  lein.  Vern.,  Eehrb.  Ausg.  S.  313,  und  Riehl,  Der  pbilos.  Krili- 
^iamos,  2.  Aufl.  Leipzig  1908,  Bd.  1,  S.  408.    Vgl.  auch  oben  S.  246,  ALm.  4. 

*)  ZweckmäBiger  ist  daher,  wenn  man  die  Bezeichnung  „Phänomenalis- 
nauT  noch  näher  bestimmen  will,  die  Bezeichnung  „Transzendentnlismus", 
die  neuerdings  vieliach  gebraucht  wird. 

■)  Zum  Beispiel  L  c.  S.  U. 


rmn-n-.;GoOg\c 


248       *1-  '^^^^-    Erkenotnistheoretische  usw.  OnindlesunB  der  Lo^ik. 

nuDgen  werden  allenthalben  ausdrücklich  ale  psychisch  anf- 
ffefaBt  und  daher  als  Voratellongen  usf.  bezeichnet.  Die 
Anschaunugsformen  seihet  bekommen  dadurch  ebenfalls 
einen  psychischen  Charakter,  insofern  sie  es  sind,  welldie 
den  Erscheinungen  ihren  psychischen  Charakter  geben. 

Auch  der  Phänomenalismus  verbindet  sich  oft  mit  einem 
e.iwan  modifizierten  Egotismus,  insofern  er  die  Vorstellnngs- 
formen  ausdrücklich  als  subjektiv  bezeichnet  und  einem  loh 
od«r  Subjekt  zuschreibt.  In  diesem  Ich  selbst  wird  bald 
ebenfalls  ein  „erscheinendes"  Ich  und  ein  zugrunde  übendes 
,Jch  als  Bing  an  sich"  unterschieden,  bald  wird  es  schlechthin 
zu  den  Dingen  an  sich  gezählt.  Nicht  selten  liat  sich  auch 
liier  eine  Tendenz  geltend  gemacht,  au  Stelle  des  indivi- 
duell^i  Ichs  ein  universales  Ich  zu  setzen.  Dabei  kann 
iwiederom  —  oft  in  direktem  Widerspruch  mit  der  dem-  Ich 
nls  Ding  an  sich  zukommenden  Unerkennbarkeit  —  versacht 
werden,  das  Ich  irgendwie  näher  zu  charakterisieren.  Hier- 
her gehört  z.  B.  auch  Kants  transzendentale  Einheit  der 
Apperzeption. 

Die  Stellung  des  Denkens  ist  für  den  Phänomenalisten 
durch  sein  Grandprinzip  noch  nicht  eindeutig  festgelegt. 
Meist  niimnt  er  im  Anechluß  an  Kante  Darstellung  in  der 
1.  Auflage  der  Kritik  der  reinen  Vernunft  an,  daß  ein  besfHi- 
deres  Seelenvermögen  (Kants  „Verstand")  oder  wenigBtras 
eine  besondere  seelische  Tätigkeit  die  gegebenen  Empfin- 
dungen verarbeitet,  und  daß  auch  diese  Verstandestätigkeit 
an  apriorische  formale  Bedingungen  gebunden  ist.  Diese 
formalen  Bedingungen  sind  die  reinen  Verstandesbegriife 
oder  Kategorien  (vgl.  ^  33).  Durch  dieselben  gelangt  das 
Denken  zunächst  zu  „Begriffen  von  (^genständen".  Daran 
schließen  sich  dann  weiter  Urteile  usf. 

Der  Phänomenalist  kann  jedoch  anch  von  einer  scdchmi 
'Hineinziebnng  von  seelischen  Tätigkeiten  oder  gar  Seelen- 
.vermdgen  absehen  und  die  Denk  formen  als  von  den 
psychischen  Prozessen  ganz  unabhängig  betrachten.  Kant 
hat  namentlich  in  der  zweiten  Auflage  der  Kritik  der  reinen 
iVernimft  sich  dieser  Auffassung  sehr  genähert.  Damit  führt 
'diese  Variante  des  Phänomenali  Bmus  offenbar  neben  den 
Dingen  an  sich  und  den  Anschauungsformen  eine  dritte 
[Wirklichkeit  ein,  und  während  sie  die  Anschauungsformen 
Iisychologiech  auffaßt  (siebe  oben),  beansprucht  sie  für  die 
Denkformen   einen   durchaus   nicht-psychischen    Charakter. 


1A..OO1 


,^^IC 


1.  K^rild.    Krkeimtnistheoreliache  GnindJesun«.  249 

Tüteer  nicht-psychiscbe  Charakter  wird  oft  geradezu  als 
^Ka^h  /.logischer"  beseichoet.  Die  ursprüng'liche  Ser- 
iffag  dee  PhJbioni«ialiämtis  wird  damit  preisgegeben  oder 
mügstens  erheblich  modifiziert  and  das  Prinzip  des  alsbald 
tu  beq>rechenden  LogizismiiB  neben  das  phänomenal  istisdle 
Prinzip  gesetzt. 

An  den  Phänomenalismas  schließen  sich  zahlretche 
^steine  an,  welche  die  ünteischeidmig  der  Erscheinungen 
nndder  Dii^re  an  sich  im  Sinne  des  F^änomenalismus  akzep- 
tierto,  aber  die  ünerkennbarkeit  des  Dings  an  sich  bestreiten. 
Begteiflieherweise  müssen  diese  inkonsequenten  phänome- 
nalistiechen  Systeme  dann  schließlich  doch  die  Dinge  an 
sich  mit  irgendeiner  ans  der  Welt  der  Erscheinungen  ent- 
nommenen Wirklichkeit  identifizieren  und  zu  diesem  Zweck 
Doch  irgendeine  andere  prinzipielle  Zerlegung  der  Ersch«!- 
nnngBwelt  heranziehen.  So  wird  dann  z.  B.  das  Ding  an  sich 
bald  mit  dem  Materiellen,  bald  mit  dem  Psychischen  oder 
einem  Teil  des  Psychischen  irgendwie  identifiziert,  also  der 
peychophysische  Dualismus  der  ersten  Hauptansicht  zu  Hilfe 
genommen.  Ein  sehr  klares  Beispiel  liefert  die  Identifikation 
«fc«  Dings  an  sich  mit  dem  Willen  bei  Schopenbaner.  Oder 
der  Egotianus  muß  aushelfen,  und  es  wird  wenigstens  für 
das  Ich  die  Erkennbarkeit  des  Dings  an  sich  bzw.  das  Zo- 
Buumenfallen  von  Erscheinung  und. Ding'  an  sich  im  Ich  be- 
hauptet oder  sof^r  ein  Unirersal-Ich  als  das  universelle  Ding 
an  sieb  betrachtet.  Für  die  Logik  besonders  interessant  ist 
diejenige  Variante  der  in  Bede  stehenden  Ansichti  welclie 
)>ebanptet,  daß  die  Begriffe,  insbesondere  die  ÄUgemein- 
begriffe  mit  dem  gesachten  Ding  an  sich  identisch  sind,  oder 
auch  eine  absolnte  Vemonft  als  Träger  solcher  Begriffe  dem 
Ding  an  sieh  substitui^. 

Von  allen  diesen  Ansichten  weicht  — -  unbeschadet  mao- 
<^r  Übergänge  and  Kombinationen  —  eine  fünfte  An- 
^ht,  welche  früher  bereits  als  Logizlsmns  bezeichnet  wurde 
^gl  ^45,  S.  173  f.),  insofern  ab,  als  sie  eine  besondere  Wirk- 
lichkeit oder  ein  besonderes  Sein  für  das  Logische  annimmt, 
ttebei  ttehält  der  Logizismus  bezüglich  der  Auffassung  nnd 
Zerlegung  des  nicht-logischen  Ghigebenen  freie  Hand.  Er 
twin  das  Nicht-Logische  in  Materielles  und  Psychisches  zer- 
legen und  sich  so  mit  dem  psychophysiscben  Dualismus  ver- 
binden; oder  er  kuin  mit  dem  Egotismus  verschmelzen,  in- 
dem er  ein  universales  Ich  oder  individuelle  Ichs  annimmt. 


1,1^. OQi 


-c^lC 


250      ^-  f^''-    EikenntnisUieoretische  usw.  GrandlegutiB  der  Loaik. 

für  welche  das  Li^nsche  Oegenstand  einer  besonderen  In- 
toition  ist;  oder  er  betrachtet  alles  Nicbt-Lc^ische  uls 
psychisch  und  nähert  sich  damit  dem  Idealismos  in  dem 
S.  245  definierten  Sinne;  oder  endlich  verknüpft  er  eich  in 
dieser  oder  jener  Weise  mit  dem  Phänomenali^niis  (vgl. 
S.  247),  indem  er  nebenher  die  Annahme  von  Dingen  an  sich 
akzeptiert. 

Als  sechste  und  letzte  Hauptansicht  sei  bei  dieser 
sommarischen  Darstellung  der  von  mir  vertretene  Biatmis- 
niiis  angeführt*").  Dieser  bestreitet,  daß  die  Gegenüber- 
stellung „psychisch-materiell"  erkeuntnistheoretisch  gerecht- 
fertigt ist,  und  verwirft  damit  den  psychophysischen  Dualiti- 
mns  und  den  Idealismus.  Ebenso  leugnet  er  im  Gegensatz 
zum  Egotismus,  dafi  ein  universalem  Ich  oder  individuelle 
Ichs  als  besondere  (spezifische)  Wirkliclikeiten  irgendwie 
existieren,  und  versneht  vielmehr  naehzaweiBen,  daß  das- 
jenige, was  der  naive  Mensch  und  was  andere  Systeme  als 
Ich  bezeichnen,  nor  in  charaktenstisehen,  sehr  häufigen 
Komplexen  bestimmter  Delationen  besteht,  die  wir  aus  dem 
Gegebenen  abstrahieren.  Gegen  den  Phänomenalismus  be- 
hauptet er,  daß  die  Zerlegung  des  Gegebenen  in  unerkenn- 
bare Dinge  an  sich  einerseits  und  apriorieche  Anschanutigä- 
und  Denkformeu  andrerseits  nicht  zulässig  ist  (£1,  ^  49;  m, 
S.  71),  daß  sich  vielmehr  ans  der  Analyse  des  Gegebenen  (der 
„6 i g n o m e n e")  nur  zwei  Hauptarten  gesetzlicher 
Beziehungen  im  Gegebenen  (daher  die  BezeichiiuDg 
,3  i  n  o  m  i  s  m  u  s")  ergeben.  Die  Gignomene  zeigen  das  Pro- 
dukt dieser  gesetzliehen  Beziehungen;  dasjenige  in  den  Oi(C- 
nomenen,  was  in  diesen  gesetzlichen  Beziehungen  zueioander 
steht,  ist  von  mir  als  Eeduktionsbestandteil  (abge- 
kürzt Be  du  kt  oderB)  bezeichnet  worden.  Die  beiden  Haupt- 
arten  gesetzlicher  Beziehungen  sind  die  Kausal-  und  dip 
Parallelgesetze.  Die  Kausalgesetze  fallen  mit  den  sog- 
Naturgesetzen  zusammen ;  die  ihnen  entsprechenden  Verän- 
derungen erfolgen  auf  bestimmten  Wegen  und  mit  einer 
bestimmten  Geschwindigkeit.    Die  Parallelgesetze  be- 


")  Erste  llarsteUuDg  in  Psvchophysiol.  Ericenntnistbeorie,  Jena  W98, 
2.  Aufl.  1907  (1),  ausFührlicti  in  Erkenntnistheorie  auf  psvchophysiol ogischer 
u.  physikalischer  Grundlage,  Jena  1913  (11).  Vgl  auch  Zum  gegenwärtigen 
Stand  der  Erkenntnistheorie,  Wiesbaden  191i  (III)  und  Die  Grundlaten  ä^' 
Psychologie,  Leipzig-Berlin  19ia,  speziell  Teil  1  (IV).  Im  Text  zitiere  icb 
nach  den  in  Klammem  gesetzten  römischen  Zifleni. 


OglC 


1.  Kapitel    Eri^enntnisUieoretiache  Grondleguns.  251 

ziehen  sich  im  einfachsten  Fall  z.  B.  anf  die  Zaordnnng  einer 
bcstisunten  Sionesqnalität  zu  einer  bestimmten  Himriaden- 
enegung,  die  ihrerseite  wieder  von  einem  bestimmten,  z.  B. 
ofAischeu  Reiz  abhänjrt  (Gesetz  der  speziflachen  Sinneeener- 
gien);  für  die  ihnen  entsprechenden  Verändemngen  ist 
veder  Weg  noclt  Geschwindigkeit  nachzuweisen,  sie  erfolgen 
„veflos  mid  instantan"  (11,  ^  53). 

Dnrch  das  Hinzutreten  solcher  „Parallelwirkungen" 
(Böckwirkongen,  Beflesionen)  werden  die  Bedoktionsbestäad- 
teile  in  die  Gignomene  des  individnellen  Erlebnisses  ver- 
v&odelt.  Die  Gignomene  können  daher  in  diesem  Sinn  in 
Bednktionsbestandteile  nnd  „Parallelkompouenten"  zerlegt 
werden.  Kaosalwirkungen  laufen  zwischen  allen  Beduk- 
lioDsbestandteilen  ab.  ^arallelwirkungen  gehen,  soweit 
vir  nachweisen  können,  nur  von  bestimmten  Beduk- 
tioQsbeetandteilen  aus,  die  zu  dem  sog.  Gehirn,  insbesondere 
der  Hirnrinde,  gehören  (U,  §  12 ff.;  IV,  ^  5). 

Unter  die  Parallelgesetze  fällt  nun  nicht  nur  das  Emp- 
finden, sondern  anch  das  gesamte  Denken  (Vorstellungs- 
bildong,  Urteilen  usf.).  Anch  bei  diesem  ^')  handelt  es  sich 
um  Säckwirkungen  von  Kindenelementen  (genaner  von 
Bednktionebestandteilen  solcher  Rindenelemente,  Tgl.  H, 
i  S7ff.).  Wie  die  Beduktionebestandteile  in  denjenigen 
Qignopienen,  die  wir  als  Empflndimgen  oder  Sinneswahr- 
Dehmimgen  bezeichnen,  enthalten  sind  („inezistieren"),  so 
und  sie  anch  noch  in  den  Vorstellungen  usw.  enthalten.  Anch 
nnsere  Vorstellungen  schweben  nicht  gewissermaßen  frei  in 
<ler  Loft,  sondern  sind  das  Produkt  der  Bednktionsbestand- 
teile  nnd  besonderer  Parallelkomponeuten,  die  ich  auch  als 
v-Komponenten  bezeichne  (IV,  W;  H,  §  71  u.  78  ff).  Mit 
dieser  Inexistenz  der  Beduktionsbestandteile  sowohl  in  den 
^pfindungen  wie  in  den  Vorstellungen  hängt  die  eigentüm- 
liche Eückbeziehang  (Badikalbeziehnng)  der  Vorstel- 
lungen auf  die  ^Empfindungen,  aus  denen  sie  hervorgegangen 
sind,  zusammen.    Hierin  liegt  anch  dasjenige,  was  an  Bren- 

")  Hierio  liegt  die  von  Kanl  ansedeutete  „vielleicht"  vorhandene  „ee- 
tMiuchailliche,  aber  uns  unhekaünte  Wurzel"  von  „Sinnlichkeit  und  Ver- 
»4od"  (Kr.  d.  reia.  Vem.,  Kehrb.  Aus«.  S.  47)  odei"  vidmehi  ihr  gemeinsamer 
Qniiiter:  der  Rückwirkunes-  oder  Parallelchaf  akter.  Die  gemeinsame  Grün d- 
^e  Inlden  die  Reduktionsbestandteile. 


OgIC 


252       II-  T^il-    Eitenntnistheorctiache  usw.  GrundlecunK  der  I^eik. 

tanos  Lßhre  (vgl.  S.  176)  von  der  Intentionalitat  des  Psychi- 
schen richtig  ist"). 

Die  Prozesse,  durch  welche  ans  Empfindungen  VorsM- 
Inngen  (im  weitesten  Sinite)  hervorgehen,  also  alle  uns  be- 
kannten Denfcprozesse  und  damit  auch  fdle  v-Kompooeaiien, 
lassen  sich  auf  drei  Orandproaeese  zurückführen:  Znsam- 
mensetznng  (Synthese,  Komplezion),  Zerlegung 
(Analyse)  und  Vergleichung(Komparation).  Für 
diese  drei  Grundprozesse  brauche  ich  auch  den  Terminus 
„Dif  ferenzierungsf  unktionen",  insofern  sie  uns  zu 
der  Differenzierung  des  Gegebenen  in  unserem  Denken  ver- 
helfen. 

Vom  Standpunkt  des  Binomismus  ist  jede  Empfindung  K 
bzw.  jede  Vorstellung  V,  insoweit  sie  von  den  DifferCnzie- 
rnngsfunktionen  zu  einer  neuen  Vorstellung  V  verarbeitet 
wird,  der  „Gegenstand" ")  (und  zwar  der  inexist^te)  der 
letzteren.  Damit  lehnt  der  Binomismus  also  durchaus  die 
l<^izistisehe  Annahme  ab,  daß  die  „(^gcnstände"  eine  dritte 
Welt  der  „Vorstellungen  an  sieh",  „Wesen"  od.  dgl.  bilden. 
die  in  besonderer  Weise  bestehen  und  erschant  werden  soll. 
Außer  den  Vorstellungen  tm  Sinn  individueller  psychischer 
Erlebnisse  von  bestinuntem  Inhalt  und  den  ihnen  zugrunde 
liegenden  weiteren  Vorstellungen,  Empfindungen  und  Be- 
duktionsbestandteilen  ist  uns  nichts  gegeben  und  darf  auch 
nichts  angenommen  werden  (XII,  S.  40  (f. ;  IV,  ^  10). 

Während  jedes  einzelne  Gignomen  in  Beduktions- 
bestandteil  und  Paralielkomponente  zerlegt  werden  kann, 
kann  die  Gesamtheit  der  Gignomene  eingeteilt  werden 
in  Empf indungsgignomene  und  VorstelluDgs- 
gignomene  oder  kürzer  in  Empfindungen  und  Vor- 
stellungen. Der  Unterschied  zwischen  beiden  wird  in» 
einzelnen  von  der  Psychologie  untersucht  und  festgestellt- 
Für  die  Erkenntnistheorie  genügt  es,  ihn  kurz  durch  dm 
Hinweis  auf  das  alltägliche  Leben  und  einen  bestimmten 
Terminus  zu  fixieren.  Zu  letzterem  Behuf  sprechen  wir  von 
der  „sinnlichen  Lebhaftigkeit"  der  Empfindung  und  sprechen 
diese  sinnliche  Lebhaftigkeit  den  Vorstellnngn  ab.  Zugleich 
sei  ausdrücklich  festgestellt,  daß  unter  dem  Wort  „Vorstel- 
lt) BranU.no  niromt  jedoch  diese  Intentionalitäi  nilschlich  zwischen.  Vor- 
st€lluiifB,^t"  und  Voratellung9„inhaJt"  an. 

'')  Weiterhin  (S.  366)  werden  wir'VeranlassuDS  haben,  den  BegtUI  d«s 
GeBenstandes  noch  etwas  anders  zu  fassen. 


1.  KapUeL    Erkenntnütheoretiscbe  GfunffleEunc  258 

\vifftigaomeae"   bzw.    VorsteUimeeD    hier    vorläufig    alle 

QJtht  Binnlicb-lebhaf ten  DenkToiwäoge  zasammen- 

geCUi  irerdeB  soUeo. 

Auch  der  Binooiismos  simcht  also  von  peychischeu  Pro- 

HMCB  oder  Vorgwigen>  Damit  meint  er  aber  nicht  etwa  ein 
bnonderes  psyebisehee  Dtwae,  sondern  das  Gegebene,  inno- 
Iva  es  mit  Besug  aa{  eeioe  Parallelkomponenten  betrachtet 
ViiA  Die  BedukticHisbeBtandteile  sind  nicht  materiell,  und 
die  PuallelkompoBenten  sind  nicht  psychisch;  wohl  aber 
kau  man  eine  „Psychologie"  als  diejenige  Wissenechaft  ab- 
gmaeo,  welche  die  Giguomene  speziell  mit  Büoksicbt  auf 
ihre  Parallelkompooenten,  also  das  Geltmigsgebiet  der 
Puallelgesetae  untersucht  (IV,  ^  8  u.  die»  Buch  S.  11).  TTnd 
inierhalb  der  psychischen  Prozesse  spricht  der  Binomismus 
iuafern  von  Denkproaessen,  als  innerhalb  des  Gegebenen 
Qignomene  sich  finden  —  nämlich  eben  die  sog.  Vorstel- 
Imgen,  Urteile  usw.  — ,  welche  durch  besondere  Parallel- 
kili^ionealeii  ausgezeichnet  sind. 

§  58.  Karae  Kritik  der  erkenntnlstheoretisclien  B#apt- 
iHlehten.  Die  Logik  sieht  sich  nun  vor  die  Aufgabe  ge- 
stellt, diese  Hauptansichten  kritisch  zu  vergleichen  und  sich 
(ör  eine  unter  ihnen  zu  entscheiden.  Sie  hat  dabei  die  er- 
kemtnistheoretischen  Argumente  zu  prüfen,  welche  für  und 
gegen  eine  jede  angeführt  worden  sind  oder  angeführt  wer- 
den können.  An  dieser  Stelle  muß  folgende  kurze  Kritik  ge- 

Die  Gegenüberstellung  von  „materiell"  und  „psychisch" 
»eiche  der  ersten  Hauptansicht,  also  dem  psychophy- 
sisehen  Dualism.ns  in  seinen  mannigfaltigen  Formen 
mmmde  liegt,  scheitert  daran,  daß  eine  klare  Definition  oder 
Charakteristik,  oder  überhaupt  irgendwelche  klare  Bestim- 
iDnng  oder  Nschweisung  weder  für  das  Materielle  noch  für 
•las  Psychische  gelingt  Die  scharfsinnigen  und  doch  vergeb- 
lieben  Bemüht^igen  Brentanos '),  das  Psychische  irgendwie 
Seg«niiber  dem  Materiellen  zu  charakterisieren,  zeigen,  daü 
diese  GegenüberBtellnng  nicht  haltbar  ist.  S.  177  T\Tirde  be- 
reits angedeutet,  welche  Unklarheiten  auch  bei  dem  von  Bren- 

')  Psycbol.  V.  enipir.  Slandp.,  Lpz.  187*,  S.  101  If.;  Vom  llrepr.  ailll. 
EA,  Ua.  188»,  S.  14;  Von  d.  Klsssifik.  d.  psych.  Phänomene,  Lpa.  1811 
^UoüfikaUoD  d  trOberen  An»cfa(,  xsl.  Vomde  S.  IV). 


_.ooglc 


254       ''•  ^^'-    EikeimtnistheDretische  \iaw.  Gnm<DesuiiK  der  i^iik. 

tano  als  besonders  keanzeichnend  för  die  psychischen  Phäno- 
mene aufgestellten  Merkmal  der  Intentionalität  noch  in  viel- 
facher Bichtung  bestehen  bleiben.  Dazn  .kommt,  daB  bei 
dieser  Bestimmtmgr  des  Psychischen  das  Gegenglied,  also  das 
Physische  oder  Materielle,  nur  negativ  charakterisiert  ist 
und  mancherlei  enthält  —  z.  R  die  Sinnesqnalitäten  — ,  was 
mit  gutem  Grunde  sonst  zu  dem  Psychischem  gezählt  zn  vret- 
dea  pflegt').  Daher  erscheint  das  Physische  auch  dnrchauR 
nicht  einheitlieh,  sondern  in  anklarer  Weise  ans  „äuBeren 
Ursachen"  der  Empfindungen  imd  „physischen  Phänomenen" 
zmammengesetzt,  so  daß  dae  Problem  überhaupt  nur  teil- 
weise erledigt  und  in  einem  wesentlichen  Teil  nuT  verschoben 
worden  ist  Noch  sehr  viel  weniger  leisten  die  von  anderen 
Forschem  angegebenen  Unterscheidungsmerkmale  des  Psy- 
chischen (ünräumlicbkeit,  Aktcharakter,  Einheit,  Ich- 
Beziehung,  Zogänglichkeit  für  innere  Wahrnehmung)  *). 

Bei  dieser  Sachlage  kann  der  psychophysische  Dualis- 
mus nicht  als  ausreichende  erkenntnistheoretische  Grund- 
lage der  Logik  betrachtet  werden.  Damit  ist  natürlich  mcht 
gesagt,  daß  die  Ausdrücke  „materiell"  („physisch")  und 
„I»yohisch"  absolut  vermieden  werden  müssen.  Bei  Unter- 
SBchnngen,  bei  welchen  es  nicht  auf  erkenntnistheo- 
retische Genauigkeit  ankommt,  wird  man  sie  in  An- 
lehnung an  den  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  nnbedenklicli 
verwenden  können.  Dae  Materielle  ist  dann  eben  vom 
Standpunkt  des  hier  vertretenen  Binomismns  identisch  mit 
dem  Gegebenen,  insowieit  es  mit  Bezog  auf  seine  kausal- 
gesetzlichen  Beziehungen  betrachtet  wird,  und  das  Psy- 
chische mit  demselben  Gegebenen,  insoweit  es  mit  Bezug 
auf  seine  parallelgesetzlichen  Beziehungen  betrachtet  wird- 

Mit  der  Verwerfung  des  Gegensatzes  „psychlsch-mal«- 
riell"  ist  auch  die  Ablehnung  des  Idealismus,  der  oben 
an  dritter  Stelle  angeführten  Hauptansieht,  entschieden,  da 
derselbe,  wenn  er  auch  schließlich  das  Materielle  leugnet, 
doch  diesen  Gegensatz  seinem  ganzen  System  zugrunde  legt 

Gegen  den  Egotismus,  die  zweite  Hauptansicbt 
unserer  Amfzählnng,  lassen  sich  gleichfalls  gewichtige  Be- 

*)  Stumpf  (vsl.  S.  182)  hat  woU  auch  im  Hinblick  auf  diese  Scbwierie- 
keit  an  Stelle  der  „phTsiKhen  Phinomene'*  Brentanos  seine  „Ergcbeinungen" 
gesetzt,  also  das  Altribut  „phTsisch"  Bestrich^. 

»)  Eine  einitehende  Kritik  aller  dieser  Unterscheidungsversucbe  finde* 
man  in  meinen  GTundlagen  der  Parchologie,  Buch  1,  %  10. 


1.  Kapitel.    ErkeDntiiitttieoretische  GjundlesuDg.  255 

denken  erheben.  Zunächet  iBt  es  trotz  jahrhondertelanger 
Banölinngen  den  egotistischen  Tbeorien  noch  nicht  gelun- 
gen,  vtm  klar  anzugeben,  was  sie  unter  einem  individnellea 
oder  niUTersellea  Ich  (Subjekt,  Seele)  verstehen. 

Die  übrigens  sebr  Terschiedenen  Merkmale,  welche  die 
Dinzelnen  Egotisten  für  das  von  ihnen  angenommene  spezi- 
Asche  Ich  angegeben  haben,  versagen  sämtlich  *),  Teils  ist 
es  iveifelhaft,  ob  überhaupt  etwas  existiert,  das  diese  Merk- 
male (z.  B.  ünveränderliehkeit,  Einfachheit)  hat,  teils  finden 
swii  diese  Merkmale  (z.  B'.  Einheit)  auch  bei  Dingen,  die  der 
Egotist  selbst  nicht  zu  dem  Ich  bzw.  zu  den  Ichs  rechnet.  Bei 
dieser  Unklarheit  des  Ich-Begriffe  ist  es  denn  aach  nicht  zu 
vfirwnndem,  dafi  alle  Versuche,  das  Ich  oder  die  Ichs  direkt 
oder  indirekt  nachzuweisen,  gescheitert  sind. 

Die  Behauptung,  daß  uns  dasJch  direkt  und  schlechthin 
(larch  eine  spezielle  ,Jntaition"  oder  ein  „spezielles  Oefühl" 
oder  ein  spezifisches  Selbstbewußtsein  gegeben  sei,  kann 
nicht  akzeptiert  werden.  Eine  solche  Intuition  od.  <^I.  ist 
niclit  nachgewiesen.  Viele  behaupten  bestimmt,  eine  solche 
Ich-intuition  (im  Sinn  des  Egotismns)  nicht  zn  besitzen. 
SehoD  die  Tatsache,  daß  nicht  wenige  Egotisten  ein  univer- 
Beiles  Ich  annehmen,  für  welches  eine  solche  Intuition  usw. 
floch  wohl  nicht  in  Betracht  kommt,  zeigt,  wie  strittig  sogai 
unter  den  Eigotisten  selbst  die  Berufung  auf  Intnition  n.  dgl. 
ist.  Ebenso  wenig  ist  ein  indirekter  Nachweis  gelungen. 
Mangels  einer  exakten  Definition  oder  wenigstens  Charak- 
tsriaierung  des  Ichs  k  o  n  n  t  e  er  offenbar  gar  nicht  zum  Ziele 
Seefahrt  werden. 

Sehr  viel  schwieriger  gestaltet  sich  die  Entscheidung 
S^nüber  dem  Phänomenalismus  (Kants  „tran- 
szendentalem Idealismus",  vgl.  S.  247).  Immerhin 
scheiaen  mir  folgend»  Punkte  auch  gegen  den  Phänomenalis- 
mns  (in  jeder  Form)  zu  sprechen: 

Erstens  die  absolute  Unerkennbarkeit  des  Dinges 
an  sich  steht  mit  den  eigenen  Sätzen  des  Phänomenalismus 
in  Widerspruch.  Wenn  die  speziellen  („empirischen") 
Natncgesetze,  wie  Eant  ausdrücklich  hervorhebt  (Krit.  d. 
rein.  Vem.,  1.  Aufl.,  S.  127,  Kehrb.  Ausg.,  S.  135  u.  681), 
Dicht  aus  dem  reinen  Verstand  ihren  Ursprung  herleiten,  also 

a  dem  oben  liticrten  Weik  g  12 


OgIC 


256      1-  '^'^^^    I^riienntnlsUieoretuche  ubw.  Gnmdlecung  der  Logik. 

nicht  a  priori  sind,  so  mässen  sie  irgeodwie  von  den  Dingen 
an  sich  abltängen.  Folglich  geben  sie  uns  über  die  letateren 
anclt  einen  wenn  anch  noch  so  indirekten  und  verschleierten 
Aof Schluß.  Sie  mnssen  ein  Äquivalentbild  der  Dinge 
an  sich  sein.  Ee  ist  Bchleehterdinge  nicht  einzusehen,  wes- 
halb wir  diese  Erkenntnis  nun  doch  für  ganz  nnll  niul  niehtig 
beattglich  der  Dinge  an  sich  erklärMi  und  die  absolute 
Unerkeanbarkeit  der  Din^  an  sich  behaupten  sollten. 

Zweitens:  ist  somit  eine  eingeschränkte  und  bediaffte 
Krkenntnis  der  Dinge;  an  sich  sehr  wohl  mögrlich '),  so  fällt 
aoch  die  abeolate  Transzendenz  der  Dinge  an  sich  weg.  äe 
liegen  nicht  mehr  jenseits  der  Brscbeinungen  und  der  Er- 
kenntnisse, sondern  in  ihnen.  Das  Immauennprinzip,  das  ich 
zugleich  als  das  Prinzip  des  Positivismns  in  seiner  reinen 
Form  betrachte '),  wird  gewahrt  Die  Dinge  an  sich  werden 
ZB  ^eduktioeebestandteilen"  des  begebenen  im  Sinne  eine« 
Hinomiamus. 

Drittens  ist  die  vom  Phänomenalismus  behauptete 
Apriorität  der  Kaum-  und  Zeitanschaunng  und  der  sog.  reinen 
VerstandesbegrifTc  (auch  unabhängig  von  ihrer  speziellen 
Aufzahlung)  zu  beanstanden.  Wie  man  sich  diese  Äpriorität 
auch  denken  mag,  es  bleibt  nnerflndlich,  wie  wir,  die  wir 
doch  ganz  auf  das  Gegebene  angewiesen  sind,  zu  irgend  etwas 
gelangen  sollten',  was  wie  das  A  priori  über  die  Erfahmng 
hinausgeht'),  oder  —  mit  anderen  Worten  —  ü^Bdeineu 
Satz,  er  sei  auch  noch  so  allg^uein,  „unabhängig  von  der 
Krfahmng  einsehen"  sollten').  Es  ist  Kant  nicht  gelungen,  — 
weder  durch  seine  metaphysische  Erörterung  in  der  Ästhetik 

*)  Es  empfiehlt  sich  nictit,  die  Lehre  von  der  Eiiiennbatteit  der  Dinge 
an  sieb  als  „Reabsmus"  zu  bezeichnen,  wie  dies  zuweilen  geschieht.  Will 
man  das  viel  miBbrauchle  Wort  Realismus"  Oberhaupt  noch  verwenden,  so 
eradteint  es  am  zweckndlBifaten,  unter  Realismus  im  Gegensatz  zu  dem 
Idealismus  (in  dem  S.  2ib  aiiKegebeiien  Sinn)  dieiemee  einsieht  zu  versldien, 
nach  der  auBer  dem  Psvcbischen  noch  irgend  etwas  Nicht-PsTchiscbes 
existiert. 

*)  Vgl.  Zum  geeenwärt.  Standp.  d.  EAenntnistheohe,  Wiesbaden  191'. 
S.  18  ff.  (namentl.  S.  20)  und  Grundlagen  der  Psychologie  %  i. 

')  Auch  Riehl,  Der  philos.  Erilizismus^  3.  Aufl.  Leipzig  1906,  Bd.  1, 
S.  38B  erklärt  ausdrücklich,  dafl  gewisse  ErkenutniSBe  ^  priori  heiBen,  wal 
sie  Aber  die  Erfahrung  hinausgeben  und  mehr  behaupten,  als  die  Erfahruni 
durch  Wahrnehmungen  uns  lehren  kann". 

")  Riehl,  1.  c.  S.  421.  Das  Zugestfiodnis,  daß  auch  unsere  apriorischen 
Erkenntnisse  sich  mit  und  an  der  Erfahruag  entwickeln,  hilft  Über  die 
Schwierigkeit,  wie  sie  fiber  die  Erfahrung  hinausgehen  können,  nicht  hinweg- 


,OOgk 


1.  Kwitel.    ErkennliusUMOFeliscbe  Gnmdlecuns.  257 

■aeb  dnrch  sein«  metaphysiBche  Deduktion  in  d«r  Analytik 
Bodi  dnreh  di«  Analyse  der  mathematiseheu  Axiome  und 
LebnStze  nnd  d^  Prinzipien  der  Natarwissenscbeft  — 
im  wirkliehe  Vorkommen  synthetischer  Satz«  a  priori 
uetuaweisen.  Wenn  z.  B.  das  Kanaalgesetz  ein  t^triori- 
sdm  Prinzip  wäre,  so  ktonten  nicht  zahllose  Henscheu  an 
Wonder,  an  eine  Erschaff nng  der  Weit  ans  dem  N&chta  n.  dgl. 
Rlubeo ').  Es  ist  eine  «anz  willkSrliehe  Behauptung,  wenn 
lengt  wird,  der  BegrifT  der  Schöpfong  und  Vemiehtnng 
hebe  die  Möglichkeit  der  Erfahrung  auf,  weil  er  der  Einheit 
<f«  DenkeiM  und  der  Zeit  widerspreche  *').  Wir  können  nns 
aui  Entstehen  und  Vergehen  sehr  wohl  denken,  ja  uns  sogar 
Qttetee  eines  solchen  vorstellen.  Der  moderne  Mensch  Ter- 
virft  es  nur  deshalb,  weil  die  Beobachtung  oiigends  und  nie- 
niaie  ein  solches  ergeben  hat.  Wenn  der  Naturforscher  jetzt 
das  Eausalprinzip  seinen  weiteren  Untersuchungen  zugrunde 
legt  und  es  als  allenthalben  gültig  voraussetzt,  so  ist  dies 
kein  Gebrauch  a  priori  (wie  Biehl  1.  c.  S.  439  meint),  sondern 
ein  AnalogieschluB  im  Sinn  der  Erwartung  auf  Grund  der 
Brfahrung.  Ebenso  ist  die  Apriorität  der  ^tze  der  reinen 
Hatbematik  nicht  nachznweisen.  Wir  können  dieselben  nur 
dnroh  Anschannng  beweisen  nnd  erwarten  nur  deshalb,  sie 
ü1)erall  und  immer  bestätigt  zu  finden,  weil  die  Erfahrnng 
Qiu  die  beweisenden  Anschanungeu  in  nnendlicher  Zahl  ge- 
bracht hat  und  jeden  Augenblick  mit  weiteren  zur  Ver- 
Kping  steht.  Die  „Allgemeinheit"  und  „Notwendigkeit", 
welehe  man  allen  diesen  Sätzen  zuschreibt,  bleibt  induktiv 
Qiid  hypothetiäch,  nur  ist  unsere  Gewißheit  der  Richtigkeit 
infolge  der  Unendlichkeit  der  beweisenden  Erfahrungen  so 
Kn>&,  dafi  wir  nns  erlauben,  von  Notwendigkeit  und  All- 
Kenwinheit  z«  sprechen.  Wir  können  sagen:  „Die  Welt  ist 
w,"  aber  nicht:  ,J>ie  Welt  mufi  so  sein."  Es  handelt  sicli 
um  erfahmngsmääige  Allgemeingültigkeit,  aber  niclit  um 
logiMh-absolute  Niotwendigkelt. 

Biese  drei  Einwände  gegen  den  PhänomenalismuB ") 
IsBBen  auch  ihn  nicht  als  geeignete  erkenntnistheoreüsche 

*)  Riehl,  1.  c.  S.  4381.  scheint  soüar  die  Priii2icien  der  Krbaltung  von 
MiHm  nnd  Energie  als  apriorisch  zu  betrachten.  Vgl.  jedoch  andrerseits 
ebada  S.  bm. 

»)  Vf[l.  Krit.  d.  rein.  Vem.,  Kehrb.  Aus«.,  S.  178ff.;  Hiehl,  I.  c.  ä.  M8, 
^')  Selbstversländlich  handelt  ea  sich  hier  nur  um  eine  unvoUsl&Ddige, 
kune  NamhaftmachuDiC  der  BinffBnde.    Bezüglich  einer  eingehenden  Brftrt»- 
Zi*h«it,  Ltbrbucli  der  Lopt.  17 

„.,,„,^.oogic 


258       ^'-  TeiL    Erkenntnistheorettsdie  usw.  Grundlegung  der  Logilc. 

Grandlage  der  Logik  erscheinen.  Noclt  viel  weniger  kann 
der  Logizismns  als  Bolcbe  gelten.  Dieser  geht  von  d«n 
richtigen  Satz  ans,  dafi  die  Logik  insofern  von  der  Psycho- 
iogie  wesensversohieden  ist,  als  sie  nicht  wie  letztere  den  tat- 
sächlichen Ablauf  und  die  tatsächliche  Entwicklnng  des 
Denkens  untersucht,  sondern  Gesetze  für  ein  ideales,  formal 
richtiges  Denken  aufstellt.  Er  zieht  aber  ans  diesem  rieb- 
tigen  Vordersatz  eine  falsche  Schlnßfolgcrung  **),  indem 
er-  nun  das  Logische  überhaupt  ganz  vom  FBychologiBcben 
loslöst  und  als  ein  ganz  besonderes  Beicb  deutet,  das  ebenso- 
wohl von  den  Mngen  (Dingen  an  sich  usw.)  wie  von  den  p^- 
chischen  Vorgängen  ganz  unabhängig  ist.  Die  meines  Er- 
achtens  unwiderlegbaren  Hanpteinwände,  welche  gegen  den 
Logizismns  erhoben  werden  müssen,  sind  folgende: 

E  rs  t  e  ng  muß  die  für  den  Logizismns  unerläßliche  und 
cliarakteristiscbe  Annahme  bestritten  werden,  daB  es  mög- 
lich sei,  durch  rein  logische  Zergliederung  eines  Begriffes 
irgendwelche  matcriale  Aufschlüsse  zu  erhalten,  die  von  der 
Erfahrung  unabhängig  sind.  Schon  Kent  neigte  in  der 
2.  Auflage  seiner  Kritik  der  reinen  Vernunft  zn  dieser  An- 
nahme *°),  and  viele  seiner  Anhänger  haben  diese  logizistischc 
Neigung  noch  viel  stärker  hervorgehoben,  als  es  dem  Wort- 
laut und  dem  Gedanbenzusauunenhang  des  Kantschen  Werken 
entspricht.  Nach  dieser  Annahme  wäre  es  möglich,  unab- 
hängig von  aller  Psychologie  rein  logisch  durch  Zei^liede- 
rung  des  Begriffs  der  „Erfahrung"  (bzw.  des  „Gegenstandes" 
oder  des  „Denkens"  oder  des  „Urteils"  oder  einer  „Verbin- 
dung überhaupt")  ")  zu  synthetischen  Erkenntnisse  n  a  priori 
zu  gelangen.    Es  soll  auf  diesem  Wege  glücken,  rein  logische 

rung  derselben  muß  auf  meine  S.  250,  Anm.  10  ansefOhrlen  erkenatnistbeo- 
retiscben  Arbeiten  und  sp&tere  EinzeläusfQhrunsen,  naroenU.  g  M,  verwiesen 
werden, 

")  Als  Anlipsvchologismus  bezeichnet  man  gewöhnlich  den  rlclitiien 
Vorderaatz  mitsamt  den  falschen  Schlußfolgerungeiu 

^')  In  der  ersten  Auflage  finden  sich  nur  Andeutungen  in  dieser  Rich- 
tung, z.  B.  KehrfoachMhe  Ausg.  S.  ISS,  Anm. 

")  Vgl.  z.  B.  Riehl,  L  c.  S.  St»,  608  f.,  607^  621,  526,  UO.  Sehr  miß- 
TerslüncUicfa  Ist  es  auch,  wenn  Riehl  S.  ibG  von  diesem  Standpunkt  aus  ,be- 
hauptet,  daß  die  Reflexion  auf  Form  und  Gehalt  einer  sinnlichen  Varstelhinf 
logisch,  nicht  psychologisch  sei  und  „durch  Zergliederung  des  BegriOs  «ner 
wnpUischen  Anschauung  erfolge  .  .  .  ."  TatsichUch  erfolgt  sie  durch  Zer- 
gliederung der  empirischen  Anschauung  selbst  und  nicht  ihres  Begiifies- 
Vgl.  auch  I,  c.  S.  46a 


1.  KafiteL    EAennlnistbeoretuche  Gnindleguiv.  259 

Fannen  zu  ermitteln,  die  unabhängig  von  aller  Erfahrung 
*iai,  die  aber  zugleich  die  Bedingungen  der  Möglichkeit  der 
Erfilinmg  darstellen.  Es  muß  nun  b^tritten  werden,  daß 
tm  solcher  Weg  überhaupt  existiert.  Dnrch  logische  Zer- 
gliedenmg  werde  ich  mir  immer  nur  über  das  Verhältnis 
Duiner  Begriffe  untereinander  klar.  Zu  irgendwelcher,  von 
der  Erfahrung  unabhängigen  inhaltlichen  Eineicht  gelange 
ieh  durch  eine  solche  Analyse  nicht.  Es  iät  der  logizistischen 
Schale  nicht  gelungen,  ein  einziges  unbestrittenes,  einwand- 
freies Beispiel  einer  erfolgreichen  derartigen  reinlogischen 
Analyse  beizubringen.  Sie  hat  sich  daher  denn  auch  schließ- 
lich damit  helfen  müssen  zn  behaupten,  daß  an  Stelle  der 
iogiflchen  Zergliederung  eine  besondere  Intuition  (,^haa- 
irng"  asf.)  tritt,  welche  sieh  natürlich  jeder  Erörterung 
entzieht 

Zweitens  ist  die  Annahme,  daß  das  Logische  irgend 
etwas  besonderes  Drittes  neben  den  tatsächlich  ablaufenden 
iadividnellen  Empfindungen,  Vorstellungen,  Denkvorgängen 
vai  neben  den  diesen  etwa  zugmnde  liegenden  individnellen 
Dingen  an  sich  bzw.  Beduktionsbestaadteilen  sei,  sowohl 
nberflnssig  wie  unklar.  Ihre  Überflüssigkeit  wird  sich  in  der 
«rkeoDtuütheoretiBchen  und  autochthonen  Grundl^Tung  der 
Logik  (s.  unten  ^  84  ff.)  ergeben.  Ihre  Unklarheit  liegt  darin, 
daß  der  Iiogizist  nns  nirgends  eine  zureichende  Cbarakte- 
nstik  (geschweige  denn  eine  Definition)  dieses  angeblichen 
dritten  Beichs  des  Logischen  gibt  and  ebensowenig  durch 
^vandfrcie  Beispiele  ans  den  Sinn  seiner  Annahme  klar  zu 
madien  vermag.  Was  er  ans  als  Beispiele  für  Wahrheiten 
an  sich,  Vorstellungen  an  sich  usf.  beibringt,  sind  durchweg 
entweder  Denkvorgai^re  einzelner  oder  vieler  Individuen 
oder  Tatbestande,  einzelne  oder  allgemeine,  im  Bereich  unsrer 
Vorgtelltmgs-  oder  Empflndungsvorgänge  oder  der  diesen 
ZDgrunde  liegenden  Dinge  an  sich  bzw.  RedukUonsbestand- 
teile.  Der  „G^enstand"  einer  Vorstellong,  eines  Urteils  usf. 
als  Korrelat  des  Inhalts  ")  der  Vorstellung  bzw.  des  Urteils 
Bsf.  ist  nichts  ^ideree  als  ein  Komplex  oder  Teil  eines  Kom- 
plexes von  Dingen  an  sich  (Bednktionsbestandteilen),  Emp- 
fisdungen  oder  anderen  Voretellangen,  auf  welchen  sich  die 
Vorstellung,  das  Urteil  osf.  bezieht.    Diese  tatsächliche  Be- 


")  Auch  die  G«cner  du  Losiziitea  unteracheideD  also  zwischen  Inhalt 
wd  GefensUad. 


260       II-  ^^''-    Ei^enntiiisUiearetisclie  usw.  Gnindlacunc  der  Logik. 

Ziehung  inTolviert  selbständig  ein  tiefes  and  schwieriges 
Problem,  aber  es  wird  nicht  dadurch  gelöst,  dofi  man  di«seTi 
„Ctegenständm"  eine  dritte  besondere  Seinsweise  oder  Weise 
dee  Bestehens  znsohreibt,  die  jeder  Charakteristik  und  jeder 
tatsächlichen  Unterlage  entb^irt. 

Damit  hängt  es  aneh  zusammea,  daß  die  Logiiisten  aber 
die  SeinBweiBe  dieser  logiaehen  Gegenstände  alles  andere 
eher  ala  einig  sind.  Bald  scheinen  sie  ihnen  überhaopt  jede 
Realität  abzusprechen,  bald  bean^mchen  sie  für  dieselben 
eine  neoe  besondere  Bealität,  bald  sollen  die  Gegenstände 
ganz  zeitlos  und  allgemein  sräs,  bald  scheinen  sie  doch  sach 
indiTiduell  nnd  zn  einem  bestimmten  Zeitpunkt  vorbanden 
zu  sein,  bald  sind  sie  „Wesen"  bald  „Werte",  bdd  bab^i  sie 
die  Bedeutung  dee  Seins,  bald  des  Sollens  usf.  (vgl.  %  ^ 
u.  46  und  nuten  S.  270). 

Drittens  'ist  im  besonderen  die  Ixwlösung  des  Iii^- 
schen  vom  Pa^chischen  nicht  gelungen.  Der  Logizismus  "ves- 
wechselt  das  Psychische  mit  dem  Psychologischen.  Weil  die 
übliche  Psychologie  in  der  Tat  nicht  imstande  ist,  ohne  be- 
sondere Bülfskonstruktionen  (vgl-  das  Kapitel  „antochthone 
Grundlegung  der  Logik",  ^  84  ff.)  die  logischen  Probl^ne  sn 
behandeln,  will  er  die  Psychologie  ganz  eliminierNi  und 
damit  das  Ix^sche  vom  PsychologisohMi  absolut  trennen. 
Dabei  bleibt  die  Tatsache  bestehen,  daS  alle  logischen  Qe- 
setze  sieh  wenigtens  zimäehst  auf  die  tatsächlichen  Denk- 
vorgänge beziehen.  So  gewiß  wir  bei  der  Erforschung  diseer 
Gesetze  nicht  den  tatsächlichen  Ablauf  der  Denkvorgänge  als 
solchen  untersuchen,  sondern  mit  Bezug  auf  seine  Richtig- 
keit prüfen,  so  gewiß  haben  wir  es  dabei  doch  noch  immer 
mit  den  Denkvorgängen  zu  tun.  Ohne  diese  hätte  die  Logik 
überhaupt  kein  Objekt  ihrer  Tätigkeit.  Selbst  wenn  man 
eine  besondere  Welt  logischer  Gegenstände  anerkenn^i  wollte. 
könnte  sie  doch  nur  durch  Vermittlung  psychischer  Vor- 
gänge uns  zugänglich  werden.  Eine  Ausschaltung  der  Psy- 
chologie wäre  also  selbst  dann  noch  ganz  unmöglich.  Tat- 
sächlich ist  diese  Ausschaltung  in  d€ai  Werken  der  Logizisten 
auch  gar  nicht  durchgeführt.  Allenthalben  handelt  es  sich 
auch  bei  ihnen  durchweg  um  psychi&che  Vorgänge,  speziell 
Denkvorgänge,  die  nur  von  einem  besonderen  Standpunkt 
aus  betrachtet  werden. 

Da  dies  Werk  nicht  der  Erkenntnistheorie,  sondern  der 
Logik  und  zwar  im  alten  Sinn  der  formalen  Logik  gewidmet 

„.,,„,^.oogic 


1.  Kapitel    BAeontnistheoretiadie  GiUndleminr.  361 

ist,  maä  di«  Kritik  der  Hsaptansiehteti  sich  auf  diese  kurzen 
Site  besekränken.  Nacbdem  sich  hierbei  schwere  Bedenken 
gega  die  psyehophraiscbe,  idealistieebe,  e^otistische,  pfaäno- 
iBeaiüatiaehe  and  loflizistisehe  Ansicht  ergeben  haben,  leg« 
ich  ^  von  mir  vertretene  sechste  Ansicht,  den  Binom  is- 
niQs  der  folgenden  Darstellong  zn^rnnde.  Es  soll  jedoch 
aUeathalben  auch  weiterhin  der  erkenntnistheoretieehe  9t«Dd- 
imnkt  der  anderen  Ansichten,  soweit  erforderlich,  mitberüek- 
uektigt  werden.  Überhanpt  ist  naohdrücklieh  nochmals  zu 
betoaen,  daß  die  Lehren  der  formalen  Logik  auch  unabhängig 
von  diesem  oder  jenem  erkenntnistfaeoretischen  Standpunkt 
als  solche  zoreeht  beeteben,  und  daS  die  erkenntnistbeo- 
retiscbe  Qmndlegang  im  wesentUchea  nur  die  Stellung  der 
logischen  Lehren  im  Qesamtsystem  der  Philosophie  betrifft 

(  59.    Die  drei  Gmudbesi^iiiigra.    Dia  Famdaltea  und 
die  GegeMtibide  (Argummite)  der  VoisteUnngciL    Die  Gr- 

kenntnigtheorie  im  weitereu  Sinne  (als  Gignonwnologie,  vgl. 
S.lla.241)  hat  das  Gegebene  (dieOignomene)  zerlegt  und 
eingeteilt  (vgl.  S.  252).  Die  Zerlegung  ist  für  jedes 
einzelne  Gi^rnomeu  in  BeduktionsbestandteU  (Bedukt,  vom 
Standpunkt  des  Phüaomenalismos  »Ding-  an  sich")  und 
Parallelkomponente  (psyeholi^iaebe  Komponente)  erfolgt. 
lue  Parallelkomponente  ist  bei  den  Empfindungen  (Ehnj^n- 
dungsgignomeDen)  und  den  Vorstellungen  (Vorstellungs- 
giKnomenen  in  dem  umfassenden  S.  252  festgesetzten  Sinn) 
verschieden.  Hierauf  gründet  sich  eben  die  Einteilung 
der  Gesamtheit  des  Gegebenen  in  Emi^iulongsgignonkeae 
und  Vorstellnng^gnomene.  Zugleich  hat  sieh  eine  be- 
stimmte Kückbeziehung  der  Vorstellungsgignomene  auf  die 
Empfindungsgignomene  und  eine  Beziehung  der  letzteren  auf 
die  ihnen  hypothetisch  zugrunde  gelegten,  uns  direkt  nicht 
mgtuiglichen  Beduktionsbestandteile  ergaben.  Während  nun 
die  Erkenntnistheorie  diese  B^iehungen  nach  Kausal- 
wirknngeD  und  Parallelwirkungen  zerlegen  mnfi,  kann  sieh 
die  Logik  in  ihrer  erkenntnistheoretiBchen  Grundlegung  da- 
mit begnügen,  die  Beziehungen  nnzerl^  aufzuzählen  und 
euzoteilen.  Dabei  ergibt  sich,  wenn  man  von  den  Empfin- 
dangen  ausgeht,  folgende  Stufenleiter.  An  die  Empfindung 
£  aeUieBt  sieh  das  primäre  Erinnerungsbild  V  (vgl.  S.  4), 
7~  B,  an  die  Oesichtsempfindang  eines  bestimmten  Baumes 


OgIC 


2ß2      n.  Teil.    Eikenntnislhnretjsche  unr.  Onmdicgung  fer  LocilE. 

da»  optische  Eritmerun^bild  diese«  Baumes*).  Die  Be- 
sdehnDg  von  V  aaf  E  soll  dnrcli  das  Symbol  Y^-E  aofi- 
gedrftckt  und  kurz  als  Erinnernnffsbeziehnng:  be- 
zeichnet werden.  Bie  Eigenartigrkeit  dieeer  ,iR  ü  c  k  - 
beziehnn^'  (vgl.  S.  251)  wird  von  der  ErkeantniBtheorie 
ansführlich  erörtert;  die  Lo^k  kann  sie  als  gegeben  voraus- 
setzen (siehe  jedoch  auch  nnten  S.  268).  Die  EmpflndTing' 
ihrerseits  hat  eine  eigentümliche  Beziehnng  za  einem  hypo- 
thetischen Beduktionsbestandteil  (Ding  an  sieh)  B,  den  sich 
der  I^ysiker,  wenn  es  sich  tun  einen  Baom  handelt,  etwB  al» 
einen  Komplex  von  Molekülen  denken  würde.  Diese  Be- 
ziehnng mag  Reduktbeziehnng  oder  Dingbezie- 
hnng  heißen  und  symbolisch  durch  E-*-B  ausgedrückt 
werden.  Auch  diese  Beduktbeziehung  wird  von  der  Er- 
kenntnistheorie untersucht  und  von  der  Logik,  soweit  sifr 
überhaupt  Veranlassung  hat  sich  mit  ihr  zu  beschäftigen,  aus 
der  Erkenntnistheorie  einfach  übernommen  (siehe  jedocit 
auch  S.  268).  Die  dritte  Beziehung  besteht  zwischen  des 
Denkvorgängen  im  weitesten  Sinn  V,  welche  sicli  an  die 
primären  Erinnerungsbilder  anschließen  und  mit  diesen  sie 
Vorstellungen  im  weitesten  Sinne  zusammengefaßt  wurden, 
einerseits  und  den  primären  Erinnemngsbildem  anderseits. 
Man  denke  etwa  an  die  Beziehung  zwischen  der  Allgemein- 
vorstellung  „Baum"  und  den  primären  Erinnerungsbildern 
einzelner  Bäume  (Baumindividnen)  oder  an  die  zusammen- 
gesetzte Vorstellung  eines  Walds,  einer  Melodie  nrf.  oder  an 
das  Urteil  „der  Banm  hat  einen  Stamm"  usf.  Diese  dritte 
Beziehung  bezeichne  ich  als  Denkbeziehung  und  sym- 
bolisch mit  V-^V*).  Innerhalb  dieser  Denkbeziehung  be- 
stehen noch  mannigfache  weitere  Abstufungen,  indem  Vor- 
stellungen höherer  Ordnung  sieh  auf  Vorstellungen  niederer 
Ordnung  beziehen,  etwa  im  Sinne  der  Symbole  V"^-V, 
V"'-»-V"  usf.  Bei  weitaus  den  meisten  Denkergebnieeeii 
haben  wir  es  bereits  mit  solchen  höheren  Stufen  zu  tun,  so 
daß  die  Beziehung  auf  V  keine  direkte  mehr  ist    Wie  E  die 

')  Dabei  imiQ  noch  von  jeder  ZusammPtifassuns  (OesUltauffossuns)  usL 
abgesehen  werden,  da  eine  solche  schon  über  die  einfache  prim&re  Eriune- 
rting  hinausseht 

^  Vgl.  z.  B.  meine  ErkennlTustheorif^  Jena  191S.  S.  288  u.  30a 
')  Unter  V  hat  man  sich  hier  stets  mehrere  Vorstelhmgen  —  min- 
d«slens  r.mei  —  zu  denken. 


OgIC 


I.  Kapitel.    ErkenDtnistheoretiEche  Gnindlecans.  263 

„Grandempfindang"  für  V  ist,  so  ist  V  die  „Qrnnd- 
Torstellnng"  für  V,  V  die  GnuidTorstellTinff  för  V" 
nrf.  Allen  diesen  Beziehungen  der  3.  Klasse  (V'-^V)  bleibt 
aber  (^meinsam,  daß  es  sich  um  Beziehungen  von  V  ü  r  - 
BteUnn^en  (im  weitesten  Sinne)  untereinander 
bieht  von  VorBtellnDgen  anf  Empfindungen  wie  bei  der 
1  Klasse)  handelt.  Nach  der  in  ^  1  gegebenen  Definition  der 
logik  hat  die  letztere  «6  unmittelbar  ^wziell  nur  mit  der 
dritten  Beziehung  zu  tun  und  zwar  in  Gemeinschaft  mit  der 
BrkemitniBtheorie  (s.  str.).  "Die  beiden  anderen  Beziehungen, 
E-*-E  nnd  V-*-E,  feommen  fÖr  die  Lt^k  nur  insofern  in 
Betracht,  als  sieh  die  Benkakte  mittelbar,  d.  h.  durch  Ver- 
mittlmig  von  V,  zu  einem  großen  Teil  doch  in  letzter  Linie 
auf  ein  E  oder  sogac  ein  hypothetisches  B  beziehen 
(V-^V-*-E  oder  V-*-V-^E-^R)  und  die  größtmögliche 
Übereinstimmung  mit  den  E's  bzw.  B's  bezwecken. 

Ganz  allgemein  kann  man  sagen,  daß  das  Denken  fsich 
auf  irgendeinen  „Tatbestand"  bezieht  und  dieser  Tat- 
bestand bald  im  Bereich  der  R's,  bald  im  Bereich  der  E's,  bald 
im  Bereich  der  V's  liegt.  So  kann  sich  z.  B.  das  Benken  auf 
die  Molekularformel  des  Benzols  (hypothetisches  R)  oder  auf 
üeParbe  eines  Minerals  (E)  od.  auf  die  Teilvorstellungen  (V) 
eises  Vorstellungskomplexes  beziehen.  Im  zweiten  Falle 
wird  R,  im  dritten  R  and  E  unberücksichtigt  gelassen.  Ja 
Bogar  derselbe  Satz,  in  dem  wir  einen  Gedanken  V  formu- 
lieren, bekommt,  je  nachdem  man  ihn  nur  zu  V  oder  auch 
zu  E  oud  B  in  Beziehung  setzt,  eine  verschiedene  Bedeutung. 
Die  eben  erörterte  genetische  Beziehung  höherer, 
d.  h.  abgeleiteter  Vorstellungen  auf  niedere  kann  man  in 
Anlehnun«  an  Meinong  u.  a.  (vgl.  §  45)  auch  als  ,^Pun- 
dierung"  eines  „Superins"  anf  „Inferiora"  und  demgemäß 
Vals  fundierende,  V  als  fundierte  Vorstellung  be- 
zeichnen. Nicht  aber  darf  man  die  fundierten  Vorstellungen, 
wie  dies  sehr  oft  geschieht,  als  „Vorstellungen  von  Voratel- 
loogen'*  auffassen.  Man  denkt  sich  nämlich  zuweilen,  daß 
wir  imstande  seien,  von  einer  Vorstellmig  V,  uns  nochmals 
—  gewissermaßen  reduplizierend  oder  reflexiv  —  eine  Vor- 
stellung' zu  machen,  also  etwa  im  Sinne  des  Symbols  V  (V.). 
IHe  Selbstbeobachtung  zeigrt  jedoch,  daß  der  Veranch  einer 
•olehen  Bildung  von  Vorstellungsvorstellnngen  absolut 
eeheitert:    wir    kommen    öbor    die    Vorstellung    V:,     nicht 


2frl       IL  Teil.    Erkennlnistheorotisch«  us*'.  Gnindlesung  der  Logik. 

liiuaus*).  Wohl  aber  ist  es  uns  möglieb,  mit  Hilf« 
anderer  Vorstellungea  im  Anschluß  an  V,  dank  den 
drei  Grandfanktionen  (vgl.  §  70)  nene  Voratellnngen  V  so 
bilden,  die  sich  in  irgendeiner  Weise  anf  V«  beziehen,  also 
—  nach  der  eben  angeführten  Terminologie  —  VorvteUnnuen, 
die  anf  V.  nnd  andere  Vorstellimgen  „fnodiert"  sind  and 
daher  eine  Deukbeziebong  zn  Vg  haben.  Eb  mnß  an  schweren 
MiSverstandnisBeo  führen,  wenn  man  solche  fundierten  Vor- 
stellungen als  „VorstellongMi  von  Vorstellungen"  bezeidbnet 
Man  wird  dann  immer  wieder  zu  der  soeben  abgewiee^Mo 
Annahme  verführt,  wir  krämten  ohne  Hilfe  anderer  Vor- 
stellungen von  einer  und  derselben  Vorstellnng  V,  uns  noch- 
mals eine  Vorstellung  machen,  die  vMi  V  •  selbst  irgendwie 
.verschieden  wäre. 

Es  ist  ferner  zweckmäßig,  den  Terminus  „Fundierodff" 
auch  auf  die  erste  und  zweite  Beziehung  anzuwenden,  al0O 
quch  von  einer  Fnndiemng  des  primären  Erinnernngsbildee 
V  in")  der  Empfindung  G  und  —  unter  bestimmten 
erkenntnistheore tischen  Vorbehalten  —  von 
einer  Fundierung  der  Empfindung  E  in  dem  hypothetisch 
hinzugedachten  Redukticmsbestandteil  B  (Bednkt,  Ding  an 
sich,  Beiz  der  naiven  physiologischen  Auffassung  usf.)  m 
sprechen. 

Das  Fundierende  (Meinongs  Inferius)  soll  nunmehr  ganz 
allgemein  als  Fun  dal  (Plural  Fundalien),  das  Fundierte 
als  Edukt*)  bezeichnet  werden.  E  ist  also  das  Edukt  von 
B,  B  das  (hypothetische)  Fundal  von  E,  V  das  Edukt  von  K, 
E  das  Fundal  (die  Grundempflnduug)  von  V,  V  das  EdnW 
von  V,  V  das  Fundal  (die  Grund  Vorstellung)  von  V,  V"  das 

*)  Vgl  meine  GnindL  d.  Psychol.  Bd.  3;  S.  17  H.  (namenU.  S.  24).  t»« 
dit  enüeiengeaetzte  Ansidit  vgl.  z.  B.  Brentano,  PsycboloBie  v.  empir.  Standp., 
Lpz.  187Jv  S.  166  f[. 

")  Die  Ausdrücke  ,4^]ndie^uue  in  .  .  ."  und  „Fundierung  durch  .  .  ■" 
und  „Fundierung  auf  .  .  ."  sind  gleichbedeutend. 

*)  Die  naheliegende  Bezeichnung  .Produkt"  vermeide  ich,  weil  äe  tu 
dem  Intum  verfahrt,  als  bitchte  der  Gegenaland  selbstAndig  und  alleio  au^ 
sich  das  Edukt  hervor.  Überdies  wird  der  Ausdruck  „Produktion"  bereits  von 
der  Meinoneschen  Schule  (vgL  namentl.  Ameseder  in  Heinongs  Unten  >' 
■  Gc»cnslandslheorie  u.  Psychologie,  Leipzig  190t,  S.  488)  in  einem  abweidien- 
den  —  vor  allem  engeren  —  Sinn  sebiaucht  —  Mit  der  edoctio  der  Scto- 
lastiker  hat  das  Edukt,  wie  es  oben  itemeint  ist,  nichts  zu  tun^  diese  bedwict 
vielmehr  die  eductio  fonnae  de  polentia  matej-iae,  —  Die  etwa  in  Antohmu» 
an  Wundt  naheliegende  Bezeichnung  „Resultante"  acheint  mir  fthnlichen  Be- 
denken zu  unieriiegen  wie  die  Bezeichnung  „Produkt". 

„.,,„,^.oogic 


1.  Kvitel.    ErtcenntftiBUworatis^e  GmndlegunK.  2S5 

Ednkt  von  V,  V  das  Fundal  von  V  usf.    Orundempflndang 
nmi  GnmdTOTStelliin?  (S.  262)  sind  also  Spezialfälle  eines 

Besondere  Verhältoiase  ergeben  sich,  wenn  das  Fondal 
t)?endwie  zasammengeBetxt  ist.  Dann  besteht  nämlich  die 
Terarbeitmig:  des  Fnndals  zom  Ednkt  meistens  aaob  darin, 
M  mir  Teile  des  Fnndals  für  die  Bildnng  des  Ednkts  ver- 
wertet werden*),  während  die  übrigen  Teile  unverwertet 
bleiben.  Von  ersteren  werden  wir  später  auch  sagen,  dafi 
sie  isoliert,  von  letzteren,  daß  sie  weggelassen  oder 
reprimiert  werden.  Wenn  wir  z.  B.  zwei  Engeln  ver- 
fleiehen  nnd  zn  dem  Ednkt  gelangen,  dafi  sie  gleich  groß 
Bind,  so  ist  nnr  die  ränmliche  Ansdehnung  der  Kngeln  ver- 
wertet worden ;  Farbe  nsf .  sind  reprimiert  wordm. 

Es  empfiehlt  sich,  denjenigen  Teil  des  Fnndals  bzw.  ,der 
ftindalien,  der  zur  Verwertung  bei  der  Bildnng  des  Edukta 
gekommen  ist,  und  anf  den  sich  daher  das  Ednkt  speziell 
hezieht,  d.  h.  also  das  zu  V  speziell  gehörige  V  nnd 
das  zu  V"  speziell  gehörige  V  mit  einem  besonderen 
Namen  zn  belegen.  Als  solcher  soll  hier  das  Wort  „Q-  e  g  e  n  ~ 
stand"  oder  „Objekt"  verwendet  werden.  Die  Kngeln 
uosraes  Beispiels  sind  das  Fnndal,  ihre  OrÖfienielation  der 
Gegenstand  des  Gleicbheitsurteils,  das  Gleichheitsurteil 
selbst  das  „Ednkt",  die  Vorstelltmg  der  Gleichheit  der 
Engeln  der  ,JnhaIt"  des  Ednkts  (vgl.  ^  72).  Ein  anderes 
Beispiel  für  diesen  wicht^n  unterschied  ist  der  Satz  von 
der  Inhaltsgleichheit  solcher  Dreiecke,  die  in  Grundlinie  und 
Höhe  übereinstimmen.  Wird  dieser  Satz  etwa  für  die  Drei- 
ecke ABC  nnd  A'B'C  bewiesen,  so  sind  die  Dreiecke  selbst 
einsehliefilich  aller  ihrer  Eigenschaften  und  Belatiotaen 
dss  Fnndal  des  Satzes,  hingegen  ist  sein  Gegenstand 
nur  die  Inhaltsgleichheit  von  ABC  und  A'B'C'.  Der  Inhalt 
des  Satzes  „entspricht"  dieser  liohaltsgleichheit. 

Der  Gegenstand  ist  also,  kurz  gesagt,  der  speziell  ver- 
wertete Teil  des  Fnndals.  Nnr  ausnahmsweise,  nämlich  wenn 
SU  keine  Weglassungen  erfolgt  sind,  fällt  der  Gegenstand 
mit  dem  Fnndal  zusammen.  Dabei  steht  nichts  im  Wege, 
das  gesamte  Fnndal  auch  als  Gesamtgegenstand 
'Gegenstand    im    weiteren    Sinne)    zu    bezeichnen. 

^  Du  fänUchtie  Bei^icl  dieser  partiellen  Verwertung  ist  im  Bereich 
^  Erapfindongen  in  der  sog.  scnsohrilen  AuFnuriisarakeit  geit^ben. 


OgIC 


2g6       n.  Teil.    EikennlniBtheoKtisehe  usw.  GnindlesniiB  der  Logik. 

Eine  scharfe  Abgrenznng  zwischen  Fandal  und  Gegenstand 
ist  nbrigens  ohnehin  sehr  oft  überhaupt  nicht  möglidk,  da  die 
Isolation  des  Gegenstandes  aus  den  Fundalien  gradweise  ver- 
aehieden  ist  (vgl.  S.  317  u.  ^  90),  insofern  wir  manche  Teile 
hei  der  Bildung  des  Edukt«  nicht  vollständig  weglassen,  son- 
dern nur  „reprimieren". 

Anch  die  Bezeichnung  „Gegenstand"  beschränken  wir 
.  nicht  auf  die  Beziehung  der  Vorstellungen  zueinander,  son- 
dern dehnen  sie  auch  anf  Empfindung  und  Beduktione- 
bestandteil  aus.  Es  ist  also  nicht  nur  V  der  Gegenstand  von 
V"  und  V  der  Gegenstand  von  V,  sondern  auch  E  der  Gegen- 
stand von  V  und  B  ein  hypothetischer  Gegenstand  \'on  E. 
Daraus  erhellt  zugleich,  daS  dasselbe  V  je  nach  der  Be- 
ziehnng,  in  der  es  betrachtet  wird,  bald  Edukt  bald  Gegen- 
stand ist"). 

H&n  hat  darauf  zu  achten,  daB  mit  dem  Terminus  „Gegenstand"  der 
tats&chliche  fundierende  Gegenstand  gemeint  ist,  nicht  aber  die  Vor- 
stellung, die  wir  uns  oft  noch  sekundär  Ton  diesem  Bezugsgegenstand  tnachen. 
Gegenstand  und  Gegenstandsvorstellung  sind  im  allgemnnen 
nicht  identisch.  So  denken  wir  uns  zur  Phantasievorstellung  eines  Gartens 
wohl  änen  solchen  Garten  als  Gegenstand  hinzu  (=  GegensUndsrorsteUung), 
aber  gegeben  sind  mir  als  zugehörige  Gecenst&nde  nur  die  Erinneiun^ildei 
früher  gesehener  Bäume,  Beete  usf.,  aus  denen  ich  die  Phantasievorstellung 
zusammengesetzt  habe.  Nicht  selten  ist  die  Gegenstandsvorst eilung  geradezu 
falsch.  So  kann  z,  B.  der  tatsächliche  Gegenstandskomplex  6  X  17  zu  dan 
Vorstellungsergebnis  103  gefQhrt  haben,  ich  mir  aber  nachträglich  infoige  einer 
Verwechslung  7  X  Iß  als  Gegenstand  vorstellen.  Hier  ist  S  X  17  der  Gegen- 
stand und  7  X  16  die  (falsche)  Gegenslandsvorstellung.  Ebenso  beachte  nun, 
daß  die  Gegenstandsvorstelluns,  wie  auch  schon  das  letzte  Beispiet  zeigt,  vod 
der  auf  den  Gegenstand  sich  beziehenden  Vorstellung  verschieden  ist  Die 
Vorstellung  102  bezieht  sich  auf  %y.n  als  ihren  Gegenstand  und  ist  also  mit 
der  Vorstellung  des  Gegenstandes,  d.  h.  mit  der  Vorstellung  8X1'  biv,-.,  im 
Fall  der  eben  erwähnten  Verwechslung,  mit  der  Vorstellung  7  X  16  durchaus 
nicht  identisch.  Man  muB  sich  nur  vor  dem  weitverbreiteten  Irrtum  hüten, 
als  sei  der  I  n  h  a  1 1  einer  Vorstellung  ihr  Gegenstand,  als  richte  sich  bei  der 
Vorstellung  ein  „Akt"  auf  ihren  Inhalt  als  Gegenstand.  Der  Inhalt  einer 
Vorstellung  liegt  fOr  den  von  mir  vertretenen  Standpunkt,  wenn  man  es  etwas 
drastisch  ausdrOcken  will,  stets  innerhalb  seiner  Vorstellung.  Vgl.  aucb 
§  72. 

Ist  eine  Kette  fundierender  und  fundierter  Gegenstunde 
Sieben,  z.  B.  B,  E,  V,  V,  V",  V"  usf.,  so  kann  man,  wenn 
man  von  der  Vorstellung,  welche  die  Kette  afoschlieSt,  als» 
z.  B.  V'"  ausgeht,  diese  alsTerminaledukt,  Y'  als  ihren 
Prozimalgegenstand    (direkten    Gegenstand)    und 


»)  Diese  Relativität  gilt  natürlich  auch  für  V.  V"  uat  (s.  S.  3WJ- 


1.  Kapitel.    ErfcenntiiisUieoretische  Onindlegung.  267 

dieEeihe  V,  V,  E,  R  als  die  Distal  gegenstände  (in- 
direkte Qe^nstände)  bezeichnen ").  Der  distalste  (ent- 
fmiteste)  Ge^nstand  mag  der  Prinzipialgegenstand 
ieißea,  die  zwiechen  dem  Proximal-  nnd  dem  Prinzipial- 
KSKemtand  eingeschobenen  Gegenstände  sind  die  inter- 
mediären Gegenstände.  Analoge  Bezeicfaniingen  er- 
gtben  sich  für  die  Fnndalien. 

Im  allgemeinen  bezieht  sich  jede  Vorstellung  ent- 
sprechend ihrer  Genese  anf  den  zugehörigen  Proximalgegen- 
sland,  also  z.  B.  V  anf  V,  indes  wird,  sehr  oft  in  nnserem 
Denken  auch  eine  Vorstellong  auf  einen  genetisch  ent- 
feroteren  Gegenstand,  also  V  z.  B.  auf  E  oder  sogar  auf  ein 
hinzugedachtes  hypothetisches  K  bezogen.  Wemi  ich  bel- 
tpielsweise  jetzt  die  Vorstelinng  V  des  Mondes  und  eines 
Sternes  reproduziere  (ohne  beide  zu  sehen)  und  die  Vorstel- 
iong  V  des  Größenuntersehieds  beider  Gestirne  bilde,  so  be- 
gehe ich  diesen  Größennnterschied  in  der  Begel  gar  nicht 
anf  eine  Verschiedenheit  der  Vorstellungen  V,")  sondern  auf 
•iie  Empfindungen,  die  ich  von  Mond  und  Stern  frtther 
gehabt  habe,  und  noch  öfter  anf  Mond  und  Stern  selbst,  d.  h. 
auf  die  B'a,  die  ich  mir  hypothetisch  für  die  Empfindungen 
denke  (also  auf  die  ,J)inge"  dee  naiven  Menschen).  Die  Denk- 
iKziehtmg  kann  also  eine  oder  mehrere  Glieder  der  Kette  der 
genetischen  Beziehungen  (der  Fundierungsbeziehungen)  ge- 
wifiBermaßen  überspringen,  sie  ist  nicht  an  den  Proximal- 
S^nstand  im  genetischen  Sinne  gebunden.  Anders  aus- 
sedrüekt:  ich  beziehe  sehr  oft  V"  nicht  auf  V°-',  sondern 
ir^ndein  V  mit  noch  niedrigerem  Index  oder  auf  E  oder 
auf  B.  Es  wird  also  nicht  nur  der  „Gegenstand"  unter  den 
fWdalien  einer  Stufe  (z.  B.  der  V-Stufe  oder  V'-Stufe) 
jwliert",  sondern  außerdem  auch  jede  Vorstellung  bald  auf 
den  Gegenstand  dieser,  bald  auf  den  Gegenstand  jener  Stufe 
beiK^Q.  Unter  den  genetisch  beteiligten  Gegenständen  der 
einaelnen  Stufen  findet  gewissermaßen  eine  Auswahl  eines 
nBezngsgegenstandes"  statt.  Dieser  für  die  Logik  besonders 
^chtige  Gegenstand,  auf  welchen  die  Vorstellung  bezogen 
wird  und  anf  den  anch  unsere  (JegepstandsvorsteCung 
(S.  266)  zielt,  soll  als  Gegenstand    im   prägnanten 

')  Die  S.  181  aoKefahrten  Meinongschen  BezeicKnungen  (primärer  und 
s*adirer  Geiensland)  gdien  allzu  leicht  m  VerwechBlunaen  AnlaB. 
**)  In  di«Km  Fall  Urnen  die  Inhalte  der  Vorstetluoseii  in  Betracht. 


i,l^.OOglc 


268      n.  Teil    BitMintnisUiwrriiaehe  u«w.  Gnmdlegnni  der  Logik.       ^ 

Sinn  bezeichnet  werden.  Wenn  im  folgenden  von  Gegen- 
standen gesprochen  wird,  sind  stets  GegenEctände  in  dieeem 
engeren  prägnanten  Sinn  gemeint,  Soll  der  Gegenstand  im 
prägnanten  Sinn  ausnahmsweise  aosdrücklich  von  dem 
Gegenstand  im  alig«meineren  Sinn  unterschieden  werden,  so 
bezeichne  ich  den  ersteren  als  „Argument"'*). 

Die  eikenntnistheoretische  Deutuns  dieser  verschieden&rÜKen  ROck- 
beziehun«  ist  ebenso  schwierig  wie  ihre  psychologische  Ch&nkterislik.  Wif 
mOMen  fragea:  Worin  besteht  psycboloEisch  und  «rkenntnistheoratisch  d«r 
Unterachied,  wenn  ich  irgendein  V",  z.  B.  ein  Gleichheiisurieil,  einmal  auf 
zwei  gleiche  Vorstell ungen,  z.  B.  zwei  Erinnerungsbilder,  und  ein  anderes  Mal 
auf  zwei  gleiche  Empfindungen,  und  em  drittes  Ual  auf  zwei  gleiche  „Dinge" 
(Reduktion sbestandteile  usf.)  beziehe?  Daran  knOpft  aich  unmittelbar  die 
prinzipielle  Fxage,  was  Oberhaupt  dies  ,.Bezieheii"  bedeutet:  was  komnl  zu 
der  genetischen  tatsftchUchen  Denkbeziehung  hinzu,  wenn  wir  nun  eir 
Ziehung  auf  ein  Argument,  bald  ein  näheres,  bald  ein  ferneres,  hinxu- 
denken?  Uan  hat,  um  diese  Fragen  zu  beantworten,  zuweilen  eine 
sonderen  „Objektivierungsakt"  oder  ein  besonderes  „BeziehungsbewuBtseiD' 
zu  Hilfe  senommen.  Hit  dem  Unterlegen  einer  solchen  Seele  ntitigkeit  oder 
eines  solchen  Seelenvermögens  ist  indessen  gar  kein  Fortachritl  unserer  Ein- 
sicht erzielt,  sondern  nur  ein  flbertläsBiger,  miBversländlicber  Terminus 
RefOhrt.  Wohl  aber  öftnet  uns  folgende,  hier  nur  al«ekürzt  wiedergegebenc 
Überlegung  einen  Weg  zum  Verständnis.  Wenn  aus  einer  Empfindung 
ein  Erinnerungsbild  V,  dann  eine  Vorstellungsveriiindung  V  "),  V"  ust.  ent- 
steht, so  sind  bestimmte  psychische  Funktionen  wirksam,  und  zwar  bei  der 
Bildung  von  V  die  Ged&chtnistu nktion  (Hetention),  bei  der  Bildung  vc 
V"  usf.  die  oben  (5.  2ßSi)  angeführten  Difierenzierungsfunklionen  (Synlhesev 
Analyse  und  Komparation),  die  uns  später  noch  ausfflhrlicher  beschäftigen 
werden  (vgl  %  70).  Die  BOdbeziehung  auf  das  Fundal  und  daher  auch  auf 
den  Gegenstand  gehart  zum  Wesen  dieser  Funktionen.  E  ist  in  V,  V  in  V, 
V  in  V"  usf.  enthalten,  voraus  dann  weiter  folgt«  daB  E  auch  in  V  uod 
in  V"  usf.  enthalten  ist.  Von  meinem  erkenntnistheoretischen  Standpunkt 
(vgl.  S.  260)  muB  man  sogar  hinzufagen,  daß  in  anabger  Weise  auch  die 
Reduktionsbestandteile  R  in  den  E's,  Vs,  V"s  usf.  inexisUeren.  Damit  wird, 
nun  zunächst  die  bewuBtc  RQckbeziehun  g  der  Vorstellungen  auf 
ihre  Fundalien  (bis  H  einschlieBlich)  zwar  nicht  eAl&rt,  aber  doch  im  Sivn 
einea  allgemeinen  Zusammenhanges  verst&ndlich.  Es  besteht  eben  nicht  nur 
eine  genetische  Beziehung  zwischen  den  sukzessiv  auseinander  hervor- 
gehenden Fundalien,  so  daß  etwa  mit  dem  Zustandekommen  des  Edukts  du 
jeweilige  Fundal  ganz  verschwunden  w&i«,  sondern  es  besteht  dank  dieser 
Inexlstenz  auch  eine  fortlaufende  RQckbeziebung,  die  eben  in 
dem  Beziehen  der  Vorstellung  auf  ihre  Fundalicn  zum  Ausdru(±  kommt 
Die  Isolierung  des  speziellen  Gegenstandes  aus  den  Fundalien  (s.  oben 
S.  266)  erkl&rt  sich  ausreichend  aus  unserer  analytischen  Funktion  (v^ 

'>)  In  Anlehnung  an  die  Terminologie  Freges  (vgl.  §  76).  Auch  die 
der  Termiiwlogie  der  Logarithmen  entlehnte  Bezeichnung  „CharakterisUlt" 
scheint  mir  passend. 

'■)  Selbstverst&ndlich  sind  mehrere  Vs  erforderlich,  um  ein  V  zu  bilden 


1.  KapileL    Eikenntnistbeoretische  Gnindiesung.  269 

S.  SUIL).  Die  Tatsacbe,  daß  wir  nun  weiterhin  eine  Vorstelluns  V",  z.  B. 
a  Gleicfaheitsiirteil,  bald  auf  V,  bald  auT  V,  bald  auf  E;  bald  auf  R  zurOck- 
kiidKn,  also  unsrcr  Vorstelluac  V"  bald  dieg,  bald  jenes  ,^  r  8  u  m  e  n  t" 
Rhu,  ist  pBTcholtWiach  so  zu  verstehen,  daQ  vir  das  Denkerietais  V",  das 
ranilnKtich  nur  auf  V  sich  besieht,  »ekuDd&r  retrograd  auch  auf  V  oder  K 
oim  R  öbertiasei).  StreoK  BenomniMi  taiuidelt  es  sich  dabei  um  einen 
Wtctoel  der  oben  (S.  266)  erw&hnien  Gegeogtandavorstellung,  An  Stelle 
dv  uCajwclichen  Ges^isULndavorslelluDK  im  Bereich  der  V  Irilt  eme  neue 
M  Befäcb  der  V  oder  der  E  oder  der  R  auf.  iltn  kann  auch  durch  Selbst- 
MocbtunK  leidit  feslalellen,  daß  in  der  Tat  eine  solche  Substitution  einer 
stfaadiren  Gecenstandavorelellusg  stalUlndet.  Erifenntnistbeoretisch  liegt 
it  Bedeutung  dieser  Substitution  daria,  daS  wir  nicht  nur  durch  unmittel-' 
btre  Verwertung  der  EmpfindungMi  dirdtt  zu  Vorateliungen  (Erkenntnissen) 
ran  diesen  Empfindungen  und  ihreo  Reduktionsbestandl eilen  Belangen  können, 
»mlem  auch  indirekt  auf  dem  Umweg  Ober  viele  V  und  V"  usf.  Voretel- 
luBten  von  den  E's  und  R's  za  bilden  imstande  sind. 

Ihn  diese  wichtisen  Sitze  vor  iedon  Mifiverständnis  zu  schützen,  mag 
■ucb  das  folgende  Beispiel  ansefOkrt  werden.  Gegeben  seien  S  Seiten  eines  ge- 
leiduwteB  Dreiecks  a  und  b  als  zwei  GesichlsempflndungenEB  and  Eb.  Dann 
Unn  ich  an  diese  EnqifinduDgen  unmittelbar  das  Gleichheitsurleil  X'")  an- 
''iltoi:  Ea  =  Eb ,  d.  h.  die  beiden  Seilen  erscheinen  mir  gleich  lang  (ihre 
SctfföSea  siiid  d^cb).  Die  Gesicfataempündiing  des  ganzen  Dreiecks  ist 
<lu  Fpodal  für  mein  Gleicfabeitsurteil  V,  die  Geuchtsenmtiodung  der  beiden 
Satediiisen,  also  ein  Teil  der  GesamtempünduDg,  ist  der  Gegenstand  des 
Gleidiheitsurteils  und,  solange  ich  mich  in  dem  Gleichheitsurteil  auf  das 
Olodier scheinen  der  beiden  Seiten,  also  die  Gleichheit  im  Bereich 
iter  Empfindungen  beschränke,  zugleich  auch  sein  Argument,  d.  b.  sein 
Geiaistand  im  prägnanten  Sinne.  Sehr  oft  übertrage  ich  nun  aber  dieses 
Gleichbeitsurteil  auch  auf  die  Seiten  selbst  >*),  mag  ich  mir  diese  im  naiven 
Sinn  als  Dinge  oder  als  Reduktionriiestandteile  oder  als  Holekülreihen  oder 
alt  sonstige  Reize  denken.  In  diesem  Fall,  d.  b.  fOi'  dies  abgefinderle  Gleicb- 
hnlsurleil  sind  nicht  mehr  £^  and  Eb  ,  tiondem  Ba  und  Rb  ^as  Argument  ^^). 
Das  Cldchheilsurteil,  das  genetisch  nur  indirekt  zu  Et  und  Bb  in  Be- 
gebung steht,  wird  jetzt  direkt  auf  Ba  und  ßb  bezogen.  Die  sekundäre  ge- 
dachte Beziehung  ist  von  der  prinAren  genetischen  zu  unterscheiden.  Noch 
ifbeblicher  ist  die  Ab&nderung,  wenn  ich  das  Gleichheitsurteil  nicht  an  die 
Geaichtse  mpf  indung  einer  Figur,  sondern  an  das  Erinnerungsbild  einer 
solchen  angeknüpft  habe.  Ich  habe  z.  B.  ein  Zimmer  gesehen,  ohne  zunächst 
auf  das  Verhältnis  seiner  Länge  a  zu  seiner  Breite  b  zu  achten.    Später  stelle 


")  Man  beachte,  daD  V  hier  noch  ganz  allgemein  als  Syntbol  für  ledes 
Ilaikergdtnis  [Yoistellungea  s.  Str.,  Urteile,  Schlüsse  usf.)  verwendet  wird. 

'*)  Im  täglichen  Lehen  halte  ich  mich  sogar  meistens  bei  dem  Urteil 
fiber  die  Empfindungsgleichheit  gar  nicht  auf,  sondern  substituiere  ihm  sofort, 
lewiioermaBen  instinktiv  das  Urleil  über  die  Gleichheit  der  hypotbeti sehen 
Heize  („Dinge").  Andrerseits  zeigen  viele  Tatsachen  —  man  denke  z.  B.  an 
die  pb^atologische  Optik  — ,  daß  wir  unser  Gleichheitsurteil  auch  ausdrOcklich 
auf  die  Empfindungen  beschränken,  also  die  E's  seihst  als  Anument  fest- 
HUen  können;  die  Übertragung  muB  also  nicht  stattfinden.   Vgl  S.  267. 

")  Da£  in  diesem  Fall  R^  und.Rb  nur  hypothetisch  hinzugedacht  sind, 
muB  dabei  im  Auge  behalten  werden. 

^-     „.,,„,^.oogic 


^70       ^  '^^    EikenntniaUieoTetJBche  uaw.  Gniodlagung  der  Logik. 

ich  mir  das  Zimmer  nieder  vor  (V)  und  knüpfe  nun  an  diese  Vorsttl- 
luns  das  Gleichheitsurteil  V:  meine  VorsteUung  der  Zimmeriing«  und 
meine  VoratelluDS  der  Zimme^reite  sind  Bleich  (T.  =  Vb).  Ke  Fundalien 
dieses  Gleicbheitsurteils  V*  sind  jetzt  die  Gesichtsempfindung  des  Zimmers 
(distales  Fundal)  und  das  Erinnenmgdiild  des  Zimmers  (proiinules  Fundai;. 
Die  QesichtsenmflnduoK  der  Zinuneri&nse  und  Zimmeibreil«  ist  der  distale 
Gegenstand,  die  GesichtavorsteUimK  der  Zimmerl&nge  und  Zimmertireite  der 
proximale  (aus  der  Gesamtvorsletlung  isolierte)  Geeenstand  und  zunächst  anch 
das  Argument  des  Gleichheilsurteils  V  ^nämlich  V»  =  Vb)-  Und  wiedwujn 
vollziehe  ich  nun  meistens  retrograde  Obeitragungen,  indem  ich  der  Gleich 
heit  der  Vorstellungen  die  Gleichheit  der  Empfindungen  und  dieser  die  Gleich 
heit  hypothetischer  Dinge,  also  der  von  mir  als  vririclich  gedachten  Zimmet- 
seiten  substituiere.  Damit  wird  al>er  G  bzw.  R  an  Stelle  von  V  zum  ArgumeDt 
dieser  aligeftnderten  Gleichheitsurteile  (£.=:]!>>  and  Rs  ^  Bb)-  ^^  ^- 
gebnis  fällt  jetzt  also  gerade  so  aus,  als  ob  ich  das  Urteil  unmittelbar  im 
Anschluß  an  die  Empfindungen  gelallt  hätte.  Auch  in  diesen  zweiten  Fall 
wird  in  der  Regel  die  Substitution  gewissennaBen  instinktiv  sofort  vor- 
genommen, so  daß  das  phmire  GlekMeitsnitnl  V^  ^=  Vb  uns  kaum  zum 
Bewußtsein  kommt.  Ich  kann  aber  wiederum  auch  bei  der  Vorstellun^- 
gletchheit,  also  auf  der  proximalen  Stufe  stehHi  bleiben.  —  z.  B.  aus  wisseo- 
schaftlichem  psychologischem  Interesse  — ~  und  die  Vorstellung  als  AiguaKDl 
festhalten.  —  In  der  Selbstbeobachtung  ist  es  oft  gai  nicht  Uitibi,  die  drei 
GleichheitBurteile  zu  uaterscheiden  i*) ;  es  kommt  eben  auch  bei  V^^W 
die  Inazisteikz  von  Es  und  ICb  bzw.  H«  uad  Rb  ^^'^  Geltung.  Zu  einer 
scharfes  Trennung  gelange  ich  erst,  wenn  ich  bestimmte  allgemeine  Büb- 
begiifle  (Seelisches,  KCrperliches,  Wahrgenonunenes,  Gedachtes  usf.)  beran- 
ziebe. 

Die  „Gegenstände"  in  dem  jetzt  hier  festgesetzten  Sinne 
müssen  «charf  und  durchaas  von  den  „Gegenständen"  man- 
cher logiziBtischen  Erkenntnistbeoretiker  und  Logiker  (vgl. 
%  45  f.)  getrennt  werden  ").    Diese  nehmen  an,  daß  die  Gegen- 

■•)  Uan  achte  z.  B.  aul  das  Urteil;  „Zimmerlängc  und  Zimroerbiei(<: 
sind  in  meiner  Erinnerung  gleich". 

")  Auch  sonst  ist  das  Wort  „Gegeusland"  in  dem  allerverschiedensteo 
Sisn  gebraucht  worden.  Kanl  verwendet  es  zuweilen  (bei  weitem  nicht  stets) 
lakt  in  demselben  Sinn  wie  ich  oben;  vgl  z.  B.  KriL  d.  rein.  Venu,  1.  Aufl, 
Erdm.  Ausg.  S.  137,  Kehlt.  Ausg.  S.  133.  —  Brentanos  Gegenstand  {iti- 
Psychol.  V.  emp.  Standp.,  Lpz.  1874,  S.  101  ff.)  ist  im  wesentlichen  mit  dMs 
Vorstellungsinhalt  meiner  Terminologie  identisch;  statt  nämlich  die  Vorslel- 
luag  als  Ganzes  als  Akt  aulzufassen,  nimmt  Br.  bei  jeder  Vorstellung  einen 
Akt  an,  der  auf  den  Vorslellungsinhalt  gerichtet  ist  (intentionale  Inexisleiu 
Brentanos).  Auch  der  Lippssc^  GegenstandsbegrilE  (vgl.  LeitE.  d.  Psych., 
3.  Aufl.  Lpz.  1909,  S.  &f!.)  hat  mit  dem  hier  festgesetzten  BegriH  nichts  m 
tun.  Slumpfs  ,tKorre]ate"  (vgL  S.  ISd)  decken  sich  nur  teilweise  mit  ibii>- 
Nur  insofern  stimme  ich  mit  allen  diesen  Autoren  sowie  mit  den  Logizisten 
Oberein,  als  ich  gleidiifalls  behaupte,  daß  der  Vorstellungs  i  n  h  a  1 1  nicht  ntil 
dem  Vorstellungs g  e  g e  n  s  t  a  n  d  identisch  ist.  Besonders  klar  hat  K.  TVai- 
dowski  diesen  Unterschied  zwischen  Inhalt  und  Gegenstand  dargelegt  (Zur 
Lefare  v.  Inhalt  u.  (Gegenstand  der  Voitatlungen,  Wien  ISMO-     VgL  anch 


.  Kapitel    EAenntimtheorettscbe  GTUiid)eeuDe.  271 

stände  des  Denkens  D«ben  den  psychi^hen  Prozessen  und  den 
Bedoktionsbestandteilen  (,J>ingeu",  Beizen,  Dingen  an  eiich 
usd  eine  dritte  besonder  Art  des  Seins  bilden.  Hierher  gt- 
boren  z.  B.  die  „Vorstellongeu  an  sich"  Bolzanos  und  die 
„bestehenden"  G«g«istäQde  M«inoDg8  ivgi.  S.  178  ff.).  Daß 
fÖT  eine  solche  Annahme  alle  Anhaltspunkte  fehlen,  wnrde 
schon  8. 258  ff.  bei  der  allgemeinen  Kritik  des  Logizismos  er- 
örtert; ich  kann  sogar  nberhanpt  keinen  klaren  Sinn  mit  dem 
Begriff  der  It^rizietischen  Gegenstände  verbinden.  Die  Logi- 
nsten  bernten  sieh  zuweilen  darauf,  daß  wir  auch  Phantasie- 
^'orgtellnngen "),  z.  B.  eines  goldenen  Weltkörpers  oder  des 
Maiqnis  Posa,  und  sogar  der  Erfahrung  widersprechende 
oder  in  sich  wid^sinn^e  Vorstellungen,  z.  B.  des  Peter 
Sehlemihl  oder  eiaes  viereckigen  Dreiecks  bilden  könnaii, 
and  daß  für  solche  Vorstellungen  weder  ein  wirklicher  Beiz 
noch  eine  wirkliche  Empfindung  in  Betracht  kommt.  Indes 
üt  auch  diese  Berufung  nicht  stichhaltig.  Die  Gegenstände 
dieser  phantastischen  und  widersinnigen  Vorstellungen  sind 
die  einzelnen  Vorstellungen"),  ans  denen  sie  zusammen- 
gesetzt fund  (also  die  Vorstellungen:  golden,  Weltkörper, 
viereckig,  dreieckig  nsf.),  und  die  Gegenstände  der  letzteren 
sind  in  letzter  Linie  die  lugehörigen  Empfindungen  bzw. 

Zimmeimann,  Philosoph.  Propädeutik,  Wien  1887,  §  IB  u.  SS  u.  Keiry. 
fitrteliahrsscbr.  f.  wiss.  Philos.  1886,  Bd.  9,  S.  4S&,  Bd.  10,  S.  419^  Bd.  11, 
S.  M,  Bd,  13,  S.  711  Bd.  14,  9.  317,  Bd,  16,  S.  lS7u  Auch  die  ForrauUenin«, 
d&S  iet  Inh&lt  in  der  VontellunB  und  der  Gegenstand  durch  die  Vor- 
«WliuB  voigesteUt  venle,  scbMnt  mir  unbedenUicb.  —  In  der  Frage,  was 
denn  nun  der  durch  die  Vorstellung  vorgeBtellte  Gegenstand  ist,  weiche  ich 
nii  dieaen  Autoren  weit  ab,  Daher  kann  ich  auch  die  Bezeichnung  des  Vor- 
^HhingsiDhdts  als  des  immanenten  oder  intentionalen  Objektes  im  Gegen- 
uiz  tum  Gegenstand,  auf  den  sich  das  Vorstellen  bezieht  (vgl.  HöDer,  Logik 
mler  Mitwirkung  Ton  Meinong  verfaßt,  Wien  1890,  %  6)  nicht  akzep- 
tieren, denn  ich  betrachte  auch  den  letzleren  Gegenstand  (den  Gegenstand 
■in  obigen  Daistellung)  als  der  Votstellung  inexistent,  nur  ist  diese  Ineüstenz 
(ine  ganz  andere  als  diejenige  des  Inhalts  in  der  Vorstellung. 

")  Auch  zahlreiche  Spekulationsvorstellungen  (^1.  S.  348)  gehören 
hierh«. 

")  Ich  bestreite  also  mit  Twardowaki  (1.  c,  31)  gegen  Bolzano  u.  a.. 
difi  solche  Vorstellungen  „gegenstandaloa"  sind,  nach  meinem  Ermessen 
'iibai  sogar  auch  sog.  STokategorematische  Vorstellungen  wie  „des  Vaters"^ 
„mn"  oaf.  einen  Gegenstand.  Bolzano  lehrt  Obrigens  selbst,  daB  gegenstands- 
^  Vorstellungen  wie  die  eines  viereckigen  Dreiecks  zwar  keinen  Gegenstand 
'»ben,  ,4hre  einzelnen  Teile  und  die  Art  ihrer  Veriiindung"  at«r  doch  so  be- 
^^iulCen  seien  wie  bei  Vorstellungen,  die  sich  auf  einen  Gegenstand  bezieben 
Wasnaduftalelve  Bd.  1^  S.  81&ff.  u.  383). 


272       ^-  '''^''-    Erkenntiüstbeoretiiche  usw.  Gmndlecuns  öer  Logik. 

Ding«  oder  Din^i^enschofteu  g'leicben  NftiaenB.  Es  liegt 
aber  keinerlei  Veraulaasung  vor,  auch  für  die  Vorstellongs- 
kombination  aU  solche  (als  Q-anzea)  einen  entsprechend 
kombinierten  Gegenstand  anzunehmen.  Wir  haben  kein 
Becht,  ledig-licli  nach  einer  oberfläcliUohen  Analogne  aoch 
solche  Gegenstände  willkürlich  anzunehmen.  Wir  können 
uns  wohl  innerhalb  bestimmter  Grenzen  das  Erleben  ph  an- 
tastischer  Empflndongskombinationen  und  das  Dasein 
flotaprechender  „Din«e"  {Beize)  nach  einer  unsicheren  Ana- 
logie als  möglich  vorstellen,  aber  damit  stellen  wir  nicht 
eine  neue  Seinsart  vor,  sondern  immer  wieder  dieselbe  Seins- 
art,  die  den  Empfindungen  bzw.  Dingen  (Be^n)  zukommt, 
nur  in  einer  neuen  Kombination.  Wir  verfahren,  genau  ge- 
nommen, bei  solchen  Phantaeievoretellnngen,  zu  denen  wir 
entsprechende  „Dinge"  hinzudenken,  znnäehst  nicht  anders 
als  bei  den  Vorstellungen  der  Bednkte  (Bednktionsbestand- 
teile,  Dinge,  Beize,  Dinge  an  sich,  vgl.  S.  25D),  anoh  diese 
Bedukte  sind  uns  niemals  als  solche  gegeben,  sondern  wir 
denken  sie  uns  nur  hinzu.  Dieselbe  gedachte  Existenz  —  nicht 
etwa  eine  neue  dritte  —  kommt  auch  den  „Dingen"  dieser 
Pbantasievorstellungen  zn.  Der  erkenntnistheoretische  Un- 
terschied liegt  nur  darin,  daß  jene  Bednkte  nicht  nur  ge- 
dacht werden,  sondern  außerdem  auch  in  den  Empfin- 
dungen inexistieren.  Vgl.  auch  unten  S.  309  f.  über  die 
„Geltung"  solcher  Vorstellungen  und  S.  266  über  „Gegen- 
ständsvorstellungen"  1 

Es  bleibt  noch  übrig,  die  Beziehung  zwischen  einer  Vor- 
stellung (im  weitesten  Sinn)  und  ihrem  Gegenstand  durch 
einen  besonderen  Terminus  zu  bezeichneoi,  da  die  Termini 
,3]rinnerungsbeziehnng'*,  „Beduktionsbeziehung"  und  „Denk- 
beziehong"  (vgl.  S.  262f.)  sich  nur  auf  die  allgemeine 
genetische  Fundierang  beziehen.  Am  besten  eignet  sich 
die  Bezeichnung  „Intention"  („Gegenstandsbeziehung"); 
man  muß  dabei  nur  von  den  vielen  Nebenbedeutungen, 
welche  man  dem  Terminus  „Intention"  im  Lanf  der  Zeit  ge- 
geben hat  (^  20  u.  45),  ganz  absehen,  so  namentlich  auch  von 
der  neuerdings  oft  hervorgetretenen  Neigung,  im  Anschluß 
un  Brentano  die  Beziehimg  zwischen  dem  „Akt"  des  Vonttel- 
lens  und  dem  Inhalt  der  Vorstellung  als  Intention  zn  be- 
zeichnen (vgl.  S.  270,  Anm.  17). 

Nachdrücklich  muß  betont  werden,  daß  die  Beziehung 
irgendeines   Edukts    auf  seine    Fundalien   uns   keineswegs 


OgIC 


1.  KMiitel-    Erfcenntnistheoretbche  OnimUegung.  273 

i>aer  als  solche  zom  Betpii0t«eiü  kommt  logbesoDdere 
gUt  dies  TOD  der  Beci«hmiK  der  VorstellaiiK  anf  die  Gmpän- 
dOf  nnd  von  der  BeslehDUfr  der  EmpfindtmK  auf  R.  Wir 
iDteen  solche  BeEiehnngren  nicht  notwendig  mitdenken**). 
So  kaim  z.  B.  das  Eriniiernnc;sbUd  eines  Menschen  in  mir 
asfetei^n,  ohne  dafi  ich  mir  bewnBt  bin,  daB  es  sich  nm  das 
Ermnerunffsbild  einer  von  mir  erlebten  Empfindnng  handelt. 
Auf  dem  Oebiet  der  Denkbeziehnng  (V'  -*-  V),  also  anf  dem- 
jenigen G«biet,  das  gerade  für  die  Ix^ik  speziell  in  Betracht 
kommt,  fehlt  jedoch  im  tatsächlichen  Denkoi  eine  bewußte 
Bfiekbeziehnng  fast  niemals  ToIIständig.  Wenn  wir  nns  auch 
nicht  aller  Fondaüen  einer  Vorstellmig  V'  bewußt  werden, 
«0  denken  wir  doch  wenigstens  die  Besüehnng  anf  die  bei  der 
Bildimg  von  V  isolierten  (Biehe  oben  S.  265)  Fnndalien,  d.  h. 
(tifl  Gegenstandfibeziehung  oder  Intention,  mit.  Da  es  für  die 
Logik  anf  die  Kiehtigkeit  voD'  V  ankommt  (vgl.  ^  1  n. 
^91  f.),  fioistfürdaslogischeDenken  die  Gegen - 
standsheziehnng  unerläßlich.  Dabei  ist  es  zu- 
nächst logisch  (nicht  etwa  erkenntnietheoretiach)  gleichgöl- 
tlg,  wieweit  diese  Gegenstandsbeziebang  im  Sinn  des  Argn- 
WMte  retrograd  verfolgt  wird  (vgl.  8.  268). 

Da  die  Psychologie  femer  mit  ausreichenden  Gründen 
naeliveist,  daß  von  den  Eigenschaften,  welche  wir  jeder  Yor- 
sttfung  zuschreiben  (Inhalt,  Gefühlston  nnd  Daner,  vgl. 
^  7S)  nur  der  Inhalt  stets  unmittelbar  nnd  wesentlich  vom 
G«genstand  der  Voistellnng  abhängt,  so  kann  man  auch  kurz 
sagen:  Die  Denkbeziehnng  fällt  im  Bereich  der 
Logik  mit  der  Beziehung  des  Vorstellongs- 
inh&Its  auf  den  Vorstelinngsgegenstand  zn- 
«anmea,  nnd  muß  nur  hinzufügen,  daß  dieser  Vorstel- 
(nugsgegenatand  bald  eine  abgeleitete  Torstellnng,  bald  ein 
primäres  Erinnenrngsbild,  bald  eine  Empflndnng,  hold  ein 
B  ist,  daß  also  neben  den  direkten  Vorstellnngsgegeuständeu 
auch  indirekte  existieren. 

9  SO.  Erkenntnistlieorie  im  engeren  Sinne  (Brkenatnis- 
krttlk),  Biehtlgkelt  and  UBiiefatigkeit  hmn-halb  der  dr«i 
CmdbesiekiiKceB-     MatcrUle    nU    formde    Rlebtlgkctt^ 


")  In  di«9em  Sinn  und  nur  in  diesem  (^1.  S.  271,  Anm.  19)  eAeone  icEt 
^  „(«fenstandilose"    Vofstallnn^D,    richüger    ausgedrackt,    VoisteüUDgeB 
(AUK  bewofitan  OegeoBtand  (ohne  Q^anaBdsToratelhiiig)  an. 
aUh»,  I.ATbDcbd«LoeIk-  18 

„.,,„,^.oogic 


274      I'-  -^''-    Eitenntnistbeoretische  usw.  Ctnindlecung  der  Logik. 

Adiqnatheit  und  Konkrepanx.  IHe  Frage  des  „Gntäprechens" 

oder  der  „Übereinfltimmnng",  wie  sie  uns  schon  in  §  1  be- 
gegnete, muß  nunmehr  von  der  Logik  in  ihrer  erkenntnis- 
theoretischen Omndlegang  für  die  drei  anf  S.  262  ff.  fest- 
Kest«Ut«n  Qriindbezieliungen  natersocbt  werden.  Sie  ist  da- 
bei auf  die  Hilfe  der  Krkenntnistheorie  im  engeren  Sinae 
(der  Erkenntnii^itik,  vgl.  S.  13)  angewieseoi.  Die  Antwort 
der  letzteren  gestaltet  sich  für  die  drei  Orundbeziehnngen  im 
r^inzelnen  verschieden,  generell  kann  aber  folgendes  voraus- 
bemerkt  werden: 

Jedes  Entspreeben  im  prägnanten  Sinn  des  r  i  c  h  t  i  g  e  o 
Entspreohens  bedeutet  nur  eine  gesetzmäßige  Zuordnung'), 
aber  keine  Identität  Empfindung,  primäres  Erinnearungs- 
bild,  abgeleitete  Vorstellung,  Urteil  nsf.  sind  mit  ihrem 
Gegenstand  nicht  identisch,  sondern  sind  ihm  nur  in  gesetz- 
mäßiger Weise  zugeordnet.  Das  Entsprechen  als  rich- 
tiges Gntsprecben  oder,  anders  au^edrückt,  die  Bicbtii^eit 
des  Entsprechens  beruht  auf  der  eindeutigen  Gesetzmäßig- 
keit der  Zuordnung.  In  dem  sogen.  Abbild  ist  der  Tat- 
bestand, welcher  den  G^enstand  des  Abbilds  ausmacht,  stet« 
verändert,  aber  dies«  Veränderung  kann  zu  alloi  Zeiten 
homolog  aein,  d.  h.  nur  einem  allgemeinen  unveränder- 
lichen antochtbonen  Gesetz  folgen,  oder  sie  kann  willkSr- 
lioh,  d.  h.  unter  dem  EUnflufi  fremder  Einwirkungen  und  Ge- 
setzmäßigkeiten hin  imd  her  schwanken.  Im  ersteren  Fall 
—  bei  „A 1 1  g  ü  1 1  i  g  k  e  i  t"  der  Veränderungen  (vgl,  §  75)  — 
„entspricht"  das  Abbild  dem  Gegenstand,  und  wir  nennen  ei' 
material  richtig;  im  letzteren  entspricht  es  dem  Grgenstand 
nicht  und  wird  material  falsch  genannt. 

Die  Gesetzmäßigkeiten  des  Entsprechens  sind  zugleich 
für  die  weit  überwiegende  Mehrzahl  der  Individiwn,  speziell 
der  Menschen,  dieselben.  Die  Abbüdverändemngen  sind 
niehtnnr  „all  gültig",  d.  h.  in  bezug  auf  Objekte  einerGal- 
tung,  sondern  auch  innerhalb  weiter  Grenzen  „allgemein- 
g  ü  1 1  i  g",  d.  h.  für  alle  denkenden  Individuen.  Daher  kann 
uns  zuweilen  nnd  bis  zu  einem  gewissen  Grad^ 

^)  Nicht  einmal  von  einer  .Ähnlichkeit"  kann  gesprochen  werden,  tte 
AnsdrOcke  det  Scholastiker  „aMimilaUocognitianisadrem"  [Albertua  llagnus), 
„uturalis  umilitudo"  (Biel)  uaf.  erscheiDen  mir,  obwohl  man  sie  neueidinp 
«t«der  aulfegriiten  hat,  hOchsl  unriOcklklL  Auch  von  eiser  JibtäiaBt 
kann  daher  nur  etwa  in  demselben  Sinn  die  Rede  aein,  in  weichem  Üf 
Katbematik  di<M&  Teiminw  verwendet 


1.  Kwitel.    Eikenntnistfaeoretische  Grundlegung.  275 

die  empirisch  festgiestellte  AUgem^nKÜltigkeit ')  d«r  Ver- 
ändernngen  der  Abbilder  ebenfalls  als  ein  Kriteriom  des 
£nbprecheii8  dienec. 

Ein  Teisteicfa  mag  diese  Sachlage  veranschaulichen.  Die  Wörter  einer 
^ndte  köimen  ebenfalls  als  ,^U>bilder"  der  bezeichneten  Geeenst&nde  be- 
<adAel  werden.  Die  Richtigkeit  des  Sprechens  besteht  in  dei  g  e  s  e  t  z  - 
KiiSigen  Zuordnung,  der  zulolge  ein  Wort  stets  für  denselben  Gegenstand 
in  denetben  Form  gebraucht  wird.  Wenn  jemand  z.  B.  aus  Nachlässigkeit 
an  und  dasselbe  Wort  bald  so,  bald  so  verstflnunelt  oder  bald  tüz  diesen,  bald 
ät  JoieD  Gegenstand  gebraucht,  so  ist  die  GesetemäBigkeit  —  wenigstens  die 
«itodithone  für  die  Beziehung  von  Gegenstand  und  Wort  geltende  ' —  auf- 
Kitaben,  und  wir  nennen  ein  solches  Sprechen  unrichtig.  Verstümmelt 
leniuid,  z.  B.  ein  Stammler,  dasselbe  Wort  immer  in  derselben  Weise,  so 
bum  stmg  genonunen  von  einer  materlalen  Unrichügkeit  nicht  die  Rede 
KD,  es  handelt  sich  rielmeh*  nur  um  eine  Abweichung  vom  ObUchen 
Sprechen,  bei  welcher  doch  die  gesetzmABige  Zuordnung  nicht  aufgehoben 
«ird.  Im  allgemeinen  kommen  gesetzin&&ige  sprachliche  Zuordnungen  nur 
W  einer  grOBeren  Zahl  von  Individuen,  z.  &  einem  Volk  zustande;  sie 
änd  —  mit  anderen  Worten  —  in  der  Regel  innerhalb  bestimmter  Grenzen 
allgemeiDgaltig,  daher  kann  die  Abweichung  vom  atlgemeisen  ^rachgebra'uch 
'  Bidd  Betten  wsmigstens  als  ein  Indiz  für  GeselztoABirteit  der  Zuordnung  und 
<luntt  für  Ricbti^eit  angesehen  werden.  Wie  relativ  aber  dies  IndJK  ist^ 
nht  z,  B.  aus  de*  Tatsache  der  Dialekte  und  der  Tatsache  der  Entstehung 
nn  Volkssprachen  aus  Dialekten  hervor.  Selbstversl&ndlich  darf  dieser  ganze 
Veiiäch  eben  nur  als  Vergleich  betrachtet  werden.  Die  Beziehung  zwischen 
Wort  und  Gegenstand  ist  sehr  viel  äußerlicher  als  diejenige  zwischen  einem 
KTchiscben  FrozeS  und  seinem  Gegenstand. 

Nach  diesen  aUgemeineo  Erörternngen  über  das  £nt- 
Bprecben  kommt  «s  darauf  an,  seine  Bedingnn^en  für  die 
«nselQen  oben  (S.  262)  nnterschiedenen  „Beziehungen"  feet- 
niBtellen. 

Was  erstens  die  Bedukt-  oder  Dingbeziehnn?, 
also  die  Beziehung  der  Empfindungen  zu  den  gedachten 
Beduktionsbeatandteilen  °)  (Dingen  an  sich  des  Fhänomena- 
lismus,  Beizen  der  naiven  Physiologie)  anlangrt,  so  wird  das 
Gnt^rechen  hier  durch  die  Gesetze  der  sog.  spezifischen 
Snneaenergien  (i^  Parallelgesetze  meiner  Erk^mtnistheorie) 
eindeutig  beherrscht.  Von  Bicbtigkeit  und  Unrichtig- 
bit der  Empflndnngen  kann,  wenn  man  sie  isoliert  be- 
trachtet, natürlich  überhaupt  nicht  die  Bede  sein.  Erst  wenn 

^  Ob  es  auch  eine  unabh&ngig  von  der  Erfahrung  feststellbare  Allge- 
loeiicQltigfceit  gib^  wiid  an  andrer  Stelle  erörtert 

')  Uan  beachte  dabei,  daB  wir  auf  Grund  unsrer  Empfindungen  Vor- 
Melhmgea  Ton  Beduktionsbestandteilen  bildea  und  dann  umgekehrt  auch 
mstre  Envfinitensen  prüfen,  ob  sie  den  auf  Grund  anderer  Empflndungen 
UKoMomniai  Heduktiaiiä>e8tandteilen  entvrscheii. 


1,1^. OQi 


'S'c 


276      ^  '''<'>''    EikenndiisUieDretiiche  usw.  Gnindlecuns  der  Loiik. 

man  sie  in  ihrer  Beziehung  zn  den  hixuEngedachten  Bednk- 
ttonsbestcuidteilen  prüft,  fallen  sie  unter  die  Ättribote  rtohti; 
and  falsch  (vgl.  S.  4).  Man  kann  aleo  eine  Empflndang  nur 
dann  unrichtig  nennen,  wenn  die  gesetzmäSige  Zaordnong  zn 
den  Bedoktionsbeetandteilen  irgendwie  geetört  iet.  Da  die 
zostfindigen  Gesetze  der  spezifischen  Energien  (v-Par^cl- 
gesetze)  wie  alle  anderen  Gesetze  unabänderlich  und  stets 
gelten,  so  kann  eine  Störung  der  Zuordnung  nor  dadareh  er- 
folgen, daß  andere  Gesetae  mit  ihren  Wirkungira  eingivifen. 
Von  solchen  anderen  Gesetzen  bzw.  fremden  geset^OB&fiigen 
Einwirkungen  kommen  hier  nur  diejenigen  der  Vorstellongs- 
vorgänge  in  Betracht,  In  der  Tat  können  wir  strenggencHn- 
men  eine  Empändong  nur  dann  als  nnriohtig  bezeiehneD, 
wenn  sie  unter  dem  Einflofi  von  VorsteIlnngsvoi^ng«D  ab- 
•  geändert  ist*).  Viele  sog,  Illasionen  normaler  nnd  geifites- 
kranker  Individuen  und  die  Phantasmien  (begleitende  Holla- 
zinationen)  der  GeisteekraidEen ')  gehören  hierher. 

Wir  haben  uns  allerdings  angewöhnt,  TOn  Unrichtigkeit 
der  Empfindungen  auch  in  vielen  anderen  Fällen  zn  sprechen, 
in  welchen  tatsächlich  eine  Unrichtigkeit  in  dem  hier  fest- 
gesetzten Sinn  nicht  vorliegt,  nämlich 

1.  Bei  einer  von  der  gewöhnlichen  abweichenden  Ver- 
fassung der  sensorischen  Körpergebiete  (im  weitesten  Sinn  *) 
bis  zur  sensorischen  Hirnrinde  eioschlteBlich).  Die  EmpfiB' 
düngen  sind  dann  lückenhaft  oder  weniger  differenziert  and 
weichen  von  den  gewöhnlichen  entweder  in  ihrer  QaaUtftt 
oder  in  ihrer  Intensität  oder  in  ihren  ränmlichen  oder  seit- 
lichen Eigenschaften  ab.  Teils  sind  diese  Abweichungen  in- 
dividuell nnd  vorübergehend  (beispieleweise  im  Santonin- 
ransch),  teils  individuell  und  mehr  oder  weniger  dauernd 
(Beispiele:  Farbenblindheit,  Phantomien  vonCteieteskranken, 
Doppeltsehrai  net.),  teils  wahrscheinlich  sogar  anf  Sassen 
und  Arten  ausgebreitet  und  werden  dann  meistens  schon 
niefat  mehr  als  nnriehtig  bezeichnet. 

2.  Bei  ungewöhnlicher  Beschaffenheit  der  zwischen  dem 
Reiz  und  der  aufnehmenden  Sinnesfläche  gelegenen  Medien 

')  Uas  beachte  wohl,  daA  es  sich  um  wiitiiche  Verftsderungea  der 
Empfindungen  selbst,  nicht  etm  nur  um  sog.  Auffassungsstdnumn  handelt. 

>)  Vft.  meine  Psychiatfi^  i.  Aufl.  Leipzig  1911,  S.  86  B.  Auch  die 
G«cl&chtDi9fai4>en  Herings  und  thaliche  Erscheinungen  rechne  ich  hieriier. 

*)  Auch  die  motorischen  Gebiete  eisbegrilfen,  soweit  sie  aui  dia  SrnpSo- 
dungen  Einfluß  haben  (Akkommadation  usf.). 


1,1^. OQi 


,g,c 


1.  Kapitel    ErkennUiisUirareUsche  Gnudleguns.  277 

(Bdqdel:  Veraemmg:  dorch  BFechung,  Cnsehärfe  der  im 
KeM  sesebeuen  Dinge). 

3.  Bei  nngewShoUcher  EDtfemung  der  Reize 0  (Beispiel: 
ÜDsehüfe  der  EmpflDdimgeii  «ntfemter  optischer  nnd  akasti- 
«ber  Beize). 

4.  Bei  nngewöhnlichem  Zasammeowirkeii  der  Bedok- 
^onsbeetandteile  (Beize),  wie  z.  B.  bei  Kontraeterscheinnii- 
gea,  bei  den  gieometrisch-optüchen  Täascbangeii,  bei  «tro- 
boBkopisehen  Scheinbewegning:ea  nsf.;  in  vielen  dieser  Fälle 
Itat  m&a  fibrigens  zom  TeÜ  mit  Erfolg  nacbzaweiaen  gesucht, 
^  V<a«tellangBeinflÖ88e  beteiligt  sind,  so  dalt  solche  Fälle 
hier  anmcheiden  nnd  zn  den  in  unserem  Sinn  unrichtigen 
Em{Aadangen  (s.  o.  S.  27^  zu  rechnen  sein  würden.' 

Wenn  man  in  allen  diesen  4  Hauptfällen  die  Eämpfln- 
dongen  als  unrichtig  bezeichnet,  so  geht  man  offenbar  still- 
schweigend  von  der  Voraussetzung  aus,  daB  es  gewisser- 
Btafieo  Normalempfindnngen  gebe  oder  Normalemp- 
flndongen  gedacht  werden  können,  bei  welchen  alle  die  auf- 
gezählten „ungewöhnlichen"  Momente  eliminiert  sind. 

Durch  Vergleich  der  „onrichtigen"  Empfindungen  mit 
Smpflndnngen  derselben  Beize  unter  „gewöhnlichen"  Um- 
etäiiden  oder  mit  Empfindungen  derselben  Beize  durch  andere 
Sinnesorgane,  bei  denen  die  ungewöhnlichen  Umstände  nicht 
zur  Wirkung  gelangen  (Betasten  des  durch  die  Brechung  ver- 
lent  erscheinenden  Stabes),  kann  ich  sogar  nähemngsweiae 
eine  Korrektur  im  Knn  der  Normalempflndungen  tatsächlich 
herheifähren.  Ebenso  aber  leuchtet  ein,  daS  von  einer  ün- 
nchtigkeiti  nur  in  konventionellem;  Sinn,  eben  im  Hinblick 
tttl  solche  fingierte  Nonnalempfindnngen,  gesprochen  wer- 
^  kann.  Tatsächlich  entsprechen  die  Empfindungen  in 
allm  diesen  Fällen  den  Bednktionsbestandteilen  durchaus. 
Die  gesetxmäBige  Zuordnung  ist  nirgends  durchbrochen. 
Haa  muß  nur  bei  der  Beurteilung  der  Gmpflndnngen  die  ge- 
samte Situation,  welche  ihnen  zugrunde  liegt,  also  diet  6  e  - 
santtheit  der  wirksamen  Beduktionsbestandteile  (Beize) 
nnd  die  Gesamtverfassqag  der  beteiligten  sensoriellen 
Sörpeigsbiete  berücksichtigen.  Das  infolge  der  Brechung 
Sekniekte  Bild  eines  Stabs,  der  halb  unter  Wasser  ist,  kann 
mir  als  nnrichtjg  gelten,  wenn  ich  nur  den  Stab  als  Beduk- 


i,Cooglc 


278       n.  Teil.    EritenntnisUieoretiscfae  usw.  GnincUesunc  der  Losik. 

tionsbestandteü  in  Betracht  ziehe,  erweist  sich  aber  als 
richtig,  wenn  ich  anch  das  Wasser  und  den  Weg  der  Äther- 
wellen berückBichtige.  Die  gelbliche  Färbnng  vieler  Objekte 
im  Santoninraasch  wird  richtig,  wenn  ich  den  besonderen  Zu- 
stand der  anfoehmenden  sensoriellen  Körpergebiete  beachte. 
Kurz,  die  Unrichtigkeit  der  Empfindung  ist  nnr  scheinbar. 
Eine  Unrichtigkeit  kommt  erst  zustande,  wenn  ich  in  meinem 
Denken  die  Brnpflndong  unter  Vernachlässigung  der  un- 
gewöhnlichen Momente  der  Beiznngssitnation  ungenau  nur 
einem  Teilglied  der  Bedokte  zuordne. 

Eb  bleibt  also  dabei,  daß  als  unrichtig  im  strengen  Sinn 
unerer  Definition  nnr  diejenigen  Empfindungen  bezeichnet 
werden  können,  welche  durch  Vorstellungen  umgestaltet  sind. 
Jedenffdle  mtiesen  wir  femer,  wenn  wir  bei  dem  Sprechen 
von  Richtigkeit  nicht  die  Qesamt'sitnation,  sondern  nur 
einen  bestimmten  Beduktionsbestaadteil  ins  Ange  fassen, 
festhalten,  daS  das  Etatsprechen  zwischen  f^pfindnng  und 
Beduhtionebestandteil  (Ding  an  eich,  Beiz)  einige  bemerkens- 
werte Eigenschaften  hat,  die  hier  nur  kurz  erwähnt  werden 
können.  Vor  allem  zeichnet  es  sieh  dadurch  ans,  daS  es 
gradweise  abgestuft,  also  nicht  an  die  kontradikto- 
rische Disjunktion  „richtig  oder  unrichtig"  gebunden  ist- 
So  schwankt  beispielsweise  die  Schärfe  der  Empflndong 
zwischen  einem  Maximum  und  einem  Minimom  derart,  dafi 
alle  denkbaren  Übergänge  zwischen  beiden  gelegentlich  vor- 
konunen  können. 

Ebenso  wichtig  ist  eine  andere  Eigenschaft,  die  man  im 
prägnanten  Sinn  als  die  Belativität')  des  Ent- 
sprechens  bezeichnen  kann.  Diese  besteht  darin,  daß  jenes 
Maximum  des  Entsprechen»  zwischen  Empfindung  und  B^ 
dnktionsbeetandteil  kein  feststehender  oder  feststellbarer 
Pnnkt  in  der  Skala  des  Emtapreehens  ist.  Wenn  ich  ein 
Objekt  ans  großer  Nähe  bei  vorteilhafter  Beleuchtung  mit 
günstigster  Akkonomodation  betrachte,  so  kann  ich  mir 
immer  noch  eine  empfiuiUicherie  Netzhaut,  eine  Verwendung 
von  Vergrößerungsgläsern  u.  a.  m.  denken  und  damit  eine 
weitere  Verschärfung  der  Empfindung,  ein  noch  genaueree 
Entsprechen,  eine  größere  Bichtigkeit  der  Empfindung  theo- 
retisch konsthiieren  nnd  sogar  bis  zu  einer  gewissen  (Frenze 


1.  Kapitel.    Erkenntniatheoretiscbe  Gnindtesunt.  279 

anch  tatsäehlieh  herbeiführen.  Die  optimale  Lage  (im  wei- 
testen Sinn)  des  Reizes  zn  dem  anfnehmendeu  Organ  (Sinnes- 
vgan,  Gehirn)  bleibt  nnbestimmt.  Wenigstens  theoretisch 
existiert  kein  absolates.  Maxünnm  *). 

Was  zweitens  die  Beziehang  der  primären  Erinue- 
nmgsbilder  (V)  za  den  Empfindungen  (E),  also  die  Er- 
innernngsbeziehung  anlangt,  so  kommt  hier  ein  Ent- 
qipechen  nnd  daher  auch  Richtigkeit  und  Falschheit 
Steher  in  Betracht  Das  nndeDtlicbe  **)  Erinneningsbild 
entspricht  seiner  Grondempflndong  weniger  als  das  dentliche 
und  ist  insofern  weniger  richtig.  Auch  dies  Elntsprechen  ist 
oflenbar  gradweise  abgestuft,  dagegen  weicht  es  von  dem 
Entsprechen  der  Rednktionsbeziehnng  darin  ab,  daS  das 
M&ximom  einigermaßen  fixiert  ist:  wir  werden  dasselbe  dann 
annmehmen  haben,  wenn  alle  Eigenschaften  der  Gmnd- 
empflndnng  im  Erinnemngsbild  so  vertreten  sind,  wie  es 
einem  Minimum  des  Vergessens  und  einem  Maximum  der 
ÄTtfmerksamkeit  entspricht.  Auch  hierbei  ist  noch  eine  weite 
Belativität  vorhanden,  aber  es  besteht  doch  nicht  mehr  jene 
abeolnte  Unbestimmtheit,  welche  für  das  MaxinnTim  des 
f^tsprechens  der  Bednktionsbeziehnng  vorliegt  und  die 
offenbar  mit  der  unzureichenden  Bekanutheit  und  der  Hetero- 
genität  der  Reduktionsbestandteile  zosammenhängt. 

Im  Bereich  der  EmpfindunRen  bleibt  uds  niclits  anderes  übrig,  als  «ilt- 
^ililich  einen  idealen  Fall  der  Reizlage  und  der  Reizauinahme  zu  konatraierea 
und  benuBZLsreiten,  in  dem  nach  unseren  allgemeinen  Ermittlungen  die 
EBVfinduDg  eiatan  bestimmten  Reiz  am  schärfsten  entspricht  (soweit  bei 
■nuftr  Omutisation  ein  Entsprechen  Oberhaupt  möglich  ist),  und  nun  die 
tdslchticben  Empfindungen  mit  denen  eines  solchen  Ideal-  und  Durchschnitts- 
Üb,  den  oben  erw&hnten  Nonnatempfindungen  zu  vergleiciien.  Nur  so  ge- 
laiigen  vir  dazu,  auch  Air  die  Empflnduniten  iinahhlngig  von  StCningen  durch 
VonteUungen  vem^edene  Grade  der  Übereinstimmung  (des  Entspiechens) 
ni  iMlianpten  imd  eine  Empfindung  im  Vergleich  mit  einer  anderen  als  falsch 
ni  bezeichnen.  Bei  den  Erinnerungsbildem  ist  uns  ein  Idealfall  ohne  weiteres 
is  dnn  Fall  eines  unmittelbar  an  die  Empfindung  sich  anschUefienclen,  bei 
*uwm  H aximum  der  Aufmerksamkeit  erwort>enen  Erinnerungsbildes  gegeben, 
lud  es  kann  sich  nur  um  eine  Auswahl  mit  Bezug  auf  die  individuellei) 
DiOerenzen  in  der  Annäherune  an  die  bekannte  Gnindenvündung  band^. 
Bei  dieser  Sachlage  ist  auch  die  gröBte  Zurückhaltung  gegenüber  dem 
KhoQ  Ton  Aristoteles  aufgestellten  und  seitdem  vielfach,  oft  mit  kleinen  Ab- 
liideruDgen  nachgesprochenen  Satz  geboten,  daB  nur  jedem  Urteil   (^t- 

*)  Bin  solches  w&re  erst  dann  gegeben,  wenn  die  Empfindunc  mit  B 
>d«ktiaGh  wird,  also  aulhört  Empfindung  zu  sein. 

'*)  Tri-  aber  Schlrfe  und  Deutlichkeit  Leitf.  d.  phvs.  Fsychol.,  10.  Aufl. 

J«na  1914,  s.  aas. 


tY^IC 


280       '^-  "^^l-    Erkennt nistheoretische  usw.  Grundkeunc  der  Logik. 

9«n»«c  !•}«;)  Wabisein  oder  Falschsein  zukomme  (ir  ^  t»  il^Hitf 
q  i/mviftt9vi  in^x*'i  Akad.  Auw-  17b)-  Wenn  man  nicht  ex  4«fliu^iie 
Wahrsein  und  Palscbseia  auf  das  UrteUen  einschränki,  womit  der  Baue  Satz 
auf  ein  triviales  a=a  hinauslaufen  würde,  trifft  er  nicht  zu:  uich  anl  die 
Empfindungen  (s.  o.)  und  vor  allem  auf  die  iHuiiren  und  abgäeüetn  Vor- 
Hlellungen  kann  man  mit  sutem  Sinn  die  Prftdikate  „richtis"  un4  ,^ilsdi" 
RnvMiden  >^}.  Der  wahre  und  wichüse  Satz,  der  Aiiatoteles  wohl  ^o^- 
sescbwebt  haben  mac,  seht  dahin,  daB  die  Feststellung  der  Richtigkeit 
oder  Unrichtigkeit  immer  nur  durch  Urleilsakte  (Vergleiche)  möglich  ist.  Dieser 
Satz  gilt  auch  fOr  die  Richtigkeit  imd  tlnrictatigkeit  von  Empfindungen  lutd 
primiren  Srinnerungsbildwn,  besagt  also  nichts  weniger  als  den  AusacUnS 
dieser  Prädikate  von  den  Enmflndungen. 

Beacbtunsr  verdi^Dt  anch,  dafi,  wie  schon  erwähnt, 
den  primäreD  Ermnerqngsbildern  durch  VermittlunK  der 
Gmpflndnnffen  auch  eine  indirekte  Beziehung  zn 
den  gedachten  Beduktionsbestandteilen  zuktHnmt: 
V-^E-*^R  (vgl.  S,  262).  Im  Hinblick  Buf  diese  indirekte 
Beziehnng  kann  man  nämlich  den  primären  ErinnemiigB- 
bildem  eine  doppelte  Richtigkeit  bzw.  Unrichtigkeit  to- 
eckceiben,  nämlich  eine  Richtigkeit  mit  Bezug  auf  Uiie 
G'rundempfiudungen  und  eine  Bicbtigkeit  mit  Bezug  ahf  die 
Beduktlonsbetitundteile  der  Grundempfindang^i'  In  der 
Begel  hängt  die  letztere  von  der  ersteren  und  zugleich  von 
der  Bichtigkeit  der  Empfindungen  ab. 

Sowohl  die  Bichtigkeit  der  Empfindungen  wie  die  Bioh- 
tigksit  der  primären  Erinnerungsbilder  kann  in  dem  S.  3 
ffstgesetzten  Sinn  al»  material  bezeichnet  werden.  Die 
allgemeinen  Gesetze,  nach  denen  die  Empfindungs-  und  Er- 
innerungsvorgäuge  zu  einem  material  richtige»  oder  qn- 
ritihtigen  £mpflndiing«-  bzw.  Einaerungsergebnift  füluWB. 
können  demgegenüber  als  formal  bezeichnet  werden.  Ber- 
kümmlicherweise  werden  sie  nicht  von  der  Logik,  deren 
Untersuchungen  sich  eben  auf  die  Denk  Vorgänge  be- 
echräiikeu,  sondern  von  der  Psychologie  erforscht.  Es  sei 
darum  hier  nur  betont,  dafi  die  materiale  Unrichtigkeit  der 
fimpfindongen  und  primäTen  Erinnerungsbilder  stets  airf 
einer  Störung  der  formalen  Empfindungs-  bzw.  Erinnerungs- 
prozesse  beruht "),  insofern  die  beiden  letzteren  unter  Be- 

")  Daher  sind  Autoren,  die  wie  Matte  von  dem  Satz  des  Anstotelw 
jnit  leiditcr  Ab&nderunc  ausgeben  (Exper.  psrcbol.  t'ntersuchungen  Ober  das 
Urleil  usf.,  Lpz.  1901,  S.  Stf.)  genötifft,  »'UrteilssachTMBteUangen"  oder  „Urteil»- 
Vorstellungen"  anzunehmen. 

^^  Bei  den  Erinnerungabildem  kann,  »ie  oben  auch  itäuta  arwlkat. 
£•  indirekte  materiale  Unrichtigkeit  audi  auf  der  matoriakn  ÜnricUigkcil 
der  EmpfinduDsen  beruhen,  worauf  hier  mehl  nfiher  cinzugdien  ist. 


OgIC 


__^^  1.  KapiteL    Erk«iuUDisUieoretiscbe  Gnindlegunit,  281 

'fispingen  stattfinden,  di«  von  dem  uns  als  Norm  geltenden 
ZostaDd  abweichen-  Formale  nnd  mat^ale  Biohti^ieit  bzw. 
Unrichtigkeit  fallen  hier  zusammen.  Man  spricht  daher  hier 
gewämlich  nnr  horz  von  materialer  Richtigkeit  bsw. 
(^richtigkeit. 

Wesentlich  anders  verhält  sich  das  Hutsprechen  im 
Bereich  der  dritten  Beziehung,  der  „Denkbeziehang" 
zwischen  V  and  V,  d.  h.  zwischen  den  Ergehniasen  der  Denk- 
^oifäng«  und  den  primären  Erinnernngsbiidem  oder  —  knrz 
aosgedräckt  —  zwischen  den  Vorstellongen  virsohiedener 
Stnfe  untereinander  (vgl.  S.  263).  Da  ein  Denkargebnis  V 
sich  bald  nur  direkt  auf  V ")  (V-*-  V),  bald  indirekt  auch 
auf  E  (V'-*V-^  E)  oder  sogar  auf  B  (V'-^V-^E-^B)  be- 
liehen kann  (vgl.  S.  263),  so  kommt  neben  dem  direkten  Ent- 
tp'ecben  mit  Bezug  auf  V  auch  ein  indirektes  Entsprechen 
mit  Bezug  auf  £  und  B  und  also  neben  der  direkten  BichUff- 
keit  auch  eine  indirekte  in  Betracht  Da  femer,  wie  S.  262 
schon  erwähnt  wurde,  innerhalb  der  Denkergebnisse  noch 
veitera  Beziehnngen  nnd  Abstufungen  bestehen,  indem  anf 
die  ersten  Denkei^bnisse'  räch  immer  weitere  aufbauen,  so 
konunt  noch  ein  Entsprechen,  also  eine  Richtigkeit  bzw- 
Unrichtigkeit  innerhalb  des  Gebiets  der  V  hinzu,  oder 
—  mit  anderen  Worten  -r~  aneh  die  Beziehung-  auf  V  ist  s^r 
rft  indirekt  (y"-*-V-^y  usf.,  vgL  S.  263).  Das  Entspreeben 
zwischen  VorstellungBinhatt  und  Vorstellungs gegen- 
ständ (vgl.  S.  273)  ist  durch  mehr  oder  weniger  Zwischen- 
stufen vermittelt. 

Eine  gradweise  Abstufung  der  Bichtigkeit  kommt  auch 
bei  der  dritten  Beziehung  vor.    Meine  Allgemeinvorstellung 


'*)  Einen  Übergang  znischen  der  ErinneninssbeziebuDB  und  der  Denk- 
beziehnns  bilden  die  sog.  Emffindungsurteile  wie  z.  B.  „dies  ist  Herr  kl.", 
«dies  iat  eine  Rose".  Das  Subjekt  des  Urteils  ist  hier  eine  EmpfladutiK,  der 
Denkakt  tutt  nicht  eine  VorftflUuaK,  sondern  eine  Empfindung  zum  unmUtat- 
baren  Geienstand,  während  er  sich  sonst  nur  indirekt,  d.  h.  durch  Vennitt- 
hug  von  Vorstellungen  auf  Empfindungen  bezieht  Man  kann  diese  Eisen- 
tündichkeit  der  Empfindungsurteile  auch  dahin  lorraulieren,  daB  die  Erinnc- 
nD«d)eziebung  als  Denbkt  lormuliert  oder  in  einen  Denkakt  unuestaUet 
«ifd.  Sowohl  in  der  psycholociKhen  Grundleguiv  {%  7ö]  wie  auch  ia  der 
Wik  a.  slr.  (g  90  ff.)  wird  dieser  Sonderst^ung  4^''  Empfindungsurteile  ein- 
Kfa«ud  Hcchuung  getragen  werden.  Es  leuchtet  äbrigens  ein^  daB  jedes 
EnpäBdungnuteil  mit  dem  Verschwinden  oder  Zurücktreten  der  Emiifindung 
Mim  io  ein  ■ewAhnlicAcs  VargteilunmuitHl  übergeht  („dies  war  eine  Rme" 
<)der  ,jits,  was  ich  gesehen  habe,  ist  eine  Rose"). 

„.,,„A.OOglC 


282       IT-  Teil    EricenntnisUteontiscbe  usw.  Gnindlesnns  der  Logik. 

einer  Meduse  wird  z.  B.  richtiger  oder  weniger  richtig  sein, 
je  nachdem  meine  Eiinnernngsbilder  der  einzelnen  Medoseu 
deutlicher  oder  undeutlicher  sind.  Andrerseits  fehlen  in  zahl- 
losen Fällen  alle  Abstufungen  vollständig.  Zwischen  a^^a 
und  a^nona  existiert  keine  Zwischenstufe.  Daa  eine  ist 
absolut  richtig,  das  andere  absolut  falsch.  Ähnlich  verhält 
es  sich  mit  der  Relativität  im  Bereich  der  Denkbeziehungen. 
In  denselben  Fällen,  in  welchen  gradweise  Ahstnfnngen  der 
Richtigkeit  vorkommen,  ist  die  BLchtigkeit  auch  in  dem 
S.  278  festgesetzten  prägnanten  Sinn  relativ,  in  den  anderen 
absoint.  Für  die  AllgemeinvorsteUung  „Meduse"  läßt  sich 
ein  Maximum  der  Richtigkeit  überhaupt  nicht  fixieren,  für 
Sätze  wie  a^^a  ist  es  ohne  weiteres  gegeben,  da  überhaupt 
eine  andere  richtige  Beziehung  zwischen  a  und  a  ausge- 
schlossen ist  Worauf  diese  Ungleichm&ßigkeit  im  Bereich 
der  Denkbeziehuugen  beruht  nnd  welche  tiefere  Bedentimg 
sie  hat,  wird  sich  später  ergehen. 

Die  aUgemeine  Relativität,  welche  aller  unsrer  Erkeanlnis  anhaltet, 
wimHfh  die  Abh&Dgigkeit  von  unseren  Erfcenntnisfunktionen,  kommt  sdbet 
stündlich  allen  unseren  Erkenntnissen  zu:  Eik  ist  stets  eine  Funktion  f  des 
Objekts  O  und  unsrer  Eikenntnishmktioncn  F,  symbolisch  ErkE=9f  (0,  F) 
oder  absekOrzt  Eik  =  F  (0).  Dia  sog.  adaequatio  rei  et  intellectus  ist  günstiü- 
sten  Falles  eine  roüimale  Annähening. 

Wie  jede  Richtigkeit  bzw.  Unrichtigkeit 
ist  auch  diejenige  des  Denkergebnisses  im  Be- 
reich der  Denkbeziehung  stets  material:  es 
handelt  sich  auch  hier  stets  darum,  ob  innerhalb  der  durch 
Kausal-  und  Parallelgesetze  gesteckten  Orenzm  V  mit  V 
bzw.  E  bzw.  R  äbereinstimmt,  ob  also  —  ganz  allgemein  — 
ein  Tatbestand  innerhalb  des  Gegebenen  (ein  gignome- 
naler  Tatbestand)  von  anderen  Gignomenen  richtig  wieder- 
gegeben wird  (vgl.  S.  2).  Nur  in  bezug  auf  die  Ent- 
steh nng  des  Denkergebnisses  besteht  insofern  ein  Unter- 
schied, als  die  materiale  Richtigkeit  des  Ei^^ebnisses 
einerseits  von  der  materialen  Richtigkeit  der  in  Betracht 
kmnmenden  Empfindungen  und  primären  Erinnerungsbilder 
und  andrerseits  von  dem  richtigen  Ahlanf  der  Denkprozesee, 
rfnrch  welche  die  Empfindungen  bzw.  Erinnernngsbilder  ver- 
arbeitet werden,  abhängt  und  somit  auch  die  materiale  Un- 
richtigkeit eines  Denkergebniases  entweder  durch  materiale 
Unrichtigkeit  der  bez.  Empfindungen  oder  primären  Er- 
imaerungsbilder   oder    durch    unrichtigen    Ablauf    der  an- 

„.,,„,^.oogic 


1.  Kapitel.    EriietintiiistheoretiBdte  Gnindleeung.  283 

«üiließendeii  Denkprozeese  bediagrt  wird.  Der  richtige  bzw. 
nnhehtige  Ablauf  der  Deiücprozesse  wurde  schon  in  ^  1 
i&  3)  mit  dem  Terminus  „formal"  bele^.  Wir  können 
Mer  kurz  sa^o:  Die  matertale  Richtigkeit  der 
Denkergebnisse  hängt  von  der  materialen 
Bichtigkeit  der  zugehörigen  (verwerteten)  Emp- 
findungen bzw.  primären  Erinnerungsbilder 
and  der  formalen  Bichtigkeit  der  zagehörigen 
Oenkakte  ab. 

Handelt  es  sich  um  Denfcakte,  die  mchl  an  primäMn  Erinneninsabildern, 
soDdem  an  aus  diesen  abseleiteten  VorsteUunaen  vollzogen  werden,  so  tritt 
n  Stelle  der  materialen  Richtigkeit  der  E's  und  der  priin&ren  Vs  die  mate- 
riale  ßicfati^eit  dieser  abgeleiteten  Vorstellunsen,  und  diese  hftnst  ihrerseits 
*)eder  von  jenen  beiden  Faktoren  und  ihrer  eifenen  Unversehrtbeit  ab. 
Mdit  nur  unsere  primären  Erinneruiigsbilder,  sondern  auch  die  aus  ihnen 
haielellelen  Vorstellunsen  sind  dem  Vergessen  und  allerhand  anderen  Ton 
den  Denkakten  unahhänsigen  Entstellungen  ausgesetzt  und  kj^nnen  so  ihre 
■nteriale  Richtigkeit  einbOBen.  Da  diese  Quelle  der  Unrichtigkeit  der  Denk- 
ofAniase  mit  den  Denkaklen  nichts  zu  tun  hat  und  in  ihrer  wesentlichen 
Bedeutung  ganz  mit  der  materialen  Unrichtigkeit  der  [nim&ren  Erinnerungs- 
Ixlder  zusammenl&llt,  soll  sie  im  folgenden  nicht  immer  besonders  neben  der 
Mzteren  angeführt  werden  (vgl.  auch  §  87). 

Will  man  den  Terminus  „formal"  auch  auf  das  Denk- 
«Tgebnis  übertragen,  so  wird  man  also  sagen  müssen: 
Duterial  richtige  Denkergebnisae  sind  stets  zugleich  formal 
riehtig"),  material  unrichtige  Denkergebniase  kommen  bald 
nur  infolge  material  unrichtiger  Empfindungen  bzw.  pri- 
märer Erinnerungsbilder  zustande  und  sind  dann  also  auch 
ikrer  Entstehung  nach  ansechliefilioh  material- 
ttorichtig;  bald  beruhen  sie  nur  oder  wenigstens  auch 
aof  unrichtigen  Denkakten  und  können  insofern  ahs  material 
and  formal  unrichtig  bezeichnet  werden  (material  bez. 
des  Ergebnisses,  formal  bez.  des  Entstehungsakts). 

Es  empfiehlt  sich,  diese  Unterschiede  in  der  Bichtigkeit 
der  Denkergebnisse  durch  besondere  Bezeichnungen  festzu- 
baUen.  Die  Bezeichnungen  „materiale  und  formale  Bichtig- 
keit'* bzw.  „Unrichtigkeit"  oder  anch  „materiale  nnd  formale 
WahAeit"  bzw.  „Unwahrheit"  haben  d«i  Nachteil,  daß  sie 
ans  je  zwei  Wörtern  zusanmiengesetzt  und  daher  zu  weiteren, 

'*)  Eine  Ausnahme  ergibt  sich  nur  bei  der  zum  Teil  schon  S.  i,  Anm.  3 
QvUuten  Kompensation:  Eegenaeitifer  Konu>ensation  foimaler  Fdilei  unter- 
(>nuder  od«  formaler  fcbler  mit  materialen  Fehlem  der  E's  oder  V's  oder 
*bA  formaler  Fehler  dui^  materiale  Ei^nzungen,  worOber  %  80  nach- 
ailwen  ist. 

„.,,„,^.oogic 


284      ^  '^^'I-    EAeantnisthMfetbche  usw.  Grundlemra  det  Logilc. 


z.  B.  adjektiviechen  Wortableitnnsen  wenig  geeignet  sind. 
Ich  werde  daher  im  folgmden  die  Riehtigkeit  bzw.  Unricli- 
tigtceit  der  Denkergebnisse  im  allgemeinen,  welche  ja, 
wie  sich  gezeigt  hat,  etets  material  ist,  als  Adäquat- 
hei  t  bsw.  Ivadäquatheit  und  die  Bichtigkeit  bsw.  Un- 
richtigkeit der  Denkergebnisse,  soweit  sie  von  der  Richtig- 
keit der  zugehörigen  Denk  a  kl  e  abhängt,  also  formal  be- 
dingt ist,  als  Konkrepanz  bzw.  Diskrepanz**)  be- 
zeichnen. Wird  im  folgenden  das  Wort  ,3ichtigkeit"  bzw. 
„Wahrheit"  ohne  Znsats  gebraucht,  so  ist  stets  die  Adäqoat- 
heit  einschliefilioh  der  Konkrepanz  gemeint,  welch  letztere 
ja,  wenn  Adäqnatheit  vorliegt,  im  aUgemeinen  gleichfalls 
vorhanden  ist**). 

Man  übersehe  nicht,  dafi  die  materiale  Richtigkeit  eines 
Denkergebnisses  sonach  zwei  Richtigkeiten  einschlieSt, 
erstens  die  materiale  Richtigkeit  der  verwierteten  Brinne- 
ruQgsbUder  und  anderer  Gegenstände  niederer  OrdsBOK 
(fimdierender  Gegenstände  Meinongs,  vgl.  S.  263  n.  36^ 
and  zweitetH  die  formale  Richtigkeit  des  verwiertenden  Daok- 
aktes.  Überträgt  man  den  Terminus  „formale  Bichtij^eif , 
wie  jetzt  geschehen,  vom  Denkakt  aaf  das  Denkergeb- 
nis,  so  kann  man  auch  den  Anteil,  den  die  materiale  Rich- 
tigkeit der  verwerteten  Gegenstände  niederer  Ordnung  h»ti 
besonders  bezeichnen,  z.  B.  als  fondiert-materiale  Riditig- 
keit  oder  kurzer  als  fandale  Richtigkeit  (Solidität). 

In  der  deutschen  Sprache  scheint  sich  noch  ein  weiterer  terminriotiacba 
AuswflC  darzubisteu^  da  si«  uns  einerseits  die  AusdrOcke  „Wabrtieit"  und 
„Unwahrheit"  und  andrereits  die  Ausdrücke  .^icbtifkeit"  und  „UnrichtiAäL'' 


")  Den  die  Diskrepanz  bedingenden  unrichtigen  E>enkakt  kann  nan 
mit  Aristoteles  als  Paralofisnius  bezeichneu,  doch  beziebt  Um  Ahalotdes  u 
einseitig  auf  Schlüsse  (vgt.  z.  B.  Akad.  Aus«.  6ib).  Vgl.  auch  Kant,  Krit  d. 
rein.  Vem.,  Kehrt>.  Ausg.,  S.  29et. 

1*)  Ich  kehre  damit  zu  dem  Sprachgebrauch  des  Albertus  Magnus  und 
Thomas  y.  Aquino  —  „adaequatia  lai  et  intälectus"  —  zurück.  SpUcr  bat 
man  nftmUch  alt  gerade  umgekehrt  als  AdAquatheit  eine  oder  m^W 
innere  Eigeoachaften  (,jiropri«Utea  intrinsecae"),  welche  einn  „u'w^'  •'' 
se  sine  relaüone  ad  objectum"  zukonunen,  bezeichnet.  Vgl.  EAenntni»- 
tfaeorie  1.  c.  S.  &S5ft.;  Spinoza,  Ethice,  Pars  2,  Def.  4;  Leibniz,  Hiilos.  Sehr. 
Gerb.  Ausg.  Bd.  i,  S.  4S3;  Chr.  WolB,  Logica,  2.  Ausg.  1738,  %  96  (ß.  1«) 
u.  a.  m.  AndierseilB  hat  z.  B.  Locke  die  alte  Bedetduag  von  «deouale  im 
wesentlichen  festgehalten:  tfaoae  —  "*iiT'yh  real  ideaa  — •  I  call  siMuatAi 
which  pertsctly  Tepresent  tbose  «jcheivpes  wbidi  the  miad  snpposes  thMi 
taken  fron^  irtiich  it  intcAda  then  to  stjud  ftii^  aad  to  irtöcfa  U  refen  tt* 
CEsB.  conc.  faum,  undersl.  II,  81,  1). 


1.  Kapüel.    Erkennlnistheoreüsche  Omndletung.  285 

'«fa  iDcIi  Falschheit")  duiiieteL  In  der  Tat  bat  man  nicht  gelten  hieivon 
Gdcneh  Bemacbt.  So  habe  auch  ich  selbst  an  andrer  Stelle^')  voisescUxen, 
dKlonnale  Übereinstimmung  ab  RichtiBkeit,  die  roateriale  als  Wahrheit  zu 
'noAnen,  und  glaobe  andi  jetzt  noch,  daB  eine  solche  Unteiscbeidung 
noBm  ^naidiceflihl  noch  am  ehesten  entsprechen  würde.  Indes  haben 
udm  aerade  die  entgecensesetzte  Bestimmung  vorgeschlafen  (vgl.  t.  B. 
E«^  Einleit.  i.  d.  Fhilos.,  b.  AufL  Leipzig  191%  S.  Ul  u.  306;  Ober  di« 
niecÜscbe  Terminologie  sehe  auch  Hieb.  Bertierts,  Das  Wahrheitspioblem 
L  d.  piedi.  Fhilos.,  Berlin  1913,  namentL  Kap.  8  u.  9.  Steuer  u.  Epikur). 
Ml  anders  Terwendet  Bolzano  (Wisseaschaflslebre  I,  S.  M7)  dieselben 
ramtiu:  er  inil  bei  Vorstellungen  von  RicfatiAeit  ond  Unrichtigkeit,  bei 
SatzCD  von  Wahrheit  und  Falschheit  sprecfaeD;,  wogegen  vor  allem  schon 
anmelden  ist,  daB  nach  dem  Sprachg^raucb  Falschheit  das  Gegenteil  von 
RiditiAeit  und  nicht  das  Gegenteil  von  Wahilieit  ist  Erdmann  gebrauchl 
m  AuchluB  an  Ihering  dm  Terminus  ,Jtichtigkeit"  speziell  mit  Bezug  auf 
priktiscbe  Nonnen  (Logikk  Bd.  1,  2.  Aufl.  Halle  1907,  Sl  3U).  Bei 
Aesv  extramoi  Divergenz  des  wissenschaftlicfam  ^irachgebrauchs,  für  welche 
Bcb  Doch  sehr  viele  iveitere  Beispiele  anführen  lassen,  schien  es  erlaubt  und 
ntMkmUig,  wie  oben  geschehen,  neue  neutralere  Termini  vorzuschlagen.  — 
Dtr  sdir  nahe  liegende  Terminus  „Eonformit&t"  für  die  formale  Richtigkeit 
*nde  vermieden,  ttal  er  sowohl  in  der  scholastischen  wie  in  der  neueren 
Logik  oft  gerade  fOr  die  materiale  Richtigkeit  v«wendet  worden  ist  (vgl. 
t-  B.  Godenins,  Lexicon  Philosoph,  graeco-lat.,  Uarpurgi  1013,  S.  311; 
Ikinnd  de  Pourcain  „conformitaa  intelleclu^  ad  rem  intellectam".  In  prina. 
kdL  I,  19,  qu  5;  Gassendi,  Fhilos.  Epic.  synt.  I,  1,  Opusc.  Philosoph,  ed. 
Howit,  Tom.  m,  S.  t;  Watts,  Logic  I,  eh.  3,  S.  +).  Für  die  materiale 
Riddigkeit  gebtaucht  Leibniz  gelt^entticb  den  Ausdiijck  ,correspondaQce" 
{Sam.  Ess.  IT,  6,  S),  Wolf!  spricht  von  „consenflue"  (Logica  %  505),  Rüdiger 
definiert  die  „veritas  logica"  als  „convenientia  ^*)  cogilationum  nobtrarum 
cum  sensione"  (De  sensu  veri  et  taln  ^  i;  g  14  Sl  Aufl.  a  27)  usL  Alle  diese 
Tennini  kAnntes  aber  nach  ihrer  Wortbedeutung  ebensogut  für  die  formale 
BiditlAeit  gri}raticht  werden  und  siAd  daher  wohl  weniger  zweckmäBig. 

Man  beachte  übrigens  Bchon  jetzt,  dafi  die  Diskrepanz 
in  dran  Ergebnis  bald  manifest,  bald  latent  ist.  Wenn  z.  B. 
ein  logischer  Becheofehler  zn  dem  Ergebnis  führt,  dafi 
2=5  ist,  so  liegt  ein  nnmittelbar  erkennbarer,  d.  h.  mani- 
fester aog.  iimerer  Widersprach  vor.  Dieser  wird  uns  als 
Disgrnenz  (s.  str.)  alsbald  (S.  290)  ausführlicher  beschäf- 
tigen; er  kann  entweder  anf  Diskrepanz  oder  auf  Insolidität 
benÜND. 


"]  Gnmdlagen  der  Fsychologie,  Leipzig-Berlin  1915,  fid.  1,  S.  236, 
-tun.  1.  Siebe  iedoch  auch  Etkeimtnistheorie,'  Jena  1913,  S.  5^.  Vgl.  auch 
Hegel,  Encyklop.  g  173  (WW.  Bd.  6.  S.  3M). 

'*)  Schon  Spinoza  stellt  das  Axiom  auf:  idea  vera  dehet  cum  suo  ideato 
Mnrtoin"  (Eth.  I,  Ax.  9).  Rüdiger  fogt  an  der  oben  zitierten  Stella  zu 
scnaone  hinzu:  „ouae  iam  vera  esse  metaphysice  nee  fallere  sunütur"  und 
^miift  in  S  8  ausdrücklich  die  Definition  der  Wahrheit  als  äner  convenientia 
rei  nmi  intellectu  (1.  c.  S.  26). 


1,1^. OQi 


'S'c 


286      ^  '^^''-    ErkenDtnistheoretiache  us«r.  Gnindlecunr  der  LogÜc 

Die  allgemeine  Beziehung  zwiecheu  formaler  nnd  mate- 
rialer  Bichtigkett  läßt  eicli  mit  HUfe  der  feetgeBetzteu  Ter- 
mini nunmehr  anch  kurz  folgendermaßen  ansdrücken:  Jedes 
adäquate  V  ist  zugleich  auch  konkrepant  ^*),  ein  inadäquatee 
V  ist  hald  infolge  Inadäquatheit  der  verwerteten  V's  oder  E'& 
(oder  anch  V's  niederer  Ordnung),  bald  infolge  Diskrepanz, 
bald  infolge  beider  Momente  inadäquat.  Vor  allem  ei^bt  äeh 
also,  daß  Konkrepanz  durchaus  keine  Böa^rschaft  für  Äd- 
äqoatheit  gibt.  So  ist,  wenn  ich  schließe: 
jjüju  Fische  schwimmen; 
Der  Wal  schwimmt; 
also  ist  der  Wal  ein  Fisch," 
dieser  Denkakt  formal  richtig,  das  Denkergebnis  also  mit 
Bezog  auf  ihn  konkrepant,  und  doch  ist  letzteres  inadäquat 
d.  h.  material  unrichtig,  weil  der  erste  Vordersatz  —  in 
diesem  Fall  also  ein  V  niederer  Ordnung  —  inadäquat  ist 
Nur  wienn  man  —  rein  theoretisch  —  voraussetzt,  daß  all«' 
B's  and  V's  absolut  adäquat  Mnd,  würde  anch  jede  Inadäquat- 
heit  eines  Denkergebnisses  auf  eine  Diskrepanz  hinweisen 
(entweder  hei  der  Entstehung  des  letzten  V  oder  hei  der  Ent- 
etehnng  eines  V  niederer  Ordnung). 

Es  leuchtet  ein,  daß  wir  mit  dieser  Erläuterung  der  for- 
malen Richtigkeit  oder  Konkrepanz  zugleich  wieder  zu  der 
in  ^  1  gegebenen  Definition  und  Abgrenzung  der  Logik 
zurückgelangt  sind.  Die  Erkenntnistheorie  bestimmt,  vas 
formale  und  materiale  Bichtigk«it  ist,  und  Überläßt  dann  die 
spezielle  Untersuchung  der  fonnalen  Gesetzmäßigkeit  un- 
seres Denkens  mit  Bezug  auf  die  materiale  Bichtigkeit  de» 
Denkergebnisses  der  Logik.  Die  Logik,  können  wir  jetzt 
auch  sagen,  hat  festzustellen,  wie  die  materiale  Richtigkeit 
der  Denkergebnisse  gesetzmäßig  von  der  formalen  Richtig- 
keit der  Den^akte  abhängt.  In  diesem  Sinn  ist  sie,  etwas 
kurz  anagedrückt,  die  Wissenschaft  von  der  Konkrepanz  und 
Diskrepanz. 

W&hrend  die  Spezialwissenachaften  abgeleitete  VoratcUungsinhalte  aul 
Grund  des  Oegebenea  bilden,  hat  die  Eiieimtiiisthean«  (s.  str.)  und  die  Locit 
die  Aulsabe,  die  allgemeineii  Prinzipien  des  Entunechenfl  fOr  alle  dieso 
Inhalte  mit  Bezug  aut  die  GegensUnde  und  die  Denkakte  festzustellen.  So 
stellt  z.  B.  eine  bestinunte  ^ziolwissenschaft  die  mol^ulara  Eonstitutioii 
des  Benzols  und  die  Gesetze  des  Atomaustauschs  zwischen  Terachiedeneo 
Molekülen,  dne  andere  die  EigenUmlicfakeiten  der  Form  und  der  Farbe  eion 

>•]  Immer  mit  der  S.  4,  Ania  9  u.  S.  3S3,  Anm.  M  angefohitea  Aus- 


OgIC 


i.  Kapilel.    Eriunntiüstbeofetuche  Gnindietung.  287 

VüimJs,  eine  dritte  die  Eif  enscbaften  dar  Vorslelhinzen  und  die  Gesetz«  des 
VonlelluiigstblauXs,  eine  vierte  die  Motive  KmIs  V.  bei  seiner  ThroDentsasunK 
IM  nsL  Die  Eitenntnistheorie  (a  str.)  und  die  Look  hat  an  diesen  Vor- 
EteDutiaiiihalteii  und  ihien  Gegenständen  als  solchen  k«in  Interesse;  entere 
rahnacht  nur,  wie  weit  Qbeiiisupt  im  Allgemeinen  ein  Entacrechen  zwiacben 
(ÜNoi  and  jenen  roötlich  ist  und  was  ein  solches  Entsprechen  bedeutet, 
Ittdoe  KOft  nnr  in  ebenso  allgemeiner  Weise,  welche  Denkakte  das  Haxi- 
nrnin  des  Entsprechens  herbeiführen. 

S  61.  Kriterien  der  BtehÜKkeit,  relative  nnd  absolate. 
Pnqtrietates  Intrinsecae  der  Wahrheit.  Das  allgemeiDe  Kri- 
terinni  der  materialen  Bichtig'keit  oder  Adäquatheit 
istacfaon  durch  ihre  Definition  gegeben:  wir  sind  daranf  an- 
fewieeen,  durch  immer  wiederholte  Yergleichong  festm- 
stellen,  ob  V"  mit  V,  V  mit  V,  V  mit  E  and  E  mit  dem 
hinzugedachten  B,  zasammenfassend,  oh  das  Edakt  mit 
seinen  Fandalien  übereinstimmt.  BeispielHweiae  erwies  sich 
die  anfänglich«  Galileische  Annahme  einer  Proportionalität 
zwiacben  Fallgeschwindigkeit  und  dnrchmessenem  Fallraum 
bei  seinen  eigenen  weiteren  Versuchen  sehr  bald  als  un- 
richtig: sie  stinomte  mit  den  Beobachtungen  nicht  überein. 
I>iee  allgemeine  Kriteriom  läßt  eich,  wie  ^  60  ergeben  hat, 
veiter  zerlegen  in  das  Kriterium  der  f  undalen  and  das 
der  formalen  Bicbtigbeit  (S.  284),  also  der  Soli- 
dität und  der  Konhrepanz  nach  der  hier  gewählten 
Terminologie.  So  würde  z.  B.  Galilei  die  fnndale  Bichtig- 
keit  seines  Ergebnisses  geprüft  haben, , indem  er  die  ver- 
verieten Zwiscbengegenstände  (vgl.  S.  267),  also  Beobaoh- 
timgen  und  event.  Erinnenmgen,  anf  ihre.materiale  Bichtig- 
^eit  kontrollierte.  Dagegen  würde  er  die  formale  Bich- 
tigkeit  desselben  Ergebnisses  dadurch  nachzuprüfen  gehabt 
lubeD,  daß  er  die  Denkakte,  welche  zu  dem  Ergebnis  geführt 
htäten,  also  Begritbtbildungen,  Bechnongen,  Überlegungen 
usf.,  anf  ihre  formale  Bichtigkeit  kontrollierte.  Die  letztere 
Prnfnng  würde  eben,  insofern  sie  anf  Orund  allgemeiner 
^eln  erfolgt,  in  das  Bereich  der  Logik ')  fallen. 

Prinzipielle  Schwierigkeiten  bietet  die  Kriterienfrage 
bie  dabin  nicht.  Solche  ergeben  sich  erst  dann,  wenn  man 
^  Frage  anfwirft:  Ist  die  materiale  Bichtigkeit  (Adäquat- 
beiO  ^nes  Deokergebniasea  V  nicht  immer  oder  wenigstens 
zDveilen  auch  erkennbar,  ohne  die  fandale  nnd  formale 

')  Man  beachte  die  hieibei  zutage  tretende  BezWmng  dei  rechnenden 
HtlboMtik  rar  Lectk  (a;  stich  g  SS)- 

„.,.■,    ,:,>..OO^SIC 


288      II.  Teil.    Erkenntnistheeralische  usw.  Gnindlesime  der  Logik. 

Richtigkeit  zu  prüfenl  oder  —  mit  anderen  Worten  —  hat 
das  material  richtige  D^ikergebuis  nicht  inun«r  oder  wenig- 
stens zuweilen  Eigenschaften,  welche  seine  materiale  Rich- 
tigkeit grauz  abSolat,  d.  h.  ohne  Berttoksichtigong  seiner 
FuDdalien  und  der  zugehörigen  Denkakt«  verbärgeul  gibt 
es  also  proprietates  intrinsecae  der  ideae  verae  im  Sinn 
Spinozaa  (vgl.  S.  104)1 

Eine  besondere  Wendung  nimmt  diese  Fraee  der  Proprietates  intnn- 
secM,  wenn  man  mit  manchen  neueren  Uathematikero,  namentlich  Hengen- 
forscbem  (vgl.  S.  SB8)  annimmt,  daB  unser  Verstand  auch  unabhängig  von 
der  Sinneserfahrung  der  Hauptsache  nach  durch  „innere"  Induktion  und  De- 
duktion Begriffe  bildet,  und  d&G  solche  BegriSe,  sofern  sie  in  sich  wider' 
spruchslos  siod  und  in  festen  durch  Definitionen  geordneten  Beziehungen  sa 
den  bereits  voibandenen  und  bewflhrten  Begriffen  Stehen,  ,4mmaoente  Reali- 
tät" haben.  Von  diesem  Standpunkt  aus  sind  die  Proprietates  intrinsecae 
nicht  nur  absohite  Kriterien  der  materialen  Richtigkeit,  sondern  auch  das 
ZnUssigkeitsfcriterium  fOr  von  unserem  Denken  neugeschaffene  Denkgaen- 
stinde  (entsprechend  Spekulations-  oder  Fhantasäevorstellungen,  s.  S.  8^- 
Nach  dem  von  mir  vertretenen  Staudpunkt  sind  solche  definitnrisch  entstan- 
denen neuen  Gegenstände  („freie  Uathemaük"  Cantors)  so  lange  for  unser 
Erkennen  bedeutungslos^  als  es  nicht  geUngt  in  dem  Gegebenen  etnas  zu 
linden,  was  ihnen  entspricht.  Nut  die  Aussicht,  daB  ein  solches  Entsprechen- 
dea  sich  einmal  finden  konnte,  gibt  diesen  Spekulationen  eine  brpothetische 
Berechtigung.  Wird  ein  Entsprechendes  nicht  gefunden,  so  werden  sie  cd 
einem  logischen  Gedicht.    Vgl.  Cantor,  Math.  Ann,  18SS,  Bd.  Sl^  S.  66g  u.  Ö8B. 

lu '  der  Tat  ist  in  der  Gfschichte  der  Philosophie  und 
speziell  auch  der  Erkenntnistheorie  nnd  hogiTs.  diese  Frage 
öfters  bejaht  worden.  So  ist  nach  Cartesius  die  Klarheit 
und  Distinktheit  eine  solche  kennzeichnende  Eigenschaft  der 
material  richtigen  Denkergebnisse')  (vgl.  S.  100).  Indes 
weder  gibt  Cartesius  eine  auch  nur  einigermaßen  zureichende 
Definition  dieser  Klarheit  nnd  Distinktheit,  noch  zeigt  er 
uns,  wie  wir  die  vermeintliche  Klarheit  und  Distinkt- 
heit, die  oft  genug  auch  für  falsche  Behauptungien  ia  An- 
spruch genommen  wird,  von  der  wirklichen  unterschei- 
den können ').  Auch  bei  Spinoza  kehrt  dasselbe'  Kriteriiun 
wieder  (allerdings  neben  anderen,  s.  unten),  wird  aber  ebenao- 
wealg  .wie  bei  Cartesius  näher  bestimmt  oder  als  zureichend 


^  Schon  Theophrast  fahrt  als  Kriterium  ,r«  iimoyic'  au  (Seil.  Emnr.r 
Adr.  math.  VU,  218). 

*}  Nftheres  s.  Kattti  in  der  S.  99  utieiten  Arfont  und  Ziehen,  Eikenotiiis- 
theorie,  Jena  19181  S.  fiSa  Schon  die  gelegentliche  graduelle  Fonnu- 
lienmg  (De  methodo  i)  „valde  dilncide  et  dietiocte"  «nthülH  die  Unzitl&ntdieb- 
keü  des  Eriteriuma. 


OgIC 


1.  Kwilel.    ErkeimtiusÜieoretische  Grundlegung. 289 

Baehgewiesen  (vgl.  S.  104  n.  284,  Antn.  16).  Leibniz  hat  veni^- 
stens  versncht,  die  Klarheit  und  Distinhtheit  zn  definieren 
lad  für  seine  adäquate  Erbenntnie  (vgl.  S.  284,  Aum.  16)  beide 
EigeiiBchaften  nicht  nur  von  dem  Denkei^ebnis  selbst,  son- 
dern auch  von  allen  seinen  TeilvorBtelluncen  (fnndierenden 
Vontellnnffen)  verlangt  (vgl.  S.  111).  Damit  ist  off enbar  schon 
halb  zugestanden,  daS  ein  von  Denkakt  nud  Oegenständea 
gtaa.  losgelöstes,  absolutes  Wahrheitskriterium  nicht  esi- 
BÜCTt.  Überdies  bezweifelt  L.  selbst,  ob  ein  vollkonmienes 
Beispiel  einer  in  seinem  Sinn  adäquaten  Erkenntnis  bei  den 
Measchen  vorkomme.  Endlich  führt  Leibnizens  eigene 
Definition  der  Klarheit  und  Distinktheit  (9. 111)  die  Beziehung 
anf  die  res  selbst  wieder  ein.  Auch  später  Ist  man  immer 
vieder  gel^entlieh  zu  dem  Carteeiusschen  Kriterium  in 
«einer  ursprünglichen  Form  oder  in  der  Iieibnizschen  Um- 
gestaltung zurückgekehrt,  ohne  auch  nur  irgendwie  zu  einer 
eiabeUigien  Definition  der  Klarheit  und  Deutlichkeit  zu  ge- 
langen *). 

Als  weiteres  inneres  oder  absolutes  Kriterium  wird  zu- 
veilen  auch  die  Vollständigkeit  des  Denkergebnisses 
angeführt  So  identifiziert  Spinoza  geradezu  die  inadäquaten 
Ideen  (inadäquat  in  seinenu  Sinn,  vgl.  S.  284,  Anm.  16)  mit  den 
Tentümmelten  und  konfusen  Ideen  und  leitet  sie  von  einer 
«^itionis  prlvatio  ab').  Auch  bei  der  oben  angeführten, 
von  Leibniz  geforderten  An«dehnnng  der  Klarheit  und 
Distinktheit  auf  alle  Teilvorstellungen  mag  ein  ähnlicher 
Gedanke  mitgespielt  haben.  Jedenfalls  leuchtet  ein,  daß  von 
einer  solchen  Vollständigkeit  nur  mit  Bücksicht  und  in  Be- 
üehnng  auf  die  Fundalien  bzw.  Gegenstände  des 
Denkergebnisses  die  Bede  sein  kann,  daß  also  dies  Kriterium 
dorchans  nicht  absolut  ist,  sondern  in  das  Bereich  der  fuu- 
dalen  Bichtigkeit  fällt. 

Mehr  scheint  ein  anderes  Kriterium  zu  leisten,  welches 
man  kurz  als  die  innere  Widerspruchslosigkeit 
oder  innere, Übereinstimmung  (Kongruenz)  des 
Denkergebnißsea   bezeichnen    kann,  nnd    das  schon  in  §  1 


*)  Als  Definitionsversuche  seien  beispielsweise  noch  angefahrt:  Kant, 
Erit.  i.  lein.  Vem.  (Kehrb.  Ausg.  S.  693,  Anm.  1)  und  K.  L.  Reinbold,  Vers. 
HD.  neuen  llieorie  usw.,  S.  881  ff. 

'•)  Eth.  U,  Prop.  86:  JBalsilas  cansistit  in  cogoitignia  piivatione,  quam 
idm  inadaeqoatae  äTe  mutilaUe  et  confusaa  iCTolrunt," 

ZUh«ii,Lthrbuoh  dar  Logik.  19 


1,1^. OQi 


'S'c 


290      fl'  Teil-    ErkanntnistheoretüchB  usw.  GnindleEune  der  Logik. 

(S.  5  ff.)  in  einem  tmderan  G«dankenflra]i«:  kurz  erwihnt 
wurde*).  Die  materiale  Richtigkeit  eines  Denkergebnissea  soll 
dadurch  charakterisiert  sein,  da8  es  in  sich  —  also  gans 
nnabhSngig  von  der  formalen  Bichtigkeit  der  eraeugendeii 
Denkakte  —  widerspruchsfrei  ist,  d.  h.  keinen  nuaiiteateD 
Widerspruch  zeigt  Nun  liegt  zunächst  auf  der  Hand,  daB 
dies  Kriterium  überhaupt  nur  ein  negatives  ist  Ejs  gibt  eine 
Conditio  sine  qua  non  für  die  materiale  Richtigkeit  des  Denk- 
ergebnisse« an,  aber  keineswegs  auch  in  positivem  Sinn  dir 
Gesamtheit  der  zureichenden  Bedingungen.  Ein  Satz  etwa 
wie:    „Der   Mond    hat   ein«    Wasserstoffatmoephäre"    oder 

,s=^-t"  enthält  keinen  inneren  Widerspruch  und  ist  doch 

falsch.  Er  kann  trotz  seiner  inneren  Widersprnehslosigkeit 
fnndal  oder  formal  oder  sogar  fundal  und  formal  nnriehti; 
sein,  also  z.  B.  etwa  auf  material  unrichtigen,  d.  h.  un- 
richtig aufgefaßten  Beobachtungen  beruhen  ^fundale  Un- 
richtigkeit) oder  durch  formal  unrichtige  Schlüsse  gewonnen 
sein  (fonnale  Unrichtigkeit  im  Sinne  meiner  Terminologie) 
oder  gar  sich  sowohl  auf  unrichtige  Beobachtungen  wie  anf 
unrichtige  Schlüsse  gründen.  Die  innere  Widerspruchslosig- 
keit  eines  Denkergebnisses  ist  also  weder  für  formale  nocb 
für  fundale  Richtigkeit  beweisend.  Nur  das  positäve  Vor- 
haodensein  eines  inneren  Widerspruchs  im  Denkergebnis,  äk 
Disgruenz  (vgL  S.  285)  gestattet  den  sicheren  äclilnff,  dafi 
das  Denkergebnis  material  unrichtig  ist  und  selbst  dieser 
Schluß  ist  insofern  zweideutig,  als  er  uns  in  keiner  Weise 
iil>er  den  Charakter  der  materialen  Unrichtigkeit  des  Ergeb- 
nisses belehrt:  es  bleibt  ganz  unentschieden,  ob  die  letztere 
fundal  oder  formal  ist  Wenn  beispielsweise  ein  Physiker 
zu  einem  disgruenten  Ergebnis  kommt  von  der  Form  2  =  2» 
(natürlich  ist  der  Fehler  gewöhnlich  viel  versteckter),  so 
kann  dieses  falsche  Ei^;ebnis  sowohl  auf  einem  Beobachtungs- 
fehler  (fundaler  Unrichtigkeit)  wie  auf  einem  Denkfehler 
(formaler  Unrichtigkeit)  beruhen.  Es  bleibt  also  nur  die 
Tatsache  bestehen,  daß  Disgruenz  des  Denkergebnisses  mit 
materialer  Richtigkeit  desselben  imverträglich  ist.  Nur  in 
diesem  Sinn  kann  die  Kongruenz  als  ein  „absolutes"  Kri- 


')  Dort  kam  es  darauf  an  zu  zeisen,  daS  es  nicht  angfciwis  iH,  din 
innere  übereinsUmmung  mit  der  formalen  Richtigkeit  zu  identifiäeno  vni 
zur  Definition  der  Logik  eu  verwerten. 


OgIC 


1.  SwM.    Bifc«nntausihMifeti9cbe  GniRdtttnnf.  29] 

teriom  gdten.  Auch  kann  schon  jetzt  hinzn^fugi  werden, 
ddetiie  manifeete  Disgmenx  innerhalb  des  einaeta«!! 
tilddilicken  Benkakt«  gur  nicht  Torkomsat.  Wir  sind  nieht 
iastaade,  zngleieh  B=b  und  anon  =  b  zu  denk«a  (rgl. 
&  294  ff.  n.  ^  87).  Der  VoTgang  ist  ridmehr  in  allen  FiUlm 
dpr  Disgroenz  stets  der,  daB  unsere  Denkakte  in  ihrem 
sakz««8iven  Ablauf  «ineraeits  zu  dem  Krgebnis  a  =  b 
Dsd  aBdrerseits  zu  dem  Ei^rebnis  aaon  =  b  führen,  nnd  dafi 
wir  b«i  dem  Vereach,  nun  beide  Ergebnisse  zu  vereinigen, 
iL  k.  beide  simnltan  zu  denken,  seheitem.  Häoflc  ist  aneh 
die  Disfnmenz  in  dem  Sinne  latent,  daB  das  in  Frage  stehende 
Ergebnis  erst  durch  einige  weitere  Denkakte  umgeftHint 
T«rdeii  mofi,  um  die  Disgruenz  unmittelbar  vor  Augen  zu 
rteUen.  Di«  definitive  ÄnfklaruBg  der  Bedeutung  der  Kon- 
imnz  und  der  Diagmenz  hat  die  Logik  in  ihrer  anto- 
«kthonen  Omndlegung  unabhängig  von  der  Erkenntois- 
tbeorie  zu  geben  (vgl.  ^  85). 

Viel  hänfiger  als  alle  vorgenannten  Merkmale  ist  bis  in 
die  neueste  Zeit  als  abBolutes  Kriterium  (immer  in  dem  S.  287 
rasegebenen  Knne)  die  SelbstevidenzO  (Selbstgewi^eit, 
unmittelbare  GewiBheit  usf.)  aufgestellt  worden.  Über  die 
Nitor  dieser  Selbstevidenz  traten  in  der  Geschichte  der  Logik 
und  Elikenntaiatfaeorie  die  verschiedensten  Meinungen  auf. 
Die  Stoiker  geben  offenbar  nnr  eine  Wortnmschreibung, 
wenn  sie  von  einem  Zwang  zur  Zustimmung  sprechen  (vgl. 
S.  44).  Dasselbe  gilt  von  dem  Inmen  naturale  und  habitus 
naturalis  mancher  Scholastiker*).  Besonders  scharf  hat 
Spinoza  das  Kriterium  der  Selbstevidenz  formuliert:  „Qni 
veram  habet  idenm,  simul  seit  se  veram  habere  ideam  nee 
de  rei  veritate  poteat  dubitare"  (Eth.  11,  Prop.  43).  Daher 
bezeichnet  er  die  veritas  als  norma  sni  et  falsi.  Indes  ist  es 
itoch  ihm  nicht  gelungen,  dies  WahrheitsbewuBtsein  von  dem 
blofien  Meinen-recht-zQ-haben,  welches  oft  die  falschesten 


')  Es  empfidüt  sich  ausdrücklich  von  Selbstevidenz  ta  sprechen, 
da  vidfach  auch  die  mittelbare,  auf  fundierende  Gegenst&nde  und  Schlosse 
RCrOndele  oder  von  der  Klarheit  und  DistinkUteit  abhängi«e  GewiBhrat  als 
Evidenz  bezeichnet  wird.  H«nche  Philosophen  sebrauchen  allerdings  das 
Wort  ^fvidenz"  nur  im  Sinn  von  „Selbstevidens:". 

>)  Vgl  I.  B.  Thomas  v.  Aduino,  In  libr.  IV  metaphya,  lect,  8:  „Ei  ipso 
bnmne  naturali  intellectns  agentis  (vgl  §  20)  prima  principia  fluni  cogniU 
DM  aequiiuntur  per  ratiocin&tiones,  sed  solum  per  hoc  quod  ewum  termini 
isüdiescunt," 


1,1^. OQi 


'S'c 


293      n.  Teil.    Erkenntnistheoretiache  usw.  Gnindletnng  dar  Locik. 

Urteile  begleitet,  za  nnterscheidenv  Dazn  kommt,  daB  wir 
ancli  mngekehrt  nicht  selten  eine  wahre  Behanptang  denlreo 
und  doch  aber  ihre  Wahrheit  noch  Zweifel  haben.  Es  ist 
denn  aach  sehr  bezeichnend,  dafi  Spinoza  am  SchlnB  des 
Seholions  za  der  angefahrten  Proposition  doch  wieder  anf 
die  Klarheit  nnd  Distinktheit  zurückkommt.  Von  neueren 
Logikern  hat  namentlich  Hnsserl  (vgl.  S.  184  ff.)  eine  Selbste 
evidenz  in  ähnlichem  Sinn  vertreten.  Er  behanptet,  dafi  es 
eich  bei  der  SelbstcTidenz  *)  nm  einen  ,^igentämlichen 
Setznngsmodns"  handelt,  daß  es  „so  etwas  wie  BewnBtaein 
der  ,Erfällang  der  Intention'  gebe",  dafi  ee  bei  der 
„Weaenserfassnng"  (vgl.  S.  185)  ftir  jedes  „Wesen"  „somsagen 
eine  absolute  Nähe  gebe,  in  der  seine  Gegebenheit  .  .  ■ 
reine  Selbstgegebenheit  ist"  (Id.  z.  einer  rein.  Fhän. 
S.  300  n.  126,  s.  auch  S.  39, 157,  284  ttX  Auch  diese  Fassung 
der  Lehre  von  der  Selbstevidenz  scheint  mir  völlig  zn  ver- 
sagen gegenüber  der  einfachen  Frage:  Woran  merken  wir  die 
£rfällang,  die  abeointe  Nähe  nsf.1  nnd  gegenüber  der  Tat- 
sache, dafi  nicht  selten  auch  für  falsche  ürträle  eine  solche 
Erfüllung  bzw.  absolute  Nähe  von  dem  Urteilenden  in  An- 
Spruch  genommen  wird. 

Ebensowenig  leistet  das  oft  herangezogene  Evidenz- 
gefühl  fär  den  Nachweis  der  Selbstevidenz.  Gerade  das 
Evidenz  gefühl,  soweit  es  überhaupt  auftritt,  begleitet  un- 
endlich oft  auch  falsche  Urteile.  Wie  könnte  ee  also  im  Sinn 
der  Selbstevidenz  als  absolutes  Kriterium  der  materialen 
Kichtigkeit  dienen  1 

Endlich  versagt  aach  die  sog.  Denknotwendig- 
keit, die  man  bald  mit  der  Selbstevidenz  identifizieren 
wollte  (z.  B.  die  Stoiker,  vgl.  S.  291),  bald  neben  ihr  als  abso- 
lutes Kriterium  der  materialen  Richtigkeit  aufgestellt  hat 
Diese  ,J)enknotwendigkeit"  ist  nämlich  zweideutig.  Erstens 
versteht  man  darunter  die  logische  Gesetzmäfiigkeit  der 
Deokakte;  diese  kommt  als  absolutes  Kriterium  für  die 
materiale  Bichtigkeit  des  Denkergebnisses  nicht  in  Frage, 
da  sie  sich  eben  gerade  anf  die  Denkakte,  also  die  formale 
Bichtigkeit  bezieht.  Zweitens  versteht  man  darunter  vom 
Standpunkt  des  Determinismus  die  psychophysio- 
logische Notwendigkeit,  mit  der  die  einzelnen  Denkpro- 
zeese  des  Individnums  erfolgen;  diese  ist  erst  recht  kein 


*)  Er  vricht  nur  afhlw.hthia  von  GYidenz. 

h.  i."ih,Googlc 


_^  1.  Kapitel.    EikanntnisthMietücbe  GnuuUesuni.  203 

sladiitfls  BicbtisrbfiitskTiteTinni,  da  zahllose  einzelne  indivü 
dneOe  Denkprozease  ein  material  falsches  Ei^ebnis  herror- 
bnogeo.  Die  Tatsach«,  daä  wir  nicht  denken  können 
a  =  nicht  a,  fällt  teils  in  das  Bereich  der  peychophyeio- 
lofisehea  OeaetzmäQigkeit,  teils  in  das  Bereich  der  logischen 
Gesetzmäßigkeit  der  Denkakte  und  wird  demgemäß  auch  in 
der  antochthonen  Grundiegnn^  der  Logik  erörtert  werden. 
Vgl.  sDch  oben  S.  289  (über  Kongruenz).  Ein  allgemeines 
^bulntes  Kriterium  ist  also  anch  in  der  Denknotwendigkeit 
nicht  gegeben. 

Qegennber  allen  diesen  Veranchen,  ein  absolutes  Kri- 
terinm  anfzustellen,  bleibt  der  bereits  von  Kant  formulierte 
Einwand  bestehen:  Da  man  bei  einem  allgemeinen  Kriterium 
tier  Wahrheit  von  allem  Inhalt  der  Erkenntnis  (Beziehung 
auf  ihr  Objekt)  abetrafaieren  müßte,  and  Wahrheit  gerade 
diesen  Inhalt  angeht,  so  ist  es  ganz  unmöglich  und  nngereimt, 
nach  einem  Merkmal  der  Wahrheit  dieses  Inhalts  der  Eh*- 
Kenntnisse  zu  fragen ;  daher  kann  ein  hinreichendes  und  doch 
togleich  aUgemeiiKs  Kennzeich«i  der  Wahrheit  uumögUch 
«ig^eben  werden  "). 

i  62.  Gmndaxiome.  Wenn  es  kein  absolutes  Kriterium 
der  Wahrheit  gibt,  so  werden  auch  keine  Sätze  existieren, 
die  unabhängig  von  allen  fundierenden  Gegenständen  und 
unabhängig  von  der  Gesetzmäfiigkeit  der  Denkakte  be- 
atupmchen  können  richtig  zu  sein.  Man  kann  solche  Sätse 
tarn  Unterachied  von  den  Axiomen,  welche  auf  irgend- 
velchen  Tatbestand  fundiert  sind  (wie  z.  B.  das  Axiom,  daß 
die  grade  Linie  der  kürzeste  Weg  zwischen  zwei  Punkten 
ist),  als  Grnndaxiome  bezeichnen^).     Von  dem  in  den 

»)  KriL  d.  rein.  Vem.,  KebA.  Ausf.  S.  88. 

>)  Sie  aitaitncben  ungefUir  der  «ip/q  irwni^tfe  Pialos  (RepuU.  610B) 
und  den  »mtri  Jüinfttttm  des  Aiisloleles  (im  Q^wimIz  zu  den  UtmM  «f  jr*<> 
t&Akad.  Aase.  iOO&b,  88;  73a,  16;  7&>t  41;  76 b,  U;  997 a,  18).  —  Das 
Wwt  „Axiom"  selbst  ist  Obrigens  keinesweea  immer  in  dem  ilöcjun  Sinn 
Mnncbt  worden.  Bei  Aiistoteles  bedeutet  es  einen  ttnes  Beweises  nicht 
Uiiien,  aber  zum  Beweis  uoentbehrlichea  Satz.  Die  Stoiker  Be)»auch(en 
te  Voit  iluifttam  tflr  Urteile  Oberhaupt  pikier  kehrte  man  im  Wesent- 
liditt  wieder  zu  dem  aiistotelischen  Spncbfebiauch  zurOck.  Vgl  z.  B. 
Lobnix,  HonadoL  Hb.  So  definiert  auch  nodi  Wollt  in  seiner  Logik  (g  387 
u- 1^  das  Aüom  als  eine  .jnoposiUo  tbeoretica  indemonatrabiUa"  (ofienbv 
tbriiuu  Dicht  koRskt,  da  auch  jeder  falsche  Satz  unter  diese  Definition  ttUt). 
Kut  bat  dann  die  Bedeutung  des  Worts,  ein  Kinklsng  mit  aner  bis  in  das 

„.,,„,^.oogic 


2M      U-  T^'    fiikmntnistbeoretiKhe  usv.  Gnmdlemc  der  Locik. 

letatco  Paragraphen  gewfmaKaea  Standpunkt  ans  kann  es 
also  ttberhrnipt  keine  Gmndazifnne  in  dan  eben'^featgelegten 
Sinn  geben.  Dui  «Jieiirt:  nun  aber  die  Tateadie  zn  wider- 
spreobMi,  dafi  ^rade  die  Li^ik  eelbst  einige  ^rinxipien" 
(„Ornndsätae",  „PMtoIate")  aufstellt,  die  gram  den  Charakter 
von  Grandaxifflnaen  zn  haben  echeinen,  so  z.  B.  das  aog.  Identi- 
tätqninzip  ^^a",  das  sog:.  Widerspmchsprinzip  ,#  nicht  = 
aon  a",  der  Satz  „wenn  a  =  b  und  b  =  c,  dann  a  =  e"  nsf . 
Eine  sor^ältigere  Überlegung  xeigt  jedoch  sofort,  daB  dieser 
Widersprach  nur  scheinbar  ist:  auch  diese  st^.  Prinüpien 
sind  keine  Gmndaziome  in  dem  jetst  in  Rede  stehendeo 
abeolnten  Sinn. 

Vielm^r  sind  sie  entons  fundiert  in  den  allge- 
meinsten Tatsachen  dcB  Gegebenen  („gigno- 
menologisch  fundiert",  .^einsgesetee",  vgL  S.  6). 
Ich  habe  niemals  in  einem  bestimmten  Zeitaugenblick  ein 
Erlebnis  a  und  zugleich  das  Erlebnis  non-a').  Das  Ge- 
gebene ist,  nm  es  knrz  auszudrücken,  stets  „Singular** 
etwa  im  Sinn  einer  Gleichung,  die  nnr  eine  Lösung 
(„Wurzel")  ergibt  Dieselbe  singulare  oder,  wie  wir  auch 
sagen  können,  „sejunktive"  Beschaffenheit  schreiben  wir 
daher  dann  auch  den  Bedoktionsbeetandteilen  („Dingen")  za: 
wenn  zu  einer  bestimmten  Zeit  nnter  bestimmten  Umständen 
eine  Masse  einen  Bewegungsantrieb  ki  in  der  Richtpog  n 
und  einen  Bewegungsantrieb  ki  in  der  Richtung  r^  erfährt, 
so  schlägt  sie  niemals  als  Ganzes,  d.  b.  ungeteilt,  zQgleich 
sowohl  die  Bichtnng  ri  wie  die  Richtnng  r«  {d.  h.  die  Rich- 
tung a  und  eine  Richtung  non-iO  ein,  sondern  entweder 
nur  r»  oder  nur  r.  oder  teils  r,  teils  r«  usf.  Rein  logisch, 
vom  Standpunkt  unsrer  Dei&gesetze  betrachtet,  wäre  es  sehr 

Altertum  verfolgbuen  Tendenz)  auf  daa  Get«et  der  mathanatiechen  An- 
achatiunf  beachrlnkt  und  zugleich  im  [»«snaDten  Sinn  besUmmte  srutbeUscbe 
QruDdsitze  des  reinen  Ventandes  als  „Axiome  der  Anschauung"  bezächiMt 
(Krit  d.  rein.  Vera.,  Eehrb.  Ausg.  &  US  B.>.  Die  erstere  Beschrlnkuac  ist 
aoch  weitertiin  oft  beibehalten  worden,  vsl.  z.  R.  B.  Erdmann,  Die  Axiome  der 
Geometrie,  Leipzig  1877,  S.  12.  Wundt  u.  a.  sind  zu  dem  weiteren  Grimucb 
zurOekgefcehrt,  Loflil^  Stuttgart  188B,  Z  AnlL,  S.  US  ff. 

■)  Streng  genommen  gilt  dies  ailenüngs  nur  für  nicht-zusunniengeeettte 
Eiläinisse.  Bei  qualitativ  oder  rikumlich  zusanunengesetzten  (nicht  «nbeit- 
lieben)  ErlebniMen  können  sehr  wobl  a.  und  non  —  a,  z.  B.  zwei  verechie- 
dene  Töne  b£w.  zwei  Terschiedene  Farben,  cugteich  gegeben  sein.  In  t  ^ 
wird  geteigt  werden,  in  welchem  Sinn  die  oben  entwickelten  Sfctce  auch  fOt 
BUMUDmen  gesetzte  EU-letUHsae  gellen. 


1.  SasöM.    Eikcnntniatheorelische  Gnindletunt.  295 

vdlmdylich,  daß  die  Hasse  angeteilt  zwei  veraehiedeae 
RiebtnnKeii  einschlägt  Nor  weil  alte  aasere  Erfahningen 
eiiMr  sokhen  DoppellöHung  widerBpreehen,  scheint  sie 
(Jon  naiveD  Menschen  anch  denknnmöglich*).  Tatsächlich 
liandelt  es  sich  nnr  iim  eine  allgemeinste  „gignomeno- 
lofpsehe"  Erfahmug.  Eis  kann  also  nicht  die  Bede  davon 
KÜi,  dafi  das  sc^.  Identitätsprinzip  in  diesem  gign<Mneno- 
lo^iflchen  Sinn  irgendwelche  'absolute  Seibatevidenz  hätte. 

Zwelieiu  gilt  diese  Singularität  speziell  auch  für  das 
psychophysiologische  Geschehen.  Wir  können  gar  nicht 
—  weder  rein  psychologisch  noch  psychophysiologisch  be- 
trachtet —  als  Totalinhalt  z  a  g  I  e  i  c  h  die  Vorstellnng  a  und 
eine  Vorstellung  non-a,  d.  h.  eine  von  a  verschiedene  Vor- 
stellung denken.  IMe  Singularität  des  Geschehens  gilt  auch 
tiier.  Es  handelt  sich  um  eine  Denkunmöglichkeit,  und  in 
diesem  Sinn  (aber  auch  nur  in  diesem  Sinn)  bei  dem  urteil 
i=a  und  analogen  Urteilen  um  eine  Denknotw^ndigkeit. 
Auch  in  dieser  psychologischen  bzw.  psychophysiologischen 
Bedeutung  hat  also  das  Identitätsprinzip  keine  geheimnis- 
mllen  proprietates  intrinsecae  und  insbesoudere  keine  abso- 
lute Sellntevidenz,  sondern  ist  auf  allgemeine  Tatsachen  des 
Qegebenen  fundiert*). 

C  stumpf.  Über  den  psychologischen  Ursprung  der  RaumvorstellunK, 
Uipiig  1S73,  S.  107,  hat  allerdings,  wie  vor  ihm  schon  Bolzano,  behauptet, 
oun  kbune  auch  „Entgecengesetztes  zusammen  voistetlen",  z.  B.  ein  hölzernes 
^wn;  denn  sonst  kennten  wir  nicht  urteilen;  „Ein  hölzernes  Eisen  ist  un- 
■Ufiicb".  Gerea  dieses  Argument  Stumpfs  ist  jedoch  einzuwenden,  dafi  in 
^  von  ihm  angefahrten  Urteil  kein  „Zusammenvorstellen"  von  hölzern  und 
Einn,  Modem  nur  ein  Vergleich  im  Sinn  der  komparativen  Gnindfunktion 
MltfiadeL  Dabei  muB  berOcksicht^  werden,  daB  Zusammenvorstellen  zwei- 
*«tti!  ist.  Bedeutet  es  nur  „zugteicti  vorstellen"  bzw.  ;„zuglach  mit 
Baut  auf  denaelbea  Gegenstand  vonteilen",  so  kann  ich  mir  selbstversläud- 
Mi  Holz  und  Eisen  zusammenvoratellen  (z.  B.  mit  Bezug  auC  einen  teils 
'■iltemen,  teils  eisernen  Gegenstand).  Bedeutet  es  dagegen  — ^  wie  dies  mit 
bölumem  Eisen  doch  wohr  gemeint  ist  —  „zugleich  als  Totalinhalt  vor- 

')  Olsigens  zeigt  jeder  Zaubetglauben,  daB  auf  tieferen  Bildungsstufen 
diese  Denkunmöglidikeit  durchaus  nicht  anerkannt  wird. 

')  So  wird  es  auch,  verständlich,  daB  liebmann  (vgl  S.  166)  den  Sulz 
^  Widerspruchs  al9  ein  „psychologisches  Naturgesetz"  bezeichnet  (Ge- 
iluken  u.  Tals.  1BB2,  2.  AufL  1»M,  Bd.  1,  S.  26).  —  Die  AusfOhnmgen  von 
).  Staart  Mill  (Syst.  of  log.,  4.  Au8.  I^ndon  laB6^  Buch  2j  Kap.  7,  §  6,  S.  3ü*l 
in  den  früheren  Auflagen  fehlt  dies  Kapitel;  I^rs.  v.  Gomperz,  2.  AufL  Leipzig 
MH  Bd.  1,  S.  336),  dem  wohl  etnaa  Ähnllcbes  vorschwebte,  sind  in  vielen 
Pnlnen  zu  beanstanden.  Die  Einwinde  Husserla  (Log.  Unters.  Teil  1.  S.  79) 
>ttSm  nur  die  Millscfae  Entwicklung,  nicht  die  oben  gegebene. 


^)6  ■  II.  Teil.    Erfcenntpiatheoreüache  usw.  Grusdleffimg  der  Loeik. 

steUen",  so  ist  es  fOr  EntgcBengesetztes  ausceachlossen.  Aufierdem  handelt  es 
sich,  bei  meineF  AuseinandenetzunB  um  kontradikto  riscbe  (Kcen- 
sätzc^  nicht  um  bbBe  Verschiedenheit  wie  Holz  und  Eisen. 

IMtteiu  wird  sich  ergeben,  daß  die  Logik  in  ihrer 
autochthonen  Orondlegnng  dem  Identitätsprinzip  noch  eine 
besondere  logische  Bedeutung  gibt,  indem  sie  ideale  „Be- 
grifle"  usf.  konetroiert,  welche  der  Veränderlichkeit  und 
dem  Wechsel  der  psychologischen  „Vorstellnngen" 
entrückt  sind.  Das  Identitätsprinzip  a=a  ist  in  diesem 
togischen  Sinn  ein  kurzer  Ansdruck  für  die  (gedachte) 
iibsolnte  Konstanz  dieser  Ideal-  oder  Normalvorstellongen. 
Formale  Richtigkeit  nnsrer  Denkakte  (Konkrepanz)  ist  nur 
möglich,  wenn  unser  Denken  den  Oesetzen  folgt,  welche  für 
das  Denken  mit  solchen  normalisierteii  Vorstellungen  gelten. 
Das  Identitätsprinzip  im  logischen  Sinn  ist  also  unmittel- 
bar von  der  (Gesetzmäßigkeit  unseres  Denkens  mit  Bezug  aof 
Biehtigkeit  und  Unrichtigkeit  abhängig,  kann  also  gleioh- 
falle  keine  absolute  Selbstevidenz  beanspruchen. 

Die  logischen  „Prinzipien"  sind  somit  gleichfalls  keine 
Gmndaxtonie,  und  damit  fällt  der  letzte  Axihaltspunkt  for 
die  Ehüstenz  solcher  Grundaxiome.  Omndaxiome  existieren 
ebensowenig  wie  jene  proprietates  intrinsecae  der  material«i 
Wahrheit,  welche  im  letzten  Paragraphen  besprochen  wor- 
den sind. 

§  63.  AprioritXt. .  Wenn  alle  unsere  Vorstellungen  (im 
weitesten  Sinne,  also  einschlieBlich  der  urteile  nnd  Schlösse) 
von  fundierenden  Gegenständen  nnd  der  Gesetzmäßigkeit 
vnseres  Denkens  abhängig  sind,  so  sind  sie  idle  ans  dem  Ge- 
gebenen, d.  h.  aus  der  Srfahrong  (imi  weitesten  Sinne) 
geschöpft  nnd  in  diesem  Sinn  a  posteriori.  Aiush  die 
Tatsache,  daß  a=non-a  denknnmÖgUch  ist,  müssen  wir 
der  Erfahrung  entlehnen.  Wir  müssen  durch  Elrfalinmg 
„konstatieren,  daß  jeder  Versuch  eine  die  formalen  Grund- 
sätze unseres  Denkens  aufhebende  Verneinung  zu  denken, 
unvollziehbar  ist"  (Elrdmann) ').  Man  muß  räch  nur  hütm, 
unter  Erfahrung  etwa  nur  die  SianesempSndongen  zu  ver- 
stehen. Die  Erfahrung  in  unserem  Sinn  ist  mit  der  gansen 
Summe  der  Gignomene,  d.  h.  —  etwas  kurz  nnd  mißverständ- 

>}  Losik,  1.  Band,  2.  Aufl.  Halle  1W7.  S.  41B.  Es  ist  auch  sebr  chaok' 
teriatisch,  daß  Erdmann  seine  Ban2e  Logilf  ohne  den  BeiriS  der  ApMiitIt 
autbauen  kann. 


1.  Kvitel.    Brfcenntnistheoretisehe  Onindleeung.  297 

lidi  ansgedrnckt  —  tmsrer  s<^.  BewußteelnsertebDisse,  iden- 
tisdi.  ApPiorisohe  Satze  also  im  Siim  von  Sätzen,  die  nicht 
ans  der  Erfahmn;  abgeleitet  waren,  existieren  nicht.  Damit 
ist  die  erkenntnistheoretische  Grondleguog  für  die  Logik 
einen  weiteren  wichtigen  allgemeinen  Gesichtspunkt  ge- 
liefert 

Unzatreffeud  wird  dagegen  der  eben  aufgestellte  Satz, 
venu  man  die  Aposteriorität  bzw.  Apriorität,  wie  dies  schon 
seit  Aristoteles  vielfach  geschehen  ist,  nicht  auf  die  Erfah- 
ning  im  weitesten  Sinn,  sondern  auf  die  Sinneserfahnrng 
besieht  Aprioriach  ist  bei  dieser  zweiten  Deutong  des  Worts 
jedes  Denkergebnis,  das  nicht  ans  der  Sinnes  erf abrang  ab- 
geleitet ist,  aposteriorisch  jedes  aus  der  Sinneserfahrnng  ab- 
geleitete Denkergebnis.  Legt  man  diese  Bedeutong  zugrunde, 
so  bleibt  die  Möglichkeit  offen,  daß  wirklich  apriorische 
Denkergebnisse  existieren.  Da  nämlich,  wie  Kant  zuerst  klar 
nachgewiesen  hat,  bei  jedem  Denkergebnis  formale  Denk- 
geeetze,  von  denen  seine  Bichtigkeit  abhängt,  mit  wirk- 
sam sind,  80  ist  es  möglich,  daß  diese  Oesetzmäßigkeit  on- 
seree  Denkens  genügt,  uns  einige  Denkergebnisse  ganz  unab- 
hängig von  der  Sinneserfahrnng  zu  liefern.  Apriorisch  ist 
bei  dieser  Deatnng  des  Worts  jedes  Denkergeboia,  welches 
sich  ans  dieser  Gesetzmäßigkeit  unseres  Denkens  ohne  Hilfe 
anderweitiger  Erfahrungen (Sinneserfahnmgen)  ergibt, 
aposteriorisch  jedes  Deokergebnis,  welches  sich  ans  der  Ge- 
setzmäßigkeit des  Denkens  und  anderweitigen  Erfahrungen 
et^bt  Unter  der  Gesetzmäßigkeit  des  Denkens  sind  hier 
nicht  etwa  schlechthin  die  psychologischen  Gesetze  (z.  B. 
AsBoziationagesetze)  zu  vemtehen,  nach  welchen  tatsächlich 
das  Denken  —  das  richtige  sowohl  wie  das  falsche  —  erfolgt, 
sondern  diese  (besetze,  soweit  sie  zu  richtigen  Denkergeb- 
nissen  führen,  also  nach  nnsrer  Definition  die  logischen  Ge- 
Mtze.  O b  und  in  welcher  Zahl  ^rioriache  Begriffe  und 
Sätze  im  Sinn  dieser  zweiten  Definition  der  Apriorität  exi- 
stieren, ist  strittig.  Kants  „reine  Yerstandesbegriffe"  (Kate- 
gorien) und  „synthetische  Grondsätae  des  reinen  Verstandes" 
värdoQ  hierher  gehören.  Vor  allem  aber  leuchtet  ein,  daß 
eben  jene  formalen  (l<^ischen)  Gesetze  selbst,  welche  die 
Dichtigkeit  nnsres  Draikens  nach  der  formalen  Seite  hin  be- 
stimmen, sich  als  solche  apriorische  Sätze  (Erkenntnisse, 
Denkergebnisse)  erweisen  könnten,  die  lediglich  aus  nnseren 
Erfahrungen  über  die  Gesetzmäßigkeit  des  richtigen  Denkeoa 


298      n.  Teil.    BrkeiiDtniBtbeonlische  usw-  Gmndlt<m>K  dw  Logjk- 

abgeleitet  sind.  Aaf  diese  Frage  wird  später  eiozogehen 
sein.  Hier  war  nur  feetzoBtellen,  daS  der  Terminn»  .^-prio- 
ritfit"  zweideatig  ist,  und  daß  er  ia  seiner  eretea  Bedeu- 
tung für  die  Logik  nicht  in  Betracht  kommt,  dagegen  in 

seiner  zweiten  unmittelbar  gerade  auf  die  logischen  Gesetze 
hinweist. 

Die  Bcdeutunc  der  Worte  «  priori  und  a  posteriori  hat  in  der  Gescbichle 
der  Erkenntnistbeorie  und  Logik  auSerordentlich  gewechselt  und  sich  keina- 
vega  auf  die  soeben  erörterten  beiden  Bedeutungen  bschr&nkt  An  dieser 
Stelle  können  nur  einige  wenige  für  die  Logik  besonders  wichtige  Auf- 
fassungen kurz  hervorgehoben  werden. 

Bei  Aristoteles  (TgL  S.  SSt.)  treten  die  Tennini  ^göft^v  nfit  iftme"^  and 
füfiitf»!'  Tg  7«vit*  (.dnUf  Hfiifftr*)  auf.  Beide  beziehen  nch  mdi 
seiner  ausdrOcklicben  Festsetzung  auf  die  individudte  einzelne  Snnes- 
eriahiung  (mb9ti«K,  Ak.  Ausg.  71bff.).  npeif^r  n^f  ^/täe  ist,  was  diese) 
naher,  Mfiftff  tg  fMiati,  was  ihr  ferner  steht.  Damit  ist  zugleich  festgrie^, 
dafi  das  Allgemeine  dos  «penpac  tj  ^mh  ist.  Wieso  das  vvttfoy  »plr  ^fiit 
doch  ab  Mfütf^  if  ipiati  bezeichnet  werden  darf,  wird  nicht  genl^eod  ei- 
öiteri.  Sogar  der  Sinn  dieses  nqitifr  ig  tpiiMt  bleibt  insolem  unklar,  als 
das  „vorangehend"  b^d  mehr  logiscl^  bald  mehr  ontologisch  gefafit  wird 
Jedenlalls  deckt  sich  weder  das  tifittgor  ngie  ^ftäe  noch  das  .«päri^i-  '^ 
9D««'  eindeutig  mit  dem  apriori  in  einer  der  beiden  olien  erörterten  Be- 
deutung«!. 

nie  Scholastik  hielt  zum  Teil  an  der  aristotelischen  Bestimmung  mit 
unwesentlichen  Änderungen  fest.  So  bezeichnet  Thcmasv.Aquino  (Tgl.  3.741] 
das  priua  quoad  nos  auch  als  prius  cognitione,  das  prius  natura  auch  als 
prius  in  ordine  naturae.  Zum  Teil  aber  Obertrug  man  die  ganze  Unteracbei- 
dung  auf  die  Beweise  und  unterschied  eine  demonstratio  a  priori,  d.  L  pro- 
cedens  ex  cbusib  und  eine  demonstratio  a  posteriori,  d.  h.  procedois  ab 
dfectibuB  ad  causas  ')  (z.  B.  Alb.  v.  Sachsen).  Diesen  Standpunkt  nahm  u.  a. 
sp&terhin  auch  die  Logik  von  Port-Boval  ein. 

In  der  neueren  Philosophie  wurde  hier  und  da  der  aristotelische  Spncli' 
gebrauch  festgehalten.  Vielfach  aber  wurde  auch  die  Bedeutung  dahin  ver- 
schoben, dafi  man  nicht  mehr  wie  Aristoteles  den  Gegenstand  der  Er- 
kenntnis, sondern  ähnlich  wie  Albert  von  Sachsen  u.  a.  den  Weg  der  Er- 
kenntnis in  Betracht  zog,  andrerseits  aber  in  teilweiser  Obereinstimmum  mit 
Aristoteles  und  in  teilweisem  Gegensatz  zu  Albert  von  Sachsen  das  ent- 
scheidende Gewicht  auf  den  Unterschied  zwischen  begrifflicher  Ericenntnis 
und  SinneserfahruDg  legte.  Die  apriorische  Erkeimtnis  galt  als  die  Eikenot- 
Dis  BUS  Begriffen,  die  aposteriorische  als  die  EAenntnis  au/  Grund  der  änoes- 
erfahrung.  Dabei  wurde  allerdings  meistens  nicht  schaff  zwischen  der  Er- 
fahrung im  weiteren  Sinn  und  der  Sinneserfahrung  unterschieden  und  auch 
nicht  genOgend  beachtet,  daB  die  BegriS^  deren  Zergliederung  und  Ver- 
bindung zu  apriorischen  S&tzen  führen  sollten,  ihrerseits  teilweise  oder  gant 
der  Sinneserfahmng  entlehnt  sind  ^),    Sehr  deutlich  tritt  diese  Unklariint  in 

')  Übrigens  konnte  sich  diese  Auffassung  gleichfalls  auf  ^nzäne  Aufc- 
rungen  des  Aristoteles  berufen. 

')  Später  sprach  Kant  in  einem  solchen  Fall  von  einem  „nicht  reinen" 
»priori  (Krit.  d.  rein.  Vem.,  Kehrb.  Ausg.  S.  6«). 


1.  Kwitel.    Eik«niitiiistbeorelische  GniBdleruns.  299 

dn  W^lbcben  Defiaition  hervor  (Logica  S  6GB1):  „Utünur  uttam  in  veriüitc 
pnvm  Harte  emenda  vel  solo  aena^  wd  ex  aliia  cognitiB  latiociiuatdo  eli- 
nanBoDdum  cofnita.  In  priori  um  dicimur  vcntatem  eniere  a  poatetion; 
in  PMteriori  aat»i  a  priem."  Leifaniz  hatte  vorher  viel  klaier  an  SteHe 
AraÜteacnita  die  aUeemeinen  Benifie  ala  das  Hateriil  fOr  die  Erkeontnisae 
>  priori  beseichnet. 

Kne  totale  Umdeulung  de«  Tenninua  ,APnari"  hat  dann  Kant  an- 
pWmt  (vtf.  §  44)*).  Er  definiert  die  apriorische  Erkenntnis  ab  die  von 
•Bcr  Erfahrung  unabfainfige  Erkenntnis  (vgl.  c.  B.  Kritik  der  nisen  Vem., 
t  inO,  Ein!.,  Kehrb.  Ausg.  S.  U7).  Ausdrth^lich  gibt  er  zu,  daB  alle  lOKre 
bkoutnia  mit  der  Erf^ning  aiihebt,  bestreitet  aber,  daB  alle  unseze  Er- 
^nmtnia  ans  der  Erfahrung  entspringt  Dabei  iinttfüeS  «r  aber  lii  illimiil 
t>  oUlTNi,  was  er  unter  Erfahnmg  verstehe,  insbesondere,  ob  er  unter  Er- 
UmiBg  nur  die  Sinnesempfindungen  versiehe.  Zunftchst  scheint  er  unter 
EtUinmg  die  zu  einef  Erkenntnis  der  G^enstände  verarbeiteten  SinneS' 
nadrOeke,  also  nicht  etwa  nur  die  SnneseindrOde  selbst  zu  verstehen. 
Dum  würde  nch  Kants  Apriori  mit  d^n  Apriori  in  der  ersten  Bedeutung 
nnner  Darstellung  wenigstens  ungefthr  decken.  Dann  aber  weist  er  nach,  daß 
in  murer  „Erfahrungserkenntnis"  doch  auch  ein  aus  unserem  ,,Bikenittnis- 
TciiBögen"  stammender  „Zusatz"  enthalten  ist,  der  nicht  aus  den  Stmies- 
cmdracken  entspringt,  und  bezeichnet  nun  diesen  Zusalz  als  von  der  Er- 
fAnog  onabhftngig  und  als  apriori.  Damit  ist  offenbar  jetzt  die  Erfahrung 
HB  Hferen  Sinn  der  Sinneserfahrai^  gemeint  >)  und  das  Apriori  ans  der  - 
«iten  BedeQtung  meiner  obigen  Darstellung  in  die  zweite  verschoben. 

Nicht  weniger  bedenklich  war  eine  weitere  Zweideutigkeit  in  Kants 
vriori-Begriff.  Kant  läSt  n&mlich  zweifelhaft,  ob  der  aus  dem  EAenntnis- 
taiBBgen  kanmende  Zusatz,  der  uns  die  apriorische  Erkenntnis  verschärft, 
in  psTchologischem  oder  in  logischem  Sinn  zu  verstehen  ist.  In  psycho- 
lopschem  Sinn  würde  Kants  Apriori  dasjenige  sein,  was  äch  aus  der  an- 
Kbcmnen  Anlage  des  Erkenntnisvermögens  oder  —  modemer  ausgedockt — 
UB  der  generdlen  Gesetzm&Bifteit  unserer  tatsächlichen  Deokakte  ergibt 
«Bd  Mfnit  potentiell  aller  Erfahrung  (im  weitesten  Sinn)  des  Individuums 
irontugehL  In  logiBchem  Sinn  würde  Kants  Apriori  dasjenige  sein,  wag  ge- 
^*üA  werden  muB,  um  die  Möglichkeit  g^ebener  Vorstellungen  (im  weitesten 
^ime)  zu  erklären.  Dabei  beachte  man,  daß  auch  bei  der  logischen  Auf- 
iuBnng  dem  Apriori  keine  Unabhingigkeit  von  der  Erfahrung  im  weiteren 
Sinn  oder  gar  ein  Überschreiten  der  Erfahrang  in  weitemn  Sna  zukommt; 
ioD  auch  die  Feststellung  dessen,  was  als  begriflliche  Bedingung  für  die 
HJllichkeit  gegebener  Vorstellungen  gedacht  weiden  muß,  kann  nur  auf 
'^nutd  der  Erfahrung  (im  weiteren  Sinn)  erfolgen.  Welche  von  diesen  beiden 
Deatimcen  Kant  selbst  vorgeschwebt  hat,  kann  hier  nicht  erörtert  werden. 
^  itt  wahrscheinlich,  daB  er  anfangs  mehr  die  psrcbologiscbe,  später  mehr 
drt  iogische  Bedeutung  des  Apriori  bevorzugt  hat  und  Oberhaupt  nicht  volU 
^Mnen  klar  und  konsequent  beide  Standpunkte  unterschieden  hat.  Seine 
AnlODger  und  seine  Gegnerliaben  seiner  Lehre  bald  diese,  bald  jene  Deutung 

*)  Vgl.  Vailiinger,  Kommentar  zu  Kants  Krilik  d.  rein.  Vernunft,  Slutt- 
»»rt  Bd.  1  (1881),  S.  188  f.,  166,  221  u.  Bd.  3  (1892),  S.  aötf-,  «,  177  (Kritik 
4er  Riehischen  Auffassung)  u.  279. 

*)  Aul  die  Komi^kationen  der  Kantschen  Lehre,  die  durch  seine  An- 
'»imt  eines  „inneren"  Sinnes  entstebeo,  kann  hier  nicht  eiDgtgRDgen  werden, 


.oogic 


300      ^-  "^^l-    Grteiintnislheo retische  usw.  GrundleruiK  der  I^ogik. 

unleiselegL  Die  Neubantsche  Schute  (vgl  g  44)  hat  KTöfitentäb  dift  logische 
Scutunc  akzeptiert,  aUenünfs  oft  mit  allerhand  weseiilUcheii  Abandcrunceo- 
Beispielsweise  sei  die  Deutung  Riehls  (t|1.  S.  167}  angeführt:  ,^  prioii  isk 
subjektiv  genommen  deijenige  Teil  dei  Erkenntnis,  der  unabbfliing  von  der 
Erfahrung  efworben  wird,  der  aus  der  Gesetzlichkeit  des  Bewußtsein* 
stammt  und  hervorgebracht  ist  A  priori  ist  objektiv  genommen  die  Erkennl- 
nis,  welche  von  der  firiahning  unabhängig  eingesehen  und  bewiesen 
werden  kaim"  (Der  philos.  Kritizismus  usw>.,  Bd.  1,  a  Aufl.  Leipcif  1006^ 
S.  &7B)  *).  Erst  recht  wurde  die  logische  Deutung  des  Apriori  von  den  Legi- 
ziaten  (vgl.  §  46)  bevorzugt.  Zum  Teil  gingen  sie  sogar  uoch  insofern  Aber 
diese  hinaus,  als  sie  für  die  Erkenntnis  des  Apriorischen  .eine  guiz  besondere 
logische  Tätigkeit,  die  jenseits  des  Psychologischen  liegt,  in  Anspruch  nehmen 
(Weaensschauung  bei  Husserl,  die  „eidetisch"  und  „apriorisch"  identifixieit, 
8.  Ideen  zu  einem  rein.  PhAnom.,  S.  b.  81, 64, 286,  S0&  und  dieses  Werk  S.  ISI). 

Die  oben  (S.  287  ff.)  von  mir  an  zweiter  Stelle  angefahrte  AuBassung 
des  Apriori  deckt  sich  weder  vollsUndig  mit  der  pSTcbologischen  noch  toU- 
sländig  mit  der  logischen  Deutung  des  Apriori  Psychologisch  ist  sie,  insoten 
sie  die  ausschlieBliche  Herkunft  der  apriorischen  Erkeimtnisse  aus  den  tat- 
s&chCchen  Deokakten  behauptet  und  jede  von  diesen  tatsächlichen  DenkaUes 
losgelöste  rein  und  ausschlieSlich  logische  Beziehung  leugul. 
Logisch  ist  Bi€^  insofern  sie  nicht  das  Denken  in  der  Allgemeinheit,  wie  es 
Gegenstand  der  Psychologie  ist,  also  richtiges  und  falsches  Denken  der  Ab- 
leitung des  Apriorischen  zugrunde  legt,  sondern  nur  das  richtige  Denken.  Sie 
behauptet,  daB  aus  der  GesetzmiBiAeit  des  richtigen  Denkens  aprioiiscbe 
Denkeisebnisse  (apriorisch  im  zweiten  Sinn)  entspringen  oder  wenigstens 
entspringen  k  S  n  n  e  n. 

Die  Aufgabe,  die  etwa  Torhandenen  apriorischen  Sfilse 
(in  der  zweiten  Bedeutnng)  aufzusuchen,  fällt  der  Lo^ 
selbst,  und  zwar  ihrer  autochthonen  Grundlegung  za;  denn 
es  kann  sieh  bei  derselben,  wie  aus  den  Erörterungen  dieses 
Paragraphen  hervorg^t,  nur  um  Sätze  handeln,  welche  aa& 
der  Gesetzmäßigkeit  des  richtigen  Denkens  entspringen,  also 
logisch  sind.  Die  weitere  Frage,  ob  diesen  Sätzen  eine  Gül- 
tigkeit über  nnser  Denken  hinaus  zukommt  —  wie  man  dies 
für  Kants  apriorische  Begriffe  (Kategorien)  and  apriorische 
synthetische  Grandsätze  behauptet  hat  —  fällt  in  daa  Be- 
reich der  Erkenntnistheorie.  ■ 

%  64.  Geltung  oder  GOltigk^t  Das  Beaiehed'  tok  BOmt 
tlonen.  PsjrehcrioghittMhe  und  logisistlsehe  Aaffassnag  dt« 
Geltens.  Die  Geltung  oder  Gültigkeit  einer  abgeleiteten 
Vorstellung  {im  weitesten  Sinne,  also  einachlieBlich  aller 
VorstellangSTerknüpfangien,  wie  urteile  nsf.)  deokt  sich 
noch  den  Ausführungen  des  %  62  ganz  mit  ihrer  materialeo 


•)  Obrigens  giU  Hiehl  S.  1W9,  468,  4»,  u.  4»  audi  andere,  nicht  un- 
betrichtlich  abweichende  Deanitionen  d»  Apriori. 


1.  Kapitel.    EAenniDisthforetische  Gnindleguns.  301 

Biehti^eit.  Der  Begriff  der  materialen  Richtigkeit  ist  nur 
iDMifehi  weiter,  als  wir  ihn  auch  auf  Empflndongea  and  pri- 
märe Erinnenuigshilder  anwenden,  was  bezüglich  des  Be- 
gtiJb  der  Gültigkeit  nicht  üblich  ist.  Wir  schränkm  den 
letiteren  anf  die  abgeleiteten  Vorstellnngen  ein.  Eine  Vot- 
stennng  „gilt"  oder  „ifit  gültig",  soweit  sie  ihrem  Oegen- 
«tuid,  also  dem  Tatbestand,  auf  den  sie  sich  bezieht,  ent- 
fpöebXj  einerlei  ob  dieser  Tatbestand  im  Bereich  der  Emp- 
flndnngeib  oder  der  Vorstellungen  oder  hypothetischer,  von 
ans  hinzugedachter  Bedokttonsbestandteile  („Dinge  an 
sieli",  „Beize"  vom  Standpunkt  uiderer  Erkenntnistheorien) 
fd^Tcn  ist  Wegen  dieser  Beziehung  auf  einen  G^egenstand 
iObjßkt,  vgL  &  265)  muß  jede  Geltung  bzw.  Gültigkeit  als 
qObjektiv"  bezeichnet  werden.  Ob  es  trotzdem  noch  zulässig 
iet,  in  einem  bestimmten  Sinn  auch  von  „sabjehtiver"  G«l- 
tnng  hzw.  Gültigkeit  zu  sprechen,  wird'  unten  zu  prüfen  sein. 
Diese  Gültigkeit  kolDunt  znnachst  nur  den  individuellen 
VoTsteUnngen  zn,  die  im  psychischen  Leben  des  Einzelnen 
Boftreten.  Nnn  fingieren  wir  aber,  wie  schon  wiederholt  an- 
sedeatet  wurde  nnd  in  der  antochthonen  Orundlegong  der 
Logik  ansföhrlich  dargetan  wird,  Ideal-  oder  Normal- 
vorstellungen (:^  Begriffe),  die  der  Veränderlichkeit 
Qod  Unbestimmtheit  der  individuellen  Vorstellungen  ent- 
togsn  sind,  and  schreiben  auch  diesen  Gültigkeit  oder  mate- 
liale  Richtigkeit  zu.  Diese  Gültigkeit  kann  als  die  „spezi- 
fisch logische",  oder  kurz  als  die  „logische"  (in  prä- 
^Emtem  Sinn)  bezeichnet  werden. 

An  diesen  Terminns  der  Geltung  knüpfen  sich  nsn  man- 
cherlei Zweideutigkeiten  und  Streitfragen,  die  im  folgenden 
kurz  erörtert  werden  sollen. 

Zunächst  mofi  davor  gewarnt  werden,  den  Terminns  Gel- 
tung von  der  Vorstellnng,  UfOch  genauer  dem  Vorstellungs- 
inhalt  (S.  273)  auf  den  Gegenstand,  also  den  intendierten 
Tatbestand  (S.  265)  zu  übertragen.  Wenn  ich  sage:  für  den 
Kreis  gilt  die  Gleichung  x*  +  y*  =  r*,  so  kann  dies  bedeuten: 
meine  durch  die  Symbole  (Worte  nsf.)  ausgedrückte  Vor- 
^tellongsverkuäpf nng ')  gibt  einen  Tatbestand  bezüglich  des 
Kreises  material    richtig  wieder  („entspricht"  diesem  Tat- 

')  Die  Ausdrficke  .peeziB",  „Satz"  usw.  werden  hier  noch  absichtlich 
'^ntneden,  weil  sie  erst  in  der  autocHthonen  Orundlegung  der  Logik  leeitimiert 
vetdcu. 


.oogic 


302      "-  '^*^-    Ericenntniatbeoretiache  usw.  Gnmdlegunx  der  I-osUc. 

bestand).  Däese  Bedeutiuifi:  fällt  mit  der  (objektiven)  GülUir- 
keit  in  den»  eben  festgesetzten  Sinn«  zosanunen.  Zaweilai 
meine  ich  aber  mit  demselben  Satae  auch  etwas  anderes, 
oämlieh,  dafl  d^  Tatbestand  z*  +  y*  =  r*  für  den  Ejreifi  be- 
steht (bei  dem  Kreis  existiert),  und  will  gar  nicht  die  mate- 
riale  Richtigkeit  meiner  Vorstellou^rftverbindting  hervor- 
heben: In  beiden  Fällen  wird  ein  bestimmter  Tatbestand 
gedacht  bzw.  behauptet,  aber  im  ersten' Fall  —  wenn  «e 
aich  um  die  Gültigkeit  der  VorBtelhing  bitw.  Behanplnng 
handelt  —  füge  ich  dem  Denken  des  Tatbestandes  noch  des 
ansdrücküchen  Gedanken  hinzu,  daA  der  Tatbestand  O  durck 
die  Vorstellung  bzw.  Behauptung  V  richtig  wiedergegeben 
wird,  d.  h.  eben,  daß  V*  dem  O  entspricht  und  inacrfern  gültig 
ist.  während  im  zweiten!  Fall  auf  diese  BeziehuDg  vom  V 
za  O  gar  nicht  reflektiert  wird. 

Später  —  insbesondere  in  der  Lehre  vom  Urteil  —  wiid 
sich  sogar  «rgeben,  daß  die  erste  Gültigkeit,  also  die  Gültig- 
keit im  Sinn  der  materialen  Richtigkeit  von  V,  noch  in  einer 
sehr  bemerkenswerten  Abart  auftritt:  die  Gültigkeit  von  V 
ist  nämlich  zuweilen  nur  eine  hypothetische,  ich  stelle  V 
trotz  gegenteiliger  Vorst«llangen  (Zweifel,  Bedenken  usf-) 
als  „Annahme"  auf,  z.  B.  bei  dem  indirekten  Beweis,  um  das 
ongenonmiene  V"  zu  prüfen  nnd  zn  widerlegen.  In  diesem 
Fall  handelt  es  sich  also  gleichfalls,  wie  bei  der  ersten  Gül- 
tigkeit, um  das  Entsprechen  zwischen  V  und  O,  aber  man 
behält  sich  die  Eotscheidung  über  di«  Tatsäcblichkeit  der 
Gültigkeit  noch  vor. 

Im  folg«nden  wird  von  dieser  hypothetischen  Gültigkeil 
zunächst  abgesehen  (vgl,  die  späteren  Erörterungen  ^  74  ff.) 
und  nur  von  der  ersten  und  zweiten  Gültigkeit  gesprochen 
werden,  diese  beiden  aber  sollen  streng  nuaeinandergehalteo 
werden,  und  zwar  soll  der  Terminus  „Geltung"  („Gültig- 
keit'*) ausdrücklich  auf  die  erste  Bedeutung,  also  die  Bedeu- 
tung der  materialen  Richtigkeit  von  V  eingeschränkt  wer- 
den. Für  die  zweite  Bedeutung,  das  Gelten  von  O,  empfiehlt 
sieh  der  Terminus  „Bestaud"  oder  „Bestehen". 

Offenbar  tritt  nun  die  Frage  der  Unterscheidung  von 
Gegenstand  (O)  und  Vorstellung  (V),  die  uns  schon  im  ^  59 
beschäftigt  hat,  in  ein  neues  Licht.  Die  bewußte  Rftckbezip- 
hung  von  V  auf  O,  die  wir  dort  kennengelernt  haben  (vgl. 
S.  262  fl.  u.  272),  wird  jetzt  zu  einer  scharfen  Unterscheidung 
des  V  von  dem  O,  and  auf  Grund  eben  dieser  Unterscheidung 

„.,,„,^.oogic 


1.  lUpiM.    ErkeDatnistbeoretiselM  GnudiegonB.  303 

qncekes  wir  von  eiaeaa  Euteprechen,  d.  b.  Gelton  des  V 
X(fnüb«r  O  und  geben  dem  Tatbestand  O  eine  znnäcbat  toib 
IhiTe*)  Selbständigkeit.  Die  Brkenntnistbeorie  8.  8tr.  hat 
£e  Aufgabe,  den  Sinn  und  die  Berechtigung  dieaer  Ver- 
selbetäadijrnng  za  nntersocheu.  Die  Logik  betrachtet  diese 
VnBelbBtändignng  des  Gegenstandes  als  gegeben  und  legt 
de  ilirer  ganzen  Lehre  zugrunde.  Ohne  die  Annahme  eines 
irgendwie  selbständigen  Gegenstandes  gäbe  es  überhaupt 
keia  Entsprechen  und  damit  verlöre  die  Logik  jeden  Sinn 
und  Zweek  (vgl.  S.  273). 

Aach  die  Abgrenznag  von  V"  gegen  O  im  Einzelnen 
Featznstellen,  bann  ganz  der  Erkenntnistheorie  überlaesen 
Verden.  Nur  ein  erkenntnietheoretiacher  Satz,  der  sieh  auf 
diese  Abgrenzung  bezieht,  muß  wegen  seiner  Unentbeihrlieb- 
keit  für  die  Logik  besonders  hervorgehoben  werden,  nämlich 
daß  auch  den  Relationsvoretellungen  (Vei^lei- 
ehnngg-,  BeztöhungsvorBtellungeu,  vgl.  S.  323  ff.),  welche  von 
den  Tatbeständen  „gelten",  „bestehende"  Rela- 
tionen innerhalb  der  TatbeBtände  entsprechen.  Man  ist 
ümlieh  leicht  versucht,  die  Relationen  —  im  Gegensatz  zu 
(im  nicht-relativen  Ki^nschafteoi  —  aueschlieBUch  in  unser 
bezi^endes  Denken  zu  verlegen.  Wenn  ich  dem  Sonnen- 
licht eine  gröSere  Helligkeit  zuschreibe  als  der  elektrischen 
Ij&mpe  auf  meinem  Tisch,  so  liegt  es  nahe  anzunehmen,  da0 
eist  in  meinem  Denken  die  Relation  zustande  kommt.  Und 
doch  iBt  eine  solche  Annahme  falsch.  Der  Tatbestand  selbst 
enthält  die  Relation.  Die  einzelnen  Dinge  führen  nicht  eine 
loBgeriesene,  isolierte  Inselexistenz.  Ohne  das  Bestehen  einer 
ulcheu  Relation  könnten  wir  niemals  eine  Belationsvorstel- 
Inug  bilden.  VeTschiedenheit  und  Versehiedenheitsvorstel- 
^g  (ebenso  Ähnlichkeit  und  AhulichkeitsvorBtellnng)  be- 
deuten nicht  dasselbe,  und  ohne  Verschiedenheit  keine  Ver- 
schiedenheitsvorstellung').  Nur  die  Tatsache,  daß  die  Ver- 

*)  Wir  mOssen  bedenken,  d&B  der  Gegenstand  stets  —  auch  wenn  er 
^  T  oder  E  iat  —  im  Augenblick,  wo  er  Gegenstand  eines  V  wird,  nicbt 
n^  unmittelbar  als  solcber  geKeben  ist. 

*)  Dabei  wird  festgehalten,  daB  die  Verschiedenheits Vorstellung 
■nid  ent  recht  die  Zusammenfassungs-  und  Zergliedeningsvo  rstellung 
HU  bestimmtes  Pbs  zu  dem  Helationstatbestand  hinzufügt.  Vgl.  Grundl.  d. 
Aicholone,  Lnpzif-BerUn  1915,  Bd.  %  S.  171,  und  Vierteljahreschr.  t.  wiss. 
I'bilos.,  Bd.  39,  &  168  ff.  Bezüglich  der  KomplexionS'  oder  Zusammen- 
luGunisvorsteUujigen  sei  vorgreifend  (vgl.geS)  schon  jetzt  hervomehobeD.daS 
ae  sich  zwar  wie  die  VergleuhungsvorsteUungeit  aul  Verachiedeabeits.  ode^ 

„.,,n,^.OOglC 


304     1.  Teil.    Erkfnntnistbeoretiache  xisw.  Gnindleriu«  der  Logik. 

scbiedenbeit  selbst  als  solche  niemals  in  meiaen  AnssagcD 
auftritt,  sondern  stets  als  die  von  mir  gedachte  und  aosge- 
sagte,  täuscht  auch  hier  wieder  leicht  einen  rein  sabjektiven 
Charakter  aller  Relationen  vor.  Ihre  objektive  Natur  ergibt 
sieh  demgegenüber  schon  daraus,  daB  viele  wenn  nicht  alle 
Natargesetze  von  Belationen  abhängig  sind.  Man  denke  s.  B. 
an  den  Potentialonterschied,  der  einen  großen  Teil  des  physi- 
kalischen Geschehens  bestimmt.  Wir  werden  also,  wie  wir 
im  allgemeinen  zwischen  dem  Gelten  von  Denkei^bnissen 
und  dem  Besteben  von  Tatbeständen  (im  Bereich  der  R'a 
oder  E's  oder  V's)  unterscheiden  müssen,  so  im  besonderen 
auch  das  Gelten  von  Belationsvorstellungen  nnd  das  Be- 
stehen von  Belationen  auseinanderhalten  müssen  (nament- 
lich gegenüber  Meinong,  vgl.  S.  178)  *). 

Mit  der  Behauptung,  daB  die  Belationen  auch  nnab- 
bangig  von  den  Belationsvor Stellungen  „bestehen",  iet 
nicht  gemeint,  daß  sie  gesondert  von  den  Dingen  (Gigno- 


Gleidiheitsrelationen  des  Gegebenen  im  weitesten  Snn  (also  einsciilieBlich  der 
Relalionen  der  rtumlicben  und  zeitlichen  Läse)  grOnden,  aber  oft  in  anderer 
Weise  und  in  höherem  HaBe  als  die  Vergleichungsrorstellungen  über  den  Tat- 
bestand des  Gegebenen  hinauBgeben.  Die  GröBenversdiiedenheit  zwischen 
einem  Baum  und  einem  Strauch  ,J>esiebt",  und  die  VergleicfaungSTorstellnDl 
dieser  Verschiedenheit  drückt  diesen  Tatbestand  entsprechend  den  zugehörigen 
Empfindungs-  und  Vorstellungsprozessen  aus.  Die  VergleichuDgsfnnktion  gebt 
über  den  Tatbestand  im  wesentbcben  nur  insofern  hinaus,  als  sie  die  J»e- 
slehende"  Belation  isoliert.  Anders  bei  den  Zusammenfassungsrorstellimfea 
Die  zusammenfassende  Vorstellung  „Wald"  gründet  sich  auf  xftumlicbe  und 
andere  Relationen,  beschrttnkt  sich  aber  oft  nicht  auf  die  Vorstdlunf  der 
Bimne  und  ihrer  Relationen  (r&umliche  Nachbarschaft,  Ähnlichkdt),  sondern 
fOgl  oft  die  Zusammenfassung  zu  edner  Einheit  oder  einem  G  a  n  i  e  & 
hinzu,  die  in  den  Relationen  nicht  enthalten  ist  und  daher  in  einer  eigen- 
artigenWeise  und  in  besonderem  UaSe  über  den  Tatbestand  hinausfabl  Ke 
zusammenfassenden  Voratellnngen  werden  also  durch  Relationen  angereit 
und  involvieren  und  enthalten  Relalionsvorstellungen,  fügen  dann  aber  oft  n 
denselben  noch  einen  neuen,  über  die  Relationen  hinausgehenden  Akt  hinzu. 
Vd.  zu  dieser  schwierigen  Frage  auch  S.  3äi  (g  68)  u.  M7,  sowie  GrundL  L  c 
*)  IMo  Scholastiker  unterscheiden  sehr  scharf  zwischen  einnn  refliec- 
tus  (relationes),  der  auch  in  den  Beziehungen  der  Dinge  selbst  liest,  ub^ 
einem  respectus,  der  nur  in  der  apprehensio  des  Verstandes  liegt  Vgl  z.  B- 
Thomas  v.  Aquino,  Summa  theoL  I,  13,  7  u.  38,  1,  ed.  Mign«,  Bd.  i,  äTl^ 
u.  867.  Die  alten  Skeptiker  hatten  dagegen  bereits  behaupte^  d>B  den 
Relationen  außerhalb  des  Verstandes  flberiiaupt  keine  Realit&t  zukomo' 
(Sextus  Empir.,  Adv.  matfa.  Vm,  US:  tti^  fiinr  mitnat  lä  itgit  >(  i*m 
tjc^tm,  SnaifiK  <K  st'«  tartr  ainlt{).  Auch  in  dei'  modernen  Fhilosopbie 
kehrt  derselbe  Gegensatz  wieder,  vgl  z.  B.  Tb.  lÄm»,  Einheiten  und  Rela- 
ti«MD,  Leipzig  1802,  und  Ztscbr.  L  Psych,  u.  Phrs.  d.  £nn.  190%  Bd.  % 


i,l^.OOglc 


1.  Kapitel.    Erfcenntuistheoretische  Gnindlesung-  ;j05 

nwiieu)  eine  selbstäadige  Existeoz  irgendwelcher  Art 
fahren.  P^  eine  solche  Annahme  im  Sinne  Piatos  oder  des 
seholastischen  BealiBrnne  (vgl.  ^  17  ff.)  fehlt  jeder  Anhalts- 
pnnkt  IHe  Sondernng  (Abstraktion)  aas  den  Gignomenen 
kommt  erst  dnrch  unser  Denken  zostande,  existiert  also  nur 
in  den  Belations  vorstellangen.  Die  Relationen  bestehen 
QU  i Q  (an)  den  Gegenständen.  Verschiedenheit,  Gleichheit,  ' ^ 
Lage,  SnhzeasioQ,  Zahl,  analitative  nnd  intensive  Eigen- 
Khaften')  nsf.  sind  Bclationen  von  Gignomen  za  Gignomen 
oder  imierhalb  eines  Gignomens,  die  von  nnserem  Denken 
ianh  Vergleichnng,  Znsammenfassnng  imd  Zergliederang 
(Komparation,  Synthese  nnd  Analyse,  vgl.  ^  70)  festgestellt 
und  nur  in  nnserem  Denken,  d.  h.  in  den  Belationsvorstel- 
Inngen  CBelationsurteilen  usf.)  von  den  Gignomenen  losgelöst 
werden  (sog.  distinotio  rationis).  Man  darf  daher  beispiels- 
veise  nicht  dreierlei  koordiniert  nebeneinanderstellen:  das 
Verschiedene,  die  Verschiedenheit  nnd  die  Ver- 
se hiedenheitsvoretellnng.  Die  Verschiedenheit  exi- 
stiert nicht  gesondert  von  dem  Verschiedenen').  Nur  die 
Veischiedenheits  v  o  r  s  t  e  1 1  u  n  g  stellt  ein  Novum  dar. 

Der  hier  vertretenen  Lehre,  daß  die  Geltung  mit  der 
matenalen  Richtigkeit  der  Vorstellungen  (im  weitesten  Sinn) 
identisch  ist  und  sieh  anf  einen  Tatbestand  im  Bereioh  der 
B's  oder  V's  oder  R's  oder  Relationen  dieses  Tatbestands  be- 
zieht and  in  der  Logik  auf  fingierte  KormAlvorstellungen 
öbertragen  wird  ^ignomenologische  Auffassung  der 
Geltoag),  stehen  zwei  andere  Auffassungen  gegenüber,  die 
msD  als  die  psychologistische  nnd  die  1  o g i z i  - 
Btische  bezeichnen  kann. 

Die  psychologistische  Auffassnng,  wie  sie  z.  B. 
Heymans  (vgl.  S.  156)  besonders  scharf  vertritt,  kennt  über- 
haapt  nur  die  tatsächlichen  Vorstellungen  im  Sinn  der  Psy- 

.     S.  laB;  KotDu,  Ztachr.  f.  Paychol.  191b,  Bd.  73.  &  11,  D&nwntt.  S.  36  8.; 
I     Kmoag.  Ztscbr.  f.  Psych,  u.  Pbys.  d.  Sinn.,  18»9.  Bd.  21,  S.  183  (191  tt): 

3tiuapf,  EracbeinunBen  il  psych.  Funktionen,  Abb.  d.  PreuB.  Ak.  d.  Wiss. 

>•  1 1«0(^  Berlin  1007,  S.  4  u.  2811;  Huaserl,  Log.  Untersuch.  2.  Teü,  Hallei 

1901,  S.  290,  2.  Aufl.,  S.  2U  (Einbeitsmoment). 
I  *}  Diese  unsysleroatische  AufzAblung  bezweckt  lediglich,  Beispiele  zu 

nben. 

*)  Heine  EAenntnistbeorie  gebt  noch  weiter  und  behauptet,  daS  auclt 

^  VerscbiedcDbeitsvorstellunK   nicht    gesondert   von   dem    Verachiedenen 

^lütiert,  sondern  dieses  jener  inexiatiei-t.   Für  die  Logik  eracheint  eine  wai- 

l«re  Gntwicklung  dieses  Satzes  vorläufig  OberUfissie. 

2i*hea,  Lehrbaefa  der  Logik.  ^ 

„.,,„,^.oogic 


30(i      !!•  Teil.    Erkenntnialheo retische  usw.  Gnindlegung  der  Loeik. 

tiholo^e.  Sie  übemeht  ako  die  Umbildung  d«r  psycholo- 
gischen VoTfitelliingen  in  logische  NormalTOratelInngen  -(Bc 
griffe)  und  kann  deshalb  dem  Logischen  nicht  gerecht  werden. 
Die  Oeltung  wird  daher  zn  einer  lediglich  psychologischen 
Tatsache,  die  ganze  Logik  dmnit  zn  einem  nnsclbstandigen 
Teil  der  Psychologie. 

Die  1  o  g  i  z  i«  t  i  s  c  h  e  Auffassung ')  (vgl.  S.  173 ff-,  258fl., 
'-'70  ff.)  geht  auf  Bolzano  (vgl.  S.  173)  und  Lotze  (vgl.  S.  195) 
zurück.  Sie  behauptet,  daß  außer  dem  Tatbeetand,  aof  wel- 
chen der  Inhalt  eines  Denkergebnisses  sich  als  anf  seineo 
Gegenstand  bezieht,  und  außer  dem  Denkergebnis  selbst  nocb 
ein  drittes  reinLogisches  unterschieden  werden  muß,  und 
schreibt  dieeem  eine  absolute  Geltung  zu.  Dies  Dritte 
heifit  bei  Bolzano  „Vorstellnng  an  sich"  und  „Satz  an  sich" 
(Wahrheit  an  sich),  bei  Lotze  ,4ogischer  Gedanke",  bei 
Husserl  „Wesen"  oder  ,^idos".  Oft  wird  es  als  „ideal"  oder 
„ideell"  den  gewöhnlichen  Realitäten  gegenübergestellt. 
Auch  die  Termini  „Gegenstand",  „Inhalt",  „Sinn",  „Bedeu- 
tung"' werden  oft  gebraucht.  Bald  wird  ihm  Existenz  und 
Wirklichkeit  geradezu  ganz  abgebrochen,  bald  eine  ganz 
besondere  neue  Art  der  Wirklichkeit  oder  des  Seins  zuge- 
schrieben. Für  diese  besondere  Seinsart  hat  nun  Lotze  den 
Terminus  Geltang  bzw.  Gelten  eingeführt  Hier  bedeutet 
also  Gelten  nicht  mehr  die  materiale  Bielitigkeit  mit  Beza? 
auf  einen  Tatbestand  (im  Bereich  der  B's  oder  E's  oder  V'e) 
und  auch  kein  „Bestehen"  innerhalb  der  Tatbestände,  son- 
dern einen  neuen  hypothetischen  Tatbestand,  der  nicht  wie 
die  R's  im  Gegebenen  gedacht  wird,  sondern  in  einer  un- 
klaren Stellung  neben  dem  Gegebenen  „gilt".  Manche 
Logizisten,  z.B.  Bolzano,  nehmen  daher  auch  an,  daßesselbet 
ganz  phantastische,  ja  sogar  falsche  „VorsteUungeu  und 
Sätze  an  sich"  „gibt".  Das  Logische  wird  2u  ein^  dritten 
Kategorie  neben  dem  Tteychischen  und  Kiysischen.  Schließ- 
lich ging  man  so  weit,  daß  man  für  das  individuelle  Er- 
kennen dieses  „rein  Logischen"  oder  „Geltenden"  (im  Sinn 
der  Logizisten)  nicht  mehr  das  gewöhnliche  Denken,  wie  ee 
die  Psychologen  Untersachen,  für  kompetent  erklärte,  sondern 
auch  einen  besonderen  Akt  in  Anspruch  nahm:  „wir  müssen 

')  Vgl.  zum  foUrenden  auch  AKhur  Liebert,  Das  Problem  der  Geltuni, 
BerKn  19U,  m)d  Heinr.  Lau,  Das  Problem  der  Gegenständlichkeit  in  der 
modernen  Loeik,  Berlin  1912  (beide  AibeitMi  &sftnzungrii^l«  der  K*Jit- 
studJen). 


1,1^. OQi 


,g,c 


i.  Kapilel.    Erkeimlmstheoretische  Grundletiuns.  307 

allesGehende  einfach  finden  als  eine  ei^eDtümliche  Gegeben- 
Iteit,  welche  neben  dem  I^yehiechen  und  Physischen  als  eine 
beamdere  Art  des  ideellen  Seins  .  .  .  existiert"').  Damit 
iet  die  Intnition  oder  intellektuelle  Änschattang  im  Sinne 
Schellinffs  (S.  135)  n.  a.  anf  einem  Umwi^  wieder  eingeführt. 
Der  psychologißtischen  Auffassimg  gegenüber  hat  der 
Li^izist  leichtes  Spiel  und  bis  zu  einem  bestimmten  Punkte 
recht  Der  Satz  2X2  =  4,  die  Zahl  tt,  der  AUgemeinbegrÜf 
Oold  nsf.  sind  in  der  Tat  nicht  nur  Denkergebnisse  im  indi- 
vidoell  psycholc^iscben  Sinne.  Selbst  die  Übereinstimmung 
vieler  IndiTidnen  bezüglich  solcher  Denkergebnisse  erklärt 
uns  nicht,  daß  jene  Sätze  Überall  und  stet«  genau  und  kon- 
rtuit  zutreffen,  während  unsere  Denkergebnisee  intermit- 
tieren,  ungenau  und  inkouBtaut  sind.  Dagegen  versagt  der 
U>gizifimns  g^enüber  der  oben  dargelegten  gignomenolo- 
gischen  Auffaseang.  2  X  2  =  4,  w,  der  Komplex  „Gold" 
Dsf.  gehören  zu  den  bestehenden  Relationen  der  Tatbestände  *) . 
Wie  oben  erörtert,  sind  diege  Belationen  nicht  Denkprodokte, 
sondern  in  den  Tatbeetändeu  gegeben.  Diese  Belationen  (im 
Veitesten  Sinn)  innerhalb  der  Tatbestände  machen  neben  den 
Tatbeständen  (im  ganzen)  den  Gegenstand  der  Denkergeb- 
nisae  aus.  Die  Hypothese  eines  ganz  neuen  Dritten,  eines 
Wischen  oder  Geltenden  (im  Sinn  der  Logizisten),  ist  daher 
gaos  überflüssig  nnd  außerdem,  da  die  Natur  dieses  IMtten 
ganz  unklar  bleibt,  unzulässig.  Die  „Ewigkeit"  oder  „ün- 
witlicfakeit"  der  logischen  Voretellnngen  und  Sätze  erklärt 
sich  daraus,  daß  in  den  Tatbeständen  neben  zufälligen  Bela- 
tionen (z.  B.  jeweilige  Lage  des  Federhalters  auf  meinem 
Tisch)  relativ  konstante  (z.  B.  Gold)  und  absolut  konstante, 
also  gesetzliche  Belationen  (2  X  2  :=  4,  n)  vorkommen. 

Ebensowenig  beweist  fiär  die  logizistisehe  These  die  Tat- 
sache, daß  ich  die  Vorstellung  der  Zahl  71,  den  Satz  2X2=4, 
die  Vorstellung  des  Goldes  usf.  selbst  wieder  zum  Gegen- 
stand von  neuen  „geltenden"  Vorstellungen  (im  weitesten 
Sinn),  z.  B.  von  Aussagen,  Schlüssen  machen  kann  (etwa:  die 
Zahl  TT  ist  zuerst  von  Archimedee  abgeleitet  worden).    In 

»)  Ssal«goB,  Ztschr.  f.  Philos.  u,  phUos.  Krit  1911,  Bd.  148,  S.  18fe  In 
<l*>i  letzten  Jahren  Oberbielen  sich  manche  Autoren  geradezu  in  Angriflen 
auf  den  P>7cfaolo8i3mu9  und  Steigerunsen  der  lotrizistischen  Annahme. 

*)  In  den  gewählten  Beispielen  handelt  es  sich  um  Tjilbestinde  im  Be- 
nich dw  R'^  ganz  analoge  Talbestinde  finden  sich  auch  im  Bereich  dier  E's 
nid  Tw.    S.  auch  S.  3060, 

20» 

„.,.,„.>..oo^sic 


308      M-  Teil.    Erkennlnistheoretjache  usw.  Gnindletcung  der  Loeik. 

diesem  Fall  ist  der  Gegenstand  der  neuen  VoTsteUnng«! 
eben  die  VoTfitellDOg:  w,  der  Satz  2X2^4  nsf.;  von  irgend- 
einem ganz  neuen  Logisehen  ist  auch  hier  nicht  die  Bede. 
Eb  handelt  sich  nm  solche  früher  (S.  262)  besprochene  Vor- 
stellnngsgebilde  höherer  Ordnung  V,  V",  V"  usf. "),  die  sich 
-    auf  Tatbestände  im  Bereich  der  Vorstellungen  beziehen. 

Freilich  kommt  dabei  die  von  der  psychologigtisehen 
Auffassung  übersehene,  oben  (S.  301}  bereits  erwähnte,  für 
die  Logik  fnndamentttle  Tatsache  zur  Geltung,  daß  wir  die 
schwankenden  Vorstellungen  der  Zahl  n,  des  Satzes 
2X2  =  4,  des  Goldes  usf.  des  individuellen  inychischeii 
Lebens  durch  jene  konstant  gedachten  Xormalvorstel- 
lungen  ersetzen.  Damit  wird  die  Konstanz  (UnzeiÜich- 
keit),  welche  sich  ucsprüngtieh  nur  in  den  gesetzmäÖigea 
Tatbeständen  (R's,  E's,  V's)  selbst  fand,  auch  auf  die  Inhalte 
der  Vorstellungen  der  bez.  Tatbestände  übertragen.  Die 
Konstanz  der  logischen  Vorstellungen  und  Sätze,  welche  ^ch 
zunächst  als  objektiv  begründet  erwies,  wird  nun  auch  snb- 
jektiv,  d.  h.  für  unser  Denken  künstlich  gegenüb&r  der  In- 
konstanz der  tatsächlichen  Denkvorgänge  hergestelll  Maa 
kann  in  diesem  Sinn  geradezu  von  der  logischen  Anpassoug 
unseres  Denkens  an  die  allgemeine  Gesetzmäßigkeit  der  Tat- 
bestände (nicht  etwa  nur  der  physikalischen)  reden.  Die 
logizistische  Berufimg  auf  die  Konstanz  der  logischen  Be- 
griffe ist  also  auch  in  subjektiver  Beziehung  nicht  stichhaltig. 
Der  Logizist  elaubt  seine  Auffassung  oft  auch  daduich  retten  zu  kCDnen, 
daß  er  auf  einige  weitere  besondere  Beispiele  verweist  So  wird  z.  B.  be- 
hauptet, das  Gedankensystem  der  Kritik  der  reinen  Vernunft  oder  der  ScbluB 
„Cajus  ist  ein  Mensch,  alle  Menschen  sind  sterblich,  also  ist  Cajus  sterblich" 
sei  doch  etwas  an  sich  Bestehendes  oder  Geltendes,  das  von  dem  Gedacht- 

")  Ich  erinnere  nochmals  daran,  daB  hiermit  nicht  „Vorstellungen  von 
Vorstellungen"  im  Sinn  der  ablieben  Annahme  aueAannt  werden.  Vgl 
S,  263.  —  Die  den  Stufen  V,  V,  V"  usf.  entsprechenden  Beziehtingen 
bauen  sich  allerdings  gewissennaBen  übereinander  auf,  aber  deshalb  ist  V 
von  V,  V"  von  V  usf.  doch  nicht  in  dem  Sinn  verschieden,  daS  man  von 
einer  neuen  psychischen  Katecorie  sprechen  kennte.  Wenn  ich  denke 
„3X3=4".  so  wird  bei  dieser  VorstellungsveAnapfung  die  Beziehung  auf 
den  Eoathematischen  Tatbestand  gedacht,  der  letztere  ist  da-  „Gegenstand" 
der  Vorstellungsverknüpfung;  wenn  ich  denke  „der  Satz  2X3;:=)4  ist  von 
dem  ScbOler  heute  gelernt  worden",  so  tritt  dieselbe  Vorstellungsverknüpfung 
als  solche,  d.  h.  ohne  Beziehung  auf  den  mathematischen  Tatbestand,  also 
als  Tatbesland  im  Bereich  der  V's  auf  und  wird  mit  weiteren  VorstellumM« 
verknflpft,  der  „G««enstaDd"  dieser  weiteren  VeiknQpfung  ist  ietzt  die  Vor- 
stellung „2X2=4"  geworden.  Man  vergleiche  hiermit  auch  Uetnon^s 
Lehre  von  Objekt  und  ObjAliv  (S.  181). 

h.  !■,  ii,l^.OOQK- 


1.  liiipilel.    ErkeiiDtiusUieoretische  Grundlegimg.  309 

w^^  diuch  einen  einzelnen  Menseben  unabhingis  sei.  Auch  dies  AifU' 
menl  ist  nicht  stichhaltig.  Die  Sachlage  ist  ganz  dieselbe  wie  bei  dem  Satz 
^XS=^4",  nur  ist  die  VoratellungaveiknOpfuuB  komplizierter:  es  handelt 
ocbomeinV'  höherer  Ordnung.  Als  Kant  sein  GedankensTslem  dachte, 
odN  wenn  jetzt  ein  anderer  es  ihm  nachdenkt,  so  war  bzw.  ist  das  Gedanken- 
SYslem  selbst  ein  rein  psycbologiaches  Denkeigebnis,  dessen  fundierende 
6««eiisfaiidskette  (vgl.  S.  2eS)  zahlreiche  Tatbestande  innerhalb  der  E'b^  V's 
und  erent.  auch  R's  sind.  Wenn  wir  aber  nun  weiter  irgend  etwas  von 
(üesem  Gedankens vstem  aussagen  (z.  B.  daB  es  dem  Lockeschen  entgegen- 
gesetzt sei),  es  also  gewissermaBen  loE^gelOst  von  seinem  Gedachtwerden  durch 
die  einzelnen  Personen  betrachten,  so  wird  es  allerdings  „G^enstand"  eines 
Deokergebnisses,  aber  als  solches  gehört  es  nicht  in  ein  neues  logizisUaches 
Reidi,  sondern  zu  den  Tatbeständen  im  Bereich  der  Vorstellung«!  und  be- 
kommt seinen  spezifisch  logischen  Charakter  nur  dadurch,  daB  wir  uns  an 
Stelle  der  individuell  schwankenden,  unvoUstAndigen,  inexakten,  zntlich 
wechselnden  Vorstellungen,  welche  die  einzelnen  Menschen  sich  von  dem 
System  machen,  -einen  konstanten  und  daher  unzeitlicben,  interindividuellen 
NomialbegriB  desselben  gesetzt  denken. 

Besondere  Beneirtrait  fOr  ihre  Ansicht  schreiben  manche  Logizislen 
auch  den  Beispielen  widersinniger  Vorstellungen  (wie  „dreieckiges  Viereck") 
oder  Riner  Phantasievorstellungen  (wie  „goldener  Berg",  „Marquis  Posa"  usf.) 
W-  Oben  (S,  271)  hat  mch  bereits  ergeben,  naa  der  Gegenstand  solcher  Vor- 
stellungen ist:  namlieh  die  Gesamtheit  der  Teilvorstetlungen,  aus  denen  »e 
msanunengesetzt  sind  (z.  B.  „dreieckig"  und  „Viereck"  bzw.  „golden"  und 
rBeig"  usf.).  Für  die  Kombinafian  „djreieckiges  Viereck",  .jioldener 
Berg"  usf.  existiert  kein  Gegenstand,  diese  Kombinationen  existieren  nur  als 
Votstellungs  i  n  h  a  1 1  e  "),  nicht  als  VorstellungsgegenstAude.  Eine  materiale 
Richtigkeit  mit  Bezug  auf  einen  eutsprechendäi  Tatbestand  kommt  daher 
hier  gar  nicht  in  Betracht,  ^mi  von  Gelten  oder  G  0 1 1  i  g  k  e  i  1  kann  bei 
Stichen  Vorstellungen  Überhaupt  gar  nicht  gesprochen  werden.  Ober  die 
bierrgn  scharf  zu  unterscheidende  Frage  der  Existenz  s.  §  113.  Hieran  ändert 
■och  die  Tatsache  nichts,  daB  ich  mir  in  meiner  Phantasie  oft  E's  und  R's 
zu  meinen  Phantasievorstelluiigen  hypothetisch  hinzuerg&nze '').  Damit 
wird  nur  der  Inhalt  meiner  Phantasievorstellungen  noch  veigrfiBert  und 
modifiziert,  aber  kein  G^enstand  binzugeacbafien.  Von  einer  GOltigkeits- 
beziehung  zwischen  dem  hinzugedachten  E  bzw.  R  und  meiner  Phantasie' 
voratellung  kann  deshalb  auch  nicht  die  Rede  sein.  Wir  kommen  Ober  unsere 
Vorstellungsinhalte  nicht  hinaust  Wohl  aber  können  diese  Phanlasievorstel- 
hiRgen,  die  als  Ganzes  selbst  keinen  Gegenstand  haben,  ganz 
ebcDso  wie  alle  anderen  Vorstellungen  Gegenstände  neuer  geltender  Vor- 
stdhmgen  (V",  V"'  urf.)  werden.  So  kann  ich  z.  B.  galtige  Urteile  Ober 
Uaniuia  Posa  fällen  (z.  B.  er  sei  von  Schiller  erfunden,  er  habe  diese  oder 
jene  Charaktereigenschaften  usf.).  Solche  Aussagen  haben  selbstverständlich 
einen  Gegenstand,  aber  nicht  in  einem  dritten  logizislischen  Reich,  sondern 
ihr  Gegenstand    ist    meine    Pbaotasievorstellung    Marquis    Posa    oder    die 


^')  Soweit  es  sich  um  unmittelbar  sich  widerspirechende  Vorstellungen 
huidett  (dreieckiges  Viereck)  werden  nicht  einmal  die  Vorstellungskombi- 
utiaiien  inhaltlich  vollzogen,  sondern  ihre  Vollziehung  nur  durch  sukzessive 
Tortkombinationen  (attributiveB  Adjektiv  und  Substantiv)  vorgetäuscht 

'*)  Hierauf  beruht  es,  daB  ich  zwischen  der  Vorstellung  von  Manpiis 
Posa  and  dem  vorgestellten  Marquis  Posa  unterscheiden  kann. 


OgIC 


310      ^  l'^il-    Erkennlnistheoretiaüie  usw.  Giuudlegung  der  Lock. 

Phant&aievorsteUuDS  Matquis  Posa  Schillers  usf.  Diesen  neuen  Vorsielluneeo 
V"  kommt  denn  audi  Gelten  oder  GOltigkeit  zu  und  wiedenun  in  doppeller 
Bedeutuns:  einerseits,  insofern  sie  material  richtig  sind,  d.  h.  der  Ph&nt&sie- 
vorstellting  Marquis  Poaa  entsprechen,  und  andrefseits,  insofern  Obertiaupt 
eine  dem  V"  entsprechende  (das  V"  rechtfertigende)  Fhantasierorstellung 
„besteht".  Aber  diese  GOltigkeit  ist  in  keiner  Weise,  wie  die  Logizisten 
behaupten,  eine  absolute,  die  sich  auf  irgendein  neues  Ansichaein  brpo- 
thetischer  Gegenstände  eines  dritten  Reiches  bezöge,  sondern  dieselbe  rela- 
Uve,  wohlbekannte  Galtiä:eit,  mit  der  wir  es  allenthalben  zu  tun  tiaben.  Aus 
dem  Gelten  kann  kein  neues  Sein  herauskonstruiert  werden. 

Besonderes  Gewicht  pflegen  die  Logizisten  auch  auf  die  GOltigkeil 
mathematischer  Sp^ulations^-orstelluneen  zu  legen,  namentlich  solcher,  deotn 
—  wie  z.  B.  den  imagin&ren  Größen  {i  =  y'—l)  —  nichts  in  der  siiuilich 
wahmehEobaren  Wirklichkeit  zu  entsprechen  scheint'*).  Indes  abgesehen 
davon,  daB  der  letztere  Punkt  noch  strittig  ist,  würde  die  wissenschafthche 
Bedeutung  der  Lehre  von  den  imaginären  Größen  auch  dann  besteben  blei- 
ben, wenn  man  einräumt,  daß  sie  nur  Hilfsvarstellungen  sint^  denen  als 
solchen  (in  tote)  kein  Gegenstand  entspricht,  und  Lehrsätze  wie  die  Hoivre~ 
sehen  Formeln  und  viele  andere,  welche  fOr  solche  komplexe  GrSBen  be- 
wiesen werden  (V">,  also  diese  zum  Gegenstand  haben,  werden  für  diae 
„gelten"'  in  demselben  Sinn  wie  irgendwelcbe  Lebraätze  der  nicht -imaginären 
llathematik  für  ihre  Gegenstände. 

Was  S.  300ff.  ganz  im  allgememen  über  die  „Geltung: 
von  VoTstellnngen  gesagt  wnirde,  findet  eine  spezielle  An- 
wendung  aof  die  sog.  logischen  Prinzipien  (vgl- 
S.  294  ff.).  Aach  ihnen  schreibt  man  eine  Geltung  in  doppel- 
tem Sinn  zn,  insofern  man  bald  meint,  dafl  die  Sätze,  in'  wel- 
chen wir  die6e  Prinzipien  fommlieren,  material  richtig  sind, 
bald  aber  nur  das  Bestehen  eines  bestimmten  Tatbestandes 
im  Bereich  des  logischen  Denkens  im  Äoge  hat.  G«mäQ  der 
Festsetzung  S.  302  soll  hier  nur  von  Gültigkeit  im  ersten 
Sinn  gesprochen  werden,  so  daB  die  Gültigkeit  oder  Geltong 
mit  der  materialen  Kiehtigkeit  identisch  ist  Beispielsweise 
ist  das  Identitätsprinzip  a  =  a  material  richtig,  insofern  es 
die  allgemeine  Eindeutigkeit  (Singularität,  vgl.  S.  294)  in 
allem  Geschehen  einschließlich  des  Denkens  richtig  aus- 
drückt, und  kann  in  diesem  Sinn  als  objektiv  gäll^  be- 
zeichnet werden.  Zngleich  bekommen  die  Prinzipien  eins, 
weitergehende  spezifisch  logische  Bedeutung  (S.  296>,  i  ' 
wir  an  Stelle  der  schwankenden  individuellen  Vorstellni 
von  a,  b  und  c  usf.  konstant  gedachte  Normalvorste 
äetzen.  Das  Gesetz  der  Singularität  oder  Kindeuti 
Geschehens   gilt   nur   für   die  Unverträglichkeit  < 


*■}  Vgl.  Ober  solche  mathemat.  Gegenstände  Medicus,  I 
Bd.  19,  S.  1,  und  Hugo  Bergmann,  Ann.  d.  Natundiilos.  19t, 


1.  Kapitel.    Erkennt  Distheoretische  GFundtegung.  311 

gesetzter  Totalvorgäose  zu  derselben  Zeit.  Indem  wir  jene 
XormalbegTÜfe  einführen,  wird  für  das  Denken  die  Zeit  nnd 
die  individuelle  psychologische  Variabilität  eliminiert:  a  gilt 
als  ,3e8Tiff"  für  unveränderlich.  Bezeichnet  man  ein  ein- 
faches Gegebenes  für  einen  bestimmten  Zeitpunkt  t  als  at, 
so  besagt  das  Identität»gesetz  im  allgemeinen  (gignomeno- 
loffiachen)  Sinn  sowohl  für  das  Denken  wie  für  jedes  andere 
Geschehen  a^  =  a»,  d.  h.  der  Vorgang  at  kann  nicht  zngleieh 
von  at  verschieden  sein:  er  ist  singnlär'*)  (sejnnktiv,  vgl. 
S.  2d4).  Wenn  die  Logik  nnn  an  Stelle  dier  wechselnden 
Denkvorstellnngen  Normalvorstellungen  setzt,  so  macht  sie 
das  Denken,  soweit  es  sich  in  Normalvorstellungen  vollzieht, 
wenigstens  der  Absicht  nach  von  der  Zeit  unabhängig  nnd 
kann  für  diese  Normalvorstellnngen  behaupten:  a=^a  (ohne 
den  Index  t).  Die  „Gleitung"  dieses  logischen  Identitäts- 
prinzips ist  also  ebenfalls  mit  seiner  materialen  Bichtigkeit 
identisch.  Insofern  es  den  Tatbestand,  dessen  Bestehen  in 
dem  giguomenologischen  Identitätsgesetz  ausgedrückt  ist, 
speziell  mit  Bezug  auf  die  Nonnalvorstellungen  unseres  logi- 
schen Denkens  richtig  wiedergibt,  „gilt"  es.  Eine  andere 
Bedeutmig  hat  die  Geltung  nicht. 

Kant  hat  zwar  nicht  fQr  die  fonnale  Logik,  zu  welcher  nach  ihm  das 
logiache  IdentiUtscmnzip  gebärt,  wohl  aber  für  seine  Kategorien  und  syn- 
tbetischeD  Sätze  a  priori  (vgl.  S.  289)  eine  Gdturig  behauptet,  die  nicht  nüt 
der  materialen  Richtigkeit  identisch  ist,  sgndem  ein  Gelten  in  dem  Sinne, 
dtfi  sie  „die  Gründe  der  Uüglichkeit  aller  Erfahrung  Oberhaupt"  enthalten. 
Die  schweren  allgemeinen  Bedenken,  welche  dieser  ganzen  Auffassung  gcecn- 
flheratehen,  sind  zum  Teil  bereits  S.  255  ff.  hervorgehoben  worden.  Im  Be- 
soDderen  ist  zu  bemerken,  daB  die  Ifantsche  BeweisfQhning  mit  einem  dop- 
Wllen  Begriff  der  „Erfahj-ung"  arbeitet.  Zuerst  nimmt  Kant  Erfahrung 
im  Sbne  der  vom  Denken  verarbeiteten  Sinnesertahrung  und 
kann  für  diese  n&tüilich  zeigen,  daß  sie  ohne  das  Denken  und  unabhängig 
wn  seinen  Gesetzen  nicht  möglich  ist.  Dann  aber  überträgt  er  ohne  aus- 
reichende Gründe  den  letzteren  Salz  auf  di«  Erfahrung  im  weiteren  Sinn, 
'■iailich  auch  auf  die  vom  Denken  nicht  verarbeitete,  und  gelangt  so  zu  d«n 
Sdz,  daß  die  bezüglichen  Begriffe  und  Sätze  für  alle  Erfahrung  überhaupt 
äe  Gründe  dir  Ufiglichkeit  abgeben.  Die  natürliche  Auffassung,  daß  diese 
B^iriOe  und  Sätze,  soweit  sie  überhaupt  zutreffen,  aus  dem  Gegebenen  nach 
^a  Gesetzen  unseres  Denkens,  die  selbst  zu  dem  Gegebenen  gehören,  ge- 
schöpft sind  und  j,gelten",  insofern  sie  diesem  Gegebenen  richtig  entsprechen, 
«iid  in  unzulänglicher  Weise  mit  einem  Hinweis  auf  ihre  absolute  All- 
(öneinheit  und  Denknotwendigkeit  abgefertigt.  Die  Allgemeinheit  und  Denk- 
Wtvendifkeit,  die  wir  ihnen  gern  zuschreiben,  erklärt  sich  aus  der  durch- 

")  Die  mit  der  Eindeutigkeit  (Singularität)  eng  verknüpfte 
Einzigartigkeit    (Insignität)    muB   in    der   Erkenntnistheorie    erörtert 


n,g,t,7l.dM,GOOglC 


312      II-  '^^-    Erkeontnistheoreüscbe  usw.  GnindleKunE  ^er  Loeik. 

fiänsiceD  Ubereiastlmmvinr  unsrer  Erfahrung  (r.  B.  bezOgUch  der  SiiKulaiiUl 
allen  Geschehens)  und  diese  durchgängige  ObereinsUmmung  aus  der  all- 
Eenieinen  GesetzmfiBigkeit,  die  nun  eben  einmal  allem  Gegebenen  lulconimL 
Der  Versuch  Kants,  die  allgemeinen  Gesetze  aus  dem  Gegebenen  herausia- 
nehmen  und  ausschließlich  dem  Denken  zuzuweisen,  so  daB  dieses  dieaelken 
in  die  Natur  „bineinbtingt"  ^^)  und  der  Natur  nur  die  speziellen  „empiriscbeo 
'iesetze"  belassen  werde»,  scheitert  schon  an  dar  Tatsache,  daB  wir  uns 
ein  den  Kantschen  apriorischen  Beghtten  und  Grundsätzen  und  selbst  dem 
Singularitäts Prinzip  widersprechendes  Geschehen  sehr  wohl  denken  kAmm 
(vgl.  oben  S.  3H);  nur  unter  dem  Einflufl  der  duichs&ugigeii  Üba:«iiutim- 
mung  der  Erfahnmg  mit  Bezug  auf  jene  allgemeinen  Gesetze  schreiben  wir 
ihnen  eine  absolute  Allgemeinheit  und  DenknotwendiAeit  zu. 

W&hrend  Kant  die  Beziehung  der  sog.  formalen  logischen  Ge- 
setze auf  die  Naturgesetze  nicht  berQcksichtigt  und  seine  Lehren  von  der 
obiekÜTen  apriorischen  Gültigkeit  auf  die  Kategorien  und  synthetischen  aprio- 
rischen Grundsatze  beschrAnkl^  haben  andere  die  soeben  erörterte  Eanlsche 
I^lire  auch  auf  die  formalen  Sfttze  der  Logik  ausgedehnt.  Hiertier  ge- 
hören u.  a.  die  Auffassungen  von  Fichte  und  Hegel  (vgl.  g  3&  u.  37).  In 
neuerer  Z«it  ist  z.  B.  Dilthey  '*)  ein  Vertreter  dieser  Ansicht.  D.  behauptet; 
Da  die  Erkenntnis  von  Ursachen  an  den  Schluß  und  die  in  ihm  liegende 
Denknofwendigkeit  gebunden  sei,  so  mOsse  im  Naturzusammenhang  eine 
logische  Notwendigkeit  obwalten.  Dabei  wird  ofienbar  von  D.  Oberseben, 
daß  das  Identitatsprinzip,  welches  der  gesamten  formalen  Look  zugrunde 
liegt,  ein  gemeinsames  Gesetz  des  Gegebenen  (ein  gignomenologisches  Gesetz) 
ist  und  daher  die  Denknotwendigkeit  und  die  Naturnotwendigkeit  koordiniert 
sind;  es  erscheint  daher  unzulftssig,  die  letztere  als  logisch  zu  bezeichnen 
itnd  damit  der  enteren  zu  subsumieren. 

i  65.  Subjektive  Bezlebangeii  der  Gültisrkeit.  All- 
ItemeinKÜltigkeit.  GeltoDEsbewnBtselii.  OewiBheit.  Wenn, 
wie  im  letzten  Paragraphen  naeiLgewieeen  wnrde,  die  Qültig- 
keit  mit  der  materialen  Bichtigkeit  identisch  nnd  eonacb 
Btete  objektiv  ist  (vgl.  S.  301),  so  bedeutet  dies,  daB  von 
Gültigkeit  stet«!  nur  mit  Bezug  auf  einen  Tatbestand, 
ein  .JEorrelat",  gesprochen  werden  kann.  Da  aber  »mdrer- 
eeits  die  Gültigkeit  stets  nur  einer  abgeleiteten  Vorstellung 
unseres  Denkens  zukommt,  eo  besteht  sie  eben  immer  auch 
nnr  für  dies  Denken.  Sie  ist  also  auf  das  einzelne,  je- 
iweils  denkende  Subjekt  beschränkt.  Auch  bei  vollkom- 
mener materialer,  also  fnndaler  nnd  formaler  Dichtigkeit 
,(vgl.  S.  283)  ist  sie  zunächst  an  den  einzelnen  psycholc^- 
Bchen  Denkakt  gebunden.  Wir  können  höchstens  den  Ana- 
logieseblufi  ziehen,  daß  für  ein  ähnliches  Denken  sich  wohl 
such  ähnliche  Richtigkeiten  ergeben  werden.  Die  subjek- 
tive Gültigkeit  wird  also  nur  mit  einer  gewissen  Wahr- 

'=>  Kril.  d.  rein.  Vent,  Kehtt.  Ausg.  S.  134,  Erdm.  Ausg.  S.  167. 

")  Ein!,  in  die  Geisleswisa.  Bd.  1,  I.eipziB  1883,  S.  «1  0.  ; 


.oogw 


1.  Kapitel.    Eritenntnislheorelische  Grundl^uns-  313 

echeinlichkeit  weiter  ausgedehnt.  Das  Individuam  bleibt  — 
etwa  im  Sinn  der  griechischen  Sophisten  —  zunächst  das 
UaÜ  aUer  OöItiKkeit 

Dies  ändert  sieb  erst,  wenn  die  Logik  in  ihrer  anto- 
ohtbonen  Gnmdlegnng  die  Bohon  wiederholt  erwähnten  Nor- 
nmlToiBtellnngen  (vgl.  S.  301,  308  n.  311)  einführt  Bamit 
Verden  die  Denkakte  wenigstens  hypothetisch  von  den  in- 
dividnellen  nnd  temporären  Zufälligkeiten  befreit,  und 
damit  ist  eine  hypothetische  absolute  Allgemeingältigkeit 
för  alle  Sabjekte,  die  solche  Normalvorstellongen  hypothe- 
tiecb  bilden,  knnetlich  hergeBtellt.  Zu  der  objektiven  All- 
gültigkeit  kommt  eine  subjektive  Altgemeingültig- 
keit hinzu  (vgl.  S.  274). 

Völlig  zu  trennen  sowohl  von  der  subjektiven  wie  von 
der  objektiven  Ctültigl^it  ist  d&s  sog.  „Gelt  un  gs  - 
bewnSteein".  Dem  Wortsinn  nach  ist  unter  letzterem 
ein  rein  psychologisches  Phänomen  zu  verstehen,  welches  mit 
dem  „Für  richtig  halten"  (ZnstünmeD,  Billigen,  Anerkennen 
W.  Verwerfen,  vgl.  §  74)  identisch  ist,  von  der  Gül- 
tigkeit, d.  h.  der  tatsächlichen  materialen  Bicfatig- 
keit  also  durchaus  verschieden  ist.  Man  kann  indessen  auch 
^on  einem:  GelttmgsbewnAtsein  in  prägnantem  logischen 
Sinn  sprechen  und  darunter  die  allenthalben  wiederkehrende 
Erfahrung  von  der  Singnisrität  nnsrer  Denkvorgänge  in 
dem  S,  294  erörterten  Sinn  verstehen,  die  Erfahrung  also, 
d&B  wir  nicht  imstande  sind  zu  denken:  a==non-a  usf. 
Nnr  dieses  Geltungsbewofitsein  hat  für  die  Logik  ein  spe- 
zielles Interesse.  Das  Geltungsbewufitaein  im  Sinn  einer 
psychologischen  Zustimmnng  kommt  oft  genug  auch  dem 
Irrtam  zu,  das  Geltungsbewoßtsein  im  prägnanten  Sinn  ist 
•Üe  Urfahmng  einer  Denknnmöglichkeit  bzw.  Denknot- 
wendigkeit (vgl.  S.  295),  also  eine  Erlebnistatsache  selbst, 
bei  der  ein  „sieh-Irren"  überhaupt  nicht  in  Frage  kommt, 
Teil  es  sich  eben  nur  um  die  tatsachliche  Gegebenheit,  nicht 
tnn  die  Beziehung  auf  einen  Gegenstand  handelt. 

Sofern  das  GeltungsbewuStsein  in  prägnantem  Sinn  sich  bei  der  Aus- 
uge  eines  Prädikats  von  einem  Gesensland  darin  äußert,  daS  vir  im  Denken 
Xin  einem  GeBenstand  dasjenige  aussagen  mOS3«n,  „was  seinem  Inhalt  «sen 
ist",  kann  man  mit  Erdmann  (Logik,  2.  Aufl.  S.  371  9.)  von  ,Jogischer  Im- 
maneoz"  sprechen.  Allerdings  scheint  Erdmann  auch  die  Übereinstimmung 
Rut  dem  Tatbestand  der  Sinnesempfindungen  zur  Ic^schen  Immanenz  zu 
nchnen  (Beispiel  vom  weiBeo  Papier  S.  S72),  worin  ich  ihm  nicht  folgen 
^ann.    Richtig  ist  nur,  doB  unsere  Empfindungen  als  solche  (nicht  etwa  auch 

„.,,„,^.oogic 


314      n.  Teil.    Erkeantnistheorclische  usw.  Gniadleffung  der  Logik. 

die  an  aie  eeknäpften  Urteile.  Deutungen  usw.)  für  uuser  Denken  ein  Noii- 
melansere  sind.  Sic  teilen  aber  dieae  Eigenschaft  mit  allen  anderen  Erieb- 
nistatMcben  (Gignomenen).  Sie  sind  ausnahmslos  singulär  (S.  SIH).  Das 
GeltungsbewuStsein  im  prägnanten  Sinn,  welches  ein  Denkergebnis  be- 
gleitet, mufi  sich  nicht  aut  die  Singularität  der  zugrunde  hegenden  Empfln- 
dungen  stützen,  sondern  es  beruht  auf  der  Singularit&t  der  DenkrorgänGc 

Hit  dem  Gf^IlungsbewuQteein  fällt  die  sog.  „Gewiß- 
heit" TolIkomineQ  znsammen  *).  Nur  dnrcli  ganz  willk&r- 
Hcfae  Festsetzungen  kann  man  beide  voneinander  trennen. 
Die  Gewißheit  im  allgemeinen  Sinn  ist  also  gleichfalls  niclits 
anderes  als  ein  Pür-richtig-h  alten,  wie  es  oft  genug  auch 
bei  dem  Irrtum  vorkommt.  Auch  wenn  dies  Für-richtig- 
halten  mit  der  Erkenntnis  verbunden  ist,  daß  es  unmöglicli 
sei,  daß  die  für  richtig  gehaltene  Erkenntnis  falsch  sei'}, 
bleibt  es  ein  individuelles,  dem  Irrtum  ausgesetztes  psycho- 
logische» Phänomen.  Auf  diesem  Wege  kommen  wir,  auch 
wenn  wir  in  einem  uoeudlicfaen  Prozeß  uns  immer  neue 
Selbstbeglaubigungen  und  Selbstlegitimationen  ausstellen, 
keinen  Schritt  über  die  psychologischen  Grenzen  hinaus. 
Anders  wiederum  die  Gewißheit  in  prägnantem  logischeii 
Sinn,  also  mit  Bezug  auf  die  Unmöglichkeit  a^^non-a  zu 
denken.  Diese  Erlebnistatsache  fallt  eben  als  solche  aus 
dem  Bereich  des  Irrens  heraus.  Diese  Gewißheit  ist  nur  ein 
Spezialfall  der  Singularität  aller  Gignomene  und  mit  dum 
logischen  Geltungsbewußtsein  identisch. 

Die  Aufgabe,  die  Entstehungsbedingungen  der  Gewißheit  im  aUgemcinen 
Sinn  zu  untersuchen^  f&IU  daher  auch  ganz  der  Psychologie  zu.  Freilich  hat 
letztere  sieb  mit  solchen  Untersuchungen  bis  jetzt  noch  kaum  befaBt.  Nur 
für  die  Erinnerungagewißheil  hegen  wertvolle  Untersuchungen  von  G,  E. 
Müller')  vor.  So  sind  z.  B.  .\usschließlichkeit,  Promptheit  und  Hajtnäckig- 
keit  der  Reproduktion  und  Deutlichkeit  und  Fülle  der  reproduzierten  Vor- 
stellung solche  psychologische  Kriterien  des  Ricbtiitkeitsbewußtseina  fit 
dem  psychologischen  Charakter  dieser  UewiBheit  hängt  es  auch  zusammen. 
daS  es  verschiedene  Grade  derselben  gibt ').    Die  .\nnahme  einer  spezifischen, 

^)  Vgl.  außer  den  Lehrbüchern  d^  Ei^cnntnistheorie  u.  der  Psychologie 
z.  EL  Job.  Volkelt,  Die  Quellen  der  menschl.  GewiBheit,  Hünchen  1906  (weit 
abweichender  Standpunkt);  Jules  Payot,  De  la  croyance,  Paris  1SB5.  namenlt. 
S.  aaH.i  B.  Bourdon,  Rav.  phüos.  1S90.  Janv.,  Bd.  15,  S.  37—61. 

')  So  definiert  Kant  in  der  Untersuchung  über  die  Deutlichkeit  der 
Grundsätze  d.  nalürl.  Theologie  und  d.  Moral.  3.  Betr.,  §  1. 

°)  Zur  Analyse  der  Gedächtnistätigkeit  und  des  Vorstellungsrerlaufes, 
Teil  3,  Leipzig  1913,  S.  324^  ff. 

*)  Bei  der  logischen  Wahrscheinlichkeit  hegen  solche  „Grade"  der  Ge- 
viSheit,  wie  später  gezeigt  werden  wird,  nicht  vor. 

„.,,n,^.OOglC 


1.  Karite!.    EikenntDistheoretische  Gnmdlesung.  31^5 

iig«iid«Je  8[>ezieU  (ür  die  WaimehinuiiK  der  Richligkeit,  der  ObcreiDslim- 
mung,  des  Widerspruchs  usf.  bestimmten  Seelent&tigkeit,  wie  sie  z.  B.  Locke 
vondiwebte  (,j)erceive  the  aKreement  or  disagreement  of  ideas"),  entbehil 
jeder  tatsäcbUchen  UDlerla«e.  Auf  die  GefQhle,  welche  die  psycho- 
loesche  GewiBheit  begleiten,  insbesoadere  die  sog.  ^Jogischen"  GefÜhJe  *), 
Unn  Regen  ihres  rein  psychologischen  Cliarakters  hier  nicht  ein- 
leWKen  werden. 

Erdmann  fahrt  die  üewiüheit  auf  die  „wiederholte  gleichsinnige  Wahr- 
Dehiomig  zurück"  (I.  c.  namentl.  S.  379)  und  rechnet  zu  der  letzteren  auch 
iK  „Selbstwahmehmung",  welche  uns  z.  B.  belehrt,  daß  Gedanken,  welche 
Widersprüche  in  sich  enthalten,  für  unser  Denken  unvollziehbar  sind.  Nach 
meiner  Auffassung  ist  diese  GewiBheit  Oberhaupt  die  einzige,  welche  für  die 
Lciik  in  Betracht  kommt.  Die  Gewißheit,  welche  sich  auf  andere  Selbst' 
oder  auf  Sinneswahmehmiuigen  stQtzt,  ist  ein  rein  psychologisches  Ph&- 
tnoen.  —  In  der  logischen  Literatur  wird  übrigens  sehr  oft  die  GewiSbeit 
mit  da'  materialen  Hichügkeit  verwechselt  So  wird  es  z.  B.  verständlich, 
itA  Locke  eine  certainty  of  trutb  und  eine  certainty  of  knowledge  unter- 
scheidet (Essay  coDC.  hum.  underst  IV,  6,  %  B)  und  Leibniz  die  erstere  mit 
dfr  Wahrheit  selbst  für  idenüsch  erklärt  {Nouv.  Ess.  sur  l'ent.  IV,  6^  §  3, 
Geit  Ausg.  Bd.  5,  S.  380). 

Weiter  leuchtet  ein,  daß  auch  das  GeltongähewaBtsein 
iiD  prägnanten  Sinn  (die  Gewißheit  im  prägn.  Sinn)  mit  der 
EinföhruDg  der  logischen  Nonnalhegriffe  eine  viel  weitere 
Bedentnng  hekommt  Das  Individuum  hat  bei  seinen  ge- 
wamliehen  —  psychologischen  —  Vorstellungen  eine  Ge- 
wiBheit im^  prägnanten  Sinn  nur,  insoweit  es  nicht  fähig  ist, 
in  demselben  Augenblick,  also  im  Zugleich  als  Gesamt- 
inhalt a  nnd  einen  von  a  verschiedenen  Gesamtinhalt  zu 
denken  (vgl.  S.  295),  nnd  insoweit  es  daher  auch  nicht  im 
Zugleich  einem  ond  demselben  Gegenstand  ai»  Ganzem  eine 
Big«D9cfaaft  p  beilegen  und  überhaupt  absprechen  kami. 
hn  Nacheinander  ist  letzteres  hingegen  sehr  wohl  möglich: 
i<?h  kann  demselben  Gegenstand  heute  p  zu-  und  morgen 
absprechen  (vgl.  die  ausführlichen  Erörterungen  über  Ali- 
enation  nnd  das  Identitätsprinzip  in  ^  86  u.  87).  Erst  indem 
wir  nnzeitliche,  überindividuelle  Normalbegriffe  fingieren, 
^rd  dieser  Fehler  wenigstens  theoretisch  aasgeschaltet  und 
Mine  Ausschaltung  als  Postulat  fixiert.  Damit  wird  das  Be- 
reich der  logischen  Gewißheit  über  alle  Individuen  und  über 
Blle  Zeiten  ausgedehnt.     Zu  der  anmittelbaren,  auf 

*)  Insbesondere  hat  J.  G.  Fichte  ein  unmittelbares,  niemals  täuschen- 
^M,  im  Ethischen  wurzelndes  Gefühl  der  Gewißheit  angenommen,  in  dem 
„die  völlige  Ijt>erein8timmung  unseres  empiriachen  Ich  mit  dem  reinen  Ich" 
am  Ausdruck  kommen  soll  (System  der  Sittenlehre  1798,  HauptA  Ilt  1, 
S  lü,  SinsSl  Werke.  Berlin  1M5,  Öd.  i,  S.  169,  Auswahl  d.  Werke,  Leipzig 

ia»s  Bd.  2,  s.  ata). 


1,1^.001 


,g,c 


3Jl6      ^-  '^^'    Erkenntnistheoretiache  usw.  Gniadleeung  der  Logik. 

den  Moment  vergleich  eines  a  und  uon-a  gegründetes 
GewiBheit  des  einzelneu  Subjekte  kommt  eine  mittel- 
b  ti  r  e ,  auf  der  IJnTeränderlichkeit  der  NormalbegriSe 
fußende,  für  alle  Subjekte  gültige,  durch  Beweise  und  Be- 
wei^etten  sich  beliebig  lange  hinziehende  Gewißheit  im 
Sinne  einer  für  unser  Denken  zweckmäßigen  Fiktion  bioza. 


2.  Kapitel 

Psychologische  Grundlegung 

i  M.  Xwwdk  dn  ptTehslm^sdiB  anndlagsas.  Die  Beziehung  ds 
Psrcholocie  zur  Logik  wurde  bereits  in  §  4  (S.  18  ff.)  erörterl  Da  aDe 
UntersochuDgen  der  Logik  von  den  tatsächlich  gegebenen  Denkvor^ogen  des 
einzelnen  Individuums,  also  psychologiBchen  Vorgängen  ausgehen  und  auch 
die  für  die  Logik  charakteristischen  schon  vielfach  vorgreifend  erw&hnten 
bgischen  NonnaJvor^eUungen  (vgl.  S.  301,  808,  311,  815}  nur  durch  Vmieslal- 
lung  der  psychologisch  gegebenen  Vorstellungen  zustande  kommen,  so  ist 
die  Psychologie  unbeschadet  der  tiefgehenden  Unterschiede  zwischen  ihr 
und  der  I«gik  für  die  letztere  unentbehrlich.  Die  Logik  verfolgt  daher  in 
ihrer  psychologischen  Grundlegung  den  Zweck,  die  sichergestellten  L'nter- 
suchungsergebnisse  der  Psychologie  bezüglich  der  Denkvorgänge  zusammen- 
zustellen, soweit  sie  für  die  Logik  in  Betracht  kommen.  Sie  eriOUt  damit 
zugleich  den  Nebenzweck,  für  ihre  Untersuchungen  irgendeine  bestimmte 
und  klare,  wenn  auch  leider  bei  der  weiten  Divergenz  der  Nomenklaturen 
der  einzelnen  paychologischea  Forscher  nicht  allgemein  anerkannte  psycbo- 
logiache  Terminologie  als  Ausgangsbasis  fQr  ihre  logische  Terminologie  zu 
gewinnen. 

Bei  der  AusfOhrung  ergeben  sich  dadurch  große  Schwierigkeiten,  daB 
keineswegs  Übereinstimmung  besteht  Aber  dasjenige,  was  als  sicbersesteUtes 
UntersuchunKsergebma  der  Psychologie  betrachtet  werden  kann.  Je  weiter 
wir  uns  von  der  Psychologie  der  Empfindungen  entfernen  und  der  Psycho- 
logie der  Vorstellungen  und  Oenkvorg&nge  nähern,  um  so  gr&Ber  wird  der 
Z«iespalt  der  Meinungen.  Ich  werde  im  folgenden  zwar  meine  eigene 
psvcbologiscbe  Ansicht  allenthalben  zugrunde  legen,  aber  doch  auch  die  ab- 
weichenden MeiDungen  anderer  Forscher,  soweit  die  Abweichungen  Itlr  die 
Logik  von  Belang  ^d,  berficksichtUen '). 

>)  Im  folgenden  werde  ich  einzelne  psychologische  Werke  abgekOizt 
zitieren,  nämlich  Efllpe  =  Kfllpe,  GrundriB  der  Psychologie^  Leipdg  1B0S; 
lipps  =:  Tb.  Lipps,  Leitf.  d.  Psychologie,  3.  AuD.  Leipzig  1908;  Jodl  c= 
Jodl,  Lebrb.  d.  Psychologie,  S.  AufL  Stuttg.-Berlln  1909;  Wundt  t=  Wundt, 
GrundzOge  der  physiol.  Psych.,  6.  Aua  Leipzig  1908—1911;  Ltf.  =  Zidien. 
Leitf.  d.  phys.  Psych.,  10.  AufL  Jena  1914;  Oc  e=  Ziehen,  Die  Grundlagen 
d.  Psycbologiev  Buch  ^  Leipng-Beriin  1916;  Dift.  es  Ziehen,  VierteUahrsschr. 
f.  wiss.  Fhilos.,  Bd.  39,  S.  13SB.;  Erfc.  b  Ziehen,  EtkenntnisUieone. 

h.  !■,  ii,l^.OOQK- 


2.  Kapitel.    Psychologische  Grundlegung.  317 

1 17.  bdiiiduInnUltmvni.   BtknUaB,  ImUMob,  KrawInieB.    Das 

Srinneniniisbild,  welches  von  einer  Empfindung  zurückbleibt,  ist  fast  niemab 
IUI  DUTeraibeitel.  Selbst  in  dem  einfachsten  Fall  unsrer  Empfindungs- 
Utaglieit  sind  schoa  mit  der  Empfindung  mannigfache  Vorstellungen,  z.  B.  im 
Sna  des  Wiedererkennen  s,  des  Vergtelchens  usf.,  fast  untrennbar  ver- 
landen >).  Die  Psychologie  hat  aber  mit  gutem  Grund  und  mit  Erfolg  trotz- 
dem  eine  reine,  d.  h.  Torstellungafreie  Empfindung  gewissennafien  als  idealen 
Gcenzbll  aufgestetH  (Eik.  1886,  S.  78).  Ganz  in  derselben  Weise  steUt  de 
sich  vor,  daß  auch  Erinnenmgsbilder  solcher  reiner  Empfindungen  existieren, 
ireicbe  noch  in  keiner  Weise  von  unserem  Denken  transformiert  worden  sind. 
Man  kann  diese  Erinnerungsbilder  auch  spezidl  als  intairala  primäre 
iDdividuelle  Erinnerungsbilder*)  bezeichnen,  als  inteerale, 
«til  sie  von  den  Denkakten  noch  ganz  unversehrt  geblieben  sind,  insbesoo- 
deie  von  ihrer  Vollständigkeit  noch  nichts  verloren  haben,  als  primSre,  weil 
se  für  alle  anderen  Vorstellungen  die  Grundlage  abgeben,  als  individueUe, 
«eil  sie  sich  auf  eine  einzelne,  zeitlich-rfiumlich  bestimmte,  also  in  diesem 
Sinne  individuelle  Empfindung  (eine  einfache  oder  zusammet^esetzte)  be- 
geben. Ein  solches  integrales  prim&res  individuelles  Erinnerungsbild  wäre 
etwa  das  Erinnerungsbild  meiner  gesamten  Gestchtsfeldsinhaite,  z.  B. 
lihrend  des  Vorüberfahrens  und  Sturzes  eines  Badfahreis  auf  der  StraBe, 
«ie  .ich  es  bei  AugenschluB  unmittelbar  reproduzieren  konnte.  Es 
leoefatet  ein,  daB  ein  solches  absolut  integrales  Erinnerungsbild  ohne  jede 
Zusammenfassung  und  ohne  jede  Weglassung  kaum  jemals  vorkommt  Nicht 
cur  das  Vergessen  bedingt  Locken,  sondern  auch  durch  mannigfache 
Mrchische  Prozesse  (Aufmerksamkeit  usf.)  kommen  Verdrängungen  und  Weg* 
lassongen,  Hervorhebungen  und  Hinzufogungen  sowie  sonst^e  Abänderungea 
anstände. 

An  das  inieerale  primäre  individuelle  Erinnerungebild  schließt  sich  das 

nalascheidet  sich  von  dem  ersleren  dadurch,  daB  die  Loslösung  oder  Iso- 
liening  aus  der  räumlich -zeitlichen  Umgebung  stattgefunden  bat  Uan  kann 
)uch  von  einer  ,rAbhebung"  von  dem  räumlich-zeitlichen  Hintergrund  oder 
^  „AnfeUederung"  aus  der  räumlich-zeitlichen  Reihe  der  Nachbarempün- 
^antta  qjrecben-  In  der  Regel  vollzieht  sich  diese  LoslOsung  und  Abhebung 
uuaitteUMT  an  den  Empfindungen  (der  „Tolalempfindung"),  ausnahmsweise 
^ua  sie  jedoch  auch  erst  nachträglidi  an  dem  von  der  Totalempfindung 
nuOckgebliebenen  „Tolalerinnerungsbild",  also  dem  integralen  Erinnerungs- 
l><ld  erfolgen.  Im  ersteren  Fall  fällt  sie  im  wesentlichen  mit  der  gewOhnlichea 
»%-  seosonellen  Aufmerksamkeit  zusansnen.  Bin  solches  exzemiertes  Er- 
inoeningsbild  wäre,  um  an  das  oben  g^ebene  Beispiel  anzuknüpfen,  etwa 
<Menige  des  Sturzes  des  Radfahrers,  wobei  aber  jetzt  einerseits  die  räum- 
liche Umgebung  —  Straße,  Häuser  usf.  —  und  andreiseils  die  zeitliche 
l^mgebung  —  das  dem  Sturz  vorangehende  Vorüberiahren  usf.  —  w  e  g  - 
■  elaisen  oder  mehr  oder  weniger  vollständig  „reprimiert"  (ver- 
^Aogt)  ist.     Dies   Weglassen    und    Reprimieren    soll    ganz    allgemein    als 


')  Diese  nät  Vorstellungen  verschmolzenen  Empfindungen   bezeichnet 
™°  zweckmäßig  auch  als  „W ahrnehmunge  n". 
')  Gr.  73  u.  136. 
•)  Gr.  S.  73  u.  186,  Llt.  S.  S7.  .    ;.    , 


iM,Googlc 


318      lt.  Tdl.    Erkenntnistheoretiscfae  unr.  Grundleguiie  der  Lonk. 


Abstraktion  (ygl.  auch  S.  348')  und  der  Vorgaog,  durch  den  in  dem 
eben  beairochenen  speziellen  Fall  das  ezzemierie  Erinnerungsbild  —  die 
BxkntioanoisMluii  —  mittels  Abstraktion  zustande  kommt,  als  Exkre- 
t  i  o  n  bezeichnet  werden. 

Mit  dejr  Exkretion,  wenn  sie  Tollsländig  ist,  verUert  der  Inhalt  des 
Erinnerunssbildes  auch  seine  rftumtich-zeitl  iche  Bestimmtheil 
oder,  wie  man  auch  sa^ea  kann,  den  r&umlich  -  zeitliche  n  Indi- 
vidualk oeffizi  enten.  Er  ist  aus  der  räumlichen  und  zeillichen 
Ordnung  der  Unvebung  ausgegliedert.  Oft  ist  allerdings  die  Ezkretion  un- 
ToUständiK,  90  dafi  das  exzemierte  ErinnenmgsbUd  doch  noch  eine  mehr 
oder  weniger  bestimmte  räumliche  und  zeitliche  Orientiening  beh&lL  Hit 
diesen  exlrinsekalen  i&mnlich-zeillichen  Eigenschaften,  die  sich  auf 
die  Umgebung  beziehen,  darf. man  die  intrinsekalen,  welche  sich  «nf 
die  Ordnung  der  Teile  innerhalb  des  Inhalts  einschlieSlich  Dauer  und 
Grüße  beziehen,  nicht  verwechseln.  Diese  intrinsekalen  rftumJich-zeitUcbeB 
Eigenschaften  gehen  selbstverständlich  bei  der  Ezkretion  nicht  verloren,  son- 
dern gehen  in  den  Inhalt  des  exzeraierten  Erinnerungsbildes  über. 

An  die  Exkretion  scfalieSt  sich  unmittelbar  ein  weiterer  AbstrakUons- 
piozeB  an:  die  Isolation'].  Das  exzemierte  primäre  individuelle  Ei- 
innerunssbild  wird  in  „T  e  i  1  v  o  r  s  t  e  1 1  u  n  g  e  n"  zerlegt  und  eine  dieser 
Teilvoistellungen  oder  ein  Komplex  solcher  Teitvorstellungcn  unter  Weg- 
lasaung  der  Qhrigen  Teilvorstellungen  abgesondert  vorgestellt.  Die  Vor 
Stellungen,  die  auf  diesem  Wege  entstehen,  heißen  bolatioBsvoiitallntM 
(SijmboliBch :  V«VbVc  -*-Vi,oder  abc  ->■  a*),  wo  a  die  aus  der  zusammm- 

*}  Bei  Aristoteles  ist  die  «yoiip*«!- (Gegensatz  nQ*«»t«K^  die  Trennnnf 
in  Gedanken  (r^  Sutttl^;  Gegensaü  j(atfM/tic  oder  Aal^aif  ;=  matenafc 
Trennung)  und  wird  vorzugsweise,  aber  nicht  ausscblieQUch  fflr  den  Vor- 
gang des  Weglassens  bei  der  Bildung  der  A 1 1  g  e  m  e  i  n  begriff e  verwendrf- 
Noch  schärfer  tritt  diese  Tendenz  bei  vielen  ScholastüEem  hervor.  Zugleicb 
neigte  man  begreiflicherwMse  dazu,  das  EmpSndungsmäSige,  die  Emufin- 
dungen  selbst  und  ihre  unmittelbaren  Erinnerungsbilder,  als  konkrrt  Uia- 
abstrakt")  zu  bezeichnen  (vgl  z.  B.  Gilbert  Porretanus,  Comm.  zu  Bodh. 
De  trinitate,  Uignes  Patrologie  Bd.  6i,  S.  1366).  Daraus  würde  sieb  eine  zwei- 
fache Abstn^tion  ergeben,  nämlich  erstens  vom  Individuellen  und  zweitens 
von  der  „materia  sensibilis".  Die  noch  jetzt  vielbch  übliche  Identifizieruni 
des  Abstrakten  mit  dem  „Un anschaulichen"  geht  auf  die  zweite  Bedeutung 
der  Abstraktion  zurück.  Über  weitere  Auflassungen  des  Abstrakten  in  der 
Scholastik  siehe  g  71,  S.  Siß.  In  der  neueren  Philosophie  hat  ach  mehr  und 
mehr  die  Neigung  geltend  gemacht,  jed«  gedankliche  Trennung  bzw.  Weg- 
iassung  als  Abstraktion  zu  (»zeichnen  (^L  §  71).  —  Interessant  ist,  dafi 
zeitweise  die  abstrakten  Vorstellungen  im  Sinn  von  allgemeinen  VorsteUungen 
als  praedicobilia  oder  adpercepüones  bezeichnet  wurden  (siehe  z.  B.  Crusius, 
Weg  z.  Gewißheit  usrf,  Leipzig  1747.  S.  305,  §  119). 

»)  Gr.  S.  73  u.  133,  Ltf.  a  248  ul  269,  Dill.  S.  Sai. 

')  Im  folgenden  bezeichne  ich,  wenn  nicht  besondere  Gründe  eine  Ab- 
weichung eriieischen,  zussmmengeaetztere  Vorstellungen  mit  großen  latei- 
nischen Buchstaben  Va  ,  Vb  ,  Vo  oder  abgekürzt  A,  B,  C),  wradnr  m«— 
u«  Ibubnurt  aUl  wtUm  wbitai»  mit  kWna  btditafe« 
■  (Vk,  Tb.  Ve  oder  abgekürzt  a,  b,  c).    Später,  im  speziell  loffiachBB 


2.  Kapitel.    Fsrchologiache  GnuidleKung.  319 

lesetztea  Vorslellung  abc  isolierte  Voratellune  bedeutet,  vgl.  auch  S.  321). 
So  wird  z.  B.  aus  dem  Erinneninssbild  äea  Sturzes  des  Radfahrers  das  Er- 
innerungsbild seiner  heninterfliegesden  Motze  oder  der  brauDeo  ¥tabe  seines 
.\Dzugs  isoliert.  Geht  die  Isolierung  so  weit.  daS  nur  eine  vmzerlegbare 
TdlTorstellung  als  Isolationsvorat eilung  übrig  bleibt,  so  soll  diese  als  ulti- 
male  IsolaUons-  oder  TeiivorsteUung  bezeichnet  werden.  Insofern  bei  der 
Etkretion  die  Weglassung  der  nicht-isoUerten  Teilvorstellungen  oft  nicht  voll- 
^odig  ist,  kann  man  oft  nicht  von  einer  vollständigen  Isolation;  sondern 
HUT  Ton  einer  mehr  oder  weniger  weitgehenden  Repression  (vgl.  S.  317) 
der  nicht-isolierten  und  einer  entsprechenden  „Akzentuation"  der 
isolierten  Teilvoislellungen  sprechen. 

Zwischen  Isolation  uud  Exfcretion  besteht  also  kein  wesentlicher  Unter- 
schied. Die  Gxkretion  ist  der  eiste  IsolationsprozeB.  Nur  wegen  mancher 
ptTchologischer  Besonderheiten  verdient  sie  eine  besondere  Bezeii±nung. 
Soweit  aus  einer  Gesamtvorstellung  mehrere  oder  alle  Tcitvorstellungen  iso- 
liert werden  und  die  Beziehung  der  ersteren  zu  den  letzteren  in  Betracht 
Kzogen  wird,  spricht  man  von  einer  AnalTse  oder  Zerlegung.  Die  iso- 
lierten Teilvoratellungen  werden,  namentlich  sofern  sie  fOr  einen  Gegenstand 
charakteristisch  sind,  auch  als  Uerkmalvorstellun  gen  bezeichnet 
adle  jedoch  auch  unten  Anm.  7  Ober  diesen  temunologischen  Unterschied). 

Die  Teilvorstellungen  verhalten  sich  bezOglich  ihrer  IsoUerbarkät  sehr 
varacbieden.  So  kann  ich  mir  relativ  leicht  ein  Klavier  ohne  seine  Tasten 
und  auch  umgekehrt  die  Tasten  ohne  das  (Ihrige  Klavier  vorstellen.  Dagegen 
telingt  es  mir  kaum,  ein  Bot  ganz  ohne  räumliche  Ausdehnung  oder  ein 
Rechteck  ganz  ohne  Farbe  vorzustellen;  bei  dem  ersteren  Versuch  schleicht 
sich  doch  immer  ein  unbestimmter  Umriß,  bei  dem  letzteren  eine  unbestimmte, 
^a.  graue  Farbe  ein.  Man  kann  diesen  Tatbestand  auch  dahin  formulieren, 
daü  man  sagt,  die  Repression  der  nicht- isolierten  Vorstellungen  sei  sehr  ver- 
schieden schwierig  und  demgem&B  sehr  verschieden  vollständig.  Man  muS 
daher  selbständige  und  unselbständ^e '')  Teil  Vorstellungen  oder,  wie  ich  zu 

Teil,  soll  allerdings  zwischen  Ta  <ind  A  und  ebenso  zwischen  V^  und  a  in 
losischem  Interesse  noch  ein  Unterschied  gemacht  werden  (vgl  §  M}.  Die 
tatsächlichen  G^enstände  der  Vorstellungen  (S.26&)  bezeichne  ich  mit  kleinen 
<ri«chi3chen  Buchstaben  (U^,  Og,  Oy  oder  abgekürzt  a,  ß,  y)-  Für  die  Iso- 
IttioQ  kommen  sonach  auch  die  Symbole  ABC  ->-  A  und  ABC  -*-  a  gelegent- 
lich in  Betracht.  Die  geschweifte  Klammer  bedeutet  aberall  die  Zusamnien- 
»rtiUDB,  wie  alsbald  (S.  330)  naher  erörtert  werden  wird. 

^  Vgl.  C.  Stumpf,  über  den  psrchol.  Ursprung  d.  Raumvorstellung. 
Uipag  1879,  S.  108i  und  E.  Husserl,  Log.  Untersuchungen,  Teil  3,  Halle  1901t 
S.  23af.  (ä  Aufl.  S.  S35f.).  Stumpf  bezeichnet  die  selbslSodigen  TeUe  als 
■uOatändige  Inhalte",  die  unselbständigen  als  .Teüinh&lte".  Die  letzlere 
Bezeichnung  scheint  mir,  da  sie  -auch  auf  die  selbständigen  Teile  paBt,  irre- 
'fHirend  und  daher  unzweckmäßig.  A.  Höfler  u.  a.  beschränken  den  Tenninua 
gteile"  auf  die  selbständigen  Teile  und  bezeichnen  die  unselbständigen  Teile 
*ls  Merkmale  (Onindlefaren  der  Logik,  *.  Aufl.  Leipzig-Wien  1909,  §  ib. 
S-  \i;  siehe  auch  K.  Twardowski,  Z.  Lehre  v.  Inhalt  u.  Gegenst.  d.  Vor- 


OgIC 


320      U.  Teil.    Erkenntnistheoretiscbe  msk.  GrundleguDg  der  Logik. 

sagen  vorziehe,  ioadbärente  und  adhäreate  (d.b.  leidit  und 
schwer  isolierbare)  unterscheiden.  Die  Vorstellung  der  Kl&viertaateD  ist  mit 
Bezug  auf  die  KlaTiei-voratellung  inadhärenl,  die  Vorsteliung  des  Rot  mit 
Bezug  auf  rote  Dinge  adbärent.  Dabei  ist  anzueAennen,  dftS  —  un- 
beechadet  des  scharfen  eriienntnistheoretischen  Unteracbieda  —  eine  scharfe 
Grenze  zwischen  adhärenten  und  inadbärenten  Teüvorstellungen  psycho- 
logisch nicht  existiert,  daß  also  dielsolierbarkeitbzw.  Adhärenz  nur  gradweise 
verschieden  ist.  Ich  kana,  wenn  ich  auf  eine  anschauliche  individuelle  Vor- 
stelhing  vensichte  und  mich  auf  die  AUgemränvorstellung  .^t"  beschifinke, 
die  räumliche  Komponente  schlieBlich  doch  nahezu  voUsUndig'  reprinüereD. 
Die  den  TeilvoTstelluugen,  den  isolierten  wie  den  we^elassenen  b£w. 
repdmierten,  entsprechende  Zeriegung  übertragen  wir  auch  auf  den  Gegen- 
stand der  zerlegten  Vorstellung,  also  das  zug^örige  integrale  Erinnerungs- 
bild und  die  zugehörige  Empfindung  und  weiterhin  eventuell  auch  auf  die 
hypothetische  (gedachte)  Grundlage  der  letzteren  (den  „materiellen  Heil", 
das  Ding  an  sich,  das  Redukt  usf.,  vgl  §  ö6~-ö8)  und  zerlegen  diese  gedank- 
lich in  analoge  „Teil  e"  bzw.  „Merkmal  e".  Der  Terminus  „Teile"-  wild 
hier  also  —  im  Gegensatz  zu  dem  gewöhnlichen  Sprachgebrauch,  wie  diet 
schon  von  Husserl  geschehen  ist*),  in  einem  sehr  weiten  Sinn  genommen. 
So  bezeichnen  wir  z.  B.  auch  die  Farbe,  Form  usf.  eines  Gegenstandes  als 
einen  Teil  dessdben.  Weiter  unteracheiden  wir  vne  bei  den  Teilvorstellungen 
selbständige  und  unselbständige  oder  inadhärente  und  adhärente  Teile.  Die 
inadbärenten  Teile  kann  man  auch  mit  Husserl  als  „Stocke"  (Teile  im 
engeren,  üblichen  Sinn),  die  adhärenten  Teile  als  ,31omente"  bezeichDen. 
Diese  und  alle  anderen  im  folgenden  zu  besprechenden  Übertragungen 
auf  den  Gegenstand  (Gegeustandsflbertragungen)  betreffen  selbst- 
verständlich streng  genommen  nicht  den  Gegenstand  selbst,  sondern  dia 
Gegenslandsvorstellung  in  dem  S.  266  festgelegten  Sinn;  nur  zur  AbkOrzung 
wird  von  einer  Übertragung  auf  den  Gegenstand  ge^rocbea  Obemll,  wo  es 
aul  eine  strenge  Unterscheidung  von  Gegenstand  und  Gegenstandsvotstellung 
ankommt,  soll  ersterer  mit  0  bzw.  «,  ß,  y,  letztere  mit  (O)  bzw.  (o).  (^,  (y) 
bezeichnet  werden! 

Im  Gegensatz  zur  Isolation  iaSt  die  Komplesion*)  Empfindungen 
oder  Etinnerungsbilder  zusammen.  Auf  diesem  Wege  entstehen  KamhilsM» 
voisliBKBBsn.  Wie  die  Isolation  durch  einen  Pfeil,  soll  die  Eompleiian 
symbolisch  durch  eine  aber  die  Buchstabenzeichen  gesetzte,  ihnen  zu- 
gekehrte Klammer  bezeichnet  werden  (vgl,  S.  318,  Anm.  6  und  S.  863). 

stelhmgen.  Wien  18»,  g  8  u.  18).  Bei  dieser  Terminologie  fehlt  ein  T«- 
minus,  der  Teile  und  Heriunale  umfaßt  Auch  wird  der  Terminus  Haimal 
nicht  nur  populär,  sondern  auch  in  der  Logik  bereits  allenthalben  in  weilereiD 
Sinb  gebratKht.  Bei  dieser  Sachlage  ziehe  ich  vor,  die  Termini  „Teil- 
vorstelluDg"  und  ^erkmalvorstellung"  in  demselben  Sinn  zu  verwenden  und 
letztere  nur  dann  zu  bevorzugen,  wenn  es  sieb  um  cbarakteristiacbe 
Teitvorstellungen  bandelt. 

■)  L.  c.  &.  224.  Es  läge  sonst  nahe,  den  Terminus  „KoDU>onente"  zu 
verwenden,  doch  wOrde  dies  zu  umständlichen  WortveAindungen  („Kompo- 
nentenvorstellung")  führen.  Aucb  ist  uns  bei  dem  zusammengeeetztea  Wort 
TeitvorsteHung  der  weitere  Sinn  des  Terminus  „Teil"  bereits  geläufig. 

•>  Gr.  S.  138  u.  171,  LU.  S.  3*6  u.  360,  Düt.  S.  312. 


2.  Kapitel    Fsvchologiache  ünutdlegung.  :j2I 

«Im  VtVbTc  oder  abcbzw.  .\BCi°).  Zur  Abktirzung  mag  auch  die  Be- 
zdcbnung  Vi  oder  K  verwendet  weiden.  Soi!  ausdrOckllch  der  H  e  r  C  &  n  2 
der  lomplexiDTi  symbolisch  dartestelU  werden,  so  kann  ohne  Oet&hr  ainei 
Hiflreretändnisses  wie  bei  der  laotsüon  ein  Pleil  verweadet  werden.  So  be- 
demtel  £.  B.  a,  b,  c  -» a  b  c,  4aB  aus  den  Teitvorstellungen  a,  b  und  c  di« 
KompleiioDSvorstellung  abc  eelnldet  wird.  An  Stelle  des  bkiBen  Zugleidi 
md  Ifacheilunder  der  Empfindunfen  ")  und  der  primären  inteeralen  Er- 
innauscaljilder  tritt  eine  Vereinheitltdiimg,  die  vir  nicht  definieren,  sondern 
mir  dnrch  Hisweis  auf  unser  Erleben  eriSutem  kOnnen.  Nur  sehr  selten 
viid  die  Komplexion  an  Totalempfindungen  oder  integralen  GrlnnerungB- 
bUdern  rollzogen,  vielmehr  in  der  Regel  an  Empfindungen  bzw.  Erinnernngs- 
)ddm),  an  welchen  sich  bereits  Exkretion  und  oft  auch  Isolation  in  klainerem 
oder  |T&Serem  Umfang  al«esinelt  haben.  Andrerseits  fijidel  die  ItolatiOB 
umgekehrt  auch  oft  an  Toriier  gelnideten  Komplezionsvorstellungen  statt. 
foM  ist  also  die  Isolation  ^*),  bald  die  Kony>lezion  primftr  (vgL  Ober  ihi 
uneisea  Verhältnis  unten  u.  S.  S46).  Sehr  oft  erfolgen  Exkretion  biw. 
Isotition  und  SomplexiDn  geradezu  Hand  in  Hand.  So  wird  das  Erinnerungs- 
bOd  eines  bestimmten  Hausea^')  gebildet,  indem  eineraeits  von  der  lim- 
1*01«  (StraBc,  Nachbarhäusern  uaf.)  einschlieSlich  der  vorausgegangenen 
mtd  nachfolgenden  anderweitigen  Sinneseindrflcke  abstrahieri  wird  und 
mdreneits  die  W&nde,  Fenster,  Taren  usf.  des  bezüglichen  Hauses  zu- 
Bumneneefafit  werden.  Dies  Zusammenwirken  von  Abstraktion  und  Kom- 
Plnion  soll  als  Syllektion  bezeichnet  werden.  —  Auch  die  Komp1«xton 
ToBzieht  sich  in  den  venchiedensten  Abstufungen  (Blume  —  Beet  —  Gatten), 
feiner  faßt  sie  bald  wie  in  den  eben  angefahrten  Beispielen  simultane  Oegen~ 
ttnde,  bald  wie  im  Erinnerungsbild  eines  Blitzschlags  (Blitz  +  Bonner)  oder 
eine»  eben  gehörten  Schusses  (Knall  ■}-  Pulvenreruch)  sukzessive  Qegenat&nd^ 
bsW  wvohi  diese  wie  jene  zusammen  (Symphonie,  Gewitter  ust.)  '■'■).  Im 
UinUick  auf  die  oben  festgestellte  Tatsache,  daB  die  Komplexion  auch  das 
[■über  Exzemierte  oder  Isolierte  wieder  zusanmienfassen  und  umg^ehrt  die 
Watien  das  fhlber  Zusammeagefa  B  te  wieder  trennen  kann,  sind  Eom- 
Pleaon  and  Isolation  (Exkretion)  als  iuverse  Prozesse  zu  bezeichnen 
<yA.  auch  S.  M6). 

■*)  SchlieBt  »ch  die  Komplexion  unmittelbar  an  EnvInduDgen  an,  so 
*tre«twa  zu  schreiben:  Esbr  .. . 

"]  Im  Anschluß  an  Kant  könnte  man  auch  von  einer  bloBen  „Synop- 
na"  amechen  (Erit.  d.  rein.  Vem.,  Kehrt).  Ausg.  3,  llt^  Erdm.  Aasg.  S.  11»). 
^  Fdüen  der  Komplexion  kann  auch  als  DiapanUbeit  bezeichnet  werden 
[uch  .in^ogie  von  S.  368). 

")  Der  Exkretion  «eht  die  Komplexion  niemals  voraus,  höchstens  voll- 
aAea  sich  beide  gleichzeitig. 

")  Das  ErianwiigsliHld  des  Hauses  usf.  ist  hier  noch  nicht  als  Ding- 
noMhmg  zu  ventebea  (vgl.  S.  S38). 

")  Es  handelt  ädi  dabei  oft  nicbt  um  Pr«xinaigegeaBt&ade,  soadem 
um  Distalgegenstande  (vgl.  S.  366).  über  die  VertrifUcUeit  der  Zusammen. 
iMHig  sikEestiver  Gegeast&nda  mit  den  Ko]itiguil&tsgeaet2  der  Ideen- 
UMoation  siehe  Lft.  S.  2461.  u.  80911. 

ZitbtD,  Idubncli  du  Loifik.  21 


OgIC 


322      ''-  '^^'1-    Ei^eonloistheoretische  usw.  Gniodlegune  der  Logik. 

Ein  Spezialfall  der  KompIexioD  ist  die  Kolleklion.  Bei  dieser 
werden  die  Individualvöratellungen  ühnlicher  oder  gleicber  GegensUndc 
.Dinge,  UeAmale  usF.)  im  änn  der  Komplexioii  zusunmengelafit  i')  Von 
einem  Garten  habe  ich  eise  Komplexionsnirstellun^  von  einer  Scbalbeide 
eine  kollektive  Kompleiionsvoretellung  oder  KollektiTVoralellung*') 
(Symbol  A*p  oder  C),  Die  Grenze  ist  nicht  immer  scharf;  ein  Zehneck  be- 
tncbten  wir  nicht  als  ein  ItoUAtivum  von  10  Linien,  wohl  aber  eine  zehn- 
kOpHge  Herde  als  eia  Kotlcktiviun  von  10  Tieren;  auch  ein  Nebelfleck  kum 
uns  noch  als  ein  KoUektivtieKiiff  selten,  b«i  dem  Stemhild  des  Orion  wiid 
man  schon  Zweifel  haben.  Oflenbar  ist  für  die  Eolleiktion  dutrakteristisd^ 
daß  die  Komplexton  nur  auf  Ähnlicbkät  bzw.  Gleichheit,  auf  Zugleich  bzw. 
Nebeneinander  begründet  ist;  je  mehr  beatiuuntcT;  räumJiche  oder  zeiUicbe 
oder  qualitative  usf.  Beziehungen  zwischen  den  Individuen  als  wesent- 
lich mitgedacht  werden  (Gestalt  des  Zehnecks,  des  Orions),  um  so  mehr  Dber- 
schreitet  die  Eomplezion  die  Grenze  der  Kollektion. 

Auch  die  Komplexion  ist  sehr  oft  keine  ganz  gleicbmältige,  sondem 
mit  einer  st&rkeren  Akzentuation  einzelner  Teilvorstellungen  bzw.  Meikmal- 
voistellungen  in  dem  oben  (S.  319)  featgeseUten  Sinn  veitunden. 

Der  Sinn  der  „Zusammenfassung  zu  einer  Einheil"  (Verschrndzuni). 
welche  das  Wesen  der  Komplexion  ausmacht,  kann  an  dieser  Stelle  nichi 
ausFQbrlich  eröitert'  werden.  Diese  Aufgabe  muß  der  Psychologie  und  Ür- 
kesnlnistbeorie  vorbehalten  bleiben.  Nach  meiner  Auffassung  handelt  es 
sich  bei  der  Zusammenfassung  zu  einer  Einhät  stets  danrn^  dafi  die  Indi- 
vidualkoeffizienten  der  Komplexionsvorstellung,  d.  h.  der  zusammenfassoidec 
Vot^lellung,  sich  mit  denjenigen  der  Teilvorslellungen,  d.  h.  der  zusammen 
letißten  Vorstellungen  ganz  oder  teilweise  decken.  Etabei  versiehe  ich  unter 
den  Individualkoeffiidenten  die  ritumliche  und  zeitliche  Bestimmtheit  der 
iTcrslellungsinhalte  (vgl.  auch  S.  318  u.  369).  W«nn  ich  mir  «ne  besUmmtf 
oder  irgendeine  Rose  im  Sinn  einer  Komplesionavorstelluag  denke,  so  ist 
die  stattgehabte  Verschmelzung  dadurch  charakterisiert,  daß  die  den  Teil- 
vorotellungen  (Duft,  Farbe  usf.)  entsprechenden  Teilinhalte  sich  mit  dem  In- 
halt der  Gesamtvoistetlung  Rose  räumlich  und  zeitlich  ganz  oder  l«lw<>W 
decken :  an  dem  Ort  imd  zu  der  Zeit,  wo  Rosendult,  Rosenfarbe  usf.^  da  Rose. 
Auch  ftir  die  ahstiaktesten  Komplexionsvorst^ungm  gilt  diesn  Sali.  Ke 
Vereinheitlichung  des  Inhalts  der  Komplexionsvoistelluns  beruht  auf  der 
Deckung  der  Individualkoetfizienten  der  Teilinhalte'').  Indem  wir  ferner, 
wie  oben  die  Zereliederung,  so  jetzt  die  Zusammenfassung  auf  den  Gegen- 
stand der  Komplexionsvorstellung  ftbertragen,  fassen  wir  diesen  als  einen 
aus  Teilen  bzw.  Merkmalen  bestehenden  „Komplex"")  auf  (vgl.  $.  SU?. 


")  Gr.  S.  75,  MO  u.  l*a 

'*)  Bemerkenswerterweise  haben  manche  brachen  besondere  Kollektir- 
formen;  hierher  gehören  z.  B.  die  sog.  inneren  oder  gebrochenen  Fluiale  d» 
Arabischen,  die  als  feminine  Singulare  behandelt  werden. 

")  Wenn  man  vom  „Gegenstand"  einer  Komplesionsvorstellung  spricht, 
meint  man  oft  nicht  den  Gegenstand  im  Sinn  der  hier  duichgefOhrten  Ter- 
minologie (vgl.  S.  366),  sondern  diesen  auf  Grund  der  Einheit  der  Individual- 
koeffizienten  vereinheitlichten  Torstellungsinhalt  und  setzt  sich  diduicb 
schweren  Verwechslungen  aus. 

")  „Komplex"  im  Gegensatz  zu  einem  nur  riumlich- zeitlich  vertwa- 


2.  Kapitel.    Fsycliologischc  GnindleftunR.  323 

2tslech  sind  wir  Beneigt,  diesem  Komples  tinen  „Träger"  unterzuschieben, 
der  im  wesentlichen  der  Substanz  (im  philosophischen  Sinn)  entspricht, 
und  die  Teile  bzw.  Merkmale  als  Eigenschaften  dieser  Substanz,  ala  soK. 
Akzidentien,  zn  betrachten.  Diese  hypolhetische  Substantialion  wird  ans 
in  den  logischen  Spezialabschnitten  ausführlicher  beschitftigen  müssen  ^^). 


i  m.    Waite«  StabM  dar  UdiTUulTonlaBnitn.     KompanS«  ud 

Iralaktias.  Die  K  omparation  "j'^VergleichunB,  von  mir  aus  spater 
äcb  ergebenden  Gronden  auch  als  Kategorialfunktion  bezeichnet)  besteht  in 
«iser  nicht  weiter  zurückfabiinren  und  auch  nicht  definierti&reD  Bildung  von 
K^VuaÜMSTamMlwioatt  (Ver^eichungsrorstellungen),  die  nur  durch  Bei- 
stkk,  also  durch  Hinweise  auf  das  alltSsUche  Erleben  cbarakterisÄert  werden 
kann,  fan  primitivsten  Fall  handelt  es  sich  um  die  Verglelcbung  tod  Emp- 
fiodoDgen,  ganz  der  analme  VergleichungsprozeS  wird  aber  allenthalben 
aneh  an  den  primären  Erinnerungsbildern,  integralen  und  exzemierteu,  und 
an  den  alsbald  zu  besprechenden  sekundären  Erinnerungsbildern  wie  über- 
lianpl  an  allen  alweleiteten  Vorstellungen  ToUzogen.  Bei  dem  sog.  Wieder- 
ntennen  qtieit  er  sich  zwischen  EcoDfindung  und  Erinnerungsbild  ab.  Sym- 
Wisch  bezeichne  ich  die  Komparation  durch  das  Zeichen  /\\  so  ergeben 

sith  die  Symbole :    E»  Eb ,    T»  Vb  oder  a    b  bzw.  A  B  (vgl.  S.  91^  Anm.  6), 

E«  W ,  l!«  V^b  nsf.  Abgdürzt  wird  für  Komparalionsvorstellungen  ganz 
«Ujemein  auch  daa  Symbol  V„  oder  U  verwendet  werden.  In  den  Worten: 
AhDlichkeit,  Gleichheitv  Verschiedenheit,  Unähnlichkeit,  Ungleichheit  ust.  fassen 
vir  —  zunächst  in  bezug  auf  Individuatvorstellungen,  weitertün  aber  auch 
in  bezng  auf  Generalvorstellungen  (Allgemeinvorstellungen,  s.  unten  §  69)  — 
alle  diese  einfachen  Vergleichungsvorstellungen  zusammen.  Bald  betreBsn 
sie  Tale  bzw.  Meritmale  und  setzen  dann  Isolationen  voraus,  bald  gante 
Komideie;  im  ersteren  Fall  betreffen  sie  bald  Qualit&ten  (z.  B.  höher  und 
tiefer  im  Tonbereich),  bald  Intensitäten  (z.  B.  lauter  und  leiser),  bald  lium- 
liebe  oder  zeitliche  Eigenschaften  (z.  B.  länger  und  kürzer,  näher  und  temer, 
«rtler  und  früher),  bald  GefOhlstflne  (z.  D.  schAner  und  baulicher).  Dabei 
nmB  an  die  früheren  AnsfOhnmgen  erinnert  werden,  wonach  den  Ver- 
döclnmgsvorstelliingen  „bestehende"  Relationen  in  dem  verglichenen  Ge- 
IdKnen  entsprechen  {vgl  S.  306). 

Aus  den  eben  be^rocbeoen  einfachen  Vergleich  ungs Vorstellungen 
fAeo  weiterhin  zahlreiche  andere  zusammengesetzte  bzw.  abgeleitete  Ver- 
^ichangsvorstellungen  hervor.  Hierher  gehOren  z.  B.  alle  Vorstellungen 
von  Kausalbeziebungei),  Zweckbeziehungen,  math^natiachen  Beziehungeo^ 
logischen  Beziehungen  (z.  B.  Urteilsbeziebung,  Koordination,  Subordination) 
nsl.  Ich  glaube  mich  tiberzeugt  zu  haben,  dafi  psvchologisch  auch  alle  diese 
Vorstdhingen  sich  in  letzter  Linie  auf  Versleichungsakte  zurückführen  lassen, 
bä  «eichen  aUerdings  auch  Synthesen  und  Analysen  allenlbatben  beteiligt 
üd.   Die  durch  Konn>aration  entstandenen  Vorstellungen  ^nd  also  mit  den 

'*]  Auf  die  Beziehungen  zu  Husserls  Jioeioa."  kann  hier  nicht  ein- 
irtugen  v«rden  (vgl.  S.  ISB). 

>)  Gr.  S.  167  ff.,  IM.  S.  StBf.  A.  Brunswig,  Das  Vergleichen  und  die 
lUtationseifcenntnis,  Leipzig-Beriin  1914  ^bt  Mne  richtige  Darstellung  der 
IBTchologtachen  Tatsachen. 

21» 

„.,.,„.>..oo^sic 


324      n.  Teil.    Erkenntnistheoretische  usw.  Grundlegung  Jer  Logik. 

meist  aDKcführten  einfachen  VersIeichimBsrorstellungen  im  engeren  Sinn 
nicht  erschöllt,  sondern  umfassen  das  Gesuntg^iet  der  sos.  Birishra«- 
oder  BriilliMi»iihl^MM  Im  tolgenden  wird  daher  der  Ausdruck  ^tt- 
llifcikmiTTiUlhtM  im  iTiMwa  Umaf  oder  „VertleichungsvorstcUungen' 
schlechthin  gleichbedeutend  mit  ^ziehuws-  oder  RelationsvorateUuncen" 
verwendet ').  Die  Gesamtheit  alter  Komparstionsprozesse  (im  weiteren 
Sinn)  mag  daher  auch  als  Relativation  bezeichnet  werden. 

Insbesondere  verdient  es  Beachtung,  daB  auch  die  von  unsrer  Voi- 
stellunssbildung  selbst  geatiftetec  Beziehungen  —  Kompleiioii,  Kontraktion 
und  Generaiisation  —  zum  Gegenstand  von  Relationsvarstellattgen  verdea 
können  ^„Vorstellung  der  KomplexiiHubeEictiung"  usf.). 

Selbstverständlich  kann  die  Frage  eingebender  erArtert  werden,  ob  wirk- 
lieb  afle  Beziehungs Vorstellungen  als  wesentliches  Uomant  einen  Ver- 
gleichungsakt  enthalten,  ntit  ander«i  Worten:  (d>  es  wich  nicht-kompantin 
BeEiehunesToratellungen  gibL  Ich  bdiaupt^  daß  sie  im  Sinn  der  eisten 
Alternative  zu  beantworten  isL  Insbesondere  liegt  auch  t)ei  jeder  Kaus^- 
vorstellung  eine  Vergleichung  vor,  insofern  wir  «cen  früheren  und  einen 
späteren  Zustand  vergleichen  und  daran  die  RelatarvorstellunEeti  (s.  unten) 
„Ursache"  und  „Wiitung"  knüpfen.  Dies  gilt  auch  dann,  wenn  die  Wir- 
kung in  Empfindungen  und  Gefühlen  besteht.  Die  endgültige  Entscheidung 
hierUber  steht  jedoch  der  EAenntnistheorie  zu.  Die  Logik  kann  sich  sdiliefl- 
lich  zur  Not  auch  mit  der  entgegengesetzten  AuRassung  abfinden. 

Eine  eigentOmliche  Abwandlung  erfahren  viele  Vergleichungi- 
vorstellungen  dadurch,  daß  die  VcrsleichungsvorstelluJig  mit  der  Vorstellunf 
eines  der  beiden  verglichenen  GegenslAnde  verschmolzen  wird  und  so  ibroi 
reinen  Beziehungscharakler  eint)flBt,  Hierher  gehören  Vorstellungen  wie 
Vater,  Sohn.  Vetter,  Freund,  größere  Linie  (mit  Bezug  auf  zwei  Linien)  usf. 
Meistens,  aber  keineswegs  stets  volllieht  sich  dieser  Prozeß  zwischen  Ver- 
gleidkungsvorstellunEen  und  individuellen  oder  allgffDeinea  Kontrat- 
tion svorsteQungen  (S.  336).  Behufs  Unterscheidung  von  den  flbrigen  Ver- 
eleichungs-  oder  Relationsvorstdluneen  sollen  diese  eigentümlich  abgewtn- 
deHen  Vergleichungsvorstellungen  als  Relatarvorstellungcn  bezekk- 
net  werden.  In  der  sprachlichen  Bezeichnung  gehen  sie  abrigens  den  Re- 
lationsvorsletlungen  olt  voran.  Vgl.  auch  S,  ät7  Ober  polare  und  symnKtiiscbe 
Vergleichungsvorstellungen. 

Im  Anschluß  hieran  sei  übej  den  Unterschied  der  Kon- 
pleicionsvorstellungen  und  der  Komparatio  nsvorstel- 
lungen  (Relationsvorstellungen)  noch  (dgendes  hervorgehoben: 
Der  Unterschied  zwischen  b^en  beruht  nicht  etwa  darauf,  dafi  die  Gegen- 
stlnde  der  Konavlestonsvorstellungen  keine  Relationen  unterainaAder  haben 
oder  die  Relationen  ihrer  Gegenstände  in  der  Komplexionsvorst^ung  nicht 
mitgedacht  werden.  Im  Gegenteil  stehen,  wie  bereits  8.  303,  Anm.  3  in 
dem  Beispiel  des  Waldes  gezeigt  wurde,  die  Gegenstände  der  Somplralons- 
vurstellungen  stets  untereinander  in  zahlreichen  Rdatlonen. (räumlichen,  leit- 
Ikshen  usf.).  Diese  Relationen  sind  sogar  wie  die  Psychologie  lehrt,  nicht  nur 
ein  wesentliches  Hotiv,  sondern  auch  eine  unerläßliche  Bedingung  für  das 
Zustandekommen  der  Komplexionsvoratellungen,   insofeni   diese   nach  dem 

")  Der  Nan»  „Vergleichungsvorstellungen"  deutet  mehr  auf  die  wirt- 
same  Funktion,  der  Name  „Relation s" Vorstellungen  auf  den  EUgrunde  liegen- 
a«m  Gegenstand. 


3.  KapiLel.    Paycholosische  Grundlegung.  325 

Gesetz  der  Konliguität^Bssoziatton  entat^en  (vgl.  auch  S.  321^  Amn.  14) 
und  die  tat  die  letztere  erfarderikhe  zeitliche  Koutifuitflt  der  hmdierenden 
Vn^lungea  ohne  irgendwelche  Relationen  der  Gegenat&nde  nicht  denkbar 
fsL  Erat  recht  kann  nicht  die  Rede  davon  sein,  daß  diese  Relationen  der 
hmdiereitden  Gegenstände  nicht  in  die  Komplexiongvorstellung  aufgenom- 
men werden.  Wohl  werden  oft  einzelne  Relationen  weggelassen,  aber 
andere  gehören  zum  wesentlichen  Inhalt  der Komplexion 9 Vorstellung,  so  z.B. 
die  gegenseitige  Lage  der  Beete  meines  Gartens  zur  Vustellung  dieses  meines 
CirlGDs,  die  gegenseitigen  Intervalle  der  sukzessiven  T6ne  zur  Vorstellung 
ier  Melodie  eines  Liedes  usf.     Seien  etwa  drei  fundierende  Gegenstände 

A    A   A 

a.ßiwAy  mit  den  Relationen  aß,  ßy,ay  gegeben,  so  hat  die  Komplexions- 
vorsWlung  abc  nicht  etwa  nur  o.  ß  und  y  zum  Gegenstand,  sondern  auch 

A  A  ■  A 
die  Relationen  aß,  ßy  und  a  y  (bald  aile,  bald  einen  Teil  derselben)  *).  Dfec 
l'nleischied  zwischen  Komplexionsvorstellungen  einerseila  und  Komparations- 
Voratellongen  (Belationsvorstellungen)  andrerseits  beruht  also  nicht  auf  dem 
Fehlen  von  fundierenden  Relationen  bei  den  ersteren;  man  kann  geradezu 
Igen,  daß  fast  jede  Komplexionsvorstellung  in  ihrem  Inhalt  auch  Relationen 
enlbilt  und  daher  Relationsvorstellungeo  involviert  Vielmehr  liegt  der 
l'nlerscfaied  nur  darin,  daB  die  Relationen,  welche  in  den  Inhalt  einer  iota- 
fdeaonsvorslellung  eingehet^  zwischen  den  T  e i  1  gegenständen  der  Kom- 
plexiousvorst eilung  bestehen  und  nicht  isoliert  und  somit  überhaupt  nicht 
aktuell  als  solche  vorgestellt  werden*),  während  die  Relation,  welche  den 
Inhalt  einer  Komparationsvorslellung  (Belationsvorstellung)  bildet,  zwischen 
Gegenständen  besieht,  deren  einer  oder  die  beide  nicht  zu  den  unmittel- 
haren  Teilgegen ständen  der  Komparalionsvorstellung  gehören  und  daher 
gewissermaßen  auBeriialb  der  Komparationsvorstellung  liegen,  und  isoliert 
und  aktuell  vorgestellt  wird.  Dort  interne,  hier  externe  Relationen.  Die 
Okichheitsvorslellung  zweier  Kugeln  hat  z.B.  die  Gleichheit  der  beiden  Kugeln 
zum  Gegenstand,  aber  die  beiden  Kugeln  selbst  sind  nicht  unmittelbare  Teil- 
IHSeiutände  dieser  Gleichheit,  während  die  Komplexionsvorstellung  eines 
Kugelpaares  die  Kugeln  zu  unmittelbaren  Teilgegenstäiiden  hat.  Dieser 
Unlersclüed  filt  auch  fOr  die  soeben  gekennzeichneten  Relatarvorstellungen. 
Ke  Relalarvorstellung  „Vater"  enthält  die  Belalion  zu  Kindern,  aber  die 

*)  Dabei  bleibt  auBer  Betracht,  dafi  die  Komplexionsvorstellung  zwischen 
den  Teilvorstetlungen  a,  b  und  c  neue,  nämlich  psychologische  Relationen 
■tiftet 

*)  Uan  sieht  dies  sofort  ein,  wenn  man  bedenkt,  wie  unzählige  räum- 
Ücfae  Relationen  beispielsweise  das  Bild  eines  Hauses  usf.  enthält.  —  Wie  weit 
Verschmelzungen  einer  Komplex  ionsvorstellung  mit  Ttelationsvorsteltungen 
ihrer  Taitgcgenstände  vorkommen,  ist  ein  hier  nicht  zu  erörterndes  psycho- 
Idfisches  Problem.  Mit  dem  Verhältnis  von  Komplexion  und  Relation  be- 
Khiftigt  sich  besonders  eingehend  A.  Heinong,  Hume-Sfudien  1  u.  S,  Sitz.- 
fler.  d.  philos.  bist.  KL  d.  Ak.  d.  Wis*.  in  Wien,  1877,  Bd.  87.  S,  18B  ff.^  u 
1883.  Bd.  101,  S.  678  ff.  (auch  abgedruckt  in  Heinong,  Abhandi.  z.  Psycbol., 
Bi  1,  Leipzig  191*.  namenU.  S.  36  tf.,  u.  Bd.  2,  1911»,  S.  1  tt.),  u.  Ztschr.  f. 
l^chol.  u.  PhrsioL  d.  Sinn.  1806,,  Bd.  91,  S.  191  ff.  {„Koinzidenzprinzip": 
vg  Komplexion,  da  Relation  und  umgekehrt). 


OgIC 


326      U-  l*^')'    E^riienntnisttaeoretische  nsw.  Gfundlegung  der  Logik. 

Kinder  bilden  keinen  umniltelbaxen  Teilgegenstand  der  Vorstellong  Vatet. 
Sie  unterscheiden  sich  von  den  gewöhnlichen  R  Nation  svorstellungen  nur 
dadurch,  daB  sie  doch  wemestenä  das  eine  Glied  der  Relation  als  uc- 
miltelbaren  Teilgegenstand  enthalten,  und  nahem  sich  insofern  den  Kom- 
plexionsvorstelluDgen.  Außerdem  ist  zu  beachten,  daß  eine  Kelationsrorstet' 
luna  oft  ihrerseits  wieder  aus  mehreren  Teü-Helationsvorstellungen  zu- 
sanunen gesetzt  ist. 

Neben  der  Komparation  und  zum  Teil  abhängig  von  ihr  vollueht  sich 
ein  andrer  Prozeß  der  Var3tellungcd>ildung,  den  ich  als  K  o  n  t  ^  a  k  t  i  o  d  ') 
bezeichnet  habe.  Er  besteht  darin,  dafi  in  den  Erinneningsbildera  eines 
Vorgangs  von  den  qualitativen,  intensiven  usf.  Vertndenmgen,  die  innerhalb 
des  exzemierten  Zeitabschnittes  stattgefunden  haben,  abstrahiert  wird  und 
die  unverändert  gebliebenen ']  oder  unverändert  gedachten  Teilvorstellun^cn 
unter  Weglassung  bzw.  Repression  der  veränderlichen  zu  einer  eigenartigen 
Kinheit  zusammengefaßt  werden.  Die  Vorstellung  dieser  besonderen  Einheil 
oder  Dieselbigkeit,  d.  h.  eines  identischen  Etwas,  welche  sich  mit  dieser  Zu- 
sammenfassung untrennbar  verbindet  und  [Qr  die  Sontraktionsvorstellung 
gegenüber  der  sukzessiven  Eomplexionsvorstellung  charakteristisch  ist,  muB 
von  der  Erkenntnistheorie  [s.  str.)  untersucht  werden.  Logik  und  Psycho- 
loKie  können  sich  damit  begnägen,  von  ihrer  Existenz  Kenntnis  zu  nehmen. 
Die  durch  eine  solche  Kontraktion  entstandenen  Vorstellungen  sollen  als 
lAudln  individuelle  Erinnerungsbilder  (sekundäre  In- 

werden.  So  bilden  wir  z.  B.  aiit  Grund  dieser  oder  jener  Folge  von  Empfin- 
dungen (Keimen,  Wachsen,  BlOhen,  Welken  usf.)  die  Kontraktionsvorstellung 
einer  bestimmten  Pflanze,  die  alle  diese  Zusl&nde  durchlaufen  hat  Svin- 
bohsch  drücke  ich  die  Kontraktion  durch  einen  wagerechten  Strich  aus,  z.  B. 
ABC.  Die  KoDtraktionsvorsteliung  soll  als  Vf  oder  F,  die  kontrahierten  Vor- 
stdlungen  (also  z.  B.  A,  B  und  C)  sollen  auch  als  F,,  F,,  F,  usf.  beEeichnet 
werden.  Ein  besonders  wichtiger  Spezialfall  liegt  dann  vor,  wenn  die  koo- 
trahierten  Vorstellungen  vollkommen  gleich  sind  (F^^  i=i  F^  c^  F,  usf.).  Die 
Kontraktion  besteht  dann  ausschließlich  in  der  Vorstellung  der  Dieselbigkeit 
(Vorstellung  eines  vüll^  gleichbleüwnden  Gegenstandes).  Die  großen 
Buchstaben  sind  absichtlich  gemäß  der  Festsetzung  S.  318,  Anm.  6  gewählt 
worden;  denn  die  kontrahierten  Vorstellungen  sind  fast  stets  zusammcn- 
gesetzl.  Eine  Ausnahme  würde  beispielsweise  die  Vorstellung  einer  einfachen 
Tonqualität  machen,  die  sich  sukzessiv  verändert  und  bei  der  von  Intensität, 
Lokalität  usf.  abstrahiert  worden  ist    In  diesem  Ausnahmefall  hätte  man  zu 

'  schräben  a  b  c . . . ,  oder  f  i  f ,  f , 

Die  Kontraktion  erfolgt  säum  jemals  an  primären  integralen,  son- 
dern fast  stets  an  primären  exzernierten  Erinnerungsbildern.    In  der 

»)  Gr.  S.  7i  u.  U2.  Ltf.  S.  ^8  u,  361.  —  Die  Scholasüker  iwslanden 
im  Gegensatz  hierzu  unter  contractio  die  „determinato  alicujus  conunuois" 
(vgl.  z.  B.  Duns  Sootus^  Sup.  Uhr.  elench.,  Quaeslio  13,  Opp.  omnia,  ed  Paris 
1891,  Bd.  2,  S.  17). 

■)  Die  Erkenntnistheorie  lehrt,  daß  das  Unverändertbleiben  von  Teit- 
vorsteUungen  keineswegs  unerläßlich  ist,  vgl.  meine  Eitenntnislbeorie,  Jena 
1913,  S.  306ß. 

')  Die  Bezeichnung  „Kontraktion"  ist  gewählt,  weil  es  sich  ^ichsam 
um  eine  verkürzende  Zusammenfassung  handelt. 


OgIC 


2.  Kapitel.    Psvchologische  Grundlegung.  327 

Regel  and  auch  bei«il3  ausgiebige  Komplex ioneu  und  Isol&Uooen  ')  votaus- 
gegugai.  Andererseits  werden  nun  auch  weiterhin  die  Kontraktionsvorstel- 
h»u>  zum  UegensLand  der  manniglacbaten  Komplenonen,  Isolationen  und 
Komparationen  (oachlraglicbe  Isolation  der  Fartw  einer  Blume,  die  ich  oft 
geseben  habe,  usf.).  Meistens  verdechten  sich  alle  diese  Prozesse  in  sehr 
verwickelter  Weise. 

Die  WeglasBung  der  vetlnderlichen  TeilvorsteUungea  ist  Fast  niemals 
i'ollsliQdig.  Eis  handelt  sich  durchw^  um  Repression  und  Akzenluatian. 
Indem  wir  eine  sekundäre  Individualvorstellung  hUden,  akzentuieren  wir 
öni^e  TeÜToratellungen  der  der  Kontraktion  unterzogenen  primären  Indi- 
nduahorstellungen  besonders  staii  (z.  B.  die  Vorstellungen  unveränder- 
licber  oAw  besonders  gefUhlsbetonter  Teile  bzw.  Ueikmale)  und  reprimieren 
die  Obrigen.  Das  Maß  der  Abstraktion  schwankt  also  innerhalb  der  weitesten 
Grenzen,  sowohl  was  ihren  Grad,  als  auch  was  ihre  Ausdehnung  betrifft. 
Ganz  Busnahmaweise  kann  eine  Kontraktion  ohne  jede  Abstraktion  verlaufen 
ifleiwiel:  Konttaktionsvorstellung  eines  dunklen,  allmShlich  sich  aufhellenden 
(iesichtafelds). 

Die  rftumhch- zeitlichen  Individuatkoefflzienten  fallen  bei  der  Kontrak- 
tian  nicht  fori,  sondern  bleiben  iDDerbalb  einer  von  Fall  zu  Fall  wechselnden 
Breite  (LaUtüde)  besteben. 

Eine  tiefere  Einsicht  in  die  Vorgänge  bei  der  Kontraktion  ergibt  sieb, 
veno  man  die  Arten  der  Ähnlichkeit  Und  der  Verschieden- 
htit,  welche  erkenn tnistheoretisch  und  psychologisch  festgestellt  neigen 
tennm,  scharf  unterscheidet.  Unter  fr u's taler  Ähnlichkeit  (frustum 
=  Brocken,  Stock)  verstehe  ich  eine  Ähnlichkeit,  die  auf  Gleichheit  einzelner 
Hertmale  bzw.  Teile  beruht,  unter  propinqualer  Ähnlichkeit  eine  nicht 
weiter  zerlegbare  Ähnlichkeit  einfacher  Gegenstände*).  So  ist  z.  B.  die 
Ahidichkeit  der  beiden  Akkorde  ceg  und  dfg  frustal,  dagegen  die  Ähnlich- 
keit der  Emiifladungsqualitaien  gelb  (c)  und  orange  (c')  und  die  Ähnlichkeit 
cises  Kreises  (c)  und  einer  Ellipse  von  geringer  Exzentrizität  (c')  propinqual 
Bescbiinkt  skdi  die  propinquale  Ähnhchkeit  auf  die  Zugehörigkeit  zu  einer 
Gattong,  so  soll  sie  kognat  heiBen;  so  sind  z.  B.  rot  [a)  und  blau  (a") 
iomtt  ähnlich  (gemeinsame  Gattung  r  Farbe);  rot  und  blau  änd  „kognat" 
ihnliche  HeAmale. 

Die  Gleichheit  zweier  zusacomengesetzter  Gegenstände  bezüglich 
aller  Uerkmale  kann  als  der  extreme  Gr«nzfall  der  fnistalen  Ähnlichkeit, 
Ae  Gleichheit  zweier  einfacher  Gegenstände  als  der  Grenzfall  der  pro- 
innqnalen  Ähnlichkeit  aufgefaCt  werden.  Man  kann  sieh  übrigens  hypo- 
Ibetisch  vorstellen,  daB  ein  nicht- isolierbares  x  in  zwei  propinqual  ahn- 
lichea  Gebilden  enthalten  ist,  auf  dem  ihre  Ähnlichkeit  beruht  i").  Beruht 
üe  Ähnlichkeit  nicht  auf  Gleichheit,  sondern  auf  propinqualer  Ähnlichkeit 

*)  Ganz  ohne  Isolation  würde  nur  diejenige  Kontraktionsvoxsteltung 
auskommen,  welche  die  Gesamtheit  des  Gegebenen  umFaQt  ^.,Welt"-vontellung 
im  allgemeinsten  Fall). 

')  Vgl.  Gr.  S.  lii.  Siehe  auch  C.  Stumpf,  über  den  i>sychoL  Ursprung 
ia  Raumvorstellung,  Lpz.  1S73,  S.  108  u.  Tonpsycb.,  Lpz.  1883,  B.  1,  S.  tll  H. 

'•)  Dies  3  könnte^z.  B,  der  physiologischen  Analyse  der  Binden- 
PTOzene  zugänglich  sein.~'  Vgl.  auch  Stumpf  i.  c.  u.  Gr.  5.  141'.  Beispiels- 
wedle  hätte  man  also  etwa  gelb  zu  zerlegen  in  einen  Faktor  s,  den  man  ab 
Gelblichkeit  bezeichnen  kOnnte,  und  einen  Faktor  r,  der  aus  der  Gelbikhkeit 


^28      '^-  '^^''    Erkennt nisthenreliscbe  us»-.  Grundtegung  der  Looik. 

eines  oder  mehrerer  Merkmale,  so  bezeichne  ich  sie  als  frusto-pro- 
piuqual  (Beispiel:  eine  hellgräne  Wiese  und  ein  dunkelgrünes  tüeid). 
Sehr  oft  ist  die  Ähnlichkeit  zugleich  frustal  und  frustopropinqual  (Buiaiitri: 
zwei  Kleider,  die  in  Schnitt  usw.  vollkommen  Obereinstimmen,  deren.  eiliM 
aber  hellgrün,  das  andere  dunkelgrün  ist,  oder  die  beiden  Akluude  c  eg  nsd 
cegis).  Andrerseits  kann  sich  die  propinquale  Ähnlichkeit  auf  alle 
eines  Gegenstandpaars  erstrecken;  dann  nenne  ich  die  Ähnlichkeit  pmp 
pinqual  (Beispiel:  zwei  Kleider,  die  sich  in  Schnitt  und  Farbe  UmelD], 

Eine  dritte  Art  der  Ähnlichkeil  neben  der  trustalcn  und  der  im 
pinqualen  ist  die  Relationeäbnlicbkeit.  Sie  beruht  auf  der  XIul- 
lichkeit  der  Relationen  zwischen  den  Merkmalen  des  einen  Gegen- 
standes mit  den  Relatianen  zwischen  den  Heifanalen  des  anderen  (Beispiel 
die  Akkorde  c  g  und  es  b,  die  beide  das  Quintintervall  enthalten)  und  kann 
in  manchen  Beziehungen  als  ein  Speziallall  der  frualalen  Äfanlichkeit  miI- 
aefaßt  werden. 

In  analoger  Weise  kann  man  auch  Arten  der  Verschiedenheit 
iinletscheiden.  Lese  ich  das  Hauptgewicht  darauf,  daB  die  frvslate  und 
ebenso  auch  die  propinquale  Ähnlichkeit  eben  doch  keine  Gleichheit  ist,  so 
kann  ich  mit  demseltien  Rechte  von  (nstaler  Verschiedenheit  und  von  pro- 
piniiualer  Verschiedenheit  sprechen.  Unter  den  speziellen  FftUen,  die  akdi 
hierbei  ei^eben,  ist  besonders  der  folgende  für  die  Logik  bemerkenswert 
Es  kommt  vor,  daB  zwei  Gegenstände  in  allen  Mertunalen  übereinstimmefi, 
außerdem  aber  der  eine  ein  Merkmal  hat,  das  dem  anderen  durchaus 
fehlt,  d.  h.  bei  ihm  nicht  einmal  durch  ein  irgendwie  verwandtes  vertreten 
ist.  Eine  solche  Ähnlichkeit  bzw.  Verochiedeoheit  soll  als  additive  be- 
zeichnet werden.  So  sind  z.  B.  eine  Person  ohne  Hui  und  dieselbe  Person 
mit  Hut  additiv  ähnlich;  der  Hut  ist  ein  neu  hinzukommeadea^  bei  dem 
anderen  Gegenstand  überhaupt  nicht  vertretenes,  wie  wir  sagen  woUmi, 
„additives"  Merkmal '').  Die  additive  Verschiedenheit  kann  als  ein  Spezial- 
fall der  frustalen  gedeutet  werden. 

durch  sein  llinzukonnnen  das  Gelbsein  (die  Gellidieit)  macht,  und  dement- 
sprechend orange  in  denselben  Faktor  x  und  einen  Faktor  z,  der  aus  der 
Gelblichkeit  das  Oran<eseiu  macht.    Die  Theorien  des  Farbensehens  ^Aea 
zum  Teil  hiermit  in  Einklang.     Cbrigens  weist  die  Tatsache,  daB  wir  alle 
Farben  wegen  einer  duichgingigen  Ähnlichkeit  dem  AllgemeiobegriH  Fart» 
unterordnen  können,  darauf  hin,  daB  in  allen  Farben  —  als  Empflndunts- 
qualitäten  —  ein  solcher  gemeinsamer  x-Faktor  enthalten  ist. 
^^>  In  der  Buchstabensymbolik  wOrde  auszudrOcken  sein: 
ein  Paar  frustal  ahnlicher  Vorstellungen  durch  abc  und  dec  (bzw.  abc 
und  dbc  usf.), 
„     propinqual  ähnliclier  Vorstellungen  durch  a  und  a',  , 

„      u     kotnat  ähnlicher  Vorstellungen  durch  a  und  a", 
„      „     perpropinqual  ähnlicher  Vorstellungen  durch  abc  und  a'b'c'  u^, 
,.     frustopropintiual  ähnlicher  Vorstellungen  durch  abc  und  dec', 
.,     frustal  und  frustopropinciual  ähnlicher  Vorstellungen  durch  abc 

und  dbc', 
„     frustokognat  ähnlicher  Voisteliungen  durch  abc  und  dec", 
.,      .,     frustal  und  frustokognat  ähnlicher  Vorstellungen  dunA  abc  und 
dbc", 
„     additiv  ähnlii^er  Vorstellungen  durch  abc  und  abc d. 


OgIC 


2.  Kapitel.    P?rcho1o|ciache  Gnindleguns-  ,'129 

Bei  den  Abstraktionen,  welche  die  Kontraktion  begleiten,  spielen  nun 
diese  Homente  oftenbar  sSmtlich  eine  mehr  oder  weuitter  bedeutsame  RoUa 
Bald  aberwieirt  die  frastale,  bald  die  fnialoproiHnquale  Aimlichki^it,  ausnahina- 
weue  bandelt  es  Eich  um  einlache  pTopinquale  Ähnlichkeit.  üal>ei  ist  vor 
allem  das  folgende  Verhalten  der  Abstraktion  gegenüber  den  Verschieden- 
heilen  und  Ähnlichkeiten  der  priinftren  Individualroratellungen  beneikens- 
wert.  Additive  Uerfcmale  werden  bei  der  Abstraktion  meisten»  schlechthin 
'tstelaasen  (bcw.  reprimiert),  so  daB  die  Zahl  der  Merkmale  (bzw.  die  Zahl 
■Iv  akteDtuierien  Merkmale)  kleiner  wird:  die  Abstraktion  wiikt  di- 
minuierend.  Dacesen  werden  propinqual  oder  kognat  verschiedene 
Merkmale '■')  in  der  Regel  durch  das  zugehörige  allgemeinere  Merkmal 
wwtzt,  aber  nicht  weggelassen.  Ea  wird  eine  offene  Stelle  reserviert. 
Rie  KoD Irak tionsvo rat ellung  eines  Abendhimioels,  der  viele  Farbenumwand- 
luiiBen  duichgemacht  hat,  isl,  wenn  wir  die  einzelnen  bestimmten  Ffirbungen 
lucb  noch  30  vollständig  reprimieren  oder  sogar  eliminiej'ei^  nicht  farblos, 
jie  behilt  wenigstens  die  allgemeine  Bestimmtheit  „Farbe".  Man  kann 
daher  in  diesem  Fall  auch  nicht  sagen,  daß  durch  die  Abstraktion  die  Mcrk- 
■ulzahl  der-Kontfaktionsvorstellung  im  Vergleich  zur  einzelnen  Prim&T' 
Vorstellung  verkleinert  werde:  die  Abstraktion  wirkt  hier  nicht  diminuierend, 
sondern  sie  wirkt,  wie  wir  sagen  wollen,  indeterminierend. 

Auch  der  Kontraklionsprozeß  wird  von  uns  auf  die  Gegenstände 
dbert  rage  n ,  sowohl  auf  die  uumiitelbaren  wie  auf  die  entfernteren. 
Vir  denken  uns  also  zu  den  sukzessiv  gegebenen  Gegenständen  einen  ein- 
iieillicheD  beharrenden  Gegenstand  hinzu  und  betrachten  die  sukzessiven 
änzelgegen stände  als  wechselnde  Phasen  oder  Zustande  dieser  Einheit.  Wie 
■of  dem  Gebiet  der  Isolation  und  Komplexion  dehnen  wir  diese  Gegenslands- 
ilbertragung  auch  auf  die  hypothetischen  Grundlagen  der  Empfindung  (mate- 
lielle  Beize,  Dinge  an  sich,  Reduktionsliestandteile)  aus  und  bezeichnen  in 
diesem  Falle  die  veigegensttlndlichtec  Kontr&klionseinlieitcn  als  „Dinge" 
W.  S.  96S  Ober  Dingbeziehung).  Konirak tionsvorstellungen,  die  von  einer 
solcben  Oberlragung  auf  hypothetische  Empfindungsgrundlagen  begleitet 
aind,  kann  man  daher  auch  als  Ding  Vorstellungen  bezeichnen. 
Uan  darf  nur  nicht  glauben,  dafi  etwa  alle  Kontrnktions Vorstellungen  Ding- 
wstellungen  seien.  Wir  machen  in  unzAhligen  Fällen  mit  unserer  l]ber- 
tiagoni  schon  frtiher  Halt  und  sprechen  von  Kontraktionseinbeiten,  die  mit 
Koen  hypothetischen  Emp&ndungnnmdlagen  nichts  zu  tun  haben.  So 
käDDeo  wir  z,  B.  die  Umwandlungen  einer  Vorstellung  ganz  unabh&ngig  von 
ihren  Empfindungsgrundlagen  verfolgen  und  sonach  eine  Vorstellung 
als  Regenständliche  Kontraktionseinhett  auflassen.  Gerade  die  logischen  Be- 
mile  selbst  bieten,  wie  sich  sp&ter  ergeben  wird,  hierfor  ein  ausgezeichnetes 
Betsnel  (Tgl.  g  90  ff.). 

Dabei  ist  noch  zweieriei  zu  l>eachten.  Erstens  wird  der  Tenninua 
»Ding"  zuweilen  in  viel  wraterera  Sinn  gd>raucht,  so  daß  er  sich  nicht  immer 
aal  die  hypothetischen  Enu}findungsgrundlagen,  sondern  auch  auf  anderes 
■gendwie  Gegebenes  oder  Erschlossenes  bezieht.  Für  diese  Terminologie  ist 
I-  B.  auch  ein  Gedanke,  ein  Affekt  oder  ein  Charakter,  der  allerhand  Wand- 
bniten  durchmacht,  ein  Ding.  Von  diesem  ungewöhnlichen  Sprachgebrauch 
«ird  hier  abgeseheai.    Zweitens  wird  die  Bezeichnung  „Ding"  zuweilen  auch 

")  Die  gesamte  Ähnlichkeit  ist  dabei  frustopropinqual  oder  frustokognat 
oder  frastal  und  frostoproplnfpial  oder  fnistal  und  frustokognat. 

„.,,n,^.OOglC 


330      "'  '^c''-    tlrkennlnistheoretiscbe  usw.  Grundlegung  der  Logik. 

ohne  nckcksicht  auf  sukzessive  Zustände  mit  Bezug  auf  einen  ein- 
maligen Komplex  gebraucht.  Die  DineroTstellung  wird  bei  dieser  Termino- 
logie mit  der  substanziierten  Romplexionsvorstellung  identisch  (vgl  S.  3S3). 
Auch  dieser  Sprachgebrauch  scheint  mir  dem  Qblicben  zu  sehr  zu  wider- 
sprechen. 

Uit  der  Obcrtrasung  auf  des  UegensUnd  verbindet  sich  endlich  auch 
fast  stets  derProzeB  der  Substantiation,  wie  wir  ihn  schon  bei  dn  Eompleiion 
kennen  gelernt  haben  (vgl.  S.  32&).  Wir  denken  uns  zu  der  EontnktioDS- 
eiobelt  einen  „Trflger"  sowohl  der  beharrenden  wie  der  veränderlichen  Merti- 
male.  Die~Erkeimtnistheorie  lehrt,  daB  gerade  die  Vorstellung  der  DieselUg- 
keit  uns  in  besonderem  HaS  AnlaB  gibt,  solche  Trftgervnrstellungen  (Sab- 
slanzvorstellungen)  zu  bilden. 

ZweckmäQig  ist  es  für  die  Vorstellungen  der  einzelnen  Zustände  oder 
Phasen,  aus  denen  die  Kontraktionsvorstellung  gebildet  wird,  noch  eine  be- 
sondere Bezeichnung  einzuführen.  Ich  wähle  als  solche  den  Terminus 
,4>'luxion9varstellungen"  (fluzus  .=  flQchtig,  vgl.  auch  Nentoni 
Fluiionen).  Die  FjuiioDsvorstellungen  sind  also  die  den  Kontraktionsvorstel- 
lungen unmittelbar  zugrundeliegenden  (fundierenden)  Primärvorstellungat 
Dagegen  ist  es  ganz  unzulässig,  die  Fluzionsvorstellungen  etwa  aJa  Teil- 
vorstelluogen  oder  Teile  der  Kontraktionsvorstellungen  zu  deuten.  Ms 
Teile  können  nur  die  aus  den  Fluzionsvorstellungen  in  die  Kontraktions- 
vorslellungen  aufgenommenen  Merkmale  gelten.  Die  Fluicionsvonteltungen 
m&gen  „Glieder"  der  Kontraktionsvorstellung  heiBen. 

Die  den  Fluzionsvorstellungen  zugrundeliegenden  Empfindungskomplexe 
können  dementsprechend  ata  Fluzionsempfindungen  und  die  zu- 
gehörigen Gegenstände  als  Fluxionen  bezeichnet  werden.  Die  verfindcr- 
lichen  Merkmale  nenne  ich  kurz  Wechselmerkmale. 

Inaofem  der  Gegenstand  einer  Kontraklionsvorstellung  oft  noch  (ori- 
besteht,  also  noch  weitere  Zustände  desselben  eintreten  und  mir  bekannt  wer- 
den kännen,  sind  viele  (nicht  alle!  vgl.  auch  S.  3%)  Kontraktionsvorstellungea 
für  neue  Zustände  desselben  Gegenstands  mit  neuen  HeAmalen  „offen". 
Sie  enthalten  gewissermaßen  ,3lanko3telle n",  deren  Ausfüllung  weiter- 
hin in  der  verschiedensten  Weise  erfolgen  kann,  und  greifen  insofern  ver- 
möge einer  eigenartigen  Transgression  ")  Ober  die  bisherige  Erfahrung  hinaus. 
Mit  dieser  far  unser  Denken  sehr  bedeutsamen  Offenheit  oder  Unahgeschtos- 
senheit  vieler  Konlraktionsvorstellungen  hängt  auch  ihre  Umbildbarkeit 
zusammen.  Neue  Erfahrungen  können  mich  in  den  Stand  setzen  oder  sogar 
zwingen,  Merkmale,  die  ich  für  konstant  gehalten  halK,  als  variabel  zu  be- 
trachten und  aus  der  Kontraktionsvorstellung  zu  eliminieren  oder  wenigstens 
zu  reprimieren.  Ich  habe  geradezu  die  Wahl,  entweder  meine  Konlraktions- 
vorslelttmg  umzubilden  oder  die  Dieselbigkeit  des  Gegenstandes  zu  leugnen. 
Man  hüte  sich  aber,  diese  Umbildbarkeit  der  Xontraktionsvorstellungen  mit 
ihrer  Korrigierbarkeit  zu  verwechseln,  welche  ihnen  mit  den  un- 
kontrahierten  Vorstellungen  gemem  ist.  Diese  Korrigierbark ^t  besteht  näm- 
lich darin,  daB  eine  Vorstellung  auF. Grund  einer  Hichligslellung  ihrer  alten 
Fandalien  oder  einer  Berichtigung  ihrer  Verwertung  attge&ndert  werden  kann, 
während  die  Umbildbarkeit  die  Abänderung  auf  Grund  des  Uinzukonunens 
neuer  Fundalien  betrilFt. 

">  Vgl.  Erkenntnistbeoiie,  Jena  1913,  S.  38i  u.  307. 

h.  !■,  ii,l^.OOglc 


S.  Kapitel.    Psvcholoiriache  Grundlegung.  :{;tl 

Es  verbiodet  sich  also  mit  der  KonlraJilion  ein  doppeltes  „Offenlassen", 
idmlich  erstens  ein  OHenlassen  von  Meilmals teilen  und  zweitens  ein  Offen- 
luwn  ron  Gliederetellen.  Eratoes  bezieht  sich  auf  die  WechBdmeikmale, 
alle  wie  neue,  letzteres  auf  neue  Glieder.  Die  Wechselmerkmale  (z.  B.  rot, 
«ciS)  sind  in  der  Kontraktionsvorstetlung,  soweit  sie  nicht  ganz  weggelasseD 
sind,  nur  durch  ein  allgemeines  Merkmal  (Farbe)  vertreten  (vgl.  S.  SSST), 
die  neuen  Glieder  sind,  abgesehen  davon.  daB  sie  den  Bedingunfien  der  Die- 
Kli^cit  genügen  mOssen,  völlig  unbestimmt.  L'm  Verwechslungen  zu  ver- 
meiden, soll  künftig,  v«nn  nicht  ausdrücklich  das  Gegeutül  bemerkt  wird, 
der  Terminus  „Offenheit"  und  der  Terminus  .3lanko3teUen"  nur  für  den 
iweileo  Fall,  also  mit  Bezug  auf  neue  Glieder,  gebraucht  werden. 

Tenuinologisch  sei  noch  bemerkt,  daB  zur  Erleichterung  des  spracb- 
üdiRi  Ausdrucks  auch  die  Termini:  isolierte,  konwlei^  komparate,  relate, 
'ditare  und  konlrakte  'Vorstellungen  (statt  Isolationsvorstellungen,  Kom- 
dlajonsvorstellungen  usf.)  verwendet  werden  sollen.  Auch  sei  nochmals 
«udrOcklich  davor  gewarnt,  die  Termini  ,Jtomple«onsvorstellungen"  usf.  so 
aoInlBssen,  als  bedeuteten  sie  „Vorstellungen  von  einer  Komplexion";  nach 
den  vorau^ebenden  Erörterungen  ist  klar,  daB  sie  nur  bedeuten  „durch 
Komplezion  entstandene  Vorstellungen"  ").  Wenn  ganz  ausnahmsweise  hier 
einmal  von  solchen  ^oretellungen  na  einer  psychischen  Funktion  die  Rede 
Min  soll,  SD  wird  stets  der  ausfOhrliche  Terminus  „Vorstellung  von  der 
Konplexion,  von  der  Komparation"  usf.  gebraucht  werden. 

I  n.  > llgfi dnTT ittH¥initw .  QntanUutiiia  ^).  Die  Geueralisation, 
d.  h.  die  Bildung  von  Allgemeinvorslellungen  besteht  daj-in,  daB  mehr  oder 
■eniger  zahlreiche  individuelle  Erinnerungsbilder  auf  Grund  von  Ähnlichkeit 
in  einer  ganz  besonderen  Weise  zu  einer  Einheil  zusanunengefaBt  werden. 
So  Mde  ich  z.  B.  aus  den  Erinnerungsbildern  vieler  einzelner  Fahrräder  die 
-■VllBemeinvorstellung  (Generalvorstellung)  „Fahrrad". 
Symbolisch  dröcke  ich  die  Generalisation  durch  eine  über  die  Buchstaben- 
zeichen gesetzte,  von  ihnen  abgekehrte  Klammer  aus,  schreibe  also  z.  B. 


.  bzw.  ABC  ...  (vgl.  S.  318  u.  820).     An  Stelle 


")  Vorstellungen  toi  einzelnen  Romplcnionen,  Kontraktionen,  Iso- 
lationen usf.  als  reinen  Akten  existieren  ebensowenig  wie  Vorstellungen  tob 
einzelnen  Komplexionsvorstellungen  usf.  (vgl.  S.  3^  u.  LelU.  S.  2bi}, 
wohl  aber  kann  ich  die  AI  Ige  mein  Vorstellungen  „Komplezionsvorstel- 
lung",  „Kontraktionsvorstellung"  usf.  bilden  und  durch  ihre  Vergleichung  ihre 
nnterscbeidenden  Merkmale  feststellen  und  so  zu  Allgemein  Vorstellungen 
der  beteiligten  psychischen  Prozesse,  also  zu  einer  Allgenteinvorstellung  von 
Komplexion,  Kontraktion  usf.  selansen. 

')  Gr.  S.  l«fl.,  Ltf.  S.  242  u.  346;  Wundt.  Bd.  3,  S,  518  u.  Ö46i  LiPKS, 
S.  leofL;  KOliw,  S.  209  B.  VgL  anOei^em  Alfred  Binet,  L'ätude  expärimeo- 
tale  de  l'intelligence,  Paris  1003;  Tb.  Ribot,  L'ävolution  des  idäes  g£n£rale9, 
Puis  ia»7,  3.  AufL  1900;  JodI,  Lehrb.  d.  Psychol.,  3.  Aufl.  Stuttgart-Berlin 
IWe,  Bd.  2,  S.  300 ff.;  KOlpe,  1.  Kongr.  f.  exp.  PsTchol,  GieBen  1004,  Bericht 
S.  G6;  Moore,  Univers,  of  CaUforn.  PubL  in  Psychol.,  Berkeley,  Nov.  12, 
ISIO,  VoL  1,  No.  2,  S.  73  B.;  Htttenzwey,  Psychol.  Studien  von  Wundt, 
1S07,  Bd.  3,  S.  358;  Störring,  Philosoph.  Stud.  v.  Wundt,  1000,  Bd.  SO. 
S.  328;  WaU,  Arch.  f.  d.  ges.  Psychol.,  lOOfi^  Bd.  4,  S.  280. 

„.,.,„.>..oo^sic 


332      ^I-  ^^i'-    ETkennlnisIheorctigcl:«-  usv.  Gnindlesune  der  Ixigik. 

von  A  B  C  . . .  bzw.  a  b  c  . . .  setze  ich  im  folgenden  in  der  nege!  W,  W.  W^ . . . 
bzw.  Wj  Wj  w,,  um  auszudrücken,  daB  es  sich  um  die  IndiridualTOTstellnDgen 
der  AügeinMcnrorstdlung  W  bzw.  w  handelt  (vgl.  S.  SIS  u.  820).  Die  groBen 
Buchstaben  werden  gewfihlt,  wenn  die  Allgemeinvorslellung  zusunntt&geseUt 
ist  (S.  318,  Aiun.  6).  Es  empfiehlt  sich  fOr  diese  AUgemeinvorsteUungen 
nicht  mehr  die  Bezeichnung  .Erinnerungsbild"  m  gebrauchen,  sod- 
dern  diese  auf  die  Indi  vi  dual  Vorstellungen  (primäTe  und  sdcundiie, 
exzemierte,  isolierte^  komplexe  und  kompaxate)  zu  beschrtnken  ■),  obwohl 
Erinnerungen  selbslTerstfindlich  auch  die  Grundlage  der  AUeemMnvDTsIal* 
luDgen  bilden.  Es  scheint  dies  erstens  mit  dem  Sprachgdirauch  besser  über- 
einzustimmen, und  zweitens  wird  es  dadurch  möglich,  das  Attribut  ,4odi- 
vidudl",  das  zunächst  um  der  Deutlichkeit  willen  oben  allenthalben  zu  den 
Terminus  „Krinneningsbild"  hinzugesetzt  wwde,  als  pleonastisch  ta  stieichen 
und  so  die  Terminologie  zu  vereinfachen.  Wir  können  dann  kurz  sagen. 
daB  all*  Vorstellungen,  sie  mögen  von  einem  anderen  Standpunkt  der  Ein- 
teilung ans  aia  exzemiert  oder  isoliert  oder  komplex  oder  komparvt  usL  m 
bezeichnen  seiB,  in  Individualvorstellungen  =  Erinnerungsbilder  und  AU- 
gemeinvorstellunsen  zerfallen  ']. 

Ganz  verfehlt  ist  der  gelegentlich  aufgetauchte  Versuch,  die  Allgmoo- 
vorstetlungen  als  „Vorstellungen  von  Vorstellungen"  zu  deuten.  Weim  ich 
von  den  individuellen  QegeDSlftnden  Y^,  Y^,  Y,  , . .  die  Individualvorateliimwu 
Wj,  Wj,  W^. . .  gebildet  habe  und  diese  nun  zu  einer  Allsemeinvorstellung 
W  =a  Wj  Wj  W  . .  verbinde,  so  ist  W  auf  W,,  W„,  W,  . . .  fundiert,  diese 
Fundieningsbezichung  aber  besteht  in  einer  komplizierten  Verarbeitimg  »on 
Wj,  W,,  Wj  . . .  durch  unsere  Differenzierungsfunklionen,  ist  also  altes  andern 
eher  als  eine  einfache  nochmalige  Wiederholung  (Iteration)  des  Voratellunts- 
prazesses  im  Sinn  einer  hypothetischen  Selbst wabmehmung,  wie  sie  die 
Anh&nger  der  „Vorstellungen  von  Vorstellungen"  annehmen.  Solche  Vor- 
stellungen von  Vorstellungen  im  Sinn  einer  reflexiven  Iteration  existieren 
überhaupt  nicht,  wie  schon  S.  363  ausgeführt  wurde. 

Auch  die  All  gemein  Vorstellungen,  welche  wir  von  den  Vorstelluagen 
selbst  und  ihren  Klassen  (Kompleidons-,  Konlralctions-,  AUg^neinvoratet- 
lungen  usf.)  bilden,  sind  nicht  als  Voratellungen  von  Vorstellungen  in  dem 
eben  abgelehnten  Sinne  zu  betrachten.  Vielmehr  ist  der  Hergang,  wenn  air 
beispielsweise  die  Allgemeinvorstellung  „Aligemeinvoralellung"  bilden,  fdien- 

*)  Wollte  man  den  Tenninus  „Erinnerungsbilder"  streng  auf  diejenigen 
Vorstellungen  beschränken,  bei  deren  Bildung  keine  intellektuelle  Funktion 
außer  der  Refention  wirksam  ist,  so  konnten  nur  die  primären  integralen 
Erinnerungsbilder  als  Erinnerung^der  gelten.  Wollte  man  andrerseits  alle 
Vorstellungen,  welche  überhaupt  Gegenstand  der  Betention  werden  bOniMB. 
Erinnerungsbilder  nennen,  so  würde  sich  der  Terminus  „Erinnerungsbüd" 
ganz  mit  dem  Terminus  „Vorstellung"  decken;  denn  auch  die  Allgemein- 
vonteUungm  werden  von  dem  Qed&chtnis  festgehalten,  die  Reimtian  be- 
scbrinkt  sich  nicht  auf  die  prinOren  Inhalte,  sondern  erstreckt  sich  auf  die 
sakundtren,  von  den  Differenzieningsfunktionen  zwischen  ihnen  hergestellten 
VerimOphmgen. 

*)  Die  Allgomeinvorslellungen  werden  zuweilen  auch  als  ^^t Titte" 
bezeichnet.  Es  wird  sich  jedoch  ergaben.  daB  dieser  Tenninus  besser  fäi 
bestimmte  logische  CMiilde  reservi»t  wird.    Vgl.  §  86. 

„.,,„,^.oogic 


2.  Kapitel.    Psvchologische  Gnindleeune.  3:{3 

dar.  Vir  haben  zu  den  individueUeo  Gecenständen  a,.  a,.  a^  ■•■  bzw.  zu 
dem  IndiTidualvoratelluDCen  A,,  A^,  A,  . . .  die  Allgemeiavorstellung  A,  des- 
^«iefaeii  zu  dea  indivjdiuUen  GegensUnden  ^,,  ß„  ßt  •■■  '''^  AUgemein- 
vcntelltuK  B  und  zu  den  individuellen  Gegenständen  y,,  y^,  y,  ...  die  AII- 
(eAwiTafsteUune  C  gebildel  usf.  Von  A  existiert  nun  nicht  noch  einmal  eine 
Vontelluttg  V(A),  ebensowenig  von  B  eine  Vorstellung  V(B)  usf.,  wohl  aber 
können  A,  B,  C  ...  als  fundierende  Gegenstande  für  eine  neue  Gene- 
ralisatioa  dienen,  durch  wekhe  schlieBUch  auch  die  Atlgemeinvorstel' 
hing  „.Ulgemeinvorstellung"  zustande  kommt.  Auch  hier  handelt  es  sich  also 
nicht  um  eine  einfache  reflexive  Ilemtion  der  Vorstellungen  A,  B.  C.  , . ., 
Modeni  um  eine  neue  Vetariwitung  derselben  (im  Sinn  des  V  der  Etörte- 
/■mfen  in  §  öS).  Uan  muB  dabei  nur  scbarf  unterscheiden  zwischen  Gcne- 
laiiatiaaen  höherer  Stufe,  die  sich  auf  die  a^.  a^,  a,  ■  -,  -,  ß^  ß^  ß^  ■  ■  ■• 
fi'  7vyf-  beziehen  {z.  B.  Insekten,  Krdise,  TausendfaiJer  =3  Arthropoden), 
uod  den  Generalisalionen  höherer  Stufe,  die  sich  auf  die  A,  B,  (^  .. . .,  d.  li. 
die  Vorsteilungen  jenw  Gegenstande  beziehen. 

In  der  Regel  erfolgt  die  Generelisation  an  den  sekundären  Er- 
Jnnenmssbildem  (wie  in  dem  Beispiel  dea  Fahrrads),  und  zwar  bald  an 
iwUerten  einer  niederen  oder  höheren  iBolalionsslute  (Allgemeinvorstellung 
,jot")i  bald  an  kompleicn  einer  niederen  oder  höheren  Eomplexionsstulo 
(AUgemeinvoTSteUung  „Dorf',  „Gewitier").  Selbatverständlich  können  jedoch 
loch  p  r  i  m  &  r  e  Erinnerung^ilder  generalisiert  werden,  indem  die  Diesclbig- 
keit  im  Sinne  der  Kontraktion  gaj;  nicht  in  Betracht  gezogen  wird. 

Auf  der  tiefsten  Stufe  der  Generalisalion  werden  im  einfachsten  Fall 
nur  vollkommen  gleiche,  also  ausschlieSUch  im  räumlicfa-zeitUchen  Individuai- 
toetßzienten  (vgl.  S.  818)  sich  unterscheidende  Individualvorstellungen  zu- 
stnmeogefaflt  (Beispiel:  Allgemeinvorstellung  „Wasserst olfatom").  Oft  aber 
«niredt  sich  die  Zusammenfassung  auf  derselben  Stufe  auch  auf  nicht  voU- 
konunen  Qbereinstimmende,  nur  ähnliche  fndividualvorstellungen  (Bei- 
^wl:  Hauskatze").  So  wird  —  auf  einem  dieser  beiden  Wege*)  —  die 
erste  Hauptstufe,  die  Art  vo  rste  llung  erreicht.  Die  Generali- 
satton  achreitet  dann  in  der  Weise  weiter  fort,  daß  wiederum  mehrere  oder 
vide  fieser  Artvorstellungen  auf  Grund  von  Ähnlichkeiten  zu  einer  Allgemein- 
*onteUung  höherer  Ordnung  zusammengefaBt  werden.  Durch  fortgesetzte 
Wiederholung  dieses  Prozesses  ergibt  sich  eine  Stufenleiter  (Skala)  wechseU 
(eilig  sub-  und  superordinierter  (unter-  und  abergeord- 
aeter)  AUgemeinvorsteUungen.  Auch  die  nachträgliche  Spaltung  tiner  All- 
Kmeinvorstellung  in  mehrere  niederer  Ordnung  kommt  vor.  Den  Artvorstel- 
hingen  als  den  niedrigsten  Allgemeinvorstellungen  stellt  man  die  höhefen 
•bGattungsvorstellungen  gegenflber.  Allgemein  Vorstellungen  der- 
»Iben  Stufe  beißen  koordiniert  (gleichgeordnet). 

Der  psychologische  Unterschied  zwischen  der  Generalisalion  einerseits 
imd  der  Komplexion  und  der  Kontraktion  andrerseits  läßt,  sich  auf  Gnmd 
der  Selbstbeobachtung  folgendermaßen  bestimmen.  Die  Komplexion  bezieht 
■ich  bald  auf  simultane  Gegenstände,  bald  auf  sukzessive,  die  Eontraktion 
riels  auf  sukzessive,  die  Generalisalion  in  der  Begel  auf  sukzessiv«  oder 
nnmllane  und  sukzessive.  Die  Komplexion  kann  ohne  jede  Abstraktion 
iTfolgen;  meistens  verbindet  sie  sich  mit  Abstraktionen  (im  Sinn  der  S;l- 

*)  Zuweilen  spricht  man  nur  im  2.  Fall  von  A  r  I  Vorstellung. 

h.  i.MM,Googlc 


334      H,  Teil.    Krkennfnistheoreüsche  usw.  Gnindlesuns  der  Ix«ik. 

lektion,  vgl.  S.  331).  Die  Kontraktion  ist  meist,  aber  doch  nicht  ausnahms- 
los mit  Abstraktionen  verknöpft  (vgl.  S.  327}.  Generalisstion  ohne  Abstrak. 
tionen  kommt  nicht  vot.  Die  Vontellunit  der  Dieselbigkeit  °)  ist  der  Kom- 
plexion  völlig  fremd,  ebenso  hat  sie  mit  der  Genenüisation  als  solcher  nichts 
zu  tun,  dagegen  ist  sie  das  charakleristiscbe,  niemals  febtende,  wesentliche 
Merkmal  der  Kontraktion.  Endlich  bleiben  die  r&umlich-zeitUchen  Individual- 
koefflzienten  bei  der  Komplexion  vOllig  erhalten,  bei  der  Kontraktion  werden 
sie  erweitert,  ohne  jedoch  zu  verschwinden,  bei  der  Generalisation  Fallen  sie 
völlig  fort.    Vgl.  auch  S.  8*3. 

Die  Voretellung  „alle  Feldherren  Alexanders  des  Großen"  ist,  wie  im 
logischen  Abschnitt  n&ber  ausgefohrt  wird,  eine  univetsate  Kollektiworstel- 
hmg,  aber  keine  AUgemeinvorstellung.  Dasselhe  gilt  von  der  Vorsteltung 
„aUe  Soldaten  Alexanders  des  Großen".  Die  UiÜH^anntheit  und  die  aus  ihr 
sich  ergebende  Unbestimmtheit  der  unter  eine  3ok;he  UniversalvoTstriluni 
fallenden  Individuen  bebt  den  individuellen  Charakter  der  Voistelluns  nicht 
auf:  sie  bleibt  trotz  ihrer  Unbestimmtheit  individuell  -  kollektiv  und  ent- 
behrt der  absoluten  Offenheit  und  der  völligen  räumlich  -  zeitlicbea  Un- 
bestimmtheit, die  für  die  AllgemeinvorsteUungen  charakteristisch  ist  Vgl. 
S.  820  f.  I 

Wie  bei  der  Kontraktion  (S.  360)  ist  auch  bei  der  Generalisation  die 
Aletraktion  b^d  diminuierend,  bald  indeterminierend.  Im 
ersten  Falle  wird  ein  Uerkmal  (bzw.  Teil),  das  nur  einzelnen  unter  deo 
subordinierten  Vorstellungen  W^,  W^  usf.  zukommt,  in  der  Allgemeinvorstel- 
lung W  schlechthin  weggelassen  bzw.  reprimiert.  Im  zweiten  Falle  yiiii  ein 
Merkmal  (bzw.  Teil),  das  allen  subordinierten  Vorstellungen,  aber  in  ver- 
schiedener Beschaffenheit  zukommt,  unter  Absehung  von  diesen  Vetschiedoi- 
heiten,  also  verallgemeiaert,  der  Allgemeinvorstetlung  W  beigelegt:  die  speäell 
bestimmten  Merkmale  von  W^,  W^  usf.  werden  durch  ein  relativ  un- 
bestimmtes ersetzt  C  An  determiniert").  Es  handelt  sich  gewissermaOen  um 
eine  Teilgeneialisation.  Wenn  ich  z.  B.  bei  der  Bildung  der  Allgemein- 
vorsteUuug  „Ungulaten"  oder  „S&ugetiere"  von  dem  Geweih  der  Hirsche 
abstrahiere,  so  handelt  es  sich  um  eine  diminuicrende  Abstraktion:  idi 
elimiDiere  oder  reprimiere  das  Merkmal  „Geweih"  schlechthin.  Dagegen  lasse 
ich  bei  der  Bildung  der  Allgemeinvorstellung  „S&ugetiere"  das  Merkmal 
„Gehirn",  wie  es  sich  bei  den  einzelnen  Säugetieren  findet,  nicht  schtecbthiD 
weg,  sondern  behalte  das  MeAmal  „Gehirn"  verallgemönert  bei,  indem  ich 
nur  von  seinen  q^eziellen  Ausgestaltumen  bei  den  einzelnen  S&ugera  absehe: 
hier  ist  die  Abstraktion  indeterminierend.  Ebenso  ist.  um  ein  weiteres  Bei- 
spiel anzufahren,  bei  der  Allgemeinvorstetlunfr  „Ton"  wed«  das  Heifcmal 
„TonhChe"  noch  das  Merkmal  „Tonintensität"  ganz  weggefallen,  sondern 
beide  sind  nur  —  gegenOber  dem  speziellen  Ton,  z.  B.  einem  eis  von  be- 
stimmter Hohe  und  Intensität  —  verallgemeinert,  d.  h.  unbestimmt  gelassen. 
Wenn  es  sich  auch  um  nahe  verwandte  und  durch  ITbergänge  verbundene*) 

^]  Selbstverständlich  ist  hier  nur  von  der  Dieaelbigkeit  im  Sinn  der 
Erörterungen  des  letzten  Paragraphen  die  Bede.  Über  and«e  Arten  ätt 
DieselbiAeit  habe  ich  in  meiner  Erkenntnistheorie  (Jena  1EI18,  S.  äfi6  R.  u. 
306  ff.)  austOhrlich  gesprochen. 

*)  Eine  solche  Verwandtschaft  und  Existenz  von  Cben^ngeo  leuchtet 
sofort  ein,  wenn  man  bräspielsweise  das  Geweih  als  eine  ^MiiaUilerende 
Ausgest^tung  des  Skeletts  bedmchtsti 


.oogic 


2.  Kapilel    Psych ologisc he  Grundlegung.  335 

PBTchologische  Prozesse  handelt,  so  cUr{  doch  das  Weglassen  eines  ganzen 
Uerkmtls  und  das  Weglassea  seiner  spezialisierenden  Ausgestaltungen  nicht 
einfach  zusammengeworfen  werden.  Bei  den  misten  Allgemeinvotstellungen 
liegl  übrigens  sowohl  eine  Verkleinerung  der  Zahl  der  Merkmale  durch  cb- 
miniiierende  Abstraktion  wie  eine  VeraUgeineüierung  von  Merkmalen  durch 
ioddenninierende  Abstraktion  vor.  Jedenfalls  aber  ist  es  bei  dieser  Sachlage 
noniUssig,  die  Genemlisation  etwa  in  allen  Fallen  schlechthin  mit  einer 
'«ikleineruDg  der  Zahl  der  MeAmale.  also  einer  zunehmenden  Vereinfachung 
der  Torstellungen  zu  identifizieren. 

Die  Ohertragung  au{  den  Gegenstand  wird  bei  den  AU- 
femeinvorstellnngen  in  ganz  Ähnlicher  Weise  vollzogen  wie  bei  den  Kon- 
trattionsTorstellunBen.  WSr  bilden  eine  Gegenstandsvorstellung  (vgl.  S.  S66 
0.  3IS0),  die  der  von  uns  erzeugten  Generalisationaeinbeit  entspricht.  An 
Stelle  der  uns  allein  gegebenen  Gemeinsanikeit  der  Merkmale  der  Individuen 
Mtzeo  wir  einen  neuen  hTPothetischen  Gegenstand,  namtich  die  im  Sinn  der 
Geoeralisation  als  Einheit  gedachte  Gesamtheil  dieser  gemeinsamen  M^- 
iBale.  Dazu  kommt  dann  in  der  Regel  auch  hier  eine  Substantiation, 
iosolem  wir  dieser  vergegenstindlicbten  Generalisationseinbeit  einen  „Trager" 
uilerschieben,  der  die  gemeinsaioen  Heitmale  „hat"  (vgl.  S.  3SS  u.  380).  In 
dm  speziell  logischen  Kapiteln  dieses  Werks  wird  hierauf  n&her  eingegangen 
werden. 

Wie  bei  den  Kontraktionsvorstellungen  ist  es  selbslversUlndlich  auch 
bei  den  AUsemeinvorstetlungen  ganz  unzuUssig,  die  subordinierten  Vorstel- 
ktnceo  (Individual-,  Art-vorsteilungen  us[.}W,,  W  usf.,  welche  der  Allgemein- 
msteUung  W  zu^imde  liegen,  als  die  „T  e  i  1  vorslellungen  der  letzleren 
ni  äeatea.  Ab  Teil  vorsteUungen  einer  Allgemeinvorstellung  kommen  aus- 
schlieBlich  die  in  die  Allgemeinvorstellung  aufgenommenen  Teil  vorsteN 
Inngen  der  fundierenden  (subordinierten)  Vorstellungen  W^.  W^  . . .,  also  in 
erster  Linie  die  den  fctrteren  g«seinsamen  Teilvorstellungen  in  Bedacht, 
ffie subordinierten  Vorstellungen  W^,  W^  . . .  sind  nicht  Teile,  sondern  Glie- 
der (fundierende  Glieder,  Oogenst&nde)  der  AllgemeinvorsteUimg  W  (vgl 
&330). 

Wie  die  KontnktionsTorstelluDgen  sind  auch  die  AUgemeinvorstellungen 
fOr  die  Aufnahme  neuer  subordinierter  Vorstellungen  .o  f  f  e  n"  (vgl.  S.  880) 
nsd  dementsprechend  u  m  b  i  1  d  b  a  r.  Wie  bei  jenen  bezieht  sich  die  Ofien- 
heit  sowohl  auf  neue  Individuen,  Arten  usf.  wie  auf  neue  Merkmale.  Sie 
lubeu  ,3iankostGllen",  die  durch  neue  Gegenstände  ausgefüllt  werden  kAnaen. 
Wikrend  aber  die  Offenheit  der  Kontraktionsvorstellungen  fakultativ  ist,  d.  h. 
■■ictit  stets  vorbanden  ist,  ist  jede  AUgemeinvorstellung  oSen. 

Ober  die  psychologische  Natur  des  Vorgangs  der  Generali- 
ation  besteht  bis  jetzt  keine  Übereinstimmung.  Es  gibt  eine  groBe  Zahl  von 
'Hieorien  der  Qeneralisation.  In  Anbetracht  der  grundlegenden  Bedeutung, 
welche  die  Allgemeinvorstellungen  für  einen  großen  Teil  der  Logik  haben, 
MOen  diese  Theorien  im  folgenden  kurz  aufgezählt  und  besprechen  werden: 

1.  Die  Intuitionstheorie:  sie  nimmt  eine  unmittelbare  Er- 
lisniig  des  Alliemeinen  in  dem  Vielen  und  Einzelnen  durch  eine  besondere, 
RwiMermaflen  intuitive  Tätigkeit  an.  Plato  schreibt  letztere  dem  Uynair, 
d.  h.  dem    obersten    Seelengebiet    zu^).     Auch    bei    manchen    modemen 

')  Die  Stellung  des  Aristoteles  tritt  in  den  uns  OberUeferten  Schrillen 
Bichi  ganz  eindeutig  and  Uar  hervor.    Pnuitl  (Gesch.  d.  Log.  i.  AbendL,  Bd.  1, 

„.i.vA.OOglC 


336      "-  '^^'''    Efkenntnislheorebsche  us«-.  GnmdteguiiK  der  Logik. 

Locixisten  finden  sich  Umliche  Anschauungen.  Es  lieft  nämlich  vom  Stand- 
punkt der  intuitionstheone  begreiflicberweise  sehr  nahe^  das  Allgemeine  ab 
etwas  auch  unabfa&ngifi  von  dem  Vielen  und  Einzelnen  itsenduie  existiereD- 
des  Hein-Losisches  aulzufassen  (vgl.  S.  172  H.  u.  196  B.).  Da  diese  llieorie 
jader  empiiiscfaen  Grundlage  entbehrt,  kann  sie  überhaupt  nicht  ala  eine 
psychologiache  Theorie  der  Generalisation  betrachtet  werden:  sie  aclmeidet 
geradezu  jede  pa?choloiiKlie  Analyse  und  Erforschung  der  GenenlisKUon  ab, 
indem  sie  die  Erfassung  des  Allgemeinen  einer  primtren.  nicht  weiter  teriei- 
baren  Seelenfunküon  zuschreibt. 

2.  Die  Summentheorie:  diese  betrachtet  die  Allgemein voisteUun; 
schlechthin  als  die  Summe  der  Individuatvorstellungen.  Die  Unhaltbufceit 
dieser  Theorie  ergibt  sich  schon  daraus,  daß  dabei  der  Unterschied  zwiscben 
der  individuellen  Kollektivsorstellung  und  der  AUgemeinvoTstellunr,  den  die 
Selbstbeobschtung  und  die  Analyse  mit  Sicheriieit  ergibt,  ganz  verwischt 
wird.  Dieser  schlagende  Einwand  bleibt  auch  dann  bestehen,  wenn  man  der 
Theorie  einen  physiologischen  Hantel  umh&ngt  und  an  Stelle  der  Individua!- 
vorstelhingcn  die  Vorstellungserregungen  der  Hirnrinde  set^ 

3.  Die  Üurchschnittstbeorie:  diese  nimmt  an,  daS  die  All- 
gemeinvorstellung ein  Komplex  von  Ihirchschnittsmeikmnlen  isL  Hat  z.  S. 
eine  der  in  der  AUgemeinvorstellung  W  zusammengefaßten  Vorstellungen  W^ 
die  Meitmale*)  mi,  »i  usf.  und  eine  zweite  W^  die  Utnlichen^  aber  dock 
nicht  sämtlich  voll»;  übereinstimmenden  Merkmale   m^,  n,  usf.,   so   würde 

(fie  Allgemeinvmvtellung  W  die  Dur^hschnitlsmerfcranle     -'  T,.>ZL^"' 


V+" 


-' '  usf.  haben,  wo  3  die  Zahl  der  zusanunengefafilen  Individual- 


vorMeliungen  bedeutet.  Diese  Theorie  kqmmt  der  Wahrheit  erhebUcfa  niber, 
insofern  die  Durch  Schnittsvorstellungen  in  der  Tat  als  eine  Vorstufe  der 
AtlgemcinTorstellunKen  betrachtet  werden  können.  Wenn  nAmlich  ausnahms- 
weise alle  Merkmale  und  ihre  VorsteUungen  lich  inendwie  vvlbttndig  durck 
Quanla  ausdrücken  lassen,  wie  z.  K  Linienlftngen,  Intensit&ten  usf.,  so  OUt 
—  wenigstens  unter  bestimmten  Vorbritalten  —  die  DurchBchnittsvorstellunc 
im  Ergebnis  mit  der  Allgemeinvorstellung  zusammen.  Für  weitaus  dis 
meisten  AllgemeinTorstellungen  'trifft  jedoch  diese  Voraussetzung  nicfat  m. 
Die  nwsten  Herkmahrorstellungen  —  man  denke  i.  B.  an  verschiedene 
Farben  —  sind  weder  additionefähig  noch  divisionaffthig  ").  Auch  die  Selbst- 
beobachtung widerspricht  dem  Schema  der  Durchachnittstbeorie  duich&ni. 
Wir  denken  uns  bei  der  AUgemeinvorstellung  last  niemals  einen  bestimmten 

S.  107)  glaubt,  daß  Aristoteles  lehre,  das  AUsemeine  (»«tf^Je»)  „werde  ver- 
möge des  yoSg  wahrend  und  innerhalb  der  Sinneswahmehmung  eisriOen"; 
indes  sind  die  von  ihm  angefahrten  Belegstellen  nicht  ganz  Qberzeugod. 
Vgl  auch  Zeller,  FhUos.  d.  Griech.  II,  2^  a  Aufl.  Leipzig  1879,  S.  aUff.  s. 
a66,  Anm.  8  sowie  578  ff. 

*)  Streng  genommen  mOBte  die  Theorie  von  Ueikmalvorstetltmeen  und 
nicht  von  Merkmalen  sprechen.    Vgl.  S.  880. 

*)  Welche  Bedenken  selbst  bei  Intensitäten  einn  strichen  mattNUBtiscben 
Auflassung  entgegenstehen,  habe  ich  —  in  übereinstimnuing  mit  anderen  — 
LH.  S.  66  ftusfOhrlicher  erörtert  und  zwar  für  das  der  Durdischiüttsllieone- 
noch  relativ  günstigere  Gebiet  der  Empfindungen. 


.oogic 


2.  KapileL    PsrcholoBische  Gnmdlegun«.  ;{;[7 

SiDchschiiitI,  sondern  lassen  den  einzelnen  Merkmalen   einen   mehr  odec 
wHiiier  unbestimmten  Spielraum. 

i.  DU  Repräsentationsltaeorie:  sie  setzt  an  Stelle  des 
uiltoDelischai  Mittels  der  Duichschnittstheorie  ein  einzelnes  bestimmtes 
GMedder  Reibe  der  Einzelvorstellmigen,  z.  6.  Wt,  und  b^iauptet,  daß  dieses 
tls  Repräsentant"  die  Reihe  vertritt.  Die  Auswahl  des  Reprftsentantea 
Tflrde  z.  B.  durch  die  Oberwiegende  H&ufigkeit  der  bei  VTr  vorbandensQ 
HettmalkombiDation  bedingt  sein.  Auch  kann  die  Repr&sentationstbeorie 
noch  die  .Annahme  binzuf aaea,  daB  zuweilen  als  Repräsentant  eine  P  b  a  n  - 
lisievoistellunB  (T81-S.848)  auftritt,  welche  sich  mit  keiner  einzelnen  Vor- 
stellung der  Reibe  vollkommen  deckt,  sondern  ihre  Merkmale  mehreren  Glie_ 
den  der  Reihe  entlehnt  Den  Vertretern  der  Repr&sentationstbeorie  muß  zu- 
ntrben  werden,  daB  bei  dem  Versuch,  eine  AUgemeinvorstellung  bestimmter 
la  denken,  oft  eine  solche  Reprisen tationsvorsteüune  auftaucht,  andrerseits 
Dl  tber  der  Einwand  zu  erbeben,  daß  solche  Repräsentationsvorstallungen 
nidit  selten  gänzlich  fehlen  und  sich  erst  bei  einer  auadr&ckliches  Bo- 
müfauDg  hinterdrein  einsteUen  und  sogsf  zuweilen  auch  bei  einer  sokheä 
audileiben  (2.  B.  bei  den  meisten  abstrakten  Vorateltuugen).  Dazu  kommt, 
iti  die  Repttsentationstheorie  uns  gar  nicht  sagt,  worin  die  Repräsentation 
besteht  oder  anders  ausgedrückt,  worin  sich  Wr  als  Repräsentationsvorslei- 
iOLt  Ton  Vr  als  einzelner  Vorstellung  unterscheidet. 

5.  Die  Zentraltheorie:  diese  sucht  dem  Kuletzt  hervorgehobenen 
)iangel  der  Repräsentation stheorie  durch  eine  Hiltshypothese  abzuhelfen.  Sie 
itiiniQt  nämlich  an,  daB  die  Bepräsentationsvorsteltung  dadurch  reprftsen- 
Uerend  wtikt,  dafi  sie  mit  den  übrigen  Ws  durchgängig  irgendwie  verknüpft 
ist  und  diese  daher  immer  „mitschwingen"  oder  jeden  AujKnblick  in  Aa^ 
knüphuig  anWr  gewissermaBen  als  Beispiele  reproduziert  werden  können  '"). 
Die  Zeniraltheorie  scheitert  im  ersterea  Fall  —  bei  der  Annahme  eipea  „Mit- 
schwingens" —  o0enhar  daran,  daB  sie  die  psychologiscbe  Bedeutung  dieses 
UÜBcbwingens  ganz  unklar  IBBt  und  uds  mit  einem  Vergleidi  abspeist,  tm 
letzteren  Fall  aber  —  bei  der  Annahmo  einer  potentiellen  AnknQpfung  der 
uderen  Ws  —  wird  der  Maugel  der  Repräsentatioostheorie  Oberhaupt  gar 
nicht  beseitigt:  es  wird  uns  nicht  gesagt,  worin  das  Vertreten  der  Repräsen- 
tationsvoratellung  (Zentral  vor  Stellung)  besteht,  wenn,  wie  dies  so  oft  vor- 
komml,  jene  fakultative  Anknüpfung  anderer  Wb  ausbleibL  Die  potentieüs 
AnknQpfung  muB  sich  doch  auch  schon  aktuell  in  irgend  einer  Weise 
pfaäDoroenologisch  in  Wr  äuBem,  damit  aus  Wr  die  AUgemeinvorstellung  W 
•ird,  und  über  eine  solche  AuSenmg  gibt  die  Zentrqltheorie  keine  Ankunft, 
rtmer  versagt  auch  sie  dem  anderen  Einwand  gegenüber,  der  oben  gegen 
lue  Repräsentation stheorie  erhoben  wurde:  sehr  oft  fehlt  bei  dem  Denken 
OMr  AUgemeinvorstellung  jede  repräsentierende  VorsteUnog. 

6.  Die  Worttheorie:  sie  ist  nur  eine  Variante  der  Reprüsentations- 
UwcBie  und  nimmt  an,  dafi  das  Wort  —  die  akustische  Wortvorstellung  oder 
lue  Sprechbewegung  oder  gar  eine  überhaupt  nicht  einwandfrei  nachgewiesene 
„SgiechbewegungsvorsteUung"    — '  den   Repräsentanten   für    die   Allgemein- 

**)  Man  fcarm  diese  Variante  auch  als  Exemplifikalionstheorie  bezeichnen. 
Bin  Vertreter  dieser  Ansicht  — '  allerdings  mit  Hinneigung  zuir  Worttheorie 
'S-  S.  38S)  —  ist  Hume  (Treal.  of  hum.  nat.  I,  1,  7);  er  sagt  ausdrflckUch, 
'Üe  zugehörigen  Individualvorsteltungen  seien  „not  really  and  in  fad  present 
to  Ihe  rnind,  bul  only  Id  power". 

Ziehen,  LeliAaclt  der  Logik.  22 


1,1^.001 


'S'c 


338      11-  Tri!.    Erkgimtpistheoreliache  vsw.  Grandleguos  der  Losik. 

vorstellunB  abgibt  und  die  sachlichen  EinzetvorsteUunsen  (ObidclTorsteUangeD) 
W,,  W,  usf.  nur  mitschwingen  oder  anceknüplt  werden  können.  Der  extreme 
Nominaüanius  des  MiUdalters  (vgl  g  17  ff.)  stand  zum  Teil  auf  einem  Ihn- 
lichen  Standpunkt.  Die  Mängel  der  Repräseniationa-  und  der  Zentnltheorie 
bleiben  bei  der  Worttheorie  bestäien:  das  „Mitschwingen"  der  Obidctvoratel- 
lungen  gibt  uns  keinerlei  wirkliche  Aufklftning  und  die  potentielle  Anknüpfung 
keinen  £isatz  fOr  die  aktuelle  Eigenartigkeit  der  AllgemeinvorsCeUunE.  Die 
iWorttheorie  fügt  aber  außerdem  noch  den  Fehler  hinzu,  daß  sie  die  gegen- 
seitige Beziehung  der  Einzelvorslellungen,  welche  ofienbar  für  die  Geneiali- 
sation  wesentlich  ist,  ganz  beiseite  schielrt  und  offen  läBt,  wie  die  zusamm«i 
„mitschwingenden"  Einzelvorstellungen  sich  zueinander  verhalten.  AJlgemein- 
voratellungen  und  Komplezionsvorstellunsen  fallen  dabei  ganz  zuummen. 
Endlich  ist  —  unbeschadet  der  enormen  Bedeutung  der  Worte  fOr  die  Ent- 
wicklung der  AllgcmeinvorstellungeQ  und  das  Denken  —  nicht  einmal  richtig, 
daß  alle  Allgemeinvorslellungen  stets  von  Worten  begleitet  sind. 

Don  angefüluien  Mängeln  der  zwei  letzten  Theorien  wird  auch  dadureh 
nicht  abg^olfen,  daß  man  mit  Ribot^^)  u.  a.  die  vonWr  repriaeutierten, 
d.  h.  also  die  mitschwingenden  oder  potentiell  vorhandenen  Vonteltunien 
W^,  W  usf.  als  unbewußte  oder  latente  Faktoiten  autfaßL  'VVü-  kommen 
auch  hierbei  nicht  Ober  die  Tatsache  hinweg,  daS  die  bewußte  AUgemeiD- 
vorstelluDg  als  solche  mehr  ist  als  «ine  einzelne  Repräsentationsrorstdlung 
oder  eine  Wortvorslellung. 

Man  kann  sich  natürlich  zur  Erklärung  unseres  Denkens  vom  Stand- 
punkt dieser  Tlieorien  zunächst  ganz  gut  zurechtlegen,  daß  wir  dank  den 
mitschwingenden  oder  pot«nt>eUefl  oder  imterbewußten  Vorstellungen  in 
nnserem  Denken,  z.  B.  bei  einem  allgemeinen  Urteil,  zu  einer  richtigen  Tor- 
stellungsverkndpfuDg,  z.  B.  zu  einer  richtigen  Frädikatsvorstelhmg  gelangen; 
ober,  wenn  diese  angeknüpften  Vorstellungen  wiederum  in  unserem  bewußten 
Denken  nur  Repr&sentations-  oder  Wortvorstellungen  sind,  so  wäre  schließ- 
lich das  allgemeine  Urteil  abgelaufen,  ohne  als  solches  bewußt  vodianden 
gewesen  zu  sein,  eine  Konsequenz  die  offenbar  mit  der  Selbstbeobachtung 
Huniiaus  in  Widerspruch  steht.  Diese  lehrt,  daß  auch  aktuell  die  Allgemein- 
voretellung  und  das  AUgemeinutieil  mehr  als  ein  bloßes  Beispiel  oder  Wort  ißt. 
7.  Die  Exzerptionstlieorle:  sie  besagt,  daß  die  Allgemein- 
vorstellune  —  natOriicb  inaner  im  psychologischen  Sinn  —  mit  der  Summe 
der  gemeinsamen  Merkmale**)  der  £inzelvoratellungen  W^.W^, W^... 
identisch  ist.  Es  wäi«  also,  wenn  g  ,  g^,  g,  ■ .  -  und  ebenso  h^,  h^,  b,  . . .  usl. 
semeinsame,  d.  h.  Obereinstimmende  oder  &hnUche  Merkmale  der  Einzel- 
TOTstelhingen  W^,  W^,  W, ...  sind,  die  Allgsmeinvorstellung  Wcsg  -{-  b-i-  ... 
(wo  g  :^  gj  =1  gj  =:  g,  usL,  h  =  h,  :=  hj  ^  h,  usf.).  Die  nicht  gemeinsamen, 
d.  h.  nicht  Obereinstimmenden  MeHcmale,  die  beispielsweise  als  \  (_=  be- 
sonderes Meriunal  von  W,),  y,  (=  besonderes  Merkmal  von  W,),  z»  ud. 
bezeichnet  werden  soUen,  wQiden  nach  dieser  Theorie  bei  der  Bildung  der 
Allgemeinvorstellung  ganz  weglallen.  Auch  die  Ezzerptionstheorie  gerät  mit 
den  Tatsachen  der  psychalogiBchen  Selbstbeobachtung  in  Widerspruch.  Es 
iit   nicht  richtig,  daB  die  nicht  Ubereinstimm enden   Merkmale  ganz  weg' 


»)  L'6volutian  des  id6es  gänfiiales,  Paris  1897,  3.  Aufl.  1909  (z.  B. 
S.  361)  a  EnquGte  sur'tes  idtes  g^n^rales,  Rev.  philoa  1891,  Bd.  3S,  Oki^ 


*■)  Auch  hier  gilt  die  Bemerkung  auf  S.  886  Anm.  3. 

D„:iv,  11,1^.001^10 


2.  Kapitel.    Psychologische  Gmndleaung.  339 

felasaen  uod  die  abereinstimmenden  demenlwrechend  in  der  Allgemein- 
vorsdDung  sAaz  isoliert  gedacht  werden.  Weder  das  Meriunal  „weifi"  noch 
das  Ueiiinal  ,;tQi"  wird  von  demienigeQ,  der  außer  roten  auch  weifie  Romu 
■«eben  bat,  in  der  AUgeroeinvontelluiig  „Rose"  ganz  woggelaäsen,  sondern 
tcidc  werden  in  einer  noch  nahet  zu  bestünmenden  Weise  mitgedacht,  nur 
mä  das  MeAmal  „weifi",  wia  «s  voiUufig  auvodrOckt  werden  mag,  ent- 
sprechend dem  selteneren  Sehen  weüter  Rosen  in  der  AUgemeiDVotstelluug 
leniier  akzentuiert  als  das  Herkmü  >,rot".  Auch  venast  die  Exzerptions- 
Uieorie  ganz,  wenn  es  sich  um  die  Oeneralisalion  von  proplnqual  ihn- 
lidwn  Einzehrorslellungen  statt  frustal  ähnli^er  hand&lt"). 

Beikeley  (Priociples  of  human  knowledge,  Introduction,  Sect.  8fl.  u. 
Alcipbroii,  Sect.  6—7  der  1,  u.  3.  Ausgabe,  in  der  8.  Ausgabe  t.  J.  17&3  be- 
DHrkniswerterweise  weggelassen)  hat  gegen  die  Ezzerptionstheorie  auch  ein- 
»wendet,  daB  die  von  derselben  angenomncenen  Vorstellungen,  z.  B.  eines 
DreiKks,  das  weder  siatz-  noch  stumpf-  noch  jechlwinklig  sei,  also  keine 
twtunnla  Winkel  habe,  gar  nicht  existieren.  Dieser  Einwand  ist  un- 
mtnflend,  so  khireich  und  anregend  auch  die  Beikeleysche  Auseinander- 
t«tnuig  in  maocben  Beziehungen  sein  mag.  Berteley  schUeBt  aus  der  Tat- 
nche,  daS  solche  AUgemeinvorstellungen  wie  Dreieck  nicht  anschaulich 
Toigestdll  werden  können,  mit  Unrecht  daB  sie  Oberhaupt  nicht  gedacht 
Verden  können,  also  nicht  existieren.  VgL  Gr.  S.  167,  Anm.  1  u.  KQlpe,  Die 
ßeaSsienmg,  Bd.  1,  Leipzig  1912,  S;  130,  der  gleichfalls  die  Triftigkeit  des 
Betieteyschen  Einwandes  bestreitet  >•).  G.  £.  MtlUer  (Zur  Analyse  der  Ge- 
dichtDist&tigkeit  u.  des  Vorstellungsveriaufes,  Ztschr.  f.  PsychoL,  Ergfcnz.- 
Bd.  6,  namentl.  S.  Ö65  u.  SM)  hat  Berkeley  gegenüber  Einwänden  von  Binet 
(L'äude  expirimenlale  de  llnteliigence,  Paris  19C&>  einerseils  mit  Recht  in 
Schutz  genommen,  andrerseits  aber  der  BeAeleyschen  Lehre  doch  wohl  einen 
«twis  korrekteren  Inhalt  gegeben,  als  sie  ihn  tatsiLcbhch  hat.  Berkeley  be- 
streitet n&mlich  nicht  schlechthin  die  Existenz  allgemeiner  Votstellungen, 
sondern  diejenige  „abstrakter  allgemeiner  Vorstellungen"  (abstract  geneial 
ideas)  und  versteht  unter  Abstraktion  das  Weglassen  (leave  out}  von  „parti- 
colais",  d.  h.  nicht  allen  Reibengliedeni  gvotelnsamen  Besonderheiten.  Ja. 
er  nklärt  sogar  ausdrOcklich  (1.  c.  Sect  1(1},  daB  er  auch  dieses  Weglassen 
TOD  Teilen  oder  Merkmalen  aus  einem  Komplex  nur  dann  for  unmöglich  hAlt, 
wenn  sie  in  Wiriüichkeit  niemals  ohne  den  Komplex  existieren^'}.     Sein 


'>)  Siehe  oben  S.  327. 

'*)  Von  sonstigen  Besprechungen  des  Berkeleyschen  Arguments  ist 
oucenllich  zu  nennen:  J.  J.  Engel  (1741—1802),  Über  die  Bealit&t  allgemeiner 
Begrifle,  Schriften  Bd.  10.  Philosoph.  Schritten  2.  Teil,  Berlin  18061,  S.  IM; 
O.Liebmanii,  Zur  Analysis  der  Wirklichkeit,  3.  Aufl.  Strasburg  190(^  S.478ft.; 
HuMeri,  Log.  Untersuch.,  Teil  2,  Halle  1901,  S.  132  (t.  u.  176  ff.  (2-  AuD. 
S.  133 fl.  u.  175 ff.);  A.  Meinong,  Uume-Studien  1,  Sitz.-Ber,  d.  philos.-hi5t 
KL  i.  Kais.  Ak.  d.  Wiss.  in  Wien  1877,  Bd.  87,  S.  186 ff.;  J.  Volkelt,  Philos. 
Üonatsh.  ISei^  Bd.  17,  S.  129  (Annahme  eines  „intuitiven  Verstandes").  So 
nrd  es  auch  verstfindlich,  wenn  Wundt  in  seiner  Ixigik  (2.  Aufl.,  Bd.  1, 
S>  9S)  von  einem  „Postulat  der  Allgemeingültigkeit"   spricht 

")  Beiliofig  bemeikt,  bedeutet  dies  ein  sehr  bedenkliches  Bekunieren 
^  «BS  hypothetisch^  nicht  n&ber  bezdchnete  „reale  Existenz".  Ventefat 
»»D  di«M  wortlich  und  im  Qbbchen  Snn,  so  hätte  man  dodi  alle  Unacb* 

hi.e.v.oo^ic 


340      II'  l"^''-    Erkennlnistheoretischc  usw-  Grundlegung  der  Logik. 

ArgumcDt  für  die  Nicht- Existenz  solcher  abstrakter  Varstellungen  ist  ihre 
UnanschftuUchkeit,  und  dies  Argument  eben  ist  unzutrellend.  Wenn  nun 
G.  E.  HoUer  die  Berkeleyacbe  Abstraktheit  als  inhalUiche  Unbestimmtheit 
deutel,  so  entsteht  leicht  der  Anschein  lugunslen  Berkeleys,  als  ob  es  sich 
bei  den  von  ihm  geleugneten  Vorstellungen  nur  um  solche  handelt,  denen  im 
Widerspruch  mit  der  singuliren  Bestimmtheit  (Eindeutigkeit)  alles  Existie- 
renden bzw.  Geschehenden  (vgl.  S.  296)  eine  mit  dem  Existieren  tatsächlich 
unTertr&gliche  Vieldeutigkeit  (auch  unabhängig  von  der  Obiektbedebung)  an- 
haftet Die  Existenz  solcher  j^nbaltüch  unbestimmter"  Vorstellungen  be- 
streitet G.  E.  Möller  mit  Recht  (S.  067).  Aber  Berkeley  geht  viel  weiter:  er 
versteht  unter  seiner  Abstraktheit  nicht  nur  eine  solche  Unbestimmtheit  in 
dem  eben  angegebenen  Sinn,  sondern  überhaupt  einen  Mangel  an  derjenigen 
VoUstandi^eit,  welche  den  Empfindungen  und  ihren  unmittelbaren  Erinne- 
rungsbildern zukommt.  Die  abstrakten  allgemeinen  Vorstellungen  sind  durch 
diesen  Mangel  an  VollstAndigkeit  charakterisiert,  und  die  Selbstbeobachtung 
ergibt,  daB  sie  nicht  anschaulich  vorsleUbar  sind,  und  hieraus  wird  von 
Bei^ley  gefolgert,  daß  sie  nicht  existieren.  Erst  wird  also  ein  Ki^iium 
aufgestellt,  welches  nur  für  die  anschaulichen  Vorstellungen  zutriftt, 
und  dann  dieses  Kriterium  von  allen  Vorstellungen  verlangt  Barkele; 
scheint  flbrigeus  selbst  £i>&ter  an  der  Richtigkeit  seiner  Lehre  gezweifelt  zu 
haben  (vgl.  dies  Werk  S.  114,  339  a  350). 

8.  Die  Verschmelzungstheorie:  sie  nimmt  an,  daS  die 
GUedN  Wj,  W  ,  Wg  . . .  irgendwie  untereinander  zu  einer  Einheit  verschmel- 
zen. Oft  kommt  dazu  die  weitere  Annahme,  dafl  die  gemeinsamen  Herfcro^e 
(Herkmalvorstellungen)  >*)  g^,  g,  ■  ■  ■,  b,,  h,  . . .  usf.  vAlhg,  die  nicht  gemein- 
samen X,,  Vj  usf.  je  nach  dem  Grade  ihrer  Ähnlichkeit  mehr  oder  weniger 
verschmolzen,  dabei  gehenamt  und  schlieQlich  „dauernd  verdunkelt"  wer- 
den. Herbart  ist  ein  Hauplvertreter  dieser  Theorie  gewesen. ").  Er  hat 
allerdings  zugleich  behauptet,  daB  „allgemeine  BegriHe,  die  bloB  durch  ihr«i 
Inhalt  gedacht  würden,  ohne  äa  Hinabgleiten  des  Vorstellens  in  ihren  Um- 
fang", nur  logische  Ideale  seien  und  fflr  diese  logischen  fdeale  die  Enistefaung 
aus  Urteilen  gelehrt'").  Solche  logische  fdeale  allgemeiner  Vorst^ungen 
stehen  aber  hier  jetzt  noch  gar  nicht  in  Frage,  sondern  ledighch  die  All- 
gemeinvorstellungen  im  psychologischen  Sinn.  Die  logischen  idealen 
Allgemeinbegriffe  Herbaris  könnten  nur  etwa  mit  den  Nonnalvorstelhuten 
der  Ltffiik,  wie  sie  hier  bereits  wiederholt  erwihnt  worden  sind  und  in  der 

zu  fragen:  Hängt  z.  B.  die  Abflirafaiert»arkeit  des  Rosenduftes  wiiUich  etwa 
davon  ab,  dt  ein  unsichtbares  Gas  existiert,  das  uns  sinnlich  allein  durch 
die  Oualit&t  des  Rosenduftes  wahmehmhaf  ist?  Soll  aber  das  „really  exist" 
bedeuten:  „in  meiner  Sinneserfahrung  vorgekommen  sein",  so  wild  die 
Bericelevsche  Behauptung  mehr  als  zweifelhaft:  kann  ich  wirklich  die  Vor- 
Stellung  des  Duftes  der  Rose  erst  dann  gesondert  bilden,  wenn  ich  einmal 
mit  geschlossenen  Augen  an  einer  Rose  gerochen  habe?    Vgl.  auch  Stumpf 

1.  c.  s.  isaft. 

")  Vgl.  S,  336,  Anm.  & 

")  In  etwas  anderer  Form  ist  sie  von  Taioe  aufgestellt  worden  (üb 
l'inteUigencc,  Paris  1667,  übers,  v.  h.  Siegfried,  Bd.  3  Bonn  1880,  namentl. 
S.  169  ff.).    Die  Tainesche  Darstellung  ist  übrigens  mehr  als  oberfUchlich- 

">)  Lehrb.  z.  Psychol.  §  180  u.  81. 

h.  !■,  ii,l^.OOQK- 


2.  Kapitel.    Psvcholosische  Grundlc^nins.  341 

snlochilooen  Grundlegung  der  Logik  ausführlich  enlwickett  werden  sollen, 
TeijUdien  werden. 

Die  Verschmelzungstheone  ist  der  eiofachen  SummationElheorie  insofern 
veit  tiberlegen,  als  sie  den  synthetischen,  von  der  einlachen  Sununatioa 
wescDtlich  Terschiedenen  Prozeß  bei  der  G^neraliaation  ausdrücklich  an- 
etkennl.  Uan  hat  sich  diese  Synthese  natürlich  nicht  etwa  so  vorzustellen, 
daB  die  psychischen  Prozesse  W^,  W  W^ . . .  entsprechend  den  physio- 
Iceixben  Prozessen  ip„  v,,  q>,,  ■■  bei  Kdcm  Auftreten  der  AUgemeinvorstel- 
luDg  stets  erst  wieder  gesondert  auftreten  und  dann  nachträglich  verschmel- 
zea,  sondern  man  hal  sich  -iu  denken,  daD  dem  Zusammenauftreten  der  ' 
physiologischen  Prozesse  gi^,  ip,.  ip,  ...,  welches  mit  einer  gegenseitigan 
Modifikation  dieser  Prozesse  veitnmden  ist^  der  synthetische  Prozeß  der 
AllnemeinvorstcUung  Wi=Wj,  W^,  W^  . , .  entspricht  (dabei  soll  die  hori- 
zoQlale  Elanuner  andeuten,  daß  es  sich  nicht  um  eine  einfache  Sumroation, 
snnden  um  eine  Synthese  bzw.  Komplexion  handelt,  vgl.  S.  3S1).  Andrer- 
seils versagt  jedoch  auch  die  Verschmelzunsstheorie  insofern,  als  sie  keine 
Aufklärung  über  den  Unterschied  der  Verschmelzung  bei  der  Kontraktion 
(vgl.  S.  326),  bei.  der  Komplezion,  insbesondere  der  Kollektion  (vgl.  S.  322) 
und  bei  der  Generahsation  gibt. 

Die  Verschmelzuneslheorie  hat  selbstverständlich  nichts  mit  der  Kanl- 
Kben  Lshre  von  der  Beziehung  der  Allgemeinvorstellungen  auf  „Schemata 
der  Binbildungskraft"  (Kr.  d.  rein.  Vera-,  Kehrb.  S.  144)  zu  tun.  Die  All- 
gemein Vorstellung  (z.  B.  „Der  BegriS  vom  Hunde")  bedeutet  nach  Kant  keine 
Vejscfuoelzung,  sondern  eine  „Hegel  der  Synthesis  der  EinbitdunRskrait", 
nach  welcher  die  letztere  z.  B.  die  Gestalt  eines  vierfüßigcn  Tieres  allgemein 
verzeichnen  kann.  Die  Kanlsche  Auffassung  ist  oben  nicht  als  besondere 
Theorie  angeführt,  neil  sie  offenbar  die  Frage  nur  zurückschiebt;  denn  die 
bei  der  Synthesis  verwendeten  Teilvorstellungen  müssen  selbst  doch  bereits 
ailEemein  sein,  um  bei  ihrer  regelmäßigen  Synthese  die  Allgemeinvorslellung 
zu  liefern.  —  Sehr  nahe  steht  dagegen  der  Verschmelzungslheorie  Tetena 
[Philos.  Vei3.  üb.  d.  menschl.  Nat,  Bd.  1,  S.  129  ft.),  nur  betrachtet  er  di« 
Verschmelzung  als  das  Produkt  eines  Seelenvermögens,  das  er  als  „bildende 
Pichtkraft"  bezeichnet. 

9.  Die  Undeullichkeitstheorie.  Sie  ist,  alrcng  genommen, 
nur  eine  Variante  der  Verschmelzungstheo ne.  Sie  legt  nämlich  das  Haupt- 
Itewicht  darauf,  daß  durch  die  Verschmelzungen  der  nichtübereinstimmenden 
Merkmale  iCj,  y^  usf.  in  bezug  auf  diese  Merkmale  eine  Undeuthchkeit  zu- 
stande kommt,  und  daß  gerade  vermöge  dieser  Undeutlicbkeit  die  Allgemein- 
Totstetlung  befähigt  ist,  assoziativ  als  Ausgangs-  und  Anknüpfungspunkt  for 
die  Einzelglieder  W  W^,  W,  . ,  ..zu  dienen.  Das  letztere  kann  unbedenk- 
lidi  n^egeben  werden  (vgl.  'S.  319  über  Repression),  aber  andrerseits  muß 
eiofewendet  werden,  daß  auch  unzjlhlige  nicht-allgemeine  Vorstellungen  un- 
deutlich sind,  und  daß  also  die  Undeutlicbkeit  zur  psychologischen  Charakte- 
ristik der  Allgemeinvorstellungen  und  der  Generalisalion  nicht  ausreicht"). 

10.  Die  Urteilstheorie.  Nach  dieser  Theorie  entsteht  die  All- 
(emein Vorstellung  aus  Urteilen.  Sie  ist  gewissermaßen  ein  abgekürzter  Aus- 
druck für  eirte  Reibe  zusammengehöriger  Urteile.  Wir  urleilen  z.  B. 
W  =g, +  h,  +  ...  +x,  ...,    VFj,=3gj  +  h,  +  ...  +y,  ...    usf.,   femer 

")  AusfOhilicheres  ober  diese  Theorie  s.  Gr.  S.  160  B.  Auf  dem  Stand- 
Punkt  dieser  Theorie  steht  im  wesentlichen  ^inoza,  Etb.  IT,  Frop.  Vi,  Schal.  1. 


OgIC 


342      1-  T^"'    Erfcenntnislheoretische  usw.  Gnindlegung  der  Logfk. 


e  ziuammeiL  Die  UiträlsthMrie  hat  yor  d«r  V«r9cbinelzungs- 
tfaeorie  den  Vorzug,  daB  sie  die  Zeriesungsakte  (W,  ea  g,  +  h, . . .  utf.)  und 
die  Vvnleicbuiigsakte  (g^  i=i  g,  . . .  usf.)  iu  ihnr  Bedeutung  fOr  die  Genen- 
Usation  besser  wQrdigt.  Andrersäts  ist  sie  jedoch  zwei  entscheidenden  Kin- 
wandea  ausgesetzt  Erstens  ist  von  solchen  Urteilen  (im  üblichen  Sinne  des 
Worts  I)  bei  der  Entstehung  der  meisten  Allgemeinvoistellungan  tals&chlich 
nichts  nachzuweisen;  zwar  können  jederzeit  die  einer  'Generalisation  zu- 
gninde  liegenden  Prozesse  nachtrSsUch  auf  die  Form  solcher  Urtale  gebracht 
werden,  aber  meistens  haben  sie  diese  Form  zunächst  tatsSchllch  nicht.  Und 
zweitens  Obersieht  die  Urteilstheorie  der  Generutisation,  daß  die  Zu- 
sammenfassung der  zugmndeliecenden  Urteile  in  der  Altgemein- 
vorslellung  eben  doch  ein  Akt  ist,  der  über  die  Urteile  hinausgeht  und  selbst 
nicht  wieder  — :  ohne  grobe  Tautologie  —  als  Urteil  gedeutet  werden  darf; 
sie  wird  also  —  und  darin  steht  sie  der  Verschmelzungstheorie  nach  —  dem 
svnthetischen  Prozeß,  welcher  bei  jeder  Generali  sation  eine  Hauptrolle 
spielt  —  nicht  gerecht. 

11.  Die  Funktionstheorie  in  der  Form,  in  der  ich  sie  selbst 
vertreten  habe*").  Nach  dieser  Theorie  handelt  es  sich  bei  der  Generali- 
sation  um  ein  ganz  bestimmtes  Zusammenwirken  dreier  intellektueller  Grund- 
funktionen  (Ditferenzienmgsfunktiooen,  vgl  S.  258),  die  such  bd  den  Ur- 
teilen eine  Bolle  spielen,  nämlich  der  kompanttiven  (oder  kategorialen),  der 
analytischen  und  der  synthetischen  Funktion.  Vermöge  der  analytischen 
Funktion  zerlegen  wi*  die  gegebenen  Vorstellungen  W^,  W^  W^  usl.  in 
gj,  h  , ...  X,...;  f^  hj, ...  y, ...  usf.;  vermöge  der  komparativen  erfassen 
wir  die  Gleichheit,  Ungleichheit,  Ähnlichkeit  und  Un&hnlichkeit  d»  bü  der 
Analyse  isoUerten  Merkmale  hzw.  Teil«  f,,  g^  h,,  h,,  z,,  y,  usf,.  verm^ 
der  Synthese  verschmelzen  wir  W^,  W^,  W^  usf.  zu  einer  Einbrit,  in  der 
jedoch  auf  Grund  der  stattgehabten  Komparation  und  Analyse  die  geinsn- 
samen  Merkmale  (bzw.  Teile)  st&rker  akzentuiert,  die  nicht-gemein- 
samen reprimiert  werden,  und  in  der  die  Vergleichungs-  und  Zerlegunas- 
Prozesse  implicite  mit  enthalten  sind.  Von  der  Kollektion  unterscheidet  sich 
die  Generallsation  mithin  vor  allem  dadurch,  daB  eine  Akzentuation  und 
Verachmelzung  gemeinsamer  Meikmsle  (bzw.  Teile]  stattfindet  und  daher 
nicht  eine  einfache  Zusammenfassung  derindividuellen  Glieder  Wj,Wj,W.... 
zu  einem  Kollektiv iiidi vi duum,  sondern  eine  mit  Abstraktion  verbun- 
dene Zusammenfassung  zu  einer  nicht- individuellen  Einhmt  ei^ 
folgt").  Kontraktion  und  Generallsation  stimmen  vom  Standpunkt  der 
Funktionstheorie  insofern  Qberein,  als  bei  beiden  Abstraktionen  —  Etini- 
nationen  und  Represtöonen  ~-  stattfinden;  während  aber  bei  der  Kontraktion 
die  individuelle  Einheit  festgehalten  (Dieselbigkeitsvorstdiung,  S.  3M)  und 
nur  von  Veränderungen  in  der  Zeit  ahsb^hiert  wird,  wird  bei  der  Generall- 
sation gerade  von  den  individuellen  Verschiedenbeilen  [unabhängig  von  der 
Zeit)  abstrabi«^  und  daher  die  individuelle  Einheit  preisgegeben. 

*')  Entfernt  ähnlich  ist  Kanta  Darstellung  in  seiner  Logik  §  6. 

")  Vgl.  Gr.  5.  1480.;  ich  glaube  jedoch,  meine  Auffassung  ietzt  noch 
etwas  korrekter  als  damals  formuliert  lu  haben.  Insbesondere  ist  der  dort 
S.  149  ausgesprochene  Satz  „die  Kollektion  involviert  überhaupt  keiae  Vor- 
stellungen von  Individuen"  (d.  b.  ändert  an  der  stattgehabten  Bildung  von 
Indivldual Vorstellungen  nichts)  Mißverständnissen  ausgesetzt 


.oogic 


2.  Kapitel.    Paychologische  Grundlegung.  ^143 

'  Übersicht  mag  zur  weiteren  AufklänuK  dieser  wichtigen 
Untersdiiede  vom  Standpunkt  der  Funktionatheoria  dieoen.  Wenn  ich  in 
dner  Herde,  Ton  der  icti  eine  nicht-kontrabiert«  individuelle  Kolklftiwarstej- 
iaag  K  (koUe^ve  KoinplesionsvarsteUung)  gebildet  habe,  nachträglich  ein 
Irüfaer  bereits  voriiandenes,  aber  ßhersehenes  Tier  entdecke,  so  muS  ich  K 
.korrigieren".  Andere  Umbildungen  kommen  nicht  in  Frage,  Kommt 
tatsichlich  ein  neues  Tier  erst  hinzu  oder  stellt  sich  sonst  irgendeine  Ver- 
isderang  der  Herde  ein  und  ich  halt«  die  Vorstellung  derselben  Herde 
fest,  so  bandelt  es  üch  nunmehr  um  die  kontrahierte,  aber  immer 
noch  individuelle  KoUektiworstellung  F  der  Herde.  Wenn  ich  Oberhaupt 
u  der  Dieselbigkeit  des  Gegenstandes,  d,  h.  der  H«de  festhalten,  also  ?,.  B. 
das  neue  Tier  als  zu  derselben  Herde  gehörig  betrachten  will  und  damit  die 
Unveränderlichkeit  von  F  preisgebe  (vgl.  S.  326),  so  nniB  ich  meine  koutra- 
■uerte  individueUe  Koilektiworstellung  im  Sinn  der  neuen  Phase  (Fhudon, 
lB.  der  Vermehrung  um  ein  Stflck),  soweit  es  diese  verlangt,  „.umbilden". 
Dufc  der  Offenheit  der  KontraktionsvontelhmgeD  (vgl.  S,  980)  gelingt  dies 
ohite  Schwierigkeit.  Diese  Umbildung  kann,  wenn  es  weitarhin  eintretende 
Teilnderungen  des  Objekts  erbeischen,  auch  die  gemeinsamen  M.3ii[miüc  be- 
IrefieD,  die  in  der  anfänglichen  Kontraktionavorstellung  zusamutengofaßt 
worden  waren  (z.  B.  die  Zahl  der  Tiere  der  Herde,  wofem  diese  Zahl  in  der 
»Uen  Konlraktionsvoratellung  fest  besttmml  war).  Wenn  hingegen  eine 
Allgemein  vorstdlung  vorliegt  (einerlei  ob  kontrahiert  oder  un kontrahiert), 
W  gestaltet  sich  der  Vorgang  folgeudennaßen :  Wenn  ich  ein  Individuum, 
du  ich  bei  der  Bildung  einer  Artvoratellung  *=)  W  bereits  als  Fundal  ver- 
wettet habe,  nachträglich  richtiger  kennen  lerne,  so  muB  ich  oft  W  dem- 
CAtspcechend  .korrigieren".  Kommt  ein  neues,  bisher  noch  nicht  ver- 
wertetes Individuum  hinzu,  so  muB  ich  wiederum,  wenn  ich  überhaupt  an 
der  Zugehörigkeit  zu  derselben  Art  festhalten  will,  W  „umbilden",  und 
wiederum  kann  sich  diese  Umbildung  auch  auf  die  gemeinsamen  UeAmale 
«strecken,  die  in  der  Allgemeinvorstellung  zusaimnengefaSt  worden  waren. 
Da  auch  die  AllgemeinvorsteUungen  offen  und  umbildbar  sind,  so  begegnet 
üe  Umbildung  keinen  Schwierigkeiten.  Die  individuellen  kollektiven  Kon- 
ttakHonsvorsteliungen  und  die  Allgemeinvorstellungen  stimmen  also  in  der 
OSaheit  und  Umbildbaikeit  in  vielen  Beziehungen  ttberein.  Ein  sehr  wesent- 
üdier  Unterschied  bestdit  jedoch  darin,  daß  die  Offenheit  der  ersteren  sich 
Uf  das  zeitliche  Hinzukommen  neuer  Zustünde  oder  Phasen  (u.  a.  /..  B. 
auch  Vermehrung  um  neue  Individuen),  die  Offenheit  der  letzteren  auf  das 
van  der  Zeit  unabhängige  Hinzukommen  neuer  Individuen  bezieht,  und  die 
Uiildung  der  ersteren  den  individuellen  und  diejenige  der  letzteren  den 
nicht-individuellen  Charakter  der  gebildeten  Vorstellung  bestehen  l&ßt. 

Selbstverständlich  darf  man  sich  nicht  dadurch  irremachen  lassen,  daB 
4e  KoUektiworstellungen  ihrerseits  generalisiert  werden  können  (Beispiel: 
lOgemeinvorstellung  „Herde"),  also  die  Generalisation  sich  der  Kollektion 
■mnponieren  kann.  Solche  generalisierte  Kollektiwarstellungen  mQssen 
KJbBtverständlich  sowohl  die  Meriunale  der  Kollektion  wie  diejenigen  der 
Generalisation  aulweisen. 

Die  mktische  Bedeutung  der  Wortvoratellungen,  namentlich  dec 
«tastischen  für  die  Zusammenfassung  der  Glieder  W^,  W^,  W,  . . .  wird  auch 

")  Ganz  analog  gestaltet  sich  die  Überlegung,  wenn  es  sich  um  Arten 
innerhalb  einer  Gattungsvorstellung  handelt,  usf. 


n,5,t,7rjM,G00glc 


344      "■  ''^^i''    Eritenntnistheoretischp  usw.  Gnindlesung  dw  Loidk. 

von  der  Funktionstheorie  anerlcannt  Ebenso  wird  von  ihr  da^  häufige, 
individuell  tÜbriBens  sehr  variable  Auftreten  und  auxiliare  Wirken  von  aa- 
schaulichen  Repräsentation svorstellunBen  (siehe  oben  S.  337)  nicht  be- 
stj'itten;  nur  behauptet  sie,  daß  weder  diese  noch  iene  das  Wesentliche  dei 
GencralisaUon  ausmachen. 

Damit  ist  zugleich  das  viel  umstrittene  Verhältnis  der  Generalisation  zur 
Abstraktion  (vgl.  S.  318)  bestimmt:  bei  der  Generalisation  sind  Abstraktianen 
beteiligt,  aber  w«der  ist  umgekehrt  jede  Ahatraktion  mit  Geneialisationen 
verbunden,  noch  auch  ial  die  Generalisation  lediglich  aus  Al>stiaktionen 
zusammengesetzt.  So  bemerkenswert  die  Tatsache  ist,  daB  wir  einer- 
seits oft  (nicht  stets)  schon  gebildete  Allsemeinvorstellungen  bei  der  Ana- 
lyse und  Abstraktion  vem-euden,  und  daB  uns  andrerseits  die  Abstreldioii 
sehr  oft  zur  Generalisation  der  isolierten  Vorstellungen  AnlaB  ^l,  so 
bleibt  doch  der  tiefgreifende  Unterschied  zwischen  Abstraktion  und  Gent- 
ralisation  bestehen.  Der  psychologische  Vorgang  ist  weit  verschieden,  wenn 
ich  einerseits  nur  einen  Teil  oder  ein  Merkmal  aus  dner  Empfindung  durch 
Abstraktion  isoliere,  und  wenn  ich  andrerseits  mit  einer  solchen  Abstiaktion 
die  Vorstellung  eines  unbegrenzt  häufigen  gleichen  oder  ähnlichen  Voi- 
kommens  verbinde,  d.  h.  die  isolierte  Vorstellung  allgemein  denke.  —  Dw 
Hinimum  der  Abstraktion  liegt  oBenbar  dann  vor,  wenn  eine  Allgenuili- 
TCrslellung  auf  Grund  Tollkommen  gleicher  Individualvorstellungen 
gebildet  wird.  In  diesem  extremen  Grenzfall  beschränkt  sich  der  Abstr«li- 
tionsprozefi  namJich  auf  die  Wcglassung  der  räumlich-zeitlichen  Individual- 
koetfizienten.    Siehe  auch  oben  S.  333  u.  unten  S.  349,  351  u.  35A. 

I  7a  Dia  bei  der  EnlitaliBHO  ab«diit«tw  TonltOiutu  toMHihi 
FanktiaBaB  (Difin«ultraM*fiu>ktiaBen).  Aus  den  vorausgegangenen  Dar- 
legungen (§  67 — 69)  ergibt  sich,  daß  bei  der  Bildung  alweleiteter  Vorstellungw 
nur  drei  Grundfunktionen  (Stammfunktionen)  beteiligt  sind: 
die  analytische  (zerlegende,  isolierende),  die  synthetische  (ver- 
bindende) und  die  vergleichende  (beziehende,  kategoriale)  Funkhen. 
Da  die  zunehmende  Differenzierung  unserer  Vorstellungen  auf  der  Tätigkeit 
dieser  Funktionen  beruht,  habe  ich  sie  auch  als  Dif  f  eren  zierungs- 
funktionen  oder  noftische  Funktionen  bezeichnet  und  der 
einfachen  Erinnenmgsfunktion  (Hetention)  einerseits  gegenübergestellt  und 
andererseits  mit  ihr  im  Gegen.'^^tz  zu  dem  Empfinden  als  1  deation')  zU' 
sammengefaßL  Es  wird  sich  später  ergeben,  daß  auch  die  weiteren  Denk- 
prozesse, wie  Urteilen,  SchlieBen  usf.  sämtlich  an  die  genannten  drei  Gnind- 
funktionen  gebunden  sind'). 

Alle  Versuche,  diese  drei  Grundfunktionen  nochmals  zu  zeriegen  oder 
aufeinander  zurückzuführen,  sind  mißglückt.     Andererseils  lassen  sich  all* 

')  Auch  der  Terminus  .intellektuelle  Funktionen"  wird  zuweilen  u) 
fthnlichem  Sinne  gebraucht  Vgl.  z.  B.  Kreibig,  Die  intellektuellen  Funklioneiw 
Wien-Leipzig  190B. 

')  Kant  hat  übrigens  an  einer  mir  bisher  entgangenen  Stelle  oüeobar 
d>enfalls  diese  drei  Grundfunktionen,  wenn  auch  in  anderem  Sinne,  im  Auf« 
gehabt.  In  der  Logik  §  6  unterscheidet  er  nämlich  drei  „logische  VetstaodM- 
Aktus,  woduich  Begriffe  ihrer  Form  nach  erzeugt  werden",  nAmlich  1.  die 


OgIC 


2.  Kapitel.    Psycliolosische  Onudleguns-  345 

Denkprozesse  (Vorstelluiutsprozesse  im  weileslen  Sinn)  ausnalimslos  und 
ohae  Rest  auf  einen  dieaer  GrundnroKesse  oder  ein  Zusamm^mviAcn  der- 
selben üurOckTobren. 

Wenn  Wundt")  neuerdings  seine  Apperzeption  als  teila  verbindende, 
leils  zerlegende  Funklion,  beidemal  aber  ziuleich  als  beziehende  Funktion 
deutet,  so  deckt  sicli  dies  sachlich  in  vielen  Beziehungen  mit  der  eben  ent- 
wickelten Lehre;  es  bleibt  nur  unverständlich,  was  die  nominelle  Vereinisune 
der  drei  Funktionen  unter  einer  „Apperzeption"  dabei  noch  zu  bedeuten  hat. 

Die  fetzt  vielfach  beliebte  Bezeichnung  ,jVkt"  ist  für  die  drei  DiSe- 
reD<;ieningspro2es3e  sehr  wohl  zulässig.  Man  muQ  sich  nur  hüten,  iittendeine 
willkOiliche  Ich-Hypothese  mit  diesem  Terminus  versteckt  einzuführen,  und 
Doxi  bectchlen,  daS  auch  die  einlache  Reproduktion  mit  ähnlichem  Recht  als 
-4 tl  bezeichnet  weiden  kann. 

In  den  oben  erörterten  psychischen  Prozessen  der  Exkretion,  Isolation, 
Kontraktion,  Komplexion,  Komparation  und  Generalisation  ist  kaum  jemals 
nur  eine  der  drei  Differenzieruneslunktionen  tätig.  Allerdinga  dominieil 
l>ei  der  E^ietion  und  Isolation  ganz  die  analytische,  bei  der  Komplexion 
eanz  die  synthetische,  bei  der  Komparation  ganz  die  vergleichende  Funktion, 
aber  es  muBte  doch  allenthalben  hervorgehoben  werden,  daS  im  tatsächlicbcR 
Ablauf  der  Prozesse  immer  noch  eine  zweite  oder  sogar  die  beiden  anderea 
Foctilianen  mitbeteiligt  sind.  So  erstreckt  sich  z.  B.  die  Komparation  meist 
auf  eizemierie  oder  isolierte  Merkmale  usf.  Vollends  ist  die  Kontraktion 
und  Generalisation  ohne  ein  kompliziertes  Zusammenwirken  aller  drei  Funk- 
tionen gar  nicht  denkbar. 

Im  einzelnen  sei  im  Hinblick  aul  spätere  Verwendung  in  den  speziell 
loziscben  Abschnitten  Ober  die  Beziehung  der  Differenzierungsfunktionen  zu 
den  oben  besprochenen  psychischen  Prozessen  noch  folgendes  bemerkt.  Die 
Abstrattion  (vgl.  S,  318)  gehört  nicht  zu  den  Grundfunklionen,  son- 
dern bt  nur  ein  Spezialfall  der  Tätigkeit  der  analytischen  Funktion, 
Jede  Abstraktion  setzt  also  einen  analytischen  ProzeB  voraus.  Nach  oder 
such  zugleich  mit  der  Zerlegung  (Analyse)  werden  die  aus  ihr  hervor- 
gegangenen Teilvorstellungen  (S.  319)  teils  weggelassen,  teils  festgehalten. 
Die  festgehaltenen  Teil  Vorstellungen  werden  durch  das  W<^lassen  der  übrigen 
iMlierl  (vgl.  S.  918).  Ist  die  Weglassung  unvollständig,  findet  also  nur  eine 
He[»e3sion  statt,  so  ist  auch  die  Isolation  unvollständig,  und  es  tritt  an  ihre 
Stelle  die  Akzentuation  (S.  B19).  Für  die  Weglassung  bzw.  Repression  und 
die  Isolation  bzw.  Akzentuation  eine  neue  GrundTunktion  anzunehmen,  er- 
scheint ganz  überflüssig,  da  es  sich  nur  um  eine  relative  Verschiebung  der 
Voistellcngsenersie  handelt  und  diese  Verschiebung  nach  den  Assoziations- 
ttsdzen  abläuft,  also  keine  neue  Funktion,  sondern  eben  nur  eine  Intensiläis- 
Saderung  involviert;  die  Funktionsart  der  sich  assoziierenden  Elemente 
kommt  dabei  als  sokhe  gar  nicht  in  Betracht,  Beachtenswert  ist  nur  Jie 
enge  Beziehung,  welche  sich  aus  dieser  Darlegung  zwischen  der  Abstraktion 

fümparalion,  d.  i.  die  Vergleichung  der  Vorstellungen  untereinander  im  Ver- 
liällnisse  zur  Einheit  des  Bewußtseins,  2.  die  Heflexion,  d.  i.  die  Überlegung, 
we  verschiedene  Vorstellungen  in  einem  Bewußtsein  begriHen  sein  können, 
und  31  die  Abstraktion  oder  die  Absonderung  alles  übrigen,  worin  die  ge- 
gebenen Vorstellungen  sich  unterscheiden. 
*;  Wundt,  Bd".  3,  S.  5«. 


jM,Googlc 


346     II-  Teü.    ErkenntDistheoreüBche  usw.  GnmdlecunE  d«-  Lwik. 

und  der  Aufmerksamkeit  ergibt *).  Hierbei  mag  anch  ausdrücklich 
in  ErK&BZuns  der  S.  317  gegebenen  BestimmuDgen  festgesetzt  werden,  daB 
unter  Abstraktion  nicht  nur  der  ProzeB  der  Weglassung  (Repression),  sondern 
auch  der  koordinierte  positive  Prozefi  der  Isolation  (Akzent uation)  verstanden 
werden  soll:  Von  den  weggelassenen  bzw.  reprimierten  Teilvorstellungen 
wifd  abstrahiert,  und  die  isolierten  bzw.  akzentuierten  Teilvoistellnngen 
werden  abstrahiert"),  —  In  ähnlicher  Weise  muB  auch  zwischen  Kam- 
ple x  i  o  n  und  Synthese  unterschieden  werden.  Die  Komplerion  ist  nur 
der  einfachste,  ganz  unkomplizierte  Spezialfall  der  STnthese.  Auch  bei  jeder 
Kontraktion  und  bei  jeder  Generalisation  findet  eine  Synthese  statt  (kontra- 
hierende und  generalisierende  Synthese).  Charakteristisch  fOralle  syntbetischeu 
Vorgänge  ist  eine  nicht-definierfaare  „Verschmelzung",  durch  welche  an  Stella 
mehierer  fundierende»  Vorstellungen  V^,  Vj,  V,  . . .  eine  einzige  V  gesetzt  wird. 
Im  Fall  der  gewöhnlichen  Komplexion  ist  die  synthetische  Versctunelzunc 
nicht  mit  einer  Vereinfachung  verbunden:  durch  die  Verdnheillicbung  wird 
keine  Vermindening  der  Zahl  der  Heikmale  (Tcilvorstellunsen)  herbeigeFührt. 
dagegen  ist  im  Fall  der  Kontraktion  und  der  Generalisation  die  synthetisch 
entstandene  Vorstellung  V  stets  meAmallrmer  als  die  fundierenden  Vorstel- 
Inngen  V,,  V  usf.  in  ihrer  Gesamtheit  und  auch  oft  (nicht  stetsi  vtf. 
S.  3S9  u.  3&t)  merkraalärmer  als  die  einzelne  fundierende  VorstelluDf. 

Der  Terminus  „zusammengesetzt"  hat  einen  doppelten  Sinn. 
Entweder  bedeutet  er  „durch  Synthese  entstanden"  oder  —  im  (SegensaU 
zu  einfach  -—  ,4n  Teilvorslellungen  zerlegbar".  Eine  KomiriexioncvorsteUuns 
ist  stets  in  beiden  Bedeutungen  „zusammengesetzt".  Eine  Kontiaktions-  und 
ebenso  eine  Allgemeinvorstellung  hingegen  ist  zwar  stets  zusammengesetzt 
im  ersten  Sinn,  kann  dabei  aber  sehr  wohl  einfach  sdn.  So  ist  z.  B.  dia 
Vorstellung  „Farbe"  nicht  in  „Teil" Vorstellungen  zerled»r,  aber  doch  dunli 
Synthese  aus  den  „Gliedern"  rot,  grün  usf.  entstanden.  VgL  hierzu  die  Be- 
merkungen Aber  den  TJnterechied  von  Teilen  (Merkmalen)  und  Gliedern 
S.  330  u.  33&. 

Für  die  Logik  ist  die  Talsache  besonders  wichtig,  daB  unter  den  Di&s- 
renzierungsfunktionen  zwei,  nämlich  die  analytische  und  die  synthetische 
i  n  V  e  r  s  zueinander  sind  oder  —  anders  ausgediflckt  —  die  eine  die  inveise 
der  anderen  ist,  insofern  die  von  der  einen  hervorgebrachte  Transformation 
durch  eine  entsprechende  Tätigkeit  der  anderen  wieder  rückgängig  genutdit 
werden  kann  (vgl.  S.  921).  Dabei  ist  nur  bemertcenswert,  daß  in  bestimmten 
raUen  eine  Analyse  (Isolation,  Abstraktion)  möglich  ist,  ohne  dafi  jemals 
eine  uns  als 'solche  zum  Bewußtsein  kommende  Synthese  stattgefunden  hat 


*)  So  spricht  schon  Gilbert  Porretänus  an  der  S.  318,  Anra.  i  aaielühr- 
len  Stelle  von  „abstractim  attendere".  In  besonders  klarer  Weise  ist  die  Be- 
ziehung der  Abstraktion  zur  Aufmeriisamkeit  von  Hamilton  dargestellt  wor- 
den (z.  B.  Lectures  on  logic,  No.  7, 1866,  S.  123).  Der  Versuch  Hamiltons  iedocb, 
mit  zwei  Grundfunktionen,  coiiH>ariBon  und  abstraction,  auszukomoen,  ist 
gescheitert  J.  St,  Mill  hat  Hamiltons  Lehre  von  der  Beziehung .  der  Aufmerk- 
samkeit zur  Abstraktion  weiter  ausgebildet  und  im  Sinn  seines  lofiGchen 
Systems  umgestaltet  (An  exam.  of  Sir  W.  Hamiltons  philosopby,  London  1d6E>. 
S.  320). 

^)  Salpe  (Bericht  über  d.  1.  Kongr.  f.  ezp.  FsychoL  zu  GieBen,  Leipzig 
190*,  S.  66)  spricht  in  diesem  Siim  von  positiver  .Ibstraktion. 


OgIC 


2.  Kapitel.    Parcbologische  Onmdlegung.  347 

So  kOonen  wir  uns  z.  B.  die  Vorstellung  der  Farbe  üoes  ges(Aenen  Gegen- 
sltades  asalTÜsch  unter  Abstraktion  von  seiner  Form  büden  (allerdings  nur 
uniDscbaiilich],  obne  daß  wir  iemals  eine  Svnthese  von  Fonu  und  Farbe 
tuagefObrt  bitten;  da  uns  beide  stets  zusammen  gegeben  sind,  hatten  wir 
Die  Gelegenheit  und  Veranlassung  zu  einem  besonderen  synthetischen  Akt. 
Nur  bei  Gegenständen  der  Phantasie  vollziehen  wir  Synthesen  von  Fonn 
und  Farbe  (vgl.  die  Beroeitungen  S.  320  Ober  Adhärenz}. 

Für  die  vergleichende  Funktion  existiert  eine  analoge  inverae  Funktion 
niehL  DalOr  bat  sie  eine  andere^  auch  logisch  sehr  bedentsame  Eigenschaft. 
Sie  tiitt  n&mlicb  bald  „median",  bald  „polar"  auf:  im  ersteren  Falle 
wird  schlechtbin  eine  Beziehung  zwischen  einem  a  und  einem  ß  gedacht 
(£.  B.  Verschiedenheit,  Gleichheit,  Freundschaft  usf.),  im  letzteren  wird  die 
Beziehung  als  eine  Eigenschaft  (Merkmal)  des  a  gegenüber  dem  ß  oder  des 
ß  legenQber  dem  tx  gedacht  (Z.  B.  verschieden  von  ß,  gleidi  ß,  grÄBer  als  ß, 
Utiner  als  a,  rechts  von  ßasi.).  Polai  kann  das  Ergebnis  jeder  Vergleichung 
iloppelt  ausgedrückt  werden;  a:=ß  oder  ßt=.a,  a>-ß  oder  ^  <a  ust 
EHne  doppelte  Formulierung  hat  nichts  niit  einer  Inversion  zu  tun  und  soll 
daher  mit  dem  hesondeien  Terminus  ,3  e  z  i  p  r  0  z  i  t  ä  t"  bezeichnet  werden. 
Werden  die  Vorstellungen,  auf  welche  diese  polare  Übertragung  der  Delation 
stattfindet,  mit  der  Belalion  bzw.  dem  übertragenen  Relation smeitmal  zu 
tiner  Einheit  verschmolzen,  so  ergeben  sich  die  oben  (S.  32t  u.  825)  be- 
^irothenen  R  elatarvorste  llungen  (Vatei^  Sohn  usf.).  Zwei  zu- 
mmnengehörige  Relatarvorstellungen  heiBen  korrelat  zueinander. 

Bei  der  polaren  Übertragung  verhalten  sich  die  RelationsvorsteUungen 
onler  sich  insofern  veiscbieden,  als  manche  in  genau  derseiben  Weise  fflr 
die  beiden  Relationsobiekte  a  und  ß  gelten  (z.  B.  Gleichheit  bzv.  gleich,  Vec- 
setiedenheit,  Freundschaft),  andere  dagegen  nur  für  die  Beziehung  in  einei 
Richtang  gelten  und,  um  in  der  anderen  Richtung  zu  gelten,  umgewandelt 
werden  müssen  (z.  B,  Vaterschaft,  Sohnsehatt;  GrOBersein,  Eleinersein  usf.). 
Im  enteren  Fall  ist  die  Relationsvorstellung  symmetrisch  oder  um- 
iüabu  (reveraibel),  im  letzteren  unsymmetrisch  oder  ununAehrbar 
(irreversibel).  Dieser  Unterschied  überträgt  sich  auch  auf  die  Relatarvorstel- 
!nngeii  (Freund ;  Vater  —4  Sohn  usf.). 

Bin  weiterer  wichtiger  Unterschied  zwischen  den  drei  Grundfunktionen 
Bitibt  sich,  wenn  man  untersucht,  wie  weit  die  durch  ihre  Tätigkeit  ent- 
standenen abgeleiteten  Vorstellungen  über  den  gegebenen  fundierenden  Tat- 
bestand hinausgehen  (einerlei  ob  dieser  im  Bereich  der  Empfindungen  oder 
in  demjenigen  der  Vorstellungen  liegt).  Während  n&mlich  die  Analyse  und 
<&  Komparation  als  solche  keinen  durchaus  neuen  Tatbestand  schaffen  *), 
tut  lües  die  Synthese  olt  (S.  30a,  Anm.  3).  Wir  können  sc«ar  Vorstellungen, 
die  Belbst  und  deren  Grundempflndungen  traher  niemals  zugleich  oder  in  un- 
miltelbarer  Folge  aufgetreten  sind,  zu  neuen  Komplexionsvorstellusgen  zu< 
^uanensetzen.  Diese  besondere  Form  der  synthetischen  Tätigkeit  bezeichnet 
»Q  »m  besten  als  Kombination  und  die  so  entstandenen  Voistellungen 
aliEombinationsvorstellungen^).   Je  nachdem  mehr  Individual- 

*)  Wo  es  den  Anschein  hat,  als  oh  auch  die  Analyse  oder  die  Kom- 
Daniioi)  einen  neuen  Tatbe'stand  schaBt,'  ULBt  sieb,  wie  ich  glaube,  stets 
uchveisen,  daß  auch  Synthesen  beteiligt  sind. 

')  Or.  S.  112a.,  Ltf.  S.  aeSH.;  Wtmdt  S.  5*81.  u.  606ff.  Daß  eine 
Miehe  Entstehung  der  Komhinations Vorstellungen  mit  d«at  Kontignit&tageKtz 


OgIC 


34S      II-  1'^''-    ErkennlDistheorelische  usw.  Qrundlefuns  der  Logik. 

oder  melu-  AllgemeinvorsleUungen  bei  der  Bildunn  von  KombinaLorsvorstel- 
luDsen  beleiliBt  sind,  kann  man  unter  den  KombinationsTorstellungen 
Phantasievorstellungen  und  Spekulationsvorstellua- 
8  e  n  unterecheiden  *).  Gegenüber  den  fundierenden  Vorstellungen  zeigen 
diese  Konüunations Vorstellungen  einerseits  zahlreiche  Auflösungen  und  Weg- 
lasBungen,  andrerseits  zahlreiche  Synthesen  und  ZufOgungen.  Dadurch,  daS 
die  Kombinationsprozesse  sich  an  allen  den  besprochenen  Vorstellungs- 
eattungen  abspielen  und  auch  wieder  ihrerseits  zum  Gegenstand  von  Kom- 
parationen, Kontraktionen  und  Generalisationen  werden  können,  ergilA  sich 
eine  schier  unübersehbare  MannigfalÜKkeit  neuer  VorsletlungsgebiMe,  die 
jeder  Klassiflitalion  zu  spotten  scheint  ■),  oUenbar  aber  durchaus  unsoeni 
tatsäcliUchen  alllSgUchen  Erleben  entspricht. 

%  n.  Abstrakt«  vai  kanknla  TontaUum.  FrQlier  glaiüjte  nuui 
zwischen  abstrakten  und  konkreten  Vorstellui^en  eine  scharfe 
Grenze  ziehen  zu  können.  Es  hat  sich  jedoch  mdir  und  mehr  gezeigt,  da£ 
wenigstens  psychologisch  eine  solche  scharfe  Grenze  nicht  existiert. 
Dazu  kommt,  daB  man  die  Bezeichnung  „abstrakt"  (und  „konkret")  in  sehr 
verschiedenen  Bedeutungen  verwendet  bat  (vgl.  S.  31^  Arno.  4).  Am  nächsten 
liegt  es,  als  abstrakt  alle  diejenigen  Vorstellungen  zu  bezeichnen,  bei  wekben 
bereits  irgendwefche  Abstraktion  oder  Weglassung  in  dem  ot>en  festg^el^ten 
Sinne  (v^l.  S.  318)  stattgefunden  hat,  und  als  konkret  diejenigen,  bei  vetchen 
keine  solche  Abstraktion  erfolgt  ist.  Dabei  bleiben,  streng  genommen,  nur 
die  primären  integralen  individuellen  Erinnerungsbilder  für  die  Klasse  der 
konkreten  Vorslellungen  übrig;  alle  anderen  Vorstellungen  wQrden  in  ver- 
schiedenem Grade,  je  nach  dem  Umfang  der  Weglassungen,  abstrakt  sein. 
Meistens  hat  man  jedoch  das  Gebiet  der  konkreten  Vorstellungen  auf  Kosten 
des  Gebiets  der  abstrakten  erhebüch  erweitert  und  auch  die  eszemlerteD 
primären  individuellen  Erinnerungsbilder  und  die  sekund&ren  indiridueUen 
Erinnerungsbüder  samt  den  durch  Komplexion  (inkl.  Kombination)  aus  ihnen 
hervorgegangenen  Vorstellungen  zu  den  konkrelen  Vorstellungen  gerechnet. 
Man  betrachlet  dann  et>en  nicht  mehr  die  Nicht-Beteiligung  irgendeiner  Abstrak- 
tion (im  allgemeinstea  Sinne)  als  das  charakteristische  Merkmal  der  konkreten 
Vorstellungen,  sondern  die  scg.  Anschaulichkeit.  Diese  ist  nun  aber 
ein  sehr  unbestimmtes  Meriunal,  das  weder  eine  befriedigende  Definition ') 


der  Ideenassoziation  vertrAslich  ist,  leuchtet  ein,  wenn  man  erwägt,  daB  die 
einzelnen  Teilvorstellungen,  aus  welchen  sich  die  neue  Kombinations- 
vorstellung  bildet,  ganz  gemäß  dem  Eontiguil&lsgesetz  auttreten. 

")  Die  Generalisation  mit  ihren  Verschmelzungen  und  Weglassunien 
kann  geradezu  als  ein  elementarer  paradigmatischer  Fall  der  Bildung  von 
Koniiiiiatioiisvorel  eilungen  angesehen  werden. 

»)  Einen  Versuch  einer  Überseht  findet  man  Gr.  S.  173. 

')  Meinong  hat  schließlich  sogar  eine  Definition  durch  ein  negatives 
Merkmal  versucht.  Anschaulich  ist  nach  ihm  ,,eine  komplexe  Vorstellung, 
sofern  sie  nach  jeder  Richtung  frei  von  Unverträglichkeit  ist"  (Ztschr.  f- 
Pbilos.  u.  philos.  Krit.  1688,  Bd.  95,  a  21B).  Späten  hat  er  selbst  den  Mangd 
dieser  negativen  Kennzeichnung  zugestanden  (I]ber  Annahmen,  Lpz.  1908, 
S.  111)  und  eine  anderweitige  Bestimmung  versucht  (1,  c,  namenil.  §  K). 
meines  Eischtena  ist  dabei  ein  klares  Ergebnis  nicht  zustande  gekommeiL 


OgIC 


_^___  ~-  Kapilel.    Psycho  losisch  e  Gruiidl«siii:g.  349 

zullfit.  Doch  bei  der  praktischen  AnwenduiiK  im  Ifiglicbeu  Eriebcn  mil  einiger 
Sieherbett  verwertet  werden  kann.  Man  könnte  vjelleicbt  daran  denken, 
das  Vorhandensein  der  Teil  Vorstellungen  der  elementaren  Empflndungseisen- 
schaHen  (Qualität,  intenatät  usf.,  beispielsweise  Farbe,  Helligkeit,  Form  bei 
optischen  VorstellungenJ  als  das  WesenUiche  der  Anscbaulichkeit  zu  be- 
ifichnen.  Damit  würde  jedoch  jede  scharfe  Grenze  verloren  gehen;  denn 
diese  sinnlichen  Teilvorstellungen  fehlen  auch  bei  vielen  Allgemrinvorstel- 
toBgea,  die  wir  zu  den  abstrakten  zu  rechnen  pflegen,  keineswegs  gänzlich. 
M»o  wäre  also  doch  wieder  gezwungen,  aul  die  Vollzähligkeit  der 
anulichen  Teilvorstellungen,  also  die  eistangefahrte  Charakterinerung  des 
Kookreten  zurückzukommen.  Andere  haben  den  individuellen  Charakter  als 
■«sentlich  für  die  Anschaulichkeit  bezeichnet.  Dann  würde  also  z.  B.  diu 
Vorstellung  ,J)tau"  abstrakt  sein,  dagegen  die  Vorstellung  des  beslinunten 
Blau  einer  bestimmten  Blume,  die  ich  eben  an  einem  bestimmten  Ort  ge- 
Kfaen  habe,  konkret  Abgesehen  davon,  daB  auch  diese  Bezeichnungsweise 
dem  üMichcn  Sprachgebrach  nicht  entspricht,  hat  man  einzuwenden,  daB 
dabei  die  Termini  „konkret"  und  „abstrakt",  „anschaulich"  und  „unanschau- 
!kh"  ganz  Qbernassig  sind,  da  wir  ia  bereits  üb?r  die  viel  klareren  Termini 
.jDdividualvorstellung"  und  „Allgemein Vorstellung"  verJügen.  Bei  dieser 
Stcblage  scheint  mir  das  Merkmal  der  Anschaulichkeit  für  den  wiasenachaft- 
bchea  Gebrauch  nicht  geeignet.  Man  könnte  höchstens  etwa  die  Uberein- 
Himmung  mit  den  Empfindungen  selbst  und  deren  unmittelbaren  Erinnerungs- 
Wetn  als  HaSstab  der  Ansctiauhchkeit  verwerten  und  festsetzen:  eine  Vor- 
^Uung  soll  um  so  abstrakter  heulen,  je  mehr  sie  sich  von  den  Empfindungen 
<iod  deren  unmittelbaren  Erinnerungsbildem  entfernt.  Die  Abstraktheit  ent- 
wicht dann  geradezu  dem  Abstand  von  letzteren').  Es  liegt  aber  auf  der 
Hand,  daB  man  damit  zu  der  erstangefährten  Bestimmung  des  Abstrakt«» 
2WQckk«hrt  und  den  graduellen  Charakter  der  Abstraktheit  anerkennt.  Es 
sqU  daher  auch  im  folgenden  diese  Auflassung  festgehalten  werden,  im 
aUfaneinen  aber  der  Gebrauch  der  Termini  abstrakt  und  konkret  ganz  ver- 
mieden werden,  da  sie  vom  Standpunkt  d&r  in  den  leti^ten  Paragraphen  er- 
öEterten  Klassifikation  der  Vorstellungen  Qberflflssig  und  durch  ihren  viel- 
dtuhien  Gebrauch  entwertet  sind. 

In  historischer  Beziehung  sei  noch  folgendes  bemerkt.  Bei  Aristoteles 
fiodft  sich,  wie  S.  31%  Anm.  1  schon  erwähnt  wurde,  wohl  der  Begriff  der 
Alistraktion  (ä^nf^caif  nnd  mtpaiiftlt'),  dagegen  ist  ihm  der  Terminus  abstrakt 
(B^ttfOK)  im  logischen  Sinn  nicht  geläufig  *].  Die  häufige  Angabe,  .Aristo- 
teles habe  das  Abstnkte  mit  dem  Allgemeinen  identifldert,  entspricht  keines- 
wegs allen  in  Betracht  kommenden  Stellen  der  aristoteUschen  Werke.  Auch 
in  der  Scholastik  hat  sich  kein  einheitliidier  Gebrauch  des  Worts  abstrakt 
(tiid  konkret)  entwickelt  Im  ganzen  bestand  die  Neigung,  das  Allgemeine 
nat  dem  Abstrakten  gleichzusetzen.  Die  abstractio  fällt  fast  ganz  mit  der 
3lstrac(io  a  materia  individuali  zusammen.  Bei  der  engen  Beziehung  des 
ADfemänen  zum  Denken  und  des  Individuellen  zum  Empfinden  wurde  an 
SWIe  der  abstractio   &  materia  individuali   oft   die    abstractio    a   materia 

=)  Vgl.  Aristoteles,  Metapbvs.  982a,  24:  "  fiiiXtat«  xaMlac  .  . .  nB^<n- 
■■I«  tmr  ala9^«tür  inw. 

')  Wohl  finden  sich  Ausdrücke  wie  tä  ii  ägMrip/«wr,  lä  Ir  ä^toftau 
^»ri/ur«  und  ähnliche,  aber  ohne  daß  auf  die  Abgrenzung  solcher  Vor- 
^tälung^assen  ein  erhebUches  Gewicht  gelegt  wird. 

„.,,„,^.oogic 


35U      U.  TeiJ.    ErkennlnbthearetJache  usw.  Grandlesuns  der  Losik- 

sensibili  gesetzt  und  concretus  und  seoailis  (aenübilis)  gleichgesetzt.  Bä 
Dans  Scotus  bezieht  sich  der  modus  significandi  abstractus  auf  die  „essente 
sub  ratione  propda",  der  modus  aisnificandi  concretus  &uf  die  ,essentii. 
inouantum  iotormat  subjectum"  *).  Sp&t«r  machte  sich  jedoch  mehr  und 
mehr  daneben  auch  die  Tendenz  geltend,  das  accidens  oder  die  fonna 
realiter  iuhaerens  subjeclo  ab  abstrakt,  das  subjectum  ejusdem  accidentis 
vel  formae  aber  als  konkret  zu  bezeichnen  ■)  (tkL  auch  S.  319,  Anm.  ^- 
Zu  einem  klaren  Abschluß  dieser  ganzen  Lehre  sind  denn  aush  die  spUereu 
Scholastiker  nicht  gelaugt 

Die  neuere  Philosophie  hat  sich  zunächst  bald  mehr  an  diese,  bald 
mehr  an  jene  scholastische  Auffassung  der  Abstrakthdt  angeschlossen.  Bei* 
spielsweise  fällt  bei  Locke  die  absttact  idea  fast  ganz  mit  der  general  idei 
zusammen  (Ess.  conc.  hum.  underat.  n,  11,  9;  m,  3,  6;  m,  3,  9;  E,  3, 
IS— 1&;  III,  £s  1;  m,  G^  22;  III,  6,  38).  Nur  in  den  AuseinandersetzungeD 
über  abstract  und  concrete  terms  scheint  er  plötzlich  die  substantlTierten 
Eigenschaften  (wbiteness,  justice,  equality}  als  abslfakte  Namen,  dagegen  die 
adjektivischen  Ausdrucke  (white,  just,  equal)  als  konkrete  zu  bezeichnoi 
(III,  8,  1  u.  2;  IV,  8,  12).  Bei  Bericeley  ist  eine  doppelte  Auffassung  der  ab- 
strakten Vorstdlungen  noch  nachweisbar.  In  d«  Introduction  to  tbe  ptia- 
dples  of  human  knowledge  spricht  er  in  §  7  zunächst  von  abstrakten  Vo^ 
Stellungen,  welche  dadurch  entstehen,  daB  aus  einer  zusammengesetzten  Vor 
Stellung  eine  Teilvorstcllung  durch  WeglasseQ  der  anderen  isoliert  wild. 
Dann  aber  geht  er  in  g  8  zu  abstrakten  Vorst^ungen  über,  die  mit  den  All- 
gemeinvorstellungen ganz  identisch  und,  und  gebraucht  weiterhin  die  Aus- 
drücke „abstrakte  Vorstellung"  und  „AUgemeiavorstellung"  fast  in  demsdben 
Sinn  (TgL  auch  S.  114  u.  dW).  E^nso  spricht  Hume  geradezu  von  „■!>- 
stract  or  general  ideas"  *).  Er  kennt  die  abstracUon  daher  auch  fast  nur  als 
Genaalisalion  und  besträtet,  daß  bei  der  Abstraktion  {=  GeneralisatioD) 
eine  Separation  und  distinction  —  Prozesse,  die  zum  Teil  der  analytischen 
und  komparalivea  Funktion  entsprechen  —  beteiligt  sind.  Tatsäcblid) 
existieren  nach  Hume  überhaupt  keine  abstrakten,  d.  h.  allgemeinen  Vor- 
slellungen,  alle  Vorstellungen  sind  individuell,  und  die  Abstraktheit  besteht 
nur  in  der  auf  Gewohnheit  beruhenden  aUcemeinen  RepräseutationsAhigkeit 
der  sog.  AUgemeinvorslellungen '}  (vgl.  S.  887). 

Wahrend  Spinoza  und  Leibniz  —  ebenso  wie  früher  Cartesius  — -  k«ne 
klare  Darstellung  der  Lehre  von  den  konkreten  und  abstrakten  Vorstellunjen 
gegeben  haben,  bat  WolS  sieb  wiederholt  über  diese  Unterscheidung  deut- 
lich ausgesprochen :  Notio  abstrada  est,  guae  aUquid,  quod  rei  cuidam  inest 

')  Ouaestiones  super  praedicamenta,  Qu.  S,  Opp.  omnia  I^ris  1801, 
I,  S.  467.  Subjectum  bedeutete  damals  oft  speziell  den  individuellen  GeSeu- 
stand. 

•>)  VgL  z.  B.  Occam,  Summ,  tot-  log.  I.  cap.  6—»,  foL  2v  ff.  u.  cap-  73, 
fol.  28  r  (Prantt).  Dabei  unterscheidet  jedoch  Occam  noch  andwe  Beziefun«'' 
zwischen  abstrakt  und  konkret  und  lehrt  ausdrücklich :  nomen  coocreluin  et 
abstractum  quandoque  sunt  Synonyma  (Cap.  6,  fol.  1  v}.  Schon  Ijaurentivs 
Valla  polemisierte  gegen  die  Occamsche  Unterscheidung  (Dialect.  disput  I, 
1,  S.  10). 

•)  TreaL  of  hum.  naL  I,  1,  7. 

')  L.  c.  I,  a,  S:  „All  abstract  ideas  are  realls  nolhln«  btit  particulir 
onea^  considered  in  a  certain  Ught"  urf. 

h.  !■,  II,  l^.OOQIC 


2.  Kapitel.    Pavchoknische  Onmdl^unB.  351 

vel  adest,  lepraeseatat  absque  ea  re,  cul  incsl  vel  a<i«3t  (z.  B.  eine  Fttrbe 
oluw  den  G^enst&nd,  dem  sie  inh&rieTt);  concreta  autem  est  notio,  quae 
aliquid,  quod  alten  inest  vel  adest,  repraeaentat  ut  eidem  inradstens  (z.  B. 
,fi  subjectum  consideTatur  ut  coioratum")  *).  Ofienbar  f&Ut  diese  Definitioa 
mit  d^n  oben  an  zweiter  Stelle  angelohrten  Sprachgebrauch  lM:ke3  ziemlich 
genau  zusammen.  Denuegenüber  kehrt  Kant  zu  dem  uispriingliclieii  Begrifi 
der  Abstraktion  zorOck  und  definiert  den  abstrakten  Befriä  als  deuemgen, 
in  dem  „Unterschiede  der  Dinge  aus  einem  B^riß  weggelassen  sind",  und 
erimuit  Stuieu  der  Abstraktion  an:  von  je  mehr  Bestimmungen  in  einem 
BeghS  abstrahiert  worden  ist,  desto  abstrakter  ist  der  Begriff ").  Er  mnnt 
daher  auch,  eigentlich  aolle  mau  von  abstrahieienden  und  nicht  von  abstrak- 
ten B^riSen  sprechen.  Indem  er  dabei  an  Stelle  der  Merkmale  die  „Unter- 
sddede"  setzt,  wird  zugleich  die  Beziehung  der  abstrakten  Begrifie  zu  den 
aUgemeinen  in  sehr  geschickter  Weise  in  die  Definition  sUIlscbweigend  mit 
aufgenommen^").  Fteitich  bleibt  dabei  die  Tatsache  unberOcksichtigt,  daB 
diese  Beziehung  zwischen  Abstraktion  und  Generaltsatioa  doch  nicht  so 
absolut  ist,  als  es  nach  Santa  Definition  scheinen  konnte.  Wenn  ich  die 
*t)stnikte  Vorstellung  der  „Röte"  (d.  h.  der  roten  Fartw)  bilde,  so  ist  aller- 
dings die  Vorstellung  „foler  Dinge"  stets  eine  Allgemeinvoistelhmg,  insofern 
die  Unterschiede  der  raten  Dinge  in  bezug  auf  Fonn  usl.  weggelassen  sind, 
thet  man  kann  doch  bezweifeln,  ob  die  Vorstellung  „Röte"  notwendig  und 
stets  mit  der  allgemeinen  Vorstellung  „roter  Dinge"  verknüpft  ist  und  nicht 
ais  Ergebnis  der  Analyse  einzelner  roter  Dinge,  er.  eines  einzigen  roten  Dings, 
auch  imabbftpgig  von  diesen  Dingen  eine  selbstfindige  Bedeutung  hat,  der 
zunächst  keine  Allgemeinheit  zukommt.  Eine  solche  Allgemein- 
lieit  wOrde  sich  erst  dann  einstellen,  wenn  verschiedene  Naancen  oder  Art- 
licb-ieitiiche  Vorkommen  des  „rot"  zusammengefaBt  werden  S.  SM  u.  S48). 
So  sidier  bei  jeder  Generalisation  Abstraktionen  beteiligt  sind,  so  ist  umge- 
kehit  doch  nicht  jede  Abstraktion  mit  Generalisation  verbunden :  meistens, 
aber  nicht  stets  erfolgt  die  Abstraktion  zugleich  mit  einem  Generali- 
saÜoiisprozeB  oder  mit  Hilfe  schon  gebildeter  AUgemeinvorstellungen.  Durch 
das  Weglassen  von  Bestimmungen  wird  eine  Vorstellung  logisch  allerdings 
immer  zu  einer  AUgemeinvorsteUung,  weim  man  fOr  die  ObrigbleibendeD, 
nicht  weggelassenen  Merkmale  (Teile)  einen  allgemeinen  Irftger  voraussetzt 
(rote  „Dinge"  usf.)!  psychologisch  werden  jedoch  die  Weglassungen  oft  so 
vorgenommen,  daB  Obeihaupt  nur  ein  Merkmal  [ohne  allgemeine  Träger, 
z.  B.  „rot")  als  abstrakte  Vorstellung  übrig  bleibt,  und  auch  das  Merkmal 
xlbst  kaim  ganz  individuell,  muB  nicht  als  ein  allgemeines  („Röte")  gedadit 

Ganz  konsequent  behauptet  Kant  daim  weiter  (1.  c.  g  16),  daß  jeder 
Begrill  abstrakt  sei,  und  daß  die  Unterscheidung  von  „abstrakt"  und  ,Ju>n- 
bet"  neb  nur  auf  den  Gebrauch  der  Begriae  bcEiehe  (abstrakter  Ge- 
brauch 1=:  allgemeirter,  konkreter  Gebrauch  c=;  besonderer  Gebrauch).  Auch 
in  seinen  Hauptwarken  hat  Kant  im  wesentlichen  diesen  Standpunkt  fest- 
Ertialten  und  daher  auch  auf  die  ganze  Unterscheidung  abstrakter  und  kon- 
kreter Vorstellunsen  lu^ends  gro&es  Gewicht  gelegt. 


*)  Philosoph.  raUooaUs  %  110. 
*)  Logik  %  6,  Anm.  2. 

'*)  Vgl.  auch  die  Umliche  Aulfaasung  Chr.   Slgwarta,  Logik,   %   Aufl. 
Prabujg  laaO,  Bd.  1,  S,  8t 

..  „.,.,,:,L.OO.^k 


352      "-  "^^f^-    I^rkeaDtnistbeoretische  usw.  Grundlegung  der  Logik. 

In  der  nach-kant sehen  Philosophie  und  insbesondere  in  der  Logik  des 
19.  Jahrhunderts  ist  es  ebensowenig  zu  einer  übereinstiaunenden  Definition 
und  Verwendung  der  Termini  „abstraJct"  und  ,^onkret"'  gekommen.  Aucb 
hat  m&n  meistens  nicht  zwischen  der  psTchologischen  und  der  logischen 
Bedeutung  dieser  Termini  ausreichend  unterschieden.  An  dieser  Stelle 
kdnnen  nur  einige  wenige  Definitionen,  welche  einen  wenigstens  teilweise 
neuen  Gesichtspunkt  involvieren,  kurz  erwähnt  werden. 

John  Stuart  Mill ")  griff  wieder  aut  den  S.  360  erwähnten  Sprach- 
get»such  zurück  und  definierte:  ,A  concrete  name  is  a  name  which  sUnds 
for  a  Ihing;  an  abstiact  name  is  a  name  which  Stands  (or  an  attribute  of  s 
thing,"  Dabei  rechnet  er  jedoch  „weiG"  zu  den  konkreten  Namen  und  nur 
„WeiBe"  (whiteness)  zu  den  abstrakten  und  rechtfertigt  dies  damit,  daß  der 
Gebrauch  bei  der  Prädikation,  also  im  Urteil,  als  der  häufigste  maßgebend 
sein  mOsse  und  hier  mit  „weiB"  das  „weiSe  Ding"  gemeint  werde. 

Wundt'*)  führt  das  Fehlen  einer  „adäquaten  stellvertretenden  Vor- 
stellung" (einer  „sinnUchen  Anscliauung",  eines  sinnlich  repräaentierbaren 
Inhalts)  als  ä  u  B  e  r  e  s  Uerktnal  der  abstrakten  Begriffe  an.  Danach  sind 
„Mensch",  „Tier"  konkrete,  dagegen  „Menschheit",  v>der  Gerechte",  „die 
Gerechtigkeit"  abstrakte  Begriffe.  Offenbar  deckt  sich  dies  ä;iSere  Uerkmal 
ungefähr  mit  der  S.  348  erörterten  Anschaulichkeit.  Außerdem  aber  esislie- 
rtn  nach  W,  auch  „innere  Eigenschaften,  die  den  logischen  Unterschied  des 
iibetrakten  von  dem  konkreten  Begrifi  ausmachen",  und  mit  deoeo  es  ini- 
sanunenh&ngt,  daB  der  abstrakte  Begriff  nur  durch  ein  Wort  oder  ein  an- 
deres willkärtich  gewähltes  Symbol  ausdrtlckbar  ist  Die  Bildung  ab^ntklei 
Begriffe  besieht  nämlich  nach  W.  immer  in  einer  Feststdlung  von  Be- 
ziehungen, welche  unser  Denken  an  seinen  Vorstellungen  oder  an  be- 
reits gegebenen  B^iriffen  antrifit,  und  zwar  solle  nicht  wie  bei  den  Be- 
Zi chungsbegrilTen  ein  Denkinhalt  in  Beziehung  zu  einem  anderen  von  ihm 
verschiedenen  gedacht  werden,  sondern  die  Beziehungen  selbst 
zwischen  verschiedenen  Denkinhallen  sollen  den  Inhalt  des  Begriffes  bilden. 
Zugleich  behauptet  W.,  daB  al  1  e  abstrakten  Begriffe  Allgemeinbegriffe  seien. 
Begreiflicherweise  bekommt  daher  auch  bei  W.  neben  dem  analytischen 
ProzeB  der  synthetische  für  die  Bildung  der  abstrakten  Begriffe  eine  sehr 
große  Bedeutung.  Auch  gibt  W.  die  Existenz  von  mannigfachen  Obergän- 
gen zwischen  den  abstrakten  und  den  konkreten  Begriffen  zu. 

Eine  wiederum  abweichende  Auffassung  der  abstrakten  Vorstellungen 
findet  sich  bei  Erdmann  >'].  Nach  diesem  Forscher  „entstehen  abstrakta 
Gegenstände  in  jedem  vorstellenden  Wesen,  dem  sich  in  wiederholten  Wahr- 
nclimungen  gleiche  Bestimmungen  des  Wahrgenommenen  darbieten".  Ab- 
strakte Gebilde  sollen  „die  gleichen  Bestimmungen  verschiedener  Wabmeh- 
mungsinhalle  enthalten".  Daraus  wird  dann  gefolgert,  daß  „sie  nicht  mit 
die  gemeinsamen  Bestimmungen  ähnlicher  Gegenstände  umfassen,  son- 


1  Logikern  steht  z.  B.  Jevona  noch  auf  dem  HiUschen  StandpuiAt> 
Ldtf.  d.  Log.,  Ubefs.  d.  2Z.  Aufl,  v.  KleinpeUr,  Leipzig  Idlft  (a  AufL),  5.  SO. 

■•)  Logik,  2.  AufL  Stuttgart  1893^  Bd.  1,  S.  lia 

>«)  Logik,  2.  AuQ.  Bd.  1.  Halle  1907,  S.  65  ff.;  Methodolog.  Konsequenw» 
au»  der  Theorie  der  Abstraktion,  Sitz.-Ber,  d.  Kgl.  PreuB.  Akad.  d.  Wi» 
1919,  XXU,  a  *87  (601). 


_  2.  EsDitel.    PsycboloKiscbe  Grundlegune.  ^53 

dem  &ach  die  BesUmmuDgen,  die  sich  in  wiederholten  WahniehmuDBeu 
eineauDd  desselben  Gegenstandes  fegenOber  anderen,  veränderlichen 
als  koDBtanl  erweisen".  Danach  ist  also  z.  B.  nicht  nur  Uensch,  Kn- 
dem  auch  Sokrates  eine  abstrakte  Vorstellung.  Es  gibt  nicht  nur  abstmkta 
AllgnneiDTorsteUungen,  sondern  auch  abstrakte  Einzelvorstellungeti.  Diese 
AuHaBSDiiK  deckt  sich  inbaltUch  im  wesentlichen  mit  der  Darlegung  S.  348^ 
es  muB  aur  betont  werden,  daB  eine  solche  Terwendung  des  Terminus 
.abstrakt"  dem  seither  Qblichen  Gebrauch  vailig  widerstreitet.  Auch  fragt 
n  sich  sehr,  ob  ein  solches  Zusammenfassen  der  Generalisation  mit  der 
Xontraklion  (vgl.  S.  31S)  zu  dem  Gesamtbegritf  der  Bildung  abstrakter  Vor- 
steDuugen,  wie  es  durch  die  Erdmanssche  Definition  involviert  wird,  irgend- 
welchen Vorteil  bietet.  Die  W^glaasüne  nicht -gemeinsamer  bzw.  vertnder- 
lieher  Merkmale  und  die  Isolation  der  Obtigbleibenden  gemeinsamen  bzw. 
koDslatiten  Merkmale  bei  der  Generalisation  bzw.  Kontraktion  steUen  doch 
«ben  Dur  die  beiden  biufigsten  Fälle  der  Alistraktion  im  aligemeinen  Sinn 
der  Veglassung  (ä^ojfww)  dar.  Ich  kann  mir  sehr  wohl  eine  Abstraktioil 
denken,  bei  der  gleiche  —  gemeinsame  oder  konstante  —  Merkmale  Ober- 
binpt  nicht  in  Frage  kommen.  Gemeinsamkeit  und  Eonslanü  von  Merk- 
malen sind  gewiß  weitaus  die  häufigsten  AusICsungsmomente  fOr  Abslf^- 
lioDsprozesse,  aber  doch  nicbt  at>solut  unerläBlicb.  Wenn  ich  —  um  ein 
eittemes  Beispiel  zu  nählen  —  zugleich  das  Contra  C  und  b  gestrichene  d 
böte,  so  werde  ich  diesen  Zweiklang  zerlegen  können  und  jeden  der  beiden 
TSne  diuch  Weglassung  des  anderen  gesondert  vorstellen  können,  auch  ohne 
diB  ich  einen  der  beiden  Töne  schon  vorher  gehört  habs  und  auch  ohne  daB 
ich  den  bez.  Zweiklang  öfter  höre.  Es  empfiehlt  sich  also  doch  wohl  nicht, 
die  Abstraktion  auf  die  Abstraktion  von.  Gleichem  ex  definitione  ein- 
nachrlnken  und  damit  die  abstrakten  Vorstellungen  schlechthin  mit  den 
AQfeDKin-  und  den  Kontra ttionsvorstellungen  zu  identifizieren, 

RusserM*)  geht  von  einer  schon  von  5tunuif>>)  durchgefflhrten  Unter- 
Kheidung  zwischen  selbständigen  und  unselbständigen  In- 
baHen  (vgl.  dies  Werk  S.  819)  aus.  Erstere  können  getrennt  vorgestellt 
««rden,  letztere  nicht.  Husserl  tilaubt  nun,  daß  der  Sinn  dieser  Lostrennbar- 
teit  io  der  Vorstellung  ,.aus3chließlich  in  dem  Gedanken  Uege:  in  der  Natur 
des  Inhalts  selbst  gründe  keine  Abhängigkeit  von  anderen",  und  „daß  dem- 
«ntsorechend  der  Sinn  der  Unselbständigkeit  in  dem  positiven  Gedanken  der 
AUuingigkeit"  liexe  (Log.  Unters.  II,  S.  ^2).  Auch  meint  er  damit  eine 
objektive  Unterscheidung  gewonnen  zu  haben,  durch  welche  die  Bück- 
liniehuiig  auf  die  Weise  des  Vorstellcns  QberflOssig  wird.  Er  definiert  nun: 
.£d  unselbständiges  Wesen  heißt  ein  Abstraktum,  ein  absolut  selbständiges 
^  Konkretum"  (Id.  zu  ein.  rein.  Phän.  S.  S9].  Offenbar  ist  damit  die  alte 
Ufare  von  der  Abstraktheit  (vgl.  oben  S.  350)  in  eine  korrektere  Form  ge- 
Incht  und  auch  wesentlich  abgeändert.  Trotzdem  erscheint  mir  auch  die 
^serlscbe  Definition  nicht  zureichend.    Ein  Rekurs  auf  die  objektive  Ab- 


»)  Ideen  zu  ein,  rein.  Riinom.  Buch  1,  Halle  1913,  §  16,  S.  88ff.; 
Ug.  Untersuch.  2.  Teil,  Halle  1901,  namentl.  S.  314  ff.' u.  222  tt.  (2.  Aufl. 
im«,  u.  226 ft);  Philosoph.  Monatsh.  189t,  Bd.  30.  S.  159fr.;  Philos.  d. 
Aiithm.  Bd.  1,  Halle  1891,  S.  161. 

"}  Ober  den  psychologischen  UrsDiung  der  Raumvorstellung,  Leipzig 
MB,  S.  106B. 

Ziabcn,  tiehtbneh  der  Ingik.  23 


OgIC 


3^)4      'I'  T^'-    EfkenntnistheoreÜEche  usw.  firundletang  dei-  Losik. 

häugigkeit  ist  —  abgesehen  von  manchen  anderen  Bedenken  —  serade  Mr 
die  hier  zunftchst  nur  in  Frage  stehende  psvehologische  Cbanlctenstik 
der  abstrakten  und  der  konkreten  Vorstellungen  nichl  zulässig,  nnd  der 
psTehologische  Tlntersdiied  der  ,i.ostrennbarkeit"  in  der  Voreteilnng  bewfthrt 
sieh  nur,  wenn  man  „Vorstellung"  In  der  Bedeutung  des  anschaulichen 
Vorstellens  nimmt.  Damit  siud  wir  doch  wieder  zu  der  „AnsdiauUchkeil" 
zurOckgelanfft,  die  oben  S.  348  bereits  erörtert  worden  ist.  Tatsache  bl  ntn. 
daB  manche  Inhaltsleile  Teichter,  andere  schwerer  weggelassen  werden  kännen 
und  defDentsiirechend  die  Qbriflbleibenden  Inhaltsteile  weniger  oder  mehr  an 
ARscbmilichkeit  verlieren,  d.  h.  den  unmittelbaren  Erinnerungsbildern  roefa- 
oder  veniger  unShnlicb  werden. 

Wenn  endlich  manche  neuere  deutsche  l'sychologen  '■)  von  ,Jlemtfil- 
seiuslagen",  .^ewuBtheiten",  „Gedanken"  u.  dgl.  im  G^ensatz  zu  dtn 
sinnlichen  Vorstellungen  (ErinneruMsbildern  und  PhantasieTorstellmHen) 
sprechen  und  oft  such  die  UnanschauUchkeit  dieser  Gebilde  als  dwiaftte- 
ristisch  hervorbäwn "),  so  decken  sich  di«  letzteien  fost  ganz  mit  deo  ab- 
strakten Vorstetlungen  in  dem  S.  9i8  erCrterten  Sinn.  Keinesfalla  darf  miD 
aber  etwa  annehmen,  daB  die  abstrakten  Vorstelhmgen  oft  oder  ear  stets  top 
charakteristischen  psychischen  Erlebnissen  —  abgesehen  Ton  dem  spracb- 
lichen  Eindruck  — ,  überhaupt  nicht  begleitet  seien.  Wenn  Versuchspersonen, 
und  zwar  gerade  auch  psychologisch  geschulte,  auf  den  Zuruf  eines  Wortes, 
welches  einer  abstrakten  Vorstellung  entspricht,  oft  über  gar  keine  psychischen 
Erlebnisse,  auDer  etwaigen  repräsentierenden  sinnlichen  EinEelroislellDnieD 
(vSf.  S.  837),  zu  berichten  wissen,  so  beruht  dies  nach  meinen  eXperiSUD' 
teilen  Erfahrungen  meistens  dsranf,  dafi  dieselben  ihre  Anfmerksanfteit  m» 
auf  sinnliche  Tarstellungen  einstellen  und  daher  die  nicht-sinnlichen  pnrdl- 
schen  Erlebnisse  (im  Sinn  der  Funktions-  und  Verschmetzungstheorie,  S.  MS 
u.  Siffi  unterdrücken  oder  (Ersehen.  Auch  kann  ich  in  der  ZnsanMBts- 
fassmtg  aller  dieser  mehr  oder  weniger  ananschaalichen  Vorstellungen  unter 
einem  der  oben  angeführten  S.inwnelnampn  (BewuBtseinslatfen  usf.)  keisM 
FortscMtt  erblicken. 

psTchologiscbe  Untersuchung  lehrt,  daB  jede^)  Vorstellung  folgende  Glruitd- 
eigenschaften  hat,  die  ihr  als  solcher  —  auch  unabhängig  von  jedem  Ter- 
gleich  mit  anderen  Gelrilden  —  zukommen:  Inhalt,  Dauer,  GefQbls- 


^')  Vgl.  z.  B.  den  kritischen  Bericht  Haibes  über  diese  sog.  „denkpsjcbo- 
logische"  Richtung,  roilschr.  d.  Psrcbot.  usf^  1014^  Bd.  S,  S.  1. 

1')  Nach  meinen  Beobachtungen  geht  schon  bei  den  einfacbstan  >W- 
nUetrischen  Bezirinrngsrorstellungeti  (S.  M?),  z.  B.  der  Vorstellung  der  Un- 
gleichheit zweier  Raumstrecken,  sehr  oft  die  AnschauUcbkeit  veriorea.  An- 
^haulich  ist  die  Vorstellung  der  beiden  Kaumstrecken,  aber  die  Vorstellung 
„Strecke  a  ^  Strecke  b"  ist  streng  genommen  schon  sehr  oft  nicht  mehr 
anscbaulich.  es  sei  denn,  daB  ich  in  der  Vorstellung  a  auf  b  ablmge  (was  in 
vielen  FUlen  unterbleibt).  Die  B&uOgteit  der  Beteiligung  von  Beziehuncs- 
Toistellungen  an  dem  Aufbau  abslrekter  Vorstellungen  gewinnt  damit  eiiK 
besondere  Bedeutung,  und  zugleich  wird  die  S.  388  bespro^ene  Ldi» 
Wuiidts  verstÄndüch. 

')  Siehe  icdodi  S.  366  Ober  Gefühlston. 


iM,Googlc 


1 

{ 


2.  Kapitel.    Psychologische  GrundleKunfi.  3<i5 

(onuod  Energie.    Sie  bedürfen  an  dieser  Stelle  nur  einer  kurzen  Be- 
sprechung. 

Der  VorslelloDffB  Inhalt  umfaSt  lüles  dasjenige,  was  (Accusativus 
eflectittis)  wir  in  der  Vorstetliuv  Toratellen.  Selbstverständlich  ist  hiennil 
oBes  andere  eher  als  eine  Definition  gegeben  oder  bezweckt.  Kine  Deünilion 
ist  rur  den  Vorstellungsinhalt  ebenso  unmöglich  wie  beispielsweise  fOi  Fatbe 
oder  Tonhöbe.  E»  handelt  sieh  nur  um  einen  allgemeimrerständlichen  Biu- 
Teis  auf  den  eigen tflmlichen  Tatbestand,  den  wir  in  dem  Vorsteüungsinhatt 
«rieben.  Wir  kfionen  diesen  Hinweis  nnr  noch  durch  die  Feststellung  cr- 
irtDien,  daB  der  gesamte  VorstelhUigsiiihalt  allen  Eiaeiischaften  der  za- 
nhüngen  Grundompfindungen,  also  der  Qualität,  der  Intensität^  dem  Gefühls- 
Km  nnd  den  «ftumlicben  und  zeitlichen  Eigenschaften  derselben  entspricht 
oder  «renigstens  —  im  Hinblick  auf  das  Vergessen  —  entsifrechen  kann. 
Diesen  Inhalt  der  Voratellunc  als  ein  „immanentes  oder  intentjonales  Objekt" 
doseUcn  aufzufassen,  wie  das  die  sog.  Gegen Htandstheorie  (vgl.  %  45)  frOher 
T«ht  zuveilen  fetan  hal=],  liegt  fdr  die  Psychologie  kein  Grund  vor.  Damit 
&Dt  für  sie  auch  jede  Veranlassung  weg,  mit  der  sog.  AklpsycholoKie  (in 
HifDantem  Sinn)  dem  VorsteUungsinhalt  eiren  besonderen  „A  k  l"  des  Vor- 
slelleDs  zuzuordnen.  Die  Vorstellung  selbst  ist  stets  als  Ganzes  ein  Akt  oder 
Vorung  (vgl.  S.  346)  und  niemals  ein  stabiles  Ding,  und  als  Akt  bat  sie 
einen  Inhalt,  der  nicht  verdinglicht  werden  darf,  sondern  zu  dem  Akt  als 
solchem  gehört.  Wohl  aber  erscheint  es,  wenn  mau  von  der  iisychologiecben 
mr  erkeimt nistheoretischcu  Untersuchung  Qbcrgeht,  zulässig,  der  Vorsteltung 
äatn  vom  Inhalt  verschiedenen  Gegenstand  (Objekt)  zu- 
!  zosdireiben,  wie  dies  schon  S.  2G(>  geschehen  ist,  also  nicht  im  Sinn  einer 
I  Denen  Spezies  des  Seienden  (vgl.  §  4ö  u.  g  64),  sondern  im  Sinn  der  er- 
j  kmatnistheoreti sehen  Grundlegung,  wonach  der  Gegenstand  eines  primären 
I  Erinnctuiigsbildes  die  zugehörige  ,4sotierte"  Gmodempfinduns  und  der  Gegen- 
stand eines  sekundären  Vorstellungseebildes  die  isolierten  Toratellungen  sind, 
aas  denen  es  mitlela  der  DiBerenzieningstunktioueD  hervorgegangen  isL  Von 
diesan  Standpunkt  aus  kann  man  dann  auch  von  einer  Beziehung 
zwischen  der  Vorstellung  (als  dem  Edukt,  S.  2&t)  und  ihrem  Gegenstand 
sprachen  und  diess  Beziehung  ganz  allgemein  als  Intention  bezeichnen 
-  (S.  272].  ?ricbt  verwechselt  «erden  darf  femer  der  Terminus  „Inhalt"  mit 
dem  T«ininua  ,3  o  d  e  u  t  u  n  g".  Stnng  genommen  sollte  man  von  Bedeu- 
tung mir  bei  solchen  Gebilden  sprechen,  welche  syrnboliscfa  —  ohne 
■oneien  Zusammenhanf  —  eine  Vorslellune  ausdrücken,  wie  z.  B.  Worte  oder 
ticstra.  Die  Bedeutung  solcher  symbolischen  Gebilde  ist,  psychologisch 
Kcsjaochen,  identisch  mit  dem  Gesamtkreis  der  Vorstellungen,  welche  von 
den  symbolischen  Gebilde  üblicherweise  assoziativ  geweckt  werden  (vgl. 
§80).  Wir  Gbertiagen  diesen  Terminus  dann  aber  auch  auf  nicht-symbolische 
Gdiüde  tmd  verstehen  unter  der  Bedeutung  einer  nicht-symbolischen  Vot- 
sttthng  in  analoger  Weise  den  Gesamtkreis  von  Varstellungen,  der  üblicher- 
weise von  ihr  assoziativ  geweckt  wird.  Es  liegt  somit  auf  der  Hand,  dalt 
psychologisch  dieser  Terminus  äuBerat  vage  ist.  In  der  Tat  wird  er 
ff<  in  der  Logik  wissenschaftliche  Umbildung  und  Verwendung  finden. 

Igt  eine  Vorstellung  V  aus  Teilvorstellungen  zusammengesetzt  bzw.  in 
*ok:he  zerlegbar,  so  umfaßt  der  Inhalt  nicht  etwa  nur  diese  Teilvorstellungen, 

*)  Tgl  z.  B.  Hofier,  Grundlehren  der  Logik,  t.  Aufl.,  Leipzig-Wien,  %  6. 

23' 

h.  !■,  iiA.OOt^lC 

I 
L 


556      D-  ^^''-    ErkenntnisiheoretiBche  usw.  Gnindlegung  der  Loffik. 

sondern  auch  die  Beziehunseo,  die  wir  in  V  zwischen  den  TeÜvorstellungen 
im  Sinn  der  Differenzierunisfunktionen  denken. 

Die  Vorstelliings  d  a  u  e  t  kann  hier  ganz  übersanKen  wenlen,  da  sie 
nur  psycho  losisches  Interesse  bielel.  Bezüglich  des  Gefahlstons  det 
Vorstellung  sei  nur  bemerkt.  daB  er  nicht  mit  dem  Gefühlston  des  Votstel- 
lungsgegen Standes  verwechselt  werden  darf.  Der  Gefühlston  der  Omnd- 
empfindung  geht  einerseits  in  den  Inhalt  der  Vorstellung  über,  deren  Gegen- 
stand sie  ist,  und  wird  andrerseits  auch  auf  die  Vorstellung  als  solche  über- 
tragen. Die  Erinnerung  an  Zahnschmerz,  an  eine  Kränkung  usf.  ist  nicht 
nur  eine  Erinnerung  a  n  etwas  UnaDgeoehmes,  sondern  oft  genug  audi  als 
Erinnerung  noch  unangenehm.  Auch  sei  duan  erinnert,  daB  der  GefflhlstoD 
der  Vorstellung  ebenso  wie  derjenige  der  Empfindung  nicht  obligatorisch  ist, 
sondern  auch  fehlen  kann  (sog.  Nullwert  des  GefOtUstons). 

Die  Voretellungs  e  n  e  r  g  i  e  ist  eine  Eigenschaft  der  Vorstellungen,  die 
uns  zwar  auch  direkt  zum  Bewußtsein  kononen  kann,  vor  allem  aber  aus 
dem  Einfluß  der  Vorstellungen  auf  den  Ablauf  der  fdeenassoziation  tu  er- 
schlieBen  ist  Sie  kommt  nicht  nur  den  aktuellen,  sondern  auch  den 
sog.  latenten  Vorstellungen  (Erregungsverftnderungen  der  Vorstellungselemente 
der  Ilimrinde  ohne  begleitenden  psychischen  F^zeB]  ^)  zu. 

Nicht  zu  den  allgemeinen  Eigenschaften  der  Vorstellungen  ist  die 
Lokalisation  zu  rechnen.  Es  kommt  zwar  vor,  daB  wir  eine  konkrete 
Vorstellung  lokalisieren,  namenUich  haben  einzelne  Menschen  in  besonderem 
UaB  die  F&higkeit,  ein  optisches  Erinnerungs-  oder  Phantaaiebild  auf  eine 
Flache  zu  projizieren;  im  ganzen  bandelt  es  sich  aber  dabei  um  Ausnahmen, 
die  sich  wahrscheinlich  aus  einer  leichten  Milenegung  der  kortikalen  Empfin- 
dungselemente eiilAren  *). 

Die  Deutlichkeit  ist  zwar  eine  allgemeine,  aber  keine  selbständige 
VoTstellungseigenschaft.  Wir  Terstehen  nämlich  unter  Deutlichkeit  den  mehr 
oder  weniger  hoben  Grad  der  Übereinstimmung,  welchen  eine  VorsteUung 
mit  ihrem  Gegenstand,  also  ihren  Gnindempfindungen  bzw.  Grundvorelel- 
lungen  (vgl.  S.  268)  hat  Es  handelt  steh  also  nur  um  eine  relative 
Eigenschaft,  welche  der  Vorstellung  und  zwar  speziell  dem  Vorstellungsinhalt 
zukommt  und  unmittelbar  mit  der  materialen  Richtirteit  der  Vorstellungen 
zusammenhängt  (vgl  S.  3  u.  275  ff.).  Das  Wachsen  und  Abnehmen  der 
Deutlichkeit  einer  besonderen  Punktion  (Apperzeption,  Aufmerksamkeit)  zu- 
zuschreiben, liegt  keine  Veranlassung  vor.  Vielmehr  hängt  die  Deutlichkeit 
erstens  von  dem  Grad  der  Unversehrtheit  der  in  Betracht  kommenden  latenten 
Torstellungen  (Residuen)  ab  Und  zweitens  von  der  Energie,  mit  welcher  die 
Reproduktion  in  der  Ideenassoziation  stattfindet.  Insbesondere  die  letztere 
Tatsache  ist  bemerkenswert;  sie  äuBert  sich  u.  a.  darin,  daß  innerhalb  einer 
Gesamtvorstellung  einzelne  oder  auch  viele  Teilvorstellungen  undeutlich  sind 
und  so  gewissermaBen  fOr  die  deutlichen  TeilvorstcUungen  einen  Hinter- 
grund*} abgeben,  der  für  die  Verwettung  der  Vorstellung  in  Urteilen  nicht 

»)  Ltf.  S.  325  ff. 

«)  Gr.  S.  88  n. 

■)  Baumgartens  „campus  obscuritaüs"  oder  „fundus  animoe"  =i  „com- 
plexus  obscurarum  pereeptionum"  (Hetaphys-,  4.  AufL  Halae  1767,  g  511  n. 
51^  S.  176).  Die  Grundlagen  dieser  Lehre  finden  sich  schon  bei  Leibniz  u.  a. 
Was  James  (I^inciples  of  psychology,  London  1901,  Bd.  1,  S.  26^)  als  „psTchic 

h.  I  ■.  ii,l^.OOQIC 


2,  Kapitel.    Psychologische  Grundlegung.  357 

gincbiulüg  isL  Auch  ist  es  oft  zwecktnäBig,  die  Deutlichkeit,  soweit  sie  von 
der  thiTersehrlheit  der  latenten  Vorstellungen  abhängt,  und  die  Deutlichkeit, 
scweit  sie  von  der  Energie  der  Reproduktion  abb&ngt,  tenninologiacb  zu 
imierscheiden :  ich  bezeichne  die  eretere  als  r  e  t  e  n  t  i  v  e ,  die  letzlere  «Is 
Assoziative  Deutlichkeit.  Hit  der  Distioktheit  von  Leibniz  u.  a.  (vgL 
S.  ^89)  dürfen  beide  nicht  identifiziert  werden»). 

Uanche  Vorstellungseigenscbaftcn  konunen  nur  einzelnen  VorsteliungS' 
Wassen  zu.  Unter  diesen  „speziellen"  Voratellunsseigenschaflen  sind 
im  HiDhlick  auf  die  Logik  besonders  wichtig:  die  Ftilte,  die  Belegung,  die 
Spannung,  der  Umfang  und  die  UChe. 

Die  Falle  ist  eine  Eigenschalt,  welche  nur  den  zusammengesetzten 
Voistellungen  (KomplexionsvorBteUungen)  zukommt,  und  entspricht  der  Tat- 
sache, daG  mancbe  zusammengesetzte  Vorstellungen  in  sebf  viel  mehr  ultimale 
Teilntrslellungen  (Merkmalvorstellungen)')  zerlegt  werden  können  als  andere. 
So  enth&lt  z.  B.  die  Voisteliung  der  Symphonie  eroica  mehr  ultimale  Teil- 
vorstellungen  als  —  bei  demselben  Menschen  —  die  Vorstellung  ihres  ersten 
Satzes,  die  Vorstellung  des  30  jährigen  Krieges  bei  den  neislen  Menschen 
mehr  als  die  Voislellung  irgendeines  kleinen  Gefechts  in  diesem  »der  einem' 
anderen  Krieg,  die  Vorstellung  Erde  bei  allen  Menschen  mehr  als  die  Vor- 
stettung  Sonne  usf.  Die  Folie  ist  also  mit  der  Zahl  der  ultimaien  Teil- 
Torstellungen  identisch;  sie  ist  der  quantitalive  Index  des  Inhalts']  zu- 
saiQinengeaetzter  VorsLellnngen.  Es  steht  daher  auch  nichts  im  Wege,  auch 
den  einfachen  Vorstellungen  im  Sinne  eines  Grenzfalles  Fülle  zuzuschreiben 
|Fü!le  =^  1).  Bei  den  auB erordentlichen  Schwierigkeilen,  welche  die  Zer- 
legung der  Vorstellungen  in  ihre  ultimaien  Teilvorstellungen  hat,  ist  die 
psychologische  Bedeutung  der  Folie  nicht  groß.  In  der  Logik,  nelche 
durch  ihr  definitorisches  Verfahren  (vgl.  §  93  ff.)  die  Teilvorslellungen  scharf 
bestimmt,  bekoraml  sie  größere  Bedeutung.  Äußerlich  bleibt  die  Eigenschaft 
der  Felle  immer  insofern,  als  der  Inhalt  einer  zusammengesetzten  Vorstellung 
aieroals  einfach  als  die  Summe  ihrer  Teilvorstellungen  angesehen  werden 
kann.  Die  Komplexion  ist  stets  mehr  als  eine  bloße  Addition  und  außerdem 
is  der  Regel  mit  der  Bildung  von  Belalions Vorstellungen  eng  verknüpft  (vgl. 
S.  3QB I.  u.  323  f.).  In  der  FQIIe  kommen  diese  Kompteuons-  und  Belationg- 
numente  (die  „Strukturen")  nicht  zum  Ausdruck. 

Schon  das  einfache  Beispiel  einer  Melodie  Vorstellung  genügt,  um  diese 
Schwierigkeit  zu  beleuchten.  Handelt  es  sich  z.  B.  um  ein  aus  i  Tönen 
«1  S,  h,  c  (in  dieser  Reihenfolge)  zusammengesetztes  Motiv,  so  ist  offenbar 
die  Zerlegung  in  die  i  Tonvorstellungen  e,  g,  h  und  c  unzuUlnglich,  um  den 


OTUlone,  sufiusinn  or  fringe"  bezeichnet,  deckt  sich  im  wesenthcben  mit  dem 
Campus  obscuritatis  Baumgartens. 

')  In  der  älteren  Literatur  wurde  der  Terminus  „distinctus"  des  Car- 
ie=ius  und  Leibniz  (vgl.  S.  100  u.  111)  oft  mit  „deutüch"  wiedergegeben. 
^ll  z.  B.  G.  Fr.  Meier,  VemunfUehre,  2.  Aufl.,  %  28,  S.  29.  Es  leuchtet  ein, 
<laB  die  Deutlichkeit  im  Sinn  meiner  Erörterung  mit  der  Distinklfaeit  im 
lieihnizschen  Sinn  nur  indirekt  zu3anuDenhi.ngt,  dagegen  der  Leibnizschen 
.^Klarheit"  sehr  nahe  steht. 

^  Vgl.  Ober  diese  Termini  S.  319,  namentl.  Anm.  7. 

*]  In  der  togiachen  Literatur  wurde  seither  das  Wort  ,Jnhalt"  gewfihn- 
^  Mwohl  lux  die  Teilvorstellungen  selbst  nie  für  ihre  Zahl  gebraucht. 

„.,,„,^.oogic 


II.  Teil.    Eifceimliustbeorelievbe  usw.  Grundlegung  der  Logik. 


Inhalt  des  Motivs  zu  charakterisieren.  Die  zeilliche  Anordnung  der  i  Töne 
ist  lor  den  Inhalt  ebenso  wesentlich.  Soll  man  diese  als  ö.  Teüvorstellung 
uthlen?  oder  als  5. — 8.  Teilvoratellung?  Außerdem  sind  die  Tntervallvorstel- 
Uingen  e — s,  e — h,  g — h  usf.  gleichfalls  sehr  charakteristisch.  Soll  man  diese 
nicht  doch  auch  als  Teilvorstellungen  zahlen  und  —  bejahenden  Falles  — 
wie  soll  man  sie  zählen?  Aus  diesen  Schwierigkeiten  erklärt  es  sich,  daS 
die  Psychologie  den  Begriff  der  Folie  seither  fast  ganz  ignoriert  hat.  Für 
die  Logik  ist  er,  wie  sich  später  zeigen  wird,  ud entbehrlich. 

AJsBelegung  soll  im  Bereich  der  Kontraklionsvorsteilungen  und  der 
AUgemeiuvorstelluaeen  die  Gesamtheit  der  isolierten  ■]  fundierenden  Vor- 
stellungen, also  der  zugehörigen  Gegenstände  bezeichnet  werden.  Bei  jenen 
handelt  es  sich  um  die  Gesamtheit  der  fundierenden  FluxionsTorsteUungen 
(Fluxions-  oder  Phase ubelegung),  bei  diesen  um  die  Gesamtheit  der  fundieren- 
den Individualvorstellungen  (Individuent>elegung).  Selbstverständlich  darf 
man  diese  faktische  Belegung,  um  die  es  sich  hier  ausscblieBlich  handelt, 
nicht  mit  dem  &!ögl  ichkei  tsbercich  der  Belegung '"J  verwechseln,  welch 
letzterer  bei  vielen  Kontraktionsvorstellungen  und  bei  allen  AUgenidn- 
vorslellungen  dank  ihrer  Offenheit  (vgl.  S.  330,  336  u.  343)  theoretisch  unend- 
lich groß  ist.  Habe  ich  z.  B.  viermal  in  meinem  Leben  ein  virginiachcs 
Opossum  gesehen  und  auch  sonst  nichts  Ober  diese  Tierspezies  erfahren,  so 
bilden  diese  vier  Individualvorstellungen  der  von  mir  gesehenen  Tiere  die 
faktische  Belegung  meiner  Vorstellung  des  virgini sehen  Opossums.  Di* 
Zahl  i,  der  quantitative  Index  der  Individuenhelegung  (bzw.  bei  Kontrak- 
tionsvorstellungen der  Pbasenbelegung]  kann  als  ,3eleeungsziffer"  bezeichnet 
werden. 

Hierbei  ist  zu  beachten,  daß  von  Beleeungsziffer  hier  in  ver- 
schiedenem Sinn  gesprochen  werden  kann.  Entweder  kann  man  nftmlich 
alle  (beobachteten)  Individuen  zählen,  die  ftberhaupt  unter  die  Allgemein- 
Vorstellung  fallen,  oder  man  kann  nur  solche  (beobachtete)  Individuen  zählen, 
die  neben  einem  besonderen  räumlich-zeitlichen  IndividuaikoefUzieaten  auch 
i.rgendvekhe  andere,  z.  B.  qualitative  Verschiedenheit  untereinander  zeigen. 
So  sind  z.  B.  alle  Wasserstoffatome  nur  im  ersten  Sinn  verschieden,  während 
die  verschiedenen  Exemplare  einer  Tierart  (wie  des  virginischen  Opossums) 
unter  sich  auch  maimigfache  qualitative  Besonderheiten  zeigen  (vgl.  S.  333) 
u.  SU).  Für  die  logische  Verwertung  ist  dieser  Unterschied  von  einiger 
Bedeutung  (vgl.  %  96). 

Es  liegt  nahe  und  ist  gerechUerligt,  im  Bereidi  der  Allgemeinvoistel- 
lungen  auch  von  einer  Belegung  einer  Allgemeinvorslellung  mit  den  ihr 
subordinierten  Allgemein  Vorstellungen  (z.  B.  Artvorstelluagen)  oi 
sprechen"),  also  den  individuellen   Charakter  der  belegenden  Vor- 


■)  Vgl.  S.  'J65.  Ich  werde  den  Zusatz  „ieoUcrt"  im  ft^enden  ab  sclbst- 
veretändtich  meistens  weglassen. 

)*)  Dieser  MStfichkeitibareich  der  Belegung  deckt  sich  etwa  mit  demt 
waa  Hiahl  (Vierteliahrsschr.  f.  wiss.  Ptaibs.,  180%  Bd  16,  S.  130)  auf  be- 
aritfUchsn  Gebiet  als  „Geltungsbereich"  und  Ei^Buinn  (Logik,  2.  AufL,  S.  SOe, 
Anm.  1)  als  „Qattungsbereich"  bezeichnet;  doch  scheint  leteterer  nicbt  gaai 
scharf  zwischen  der  faktischen  Beleguü«  und  dem  Stöglichkeitsbereich  der 
Belegung  zu  unterscheiden. 

»)  Diese  Belegung  mit  subordinierten  GallUBgen  deckt  sich  mit  Sig- 
warts  empirischnn  Umfang  (vg.  S.  369  Anm.  14). 


OgIC 


__^_^^         3.  Kapitel.    Psychologische  tituudlegung.  ygg 

aieUuitfen  bei  der  BesiitfsbestimmunB  der  Belegung  Iireiszugebeii.  Es  soll 
diet  im  folgenden  jedoch  im  allgemeinen  nicht  geschehen,  also  Belegung, 
wenn  nichts  anderes  bemerict  wird,  immer  in  dem  prägnanten  Sinn  der 
I  ■  d  i « t  d  u  e  n  belegung  verstanden  werden. 

Als  Spannung  soll  im  Bereich  der  Konl^aktions-  und  Allgemein- 
vorstelhiogen  der  Grad  der  Kontraktion  bzw.  Genenüisation  bezeichnet 
w«den  {Kontrattion 9-  bzw.  GeneraliBationsapannung).  Der  Kontraklionsgrad 
wird  gemessen  durch  das  Verh&ltnis  der  reprimierten  und  ganz  weggelassenen 
TeilvorateDungen  der  einzelnen  Fluxionen  zu  den  in  die  Kontraklionsrorstel- 
lung  übergegangenen,  akzentuierten  Teilvoratellungen.  So  kommt  z.  B.  der 
Kontraktion svorstellung  einer  Eiche,  die  ich  von  ibrem  Keimen  aus  der  Eichel 
tat  zur  Vollendung  ihres  Wachstums  als  Baum  beobachtet  habe,  eine  sehr 
erbebliche  Kontiaktionsspannung  zu ").  Der  Generalisationsgrad  wird  ge- 
messen durch  das  Verbfillnis  der  reprimierten  und  ganz  weggelassenen  Teil- 
forslellungen  der  einzelnen  Individuen  zu  den  mit  Akzentuatiou  in  den 
Allgeineinbegrifr  übergegangenen.  So  bilden  z.  B.  die  drei  Allgemeinvorslei- 
luDfen  Pferd,  Eiohuler,  Saugetier  nach  ihrer  Spannung  eine  aufsteigende 
Reibe.  Oft  wird  die  Spannung  einer  All  gemein  Vorstellung  auch  in  etwas 
nifiversUndlicher  Weise  schlechtbin  als  die  —  abstufbar  gedachte  —  „All- 
gemeinfaeit"  der  Vorslellung  bezeichnet. 

Der  Umfang  ist  eine  Eigenschaft,  welche  nur  den  AUgemeinvoislel- 
lungen  zukommt  und  auf  ihrer  skalaren  (stufenartigen,  vgl.  S.  383)  Anordnung 
beruht.  Ganz  allgemein  kann  er  als  die  Gesamtheit  der  in  eine,'  Allgemein- 
Torslelhing  enthaltenen,  d.  h.  ihr  untergeordneten  (S.  333)  Allgemeinvorstel- 
lungen definiert  werden.  Die  niedrüste  Allgemein  vorslellung  einer  Skala, 
die  ArtvoTstellung  (S.  333)  bat,  da  sie  nur  IndividualvorsCellungen  zusammen- 
hSX,  überhaupt  keinen  Umfang,  sondern  nur  Belegung  (s.  oben  u.  g  98). 
Bezeichnet  man  eine  höhere  Allgemeinvor Stellung  als  w»,  so  kann  man  die 
ihr  nlchstuntergeordneten  als  w»— ■  bezeichnen  und  die  einzelnen  .\llgemein- 
vonlellnngen  dieser  Stufe  als  W|ii— l,  w^o— l^  Wa"~'  us'-  unterscheiden.  Der 
Cnlani  ist  dann  als  die  Gesamtheit  aller  wn— I  definiert.  Dabei  ist  es  jedoch 
<iem  Belieben  anheimgeatcUt,  zur  Darglellung  des  Umfangs  irgendeine  tiefere 
Shde  der  Skala  sUU  der  nach  st  niedrigeren  betanzuziehen,  also  z.  B. 
"»-II  oder  wn— III  usf.,  «ventuell  also  bis  auf  die  Artvorstellungen  ")  als  die 
niedrigslen  Allgemeinvorstellungen  zurflckzugehen. 

Besonders  zu  beachten  ist,  daB  der  Umfang  in  dem  Sinn,  wie  er  eben 
d^ilniert  wurde,  nicht  etwa  nur  diejenigen  subordinierten  Allgemein vorsteN 
liutaa  umfaBl,  die  tatsächUcb  von  dem  denkenden  Subjekt  bei  der  Bildung 
des  superordinierten  Begriffes  verwertet  worden  sind  ^*).  Vielmehr  umfaßt 
n  —  im  stritlen  Gegensatz  zur  Belegung  (ntl.  S.  3(6)  —  slels  vermöge 

>*)  Man  dar!  diese  Spannung  nicht  mit  der  rein  zeitlichen  Erstracltung 
^»er  Kontrakt ionsvorstellung  verwochseln.  Diese  zeitliche  Krstreckung  be- 
^wJuet  man  am  besten  als  ,ProteDsion". 

")  Diase  l>ezeichne  ich  als  wi  bzw.  WI,  die  Individualvorstellunaen  als 
»  tew.  Wo  (vKl,  §  IW). 

H)  Sswart  (Logik,  2.  .4ufl.  Freiburf  1888,  S.  9b3)  spricht  ^erdings  auch 
•«n  eiaem  „empirischen  Umlang"  der  Be«rifie  und  versteht  darunter  im 
Q«tensatz  zum  „logischen  Umfang"  eben  nur  die  Gesamtheit  d«  be- 
kiBBten,  hei  der  Bildung  des  Allgemeinbegriffs  faktisch  belMligten 


OgIC 


3()0       II.  Teil.    ErkpnntnislheoretiBchf  ustt.  Grundleaunr  der  Lo^k. 

der  OHenheit  einer  jeden  AUgertiHnvorafelluna  (S.  885)  auch  das  seeunle 
Möglichlcieilsbereicb  der  vorläufig  noch  unbekannten^*} 
untergeordneten  AllBemeiDvorsteltuneen,  die  mir  eine  spätere  Erfahrung  etwa 
noch  liefern  nird  oder  liefern  könnte.  Nur  wenn  ich  absteigend  durch 
kontradiktorische  Zweiteilung  (schwarz  und  nicht-schwarz)  unter- 
Ueofdnete  Vorstellungen  konstruiere,  kann  ich  wenigstens  scheinbar  den 
Dotentiellen  Umfang  völlig  ausfallen. 

Es  BtÄnde  naWrüch  nichts  im  Wege,  im  G^ensalz  zu  unserer  Fest- 
setzung den  Umfang  einer  Allgemein  Vorstellung,  der  sich  nur  auf  die  sub- 
oj'dinierten  Allgemeinvorstellungen  bezieht,  indirekt  auch  auf  die  den 
letzleren  achlieBlich  subordinierten  1  n  d  i  v  i  d  u  a  1  Vorstellungen  zu  beziehen, 
nur  muß  auch  dabei  streng  und  atisolut  daran  festgehalten  werden,  dafi  bei 
einem  solchen  ZurOckgehen  bis  auf  die  Individual Vorstellungen  nicht  etwa 
der  Umfang  mit  den  tatsfichUch  bekannten  (dem  oder  den  Denkenden 
bekannten),  also  schon  gebildeten  und  daher  fundierend 
wirksamen  Individualvorstellungen  gleichgesetzt  und  an  ihrer  Zahl  ge- 
messen wird.  Vielmehr  ist  bei  solchem  Zurfickgehen  auf  die  Individual- 
yorstellung«D  der  Umfang  der  Giesamlheit  aller  derjenigen  Individualvorstel- 
lungen gleichzusetzen,  die  unter  die  bezügliche  Allgemeinvorstellune  fallen 
können,  d.  h.  ihr  subordiniert  werden  können.  Der  transgressive 
Charakter  der  AI iReraein Vorstellung  muB  jedenfalls  gewahrt  werden.  Gibt 
man  diesen  preis,  so  fällt  die  Allgemeinvorstellung  mit  der  Kollektiworslellung 
zusammen.  So  sind  die  12  Apostel  eine  Kollektiworstellung,  dagegen  die 
Jünger  Christi  —  im  Sinn  der  unbegrenzten  Zaiil  derjenigen,  die  Christi 
Lehre  vertreten  haben,  vertreten  und  noch  vertreten  werden  ■ —  eine  echte 
Allgemeinvoretellung  (vgl.  S.  334).  Umfang  kommt  nur  der  letzteren  eh. 
Hieraus  ergibt  sich  auch,  daß,  selbst  wenn  man  im  weiteren  Sinn  auch  von 
einer  Belegung  mit  subordinierten  Gattungen  (vgl,  S.  358)  und  von  einem 
Umfaiv  bezüglich  der  subordinierten  Individuen  spricht,  der  Unterschied 
;'.wischen  Belegung  und  Umfang  doch  bestehen  bleibt:  bei  ersterer  nur  aktuelle 
Fundierung,  bei  letzterem  potentielle  Transgression. 

Der  ciuantilalive  Index  des  Umfangs  ist  in  der  Zahl  der  unter- 
geordneten Gattungen  gegeben.  Man  kann  ihn  auch  kurz  als  Umfangs- 
zi  f  f  er  bezeichnen. 

Sowohl  der  Umfang  wie  die  Belegung  bezi^en  sich  zuu&chst  nur  auf 
die  zugeordneten  Vorstellungen,  werden  aber  weiteriiin  auch  auf  die  ent- 
fernteren Gegenstände,  z.  B.  die  zugrunde  liegenden  Empfindungen 

subordinierten  Allgemeinbegritfe.  So  würden  z.  B.  unter  den  empirischen 
Umfang  des  BegriSs  ,JdetaJI"  nur  diejenigen  Melallarlen  fallen,  welche  mir 
irgendwie  bekannt  sind  (direkt  nachgewiesen  oder  erschlossen),  wählend 
zum  logischen  Umfang  alle  denkbaren  Metalle  gehören,  die  den  Merkmalen 
des  B^riffs  Metall  genügen.  Mit  Riehl  u.  a.  halle  ich  einen  solchen  er- 
weiterten G^rauch  des  Worts  „Umfang"  für  sehr  unzweckmäßig,  und  zinr 
fiowohl  psychologisch  —  im  Bereich  der  Vorstellungen  —  wie  logisch  —  im 
Bereich  der  Begrifle.  Der  ..empirische  Umlang"  Sigwarts  ist  konekt  als 
Belegung  mit  Arien  bzw,  niederen  Gattungen  zu  bezeichnen  (s,  oben 
S.  358). 

")  Ex  handelt  sich   um  die    S.  330  u,   3<^r>  erwähnten   Blankostellw. 


OgIC 


2.  Kapitel.    Psychologische  Gnincllegunfi.  361 

oder  Reize  (Rediiktionsbestandleile,  Dinge  usn.)  bezoEen.  So  sprechen  wir 
z.  B.  TOS  den  Terachieöenen  Rosenarten,  die  unter  die  GaltungsvorstellunK 
Rose  fatlen,  and  meinen  damit  nicht  die  verschiedenen  Ari  v  o  r  s  t  e  I  - 
luDgen  und  ihre  OatlungsvoTstelluDB,  sondern  die  zugefafiriKen 
~~  übrigens  byothelischen  —  Dinge  selbst. 

Der  Umfang  als  die  Gesamtheit  der  —  aktuellen  und  potentiellen  — 
koordinierten  AllgemeinTorstellunsen  irgendeiner  tieferen  Stute  darf 
nicht  mit  der  Zahl  der  Stuten  verwediselt  werden»*),  welche  absteigend 
zKiachen  der  AUgemetnvorstellung  uod  den  ilir  in  letzter  Linie  subordinierten 
IndividuaWorsteUungen  liegen.  Für  wn  lietrftgt  die  Zahl  dieser  Stufen  n, 
vjhrend  der  Umfang  durch  die  auf  einer  und  derselben  subordi- 
nierten Stufe  vorhandenen,  oben  überall  durch  arabische  Ziffern  aus- 
vedrOdtteu  siüiardinierten  Vorstellungen  gegeben  ist.  Man  kann  diese  Stufen- 
^1  auch  als  die  Höhe  der  AI  [gemein  Vorstellung  bezeichnen,  wahrend  der 
I  mfang  gleichsam  seiner  Breite  entspricht  Der  Umfang  der  Allgemein- 
'oTsteUnng  „Tiere"  (wn)  ist  z.  B.  gegeben  durch  die  Gesamtheit  der  Tier- 
alimnie  oder  Typen  (wn— !),  also  Protozoen,  Spongien,  Coidarien,  Würmer, 
fitiederfüßer,  Weichtiere,  SUchelhauter.  Manleltiere  und  Wirbeltiere  (w,ii— 1, 
w  i»-l,  . . .,  Wg"— I)  oder  durch  die  Gesamtheit  der  Tierklaasen  (wn— li),  also 
Bbizopoden,  Flagellalen,  Sporozoen,  Ciliaten;  Kalkschwämme,  Kiesel- 
sehwämme;  Hydrozoen.  Skvphozoen;  Plattwürmer,  Rundwürmer,  Ringel- 
wüimer  usf..  oder  durch  die  Gesamtheit  aller  Ordnungen  oder  aller  Fami- 
lien nsf.  Dagegen  ist  die  Höhe  der  Allgemein  Vorstellung  „Tiere"  gegeben 
dnicb  die  Stufen :  Art,  Galtung,  Familie,  Ordnung,  Klasse,  Typus.  Das  Bei- 
spiel lehrt  zugleich,  dall  die  H  »  h  e  n  z  i  f  f  e  r ,  d.  h.  die  Zahl  der  Stufen 
scbr  willkürlich  ist,  insofern  die  Einschiebung  van  Zwischenstufen  (Varietäten, 
l'nteigalliirtgen,  L'nterfaraiÜen  usf.)  allenthalben  freisteht  und  auch  oft  genug 
tatSichlich  vollzogen  wird  (vgl.  §  69).  Ebenso  leuchtet  ein,  daS  sowohl  Um- 
fang nie  H3he  für  dieselbe  Allgemeinvorslellung  in  ntanniglacher  Weise  an- 
se^eben  werden  können,  insofern  die  verschiedensten  Geceralisationsprin- 
zipien  ;,Yom  umgekehrten  Standpunkt  betrachtet:  Einteilungsprinzipien)  zu- 
ruode  gelegt  werden  können.  Die  verschiedenen  Einteilungen  der  ebenen 
Kurren  in  der  analytischen  Geometrie  bieten  ein  einlaches  Beispiel.  Endlich 
1(1  noch  zu  betonen,  dafi  die  „Höhe"  mit  der  Generalisationsspannung  in 
rin«in  engen  Zusammenhang  steht,  insofern  jene  mit  dieser  zunimmt  und 
«nigekehri.  Ein  absoluter  zahlenroÄßiger  Parallelismus  besteht  nicht,  da  bei 
dem  Fortschreiten  von  einer  tieferen  zu  einer  höheren  General isationsstufe 
Bit  mehr  als  ein  Merkmal  eliminiert  wird. 

Eine  schärfere  Abgrenzung  aller  dieser  Eigenschaften  wird  erst  vom 
speziellen  Standpunkt  der  Logik  in  §  98  möglich  sein,  nachdem  die  Lehre 
Ten  der  Definition  erörtert  worden  ist. 

fl  73.  IdMBaaaosUliML  lUpameian  AUttvl.  Bei  den  vorausgehenden 
Erörterungen  handelte  es  sich  um  die  einzelnen  Vorstellungen.  Nunmehr 
sehen  wir  zur  Untersuchung  der  Aufeinanderfolge  der  Vorstellungen, 

")  Ebensowenig  selbstverständlich  mit  der  Spannung,  die  sich  nicht  auf 
^  snbndiuierten  Vontellungen,  sondern  auf  die  Teitvorstellungen  (Merk- 
nahotstelhmgen)  bezieht.  Über  das  Verhältnis  von  Spannung  und  Höhe 
*elie  untan. 

„.,,„,^.oogic 


362       "■  "'^'1-    Krisen nloistheoretische  usw.  Giundlegunt;  der  Logik. 

der  Ideeaassoziation  im  pr^iumteo  Sinne ')  über.  Die  .\3sozi&üoa>- 
psvchologie  behauptet,  daß  diese  Aufeinanderfolge  notwendig  nach  bestinun- 
len  Gesetzen,  den  sog.  ABsozialionsgesetzen.  erfolgt.  FrOber  glaubte  Jnan  oH 
mit  einigea  wenigen  sehr  einfachen  Assozialionagesetaen  auszukommen.  So 
glaubte  man  z.  B.  alle  Assoziationen  auf  solche  der  Kontiguitat  ( Gleich Eeilig- 
keit  bxw.  zeitlichen  Nachlurschaft)  und  solche  der  Ähnlichkeit  zurOckführcn 
XU  können.  Demgegenüber  ergibt  die  expeiimenleüe  Beobachtung  ersleiis, 
daS  die  Kontiguität  (auch  „assoziative  Vernandtachaft"  genannt)  bei  allen 
AsBoaiationen  eine  wesentliche  Rolle  spielt,  und  daß  die  Ahnlictakeitsasso- 
/iation  sehr  wahrscheinlich  —  abgesehen  vom  sog.  Wiedererkennen  —  steis 
auf  KontiguitfitsassoKialion  zurückgefüfut  werden  kann,  und  zweileOB,  daB 
aufier  der  KontiguiUt  noch  bestimmte  andere  Faktoren,  nämlich  der  Ge- 
fühlsloD,  die  Deutlichkeit  und  die  bonstellatioD  der  latenten 
VorstelluDsen,  das  Auftreten  einer  Vorstellung  in  der  ideenassoziation  geset/- 
mASig  bestimmen ').  Nur  aus  dem  Zusammenwirken  dieser  aehr  variablen 
Faktoren  wird  die  enorme,  scheinbar  aller  GesetzmflSigkeit  spottende  Uannit- 
faltigkeit  unsrer  Vorstellungs reihen  verstindlich. 

Gegenüber  dieser  Lehre  d«r  Asdoziationapsychologie  behaupten  ihr« 
Gegoer,  vor  allem  die  sog.  Apperzeptionspsychologen,  dafi  irgendwie  eine 
nicht  an  die  Assoziationseesetze  gebundcue  Auswahl  unter  den  von  der 
Ideenaasoziulion  dargebotenen  Vorstellungen  stattfindet.  Diese  Auswahl  wird 
bald  einer  sog.  Apperzeption,  bald  dem  Ich  zugeschiieben.  Solange  die 
Assoziationspsvchologie,  wie  dies  früher  stets  geschah,  nur  daa  Assoziations- 
geaetz  der  Kontiguität  und  der  ÄhnUcbkeit  (und  des  iiontrastes)  konnte,  vtr 
sie  offenbar  unfähig,  die  Mannigfaltigkeit  des  Denkens  zu  erklaren  und  daher 
die  Hvpotbese  des  Eingreifens  einer  Apperzeption  bzw.  einos  Ich  einiger 
nafien  berechtigt.  Diese  Berechtigung  ist  meines  Erachtens  wegRefalleo, 
nachdem  die  Assoziationspsvchologie  in  ihrer  neueren  Gestaltung  die  ölten 
angeflthiten  andert-ii  assoziativen  Fakturen  —  Gefublsbetonung,  Deutlichkeil 
und  naraentlidi  Konstellation  —  neben  der  Konliguität  herangezogen  hat 
und  damit  fähig  geworden  ist,  die  unendliche  Variabilität  der  Ideenassoziation 
aus  den  dergestalt  erweiterten  Assoziatioosgesctzen  zu  erklären.  Die  Hipo- 
tbese  eines  eingreifenden  Ichs  bzw.  einer  eingreifenden  Apperzeption  endieint 
mir  daher  heute  mindestens  entbehrlich.  Ein  näheres  Eingeben  auf  die 
ganze  Streitfrage  irt  an  dieser  Stelle  nicht  erfordeiücb,  da  die  Logik  als 
solche  sich  schließlich  mit  beiden  Theorien  abfinden  kann. 

Es  ist  tlbrigens  kaum  zu  verkennen  —  trotz  einer  fast  lieispiellosen 
und  zuneilen  ebenso  kritiklosen  wie  gehässigen  Polemik  gegen  die  Asso- 
ziltionspsychologie  — ,  daß  gerade  die  besonnenen  Vertreter  der  Apper- 
aeptionspsychologie  langsam  der  Assoziationspaychologie  erhebliche  Kon- 
zessionen gemacht  haben.  Man  wahrt  im  übrigen  den  Schein  dee  Siegs  und 
ermöglicht  sich  die  Fortsetzung  der  .Angriffe  oft  nur  dadurch,  daB  man  die 
AssoKiations Psychologie  nur  in  ihrer  älteren  einseitigen  Richtung  (s.  o.)  be- 
kämpft und  ihr  auflerdem  allerlei  leicht  widerlegliare  Ansichten  —  z.  B.  die 
Meinung,  daB  sich  aus  den  .Assoziation sgeselzen  auch  der  Inhalt  des  Denkens, 

')  Im  weiteren  Sinn  umfaBt  die  Ideenassoziation  die  Simultanasso- 
ziatioB,  wie  sie  bei  der  Synthese  aller  zusammenfesetzten  Vorstellungen  als 
Produkt  voriiegt,  und  die  jetzt  in  Rede  stehende  Suksesnvaeaoziation. 

-)  Vgl.  die  ausführliche  Daralellung  in  meinem  L^lf.  d.  phys.  PncboL, 
10.  Aull-,  1»U,  S.  309  ff.,  und  Eriienntnislheorie,  Jena  1913,  §  8811. 

„.,,„,^.oogic 


2.  Kapitel,    Psvcbologische  Gniodlegung.  3g3 

lue  Art  der  Verknüpluns  der  Vorstellungen  ua(.  erklären  lasse  —  in  der 
wiläürUchsten  Weise  unterschiebt.  DemgegenQber  sei  nochm&ls  betont,  duB 
die  AaaosiktionsjiSTchalosie  erstena  über  jene  ältere  Kictitung  weit  binaus' 
gefuigen  ist,  und  zweitens  nur  die  Auleln&nd erfolge  und  Ene^e  der  Vor- 
sfaliiUMen  auf  die  Assoziation^eselze  zurückführt')  (vgl.  auch  §  70). 

Die  Ideenasaozialion  tritt  in  zwei  Formsn  auf :  als  disparate 
Ideenassozialion  und  al»  Ur  t  eilsa  sao  z  ia  t  i  o  n.  Wenn  jemand 
in  mir  z.  B.  durch  Zuruf  die  Vorstellung  „Hoäe"  weckt,  und  mir  fällt  „Früh- 
ling" ein,  so  handelt  es  sich  um  eine  digparate  Assoziation.  Wenn  ich  auf 
deoselbeo  i^uruf  bin  denke:  „Die  Rose  blüht  im  Frühling",  so  Uegt  eine  Ur- 
talsassoziation  vor.  Dort  nur  zeitliche  Folge,  hier  auch  eine  gedankliche 
VettnüpfuDg,  die  wir  eben  als  Urteil  bezeichaen.  Symbolisch  bezeichne 
ich  erstere  durch  eiu  elufaches  Komma,  also  Va ,  Vb  bzw.  a,b  bzw.  A,B 
lyti.  S.  318,  Anm.  6),  letzlere  durch  eine  zwischen  die  Bucbstabeu- 
zeichen  gesetzte  Klammer,  also  V»— ^—Vb  bzw.  a^—- b  bzw.  A— ^^B  (vgL 
S.  330  u.  ^I).  Dabei  muS  man  sich  hüten  anzunehmen,  daß  zwischen 
diesen  beiden  Formeu  immer  scbaif  und  sicher  untejschieden  werden  kOnne. 
Wenn  ich  ,Jlnse"  —  ,.iot"  assoziiere,  so  ist  es  oft  selbst  der  geschultesten 
Selbstbeobachtung  nicht  müglicb,  bestimmt  festzustellen,  ob  bzw.  wie  weit 
doch  auch  eine  Urteilsvertnüpfung  im  Sinn  des  Satzes  „die  Rose  ist  rot" 
mit  aulgetreten  ist.  Jedenfalls  ist  in  dem  alltäglichen  Denken  die  dispArate 
(dacnaasoziation  ein  Ausnabmefall.  Es  kommt  hinzu,  daB  fOr  die  bloUe 
Sukzession  zweier  oder  roehierer  Vorstellungen  eine  Richtigkeil  und 
Falschheit  überh  au  i)l' nicht  in  Frage  kommt.  Von  einer  solchen  kann 
nur  bei  der  einzelnen  Vorstellung  und  bei  der  Urteil sassoziation  die  Itede 
sein,  bei  der  ersteren  noil  Bezug  auf  die  Frage,  nie  weil  sie  den  Grundempfin- 
dungen bzw.  allgemein  ihrem  Gegenstand  (vgl.  §  60),  bei  der  letzleren  mit 
Bezug  auf  die  Frage,  wie  weit  sie  der  Verknüpfung  der  Gegenstände  ent' 
bricht.  Die  bloBe  Sukzession  hat  als  solche  weder  einen  Gegenstand,  noch 
erhebt  sie  den  Anspruch,  eine  Verknüpfung  der  Gegenstände  (oder  gar  ihre 
Sukzession)  wiederzugeben.  Sie  steht  deshalb  ganz  auQer  Bereich  von 
Richtigkeit  und  Falschheit.  Daher  bietet  auch  die  disparate  Ideenassozialion, 
90  interessant  sie  für  die  PsTcholaKie  als  elementare,  einfachere,  ge- 
KiEsermafien  primitive  Form  der  Ideenassoziation  ist,  doch  für  die  Logik 
kdn  besonderes  Interesse.  Die  psychologische  Grundlegung  der  Logik  kann 
skh  daher  darauf  beschranken,  die  Ergebnisse  der  Psychologie  bezüglich  der 
l-'rt eilsa^^oziation  heranzuziehen  und  zu  verwerten. 

Die  Tatsache,  daU  die  Ideenassoziation  und  insbesondere  auch  die 
L'iteilsassoziation  zuweilen  auch  an  eine  Empfindung  anknüpfen  kann  und 
Koacfa  ein  Urteil  auch  in  einer  VerknQpfung  einer  Vorstellung  mit  einer 
BmpQQduog  bestehen  kann  (sog.  Empfindungsurteil),  wird  im  g  76  bei  der 
Besprechung  der  Einteilung  der  Urt eilsa ssozialionen  zur  Sprache  kommen. 

I  H.     WttkutnUOn.     Ffr<katofiMlu    niwrtfctailrtlli.      Die    erste 

F>l|e,  -^Iche.  von  der  Psychologie  bezüglich  der  Urteilsassoziation  oder  das 
Urteils')  zu  beantworten  ist,  geht  dahin,  welches  das  allgemeine  psvcho' 

>)  Vgl.  hierzu  Gr.  S.  ISäff.;  Coetling.  gelehrte  Anz.,  1»14.  Nr.  13,  S.  766; 
Lätt  S.  aKfl. 

>)  Beide  Wörter  werden  im  folgenden  ganz  synonym  verwendet. 


i,l^.OOglc 


364       IL  '''^'''    ErkenntnisUieoretische  usw.  Gnmdlegimg  der  Logik. 

logische  Meriimal*)  aller  Urteile  ist.  Insbesondere  handelt  es  sich  dannm 
das  linterscbeidungsmerkmal  des  Urteils  einerseits  gegenüber  einer  isoUerten 
VorstellUDE  und  andrerseits  gegenQber  der  disparaten  Ideenassosiatioa  an- 
zugeben. Man  erinnere  sich  dabei  der  scholastischen  Unterscheidunf 
zwischen  den  complexa  und  incomplesa  (s.  S.  71),  dem  actus  apprefaensims 
und  actus  judicalivus  (Occam). 

Eine  erste  Reihe  von  Antworten  auf  diese  Gnindtcage  zieht  die  Be- 
ziehung zur  Richtigkeit  und  Falschheit  in  iisendeiner  Weise 
heran.  So  erkl&rt  schon  Aristoteles  (vgl.  auch  S.  279),  nur  derjenige  UfK 
siii  iaaiptct'Ttxie  (d.  h.  eben  eine  äjiöf afait  ^  Urteil),  .ir  ^  ro  äl^iaur 
i  tfitvöm^i  vnägjrii^ä.  h.  ,Jbei  dem  das  Richtig-  oder  Falsch- 
sein vorliegt  (in  Betracbtkomm  t)"  ').  Indes  ist  diese  Beslimmum 
schon  deshalb  unzulfissig,  weil  sie  die  tatsächliche  materiale  Richtigkeit  bzv. 
Unrichtigkeit  —  die  Adäquatheit  bzw.  Inad&quatheit  (vgl.  S.  2S4)  —  ab 
Kriterium  verwertet  und  diese  gar  kein  rein  psychologisches  tf erkmal 
ist.  Aber  auch  wenn  man  an  Stelle  der  materialen  Richtigkeit  bzvr.  Un- 
richtigkeit die  lomiale  setzt  —  die  Konkrepanz  bzw.  Diskrepanz  (S.  284)  — 
und  damit  direkt  in  die  Logik  übergreift,  verfehlt  man  das  Ziel:  man  hat 
bei  dieser  Abänderung  der  aristotelischen  Restimmung  allerdings  den  psTcho- 
losiscben  Boden,  wie  sich  später  zeigen  wird,  nicht  vollständig  verlassen, 
bleibt  aber  immer  noch  dem  entscheidenden  Einwand  *)  ausgesetzt,  daB  das 
In-Betrachl -kommen  von  Richtigkeit  und  Falschheil  sehi  oft  auch  den 
isolierten  Vorstellungen  zukommt  (Richtigkeit  eines  Erinnerungsbildes  mit 
Bezug  auf  seine  Grundempfindung,  einer  AUgemeinvorstellung  mit  Bezog 
auf  die  zugehörigen  Individualvorslellungen  usf.;  s,  auch  %  60).  Das  an- 
gezogene Merkmal  ist  also  nur  gegenQber  der  disparaten  Ideenassoziation 
zutreffend  und  brauchbar  *).     Zudem  drückt  es  offenbar  keine  selbstfindige 


=)  Als  Merkmale  eines  psychologischen  Gebildes  (Gebildes  im  weitesten 
Sinn)  sind  nicht  etwa  nur  diejenigen  zu  betrachten,  welche  die  unmittel- 
bare einzelne  Selbstbeobachtung  ergibt,  sondern  auch  diejenigen,  welche 
sich  aus  vergleichenden  Selbstbeobachtungen,  also  nüttelbar  ergeben.  Wenn 
es  sich  z.  B.  um  die  Merkmale  der  Empfindungsintensität  handelt,  so  kann 
ich  bei  unmittelbarer  einzelner  Selbstbrobachlung  ihr  wesentlichstes  Merk- 
mal, die  Ubergangsmöglichkeit  in  Null,  völlig  übersehen,  während  ver- 
gleichende Beobachtungen  miir  mittelbar  seinen  einwandfreien  Nachweis , 
gestatten. 

*)  Akad.  Ausg.  17  a.  Vgl.  auch  490  a.  Ähnlich  auch  die  Stoiker  nach 
Seit.  Enwir.,  Adv.  math.  Vm,  12  (ed.  Bekker,  S.  291). 

*)  Einen  weiteren  bemerkenswerten  Einwand  erhebt  Bolzano,  Wissen- 
scbaitslehre,  Bd.  1,  Leipzig  191i,  S.  93. 

')  Offenbar  hat  übrigens  Aristoteles  die  Abgrenzung  des  Urteils  gegen 
isolierte  Vorstellungen  bei  der  Aufstellung  dieses  UnterscheidungsmeAmals 
gar  nicht  im  Auge  gehabt,  sondern  die  Abgrenzung  g^en  manche  Sfttie  wie 
Wunschsätze  ('vj-jt),  die  er  nicht  zum  Urteil  rechnet,  während  sie  nach 
meiner  Auffassung  (vgl.  auch  S.  it66,  Anm.  7)  wohl  zu  demselben  zu 
rechnen  sind.  So  wird  es  auch  ganz  begreiflieb,  daß  Sexlus  Empiricus  an 
einer  anderen  Sielte  (vgl.  oben  Anm.  3)  einmal  von  den  Sfoikem  sagt. 
daß  sie  das  In-Betrachl-kommen  von  Richtig-  und  Falschsein  als  Unter- 
scheidungsmerkmal zwischen  den  ala^qni  und  raqrii,  also  nicht  nur  für  die 
Urteile,  sondern  für  alles  Gegebene  aufstellen  (Adv.  math.  VIH,  07).    Auch 

„.,',„,^.oogic 


2.  Kapitel.    Psychologische  Grundleeung.  3^5 

EigcDSchaft,  sondern  nur  eine  relative  aus;  denn  die  materiale  RichÜ^eil 
iaw.  Falschheit  ergibt  sieb  eist  bei  dem  Vergleich  dea  Urteils  mit  seinem 
Gegenstand  uDd  die  formale  erst  bei  einer  vergleiehenden  Prüfung  der  im 
Drteil  Tertnapften  Vorstellungen  bzw.  der  zu  dem  Urteil  führenden  Denk- 

Nicht  viel  günstiger  sind  dieienigen  Antworten  zu  beurteilen,  welche 
in  irgendeiner  Form  den  Anspruch  auf  Richtigkeit,  die  Uber- 
zeugnng  (Uberzeugtheit,  Oberieugungsbewufltaein)  von  der  Richtigkeit,  den 
Anspruch  auf  GfllligkeU,  das  G  eitu  ngsbe  w  u  S  t  se  in  (vgl. 
S.  313)  oder  gar  GeltungsEelOhl,  das  Anerkennen  oder  Verveden,  die  GewiS- 
tieit  usf.  als  das  wesentliche  Merkmal  des  Urteils  herrorhdien  (Geltungs- 
tbeoiiea  des  Urteils)  *).    Es  ist  allerdings  richtig,  daB  dieses  GeltungsbewuBt- 

die  von  Uarbe  (Eip.-psych.  Untersuchungen  über  das  Urteil,  Leipzig  1901> 
S.  9)  voreenonunene  Umformung  „Urteile  =  BewuBtseinsvorgftnge,  auf  welche 
die  Prftdikate  richtig  oder  falsch  eine  sinngemäBe  Anwendung  finden",  hilft 
den  oben  angeführten  U&ngeln  nicht  ab  (vgl  S.  279). 

*)  Schon  die  Stoiker  (vgl.  S.  ü  Ober  «oyxaiäftais)  standen  auf  einem 
verwandten  Standpunkt.  Ahnlich  spricht  Cartesius  von  einer  aasensio, 
welche  der  Wille  bei  dem  Urteil  gewähren  muB  (Princip,  philos.  I,  3i),  und 
aucb  die  Spinozascbe  Definition  der  voluntas  als  facultas  affirroandi  et 
negancd  (Eth.  II,  Prop.  4S  Schol.)  kann  vielleicht  in  demselben  Sinn  gedeutet 
werden,  Humea  Lehre  vom  belief  (Treat.  of  huia  nat.  I,  3,  7)  gehört  gleich- 
!alls  biertier.  In  neuerer  Zeit  hat  Überweg  (Logüi,  +,  Aufl.,  g  67)  das  Urteil 
Moiert  als  das  ,3ewufltsein  Olier  die  objektive  Gültigkeit  einer  subjektiven 
Tetbindting  von  Vorstellungen,  welche  verschiedene,  aber  zueinander  gehörige 
Formen  haben  . . .".  Ebenso  erklärt  Chr.  Sigwart,  daB  in  jedem  vollendeten  Ur- 
töl  als  solchem  neben  der  Ineinssetzung  verschiedener  Vorstellungen  zugleich 
.,du  BevnStsein  der  objektiven  Gültigkeit  dieser  Ineinssetzung"  liege  (Logik, 
Bd.  I,  g  14,  S.  7T>  2.  Aufl.,  S.  98).  Eine  klare  FonnuUerung  hat  die  ganze 
Lehre  erst  bei  Brentano  gefunden,  Psychologie  t.  empir.  Standpunkt,  Bd.  i, 
l^pzig  1874,  S.  366  ff.;  er  faBt  das  „Anerkennen  und  Verwerfen"  als  das 
iQr  das  Urteil  charakteristische  Elementarphänomen  auf.  Andere  Vertreter 
der  Geltangs tbeorie  sind:  Jul.  Bei^ntann,  Ztschr.  L  Phitos.  u.  philos.  Krit., 
18W,  Bd.  107,  S.  176  (178);  v.  Kries,  Vierteljahrsschr.  f.  wiss.  Philos,  1899, 
Bd.  23,  S.  8£t.;  Windelband,  z.  B.  Prtludien,  4.  AuD.  Tübingen  1911,  S.  29 
SnrteilDng  als  Beifall  oder  Mißfallen);  Störring,  Arch.  f.  d.  ges.  Psychol., 
1908,  Bd.  1*.  S.  1  (Bewußtsein  der  Gültigkeit  oder  „Zustand  der  Sicherheil"); 
G.  Heymans,  Die  Gesetze  u.  Elemente  des  wissensch.  Denkens,  2.  Aufl. 
L«pzig  1906,  S.  24  („als  wahr  setzen");  Lipps,  Sitz.-Ber.  d,  philos.- philol.  «. 
i-  bist.  Kl.  d.  Kgl.  Bayer.  Ak.  d.  Wiss.,  Jahrg.  1905,  München  1906,  5.  SSS 
(nimmt  sogar  ein  Bewußtsein  der  allgemeinen  Gültigkeit  für  jedes  Urtäl 
ui);  Busserl,  Log.  Unters-,  HaUe  1901,  3.  Teil,  S.  449  (Urteil  „setzender" 
Ropoiitjonaler  Akt;  daher  sprechen  die  Logizisten  von  setzender  Qualität, 
tbetisehem  Charakter  usf.;  s.  auch  Messer,  Empfindung  u.  Denken,  Leipzig 
IWe,  S.  1S9).  Auch  Jerusalems  „Objektivienmg"  gehört,  unbeschadet  seines 
Gcfensatzes  zu  Brentano,  zum  Teil  hierher  (Urteilstunktion,  Wien-Leipzig 
1896,  S.  83).  Es  ist  leicht  verstandlich,  daß  Brentano  von  seinem  Standpunkt 
^e  UrteilssatzB  auf  Briste nzialsätze  zurückführen  wollte  (i.  c.  S.  286,  vgl. 
^ni  Meinoiu,  Über  Annabmen,  Leipzig  190^  S.  Uff).  Dabei  muBte  er  den 
B^B  der  Existenz  in  unzweckm&fiiger  Weise  erweitem,  so  daß  die  Existenz- 


OgIC 


3ß6       n.  Teil.    Krifennlnistheoretische  usw.  Grundlegune  der  Loaik. 

sein  —  30  will  ich  diese  Termioi  zusammenfassen  —  meistens  bei  dem 
Urteil  deutlicher  Ausgesprochen  isl  als  bei  einer  einzelnen  VotsteUung.  Ifeii) 
Erinnerangsbild  einer  gestrigen  Besegniing  rait  Herrn  M.  taucht  oft  ohne  >edes 
tjeltuogsbewuBtsein  auf;  wenn  ich  letzteres  habe  und  es  ausdtfickeii  will, 
so  gehe  ich  fast  unwillkarlich  zu  dem  Urteit  über;  ich  bin  gestern  dem 
Heim  U.  begegnet.  Aber  e»  handelt  sich  hierbei  doch  immer  nur  um  eioen 
Hautekeitsunterscbied.  Auch  eine  einzelne  Vorstellung  Iritt  zuweilen  nül 
auegeptäxtem  GellungsbewuBtsein  auf,  Z.  6.  die  Erinnerung  an  eine  Obn- 
standene  Gefahr.  Andrerseits  gibt  es  Urteile,  bei  weicbeo  das  Geltums- 
bewußlsein  ganz  zurQcktritt.  Wollte  man  im  letzteren  Fall  häiaapt«i,  dafi 
doch  wenigstens  immer  ein  Gel lungsbewu Bisein  involviert  werde,  se 
würde  man  erst  recht  die  Grenze  gegen  die  einzelne  Voistdlung  verwisefara; 
denn  ein  solches  Involvieren  des  Geltung^KwuStseins  kommt  dieser  erst 
recht  oft  zu.  Es  gibt  endlich  BOgar  eine  Klasse  von  Urteilen,  deikea  dai 
GeltungsbenuBtsein  gewissermaBen  es  definitiooe  ganz  fehlt.  Heinong,  der 
sieb  um  die  Eriorschung  dieser  „neutralen"  Urteile  besonders  bemüht 
hat,  bezeichnet  sie  als  „Annahmen"  ^).  So  kann  ich  z.  B.  das  UHeil 
,^uf  dem  Mars  wohnen  Mensi^en"  denken,  erwägen,  kritisieren  usf.,  ohne 
ihm  zuzustimmen  und  ohne  es  abzulehnen,  also  ohne  GeltungabewuBtsein  im 
positiven  oder  negativen  Sinn  (Anerkennung,  Bichtigkeit9ät>erKeugung,  Ver- 
werfung usf.).  Ich  halte  es  —  im  Gegensatz  zu  Heinong  ~  im  HinUidc  anl 
die  Verwertung  in  der  Logik  nicht  fQr  zweckmißig,  diese  „Annahmen"  von 
den  Urteilen  vollständig  zu  trennen.  Die  Bichtigkeits-  bzw.  Falschheits 
Oberzeugung  ist  ein  Zusatzphftnomen,  welches  bei  den  Urteilen  je  nach  äan 
Vorttandaisein  entgegengesetzter  AsMziationen  von  der  absoluten  VerwerfoM 
durch  alle  Qrade  des  Zweifels  hindurch  bis  zu  der  absoluten  ZustimmuDE, 

bezidning  auch  der  isoUerten  Vorstellung  zukommt  und  also  als  Unler- 
scheidungsmerkmal  zwischen  dieser  und  dem  Urteil  versagt.  Brentano  uod 
Jerusalem  eAlfiren  daher  auch  schon  die  Wahrnehmung  für  ein  Urteil  Vgl 
auch  Stont,  Torlr.  auf  d.  i.  Internat.  Eongr.  f.  Fhilos.  in  Bologna  1911.  De» 
Geltunfslheorien  steht  auch  Bradlcy  (Principlea  of  log.  1888,  S.  10)  nahe,  wenn 
er  das  Urteil  als  den  Akt  auffaßt,  der  „refers  an  ideal  content  to  a  realilv 
beyond  the  act".  Allenthalben  wird  dabei  dem  Urteil  eine  etkenntnistbeore- 
tische  Bedeutung  beigelegt,  die  es  in  unzähligen  Fällen  in  keiner  Weise  hat. 
Insofern  die  Anhänger  der  Geltungstheorie  in  dem  Geltung^iewufltsein  (Ab- 
erkennen und  Verwerien  usw.)  ein  spezifisches  Meitmal  dps  Urteils  gefonden 
zu  haben  glauben  und  seine  UnznrOckfohrbari;eil  auf  andere  psychische 
Pbänoraene  behaupten,  kann  man  auch  von  einer  ,4dioge  netischen" 
Urteilstheorie  sprechen;  dieser  Name  stanunt  von  Fr.  Billebrand  (Die  neuen 
Theorien  d.  kaUgor.  Schlüsse,  Wien  IBH,  S  16.  3.  27). 

^)  Namentlich:  Ober  Annahmen,  Leipzig  19DS,  2.  Aufl.  ISIO  (watne 
Literatur  S.  17^.  Bolzano  I.  c.  S.  1&5  bat  die  SondersUllirag  dieser  Sitze 
bereits  zulreBend  hervorgehoben.  Die  Zng^&riifteit  der  Loge  und  d» 
Wunsches  zu  den  Annahmen  ist  von  Ueinong  besprochen  woiden  (I.  c 
S.  töff.  und  2&1K.),  desgleichen  die  Beziehung  zur  Frage  (S.  MfL.  siehe 
unten  S.  äBi).  Weitere  Beiträge  zur  Ausgeslaltuns  und  Kritik  der  Lehre  voi 
den  Annahmen  haben  namentlich  geliefert:  Lipps,  Ztschr.  f,  Fsrchol.,  iW. 
Bd.  31,  S.  67;  Marly,  ebenda,  1906,  Bd.  «,  S.  1  (Antwort  Meinongs,  ebenda 
1S06.  Bd.  41,  S.  1);  Russell.  Mind  lOU,  N.  S..  Bd.  1»,  S.  2U;  Hnsserl,  Idm 
zu  ein.  rein.  Phanom.  usw.,  Halle  161»,  S.  23'(!f.  (Neutialitäismodifikalion]. 


OgIC 


2.  Kapil«).    PsycboloEische  Cfrundl^rune.  ft67 

zwiicben  der  scbäristen  StelluDgsnahmc  und  der  vollständigen  Neutnlit&t 
schTuAt*).  Irgendeme  Strecke  aus  dieser  Reihe  herauSEuschneiden  und 
am  Aem  Bereich  des  Urteils  ex  definitione  auscuachUeßen,  empfiehlt  sioli 
Dicht.  Damit  ist  aber  vollende  die  Untaughchkeit  des  OeltungshewnBtwlii» 
als  eioes  Kriteriums  de»  Urteils  erwiesen.  Das  GeltungabewaBt- 
sein  kommt  nur  den  bebauptenden  Urteilen  (Behaup- 
tatiECD)*)  zu  and  gebt  andrerseits  aucb  manchen  iso- 
lierten Vorstellungen  nicht  ganz  ab.  Vgl.  auch  S.  SSafL  Ober 
wiche  Yorgftnge. 

Hiebt  zureicliend  sind  auch  alle  diejentgen  Antworten  auf  die  gestellt« 
Grundfrage,  welche  ganz  allgemeia  leffigUch  eine  Verknapfimg  oder  Stb- 
Ihese'*;,  oder  weiche  eine  Beziehung  oder  ein  Verhiitnis  als  das 
psTcbalogisefae  Charakteristikum  des  Urteils  aufstellen.  GewiB  ist  bei  iedsin 
Crleil  eine  Synthese,  Beziehung  usf.  beteiligt,  aber  eine  solche  kommt  a\ich 
jeder  isolierieo,  zusammengesetzten  Vorstellung  zu.  Also  versagt  aucb  dies 
Krilerinm,  wenn  es  auch  gegenOber  der  dispamten  Ideenassoziation  zutrtBt. 
doch  eegenaber  vieteB  isolierten  VorsteUunffen.  Daher  konnte  sogar  um- 
Rkehrt  Wundt  mit  etnem  gewissen  Bflcbt  das  Urteil  als  „eine  Zerlegung  einer 
Oesamtvorsteliung  in  ihre  Bestandteile"  bzw.  „eines  Gedankens  in  seine 
betrifflicben  Bestandteile"  definieren").  Das  Urteil  stellt  oflenbar  eine  ganz 
besoKdere  Synthese  dar,  bei  welcber  auch  die  analTtiscfae  Fanktion 
iiiendwie  beteiligt  ist.  Andrerseits  ist  es  auch  nicht  lunlich,  etwa  mit  V^Bsdt 
lediglich  die  Analyse  als  charakteristisches  Merkmal  des  Urteils  aut- 
zaslellen.  Eine  solche  Analyse  ko&vnt  z.  B.  auch  bei  jedem  Aufmerksamkeits- 
akt  tsr,  wenn  wir  die  AufmeAsanikeit  auf  eine  TeilvoTstellung  konzentrieren, 
and  loan  dann  ohne  ^eden  Urlellsakt  auftreten. 

Eine  andere  Antwort,  weiche  gleichfalls  bis  auf  Aristoteles'-)  zuroci- 
EcU,  erblickt  ^as  ChaTaktertstikum  des  Urteils  in  reinem  AlternaliT- 
charakter,  d.  b.  in  der  Tatsache,  daS  es  stets  eine  Beiabung  oder 
Verncinun  g  inTolvi«re^.    Dies  Merkmal  erscheint  in  der  Tat  eilMMMi 

')  In  paihologisdier  Weise  verwischt  sich  der  Unterschied  zwischen 
Annahme  und  gewöhnlichem  Urteil  oft  bei  der  sog.  Pseudologia  phanlastica. 

*)  Vgl.  Erdmann,  I.ogik,  ß.  Aufl.,  S.  371.  Uan  beachte  auch,  daß  in 
der  iiti^vav  des  Aristoteles  Urteil  und  behauptendes  Urteil  noch  fast  ganz 
msammenflieBen  (&  Erdmann,  1.  c.  S.  366). 

'*)  Schon  bei  Aristoteles,  Aftad.  Ausg.  18b  „9ir9**h  it".  Sigwart 
spricht  in  seitter  Logik  von  „IneinssetEung". 

")  Loa,  3.  Aufl.  Stuttgart  18%,  Bd.  1,  S.  156  (3.  Aufl.  1900,  S.  147). 
H.  Gomperz  (Zur  Psych,  d.  log.  Gmndtals.,  Leipzig-Wien  1897J  Abschn.  S) 
lirunt  einen  analytiscben  Prozeß  bei  dem  Sprecher,  einen  synthetischen  bei 
dffn  Hörer  an. 

")  Akad.  Ausg.  17 a-.  ,'E4it  <ffi  h  «W"!^  «aiipin'WK  ^Wf^  ei/pirrjati 
m«)  raS  ytä^tf  Tt  q  /iq  M^;)*»»- ,  is  «t  j^'*«t  A^^vtm"  —  Mill  nocMe 
ich  nicht,  wie  Wundl  dies  tut  (Lo^,  2.  Aufl.,  S.  IM),  schlechthin  m  dsn 
^'ntretem  dieser  Ansicht  rechnen.  Die  von  Wnndt  zitierte  Defimtion  (1,  1,  2) 
>>t  doch  wohl  nur  als  vorlaut  zu  betrachten  und  wird  splter  (1,  ö.  4)  er- 
iKUidi  moffifiziert. 

u)  Ahofich  attch  Baumgorteo,  Acroas.  log.,  |  9tlB^  2.  Aufl.  177ß,  S.  66: 
'J^'i^ämi  e«t  repraesenfatio  aliquonmi  cooceptmim  «t  inter  m  vel  coo- 
'KDientiom  vel  mrafnanthun". 

„.,,„,^.oogic 


:J68       ^-  ^^''-    EikennlniaUieoretische  usw.  Gnmdlesung  der  Logik. 

brauchbarer.  Weder  eine  isolierte  Vorstellung  noch  eine  dispante  Voistel- 
lunfsreihe  iDTolnert  eine  solche  Beziehung  zu  Beiahuag-Vemeinung  (vgl 
S.  37ä).  Und  doch  ist  die  Besonderheit  der  Urteilasynthese  auch  mit  diesem 
Meriuual  nicht  ausreichend  bezeichnet.  Es  gibt  Urteile,  welche  weder  be- 
iahend noch  verneinend,  sondern  zwischen  Bejahung  und  Verneinung  geteüt 
sind  (Wahocheiahchkeilsurteile).  Auch  wird  man  die  Fräse  erheben  mOssen, 
ob  nicht  eine  Charakteristik  des  Urteils  unabhingig  von  seinen  immanenten 
Verschiedenheiten  möglich  ist  ^<). 

Man  beachte  wohl,  daB  die  hier  in  Betracht  kommende  Beiahuns-Vei- 
neinung  von  der  oben  (S.  365)  bespiocheDen  Anerkennung-Veiwerfuni 
wesentlich  verschieden  ist.  Die  Beiahung-VemeiDung  involviert  keine  Stel- 
lungsnahme,  »ie  dies  die  Aneiltennung-Verwerhmg  stets  tut,  Sie  kommt 
daher  auch  den  Meinongschen  Annahnten  zu  („der  Uajs  ist  bewohnt 
bzV.  ist  nicht  bewohnt"  im  Sinn  einer  nicht  von  mir  selbst  aufgestellten, 
sondern  von  mir  nur  z.  B.  zur  Diskussion  gestellten  Behauptung  anderer 
Menschen). 

Gegenüber  diesen,  wie  mir  scheint,  unzureichenden  Antworten  scheint 
mir  die  folgende  der  Lösung  wesentlich  näher  zu  kommen  '^): 

Das  Urteil  hat  sowohl  mit  der  isolierten  zusammengesetzten")  Vor- 
stellung wie  mit  der  disparaten  Ideenassoziation  manche  Merkmale  g«neiB 
und  unterscheidet  sich  andrerseits  sowohl  von  dieser  wie  von  jener  durch 
ganz  bestimmte  Meitmale  und  zwar  von  dieser  dundi  andere  als  von  jener. 
Die  Antwort  zerfUlt  in  zwei  Teilantworten; 

1.  Unterscheidung  des  Urteils  (der  U  rteilsassozia- 
lion)  von  der  isolierten  zusammengesetzten  Vorstel- 
lung")- QiBiiBHB  ist  beiden  die  Zusammeogesetztbät  (Hehrgliedric- 
kttt)  und  die  Beteiligung  einer  oder  metu^rer  Slaromfu  nktionen  (S.  3t4 
bei  der  Enthebung;  partiell  gemeinsam  ist  beiden  das  Vorbanden- 
sein  einer  festen  Beziehung  der  Individualkoelfizienten  der  verfenQpften 
Vorstellungen  >■),  insofern  diese  allen  Urteilen,  aber  nur  einem  Teil  der 
zusammengesetzten  Vorstellungen  zukommt  (siebe  jedoch  S.  369,  Anm.  30). 

Die  Zusammen  gesetzlheit  (Mehrgliedrigkeit)  ist  zuweilen  aus  der  Defi- 
nition gestrichen  worden.     So  hat  namentlich  Brentano  seine  oben  (S.  36^ 

")  Wundt,  Logik,  S.  AufL,  S.  IM,  wirft  der  in  Rede  stehenden  Ldu« 
sogar  eine  Diallele  vor.  Dieser  Vorwurf  scheint  mir  zu  scharf.  Es  bandet 
sich  gar  nicht  um  eine  D^nition  im  gewöhnlichen  Sinn,  sondern  um  eine 
Charakteristik  eines  Gattungsbegriffs,  und  für  eine  solche  genOgt  die  Angabe 
über  die  Anordnung  der  Arten  innerhalb  der  Gattung  (vgl.  nteine  EAenntnis- 
Iheorie.  1913,  S.  66). 

")  Vgl.  Llf.  S.  BÜÜ.;  Gr.  S.  IStlt.;  Erkenntnisth-,  1913,  S.  3378.; 
DifL  S.  1*9  B. 

1«)  Von  der  isolierten  einfachen,  d.  h.  unzusammengesetzten  Vor- 
stelhmt  ist  es  schon  durch  die  Zusammensetzung  aus  wenigstens  zwei 
Vorstetlnngen  unterschieden. 

'^  Das  Attribut  „zusammengesetzt"  werde  ich  im  folgenden  zai  Ab- 
kOrzunf  oft  weglassen. 

**)  Der  Anspruch  auf  Richtigkeit  oder  Geltung,  den  ich  frOher  (GnmdL 
S.  IST)  als  weiteres  gemeinsames  Merkmal  angeführt  habe,  fUlt  hier  mt,- 
da  ich  es  jetzt  fOr  zweckmäBig  halte,  auch  die  „Anrkafamen"  zu  dm  Urteilen 
zu  rechnen  (/^  oben  S  806). 


2.  Kapitel.    Psycbologische  Gnindleeune.  ^@Q 

imn.  0  erwlLbnte  Lehre  von  der  Aneifcetmiuig  und  Verwerfung  im  Vrteit 
dktuii  formuliert,  daB  das  Wesen  des  Urteils  au  in  diesec  Aneriunnung  bzw. 
VsrwerfonK  l>e9tehe  und  insbesondere  die  Uefargliedrigkeit  nicht  allen  Urteilen 
zakomme.  Er  und  seine  SchOter  beriefen  sich  dabei  namentlich  auf  die  sog. 
Eiistenzialsätze  nie  z.  B.  „Qott  ist"  und  die  sog.  Impersonalien  wie  z.  B.< 
„es  blitzt".    Die  Unhallbarkeit  dieser  I^hre  wird>sich  in  %  113  ergeben. 

Die  Beteiligung  der  Stammfunktionen  «n  der  Vorstel- 
loDfsbilduns  wurde  in  §  70  bereits  besprochen,  ihn  Beteilisung  bei  der 
EntsIehuDg  des  Urteils  ergibt  sich  aus  den  kritischen  Darlegungen  dieses 
ParagnijiheD.  Bald  spielt  die  analytische,  bald  die  synthetische,  bald  dia 
tomparatiTe  Funktion  die  Hauptrolle  bei  der  Urteilsbildung.  So  wird  in  dem 
Ditol  „der  Schnee  ist  weiQ"  die  komplexe  Vorsteilung  Schnee  zerlegt  (Ana-- 
)Tm);  in  dem  Urteil  „diese  drei  Linien  bilden  ein  Dreieck"  werden  drei 
Vontellunsen  zusammengefaBt  (Synthese);  in  dem  Urteil  „das  heutige  Wettet; 
ist  günstiger  als  das  gestrige"  werden  zwei  Vorstellungen  verglichen  (Eom- 
mratiDn).  Meistens  wirken  mehrere  Stamtnfunktionen  bei  def  Bildung  eine« 
Urtdls  zusammen. 

Einer  etwas  eingehenderen  Erläuterung  bedarf  das  an  letzter  Stell« 
(mannte  Herkmal,  die  feste  Beziehung  der  Individualkoetfi- 
zienten.  Ich  verstehe  unter  den  Individualkoeffizienten  einer  Vorstellung 
die  räumlich- zeitliche  Bestimmtheit  des  Vorstellungsinhalts  (vgl.  S.  318). 
Wenn  ich  nun  die  isolierte  Vorstellung  einer  Rose  bilde,  so  stehen  die  Indi- 
ndualkoeffizienten  der  zugehörigen  Teilvorstellungen  —  Farbe,  Duft  usf.  — 
in  einer  festen  Beziehung.  Ich  stelle  mir  die  Farbe,  den  Duft  usf.  nicht  als 
in  verschiedenen  Orten  und  zu  verschiedenen  Zeiten  befindlich,  sondern  als 
an  demselben  Ort  und  zu  derselben  Zeit  befindlich  vor.  Die  „feste  B&< 
äehun^'  ist  eine  teilweise  oder  vollständige  Deckung.  Wir  können  dafOe 
auch  mit  gewissen  Vorbehalten  geradezu  sagen:  wir  beziehen  alle  Tril- 
TOTsWungen  auf  denselben  „Gegenstand"  (vgl.  S.  365,  3961.).  Es  gOt 
dies,  wie  leicht  zu  erweisen  ist,  sowohl  ftlr  viele  rein  synthetisch  gebildete 


VorsteDuDgen  (symbolisch:  AB  gebildet  aus  A  und  B)  >*)  wie  fOr  viele  rein 
analytisch  gebildete  (symbolisch:  A  entstanden  aus  AB  oder  AB—^-A)  wia 

A 
tor  Tide  Kia  komparativ  gebildete  (symbolisch-.  A  B  angeknöpft  an  AundB) 
wie  endlich  auch  für  die  zahllosen  Vorstellungen,  bei  deren  Entstehung 
mehiere  Grundlunktionen  beteiligt  sind.  Keineswegs  aber  kommt  dies  Meik- 
m&l  allen  zusammengesetzten  isolierten  Vorstellungen  zu.  Bei  Vorstel- 
lungen wie  „Hobenstaufengeschlechl",  „Erustazeen"  usf.  fehlt  wenigstens 
xbeinbar  die  feste  Beziehung  der  Individualkoeffizienten  der  einzelnen 
Glieder»*).  Sie  ist  entweder  durch  Abstraktion  verloren  gegangen,  oder  die 
SnUiese  ist  dank  ihrer  IrOber  (S.  303,  Anm.  S)  besprochenen  „Über  den  Tat- 
bestand hinausgehenden"  Wirksamkeit  überhaupt  ohne  feste  Beziehunel  der 
IndrridualkoefBzienten  erfolgt 


»•)  Vgl.  über  die  Symbole  S.  318,  39«,  äSB. 

^  Dabei  ist  Obrigens  sehr  zu  beachten,  daft  selbst  in  ^esea  PUlen 
die  —  partielle  oder  vollständige  —  Deckung  der  Individualkoeffiäentea 
um  IdiH,  wenn  man  lediglich  die  Beziehung  auf  die  zugehörigen  Glieder 
der  loHAtiv-  bzw.  Allgemeinvoratellung.  also  die  fundierenden  Individual- 
mrsteQungen  in  Betracht  zieht,  dagegen  stets  vorhanden  ist,  wenn  joaa, 
Zi*hsD,  Lthrbucli  dnLa^  34 

„    ,„,^.oogic 


j;70       "'  '^''^-    EricsnntnisUieorelische  usw.  Gnindlegung  der  Logik. 

B«i  den  Urteilen  find^  sich  dieselbe  feste  Beziehung  dar  IndiriteJ- 
koeffizienten  wie  bei  den  eraterwJUmten  isolierten  Vorstellunsen,  iedoch  raeU 
nur  bei  vielen  Urteilen,  sondern  bei  aOai.  Wenn  ich  das  Urteil  f&lle:  Jiat 
R«ee  ist  rot"  (allgemein  Ac=B  oder  A— -ß),  so  stelle  ich  wti  nicht  die 
„Roee"  und  das  „rot"  an  verachiedenen  Orten  und  zu  verschiedenen  ZötMi 
beiindlich  vor.  wndem  beides  an  demselben  Ort  und  m  derselbe«  Zeit. 
Auch  hier  lieft  also  eine  fest«  Beziehung  im  Sinn  einer  teilweisen  oder  tdH- 
ständigea  Deckung  für  die  im  Urteil  vericnOpfleD  Vorstellungen  vor").  Der 
eiulachste  sprachliche  Ausdruck  für  diese  Deckung  ist  die  £opula.  In 
raaacbeii  Sprachen  wird  sie  Oberhaupt  nicht  ausgedrückt  (vgL  „Triumf 
Schäume").  An  andrer  Stelle  habe  ich  gezeigt,  daß  diese  lOr  das  Urteil  chi- 
rakteristische  feste  Beziehung  —  teilweise  oder  voUalindige  Deckung  —  der 
Itidividualkoeffizienten  auch  for  solche  FUlle  zutrifft,  in  welchen  sie  bei  obe^ 
Ilächlicher  Betrachtuns  zu  fehlen  scheint.  Ich  erw&hae  hier  beitpielsweiae 
nur  zwei  Fülle.  Zunichsl  die  allgemeinen  Urteile  wie  „alle  BIfttter  sied 
grOn"!  Hier  scheint  es,  als  ob  ia  Anbetracht  dar  Allgemeinheit  des 
Subjekts  Individualkoeffizienten,  d.  h.  räumliche  und  zeitlicbe  BesÜmmUittleii 
Dberhauut  ganz  fehlten.  Und  doch  bleibt  das  angegebene  Merkmal  auch  iOr 
diese  AUgemeinurieile  süllig.  Allerdings  kann  hier  nicht  von  einer  Deckunt 
bestimmter-  Individualkoeffizienten  die  Rede  sein,  wohl  aber  von  der 
Deckung  unbestimmt  gelassener  Individualkoetfi  tienten  (etwa  vergleichbar  des 
PaiMoetern  der  mathematischen  GleichungasymboUk,  z.  B.  in  S,  —  kS,,=0). 
Wenn  wir  uns  allgemein  ein  Blatt  vorstellen  (,Me  Blttter"),  so  lassen  wir 
unbestimmt,  wo  und  wann  es '  wächst,  stellen  uns  aber  doch  vor,  da£  es 
ijrgendwo"  und  siisendwann"  w&cfast.  Wir  schreiben  ihm  riumlicb-zeüUcbe 
BeEtimmtheit  zu,  lassen  nur  den  Wert  derselben  bei  unsrer  Ubeiiegunf  un- 
liestimmt.  Wenn  wir  urteilen:  „alle  Blätter  sind  grün",  ao  denken  wir 
4Bbei,  daB  sich  dies  „irgendwo"  und  ,äTgendwann"  für  ,31att"  und  „hüd" 
ganz  oder  talweise  deckt.  Ebensowenig  kOimen  Urteile,  in  denen  an  Sldle 
der  Kopula  ein  anderes  Zeitwort  steht,  gegen  die  AllgemQDgQlUgkeit  des 
Satzes  von  der  Deckung  der  Individualkoeffizienten  angeführt  weiden.  Wenn 
ich  urteile:  „der  Jäger  verfolgt  den  Hirsch",  so  decken  sich  allerdings  die 
Individualkoeffizienten  des  Jägers  und  des  Hirsches  nicht,  aber  der  Vufleidi 
der  Individualkoeffizienten  bezieht  sich  auch  gar  nicht  auf  Jäger  und  Hiiscb, 
sondern  auf  Jfifer  und  die  san^e  I^ldükatsrorstellQUg,  d.  b.  die  VeiMgunt 
des  Hirschs.  Für  diese  VetMfmg  aber  nnd  den  Jlger  trifft  offenbar  üe 
Deckuoe  der  individualkoeffiaenten  sanz  ebeosa  zv  wie  für  diese  Rose  und 
rot  in  dem  Urteil  „diese  Rose  ist  rat". 

Partiell  ist  die  Decfamg  der  Individualkoeffizienten  im  Urteil  sehr  oH 
Insofern,  als  ilim  ^iiiiliiliiiwiiiiiii  iiii  li  Im  Iiiilii  iiluilliiii  fdi  ii  iili  ii  ili  i  TiHilitnlo 
vorsteHuns  grfiBer  ist  als  daqeaige  der  SubieUsvorstellung :  wo  und  wann 
Schnee,  da  und  dann  weiß,  aber  nicht:  wo  und  wann  weiB,  da  und  dann  Schnee. 

Sehr  kurzaichtig  ist  der  Einwand,  der  gelegentlich  erturf)6n  wirf:  i» 
jedem  Urteil  liege  doch  auch  eine  logisch-inhaltliche  Veiteflirfuns  vor. 
Selbstverständlich  liegt  eine  solcbe  sehr  oft  vor,  sie  kann  aber  bei  den 


wie  dies  richlig  ist,  die  zugeMrigen  Teilvoistalluageo  (semeinsame  Heik- 
BMk  der  EmsUaeen)  ins  Auge  fafit.  VgL  S.  8«  Ober  ZusammrägevetzUmL 
")  Siehe  namentlich  DUff.  S.  IfiO  ff.  Bei  VorateUungen,  welcbe  kanen 
rMnlichen  IndividualkoefCzienten  haben,  kommt  nur  der  zeiUiche  für  die 
nackung  in  Betracht. 


3.  Kapitel.    Psychologische  Grundlegung.  371 

Urteil  (int  psychologiachen  Sinn)  auch  vöUig  fehlen  und  ist  öaliitr 
scher  Hicht  das  charakteristische  Uerkinal  des  psvchologiacheD  Urteils  Ober- 
haupt.   Als  Beisinel  nehme  man  etva  du  Urteil ;  hier  stdit  ein  Tisch  usf.**). 

Die  Detdning  der  IndividuaUweffisienten,  die  aoBacb  neben  der  Be- 
lalitnmg  der  Stammfunktionen  für  dos  Urteil  wesentlich  ist,  wird  von  dem 
Urteilenden  imt  Hilfe  der  komparativen  Funktion  festgestellt.  Diese  ist  alao 
in  zweifBcber  Weise  bei  dem  Urtül  boteiligt,  erstens  bei  jedem  Urteil,  in- 
*iem  sie  die  Deckung  der  Individualkoeffizienten  feststellt,  und  zutitens 
«deidem  bei  vielen  Urteilen,  insofern  sie  sonstige  M«Amale  der  im  Urteil 
wknOpHen  VoratelluDgen  vergleicht  (a.  S.  369  u.  388).  Wenn  hier  und 
weiterhin  von  Deckung  schlechthin  die  Rede  ist,  ist 
stets  diese  vermöge  der  Vergleichungsfunktion  ge- 
dachte Deckung  gemeint. 

£in  gemeinsames  relatives  Merkmal  der  Urteile  uod  vieler  isolierter 
zaaumnengeseizter  Vorstellungen  ist  die  EigentOmlicbkeit.  richtig  oder  falsch 
n  sein.  Fäläcblicti  bat  man  sie  den  isolierten  zusammengesetzten  Vorstel- 
hinjen  zuweilen  generell  at«esptochea  (vgl.  S.  3&lff.). 

Gesenüber  allen  diesen  gemeinsamen  bzw.  partiell  gemeinsamen  Herk- 
maleii  sind  folgende  durchgängige  Ualtncbaidaats  merk  male 
ntischen  Urteil  und  isolierler  Vorstellung  nachzuweisen:  der  Sukzes- 
sivcharakter  des  Urteils  im  Gegensatz  zum  S  i  m  u  I  ( a  n Charakter  der 
iulieiten  Vorstellung  und  der  hiermit  zusammenhänge ode  (^larakler  des 
Ablaufens  bei  dem  Urteil  im  Gegensatz  zu  dem  Abgelaufensein 
^er  VorstelluDB  *'). 

Auch  diese  Unterscheidungsmerkmale  bedürfen  noch  einiger  Etl&ute- 
nuig.  Der  Sukzessivcharakter  des  Urteils  ist  für  die  Worivorstel- 
insgen  bzw.  SprechinDervationen,  in  welchen  das  Urteil  ausgedrückt  wir^ 
ODzieUelhaft,  dagegen  könnte  er  ftlr  die  Obiektvorsleltungen  fraglich  er- 
scheinen. In  der  Tat  besieht  zwischen  den  Obiektvotstellungen  und  dem 
^>rachlichen  Ausdruck  keineswegs  ein  absoluter  Parallelismus  (vgl.  Grundl. 
S-  1S1).  Indes  geben  uns  sorgf&ltige  experimentelle  Sell)3(beot)achtnngen 
usreicbende  Gew&br,  daB  wirklich  auch  die  Objekt  Vorstellungen  im  Urteil 
Kienat  sukzessiv  auftreten.     Die  sprachliche  Formulierung  spiegelt  diese 

**)  Wenn  Jerusalem  (L  c.  S.  S3C)  u.  a.  behaupten,  daB  in  einem  Urteil 
«ie  „der  Baum  Müht"  der  Baum  aus  der  Vorstellung  des  Urteilenden  „harwis- 
tMtdä  und  so  lAjektiviert"  werde  (s.  euch  oben  S.  B65,  Anm.  6),  so  kann 
tA  äne  sok^  Obje^viening  generell  nur  insoweit  anerkoiaeD,  als  unter 
dnselhen  die  erörterte  Beziehung  der  Individualkoeffizienten  verstanden 
wird,  die  nur  sehr  miBverständlich  als  eine  Vergegenständlichung  bezeichnet 
Verden  kann  (vgl.  S.  322  u.  andrerseits  g  lOS).  Auch  die  von  Erdmann 
(L  c  S.  IM,  387,  2SB  ff.)  besonders  betonte  logische  Immaneni:  der  Hcvk- 
loBle  in  dem  als  Inhalt  gefaBten  Gegenstand  reduziert  sich  psrckolscisch 
uf  £e  Besiehung  dar  Individualkoeffizienten,  soweit  es  sich  um  ein  all- 
lemeines  Merkmal  der  Urteile  handelt. 

**)  Vgl.  auch  Busserl  tiber  den  Unterschied  zwischen  nominalen  und 
ivopOBtionalen  Akten  („der  vorObergebende  Postbote"  und  „der  Postbote  geht 
*n1lbei").  Log.  Vntera,  Teil  2.  Halle  1901,  S.  4S6f.  u.  446  ff.,  2.  Aufl.  S.  «6 
^  477  K.  SimtchBdi  deckt  sich  mit  diesem  Unterschied  tmgefibr  derjenige 
i^st^en  Attijbtit  (inkl.  Apposition)  und  Prädikat.  Siehe  awdi  Berth.  Dsl- 
^"iA,  Qrundfirasen  d.  ^trachf.  usw.,  StnBb.  1901,  S.  146. 

24" 


372      ^'  "^^^^    BAenntnistheoretisdie  usw.  Grondleguns  der  Logik. 

Sukzession  in  verzerrter  und  ObertreibendeT  Weise  wieder,  biingt  sie  aber 
nkht  etwa  erst  hervor.  Aus  d«m  Sukzessivcharakter  des  Urteils  ergibt  äcb 
nun  auch  weiter  der  dem  Urteil  Kukonuneiide  Charakter  des  Ablaufeni. 
Im  Urteil  A^^~-B  spielt  sich  an  den  Vorstellungen  A  und  B  an  Pro- 
zeß und  zwar  eine  Tätigkeit  dsr  Differeozierungafunktionen  a  b.  Man  kano 
geradezu  sagen:  dos  Urteil  ist  dieser  ProzeB,  ist  diese  TäliäieiL  Anders  bd 
der  isolierten  Vorstellung.  Wenn  diese  reproduziert  wird,  ist  der  ProteA,  die 
Tätiskeit  der  DiBerenzieruagslunktionen  schon  abgelaufen  und  abgeschlossen. 
Die  Vorstellung  ist  ein  fertiges  Ergebnis  dersVergangenbelL  GewiB  ist  ihre 
Beproduktion  auch  ein  Hergang,  aber  durcn  diesen  Heigang  entsteht  die 
Vorstellung  nicht  erst,  sondern  eine  früher  gebildete  Vorstellung  wird  nor 
geweckt.  Die  Individualkoefflzienleu  werden  bei  dem  Urteil  veifüdieii 
und  zur  Deckung  gebracht,  bei  der  isolierten  Vorstellung  decken  sie  sich'*). 

Auch  der  vielfach  betonte  und  S.  367  bereits  erwähnte  Alternativ- 
charakter des  Urteils  hängt  mit  dem  Sukzessivcharakter  zusamronL  Es 
ist  in  der  Tat  für  das  Urleil  sehr  charakleristiach,  daB  es  die  AlteroatiTe 
zwischen  Verneinung  und  Bejahung  zul&ßt  (bzw.  einen  Obergang  nrischeo 
beiden).  Nunmehr  ist  dies,  wenn  das  Urteil  ein  ProzeS  ist,  ohne  weiteres  ver- 
ständlich. Ein  ProzeB  kann  in  einem  bestimmten  Sinn  oder  im  entgegen- 
gesetzlen  ablauten.  Bei  der  Vorstellung  als  dem  Produkt  eines  Prozesses  ist 
die  Alternative  schon  erledigt  und  kommt  daher  nicht  mehr  in  Frage. 

Aus  dieser  Erörterung  ergibt  sich  zugleich,  daß  die  beiden  angegebeoen 
Unterscheidungsmerkmale  nur  für  das  Urteil,  insofern  wir  es  i  e  t  z  t  b  i  1  d  e  d, 
und  für  die  Vorstellung  nur,  insofern  wir  sie  froher  bereits  gelnidet 
haben  und  jetzt  reproduzieren,  zutriSt.  Reproduzieren  wir 
ein  frtlher  gebildetes  Urteil,  ohne  den  Bildungspro zeB  zu  wiederholen,  so 
unterscheidet  sich  eine  solche  Beproduktion  oft  nicht  wesentlich  von  «n«r 
zusammengesetzten  Vorstellung  (wofern  Oberhaupt  noch  ObjektvorsteUungeB 
aultreten}.  Besonders  deutUi^  trilt  dies  bei  solchen  Urteilen  hervor,  welche 
dem  einfachen  Akt  einer  Grundfunktion,  insbesondere  einem  soldien  der 
Veigleichungsfunktion  (vgl.  S  '70)  entsprechen.  Wenn  ich  geurteilt  habe: 
„Gelb  und  Orange  sind  Ohnticb",  so  kann  ich  dies  Urteil  seinem  Ergebnis 
nach  in  der  isolierten  Vorstellung  von  der  „Ähnlichkeit  des  Gelb 
und  des  Orange"  reproduzieren.  Die  beiden  Genitive  weisen  noch 
auf  das  Urteil  bin.  Das  reproduzierte  Urteil  fallt  fast  mit  der  isolierten 
Vorstelluns  zusammen.  Die  Psychologie  weist  allerdings  noch  bestimmle 
feinere  Unterschiede  nach.  Ganz  analog  nähert  sich  der  B  i  1  d  u  n  g  s  prozeB 
einer  Vorstellung  sehr  einem  Urteil  Weim  ich  aus  der  zuaammeugesetrteB 
Vorstellung  „Vogel"  (AB)  zum  ersten  Male  durch  Analyse  die  Tor- 
stellung „Schnabel"  (A)  isoliei«  oder  aus  den  Vorstellungen  „Beete"  (A)  und 
,3aume"  (B)  zum  ersten  Haie  die  Vorstellung  „Garten"  (AB)  durch 
Synthese  zusammensetze  oder  endlich  an  die  Vorstellungen  zweier  Töne 
(A  und  B)  zum  ersten  Mal«  durch  Komparation  die  Vorstellung  ihn* 

Intervalls  (A  B)  anknflpfe  *°),  so  versagen  die  beiden  oben  angefühlten 
Unterscheidungsmerkmale.      Der    Vorstellungs  b  i  1  d  u  n  g    kommt    ideichMs 

^*)  Natürlich  nur,  soweit  übeAaupt  Deckupg  in  Betracht  kotomt  (v^. 
S.  369).  —  »)  Das  von  mir  Grundl.  S.  186  gewählte  Beispiel  fOr  die  Kompi' 
ration  ist  nicht  so  eindeutig. 


8.  Kapitel.    Paycbologische  Grundlegung.  373 

SutzessioD  und  Ablanien  zu.  Wir  drQcken  daher  die  Vorstellunssbilduns  in 
solcbea  F&Uen  audi  meistens  solort  duich  ein  Urteil  aus,  z.  B.  „der  Vogel 
lut  einen  Schnabel",  ,feete  und  BAume  bilden  einen  Garten",  ,fi.  und  g 
stehen  zneinander  im  Intervall  der  Quint".  Diese  „introduzierendan" 
L'rtdle,  vie  ich  sie  kurz  nennen  will,  unterscheiden  sich  von  den  gewöhn- 
lichen Urteilen  nur  dadurch,  daB  sie  nicht  nur  schon  gebildete  Voirstellungen 
(nlhsHen,  sondern  aus  schon  gebildeten  Vorstellungen  zugleich  mit  dem 
Fillen  des  Urteils  eine  ganz  neue  Vorstellung  gebildet  wird.  Das  intniduzie- 
nnde  Urteil  dient  geradeni  als  Ausdruck  der  Voratellungsbildung.  Gegenüber 
den  sonstigen  Urteilen  erscheint  es  gleichsam  als  rudimentär.  Nur 
iasofem  besteht  auch  zwischen  dem  iniroduzierenden  Urteil  und  der  Voi- 
siellongsbildunc  doch  noch  ein  Unterschied,  als  im  ersteren  die  Tatsache  dec 
Keubüdung  lonnell  gar  nicht  zum  Ausdruck  kommt:  Die  neugebildete  ^tro- 
duzierte"  Vorstellung  des  Schnabels,  des  Gartens,  des  latervalls  usL  wird  so 
behandelt,  a  1  s  o  b  sie  eine  schon  gebildete,  abgeschlossene  Vorstellung  wtre. 
Daher  kaun  im  iotroduzierenden  Urteil  die  Sukzession  der  Vorstellungen 
nachträglich  auch  umgekehrt  werden.  Indem  ich  voraussetze,  daß  die  neu- 
Rbildete  Vorstellung  der  Quint  schon  vorliegt,  kann  ich  dem  Urteil  auch  die 
Form  geben  „die  Quint  ist  das  Intervall  zwischen  c  und  g"  usl.,  w&hrend  bei 
dei  Vorstell  ungsbildung  eine  solche  Umkehrung  ausgeschlossen  ist  ^*).  Der 
Charakter  der  Sukzession  ist  also  doch  nicht  ganz  derselbe.  Immerhin  kann 
man  wohl  sagen,  daS  hier  Vorstellen  und  Urteilen  noch  nicht  völlig  differen- 
ziert sind,  und  dsB  sonach  hier  beide  in  einer  gemeinschaftlichen  Wurzel  zu- 


Der  eben  entwickdten  Auflassung  steht  die  Koinzidenztbeoiie 
fegaiober,  welche  ein  vollst&ndiges  Zusammenfallen  von  Urteil  und  Vor- 
stellung behauptet  (bald  nur  von  psychologischem,  bald  nur  von  logischem 
Standpunkt,  bald  von  beiden  Standpunkten  ans).  Besonders  klar  ist  üe  von 
Teichmüller  vertreten  worden^  (Neue  Grundleg.  d.  Psychol.  u.  Logik, 
Breslau  1S8B,  S.  36  ff.).  Mir  scheint  aber,  daB  sein  Hauptargument  dmch  die 
oben  gegd)enen  Erörterungen,  namentlich  durch  die  Unterscheidung  zwischen 
^un  in  Bildung  begriffenen  und  dem  schon  gebildeten,  reproduzierten  Urteil 
hinfällig  wird.  Hart»e  (L  c.)  glaubte  sogar  experimentell  nachweisen  zu 
kfinnen,  dafi  es  keine  psTchologiscben  Bedingungen  gebe,  welche  die  Erleb- 
Disss  zu  Urteilen  gestalten.  Ich  halte  das  von  ihm  beigebrachte  Material 
für  nicht  ausreichend,  um  diesen  Schlufi  zu  gestatten,  und  bin  oberdies  bei 
«ifenen  expenmentellen  Untersuchungen  zu  entgegengesetzten  Resultaten  ge- 
langt Insbesondere  ist  bei  den  Versuchen  auch  den  S.  3&i  u.  36i,  Anm.  2 
hervorgehobenen  Bedenken  nicht  genOgend  Rechnung  getragen. 

Wenn  man  wie  Uarbe  den  Satz  aufstellt:  „Alle  Erlebnisse  kennen  zu 
Urteilen  «erden,  wenn  sie  nach  der  Absicht  des  Eriehenden  entweder  direkt 
«der  in  ihren  Bedeutungen  mit  anderen  Gegenständen  Übereinstimmen  sollen" 
0-  c.  S.  &S),  so  I&Ut  auch  die  einfache  Beproduklion  dnes  Erinnerungsbildes 
Ahr  oft  unter  den  Begrifi  des  Urteils;  damit  wird  aber  eine  wissenschaftlich 

'*)  Hau  vergleiche  hierzu  z.  B.  die  zum  Teil  analogen  Auseinander- 
sctmngen  Herbarts  über  die  „einseitige"  und  die  „racklaufeode"  Verbindung 
nreier  Begrifle  im  Urteü  (Lehrb.  z.  Einl.  in  d.  Philos.,  §  E3  u.  50). 

")  Auch  die  Auffassung  H.  Maiers  gehört  hierher.  Er  meint,  daB  man, 
«eui  man  Begrifle  wie  Mensch,  Schnee  usf.  wirklich  vorstellt,  ein  „elemen- 
liins  BegriSsurteil"  vollzieht  (Psych,  d.  emot.  Denkens,  TObingen  190S,  S.  180). 


1,1^. OQi 


B'c 


374       ^  '''^''-    ErfccnntnisUieoreÜache  usw.  Gnindlessiv  der  Logik. 

werti*(i4)e  Abgrenzung  ohne  zwingenden  Gnind  und  im  Widerspruch  mit  dem 
wiB«eDKbaftlichen  Spradigebrauch  verwischt  (vgL  S.  363  R.). 

'  AusdrOcktieh  sei  auch  noch  bemerkt.  daB  ein  besonder«r  Fall  dann  vor- 
liegt, wenn  wir  ein  Utleil  weder  selbst  bilden,  noch  ein  fiQhet  s^Hldetes 
reproduzieren,  sondern  ein  von  einem  Andeien  Erebildetes,  fQr  ans  neues 
Urteil  boren  und  verstehen.  Offenbar  beginnt  tiier  der  ProzeB  imt  dner 
Synthese  der  sukEeKsir  und  zunächst  isolieit  uns  zugehenden  Vorstellungen 
(vgl.  S.  367,  Anm.  10)  und  ist  in  der  Beget  als  „Annahme"  zu  bezeichnen. 

2.  UnlerscbeiduDsdes  Urteils  (der  Urteilsassoziation)  tod 
der  disparalen  Ideenasaoziation.  Diese  Unterscheidung  bietet 
prinzipiell  keine  Schwierigkeit,  wenn  auch  piaktisch  manniglache  ObetAnge 
vorkommen  (vgl.  S.  3K).  Der  Urteilsassoziation  A~— ß  und  der  disptun- 
teo  Assoziation  A,B  ist  der  Subzessivcbarakter  gemein,  atwr  entere 
unterscheidet  sieb  von  der  letzteren  durch  das  Eingreifen  der  Diffeien- 
zienings  funkt  Jonen,  insbesondere  der  Vergldchungsfunktion,  wodurch 
zwischen  A  und  B  eine  Beziehung  (Zusammenhang,  Verknüpfung)  hergestellt 
wird,  und  zwar  insbesondere  durch  die  oben  ausfobrlich  erörterte,  von  der 
Vergieichungsfunktion  abtiKngige,  teilweise  oder  vollständige  Deckung  der 
IndivtdualkoefGzienlen**)  (gl.  g.  3gg).  Bei  der  disparaten  VorstellunR^olge 
„Rose  ...  rot"  verknüpft  keine  der  drei  DiHerenzierungsJunktionen  die  Vor- 
sfelluneen  „Rose"  und  „rot",  und  insbesondere  steht  es  mir  frei,  die  Hose 
als  an  einem  Ort  und  zu  einer  Zeit  und  das  Rot  als  an  einem  anderen  Ort 
und  zu  einer  anderen  Zeit  befindlich  zu  denken;  bei  dem  Uileil  „die  Rose 
iat  rot"  werden  die  Vorstellungen  ,.IIose"  und  ,^t"  durch  die  DUIerenzie- 
rungsfunktionen  miteinander  verbunden,  indem  das  „rot"  auf  „Rose"  irgend- 
wie bezogen  wird,  und  insbesondere  «erden  „Rose"  und  „rot"  als  an  dem- 
selben Ort  und  zu  derselben  Zeit  befindlich  gedacht  Noch  bestinunter  kann 
man  sagen,  daB  in  jedem  Urteil  speziell  die  Ve  rgle  ichungsfunktioa 
itirksam  ist,  bald  nur,  insofern  die  Gleichheit  der  r&umlich-zeitlichen  Ihdi- 
vidualkoeffizienten  au^esproctaen  wird,  bald  indem  auch  außerdem 
ein  Herkmalvergleich  zwischen  Subjekt  und  Fr&dikat  Eingestellt  wird") 
(s.  auch  unten  §  76),  und  daB  auQerdem  die  ajislytische  und  die  sio- 
thetische  Funktion  in  wechselndem  ilaSe  nütwirken. 

Mit  dem  soeben  erörterten  Unterscheidungsmerkmal  hängt  auch  der 
Mangel  an  Gliederung  tmd  AbschluB  bei  der  disparaten  Ideenassoziation 
zusammen;  es  fehlt  gewlssermaBen  jede  Interpunktion,  und  es  ist  der  Willkür 
überlassen,  wo  ich  die  dispatate  Vorstellungsreihe  abteile  oder  aUirec^e"). 

")  leb  setze  also  diese  Koeffizienteudeckung  an  Stelle  der,  wie  nur 
scheint,  sehr  unklaren  „iCusanunengehörigkeit",  welche  noch  immer  in  der 
Charakteristik  bzw.  Definition  des  Urteils  eine  Rolle  spielt  (vgl.  z.  B.  Lask, 
Die  Lehre  vom  UrteU,  Tübingen  1912,  S.  30). 

'»)  Diff.  S.  148  ff.  Man  hat  seibstveratSndbch  zu  unterscheiden  zwi- 
schen der  tatsächlichen  f3ber«instimmung  der  Individuallcoeffizienlfn  von 
Subjekt  und  Prädikat  und  dem  Denken  (Erkennen)  dieser  fjbereinstimmung. 
Unter   „Deckung"'    soll   immer  letzteres  verstanden    werden.     Vgl.   S.  371, 

'")  Vgl.  Jerusalem,  I.  c.  S.  79,  Daher  auch  die  Definition  des  Satzes 
bei  Dionysios  Thras:  üyor  Ü  iati  niC^t  jt  xii  t/4fthQ»c  USitK  «crtftra 
Jiär«uir  aiioiil^  i^Xnäua  {Tigyii  ygafiftaitx^,  ed.  Bekker,  Anecd.  Graeca, 
Bd.  2,  Berol.  1816,  5.  eß4c,  §  lä;  s.  auch  Schol.  S,  8t0).  Das  UrteU  ist  eben 
im  Gegensatz  zur  disparaten  Ideenassoziation  ein  abgeschlossenes 
Gebilde. 


i>,  Google 


2.  Kapitel.    Psychologische  Gnindlegung.  ^75 

SeUieBlich  kommt  zu  den  eben  aulsezähltea  UnlerscheidiinKsmerknialeii 
iwh  ein  sehr  wichtiges,  aber  nur  relatives  und  auch  nicht  rein  psycho- 
Itfbchea  hinzu,  welches  schon  S.  3€B  u.  871  hervonreboben  wurde;  nur  für 
&  l'rtnlsassoziation  kommt  Richtigkeil  und  Falschheit  in  Betracht,  tat  die 
Üapuate  Ideenassoziation  hingegen  nicht. 

Zusammenfassend  können  wir  bezüglich  der  charakteristischen  Rolle 
te  Differenzierungstunktionen  bei  dem  Urteilen  folgendes  sagen:  Bei  vielen 
UitHlcD  sind  alle  drei  Differenz ieningsfunktionen  beteiligt:  die  synthetische, 
insofern  sie  die  Verbindung  der  Urteilsvorstellungen  beratellt  und  —  wenn 
Mitere  zuummengesetirt  sind  —  auch  die  innerhalb  der  Urieilsvorstet- 
InigeD  verboodeneD  Teilvoratellungen  zusammenhält,  die  analytische,  in- 
xtaa  sie  die  Zerlegung  der  Subiektsyorsteltung  zum  Behuf  der  Gewinnung 
der  Pridikatsvorslellung  ausfahrt,  die  komparative,  insofern  sie  dem  Koeffi- 
äentm-  und  eventuell  auch  dem  Merkmal  vergleich  zugrunde  liegt  Charak- 
teristisch ist  für  das  Urteilen  weder  die  Synthese  allein  (Sigwartsche  Ansicbl) 
Mch  die  .^alyse  allein  (Wundtsche  Ansicht),  sondern  die  ^enartiee  Kom- 
bination von  Synthese  und  Analyse  mit  Komparation  speziell  der 
iDdrridnalkoeffizienten.  Und  auch  diese  Charakteristik  wird  zur  linter- 
xbadung  des  Urteils  als  Prozesses  (Urtdlsbildung)  von  der  zusanmen- 
■  lesettten  Vorstellung  erst  dann  ausreichend,  venn  wir  noch  hinzufügen,  daB 
die  drei  DiUerenzierungsfunktionen  bei  dem  Urteilen  in  Tätigkeil  sind  („ab- 
taufm"),  während  bei  der  isolierten  zusammengesetzten  Vorstellung  das 
Produkt  ihrer  (schon  ^,abgelaufenen")  TAtigkeit  vorliegt. 

Die  Qesamtheit  der  von  den  Difierenziei'ungsfunktioncn  gelei^l^ten 
Tldgkeit  soll  auch  kurz  als  DitdatenkliaB  bezeichnet  werden.  Diese  ist 
»iso  für  das  Urteil  charakteristisch.    Ihr  Ergebnis  ist  die  Urteil s»«dB*pla»i. 

We  wettere  Terminologie  des  Urteils  wird,  da  sie  sich  vorzugsweise  auf 
ii»s  Urteil  im  logischen  Sinn  bezieht,  erst  in  §  106  benprochen  werden. 

f  n.    ilniMiini  KJtMMfcaÜM  im%  VxMa,  HMtandM*  b^am  lahtlla 

Hd  Hwläliiiiihal^amii  i«a  IhMk,  Analog  wie  bei  den  Voi  Stellungen 
(vgl.  g  72,  S.  3M}  kann  man  auch  bei  den  Urteilen  bestimmte  Eigen- 
ichafleni)  unterscheiden,  nämlich  Inhalt.  Dauer,  Gefablston 
ond  Energie.  Von  diesen  bietet  die  Dauer  kein  logisches,  sondern  nur 
psychologisches  Interesse.  Dasselbe  gilt  auch  von  der  Energie  des 
iJrteils,  die  Übrigens  im  wesentlichen  direkt  von  der  Energie  und  der  assozia- 
tiven Verwandtschaft  der  im  Urteil  verknüpften  Vorstellungen  abhängt. 
Hancbe  pathologische  Zwangsgedanken  (Zwan^surteile)  vfranschaulichen  das 
Qiaiaktens tische  dieser  Urteilsenergie  in  ausgezeichneter  Weise.  Der  Li  e  - 
fühlston  der  Urteile  wird  in  §  76  ausfilhrliclier  besprochen  werden. 
Das  Hauptinteresse  der  Logik  konzentriert  sich  aul  den  Urteils  1  n  h  a  1 1 
Dieser  Urteilsinhalt  ist  nichts  anderes  als  die  Gesamtheit  der  in  dem  Urteil 
enthaltenen  Vorstellungen  mitsamt  ihrer  durch  die  Differenzierungsfunktionen 
bzw.  Urieilsfunktion  (vgl.  §  74  Schluß)  hergestellten  Verknöffung. 

Wie  von  einem  VorslellungsgeEen stand  (rel.  S.  SCö  u.  355),  kann  man 
»och  von  einem  Urteils  gegenständ  sprechen.  Dieser  ist  wiederum  nicht 
*t*a  mit  dem  Urteilsinhalt  identisch,  also  nicht  etwa  eine  Eigenschaft 
^  Utteils.  sondern  deckt  sich  schlechthin  mit  den  Vorstellungen  bzvr. 
Enmflndungen,  «eiche  im  Urteil  verknüpft  worden  sind,  und  auf  welche  sich 

')  Das  Wort  „Eigenscbait"  wird  hier  im  weitesten  Sinne  gebraucht. 

,^.oogic 


37()       1.  Teil.    ErkenntnistheoKÜschc  usn*.  GrundieKUDK  der  Lcgtk. 

daher  das  Urteil  bezieht,  und  im  letzten  Regiefi  also  auch  mit  den  etwaigen 
Reduktionsbestandteilen,  die  wir  fQr  die  bez.  Empfindungen  und  Vorstel- 
lungen annetunen.  Daa  Urteil  gibt  die  Verhältnisse  seines  GcgenstandM, 
also  der  bez.  Empfindunsen,  Vorstellungen  und  Reduictionsbestandteile  in 
ireendeiner  Webe,  bald  falsch,  bald  richtig  wieder.  Die  Urteilsbeziehuiigni 
existieren  nur  in  unserem  Denken,  die  Gegenstände  haben  die  Verbaltniase, 
auf  welche  sich  jene  gründen.  Vgl.  auch  %  109.  Aufier  unseren  Urtälen 
nnd  den  Gegenständen  derselben  (einschliefiücli  der  Verbältnisse  dieser 
Gegenstände)  gibt  es  nicht  noch  etwas  Drittes  ira  Sinn  der  Logizisten  (etm 
wie  die  ,^tze  an  sieb"  von  Bolzano,  vgl.  S.  174).  Allerdings  verwandelt  die 
Logik,  wie  ia  dem  Si)ezialabschnitt  gezeigt  werden  wird,  die  individuellen 
Urteilsakte  durch  ein  idealisierendes  Verfahren  in  „Nornialurteile"  (nach 
Analogie  der  öfters  erwähnten  Normalbegrifle),  aber  hierdurch  wird  nicht 
ein  ganz  neues  Drittes  geschafien,  sondern  nur  eine  zweckmfiSige  Abslrattion  ' 
eingeführt 

Wie  deD  Vorstellungen  kommen  auch  den  Urteilen  außer  den  genannten 
Eigenachafteii,  welche  jedes  Urteil,  auch  ganz  isoliert  betrachtet,  hat,  noch 
relative  Eigenschaften  zu,  welche  sich  ergeben,  wenn  wir  das  Urteil 
irgendwie  vergleichen.  Zu  diesen  gehört  die  formale  und  materiale  Richtig- 
keit des  Urteils  (Konkrepan  z  und  Adäquatheit;  vgl.   S.  284). 

Die  Bestandteile  des  Urteilsinhal  t  s  sind  die  Vorstellungen, 
welche  im  Urteil  verknüpft  werden.  Die  Vei^üpfung  selbst  —  als  Ergebnis 
der  Urteilsfunktion  —  kann  nur  in  weiterem  Sinn  als  ,3e3tandteil''  des 
Urteilsinhalts  betrachtet  werden,  da  sie  den  im  Urteil  enthaltenen  Vorstel- 
lungen nicht  gleich-,  sondern  übergeordnet  ist.  Jedenfalls  aber  gebdrt  sie 
nach  unsrer  Terminologie  gleichfalls  zum  Inhalt  des  Urteils  und  kann 
daher  nur  auf  Gefahr  von  HiBverst&ndnissen  als  Urteils  form  bezMchnet 
werden. 

Selbstverständlich  bat  man  sieb  davor  zu  hüten,  etwa  den  flbliidiei 
sprachlichen  Ausdruck  des  Urteils  im  S  a  t  z  für  ein  getreues  Bild  der  Urteib- 
bestandteile  zu  halten.  Wenn  ich  sage:  „der  Wein  schmeckt  gut",  so  habe 
ich  nicht  etwa  hintereinander  die  Vorstellungen:  „der",  „Wein",  „schmeckt", 
„gut",  sondern  sowohl  die  Zahl  als  die  Reihenfolge  der  Vorelellungen  weicht 
von  derjenigen  der  Worte  ab.  So  tritt  z.  B.  eine  besondere  Vorstellung 
„der"  Oberhaupt  nicht  auf,  die  Vorstellung  „mir"  uird  sehr  off  in  dem  Ur- 
teil enthalten  sein,  fehlt  aber  in  dem  Satz  usf.  (vgl.  auch  S.  S71). 

Unter  den  Vorstellungen,  welche  die  Bestandteile  eines  Urteils  bilden, 
sind  sehr  off  einzelne  dadurch  ausgezeichnet,  daB  sie  in  besonderem  HaS 
von  dem  Interesse  und  der  Aufmerksamkeit  ^)  des  Urteilenden  begleitet  sind. 
Meistens  (nicht  stete!)  handelt  es  sich  auch  zugleidi  um  solche  Vorstellungen, 
die  in  der  vorangehenden  Ideenassozialion  bereits  öfters  aufgetreten  wami 
und  daher  bekannter  sind.  In  sehr  vielen  Fällen  spielt  eine  einzige  Vor- 
stellung bzw.  bei  den  Empfindungsurteilen  (S.  363]  eine  einzige  Empfindung 
diese  bevorzugte  Rolle.  Man  kann  diese  dann  als  das  Zentrum- 
gebildet)  oder  Zentrum  des  Urteils  und  Urteile,  die  ein  solches  Zoi- 
trum  haben,  als  zentrierte  Urteile  bezeichnen.  Kui  äuBerst  selten  febU 
jede  Zentrierung.  Im  sprachlichen  Ausdruck  wird  die  Zentrumvorstel- 

>)  Ltf.  S.  878  H. 

■)  Die  Bezeichnung  H.  Uaiers  „Substratvorslellung"  scheint  nur  Ver- 
wechslungen mit  den  fundierenden  Vorstellungen  ausgesetzt  zu  sein. 


OgIC 


2.  Kapitel,    fsycholcwscbe  GnindleEune-  377 

luDg  bzw.  Zentramempfinduns*)  in  der  Besel*)  zum  Subjekt 
gemacht,  so  daß  man  auch  von  einer  Subieklsvofstellunx  sprechen 
kann.  Zeitlich  geht  sie  den  Ohrigen  Vorstellungen  gewöhnlich  vonn*)- 
Demjegenflber  erscheinen  die  anderen  Vorstellungen  als  EnuntiatTOr- 
Stellungen  ^P r ä d  1  k a  t  s  vorsteiluneen).  Die  Enuntiatvoratelluneen  sind 
dabei  oft  bedeutsamer  und  interessanter  als  die  Zentrumvorstellung,  aber  aie 
werden  es  erst  durch  das  Urteil,  während  die  Zenlruravorstellung  es  schon 
vor  dem  Urteil  ist.  So  wird  die  Voranstellung  des  Prttdikals  im  Hebräischen 
verständlich.  Die  Zentnunvoistellung  stellt  gewissermaBen  eine  Frage  und 
tibi  ein  unbefriedigtes  Interesse  kund,  die  Elnuntiatvorstellung  gibt  die  Änl- 
norl  und  befriedigt  das  Interesse. 

lUn  kann  aud^  sagen,  daB  in  den  zentrierten  Urteilen  die  Urteils- 
verknOphmg  (S.  37&)  zwischen  der  Zentrumvorstellung  ')  einerseits  und  den 
EauntiatvurateUuDgen  andrerseits  best^t,  und  die  letzteren  mit  der  Urteils^ 
ve^Qpfung  als  Enuntiat  (Pr&dlkat)  zusammenfassen.  Letzteres  fUlt 
mit  dem  Prädikat  im  grammatischen  Smn  nicht  immer  genau  zusammen. 
In  manchen  Urteilen  ist  Ohrigens,  wenn  nur  der  Wortlaut  gegeben  ist,  dec 
Willkür  tjberlsssen.  welche  Vorstellung  man  als  Zenirumvorstellung  auffassen, 
und  welche  Vorstellungen  man  zum  Prädikat  rechnen  will:  man  kann  das 
Urteil  in  verschiedener  Weise  deuten.  Der  G^enstand  der  Zentrumvorstel- 
bmg  mag  Zentrumgegenstand  oder  Zentrumargument  (S.  368) 
heiBen. 

Auch  unter  den  Enuntiatvoistellungen  ist  selir  oft  eine  besondws 
Stack  betont  und  kann  datier  als  psychologische  PrädikatsvorstelluBg 
mb'  if^zi"  betrachtet  werden.  So  hat  H.  Faul  *)  t»ffend  ausgefOhrt,  daB 
in  einem  Satz  wie  „Kart  fährt  morgen  nach  Bertin"  jedes  der  vier  Glieder 
schart  abgehobenes  psTcholcvisches  Prädikat  werden  kann.     Ist  schon  von 

*)  kh  venneide  die  Bezeichnung  „Zenlnhorstellung",  weil  diese  S.S37 
schon  in  anderem  Sinn  gebraucht  wurde. 

*)  Nicht  immerl  Uan  denke  z.  B.  an  einen  ^atz  wie:  „vorhin  hArte  ich 
von  einer  schweren  Schlacht",  in  dem  die  „schwere  Schlacht"  doch  wohl 
setir  olt  psychologisch  als  Zenirumvorstellung  zu  betrachten  ist.  v.  d.  Gabe- 
lenlz  hat  auf  diese  Divergenz  zuerst  aufmerksam  gemacht  und  deshalb  ein 
psychologisches  Subjekt  neben  dem  grammatischen  unterschieden  (Ztschr.  f. 
PsTchoL  u.  Sprachwissenach.,  1869,  Bd.  6,  S.  37^  §  b).  Ein  ausgezeichnetes 
Beisinel  für  diese  Divergenz  bieten  die  impersonalen  Sätze  wie:  es  wurde 
Kämpft,  es  regnet.  Selbstverständlich  ist  die  Bedeutung 
des  Subjekts  mit  dieser  Beziehung  zur  Zenirumvorstel- 
lung nicht  erschöpft    Vgl.  g  MB.  Ober  begriOliche  Substanz. 

°)  Umgekehrt  verbalten  sich  die  Iflr  diese  ganze  Frage  äuSersl  instruk- 
tiven sog.  Nominal-  und  Verbalaaize  des  Arabischen  (^1.  z.  B.  Socin,  Arab. 
Grammatik,  Berlin  lS»i.  %  1350.,  199  Anm.  u.  147). 

^  Den  Zusatz  „bzw.  Zentrumempflndung"  werde  ich  im  folgenden  zur 
AhtOrzung  oft  weglassen. 

*)  Prinzipien  der  Sprachgeschichte,  i.  Aufl.  Halle  1909,  S.  2S3.  —  Be- 
^<>fUch  der  Unterscheidung  des  psychologischen  Subjekts  vom  psychologischen 
Mdäat  weiche  ich  von  Paul  ab.  P.  betrachtet  das  psychologische  Subjekt 
als  ^e  zuet«t  im  BewuBlsein  vorhandene  Vors  teil  ungsmaäse.  Dies  Zuerst- 
voriiandensein'  scheint  mir  nicht  das  wesentliche  Uoment  zu  sein,  ist  sogar 
aichl  immer  nachweisbar.    Vgl.  auch  Erdmann,  Logik,  2.  AufL,  S.  336. 


1,1^. OQi 


,g,c 


378       n-  "^^'^^    Siiennlnistheoretische  usw.  Onmdleguns  der  Ij>sik. 

einer  for  monien  geplanten  Reise  Karls  die  Hede  gewesen,  so  ist  „nach 
Berin"  betontes  Prädikat.  Ist  schon  von  einer  Heise  Karls  nach  Berlin  die 
Red»  gewesen  und  war  nur  noch  die  Zeit  unbestimmt,  so  ist  ,fooigea"  be- 
tontes Prädikat  usf.  Ist  bekannt,  daB  morgen  jemand  nach  Berlin  fihrt  und 
ist  nur  die  Person  noch  zweilelbaft,  so  isl  das  grammatische  Subjekt  „Kaii" 
psychologisches  Prädikat  (..derjenige,  der  morgen  nach  Berlin  fährt,  ist  Karl'}. 

Frege  hat  in  seiner  BegriHsschrift  (Halle  1879.  g  9)  die  Beziehung 
zwischen  Zenti  umrorstellunB  und  Enuntiat  bereits  im  wesentlichen  richtig 
dargestellt.  Seine  Bezeichnungen  — '  Argument  für  die  Zentrurarorsteltunt 
Funktion  fOr  das  Enuntiat  —  scheinen  mir  weniger  zweckmäßig;  sprachlich 
und  sachlich  liegt  es  näher,  die  urteil  svejknflptung  als  Funktion  2U  be- 
zeichnen und  die  Zentrumvor^leUusg  u  o  d  die  Enuntlatvorstellungeo  zu- 
sammen als  Arg umen (toi  Stellungen  autzufassen  (vgl.  5.  268).  ^-  Die 
Substra  turteile  von  H.  Maier  (Psychol,  d.  emot.  Denkens.  TOb.  1909, 
S.  164}  decken  sich  zum  Teil  mit  den  zentrierteii  Urteilen,  doch  betrachte 
ich  M.s  einfache  und  komplexe  Lrfeüe  gleicbEalls  als  zentriert  und  sehe  ihre 
Besonderheit  nur  darin,  daß  die  Zent  tum  Vorstellung  sprachlich  latent  bleibt. 
In  dem  Ausruf  ..ein  ßaum!"  ist  die  Zentrumvorslellung  vertrelen  durch  die 
Genchtsemprindiing  des  Baums,  auf  don  sich  der  Ausruf  besieht;  sprachlich 
vollständig  würde  das  Urteil  lauten  ..dies"  ist  ein  Baum  und  das  Wort  „dies" 
die  Gesichtsemp&nduDR  des  Baumes  bezeichnen.  —  Beiläufig  sei  noch  be- 
merkt, daß  die  ZeatrumvorsteUung  zuweilen  als  das  „psychologisch!.' 
Subjekt"  [zur  Unterscheiduni;  von  dem  grammatischen  und  dem  logischen) 
bezeichnet  isird»)     Vgl.  oben  S.  377,  Anm.  5  u.  S  111. 

Wir  sind  sehr  geneigt,  nur  die  Zentrumvorslellung  mit  dem  „Gc^n- 
stand"  des  Urteils  zu  identifizieren,  also  z.  B.  in  dem  Urteil  „diese  Rose  ist 
ml"  „diese  Rose"  als  den  Gegenstand  des  Urteils  zu  betrachten.  Diese 
populäre  Betrachtungsweise  ist  nicht  zulässig;  Gegenstand  des  Urteil?  ist 
entsprechend  seinem  Gesamt  Inhalt  „diese  Rose"  und  „rot"  (vgl.  S.  376). 

Von  den  konstanten  Eigenschaften  und  den  konstanten  Bestandteilen 
des  Urteils  sind  die  fakultativen  Begleiterscheinungen"*)  zu 
unterscheiden,  welche  bei  manchen  oder  auch  viele»,  aber  nicht  bei  allen 
Urteilen  auflfeten. 

Hierher  gehört  vor  allem  die  Überzeugung  von  der  Richtig- 
keit des  gedachten  Urteils.  Ich  kann  entsprechend  früheren  ErArteruDgen 
(S.  913  u.  36&)  ein  Urteil  wie  etwa  „der  Mars  ist  bewohnt"  aussprechen  und 
auch  denken,  ohne  zuzustimmen,  z.  B.  um  es  zu  prüfen  oder  sogar  zu  wider- 
legen, und  kann  andrerseits  dasselbe  Urteil  auch  als  meine  Überzeugung 
aussprechen  und  denken.  Im  letzteren  Fall  ist  das  Urteil  von  dem  sog. 
„GeltungsbewuBtsein"  oder  „GeviBheit"  begleitet,  oder,  anders  susRedrückI, 
der  Urteilende  sehreibt  seinem  Urteil  „objektive  Geltung"  [GOltiKkeit),  d.  h. 
materiale  Richtigkeit  zu.  S.  965  wurde  auch  gelegentlich  der  Besprechung 
der  sog.  Geltungstheorien  des  Urteils  von  Brentano  u.  a.  auseinandergesetzt. 
daB  dieses  „Zusatzphänomen"  von  dem  Vorhandensein  zuslinwoender  und 
entgegeneesetzter  Assoziationen  abhängig  isl,  also  nicht  etwa  als  ein  primäres, 

*)  Vgl.  zur  Streitfrage  des  psychologischen,  granuna tischen  und  logischen 
Subjekts  einerseits  H.  Paul,  I.  c.  S.  124  If.  und  andrerseits  Marty.  Areh.  f. 
System.  PhUos.,  1887,  Bd.  3,  S.  17*. 

")  Der  Gefühlston  der  Urteile  nähert  Sich  in  vielen  Beziehungen  de» 
Begleiterscheinungen. 


,  ^..«>sic 


2.  Kapitel.    Psycholopsche  Gnindlegung.  379 

ganz  spezifisches  und  neues  psychiscbes  Phänomen  betrachtet  werden  darf 
(V|t.  auch  %  7b).  Fast  stets  vei4)indet  sieb  Übrieens  weitertiin  mit  dem 
Grft«iiigd)ewuBlsein  »ußer  der  Überaeunmg  von  der  objektiven  Geltung  auch 
die  Oberzeuguns  von  der  Geltung  für  alle  (der  sog.  AUi^raeingQltigkeit) "). 
D«r  Gmd  und  die  Deutlichkeit  des  GeltungsbewuBtseins  schwankt  innerbalb 
weiter  Grenzen.  Zuweilen  wird  es  auBdrQcklich  in  einem  neuen  Urteil 
lonnuliert. 

Ein  zweites  fakultatives  Begleitpbänomen  des  Urteils  ist  das  B  e  - 
VB fitsein  der  Beziehung  auf  den  UrteilsRegcnstand  (vgl. 
S.  975].  Wir  ve/den  uns  meistens  ausdrücklich  bewußt,  daß  sich  tmser 
Urteil,  z.  B.  „a.  und  b  sind  gleich"  auf  a  und  b  und  ihre  Gleichheit  (vgl. 
S.  3(ß)  als  Gegenstand  (Gegenstände)  bezieht.  In  manchen  Fallen  tritt  aber 
dieses  „Gegenslandsbenu  Bisein"  ganz  zurück,  es  ist  also  vom  psTCholofischen 
Standpuakl  kein  ohligalorisches  Merkmal  des  Urteils.  Die  ROckbeziebunK 
auf  Oeienstände  kommt,  wie  jeder  Vorslellung  (S.  262  u.  2G8),  so  auch  jedem 
trteil  zu,  aber  wir  ateltcn  uns  difse  Rückbe Ziehung  keineswegs  stets  neben 
oder  m  dem  Urteil  auBdrQcklich  als  solche  vor.  Die  psychologische  Analyse 
des  Gegenstandabewu Biseins  —  wenn  es  vorhanden  ist  —  ergibt  nach 
meinen  Beobaehlungen  als  regelmäßiges  Merkmal  immer  nur  die  Urteils- 
««dcnOpfung  in  dem  S.  375  definierten  Sinn,  also  kein  neues  Moment.  Man 
kann  das  Gegeastandsbewußlaein  auch  als  „Objektivierung"  bezeichnen, 
muB  sich  dabei  aber  hüten,  es  mit  dem  Wirklichkeitsbewußtsein  (s.  unten) 
ni  verwechseln.  Vgl.  auch  S.  371,  Anm.  22  sowie  die  Erörterungen  Ober 
Otcenatandsvorstelluneen  S.  266  f. 

Ein  drittes  fakultatives  BegleitphSnomen  ist  das  sog.  Wirklich- 
keilsbewußlsein,  auch  Wirklichsetzung  genannt.  Einzelne  Forscher, 
i.  B.  Brentano,  haben  ein  solches  Wiriclichkeitsbewu Bisein  irrtflmlich  fflr 
»11«  Urteile  hebauplet  (vgl.  S.  365,  Anm.  6).  Versteht  man  unter  Wiit- 
lichkeit  lediglich  das  Gegebensein  irgendeines  Tatbeslandes  im  Bereich  der 
Empfindungen  oder  Vorstellungen  (im  weitesten  Sinne)  oder  der  zu  ersteren 
hinzi^edachlen  Reize,  so  f&lll  das  Wirklich keitabewußtaeic  des  Urteils  ganz 
mit  dem  eben  besprochenen  Gegen  Standsbewußtsein  zusammen.  Versteht 
man  aber  unter  Wirklichkeit  eine  Existenz  außerhalb  des  Denkens  überhaupt 
oder  auch  speziell  außerhalb  des  Denkens  des  Urteilenden,  so  ist  das  Wirt- 
lichkeitsbe wußtsein  erheblich  enger  als  das  Gegenstandsbewußlsein.  Jeden- 
lalls  ist  es  dann  erst  recht  fakultativ,  d.  b,  nicht  t>ei  jedem  Urteil  vorhanden. 
Wenn  ich  urteile:  „die  Blätter  sind  grün",  so  denke  ich  mir  allerdings  bei 
dem  Urteil  fast  stets  hinzu,  daß  die  Blätter  wiriclich  auch  auBerlialb  des 
Denkens  existieren.  Wenn  ich  hingegen  Über  eine  Phantasievorstellung 
utteite,  z.  B.  „Wilhelm  Meister  ist  wiUensschwach"  oder  „dieser  Plan  (von 
mir  oder  einem  anderen)  wird  scheitern",  so  nehme  ich  keinen  Augenblick 
*ine  Rtistenz  des  Wilhelm  Meister  oder  des  Plans  auBerbalb  des  Denkens  '*), 
meine»  Denkens  oder  des  Denkens  einer  anderen  Person,  an. 


")  Der  Terminus  „Allgemeingülligkeit"  wird  oft  sowohl  für  die  Gallig- 
keit in  bezog  auf  alle  Objekte  einer  Gattung  als  für  die  Gültigkeit  in  bezug 
>uf  alte  denkenden  Individuen  gebraucht.  Hier  ist  die  zweite  Bedeutung 
lemeint.  In  der  ersten  gebraucht  man  besser  den  Terminus  „AllgQlUgkeit". 
Vgl  S.  27*. 

")  iinn  erwäge,  daß  das  erste  Urteil  auch  hei  Goethe  selbst  auf- 
treten kann. 


1,1^.001 


,g,c 


380       ^  '''^'    Ericennlmsthearetische  usw.  Gnindleruns  der  Losit 

Nach  einer  Argumentation  H.  Uaiers  (I.  c  S.  158)  kannte  nma  hieig^en 
etwa,  einwenden,  der  „Ptai"  im  letzten  Beispiel  sei  doch  eine  „reale  Tal- 
sache". Indes  wäre  ein  solcher  Einwand  nicht  stichhaltig;  denn  der  Plan 
ist  nur  in  meinem  Denken  eine  «eale  Tatsache  und  wird  auch  nur  in  diesem 
von  mir  als  reale  Tatsache  betrachtet");  es  kommt  also  nur  das  WirkUch- 
keitsbewuBtsein  im  ersten  Sinn,  das  sog.  GegenstandsbewuBlsein  in  Frage, 
und  dieses  ist,  wie  sich  gezeigt  hat,  erst  recht  fakultativ:  ich  habe  natOrücli 
die  VorstellunR  des  Plans,  wenn  ich  Ober  den  Plan  urteile,  da  ich  Ober  etwas 
überhaupt  nicht  Gegebenes  nicht  urteilen  kann,  und  der  Plan  bat  in  meinem 
Denken  bzw.  im  Denken  eines  anderen  existiert,  sonst  hfitte  ich  keine 
Kenntnis  von  ihm,  aber  wenn  ich  ein  Urteil  Ober  den  Plan  (Ule,  kommt  mir 
diese  Beziehung  auf  einen  wirklichen  (denkwirklichen)  Gegenstand  in  dem 
Urteil  keineswegs  stets  ausdrOckUch  als  solche  zum  Benußtaein.  Wenn 
wir  die  Frage  aufwerfen,  ob  ein  wirklicher  Gegenstand  [im  ersten,  ganz 
allgemeinen  Sinn)  vorliegt,  so  muS  sie  bejaht  werden,  aber  bei  dem  Er- 
leben des  Uiteils  weden  wir  diese  Frage  oft  gar  nicht  auf.  das  begleitende 
Wiiklichkeitebewußteein  kann  bei  dem  Urteil  über  meinen  Plan  fehlen,  so 
wirklich  der  Plan  auch  aulgelreten  isl.  Besonders  geeignet.  Ober  diesen 
Tatbestand  aufiukl&ren,  isl  folgende  Reihe  von  Urteilen:  1.  mein  (sein)  Plan 
wird  scheitern;  2.  meine  Erinnerung  an  den  Charakter  Wilhelm  Meisteis  ist 
verschwommen;  8.  Wilhelm  Meister  ist  willensscbwacb ;  4.  i^y'"^!.  Alle 
vier  Urteile  haben  einen  wirklichen  Gegenstand,  und  zwar  hat  der  Gegen- 
stand bei  allen  vier  nur  Vorstellungswirklichkeit  (die  zur  Wirklichkeit  im 
ersten  Sinn,  S.  3?H  Rehörl).  Im  ersten  iind  zweiten  Fall  handelt  es  sich 
lediglich  um  die  Wirklichkeit  in  einem  individuellen  Denken,  im  dritten  um 
diejenige  eines  Vorstellungskomplexes,  zu  dem  wir  im  Sinn  der  S.  S72  er- 
Grterten  Fhantasievorslellungen  einen  mehr  als  vorsteUungswiiklichen  Gegen- 
stand in  bewußter  Selbsttäuschung  hinzugedacht  haben,  im  vierten  um  die 
Wirklichkeit  einer  generalisierten  und  im  Siim  einer  Normalvoisiellung  (vgL 
.  z.  B.  S.  U,  296)  umgedachten  Spekulationsvorstellung  (vgl  S.  311).  Außer- 
dem beachte  man,  daß  es  sich  in  allen  Fällen,  auch  weim  wir  die  Gegen- 
stände des  Urteib  uns  ausdrücklich  vorstellen,  nicht  um  Vorstellungen  von 
Vorstellungen  bandelt,  sondern  um  Reproduktion  der  Vorstellungen,  welche 
den  Gegenstand  insbesondere  der  Subiektsvorstellung  bilden  (vgl.  S.  2Kk>. 
Die  Voratellung  des  Vorstellungskomplexes  „Plan"  bedeutet  psychologiach 
nichts  anderes  als  das  nochmalige  Auftreten  dieses  Vorstellungskomplexes 
„Plan"  (allerdings  oft  in  abgekürzter,  unbestimmter  Form^  usf.  '•).  Und  nun 
profe  man  sieb  bei  allen  vier  Urteilen  selbst,  ob  man  bei  dem  Erleben  des 
Urteils  immer  die  Vorstelluugswirtlichkeit  in  dem  oben  festgestellten  Snn 
mitdenkt.  Ich  glaube,  daß  man  bei  vorurteilsloser  Prüfung  zu  dem  Ergebnis 
kommt,  daß  ein  solches  Mitdenken  keineswegs  stets  staltfindet. 

Eine  vierte  Begleiterscheinung  des  Urteils  kann  als  BegrOn- 
dungsbewußtsein  (kausales  Fundierungsbewußtsein, 
vgl.  S.  283)  bezeichnet  werden  und  ist  gleichfalls  fakultativ.    Es  besteht  in 

^  An  die  etwa  zugeordneten  UimiindenvorgBnge  wird  nur  ganz  aus- 
nahmsweise gedacht. 

")  Bei  dem  zweiten  Urteil  könnte  man  sogar  von  der  Vorstellung  einet 
Vorstellung  einer  Vorstellung  sprechen  wollen.  Tatsächlich  handelt  es  nch 
nur  um  die  Reproduktion  meines  (verschwommenen)  EriimerungslHldes. 
d.  h,  meiner  in  der  Erinnerung  umeewandelten  Phantasievorstellung  WS- 
heha  Heisters.  , 


2.  Kapitel.    Psychologische  GrundlegUDe.  381 

dem  Bewufltsein  eines  ursächlichen  Zusammenhangs  zwischen  iigend- 
weichen  Empfindungstalsachen  (Eriahningstatsachen,  Tatsachen  der  AuBen- 
velt  nach  dem  populären  Ausdruck)  oder  Denktatsachen  (VorsteUungen, 
anderen  Urteilen)  und  dem  aktuellen  Urteil  und  geht  sonach  Ober  das  tdoße 
OegenstandsbeiQiBtaein  hinaus.  Das  Urteil  wird  als  Wirkung  jener 
EmiAndungs-  und  Denktatsachen  betrachtet**).  Der  Besouderiieit  dieses 
KaDsalrerhKItiiisses  wird  auch  durch  besondere  Bezeichnungen  Rechnung 
getragen:  das  aktuelle  Urteil  heiSt  „Folge",  die  ursftchlichen  EmpEindungs- 
und  Denkvots&nge  heifien  „Grande".  Die  Begründung  eines  Urteils  liegt 
sonach  zunächst  in  den  vorausgegangeiien  Gedanken  des  Urteilenden  (Vor- 
steDongen  s.  str.  und  anderen  Urleilen,  manifesten  und  latenten,  vgl  S.  363 
u.  g  77),  dann  alier  auch  in  den  Empfindungstatsachen  bzw.  tu  den  Beizen, 
welche  wir  für  die  Emp&udungen  als  Ursache  voraussetzen.  Eine  solche 
Begrflndung  fehlt  nun  selbstverständlicfa  niemals  bei  einem  Urteil,  dagegen 
kann  das  BewuBtsein  dieser  Begründung  vollständig  fehlen.  Die  be- 
grflDdenden  Denktatsachen  können  latent  sein  (vgl.  %  77).  die  beeründenden 
Empfindungstatsachen  als  solche  kfinnen  vergessen  sein.  Nicht  nur  An- 
nahmen (Tgl.  S.  366),  sondern  auch  Urteile  mit  GeltungsbewuBtsein  0>Be- 
haaptnngen",  vgl.  S.  867  u.  882)  k  0  n  n  e  n  ohne  jedes  —  bestimmte  oder 
unbestimmte  —  BegrOnduDgsbewuBtsein  ausgesprochen  werden.  Bei  aller 
Wichtigkeit  desselben  (insbesondere  fOr  die  Logik)  kann  es  doch  nicht  als 
eine  allgemeine  Eigenschaft  des  Urteils  im  psychologischen  Sinn  belrachtM 
werden. 

Das  Wesen  des  BegrflndungsbewuGIseins,  wie  nir  es  jetzt  als  fakultative 
BegieitetscheiDimi  kennen  gelernt  haben,  ist  mit  dem  kausalen  Verhältnis 
zwischen  den  „Gründen"  und  der  .JFolge"  nicht  erschöpft.  Dies  spezielle 
Kausatverhältnis  ist  nicht  lediglich  eine  regelmäBlge  Sukzession  von  Ursache 
und  Wirkung  wie  die  in  den  Naturgesetzen  ausgedrückten  Kausalverhältnisse, 
sondern  es' kommt  durch  die  DiSeienzierungsfunktionen  ein  innerer  eigen- 
■rtiger  Zusammenhang  zwiscben  Grund  und  Folge  hinzu,  der  in  den  psycho- 
l(«ischen  Erörterungen  Ober  den  SchluB  (g  77)  und  im  logischen  Hauptteil 
ansftlhrlicher  besprochen  werden  wird. 

Man  verwechsle  die  Tatsache  der  durchgängigen  Begrandung  aller 
Urteile  und  der  Begleiterscheinung  des  BegrondungsbewuStseins  bei  vielen 
CrteiIeD  nicfat  mit  dem  sog.  Principium  rationis  Bufticientis 
(sc,  cognoscendi).  Letzteres  verlangt  für  iedes  richtige  Urteil 
zureichende  Gründe  und  gehört  daher  in  die  Logik,  während  die  durct\gängige 
Begrflndung  sowohl  falschen  wie  richtigen  Urteilen  zukomtnt  und  ganz  in 
psychologisches  Gebiet  fällt  —  Femer  lasse  man  sich  nicht  dadurch  täuschen, 
daB  Öfters  (bei  weitem  nicht  stets)  das  kausale  Verhältnis  der  Dinge  sich 
bei  der  Verwertung  in  unserem  Denken  „umzukehren"  scheint  So  ver- 
ursacht z.  B.  das  Feuer  Asche,  und  andrerseits  schlieBen  wir  olt  aus  der 
ische  auf  Feuer,  z,  B.:  „hier  war  Feuer".  Eine  einfache  Umkehrung  liegt 
hier  nicht  vor.  Die  Kette  der  Grttnde  fOr  das  in  Rede  stehende  Urteil  ist 
tatslchhcb  etwa  folgende:  .^rOher  ist  nach  meiner  Beobachtung  Feuer  oft 
von  Asche  gefolgt  gewesen  (bat  Asche  Terursacht),  also  kommt  auch  jetzt 

"}  Die  letzte  Begründung  liegt  stets  in  Empfindungstatsachen.  Vgl. 
Schopenhauer,  Satz  v.  Onmde,  g  50:  „die  Reihe  der  GrOnde  des  EAennens 
t^  Ober  in  die  Reihe  der  Gründe  des  Werdens"  (nämlich  hei  rückwärts  ger 
"chleter  Verfolgung). 

„.,,„,  ^.oogic 


382       ^-  '^B''-    Eikenntmiatheoretiscfae  usw.  Grundlegune  der  Loeik. 

und  hier  Feuer  in  Frage".  In  der  zeitlichen  AUolie  der  beurteilten  Obidite  '•) 
also  ein  KausahreitaUtnis  zwischen  Feuer  und  Aacbe,  im  Denken  ein  KauMtl- 
vsrhältois  zwischen  der  Gesichts  empfinduns  der  Asche  und  der  Br- 
innerung  froherer  Beobachtungen  eineraeits  und  der  Vorstellung 
eines  Feuere,  dxs  jetzt  gebrannt  hat,  andrerseits.  Die  Glieder  der  beiden 
KauBalrerfa&ltnisee  sind  also  ganz  verschieden.  Von  einer  einfncben  Um- 
kehnms  kann  keine  Rede  sein.  Es  bleibt  nur  die  interessante  Tatsache,  daB 
der  Kausalzusammenhang  des  Denkens  uns  zuweilen  zu  einem  —  iiald 
richtigen,  bald  falschen  —  RückscbluS  von  der  WiAung  auf  die  Ursache 
führt,  ohne  daß  etwa  dieser  HüdcschluB  als  eine  einfache  UmkehiUBg  des 
realen  Zusammenhangs  aufzufassen  w&re.  Die  nähere  Erörterung  dieser 
Tatsache  bleibt  der  Logik  vortiehalten. 

I  71.    Pay^ilipliAa    IMrflwa   dn   PHifcaaiiriallww ').     In  der 

psychologischen  Grundlegung  kann  es  sieb  nur  um  eine  Einteilung  von 
P!<rchologiscbem  Standpunkt  aus  handelD.  Auch  für  eine  aokhe 
psychologische  Einteilung  bieten  sich  verschiedene  Piiniipien  dar,  und  dem- 
gem&B  eneben  sich  verschiedene  psychologische  Einteilunsen  der  Urteile, 
die  sich  nicht  gegraiseilig  ausschlieSen,  sondern  gewissennaBen  aberlagero. 
Bei  der  Darstething  dieser  Einteilungen  werden  nur  wichtigere  berOckatcbtigl, 
auch  soll  zur  Vereinfachung  hier  vorausgesetzt  weiden,  daB  die  Ijrteils- 
assoziation  auf  die  Kopulaform  gebracht  ist  („die  Rose  ist  rot" ;  ,jst  die  Rose 
rot?"  „der  Jäger  ist  schieBend"  usf.). 

Als  erstes  Einteilungsprinzip  kann  das  GeltungsbewuBtsein  verwertet 
«erden,  von  dem  oben  (S.  37S)  bernts  die  Rede  war.  Fehlt  ledes  GeHungs- 
iKRuBtsein,  d.  b.  sind  Oberhaupt  weder  Afsozialionen  im  Sinne  des  lirteiJs 
noch  solche  im  Widerspruch  mit  demselben,  kurz  gesagt  weder  zu- 
stimmende noch  widersprechende  Assoziationen  vorhanden,  oder  werden  sie 
aus  irgendeinem  Grunde  ausgeschaltet,  oder  endlich  befinden  sie  sieb  in 
Gleichgewicht,  so  liegt  ein  neutrales  Urteil,  eine  ..Annahme"  im 
Sinne  Meinongs  (vgl.  S.  S66),  ein  „settung^oser  propositionaler  Akt"  im 
Sinne  Husserts '),  vor.  Jedes  neue  von  mir  selbst  nicht  gebildete  Urteil,  das 
ich  von  einem  anderen  eben  b&re.  kann  als  Beispiel  dienen.  fJrtöle  da- 
gegen, bei  denen  überwiegende  zustimmende  oder  Aber  wiegende  wider- 
sprechende Assoziationen  auftreten  (im  Smn  der  Zustimmung  oder  Ver- 
werfung), können  als  tbetiscbe  Urteile  oder  Behauptungen') 
bezeichnet  werden.     Die   Urteile  (iudida)    z^aJlen  also  in  neutrale  Mai 

*■)  Diese  müssen  keineswegs-  stets  den  Sinnendingen  ang^Aren,  wie 
z.  B.  der  Satz  zeigt:  „meik  Denken  widern)ricfat  sieh,  also  muB  ich  einen 
frrtum  begangen  haben". 

')  Vgl.  hierzu  Jerusalem,  Vierteljahrsscihr.  f.  wiss.  Philos.  1897,  Bd.  81, 
S.  167  (181);  Hesser,  Arcb.  f.  d.  ges.  Psychol.  1906,  Bd.  S,  S.  1  (114);  Lipps, 
Leitf.  d.  Psydi-,  Leipzig,  8.  Aufl.  1809,  a  189  (sehr  anfechtbar);  B.  Erd- 
mann. Logik,  Bd.  1.  a  Aufl.  Halle  1907,  S.  270 ff.;  Ziehen,  Ltt.  S.  947. 

")  Log.  Unters.,  1.  Aufl.,  Teil  2.  Halle  1901,  S.  «8f.  {2.  AuH.  S.  «0). 
Ich  würde  Übrigens  von  Husserls  eigenem  Standpunkt  aus  das  Urteil:  „ein 
Dreieck  mit  zwei  rechten  Winkehi  —  gibt  es  nicht"  (I.  c.  5.  OB)  als  ein 
setzendes  negatives  und  nicht  als  ein  setzungsloaes  negatives  betrachteo. 

*)  Die  thetischen  Urteile  von  Drobiseh,  Neue  Darst  d.  Logik,  i.  Aalt 
%B»^  S  U,  S.  61  haben  ^e  andere  Bedeutung. 


2.  JKiipiteL    Psychologische  GnindlcTOPg.  383 

tbetucbe  Urteile.  Erstere  müicen  auch  Prothesen,  letalere  auch 
Thesen  helAen,  doch  ist  der  Gebrauch  des  letzteren  Teraünus  bisher 
sctnrankend  sewesea.  Schetnatisch  ersibt  aicb  danach  folgende  Gruppierung, 
wenn  man  sowohl  poeitiven  wie  negatiren  lltleilniibalt  berflcicsichtigt: 

L  Neutrale  Urteile  (Prothesen  oder  Annahmen),  d.  h. 
Urteile  bei  Gleidicewicht  oder  Fehlen  oder  Ausschalten  zusUm- 
meoder  und  widersprechender  Assoziation«) ') :       1.  a  c=  b, 

2.  Bnon  =  b. 
Q.  Tbetische  Urteile  (Thesen  oder  Behauptungen),  d.h. 
Urteile  bei  Uberwiecen    . 

1.  der  zustimmenden  Assoziation  en :  a^^b, 

2.  der  widersprechenden  Assoziationen:  anon^b. 
Zustimmen  ist  hier  identisch  mit  pasitiver,  Widersprechen  mit  nega- 

tiver  Urteilsrichtuog  (Gleich-  bzw.  Verschiedcnsetzung  der  IndiTidnalkoetB- 
denteo}. 

Ob  eine  Annahme  positiv  oder  negativ  oder  dishinktiv  (entweder  — 
oder)  oder  fragend  fomuihert  wird,  ist  theoretisch  bei  ibiem  neutr»leu 
Charakter  gleichgOttic.  In  der  Hegel  hangt  die  tatsächliche  positTve  oder 
Degatire  Fonnuherung  von  zufUligen  auBeren  Umständen  [Behauptungen 
udeRr  usL)  oder  Absichten  der  Bewetsftlhrung  oder  von  einem  doch  etwa 
voibanlenen  leichten  Übergewicht  nach  der  einen  oder  aaderen  Seite  ab. 
Eine  adiarfe  Grenze  zwischen  Behauptungen  und  Annahmen  besteht  fSber- 
htnpt  nicht. 

Tor  allem  muB  man  bei  der  Unterscheidung  zwischen  Prothesen  und 
Tbeaeo  anch  beachten,  daß  die  in  Betracht  komnaenden  zustimmenden 
iitm.  widersprechenden  Assoziationen  keineswegs  immar  den  Charakter  be- 
wußter Grande  (vgl.  S.  Sgl)  haben  mOisen.  Gerade  bei  Behauptimgs- 
utlalen,  welche  von  einem  besonders  ausg^rögten  GeltungsbewuBtaein 
begleitet  sind,  z.  B.  bei  religiösen  Glanbenssätzen,  fehlen  bewuBte  Asso- 
ziationen im  Sinn  einer  Begründung  s.  str.  sehr  oft  fast  vollständig, 
aber  anzAblige,  fast  Uier  des  ganze  Denken  des  lodividuuraa  ausgabrntele 
Aasuialioneu  stehen  der  Oiaubensüberzeugung  begünstigend,  fest  mit  ihr 
vetklammert  zur  Seite.  Das  oben  (S.  S80)  besprochene  Begründungsbewwdt- 
9ein  kann  iübo  auch  bei  Thesen  fehlen  oder  wenigstens  sehr  unbestimmt  sein. 

Weitaus  die  meisten  Urteile  des  täglichen  Lebens  treten  dank  dem 
Obergewtcht  entweder  der  zustimmenden  oder  der  widersprechenden 
Anoziationen  sofort  als  Thesen  —  positive  im  ersteira,  negative  im  letz- 
teren Fall  —  auf.  Es  kommt  dann  gar  nicht  zu  einem  ausdrücklichen, 
npUaten  Akt  der  Billigung  oder  Verwerfung.  Der  Frozel  ist  mit  der  Be- 
nhang  bzw.  Vemeinnng  erledigt  Anders,  wenn  ein  Übergewicht  nach 
einer  Seite  fätH  «nd  das  l.'rteil  ^so  als  positive  oder  wgntive  Anoatune 
^tbMC)  anftritt;  kommt  es  dann  nachträglich  zu  eiaCHi  Übergewicht  der  ihr 
aotimmenden  oder  der  ihr  widersprechenden  Assosiatianen,  so  wird  nach- 
trtglich  die  Annahme  entweder  gebilligt  oder  verworfen  und  damit  in  eine 
jcknndare"  These  verwandelt  Das  Geltun gsbewuStsein  ist  dann  oft 
besonders  deutlich.    Dabei  ergeben  sich  vier  Falle: 

1.  Billigung  der  positiven  Annabme  a  ==  b  bei  nachtiftgUckem  Ober- 
«ewicbt  der  znatünaeDden  Asseziationen, 

w.)  einer  An- 


OgIC 


3g4       O-  "^^^    Gi^enntiiistheoretische  usw.  Grundlefning  der  Losil:. 


2.  Billigung  der  nes&tiven  Annahme  aiioii=b  im  nacbtiUlicheiD 
Übergewicht    der    zustimmenden    ABaoäaüonen, 

3.  Terweriung    der    positiven    Annahme    a^b    bei    nachttisUchem 
Übergewicht  der  widersprechenden  Assoziationen, 

4.  Verwerfung  der  negativen  Annahme  anon  =  b  bei  nacbtrftsUchem 
Übergewicht  der  widersprechenden  Assoziationen. 

Die  sekundäre  Tbese  Nr.  1  deckt  sich  im  Ergebnis  mit  der  primlKO 
positiven,  die  sekund&re  Tbese  Nr.  2  mit  der  primären  negativeu  (s.  §  113). 

Man  darf  also  nicht  etwa  glauben,  daB  Urteile  im  Sinn  von  Nr.  3 
und  *  gar  nicht  möglich  seien,  weil  die  Verknflpfung  a=;h  bzw.  anoii=t» 
durch  die  widersprechenden  Assoziationen  im  Keim  erstickt  werde.  Sie 
kommen  vielmehr  tatsächlich  oft  genug  vor,  da  die  widersprechenden  Asso- 
ziationen oft  erst  sekundär,  plötzlich  oder  allmftblich,  zur  Geltung  kommra. 
Sehr  bemerkenswert  ist  mit  Bezug  auf  die  aekund&ren  Verwerfungen  auch 
die  ZufOgung  eines  ft^  nach  positiven,  eines  /nij  <rv  nach  negativen  Verben 
des  Bflstreitens  im  Griechischen. 

Die  Behauptungsurteite  kann  man  von  demselben  Ge^cbtspunkt  aus 
noch  weiter  in  sichere  und  zweifelhafte  (sowohl  verneinende  wie 
beiahende)  einteilen.  Das  zweifelhafte  Bebauptungsucteil  unterscheidet  äcli 
von  dem  neutralen  Urleil  (der  Annahme)  dadurch,  daB  nicht  wie  bei  letz- 
terem zustimmende  und  widersprechende  Assoziationen  ganz  fehlen 
oder  ganz  ausgeschaltet  werden  oder  sich  ungef&hr  das 
Oteicbgewicbt  hallen,  sondern  diese  wie  jene  zwar  vortianden 
sind  und  auch  entweder  diese  oder  jene  Oberwiegen,  die  unterliegenden 
Assoziationen  aber  doch  gegenüber  den  siegenden  noch  zur  Geltung  kommen. 
Je  nachdem  dabei  das  Gleichgewicht  mehr  oder  weniger  zugunsten  der  Be- 
hauptung gestört  ist ')  kann  man  von  einer  größeren  oder  kleineren 
psychologischen,  d.  h.  subjektiven  Wahrscheinlich- 
keit (Sicherheit)  des  Urteils  sprechen. 

Nicht  zulässig  erscheint  es,  mit  Windelband  (1.  c.)  das  GettungshewuBl- 
sein  —  die  Baurteihing  (s.  S.  SBb,  Anm.  6}  —  als  die  Reaktion  eines  wol- 
lenden und  fohlenden  Individuums  auf  einen  bestimmten  Vorstellungs- 
gflhalt  aufzufassen.  Zahlreiche  Behauptungen  sind  vom  Wollen  und  FoUni 
ganz  nnobhfingig.  Das  FOf-richtig-haiten  enth&lt  keineswegs  stets  eine  Be- 
wertnng.  Vgl.  %  46  und  die  Kritik  Sigwarts  (Logik,  2.  Aufl.,  Bd.  1,  S.  IM, 
Anm.). 

Ein  Spezialfall  der  Annahme  ist  die  Frage*),  sofern  sie  in  gant 
neutralem  Sinn  gestellt  wird  (Fragepartikel:  ne,  opt,  ig).  Sie  unteracbeidet 
sich  von  den  sonstigen  Annahmen  nur  dadurch,  dsfl  ne  eine  oder  mehrere 
Unbekannte  enthält  und  in  der  Begel  deren  Bestimmung  gewQnscht, 
d.  h.  positiv  gefühlsbetont  ist.  Bei  den  sog.  Entscheidungstragen 
besteht  die  gewünschte  Bestimmung  nur  in  einer  Zustimmung  oder  Ver- 
werfung (z.  B.  „warst  du  in  der  Kirche?"),  bei  den  Ergänzungs  fragen 


^  Das  Arabische  kann  die  Sicherheit  der  Behauptung  duicb  einen  be- 
sonderen Uodus  (H.  energicus)  ausdrOt^en. 

■)  Mit  der  psych  ologischen  Untersochung  der  Frage  beschäf- 
tigen üeh  namentlich :  Jodl,  Bd.  2,  Kap.  10,  Abschn.  8,  S.  SM  G.DoPPelurteir): 
Mdnong  9.  S.  866,  Anm.  7;  R.  Wähle,  Über  den  Hecbanismus  des 
geistigen  Ubens,  Wien-Leipzig  1906,  S.  361  ff.,  und  Ztschr.  f.  Psych,  u.  PhTS^ 
d.  Siim.  1890,  Bd.  1,  S.  810;  Krwbig,  Arch.  f.  d.  ges.  PsychoL  1916,  Bd.  S8- 


tY^IC 


2.  Kapitel.    Psychologische  Gnmdlefuns.  3g5 

in  der  EixftnzuDg  einer  luibekannlen  TeilvorBleituns  des  Urteils.  Sehr  olt 
sclüeieht  sich  Qbriieos  doch  in  di«  Ft&gea  der  ersten  Art  eine  Mitwirkung 
zusUmmender  oder  widersprechender  Assoziationen  und  damit  ein  be- 
haMrtender  Qiarakter  (im  Sinn  der  zweifelhaften  Behauptung,  s.  oben)  ein. 
Wir  drücken  dies  dann  durch  die  Zalügune  von  „nicht"  oder  „etwa"  (nonne 
biw.  num,  «e'  orf  b*w.  aga  pij)  aua.    VrL  auch    S.  366,  Anm.  7. 

Meinong')  hat  auch  den  Wunach  in  Beziehung  zu  den  Annahmen 
gebnchL  Meines  Erachtens  sind  Wanache,  Auf  f  o  rderungan. 
Befehle,  Bitten,  Warnungen  usf.  echte  behauptende,  also  mit 
GeihugsbewuBtsein  verbundene  Urteile  (vgl.  S.  382),  deren  thetischer  Charak- 
ter jedoch  im  sprachlichen  Ausdruck  nicht  in  der  sonst  Qblichen  Form  zur 
GetluDg  kommt  In  dem  Wunsch:  „O  w&re  doch  der  Himmel  klarF'  lautet 
die  Bdiauptung:  ,Jilarer  Himmel  wire  mir  angenehm"*).  Ebenso  ist  der 
Befehl:  „Gib  mir  das  Bnchr'  der  Behauptung  äquivalent:  ,4ch  will,  daß  du 
mir  das  Buch  gibst".  Das  EigentQmliche  dieser  Wunsch-  und  Befehlsurteile*} 
lieft  inhaltlich  nur  darin,  daS  der  Urteilende  tflr  sich  die  positive  Ge- 
KlhldMtonung  i^endeines  nicfat-wiiklicfaen  Talbestandes  aussagt  Dazu  kommt 
bä  dem  Wunsch  oft»),  bei  dem  Befehl  immer  auch  die  positive  Gefohls- 
hetonung  der  Verwirklichung  des  zur  Zeit  nicht -wirkUchen  Tatbestandes ''). 
Auf  Grund  dieser  Eigentümlichkeit  von  einem  besonderen  „emotionalen" 
und  .ToUtiTen  Denken"  (H.  Uaier)  zu  sprechen,  erscheint  nicht  angebracht, 
bn  sprachlichen  Ausdruck  kommt  sie  insofern  noch  scharfer  zum  Vor- 
xhctn,  als  die  dem  Wunsch  bzw.  Befehl  zugrunde  hegende  negative  Behaup- 
Icng  (tats&chliches  Nicht-klar-sein  des  Himmels)  überhaupt  nicht  oder  hOch- 
ateos  in  der  Wohl  des  Modus  ausgedrückt  wird  und  die  In  dem  Wunsch 
bzw.  Befehl  unmittelbar  enthaltene  positive  Behauptung  (Lustbetonung  dea 
Klar-aeins  des  Hinunels)  nicht  wie  bei  den  meisten  Urteilen  als  Hauptinhalt 
des  Prädikats  auftritt,  sondern  durch  eine  grammatische  Form,  in  der  Regel 

S.  US;  Jerusalem,  Die  Urteilsfunktion,  Wien-Leipzig  1905,  S.  160;  Imme^ 
Gymusialprogramm  Cleve  1679  u.  1681  *;  Martiniüf.  Alti  del  6.  Congr. 
iolersaz.  di  Psicol.,  Borna  1906,  S.  SS2;  K.  Groos,  Ztschr.  f.  PsvchoL  u.  Phys. 
d.  Sinne  1901,  Bd.  26^  S.  146;  Heinr.  Maier,  PsycboL  d.  emot.  Denkens, 
TObingen  11908^  S.  373 FT.;  W.  Wundt,  Völkerpsychologie,  t,  Z,  2.  Aufl.  Leipzig 
1»*,  S.  260;  II.  Paul,  Prinzipien  d.  Sprachgesch.,  4.  Aufl.  Halle  1909. 
S.  13b  E.  —  Die  der  Frage  nabesteheode  ,A  u  f  g  a  b  o"  ist  schon  von  Lambert 
lAher  erörtert  worden  (Neues  Organen,  Bd.  1,  Leipzig  176t,  §  Ifiöff.). 

n  Ober  Annahmen,  Leipzig  1903,  §  5a  Vgl.  zur  Lehre  vom  Wunsch 
tmd  vom  Befehl  auch  H.  Maier,  I.  c.  S.  871  u.  616ft.;  Husserl,  Log,  Unter- 
wehnngen  1901,  Bd.  2,  §  68y  S.  679  (ähnliche  Auffa^ung  wie  die  oben  ent- 
oickelte). 

*)  Wahrend  wir  im  IJeutschen  auch  bei  dieser  letzteren  Umformung 
den  Konjunktiv  oft  festhalten,  tun  dies  bemeitenswerterweise  andere 
Sprachen  nicht 

*)  Vielleicht  hängt  es  hiermit  auch  zusammen,  daft  z.  B.  im  Arabischen 
ein  Modus,  der  sog.  Modus  apocopatus  sowohl  Befehle  als  auch  negative 
Tatsacbens&tze  (nach  lam)  ausdrücken  kann. 

'*)  Man  kann  auch  „wünschen",  was  man  selbst  für  unmögUch  hnil, 
t>  R:  „Wäre  er  doch  am  Leben  geblieben  1" 

")  Vgl.  Gr.  S.  251  über  die  psychische  Situation  des  Wo^eus  und 
WüDsebens. 

Zi«ben,  L«lnlRi«li  der  Legik.  '>5 

„.,,„,  ^.oogic 


'.]8G       "'  Teil'    GrkeimtmsUieoretisdie  usw.  Grundlegung  der  Locit 

eintn  Modua  (Konjunktiv,  Imperativ,  OuteÜT,  Apocopal)  bezeichnet  witi 
Auff&llis  oft  wird  auch  das  Verb  g&nz  weisekseen.  Vgl.  auch  S.  SU,  Anm.  b 
n.  366^  Aiun.  7. 

Die  Frage  und  der  Wunsch  ^')  sind  also  wesentlich  verschieden.  Entere 
involviert  eine  Annalime  oder  zuweilen  (S.  385)  eine  unsichere  Behauptunt, 
letzterer  eine  sichere  Behauptung,  In  enge  Beziehung  treten  beide  iedecb 
dadurch,  daQ  bei  der  Frage  ")  in  der  Regel  der  Wunsch  nach  einer  Antwort 
mitgedacht  wird  und  auch  meistens  durch  das  E^ajezeichen  bzw.  den 
eharaJtteristischea  Stimmfall  mit  ausgedrückt  wird. 

Bei  der  Lüge  sind  AMoziationen  gegeben,  welche  eine  absolute  Vv- 
weriung  des  in  der  Lflge  enthalteneu  Urteils  bedingen.  Ich  kann  lelztcRS 
also  nur,  im  Sinn  einer  Prothese  (Annahme)  unter  Ausschaltung  der  wider- 
sprechenden AsMziationen  denken  (yg).  S.  382).  Die  Ausschaltung  (Hem- 
mung) erfolgt  durch  die  mit  der  Täuschungsabsicht  verbundenen  Vorstel- 
lungen. Die  Loge  ist  also  glüchfalls  ein  Spezialfall  einer  Prothese  oder  An- 
nahme und  sonach  keineswegs  etwa  auf  den  sprachlichen  Ausdruck  be- 
schränkt (LiL  8.  S,  366,  Anm.  7). 

Als  zweites  Einteilungsprinzip  kann  die  Empfindungs-  bzw.  Vor- 
stellungsnatur des  Subjektes  bzw.  Zentrums  des  Urteils  (vgl.  S.  37^  dienen. 
Ist  das  Zentrum  eine  Empfindung,  so  liegt  ein  Empfindungsurteil") 
vor  (z.  B.  „dies  ist  ein  Baum",  „dort  bUtzt  es");  ist  das  Zentrum  eine  Vor- 
stellung, so  liegt  ein  V  o  f  a  t  e  1 1  u  n  g  8  u  r  t  e  i  1  vor  (z.  B.  „HuB  wurde 
verbrannt" ;  „gestern  war  ein  Erdbeben" ;  „morgen  wird  das  Schifi  in  New-Vork 
ankomihen";  „Tapferkeit  ist  eine  Tugend";  „[a  +  b]  [a  —  b]  =a*  —  b*"). 
Das  Enuntiat  (Prädikat)  enthalt  fast  stet»  nur  Vorstellungen.  Das  Empfin- 
dungsurleil  kann  oft  auch  als  ein  Wiedererkennen  in  Urteilsform  aufgefailt 
und  daher  als  Wiederertcennungsurtei!  bezeichnet  werden  i").  Man  muB 
■ich  bei  der  Anerkennung  von  Empflndungsurteilen  nur  darüber  klar  sein, 
daß  damit  eine  wesentliche  Erweiterung  des  llrteilbegriffea  eingefohrt  wird: 
das  Urteil  ist  jetzt  nicht  mehr  stets  eine  Assoziation  von  Vorsteliungm, 
sondern  auch  mitunter  eine  Assoziation  zwischen  Empfindung  und  Vor- 
stelluwf.    Vgl.  S.  S81,  Anm.  18  u.  S.  363. 


'*)  Die  sog.  deliberative  Frage  (z.  B.  „soll  ich  konunen,")  ist  ein 
Wunsch  bzw.  Befehl  in  F^^efonn. 

")  Man  konnte  viell^cht  geneigt  sein,  insofern  audi  jeder  Frage 
Ibetischen  Charakter  zuzuschreiben,  als  sie  die  Behauptung  des  eigenen 
Nicht-Wissens  involviert  Indes  trifft  letzteres  nicht  für  alle  Fragen  zu 
(Prüfungsfrage  D !). 

*')  Mit  den  „bloßen  Wahmehmungsurteilen"  Kants  (Prolegomena,  §  IB), 
d.  h.  Urteilen,  die  „nur  subjektiv  gOltig  sind",  haben  die  Empfindungsurteile 
nichts  zu  tun.  Auch  mit  den  Wahmehroungsurtälen  Erdmanns  (Logik, 
2.  Aufl.,  S.  271;  s.  auch  H.  Maier,  Psychol.  d.  enwt  Denkens  1«»^  S.  166fl.) 
decken  sie  sich  nur  teilweise. 

")  H.  Maier  (I.  r.  S.  166)  ninunt  ein  Wiedererkennen  nur  dann  an, 
wenn  die  Prftdikatavoratellung  eine  Individualvorstellung  ist  (z.  B.  der  Vater, 
dar  Säntis),  und  spricht,  wenn  die  Ridikatsvorstellung  allgemnn  ist  (z,  B. 
dn  Baum),  von  „Erkennen".  Ich  zweifle  an  der  ZweckmiBi^eit  dieser 
Ternunok)|[ie  und  ziehe  vor,  ein  individualisierendes  und  ein  generalisienn- 
des  Wiedererkennen  zu  unterscheiden. 


.oogic 


2.  Kapitel.    Psychologische  GrundJeeung.  3g7 

Voa  dem  Satz,  daB  dfts  Prftdikat  nur  Vorstellungen,  keine  Empfin- 
duDfen  enthält,  existieren  einige  scheiobare  Ausnahmen.  So  ist  bei  dem 
unmittelbaren  Urteil:  „dies  ist  gröBer  als  jenes"  allerdings  oft  auch  ,jenetf' 
als  Empfindung  gegeben  und  grammatisch  ein  Teil  des  Prädikat^ 
PSTchdogisch  aber  ist  in  der  Regel  „dies"  und  .jenes"  als  Subjekt 
ni  betrachten;  auBerdem  ist  der  Vorstellungscharakter  des  Prädikats  schon 
duich  das  „grCBer"  gewährleistet.  —  Nicht  zu  den  einlachen  Empfin- 
duDKsurleileD  gehören  Urteile  wie:  „Kese  Rose  ist  rot".  Der  psychologisctie 
Inhalt  eines  solchen  Urteils  ist  in  der  Regel:  „dieses  ist  eine  Böse"  und 
,^ies  ist  rot".  Es  handelt  sich  also  um  <4n  Urteil,  das  aus  ztcei  Empfindungs- 
«rlcilea  verschmolzen  ist;  dabei  ist  allerdings  das  Subjekt  des  zweiten  Ur- 
teils Dicht  mehr  eine  reine  Empfindung  (dlesX  sondern  eine  Empfindung, 
welche  durch  die  erste  Urtei Isasso ziation  mit  einer  Vorstellung  eng  verknüpft 
ist.  —  Eine  wirkliche  Ausnahme  liegt  vor  in  Urteilen  wie:  ,4ch  sehe  dies". 

Ein  drittes  Einteilungsprinzip,  welches  allerdings  nur  auf  die  Vor- 
stellungsurteile  anwendbar  ist  und  somit  ergänzend  zu  dem  zweiten  hinzu- 
idfigt  werden  kann,  legt  die  Natur  der  Subjekisvorstellung  und  der  Prädikats- 
vaisletlong  zugrund«.  Von  diesem  Standpunkt  aus  hätte  man  also  zunächst 
etwa  zu  unterscheiden  Vorstellungen,  deren  Subjekt 

a>  eine  integrale  primäre  Individualvorstellung  (vgL  S.  317), 

b)  eine  eKzemierte  primäre  Individualvorstellung  (S.  317). 

c)  eine  primäre  individuelle  Isolationsvorstellung  (S.  318), 

d)  eine  primäre  individuelle  Komplexionsvorstellung  (S.  320), 

e)  eine  primäre  individuelle  Vergleichungsvof Stellung  (S.  38ß), 

t)  eine  s^mdäre  Individualvorstellung    oder    individuelle  Kontrak- 
timsvorstellung  (S.  386), 

g)  eine  Allgemeinvorslellung  (S.  331), 

h)  eine  Kombinaüonsvorsteilung  (S.  347)  ist. 
Viel  Gewicht  wird  man  einer  solchen  Einteilung  schon  deshalb  nicht 
beilegen,  weil  sie  nicht  erschöpfend  ist,  insofern  sie  den  mannigfachen  Ver- 
liindungen,  welche  noch  weiterhin  zwischen  den  aufgezählten  Vorstellungs- 
Uassen  zustande  kommen  (vgl.^g  68),  nicht  gerecht  wird.  Es  kommt  hinzu, 
iM  für  die  PrSdikatsvorsleltung  eine  ganz  analoge  Unterscheidung  durcb- 
leführt  werden  müßte  und  damit  die  Zahl  der  Urteilsarten  in  das  Un- 
gemessene  steigen  wtlfde.  Vor  allem  endlicü  ist  eine  solche  Klassifikation 
der  Urteile  psychologisch  schon  deshalb  fiberflossig,  weil  der  Vorgang  der 
L'rteiJaassoziation  als  solcher  allenthalben  im  wesentlichen  derselbe  bleibt 
^Insoweit  bei  dieser  Einteilung  der  Urteile  die  Zahl  der  im  Subjekt  enthaltenen 
lodividuen  bzw.  Arten  (alle  Menschen,  einige  Menschen,  dieser  Mensch, 
Sokrates  usf.)  eine  wesentliche  Bolle  spielt,  spricht  man  von  einer  Einigung 
tiach  der  Quantität. 

Handelt  es  sich  rnn  ein  individueUes  Erlebnis  des  Urteilenden,  so  kann 
■UM  von  Erlebnisurleilen")  sprechen.  Das  Erlebnis  kann  der 
Gegenwart  angehören  („p  rasen  tisch  e  s  Erkenntnisurteil,  z.  B.: 
nich  denke  nacb",  ,4ch  bin  traurig",  „ich  sehe  hier  einen  Baum",  wofür 
«uch  oft  „hier  ist  ein   Baum")   oder  vergangen   sein   (Erinnerunga- 

'*}  Sie  decken  sich  zum  Teil  mit  den  Erlebnisurteilen  B.  Haiers 
CF*ych.  d.  emot.  Denkens,  TObingen  IBOa,  S.  218);  Haier  nimmt  als  Vor- 
sah der  letzteren  „psrcbologische  odet  BewuBtseinsurteile"  an  (l.  c.  S.  19^ 

25' 

„.,.,„,>..oo^sic 


3g8      ^'  '^^'^    Erkenn  Inistheoretiacbe  usw.  GmndlesxiDK  der  Locik. 

urteil,  z.  B.:  .festem  sah  ich  rneinen  Freund  hier",  wofOr  auch  oft 
unter  einer  nicht  unwesentlicfaea  AbAnderunn  des  wertlichen  Sinns  „Bestem 
war  mein  Freund  hier"). 

Weit  mehr  Bedeutung  darf  ein  viertes  Einteilungsprinzip'')  be- 
annpruchen,  welches  auf  die  verschiedenartige  Tätigkeit  der  Verglräcfanngs- 
funktion  gegrOndet  ist.  Wie  oben  (S.  375)  eii&uterl  wurde,  gebt  bei  iedeca 
Urteil  eine  Tergleichung  der  Individualkoelfizienten  vor  sicly  und  das  Urleil 
ist  das  Vergleichsergebnifl.  Bei  vielen  Urteilen  ist  damit  die  Tätigkeit  der 
komparativen  Funktion  und  das  Ergebnis  dersdben  erschöpft.  So  ist  in  dem 
Urteil  „die  Salbei  hat  zwei  StaubgefaSe"  (,jsl  mit  zwei  Stanbgefäften  ver- 
sehen"), wenn  der  Urleilende  bisher  in  der  VorsteUung  „Salbei"  das  „Haben 
von  zwei  Staubgef&Ben"  nicht  mitgedacht  hat,  die  Vergleichung  ganz  auf 
die  Individualkoeffizienten  besc^irinkt:  wo  und  wann  eine  Salbei,  da  und 
dann  zwei  Slaubgef&Be.  Der  Tatbestand  kann  hier  etwa  durch  die  Formet 
abc— d  ausgedrOckt  werden  (wo  abc  den  Herkmalkomi^ex  „Salbei"  be- 
deutet) <"}.  Dasselbe  gilt  von  dem  Urteil:  „Die  Salbei  ist  eine  Labiale"] 
wofern  der  Urteilende  bisher  nit^t  wußte,  daB  die  Salbei  eine  Latüte  isL 
Auch  hier  findet  nur  eine  \ergleichung  der  IndividualkoefGzienlen  statt:  wo 
und  wann  Salbei,  da  und  dann  auch  die  LabiatenmeAmale.     Die  Formel 

würde  hier  lauten  abc... d  e  f  g.  Das  UrteU  fügt  Merkmale  bzw.  Teile  <•} 

zu  dem  Suladl  S  hinzu,  beruht  aber  nicht  auf  einem  Vergleich  der  mir 
schon  bekannten  Merkmale  des  Subiekts  mit  denen  des  Fiftdikala  ">),  sondern 
auf  Erfahrungen  über  Koexistenz  der  objektiven  Merkmale,  d.  h.  Ober 
partielle  oder  totale  Deckung  der  Individualkoeffizienten  von  S  und  P.  Zu- 
weilen ist  sogar  ausnahmsweise  das  Medunal  bzw.  der  Herkmalkomplez  P 
lats&chlich  versteckt  in  meinem  SubjeklbegriH  S  enthalten  (Formel  etwa 
ab[c]~— c),  aber  ich  beachte  dies  Enthaltensein  nicht  und  fiLHe  das  Urteil 
nur  auf  Grund  und  im  Sinn  einer  Deckung  der  Individua1koctfizienl«n;  ohne 
HOcksicht  auf  das  MetkmalverhflltBis  zwischen  S  und  P.  Anders  verfallt 
sich  der  psvchische  Akt,  wenn  der  Urteilende  schon  weifi,  daB  die  Salbei 
zwei  StaubgefäBe  bzw.  die  Labiatenmerkmale  hat,  und  auf  Orund  und  im 
Sinn  dieses  Wissens  urteilt.  Das  typische  Vergteichsergebnis  bezOglicb  der 
Individualkoeffizienten  Jiegt  auch  hier  vor:  wo  und  «aim  Salbei,  da  und 
dann  zwei  StaubgelftBe  bzw.  die  LabiatenmeAmale.  Jetzt  aber  liegt  dem 
Urteil  „ein  Vergleich  der  begrifflichen  Merkmale  zugrunde, 
und  auf  Giund  dieser  Vergleichung  spricht  nun  das  Urteil  nicht  nur  ein 
Vergleichscrgebnis  bezQglich  der  Individualkoeffizienten,  sondern  auch  ein 
Vergleich sergebnis  bezQalich  der  Merkmale  aus:  das  Merkmal  „zwei  Staub- 
gefäße" bzw.  die.MeAmale,  welche  den  Labiaten  zukommen,  kommen 
meinem  Begriff  der  Salbei  bzw.  dieser  selbst  zu.  Das  Merkmal  aller  Urteile, 
die  Deckung  (totale  oder  partielle)  der  Individualkoeffizienten,  fehlt  auch 

")  Diff.  S.  «8  ff. 

")  Sehr  oft  ist  auch  die  Formel  abcx--~d  zutreSend,  insofern  das 
„Haben  von  Staubgefäßen"  (=x)  bekaiml,  und  nur  die  Zahl  der  Staub- 
gefäße (=  d)  noch  der  Determination  bedarf.  Vgl.  S.  32B. 

■*)  Im  folgenden  ist  zu  Merkmalen  immer  hinzuzudenken :  „oder  Teile". 
Vgl.  S.  320  und  Diff.  S.  14d. 

")  Dies  verträgt  sich  selbstverständlich  sehr  wohl  damit,  daß  das 
Urteil  sich  auf  zahlreiche  Vergleichungen  objektiver  Merkmale  (§  9t)  bei 
einzelnen  Salbeiarten  und  -Individuen  stützt. 

„.,,„,  ^.oogic 


a.  Kapitel.    Psychologiache  Gnindlegung. 


Uer  nicbt;  der  Unterschied  liegt  nur  duin,  dafi  kb  zu  dem  Deckungsergebnis 
liMf  durch  bloBe  Vergleichung  der  begrifflichen  Heitmale  gelangt  bin  und  im 
[MetI  auch  das  Ergebnis  der  letzleren  Vergleichung  mitdenke.  Die  Urteile 
der  ersten  Art  (nur  Koeffizienten  vergleich)  »Ben  w^tertiin  als  IconaeT- 
tive  (conserere),  diejenigen  der  zweiten  Art  (auch  Meifanalvergleich)  als 
koramenaive  (conunetiri)  bezeichnet  werden.  Das  logiscbe  VerhAttnis 
dieser  beiden  Urteilakategorien  wird  in  g  US  besprochen.  ' 

Sehr  hftufis  sind  auch  gemischte,  d.  h.  konsertiv-konunenaive  Ur- 
lfile, d.  h.  sdir  oft  wird  von  einem  Herkmalkomplez  S  ein  Merkmalkomirtex  P 
ausgesagt,  der  zum  Teil  schon  in  S  enthalten  ist,  zum  Teil  noch 
nicht.  Die  Formel  dieser  gemischten  Urteile  lautet  abc-~-cde  oder 
abcd'— cdef.  Wenn  ich  z.  B.  weiß,  dafl  die  Salbei  eine  Lippenblüte 
liat,  nicht  aber,  daß  sie  vier  sog.  NQBcben  bildet,  und  nun  urteile  „die  Salbei 
ist  eine  Labiale",  so  ist  in  bezue  auf  das  BleAmal  der  Lippeoblüte  das  Urteil 
kommensiT,  aber  in  b«zug  auf  das  Merkmal  der  NaBcben  konsertiv. 

Mit  dieser  Einteilung  h&ngt  di»  Kantsche  Einteilung  der  Urteile  in 
synthetische  und  analytische  eng  zusammen.  Hier  ist  ein 
fünftes  Einteilungsprinzip  maßgebend,  welches  sich  darauf  grOndet,  ob 
das  Prädikat  B  in  der  Subiekfsvorslellung  A  „(versleckterweise) ")  enthalten 
ist"  oder  „ganz  außer  dem  Be«nä  A"  liegt  (vgL  S.  12S).  Im  ersteren  Fall 
ist  das  Urleil  nach  Kanls  Terminologie  analytisch,  im  letzteren  synthietisch. 
Diese  Unterscheidung  ist  oDenbar,  wenn  sie  auch  fflr  die  Eiiennlnistheorie 
und  Logik  besonders  interessant  ist,  nicht  nur  erkennt nistheoretisch  und 
logisch,  sondern  betrifft  auch  einen  psychologischen  Tatbestand.  Das  UrteQ: 
„der  Schnee  ist  weifl"  wird  tQr  die  meisten  Urteilenden  analytisch  sein,  in- 
aofem  tatsachlich  in  der  Vorstellung  „Schnee"  die  Vorstellung  „neiB"  bereits 
mitgedacht  wird.  Die  analytischen  Urteile  sind  zugleich  diejenigen,  auf 
vciche  die  oben  (S.  367)  angeführte  Wundlsche  Auffassung  des  l^rteil^  noch 
am  meisten  zutrifft:  eine  gegebene  Gesamlvorstellung  (Schnee)  wird  in  ihre 
Bestandteile  zeriegt  und  ein  einzelner  Bestandteil  im  Prädikat  (weiß)  heraus- 
nenriffen.  Psychologisch  hat  diese  Unterscheidung  jedoch  fast  keine 
Bedeutung*'),  da  in  weitaus  den  meisten  Fällen  der  Urteilende  kaum  iniK 
■[3sde  ist  sicher  anzugeben,  ob  er  in  der  Subjefctsvorstellung  das  Prädikat 
„Tersteckterweise"  mitgedacht  hat.  So  eiklärt  es  sich  auch  zum  Teil,  daß 
z.  B.  bezüglich  der  arithmetischen  Sätze  (fi  +  i^7  usf.)  noch  heute  zu- 
veilen  gestritten  wird,  ob  sie  analytisch  oder  synthetisch  sind. 

Die  vierte  und  die  fünfte  Erteilung  stehen  offenbar  in  einer  sehr  engen 
Beziehung.  Ein  kommensives  positives  Urteil  ist  stets  analytisch;  denn 
der  Vergleich  der  begrifflichen  Merkmale,  der  fOr  ersteres  chajakteristisch 
isl,  kann  zu  einem  positiven  Ergebnis  —  Richligkeil  vorausgesetzt  —  nur 
dann  fahren,  wenn  das  Merkmal  v<m  P  in  S  irgendwie  enthalten  ist.  Ein 
ionsertives  positives  Urteil  von  der  Form  abc-— ^d  ist  aelbstverständ- 
lich  stets  synthetisch;  die  seltenen  konsertiven  positiven  Urteile  von  der  Form 
ab[c]~— c  (s.  oben)  sind  als  analytisch  zu  betrachten,  wenn  man  das  ta  t  - 
sächliche  Verhältnis  der  begrifflichen  Prädikatsmerkmale  zu  den  begriH- 
lichen  Subjektsmerk  malen  als  maßgebend  für  den  analytischen  Charakter 
d«  Urteils  betrachtet,  hingegen  als  synthetisch,   wenn   man  den   psycho- 

'^)  In  den  Prtdegomena  zu  jed.  kQnft'.  Melaph.  .§  3  heißt  es:  „nicht  so 
klar  und  mit  gleichem  Bewußtsein  gedacht". 

")  Vgl  ErkenntnisUieorie,  Jena  1913,  S.  406  H. 


jM,Googlc 


390       M.  Teil.    Eitenntnistheorefische  ustw.  Grunäleguns  der  Logik. 

logischen  Vorgang  der  Aussondening  des  Pr&dikfttsmerkmals  aas  dem  Heck- 
malkomplex  des  Subjekts  als  das  entscheidende  Ehterium  des  aoalytiachen 
Urteils  ansieht.  Auf  die  eigentümlichen  Schwierigkeiten,  i^elche  sich  bei 
negativen  Urteilen  fOr  die  Eantsche  Einteilung  ergeben,  kann  in  dieser 
kurzen  psycbologischen  Grundlegung  nicht  eingegangen  werden.  Ebenso 
kann  nur  kurz  darauf  hingewiesen  werden,  dafi  der  Gegensatz  zwischen 
analytischen  und  synthetischen  Urteilen  nur  mit  Voibehali  auf  Empfin- 
dung s  urteile  (S.  366)  übertragen  werden  darf.  Streng  genommen  sind  alle 
reinen  Empfindungsurteile  synthetisch;  denn  Vorstellung  und  Empfindung 
sind  heterogen,  die  Pfidikatvorstellung  kann  also  in  der  Subiektempfinduni. 
sofern  sie  rein  ist,  nicht  enthalten  sein.    V^  auch  Diff.  S.  149  f.  u.  Iö2. 

Ein  sechstes  psychologisches  Eioteilungspiinzip  der  Urteile  beruht 
darauf,  daB  die  Veigleichungshmtfion,  welche  bei  jedem  Urteil  wiiksam  ist 
(im  Sinn  eines  Eoeffizientenrergteichs,  vgl.  S.  369),  polar*»)  ist,  d.  h.  zu 
Gleicbheits-  oder  Verschiedenheits-(Ungleichheits-)Urtei!en  fflhrt  Vf ird  im 
Urteil  die  Gleichheit  der  Individualkoeffizienlen  ausgesagt,  so  ist  das  Urteil 
bejahend^  wird  ihre  Verschiedenheit  ausgesagt,  so  ist  das  Urteil  ver- 
neinend"). So  bedeutet  z.  B.  das  Urteil  „diese  Rose  ist  nicht  rot", 
dafi  „diese  Rose"  und  „rot"  verschiedene  Individualkoeffixienten  haben. 
Geltungsbewußtsein  (behauptender  Chajakter)  kann  sowohl  bejahenden  wie 
verneinenden  Urteilen  zukommen  und  sowohl  diesen  wie  jenen  fehlen  (vgl. 
S.  38^.  Es  gibt  negative  und  positive  Thesen  (Behauptungen)  und  negative 
und  positive  Prothesen  (Annahmen).  Beispiel  für  eine  positive  Behauptung: 
die  Erde  dreht  sich  um  die  Sonne  (als  meine  Überzeugung  ausgesprochen), 
für  eine  negative  Behauptung:  die  Erde  ist  keine  vollkomniene  Kugel  (als 
meine  Überzeugung  ausgesprochen);  für  eine  positive  Annahme:  die  Erde 
ist  eine  Scheibe  (z.  B.  als  Meinung  Homers  von  mir  erwihnt),  für  eine 
negative  Annahme:  die  Erde  bewegt  sich  nicht  (z.  B.  als  Ueinuns  der 
Richter  Galileis  von  mir  erwähnt).  Es  bedarf  kaum  einer  besonderen  Hervor- 
hebung, daB  die  Verneinung  sich  stets  auf  den  Koeffizientenver^eich  be- 
zieht (vgl.  S.  369  u.  38B).  Handelt  es  sich  um  em  negatives  kommensives 
Urteil,' liegt  also  außer  dem  Koeffizientenvergteich  auch  ein  Herkmal- 
vergleich  vor,  so  beruht  der  negative  Ausfall  des  Koefßzientenvergletchs  zu- 
gleich auch  auf  dem  negativen  Ausfall  des  Ueikmalvergleichs  (a  b  c  d  e  g  ge- 
hört nicht  zur  Gattung  abcdef,  weil  das  Ueikmal  f  fehlt  usf.). 


*>)  Diese  Polarität  ist  selbstverständlich  ohne  jede  Beziehung  zu  der 
S.  3(7  besprochenen  begrifflichen  Polarität. 

**)  Die  Literatur  Ober  die  Psychologie  der  Verneinung  ist  äußerst 
dürftig.  Meist  wurde  die  Verneinung  nur  von  logischem  Gesichtspunkt  unter- 
sucht In  Betracht  kommen  namentlich:  Windelband,  Beitr,  z.  Lehre  v.  neg. 
Urteil,  StraOb.'  Abh.  z.  Philos.  lasi,  S.  187  (bebt  die  Beziehung  zur  Frage 
hervor);  Jerusalem,  Die  Urteilsfunktioa,  Wien-Leipzig  1896,  S.  181  fi  (wird 
den  negativen  Annahmen  nicht  gerecht);  Nie.  Petrescu,  Denkfunktion  der 
Veineinung,  Leipzig-Berlin  1914^  S.  6 — 17  (behauptet,  daß  die  Veraeinui^  die 
ursprüngliche  Form  des  Urieiless  Oberhaupt  ist);  LoBkij,  Logos  191^  Bd.  3, 
S.  S27;  Heinr.  Maier,  Psychol.  d.  emot.  Denkens,  Tüb.  1908,  S.  272H.;  W.  H. 
SheldoD,  Philosoph.  Review  ISOB,  Bd.  11,  S.  486.  Die  logische  Beziehung 
der  Negation  zur  Venchiedenheit  hat  schon  Plato  im  wesentlichen  richtig 
dargealdlt  (Sophist.  258B). 


2.  Kapitel.    PsychglogiBche  Qrundlefune.  391 

Die  Beziehung  des  Gelhuusbeicufitseiiis,  aJso  der  Anerkennuiw  und 
Verwerfung,  zu  der  Bejahung  und  Verneinung  des  Urteils  wird  in  dem 
Jogifcbea  Haupttei]  besprochen  weiden.  Hier  sei  von  psychologischem 
SUndpunkl  nur  vocUufig  bemerlil,  d&B  die  AneAennung  den  positiven  bzw. 
:iegativen  Charakter  des  Urteils  unberührt  läßt,  die  Verwerfung  ihn  aufhebt 
;ind  damit  aus  der  positiven  Behauptung  die  entgegengesetzte  negative  macht 
und  umgekehrt.  Vgl.  S.  384. 

Tenninologisch  ist  leider  ein  schwerer  MtBstand  insofern  vorhanden, 
als  die  alteren  Logiker  seit  Appulejus")  (vgl.  S.  48)  das  sechste  lün- 
teilungsprinzip  als  qualitativ,  also  Verneinung  und  Bejahung  als 
„Qualitäten"  des  Urteils  bezeichnen,  wahrend  manche  neuere  Forscher 
(Winddbaud,  Husaert  in  der  1.  Aufl.  der  Log.  Unters.)  *■}  das  erste  Ein- 
teitungsprinzip  qualitativ  nennen  und  daher  eine  setzende  und  nicht- 
setzende  Qualität  unterscheiden  (vgl  S,  38&(}.  Im  folgenden  wird  der  Ter- 
minus „Urteilsqualitfit"  antsprechend  dem  auch  jetzt  noch  überwiegenden 
Gebtauch  stets  im  alteren  Sinn  angewendet  werden. 

Die  Lehre,  daß  bei  der  Verneinung  immer  erst  das  entgegengesetzte 
positive  Urteil  vollzogen  oder  versucht  werde  *^)  (Chr.  Sigwart,  Logik,  2.  Aufl^ 
Freihurg  1889,  Bd.  1,  S,  IfiO)  und  daher  die  Kopula  nicht  der  Trager,  sondern 
das  Objekt  der  Verneinung  und  die  Verneinung  direkt  ein  Urteil  Ober  ein 
versuchtes  oder  vollzogenes  positives  Urteil  und  erst  indirekt  ein  Urteil  Ober 
das  Subjekt  sei,  acheint  mir  psychologisch  jedenfalls  unzutreOend. 
FsTcholoKisch  ist  das  positive  und  das  negative  Urteil  koordiniert.  Nur  zu- 
weilen, aber  keineswegs  stets  laBt  sich  durch  Selbstbeobachtung  das  tat- 
sächliche Vorangehen  des  bez.  positiven  Urteils  nachweisen  oder  wahr- 
scbönlich  machen.     Die  logische  PrOfung  der  Sigwartschen  Lehre  folgt 


»)  Lib.  nigJ  i^M-i  266  {ed.  Thomas  1908,  S.  177). 

")  Neuerdings  bezeichnet  Husserl  das  neutrale  „Dahingestellt"!  iahen 
als  „Modifikation"  und  schreibt  ieder  eigenartigen  Thesis  eine  Qualität  zu, 
bezeichnet  aber  die  Thesis  selbst  nicht  als  Qualität  (Id.  z.  einer  reinen  Phän., 
Halle  1918,  S.  268  u.  274). 

")  Messer,  L  c.  S.  118,  spricht  daher  von  „Versuchsurteilen".  Erdraann 
(Utik,  3.  Aufl.  1907,  S.  505}  sagt  in  ahnlichem  Sinn,  die  Verneinung  sei  „die 
Formuherung  einer  miBlingenden  Bejahung"  und  demnach  kein  elementares 
(Jrleil,  sondern  ein  Urteil  über  ein  Urteil  und  rechnet  sie  daher  zu  den 
^Beurteilungen"  (wobei  dieser  Terminus  eine  ganz  andere  Bedeutung  hat  als 
hei  Windelband,  vgl.  S.  3fö,  Anm.  6).  Man  kann  die  Sigwarlsche  Lehre 
auch  dahin  formulieren,  daB  es  negative  Urteile  (II,  3  in  dem  Schema  an( 
S.  388)  überhaupt  nicht  gebe,  sondern  nur  Verwerlungen  positiver  Annahmen, 

*•)  S^art  selbst  scheint  mit  trotz  der  Bemerkungen  1.  c.  S.  159  Annw 
liebt  scharf  genug  zwischen  der  psychologischen  und  der  logischen  Seile  der 
Frage  zu  unterscheiden. 

')  Für  die  Psychologie  des  Schlusses  kommen  namentlich  die  Exiieri- 
meDtahmtersuchungen  von  StCrring  (Arch.  I.  d.  ges.  Psychol.,  1008,  Bd.  11, 
S.  1)  in  Betracht,  teioer  Heinr.  Maier,  Psychol.  d.  emoi  Denkens,  Tlib.  190^^ 
S.  29ia.;  Petenwn,  Psjchol.  Review  1908,  Bd.  16,  S,  327. 


O^^IC 


392       "-  ''^^''-    'Erkenntnistheoretische  usw.  Gniodleeune  der  Logik. 

einander  entbehren,  z.  B.:  der  Schnee  ist  weiB,  der  KreisumlAnt  ist  glnch 
2ifr  usf.  Dieser  disp&rate  Charakter  einer  Urteilsreihe  verschwindet  kvch 
dann  nicht,  wenn  die  sukzesnven  Urteile  setneinsune  Vorslellnnsen  ent- 
haltMk  wie  z.  B,  die  Reihe:  der  Schnee  ist  kalt,  der  Schnee  ist  weiß,  dac 
Schnee  ist  kristallinisch,  oder:  Chinin  schmeckt  hitter,  Morphium  Kchmeckt 
bitler,  Ouassia  schmeckt  bitter.  Wir  nfihem  uns  dagegen  bereits  dem  SchluB, 
wenn  wir  mehrere  sukzessive  Urteile  zu  einem  einzigen  auf  Grund  der  ihnen 
gemeinsamen  Vorstellungen  verschmelzen.  Wir  können  dann  von  Vorder 
Sätzen  (V  ordern  rt  ei !  en)  und  einem  Schlußsatz  (SchluB- 
urteiJ)  sprechen.  So  entsteht  z.B.  das  „zusammenfassende" 
Urteil >);  „der  Schnee  ist  kalt  und  weiB  und  kriBtallinisch"  (koniunk. 
tives  Urteil)  oder  „Chinin  und  Morphium  und  Quassia  schmecken 
bitter"  (kopulatives  Urteil)»).  IsoUert  betrachtet,  ist  ein  solches 
Urteil  kein  SchluB;  dagegen  muU  das  ganze  GetOge  —  Urt«l  mit 
Vordersätzen  —  als  SchluB  bezeichnet  weiden.  Der  SchluB  in 
diesem  weiteren  Snne  ist  sonach  jede  Reihe  *)  von  zwei  oder  mehr 
Urleilen,  deren  letztes  durch  die  vorhergehenden  begründet  wird :  „der  Sduiee 
ist  kalt,  der  Schnee  ist  weiB  usf.,  also  (1)  ist  der  Schnee  kall  und  weiB". 
Itlan  kann  dann  also  auch  van  koniunkliven  und  von  kopulativen 
Schlüssen  sprechen.  Zuneilen  gebraucht  nian  jedoch  den  Terminus 
„SchluB"  in  engerem  Sinn  und  verlangt  von  dem  SchluB  das  Zustande- 
kommen einer  neuen  selbat&ndigen  Verknüpfung  von  Vorstellungen  (abo 
nicht  bloB  eine  ftuBerlicbe  Verbindung  der  unverftadeiten  Voratdlungs- 
verkndpfungen  der  Vordersitze).  Ein  solcher  SchluB  im  engeren  Sinn  ist 
K.  B.  folgender:  „diese  Blume  ist  eine  Salbei  —  die  Salbei  bat  stets  zwei 
StaubgeflBe  —  also  muB  diese  Blume  zwei  Staubgef&Be  haben".  Hier  tnetet 
der  Schlußsatz  wiiklich  etwas  Neues,  wahrend  er  bei  dem  voiher  erörterten 
konjunktiven  und  kopulativen  Schluß  die  Vordersatze  im  wesentlichen  nur 
sprachlich  abkürzend  zusammenlaBt,  ohne  ihren  Inhalt  zu  Andern.  Damit 
hSngt  auch  zusammen,  daB  bei  dem  konjunktiven  und  koimlativen  SchluB  di» 
Vordersätze  untereinander  vollständig  koordiniert  sind,  daß  dagegen  bei  dem 
^hluB  im  engeren  Sinne  durchweg  e  i  n  Vordersatz  bzw.  das  Subjekt  des- 
sedben  dominiert  imd  mit  Hilfe  des  anderen  bzw.  der  anderen  VordersUie 
der  erste  umgestallel  bzn.  sein  Subiekl  mit  einem  neuen  Pr&dikat  veibunden 
wird.  Man  kann  daher  einen  prinzipalen  Vordersatz  und  ein 
oder    mehrere     auxiliare     Vordersatze     (Kilfsvordersatze)    unter- 


*}  Erdmann  (Logik,  2.  Aufl.,  S.  403  u.  73S)  bezeichnet  solche  z 
lassenden  Urteile  als  „Urteilsverbindungen".  Ober  die  Stellung  des  sog. 
civisiven,  disjunktiven  und  hypothetischen  Urteils  ist  §  120  und  131  lu 
vergleichen.  Nach  Erdmann  ist  das  divisivc  Urleil  nicht  wie  das  kopu- 
lative ein  „Aggregat  von  Urteilen",  sondern  ein  , System"  ....  Ober 
Krdmanns  „Urt  ei  I  s  getoge"  (disjunktive  Urteile,  I.  c.  S.  OB) 
und  „Ufteilsinbegrirfe"  (hy  pol  hellsehe  Urteile,  S.  668) 
.wird  erst  im  logischen  Hauplteit  gesprochen  werden, 

»)  Weniger  zweckmäßig  ist  die  Bezeichnung  „induktive  Urteile"  (Höf- 
ler u.  a.). 

*)  Man  beachte  also  wohl,  daß  das  einzelne  Urteil:  „der  Schnee  ist  kalt 
und  weiB"  ein  konjunktivcs  Urteil  ist  und  nur  die  „Urteils"  re  i he:  ,A^ 
Schnee  ist  kall,  der  Schnee  isl  weiB,  also  ist  der  .Schnep  kalt  und  weiB" 
ein  SchluB  genannt  werden  darf. 


OgIC 


2,  Kapitd.     Psvcliologischc  Gruodlegung.  393 

scheiden.  Dis  DenkUtigkeit  beschränkt  sich  bei  der  Konjuakllon  und  Kopu- 
lation AoS  die  Eikennlnis  der  Gemeinsamkeit  des  bezüglichen  Subjekts  bzw. 
Piidikats,  wahrend  bei  dem  SchluS  im  engeren  Sinn  eine  Vergleichung  der 
VoFstethmien  der  Vordersätze  untereinander  uneriftBlich  ist. 

Tenninoloeisch  sei  für  die  folgenden  Erortefungen  festgesetzt,  dftS  mit 
,Schlufl~  oder  „Konklusion"  (ohne  Zusatz]  stets  der  Schluß  im 
«eiteren  Sinn  gemeint  ist').  Er  scliiieBl  also  den  koniunktiven  und 
kopulativen  SchluB  ein.  DemgegenQber  soUen  die  kopulativen  und  kon- 
niDttiveD  Urteile  als  „zusammenfassende  Urteile"  oder 
Kolligationen  bezeichnet  werden.  Für  die  Schlüsse  im  weiteren 
Sinn  samt  den  zuanunenfsssMiden  Urteilen  eignet  sich  die  Bezeichnuiw 
p.ürtejlssy  nthesen".  Die  Urteilasynthese  ist  also  entweder  Konklu- 
sicD  oder  EoUigation.  Ferner  soll  scharf  zwischen  SchluS  und  Schluß- 
Qrlail  (Schlußsatz)  unterscbiedeh  werden.  SchluB  (Konklusion)  bezeich- 
net im  folgenden  stets  den  gesamten  Prozeß*)  vom  ersten  Vorderurteil  bis 
zum  Schlußurleil  inkl.,  während  im  alltäglichen  Sprachgebrauch  sehr  oft 
aucb  das  SchluSurteil  (der  Schlußsatz)  fflr  sich  genommen  als  Schluß  be- 
zeichnet  wird.  Das  SchluSurteil  heißt  auch  Folgerung')  oder  besser 
Konklusum,  die  Vordenuteile  heißen  auch  Prämissen.  Die  Ter- 
niiDi  „Schlußurleil"  und  „SchluSsat^*  sind  —  abgesehen  von  der  Betonung 
der  sprachlicben  FormulieninB  bei  dem  letzteren  —  im  wesentlichen  gteich- 
Itedeulend.  Dasselbe  gilt  von  den  Termini  „Vorderurteile"  und  „Vordersätze". 

Im  tatsächlichen  Denken  werden  bei  den  Schlüssen  sehr  oft  ein  oder 
«KJi  mehrere  HiUsvordersätze  nur  sehr  flüchUg  und  unbestimmt  gedacht 
und  daher  auch  sprachlich  nicht  in  Gestalt  eines  vollständigen  Satzes 
lonnuliert.  Wir  denken  z.  B.  in  dem  oben  angeführten  Bei^iel  in  der  Regel 
eiva  folgendermaßen :  „Diese  Blume  ist  eine  Salbei,  also  (daher,  folglich)  muß 
sie  zwei  Staubgefäße  haben".  Zuweilen  denken  wir  auch  im  Sinne  der 
Worte: . . .  ,3lso  muß  »c  a  I  s  Salbei  zwei  Staubgefäße  haben".  Die  zuerst 
angeführte  Fomndierung  in  drei  ^tzen  entspricht  also  dem  gewöhnlichen 
Psychologischen  Tatbestand  nicht,  sondern  steht  bereits  unter  dem 
EinlhiB  des  logischen  Schemas.  Richtig  ist  aber,  daß  der  psychologische 
Talbesland  sich  stets  auf  ein  solches  oder  ähnliches  Schema  zurückführen 
läBt,  und  daß  der  in  der  Formulierung  übersprungene  Hilfsvordersatz  irgend- 
wie mitgewirkt  hat)en  muS.  Ebenso  wie  viele  psychologische  Beobachtungen 
uns  zu  der  Annahme  zwingen,  daß  neben  den  bewußten  Vorstellungen  auch 
tot.  unbewußte  oder  latente  Vorstellungen  existieren,  d.  h.  ausschlieBUch 
nulerielle,   von   psychischen    Prozessen    nicht    begleitete    Rindenerregungen 

°)  Knen  noch  engeren,  rein  logischen  Sinn  hat  der  Terminus  „Syl- 
logismus", wie  in  dem  logischen  Spezialabschnitt  zu  erörtern  sein  wird. 
l^iegen  sind  alte  oben  angeführten  Unterscheidungen  auch  rein  psycho- 
loüsch  unenlbetiriich  und  seither  von  der  deskriptiven  Psvdiologie  mit  Un- 
recht vemacMässigt  «orden. 

°)  Noch  zutreffender  wäre  der  Terminus  „Schließung",  doch  wider 
»»rebt  er  unserem  Sprachgefühl.  Altere  Logiker  bezeichneten  zuweilen  den 
Schjuisatz  als  Conclusio,  den  SchluB,  d.  h.  den  Gesamtprozeß  als  Ulatio. 
V|L  z.  B.  Chr.  Wdlö,  Philos.  ration.  Pars  I,  §  336. 

')  Von  dem  abweichenden  Wolffschen  Sprachgebrauch  (vgl.  S.  39*. 
^jn.  9)  sehe  ich  ganz  ab. 


1,1^. OQi 


,g,c 


394       U-  "^^^    ^rkenniniBtheoretische  usw.  Gnindleguiu  der  Losik. 

(vgl  S.  362  u-  381),  werden  wir  auch  zu  der  Annahme  gedr&nst,  daS  es 
materielle  Aasoaationsprozesse  gibt,  die  von  Urteilen  im  Sinne  psychischer 
ProTttK  nicht  begleilet  sind,  aber  doch  Urieilen  iquivalent  und  bei  den 
Zustandekommen  von  ScbluBsAtzen  [nie  ia  dem  obigen  Beispiel)  wescnüich 
beteiligt  sind.  Das  plötzliche  AiJtauchen  mathematischer  und  anderer 
Problemlösungen  usf.  USt  sich  ohne  solche  „latente  Urteile"')  gu 
nicht  erklftren.  Logisch  bezeichnet  man  seit  BoElhius  alle  solche  abgeküreta 
Schlosse  meistena  als  Enthrmeme  (vgl.  den  io^schen  Spezialaiaehmtt). 
Es  unterliegt  keinem  wesentlichen  Bedenken,  diesen  Tenninus  in  analoKec 
Sinn  auch  psychologisch  zu  verwenden.  Bei  manchen  unvoUstandigeo 
Schlauen  kann  dabei  sogar  die  Gemeiasamkeit  von  Vorstellungen  scheinbar 
ganz  (ehien,  so  z,  B.  in  dem  Schluß:  „Der  Briefsiegel  ist  verietzt,  also  i-:t 
mein  Geheimnis  verraten." 

Ausnahmsweise  kommen  in  unsej^m  tatsächlichen  Denken  aucb 
Schlüsse  vor,  welche  nur  aus  einem  Vorderaatz  und  dem  Schlußsatz  be- 
stehen und  auch  keinen  ergänzenden  Hillsvordeisatz  involvieren.  Hieiter 
gehören  z.  B.  folgende  ScUOsse:  alle  Pflanzen  atmen  Sauerstoff  ein,  folglich 
atmet  diese  Pflanze  SauerstofI  ein  (vgl.  jedoch  auch  §  12v);  Ellipsen  sind 
Kurven  zweiter  Ordnung,  folglich  sind  einige  Kurven  zweiter  Ordnuu 
EUvsen;  keine  Ellipse  ist  eine  Kurve  dritter  Ordnung,  folglich  ist  keine  Kurve 
dritter  Ordnung  eine  Ellipse.  Offenbar  ist  hier  für  den  SchluB  der  Sinn  der 
Worte  „alle",  „einige",  „keino"  usf.  mafigebend. 

Auf  die  logische  Bedeutung  dieser  letzterörterten  sog.  unmittel- 
baren Schlosse*)  wird  in  dem  logischen  Spezialabscbnitt  eingegangeo. 
Die  zuerst  erörterten,  wenigstens  zwei  Vordersätze  enthaltenden  oder  ia- 
volvierenden  Schlüsse  werden  im  Gegensatz  bierzn  speziell  als  mi  ttelbars 
Schlüsse  bezeichnet  ^"j.  Sprachhche  Umgestaltungen  eines  Urteils,  welcba 
seinen  Sinn  nicht  verändern,  werden  am  besten  übertiaupt  nicht  zu  den 
Schltlssen  gerechnet  (z.  B.  „das  Haus  wird  von  der  Sonne  beschienen"  statt 
„die  Sonne  bescheint  das  Haus")  "). 

Die    weitere    psychologische    Erörterung    aller    jetzt   «d- 


')  Über  die  psychophysiologische  Bedeutung  einer  solchen  Latenz  s. 
Ltf.,  10.  Aufl.,  S.  22a 

')  WoUf  bezeichnet  sie  als  „unmittelbare  Folgen",  „Consequentiae  im- 
mediatae".  Philos.  rat.  §  i&ä:  „Modus  ratiocinandi,  <iua  una  propcäliaDe 
posita  simul  poni  alleram  per  rationes  logicas  maniteslum  est,  dicitur  cou- 
sequcDtia  inunediata"  Nach  Erdmann  (Logik,  2.  AufL,  S.  5905  hätte  Wolfi 
die  unmittelbaren  Schlösse  auch  „Folgerungen"  genannt,  indes  habe  ich  in 
WolHs  eigenen  Schriften  (Vernünffl.  Gedancken  v.  d.  KiaUten  usw.,  1131. 
§  29  ff-,  VernOnUt.  Gedancken  v.  Gott  usw.,  1747,  §  364  ff.  u.  a.)  diesen  Te^ 
minus  bis  jetzt  nicht  gefunden.  In  Ludovicis  S.  117  zitiertem  Entwurf  findet 
er  sich  allerdings  (Bd.  2,  S.  239),  aber  nicht  für  consequentia  ünmediita. 
sondern  für  consequentia.  Vgl.  auch  A.  G.  Baumgarten,  Acroasis  logica,  ei 
Töllner,  2.  Aufl.  1773.  S.  1(B:  consequentia  immediata  ,=  unmitleltMre 
Folgerung. 

»•)  Die  gewöhnlichen  Enthymeme  rechne  ich,  da  sie  einen  zweiten 
Vordersatz  involvieren,  noch  zu  den  mittelbaren  Schlüssen. 

")  Eine  genaue  Beobachtung  lehrt  übrigens,  daß  bei  diesen  Umgestal- 
tungen doch  nicht  selten  auch  der  Inhalt  eine  leichte  Abänderung  eriihrt 

„.,.,„,>..oo^sic 


2.  Kapitel.    Psychologische  Grundlegung.  39g 

eezäli}fen  SchluBprozesse  ^*)  kanu  von  der  zu  Anfang  des  Paragraphen  fest' 
gesleHtcn  Tatsache  ausgehen,  daB  das  Vorhandensein  gemeinsamer  Vorstel" 
hingeo  aus  einer  Urleilsreihe  noch  keinen  SchhiB  macht  Es  ist  die  Conditio 
aiat  qua  non  für  einen  Schluß,  reicht  aber  zur  Charakteristik  dea  Schlusses 
akbl  aus.  Es  muB  noch  ein  bestimmter  Denkzusammenliang  hinzukommen, 
den  man  (auch  psychologisch)  als  den  Zusammenhang  von  Grund  und 
Folge  bezeichnen  kann.  Die  Vorderurteile  bilden  den  „Grund",  das 
SehlnBurteil  die  „Folge".  Die  psychologische  Analyse  dieses  Zusanunen- 
baags  ergibt  lediglich  die  Wirksamkeit  derselben  DifferenzierungsfunkUosen, 
velcfae  bei  der  Entstehung  des  Uileils  beteiligt  sind  (vgl.  S.  3S1).  In^eson- 
dere  handelt  es  sich  dabei  stets  um  «inen  fortlaufenden  Koeffizienten  vergleich 
(s.  S.  36ft).  Im  einzelnen  ergibt  die  psychologische  Untersuchung  noch 
folgende  fOr  die  Grundlegung  der  Logik  wichtige  Tatsachen; 

Mau  kann,  wenn  man  sich  auf  einlache  Schlüsse  in  schulroäSiger  Form 
besdiränkt,  drei  Hauptlälle  unterscheiden,  je  nachdem  der  zweite  '■)  Vorder- 
satz unseres  Salbeibeispiels,  der  sogen.  Obersatz,  allgemdner  oder  ebenso  all- 
gemein oder  weniger  allgemein  als  der  Schlußsatz  ist,  und  im  ersten  Fall 
von  deduktiven  Schlössen,  im  zweiten  von  Analere-  bzw.  NiveauschlOssen, 
un  dt^ten  von  induktiven  Schlüssen  sprechen.  Das  psycho- 
logische Erlebnis  bei  dem  deduktiven  SchluB  l&ßt  sich  kurz  dahin 
tharakterisieren,  daß  ein  Spezialfall  in  eine  allgemeine  Regel  (ein  Individuum 
in  eine  Gattung  usf.)  eingeordnet  wird.  Bei  psychologischen  Schlußeiperi-" 
menlen  kleidet  sich  diese  Einordnung  gewöhnlich  in  Worte  wie  „gehört  zu" 
(z.  B.  Cajus  zu  den  Menschen)  od.  dgl.  Wir  gehen  also  vom  Allgemeinen  zum 
ladiTiduellen  bzw.  zum  weniger  Allgemeinen  über.  Die  eigentümliche  Vnr- 
scbmelzung,  durch  welche  die  Generalisation  charakterisiert  ist  (g  69), 
(eslatttt  eine  solche  Einordnung  ohne  weiteres,  da  sie  in  der  S.  335  be- 
snxtcheDen  Wdse  die  AUgemeinvoratelluns  für  neue  EinzelgUeder  offen  läBt, 
und  auf  Grund  der  Einordnung  nimmt  die  eingeordnete  Vorstellung  an  allen 
Itlr  die  Allgemein  Vorstellung  ausgesprochenen  Urteilen  teil.  Spradüich  diesen 
Euordnungsvorgang  zu  beschreiben  oder  ihn  begrifflich  zu  zerlegen,  ist  uns 
Hiebt  mäglich,  ebenso  wie  wir  nicht  imstande  sind,  z.  B.  den  Hergang  der 
Genenttisation  mit  Worten  adäquat  wiederzugeben.  Es  handelt  ^ch  um  ein 
Erlebnis  im  Bereich  der  DiSeTenzierungsfunktionen,  das  ebenso  unbeschreib- 
lüh  ist  wie  die  Empfindung  blau.  Deshalb  etwa  zu  behaupten,  daß  es  sich 
Oberhaupt  um  kein  chaxakleris tische s  psychisches  Erlebnis  handle,  ist  selbst- 
versl&odlich  ganz  unzulässig  (ebenso  wie  in  dem  Fall  der  BIau-E!mptindung). 
Wtdien  wir  uns  unser  Erlebnis  durchaus  veranschaulichen,  so  kScnen  wir 
die  ^Ordnung  durch  rftumliche  Symbole  darstellen  (z.  B.  Cajus  als  einen 
kleiDen  Kreis  in  den  groBen  Kreis  „Mensch"  einzeichnen).  In  der  Tat  tauchen 
solche  räumliche  Symbole  bei  den  Versuchspersonen  sehr  oft  ganz  spontan 
aid  und  erleichtern  auch  zuweilen  eben  infolge  ihrer  Anschaulichkeit  den  Akt 
to  Schbeßens.     Unerläßlich  —  wie  dies  Fr,  A.  Lange  behauptet  hat 

")  Man  beachte  für  das  Folgendu  immer,  daß  für  die  psychologischo 
wrterung  falsche  Schlüsse  ebenso  in  Betracht  kommen  wie  richtige. 

")  Da  die  Reihenfolge  der  Vordersätze  bis  zu  einem  gewissen  Grad 
*iBkDrlich  ist,  so  ist  auf  die  Bestimmung  „der  zweite  Vordersatz"  kein 
RoBes  Gewicht  zu  legen.  Hier  ist  diejenige  Reihenfolge  vorausgesetzt,  welche 
bei  dem  natürlichen  Denken  durchaus  überwiegt.  Vgl.  Beispiel  S.  392.  Die 
l^k  pOegt  die  Reihenfolge  umzukehren. 


OgIC 


396       ^-  ^^'1-    I-rkenntnistheo retische  usw.  Orundlegune  der  Logik. 

(Tgl.  S.  166  u.  3SS)  —  ist  eine  solche  ,JViiscliauuns  der  BeKTÜfsverhiltmase  in 
ßaumbildem"  nicht,  und  tatsächlich  fehlt  sie  nicht  selten  gltnzlwh.  IHe 
Häufigkeit  des  Auftretens  räumlicher  Symbole  erklärt  sich  aus  der  Be- 
deutung des  fortlaufenden  IndividualkoeffizientenveTgleichs  und  li^rt  eine 
indirekte  BeBt&tigung  für  die  Richtigkeit  unserer  Charakterisierung  des 
t-'rteils  und  des  Schlusses  durch  den  Individualkoeffi&enten vergleich. 

Etwas  anders  gestaltet  sich  das  psTchologische  Erlebnis  im  tweitoi 
t'atl,  also  bei  Analogieschlüssen.  Als  Beisiriel  mag  der  schon  frOhet 
verwertete  Schluß  dienen^'):  IJier  sehe  ich  heifle  Aache;  ähnliche  heiBe 
Aacbe  habe  ich  schon  oft  gesehen,  nachdem  kurz  vorlier  ein  Feuer  gebrannt 
hat;  also  wird  wobt  auch  hier  kurz  vorher  ein  Feuer  gebrannt  haben.  Von 
einer  einfachen  Einordnuns  unter  eine  allgemeine  Regel  wie  in  dem  enten 
Fall  kann  hier  sehr  oft  keine  Rede  sein.  Der  zweite  Satz  hat  gar  nicht  den 
Charakter  einer  allgemeinen  Regel.  Zuweilen  genügt  eine  einzige  ähnliche 
Erfahrung  als  Prämisse  eines  solchen  Schlusses  („gebranntes  Kind  scheut 
das  Feuer").  Während  Mensch-sein  mit  allen  seinen  Ueikmalen  auf  den 
l^jus  zulri&t,  handelt  es  sich  bei  der  heiBen  Asche  nur  um  eine  partielle 
Ähnlichkeit  mit  früheren  ähnlichen  Erlebnissen;  zu  der  Abstraktion  einer 
AllgemeinTorsletlung  ist  es  gar  nicht  gekommen.  Ich  Bliebe  daher  in  der  Tal 
nur  ein  Ah nlichkeitsbewu fitsein  des  jetzigen  Falles  mit  froheren  und  dehne 
in  meinem  Schluß  die  Ähnlichkeit  auch  auf  Merkmale«,-  Teile,  Wiikungen, 
Ursachen  usf.  aus,  die  mir  für  den  jetzigen  Fall  nicht  direkt  bekannt  sind. 
Von  irgendwelchem  Gedanken  an  die  allgemeine  Gleichförmigen  oder  Ijc- 
NelzmäSigkeit  des  Geschehens  ist  in  den  meisten  Fällen  nichts  zu  konsla- 
tieren.  Es  tritt  einfach  das  Aussageprädikat  der  trüberen  Fälle  audi  in  dem 
neuen  Fall,  d.  h.  für  das  neue  Subjekt  ein;  Wenn  man  also  von  einer  Sub- 
stitution reden  will,  so  erfolgt  diese  psychologisch  nicht  etwa  in  dem  Sinne, 
daB  das  neue  Subjekt  in  die  allen  Urteile  (in  die  in  Urteilen  austedrflcUen 
Erfahrungen)  eingesetzt  wird,  sondern  in  dem  Sinne,  daB  das  afte  Prädikat 
in  das  neue  Urteil  eingesetzt  wird.  Dabei  bleiben  die  alt«n  Ur- 
teile außerordentlich  oft  in  dem  oben  (S.393)  besproche- 
nen SinnelalenL  Es  handelt  sich  also  t)ei  den  Schlüssen  der  zweiten 
Klasse  noch  öfter  als  bei  denen  der  ersten  Klasse  um  Enlhymeme.  Wir 
müssen  annehmen.  da&  die  auf  die  früheren  FaUe  bezüglichen  Urteile  in 
irgendeiner  Weise  latent,  also  im  Sinn  rein -physiologisch  er  Endungen  wirk- 
sam werden.  Unertäfilicb  ist  femer,  daB  ein  Vergleich  des  jetEigen  Fallet 
(Subjektes)  mit  den  früheren  stattfindet  und  zum  Ergebnis  einer  mehr  oder 
weniger  erbeblichen  Ähnlichkeit  zwischen  jenem  und  diesem  fülirt  '*).  Auch 
die  letztere  Tätigkeit  der  Vcrgleichungsfunktion  vollzieht  sich  in  der  Refd 
latent.  Nur  hin  und  wieder,  z.  B.  in  schwierigeren  oder  wichtigeren  Fällen, 
reproduzieren  wir  ausdrücklich  in  einem  oder  mehreren  Prämissen  die 
früheren  Urteile  und  konstatieren  ausdrückUch  die  Ähnlichkeit  des  ietit  vor- 
liegenden Subjektes  mit  den  Subjekten  der  früheren  Urteile.  Zuweilen  kCnnen 
wir  bei  fortlaufender  Beobachtung  sogar  unmittelbar  verfolgen,  wie  alhnäh- 
lich  die  Vordersätze  und  der  Vergleich  der  Subjekte  imntcr  kDr:cer  und  un- 
bestimmter »ird,  bis  er  schließlich  ganz  latent  wird. 

'*)  Absichtlich  wird  für  diese  psychologische  Betrachtung  ein  ganz 
populäres  Wahrscheinlichkeitsurteil  des  täglichen  Lehens  gewählt. 

")  Daß  vom  Standpunkt  der  Assoziationspsychologie  diese  zweite  An- 
nahme überOüssis  wwden  kann,  mag  hier  unerörtert  bleitten. 


2.  Kapitel.    Psychotogiache  GnmdleguDg.  397 

As  die  AnalogieschlQsse  achlieBen  sich  unmittelbar  £e  sog.  induk- 
liveo  Schlüsse  an.  Sl&tt  vom  Individuellen  auf  Individudles  eu  schlieBeu, 
seldieften  wir  bei  dem  indukliven  SchluB  vom  Individuellen  auf  Allgemeines 
«der  auch  vom  weniger  AIlgemeiDen  auf  Allgemeineres.  Es  handelt 
sich  also  um  denselben  ProzeB,  dar  jeder  Gcneralisation  zugrunde  liegt  (vgl. 
S.  331  ff.).  Psychologisch  gehören  die  AnalogieschlQsse  und  die  induktiven 
SdüOBse  zu  derselben  Hauiitblasse.    Exaktere  Bestimmungen  gibt  die  Logik. 

Au9  allen  diesen  Darlegungen  geht  wohl  mit  Sicherheit  hervor,  daS 
psychologisch  bei  dem  Schluß  weder  im  ersten  noch  im  zweiten  Fall  ■*)  neue 
intdIAtueile  Funktionen  in  Tätigkeil  treten.  Der  Zusammei^ang,  den  wir 
rwisdien  den  Prämissen  und  dem  SchJuBurteil  finden,  beruht  im  wesentlichen 
«uf  einer  besliimnten  Tätigkeit  der  Vergleichungsfunktion.  Das  Begründunga- 
bewufltaein,  d.  h.  das  BewuBtsein  von  Grund  und  Folge,  welches  den  Schluß- 
proMfl  mehr  oder  weniger  bestimmt  hegleitet,  besteht  für  die  p  s  v  c  h  0  - 
loiisehe  Betrachtung  lediglich  in  dem  durch  die  Diüerenziemngsfunk- 
lionen  hergestellten  Zusammenhang  der  Prämissen  und  des  Sc hlu Burteils. 
Dabei. ist  zugleich  eine  adbstverständiiche  Voraussetzung,  daß  die  Voistel- 
hingen,  welche  in  den  Prämissen  aulgetreten  sind,  noch  bis  zum  SchluBurteil 
nadnriAen  (Dominantvorsteltungen,  Leitvorstellungen,  richtun^ebende  Vor- 
itelhmgen),  wie  dies  vom  Standpunkt  meiner  Konstellationalehfe  sehr  woht 
wretindlich  ist").  Charakteristisch  iür  den  Schluß  ist  jedoch  eine 
»lebe  Nachwirkung  nicht;  denn  wir  beobachten  sie  auch  sehr  oft  bei  dis- 
peiaten  Ilrteilsreiben  und  sogsf  disparalen  Vorstellungsreihen,  freilich  in  der 
Hegel  nicht  so  ausgesprochen.  Charakteristisch  ist  nur  die  durch  die  DiUe- 
Kazierongslunktionen  hergestellte  Beziehung. 

Manche  Psychologen  nehmen  an,  daß,  wie  bei  dem  Urteil,  so  auch  bei 
dem  Schluß  eine  neue  spezifische  Punktion  in  Kraft  tritt,  und  daß  dieser 
AmklJon  das  Begründungsbe wußtsein  entspricht.  Sie  berufen  sieb  dabei  ent- 
weder auf  die  sog,  Selbstwahmehmung  oder  —  wie  die  Logizislen  (vgl.  §  45)  —1 
auf  dn  jenseits  des  psychologischen  Geschehens  erfolgendes  Schauen.  Dabei 
*ird  bald  auf  eine  Definition  bzw.  Charakteristik  des  Schlusses  ganz  vcr- 
zicfatet  und  einfach  auf  das  spezifische  Erleben  hingewiesen,  bald  doch  auch 
öne  p8Tcfa<dogiBche  Charakteristik  dieses  spezifischen  Erlebnisses  versucht. 
So  betrachtet  z.  B.  Kreibig,  der  das  SchUeßen  für  eine  irreduzible  Funktion 
lält,  das  Schließen  als  „das  Farwahrhalten  eines  Urteils  mit  dem  Bewußtsein, 
daS  dieses  Fflrwahrhalteit  von  dem  FQrwahrhalten  anderer  Urteile  bedingt 
ist"  (Die  inlelL  Funktionen.  Wien-Leipzig  1900,  S.  303).  Ob  solche  und  ähn- 
bebe Charakteristiken  mit  der  Behauptung  der  Unzurilckführbaiiceit  des 
Sdilnßprozesses  verträglich  sind,  soll  hier  nicht  erörtert  werden.  Es  muß  an 
dieser  Stelle  genOgen,  auf  die  Existenz  solcher  Lehrmeinungen  hinzuweisen. 


")  Der  Nachweis,  daß  alle  Schlüsse  sich  auf  diese  beiden  Hauptfalle 
«rOcklÜhren  lassen,  wird  im  logischen  Haoptteil  erbracht  werden. 
")  Ltf.,  1.  Auf!.  1891,  S.  119,  10,  Aufl,,  a  älStl.  u,  362  fl, 
*)  Tgl.  zur  Psychologie  dieser  sog.  logischen  Gefühle :  Wundt,  Bd.  3, 
9.  eoo  u.  112;  Ljpps,  S.  S8&  (Ko n stell aüonsgefü hl e) ;  Jodl.  S,  3&li  (FonnaJ- 
8dühte);  H.  Uaier,  Psycholoeie  des  emotionalen  Denkens,  Tübingen  190S, 
S.  WH.;  Th.  Ribot,  U  bgique  des  sentiments.  Paris  1906;  M.  Geiger,  Arch. 


O^^IC 


398       II-  1'^'''    EricenntDistheoretische  usw.  GnindleBung  der  Logik. 

teilist.     Man  kann  bei  dem  einfachen    Urteil  folgende  II a.upt fälle  dieser 
Beteiligung  unterscheiden: 

1.  Subjektsvorstellung  oder  Prädikatavorsiellung  oder  beide  aind  ge- 
fahMietonte  Voretelluagen  (z,  B.  „unser  Sieg  iat  am  . . .  erfochten 
woiden",  „diese  Schlacht  ist  fOr  ims  ein  groBer  Sieg"); 

2.  Subjektsvorstellung  oder  Prädikalsrorstellung  oder  beide  sind  Vor- 
stellungen von  Gefühlstönen  bzw.  Stimmungen  bzw.  Aflektec 
(z.  B.  „diese  Freude  ist  unemariet",  „die  Freude  ist  von  Puls- 
ver&nderungen  begleitet"); 

3.  das  Urteil  als  solches  ist  von  GefOhlstOnen  begleitet. 

Der  dritte  Fall  umfaBt  zw«i  wesenUich  verschiedene  Unlerf&Ue.  Bild 
nämlich  ist  die  Gefohlabetonung  des  Urteils  ganz  und  gar  von  der  Gefühls- 
betonung  der  im  Urteil  verknüpften  Vorstellungen  abhängig,  bald  ist  sie  von 
diesen  ganz  oder  wenigstens  im  wesenliichea  unabhängig  und  scheint  an 
dem  Urteilsakt  ab  solchem  zu  haften.  Als  Beispiel  für  den  ersteren  Untei- 
faU  kann  das  Urteil  dienen:  ,^eine  Lage  ist  günstig".  Die  positive  Gefohls- 
betonung  des  ganzen  Urteils  ist  hier  offenbar  von  derjenigen  der  Uiteils- 
vorstellungen  abhängig.  In  der  Regel  läQt  sich  dabei  gar  nicht  unteracheiden, 
ob  die  Gefahlsbetonung  wirkhch  a.uch  dem  Urteil  als  solchem  zukoimnt  oder 
nur  den  Urteüsvoratellungen  und  den  mit  diesen  assoziierten  Nebenvorsiel* 
lungen.  Ein  Beispiel  für  den  zweiten  Unterfall  wixc  das  Urteil  Xi=iSx  (wie 
es  sich  z.  B.  infolge  eines  Rechenfehlers  bei  Behandlung  einer  Gleichung,  in 
der  X  einen  endlichen,  von  Null  verschiedenen  Wert  haben  solly  etgebeo 
könnlä).  Hier  ist  die  GefOhlrf)etonung  offenbar  weder  von  x  noch  von  2i 
noch  von  der  Gldchheit,  also  nicht  von  den  im  Urteil  verknüpften  Voralel- 
luiigen  abhängig,  sondern  von  dem  dem  ganzen  Urteil  anhaftenden  inneren 
Widerspruch,  der  Disgruenz  (vgl.  S.  286  u.  290). 

FOr  die  Logik  hat  zunächst  (vgl.  %  77)  nur  dieser  letzte  Unteriin 
ein  gröSeres  Interesse.  Hier  handelt  es  sich  um  Gefühlsbeloaungen,  die  den 
Urteil  gerade  nach  seiner  formalen  Seite  hin  zukommen,  also  mit  seinem 
logischen  Charakter  eng  zusammenhängen.  Man  bezeichnet  sie  daher  auch 
als  logische  UrteilsgefüUe.  Dan  oben  an  erster  Stelle  angeführten  in- 
haltlichen Urteilsgetohlen  kann  man  sie  auch  als  formale  Urteila- 
gefOhle  gegenüberstellen.  Ganz  analoge  Gefühle  können  auch  isoUeclc 
zusammengesetzte  Vorstellungea  und  zusammenhängende  Urieilsreihen 
(Schlüsse,  Beweise)  begleiten.  Auch  ein  VV'iderspruch  der  TeilvorslelluDgeo 
innerhalb  einer  einzelnen  Vorstellung  oder  einer  Vorstellung  mit  den  Empfin- 
dungen und  ein  VTiderspruch  der  Urteile  innerhalb  einer  Urteilsreihe  ist 
von  ganz  ähnlichen  Gefohlsbetonungen  begleitet.  Alle  diese  und  ähnüdie 
Gefühle  kann  man  nach  Wundts  Voif ang  als  logische  Gefühle  zu- 
sammenfassen. 

Die  negative  Gefühlsbetonung  des  Widerspruchs  ist  nur  ein  einzelnes 
Beispiet  für  solche  logische  Gefühle.  Es  gibt  außerdem  noch  manche  andeie, 
die  sich  teils  von  dem  Widerspruchsgefühl  herleiten  lassen,  teils  auf  anderer 
Grundlage  entstehen.  So  ist  der  Zweifel^),  wekher  so  viele  Urteile  be- 
gleitet, gleichfalls  von  einem  logischen  Gefühl  begleitet  und  offenbar  nur  eine 

f.  d.  ges.  Psychol.,  1904,  Bd.  4i  S.  283,  namentl.  380 ff.;  Mariinak,  Süddeutsche 
Hält  f.  höh.  Unterrichlsanst.,  1896,  Bd.  t,  S.  167. 

*>  Vgl.  Paul  SoUier,  L«  doute,  Paris  1906,  namentL  S.  019  0. 


2.  Kapitel.    Psycboiosiache  Gnindl^UDS. 


Abart  des  Widenpnicbsgefübls.  Der  Widerspruch  bestcbt  hier  zwischen  dem 
■u^esagten  bsw.  gedachion  Urteil  A  und  anderen  bald  nebenher  gedachten, 
bald  auch  mehr  oder  weniger  latenten  Urteilen,  die  direkt  oder  indirekt  zu  A 
in  Gecensatz  stehen.  Es  ist  sehr  charakteristiscb.  daß  dieses  Unlustg^üld 
des  Zweifels  verschwindet  oder  wenigstens  sehr  stark  abnimmt,  sobald  wir 
den  uideraptecbenden  Urteilen  durch  eine  Wahrecheinlichkeitsfomwlierunf, 
also  dorch  eine  GOlügkeitsbeschitnkuDj  des  Urteils  A  Rechnung  getragen 
haben.  Mit  Unsicherheit  und  Ungewißheit  bezeichnen  wir  bestimmte  Nuancen 
des  Zweifds,  denen  wiederum  Mancen  des  logischen  ZweifelgefllhlB  ent- 
sprechen. Nahe  verwandt  mit  dem  ZweilelgelüM  ist  femer  das  UnUarheits- 
geCnhl,  wekbes  unklare  Vorstellungen  und  Urteile  begleitet  Bedenkt  mar., 
daS  jede  Unklarheit  wenigstens  die  Gefahr  eines  latenten  Widerspruchs 
in  sich  trägt,  so  wird  es  verständhch,  dsS  bei  vielen  Menschen  auch  die 
l'nUariieit  ein  negatives  logisches  Gefühl  involviert. 

Umg^ehrt  scheint  die  innere  Übereinstimmung,  die  Kongruenz 
(TfL  S,  289)  oft  von  positiven  logischen  Gefühlen  begleitet  zu  sein.  Dem 
negativen  Zweifel-,  Unsicherheit»-,  Ungewißheits-  und  Unkiarheitsgefühl  ent- 
spricht ein  positives  Gefühl  äei  Bestimmtheit,  Sicherheit,  Gewißheit  und 
Klarheit. 

Außer  diesen  Disgruenz-  und  Kocgruenzgefühlen  acheint  auch  die  Ver- 
langsamung  des  Assoziationsprozesses  als  solche  von  Unlustgefohl,  seine 
Beschleuniguag  von  Lustgefühl  begleitet  zu  sein.  Handelt  es  sich  um  dis- 
parate  Vorstellungsreihen,  so  kann  man  nur  von  Assoziations gefOhlen 
feden;  handelt  es  sich  um  zusammenhängende  Vorsteilungspiozesse  im  Sinn 
der  Deokprozesee,  so  kann  man  die  hegleitenden,  vom  Tempo  des  Denkens 
abhängigen  Gefühle  wenigstens  zu  den  logiseben  Gefühlen  im  weiteren  Sinn 
rechnen.  Auch  die  Bezeichnungen  „Denkhemmungs-  und  DeijkfOrderungs- 
«dOhle"  sind  zutreffend. 

Mit  diesen  Hemmungs-  und  Förderungsgefühlen  hängen  wabrschein- 
lieh  die  allerdings  sehr  schwankenden  und  meistens  sehr  schwachen  nega- 
tiven bzw.  positiven  Gefühle  zusammen,  welche  das  an  Unbekanntes  bzw. 
Bekanntes  angeknüpfte  Denken  begleiten.  Die  Unbekanntheit  erschwert  das 
Wiedererkennen  "),  die  Bekanntheit  fördert  es,  daher  eine  Neigung  zu  Un- 
hisOietonung  des  Denkens  im  ersten,  zu  Lustbetonong  im  zweiten  Fall*). 
D»hei  liegt  auf  der  Hand,  daß  außer  der  Hemmung  bzw.  Förderung  nicht 
seHen  auch  Disgruenz  bzw.  Kongruenz  bei  dem  Zustandekommen  dieser 
Befähle  beteiligt  ist.  Das  Unbekannte  ist  oft  auch  die  Quelle  von  Zweifel. 
Ungewißheit,  Unsicherheit,  Unklarheil  des  Denkens  usf.  Man  kann  andrer- 
seits aber  such  die  Frage  aufwerten,  ob  die  negative  Gefühlsbetonung  der 


*)  Die  Luslhetonung  der  Leitmotive,  des  Refrains,  des  Reims,  der 
ihTthinischen  Wiedeilcehr,  der  homerischen  Epitheta  omantia  usf.  gebort 
wm  Teil  hierher. 

*)  Das  Notal  und  Sekural  von  Avenarius,  die  Bekannlheitsqualität  von 
HäQding  gehören  zum  Teil  hierher.  Verbindet  sich  das  Unbekannte  (Fremde) 
mit  bestimmten  inhaltUcben  Gefühlstönen  [z.  B.  von  Gefahrvorstellungen). 
»bskommt  es  den  Gefühlslon  der  „Unheimlichkeit".  Vgl.  Erk.,  S.  606 ff.; 
rimndl.,  Bd.  2,  S.  242;  Ul,  S.  281.  Beide  Gefühl sbelonungen  haben  übrigens 
ttue  Grenzen:  das  positive  BekanntheitsgefQhl  schlügt  in  das  negative  Gefühl 
der  Langeweile  um,  und  unter  bestimmten  Bedingungen  tritt  der  lustbelonte 
Reiz  des  H«uen  an  die  Stelle  des  negativen  UnbekaontheitagetüUs. 


OgIC 


400       ^'  '''<^>''    EHtenntnistheoretisclie  uaw.  Grundlegung  der  Logik. 

Disgruenz  und  die  positive  der  KonEruenz  nicht  ganz  und  gar  auf  soldie 
llemmungS'  und  FördeningsgefQhle  zurOckzufObren  sind. 

Die  psychologische  Entstehung  aller  dieser  logiseben  Gefühle  ist  nocb 
nicht  genügend  aufgeklärt  Entweder  kann  man  sie  ab  primär  betrachten 
oder  versuchen,  fäe  auf  inhallUche  Gefühle  zurückzuführen.  Im  Sum  der 
ersten  Ansicht  künnte  man  daran  denken,  alle  logischen  GelQhle  entweder, 
wie  eben  angedeutet,  als  unmittelbare  Begleiterscheinungen  der  Hemmung 
oder  Forderung  des  Denkens  oder  als  Ausdruck  der  Belriedigung  eines  ,Äii- 
tellekluellen  FuDklion^)edürfnisse9"  ^)  usf.  aufzufassen.  Im  Sinn  der  zweiten 
Ansicht  kann  man  darauf  hinweisen,  daJ  d>e  Hemmung  des  Denkens,  der 
Widerspruch  im  Denken,  der  Zweifel,  die  Unklaiiieit  usf.  unlustbetonte  Vor- 
stellungen, z.  B.  die  Vorstellung  des  MiSerfolgs,  und  unlustbetonte  Emidiit- 
dungen,  z.  B.  der  ErmQdung,  hervorrufen  und  die  Gelflhlstöne  dieser  ati' 
Bekntipften  ValstellunReB  und  Empfindungen  sich  durch  Irradiation  auf  dai 
Banzeu  Denkprozeß  übertragen.  Die  Tatsache,  daB  unbemerkte  (lataito) 
Widerspruche  meistens  keine  logischen  Unlustgefohle  bedingen,  schont 
einigermaBen  zugunsten,  der  zweiten  Ansicht  zu  sprechen.  Eine  definitin 
Entscheidung  zwischen  den  beiden  Ansichten  ist  beute  noch  nicht  mi^iich 
und  auch  für  die  Logik  nicht  dringend. 

(  ?9.  Vn&bfiAM  Owkn.  lUiaakn.  Die  soeben  erortetten 
logischen  Gefühle  bekommen  eine  besondere  Bedeutung  in  dem  Fall  des 
sog.  willkürlichen  Denkens.  Unter  letzterem  sei,  um  die  hier  überHOs^ 
Erörterung  des  Willensproblems  ganz  auszuschalten,  das  auf  ein  Ziel  ge- 
richtete Denken  (Zieldenken)  veralanden.  Als  einfaches  Beispiel  kann 
ein  Vorslellungskomplex  wie  „Geburtsort  Schillers"  oder  eine  Gleichung 
x'  -|-  X  =  17  dienen.  Das  Ziel  ist  hier  die  Beatimmung  des  Geburtsorts  bzw. 
des  x:  ich  „wiB"  den  Namen  des  Geburtsorts  finden,  ich  „will"  durch  man, 
Denken  x  bestinunen.  x  ist  mir  in  der  Gleichung  implicite  gegeben,  ich  stelle 
mir  die  „Aufgabe",  es  explicite,  d.  b,  hier  in  seinem  Zablenwert,  darzusteUen. 
Bezeichnet  man  >)  den  ganzen  gegebenen  Vorstellungskomplex  als  Z*  und 
den  gesuchten  bestimmten  Wert ')  von  x  als  z*,  so  ist  das  Ziel  nieines  Denk«is 
die  „Ergänzung"  >]  von  Z*.  Uahe  ich  z*  gefunden,  so  ist  das  Ziel  eneicbl, 
die  Autgabe  gelösL  Zu  der  ganzen  psychischen  Situation  gehört  als  wesent- 
licher Teilbesland  außer  der  Gleichung  Z*  selbst  mit  ihrem  x  auch  die  ge- 
fühlsbetonte Vorstellung  der  Ergänzung  von  Z*  mit  Bezug  auf  das  x  Der 
lustbetonte  dominierende  aktive*)  Charakter  dieser  Vorstellung  der  E«in- 

')  Vgl.  z.  B.  Jerusalem.  Die  Urteilsfunküon,  Wien-Leipzig  189Ü,  S.  S7. 
J.  versucht  eine  solche  Erklärung  für  das  theoretische  Interesse. 

')  Ich  wähle  diese  Symbole  im  AnschluB  an  meine  ausfOhrUche  Dar- 
stellung Grundl.  S.  251  ff. 

")  Nicht  etwa  das  unbestimmte  x  selbst,  dies  gehört  zu  Z*.  —  Uit  x 
soll  weiterhin  ganz  allgemein  die  gesuchte  Vorstellung  bezeichnet  werden. 

*)  Das  Wort  „Ergänzung",  „ergänzen"  brauche  ich  hier  stets  in  Ver- 
hindimg  mit  dem  affi  zierten  (nicht  affizierien)  Objekt,  also  der  Lücke 
bzw.  dem  lückenhaften  Gegenstand. 

*)  Die  Begründung  dieser  einzelnen  Merkmale  findet  sieb  Grandl. 
S.  267  ff.  DaB  eine  solche  allgemeine  Vorstelltmg  der  Eisänzung  nicht  etwa 
zu  der  Annahme  einer  Vorstellung  von  Torsteltungen  oder  einer  VoretelhiW 


i,Cooglc 


^^^^^  2.  Kapitel.    Psychologische  Gnmdlegune.  401 

tuitf  isl  fflr  das  Zieldenkeo,  die  psychische  Situation  des  Denken  w  o  1 1  e  n  3 
duuaJctemtisch.  Dia  Aktivil&t  der  VorstcUunK  der  Ergänzung  heeteht  dann, 
dtä  ich  mir  die  ErsAnzung  ajs  Wirkung  meines  Denkprozesses  vorstelle.  Da 
der  Terminus  ZielvorsteUung  zweideutig  ist^),  empfiehlt  es  sich  Z*  mit  dem 
unbestimmten  z  als  Blankovorstellung  und  z*,  d.  h.  das  gefundene 
(besümmte)  x  alsAusfüllungsTorstellung  zu  bezeichnen. 

Bei  dem  Denkenwollen  oder  Zieldenken  spielt  also  ebenfalls  die  Ge- 
fühlsbetonuDS  eine  wichtige  Rolle,  sie  ist  aber  hier  nicht  wie  bei  den 
togischen  Gefohlec,  die  int  §  78  behandelt  wurden,  an  den  Denkprozefi  als 
solchen  gebunden,  sondern  an  eine  Vorstelluns,  nftmlich  die  soeben  chaiak- 
leriflierte  Vorstellung  der  Ergänzung.  Der  DenkprozeB  emplängt  höchstens 
sdoDdir  ~  im  Sinn  des  ersten  TJnlerfalls  S.  398  —  eine  analoge  GefOhls- 
betonong  *).  Die  Herkunft  des  positiven  Gefahlstons  der  Vorstellung  der 
Ergänzung  ist  dabei  je  nach  den  Motiven,  aus  denen  wir  die  Aufgabe  lösen 
wollen,  sehr  verschiedenartig. 

POr  die  Logik  hat  diese  gefühlsbetonte  Vorstellung  der  Erg&nzuns  in- 
sofern noch  eine  besondere  Bedeutung,  als  es  sich  fast  stets  um  die  Er- 
Anznng  einer  bzw.  der  richtigen  Vorstellung  handelt.  Wir  verlangen ') 
fon  der  ergänzenden  Voistellung  z*,  dem  gefundenen  x-Wert,  daB  sie  den 
BedugimgeD  von  Z*  genOgt.  Das  erste  und  unmittelbarste  —  wenn  auch 
obieUiv  nicht  immer  zuverlässige  —  Kriterium  fOr  dies  Genflgeieisten  haben 
wir  in  dem  S.  399  besprochenen  Kongruenzgefflbl.  Vorbehaltlich  weiterer 
Proben  auf  die  maleriale  Richtigkeit  muß  vor  allem  als  Conditio  sine  qua  non 
der  letzteren  Kongruenz  bestehen,  imd  diese  ist  nicht  nur  ein  formaler  Tat- 
besland unseres  Denkens,  sondern  verrät  sich  eben  auch  oft  durch  ein 
Iwsches  Gefühl.  Gefohlc  spielen  also  eine  doppelte  Rolle  hei  dem  Ziel- 
denken: erstens  ist  die  Vorstellung  der  Ergänzung  von  Z'  positiv  gefOhls- 


dss  V(»s(ellens  zwingt,  habe  ich  Erk.  S.  4St7  ausfOhrUch  erörtert.  Die  .Ul- 
temeinyorstellung  „Varstellung"  ist  keine  Vorstellung  von  Vorstellungen, 
■andern  eine  Varstellung,  welche  viele  Vorstellungen  zusammenfaSt,  etwa  wie 
ein  Ahgeordneter  viele  Menschen  vertritt,  aber  dabei  doch  selbst  nicht  Mensch 
Ton  Menschen  ist,  sondern  ein  einfacher  Mensch  bleibt  Die  DiHerential- 
funktionen  sind  eben  nicht  nur  an  Enqdndungen,  sondern  auch  an  Vorstel- 
liuwen  tätig.  Vgl.  auch  S.  344  ff. 
«)  Grundl.  S.  STTSf. 

*)  Diese  tritt  dann  in  Kampf  mit  den  GefflblstQnen,  welche  derselbe 
DenkprozeB  aus  anderen  Quellen  schöpft,  logischen  Gefühlen  und  irradüertes 
Q^fOhlsIdnen  anderer  Teüvorstelluogen  der  Z*-Situation. 

*)  Man  darf  von  rein  psychologischem  Standpunkt  nicht  mit  Nietzsche 
(Werke  Bd.  7,  S.  471)  für  diesen  „WiUen  zur  Wahrheit"  noch  eine  „Recht- 
leitiiung"  verlangen,  sondern  nur  eine  psychologische  Motivierung,  und  diese 
letztere  fällt  fOr  die  einzehien  Menschen  sehr  verschieden  au&  Bald  liegt 
<lie  riditige  Einsicht  zugrunde,  daß  meistens  durch  das  richtigere  Urteil  auch 
«0  zweckmäßigeres,  d.  h.  lustbringenderes  Handdn  ermöglicht  wird,  bald  die 
Utdnang  auf  irgendwelche  Belohnung  (gute  Zeugnisse  in  der  Schule,  An- 
eikcimnnsen,  Berufungen  in  der  Wissenschaft  usf.),  bald  —  freilieb  äußerst 
seHeo  —  nur  jenes  SongruenzgefiJhl.  Die  Annahme  einer  „volitiven  Evidenz" 
(H.  Maier)  für  die  Richtung  auf  das  Wabrheitsideal  scheint  mir  ganz  enl- 
bebr&h. 

ZI*h*n,  Lthilnuüi  av  Logik.  26 


402       U.  Teil.    GAeimtDistbeoretische  usw.  Gnmdlegune  det  Logik. 

betoDt,  und  deshalb  „wollen"  wir  „Z*"  ergänzen,  und  zweitens  eiU  ach  Ä* 
fonnal  richtige  Erginzung  oft  dufch  ein  positives  Kongrueiizsefühl  kund. 

Uit  dieser  kurzen  ErörtenuE  des  Zieldenkens  kann  die  psychobgisdM 
GnmdleEung  abschließen.  Die  eingehende  Unteisuchune  der  Asaoziitions- 
pronsse,  durch  welche  das  Zieldenken  srine  Aulgabe  löst  oder  zu  lösen  ver- 
sucht,  bat  far  die  Logik  keip  wesenUiches  Interesse. 


3.  Kapitel 

sprachliche  Grundlegung  der  Lx>gik 

{  80.  AIIp«Biaiiu  Ba^thBBoa  nriiekni  ZpnAam  wai  DnkM.  twntk- 
wlHUuehaf^  FiTcb«le«b  ud  Logik.  Das  menschliche  Denken  ist  mdstens, 
aber  doch  nicht  stets  von  Worten  begleitet  Bei  Assoziationsverauchen  etiebl 
man  es  z.  B.  ziemlich  oft,  daß  ganz  dentlicfa  die  Vorstellung  äch  vor  der 
Wortbezeichnung  einstellt  An  einer  geometdscfaeo  Figur  können  wir  lange 
und  verwickelte  Überiegungen  anstellen,  ohne  d&B  ein  Wort  dieselben  be- 
gleitet. Es  gibt  also  auch  ein  sprachloses  oder,  wie  man  sagen  kann,  tun 
alle  Symbole  zu  umfassen,  ein  „unlormulieries"  Denken  (Erdmann).  Sein 
VoAommen  beschränkt  sich  jedoch  bei  den  meisten  Menschen  auf  solche 
Denkprazesse,  die  eich  unmittelbar  im  AnschluS  an  gegenw&rtige  Empfin- 
dungen oder  lebhafte  Erinnerungsbilder  vollziehen  >),  und  ist  auch  bier  als 
Ausnahme  zu  betrachten. 

Schwieriger  gestaltet  sich  die  Frage,  ob  ein  Denken  ohne  alle  „Zeichen" 
(Worte  Bind  eine  besondere  Art  der  Zeichen)  vorkommt  Leibniz  (Pbilos- 
Schr.,  Gerbardtsche  Ausg.  Bd.  7,  S.  190— IdS)  hat  dies  verneint  und  be- 
trachtet z.  B,  die  geometrische  Figur,  an  welche  ein  mathemalischer  Gedanke 
anknüpft,  auch  als  Zeichen  (cbaracteres),  während  sie  doch  oBenbar  selbst 
Objekt  des  Denkens  ist.  Auch  die  Selbstbeobachtung  scheint  mir  gegen  die 
absolute  Bestreitung  eines  zeicbeulosen  Denkens  zu  sprechen. 

Die  Sprache  haben  wir  uns  bei  dieser  Auffassung  nicht  etwa  einfach 
nur  als  ein  lautes  oder  leises  Hitspreeben  zu  denken,  sondern  als  ein  kom- 
pliziertes Gebilde,  das  aus  mannigfachen  Komponenten  zusammengesetzt  ist 
Die  wichtigste  Rolle  unter  den  letzteren  spielt  die  akustische  Wortkomponente, 
d.  h.  das  akustische  Erinnerungsbild  des  geborten  Wortes.  Das  Deuten  ist 
vor  allem  fortlaufend  von  solchen  Wortklangbildem  begleitet  Dazu  kommt 
ferner  ein  leichtes  Mitinnervieren  der  Sprechmuskeln,  welches  zu  schwach 
ist,  um  zu  einem  bürbarea  Aussprechen  der  Worte  zu  ffihren,  aber  uns  doch 
durch  sog.  kinasthetische  Empfindungen  vielleicht  ab  und  zu  zum  BewuBtsän 
kommen  kann  und  jedenfalls  als  eine  unbewuBte  Miterregung  für  den  Ab- 
lauf des  Denkens  nicht  gleichgtiltig  ist.  In  besonderen  Fällen  kommt  noch 
die  optische  Vorstellung  des  geschriebenen  bzw.  gedruckten  Wortes  und  die 

')  Mit  Erdmann  (Logik,  2.  Aufl.  1907,  S.  3)  das  unformulieite  Denken 
schlechthin  auch  als  intuitives  Denken  zu  bezeichnen  empfiehlt  sich  kaum, 
da  in  seltenen  Fällen  auch  das  imformuUerte  Denken  unanschaulich  ist  und 
das  anschauliche  Denken  sehr  oft  formuliert  bt  Auch  die  Unteischeidong 
eines  h  y  p  o  logischen  und  h  y  p  e  r  lopschen  inliiitiven  Denkens  scheint  mir 
nicht  zweckmäßig,  da  bei  unseren  zunächst  rein  psychologischen  Klassi- 
flkationen  besser  jeder  Hinweis  auf  das  Logische  vermieden  wird. 

h.  !■,  II,  l^.OOQIC 


3.  KipiteL    Sprachliche  GruDdleguns  der  Losik.  ^)3 

dem  Schreiben  entsprechende  iDnerralion  der  Hacdmu^ein  hinzu.  Oft  faßt 
maQ  lUe  Komponenten  des  Worts  als  „Wortvorstellung"  zusammen  tmd  stellt 
letztere  der  „Objektvorstelhmg",  d.  h.  der  Wortbedeutui«  gegeaüber.  Ganz 
zutreffend  ist  dieser  Terminus  jedorfi  nicht,  da  die  motorische'  Spracfa- 
innervation  keine  Votstellung  ist '). 

Die  ,3edeu(ung"  oder  der  „Sinn"  eines  Wortes  oder  anderen 
Zeichens  fällt  daher  paycholoeisch  ganz  mit  dem  an  die  Worl- 
„vorstedlunR"  (s,  oben)  unmittelbar  angeknflpften  Vorstellungskomplex  zu- 
sammen. Die  Beziehung  zwischen  dem  Wort  und  dem  bezeichneten  Vor- 
sleUimgskomplex  (im  Grenzfall:  einer  einfachen  Vorstellung)  ist  nichts 
anderes  als  die  Tatsache,  daß  an  das  Wort  ein  solcher  VoBstellungskompler 
roo  Tielen  Menschen,  nämlich  den  der  bezüglichen  Sprache  mächtigen,  in 
der  Regel  angeknüpft  wird.  Oft  bezeichnen  wir  im  täglichen  Leben  auch 
diese  Talsache  der  häufigen '  Anknüpfung  und  somit  die  potentielle  An- 
laüpfnng  als  ,3edeutung".  Man  kann  mit  Huaserl»)  auch  von  ,4)edeutungs- 
«rieihenden  Akten"  oder  auch  „Bedeutungsintentionen"  sprechen,  dagegen 
xbeint  mir  keine  Veranlassung,  mit  demselben  Forscher  von  einer  besonderen 
»Erlebniseinheit"  zwischen  „sinnbelebter  Zeichenerscheinung"  und  „sinn- 
erfüUendem  Akt"  zu  sprechen.  Der  Akt  ist  mit  der  Anknüpfung  der  Objekt- 
voislellung  identisch  (einerlei  ob  diese  individuell  oder  allgemein,  anschau- 
lich oder  unanschaulich  ist).  Sekundär  kommt  es  bei  öfteiem  Gebrauch  eines 
Wortes  zu  einer  Verschmelzung  der  Wortvorsteliuog  mit  dem  Komplex  der 
Obidtrorstellung,  einer  Verschmelzung,  die  ganz  derjenigen  zwischen  den 
Teihorstellungen  irgendeiner  sonstigen  zusammengesetzten  Vorstellung  ent- 
spricht. Will  man  diese  Verschmelzung  als  Erlebniseinbeit  bezeichnen,  so 
ist  dagegen  an  sich  nichts  einzuwenden,  nur  darf  man  nicht  glauben,  daß 
es  lieh  dabei  um  irgend  etwas  Spezifisches  oder  Neues  handle.  Wenn  Husserl 
aufier  dem  hedeulungverleihenden  Akt  noch  einen  fakultativen  ,4)edeutun8- 
erfOUenden"  unterscheidet,  so  kann  ich  als  solchen  nur  die  fakultative  An- 
knOpfung  anschaulicher  Reprfisentationsvorstdiungen  (im  Fall  von  Allgemein- 
voistellnngen,  vgl.  S.  337  ff.)  verstehen.  —  Die  Bedeutung  der  Worte  muB 
selbstverständlich  von  der  früher  (S. 355)  besprochenen  Bedeutung  der  Vor- 
stellungen streng  unterschieden  werden. 

Der  Hauptvorteil  der  Spracbentwicklung  und  damit  auch  die  Haupt- 
uraache  derselben  liegt  darin,  daS  wir  unsere  psrchiscben  Prozesse  geg«D- 
«eitig  mitteilen  können.  Insbesondere  sind  wir  vermittels  der  Sprache  im- 
stande, unser  Denken  „an  das  allgemeine  Denken"  der  anderen  Menschen 
.Anzuknüpfen"  (W.  v.  Humboldt).  Außerdem  gewährt  uns  jedoch  die  sprach- 
liche Begleitung  des  Denkens  bestimmte  andere  große  Vorteile,  die  mit  der 
HitteihjDg  tmsrer  Gedanken  gar  nichts  zu  tun  haben,  sondern  die  Denktätig- 
keit  als  solche  fOrdem.'  Unsere  nkeisten  Vorstellungen  sind,  nie  in  §  67  ff. 
ausanandergesetzt  worden  ist,  aus  äußerst  zahlreichen  Teilvorslellungen 
herrojgegangen  und  verschmolzen.    Psychophysiologisch  beruht  die  Ein- 


')  Die  Annahme  von  Sprech„bewegungsvor3telIunsen"  ist  ganz  un- 
bewiesen. 

")  Log.  Untersuch-,  TeU  2,  HaUe  19OT,  S.  23  ff.  (2.  Aufl.  desgl.).  Wert- 
volle BemeAnngen  zur  allgemeinen  Zeichenlehre  findet  man  auch  in  Ferd. 
Tfinnies,  Philosophical  tenmnologr,  Hind  1898,  S.  S.  Bd.  8,  S.  aS9  u.  IMD, 
B4  9,  S.  «. 


,OO.^k 


404       1.  Teil.     EitennliiisUieoretiscbft  usw.  Grundlegung  der  Logii:. 

heit  dieser  zusammengesetzten  Vorstellungen  auf  der  durchgängigen  Vet- 
knapfung  der  beteiligtes  lUndenelemente  durch  mehr  oder  weniger  aus- 
gescbliffene  Assoziationsbahnen.  Das  Wort,  insbesondere  die  akustische 
WoTtrorsiellung,  ist  nun  ausgezeichnet  geeignet,  fOr  einen  solchen  Asaozia- 
tionskomplex  eine  repr&sentierende  Einheit  abzugeben.  Es  ermöglicbt  da- 
duicb  nicht  nur  eine  rasche  Mitteilung  an  andere,  sondern  erleichtert  auch 
dem  Denkenden  selbst  seine  Denktätigkeit  Es  spielt  in  dieser  Beziehung 
etwa  dieselbe  Bolle  wie  in  der  Mathematik  ein  Buchstabe  7  oder  S,  den  wir 
für  einen  komplizierten  mathematischen  Ausdruck  einführen.  Das  mathe- 
malische Denken  wird  duit;h  solche  Abkürzungen  nicht  etwa  erst  möglich, 
aber  doch  außerordentlich  erleichterL  So  efki&rt  es  sich  auch,  daB  Aphasische, 
d.  b.  Individuen,  die  wesentliche  Komponenten  der  Sprache  durch  eine  Gehim- 
erkrankung  verloren  haben,  bei  sonst  intakter  Intelligenz  in  ihrem  Denken 
eine  auffällige  Langsamkeit  und  Schwerl&Iligkeit  zeigen.  Dazu  konunt  noch, 
dsB  unsere  Vorstellungen  jeglicher  Stabilität  und  Abgeschlossenheit  entbehies. 
Sie  sind  keine  Dinge,  sondern  Prozesse,  die  sich  in  einem  fortwährenden 
Fluß  befinden  und  von  Augenblick  zu  Augenblick  Schwankungen  und  Um- 
wandlungen ausgesetzt  sind.  Dtirch  das  begleitende  Wort  werden  sie  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  fixiert  und  abgeschlossen.  Das  Wort  bleibt  —  schon 
deshalb,  weil  es  Gemeingut  vieler  Personen  ist  —  innerhalb  weiter  Grenzen 
iüT  lange  Zeilen  unveränderlich.  Es  ist  dem  verändernden  Einfluß  des 
Assoziationsgetriebes  viel  mehr  entrückt  und  kann  daher  dem  Komplex  der 
Objektvorstellungen  gleichsam  einen  Halt  gewähren  *). 

Wenn  sonach  die  Sprache  eine  fast  tegelmäBige  und  sehr  bedeutungs- 
volle B^leiteiin  des  Denkprozesses  ist,  so  darf  man  doch  nicht  etwa  denken, 
dafi  zwischen  Spreeben  und  Denken  ein  absoluter  Parallelismus  bestehe. 
Beispielsweise  kann  nicht  die  Hede  davon  sein,  daB  wir  bei  dem  Satz:  „diese 
Rose  ist  schöner  als  jene"  in  derselben  Heihenfolge  und  mit  derselben  Ge- 
schwindigkeit einzeln  jedem  Wort  entsprechend  erst  „diese",  dann  „Rose", 
dann  „ist"  dächten  usf.  Vielmehr  ist  die  Reihenfolge  im  Satz  gegenüber  der 
f>eftkahfolge  verschoben,  getrennte  Vorstellungen  sind  nicht  selten  in  einem 
Wort  zusammengelaSt,  einheitliche  Vorstellungen  in  zwei  oder  mehr  Worte 
zerlegt,  die  Worte  hinken  den  Vorstellungen  nach,  einzebie  Vorstellungen 
bleuten,  weil  ihre  Ergänzung  selbstverständlich  ist,  ganz  unausgedrOckt  (sog. 
Ellipsen).  Man  kann  geradezu  sagen,  daB  bei  der  Bildung  des  „Satzes"  eine 
der  Sprache  imd  dem  durch  die  Konstellation  gerade  dargebotenen  Worf- 
material angepaßte  Transformation  des  Gedankens  (Urteils  usw.)  in  eine  neue 
Voistellungsj-eihe  stattfindet,  welche  nun  sprachlichen  Ausdruck  findet  Diese 
eingeschobene  Reihe  kommt  uns  allerdings  in  der  Regel  als  gesondertes  Ge- 
bilde gar  nicht  zum  Bewußtsein  ■).  Vgl.  die  Ausführung  Ober  die  Beziehung 
von  Satz  und  Urteil  S.  3761.  Man  mufi  sich  also  selir  hüten,  aus  der  sprach- 
lichen Formulierung  direkt  auf  den  Denkablauf  zu  schlieBen.  Vor  allem  bleibt 
auch  zu  berücksichtigen,  daB  die  einzelnen  Individuen  mit  demseltwn  Wort 
keineswegs  dieselbe  Vorstellung  verbinden,  ja  daB  sogar  ein  und  dassell)e 


')  Nähere  Ausfüluungen  Über  aUe  diese  Fragen  findet  man  in  i 
Leitf.  d.  phT».  PsTchol.,  10.  Aufl.,  a  2ME  u.  436  ff. 

'^)  Vgl.  hierzu  auch  die  AusfOhrungen  H.  Uaiera  Ober  „Satzvorstellungen" 
(Psych,  d.  emot.  Denkens,  Tüb.  1908,  3.363(1.).  —  In  der  Menschbeitsenlwick- 
long  haben  übrigens  wabrscbeinUch  die  ersten  LautäuBerungen  Satzbedeutung 
gehabt. 


8.  SaidteL    Sprachliche  Gmndlegung  der  Logik.  405 

Indhiduun)  nicbt  zu  alleo  Zeiten  die  gleiche  Vorstellung  mit  dentselben  WoK 
veAindeL 

Immerhin  bleibt  auch  bei  weitgebend»  BerOcksichtiBung  solcher  Uirer- 
eenzea  noch  eine  so  erhebliche  Ubeieinstimniuiig  zwischen  frechen  und 
Denken,  daB  die  Psychologie  und  insbesondere  gerade  auch  die  Psfcbologie 
des  Denkens  in  engste  Beziehongen  zu  der  Sprachwissenschaft  tritt.  Etwas 
anders  gestaltet  sich  das  Veriiftltnis  der  letzteren  zur  Logik.  Lange  bevor 
Sleiothal  (vgL  S.  237)  die  engen  Beziehungen  zwischen  dem  Spreeben  und 
dem  Denken  als  psychologischem  ProzeS  zum  ersten  Male  klarlegte,  galt 
allenibalben  die  Lehre,  daü  die  Sprache  und  das  logische  Denken  paiallel 
Isafen  oder  geradezu  identisch  seien  (vgl.  g  11  u.  2S).  Nicbt  da9  tatsächliche 
Denken,  wie  es  Gegenstand  der  psychologischen  Untersuchung  ist,  aondern 
du  ideale  Denken,  wie  es  die  Logik  normiert,  sollte  in  der  Sprache  seinen 
umnillelbaren  Ausdruck  finden.  Von  Aristoteles  bis  Wilhelm  von  Humboldt 
blid)  diese  Anschauung  mit  wenigen  Ausnahmen  herrschend;  man  drOckte 
sie  nur  meistens  nicht  so  schroff  aus,  da  man  zwischen  dem  tatsächlichen 
Denken  der  Psychologie  und  dem  idealen  Denken  der  Logik  selten  scharf 
uDtnschied.  Die  Grammatik  fiel  bei  dieser  Auffassung  fast  ganz  mit  der 
fonnalen  Logik  zusammen.  Die  L4>gik  sollte  sich  zur  Spracbletire  verhalten 
wie  die  Mathematik  zur  Physik  *).  Ganz  ist  —  trotz  der  von  Steinthal  an- 
febshnten  psychologisdi  -  historischen  Richtung  der  allgemeinen  Sprach- 
wissenschaft —  die  alte  logische  Auffassung  auch  heute  noch  nicht  ver- 
schwunden. 

Und  in  der  Tat  hat  die  Sprachwissenschaft  nicht  etwa  nur  zur  Psydio- 
logie  Beziehungen,  sondern  auch  sehr  bedeutsame  und  direkte  zur  Logik. 
Da  das  Sprechen  vorzugsweise  im  Dienst  des  ficht  igen  Denkens  steht, 
so  ntuBte  ersteres  sich  in  seiner  Entwicklung  vorzugsweise  dem  richtigen 
Denken  anpassen.  Da  die  Sprachentwicklung  noch  von  vielen  anderen  An- 
passungen abhängt,  so  ist  die  logische  Anpassung  nicht  in  allen  Sprach- 
gebilden  rein  ausgeprägt,  ja  manchmal  scheint  sie  vollständig  verwischt  oder 
verzerrt;  aber  als  Regel  kann  betrachtet  werden,  daQ  die  Sprache  die  logischen 
Uenkverhältoisse  ziemlich  treu  niedeispiegelt 

Abgesehen  davon,  daS  sich  somit  die  Sprache  unter  dem  EintluB  dec 
Loiik  entwickelt  hat,  tritt  sie  auch  noch  durch  eine  andere  Tatsache  in 
«ngere  Beziehung  zur  Logik.  Wie  schon  gelegentlich  (S.  li,  SOI,  306^  911)  er- 
wähnt worden  ist  und  in  der  autochthonen  Grundlegung  der  Logik  ausfOhr- 
lich  erörtert  werden  wird,  setzt  die  Logik  an  Stelle  der  schwankenden  Vor- 
stellungen und  Vorstellungsverknüpfungen  des  tatsächlichen  Denkens  ideale 
AurmalvorBt Ölungen  und  VerknOpfungen  von  solchen,  die  als  unveränderlich 
abgeschlossen  gedacht  werden.  Nur  mit  Hilfe  solcher  alabil  gedachten  ,3e- 
Rrifte"  kann  sie  ihre  Aufgaben  erfOUen.  Diesem  BedQrfnb  kommt  nun  die 
Sprache  in  hohem  Hafl  entgegen.  Die  spnchlicheii  Symbole  (vgl.  S.  US 
u.  442)  sind  inü  Gegensatz  zu  den  Vorstellungen  des  tatsächlichen  Denkens 
f^tiv  stabil  und  insofern  geradezu  ein  adäquaterer  Ausdruck  ftlr  die  logischen 
Ilegrifle  als  fOr  die  tat  säe  blieben  Vorstellungen  des  Denkens.  Die  Logik 
DQtzl  diese  wertvolle  Eigenschaft  der  Sprache  in  ihren  Definitionen  denn 

*}  E.  F.  Becker,  Deutsche  Sprachlehre,  Bd.  1,  §  10.  Auch  Prent!  (RefonD- 
s«4ankeD  z.  Log..  ^tz.-Ber.  d.  Kgl.  Bayer.  Ak.  d.  Wiss.,  phU.-hist.  KL,  1875, 
Bd.  1,  S.  ISG)  will  die  L<»ik  auf  die  grammatisi^  Bedeutungslehre  granden 
und  spricht  von  einer  „Verwirklichung  der  Denkkraft  im  nalüriichen  Laut". 


OgIC 


406      n.  Teil.     BrkenBtnistbeotetische  usw.  Grandlesaiis  det  Lt^ik. 


auch  in  der  weitesten  AuadehDunK  aus.  Die  Sprache  bekommt  dadurch  —  in 
einem  gewissen  Gegensatz  zu  der  oben  angefahrten  ÄuBeruns  Beckers  — 
for  die  Logik  eine  entfernt  ähnliche  Bedeutung  wie  die  mathematisdie 
Zeichensprache  FOr  die  Mathematik,  und  das  nfichste  Eapitel,  welches  die 
mathematische  Logik  behandelt,  wird  zeigen,  wie  die  neuere  Logik  diese 
Bigenschatt  der  Sprache  noch  weiter  zu  TerroUkommoen  und  dabei  geradeza 
die  Worte  zum  Teil  durch  mathematische  Zeichen  zu  ersetzen  versucht  hat 
Bei  dieser  ganzen  Sachlage  ist  es  sehr  begreiflich,  daB  man  oft  behauptet 
hat,  der  sprachliche  Ausdruck  sei,  wenn  auch  nicht  für  das  tats&chlicb« 
Denken  (vgl.  S.  402),  so  doch  für  das  logische  Denken  unentbehrlich.  Wenn 
nun  auch  diese  Behauptung  etwas  zu  weit  geht  und  doch  auch  ein  logisches 
Denken  ohne  Sprache  vorkommt,  so  bleibt  doch  richtig,  daß  das  logische 
Denken  noch  weit  mehr  als  das  tatsächliche  in  der  Sprache  sein  natOriicbes 
und  wichtigstes  Hilfsmittel  hat. 

Noch  in  einer  dritten  Beziehung  ist  die  Logik  auf  die  Sprachwissen- 
schaften angewiesen.  Sie  muß  nämlich  wie  jede  Wissenschaft  zunichst 
sammelnd  verfahren,  also  die  logischen  Denkbexiehungen  allenthalben  aul- 
suchen. Für  dies  Sammeln  bietet  die  Sprache,  insbesondere  die  GramnnÜk 
und  innerhalb  derselben  namentlich  die  Svnlax  eine  schier  unerschöpfliche 
Fundgrube.  Auch  heuristisch  ist  also  die  Sprachwissenschaft  für  die 
Logik  kaum  zu  entbehren.  Die  Logik  muB  nur  immer  eingedenk  bleibeo. 
daB  die  wirklich^  Sprachen  yon  einer  rein-logischen  IdealKramntttik  stets 
weit  entfernt  faleiben,  weil  sie  eben  nicht  nur  aus  dem  lofrischen  Bedorinis 
entsprungen  sind  und  sich  auch  unter  zahlreichen  anderen  EinäOssen  ent- 
wickelt haben.  Dabei  Ueibt  es  der  Logik  selbstverständlich  unbenommen, 
nicht  nur  die  sprachlichen  Zeichen  zu  vervollkommnen  (s.  oben),  sondern 
auch  eine  rein-logische  universelle  Idealgrammatik ')  aufzubauen.  Der 
Sprachwissenschaft  als  solcher  wird  die  letztere  allerdings  höchstens  als 
allgemeiner  Grundmaßslab  Kenste  leisten,  fOr  die  Logik  bietet  sie  aber  den 
Vorteil  einer  natOrlichen  und  zweckmäSigen  Veranschaulichung  der  logischen 
Gesetze.  Innerhalb  bestimmter  Grenzen  kann  Obrigens  die  Logik  bei  d^ 
Verwertung  der  in  der  Sprache  gegebenen  Tatsachen  die  NacfateÜe,  wekbe 
die  Vermeiigung  des  Logischen  mit  anderen  Faktoren  bei  jeder  einzelnen 
Sprache  mit  sich  bringt,  dadurch  vermeiden,  daO  sie  viele  Sprachen  benn- 
zieht,  sich  also  auf  die  vergleichende  Sprachwissenschaft  sttttzt  Eine 
Logik,  die  etwa  nur  die  indognmanischen  Sprachen  oder  gar  nur  die  Hutter- 
spracbe  verwerten  wollte,  ist  den  gröbsten  Irrtflmem  ausgesetzt. 

f  81.  LhImIu  UMhfradu,  Die  Vervollkommnung  der  Sprache  fOr 
die  Zwecke  der  Logik  und  dai-Ober  hinaus  die  Schöpfung  einer  eigenen 
logischen  Sprache  wird  schon  dadurch  nahegelegt,  daB  die  wirtlichen 
Sprachen  sämtlich  nur  einzelnen  Völkern  verständlich  sind.  Immerhin  bot 
hierfür  der  Gebraui^  des  Lateinischen  einen  Behelf,  und  in  der  Tat  bat  it 
bis  in  die  ersten  Jahrhunderte  der  neueren  Philosophie  hinein  ein  groBer 
Teil  der  Philosophen  und  inabesondere  auch  der  Logiker  die  meisten  WeAe 


')  Hierher  gehört  die  Grammaire  gfintrale  von  Fort-HoraL  Husserl 
(Log.  Unters.,  Teil  2,  S.  287)  spricht  von  einer  „apriorischen  Grammatik". 
VgL  auch  GotUr.  Hermann,  De  emendanda  ratJone  Graecae  grammaticae, 
Ljpsiae  1801,  S.  Z 


i>,Cooglc 


3.  KapiteL    Sprachliche  Gruadlcgung  der  Logik.  407 

in  laltiniscber  Sprache  abgefaBL  Ein  anderes  Moiuent  dräoste  jedoch  direkt 
zur  Bitdung  einer  logischen  Idealspr&cbe :  die  mangelhafte  Anpassung  aller 
Smcben  einschlie Blich  des  Lateinischen  an  die  speziellen  BedOrfnisso  der 
Loiik  (Tgl.  oben  S.  406).  Von  einer  solchen  spezifisch  loeischen  Sprache 
glaubte  man  tot  allem  verlangen  zu  mQssen,  daS  sie  die  sprachlichen  Zeichen 
veninlacht  und  die  Zusammensetzung  der  Vorstellungen  durch  Kombination 
der  Zeichen  fQr  die  einfachen  Vorstellungen  (Elementarvorstellungen)  ao»- 
drüdL  Es  lag  nahe,  zu  diesem  Zweck  fär  die  letzteren  z.  B.  einzelne  Buch- 
staben'] zu  verwenden,  so  daB  die  zusammengesetzten  Vorstellungen  durch 
Bochslabengtuppierungen  bezeichnet  werden  konnten.  Das  Vorbild  der 
Hathematik  spielte  dabei  begreiflicherweise  gleichfalls  eine  Rolle.  Erst  apiter 
kam  auch  der  Gedanke  hinzu,  diese  Buchstaben  nach  Art  der  mathematischen 
Operatiooen  zu  behandeln.  So  entwickelte  sich  aus  dem  Gedanken  einer 
allgemeinverstAndlichen,  vereinfachten,  der  Logik  speziell  aiuepaBten  Ideal- 
sprache zunächst  die  sog.  symbolistische  und  schlieBlich  die  sog.  algebraische 
(mathematische)  Logik  (vgl.  S.  EST  ff.).  Hiei  soll  vorerst  nur  die  logische  Ideal- 
spiache  selbst  einscblieBlich  det  logiseben  Zeichensprache  (der  logischen 
Symbolik  oder  Semantik)  besprochen  werden,  dagegen  die  Besprecburtg  der 
mathematischen  Lo^,  weil  sie  über  die  Lehre  von  den  Zeichen  weit  binaus- 
täA,  einem  besonderen  Kapitel  (§  Wi.)  vorbehalten  bleiben. 

Die  ersten  Versuche  einer  logischen  Idealspracbe  sind  uns  im  histo- 
riscben  Abschnitt  bei  Lullus  begegnet  (Tgl.  S.  78).  Dann  folgten  die  Aiteiten 
Ton  Wilkins,  Dalcamo*),  Sircber  u.  a.,  auf  denen  iriedenim  Leibnis 
luBte  (Tgl.  S.  113).  Der  letztere  wollte  ursprünglich  die  Elementarbegriffe 
(tem^Di  primi)  durch  Punktzeichen,  ihre  Beziehungen  durch  Linien  usf.  au8- 
drOd«i')  und  kam  auch  sp&ter  immer  wieder  auf  den  Gedanken  eines 
,41pbabetum  cogitationum  humanarum"  und  einer  „Analysis  axiomatum" 
zurQck*).  Damit  verband  er  bereits  den  Grundgedanken  der  mathematischen 
LoÖT  Die  scriplura  univeisaüs  sollte  es  auch  ermöglichen  „caiculare  in 
omni  genere  rerum  et  demonslrationes  invenire  , . ,"  *).  Andrerseits  hielt  er 
es  auch  für  notwendig,  die  bisherigen  Zeichen  für  die  Zahlen  zu  reformieren. 
Qtaii  dem  allgemeinen  Prinzip  sollte  auch  hier  das  Zeichen  die  Zusammen- 
Mtzong  erkennen  lassen;  so  sollte  z.  B.  für  8  ein  Zeichen  gewühlt  werden, 

')  Statt  der  Buchstaben  wurden  auch  Zahlen  vorgeschlagen,  so  z.  B. 
Khen  von  Job.  Joachim  Becher,  dem  es  dabei  allerdings  nur  auf  die  AU- 
gemeinTersländlichkeit,  nicht  auf  die  Darstellung  der  Zusammensetzung  der 
Vonlellungen  ankam. 

^  WÜkins  und  Dalgamo  führten  nicht  fOr  die  Elementarbegriffe, 
Mndem  fQr  die  Begriffs  k  1  a  s  s  e  n  Zeichen  ein.  Dalgamo  unterschied  17, 
Wükins  40  Klassen,  ersterer  bezeichnete  sie  durch  Buchstaben,  letzterer  durch 
>äbiterfundene  Zeichen. 

*)  Diss.  de  arte  combinatoria  etc.,  Lips.  1666  (Gerh.  Ausg.,  Bd.  *,  9.  27, 
^Kz.  S.  73) :  ,,. . ,  Termini  primi,  ex  quorum  complexu  omnes  alii  constituun- 
'iir,  signentur  notis,  hae  notae  erunt  quasi  alphabetum.  Conunodum  autem 
erit  Botas  quam  mazime  fiert  naturales,  t.  g.  pro  uno  punctum,  pro  numeris 
uuicia,  pro  relationibus  Entis  ad  Eos  lineas,  pro  varialione  angulorum  aut 
Tenninorum  in  lineia  genera  relationum." 

*)  Besonders  wichtig  ist  ein  Brief  von  L.  an  Oldenburg  (Gerb.  Ausg.. 
fli  7,  S.  11). 

')  Von  Gerhard  1.  c.  S.  17  angetQhrl.    Vgl.  auch  ebenda  S.  31. 


i,l^.OOglc 


408      ^-  ^^'     Edienntnistheoietische  usw.  Grundlegung  der  Logik. 

&US  dem  sich  ohne  weiteres  ergibt,  daß  &  +  3  =  8  und  2X9=16.  DK 
idcalp  Zeichensprache  sollte  so  allgemeiti  sein,  daB  sie  auch  die  Hathenuäk 
umfaBt,  nicht  etwa  nur  die  mathematischen  Zeichen  auf  das  Denken  aber- 
Iragen.  Zu  einer  definitiven  Ausbildung  der  geptanten  „Ch&nLcteristici 
lealia"  ist  L.  nicht  gelangt  Er  rDhmt  immer  nieder  ihre  Vorzüge  vor  äa 
chinesischen  Schrift,  die  bekanntlich  IQr  jedes  Wort  ein  besonderes  BM 
hat,  und  die  FnchtbaAeit  seiner  Entdeckung  fOr  die  Wissenschaft,  macht 
aber  keine  bestimmten  und  endgültigen  Vorschläge.  Oflenbar  scheiterte  er 
an  der  Schwierigkeit,  die  Begriffe  richtig  zu  zerlegen,  die  ElemenlarbegriDf 
sieher  zu  bestimmen  und  auch  wiAUch  passende  Zeichen  zu  finden  *)  Aos 
pinzelnen  Aufzeichnungen  gebt  Obrigens  hervor,  daB  er  spiter  doch  ancb 
Buchstabens  rmbole  verwandle  und  für  die  Verbindungsweisen  der  BegiiSe 

mathematische  Symbole  (H }  heranzog'). 

Der  Leibnizsche  Plan  wurde  zum  Teil  von  Ploucquel  (vgl.  S.  122 
u.  3S9)  wieder  aufgenommen.  Letzterer  beschränkte  sich  jedoch  darauf,  ge- 
wisse allgemeine  Beziehungen  durch  Buchstaben  oder  Zeichen  auszudrOcken. 
So  sollle  z.  B.  bedeuten  O  onviitudo  positive  sumta,  N  omnitudo  negative 
sumta,  Q  vel  q  particularilas,  AB  subjectum  A  cum  praedicalo  B,  A— B 
A  est  B,  A  >B  A  non  est  B,  NA  — B  nullum  A  est  B  usf.  Es  huddle 
sieb  dabei  also  um  eine  Erweiterung  der  schon  im  Mittelalter  gebrAuchlkrben 
abkürzenden  Bezeichnungsweise  für  die  verschiedenen  Urteile,  a  für  das 
allgemein  bejahende  {nSe).  i  für  das  bescmders  bejahende  i'k),  e  für  das 
allgemein  verneinende  {iiitk)  und  o  für  da»  besonders  venieiaende  (*r 
tat.) ')-  Auf  Zeichen  für  den  Inhalt  der  Vorstellungen  verzichtete  die 
PlDucquetsche  Symbolik  gändicti,  sie  blieb  durchaus  formal.  In  der  Tit 
hat  Ploucquet  mit  dieser  Beschränkung  offenbar  das  Richtige  gelioBen.  Der 
Plan  einer  materialen  Zeichensprache,  wie  sie  Leibniz  und  aäato 
Vorgängern  vorschwebte,  ist  für  lange  Zeiten  eine  L'lopie,  indem  er  voraus- 
setzt, daß  die  Philosophie  bereits  am  Ende  ihres  Wegs  angelangt  ist  und 
die  Zerlegung  aller  Begriffe  in  letzte  ElementaibegrifTe  vollendet  hat.  Da 
hierzu  in  absehbarer  Zeit  keine  Aussicht  ist,  ist  also  wenigstens  vorläufig 
auf  die  logische  Idealsprache  in  malerialem  Sinn  fast  ganz  Verzicht  zn 
leisten.  In  der  neueren  Literatur  bat  man  sich  denn  auch  meistens  auf 
diesen  Standpunkt  gestellt  und  nur  die  formalen  Beziehungen  durcb  be< 
sondere  Symbole  ausgedrückt.  So  beschränkt  sich  z.  B.  die  Fregesche  Be- 
griBsscbrift  (vgl.  S.  282)  im  wesentlichen  darauf,  die  intellektuellen  Be- 
ziehungen durch  Simbole  auszudrOcken.  Die  einzelnen  Vorstellungen 
werden  wohl  zur  Abkürzung  durch  Buchstaben  bezeichnet,  aber  ohne  die 
Absicht.  tJber  ihren  f  n  h  a  1 1  irgend  etwas  auszusagen.  A  bedeutet  z.  B. 
«?ine  beliebige,  ganz  unbestimmte  Vorstellung  (aber  selbstverständlich  im  I^uf 
einer  Untersuchung  immer  dieselbe).  Die  Buchstaben  haben  also  bier 
eine  ähnliche  Bedeutung  wie  in  der  Ualhematik. 


•)  Vgl.  Gerb.  Ausg.,  Bd.  7,  S.  ISS. 

•)  Gerii.  Ausg.,  Bd.  7,  S.  31. 

<)  Siehe  Pranll,  Gesch.  d.  Logik,  Bd.  2,  2.  Aufl.,  Leipzig  ISSa^  S.  169 
u.  279.  Ob  die  Zeichen  a,  i,  e,  o  bis  auf  Psellus  zurückgehen,  fst  fregbob 
(vgl.  S.  68).  Bei  Petnis  Hispanus  findet  sich  bereits  der  Vers:  „Assecil  a, 
negat  e,  sed  univemliter  ambae,  asserit  i,  negat  o,  sed  particularitet  ambae 
(Summul^c  logicales,  Tract.  I,  ed.  Col.  Agr.  1623,  S.  50).  Vgl.  auch  %  111 U.  HS. 


i>,Cooglc 


3.  KuüUI.    Sprachliche  Gnindleguni  der  L«ik.  ^|g 

Ein  wesentlicher  Unterschied  bleibt  zwischen  den  logischen  und  den 
matbenMüschen  Beziehungssymbolen  nur  insolem,  als  die  mathematischen 
Symbole  im  wesentlichen  auf  quantitative  Beziehungen  beschrSnkt 
smd  Die  Logik  hat  sich  daher  entweder  auch  eisene  Symbole  nach  Ana- 
logie der  mathematischen  seschaSen  (symbolistische  Logik  s.  Str., 
TgL  S.  2SS)  oder  unter  Vemachläasigung  des  eben  herrorgehobenen  Unter- 
scMeds  einfach  unter  beslin:miteii  L'mdeutungcn  die  mathematischen  Sym- 
bole auf  die  Logik  übertragen  (mathematische  Logik  s.  Str.).  Auch 
im  ersleren  Fall  ist  die  Anlehnung  an  die  Mathematik  heute  so  eng,  daß 
die  sTinboIJstische  Logik  mit  de>r  mathematischen  Logik  in  Kap,  3  zusammen 
besprochen  werden  soll,  soweit  die  Erörterung  nicht  Oberhaupt  in  die 
speäellen  logischen  Abschnitte  zu  verweisen  ist. 

Vollständig  ist  der  eben  ausgesprochene  Verzicht  auf  eine 
naferiaie  Symbolik  nicht,  insofern  die  Logik  doch  öfters  genötigt  iat,  auch 
die  sprachlichen  Zeichen  für  die  Vorstellungsinhalte  wenigstens 
hier  und  da  ohne  Anspruch  auf  ein  Zurflckgeheu  bis  zu  den  Grundbegriffen 
ibrem  Zweck  anzupassen.  Das  Fixieren  der  Wortbedeutungen  durch  Defi- 
nitionen (vgl.  den  logischen  Spe;dalabscbmtt)  genGgt  zu  diesem  Zweck  nicht, 
<b,  nie  die  Geschichte  der  Philosophie  allenthalben  lehrt,  der  EinfluD 
populärer  oder  anderweitiger  Nebenbedeutungen  selbst  durch  die  korrektesten 
Definitionen  nicht  ausgeschaltet  wird  und  aufierdem  jede  Definition  wieder 
zahlreiche  neue,  ebenso  vieldeutige  und  deflnitionsbedürftige  Worte  einfühlt. 
Die  Neubildung  von  Wörtern,  die  ja  ohnehin,  wenn  es  sich  um  neue  Be- 
iriffe  handelt,  unvermeidlich  ist,  kann  auch  bei  allen  Begriffen  erheblich 
(rfiSeie  Gewahr  für  die  symbolische  Fixation  eines  Wortes  geben.  Ist  das 
neogebüdcte  Wort  einer  relativ  internationalen  Sprache,  wie  dem  L'atein  oder 
Griechisch,  entlehnt,  so  ist  zugleich  für  die  Allgemeinverstandhchkeit  ge- 
sorgt. Tr«tzdem  haften  auch  diesem  Verfahren  Hänge!  an.  Abgesehen 
davon,  daB  es  keinerlei  Abkürzung  mit  sich  bringt,  werden  die  heugebildeten 
Worte  in  dem  Gebrauch  (auch  im  wissenschaftlichen)  sehr  oft  wieder  durch 
naclitä^ich  hineingelegte  Nebenbedeutungen  und  Umdeutungen  entwertet. 
Worte  wie  ,4dear',  ,',reai"  usf,  sind  so  vieldeutig  geworden,  daB  sie  fast 
noch  gefährlicher  sind  als  die  populären  Worte  des  täglichen  Lebens.  Bei 
■dieser  Sachlage  hilft  sich  die  Philosophie  und  insbesondere  auch  die  Logik 
damit,  daS  sie  Symbole  —  Buchstaben  mit  Indices,  Zahlen  usf.  —  auch  für 
einzehie  inhaltlich  bestimmte  Begriffe  (Normalvotstellungen)  wenig- 
stois  für  eine  bestimmte  lintersuchung  *)  oder  Untersuchungsreibe  einführt 
(»A  S.  4*2).  Das  Denken  wird  dadurch  vor  Phrasen,  MiBveistfindnissen 
wid  Sophismen  geschützt  (vgl.  auch  §  86),  und  dieser  Schutz  ist  durch  die 
Schwierigkeit  des  Verständnisses  "solcher  Zeichen  nicbl  zu  leuer  erkauft; 
nder  die  Flülosopbie  im  allgemeinen  noch  die  Logik  im  besonderen  ist  für 
dächte  und  tr^e  Köpfe  bestimmt.  Zugleich  gewinnt  die  Logik  hierdurch 
eine  erhebliche  Abkürzung  des  Denkprozesses  selbst  und  seiner  Darstellung, 
eine  Abkürzung,  die  zugleich  eine  Förderung  invoMeri.  Übrigens  schlägt 
die  Logik  bei  diesem  Verfahren  nur  einen  Weg  ein,  den  die  Mathenutik 
l&Dgst  betreten  hat.  Auch  die  letztere  beschrtnkt  sich  nicht  auf  rein  for- 
male Zeichen,  sondern  führt  allenthalben  aus  ganz  ähnlichen  Beweggründen 
aoch  materiale  Zeichen  ein  (z.  B.  S '"  o,,  x;  +  aj,x,'+ .  .,  =  0  für  eine 

*]  Beispielsweise  sei  die  Abhandlung  von  B.  Erdmann,  Erkennen  und 
Vetitehen,  Sitz.-Ber.  d.  Sgl.  Ak.  d,  Wiss.,  IMS,  9.  1SI0,  angeführt. 


O^^IC 


410       H.  Teil.     EikemitniBtbeoreüscbe  usw.  Gnmdlecunc  der  Locüt- 

Kurve  zweiter  Ordnung;  Disluiminanten;  Determinanten  uaf.,  vgl  S.  WS). 
DaS  solche  Zeichen  auch  der  Forderung  der  internationalen  Vo^tändHchkeit 
am  heaten  entsprechen,  bedarf  nicht  der  Hervorhebung. 

Es  scheint  mir  auch  nicht  ganz  unmOgUch,  daB  innerhalb  enger 
Grenzen  die  Logik  liier  und  da  die  einzelne  Nationalsprache  auch  fflr  den 
all8«iueinen  Gebrauch  in  logischem  Sinn  etwas  vervoUkomnuien 
könnte.  Die  Sprachen  sind  zwar  im  allgemeinen  die  oatüiiichen  Ergebnisse 
der  EntvicUuDg  des  Volkes;  damit  ist  aber  doch  nicht  ausgeschlossen,  dsB 
eine  »nzelne  Wissenschaft  kOnstlich  in  zweckmäBiger  Richtung  einzugreifen 
versucht  (wie  dies  auf  dem  Gebiet  der  neligion  und  Sitte  oft  genug  geschehen 
ist),  selbstverständlich  vorbehalUich  der  definitiven  Entscheidung  durch  den 
allgemeinen  Sprachgebrauch.  So  ist  z.  B.  das  deutsche  Wort  „oder"  in  der 
stOrendsten  Weise  logisch  vieldeutig;  namentlich  involviert  es  bald  den  gegen- 
seitigen Ausschluß  der  verbundenen  Begriffe  (=  entweder  —  oder)  bald 
nichL  Sollte  es  wirklich  so  ganz  utopisch  sein,  wenn  die  Logik  in  ihrem 
eigenen  Interesse  und  im  Interesse  des  alltäglichen  Denkens  vorschl&gt. 
etwa  „oder"  stels  Aur  im  ersten  Sinn  zu  verwenden  und  im  zwülen 
Sinn  durch  ein  neues  Wort  z.  B.  „or"  (dem  Englischen  entlehnt]  zu  er- 
setzen? 


4.  Kapitel 

Mathematische  Grundlegung  der  Lx>gik 

I  8X     Dar  OmiHJirti  4»t  nnBuMsHictiii  IiOfik  aad  amm»  *»• 

IMk  Bn«cUfU|.  Die  geschichtliche  Entwicklung  der  «kathematischen 
Logik  ist  in  §  U  (S.  227  B.)  kurz  dargestellt  worden.  Dort  wie  auch  in  den 
Erflrterungen  des  letzten  Paragraphen  (S.  409)  hat  sich  enebeu,  daB  die 
srmbolistische  Logik  nach  Analogie  der  mathematischen  Symbole  fOr  di« 
Begriffe  und  Begriflsbe Ziehungen  formale  STnüwle  einführt  und  nach  Ana- 
logie der  mathematischen  Methoden  mit  Hilfe  der  gewählten  STmbole  die 
logischen  Denkopemtionen  darstellt,  und  daB  die  mathematische  Logik  s.  str. 
sogar  direkt  mathematische  Symbole  verwendet  und  die  mathematisdien 
Operationen  selbst  mit  einigen  Abänderungen  auf  die  Denkprozesse  anzu- 
wenden versucht  >).  Auch  wurde  S.  228  bereits  betont,  daB  die  geometrischen 
Symbole  und  Uethoden  ftlr  diesen  Zweck  nur  eine  untergeordnete  Bedeutung 
haben  (s.  jedoch  unten),  und  daS  im  wesentlichen  nur  die  algebraischen 
Symbole  und  Uethoden  in  Betracht  kommen.  Die  mathematische  Logik 
kann  daher  auch  geradezu  als  algebraische  Logik  (alg^re  de  la  logique)  be- 
zeichnet «erden. 

Bei  Erwägung  der  Zwecke  und  des  Gegenstandes  der  mathematischen 
Logik  ergibt  sich  sofort  ein  Bedenken,  welches  uns  nötigt,  das  Geltungs- 
bereich des  Grundgedankens  der  mathematischen  Logik  s.  str.  erheblich  ein- 
zuengen. Es  ist  nimlich  unverkennbar,  .daB  der  Gegenstand  der  Algetna 
und  der  Gegenstand  der  Logik  wesentlich  verschieden  sind.  Der  erstere  be- 
schränkt sich  —  wenigstens  nach  der  früher  üblichen  Auffassung  —  auf 
Quantitäten  (vgl.  S.  i09),  der  Gegenstand  der  Logik  umfaßt  auBer  Quanti- 

>)  Von  einer  irgendwie  scharfen  Trennung  der  malhemaliscben  und 
symbolischen  Logik  kann  dabei  keine  Rede  sein. 


iM,Googlc 


i.  ExpiteL    UathemaUsche  Grandllegune  der  Logik.  411 

täten  Doch  vieles  andere,  welches  sich  schlechterdings  nicht  auf  Quanüt&ten 
zuTOdfQtaren  l&Bt.  Es  kann  also  keinesfalb  von  einer  generellen  ein- 
facben  Übertragung  der  algebraischen  Synüwle  und  Operationen  auf  die 
Logik  die  Rede  sein.  Vielmehr  muB  sich  die  mathematische  Logik  ent- 
weder auf  die  quantitativ  ausdrückbaren  Gegenst&nde  der  Logik  beschrlnken 
oder  Tersucfaen,  tflr  die  quantitativ  nicht  ausdrückbaren  GegensUnde  eine 
besondere  nicht-quantitative  Mathematik  —  eventuell  mit  Hilfe  von  Vm- 
deutungen  der  mathematischen  Symbole  —  neu  zu  schaSen,  wie  dies  dutcb 
Bode,  Feirce,  Schroeder,  Peano  und  Russell  (vgl.  S.  2S1)  versucht  worden 
ist  Diese  neue  Wissenschaft  ist  jedoch,  wie  schon  die  widerspruchsvolle 
Bezeichnung  „mcfat-<iuantitative  Matheinatik"  andeuten  sollte,  gar  keine 
Mathematik  mehr,  sondern  nichts  anderes  als  eine  Wissenschaft  von  den 
allgemeinsten  logischen  Gesetzen  und  Beziehungen,  also  durchaus  ein  Teil  der 
Logik  selbeL  Sie  entlehnt  von  der  Mathematik  nur  manches  Uethodische, 
insbesondere  die  ausgiebige  Anwendung  von  Symbolen  *).  Die  Mathematik 
selbst,  einschlieBUch  der  sog.  Mengenlehre,  erscheint  nur  als  ein  spezielles 
Anwendungsgebiet  dieser  allgemeinsten  Logik  ^).  Die  Zufechnung  dieser  all- 
gemeinsten Logik  zur  „Algdmt  der  Logik"  ist  daher  auch  in  keiner  Weise 
berechtigt. 

Man  darf  sich  nur  nicht  dadurch  t&uachen  lassen,  daß  die  sog.  alge- 
hnische  Logik,  d.  h.  die  Symbole  verwendende  allgemeinste  Logik,  oft  ia 
Mhr  gesdiickter  und  zweckmäßiger  Weise  ihre  Symbole  mit  mathematischen 
Bexeichnungen  belegt  Tatsächlich  sind  diese  Bezeichnungen  nur  im  Sinn 
anea  Vergleichs  oder  einer  Analogie  zu  verrtehen.  So  wird  z.  B, 
die  logische  Multiplikation  p = a  X  h  definiert  ( I)  durch  die  Etklärung,  p  sei 
«n  ßdüet,  dem  alle  gemeinsamen  Untergebiete  von  a  und  b  und  auch  nur 
solche  angehören.  Es  wäre  also  etwa  FJederm&usecaFlugtiere  X  S&ugetiere. 
Unbeschaäet  mancher  zutreffenden  Analogie  ist  eine  solche  „Multiplikation" 
Aatüilidi  sinnlos.  Das  Symbol  X  hat  hier  einen  sehr  guten,  aber  ganz 
anderen  Sinn,  den  die  algebraische  Logik  neu  festgesetzt  hat  (vgl.  S.  413). 

In  diesem  Buch  findet  deshalb  diese  allgemeinste  Logik, 
welche  mit  Vorteil  Symbole  benutzt,  ihren  Platz  in  der 
autochthonen  Grundlegung  der  Logik  und  in  den  einzel- 
nen logischen  Kapiteln,  aber  nicht  in  dieser  mathematischen 
(iniodlegung.  Zugleich  wird  sich  ergeben,  daB  die  SStze  dieser  allgemein- 
sten Logik  in  enger  Beziehung  zur  Erkenntnistheorie,  speziell  zur  Gigno- 
menolt^ie  stehen,  da  sie  in  allgemeinsten  Tatsachen  des  Gegebenen  Qber- 
hanpt  (nicht  nur  des  Denkens)  h^ründet  sind,  wie  das  in  g  63  (S.  293) 
bereits  erörtert  wurde.  Vom  Standpunkt  der  Kantschen  Terminologie  (^1. 
S.  123)  banden  es  sich  um  eine  „allgemeine  reine"  Logik,  bei  der  auch  der 
(■egensatz  zwischen  reinem  und  empirischen  Denken,  wie  ihn  die  transzen- 
dentale Logik  zugrunde  legt,  in  Wegfall  kommt. 

Hier  und  da  könnte  es  allerdings  scheinen,  als  ob  die  mathematische 
Logik  wirklich  auf  mathematischem  Weg  auch  logische  Sitze 
Dicht- quantitativen  Inhalts  behandeln  kQnnte.  Indes  ist  dies  nur 
Schein,  wie  folgendes  Beispiel  einwandfrei  zeigt.     Die  mathematische  Logik 

*J  Nicht  jede  semantische,  d.  h.  Symbole  verwendende  Wissenschaft 
ist  Mathematik. 

^)  Ahnlicfa  äuBert  sich  auch  Couturat.  L'algibre  de  la  logique,  Paris 
üÄß,  S,  95. 


lA.OOgIc 


412       H.  Teil.     Ertanntoistheoretische  vsw.  Gnindlegung  der  Logik- 

definiert  iwei  Propositionen  (Sätze)  ala  ,Äleich"'  oder  .^quiTalen»",  wenn 
nichts  aus  der  einen  von  beiden  folsl,  nas  sich  nicht  auch  aus  der  andeieD 
herleiten  ließe"  (so  z.  B.  B.  Schröder,  AbriB  d.  Algebra  Aet  Logik,  §  Ib, 
S.  11).  Darin  liegt  die  schw«r3te  Diallete.  Der  wenc-Satz  bedeutet  nim- 
licb,  wie  auch  ausdrücklich  gesagt  wird,  daB  „man  irgendwie  zeigen  kann", 
daB  die  beiden  Sätze  4n  den  beiderseitigen  Folgerungen  durchaus  ObeRin- 
stimmen".  Was  ist  dies  „durchaus  übereinstimmen"  anderes  als  „Gleitii- 
heit"?  Vielleicht  aber  versucht  sich  der  mathematische  Logiker  dutch  den 
Einwand  zu  rechtfertigen:  jene  völlige  Übereinstimmung  bedeute  IdentiUt, 
die  von  ihm  definierte  Gleichheit  dagegen  nicht  (vgl,  1.  c.  §  16),  Danit 
ist  ihm  jedoch  nicht  geholfen.  Er  gibt  damit  nur  selbst  zu,  daB  er  zur  Auf- 
klärung oder  auch  nur  zur  definitorischen  Fisiening  der  Qleicbheit  nichts 
beilragen  kann.  Indem  er  die  Äquivalenz,  d.  h.  die  völlige  Obefeinstimmuiur 
in  den  Folgerungen,  auch  als  „Gleichheit"  bezeichnet  und  durch  das- 
selbe Gleichheilszeichen  t=^  {%  \G  Beginn)  ausdrückt,  welches  er  sonst  für 
quantitative  Gleictiheit  anwendet,  wird  nur  der  Anschein  erweckt,  als  ob 
er  der  Logik  ungemein  wichtige  Hilfe  leistete.  Überdies  bleibt  iuSersl 
fragUch,  ob  es  zwei  Sitze  gibt,  die  inhaltlich  —  von  sprach- 
lichen Synonymen  usw.  abgesehen  —  verschieden  sind  und  doch  m 
identischen  Folgerungen  fflhren.  Vidmehr  scheint  Äquivalenz  und  inhalt- 
liche Identität  ganz  zusammenzufallen,  so  daB  der  Einwand  des  mathe- 
matischen Logikers  nicht  einmal  die  Diallele  beseitigt.  Das  Beispiel  Schroe- 
ders  zeigt  dies  sehr  gut.  Er  fahrt  (a  =  b)  =  (a  c  ~  b  c)  als  Beispiel  ffli 
zwei  gleiche,  aber  nicht  identische  Aussagen  an.  Ich  bestreite  aber,  daE 
die  beiden  Aussagen  (a=b)  und  (ac=bc)  gleich,  d.  h.  äquivalent  sind. 
d.  h.  in  den  Folgerungen  durchaus  obereinstimmen.  Aus  der  zweiten  folgt 
nimlich  offenbar  mehr,  z.  B.  dafi  es  ein  c  irgendwie  gibt,  daB  o  und  c  zu- 
sammen gelten  können  usf. 

FQr  die  mathemalische  Logik  bleibt  also  bei  diesem  Standpunkt  hier 
nur  die  t>eschr&nkte  Aufgabe,  die  Logik,  soweit  sie  quantitativ  aus- 
drQckbare  Gegenst&nde  behandelt,  durch  Einfahrung  malbematischer  (quan- 
titativer) Srndxile  und  Anwendung  entsprechend  angepaßter  mathemalisdier 
Metboden  die  Arbeit  der  wissenschaftlichen  Logik  zu  ffirdem.  Man  kann 
also,  streng  genommen,  gar  nicht  von  einer  mathematischen  „Grundlegung" 
der  Logik  —  ebensowenig  wie  von  einer  sprachlichen  —  sprechen,  sondern 
nur  von  einer  Anleihe  eines  Teils  der  Logik  bei  der  Uathematik  oder>  anders 
ausgedrückt,  von  gewissen  Hilfeleistungen  der  Uathematik  fOr  die  Logik. 

Es  leuchtet  auch  schon  Stoi  Grund  der  psychologischen  Grundlegung 
ein,  welche  Teile  der  Logik  sich  voraussichtlich  als  quantitativ  faBbar 
emeisen  und  daher  fOr  solche  Hilfeleistung  der  Mathematik  in  Belnchl 
kommen  werden.  Die  Allgemeinvorslellung  umfaBt  eine  allerdings  nit- 
bestimmle  Zahl  von  Arten  und  weiter  von  Individuen.  In  analoger  Weise 
kann  auch  gesagt  werden,  daß  ein  Urteil,  insofern  sein  Subjekt  od» 
Prädikat  eine  Allgemeinvorslellung  ist,  in  dieser  Beziehung  quantitativ  taS- 
bar  ist  Bezeichnet  man,  wie  dies  S.  369  zunächst  für  das  psTcbologische  Ge- 
biet geschehen  ist  und  bald  auch  für  das  Bereich  der  Logik  durchgeführt 
werden  wird,  den  InbegiiB  der  unter  eine  Allgemeinvorstellung  fallenden 
Untervorstellungen  als  den  Umfang  der  Allgemeinvorstellung  und  spricht 
man  in  analtvem  Sinn  auch  von  einem  Umfang  der  Urteile,  so  kann 
man  kurz  sagen,  daB  vor  allem  die  Umfangsbeziehungen  des  Torslrilens 
und  Denkens  eine  mathematische  Behandlung  zulassen.    In  der  Tat  wird  in 


OgIC 


4.  Kapitel.     Mathenutiscbe  Grunäleming  der  Logik.  4X3 

den  falsenden  logiscben  Spezialabschnitten  bei  allen  Umfangsfragen  die  Hilfe 
der  Uathonatit  in  erheblichem  Maße  verwertet  werden.  Eine  allgemeine 
Darlegnng  dieser  Hilfeleistungen  ist  an  dieser  Stelle  überQassig.  Derienige 
Zweig  der  Hathematik,  welcher  für  dieselben  in  Beü-acbt  konunt,  die  sog. 
alicemeine  Mengenlehre  wird  bezüglich  der  Stellung  zur  Logik  im 
tolseDdeD  Paragraphen  kurz  besprochen  werden.  Ein  ausgezeichnetes 
weiteres  Beispiel  für  die  Hilie  der  Mathematik  bietet  die  logische  Wahr- 
scheinlichkeit sl  ehrei  die  relative  Zahl  der  MUe,  lOr  welche  ein 
Urteil  behauptet  wird,  ist  ein  Quantum  und  erfordert  daher  geradezu  mathe- 
matiacbe  Behandlung. 

Man  kann  sich  die  Beschränkung  dieser  mathematischen  Hilfe  sehr 
leicht  an  dem  oben  S.  411  erörterten  Beispiel  der  Multiplikation  (im 
ma  thematisch  en  .  Sinn)  klar  machen.  Die  Addition  zweier  Begriffe 
behiJt  auch  im  Logischen  ihren  guten  Sinn,  wenn  man  die  BegriSe  nur 
mit  Bezug  auF  die  Zahl  der  untef  sie  fallenden  Arten  bzw.  Individuen 
untersucht.  Man  kann  dann  — >  allerdings  unter  bestimmten  Vorbehalten  — 
mit  Recht  sagen,  daß  die  Summe  zweier  Begriffe  die  Gesamtzahl  der  unter 
die  beiden  Begriffe  fallenden  Arten  bzw.  Individuen  ist,  also  denselben  Sinn 
bat  wie  eine  Simmie  im  algebraischen  Sinn ').  Ich  denke  dann  eben  die 
qualitativen  (inhaitlichen)  Verschiedenheiten  weg  und  kann  nun  die  Begriffe 
als  Qnanten  behandeln  und  als  solche  addieren.  Schon  bei  der  Multiplikation 
Teraagt  dieses  Verfahren.  Zahlen  können  nmltipliziert  werden,  weil  sie 
unteieinander  gleichartig  sind.  Zwei  BegriQe,  selbst  zwei  verwandte,  sind 
immer  ungleichartig.  Damit  verliert  die  Multiplikation  jeden  Sinn  ^).  Ich 
kann  allerdings  —  wie  bei  der  Addition —  auch  hier  von  den  qualitativen 
Verschiedenheiten  abstrahieren  und  dann  die  Umfangszahlen  multiplizieren, 
aber  dn  hierbei  sich  ergebendes  Produkt  hat  für  die  I«sik  keine  Bedeutung, 
geschweige  denn  Interesse  •). 

SrhlieBlich  darf  nicht  dbersehen  werden,  daß  eine  solche  mathe- 
mitisebe  Hilfe  doch  nicht  ganz  ausachlieOhcb  bei  der  Algebra  gesucht  werdon 
muB,  daB  «e  vielmehr  zuweiten  auch  von  der  Geometrie  geleistet  werden 
kann.  Statt  algebraische  BuchstabengröBen  heranzuziehen,  kann  man 
wenigstens  zur  Veranscbaulichung  auch  geometnscfae  Figuren  verwenden. 
So  ist  es  schon  lange  Qbhch,  die  Umfange  der  Begriffe  durch  Kreise^ 
wiederzugeben  (vgl  S.  SSO).  Meistens  sind  solche  Veranschaulichungen 
sogar  noch  versländhcher  und  überzeugender  als  algebraische  Kombinationen. 
Wir  werden  daher  in  den  logischen  SpeziaJkapiteln  auch  von  diesem  Hilfs- 
■nittel  umfassend  Gebrauch   machen.     Für  diese  Bedeutung   geometrischer 

*)  Strenggenommen  auch  dies  nur  dann,  wenn  die  beiden  „Mengen" 
elunentarfremd  und.  Vgl.  F.  Hausdorff,  Grundzüge  der  Mengenlehre, 
Ldpag  1914,  S.  6. 

^)  Die  sog.  Mengenlehre  (vgl.  %  82)  igt  viel  vorsichtiger  und  spricht 
ifl  dem  S.  411  erwähnten  Fall  nicht  von  „Multiplikation",  sondern  von 
Jlurchschnitt"  (wobei  allerdings  der  letztere  Terminus  sehr  unglQcUich  ge- 
rtblt  ist). 

*)  Ebenso  läSt  sich  leicht  zeigen,  daß  die  Difierenz  zweier  Begrifis- 
Bä»ete  nur  dann  einen  Sinn  hat,  wenn  das  eine  Begriftsgebiet  ganz  in  dad 
udere  hineinfällt 

')  Durch  Verwendung  farbiger  Kreise  hat  Wildschrey  (vgl.  S.  MS) 
die  Anachaulicbkeit  noch  weiter  gesteigert 


OgIC 


414       It  Teil'.     Ericenntnistbeoieüscfae  usw.  GnuKÜeguiH  der  Logik. 

Veranschaulichungen  isl  es  sehr  charakUmtiech,  dafi  die  alEebniscbe  Lofik 
selbst  gelesenttich  geometriache  Figuren  heranzieht.  Vgl.  z.  B.  Scfaroeder, 
Abr.  d.  Algebra  d.  Log.,  1.  TeU,  1909»  S.  Sa. 

I  83.  Leilk  ud  IbwaUu*.  Die  von  G.  Canlox  (vgl  S.  233)  be- 
gründete allgemeine  Mengen-  oder  Mannigfaltigkeitatehre  wurde  und  wird 
noch  jetzt  vieliach  als  eine  der  Logik  und  Hathematik  übergeordnete  Wissen- 
achaft  betrachtet.  Eine  solche  Bedeutung  kommt  ihr  gegenüber  der  Logik 
in  keiner  Weise  zu,  vielmehr  aetzt  umgekehrt  die  allgemeine  Mengenlehre 
überall  die  grundlegenden  S&tze  der  allgemeinen  Logik  voraus.  Man  kino 
geradezu  sagen,  daB  die  Mengenlehre  das  eiste,  einfachste  ■)  Anwenduois- 
gebiet  der  allgemeinen  Logik  ist  (vgL  S.  HOL). 

Wenn  die  Mengenlehre  eine  Menge  als  „eine  Zusammenlassung  tdd 
Dingen  zu  einem  Ganzen,  d.  h.  zu  einem  neuen  Ding"  definiert,  schein!  es 
ja  allerdings,  als  ob  eine  solche  Zusammenfassung  in  einem  weiteren  ils 
im  n  u  r  quantitativen  Sinn  gemeint  ist.  Dieser  Anschein  wird  zunächst 
noch  welter  veist&rkt,  nenn  die  Mengenlehre  auadrücklicb  erkl&it,  daB  sie 
als  „feine"  Mengenlehre  von  der  Beschaffenheit  der  Elentente  der 
Mengen  ganz  absehe,  also  auch  von  Punkten  und  Zahlen  [  [).  Dann  aber 
erfolgt  regelm&Big,  oft  ganz  unter  der  Hand,  die  Bemerkung,  daB  die  Meng« 
aus  ihren  Elementen  „besteht".  Damit  ist  jener  Anschein  beseitigt  und  die 
quantitative  Natur  der  Mengenlehre,  auch  der  retnm  klargestelll.  Eine 
Inlensit&t  ,4iesleht"  nicht  aus  Teilintensitäten,  und  erst  recht  „besteht"  em 
AUgemeinliegrift  bzw.  eine  AUgemeinvorsfellung  nicht  aus  den  ihm  subordi- 
nierten Begriffen  bzw.  Vorstellungen,  ein  Urteil  nicht  aus  den  in  ihm  ver- 
knüpften Vorstellungen.  Die  Zusanunenfassung  zu  Mengen,  welche  der 
ganzen  Mengenlehre  zugrunde  liegt,  ist  immer  eine  quantitative  ZusammeD- 
fassung  und  zwar  quantitativ  in  einem  doppelten  Sinn:  die  Elemente  der 
Menge  werden  erstens  als  z&hlbar')  vorgestellt,  und  zweitens  wiid  an- 
genommen, daß  sie  durch  die  Zusammenfassungen  als  solche  selbst  nichl 
verludert  werden.  Wenn  ich  3  +  5=:8  rechne,  so  wird  allerdings  3  ver- 
ändert, nfimlich  zu  8,  aber  in  der  S  ist  es  noch  immer  als  solches,  als  ein 
unveränderter  und  unveränderlicher  Teil  enthalten,  der  auch  bei  anderen 
Summenbildungen  (3  +  6,  3  +  10)  stets  unverändert  als  derselbe  wiederkehrt 
und  adäquat  nur  räumlich  veranschaulicht  werden  kann.  Der  Ausdrucl^ 
„die  Menge  besieht  aus  ihren  Elementen"  bezieht  sich  auf  eben  diese 
beiden  Eigenschaften  des  Quantitativen  *).  Weim  ich  hingegen  Individua!- 
vorstellungen  zu  einer  Allgemeinvorslellung  zusammenfasse,  ^o  ist  die  Zahl 

')  Mit  der  Eiafacbheil  ist  hier  die  Abwesenheit  qualitativer  .inhalt- 
licher) Verschiedenbeilen  gemeint. 

>)  Wohlgemeikt  nicht  stets  als  abzählbar,  d.  b.  als  zählbar  im  Smn 
der  natürlichen  Zahlenreihe  (vgl.  z.  B.  Hausdorff,  Grundz.  d.  Mengenlehre, 
Lpz.  191{,  S.  3i  u.  il),  aber  als  zählbar  im  Sinn  der  algebraischen  Zahlen 
(d,  h.  der  reellen  +  transzendenten  Zahlen). 

')  Dabei  unterscheidet  die  Mengenlehre  prinzipiell  meist  streng  zwi- 
schen „Summen"  usf.  im  Sinn  der  mathematischen  Operation  S^A  +  B 
und  Summen  im  Sinn  eines  Bestandes  an  Elementen  ohne  mathematische 
Summierung  S  (A,  B).  vgl.  Hausdorff  1.  c,  z.  B,  S.  5.  Aber  dies*  Unter- 
scheidung ändert  an  den  oben  hervorgehobenen  prinzipiellen  Unterschieden 
des  SUndpunkts  der  Logik  und  desjenigen  der  Mengenlehre  nichts. 


i.l^. OQi 


,g,c 


i.  Kaidtel.     Halhematiache  Onmdleguns  der  Logik.  415 

der  oraleren  sleicbgültis,  und  sie  bleibeo  innerhalb  der  AUEememvorstcUuni 
nichE  als  unveränderte  Bestandteile  erhdten.  Die  Mengeclefare  tut  es  a  u  s  - 
schiieBIich  mit  Quantitäten  zu  tun^),  die  Logik  hat  es,  so  lange  me 
von  Anwendungen  absieht,  nur  auch  mit  Quantitäten  zu  tun.  Diese  Ab- 
Erenzung  wird  natOrUch  nicht  dadurch  verwischt,  daB  die  Meiwenlehre  ge- 
legentlich ihre  Grenzen  flberschreitet  und  logische  Sätze  einflicht:  sie  ist 
dum,  wie  sich  Fall  für  Falt  nachweisen  läßt,  bei  solchen  Exkursen  keine 
Mengenlehre  mehr,  d.  h.  sie  beschäftigt  sich  dann  nicht  mehr  mit  ^us 
ElementeD  bestehenden  Mengen",  wie  sie  es  gemäß  ihrer  eigenen 
Definition  wollte.-  Ebenso  wird  jene  Abgrenzung  nicht  dadurch  beseitigt, 
daB  die  Logik  in  vielen  Kapiteln  gern  ihre  Beispiele  aus  der  Mengen- 
lehre entlehnt.  Da  letztere  die  einlachsten  Fälle  der  angewandten  Logik 
behandelt,  so  bietet  sie  eben  geeignete  veranschaulichende  Beispiele  in  be- 
sonders großer  Zahl  dar.  ^ 

Es  bleibt  also  wiederum  nur  die  Tatsache  bestehen,  daB  die  Logik 
Kktiv  Ott  gleichfalls  mit  Quantitäten  zu  tun  hat,  so  z.  B.  wenn  sie  von 
lilen,  einigen,  vielen  Individuen,  Arten,  Urteilen  usf.  spricht.  Bei  aller  An- 
eitennung  der  Wichtigkeit  solcher  (luantitativer  Unterscheidungen  fQr  viele 
logische  Sätze  kann  doch  von  einer  Quantifikation  der  ganzen  Logik  keine 
llede  sein.  Viele  grundlegende  logische  Beziehungen  lassen  sich  nicht  in 
quanlitative  Beziehungen  auflösen,  wie  die  speziellen  Kapitel  der  Logik 
ailenthaU>en  ergeben  werden. 

Soweit  nun  die  Logik  auch  Otters  mit  Quantitäten  zu  tun  hat,  kann 
sie  «an  den  Sätzen  der  Mengenlehre  Gebrauch  machen,  wie  dies  S.  412 
tiereits  in  Aussiebt  gestellt  wurde.  Das  Verhältnis  ist  dann  folgendes:  die 
Logik  hat  zahlreiche  logische  Sätze  festgestellt  bzw.  entwickelt,  welche  auch 
für  Quantitäten  gelten  (a.  B.  a  =  b,  b  =  c,  also  a  =  c),  die  Mengenlehre  bat 
diese  Jwiachen  Sätze  für  Quantitäten  weiter  ausgearbeitet,  und  nun  ver- 
wertet die  Logik,  wenn  sie  bei  der  weiteren  Entwicklung  ihrer  spezlfiscb 
logischen  Sätze  auf  quantitative  Beziehungen  stößt,  diese  von  der  Mengen- 
lehre zustande  gebrachten  Ausarbeitungen,  um  ihre  eigene  (logische)  Arbeit 
abzukürzen  und  zu  vereinfachen.  Sie  beansprucht  also  weder  etwa  die 
Sätze  der  Mengenlehre  als  ihr  Eigentum,  wie  wohl  von  logizistischer  Seite 
gelegentlich  behauptet  wurde  (vgl.  S,  WS),  noch  entlehnt  sie  ihre  Grund 
Prinzipien  der  Mengenlehre  als  einer  Qbetgeordneten  Wissenschaft,  sondern 
sie  liefert  umgekehrt  der  Mengenlehre  eine  Grundlage  und  verwertet  die 
Hilfe  der  Mengenlehre  nur  sekundär. 

Wie  sehr  die  reine  Mengenlehre  sich  auf  die  Logik  stQtzt  und  stutzen 
tmiB,  lehrt  ieder  Blick  in  irgendein  Lehrbuch  der  Mengenlehre.    So  ist  z.  B. 

')  Dabei  sehe  ich  noch  ganz  davon  ab,  daB  die  Mengenlehre  in  ihrer 
heutigen  Gestalt  neben  wertvollen  Sätzen  auch  viel  Scheinwissen  enthält. 
Gbeim&fiig  viele  „Definitionen"  werden  aufgestellt,  und  Schltlase,  die  sich 
Itdiglich  durch  Kombination  solcher  Definitionen  ergeben,  als  wissenschaft- 
Me  Sätze  hingestellt  Tatsächlich  haben  manche  solche  Sätze  nicht  viel  mehr 
wissenscbaftlicben  Wert  wie  die  Sätze,  wache  sich  für  die  Bewegung  der 
Schachspielfiguren  ergeben,  nachdem  man  einmal  die  Schachfiguren  defi- 
niert, d.  h.  ihnen  bestimmte  Bewegungsfäbigkeiten  zugeschrieben  hat  Di» 
Tiikiich  wertvollen  Sätze  der  Mengentheorie  gehören  fast  ausnahmslos  der 
Zahlen,  und  Baumtheorie  an.  Vgl.  auch  nieinen  Vortrag  in  der  Kant- 
eesellschalt  „Die  Bedeutung  der  Mengenlehre  für  die  Logik",  Berlin  1917. 


i.l^. OQi 


,g,c 


416       U.  Teil.     Erkenntnislheoretiscbe  usw.  Grundleguiis  der  Lofik. 

«iner  der  eniDdleseiiden  SUze  der  Mengenlehre  lolsender:  wenn  zweiMentei 
BleicbzeiÜB  Teilmengen  voneinander  sind  (Ä^B,  B^A),  so  und  si« 
identisch  (A^B,  vfl.  HauadorQ,  I.  c.  S.  i).  OHenbu  ist  dieser  SaU  nui 
eine  spezielle  Anwendung  logiacher  Grundprinzipien  (S^z  des  Widetsptuchi) 
auf  Uengea  Ebenso  legt  die  Mengenlehre  allenthalben  den  logischen  SaU 
„wenn  A^B  und  B^C,  dann  A  =  C"  zugrunde  und  wendet  ihn  nur 
speziell  auf  Quantitäten  an,  «ährend  er  auch  für  Inhalte  (Oualit&ten)  gilt. 

Dagegen  darf  man  nicht  etwa  sagen,  daB  die  Mengenlehre  die  Quanti- 
tüten  nur  nach  ihrer  G  r  ö  B  e  mit  Hilfe  der  sog.  mathematischen  Operationen 
(Addition  uaw.)  untersuchti  denn  sie  beschäftigt  sich  auch  mit  der  Ord- 
nung von  Quanten  (sog.  Ordnungslehre)  und  kann  hier  bei  manchen  Silien 
Sans  auf  mathematische  Operationen  verzichten.  Man  darf  sich  nur  nicht 
dadurch  irre  machen  lassen,  daß  sie  unzweclunAGigerweise  ffir  das  „vortiei" 
und  .jiachher"  in  der  Reihenordnung  ott  dieselben  Zeichen  <  und  >  ver- 
wendet, die  wir  sonst  tüi  „größer"  und  ,Jüeinoi"  zu  verwenden  pfleiea 
(Uausdorff,  L  c.  S.  70).  Diese  Ordnungstehre  als  Kapitel  der  Mengenlehre 
steht  manchen  Kapiteln  der  Logik  (z.  B.  der  Lehre  von  der  Division)  sehr 
nahe.  Ein  Unterschied  bleibt  jedoch  immer  noch  insofern,  als  die  „Oid- 
nungen"  der  Logik  sich  auf  Inhalte  jeder  Art  (nicht  nur  Quantitäten)  be- 
ziehen und  das  Ordnungsprinzip  oft  auch  qualitativ  ist,  während  die  Mengen- 
Irtire  in  ihren  Ordnuugss&tzen  den  quantitativen  Gesichtspunkt  bevorzugt 

FOi  die  folgende  Darstellung  der  Logik  selbst  ergibt  sich  aus  diesen 
ErArterungeD  die  praktische  Folgerung,  daß  die  Mengenlehre  dwnaa  wie 
andere  Teilnissenschaften  der  Mathematik  nur  als  Hillswissenscbatt  in  Be- 
tracht zu  ziehen  ist  Dabei  wird  sich  sogar  ergeben,  daB  die  Hilf^  wdcbe 
bis  letzt  von  der  Mengenlehre  der  Logik  wirklich  geleistet  wird,  unverblltnis- 
TOkiit  gering  ist. 


n,5,t,7rjM,G00glc 


IIL  Teil 

Aatocfatbone  Graadlegons  der  Logik 

§  84.  Zweck  der  aatoehthonen  GmndlesaiiK.  Wie  schon 
in  ^  5  (S.  16)  erwähnt  wurde,  schickt  die  Logik  der  ansführ- 
licheo  TTnterenchnag  der  einzelnen  logischen  Gebilde 
und  Clesetze  eine  allgemeine  Erörterong  der  der  Logik 
speziflsch  eigentümlichen  Grundlagen  vorans.  Die  erkennt- 
nifitheoretische  Gmndlegnng ')  (Teil  II,  Kap.  1  n.  2)  hat  der 
Xiogik  Klarheit  aber  die  Stellung  des  Denkens,  welches  ja 
gemäß  nnarer  Definition  (%  1)  nach  einer  besonderen  Sich- 
timg  hin  den  Gegenstand  der  Logik  bildet,  innerhalb  des 
Gegebenen  verscbafFt  oder  wenigstens  zu  Tersobaffen  ver- 
sucht Dann  hat  die  psychologische  Grundlegung  das  tat- 
sächlidie  Denken  beschrieben,  klassifiziert  und  seine  wich- 
tigsten Gesetze  festgestellt  und  damit  die  Logik  mit  den 
Sigentümlicbkeiten  des  Denkens  im  weitesten  Sinn  bekannt 
gemacht.  Da  jedoch  nun  die  Logik  nicht  die  Lehre  vom  Den- 
ken flcblecfathin  ist  (dann  wäre  sie  nur  ein  Abschnitt  der 
Psychologie),  sondern  die*  Lehre  von  der  formalen  Qesetz- 
mäßigkeit  des  Denkens  mit  Bezug  auf  seine  Bichtigkeit  und 
Falschheit  sein  wiU  {%  1),  also  das  Denken  nach  einer  ganz 
qieziflfichen  Bichtung  nntersncht,  so  erwachst  der  Logik  vor 
allem  die  Aufgabe,  auf  dem  Boden  der  erkenntnistheore- 
tiacben  and  psychologischen  Grundlegung,  aber  nuu  zugleich 
anch  über  diese  hinaus  im  Hinblick  auf  ihr  eigentümliches 
Ziel  sich  eine  eigene  Grundlage  zu  geben.  Sie  maß  zu  diesem 
Behuf  vor  aller  Einzelerörtemog  in  einer  aatoehthonen 
Grundlegung  den  Begriff  des  Denkens,  der  ihr  von  der 


*)  Die  sprachliche  und   nameDtUcb  ^e   mathematische   Gnindlegune 
haben,  wie  »cb  gezeisl  bat,  uai  sekundire  Bedeutung. 

Ziahen,  Lsbtbnehdgrlaiefk.  27 


OgIC 


418  UI.  Teil.     Autochthone  Grupdlegung  der  Logik. ^^ 

Erkenntnistheorie  und  Psychologie  im  weitesten  Umfang 
übermittelt  worden  ist,  ganz  wesentlich  einengen.  Nicht 
jedes  Denken,  sondern  das  richtige  Denken  oder,  schär- 
fer ausgedrückt,  dae  Denken  mit  Bezug  auf  eeine  Richtig- 
keit und  Falschheit  ist  Gegenstand  der  Logik.  Sie  muß  daher 
vor  allem  im  allgemeinen  feststellen,  worin  die  logische 
Richtigkeit  bzw.  Falschheit  des  Denkens  besteht.  Sie  wird 
dann  —  ebenfalls  ganz  allgemein  —  den  Wert  unterschied 
zugunsten  des  richtigen  logischen  Denkens  zu  unter- 
suchen und  damit  auch  den  normativen  Charakter  der  Logib 
(vgl.  §  2)  aufzuklären  haben.  Femer  muß  sie  —  wiedemin 
in  allgemeinen  Umrissen  —  den  Weg  aufzeigen,  den  sie  ein- 
zuschlagen gedenkt,  um  gegenüber  dem  tatsächlichen  Den- 
ken, das  fast  unterschiedslos  bald  richtig,  bald  falsch  ist, 
das  richtige  Denken  für  ihre  Untersuchung  zu  isolieren  nnd 
festzuhalten.  Wie  früher  bereits  wiederholt  erwähnt  wurde, 
ist  dieser  Weg  in  der  Bildlmg  sog.  Normalgebilde  (Normal- 
Vorstellungen  usf.,  vgl.  S.  14,  301,  308,  311,  405)  ge- 
geben. Die  generelle  Begründung  solcher  Normalgebildi 
wird  also  ebenfalls  eine  Aufgabe  der  autochthonen  Grund- 
legung sein.  Endlich  wird  die  letztere  auf  Grund  ihrer  all 
getneinen  Ergebnisse  auch  imstande  sein,  für  die  ansfnhr- 
liche  Darstellung  der  logischen  Gebilde  und  der  logischen 
Gesetze  eine  zweckmäßige  Kinteilung  zu  geben. 

Diese  Übersicht  über  die  Aufgaben  der  folgenden 
autochthonen  Grundlegung  kann  selbstverständlich  nur  eine 
vorläufige  sein.  Die  antochthone  Grundlegung  kann  selbst 
erst  iin  Lauf  ihrer  Entwicklung  zu  einer  vollen  Klarheit 
über  ihre  einzelnen  Aufgaben  kommen.  Ausdrücklich  sei 
fiuch  nochmals  hervorgehoben,  daß  der  autoehthone  Cha- 
rakter nicht  etwa  darin  besteht,  daß  ganz  unabhängig  von 
der  Erkenntnistheorie  und  der  Psychologie  bzw.  von  der 
crkenntnistheoretischen  und  psychologischen  Grundlegung 
eine  gewissermaßen  ganz  neue  si>ezifl8ch-logische  Grand- 
legung  gegeben  wird;  es  handelt  sich  vielmehr  nur  dämm, 
anf  dem  Boden  der  erkenntnistheoretisehen 
und  psychologischen  Grundlegung  eine  dem  spe- 
ziellen Ziel  der  Logik  angepaßte  allgemeine  Grundlage  für 
die  spezifisch  logischen  Untersuchungen  za  gewinnen,  also 
die  erkenntnistheoretisehen  nnd  psychologischen  Ergebnie«e 
für  die  Zwecke  der  Logik  auszugestalten. 


iM,Googlc 


m.  TeiL     Autochthone  Gnindlesung  der  Logik.  419 

S  85.    Biehtigkeit  and  Falsehhelt  der  DenkergebniBse. 

Das  Wesen  nnd  die  Bedeutang  der  Bichtigkeit  und  Falsch- 
heit der  DenbergebnisBe  im  allgemeinen  ist  in  der  erkenntnis- 
theoretischea  Grundlegung  bereits  erörtert  worden  (vgl. 
§  60,  namentlich  S.  273  ff.  u.  §  1,  S.  2  ff.).  Dort  hat  sich  im 
wesentlichen  folgendes  ergehen.  Das  Denken  V  (im  weite- 
sten Sinn)  hat  einen  Gegenstand  (Objekt),  auf  den  es  sich 
bezieht  (vgl,  S.  265).  Dieser  Gegenstand  ist  unmittelbar 
in  der  Regel  eine  Vorstellung  V,  nur  ausnahmsweise  eine 
Empfindung  {vgl.  S.  281,  Anm.  13  n.  386).  Mittelbar  be- 
zieht sich  aber  das  Denken  sehr  oft  auch  auf  Empfindungen 
£  oder  auch  auf  die  .^eduktionsbestandteile"  B  (,J>inge" 
üBf.),  die  wir  etwa  hypothetisch  für  die  Empfindungen  an- 
nehmen. Auch  zeigte  sich,  daß  sich  das  Denken  nicht  selten 
stufenartig  auf  VoTStelluDgen  bezieht,  die  ihrerseits  Vor- 
Etellungen  zum  Gegenstand  haben  usf.  Allgemein  hatten 
wir  dies  durch  die  Formel  ausgedrückt:  V" -*- V -*"  V ^^ 
E-*-  E,  in  welcher  V"-*- V-^  V  die  Deokbeziehnng  s.  str. 
bezeichnet;  es  muQ  nur  hinzugefügt  werden,  daß  V"  einer- 
seits zuweilen  fehlt,  andrerseits  noch  weitere  übergeordnete 
Denkakte  V",  V"  nsf.  hinzukommen  können.  Im  folgen- 
den wird  zur  Ä'bkürzung  von  den  übergeordneten  Denk- 
stufen V",  V"  nsf.  abgesehen. 

Jede  Bichtigkeit  eines  Deukprozesses  V  bearteht 
in  der  Übereinstinunung  dee  Denkprozesses  V  mit  seinem 
Ge^nstand ')  (Objekt)  und  ist  also,  wenn  man  —  wie  viel- 

')  Man  hQte  sich  den  GegenstaDd  eines  Denkprozesaes,  verleitet 
durch  den  eewOhntichen  Sprachgebrauct^  mit  seinem  Ziel  oder  Problem 
oder  auch  mit  seinen  Fundalien  zu  verwechseln.  In  dem  Urteil  (V') 
„die  Salbei  ist  eine  Labiate"  sind  die  Salbei  und  die  Labiaten  einscbUeBlich 
ibier  Relationen  (vgl.  S.  303)  die  Fundalien,  und  zwaf  die  Allgemein- 
TOTstellungen  „Salbei"  und  .J^biaten"  die  näheren^  die  zahlreichen  Empfin- 
dnnien  und  Voratellungea,  aus  denen  diese  Aligemeinvorstellungen  hervor- 
Ktuigen  sind,  die  entfernteren  Fundalien.  Die  Ubereinstimmungsrelationeu 
niKben  Salbei  und  Labiaten  bilden  den  Gegenstand  des  Urteils,  d.  b.  den 
im  Urteil  speziell  verwerteten  Teil  des  Fundais  (vgl.  S.  36Ö  u.  375  u. 
378).  Die  Zentnimvorst eilung  (Subiektsvorstellung)  des  Urteils  ist  die  Vor- 
tteÜong  „Salbei",  sein  Zentrumgegenstand  die  Salbei  (S.  377).  Das  durch 
d*s  Urteil  gelCste  Problem  (Ergänzung  von  Z*  in  §  79}  ist  die  Familien- 
miehorigkeit  der  Salbei;  die  gedachte  Zugehörigkeit  der  Salbei  za  den 
Labiaten  macht  den  Inhalt  des  Urtrils  (S.  87b)  aus,  ist  also  gewissermaßen 
<&  Lösung  des  Problems  (z*  des  %  78).  Die  spezielle  Bedeutung,  die  der 
Silbei  unter  den  Fundaben  als  dem  Subjekt  des  Urteils  zukommt,  wird  ia 
^  ipenellcn  Urieitolehre  (§  110)  besprochen. 

27' 


430  ^-  Teil.     Autocbthone  Grundlegung  der  Logt. 

fach  geschieht  —  den  Tatbestand  oder  „Gegenstand",  der 
von  dem  Denkprozeß  verarbeitet  wird,  als  seine  »»Uateiie" 
auffaßt,  stets  material  (v?I.S.4  u.  273 f.).  DerOegenstiuid 
des  Benkprozeeees  ist  bald  ein  Tatbestand  im  Bereich  des 
VorstellimgBlebens,  bald  ein  Tatbestand  im  Bereich  derEmp- 
flndnogen,  bald  endlich  ein  solcher  im  Bereich  der  hypothe- 
tischen ßnipflndnngssubstrate  CRednktionsbeetandteile,  Dinge 
an  sich  usf.).  Zum  ersten  Fall  gehört  z.  B.  die  materiale 
Richtigkeit  eines  Urteils  über  die  (bedanken,  die  Kapoleon  L 
zom  Zug  nach  Bußland  veranlaßten,  oder  über  die  OesetzCr 
welche  die  Ideenassoziatioa  beherrschen,  zum  zweiten  z.  3. 
die  materiale  Richtigkeit  eines  Urteils  über  die  Ähnlichkeit 
der  Orange-  und  der  RotempSndung,  zum  dritten  diejenige 
eines  Urteils  über  die  Abhängigkeit  des  Fallraums  vom 
Quadrat  der  Fallzeit. 

Weiter  hat  sich  ergeben,  daß  jede  materiale  Richtigkat 
eines  Denkergebnisses  V  von  zwei  Faktoren  abhängt,  näm- 
lich erstens  von  der  materialen  Richtigkeit  der  bei  dem  Zn- 
standekommen von  V  verwerteten  Grundlagen  (Fun- 
dalien, S.  264),  also  der  VorstelluDgen  niederer  Stnfe, 
in  letzter  Linie  der  verwerteten  primären  Eä-innerongsbilder 
nnd  Empfindungen,  nnd  zweitens  von  der  Richtigkeit  der  bei 
dem  Zustandekommen  von  V  beteiligten  DenkprozesBe. 
Die  auf  der  materialen  Richtigkeit  der  verwerteten  Grund- 
lagen (Gegenstände  niederer  Ordnung)  beruhende  materiale 
Richtigkeit  der  Denkergebnisse  bezeichneten  wir  als  fun- 
d  a  1  (S.  284),  die  Richtigkeit  der  beteiligten  Denkprozesse  als 
formal  (S.  3  u.  283).  Indem  wir  aucb  den  letzteren  Ter- 
minus auf  das  Denk ergebnis  V  übertrugen,  konnten  wir 
die  materiale  Richtigkeit  des  letzteren,  welche  wir  auch 
als  Ädäqnatheit  bezeichneten,  in  zwei  Komponenten 
zerlegen:  die  fandale  Richtigkeit  oder  Solidität, 
d.  h.  die  materiale  Richtigkeit  seiner  Grundlagen,  mid  die 
formale')  Richtigkeit  oder  Konkrepanz,  d.  h. 
die  formale  Richtigkeit  der  beteiligten  Denkprozesse  (vgl. 
S.  282 ff.).  Im  allgemeinen  ist  zur  materialen  Richtigkeit, 
des  Denkergebnisaes  V  sowohl  fundale  wie  formale  Richtig-, 
keit  erforderlich.     Nur  ausnahmsweise  kann    dnorch   mehr 

r 

•)  Von  dem  Sprachgebrauch,  nach  dem  die  Beziehungen  d» 
Teile  eines  Ganzen  als  Form,  die  Gesamlfaeil  der  Teile  selbst  aber  aJs 
Stoff  bc:»ichnet  wird  (vgl.  z.  B.  K.  Twardowski,  Zur  Lehre  v.  Inhalt  u. 
Gegenstand  der  Voral.,  Wien  18M,  S.  48)  wird  hier  ganz  abgesehen. 

„.,,„,^.oogic 


HL  Teil.     Autochthone  Grundiegmn  der  Logik. ^1 

oder  weniger  zufällig«  gegenseitige  Kompensation  der  Fehler 
trotz  fondaler  bzw.  formaler  Unrichtigkeit  ein  material 
richtiges  Ergebnis  Zustandekommen. 

Die  gegenseitige  Abhängigkeit  der  materialen  Bichtig- 
keit  (Adäqnatbeit),  deuL  fnudalen  Bichtigkeit  (Solidität)  und 
der  formalen  Bichtigkeit  (KonkreiMiMi)  läßt  sich  in.  folgen- 
dem Schema  übersichtlich  darstellen: 

•ad  IJegt  für  das  ElrgebniB  Solidität  und  Kon- 
krepanz  vor,  so  ist  das  Ergebnis  stete  anch  adaqnat; 

b)  Liegt  Solidität  nnd  Diskrepanz  vor,  so  ist 
das  Ergebnis  meistens  inadäquat;  aosnahmsweise  ist  es 
trotzdem,  gewissermaßen  zufällig,  adäquat,  wenn  entweder 
mehrere  Fehler  in  den  Denkakten  vorliegen,  die  sich  gegen- 
seitig ausgleichen,  oder  nicht-verwertete  Omndlagen  vor- 
banden sind,  die  zur  Ausgleichung  der  Fehler  in  den  Denk- 
akten ausreichen  (hierher  gehört  z.  B.  die  zufällige  Bichtig- 
keit voreiliger  Verallgemeinerungen  und  Analogieschlüsse, 
TgL  &  4,  Anm.  2;  283,  Anm.  14;  424fr.); 

c)  Liegt  Insolidität  und  Konkrepanz  des  Er- 
gebnissee vor,  so  ist  letzteres  gleichfalls  im  allgemeinen  in- 
adäquat; wiederum  aber  kann  es  ansnahmsweise  adäquat 
sein,  wenn  die  verwerteten  unrichtigen  Gmndli^en  im  Ver- 
lauf der  Denkakte  wieder  ausgeschaltet  worden  sind,  ihre 
Verwertung  also  nur  scheinbar  war,  nnd  anderweitige, 
oicht-verwertetc  richtige  Grundlagen  für  das  Ergebnis  vor- 
handen sind; 

d)  Liegt  Insolidität  und  Diskrepanz  des  Er- 
gebnisses vor,  so  ist  es  erst  recht  im  allgemeinen  inadäquat; 
aoBDahmsweise  ist  es  wiederum  adäquat,  wenn  entweder  die 
unter  c  angeführte  Auniahmebedingung  und  zugleich  eine 
der  beiden  unter  b  angeführten  Ausnahmebedingnngen  vor- 
liegt oder  die  Denkfehler  sich  zufällig  mit  den  Unrichtig- 
keiten der  Grundlagen  ausgleichen. 

S  88.  Die  Bichtigkeit  der  Denkafcte.  Die  Logik  hat  es 
nach  unsrer  Definition  nur  mit  der  formalen  Bichtigkeit 
der  Denkergebnisse  zu  tun.  Man  kann  diese  daher  anch 
Seradezn  als  „logische"  Bichtigkeit  bezeichnen.  Die 
I«gik  hat  nunmehr  auf  Grund  der  vorausgegangenen  Fest- 
stelinngen  und  Unterscheidungen  zunächst  die  Frage  auf- 
znwerfen,  ob  es  für  diese  logische  Bichtigkeit  oder  Konkre- 


.oogic 


422  I"'  ^^'''     Autochtbone  Qnindlesuns  der  Li^ik. 

panz  ein  allgemeines  Kriterium  gibt,  welches  gestattet,  oboe 
EinzelantereachTing  aller  Denkprozesae,  welche  ein  Denk- 
ergebnis V  Zustande  gebracht  haben,  lediglich  auf  Grand 
der  BcBchaflenheit  des  Denkergebnisses  selbst  zu  entschei- 
den, ob  ee  konkrepant  ist,  d.  h.  aus  richtigen  Denkproaesden 
hervorgegangen  ist.  Auch  hierauf  hat  die  erkenntnistheore- 
tische Grundlegung  bereits  geantwortet  (%  61,  S.  287  ff.).  Es 
hat  sich  ergeben,  daS  nnter  den  verschiedenen  Kriterien, 
welche  man  aufzastellea  versucht  hat,  höchstens  die  sog- 
Kongruenz,  d.  h.  die  innere  Widerspmchslosigkeit  in  Be- 
tracht  kommen  könnte,  und  daß  auch  dieses  Kriterinin 
erstens  nur  negative  Bedeutung  hat  und  zweitens  für  die 
fundale  Richigkeit  ebenso  gilt  wie  für  die  formale.  Kon- 
gmenz,  d.  h.  das  Fehlen  einea  manifesten  Widersprachs  in 
4!)nem  Denkergebnis,  beweist  nichts  für  seine  fundale  nnd 
nicht«  für  seine  formale  Richtigkeit  (und  also  erst  recht 
nichts  für  die  Verbindung  beider,  die  Adäquatheit),  nnd 
Disgnienz  weist  allerdings  mit  Sicherheit  auf  Inadäqaatheit 
hin,  laJJt  aber  offen,  ob  letztere  auf  fundaler  oder  auf  for- 
maler Unrichtigkeit  beruht  (S.  289  ff.). 

An  diesen  Feststellungen  ändert  sich  auch  nichts  wesent- 
liches, wenn  wir  die  innere  Widerspmchslosigkeit  etwas 
weiter  fassen  nnd  nicht  auf  das  Fehlen  eines  man  i festen 
Widerspruchs  einschränken.  Ich  kann  in  der  Tat  durch  ein- 
fache logische  Operationen  sehr  oft  einen  latenten  inneren 
Wider^ruch  manifest  machen,  z.  B.  ein  kongruent  scheinen- 
des Denkergebnis  durch  Zerlegung  oder  Ziehen  von  Folge- 
rungen ad  absardum  führen.  Indes  wird  damit  allerdings 
das  Kriterium  verschärft,  so  daß  ich  öfter  mit  seiner  Hilfe 
Inadäquatheit  nachweisen  kann,  aber  die  prinzipielle  Be- 
grenztheit seiner  Bedeutung  wird  dadurch  nicht  beseitigt 
Auch  die  latente  Disgmenz  bewieist  immer  norlnadäqnatbeit, 
zeigt  aber  nicht,  ob  sie  fnndal  oder  formal  bedingt  ist,  nnd 
das  Fehlen  der  latenten  Disgruenz  erlaubt  keinen  SchlnB 
auf  formale  oder  fundale  Richtigkeit  '  Ein  diskrepantes, 
d.  h.  durch  unrichtige  Denkakte  zustande  gekommenes  Denk- 
ergebnis braucht  also  durchaus  nicht  —  um  weiterhin  nur 
die  formte  Richtigkeit  in  Betracht  zu  ziehen  —  diee  un- 
richtige Zustandekommen  durch  eine  manifeste  oder  latente 
Disgmenz  zn  verraten. 

Somit  bleibt  als  einziges  positives  und  eindeutiges  Mit- 
tel, um    die    formale  Richtigkeit  bzw.  Unrichtigkeit  eines 

„.,,„,^.oogic 


lU.  Teil.     Aulocbthone  Grundlegum:  der  Logik.  423 

Denke^ebnisees  nachzuweiseQ,  nnr  die  Nachprüfung  aller 
einzelnen  Denkakte,  welche  za  dexa  bezüglichen  Ergebnis 
geehrt  haben. 

Daipit  sieht  sich  aber  die  Logik  vor  die  weitere  Frage 
gestellt,  worin  denn  die  formale  Biehtigkeit  der 
beteiligten  Denkakte  selbst  besteht.  Am  näch- 
sten scheint  die  Antwort  zu  liegen,  daß  die  Denkakte  bei  der 
Mehrzahl  der  normalen  Menschen  nach  bestimmten  Gesetzen 
ablaufen  und  die  Biehtigkeit  der  Denkakte  in  der  Uherein- 
stinunnng  mit  diesen  Gesetzen  des  Denkens  besteht.  Indes 
diese  Antwort  hat  sich  bereits  als  falsch  erwiesen.  Das 
Denken  führt  auch  hei  der  Mehrzahl  der  normalen  Men- 
schen trotz  seines  gesetzmäßigen  Verlaufs  sehr  oft  zu  for- 
mal unrichtigen  fh-gebnissen  oder  —  mit  anderen  Worten  — 
ist  selbst  nicht  selten  unrichtig.  Die  psychologischen  Ge- 
setze genügen  für  die  Logik  nicht,  letztere  verlaugt  nach 
den  Kennzeichen  des  richtigen  Denkens.  Es  fragt  sich 
also,  ob  die  Psycholog  auch  imstande  ist  —  ganz  unab- 
hängig von  den  Gesetzen  des  tatsächlichen  Denkens  — ,  uns 
ein  oder  mehrere  solche  Kriterien  nachzuweisen.  Tatsächlich 
iet  dies  der  FaJl.  Jeder  Nachweis  einer  Unrichtigkeit  in  den 
an  einem  Denkergehnis  beteiligt  gewesenen  Denkakten  läuft 
nämlich  schließlich  darauf  hinaus,  daß  nachgewiesen  wird, 
daB  irgendeine  Vorstelliaig  A  im  Lauf  der  bezüglichen  Denk- 
akte einmal  so  verwertet  worden  ist,  als  hätte  sie  einen  ab- 
weichenden Inhalt  (vgl.  S.  273  u.  355)  A',  also  fälschlich  als 
mit  A'  gleich  gesetzt  und  behandelt  wird.  Im  gröbsten 
F&U  wird  geradezu  der  Vorstellung  A,  die  sich  beispiels- 
weise aus  den  Teilvorstellungen  ai,  &t  und  a^  zusammensetzt 

(A  =  ai  Oa  a„  vgl.  S.  321)  eine  Vorstellung  A'  untergeschoben, 
welche    die    Teilvorstellungen    ai,    non — ^ ')    und    aj    hat 

tl'=ai  non  —  a^  aj).  Sehr  viel  häufiger  handelt  es  sieh 
nur  darum,  daß  für  A  eine  ähnliche  Vorstellung  (also 
nicht  gerade  eine  ganz  oder  partiell  entgegengesetzte)  ein- 
gesetzt wird,  z.  B.  an  Stell«  von  A^aia^iaj  etwa  ein 
A'=aia»a„  wo  ai  von  a»  mehr  oder  weniger  verschieden  ist  , 

')  ,A  liat  die  TeilvorsteUung  n^-a"  soll  hier  und  im  lllctotfol senden 
Meuten  enlens,  dofi  dem  A  die  Teilvoratellung  a  nicht  zugesprochen,  und 
nälens,  daB  sie  dem  A  ausdrücUich  als  nicht  zu  ihm  gehörig  abgesproches 
»iri  Vgl.  auch  S.  430,  54«  u,  717. 


L_. 


424  in.  Tal.     Autochthone  GrundleBuns  der  hegÜL. 

(tit  A  a«)  *),  oder  ein  A'  =  ai  aj  ai  a«,  wo  Os  ein  neues,  in  Ä 
nicht  enthaltenes  Merkmal  bezeichnet.  Die  sog.  Qaatemio 
terminomm,  ein  logischer  Fehler,  der  in  der  Verwendong 
eines  Terminns  in  doppelter  Bedeninng  besteht  nnd  im 
speziellen  Teil  ausführlich  zu  behandeln  sein  wird,  kann 
daher  ^radeza  als  einfachstes  Paradigma  für  alle  ünricb- 
tigkeiten  der  Denkakte  überhaupt  gelten*).  Daß  die  Denk- 
unrichtigkeiten ausnahmslos  auf  solchen  Unterschiebungen 
beruhen,  wird  sich  im  einzelnen  erst  bei  der  Untersuchung 
der  speziellen  logischen  Denkakte  ei^eben.  Hier  mufi  das 
Resultat  vorweggenommen  werden. 

Die  eben  charakterisierte,  die  Unrichtigkeiten  der  Denk- 
ukte)  allgemein'  kennzeichnende  Unterschiebung  soll  kurz 
im  prägnanten  Sinn  als  VorstellnngSTer- 
wechsluDg  oder  als  Alienation*)  bezeichnet  werden- 
Nur  ganz  vorläufig  mögen  die  folgenden,  absichtlich 
sehr  grob  gewählten  Beispiele  dieses  allgemeine  Kriterinm 
der  unrichtigen  Denkakte  veranschaulichen: 

Wenn  ich  bei  der  Bildung  des  Begriffs  „Typhus" 
die  Temperatursteigerung  (schlechthin,  d.  h.  ohne  einschrän- 
kbnden  Zusatz)  unter  seine  Merkmale  und  damit  in  seine 
sog.  Definition  aufnehme,  obwohl  mir  einzelne  TyphuBfälle 
ohne  Temperatursteigerung  bekannt  sind"),  so  ist  diese  Be- 
griffsbildung formal  unrichtig,  weil  sie  mit  einem  unrich- 


^)  ,A  hat  die  TeUvoTsteUung  a,  A^^"  bedeutet  (im  Gegensatz  zu  „A- 
hat  die  Teilvoistelluns  uoo  —  &t,  S.  i23,  Anin.  1),  daß  A  die  von  &,  iifeiid- 
wie  verschiedene  TeüvorsteUung  a^  hat,  ohne  daß  &,  dei  Vorstellung  A  gerade 
ganz  und  gar  mit  Bestimmtheit  abgesprochen  wira.  Die  exaktere  Fonmi- 
lierung  kann  erst  in  dem  logischen  SpeziaJabschnitt  entwickelt  werden.  Das 
Zeichen  A  zwischen  zwei  Buchstaben  bedeutet  stets  „verschieden  vod"i 
Ober  dasselbe  Zeichen  oberhalb  zweier  Buchetaben  siehe  S.  323. 

')  Die  Zugehörigkeit  des  falschen  Analogieschlusses  zur  Quaternio  tet- 
minonun  hebt  auch  Erdmann  hervor  (Logik,  Bd.  1,  2.  Aufl.  1807,  S.  78^ 
Ein  Unterschied  besteht  insotem,  als  bei  der  Quaternio  terminorum  der 
Urteilende  niemals  —  von  fingierten  Schlüssen  abgesehen  —  weiß,  daß  nur 
Ahnlichkeil  vorliegt    Siehe  auch  S.  iäö  u.  §  iBi. 

*)  Man  denke  etwa  auch  an  das  inc»dotay  in  Piatos  Tbeaetet. 

>)  Bitte  ich  solche  fieberlosen  TyphusfAlle  zufällig  nie  beobachtet  und 
atich  nie  von  ihnen  gehört,  so  wäre  meine  Definition  des  TTPhua  als  einer 
fiebefhaflen  usw.  Krankheit  logisch  richtig  gewesen,  vorausgesetzt  daß  ich 
sie  auf  die  von  mir  beobachteten  und  zur  Kenntnis  gekommenen  Typhus- 
lälte  bescbrOnkl,  bzw.  eine  Reserve  beztlglich  der  bei  allen lAUgemeinbegriSen 
voiliegenden  Transgression  (S.  335  u.  3€0)  gemacht  bitte  CatudiO^Iidi  odK 
slillschweigend). ' 


ih,Googlc 


UI.  TeiL     Autochthone  GrundlegunB  der  Logik.  425 

ügen  Denkakt  behaftet  ist,  und  die  Unrichtigkeit  des  Denk- 
pnaeesee  besteht  darin,  dafl  ich  die  fleberlosen  Fälle  in 
meiner  Definition  ala  fieberhafte  behandele.  Es  liegt  also 
eine  AUenation  in  dem  besprochenen  Sinn  tot. 

Als  zweites  Beispiel  mag  der  folgende  Sehlnfi  angeführt 
verdeD : 

I  Alle  Fische   haben  Wirbelsäule   und  Flossen   und 

kaltes  Blut; 
H.  die  Wale  haben  Wirbelsäule  und  Flossen; 

m.  also  haben  die  Wale  kaltes  Blut  und  also  sind  die 
Wale  Fische. 
Auch  hier  ist  die  AUenation  offenkundig.  Aus  der  Ähnlich- 
keit zwischen  Fischen  und  Walen  wird  eine  Gleichheit  ge- 
macht 

Es  leuchtet  eiD,  daB  ein  solcher  formal  unrichtiger,  auf  Alienation  Uin- 
üctier  Vontellungen  beruhender  SchluS  dem  erlaubteo  und  praktisch  äuBerst 
«Kbtigen  .j^naloBieschluB"  (vgl.  das  Kapitel  Oher  den  SchluB  im  IV.  Teil) 
Kbr  nabe  steht  Ein  wesentlicher  Unterschied  liegt  ahef  darin,  daB  der 
licblice  AnalogieschluS  stets  die  Folsenmg  ausdrücklich  nur  mit  einer  ge- 
vineo  (oft  sehr  kleinen)  Wahrscheinlichkeit  zieht,  sich  also  des  l)eschrILnken~ 
den  EinOusses  d&r  bloBen  Ähnlichkeit  bewußt  ist  und  diese  Einsiebt  in  der 
Polgening  zum  Ausdruck  bringt.     Bei  der  Alienation  fehlt  diese  Einsicht 

Dies  zweite  Beispiel  zeigt  einstweilen  auch  schon  deut- 
lich, daS  die  Sprache  uns  oft  geradezu  zu  solchen  Fehl- 
schlässen  verführt.  Die  Wörter  sind  oft  auf  Grund  von 
Ähnlichkeiten  gebildet  worden  („Walfisch")  und  verleiten 
uns  daher  jetzt  fortgesetzt  zu  Gleichsetzungen.  Ebenso 
fällt  durch  solche  Beispiele  schon  jetzt  etwas  mehr  Licht 
anf  die  gefährliche  Doppeldeutigkeit  der  Kopnla.  Das 
Wörtchen  „ist"  („sind")  bedeutet  sowohl:  „ist  in  ganzer  Äns- 
dehnung  identisch  mit  dem  Merkmalkomplex  .  .  ."  als  auch: 
Jiat  anter  anderem  das  Merkmal .  .  ."  wie  auch  „ist  gehörig 
m ,  .  ."  (=  jjiat  die  Gatttmgsmerkmale  .  .  .") ').  Wir  sind 
Qim  gewöhnt,  dasselbe  auch  dann  anzuwenden,  wenn  es  nur 
nn  zweiten  oder  dritten  Sinne  zutrifft,  und  gelangen  dadurch 
2Q  schweren  Alienationen,  wie  der  folgende  Fehlschluß  zeigt: 
Fische  sind  kaltblütig, 
Krebse  sind  kaltblütig, 
also  sind  die  Krebse  Fische. 

*)  Der  zweite  und  dritte  Fall  fallen  zusammen,  wenn  man  Sich  auf 
te  «Ater  zu  besprechenden  Standpunkt  stellt,  daB  „ein  Hert:mal  a  haben"  - 
miel  bedeutet  wie:  „zu  d^  Gattung  der  Gegenstände  mit  dem  Merkmal  a 
leli6t*n".    Vgl  &  4M. 


tY^IC 


426  HI.  Teil.     Autochthooe  Grundlcffting  der  Logik. 

Das  folgende  Beispiel  zeigt  die  AHenation  bei  einer 
typiecfaen  Qnaternio  termiaoram : 

Alle  Vortellnngen  haben  einen  Gegenstand, 
alle  Gegenstände  sind  ränmliclie  Gebilde, 
also  haben  alle  Vorstellungen  rämnliche  Gebilde  zu 
Gegenstanden. 
In  diesem  Fall   verführt  die  Doppeldent^keit   des  Worts    . 
„Gegenstand"  zu  der  Alienation. 

Schematisch  lassen  sich  solche  Alienationen  stets  aof 
eine  Formel  bringen  wie: 
also  B  =A, 
A'  =  C, 

B  =C  (Unterschiebung  von  A'  für  A). 
Dabei  ist  vorausgesetzt,  daß  die  Gleichsetzmigen  B  =  A 
und  A';=;C  material  richtig  sind.  Sind  schon  diese  Vorder- 
sätze material  unrichtig,  so  wird  das  Denkergebnis  fnndal 
unrichtig  (vgl.  S.  420). 

Man  beachte  aucb,  daB  in  dea  angefflhrtea  Beispielen  Disgruens,  d.  b. 
ein  innerer  Widerspnicb  innerbaib  des  tenninalen  Denkergebaisses  (im  Sinn 
der  Erörtening  S.  286  u.  290)  in  diesem  selbst  ebenso  wie  in  den  einieliien 
fundierenden  Denkergebnissen  (B=^^A.  A'  =  C)  vorhanden  sein  kann 
—  manifest  oder  latent  — ,  aber  nicht  vorhanden  sein  muß. 

Im  Einzelnen  ist  bezüglich  dieser  Alienation  noch  fol- 
gendes zu  bemerken  (immer  vorbehaltlich  der  Ausführungen 
in  den  logischen  Spezialabschnitten) : 

1.  Die  Alienation  betrifft  zunächst  nur  den  einzelnen 
Denkakt  (im  Zugleich),  erstreckt  sich  aber  in  ihren  die  Ad- 
äquatheit des  Denkens  gefährdenden  Wirkungen  weit  über 
den  momentanen  Denkakt  hinaus  (auf  das  Nacheinander  des 
Denkens).  In  diesem  Sinne  kann  man  von  primärer  nnd  se- 
kundärer Alienation  sprechen. 

2.  Jede  primäre  Alienation  beruht  auf  einem  Fehlakt 
iinerer  komparativen  Funktion.  Sie  kann  stets  symbolisch 
ausgedrückt  werden  durch 

a=^a'  oder  A  =  A'  oder  abc  =  a'bc, 
wo  der  beigefügte  Strich  eine  Abweichung  (Verschiedenheit) 
gegenüber  dem  durch  den  Buchstaben  ohne  Strich  bezeich- 
neten Inhalt  bedeutet  (also  z.  B.  a'  A  a)  und  die  Symbole  im 
übrigen  die  S.  318,  Anm.  6  festgesetzte  Bedeutung  haben. 
Auch  ist  vorausgesetzt,  dafi  eine  materiale  Grundlage  für 
die  Gleichsetzung  fehlt.  Besonders  häufig  wird  es  zu  Aliens- 

„.,,„,^.oogic 


III.  Teil.     Aulochtbone  Gmodlesuiiii  der  Iäbüc.  427 

-tionen  kommeu,  wenn  die  Teilvorstelhmifen  von  A  und  A' 
nicht  explizit  gpegeben  sind,  sondern  nur  implizit  i  n  A  und  A'. 

3.  Für  die  analytische  nnd  die  synthetische  Tätigkeit  «r- 
geben  sich  die  Siwzialf alle ') 

abc  -*"a'  (iBolation  von  a'  statt  a  aus  a  b  e) 
und  a,  b,  c-*-a'  b  c  (Synthese  aus  a',  b  und  e  statt  aus  a,  b  und  c). 
Es  leuchtet  ein,  daS  anch  hier  ein  Fehlakt  der  Vergleichnngs- 
fnnktion  —  fälschliche  Gleichfiotzung  von  a  und  a'  —  füi*  die 
Alienation  verantwortlich  ist.  Als  formal  ist  die  Aliena- 
tion  auch  hier  zu  bezeichnen,  da  Ich  voraussetzungsgemäß 
(b,  0.)  nicht  etwa  in  der  Erinnerung  fälschlich  a  in  a'  ver- 
wandelt habe,  sondern  trotz  normaler  Erinnerniig  a  und  a' 
gleichsetze;  es  wird  also  auch  in  diesen  Spezialfällen  aus- 
drücklich angenommen,  daß  bezüglich  der  materialen  (Grund- 
lagen a,  b  und  c  nicht  gestört  sind. 

4.  Die  besprochenen  Alienationen  gelten  zunächst  für  die 
Vorstellungen  als  solche,  dann  aber  auch  für  ihre  Bezie- 
hungen auf  Gegenstände.  Die Gleichsetznng  von  aunda'. 
voQ  A  und  A'  ist  zunächst  als  solche  unzulässig,  gerade  weil 
sie  in  den  Gegenständen  nicht  begründet  ist.  Meistens  tritt 
Ulm  aber  in  unserem  Denken  eine  Beziehung  auf  Gegenstände 
hinzu,  und  dann  ergibt  sich  als  unausweichliche  Folge  aus 
den  beschriebenen  Alienationen,  daß 

entweder  einem  und  demselben  Gegenstand  a  ohne  mate- 
riale  Grundlage  zwei  verschiedene  Vorstellungen  A  und  A' 

bzw.  abc  und  a'  b  c  bzw.  a  ond  a'  (Merkmale)  bzw.  W  und  W 
(Gattungen,  vgl.  unten  Anm.  7)  zugeordnet  werden, 

oder  daß  zwei  verschiedenen  Gegenständen  o  und  a'  ohne 
materiale  Grundlage  eine  und  dieselbe  Vorstellung  A  zuge- 
ordnet wird. 

So  kann  die  Alienation  von  blau  und  violett  zur  Folge 
haben,  daß  ich  dem  Veilchen  sowohl  die  blaue  wie  die  vio- 
lette Farbe  zuschreibe,  und  ehenso  die  Alienation  von  Neid 


')  Ein  dritter  Spezialfall  ersibt  sich,  wenn  toan  die  Unterordnung  unter 
^e  GattuDE  besonders  berück sicbtigt.  Forroel:  abc  C  a'b  (vgl.  S.  3^  u. 
S  lOl :  c  bedeutet  Unterordnung).  Es  ist  jedoch  offenbar  dieser  Fall  scbon  in 
da  Formel  abc  -*-  a'  enthalten,  da  diese  letztere  auch  dahin  interpretiert 
^ttdenkaDn:  abc  gehört  zur  Gattung  der  Gegenstände  (Dinge)  mit  dem 
«Oku«]  a'  (ytl.  9.  4S6.  AnnL  6  u.  *M). 

h.  !■,  II,  l^.OO^IC 


428  ^-  "^^'^      Autochthone  Gnindletune  der  Logik. 

and  Mißgunst,  daß  ich  einen  und  denselben  Tatbestand  so- 
wohl als  Neid  wie  als  Mißgunst  deute.  Mao  bemerkt  auch  so- 
fort, daß  wir  bald  trotz  richtig  ungleicher  sprachlicher  Be- 
zeichnung, bald  verführt  durch  fälschlich  gleiche  sprachliche 
Bezeichnung  sn  Alienationen  gelangen. 

Jedenfalls  büßen  unsere  Vorstellungen  in- 
folge dieser  Wirkung  der  Alienationen  ihre 
konstante  Gegenstandsbeziehung  vollkoDi> 
men  ein. 

Psychologisch  ist  das  häufige  Vorkommen  tou  Aliena- 
tionen leicht  verständlich.  Abgesehen  nämlich  von  den  mate- 
rial  bedingten  Verwechslungen,  welche  auf  dem  Undeutlich- 
werden  (Vergessen)  und  anderen  Entsteliungen  der  primären 
Erinnerungsbilder  und  weiterhin  auch  der  aus  diesen  her- 
vorgegangenen sekundären  Vorstellungen  (^'gl.  S.  281)  be- 
ruhen, ist  unser  Benken  selbst  durch  seine  eigenen  Gesetze 
in  mannigfacher  Weise  zu  Verwechslangen  (Alienationen  im 
logischen  Sinn)  geradezu  prädisponiert  unsere  Ideenafiso- 
ziation  (vgl.,  ^  73)  reproduziert  sowohl  simultan  —  bei  der 
Bildung  abgeleiteter,  z.  B.  znsanmiengesetzter  Vorstellon- 
geo  —  wie  auch  sokzesedv  —  z,  B.  hei  der  Bildung  von  Ut- 
teileq  —  die  einzelnen  Vorstellungen  in  einer  Auswahl  bzw. 
Keihenfolge,  welche  nicht  einfach  von  dem  Inhalt  der  Vor- 
stellungen, sondern  von  mehreren  Faktoren  (Kontiguitat, 
Gefühlfiton  und  Konstellation)  bestimmt  wird,  die  oft  als 
subjektiv  und  zufällig  zn  bezeichnen  sind,  wie  jedes  Beispiel 
einer  disparaten  Vorstellungsfolge  zeigt  (vgl.  S.  363).  Gün- 
stigsten Falles  führen  die  Assoziationsgesetze  wenigstens 
zwei  solche  Vorstellungen  zusammen,  die  einander  vermöge 
der  Gemeinsamkeit  von  Partialvorstellungen  ähnlich  sind"). 
Zwischen  diesen  sehr  mannigfaltigen  von  der  Ideenassozia- 
tion  uns  gelieferten  Vorstellungen  stellen  nun  die  Differen- 
zierungsfunktionen  *)  (vgl.  S.  375)  Beziehungen  her,  und  ge- 
rade hierbei  erfolgen  die  in  Bede  stehenden  Alienationen. 
unsere  DifFerenziemngsfunktionen  arbeiten  eben  nicht  mit 
absoluter  Genauigkeit,  insbesondere  hat  die  komparative 
Funktion  —  wie  ja  auch  jede  Empfindungsschätzung  be- 
weist —  ihre  Schwelle,  unterhalb  deren  sie  dem  Irrtnm 


•)  Vgl.  Leitf.  d.  physiol.  Psycholofie,  m  Aufl.  Jen»  191*  S.  SIL 
>)  Entsprechend  den  Parallelkomponenten  der  beteUigtea  RindemeUea. 


OSJC 


m.  Teil.     Autocbthone  Gnindl^unB  der  Logik.  429 

aoBgesetzt  ist  Es  läßt  sich  auch  leicht  zeigen,  dafi  die  Lage 
dieser  SchweUe  unter  den  Terschiedensten  Einflüssen  —  Auf- 
merksamkeit, Begabung  nsf.  —  sehr  schwankt  und  oft  sehr 
liocb  liegt.  Auch  anseT  Denken  ist  also  in  keiner  Weise 
fehlerfret  Wie  S.  426  gezeigt  wxirde,  entspricht  jeder  der  drei 
Dilferenzierangsfunktionen  eine  besondere  Gnmdklasse  der 
Alienationen,  jedoch  in  der  Weise,  daß  die  entscheidende 
Bolle  bei  der  Alienation  in  allen  drei  Grundklassen  gerade 
der  Ve^Ieichnngsfnnktion  zufällt  Man  erinnere  sich  dabei 
aDch  der  grundlegenden  Bedeutung,  welche  die  letztere-  für 
das  Urteil  hat  (8.  369  ff-,  375  und  388). 

Die  synthetische  und  die  analytische  Funktion  veriiatten  sich  sleich- 
fallt  nicht  gaaz  sleichm&fiig  mit  Bezus  auf  das  VoitommeD  von  Alienationen. 
Hudelt  es  sich  um  die  eistere  und  zwar  um  den  einfachen  Fall  der  Bildung 
einer  KomplexionsroTsteüung  K,  so  kann  eine  Diskrepanz  nur  dadurch  zu- 
stande kommen,  daS  die  Teile  bzw.  Ueikmale,  die  in  die  Komplexions- 
vofstelhms  eingehen,  oder  ihre  Relationen  nicht  unverändert  aufgenommen 
Verden  bzw.    trotz  stattgehabter   Verindenins   als  unver&ndert    betrachtet 

werden  (^.  a,b,c^^a'bc,  S.  427).  Handelt  es  sich  dagegen  um  die 
analytische  Funktion,  so  entstehen  Diskrepanzen  dadurch,  daB  Teile  bzw. 
Merkmale,  die  in  der  zusammengesetzten  Vorstellung  enthalten  sind,  oder 
ihre  Relationen  bei  der  Analyse  infolge  von  Alienation  falsch  wiedergegeben 

werden  {abc-^a',  S.  427).  Es  ist  begreiflich  und  scheint  durch  die  Er- 
fahrung bestätigt  zu  werden,  daS  die  letztere  Gefahr  —  Alienation  bei 
Analyse  —  im  allgemeinen  noch  großer  ist  als  die  ers^enannte  —  Alienation 
bei  Synthese. 

Als  Ergebnis  dieser  ganzen  Erörterung  stellen  wir  vor- 
länfig  nur  fest,  dafi  die  logische  Richtigkeit  (Kon- 
krepanz)  mit  der  Abwesenheit  voa  Aliena- 
tionen zusaminenf  ällt. 

§  87.  Das  signomenoIosiBehe  Identitätsgesetz  und  das 
Ic^isehe  Identitätsprinzip;  die  NormalTorstellnngen  oder  Be- 
griffe. Das  Kennzeichen  des  konkrepanten  Denkens,  welches 
soeben  festgestellt  wurde,  führt  uns  anf  ein  für  die  gesamte 
lx>gik  grundlegendes  Prinzip,  wie  die  folgende  Überlegung 
alsbald  zeigen  wird.  Das  gewöhnliche  tatsächliche  Denken 
scheint  nach  den  bisberigeu  Erwägungen  bezüglich  Bichtig- 
keit  -and  Falschheit  nahezu  vogelfrei,  indem  es  den  mannig- 
fachsten Alienationen  preisgegeben  ist.  Demgegenüber  muß 
BOD  festgestellt  werden,  dafi  doch  eine  absolute  Schranke 
för  unser  tatsäcblicheB  Denken  existiert,  welche  wenigstens 


430  UI.  Teil.     Autochlhonu  Grundlegung  der  Logik. 

im  Zugleich,  d.  h.  im  Denken  eines  Augenblicks'),  uns  vor 
beetinunten  Alienationsgefabren ')  schützt.  Im  Zugleich  ist 
es  nämlich  absolut  unmöglich,  a  (bzw.  Ä)  zu  denken  und  zu- 
gleich nicht  zu  denken.  In  die&em  Sinn  ist  unser  Denken 
„eindeutig  positiv  bestimm t".  Dagegen  ist  es 
selbstverständlich  wohl  möglich,  zugleich  a  (bzw.  A)  and 
nicht-a  (bzw.oicht-A)  zu  denken»).  Beides  gilt  sowohl  von  den 
Vorstellungen  als  solchen  (absolnt  genommen)  wie  von  den 
Vorstellnugen  mit  Bezug  auf  ihren  Gegenstand  (a). 

So  taan  luli  bomtiiels weise  sehr  wohl  im  Zugleich  weiB  and  aüfi  (a  and  b| 
denken,  wo  süß  uin  nicht- weiß  (ein  Don— »)*)  ist,  und  ee  hiudert  mi^'b 
auch  nichts,  diese  beiden  Heikmale  mit  Bezug  auf  einen  und  denselben 
Gegenstand,  etwa  ein  Zuckerattlck,  zu  denken.  Ich  bin  dabei  ancfa  duichdus 
nicht  etwa  gezwungen,  süß  und  weiß  in  verschiedenen  Teilen,  räumlieben 
oder  zeitlichen,  des  Gegenstandes  zu  denken;  ich  kann  mir  sogar  zwei  ver- 
schiedene Farben,  sogar  zwei  sog.  konlrftre  Farben  nicht  nur  zugleich  in 
einem  Gegenstand  vorstellen,  sondern  sogar,  wenigstens  ohne  1  o  g  i  sehen 
Widerspruch,  in  demselben  Teil  des  Gegenstandes  zugleich  vorstellen*). 

Man  muß  nur  schart  auseinanderhalten,  daß  die  Neg»- 
tion  „nicht"  sich  entweder  auf  das  Denken  (den  Denk- 
akt),  genauer  gesagt,  auf  den  gesamten  Denk  in  halt 
oder  auf  einen  Teil  desselben  bezieht  (vgl.  Anm. 3).  Wenn 
ich  von  „a  nicht  denken"  spreche,  wird  gesagt,  daß  alles 
in  dem  bezüglichen  Augenblick  von  mir  Gedachte  nicht  a 
ist,  d,  h.  von  a  verschieden  ist;  wenn  ich  dagegen  vou 
„non  —  a  denken"  spreche,  wird  nur  gesagt,  daß  wenigsteui 
ein  Teil  des  in  dem  l)czUgIichGn  Augenblick  von  mir  Ge- 
dachten nicht  a  ist,  d.  h.  von  a  verschieden  ist.  Nur  wenn 
ein  non-a  als  Gesamtinhalt  eines  Augenblicks  gedaclit 
wird,  fällt  „nicht  a  denken"  und  „non — a  denken"  sachlieli 

*-)  E>ie  ZeitgröBe  „Augcnbhck",  die  hier  und  an  anderen  Stellen  ver- 
wertet wird,  bedeutet  allenthalben  diejenige  Zeit,  welche  ein  einzelner  Denk- 
akt in  Anspruch  nimmt,  ist  a,lso  keineswegs  eine  konstante  GröBe.  Sie 
entspricht  dem  „Zugleich"  unsrer  Auseinanderselzung. 

')  Man  beachte  Iflr  das  folgende,  daB  die  Empf  i  ndungsverwechs- 
lungcn  nicht  zu  den  Alienationen  gehören.     Siehe  auch  S.  450. 

'•)  Nicht-a  bedeutet  hier  abweichend  von  S.  430  nur  „vefschieden  von  a". 

')  Um  Verwechslungen  vorzubeugen,  ersetze  ich  weiterhin  das  „nicht" 
nur  dann,  wenn  es  sich  nicht  auf  den  Denkakt  in  iolo,  also  aul  den  Tolal- 
inhalt,  sondern  auf  eines  Teil  inhalt  bezieht,  durch  „non"  mit  Bindestrich. 
Dabei  ist  nur  daran  zu  erinnern,  daß  der  Akt  nichl  eine  geheimnisvolle 
Tätigkeit  gegenüber  dem  Inhalt  bedeutet,  sondern  in  dem  S.  355  besprochenen 
Sinn  mit  der  gesamten  Vorstellung  identisch  ist,  von  welcher  der  Inhalt  eine 
Eigenschalt  ist 

')  Vgl,  auch  Ghrisloph  Sigwart,  Logik,  a  Aufl.  1888,  l.  Teil,  S.  173. 

„.,.,„.i..oo^sic 


III.  Teil.     .4.uloctathoDe  GruncUetnine  der  Logik.  431 

zneanunen,    vorausgesetzt,    daQ    überhaupt    etwas    gedacht 
wml').    Vgl.  auch  §  102  u.  124. 

Man  bat  also  auch  wohl  zu  uDlerscheiden  zwischen  der  Verbicdung 
emiüisch  unvertiäglicher  und  der  Verbindung  loaisch  unverträglicher  Uerk- 
male  in  einer  Vorstellung.  „weiB"  und  „nichtweiB"  sind  nach  meiner  Aui- 
IissuDg  weder  empirisch  noch  logisch  unvertr&gUch.  Logisch  und  empiriscli 
unrartiftglich  sind  nur  „weiB"  und  „überhaupt  nicht  weifi"  (in  keinem  Teil, 
zu  keiner  Zeit  weiß).  Aus  dem  Verbot  der  Verbindung  solcher  Merkmale 
zn  einem  Begrid  bzw.  aus  der  UnmögUchkeit  einer  solchen  Verbindung  ein 
besonderes  F^incipium  consensus  s.  convenientiae  zu  machen  (W.  Tr.  Krug, 
SssL  d.  theor.  PhilosL,  Teü  1,  3.  Aufl.  182&,  §  18,  S.  *7),  erscheint  unnötig, 

Uit  dem  Hauptsatz  —  der  Unmöglichkeit  zugleich  a  zu 
denken  und  nicht  zu  denken  —  hängt  im  Sinn  eines  KoroUar- 
satzes  die  Unmöglichkeit  zusammen  in  einem  Urteil 
zugleich  zn  denken  „Ä  -*-  a"  und  „Ä  nicht  -*-  a"  oder 
,^4  c  W"  und  zugleich  „Ä  nicht  c  W"  (vgl.  über  die  Sym- 
bole S.  427) ").  Denn  aae  dem  Hauptsatz  folgt  die  Unmög- 
lichkeit, zugleich  zu  denken  „Ä -^a"  und  nicht  zu  denkeu 
„k ->- a" ;  letzteres  bedeutet  aber,  wenn  überhaupt 
zwischen  A  und  a  die  analytische  Denkfnnk- 
tion  wirksam  ist,  offenbar  dasselbe  wie  „Ä  nicht -*-a". 
VgL  hierüber  auch  den  spateren  Abschnitt  über  das  Princi- 
pinm  exclnsi  tertü  und  das  Principitun  contradictionis  und 
den  disjunktiven  Charakter  der  Yergleichimgsfunktion  bei 
der  TJrteilstätigkeit. 

Dagegen  können  wir  wohl  denken,  daß  a  vielleicht  =  b,  viel- 
leicht aber  auch  /\  b  isl,  worüber  die  Urteilalehre  zu  vergleichen  ist 
{siehe  vorl&ufig  auch  S.  384). 

Mit  diesem  Verhalten  unseres  I>enkens  stimmt  nun  das 
allgemeine  Verhalten  aller  Gignomene  durchaus  über- 
ein. Auch  im  Gegebenen  eines  Augenblicks  kann  neben  u 
ein  non  —  a  und  können  neben  a  auch  viele  non  —  a's,  z.  B. 
b,  c  und  d  gegeben  sein,  aber  unmöglich  ist  es,  daQ  a  im 
Zugleich  gegeben  ist  und  nicht  gegeben  ist.  a  und  non — a 
sind  im  Zugleich  verträglich,  nicht  aber  Gegebensein  von.  a 
and  Nichtgegebensein  von  a.  Auch  hier  hat  man  zu  unter- 
scheiden Gegebensein  von  non  —  a  und  Nichtgegebensein 
von  a.    Erstere«  bedeutet,  daß  wenigstens  ein  Teil  des  Ge- 


')  Man  ehnnere  sich  d&bei  der  verschiedenen  Bedeutung  von  a.  und  A 
IS.  318,  Antn.  6).    Hier  kann  tOr  a  auch  A  gesetzt  werden. 

*)  Ein  wicbtigef  Spezialfall  ist  in  der  UnmOgUchkeit  gegeben,  zugletoh 
n  denken  Ae=B  und  AAB. 


jM,Googlc 


432 

gebenen  von  s  -verschieden  ist,  letzteres,  daß  alles  Gegebene 
voD  a  Terschieden  ist. 

Führt  man  die  Annahme  irgendwelcher  beharrender,  z.  B.  rftumhcb 
indlviduaUsierter  Dinge  (Substanzen)  hinzu,  so  selanst  man  zu  weiteren 
folgesfttzen  fdr  das  Gegebene,  z.  B.  zu  dem  Satz,  daß  ein  DiDg  sich  ala 
Ganzes  nicht  zugleich  nach  oben  und  unten  bewegen  kann  usf.  Die  Er- 
örterung dieser  Sätze  fällt  der  Erkenntnistheorie  zu. 

Diese  oben  festgestellte  Eindentigkeit  oder  „Sin- 
gularität" des  psychischen  Oeschehens,  speziell  des  Den- 
kens'), ißt  also  nur  eine  Teilerscheinung  der  allgemeinen 
Eindeutigkeit  oder  SingulECrität  allen  Geschehens,  wie  bereits 
in  der  erkenntnistheoretisohen  Grundlegung  auseinander- 
gesetzt wurde.  Sie  ist  also  in  keiner  Weise  eine  spezielle 
Eigentümlichkeit  des  logisch  richtigen  Denkens,  sondern 
das  oberste  Gesetz  für  alles  Gegebene,  nach  nnsrer  früheren 
Terminologie  ein  „gignomenologisches  Gesetz". 
Die  Eindeutigkeit  des  psychologischen  Geschehens  kann  ge- 
radezu als  Ausdruck  der  Eindeutigkeit  des  physiologischen 
Geschehens  im  Zentralnervensiysteni  gelten.  Man  kann  dies 
allgemeine  Eindeutigkeitsgesetz  auch  durch  die  übliche  For- 
mel a^^a,  das  sog.  Identitätsprinzip  (vgl.  S.  296) 
ausdrücken,  indem  man  unter  a  =  a  versteht,  daß  der  Denk- 
akt  a  als  Totalvorgang')  mit  dem  Voi^ang  A  a  bzir. 
iion  —  a  als  Totalvorgang  in  dem  oben  erörterten  Sinne  im 
Zugleich  unverträglich  ist.  Da  indessen  dies  Identitätsprin- 
zip  bzw.  das  Symbol  für  dasselbe  ,^  =  a"  in  der  Geschichte 
der  Philosophie  sehr  verschiedene  Dentongen  erfahren  bat 
(s.  unten  S.  443),  so  soll  von  der  Verwendung  dieses  Ter- 
minus und  Symbols  hier  abgesehen  werden  und  das  ent- 
wickelte allgemeine  Gesetz  als  „gignomenologisches 
Eindentigkeitsgesetz"  bezeichnet  werden.  In  seiner 
speziellen  Gültigkeit  für  da«  psychologische  bzw.  psycho- 
physiologische Geschehen  mag  es  auch  als  „psychophy* 
siologischcs    Eindentigkeitsgesetz"    oder    noch 

'')  Die  Tatsache,  daß  wir  niemals  zugleich  mehrere  unrerbundene  Vor- 
stellungen in  unserem  Denken  haben  können  und  die  etwa  zugleich  anf- 
tretenden  Vorstellungen  stets  durch  die  Dilferenzierung^unklionen  mit- 
einander verknOpFt  werden  (etwa  fiimlich  wie  zwei  phyäische  GegensUtnde 
niemals  ganz  ohne  Wirkungsgemeinschaft  eziBtieren),  hat  mit  der  oben  be- 
sprochenen Singularität  nur  einen  entfernten  Zusammenhang. 

*)  Uan  beachte,  daS  bei  dieser  Üblichen  Formulierung  a  nicht  die 
spezielle  Bedeutung  wie  in  unserer  Symbolik  hat.  In  der  letzteren  wäre  es 
durch  A  zu  ersetzen. 


n,g,t,7rJM,GOOglC 


Ul.  Teil.     Autochthone  Gnindleguix  der  Logik.  433 

spezieller  mit  Bezug  auf  dag  Denken  als  „Gesetz  der 
Blndeatigkeit  des  DeDkens"  hervorgehoben  werden. 

Das  gignomenologische  und  speziell  das  psychophysio- 
logische  Eindeutigkeitsprinzip  nun  schließt  die  ungünstigen 
Wirkongen  der  Alienationen  nnd  damit  anrichtige  Denkakte 
ond  formal  anrichtige  (diskrepante)  Denkergebnisse  im  Zn- 
gleich  keinecrwegs  aas,  sondern  schränkt  sie  nur  erheblich 
ein.  Wäre  unser  Denken  nicht  in  dem  besprochenen  Sinn 
«indeatig  positiv  bestimmt,  könnten  wir  zugleich  denken 
A-*-a  und  A  nicht -»-a  usf.,  so  würden  die  Alienationen 
anser  Denken  vollständig  seiner  Bichtigkeit  beracben.  Für 
das  Zugleich  ist  unserem  Denken  durch  das  Singnlaritäts- 
prinzip  eine  sehr  wirksame,  wenn  auch  nicht  überall  aus- 
reichende Schutzwehr  geschafFen.  Im  Nacheinander 
gilt  das  Singnlaritätsprinzip  nicht,  und  damit  wären  wir 
hier  den  Alienationen  völlig  preisgegeben.  Ich  kann  imNacb- 
eiaander  von  demselben  Qegenstand  o  heate  A  und  morgen 
—  lediglich  infolge  Alienation,  ohne  entsprechende  Ver- 
änderung der  materialen  ärundlagen  —  A'  denken  und  da- 
durch zu  den  widersprechendsten  Denkergebnissen  gelangen. 

H&beQ  sich  die  materialen  Gruadlagen  seandert,  so  hat  die  Logik  als 
IbnMle  Wisaenschalt  mit  der  Richtigkeitafrags  nichts  zu  tun;  eine  etwa  auf 
dieaem  We^e  zustande  gekommene  Inadaquatheit  des  Ergebnisses  ist  insolid, 
abcz  Dicht  diskrepant. 

Um  das  Denken  bei  dieser  schweren  Gefährdang  aach 
im  Nacheinander  wenigstens  einigermaßen  gegen  die  nach- 
teiligen Wirkungen  der  mannigfachen  Alienationen  zu 
echntzem  und  die  eindeutige  konstante  Beziebnng  zwischen 
den  Vorstellongen  nnd  ihren  Gegenständen  zu  erhalten,  be- 
darf die  Iiügik  eines  neuen  Prinzips.  Der  Eigentümlichkeit 
and  dem  Anspruch  der  Logik,  welche  sich  mit  der  formalen 
Bichtigkeit  der  Denkakte  überhaupt,  eicht  nnr  denjenigen 
eines  Augenblicks  beschäftigt,  ist  durch  das  psychophysio- 
Ic^ische  Eindeutigkeiteprinzip  nicht  Genüge  geleistet.  Die 
Lc^ik  behandelt  und  verlangt  eine  durchgehende,  nicht 
an  das  Zugleich  eines  Augenblicks  gebundene  Konkrepanz 
der  Denkakte.  Sie  ist  daher  gezwungen,  über  das  psycho- 
logische Gesetz  hinauszugehen  and  antocMhou,  auf  ihrem 
ebenen  Boden  und  für  ihren  speziellen  Zweck  ein  weiter- 
gehendes und  zugleich  spezielleres  Prinzip  aufzustellen,  wie 
dies  übrigens  das  natürliche  Denken  schon  immer,  freilich 
im  unklarer  and  unbestimmter  Weise  getan  hat. 

Zieb«D,  LehrbQcb  <l<r  Logik.  1  28 

„.,,„,^.oogic 


434  ^^-  ^^i'-     Autochthone  Grundlegung  der  Logik. 

Die  Logik  erreicht  dies,  indem  sie  die  Elndeotig'keit  oder 
,Jdentität"  der  Denkvor^ränse  von  dem  einzelnen  Ai^n- 
blick  auf  die  ganze  Zeit,  vom  Zugleich  anf  das  Nacbeb- 
andcr  ansdehnt,  d.  h.  von  der  Zeit  ganz  nnabhängig  macht 
Richtig  im  Sinn  dieses  logischen  Grandprinzips  ist  derjeni^ 
Ablanf  der  Denkakte,  bei  welchem  eine  Vorstellung  A  mit 
Bezog  auf  denselben  Gegenstand  a  stets  denselben  ein- 
deutig bestimmten  Inhalt  hat,  also  dieselben  Teilvor. 
Stellungen  Bi,  ai,  as  .  .  .  in  derselben  Verknüpfung  enthält 
(vgl.  §  87),  solange  die  materialen  Grundlagen  unverändert 
bleiben  (vgl.  S.  427).  Die  Logik  fügt  also  zu  der  tatsaeh- 
lichen  momentanen  Eindeutigkeit  die  ideale  Annahme  einer 
dauernden  Eindeutigkeit,  d.  h.  ünveränderlichkeit  hinzu. 
Sie  stellt  geradezu  den  veränderlichen  tatsächlichen  Ding- 
vorstellungen*) unveränderlich  gedachte  logische  Vorstel- 
lungen gegenüber,  welche  von  den  individuellen  Denkakten 
als  solchen  und  anderen  psychologischen  Faktoren  (Auf- 
merksamkeit, GefühlstÖnen)  nicht  verändert  werden,  son- 
dern durch  alle  Denkakte  hindnrch  einen  und  denselben 
konstanten  Inhalt  haben,  soweit  die  mateiialen  Grundlagen 
unverändert  bleiben.  Jedem  Gegenstand  ordnen  wir  auf 
Grund  des  neuen  Prinzips  ein  oder,  wenn  entsprechende 
materiale  Unterlagen  vorhanden  sind,  mehrere  unver- 
änderliche A's  ((3esamtvorstellungen,  desgl.  Merkmal-, 
Gattungsvorstellungen)  zu. 

Mit  der  Einführung  dieser  unveränderlich  eindentigen 
IdealvorstelluDgen  ist  selbstverständlich  nur  ein  Postu- 
lat aufgestellt  und  eine  Bichtschnur  gegeben.  Di^ 
AlienatiQoen  als '  solche  und  ihre  Gefahren  werden  nicht 
beseitigt.  Selbst  im  Zugleich  werden  sie,  wie  wir  sahen, 
durch  das  Singularitätsprinzip  nur  eingeschränkt,  aber 
nicht  beseitigt  (S.  430).  Im  Nacheinander  kann  gleichfalls 
von  einer  Beseitigung  keine  Bede  sein;  durch  die  Ausdeh- 
nung des  Singularitätsprinzips  auf  das  Nacheinander  wird 
nur  theoretisch  die  Ausschaltung  aller  Alienationen 
gefordert  und  ihre  ungünstige  Wirkung  wesentlich  einge- 
schränkt. 

Die  Schutzwirkung  dieses  Prinzips  wird  noch  wesent- 
lich gesteigert  und  die  Zahl  der  Alienationen  noch  weiter 

■)  Den  VeränderUDgea  der  Dinge  selbst  wird  sie  dabei  dorch  die  Ko«- 

traküonsvoratellunaen  (S.  3261   Berechl. 


n,5,t,7rjM,G00glc 


m.  Teil.     Autochthone  Grundlegung  der  Logik.  435 

eingeschränkt,  wenn  wir  zugleich  jede  znfiamineagesetzte 
Vorstellong  in    bestimmte  Teilvorstellungen   zerlegen;  vie 

5.  427  schon  betont  vurde,  sind  ja  Alienatiouen  bei  impli- 
ziten Gebilden  erheblich  häufiger  als  bei  expliziten.  'Diese 
Zerlegung  vird  von  uns  hei  der  Lehre  von  der  Definition 
ausführlich  erörtert  werden. 

Es  empfiehlt  sich  für  die  soeben  gekennzeichneten  Ideal- 
vorstellungen einen  kurzen  Terminus  einzuführen.  Als  sol- 
cher wird  im  folgenden,  wie  gelegentlich  schon  früher  (S.  14, 
296,  301,  308,  311,  340,  418),  der  Terminus  „Normalvor- 
stellangen"  verwendet  werden.  Synonym  hiermit  werde 
ich  im  folgenden  auch  den  Terminus  „Begriff"  verwen- 
den, der  allerdings  durch  seinen  vieldeutigen  Gebranch  fast 
^aoz  entwertet  worden  ist"*).     Das  logische  Prinzip  selbst 

")  Der  deutsche  Temiinus  ,^eeriff"  gehört  zu  den  vieldeuügalen 
und  mlBbrnucbtesten  der  deutschen  philosophischen  Literatur.  WoUi  hatte 
„eine  jede  Voratellung  einer  Sache  in  unsern  Gedanken"  aJs  Begriff  be- 
zeichnet  (VemQnfIt.    Gedanckea  v.    d.  KräSlen   des  menscbl.   Verst.   usw., 

6.  Äud.  HaUe  1731,  S.  12,  Kap.  1,  §  *).  Für  Wgltf  deckte  aich  also  BegriH 
mit  den^  was  jetzt  meistens  aJs  Vorstellung  im  Gegensatz  zur  Empfindung 
bezeichnet  wird.  G.  Fr.  Meier  (Vernunft ie hie,  2.  Aufl.  HaUe  176^  S.  409, 
§  288)  lies  nur  die  einheitliche  Vorstellung  („insofern  wir  den  Gegenstand 
...  als  Eins  betrachten")  als  Begrifl  gelten.  Kant  hat,  wie  es  scheint,  zum 
ersten  Uale  dem  Wort  .ßegriff'  eine  engere  Bedeutung  gegeben,  indem  er 
den  Begriff  definierte  als  „eine  allgemeine  oder  reflektierte  Vorstellung"  (re- 
praesentatio  per  notas  communes,  repraesentatio  discuisiva)  oder  al»  „eine 
Vorstellung  dessen,  was  mehreren  Objekten  gemein  ist,  also  eine  Vorstellung, 
sofern  sie  in  verschiedenen  enthalten  sein  kann"  (Logik,  §  1).  Es  scheint 
danach,  daB  Kant  Individualbegriff«,  wie  z.  B.  Sokrates,  gar  nicht  an«rkeimen 
trollte.  Nur  mit  einigem  Zwang  könnte  man  im  Hinblick  auf  die  von  mir 
S.  326  erörterte  Kontraktion  und  die  etwas  weitere  Definition  des  Begriffes, 
die  Kant  in  der  Krit.  d.  rein.  Ver.  gibt(  Kehrb,  S.  88),  auch  die  durch  Kon- 
Inktion  entstandenen  Mkundären  Individualvorstellungen  den  B^rilfen  im 
Sinne  Kants  subsumieren.  Die  Neigung,  den  Teirminus  Begriff  auf  die  AU- 
gemeinvorstellungen  zu  beschränken,  bat  sieb  seit  Kant  trotz  gelegentlicher 
Einwendungen  (vgl.  z.  B.  Schopenhauer,  Die  Welt  als  Wille  u.  als  Vorst., 
Buch  1,  §  9,  ed.  Grisebach,  S.  80)  bis  heute  bei  den  meisten  von  Kant 
abhfttigigen  Denkern  erhalten.  Andrersdts  gaben  Fichte  und  namentlich 
Hege^  dem  Terminus  Begriff  oine  weit  über  das  Denken  des  individuellen 
hinausreichende  Bedeutung.  Bei  Hegel  wird  der  BegriU  zum  Wesen  oder 
An-sich  des  Gegenstandes  selbst  (Phän.  des  Geist.,  Werke,  Bd.  ^  S.  i%  66, 
127  f!.);  auch  schreibt  er  ihm  —  in  einer  entfernt  an  die  Unabhängigkeit  der 
Nonnal Vorstellungen  von  der  Zeit  erinnernden  Weise  —  ausdrOcklicb  Zeit- 
losigkeil  zu.  Unter  dem  EinfluB  der  psychologistischen  Reaktion  (vgl.  §  41  ff.) 
sachte  man  dann  wieder  durch  den  Terminus  ,3egriB"  eine  psycho- 
lo  fisch  chankterisierte  Gruppe  von  Vorstellungen  abzugrenzen.  Dabei 
ging  man  bald  wieder  auf    das  Kantache   MeAnal   der  Allgemeinheit   in 

28' 

„.,.,, :.l..OO^^IC 


436  III-  Teil.     Aulochthooe  Gniodlegims  der  Logik. 

soll  als:  logisches  Eind«atigkeit8prinzip  oder 
logisches  Identitätsprinzip  (vgl.  S.  432)  bezeichnet 
werden.  , 

Die  Bezeichnung  „Prinzip"  ist  statt  der  Bezeichnang' 
„Geeetz"  absichtlich  gewählt  worden;  denn  es  handelt  sich 
nicht  tun  eine  QesetzmäBigkeit  irgendeines  tatsächlichen 
Geschehens,  sondern  nm  eine  d«n  tatsächlichen  Geschehen 
(einschließlich  des  tatsächlichen  Denkens)  fremde  und  in- 
sofern (I)  willkürliehe  Peatsetzong.  Die  Willkürlichkeit  er- 
scheint zunächst  um  eo  größer,  als  das  Gegebene  (die  Ge- 
samtheit der  Gignomene)  bei  oberflächlicher  Betrachtung 
nirgends  die  ideale  Unveränderlichkeit  der  logischen  Kor- 
malvorstellnngen  {Begriffe)  zeigt  und  auch  die  Eeduktions- 
beatandteile,  die  wir  etwa  hypothetisch  dem  Gegebenen  zn- 
gründe  legen,  nicht  als  unveränderlich  gedacht  werden  kön- 
nen. In  ganz  anderem  Licht  erscheint  jedoch  diese  „Will- 
kärlichkeit",  wenn  wir  nicht  die  sich  verändernden  Dinge, 
sondern  die  Gesetze  der  Verandemngen  der  Gignomene 
in  Betracht  ziehen").  Dieee  Gesetze  haben  nach  allem, 
was  wir  beobachten,  tatsächlich  diejenige  Unveränderlich- 
keit,  die  wir  den  logischen  Normalvorstellnngen  hypothe- 
tisch zuschreiben,  um  die  Gesetzmäßigkeit  des  Gegebenen 
erkennen  und  in  unserem  Handeln  verwerten  zu  können, 
sind  wir  geradezu  gezwungen,  unsere  Vorstellungen  nach 


PSTcbologischem  Sinn  zurück,  bald  glaubte  man  in  dem  „släAerea,  klaieien 
Bevufitsein"  des  VoTStelleas  (Beneke,  Die  neue  Psychologie,  Berlin  nsv. 
1846,  S.  180}  oder  in  der  bestimmten  Art  des  geaetzm&Bisen  inhalUicboi 
Zusammenhangs  der  verbundenen  Vorstelhingea  (Waitz,  Lehrb.  d.  Kirch., 
IMB,  S.  &13tf.)  ein  kennzeichnendes  M«itma1  zu  finden.  Auch  die  sehr 
strittige  Beziehung  zu  Urteilen  (^1.  S.  341)  wurde  vielfach  der  Definition 
des  Begrifles  zugrunde  gelegt.  Andere  sahen  wie  Meier  die  Einheit  oder  Ein- 
heitlichkeit  in  diesem  oder  jenem  Sinn  als  unterscheidendes  Merkmal  der  Be- 
sriJfe  an  (Lotze,  Schuppe).  Endlich  versuchte  man  zuweilen  die  Unaoscbtu- 
lichkeit,  die  schon  bei  Kant  neben  der  Allgemeinheil  eine  nicht  ganz  scharf 
bestimmte  Rolle  spielt,  bei  der  Definition  zu  vertierten;  ,3eErifl"  wurde  mit 
„abslrakler  Voralellung"  identifiziert  (vgl,  S.  3*8).  GesleiÄert  wurde  die  Ver- 
wiiTung  der  Terminologie  noch  dadorob.  daB  viele  Autoren  zwei  oder  mehr 
der  genannten  Merkmale  verbanden,  um  die  Begrifie  abzugrenzen.  Auf  die- 
ienwea  Autoren,  weiche,  ähnlich  wie  ich,  unter  Begriflen  ideale  Nonnal- 
voislellungen  verstehen,  werde  ich  unten  (S.  U7)  zurückkommen.  Vgl.  auch 
den  Spezialabechnitt  flber  Begriffe. 

")  Auf  die  bemeAenswerte  Analogie  mit  dem  Tri^eitsgesetz  soll  hier 
nicht  eingeeangen  werden,  da  eine  solche  Erörterung  in  das  Gebiet  der  all- 
gemeinen GiEnomenologie  fUlt. 


Ul.  Teil.     AutochthGoe  Qnmdlegnne  der  Logik.  437 

Möglichkeit  nnverBiiderüch  gedachten  NormaivorsteHun- 
gen  anznpasBen.  Auch  die  Tatsachen  des  Gedächtnisses,  der 
Kontraktion  (S.  326)  und  der  Generalisation  (S.  331)  weisen 
fast  prädestinatorisch  auf  solche  Normalvorstellungen  hin. 

Zugleich  leuchtet  ein,  daB  mit  der  Bildung  hypothe- 
tiecher  Normal  Vorstellungen  auch  die  Gegenstände  des 
Denkens  (S.  265  u.  355)  umgedacht  werden.  Da  die  Gegen- 
stände nichts  anderes  Bind  als  dasjenige,  worauf  sich  das 
Denken  speziell  bezieht,  so  sind  sie  mit  dem  Gegebenen 
identisch  oder  irgendwie  in  ihm  enthalten  und  daher  im  all- 
gemeinen veränderlich.  Indem  das  logische  Denken  Nor- 
malvorsteliungen  bildet,  denkt  es  auch  Normalgegen- 
stände  hinzu,  die  dem  fixierten  Inhalt  der  Normalvorstel- 
loDgen  entsprechen.  Wir  hypoetasieren  den  wirklichen  zeit- 
lich bestimmten  Gegenständen,  z.  B.  der  Schlacht  bei  Cannae 
fingierte  Gegenstände,  denen  als  solchen  keine  zeitliche  Be- 
stimmtheit zukommt,  die  vielmehr  nur  eine  zeitliche  Be- 
stimmtheit im  Inhalt  der  zugehörigen  Vorstellung  auf- 
weisen, also  z.  B.  die  „Tatsache"  der  Schlacht  bei  Cannae. 
Die  früher  (^  45  ff.)  besprochenen  „Vorstellangen  an  sich" 
Bolzanos,  die  „Gegenstände"  vieler  Logizisten,  die  ein  drit- 
tes besonderes  selbständiges  Beich  des  Seienden  bilden 
soUen,  sind  nichts  anderes  als  solche  Gegenstände  des  Den- 
kens, die  hypothetisch  zu  Normalgegenständen  um- 
gedacht worden  sind.  Es  handelt  sieh  also  um  besondere 
„Gegenstands vorstellnngen"  in  dem  früher  bespro- 
chenen Sinn  (vgl.  S.  266,  269,  320  u.  430). 

Dabei  beachte  man  wohl,  daß  diese  Normalvorstellun- 
geu  durchaus  nicht  material  richtig  sein  müssen.  Wir 
können  auch  von  material  falschen  Vorstellungen  Nor- 
malvorBtellungen  bilden,  d.  h.  sie  z.  B.  durch  Definition  so 
fixieren,  daß  ihre  formal  richtige,  unveränderlich  eindeu- 
tige Verwendxmg  im  Denken  gefordert  wird.  So  ist  z.  B. 
die  Vorstellung  einer  Bewegung  der  Sonne  um  die  Erde 
material  unrichtig,  aber  ich  kann  doch  sagen,  daB  sie  in  der 
ptolemäischen  Theorie  wenigstens  formal  richtig,  d.  h.  in 
konstantem  Sinn  verwertet  worden  ist.    Vgl.  auqh  S.  462. 

Ausdrücklich  muß  hervorgehoben  werden,  daQ  die  hier- 
mit definierte  Bichtigkeit  der  Denkakte  doch  immer  ein 
psychologisches  Kriteriimi  bleibt,  insofern  wir  sie 
umner  nur  auf  psychologischem  Weg,  nämlich  durch  Ana- 
lyse der    gleichgesetzten  Vorstellungen    und    Prüfung    der 


1,1^.001 


,g,c 


438  ^^-  "^^i'-     Autocbthone  Grundlesun)!  der  Logik. 

UbereinBtiiuiitTmg  der  Teilvorstellnngen  und  ihrer  Ver- 
fanfipfnngen,  also  kurz  gesagt  durch  VergJeiehnng  der  tat- 
eächlicben  VorstellnDgen  feststellen  kÖDneti.  Von  einer 
völligen  Loslösung  der  Ijogik  von  der  Psychologie  —  etwa 
wie  sie  die  Logizisten  (vgl.  ^  45  ff.)  verlangen  —  kann  keine 
Bede  sein.  Nur  insofern  beansprucht  die  Logik  mit  der 
Aufstellung  ihrer  Normalvorstellungen  eine  gewisse  ein- 
geschränkte Selbständigkeit,  als  sie  ans  den  tatsächlichen 
Denkprozessen  eine  besondere  Gruppe,  nämlich  die  formal 
richtigen  Denkprozeese  herausgreift,  durch  ein  psycholo- 
gisches Kennzeichen  bestimmt  und  nun  sich  ideale  Vor- 
stellungen und  entsprechende  Yorstellungaprozesse  konstru- 
iert, die  diesem  Kennzeichen  dorchans  und  immer  ent- 
sprechen, während  die  tatsächlichen  Denkprozesse  ihm  nur 
zuweilen  entsprechen.  Man  könnte  in  dieser  Hinsicht  die 
Normalvorstellungen  etwa  entfernt  mit  dem  Idealmaß  der 
Längeneinheit  vergleichen,  das  bestimmt  definiert  ist,  aber 
nirgends  mit  absoluter  Qenauigkeit  existiert  und  doch 
offenbar  seine  grundlegende  Bedeutung  innerhalb  der  Physik 
durchaus  behält. 

Das  logische  Eindeutigkeitsprinzip  darf  daher  ancb 
nicht  als  ein  „Grund asiom"  betrachtet  werden,  welches 
unabhängig  von  allen  fundierenden  Gegenständen  und  un- 
abhängig von  der  Gesetzmäßigkeit  des  Denkens  beanspru- 
chen könnte  richtig  zu  sein  (vgl.  S.  293).  Wie  in  §  62  er- 
örtert wurde,  gibt  es  solche  Grundaziome  überhaupt  nicht. 
Nicht  einmal  das  gignomenologische  Eindeutigkeitsgesetz 
ist  ein  Grundaxiom.  Vollends  kann  das  eben  entwickelte 
logische  Prinzip  in  keiner  Weise  als  ein  Grundaxiom  ge- 
deutet werden.  Es  ist  von  dem  gignomenologiscben  Ein- 
deutigkeiisgesetz  dunchaos  abhängig.  Indem  es  dasselbe 
hypothetisch  für  die  Normalvorstellungen  erweitert  und  die 
Normalvorstellungcn  zn  Normaldenkprozessen  verknüpft, 
beseitigt  es  diese  Abhängigkeit  nicht  Die  Eindeutigkeit 
(Singularität)  des  momentanen  Denkakts  bleibt  noch  immer 
die  Voranssetznng  für  die  Konstruktion  aller  Normalvor- 
stellungen und  Normaldenkprozesse.  Auch  von  der  Gesetz- 
mäßigkeit unsres  Denkens  bleibt  das  logische  Grundprinzip 
durchaus  abhängig,  es  wählt  nur  einen  SpezialFall,  nämlich 
den  des  formal  richtigen  Denkens  aus  dieser  Gesetzmäßig- 
keit heraus  und  konstruiert  für  diesen  Spezialfall  einen 
idealen  Maßstab.    Man  kann  direkt  sagen:  wenn  in  i 


m.  Teil     Autochtbone  Grundlegung  der  Logik.  439 

Denken  nicht  anch  das  richtige  Denken  vorkäme,  so  könn- 
ten vir  jenes  Grundprinzip  überhaupt  nicht  aufstellen.  Ins- 
beeosderc  ist  die  Tätigkeit  nnsrer  Difterenziernngsfonk- 
tionen  —  Synthese,  Analyse  und  Komparation  (vgl.  S.  344)  — 
immer  schon  vorausgesetzt,  wenn  wir  von  Nonnalvorsteliun- 
gen  sprechen. 

Zweifel  könnten  noch  bestehen,  in  welcher  Beziehung 
die  Kongruenz,  d.  h.  die  innere  Widerspruohs- 
losigkeit,  wie  wir  sie  in  §  61  definiert  haben,  zu  dem 
logischen  Eindeutigkeitsprinzip  steht.  Es  hat  sich  S.  289  f. 
ergeben,  daß  die  Kongruenz  eines  Denkergebnisses  im  all- 
gemeinea  keine  Bürgschaft  für  materiale  Bichtigkelt,  weder 
fnndale  noch  formale,  gibt,  und  dafi  ebenso  Di^gnienz  zwar 
beweisend  für  materiale  Unrichtigkeit  ist,  aber  ebensowohl 
auf  Insolidität  wie  auf  Diskrepanz  beruhen  kann.  Richtig- 
keit der  Denkakte  im  Sinn  des  logischen  Eindeutigkeils- 
prinzips  und  Kongmenz  des  Denkergebuisses  fallen  also 
nicht  durchweg  zusammen  und  ebensowenig  ünrit^htigkeit 
der  logischen  Denkakte  und  Disgruenz.  Wohl  aber  ist  die 
Disgruenz  innerhalb  des  einzelnen  Deukakts, 
also  im  Zugleich  unverträglich  mit  dem  psycho- 
physiologischen Eindentigkeitsgesetz.  Sie  mutet  uns 
'£u,  in  demselben  Äugenblick  als  Totalakt  den  Denkakt  a  und 
den  Denkakt  A  a  oder  gar  non-a  zu  vollziehen.  Tatsächlich 
denken  wir  daher  im  Zugleich  niemals  disgruent,  weil  wir 
eben  einen  solchen  Doppelakt  gar  nicht  simultan  ausführen 
können.  Wir  scheitern  bei  dem  Versuch.  Diese  Deukunmög- 
Uchkeit  ist  mit  der  Disgruenz  im  Zugleich  identisch.  Die 
Kongmenz  und  die  Disgruenz  beziehen  sich  also  nur  auf  den 
simultanen  Momentanakt  und  haben  daher  mit  dem  logi- 
schen Eindeutigkeitsprinzip,  welches  sich  gerade  auf  die 
Übereinstimmung  sukzessiver  Denkakte  bezieht,  zu- 
nächst nicht«  zu  tan.  Indessen  ist  es  selbstverständlich  zn- 
läasig,  den  Begriff  und  den  Terminus  der  Disgruenz  zu  er- 
weitern, so  daß  er  nicht  iiur  dem  psychophysiologischen  Ein- 
dentigkeitsgesetz, sondern  auch  dem  logischen  Eindeutig- 
keitsprinzip  entspricht  Di^ruent  heißt  dann  auch  jede 
VerwechsiuDg  sukzessiver  Vorstellungen  (in  dem  oben 
bezeichneten  Sinn).  Wir  übertragen  die  momentane  Dis- 
gruenz des  Ergebnisses  auf  die  Gesamtheit  der  sukzes- 
siven Denkakte ,  die  zu  dem  Ergebnis  geführt  haben. 
Schließen  wir  dabei  zugleich  diejenige  Disgruenz,  die  auf 


440  ni.  Teil.     Antochthone  Gniodleguue  der  Losik. 

materialer  Grundlage  bemlit,  also  die  Fälle  von  Inaoli- 
dität  ans,  60  sind  wir  zu  einer  formalen  zeitlosen,  spezifiscli 
logischen  Diagmenz  und  —  vice  versa  —  Kongruenz  ge- 
langt, die  in  jeder  Beziehung  das  Korrelat  des  logischen 
IfJindentigkeitsprinzipg  ist,  und  können  nun  auch  die  durch- 
gängige formale  Übereinstimmang  als  Kenn- 
zeichen der  logischen  Normalvoretellungen  und  Normal- 
prozesse verwerten. 

Der  negative  Charakter  des  logischen  Kindeutigkeits- 
prinzips  kann  nicht  befremden.  Da  die  einzelnen  Vorstel- 
lungen eines  Augenblicks  gemäß  dem  allgemeinen  Kindeu- 
tigkeitsgesetz  isoliert  betrac}itet  formal  richtig  sind,  so  kann 
es  sich  nur  darum  handein,  daß  diese  formale  Richtigkeit 
auch  im  Lauf  der  Denkakte  gemäß  dem  logischen  Eindeu- 
tigkeitsprinzip erhalten  bleibt,  also  I<^ische  Fehler  (Alie- 
natiouen)  femgehalten  werden.  Damit  ist  jedoch  keineswegs 
ansgeschloseen,  daß  die  I^ogik  weiterhin  auch  positive  Vor- 
schriften gibt,  um  die  bez.  Übereinstimmung  im  Sinn  der 
Normalvorstellungen  festzuhalten. 

Endlich  könnte  man  noch  die  Frage  aufwerfen,  was  denn 
jene  Normalvorstellnngen  zu  bedeuten  haben,  wenn  sie  nor 
idealisierte,  unwirkliche  Vorstellungen  sind,  und  bezweifeln, 
daß  sie  überhaupt  mehr  als  eine  leere  Fiktion  sind.  Setzt  die 
Logik  dabei  nicht  seelische  Prozwse  voraus,  die  niemals  und 
nirgends  existieren,  also  ganz  uurealisierbar  sindt  Diesen 
Bedenken  gegenüber  muß  zunächst  hervorgehoben  werden, 
daß  uns  solche  unrealisierbare  Idealvorstellungen  allent- 
halben begegnen.  Ich  kann  mir  z.  B.  die  optische  Idealvor- 
stellung eines  regulären  Tansendecks ")  bilden,  obwohl  ich 
diese  Vorstellung  niemals  auch  nur  annähernd  aoschaolich 
realisieren  kann.  Nun  wird  man  freilich  sagen,  daß  eine 
solche  TausendeckvorstelUing  zwar  nicht  optisch  realisiert 
werden  kann  (vgl.  S.  348  f.  über  anschauliche  Vorstellungen), 
aber  doch  im  Sinn  einer  sehr  abstrakten  Vorstellung  mit 
Hilfe  bestimmter  Teilvorstellungen  (Seitenzahl,  Seiten- 
gleichheit) und  einer  Bildungsregel  von  uns  wirklich  ge- 
dacht wird.  Indessen  in  diesem  Sinn  können  auch  die  Nor- 
malvorstellungen gedacht  werden.  Wir  denken  uns  die  un- 

")  Hie   Idealvorsteliuns    eines    eleichseitiseu    Dreiecks   kann    Obiigeos 
in  demselben  Sinn  verwertet  werden,  dureh  die  Wahl  eines  Polvgons 
vielen  Senilen  wird  die  Analogie  nur  noch  eindrucksvoller. 


ines  PolTSons  nut         t' 

lA.OOgIc  l 


III.  Teil.   -  Autocbtbcne  GnindleguDe  der  Logik.  441 

vollkommene  relative  Konstanz,  welche  unseren  tatsäch- 
lichen Vorstellnngen  zukommt,  biß  zu  einer  vollkommenen, 
absointen  Konstanz  geBi/eigeit.  ßs  handelt  sich  also  nm 
spekulative  KombinationsvorstellnnÄen  (vgl.  S.  348),  wie  wir 
8ie  allenthalben  bilden").  Die  Unrealisierbarkeit  der  Nor- 
malvorsteünngeu  trifft  also  nur  insofern  zn,  als  in  unserem 
tateächljchen  Denken  Normalvorstellungen,  d.  h.  Vorstel- 
lungen TOD  al«oluter  Konstanz  nicht  vorkommen;  dagegen 
ist  die  Vorstellung:  „Normalvorstellung"  —  sowohl  in  bezog 
auf  die  einzelne  bestimmte  Normalvorätelinng  wie  im  Sinn 
der  Allgemeinvorstellnng  „NormalvorBtellung"  —  in  un- 
serem Denken  nicht  nur  realisierbar,  sondern  auch  oft  ge- 
nug realisiert.  Man  darf  dabei  nur  nicht  in  den  S.  263  be- 
sprochenen Fehler  verfallen  und  die  Normalvorstellungen 
in  dem  dort  gerügten  unzulässigen  Sinn  als  „Vorstellimgen 
von  Vorstellungen"  betrachten.  Wir  können  zu  einer  Vor- 
stellnng  Vaj  deren  Gegenstand  A  ist,  nicht  noch  eine  Vor- 
stellung der  Vorstellung  Va  hinznhildeu,  wohl  aber  können 
wir  mit  Hilfe  anderer  Vorstellungen  durch  die  Tätigkeit 
unserer  Differenziernngsfunktionen  Va  m  neuen  Vorstel- 
Inngen  umbilden,  diel  zn  Va  in  Beziehung  stehen,  d.  b.  auf 
Va  und  andere  Vorstellungen  fundiert  sind  oder  Va  zum 
Gegenstand  haben.  Dahin  gehört  z.  B.  die  Allgemeinvorstel- 
lung V,  die  ich  zu  bzw.  ans  Va,  Vb,  Vc  .  .  .  bilde,  die 
komplexe  Vorstellung  V,  die  ich  zn  bzw.  ans  denselben  Vor- 
stellnngen  bilde,  usf.,  und  dahin  gehört  eben  auch  die  Nor- 
malvorstellung,  die  ich  zu  Va  bilde,  indem  ich  das  allge- 
meine Merkmal  der  ünveränderlichkeit  hinzudenke  und  von 
den  im  tatsächlichen  Denken  bestehenden  Veränderungen 
TOD  Va  abstrahiere.  Tatsächlich  verschwinden  dabei  die 
Veränderungen  von  Va  aus  meinem  Denken  nicht,  ebenso- 
wenig wie  aus  der  anschaulichen  Vorstellung  eines  Dreiecks 
durch  Abstraktion  von  allen  Qualitäten  (Farbe  und  auch  In- 


^*)  Hau  kann  freilich  noch  die  Frage  auFwerfen,  auf  wetcbem  Wege 
es  uns  möglich  wird,  auch  SpekulätioosvoTsfellungea  zu  bilden,  die  irKend- 
wie  eine  unendliche  Dimension  enthalten  (Vorstellung  eines  unendlichen 
lUunis,  einer  uneodlichen,  d.  b.  absoluten  Konstanz  usf.).  Dies  Problein 
kann  als  rein  erkenntnistbeoretisch  hier  nicht  erörtert  werden,  es  sei  daher 
nur  bemerict,  daß  alle  solche  Vorslellungen  lediglich  neffativ  sind,  also  inend- 
«ine  posilive  endliche  Eigenscbalt  vemeineß.  Dabei  ist  nachdrücklich  zu  be- 
Itmei^  daS  z.  B.  die  Verändening  als  ein  Positives,  die  Konstanz  ob  ein 
Negatives  £U  betrachten  ist. 


OgIC 


442  ™-  Teil.     Autochthone  Grundlegurig  der  Logik. 

tensität)  äeoials  die  letzteren  vollständig  w^gedacht  werden 
koniieD,  eo  daß  eine  absolut  qualitätenfreie,  rein  ränmlicbe 
DreieeksvorstelloDg  zustande  käme.  Dies  und  nur  dies  ist 
gemeint,  wenn  wir  behaupten,  daß  wir  die  Vorstellung  „Nor- 
malvorstellung" sehr  wohl  realisieren  können.  Die  Nonnal- 
vorstellungen  können  daher  jetzt  auch  geradezu  definiert 
werden  als  Vorstellungen,  welche  durch  Abstraktion  von  den 
Veränderungen  der  tatsächlichen  Vorstellungen  (bei  gleich- 
bleibendem Gegenstand)  gebildet  sind. 

Bei  der  Flüchtigkeit  und  Veränderlichkeit  der  tatsäch- 
lichen Vorstellungen  ergibt  sich  zugleich  auch  das  BcdnrfniE, 
für  die  Normalvorstellungen  und  damit  auch  für  ihre  Nor- 
malgegenstände  (S.  437)  irgendeinen  Ersatz  in  unserem 
tatsächlichen  Denken  zu  beschaffen,  der  wenigstens  einiger- 
maßen stabil  ist.  Als  solches  Ersatzmittel  kommt  vor  allem 
zunächst  die  Sprache  in  Betracht.  Das  Wort  ist  gegenüber 
der  Vorstellung  des  tatsächlichen  Denkens  relativ  stabil. 
Und  in  der  Tat  leistet  die  Sprache  unserem  Denken  neben 
vielen  anderen  Diensten"  auch  diesen.  Ohne  die  Hilfe  der 
Sprache  wären  wir  der  Inkonstanz  unsrer  Vorstellungen  fast 
durchaus  preisgegeben.  Daher  ist  auch  das  logische  Denken 
—  gerade  weil  es  auf  Normalvorstellungeu  angewiesen  ist  — 
mit  dem  sprachlichen  Ausdruck  fast  unlöslich  verknüpft. 
Andrerseits  aber  wird  diese  Hilfe  doch  auch  oft  illusorisch, 
weil  die  Worte  durch  ihren  allgemeinen  und  oft  unbedachten 
Gebranch  zu  einem  großen  Teil  ihre  feste,  eindeatige  Bezie- 
hung zu  bestimmten  Vorstellungen  verloren  haben.  Ja,  in- 
folge dieser  Vieldeutigkeit  der  Worte  kann  sogar  die  Hilfe 
der  Sprache  sich  in  ihr  Gegenteil  verkehren.  Indem  wir  das- 
selbe Wort  bei  einem  Denkprozeß  in  zwei  verschiedenen  Be- 
deutungen verwenden  und  mehr  auf  das  Wort  als  auf  die 
von  ihm  bezeichneten  Vorstellttngsinhalte  achten,  verfallen 
wir  gerade  den  logischen  Verwechslungen,  welche  die  Logik 
durch  ihre  Normalvorstellungeu  vermeiden  will  (s.  oben 
S.  434).  Die  Geschichte  der  philosophischen  Systeme  wimmelt 
von  flehen  Beispielen.  Die  Logik  wird  daher  versuchen 
müssen,  noch  andere,  zuverlässigere  Fixationamittel  für  ihre 
Normalvorsteilungen  zu  gewinnen.  Als  solche  bieten  sieh  die 
S.  229  u.  406  ff.  erwähnten,  der  Mathematik  entlehnten  oder 
wenigstens  nach  Analogie  der  mathematischen  Symbole  ge- 

'•)  Vgl,  darüber  Lif.  d.  phyaiol.  Psychol,  10.  Aufl.,  S.  ;S4fl. 

h.  1.  ii,l^.OOglc 


m.  Teil.     Autochthone  Grundlegung  der  Logik.  443 

bildeten  Zeichen  dar.  Solche  Symbole  sind  dem  täglichen 
gewöhnlichen  Sprachgebranch  entzc^en  nnd  verfallen  daher 
viel  weniger  leicht  der  Doppel-  nnd  Mehrdentigkeit.  Sie 
sind  im  der  Tat  das  adäquateste  Fixations- 
mittel fnr  die  in  Bede  stehenden  Normalvor- 
stellnngen.  Die  hohe  Bedeutnng  der  sog.  symbolischea 
Logik  für  die  Gesamtlogik  tritt  damit  in  das  richtige  Licht. 
Historisch  sei  zunächst  über  das  Ideutitätspriozip,  dessen 
BeziehuDg  zu  den  Normal  Vorstellungen  im  Vorhergehenden  erSitert  worden 
ist,  folgendes  bemerkt.  Klar»)  wurde  es  zuerst  von  Aristoteles  aus- 
gesprochen: JfT  när  10  älriAis  avti  iam^  S/jaiftvfurov  tirai  näm^  (Analyl. 
prior.  A,  32,  Akad.  Ausg.  47a)  und:  lö  ftii  klytiv  »0  iv  ftlj  tlrai  ^  lö  fii 
ir    (Irai    ^ti^l,    10    di    lö    Sy    llfat    xni    lö    fi^    Br    fii    llrat    äXijSH  .    ■    ■ 

MelaphYS.  r,  e,  Akad.  Ausg.  1011b).  Oftenbaj  meint  er  damit  die  innere 
Widerspruch alosigkeit  (Kongruenz)  ganz  im  allgemeinen,  wie  wir  sie  S.  289 
u.  tö.%  besprochen  haben,  nicht  die  spezielle  auf  Abwesenheil  aller  Alie- 
nalionen  beruhende  Konkrepanz.  Auch  hebt  Aristoteles  hervor,  daß  es  sich 
um  ein  grundlegendes  Prinzip  (ßtßamäiii  tiöy  «ez"*"  "o"«»-)  handle,  für 
welches  nochmals  einen  Beweis  beizubringen  ganz  unmögbch  sei  (Mela- 
phys.  r,  4,  Akad.  Ausg.  1006a).  In  der  Regel  bevorzugt  er  die  negative 
Kassong  des  Prinzips,  welche  jetzt  gewöhnlich  als  Principium  contradic- 
tionis  bezeichnet  wird:  „le  oifrä  äfm  önÖQx'"'  '"  ""^  fi  itägz"''  d6itiaz»y 
Tf  aii^  xaJ  XOTV  re  «v'io"  oder  ..äifiivirior  ivtivoiir  tavlir  vnoXafifininar 
ärtt  ul  ftii  th>ai"  (1.  c.  lOOöb).  Aus  diesen  AuBerungen  ergibt  sich  zu- 
gleich, daß  Aristoteles  die  ontok^sche  und  die  logische  Bedeutung  des 
Prinzips  nicht  schalt  unterschied  (vgl.  auch  Analyt.  prior.  U,  2).  Auch 
die  Schaler  und  Kommentatoren  des  Aristoteles  führten  das  Prinzip  meistens 
in  seiner  itegativen  Form  an  und  bezeichneten  es  schon  als  äiba/ia  iq; 
anupaof«;,  s.  z.  B.  Philoponus,  In  Analyt.  post.  1,  H,  Akad.  Ausg.  Bd.  13, 
Teil  3,  S.  13Ö  u.  34:  i,''  ^^  ^VC  iytupäatus  äilai/ua  Inl  näncar  fiir  zäv 
»ftior  xal  fiii  ofray  iittt^iT  rä  iii^9i{  xal  lo  ^itJof"  (s.  auch  Ammonius, 
In  Uhr.  de  interpret.  140r.  u.  178.  Akad.  Ausg.  Bd.  4,  Teil  5,  S.  174  u.  222). 

Die  5ch  olastiker  strilten  namentlich  darüber,  ob  das  Idenlitäts- 
prinzip  beweisbar  sei  und  aus  der  Erfahrung  entspringe  oder  nicht.  An- 
tonius Andreas  (vgl.  S.  8S)  gab  ihm  die  kurze  Formulierung:  „ens  est  ens" 
und  sachte  gegenüber  Aristoteles  nachzuweisen,  daß  es  ursprünglicher  sei 
als  das  Principium  contra diciiouis  (Comm.  in  Metaphys.,  ed.  Venet.  1513, 
Qu.  V,  S.  21  a),  woran  sich  dann  mann^acbe  weitere  Kontroversen  knüpften. 

Locke  hat  sich  bemüht  zu  ze^en,  daß,  wie  viele  andere  sog.  Maxime 
oder  Axiome,  auch  der  Identitätssatz  nicht  angeboren  und  fast  werttos  sei. 
Br  linlt  nach  Lockes  Meinung  nur  darauf  hinaus,  daß  „the  same  word  may 
with  grest  certainly  he  affirmed  of  itself,  without  any  doubt  of  the  tnith 
of  any  such  proposilion  (seil,  purely  identical  proposition) ;  and  let  me  add 
ilso,  without  any  real  knowledge"  (Ess.  conc.  hum.  underst.  I,  2  u.  IV,  7 


")  Ein  kurzer  Uinweia  auf  das  Prinzip  findet  steh  vielleicht  schon  bei 
Parmenides  (vgl.  S.  20).  Auch  einige  Stellen  bei  Plalo  können  ähnlich  ge- 
deirtet  werden  (z.  B.  Bepubl.  V  477  B:  tlt  *ii"  rö  Sr ,  und  Phaedon  lOA 
ttslOtÜ). 

„.,.,„.>..oo^sic 


444  Ul-  T^-     AntoehUione  Grundlegung  der  Logik. 

tt.  8).  Es  entgeht  ihm  vollständig,  daß  das  Identitätsprinzip  doch  auch  eiiie 
tiefere,  jenseits  des  sprachlichen  Ausdnicks  gelegene  Bedeutung  babeii 
Unnte.  Auch  bei  Hume  fehlt  jede  Einsicht  in  den  logischen  und  gigoonKno- 
logischen  Sinn  des  Prinzips. 

DemgegenOber  schreibt  Leibniz  dem  Idenlität^rlnzip  eine  gro£e 
Bedeutung  zu.  Die  identischen  Wahrheilen  oder  primitiven  Vemunftwabi- 
beiten  (vtril£s  identiques,  v^rit^  primitives  de  nison)  lehren  uns  zwu 
nichts  Neues,  sind  aber  für  die  logische  BeweisfOhnmg  unentbehrlich  [Houv. 
ess.  sur  l'enlend.  IV,  2,  1  u.  7,  13  u.  8^  1  ff).  Als  Beispiel  führt  et  an: 
„chaque  chose  est  ce  qu'elle  est."  An  andrer  Stelle  (L  c  IV,  7,  1>  spricht 
er  in  demselben  Sinne  von  „axiomes  primitifs  ou  immediats  et  indefnaD- 
Strahles"  oder  „axiomes  identiques"  und  b^oeiit  ausdrücklich  (IV,  ?,  9), 
daß  die  positive  Fassung  „une  chose  est  ce  qu'elle  est"  ursprünglicher  ist 
(est  uil£rieur  dans  l'ordre  naturel)  als  die  negative  „une  chose  n'est  p*s 
une  autre  ").  Auf  die  eAenntnistheoretische  Bedeutung  geht  er  wedei  hier 
noch  in  seinen  anderen  Schriften  näher  ein.  Chr.  Wolff  hat  dann  die 
i.eibniz9cfae  Lehre  terminologisch  noch  etwas  schärfer  filiert.  Er  rechnet 
die  propositiones  identicae  zu  den  axiomata.  d.  h.  zu  den  propositiones 
iheoreticae  indemonstrabiles  und  fonnuliert  die  ,j)niposiUo  ideolica  gene- 
ralis" folgendermaBen :  ,4dem  ens  est  illud  ipsum  ens,  quod  est,  seu 
omne  A  est  A,  ubi  A  denotat  generatim  ens  cuiuscunque  speciei  vel  generis, 
sive  in  communi,  sise  in  siogulari"  (Log.,  §  270  u.  363)").  Wie  bei 
Leibniz  tritt  also  die  ontologische  Bedeutung  in  den  Vordergrund.  Er  be- 
tont aber,  daQ  durchaus  nicht  etwa  der  spracMche  Ausdruck  in  Subjekt  und 
Prädikat  derselbe  sein  mOsse,  daB  es  vielmehr  nur  auf  die  Dieselbigkeil 
des  BegriUs  (notio)  ankomme  0-  c.  §  370  u.  213).  Von  Baumgarten 
rOhrt  die  später  oft  verwendete  Formulierung:  omne  subjectimi  est  praedi- 
catum  sui  (Metaph..  §  11)  und  die  Bezeichnung  als  „principium  positionis 
seu  identitatis."  Dabei  hielt  die  Wolffsche  Schule  daran  fest,  daß  es  sich 
um  ein  Prinzip  des  Seienden  handelt;  die  Logik  hat  nur  die  VerpDichtong, 
dies  I^inzip  Qberall  zu  beachten,  weil  sie  nur  so  zur  wahren  £rkennlius 
des  Seienden  gelangt  G.  Fr.  Meier  (Vemunftlehre,  3.  Aufl.,  Halle  176& 
§  400,  S.  567)  glaubt  imt  der  negativen  FormuUerung  im  Satz  des  Wider- 
spruchs auszukommen. 

Mit  Kant  änderte  Eich  diese  Auffassung  des  Idenlitälsprinzips  wesoit- 
lich.  Die  Beziehung  auf  das  Seiende  mußte,  da  dieses  nach  Kant  als  Ding 
au  sich  flbertiaupt  nicht  ericennbar  ist,  fortfallen.  Das  IdMititätsprinxip 
wurde  daher  nunmehr  als  eine  rein  logische,  auf  das  logische  Denken  be- 
schränkte Regel  aufgefaßt.  Kam  froher  die  logische  Bedeutung  zu  kun,  so 
wurde  jetzt  die  gignoraeno  logische  vernachlässigt.  Für  Kant  ist  der  Satz 
der  Identität,  den  er  mit  dem  Satz  des  Widerspruchs  als  e  i  n  Prinzip  zu- 
sammenfaßt, ein  „allgemeines  formales  oder  logisches  Kriterium  der  Wahr- 

")  Andrerseits  wird  in  der  Monadologie,  §  31,  neben  dem  principe 
de  la  raison  süffisante  Oberhaupt  nur  das  principe  de  la  contrridicüon  ge- 

")  In  der  Philosophia  prima  leitet  Wolf!  das  Principium  identitatis 
(oder  „Principium  certitudinis")  von  dem  Principium  cootradictionis  ab,  so 
daß  letzteres  zum  „fonS  onuiis  certitudinis"  viid.  Die  Fonnulieruog  des 
Identitätsprinzip  lautet  hier:  quodlibet,  dum  est,  est,  d.  b.  si  A  est,  utique 
verum  est,  .A  esse  (g  55  u.  —  mit  leichter  Abänderung  —  §  264  ed.  1736). 


OgIC 


Ili.  Teil.     Autochtbone  GruDdl^tmk  der  Logik.  445 

heil".  Er  bestimmt  die  „logische  Uöglichkeit  eines  Eitenntnisses",  und 
diese  logische  HCglichkeiL  besteht  darin,  daB  es  sich  nicht  wider- 
spricht (Logik,  Einleitung,  VD).  Kant  betrachtet  also  den  inneren  Wider- 
spmch  in  jedem  Fall  als  einen  logischen  Fehler,  w&farend  wir  in  der  Ein- 
leitung (§  1),  in  g  61  und  in  diesem  Paragraph  nachzuweisen  Tersucbt  haben, 
ila.B  der  Widerspruch  in  einem  Denkergebnis  sehr  olt  auch  mateml  bedingt 
ist  und  ebenso  sehr  dem  gignomenologiscben  Identitätsprinzip  wie  dem 
ic«ifichen  widerstreitet. 

G.  E.  Schutze  wich  von  der  Üblichen  Aulfassung  namentlich  in- 
sofern ab,  als  er  den  Grundsatz  der  „Einerleibeit"  auf  die  Gleichheit  zwischen 
dem  Begriff  imd  seinen  sämtUchen  Merkmalen  bezog  (Giund^tze  d.  alle. 
Logik,  S.  Aufl.,  S.  32). 

Eine  ganz  neue  Bedeutung  bekam  das  Identitätsprinzip  duich  J.  G. 
Fichte.  F.  leitet  es  aus  der  ursprOngUcbea  Tathandlung  des  Ich  ab,  ver- 
möge deren  das  Ich  sein  eigenes  Sein  setzt  (vgl.  §  36).  Wenn  in  dem  Satz 
„Ich  ^  Ich"  oder  ,^ch  bin"  von  dem  beftimmten  Inhalt,  nämlich  dem  Ich 
abstrahiert  und  nur  die  mit  diesem  Inhalt  gegebene  Form  der  Folgerung 
vom  Gesetztsein  auf  das  Sein  Obrig  gelassen  wird,  so  erfiält  man  das 
Identitätsprinzip  A  =  A  (Grundlage  d.  ges.  Wisaenachaflslehre,  SamU.  Werke, 
Bejhn  1845,  Bd.  t,  S.  98 f.;  vgl.  auch  Über  d.  BegriH  d.  Wissenscbaftalebre, 
Bd.  1,  a  69).  Dieser  Lehre  steht  auch  S  c  h  e  1 1  i  n  g  (§  36)  in  seinen  älteren 
Schriften  sehr  nahe  (vgl.  z.  B,  System  des  transzendental.  Idealismus,  1800, 
Simtl.  Werke,  Bd.  6,  S.  3^  360,  372,  377).  Später  streifte  ScheUing  die 
Beziehung  auf  das  Subjekt  ganz  ab.  Die  Vernunft  ist  die  totale  Indifferenz 
des  Subjektiven  und  Objekliven  und  wird  daher  direkt  als  absolute  Identität 
bezeichnet,  und  damit  wird  das  Gesetz  der  Identität  zum  höchsten  Gesetz 
foi  das  Sein  der  Vernunft  und,  da  aufier  dieser  nichts  ist,  for  alles  Sein. 
Die  Beziehung  des  Idenlitätsprinzips  zur  Logik  tritt  bei  diesem  „absoluten 
IdentilätssTstem"  ganz  in  den  Hintergrund  (Darsk.  m.  Syst.  d.  Philos.,  1801^ 
SftmtL  Werke,  Bd  4,  S.  116,  s.  ^ch  S-  374  ff.  u.  a.  m.)- 

In  scharfem  Gegensatz  sowonl  zur  Lehre  Fichtes  vie  auch  zur  späteren 
Lehre  Schellings  steht  Hegels  Auffassung  des  tdentitätsgesetzes  (vgl.  §37). 
Er  betrachtet  es  nur  als  „das  Gesetz  des  abstrakten  Verstandes"  und  nicÜ 
als  „ein  wahres  Denkgesetz".  Die  Form  des  Satzes  enthält  bereits  einen 
Widerspruch,  insofern  er  als  Satz  einen  Unterschied  zwischen  Subjekt  und 
Ftidikat  verspricht,  aber  das  nicht  leistet,  was  seine  Form  fordert  (Enzyklop. 
i.  phüos.  WiBs.,  Teil  1,  g  115,  WeAe,  Bd.  6,  S.  229  ff.). 

Im  letzten  lahrhundert  hat  sich  die  Divergenz  in  der  terminologischen 
Verwendung  des  Wortes  und  in  der  Deutung  des  Sinns  des  Identitätsprinzips 
noch  gesteigert.  Nicht  nur  wurde  das  A  selbst  in  den  verschiedensten  Be- 
deutungen (weiteren,  engeren  usf.)  genommen,  sondern  oft  wurde  auch  dem 
k  als  Subjekt  eine  andere  Bedeutung  als  dem  A  als  Prädikat  beigelegt; 
vollends  wurde  die  Gleichheit,  die  zwischen  A  und  A  behauptet  wird,  in 
der  mannigfachsten  Weise  gedeutet.  Dabei  knüpfte  man  teils  an  ältere, 
oben  angefahrte  Deutungen  an,  teils  schlug  man  ganz  neue  Bahnen  ein. 
Die  wichtigsten  dieser  neueren  Deutungen  sind  folgende: 

1.  A=A  bedeutet  die  Identität  des  Wesens  der  Dinge  im  Gegensatz 
lur  Veränderlichkeit  der  Dinge  in  der  bloBen  Wahrnehmung  (z.  B.  Inun. 
Henn.  Fichte,  Psychologie,  a  TeU,  Leipzig  1873,  S.  108;  vgl.  auch  dies 
Werk  S.  U7);  dieser  Ansicht,  die  man  auch  als  eleatische  bezeichnen 
lum,  steht  auch  Palägyi  nahe  (Die  Logik  auf  dem  Scheidewege,  Berlin 

„.,,„,  ^.oogic 


446  lU.  Teil.     Autochtbone  Grundlegung  der  Logik. 

1908,  S.  Sßi),  der  iedoch  die  FoiraulieniDg  .,K  ist  A"  als  völlig  «ideisiiirij 
verwirft. 

2.  A  =  A  bedeutet  die  Idealität  des  denkenden  Subjektes  (z.  B. 
Schleiermacher,  Dialektik,  §  112:  „a  =  a  ist  entweder  Identitit  des  Gedach- 
ten und  des  Seins^  also  Form  des  Wissens,  oder  Identität  des  Subjdcls, 
also  Bedingung  des  Wissens").  In  pyschologistiachei  Wendung  steht  dieser 
Auffassung  die  von  WeiBe  nahe,  derzufolge  es  sich  um  die  identiacbe  Natur 
unsrer  begrifflichen  Erkenntnis,  des  „VerounftbewuBlseins"  handeil  (Zlschi. 
f.  Philos.  u.  spek.  Theol.,  1839,  Bd.  4,  S.  Iff.)- 

3.  A:=A  bedeutet  die  Identit&t  des  Gedachten  und  des  Seins.  So 
hebt  schon  Schleiermacher  (s.  o.)  diese  Deutung  neben  der  oi>ea  emihotes 
hervor  als  Prinzip  für  die  „Form  des  Wissens".  Ahnlich  ist  die  Auftasnui 
von  Delboeuf. 

i.  A=A  bedeutet  den  Akt  der  Setzung  (als  Gegenstand).  GcgeDsUiid 
und  Identität  mit  sich  selbst  ist  ein  und  dasselbe  (B.  Erdmann,  Logik,  Bd.  1. 
2.  Aufl.,  Halle  1907,  S.  237  ff,). 

b.  A^A  bedeutet  neben  dem  Akt  der  Setzung  den  Akt  der  Unter- 
scheidung. A  wird  als  solches  von  allem  und  jedem  Nichl-A  unterschiedeB 
(z.  B.  Llrici,  Compcnd.  d.  Logik,  Leipzig  1872,  S.  m;  s.  auch  Schuppe, 
Erkenntnistheoret.  Logik,  Bonn  1878,  5.  145:  „Aufnahme  des  Eindrucks 
in  seiner  positiven  Bestinuntheit,  zugleich  natürlich  mit  dem  Ausschluß  tod 
allem  andern  . . .,"  und  Menschl.  Denken,  Berlin  1870,  S.  46  {(.}'■). 

6.  A  =  A  bedeutet  die  Einfachheit  ieder  Vorstellung  bzw.  jeder  psychi- 
schen Aktion  (z.  B.  Tb.  Waitz,  Lebrb.  d.  Psychol.  als  Naturw.,  Braunschr. 
1849,  S.  M2fl.;  s.  auch  dies  Werk  S.  160). 

7.  A  =  A  bedeutet  die  notwendige  Verknüpfung  oder  Einheil  ied« 
Vorstellung  (Jul.   Bergmann    u.   viele  andere,   vgl.   auch   unten    Anm.  1!^. 

8.  A  =  A  bedeutet  die  Übereinstimmung  (Widerspruchslosigkeit)  »üei 
Erkenntnisse  untereinander  (z.  B.  Ueberweg,  System  d.  Logik,  5.  Aufl.,  Bodii 
1882^  S.  231,  doch  ist  dies  nach  L'eberweg  die  Bedeutung  des  Identitits- 
prinzips  in  erweitertem  Sinn). 

9.  A:=A  bedeutet  die  Identität  des  Begriffs  mit  seinen  Merkmalaa 
bzw.  des  Ganzen  mit  seinen  Teilen  (G.  E.  Schulze,  s.  o.  S.  445;  ferner 
Hamilton,  Lectures  on  logic,  Bd.  1,  2.  Aufl.,  Edinb.  n.  London,  1865,  S.  79)"); 

")  Vgl.  auch  Artur  Dubs,  Das  Wesen  des  Begriffs  und  des  Begreitens, 
Halle  1911,  Teil  II,  S.  19  („Prinap  der  logischen  Di  stinkt  Ion*  ■). 

'*)  Einen  verwandten  Standpunkt  nimmt  lul.  Bergmann  in  seiner 
Allgemeinen  Logik  (1.  Teil,  Reine  Logik,  Berlin  1879,  §  2^  S.  252  ff.)  ein. 
Er  meint,  daD  mit  dem  konstituierenden  Merkmal  der  Subjektsroratelluos 
stets  s&mtlicbe  Merkmale,  bei  Galtungs Vorstellungen  einschlieBlich  der  van 
Art  zu  Art  schwankenden  Merkmale,  mitaeseizt  seien,  und  daS  dthci 
jede  material  uaricbtige  Vorstellung  sich  durch  einen  inneren  Widerspruch 
verrate.  Beispielsweise  soll  die  unrichtige  Vorstellung  der  Säugetiere  als 
auf  dem  Lande  lebender  Tiere  insofern  einen  inneren  Widerspruch  zeigen. 
als  wir  unter  den  Saugetieren  auch  die  Wale,  und  zwar  als  im  Wasser 
lebend,  vorstellen.  So  gelangt  B.  zu  der  Behauptung,  daü  jede  uuichtigr 
Vorstellung  sich  widerspreche  (Principium  contradictionis)  und  jede  richtige 
identisch  sei.  B.  nird  damit  den  synthetischen  Sätzen  im  Sinn  Kants 
nicht  gerecht. 


OgIC 


III.  Teil.     Autochthone  Grundlegung  der  LoRik.  447 

bei  dieser  AuffaBsung  lag  es  nahe,  das  Identilälsprinzip  au(  d&s  Urteil  zu 
bescbränken  und  schlieBUch  mit  dem  Wesen  des  Urteils  zu  identiHzieren. 

10.  A=::A  bedeutet  die  Konstanz  der  logischen  Begriffe  im  Gegensatz 
zu  der  Ver&nderlichkeit  der  lalsächlichen  Vorstellungen  "f).  Diese  AuIIassuna 
wurde  namentlich  von  Sigwart  vertreten  (Vierteljahrsachr.  I.  wisa.  Pbilos-, 
18Sa  Bd.  4,  S.  i82^  und  LoTik,  2.  Aufl.,  Bd.  1.  Freiburg  1888.  S.  1(B  B.  u. 
3%B.),  der  jedoch  außerdem  mit  Bezug  auf  die  Urteile  ein  besonderes 
,J*rinzip  der  Übereinstimmung"  unterscheidet  (I.  c.  S.  107  u.  383). 

11.  A=A  bedeutet  die  Forderung,  daS  ein  begriffliches  Symbol  (Wort, 
Terminus]  immer  nur  in  derselben  feststehenden  Bedeutung  angewandt 
werden  soll  (Cornelius,  Einleit.  in  die  Philos.,  Leipzig  ISOft,  S.  267). 

AnSerdem  bat  es  nicht  an  den  mannigfachsten  Übergängen  und  Kom- 
binationen zwischen  diesen  Deutungen  gefehlt.  Was  die  Kritik  betriflt, 
so  hat  man  sich  bei  jeder  dieser  Auffassungen  die  Frage  vorzulegen,  erstens, 
ob  sie  Oberhaupt  einen  zutreffenden  Satz  aussiirichl,  und  zweilena,  ob  es 
zweckm&Qig  ist,  den  bezüglichen  Satz  als  IdentitStsprinzip  zu  bezeichnen. 
Der  historische  Standpunkt  kann  bezüglich  der  zweiten  Frage  kaum  in 
Betracht  kommen,  da  die  Verwendung  ^es  Terminus  von  Anfang  an  mit 
erheblichen  Unklarheiten  und  Zweideutigkeiten  behaftet  war.  Ich  habe 
bei  den  vorausgegangenen  Darlegungen  im  wesenthchen  die  unter  10.  an- 
geführte Auffassung  mit  bestimmten  Abänderungen  zugrunde  gelegt,  dabei 
aber  die  Bezeichnung  „Identität sge setz"  wegen  ihrer  Vieldeutigkeit  durch  die 
Bezeichnung  „logisches  Eindeutigkeitsprinzip"  eraetzl. 

Zu  der  oben  entwickelten  Lehre  von  den  Normalvorstellungen 
sei  femer  historisch  bemerkt,  daS  schon  Sigwart  von  „einer  von  allem 
zeitlichen  Wechsel  unabhängigen  Konstanz  der  Vorstellungen"  und  dem 
„idealen  Zustand  einer  durchgängigen  unveränderlichen  Gegenwart  des  ge- 
samten geordneten  Vorstellungsinhalts  fQr  ein  Bewußtsein,  der  empirisch 
niemals  vollständig  erfüllt  sein  kann",  spricht ")  (Logik,  2.  Aufl.,  Bd.  1, 
S.  383 f.  u.  106).  Von  dem  oben  eingenommenen  Standpunkt'^]  aus  kann 
man  auch  sagen,  daß  wir  unsere  Vorstellungen  nach  einer  doppelten  Rich- 
tung idealisieren  können:  erstens  mateiial  im  Sinn  einer  maximalen  oder 
sogaf  totalen  Adäquatheit  mit  Bezug  auf  ihren  Gegenstand,  und  zweitens 
formal  im  Sinn  einer  maximalen  oder  absoluten  Konstanz  ihres  Inhalts  mit 
Bezug  auf  einen  und  denselben  Gegenstand  (vgl.  auch  Sigwart  I.  c,  S.  317 
u.  Weiße,  I.  c.  S,  -JÜJ. 

§  88.  Wertbe^TfindiuiK  der  Biehti^keit  Indem  die  Logik 
zwischen  materialer  Bichtigkeit  und  Unrichtigkeit  im  An- 
schlnß  an  die  Erkenntnistheorie  nnd  auf  ihrem  eigenen 
Boden  zwischen  formaler  Richtigkeit  und  Unrichtigkeit 
unterscheidet,  kann  sie  sich  zunächst  noch  eines  jeden  Wert- 

")  Ähnlich  sagt  auch  Riehl:  ,3egnIIe  sind  bestimmte  und  beharrliche 
Vcisleltungen"  (Pbilos.  Kritiz.,  2.  Aufl.,  Bd.  1,  Leipzig  190E^  S.  170). 

")  In  einigermaßen  ähnlichem  Sinn  spricht  Cohen  von  einer  ,^iche- 
rang"  und  einem  „Festhalten"  des  A  (Logik  der  reinen  Erkenntnis,  Berlin 
1S0%  S.  83). 

**)  Vgl.  auch  meine  Grundl.  d.  Parchol.  Bd.  1,  5.  339  S. 


i,l^.OOglc 


448  ^  '^^     Aatochthone  Gnindleguiis  der  Loiik. 

Urteils  und  damit  auch  jeder  normativen  Bestrebonsr  ent- 
halten. Sie  hat  nnr  tatsächlich  mit  Hilfe  der  Erkenntnis- 
theorie festgrefitellt,  wag  sie  onfer  materialer  Bicbtigkei't  bsw. 
ünrichtig:keit  versteht,  und  ebenso  nur  tatsachlich  fest- 
gestellt, dnrch  welche  psychologische  Merkmale  sich  das  for- 
mal richtige  Denken  vom  formal  unrichtigen  unterscheidet 
Selbst  die  NomtalvorstellnngcD,  welche  sie  dabei  anfzustel- 
len  gezwungen  ist,  involvieren  an  sich  noch  keine  Wert- 
onterscheidnng.  Auf  diesem  neutraleu  Boden  bleibt  die 
Logik  jedoch  nicht  stehen.  Sie  beansprucht  für  das  material 
richtige  Denken  im  Einklang  mit  der  Erkenntnistheorie  einen 
besondem  Wert  und  mufi  daher  auch  für  das  formal  richtige 
Denken,  sofern  es  für  jenes  unerläßlich  ist,  gleichfalls  in 
demselben  Sinn  einen  besonderen  Wert  beansprachen. 

Die  Begründung  dieser  Wertanterscheidung  ist,  soweit 
die  materiale  Bichtigkeit  in  Frage  kommt,  eine  Ange- 
legenheit der  Erkenntnistheorie.  Hier  sei  nur  kurz  erwähnt, 
daB  diese  dabei  verschiedene  Wege  einschlagen  kann  und 
asch  tatsächlich  eingeschlagen  hat ').  Entweder  nämlich  be- 
gründet sie  den  Wert  des  material  richtigen  Denkens  mit 
»einem  Nutzen  für  das  menschliche  Handeln  (utilitaristische 
bzw.  pragmatistische  Bichtnng,  vgl.  ^  53),  einerlei  ob  es  in 
letzter  Linie  den  Handelnden  selbst  oder  einem  Teil  süner 
Mitmenschen  oder  der  menschlichen  Gesellschaft*)  zugute 
kommt,  oder  sie  begnügt  sich  mit  dem  Hinweis  auf  die  posi- 
tive Oefühlsbetonung,  welche  bei  einem  gewissen  Prozent- 
satz der  Menschen  mit  der  Vorstellung  der  materialen  Denk- 
richtigkeit verbunden  ist,  oder  endlich  sie  sucht  ans  der  Ein- 
zigartigkeit (Insignität,  S.  311,  Anm.  14)  der  material  richti- 
gen Vorstellung  (in  bezug  auf  einen  bestimmten  Gegenstand) 
im  Gegensatz  zur  unendlichen  Mannigfaltigkeit  der  material 
falschen  Vorstellungen  (mit  Bezug  auf  denselben  G«gen- 
.stand)  und  aus  der  hiermit  zusammenhängenden  Möglichkeit 
der  All-  und  Allgemeingültigkeit  (S.  274)  der  material  rich- 
tigen Denkergebnisse  einen  von  den  zufälligen  individuellen 
GefühlabetODungen  unabhängigen  allgemeinen  Wert  des 
material  richtigen  Denkens  abzuleiten.  Die  Logik  als  solche 
kann  sich  zur  Not  mit  allen  diesen  drei  Auffassungen  ab- 
finden (obschon  die  erste  offenbar  ganz  nnznlänglicfa  ist)  und 

')  Vgl.  dazu  meine  EAenntniaUieone  S.  48t  H. 

=>)  Comle,  Cours  de  philos.  poa.,  &.  AuiT.  Fans  1894,  Bd.  6,  S.  G11. 


OgIC 


IIL  Teil.    Autochtbooe  GrundleKung  der  Logik.  449 

kann  wach,  sehr  wohl  die  zweite  mit  der  dritten  verbinden ; 
ihr  kommt  es  nur  darauf  an,  daß  überhaupt  eine  besondere 
Wertnng  für  das  material  richtige  Denken  irgendwie  fest- 
gestellt  wird.  Sie  seibat  hat  dann  nur  die  Aufgabe  zn  zeigen, 
dafi  dieser  besondere  Wert  auch  dem  formal  richtigen 
Denken  zukommt.  Hierzn  genügt  im  allgemeinen  ein  Hin- 
weis darauf,  daß  die  formale  Denkrichtigkeit  unerläßlich 
ist,  vm  zu  material  richtigen  Denkergebnissen  zn  gelangen 
(vgl.  S.  421).  Im  besonderen  kann  sie  noch  herrorheben,  daß 
der  „Wert"  der  Normalvor^tellungen  —  im  Sinn  des  logi- 
schen Eindentigkeitsprinzips  —  für  das  wissenschaftliche 
Erkennen  sich  schon  daraus  ergibt,  daß  es  sich  bei  diesem 
nicht  um  die  Gewinnung  momentan  richtiger,  sondern  zeitlos 
richtiger  Yoratellongen  handelt  und  solche  eben  nur  mit 
Bäte  der  Normalvorstellnngen  erreichbar  sind. 

Der  überindividuelle  Wert  der  Normalvorstellungen  und 
Normaldenkprozesse  im  besonderen  leuchtet  übrigens  vom 
Standpunkt  des  dritten  soeben  angeführten  Weges  auch  ganz 
tmabhängig  von  ihrer  Ünentbehrlichkeit  für  das  Erlangen 
msterial  richtiger  Erkenntnisse  ein.  Die  Verwechslungen 
(Alienationen),  welche  infolge  Abweeenheit  oder  Unwirksam- 
keit von  Normalvorstellungen  fortwährend  im  individuellen 
Denken  mit  Bezog  auf  irgendeinen  Gegenstand  auftreten, 
sind  von  unzählbarer  Mannigfaltigkeit,  demgegenüber  ist 
die  Normalvorstellung  mit  Bezog  aof  einen  G^egenstand 
einzigartig.  Die  Einzigartigkeit  der  formalen  Eiehtig- 
keit  findet  in  der  Einzigartigkeit  der  Normalvorstellungen 
ihren  ai^emessenen  Ausdruck.  Ohne  Normalvorstellungen 
ist  eine  überindividnelle  Gültigkeit  (Allgemeingültigkeit 
und  damit  Universalität)  onsrer  Erkenntnisse  überhaupt  un- 
denkbar, nnd  darauf  beruht  ihr  besonderer  Wert  und  damit 
auch  der  Wert  der  von  ihnen  abhängigen  formalen  Bichtig- 
keit  Nur  ist  selbstverständlich  zuzugeben,  daß  hieraus  sich 
nicht  etwa  für  jede  Normalvorstellung  notwendig  ein 
äberindividneller  Wert  ergibt.  Um  diesen  herzustellen,  muß 
die  materiale  Bichtigkeit  der  Norm^vorstellnng  hinzu- 
Koimuen. 

Von  diesem  Standpunkt  aus  wird  es  auch  einigermaßen 
verständlich,  wenn  Averroes  u.  b.  von  der  unitas  intellectus 
activi  bei  allen  Menschen  sprechen.  Man  darf  darunter  nur 
nicht,  wie  Averroes,  eine  metaphysische  Identität  und  noch 

ZiefetD,  Lebrbncb  der  I^iiüc.  29 


OgIC 


450  'U-  Teil.     Autochlhonp  Gnmdlegung  der  Logik. 

weniger  eine  psychologische  Übereinstimmung  verstehen'), 
sondern  die  Einzigartigkeit  der  logischen  Normalvorstel- 
Inngen  als  Conditio  sine  qua  iion  fiii-  die  Ällgemeingültig- 
keit  unseres  Erkenneus. 

M«u  könnte  im  AnschluB  an  dies^  Erörlerunsen  sowie  dieienicen  ^^ 
ä  K>  noch  die  Frage  aufwerfen,  ob  nicht  doch  in  letzter  Instanz  jede 
materiale  tinncbligkeit  ausschlieBlich  auf  formale  l'nrichtieheit  nuäck- 
KufOfaren  ist  und  daher  auch  die  Rückführucg  de!<  Werts  der  lomuten 
Richtigkeit  auf  den  Wert  der  materialen  noch  strenacj  formuliert  weri«n 
könnte.  Es  liegt  n&nüich  nahe,  den  materialen  Charakler  der  lo- 
richtigkeit  der  primären  Erinnerungsbilder,  welche  wir  als  eine  zweite  Quelle 
der  materialen  L'nrichUi^eit  der  Denkcrgebnisse  neben  der  Unrichtigkeit  dei 
nenkakle  kennen  gelernt  hatt«n  (S.  2S2),  zu  beanstanden.  Die  Unricbtif- 
keit  eines  primären  Erinnerungsbildes,  könnte  man  sagen,  besteht  in  doch 
nur  mit  Bezug  auf  ihren  Gegenstand,  d.  h.  die  zugehörige  GnindemplindUDI 
b2w.  den  Komplex  der  zugehörigen  Grundempfindungen :  an  ^ich  ist  eint 
solche  Vofstellung  weder  falsch  noch  richtig,  sie  wird  es  erst  dadurch.  lUB 
wir  sie  auf  die  GrundempSndung  bezieben,  und  ist  nicht  die  Beziehuni 
f'ines  gefälschten  Erinnerungsbildes  auf  eine  ilim  nicht  entsprechende  Gnmd- 
en:pfindung  schließlich  doch  auch  ein  unrichtiger  Denkakt.  eine  Allenation 
in  dem  oben  besprochenen  Sinnv  Die  Unsoliditäl  würde  von  diesem  Stand. 
Punkt  aus  auf  eine  sekundäre  Rolle  beschränlf.t :  sie  würde  nur  noch  msirieni 
in  Betracht  kommen,  als  wir  auf  ein  unrichtiges  Denkergebnis  neue  Denk- 
akte  aufbauen,  aber  das  fundierende  unrichtige  Denkergebnis  würde  in 
Jiilzter  Linie  doch  auch  nur  auf  formal  unrichtigen  Denkakten  beruhen. 
Jlan  wird  die  Bedeutung  und  Tragweite  dieses  Einwandes  kaum  ernsl  genlB 
nehmen  können.  Immerhin  muB  ihm  doch  folgende  Überlegung  entgecen- 
gestellt  werden.  Wenn  wir  bei  der  Beproduklion  eines  prinüLren  Eriniw- 
rungsbÜdes  dies  trotz  etwaiger  Gedächtßisentstellungen  aul  denselben  Gegen- 
stand beziehen,  so  kommt  allerdings  auch  eine  Verwechslung  zustande,  aber 
diese  bemht  nicht  au(  den  Denkprozessen,  wie  wir  sie  hier  abgegrenzt  haben 
(vgl.  S.  262),  sondern  spielt  sich  im  Bereich  der  Hetention  und  jener  meit- 
wQrdigen  Rückbeziehung  ab,  welche  alle  unsere  Erinnerungsbilder  mit  BeMip 
auf  ihre  Grundempfindung  haben  (vgl.  S.  268).  Selbst  in  dem  nicht  seltenen 
Fall,  wo  die  Eatstellung  des  Erinnerungsbildes  nicht  im  Sinn  eines  einfachen 
Verges^eiis,  sondern  unier  dem  EinDuC  assoziierter  Vorstellungen  erfclgt 
ist  dieser  fälschende  Einfluß  kein  DenkprozeQ  in  unserem  Sinn.  Der  Unter- 
schied zwischen  UnsoliditSt  und  Diskrepanz  bleibt  also  trotz  dieses  Ein- 
wandes bestehen  und  damit  auch  die  Abgrenzung  der  formalen  Unrichtigkeit 
gegenüber  der  materialen  un erschüttert. 

Auf  deu  so  begründeten  Wert  der  formalen  Richtigkeit 
stützt  sich  nun  auch  der  schon  in  §  2  besprochene  Norm- 
charakter  der  Logik.  Wenn  die  liOgik,  nachdem  sie  das  rich- 
tige Denken  untersucht  hat,  nun  auch  sekundär  bindende 
Regeln,  „Normen",  für  das  Denken  aufstellt,  so  ist  sie  hieran 
hofugt  und  verpflichtet,  weil  sie  eben  für  das  formal  richtige 


'J  Vgl.  Groß,  Zischr.  f.  Thilos,  u.  philos,  Kril..  1888,  Bd.  93,  S.  278. 


III.  Teil.     .AutochthoDe  GniadlcguDS  der  LoRÜc.  45J 

Denken  einen  besonderen  Wert  in  Änäprucb  uelinien  kann. 
Die  NormalTorstellnnsen  nnd  Normaldenkprozesee  werden 
zugleich  zn  Normvorsteliun^en  und  Normdenk- 
prozessen (Denknormen)  erhoben. 

§  89.  Elnteilnnr  der  Li^ik.  Anf  allen  diesen  Grund- 
lagen vermag  nun  die  Lc^ik  auch  ihre  Einzelontersuchungen 
der  logischen  Gebilde  zweckmäßig  einzuteilen.  Eine  solelie 
Einteilung  kann  sich  nur  an  die  tatsächlich  gegebenen  Denk- 
prozeese  anschließen,  muß  also  von  der  Psychologie  bzw.  der 
psychologischen  Grundlegung  der  Logik  ausgehen,  jedoch 
iouQer  mit  der  Maßgabe,  daß  nicht  die  tatsächlfch  gegebenen 
p6yehischen*Prozesse,  sondern  nur  die  entsprechenden  logi- 
schen idealisierten  Normalprozesee  in  Betracht  kommen. 
Daraus  ergibt  sich  folgende  Einteilung: 

1.  Lehre  von  den  VoreteUungen  im  Sinn  von  Normal- 

vorstellungen oder  Begriffen; 

2.  Lehre  von  den  Urteilen  im  Sinn  von  Normalurteilen; 

3.  Lehre  von  den  Schlüssen  im  Sinn  von  Norraalschlüssen; 

4.  Lehre  von  den  Beweisen  im  Sinne  von  Normalbeweiaen ; 

5.  Lehre  von  den  Wissenschaften ')  im  Sinn  von  Nonnal- 

wiaeensch  af te  u , 

Vielfach  sind  aucli  andere  Einteilungen  üblich.  So  teilt  Erdniauii*) 
die  allgemeine  LosUc  in  Elementarlehre  und  Methodenlebre  des  nissenscbaft' 
liehen  Denkens  ein.  Die  etatere  behandelt  „die  Voraussetzungen  und  die 
FoTmcfemente  des  Denkens,  also  die  Gegenstände  des  Denkens  sowie  die 
llrteile  und  SchlQsse",  die  letztere  „die  Fonnelemente  zweiter  Dränung',  die 
allen  Wissen  sc  liallen  gemeinsamen  Methoden".  Andrerseits  ualeracheidet 
Chr.  Sigwart  ^)  drei  Teile:  einen  analytischen,  einen  normativen  und  einen 
technischen.  Ich  halte  es  lär  zweckmaBiger,  die  Können  und  technischen 
Regeln  jeweils  unmittelbar  im  Anschluß  an  die  Abschnitte,  welche  den  ein- 
zelnen logischen  Gebilden  gewidmet  sind,  zu  behandeln. 

Auffällig  könnte  bei  dieser  Einteilung  nur  erscheinen, 
daß  hier  Schluß,  Beweis  und  Wissenschaft  als  selbständige, 
koordinierte  Glieder  neben  Vorstellung  und  Urteil  auf- 
treten, während  sie  in  der  Psychologie  meistens  nur  als 

')  Ausnahmsweise  kommen  für  diesen  Teil  der  Logik  auch  nicht- 
wissenichaltliche  zusammenhängende  Überlegungen  (Pläne  u.  dgL] 
in  Betracht.  Es  handelt  sich  also  um  eine  Denominatio  a  potiori.  Vgl.  S.  fl. 
=)  Logik,  Bd.  1,  2.  Aufl.  Halle  1907,  S.  51.  Übrigens  behandelt  E.  ia 
^  Elementarlehre  auch  die  psychologische,  erkenntnistheorclische  und 
BBiacfaliche  Grundlegung  der  Logik. 

»)  Logik,  2.  Aufl.  1889  u.  1893,  namentl.  Bd.  1,  S.  16. 

'2»' 
h.  1.  iiA.OOgIc 


452  *n.  Teil.    Autochlhone  Grundlecun«  der  LocJfc. 

relativ  nebensächliche  A^regate  von  Vorstellangen  und 
Urteilen  behandelt  werden.  Diese  unterschiedliche  Behand- 
Inng  erklärt  sich  jedoch  ohne  weiteres  an»  dem  prinzipiell 
verschiedenen  Charakter  der  Logik  nnd  der  Psychologie. 
Der  Psychologie  kommt  es  haapteächlich  auf  die  Unter- 
suchung der  grundlegenden  psychischen  Prozesse  an,  das 
Znsammentreten  dieser  psychischen  Prozesee  zu  nenen 
Aggregaten  interesüert  sie  nnr  insofern,  als  etwa  bei  dem- 
selben neue  psychische  Prozesse  wirksam  werden.  Die 
Jjogik  hingegen  will  das  richtige  Denken  nnterRacbeB, 
und  für  dieses  haben  nicht  nur  die  einfachen  grundlegenden 
Prozesse,  sondern  auch  die  zusfunmengesetzten  Prozesse  — 
bis  zum  Aufbau  der  gesamten  Wissenschaften  —  ein  wesent- 
liches Interesse. 

Kine  historische  Darstellung  der  zahlreichen  anderen, 
weit  verschiedenen  Einteilungen  der  Logik,  welche  im  Lauf 
der  Jahrhunderte  vereacht  worden  sind,  kann  an  diesef 
Stelle  nicht  gegeben  werden  *)-  Einzelne  wichtigere  Eintei- 
lungsversuche sind  überdies  bereits  in  dem  historischen  Teil 
(§  6  ff.)  erwähnt  worden.  Die  oben  von  mir  angegebene  geht 
im  wesentlichen  auf  Petrus  Bamue ')  zurück.  Hier  moS  nur 
noch  kurz  auf  eine  namentlich  in  den  letzten  Jahrzehnten 
stärker  hervorgetretene  Kichtuug  der  Logik  hingewieeen 
werden,  welche  die  Lehre  vom  Urteil  als  das  Fundameot 
der  ganzen  Logik  betrachtet  nnd  ihr  daher  in  der  Einteilung 
der  Logik  die  erste  oder  wenigstens  eine  zentrale  Stellung 

*)  Eine  Übereicht  der  ^teren  Einteiluoieii,  die  allerdings  weder  voll- 
ständig noch  in  allen  Einzelheiten  zutrefiend  ist,  Bibt  Hamilton,  Lectures  od 
logic,  2.  Aufl.  Edinb.-LondQa-186e,  Bd.  1,  S.  51  ft.  (Lect  3  u.  4)  u.  BdL  2, 
S.  £39  (Appendix  3). 

*)  Bamua  teilt  allerdings  die  Logik  (Dialectica)  dem  Wortlaut  nach  in 
invenlio  und  Judicium  ein  (Tgl.  z.  B.  Dialecticae  libri  duo,  ed.  Rodingns, 
Francof.  Iß77.  S.  t3  u.  dies  Weit  S.40,  Anm.26).  Die  inventio  hat  es  aberniit 
der  Auifindiug  der  argumenta  zu  tun,  argumentum  aber  est  quod  ad  aliqoid 
arguendum  alfectum  est:  quales  sunt  eingulae  rationes  solae  et  per  se  consi- 
deratae.  Die  inventio  fällt  daher  im  wesentlichen  mit  der  Lehre  vom  Begfiff 
zusanmien.  Der  Teil,  der  .Judicium"  benannt  wird,  behandelt  Urteil,  ScbtoB 
und  .Methode".  An  andrer  Stelle  wird  eine  pars  topica  (=  inventio  argu- 
mentorum,  i.  e.  mediorum,  piincipiorum,  elementorum)  und  eine  para  ana- 
lytica  C=  eoram  dispositio)  unterschieden.  Siehe  Scholae  in  lib.  art^  Basileae 
1669,  Buch  9,  S.  306.  Auf  den  interessanten  Vergleich  mit  der  aristotelischen 
Enteilung,  die  oHenbar  wieder  derienigea  des  Ramus  zugrunde  liegt,  kann 
hier  nicht  emgeganges  werden. 


ni.  Tea.     Autochthone  Grundlegui«  der  Logik.  453 

«inräamt*)  So  erklärt  z.  B.  Windelbacd'):  ,JiO?ik  ist  ür- 
teÜBläire",  die  Lehre  vom  Begriff  und  Schloß  sind  „aar 
eiozehie  Aaszweigungen  der  Lehre  vom  Urteil",  and  in  ähn- 
lichem Sinn  behauptet  Cohen'):  ,Jfiir  das  Urteil  bildet  das 
Qaellgehiet  der  Logik'*,  „dae  Urteil  bedeutet  reines  Denken". 
Dieee  Anffaeanng  hat  insofern  gewiß  eine  Berechtignng, 
als  «ineiseits  die  Begriffsbildnng  sich  wenigstens  zum  Teil 
mit  HUfe  von  Urteilen  vollzieht  und  die  Begriffe  selbst  sich 
durch  Urteile  (Deänitionen)  darstellen  lassen  nnd  andrer- 
seits alle  Schlüsse,  Beweise  nnd  Wissenschaftssysteme  eich 
ans  Urteilen  zusammensetzen;  indessen  tritt  sie  sowohl  mit 
der  Psychologie  wie  mit  der  Erkenntnistheorie  in  einen.  Wie 
mir  seheint,  unvermeidlichen  und  unlösbaren  Konflikt,  in- 
sofern für  diese  unzweifelhaft  die  Begriffsbildung  —  wenig- 
stens in  ihrer  einfachsten  Form  —  das  prios  ist").  Dazu 
kommt,  daß  didaktisch  sich  ein  Ausgehen  von  der  Urteils- 
lehre als  unzweckmäßig  erweist").  Ich  stelle  daher  doch 
die  Lehre  vom  Begriff  an  die  Spitze.  Der  besonderen  Be- 
deutung des  Urteils  kann  und  wird  dadurch  Bechniing  ge- 
tragen werden,  daß  die  Urteilslehre  besonders  ausführlich 
behandelt  und  die  Beteiligung  des  Urteils  an  der  Begriffe- 
bildung  allenthalben  berücksichtigt  wird. 

t'br^ens  hat  man  zuweilen  auch  der  Lehre  vom  Schluß  oder  vom 
Beweise  die  zentrale  Stellung  im  G«b&ude  der  Lonk  zugeschrieben.  Schon 
bei  Adsloteles  ist  eine  solche  Tendenz  unverkennbar.    Auch  Boethias  scheint 


*)  Diesen  Standpunkt  vertrat  z.  B.  schon  Ploucquet  (vgl.  S.  128),  der 
die  Lehre  vom  Begrifl  deshalb  auch  ganz  in  den  zweiten  Teil  der  Logik^ 
die  Methoden  lehre  verwies,  femer  0.  F.  Gruppe,  Wendepunkt  der  PhUos., 
ira*,  S.  3*fl. 

^  Die  Philosonhie  im  Beginn  des  ao.  Jahrb.,  Heidelberg  1907,  S.  189. 
Vgl  auch  Kant,  Kiil.  d.  rein.  Vem.,  Kehrt).  Ausg.  S.  8B  u.  Hanüllon,  Lectures 
on  logic,  LecL  7. 

■)  Logik  der  reinen  Erkenntnis,  Berlin  190S,  S.  409. 

')  Vgl  hierzu  auch  E.  Lask  (Die  Lehre  v.  Urteil,  Tftbingen  1912),  der 
«iae  transzendentale  Logik  (L^re  von  den  gegensl&ndUchen  logischen 
Phiaemenen)  und  eine  formale  Logik  (Lehre  von  den  nicht-gegenständlichen 
loliscben  Fhftnomenen)  unterscheidet  und  die  Vorhenschalt  des  Urteils  fOr 
^  legenstAndliche  Logik  bestreitet.  Das  Urteil  wird  zu  der  sekund&ren, 
d.  h.  nicht-gKenständlichen  Region  gerechnet,  im  Urteil  tritt  zur  , ablichten 
(«lensl&ndlichen  Urstruktur"  eine  „künstliche  Slrukturkomplikation"  hinzu 
(S.  6).    Vgl.  auch  dies  Werk  S.  194. 

'■)  Schon  die  älteren  Kommentatoren  des  Aristoteles  machen  diesen 
Standpunkt  geltend,  vgl,  2.,  B.  Philoponust  Ad  analyt  post.  1,  1,  Akad.  Au«. 
Bi  13i  Teü  3,  S.  S  (*«n. 


454  'n-  "'"''''■     Aulochlhone  firundlegung  der  LoEib. 

sie  gelegenllich  auszusprechen  (In  caleg.  Arislot.  ed.  Migne  Bd.  64,  S.  161). 
Albertus  Magnus  gibt  ausdrücklich  an,  daB  die  arabischen  Logiker  die  arau- 
mentatio  als  das  eigentliche  .^ubjectum  logicac"  (sei!,  docentis)  bflraditen 
(De  praedicabil.  I,  +.  ed.  Lugdun.  16Ö1.  Bd.  1,  S.  5  a).  Wilhelm  Shyreswood 
(Zitat  aus  d.  Hdschr.  bei  Pjantl,  Geach,  d.  Log.  im  Abend!.,  M.  3^  S.  11. 
Anm.  32>,  Lan*ert  v,  Auxerre  (Pranll,  !.  c.  S.  27,  Anm.  ]05).  Duns  Scolu» 
(Quaeat.  sup.  Univ.  Porphyr.,  Qu.  3,  Opp.  ed.  Paris,  Bd.  1,  S.  70  b),  Aeodins 
Romanus  (Expos,  sup.  art.  vet.  fol.  3  v  B  nach  Pranll)  u.  a.  stellen  gleich- 
falta  den  Syllogismus  an  die  Spitze  der  Logik.  In  neuester  Zeit  vcrtrilt  u.  a. 
H.  Maier  einen  ahnlichen  Standpunkt  [Psych,  d,  eniol.  Denken^  Tüb,  1908, 
S.  311).  Nach  ihm  ist  die  syllogis tische  Fvtnktion  die  Jogiscbe  Grund- 
hmklion,  in  der  sich  alle  Ferschungsprozesse,  wenn  aie  von  vorhandenen 
Erkennlnisvorslellungen   zu   neuen  vorzudrinsen   suchen,  bewegen". 

Neben  der  soeben  aofgeBtellten  Haupteinteil  nng  der 
Logik  läuft  nun  eine  andere  her,  welche  für  die  praktiache 
Anwendung  der  Logik  von  großer  Bedeutung  ist:  die  Ein- 
teilung in  allgemeine  und  spezielle  oder  ange- 
wandte Logik").  Die  allgemeine  Logik  will  die  Lehre 
vom  Begriff,  urteil  usf.  («inschl.  Wiseenschaft)  begründen 
ohne  Bücksicht  auf  die  besonderen  Bedingungen,  welche 
das  Denken  auf  den  einzelnen  Gegeu&tandsgebieten  (der 
mathematischen,  physikalischen,  historischeu  Gegenstände 
nsf.)  vorfindet,  und  daher  auch  ohne;  Rücksicht  auf  die  Be- 
griffs-, Urteilsbildungen  usf.,  welche  in  den  aktuell  ge- 
gebenen EinzelwiBsenschftften  vorliegen.  Sie  verwendet 
die  Begriffsbildungen  usf.  der  letzteren  nur  als  wertvolles 
Ausgangs-  und  Beispielniatcrial,  eliminiert  aber,  um  zu 
ihren  allgemeinen  Ergebnissen  zu  kommen,  alle  speziellen 
Eigentümlichkeiten  dieses  Materials  —  soweit  sie  es  über- 
haupt benutzt  —  nachträglich  wieder  vollständig.  Dem- 
gegenüber untersucht  die  spezielle  Logik  das  logische  Den- 
ken nnter  den  besonderen  Bedingungen  dieser  oder  jener 
Binzelwissennchaft  (Logik  der  Mathematik,  Logik  der 
Sprachwissenschaft  nsf.),  wobei  sie  einerseits  die  allge- 
meinen logischen  Gesetze  auf  die  Einzelwissenschaft  an- 
wendet, andrerseits  auch  zuweilen  ohne  Rücksicht  auf 
erstere  mehr  oder  weniger  selbständig  die  logischen  Gesetze 
in  der  für  die  Einzelwissenschaft  charakteristischen  Form 
entwickelt.  Der  rein  formale  Charakter  der  Logik  wird  bei 
diesem  Verfahren  erheblich  eingeschränkt. 

")  Die  Bezeichnung  „angewandte  Logik"  wird  alsä  hier  nicht  im 
Kantachen  Sinne  verwendet,  vgl.  S.  1S6.  Kants  angewandte  Logik  gdiört 
xw  Psychologie,  b.  unten. 


Ili.  Teil.     Aulocbthone  Grundlegung  der  Losik.  455 

Für  die  BarstelluDg:  lier  Gesamtlogtk  bietet  sieh  eiii 
doppelter  Weg:  entweder  kann  man  die  allgemeine  Logik 
zuerst  abgesondert  vortragen  und  dann  die  besondere  in 
einem  selbständigen  Abschnitt  behandeln  oder  allenthalben 
die  wichtigsten  Tatsachen  der  besonderen  Logik  in  die  ent- 
sprechenden Kapitel  der  allgemeinen  Logik  einfügen.  Beide 
Wege  haben  ihre  Berechtigung.  Ich  habe  hier  den  zweiten 
'  eingeschlagen,  weil  mir  bei  dem  hentigen  Stand  der  logi- 
schen Forschung  eine  besonders  enge  Verbindung  zwischen 
allgemeiner  und  besonderer  Logik  von  überwiegendem 
Nutzen  zu  sein  scheint.  Am  wichtigsten  ist  ans  leicht  er- 
sichtlichen Gründen  die  spezielle  Logik  für  den  5.  Teil,  die 
Wissenschaftslehre.  Eine  ausführliche  Darstellung  der 
speziellen  Logik  überschreitet  übrigens  die  dem  Logiker 
gezogenen  Grenzen. 

Die  im  Mittelalter  vielfach  übliche  tinterscheiduDR  zwischen  logica 
doceos  und  togica  ulens  ")  (auch  applicata  ee&annl)  deckt  sich  mit  der  Gin- 
leiluDg  in  allgemeiDe  und  besondere  Losik  nicht  bei  allen  Autoreti  voll- 
ständig. Insi^esondere  legte  man  oft  bei  dem  Begriff  der  Icgica  uleos  das 
EUuptgewicht  auf  die  Verwendung  der  logischen  Regeln  hei  der  Diskusaioit, 
im  täglichen  Leben  usf..  während  die  besondere  Logik  in  dem  oben  deli- 
nierten Sinn  sich  vorzugsweise  auf  die  Verwendung  in  den  Einzel  wissen. 
schatten  bezieht.  Die  logiea  docens  wurde  auf  Gnind  dieser  Auffassung  - 
aucb  oft  als  Wissenschalt  (dtscipüna,  scicntia  oder  wenigstens  modus  sciendi) 
der  logica  utens  als  der  ,^rs"  gcKenObergestellt.  Bei  den  späteren  Nomina- 
lislen,  z.  B.  Pelrus  Aureolus^  stellte  sich  dann  zuweilen  eine  Tendenz  ein, 
die  logica  utens^  also  die  logica  als  ars  ganz  in  den  Vordergrund  zu  stelbn 
(In  prim.  sentent.  37  a  nach  Pranll). 

Die  allgemein©  Logik  wurde  von  Kant  in  reine  and 
„angewandte"  eingeteilt  {über  die  Mißverständliebkeit  diese» 
Tenninos  vgl.  S.  126).  In  der  reinen  allgemeinen  Logik 
wird  von  allen  empirischen  Bedingungen,  iinter  denen  unser 
Verstand  tätig  ist,  ja  sogar  von  allen  Ursachen,  aus  denen 
uns  gewisse  Erkenntnisse  entspringen  .  .  .,  abstrahiert,  in 
der  angewandten  allgemeinen  Logik  wird  die  Tätigkeit  de» 
Verstandes  unter  den  zufälligen  empirischen  Bedingungen 
des  Subjekts  (Aufmerksamkeit,  Gedächtnis  usf.)  untersucht. 
Offenbar  gehört  nun  diese  angewandte  allgemeine  Logik 
zur  Psychologie  nnd  kann  höchstens  in  der  psychologischen 

")  Vgl.  auch  S.  69.  Besonders  klar  ist  die  Unterscheidung  bei  Duns 
Scotns  durchgefOhit,  Quaest.  sup.  Univ.  Porphyr.,  Qu.  1  (Opp.,  ed.  Paris 
Bd.  1,  Slafi.,  namentl.  G3a).  Eine  abweichende  Delinitioa  gibt  z.  B.  Aegidius 
Romanos  in  Expos,  sup,  hbr.  Poster,  f.  5  v  A  (nach  Prantl). 


i-Mh,Goo.glc 


456  III.  Teil.    Autoehtbone  Grundlaping  dw  Logit. 

Gnindlegtmg  der  Logik  beiläufig  hier  und  da  berücksichtigt 
werden.  Insofern  ist  also  die  allgemeine  Logik  stets  rein; 
wenn  jedoch  Kant  den  Gegensatz  dahin:  überspannt,  dafi  die 
reine  allgemeine  Logik  von  allen  empirischen  Bedingun- 
gen des  Denkens  abstrahieren  and  es  „also  mit  laater  Prin- 
zipien, a  priori  zu  tun"  haben  solle,  so  muß  eingewendet 
werden,  daß  eine  solche  reine  Logik  überhaupt  unm^lich 
ist.  In  dieser  Beziehung  kann  auf  dasjenige  zurückrer- 
wiesen  werden,  was  S.  14,  167  f.,  316,  417  u.  437  über  die 
Notwendi^fkeit  eines  Zusammenhangs  mit  der  Psychologi« 
ausgeführt  wurde.  Ohne  psychologisches  Material,  and 
zwar  wissenschaftlich  untersuchtes  und  geordnetes  psycho- 
logisches Material  kann  die  Logik  ihre  Arbeit  nicht  be- 
ginnen, sie  geht  dann  allerdings  über  dieses  Material  mit 
der  Konstruktion  ihrer  Normalgebilde  weit  hinaus.  Bein 
ist  sie  also  nur  insofern,  als  sie  die  zufälligen  psychologi- 
schen Bedingungen  nachträglich  eliminiert,  d.  h.  eben: 
Normalgebilde  konstruiert. 

Kant  selbst  hat  nicht  klar  und  bestimmt  ansreffeben, 
wie  er  sich  den  Aufbau  einer  solchen  in  seinem  Sinne  reinen, 
d.  h.  ganz  apriorischen  Logik  denkt,  und  bat  auch,  wie  Hns- 
serl  bezüglich  der  Kantianer  mit  Recht  hervorhebt "),  in 
seinem  Anfbau  der  Logik  keineswegs  vollständig  von  aller 
Psychologie  abstrahiert.  Die  Logizisten  (vgl.  '^  45  ff.),  unter 
ihnen  namentlich  Husserl,  glauben  einen  solchen  rein 
apriorischen  Aufbau  in  der  Tat  ausführen  zu  können.  „Der 
Forscher  in  der  ,dogmatisch'  behandelten  reinen  Logik 
erfaßt  abstraktiv  die  apophantischen  Formen  (,Satz  über- 
haupt' oder  ,TTrteir,  kategorisches,  hypothetisches,  konjonk- 
tives,  disjunktives  Urteil  usw.)  und  fixiert  für  sie  Axiome 
formaler  Wahrheit" ").  Die  reine  Logik  ist  „eidetische" 
Wissenschaft,  gründet  sich  auf  Wesensscbauung  in  dem 
S.  184  erörterten  Sinne.  Die  Bedenken,  welche  dieser  logi- 
zistischen  Auffassung  entgegenstehen,  sind  S.  187  bereite  an- 
geführt worden.  Auch  zeigt  sich  allenthalben,  daß  der  Logi- 
zist  tatsächlich  versteckt  doch  immer  wieder  psycholo- 
gisches Material  verwertet  und  zum  Ausgangspunkt  nimmt 
Auch  seine  Logik  ist  in  dem  von  ihm  geforderten  Sinn  nicht 

")  Logische  lintersuiAunuen,  Halle  1900,  Teü  1,  S.  59  (3.  AulL  desgl)- 
'*)  Husserl,  Ideen  zu  einer  reinen  Phänamenolosie  usf.,  Halle  lEn% 


M,Googlc 


m.  Teil-     Aulochthone  Gruadlesuns  der  Logik.  457 

rein.  Meines  Erachteos  ist  daher  die  loffizistische  reine 
Logik  ebenso  anssichtslos  and  verfehlt  wie  eine  psycliolo- 
^tiscbe,  die  mit  dem  psfcliologisch  eregebenen  Denken, 
ohne  Konstruktion  von  Normalvoratellnngen  usf.  anskom- 
meo  will. 

Anch  der  Gegensatz  zwischen  formaler  und  mate- 
r ia  1  e  r  Logik  kann  von  dem  hier  entwickelten  Stand- 
punkt ans  nicht  anerkannt  werden.  Die  Logik  wurde  als 
die  Lehre  von  der  formalen  OesetzmüQigkeit  des  Den- 
kens mit  Bezug  auf  seine  Richtigkeit  und  Falschheit  defi- 
niert {%  1).  Alles  Materiale  in  den  Denkgegenständen  ist 
damit  prinzipiell  aas  dem  Untersuchangsgebiet  der  Logik 
ausgeschlossen  und  fällt,  soweit  es  allgemein  ist,  der  Gigno- 
nienolt^ie  (vgl.  S.  241)  und  der  Erkenntnistheorie  s.  str. ") 
oder  den  Einzelwissenschaften  zu.  Dies  gilt  unter  anderem 
z.  B.  auch  von  den  sog.  Kategorien  (vgl.  S.  35  a.  "297),  deren 
Eimaen^rang  in  die  formale  Logik  zu  unzähligen  Mißver- 
ständnissen und  Irrtümern  geführt  hat.  Nur  als  Äusgangs- 
stoS  für  die  Untersuchung,  als  Quelle  für  paradigmatische 
Beispiele  und  als  Anwendungsgebiet  (in  der  speziellen 
Logik)  ist  das  Materiale  der  Denkgegenstände  für  die  Logik 
unentbehrlich.  Gerade  wenn,  wie  es  hier  geschehen  soll, 
die  Sätze  der  speziellen  Logik  allenthalben  in  die  Darstel- 
lung der  allgemeinen  Logik  eingeflochten  werden  (vgl. 
S.  455),  wird  daher  der  rein  formale  Charakter  der  Logik  zu- 
weilen wenigstens  scheinbar  preisgegeben.  Dazu  kommt 
aber  noch  ein  weiterer  Gesichtspunkt:  in  einer  Beziehung 
ist  die  Logik  geradezu  gezwungen,  prinzipiell  auch  Mate- 
riales  in  ihren  Untersuchungskreis  einzubeziehen,  nämlich 
dasjenige  Materiale,  was  in  den  Tatsachen  des  Denkens 
selbst  uns  gegeben  ist  (vgl.  dazu  über  den  Begriff  des  Mate- 
rialen  namentlich  S.  3  u.  280).  Sie  muß  den  allgemeinen 
Tatbestand  der  Vorstellungen,  Urteile  usf.  dem  psycholo- 
gischen Material  entnehmen  und,  wenn  sie  anch  in  seiner 
Bearbeitung  sich  weit  von  der  Psychologie  trennt  und  es 
in  bestimmter  Richtung  umbildet,  kommt  sie  doch  von 
diesem  Material  niemals  los.  Eine  Logik,  die  auch  hier 
rein  formal  bleiben  wollte,  ist  gar  nicht  denkbar.  Gerade 
von  dem  in  diesem  Werk  eingenommenen  Standpunkt  ans 


")  Dies  gilt  insbesondere  auch  Ton  der  transzendenlalen  Logik  Kants. 

„.,,n,^.OOglC 


458  'Q'   '''^'l-     Autocbtbonc  Grundlegung  tler  T^ik. 

maß  diese  notwendige  Einschränkung  des  formalen  Cbarak- 
ters  der  Logik  nachdrücklich  betont  werden. 

Ganz  ausgeschlossen  von  der  hier  behandelten  Logik  ist 
ied«>  ontologische  „Gehaltslogik"  (auch  metaphysische  Logik 
genannt) "),  welche  vermeint  in  den  Gesetzen  des  richtigen 
Denkens  auch  Gesetze  de»  „Seins"  ermitteln  zu  müssen  und 
ermitteln  zu  können.  Selbst  wenn  man  einen  Augenblick 
zugeben  wollte,  daß  die  Formen  des  Denkens  und  des  Seins 
in  irgendeinem  Sinn  identisch  wären,  würde  doch  der  Nach- 
weis dieser  Identität  über  die  Grenzen  der  hier  behandelteu 
Tjogik  weit  hinausgehen.  Die  Untersuchung  dieses  Pro- 
blems bleibt  der  Erkenntistheorie  oder  eTentuell  einer  Meta- 
physik vorbehalten.  Ein  Bück  in  die  Geschichte  der  Logik 
(vgl.  ^  8  ff.)  lehrt,  wie  nngfünstig  die  Einmisclinng  dieses 
Problems  auf  die  logischen  Untersuchungen  selbst  ein- 
gewirkt hat. 

Kun  kann  miiu'  ja  seliließlich  immer  einwenden,  daß  die 
Abgrenzung  und  Bezeichnung  der  Wissenschaften  noc)i 
strittig  ist,  und  willkürlich  ein  weiteres,  in  erheblichem 
Umfang  auch  materiales  Gebiet  als  eine  Wissenschaftsein- 
heit abgrenzen  und  als  Logik  bezeichnen.  Ob  diese  weitere 
oder  die  hier  gewählte  Abgrenzung  natürlicher  und  zweck- 
mäßiger ist,  mag  an  dieser  Stelle  unnntersncht  bleiben.  Die 
Geschichte  der  Logik  scheint  mir  allerdings  zu  lehren,  daß 
trotz  vieler  Versuche  zur  materialen  Umgestaltung  und  Er- 
weiterung der  Logik  doch  immer  wieder  die  hier  vertretene 
formalistische  Auffassung  ihre  Geltung  behalten  hat  and 
aach  heute  noch  die  üblichere  ist  Wie  dem  aber  auch  sei, 
jedenfalls  beschränkt  sich  alles,  was  in  diesem  Werk  weiter- 
hin vorgetragen  werden  wird,  ganz  anf  das  formale  Ge- 
biet in  dem  Sinn  und  mit  den  Einschränkungen,  welche  so- 
eben festgesetzt  worden  sind. 

'*)  Auch  die  BezeichnuDgen  .,{iragiiuitisctie  Logik",  „objektive  Logik" 
kommen  in  ähnlichem  Sinn  vor,  v^.  z.  B.  Karl  Rosenkrane,  Die  Modifik.  d. 
Logik,  Lpz.  1846.  S.  9,  13.  ]99>,  doch  haben  alle  diese  Bezeicbnungen  viel- 
fach geschwank  L 


n,g,t,7l.dM,GOOglC 


IV.  Teil 
Die  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze 

1.  Kapitel 

Die  Lehre  von  den  Begriffen 

§  90.  BegrifF  im  allfpemeinsten  SIod.  Der  Ciei^eiistuid 
dm  Begriffs.  Als  Begriff  (Conceptns)  im  allgemeinsten 
Sinn  hatten  wir  die  Normelvorstellungen  bezeich- 
net (vgl.  S.  435  n.  332,  Anm.  3).  Jede  Vorstellung,  die  in  dem 
früher  erörterten  Sinn  als  unveränderlich  mit  Bezug  auf 
denselben  Gegenstand  gedacht  wird,  wird  dadnrch  aus  dem 
Bereich  des  Psychologischen  herausgerückt  und  zu 
einer  logischen  Vorstellung  —  HormaLvorstelluDg,  Be- 
griff —  nmgedacht.  Es  wurde  auch  bereits  erörtert,  daß 
diese  NormalvoTstelluugen  oder  Begriffe  Idealgebilde  sind, 
die  psychologisch,  d.  h.  in  dem  tatsächlichen  Denken  nie- 
mals vollkommen,  verwirklicht  sind,  und  denen  daher  in 
unserem  Denken  nur  eine  regulative  Bedeutung  zukommt. 

Der  Tatbestand,  auf  den  sich  ein  Begriff  speziell  be- 
zieht, das  „isolierte  Fundal",  wird  ale  sein  Gegenstand 
oder  Objekt  bezeichnet  (vgl.  S.  265).  Dieser  Gegenstand 
kann  im  Bereich  der  Empfindungen  (Beispiel:  Begriff  der 
Qrünempfindung)  oder  im  Bereich  der  Vorstellungen  (Bei- 
spiel: Begriff  der  Ideenassoziation)  oder  im  Bereich  hypo- 
thetischer Dinge  (Beispiel:  Begriff  des  Vesuvs,  des  Atoms 
nsf.)  liegen.  Wir  bezeichnen  dies  als  die  Verschiedenheit 
des  Arguments  (S.  268).  Die  wissenschaftliche  Unter- 
suchung der  Bedeutung  der  Beziehung  zwischen  Begriff  nnd 
Gegenstand  ist  Aofgabe  der  Erkenntnistheorie.  Die  wesent- 
lichen Lehrsätze  der  Ijc^ik  sind  von  den  sehr  verschiedenen 
Anffasenngen,   welche   die  Erkenntnistheorie    im  Lauf  der 

„.,,„,  ^.oogic 


460      ^-  ^^'1'     ^'^  einzelnen  logiscbeo  Gebilde  und  ihre  Gesetse. 


Jahrhunderte  von  dieser  Beziehung  entwickelt  hat,  unab- 
hängig. 

Terminologisch  ist  für  die  Verwendung  des  Worts 
„Gegenstand"  in  der  Logik  noch  folgendes  von  erheblicher 
Bedeutung.  Wenn  wir  von  mehreren  einzelnen  Gegenstän- 
den Ol,  Ol,  Os  .  .  .  die  einzelnen  Vorstellungen  und  weiterhin 
die  einzelnen  Begriffe  Ci,  c«,  Ca  .  .  .  gebildet  haben  und  ^äter 
auf  Grand  irgendwelcher  Beziehungen  (z.  B.  räumlichen  Zu- 
sammeuaeine)  den  znsammenfaesendeii  Begriff  C  von  den 
Gegenständen  Oi,  Oi,  Oi  .  .  .  entsprechend  einem  Gesamt- 
gegenstand O  bilden,  oder  auch  umgekehrt,  wenn;  wir  nach- 
träglich einen  dem  Gegenstand  O  entsprechenden  Begriff  C 
in  einzelne  Begriffe  Cj,  C;,  d  .  .  .  entsprechend  den  einzelnen 
Gegenständen  Oi,  Oj,  Ot  ■  ■  ■  zerlegen,  so  fassen  wir  im  wei- 
teren Sinn  auch  den  Gesamtgegenstand  O  als  Gegenstand 
von  ci  (bzw.  c>,  bzw.  c*  usf.)  auf,  obwohl  es  sich  hier  nur  am 
eine  Teilbeziehung  handelt.  Ohnehin  kann  von  einer  schar- 
fen Isolierung  des  Gegenstandes  nicht  die  Rede  sein  (vgl. 
S.  266).  Wir  können  daher  anch  sagen,  daß  der  Begriff  zu 
»einem  Gegenstand  („Gegenstand"  in  weiterem  Sinn)  bald 
inGesamtbeziehung,  bald  in  Teilbeziehung  steht 
Die  weitere  Aufklänmg  dieser  beiden  Beziehongen  wird  in 
der  Lehre  vom  Begriff  und  vom  Urteil  gegeben  werden 
müssen.  Streng  genommen  gehören  Oi,  Os  usf.  nicht  zum 
Gegenstand  von  ci,  sondern  höchstens  zu  seinen  Fundaliea 
(vgl.  9.  264). 

Ohne  weitere  Erklärung  leuchtet  ferner  ein,  dofi  wir 
Normalvorstellungen  oder  Begriffe  auch  von  veränderlicheu 
-  Gegenständen  und  Veränderungen  bilden  können,  also  z.  B. 
von  einem  bewegten  Gegenstand  nnd  einer  Bewegung,  denn 
die  Uaveränderlichkeit  der  Normalvorstellnng  bezieht  sich 
eben  nur  auf  das  Verhältnis  der  Vorstellung  zu  ihrem 
Gegenstand.  Wenn  der  Gegenstand  veränderlich  iät„  so  be- 
steht die  XJnveränderlichkeit  seines  Begriffes  darin,  daß  die 
Vorstellung  eben  der  Veräoderungen  des  Gegenstandes  zeit- 
los, d.  h.  unverändert  festgehalten  wird.  Handelt  es  sich 
um  einen  (^genstaud,  der  noch  jetzt  in  Veränderung  be- 
griffen ist,  so  mu£  die  zagehörige  Vorstellung  (Kontrak- 
tionsvorstellang)  nach  Bedarf,  entsprechend  der  Verand«- 
mug  der  materialen  Grundlage  umgestaltet  werden.  Die 
leCoDstanz  der  Normalvorstellungen  kommt  nnr  in  Betracht, 


1,1^. OQi 


,g,c 


I.  Kapitel.    Die  Lehre  von  deo  Begritfen.  461 

eoiange  die  materialen  QnmdlageD  sich  nicht  ändern.  \g\. 
S.434. 

SbenBO  ist  Belbstver&täudlich  nicht  aoB^eschlossen,  daß 
wir  TOD  einem  und  deniBelben  Gegebenen  mehr  als  eine 
Normalvoratellongr  bilden,  also  z.  B.  von  Schiller  die  Nor- 
malTorBtelltmK  des  Dichters  Schiller,  am  Philosophen 
Schiller,  des  Historikers  Schiller  usf.  Wir  greifen  dabei 
,  ans  der  Q-eBamtrorstellang  Schiller  einzelne  Teilvoratellnn- 
;en  heraoB  nnd  können  die  letzteren  ganz  ebenso  wie  die 
Geeamtrorstellnng  normalisieren.  Streng  genommen  hat 
onsere  Normalvorstellnng  des  „Dichters'  Schiller"  gar  nicht 
Schiller  zum  Gegenstand,  sondern  eben  nnr  den  ,J>ichter 
Schiller".  Schiller  ist  das  Fnndal,  nicht  der  Gegenstand 
<vgl,  S.  266).  Wenn  wir  trotzdem  unsere  Vorstellung  von 
dem  Dichter  Schiller  auf  Schiller  als  ihren  „Gegenstand" 
beziehen,  so  fassen  wir  das  Wort  „Gegenstand"  in  der  viel 
weiteren  Bedeutung  des  Geaamtgegenstandes,  wie  wir  sie 
früher  (S.  265)  und  jetzt  wieder  festgesetzt  haben. 

Von  grundlegender  Bedeutung  ist  endlich  die  S.  437  be- 
eprocheoe  Tatsache,  daß  wir  auf  Grund  unsrer  Normalvor- 
Btellungen  auch  die  Gegenstände  zu  „Normalgegen- 
ständen"  („logischen  Gegenständen")  umdenken. 
Wenn  wir  einem  Gegenstand  O  eine  konstante,  den  Schwan- 
kungen des  psychischen  Geschehens  entzogene  Normal- 
vorstellnng C  zugeordnet  haben,  so  ist  damit  auch  O  als 
unveränderlicher  G«gen8l:and  von  G  fixiert.  Die  tatsäch- 
lichen Veränderlichkeiten  und  Veränderungen  der  Gegen- 
stände*) w<erden  dadurch  nicht  berührt,  sie  gehören,  falls 
sie  voriianden  sind,  zu  dem  Gegenstand  selbst;  es  kommt 
nur  darauf  an,  daß,  nachdem  einem  Gegenstand  O  ein- 
Bchließlicb  seiner  etwaigen  Veränderungen  eine  Nor- 
malvorstellnng C  zugeordnet  worden  ist,  nunmehr  weitere 
Verändemngen,  solange  er  derselben  Normalvorstellung  C 
zugeordnet  bleibt,  also  die  Normalvorstellung  nicht  umge- 
staltet wird,  für  O  als  ausgeschlossen  betrachtet  werden. 
0  wird  als  relativ  unveränderlich  gedacht.  Ich  kann  im 
Sinn  der  soeben  erläuterten  Teilbeziebnngen  wohl  neue 
Nonnalvorsteiinngen    mit    Bezug    auf    dasselbe   O    bilden, 


')  Es  bandelt  sich  in  diesem  Fall  um  die  Gegenstände  der  durch  Kon- 
trafeÜDH  (S.  S96)  entstandenen  sekundären  Eiinnerungstndler. 


OgIC 


462       ^^'*  '^^^'     ^^  einzelnen  titschen  (iebilde  und  ihre  Guselze. 

halte  aber  dabei  docb  fest,  daß  es  eicb  uoch  um  dasselbe  0 
handelt,  in  welchem  ntir  nene  Tellge^enstände  aufgedeckt 
und  fixiert  werden.  Die  nähere  Erortemng  dieses  wichtigen 
Tatbestandes  fällt  demjenigen  Teil  der  Erkenntnistheorie 
za,  welcher  die  Lehre  von  der  Veränderung  (Veränderung, 
Snbstanz,  Dieselbigkeit)  behandelt  Man  muß  nur  anch  für 
die  Logik  festhalten,  dafi  die  Normalgegenstände  (logischen 
Gegenstände)  sich  nicht  mehr  mit_den  Gegenständen  s.  str., 
also  den  speziellen,  fundierenden  Vorstellnngen  bzw.  Emp- 
flndnngen  decken,  sondern  nm^edacbte  Vorstellnngen 
dieser  Gegenstände  (Gegenstandsvorstellnngen,  vgl.  S.  266. 
269,  320,  430)  sind. 

Auch  der  logische  Begriff  ist  zunächst  noch  die  Vor- 
stellung vines  einzelnen  denkenden  Individnnms.  Es  wird 
wohi  von  den  psychologischen  Schwankungen,  die  sich  bei 
dem  einzelneu  Individuum  abspielen,  bei  der  Normalisieruog 
abstrahiert,  aber  nicht  von  dem  individuellen  Charakter  des 
Denkenden  selbst  Es  lie^  aber  auf  der  Hand,  daß  sich 
«ekundär  damit  auch  eine  Entindividualisiernng 
verbinden  muß.  Die  Schwankungen  von  Individuum  zn  In- 
dividuum fallen  wenigstens  z.  T.  mit  den  Schwankungen  zu- 
sammen, welche  eine  Vorstellung  bei  demselben  Individuum 
durchmacht.  So  bekommen  die  Begriffe  auch  eine  allge- 
meingültige, d.  h.  Uberindividuelle  Bedeutung 
in  dem  S.  274  u.  STQ^besprochencn  Sinn  oder  erheben  wenig- 
stens de»  Anspruch  auf  solche  und  nehmen  als  rich- 
tige Begriffe  regulativ  die  Richtung  auf  Allgemeiu- 
gültigkeit.  Sell)stverRtändlich  beschränkt  sich  diese 
ÄUgemeingültigkeit  auf  slle  diejenigen  Individuen,  die  Be- 
griffe in  ähnlicher  Weise  bilden  wie  wir.  Damit  rückt  nun 
zugleich  auch  die  Beziehung  zu  den  Normalgegenständen  in 
ein  nenes  Licht.  Der  Normalgegenstand  wird  jetzt  nicht 
mehr  einer  für  e  i  n  denkendes  Individuum  -gültigen  Nor- 
malvorstellung  Ci.  sondern  einer  allgemeinirältigen  C«  zu- 
geordnet. Die  Schlacht  bei  Cannae,  die  Zahl  n  usf.  werden 
al;ä  Gegenstände  des  ullgemeincn  menschlichen  Denkens 
aufgefaßt  Auch  leuchtet  ein,  daß  mit  der  Entindividuali- 
sierung  sich  eine  Ausgleichung  individueller  Fehler  der 
Begriffsbildung  verbinden  muß,  und  daß  daher  die  Begriffe, 
Koweit  sie  überindividuell  gedacht  werden,  auch  einen  be- 
sonderen Anspruch  und  eine  Bichtung  auf  materiale  — 
fundale   und   formale  —  Richtigkeit  bekommen.     Von 


lA.OQi 


-c^lC 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Begriffen.  463 

dieser  Beziehung  wird,  soweit  sie  nicht  iu  das  Bereiuh  der 
£rk«untniBtheorie  fällt,  unteo  noch  ausführlicher  gespro- 
chen werden.  Die  tatsächliche  Richtigkeit  wird  durch  diesen 
Ansprach  und  diese  Richtung  nicht  gewährleistet  (vgl, 
S.  437). 

Die  Terminologie  des  Wortes  ,.BegriIi"'  wurde  bereits  S.  üb  kurz, 
soweit  fOr  die  Logik  erforderlich,  erörtert.  Jetzt  handelt  es  sich  noclt  darum, 
umgekehrt  die  verschiede oea  Termiiu  für  das,  was  jetzt  gewöhnlich  in  der 
Logik  als  Begriff  bezeichnet,  im  Ohrigen  aber  sehr  verschieden  erläutert  wird 
und  Ton  mir  als  Normalvorstellung  g^ennzeichnet  worden  ist,  historisch  zu 
durchmustern.  Bei  Plato  fehlt' ein  eigenes  Wort  für  den  Begrilf  in 
unserem  Sinn  noch  ganz.  Mit  dem  Wort  röijfia  scheint  er  nur  die  psycho- 
loBische  Vorstellung  zu  bezeichnen ').  Weiterhin  wird  aber  seine  logische 
Terminologie  ganz  wesentlich  dadurch  beeinCuBt,  daü  er  als  Gegenstände 
des  Denkens  (der  AbVoir  bzw.  viijCK)  an  Stelle  unsrer  j-elativ  unver- 
änderlichen Normalgegenstände  absolut  unveränderliche,  vom  individuellen 
Denken  unabhängige  Ideen  (liiat,  iWij)  setzt  und  diese  auf  das  Gebiet  der 
AllgemeinbegriHe  beschränkt  (vgl.  §  8).  Er  gehraucht  nämhcfa  nun  auf  Grund 
dieser  Auffassung  der  Ideen  oft  im  Laul  der  l'ntersuchuiigcn  die  Worte  lila 
und  fiibc  fast  ganz  in  demselben  Sinn,  wie  wir  das  Wort  Normalvarstellung 
oder  Begriff  verwenden,  wenn  auch  immer  an  ihrer  Oberindividnellen  selb- 
ständigen Existenz  festgehalten  wird  '). 

Bei  Aristoteles  (vgl.  §  9)  herrscht  für  den  Begrifl  die  Bezeichnung 
U^Bf  vor,  die  Fkto  ausschlieShch  für  das  zusammenhängende,  einheitliche 
Denken  (Urleil  usf.}  verwendet  hatte;  indes  bekommt  dieser  't.iyoc  unter  dem 
KinttuB  des  erkenninislheoreti sehen  und  metaphysischen  Standpunkts  des 
Analotcles  eine  Bedeutung,  die  in  vielen  Beziehungen  inhaltlich  sehr  weit 
von  derjenigen  des  Besrifls  im  Sinn  der  neueren  Logik  und  im  ^>inn  der 
Mormalvorslellung  abweicht.  Erstens  erkennt  Aristoteles  keinen  iiyos  der 
einzelnen  sinnlichen  Dinge  als  solcher  an  •).  Dadurch  tritt  der  iöfot  in 
einen  schaffen  und  ganz  anderen  Gfgensatz  zu  der  giaytaaia  (ipäyiaofia). 
d.  h.  der  anschaulichen  Vorsleliung  und  dem  fir^fiirivua,  dem  Erinnerungs- 
bild, d.  h.  der  von  der  Erinnerungsbeziehung  begleiteten  ^aviaaia.'] 
Zweitens  wird  im  Zusammenhang  damit  ein  Hauptgewicht  auf  die  Definition 
als  wesentliches  Kennzeichen  des  Begriffes  gelegt.  So  kommt  es,  daS  die 
Worte  äpar   und   equifiög   zuweilen  fast  gleichbedeutend  mit   Xiyoi  gebraucht 

')  Vgl.  Parmenides  13SB. 

')  Die  Annahme  Susemihls  (Die  gehetisclie  Entwicklung  der  plato- 
nischen Philosophie,  L^eipsig  1865 — 1961^  Teil  1,  S.  122),  daB  tliot  mehr 
den  subjektiven  Begriff,  Mi«  die  objektive  Grundgestalt  bezeichne,  hat  sich 
als  unhaltbar  erwiesen.  Vgl.  auch  Bonitz,  Aristotel.  Studien  1,  Wien  1862, 
S.  11  ff.  Nach  Nalorp,  Pialos  Ideenlehre,  Leipzig  1903,  S.  2  bezeichnet  tiiv: 
•len  Begriff  mehr  dem  Umfang.  Ula  mehr  dem  Inhalt  nach. 

<)  Vgl.  E.  Zeller.  Die  Philosophie  d.  Griechen,  3.  Aufl.  1870^  II,  2. 
S-  310,  und  H.  Siebeck,  Geschieht«  der  Psychologie,  1.  Teil,  2.  Abt.,  Gotha 
}SSt,  S.  48H. 

*)  Allerdinga  gebraucht  Aristoteles  ipojfiaaüi  zuweilen  auch  im  weiteren 
Sinn,  Daher  kann  er  z.  B.  doch  behaupten,  daB  die  <parjasla  entweder  Aä 
"t^S  oder  A'  mls^fuK  entstehe  (Ak.  Ausg.  703  a). 


i.l^. OQi 


'S'c 


464       ^-  '^^'^-     ^'^  einzeloea  loeischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

Verden  *).  Diittena  hat  der  Uy»r  bei  Aristoteles  auch  eine  otöektive  Be- 
deutung: er  ist  zugleich  das  objektivierte  begriffliche  Wesen  der  Dinee.  In- 
sofern nähert  er  sich  einisernuBen  dem,  was  oben  als  Nannalgegenstand 
bezeichnet  wurde.  Für  den  letzteren  fehlt  bei  Aristoteles  ein  umfasseodei, 
einheitlicher,  durchgehender  Ausdruck.  Mit  den  Worten  tlitt,  ytifot,  m*tt, 
ti  T(  iatuf,  n  >{  qv  tiriu  sind  nur  besUmnite  Momente  bezeichnet,  & 
zu  logischen  GegensUnden  werden  können ''),  aber  nicht  der  Gegenstind 
im  allgemeinen  Sinn  der  modernen  Logik  *).  Endlich  ist  viertens  Aristoteles 
geneigt,  unter  Begrifl  (lr/*r  usF.)  stets  in  prägnantem  Sinn  den  richtigen 
Begriff  zu  verstehen. 

Bei  den  S  t  o  i  k  e  i'  n  finden  sich  für  Begriff  die  Bezeichnungen  &»•>«, 
vanfa  und  iatiir  (vgl.  §  It).  Eine  scharfe,  einwandfreie  Abgrenzung  dieser 
drei  Termini  gegeneinander  läßt  sich  a.'äi  Grund  der  uns  Obertiefeiten 
Fragmente  und  Berichte  nicht  feststellen  ■).  Ea  s  c  h  e  i  n  t ,  d&B  der  BegriB 
in  unserem  logischen  Sinn  vorzugsweise  als  luiir  bezeichnet  wurde,  also 
für  die  stoische  Lehre  nahezu  mit  der  Wortbedeutung  zusammenfiel  (vgl 
S.  H&),  wihrend  trfma  und  vw}/»  mehr  für  die  Vorstellung  im  psydia- 
logiscbeo  Sinn  gehraucht  wurde.  Daneben  wird  übrigens  anscheinend  auch 
der  Ausdruck  l^iyts,  welcher  sonst  der  technische  Terminus  für  den  ScbloB 
in  der  stoischen  Philosophie  ist,  hier  und  da  verwendet  und  bezOglich  des 
iifs  von  einer  doppelten  Form  gesprochen,  dem  Xiytt  als  der  logiscbeo 
Definition  und  der  iaoy^ip^  als  einem  anscheinend  mehr  beschreibenden 
Grundriß  (ratio  subscriptiva)  '*0- 

Bei  der  Übertjagung  der  griechischen  Termini  in  das  Lateinische 
(vgl.  S.  53)  hörten  erst  recht  die  scharfen   terminologischen  At^renzungen 


«)  Vgl.  z.  B.  Analjt.  post.  ü,  10,  Ak.  Ausg.  93  b:  'OpM/4»r  f  im^ 
UyttKi  fhrai  liyos  rov  xt  iaii  . . .,  und  Top.  I,  6,  Ak.  ^sg.  101b:  Ini  / 
Sfot  ftir  iayo(  i  ri  U  qc  titwi  oi/tairaw.  Über  sonstige  Bedeutungen  von 
Hyte  a.  auch  H.  Bonitz,  Index  Aristotelicus,  Berlin  1870,  Ak.  Ausg.,  Bd.  ü 
S.  4SBlf.  Insbesondere  wird  auch  der  Beweis  als  Uy^  bezeichnet,  s.  z.  B. 
De  anim.  407  a  iöyas  nat  igioftit  ^  änHuiK. 

')  So  finden  sich  auSer  den  in  Anm.  6  angefahrten  u.  a.  folgende  Vet- 
bindungen:  S  üyof  iqr  oäitai  (Metaph.  lOISa  q.  öfter),  i,  Xiyt  £  dqUr 
tqr  titlav  (z.  B.  Top.  130b),  avtfte  j  sa»  wif  Uyov  (z.B.  Hetaph.  1025b); 
Xa'ys  Mut  tot  nfäyfiarae  (De  anima  403h,  vgl.  auch  996b  und  1044b), 
ID  tU*t  >B  xnrä  tir  iiy»»  (z.  B.  Pbys.  auscult  193a);  •;  liyet  rar  ytrir 
iTop.  122b). 

■)  Diese  kurzen  Qemeritungen  geben  selbstverständlich  nur  einm 
kurzen  Hinweis  auf  die  aristotelische  Terminokigie  des  Begriffes,  die  über- 
dies auch  heule  noch  in  vielen  Punkten  strittig  ist.  Manche  Termini  wie 
ro'q^a  (vgl.  De  mem.  460  b  u.  töl  a)  konnten  nicht  einmal  erwUmt  werden. 

•)  Vgl  5.  B.  Zeller,  1.  c,  TeU  3,  Abt.  1,  3.  Aufl.,  namentlich  a  86, 
Aura.  S. 

'«)  Vgl.  Diogenes  Laett.,  Vit  et  plac  VIT,  Kap.  1,  §  «0  (ed.  Hobnei, 
Leipzig  leSl,  Bd.  3,  S.  1£«);  Pseudo-Galen  (vgl.  S.  iSj.  Defin.  med.  in  Galeu 
Werken  ed.  Sühn,  Bd.  IS,  Lips.  1880^  S.  M8;  siehe  auch  Simplicius,  In 
Categ.,  Ak.  Ausg.  1907,  Bd.  S,  S.  23,  29  iL  45  {ätnygaipixit  n.  Sfmuit  Ur«); 
Boethius,  In  Porph.  a  Victor.  transUt,  Fatrol.  ed.  Migne,  Bd.  »,  &  27. 


.OOC^IC 


1.  Kapitel.     Die  Lehre  voo  den  Beenden.  465 

Ott.  Begrifi  wurde  seit  Cicero")  meisteas  mit  notio  wiederaesebea. 
Du  Vort  S(v  (_=•  tenninus)  trat  mehr  zurück,  iijiafiit  wurde  mit  definitio 
üheisetzl  und  von  der  notio  schärfer  unterschieden  (z.  B.  bei  BoBthios). 
Ndxn  notio  findet  sich  der  Terminus  conceptio  und  conceptus  ohae  scharfe 
Abgrenzung  >^). 

In  dem  Unirenalienstreit  des  Mittelalters  (vgl.  g  17 fi.)  ging  das 
luterease  au  der  Gesamt  lehre  vom  Begriff  zeitweise  gänzUch  verloren'^). 
Aach  ist  begreiflich,  da.Q  in  der  Terminologie  der  extremen  Nominalisten  der 
BegrifE  oft  durch  der  Sprache  entlehnte  Termini  (voz  usf.)  bezeichnet 
müde**).  Die  arabischen  Philosophen  bfligerlen  for  die  Begriffe  bzw.  die 
sie  beteicbaenden  Worte  auch  die  Bezeichnung  incomplexa  ein,  um 
den  Gegoisatz  gegen  die  Urteile  und  Schlosse  (complexa)  zu  bezeichnen  i'). 
Zugleich  wurde  fOr  die  Bezi^ung  des  Begrifies  auf  seinen  Gegenstand  der 
Terminus  ,4ntentio"  gebrftuchlich '*).  wobei  freilich  oft  die  Neigung  bestand 
diese  intentio  nicht  dem  Begriff,  sondern  dem  für  den  Begrifl  gebrauchtat 
Worte  zuzuschreiben,  also  mit  der  signiflcaüo  zu  verwechseln.  Seit  Avi- 
cenna  (vgl.  S.  70),  wenn  nicht  schon  frOher,  unterschied  man  eine  intentio 
Rima,  welche  si«±  auf  die  Dinge  selbst,  und  eine  intentio  secunda,  welche 
seh  auf  die  VorstelluDgen  der  Dinge  und  die  Operationen  mit  diesen  Vor- 
steUungen  bezi^en  soll.  Die  intentiones  secuncEae  and  der  eigentliche 
(legeoBtand  der  Logik.  In  der  Tat  entsprechen  sie,  soweit  sie  inkomplex 
änd,  in  vielen  Beziehungen  unseren  Normalvorstälungan^  Die  Termini 
„enentia"  und  „quidditas"  (vgl.  S.  62,  Anm.  11  und  70,  74,  81)  bezeichneten 


II)  Cicero,  Topica  ad  Trebatium  5  u.  7;  TuscuL.  Disput.  I,  24',  &7;  De 
fin.  bon.  et  mal.  UI,  6, 

>*]  Zum  Beispiel  BoSthius.  In  libr.  de  interpret.,  ed.  Uigne.  Bd.  64, 
S.  2S8-    Seltener  ist  die  Bezeichnung  ,jntellectuB". 

I»)  Einen  guten  Überbück  über  den  mittelalterlichen  Sprachgebrauch 
ins  zum  12.  Jahrhundert  gibt  u.  a  der  Metalogicus  des  Joh.  v.  Sajisbury 
(TgL  S.  66),  oamentt.  H  16  H. 

i^)  Die  voces  entsprechen  den  ^mm-oI  der  griechischen  Logiker;  die 
beiden  Hauptklassen  der  9io»"il  waren  die  ece^ma^^r  nomina)  und  iie^/aata 
(meist  8.  str.=verba). 

»)  VgL  den  Bericht  des  Albertus  Magnus,  De  praedicabiL  I,  ä  (Opp. 
Lugd.  1661,  Bd.  1,  S.  6):  incomplexum=de  quo  quaeritur,  quid  sit,  complexum, 
de  qao  quaeritur,  an  verum  vel  falsum  sit.  Flato  sprach  bereits  von 
nfatimt^  (z.  B.  Sophist.  262  c),  verstand  aber  darunter  die  VerfcnQpfung  der 
Vorstellungen  zum  Urteil  (als  dem  einfachsten  Myc)  im  Gegensatz  zu  der 
dnes  solchen  Zusammenhangs  entbehrenden  disparaten  Ideenassoziation. 
Ebenso  Aristoteles  Categ.  1  a.    VgL  femer  S.  6a 

")  Vgl.  z.  B.  Avicenna,  Log..  lol.  2  r  B  (nach  Prantl,  Bd.  3,  S.  637), 
und  Uetaphys.  I,  2,  fol.  70  (Prantl  ibid.],  und  Alberhis  MÜnus,  Metaphys., 
1, 1,  1,  tmd  Thomas  v.  Aquino,  In  HeUpbys.,  4.  4  (ed.  Parmae  1866,  Bd.  30, 
S,  S4S).  Erst  sp&ter,  namentlich  seit  Lulhis,  wurde  die  intentio  singularis  ab 
prmia,  die  intentio  universahs  als  secunda  bezeichnet  Der  Alteren  Auf- 
tasBung  entspricht  es,  dafi  man  die  entia  rationis  den  intentiones  secundae 
zuordnete  (vgl.  die  oben  zitierte  Stelle  des  Thomas).  Eine  Verbindung  beider 
Ansicbles  findet  sieb  z.  B.  bei  Duns  Scotus,  Ou.  sup.  Lib.  I  Post  Analytic. 
Qu.  48  (ed.  Paria,  Bd.  3,  S.  aiSbfl.). 
Zitlien,  I>«hTlm*h  der  laogik. 


"S" 


466      l^'-  Teil.     Die  einselDeD  loeiachen  Gdälde  und  ihre  Gesetze.  _  _^ 

den  Gegenstand  des  Besriffes,  jedoch  nur  nach  bestimmteti  BicblunBen  hu. 
Durch  die  Svve^fne  des  Psellua  bzw.  die  Summul&e  logicales  des  Fetnu 
Uiepanus  (vgl.  S.  68)  kam  auch  die  Bezeichnuns  ique  ^taminvia  wiedei 
ir^r  ia  Gebrauch,  so  namentlich  seitdem  die  Logik  einen  besonderen  Ab- 
schnitt „de  proprietatibus  tenninorum"  in  ihr  Lehrgebäude  aufnahm  (vfL 
S.  68).  Die  großen  Scholastiker  der  Blütezeit  i']  haben  an  dieser  Tennino- 
logie  nur  wenig  geändert.  Die  Einfahrung  des  Terminus  ,,speciea  inteUifi- 
biles"  für  die  aus  den  wahrnehmbaren  einzelnen  Dingen  vom  Intellekt  enl- 
sprechend  ihrer  mateha  intelligibilis  abstrahierten  allgemeinen  apectes  tnu 
eher  noch  zur  Steigerung  der  (enninologischen  Unklaiheiteu  bei,  insofeta 
der  Terminus  „species"  keine  scharf  ahgesreozte  Bedeutung  hatte  (vsL  S.76). 
Bei  Raimund  Luüus  werden  terminus,  propositio  und  aisumentatiii 
als  die  drei  Hauptgegenstände  der  Losik  genannt;  hier  wird  also  das  Woil 
„terminus"  ganz  allgemein  für  den  Begriff  in  unserm  Sinn  verwandt"). 
Bei  Duns  Scotus  findet  sich  gelegentlich  der  Ausdruck  aliquid  repraesent»- 
tivum  mit  dem  Genitiv  for  den  Begriff^*].  Auch  bekommt  bei  ihm  du 
Terminus  „species  intelligibiUs"  eine  klarere  Bedeutung:  die  spedes  intelli- 
gibilis ist  das  Abbild  der  Dinge  —  allerdings  nur  nach  ihrem  allgemeinai 
Wesensinhalt  —  im  Intellekt  und  daher  der  eigentliche  Gegenstand  der 
sprachlichen  Bezeichnung*").  Es  leuchtet  ein,  daB  die  q>ecies  intelligibilis 
damit  —  abgesehen  von  ihrer  Beschränkung  auf  das  Allgemeine  —  tatslch- 
lich  fast  mit  unarer  Normalvorstellung  zusammenfälft.  Zugleich  soll  sie 
allerdings  in  einer  unklaren  Weise  zwischen  Sinnesempfindung  und  Inletitf 
die  Vermittlung  übentehmen.  Wenn  man  dann  später  zwischen  einem  eise 
materiale  des  Allgemeinen  extra  animam  ui|d  einem  esse  formale 
i  n  anima  unterschied,  so  entspricht  dieser  Unterschied  —  nur  immer  be- 
schränkt auf  das  universale  —  etwa  dem  Unterschied  zwischen  Nomuü- 
gegenstand  und  Normalvorstellung  ^*).  Ein  ähnlicher  Gegensatz  kehrt  bä 
Durand  v.  Pourcain  in  der  Gegentibersteilung  des  esse  reale  und  des  esse 
intentionale  wieder'*).  Eine  besonders  konsequente  DurchfotuuDg  d»  Ter- 
minologie der  intentio  wie  Oberhaupt  der  zahheichen  Ausdrücke  fflr  den 
Begriff  findet  sich  bei  Armand  von  Be&uvoir  (+  IBM)  **).  Die  Unteracbei- 
dung  zwischen  compleza  und  incompleia  wird  festgehalten,  beide,  auch  die 
complexa,  heiBen  conceptiones.    Der  Begriff  als  conceptus  mentis  formatus 

")  Vgl.  z.  B.  Thomas  v.  Aquino,  De  unit.  intelL,  ed.  Venet.  1787,  Bd.  19, 
S.  247  und  Summa  theol..  Pars  I,  cpi.  86,  art.  1  u.  qu.  86,  ajl.  1  (vgl  auch 
dies  WeA,  5.  72  fS). 

"<)  Dialectica  s.  logica  nova,  ed.  Argentoi.  1617,  S.  147. 

")  Sentent  Lib.  1.  Dist.  3,  Ou.  6,  S.  821  (Bd.  ö),  und  Quaest.  de  rer. 
pr.  M,  S,  129  AB  (Bd.  3).  Bemerkenswert  ist  auch  die  Auffassung  der 
Riedes  intelligibilis  als  species  informans  (gestaltende  species)  bei  Duo* 
Scotus. 

=0)  Vgl,  Quaest.  sup.  Perihenn.  I,  2,  187  A  u.  B., 

")  VgL  Aegidius  Romanus,  Expos,  in  art.  veL  fol.  3v  B  und  4r  A 
(Prantl,  S.  261),  und  Heireus  Katali^  De  intent.  (nach  Prantl,  I.  c  S.  266). 

")  In  Sentent.  n,  Dist.  13,  qu.  2,  6.  £.  166r  B  (nach  PranU,  L  c. 
^.  293,  Aber  Burleigh  stehe  ebenda  S.  30S). 

'*)  Mir  war  nur  das  Weric  De  deciaratione  difficilium  (enniBorum, 
Coloniae  ohne  Jüireazahl  (nach  PninU  löOS)  zugänglich. 


i.l^. OQi 


B'c 


1.  Kapitel.    Die  Lahre  von  den  BegriBen-  467 

wird  auch  „veiiuim  mentale"  Benannt**).  Scharfe  tenninologische  Unter- 
scbeidangen  zwischen  conceptio  und  conceptus  (objectiTua)  finden  sich  bei 
Petrua  Aureolus  ") :  conceptio  ist  der  Denkakt,  conceptus  das  ,fio  gesetzte 
Dim'i  der  letztere  deckt  sich  mit  der  intentio.  In  der  Folge,  z.  B.  bei 
OccaiD"),  werden  denn  auch  die  Termini  conceptus  undintentio  fast  unter- 
sdiiedslos  fOr  den  BegriQ  gebraucht.  Occam  nennt  ihn  auch  „terminus 
conceptu^'  im  Gegensatz  zum  „terminus  scriptus"  und  „tentunus  prola- 
tua"  ^)  oder  auch  „tenninus  mentalis"  im  Gegensatz  zum  „terminus  vocaUs". 
Die  .Ülgemeinbegrüfe  gelten  als  terniini  secundae  intentionis.  Vielfach  ge- 
langle man  schlieBlich  dazu,  den  Begriff  schlechthin  als  ein  Signum  rei  zu 
bezeichnen  (z.  B.  Occam**)  und  Feter  v.  Ailly  **)) 

In  und  nach  der  Benaissance  war  die  Nomenklatur  völlig  zersplittert. 
An  Iduflgsten  wurden  die  Ausdrücke  conceptus  und  notio*")  gebraucht. 
Auch  die  neuere  Philosophie  nahm  zunächst  an  der  tenninologisdien  Ab- 
grenznng  des  Begriffs  in  unserem  logischen  Sinn  kein  besonderes  Interesse. 
Das  BedOiinii^  die  logische  Vorstellung  von  der  psychologischen  zu  trennen, 
machte  sich  nur  selten  seilend.  Auch  Clur.  Wolfl ")  und  seine  Nachfolger 
brauchen  den  Terminus  iKitio  oder  auch  idea  oder  conceptus,  deutsch 
Begriff,  fast  unterschiedslos  sowohl  fOr  BegriO  in  unserem  Sinn  wie  fQr  die 
Vorstellung  als  Bestandteil  der  tatsftchlicheu  psTchologischen  Prozesse. 
Btnmgarteu  (Acroasis  togica,  2.  Aufl.,  UaL  Magd.  1773>,  S.  17)  defliuerte  con- 
ceptus allgemein  als  lepiaesentaüo  unius  in  cogitante  und  wollte  den  con- 
ceptus singnlaris  seu  individui  als  idea,  den  conceptus  communis  seu  eius- 
dem  in  piuribus  als  notio  bezeichnen,  fand  aber  keine  Nachfolge.  Kant 
gebnnchte  durchweg  die  Bezeichnung  ,JBegriB",  schränkte  aber  die  Be- 
dentong,  wie  S.  48C^  Anm.  10  angegeben,  ein.  Seitdem  ist  bei  den  deutschen 
Logikern  dies  Wort  für  die  Vorstellung  im  logischen  Sinn  üblich  gebUeben, 
wobei  man  freilich,  }e  nach  dem  erkenntnistbeoretischen  bzn.  metaphysiBchen 
Standpunkt,  dem  Begrifi  oft  noch  weitgehende  andere  Bedeutungen  beilegte 
und  sein  entscheidendes  Merkmal,  den  Normalcbarakter,  meistens  übersah 
(TgL  S.  447).  Damit  stand  in  Zusammenhang,  daB  man  doch  inuoer  wieder 
auch  diese  oder  jene  Klasse  nicht-logischer,  rein  psychologischer  Vorstel- 


'*)  L.  c.  Tractat.  2,  cap,  368.  Auch  seine  Lehre  von  dem  ,4utenUonale" 
verdient  Beachtung.    Vgl.  auch  loh.  Gratiadei,  Feriherm.  Lect.  2. 

*•)  Sentent.  I,  Diät  S,  Art.  ^  538  A  u.  I.  Bist.  9,  Art.  1,  32S  A 
(nach  PranU), 

*•)  Summa  tot.  log.  I,  12,  ed.  1506,  fol.  6v  und  Iv. 

")  Sunma  tot.  log.,  Frooem.  I,  1,  fol.  1  r,  und  Quodlib.  V,  qu.  8. 

!^  Siehe  z.  B.  Summa  toL  log.  I,  12,  fol.  5r.  Vgl.  jedoch  übe:  Occams 
Stellung  zum  Nominalisnms  auch  S.  8i. 

*»)  Siehe  seine  Schrilt  Conceptus  (nach  FranU,  Bd.  4,  S.  108).  Vgl. 
auch  S.  86. 

*o)  Namentlich  Goclenius  in  seinem  Lexicon  pfailosophicum  graecum 
(Mardiioburg.  1615)  trug  zur  Wiedereinführung  bei  (vgl.  z.  B.  den  Artikel  irret«, 
S.75). 

*')  Chr.  WolH,  PhUos.  rat.  s.  Logica,  2.  Aufl.  17S2,  g  M:  „Berum  in 
nienle  repraesentatio  notio,  ab  aliis  idea  appellatur."  S.  auch  G.  Fr.  Meier, 
VennmftlehM^  2.  AufL  Halle  1763,  §  382,  S.  409  C.w«  nennen  aber  eine  Et- 
kenntniB  einen  Begrif,  in  so  ferne  wir  den  Gegenstand  derselben  als  Hna 
betrachten"). 


1,1^. OQi 


'S'c 


468       IV.  Teil.     Die  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

hmgoi  ab  BeKriffe  bezeichnet«.  Der  sprachliche  Ausdnu^  lOr  den  Betriff 
winde  als  „terminus"  bezeichnet  (vsl.  z-  B.  Wollt,  1.  c.  g  36). 

In  Frankreich  wurde  durch  die  Logik  ron  Fort-Royal  (vgl  S.  101) 
der  Terminus  .^d^e"  for  den  Begriff  gebr&uchbch  *').  In  der  neueren  fran- 
zfisiBchen  Logik  werden  die  Termini  „idie"  und  „notion"  oft  ganz  in  dem- 
selben Sinn  verwendet  **).  Daneben  scheint  in.  neuerer  Zeit  das  Wort  coneept 
vielfach  Eingang  zu  finden  (Rabier»*)  a  a.). 

In  England  haben  die  Bezeichnungen  lange  geschwankt.  Sdl  der 
Logik  Hamiltons  *°)  wurden  die  Termini  concept  und  notion  meistens  syno- 
nym fOr  die  Begriffe  geraucht  John  Stuart  Mill,  der  die  Zwischeorolle, 
welche  die  Vorstellung  zwischen  Wort  (name)  und  Gegenstand  (thing)  stnelt, 
fast  ganz  Obersah,  kam  zu  dem  Satz,  daS  names  are  names  of  things,  not 
ol  oor  ideas,  und  konnte  daher  auf  einen  besonderen  Terminus  fQr  den 
Bcgrifi  ganz  verzichten  **).  Dank  dem  groBen  EinlluS,  den  Hills  WeA  snl 
die  englische  Logik  hatte,  ist  diese  Tendenz  bis  heute  wirksam  gebUebw- 
So  tritt  z.  B.  auch  in  der  Tielverbreitelen  Logik  von  Jevons ")  der  Tenmous 
notion  gegenflber  dem  Terminus  term,  der  ungefähr  Mills  „name"  entspricbt, 
ganz  in  den  Hintergrund  zurück.  John  Neville  Keynes  (Studies  and  exw- 
cises  in  formal  logic  etc.,  London  1884,  S.  3fl.)  unterscheidet  term  von  name: 
,^  term  is  a  name  regarded  as  the  sut^ect  or  the  predicate  of  a  proposition." 
Eine  interessante  Auseinandersetzung  Ober  die  Zweideutigkeit  des  Tenmmis 
„idea"  findet  sich  bei  Bradtey,  The  principles  of  logic,  London  lS8ä,  I,  1. 
60.,  &  6H. 

Auch  in  der  italienischen  Literatur  kämpfen  die  Termini  con- 
cetto,  nozione  und  idea  nüteinasder  ^^). 


«)  La  logique  ou  l'art  de  penser  etc.,  Amsterdam  1675,  S.  47:  con- 
cevoir  =  la  simple  veud  que  nous  avons  des  <^K>ses  qui  se  presentent  i. 
notre  esprit  . . .,  id^=la  forme  par  laquelte  nous  nous  represenloos  ces 
ehoaes. 

")  Dies  ericiart  z.  B.  L.  Liar^,  Logique,  Paris  1884,  S.  5,  ausdrOcklicb. 

'*)  Elte  Rabier,  Lecons  de  Philosophie,  II,  Logiqnes  5.  Aufl.  Paris  1B03, 
S.  »ff.;  G.  Noei,  Rev.  phUosophique,  1891,  Bd.  31,  S.  463;  Mercier,  Logique, 
I^uvain-Paris  1909,  S.  80;  R.  P.  Peitlaube,  Theorie  des  ccncepts  etc.,  PaitslSSS. 

»"*)  Lectures  on  logic,  Lect  7  (a  Aufl.  1866,  Bd.  1,  S.  119  ff.).  Mit 
„conception"  wird  der  Akt  der  Begriffs  b  1 1  d  u  n  g  bezeichnet  (L  c.  S.  121). 
Ober  den  Unterschied  von  idea  und  notion  siehe  auch  Berkeley,  Of  tbe 
princ.  of  hum.  knowl.  I,  Itö  (Zusatz  der  3.  Aufl.). 

**>  A  System  of  logic,  ratiocinalive  and  inducUve,  3.  Au(L  1S61,  S.  SS  B. 
(Book  1,  Cb.  ^  g  1).  An  anderer  Stelle  scheint  J.  St.  MÜl  übrigens  den 
Terminus  „concept"  fQr  die  AUgemeinbegri&e  (general  noüons)  zu  reservieren 
(Tbe  examination  of  Sir  W.  Hamiltons  philosopby,  London  1865,  S.  346). 
In  d?r  Logik  von  Wliately  (vgl.  S.  157)  wird  ziemlich  scharf  zwischen  tenn 
und  notion  unterschieden;  term  ist  der  Wortausdruck  für  den  Begrifi  (notion). 

^')  Vgl.  z.  B.  Elementary  lessons  in  logic:  deductive  and  inducUve, 
London  1890,  S.  16  ff. 

'*)  Vgl.  z.  B.  Antonio  Rosinini-Serbati,  Nuovo  saggio  suU'  origine  delle 
idee;  Vol.  1,  Milano  1866,  S.  11;  ferner  Alb.  Erren,  EUmenü  di  logica, 
Pii^ze  1890;  C.  Ferrari,  Introduzione  alla  logica,  Alesaandiia  1896;  V.  Val- 
dtmini,  Elententi  sdentifici  di  psicologia  e  logica,  4.  AufL  Torino  1866; 
A.  Paob,  Introduz.  alla  logica,  2.  Aufl.  Firenze  1896  (nur  z.  T.  zugänglidi). 


i.l^. OQi 


,g,c 


L  Kapitel    Die  Lehre  von  den  Begiiffen.  469 

§  91.  Der  Inhalt  des  Begriffs.  Der  VorstoUnng  im 
psychologischen  Sinn  schreiben  wir  vier  Eigenschaften: 
Inhalt,  Daner,  Gefühlston  und  Energie  zn  (vgl. 
S.  273  n.  354).  Bei  der  Nonualisiening  der  Vorstellnng 
znin  Begriff  (zur  VorBtellong  im  logischen  Sinn)  wird 
der  Vorstellimgsinh^t  znm  Begriffsinhalt,  und  dabei 
vollzieht  sich  eine  eigentümliche,  im  folgenden  aoB- 
föhrlich  darznstellende  Uiywandlung  mit  ihm  (logiBche 
Umvandlong).  Dagegen  fallen  Dauer  and  Energie 
ganz  weg,  da  diese  beiden  Eigenschaften,  wie  in 
^  72  erörtert  wurde,  durchaus  nur  an  der  VorsteUung  als 
psychologischem  ProzeB  im  Verlauf  imsrer  Ideenassoziation 
haften  und  für  die  zeitlos  gedachten  Normalvorstellungen 
nicht  in  Betracht  komnten  können.  Der  Gefühlston  —  so- 
weit er  nicht  znm  Inhalt  der  Vorstellung  gehört  (vgl. 
8.  356)  —  geht  bei  der  logischen  Umwandlung  der  Vorstel- 
luDg  gleichfalls  verloren,  insofern  er  bei  den  aktuellen 
(psychologischen)  Vorstellungen  mannigfachen  Schwankun- 
gen unterworfen  ist.  Nur  diejenigen  Gefühlstöne  der  Vor- 
stellung, welche  von  allen  diesen  Schwuikungen  unabhängig 
sind,  können  auch  auf  den  zeitlos  gedachten  Begriff  über- 
tragen werden.  Aber  auch  unter  diesen  konstant  gedach- 
ten, auf  den  Begriff  übertragbaren  Gefühlstönen  hat  für  die 
Logik,  welche  die  Normalvorstellungen  ja  ausschließlieh 
vom  Gesichtspunkt  der  Bichtigkeit  oder  Unrichtigkeit 
ontersucht,  nur  ein  Paar  Interessf*,  nämlich  der  positive 
Gefühlston,  der  die  richtige,  und  der  n^ative,  der  die  un- 
richtige Normalvorstellung  begleitet.  Deis  gesamte  E^n- 
schaftsgehiet  der  Vorstellungen  reduziert  sich  also  bei  den 
Begriffen  auf  den  Inhalt  und  die  von  der  Richtigkeit 
bzw.  Unrichtigkeit  des  Inhalts  abhängige  un- 
veränderlich gedachte  und  daher  im  Sinn  des  ^  90 
allgemeingültig  gedachte  Gef ühlfibetonung ').  Auf 
diese  beiden  Eigenschaften  wird  sich  daher  auch  die  fol- 
gende Betrachtung  ausschließlich  beschränken.  Allerdings 
wird  sich  ergeben,  daß  sich  aus  diesen  beiden  Haupteigen- 
schaften noch  einige  andere  sekundäre*)  ableiten  lassen, 

*)  Eine  gewisse  Analogie  dieser  Sätze  zu  dem  sub  specie  aetemitatis 
intetligere  und  dem  amor  intellectuali»  Dei  des  Spinoza  (Kthice  tl,  44, 
CoroU.  2  u.  V,  29  u.  32  ff.)  liegt  auf  der  Hand. 

*)  Zu  diesen  sekunderen,  aus  dem  Inhalt  abli'ilboren  Eigenschaflen 
e^Srt  auch  die  Richtiekeit  bzw.  Unrichtigkeit  selbst,  die  von  dem  GcfQhlsloti 
der  Richtigkeit  bzw.  Unrichtigkeit  scharf  unleischieden  vretden  muQ. 


OgIC 


470       ^-  '^^'^-     ^^  einzelnen  Icwiachen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

Yorläoflg  wird  von  diesen  abgesehen.  Auch  soll  in  den 
nächsten  ErÖrtemngen  die  Q«fühlsbetoQttng  der  Bicbtigkeit 
bzw.  Unrichtigkeit  noch  nnberücksichtigt  bleiben  nnd  nnr 
vom  Inhalt  die  Bede  sein. 

Der  BegriflB  i  n  h  a  1 1  ist  nach  dem  vorstehenden  zn- 
näehst  nichts  anderes  als  der  normalisierte  Vorstel- 
langsinhalt.  Später  wird  sich  zeigen  (vgl.  S.  496 
sowie  486  a.  489),  daß  sich  mjt  derNoTmalisiernDg 
noch  ganz  bestimmte  Vereinfachungen  ver- 
binden, and  daß  wir  in  dem  Terminus  ,3«- 
grif ffiinhalt"  diese  Vereinfachungen  mit  ein- 
schließen. 

Im  Hinblick  auf  die  früheren  Erörterungen  über  den 
Gegenstand  der  Vorstellung  und  das  „Entsprechen"*)  zwi- 
schen Gegenstand  und  Vorstellung  (§  59  «.  72)  kanu  es  nnn- 
mehr  nicht  zweifelhaft  sein,  daß  das  Entsprechen  zwisclieD 
Gegenstand  und  Begriff  identisch  ist  mit  dem  Entspreeben 
zwischen  dem  Gegenstand  und  dem  Begriffsinhalt.  Zd- 
gleich  leuchtet  ein,  daß  für  den  Begriff,  weil  er  die  konstant 
gedachte  Vorstellung  ist,  die  Konstanz  der  Zuordnan? 
zwischen  dem  Inhalt  des  Begriffs  und  seinem  Gegenstand 
wesentlich  ist.  Dadurch  unterscheidet  sich  der  Begriff  eben 
von  der  Vorstellung  im  psychologischen  Sinn,  bei  welcher 
diese  Konstanz  der  Zuordnung  infolge  von  Alienationen 
sehr  oft  fehlt  (vgl.  ^  8-5  u.  87). 

Man  muß  sich  nur  hüten,  von  dem  Begriffsinhalt  zu 
verlangen,  daß  er  vollständig  seinem  Gegenstand,  d.  h. 
allen  Komponenten  des  Gegenstandes  im  weitesten  Sinne 
entspricht.  Da,  wie  oben  (S.  46D)  erörtert,  der  einzelne  Be- 
griff oft  in  einer  Teilbeziehang  zu  seinem  Gegenstand  (in 
weiterem  Sinne)  steht,  oder  —  anders  axisgedrüekt  —  da  wir 
im  weiteren  Sinn  als  Gegenstand  (Gesamtgegenstand)  eines 
Begriffes  nicht  nur  das  isolierte  Pnnda!,  sondern  die  Ge- 
samtheit der  ihn  fundierenden  Tatbestände  (S.  265)  bezeich- 
nen, so  wird  das  Entsprechen  sehr  häufig  nnr  partiell  sein, 
d.  h.  sich  auf  einzelne  Komponenten  des  Gesamtg^enstan- 
des,  d.  b.  auf  den  Gegenstand  im  engeren  Sinn  beschränken. 
Nicht  weniger  gefährlich  ist  ein  andrer  Irrtum,  näm- 
lich die  Verwechslnng  des  Begriffs  mit  seinem 


')  Daa  prägnante  Entsprechen  im  Sinn  des  richtigen  Entsprechens 
kommt  hier  noch  nicht  in  Frage. 

n,<:,tPrjM,G00glc 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Begriflen.  471 

Gegenstand.  Wir  mäseen  inmter  eingedenk  bleiben,  daß 
der  Begriff  nnd  speziell  der  Begriflsinbalt  dnrcb  die  Ver- 
arbeitong'  des  Gegenstandes  mit  Hilfe  nnsrer  Differenzie- 
nrngsfonktionen  mstande  konunt.  Bei  der  Normalisierong 
der  Vorstellongen  wird  die  generell  allen  Vorstellungen  an- 
haftende »==  Komponente  in  keiner  Weise  eliminiert. 

Ein  Zweifel  könnte  höchstens  in  dem  Fall  auftreten, 
daß  der  Gegenstand  eines  Begriffes  selbst  eine  Vorstellung 
T  ist  nnd  eine  Verarbeitung  des  Gegenstandes  durch  unsere 
Denkfunktionen  überhaupt  nicht  erfolgt.  Wir  haben  jedoch 
früher  gesehen,  daß  solche  Vorstellungen  von  Vorstellun- 
gen überhaupt  nicht  existieren  (S.  264,  400,  441).  In  dem 
angezogenen  Fall  geht  also  überhaupt  gar  nichts  vor  sich, 
die  Vorstellung  V  bleibt  bestehen,  und  es  ist  unzulässig, 
von  Gegenstand  und  Begriff  überhaupt  zu  sprechen.  E'r- 
folgt  überhaupt  eine  Normalisierung,  so  erfolgt  sie  an  V 
selbst.  Tatsächlich  kann  man  auch  feststellen,  daS  in  allen 
Fällen  solcher  angeblicher  Vorstellungen  von  Vorstellungen 
entweder  gar  nichts  erfolgt  ist  oder  aber  doch  irgendeine 
^Verarbeitung  und  damit  Veränderung  der  primären  Vor- 
stellung (des  V  zu  VO  stattgefunden  hat 

Ein  dritter,  nahe  verwandter  Irrtum  besteht  darin,  dafi 
man  den  Inhalt  eines  Begriffs  mit  der  Snnuue  der  ihn  fon- 
äierenden  Vorstellungen  bzw.  Begriffe  identifiziert.  Zns- 
besondere bei  allen  AUgemelnvorst«lInngen  ist  diese  Ver- 
wechslung naheliegend  und  gefährlich.  So  bin  ioh  bei- 
spielsweise versucht,  den  Inhalt  des  Begriffs  „Schmetter- 
lingsblütler" mit  der  Summe  der  Vorstellungen  oder  Be- 
griffe der  einzelnen  Gattungen,  Arten  oder  vielleicht  sogar 
Individuen,  die  zu  den  Schmetterlingsblütlern  gehören  und 
mir  bekannt  geworden  sind,  gleichzusetzen  *).  Demgegenüber 
muß  festgehalten  werden,  daß  —  ebensowenig  wie  die  All- 
gemeinvoratellung  in  psyehologiscbeni  Sinn  die  Summe  der 
Zügehörigen  Einzelvorstellungen  ist  (vgl.  S.  336)  —  so  aach 
der  Allgemeinbegriff  nicht  als  eine  Summe  von  subordi- 
nierten Vorstellungen  aufzufassen  ist.  Die  Verschmelzun- 
gen, Vergleichungen,  Zerlegungen,  Akzentuationen  nnd  Re- 


*)  Meistens  verbindet  sich  dieser  Irrium  mit  dem  an  zweiter  Stelle 
wnannlen,  der  Verwechslung  des  Begriffs  mit  seinem  Gegenstand;  der  Begriff 
■SduMlterlingsblütler"  wird  dann  mit  der  Summe  der  Qattnnsen,  .^rten  usw. 
»ibst  identifiziert. 


n,g,t,7l.dM,GOOglC 


472       'V'  T^-     ^>^  einzelnen  logischen  Gebilde  und  Uue  Gesetze. 

presslonen,  welche  den  psychologischen  Prozeß  der  Bildnng 
der  AIlgemeiDvoTSteUung  begleiten  (vgl.  8.  342),  verschwin- 
den bei  der  Normalisienmg  der  AUgemeinvorateüung  nicht, 
ihre  Wirkungen  Bind  daher  auch  in  dem  Allgemeinh^iiJf 
enthalten.  Die  sog.  UnbeBtimmtheit,  welche  infolge  aller 
jener  Vorgänge  der  Allgemeinvorstellung  „Schmetterling»- 
blütler"  anhaftet,  kommt  auch  dem  AUgemeinbegriff 
„Schmetterlingsblütler"  zn,  nnd  wir  haben  kein  Becht,  die 
iSnmme  der  bestimmten  zugehörigen  EinzelTorstellungen 
dem  Allgemeinbegriff  zu  snbstituieren.  Die  Begriffe  Bohne. 
Erbse  usf.  sind  die  fundierenden  Begriffe  („Glieder", 
S.  335)  für  den  Allgemeinbegriff  Schmetterlingsblütler, 
aber  in  keiner  Weise  einfache  Bestandteile  des  letzteren  im 
Sinne  von  Summanden. 

Ehrst  recht  verfehlt  wäre  es,  wenn  ich  etwa  den  Inhalt 
des  Begriffes  so  definieren  wollte,  daß  er  alle  über- 
haupt objektiv  möglichen  Teilbegriffe  bzw.  Ittdivi- 
doalbegriffe  —  nicht  nur  die  tatsachlich  von  mir  gebildeten 
und  mir  zur  Verfügung  stehenden  —  wirklich  enthalten 
raüfite.  Der  Begriff  „Schmetterlingsblütler"  wäre  nach  di«- 
ser  Auffassung  der  Oesamtbegrlff,  welcher  sich  bei  einer 
auf  die  vollständige  Kenntnis  aller  überhaupt  existierenden 
Arten  und  Individuen  fundierten  Begriffsbildung  ergeben 
würde.  Eine  solche  Auffassung  des  Begriffs  ist  unhaltbu*- 
Man  verwechselt  dabei  den  richtigen  Begriff  mit  dem  Be- 
griff überhaupt.  Der  richtige  Begriff 'soll  allerdings  in 
prägnantem  Sinn  (vgL-S.  274)  seinem  Gegenstand  ent- 
sprechen, und  zu  einer  absoluten  Bichtigkeit  würde  in  der 
Tat  objektive  Vollständigkeit,  also  bei  einem  Allgemein- 
begriff Fundierung  auf  alle  überhaupt  objektiv  möglichen 
untergeordneten  Begriffe  gehören.  Indes  ist  hier  von  dem 
richtigen  Begriff  und  erst  recht  von  einem  solchen  idealen 
absolut  richtigen  Begriff  noch  gar  keine  Bede.  Der  mate- 
rial  falsche  und  der  material  unvollkommene  Begriff  ist 
eben  auch  ein  Begriff  und  ein  Gegenstand  der  Logik.  Die 
objektive  Vollständigkeit  gehört  also  nicht  zu  den  allge- 
meinen Merkmalen  des  Begriffs.  Kur  im  Sinn  der  S.  330 
u.  335  bereits  psychologisch  erörterten  „Offenheit"  erstreckt 
sich  der  Normalbegriff  potentiell  auch  auf  unbekannte, 
mir  bis  jetzt  unzugänglich  gewesene  Teil-  brw,  Individnal- 
begrifte.    Vgl.  auch  S.  289. 


n,5,t,7rjM,G00glc 


1.  Kapitel.    Die  Lebre  von  den  Beerifteo.  473 

Ibn  unterscheide  äberiuupt  sch&rf  die  Idealisierung,  welche  in  jedem 
BegnB,  insofern  er  normaliaierte  Vorstellung  ist,  liegt,  von  der  Idealisienuuc 
eines  solchen  objektiv  vollständigen  Begriffes.  Beide  stimmen  darin  flberein, 
daB  sie  im  psfchologiscben  Geschehen  niemals  vernrii^licht  sind;  beide 
sind  aber  wesentlich  verschieden,  insofern  bei  der  ersteren  nur  eine  Forde- 
rung au^esldlt  wird,  die  vom  Gegenstand  der  Logik  unzertrennlich  ist, 
nämlich  die  Forderung  einer  Vorstellüngfdconstsjiz,  ohne  welche  ein  formal 
richtiges  und  daher  logisches  Denken  gar  nicht  niSglich  ist  (vgl.  §  85&.), 
während  die  letztere  zugleich  eine  materiaie  Richtigkeit  der  Voratellung 
nach  einer  bestimmten  Richtung  hin  (ordert,  eine  Forderung,  die  über  das 
Gebiet  der  Logik  hinausgeht  (vgl  auch  S.  +50). 

§  92.  Genetische  Stntenlelter  der  Begrriffe;  C^nteilnng 
nach  Grundfnnktionen.  Die  Begriffe  können  je  nach  dem 
Einteilnngsprinzip,  das  man  wählt,  in  sehr  verschiedener 
Weise  eingeteilt  oder  viehnebr  geordnet  werden.  Wir  stel- 
len zunächst  eine  geoeti^whe  Einteilnng  auf,  welche  an- 
mittelbar  au  die  Einteilung  der  Vorstellungea  (im  psycho- 
logischen Sinn)  anknüpft.  Auf  Grund  einer  solchen  sind 
gemäfi  den  Erörterungen  in  ^  67 ff.  zu  unterscheiden: 

1.  primäre  integrale  ludividualbegriffe 
(z.  B.  der  Begriff  *)  des  unvertirbeiteten  vollständigen  Ge- 
fiichtsfelds,  das  ich  im  jetzigen  Äugenhlick  habe,  vgl.  S.  317); 

2.  primäre  ezzernierte  ludividualbegriffe 
(z.  B.  der  Begriff  ein«r  einmaligen  momentan  in  meinem 
Gesichtsfeld  aufleuchtenden  Liehterscheinung,  vgl.  S.  317); 

3.  primäre  Isolationsbegri  f  f  e  (z.  B.  der  Be- 
griff des  eigenartigen  Rots  der  unter  2  tmgeführten  Lieht- 
erscheinung, vgl,  8.  318);  sie  stellen  nur  eine  Weiterbildung 
der  noter  2  aufgezählten  primären  eszernierten  Individual- 
begriffe  dar; 

4.  primäre  Komplexionsbegriffe*)  (z.  B.  der 
Begriff  eines  beliebigen  von  mir  eben  gehörten  Tongemischs 

1)  Man  könnte  ernste  Zweifel  erheben,  ob  die  Bezeichnung  „Begriff" 
lüi  diese  ganz  unveiarbeiteten  primkren  integralen  Erinnerungsbilder,  bei 
welchen  keine  intellektuelle  Funktion  s.  str.,  sondern  nur  die  Retentions- 
fonktioiL  wirksam  ist,  Oberhaupt  angemessen  bzw.  zulässig  ist  Indessen 
lege  ich,  obwohl  es  sich  in  der  Tat  um  einen  GrenzfaU  handelt,  doch  Ge- 
wicht darauf,  die  Bezeichnung  „Begriff"  auch  hier  festzuhalten,  da  die 
charakicri? tische  Ncrmalisierung  auch  an  diesen  primären  integralen  Er-  ' 
iimeningsbildem  vollzogen  werden  kann.  Der  Grenzcharakter  der  piim. 
intcgr.  Individualbegritte  soll  dabei  durchaus  anerkannt  werden. 

»)  Im  Hinblick  auf  eine  in  der  neueren  Psychologie  sehr  veitreitete 
I^ehre  (vgl.  Leitf.  der  phys.  Psychol.  10.  Aufl..  S.  3*7)  kann  man  auch  von 
»GestaH"-becriffen  sprechen. 

„.,,„,^.oogic 


474       ^-  T^-     ^^  einzelnea  lociscben  QdnUe  and  ihre  Gesetze. 

oder  einer  eben  von  mir  ^hörten  Tonreihe,  vgL  S.  32G);  die 
Komplexion  betrifft  bald  simoltane,  bald  snkzessive  Gegen- 
stände; meist  verbindet  sie  sich  mit  Exkretionen  und  Iso- 
lationen OSyllektionsbegriffe,  vgl.  S.  321);  faBt  ein 
Komplezionsbegriff  irgendwie  ähnliebe  oder  gleiche  Indi- 
vidnen  zusammen,  so  wird  er  als  Kollektivbegriff 
bezeichnet  (S.  322); 

5.  primäre  Komparatiousbegriffe  (z.  B.  der 
Begriff  des  Farben-  oder  des  Helligkeitsnnterschieds  zweier 
aufeinander  folgender  oder  gleichzeitiger  lächterscheinoii- 
gen,  vgl.  S.  323);  au  die  Komparationsbegrifl©  s.  str.  (ver- 
gleichende Belationsbegrüfe)  reihen  sich  gemäß  der  Dar- 
legung in  ^  68  noch  zahlreiche  andere  Relations-  oder 
Beziebungsbegriffe  an  (z.  B.  der  Begriff  einer  or- 
sächlichen  Beziehung  zwischen  zwei  aufeinanderfolgenden 
Erscheinnngen,  vgl.  S.  323);  alle  Komparationsbegriffe  sind 
entweder  median  oder  polar  (vgl.  S.  347);  durch  Ver- 
Hchmelzung  mit  Komparationsbegriflen  entstehen,  wie  dies 
S.  324  n.  347  erläutert  wurde.  Bei  atarbegrif  f  e  und 
Paare  korrelater  Begriffe; 

6.  sekundäre  Individualbegriffe  oder  Kon- 
traktionsbegriffe (z.  B.  der  Begriff  meiner  Lampe, 
die  .schon  oft  in  meinem  Gesichtsfeld  aufgetreten  ist,  oder 
einer  Pflanze,  deren  Wachstnm  ich  in  verschiedenen  Phasen 
beobachtet  habe,  vgl.  8.  326);  fast  stet«  ist  die  BUdong  der 
Kontraktionsbegriffe  zugleich  mit  Exkretionen,  Isolationen 
and  Komplexionen  verbunden,  wie  schon  die  angeführten 
Beispiele  zeigen,  auch  treten  sie  sehr  oft  ihrerseits  zn 
sekundären  neuen  Komplexionsbegriffen  (z.  B.  eines  be- 
stimmten Gfurtens,  eines  bestimmten  historischen  Ereig- 
nisses) zusammen;  ebenso  entstehen  auch  sekundäre  Kom- 
parationsbegriffe, z.  B.  der  Begriff  des  Helligkeitsanter- 
schiedes  zwischen  Sonne  und  Mond.  Eine  besondere  Gruppe 
innerhalb  der  Kontraktionsbegriffe  bilden  die  den  Ding- 
Vorstellungen  (vgl.  S.  329)  entsprechenden  Dingbegriffe. 
Die  den  Kontraktionsbegriffon  zugrunde  liegenden  Begriffe 
der  einzelnen  Phasen  oder  Zustände  kann  man  anch  als 
Pluxionsbegrif  fe  bezeichnen  (vgl.  S.  330). 

Ea  ist  auch  liier  nieder  beacbleoswert,  daB  des  charakteristische  Meik- 
mal  der  Kontraktionsbegriffe  eegenOber  den  Komplexionsbegriaen,  Dainent- 
lich  den  sukzessiven  (S.  474),  nicht  die  Beziehung  der  Teilvoretdlungen  «uf 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Begritlen.  475 

ei  Den  Gesenstand  ist  —  dies  Meriunal  teilen  sie  mit  den  KompleiiBns- 
vonleiliingen  — ;  sondern  lediglich  die  WeBlassung  der  Teilvoistellunsen  der 
veiinderlichen  MeAnmle.  Ein  Unterschied  gesenOber  den  Kontraktions- 
vorstellunsen  (vgl.  S.  326 f.)  besteht  nur  insofern,  als  bei  den  Kon- 
tntlionsbeg  ri  f  f  en  im  Hinblick  auf  die  ihnen  als  Begriffen  zukommende 
Konstanz  die  variabelen  Teilvorstellungen  nicht  mehr  oder  veniger  repri- 
miert,  sondern  entweder  ganz  weggelassen  oder  unter  ausdrOcklicber  Her- 
Torfaebung  ihrer  Variabilität  voll  aufgenommen  «erden.  Offenheit  und 
ümbildbarkeit  kommt  den  Kontraktionsbegriften  ganz  ebenso  wie  den 
Kontraktion svorslellungen  zu  (vgl.  S.  330). 

7.  Allsremein- oder  Generalbegriffe  (z.  B.  die 
Begriffe  Lampe,  (Jewitter,  Symphonie,  brann,  Farbe,  Gleich- 
heit, Vater,  Merkmal  asf.,  vgl.  S.  331  ff.);  ihre  Bildung 
gründet  sich  bald  anf  das  Vorhandensein  gemeineamer 
Merkmale  oder  Teile  der  im  Allgemeinbegriff  znaammen- 
gefaBten  Gegenstande  (fnistale  Ähnlichkeit),  bald  aof  das  Vor- 
handensein ähnlicher,  nicht  weiter  zerlegbarer  Merkmale  (pro- 
pinquale  Ähnlichkeit,  S.  327).  Abgesehen  von  der  NormaliBie- 
nmg  entsprechen  sie  ganz  den  Allgemeinvorstellungen.  Sie 
teilen  also  mit  ihnen  anch  die  S.  335  besprochene  Offen- 
heit (TransgressiOD)  und  Ümbildbarkeit.  Sie  unter- 
scheiden  sich  von  ihnen  nur  wieder  dadurch,  daß  zugunsten 
ihrer  Eonstanz  die  nicht  gemeinsamen  Teilvorstellungen 
keinesfalls  in  unbestimmter  Weise  „reprimiert"  werden 
dürfen  (vgl.  §  97). 

Selbstverständlich  darf  diese  Stufenleiter  unter  keinen  lintständen  so 
aufgt^aBt  werden,  als  ob  in  einer  ersten  Periode  der  seelischen  Entwicklung 
des  Kindes  erst  alle  Begriffe  der  ersten,  in  einer  zweiten  alle  Bepiffe  der 
zweiten  Stufe  gebildet  würden  ual.  Dies  trifft  auch  für  die  Vorstellungen 
in  psychologischem  Sinn  in  keiner  Weise  zu,  und  erst  recht  wäre  eine 
solche  Annahme  lOr  die  entsprechenden  Begriffe,  deren  Bildung  an 
jeder  Stufe  jederzeit  einsetzen  kann,  ja  bei  denen  im  Hinblick  auf  ihren 
idealen  Charakter  von  einer  „Bildung"  im  gewöhnlichen  Sirm  gar  nicht 
gesprochen  werden  kann,  ganz  sinnlos.  Ferner  hat  man  zu  berflcksichtigen, 
daB  die  den  angeführten  Stufen  zugrunde  liegenden  Prozesse  sich  in  der 
mannigfachsten  Weise  verknüpfen  und  verschieben  können,  und  daB  daher 
die  mannigfachsten  kombinierten  Begriffe  zustande  kommen,  wie  schon  an 
einzelnen  Beispielen  angedeutet  worden  ist.  So  kQnnea  insbesondere  auch 
Allgemeinbegriffe  sowohl  von  Isolationsbegriffen  wie  von  Kontraktionsbegrif. 
fen  wie  von  Komplesionsbegriffen  wie  von  Komparationshegriffen  gebUdet 
werden.  Nicht  nur  zeitUch,  sondern  auch  inhaltlich  überlagern  sich  die 
Begriffe  in  der  kompUziertesten  Weise.  Es  bandelt  sich  also  keineswegs 
um  eine  „Einteilung",  deren  Glieder  sich  gegenseit^  ausschlieBen,  sondern 
nm  eine  lediglich  auf  Grund  empirisch  ermittelter  Entwicklungsbeziehungen 
vorfenommene  Anordnung  und  Orienliening  in  der  enormen  Mannigfaltig- 
keit der  Begriffe. 


1,1^. OQi 


,g,c 


476       ^-  Teil.     Die  einzdnen  logiscbBR  Gebilde  und  ihre  Gesetze.         ^ 

Die  psychischen  Prozesse,  welche  bei  dieser 
stnfenweisen  EkitwickluDg  in  Betracht  kommen,  sind,  wie  die 
Er&rtemngen  in  ^  68  u.  69  ergaben,  folgende: 

1.  Exkretion  und  Isolation,  die  auch  als  Abstraktion 
zosammengefaBt  werden  können  (vgl.  S.  318  n.  344),  nnd  zu 
denen  auch  Akzentuation  und  Eepression  gehören,  2.  Kwii- 
plexion,  3.  Komparation  bzw.  Belativation  (vgl.  S.  324), 
4.  Kontraktion,  5.  Generalieation. 

Femer  hat  sich  gezeigt,  dafi  diese  Prozesse  sich  zum 
Teil  noch  weiter  zerlegen  lassen  und  nur  drei  Grundbegriffe 
—  entsprechend  den  drei  Differenzierungsfunktionen  (vgl. 
§70)  —  zu  unterscheiden  sind:  Analyse,  Synthese 
nud  Komparation.  Was  so  von  den  psychologischen 
Prozessen  und  ihren  Produkten  gilt,  gilt  ganz  ebenso  auch 
von  den  logischen:  Die  drei  Differenzierangsfunktionen  sind 
zugleich  auch  die  logischen  Grundfunktionen,  Be^ 
züglich  des  inversen  Charakters  der  Analyse  und  Synthese 
kann  auf  die  Darlegung  S.  321  u.  346  zurückverwiesen  werden. 

Da  sich  die  soeben  oben  aufgezählten  Begriffsgruppen 
allenthalben  überlagern  und  für  die  Logik  scharfe  kontra- 
diktorische Unterscheidungen  unerläßlich  sind,  so  empfiehlt 
es  sich,  an  Stelle  dieser  sieben  Gruppen  im  logischen  Ge- 
brauch vier  Gruppenpaare  zu  unterscheiden,  die  so  aos- 
gewählt  sind,  daß  die  beiden  Gruppen  eines  Paares  sich 
gegenseitig  ansschlieQen  und  jedes  Gruppenpaar  die  Gesamt- 
heit aller  Begriffe  umfaßt.  An  Stelle  der  schwankenden 
Gknese  im  zeitlichen  Sinn  wird  damit  die  genetische  Be- 
ziehung zu  den  Grandfunktionen,  der  begriffliche  „Charak- 
ter" als  Einteilungsprinzip  verwendet.  So  ergeben  sich 
folgende  Paare: 

I.  Isolate  und  komplexe  Begriffe  (Isolations- 

und  Komplexionsbegriffe), 
n.  Inkomparate  und  komparate  Bogriffe 
(letztere  auch  als  Komparations-  oder  Relations- 
begrifle  bezeichnet), 

lU.  Distrakte  (primäre)  und  kontrakte  (sekun- 
däre) Begriffe*)  (Fluxions-  und  Kontraktions' 
begriffe), 


")  Ich  verwende  den  Ausdruck  ,>ontrakte  Becriff^"  neben  „Eontnk- 
tionabeBtiCfe"  usf.,  Keil  die  adieUivische  Fonn  sprachlich  oft  viel  beQUoner 
Ist.    Vgl.  S.  326.  —  Den  Tenninus  „distrakte",  d,  h.  nicht-kontrahierte 


1.  Kapitel    Ke  Lehre  von  den  BecrifteD.  477 

rV.  Individuelle  and  generelle  Begriffe 
(Einzel-  mid  Allgemeinlwfin^e). 

Es  handelt  sich  hier  also  um  4  Einteilungen,  die  nebeneinander 
herlaufen.  Die  Beziehung  dieser  Gruppen  zu  denjenigen,  die  oben  (S.  473) 
mi  Grand  der  psFcholtfiischen  EntwicUuns  unterschieden  wurden,  bedarf 
keiner  weiteren  Erläuterung.  Es  sei  niv  bemeiM,  daB  als  distiakt  ietzt 
alle  diejenigen  Begriffe  zusammengefaSt  werden,  bei  deren  KIdung  die  froher 
definierten  Kontraktionsprozesse  nicht  beteiligt  sind*).  Ein  distiakter 
Begriff  liegt  also  vor  erstens,  wenn  ein  zugehöriger  KontraktionsbegriS 
bbertianpt  nicht  gebildet  worden  ist,  und  zweitens,  wenn  ein  zugebSriger 
KontnkÜonsbexriS  zwar  gebildet  worden  ist,  aber  ausdrücklich  außer  Be- 
tracht bleibt  (wie  z.  B.  im  B^iifi  eines  'vorübergehenden  Zustandes,  einer 
Hiase  eines  Dings).  BezQgUch  der  isolierten  (isolaten)  und  kom- 
plexen Begriffe  muQ  hervorgehoben  werden,  daB  sowohl  Isolation  wie 
Koduilexion  in  verschiedenen  Graden  auftreten.  Unter  isolierten  Be- 
griflen  sollen  nicht  etwa  nur  die  maximal  isolierten,  d.  h.  bb  auf  die 
letzten  (ultimalen,  S.  319)  Teilbegriffe  reduzierten  Begriffe  verstanden 
«erden,  sondern  alle  Begriffe,  die  Teilbegrifle  einea  zusammengesetzteren- 
sind.  Inkomparat  oder  irrelat  sollen  diejenigen  Begriße")  heißen, 
bei  deren  Bildung  Vergleichungsprozesse  (RelaÜTationsprozesse,  vgl.  S.  d2i) 
mit  anfieitialb  des  Begriffs  gelegenen  Gegenständen  nicht  beteiügt  sind*). 
Die  dritte  und  die  vierte  Gruppe  —  disfiakte  und  kontraite  sowie  indivi- 
duelle and  generelie  Begriffe  —  entsprechen,  wie  die  früheren  Auseinander- 
seliongen  ergeben,  nicht  einer  einheitlichen  Grundlfunktion,  da  bei  der 
Kontraktion  und  der  Generalisation  alle  drei  Grandfunktionen  zusammen- 
wiAen  (vgl-  %  7{F).  Nur  wegen  ihrer  enormen  praktischen  und  theoretischen 
Bedeutung  for  da^t  logische  Denken  empfiehlt  es  sich,  sie  neben  den  zwei 
ersten  Gruppen  ausdrücklich  als  dritte  und  vierte  Gruppe  aufzuzählen. 

Vielfach  ist  die  Neigung  aufgetreten,  Individualbegrif f e  übeihaupl 
zu  leugnen  (vgl.  S.  468,  Aimi.  S)  oder  ihr  Gebiet  sehr  einzuengen.  So  will 
Sigwart')  einen  Individualb^ritf  nur  dann  gelten  lassen,  wenn  durch  seine 
Merkmale  „schon  die  Einzigkeit  eines  ihm  entsprechenden  Objekts  gegeben 
ist";  und  führt  als  Beispiel  den  Mittelpunkt  der  Welt  an.  Ich  glaube,  daB 
TCB  jedem  individuellen  Ding  auch  ein  Individualbegriff  existiert;  dabei 
kann  die  Sigwartsche  Bedingung  sogar  festgehalten  werden:  die  rAunüich- 

Begrifie  füge  ich  hinzu,  neil  Fluxionsbegriffe  streng  genommen  (vgU  S.  330 
K.  474)  nur  diejenigen  distrakten  Begriffe  sind,  welche  zur  Bildung  von 
Koniraktionsbegriflen  schon  Anlaß  gegeben  haben.  Nur  virtuell  decken  sich 
die  distrakten  Begriffe  mit  den  Fluzionsbegriffen. 

*)  Die  Psrchologie  hat  im  Gegensatz  zur  Logik  kein  so  erhebliches 
Interesse,  einen  besonderen  Tenmnus  für  die  der  Kontraktionsstufe  voraus- 
Rchenden  distrakten  Vorstellungen  einzuführen.  —  Es  sei  übrigens  nochmals 
•usdrficklich  daran  erinnert,  daß  auch  distrakte  Votslellungen  bzw.  BegriBe 
weiterhin  generalisiert  werden  können. 

°)  Auch  an  der  terminologiscben  Abgrenzung  dieser  Kategorie  hatte  die 
Psrchologie  kein  dringendes  Interesse. 

')  Die  Begründung  für  diese  etwas  umstAndliche  Definition  ergibt  sich 
aus  den  Bemerkungen  S.  325. 

')  Logik,  2.  Aufl.  Freiburs  1868,  Bd.  1,  S.  351. 


n,5,t,7rjM,G00glc 


478       IV.  Teil.     Die  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  GeseU«.         

zeUlicbe  BesUmmlheit  ist  das  Meiianal,  durch  «etches   die  Einzigkeit  des 
Objelits  Begeben  ist 

Die  den  EombinationsTorateUungen  (produktiven  Vorstellungen)  ent- 
sprechenden Kombinationsbeeriff  e  —  Phan  taslebegritfe 
und  Spekul&lionsbegriffe  (S.  348)  —  weichen  nur  in  ibrei  psycho- 
loBiscben  Entstehuns  und  in  ihr«r  eikenntnistheoretiscbMi  Bedeutung  von 
den  Komplezionsbegriffen  ab;  logisch  fallen  sie  ganz  mit  den  letzteien 
zusammen  und  sollen  daher  auch  mit  ihnen  zusanunengelaSt  werden.  Sia 
sind  also  zu  den  komplexen  Begriffen  bzw.,  wenn  sie  kontrahiert  oder  gene- 
ralisiert sind,  zu  den  komplexen  kontrakten  oder  komplexen  generellen  B«- 
griffen  zu  rechnen. 

Die  Geschichte  der  Terminologie  der  einzelnen  fi^rifi^assen  kami 
an  dieser  Stelle  nicht  dargestellt  werden.  In  dem  historischen  Teil 
(§  ö— ^}  ^d  überdies  manche  der  in  Betracht  kommenden  Termini  schon 
angeführt  worden,  einschlie Blich  derjenigen  des  Altertums  und  Mittelalteis. 
Hier  sind  nur  noch  wenige  Bemerkungen  erforderlich.  Für  die  Individual- 
begriffe  (individuelle  Begrilfe)  einerseits  und  die  AUgemeinbegrifle  andrer- 
seits haben  sich  bis  heute  feste  einheitliche  Beziehungeu  nicht  eingebOrgen. 
Die  ludividualbegriffe  werden  meistens  als  conceplus  singulares  bezeichnet^ 
(deutsch:  EinzelbegriBe).  Diese  Bezeichnung  ist  mcher  unzweckmäßig;  denn 
die  Einzahl,  auf  welche  der  Terminus  hinweist,  ist  für  den  individuellen 
Charakter  nicht  entscheidend").  Es  ein{>flehlt  sich  daher  dringend,  audL  im 
Lateinischen  nur  den  Terminus  „conceptus  individualis"  zu  gebrauchen.  Für 
die  Allgemeinbegriffe  stehen  aus  der  logischen  Literatur  vier  Termini  zw 
Verfügung :  conceptus  universales,  conceptus  abetiacU,  conceptus  geneialet 
(oder  generici,  MaaS  u.  a.)  und  conceptus  communes  ■).  Der  letzte  scheidet 
wegen  seiner  sehr  bedenklichen  Mißverstindlichkeit  völlig  aus.  Von  dem 
Terminus  „abstrakt"  wurde  S.  361  gezeigt,  daß  er  zwar  für  jeden  Geneiali- 
sationsprozeB,  aber  nicht  nur  fOr  Generalisationsprozesse  gilt;  er  ist  also 
gleichfalls  unbrauchbar.  Der  Tenninus  „universalis"  wüxde  aus  liistorischen 
Gründen  in  erster  Linie  in  Betracht  kommen;  er  ist  jedoch  deshalb  nicht 
ganz  geeignet,  weil  wir  in  der  Urteilslehre  hericönunlicherweise  durch  den 
Terminus  „universell"  ausdrücken,  dafi  ein  Urteil  von  allen  Gliedern  einer 
Gattung  gibt,  also  den  Nachdruck  nicht  auf  die  „Gattung",  sondern  auf 
„alle"  legen.  Bei  dieser  Sachlage  scheint  mir  der  Terminus  „generalis"  am 
zweckmäBigsten  zu  sein.  Er  scheint  mir  auch  dem  französischen  und  eng- 
lischen Sprachgebrauch  sich  besser  anzupassen.  Je  nachdem  der  Allgemeis- 
begrifi  (Generalbegritf,  genereller  Begriff)  ein  Art-  oder  Gattungsbegrifi  ist, 
könnte  man  dann  noch  zwischen  Speziesbegriflen  (conceptus  apeciei)  nnd 
GatlunssbegriRen  (conceptus  generis  s.  generici)  unterscheiden.  i| 

§  93.  Einfache  und  zassmmeiiKesetzte  Begriffe.  Zer< 
iegang  Aer  Begriffe  In  Teilbegriffe.  Definition.  Durch  Syn- 
these  entstehen    im    allgemeinen    znsammengesetzte, 

")  Vorgreifend  sei  an  die  partikularen  oder  „besonderen"  Urteile  er- 
innert, welche  sehr  wohl  zugleich  individuell  sein  köimen  (nach  dem  Wort- 
laut ihrer  tlblichen  Definition!). 

•)  Vgl.  z.  B.  W,  Fr.  Krug.  Syst.  d.  Iheoret.  Philos.,  3.  Aufl.  Künigsbei« 
lB2b.  S.  8g. 

h.  I  ■.  ii,l^.OOQIC 


1.  Kapitel.    Die  L^ra  von  den  BegriS^a  479 

zerlegbar«  Vorstellungen  und  dementsprechend  auch  zu- 
sammengesetzte Begriffe  (vgl.  anch  S.  346  ff.)  ^).  Sehr 
bsoflg  ist  jedoch  die  Synthese,  wie  in  §  67  ff.  n.  §  92  er- 
läutert worden  iet,  mit  Aibstraktionen  verbunden.  Die  drei 
Hauptformen  einer  solchen  mit  Abstraktionen  verbundenen 
Synthese  sind  die  Syllektion  (S.  321  a.  474),  die  Kontraktion 
(S.  326  n.  474)  und  die  Generalisation  (S.  331  u.  475).  Andrer- 
seits hatte  sich  ergeben,  daS  den  Abstraktionen  allenthalben 
eine  Grenze  gezogen  ist,  inäofem  wir  schliefilich  auf  ultimale 
Isolationsvorstellungen  bzw.  Isolationabegriffe  stoßen,  an 
welchen  wir  weitere  Abstraktionen  nicht  vornehmen 
könoen.  Diese  oltimalen  Isolationsvorstellungen  bzw. 
Isolationsbegriffe  werden,  da  die  Unmöglichkeit  weiterer 
Abstraktionen  anf  ihrer  TJnzerlegbarkeit  bemhf,  auch  alt. 
einfache  Vorstellungen  bzw.  einfache  Begriffe  be- 
zeichnet. 

Dieser  Sachverhall  «ird  dadurch  etwas  verwickeil,  daB  die  Zusammeu- 
fassuBg  [Synthese]  bei  der  Syllektion  einerseits  und  bei  der  Kontraktion  und 
Generalisation  andreraeit»  in  einem  wesentlich  verschiedenen  Verhältnis  zu 
den  begleitenden  Abstraktionen  steht  oder  wenisatens  stehen  kann.  Bei  der 
KldnnK  von  STllektionsbegrifteo  beträten  die  Abstraktionen  (Weglaasunsen 
bzw.  Repressionen]  dasieaiee,  was  in  den  Komptexionshesriff  Dberhaupt 
nichl  anigeooinmen,  bzw.  reprimiert  wird,  z.  B.  bei  dem  Besriff  eines  be- 
stimmten, von  mir  gesehenen  Schlosses  den  Hintergrund,  au(  dem  es  er- 
schanl,  bei  dem  BegriS  einer  bestimmten,  von  mir  gehörten  Melodie')  die 
Intenatftt  (Lautbeit),  in  der  sie  erklingt.  Anders  sehr  oft  bei  der  Kontraktion 
und  bei  der  Generalisation,  wenn  es  sich  um  propinqiial  oder 
kognat  ähnliche  Merkmale  handelt  Hier  sind  die  Abstrak- 
tionen, wie  S.  339  auseinandergesetzt  wurde,  sehr  oft  Dicht  diminuierend, 
sondern  indeterminierend.  Sie  betreuen,  wenn  man  es  etwas  paradox  aus- 
drOckes  will,  sehr  oft  gerade  die  in  den  Begriff  aufgenommenen  Merkmale, 
insofern  sie  weder  weggelassen  noch  reprimiert,  sondern  unbestimmt  and 
daher  —  bei  der  Generalisation  —  allgemein  gedacht  werden  *).  So  wird 
z.  B.  in  der  Kontraktionsvorstellung  des  Mondes  von  den  verschiedenen 
Farmen  seiner  sichtbaren  Scheibe  abstrahiert,  aber  dabei  wird  riicht  etwa 

»)  Wolffs  Notio  compleia  (Logica  2.  Aufl.  1732,  S.  166,  §  106)  und 
Baumgartens  Conceptus  combinatus  s.  compositus  (Acroasis  logica,  ed. 
Töllner,  2.  Aufl.  Hai.  Magd.  1773,  §  71  ff.,  S.  22)  haben  eine  etwas  andere 
Bedeutung. 

»)  Zum  Begriff  eines  eben  gehörten  Lieds  gehört  die  Lautheit  hinzu. 
nicht  aber  zum  Begrifi  der  Melodie  dieses  Lieds. 

*)  Man  kanif  geradezu  sagen,  daB  dies  „Unbestimmtdenken"  eine  ge- 
meinsame Wurzel  des  Kontrakttons-  und  des  Generalisationsprozesses  dar- 
steltL  Die  Psychologie  weist  flhrigens  nach,  daß  doch  auch  bei  der  Syllek- 
tion hin  und  ivieder  indeterminierende  AbstrakUonen  im  Sinn  von  Ver- 
schmelzungen vorkommen. 

„.,,„, ^.oogic 


480       ^-  ^^-     ^^  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

die  Form  völlig  wcHedacht  «ie  oben  bei  dem  Begriff  dea  Schlosaes  dei 
HinterKTuntl.  Die  Pomi  als  Wechselmerkmal  (S.  390)  wird  mitgedacht  im 
Sinn  eines  allgemeinen  Merkmals  und  aur  ihre  bestimn^  AusfflUunf 
ioDerfaalb  einer  gewissen  Breite  offen  gelaseen.  Gbeuao  verhftlt  es  sieb  z.  B. 
mit  <)er  Allgemeinvorstellung  Böse.  Hier  wird  von  deu  wechselnden  be- 
atinunten  Farben  absinhiert,  aber  dabei  doch  das  aUgesneine  Merkmal  Farbe 
lestgehalten,  nur  die  bestimmte  AusfflUung  ;rot,  wetB  usfO  wird  auaseschalteL 

Die  Zusammenfassung  wirkt  also  bald  vereinfachend,  bald  zusanunen- 
selzend,  d  h.  bald  vermindert  sie,  bald  vermehrt  sie  die  Zahl  der  Merkmale. 
Bei  der  Syllektion  herrscht  die  Vemündenmg  im  allgemeinen  vor:  Dw  dunh 
SyllektioD  entstandene  Komplexion!4>egriff  hat  weniger  Merkmale  als  sein« 
Grundbegriffe  zusammen.  Bei  der  Kontraktion  und  bei  der  Generalisatien 
kommt  durch  Überwiegen  diminuierender  Abstraktionen  gleichfalls  oft  eine 
Vereinfachung  insofern  zustande,  als  durch  diminuierende  Abstraktion  ICeik- 
raale  der  zugrunde  hegenden  Begriffe  ausgeschaltet  werden;  handelt  es  sich 
jedoch  um  propinqual  oder  kognat  ähnliche  Merkmale  der  Grundbegrifie,  so 
kann  statt  der  diminuierende  n  Abstraktion  die  indetenniniereode  erfolgen, 
und  alsdann  ist  der  resultierende  Kontraktionsbegriff  nicht  merkmalErmer, 
sondern  ebenso  merkmalrcich  wie  sein  einzelner  ( I)  Grundbegriff. 

Hieraus  ergibt  sich  aucb,  daB  synthetische  Entstehung  und  Einlachhett 
sich  dun^baus  miteinander  vertragen  •).  Besonders  scharf  zeigt  sich  dies  bei 
der  Eontraktion  und  Generalisation  einfacher  propinqual  oder  kognal 
ähnlicher  Begriffe  (vgl.  S.  327).  So  ist  z.  B.  der  AUgemeinbegriO  (imd 
ebenso  auch  die  Allgemeinvorstellung)  .rot"  einfach,  obwohl  er  durch  Zu- 
sammenfassung von  beispielsweise  fünf  verschiedenen  Rots  entstanden  ist- 
IJie  Erklärung  Hegt  in  dem  indeterminierenden  Charakter,  den  die  Abstiak- 
lion  haben  kann.  Dank  diesem  Charakter  kann  einerseits  die  Abstraktion 
auch  an  Einfachem  vollzogen  werden  und  kann  andrerseits  die  Zusamroen- 
Fassung  bei  der  GeneraUsation  und  bei  der  Eontraktion  einfacher  Begrifle 
wiederum  zu  einfachen  Begriffen  führen.  Die  reine  Komplexion  eio- 
facher  Begriffe  kann  selbstverständlich  stets  nur  zu  -einem  zusammen- 
gesetzlen  Begriff  führen  ^). 

Die  mit  diesen  Tatsachen  zusammenhängende  Hypothese,  daS  Schar- 
lachrot trotz  seiner  scheinbaren  Einfachheit  in  2  Komponenten  Rotheit  und 
Scharlachcharakler  des  Bot  und  in  analoger  Webe  Rot  selbst  in  Farl>itf  eit 
und  Rotcharakter  der  Farbigkeit  zu  zerlegen  sei,  kommt  fQr  die  Logik  niehl 
in  Betracht.    (Iber  die  psychologische  Bedeutung  vgl.  S.  827,  .Anm.  10. 

Die  Normalisierung  einfacher  VorBtellimg«ii  zu  ein- 
lachen Begriffen  verfügt  üher  keinerlei  Hilfsmittel  außer 
dem  immer  wiederholten  Vergleich  mit  den  fundierenden 
Vorstellungen,  aus  denen  sie  isoliert  sind.  Nur  auf  beson- 
deren Umwegen  —  z.  B.  durch  sog.  kausale  Definitionen  (vgl- 
^  105)  —  sind  wir  im  Stande,  die  für  die  Normalisierung 
charakteristigche   Konstanz    aucli    bei    einfachen   Begritfea 

*)  Vgl.  die  -Auseinandersetzung  Ober  die  doppelte  Bedeutung  des  Ter- 
minus „Zusammtngesetztheif  S.  346. 

')  Die  S.  479  Arno.  S  angeführte  Ausnahme  gilt  auch  hier.  Man  denke 
z.  B.  an  ein  Mischrot.  Mischrot,  Durchschnittsrot  und  Rot  als  Allgemein- 
vorstcllung  bilden  eine  eigenartige  Stufenleiter. 


OgIC 


^  1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Begriffen.  481 

tlieoretisch  herzustellen.  Bei  der  Normalisierung  zu- 
sammengesetzter Vorstellungen  hingegen  bietet  sich 
für  die  Logik  eine  Methode  dar,  durch  welche  die  Normali- 
sierung wenigstens  im  Prinzip  auf  diejenige  einfacher  Vor- 
stellungen zurückgeführt  wird.  Diese  Methode  besteht  in 
der  Zerlegung  der  zusammengesetzten  Vorstellungen  in  ihre 
Teilvorstellungen,  und  zwar,  wenn  möglich,  in  die  ultimalen, 
alog  einfachen  Teilvorstellungen  in  dem  S.  319  ff.  festgesetzten 
Sinn.  Dabei  sei  nochmals  daran  erinnert,  daß  die  Termini 
„Teilvorstellung"  und  „Merkmalvorstellang"  im  wesent- 
lichen für  uns  gleichbedeutend  sind  (S.  320),  und  daß  die 
Teilvorstellungen  streng  von  den  fundierenden  Vorstellungen, 
insbesondere  also  im  Bereich  der  Kontraktions-  und  Ä11- 
gemeinTorstellungen  von  den  fundierenden  „Gliedern",  d.  h. 
den  zugehörigen  Fluxions-  bzw.  Individualvorstellungen 
(S.  330  n.  335)  unterschieden  werden  müssen. 

Was  die  Zerlegung  selbst  betrifft,  so  ist  nach  den  Aus- 
führungen des  ^  91  klar,  daß  sie  sich  nur  auf  den  Begritfä- 
inhalt  bezieht  (S.  469).  Von  der  je  nach  Richtigkeit  oder 
Unrichtigkeit  eintretenden  Geföhlsbetonung  des  BegrifFes 
wird  dabei  ganz  abgesehen  (S.  470)").  In  der  Tat  ist  der 
BegriSsinhalt  die  einzige  Eigenschaft  des  Begriffs,  welch» 
jedem  Begriff  als  solchem,  d.  h.  auch  ohne  Bücksicht  auf 
seine  Beziehung  zu  anderen  Begriffen  oder  anderen  Gegen- 
ständen zukommt.  "EJa  handelt  eich  also  um  die  Zerlegung 
des  Begriffsinhalte  in  TeUinhalte ').  Die  Zerlegung  selbst 
wird  mit  Hilfe  unsrer  analytischen  Funktion  vollzogen  (vgl. 
S.  318  f).  Wir  sind  vermöge  der  letzteren  imstande,  in  einer 
zu8anuneng«setzten  Vorstellung  die  aas  den  fundierenden 
Vorstellungen  in  sie  übergegangenen  und  daher  in  ihr  ent- 
haltenen Teilvorstellungen  wieder  aufzufinden')  und  durch 
Wiedervei^genwärtigung  der  Bildung  der  Vorstellung  uns 
der  im  Sinn  nnsrer  Differenziemngsfnnktionen  hinzugedach- 
ten Akte  (Repressionen,  Komplexionen,  Komparationen  usf.) 
bewnfit'zu  werden. 


')  Im  folgenden  *ird  diese  Reservation  nicht  immer  wieder  ausdrück- 
lich erwähnt  werden. 

1)  Die  sehr  enge  Bedeutung,  welche  Stumpf  (Ober  den  psycho!.  Dr- 
-Sprung  der  Raumvorst.,  Lpi.  1873,  S.  109)  dem  Tenninus  „Teilinhalf  ge- 
geben hat,  kann  ich  nicht  i^eptieren.    Vgl.  5.  319,  Anm,  7. 

•)  Vil.  auch  die  Bemeitungen  S.  K6  Ober  „Bedeutung". 
KiehsD,  Lehrbuch  dei  Logik.  31 


482       ^-  '^^'^-     ^^  eiozeluen  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesrtie. 

Die  Aueführung  der  Zerlegnng  im  Dienst  der  Normali- 
sierung stößt  auf  zureiche  Schwierigkeiten.  Vor  allem  iet 
zn  bedenken,  daß  jede,  zusammengesetzte  Voretellnng  mehr 
und  etwas  anderes  ist  als  die  Summ«  ihrer  TeilvorstellangeD, 
insofern  für  ihren  Inhalt  auch  die  Beziehungen  der  T«il- 
vorstellnngen  untereinander  von  wesentlicher  Bedentrm« 
sind.  Man  denke  im  einfachsten  Fall  etwa  an  die  ränmliche 
Lage  der  einzelnen  Farbenfelder  einer  Fahne!  Was  soll  nun 
bei  der  Zerlegung  aus  diesen  Beziehungen  werden?  Sollen 
sie  etwa  ganz  weggelassen  werdenl  Sicherlich  nicht.  In 
welcher  Form  sollen  sie  dann  aber  Aufnahme  flndenl  Dazu 
kommt  weiter,' daß  die  durch  die  psychologische  Analyse 
ermittelten  Teilvorstellongen  meistens  sehr  schwankend  nad 
unbeetinmit  sind,  so  daß  sie  sich  zar  Charaktensiemng  der 
Normalvorstellungen,  d.  h.  eben  der  Begriffe  ganz  und  gar 
nicht  eignen.  Sie  müssen  daher  bei  der  normalisierenden 
Zerlegtmg  durch  bestimmte,  konstante  „Teilbegriffe"  er- 
setzt werden.  Insbesondere  müssen  also  selbstverstsodUcb 
bei  dieser  unumgänglichen  Ic^ischen  Umwandlung  alle  nur 
reprimierten  Teilvorstellungen  ganz  wegfallen  oder  voll  auf' 
genommen  werden.  Für  die  IjOgik  gibt  es  nur  das  Dilemma: 
entweder  Aufnahme  oder  Ausschaltung. 

Im  einzehien  gestalien  sich  dies«  Schwierigkeiten  in  den  verschiedenen 
Klassen  der  BegriHe  sehr  verschieden  und  soUen  daher,  um  das  Problem  der 
logischen  Umwandlung  der  Teilvorstellungen  in  Teilbegriffe  klar  zu  fonnu- 
IJeren,  kurz  Klasse  fOr  Klasse  dargelegt  werden. 

Bei  den  primären  integralen  Individualbegriflen  kommt,  dia  sie  oocb 
ganz  unberOhrt  von  der  Tätigkeit  der  intellektuellen  Funktionen  sind  (vgl. 
auch  S.  i7&,  Aam.  1),  also  auch  noch  keine  Zusammenfassung  involvieren. 
eine  Zerlegung  strenggenommen  nur  im  Sinn  der  Eikreüon  (vgl.  S.  S18)  in 
Betracht.  Hier  deckt  sich  der  Gesamtinhalt  in  der  Tat  noch  fast  ganz  mit 
der  Summe  der  Teilinhalte,  die  Gesamtvorsteüung  mit  der  Summe  der  TeiL 
vorstellungeiL 

Je  mehr  sich  Isolationen  und  KompleiiioneQ  an  der  Begritfabildunt  be- 
teiligen, um  so  unbestimmter  und  schwankender  werden  die  Teilvoistellus- 
gen.  Die  Isolationen  sind,  wie  IiOher  (S.  319)  erörtert  wurde,  gradweise  ver- 
schieden; dasjenige,  was  bei  der  Isolation  reprimiert  wird,  wird  nicht  immer 
vollständig  weggelassen,  sondern  eben  nur  zurückgedr&ngt.  Ebenso  ist  der 
Grad,  in  dem  die  einzelnen  Teilvorslellungen  in  der  Komplexvorstellunr 
aufgehen,  und  demgem&fl  ihre  nachträgliche  Wiederisolterbarkeit  sehr  ver- 
»!chieden.  Es  ist  also  schon  hier  schlechterdiruis  unmöglich,  das  Gebiet  der 
Teilvorstellungen  überhaupt  noch  bestimmt  abzugrenzen., 

Mit  dem  Hinzutreten  von  Eontnüctionsprozessen  ergeben  sich  neue 
Komplikalionen.  Sind  hier  nur  die  Gesamtvorstellungen  der  einzelne» 
Fluxionen  (S.  SW)  als  Teilvorslellmigen  zu  betiachten  oder  auch  aUe  Teil- 


1,1^. OQi 


,g,c 


1.  Kipitel.    Die  Lebre  vod  den  Besriffen.  483 

voistellaagen  der  einzeloea  Fluxioneo?  Ergibt  sich  dabei  nichl  ein  fast  un- 
endlieber  Regreß? 

Noch  schwieriger  sestaltet  sieb  die  Frage  der  TeilTorstellungen  bei  der 
Normalisierung  der  Allgemein  vors  leiluagen  (GeDeralTorslellunKen).  Soll  man 
z.  E  bei  einer  generalisierten  KontraktionsvorstflluDg  nur  die  fuDdierenden 
aekundiren  IndtvidualvorstelluDgcn  (Kanlraktionsvorsleilungea)  In  Betracht 
ziehen  oder  auch  alle  Tundieienden  FluxionsTorsIelluDgen  der  letzteren  und 
Tielleicht  sogar  alle  Teil  Vorstellungen,  die  diesen  zukommen?  Oder  soll  maD 
sieh  bei  der  Kormalisierung  auf  diejeniKen  TeilvorBtellungen  beschränken, 
die  allen  zugrunde  liegenden  Konlraklions-  bzw.  FIuxionsvoisLellungen  ge- 
neitjsam  sind?  Und  nie  wäreo.  nenn  man  sich  auf  den  letzten  Standpunkt 
stellt,  die^e  gemeinsamen  Teilvorsteilungen  auszuwählen  und  zu  besUmmea, 
<ia  ihre  Repression  gradweise  verschieden  ist?  Wie  können  hier  und  bei 
iea  aoderen  BegiifTsk lassen  auch  die  gegenseitigen  Beziehtiogea  der  Teil- 
voistellungen  bei  der  Zerlegung  zum  Ausdruck  gebracht  werden? 

Alle  diese  Fragen,  welche  darch  HinzDziehung  der  Itel&- 
tionsTorstelliiQgeD  DOch  erbeblich  vermehrt  werden  könnten, 
bedürfen  vom  psychologischen  Standpunkt  ans  keiner 
scharfen  Antwort.  Die  absolute  Unbestimnitheit  der  Teil- 
vorstellnngen,  wie  sie  uns  namentlich  hei  den  komplexen, 
kontrakten  und  generellen  Vorstellungen  begegnet,  ist  ge- 
radezu eine  charakteristische  und,  wie  sich  leicht  zeigen 
läilt,  JD  vielen  Beziehungen  zweckmäßige  Eigenschaft  der 
Vorstellungen,  die  in  unserem  tatsächlichen  Denken  auf' 
treten.  Vom  logischen  Standpunkt  ist  hingegen  im  Hin- 
blick auf  die  Normalisierang  der  Vorstellungen  die  Zu- 
lassnng  solcher  anbestimmter,  schwankender,  mehr  oder 
weniger  reprimierter  Teilvorstellungen  ganz  ausgeschlossen. 
Die  Logik  ist  gezwangen,  den  Begriffsinhalt  in  bestimmter 
und  konstanter  Weise  in  Teilinhalte,  den  Gesamtbegritf  in 
Teübegritfe  zu  zerlegen.  Sie  kann  die  Normalisierung  der 
ihr  von  der  Psychologie  übergebenen  Vorstellangeo  zu  Be- 
griffen nur  dann  durchführen,  wenn  sie  die  Inhalte  der  Be- 
griffe durch  bestimmte  Zerlegungen  fixiert.  Diese  fixieren- 
den bestimmten  Zerlegungen  sied  die  Definitionen.  Sie 
sind  einerseits  die  Werkzeuge  und  andrerseits  zugleich  die 
Ergebnisse  der  Normalisierang.  Die  Definition  ist 
also  die  inhaltliche  Zerlegung  eines  Begriffes 
in  Teil  begriff  e.  Sie  fixiert  die  Beziehung  eines  Be- 
griffes zu  denjenigen  Begriffen,  die  in  ihm  irgendwie  ent- 
halten sind.  Mit  der  Beschreibung,  Erklärung  dnroh  Bei- 
spiele asf.  hat  sie  den  Zweck  gemein,  die  Teilinhalte  deut- 
licher zu  machen.  Sie  unterscheidet  sich  aber  von  der  Be- 
schreibung, Erklärung  usf.  dadurch  wesentlich,  daß  sie  im 


1,1^. OQi 


,g,c 


484      1^-  '^'^-    I^  einzelnen  lo^sehen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

Dienst  der  Normalisierong  der  Vorstellungen  steht  und 
daher  das  konstante  Festhalten  eines  Be^rriffes  im  logiecheit 
Sinn  gegenüber  den  Schwankang>en  der  Voistellongen  im 
psychologischen  Sinn  zu  fördern  bezweckt.  Für  die  logische 
Verwertung  zneammengesetzter  und,  wie  sich  weiterhin  noch 
ergeben  wird,  auch  einfacher,  vorläufig  UDdeSnierbar  er- 
scheinender Begriffe,  z.  B.  ihre  Vergkichnng,  Untersehei' 
dang  usf.,  ist  sie  deshalb  unentbehrlich. 

§  94.  Dos  definitorlscfae  Verfahren  in  den  eioielaen 
BegritTsklaasen.  a)  Deflnitioo  primfirer  komplexer  Indl» 
▼idnalbegriffe.  Die  yoraoBgehenden  Erörterungen  haben 
gezeigt,  daß  die  Ix)gik  mit  einer  psychologischen  Zergliede- 
mng  der  Begriffe  nicht  auskommt,  sondern  gezwungen  ist, 
das  definitorische  Verfahren  einzuschlagen.  Das  Weseoi' 
liehe  dieses  Verfahrens  ist  die  Zerlegung  eines  Begriffes  in 
Teilbegriffe,  d.  h.  konstante  (normalisierte)  Teilvorstel- 
Inngen. 

Man  hat  zuweilen  von  den  Teilvorslclluneen  auch  verlangt,  daß  sie 
„allaeitiic  unterschieden"  seien*).  Diese  aJlseitige  Unterschiedenhnf  deckt 
sich  mit  der  Eigenschaft  der  Nonnalvoratellungen,  die  S.  434  als  eiodeatig« 
Bestimmtheit  beeeichoet  wufde.  Sie  ist  in  der  Eigenschaft  der  Konstani 
schon  enthalten,  insofern  Konstanz  ohne  eindeutige  Bestimmtheit  nidil 
denkbar  ist. 

Im  tollenden  wird  das  defmito tische  Verfahren  nach  den  einzelnen 
Klassen  gesondert  besprochen.  Dabei  soll  zunächst  von  den  Ultimaten  Jso- 
lationshegriUen,  deren  Inhalt  wegen  ihrer  Einfachheit  unzerlegbar  ist  (vgl 
S.  319  u.  479  f.)  und  sich  daher  einer  zerlegenden  Definition  entzieht,  ab- 
ei'sehen  werden  und  die  Untersuchung  auf  solche  Begriffe  beschränkt  wei- 
den, welche  in  irgendeinem  Grade  zusammengesetzt  sind  ■).  Vgl.  jedoch 
auch  §  97. 

u)  Definition  primärer  komplexer  I  ndividual' 
begriffe. 
Die  logische  Definiüon  einee  primären  komplexen  Indi- 
vidualbegriffs  besteht  in  der  vollständigen  Aufzählung  aller 
irrednziblen  Teilbegriffe  desselben.  Diese  Teilhegriffe 
decken  sich  hier  noch  ganz  mit  den  Teilvorstellungen  in 
psychologischem  Sinn.  Ein  Unterschied  gegenüber  der 
psychologischen  Beschreibung  besteht  nur  insofern,  als  nur 

'■)  Diesen  Ausdruck  gebraucht  Sigwart,  Logik,  2.  Aufl.  Freibur;  1889. 
S.  325.  Vgl.  auch  S.  111  Aber  die  Leibnizsche  DisünIctheiU 

>)  Die  Undefinierbaikeit  des  Einfachen  scheint  Antisthenes  zuerst  ge- 
lehri  zu  haben,  s.  Aristoteles,  At.  Ausg.  10*3  b  u.  Plato,  Theaetet  201 E. 


1,1^.001^10 


1.  Kapitel.    Die  Ldire  von  den  Begrilleii-  485 

die  irredaziblen  Teilvoretellangen,  diese  aber  sämtlich, 
snge^ben  werden.  Irreduzibel  sind  solche  Teilvoratellan- 
gen*),  die  nicht  irgendwie  ineinander  enthalten  Bind  (wie 
etwa  „nmd"  in  .Jireisförmig").  Eine  Definition  soll  also 
keine  öberflüssigen  Teilvorätellungen  aufnehmen.  Prin- 
zipiell kann  man  auch  die  Forderung  aufstellen,  daß  alle 
Teilbegriffe  ultimal  sein  sollen  (vgl.  S.  319  o.  477)  *).  Es  wird 
sich  jedoch  bald  ergeben,  daß  dies  Prinzip  praktisch  sehr  oft 
nicht  durchführbar  ist  und  seine  strenge  Durchfühmng  anch 
oft  nicht  zweckmäßig  ist.  um  MiBverständnisse  zu  verhüten, 
sei  ausdrücklich  bemerkt,  daS  zn  den  nltimalen  Teilvorsteh 
lungen  der  primären  Individualbegritfe  selbstverständlich 
auch  die  Teilvorstellungen  der  räumlichen  und  zeitlichen 
Lagebestimmimg,  der  sog.  Individualkoefflzienten  (vgl.  S.  369) 
gehören. 

Bezeichnet  man  die  psychologischen  Teilvorstellungen 
einer  primären  komplexen  Individualvorstellung  V,  die  ans 
den  simultanen  oder  sukzeBsiven  Empfindungen  E. ,  Eb ,  Gc> 
Ed...  hervorgegangen  ist,  mit  Va,  Vb,  Vc,  Vdf  •>  so  kann 
man  die  bloße  Gleichzeitigkeit  oder  Sukzession  der  letzteren 
symbolisch  etwa  durch  «ine  senkrechte  Klanuner,  also  das 


fVd 
ausdrücken.  Die  zugehörige  primäre  komplexe  Individual- 
vorstellong  V  soll  dann  wie  früher  durch  eine  wagrechte 
Klammer,  also  durch  das  Symbol  V,  Vb  Ve  Vd  - . .  oder  kürzer 
a  b  c  d . . .  wiedergegeben  werden  (vgl.  S.  320).  Für  den  zu- 
gehörigen primären  komplexen  Individualbegr if f  K  emp- 
fiehlt es  sich,  nur  das  letztere  Symbol  abcd...  zn  verwen- 
den').   Das  Eintreten  der  Horizontalklammer  an  Stelle  der 

))  Leibniz  nennt  solche  Uerkmale  „trresolubiles"  (Gerh,  Ausg.  Bd.  i, 
S.  428). 

*)  Plato  braucht  für  diese  im  Hinblick  auf  den  Vergleich  mit  der 
Sprache  auch  die  Bezeichnung  vmxtta  (Theaelet  207).  —  Man  hOte  sich 
dnor,  diese  uHimalen  Teilvoratellungen  mit  den  Pnnzipialgegenal&nden 
!S.  367)  zu  verwechseln. 

>)  DemgemäB  nird  nunmehr  weiterhin  für  die  komplexe  Vorstellung  io 
ir  noch  das  ausführlichere  Symbol  V»VbVc  Vd.. '. 
nmensesetzte  Begriffe  (im  logischen  Sinn) 


OgIC 


486      IV.  Teil.     Dieeinztilaen  loBischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

Vertikalklammer  würde  also  bedeateii,  daß  an  Stelle  der 
bloßen  Gleichzeitigkeit  bzw.  SukzeBsion  (Kants  Synopsis,  vgl. 
S.  321,  Anm.  11)  eine  Komplexion  getreten  ist;  Weglassen  von 
R  mag  andeuten,  daß  rediizible  Tel] Vorstellungen  veggeblie- 
ben  sind;  a,  b,  d,  ...  würden  also  die  den  Teilvoratellungen 
V^n  Vb,  Vc . . .  entsprechenden  irrednziblen  Teilbegriffe 
sein.  Der  Terminus  „Teilbegriff"  wird  hier  wiederum  in  dem 
S.  320  festgesetzten  weiteren  Sinn  gebraucht,  so  daß  er  mit 
dem  Terminus  „MerkiualbegrifT"  im  wesentlichen  identisch 
ist.  Der  letztere  hebt  nur  die  charakterisierende  Bedentong 
nachdrücklicher  hervor  (vpl.  S.  319,  Änm.  7), 

Selbstvers  ländlich  ist  jeder  TeilbegriJf  in  der  Definition 
nicht  nur  seinem  Inhalt  nach,  sondern  ancb  mit  ßezng  anf 
seine  Kelatloneu  zu  den  anderen  Teilbegriffen  anzugeben. 

Im  Hinblick  darauf,  daU  die^e  Fixierung  der  primären  IndividuaU 
begriffe  der  osvchüloüiücheo  Deskiiptinn  norli  sehr  rahe  slfhl,  kann  nun 
aueb  «OD  einer  logischen  Desk^intion  sprechen  und  den  Terminus 
„Definilion"  (im  engeren  Sinn)  Jür  die  Fixierungen  im  Bereich  der  höheren 
Begriffsklassen  auFsparen. 

Bei  der  praktischen  Durebführnng  soleber  logischen 
Deskriptionen  von  primären  lud ividual begriffen  ergibt  sieb 
noo  aber  sofort  die  Schwierigkeit,  daß  die  Zerlegung  in 
letzte  Teilvorstellungen  sehr  oft  nicht  mit  Sicherheit  ge- 
lingt Es  bleibt  daher  in  diesen  Fällen  nichts  übrig  als 
vorläufig  innerhalb  des  Gesamtinhalts  noch  komplexe  Teit- 
inhalte  bestehen  zu  lassen,  deren  weitere  Zerlegung  vor- 
behalten bleibt.  Begriffe  erweisen  sich  —  entsprechend 
ihrem  Charakter  als  Normalvorstellungen  —  auch  hier  als 
Idealgebilde,  deren  volle  psychische  Verwirklichung  Dtcbt 
möglich  iät.  Übrigens  sind  auch  zur  Abkürzung  der 
logischen  Deskription  solche  gruppenweise  zusammengefaßt« 
Teilbegriffe  nncnUiehrJich.  Ich  bezeichne  sie  kurz  als 
komplexe  Teilbegriffe*)  oder  Teilbegriffkom- 
p  1  e  X  e. 

Eine  weitere  Schwierigkeit  ergibt  sich  daraus,  daß  die 
letzten  Teilbegriffe   selbst  streng   genommen   zunächst  nnr 

werden  rturch  einen  großen  lakini-^cltcn  Bnchslabfn  (A,  K,  T,  W  usl. 
vgl.  S.  318,  Aiim.  G),  zusammenKPSol/le  Vorslilii'n'-;efi  (im  psycho'ocischen 
Sinn)  analoK  durch  Va  uk[.  bezcichnt'l.  Die  kleinen  Buthslabcn  sollen 
ielzl  ausschtieSlich  fnr  nichtzusammengeselzte  ßigrifre  und 
Vorslellungen  verweitdfl  werden.  —  Handelt  es  sich  sfiezleü  iim  einen  Kol- 
leklivbegriff  (vgl.  S.  474),  so  brauche  ich  stall  des  Symbols  K  das  Symbol  f. 
«)  Piatos  auiXBfiBl,  s,  oben  S.  4B5,  Anm.  4. 


OgIC 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  BegrlHen. 487 

rein  individaelle  Isolationsbegriffe  sind.  So  kommt  beispiels- 
weise dem  Indvidualbegriff  eines  Wolkenbildes,  das  ich  ge- 
sehen habe,  ein  ganz  eigenartiges  Gran  und  eine  ganz  eigen- 
artige elliptische  Form  zn,  für  welche  mir  eine  vollkommen 
entsprechende  Vorstellimg  noch  fehlt.  Eigentlich  müßten 
die  TeilbegrifFe  dieses  eigenartigen  Orans  und  dieser  eigen- 
artigen elliptischen  Form  in  die  Definition  (logische  Deskrip- 
tion)  des  WolkenbDde  aufgenommen  werden.  Offenbar  ist 
ein  solches  Verfahren  fast  niemals  durchführbar  und  logisch 
änfierst  onzweckmäfiig.  Wir  müßten  für  jeden  neuen  Be- 
griff neue  Teilhegrifle  aufstellen  and  diese  mit  neuen  Worten 
belegen.  Tue  Vei^leichnng  und  auch  jede  andere  Verarhei- 
tnng  der  Individualbegriffe  würde  damit  auf  das  äußerste 
ejachwert.  Die  Sprache  wurde  nicht  ausreichen.  Die  Mit- 
teilung von  Mensch  zu  Mensch  würde  im  höchsten  Orade 
beschränkt.  Wir  sehlagen  daher  ein  anderes  Verfahren  ein: 
wir  verwenden  zur  Charakteristik  der  letzten  Teilhegrifle 
Allgemein  vorstellongen  bzw.  Allgemein  begriffe  und 
zwar  ganz  vorzugsweise  solche  höherer  Stufe,  bei  welchen 
sieht  nur  von  den  räumlich-zeitlichen  Individualkoeffizien- 
ten,  sondern  auch  bereits  von  qualitativen  Verschiedenheiten 
mehr  oder  weniger  abstrahiert  ist  (vgl.  S.  333),  wie  z.  B. 
Grauweiß,  Grün,  elliptische  Gestalt,  dreieckige  Gestalt  usf. 
Symbolisch  sei  diese  Umwandlnng  dadurch  ausgedrückt,  daß 
wir  an  Stelle  von  a,  b,  c  . . .  nunmehr  a*,  b*,  c*  . . .  setzen. 
Wenn  wir  eine  spätere  Erörterung  vorwegnehmen,  können 
wir  geradezu  sagen,  daß  wir  bei  diesem  Verfahren  den  In- 
dividaalbegriff  bezüglich  eines  jeden  Merkmals  einem  All- 
gemeinbegrjfl  (dem  Allgemeinbegriff  der  «"-Gegenstände, 
^'-Gegenstände  usf.)  „snbsnmieren".  Psychologisch  ist  dieser 
Weg  ohDehin  sehr  nahe  gelegt,  da,  wie  sich  schon  S.  349  und 
351  gezeigt  hat,  die  Generalisation  mit  der  Isolation  bzw. 
Abstraktion  von  Merkmalen  in  der  Kegel  Band  in  Hand 
geht  Die  eben  aufgezählten  Schwierigkeiten  der  logischen 
Oeskription  fallen  bei  diesem  Verfahren  fast  ganz  weg.  Wir 
verschaffen  ims  die  Möglichkeit  einer  kürzesten  und  ciu- 
fachsten  Beschreibung.  Dabei  müssen  wir  freilich  auch 
einen  Nachteil  in  den  Kauf  nehmen:  indem  wir  die  Teil- 
begriffe eines  primären  Individualbegriffs  durch  Ällgemein- 
begriffe  wiedei^eben,  opfern  wir  die  letzten  spezifischen 
Eigentümlichkeiten  der  Teilvorstellnngen  des  Individust- 
begriffs,    da    diese    letzten,    gewiesermaßen    individuellsten 


OgIC 


488       'V-  "I'^'l'     Die  einzelnen  loeiachen  Gabilde  und  ihre  Gesetze. 

Eisentümliehkeiten  eben  in  den  AllgemeinbegrifEen  infolgp 
der  mit  diesen  verbundenen  Abstraktion  nicht  enthalten 
sind.  Die  spezifiscli©  Individualität  des  primären  ludividual- 
be^iffs  kommt  etwas  zu  kurz:  sie  wird  dargestellt  bzw.  er- 
setzt durch  eine  spezifische  KombinationO  von 
Allgemeinbegriffen,  die  das  Spezifische  der  wirk- 
lichen Teilbegriffe  nicht  ganz  vollständig  wiedergeben*). 
Wir  opfern  also  im  Interesse  der  leichten  und  sicheren 
logischen  Bestimmbarkeit  und  Verwendbarkeit  einen  Teil 
der  vollen  individuellen  Bestimmtheit.  Indem  der  Allge- 
meinbegriff durch  relativ  weniger  Teilbegriffe  bestimmt  ist, 
ist  er  zugleich  dem  Gegebenen  gegenüber  unbestimmt. 
„Dreieckig"  im  allgemeinen  ist  durch  viel  weniger  Merk- 
male bestimmt  als  ein  einzelnes  Dreieck  (ein  bestimmtes 
„dreieckig")  und  gerade  deshalb  dem  letzteren  gegenüber 
relativ  unbestimmt.  Da  es  jedoch  der  Logik  nicht  auf  An- 
Kchauliehkeit,  sondern  auf  Denkriehtigkeit  ankommt,  so 
wiegt  dieser  Nachteil  gegenüber  den  enormen  Vorteilen  für 
dae  Denken  nicht  allzu  schwer. 

Diese  Verwendung  der  Aligemeinbegriffe  ist  anch 
keineswegs  auf  jene  idealen  letzten  Teilbegriffe  beschränkt, 
sie  bewährt  sieh  ganz  ebenso  bei  den  oben  (S.  486)  erwähnten 
komplexen  Teilbegriffen  *). 

Für  den  ganzen  Aufbau  der  Logik  ist  das  soeben  er- 
örterte Verfahren  vou  der  allergrößten  Bedeutung.  Wäh- 
rend vom  psychologischen  Standpunkt  die  Allgemeinvorstel- 
lungen das  letzte,  abgeleitetste  Glied  der  ganzen  Stufenleiter 
der  Vorstellungen  darstellen,  bekommen  für  die  Logik  die 
Allgemeinbegriffe  durch  diese  V«rwendung  bei  der  Fixation 

')  Plato  spricht  geradeau  von  einer  /tiiitf  (z.  B.  Sophiäl.  253  B)  in 
ähnlicbem  Sinne.  Man  kann  auch  vergleichsweise  sagen,  daB  jeder  der  ver- 
wendeten AllgemeinbegriRe  einen  geometrischen  Ort  für  den  zu  definierendeo 
Individualbegrüt  abgibt. 

")  So  wird  es  auch  verständUch,  daB  von  Alters  her  sehr  viele  Logiker 
(iie  Defiiiierbarkeit  der  Individualbegriffe  bestrillen  haben.  Alle  Einzelbegriffe 
würden  danach  gleichsam  logisch  identisch  sein  oder  gar  außerhalb  der  Logik 
ht«eQ.    Vgl.  z.  B.  .\ristoteles,  Akad.  Ausg.  97 a,  lOSibff.,  1039b  u.  105&b. 

■*)  Es  leuchtet  sogar  ein,  daß  andrerseits  auch  die  ulli  malen  pri- 
müren  individuellen  Isolatiansbegriffe,  für  die  wir  S.  ifü  «in  Definieren  ab- 
Eclehnt  haben,  doch  wenigstens  eine  solche  Subsumtion  zulassen,  z.  B.  die 
Subsumtion  eines  eben  gesehenen  eigenartigen  Hols  i==,  a)  unter  den  Allge- 
meinbeariff   ..Buritunderrot"   oder   „Rol"    (=r.   a'). 


iM,Googlc 


__^^_^^^      *■  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  BeKriHen.  4g9 

der  primären  Individaalbegriffe")  eine  grundle;(rcn(le  Be- 
deotnng  für  die  G^amtheit  .aller  Begriffe.  Sie  treten, 
indem  sich  gewiBsermaßen  die  Reihenfolge  umkehrt,  an  die 
Spitze  der  ganzen  Begriffsreihe.  Dabei  muQ  festgehalten 
werden,  daß  es  sieh  nicht  um  eine  künstliche,  willkürliche 
Umstellung  handelt,  sondern  daß  diese  ümstellnng  sich 
natürlich  und  notwendig  aus  dem  Zweck  und  dem  Wesen 
der  Logik  ergibt.  Die  Ällgemeinbegritfe  lassen  sich  un- 
verhältnismäßig vollständig,  leicht  und  sicher  in  relativ 
weoige  feste  allgemeine  Teilbegriffe  (ultimale  einfache  oder 
komplexe)  zerlegen  und  sind  daher  für  die  Normalisierung 
geradezu  geschaffen'*),  während  die  Individualbegriffe  als 
solche,  d.  h.  als  Komplexe  von  individuellen  Teilbegriffen, 
immer  psychologischen  Schwankungen  unterworfen  bleiben 
und  einer  vollständigen',  konetanten,  einwandfreien  Zer- 
legung die  größten  Schwierigkeiten  entgegensetzen  "}.  Be- 
züglich der  Machteile,  die,  wie  oben  schon  betont  wurde,  mit 
dieser  Bevorzugung  der  AUgemeinbegriffe  verbunden  sind, 
wird  überdies  später  zu  zeigen  sein,  wie  die  Logik  dieselben 
wieder  aoszugleichen  und  ihr  generalisierendes  Verfahren 
zu  ergänzen  versucht  und  vermag.  Es  sei  jetzt  nur  hervor- 
gehoben, daß  uns  hier  zum  ersten  Male  der  Gegensatz  zwi- 
schen dem  deduktiven  (vom  Allgemeinen  ausgehenden)  und 
dem  induktiven  (vom  Individuellen  ausgehenden)  Verfahren 
begegnet,  freilich  noch  in  einer  Form,  welche  den  vollen 
Gegensatz  der  Deduktion  und  der  Induktion  bei  weitem  nicht 
erschöpft. 

Die  Teilbegriffe  a*,  h*,  c*  . . .  sind  zunächst  völlig  gleich- 
gestellt; so  kann  z.  B.  der  primäre  Individualbegritf  einer 
kürzlich  erlebten  Lichterscheinnng  sich  aus  den  allgemeinen 
Teilbegriflen  „gelb",  „hell",  „kreisförmig"  zusammensetzen, 
ohne  daß  einer  dieser  Teilbegriffe  eine  bevorzugte  Stellung 
einnimmt.    Sehr  oft  aber  ändert  sich  dies  Verhältnis,  indem 


"J  Später  werden  sich  noch  «ndere  Momente  ergeben,  die  in  dem 
selben  Sinn  wirksam  sind. 

")  Sehr  klar  hebt  schon  Plato  dies  von  einem  ganz  anderen  Stand- 
tiimkt  &U9  hervor,  Theaetet  182  D. 

")  Man  vergleiche  hiermit  auch  den  Gegensatz  zwischen  dem  itfat 
"ler  begrüfljchen  Einheiten  (des  tr  linwr»»')  und  der  änaeia  der  naUä 
bei  PUto  (Phileb.  Iß  C  u.  Pannen.  168).  Plato  schiebt  einseitig  alle  Begrenzt- 
beit  (ni^t)  den  Allgemein  begriffen  zu  und  unterscheidet  nicht  scharf 
zwischen  Begrenztheit  und  Bestimmtheit. 


OgIC 


490       'V-  '''^'l'     ^^  einzelaen  loguchen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

einer  der  allgeTD«iiieu  TeilbegrilTe  den  übrigen  über-, 
geordnet  wird.  Sprachlich  drückt  sich  dies  hänflg  (keines- 
wegs immer)  darin  aus,  daß  der  bevorzugte  —  „prae- 
1  a  t  e"  —  Teilbegriff  —  etwa  a*  (in  fettem  Druck)  oder  a*!  — 
durch  ein  Substantiv,  die  untergeordneten  —  „rezes- 
siven" —  Teilbegriffe  durch  Adjektive  bezeichnet  werden. 
Wir  sprechen  dann  z.  B.  von  einem  „gelben  hellen  Kr^". 
Man  kann  diesen  Vorgang  auch  dahin  auffassen,  daS  der 
IndividualbegrifE  zuerst  dem  Allgemeiubegrilf  a'l  als  „Gat- 
tung" „subsumiert"  wird  und  dann  durch  Zufügung  der 
Teilbegriffe  b*,  c*...  seine  Art  und  soweit  möglich  seine 
Individualität  näher  bestimmt  („spezifiziert")  wird.  Auf 
diese  Auffassung  und  die  spezielle  Verwendung  eines  „Qenit» 
proximum"  wird  später  ^  97)  ausführlich  eingegangen 
werden.  Hier  sei  nur  noch  bemerkt,  daß  als  bevorzugter 
Teilbegriff  a* !  besonders  oft  ein  komplexer  Teilbegriff  (S.  486) 
gewählt  wird.  Die  Auswahl  des  bevorzugten'  a'  ist  sowohl 
logisch  wie  psychologisch  nicht  eindeutig  bestimmt.  Sie 
hängt  logisch  auch  wesentlich  von  dem  Verwertnngszwe«k 
im  Denken  ab.  So  kann  ich  z.  B.  in  bezug  auf  bestinmite 
Überlegungen  es  vorziehen,  von  einer  „gelben  kreisförmigen 
Helligkeit"  zu  sprechen. 

Fast  ebenso  bedeutsam  ist  eine  andere  Modifikation  der 
logischen  Deskription  der  primären  Individualbegriffe  ")■ 
Wir  können  die  Deskription  nämlich  auch  dadurch  abkürzen, 
daß  wir  uns  auf  die  Angabe  der  sog.  wesentlichen  Teil- 
begriffe  beschränken.  Da  unser  logisches  Denken  fast  aus- 
schließlich in  einer  Vergleichung  der  Begriffe  besteht,  so 
genügt  es  für  diesen  Zweck  sehr  oft  vollständig,  wenn  wir 
bei  der  logiseben  Deskription  eines  primären  Individnal- 
begriffs  diejenigen  Teilbegriffe  hervorheben,  welche  bei  der 
Vergleichung  mit  anderen  Begriffen  als  unterscheidend 
in  Betracht  kommen  ").  Diese  unterscheidenden  Teilbegriffe 
sind  eben  die  wesentlichen  Teilbegriffe.  Ihre  Wesent- 
lichkeit ist  also  stets  relativ,  d.  h,  nur  gültig  mit  Bezug  aaf 
bestimmte,  zum  Vergleich  herangezogene  oder  für  den  Ver- 

")  Den  Zu9Hlz  „komplex"  lasse  ich  als  selbsiveratändlicb  (s.  oben 
S.  iS5)  otl  bei  diesen  EröileruQKen  weg. 

'*)  Bei  Plalo  (Iteaetd  209)  (fw^opon);  und  JisgM^v  fti"iftti»v,  V^. 
die  hislorischcD  BemerkuAgea  in  §  97, 


OgIC 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  BeerifieD.  4gX 

gleich  iu  Betracht  kommende  andere  Be^iffe  '*).  Vgl.  ^  96. 
Oft,  aber  nicht  immer  werden  die  wesentlichen  Teilhegriffe 
als  bevorzugte  Teilbegritfe  im  Sinn  der  letzten  Erörterung 
verwendet. 

Die  UnerläBlichkeit  einer  Beschränkung  auf  die  wesent- 
lichen Teilbegriffe  ergibt  sich  übrigens  in  sehr  vielen  Fällen 
achon  daraus,  daß  die  Zahl  der  TeilbegrifFe  für  eine  voll- 
ständige Aufzählung  viel  zu  groß  ist  und  eine  Auswahl  not- 
wendig macht.  Die  Verwendung  komplexer  Teilhegriffe 
(S.  486)  kann  uns  diese  Notwendigkeit  nicht  ersparen. 

Uil  der  logischen  Deskription  der  primären  IndividualbegriOe  ver- 
binde) sich  —  wie  auch  mit  jeder  andern  Definition  —  noch  ein  weiterer 
bedeutsamer  ProzeS.  Wir  begnügen  uns  nicht  mit  der  Zerlegung  des  pri- 
mären kosüpIeMen  Individualbegiilfes  K  selbst  in  die  TeilbegriHe  '*) 
a,  b,  d  ....  sondern  übertragen  diese  Zerlegung  —  ganz  analog  wie  auf 
pa;chologiachem  Gebiet  (vgl.  S.  330,  322t!.)  —  auch  auf  seinen  Normal- 
gegeriiiiand  (£.  437  u.  461  ff.).  Es  handelt  sich  also  um  eine  Zerlegung 
der  mehrfach  erwähnlen  G eg en st aodsvorble Illingen  (S.  266,  269,  320,  430, 
u.  437).  Wenn  wii'  die  S.  485  eingefOlirlen  Symbole  lesthallen,  so  ist  der 
Gegenstand    eines    komplexen  BegriSes    abd...    ein    Torstellungsaggregat 

IT. 
Y**  oder,  wenn  wir  auf  den  entfernteren  (distaleren)  Qegensland  ziurOck- 
Vd 

IE. 

gehen,  ein  Empflndungsaggreg&t  l^  oder,  wenn  wir  den  distatsten,  hypo- 

(Ed 
tbetisch    hinzugedachten    Gegenstand    (Reiz,    Ding    an    sich,    Reduktions- 
beetandteil  vef.,  vgl.  S.  250fl.   u.  363  f.)    hinziuehmen    wollten,    ein  R  = 

o  Indem  wir  nun  diese  Gegenstinde  zu  Normalgegen- 

Rd... 
stftn^n  umdenken  und  die  Begriffszerlegung  auf  sie  Obertragen,  also  redu- 
zible  Teile  bzw.  Merkmale  weglassen,  erhalten  wir  als   Normalgegensland 

einen  Vorstellungs„komplex"  V,  ,  V,.,  V,*  ■. .")  bzw.  einen  Empfindungs- 

{"1    \P)     W 

i>)  Vgl.  hierzu  die  in  manchen  Beziehungen  verwandten  4usfQbrun- 
gen  Si^warls  Qber  wesentliche  und  unwesentliche  Merkmale  I.  c.  S.  343 
n.  354  ff. 

">)  Mit  den  Begriffen  hzvr.  Teilbegriffen  sind  hier  stets  die  BegriHs- 
inhaite  bzw.  Teilbegrilfs  i  n  h  al  I  e  gemeint.     Vgl.  S.  469. 

")  Mit  dem  Buchslaben  11  sollen  hier  alle  die  hypolhelischen  zu  den 
Empfindungen  fainzu^dachlen.  dislalsten  Gegenstände  bezeichnet  werden 
(vgl.  S.  262). 

1»)  über  die  Verwendung  der  griechischen  Buchslaben  s.  S.  318,  Anm.  6. 
—  Man    bedenke  nur  immer,  dafi  diese  Gegenstände  gedachte  b/w.  um- 


OgIC 


IV.  Teil.     Die  einzelnen  loeiscben  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 


komplex    B,  »  '•(«i^'/ji---    l'^"-  einer    R:=  Komplex  1 


nftcbdem  der  Bezugsgegenstand  des  BegriHes  E  C&lao  sein  Argument,  vgl 
S.  268)  im  Bereich  der  Vorstellungen  oder  der  Empfindungen  oder  der  K's 
liegt,  und  zerlegen  diese  Komplexe  entsprechend  den  TeitbegrtSen  a,b,d... 
in  die  Teile  oder  Merkmale  (vgL  S.  saDff.)  V  ,  V  ^' j  ••■  •'^^ 
^foV  ^(jjf  ^(i\  ■  •  ■  ^^^'  ^f«V  ^iSi'  ^(Jl  ■  ■  ■  *"'^'  *ll«einein  in  die  „Zerlegunga- 
gegenstände"  (n)>  (.ff),  l')  -  -  Der  gedachte  Gesamtgegenstand  oder 
Gegenstandsbegriff      kann      also      auch      geschrieben      werden: 

(a) (.ß){'f)  •■■  Die  ZerlegungsgegensüLndc  sind  ebetüalls  nur  gedacht 
Wir  gelangen  zu  ihnen  durch  den  S.  31S  beschriebenen  IsolationsprazeB. 
Sie  gehAren  also  ebenso  wie  der  hinzugedachte  Gesamtgegenstand  (vgl 
S.  461,  Anm.  16)  durchaus  der  Gegenstands  Vorstellung  an  (vgl 
S.  366)  und  dürfen  mit  den  tatsächlichen  fundierendeD  Teilen 
oder  Merkmalen  des  Gegenstandes  selbst  nicht  verwechselt 
werden.  Es  empfiehlt  sich  dringend  auch  terminologisch  diesen  UntU'- 
schied  zu  fixieren  und  die  tatsachlichen  Teilgegenstände  a,  ß,  i  ;. .  aus- 
drQcklich  als  tatsftchhche  oder  objektive  Teile  bzn-.  Heitanale,  dagegen 
die  gedachten  Teilgegenat&nde  (a).  Iß),  (iTl  ...  als  gedachte  oder  objek- 
tivierte Teile  bzw.  Merkmale  zu  bezeichnen,  über  die  Unteischeiduni 
von  Teil  und  Merkmal  i^.  S.  320,  doch  soll  im  folgenden  der  Terminus 
„Merkmale"  bevorzugt  werden,  da  er  in  der  Logik  übUcher  ist 

Ein  Beispiel  mag  diesen  logisch  und  ericenntnistheoretisch  gleich  wich- 
tigen Prozeß  deiOfajektivation  der  Begrifie  eiläutem.  Ich  höre  eine 
aus  drei  Tönen  bestehende  MekxUe  oder  einen  aus  drei  Tönen  bestehenden 
Akkord.     Dies  sukzesive  bzw.  simultane  Empfindungsaggregat  kann  etm 

IE> 
^    ausgedrückt  werden;  dabei  mögen  E«,  Eb  and  Kd 
Ed 
den  8  Tönen  imd  E^   etwaigen  Nebenempfin düngen,  welche  die  drei  Töne 
h^leilen,  zusammenfassend  entsprechen.    Von  diesem  EropfinduDBsaggr^at 


kann  ich  sp&ter  ein  Vorstellungsttggregat  reproduzieren 

vontellungen  die  Vorstellungen  der  drei  Töne  und  der  zugehörigen  Neben- 


gedacbte  sind,  daÜ  es  sich  also  am  Gegenstands vorstellungea  handelt 
Deshalb  mufiten  auch  entsprechend  der  Festsetzung  S.  330  die  griechischea 
Buchstaben  in  Klammem  gesetzt  werden. 


'(«)  '(«  ' 


Standsvorstellung,  die  wir  uns   von    dem  Gegenstand  |y        machen, 

.  (Vd... 

and  ebenso  sind  IT.  E^..  E^^ ...    nnd   ß,  .  R.,j  B/jv--"-  lediglich  Gegen- 
standsvorstellungen.     Die  tatsAchUchen  Gegenstände  a.  ß.  y,   4  and 

!V.  iE.  iE. 

vi  *'^*-  !S  ^''^-  li^  ■    VgL  S.  265. 


Vd  .. 


iM,Googlc 


1.  Kapitel.    Di«  Lehre  von  den  Begriffen.  493 

empfindnngen  sind  (natürlich  nur,  soweit  mein  Gedächtnis  aie  festgehalten 
hat).  Indem  ich  nun  die  drei  Töne  aus  ihrer  r&umlichen  und  zeitUchen 
L'mgebnng  ezzetniere  und  zu  einer  Einheit  zusammenfasse,  bilde  ich 
die  indiciduelle  Komplexionsvoralellung  ••)  V»  Tb  V«  Vd  (Melodievorstellung, 
AkkordvoTstellung,  „Gestalfvorstellung).  Auch  in  diese  geht  die  Vorstellune 
der  Nebenempfin düngen  sehr  oft  noch  ein.  Bis  dahin  ist  der  ganze  ProzeB 
noch  rein  psvcliolosisch.  Die  nun  zunächst  erfolgende  logische  Normali- 
sierung besteht  darin,  daB  wir  an  Stelle  der  psychologischen  Teilvorstellun- 
gen  Vt,  Vb  usf.  logische  TeilbegriOe  a,  b  usf.  (S.  482)  setzen.  Weiterhin 
werden  die  Neben vurstelinngeu  Vc,  soweit  sie  auf  die  drei  Hauptvorstel' 
lungen  redunert  oder  als  unwesentlich  (S.  4B0)  betrachtet  werden  können, 
und  femer  alle  Gefühlstöne,  soweit  sie  nicht  '  zum  Inhalt  gehören, -weg- 
gelassen und  die  individuell  nOancierten  Teilvorslellungen  der  drei  Töne 
durch  generalisierte  TeilbeBjüIe  a',  b',  d*  (vgl.  S.  *87)  ersetzt,  z.  B. 
durch  die  drei  AUgemeinbeBriffe :  Ton  h,  Ton  dis,  Ton  fis»").  Weiterhin 
Qbertrage  ich    nun  diese  delinitorischc  Zerlegung  des  fcomplexen  Begriffes 

auch  auf  seinen  Gegenstani},  also  z.  B.  zunächst  auf    jy     und    serlege 

liiesen  in  V.  ,  V.  ,,  V, , ,  setze  also  an  Stelle  der  ganz  individuellen,  nuan- 
cierten, von  Nebenvorstellungen  begleiteten  Erinnerungsbilder  der  drei  Töne 
die  Allgemeinvorstellungen  der  drei  Töne*').  Dieselbe  Zerlegung  führe  ich 
dann  auch  an  E  aus:  an  Stelle  der  nüaiicierten  und  von  Nebenempflndun- 
een  begleiteten  Tonempflndungen  Ea,  Eb,  Ed  treten  die  generalisierten, 
nuancierten    Empfindungen  E,  „  E,.,,  E,.,.      Habe    ich    mir    endlich    zu 

im)  (pt  (g) 
meinen  Empfindungen  noch  irgendeinen  weiteren  distalsten  G^ensland 
(S.  267)  —  das  ,J)ing"  des  naiven  Menschen,  den  „Reiz"  des  Physiologen, 
das  Ding  an  sich  der  Phänomenalisten,  einen  Reduktion sbe standteil  usf.  ~, 
also  eine  sog.  „wirkliche"  Tonfo Ige  oder  einen  „wirklichen"  Akkord  hypo- 
thetisch hinzugedacht,  so  kann  ich  die  begriCilichB  Zerlegung  auch  auf 
diesen  distalsten  hypothetischen  Gegenstand  übertragen  und  beispielsweise 
die  Tonfolge  in  3  Töne  oder  in  '6  Hörsphärenerregungen  meines  Gehinis 
oder  in  S  Ton  Wellenbewegungen  usf.,  allgemein  in  K  ,  K.,  B  .  entsprechend 

den  generalisierten  TeilbegriCfen  a*,  b*,  d*  zerlegen.  Die  „reale  Konstitu- 
tion" wird  der  logischen  entsprechend  gedacht. 


'>)  Nebenbei  sei  nui  daran  erinnert,  daß  der  ProzeB  jy''    sehr    oft 

'vd 

äbe^^r^angen  wird  und  die  Kompicxton  direkt  an  das  Empfindungsasgregat 
anknüpft  (vgl.  S.  321,  Anm.  10). 

")  Bei  noch  weitergehender  Generalisation  erfolgt  die  Zerlegung  ganz 
allgemein  in  drei  „TOne". 

^')  Hier  wie  in  der  allgemeinen  Auseinandersetzung  S,  491  würde  man 
strenggenommen  statt  (a),  (.0).  (J)  überall  etwa  (a').  iß*),  (tf,*)  schreiben 
müssen,  da  die  Gegenstandsmerkmale  generalisiert  sind  und  die  Generali- 
sierang  S.  467  durch  ein  Sternchen  symbolisch  ausgedrückt  wurde.  Nur 
^ur  Vereinfachung  ist  das  Sternchen  oben  weggeblieben. 


lA.Ot 


.^Sic 


494       '^-  '1^''-     ^^  einzelDea  logiseben  Uebilde  und  ihre  Gesel». 

Bei  d«r  Verwertung  dieses  Beispiels  darf  nicht  Qbersehcn  nerdeo,  iti 
lieineGwegs  s  1  e  l  s  der  „Gegensland"  eines  fiegrifles  bis  in  das  Empfin- 
dungsBebiet  oder  gar  über  dasselbe  hinaus  zurOckliegL  Für  unzählige  Be- 
gtifle  hegl  —  im  Sinn  des  „Argumenls"  (S.  26(1)  —  der  dislalste  Gegensland 
schon  aul  dem  VoisleDungsgebiel  (Begriff  einer  Farbenvorstellung,  einer  Tor- 
slellungsfolge).  Ebenso  muB  man  bei  dieser  Erörterung  in.  Betracht  zieben. 
daB  solche  reine  Komplexionsvorstellungen,  in  welchen  auBer  den  räum- 
lich-zeitlichen  Beziehungen  keine  andern  Relationen  {?..  B.  in  dem  ange- 
zogenen Beispiel  Tonintervalle)  mitgedacht  werden,  unverhUtnismäBig  selteo 
siod.  Unsere  meisten  Komplex! onsvorsteUungen  enthalten  auch  Belatioos- 
TorsleltunzeD,  wie  dies  S.  S34f.  bereits  erörtert  wurde.  Daher  sind  auch  in 
den  entsprechenden  Komplexionsbeg ritten  unter  den  Teiibegriffen  fast  stets 
RelatioDsteilbegritte  enthalten,  die  nun  gleichfalls  auf  die  zugeböiigen  Gegen- 
stände übertragen  werden.  Der  Gegenstand  wird  entsprechend  der  Kom- 
plexion  als  ein  durch  Relationen  zusammen  hangend  er  Komplex  gedacht  i^. 
Nur  zur  Erleichterung  des  Verständnisses  wurden  in  den  vorstehenden  Et- 
erterungen  zunächst  relatiens freie  KomplexionsbegriDe  angenommen  und  zu- 
grunde gelegt.  Bei  Besprechung  der  Relalionsbegii&e  (siehe  unten  §  9b) 
wird  der  Komplikation  niit  Relation  steilbegriBen  Rechnung  getragen  werden. 

Die  Verwertang  allgemeiner  Merkmale  bei  der  Defini- 
tion komplexer  Individualbegriffe  erlaubt  noch  eine  andere 
Deutung.  Statt  zn  sagen  „ich  bestimme  den  Individnal- 
begrifF  durch  das  allgemeine  Merkmal  a*",  kann  ich  ancb 
sagen:  „ich  subsumiere  den  Gegenstand  des  Individual- 
begriffs  unter  den  Allgemeinbegritf  der  dies  Merkmal  führen- 
den Gegenstände",  z.  B.  unter  den  ÄllgemeinbegrifF  der  roten 
bzv.  ziegelroten  oder  der  kreisförmigen  oder  der  den  Ton  h 
enthaltenden  Gegenstände.  Die  gesamte  Definition  stellt  sieb 
dann  als  eine  größere  Zahl  solider  Subsumtionen  dar,  die, 
wiederum  ähnlieh  wie  geometrische  Orter  (S.  488,  Amn.  7), 
den  Individnalbegriff  durch  ihr  Zasammengelten  bestimmen. 
Die  große  Tragweite  dieser  Deutung,  die  kurz  als  Hypo- 
stasierung  der  Merkmale  bezeichnet  werden  soll,  wird 
sich  bei  der  Besprechung  der  Definition  der  Allgemein- 
begrifEe  alsbald  zeigen  (^  97). 

Die  erkenn tnistheoretische  Frage,  welche  Bedeutung  die  so  gedachten 
Normalgegenstfinde  der  primären  komplexen  Individualbegrifle  und  die  Kor- 
malmcfkmale  dieser  Gegenstände  innerhalb  der  Gignomene  —  abgesehen 
von  der  Bedeutung  für  das  logische  Denken  —  haben,  kann  hier  nicht  er- 
örtert werden.  Nach  meiner  Auffassung  haben  sie  nur  methodolo- 
gische Bedeutung  IQr  die  Erkenntnis  (Reduktion)  der  Gignomene,  d-  h. 
eben  nur  logische,  aber  keine  unmittelbar  materiale  Bedeutung.  Beiüufis 
mag  aber  In  historischer  Beziehung  bemerkt  werden,  daß  in  der  platoni- 
schen Ideenlehre    den    im  Sinn    der  Generalisation    gedachten  Merkmalen 


1.  Kupils!.     Uit  Lehre  voii  den  Besriffen.  495 

materiBJe  Bedeutung  zugescbriebeo  wird.  Auch  die  weitere  Frage,  wie  weit 
die  gedacbtea  Gegeustfinde  (0)  und  ihre  gedachten  Teilgesenstande  («),  (fi), 
{t)  wL  den  tatsächlichen  Gegenständen  0  und  deren  Teiigegenständen  a, 
p,  i  usf.  entsprechen  können  und  wirklich  entsprechen,  liegt  außerhalb 
des  Bereichs  der  Logik.  Hier  genügt  es  festzustellen,  daB  tatsächlich  ein 
Entsprechen  oft  nicht  stattfindet  (vgl.  g  i&).  Außerdem  muQ  erkenntnit^- 
theoretiscb  daran  festgehalten  werden,  daB  wir  die  Gegensl&nde  selbst  als 
■olcbe,  also  die  O's  und  die  Merkmale  derselben  nur  erleben,  aber  nicht 
■h  Mick«  vorstellen  kOnnen.  Wenn  wir  sie  vorstellen  wollen,  so 
werden  sie  stets  durch  Retention  und  Differenzienmesfunktionen  uinse- 
stalleL  Unserem  Vorstellen  sind  immer  nur  Gegenstandsvoratellungen,  also 
die  (0)'9  zugänglich.  '  Wir  sind  freilich  geneigt,  letzlere  den  Gegenständen 
zu  subslttuieren  und  werden  bierin  durch  den  Dappebinn  des  Ausdrucks 
„einen  Gegenstand  voratellen"  bestärkt,  in  welchem  der  Akkusativ  sprach- 
lich sowohl  Accusativus  aSectivu^  wie  Acc.  afiecUvus  sein  kann.  Tatsächlich 
kommt  ma  der  letztere  Akkusativ  in  Betracht.  Vollends  die  hypothetischen 
Gegenstände  der  Empfindungen,  die  R's  erleben  wir  nicht  einmal  als  solche, 
sondern  sind  bezüglich  derselben  ganz  auf  Gegenstand svorstellungea  (Re- 
duttionsTorotellungen)  angewiesen. 

Terminologisch  sei  noch  bemerkt,  daß  es  vielfach  üblich 
ist,  auch  die  Teilbegriffe  (Merkmalbegriffe)  a*,  b',  d* 
sehlechthin  als  „Merkmale"  des  Begriffes  K  zu  bezeichnen. 
Um  Verwechslmigen  za  verhüten  '*),  sollen  im  folgenden 
a*,  b*,  d*  als  begriffliche  (konzeptive)  Merkmale 
des  Be^iffes  K  nnd  die  auf  den  gedachten  Gegenstand  des 
Begriffes  übertragenen  Merkmale  («),  (ß),  (tf)  des  Gegen- 
standsbegriffs (O)  —  vgl.  oben  S.  492  —  als  objekti- 
vierte begriffliche  Merkmale  bezeichnet  werden. 
Von  beiden  müssen  sowohl  die  objektiven  Merkmale 
o,  ß,  y,  8  des  Gegenstandes  O  wie  auch  die  rein  psycho- 
logischen Teilvorstellungen  V,,  Vt,  Vo,  Vd  der  Vorstel- 
Inug  y  duTchans  scharf  unterschieden  werden.  Die  begriff- 
lichen Merkmale  werden  auch  als  Begriffsinhalt 
zusammengefaßt  (vgl.  S.  470).  Ebenso  kann  man  die  objekti- 
vierten Merkmale  als  objektivierten  Inhalf)  zu- 
sammenfassen. Beide  sind  mit  dem  Vorstellungsinha)t 
(S.  355)  also  nicht  identisch. 

Die  Tatsache,  daB  wir  die  eben  erörterten  Zerlecungen  in  Worten 
oder  anderen  Zeichen  ausdrücken,  und  die  weitere  Tatsache,  daB  wir  die 
definilorische  Zerlegung  in  einem  Urteil  formulieren  können  und  im  Hin- 
blick auf  die  weiteren  Zwecke  der  I^gik  auch  formulieren  müssen,  nird 
später  gemeinschaftlich  für  alle  Begriff sk lassen  erörtert  werden.    Es  leuchtet 

**)  Vgl  über  den  Doppelsinn  des  Terminus  „Merkmal"  auch  Twar- 
dow«ki,  Z.  Lehre  v.  Inhalt  u.  Gegenst.  d.  Vorst.,  Wien  1894,  S.  « ff. 

'    ")  Er  entspricht  in  manchen  Beziehungen  der  essentia  der  scholasti- 
schen Logik.    Vgl,  S,  71  u.  77. 


496       IV.  Teil.     Die  einzelnen  losiscbcn  GeWlde  und  ihre  Gesetze. 


Zq  «inem  vollständigen  Abschluß  ist  der  logiechc  Pro- 
zeß aach  mit  der  Merkmalzerlegung  noch  nicht  gelangt.  Wir 
vollKiehen  noch  eine  eigentümliche  Umdentung  der  vor- 
genommenen Zerlegung,  indem  wir  uns  K  als  den  „Träger" 
der  Teilbegriffe  a*,  b*,  d* , . .  und  ebenso  (O)  als  den  Träger 
der  gegenständlichen  Merkmale  («),  iß),  (d)  •  • .  denken.  (0)  alß 
„Träger"  seiner  gedachten  (objektivierten)  Merkmale  bzw. 
'  Teile  wird  in  der  Erkenntnistheorie  meistens  als  Snbstani 
bezeichnet,  die  gedachten  Merkmale  bzw.  Teile")  als  Akzi- 
d  e  n  t  i  c  n.  Die  Beziehung  zwischen  der  Substanz  und  den 
Akzidentien  wird  oft  reale  Inhärenz  genannt.  In  aoa- 
loger  Weise  kann  man  den  Begriff  K,  insofern  wir  ihn  nicht 
mehr  als  Komplexion,  sondern  als  Träger  seiner  Teilbegriffe 
auffassen,  als  „begriffliche  Substanz"  nnd  seine  Teilbegriffe 
als  „begriffliche  Akzidentien"  bezeichnen.  Üblicher  ist  für 
die  letzteren  die  Bezeichnung:  „begriffliche  Attribute"  oder 
..begriffliche  Merkmale"  im  prägnanten  Sinn 
(vgl.  S.  495)  bzw.,  wenn  eine  Verwechslung  durch  den  Zu- 
sammenhang ausgeschlossen  ist,  event.  auch  schlecbthiD 
„Attribute"  oder  „Merkmale".  Der  Terminus  „Merkmal" 
bekommt  hier  also  durch  den  Gegensatz  zu  „Substanz"  einen 
engeren  Sinn.  Die  Beziehung  zwischen  der  begrifflichen 
Substanz,  d.  h.  dem  Begriff  als  Träger,  und  seinen  Meti- 
malcn  wird  von  Erdmann  °^  als  „logische  Immanenz"  be- 
zeichnet (vgl.  S.  313);  ich  ziehe  vor,  sie  als  begriff  liehe 
Inhärenz  zu  bezeichnen  und  die  sog.  reale  Inhärenz  (s. 
oben),  d.  h.  die  Beziehung  zwischen  dem  gedachten  Gegen- 
stand (O)  und  Beinen  Merkmalen  von  ihr  als  objekti- 
vierte Inhärenz  zu  unterscheiden.  Dementsprechend 
stelle  ich  die  Substanz  (O),  den  Träger  der  objektivierteß 
Merkmale  als  objektivierte  Substanz  der  begriffliehen  Sub- 
stanz, dem  Träger  der  begrifflichen  Merkmale  gegenüber. 
Das  ganze  Verfahren,  durch  welches  wir  die  Merkmale  in 
beiden  Fällen  einer  Substanz  als  Träger  subordinieren,  kimn 
als  Substantiation  bezeichnet  werden.     Mit  dem  prS- 

")  Beispielsweise  betrachlcl  Sigwart  die  Derinition  als  Fixiening  eine» 
Wortgebrauchs. 

")  Den  Zusatz  .,bzw.  Teile'"  lasse  ich  im  folgenöen  olt  w(«.  V«L 
S-  330  u.  *86. 

")  Lopili.  2.  .^iin.,  Teil  1,  Halle  1907,  S.  19*. 


iM,Googlc 


___^  1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  BemBen.  497 

laten  Teilbegriif  (S.  490)  hat  die  begriffliche  Substanz  an 
sieh  nichts  za  ton ;  allerdings  sind  beide  in  der  Wiseenschaf  t 
oft  verwechselt  worden,  auch  beeteht  die  Neigung,  im  all- 
ta^iiehen  Denken  jenen  mit  dieser  za  identifizieren")  (vgl. 
8.  516). 

80  ist  also  z.  B.  „grün"  ein  objektiviertes  Merkmal  des  opti- 
schen Blattbildes  (E)  oder  anch  des  hypothetischen  Blattes 
(B)t  positive  Gefühlsbetonnng  ein  objektiviertes  Merkmal 
dieser  oder  jeuer  Erinnerung,  Phantasievorstellnag  (V)  usf. 
Zwischen  dem  Qrün  =  (a)  und  dem  Blattbild  bzw.  Blatt 
=  (0)  besteht  objektivierte  Inhärenz,  ebenso  zwischen  der 
positiven  Qefühlsbetonmig  =  (a)  und  der  Erinuemng  =  (O). 
Dagegen  ist  der  Teil  begriff  „grün"  ein  begriffliches  Merk- 
mal a*  des  individuellen  oder  allgemeinen  Begriffes  £  oder 
W  eines  Blatts  und  steht  za  letzterem  in  der  Beziehung  der 
twgrifllichen  Inhärenz. 

Aach  der  Suttstanzbecriff  kano  eingehend  nur  in  der  Etkenntnistheohe 
uDlenucht  werden,  hier  mOSen  nur  folgende  Bemerkungen  Hatz  finden. 

Erstens  ist  die  Aoffassong  des  Gegenstandes  (Objektes)  als  Trftger 
uuer  Akzidenlien  uns  weitaus  am  geläufigsten  bei  sog.  körperlichen  (mate- 
riellen, ifträachen]  Gegaist&uden,  indes  ist  sie  doch  keineswegs  aul  solche 
besehränki  Auch  psychische  Gegenstände  —  sowohl  solche  primärer  In- 
dtvidualhegrifTe,  von  denen  jetzt  speziell  die  Hede  ist,  wie  auch  scdcbe  aller 
anderen  Begrilfe  —  kCnnen  wir  in  ähnlicher  Weise  auflassen  und  fObren 
eine  solche  Auffassung  auch  oft  genug  tatsächlich  durch.  Ebenso  ist  zu 
beachten,  daß  die  Substantiation  bei  den  KontraktionriKTriflen  (namentUch 
den  Dingbecrifien,  vgl.  S.  474)  infolge  des  teilweisen  Wechsels  der  Merk- 
male besonders  nahe  liegt,  aber  doch  schon  bei  den  unkontrahierten  Kom~ 
plexionsbetiiflen  vorkotmnl- 

Zweitens  bedarf  der  Sinn  des  Worts  „Träger"  einer  Erläuterung-  Was 
bedeutet  es,  wenn  wir  (0)  als  Träger  von  (a),  (^5),  (rf)  und  K  als  Träger  von 
4.  b,  d  auflassen?  Auf  diese  Frage  gibt  die  Eriienntnistheorie  zwei  prin- 
opieQ  verschiedene  Antworten.  Entweder  bedeutet  nämlich  das  „Träger- 
sein"  (bzw.  die  Inhärenz)  nur  die  Beziehung  zwischen  dem  zu  einer  Ein- 
brit  zusammengefaßten  UeAmalkomfilex  und  den  einzelnen  UeAmalen, 
sa  da£  mit  der  Auffassung  als  Tf&ger  sachlich  fiberhaupt  nichts  Neues  hin- 
zocefogt  wird;  oder  man  stellt  sich  vor,  dafi  in  dem  Objekt  bzw.  B«riff 
»och  ein  X  vorhanden  ist,  welches  weder  mit  dem  Komplex  identisch  ist 
Qcch  gar  selbst  ein  Herbnat  oder  Teil  des  Komplexes  ist,  sondern  gewisser- 
■n&Boi  einer  ganz  anderen  Rangordnung  angehfirt**).  Die  erste  Antwort 
tomnä  bei  (0)  mit  der  Tatsache  einer  Wirkungseinheit,  bei  K  mit  der  Tat- 
9Khe  der  Komplexionseinheit  aus,  die  zweite  Antwort  bat  mit  der  Schwierig- 
keit zu  kämufen,  jenes  neue  X,  zu  dessen  Bestimmung  man  sich  ex  deflni- 


»)  Es  kommt  das  in  dem  Gebrauch  des  „Substantivs"  für  erster«» 
5.  *90)  zum  Ausdruck. 

*^  Mulatis  mutandis  gilt  dasselbe  auch  von  der  begiiftlichen  SubBttn;;. 
Ziehen,  lidttbneh  der  Logik.  32 


4gg       'V.  Teil.     Ke  einzelnen  logisdien  Gebilde  und  ihn  GeseUe. 

tioae  &lle  Wece  abgeschnitten  hat,  doch  irgendwie  zu  cbu-akteiisicrtn*^ 
Die  letzte  Entscheidunc  zwischen  diesen  beiden  Antworten  steht  der  Sr- 
kenutnistbeoiie  zu.  Die  Logik  kann  sich  schlieBUch  mit  beiden  aMnJen. 
Bei  dem  ganz  hTPottaeUscben  Charakter  und  der,  wie  mir  scheint,  andi 
heute  noch  nicht  behobenen  Unklarheit  der  zweiten  Antwort  scdl  hier  vo^ 
zugsweise  der  Standpunkt  der  eisten  Antwort  zugnmda  gelegt  werden.  Die 
sog.  Beharrlichkeit  (Dieselbigkeit)  der  Substanz  kommt  oHenbar,  so- 
lange es  sich  uro  p  r  i  m  ft  r  e  ladividualbegrifle  handelt,  noch  gar  nidil 
in  Betracht  (vgl.  S.  326  und  unt«n  S.  506). 

Drittens  wird  man  zu  fiajten  haben,  wie  wir  zu  jenem  winoini<antwi 
eines  TrAgeis  in  den  Gegenstand  und  in  den  Begrifi  gelangen.  Auch  di«e 
Fräse  gehört  in  das  Bereich  der  Erkenntnistheorie.  Hier  kann  nur  knn 
bemerkt  werden,  daß  man  entweder  mit  Eant*>)  eine  besondere  apiioiische 
Kategorie  des  Denkens  —  Kategorie  der  Inhärenz  und  Suhsistenz  (nibstan- 
tia  et  accidcDs)  —  annehmen  oder  die  Bildung  der  Substanzrorstelluns  auf 
ein  Zusammenwirken  bekannter  psychischer  Funktionen,  z.  B.  der  drei 
Diflerenzierunsshinktionen  (vgl.  S.  'miL)  zurückführen  kann.  Wir  ziehen 
den  letzteren  Weg  vor  (vgl  §  66  B.). 

Viertens  kann  man  die  Frage  aufwerten,  ob  sich  das  Hineindenken 
einer  begrifflichen  Substanz  in  imsem  Begriff  und  das  Hineindenken  einer 
obiektivierten  Substanz  in  die  gedachten  Gegenstände  der  Begrifie  (z.  B.  in 
unsere  EmpEodungen)  unabh&ngig  voneinander  vollzieht.  Nach  Erdmann  *^ 
stellt  steh  „psychologisch  genommen"  die  Inhärenz  der  gegenst&ndlichoi 
Uerfcmale  als  die  Entwicklungsgiundlage  der  logischen  Inhärenz  dar:  „die 
Beziehung  der  realen  Inhärenz  ist",  wie  er  es  auadrOckt,  „das  Mustertiild  für 
die  logische  Immanenz".  Einen  zwing«iden  Grund  tOr  diese  Annahme 
kann  ich  nicht  finden;  es  scheint  mir  nur  richtig  zu  sein,  daS  wir  im  all- 

'^)  Nicht  selten  hat  man  sich  gegenüber  dieser  Apone  damit  gehoUen, 
daß  man  doch  irgendein  Merkmal  in  entsprechender  Umgestaltung  aus  dan 
Komplex  herausnahm  und  zum  Träger  machte.  So  wurde  der  Raum  z.  B. 
bei  Plato  und  in  anderem  Sinne  bei  Cartesius  fast  ganz  mit  einem  solchen 
Träger  idenUflziert.  Inabesandere  wurden  auch  die  S.  489  und  4S0  erwähn- 
ten Prälaten  und  wesentlichen  TeiUieghffe  von  anderen  zuweilen  in  diesem 
Sinne  verwendet 

")  Knt.  d.  rein.  Vern.,  Kehcb.  Ausg.  S.  86,  671  u.  a.  m.  Der  Beghll 
einer  Substanz  ist  nach  Kant  der  BegriCf  „von  etwas,  das  als  Subjdrt,  nie- 
mals aber  als  bloQes  Prädikat  existieten  könne".  Vgl.  auch  die  auafOht- 
lichen  Erörterungen  in  meiner  ErkenntnisUieorie  S.  196,  208,  272. 

^)  L.  c.  S.  19t.  Dabei  mufi  jedoch  bemeriit  werden,  daB  Erdmann 
die  jeale  Inhärenz  (meine  objektivierte  Inhärenz)  auf  kCrperliche  Sub- 
stanzen beschränkt,  während  ich  sie  auf  Gegenstände;  Oberhaupt  beziehe 
(siehe  oben  S.  49").  Vor  allem  aber  versteht  E.  unter  „Gegenstand"  etwas 
ganz  anderes  {die  Inhalte  „werden  uns  als  Gegenstände  bewußt",  1.  c 
t^.  56).  Es  muB  immer  wieder  daran  erinnert  werden,  daß  ich  im  G^en- 
sntz  zu  solchen  Auffassungen  als  Gegenstand  einer  Vorstellung  den  ihr  zu- 
Rrunde  liegenden,  durch  mein  Denken  isolierten  Tatbestand,  d.  h.  die  «w- 
Kitllen  fundierenden  Vorstellungen,  Empfindungen  und  ev.  Reduktions- 
bestandteUe  bezeichnet  habe  und  Gegenstände  außer  diesen  fundierenden 
Tatbeständen,  etwa  im  Sinn  einer  neuen  Seinsart,  nicht  anerkenne.     Vri. 

h.  17a  n.  u.  270  n. 


tY^ic 


].  li&pitel.    Die  Lehre  von  den  BesrUfen.  499 

KemeiDeD  die  gegenständliche  SubstantiaUoD  vor  der  begriBIkheD.  d.  h. 
kciacben  vornehmen,  beide  aber  doch  unabh&nxiK  voneinander  auf  Grand 
denelben  psTchologischen   Funktionen   \otizogva   werden   können. 

§  95.  Lofrische  DeOnition,  FortHetzoiiK:  b)  DeBnition 
primärer  komparativer  IndividoalbeKrifte.  Ganz  allgemeiB 
sollen  primäre  individaelle  Komparationabegriffe  durch  das 
Symbol  U  ausgedrückt  werden  (vgl.  S.  323).  Was  zunächst 
diejenigen  primären  komparativen  Zndivid  aalbegriffe  anlangt, 
welche  sich  auf  einfache,  d.  h.  nnzerlegbare,  nur  propinqual 
vergleichbare  (S.  327  u.  474)  Gegenstände  beziehen,  wie  z.  B. 
der  Begriff  des  Unterschieds  zwischen  einem  Gelb  und  einem 
Orange,  das  ich  eben  sehe  oder  gesehen  liabe,  so  ist  ein  solcher 

A 
„einfacher"  Komparativbegriff  a  b  (vgl.  S.  323)  ebenso- 
wenig deflnierbar  wie  nltimale  Isolationsbegriffe  (vgl.  S.  489). 
Wir  können  ihn  höchstens,  wie  dies  für  letztere  S.  488, 
Anm.  9  angedeutet  wurde,  einem  allgemeinen  Kouiparativ- 
begriff  sDbsnmieren '),  womit  aber  selbstTerständlich  keine 
irgendwie  ausreichende  Definition  gegeben  ist  Meistens  be- 
helfen  wir  ans  damit',  daß  wir  die  verglichenen  Gegenstände 
selbst  auführen,  waa  eben  einem  Verzicht  anf  die  Definition 
des  Vergleichangsbegriffes  gleichkommt. 

Anders  verhält  es  sich  bei  denjenigen  primären  kompa- 
rativen Individualbegriffen,  welche  sich  auf  zusammen- 
gesetzte, fmstal  vergleichbare  (S.  327  u.  475)  Gegenstände 
beziehen,  wie  z.  B.  auf  einen  leisen  Akkord  fis,  ais,  eis,  und 
einen  etwas  lauteren  Akkord  fis,  gis,  eis  *).    Ein  solcher  Be- 

A 
griff    A  B  ^)    kann    ganz    allgemein    durch     das    Symbol 

abcdef  ao'e'ghi  angedrückt  werden.  Seine  Definition 
besteht  dann  darin,  daß  ich  alle  TeilvergleichangsbegriSe, 
soweit  sie  nicht  aufeinander  zurückgeführt  werden  können. 


1)  Logisch  betrachtet,  gehört  auch  der  G  r  a  d  der  Ähnlichkeit  zu  diesen 
allgemeinen  Komparationsbegiißen. 

•)  Je  nach  dem  Argument  (vgl.  S.  268)  kommt  die  AkkonI Vorstellung 
oder  die  Akkordemp&ndung  oder  der  hypothetische  Reduktionsbestandteil 
(der  Akkord  als  „Reiz",  „der  Akkord  selbst"  usf.)  in  Betracht.  —  Von  den 
rlnmlich-zeitlichen  Eigenschaften  des  Akkords  ist  um  der  Kflrze  «-illen  in 
dem  Beispiel  abstrahiert. 

')  Die  großen  Buchstaben  werden  wieder  gesetzt,  um  die  Zusammen- 
gesetztheit anzudeuten.  Tgl.  S  .316,  Anm.  6. 


lA.OQi 


-c^lC 


500       'V-  ''^i'-     ^c  einzelnen  logiachen  Gebilde  und  ihre  Ge9elze. 

also  Bowobl  die  Gleichheiten  (a    ai    wie  die  Älnüichkeiten 

A  A  ^ 

(c    c'  nnd  e    eO    wie  die  völligen  Verschiedenheiten  (ün- 

A 
vergleichbarkeiten  b  d  f    g  h  i)  aufzähle.    Dabei  spielt  die 
richtige  Zusammenstellung  der  Paare,  d.  h.  die  Auswahl  der 
Paarglieder,  eine  Hauptrolle. 

In  dem  Akkoidbeispiel  worden  die  Bemeinsamen  Töne  fis  und  ds  dem 
ji.  die  Tone  ais  und  eis  etwa  dem  c  bzv.  c',  die  iDtensit&ten  der  beiden 
Töne  dem  e  bzw.  e'  entsprechen,  und  onTerEleichbare  TeUbesriffe  würden 
Btsz  fehlen.  Bei  dem  Vergleich  eines  Schneestunns  mit  einem  Gentler 
worden  z.  B.  die  Schneeflocken  einerseits,  und  die  Blitze  andnrseils  un- 
vergleichbar*) sein,  also  etwa  dem  f  bzw.  i  entsprechen.  Dabei  mafiUn 
strenggenommen  die  individuellen  Tdlvergleichungsbegrifie  selbst  (ultimaie 
oder  komplexe)  anselOhit  werden,  also  z.  B.  der  Begriä  des  charskteristiscben 
'Vergleicbserlebnisses,  welches  der  Unterschied  der  beiden  To'nempfinduniea 
ais  und  eis  bei  mir  herromift.  Da  jedoch  diese  Veigleichaerlebnisse  in 
ihrer  individuellen  Bestimmtheit  ebenso  schwieris  oder  noch  scfawieriier 
begriFflich  und  sprachhch  zu  fixieren  sind  als  die  Merkmaleriebnisse  eines 
komplexen  Begriffes,  so  schlagen  wir  denselben  Weg  wie  dort  (S.  187}  und 
wie  bei  der  benrifflichen  Fixierung  isolierter  ultimaler  Verflrächsb^hfle 
(S.  499)  ein,  d.  h.  wir  ersetzen  den  ganz  individuellen,  nuancierten  ^- 
zelnen  TeilbegriU  durch  einen  allgemeinen  TeilbegriH  >),  wie  z.  B.  mit 
Bezug  auf  2  Töne  durch  „glächbocb",  „um  eine  Terz  auseinandeiüegend", 
„sehr  verschieden  hoch"  usf.  Nicht  seilen  helfen  wir  uns  auch  —  wie  bei 
den  anfachen  Kompsrationsbegrilfen  {S.  *99)  —  dadurch,  daß  wir,  statt 
die  komparativen  Teilbegriffe  anzugeben,  die  Übereinstimmenden,  die  ähn- 
lichen und  die  unvergleichbaren  MetfcmalbegriOe  selbst  aufzählen.  Ja 
schtiefilich  begnügen  wir  uns  oft  damit,  nur  die  nicht  übereinslimmenden 
Merkmalbegriffe  zu  nennen.  Von  einer  „Definition"  des  komparativen  Be- 
grilles  selbst  kann  bei  diesem  Verfahren  nicht  mehr  die  Rede  sön.  Vir 
schieben  dabei  die  Deflnidon  um  eine  Argumentstufe  zurück  und  geben 
eine  gegenüberstellende  und  auswählende  Definition  der  beiden  dem  Ver- 
gleich zugrunde  liegenden  Vorstellungen  bzw.  Empfindungen,  aber  keine 
Definition  des  Vergleichsei^ehnisses. 

Eine  Übertragung  der  Definition  auf  den  Gegenstand  findet  b« 
den  primären  individuellen  Eomparativbegriffen  ganz  ebenso  statt  wie  bei 
den  primüren  individuellen  Komplenonsbegnften.  Der  Gegenstand  des 
Konyjarativbegriffes  •)  ist  die  Relation  der  verglichenen  Vorsteltungen  biw. 


*)  Olfenbar  ist  diese  Unvergleichbarkeit  flbrisens  nur  relativ. 

*)  In  dieser  Beziehung  kommen  wir"  also  über  die  Unzul&nglichkeit 
der  Definition  der  ultimalen  (einfachen)  individuellen  Vergleicbsbegriffe  (vgl 
S.  499)  keinen  Schritt  hinaus,  nur  in  der  Zahl  der  beteiügUn  Teilbeffifle 
können  wir  bei  den  zusammengesetzten  individuellen  VergleichsbegriSen 
eine  gewisse  Vollständigkeit  erreichen. 

■)  Den  Zusatz  „primär  individuell"  lasse  ich  im  folgenden  zur  Ab- 
kürzunn  öfters  weg;  es  handelt  sich  in  diesem  Parasraphen  vorerst  üb«- 
naupl  n  u  r  um  primäre  individuelle  Komparativbegritfe. 


I.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  BeeriUen.  501 

EmpSnduDSen  bzw.  Reduktionabestandt^te  (vel.  S.  333  fl.).  Diese  Relaüoa 
zeilefeu  wir  bei  dieser  Obertiagung  entaprecbend  den  komparativen  Teil- 
becriSen,  also  —  unter  Brabehaltunc  der  S.  496  eriäuterten  Symbolik  —  in 

A         A  A 

[a  a),  [y  y"),  (t  *']  usf.  Bei  dem  Aufbau  der  Wissenschaften  spielen 
diese  nonmüisierten  Relatioossegenstaade  eine  wichtige  Bolle. 

Endlich  kommt  «s  auch  zu  einer  SabstantiatioQ 
der  primäreD  individuellen  Komparationsbegriffe  in  dem 
8.  496  erörterten  Sinn.  Wir  denken  uns  die  Relation  bzw. 
den  Komparationsbegriff  (Belationsbegriff,  vgl.  S.  324)  als 
den  Träger  der  definitorisch  fixierten  Teilrelationen  bzw.  der 
fixierten  Teilrelationsbegriffe.  Wenn  wir  z.  6.  popnlär  und 
wissenBchaftlich  von  „Kräften"  sprechen  und  denselben 
Attribute  znschreiben,  so  handelt  es  sich  sehr  oft  —  logisch 
betrachtet  —  nur  um  eine  Snbstantiation  komplexer  Bela- 
iioQsbegriffe.  Größere  Bedeutung  bekommen  dicBe  Substan- 
tiationen  allerdlngB  erst  bei  der  Verallgemeinerung  der 
Eomparationsbegriffe. 

S  96.  Logische  Definition,  FortsetzDog:  c)  Definition 
individneller  Kontraktionsbegriffe,  Symbolisch  kann  jeder 
individuelle  Kontraktionsbegriff  ausgedrückt  werden  durch 
ABC  oder,  wie  jetzt  durchweg  geschehen  soll,  durch 
PiPsPI"!  (vgl.  S.  326),  abgekürzt  F.  Hier  bezeichnen  A, 
B  und  C  bzw.  Fi,  Fj  und  Fa  die  Zustandsbegriffe  (Phasen- 
begriffe, Fluxionsbegriffe,  S.  330  u.  474),  aus  deren  eigen- 
artiger Verschmelzung  (Kontraktion)  der  Kontraktions- 
begriff entstanden  ist.  Dies  Symbol  gestattet  nun  eine  be- 
deutsame Umwandlung.  Jeder  der  Fluxionsbegriffe  enthält 
eine  Reihe  von  Teil-  oder  Merkmalbegriffen  *) ;  so  würde  z.  B. 
seinFi^mop,  Fi  =  mo'p,  P,  =  mopq  usf.  (wo  durch  die 
Strichelnng,  wie  auf  S.  499,  die  Ähnlichkeit  zwischen  o  und 
o'  bezeichnet  werden  soll).  Die  Kontraktion  besteht  nun 
darin,  daS  die  übereinstimmenden  Merkmalbegriffe  (m)  stark 
akzentuiert,  die  ähnlichen  (o)  schwach  akzentuiert  oder  mehr 
oder  weniger  reprimiert,  die  gänzlich  verschiedenen,  wie  q, 
nahezu  vollständig  reprimiert  oder  eliminiert  werden  (vgl. 

')  Die  Tennini  „Teilhegrifl"  und  ,^eAmalbegnff'  sollen  auch  hier  im 
wesentlichen  in  demselben  Sinne  sebraucht  werden  (vgl.  S.  319,  namentl. 
Aiun.  T  u.  S.  486).  Femer  beachte  man,  daS  selbstverständlich  nicht  etwa 
Fi>  Fl  u^.  die  Teilbegrilfe  des  Eontraktionsbegrifles  sind;  F^  F,  usf.  sind 
seine  lundierenden  Begiilte  oder  „G 1  i e d  e r"  (vgl.  S.  330). 

„.,,„,^.oogic 


502       ^-  1^^"-     Die  einzelnen  logischea  Gebilde  uod  ihre  Gesetze 

S.  327)*).  Ee  trügt  sich  nun,  wie  weit  in  die  Definition  eises 
individuellen  Koutraklionabegriffes  auch  die  o-  nnd  q-Meik- 
male  aufzunehmen  sind.  Kine  ziemlich  verbreitete  An- 
sicht*) geht  dahin,  daß  beide  aus  der  Definition  ganz  weg- 
zulassen sind,  die  Definition  sich  also  auf  die  gemeinsamen 
Merkmale  (die  m-Merkmale)  zu  beschränken  habe')-  Hier- 
gegen sprechen  jedoch  folgende  entscheidende  Gründe.  Man 
denke  sicli  eiae  kreisrunde  belle  Scheibe,  die  erst  in  0«ll) 
nnd  dann  alhnahlich  mehr  und  mehr  in  Bot  erscheint.  Die 
Rreisform  und  die  Helligkeit  sind  hier  die  uii veränderlichen 
m-Merkmale,  das  Qelb  würde  dem  Merkmal  o  entsprechen 
und  allmählich  in  das  dem  ähnlichen  Merkmal  o'  ent- 
sprechende Rot  übergehen.  Es  liegt  nnn  auf  der  Hand,  daß 
die  Definition  dicNPs  Begriffes  sich  nicht  anf  Kreisform  und 
Helligkeit  beschränken  dürfte,  sondern  aacli  die  Farbe  gelb- 
rot  irgendwie  anfnebinen  müßte.  Je  geringer  und  je  lang- 
samer und  je  stetiger  die  Farbenänderung  ist,  um  so  dringen- 
der erscheint  die  Berückaichtigung  der  Farbe  in  der  Defi- 
nition. Sobald  man  aber  die  Aufnahme  eines  Merkmals  in 
die  Definition  nicht  von  seiner  absoluten  Unveränderlichkeit 
abhängig  macht,  läßt  sieh  überhaupt  keine  Grenze  mehr 
ziehen.  Insbesondere  ist  auch  die  Geringfügigkeit  nnd  Lai«- 
samkeit  und  Stetigkeit  der  Veränderung  keineswegs  aus- 
schlaggebend, wie  das  Beispiel  einer  fortgesetzt  jäh  zwischen 
Gelb  und  Blaa  die  Farbe  wechselnden  Scheibe  beweist.  Es 
kann  sogar  das  Charakteristische  eines  Gegenstandes  ein 
solcher  Wechsel  der  Merkmale  sein.  Keinesfalls  also  dürfen 
die  o-Merkmale  prinzipiell  aus  der  Definition  aus- 
geschlossen werden.  Dasselbe  gilt  aber  auch  von  denq-Merk- 
inalen.  Jn  der  Definition  eines  Berges,  der  jahrbondertelang 
stets  geruht  und  nur  einmal  eine  Eruption  gezeigt  hat, 
wird  man  diese  einmalige  Eruption  nicht  vermissen  wollen. 
Von  manchen  Kontraktionsbegriffen  bliebe,  wenn  man  alle 


')  Die  hierbei  wirksame  Abslraklion  ist  bald  dimiDuierend,  bald  ind&- 
lenniniercnd.  vmI.   S.  3^, 

')  Dabei  ist  freilich  zu  berück sichtigeu,  daß  die  DeCnilion  individueller 
1  der  Logik  bisher  überhaupt  sehr 

•]  Beruht  die  Aholichkeit  eines  Merkmals  iltrerseils  auf  Qbeiciostiiii- 
menden  Teilmerkmaltn,  ist  sie  also  frusfal  (S.  827),  90  würden  die  Qbeiein- 
slimmenden  Teilmcrkmale  als  m-Merkmale  zu  betrachten  sein. 


OgIC 


1.  Kaintel.    Die  Lehre  von  den  Begriffen.  503 

o-  and  q-Merkmale  streichen  wollte,  überhaupt  kaum  noch 
etwas  Qbri^. 

Ans  allen  diesen  Beispielen  schließe  ich,  daß  die  Defi- 
nition eines  individuellen  Kontraktionsbeyriffea  auch  die  o- 
tmd  q-Herkmale  aufnehmen  darf  nnd  oft  auch  aufnehmen 
muB.  Es  ergibt  sich  damit  eine  ähnliehe  Lage,  wie  wir 
sie  oben  (S.  491)  bei  der  Erörterung  der  Komplesions- 
begrifFe  fanden:  wir  sind  zu  einer  Auswahl  unter  den 
D-  nnd  q-Merkmalen  gezwungen.  Eine  generelle  Begel  läßt 
sich  für  die  letztere  von  rein-logischem  Standpunkte  aus 
nicht  geben.  Die  Wesentlichkeit  eines  Merkmals  ist  hier 
ebenso  schwankend  wie  im  Bereich  der  Komplexionsbegriffe 
(vgl.  S.  490).  Es  wird  immer  auf  den  Zweck  ankommen,  dem 
die  Definition  innerhalb  der  jeweiligen  Untersuchung  dienen 
soll.  „Absolut  wichtige"  Merkmale  existieren  nicht.  Das 
vorübergehendste  q-Merkmal  kann  gelegentlich  für  den 
speziellen  Zweck  einer  Definition  nnentbehrlich  sein. 

Die  althergebrachte  Unterscheidung  zwischen  einer  Definitio  c-ssentialis 
(mpVMiigf)  und  einer  Definitio  accidenlalia  aeu  attributiva  beruht  auf  dieser 
Annahme,  daB  man  streng  zwischen  wesentlichen  und  unwesen'.lichen  Merk- 
malen unterscheiden  könne.  Vgl.  z.  B.  J.  Scotus  Eriugena,  De  divis.  nat. 
I,  48  (ed.  Honast.  Guestph.  183S,  S.  iü);  siehe  zu  dieser  Unterscheidung  auch 
Ceberweg,  System  der  Logik,  5.  Aufl.  Bonn  1882,  S.  169.  Die  „wesentlichen" 
Merkmale  werden  oft  auch  als  essentielle  odpr  knnstitutive  be- 
/.eichnet. 

Selbstverständlich  dürfen  nun  über  die  o-  und  q-Merk- 
male  in  der  Definition  nicht  mit  den  m-Merkmaleu  auf  eine 
Stufe  gestellt  nnd  zusammengeworfen  werden,  sondern  die 
o-  bzw.  q-N«tnr  eines  in  die  Definition  aufgenommenen  Merk- 
mals muß  ausdrücklich  in  der  Definition  durch  irgendeiun 
Zeitbestimmung  zum  Ausdruck  gebracht  werden.  Bei  den 
o-Merkmalen  wird  man  außerdem  oft  die  Schwankungsbreite 
innerhalb  des  zugehörigen  Allgemeinbegriffs  (z.  B.  Farbe) 
angeben  können. 

Es  erhebt  sieh  nun  das  Bedenken,  ob  nicht  iluich  dii'S'^  Aufnahme  der 
u-  und  q-M^riimale  die  für  die  Logik  unerläBiichc  Konstanz  und  damit  der 
N'ormalcharakter  der  Kontraklionsbegriffe  in  Frage  gestellt  oder  sogar  direkt 
aufgehoben  wird  (vgl.  S.  482).  fn  der  Tat  kann  dies  Bedenken  kaum  ernst 
genug  genomirien  werden.  Es  wurde  auch  in  g  93  ausdrücklich  betont,  daß 
reprimierte  Vorstellungen  in  der  Definition  eines  Begriffes  keine  Steile  haben. 
E»  scheint  also,  als  oh  das  eben  geschilderte  und  begrilndele  Verfahren 
der  Aufnahme  der  o-  und  q-Merkmale  zu  einem  unlösbaren  Widerspruch 
mit  den  Prinzipien  der  logischen  Begri Eisbildung  fühlte.  Tatsachlich 
]st  dies  jedoch  nicht  der  Fall.    Allerdings  können  die  o-  «nd  (i-Mcrkmale  in 


OgIC 


504       '*'■  Teil.    Die  einzelnea  logischen  G«bil<te  »md  ihre  Gesetze. 

der  unbestimmten  Rolle,  die  sie  in  der  psyctioiogisciieii  Konlnklionsvocstel- 
luDg  im  Sinn  eines  sog.  Uitschwinsens  spielen,  nicht  in  den  logischen  Kon 
traktionsbeRTiff  aufgenommen  werden.  Van  einer  solchen  Aufnahme  war 
ja.  aber  auch  in  der  vorausgegxnsenen  Erörterung  keine  Rede.  Wenn  ich 
—  um  bei  einem  der  oben  gewählten  Beispiele  zu  bleiben  —  die  einmalige 
Eruption  eines  bestimmten  Berges  im  Hinblick  auf  ii^enddnen  Zweck 
meiner  Untersuchung  in  seine  Definition  aufnehme,  so  geschieht  dies:  nicbi 
im  Sinn  eines  unbestimmten  „Mitschwingens"  der  Vorstellung  der  einmaligen 
Eruption,  sondern  ohne  jede  Repression  im  Sinn  des  ausdrOcklich  zeitlicb 
beschr&nkten  Merkmals  „einmalige  Eruption".  Durch  die  Hinzufilgung  der 
zeitlicb en  Angabe,  sie  mag  Qbrigens  noch  so  unbestimmt  sein,  b^ommt  du 
Merkmal  diejenige  Unveräaderlichkeit  °),  die  es  als  logisches  Ifeikmal  haben 
muB.  Dasselbe  gilt  von  der  „anfänglichen"  Gelbfärtnmg  der  Scheibe  ai. 
Ihirch  die  begleitende  zeilliche  Limitation  wird  der  Normalbegriff  konstant 
Ks  kommt  eben  bei  der  Konstanz  der  logischen  BegriQe  nicht  auf  die  Kon- 
stanz der  Merkmale,  sondern  nur  auf  das  konstante  Festbaltea 
aller  einzelnen  Merkmalbegrif f  e  an.    Vgl.  S,  460. 

Die.  weitere  Frage,  ob  die  übereinstimmenden, 
also  die  m-Merkmale,  sämtlich  in  die  Definition  des 
individuellen  Kontraktionsbegriffes  anfgenommen  werden 
müssen,  ist  wiederum  —  ganz  analog  wie  bei  den  unkontxa- 
hierten  KomplexionsbegrifFen  —  zu  verneinen.  Eine  solche 
vollstäudige  Aufzählung  der  m-Merkmale  ist  in  vielen  Fällen 
weder  zweckmäßig  noch  auch  nur  möglich.  Sie  scheitert 
meistens  schon  an  ihrer  großen  Zahl.  Wir  sind  daher  auch 
bezüglich  der  m-Merkmale  zu  einer  Auswahl  gezwungen  mid 
werden  nns  bei  dieser  auf  die  für  die  spezielle  Untersuchung 
wesentlichen  Merkmale  beschränken  (vgL  8. 490  u.  503).  Sehr 
oft  werden  wir  dabei  wiederum  (vgl.  S.  490)  ein  Merkmal 
oder  einen  Merkmalkomples  als  p  r  ä  1  a  t  den  übrigen  über- 
ordnen. Daß  wir  dabei  zugleich  in  der  S.  487  angegebenen 
Weise  die  individnellcn  Merkmale  durch  allgemeine  ersetzen, 
ist  selbstverständlich. 

Die  Angabe  nur  eines  allseitig  unterscheidenden  Metlcmals  oder 
ilcrkmalkomp!e.-(es  ist  keine  Definition.  Wenn  ich  z.  B.  Alexander  den 
GroSen  als  unmittelbaren  Nachfolger  Philipps  von  Mazedonien  bezeichne,  so 
ist  damit  eindeutig  angegeben,  wen  ich  meine,  und  doch  kann  von  einer 
Definition  keine  Hede  sein,  da  die  für  die  Definition  wesentliche  Zeriwni 
(vgl  S.  483)  fehlt  Di»  Definition  ist  eben  stets  mehr  als  ein  Hilfsmitte!  zum 
Wiedererkeimen. 

Äußerst  wichtig  ist  für  die  Definition  der  individuellen  Kontraktions- 
bcgriEte  auch  die  Tatsache,  daß  sie  größtenteils  unabgeschlossen  und 
offen  sind  (vgl.  S.  330  u.  47Ö),  insofern  neue  Fluzionsb^rifle  jederzeit 
angegliedert  werden  können.  Dabei  kann  auch  ein  m-Teilbegriff  seine 
m-Hatur  einbüßen  und  2.  B.'in  einen  o-TEilbegrill  Obergehen  usf.     Auch 

=)  über  die  Veränderung  durch  neue  Erfahrungen  siehe  unten. 


OgIC 


1.  Kapitel.    Die  Leltre  von  den  Begriffen.  505 

diese  Un&bee&cfalosseDheit  uad  Ofleuheit  und  die  dunit  zusammenhängende 
Vaänderlichkeil  der  KontraklionsbeBrifle  widerapricht  durchaus  nicht  etwa 
der  EonsUnz,  die  sie  ala  NormalTorstellungen  beanspruchen  (vgl.  §  87  u 
S.  Uß)  .  Die  NonnaivoratelluDgen  sind  Idealgebilde,  und  ihre  Konstanz  be- 
9Wt  nur,  daB  für  ein  und  denselben  OeEenataiid  unverändert  derHcU>e  Begriff 
fesUehalten  werden  soll  Eommen  rteue  Fundalien  hinzu  (vgl.  S.  460)  oder 
erweist  sich  ein  von  mir  gebildeter  Begriff  infolge  neuer  Erfahrungen  oder 
besserer  Überlegungen  als  nialerial  falsch,  so  tritt  an  Stelle  des  unzureichen- 
den bzvr.  verfehlten  Begriffes  ein  neuer,  der  nun  s-einereeits  Anspruch  auf 
jene  ideale  Konstanz  macht. 

Wie  bei  der  Definition  primürer  individueller  Kom- 
plexionsbe^ffe  (vgl.  S.  485),  so  ist  anch  bei  der  Definition 
individneller  KontraktionsbegrifFe  keineswegs  st«ts  ein  Zn- 
rückgehen  bis  anf  die  ultimaJen  Teilbegriffe  erforderlich 
oder  auch  nur  zw>eckinäBig:  wir  kürzen  auch  hier  die  Defl- 
nitioo  durch  Verweadung  komplexer  Teilbegriffe  ab.  Ebenso 
gilt,  was  S.  4S7  über  die  definitorische  Verwendung  von  All- 
gemeinbegriffen gesagt  wurde,  auch  von  den  individuellen 
Kontraktionsbegriffen. 

Sieht  man  von  allen  dieäen  einzelnen  Modifikationen  ab, 
so  kann  der  Kontraktionsbegrüf  P  allgemein  gesetzt  wer- 
den =  m,  n,  . . .,  o,  . . .,  t[,  . . .  .  Er  unterscheidet  sich  also 
äufierlich  von  dem  einzelnen  Fluxionsbegriff,  z.  B.  Fi,  nor  da- 
durch, daß  unter  den  Merkmalen  eine  bestimmte  Auswahl 
nnd  meist  auch  eine  Hinzufügung  von  Merkmalen  auf  Grund 
andrer  FInzionsbegriffe  stattgefunden  hat. 

Die  Übertragung  der  Definition  des  individuellen  KontrakÜonsbegriOes 
auf  seinen  Gegenstand  (vgl.  S.  491  u.  500)  findet  in  derselben  Weise 
statt  wie  bei  den  prim&ren  individuellen  Eomplexions-  und  Komparations- 
begrifien.  Wir  denken  uns  entsprechend  der  Bildung  des  KontfaktioDS- 
begritfes  auch  seinen  Gegenstand,  z.  B.  das  „Ding"  im  Sinn  der  ErSrtening 
S.  82B,  aus  Fliudonen  •>  hervorgegangen  und  aus  m-,  o-  und  q-Merkmalen 
zusanunengeselzt,  etwa  im  Sinn  des  Symbols: 

(^r<'>aK*a)  .  ■  ■  oder  |^)irj ...  t<,H») ...(«)..  . 

Eine  besondere  Bedeutung  hat  schließlich  die  S  u  b  ■ 
8tantiation  auf  dem  Gebiet  der  individuellen  Eontrak- 
tionsbegriffe. Es  ist  sogar  sehr  wahrscheinlich,  daß  diese 
psychologisch  sich  zuerst  auf  dem  Gebiet  der  Kontrak- 
tions Vorstellungen  entwickelt.  Wir  denken  ans,  daß  der 
Kontraktionsbegriff  der  „Träger"  der  Fluxionsbegriffe  bzw. 
der  in  diesen  enthaltenen  Merkmalbgrifle  und  daß  sein 
Gegenstand  der  beharrende  eine  Träger  der  Flaxionen  bzw. 


*)  Man  beachte  die  entfernte  Ahnlichkeil  mit  den  modi  Spinozas. 


.oogic 


500       IV.  Teil.    Die  emzelnea  logiscben  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

der  in  diesen  enthaltenen  Merkmale  ist.  Vorzugsweise  hier- 
aaf  beruht  der  Unterechied  zwischen  einer  sukzessiTen  Kom- 
plexiODSvorstellnng:  und  einer  Kontraktionsvorritellung. 

Inabeeondere  bei  körperlichen  Gegecatanden  ist  uns  diese  AuHmsuhi 
■el&ufis;  so  schreiben  wir  das  Wacbscn.  GrQnen,  Blühen.  Welken  usw.  der 
Blume  als  inb&herende  Zustande  iu.  Indessen  auch  bei  soft.  psychiai^Kn 
Gegenständen  verfahren  wir  in  ganz  ähnlicher  Weise;  so  sprechen  wir  »on 
den  Veränderungen  und  Schwantungen  einer  Stimmung,  eines  Erinnerangs- 
t)ildes  usf.  Der  Temiinua  „Tritgersein"  kann  auch  hier  in  doppeltem  Sinn 
verstanden  werden  (vgl-  S.  i97>.  Entweder  versteht  man  unter  dem 
Trägersein  nur  die  Beziehung  zwischen  dem  zu  einer  Elinheit  zusammeB- 
gefafiten  Koniraktionskomplex  und  den  einzelnen  Fluxionen  bzw.  deien 
Merkmalen;  oder  man  stellt  sich  vor.  daS  in  dem  Kontraktlonskom^ei 
noch  irgendein  X  vorhanden  ist,  welches  eine  Sonderst  eilung  einnimmt,  hn 
ersten  Fall  hat  die  Annahme  eines  TrBgers  keine  neue  sachliche  (gegen- 
st&Ddliche)  Bedeutung;  im  zweiten  wird  hald  der  Gesamtheit  der  Daueimeik- 
male  (m-Merkmate)  die  Ti^gerrolle  zugeschrieben,  bald  ein  von  allen 
Fluiionen  und  ihren  Merkmalen  verschiedenes,  ganz  spezifisches  Etwas  ftls 
Tr&ger  hinzugedacht,  ^'an  der  Entscheidung  zwischen  diesen  verschiedenen 
UOglichkeiten  gelten  die  Bemerkungen  S.  *98.  —  Die  Termini  begriffliche  und 
objektivierte  Substanz,  begriffliche  und  objektivierte  Merkmale  (Akzidenlien), 
begriffliche  und  objektivierte  fnhärenz  (vgl,  S.  496)  können  auch  mit  Bezug 
auf  die  Kontrakt ionsbeitriffe  deDnitorisch  verwendet  werden. 

§  97.  Logische  Definition:  d)  Definition  von  AllgemeiB* 
besrlffen.  Die  Bedeutung  der  AllgemeiDbegriffe  für  die 
Definition  der  Individualbegriffe  wnrde  im  Vorhergehenden 
wiederholt  hervorgehoben  (vgl.  namentlich  S.  487).  Bei 
dieser  Bedeutung  bekommt  die  Lehre  vou  der  Definition  der 
AllgemeinbegriSe  eine  Wichtigkeit,  die  weit  über  das  Be- 
reich der  AUgeiuoinbegriffe  selbst  hinausgeht.  Oft  hat  man 
daher  sogar  die  Definitionen  stillschweigend  oder  ausdrück- 
lich auf  die  Allgmeinbegriffe  beschränkt  (vgl.  S.  488, 
Anm.  8).  Wenn  nun  auch  eine  solche  Beschränkung  ganz 
ungerechtfertigt  ist  und  zu  einer  gefährlichen  Trennong 
zwischen  der  Logik  einerseits  und  den  induktiven  Wissen- 
schaften einschlieülich  der  Psychologie  andrerseits  geführt 
hat,  so  muß  doch  die  Definition  der  Allgemeinbegriffe  im 
folgenden  besonders  ausführlich  behandelt  werden. 

Als  allgemeines  Symbol  eines  Allgemeinbegriffs  (gene- 
rellen Begriffs,  GeneralbegrifEs)  ergibt  sich  auf  Grund  der 
psychologischen  Grundlegung  in  ^  69  und  gemäß  der  Fest- 
setzung auf  S.  331  u.  485  die  Formel  Ai  Ai  As . . .,  in  der 
Ai,  Aa,  A3 . . .  die  normalisierten  Individualvorstellnngen 
(Individualbegrilfe)  sind,  die  zu   dem  Allgemeinbegrifl  zu- 


OgIC 


I.  Katnlcl.    Die  Lehre  von  den  Begrilfen.  507 

eamiuengef  afit  werden ').  TTdi  jedoch  im  folgenden  schon  durch 
die  Wahl  der  Buchstaben  anszndräcken,  daß  von  einem  All- 
dem e  i  n  begriff  die  Kede  ist,  wähle  ich  statt  A  jetzt  den 
BachBtaben  W  (wie  für  den  individaellen  KontraktionB- 
begriff  F  gewählt  wnrde);  W  ist  also  =  Wi  W»  W, . . .  . 
Handelt  es  sieh  anfinahmsweise  nm  einen  nicht-zusammen- 
gesetzten, auf  Qrand  propinqualer  Ähnlichkeit  gebildeten 
(S.  346)  Ällgemeinbegriff  wie  „gelb",  so  ist  er  gemäß  der 
Festsetzung  S.  318,  Anm.  6  u.  485,  Anm.  5,  durch  w  zu  be- 
zeichnen und  also  =  Wi  w-  Wj .  ■ .,  wo  beiapielBweise  wi ,  Wa ,  wr. 
Indivldnalbegriffe  einzelner  Gelbempfindungen  sind.  W,, 
W:,  Wj . , .  sind  die  fundierenden  Individualbegrifle  für  W, 
Wi,  Wj,  Wa . . .  die  fundierenden  Individualbegriffe  für  w.  Da- 
bei mag  es  unentschieden  bleiben,  ob  wir  gelegentlich  aach 
nicht -normalisierte  Individualvorfitellungen  zu  einem  gene- 
rellen Normalbegriff  zneammenfassen,  ob  also  gelegentlich 
Normalisation  und  Generalisation  gleichzeitig  erfolgen. 

Es  erhebt  sich  nun  wiederum  die  Frage,  worin  die  Defi- 
nition (vgl.  S.  484)  eines  solchen  Allgemeinbegriffs  besteht 
Dabei  empfiehlt  es  sich,  die  einfachen,  d.  h.  ans  ein- 
fachen Individualbegriffen  hervorgegangenen  ÄUgemein- 
begriffe  (Formel:  w)  von  den  zusammengesetzten  (Formel: 
W  =  mno...,  wo  m,  n,  o  die  Teilbegriffe  von  W  bezeich- 
nen)') und  ebenso  die  Allgemeinbegriffe  der  niedrigsten 
Stufe,  deren  Fundalien  nicht  andere  Allgemeinbegriffe,  son- 
dern nnmittelbar  Individualbegriffe  sind,  von  den  Allgeme Jn- 


■)  Wie  sich  alsbald  ergeben  wird,  beKbrftnkt  sich  diese   Zusammen- 
fassuns    nicht    auC    iDdividualvorstellunsen,    sondern    schreitet    stufen 
weiter  fort. 

>)  Man  unterscheide  also  wohl  W=Wj  W^W,  . . .  von  W 


(und    ebenso    w  =.  w^  w  w^   ...    von    w  =:  m).      Die    erstcre    Formel 


(W  =  Wj  Wj  Wj  . . .)  stellt  difi  Generalisation  aus  den  individuellen  bzw. 

weniger  allKemeinen  Begriffen  W,,  W^,  W^  usf.,  die  letztere  (W  ^  m  n  o  . . .) 
die  Zusammensetzung  desselben  allgemeinen  Begriffs  W  aus  seinen  Teil- 
bpgriHen  m,  n,  o  .  . .  (begrifflichen  Merkmalen,  S.  496)  dar.  Die  W^,  W,.  W, .  .  , 
änd  subordinierte,  die  m,  n,  o  ...  in  der  Regel  superordinierte  Begriffe: 
i/ot"  oder  vielmebr  „Kotes"  ist  ein  allgemeinerer  Begrifl  als  der  Begriff 
,3lut"  und  letzterem  daher  Obergeordnet,  w&hrend  ,31ul"  ein  allgemeinerer 
Begrill  ist  als  z.  B.  „Menschpnblut".  Wj,  W^,  W,  . . .  können  als  fundierende 
JBüliMf  des  Allgemeinbegriffs  W  bezeichnet  werden,  während  m.  n,  o  ... 
«ine  TeilbegriOe  sind  (vgl.  S.  335  u.  501,  .Anm.  1). 


lA.OOgIc 


508       ^-  '^^''-    ^^  emzeinen  logischen  G^ülde  und  ihre  Gesetze. 

begiiffeu'  höherer  Stufen  za  nnterscheiden  und  die  sich  so 
ergebenden  vier  Omppen  getrennt  zu  behandeln. 

Ich  beginne  mit  der  Definition  der  einfachen  ÄU- 
gemeinbegrifte  der  niedrigsten*)  Stufe,  z.  B.  des  Be- 
griffes „rot"  »od  erinnere  daran,  daß  zu  dem  Zostande- 
kommen  eines  solchen  einfachen  ÄUgemeinbegriffes,  gans 
abgesehen  und  unabhängig  von  der  Generalisation  selbst, 
mannigfache  Abstraktionen  {S.  318)  erforderlich  waren,  so 
für  „rot"  namentlich  die  Abstraktion  von  den  begleitenden 
räumlichen  Eigenschaften  (roter  Kreis,  rotes  Qnadrat  aaf.). 
Die  Cteneralisation  selbst  besteht  darin,  daß  nun  auch  tdd 
qualitativen  Verschiedenheiten  {Ziegelrot,  Scharlachrot,  Zin- 
noberrot, Burganderrot  usf.)  abstrahiert  wird.  Diese  zweite 
—  generalisierende  —  Abstraktion  ist  von  der  ersten  —  der 
isolierenden  wesentlich  verschieden.  Aus  dem  Allgemein- 
begriff  „rot"  sind  die  räumlichen  Formen  {Kreisform  usf.) 
völlig  ausgeschaltet*),  wahrend  die  qualitativen 
Eigenschaften  des  Kot  (Ziegelrot  usf.)  in  dem  Allgeroein- 
begriff  trotz  ihrer  Repression  (vgl.  S.  319)  enthalten 
bleiben  nnd  nur  indeterminiert  werden  (vgl.  S.  329).  !bi 
die  Definition  gehen  also  die  ersteren  keinesfalls  ein;  sie 
gehören  wohl  zu  den  Fuudalien  des  Allgemeinbegriffs  „rot", 
aber  nicht  zu  seinem  Gegenstand;  im  letzteren  sind  die 
Farbenqualitäten  schon  durch  Abstraktion  von  den  raom- 
liehen  Formen  isoliert  (vgl.  S.  265).  Die  Definition  hatte 
sich  also  auf  die  Qualität  zu  beschränken  nnd  müßte  vor 
allem  das  Gemeinsame  aller  Botnäancen  angeben.  Nns 
leuchtet  ein,  daß  eine  solche  Angabe  bei  einfachen  All- 

>)  Künstlich  lassen  sich  auch  für  diesen  wie  Ifl*  iast  jeden  Allgemeiii- 
b^iiff  noch  niedrisere  konstniieren,  z.  B.  elwa  Burgunderrot.  insofern  wir 
auch  dieses  noch  in  mancherlei  NQancen  kennen.  Von  solchen  konsüicben 
Einschiebungen  soll  im  folgenden  alnesehen  werden  (vgl.  S.  359  f.)-  —  Uu 
übersehe  auch  nicht,  daß  in  dem  oben  behandelten  Beispiel  vorau^esetd 
wird,  daß  die  Isolation  des  Merkmals  rot  aus  der  komplexen  Vorstellung  der 
roten  Körper  bereits  Fall  für  Fall  voraussegangen  ist.  Tatsfichlich  ist  eine 
solche  Sukzession  oft  gar  nicht  vorhanden,  sondern  die  Isolation  (AbstraklioD 
von  Form  usL)  vollzieht  sich  gleichzeitig  und  Hand  in  Hand  mit  der  quab- 
tativen  GeneraJisation  (vgl.  hierüber  S.  351  ff).  Bei  der  Bildung  des  Allgemeln- 
begrifls  „rote  KOrper"  würde  diese  voraus  gängige  bzw.  Rleichzeilige  Isolatien 
wegfallen  und  die  Generalisation  sich  auf  Farbe  und  Form  erstrecken.  In 
ersten  Fall  ist  der  Gegenstand  der  Generalisation  in  den  einzelnen  Rot 
QualitAten,  im  letzteren  in  den  einzelnen  roten  Körpern  gegeben. 

<)  Psychologisch  gelingt  diese  Ausschaltung  niemals  vollständig, 
»ie  ist  nur  eine  ideale  Forderung  der  togischen  Normal  Vorstellung. 


OgIC 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Begriffen.  50^ 

gemeiDbegriffen  ganz  unmöglich  ist,  da  die  ziig«hörig«ii  lodi- 
vidaalbeg^iffe  gleichfalls  einfach  und  nur  durch  propinqnale 
Ähnlichkeit  (S.  327)  verknüpft  sind.  Hieraus  folgt,  daß  «in- 
faehe  AllgemeinbegriSe  mcdrigster  Stufe,  wie  rot,  im 
strengsten  Sinne  überhaupt  nicht  deflnierbar  Bind:  konstante 
und  allseitig  unterschiedene  Teilbegriffe  lassen  sich  für  sie 
ebensowenig  angäben,  wie  für  einfache  individuetle  Isola- 
tions-  und  Komparationsbegriffe  (vgl.  S.  482  u.  499),  wir 
l(önn«n  höchstens  zur  „Erläuterung"  die  zugehörigen  Indi- 
vidualbegriffe  mehr  oder  weniger  volUtändig  aufzählen. 

Geht  man  zu  einfachen  Ällgemeinbegriffen  höherer 
Stufe,  also  dem  Begriff  „Farbe"  über,  so  bleibt  die  ündefl- 
nierbarkeit  bestehen:  Die  Unzerlegbarkeit  schließt  jede  Defi- 
nition aas.  Wir  können  nur  dadurch  die  Erläuterung  etwas 
abkürzen,  daß  wir  statt  der  zugehörigen  IndividnalbegriSe 
die  zugehörigen  Ällgemeinbegriffe  niederer  Ordnung,  z.  B. 
zu  ,^Parhe"  „rot",  „blau",  „grün"  usf.  teilweise  oder  sämtlich 
aufeählen. 

Wenn  sonach  einlache  Allgemeinbeeriffe  keine  eigentliche  DeOnilioa 
zulassen,  so  ist  doch  zuweilen  auBer  einer  beispi^lsweisen  Erläuterung 
vrenigstcns  auch  eine  „Charakterisierung"'  nach  einw  bestimmten 
Hichlung  hin  möglich:  wir  kCnuen  nämlich  oft  über  die  Anordnung,  d.  b. 
das  eegenseitige  Verhältnis  der  Individualbegrifte  innerhalb  eines  Allgemein- 
beghDs  bzw.  der  niedrigeren  Allgemeinbegriffe  innerhalb  eines  höheren  be< 
stimmte  jVngaben  machen.  So  i.st  z.  B.  der  AngDmeinbesriff  ., Farbe"  dadurch 
cfiaraktemiert,  daB  die  einzelnen  Fartwn  eine  stelige  zweidimensionale 
ßeihe  bilden,  waiirend  für  den  AllBemeinbegriö  „Genich"  dies  nicht  gilt. 
Auch  die  Angahe  der  GrenzbegriHe  der  Reihe,  der  Schwankungsbreile,  der 
SchwankungsdichüBkeit  oder  «Ines  etwaigen  Schwankungsgesetzes  kann  zu- 
weilen in  demselben  Sinn  verwendet  werden.  Eine  solche  .,CharakteTi3ie- 
ning"  is*  weder  eindeutig  noch  ßlierhaupt  eine  Definition,  hielet  aber  zuweilen 
unserer  Eiltennlnis  einen  wertvollen  Ersatz  fflr  eine  Definition.  Vgl.  Ziehen, 
Eikeuitnistheorie,  Jena  IBIS,  S.  66  f.  Von  dem  Ersatz  durch  sog.  kausale' 
Definitionen  wird  unten  gesprochen  werden. 

Dio  TJndefinierbarkeit  aller  einfachen  Allgemeinbegriffe, 
wie  sie  jetzt  festgestellt  worden  ist,  erfährt  nun  aber  eine 
wesentliche  Einschränkung,  sobald  wir  einmal  eine  auf- 
steigende Skala  von  Allgemeinbegriffen  (vgl.  S.  333)  fest- 
pestellt  haben,  beispielsweise  die  Skala  Rot  — Farbe  ^) — op- 


=)  Ich  verstehe  auch  hier  (vgl.  S.  508.  Anm.  3)  unier  Rot  und  Farbe 
die  reine  QnaUtät,  nicht  etwa  rotes  Licht  bzw.  farbiges  L  i  c  h  L  Rotes  Licht 
und  (ajhigeB  Licht  sind,  da  ihnen  auch  Intenaitftt,  Lokalität  usf.  zukommt, 
nicht  einfach,  sondern  zusammengesetzt.  Farbe  entspricht  also  z,  B.  auf 
akustischem  Gebiet  nicht  dem  Ton,  sondern  der  Ton  hübe. 

„.,,„,^.oogic 


510       'V-  "^^     ^^  emzelnen  logischen  G«biide  und  Um  tie&etze. 

tiecbe  Qualität  —  Sinnesqnalität  —  Ei^nschaft,  ein«  Skala 
also,  in  der  jeder  Allgemeinbegiiff  in  dem  foIgeDden  ent- 
halten ist.  Symbolisch  soll,  wie  schon  S.  359  erwähnt,  eint 
solche  Skala  durch  w*,  w",  w^  usf.  bezeichnet  werden.  Tue 
oben  rechts  beigefügte  römische  Züfer  gibt  also  die 
Qeneralisationsstnfe  an,  während  die  unten  rechts  bei- 
gef ögte  arabische  Ziffer  zur  Anf Zählung  der  koordinier- 
ten Begriffe  einer  and  derselben  Stufe  verwendet  wird, 
w'  bezeichnet  den  niedrigsten  Allgemeinbegriff,  w"  den 
nächsthöheren  usf.  Mit  w*  wird  die  Stnfe  der  den  niedrig- 
sten Allgemeisbegriff  fundierenden  Individualbegriffe  be- 
zeichnet. Es  ist  also  w'  ^^  Wi",  Wj",  w,° . . .,  w"  =  Wi',  Wi',  W;' . . . 
usf.  Ich  kann  nämlich  anf  Qmnd  einer  solchen  Skala  nunmehr 
jedes  w  dadoreb  partiell  definieren,  daß  ich  einen  höheren 
Allgemeinbegriff  angebe,  in  dem  es  enthalten  ist,  für  w'  also 
z.  B.  w"  oder  w'"  (Bot  ist  eine  Farbe,  ist  eine  optische  Quali- 
tät). Am  meisten  wird  eine  solche  rein  „subsamie- 
r  e  n  d  e"  Definition  leisten,  wenn  ich  za  dem  w,  das  ich  defi- 
nieren will,  das  nächsthöhere  w  angebe,  also  zu  w'  w", 
za  w^  w^'  usf.  Dies  nächsthöhere  w  wird  „nächsthöherer 
Gattungsbegriff"  cder  auch  —  gemäS  der  auch  hier  übUcben 
Übertragong  auf  den  Gegenstand  (S.  491)  —  nächsthöhere 
Gattung  (Genus  proximum)  genannt  (vgl.  S.  490). 
Partiell  bleibt  eine  solche  Definition  stets  insofern,  als  die 
Stellung  des  w,  das  definiert  werden  soll,  innerhalb  des 
Genus  proximum  ganz  unbestimmt  bleibt*).  Von  irgend- 
welcher Zerlegung  in  Tetlbegriffe,  wie  sie  sonst  für  die 
Definition  charakteristisch  ist  (vgl.  S.  484),  kann  dabei  nicht 
die  Bede  sein ').  Da  auch  nicht,  wie  bei  der  Verwendung 
der  Allgemeinbegriffe  zur  Definition  komplexer  Individual- 
begriffe (S.  488),  durch  Verbindung  mehrerer  AllgemeiD- 
begriffe  eine  einengende  Bestimmung  erfolgt  (vgl.  auch 
S.  494),  so  bedeutet  die  jetzt  in  Bede  stehende  Subsumtion 
unter  einen  höheren  AUgemeinbegriff  bzw.  eine  Skala  von 
Allgemeinbegriffen  sogar  eigentlich  in  gewissem  Sinne  ein 


')  H&chsteDs  kann  sie  im  Sinn  der  S.  500  BogefOhrten  Cbarakte<isienin8 
(Angabe  iet  Stellung  in  der  Reihe  det  koordinierten  w's)  etwas  naher  be- 
zeichnet werden.  Die  Einzelwisaenschaften  schlagen  diesen  Weg  sehr  oft 
mit  Erfolg  ein. 

■j  Allzuviel  Gewicht  ist  iiiorauf  nicht  zn  legen,  da  maii  die  Definition 
eelbsl  aucli  anders  dclinioren  kann.     Siehe  unten  den  historischen  Exkurs. 


OgIC 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Besriffen.  5X1 

ZnräckBchieben  in  grofiere  Unbestmuntheit.  Es  wird  sich  je- 
doch zeigen,  daß  trotzdem  eine  solche  nnvollstsndige  Defini- 
tion, die  aiif  eine  einzige  bloße  SabsumtiOD  hinaoslänft,  für 
unser  Denfcen  sehr  oft  aaßerordentlieh  nützlich  ist.  Übri^ns 
leuchtet  ein,  daß  snbsnmierende  Definitionen  auch  für  ein- 
fache nicht-allgemeine  Begriff«  verwendbar  sind,  sogar  auch 
für  primäre  Individnalbegriffe,  wie  oben  (S.  488,  Änm.  9) 
Bchrai  bemerkt  wurde. 

Terminologisch  eei  noch  bemerkt,  daß  in  der  Skala  der 
w's  jedes  W  mit  Bezug  auf  das  nächsthöhere  w"+'  und  alle 
'  noch  höheren  w's  als  untergeordneter  oder  subordi- 
nierter Gattungsbegriff  und  bei  Übertragung  auf  den 
Gegenstand  aU  untergeordnete  (subordinierte)  Gattung  be- 
zeichnet wird.  Umgekehrt  sind  w""*"',  ■w"''""  usf.  dem  w" 
saperordiniert.  Der  niedrigste  Allgemeinbegriff  einer 
Skala,  also  w',  heißt  Artbegriff.  Dem  Artb^riff  sind 
die  Individnalbegriffe  Wi%  w.",  w,"  . . .  subordiniert.  Art- 
oder Oattnngsbegrilfe  derselben  Stufe,  die  demselben  w  sub- 
ordiniert sind,  also  W]"-',  Wi"-',  Wt"-'  usf.  heißen  koordi- 
niert   Vgl.  &  333. 

Der  Terminus  „koordinierte  BegriHe"  achlieüt  insolem  eine  Zweideutig- 
keit ein,  als  er  im  engeren  Sinn  Begiitfe  bezeichnet,  die  derselben  Stufe 
einer  w-Skala  angehören,  demselben  w  subordiniert  sind  und  sich 
cegenseitiE  ausschlieBen,  während  für  seineu  Gebrauch  im 
weiteren  Sinn  das  letzte  HeAmat  wegfällt.  So  sind  z.  B.  ,rArier"  und 
„UongDle"  koordinierte  Begriffe  im  engeron  Sinn,  „Neger"  und  „Sklave" 
koordinierte  Begrilfe  im  wetteren  Sinn.  Bei  den  letzteren  entsprechen  die 
beiden  Begriffe  verschiedenen  Einteilungsprinzipien  dea  übergeordneten  Be- 
grifles,  bei  den  ersteren  ist  das  Einteilungsprinzip  für  beide  Begrifle  dasselbe 
(Wirtwitiere  und  wirbelloae  Tiere)  oder  fehlt  ein  einheitliches  einfaches  Ein- 
teilungsprinzip ganz  (Schimpanse  und  Orang).  Ich  halte  es  fär  zweck- 
mäBiger,  den  Terminus  .koordinierte  Begriffe",  da  er  auf  eine  „Ordnung" 
hinweist,  nur  im  engeren  Sinn  zu  gebrauchen  und  die  koordinierten  Begrifle 
im  weileren  Sinn  als  gleichstufige  oder  äquigrade  zu  bezeichnen. 
Später  werden  wir  auch  die  Termini  „konjunkl"  und  „diaiunkt",  ersteren  für 
ämiigrade,  letzteren  fflr  koordinierte  (s.  str.)  Begriffe  «infOhren  (vgl.  S.  b6B 
u.  566.  AnnL  15). 

Anders  gestaltet  sich  die  Definition  zusammen- 
gesetzter AUgemeinbegriffe.  Auch  hier  geht  man  am 
besten  von  solchen  der  niedrigsten  Stufe*)   aus,  also 

^  SelbstverBtändlich  ist  die  Bemerkung  S.  fiOe,  Anm.  3  auch  hier 

cültig. 


OgIC 


512       ^-  Teil.    Dit^  eiiLM'.nen  losi^chen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

etwa  von  AUgemeinbegriffea  wie  „roter  Kreis*'  *),  „Ton  c"  **), 
„Wiesenaalbei"  ").    Die  Defloitioii  eines  solchen  niedrigstrai 

zoBanuneDKesetzten  AUfifemeinbe^nfCB  W  hat  zunächst  jeden- 
falls  alle  diejenigen  irredosiblen  Teilbegriffe  (begriffUche 
Merkmale,  S.  496),  anfznnehmen,  welche  allen  subordinierten 
Individaalbegriffen  Wi,  Wi,  Wi . . .  gemeinsam  sind.  IMese  ge- 
meinsamen, d.  h.  völlig  übereinstimmenden  Teilbegnffe  sollen 
wieder  (S.  &01f.)  alB  m-Merkmale  bezeichnet  werden.  Irgend- 
eine Weglassnng  etwa  als  unwesentlich  betrachteter  gemein- 
Bamer  Teilbegrifle  (vgl.  8.  490  n.  504)  ist  hier  nicht  statt- 
haft, solange  der  Ällgemeinbegriff  als  solcher,  d.  h.  als  Glied 
einer  Skala  (s.  oben)  verwendet  wird.  Dag^ren  müssen  die 
aafgezählten  m-Merkmale  keineswegs  stets  ultimal  sein  (vgL 
(S.  319),  sondern  es  können,  wie  bei  der  Definition  indivi- 
dneller  Korapl^xionsbegriffe,  auch  komplexe  Teilbegriffe 
verwendet  werden")  (vgl.  S.  486).  So  kann  man  z.  B.  bei 
i)er  Definition  der  Wiesensalbei  den  Teilbegriff  ,Jiippen- 
blüte",  also  einen  sehr  komplexen  Begriff  mit  Vorteil  ver- 
werten. Die  verwerteten  Teilbegriffe  sind  bald  in  dem 
früher  erlänterten  Sinne  (S.  320)  adhärent,  wie  z.  B.  das  Bot 
und  die  Kreisform  in  der  Definition  des  Allgemeinbegriffee 
„roter  Kreis",  oder  inadhärent  wie  die  Lippenblüte  in  der 
Definition  des  Allgemeinbegriffg  „Wiesensalbei". 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  die  Stellung  der  in  die  Definition  auf- 
Kf/nommenen  Teiltjegrilfe  zueinander.  Zuweilen  sind  diese  nämlich  gleicb- 
L'e?iellt,  keiner  ist  iirfilal,  wie  wir  nach  Analogie  der  bevorzugten  TeObesnffe 
änea  individuellen  Komplcxionsbegriffes  (S.  490  u.  504}  sagen  können.  Sa 
ist  z.  ß.  jn  dem  AllsemeinbegriU  „psychophysisch"  weder  der  TeilbegiiS 
„psychisch"  noch  der  TeilbegriCf  „physisch"  prfilBt,  beide  sind  völlig  koorii- 
niert,  und  nur  etnaS  künstlich  lieBe  sich  fflr  den  einen  von  beiden  eine 
('bcTordnung  herausktaRcln.     Sotehe  Fälle   sind  jedoch  sehr  selten.     Farf 


*)  Han  beachte,  daß  wir  diesen  AllgemeinbegriH  nicht  durch  ein  cin- 
■jfAneii  Wort  ausdrücken  kSnnen. 

")  Ich  verstehe  unter  Ton  mit  den  meisten  Psychologen  im  prägnanten 
Sinn  den  sog.  einfachen  Ton  im  Gegensatz  zum  Klang.  Zusanunengesetri 
ist  er  aus  Höhe,  Intensität  mi.    Vgl,  auch  S.  50B,  Anm.  3. 

")  Die  „Arten"  der  beschreibenden  Naturwissenschaften  sind  im  logi- 
schen Sinn  größtenteils  niedrigste  Gattungen. 

*^  Ich  erinnere  nochmals  dafan,  daß  nicht  etwa  die  Individualbegiifle 
Aj,  A,,  A.  .  .  .,  welche  einem  AUgemeinbegrifi  A  zugrunde  liegen,  als  seine 
Teilb^riffe  zu  betrachten  sind;  vielmehr  kommen  a!s  solche  nur  die  Teü- 
begriffe  in  Betracht,  die  in  den  IndividualbcghSen  enthalten  aind,  al^o  vor 
allem  die  den  IndividualbegriSen  gemeinsamen  Teiibegriffe.  VgL  S.  3Si, 
336  u.  507,  Anm,  2, 


i>,Cooglc 


1.  KaDitel.    Die  Lefai«  von  den  Begriffen.  513 

stets  ist  unter  den  semeinsamen  Teilbegriffen  bzw.  Teilbegriltkomplexen 
einer,  der  zur  Unterscheiduns  des  zu  definierenden  Begriffes  von  anderen 
besonders  viel  beitr&gt,  und  dann  verwenden  wir  diesen  in  unserer  DeH- 
nitioa  als  pr&laten  Teilbegriff,  die  anderen  als  rezessive. 
Symbolisch  soll  ersterer  durch  ein  beigefOgtes  1  charakterisiert  werden 
(z.  B.  m!).  So  kommen  bei  der  Definition  des  Allgemeinbegriffes  „Ton"  (als 
EmpfindungspbOnomen  verstanden)  als  Teilbegrilfe  in  Betracht:  akustiachu 
Qualität,  Intensität  (intensive  Variierbarkeit),  Dauer  (temporale  Variierbaf- 
keit)  naf.  Alle  diese  Teilbegriffe  sind  fOr  den  Allgemeinbegriff  „Ton"  wesent- 
ücb:  jeder  Ton  hat  nicht  nur  eine  bestimmte  akustische  Qualität,  sondern 
auch  eine  bestimmte  Intensit&t  und  eine  bestimmte  Dauer.  Es  leuchtet  aber 
ein,  dafi  die  akustische  QuaUtät  für  weitaus  die  meisten  Zwecke  unseres 
Denkens  der  charakteristischste  Teilbegriff  ist.  Daher  machen  wir  diesen 
TeübegriR  zum  prälaten  und  adjungieren'*)  ihm  die  ahmen.  Ebenso 
ist  in  dem  AUsemeinbegriff  „roter  Kreis"  die  Kreiaform  fQr  unser  Denken 
meisleDS  „p  r  ä  1  a  t"  und  die  rote  Farbe  „rezessiv"*.  Sprachlich  drückt 
sich  dies  wiederum  oft  darin  aus,  daS  wir  den  prälaten  Teilbegrifi  substan- 
tirisch,  die  rezessiven  adjektivisch  ausdrücken  (vgL  S.  497,  Anm.  38). 

Es  versteht  sich  von  selbst,  daB  die  zur  Verwendung  gelangenden 
m~TeilbegriIf e  selbst  Allgemeinbegriffe  sind.  Was  bei  den  individu- 
ellen Eomplexionsbegriffen  nur  eine  zweckmäBige  Aushilfe  war  (S.  tö7), 
ist  bei  den  allgemeinen  BcgriSea  eine  notwendige  Folge  ihrer  Aligemeinheil. 
Dabei  ist  allerdings  nicht  ausgeschlossen,  daB  neben  allgemeinen  Teiibegriffen 
■usnahmaweise  auch  individueDe  als  erläuternde  Beispiele  herangezogen 
weiden;  die  Grenze  der  logischen  Definition  wird  jedoch  damit  überschritten. 

Das  ganze  Verfahren  läuft  somit  daranf  hinaus,  daB  in 
der  Definition  eine  charakteristische  Kombination  von  all- 
gemeinen Teiibegriffen  angegeben  wird,  von  denen  in  der 
Begel  einer  als  prälat  bebandelt  wird.  Jede  Angabe  eines 
Teilbegriffs  (z.  B.  rot)  ist  mit  der  Snbsmntion  nntereine 
Oattong  (der  roten  Gegenstände)  äquivalent:  wir  ,,hypo- 
stasleren"  dem  Merkmal  „rot"  die  Qattnng  „rote  Gegen- 
stande" (vgl.  S.  494  n.  516). 

Es  erhebt  sich  onn  die  weitere  Frage,  wie  die  niobt- 
gemeinsamen  Merkmale,  also  die  nur  ähnlichen  und  die  gänz- 
lich verschiedenen  (die  o-  und  die  q-Merkmale,  vgl.  S.  501) 
bei  der  Definition  zusammengesetzter  Allgemeiubegriffe 
niedrigster  Stufe  behandelt  werden  sollen.  Eine  unbestimmte 
Bepression,  wie  sie  psychologisch  bei  der  Bildung  sol- 
cher AUgemeinvorstellungen  erfolgt  (vgl.  ^  09),  ist  auch 
hier  für  die  Logik  ausgeschlossen  (vgl.  ^  93  u.  S.  503).  Für 
diese  kommt  eine  gewissermaßen  halbe,  gradweise  ver- 
schiedene Aufnahme  nicht  in  Betracht.    Zunächst  nun  bat 


**)  Ich  wähle  diesen  Terminus,  weil  das  Wort  „subordinieren"  schon 
vergeben  ist. 

Zlebtn,  Lthriraeh  der  Lo^lc  33 

„.,,„,  ^.oogic 


514       ^'-  TeiL    Die  einzelnen  iogischea  Gebilde  und  ihre  GeseUe. 

die  Logik  —  älinlicli  wie  auf  dem  G«biet  der  KontraktitHiB- 
begriffe  —  oft  genng  Veranlaesiuig  die  o-  und  q-Merkmale 
nicht  völlig  aas  der  Definition  za  eliminieren"),  sondern 
wenigstens  insoweit  in  die  Definition  mit  aofzonehmen,  sIb 
wir  die  relative  Hänflgkeit  (paHieUe  Gemeinsamkeit)  eines 
o-  oder  q-Merkmals,  das  ausnahmsweise  Vorkommen  eines 
q-Merkmals,  die  Schwankungsbreite  eines  o-Merkmals  zwi- 
schen bestimmten  Grenzen  hervorheben.  Es  handelt  sich 
gewissermaßen  nm  eine  Charakterisiemng  der  Struktur  des 
AUgemeinbegriffs.  So  wird  man  sich  z.  B.  oft  bei  der  Defi- 
nition des  Begriffes  „Ton"  nicht  auf  die  Teilbegriff«  Ton- 
höhe, Intensität  usf.  beschränken  müssen,  sondern  auch  die 
Schwanknngsbreite  zwischen  dem  sog.  tiefsten  nnd  höehatea 
Ton  in  die  Definition  aufnehmen  dürfen.  Ebenso  wird  die 
Angabe  in  der  Definition  des  Wiesensalbei,  daß  die  Farbe 
der  Blute  fast  stets  blauviolett  und  ausnahmsweise  weiß  ist, 
zulässig  und  in  vielen  Fallen  für  die  Verwertung  der  Defi- 
nition in  unserem  Denken  nützlich  sein.  Selbstverständlich 
könnte  man  wUlkürlieh  festsetzen,  daß  man  anter  Deflnititn 
nur  diejenige  Begriffsbestimmung  verstehen  will,  welche  sidi 
auf  die  gemeinsamen  Merkmale  beschrankt,  aber  es  fragt 
sieh,  ob  ein«  solche  Festsetzung  nicht  der  Fmchtbarkeit  der 
Definitionen  wesentlichen  Abbruch  tnt  nnd  nicht  auch  mit 
dem  tatsächlichen  Deflnitionsverfahren  vieler  Wissenschaf- 
ten in  Widersprach  steht*'). 

Dabei  ist  selbstverständlich,  daß  diese  fakultativ  zn- 
gelassenen  o-  und  q-Merkmale  stets  als  solche  in  der  Defl- 
tiition  gekennzeichnet  und  von  den  m-Merkmalen  ansdrfick- 
lich  nnterschieden  werden  müssen.  Nur  also,  wenn  die 
individuelle  Beschränktheit  (Beschränktheit  auf  Individaen 
und  Individnengruppen)  i  n  dem  o-  nnd  q-Merkmal  als  solche 
ansgesprochen    wird    (z.    B.    „ausnahms weises    Vorkonunen 


**)  Vgl.  hierzu  Drobiscb,  Neue  Darstelluns  der  Logik  usl.,  i-  AQU. 
Uipzig  1876,  g  18,  S.  19. 

^*)  VgL  zu  dieser  Frage  auch  Fortlace.  System  d.  PsfcholofiG  otf 
1.  TeU.  Leipzig  1856,  S.  130ff.  u.  Volkelt,  Philos.  Mon.-Helte  1881,  Bd.  17, 
S.  120.  Es  ist  daher  auch  nicht  ausreichend,  wenn  man  nur  davon  spridil. 
daß  die  „Stelle"  aller  bestimmten  Artunterschiede  in  der  Definition  noch 
mitgedacht,  aber  ihre  Besetzung  mit  diesem  oder  jenem  Aitunterachied  oflen 
gelassen  werde  (vgl.  S.  329  Ober  indeterminierende  AbalrakUoB).  Wii 
müssen  zuweilen  in  die  Definition  auch  eine  Angabe  über  die  variabfe  Be- 
setzungsweise selbst  aufnehmen. 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  Ton  den  Begiillea.  515 

weißer  Blntenfarbe"),  iet  die  Aufnahme  solcher  Merkm^e 
mit  der  Konstanz  der  logischen  BegritFe  verträglich  (S.  503). 
Utn  kCanle  gegen  die  Aufnahme  von  o-  und  q-Heitanalen  nodi 
einireDden,  daB  durch  sie  die  Grenze  zwischen  dem  individuellen  kollektiven 
Komplexionsbegriff  CS.  3SS  u.  474)  und  dem  AllgemeinbennS  nftnEÜch  ver- 
wischt werde.  Dieser  Einwand  ist  jedoch  nicht  zutreHend.  Der  Allgemein- 
begriS  behält  trotz  der  Aufnahme  von  o-  und  q-Herkmalen  seine  räumlich- 
zeitliche  Unbestimmtheit  und  cbarakleristiache  Ofienheit  (S.  336,  360  u.  476) 
bczOglich  der  Aufnahme  neuer  Individuen,  EiKcnschaften,  wie  sie  dem 
individuellen  KompIexionabeBrifi,  auch  dem  kollektiven  und  kontrahierten, 
niemals  zukommen. 

Diese  Znlässigkeit  der  Anfnahme  von  o-  und  q-Merk- 
malen  erleidet  jedoch  hei  den  Allgemeinbegriffen  infolge 
ihres  skalaren  Charakters  eine  wesentliche  Einschränkung, 
welche  bei  den  Kontraktionsbegriffea  nicht  bestand.  Sobald 
nämlich  ein  AUgemeinbegrlff  mit  Hinblick  auf  seine  Stnfen* 
stelinng  in  einer  Skala  w',  w"  usf.  definiert  und  verwertet 
werden  soll,  müssen  alle  o-  und  q-Merkmale  vollständig  ans 
der  Definition  ausgeschaltet  werden.  Diese  Ausschaltung  ist 
geradezu  selbstveretändUch,  da  ja  die  Konstmktion  der 
Skala  allen  Sinn  verliert,  wenn  auch  irgendwelche  fakul- 
tative Merkmale  zugelassen  werden. 

Ist  erst  einmal  eine  Skala  von  AllgemeinbegriSen  in  dem 
S.  509  besprochenen  Sinn  gebildet,  so  vereinfacht  sieh  die 
Definition  der  zusammengesetzten  AllgemeinbegriSe  niedrig- 
ster Stufe  formal  erheblich.  Statt  einen  solchen  Allgemein- 
begriff durch  eine  für  ihn  charakteristische  Kombination 
von  einfachen  oder  komplexen  (S.  512)  Merkmalbegriffen  zu 
definieren  und  dabei  eventnell  einen  Merkmalbegriff  m  I 
als  pralat  hervorzuheben,  geben  wir  einen  höheren  Allge- 
meinbegrUt  an,  unter  den  der  zu  definierende  Begriff  fallt, 
dem  er  also  in  dem  S.  511  festgestellten  Sinn  snbordiniert 
ist,  und  unterscheiden  ihn  deflnitorisch  von  koordinierten 
anderen  Allgemeinbegriffen,  indem  wir  die  für  ihn  gegen- 
über diesen  charakteristischen  Merkmalhegriffe  hinzufügen. 
Sachlich  hat  sich  dabei  nichts  geändert  (vgl.  S.  513).  Wie 
bei  der  Definition  einfacher  Allgemeinbegriffe  (vgl.  S.  510) 
verwenden  wir  als  höheren  Allgemeinbegriff  am  zweck- 
mäßigsten den  nächsthöheren,  geben  also  das  Genus 
prozimum  W'  an.  Der  Unterschied  gegenüber  der  Defi- 
nition einfacher  AUgemeinbegrifFe  liegt  nur  eben  darin,  daß 
^nx  bei  den  zusammengesetzten  Allgemeinbegriffen  die  Defi- 
nition durch  Hinznfügung  unterscheidender  Merkmale  ver- 

33* 

„.,.,„,>..oo^sic 


516       ^-  '^^'^    ^^  ünzelnea  lotischen  Gebilde  und  ihr«  Gesetze. 

vollständig«!!  können  **).  Die  Gesamtheit  der  letzteiren  wird 
anch  als  Differentia  specifiea")  bezeichnet.  Der 
prälate  Merk!nalbegriff,  er  mag  einfach  oder  komplex  eein, 
gebt  bei  diesem  Verfahren  gewöhnlich  in  das  Qenns  prozi- 
mom  über. 

In  dem  Genas  proximom  bleiben  aleo  Merkmaletellen 
offen  bzw.  indeterminiert  (vgL  S.  334),  nnd  darauf  beimht 
sein  fibergeordneter  Charakter.  Die  DifFerentia  specifiea 
füllt  diese  offenen  Stellen  ans  und  setzt  damit  den  generellen 
Charakter  nm  eine  Stnfe  herunter  (von  w"+'  anf  w").  Maa 
spricht  daher  auch  von  der  Determination  des  G«Dns 
prozimmn  dnrch  die  beigefügte  Differentia  specifiea "). 

Auch  bei  den  AlIgemeiubegritfeD  kommt  es  in  der  Resel  zu  den  als 
Obiektivation  und  Substantiation  beschriebenen  UmbUduniw 
(VgL  S.  492  u.  496).  Der  zu  definierende  zusammengesetzte  AUgemein- 
besriB  W  l&Bt  sich  als  ein  Meikmalkomplex  z.  B.  mnop  daistellen  (v|L 
S.  &07)  und  als  solcher  eich  nie  Jede  Eomplexionsvoistellung  obiektivieTen 
und  substantiieren.  An  Stelle  des  AUgemeinbegriäs  Pferd  tritt  das  allge- 
meine Objekt  Pferd,  und  letzteres  wird  als  „substantieller  Trflger"  der  Merk- 
male n^  n,  o,  p  aufgefaßt "}.  Diese  Objekltvation  und  Substantiation  dehnen 
wir  nun  auch  auf  das  Genus  proximum  Wp'  —  also  etva  mno  —  aus. 
Auch  dies  wild  nicht  mehr  einfs£h  als  Merkmalkomplex  gedacht,  sondern 
obiekUviert  und  subslantüert  (gewissermaBen  zentriert).  Die  Suboidinatioii 
von  W  unter  Wpr  bekommt  daher  die  Bedeutung:  das  allgemeine  Objekt  W 
gebArt  zur  Gattung  der  allgemeinen  Objekte  Wi"',  und  die  W- Objekte 
als  Substanzen  (Meikmaltrfigef)  gedacht  gehören  zu  den  Substanzen  (Ueit- 
maltrlgem)  Wpr.  Offenbar  ist  diese  Umdenkung  Terwandt  mit  dem,  was 
wir  in  SpeziaU&llen  bereits  als  Hyposlasierung  '*)  kennen  gelernt  haben 
(vgl.  S.  494  und  auch  oben  S.  519).  Aus  dem  prilaten  HeriunalbegriB 
„Lippenblüte"  in  der  Definition  der  Wiesensalbei  wird  der  hypostasierie 
Begriff  des  Genus  proximum  ,jjppenbiatler".  Die  in  der  Difierenüa  spedfica 
Zusammengestell len  Merkmale  werden  ganz  ebenso  wie  das  Uenus  pron- 
mum  objektiviert,  dagegen  nehmen  sie  an  der  Substantiation  in  der  Regel 

^■)  Bei  einfachen  AUgemeinbeeriflen  besieht  zwischen  den  Arten  des 
OenuB  pnnümum  nur  eine  uozerletfHire  propinquale  Ähnlichkeit  (ygL  S.  899). 

'^)  Strenggenommen  dürfte  zunächst  nur  vom  n&chsthöheren  Gathings- 
begriff  und  spezifischen  Unterschiedsbegriffen  gesprochen  werden. 
Die  Ausdrücke  „Genua  proximum"  und  „Difierentia  spedfica"  involvieren 
bereits  eine  ObjekUvation  (vgl.  S.  493  und  unten). 

^■)  Aristoteles  (^1.  z.  B.  Akad.  Ausg.  B2a)  braucht  dafflr  das  Wort 
tfittwt,  freilich  nicht  in  ganz  konstanter  Bedeutung.  Siehe  auch  oben 
S.  81B,  Anm.  4. 

")  Nicht  nur  allgemeine  si^.  Dinge,  sondern  auch  allgemeine  Eigen- 
schaften können  substantiiert  werden. 

»0  Das  Merkmal  bzw.  der  MeAmalkomplex  wird  sobstantiiert,  der 
Träger  ihm  hypostasiert. 


1.  Kapitel.    Die  Lehie  von  den  B^riHen.  517 

nidit  teil  Ein  wesentlicher  Unterschied  ist  damit  nicht  gesehen,  da  ia  iedes 
za  der  DiSerentia  speciflca  gehörige  Merkmal  seinerseits  Eum  Genus  pioxi- 
miun  erfaobetr  werden  kann,  indem  der  zu  definierende  Begriff  einer  anderen 
Skala  von  Allgemeinbegriffen  untergeordnet  wird,  und  damit  der  Substan- 
tiation  verfallt 

Selbatvent&odlich  kann  diese  Betrachtung  muUtia  mutandis  nun  auch 
auf  die  an  fraheren  Stellen  efw&bnten  Verwendungen  des  Genus  pioximum 
Oberiragen  werden  (S.  490  u.  BIO).  Wenn  ich  definiere;  diese  Farbe  ist 
ein  helles  Gelb,  so  wird  das  Gelb  objektiviert  und  substantiiert  und  im  Sinn 
der  Hrpostasierung  „diese  Farbe"  unter  die  bellen  oder  unter  die  gelben 
ßegenst&nde  eingereiht 

Wir  neigen  dann  weiter  in  hohem  UaBe  dazu,  nicht  nur  das  Genus 
mwcimum  zu  substantiieren,  also  fOr  seine  Merkmale  m,  n,  o  einen  Trftger 
aniunehmen,  sondern  auch  das  Genus  prozimum  als  Ganzes  oder  den  hypo- 
thetischen Trfiger  seiner  Meifcmale  m,  n,  o  z  u  g  I  e  i  c  h  als  Träger  der  Diffe- 
rentia  specifica  aufzufassen,  also  —  in  unserem  einfachen  Beispiel  —  als 
Träger  von  p.  Genus  prozimum  und  DUferentia  specifica  treten  daroil  in 
ein  VerhUtnis  von  Substanz  und  Akzidentien  (S.  496).  FOr  die  Logik  be- 
steht kein  zwingender  Grund,  den  einfachen  Tatbestand  in  dieser  Weise 
umzudeuten. 

Diese  ErÖrtenuigeD  —  von  S.  511  ab  —  gelten  zunächst 
nur  für  die  zosammeDgesetzten  AUgemeinbegriffe  der 
niedrigsten  Stnfe.  Sie  lassen  sich  aber  offenbar  nnmittelbar 
auch  auf  Allgemeinbegriffe  höherer  Stufen  übertragen, 
wie  dies  hin  und  wieder  schon  beiläufig  angedeutet  wurde. 
Aach  für  diese  besteht  die  Definition  in  erster  Linie  in  der 
Aufzählung  aller  den  anbordinierten  Art-  und  daher  auc^ 
IndividualbegrÜIen  gemeinsamen  Teilbegriffe  (vgl.  S.  512). 
Auch  hier  verwerten  wir  statt  der  ultimalen  Teilbegriffe  oft 
Teilbegriffkomplexe,  auch  hier  geben  wir  einem  bestinmiten 
Teilbegriff  oder  Teilbegriffkomplex  oft  eine  pralate  Stellang 
(S.  513),  auch  hier  werden  die  nicht-gemeinsamen  o-  und 
q-Teilbegriffe  nach  Bedarf  und  unter  ausdrücklicher  Hervor- 
hebung ihres  Charakters  (als  nicht-gemeinsamer  Teilbegriffe) 
mit  znr  Definition  herangezogen  (vgl.  S.  514),  auch  hier  ist 
letzteres  Verfahren  unzulässig,  sobald  der  Allgemeinbegriff 
irgendwie  nach  seinem  skalaren  Charakter  verwertet  wird 
(S.  515),  auch  hier  beschränken  wir  die  Definition,  sobald 
einmal  eine  Skala  zugehöriger  Allgemeinbegriffe  gebildet 
ist,  oft  mit  Vorteil  auf  die  Angabe  des  Genus  proximom  nnd 
der  QKzifischen  Differenz  (vgl.  S.  515  ff.).  Ein  wesentlieher 
Unterschied  liegt  nur  darin,  daß  die  Determination  daroh 
die  spezifische  Differenz  bei  den  Allgemeinbegriffen  der 
niedrigstea  Stufe  (z.'  B.  Wiesensalbei)  bis  aaf  indivi- 
duelle Eigentümlichkeiten  yollstandig  ist,  während  sie  bei 

„.,,„,  ^.oogic 


Ö18      ^-  ''^^''-    ^^  einzelnen  losiscfaen  Gebilde  und  ihre  Gesetz«. 

Allgemembegriffen  höherer  Stufen  (z.  B.  Labiaten)  immer 
unvollständiger  wird.  Viel  Gewicht  wird  man  diesem  Unter- 
schied nicht  beilegen,  wenn  man  eich  erinnert  (vgl.  S.  508, 
Anm.  3),  daß  der  „niedrigste  Allgemeinbegriff",  die  sog. 
Species  infima,  nur  eine  Fiktion  ist,  und  daB  es  uns  allezeit 
freisteht,  noch  einen  niedrigeren  Allgemeinbegriff  zn  kon- 
struieren und  diesen  zwischen  dem  „niedrigsten"  AllgMnein- 
begriff  und  den  Individualbegriffen  einzuschieben. 

Die  Obiektirienins  und  Subslanliaüon  der  höheren  zusammengeselztea 
Aligemeinbegriffe  verfa&lt  sich  ebenso  wie  bei  den  niedrigsten,  vgl  S.  516. 

Historisch  sei  Ober  die  Definition  des  Bcgriflea  im  aUgcmönen 
und  der  einzelnen  Begriflsklassen  noch  folgendes  bemerkt.  Bei  Plato 
beiBt  die  Definition  bzw.  die  Handlung  des  Definierens  ifl(t«9mt  (Riaednu 
366  D,  cp#r  287  D);  das  xoirii'  (nun  jtou-ür  w)  entspricht  etwa  dem  über- 
geordneten Gattungsbegrifi,  die  ita^o^i^s  oder  AofM^s  etwa  der  Difla«iiÜ> 
specifica  (Tbeaet  209  Afl.)-  Vgl.  auch  S,  2*  u.  27.  Vielleicht  war  ri  Piatos 
Zeiten  auch  bereits  der  Terminus  „Uytt"  for  die  Definition  gebräuchlich 
(Jheaet  306 DJ;  insbesondere  wird  dem  Anlisthenes  der  Sats  zugeschrieben: 
ÜyK  inlv  t  *B  ti  i»  i)  Int")  tfi,»«;»  (Diog.  Laert.,  De  vilia  etc.  V^  1,  3. 
ed.  Huebner,  Bd.  2,  S.  2).  Bei  A  r  i  3 1  o  t  e  I  e  s  (vgl.  S.  S2)  finden  sich  fast 
gleichbedeutend  die  Termini  Wyoe")  und  t^ufiis.  Der  Gegenstand  der  Defi- 
nition ist  das  t£  W  ^r  (Jvst  (vgl.  S.  36).  Daher  gibt  er  die  ErkUinmt: 
iftB/Uc  i«i(  Uj/f  S  »  tI  Je  iJrat  a^/tatfur  (Akad.  Ausg.  IGOa  81)*^). 
D«r  in  der  Definition  verwendete  übei^eorduete  GaltungsbegriS  heiSt  yirw, 
di«  Differentia  specifica  Juitpagmt  oder  ädanoüc  Jiuipo^  (vgl  Akad. 
Ausgabe  103  b  u.  143  b).  Jede  Definition  ist  an  die  Kategorien  gebundeo 
(a«i  yä^  li  evftßtpii»ie  xal  rö  yirtt  »al  td  tinr  aai  i  igim/tie  /r  fuf 
Toviaw  war  KBn:y»fiäi'  hrm).  Über  die  Bedeutung  der  cvfiptfiit*it*  b« 
Aristoteles  siehe  S.  M,  Anm.  9.  Die  stoische  Definitionslehn  bedeatct 
insofern  einen  Rackaohritt  gegenüber  der  aristotelischen.  aJs  die  Stoiker  die 
Ddkdtiou  auf  die  zur  Unterscheidung  eines  Gegenstandes  von  anderen  er- 
forderUcben  Merkmale  beschränkten ").  So  wird  z.  B.  dem  Chrrsippu* 
die  Lehre  zngescfarieben :  ön  i^r  larif  j  tau  M»v  ixUoau,  rMtJar»', 
i  ji  Umr  änoM^ir  (vgl.  J.  ab  Arnim,  Stoic.  veL  fragm.,  Bd.  2,  Lips.  IVB, 
S.  76).    Vgl.  auch  S.  464  aber  die  iiuy^avi  der  Stoiker. 

Ifarcianus  Capeila  (vgl.  S.  61)  betont  besonders  schuf  die 
Bedeutung  des  Genus  prozimum  fflr  die  Definition  (De  nupt.  Lib.  4,  g  SM 

31)  Huebner  liest  g  £ri. 

**)  Im  ganzen  ist  aber  iäye  doch  ein  weiterer  Begriff,  nur  im  prkgnin- 
len  Sinn  wird  Uj-v  schlechthin  für  Definition  gebraucht  und  dem  ö^/i»e 
sleicbgeselzt. 

*■)  Die  Paginiening  deq  Akad.  Ausg.  ist  hier  unrichtig,  die  zweite  mit 
160  bezeichnete  Seite  ist  gemeint  (Top.  H,  5).  VgL  auch  Top.  A,  8,  108  b  lund 
KetapliTa.  Z,  4,  1029  b.  Auch  die  BemeAungen  von  Jaeger  in  der  S.  Sl 
alterten  Arbeit  sind  fOr  das  Verständnis  der  Deünitionslehre  in  der  aristo- 
teUsdiea  Metaphysik  zu  beachten.  In  den  Analvt.  post  (90b)  findet  sich 
die  Wendung:  ■<'  i  igM/iit  •vvte«  tie  jmteu/Mt  ■  ■  ■" 

**)  Aristoteles  hatte  diese  M«  vom  Sfia/iie  allenthalben  scharf  ge- 
trennt (vgl.  S.  B6). 


1.  Kapitel.    Die  Lehn  von  den  Besriffen.  5]^9 

«.  849,  ed.  Byesenfaardt,  S.  103  tf.).  B  o  §  t  h  i  u  s  (vsL  5.  51)  iQhrie  die  Mr 
<Us  nJtM  Hittelaller  tnafigebend«  TenunoioRie  der  Definition  ein.  So 
9cb«tnl  z.  6,  die  Bezeichnung  „Differentia  speciSca"  auf  ihn  zurückzugehen 
(Im  PondtTf.  a  se  IranslaL,  ed.  Basil.  Lib.  IV,  S.  81,  ed.  Mime,  Bd.  64,  S.  125), 
and  zwsr  brauchte  er  noch  den  Plural  diflerentiae  specificae  und  setzte  »e 
mit  dea  dtSereatiae  per  se,  d.  h.  den  weaentliches  Difl«renzen  (Gegensatz 
dtHcMoUa«  per  accideus]  gleich  (De  divisione,  «d.  Ba«!.  Lib.  I,  S.  611,  ed. 
Mime  S.  880).  Bemerkenswert  ist  seine  AuseinanderaetEung  Ober  die  Un- 
definteitoadteit  aller  höchsten  Gattungen  (generslisama  genera};  für  solche 
ist  atu  eine  desariptio  (tm^y^M/iic  iiiv*!,  vgl.  S.  46{,  subacriptiva  ratio.  In 
PonAyr.  a  Victorino  translat.,  ed.  Basil,  DiaL  I,  S.  14,  ed.  Uigne  S.  STT]  mAg- 
lich.  Die  wahre  Definition  geht  stets  „a  toto"  aus  (ai(^t  „a  partibus  bzw. 
paitiuiB  ennmeratione"  oder  „a  nota")  und  tritt  in  z^üreichen  Formen  auf, 
derea  B.  unter  Vorbehalt  15  aufzflhH  (De  diffin.  S.  48  «.,  ed.  Higne  S.  801)  ^). 
Oie  Definilionslehre  des  llitlelalters,  insbesondere  der  Scholastik, 
stsad  'gräSlenteils  unter  dem  Einflufi  des  Universal  ienstreits  (v|l.  g  17  ff.). 
Am  bemerkenswertesten  sind  in  der  älteren  Scholastik  die  Erfirterungen  von 
Gil'bcrl  Porretanus  (ad  BoSthium**)  de  Trinitate,  in  Opp.  BoSthii,  ed. 
BasiL  tb?0,  5.  1148)  und  Abaelard  (Liber  divisonum  et  definititmnn^ 
OuTT.  in£d.  ed.  Cousin,  Paris  1886).  Durch  das  Hinzukommen  dei 
TeraäDi  „essentia"  (vgl.  S.  62,  Anm.  11)  und  „quidditas"  (vgl.  S.  69,  77 
o.  41}  Bu  d«n  Tenninus  „sobstantia"  wurde  die  VeiwmTenheit  der  D^- 
mtionriefare  noch  weiter  gesteigert.  Die  EiiUrung  des  Thomas  von 
Aqaino  (Summa  theol.  II,  II,  Qu.  4,  art  1,  ed.  Migne,  Bd.  S,  S.  46: 
„defioitia  indicat  rei  (piidditatem  et  essentiam")  ist  von  ihm  nirgends  klar 
erlMert  worden  (vgl.  S.  77).  Vgl.  auch  De  ente  et  essentia  e.  1:  „Quia 
illiid,  per  quod  res  constituituf  in  proprio  genere  vel  species,  est  quod  stfni- 
Scamua  per  definittonem  indicantem  quid  eet  res^  inde  est  quod  nomen 
easentiafl  a  philosophis  in  nomen  quidditaUs  mutalur."  Ein  wesentlicher 
Fortaohritt  Ober  Aristoteles  hinaus  ist  nicht  erkennbar. 

Ke  partielle  Reform  der  Logä  im  16.  Jahrhundert  durdi  Petrus 
Ramas  (vgl.  S.  91)  hat  an  der  Lehre  von  der  Definition  nur  wenig  ge- 
Aadsrt.  Die  vollkommene  Definition  —  im  Gegensatz  zur  unvollkommenen, 
der  fasdvtio  —  ist  die  „defioiüo  constans  e  solis  causis  essentiam  conati- 
twatäwe:  quales  causae  genere  et  forma  comprehenduntur",  sie  ist  ein 
„univenale  symbolum  causarum  essentiam  rn  et  naturam  constituentium 
C*tL  z.  B.  Dialecticae  Ubri  duo,  I,  SO,  ed.  Francof.  1677,  S.  92  f.).  Jedes  tiefere 
ffiiKehen  auf  das  Wesen  der  Definition  wird  vermifit. 

Die  Logique  de  Port-Royal  gibt  gleichfalls  keinerlei  neue  Auf- 
acUflwe  Ober  die  Definition  (vgl  z.  B.  Partie  I,  Chap.  b,  ed.  Jourdain,  Paris 
IWt  &  46  ff.),  nur  die  Bemerkungen  Ober  die  d^finiUon  de  nom  (I.  c.  S.  71 S.) 
bedeuten  in  methodologischer  Beziehung  einen  Fortschritt. 

Eine  eibebliche  Föfderang  erfuhr  die  Lehre  von  der  Definition  durch 
L  e  i  b  n  i  z  *')-    ^  '">'>  ■<■'(  Recht  hervor  (vgl.  die  BemeAungen  oben  S.  490, 

'*)  Er  schlieBl  sich  dabei,  wie  Prantl  festgestellt  hat,  tast  ganz  an 
Mhos  Tictorinus  an  (Isidorus  Hispal.,  EtTmd.  B,  29,  ed.  Areval.,  Bd.  3, 
S.  lue.    Vgl.  auch  S.  62,  Anm.  2. 

**)  <ät  Boethius  die  Schrift  de  trinitate  verfaSt  hat,  ist  sehr  zweifelhaft. 

*>}  Vgl.  hierzu  Trendelenburg,  Histor.  Beilrage  z.  Philosophie,  Berlin 
18(7,  Bd.  8,  S.  48ir. 


0'^\Q 


520       ^V-  "^^^^    ^^  einzelnen  logUchen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

5U  tut.  Ober  prälate  Teilbeghfle),  daß  Genus  (proidmum)  und  Dififiuitii. 
(si>ecific&}  verUuschbar  sind  (homo  est  animal  nlionale  c=  homo  est  ratinul 
onimale)  >■}.  Auch  yersuchte  er'  unennüdUch  für  die  wichtiBsten  Begcife 
mtrefiende  Definitionen  zu  finden.  Den  Unterschied  zwisctien  Nomiul-  nnd 
Realdefliuiionen  (vgl  unten  S.  686)  charakterisierte  er  durch  den  Satz,  die 
definitio  nominalis  sei  nichts  anderes  als  die  „enumeratio  notanim  suffiden- 
tium",  die  definitio  reaUs  diejenige,  aus  der  „constat  rem  esse  possibilmT. 
Die  bei  der  Realdefinition  in  Betiacht  kommende  HftgUchkeit  (posaiMlitu) 
erkennen  wir  entweder  a  priori  („cum  notionem  resohnmus  in  sua  requisila 
seu  in  alias  notiones  coKnitae  possibilitatis,  nihilique  in  üUs  incomi«- 
tibile  esse  scimus")  oder  a  posteriori  („cum  rem  actu  esistere  experimuO- 
Die  Eausaldefioitionen  (s.  unten  §  106)  redmet  L.  zu  den  apriorischen 
RealdeGnitionen  ").  Chr.  W o  1  f  f  tiat  diese  Lehre  dann  fast  wörtlich  Ob«- 
nommen  (vsl.  z.  B.  Phibaophia  rationalis,  §  IBl).  Dabei  neigt  er  dasu,  das 
sprachliche  Moment  in  der  Definition  in  den  Vontetsnind  üu  stellen:  definilü 
est  oratio,  qua  significatur  notio  completa  atgue  detenninata  (emüno  coidlB 
respondens  (1.  c.  §  11&,  92,  123). 

Kant  weicht  von  dem  Leibniz-Wolffschen  Standpunkt  schon  weemt- 
lich  ab.  Die  Definition  ist  nach  Kant  „ein  zureichend  deutlichem,  und  ab- 
gemessener  Begrifi  (conceptus  rei  adaequatus  in  minirais  terminls,  cob- 
plete  determinatus)"  '"),  und  die  Bealdefinition  ist  diejenige  Definition,  weldia 
ein  klares  Meikmal  in  sich  enthält,  an  dem  der  Gegenstand  iedeizeit  sich« 
erk&nnt  werden  kann,  und  das  den  erid&rten  Begriff  zur  Anwendung  braudh 
bar  macht,  welche  also  „nicht  blo8  einen  Begriff,  aondem  zugleich  die 
objektive  Realität  desselben  deutlich  macht" ").  Au3hlhdld>ff 
spricht  K.  an  anderer  Stelle  *')  von  den  Definitionen.  Definieren,  meint  f-, 
solle  eigentlich  nur  so  viel  bedeuten,  als  den  ausführlich en  Begrifi  eines 
Dinges  innerhalb  seiner  Grenzen  ursprünglich  darstellen.  Unter  ,^os- 
f  ührlichkei  t"  ist  die  Klarheit  und  Zulanglichkeit  der  Merkmale,  unter 
„Grenzen"  die  Präzision,  daB  „deren  nicht  mehr  sind,  als  zum  ausfuhr- 
lichen  Begrifl  gehören,  zu  verstehen  (vgl.  oben  S.  iSS);  „ursprOngJidi"  aber 
bedeutet,  daß  die  Grenzbestimmung  nicht  irgend  woher  abgeleitet  sei  ub{. 
Er  weist  dann  überzeugend  nach,  dafl  eine  Definition  in  diesem  Sinn  «edet 
für  empirisch  noch  für  a  priori  gegebene  Begritfe  mOglich  ist.  Definieiliar 
sind  also  nur  wiilkOrlich  gedachte  Begrifie.  Unter  diesen  sdieiden  aber  nadit 
E.  alle  diejenigen  aus,  welche  auf  empirischen  Bedingungen  beruhen,  da 
man  bei  solchen  wiilkOrlich  gedachten  Begrifien  aus  der  Definition  nicbt 
einmal  entnehmen  k&nne,  oh  sie  überhaupt  einen  Gegenstand  haben.  Zma 
Definieren  taugen  daher  nur  „solche  Begriffe,  die  eine  willkdrliche  Syntheais 
enthalten,  «ekhe  a  priori  konstruiert  werden  kann",  und  mithin  bat  ao 
die  Mathematik  Definitionen.  Die  philosophischen  sogenannten  DefinitioiHi 
sind  nur  „Expositionen"  gegebener  Begriffe,  die  analTlisch  durch  Zergliede- 


^)  Brief  an  Qabr.  Wagner,  Philos.  Sehr.  ed.  Gerhardt,  Bd.  7,  S.  S^ 

'")  Meditationes  de  cogn.,  ver.  et  id.,  ed.  Gerhardt,  Bd.  i,  S.  423  ff. 

w)  Logik,  §  99. 

•')  Krit,  d.  rein.  Vern.,  Kehrb.  S.  225  (in  der  2,  Ausg.  weagelasssB). 
Vgl.  auch  Vaihinger,  Kant-Studien,  Bd.  i,  S.  461.  Es  scheint  mir  Ohriieas 
unzweifelhaft,  daß  das  „Deutlichmachen  der  Realität"  erheblich  Ober  die 
auerst  gegebene  Erklärung  hinausgeht 

M)  Krit.  d.  rein.  Vern.,  Kehrt),  S.  568,  Erdm.,  5.  Aufl.,  S.  M5, 


OC^IC 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  dea  BesrUIeD.  521 

nnt  (deren  VoUsUUidiglceit  nicht  apodiktisch  sewiB  ist)  zustande  eebracht 
werden.  0er  Fortschritt,  der  in  diesen  Kantschen  DarleKimgen  geKenflber 
dem  Leilmiz-Wol&scfaen  Standpunkt  liegt,  ist  unverkennbar.  Dagegen  vei- 
miBl  man  noch  immer  eine  psTchologische  und  kigiscbe  Erforschung  der 
Zenüederuiw,  welche  in  der  Definition  bzw.  Exposition  vorliegt.  Außerdem 
ist  die  Einmengung  der  Wirklichkeitslrage  zu  beanstanden;  ob  die  Definition 
eiDen  Gegenstand  hat  (Kant  meint  einen  wirklichen  Gegenstand),  ist 
erkenntniatheoretisch  und  für  die  Verwertung  dee  Definitionen  interessant. 
bat  aber  mit  dem  Wesen  der  Definition  nichts  zu  tun. 

Fries  (System  der  Logik,  Heidelb.  1811,  S.  270,  2.  Aufl  1819,  S.  2B1), 
IJeberweg  (System  der  Logik  usf.,  Bonn  1882,  5.  Aufl.,  §  60,  S.  165), 
D  Q  h  r  i  n  g  [Logik  u.  WissenschafUtheorie.  Leipzig  1878,  1,  1,  1,  S.  11)  u.  a. 
haben  den  systematischen  bzw.  geordneten  Charakter  der  Definition  l)esou- 
ders  betont. 

L  o  t  z  e  **)  stiimnt  mit  Kant  darin  tiberein,  daB  fast  nur  die  mathema- 
tischen Begrifle  sich  eindeutig  aus  einer  bestimmten  Anzahl  eindeutiger  Teil- 
voretellungen  durch  Konstruktion  entwickeln  lasseiL  In  bezug  auf  Gegen- 
stände der  Wirklichkeit  „schw&cbt  sich  die  Konstruktion  zur  Beschreibung 
ab"  (1.  c.  S.  197),  und  fOr  wissenschaftliche  Zwecke  wird  das  beschrelbenda 
Verfahren  durch  die  Definition  geregelt.  Die  Definition  kann  daher  zunächst 
als  „methodische  Beschreibung"  bezeichnet  werden.  Im  praktischen  Gebrauch 
beacfaränkt  sie  sich  iedoch  oft  darauf,  auBer  dem  Genus  proximum  nur  das 
Kennzeichen  namhaft  zu  machen,  dureh  welches  sich  der  Gegenstand  von 
allen  anderen  Arten  derselben  Gattung  unterscheidet.  Der  nachdrackliche 
Hinweis  auf  die  Abhfineigkdt  der  DeSnitionsweise  von  der  jeweiligen  An- 
wendung im  praktischen  Denken  ist  ein  besonderes  Verdienst  Lotzes.  Es 
ist  nach  Lotze  nicht  die  Aufgabe  der  Logik,  ihrer  Begriffsform  stets  nur 
.  diejenige  „auserlesene  Füllung"  zu  geben,  welche  die  Erkenntnis  der  wesent- 
lichen Natur  des  (legenstandes  ausdrückt;  vielmehr  kann  es  je  nach  Wahl 
des  Standpunktes  verschieden  gleich  richtige  und  gleich  fruchtbare  logische 
Begriffe  desselben  Gegenstandes  geben  "). 

Vielfach  machte  sich  auch  im  19.  Jahrhundert  die  Neigung  zu  einer 
nominalistischen  Auffassung  jeder  DeSnitian  geltend.  So  erklärt  I.  Stuart 
Hill**):  „The  simplest  and  most  correct  nolion  of  a  Definition  ia,  a  pro- 
position  declaratory  oC  Ihe  meaning  of  a  word."  In  Deutschland  hat  Chr. 
Sil  wart  diesen  Standpunkt  am  klarsten  vertreten.  Er  behauptet*^: 
„Eine  Definition  iafelD  Urteil,  in  welchem  die  Bedeutung  eines  einen 
Begrifi  bezeichnenden  Wortes  angegeben  wird,  sei  es  durch  einen  Ausdruck, 
der  diesen  BegritT  in  seine  Heriuoale  zerlegt  zeigt,  wodurch  also  der  Inhalt 
des  Begriffs  vollständig  dargelegt  wird,  sei  es  durch  Angabe  der  nächst- 
höheren  Gattung  und  des  aribildeaden  Unterschieds,  wodurch  seine  Stellung 

")  Vgl.  Logik,  Leipzig  187*,  Buch  3,  Kap.  1,  g  IH  R.  (Neudruck  Leipzig 
1912,  S.  192  f[.).  Es  ist  auch  bezeichnend,  daQ  Lolze  seine  Deflnitionslehra 
in  dem  Alischnitl  „Vom  Untersuchen"  (in  der  „Angewandten  Logik")  vor- 
tragt   Vgl.  S.  498. 

**)  L.  c.  Buch  1,  Kap.  1,  g  27,  S.  45. 

*')  A  System  of  logic,  ratioc.  and  induct.,  London,  3.  Aufl.  1861,  I,  8,  1, 
S.  IBl. 

**)  Logik,  2.  Aufl.  Freiburg  1889,  Bd.  1,  §  44,  S.  970,  GoeiUnger  geL 
Anz.  IBBO,  Bd.  1,  Nr.  2,  S.  49—65. 


tY^IC 


522       IV-  Teil    Die  etaa^Bep  logiaehen  Gabilde  imd  ihre  Geaetee. 

im  iMTdiieten  Systeme  der  BegriHe  uisegebea  wird."  Jede  kgisdie  Defi- 
nition ist  daher  nach  S.  eine  Nominaldefinition,  die  Forderung  einet  Beai- 
definition  beruht  auf  der  VermiachuDg  der  metairiiy siechen  und  dev  lociadei 
Anfgatwn.  Die  Unrichtigkeit  dieser  M«inunK  Sigwarts  seht  schon  daraus 
harvor,  da£  beispielaneiBe  der  Uathematiker  sehr  wohl  eine  Fieat,  die  er 
zochnet  oder  aocar  nur  denkt,  definieren  kann  (z.  B.  durch  eine  GleidumcX 
ohne  ihr  einen  Namen  zu  geben,  daß  der  Zoologe  eine  neue  Spezies  adnü- 
gerecht  definieren  kann,  ohne  sie  zu  benennen  usf.  Der  spezielle  Inhatt 
jeder  Definition  ist  selbstverstAndlich  translogisch  (metaphysiacb  oder  enuii- 
riicb],  aber  die  allgemeine  Definilions  f  o  r  m  ist  logisch,  mag  der  deMeile 
Q«8enstuid  benannt  sein  oder  nicht  *^).  W  u  n  d  t  gibt  m  ^*),  dafi  jede 
Definition  „zunächst  eine  Worterklärung"  ist,  weist  aber  dann  gleichfalls  mt 
guten  Gründen  nach,  daß  „die  bloBe  Worteiklärung  kein  Gegenaland  logiscfaH 
Untersuchung  ist",  sondern  daB  diese  sich  nur  mit  Healdeflnitionen  zu  be- 
schäftigen tiat;  dabei  versteht  er  unter  Realdeflnitionen  „solche  De£nitioDea, 
durch  welche  die  Stellung  eines  Begriffs  innerhalb  eines  allgemeinen  Zu- 
sammeniiangs  von  BegriRen  bestimmt  wird". 

Die  neueren  Versuche**),  in  Anlehnung  an  die  aristotelisdie  Aul- 
laasung  (J^m^m-  ^=  aiflmf  yyuQMftis)  die  Definition  mit  der  Angal»  all« 
„wMmtlichen"  Merkmale  des  Begriflgegenstanda  rieichzuBetzen,  sind  an  der 
Unbestimmtheit  des  Ausdrucks  „wesentlich"  gescheitert. 

Ke  Beziehung  der  Definition  zum  Urteil  ist  in  neuerer  Zeit  namenl- 
lid  von  Rickert  untenucht  worden.  Er  unterscheidet  die  Bvntbetisdw 
und  die  analytische  Definition  **).  Erstere  ist  der  Akt  des  Definierens,  dntch 
welchen  ein  BegriQ  aus  Heikmaleu  zusammengesetzt  wird,  und  wekW  cur 
durch  Urteile  zustande  kommen  kann,  letztere  der  Akt  des  Definierens,  dmcb 
wichen  ein  Begriff  in  seide  Merkmale,  also  in  Urteile  zeriegt  wird.  Gtgen 
diese  Auffassung  ist  einzuwenden,  daB  es  nicht  Qblidi  ist,  die  BecnSd»!- 
dung  als  Definition  zu  bezeichnen,  und  daB  es  sdiweriich  zweckmt&i(  istt 
plötzlich  dem  Wort  Definition  solche  viel  weitere  Bedeutung  zu  <ebea- 
Rick  er  ts  synthetische  Definition  ist  keine  Definition  im  hergebcacbioi 
Siaa  (vgl.  jedoch  auch  S.  a38).  Sodann  ist  eu  beanstanden,  dafi  jede 
Zeriegung  in  Merkmate  bzw.  Urteile  als  analytische  DefiniliDn  bezeichnet 
wird.  Nach  der  oblichen  Auffassung  und  auch  nach  der  hier  entwickeUen 
Lehre  (vgL  S.  töt)  ist  nur  die  Zerlegung  in  konstante  und  bestimiate  Uetk- 
mala  eine  DefiniÜon.  Auf  die  Beziehung  der  Definition  zu  Urteilen  wird 
erst  unten  näher  eingegangen  werden.  Hier  sei  nur  erwähnt,  daB  R.  zu  ton 
ErgetaiiB  kommt,  der  Begrill  sei  eigentlich  nichts  anderes  als  ein  Urteil  in 
einer  eigentOmlichen  Form,  der  Begrifi  „sei  etwas  von  den  ihn  tuldenden 
Urteilen  dem  logischen  Gehalt  nach  nicht  Verschiedenes"  *'),  er  bestehe,  so- 
weit er  definiert  bzw.  definiertwr  ist,  aus  Urteilen  ").   L'brigens  macht  dabei 


>')  Vgl.  hierzu  auch  H.  Rickert,  Zur  Lehre  v.  d.  Definition,  ä.  Aufl., 
TOfaingfln  1915,  S.  32  ff.  u.  TS. 

**)  I*gik,  %  Aufl.,  Stuttgart  18M,  Bd.  S,  AbL  1^  S.  41. 

»)  Vgl.  z.  B.  Ueberweg,  System  der  Logik,  Bonn  1S82,  b.  Aufl.,  S.  U7 
u.  165  (siehe  jedoch  auch  S.  169  Ober  die  „Eseential-D^nition"  im  beson- 
deren). 

*•)  L.  c.  S.  58fl. 

"}  L.  c  S.  60  u.  66. 

**)  L.  c.  S.  69.    Vgl.  hierzu  dies  Wert  S.  »1  u.  368tl. 


_.ooglc 


^^^  1.  KKpitel.    Die  Lehre  von  den  BeinfieiL  523 

BickeTt  selbst  den  Vorbehalt,  dsB  diea  nur  silt,  wenn  man  das  Urteil 
Jm  Sinn  der  Tradition  für  eine  Vorstellungssynthese  halte",  während  nach 
seiner  AnlfassunK  bei  jedem  Urteil  zu  der  VontellunssbeziehunK  als  neues 
MoDMDt  noch  ein  Ja  oder  Nein  gehöre  (tsI.  dieses  Werk  %  7b).  Der  Sprache 
näBl  auch  R.  aul  Grand  seines  Standpunktes  eine  sehr  hohe  Bedeutung  zu: 
J)as  Wort  allein  bildet  die  Einheit  (sc  bei  einem  definierten  Begritf,  dessen 
wesentlicher  Gehalt  Ton  Anschauung  frei  ist)  und  täuscht  darOber  hinweg, 
daB  man,  abgesehen  von  der  Sprach^  nur  Urteile  vor  sich  hat,  die,  aus- 
difl<±lieh  vollzogen,  die  Form  von  Sitzen  annehmen  müssen"  **).  Die  Unter- 
scheidung zwischen  Nominal-  und  Healdefinitionen  will  R.  voUstindig  lallen 
lassen. 

Sehr  «erbreitet  ist  die  Ansicht,  dafl  die  Lehre  von  der  Definition  ganz 
oder  im  wesentUchen  der  Methodenlehre  der  Logik  zufalle.  Hiergegen  ist 
einzuwenden,  daß  das  Wesen  und  die  Bedeutung  der  Derinition  von  den 
methodologi sehen  Vorschriften  zur  Herstellung  bzw.  Auffindung  von  Defi- 
nitionen «ans  unabhängig  ist,  vielmehr  als  Grundlage  für  diese  Vorschriften 
zu  dienen  hat. 

Weitere  Spezialliteratur  zur  ^Ifemeinen  Lehre  von  der  Definition: 
E.  Gb.Senecke,  Hind  1881,  Bd.  6,  S.  &80. 
C.  Bray,  Psrchological  and  ethical  definitions,  London  1ST9  *. 
W.  L.  Davidson,  The  logic  of  deßnifion,  London  1B86*. 
E.  Essen,  Die  DeflnilioQ  nach  Aristoteles,  Stargard  18M. 
L.  Liard,  Des  döGnitions  g£omätriq:ues  et  des  d^nitions  empiriques,  Paris 

1&38,  2.  AuL  1688. 
G.  N  0  €  1 ,  La  philos.  posiUve  1868,  Bd.  %  S.  421  (mathematische  Defini- 
tionen]. 
B.  Rethwisch,  Der  Begriü  der  Definition  usf.,  Leipzig  1880. 
Fr.    Phil.    Schlosser,    De   cautione    philosophica    circa    definitiones. 

Tuen*.  1725  •. 
A.  T.  Sbearman,  Definition  in  symbolic  logic,  ^ind  ISIO,  N.  S.  Bd.  19, 


%  98.  ZtuamtneBtaweade  (3i«r^terlstlk  der  loglwlien 
DeB>ltioa.  Scbltefere  BeatfannuiDf  ^niger  HMipteicen* 
sduttteii  der  BegrUPe.  M&ohdem  in  ^'  94 — 97  die  DefinitioD 
der  einzelnen  Begriff skategtmen  erörtert  worden  ist,  kann 
nonmetur  zusammenfassend  das  Wesentliche  des  logi- 
aebea  Definitioosverfahrens  fol^endermaBen  charakterisiert 
wNtkn.  In  jeder  Definition  wird  ein  Begriff  in  konstante 
(noQQsJisierte)  und  bestiomite,  irrednzible  Teilbegriffe  (be- 
griffliche Iferkmale)  zerlegt  (S.  484  n.  485).  Als  Teilbegriffe 
w-erdMi  an»  d«i  S.  487  ff.  angegebenen  Gründen  Ailgemein- 
liegarilEe  verwertet,  so  daS  die  Definition  den  Charakter  der 
Zerlegung  in  Ailgemeinbegriffe  bekommt.  Oft  köuneD  nicht 
all«  Teiibegriffe  angegeben  werden,  sondern  nor  diejenigen, 

")  U  c.  S.  72. 


524      ^'  '^^>''    ^^  flinzelneD  losischen  G^ide  und  Um  G«eeUe. 

welche  ZOT  ünterscheidanff  von  anderen  —  teils  zn  derselben 
Gattung,  teilB  zn  anderen  Oattnngeo  gehörigen  —  in  Be- 
tracht kommen  tmd  insofern  wesentlich  sind  (S.  490  n. 
503).  Da  die  in  Betracht  kommenden  Teilbegriffe  sich  nie- 
mals völlig  übersehen  lassen,  so  ist  jede  Definition  in  diesem 
Sinn  vorläuSg  und  unvollständig.  In  die  Deflnitiui  der 
Kontraktionsbegriffe  und  der  ÄUgemeiabegriffe  werden  nat^ 
Bedarf  auch  die  nicht  gemeinsamen  —  nur  ähnlichen  oder 
sogar  gänzlich  verschiedenen  —  Teilbegrifie  aufgenommen. 
Unzulässig  ist  dies  Verfahren  bei  der  Definition  von  Allge- 
meinbegriffen,  wenn  letztere  in  ihrer  skalaren  Bedeatong 
(S,  515  u.  526)  verwendet  werden.  Unter  den  in  der  Defi- 
nition angegebenen  wesentlichen  Teilbegriffen  werden  einige 
oder  auch  nur  einer  meistens  den  anderen  wegen  seiner  be- 
sonderen Bedeutung  für  den  jeweiligen  Untersachnngszweek 
als  prälat  den  übrigen  (rezessiven)  übergeordnet 
(S.  490,  504,  513).  Zur  Äbkürzmig  der  Definition  werden 
meistens  die  Teilbegriffe  nicht  einzeln  aufgezählt,  sondern 
zu  Komplexen  zusammengefaßt  (S.  486,  512).  Dies  gilt 
auch  für  die  prälaten  Teilbegriffe.  Ais  prälater  Teilbegriff- 
komplez  wird  in  der  Regel,  spweit  angängig,  der  nächst- 
höhere  Gattungsbegriff,  das  Genus  proximnm  gewäblt 
(vgl.  S.  490  u.  510  ff.).  Die  weiteren  Teilbegriffe  werden  als- 
dann 60  gewählt,  daß  sie  den  zn  definierenden  Begriff  von 
anderen  Begriffen,  soweit  möglich,  von  allen  anderen  Be- 
griffen derselben  Gattung  zu  nnterscheiden  gestatten.  In 
diesem  Sinn  können  sie  als  Differentia  specificszn- 
sanunengefaßt  und  dem  Genus  proximum  gegenübergestellt 
werden  (S.  516).  Durch  die  Differentia  speciflca  wird  das 
Genus  proximnm  determiniert  (S.  516).  Die  Definition 
wird  femer  von  dem  Begriff  durchweg  auf  seinen  Gegen- 
stand übertragen  (Objektivierung).  Den  Teilbegriffen, 
in  welche  der  Begriff  bei  der  Definition  zerlegt  worden  ist, 
ordnen  wir  gedachte  Teilgegenstände  des  gedachten  Gesamt- 
gegenstandes  zu  (objektivierte  Merkmale,  Zerlegnngsgegen- 
stände,  S.  495,  500,  505,  516).  Mit  der  definitorischen  Zer- 
legnng  verbindet  sich  endlich  in  der  Begel  eine  Substan- 
tiation  (8.  496,  501,  505,  516),  insofern  wir  sowohl  dem 
Begriff  wie  seinem  gedachten  Gegenstand  einen  Träger 
seiner  Merkmale,  eine  „Substanz"  unterschieben  (begriffltehe 
Substanz  bzw.  objektivierte  Substanz).  Demgemäß  sprecbea 
wir  von  einer  begrifflichen  Inhärenz  zwischen  der 


OgIC 


i.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Beghften.  525 

b^:rifflich«D  Substanz  ond  den  begrifflichen  Merkmalen  and 
von  einer  objektivierten  Inhärenz  zwischea  der 
objektivierten  Substanz  ond  den  objektivierten  Merkmalen 
(v^h  S.  496,  505,  517).  Sobald  Ällgemeinbegriffe  in  ge- 
nügender Zahl  gebildet  sind,  ergibt  sich  eine  Stufen- 
leiter der  AllgemeinbegritFe ')  w',  w"...,  W,  w""^'...,  io 
der  jeder  ÄUgemeinbegriff  w"  dem  folgenden  w*"*"'  subordi- 
niert bzw.  dieser  jenem  superordiDiert  ist  und  jedem  w°  ein 
oder  mehrere  w"  (wi",  Wi",  w»"...)  als  zu  demselben  w"*'  ge- 
hörig koordiniert  sind  (vgl.  S.  511  ff.).  Dem  niedrigsteu  All- 
gemeinbegritf,  soweit  ein  solcher  sich  überhaupt  fixieren  laßt 
(vgl.  S.  508,  Anm.  3),  also  dem  w'  sind  nur  Individualbegriffe 
Wi",  Wi",  Ws"  nsf.  subordiniert. 

Auf  Grtmd  dieses  deßnitorischen  Verfahrens  gestatten 
nun  auch  die  Vorstellungseigenschaften,  welche  S.  354  fr. 
ohne  Bäcksicht  anf  die  normalisierenden  Definitionen  rein- 
psychologisch als  Fülle,  Belegung,  Spannung,  Umfang  und 
Höhe  bezeichnet  nnd  vorläufig  charakterisiert  worden,  eine 
etwas  schärfere  Bestimmnng. 

Als  Fülle*)  wurde  der  quantitative  Index  der  gesamten 
altimalen  Teilvorstellungen  bezeichnet  (S.  357).  Vom  Stand- 
punkt des  jetzt  erörterten  Definitionsverfahrens  treten  an 
Stelle,  der  gesamten  ultimalen  Teilvorstellungen  die  in  die 
Definition  aufgenommenen  ultimalen  Teilbegriffe  unter 
Ansschluit  aller  reduziblen  Teilbegriffe  (S.  485).  Da  es  her- 
kömmlich ist,  aftch  unter  dem  Begrifisinhalt  (vgL  S.  470  n. 
495)  in  prägnantem  Sinn  nur  die  defioitorisch  ver- 
werteten Merkmale  zu  verstehen,  so  kann  aneh  von  dem  jetzt 
erreichten  Standpunkt  aus  festgehalten  werden,  daß  die 
Fülle  der  Qoantitative  Index  des  Begriffsinhalta  ist. 

Als  Belegung  einer  Eontraktionsvorstellung  wurde 
in  der  psychologischen  Grundlegung  (S.  358)  die  Gesamtheit 
ihrer  fundierenden  Fluxionsvorstellungen,  als  Belegung  einer 
AUgemeinvorstellung  die  Gesamtheit  ihrer  fundierenden  In- 
dividualvorstellungen  bezeichnet  Dieser  Terminus  kann  in 
ganz  unveränderter  Bedeutung  auch  auf  die  definierten  Be- 
grille  übertragen  werden.     Wichtig  ist  die  Belegung  vor- 


>)  ¥aSiB  es  sidi  um  zusammengesetzte  Allgemeinbesriae  handelt,  ist 
statt  V  QberaU  W  zu  setzen  (siehe  S.  SIS,  Anm.  6  u.  S.  S)7). 

1)  Hit  der  plenitudo  von  Crousaz  (Loeicae  STStema,  Genevae  17S{, 
S.  667)  bat  sie  nichts  zu  tun. 

„.,,„,^.oogic 


526      ^-  Teil.    Die  einzelnen  lotischen  Gebilde  und  ihre  Gwetze. 

zngBweise  für  die  Entetehnng  and  Beglanbigimg  eines  Be- 
griffs. 

Ais  Spannung  warde  in  der  psychologiscfaen  Orand- 
legnng  der  0rad  der  Kontrabtion  einer  KontraktionsvoTstel- 
long  nnd  der  Qrad  der  Generatisation  einer  AUgemeinTor- 
stellong  bezeichnet  Sie  wurde  gemessen  dan:h  das  Verhält- 
nis der  reprimierten  nnd  ganz  weggelassenen  Teilrorstel- 
lungen  der  einzelnen  Flnsions-  bzw.  IndividaalTorstellnngeii 
zn  den  in  die  Vorstellnng  aufgenommenen  (vgl.  S.  359).  Da 
im  Bereich  der  Begriffe  nur  Tollständige  Ausschaltungen, 
keine  Bepreasionen  in  Betracht  kommen,  kann  die  Spannung 
eines  Kontraktions  begriffs  bzw.  eines  Allgemein- 
begriffs  einfach  als  das  numerische  Verhältnis  der  aus- 
geschalteten zu  den  in  die  Definition  anfgenommeuen  Teil- 
begriffen aufgefaßt  werden. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  endlich  die  Übertragung 
der  in  der  psychologischen  Grundlegung  als  Umfang  be- 
zeichneten Vorstellungseigenschaft  (vgl.  S.  359)  auf  die  defi- 
nierten Begriffe.  Wie  dort  erörtert,  kommt  ein  Umfang  nur 
den  AllgemeinTOrstellungen  zn  und  ist  nichts  anderes  als 
die  Gesamtheit  der  einer  AlIgemeinTorstellnng  nntergeord- 
neten  Allgemeinvorstelinngen.  Auf  Gnmd  des  ümftmgB 
konnten  wir  eine  Stufenleiter  der  Allgemeinvoretellongen 
w',  w",  w"', . . .,  w",  w°*'  usf.  *)  aufstellen,  dergestalt,  daß  jede 
AlIgemeinTorstellnng  in  den  Umfang  der  folgenden  fällt. 
Auf  psychologischem  Gebiet  kommt  eine  solche  Skala  kanm 
jemals  scharf  ausgeprägt  zustande,  weil  die  tatsächlichen 
Allgemeinvorstelinngen  zn  unbestimmt  sind.  Infolge  der 
reprimierten,  weder  vollständig  ausgeschalteten  noeh  voll- 
ständig aufgenommenen  TeivorsteUungen  bleibt  ihr  umfang 
stets  mehr  oder  weniger  unbestimmt  und  die  Aufstellung 
einer  Skala  bzw.  die  Einordnung  in  eine  Skala  stete  proble- 
matisch. Dies  ändert  sich  durchaus,  sobald  die  Allgemein- 
vorstelinngen zu  Allgemeinbegriffen  normalisiert  und  die 
letzteren  durch  Definitionen  fixiert  sind.  Zahlreiche  Skalen 
von  Allgemeinvorstelinngen  ergeben  sich  dann  unmittelbar 
ans  den  Definitionen.  Die  Termini  ,,8ubor diniert", 
„s u p e r 0 r d i n i e r t"  und  „koordinier t",  welche  für  die 
Vorstellungen    nur    vorläufig   und    ohne    exakte    Verwirk- 


OgIC 


1.  Kapitel-    Die  Lehre  vod  den  Begriflen.  527 

lichnngsmöglichkeit  eingeführt  wurden  (vgl.  S.  333  a.  359), 
bekommea  jetzt  im  begrifflichen  Gebiet  für  alle  Allgemein- 
begrüfe  eine  eeharie  Bedeutung  (vgl.  S.  511  ff.  u.  525)  imd 
können  exakt  verwendet  werden.  Dasselbe  gilt  von  der  S.  361 
besprochenen  Höhe  der  Allgemeinvorstellungen.  Sobald 
die  Skala  festgelegt  ist  und  der  Begriff  dank  seiner  Defi- 
nition in  der  Skala  eingeordnet  ist,  ist  anch  seine  Höhe,  d.  h. 
die  Zahl  der  (Jeneralisationsstufen,  welche  zwischen  den  sob- 
erdinierten  Individualbegriffen  und  ihm  selbst  liegen,  ein- 
deutig bestimmt.  Nur  insofern  bleibt  auch  auf  begrifflichem 
Gebiet  die  Höhe  willkürlich,  als  ich  die  Skala  durch  Ein- 
fichiebong  von  Zwischenstufen  (ünterfamilien,  Unterordnun- 
gen usf.,  vgl.  S.  361,  508  n.  518)  erweitem  kann. 

Der  Unterscbied  zwischen  BeleguDg  und  Umfang  ial  sehr  schart,  inso- 
fern «Tstere  sich  nur  auf  bekannte  Vorstellungen  (Belegung  mit  bekannten 
Voralellimsen]  erstreckt,  letzterer  tranagressiv  iat  (vgl.  S.  335,  360,  47fi). 
Weniger  scharf  ist  et  bezüglich  des  individuellen  Charakters  dei  die 
Belegung  und  des  generellen  der  den  Umfang  bildenden  Vorstellungen  (vgl. 
S.  358  IL  S60).  Immerhin  läBt  er  räch  auch  nach  dieser  Richtung  sicher 
bestiDunen,  ao  lange  man  unter  einer  Art  nur  qualitativ  völlig  überein- 
stimmende Individuen  zusammenfallt,  die  sich  voneinander  lediglich  durch 
ihre  iftumlich- zeilliche  Lage  unterscheiden  (Beispiel:  Wassersloffatome,  vgl. 
S.  333  u.  358).  Die  Zahl  der  bekannten  Individuen,  d.  h.  eben  die  Be- 
legung iat  dann  for  den  Umfang  des  AUgemeinbegrilfs,  wie  wir  ersteren  be- 
stimmt haben,  völlig  gleichgültig.  Dies  lindert  sich,  sobald  wir,  wie  dies  Qb- 
licfa  ist,  auch  qualitativ  etwas  verschiedene  Individuen  zu  einer  Art  ver- 
einigen (Beispiel:  die  unter  sich  durchweg  etwas  verschiedenen  Exemplare 
der  Wieaensalbei) *].  Offenbar  bekommt  in  diesem  Fall  die  Belegung,  so- 
weit sie  qualitativ  etwas  verschiedene  Individuen  lunfaSt,  hinsichtlich 
dieser  belegenden  Vorstellungen  einün  ähnlichen  Charakter  wie  der  Umfang. 
Wie  sich  der  Umfang  des  G  a  1 1  u  n  g  s  begriffa  Wll  nach  der  Zahl  der  A  r  t  - 
veischiedenheiten  (W^I,  W,^l,  W,I  usf.)  bemiBt,  go  bemiBt  sich  die  Belegung 
des  Artbegriffs  Wl,  wenn  man  zur  Belegung  nur  die  qualitativ  irgendvie 
versctiiedenen  Tndividuatbegriffe  rechnet,  nach  der  Zahl  solcher  Individual- 
verscliiedenheiten.  Selbstverständlich  betrifft  diese  Analogie  lediglich  eine 
Beziehung  zwischen  dem  Untergeordneten  und  Obergeordneten ;  nur  ein 
minder  bedeutsamer  Unterschied  zwischen  Belegung  und  Umfang  (vgl.  S.  8fi6 
u.  360)  —  nUmlich  der  individuelle  Charakter  der  zur  Belegung  und  der  gene- 
relle der  zum  Umfang  gehörenden  Begritfe  —  verliert  hierdurch  an  Sch&rfe. 
Ich  werde  im  fotgenden,  wenn  die  Erörterung  zu  schärferen  Unterscheidungen 
nötigt,  die  beiden  soeben  charakterisierten  Formen  der  Belegung  als  homo- 
gene uiicl  variative  Belegung  unterscheiden.  Die  Wasserstoffatome 
geben  ein  Beispiel  fOr  homogene  Belegung  (des  Ailgemeinbegriffs  „Wasser- 
Atoflatom"),  die  unter  sich  etwas  verschiedenen  Exemplare  der  Wieaensalbei 
ein  Beispiel  für  variative  Belegung  (des  Allgemeinbegrifis  Wiesensalbei). 


*)  Schiebt  man  noch  VarietSlen  ein,  so  Sndeit  sich  prinzipiell  an  dieser 
ÜbeilegnnB  nichts. 

„.,,„,^.oogic 


528       '^-  "^^^^    ^^  einzelDra  logbcben  Gebilde  and  ihre  Gesetze. 

Die  wütive  Beletunc  ist  dem  Umfani  näher  verwandt  Diese  Venreixit' 
Schaft  wird  besonders  einleuchtend,  wenn  man  beiknkt,  daB  eine  medrigal« 
Art,  wie  bereits  wiedeiholt  betont  wurde,  in  den  Fällen  variatrrer  ßelcsuni! 
nicht  existiert.  Es  steht  mir  beispielsweise  immer  frei,  die  Terachiedeoen 
Exemplare  der  Wieseosatbei  nochmals  in  Gnippen  ant  Grand  BemeinsaiiKr 
V^vchiedenheiten  zusammenzuordnen  und  so  Unterarten  (Vanet&tea)  zu 
bilden.  Dabei  wird  dann  dasjenige,  was  vorher  Tariative  Belentng  war,  zum 
Teil  in  den  Umfant  des  Begrifies  hineingezogen.  So  wird  es  audi  Terstind- 
lich,  daS  in  der  logischen  Literatur  noch  heule  die  variative  Belegung  zu- 
weilen schlechthin  zum  Umfang  des  Begrifles  gerechnet  wird.  TgL  auch  die 
lolgenden  historischen  Bemeifamgen  und  §  115.  Das  zweite  entscheideDde 
Ueifcmal  des  Umfangs  gegenOber  der  Belegung,  seine  Tiansgression  (tiI- 
%  72}  wird  durch  diese  Erörterung  Oberhaupt  nicht  berührt. 

Zwischen  Inhalt  and  Umfang  besteben  gesetzmäßige  Be- 
ziehnngen.  Man  drückt  diese  gewöhnlich  dnrch  den  Satx 
ans:  Je  größer  der  Inhalt  eines  Allgemein- 
begriffg,  um  so  kleiner  sein  umfang.  In  der 
Tat  leuchtet  ein,  daß  jede  Hinznfügnug  eines  weiteren 
Merkmals  znr  Definition  eines  Ällgemeinbegriffs  W  oder 
—  antjers  ausgedrückt  —  jede  Herabsetzung  der  Höhe  des 
ÄlIgemeinbegrifFs  W  am  eine  Stufe  notwendig  die  Aub- 
scheidnng  aller  derjenigen  dem  letzteren  subordinierten  Be- 
griffe Wj"-',  Wj"~',  Ws""'  nsf.  nach  sich  zieht,  welche  dieses 
neue  Merkmal  nicht  haben,  und  daher  mit  einer  Verkleine- 
rung (Einengung)  des  Umfangs  des  Begriffes  W"  notwendig 
verknüpft  ist  (z.  B.  zu  "Wj^.  In  nmgekefartem  Sinn  wirkt 
die  Weglassung  eines  Merkmals.  Eine  Ausnahme  erleidet 
diese  Regel  selbstverständlich  dann,  wenn  das  hinzugefügte 
Merkmal  ohnehin  allen  subordinierten  Begriffen  W°~'  zukam 
bzw.  wenn  koordinierte  Begriffe  ohne  das  weggelassene 
Merkmal  nicht  denkbar  sind.  Offenbar  ist  übrigens  diese 
Ausnahme  nur  scheinbar;  denn  in  dem  Falle,  der  die  Aus- 
nahme bilden  soll,  hätte  offenbar  das  hinzugefügte  Merkmal 
schon  in  die  Deflnition  von  W  aufgenommen  werden  müssen 
und  vice  versa. 

Maßgebend  ist  stets,  daß  die  Quantität  des  Umfangs 
munittelbar  von  der  Zahl  der  Gegenstände  (im  logischen 
Siun)  abbängrt,  während  die  Quantität  des  Inhalts  (die  Fülle) 
durch  die  Zahl  der  Merkmale  bestimmt  wird. 

Das  Verhtltnis  zwischen  Inhalt  und  Umlang  wird  mweilen  auch  durch 
folgenden  Satz  ausgedrückt:  Die  Merkmale  eines  AUgemeinbegiiffs  W  tnlden 
seinen  Inhalt,  diejenigen  Begrifle  aber,  deren  UeAmal  er  selbst  ist,  seioea 
Umfang.  So  kann  z.  B.  der  Begriff  „Wirbeltiei''  durch  eine  Reihe  von  Ueit- 
malen  definiert  werden,  die  zusammen  seinen  Inhalt  darsteileu;  andreiseits 
bilden  diöenigen  BecriBe,  denen  das  Merkmal  „Wirbeltier"  zukommt,  also 


"S" 


1.  Kapitel.    Die  I.eU«  von  den  Begriffen.  529 

etwa  Säugetiere,  Vögel,  Reptilien,  Amphibien,  FiKhe,  nach  diesem  Satz  den 
VmlABg  des  Beeriffes  „Wirbeltier".  Nun  gibt  olfenbar  die  erste  Hälfte  des 
Stt»a  lichlig  ao,  was  wir  unter  Inhalt  verateheo,  dagegen  ist  die  zweite 
Büße,  wenn  sie  den  Umfang  definieren  soll,  MiBvcrst&ndnissen  ausgesetzt. 
Der  Begritl  „Wirbeltier'*  darf  nftmlich  nicht  ohne  weiteres  als  Merkmal 
der  Begriffe  „S&ugetiere,  Vögel"  usf.  betrachtet  werden.  Als  Merkmal 
kann  nur  der  Besitz  (das  Haben)  einer  Wirbelsäule  selten.  Erst  wenn 
man  diesem  Mertmal  einen  Tr&ger  hyposlasiert,  d.  h.  unterschiebt  (,JBe- 
ätzer  einer  Wirbelsäule"  =  Wiibellier",  vgl.  S.  *9*  u.  516),  darf  man 
sagen,  dafi  die  Begriffe  „S&ugetiere",  „Vögel"  usf.  den  Umfang  des  so  um^ 
(«dachten  Merkmals  bilden.  Erst  nachdem  eine  solche  Hypostasiening 
ausdrücklich  oder  stillschweigend  voUzogen  ist,  kann  der  Herkmalbegrifl  als 
abeigeordneter  B^riff  betrachtet  werden,  und  umgekehrt  muß  der  letztere 
seioes  TrAgercharakters  entkleidet,  gewissermaBen  desubstantiiert  werden, 
%am  man  ilm  als  Herkmalbegrifl  fOr  die  untergeordneten  Begriffe  behandeln 
will').  Dies  Bedenken  wird  auch  nicht  etwa  beseitigt,  wenn  man  alle 
Begriffe  nur  als  Merkmalkomplexe  auflassen,  also  durchweg  von  Trflgem 
abaßen  wollte  und  Saugetier  vielleicht  s=  m  +  n  +  o,  Vogel  i=:  m  +  r  +  s, 
Haptil  =3  m  +  t  +  u  usf.  setzen  wollte  (wo  m  das  Wirbeltiersein  bezeichnen 
könnte);  denn  dann  ist  offenbar  erst  recht  der  übergeordnete  Begriff  fOr 
m  +  n  +  o,  m  +  r  +  s  usf.  nicht  in  m,  sondern  in  m  +  x  +  y  gegeben,  wo 
X  und  y  offene  Stellen  in  dem  frflher  besprochenen  Sinne  bezeichnen.  Vfrl. 
S.  92»,  fiOS,  Anm.  3  und  namenU.  Ö16f. 

Hinsichtlich  der  Beziehung  eines  Begriffs  auf  seinen  Gegenstand 
(S.  2Bb)  verhalten  sich  die  Belegung  und  der  Umfang  einerseits  und  der 
Inhalt  andrerseits  verschieden.  Die  Belegung  (vgl.  S.  366  f.  u.  6S5)  deckt 
9)cb  mit  den  fundierenden  individuellen  Gegenständen,  der  Umfang  (S.  359 
IL  6SB)  erstreckt  sich  auf  die  Gesamtheit  der  fundierenden  subordinierten 
Gaitaiyng<W9iistände  mit  Einschluß  derjenigen,  welche  wir  vermine  der 
Offenh^t  der  Allgemeiobegrifle  (S.  i7b)  im  Sinn  unbestimmter  Phantasie- 
TorsteOungen  zu  den  wirklich  erlebten  hinzudenken.  Jedes  Glied  der  Be- 
legung bzw.  des  Umfangs  entspricht  einem  Gegenstand  bzw.  einer  Gegen- 
staadsgnippe  des  Begnffs.  Ich  kann  daher  unbedenklich  die  Belegung  und 
den  Umfang  eines  Begriffs  auf  seine  Bezugsgegenstftnde  dieser  oder  jener 
Stufe  Obertragen  ^vgl.  S.  267  u.  361)  und  beide  an  der  Zahl  der  letzteren 
nessen.  Anders  verb&lt  es  sich  mit  dem  Inhalt.  Auch  er  hängt  selbst- 
verständlich von  den  Gegenständen  des  Begriffs  ab,  und  die  eiozotnen  Merk- 
male des  Inballs  kennen  auf  diese  Gegenstände  bezogen  werden,  aber  keines- 
wegs entspricht  jedem  Merkmal  ein  subordinierter  Gegenstand  bzw.  eina 
subordinierte  Gegenstandsgruppe  und  umgekehrt  Manche  Merkmale  der 
saboTfirierten  Begriffe  sind  infolge  von  diminuierend«'  Abstraktion  (S.  364) 
völlig  verschwunden  und  fcMen  daher  im  Inhalt  des  superordinierten  Be- 
griffe«. 

Die  abliebe  SchuUogik  hat  von  den  hier  angeführten  Eigenschaften 
der  B«grilte  meistens  nui  Inhalt  (Falle)  und  Umfang  oül  besonderen  Terminis 


')  Dabei  Qbersehe  luan  nicht,  dafi  im  BegriB  „Wirbeltier"  in  der  Regel 
noch  andere  Meikmale  aufier  dem  Besitz  einer  Wirbelgäule  mitgedacht 
wwim,  wd  daB  daher  auch  das  enlsprecbcnde  Unkmal  mehr  umfaBt  als 
<lm  Besitz  einer  Wirbelsäule  und  etwa  als  „Wirbeltier-sein"  sprachlicb  »us- 
ludrOcken  'aL  .^ 

ZlekM.Lriubneh  a«r Logik.  34 


1,1^. OQi 


'S'c 


530      ^   '^^'^    ^"  einzebien  loeiscfaeo  G«bUde  ood  ihm  Geaet«. 

bezeiehnef.  Der  Tcrmimis  .Jnbatt"  seht  wohl  auf  AristotriM  zorOcfc,  der 
Tjelluh  den  Ausdruck  irvnmfx**'  u>  losiKhem  Sinne  verwendet;  indMKB 
denkt  er  dabei  Torzugnreise  an  das  EnthaltenseiD  der  Gattung  in  den  AriM 
(Metatriirs.  J  28,  Akad.  Ausf.  10Mb;  f»  At  i"  ntf  U}«v  r>  KfMw  ir«» 
a'f jfM-,  I  ^tr«t  ir  ff?  tl  t€»  tdvi«  r'''K<  *^  'w^papn  Ujwvr«  «(  sounrnc). 
Ein  besonderer  Terminus  sdieint  noch  im  Mittelalter  sowohl  fQr  InhaK  «te 
tOr  U  m  f  a  n  s  (efeUt  zu  haben.  Auch  in  der  neueren  Philosophie  tüs  W<M 
und  Baumgarten*)  (einschlieBL)  kann  ich  einen  solchen  nicht  nacfaweiseB 
G.  Fr.  Meier  erklärt  zum  ersten  Male:  „Alle  diese  BegriOe  und  tKsfe" 
fnämlicb,  die  unter  einem  höheren  enthalten  sind)  „wollen  wir  den  Um- 
fang  eines  höheren  oder  eines  abgesonderten  Begriffs 
nennen"^).  Er  folgert  auch  tichtig  Je  h&her  und  aJMtiakter  demnach  cia 
Betril  ist,  desto  sräßer  wird  sein  Umfang".  Von  der  Belegung  untersduidet 
M.  den  Umfang  noch  nicbt  scbarf.  Den  Terminus  ,4nhalt"  finde  ich  scboa 
bei  Chr.  Aug.  Crusius  ■).  In  Kants  Lonk  (g  7)  haben  „Inhalt"  und  „Um- 
fang" bereits  die  heule  Obliche  Bedeutung.  Eine  besonders  scharfe  Formu- 
lierung hat  dann  W.  Tr.  Krug  gegeben:  Die  GrOBe  (oaantitas}  anes  Be- 
griffs ist  teils  eine  innere  (inlenstra)  oder  GrOBe  des  Inhalts  (<ioanf^n 
complexus),  teils  eine  &uBere  (extensiva)  oder  GröBe  des  ümfangs  (<iuantiUs 
arobilus};  entere  benebl  sich  auf  die  Vonlellung«»,  die  im  Begritl,  letilere 
auf  dieienigen,  die  unter  ihm  angeiroBen  i^erden;  der  Umfang  beiBt  auch 
das  Gebiet  oder  der  Kreis  des  Bwrifis  (regio  s.  sphaora  notionis)*).  —  Die 
von  Frege  (Ztschr.  f.  PhUos.  m.  philos.  KriL  1883,  Bd.  100,  S.  25)  vor 
geschlagnen  Teniüm  „Snn"  und  ,£edeutung"  scheinen  mir  nicht  zweck- 
mfiBi«  (vgl.  S.  356  u.  ^»). 

AuBer  Inhalt  und  Umfang,  welche  die  Größe  oder  QuantitU  des  Begiilb 
ausmacben,  unteischied  Krug  noch  die  Beschaffenheit  oder  Quali- 
tät, d.  h.  den  Grad  des  BewuStseins,  mit  welchem  das  durch  den  Begril 
Vorfestetite  gedacht  wird  (Vollkommenbeit  oder  Unvollkommenheit'  der  Dw- 
EteUimg  der  Einheit  und  des  ManiügUtigen  in  demselben  während  da 
Denkens,  I.  c.  §  26  u.  80),  die  B  e  1  a  t  i  o  n ,  d.  h.  das  VerfaUtnis  der  Be- 
grifle  zueinander  als  Denkobjekte  (g  25  u.  86),  und  dieHodalitil,d.h- 
das  Verb&ltnis  zum  denkenden  Subjekt  als  Denkakt  (g  2&  u.  46).    Tai 

*)  Auch  nicht  in  der  2.  Auflage  der  Acroosis  logica  (aucta  et  in  sTsleaa 
redada  a  Joanne  GoltUeb  Toellneio,  HaL  Magd.  1773). 

^  Vemunftlehre,  2.  Aufl.  Halls  1762,  S.  4SI.  g  3S6.  Vgl  auch  UmlMrt. 
Neues  Organon,  Leipzig  17M,  Bd.  1,  5.  10  (g  14). 

■)  Weg  zur  GewiBhdt  u.  Zurerl&seigkeit  d.  menschl.  Erkenntnis,  Lapsf 
1747,  g  136.  S.  240  u.  §  118,  S.  205.  Hier  versteht  Cr.  unter  dem  „weMol- 
lichen  Inhalt"  eines  BegiUles  „die  Ideen,  die  man  darinnen  denket",  unter 
„Weite"  dag^ien  „die  Uenge  der  Individuorum,  auf  welcbe  ea  (nXmlich  dis 
Abstractum  logicum)  sich  schicket,  und  von  welchen  es  einen  Namen  abvixD 
kann".  Es  ist  mic  übrigens  wabischeinlich,  daß  es  gelingen  wird,  bade 
Termini  noch  weiter  zurOckeuverfoUen.  —  Der  Terminus  „W^te"  B^ 
neuerdings  von  Bolzano  (Wissenschaftslehr«,  Bd.  1,  Sulzbacb  ISST,  S.  SM) 
in  einem  besonderen  Sinn  wieder  eingetOhrt  worden. 

■)  System  der  tbeoret  Philosot^e.  1.  Teil  Denklehre.  3.  Aufl.  EBiügs- 
berg  1835,  a  76,  g  S6.  Ähnlich  vor  Krug  schon  J.  Q.  E.  MaaB  in  sailM 
GrundriB  der  Logik,  4.  AulL  Halle-Leipzig  18SS^  g  Uff.,  S.  S2K. 

„.,.,„,>..oo^sic 


1.  S&pileL    Die  Lehm  toü  den  Begiiflen.  531 

£ncn  Eigenschaften  vird,  soweit  sie  Oberhaupt  für  die  Loeik  Interesw 
haben,  eist  spUer  Kcsprocben  werden. 

In  E  D  s  1  a  n  d  wurde,  wahrscbeinlich  im  Anschluß  an  B«id  "),  ein« 
ihnliche  Termlnolisie  von  Hamilton  eingefOhrt  (vgL  Ledatea  on  logic, 
2.  Aufl.,  Bd.  1,  1866,  S.  187  ff.  u.  212  ff.}.  „Umgang"  wurde  mi«  „extension", 
iJnhalt"  mit  .^mprebension"  wiedergegeben.  John  Stuart  Uill  (vgl.  S.  157) 
braucht  für  comrrebension  auch  den  Ausdruct  „connotatlon",  allerdings  mit 
einer  Nebenbedeutung,  welche  den  Tetminus  etwas  einscbrftnkt ")  (vgl. 
A  rratem  of  logic.  rat  and  induct.,  'A.  Aufl.  London  1851,  Bd.  1,  S.  158  u.  31). 
Weitere  Synonyme  tär  Inhalt  sind  intenaion,  depth,  meaning,  implication; 
f(tr  Umfang  breadth,  denotation,  domain,  sphere,  application,  applica- 
bility  (Jevons,  Eiern,  lessons  in  logic,  London  ISOO,  5.  39;  E.  E.  C.  Jones, 
Mind  1910,  N.  S.  Bd.  19,  S.  379;  BusseU,  Hind  19(ft,  N.  S.  Bd.  14,  S.  47B). 
Dabei  wird  Umfang  und  Belegung  oft  yerwechselt  ^*). 

In  Frankreich  ist  der  Qbliche  Terminus  für  Inhalt  compr^hension, 
fOr  Umfang  extension  (z.  B.  D.  Meicier,  Logique  1909,  S.  81  u.  112). 

Zum  SchiuB  dieser  hisloiiscben  Bemeritungen  sei  auf  die  einigerma&en 
beschlmende  Tatsache  hingewiesen,  daB  bezüglich  der  Definition  der  be- 
aprochenen  Begriffseigenschaflen  noch  heute  weitgehende  Divergenzen  be* 
■tehen.  Insbesondere  gilt  dies  von  dem  Umlang.  Beispielsweise  seien  aus 
der  neueren  deutschen  Literatur  folgende  Definitionen  des  Umfangs  der  Vor- 
«teUnng  bcw.  des  Begriffs  angeführt:  Ol>erweg>*):  „Die  Gesamthtit  der- 
ienigen  Vorstellungen,  deren  gleichartige  Inhaltselemenle  den  Inhalt  jener 
ansmachen" ;  Hoefler'*):  „Der  Inbegriff  aller  Gegenstfinde,  die  einer  Vor- 
stellung von  bestimmtem  Inhalt  entsprechen"**);  Sigwart**]:  „Die  Gesamt- 
heit der  ihm  (d.h.  demB^riff)  untergeordneten  niederen  Begriffe";  Erdmann: 

*•)  Th.  Beid,  Works,  2.  Aufl.  Edinb.  1849,  Essay  V,  S.  891. 

"}  1.  SL  Hill  unterscheidet  n&mUch  im  AnschluB  an  James  Bfill  (Ana- 
lysis  of  the  phenomena  of  hum.  mind,  London  1829,  Bd.  2,  S.  92)  u.  a.  con- 
Dotatrre  terms  und  non-connotative  terms:  „a  non-connotative  term  ia  one, 
wbich  signifles  a  suhject  only,  or  an  attribute  only;  a  connotativ»  teim  is 
one  wich  denotes  a  subiect.  and  implies  an  attribute."  John,  London, 
whiteness,  virtue  sind  non-connotatire,  white,  virtuous  änd  coonotalive 
(„the  Word  white  denotes  all  white  things  . . .  and  implies,  or  as  it  was 
terrosd  by  the  schoolmen,  coonotes  the  attribute  whiteness").  Die  zahl- 
leichen  Streitfragen,  weldie  namentlich  in  England  dber  diese  bis  auf 
Occam  zurückgebende  Unteracbeidung  unter  den  Lwkem  entstanden  sind, 
werden,  soweit  erforderlich,  in  %  105  erSrtert  werden. 

^  Vgl.  z.  B.  J.  N.  Keynes,  Studies  and  exercises  in  tormü  logic  etc., 
London  1884.  S.  18. 

'»)  System,  der  Logik  usf..  B.  Aufl.  Bonn  1883,  S.  1«  (§  58). 

M)  Qrondlehren  der  Logik,  4.  Aufl.  Leipzic-Wien  1907.  S.  20.  Nach 
£sser  Definition  würde  der  Umfang  eines  Begrifies,  z.  B.  einer  Semmelsorle, 
üch  Andern,  wenn  mehr  Semmeln  der  Sort«  gebacken  wOrden.  Vgl  S.  309, 
Anm.  14.  ' 

M)  H.  fügt  dann  zu  dieser  Definition  das  VorstellnngsumlAngs 
nodk  hinzu:  und  speziell  „Umfang  des  Begriffes",  wenn  jene  Vorstellung 
sdbst  schon  eine  besriBliche''war  —  womit  natOrhch  auch  nichts  gebessert  laL 

^  Logik.  &  Aufl.  Prübnif  18S9,  Bd.  1,  S.  348. 

34* 

„.,.,,:A.OO.^IC 


532      ^-  ToL    Dia  änMtaiai  logiaebai  GdHlde  ood  ihn  Geaetie. 


Jta  InbeniH  der  Arten  aner  Gattow  (und  detDnrtsprMbaod  der  Sptzäl- 
vonteDuDfen  einer  GeauntvoretdlnM)"  ")  Dsf. 

S  S9.  DetHitlea  ab  UrtM).  SyMÜietiBehe  n^  kowirak. 
Üvt  Defloitloiieit.  Jede  Definition  findet  ihren  notärlidieii 
Aoadmck  in  einem  Copola-Ürteil,  deeeen  Sabjekt  der  ni 
definierende  B^riS  (dae  Definiendnm)  and  dessen  Prädikat 
die  ZOT  Definition  verwendeten  Begriffe  (die  Definientia)  sind. 
In  dem  oben  besprochenen  Schnifall  besteht  das  Prädikat 
aas  Genus  prozimmn  nnd  Differentia  specifica.  Nach  der 
psychologischen  OnrndJegong  (^  74)  ist  diese  Beziehnng  der 
Definition  zun  urteil  leicht  verständlich.  Die  Zerl^n^iK 
eines  Begriffs  in  Teilbegriffe  ist  ein  Akt  nnarer  analytischen 
Fonktion,  bei  wielchem  die  Veiirleichang  zwischen  dem  Be- 
griff einerseits  und  den  Teilbegriffen  andrerseits  al»  Bicht- 
schnar  nnd  Kontrolle  dient  Eis  liegt  also  der  Tatbestand 
vor,  der  fär  das  Urteil  charakteristisch  ist  (S.  368  ff J,  nnd 
zwar  handelt  ee  sieh,  da  die  im  Begriff  implizit  gedachtea 
Merkmale  mit  den  darch  die  Zerlegnng  isolierten  nnd  daher 
explizit  gedachten  Merkmalen  verglichen  werden,  bei  jeder 
Definition  um  ein  kommensives  Urteil  (S.  389),  nicht 
um  ein  lediglich  konsertives.  Introduzierender  Charakter 
(S.  373)  kommt  der  Definition,  wie  sie  bisher  von  nne  nnter- 
Kucht  worden  ist,  nicht  zn,  da  zunächst  von  der  Voraas- 
mtznng  anagegangen  wurde,  daß  der  za  definierende  Begriff 
vor  der  Delinition  schon  fertig  gebildet  vorliegt  Der  Dnter- 
(«chied  der  Definition  von  einer  zosammengesetzten  Vorstel- 
Inog  liegt  darin,  daß  in  der  Definition  ein  Akt  der  Zer- 
legung and  Oleichsetzong  vollzogen  wird  (S.  372).  Ist  das 
definitorische  Urteil  einmal  vollzogen  nnd  wiederholen  vir 
»päter  die  Definition  rein  gedächtnismäßig,  so  wird  dieser 
Unterschied  verwischt:  wir  denken  dann  die  Gleichheit  dw 
Definiendnm  und  der  Definientia,  ohne  den  Akt  der  Gleich- 
Setzung  als  sukzessiven  Prozeß  za  vollziehen,  wie  dies  S.  372  f. 
ausführlich  erörtert  worden  ist  Zugleich  ergibt  sich,  daB 
alle  diese  Definitionen  analytische  Urtmle  sind  (8.  389).  & 
wird  dem  Snbjektbegriff  bei  seiner  Zerl^img  nichts  hinsu- 
gefügt. 

Dieser  einfache  Tatbestand  erfährt  nun  aber  in  anserem 
Denken  oft  zwei  bedeutsame  An^estaltungen.     Neben  den 

")  LoBilt,  Bd.  1,  2.  Aun.  Halle  J907,  S.  SBO. 

h.  i."ih,Googlc 


1.  Kapitel.    Die  Lehm  tod  den  BegriSen.  533 

bis  jetet  besprochenen  rein  analytischen  Definitionen  exi- 
stieren nämlich  auch  synthetische  und  konstrnktive  Defi- 
nitionen. 

Eine  synthetische  Definition  kommt  dadurch 
zustande,  daß  ich  in  die  Definition  des  zn  definierenden  Be- 
griffes A  noch  ein  oder  mehrere  Merkmale  aufnehme,  die  icfa 
bisher  in  ihm  noch  nicht  mitgedacht  habe  und  erst  jetzt 
durch  neue  Erfahmngen  irgendwelcher  Art  kennen  gelernt 
habe.  Wenn  ich  beispielfiweise  eben  erst  durch  Versuche  das 
Atomgewicht  des  Heliums  zu  3,99  bestimmt  und  damit  eine 
neue  charakteristische  Eigenschaft  p  desselben  festgestdit 
habe  und  nan  das  Helium,  de»  ich  seither  nur  als  chemisches 
Element  mit  den  Eigenschi^ten  m,  n,  o  gekannt  hatte,  aU 
chemiacbes  Element  mit  den  Eigenschaften  m,  n,.  o  und  p 
definiere,  so  kann  diese  Definition  als  synthetische  be- 
zeichnet werden,  indem  formal  die  Eigenschaft  p  neu  in  den 
Begriff  des  Helinms  und  in  seine  Definition  aufgenommen 
wird.  Weitaus  die  Mehrzahl  unsrer  wissenschaftlichen  Be- 
griffe ist  auf  diesem  Weg  durch  fortgesetzte  Merkmalvermeb- 
rtmg  zustande  gekommen,  tmd  die  Definitionen  folgen  allent- 
halben der  letzteren  nach.  Im  Hinblick  auf  die  Erörterungen 
S.  389  kann  man  auch  sagen,  daB  die  Definitionen  fortgesetzt 
'durch  hinzukommende  syntbetische  urteile  über  das  Defl- 
niendom  al^eändert  werden  können.  Man  maß  nur  festhal- 
ten, daß  unmittelbar,  nachdem  die  Anfnahme  des  nenen 
Merkmals  endgültig  vollzogen  ist,  die  abgeänderte  Definition 
künftighin  den  Charakter  eines  analytischen  Urteils  —  logisch 
und  psychologisch  —  hat  0. 

Eine  konstruktive  Definition  liegt  dann  vor, 
wenn  durch  Zusanmiensetzang  von  Merkmalen  ein  neuer  Be- 
griff geschaffen  wird,  dessen  Geeamtgegenetand  vorher  über- 
haupt nicht  gedacht  worden  war.  Es  handelt  sich  also  tun  eine 

')  Mit  dieser  Einschränkung  kann  num  daher  auch  der  S.  529  er- 
wUmten  Rickertschen  AuffasauoK  Berecbtiirune  zuiestehen.  —  UebenraK 
(System  d.  Logik,  5.  AufL  Bonn  lSe&,  &  170)  versteht  unter  der  analTtiaclx 
gebildeten  Definition  diejenige,  die  ,Än  Gem&Qheit  des  bestehenden  Sprach- 
gebrauchs oder  der  bis  dahin  in  der  Wissenschalt  ablieben  VoisteUuog»- 
weisa",  unter  der  smthetisch  gebildeten  diejenige,  die  „ohne  den  Ansprach 
einw  Übersinstinunung  mit  deni  bisherigen  Gebrauche  neu  und  Irei  gebildet 
wird".  Diese  Bezugnahme  auf  den  Sprachgebrauch  und  die  in  der  Wissen- 
schaft Qbliche  Vorstaliungsweise  scheint  mir  das  Wesen  des  Unterschieds 
zwischen  den  bnden  Deflnitionsarten  nicht  richtig  zu  treffen. 


534       IV.  TtiL    IKa  anidacn  tottaeben  GeMde  tmd  um  Gesetac 

neue  Q^penstandsvorsteUoiis  in  dem  S.  266  n.  269  besproche- 
aen  Sinn  und  einen  mitsprechenden  OegenstandBÖegriff.  Bald 
ist  dieser  neogeschaffene  Begriff  ein  Phantasiebc^riff,  bald 
ein  SpeknlatioiiBbegriff  (vgl  S.  348  o.  478).  So  kann  ich 
z.  B.  mit  manchen  Zoolc^ren  den  Begriff  einer  Oastraea  koo- 
etmieren  imd  definieren,  die  eine  Lncke  in  dem  phylogene- 
tischen Stammbamn  aoBfüllt  Insbesondere  die  Mathenutit 
hat  mit  dem  größten  Erfolg  solche  konstruktive  DefinitioneD 
ansgefährt.  Auch  hier  muQ  jedoch  hinzogefügt  werden,  dafi, 
sobald  die  Konstraktion  nnd  die  konstmktiTe  Definition  eine6 
B^riffes  einmal  erfolgt  ist,  weiterhin  seine  Definition  wieder 
ganx  den  gewöhnlichen  analytischen  Charakter  trägt. 

Über  die  Qrenzen  der  Znlasaigkeit  solcher  synthetisehen 
nnd  namentlich  solcher  konstruktiven  Definitionen  wird  erst 
später  2a  reden  sein. 

S  100.  Sprachliehe  FormnlleniBg  der  DefinitfoL  NobI- 
B^-  uid  Beald^Bitionen.  Der  edäqnate  sprachliche  Aos- 
dmck  für  die  Definition  ist  entsprechend  ihrem  ürteils- 
charakter  der  Satz.  Das  Deflniendnm  wird  zum  Snbjektr 
die  Definientia,  also  in  der  Begel  Qenns  proximnm  nnd  Difle- 
rentia  speciflca  werden  zom  Prädikat  gemacht  Dabei  fügt 
der  sprachliche  Ausdruck  zn  der  begrifflichen  Erklärung  gar 
nichts  hinzu,  und  es  wird  auch  vorausgesetzt,  daß  sowohl 
das  Wort  für  den  za  definierenden  Sabjektsbegriff  S  wie 
die  Worte  für  die  definierenden  Prädikatsbegriffe  P,,  Pi  usf. 
bekannt  und  eindeutig  mit  ihren  Begriffen  verbunden  sind. 
Definitionen,  welche  von  dieser  Voraussetzung  ansgehen, 
also  nor  die  Erklärung  des  Begriffs  S,  nicht  aber  die  Fest- 
setzung eines  Wortgebranchs  bezwecken,  heißen  Beal- 
definitionen.  Alle  Definitionen,  die  seither  besprodien 
wurden,  waren  Bealdefinitionen. 

Diese  Voraussetzung  ist  jedoch  nicht  immer  erfüllt. 
Viele  WiM^er  nnsrer  Sprache  sind  zwei-  oder  sograr  viel- 
deutig, und  andrerseits  fehlt  es  ihr  für  manche  Begriffe,  s.  B. 
neukonstruierte,  an  bezeichnenden  Wörtern;  anders  aos- 
gedräcbt:  manchem  Wort  sind  mehrere  verschiedene  Be- 
griffe, und  manchem  Begriff  ist  kein  Wort  zugeordnet*). 


I)  Der  ebenfalls  nidtt  seltene  Fftll,  daB  «inem  Beffiifi  mdirete  Wort» 
(SynoDTina)  zuieordnet  sind,  hat  fOr  diese  Erörtenins  nur  uoterfeoidiKte 
Bedeutung. 


OgIC 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  top  den  BwriHen.  535 

Bb  OTwäobst  uns  daher  sehr  oft  die  Aufgabe,  eineD  Be^iff  S, 
der  bisher  mit  keinem  Wort  oder  mit  vieldeutigen  Worten 
verksäpf  t  war,  eindeatig  mit  einem  bestimmten  Wort  zu  ver- 
fainpfen.     Dies  kann  auf  doppelte  Weise  geschehen;  ent- 
weder bringe  ich  den  Begriff  S  auf  irgendeinem  Wege  mir 
selbst  oder  dem  Hörer  bzw.  Leser  zum  Erlebnis  (z.  B.  durch 
uiBchanlicfae  Demonstration,  also  etwa  durch  Hervorrafung 
der  zugehörigen  OrundempfindangeD)  und  setze  ohne  jeden 
Versuch  einer  Realdefinition  fest,  daß  der  demonstrierte  Be- 
griff 3  (z.  B.  eine  bestimmte  Farbe  des  Spektrums)  künftig 
den  bestlDunten  Namen  91  (z.  B.   „violett")  tragen'  soll'), 
oder  ich  verschaffe  mir  selbst  oder  dem  Hörer  bzw.  Leser 
den  Begriff  8,  indem  ich  s^oe  Bealdefinition  gebe,  und  ver- 
binde diese  Bealdefinition  nnn  mit  der  Einführung  eines  he- 
atimmten  Namens  91,  setze  also  fest,  daß  ein  durch  bestimmte 
Merkmale   definierter  Begriff   S   künftig   den    bestimmten 
Namen  91  führen  soll.     Das  erste  Verfahren,  welches  mit 
einer  Definition  nichts  zu  tun  hat,  soll  alsNomination*) 
beseiehnet  werden,  das  zweite  Verfahren,  ««Iches  die  Fest- 
eetsnng  eines  eindeutigen  Namens  mit  der  Bealdefinition  ver- 
bindet, wird  als  Nominaldefinition  bezeichnet.     Das 
logische  Subjekt  der  Nominaldefinition  ist  also  nicht  etwa 
der  Name   (das  Wort),  sondern   der   durch   die   Merkmale 
Pi,  P»,  Pj  . .  -  definierte  Begriff  S.     Die  korrekte  Nominal- 
deflnition  für  ein  Quadrat  würde  also  z.  B.  nicht  lauten:  „ein 
Quadrat  ist  ein  Parallelogramm,  dessen  vier  Seiten  gleich 
lang  sind  imd  dessen,  vier  Winkel  je  90*  betragen"  —  dies 
ict  die  Bealdefinition  des  Quadrats  :— ,  sondern:  „ein  Paral- 
lelogramm, dessen  vier  Seiten  gleich  lang  sind  nnd  dessen 
vier  Winkel  je  90*  betragen,  soll  Quadrat  heißen".    Im  ge- 
wöhnlichen und  leider  auch  im  wissenschaftlichen  Sprechen 
imterBoheiden  wir  freilich  oft  nicht  scharf  zwischen  Beal- 
nnd  Nominaldefinition.    Zur  Entschuldigung  dieser  Vermen- 
gong  kann  man  anführen,  daß  jede  Bealdefinition,  auch  wenn 
sie  von  der  Voraussetzung  anseht,  daß  das  für  den  Begriff  S 
verwendete  Wort  eine  bekannte  Bedeutung  hat,  stets  diese 
eine  Bedeutung  nochmals  gewissermaßen  stillschweigend 


")  Die  ETdDunnBchen  j^eneaniuiEen"  (Logik,  Bd.  1,  2.  Aud.  Halle  1907, 
3,'  394)  umlasaen  das  ganze  Gebiet  der  NomiDaldefiDitioDen. 


OgIC 


536       ^-  '^^'^    ^^  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ifare  Gesetze 

bestätigt  und  insofern  eine  NominaldefinitioD  mit  involviert. 
Vgl.  a  521  ff. 

Stall,  wie  bei  dieser  Erörteruwr  gtacheben,  von  dem  Besrtif  3  ««•- 
zusehen,  kann  man  seltntverstfindlich  auch  von  dem  Wort  3t  ausitiWD 
und  den  Zweck  verfolgen,  tor  das  Wort  91  in  seinem  weiteren  G«bnw& 
eine  bestimmte  BedeutunK  festzulegen,  d.  b.  es  eindeutig  mit  einem  be~ 
stimmten  Begriff  zu  verbinden.  Man  gibl  dann  im  eigentlichen  Sinn  «<• 
eindeutige  BedeutungseiU&rung  (etwa  declaratio  nominis)  tür  ein  Wort.  Um 
Verfahren  ist  jedoch  vom  togischen  Standpunkt  oSenbar  sdnindfcr.  In  ier 
Logik  haben  nir  von  den  Begrilfen  auszugehen  und  wollen  jedem  Beniff 
ein  Wort  zuordnen;  dafi  auch  jedem  Wort  nur  ein  Begiiff  zugeordnet 
werde,  daB  also  die  Zuordnung  umkehibar  eindeutig  (eineindeutig  im  Sinn 
der  Mathematik)  werde,  ist  eine  ebenso  unerläSliche,  aber  doch  sekundii« 
Forderung,  da  es  uns  letztlich  auf  die  Verwendung  der  BegiiKe  im  Denken 
imd  nicht  auf  die  Verwendung  der  Worte  ankommt 

Eine  acbSrfere  Unterscheidung  zwischen  Heal-  und  Nominalde&nilionoi 
(quid  rei  und  quid  nominis)  wurde  wohl  zueist  von  Occam  gemadit  (Summ* 
tolius  logicae,  I.  Cap.  Sß  u.  280.].  Ci>er  die  Logique  de  FortHoyal  s.  ob^ 
S.  519.  Leibniz  nannte,  wie  S.  520  bereits  erwäimt  wurde,  definitiones 
reales  solche,  „ex  quibus  constal  rem  esse  possibilem",  wobei  unter  U(c- 
lichkeit  die  widerspmchsfreie  Üenlcbarkeit  zu  verstehen  ist,  definitJonea 
nominales  hingegen  solche,  „quae  notas  tantum  rei  ab  alüs  disceniendfte 
continent",  also  sich  auf  eine  „enumeratio  notarum  Bufficienlium"  be- 
schitnken  (Ued.  de  cogn.,  ver.  et  ideis,  Gerti.  Ausg.  Bd.  i,  S.  4S&  u.  42$). 
Damit  wurde  eine  Eigenschaft,  welche  von  der  richtigen  RealdefinitioB 
verlangt  weiden  muß,  zu  einem  Kennzeichen  der  Bealdefinilitm  als  solcher 
gemacht  imd  vor  allem  zugleich  eine  ontologische  Deutung  der  Reald^Ü- 
lion  nahegelegt  In  der  Tat  finden  wir  denn  audi  z.  B.  bei  Bilfinger  (viL 
S.  ISQ)  die  EiUtirung,  die  Realdeflnition  sei  diejenige  Definition,  welche 
„ipsam  rei  genesin"  ausdrücke  (Dilucidaliones  philosophicae  etc.  Tab., 
S  140).  Gegen  diese  Umdeutung  der  Bealdeflnition  wandte  sieb  bereitB 
G.  Fr.  Meier  (Vemunfliehre,  2.  Aufl.  1762,  §  313.  S.  466}  und  setzte  tat: 
eine  „Socherkiarung"  eritl&rt  das  „Wesen  der  erklarten  Sache".  Xhnüdi 
sagt  Baumgarten:  deßnilio  essentiam  definiti  repraesentans  est  realis 
(genetica),  hanc  non  repfaeseotans  nominatis  est  (Acroasis  logica.  2.  Aufl. 
ilT73,  g  183ff.,  S.  47fl.)i  dabei  zeigt  die  ZutUgung  „genetica",  dafi  er  d«k 
Leibniz-WoUfschen  Standpunkt  noch  nicht  ganz  autgegeben  hat  Dafi  aacb 
fiant  die  Beziehung  auf  die  objektive  Realit&t  noch  lestgehallen  bat,  wuidft 
bereits  5.  630  erw&hnt  Ebendaselbst  wurde  auch  berichtet,  dafi  weitaibin 
vielfach  Bestrebungen  sich  gellend  machten,  jede  Definition  als  Normnil- 
definilion  aufzulassen.  Neue  Gesichtspunkte  fOr  die  Unleischeidung  der 
Kominal-  und  der  Realdeflnition  ergaben  sich  bei  diesen  Diskussionen  nidit. 

Gelegentlich  ist  in  der  Geschichte  der  Logik  auch  der  Versuch  g^ 
macht  worden,  diejenige  Definition  als  Monunaldefinition  zu  bezeichnea. 
welche  lediglich  in  einer  sprachlichen  Erläuterung  eines  Traminus  be- 
steht. So  erklart  z.  B.  Itterua  (Svnopsis  philosophiae  rationalis,  2.  AuA. 
Francof,  1660,  S.  74):  „Definitio  nominalis  est,  quae  nominis  alicujus  sigoi- 
ficationem  per  elymologiam,  aut  transsumplionem  nominis  exponit"  (l  B. 
consul  =  qui  consuüt  patriae,  Jesus  e=  Salvator).  Uiermil  hingt  auch  di* 
UnterMheiduog  zwischen  NominaldeSnitionen  und  V  e  r  b  a  1  definiliooen  la- 


OgIC 


1,  Kapitel.    Die  Lehre  tod  den  Begriflen.  537 

sumnni,  wie  sie  von  einzelnen  Logikern  duTchgeführt  worden  ist  (vgl.  z.  B. 
.^dr.  Erbari,  Handbuch  d.  Logik,  München  1836,  §  234,  S.  138). 

I  UL  HeMfahBOTi  im  Bfvdfl*  taiA  Byhrii.   Aus  Gründen,  die  in 

§  81— «I  suafohrlich  entwickelt  worden  sind,  ist  die  Sprache  nicht  ein  voU- 
ständig  zureichendes  und  vollkonunen  «d&qiuites  Mittel  zum  Ausdrücken  der 
Begiifte.  Gerade  der  ideale  Normalcharakter  des.  Begrifls  erheischt  dne 
siii^lische  Fixierung,  welche  den  Bedeutungsverschiebungen  und  Bedeu- 
luDgsschwankungen  der  Wortsprache  entrückt  ist.  Zu  diesem  an  erster 
Stelle  stehenden  Bedürfnis  der  Fixierung  kommt  das  Bedürfnis  nach  Ver- 
aoscbaulichung  und  namentUch  nach  AMtürziing  hinzu.  Die  Wortaprache 
«rweist  «ch  bei  vielen  logiseben  Untersuchungen  als  zu  unanschauUcb  und 
n  umständlich.  Man  hat  daher  fflr  die  Begnfle  eine  Symbolik  eingeführt, 
welche  der  mathematischen  nachgebildet  ist.  Dabei  ergibt  sich  der  weitere 
Vorteil.  daB  die  zahlreichen  quantitativen  Beziehungen  der  Begriffe  (Um- 
fang usf.)  nüt  Hilfe  sokher  mathematischen  Symbole  uomittelbaT  nach 
mathemaliscben  Regeln  behandelt  werden  kOnnen. 

Die  hier  erwähnte  Al>k0r2ung  hat  nicht  etwa  nur  die  Bedeutung  einer 
Zeiletspamis  als  solcher.  Es  leuchtet  vielmehr  ein,  daß  die  zahlreichen 
Alienationen,  welche,  wie  in  §  86  erUutert,  durch  den  Sukzessivcharakler 
unseres  Denkens  begünstigt  werden,  durch  die  Abkürzung  des  DenkproEesseH 
FuigeschiAnkt  werden  kCnnen.  Außerdem  gestaltet  uns  die  Abkürzung, 
iederzeit  komplizierte  Begriffe  explizit  darzustellen,  ohne  den  Ablauf  unserer 
Beweise  allzulange  zu  unterbrechen,  und  damit  verstopfen  wir  eine  weitere 
Ouelle  von  Alienationen.  Wir  k&nnen  uns  so  der  idealen  Gleichzeitigkeit 
bzw.  Zeitlosigkeit  annähern,  welche  für  die  Normalisation  und  damit  Ober- 
haupt für  das  logische  Denken  charakteristisch  Ist. 

Dem  Zweck  der  Veranschaulichung  dient  vor  allem  die  geome- 
trische Darstellung  der  Begriffe.  Man  verwendet  dazu  gewöhnlich  Kreise, 
ich  zi^e  jedoch  oft  Dreiecke,  Vierecke  und  andere  Polygone  vor,  weil  sie 
sich  bequemer  im  Text  nach  den  Eckenbuchstaben  bezeichnen  lassen  und 
auch  bei  der  Darstellung  der  vollständigen  (restlosen)  Einteilung  eines  Be- 
griffs usf.  leichter  verwendet  werden  können ').  Jede  Kreis-  bzw.  Polygon- 
flSche '),  wie  sie  durch  die  Eckbuchstaben  bezeichnet  wird,  entspricht  dem 
VmfaDg  eines  Begriffes,  stellt  also  die  ihm  subordinierten  Gattungen  t>zw. 
Arten  in  ihrer  Gesamtheit  dar.  Jede  Art,  Gattung  usf.  ist  nur  durch  einen 
Kreis  vertreten.  Gehört  also  z.  B.  eine  Art  2  Gattungen  an,  so  müssen 
die  Kreise  der  beiden  Gattungsbegriffe  sich  schiwiden,  d.  h.  teilweise  decken. 
Gehören  zwei  Arten  derselben  Gattung  an,  so  liegen  sie  innerhalb  desselben 
Galtungakreises  usf.  Die  Merkmale,  also  der  Inhalt  des  Begriffs  kann  durch 
eine  in  den  Kreis  bzw.  in  das  Polygon  eingetragene  Aufzählung  seiner  Merk- 
male oder  eine  ebenso  eingetragene  Wortbezeichnung  angegeben  werden, 
wird  also  nicht  direkt  dargestellt.  Insofern  jedoch  jedes  Merkmal  m  eines 
Gegenstandes  0  dahin  ausgelegt  werden  kann  (vgl.  über  diese  Hypostasie- 


*)  Sehr  beachtenswert  ist  auch  der  Versuch  von  J.  G.  E.  Maaß  (Grundr. 
d.  Log.,  i,  AufL  1823,  §  496,  S.  246),  den  Begriffsumfang  durch  einen  Winkel- 
raum  darzustellen.  Namentlich  kann  so  die  Transgression  der  Allgemein- 
beniffe  veranschaulicht  werden.    '' 

')  Im  folgenden  wird  der  Zusatz  „bzw.  Polygonflache".  bzw.  „Polygoa" 


OgIC 


588       IV.  TeiL    Die  rinzelpcQ  logiaehen  Gebilde  und  ihre  Gtactae. 


nuK  MTMptiü.^  s.  49i,  biß  u.  53Sf),  daft  0  äner  Gattunf  anfehfiit,  die 
neben  &ndaen  dem  O  zukommeDden  Meckmalen  auch  d&s  Merkmal  m 
oder  uieta  nur  das  Herfcn»!  m  hat,  so  kann  duich  ginTriftimim  sokber 
'  den  einseinen  Merkmalen  entsprechenden  Gattunsen  auch  der  Inhalt  de» 
Befrillea  dargestellt  nerden.  Auf  der  beistehenden  Zeichnung,  die  im 
Obricen  kdner  weiteren  Eiklftrunc  bedarf,  iat  z.  B.  die  Art  Schnabeltier 
duich  ein  kleines  Vineck  AB  CD  dargestellL  Ihre  U  m  f  a  n  g  s  beziehntc 
nach  oben,  d.  h.  ni  h&taeren  Allgemeinbegri&eo,  erfibt  sich  uimiittelbaj 
Fig.  1. 


<* 


<^--^. 


/•(«•aMSA., 


^ 
\ 


^?.- 


*-tL 


damus,  daB  ihr  Viereck  Tollatandig  in  dem  Viereck  .^Stuaelier"  (EFGH] 
enthalten  ist.  Ein  Merkmal  des  Schnabeltiers  ist  nun  z.  B.  das  Berieten. 
Das  Merkmal  kann  dadurch  darsestellt  werden  und  ist  aul  der  Figur  da- 
dorch  dargestellt,  daß  ein  weiteres  Viereck  I E  L  M  eingezeichnet  ist,  das  dem 
BegriK  „eierlegende  Tiere"  entspricht  und  nur  einige  wenige  andere  Slnge- 
tiere,  zahlreiche  andere  Wiiteltiere  und  zahlreiche  wirbellose  Tiere  umEaBt 
In  Ähnlicher  Weise  kCnnen  auch  die  anderen  MeAmale  des  Schnabeltien 
durch  entsprechende  Kreise  bzw.  Vierecke  zur  Darstellung  grtiracbt  wetden. 
Es  ist  auch  klar,  daß  prinzipiell  zwischen  der  Ginordnung  in  die  höhere 
Gattung  (im  logischen  Siim)  „S&ugetiere"  und  in  die  höhere  Gattung  „üer- 
tegende  Tiere"  kein  wesentlicher  Unterschied  besteht.  Wir  geben  der  eislaen 
nur  deshalb  den  Vorzug,  weil  die  Gattung  „Sftugetiere"  durch  zahlreidiere 
und  wesentlichere  Merkmale  definiert  ist  als  die  Qatlong  „eierlegende  Tkre". 

Za  dieser  und  allen  weiteren  geometrischen  Darstellungen  muB  oocb 
bemerirt  werden,  daS  auf  die  G  r  6  8  e  der  zur  Darstellung  verwendeten 
FULcben  im  allgemeinen  kein  Gewicht  gelegt  wird;  es  kommt  nur  auf  die 
Lagabeziehung  —  Ineinander-  bzw.  Auseinanderliegen,  teilweises  oder 
ToUsULndiges  —  an.  So  ist  in  der  eben  gegebenen  flgur  das  Vineck  ABCD 
relativ  viel  zu  groS  usf. 

Eise  erfaebUche  erkenntnisfördernde  Bedeutung  —  ahge- 
s^en  von  dem  wichtigen  didaktiseheD  Moment  der  Verausdtau- 
lichung  —  kommt  dieser  und  anderen  geometrischen  Darstellungen  der  Be- 
srifle  nicht  zu.  Schon  die  Umstindlichkeit  des  Zeichnens  steht  im  Vider- 
vmch  mit  den  Anforderungen,  welche  man  an  eine  logiache  Snobolifc 
■teilen  muB. 


1,  Kapitel.    Die  Ltbre  von  den  BeghKen.  539 

Um  so  nQtzlicher  erweisen  sieb  die  algebraischen  Symbole  bei 
der  DustelluDB  der  Begrilte.  Wenn  diese  algebraischen  Symbole  auch 
weniger  aDschauUch  sind,  so  leisten  sie  dalQr  bezüglich  der  Fixierung  der 
Begrifie  und  bezoglich  der  AbkOrzunK  der  Verwendung  der  BeEriBe  im 
Denken  alles,  was  man  von  einer  wissenschaftlichen  Symbolik  verlangen 
kann.  Es  wurde  daher  in  den  hUheren  Kapiteln  allenthalben  schon  aus- 
ciebtger  Gduauch  von  solchen  Symbolen  gemacht.  Es  handelt  sich  dabei 
mn&ehst  darum,  die  einzelnen  BegriBdutegorien  und  ihre  Beziehungen 
durch  zweckm&Big  gewählte  Buchstabeusymbole  auszudrucken  *).  Die 
ZweckmäBigkeit  der  Auswahl  besteht  vor  allem  darin,  daß  jedes  Symbol 
auch  die  Zusammensetzung  des  Begriffes  durch  geeignete  Zeichen  darstellt. 
Im  folgenden  stelle  ich  diejenigen  Symbole  zusammen,  die  in  den  bisherigen 
Entwicklongen  verwendet  worden  sind,  soweit  sie  auch  weiterhin  IQr  die 
spezielle  Logik  in  Betracht  kommen: 

S    EmpfindDiig;    <^  BmpfindnsgBaggiegat  (vgl  8.  491). 


'  TotsteUaDgBaggTägat. 


B  hTpothetisches  Empfindangssabettat 
,  Ding  an  moh,  Reduktions- 


,  Aggregat  solohez  hypoQietiBohBr 


beitaidteil)     Vgl.  9.4fll;  )?'        EmpfindungssubBtiate. 

"T,  V(,  Vo  ■■■    komplexe  Vorstelhuif;  (S.  486).     a,  b,  o  tiaf.  einlache  Begriffe, 
A,  B,  Cnaf.  zusammengesetzte  B^riffe  (vgl.  8. 318,  Anm.  6  n.  S.  485,  Annt.  5). 
ji  k  0  . .  :  bzw.  i  B  "fc  . . .    komplexer  B^riö  (8.319  u.  48ß); 
E   indiridaellet  Komplezioiisbegriff    (8.  320,   460   a.   400);   C  iodindneller 

KdlektiQiksbeeriff  (8.  322  n.  48Q,  Anm.  5)-! 
ab  bzw.  ALB,  al^üret  TT  individneller  EomparstJoDsbegritl  (tt.  323  n.  499)  *>■ 
1,  ^  f , . .  .  biw.  y,  JT,  F,  .  . .,  abgekürzt  t  btw.  P  individneller  KontiaUions- 

begriff  <S.  326    u.  S.  501),   hervoi^eguigen    ans   den   Flnzionsbegriffen 

f.,  1„  f,  .  .  .  Um.  Fl,  F„  g,  . .  .  (v^.  8.  330  n.  501). 
Wi  w,  w,  ...  bzw.  TV,  W,  W,  .  . !,  at^ekOrzt  w  bez.  W    AUgemeinbegiiff 

iß.  3S1  n.  606),  hervoig^tangeD  ans  den  saboidinierten  Begriffen  w,,  w„  w, . . . 

bzw.  W„  W„  W,  .  . . 
Soll   bei   einem  AllEemeinbegriff    ausdrücklich   hervorgehoben  werden, 
dafl  es   aich  um  einen  generalisierten  Komparation»-,    KontroktionsbegriS 
osf.  handelt,  so  soll  statt  W  geschrieben  werden  W  (U),  W  {¥)  usf. 

w®  bzw.  TP*  Individual begriff,  w^  bzw.  W^  DfLchstböberer  Allgemein- 
kegiifl  (ArtU^rift),  w°  bzw.  w",  w™  bzw.  "W™  usf.  Skala  höherer  Allgemein- 
b^riffe  (a359  u.  510  ff.). 

3)  Einen  interessanten  Versuch  hat  in  dieser  Richtung  nach  dem  Vor 
gang  von  Leihniz  u.  a.  »hon  Job.  Chr.  Hoffbaner  (vgl  S.  i3(Q  in  seinen 
AnlugmUnden  der  Logik  gemacht  (S.  86,  g  37). 

*>  a  A  *>  bedeutet :  a  ist  verschieden  von  b. 


n,5,t,7rjM,G00glc 


540      '^-  ^^    ^^  eiimlnen  logiscltea  Gebilde  und  ilu«  Geaetze. 

w,*,  w/,  V,*  nsL  kowdiBiwto  LnüridtutbeBritfe  (8. 511^ 

w,',  w,i,  v,I  (uf.  kooidinierte  Artb«crirfe  (8.  611), 

"i^i  "i™.  "»^^  Mt  townünierto  Oattungsbegnlfa  (danuelbeii 

wM  gubordiniert)  «sf.  (»gl  8.  510)^ 
Kb  iat  also  w*  =  w,  w,  w,  , . .,  w" ■=.  w,'  w,'V,'  ...  vM. 

Die  kleinea  Buchstabeii  lO,  n,  o,  p  «erden  in  besooderem  Sian  Mr 
Uerkmale  verwendet,  und  irwar  m  speziell  fflr  gleiche  Merkmale,  o  für  Itift- 
liche,  p  rar  absolut  verschiedene  (S.  EOS,  614-).  Ein  beigeBetsies  Abb- 
rufungszeichen  bezeichnet  ein  prftlatea  Uerkmal  (S.  490,  504,  513).  Da  die 
Merkmale  im  zusammengesetzten  Begriff  durch  K<Hnplexion  veiknfipA  sind, 
90  nird  das  Zeichen  .'—-—~^  für  die  Vcri^nüpfung  der  Uerkmale  n^randit. 
Es  ist  also  z.  B.  F,  =  m  o  p  usf. 

Der  Gegenstand  eines  Begriffes  wird  durch  griechische  Buchstaben 
bezeichnet,  so  ist  z.  B.  q  der  Gegenstand  des  Begrifteii  a..  <l>  der  Gegciulasd 
des  Begriffes  F,  K  der  Gegensland  des  BegrUles  W  us(.  SoU  ausdiftHiA 
hervorgehoben  werden,  daß  dieVorslellung  eines  Gegenstandes  (Geeen- 
standsvorstellung,  vgl  5.  820  u.  491)  gemeint  ist,  so  wini  der  griechisdw 
Buchstabe  in  Klammern  gesetzt,  z.  B.  (o)  oder  ia)(.ß}(.y)  ■  ■  ■  uaf.  Vgl 
auch  S.  491,  Anm.  18. 

Die  sog.  mathematische  Logik  (vgl  g  S2  n.  83)  hat  leider  der 
Maimigfaltigkeit  der  logischen  BegriffAildung  nicht  genOgend  Rechnung 
Betragen  und  ganz  vorwiegend  nur  die  Beziehuns  der  Generalisation  be~ 
arbeitet  und  nur  fQr  diese  eine  Reihe  von  Symbolea  geschaffen.  Uota 
diesen  kfinnen  nur  einzelne  als  wiiklich  zweckmäßig  anerkannt  und  dalfer 
2ur  Ergftnzunfl  der  oben  angefahrten  Symbole  herangezogen  werden.  ]A 
wähle  im  folgenden  diejenigen  aus,  deren  Verwertung  mir  nQl^ich  scheint, 
gestatte  mir  aber  dabei  einige  Abweichungen  von  dem  Sinn,  den  man  des 
Zeichen  uisprOniUch  gegeben  hat,  und  füge  einige  neue  hinzu. 

V  @  W"  oder  w*  ^  w",  d.  h.  der  Individaalbegriff  W*  biw.  w*  ge- 
hört zur  ,3elerung"  ')  [vgl  S.  868  f .  u.  G3E)  dee  Art-  oder  GattungsbegijtfM 
begriffe«  W"  bzw.  w"  {„fSUt  unter*'  W"  bzw.  w»); 

de^.!?"  C  ■W»+'  oderw^C  w"  +  •  tmd  allgemMn  W^  C  W»+" 
oder  w"  C  »"+"',  d.  h.  der  Art-  hiw.  Gattungsbegriff  W»  bsw.  w»  aiR  in 
den  Umfang  des  höheren  Gattungsbegriffes  W°+>°  biw.  w''^  (ist  ihm  nb- 
ordiniert). 

Die  Abwesenheit  der  Beziehung  ^  wird  durch  das  Znchen  (^  txa- 
gedrückt,  wie  Oberhaupt  ein  senkrechter  Strich  (Durchstrich)  zum  Ausdruck 
der  Verneinung  dient  Vgl.  S,  666. 

Die  reziproke  Beziehung,  also  die  Superordinalion  (Supeisumtion, 
Schroeder)  *)  wird  durch  das  Spi^elbild  des  Svmbols,  d.  h.  durdi  3  '>'*' 
^  ausgodräckL  So  bedeutet  t.  B.  W+l  ;^  w" ,  da«  w"+^  dem  w"  aber- 
geordnet ist  Das  Zeichen—  ist  lör  solche  Fälle  zu  reservieren,  in  denn 
die  gemeinschaftliche  Subordination  aller  oder  wenigstens  mehrerer 

*)  An  die  Belegung  im  änn  der  C&ntorschen  MeDgentefare  ist  sdbst- 
verstindlich  weder  hier  nodi  in  g  78  u.  98  gedacht 

*)  E.  Schroeder,  Vorlesungen  Ober  die  Algebra  der  Logik,  Bd.  1,  Leipsg 
lasa  S.  167. 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  BegrilfMi.  541 

Begritle  unter  einen  abergeordneten  BegriO  «ussedrQckt  werden  soll  (trI. 
S.  331). 

Das  Gleichheitazeichen  =s  wird  vorzugsweise  verwendet,  um  die  U  m  - 
faniseleichheit  aw^er  Besriffe  zu  bezeichnen.  Wenn  ein  MißvenUndnis 
mögüeh  ist,  wird  aber  d»a  Gleichheitazeichen  ein  u  Besetzt  werden  (also  ^  >. 

Dieiahaltlicbe  Gleichheit  zweier BegriHe  soll  durch  das IdentitAts- 
uiehen  =~  «uffiedrückt  werden.  Aus  der  inhaltlichen  Gleichheit  folgt  stets 
auch  die  Umlangsgleichheit,  w&hfend  Umfaiigwleichheit  sehr  wohl  mit  In- 
baHsrenchiede  aheil  vertrAtficb  ist.  So  ist  z.  B.  der  Begriff  .«leichaeitiges 
Dreieck"  mit  dem  Begrilf  „gleichwinkliges  Dreieck"  umfangsgleich,  aber  doch 
TOQ  ihm  inballsTerachieden ;  erat  wenn  msn  auf  die  fundierenden  Gegen- 
stlnde  zorQckgebt,  ergibt  sich  auch  luballsgleichheit  und  damit  Deckung. 
V^  hierzu  §  102  f. 

Ober  die  BeAunft  der  Zeichen  O ,  ^  und  O ,  I&  s^  folgendes  be- 
meikL  E.  Schroeder  (Vorles.  Ober  die  Algebra  der  Logik,  Leipzig  1800. 
fid.  1,  S.  1S7  ff.)  führte  beide  ursprünglich  in  einer  Bedeutung  ein,  die  weh 
mit  der  soeben  angegebenen  im  wesentlichen  deckL  AuBerdem  verwendete 
er  die  kombinierten  Zeichen  <€>  ^>  ^fud^,  wenn  auBer  Sub-  bzw. 
SuperOrdination  auch  Gleichheit  der  beiden  Begrifl«  oBen  gelassen  werden 
toQ,  und  sprach  in  solchen  FUleu  von  „eventueller  (oder  fakultativer)  Unter- 
ardnnng"  usf.  (I  o.  a  188).  So  bedeutet  2.  Bj  A  ^  B,  daB  A  entweder 
d«u  B  untergeordnet  ist  oder  ihm  gleich  ist  FOr  Subordination  braucht 
^r.  auch  den  Terminus  Subsumtion,  den  ich  für  subordinierende  Urteile 
resoviere.  AtiSerdem  unterscheidet  Sehr,  nicht  so  scharf  zwischen  der 
Subordination  der  Begriffe  imd  der  Subordination  der  Gegeost&ncle.  Selt- 
umerwase  hat  nun  Schroeder  in  dem  nach  seinem  Tod  von  Eug.  Maller 
beaibettelen  AbriS  der  Algebra  der  Logik  (Leipzig-^Berbn  1909,  Teil  1,  S.  7  tf.) 
dieselben  Zeichen  etwas  anders  definiert.  Hier  fflhrt  er  das  Zeichen  ^£ 
mnlchsl  lor  die  Folgerungsbeziebung  zwischen  zwei  S & t z e n 
(Propomtionen)  ein,  und  zwar  soll  a^s  ß  bedeuten:  ß  ist  die  Folgerung 
aus  Q  (mit  Einschluß  des  Falls  der  Identität).  Er  nennt  diese  Beziehung 
letzt  sekundäre  Subsumtion  (sekundäre  Einordnung).  Dabei  fällt  auf,  dafl 
er  das  Zeichen  ^=  sprachlich  mit  „sub"  wiedergibt,  obwohl  nach  seiner 
ugenen  Auffassung  a  ^S  ß  talsächlich  in  der  Begel  nicht  bedeutet,  daB  der 
Sttz  a  unter  (sub)  den  allgemeinen  Satz  ß  Eällt,  sondern  umgekehrt,  daß 
der  spezielle  Satz  ß  unter  den  allgemeinen  Satz  a  fällt.  Weiteitin  (1.  c. 
S.  IS)  dehnt  nun  Sehr,  diese  Symbolik  von  Sätzen  auch  auf  Begriffe  aus 
und  setzt  fest,  jede  binäre,  reflenve  und  transitive,  einem  Elementesystem 
zugehörige^)  Beziehung  zwischen  zwei  BegriHen  a  und  b  solle  durch  das- 

')  Zu  diesen  Schroederschen  Terminis  sei  folgendes  iKmerkt:  Die 
Dinge  a,  b,  c  . . .  gehOt«!  mit  der  Beziehung  Z  zu  einem  Elementesystem, 
von  jedes  Ding  p  unter  ihnen  zu  jedem  anderen  Ding  q  unter  ihnen  Ober- 
haupt in  irsendeiner  Beziehving  steht,  tmd  zwar  entwed»  in  der  Bc- 
liehunt  Z  oder  aber,  wo  nicht,  doch  in  einer  damit  in  Widerapruch  stehen- 
fai  Beziehung  Z.  Sokhe  Dinge  änd  z.  B.  die  reellen  Zahlen,  die  unter 
adi  entweder  gleich  oder  uatfeich  sind  (1.  c.  S.  18  mit  einigen  wichtigen 
Zusätzen).  .Jtefleiiv"  nennt  Schroeder  eine  Beziehung,  „w«nD  »des 
DoK  p  des  SyslemG,  zu  dran  Z  gehfirt,  mit  sich  selbst  in  dieser  Beziehung 
stefar  (I.  c.  S.  12  u.  l»)i  so  ist  ZJ  B.  fOr  die  Gleichheit  stets  aaa  („Eigen- 
sckall  dar  Oteichbaitriwziehuoi").     „Transitiv"  ist   eine  Beziehung  Z 


i.l^. OQi 


'S'c 


g42       ^-  "^^^^    ^^  «iiz«tneii  loguchen  G^dlde  und  ihre  Gesetze. 

selbe  Zeichen  ^c  i>suh"  d&rsestellt  werdea  nad  primäre  Subsunfiiin 
oder  piimire  EiDoidnmia  faeiBen.  Dtnius  ergibt  sich,  dkfl  du  Zeicbea  ^ 
dia  im  Gebiet  der  S & 1 1 e  eine  bestimmla  e i  n »eitise  (polftre)  Ricfatuai 
der  Beziehung,  nimüch  von  der  IMmiase  nmi  Konklusuro  (S.  308)  be- 
zeichnet, jetzt  im  Bereich  der  B  e  g  r  i  f  f  e  fOr  eine  Beziehung  ohne  Fincmig 
ihrer  Bichtung  gelten  soll,  a  ^  b  kann,  wie  Sehr,  selbst  betont,  sowohl 
die  Unterordnung  von._a  unter  b  wie  die  Oberordnung  von  a  Ober  b  be- 
denten.  Diese  Ungleichheit  der  Verwendung,  die  auch  durch  sp&tere  Br- 
Alterungen  (1.  c.  §  84,  S.  56)  nicht  behoben  wird,  sdteint  ni>i<  unzweck- 
m&Sig.  Ich  habe  daher  oben  auch  im  Berdch  der  BesriOe  das  Zöcben  ^E 
nur  fflr  die  Unterordnung  gebraucht  (und  ^  für  die  ÜboFordiiusi), 
bin  also  im  wesentlicbeo  der  älteren  Darstetlang  Schroeders  gefolgt*}. 

Das  Zeichen  ^  wird  auch  von  der  Hengentebre  (Tgl.  §  8^  verwendet, 
hat  aber  hier  einen  abweichenden  Sinn.  Es  wird  iil,mlicb  folgendermaBen 
definiert*):  Wenn  alle  Elemente  der  Menge  A  auch  Elemente  der  Menge  B 
sind,  80  sagen  wir  „A  ist  in  B  enthalten",  srnüxriisch  AO  B  (i*enQ  mu 
den  Fall  der  Gleichheit  der  beiden  Mengen  wegl&Bt).  Da  die  Mengen  der 
Mengenlehre  individuelle  KoUektivbegriBe  (C'b  nach  der  Srnibolik  S.  CSS) 
und  nicht  Allgemeinb^riSe  sind,  so  bedeutet  für  die  Mengenlehre  das 
Zeicben  ^  nicht  die  Subordination  unter  einen  Allganeinbegritf,  sondern 
das  Enthaltensein  in  einem  individuellen  KoUekÜvbegrifi.  Von  dieser  ab- 
weichenden Verwendung  wird  hier  g&nzlich  abgesehen.  Ein  besonderes 
Zeichen  fflr  das  Enthaltensein  in  einer  Menge  scheint  vorl&ofig  in  der  Logik 
nidit  erforderlich. 

Es  fehlt  nunmehr  noch  rin  Syn^l  für  die  Bemehuhg  eines  Teil- 
begiiffa  im  weitesten  Sinn  (eines  begriSUcben  Merkmals,  vgL  S.  BOl, 
Anm.  1'  u.  S.  496)  zu  dem  zugeh&rigen  Begriffsganzen,  also  zu  dem  ni- 
gehOrigen  —  individuellen  oder  generellen  —  KomplezionsbegTitL  kh 
werde  bierfOr  im  folgenden  das  Zeichen  -k~  und  -«-verwenden,  das  S.  SIS 
bereits  für  die  Isolation  eingefflhrt  worden  ist,  und  zwar  in  der  Weise,  daS 
die  Pfeilspitze  dem  Teilbegriff  zugekehrt  ist;  m  -*-  K  bedeutet  also:  m  ist 
«n  Teilbegiiff  begriffliches  Merkmal}  von  E.  Ebenso  bedeutet  K  ->■  n 
das  E  den  Teilbegrifl  m  enthfilt,  femer  E  -}->  m,  daB  m  kein  TeilbeaiS 
von  K  ist  usf. 

Die  atg^raische  Logik  fahrt  im  AnschtuB  an  die  oben  angefOhtt« 
Zeichen  noch  zwei  spezielle  Gebiete  ein,  welche  sie  als  die  Gelnete  der 
,.identischen  Null"  und  der  „identischen  Eins"  bezeichnet  und  durch  die 
Symbole  0  und  1  ausdrückt.  Die  Definition  derselben  lautet  z.  B.  bei 
Scbroeder  >")■  rfi  nennen  wir  ein  Gebiet,  welches  zu  jedem  Gebiete  a  in 
der  Beziehung  der  Einordnung  stdit,  weÜies  in  jedem  Gdnete  der  Uannig- 


nach  Schroeder,  wenn  ans  der  Beziehunf  Z  zwischen  p  ttnd  q  (srmbolisdt 

p  Z  q)  und  der  Beziehung  Z  zwischen  q  und  r  [srn^lisch  q  Z  r)  stets  lolft. 

daß  auch  zwischen  p  und  r  die  Beziehung  Z  besteht  (pZr).     VgL  L  e- 

S.  9  u.  19. 

*)  L.  Coutural,  L'algäue  de  la  logique.  Scientia,  Mars  1906,  g  S  w 

wendet  das  Zeichen    <  und  spricht  von  incluaion,  bei  Begriffen  speziell  w» 

subsomption. 

*)  VgL  F.  HausdorS,  GrundzQge  der  Mengenlehre,  Lzg.  1914,  S.  3  o-  4- 
'«}  Voriesungen,  Bd.  1,  S.  188^  812  o.  371;  AbriB,  Teil  t,  S.  36.  T« 

allem  sind  auch  die  viel  Uteren  Untersuchungen  toh  Q.  Boole^  An  InnA 


1.  KapiM.    Die  Lehre  von  den  BesriBen.  5^ 

ialtiikeil  enthalten  ist."  1  dagegen  „ein  Gebiet,  zu  welchem  jedes  Gebiet  a 
in  der  Beziehung  der  Einordnung  steht,  in  welchem  jedes  Gebiet  der  Uuuüs- 
falti^eit  enthalten  ist".  Die  Null  soll,  „wenn  von  Klassen  >i)  die  Rede  ist. 
dem  Begrifi  des  Nichts  entsprechen",  wahrend  die  Eins,  wenn  a,  b,  c,  ... 
Klassen  vorstellen,  die  „nmlaasendate  Klaaae  bedeutet,  welche  alle  die  Klassen 
Tind  Individuen,  von  denen  in  der  Untersuchung  die  Rede  ist,  in  sich  ver- 
einigt". Des  Nullgebiet,  ist  also  lediglich  „fingiert",  während  das  Einsgebtet 
dem  Be^iff  „des  Ganzen"  oder  „Alles"  innerhalb  der  voTausgesetzten 
lUnnigfaitigkeit  entspricht.  Für  die  weitere  mathematische  Behandlung 
logischer  Probleme  bieten  diese  Symbole  manche  Vorteile  (vgl.  S.  574). 
la^wsondere  gelingt  es  mit  Hilfe  derselben,  weitgehende  Analogien  zwischen 
loiisdien  S&tzen  und  mathematischen  Formeln  herzustellen.  Dagegen  kann 
nicht  zugegeben  werden,  daB  diese  Hilfsbegriffe  uns  eine  neue  oder  tiefere 
Kinsicbt  in  das  Wesen  der  BegriSe  und  ihrer  Verknüpfungen  versehaOen. 
Vgl  S.  675. 

§  102.  Die  ge8:eiueit]^a  Bllgemeinen  Beciebongui  der 
Besrilfe  <m  Hinblick  anf  Inhalt  und  TJmfai^.    1.  Negatton. 

Mit  der  Unterecheidang  einerseits  einfacher  und  znsammen- 
gefletzter,  andrerseits  subordinierter,  snperordinierter  nnd 
koordinierter  Begriffe,  wie  sie  sich  in  den  letzten  Para- 
graphen ergehen  hat,  sind  die  gegenseitigen  allgemeinen  Be- 
ziehongen  der  Begriffe  nicht  erschöpft.  Die  Logik  nnter- 
scheidet  vielmehr  noch  zahlreiche  andere  theoretisch  und 
pritktisch  wichtige  allgemeine  B^rlffsbeziehnngen,  die  sich 
nnnmehr  mit  Hilfe  der  festgesetzten  Symbole  sehr  scharf 
kennzeichnen  lassen.  Dieselben  sind  teils  inhaltlich,  teils 
mnfänglich  ^).  Es  wird  sich  aber  zeigen,  daä  jede  inhaltliche 
Beziehung  auch  umfängliche  Beziehungen  involviert  nnd 
umgekehrt. 

Bei  der  Darstelinng  dieser  weiteren  Beziehungen  gehen 
wir  von  der  Unterscheidung  positiver  und  negativer 
Begriffe  (conoeptns  positiv!  bzw.  negfttivO  aus.  Negativ 
heißt  jeder  Begriff,  der  ein  oder  mehrere  negative  Merkmale 
enthält,  wie  z.  B.  die  Begriffe  „nicht-grün",  „nicht-teilbarer 
und  nicht-elastischer,  beweglicher  Körper"  nsf.  Die  Negation 
hat  dabei  die  ganz  allgemeine  Bedeutung  des  unbestimmten 
„anders  als".  Sie  entspricht  also  der  allgemeinen  Versohie- 
denheitsvorstellung,  welche  wir  vermöge  der  ve^leichenden 

tA  the  laws  of  thought  etc.,  London  18U,  S.  17  fl.  (lotical  value  and  signi- 
ficance  of  the  Symbols  0  and  1)  zu  vergleichen. 

")  Unter  einer  Klasse  versteht  Sehr,  bald  eilten  loglachen  AUgemetn- 
begriff,  bald  die  Gesamtheit  der  unter  einen  solchen  fallenden  IndiTidneni 

*)  Im  Interesse  der  AbkCbzung  sei  dieser  Tenninus,  dar  in  der  popu- 
Um  Spnche  einen  ganz  anderen  Sinn  hat,  gestatteL 


1,1^. OQi 


-c^lC 


544       IV'  l'^iL     ^^  einzelnen  loiäacben  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 


FoHktioa  (vgL  S.  344)  mit  Bezng  aaf  Gegenstände  bilden 
aad  in  der  Begel  in  Urteilen  aosdrücken  (vgl.  die  psycho- 
logischen Erörtemngen  über  negative  Urteile  S.  390 IF.).  Sie 
unterscheidet  sich  von  der  sonstigen  Verschiedenheit  nnr 
dadorch,  dafi  bei  letzterer  das  Gegenglied  doch  auch  positiv 
bestimmt  ist  (rot  statt  nicht-grnn,  rotes  Tuch  statt  nicbt- 
grünes  Tuch).  Jet  also  ein  einfacher  Begriff  „a"  gegeben,  m 
ist  der  Begriff  ,^on-a"  ein  Ällgemeinbegriff,  dessen  einzigem 
Merkmal  die  Verschiedenheit  von  a  ist  Zu  dem  non-a 
„nicht-grün"  gehört  also,  wenn  „grün"  streng  als  Eigen- 
schaft gedacht  ist*),  nicht  nur  blau,  rot  usf.,  sondern  aocb 
viereckig,  süS,  Gold,  Gras,  Pflicht  usf.  Gras  ist  zwar  grün 
und  gehört  daher  zu  den  grünen  Körpern  (Gegenständen), 
ist  aber  nicht  die  Eigenschaft  (Farbe)  „grün".  Handelt  es 
sich  um  einen  zosammengesetzten  Begriff  a  b  e  . . .,  so  kano 
sich  die  Negation  entweder  anf  alle  Teilbegriffe  oder  nur  aof 
einige  bzw.  einen  einzigen  beziehen.  Wenn  z.  B.  die  Physik 
früher  die  Ätherteilchen  als  nicht-schwere  (imponderable), 
bewegliche  Körper  anffaBte,  so  ist  dieser  B^riff  ein 
partiell -negativer.  Es  handelt  Bi9h  nur  nm  die  Negation 
eines  oder  mehrerer,  aber  nicht  aller  Merkmale'  eines  Kom- 
plexes. Andere  Beispiele  wären:  gemchlose  Blume  (indi- 
viduell oder  allgemein),  nicht-grüne  Körper,  dorch  5  nicht 
teilbare  Zahl  osf.  Ist  der  partiell  negierte  znsanunengesetste 
Begriff  ein  Allgemeinbegriff  (z.  B.  ranchloees  Pulver)  nnd 
dieser  in  der  üblichen  Weise  definiert,  so  kann  man  auch 
sagen,  daß  die  Negation  sich  bei  ihm  anf  Merkmale  inner- 
halb der  Differentia  specifica  beschränkt,  dagegen  der  Merk- 
malbestand des  Genus  proximom  erhalten  bleibt ').  Die  all- 
gemeine Formel  des  partiell  negativen  OEOsammMigesetrten) 
Begriffes  ist  ab...non-c  Ein  Beispiel  für  die  totale 
Negation  eines  zusammengesetzten  Begriffes  ist  der  Begriff 
Niobt-Ioh  (wofern  mau  den  Ich-Begriff  als  zusamioen- 
gesatzt  anerkennt).  Seine  Formel  kann  geschrieben  werden 
non-(abc.. .).  Die  Negation  erstreckt  sich  hier  also,  wenn 
es  flieh  nm  einen  Allg«neinbegriff  handelt,  auch  anf  sein 


1}  Im  Gegensatz  zum  BegriB  „GrOnee"  oder  pjrOae  KSiper".  Vd- 
S.  aOBt  Anin.  3  u.  &S9.  —  Hier  hat  non-a  andere  Bedeutung  ab  S.  HS. 

')  In  dem  sprachlichen  Auadruck  lOr  partiell  nefierte  Baniffe  ist  zu- 
weilen der  partielle  Charakter  der  Negation  verwischt  (Nkiht-Baucb«  statt 
nicbt-Muchende  Menschen).   Vgl  S.  äbi. 


1.  Kapitel.    Die  Lebre  von  den  BesriOen.  545 

G«niiB  proximum.  Logisch  stehen  offenbar  die  total  negativen 
znBammengeBetzlea  Begriffe  den  negativen  einfachen  Be- 
grifTen  sehr  nahe;  sie  sollen  daher  im  folgenden  in  der  Begel 
mit  diesen  zusammengefaßt  werden.  Besondere  Beachtung 
verdient,  daß  selbstverständlich  anch  a  und  b  und  a  b  und  a  e 
nsf .  unter  den  Begriff  non-(a  h  c . . .)  fallen.  Die  Kegation  in 
dem  letzteren  bezieht  sich  nicht  auf  die  einzelnen  Teilbegriffe 
a,  h,  e  usf.,  Bondem  auf  den  Komplex  abc.  Deshalb  wurde 
das  Elammerzeichen  (  )  hinzugefügt.' 

Die  partielle  Negalion  eines  Begriffs  unterscheidet  sich  von  dei  N«ga- 
tioD  eines  parlifeui&ien  Urteils  Cimanche  Rosen  sind  nicht  lot",  vgl.  g  115) 
dadurch,  daS  jene  sich  auf  einen  Teil  des  Inhalts,  diese  auf  einen  Teil  des 
Umlangs  bzw.  der  Belegung  bezieht;  beide  sind  jedoch  verwandt,  indem  die 
I>artielle  Begriflsnegation  stets  auch  eine  entsprechende  Spaltung  des  Um- 
fangs  des  Genus  proximuAi  involviert  (rote  und  nicht-fote  Rosen). 

Von  der  totalen  Negation  in  dem  eben  beeprochenen 
Sinne  —  Begriffssymbol  non-(8  b  c)  —  muß  die  durchgängige 
Negation  aller  einzelnen  Merkmale  —  Begriffsaymhol 
non-a  non-b  non-c  —  scharf  nntersebieden  werden  *).  Bei 
der  letzteren  handelt  es  sich  nicht  um  die  Negation  des  Be- 
griffes abc,  sondern  am  eine  Begriffsbildung,  die  doreh 
Negation  dreier  einzelner  Begriffej  nämlich  a,  b  und  c, 
zustande  gekommen  ist.  Der  Begriff  non-(ahe)  schließt 
nur  den  Begriff  ahc  aus,  dagegen  Begriffe  wie  a b  non-c, 
anon-b^on-c  nsf.  ein,  während  der  Begriff  non-a  non-b  non-c 
alte  Begriffe  ausschließt,  die  überhaupt  auch  nur  eines  der 
Merkmale  a,  b  oder  c  einzeln  oder  in  irgendeiner  Kombi- 
nation enthalten.  Die  Negation  bezieht  sieh  also  im  ersten 
Fall  auf  ein  hesehränkteree  Gebiet  als  im  zweiten,  und  das 
Umfangsgehiet  de«  negativen  Begriffes  selbst  ist  daher  im 
ersten  Fall  größer.  Es  gibt  —  um  ein  Beispiel  mit  zwei 
Merkmalen  anzuführen  —  mehr  (Gegenstände,  die  nicht 
„grünes  Kleid"  sind,  als  Oegeustände,  die  weder  „grün"  noch 
„Kleid"  sind.  Vgl.  heistehende  Fig.  2,  auf  der  die  horizon- 
tale Schraffierung  die  globale,  die  senkrechte  Schraffierung 
die  distributive  totale  Negation  darstellt'),  sowie   S.  554, 

*)  Die  Übertragung  auf  Begriffe  mit  mehr  als  3  oder  mit  2  Merkmalen 
kann  übergangen  werden. 

>)  Die  Schraflierung  muS  man  sich  nach  oben,  unten,  rechts  und  links 
unendlich  weit  fortgesetzt  denken. 

Zlflhaii,  Lelubucb  derLoirik.  35 

„.,,„,  ^.oogic 


546       1*    Tel.     Di>   nmfmen  lop«faep  GriHide  utd  ihre  G«art». 

Fig.  4a  o.  b.  Um  diese  beiden  Formen  der  Negation  aodi 
termlDologisch  scharf  zq  antcrscfaeideii.  sei  nämlich  di? 
«•rate  —  non-(abc)  —  als  globale')  totale  Negation,  die 
zweite  —  non-a noo-b non-c  —  ak  distributive  total* 
Negation  bezeichnet. 


Man  beachte  auch,  daß  bei  zusainmcns^selzleD  Begriflen  die  Anube 
eines  Heriunals  stets  eine  Zweideutigkeit  iu  sich  schließt,  welche  sich  sudi 
aul  den  zugehörigea  negaliven  Degrifi  überträgt.  Mit  einem  „wräBen  KBiph" 
kann  man  entweder  einen  Körper  mejnen,  der  ganz,  d.  h.  in  allen  söbbi 
Teilen  weiß  ist,  oder  einen  Körper,  der  in  irgendeinem  Teil  w«S  i* 
Ira  eralereo  Sinn  iat  der  zugehörige  partiell- negative  BegrilT  der  Begrifi  ose 
Körpers,  der  nicht  in  allen  seinen  Teilen  weiß  ist,  im  letzteren  Sinn  di- 
eegen  der  Begriff  eines  Körpern,  der  in  keinem  Teil  weiß  ist  Ein  acbwin 
und  weißer  Körper  würde  nicht  unter  den  zweiten,  wohl  aber  unter  den 
ersten  negativen  Begriff  fallen.  Handelt  es  sich  um  einen  Kontraktions- 
begriff,  so  kommt  eine  analoge  Zweideutigkeit  durch  die  Zeit  hinzu.  G» 
weißer  Körper  ist  entweder  ein  solchef,  der  zu  allen  Zeiten  (in  aUen 
Phasen)  weiß  ist,  oder  ein  solcher,  der  zu  irgendeiner  Zeit  weiß  ist,  imö 
dementsprechend  ein  nicht  -  weißer  Körper  entweder  ein  solche,  <^ 
nicht  zu  allen  Zeiten  weiß  ist.  oder  ein  solcher,  der  zu  keiner  Zeit  ««5 
i-t.  Vor  allem  darf  man  diesen  Unterschied,  der  sich  auf  die  gEt- 
streckung"  eine»  Merkmals  des  positiven  Begriffes  bezieht  und  duw 
selbstverständlich  auch  auf  den  negativen  Begriff  Gberfiägt,  nicht  mit  doD 
(.'nterachied  zwischen  totaler  und  partieller  Negation  verwechseln.  Der  ent« 
JUnterschied  betrifit  nicht  etat  die  Negation,  sondern  schon  das  positive  Ueit- 
mal  bzw.  den  positiven  Begriff  und  überträgt  sich  auf  den  negativen  Bc- 
nrifi,  einerlei  ob  dieser,  wie  in  dem  eben  angeführten  Beispiel,  particU  negativ 
oder  total  negativ  ist,  d.  h.  im  letzteren  Fall  nicht  nur  äas  „weiß",  sendete 
auch  den  „Körper"  negiert  (ganz  weißer  Körper  —  nicht-[Banz  weißer  KStper; 
und  teilweise  weißer  Körper  —  nicht -[teil  weise  weißer  Körper]).  Mertmile. 
die  räumlich  oder  zeitlich  beschränkt  sind,  sollen  fortan  kurz  als  limi- 
tierte Merkmale  bezeichnet  werden.     Bei  jeder  Negation,  totaler  wie  DS^ 

■)  Die  Be:;eichnuiig  ist  der  Psychologie  des  Gedichtnisses  entleboL 

„.,,„,  ^.oogic 


1.  K&uitel.    Die  Lehre  von  den  BegiiSeo.  547 

(ieller,  ist  also  zu  untersuchen,  ob  sie  sich  auf  ein  Umitierles  oder  nicht- 
limitiertes  Merkmal  bezieht.  Durch  VemachlAssisung  äner  solchen  Untei- 
suchung  entstehen  zahlreiche  TrusschlOsse.  Bemerkenswert  ist  vor  allem, 
dafi  ein  BesnU  mit  einem  limitierten  Merkmal  (irgendwo  bzw.  irgendwann 
veiS)  neiter  ist  als  derselbe  Begriff  mit  unlimitiertem  Merkmal,  und  daß 
dementsprechend  die  Negation  eines  hmitierten  M«ito>als  bzw.  Begriffs 
selbstveislAndUcb  einen  engeren  Begriff  liefert  als  die  Negation  eines  nicbt- 
Ümilierten.  Im  ersten  Fall  wird  durch  die  Negation  die  Limitation  gewisser- 
maBes  aufgehoben.  Der  Begriff  ,^icht-ganz  weiSe  Körper"  umfaSt  mehr 
als  der  Begriff  „weder  ganz  noch  teilweise  weiDe  Körper",  nämlich  auch 
Körper,  die  beispielsweise  zum  Teil  schwarz,  zum  Teil  weiS  sind.  Im  all- 
Kemetuen  soll  festgesetzt  werden,  daB,  wenn  nicht  ausdrücklich  das  Gegen- 
teil bemerkt  wird,  jedes  Merkmal  im  Limitierten  Sinne  gelten  soU  (weiß  e= 
irgendwo  oder  irgendwann  weiB,  nicht  weiS  =  nirgends  und  niemals  weifl). 
Auch  hiermit  sind  noch  nicht  alle  Variationen  erschöpft.  Das  Merkmal 
„teilweise  weiB"  wurde  nämlich  soeben  in  dem  Sinn  genommen,  daB  es 
auch  „ganz  weiß"  in  sich  einbegreift  (etwa'^  „wenigstens  teilweise  weiB"). 
Bs  kann  aber  auch  im  prägnanten  Sinn  von  „sai  teilweise  weiB"  verstanden 
werden,  so  daB  „ganz  weiS"  nicht  in  seinen  Umfang  fällt  Ferner  kann  die 
Limitation  des  Merkmals  noch  weiter  getrieben  werden,  indem  sie  auf  einen 
bestimmten  Teil  bzw.  eine  bestimmte  Ffaase  tiezogen  wird  (also 
etwa  „im  Teil  m  weiß"  statt  „Oberhaupt,  d.  h.  in  irgendeinem 
Teil  weiß").  Auch  hier  ergeben  sich  entsprechende  Variationen  der 
.N'egatioo.  Dazu  kommt,  da£  auch  das  „nur"  in  vielen  Fällen  zweideutig 
ist:  entweder  schlieBt  es  nur  koordinierte  Merkmale  desselben 
Genus  proximum,  also  andere  Farben,  oder  überhaupt  alle 
nuderen  Merkmale  aua  Hierbei  ist  zu  bedenken,  daß,  rein  logisch  betrachtet, 
kein«  Eigenschaft  irgendeine  andere  positiv  bestimmte  Eigenschaft  au9- 
schlieSt^),  und  zwar  auch  in  demselben  Teil  und  in  derselben  Phase  nicht: 
logisch  ist  weis  in  diesem  Sinne  nicht  nur  mit  sQB,  sondern  auch  mit 
-rol  und  selbst  mit  schwarz  (also  kcHmaten  oder  gar  konträren  Eigenscboflen, 
1^  S.  327  u.  §  10t)  verträglich;  nur  die  Eriahrung  kann  uns  belehren,  daB 
Gegenstände  fOr  solche  Begriffe  fehlen  (vgl.  S.  430).  Endlich  kommen, 
wie  sich  von  selbst  versteht,  wesentliche  Variationen  der  Negation  dadurch 
zustande,  dafi  ich  bald  das  Merkmal  „rot",  bald  die  ihm  hypostasierten 
,jt:ten  Gegenstände"  (S.  494,  512,  544}  negiere.    Vgl.  auch  §  113. 

Zwei  Begriffe,  von  welchen  der  eine  das  totale  Kegat*) 
des  andern  ist,  werden  als  kontradiktorisch  eat- 
gegengesetzt  oder  knrz  als  kontradiktorisch  be- 
zeichnet. Man  hat  also  dann  weiter  kontradiktorische  ein- 
fache Begriffe  —  Formel  a  und  non-a  —  und  kontradikto- 
rische    zusammengesetzte    Begriffe  —  Formel    abe    und 

non-(a  b  c)  —  zn  unterscheiden.  Die  letzteren  werden  zweck- 
mäfiigerweise     spezieller     als     global-kontradikto- 


^)  Nur  bei  einfachen  Begriffen  ist  selbstverständlich  das  Vorhandensein 
nreier  besrifilicber  Momente  ausgeschlossen. 

■)  Diesen  Terminus  entlehne  ich  der  aliebraiachen  Logik. 


_.ooglc 


548       IV-  '^^'^-    ^'^  einzelnen  loBiachen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

fische  bezeichnet,  am  sie  von  den  oben  besprocbenen  Be- 
griffen von  der  Formel  non-a  non-b  non-e,  den  distribn- 
tiv-kontradiktori  sehen,  scharf  zn  unterscheiden;  es 
60II  jedoch  feBt^esetzt  werden,  daß,  Tveon  von  kontradikto- 
rischen Begriffen  sehleehthin  gesprochen  wird,  stets  glo- 
bal -  kontradiktorische  gemeint  sind  *). 

Ein  wichtiger  Spezialfall  des  distr.  kontradiktor.  Ver- 
hältnisses zasammeagesetzter  Begriffe  kommt  dann  zustande, 
wenn  jeder  der  beiden  Begriffe  ein  oder  mehrere  positive 
Merkmale  und  au&erdem  die  Negate  aller  positiven  Merk- 
male des  anderen  enthalt,  wie  z.  B.  W  ^  a  h  non-c  und  W  = 
nou-a  non-b  e  oder  W:^abnon(cd)  und  W  =  non  (ab)cd. 
Solche  Begriffe  sind  z.  B.  in  Beetimmnngstabellea  sehr  hänSg 
und  mögen  als  rekontradiktorisch  bezeichnet  wer- 
den.   Vgl.  auch  S.  570  d.  573. 

Nicht  berOcksichtigt  ist  in  der  obigen  Einteüuns  der  gemiKltlt 
Fall,  daß  die  lolale  Neeation  zuweilen  teils  dislribuUv,  teils  a^bal  isf. 
daB  also  einerseits  einzelne  Merkmale,  andereiseils  eine  oder  mebreit 
Merkmaleruppen  negiert  werden.  Hierher  gehören  Begriffe  wie  z.  R 
1  aLt&glichen  wie  im  wissenschaftlichen  Leben 
le  wesenllicli  neuen  Gesichtspunkte  dar. 

Liegt  nicht  totale,  sondern  partielle  Negation  vor,  so 
sollen  die  Begriffe  kontrapositorisch  heißen '").  Über 
konträre  Begriffe,  die  hiermit  nichts  zu  tun  haben,  s,  ^  lOi 

Der  Fall,  daß  ein  BegriTI  aus  einem  anderen  derart  geUldet  wird,  dal 
er  in  einem  seiner  Mc.rkmale  oder  in  einigen  seiner  Merkmale  den  anderen 
negiert,  zugleich  aber  die  übrigen  Merkmale  des  anderen  teilweise  oder  siml- 

lich  gegen  andere  positive  vertauscht  werden  (z.  B.  abc  und  de  non-e). 

komml  hier  nicht  zur  Bei-precliung,  da  es  sich  nicht  um  eine  reine  Negalioo 
handelt.     Auch   spielen    solche   „k  o  n  t  r  a  g  r  e  d  i  e  n  t  e"    BegriDe,    wie  icli   ' 
sie  nennen  will,  in  der  Logik  keine  erhebliche  Rolle.   Vgl.  S.  673. 

Auch  innerhalb  eines  konlraposi torischen  BegrlTlspaars  können  die 
Merkmale,  weiche  nEgißrl  werden,  entweder  einzeln  (distributiv)  oder  als 
Giuppe    zusammenReraBl    (plobal)    negiert    werden.     Ein    Beispiel    IQr   des 

•)  Es  ist  dies  insofern  beBTöndet,  als  der  BegriH  non-a  non-b  non-c 
par  nicht  konlradik lorisch  zu  drm  einen  Bearifl  abc  ist,  soadero  ate 
T(  ilbejtritfen  /usammeniresi'ti'.t  ist,  die  zu  don  3  BegriHen  a,  b  und  c  kootra- 
diktorifch  »nd  (vgl.  S.  6«). 

'")  Mit  der  Konlraposilion  von  Gleichungen  (s.  Schroeder,  AbriS.  S.  38) 
lint  dirse  Kontiaposilion  von  Begriffen  nichts  zu  tun,  eberi  owenig  auch  mit 
der  contraposilio  der  Urteile  von  Boflhius  (De  syllog.  categor..  Mignes  Patio- 
logie,  Bd.  6i.  S.  807).     Vgl.  auch  dies  Werk  §  124. 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Begriffen,  549 

crsteren  Falf  w&re  a  non-b  non-c,  ein  Beispiel  far  den  letzteren  a  non-(b  c). 
Da  sich  neue  Momente  bei  dieser  Unterscheid  uns  nicht  ergeben,  kann  auf 
EnfilhniQg  besonderer  Termini  und  nähere  Besprechung  verzichtet  werden. 
Wenn  nicht  ausdrücklich  das  Gegenteil  bemerkt  wild,  soll  immer  bei  den 
tonlrai) OS ilo riachen  Begriffen  Sistrihutive  Negation  aneenommen  werden. 
Ebenso  soll  nur  kurz  darauf  hingewiesen  werden,  daB  auch  bei  der  partiellen 
Negation,  also  bei  kontrapositoriscben  Begriffen  gelegentlich  ein  analoges 
Verhältnis  vorkommt,  wie  es  oben  bei  kontradittorischen  Begriffen  als  Be- 
koatradiktion  beschrieben  und  bezeichnet  wurden  so  wäfen  z.  B.  abnon-c 
und  a non-b c  zwei  rekontrapositorische  Begriffe. 

Dnrch  die  totale  globale  Negation  wird  ein  Be- 
griffe paar  gebildet  (a  und  non-a  bzw.  Ä  and  non-A),  wel- 
ches alle  überhaupt  denkbaren  Begriffe  eindeut^  umfaBt 
So  fällt  z.  B.  ancb  „viereckig"  in  den  negativen  Begriff 
„nicht-grün";  es  gibt  zwar  viereckige  grüne  Körper,  aber 
kein  viereckiges  grün,  und  nur  um  „grün"  (als  Eigenschaft), 
nicht  nm  grüne  Körper  (Grün  e  s)  handelt  es  sich  jetzt.  Diese 
Eigenschaft  zweier  kontradiktorischer  Begriffe,  eich  zur  Ge- 
samtheit aller  Begriffe  zu  ergänzen,  soll  durch  den  Satz  aus- 
gedrückt werden:  kontradiktorische  Begriffe  sind  zueinander 
snppl  ementär.     Durch  die  partielle  Negation  wird 

ein  Begriffspaar  gebildet  (abc)  und  (abnon-c),  welches  alle 
einem  höheren  Gattungsbegriff  (a  b)  subordinierten  Begriffe 
mnfaßt.  Kontrapositorische  Begriffe  sind  zueinander  kom- 
plementär. Vgl.  auch  S.  574.  Die  distributive  Negation 
bedingt,  auch  wenn  sie  total  ist,  weder  Suppleraentarität 
noch  Komplementarität,  wie  dies  am  raschesten  aus  einer 
Betrachtung  der  Figg.  3 — 4  (S.553f.)  klar  wird.  Es  entstehen 
hier  vielmehr  stete  mehr  als  zwei  Glieder  (kein  „Paar"). 

Ob  —  bei  der  totalen  und  bei  der  pariiellen  Negation  —  das  Verneinen 
eines  Merkmals  a,  also  das  Merkmal  non-a  durch  irgendwelche  unmittelbare 
oder  mittelbare  Erfahrung  [estgestellt  oder  irgendwie  vorausgesetzt  oder  aus 
don  öbrigen  Merkmalen  (aus  dem  sog.  „Wesen")  des  Begriffes  erschlossen 
ist,  ist  für  die  jetzige  Betrachtung  vorläufig  gleichgültig.  Es  kommt  hier 
nur  auf  die  Tatsächlichkeil  des  Vemeinens  an.  Auch  sei  im  Hinblick  auf 
spatere  Erörterungen  (S.  56S)  schon  letzt  betont,  daf)  zwischen  dem  Begriff 
a  b'  und  dem  Begriff  a  b  non-c  selbstverständlich  durchaus  unterschieden 
«erden  muB  (vgl.  auch  S.  423,  Anm.  l)'°a).  Das  Fehlen  von  c  unter  deq 
Merkmalen  des  Begriffs  a  b  bedeutet  —  richtige  Bildung  des  Begriffes  voraus- 
gesetzt — ,  daß  c  nicht  zu  den  regelra&Bigen  Merkmalen  des  Begriffs  gehOrt, 
dabei  ist   nicht   ausgeschlossen,   daS    einzelne  Untergattungen    bzw.    Arten 

iOa)  Vom  sonatigen  früheren  Gebrauch  des  Symbols  non-a  (S.  430  tl.] 
wird  ielzt  abgesehen. 


OgIC 


.>50       ^~-  T^^^-     ^c  etnzelnen  logisehen  Gdiilde  nnd  ihre  Gesetze. 

bzw.  Individuen,  die  unter  den  BesriB  [allen,  doch  das  Meitan«!  c  haheo: 
dAgegeo  kommt  das  Ueifanal  c  keiner  einzigen  unter  den  Be^iiFt  abnoD-c 
lallenden  Untergattung  (bzw.  Art  bzw.  Individuum)  zu. 

Die  Tatsache,  dafi  sowohl  zwei  kontradiktorische  wie 
zwei  koDtrapositorische  Begriffe  keine  TjDtergatttmgen  bew. 
Arten  bzw.  lodividnen,  kurz  keinen  Teil  ihres  ünifa)ig& 
gemein  haben,  wird  anch  in  dem  Satz  formuliert:  sie 
schließen  sich  gegenseitig  ans  oder  sie  sind  re- 
pngnant  (widerstreitend).  Besondere  Wichtigkeif 
hat  "diese  Bepugnanz  bei  Merkmalkomplexen:  repngnaate 
Merkmalkomplexe  sind  miteinander  „nnverträglich" 
(„nnvereinbar"),  sie  können  nicht  einem  nnd  demselben  Be- 
griff zukommen.  Die  Merkmale  bzw.  Merkmalkomplese  a 
und  non-a,  ebenso  a  b  und  non-(a  b),  desgleichen  a  b  und 
anon-b  sind  einfache  Beispiele  hierfür;  man  beachte  dabei 
Dar,  daß  non-a  usf.,  wie  ausdrücklich  festgesetzt  worden  ist, 
jetzt  nicht  etwa  nur  das  Vorhandensein  eines  von  a  verschie- 
denen Merkmals  bedeutet,  sondern  die  Behauptung  invol- 
viert, daß  a  nirgends  und  niemals  in  dem  bez.  BegrifF  vor- 
kommt, dieser  also  in  allen  seinen  Teilen  und  Phasen  von  s 
verschieden  ist  (vgL  S.  544  n.  546).  Im  nächsten  Paragraphen 
wird  von  dieser  Bepugnanz  ausführlicher  gesprochen  wer- 
den. Vorläufig  sei  nur  noch  bemerkt,  daß  die  jetzige  Er- 
örterung ihre  Gültigkeit  auch  dann  behält,  wenn  man  die 
S.  491  u.  496  besprochene  Objektivation  und  Sabstantiati<n 
der  Begriffe  vornimmt.  Begriffe,  die  nicht  repognaut  n- 
einander  sind,  heißen  verträglich  oder  konvenient 
(vgl.  S.  568). 

Bepugnanz  kommt  also  in  streDg-loeiscbem  Sinn  nur  vor,  «eno 
einer  der  beiden  Begriffe  oder  beide  eine  N^alion  direkt  oder  indirdri  ent- 
halten. „Athener"  und  „Spartaner"  bilden,  rein  logisch  betrachtet,  kein 
repugnantes  Beiriffspaar,  ebensowenig  „rot"  und  ,.grOn".  Erst  wenn  ich 
an  Stelle  von  „rot"  und  ,ÄrOn"  etwa  „nur  rot"  (ganz  rot)  und  „flur  grOn" 
(ganz  grün)  setze,  also  eine  latente  Negation  einführe,  kommt  Bepugouu 
zustande.  Im  praktischen  Denken  Bpiell  neben  der  hier  beapTOchenen  rein- 
logischen Repugnanz  die  empirische  Repugnanz,  d.  h.  die  UnvertTSfUdikeit 
zweier  Begriffe  (Mej^male  usf.),  «ie  sie  sich  aus  der  Erfabruns  ergibt,  ^' 
bedeutsame  Rolle  (vgl.  unten  S.  551).  —  Man  könnte  au&erdem  die  Frafe 
erheben,  ob  Repugnanz  nicht  auch  ohne  irgendwelche  (direkte  oder  indiieklt) 
Beteiligung  einer  Negation  einfach  dadurch  zustande  kommen  kann,  dafi  beide 
Begriffe  innertutib  einer  Reihe  in  verschiedener  Weise  positiv  besümmt  sind, 
wie  z.  B.  „drei"  und  „vier"  oder  „dreieckig"  und  „viereckig"  (man  denke 
etwa  an  den  spinozistischen  Satz:  „omnis  detemiinatio  est  negatio").  I" 
der  Tat  balien  wir  ia  oben  selbst  auseinandpreesetzt,  daS  der  Akt  der  Ve^ 


lA.OQi 


,^^IC 


1.  Kspilel.    Die  Lehn  tod  dui  BecriSen.  551 

ci«inuDK  sich  auf  die  FestatelluiK  von  VerschiedeulieiUa  grQndet;  man 
Ifinnte  also  etwa  areumeottereo,  daä  jede  Beatimmung,  auch  venu  sie  dmch- 
aoa  positiv  ist,  eine  Terschiedenheit  und  damit  eine  Negation  involviere. 
Indes  dieser  Schluß  wäre  falsch:  die  positive  Bestimmung  sagt  an  sich  noch 
tOBo  Verschiedenheit  aus.  Solange  ich  nur  aussage  „grün",  sage  ich 
über  andere  HeAmale  Oberhaupt  nichts  aus;  der  Gegenstand  kann  z.  B. 
„auch  rot"  sein.  Erst  die  Aussäe  „nur  grün"  („nur  drei  Ecken")  nflrde 
das  Merkmal  „rot"  ausschlieBen,  dann  habe  ich  mich  aber  eben  nicht  mit 
einer  positiven  Bestimmung  begnOgt,  sondern  mit  dem  Wort  „nur"  eine 
latente  Negation  hinzugefügt.  Außerdem  ist  zu  beachten,  daB  eine  rein 
poative  Bestimmung  oft  auch  ohne  Zusätze  wie  ,^ur",  ,j[aiiz"  usf.,  wie 
eben  erwähnt,  auf  Grund  irgendwelcher  Erfahrungen  unvertrftgUch  mit  be- 
sUmmten  anderen  Merkmalen  wird  und  daher  im  empirischen  Sinn  eine 
Negation  involviert  Hierher  sind  auch  Begriffskomplexe  zu  rechnen  wie 
p^elbe  Pflicht"  oder  „heiseres  Rot".  Ueiser  ist  ein  akustisches  Merkmal,  rot  ein 
optisches.  Heiser  und  rot  sind  weder  kontradiktorisch  noch  kontraposilorisch 
zueinander,  sie  können  als  Merkmale  eines  und  desselben  Begriffes  auftreten, 
sind  also  nicht  in  unserem  rein-logischen  Sinn  repugnant.  Wenn  ich  aber 
heiser  nicht  als  koordiniertes  Merkmal,  sondern  als  Merkmal  des  rot  auf- 
fasse, d.  h.  dem  „rot"  adjungiete  (heiseres  Rot  ab  eine  Art  von  Rot  denke), 
30  gerate  ich  mit  der  alltäglichen  Erfahrung  in  Konflikt,  welche  lehrt,  daB 
eine  akustische  Qualität  wie  hdser  wohl  als  koordiniertes  Merkmal  additiv 
zu  einer  optischen  Qualit&t  in  dem  Heitmalkomplex  eines  Begriffes  hiiizu- 
koiomen,  aber  niemals  eine  optische  Qualität  deterrointeien  kann  (vgl.  hierzu 
die  Bemerkungen  S.  328  Aber  additive  Ähnlichkeit,  diminuierende  und  in- 
detenniaierende  .Uistraktion  usf.).  Solche  Begriffe  werden  zuweilen  auch 
als  dis parat  bezeichnet,  doch  wird  sich  ergeben,  daB  dieser  Ternunuit 
nicht  selten  auch  in  ganz  anderem  Sinn  gebraucht  wird  (viL  auch  S.  ö?0 
u.  674). 

Weilaus  die  meisten  negativen  Begriffe  des  alltäglichen  Denkens  sind 
bontraposi torisch,  nicht  kontradiktorisch.  In  den  Wortformen  der  Sprache 
ist  daher  auch  fast  ausschlieBlich  der  kontraposilorische  Gegensatz  berOck- 
sicfaligt.  Wenn  wir  von  „unsterblich"  sprechen,  so  scheint  allerdings  die 
Wortlorm  den  kontradiktorischen  Gegensatz  auszudrücken;  tatsächlich  aber 
denken  wir  „unsterblich"  nur  mit  Bezug  auf  lebende  Wesen,  beschränken 
also  die  Negation  auf  ein  Merkmal  der  Galtung  „lebende  Wesen",  fassen 
den  Gegensatz  also  kontraposilorisch  und  rechnen  z.  B.  „viereckig"  nicht 
zum  Begriff  „unslerbUch".    Vgl.  S.  54*. 

Die  Unterscheidung  zwischen  positiveu  und  negativen  Begriffen  ist 
keineswegs  stets  leicht  und  einfach.  Der  sprachliche  Ausdruck  fahrt  mauch- 
mal  geradezu  ine,  indem  gelegentlich  einerseits  ein  auf  Grund  unserer  Er- 
fahnmg  zweifellos  positiv-gedachter  Begriff  spraclilich  durch  eine  Negation 
bezeichnet  wird  (z,  B.  „u  n  gerade  Zahl") "),  oder  andrerseits  ein  negativei' 
Begriff  durch  ein  keine  Negation  enthaltendes  Wort  ausgedrtjckt  wird  (z.  D. 
fläfpagof  =  Nichtgrieche).  Es  gibt  Fälle,  in  welchen  es  willkürlich  ist. 
welchen  Begrifi  eines  kontrapositorischen  Paares  wir  als  po^tiv  und  wel' 
eben  wir  als  negativ  bezeichnen,  weit  beide  positiv  gedacht  werden  kfiimen. 
Hiertier  gehört  z.  B.  der  eben  schon  erwähnte  Bpgriff  der  geraden  und  un- 


")  Vgl.  Kant,  Vers.  d.  Begriff  d.  neg.  OrOBeu  in  d.  Weltweish. 
Whren,  Werbe,  Harlensl.  Ausg.  1867,  Bd  .3;  S,  G9  (83). 


O^^IC 


552       '^-  T*"-    ^*  einzelnen  Logi»cheo  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

geraden  ganzen  reellen  Zahlen ").  Unzweifelhaft  handelt  es  sich  um  m 
kantrapositorisches  BeHriUspaar,  und  doch  ist  der  BegriS  der  ungeraden  g.  t. 
Zahl  sachlich  ebenao  positiv  ^°)  wie  derienige  der  geraden  g.  t.  Zahl;  haben 
doch  sogar  manche  Sprachen  im  Gegensatz  zum  Deutschen  für  beide  ein 
keine  Negation  enthaltendes  Wort  (ägiiot  und  ntgatit).  In  allen  diesen 
Fällen  handelt  es  sich  um  eine  Galtung  von  Gegenständen,  welche  sämtlich 
die  gemeinsamen  Merkmale  b.  c  . . .  haben,  und  deren  jeder  auBerdem  enl- 
weder  das  Meiintal  a  o  d  e  r  das  demseltien  Gebiet  angehörige.  mit  a  un< 
verträgliche  Meilmal  z  hat,  wobei  auBer  a  und  z  auf  dem  bez.  Geisel 
andere  Merkmale  erfahrungseemäB  nicht  vorhanden  sind.  Zuweilen  treten 
ah  Stelle  des  einen  z  mehrere  Merkmale  z  .  z^  usf.  Wesenllidi  ist  nur. 
daß  sie  nach  unserer  Erfahrung  zusammen  mit  a  die  Möglichkeiten  des  be- 
züglichen Merkmalgebiets  erschöpfen,  also  komplemertlär  sind.  EUn  Beispiel. 
welches  für  die  Richtigkeit  dieser  etwas  umständlichen  Bestinunung  t>esaD' 
ders  beweiskräftig  ist,  bietet  der  Gegensatz  „spitzwinklige  ebene  Dreiecke" 
und  „nicht- spitzwinklige  ebene  Di^iecke".  Sachlich  ist  der  Begritf  der 
letzteren  ebenso  positiv  und  durch  die  Merkmale  Rechtwinkligkeil  (z,)  und 
Slumpfwinkligkeit  (z^)  gegeben,  und  in  der  Tat  gehören  Spitz-,  Recht-  und 
Stumpfwinkligkeit  demselben  Eigenschaltagebiet  an.  und  erschöpfen  es  voll- 
ständig. Logisch  bleibt  selbstverständlich  nicht- spitzwinklig  ein  n«sa- 
Hver  Begrill. 

Viel  öfter  sipd  wir  allerdings  auBerstande.  den  negativen  Begriff  durch 
Angabe  eines  positiven  Merkmals  oder  mehrerer  positiven  Merkmale  an 
Stelle  des  verneinten  Merkmals  positiv  zu  bestimmen.  Wir  können  meistens 
nur  Beispiele  aus  dem  Beireich  des  negativen  Begriffes  zur  Erläuterung  an- 
fahren. Die  poMtive  Ausfüllung  der  Blankostelle,  nelcbe  durch  die  Ver- 
neinung des  Merkmals  a  entstanden  ist,  ist  —  anders  ausgedrückt  — 
meistens  unendlich  vieldeutig.  Diese  Unbestimmt  heil  der  negativen  Begriffe 
hat  schon  Aristoteles  AnlaS  gegeben,  sie  als  <iigtaiM  zu  bezeichnen^*). 
BoSthius  ")  übersetzte  dann  weiterhin  difiatoe    mit  intlnitus  (unendlich)") 


")  Man  beachte,  daß  das  Beispiel  seine  Beweiskraft  verliert,  wenn 
man  statt  ganzer  reeller  Zahlen  Zahlen  schlechthin  als  Gattungsl>egnK  wählt 

")  Bekanntlich  lassen  sich  die  ungeraden  Zahlen  keineswegs  nur  doiclL 
ihre  Unleübarkeit  durch  2  deQnieren. 

**)  Vf^.  z.  B.  De  Interpret.  Ak.  Ausg.  16a:  Tö  S'  «üx  af^guaK  *i^ 
eya/ta  .  .  .  itiX  laiat  Syo/ta  äögtai»!',  oii  ifiolmc  ip'  iiovavy  ina^^iii  xoi  »rtK 
x(ti  /4^  irioc  S.  auch  lül>,  8  u.  '.iOlb,  24  u.  lOtitia,  Uff.  Aristoteles  hat  woU 
vorwiegend  die  total  n^^von  Begriffe  im  Ange. 

'")  In  libr.  de  Interpret.,  ed.  Migne,  Bd.  64,  S.  341  u.  520. 

^'}  Arislotcles  braucht  die  Worte  äi^taioc,  und  öJtigtatot.  Ersieres  be- 
deutet eigentlich  „quod  nullis  finibus  clrcum scriptum  est",  letzleres  „ined 
certis  fmibus  non  circumscriptum  est",  indes  hat  das  erstere  zuweilen  auch 
die  Bedeutung  „quod  cerios  fines  non  habet"  (Th.  Waitz,  Aristotelis  Orf- 
(jraece.  Teil  l.  Lips.  1844,  S.  388,  etwas  abweichend  Bonitz  im  Index  Aristo- 
lelicus).  Ob  an  den  hier  in  Betracht  kommenden  Stellen  «öpurr«  die 
zweite  Bedeutung  hal  (non  certos  fines  habens  ^  indefinitus)  imd  Bo^biui 
also  falsch  Obersetzl  hat,  wie  zuweilen  behauptet  wird,  scheint  mir  doch 
noch  zweiteihafl.  Dir  Verwirrung  wird  dadurch  noch  größer,  daß  die  ihrer 
Quanlilflt  nach  unbcslimmten  Sätze  {pro  Position  es  non  eeriis  finibus  rircuB- 


l.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Begritten.  553 

statt  mit  indefinitus  (unbestimmt).  Er  hatte  dabei  aber  vielleicht  den  ganz 
richliien  G«danken,  daB  der  negative  Begriff  non-A,  wenn  er  positiv  nicht 
vollgt&iidiB  bestimmt  werden  kann,  eine  unendlictK  Zahl  dem  A  koordinierter 
Begriffe  umfaBt ").     Spater  sprach  man  kurz  von  Infinitation. 

Dal)ei  hat  man  femer  zu  l>eachten,  daB  die  Negation  in  einem  partiell  nega- 
tiven Begriff  B  bald  ein  Merkmal  a  betrifft,  das  zu  einer  fQr  den  tjezOglichen 
GaltungsbegriO  erfahrungsgemäB  unerläßlichen  Merkmalgattung  gehört,  also 
hei  jedem  dem  B  subordinierten  IndividualbegriU  durch  ein  anderes  Merkmal  z 
ersetzt  werden  muß,  bald  ein  Merkmal  a  betrifft,  das  einfach  w^allen  kann. 
Zur  ersteren  Gruppe  gehört  z.  B.  der  BeeriQ  „nicht- einwertiges  chemisches 
Element".  Hier  gehört  das  Mei^mal  „Ein Wertigkeit"  (a)  zu  der  Meikmal- 
Sattung  „Wertigkeit",  die  (Qr  jedes  .chemische  Element  erfahningsgem&B 
und  dann  gcm&ß  unsrer  auf  Erfahrung  gegründeten  '')  Definition  unerl&Blich 
ist,  und  muH  daher  bei  dem  partiell  negativen  Begriff  „nicht-einwertigem 
chemisches  Element",  sot>ald  er  eine  bestimmte  Art  derselben  Gattung  be- 
zeichnen soll,  irgendwie  ersetzt  werden,  2.  B.  durch  Zweiwertigkeit  (z^)  oder 
Drei  Wertigkeit  (z,)  usf.  Zur  zweiten  Gruppe  gehört  z.  B.  der  Begriff  „bart- 
loser Mensch".  Das  Merkmal  „Bärtigkeit"  gehört  keiner  Merkmalgattung 
an,  die  für  Mensch  obligatorisch  ist,  und  bedarf  daher  keines  Ersatzes  durch 
ein  positives  Merkmal.  Vgl.  die  Bemerkungen  über  indeterminierende  und 
diminuierende  Abstraktion  S.  320  u,  479  f. 

Das  geometrische  Symbol  für  einen  total  negativen  (kon- 
tradiktorischen) Begriff  non-A  ist,  wenn  A  ^  a  b  c  selbst  durch  ein 
Viereck  dargestellt  wird   (vgl.   beistehende   Figur  3  a),   die  unendliche    das 

Fig.  3  a. 


Kontradiktorisches  BegrifTspaar. 

Viereck  umgebende  Fl&che  (hier  durch  SchraFflening  bezeichnet,  die  man  sich 
hier  wje  auf  allen  folgenden  Figuren  nach  allen  Seilen  unendlich  weit  fort- 
gesetzt denken  muß).    Dagegen  wird  der  partiell  negative  (koutta- 

scriptae  =  indeGnitae)  bei  Aristoteles  jr^oiäaitt  äiiegusiti  heißen  (vgl.  §  113 
u.  115),  dagegen  bei  den  Stoikern  öfiü/iora  äigiattt  (Sext.  Empir.,  Adv. 
math.  VIfl,  96,  ed.  Bekker,  S.  30^,  freilich  in  etwas  anderer  Abgrenzung. 

")  Es  handelt  sich  also  um  eine  doppelte  (zweidimensionale)  Unend- 
lichkeil, insofern  non-A  erstens  wie  A  für  unz&falige  subordinieiie  Begriffe 
„offen"  ist  (vgl.  S.  475)  und  zweitens  unzählige  subordinieiie  Begriffe  fak- 
tisch enthalt. 

>*)  Von  der  hypothetischen  Null  Wertigkeit  des  Heliums  usf.  erlaube  ich 
mir  hier  abzusehen. 


OgIC 


554       IV-  ^^'l-     ^^  einzelnec  logiscbeo  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

positorische)  Begnl!  a b  non-c  darzustellen  sein,  indem  man  den 
böberen  Gattungsbesrifl  a  h  dufch  ein  Viereck  wiedergibt  (in  der  beistehen- 
den Figur  3b  an  den  Ecken  mit  ab  bezeichnet)  und  innerhalb  dieses  Vier- 
ecks ein  Ideineres  abc  abgrenzt;  dei 
auf  der  Figur  schraffierte  Kesl  des 
gniBen  VieretAs  ist  dann  gleich 
ab  Don-c  zu  eetzen  .  Will  man,  vit 
dies  früher  bereits  angedeutet  «uid« 
(Tgl.  S.  &29  a  687  f.),  das  Vorhanden- 
sein des  Meriunals  c  durch  die  Zu- 
gehörigkeit zu  dem  GattungsbegiiO 
„Träger  des  Merkmals  c"  ausdrOcken. 
so  kann  man  den  letzteren  durch  ein 
Viereck  darstellen,  welches  inneritalb 
a  b  nur  das  kleine  Viereck  abc  um- 
faBt,  aber  sich  auch  auBerhaib  ab 
ausbreitet  oder  wenigstens  audiiräten 

Auch  der  Unterschied  zwischen 
global  und  distributiv  konbra- 
diktorischen  Begrifien  l&Bt  sich  geometrisch  ausgezeichnet  darstellen.  Di» 
untenstehende  Figur  4a   stellt  den  Begriff  ab  und  sein  global-konlra- 

^toriacbes  Negat  non-(a b)  dar.    Der  Begriff  ab  ist  als  Deckungaiieziik  der 
Begriffe  a  und  b  (Trflger  des  Merkmals  a  und  Träger  des  Merkmals-  b)  dai- 


Kontraposiloriscbes  Begrilisoaar. 


Globale  Kontntdiktion. 


gestellt,  wozu  S.  btG  und  [)C5  ff.  zu  vergleichen  ist,  und  durch  das  Feolen  der 

Schraffierung  gekennzeichnet.   Zum  Begriff  non-<a  b)  gehört  alles,  was  nicht 

a  b  ist,  also  der  ganze,  unendlich  zu  denkende,  doppelt  schraffierte  Baum, 

der  ab  umgibt,  einschließlich  deiienigen  Teile  von  a  und  b,  die  lucbt  £u  ab 
gehören.    Um  jeden  Irrtiun  bezQglich  der  Ausdehnung  der  Beöiie  i  und  b 


.  EapiteL    Die  Lehr«  vod  den  BeghSec 


stellt    den    Begriff    ab     und     den     distributiv- kontradittonschen    Begrift 

non-a  non-b  dar.  Zu  letzterem  gehört  alles  dasjenige,  was  weder  das 
Merknutl  a  nocli  das  MeAmal  b  hat  Es  genügt  fOr  ihn  nicht  die  Abwesen- 
heit des  MeAmalkomplexes  a  b,  also  dex  Merkmale  a  und  b  iit  ihrer  Ver- 


Distributive  I£ontradiktion. 

binduDg,  sondern  es  irt  das  völlige  Fehlen  beider  Merkmale  a  und  b  er- 
forderlich. Der  Bezirk  non-a  ist  durch  senkrechte  Schraffierung,  der  Bezirk 
non-b  durch  wagrechle  Schratflening  gekennzeichnet.  Nur  der  doppelt 
schraffierte  Bezirk  entspricht  also  dem  Begriff  non-a  non-b.  Es  fallen  ietzt 
also  die  ganzen  Bezirke  a  und  b,  nicht  nur  itir  Teil  ab,  außerhalb  des 
negativen  Begrifis.  Vgl.  auch  die  analoge  Fig.  2  (S.  516),  auf  der  Fig.  4  a 
und  ib  zusammengefaBl  sind. 

Endlich  stellt  die  letzte  Figur  (Fig. 5}  zwei  reko  n  t  radik  t  o  riache 

Begriffe  a  non-b  und  non-a  b  dar.  Der  Bezirk  non-a  ist  wieder  senkrecht, 
der  Bezirk  non-b  wagrecht  schraffiert,  der  wagrecht  schraffierte  Bezirk  von 

a.  entspricht  dem  Begriff  a  non-b,  der  senkecht  schraffierte  Bezirk  von  b  dem 

Begriff  noD-a  b.  Man  sieht,  daB  die  Figur  mit  derjenigen  der  distributiven 
Kontradiktion  (ibereinstimmt,  nur  werden  jetzt  andere  Teile  derselben  ins 
Auge  gefaßt. 

Die  algebraische  Lügik  hat  ursprünglich  meistens  einen 
Horizontalatrich  oberhalb  des  den  Begriff  aasdrückenden 
Buchstabens  zur  symbolischen  Bezeichnnng  der  Negation 
verwendet,  so  daß  also  non-a  durch  ä  dargestellt  wurde**). 


")  So  z.  B.  G.  Boole,  An  investigation  o(  the  lans  of  tfaought  etc.,  Lon- 
don 1^,  femer  R.  GraSmann,  Die  Wissenschaflslehra  od.  Philosophie, 
2.  Erg.-Teü,  Stettin  1872*,  und  Ch.  S.  Peirce,  Americ.  Joum.  of  Math.,  188i, 
Bd.  T,  S.  180.    Dagegen  hat  des  letzteren  Vater,  Benjamin  Peirce,  schon  den 

„.,,„,  ^.oogic 


556       '^-  ''^''-    ^^  einzelnen  loetscben  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

Dann  ist  Schroeder  in  eeinem  Hauptwerk")  mit  triftigen 
Gründen  für  die  Bezeichnung  der  Negation  dnrch  einea 
Vertikal  strich  eingetreten,  und  zwar  setzte  er  den  leti- 
teren  rechts  unten  hinter  den  BegriffsbuchBtaben  (z.  B.  &i). 
Für  den  Vertikalstrich  spricht  namentlich  die  Übereinstim- 
mung mit  dem  Zeichen  <Jl  und  ^  (siehe  oben  S.  541),  in 
welchem  die  Einführnng  eines  Horizontalstrichs  nicht  wohl 

Fig.  5. 


Rekontr&dik  torisches  BegriQspaar. 

angängig  ist  {Verwechslung  mit  dem  Identitätszeichen  =!)■ 
Ich  werde  daher,  soweit  überhaupt  ein  Negationssymbol  er- 
forderlich ist,  mit  Schroeder  den  Vertikalstrich  brauchen, 
ihn  aber,  um  Verwechslung  mit  einem  Komma  oder  mit 
Strichetung  za  verhüten,  links  oben  vor  den  Begrifls- 
huchstaben  setzen  (also  'a  und  'A).    Vgl.  auch  S.  540. 

Historisch  sei  Ql>cr  die  Lehre  von  der  Negation  hier  nur  lolgendes 
bemerkt.  Die  älteren  lintersuchungen  beKogen  sich  vorzugsweise  auf  die 
verschiedenen  Negation» weisen  des  Urteils,  wie  denn  in  der  Tat  die  Negation 
des  Urteils  wenigstens  psychologisch  der  Negation  des  BegrifCcs  vorausseht 
(logisch    kommt    eine    zeitliche    Folge    Oberhaupt    nicht    in    Frage j.     DaB 

Vedika  Ist  rieh  empfohlen  (Linear  aasocialive  algebra,  2.  Aufl.  New  Yoii  1883'^ 
K.  Chr.  Fr.  Krause  (Grundriß  der  histor.  Logik,  Jena-Leipzig  1808)  schlug 

tör  ein  „beiahiaes  Glied"  das  Svrabol  a  .  [Qr  ein  „verneiniges  Glied"  lUs 

— 1 
Symbol  a    vor. 

")  Vorlesungen,  Bd.  1.  S.  30011.  In  dem  von  Eug,  Müller  hentus- 
eegebenen  Abriß  (S.  24)  ist  überall  der  Horiiontalslrich  verwendet,  nachdem 
Schroeder  selbst  ihn  im  3.  Band  seines  Hauptwerks  (S.  18)  bereiU  trat» 
seiner  früheren  Bedenken  gebmucbl  hatte. 


OgIC 


1.  Ea[älel.    Die  Lehre  von  den  Besrilfen.  557 

Aristoteles  die  total  negativen  Begriffe  als  irifinta  däQtoia  bezeichnet, 
wurde  S.  &52  bereits  erwähnt.  Die  Verneinung  als  Urteil  heißt  dnö^nOK,  der 
WjderEpruch  zweier  Urteile  «VriVoffif  (vgl.  darüber  jedoch  auch  die 
genaueren  Angaben  §  113  in  der  Lehre  vom  Urteil).  Bezüglich  der  Termini 
für  die  negativen  Begriffe  ist  Aristoteles,  soweit  wir  nach  den  vorliegenden 
Schiiften  urteilen  können,  nicht  ganz  konsequent.  In  der  Regel  bezeichnet 
er  den  Gegensatz  im  allgemeinen  mit  dem  Wort  änitttaftcu.  Die  totale 
(kontradiktorische)  Negation  heiBt  Aniifaait,  die  partielle  (kontrapositoriscbe) 
Negation  (innerhalb  einer  Gattung]  hin  und  wieder  orfgiiaK  (Gegenteil 
^t)").  Ein  Spezialfall  der  lelzleren  ist  dann  die  ireniiiiie  (irari{aMnt), 
d.  h.  daa  kontrire  Verhältnis  zweier  Segriffe,  welches  mit  der  Negation  nicht 
direkt  zusammenhängt  und  erst  in  §  IM  besprochen  werden  wird  (Beispiel: 
weiß- schwarz).  Vgl.  hierzu  namentlich  Aristoteles,  Melaphys.  I,  Kap.  4, 
Atad.  Ausg.  1055  a,  3  u.  38  und  b  (dazu  den  Kommentar  von  H.  Bonitz, 
Bonn  18(9,  Pars  posl.,  S.  töiB.).  Auch  die  älteren  Bemerkungen  Fla  tos 
über  {iioor  und  iiari(«r  (Sophist.  257)  gehören  hierher.  Die  Stoiker 
scheinen  bereits  sehr  scharf  auch  beztiglich  ddr  Begriffe  (nicht  nur  bezüglich 
der  Urteile)  den  kontradiktorischen  und  den  konträren  Gegensalz  unter- 
schieden zu  haben;  kontradiktorisch  entgegengesetzte  Begriffe  wurden  als 
iwtttpoTi'ms  äviintifitra,  konträre  als  ifuvtla  bezeichnet  (Simplicius,  In 
cat^or.  Comm.,  Comm.  in  Arist.  Graeca,  Bd.  8,  Berhn  1907,  102  v, 
S.  403^-406).  MartianusCapetUCDe  nupL  philol.  et  Merc.,  ed.  Eys- 
senhardt,  Lips.  1866,  IV,  384,  S.  118)  übersetzte  ifanloy  mit  conlrarium 
und  faßlc  die  contraria  als  einen  Spezialfall  der  „opposita"  auf.  Die 
pariieUe  Negation  betrachtet  er  —  Qtuigens  im  Anschluß  an  griechische 
Logiker  —  als  dasjenige  konträre  Verhältnis,  bei  dem  Zwischenglieder 
fehlen  (contraria,  quae  medio  carent.  wie  z.  B,  gesund  und  krank).  Bei 
B  o  S  t  h  i  u  9  taucht  der  Terminus  contradiclio  zum  ersten  Male  in  spezifisch 
logischer  Bedeutung  auf  (De  divisione,  ed.  Migne,  Bd.  64,  S.  882:  „voco . . . 
contradictionia  oppositionem,  quae  affirmatione  et  negatione  proponitur," 
vgl.  auch  S.  771).  Über  die  Verwiming  der  älteren  römischen  Terminologie 
s.  PrantI,  Geschichte  der  Logik  im  Abendl.,  Bd.  1,  S.  518.  Die  Wandlungen 
der  Terminologie  in  der  Scholastik  müssen  hier  übergangen  werden.  Die 
neuere  Logik  ist  über  die  Unterscheidung  von  kontradiktorischen  und  kon- 
trären BegriCfen  nicht  wesentlich  hinausgekommen.  Eine  klare  Darslellung 
der  Lebre  von  der  Verneinung  der  Begriffe  um  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts 
findet  man  z.  B.  bei  Chr.  Aug.  Crusius,  Weg  zur  Gewißheit  und  Zuverlässig- 
keit der  menschl.  Erkenntnis.  Leipzig  1747,  S.  292  ff.  (§  156  ff.).  Er  unUr- 
scbeidet  logice  totaliter  diversa  und  logice  partialiter  diversa,  erstere  zer- 
fallen in  mere  diversa  und  opposita.  Die  opposita  (entgegengesetzte  Be- 
griffe) oder  widrige  Begriffe  im  weiteren  Sinn  sind  solche,  die  „einander 
zu  gleicher  Zeil  in  einem  betrachteten  Subjekte  ausschließen",  und  zerfallen 
in  conlradidoria  (widersprechende  Ideen)  und  contraria  (widrige  Ideen  im 
engeren  Sinne),  letzlere  u.  a.  in  contraria  totalia  s.  perfecta  und  partialia  s. 

*')  Der  Gebrauch  des  Wortes  m/pijöif  isl  bei  Aristoteles  sehr  schwan- 
kend, zum  Teil  widerspruchsvoll.  Nicht  einmal  die  drei  Bedeutungen,  die 
A.  selbst  Metaph.  A,  22  (1022  b)  angibt,  werden  streng  festgehalten.  VgL 
ZeHer,  Fhilos.  d.  Griechen,  3.  Aufl.,  S.  216,  Anm.  7.  Zuweilen  scheint  A. 
die  nur  für  eine  Phase  geltende  Negation  (vgl.  oben  S.  547)  vorzugsweise 
im  Auge  zu  bähen. 


558       I^-  '''*''■    ^*  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

impeifecta.  Vgl.  auch  HoÜbauer,  Anfangseründu  d.  Logik,  2.  Aufl.,  Halle 
1794,  g  67  u.  68,  S.  i9  ff.  (wfthll  als  Symbol  für  non-a  na,  §  Si),  und  W.  Tr. 
Krug,  Syst.  d.  theor.  Philosophie,  Teil  1,  3.  Aufl.  Königsberg  182S,  §  38f, 
S.  117  ff.  (contradictio  =l  opposilio  contndictoria  =  Widerspruch  im  enteren 
Sinne,  contrarietas  =  oppositio  contraria  ^  bloSer  Widerstreit  oder  Wider- 
streit im  engeren  Sinoe).  —  In  der  neuesten  Logik  liat  man  sich  meistens 
begnügt,  die  Lehre  von  der  Verneinung  mit  Bezus  auf  die  Urteile  zu  ent- 
wickeln. TgL  die  historischen  Angaben  in  der  Urteüslehre.  Hier  sei  nur 
vorlaufig  erwähnt,  daß  Sigwarl  (Logik,  2.  Aufl.  1889,  Bd.  1,  S.  167]  die  auf 
einem  „Mangel  (,aiie>i'K.  privatio)"  und  die  auf  einem  „Gegensatz  {itm^ 
Jtiiiic,  opposilio}  beruhenden^  Vemeinungsurteile  unterscheidet.  Bei  ersleren 
fehlt  das  Prftdikat  in  meiner  'Subjekts Vorstellung,  bei  letzteren  wird  es  dunh 
die  Subjektsvorstelluug  ausgeschlossen.  Fikr  die  Lehre  vom  Begriff 
kommt  diese  Privation  SigwaJls  meines  Erachtens  Obertiaupt  noch  nicht  in 
Betracht.  Die  Privation  bedeutet  ja  nur  das  bloße  Nichtvorhandensein  von 
Meriunalen.  Der  Begriff  „nicht- duftende"  Bluroe  geht  bereits  über  die 
Privation  liinaus,  indem  er  eine  partielle  Negation  darstellt.  GrOBere  Be- 
deutung bekommt  die  Privation  in  der  Urteilslehre,  vgl.  §  113. 

Der  Terminus  „j-epugnans"  findet  sich  schon  bei  Uuintilian  (De  instilut. 
oratoria  VII,  11)  und  wurde  später  meistens  in  demselben  Sinne  wie  „kontra- 
diktorisch" gehraucht  (Quinlilian  braucht  fär  kontradiktorisch  den  Tenninus 
„disparatus").  Wolff  bat  dann  wenigstens  für  das  Urteil  scharf  zwischen 
repugnaut  und  kontradiktorisch  unterschieden,  vgl.  §  )13. 

§  103.  Die  gegenseitigen  allgemeinen  BegriRsbezieliuo- 
gen  im  Hinblick  aof  Inhalt  und  Umfang  (Fortsetziug). 
2.  Gleichlieit  und  Verschiedenheit  des  Inhalts  und  des  Vwh 
fangs.  Es  empfiehlt  sich,  nunmehr  die  sechs  iiberhanpt  mög* 
liehen  Fälle  gesondert  zu  betrachten,  nämlich  a)  vöUige 
Gleichheit')  des  Inhalts  (J=J'),  ß)  völlige  Gleichheit  des 
ümfangs  (U  ^=  U'),  ;')  teilweise  Gleichheit  bzw.  teilweise 
Verschiedenheit  des  Inhalts  (J  ?.  JO^),  ^)  teilweise  Gleich- 
heit bzw.  teilweise  Verschiedenheit  des  Umfangs  (U  ^  IT), 
«)  völlige  Verschiedenheit  des  Inhalts  (J  ^  JO,  f)  völÜge 
Verschiedenheit  des  Umfangs  (U  ^  U').  Dabei  sollen  im 
allgemeinen  nur  die  Gleichheits- ')  und  Verschiedenheits- 
verhältnisse zweier  Begriffe  und  zwar  zweier  Ällge- 
meinbegriiffe  berücksichtigt  werden;  die  Übertragung  aaf 
eine  größere  Zahl  und  andere  Kategorien  von  Begriffen  er- 
gibt sich  aus  den  folgenden  Krörterungen  ohne  weiteres. 

')  Im  folgenden  wird  das  Gleichheitszeichen  im  weiteren  Sinn,  sosoU 
für  Inhalls-  wie  fiir  Umtangsgleichheit  verwendet.     Vgl.  S.  &*1. 

-)  Das  p  filier  dem  Gleichheitszeichen  bedeutet  partiell  und  analoj  c^^ 
t  im  lolgenden  total. 

=)  Die  Definition  der  Gleichheit  im  Schroederschen  Abriß  der  AlielM* 
der  Logik.  S.ll,  läuft  auf  eine  Tautologie  hinaus  („durchaus  übereinstinanen"). 
Eine  Definition  U0t  steh  nicht  geben. 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  BegriHec-  559 

Auch  sei  eenerell  vofausbe merkt,  daB  im  falgesdeo  selbstrerständlicfa 
nur  die  obligatorischen,  niemals  fehlenden  Merkmale  (Teilvorstetlunsen} 
eines  Begriffes  als  sein  Inhalt  betrachtet  werden,  und  daß  bei  der  figürlicheD 
Qarttellung  entsprechend  den  Bemeikungea  S.  529,  äS7,  bü  u.  554  das 
Vorhandensein  eines  Merkmals  a  unter  Vorbehalt  durch  die  Zugehörigkeit 
zum  Allgemeinbegriff  der  Träger  des  Merkmals  a  stellvertretend  au»- 
gedrtlckt  wird.  Man  muB  üich  nur  immer  vor  Augen  halten,  daB  bei  der 
letzteren  Ausdrucksweise  eine  wesentliche  Transformation  des  Uerimul- 
beniffes  im  Sinn  der  früher  besprochenen  Hypostasierung  (S.  iZ7,  Anm.  7. 
494  u.  513)  eintritt  NamentUch  fällt  ins  Gewicht,  daB  dabei  einfache 
Herkmalbegrifld  wie  „rot"  in  zusammengesetzte  Begriffe,  („rote  Gegen- 
stände") Qbergeben,  die  fQr  zahlreiche  neue  Merkmale  (z.  B.  der  Form) 
offen  (indet^raüniert)  sind. 

a]  J  =^  J',  also  z.  B.  a'b'c^  =  übe.  Selbst veisl&ndUch  muB  bei  einer 
solchen  viSItigen  Inhaltsgleichheit  auch  der  Umlang  gleich  sein.  Das  ad&- 
qoate  geometrische  Symbol  wären  zwei  sich  völlig  deckende  Vierecke  oder 
Kreise.   Man  bezeichnet  solche  Begriffe  als  identische.   Zeichen    >:,  also 

äbc  :.:  äbc  (vgl.  S.  641). 

jj)  U  =  0',  also  z.  B.  für  zwei  Allgemeinbegrifte  W"  und  W" 
T,  "-^  "W/"!  Wj "-}.  . . .  =  W,  "'l  W,  "-|  -W',  "'X  ...  Zwei  solche 
unfangsgleicbe  Begriffe  sollen  als  äqual  bezeichnet  werden.  Oft  werden 
sie  auch  äquipollente*)  (sieichgelleude)  Begri{le  oder  Wecbs el- 
begriffe (conceptus  reciproci)  genannt.  Soweit  die  Umtangsgleichheit 
durch  Inhaltsgleichheit  bedingt  ist,. bietet  sie  g^enOber  dem  Falle  q  ^^^ 
neues  Moment.  Sehr  bemerkenswert  ist  nun  aber,  daB  Umlangsgleichheit 
a,uch  mit  Inhaltsverschiedenheit  verträghch  ist.  So  ist  der  Begriff 
„gleichseitiges  Dreieck" "}  von  dem  Begriff  .gleichwinkliges  Dreieck"  io- 
lialtlich  versciiieden,  dabei  haben  beide  denselben  Umfang,  d.  h.  beiden  sind 
dieselben  Aribegiiffe  subordinieri.  oder,  auf  die  Gegenstände  über- 
tragen (vgl.  S.  359),  das  Bereich  der  Gegenstände,  die  unter  den  einen  und 
den  anderen  falten  können,  deckt  sich  vollkommen.  Diese  zunächst  sehr 
auffällige  Tatsache  erklärt  sich  daraus,  daB  unsere  Definitionen  nicht  alle 
Merknaale  eines  Begriffs,  sondern  nur  die  irreduziblen  (vgl.  S.  48ö}  *)  auf- 
zählen- Die  Gleichseitigkeit  eines  Dreiecks  läBt  sich  auf  die  Gleicbwinklig- 
keil  zurückführen  und  (in  diesem  Falle)  auch  umgekehrt.     Ich  kann  daher 

*)  0  e  g  e  n  die  Verwendung  des  Terminus  „äquipollent"  spricht  der 
Umstand,  daB  er  auch  von  Urteilen  gebraucht  wird,  und  zwar  in  einem  nicht 
ganz  analogen  Sinn.  Vgl.  §  118.  In  der  logischen  Literatur  findet  sich  das 
Wort  aequipollens  zuerst  bei  Appulejus  (BtQl  ig^uijffinr,  angebl.  3.  Buch  von 
De  dogm.  PJaton.,  Opp.  ed.  P.  Thomas,  Leipzig  1908,  Bd.  3,  S.  181).  Galen 
hat  eine  Schrift  it^i  riäy  tooSwafiovaöir  n^TBoiai*' verfaBt  Beide  haben  nur 
die  äquipollenten  Urteile  im  Auge.  Auch  die  Scholastik  sprach  von 
JSquipoÜenz  vorzugsweise  mit  Bezug  auf  Urteile  (vgl-  z.  B.  Ahaelard,  Glossae 
in  Hbr,  de  Interpret.,  Ouvr.  infid.  Paris  1836,  S.  597).  ßoethius  sprach  von 
convenientia  propositionum  im  Sinn  der  AquipoUenz. 

')  Den  Zusatz  „eben"  (ebenes  Dreieck)  lasse  icb  zur  Abkürzung  weg. 

■)  Dabei  sehe  ich  noch  ganz  davon  ab,  daB  wir  uns  sogar  zuweilen 
auf  die  zum  Wiedererkennen  des  Gegenstandes  erforderlichen  Merkmale 
beschränken;  Vgl  S.  490. 


560       IV.  Teil    Die  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

dieM  oder  jene  weglassen,  ohne  daB  der  Umfutg  des  Begrifea  sidi  ^d«i 
Der  Inhallsunterschied  liegt,  wie  man  auch  sagen  kann, 
nicht  in  den  beiden  Begiiffen  selbst,  sondern  nur  in 
unseren  Definitionen  der  beiden  Begriffe.  Es  Iftfit  »cli 
daher  aucb  in  solchen  Fällen  niemals  rückläufig  die  Deckung  der  beiden 
Umf&nge  aus  den  beiden  verschiedenen  Inhalten  logisch  nachweisen;  es 
bedarf  dazu  immer  irgendwelcher  Erfahnmg,  Anschauung  usf. ').  Vgl.  auch 
S.  461.  Ein  anderes  Beispiel  für  denselben  Talbestand  liefert  das  BegiiS»- 
paar:  (nicht  zerfallende)  Kurve  zweiler  Ordnung  und  (nicht  zerfalteode) 
Kurve  zweiter  Klasse.  Auch  fQr  diese  beiden  Begriffe  ist  der  Umfang  gleich 
(ElUpsen,  Hyperbeln,  Parabeln),  aber  der  Inhalt  definitoriach  veracliieden.  Zu 
beachten  ial,  daB  in  allen  diesen  Fällen  die  Inhallsverschiedenheit  nur  pai^ 
tiell  ist,  daB  also  den  beiden  Begriffen  stets  auch  ein  oder  mehrere  Qbereiii- 
sUmmende  Merkmale  zukommen. 

Auch  der  Fall  ß  kann  mit  großem  Vorteil  geometrisch  dartGalelll 
werden.  So  stellt  auf  der  beisiebenden  Figur  6  das  Viereck  AB  CD  den 
Umfang  sowohl  des  Begriffs  „gleichseitiges  Dreieck"  wie  des  B^riSa  j^eicfa- 


3>  C 

Umfangsgleichheit  (Äquaüläl). 

winkliges  Dreieck"  dar.  Das  Sechseck  AKLBCD  «ürde  etwa  dem  Begriff 
„Dreieck",  das  Sechseck  A  B  E  F  C  D  dem  Begriff  „gleichseitige  Figur",  du 
Sechseck  A  B  C  D  H  G  ^)  dem  Begriff  „gleichwinklige  Figur"  entsprecheD. 
Durch  die  Verschiedenheit  der  Schraffierungsrichtung  ist  der  Überblick  er- 
leichterl.  Das  Viereck  .4  B  C  D  isl  der  gemeinsame  Bezirk  (Deckungsbezitt) 
sowohl  tüT  das  Sechseck  AKLBCD  und  das  Sechseck  A  B  E  F  C  D  wie 
für  das  Sechseck  A  K  I.  B  C  D  und  das  Sechseck  ABCDHG,  Mao  in  der 
Tat   L"mfan?s;;leiehheil  bei   Inhallsverschiedenheit. 


'')  Die  weitergehenden  Bedenken  von  Sigwart  (Logik,  Z.  Aufl.  Freibuit 
1889,  S.  351)  kann  ich   nicht  teilen. 

"}  Mathematisch  exakl  wäre  die  Figur  erst  dann,  wenn  die  beiden 
lelzlaenannton  Sechsecke,  auflsr  der  Fläche  A  B  C  D,  noch  ein  weiteres  Teil- 
gebiet  gemein  hätten  (gleichseitige  und  zugleich  gleichwinküge  Viwecke  usT.). 

„.,,n,^.OOglC 


1.  Kxpitel.    Die  Lehre  Ton  den  BwriBen.  561 

Man  kann  dieselbe  Fitur,  wie  xboa  jelzt  bemeiU  weiden  soll,  aacbi 
zur  DaretelluDB  von  Untergatlungen  verwenden.  Will  man  z.  B.  den  Um- 
fsnf  ttüer  gleichseitisen  (bzw.  BleichwinUigen)  Dreiecke  mit  einem  Fliehen- 
iniutll  zwischen  10  und  SO  qnun  d&rstellen,  so  könnte  man  etwa,  wie  dies 
anf  Fig.  6  geflchehen  ist,  noch  ein  Viereck  U  N  0  F  einzeichnen,  welches 
allen  Figuren  entspricht,  die  einen  Flacheninhalt  zwischen  10  und  20  qmm 
haben.  Das  Viereck  muß  zum  Teil  außerhalb  des  Vierecks  A  B  C  D  und 
«uBerbftlb  der  drei  Sechsecke  fallen,  weil  es  z.  B.  auch  Kreise  von  10  bis 
20  qnun  Flächeninhalt  gibt.  Dem  Umfang  der  Untergattung  ,^leichseiti|e8 
Dreieck  von  10—20  qmm  El&cheninbalt"  entspricht  dann  offenbar  das 
schmale  Rechteck  ABRQ*). 

Durch  algebraische  Symbole  kann  derselbe  Tatbestand  in  folgen- 
der Weise  dargestellt  werden.  Stellt  S  den  Begriftsinbalt  (kürzer:  den  Be- 
griff) „dreieckige  Figur",  T  den  BegriHsinhalt  „gleichseitige  Figur"  und  T  den 

Begriffsinhalt  .gleichwinklige  Figur"  dar,   so  drückt  ST  den  BegiiffnnhaU 

„gtnchseitiges  Dreieck"  und  S  V  den  BegriHsinhalt  „gleichwinkliges  Dreieck" 
ans.  wahrend  bei  der  vorausgegangenen  Erörterung  die  Buchstaben- 
symbole fOr  Umfange  galten,  gelten  sie  jetzt  fOr  Inhalte  oder  vielmehr  io- 
halUich    definierte  Begriffe.     Wir  können  aber  die   Umfangsgleichheit   der 

beiden  Inhalte  ST  und  SV  durch  die  Formel  ausdrücken  ST^SV.  Dos 
aber  dem  Gleichheitszeichen  stehende  u  ist  hinzugefOgt,  um  ausdrOckhch 
hervorzuheben,  daß  die  Gleicheit  sich  nur  auf  den  Umfang  bezieht.  Vgl. 
S.  ML 

Man  beachte  flbrigens.' daß  der  Umfang  eines  Begriffes  insofern  viel- 
deutig ist,  als  ich  jeden  Begriff  in  unendhch  mannigfacher  Weise  in  sub- 
ordinierte Begriffe  einteilen  kann.  Je  nach  dem  Einteilungsprinzip  ergabm 
sieb  an  Zahl  und  Inhalt  verschiedene  subordinierte  Gattungen  bzw.  Arten. 
Von  Umfangsgleichheit  und  Umfangsverscbiedenheit  zweier  Begriffe  kann 
daher  rein-logisch  nur  die  Bede  sein,  nenn  sie  zu  verschiedenen 
Stufen  tasalbm  Skala  eines  Systems  von  AllgemeinbegriUen  gehören,  oder 
wenn  sie  zu  derselben  Stufe  gehören  und  ihre  MeAmalc  sich  restlos  aul- 
«namder  reduzieren  lassen.  Das  letztere  trifft  beispielsweise  fOr  die  beiden 
Begriffe  „gleichseitiges  Dreieck"  und  „gleichwinkliges  Dreieck"  zu.  Das 
entere  gut  für  jeden  subordinierten  Begriff  im  Verhältnis  zu  seinem  super- 
ordinierten.  Jede  andere  Umfangsvergleichung  ist  auf  Erfahrung  (im 
weitesten  Sinne)  gegründet;  man  denke  beispielsweise  an  die  partielle 
Deckung  des  Umfsngs  der  Begriffe  „Sklave"  und  „Neger". 

Hon  könnte  dem  entgegenhalten,  daß  wir  doch  beispielsweise  den  Um- 
fang zweier  zoolc^ischen  Ordnungen,  vie  Honotremen  und  Nagetiere,  ver- 
ffleidien  und  der  letzteren  Ordnung  entsprechend  der  sehr  viel  größeren 
Zahl  der  Galtungen  und  Arten  einen  sehr  viel  größeren  Umfang  zuschreiben 
als  der  ersteren.  Indes  gilt  das  offenbar  nur  für  die  empirische  Belegung 
(vgl.  S.  3&8,  Sigwarts  empirischen  Umfang,  vgl.  S.  369,  Anm.  1»),  nicht 
lOr  den  Umfang  im  logischen  Sinn.  Der  logische  Begriff  „Monotremea" 
tafit  dank  seinem,  allen  Allgemeinbegriffen  zukommenden  transgressiven 
Chaiakter  (vgL  S.  336,  SfiO  u.  476}  noch  für  unbestimmt  viele  unbekannte 


*)  Es  sei  nochmals  daran  erinnert,  daß  die  GräBe  der  gezeichneten 
Figuren  willkoriich  ist,  also  nicht  den  UmfangsgrOfien  entspricht 
Ziehea.Iiehilrach  dar  Logik.  36 

„.,,„,  ^.oogic 


562      ^-  '^''^    ^*  eintelnen  locucben  Gebilde  und  ihre  Gesetie. 


y)  J  -^  r  (vsl.  S.  66B),  also  beispietoweiRe  &b  ^  ac.  Chandcteristiadi 
ist  für  diesen  Fall  y,  daB  J  und  J'  ein  oder  mehrere  gemeimanie  Ueitmile, 
außerdem  aber  sowohl  J  wie  J'  ein  oder  mehrere  Merkmale  haben,  dii 
nur  J  und  nicht  J'  bzw.  nur  J*  und  nicht  J  zukommen.  Bei  geoaiKKr 
l^ntersuchung  mOsaen  twei  Unterfälle  unterschieden  werden,  je  nachdem 
das  nicht  gemeinsame  Meikmal  (also  b  bzw.  c)  von  dem  anderen  Btfril 
Seiadezn  ausgeschlossen  ist  oder  nur  unter  den  konstanten  (unerl&Blicheo) 
Merkmalen  desselben  fehlt,  aber  doch  bei  einzelnen  subotdinierten  BefiilteB 
vorkommen  kann  und  eTentuell  auch  tats&chlich  voikommt  (TtL  S.  bütt). 

ImerstenUnterfall  (y^)  handelt  es  sich,  aTmbotisch  ausgediOcU. 

um  das  Becriflspaar  ab  non-c  und  ac  non-b.  Wir  bezeichnen  solche  Be- 
crifle, 'wie  oben  (S.  646  u.  ÖM)  schon  angefahrt,  als  kontraposi- 
torische.  In  vielen  Fällen  ist  die  Kontraposition  indirekt,  insofern  z.  E 
das  Merkmal  b  des  ersten  Begrifis  mit  c  unvertr&^ch  ist.  Aucli  ist,  un 
den  ersten  UnterfaU  herbeizutOhren,  nicht  das  Vorhandensein  von  non-t 
bei  dem  einen  sai  non-b  bei  dem  anderen  (r  e  kontraposito^isches  VerhiH' 
nis,  S.  M9)  notwendig.  Es  genOft,  dafi  entweder  non-b  oder  noirc 
vorhanden  ist    Es  hegt  dann  die  S.  btB  besprochene  EomploneDtaritit  vot 

(abc  und  ab  non-c). 

Graphisch    ist   dieser   erste    Unterfall    der    Dartiellen    InhsJtsgleicbheil 

(speziell  in  der  .letztetwähnteo 

*^-  '  VarietÄt)    in    der    beisteheod«! 

.*•  *V*  Figur  7  dargeslelll.     Das  hori- 

zontal schntaerte  Yieitd 
HNOP  drflckt  den  Umlu« 
des  BegiiBes  a  (Gegenst&nte 
mit  dem  Merkmal  a),  das  nailc- 
recht  schraffierte  Viereck  QSTP 

4  £      den    Umfang    des    Begrilles   b, 

mithin  0  P  0  R  den  Umbng  des 
Begriffes  ab  aus.    Der  Begriff  e 

j  *?^    i3t  durch  das  schräg  schrafBette 

Viereck    HIKL    dargestellt"); 
y»  daher    entspricht    das    Viereck 

F  G  R  0  dem  Begriff  "abc  und 
das  Viereck  PQ  G  F  dem  Begrifi 
ab  non-c.  Sowohl  bildlich  wie 
KontntKmtorfache  partielle  Inhaltatfeiehbut.  begrifflich  leuchtet  ein,  daB  die 
Umfinge  d«  beiden  leUtgenann- 

ten  Begriffe  in  diesem  Unterfall  y^  vSlIig  auseinanderfallen  mOssen,  d.  h.  sidi 

weder  ganz  noch  teilweise  decken  kennen.    Die  beiden  Begiifie  s  c  h  I  i  e  B  e  o 


^  Die  spezielle  Lage  von  HIKL  wechselt  von  FaU  zu  Fall  Bald 
greift  es  auch  auf  MQRN  und  RSTO  über,  bald  nicht,  zuweil«  ragt  es 
Ober  O  F  ö  R  nirgends  hinaus,  beschränkt  sich  also  auf  G  R  f  0  (wie  im 
Beispiel  der  Wirbeltiere  und  WirbeUosen). 


1,1^.001^10 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  fic«rifl«ii.  553 

sieb,  me  S.  &60  bereits  gesagt  wurde,  gegenseitig  aus,  sie  sind  re- 
pogiient  Zugleich  sind  sie  koordiniert  und  komptement&r  zueinander. 
Z«d  Beriefe,  die  diese  besondere  Form  der  Bepugnanz  zeigen  (kontraposi- 
lorische  Repugnamz,  RepugnaDz  bei  komplementärer  Koordination)  können 
als  icontrapositorisch-disiunkt")  bezeichnet  werden.  Dabei 
sei  leatgesetzt,  daB  Begrifie  dann  d  i  s  i  u  n  k  t  (im  allgemeinen)  heuten 
sollen,  wenn  sie  kooidiniert  sind  und  zugleich  keinen  Teil  ihres  Umfangs 
Etmran  haben.  Ein  Beispiel  für  konlrapositorische  Dishmktion  ist  die  Ein- 
teilung dei  Tier«  (ab)  in  Wirbeltiere  (abc)  und  Wirbellose  (ab  non-c). 

ZweckmftBiger  wäre  es,  die  Bezeichnung  „disiunkt"  nur  dann  zu 
verwenden,  wenn  es  sich  um  kontrapositorisctie  Begriffe  handelt,  wenn  also 
dar  eine  B^riff  wenigstens  ein  Merkmal  enthält,  welches  das  Negat  eines 
Herkmala  des  andern  ist  (also  a  b  und  a  non-b).  Es  ist  jedoch  Qblich,  sie 
auch  dann  zu  verwenden,  wenn  der  zweite  Begriff  statt  des  NegaU  des  Herk- 
mils  b  ein  von  b  verschiedenes,  erfahrungsgemäB  mit  b  nicht  ver- 
iiä^icfaes,  positiv  bezeichnetes  Merkmal  c  enthält,  daa  an  die  Stelle  von  b 
tritt  (also  derselben  Merkmalgattung  angehört}.  Es  handelt  sieb  dann  taa 
eine  positive  Bestimmung,  die  in  dem  S.  ööO  f.  erörterten  Sinne  empirisch 
eine  Negation  involviexl.  Ich  will  diese  beiden  Fälle  durch  die  Termini 
„negativ-disiunkt"  und  „positiv-disiunkt"  unterscheiden: 
.,weiBe9  Papier"  und  „nicht-weifies  Papier"  bilden  ein  kontraposilorisch- 
oder  negativ-disjunktes  Begriffspaar,  „weiBes  Papier"  und  „gelbes  Papier" 
«in  positiv-disjunktes,  wenn  man  voraussetzt,  daB  „weifi"  und  „gelb"  soviel 
bedeuten  wie  „ganz  weiß"  und  „ganz  gelb"  (vgl.  S.  5*7),  und  daß  „ganz 
veiS"  und  „ganz  gelb"  empiriEcb  unvertrftglicb  sind.  —  Ein  intaressanler 
weiterer  Fall  ergibt  ach,  wenn  man  an  Stelle  von  h  „nur  weiB"  oder  „w«B" 
und  an  Stelle  von  non-b  ,jtKi  gelb"  setzt,  sei  es,  daB  man  mit  dem  „nur" 
alle  anderen  Eigenschaften  außer  den  Qattungsmerkmalen  a  ausschließt,  sei 
es,  daB  man  lediglich  alle  anderen  Farben  eigenschaftea  ausschliefit.  Hier 
and  die  beiden  Merkmale  losisch  unverträglich,  ohne  d&B  Komplementarität 
und  Kontfaposition  der  Begriffe  vorliegt  (vgl.  auch  S.  551).  Das  „nur-gelb" 
involviert  schon  logisch  ein  „nicht-welB".  Es  handelt  sich  also  um  indirekte 
partielle  Eontmposition;  die  Begriffe  sind  negativ-disjunkt,  nähern  sich  aber 
den  positiv-ditaunkten,  insofern  sie  keine  manifeste  Negation  enthalten  und 
nicht  komplementär  sind. 

Asders  im  zweiten  Unterfall  (^,}.  Hier  ist  b  fOr  J*  und  c  fOr  J 

fakultativ  zulässig.  Formet  etwa  a d b  und  ade.  J  enthält  kein  ndt  c  tmd  J' 
kein  mit  b  unverträgliches  Merkmai.  Es  steht  daher  auch  nichts  im  Wege, 
daB  der  Umfang  zweier  solcher  Begrifle  teilweise  zusammenfällt  (teilweise 
.jich  dedct")>  o^^h  ^^  ^'^  später  sagen  werden,  zwei  solche  Begriffe  sich 
kreuzen  (konjunkt  sind).  Das  gilt  z.  B.  von  dem  auf  der  nachstehenden 
figur  8  darsestellten  Begriffspaar  „Flugtiere"  und  „Arthropoden".    Der  BegriB 


u)  Der  Terminus  stammt  aus  der  Urteilsichre,  in  der  auf  ihn  zurOck- 
zukommen  sein  wird  »H'tvj'ftirai'  der  Stoiker,  disiunctum  schon  bei  Cicero, 
Academiea  prior.  H,  30,  $  97,  ed.  Teubner  1908,  S.  63).'  Die  neueren  Lehr- 
bOcber  (Tgl.  z.  B.  Ueberweg  L  c.  S.  141  u.  U3,  Sigwart  1.  c,  Bd.  1,  S.  862) 
lasBCQ  bezoxtich  seiner  Definition  Obereinstimmung  und  zum  Teil  auch  Klar- 
tteit  Termiasen.    Siehe  auch  S.  E>70. 


1,1^.001 


-c^lC 


564       '^*  ''^-    ^^  einzelnea  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

Flugtiere  ist  seinem  Umfang  nach  durch  das  Viereck  A  C  D  B,  der  Begilfl 
Aithropoden  durch  GFEO  dargealeUt.  Das  uroSe  Viereck  HIEB  soll  dn 
beiden  gemeinsamen  Besritf  „Tiere"  [entsprechend  dem  MeAmalkomplex  ad 
der  Formet),  das  Viereck  N  C  L  U  den  Begriff  „fliegende,  d.  h.  BugfUuge 
Körper"  (der  außer  Flugtieren  z.  B.  Luftfahrzeuge  u.  dgL  umfaßt  und  dem 
Merkmal  b  entspricht)  vertreten.  Der  BegriS  eines  FluEtieres  entliftlt  kön 
Merkmal,  das  mit  dem  Begrilt  eines  Artliropoden  uuTerträslich  vkre  und 
etwnao  umgdtehrL  Die  Ftusf&higkeit  der  Flugtiere  (entsprediend  dem  MtA- 
Fig.  8. 


Partielle  Inhallsgleichheit  ohne  Kontraposition 
mal  b  der  c^gen  Formel)  ist  zwar  kein  Merkmal,  d.  h.  kein  obligatoriaches 
Merkmal  der  Arthropoden,  aber  doch  keineswegs  von  diesem  Begriff  aus- 
geschlossen; es  ist  für  ihn  fakultativ  zul&ssig.  Dasselbe  gilt  umgekehrt  nn 
der  FuOgliedenmg  der  Artliropoden  (entsprechend  etwa  dem  MeAmal  c)  be- 
züglich der  Flugtiere  '^).  Sie  koount  auBer  anderen  Tieren  den  Arthropodn 
stets  zu,  den  Flugtieren  nicht  stets,  ist  aber  auch  für  sie  fakultativ  zuUiasig. 
Daher  ist  logisch  eine  teilweise  Deckung  der  beiden  BegiiSe  sehr  wohl  mfif - 
lieh  (aber  sellistverstandlich  nicht  empirisch  notwendig).  Inderl^t 
ist  eine  solche  in  diesem  Falle  auch  empirisch  belegt.  Die  Insekten  (Mwät 
sie  fUegen)  bilden  den  Deckungsbezirk  der  beiden  Begriffe,  entsprechend  dem 
kleinen,  dreifach  schraffierten  Bezirk  P  C  D  O. 

Ein  schon  behandelter  Spezialfall  tritt  ein,  «enn  die  inhaltliche  Ver- 
schiedenheit der  beiden  BegriBe  nur  definitorisch  ist  (vgl  S,  560),  ihr  Um- 
fang also  derselbe  ist.  Es  hegt  dann  die  S.  568  besprochene  AqualitJU  bei 
partieller  Inhaltsveiscbiedenheit  vor.  Um  diesen  Tatbestand  herinisteUen, 
mUBte  auf  der  Figur  A  C  D  B  so  verschoben  werden,  dafi  es  mit  G  F  E  0  cor 
Deckung  kommt"). 

'■)  Die  Darstellung  einer  Sph&re,  die  entsprechend  diesem  Herkmal 
GFEO  abnbch  umfafit,  wie  NCLU  ACDB  umfaSt,  ist  auf  dar  Ftfor 
unterblieben,  um  die  Obersicht  zu  erleichtem. 

'*)  Man  beachte  Hbrigens,  daB  Figur  8  insofern  bereits  «inen  Speül- 
fall  danteUt,  als  das  Viereck  NCLH  eine  ganz  spsEieUe  Lasa  hat    B> 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Begrilleh.  5(}5 

In  bdden  Uuteriftlleii  sind  die  beiden  Begriff«  in  dem  frOher  (S.  333, 
SU  u.  fi63)  festgesetztea  Sinne,  dank  ihren  gemeinsamen  Merkmalen,  oft 
koordiniert  oder  äquigrad  (vgl.  S.  511),  indem  sie  beide  unter  den- 
Mlben  hSfaeren  Begriff  fallen,  n&müch  den  Allgemein  begriff  aller  Triger  der 
ftnen  gemeinsamen  Merkmale  und  derselben  Stufe  angehören.  Im  Ilnter- 
M  y  wird  der  Obergenrdnele  Allgemeinbegriff  durch  das  Viereck  0  P  Q  R 
der  Flg.  7,  im  Unterfall  y^  durch  das  Viereck  HIKB  der  Fig.  8  dargestellt. 

Hat  jedoch  der  eine  Begriff  auBer  den  Merkmalen,  die  er  mit  dem 
«Dderen  gemein  hat,  überhaupt  keine  MeAmale,  so  ist  er  diesem  super- 
«H^niert  und  dieser  ihm  s  u  b  ordiniert  (vgl.  S.  883,  511,  536).   Ein  solches 

Terbiltnis  besteht  z.  B.  Ewiscben  den  Begiifien  ab  und  abc;  ab  ist  dem 
abc  auperordiniert. 

d}  C  1  U'  (vgl.  S.  668).  So  haben  z.  B.  die  auf  der  beistehenden 
Figur  9  durch  die  Vierecke  ABCD  und  EFOB  dargestellten  Allgemeiit- 
bwrifte  Wn  und  W  den  Beziifc  ISGK  ge- 
mein, der  etwa  einem  dem  Begriff  W  sub- 
ndinierten  AllgemeinlieeriH  Wq—i  und  einem 
dem  Begriff  W™  subordinierten  Allgemein- 
begriff W''"-^  entspricht ").  Zwei  Begriffe,  für 
wdche  in  diesem  Sinne  U  ^  0'  ist,  heifien, 
*>e  oben  schon  vorgreifend  erwähnt  wurde 
{S.  568),  sich  kreuzende  oder  ge- 
kreuzte oder  konjunkte^')  Begriffe. 
Dv  ihrem  gemeinsamen  Gebiet  (Deckungs- 
idiet)  entsprechende  Begrifl  wird  am  besten  als 

u*  er   durch    das  Viereck  IBCK  dargestellt.  (Kreuzunnl 

Die   notwendige  Vorbedingung    für   eine 
Kdette  partielle    Umfangadeckung    oder    Kreu- 

sang  von  W  und  W°>  besteht  offenbar  darin,  daS  die  Merkmale  von 
W"  —  sie  mSgen  etwa  a,  b  nnd  o  heiflen  —  mit  den  Merkmalen  von 
V«»  —  etwa  p,  q  und  r  —  vertraglich  sind,  daß  also  W"  und  W"  weder 
kanlndiktorisch  noch  kontrapositorisch  zueinander  sind.     Nur  wenn  diese 

Bedingung  eriOllt  ist,  kann  ein  dem  Kreuzungsbegrifi  abcpqr  ent- 
■nechender  Deckungsbezirk  IBCK  zustande  kommen;  dabei  ist  es  gleich- 
{WiK)  ob  W°   nnd  'W'™  etwa  auch  geneinsame  Merkmale  haben  oder  nidit 

kfinnte  auch  so  Uegeo.  daß  es  mit  HIKB  nur  die  FUche  PCDO  (nicht 
«iterdem  auch  A  F  0  B)  gemeinsam  hat,  oder  könnte  von  HIKB  ganz  ein- 
SOehlossen  sein.    Vgl.  auch  S.  666. 

'•)  m,  n  und  die  römischen  Ziflem  rechts  oben  von  W  bezeichnen 
t  die  Stufen  des  Allgemeinbegnffs  (vgl.  S.  Ö39). 

>')  Im  Hinblick  auf  die  Verwendung  des  Terminus  „diajunkt"  (vgL 
S.  6t8')  dOrlte  es  zweckm&Big  sein,  speziell  nur  solche  gekreuzte  Begriffe 
keniuiikt  zu  nennen,  die  zugleich  unter  einen  Allgemeinbegriff  fallen 
(IqmSTad  sind).  Der  Terminus  ist  wie  disjunkt  (S.  ö63,  Anm.  11)  der 
tMeilslehre  entlriint;  «vftntnXtyftifm'  der  Stoiker,  conjunctum  bei  den 
Bömern  (Qellius,  Noct  Att  XVI,  8,  10). 


< 

9. 

A 

3 

™? 

1. 

9 

X 

1,1^. OQi 


'S'c 


566       IV-  T^'^    ^^  einzetnen  lonscben  G^lde  und  ihre  G«aetz». 

(sidie  unten).  Ob  ein  solcher  Deckungsbeziric  wirklich  Toitaanden  iat, 
also  die  yögtichkeit  der  Deckung  tatsächlich  (empinsch)  J>k- 
legt"  ist,  iat  eine  Frage,  die  mit  der  Logik  nichts  zu  tun  hat.  Dw  Loglfc 
genOtt  bei  dem  transgressiven  Charakter  ihrer  AltgemeinbegriSe  (t|1-  S  78> 
die  Erörterung  der  Ußglichkeit  einer  solchen  Deckung.  Zu^cicfc 
leuchtet  ein,  daB  partielle  Inhaltsgleichheit  und  partiella  L'mfangsgleicbbett 
nicht  notwendig  zusammenh&ngen  ((fist  ni«  r=  y^  und  auch  nur  m- 
weilen  ^  y^,  vgl.  S.  G6f),  und  daß  kontrapositorische  partielJe  InhaltsgleiA- 
beit  mit  partieller  tlmfangsgleicbheil  unvertr&glich  ist. 

Auf  der  Figur  und  in  der  bisherigen  BuchstsbendarateUung  ist  oii» 
Fall  beröcksichtigt,  der  in  dieser  Isolierung  im  praktischen  Deinen  niemals 
voitommt  und  nur  das  ganz  allgemeiiie  Schema  der  Kreuzung  veranachan- 
tichen  soll.  Stets  wird  nämlich  zwischen  den  beiden  Begriffen  ^Vn  nsd  W» 
die  eben  als  inhaltlich  total  verschieden  betrachtet  wurden,  irgendeine  Ta>- 
bindung  durch  gemeinsame  Merkmale  oder  wenigstens  ein  gemeinsame 
Merkmal  hei^estellt  Im  eiofacliRtcn  Fall  haben  'W"  uod  ^"'°  anÜer  don 
verschiedenen  Merkmalen  —  B.  b,  c  bzw.  p,  r,  q  —  auch  e  i  n  gcmeinsamea 

Hai^mal  d.  so  daß  W  dnroh  nbud  und  W^"  durch  pqrd  snagedrTickt 
werden  kann,  beide  also  einem  und  demselben  höheren  AIlgemeinbeKriS 
—  Trägem  des  Merkmals  d  —  subordiniert,  also  zueinander  koordiniert 
sind  *■).  Der  Fall  kommt  dadurch  mit  dem  Fall  y^  (S.  563)  zur  Decknac- 
Figürlich  kann  man  dies  dadurch  darstellen,  daß  man  ein  Viereck  W^  hiiura- 
füg:t;  welches  die  Vierecke  W  und  V"  einscUlieBt  (siehe  Figur  10,  1  saf 
S.  567).  Es  existieren  aber  auch  andere  Möglichkeiten:  das  Meriunal  4 
kann  nur  einem  Teil  des  Tlmfangsgpbietee  von  'Vt"  bezw.  W"  zokomiMaL 
Dabei  ergeben  sich  FOnI  prinzipiell  verschiedene  Spezialfälle,  die  «tf 
den  betstehenden  Figuren  10,  2—6  dargestellt  sind.  Aul  Fig.  10,  2  umachliaft 
■^d  y/-nt  g^j..  bicKeKen  von  W*  nnr  einen  Teil,  zu  dem  such  da»  Decknni^ 
gebiet  der  beiden  BegriOe  (aul  den  Figuren  immer  schraffiert)  gehört.  Avf 
Fig.  10,  3  umBchließt  W*  wiederum  W"  ganz,  von  W  dapeiten  f;erade  mr 
denjenigen  Teil,  der  dem  Deckungsgebiet  entspricht  Auf  Fig.  10,  4  ob- 
schlieBt  W^  sowohl  von  W"  wie  von  W"  nur  einen  Teil  in  dem  auch  dsB 
Dedkungsgebiet  gehörL  Änf  Fig.  10,  5  umschlieBt  Vf^  gleiohfalte  sowohl  vta 
W  wie  von  W»  nur  einen  Teil,  aber  der  umsohlossene  Teil  Sllt  hier  fir 
'W'b'  gerade  mit  dem  Deckungsgehiet  zusammen.  Endlich  umschheBt  md 
Fie.  10,  6  W^  sowohl  von  W^  wie  von  W»  gerarie  nur  das  DecfcoogsgeliMt 
Offenbar  entsprechen  diese  Varianten  den  oben  S.  Ö64,  Anm.  13  nur  an- 
deutungsweise erwähnten  Varianten  des  Falls  y^. 

Beispiel  zu  Fig.  10,  1:  W"  lahnloae  Wirbeltiere,  'W''"  wannblötigB 
Wirbeltiere,  W^  Wirbeltiere,  Deckuagsbezirk  (schraffiert)  Vögel;  ning.10,2: 
W»  zahnlose  Tiere,  Wm  warmblütige  Wirbeltiere,  W*  Wirbelttare,  Dedmng^ 
bezirk  Vögel;  zn  Flg.  10,  3:  W  Flagtiere,  W"  warmblütige  Tfirbelti»«, 
"Wd  Wirbeltiere,    Deokungsbezirk   Vögel;    ku   Fig.  10,  4:    W"    waimMütig» 

>•)  Stfirring  bezeichnet,  wie  ich  nachträglich  sehe,  in  seiner  Im^ 
{Leipng  1816,  S.  88)  koordinierte  BegriBe,  deren  Umfange  söch  teilweae 
decken,  als  .interferierende"  Begiifie.  Zu  dem  Beispiel  j^iif' 
und  „Neger",  wekihes  er  anfOhrt,  bitte  ich  die  Bemerkungen  S.  511  zw  ""^ 
gleichen. 


i,i^.ooglc  ■ 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  t 


1  den  BegriHen. 


567 


WirbeitieM,  W^"  Flngtiere,  "W*  eieriegende  Tiere,  DeckungibeziA  Vögel  »^; 
2u  Rfi.  10,  5:  W»  wMinblüHira  WirbeltiBre,  W™  zahnlose  Tiere,  W«"  Kngtiere. 
DcckuDgibezitfc  Vegeli  zu  Fig.  10,  6:  W»  zahuloee  WirbeltieTe,   W™  Flog- 


WM 

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iiiiiiiimii, 

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tiere,  W^  «armblOüse  Wirbeltiere,  Deckunsebezirk  VögeL  lian  beachte  nnr 
bei  ditaea  und  allen  analogen  Beispielen,  daB  das  Zusammenfallen  dee 
Deckuncsbeziits  vonW»    und  W™  mit  dem  Allgemeiobegritl  „Vögel"  eine 


IT)  pgr  den  Nicht-ZooloBen  sei  mit  Bezug  aul  das  Folgende  bemeAt. 
daB  es  eierlegende  S&ugetiere  gibt  (Monotremen),  und  daS  andrerseita  manch» 
wiibelloBe  Tiere  (gewisse  Fliegenarten  u.  «.)  nicht  Eier  legen,  sondern  aus- 
RechlOpfte  Larven  tur  Welt  bringen.  —  Statt  „wannblOtige  Witbdtiece" 
■«nOgt  Mlbatrerst&ndlicb  der  Tetminus  „warmblQlitf*  Tiare". 


OgIC 


ff g.      1 1 


9- 


5fl8      '^-  ^*'*-    P**  «"»Iiibh  teiiachen  GeMde  und  ihre  Geset«. 

ledidieh  «mpirische  Tatsache  iM,  die  Aber  den  reinlogischen  Tatbestand 
hinauageht  und  auf  der  vom  logischen  Standpunkt  aus  zulftllig  zu  nannenden 
Bekcung  beruht  (vgl.  S.  368^  &2&  u.  627).  Loiisch  bleibt  der  Dcdnings- 
beziit  noch  fflr  andere  Wirt>eltieil  lassen  offen,  und  seUot  empirisch  wOrde 
er  sich  erweitern,  wenn  entsprechende  neue  Tierformen  (z.  8.  fossile)  ver- 
wertet bzw.  entdeckt  würden  (Odontorailhes  usL). 

Ein  besonderer  und  sehr  wichtiger  Fall  der  Umfangsvenchiedenheit 
liegt  dann  vor,  wenn  W>  seinem  ümämge  nach  ganz  in  W°>  entbaltea  ist 
(oder  nmfcekehrt).  Dann  heiBt  W>  dem  W»  subordiniert  and  "V^ 
dem  TT"  superor diniert").  Es  liegt  also  das  bereits  wiederholt  be~ 
n»ochene  VerhUtnis  der  Unter-  und  Oberordnung  Tor  (vgl.  S.  838,  359, 
fill,  526,  ^e  u.  566).  Symbolisch  stellt  sich  dies«  Fall  dar  als 
W  C  ^'  «'«''  W*  ^  W  (vgl.  S.  5t0).  Die  beistehende  Figur  11  gibt  die 
einfach  geometrische  Veranschaulichung:  Das  schnffierte  ViereA  AB  CD 
des  sabordinierten  Begriffo  W  liegt  ganz  innerhalb  des  Vierecks  EFHO  des 
saperordinierten  Begriffs  W™.  Für  den  Inhalt 
*^-  ^^  bedentet  dies,  daß  au«  Merkmale,  die   W»  hat, 

.^'  auch  W™  lukommen,  und  daß  %'°  anterdem 
DOoh  wenigstens  ein  HerkmiJ  hat,  das  W^ 
nicht    in    seinem    ganzen    Umfang    zukwnmL 

W™  kann  also  etwa  durch  abc  und  W"  dnrUi 

abcd...   ausgedrOckt  werden.     Jedenfalls  ist 

also  n  >    m").    Geometrisch  l&Bt  skh  dies* 

Inhaltsbeziehung    darstellen,    indem    man    ein 

Umfavsverscbedenheitun    yiereck    Iß  DK   hinzufügt,  «dches  vom  Tier- 

Smn  der  Sub- und  Super-    ^^    efHG  gerade  nur   das   Viereck  ABCD 

Ordination.  einnimmt,    außerdem    aber    außerhalb    EFHO 

sich  noch  beliebig  erstreckt.    Dies  Viereck  stellt 

dann  den  Umfang  des  Begriffs  aller  Titger  des  Merkmals  d  dar»»).    Vgl. 

auch  Fig.  9  auf  S.  ißb,  die  ftußerhch  mit  Fig.  11'  Qbereinstinunen  muB. 

Ueberveg  (System  der  Logik,  6.  Aufl.  löSS,  S.  141  u.  143)  fuhrt  ndiea 
dem  Terminus  „sich  kreuzende"  Begriffe,  den  Terminus  „einstimmige' 
Betrüte  bzw.  Vorstellungen  (=>  notae  inter  se  convenientes)  an.  FOr  ietzters 
soll  charakteristisch  sein,  daß  „sie  in  dem  Inhalt  ein  tuid  der  ntmüchea 
Vorstellung  vereinigt  sein  kOnnen"  und  mithin  ,4hre  Sph&ren  ganz  oder 
teilweise  ineinander  fallen".  Sie  umfassen  als»  das  ganze  Gebiet  der  Sub- 
ordination, Aquipollenz  und  Kreuzung  0-  c-  S.  143}.  Wir  heben  für  soictn 
nicht-repugnanten  Begriffe  oben  (S.  560)  bereits  den  Terminus  „vertr&i- 
liche"  oder  ,Jton veniente"  Begrifle  verwendet.  Der  Tennmus  „ea- 
shiiKnige  Begiille"  scheint  mir  leicht  zu  MißTerstindnissen  Anlaß  zu  gehen. 
Alle  diese  und  andere  Tennini  kommen  Qhiigens  allenthalben  schon  bei 
Uteren  Logikern  vor  (vgl  z.  B.  W.  Tr.  Krug,  Syst  d.  tbeor.  Philos.,  1.  Teil, 
3.  Aufl.  1835,  g  38,  S.  117  ff.). 

'*)  Von  Kreuzung  spricht  man  also  in  diesem  Falle  nicht 
")  m  und  n  bezeichnen  wieder  die  Generalisationsstufen. 
**)  Dabei  ist  aelhstverstJüidlich  nicht  ausgeschlossen,  daß  die  (emP'- 

tisehe)  Belegung  noch  keine  Gegenstände  geliefert  hat,  die  m  des 

BeaiA  1 A  C  K  fallen. 


0'^\Q 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Begriffen.  569 

Die  algebraische  Logik  faßt  in  den  durch  Fig.  &— 11  datgeatellten 
tiäta  meistens  das  Deckungsgebiet  der  beiden  Begiifle  W  and  W  nach 
Art  eines  Produkts  aul.  Das  Deckungsgebiet  wird  daher  kurz  geschrieben 
W  X  W  odc*  W .  W  oder  W  W.  Demgegenüber  wird  das  gesamte  von  W 
und  W  umfaßte  Gebiet  ala  Summe  W  +  W  bezeichnet.  Dabei  wird  zu- 
gegeben (vgl.  Ernst  Schröder,  Vwles.  über  die  Algebra  der  Logik,  Leipzig  1890, 
&  195  u.  251),  dafi  diese  Addition  (Schroeders  „identische  Addilion"}  mit  der 
arithmetischen  ihrem  Wesen  nach  einige  Verwandtschaft  (eine  .Jiedingte 
Verwandtschaft"),  diese  Multiplikation  („identische  Multiplikation")  aber  mit 
der  arithmetischen  gar  keine  Verwandtschaft  hat;  jedoch  soll  „die  durch- 
gängige Übereinstimmung  ihrer  formalen  Eigenschatten,  welche  auf  Seiten  der 
identischen  Operationen  nur  noch  ein  kleines  Mehr  aufweist",  die  überein- 
stinmtende  Benennung  rechtfertigen.  Tatsachlich  ist  diese  Übertragung  nicht 
90  harmlos,  als  es  hiemach  scheinen  konnte;  denn  zwischen  den  Deckungs- 
gesetzen  und  den  arithmetischen  Multiplikalionsgesetzen  bestehen  bestimmte, 
nicht  oder  nur  scheinbar  zu  beseitigende  Widersprüche  .  W  +  (W  .  W"),  im 
Sinn  der  Schroederschen  Symbolik  verstanden,  ist,  wie  die  tatsfichlichea 
DeckuMSverhSltnisse  khren.  =.  (W  -j-  W) .  (W  -|-  W"),  eine  Gleichung,  die 
den  arithmetischen  Multiplikationsgesetzen  absolut  widerspricht  (vg).  hierzu 
Schroeder,  I.  c.  &  3861.)-  Die  von  Schroeder  im  Anschlu9  an  solche  und 
andere  Tatsachen  vorgeschlagene  Unterscheidung  eine»  „identischen"  und 
eines  „logischen  Kalküls"  (1,  c.  S.  2ßl)  halte  ich  —  bei  aller  Anerkennung 
des  Scharfsinns  der  Auseinandersetzung  —  filr  einen  ungangbaren  Ausweg. 
Bei  dieser  Sachlage  ist  es  unzweckmäßig  und  gefahrlich,  die  Ausdrücke  der 
Arithmetik  auf  die  l^ogik  zu  obertragen.  Der  wesentliche  Unterschied 
zwischen  beiden  Wissenschaften  wird  dabei  vernachlässigt  oder  mit  Gefahr 
det  Vernachlässigung  versteckt.  Schon  bei  der  Addition  macht  sich  dieser 
Unterschied  geltend;  Wenn  zwei  Zahlen  addiert  werden,  so  wird  als  selbst- 
verständlich vorausgesetzt,  daß  die  Individuen,  auf  welche  sich  die  Zahlen 
beziehen,  sämtlich  untereinander  verschieden  sind;  wenn  dagegen  die 
tänttnge  zweier  Begriffe  zusammengefaßt  werden,  so  sind  Deckungen  mög- 
heb,  und,  soweit  Deckungen  vorliegen,  kommt  eine  gewöhnliche  Addition 
im  arithmetischen  Sinn  nicht  in  Frage.  Einen  exakten  Ausweg  bietet  hier 
nur  die  Mengenlehre  (vgl.  §  8S),  die  in  der  Tat  den  Terminus  Summe  viel 
voTsicbtiger  —  nämlich  nur  für  elemeutefremde  Mengen  —  verwendet  und 
das  Deckungsgebiet  nicht  als  Produkt,  sondern  als  ,4}urchschnitt"  faBf ). 

t)  3  ii'  (vgl.  S.  &äS).  Wenn  totale  Verschiedenheit  des  Intialts  der 
beiden  Begriffe  W  und  W'  vorliegt,  also  die  MeAmale  abc  des  Begriffes  W 
nicht  zu  den  obligatorischen  Meikmalen  von  W  und  die  Merkmale  m,  n,  o 
des  BegriBes  W  nicht  zu  den  obligatorischen  von  W  gehören,  so  mOssen, 
ähnlich  wie  im  Falle  y,  zwei  Unterfälle  unterschieden  werden.  Entweder 
nämlich  geht  die  totale  Inhalts  Verschiedenheit  so  weit,  daß  a,  b,  c  von  dem 
Inhalt  des  Begriffes  W'  und  m,  n,  o  von  dein  Inhalt  des  Begriffes  W 
gemdezu  ausgeschlossen  sind,  oder  es  bleiben  trotz  der  totalen  Inhalts- 
Terachiedenheit  a,  b,  c  wenigstens  fakultativ  zulässig  für  W  und 
m,  n,  0  wenigstens  fakultativ  zulässig  für  W.  Von  den  gemischten 
Unterfällen  —  z.  B.  a  ausgeschlossen  von  W,  b  und  c  fakultativ  zu- 
lässig für  W,  m  und  n  ausgeschlossen  von  W,  o  fakultativ  zulässig  für 

")  Vgl.  z.  B,  P.  Hausdoiff.  Grundzüge  d.  M«ngenlehre,  Leipzig  191*, 


OgIC 


570       ''^'  "^^    ^*  eiozelnen  losisches  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

W  vaL  —  kann  im  tolgendeo  abseeehen  werdMi,  da  sich  die  nacUoltendaa 
Überlegungen  ohne  jede  Schwierigkeit  auf  solche  MischfäUe  Oberttwen  Ibhcs 
(vgl.  jedoch  S.  672).  Die  totale  Inhaltsverachiedenbeit  wird  zuwtülen  auch 
als  Dispatatheit  bezeichnet ")  (vgl  S.  661  u.  674). 

Die  Tennini  „dispaiat"  und  „disiunkt"  mOssen  scharf  au»- 
einandergehalten  weiden.  Der  erstere  bezieht  sich  prim&r  auf  den  Inhalt, 
der  letztere  primär  auf  den  Umfang.  Als  dishinkt  beseicbDeten  wir  S.  Kt 
koordinierte  BegriHe,  die  keinen  Teil  ihres  Umfangs  setnein  haben,  eich  also 
weder  ganz  noch  teilweise  decken.  Disparat  sind  nach  der  soeben  ao- 
gegebenen  Terminologie  B^riffe,  deren  Inhalte  kein  gemeinsames  Meitami 
haben.  Eine  Folge  dieses  Fehlens  gemeinsamer  McAmale  ist  das  Fehlen  eines 
gemeinsamen  abergeordnelen  Begriffes  (abgesehen  etwa  von  dem  aUgemeiii- 
aten  Begriff  des  Gignomens  oder  des  Etwas).  Oft  bat  man  jedoch  die  Dis- 
paratfaeit  als  eine  graduelle  Beziehung  aufgefaßt  und  zwei  fi^rifte  scboa 
dann  als  disparat  bezeichnet,  wenn  die  gemeinsamen  MeAmale  sehr  all- 
gemeinen  Charakters  sind  und  daher  der  nächsthöhere  bzw.  die  nldist- 
faftheren  übergeordneten  Begriffe  fflr  beide  verstdiieden  sind.  Von  diesem 
Standpunkt  aus  würden'  die  Paara:  Katze  —  Pflanze,  Katze  —  Quan. 
Katze  —  Zorn,  Katze  —  dreieckig  (als  MeAmol)  eine  Stufenleiter  zundiinen- 
der  Disparation  datsteilen.  Vgl.  auch  S.  6(9.  -7  Die  gegensätzliche  Chank- 
teristik,  die  Ueberweg  (L  c.  S.  141  ff.)  lUr  die  disjunUen  und  dispaialen  B*- 
griSe  gibt,  scheint  mir  nicht  ganz  zutreffend.  Wenn  er  nämlich  aus  du 
Dellnilion  der  disiunkten  Begriffe  folgert,  daß  sie  nicht  im  Inhalt  eines  und 
desselben  Begrilfea  vereinigt  vorkommen  kfinnen,  so  ist  diese  Folg^ung 
offenbar  nur  zutreffend,  soweit  es  sich  um  vereinigtes  Vorkcmmra  in 
einem  gemeinsamen,  übergeordneten  Begriff  bandäL 
Athener  und  Spartaner  (Ueberwegs  eigenes,  nicht  gank'  einvandfreiss  Ba- 
siiiel,  vgl.  S.  KO)  kSnoen  vielleicht  nicht  vereinig^  im  Inhalt  des  Begrilte 
„(irieche"  oder  „Mensch"  vorkommen,  aber  doch  sehr  wohl  im  GihaJt  da 
Uegriffs  „peloponnesischer  Krieg".  Disparate  Begrifie  definiert  Ue.  als  solche, 
die  nicht  in  den  Umfang  des  nämlichen  höheren  oder  wenigstens  nicht  d» 
nächsthöheren  Begriffs  fallen,  mithin  nicht  gemeinsame  Inhaltademenle 
haben,  während  sie  bisweilen  einen  Teil  ihres  Umfangs  gemeinsam  haben 
und  daher  im  Inhalt  eines  und  desselben  Begriffes  vereinigt  vottommn 
kennen.  Hier  scheint  mir  nur  die  Voranstellung  der  Umfangsbcziehung  nidit 
ganz  angemessen. 

Im  ersten  Unterfall  ((  kann  ioi  Tatt>esland  auch  dahin  aus- 
gedrückt werden,  daß  man  dem  BegiiH  W,  außer  a,  b  und  c,  auch  die  Ueik- 
male  non-m,  non-n  und  non-o  und  dem  Begriff  W,  außer  m,  n  und  □,  die 
Heriunale  non-a,  non-b,  non-c  zuschreibt  (im  Sinn  der  S.  546  erörterten 
distributiven  Konlradiktion).  Offenbar  können  zwei  solche  Begnle 
keinen  Teil  ihres  Umfangs  gemein  haben,  sie  scblieCen  sich  gegenseitig 
vollständig  aus,  sind  also  repugnanl  (vgl.  S.  660).  Nach  der  S  618 
voi^eschiagenen  Terminologie  können  sie  noch  genauer  als  rekonlra- 
diktorisch  bezeiclmet  werden.  Geometrisch  werden  sie  durch  zwei  voB- 
Bländig  getrennt  liegende  Vierecke  dargestellL 


*')  Cicero  (De  invent.  SS,  42)  tKzeichnet  den  Gegensatz  von  Bejahnm 
und  Verneinung  als  „disparatum",  Boöthius  ^De  syUog-  hypothet.)  nennt  dis- 
parata  dasjenige,  was  verschieden  ist,  ohne  im  Gegensatz  zueinander  tu 
stehen,  z.  B.  terra,  vestis,  ignis. 


1.  Kapitel     Die  Lehre  von  den  Begritfen.  57I 

Auf  der  beiateh  enden  Figur  12  ist  der  ßegriQ  W  durch  das  Vien^ 
ABCD,  der  Begriff  W  durch  das  Viereck  A'B'C'D"  dargest«llt.  Im  Intor- 
«SM  der  Vereiniachung  ist  angenommen,  daß  sowohl  W  nie  W  nur  zwei 
posttivfl  Meitmale,  a  und  b  bzw.  m  und  n  hat.    Das  Viereck  E  B  0  F  ent- 

Fig.  12.  , 


Totale  rekonlradiktorisch«  Inhaltsverschiedenheit. 

spricht  dem  Beniff  „Träger  des  Merkmals  a"  (Tgl.  hierzu  S.  *Bi,  529, 
569)  **),  das  Viereck  H I K  D  dem  Begriff  „Träger  des  Merkmal»  b".  obenao 
das  Tiereck  LMNP  dem  Begriff  „Träger  des  Merkmals  m"  und  das  Vier- 
eck A'B'RQ  dem  Begriff  „TrBger  des  Merkmals  if".  Die  nsgaÜTen  Meifc- 
tnale  sind  iUinlich  nie  auf  Figur  3  a.  S.  559,  durch  Schraffierung  der  Um- 
gebung dargestellt^*).  So  ist  das  Merkmal  non-a  durch  senkrechte  Schral- 
fiening  ausgedruckt,  welche  sich  Ober  die  ganze  Fläche  außerhalb  EBQF 
■erstreckt,  also  über  den  L'mfangsbezirk  aller  derjfnigen  Gegenstände,  welche 
das  Merkmal  a  nicht  haben.  In  analoger  Weise  ist  das  Merkmal  non-b  durch 
wagrechte  Schraffierung  in  der  Umgebung  von  HIKD,  das  Merkmal  non-m 
durch  schräg  nach  rechts  oben  gerichtete  Schraffierung  in  der  Umgebung 
-von  LMNP  und  das  Heiimal  noD-n  durch  schriig  nach  rechts  unten  ge- 
richtete Schraffierung  in  der  Umsebung  von  A'B'RQ  dargestellt.  ABCD 
hat  daher  nur  die  beiden  schrägen  Schraffierungen,  A'  B'  C  D'  nur  die  senk- 
rechte und  die  wagrechte.  ABCD  und  A'  B'  C  D'  müssen  daher  ganz  aus- 
-einander  liegen. 

Im  Fall  der  globalen  Kontradiktion  würde  es  sich  um  die  BegriOe 
W  =  abc  non-(mno)  und  W  =  mno  non-Cabc)  handeln.  Selbstverständ- 
lich sind  auch  diese  repugnant.    Ein  besonderer  Spezialfall  liegt  femer  vor, 

wenn  W  nur  die  zu  W  negativen  Merkmale  enthält,  also  W  t^  a  b  c  und 
W  =  non-a  non-b  non-c  ist.  oder  wenn  W  nur  durch  die  globale  Negation 


■*)  TrUer  ist  hier  natürlich  Plural. 

>*)  Diese  Schraffierung  müBle  sich  nach  allen  Seiten  bis  i 
.endliche  erstrecken. 


OgIC 


572       IV-  ^^'I-    ^^  einzelnen  lopschen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

in  HeAmale  von  W  bestimmt  ist,  also  W  c=  >.bc  und  W  =3  non-(ftbc) 
wl.  S.  bib  sind  diese  Spezialfälle  bereits  besprochen  worden.  Dort  wurde 
auch  schon  «rw&hnt,  daß  man  im  letzten  Fall  die  beiden  BegriHe  ab 
snpplem«nt&r  zueinander  bezeichnet  (S.  549), 

Im  zweiten  Ujiterfall(«,)  ist  lücht  ausgeschlossen,  dafi  einzeln» 
GegenstUide,  die  unter  W  fallen,  die  MeAmale  m,  n  und  o  oder  eines  der- 
selben haben,  und  daß  einzelne  Gegenstände,  die  unter  W  fallen,  die  Uert- 
male  a,  b  und  c  oder  eines  derselben  haben  ").  Die  UmfangdieziehuiiB  ge- 
staltet sich  dann  folgendennaBen:  Können  einzelne  Gegenstände  von  W 
all«  lieAmale  m,  n  und  o  von  W  haben,  so  haben,  wenn  dieser  Fall  Te^ 
wirtbdit  ist,  umgekehrt  auch  einzelne  G^enstände  von  W  alle  Meifanal» 
s,  b  und  c  von  W;  diese  Gegenstände  sind  beiden  Begriffen  gemeinsam, 
W  und  W  haben  also  einen  Deckungsbeziit,  sie  sind  gekreuzte  BegriD» 
(Tgl  S.  D6a  u.  666).  Beschränkt  sich  dagegen  die  fakulUtivc  Zul&ssigkeit 
auf  «inen  Teil  der  Ueikroale,  z.  B.  auf  ein  Merkmal,  ist  also  etwa  m  fOr  W 
faknUatir  zulässig,  n  und  o  hingegen  nicht,  so  kreuzen  sich  W  und  W  nicbt, 
Tiehnehr  besteht  nur  insofern  eine  Umfaneä>eziehung,  als  ein  Begrifi  m 
(d.  h.  Träger  von  m)  existiert,  welcher  W  ganz  und  einen  Teil  von  W  eio- 
schhoBL  Die  BegriSe  sind  rcpugnant  (S.  560).  Die  beiden  beistehendes 
Hguren,  Fig.  18  a  u.  ISb,  welche  diese  Fälle  versinnbildlichen,  sind  ohne- 


Fig.  18  a. 


Fig.  13  b. 


tttfls 

1 

«/t 

Totale  InbaHsverschiedenheit 
mit  Kreuzung. 


Totale  Inhal tsverachiedenheit  mit  Ri 


nvitei«  EAlfirung  verständlich.     Durch  Auftreten  globaler  Negationen  (vgl. 
S.  &H  0.)  CDtslehen  weitere  Komplikationen. 

0  U  !  ü  (vgl.  S.  568).  Totale  Verschiedenheit  des  Umfangs  ist 
durch  zwei  lueise  oder  Vierecke  darzustellen,  die  gänzlich  auseinasderliegen, 
also  keinen  Deckungsbeziric  haben  (sich  nicht  „kreuzen",  S.  6681  u.  566). 
Dabei  handelt  es  sich  jetzt  keineswegs  nur  um  ein  auf  die  seitherige  Er- 
labning  gegründetes,  jm  psychologischen  Sinn  tatsächliches  Auseinander- 
li^ren  —  ein  solches  betrifft  die  Belegung  (S.  366  u.  626),  abei;  nicht 
den  Umfang  — y  sondern  um  ein  auch  alle  mfigliche   Erfahrung    in  sich 


>°)  Die  weitere  Möglichkeit,  daB  einzetne  Gegenstands  von  W  z  w 
HeikBftle  von  W  haben,  z.  B.  m  und  n  usf.,  bedarf,  da  sie  kein  nei 
Moment  involviert,  keiner  besonderen  Besprechung. 


1,  Kapitel.    Die  Lelu«  von  den  Bashflen.  573 

begreifendes,  durch  die  Definition  der  beiden  Besrifie,  also  durch  ihren  Inhalt 
bedingtes  AuseinoDderliegen.  Zwei  solche  Begiille  werden,  wie  schon  S.  BW 
mitgeteilt  wurde,  als  widerstreitend  oder  «epusnant  beE«duiet. 
Der  Inhalt  derselben  muB  ein  oder  mehrere  Merkmale  oder  Herkmalkompteo» 
enthalten,  die  kontradikl arisch  zueinander  smd  (vgl.  S.  547). 

Im  extremsten  Fall  stehen  alle  Heitmale  von  W  und  von  W  in 
finem  kontradiktorischen  Verhältnis:  dann  mad  die  ganzen  BeghOe  selbat, 
^so  W  und  W,  kontradiktoiisch  zueinander  (vgL  S.  bib  u.  biS).  Inneihidb 
dieses  extremsten  Falls  sind  noch  drei  Unteri&lle  zu  unterscheiden.  Es  kann 
Dämhch  erstens  der  eine  Begriff  das  globale  Negat  des  anderen  darateUen: 

W  <=!  abc,  W  r=  non-(abc),  also  di«  5.  5*9  besprochene  Supple- 
mentarität  vorliegen i  zweitens  kann  der  eine  Begriff,  z.  B.  W,  nur  die 
positiven  und  der  andere,  W,  nur  die  zugehörigen  einzelnen  kontradiktori- 

«chen  negativen  Merkmale  enthalten :  W  =>  a  b  c,  W  ^  non-a  nou-b  non-c, 
'distributive  Negation,  vgl.  S.  biß;  oder  es  kCnnen  drittens  sich  die  posi- 
tiven und  die  negativen  Merkmale  in  irgendeinem  Verhältnis  auf  die  l>eiden 

Begriffe  verteilen  (z.  B,  W  ^  a  b  non-c  und  W  1=  non-a  non-b  c).  Im 
letzteren  Fall  handelt  ea  sich  nach  unster  Terminologie  (vgl  S.  648  u,  &70 
wm  rekonlradikloilsche  Begriffe. 

Sehr  viel  h&ufiger  beschränkt  sich  der  kontradiktorische  Gegensatz 
auf  ein  oder  einige  Merkmale,  w&hrend  fOr  ein  oder  mehrere  aodere  an 
solcher  kontradiktorischer  Gegensatz  nicht  besteht.  Für  das  Zustand^ommen 
-des  repugnanten  Charakters  der  beiden  Begriffe  genügt  der  kontradiktorische 
Gegensatz  eines  einzigen  Meikmalpaars,  z.  B.  b  und  noo-b.  Zwei  Begriffe, 
daren  Merkmale  nur  zum  Teil  in  kontradiktorischem  Gegensatz  stehen,  sonst 
aber  fll>ereinstinunen,  abo  koordiniert  sind,  nannten  wir  kontraposi- 
toriach  (vgl.  S.  648,  554  u.  563)  oder  auch  negativ  disjunkt 
-d  noD-b e)  kontragredient  (5.  548).    Bei  totaler  Umfangsverachieden- 

Oegensatz  stehen,  sonst  aber  einfach  verschieden  sind,  (wie  t.  B.  abc  und 

d  non-b e)  kontragredient  (S,  548).  Bei  totaler  Umfangsverschieden< 
beit  findet  man  bald  das  erstere,  bald  das  letztere  Verhalten  ^*).  Wichtig  ist 
vor  allem  die  folgende,  hieraus  sich  eitebende  Tatsache:  zw«  Begriffe  der 
in  Rede  stehenden  Kategorie  können  sehr  wohl  ko  ordiniert  sein,  d.  h.  beide 
demselben  höheren  Allgemeinbegriff  oder  sogar  mehreren  gleichen  höheren 
AUgeroeinbegriffen  subordiniert  sein,  dagegen  ist  gegenseitige  Sub-  und 
Super  Ordination  nicht  möglich.  Die  beistehende  Figur  14  stellt  zwei  kontra- 

positoriscbe  und  zugleich  kontragrediente  Begriffe  dar.    W  ist  =  a  non-b  c  d, 

W  :=  a  b  c  e.  Beide  fallen  unter  den  höheren  Begriff  a  c  (Träger  der  Merk- 
male a  und  c).  Der  Umfang  des  Begriffes  non-b  ist  wieder  durch  Schraf- 
fierung au^edrOckt.  Um  Irrtümer  zu  vermeiden,  sind  die  Bezeichnungen 
der  Begriffe  nicht  nur  in  das  Innere  der  Vierecke,  sondern  auch  an  je  zwei 
ecgenijberUegende  Ecken  gesetzt,  d  stellt  einen  Begriff  dar,  der  nur  den 
B^niff  W,  nicht  aber  dem  fiegrifl  W  übergeordnet  ist  Gin  entsprechendea 
Viereck  e,  welches  W  in  analoger  Weise  einscfalieBt,  ist  im  Interesse  der 


**}  Auch  Kombinationen  kommen  vor,  wie  das  folgende  Beispiel  udgt. 

„.,,„,  ^.oogic 


574       IV-  '^^'l-    ^'^  einzelnen  logiacheo  Gebildu  und  ihre  Gesetze 

Übersichtlichkeit    nicht    eingezeicbnet.     Über   poaitiT  -  disjunkte   Begrille    s. 
S  663. 

Sind  alle  Merkmale  der  beiden  Begriffe  lediglich  venchieden,  ohne  daft 
kootradiktorisch  entgegencesetzte  HeAmate  vorliegen  (z.  B.  a,bc  und  def). 
so  liegt  der  Fan  r,  (S.57S),  also  Disparatheitin  unserem  Sone  (S.  570) 
vor.  Eine  etwaige  totale  Dmfangsverschiedenheit  wAie  nicht  logisch,  sondera 
nur  empirisch. 

Fig.  U. 


Totale  kontrapoaitoriBch-konlragi^diente  UmfangsveractüedenhdL 
Handelt  es  sich  ausachlieBlicb  um  reine  Kontnpontioa  (ohne  Kontra- 


gredienz),  also  z.  B.  zwei  Begrille  W  < 


.  abc  und  W  : 


I  a  noorbc,  m 


füllen  beide  zusammen  den  ihnen  nächstobergeordneten  BegriGf  ac  TJtllif  aus. 
Zwei  solche  Begriffe  beiBen,  wie  schon  erw&hnt,  k  ompleme  ntILr  (^L 
S.  bt9  u.  666).  Ihre  geometrische  Darstellung  ergibt  sich  aus  der  nachfolgen- 
den Figur  15.  W  ist  durch  du  Viereck  ABCD,  W  durch  das  Viere<± 
BEFC  dargestellt.  Dem  beiden  (ibergeordneten  Begriff  &c  entspricht  das 
Viereck  A  E  F  D,  dem  nur  dem  Begriff  W  Qbergeordneten  Begrifi  b  das  Sechs- 
eck G  H  B  C  K I  und  dem  BegriB  non-b  der  gesamte  schraffierte  Baum. 
CbatakteriBtisch  für  die  KomplementariUt  ist  das  Zusammenfallen  von 
AEFD  mit  ABCD  +  BEFC. 

Die  algebraische  Logik  bat,  wie  S.  5(2  schon  kurz  MVthnt 
wurde,  zur  Darstellung  dieser  Umfangsbesiehungen,  soweit  es  eich  um  Kom- 
plementaritit  und  Supplententaritit  handelt,  seit  Boole  auch  das  Symbol  1 
eingefObrt,  allerdings  durchaus  nicht  immer  in  derselben  Bedeutung.  Nach 
Schroeder  (Vories,  Bd.  1,  S.  313)'')  bezeichnet  1  „alle  Indi-ndnen  einer 


OgIC 


1.  Kapitel.    0ie  Lehre  von  den  Besritteo.  575 

vorausseaetztea  Mumiglmltidteit".  Das  Synibol  1  entspricht  eonsch  dem 
Begriif  „des  Ganzen"  oder  „Alles".  „Das  Gebiet  1  ist  als  das  MaiitnalgehJet 
zn  beseichnen."  Boole  hingegen  (An  invest  of  the  laws  of  thougbt  etc., 
Landen  1S64,  S.  47  tf.)  hat  das  Gebiet  tüler  Denkgegen stände  ;tbe  unirerse 
of  diacourse)  durch  das  Symbol  1  ausgedrOckl ").  Die  Schwierigkeiten,  zu 
welchen  diese  Boolesche  Srnibolik  fOhrt,  bat  Schroeder  1.  c.  S.  242  f(.  au»- 

Fig.  16. 


TotaJe  komplementäre  Umfat^everscbiedenhcit. 

euutndergeseUl.  Bei  der  Schroederschen  Definition  wäre  \  +  X'  ^  1  das 
Symbol  der  Komplementarität  (vgl.  S.  bt&,  tm,  574),  bei  der  Booleschen 
hingegen  dasjenige  der  Supplementarit&t  (vgl.  S.  M9,  572,  573).  Fflr  manche 
algebraiacb-Iogiache  Entwicklungen  scheint  äch  daa  Symbol  im  Schroeder- 
schen  Sinn  in  der  Tat  nots^ich  zu  erweisen,  unentbehthch  scheint  es  vair 
iedoch  keineswegs  zu  sein.  Far  das  Symbol  1  im  Booleschen  Sinn  «Sre 
dann  ein  anderes  Zeichen  einzufahren,  z.  6.  00  oder  —  bei  der  Vieldeutig- 
keit des  letzteren  ^]  —  äa  neues  Zeichen  wie  etwa  $. 

Weiterhin  veriieadet  die  algebraische  Logik  die  Formel  A  -)-  A'  =s  t 
auch  für  zwei  Begriffe  A  und  A',  die  sich  zum  Teil  decken  (vgl.  Schroeder, 
AbriB  d.  Alg.  d.  Ix>g.,  S.  26),  und  bezeichnet  auch  zwei  solche  Begriffe  als 
komplementilr.  Ganz  abgesehen  von  den  Bedenken,  die  gegen  eine  solche 
äquivoke  Verwendung  des  Pluszeichens  sprechen  (vgl.  S.  fiÖS),  ist  gegen  diese 
Anadehnung  des  Terminus  JEompl«nentarit2Lt"  (und  gegen  die  analoge  des 
Terminus  „Supplementaiität")  einzuwenden,  daB  sie  dem  üblichen  Sinn 
dieses  Terminus  direkt  widerstreitet. 

^*)  VgL  auch  L.  Conluiat,  L'algCbre  de  La  logique,  Scientia,  Mars  IfHß, 
S  13:  „1  d^igne  la  classe,  qui  contient  toutes  les  classes." 

**)  Es  kommt  hinzu,  daB  CH.  S.  Püree  das  Zeichen  OO  gerade  für  den 
BeffiH  1  im  Schroederscbcn  Sinn  gebtaucht  hat  (Anwr.  Journ.  ol  Math.  188B, 
Bd.  7,  S.  180). 


i,Cooglc 


576       ^-  '^^*'-    ^^  einzelneii  loviocben  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

Kempe  (Proceed,  Land.  Uath.  Society,  Bd.  6^  S.  147)  bezeichnet  eioen 
Begiitt  und  sein  ^eg&t  als  obrerses  Paar  (obverse  Dyade)  und  diäcU  die 
SupplementariUt  (in  unserem  Sinn)  durch  das  Symbol  'a  b'  aus,  wo  abo 
b  =:  non-a  isL  Auch  die  DurchfQhning  dieser  Symbolik  gewUirt  BiandM 
Vorteile,  aber  keine  neuen  Einsichten.  E.  hat  Obrigena  versucht,  we  auf  di« 
projektive  Geometrie  anzuwenden.  Vgl.  Scbrooder,  Vorlesuucen,  Bd.  8. 
Abt  2,  S.  BM  H-  Anh.  8. 

Die  Gergonoesche  Einteilung  der  BegnSe6eziehangen  kaiiD 
erst  in  der  Urteilslehre  besprochen  werden  (g  116). 

f  104.  Die  ee^enseiti^en  alleemelnen  B^iiffsbesiehim* 
gen  im  Hinblick  ant  Inhalt  und  Umfang  (Fortsetnuig). 
3.  Beilienbilduiis.  Wahrend  es  sich  in  dem  letzten  Para- 
graphen nm  inhaltliche  und  umfängliche  Beziehangen  hao- 
delie,  welche  sich  bereits  bei  dem  Vergleich  zweier  Begriffe 
ergeben,  sollen  jetzt  einige  eigentümliche  Beziehangen  be- 
trachtet werden,  welche  auftreten,  sobald  man  mehr  als  zwei 
Begriffe  zusammenstellt.  Es  kommt  nämlich  dann  häuflg 
vor,  daß  solche  Begriffe  nach  einem  bestimmten  Prinzip  auf 
Omnd  ihres  Inhalts  eindeutig  in  einer  Beihe  geordnet  wer- 
den können.  Das  Prinzip  ist  bald  die  frustale,  bald  die  pro- 
pinquale  Ähnlichkeit')  (vgl.  S.  327),  und  danach  kann  man 
frustale  und  propinquale  Keihen  unterscheiden. 

In  frustalen  Beihen  kommt  jedes  Glied  der  Beihe  aas 
dem  vorhergehenden  dadurch  zustande,  daß  ein  neues  Merk- 
mal hinzutritt  (additive  Verschiedenheit)  bzw.  bei  umge- 
kehrter (rückläufiger)  Verfolgung  der  Beihe  ein  Merkmal 
wegfällt.  So  bildet  z.  B.  jede  Tollständige  Skala  von  All- 
gemeinbegriffen  w",  w"— ',  w"— ", . . .,  w'  bzw.  w',  w",  w'", . . ., 
w"  eine  frustale  BegrÜfsreihe.  Ein  anderes  —  triviales  — 
Beispiel  bietet  die  Eeihe:  Herr  M.,  Herr  M.  mit  Mantel,  Herr 
M.  mit  Mantel  und  Stock,  Herr  M.  mit  Mantel,  Stock  und 
Hut  usf.  In  propinqualen  Reihen  ist  die  Eeihenfolge  nicht 
durch  die  Zahl  der  hinzukommenden  Merkmale  bestimmt, 
sondern  durch  den  Grad  der  propinqualen  Ähnlichkeit  der 
Glieder  untereinander.  So  bilden  z.  B.  die'Vorstellungeii  der 
Spektralfarben  in  der  Beihenfolge,  wie  sie  das  Spektrum  des 
Sonnenlichts  darbietet,  eine  propinquale  Beihe:  violett, 
Indigo,  blau,  grün,  gelb,  orange,  rot.  Dabei  ist  die  Zahl 
der.  Spektralfarbennüancen,  die  man  zur  Bildung  der  Beihe 
heranzieht,  gleichgültig.    Es  kommt  nur  darauf  an,  daß  fär 

I)  Von  dem  Zwischenfall  der  irustoprapinqualen  Ähnlichkeit  (vgL  S.3S8> 
soll,  da  er  nichts  wesentlich  Neues  bietet,  hier  abgesehen  werden. 


1.  Eapitel.    Die  Lehre  von  den  BeeriFfen.  577 

jede  der  verwerteten  Farben  eindenti^  eine  beßtimmte  Stelle 
in  der  Beihe  darch  ein  bestimmtes  Prinzip  und  zwar  hier 
dnreh  den  Grad  der  propinqnalen  Ähnlichkeit  featgelefirt  ist. 
So  ist  z.  B.  in  der  angeführten  Reihe  indigo  depi  violett 
propinqnal  ähnlieber  als  blaa,  grün,  gelb,  orange  ond  rot. 
Ein  anderes  Beispiel  für  eine  propinqnale  Beihe  ist  eine 
Reihe  von  Ellipsen,  die  nach  der  Größe  ihrer  Exzentrizität, 
oder  eine  Reihe  von  geraden  Linien,  die  nach  ihrer  Länge 
geordnet  sind.  Aach  die  nach  ihrer  Größe  geordnete  Reihe 
der  reellen  ganzen  Zahlen  (der  ungeraden  Zahlen,  der  Prim- 
zahlen, der  rationalen  Zahlen  nsf.)  ist  eine  propinqnale 
Reihe*). 

Offenbar  ist  eine  solche  Begriffsreihe,  wenn  sie  nicht  ganz  nilikürbdi 
ist  (wie  im  obigen  Beispiel  des  Herrn  M.),  im  atlgemeinea  durch  drei 
„Elemente"  ■)  bestimmt,  nSmlich  1.  den  Allgemeinbegrifi,  unter  den  alle 
Glieder  der  Reihe  fallen,  und  der  daher  Ober  die  Zugehörigkeit  zur  Reihe  In 
ejster  Instanz  entscheidet;  2.  die  Bildungsregel  der  Reihe,  durch  welche  die 
Relation  zweier  Nachbaiglicder  speziell  besUount  wird;  und  S.  irgendein 
Glied  der  Reihe,  von  dem  aus  die  Obrigen  Glieder  geraBB  der  Bildungsregel 
herzustellen  sind  *). 

Bei  einer  Stala  von  AUgemeinbegriffen,  wie  sie  oben  (S.  576)  beispiels- 
weise angefahrt  wurde,  nimmt  das  erste  der  angefOhrlen  Elemente  insofern 
eine  besondere  Stellung  ein,  ab  der  Allgemeinbegrifl,  unter  den  aJle  Glieder 
der  Reihe  falten,  selbst  ein  Glied  der  Reihe,  und  zwar  ein  Endglied  ist. 

Die  in  dieser  Weise  definierten  Begriffsreihen  sind  bald 
endlich,  bald  unendlich  (mit  Bezug  auf  die  Zahl  ihrer  Glie- 
der), bald  stetig  (und  dann  stets  unendlich),  bald  unstetig, 
bald  doppeUeitig  begrenzt,  bald  einseitig  begrenzt,  bald 
beiderseits  unbegrenzt.  Auch  manche  andere,  der  Mathe- 
matik, insbesondere  der  Mengenlehre  geläufige  Unterschei- 
dnngen  und  Termini  lassen  sich  ohne  Schwierigkeit  auf  die 

")  Bei  oberflächlicher  Betrachtung  künnte  es  scheinen,  ab  ob  die  auf- 
einanderfolgenden ganzen  reellen  Zahlen  fortlaufend  Iruslal  Ähnlich  seien, 
also  die  Ähnlichkeit  zweier  benachbarter  Zahlen  auf  Ähnlichkeit  von  Teilen 
beruhte.  Dem  ist  jedoch  nicht  so.  Wenn  ich  behaupte,  daB  die  Zahl  16 
im  logischen  Smn  der  Zahl  16  ähnlicher  ist  als  z.  B.  die  Zahl  lOüO,  so  kann 
die  Qemeinsamkeit  der  16  ersten  Einheiten  keine  Rolle  spielen,  da  diese  Ge- 
[meinsamkeit  auch  ftlr  15  und  1000  besteht.  Entscheidend  ist  vielmehr  die 
Ordnungszahl  in  dem  geordneten,  durch  eine  Regel  bestimmten  Verfahren  in 
der  Bildung  der  ganzen  Reihe.  Es  liegt  dieselbe  Ähnlichkeit  vor  wie  bei- 
spielsweise in  einer  Reihe  nach  einer  bestimmten  Regel  und  in  dadurch  be- 
stimmter Ordnung  herausgegriSener  Spektralfarben,  Töne  uaf. 

')  Dieser  Vergleich  ist  der  Astronomie  („Babnelemente"),  nicht  etwa 
der  Chemie  entlehnt. 

*)  Vgl.  hierzu  Ziehen,  Logik  und  Mengenlehre,  Berlin  1917,  2.  B.  S.  45. 
ZiehsD,  LshrbDch  der  Logik.  q? 

,,.,,n,^.OOSIC 


578       '^*  '''^■'-    ^^  einzelnen  logiscbeo  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

]<^isctien  BegrifFsreiheu  übertragen.  Besonders  wichtig  ist 
für  die  Logik,  daß,  sobald  eine  solche  Begriffsreihe  Ai. 
At, ...An,...  festgelegt  ist,  jedem  Begriff  ionerbHlb  der 
Beihe  eiiie  bestimmte  Ordnungszahl  oder  „Stellas^' 
und  je  zwei  Begriffen  Am  «nd  A»  innerhalb  der  Beihe  eine 
bestimmte  Distanz  zukommt.  Unter  dieser  Distanz  soll 
nichts  anderes  verstanden  werden  als  die  Zahl  der  in  der 
Beihe  zwischen  Am  und  A^  vorhandenen  Zwischenglieder  im 
Vergleich  mit  der  Gesamtzahl  der  Eeihenglieder  („gemessen 
an"  der  Gesamtzahl  der  Beihenglieder  unter  Voraussetznnü 
eines  durchgängigen  Bildnngsprinzips).  Auch  leuchtet  ein. 
dafl  man  nochmals  von  der  „Stellnng"  einer  jeden  Di8tan7 
in  der  Gesamtreihe  sprechen  kann. 

In  begrenzten  Beihen,  die  aus  koordinierten 
Gliedern  bestehen,  sind  für  die  IJogik  diejenigen  Glieder  be- 
sonders interessant,  deren  Distanz  am  größten  ist,  also  die 
beiden  Endglieder  der  (geordneten)  Beihe.  Zwei  solche  Be- 
griffe werden  als  kontrür  bezeichnet.  Für  die  Reihe  der 
Spektralfarbenbegriffe  sind  z.  B.  violett  und  rot  konträre 
Begriffe,  für  die  Beihe  der  Begriffe  der  farblosen  Hellig- 
keiten weiß  und  schwarz  usw.  Selbstverständlich  ist  also 
nicht  der  isolierte  gegensätzliche  Empändungseiodruck,  aon- 
dcm  lediglich  die  maximaldistant e  Stellung  in  der 
Begriffsreihe  für  das  konträre  Verhältnis  maßgebend. 

Es  hal  seinen  Buten  Grund,  wenn  violett  und  rot  uns  nicht  so  deutlich 
Ifontr&r  zu  sein  scheinen  wie  schwarz  und  weiB.  Erstens  ist  uns  nämtich 
die  Heihe  der  Spektra Ifurben  überhaupt  doch  nicht  fa  geläutig  wie  die 
Schwarz- Weiß- Reihe  (Schatten  1).  und  zweitens  ist  insbesondere  die  End- 
stelluns  des  Violett  und  des  Rot.  wenn  man  von  dem  Spektrum  absieht,  aiclil 
so  eindeutie  (Purpur  als  Zwischen  Farbe,  vgl.  Leitf.  d.  phys.  Psychol.,  10.  Aofi- 
P.  146). 

Das  konträre  Verhältnis  wurde  von  Aristoteles  schon  i'.ulretfend  »!s 
/•tyUnr;  Siatpoga  innerhalb  eines  yf>ve  beschrieben  und  als  ifunimtK  b( 
zeichnet.  Die  lateinischen  Logiker  übersetzten  irurwäx  mit  contrarius  08^. 
S.  667)  und  rechneten  auch  die  partielle  Negation  (die  einem  Glied  der 
Reihe  koordinierter  Begriffe  alle  anderen  Gliedej-  gegenoberelellt,  s.  B.  „nicht- 
weiß"  dem  "weiB",  TgL  S.  660  ff.)  zu  den  konträren  Verhältnissen.  Ob« 
die  weitere  Entwicklung  der  .Tenninologie  Tgl.  S.  567.  —  Es  Iwstehf  selbst 
vent&ndlich  kein  wesentliches  Bedenken,  auch  heute  noch  die  kontradikto- 
rischen Begrifisverhältniss«  (Negation sverhältnisse)  mit  den  konträren  etwi 
unter  dem  Namen  ,/)pposite"  oder  ,j[esensätzlicbe"  Begriffe  zusammen 
zufassen,  insofern  beide  eine  besonders  erhebliche  Verschiedenheit  au*- 
drQcken;  man  muB  sich  dabei  nur  b«wuBt  bleiben.  daB  neben  dieser  tS\m- 
einstimmuns  auch  liefe  Unterschiede  bestehen. 


1.  Kapitel.     Die  Lehre  von  den  Besriffea.  579 

§  105.  Die  gegenaeitigen  allgemeinen  BetCriffBbeziehungen 
im  Hinblick  auf  Inhalt  and  Umfang  (Schluß).  4.  Besondere 
Bt^iffsbeziehungen  im  Bereich  der  Belationsbegriffe.  De- 
pendenz,  insbesondere  Korrelation.  Relative,  insbesondere 
kansale  Definitionen.  Die  gegenseitigen  Begriffäbeziehungen 
tiind  mit  den  in  %  102 — 104  besprochenen  nicht  erschöpft. 
•I  e  d  e  r  Akt  der  BegritEsbilduiig  —  Komplexiou,  Isolation 
usf.  —  gibt  Anlaß  zur  Entstehung  besonderer  begrifflicher 
Beziehungen  (logischer  Belationen),  die  ihrerseits 
auf  die  Gegenstände  übertragen  werden  können.  Unter 
fliesen  Beziehungen  begegnen  wir  einer  Qmppe,  die  in  den 
vorausgehenden  allgemeinen  Besprechnngen  noch  nicht  be- 
rficksichtigt  worden  ist  und  für  das  logische  Denken  be- 
sondere Wichtigkeit  hat,  nämlich  denjenigen  logischen  Rela- 
tionen, welche  sich  ans  der  Bildung  speziell  der  Kompa- 
rationshegritfe  (Relationsbegriffe,  Beziehungsbegriffe,  vgl. 
S.  324  u.  474),  also  aus  dem  Prozeß  der  Relativation  er- 
geben. Wenn  mir  zwei  gleiche  Linien  a  und  ß  gegeben 
sind,  so  kann  ich  auf  Grand  der  zwischen  ihnen  bestehenden 
Gleichheitsrelation  außer  den  Begriffen  Ä  und  B  der  beiden 
Linien  und  dem  Komplexionsbegriff  K  des  Linienpaars 
auch  den  Relationsbegriff  Ü  der  Gleichheit  der  beiden  Linien 
bilden,  und  damit  ergibt  sich  eine  logische  Relation  zwischen 
A  und  B  einerseits  und  U  andrerseits.  Zu  der  primären 
durch  U  ausgedrückten  Relation  der  Begriffsgegenstände 
kommt  eine  sekundäre  Relation  (Relativationsrelation)  der 
drei  Begriffe  seihst  hinzu,  die  besondere  Beachtung  verdient. 
Diese  Relation  hat  nämlich  gegenüber  den  logiseben 
Relationen,  welche  sich  aus  der  Bildung  von  Komplexions-, 
Kontraktionsbegriffen  usw.  ergeben,  insofern  einen  eigen- 
tümlichen Charakter,  als  sie  sich  als  eine  besonders 
enge  Abhängigkeit  und  Unselbständigkeit  des  Relations- 
begriffes U  gegenüber  den  fundierenden  Begriffen  A  und  B 
erweist.  Wenn  A  und  B  zu  einem  Komplexionsbegriff  K 
oder  einem  Koritraktionsbegriff  F  oder  einem  Ailgemein- 
begrilT  W  zusammengefaßt  werden*),  so  geht  in  den  ab- 
geleiteten Begriff  K  bzw.  F  bzw.  W  wenigstens  ein  Merk- 

>)  Wie  früher  (S.  321,  Anm.  10  u.  ö07)  bereits  bemerkt  wurde,  kann  die 
besrilfliche  Zusammenfassung  sich  auch  unmiUelbar  an  die  Vorstellungec 
A  und  B  (slalt  a&  die  BeBiiUe  A  und  B),  ausnahmsweise  sogar  an  die  zu- 
■fehOii«en  Gnindempf  in  düngen  anschiieBen.  Für  die  nachfolgendea 
ErfirteruDzen  ist  dieser  Unterschied  BieichfCOltii- 

37» 
h,  1.  iiA.OOt^lC 


580       ^-  '^^'^-    ^^  einzelnen  logischen  Gebilde  nnd  ihre  Gesetze. 

mal  oder  eine  Reihe  von  Merkmalen  von  A  und  B  nber^. 
A  und  B  sind,  wie  man  etwas  knrz  sagen  kann,  in  dem  ab- 
geleiteten Begriff  irgendwie  enthalten.  Anders  hei  den 
Relationebegriffen.  You  einem  solchen  Enthaltensein  kann 
hier  nicht  die  Rede  sein.  Wenn  ich  heispielsweise  zwei 
gleiche  Linien  zn  dem  Komplexionsbegriff  ,JLiinienpaar"  zo- 
eammenfasse,  so  ist  jede  Linie  in  dem  letzteren  enthalten; 
wenn  ich  dagegen  den  Belationsbegriff  TT  der  Gleichheit 
der  beiden  Linien  bilde,  so  ist  in  dem  Begriff  der  Gleichheit 
keine  der  beiden  Linien  nnd  aoch  keines  der  Merkmale  der 
beiden  einzelnen  Linien  in  dem  besprochenen  Sinn 
„enthalten".  Der  Belationsbegriff  schwebt  gleichsam  zwi- 
schen den  beiden  fundierenden  Gebilden  *).  Die  Relation 
ist  eben  ein  Novom,  man  möchte  vom  erkenntnistheore- 
tischen Standpunkt  fast  sagen  ein  Wander,  das  zu  dem  Tat- 
bestand des  Gegebenen  hinzukommt  nnd  in  der  Ehrkenntnib- 
theoric  einer  besonderen  Erörterung  bedarf. 

Aus  diesem  Unterschied  ergibt  sich  nun,  daß  die  Bela- 
tionsbegriffe  gegenüber  ihren  fundierenden  Begriffen  in 
einem  ganz  besonderen  Sinn  unselbständig  sind.  Auch  die 
Komplexions-,  Kontraktions-  und  Qeneralisationsbegriffe 
sind  ohne  ihre  fundierende  Begriffe  nicht  denkbar,  aber, 
da  sie  von  den  letzteren  ein  oder  mehrere  Merkmale  über- 
nommen haben,  sind  sie  vermöge  dieses  Merkmals  bzw. 
dieser  Merkmale  innerhalb  bestimmter  Grenzen  selbständig: 
sie  können  von  uns,  wenigstens  bezüglich  der  über- 
nommenen Merkmale,  gedacht  werden,  ohne  daß  vir 
die  fundierenden  Begriffe  mitdenken.  Die  reinen  Rela- 
tionsbegriffe, wie  gleich,  größer,  kleiner  usf.,  verlieren  jeden 
Sinn,  wenn  man  die  fundierenden  Begriffe  (das  Verglichene) 
wegdenkt.  Man  kann  daher  wohl  von  einer  besonders  engen 
Ab|iängigkeit  und  Unselbständigkeit  der  Relatioasbegriffe 
sprechen*),  nnd  diese  besondere  Eigentümlichkeit  soll  als 
Dependenz  im  prägnanten  Sinne  bezeichnet  wer- 
den.   Vgl.  auch  S.  325. 

=)  Bei  der  Generalisation  und  Kontraktion  aul  Grund  propinquiler 
Ähnlichkeit  [S.  337)  ist  das  in  den  abiteleiteten  Betritt  übergehende  Merkm«! 
allerdings  jenes  S.  337  erwähnte  hvpolhetische  x. 

*)  Dies  verträgt  sich  natQrlich  doch  sehr  gut  mit  der  S.  303,  Anm.  3 
erörterten  Tatsache,  daB  die  Komplezionsvoistellung  zu  dem  gegebenen  Tal- 
bestande mehr  hinzutagt  als  die  Relation svorstellung. 

*)  Vgl.  Aristoteles,  Metaphys.,  Afcad.  Ausg.,  1088a  22:  ib  ii  ne»c  " 
nnitiaf  ijKiaia  7>va(r  ik  j  ovaia  rcÜc  xaiijyotfuüif  int  .  .  . 

„.,,„,^.oogic 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  BegriUen.  5tJl 

Die  logischen  Relalionen,  nelche  sich  bei  der  GeneralisaUoQ  zwischen 
dem  AllgcmeinbegriB  und  den  ihn  fundierendeD  subordinierten  Degriffen  et' 
Keben,  nehmen  eine  UitteUtellung  zwischen  der  Komplexionstel&tion  und  der 
Kelativationsrdation  ein,  insofern  bei  der  Generaiisa^on  stets  auch  Ver- 
Eickhunssakte  mitwirken  ;vbI.  g  68};  sie  sind  uns  als  Subordination 
und  Superordination  bereits  begeBoet.  Dasselbe  gilt  von  der  Eon- 
Irak  lion. 

S.  323  and  namentlich  347  XI.  474  wurde  erörtert,  daß  cüe 
KeJationen  nicht  immer  „m  e  d  i  a  n"  bleiben,  sondern  oft  als 
Merkmale  oder  Eigenächaften  aaf  einen  der  beiden  in  Bela- 
tioQ  stehenden  Gegenstände  „polar"  übertragen  wer- 
den (gröSer  als  ß,  verschieden  von  ß  usf.).  Weiterhin  sahen 
wir,  daß  es  zu  einer  Verschmelzung  des  übertragenen 
Eelationsmerkmale  mit  der  in  ^Relation  stehenden  Vorstel- 
lung, auf  welche  die  Übertragung  stattgefunden  hat,  kom- 
men kann,  und  daS  anf  diesem  Weg  die  von  uns  sog.  B  e  1  a  - 
tarvorstellungen  bzw.  Belatarbegriffe  ent- 
stehen (Vater,  Sohn  usf.).  Die  jetzt  besprochenen  sekundären 
Oogdiscfaeu)  Delationen,  welche  sich  aus«  der  Kbmplexion, 
Geueralisation,  Relativation  usf.  ergeben,  geben  zu  ganz  ana- 
logen polaren  Übertragungen  und  Verschmelznngen  Anlaß. 
Habe  ich  z.  B.  durch  Geueralisation  den  Ällgemeinbegriff 
„Katzen"  gebildet,  so  bestehen  zwischen  diesem  Ällgemein- 
begriff und  den  ihn  fundierenden  snbordinierten  Begriffen 
,4j5we",  „Tiger",  „Hauskatze"  usf.  sekundäre  logische  Rela- 
tionen (Subordination  und  Superordlnation),  und  ich  kann 
diese  Relationen  auf  den  Begriff  „Katzen"  übertragen  und 
mit  ihm  verschmelzen,  so  daß  er  den  Charakter  des  Gattungs- 
begriffes „Katzen"  bekommt,  der  die  Art  begriffe 
j^Löwe",  „Tiger"  usf.  umfaßt.  Damit  ist  der  Begriff  Katze 
in  einen  Kelatarbegriff  transformiert.  Im  Gebiet  der  Kom- 
plexionsbegriffe ergeben  sich  in  ganz  analoger  Weise  die 
Belatarbegriffe  des  Ganzen  und  der  Teile.  Dasselbe  gilt  für 
die  Relativation  (Komparation).  Habe  ich  zwei  Linien  be- 
züglich ihrer  Richtung  verglichen  und  z.  B.  den  Relations- 
begriff  der  Biehtungsgleichheit,  des  „Parallelismus",  ge- 
bildet und  hierauf  den  Relationsbegriff  polar  auf  jede  ein- 
zelne Linie  übertragen  und  mit  ihrem  Begriff  verschmolzen, 
also  die  Relatarbegriffe  der  beiden  „Parallelen"  gebildet,  so 
ergibt  sich  damit  eine  neue  sekundäre  logische  Relation 
zwischen  diesen  Relatarbegriffen  einerseits  and  dem  Rela- 
tionsbegriff des  Parallelismns  und  den  beiden  Linienbegrif- 
fen    andrerseits    usf.      Diese    znm    Teil    sehr    verwickelten 


1,1^. OQi 


'S'c 


582       'V'  T'^'l-     ^^  cinzeloun  logMcfaen  Gebilde  uod  ihre  Gesetze. 

logiscben  Beziehungen  höherer  Ordnung  sind  bis  jetzt  Hoch 
wenig  ontersacht  worden  und  sind  noch  fast  gar  nicht  dnrch 
kurze  sprachliche  Bezeichnungen  fixiert.  ' 

Unter  den  RelatarbegrifFen  selbst  ergeben  sich  gleich- 
falls Beziehungen.  Belatarbegriffe,  die  zu  einer  und  der- 
selben Relation  gehören,  werden  als  korrelate  Begriffe 
bezeichnet.  So  sind  z.  B.  Vater  und  Sohn,  Vater  und  Kinder, 
Wirbeltier  eiDcrseits  und  Säugetier,  Vogel  usf.  andrerseits 
korrelate  BegritFe.  Eine  ,JEorreIation"  im  engsten 
Sinn  liegt  vor,  wenn  jeder  der  beiden  Belatarglieder  das 
andere  vollständig  und  eindeutig  bestimmt,  wie  z.  B.  in  der 
Korrelation  Vater  und  Kind  (während  die  Korrelation 
Vater  ~~  Sohn  nicht  in  beiden  Richtungen  vollständig  imd 
eindeutig  ist).  Die  Korrelationen  sind  bald  symme- 
trisch, so  z.  B.  die  Korrelation  zwischen  zwei  gleicb- 
gesetzteu  Objekten,  und  umkehrbar,  bald  unsymme- 
trisch, 80  z.  B.  die  Korrelatiooen  zwischen  Vater  und 
Sohn,  Vater  und  Kindern,  Wirbeltier  und  Saugetier  usf., 
und  dann  nicht  umkehrbar,  d.  h.  sie  müsäen  bei  der 
Dmkehrung  durch  andere  BclationsbegrifFe  (z.  B.  im  letxtea 
Beispiel  durch  Subordination  statt  Snperordination)  be- 
zeichnet werden.    VgL  hierzu  S.  347! 

Auch  die  IrOber  betrachtete  (S.  496)  eigcntüralicbe  Reiation,  -a-eieha 
wir  bei  der  Subs  t  a  n  t  ia  t  io  n  in  die  Begrifle  hineindeuten  und  dun 
weiterhin  auf  die  BeEritfsgegenstJLnde  abertragen,  ergibt  wichtige  Relatu- 
begriffe,  aa  vor  allem  den  Relatari)egriS  der  Substanz  und  der  von  ihr  jie- 
tratenen"  Akzidentien  oder  Merkmale.  Die  Bildung  solcher  BeUtarbesciOe 
bzw.  RelatarvorsteUungen  liegt  auch  dem  naiven  Denken  so  nahe,  daS  m 
in  der  Sprache  einen  eesetzmiBigen  Ausdruck  geCundea  hat:  wir  drOtken 
die  Substanzbegriffe  durch  Substantiva,  die  zugehörigen  MerknutlbcgriDe  vot- 
viegend  durch  Adjekliva  aus  (Schnee  —  weiB).  Vgl.  auch  S.  613.  Erst  nach- 
trlgUch  wird  oft  auch  die  Eigenschaft  subEtantiiert  (die  WeiBc^  WAhrend 
dag  naive  Denken  dabei  die  Gegenst&nde  der  Begriffe  im  Auge  hat. 
k^mmt  fOr  die  I^Eik  als  solche  nur  die  logische  Relation  «ler  BegriOe  un<l 
die  relatare  Transformalion  der  Begriffe  selbst  in  Betracht. 

Für  die  Lehre  von  der  Definition  sind  die  besprochenen  Reb- 
tiooen  zum  Teil  auch  insofern  wicbtig,  als  wir  zuweilen  in  der  Lage  sind, 
einen  BegritF,  den  wir  nicht  im  eewöhnlicben  Sinn  als  solchen  durch  seine 
MeAmale  definieren  können,  dadurch  wenigstens  einigennaBen  zu  Biieien. 
daB  wir  einen  Begriff  angeben,  zu  dem  er  in  irgendwelcher  anderen  (nichl- 
loBischen)  unverändeilichen  Relation  steht  Hierher  gehören  z.  B.  ,J)efi' 
nilionen"  wie:  schwarz  ist  der  konträre  Gegensatz  zu  weiß,  oben  ist  der 
konträru  Gegensalz  zu  unten,  Alexander  der  Große  ist  der  Sohn  des  Känigs 
Philipp  von  Mazedonien,  Merkur  iat  der  sonnennitchste  anter  den  groöen 
Planeten  usf.  Schon  aus  diesen  Beispielen  ergibt  sich,  daß  in  der  Regel  bei 
solchen    „relativen  nelinilioneu"  das  Genus  prozimum  in  der  &b- 


1.  Kapitel.    Ute  Lebra  vou  dea  Segriffen.  5g3 

lieben  Wl-iac  angeKubi^D  viiid  oder  tveaissleiis  leicht  £u  ers&o/t;!)  ist  und 
rnu  die  Diflerentia  speciGca  durch  die  Angabe  einer  Belnlion  t^rselzt  wird. 
Eine  besondere  praktisch- wissenschaflüche  Bedeutung  haben  unter  diesen 
relativen  Definitionen  die  KausaldeCinitionen.  Ua-  jeder  Ursache 
eindeutig  nur  eine  Wirkung  und  stets  dieselbe  Wirkuog  zukommt,  so  siod 
die  kausalen  Definitionen  besonders  geeignet,  bei  Mangel  einer  strengen  Defl- 
nition  nacb  den  Merkmalen  auszubelfen.  Die  kausale  Beziehung  fungiert  uls 
ÖR  relatives  Merkmal,  welches  in  vielen  F&Uen  des  praktischen  Denkens 
ausreicht,  den  Begriff  eindeutig  zu  fixieren.  Wenn  wir  zugleicb  das  Genus 
proximum  angeben,  können  nir  uns  sogar  oft  darauf  besclixänken,  statt  aller 
ürsacben,  d.  b.  statt  des  gesamten  Ursacbenkomplexes,  diejenige  Teilursache 
anzugeben,  die  t>ei  den  einzelnen  Arten  des  bezüglicbeii  Genus  proximum 
verftnderiicb  ist.  Auf  diesem  Wege  gelingt  es  uns.  auch  einfache  Besrinc, 
die  im  streng  logischen  Sinn  keine  Definition  zulassen  (vgl.  S.  4M),  in- 
direkt, d.  b.  eben  relativ  zu  definieren.  So  können  wir  z.  B.  für  das  Ej- 
lebniä  „gelb"  nur  das  Genus  proximum  „Farbeneropfindunfi"  angeben  und 
sind  außerstande,  innerhalb  dieses  Genus  proximum  für  „gelb"  (d.  h.  hii-r 
die  GelbempSndung)  ein»  Differentia  ^eeifica  anzugeben.  Wohl  aber  ver- 
[nC«ea  wir  eine  relative  Definition  zu  geben.  So  können  wir  Gelb  z.  B.  als 
üie  in  der  SpektraUarbenreihe  zwischen  QrOn  und  Orange  gelesene  Farben- 
empfindung definieren.  Und  noch  mehr  leistet  hier  eine  kausale  Definition; 
jch  gebe,  außer  dem  Genus  proximum  Farbe  bzw.  Farbenempfindung  °],  die 
Wellenl&nge  des  Lichts  an,  durch  welches  die  Gelbempfindung  verursacht 
wird.  Diese  Kausaldefiniüon  ist  zugleich  in  dem  eben  besprochenen  Sinn 
eine  partielle,  insofern  icb  nur  eine  Teilursache  der  GeU>empfindung  angebe, 
Q&mUch  nur  den  in  der  Hegel  bei  der  Gelbempfindung  wirksamen  Licbtreiz, 
und  andere  Ursachen,  wie  die  Rindenerregung  und  unsere  psychopbysische 
Organisation,  auBer  Betracht  lasse  oder  auch  als  für  alle  Fart>enempfindungen 
gleichartig  ansehe.  Die  praktischen  Vorteile  einer  solchen  Definition  liegen 
auf  der  Hand.  Ich  kann  mit  ihrer  Hilfe  sogar  die  einzelnen  Nuancen  der 
Gelbempfindune,  für  welche  der  Sprache  Worte  fehlen,  mit  großer  Genauid- 
keil  definitorisch  fixieren.  Ebenso  klar  liegen  aber  auch  die  Mängel  zutage : 
die  anderen  Ursachen  sind  eben  doch  nicht  immer  ganz  konstant.  Gelb- 
empfindung kann  gelegentlich  auch  ohne  jenen  bestimmten,  ja  ausnahms- 
weise auch  ohne  jeden  Lichlreix  auftreten  (Santoninrausch,  gelbgefirble 
Viaionen),  und  ausnahmsweise  (bei  Farbenblinden)  kann  derselbe  licbtreiz 
doch  auch  andere  Farbenempfindungen  hervorrufen.  Solche  partielle  kausale 
Definitionen  sind  also  immer  nur  unter  l)estimmten  Vorbehalten  zul&ssix. 
Dazu  kommt,  daB  alle  kausalen  Definitionen  (nicht  nur  die  partiellen)  und 
■iberbaupt  aUe  relativen  DefinItioTien  doch  eben  nur  indirekt  sind.  d.  b.  Obi'i- 
die  Merkmale  selbst,  welche  dem  zu  definierenden  Gegenstand  zukommen, 
keinerlei  Auskunft  geben. 

Viele  Merkmale,  welche  wir  bei  gewöhnlicliun  DeiiniUonen  veiAerlen. 
erweisen  sich  bei  eindringender  Analyse  gleichfalls  als  relative,  insbesondere 
als  kausale.  Weim  ich  z.  B.  in  die  Defijiition  des  Goldes  sein  spezifisches 
Gewicht  aufnehme,  so  gehe  ich  mit  dem  letzteren  nur  eine  bestimmte  kausale 
Relation    an,    nftmlich   die    der   Volumeneinbeil    zukommende    ADziehung^- 


;.  B.  auch  die  Wärmewirkuugen 


OgIC 


584       '^-  '^'"^     ^^  einzelnen  losiachen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

v.-irfcung  ^z.  B.  geeeoOber  der  Erde  bei  den  freien  Fall)  *).  Man  kann  sogar 
die  Frage  aufwerfen,  lA)  tchUeBlich  nicht  alle  Merkmale  relativ  und.  Du 
l'rledifuns  dieses  Pr(d>lenis  muB  der  Eikenntnistheoiie  überkas«en  werdeD. 
tiier  aei  nur  soviel  bemerkt,  daB  auch  die  streng  logische  DefinitioiiL,  «ie 
wir  sie  in  §  93  fl.  kennen  gelernt  haben,  wenigstens  insofern  mit  RelattoneD 
arbeitel,  als  sie  mil  iedero  HeAmal  die  Zusehörigkeit  du  zu  delinierenden 
llc-giiffs  m  ciD«m  Allgemeinbegriff,  also  eine  logische  Relation,  aussagt 

Die  sogenannten  .genetischen"  Definitionen^)  sind  im  weMnl- 
lichen  mit  den  kausalen  identisch.  Der  Terminus  ,3^usale  Definition"  wild 
bevorzugt,  wenn  physikalisch -chemische  Ursachen  als  Uilismittel  benutzl 
werden.  Eine  genetische  Definition  des  Kreises  würde  z.  B.  lauten:  ein  Eras 
ist  diejenige  Figur,  wekbe  dadurch  entsteht,  daB  ein  Punkt  sich  um  einao 
iioderen  in  gleichem  Abstand  in  derselben  Ebene  bewegt. 

In  ganz  besonderem  MaBe  dependent  in  dem  S.  GSO  lestgestellten  Sna 
trscheinen  einige  Begrifle,  welche  in  der  Sprache  vorzugsweise  dureh  Par- 
tikel und  Pr&positionen  ausgedrilckt  werden.  Wörter  wie  „und". 
..mit",  „vor"  u^l.  bedürfen  der  Ersfinzung  durch  wenieslens  zwei  Begriffe. 
Von  den  alten  Logikern  wurden  sie  daher  im  engeren  Sinn  als  Synkate- 
Ho  reu  mata  (irexx«ni>v(«ii^nra)  bezeichnet *).  Die  Dependenz  tritt  hier 
üeriialb  noch  stärker  hervor,  weil  es  sich  um  sehr  allgemeine  Relationeo. 
nämlich  der  räumlichen  und  zeitlichen  Lage  und  des  logischen  und  kausalen 
/'.u.iammenhangs  handelt').  Trotzdem  liegt  kein  Grund  vor,  ihnen  in  der 
i,atik  diese  Ausnahmestellung  zu  belassen,  da  der  Unterschied  eben  doch 
nur  graduell  Ist  und  manche  Eigenschaftswörter,  wie  „gleich",  „verschieden'' 
ij.  a.  m.,  in  demselben  Grade  dependent  sind. 

.\halich  verhält  es  sich  mit  dem  Terminus  „c  o  n  n  o  t  a  I  i  v  u  s".  Auch 
<iiesei'  wurde  im  Mittelalter  eingefahrt,  um  eine  bestimmte  b^rilfUche  Rela- 
tion auszudrOck«n,  kann  aber  heute  nicht  mehr  aufrecht  erhalten  weiden. 
Duns  Scolus  (Quaest.  sup-  Analyl.  prior,  l,  16  Opp.  ed.  Paris  1S91,  S.  ISla) 
spricht  von  connotatum  ohne  scharfe  Definition.  Occam  (Summa  tot.  log.  I. 
Cap,  10,  cd.  15(fe.  lol.  5ra)  unterscheidet  nomina  inere  absoluta  und 
nominu   merc  coiinotaliva ;    letztere  sind   sok;he,    quae   significant   „ali(iui<l 

*)  Dabei  sehe  icli  noch  ganz  von  derjenigen  Relativität  ab,  die  in  der 
bcziehung  des  spezifischen  Gewichtes  auf  dasjenige  des  Wägers  als  Ein- 
heit liegt. 

')  Die  Bezeichnung  der  nicht-geiielischcD  bzw.  nicht-kausalen  Defi- 
nitionen als  „E3:islenzialdelinitiooen"  halte  ich  für  höchst  unzweckmäßig. 

')  Die  erste  ErwälinuDB  findet  sich  wohl  bei  Priscianus,  Inslitul. 
ütamm.  II  ,i  ed.  Krehl,  Leipz^  1S19,  Bd.  1,  S.  66:  „svncateporemata  hoc  est 
consignificantia".  Den  letzteren  Ausdruck  braucht  schon  Bo^thius.  Später 
niude  statt  «vyKat^yng^ftBta  fehlerhaft  avy*uiiiYo^tvitaia  oder  gar  sjncaäw- 
^'reumata  (bei  Pselliis  auch  n^as*<t">Y'S'lf""''  '^^^  ngoeaii/iafiixti)  gesagt  In 
der  Schrill  „De  generibus  el  speciebus"  (vgl.  S.  63,  Aura.  2)  wurde  der  Ter- 
minus, der  ursprünglich  wohl  alle  ^VoIta^teQ  auüer  ^'onleD  und  Verbuin 
umfaßte,  unter  Berufung  auf  Priscian  auf  die  Partikeln  beschränkt  (Ouvt. 
inödils  d'AMlard,  Paris  1836,  S.  531).  Eine  sehr  eingehende  BearbeitunE 
fand  dann  die  Lehre  von  den  „syncategoreumata"  bei  Wilh.  v.  Shyreswood 
und  Petrus  Hispanus  (vgl.  Prantl,  Gesch.  d.  Log.  etc.,  Ill,  S.  19  u.  67). 

•>  Vgl.  z.  13.  über  die  Bedeutung  von  „oder "  E.  Schröder,  Vorl.  üb.  d. 
-Mgebra  der  I.OKik,  Leipzig  1890,  I,  S.  335, 


n,5,t,7rjM,G00glc 


1.  Kapitel.    Üie  Lehie  von  den  Begriffen.  5g5 

primario  et  aliquid  secundario";,  und  umfassen  aJle  „nonuna  relaliva"  !■>). 
xome  aüe  „Doroina  pertinentia  ad  genus  quantitatis"  usf.  Chain kteristisch 
Uli  einen  konnolativen  B^iifl  soll  sein,  daß  er  einer  „ditflnilio  exprimens 
[jüid  Qomiais"  bedarf  (z.  B.  bedarf  albus  der  ditfinitio  „habena  albedinem"). 
In  neuerer  Zeit  hat  dann  namentlich  John  Stuart  Mill  in  seinem  System  of 
losic.  laliocinalive  and  inducUve  ^1,  1.  §  5.  ü.  Aufl.,  S.  31)  diesen  Terminus 
wieder  aufgenommen,  und  zwar  mit  folgender,  schon  S.  631,  Anm.  11  ao- 
nefQhfter  Definition :  a  non-connolative  term  b  one  which  sigoiflea  a  subject 
oDir  or  an  altribute  only,  a  connotative  leim  is  one  which  denotes  a  subject 
and  iotplies  (iovolviert)  an  altribute.  „London"  und  „Weiße"  (whileness) 
aiDd  nicht-koanotalive  Begriffe,  „weiß"  und  „Mensch"  i^ind  konnotailve  Be- 
eriffe;  denn  mit  weiß  und  Uensch  werden  nach  Hill  nicht  nur  Subjekte 
(d.  h.  nach  Mill  „acything  which  posaeases  altributes")  bezeichnet  (nämlich 
alle  weifien  Dinge  bzw.  alle  Menschen),  sondern  es  wird  zugleich  ein  Attribut 
mitbezeichnet,  nlmlich  die  Weiße  bzw.  das  Menschscin.  Ea  hegt  auf  der 
Hand,  daß  hiermit  kein  wesentlicher  Unterschied  angegeben  wird. 
Richtig  ist  nur,  daß  wir  Merkmale  wie  Weiße  (WeiBsein)  oder  Merkm^- 
t:ompleie  wie  humanilas  (Menschsein),  die  einem  substantiierten  Tdlger 
f Schnee,  Cäsar)  zukommen,  auch  dadurch  ausdrücken  können,  daß  wir  den 
Trager  unter  die  Klasse  der  Träger  des  Merkmals,  also  unter  die  weißen 
Dinge  bzw.  unter  die  Menschen  subsumieren  und  dann  oft  andere  Worte 
brauchen,  n&mlich  „ist  weiß",  „ist  ein  Mensch"  (statt  „hat  das  Merkmal 
Weiße",  „hal  das  Merkmai  huinanilaa") ;  das  Merkmal  wird  also  gewisser- 
maDen  „enlsubstantiiert".  Ebenso  kann  man  auch  umgekehrt  sagen,  daß 
wir  ein  Merkmal,  das  wir  von  einem  substantiierten  Trftger  (Schnee,  CSsar) 
durch  Subsumtion  dieses  Trägers  unter  weifie  Dinge  bzw.  Menschen  aus- 
sagen, substantiieren  können  und  dann  sprachlich  oft  zu  anderen  Worten 
greifen  (Weiße,  humanitas).  Insofern  „weiß"  und  „Mensch"  in  den  Aus- 
sagen: ,|der  Schnee  ist  weiß",  „Cäsar  ist  ein  Mensch"  einereeits  zur  Charak- 
teristik eines  Trägers  verwendet  werden  (denole  a  subject)  und  andrerseits 
in  dieser  Aussage  selbst  nicht  als  Träger  gedacht  werden,  sondern  auf  eine 
Eigenschaft  hinweisen,  die  substantiiert  werden  kann,  (Weiße  bzw.  humani- 
tas; ,4niply  an  atlribute"),  kann  mau  weiß  und  Mensch  als  konnotativ 
seilen  lassen.  Der  wesentliche  Unterschied  liegt  aber  dabei  eben  nur  in  der 
Substanliation.  Man  muß  allerdings,  um  dem  Tatbesland  völlig  gerecht  zu 
werden,  wie  eben  festgestellt  wurde,  hinzufügen,  daß  charakterisierende 
Merkmale  von  einem  Begriff  A  bald  in  der  Weise  ausgesagt  werden,  daß  sie 
unsubstantiiert  lediglich  als  MeAmale  behandelt  werden  (weiß,  mensch-lich 
bxw.  menschartig),  bald  in  der  Weise,  daß  sie  zwar  nicht  substantiiert  werden 
I Weiße,  humanitas).  aber  der  Begriff  A  doch  der  Gattung  der  Träger  der 
hezflglichen  Merkmale  (der  Galtung  der  weißen  Dinge,  der  Gattung  „Men- 
schen") subsumiert  wird.  Diese  doppelte  Möglichkeit  der  Auffassung  jeder 
MerkmalauBsage  ist  uns  aber  durehaus  nichts  Neues,  sie  ist  uns  bereits 
allenthalben  begegnet.  Der  sprachliche  Ausdruck  (Adjektiv  oder  Substantiv) 
kann  dabei  durchaus  nicht  schlechthin  als  Maßstab  gelten,  da  die  Sprache 
durchaus  nicht  gleichrnäQig  für  alle  subatantiierien  Merkmale  und  eben- 
sowenig gleichmäßig  für  die  Träger  aller  Merkmale  gebräuchliche  Substantive 


'•)  Occaro  spricht  geradezu  von  tenninis  connolalivis  „v  e  1"  relativia 
und  braucht  connolare  (rlciehbedeutcDd  mit  consignificarp  (1.  c.  cap,  11). 
Vgl.  oben  Anm.  8. 


OgIC 


5gtt       IV-  Teil.     Die  einzelnen  logiacben  Gebilde  und  ihre  Geaelzo. 

ReschafTen  hat.  So  ist  uns  /.  B.  einers<^ita  das  Wort  „Weiße"  noch  einiger' 
maßen  gelfiulig,  während  uns  im  Deulschen  ein  geläufiges  Wort  fflr  iaa 
Merkmal  „Uensch-sein"  —  entsprechend  dem  lateinischen  Wort  humani- 
tas  —  fehlt,  und  andrerseits  haben  wir  zwar  das  geUufige  Wort  „Henscb", 
daeegen  fehlt  uns  ein  analoges  Substantiv  zur  Bezeidmung  der  „vcifien 
EHnge".  Bei  dieser  ganzen  Sachlage  erscheint  mir,  wie  den  meisten  Logikern, 
die  Abgrenzung  einer  besonderen  Gattung  der  konnotaliven  Begriffe  ira  Sinn 
Mills  entbehrlich. 


$  106.  Einteilungen  der  Merkmale.  Die  Auseinander- 
setzungen der  letzten  Paraji^aphen  erlauben  nun  auch  eine 
JiberBichtliche  Zusammenstellung  der  für  -die  Logik  in  Be- 
tracht kommenden  Einteilungen  der  Merkmale.  E  rstens 
unterscheiden  wir  einfache  und  zueammengeaetzte 
Merkmale:  ersterc  sind  unzerlegbar,  letztere  lassen  sieh  zer- 
l^en.  Vgl.  S.  346  u.  480.  Zweitens  unterscheiden  wir 
irreduzible  (primäre)  und  reduzible  (sekundäre). 
Erstere  werden  anch  als  ursprüngliche,  letztere  a\s 
abgeleitete  bzw.  ableitbare  bezeichnet.  Ein  reduzibles 
Merkmal  kann  auf  andere  zurückgeführt  werden,  ein  irre- 
dnziblee  nicht.    Vgl.  S.  485  n.  499. 

Erdmann  (Logik,  2.  .Aufl.  S.  178)  führt  als  synonymen  Terminus  für  die 
ur^ränglichen  Merkmale  auch  „altribula",  als  synonymen  Terminus  für  dii? 
abgeleiteten  Merkmale  auch  „modi"  an,  indes  sind  diese  Tennini  in  so  «r- 
achiedenem  Sinn  angenandt  worden,  daß  sie  in  der  Logik  am  besten  gau 
vermieden  werden.  Wenn  l^niann  weiterhin  (S.  181)  „analytisch  ab- 
geleitete" und  „synthetisch  abgeleitete"  Merkmale  unterscheidet,  so  hat  er 
^enbar  die  S.  Sää  besprochene  C:]ter3cheidunR  analytischer  und  synthe- 
tischer Definitionen  im  Auge.  Es  ist  dazu  nur  zu  bemcri;en,  daß  eine  srn- 
ihetiscbe  Ableitung  nicht  mehr  als  loinsche  Ableitung  im  strengsten  Sion 
gelten  kann.  Wenn  ich  aus  der  Dreieckigkeit  einer  Figur  synthetisch  das 
Merkmal  „Winkelsumme  r-.r:  3R"  ableite,  so  ist  diese  Ableitung,  nicht  rein- 
logisch aus  dem  Begriff  der  Dreieekigkeit.  sondern  mit  Hilfe  Ton  An- 
schauungen erfolgt.  —  Mcrlcmale,  die  sich  nicht  in  dem  Abhängi^eits- 
verhältnis  der  Ableitbarkeit  auseinander  befinden,  nennt  Erdroann  unglelcb- 
arlig  oder  disparat  und  führt  als  Beispiel  die  Fartie  und  das  spezifische  Ge- 
wicht eines  Körpers  an.  Diese  Verwendung  des  Terminus  „disparat"  Ivgl. 
ü.  670  u.  Ö7{)  scheint  mir  Ton  dem  bisher  üblichen  Wortgebrauch  m  sehr 
abzuweichen;  beispielsweise  würde  geibgrün  und  grünblau  nach  Erdnann 
wohl  als  disparat  bezeichnet  werden  mü.sscn,  während  sie  tnshet  stets  als 
n ich t-dis parat  galten. 

Drittens  unterscheiden  wir  wesentliche  nnd  u n - 
weßentliche  Merkmale.  Schon  S.  490  wurde  für  die  in- 
dividuellen Komplexionsbegriffe  nachgewiesen,  daB  die 
sogenannte  Wesentlichkeit  eines  Merkmals  dnrchaos 
schwankend  ist  und  von  dem  jeweiligen  Zweck  der  Unter- 


OgIC 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Begriften.  5g7 

HQcbunt;  abhaugt.  Für  die  Kontraktions-  und  Allgemeiii- 
begriffe  (S.  503  u.  512)  ergab  sich,  daß  die  unveränderlichen 
bzw.  allen  Begriffen  gemeinsamen  Merkmale,  die  m-Merfe- 
male  nnserer  Terminologie,  soweit  sie  irrednzibel  sind,  sämt- 
lich in  die  Definition  aufgenommen  werden  müesen  und  als 
wesentlich  zn  betrechten  sind,  während  die  Teräuderlichen 
bzw.  rieht  allen  subordinierten  Begriffen  zukommenden 
Merkmale,  die  o-  und  q-Merkmale  (S.  501),  nur  nach  Bedarf 
in  der  Definition  zugelasaen  werden  and  daher  nicht  schlecht- 
hin wesentlich  sind.  Jndes  ist  auch  diese  Grenze  nicht  scharf; 
denn  erstens  kann  durch  weitere  Erfahrung  ein  m-Merkn>al 
seines  ni-Cbarakters  beraubt  werden,  und  zweitens  kann  ein 
o-  oder  q-Merkmal  im  Hinblick  auf  den  speziellen  Zweck 
finer  benlimmten  Untersuchung  wesentliche  Bedeutung  be- 
kommen ').  Es  bleibt  also  schließlich  nur  die  Irr^duzibilität 
als  allgemeingültiges  Kennzeichen  der  Wesentlichkeit, 
nnd  damit  wird  letztere  terminologisch  überflüssig:  es  ge- 
nügt, in  der  allgemeinen  Logik  irreduzible  und  reduzible, 
variable  und  invariable,  d.  h.  m-  nnd  o-  bzw.  q-Merkmale  zu 
unterscheiden.  Dabei  bleibt  offen,  daß  sich  vom  Standpunkt 
der  einzelnen  Spezia)  Wissenschaft  auch  spezielle  weitere 
Kriterien  der  Wesentliehkeit  ergeben  (vgl,  ^  107). 

■  Das  Suchen  nach  „wesentlichen"  Merkmalen  stammt  grCSlenteils  noch 
aus  der  Zeil,  wo  man  Blaubte,  daß  iedera  OegeusUtod  (er  sei  psychisch  oder 
malerieji)  außer  seinem  Dasein  (der  Eidstenz)  noch  eine  gewissermaßen 
prädesünierte,  ursprangliche,  begriffliche  ZusammensetzunR  (die  Essenz, 
vgl.  S.  G2,  Amn.  H)  zukäme,  Merkmale,  die  dieser  letzteren  entsprachen, 
wurden  als  essentielle  (konstitutive)   oder  wesentliche  bezeichnet  =).     Aus 

')  So  ist  die  zu  irgendeiner  Zeit  beobachtete  Temperatur  eines  Buches 
oder  Tisches  sicher  eine  unwesentliche  Eigenschaft,  die  von  zufalligen  Be- 
ziehungen abhangig  und  für  unser  Denken  gleichgaUig  ist,  dagenen  kann 
z.  B.  die  hohe  Temperatur,  die  ein  StahlstOck  ebenso  zufällig  einmal  durch- 
gemacht hat.  große  Bedeutung  haben  (etwa  im  Hinblick  auf  magnetische 
Eigenschaften).  Erdmann  1.  c.  S.  17S  l&Bt  in  dem  Satz  „der  Schirm  ist 
stehen  geblieben"  das  Stehengebliebensein  überhaupt  nicht  als  .^rkmal" 
BcHen,  ich  würde  es  als  ein  meistens  nicht-wesentliches  Merkmal  betrachten. 
Vgl.  auch  Marty,  Viertel jahrsschr.  f.  wisa.  Philos.  1895,  Bd.  19,  S.  ib  Ober  die 
Erdmannsche  Unterscheidung. 

*)  Aristoteles  nannte  die  unwesentlichen  Merkmale  "o/<j»t;*il»oi«  (Gegen- 
atz xa»'  oiItö),  stiftele  aber  viel  Verwirrung,  indem  er  auch  die  reduziblen 
(sekundären)  wesentlichen  Merkmale  bU  afftßtßiixöra  alt  mit  dem  Zusatz  xa9' 
■vn  bezeichnete;  so  ist  z.  B.  für  das  Dreieck  die  E^enschaft,  daß  die 
Winkelsumme  zwei  Hechle  betragt,  ein  avfßtßiixit  »#'  aiiö  (vgl.  z.  B.  Akad. 
Ausg.  1025  B,  30).  Vgl.  S.  34,  Anm.  9.  Diagnomoniache  Merkmale,  welche 
nur  einem  Gegenstande  und  keinem  anderen  zukommen,  nennt  Aristoteles 
M«    (Akad.  Ausg.  102  a,  18,  jedoch  auch  101  b,  16).    Vgl-  S.  39. 

„.,.,„.>..oo^sic 


538       IV.  Teil    Die  einzeliien  logiachen  Gdnlde  und  ihre  Gesetze. 

unsTtT  erkenn  in  istfaeoretiscbeo  EinteilunE  und  den  Erörterungen  Ober  den 
Logizismus  (S.  173  fl.,  270  R.,  306  (I.)  geht  hervor,  daß  eine  wiche  Auflassung 
nicht  zulA-isig  ist.  Ist  einmal  durch  unser  Denken  ein  Gegenstand  abeegrenzl. 
90  ist  jedes  seiner  irreduziblcu  Merkmale  essentiell  (konstitutiv). 

Viertens  haben  wir  ans  praktischen  Gründen  AnlaB, 
solche  Merkmale  besonders  hervorzuheben,  die  ans  gestatten, 
den  Gegenstand  des  Begriffs  sicher  wieder  zu  erkennen  und 
von  anderen  Gegenständen  sicher  zu  unterscheiden.  Man 
kann  solche  Merkmale  als  charakteristische  oder 
diagnomonische  bezeichnen ').  Sie  decken  sich  keines- 
wegs mit  der  Gesamtheit  der  irreduziblen  m-Merkmale.  Es 
kommt  nämlieh  oft  vor,  daß  ein  irreduzibles  m-Merkmal 
zum  Erkennen  nnd  Unterscheiden  des  bezüglichen  Begrifis- 
gegenstandes  a  überflüssig  ist,  weil  letzterem  ein  oder  meh- 
rere andere  Merkmale  zukommen,  die  nach  unsrer  Erfah- 
rung keinem  anderen  bekannten  Begriffsgegenstaod  zu- 
kommen, also  praktisch  zur  Erkennung  und  Unterseheidmig 
von  a  ausreichen.  Immerhin  ist  das  Weglassen  solcher  prak- 
tisch zunächst  entbehrlicher  Merkmale  nnd  die  Beschrän- 
kung auf  die  diagnomonischen  Merkmale  stets  nur  mit  Vor- 
behalt zulässig  nnd  hat  in  der  Geschichte  der  Wissenschaft 
schon  oft  zu  schweren  Irrtümern  geführt.  Im  extremsten 
Fall  kann  allerdings  für  einen  bestimmten  Denkzweck  ein 
einziges  diagnomonische«  Merkmal  ausreichen,  so  z.  B.  dann, 
wenn  überhaupt  nur  die  Unterscheidung  innerhalb  einer 
wenige  Arten  zählenden  Gattung,  also  für  die  Unterschei- 
dung nur  eine  geringe  Zahl  ähnlicher  Arten  in  Betracht 
kommt.  So  sind  in  den  systematischen  Tabellen  zur  Bestim- 
mung von  Pflanzen  und  Tieren  die  letzten  Unterscheidungen 
innerhalb  einer  Gattung  oft  auf  ein  einziges  diagnomo- 
nisches  Merkmal  gegründet').     Vgl.  auch  ^  107. 

Von  jeher  lag  der  Logik  der  Gedanke  sehr  nahe,  auch  eine  Grund-  und 
Haupteinteilung  der  Merkmale  nach  ihrem  m  a  t  e  r  i  a  I  e  n  Inhalt  zu  geben. 
Die  Kategorien  lehre  des  Aristoteles  (vgl.  %  9D,)  ist  der  älteste  VerswA 
in  dieser  Richtung.    Die  erste  Kategorie  gibt  den  Träger  der  Merkmale  an, 

')  In  vielen  Beziehunnen  decken  sich  diese  diagnomonischen  Merkmale 
nut  den  klaren  und  deutlichen  Merkmalen  älterer  Philosophen.   Vgl.  S.  S88. 

'}  Erdmann  (Logik,  2.  Aufl.,  S.  IST]  bezeichnet  die  diagnomonischen 
Merkmale  als  „wesentliche",  „sofern  sie  einen  Gegenstand  im  Veisleich  zu 
gegebenen  anderen  als  diesen  bestimmten  erkennen,  von  jenen  anderen  als« 
unterscheiden  lassen".  Ich  halle  es  Für  zweckmäßiger,  den  viel  mißbrauchten 
Terminus  „wesentliches  Merkmal"  nicht  noch  mit  einer  weiteren  BedeutuOf 
zu  belasten.    Vgl.  oben  S.  &86. 


n,g,t,7l.dM,GOOglC 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  BegriDen.  5g9 

die  übrigen  neun  Kategorien  die  Hauptklassen  der  Merkmale  (qualitalive, 
quantitSitivL-  usf.).  Wenn  man  dann  in  dcf  oft  besprochenen  Weise  an 
Stelle  des  MErkmals  die  Gattung  seines  Trägers  setzte  („WeiBes"  an  Stelle 
von  Weis  bzw.  hier  „Qualitatives"  an  Stelle  von  qualitativ),  so  halte  man 
zwieicb  die  höcht^ten  Gattungsbegriffe  ermitteU  oder  glaubte  wenigstens  sie 
ermittelt  zu  haben  (vgl.  S.  45  Ober  die  vier  ftfixüima  der  Stoiker^),  Nach 
dcD  trQhcren  Auseinandersetzungen  versteht  es  sich  von  selbst,  daß  von 
dem  hier  vertretenen  Standpunkt  aus  alle  diese  Versuche  aus  der  Logik 
wegzuweisen  sind  und  in  das  Gebiet  der  Erkenntnistheorie,  und  zwar  der 
Gignoraenologie,  gehören  {vgl  S.  457). 

Auch  die  Erdmannsche  Einteilung  (L  c.)  in  m  a  t  e  r  i  a  1  e  oder  quali- 
tative und  formale  oder  quantitative  Merkmale  möchte  ich  aus 
der  Logik  fcmhalten.  E.  versteht  unter  materialen  Merkmalen  solche,  welche 
die  Bestimmung  des  Ähnlichen  und  Unähnlichen  zulassen.  Diese  Charakte- 
ristik schein!  mir  nicht  ausreichend.  Auch  dem  Quantitativen  kommt  eine 
gewisse  Ähnlichkeit  (i^l,  auch  oben  S.  677,  Aura.  2)  zu.  Wenigstens  müßte 
K.  also  eine  präzise  Bestimmung  des  Begriffs  der  Älmlichkeit  vorausschicken. 
.Mir  scheint,  daS  gerade  auch  die  schwielige  Frage  der  Charakleristik  des 
Qualitativen  gegenüber  dem  Quantitativen  eine  durchaus  erkenntnistheon?- 
tische  und  keine  logische  ist. 


§  107.  Tachnlk  du  BtgTiffiT?fl^"''o  (Haalian,  Definition  und  Isotdi- 
naliiui).  Aus  der  Definition  der  Log^  (vgl.  g  1}  ergibt  sich,  daQ  die  Logik 
es  ledighch  mit  den  formal  richtigen  Begriffen  zu  tun  hat.  In  der  Tal 
bezogen  sich  alle  vorausgehenden  Erörterungen  ausschließlich  auf  den  formal 
richtigen  Begriff,  oder,  wie  wir  im  Hinblick  auf  g  87  sagen  können,  die 
Nonoalvoralellung  (Begriff  s.  str.).  Es  bleibt  daher  nur  noch  dk  technische 
Fxage  zu  erörtern,  wie  wir  zu  solchen  formal  richtigen  Begriffen  im  Sinne 
der  Begriffe  gelangen.  Auch  diese  Frage  muß  gesondert  för  die  Hauptgruppen 
der  Begriffe,  also  die  individuellen  Komplexionsbegriffe,  die  individuellen 
Belationsbegrifte,  die  individuellen  Kontraktionsbcgriffe  und  die  Allgerocin- 
bcgriffe  beantwortet  werden.    Es  handelt  sich  dabei  erstens  um  die  Findung 


']  Bezüglich  neuerer  Katego rienaulzählungen  muß  auf  die  Erkenntnis- 
theorie verwiesen  werden.  Hier  sei  nur  kurz  erwähnt,  daß  z.  B.  Lotze 
(Logik,  Leipzig  1874,  S.  54]  nur  vier  „Stammbegriffe"  anerkennt:  Etwas,  Be- 
schaffenheit, Werden  und  Verhältnis.  Chr.  Sigwart  (Logik,  2.  Aufl.  Freiburg 
lä89,  Bd.  1.  S.  31  u.  338)  unterscheidet  logische  Kategorien  (Einheit,  Identität, 
Unterschied)  und  reale  Kategorien  ;Ding,  Eigenschaft,  Tätigkeit,  Relation). 
Wundi  (Logik,  2.  Aufl.  Stuttgart  1893,  Bd.  1,  S.  119)  führt  die  zehn  aristote- 
lischen Kategorien  auf  vier  „logische  Kategorien"  zurück:  Gegen  Standsbegriffe, 
Eisenschattsbegriffe,  Zustandsbegriffe  und  Beziehungsbegriffe,  und  stellt  die 
letzteren  als  „Bezichungs-  oder  Verbindungsformen  der  Begriffe"  den  drei 
ersten  als  den  Kategorien  s.  str.  oder  ,3egriUsformen"  gegenüber  (S.  121). 
Windelband  (Die  Prinzipien  der  Logik,  Tübingen  1913,  S.  29  f.)  will  refleziTe 
und  konstitutive  Kategorien  unterscheiden:  erslere,  „obwohl  durch  die  Eigen- 
art der  Gegenstände  bestimmt,  bestehen  doch  als  Beziehungen  erst  im  Be- 
wußtsein und  nur  fQr  das  BevmBlsein",  letztere  „werden  als  wirkliche  Ver- 
bältnisse zwischen  den  Gegenständen  gedacht",  eine  Unterscheidung,  die 
wohl  weder  logisch  noch  erkennt nistbeoretiscli  ausreicht. 

■      '  i..i,,i,^.OOglC 


590       '^'  ^^^-     ^^  einzelneo  logiscben  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

h7.w.  BilduDR  des  NoimaibegriFfs  (losiEclie  1  d  e  a  I  i  o  dX  zweitens  um  ^eme 
F  ixiecuDg  (U  e  f  i  n  i  t  iu  n)  und  drittens  um  seine  loordination,  d.  h. 
die  Bestinunung  seiner  systematischen  Stellung  (also  dei  superordinierten, 
subordinierten  und  koordinierlun  Beüriffe),  soweit  diese  nicht  bereits  durch 
die   Definition   erfolgl   ist. 

a)  Idealion. 

^V&d  /.uoachat  die  Fiuduoe  bzw.  Bildung  der  Begrifle  anlangt,  so  ist 
die  für  die  mateiule  Richligiceit  gleictifalls  unentbehrliche  Solidität  (S.  ä6t) 
kein  Gegenstand  der  Logik.  Die  LoRik  setzt  voraus,  daß  die  fundierenden 
Beobachtungen  fehlerfrei  und  zweckmäßig  angestellt  und  ohne  Erinnerungs- 
fehler  aufbewahrt  worden  sind,  und  erhebt  nur  die  Frage,  wie  aus  diesem 
Beobachtungamalerial  in  formal  richtiger  Weise  Begriffe  gebildet  werden 
können.  Dabei  wird  bie  nicht  nur  die  formale  Richtigkeil  des  einzelnen 
isolierten  Begriffes,  sondern  auch  seine  weitere  Verwendbarkeit,  z.  B.  bei 
<\vm  Aufbau  einer  Wissenschaft,  im  Auge  haben  mOssen. 

Für  die  individuellen  unkontraliierten  KompieiüonsbegrilEe  gestaltet  sicti 
dicije  Aufgabe  veihfiltnismäßi?  einfach.  Soweit  wir  überhaupt  Yemolassunii 
haben,  solche  zu  bilden,  wird  mau  theoretisch  eine  möglichst  v  o  1 1  a  t  ä  n  - 
d  i  g  e  Zusammen  Stellung  aller  Merkmale  fordern  müssen.  So  wäre  z.  6. 
eine  individuelle,  eben  von  mir  gehorte  Melodie  nach  allen  zeitlichen,  inten- 
siven, qualitativen  und  räumlichen  Merkmalen  Ton  für  Ton  im  BegiiB  fest- 
zuhalten. Tats&chlich  bilden  wir  jedoch  solche  individuelle  Komptexions 
begriffe,  wenn  Oberhaupt ').  dann  nur  mit  dem  Zweck,  aus  ihnen  Begiilfe 
höherer  Stufen  abzuleiten,  und  im  Hinblick  auf  dici^en  Zweck  können  wir 
sehr  oft  manche  Merkmale  beiseil«  lassen  und  uns  z.  B.  oft  auf  diejenigen 
beschranken,  die  zum  eiudeutiiien  Wiedererkennen  ausreichen.  Da  jedef 
Komplexionsbegriff  auch  mancherlei  Abstraktioiten  (l^Kkretionen.  Isolationen 
usf.,  vgl.  S.  317)  voraussetzt,  so  wird  außerdem  auch  eine  zweckmiSige 
Abgrenzung  und  Auswahl  des  einzelnen  Komplezionsbeenfles  oH 
von  groBer  Bedeutung  sein.  HierQber  kann  die  Logik  jedoch  keins  all- 
gemeinen Vorschriften  geben,  sondern  jede  einzelne  Wissenschaft  bzw.  Denk- 
tätigkeit muB  sich  in  dieser  Beziehung  ihre  eigenen  methodischen  Begeto 
entwickeln.  Alle  diese  Bemerkungen  gelten  mulalis  mutandis  auch  von  den 
individuellen  Relalionsbegriffen,  Es  genügt,  für  beide  Kategorien  auf  §  H 
II.  9fi  zurückzuverweisen. 

Erheblich  bedeutsamer  iyl  die  technische  logische  Leistung  bei  der 
richtigen  Bildung  der  individuellen  Ko  n  t  rak  t  ionsbegrifte.  Audi  bei 
diesen  wird  man  theoretisch  zwar  eine  mSglichst  vollBtändigc  Aufnabme 
aller  Fl uxions Vorstellungen  des  zugehärigen  Gegenstandes  verlangen,  prak- 
tisch aber  sich  auf  diojcniüen  beschiftnken,  die  für  den  Zweck  der  jeweiligen 
('bertegung  bzw.  Untersuchung  in  Betracht  kommen  bzw.  irgendwie  mut-  • 
maBlich  in  Betracht  konunen  können.  Hier  kommt  jedoch  die  Ilnterscheiduni 
der  m-.  o-  und  ijMerkmalp,  d,  h.  der  unverSnderiichen,  der  innerhalb  der 
Ahnlichkeitserenzen  veränderlichen  und  der  gänzlich  wech-ielnden  Merkmale 
(vgl.  S.  501)  als  eine  weitere  logische  Aufg^w  hinzu:  nid)t  erst  hei  der 
Definition,  sonaetn  schon  bei  der  Ideation  müsscD  diese  Meri:male  nach  des 
in  §  96  anaeiichi.neii  Regeln  getrennt  werden.     Ferner  ist  die  .Abgrenzunf 

.   bei    individuellen   Komplexions  r  o  r  s  t  e  I  - 


OgIC 


1.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Begriffen.  59X 

des  individuellen  KoDtraJition^beBrifl^s  eine  erheblich  schwierigere  als  die- 
jcciige  des  untontrahiejien  individuellen  Komplexionsbesrilfes.  Uuvcrhälliihj- 
mSBig  selten  voUziehen  sich  die  Veränderungen  eines  Gegenstandes  aus- 
schlieBlich  inlem.  in  der  Regel  IcomuieD  externe  Einwirkunsen.  olt  Auf- 
nahmen externer  Elemente  liin;:u.  Die  ,.DinB"abgrenzung  l:anii  daher  olt 
sehr  zweifelhaft  weiden  (auch  ganz  unabhängig  von  dtn  hier  nicht  zu  er 
örtemden  ertenntnistheoretiachen  Schwierigkeiten  des  Dingbegrifles)  *).  Man 
denke  bebpielsweise  an  die  höchst  strittigen  Kontrat tionabegritle  der  ein- 
zelnen Rassen  und  NationaUtäles.  Die  Logik  kann  ffir  diese  Abgrenzungs- 
Iraeen  zwar  keine  allgemeingOilieen,  ausreichenden  Regeln  geben,  sie  muB 
nur  insofern  Beachtung  fordern.  a.\v  sie  überhauiit  eine  At^renzung.  und 
zwar  eine  eindeutig  bestimmte  und  konstante  (Im  Sinn  der  Nonnali»grilfe) 
verlangt. 

Die  richtige  Bildung  der  Allgemein  begriffe  endlich  erlordetl  das 
Uajümum  der  logischen  TftUgketl.  Ks  müssen  erstens  diejenigen  Begrifie. 
welche  TU  dem  gesuchten  Ailgemeinbegriff  vereinigt  werden  sollen,  auch  hier 
^CH-eckmäBig  ausaewfihlt  werden,  oder  —  anders  ausgedrückt  —  der  All- 
t^emeinbegriff  muß  zweckmäBig  al>gegrenzt  („ausgewählt")  werden.  Man 
denke  beiapiels weise  an  die  noch  vielfach  strittige  und  noch  forlgesetzt  sich 
verändernde  Aufstellung  der  Gattungen,  Familien.  Typen  usf.  in  der  Zoologie. 
Zweitens  müssen  die  m-,  o-  und  q-Merkmale  (vgl.  S.  513  ff.)  sämtlich  oder 
wenigstens  in  der  dem  Znecl:  der  Untersuchung  bzw.  Überlegung  entsprechen- 
den Vollständigkeit  verwettet  werden.  Dabei  müssen  alle  in  §  97  erörterten 
Verhftftnisse  berOcIcsichtigt  werden.  Andere  allgemeine  Regeln  vermag  die 
Losik  auch  hier  nicht  zu  neben, 

bj  Definition. 

Uil  einer  richtigen  Ideation  ist  das  deflnitorische  Verfahren,  wie  es 
in  g  S3ff.  ausfflhrlich  beschrieben  wurde,  untrennbar  verbunden.  Die  Dell- 
nilion unterscheidet  sich  von  der  Ideation  nur  dadurch,  daß  sie  die  in  den 
B^riff  aulgenommenen  Merkmale  ausdrücklich  fixiert  und  geordnet  möglichst 
kurz  aufzählt.  Kurz  kann  man  sagen,  daB  die  Deiinilion  das  fixierte,  ge- 
ordnete und  vereinfachte  Endergebnis  der  fdeation  (im  logischen  Sinne)  ist. 

Sehr  oft  verbinden  wir  mit  der  DeflniLon  auUer  der  Fixierung  uocli 
einen  weiteren  Zweck,  nämlich  die  ZurQckführung  eines  relativ 
unbekannten  Begrilfea  auf  bekanntere.  Von  diesem  Stand- 
punkt aus  genügt  es  nicht,  daß  die  Definition  ülierhaupi  die  Relationen  eines 
Begriffs  zu  anderen  fixieri,  sondern  sie  hat  die  anderen  Begriffe  auch  so  zu 
wählen,  daB  sie  bekannter  sind  als  der  zu  detlnierende  Begrifl.  Diese  Auf- 
gabe der  Definitionen,  die  bei  dem  fortschreitenden  systematischen  Aufbau 
der  Wissenschaften  die  größte  Rolle  spielt  und  daher  bei  der  Definitions- 
technik besonders  berück  sie  htigl  werden  muß,  mae  als  explanatorische 
bezeichnet  werden. 

Die  Technik  der  Definilion  ergibt  sich  aus  den  früheren  tlieorelischen 
Erörterungen  ohne  weiteres  (^-gl.  S.  484  ((.).  Es  bleibt  nur  Obrig,  auf  einzelne 
besonders  naheliegende  und  gefährliche  technische  Deflnilions  fehler 
nachdrücklich  hinzuweisen. 

Die  Definition  darf  vor  allem  nicht  zu  e  n  g  und  nicht  zu  weit  sein. 
Sie  ist  zu  eng,  wenn  sie  Begriffe,  die  zu  dem  zu  definierenden  Gegenstand 

>)  Tgl.  ErkantDistheorie,  Jena  1913,  S.  16 ff.:  Ober  Koinaden. 

h.  !■,  ii,l^.OOglc 


592       '^-  l"^'-'     I^c  eioEelnen  loaiscben  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

idem  Deflniendum)  lehören,  ausschlieQt;  zu  weit,  wenn  sie  Begriffe,  die  nicht 
zu  dem  zu  defioierenden  GegeiiBtand  gehören,  einschließt.  So  wftre  z.  B.  ifie 
Delinilion  der  Säugetiere  als  placentabesitzcnder  Wirbeltiere  zii  eae,  weil  es 
saugeliere  gibt,  die  keine  I'lacenta  haben,  und  die  Deünition  der  Vöeel  als 
PKTlegender  Wirbeltiere  zu  weit,  weil  es  viele  eierlegende  Wirbeltiere  eibt. 
die  nicht  zu  den  Vögeln  gehören.  Zuweikn  ist  die  Definition  zugleich  zu 
Fng  und  zu  weit.  Dies  gilt  z.  B.  von  der  Definition  der  SSugebere  als 
lebendiggebärender  Wirbeltiere;  denn  einerseits  gibt  et  einzelne  nicht- 
IcbendiraebArende,  sonden  eierlegende  Säugetiere  (Schnabeltier),  und  andrer- 
seits gibt  es  manche  lebendinebärende  Wirbeltiere,  die  nicht  zu  den  Siuge- 
Iieren  gehören.  Sowohl  die  zu  groBe  Knge  wie  die  zu  groQe  Weite  der  Defi- 
nition sind  !.>  m  f  angstehler. 

Der  wichiigste  inhaltsfehler  der  Definition  ist  die  Tautologie 
und  die  D  i  a  1 1  e  1  e.  Die  T  a  u  t  o  1  o  g  i  e  besteht  darin,  daB  das  Definiendum 
unverhQUt  oder  verhOllt  in  der  Definition  verwendet  wird.  I^n verhüllte 
l'autalogien  find  selten  („der  Kreis  ist  eine  kreislörmige  Figur*'),  verfafillte 
etwas  häufiger  („der  Gegenstand  eines  Urteils  ist  das  Objekt  des  Urteils")  ■). 
n  i  a  1 1  e  I  e  n  treten  auf,  wenn  mehrere  Definitionen  aneinandergereiht 
werden,  und  bestehen  darin,  daS  in  der  Definilion  eines  Begriffes  A  ein  Be- 
griff B  verwendet  wird  und  alsdann  in  der  Definition  von  B  wieder  K  ver- 
wendet «ird  usf.  In  einem  solchen  Fall  kann  jede  Definition,  einzeln  ge- 
nommen, richtig  sein,  und  auch  die  Kombination  der  beiden  Definitionen 
ist  zulässig,  solange  man  von  den  Definitionen  nur  Fixierungen  veriangt 
Sol)ald  man  aber  —  wie  dies  in  der  Begel  der  Fall  ist  —  der  Definition  auch 
die  Aufgabe  der  Explanation  (s.  o.)  stellt,  wird  die  Kombination  zwner 
.solcher  Definitionen  zu  einem  groben  technischen  Fehler. 

Beispielsweise  wird  die  Kraft  oft  als  Ursache  von  Bewegung  definiert*). 
Wenn  man  nun  zugleich  oder  hinterber  die  Bewegung  als  die  Wirkung  von 
Kräften  definiert,  so  sind  beide  Definitionen,  einzeln  genommen,  formal  ein- 
wandfrei, und  auch  ihre  Kombination  ist  einwandfrei,  insoweit  die  begriH- 
liche  Relation  zwischen  Kxaft  und  Bewegung  durch  beide  Definitionen  wider- 
spruchsfrei fixiert  wird  und  dabei  Kraft  und  Bewegunti  als  gleichennaSen 
bekannt  bzw,  unbekannt  angesehen  «erden.  Anders,  wenn  die  Definition 
—  wie  bei  Beweisen  —  explanieren  soll  I  Handelt  es  sich  z.  B.  um  die  a- 
clanatorische  Definition  des  Kraftbegriffes,  so  darf  ich,  nachdem  ich  die  KraA 
explanatorisch  mit  Hilfe  des  BewegungsbegriUes  definiert  habe,  nicht  bioter- 
her  die  Bewegung  wieder  durch  die  Kraft  definieren. 

In  der  Geschichte  der  I^gik  ist  bis  heute  die  explanatorische  Bedeutuni 
der  Definition  gegenflber  ihrer  fixierenden  Bedeutung,  meistens  stark  über- 
schätzt und  daher  die  gelegentliche  Berechtigung  der  Diallele  (nämlich  im 
lediglich  fixierenden  Gebrauch  der  Definitionen)  übersehen  worden.  Auch 
die  Terminologie  dieses  Definitionsfehlars  ist  nicht  immer  ganz  scharf  fest- 
gehalten worden.  Namentlich  ist  das  Wort  Zirkel  (circulus  in  definiendo) 
bald  fDr  die  Diallele,  bald  für  die  Tautologie  gebraucht  worden  (vgl.  z.  B. 
einerseits  Ueberweg,  LogUc,  6.  Aufl.,  S.  176  und  andrerseits  G.  Fr.  Ueier, 
Vemunftlehre.'a.  Aun.  17GS,  §  310,  S.  460).    Der  Terminus    .AäkXiiiot  Hftt' 


■)  ITet)em*egs  Beiepiel,  „Lebenskraft  ist  der  innere  Grund  des  Lebens", 
ist  nicht  ganz  Eutr«0end. 

<)  Die  materiate  Unzulänglichkeit  dieser  Definilion  bleibt  hier  auBer 
Betracht. 

„.,,„,^.oogic 


1.  Kapilel.    Die  Lehi«  von  den  B^rifien.  593 

scheint  zueist  bei  den  Slotkern  aufgetreten  zu  sein,  allerdings  noch  nicht 
mil  q)e2ieUer  Beziehung  auf  die  Defimtioa  (Anonym.  Schol.  ad  Hemog., 
ntfi  «tdaim;  ed.  Walz,  Rbetores  «t&nü,  Bd.  7,  1,  IB^,  S.  3Sa).  Von  Zirkel- 
beweisen  (i  kpxX^  »ai  /f  n'Üilwi' önoAif«)  sprach  schon  Aristoteles, 
Akad.  Ausg.  72  b  17  u.  57  ff.  In  ähnlichem  Sinn  gebniucht  Sextus  EroDiiicus 
die  Bezeichnung  iiälhiliv  i^of,  z.  B.  Pnrb.  Hypot.  I,  117  (ed.  Bekker, 
S.  27).  Statt  circulus  wurde  oft  auch  der  Terminus  orbis  (seil,  in  definiendo) 
gebraucht.  Als  deutsches  Wort  verwendete  man  den  Terminus  „Knis- 
eAlänins"  (vgl.  z.  B.  W.  Tr.  Krug,  Syst.  d.  theoret.  Phitos.,  I.,  3.  AuB.  Königs- 
berg 1825,  S.  at),  oder  „Wiedeitehr  im  Erklären",  oder  „Zirkel"  (Tgl.  z.  "B. 
A.  G.  Baumearten,  Acroasis  logica,  ed.  TfiUnerus,  2.  Aufl.  1773,  §  168,  S.  44}. 
Sehr  oft  wird  pleooastisch  vom  circulus  „viliosus"  gesprochen  (vgl.  z.  B. 
Chr.  Wolff  >],  Philosoph.  raUon.,  2.  AufL  1792,  g  17(Q.  Seht  bezeichnend  ist 
aucb  der  englische,  wohl  von  Hamilton  (Lectures  on  logic,  Bd.  2,  2.  Aufl. 
1866,  Lect.  24,  S.  18)  vorgeschlagene  Ausdruck  „seesaw"  (eigentlich  bin- 
und  heraiehen). 

Überblicke  man  die  Gesamtheit  aller  wissenacbafllichen  Definitionen, 
so  li«t  auf  der  Band,  daß  der  explanatorischen  Leistung  des  Definierens 
Grenzen  gezogen  sind.  ,  Indem  jede  Definition  zur  Explanation  eines  Be- 
gnBes  eine  Uebrzahl  von  Begritfen  (wenigstens  z«ei)  beranztebl,  deren  jeder 
wiederum  nur  mit  Hilfe  mehrerer  Begriffe  exptanalorisch  definiert  werden 
kann,  droht  dem  ganzen  Verfahren  ein  RegreB  ins  Unendliche.  Tatsächlich 
vermeiden  wir  diesen,  indem  wir  die  explanatorischen  Definitionen  abbrechen, 
sobald  wir  zu  BegriBen  gdangt  sind,  die  wi*  a!a  hinreichend  bekannt  voraus- 
setzen zu  können  glauben  oder  die  unzerlegbar  (einfach)  sind.  Das  Ideal 
einer  «xplanalorischen  Deflnitionsreihe  wäre  offenbar  nur  im  letztgenannten 
FaUe  erfOUt,  und  gerade  dieser  Fall  läBt  sich  nur  ganz  ansnatunsweise  ver- 
wirklichen. 

c)  Inordination. 

Die  Inordination  eines  BegriBes,  d.  h.  seine  „Einordnung"  in  ein 
System  super-,  sub-  und  koordinierter  Begriffe  —  in  ein  W-Syslem  oder  eine 
W-Skala,  wie  wir  im  Hinblick  auf  S.  507  ff.  kurz  sagen  können  —  ist  durch 
die  Definition  insofern  bereits  vorbewitet,  als  im  Genus  prozimum  (vgl.  S.  SlO) 
wenigstens  der  nächst  höhere  superordinierte  Begriff  gegeben  ist.  Zu  der 
vollständigen  Inordination  geb&rt  nun  weiterhin  toi  allem  die  Angabe  aller 
bChercn  a  n  p  e  r  ordinierten  Begriffe.  In  den  sYstematiscben  Naturwissen- 
schaften, namentlich  in  der  Zoologie  und  Botanik,  ist  dieser  Forderung  schon 
heute  in  weitem  Umfang  Genüge  geleistet  Die  Logik  hat  mit  Bezog  auf  die 
Aufstellung  solcher  Skalen  nur  auf  zweierlei  aufmerksam  zu  macbm.  Erstens 
ist  zu  beachten,  daB  die  meisten  G^enst&nde  in  viele  Skalen  eingeordnet 
werden  können.  Dies  entspricht  der  Tatsache,  daS  für  ein  und  denselben 
Gegenstand  in  der  Beeel  mehrere,  oft  sehr  viele  Definitionen  müglich  sind. 
So  wird  beispielsweise  der  Chemiker,  der  Hmeralog  usf.  das  Kupfer  in  sehr 
vetschiedena  Skalen  einordnen.  Zweitens  aber  ist  daran  zu  erinnern,  daB 
in  jede  Skala  noch  Zwischengaltungen  eingefügt  werden  k6nnen  (vgl. 
S.  fi08,  Anm.  3,  511  a  527).  Wenn  trotzdem  die  einzelne  Wissenschaft  für 
«inen  Gegenstand  in  der  Regel  einen  superordinierten  Begriff  und  eine 


>)  Wolfl  hält  übrigens  Tautologie  und  Diallele  nicht  scharf  auseinander. 
ieh*D,  Lshibgdi  der  Logik.  38 

„.,,„,  ^.oogic 


594      ^^-  ''•'l-    ^«  «meinen  loiächMi  Grt)ilde  und  ihre  Geeeto. 

5k&la  superordinierler  BeeriDe*)  bevorzugt  und  in  der  Auistellun«  von 
Zwischenealtungen  sich  Beschr&nkung  auferlegt,  so  hftnst  dies  mit  dun  fe- 
itamlea  Forachungsziel  der  einzelnen  Wissenschaften  zusammen.  V^  auch 
die  unten  folgenden  Bemerkungen  über  „natürliche"  Systeme. 

Die  Behauptung,  daQ  immer  oder  wenigstens  meistens  ausschliefitich 
e  I  n  bestimmter  Qbergeoidneter  Begriff  in  Betracht  komme  —  etwa  weil  er, 
wie  Lotse')  meint,  „die  gesetzgebende  Regel  far  die  Bitdung  einer  Anzahl 
von  Einzelnen"  enthalten  soll  — ,  ist  für  sehr  viele  Fitle  unzutreflend.  Un- 
zählige Allgemeinbegriffe  enthalten  von  einer  solchen  „gesetzgebenden 
Regel"  aberhaupl  nichts,  wie  ein  Blick  in  die  >iystema tische  Zoologie. 
Botanik  usf.  lehrt. 

An  die  Aufstellmig  der  ftbeigeoiijaeten  Gattungen  muB  sich  die  Auf- 
stellung der  koordinierten  Gattungen  bzw.  der  koordinierten  Arten  btw. 
eventuell  auch  der  koordinierten  Individuen  anschließen.  Handelt  es  »cb 
z.  B.  um  die  Fehden  (kalzenartige  Tiere),  so  genOgt  es  nicht,  die  superordi- 
nierten Gattungen  *),  also  etwa  EamiToien,  Säugetiere,  Wirbeltiere.  Tierr 
anzugeben,  sondern  es  mtlssen  auch  die  koordinierten  Gattungen  ■),  also 
Kaniden,  Ursiden  usw.  namhalt  gemocht  werden.  Handelt  es  sich  um  ein 
Individuum,  z.  B.  den  Planeten  Mars,  so  kann  selbst  die  Aufzählung  der 
koordinierten  Individuen,  also  im  get^&hlten  Beispiel  diejenige  der 
übrigen  Planeten  unseres  SonnenRi'stem':.  im  wissenschaftlichen  Inleressf 
liegen. 

Diese  Aufstellung  der  koordinierten  Begriffe  läßt  sich  von  der  an  erster 
^^telle  besprochenen  Aufstellung  des  superordinierien  Begriffs  gar  nicbl 
trennen.  Die  Wahl  des  letzleren  fOr  einen  Begriff  A  hängt  in  der  Bege^ 
davon  ab,  welche  anderen  Begriffe  —  B,  C  usf.  —  ich  mit  A  zu  einem 
superardinierten  Begriff  zusammmfassen,  d.  h.  mit  A  koordinieren  will 
Dabei  werde  ich  in  der  Regel  solche  Begriffe  B,  C  usf.  auswählen,  die  mit  A 
in  möglichst  vielen,  wesentlichen  Merkmalen  ütjereinstiirunen.  al^o  nicht 
z.  B.  Neger,  Kohle  und  Nacht  unter  dem  übergeordneten  Begrifl  „schwar^r 
Dinge"  koordinieren  '").  über  die  hier  in  Betracht  kommende  Wesentlichkeit 
siehe  unten  S.  596. 

Endlich  kommt  sehr  oft  die  Angabe  der  s  u  b  ordinierten  Gattunien 
bzK.  Arten  bzw.  Individuen  in  Frage.  Diese  Aufgabe  der  Inordination  kann 
auch  ganz  allgemein  als  Division  (Einteilung)  bezeichnet  werden 
Stellt  man  sich  vor,  daß  die  höchste  Gattung  gegeben  ist  und  als  Ausgangs- 
punkt genommen  wird,  so  kann  man  geradezu  die  gesamte  Inordination  unter 
i^em  Gesichtspunkt  der  Division  zusammenfassen  und  auch  als  Elassi- 
fikation  ttezeiclmen.  Der  Begriff,  der  eingeteilt  vdrd,  wird  auch  Divisum 
(oder  Dividendum)  genannt;  die  Glieder,  in  die  er  eingeteilt  wird,  nannte 
man  früher  unzweckmäßig  ,,membra  dividenlia"  (besser  membra  divisioms 
oder  roembra  divisii.     Das  Merkmal,  dessen  Verschiedenheit  zur  Einteilun» 

')  Oft  übrigens,  wie  z.  B.  die  Psychiatne  zeigt,  zum  Nachteil  der 
Forschung. 

T)  Logik,  Leipzig  187*,  S.  150. 

*)  Von  ..Gattung"  ist  hier  ira  logischen  Sinn  die  Rede,  der  Zooloc 
spricht  von  Ordnung,  Klasse,  Typus. 

*)  Nach  der  zoologischen  Terminologie  in  dem  angefahrten  Beispiel  di* 
koordinierten  „FamiUen". 

"»)  Vgl.  I«ize  1.  c..  S.  IfiO. 


jM,Googl,c 


1.  Kapitel    Die  Lehre  von  den  BegriEfen.  595 

verwmdet  wird,  heiBt  1  imdamentum  divisionis  (Einteüimgsgrund).  Mebreie 
Einteilongen  desselben  Diviaum  (auf  Grund  verschiedener  Fundaments  divi- 
sionis) heiOen  Sondivisionen.  Mit  der  Division  darf  die  Partition  nicht 
verwechselt  werden;  diese  besteht  in  der  Zerleeung  eineä  B^hfts  bzw.  Be- 
grlHsgegenstandes  in  seine  Teile  (Hnkmale),  wahrend  die  Division  in  der 
Zerlegung  in  seine  Gbeder  (S.  396)  besteht 

Die  Division  kann  zwei  Wese  einschlagen.  Entweder  berttt^sichtigt 
sie  nur  die  emiiiriscb  vodlegende  ,3elegunE"  (vgl  S.  ü&BU.,  namentlich  auch 
S.  369,  Anm,  1+},  d,  h.  nur  die  tatsächlich  brannten  ^empirisch  festgestellten) 
subordinierten  Individuen  bzw.  Arten  bzw.  niederen  Gattungen  >*),  oder  be~ 
rdcksichligt  sie  den  vollen  Umfang  des  einzuteilenden  Begriffes,  d.  h.  alle 
äbeiliaupt  denkbaren  subordinierten  Individuen  bzw.  Arten  bzw.  niederen 
Galtongen.  Die  sTstematiacben  Naturwissenschaften  bevorzugen  den 
eisteien  Weg '^.  Sie  unlerschaden  also  z.  B.  innerhalb  der  Viirtieltiere 
nnr  w  viele  Klassen,  als  wirklich  durch  die  Erfahrung  belegt  sind,  verzichten 
■Iso  auf  logische  Vollständigkeit  und  behalten  sich  vor,  bei  Eingang  weiterer 
Beobachtungen  (z.  B.  Entdeckung  neuer  Fossiliaa)  nach  Bedürfnis  neue 
Dasaen  hinzuzulOgen.  Der  zweite  Weg  wird  in  besonders  konsequenter  und 
klarer  Weise  von  der  Hatbematik  eingeschlagen  1  die  Einteilung  der  ebenen 
Draeck«  in  rechtwinklige,  spitzwinklige  und  stumpfwinklige,  die  Einteilung 
der  Kurven  zweiter  Ordnung  in  Ellipsen,  Hyperbeln,  Pai^ln  und  Linien- 
P««o  (A^  0,  a„=  —  a„a„  <  0;  A^  0,  a,,"  -  aj,a„  >  0;  A^  (>, 
^1^  —  ^,»n  =  0;  A  ^^  0)  usf.  ist  logisch  erschöpfend.  Es  empfiehlt  sich, 
die  beiden  Diviaionsverfahren  auch  terminologisch  zu  unterscheiden.  Die 
nur  die  (empirische)  Belegung  tjerflcksicbtigende  Division  soll  „empi- 
rische" Division,  die  den  gesamten  (li«ischen)  Umfang  berflck^h- 
tigende  Division  im  prägnanten  Sinn  „logische"  Division  beitten. 

Bei  der  empirischen  Divixion  kommt  es  vor  allem  darauf  an, 
dafi  die  subordinierten  Gattungen '')  so  gebildet  werden,  daß  sie  sich  durch 
mftglichst  viele  wesentliche,  irreduzible  Merkmale  unter- 
schäden  '*).  Einteilungssysleme,  welche  dieser  Forderung  Genüge  leisten, 
werden  als  natürliche  bezeichnet.  Einleilungs^steme  hingegen,  welche 
lediglich  eine  Übersicht  zu  geben  und  die  Bestimmung  zu  erleichtern 
bezwecken.  heiBen  k  tl  n  s  1 1  i  c  h  e.  Das  Linn£sche  Einteilungssvstem  der 
Pflanzen  war  in  vielen  Beziehungen  künstlich,  das  jetzt  abliebe,  durch  die 
beiden  de  Jussieu,  de  Candolles  u.  a.  allmählich  begründete,  kann  als  natür- 
lich bezeichnet  werden.    Dabei  ist  nicht  ausgeschlossen,  daB  die  natürlichen 


11)  Belegung  im  weiteren  Sinn,  vgl.  S.  ■iöi>. 

>3)  Bei  der  Linntechen  Einteilung  der  Pflanzen  wird  der  erste  Weg 
mit  dem  zweiten  verbunden. 

")  Gattungen  wieder  im  logischen  Sinn,  also  Typen,  Klassen,  Ord- 
nungen usf. 

11)  Dabei  beachte  man,  daB  jede  Einteilung  eines  Begriffs  A.  welche 
sich  auf  die  Verschiedenheiten  eines  Meriunals  gründet,  damit  eine  Einteilung 
dieses  Merkmals  voraussetzt.  Vgl.  hierzu  Herbart,  LebA.  z.  Eial.  in  die 
PhikM-,  g  43  (  Sämll.  Werke,  Hartensteinsche  Auag..  Leipzig  18fi(^  Bd.  1, 
S-  960.). 


1,1^.001 


'S'c 


596       IV-  l*^    '^^  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihn  Gesetze. 

Systeme  Debeober  «icb  dem  praktischen  BedOiinis  nach  Obeisicht  Rech- 
DUO!  tnsen  **). 

Soweit  es  sich  um  dÜ  KluaiGkation  der  oiganischeD  Wesen  handelt, 
wefdeo  von  den  nalOrlicheii  Systemen  vor  allem  auch  die  phyloreae- 
tischen  Vern andtachaftsbeziehungen,  wie  sie  sich  auch  in  der  onlogene- 
tischen  Entwicklung  wideispiegeln,  berückachtiet  Es  steht  dies  mit  der 
soeben  gesehenen  Definition  der  natOiUchen  Einteilungen  durchaus  im  Ein- 
klang, da  phylogenetisch  nahestehende  Gattungen  stets  in  besonders  vielen 
wesentlichen,  irreduzibjen  Herimalen  flbereinstimmen. 

Die  Entscheidung,  welche  Merkmale  als  „wesentlich"  anzusehen  sind, 
ist  allerdings  oft  sehr  schwierig  (vgl.  oben  S.  566).  Vom  Standpunkt  der 
SV  siemalischen  Botanik  und  Zoologie  wird  man  im  allgemeinen  diejenigoi 
Uerkmale  als  wesentlich  zu  liezeichnen  haben,  welche  nicht  nur  irrednzibel, 
sondern  auch  für  die  allgemeinsten  biologischen  Funktionen  besonders 
wichtig  sind  (im  Bereich  der  Zoologie  z.  B.  Sexualorgane,  EDtwicklnof, 
Plazenta,  Eihäute,  Skelett,  Blut,  Herz  u^.).  ErfahrungsgemäB  sind  dies 
eben  auch  diejenigen  MerkmaJe,  in  deren  Obereinstimmung  die  phylogene- 
tische Verwandtschaft  ganz  besonders  deutlich  hervortritt  (Homologien  t). 
Demgegenüber  sind  diejenigen  Herkmale,  welche  auf  relativ  neuen  Ao- 
passungen  **)  an  bestinunte  Lebensbedingungen  ^Leben  im  Wasser,  fest- 
sitzende Lebensweise  usf.)  beruhen,  trotz  ott  sehr  erheblicher  diagnostischer 
Bedeutung  fOr  die  Klassifikation  unwesentlich  (Konvergenzmerkmale,  Ana- 
logien 1);  hierher  gehören  z.  B.  viele  Komponenten  der  ftuBerea  KörperfoniL 
der  Tiere  (Fischform  der  Wale  *'),  die  Farbe  der  Blumenblätter  der  Phanem- 


''^)  Vgl.  z.  B.  die  Ausfuhrungen  R.  v.  Wettsteins,  Handbuch  der  syste- 
matischen  Botanik,  S.  Aufl.  Leipzig-Wien  1911,  und  GrundzOge  der  geogr.- 
morphol.  Methode  der  Pfianzensystematik,  Jena  1898,  S.  li  u.  23;  femer 
A.  Engler,  SvUabus  der  Pflanzenfamilien,  G.  Aufl.  Bertin  190»,  Gr.  Auag. 
S.  VIT;  Ludw.  Radlkofer,  Über  die  Methoden  in  d.  boUn.  Systematik,  ins- 
besondere die  anatomische  Methode,  Festrede,  München  18SA.  namenlL 
S.  &8B.;  J.  Wiesner  u.  C.  Frisach,  Organographie  u.  Systematik,  3.  AufL 
1909;  B.  KOmer,  Wundts  Fhüos.  Stud.  1866,  Bd.  2,  S.  lU  mit  weiterer 
Literatur.  Die  Cbarakterislik  der  natürlichen  Gattung,  die  Wbewell  in  sein^ 
Fhilosophy  of  the  inductive  sciences  gegetwn  hat  (London  1840,  Bd.  1, 
S.  476  ff.)  bewegt  sich  in  einem  Zirkel.  Sein  Satz,  daB  natürliche  Gruppen 
nicht  durch  Definilioo,  sondern  durch  „Typen"  gegeben  werden,  z.  B.  dur^ 
eine  Art,  in  det  der  Charakter  der  Gattung  besonders  dcutlidi  ausgepr&st 
ist,  setzt  voraus,  daB  wir  die  Gattung  schon  kennen. 

^*)  Man  darf  nicht  etwa,  wie  dies  gelegenflich  geschieht,  scfale^thin 
alle  Anpassunesmerkmale  als  unwesentlidi  bezeichnen.  Wenn  die  systema- 
tische Zoologie  heute  die  Wate  zu  einer  besonderen  Ordnung  der  Siugetiere 
macht  und  sogar  oft  mit  den  Sirenen  zusammenfaßt,  so  betrachtet  sie  offen- 
bar die  von  der  Anrassung  an  das  Wasserlct>en  herrührenden  Merkmale 
nicht  als  unwesentlich.  Dabei  bleibt  freilich  abzuwarten,  ob  die  Zoologie 
fvokhe  Divisionen  nicht  schließlich  doch  preisgibt,  soweit  es  sich  um  Be- 
m-ündung  einer  wissenschaftlichen  Klassifikation  bandelt  FOr 
didaktische  Zwecke  wird  eine  rein  phylogenetische  Einteilnog  sich 
schwerlich  empfehlen  (vgl.  H.  E.  Ztegler,  VertL  4  D.  zoolog.  Ges.  190*). 

")  Es  ist  sehr  charakteristisch,  daß  Aristotdes  bei  seiner  relativ  nalQr- 
liehen  Einteilung  die  Wale  richtig  zu  den  Säugetieren  stellte,  während  n» 

h.  !■,  II,  l^.OOQIC 


1.  KapUeL    Die  Lehie  von  den  Begiilfen.  597 

«Bnwn  usf.  Oft  gibt  sich  die  UDneseDtlichkeit  eine»  Uericauüs  auch  duin 
Inutd,  daS  es  ganz  isoliert,  d.  h.  ohne  eleicbzeilige  VerAndening  anderer 
Omameikmale,  von  Individuum  zu  Individuum  variiert. 

I<otze  (Loeik,  Leipzig  1874,  S,  147  ff.)  betrachtet  als  das  wesentUclie 
Merkmal  der  natürlichen  Klassifikation  geeenOber  der  „kombinatorischen 
«der  kanstlichen",  dafi  iene  „die  gegenseitige  Determination"  der  Merkmale 
berOcksicbtigt,  die  in  der  kansUicbeii  „nur  nebenbei"  Beachtung  findet.  Nun 
b(  ea  ja  allerdings  richtig,  d&B  manche  Merkmale  „einen  bestimmenden  Ein- 
fluB  auf  Gegenwart,  Abwesenheit  oder  Modifikation  anderer  ausObon",  und 
dafi  diese  anderen,  weil,  sie  eben  auf  die  ersteren  reduziert  werden  köimen. 
im  allgemeinen  als  unwesentlich  bedachtet  werden  mOssen.  Indessen  ist 
die  Zahl  der  eisteren  —  nicht- reduziblen  —  Merionaie  noch  immer  so  groS, 
daS  wir  gezwungen  sind,  eine  engere  Auswahl  unter  ihnen  m  treSen.  Die 
Schwierigkeit  ist  also  keineswegs  beseitigt.  Es  ist  auch  keineswegs  etwa 
itulftssig,  die  Wesentlichkeit  eines  MeAmals  schlechthin  an  der  Zahl  der  von 
ihm  bestimmten  Merkmale  zu  messen. 

Einen  bemeikenswertcn  Speziallail  einer  nalüriichen  empirischen 
Division  bietet  die  Pathologie.  Es  ist  bekannt,  dafi  einzelne  Disziplinen  der 
letzteren,  z.  B.  die  Dermatologie  und  die  Psychiatrie,  sich  bis  heute  noch 
nicht  einmal  über  die  Grundeinteilung  der  zugehörigen  Krankheiten  einigen 
konnten.  Zum  Ersatz  für  das  phTlogenetsiche  Hilfsprinzip,  welches  ia  der 
Botanik  und  Zoologie  die  Lösung  vieler  Einteilungslragen  ermöglicht  hat, 
hat  man  hier  oft  das  ätiologische  Prinzip  herangezogen,  dabei  aber 
meistens  die  Tatsachen  insofern  vergewaltigt,  als  die  einzelne  Kianicheit  im 
einzelnen  Fall  sehr  oft  auf  mehrere  Ursachen  zurOckzuführen  ist  (z.  B.  eine 
«ogene  und  eine  endogene  Ursache).  Auch  Qberaah  man,  daB  ein  und  die- 
selbe Wirkung  (nftmlich  die  Krankheit)  ganz  allgemein  aus  verschiedenen 
Ursaebenkonwlexen  hervorgehen  kann.  SchlieBlich  ist  es  dann  dahin  ge- 
kommen, daB  in  manchen  dieser  angeUich  natürlichen  Einfeilungssysteme 
Ätiologisch  definierte  Gruppen  koordiniert  mit  aymplomalisch  bzw.  nach  dem 
Verlauf  definierten  Gruppen  aufgestellt  wurden  und  damit  die  größte  Ver- 
wirrung gestiftet  wurde  "). 

Eine  besondere  Schwierigkeit  erwichst  für  die  empirische  Division, 
wenn  es  sich  um  stelige  Gebilde  handelt'*).  Kant  (Krit.  d.  rein.  Vem., 
ed.  Eidmann,  b.  Aufl.,  S.  496)  ")  stellte  sogar  als  Grundsatz  auf:  erstens,  dafi 
es  ,4ucbt  verschiedene  ursprOiigUche  und  erst»  Gattungen  gibt  . . .",  und 
zweitens.  daS  zwischen  je  zwei  Arten  immer  noch  Zwischenarten  möglich 
sind  (datur  continuum  formarum,  AfSnit&t  der  Begriffe).  Ob  eine  solche 
durchgängige  Stetigkeit  der  Arten  im  Gegebenen  in  irgendeinem  Sinne 
besteht,  oder  ob  die  Lücken  des  Gegebenen  von  unserem  Denken  im  Sinn 
einer  solchen  Stetigkeit  ausgefollt  werden,  entscheidet  die  Erkenntnistheorie. 
Hier  kommt  nur  in  Betracht,  daB  zahlreiche  solche  stetige  Gebilde  existieren, 
und  damit  erhebt  sich  die  Frage,  wie  in  solchen  Fallen  eine  Division  möglich 

der  Altere  Plinius  in  seinem  ganz  äuBerlichen,  kOnstlJchen  System  mit  den 
Fischen  u.  a.  zu  den  Wassertieren  rechnete. 

'*)  Vgl.  Ziehen,  Neural.  Zentralbl.  I&IO,  Nr.  SO,  S.  11S6. 

1*)  Vgl.  hierzu  namentlich  B.  Erdroann,  Pbilos.  Monaldielte  ISW, 
Bd.  80,  S.  15. 

*°)  Die  Kehrbachache  2.  Auflage  S.  &U  bat  eine  ganz  falsche  Inter- 
punktion. 


OgIC 


598       '^-  Teil.    Die  eipzeinen  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

ist.  Häufis  behelfen  wir  uns  mit  niUkQrticbeD  Teüungspuskten,  lOr  deren 
Auswahl  irgendwelche  Zweckm&Bigkeit  m&Bgebend  ist  (alte  Härteskala  der 
Mineralogen).  Wissenschaftlicber  wird  dos  Verfahren,  nena  wir  ein  BildungS' 
Prinzip  für  die  stetige  Reihe  ermitteln  (vgl.  S.  &77)  und  aus  diesem  bin  ein- 
heitliches Ma&  herleiten  (die  absoluten  MaBsysleme  der  Physiker,  z.  B.  ab- 
solute Härte  nach  Halz);  wir  können  dann  z.  ß.  die  natOrlichc  Gliederune 
der  Zahlenreihe  ohne  jede  Willkür  auf  die  stetige  Reihe  Obertmgen.  Die 
Stetigkeit  der  Zahlenreibe  entspricht  dann-  der  Stetigkeit  6&i  einzuteil^ideii 
Reihe,  und  die  Gliederung  der  Zahlenreihe  (Stuten  der  ganzen  Zahlen  ud-) 
liefert  die  Division.  Ein  anderes  Auskunltamittel  ist  uns  oft  darin  Eesä>eii. 
dafi  viele  stetige  Reihen,  unbeschadet  ihrer  Steilheit,  doch  fest«  Punkte 
(Wendepunkte  usf.)  zeigen;  man  denke  beispiebweise  an  die  Division  der 
stetigen  Mannigfaltigkeit  der  Kurven  zweiten  Grades  mit  Hilfe  bestimmter 
Werte  der  Diskrirainante,  wie  sie  S.  CfiCt  schon  beispielsweise  ansehlhrt 
wurde  (s.  auch  unten),  usf.  Imnterhin  bleiben  noch  manche  stetige  Gduelt 
ilhrig,  für  welche  alle  diese  Mittel  veraasen  (EinleilunE  der  Affekte,  der  Ge- 
steine usf.).  Wir  sind  dann  gezwungen,  vorlaufig  ganz  äuBerliche  Momente 
zur  Einteilung  zu  verwerten,  z.  B.  Häufigkeit  (Gruppierung  der  Gesteine  um 
t)e9ander3  häufige  Mischungstypen)  oder  Ort  des  Vorkommens  usf. 

Bei  der  logischen  Division  s.  stf.  (vgl  S.  666),  die  vielfach 
auch  Division  schlechthin  genannt  wird,  wird  die  für  sie  charakteristisebe 
enchopfende  Vollständigkeit  im  einfachsten  Fall  durch  fortgesetzte  logisch* 
Dichotomie  erreicht,  d.  h.  durch  die  fortgesetzte  Einleiluoc  in  zwei 
kontrapositorische  Gruppen,  d.  h.  zwei  Gruppen,  die  in  der  Beziehung  der 
partiellen  Negation  stehen  (vgl.  S.  644  f.].  So  kann  man  z.  B.  die  Kurven 
zweiter  Ordnung  in  zerfallende  und  nicht- zerfallende  einteilen  und  dann 
weiterhin  die  nicht  zerfallenden  in  im  Endlichen  geschlossene  und  im  End- 
licben  nicht  geschlossene  usf.  Sehr  oft  können  wir  jedoch  auch,  ohne  die 
erschöpfende  Vollständigkeit  zu  gefährden,  l  r  i  c  h  o  tomisch  einteilen.  Sa 
wurde  oben  bereits  angedeutet,  daß  wir_  dieselben  Kurven  zweiter  Oittonng, 
soweit  sie  nicht  in  Linienpaarc  zerfallen,  in  drei  Gruppen  einteüeo,  je 
nachdem  &,.=  —  a,  a^^  gleich  Null  oder  größer  als  Null  oder  kleiner  als  Null 
ist.  Wir  höben  eine  anschauliche,  wie  man  gewöhnlich  sagt,  aprioriscbe 
GewiBheit,  daB  eine  vierte  Möglichkeit  nicht  gegeben  ist ").  Es  ist  selbst- 
verständlich logisch  angängig,  jede  solche  Trichotomie  auf  eine  wiederholte 
Didiotomie  zurückzuführen,  indes  entspricht  eine  solche  Zurücifühning 
keineswegs  stets  dem  natürlichen  Denken. 

Sehr  bemerkenswert  ist  die  Tatsache,  daß  wir  durch  solche  logische 
Diebo-  und  Tricbotomian  (event  Folytomieo)  *^  zuweilen  Eu  UateigattuDgeii 
gelangen,  die  nicht  nur  nicht  empirisch  belegt  sind,  sondern  sogar  direkt  vop 
unsrer  Erfahrung  ausgeschlossen  erscheinen.  So  hat  z.  B.  die  snairtische 
Geometrie  für  die  homogene  Oleichung  eines  Linie  npaars ")  die  Fonnet 
Ax>  -(-26x7  +  Ct>=sO  aufgestellt  and  drei  Fälle  logisch-tricbotomiscb  unter- 
schieden, je  nachdem  B»  — AC>0  oder  =  0  oder  <  0.     Ist  B»— AC>0, 


")  Wenigstens  nicht  für  reelle  KoeffizienteiL  —  Die  Untersuchung  dieser 
„(lewKheit"  fällt  der  Erkenntnistheorie  zu. 

=')  Für  logische  Tetratomien  ist  Schleiermacher  eingetreten  (Dialektik, 
Berhn  1839.  §  290.  S.  2«  f(.). 

")  Zur  Vereinfachung  ist   ein   Linienpaar  durch   den  Nullpunkt  an- 


1.  Kapitel.    Die  Lehro  von  den  Begriffen.    -  599 

^90  jxmitiv,  so  cQtspricht  die  Gleichung  zwei  reellen  (empiiiach  belegten  oder 
belegbaren)  Oeiaden.  Ist  B^  — AC=0,  so  entspricht  ai«  zwei  zusaromen- 
faUenden  reellen  Geraden  ;e  i  n  e  r  Geraden  nach  der  gewöhnlichen  Aus- 
ilruckaweise).  Ist  endlich  B^  —  AC<0,  also  negativ,  so  entspricht  sie  einem 
Paar  konjugiert  imaginärer,  also  empirisch  überhaupt  nicht  belegborer 
Geraden.  In  diesem  letzten  Fall  fflhrt  also  die  bgiscbe  Division  lu  einem 
tiberschreiten  der  Erfahrung,  dessen  Untersuchung  eines  der  interessantesten 
Pn^leme  der  Erkenntnistheorie  ist.  Andrerseits  ergeben  sich  sehr  oft  bei 
der  logischen  Division  auch  Gruppen,  zu  welchen  auf  anderem  Weg  auch 
die  natflrlicbe  Division  gelangt  ist.  so  z.  B.  bei  den  Einteilung  der  liere  in 
Wirbellose  und  Wirbeltiere  oder  bei  der  Einteilung  der  Tiere  in  Einzellige 
(I^tozoen)  und  Vielzellige  (Uetazoen)  und  bei  der  Einteilung  der  Wiri>el- 
tiere  in  Amnioten  und  Anamnier. 

Diejenigen  älteren  spekulativen  philosophischen  Systeme,  welche  allem 
(iegebenen  in  monistischem  Sinn  eine  hypothetische  Einheit  zugrunde  legten 
und  aus  dieser  das  Gegebene  deduktiv  ableiten  wollten,  waren  genötigt,  durch 
logiBcbe  Divisionen  von  jener  Einheit  einen  Weg  zu  der  Mannigfaltigkeit  der 
gegebenen  Gattungen.  Arten  und  Individuen  zu  suchen.  Streng  genommen 
durfte  dabei  nicht  einmal  für  die  Aufstellung  des  positiven  Gliedes  der  ein- 
zelnen logischen  picbotomie  die  Erfahrung  zu  Rate  gezogen  werden.  Die 
(ieschicbte  der  Philosophie  lehrt,  daS  alle  diese  Versuche  von  Fichte  (ich 
und  Nicht-Ich),  Schelling  und  manchen  anderen  gescheitert  sind. 

Mit  der  Frage  nach  der  Technik  der  Division  verkndpft  sich  die  weilet« 
Frage  nach  einer  zweckmäBigen  Bezeich  nungsmcthodu  lür  die 
sVsteraatisch  eingeteilten  Begriffe.  Linnä  hat  die  sog.  binäre  Nomenklatur 
eingeführt  (Beispiel;  Rosa  canina):  das  Sut>stantivum  gibt  das  Genus  proxi- 
mum,  das  Adjektivum  die  Differentia  specifica  an.  Die  höheren  Gattungs- 
stnten  bleiben  unausgedrOckt.  In  manchen  Fällen  ist  eine  Ersetzung  der 
Wfirter  durch  Buchstaben  und  Zahlen  vorzuziehen.  Man  gewinnt  damit  zu- 
gleich auch  die  Möglichkeit,  die  Skala  der  höheren  Gattungsbegriffe  voll- 
stindig  zum  Ausdruck  zu  bringen  (z.  B.  Ac  JIl).  Jedenfalls  sollten  solche 
Temüni  einheitlich  festgesetzt  werden,  sobald  die  Division  cndgaltig  test- 
gestellt ist.  Die  Schwierigkeiten,  welche  sich  daraus  ergeben,  daS  für  manche 
Arten  usf.  mehrere  Termini  existieren,  kOnnen  nur  von  P'all  zu  F^ll  geregelt 
werden.  Das  sog.  Prioritätsgesetz  darf  nicht  allein  maBgebend  sein  (vgl. 
H.  E.  Ziegler,  Zool.  Anz.  1911,  Bd.  38.  S.  368  u.  Zool.  Annalen  1913,  Bd.  r>. 
S.  266). 

Historische  Bemerkungen.  Die  Lehre  von  der  Division 
iJuUfttK)  gehl  bis  auf  Plato  (vgl.  z.  B,  Fhaedrus  265/6)  zurück.  Bei 
Aristoteles  spielt  die  iuU^CK  {iuufüf  und  AiaetTa»at,  gleichbedeutend) 
eine  Hauptrolle,  ohne  daB  ihre  Theorie  systematisch  weiter  entwickelt  würde 
[vgl.  uamentl.  ^Uad.  Ausg.  96  ff.,  14311.,  Mabfl.).  Die  Stoiker  {vgl.  Diogenes 
Laert.,  De  dar.  philos.  vit.  VII,  61,  ed.  Cobet,  Paris  1878,  S.  172)  unter- 
schieden als  iit'Ttiiaie4ai(  diejenige  Division,  deren  Glieder  in  konlra- 
positorischem  Verh&ltnis  stehen  (a«r'  ano^atw,  logische  Division  im 
prlgnanten  Sinn,  s.  oben  S.  595).  Die  fortgesetzte  Einteilung  wurde  als 
amoAml^ie  (Subdivision)  bezeichnet.  Obrigens  scheint  es,  dafi  der  Ter- 
minus itai^K  oft  auch  in  viel  weiterent  Sinne  für  jede  Teilung  hzw, 
Einteilung  (nicht  nur  die  Zerlegung  einer  Gattung  in  subordinierte  Gatlungeii 
bzw.  Arten  bzw.  Individuen)  gebraucht  wurde,  vgl.  Sextus  Empiricus,  Fyrrli. 
HTPotTP.  n,  213,  ed.  Bekker  S.   107  (Beziehung  auf  stoische  Lehren  sehr 


OgIC 


QQQ       IV.  Teil.    Die  einzelnen  losiachen  Gebilde  und  ihn  Gesetze. 

^¥ah^sdleinlich).  Als  fUfMfäs  scheint  man  im  Gegensatz  zur  Eioteilung  in 
subordinierte  Gatlungea  usw.  vorzuKaweise  die  Teilung  eines  Ganzen  in  seine 
Teile  bezeichnet  zu  haben,  doch  ist  die  Bedeutung  dieses  Tenninus  bei  den 
Stoikern  noch  nicht  ganz  aufgeU&rt.  Die  römischea  Logiker  Qberaetzten 
AAEpfoif  im  Sinn  der  Zerlegung  in  subordinierte  Gattungen  mit  „divisio", 
wfthrend  sie  for  die  Teilung  eines  Ganzen  in  Teile  den  Tenmtius  „partitia" 
brauchten.  Die  niittelalteriiche  Logik  hat  die  Lehre  von  der  divisio  in  theo- 
retischer Beziehung  nur  wenig  gefördert.  Eine  nicht  ganz  klan  Darsteliuitt 
der  Division  gibt  Thomas  v.  Aquino  (Sununa  theo).  U,  1,  Qu.  35,  Art.  8, 
17.  Aufl.  Parts,  Bd.  3,  S.  6M).  —  Die  neuere  Philosophie  hat  in  der  Regel 
gleichfalls  nur  die  logische  DiTiaion  a.  stf.  gelten  lassen  und  die  emiansche 
Division  trotz  ihrer  ausgebreiteten  Venvendung  in  vielen  Wlsseoschaflea 
meistens  wenig  beachtet.  Die  Terminologie  der  logischen  Division  in  der 
vor-Santschen  Zeit  findet  man  z.  B.  bei  A.  G.  Baumgarten  (Acroasis  logic«. 
ed.  ToeUner,  2.  Aufl.  Hai.  Magd.  1773.  S.  COS.,  g  192 ff.  mit  deutschen  Ober- 
setzungen der  Termini).  Kant  (Logik  g  110}  definierte  die  logische  Einleiluns 
eines  Begriffes  als  seine  .Bestimmung  in  Ansehung  alles  Möglichen,  was 
unter  ihm  enthalten  ist,  sofern  es  einander  entgegengesetzt,  d.  i.  von  eLoandet 
unterschieden  ist".  Außerdem  glaubte  er  drei  .Jogiscbe  Prinzipien"  aufsteUes 
zu  kennen:  das  Prinzip  der  Homogenit&l  (Gleichartigkeit  des  Hannigfaltigen 
untef  höheren  Gattunfen),  du  Prinzip  der  Spezifikation  (Varietät  des  Gldch- 
arligen  unter  niederen  Arten)  und  das  Prinzip  der  Kontinuität  (kcntinuier- 
licher  Übergang  von  jeder  Art  zu  jeder  anderen  durch  stufenartiges  Wachstum 
der  Verschiedenheit).  Siehe  auch  oben  S.  597.  Chr.  Aug.  Crusius  (Weg  z. 
GewiBheit  u.  Zuverlässigkeit  d.  menschl.  Eriicnntnis,  Lpz.  1747.  §  506  u.  168) 
wollte  Einteilungen  der  logikalischen  und  Einteilungen  der  realen  Oppoäiioa 
untCTBCheiden  **).  Erst  in  der  neuesten  Zeit  haben  Wundt,  Erdmann  u.  a 
auch  die  empirische  Division  eingehender  berücksichtigt.  J.  P.  Durand  (de 
Gros)  hat  in  seinen  Apercus  de  faiinomie  g6n*rale,  Paris  1899*  sogar  eine 
besondere  allgemeine  Ei  nteilungs Wissenschaft  („taxinomie")  zu  entwick^ 
versucht  und  dabei  die  Einteilunsen  der  Natuiwissenschaften  vorzugswnse 
zugrunde  gelegt  Lange  vor  ihm  haben  i.  SL  Uill  (A  System  of  togic,  tat. 
and  induct.,  3.  Aufl.  London  1861,  Bd.  2,'  S.  235  ff.)  und  W.  Whewell  (The 
philosophy  of  the  induclive  sciences,  I,ondon  1840.  Bd.  1,  S.  449  fL.  naownlL 
476)  denselben  Weg  eingeschlagen. 

2.  Kapitel 

Die  Lehre  von  den  Urteilen 

§  108.  Dos  Urteil  im  allKemeiosten  loKisehen  Sinne. 
Allgemeine  loKiscIie  Urtellstlieorten.  In  der  peychologisclien 
Onmdieffung  (t  74,  S.  363  ff.)  ergaben  räcli  für  das  Urteil  im 
psychologisclien  Sinn  folgende  wesentliclie  Merkmale : 

1.  ZQsammensetznng  aus  wenigstens   zwei   Vorstellungen, 

2.  snkzeesiver  Ablauf  dieser  Vorstellnngen,  3.  Verknüpfung 
derselben  durck  die  3  Stammfunktioncn  (ausnahmsweise  nur 


"*)  Vgl.  auch  Bolzano,  WissenschaHsldire,  Sulzbacb  1887,  Bd.  4,  ?■  S53. 


2.  Kapit^    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  gOI 

eine^)  oder  nur  2  Stammfonktionen),  4.  das  Denken  einer  teil- 
weisen  oder  vollständigen  Deckung  der  Individualkoeffl- 
zienten  (vgl.  hierzu  S.  369  ff.)  mit  Hilfe  der  komparativen 
Funktion  (vgL  S.  375). 

Sie  erwiesen  sich  als  ausreichend,  um  das  urteil  einer- 
seits von  der  znsammengesetzten  Vorstellnng  und  andi^r- 
Höits  von  der  disparaten  Ideeaassoziation  zu  unterscheiden. 
Außerdem  zeigte  sich,  daß  das  zweite  Merkmal  dem  urteil 
nur  während  seiner  Bildung  —  gewissermaßen  im  Statu» 
nascendi  —  zukommt;  reproduzieren  wir  ein  früher  gebil- 
detes urteil,  so  kann  der  sukzessive  Ablauf  ganz  zurück- 
ti-eten.  Endlioh  sahen  wir,  daß,  wenn  man  sich  nicht  auf  den 
psychologischen  Tatbestand  beschränkt,  sondern  auch  die 
Beziehung  des  Urteils  zu  seinem  Gegenstand  (dem  be- 
urteilten Tatbestand)  und  die  formal«  Richtigkeit  (Eonkre- 
panz)  der  im  ürteU  voUzogenen  Vorstellungsverknüpfnng 
untersucht,  auch  die  schon  von  Aristoteles  hervorgehobene 
Xägenschaft,  material  bzw.  formal  richtig  oder  falsch  zu  »ein, 
zu  den  wesentlichen  Merkmalen  des  Urteils  im  psycho- 
logischen Sinn  gerechnet  werden  kann  (vgL  S.  363  u.  376). 

Es  fragt  sich  nun  vor  allem,  wie  das  Urteil  im  logi- 
schen Sinn  zu  definieren  oder  zu  charakterisieren  ist,  wie- 
weit also  jene  Merkmale  des  Urteils  im  psychologischen  Sinn 
auf  das  logische  Urteil  übertragen  werden  können  bzw.  wie 
sie  abzuändern  und  zu  ergänzen  sind. 

Was  das  erste  Merkmal  —  die  Zusammensetzung  aus 
Vorstellungen  —  betrifft,  so  ist  selbstverständlich,  daß  im 
logischen  Urteil  an  die  Stelle  von  Vorstellungen  schlechthin 
die  Normalvorstelinngen,  d.  h.  die  Begriffe 
unsrer  Terminologie  treten  (vgl.  S.  435).  Die  Frage,  ob  es 
auch  eingliedrige,  d.  h.  aus  einer  Vorstellung  bzw.  einem 
Begriff  bestehende  und  in  diesem  Sinn  nicht-zusammenge- 
fietzte  Urteile  gibt,  wird  bei  der  Besprechung  der  verschie- 
denen Formen  des  Urteils  in  ^  112  zur  Erörterung  gelangen, 
und  es  wird  sich  dann  ergeben,  daß  die  Eingliedrigkeit  sol- 
cher Urteile  (wie  z.  B.  es  regnet,  pluit,  Gott  ist)  nur  schein- 
bar ist. 

Das  zweite  Merkmal  —  der  Sukzessivverlauf  —  könnte 
bei  oberflächlicher  Betrachtung  mit  dem  Normcharakter  der 

')  Dieser  Orenzlall  liegt  vor,  wenn  skb  die  VeitnQpfuns  auf  den  sub  i 
.aitftfabrten  Punkt  beschrADkl. 


502       '^'  Teil.    Die  einzelnen  loBJKben  Gebild«  und  ihre  Geselic. 

logischen  Gebilde  unverträglich  scheineu,  so  daß  man  viel- 
leicht geneigt  wäre,  es  aus  der  Beihe  der  Merlcmale  des  logi- 
schen Urteile  ganz  zu  streichen.  Eine  sorgfältigere  Über- 
legung lehrt  jedoch,  daS  dies  irrig  wäre.  Der  Normcharakter 
der  logiscbeu  Gebilde  bedeutet  nicht  etwa,  wie  dies  manche 
Logizisti^n  behauptet  haben,  eine  absolute  Zeitlosigkeit, 
sondern  lediglich  eine  Unabhängigkeit  von  den  mit  der  Zeit 
wechselnden  psychologischen  Bedingungen.  Das  logische 
Urteil  ist  ein  Mormalgebilde,  insoweit  ee  konstant  gedachte 
Vorstellungen  („Begriffe")  in  konstanter  Weise  verknöpft 
Ob  diese  Verknüpfung  in  der  Zeit  abläuft  (Sukzessiv- 
charakter hat)  oder  nicht,  ist  eine  Frage,  die  mit  dem  Norm- 
charakter  gar  nichts  zu  tun  hat.  In  der  Tat  lehrt  nun  aueli 
die  Untersuchung  der  logischen  Gebilde,  daß  wir  dniehaos 
nicht  gezwungen  sind,  von  ihr«n  zeitlichen  Ablauf  völlig 
abzusehen.  Wir  können  das  Urteil  als  ein  fertiges  Er- 
gebnis unabhängig  von  seiner  Entstehung  betrachten  (vgl. 
die  Bemerkung  S.  372  über  reproduzierte  Urteile,  ans  der 
sich  ergibt,  dafi  eine  solche  Betrachtung  auch  für  das  psy- 
chologische TTrteil  oft  möglich  und  notwendig  ist),  wir 
können  aber  auch  gerade  die  sukzessive  Entstehung  in  das 
Ange  fassen,  ohne  den  logischen  Standpunkt  aufzugeben'). 
Wie  wir  bei  dem  Schluß  das  Merkmal  der  Sukzession  auch 
auf  logischem  Gebiet  werden  festhalten  können,  so  auch  bei 
dem  Urteil.  Wir  werden  also  sagen,  daß  die  Logik  wie  die 
Psychologie  das  Urteil  bald  als  einen  ablaufenden  Prozeß. 
bald  als  ein  fertiges  Ergebnis  betrachtet.  Ohne  weiteres  ist 
aber  zuzugeben,  daß  die  zeitliche  Beziehung  für  das  logische 
Urteil  nebensächlich  ist 

Ma.n  könnte  auf  den  Gedanken  kommen,  den  zeitlichen  Ablauf  bei  dem 
logischen  lirteil  und  ebenso  bei  dem  logiscben  Schluß  lanz  durch  das  Ver- 
h&Hnia  der  Fundiening  (des  Bedingtseina)  zu  ersetzen  und  nur  in  diesem 
Sinn  7..  B.  dem  Subjekt  eines  Urteils  bzw.  der  Pflmisc  ranes  Schlusses 
eine  „Priorität"  tuiueestehen.  Indes  erstens  ist  daa  FundieranRsrerliUtni» 
doch  nicht  in  allen  F&llen  ein  zulänglicher  Eisalz  (vgL  z.  B.  ein  Urteil  wie: 
hier  steht  ein  Baum,  siebe  auch  S.  370},  und  zweitens  will  doch  ebeo  die 
Tiogik  nach  unsrer  Auffasaune  nicht  wie  die  Gignomenolofie  die  vom  Denken 
unabhängigen  Tatbestande,  sondern  die  Verhältnisse  des  richUsen  Denkens 
der  Tatbestände  feststellen,  und  dieses  richtige  Denken  ist  uns  vielfsdi  als 
sukzessiver  Akt  eeseben.  Die  Logik  darf  also  nicht  einseitig  Urleil  und 
Schluß  nur  als  fertige  Ergebnisse  lietrachtep.  Auch ,  praktisch  wOrda  sie 
skb  bei  einer  solchen  einseiligen  Auffassung  zur  Unfruchtbarkeit  veruileiten. 
Die  Urteilsiehre  wQrde  in  der  Lehre  vom  Begriff  autgehen. 

5)  Andrer  Meinung  ist  Erdmann,  f^gik,  %  .Aufl.,  S.  335. 

h.  !■,  ii,l^.OOglc 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  003 

Das  dritte  Merkmal  —  die  Verknüpfung  durch  die 
Stammfunktlonen  (DifferenzieruogBfanktionen)  —  kommt 
selbstverRtändlicb  auch  dem  Urteil  im  logischen  Sinne  zu. 
Dasselbe  gilt  von  dem  vierten  Merkmal,  der  teilweisen 
oder  vollständigen  Deckung  der  IndividualkoefÖzieuten.  Eb 
muß  nur  hinzugefügt  werden,  daS  Verknüpfung  und  Deckung 
im  Sinn  der  Normal  isiernng  konstant  gedacht  werden. 

Man  beachte  wohl,  daß  die  Individualkoeffizienten  des  Subjeltts,  nicht 
dieienigea  dos  Prädikats  den  Ausgangapunkt  der  Vergleichung  bilden.  Das 
L'rteil  besagt,  daQ  für  ein  Subjekt  mit  gegebenem  Individualko effizienten  ein 
Prädikat  vorhanden  ist  mit  demselben  Individualko effizienten.  Dabei  bleibt 
offen,  daB  dem  Prädikat  zuweilen  auch  noch  andere  Individualkoeffizienten 
zukommen  (vgl.  S.  369).  Im  letzteren  Fall  ist  die  Deckung  nur  partiell. 
So  ist  beispielsweise  in  dem  Urteil  „Kochsalz  ist  Chloxnatihun"  die 
Deckung  vollständig:  «o  und  wann  Kochsalzy  da  und  dort  Chlornatriuro. 
und,  wo  und  wann  Clilomatrium,  da  und  dort  Kochsalz.  Dagegen  ist  in 
dem  Urleil  „die  Forelle  ist  ein  Fisch"  die  Deckung  partiell:  wo  und  wann 
Forelle,  da  und  dort  Fisch,  aber  nicht  umgekehrt:  wo  und  wann  Fisch,  da 
Forelle.  Hieraus  erhellt  auch  sehr  deutlich,  daß  die  vollständige  oder  teil- 
«eise  ■  Deckung  der  Individualkoefflzienten  stets  eine  Cmfangsverglcicbung 
der  im  Urteil  verknüpften  Begriffe  involviert;  keineswegs  Jedoch  ist  es  not- 
wendig,' daß  dem  Urteilenden  neben  der  Deckung  der  Individualkoeffizienlen 
auch  die  Umfangsbeziehung  gesondert  sum  Bewußtsein  kommt  Bei  dem 
Urteil  „der  Schnee  ist  weiß"  müssen  wir  immer  denken:  „wo  und  wann 
Schnee,  da  und  dann  weiß"',  nicht  aber  müssen  wir  gesondert  hinzudenken : 
der  Schnee  gehört  zu  der  Klasse  der  weißen  Dinge.  Die  wichtige  Einteilung 
der  Urteile  in  Äquale  und  in&quale  beruht  auf  diesen  FeststeUiingen  (vgl. 
§116). 

Zusammenfassend  kann  also  das  Urteil  im  logi- 
Hcfaen  Sinn  definiert  werden  als  ein  wenigstens 
zwei  Begriffe  (Normalvorstellungen)  enthalten- 
des psychisches*)  Gebilde,  dessen  Begriffe 
dnrch  Differenzierungsfunktionen  konstant 
verknüpft  und  speziell  bezüglich  ihrer  Indi- 
vidnalkoe'f f izienten  in  konstanter  Weise  als 
vollständig  oder  partiell  sich  deckend  ge- 
dacht werden,  und  das  sowohl  als  ein  sukzes- 
siver Prozeß  wie  als  ein  fertiges  Ergebnis 
aufgefaßt  werden  kann.  An  beliebigen  Beispielen 
kann  man  sich  leicht  tiberzeugen,  daß  keines  dieser  Merk- 
male entbehrlich  und  auch  kein  weiteres  erforderlich  ist. 
Unsicher  könnte  nur  die  Abgrenzung  gegen  den  Schluß  er- 
scheinen, auf  welche  erst  in  ^  120  u.  121  und  im  nächsten 

ä)  Die  Rechtfertigung  der  Zurechnung  zu  den  „psychischen"  Gelxlden 
ergibt  sich  aus  den  Erörterungen  in  §  87. 


004       ^-  Teil.    Die  ein»la«n  loaiscben  Gebikte  und  ihre  Geaetze. 

Kapitel  eing^angen  wird.  Will  man  diese  schon  jetat 
fixieren,  so  hätte  man  nnsrer  DeflnltioQ  noch  folgenden  Be- 
latiTsatz  hinzoznfägen *) ;  und  das  nicht  ans  sukzes- 
siven Teilurteilen  besteht,  deren  letztes 
(dominierendes)  als  SchluBorteil  dsreh  die 
Diff erenzierungsf anktionen  ans  den  vorher- 
gehenden abgeleitet  wird. 

Das  Urteil :  „Eisen  bl  ein  panmunetiaches  Metall"  l&Bt  sich  alleidings 
in  zwei  Urteile  („Eisen  ist,  ein  Uetall"  uCd  „Gi»en  ist  panmagnctiach")  aer- 
lesen,  aber  man  wird  es  nicht  als  Schluß  bezeichnen,  wenn  nicht  die  Suk- 
Zession  vorliegt:  „Siaen  ist  ein  Metall,  Eisen  ist  panuoagnetisch,  also  ist 
Eisen  ein  paramagnetisches  IMall"  (vgl.  S.  392  Ober  konjunktive  Urteile). 
Das  Urteil  ,^isen  ist  ein  paramagnetisches  Metall"  kann  sehr  «ohl  auf  deo 
beiden  Urteilen  „Klsen  ist  ein  Metall"  und  „Eisen  ist  paramagnetiach"  be- 
ruhen und  tats&chlich  froher  aus  ihnen  im  Sinn  eines  Schlusses  h  e  r  - 
vorgegansen  sein,  und  ist  gleichtrohi  ein  Urteil  und  kein  SchluB;  nuf 
wenn  zur  Zeit  seiner  Fällung  die  beiden  anderen  Urteile  aktuell  rorau»- 
sehen  und  es  durch  die  DiSerenzierungsfunktionen  aus  ihnen  aktuell 
abseleitet  wird,  ist  dieser  ganze  (1)  ProzeB  als  SchluB  zu  be- 
neichnen.  Dasselbe  gilt  von  allen  Urteilszusammenfassungen,  die  wir  S.  393 
als  KoUigalionen  kennen  gelernt  haben  („der  Schnee  ist  weiB  und  kall">. 
Die  iMlierte  KoUigalion  ist  ein  zusanunengesetztes  Urteil,  die  UrteilsreÜi« 
,Atr  Schnee  ist  wei£,  der  Schnee  ist  kalt,  also  ist  der  Schnee  weiB  und  kalt" 
ein  SchluS.  —  FaBt  man  den  SchluB  nicht  als  sukzessiven  ProzeS,  sondern 
als  fertiges  Ergebnis  auf,  so  f&llt  zwar  das  Moment  der  Sukzession  und 
damit  ein  Unterscheidungsmerkmal  weg  (uCejus  ist  als  Mensch  sterblich"), 
ganz  ebenso,  wie  die  Grenze  zwischen  zusammengesetztem  Begriff  und  Urteil 
verwischt  wird,  wenn  das  Urteil  seines  sukzessiven  Charakters  entkleidet 
wird;  aber  das  fehlen  eines  dominierenden  SchluBurteils  bleibt  als  aus- 
nichendes  Meikm&l  des  zusammengesetzten  Urteils  gegenüber  dem  Schliß 
bestehen.    Vgl.  g  i30- 

Es  könnte  zweckm&Big  scheinen,  fOr  das  psychologische  und  das  logische 
Urteil  zwei  verschiedene  Tennini  einzufOhien  (nach  Analogie  von  „Vorstel- 
lung" und  ,fiegn!r').  Man  hätte  dann  erateres  etwa  als  Urteiisassoziation, 
letzteres  als  Urteil  s.  str.  zu  bezeichnen. 

HislorischesL  Die  Begriffsbestimmung  des  Urteils  sowohl  im 
psychologischen  wie  im  logischen  Siim  ist  bis  heute  strittig.  Die  wichtigsten 
psychologischen  Auffassungen  und  Theonen  des  Urteils  wurden  be- 
reits S.  864  tf.  besprochen.  Viele  Urteilstheonen  wurden  Qbngens  von  ihren 
Vertretern  ohne  auaieidiende  Treimung  des  psychologischen  und  des  logischen 
Urteils  aufgestellt.  An  dieser  Stelle  sind  nur  noch  einige  nin-logische 
Urieilstheorien  und  Bezeichnungen  für  das  Urteil  im  logischen  Sinne 

*)  Han  beachte,  daß  der  erste  zweiteilige  Relativsatz  das  Unterschei- 
dungsmerkmal des  Urteils  von  der  disparaten  Ideeoasscziatioa  (einer  dis- 
paraten  Begrifisreihe),  der  zweite  Relativsatz  das  Unterscheidungsmerkmal 
des  Urtüls  vom  zusammengesetzten  Begriff,  der  dritte  dasjenige  vom  SchluS 
etsibL  Da&  das  letztgenannte  auch  für  das  sog.  hypothetische  Urteil  gilt, 
wird  sich  in  S  120  ergebeii. 


3.  Kapitel.    Die  Lehra  von  den  Urteilen.  QOg 

nacbzutragen.  Plato  unterscheidet  überhaupt  nicht  schaff  zwischen  dem 
psychologischen  und  dem  logischen  Urteil  und  hat  noch  keine  feste  Termino- 
ji^e.  Öfters  braucht  er  für  das  Urteil  im  allgemeinen  die  Bezeichnung 
A«*wia;  den  Satz°)  bestimmt  er  daher  ungefähr  richlig  als  *i  «nö  t^s 
Aafime  ^tvfia  Aä  raü  aiifiatot  U»  /iH«  99iyy«v  (Sophist.  963  E)  und  nennt 
ihn  oft  iiY<n.  Da  er  aber  zuweilen  auch  das  Urteil  als  Üyat  bezeichnet 
(zuweilen  sogar  nur  das  definierende  Urteil,  s.  oben  S.  ül^,  so  kann  von 
einer  festen  Terminologie  noch  keine  Rede  sein.  Sehr  klaf  hat  er  aber  schon 
erkannt,  daB  die  bloBe  Aufeinanderfolge  {awigua,  Sophist.  262  C)  der  Vor- 
stellungen nicht  genügt,  um  ein  Urteil  zustande  zu  biingen,  daB  vielmehr 
eine  Verknüpfung  «itiUiiiaKii,  auVffwiflhinzukomraen  muB,  das  Urteil  also  ein 
nUyftaisi  (vgl.  jedoch  S.  367).  Auch  bei  Aristoteles  venniBt  man  eine 
scharfe  Unterscheidung  zwischen  psychologischem  und  logischem  Urteil.  In 
der  Regel  faBt  er  beide  als  initpttKVic*)  oder  Xär^  ätt»^aitt*it  zusammen 
und  charakterisiert  das  Urteil  speziell  als  denjenigen  liy»t  anaqiarnMit,  iv 
^  I«  äliiHUur  q  if"iit«S^ti  viteqx—  (vgl  Ober  diese  Auffassung  S.  364  f.). 
Wenn  er  dann  weiterhin  erklärt:  „Aniv  n  inXn  iniiparmt  9>w^  viifutvtaii 
TUfl  Toü  «na^jiiv  9  fi^  vnäfxuv-  (Akad.  Ausg.  17  a  22).  so  leuchtet  ein. 
daB  sich  diese  Definition,  ganz  abgesehen  von  ihrer  Unzulänglichkeit  (vgl. 
S.  867),  mit  der  ersten  nicht  vollkommen  deckt.  Die  Stoiker  bezeichneten 
das  Urteil  ab  aHaifia,  seinen  sprachlichen  Ausdruck  als  USk;  zur  Charakte- 
ristik des  Urteils  im  It^chen  Sinn,  haben  sie  keinen  wesentlichen  neuen 
Bdtrag  gelieferL  Die  hämischen  Logiker  bezeichneten  das  Urteil 
—  immer  noch  ohne  scharfe  Unterscheidung  des  logischen  und  des  psycho- 
logtscheo  Urteils  —  als  proloquiura,  prolocutum  oder  protatum  (M.  Ter.  Vairo, 
De  lingua  lalina,  ed.  Goetz  u.  Scholl,  Lips.  1910,  S.  77,  196  u.  236;  vgl.  auch 
A.  Gellius,  Noct.  Alt.  XVI,  8,  ed.  Hertz  1861,  Bd.  2,  S.  157)  oder  pronuntiatum 
«der  enuntiatum  oder  enuntiatio  (Cicero).  Appuleius  (De  dogtn.  Fiat.,  nt(i 
Jf/i^ffiaf,  ed.  Thoraas,  Leipzig  1908,  S.  17&)  braucht  vorzugsweise  den 
lerniinus  „propositio"  (neben  pronuntiabilis  oratio,  piotensio  und  rogamen- 
tum).  Augustin  verwendet  in  der  Schrift  Principia  dialecticae.  deren  Echt- 
heit freilich  nicht  unbestntten  ist,  den  Terminus  sententia  (Mignes  Patrol., 
Bd.  32,  cap.  2,  S.  14^);  das  einfache  Aussprechen  des  Urteils  heifit  elogui, 
das  Beurteilen  eines  Urteils  proloqui  (ebenda  cap.  4,  S.  1410;  die  Deutung 
der  Stelle  scheint  mir  lucht  ganz  unzweifelhaft).  Bei  Boölhiue  überwiegt 
die  Bezeichnung  „enuntialiva",  daneben  findet  sich  derlenninus  „propositio", 
namentlich  wenn  die  einzelnen  Urteilsformen  genannt  werden  (propositio 
praedicativa  usf.).  Allenthalben  tritt  nunmehr  die  psychologische  Etedeutnng 
noch  mehr  als  früher  gegen  die  logische  zurttck. 

Über  die  Terminologie  der  scholastischen  Logiker  sei  hier  nur 
kurz  bemerkt,  daB  die  Tennini  sermo  (besonders  häufig  z.  B.  bei  Abaelard}. 


')  Vgl.  hierzu  G.  E.  Uphues,  Die  Definition  des  Satzes.  Nach  den  plat. 
Dialogen  usw.,  Landsberg  1882. 

■)  nfiiavK  nennt  Anstoleles  das  Urteil,  wenn  es  Glied  eines  Schlusses 
ist.  Seine  Schüler  scheinen  zwischen  dnitpimote  und  a^itnav  so  unter- 
schieden zu  haben,  daB  fdr  erstere  das  äXii»^;  q  vo^q^  tlrat,  für  letztere 
das  wra^tnwtüf  (bejahend)  4  ajte^aiuif  (verneinend)  UyKtai  charakte- 
ristisch ist  (Alexander  Aphrod.,  ad  Analyl.  prior.,  Akad.  Ausg.  11,  1,  Berlin 
äste,  S.  10). 


305       IV.  Teil.    Die  cintelneii  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

praedicatio,  enunliatio  praedicali.  propositio ''),  enunUabile,  enuntialivK  (z.  B. 
in  den  lateinischen  ÜbersetzunRen  der  logischen  Werke  arabischer  Fhilo- 
aophen),  compjexum  (vgl.  S.  69]  u.  a.  m.  ohne  scharfen,  testen  Unterschied 
eebraucbl  werden  *).  Nur  gaoz  allmählich  büig«rte  sich  auch  der  Tenninus 
Judicium  ein.  vrI.  Thomas  v.  Aquino,  Summa  tbeoL  U,  2,  Qu.  60,  Art.  1. 
IT.  Aufl.  Paris,  Bd.  4r,  S.  4S8:  ,.nomen  judicii,  quod  secundum  piinuun  im- 
poailionem  significat  rectam  delenninationem  justorum,  ampliatum  est  ad 
siBnificandum  rectam  determinationem  in  quibuscunque  rebus  tarn  in  specu- 
lativis  quam  in  praclicis;  daher  wurde  ein  Judicium,  qualiter  res  esse  debeal, 
und  ein  Judicium,  qualiter  res  sit.  unterschieden  (Thom.  t.  Aq,,  Quaest.  disput 
de  veritate,  Quaest.  8.  Art.  i,  Opp.  ed.  Venet.  178t,  Bd.  16,  S.  296  b).  D« 
Terroiuus  proposilio  wurde  liAufiB  dann  bevorzugt,  wenn  es  sich  um  ein 
ITrteil  als  Glied  eines  SchluBgefüee.t  handelt  (Thom.  v.  Aq..  Tolius  logicae 
Aristotelis  summa  IV.  De  syllog.  cap.  1,  ed.  Venel,  1508,  S.  194  v).  Mit 
Judicium  synonym  galt  auch  sententia  (Thom.  v,  Aq.,  Sunuiu.  theol.  It.  1. 
Ou.  13,  Art.  1  ad  3  u.  6  ad  2,  17,  Aufl.,  Bd.  3,  S.  «9  u.  4M).  Ein  einheit- 
licher Sprachgebrauch  entwickelte  sich  nicht  (Bevorzugung  von  enunliatio  bei 
Duns  Scotua,  Opp.  omnia  Paris  1S91,  Bd.  1,  S.  ÖS9  vat).  Die  allgemeine 
logische  Theorie  des  Urteils  wurde  von  der  Scholastik  nicht  wesentlich  ge- 
fördert. 

Die  r  a  m  i  s  t  i  s  c  h  e  B  e  f  o  f  m  der  Logik  im  16.  Jahrhund«1  bat  sich 
auch  auf  die  allgemeine  Lehre  vom  Urteil  erstreckt.  Man  wollte  Urteil  und 
ScbluS  unter  dem  Terminus  .Judicium"  zusammenfassen  und  unlersclued 
das  Judicium  axiomaiicum  sive  per  so  manifestum  sive  axioma  (=i  Urteil  in 
unserem  Sinne)  und  Judicium  dianoüticum  sive  dianoia  („cum  aliud  axioma 
ex  alio  deducitur").  Ersteres  wird  auch  definiert  als  dispositio  argumenti  cum 
argumento,  qua  esse  aliquid  aut  non  esse  judicatur,  letzteres  ist  Syllogismus 
aul  methodus  (vgl.  z.  B.  Petri  Rami  Dialeclicae  lib.  duo,  ed.  GuiL  Rodingus, 
Francof.  1677,  S.  106  u.  ISt;  ähnlich  Gocienius,  Partit.  dial,  2.  Aufl.  Francof. 
1598,  S.  33  u.  14«). 

Auch  die  neuere  Philosophie  gelangte  zunächst  weder  zu  einet 
lerminologischen,  noch  zu  einer  theoretischen  Klärung.  Bei  Cartesius 
tlberwiegt  der  Terminus  Judicium.  Wenn  er  die  Bedeutung  der  assensio  für 
.das  Urleil  und  seine  Abhängigkeit  vom  Willen  besonders  hervorhebt,  so  be- 
trifft dies  mehr  das  psychologische  Urteil.  Gassendi  (Philos.  Epicur.  Syn- 
tagma  f.  1)  unterscheidet  die  enuntiatio  orc  facta  und  das  Judicium  mente 
peractum.  ~  Wolfl  (Philos,  rat.  s.  Logica,  2.  Aufl.  1732,  S.  129,  §  39(-) 
definiert  das  Judicium  Als  denjenigen  „actus  mentis,  quo  aUquid  a  re  quadtm 
diversum  eidem  Iribuimus  vel  ab  ea  removemus"  und  jäQt  es  daher  in  dem 
„conjungerc  vel  separare"  zweier  Be^iffe  (notiones)  bestehen.  Wird  das 
Urteil  sprachlich  ausgedrückt  („verbis  efferre"),  so  heißt  es  „eniuitiaüo  sive 
propositio",  diese  ist  also  (I?)  ^=^  „oratio,  qua  alten  significamus,  quid  rei 
conveniat  vel  non  convenial",  Enuntiatio  (propositio)  und  Judicium  unter- 
scheiden sich  also  älinlich  wip   terminus   und   notio   (vgl.    S.    167) ')-     Im 


')    nporoöif    bei  Pscllus, 

^)  Damit  soll  nicht  ausgeschlossen  werden,  daB  einzelne  Scho- 
lastiker bzw.  scholastische  Schulen  besondere  Tennini  bevorzugen  oder  auch 
zwischen  den  Termini  schärfer  unterscheiden.     Siehe  unten. 

'!  Siehe  auch  Crousai.  Logicae  systema,  Genevae  173*,  S.  *75'. 


lA.OQi 


,^^IC 


2.  K«pitel.    Die  Lehie  von  den  Urleilen.  607 

wescQllicheii  deckt  sich  hiemiit  auch  die  B  a  umga  rl  e  nsche  Definition 
(Acroasis  logica,  ed.  Töllner,  2.  Aufl.  Hai.  Wagä.  1773,  S.  ^,  S  206):  Judicium 
esl  repraesentatio  aliquonim  coneeptuum  ut  inier  se  vel  conveaieDtium  vel 
repusnantium :  hinc  relationis  unius  conceplus  ad  altemm,  al  quidem  im- 
mediata;  Judicium  symbolicum  seu  lerininis  äignificatum  est  pi'opositio 
(enuntiatio,  tbesis).  Als  deutsche  Ubersetzuoe  wird  in  der  TöllDerscheB 
Au^Cabe  für  Judicium  Urteil '"),  für  iifopositio  Satz  oder  Aus9i>ruch  aDsegeben. 
G.  Fr.  Meier  hebt  in  seiner  Veraunfttehre  (2.  Aufl.  HaÜe  1762.  §  33*. 
.S  462)  ausdrücklich  die  Knlstehuna  der  Urieile  aus  VeiKleichung 
.jtelehrter  BeitriRe"  hervor,  T  e  t  e  n  s  (Philosoph.  Vera.  Ober  die  menscfal. 
Natur  u.  ihre  Enlwickelung,  Leipm  1777,  S.  365,  Neudruck  Berlin  1913, 
S.  365)  definiert  das  „logische  Urteil"  als  eine  „Gewahrnehmuns  einer  Be- 
ziehuiuE  der  Ideen"  und  beanstandet  die  Lehre.  daB  die  „.Aktion  des  Vr- 
teilens"  stets  ein  Vergleichen  sei. 

Nach  Kant  (ixigik,  §  17}  ist  ..tin  Lrteil  die  Vorstellung  der  Einheit  des 
Bewußtseins  verschiedener  Vorstellungen,  oder  die  Vorstellung  des  Vcrbält- 
niiises  derselben,  sofern  sie  einen  Begriff  ausmachen"  ").  Wenn  Kant  andrer- 
seits (Kritik  der  Urteilskraft,  Einleil.  IV)  die  „U^leilskralt"  als  das  „Ver- 
mögen" beslinunt.  „das  Besondere  als  enthalten  unter  dem  Allgemeinen  zu 
denken"  und  me  in  „bestimmende"  und  „reflektierende"  einteilt,  je  nachdem 
sie  dem  gegdwum  Allgemeinen  das  Besondere  subsumiert  oder  zu  dem  ge- 
gebenen Besonderen  das  Allgemeine  fmdef,  so  bleibt  er  den  Nachweis,  dafi 
beide  Definitionen  sich  decken,  schuldig.  Dasselbe  gilt  von  einer  dritten 
Definition,  die  Kant/ fQr  das  Urteil  gibt:  es  „sei  die  mittelbare  Erkenntnis 
eines  Gegenstandes,  mithin  die  Vorstellung  einer  Vorstellung  desselben" 
(KriL  d.  rein.  Vern,,  Kehrb.  Ausg.,  S.  S8).  Wenn  endlich  Kant  am  gleichen 
Orte  behauptet:  „alte  Urteile  seien  Funktionen  der  Einheit  unter  unsern 
Vorstellungen,  da  nftmlich  stall  einer  unmitlelbaren  Vorstellung' eine  höhen:. 
die  diese  und  mehrere  unter  sich  hegreift,  loir  Erkenntnis  des  Gegenstandes 
icebraucht,  und  viel  mögliche  Eiienntnisse  dadurch  in  einer  zusammen- 
gezogen werden,"  **),  so  scheint  diese  neue  Definition  nur  für  die  sub- 
sumierenden Urteile  zueutreHen,  streng  genommen  sogar  nur  für  sub 
sumierende  Urteile  mit  individuellem  Subjekt.  Aul  die  erkenntnistheoretischen 
Beziehungen,  welche  Kant  >:wischen  den  Urteilen  und  den  Kategorien  auf- 
stellt, kann  hier  nicht  eingegangen  nerden.  Wohl  aber  ist  hervorzuheben. 
daB  Kant  sehr  oft  auch  die  objektive  Gellung  als  ein  wesentUches  Merkmal 
des  logischen  Urteils  anführt  (besonders  scharf  in  der  2.  Aufl.  d.  Krit  d. 
rein.  Vem.,  §  19,  Kehrb.  Ausg.,  S.  666).  An  der  üblichen  Auffassung  des 
Urteils  als  der  Vorstellung  eines  Verhältnisses  zwischen  nvei  Begriffen  ver- 


■•)  Woiri  spricht  in  seineu  deutschen  Werken  wohl  auch  von  Urteilen, 
bevorzugt  aber  den  Terminus  „Sätze"  (VernOnfft.  Gedancken  v.  d.  Kräfften  usf., 
6.  Aufl.  1781,  S.  68  fi.). 

'')  Vgl.  auch  die  verschiedenen  Definitionen  in  G.  S.  A.  Mellins  Ency- 
c!opäd.  Wörterbuch  der  krit.  Philosophie,  Jena-Leipzig  1803,  Bd.  5,  Abt.  1. 
S.  662. 

'^  Zum  Verständnis  dieses  Satzes  muB  hinzugefügt  werden,  daB  Kant 
unter  Funktion  „die  Einheit  der  Handlung,  verschiedene  Vorstellungen  unter 
einer  gem^nschaft liehen  zu  ordnen"  versteht.  Versucht  man  diese  Definition 
in  derjenigen  des  Urteils  einzusetzen,  so  ergeben  sich  manche  formale 
Bedenken. 


1,1^. OQi 


,g,c 


608       'V-  Teil.    Die  einzelaen  logiseben  Gebilde  uod  ihre  Gesetze. 

miBt  K.  eine  Bestinunime,  „worin  dieses  Veihailnis  bestehe",  und  will 
das  Urteil  definieren  ,^  die  Art,  gegebene  Etkeantnisse  zur  obiektiren 
Kinheit  der  Apperzeption  zu  bringen"  im  Gegensatz  zu  den  VorsleUuns9- 
verbftllikissen  noch  Assoziationsgesetzen,  denen  nur  sub)dctive  Galligkeit  zu- 
koDunL  Auch  wenn  das  Urteil  selbst  entpiriscb,  mitbin  zuntllie  ist,  die  im 
Urteil  verbundenen  Vorstellungen  also  in  der  empirischen  Anacbauung  nicht 
notwendig  zueinander  geboren,  sollen  sie  nacb  Kant  doch  „vermöge  der  not- 
wendigen Einheit  der  Apperzeption  in  der  Svntbesis  der  Anschauungen" 
/ueinandereehören,  d.  h.  „nacb  Prinzipien  der  objektiven  Bestimmung  aller 
Vorstelluneen,  solem  daraus  Erkenntnis  werden  kann,  welche  Prinzipien  alle 
aus  dem  Grundsätze  der  transzendentalen  Einheit  der  Apperzeption  abge- 
leitet sind".  Nur  hierdurch  soll  ein  Urteil,  d.  h.  ein  Verhältnis,  das 
objektiv  gültig  ist.  zustande  kommen. 

Diese  letzten  Auseinandersetzungen  sind  erstens  de^alb  wichtig,  weil 
sie  einen  der  ersten  Versuche  darstellen,  den  tieferen  Unterschied  zwischen 
dem  Urteil  und  der  disparaten  Ideenassoziation  nachzuweisen.  Zweitens 
aber  bekommen  sie  dadurch  eine  besondere  Bedeutung,  daß  Kant  bei  der 
Durchführung  seines  Versuchs  das  unterscheidende  Merkmal  dSs  Urteils  nun 
last  ganz  dem  Psychologischen  entrückte  und  in  eine  transzendentale  Embeit 
der  Apperzeption  verlegte,  so  daB  er  zu  einer  objektiven  Gültigkeit  des  Urteils 
nelanste.  Er  vers&umte  dabei  eine  scharfe  Definition  des  Objektiven  und  des 
Ueltens  und  übersah,  daß  jene  transzendentale  Einheit  der  Apperzeption. 
sow«t  sie  Oberhaupt  hypothetisch  zulässig  ist,  nicht  nur  für  das  Urteil,  sod- 
dem  auch  für  die  Begriffsbildung  erforderlich  ist,  also  zur  Kennzeichnung 
des  Urteils  nicht  ausreicht  Vgl.  im  übrigen  die  Erörterungen  in  §  59,  70 
u.  76.  Für  den  hier  vertretenen  Standpunkt  ist  sowohl  die  Beziehung  auf 
einen  „Gegensland"  (ein  Objekt)  wie  <Ve  Urteilsvetknfipfung  der  Vorstellungen 
eine  individuelle  psychologische  Tatsache,  und  erst  durch  die  Normalisierung' 
Relangen  nir  zu  einer  hypothetischen  überindividuellen  Bedeutung  sowohl 
der  Begriffe  wie  der  Urteile. 

Kants  unmittelbare  Anhänger  hielten  gröStenteils  an  der  letzten  Lehre 
Kants  fest.  Typisch  ist  z.  B.  die  Deflnilion  Kiesewetters:  das  Urleil 
„ist  die  Bestinununif  des  Verhältnisses  mehrerer  Vorstellungen  zur  Einheil 
des  Bewußtseins"  (Grundr.  e,  alle.  Ijjsik,  Berlin  1796,  S.  M.  §  97).  —  .4u3 
den  vielfachen  DeSnitioncn  bzw.  Charakteristiken  des  Urteils,  welche  sich  in 
Hegels  Werken  fmden,  seien  hier  nur  zwei  Momente  faervorgehobeD: 
erstens  die  Auffassung  des  Urteils  als  einer  Selbstzerlegung  (,3csonderung", 
,.DiremtioD")  des  Beeriffes  (der  Begriff  urteilt,  besondert  sich)  ")  und  zweitens 
die  .\uffaa3ung  der  im  Gegebenen  vorliegenden  Talsachen  als  mit  Urteilen. 
wesentlich  identisch  („alle  Dinge  sind  ein  Urteil")^*). 

Sine  eigentümliche  Abgrenzung  des  Urteils  gegen  den  Begritt  versuchte 
Aug.  H  e  i  n r.  Ritter  (vgl.  S.  141)  in  seinem  AbriB  der  philosophischen 
Logik  (Berlin  lS2i,  2.  Aufl.  1830,  S.  65  bzw.  50):  die  ForiD,  wekhe  das 


'=)  Wissenschaft  der  Logik  II,  t,  1  u.  2  (WW.  1^4.  Bd.  5,  S.  3*.  6B  usf. 
.. absolute  ursprüngliche  Teilung",  „Itcaliaenu^"  des  Begriffs);  Eneyklopidie 
d,  philos.  Wiss..  Logik.  §  166  0.  (WW.  18*0,  Bd,  6,  S.  324  fl.);  Wjssensch. 
der  Logik  I,  Allg.  Eintnlung  (WW.  1S33,  Bd.  3,  S.  49)  u.  a.  m. 

>•>  Ercykl.  1.  c.  §  167  (WW.  Bd.  6,  1840,  S.  389).  Man  vergleiche  d«mit 
meine  Erörterungen  Ober  Äe  Inexistenz  der  Reduklionsbestandteile  in  den 
Vorstellungen,  Urteilen  usf.  (Erkenntnialheorie,  Jena  1918,  §  68  ff.  a.  S  87). 

„.,,„,  ^.oogic 


2.  Kapitel.    Die  Leb»  von  des  UrteUen. 


Bolzanos  Lehre  bedeutet  sowohl  tennuiologisch  wie  theoretisch  eise 
weaentliche  Neuerung  >■'].  B.  braucht  als  aJlgemeinen  Terminus  „SetE"  Mr 
das,  was  entweder  wahr  oder  falsch  sein  muB,  und  uoterscheidet  aus- 
gesprochene, d.  h.  durch  Worte  aussediückte  S&lze,  bloB  gedachte  Sätze  und 
,,SAlze  an  sich".  Die  letzteren  kommen  also  als  eine  neue  Kategorie  hinzu: 
sie  haben  kein  Dasein  (keine  Existenz  oder  Wirklichkeit),  während  der  ge- 
dachte, für  wahrgehallene  Satz  Dasein  im  Gemflle  des  Denkenden  hat^»), 
sie  sind  —  anders  au^edrQckt  —  nicht  Produkte  unseres  Denkens,  sondern 
ganz  unabhängig  von  ihm  S.  174  ff.  wurden  die  Mängel  dieser  Lehre  herdts 
hervoisehoben.  Hier  ist  nur  noch  zu  bemerken,  daß  B.  das  Urteil  als  den- 
ienigen  „Satz,  den  irgendein  denkendes  Wesen  für  wahr  hlR"  (L  c  S.  86, 
%  22)  definiert;  die  Urteile  (in  Bolzanos  Sinn)  fallen  also  in  die  zweite 
Kategorie  der  Sitze.  Der  Vorschlag  Bolzanos,  den  Terminus  „Satz"  in  ienem 
oben  angegebenen  weiten  Sinn  zu  gebrauchen,  ist  nicht  durchgedrungen,  viel- 
mehr ist  es  nach  wie  Tor  Qblicber,  ihn  auf  das  ausgesprochene,  d.  h. 
in  Worten  formuherte  Urteil  zu  beschränken  {vtl  S.  376  u.  401). 

Trendelenburg  (Logische  UnUrs.,  Berlin  13»,  Bd.  2,  S.  IMfi.) 
Dieint,  daB  das  Urtöl  sich  —  im  Gegensatz  zum  Begriff  —  immer  auf  die 
(reale)  „Tätigkeit  einer  Substanz",  den  ,^t  der  Sache,  den  der  Geist  erfa£t" 
tiezieht:  „was  ein  Ding  tut,  das  wird  von  seinem  Begrifle  geurteilt".  Offenbar 
scheitert  diese  Ueinung  schon  an  Urteilen  wie:',^er  ist  ein  Baum"  oder 
„der  Hund  wird  geschlagen".  Ahnliche  Ansichten  hat  später  Jerusalem  ver- 
treten („das  gegebene  Objekt  wird  als  Kraftzentrum  gefaßt".  Die  Urteils- 
funktion,  Wien-Lpz.  189B,  S.  86). 

Viel  bedeutsamer  ist  die  Urteilstheorie  von  W.  H  a  m  i  1 1  o  n  [vgl.  S.  165 
u.  280).  Hamilton  betrachtet  das  Urteil  (iudtment)  als  einen  expliziten  oder 
entwickelten  Begriff  (expticit  or  dereloped  concepl)  und  umgekehrt  den  Be- 
griff als  ein  implizites  oder  nichtentwickeltes  Urteil.  Das  Wesentliche  eines 
jeden  Urteils  ist  das  „Erkennen  des  Verhältnisses  der  Übereinstimmung  oder 
des  Widerspruchs,  in  dem  zwei  Begriffe,  zwei  Individuen  oder  ein  Besrifi 
und  ein  Individuum,  wenn  man  sie  miteinander  vergleicht,  zueinander 
stehen"  *^).  Jedes  positive  Urteil  stellt  also  eine  Gleichung  oder  Identifikation, 
jedes  negative  eine  Ungleichung  dar,  und  zwar  bezieht  sich  diese  Gleichheit 
bzw.  Ungleichheit  auf  den  Umfang  des  Subjekts-  und  des  Prädikelshegriffs. 
Hamilton  lehrt  nämlich")  die  sog.  „quantlf  icatio  n"  des  Prädikats- 
begrlffs,  d.  h.  er  behauptet,  daß  auch  der  letrter«  —  nicht  nur  der  Subiekts- 
begriff  —  stets  in  einem  bestimmten  Umfang  gedacht  «erde,  und  zwar  in 
einem  Umfang,  der  mit  demjenigen  des  Subjektsbegritfs  abereinstimmt;  so 
würde  z.  B.  in  dem  Urteil:  „alle  Pferde  .qind  Huftiere"  Hufliei«  nicht  ge- 
dacht werden  als  „alle  Huftiere",  sondern  als  „einige  Huftiere"  (nämlich 
so  viele,  als  es  Pferde  gibt).    Hit  diesen  Erörterungen  setzte  Hamilton  an 

"■)  Vgl.  Wissenscbattslehre,  Sulzbach  1887  (Neudruck  Lpz.  19U), 
S.  76  ff.,  §  19  ff. 

")  B.  gibt  )edoch  zu,  daB  die  ^tze  an  sich  wenigstens  „von  Gott  ge- 
dacht oder  vorgestellt  werden"  (L  c.  S.  78). 

i')  Lectures  oa  metaphysics  and  logic,  £dinb.  u.  London  1866,  Bd.  S, 
S,  226  fl.  (Lect.  XIH).  ■* 

^*)  L,  c  Bd.  4,  Appendix  VI,  c,  S.  SG7  ff.  (namenll.  auch  S.  27S). 
Ziahan,  Lchitmeh  d«  I«gik.  ,       3(t 

h.  !■,  ii,l^.OOglc 


610       '^    'I^'^"'     ^'^  einzelnen  loBischeu  Gebildr  und  ihre  Gesetze 

Stelle  der  „S  u  b  b  u  m  t  i  o  u  s  t  h  e  o  r  i  e"  '•).  welche  bis  d&hin  in  der  Lehre 
vom  Urteil  last  ausachlieBlich  ^}  gebenscbt  lutte,  die  Theorie  von  der 
IdeoliUt  des  Umfanses.  Kurz  kann  man  die  HainillonMhe  UHeilsUieohe 
auch  ab  extensive  IdentilAtstheorie")  bezachnen;  während 
man  vor  Hamilton  fast  stets  dem  Subjekt  einen  klei»«ren  Umfanc  ala  dem 
Pr&dikal  zuaeschrieben  hatte  und  dahef  das  Wesen  der  UrteilriicEiebung  in 
dem  Entbalte&sein  (Subsumiertseiu)  des  Subjekts  im  Umiaog  des 
Piildifcals  gesucht  halte,  erklärte  Hamilton  die  G 1  e  i  c  h  s  e  t  z  u  n  g  des  l'm- 
fangs  für  das  Wesentlicbe.  Es  leuchtet  Übrigens  ein,  daS  seine  Ansicht  mit 
der  bier  enlwickelten  Theorie  des  Urteils  (im  psycho  logischen  Sinn),  d.  b. 
seiner  Cbarakterisierung  durch  die  Deckung  dei  Individualkoetfizientea  Cl' 
S.  360  u.  606)  teilweise  QbereinstimmL  Hamilton  Obersiciit  jedoch,  daB  et 
auf  die  Qröfie  des  Umlanss  aar  nicht  ankommt,  sondern  lediglkh  auf  da«  Zu- 
sammenlreHen  von  Subidct  und  Prädikat  Fall  für  Fall,  d.  h.  «ben  «tif  die 
Deckung  der  Individualkoeffizieiiten,  und  d&B  die  Deckung  auch  parüell  sein 
kann  (in  dem  S.  60B  erörterten  Sinn). 

Wäb4«nd  Hamilton  —  hierin  mit  der  Subsumtionstheohe  ilbereis- 
Blimmend  —  die  Bedeutung  der  Umfangsbeaehung  für  das  Urteil  io 
den  Vordergrund  stellte  oder  wenigstens  Umfangsbeziehung  und  Inhalts- 
beziehuDg  koordinierte,  eikl&rte  John  Stuart  Hill  die  Inbaltsbeseliunj 
für  das  Wesentlicbe  (1d  haltstheorie  des  Urteils.  Erdmann] •>).  Er 
bestreitet  zunächst  schon  den  von  ihm  sogen,  „konzeptualistischen"  Sland- 
punkt  Hamiltons  und  andrer  Linker.  Nach  seiner  nominalistiachen  Auf- 
lassung, welcbe  überhaupt  nur  konkrete  und  individuelle  B^riUe  aneikennt. 
ist  es  Oberhaupt  unrichtig  oder  wenigstens  miBversl&ndlich,  wenn  man  be- 
hauptet, daB  wir  in  BegriUen  denken");  wir  denken  vielmehr  „by  meaos  ot 
general  or  class  names".  Dabei  unterscheidet  er  nirgends  scharf  zwiscbeo 
dem  rsychologischen  und  dem  logischen  Begiift,  dem  psycbologiscben  und 
dem  logischen  Urteil  usf.  Weiter  wendet  HiU  gegen  Hamilton  ein  "),  dafi  die 
Umfangsbeziehung,  die  nach  H.  für  das  Urteil  wesentlich  sein  soU,  aar  siebt 
zwischen  den  Begriffen,  sondern  nur  zwischen  den  Gegenständen  (the  aggie- 
nates  of  real  things)  bestehe.  Nach  Mill  ist  es  für  jedes  Urteil  wesenilicb. 
daB  wir  von    der  latsächhchen    Kxislenz.  der   objektiven   Realität  der  le- 


'")  Diese  Bezeichnung  flammt  wohl  von  B,  Erdmann.  Log.k.  2.  A^^- 
Halle  1907,  S.  3-13. 

=")  Vortäufer  Hatnillons  in  der  Lehre  von  der  Quantifikation  des  Prä- 
dikats und  der  extensiven  Identitätstheorie  sind,  wie  schon  Erdmann  tc- 
fohrt,  die  Logique  de  Port-Royal  ed.  Jourdain,  Paris  1861,  z.  B.  U,  13. 
S.  134,  A,  Rüdiger  (De  sensu  veri  et  falai,  2.  Aufl.  Leipzig  1722,  S.  2801) 
und  G.  Ploucquct  (Sanunlung  der  Schriften,  welcbe  den  log.  Caicul  des  Hsmi 
Prot.  Ploucquet  betreffen  usw.,  Tübingen  1978).  Auch  der  S.  280  erwUmte 
George  Benihara  hat  wohl  schon  vor  Hamilton  ähnliche  Lehren  vertreten 
(vgl.  auch  die  ebenda  zitierte  weitere  Literatur). 

*^)  Identitätstheorie  des  Umfangs  (Erdnuuin). 

*')  Die  alte  Subsumtionstheoric  und  die  Hamillonsche  IdentiUlsUieon* 
des  Urofams  faßt  Erdmann  als  „U  m  f  a  n  g  s  t  h  e  o  r  i  e  n"  zusammen. 

^^)  An  examination  of  Sir  W.  Hamilton's  phibsophy  etc.,  London  tSU. 
Kap.  17,  tumentl.  S.  330fl.  Mit  Recht  weist  Mill  auch  auf  mannigAKh* 
Widersprüche  in  der  H&miltonschen  Darstellung  hin. 

»•)  L.  c.  Kap.  18,  namentl.  S.  S*6  fl. 


iM,Googlc 


I 


i.  Kapitel.    Die  Lehi«  von  den  Urteilen.  gH 

dachten  Geeenal&nde  überzeuet  sind  (,J>elier')  ^).  Das  Urteil  ist  nicht  die 
Erlcenntnb  einer  Beziehung  zwischen  Begriflen  (reciKnitioa  of  some  relatioa 
belween  co&cepts),  sondetn  die  Erkenntnia  einer  latsächlicheu  Beziehung 
(„tbe  judgement  ia  couceming  Ihe  lad,  not  the  concept"}.  Weiter  unten 
—  bei  der  Läire  vom  „Gegenstand"  des  Urteils  —  wird  auseinanderzusetzen 
sein,  wie  weit  diese  Behauptung  Mills  richtig  ist.  Mitl  lehrt  nun  femer 
iL  c  S.  362),  daß  die  inh  ältliche  Beziehumr  im  UrteU  das  Wesentliche 
desselben  ist,  und  daß  die  Umfanesbeziehung  sich  erst  sekundär  aua  ihr 
ergibt  oder  virimehr  mit  ihr  identisch  ist  (die  Feststellung  der  Umfangs- 
beztehung  ist  eine  ,>loBe  Wiederholung"  der  Feststellung  der  Inbalta- 
bezidiung).  Dabei  Obersicht  Hill,  dafi  bei  vielen  Urteilen  eia  Uerkmal- 
t'efgleich  gar  nicht  stattfindet,  wie  dies  S.  389  fflr  die  „konsertiven"  Urteile 
gezeigt  worden  ist.  Übrigens  ist  nach  Uill  schon  für  den  Begriff  nur 
der  Inhalt,  nicht  der  Umfang  wesentlich  („intrinsic  and  essential").  Im 
iolgenden  wird  auf  diese  Anschauung  noch  öfter  zurackzukosomen  seis. 
Hier  sei  nur  noch  erwihnt,  daß  Hill  in  seinem  logischen  Hauptwerk  ")  doch 
ächUeßlich  auch  zu  dem  Ergebnis  gekommen  war,  daß  bei  den  meisten  Ur- 
teilen entweder  „die  Sukzession  oder  die  Eoexistenz"  zweier  „Phänomene", 
mit  andnen  Worten  zweier  Bewußtseinszust&nde  („states  of  consciousness") 
behauptet  oder  vetneiut  wird,  einem  Ergebnia,  Als  mit  der  hier  von  mir 
entwickelten  Theorie  von  den  iDdividualkoeffizienten  sehr  wohl  in  Einklang 
zu  bringen  ist. 

Während  in  England  die  Millache  Urteilstheorie  und  Urteilstennino- 
iogie  ")  im  ssJizen  anscheinend  das  Übergewicht  behalten  hat "),  bekämpften 
sich  in  Deutschland  bis  heute  die  Umlangstheorie  und  die  Inbaltstheorie, 
ohne  daß  es  zu  einer  endgültigen  Entscheidung  gekommen  wäre.  Die  Um- 
langstheorie tritt  vorzugsweise  noch  in  ihrer  älteren  Gestalt,  also  als 
Subs  um  t  io  nstheorie  (nicht  als  extensive  Identitätstheorie  Hamil- 
tons) auf  und  wird  jetzt  meistens  dahin  formuliert,  daß  in  jedem  UrteU  der 
Umfang  zweier  Begriffe  verglichen  und  auf  Grund  des  Vergleichs  der  Um- 
fang des  einen  demjenigen  des  anderen  subsumiert  wird.  „Der  Tisch  ist 
vierbeinig"  bedeutet  also  vom  Standpunkt  dieser  Theorie,  daß  der  Tisch  sur 
Gattung  der  vierbeinigen  Gegenstände  (Dinge)  gehurt.  Die  früher  besprochene 
„Hypoetasierung"  der  Herkmale  im  Begrifl  {ß.  4äi,  öl6,  5S9)  wird  auf  das 
urteil  abertragen.  Demgegenüber  behauptet  die  Inhal tsthaone,  daß  in 
ledem  Urteil  der  Inhalt  zweier  Begriffe  verglichen  wird.    Auch  sie  tritt  in 

")  Mill  unterscheidet  nicht  immer  scharf  zwisolien  dem  belief  au  die 
Existenz  der  beurteilten  Gegenstände  und  dem  beliel  an  dia  Existenz  der 
behaupteten  Relation  der  Gegenstande. 

=•)  A  System  of  logic,  ratiocinative  and  inductive  etc.,  3.  Aufl.  London 
1851,  Bd.  1,  Buch  1,  Kap.  i  u.  5,  nament!.  S.  108  fl.  Die  erste  .\iinage  dieses 
Weites  ist  schon  18*3  erschienen  (vgl  S.  157). 

*')  Meist  wird  jetzt  das  Urteil  als  „p  r  □  p  o  s  1 1  i  o  n"  bezeichnet  und 
als  das  Ergebnis  eines  „act  of  iudgment"  betrachtet^  sprachlich  wird  es 
in  einer  „sentence"  ausgedrückt,  vgl.  z.  B.  W.  SL  Jevons,  Elementary  lessoos 
in  logic  clc,  London  1890,  16.  Aufl.,  S.  60  (Lesson  8). 

)B)  Dabei  ist  allerdings  die'Uillsche  Lehre  oft  sehr  erheblich  modifiziert 
«orden.  Vgl.  z.  B.  F.  H.  Bradley,  Appeaiance  and  realitr,  2.  Aufl.  London 
1908,  SAp.  1&,  S.  163  (,4n  iudgment  an  idea  ia  predicated  of  a  realitT")  und 
Prmciples  of  logic,  London  1883,  Buch  1,  5.  M. 

39* 

„.,.,„,>..oo^sic 


612      ^-  ^^'    ^^  «iiuelnen  lociscben  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

zwei  Fonnen  auf:  sie  nimmt  nämlich  entweder  ut,  daB  das  Urteil  die  Iden- 
tität des  Inhalts  der  beiden  verfltduneD  BecnSe  (Snbieit  und  Prädäal], 
oder,  daS  es  die  teilweise  Obereinstimmttng  ihres  Inhalts  auseast  Die 
efstere  Form  wird  am  besten  als  inhaltliche  Identititstfaeorie. 
die  letztere  als  Theorie  der  partiellen  I  nhaltssleichheit  be- 
zeichnet 

Die  inhaltliche  Identit&lstbeorie  scheint  von  vomhetdn 
an  der  Tatsache  zu  scheitern,  daB  bei  weitaus  den  meisten  Urteilen  da 
Inhalt  des  Suhjektsbegrifls  von  demjenigen  des  PrldikatsbegriOs  verschieden 
ist.  Lotze  *")  hat  iedocb  nachzuweisen  versucht,  daS  beispielsweise  das  kate- 
gorische Urteil  „einige  Uenscben  sind  schwarz"  bedeute  „einige  Hecscboir 
unter  denen  iedoch  nur  die  scbwaizen  Menschen  zu  verstehen  sind,  sind 
schwarze  Menschen"  und  somit  aul  eine  Identität  des  Inhalts  hicauaiante. 
In  seinen  weiteren  AusiDhnmgen  ist  Lotze  nicht  frei  von  Unklarheiten  und 
Widersprächen.  Wenn  er  schheBUch  auch  andrerseits  anciiennl,  daB  im 
Urteil  ein  „Verhältnis  der  ZusammengehAti^eit"  zwischen  den  beiden  In- 
halten ausgesprochen  werde,  so  klärt  er  diese  Zusammengehörigkeit  dodi 
nirgends  ausreichend  auf. 

Weit  mehr  Anhänger  zählt  heute  —  wenigstens  in  Deutschland  —  die 
Theorie  der  partiellen  Inhaltsgleichheit,  und  zwar  spesiell 
in  der  von  B.  Erdmann")  begr&ndeten  und  von  ihm  als  Einord- 
nungstheorie*^)  beieichiKten  Variante.  Dieso  lehrt,  daB  zwischen  den 
beiden  Gliedern  eines  elementaren  Urteils  „im  allgemeinen",  d.  h.  abgesehen 
von  bestimmten  Grenzfällen,  eine  Beziehung  unvollständiger  Inhaltsgleich- 
heit besteht  —  „ausgesagt  werden  von"  bedeutet  demnach  insofern  logiach 
,4nhalt^leich  sein  mit  einem  Teile  des  Subidctsinhalta"  — ,  daS  aber  hierzu 
„eine  Beziehung  der  Einordnung  des  Prtdikata-  in  den  Subjektidnhalt"  hinzu- 
kommt. Durch  diese  Einordnongabezicbung  —  eben  die  Beziehung  der 
logischen  Immanenz  (vgl.  S.  313  u.  496)  —  wird  nach  Erdmasn  aus  dem 
Zusammenhang  unvollständiger  Gleichheit  „der  prädikative  Zusammenhang'. 
„Das  elementare  Urteil  des  formulierten  Denkens  ist  demnach  die  Einord- 
nung eines  Gegenstandes  in  den  Inhalt  eines  anderen."  Was  nun  aber 
eigentlich  diese  logische  Immanenz  von  der  unvollständigen  Inballsgleichbeil 
unterscheidet,  bat  Erdmann  u).  E.  nicht  ausreichend  auseinanderzusetaen 
vennocht.  Er  fahrt  an  (L  c.  S.  194),  daB  den  einzelnen  Uerkmalen  „eine 
Beziehung  auf  den  Gegenstand  als  Ganzes"  eigen  ist,  derzufolge  wir  tat 
„i  n  dem  Gegenstande  vorsteUen,  in  einem  unräumlichen  Zugleichsein",  und 
sagt.  daB  er  eben  dieses  unräumliche  „In  dem  Gegenstande  Vorgestelltsrän" 
als  logische  Immanenz  oder  Einordnung  bezeichnen  woUe.  Damit  ist  jedoch 
mit  Bezug  auf  die  Urteilstbeorie  nur  gesagt,  daB  der  SubiektsbcgriS  ein 
durch  Synthese  zu  einer  Einheit  verschmolzener  KomplexionsbegriS  ist  (ygL 
S.  322  u.  478),  und  daB  er,  um  einen  Inhaltsvergleich  zwischen  Prfidikalsbe«rifl 
und  SubjektsbegriB  zu  ennöglicben,  mit  Hilfe  unsrer  analTtischen  Funktion 
zuerst  wieder  zerlegt  werden  muB.     Das  „Entbaltensein",   welches  £.   zur 


")  Logik,  Leipzig  187*,  Buch  1.  Kap.  2,  S.  57  ß.,  SO  u.  82 

»•)  Logik,  2.  Aufl.  Halle  1907,  Bd.  1,  S.  368  fi. 

•1}  Auch  die  Bezeichnung  „Iroman  enztheorie"  ist  i    , 
dagegen  ist  der  hin  und  wieder  gebrauchte  Terminus  „Inhärenztbeorie" 
diejenige  Urteilstbeorie  zu  reservieren,  weiche  in  offenbar  unberechtigter  Ver- 
allgemeinerung jedes  Urteil  als  eine  Aussage  über  eine  Substanz  betrachteL 

h.  !■,  II,  l^.OOQIC 


2.  KapiLel.    Die  Lehre  ron  den  Urteüen.  613 

unvollständigen  Inlialtagleichheit  hinzufügt,  besagt  also  nur,  daß  man  dio 
tuvoUständige  Inbaltsgleickheit  nicht  im  Simi  gemeinschaftlicher  Sununanden 
oder  Faktoren  aufzufassen  habe,  liefert  also  nur  eine  n&here  Bestimmung  der 
unrollatAndigen  fnbaltsgleichheit.  Ein  anderes  neues  Moment  kann  der  im- 
roanenz  nicht  zuerkannt  werden.  Im  Dhrigen  unterliegt  die  Erdmanoache 
Theorie  daher  auch  ganz  denselben  Bedenken  wie  jede  Inhaltstheorie.  Ins- 
tesondere versagt  sie  auch  bei  sTnthetlschen  Urteilen,  die  ein  neues  Merk- 
mal zufügen  und  gar  keinen  Inhaltsvergleich  enthalten.  Vgl.  auch  S.  618. 
Weitere  Varianten  der  lohaltstheorien  ergeben  sich  daraus,  daB  man 
bald  ira  Urteil  nur  eine  Verknüpfung  von  Begriffen  erblickte,  bald 
—  wie  J.  St.  Mill  —  die  Beziehung  der  Begriffs  gegenstände  für  wesent- 
lich hielt  (vgl.  hierüber  unten  %  109  u.  110).  Hasche  Logiker  meinten  auch, 
dafi  bei  einer  Klasse  der  Urteile  die  Subsumtion,  bei  einer  anderen  die 
Immanenz  maftgebend  sei. 

Allen  diesen  Theorien  gegenüber  halte  ich  daran  fest,  daB  allen 
Urteilen  die  Deckung  der  Individualkoeffizienten  gemeinsam  ist,  und  daB 
nur  bei  einer  bestimmten  Elaste  von  Urteilen,  n&mUcb  den  von  mir  so  ge- 
nannten kommensiven  Urteilen  (S.  38S),  eine  Inhaltsvergielchung  **)  und 
damit  das  Denken  einer  Immanenz  hinzukommt 

Nicht  zureichend  ist  auch  die  S  i  k  n  a  r  t  sehe  Theone.  Chr.  Sig- 
wart  **)  definiert  nämlich  das  einfache  Urteil  als  dasjenige,  in  dem  „das 
Subjekt  als  eine  einheitliche,  keine  Vielheit  selbstAndiger  Objekte  in  sich  be- 
fassende Vorstellung  betrachtet  werden  kann  .  .  .  und  von  diesem  eine 
in  einem  Akte  vollendete  Aussage  gemacht  wird,"  und  teilt  die  einfachen 
Urträle  in  erzählende  und  erklärende  ein.  Bei  dem  erzählenden 
Urteil  (Subjekt  „ein  als  einzeln  existierend  Vorgestelltes")  besteht  der  Akt 
des  Urteilens  zunäcbst  (1)  darin,  daß  die  Subjektsvorstellung  (ein  unmittelbar 
Gegebenes,  in  der  Anschauung  AuIgefaBtes)  und  die  Prädikats  Vorstellung 
(eine  innerlich  mit  dem  zugehörigen  Worte  feproduzierte  Vorstellung)  „mit 
BewuStsein  in  Eins  gesetzt"  werden»*).  Der  Urteilende  soll  sich  der 
„Soinzidenz"  (1.  c.  S.  6?)  eines  geganwärtigen  und  eines  reproduzierten 
Bildes  bewufit  wenden.  Worauf  sich  diese  Koinzidenz  bezieht,  ob  aul  den 
Inhalt  oder  den  Umfang  bzw.  die  Individualkoeffizienten,  wird  nicht  völlig 
aufgeklärt.  Nach  den  weiteren  Auslöhningen  scheint  Sigwart  sie  im  wesent- 
lichen auf  den  Inhalt  zu  beziehen.  Für  die  erklärenden  Urteile,  d.  h.  nach 
S.  sotdke  Urteile,  deren  Subjektsvonteilung  in  der  allgemeinen  Bedeutung 
eines  Worts  besteht,  ohne  daB  damit  von  einem  bestimmten  Einzelnen  etwas 
auaseaagt  würde  (1-  c.  S.  GS,  etwas  abweichender  Wortlaut  S.  113).  gibt  S. 
Oberhaupt  keine  "Hieorie;  er  scheint  sie  von  seinem  nominalisli sehen  Stand- 
punkt aus  für  OberSOssig  zu  halten.    Vgl.  auch  S.  37b. 


**)  Die  Individualkoeffizienten  gehören  selbstverslfindlich  auch  zum 
Inhalt,  wenn  man  lefzleres  Wort  im  weitesten  Sinn  nimmt,  also  etwa  im 
Sinn  der  „Uaterie"  (§  1).  Hier  wird  jedoch  von  „Inhalt"  im  engeren  Sinn 
(Gesamtheit  der  Merkmale  mit  Ausnahme  der  Individualkoefüzientcn)  und 
damit  im  Gegensatz  zum  Umfang  gesprochen. 

")  Logik.  2.  Aufl.  Freiburg  1889,  Bd,  1.  5.  68. 

**)  Im  AnscbluB  an  Aristoteles,  De  anima,  Akad.  Ausg.  -tSOa.  20: 
a«r#M^  rtr  yoiifimrur  wmcf  Fe  tymr. 


i.l^. OQi 


,g,c 


f^^^4,       IV,  Teii.     Die  einzelnen  lofrisciwa  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

Noch  weniger  leiaUt  die  Theorie  von  W.  Windelband**),  der  du 
Urteil  Jociscfa  nur  als  Behauptung  einer  Betiehima  definieren"  WilL  Garn 
ahtesehen  von  dem  drinfenden  Verdacht  dner  Tautolofie  („Uftdl"  und  ,3*- 
hanutans")  verdeckt  die  Definition  die  SchwieriAeiten  nur.  Es  bandelt  sidi 
fiXKi  darum,  ob  wir  nicht  imstande  sind,  bestimmter  anzugeben,  welche 
Beziebung  in;  Urleil  behauptet  wird. 

Der  Subsumtionstheorie  steht  die  kalegorial  logische  Pridikationstheorie 
VOR  £.  Lask'*)  nahe.  L.  meint,  da£  das  wahre  „Subidrt"  des  Urteite  das 
..Material",  das  wahre  Pridikat  die  Kategorie  sei.    Vgl.  S.  IM. 

Die  theoretischen  Anschauungen  Brentanos  Ober  das  Urteil  sollen,  da 
sie  an  die  angeblichf  Exiatenzbedeulung  der  Kopula  anknüirfen,  ent  in 
g  110  besprochen  werden.  Ebenso  können  alle  diejenigen  in  Deutschland 
Hehr  verbreiteten  logischen  Urteilstheorien,  velche  im  Anschluß  an  Brent&no 
das  Geltungsbewußtsein  heranziehen  (S.  365).  also  nur  die  tbetiscfieo  Urteile 
(S.  382)  berücksichtigen,  erst  in  spKteren  Paragraphen  berücksichtigt  werden. 
In  den  romanischen  lAndern,  insbesondere  in  Frankreich,  sind 
die  eben  angeführten  Probleme  viel  seltener  b^andelt  worden.  In  der 
Logique  de  PoK-Boyal  (vgl.  S.  101)  wird  nur  kurz  gesagt:  ..aprte  avoir 
concu  les  choses  par  nos  idies,  nous  comparons  ces  id^es  cnsemUe;  et 
trouvant  que  les  unes  conviennent  entre  elles.  et  que  les  autres  oe  eozivien- 
nent  pas,  nous  les  lions  ou  däions,  ce  qui  s'appelle  alßrmer  ou  nier,  et 
g#n«ralcment  juger"  (ed.  Jourdain,  Paris  1861,  S.  98).  Di«  Termini  jugemenl" 
und  „proposition"  sind  gleichbedeutend,  im  Gebrauch  wird  der  letztere  be- 
vorzugt. 

§  109.  Der  Oegenstand  des  logiaelieii  Urteils.  Als  Gegen- 
stand dee  Urteils  im  psycholc^schen  Sinn  wurde  in  ^  75  die 
Gesamtheit  der  Vorstellimgen  bzw.  auch  Empflndungeo') 
(8.  375),  die  im  Urteil  verknüpft  werden,  bezeichnet.  Die 
„UrteilsTerknüpfnng"  bezieht  sich  auf  die  Urteilsvorstel- 
Inngen  als  auf  ihre  Gegenstände,  wie  dies  S.  375  erläutert 
wurde.  Alles,  was  früher  über  Fundalien  und  Gegenstände 
abgeleiteter  Vorstellungen  gesagt  wurde,  gilt  auch  hier. 
Sind  also  —  um  das  S.  265  gegebene  Beispiel  wiederum  sn 
verwerten  —  zwei  gestaltverschiedene,  aber  inhaltsgl^che 
Dreiecke  gegeben  (einerlei  ob  als  Empfindungen  oder  als 
.Vorstellungen)  und  fälle  ich  das  Urteil:  ihre  Inhalte  sind 
g^leich,  so  sind  die  Oesamtempfindungen  bzw.  Gesamtvorstel- 
langen  der  Dreiecke  A  and  A'  die  Fundalien  des  Urteils,  die 

=')  Die  Prinzipien  der  Loeik,  Tübingen  1913,  S.  23;  Die  Pliilos.  im 
Beginn  des  20.  Jahrb..  2.  Aufl..  Heidelberg  1907,  S.  189  ff.  (Feslschr.  f.  Kudo 
Fischer);  Präludien,  i.  Aufl.  TObIngen  1911,  Bd.  1.  S.  29;  Straßburger  Ab- 
handlungen z.  Philosophie  (Zeller  zu  s.  70.  Geburtstag),  Freihurg  u.  Tflbingen 
-188*,  S.  165;  Vom  System  der  Kategorien,  Feslschr.  f.  Sigwart,  TüKiifeii 
1900,  S.  41. 

*•)  Die  Lehre  vom  Urteil.  Tübingen  1912,  namenÜ.  S.  B8ff. 

')  Diesen  Zvaafx  werde  ich  im  folgenden  uicht  stets  wiedertioleo. 

„.,,„,^.oogic 


a.  Kapitel.    Die  L^lue  von  dcD  Urteilen.  615 

speziell  verwerteten  EmpjQndungen  bzw.  Vorstellongen  ihrer 
lithalte,  J  and  J',  einschließlich  ihrer  Gleiehheitsrelation  die 
Gegenstände  des  Urteils.  Noch  schärfer  können  wir  sagen: 
J  nnd  J'  sind  die  tatsächlichen  Gegenstände.  Wir 
denken  uns  nämlich  sehr  oft  entferntere  Gegenstände 
für  die  Urteilsvorstellungen  hinzn,  setzen  also,  wie  froher 
erörtert,  oft  au  Stelle  der  Vorstellungen  Empfindungen  und 
im  weiteren  SegreQ  Beduktionsbestandteile  (Dinge  bzw. 
Dingeigenschaften  des  ijiaiven  Denkens,  vgl.  S.  267).  Der 
Urteilende  sabstitniert  dabei  den  tatsächlichen  Gegenständen 
Gegenstandsvorstellnngen  in  dem  S.  266  deü - 
aierten  Sinn.  Streng  genommen  bedeutet  das  Urteil  „der 
Sebnee  ist  weiß"  soviel  wie:  „der  Schnee,  wie  ich  ihn  mir 
als  Gegenstand  meiner  Vorstellung  Schnee  denke,  hat  die 
Eigenschaft  weiß,  wie  ich  sie  mir  als  Gegenstand  meiner 
Vorstellung  weiß  denke".  Wir  kommen  dabei  also  von  dem 
Vorstellungscharakter  nicht  los.  Das  Urteil  ist  auf  die 
Gegenstände  tatsächlich  fundiert,  bezieht  sich 
tatsächlich  auf  die  Gegenstäude,  aber  wir  können  es  in  der 
B^el  nur  auf  die  von  uns  vorgestellten  Gegenständ«^ 
beziehen:  wir  bleiben  auf  die  Gegenstandsvorstel- 
1  u  n  g  e  n  angewiesen  *). 

Bei  dieser  Erörterung  wurde  mit  gutem  Gnmd  hinzugefügt  ,^a  der  , 
Regel".  Es  gibt  nämlich  Fälle,  in  welchen  die  Urteilsvorstellunsen  mit  den 
Gegenstandsvorstellungen  zusammenfallen.  Weui  ich  z.  B.  urteile:  meine 
augenbbckiiche  Vorstellung,  z.  B.  eines  frOheTCD  Erlebnisses,  ist  positiv 
EefühlsbetonI,  z.  B.  heiter,  angenehm  usf.,  so  bezieht  ach  mein  Urteil  nicht 
auf  das  Erlebnis  und  wird  von  mir  auch  nicht  auf  das  Erlebnis  bezogen, 
sondern  lediglich  auf  die  Vorstellung  selbst  Die  Urteilsvorstelluntr  selbst  ist 
zuglacb  Gegenstand  des  Urteils  und  Gegen  Standsvorstellung.  Eine  weiter 
zurüdigehende  Objektivierung')  (S.  367)  findet  Oberhaupt  gar  nicht  alatl. 
Es  w&re,  wie  früher  gezeigt  worden  ist  (S.  263),  auch  i;anz  unzulässig,  in 
ein^n  solchen  Fall  einen  Gegenstand  etna  im  Sinn  einer  „Vorstellung  von 
einer  Vorstellung"  zu  fingieren.  Ein  analoger  Fall  liegt  bei  dem  Enuifin- 
doncsurteil  „meine  augenblickliebe  Farben-,  Geschmacksempfindung  usf.  ist 
angenehm",  vor.  Auch  hier  bleiben  wir  bei  dem  Subjekt,  welches  in  diesem 
Fall  eine  Empfindung  ist,  stehen  und  verzichten  auf  weitere  üegenstands- 
voratellungen. 

Der  Tenninus  „UHeilsgegenstand"  war  ursprünglich  nur  init  Bezug  auf 
das  Urteil  im  psychologiscben  Sinn  gebraucht  worden.     Es  ist  iedoch  ganz 

^)  Vgl.  hiermit  die  entg^engesetzten  Ausführungen  Husserts  über  Nocsis 
und  Noema,  Ideen  zu  einer  reinen  Phänomenologie,  1.  Buch,  Halle  1913, 
S.  194  B. 

*)  Uaa  tteachte,  dafi  die  Objektivierung  durchaus  noch  krinu  Geltung' 
od»  Goltigkeit^ie  wüßt  sein  involviert. 


OgIC 


ßlg      IV.  Teil.    Die  einzelDen  logiseben  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

überflüssis,  [ür  den  Urteilseegenstand  im  loEiscben  Sinn  einen  neuen  Ter- 
minua  einzulühren.  Wir  sprechen  aiso  auch  von  einem  „Gesenstand"  de» 
logischen  Urteils  und  haben  nur  selbstveiständlich  jetzt  darunter  die  Gegen- 
sUnde  der  normalisierten  Urteilsvorstellungen,  also  der  Urteils- 
begriffezu  versieben.  Sobald  irgendeine  Zweideutigkeit  entstehen  kOnnte. 
behalten  wir  uns  vor,  nie  dies  S.  437  und  4SI  bereita  geschehen  ist,  aoi- 
drOcUich  von  N  o  r  m  a  1  gegenstAnden  (logischen  Gegenständen)  des  IJiteils 
zu  sprechen.  Den  Terminus  „Gegenstandsvorstellung"  werden  wir,  soletn  er 
überhaupt  fOf  die  Logik  in  Betracht  kommt,  durch  den  Terminus  „Gegeo- 
standsbegrifl"  zu  ersetzen  haben. 

Besondere  Beachtung  verdient,  dafl,  wie  schon  das  Beispiel  S.  ÖU  lehrt, 
auch  der  Gegenstand  des  logischen  Urteils  nicht  etwa  nur  in  den  einzelnes 
—  isolierten  —  Gegenständen  der  einzelnen  —  isolierten  —  Urteilsvontel- 
lungen  zu  suchen  ist,  sondern  daB  auch  das  Verhältnis  dieser  Gegenslinde 
zum  Urteilsgegecstand  gehört  (vgl.  S.  306  u.  32*  über  „bestehende''  Rela- 
tionen). Der  Gegenstand  des  Urteils  „aab"  ist  also  nicht  etwa  nur  a  und  b. 
soDdem  auch  die  Gleichheilsrelation  zwischen  a  und  b. 

In  den  meisten  Urteilen  kann  man  Haupt-  und  Nebengegenstände  unta- 
scheiden.  Der  Hauptgegenstand  ist  in  der  Regel  der  Gegenstand  der  Zentrum- 
Vorstellung  bzw.  Zentnunempfindung  fvgl.  S.  377),  welche  sprachlich  gewSm- 
lich  im  Subjekt  zu  suchen  isL  Was  diese  Bevorzugung  logisch  bedeutet, 
wird  unten  erörtert  werden. 

Hit  der  Obj^tivation  des  Urteils  verbinden  wir  die  Übertrafung  der 
UrteilsverknOphmg  auf  die  Gegenstände,  ganz  ähnlich,  wie  dies  fOr  die  Be- 
griffe S.  496  daisetan  wurde  (objektivierte  Inhärenz  des  Urteils  usf.1, 

§  110.  Der  Inhalt  des  UrteUs  nnd  die  Bestandteile  de* 
Urteilsinhaits.  In  der  psychologriach^n  Q-rundle^ng  i%  75) 
wurde  bereits  betont,  daß  unter  den  Eisenachaften  des  Vt- 
teils  für  die  Logik  nur  der  Inhalt  nnd  sekundär  auch  der 
Gefühlston  in  Betracht  kommt.  Der  Inhalt  wurde  definiert 
als  die  Gesamtheit  der  im  urteil  enthaltenen  Vorstellongeii 
(der  Urteilsvorstellungen)  und  der  durch  die  Differeniie- 
rungsfunktionen  (komparative,  analytische  nnd  syotheUsche 
Funktion,  hier  als  Urteilsf&nktion  zusammengefaßt)  herge- 
stellten Verknüpfung.  Die  ürteilsvorsteUtmgen  können  als 
die  Bestandteile  des  Urteils  bezeichnet  werden,  die  Ver- 
knüpfung ist  ihnen  übergeordnet  (vgl.  S.  375).  Im  folgen- 
den werden  zimächst  die  ersteren  besprochen.  Der  Spezial- 
fall der  scheinbar  eingliedrigen  Urteile  (es  regnet,  plniO 
kann  erst  bei  der  Behandlang  der  einzelnen  Urteilsfonnen 
erörtert  werden. 

Im  logischen  Urteil  treten  an  Stelle  der  Urteilsvorstel- 
lungen  im  Sinn  der  Normalisierung  die  ürteilsbegriffe- 
Während  femer  in  den  psychologischen  Urteilen  sehr  oft 
die  eine  oder  die  andere  Urteilsvorstellung  in  variablem 

„.,,„,^.O0glC 


a.  KapileL    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  617 

Orade  als  Zentrumvorstellimg  (bzw.  Zentnunempflnduoff) 
von  dem  Interesse  nnd  der  Aufmerksamkeit  des  Urteilenden 
bevorzugt  wird  (S.  376),  ist  eine  solche  scliwankende 
BeTOizagrDDK  im  Normalurteil,  d.  h.  eben  im  logischen  Ur- 
teil, durch  den  Normalcharakter  ansgeschloesen.  Eine  Be- 
Torzngnng  eines  Urteilsbegriffe  findet  sich  anch  im  logi- 
schen Urteil,  aber  sie  ist  konstant  and  scharf.  Dieser  bevor- 
zugte Begriff  wird  als  das  logische  Subjekt  oder  der 
Snbjektsbegriff  bezeichnet  und  wird  bei  der  sprach- 
lichen Formnlieriing  des  logischen  Urteils  stets  zuoi 
grammatischen  Subjekt  gemacht  (vgl.  S.  377). 

Damit  ändert  eich  auch  die  Bedeutung  dieser  Bevor- 
zugung. Im  psychologischen  Urteil  ist  die  Zentrumvorstei- 
lung  nur  insofern  bevorzugt,  als  das  urteilende  Individuum 
ihr  sein  persönliches  Interesse  und  seine  persönliche  Auf- 
merksamkeit in  besonderem  MaB  zuwendet,  und  zwar,  wie 
S.  377  erörtert  wurde,  schon  vor  dem  Urteil.  Bei  dem 
logischen  Urteil  sind  solche  individnelle  Bevorzugungs- 
jnotive  ausgeschaltet.  Ein  (Gegenstand  ist  in  dem  Urteils- 
begriS  überindividuell  gegeben  oder  wird  vielmehr  als  im 
UrteilsbegriS  öberindividuell  gegeben  gedacht  und  durch 
das  Urteil  irgendwie  näher  bestimmt.  Die  Bevorzugung  liegt 
also  nur  darin,  daß  der  Subjektsbegriff  als  das  näher  zu  Be- 
stimmende gedacht  und  auch  wirklich  näher  bestimmt  wird. 
'Was  diese  „nähere  Bestimmung"  bedeutet,  wird  alsbald  aus- 
einandergesetzt werden.  Jetzt  kommt  es  zunächst  nur  darauf 
an  festzustellen,  daß  für  das  logische  Urteil  der  Tatbestand 
eines  solchen  liberindividuell  gedachten  Subjektsbegriffs 
unerläßlich  ist. 

Dabei  kaon  der  SubiektsbegriU  unbeschadet  seines  Normalchanücteis 
seinem  Inhalt  nach  sanz  individuell  »ein  (z.  B.  in  dem  Urteil  „diese 
Blume  steht  hier"),  er  kann  sich  sogar  irsendwie  aui  die  Person  des 
Urteüenden  tiezieben  (z.  B.'  im  Urteil  ,^ein  Kopf  schmerzt").  Es  kommt 
nor  darauf  an,  dafi  der  im  Urteil  behauptete  TattKstand  als  von  dem  persQn-  ' 
lieben  (individuellen)  Denken  des  einzelnen  Utleilenden  un- 
aUüLoki«  gedacht  wild. 

Die  soeben  festKeatellle  loEiscbe  Bevorzuguns  des  Subjektsbeffrib  ist 
sehr  wobl  damit  verträglich,  daB  vom  inhaltlichen  (nicht-formalen) 
Standpunkt  aus  der  Fradikatsbegrilf  als  der  gesuchte  und  neue  oder 
wenigstens  fOr  den  Fortschritt  des  Denkens,  z.  B.  im  SchlieSen,  ma^ebend» 
Begriff  grOBere  Bedeutung  für  unser  Si^ennen  hat.  So  wird  ea  veratindlicb, 
^aS  er  von  Ad.  Trendelenburg  >)  sogar  als  der  Hauptbegrifi  des  Urteils  an- 
gesehen wird. 


1)  Log.  Untersuchungen,  Lpz.  1S70  (3.  Aufl.),  U,  S.  3S1. 

h.  i."ih,Googlc 


gjg       IV.  Teil.    Die  einzelnen  logiseben  Gebilde  und  ihre  Gesetz;:. 

Der  Sabjektsbe^ifF  wird  im  oinfacli8t«n  Fall  durch  ein 
ttinzi^ee  Wort  aufigedrückt  (z.  B.  Homer  ist.. .).  Sehr  riel 
häufiger  sind  wir  genötigt  —  in  Ermanglnog  sprachlicher 
Bezeichnangen  (Eigennamien  usf.)  —  mehrere  Worte  zu  ge- 
brauchen (z.  B.  diese  Blume  ist  . . .,  die  Schlacht  bei  Ma- 
rathon ist  . . .,  weiße  Babeii  sind  . . .,  alle  Labiaten  haben...). 
Solche  Zusätze  können  ganz  allgemein  als  präzisierecde 
ÄttributedesSubjektsbegriffs  bezeichnet  werden. 

Dem  Subjektsbegriff  steht  die  Gesamtheit  der  Prädi- 
katsbegriffe (Enuntiatbegri  f  f  e>  gegenüber.  Sie 
werden  auch  unter  dem  Kollektivterrainus  „Pradikats- 
begriff  (im  Singular)  zusammengefaßt  und  sind  niohts 
anderes  als  die  normalisierten  Prädikats-  oder  Enuntiatror- 
stellungcn  des  Urteils  im  psychologischen  Sinn  (vgl.  S.  377). 
Der  Prädikatshegriff  wird  bald  durch  ein,  bald  durch  meh- 
rere Wörter  ausgedrückt. 

Die  Urleilsverknüpfung  zwischen  Subjektsbegriff  und 
Prädikatsbegriff  besteht,  wie  in  ^  74  u.  75  sowie  nament- 
lich 108  auseinandergesetzt  wurde,  psychologisch  nnii 
logisch  immer  in  der  partiellen  oder  vollständigen  Deckonfr 
der  Individualkoeffizienten  des  Subjekte-  und  des  Prädikab^- 
begrifFs  und  beruht  insofern  anf  der  komparativen  FunktioD. 
Dazu  kommt  jedoch,  wie  S.  375  u.  60S  betont  wurde,  eine  für 
die  verschiedenen  Urteile  verschiedene  son- 
stige Beteiligung  aller  drei  Stammfunktionen,  der  synthe- 
tischen, analytischen  und  komparativen.  Diese  gesamte  Ur- 
teilsverknüpfung  soll  mit  den  PrädikatsbegrifFen  unter  dem 
Terminus  „logisches  Enuntiat"  oder  „logisches 
Prädikat"*)  (vgl.  S.  377)  zusammengefaßt  werden.  An- 
drerseits worden  Subjekts-  und  Prädikatsbegritf  von  der 
älteren  Logik  als  partes  materiales  oder  cxtrema  der 
Copula  gegenübergestellt. 

Bei  dieser  Audassune  der  L'rteilsverknOpdme  iälU  ofCcnbar  der  Unter- 
schied zwischen  Prädikalsbegrin  und  SubjektsbeEriff  wet^):  beide  eracbeiiwn 
völlig  symmetrisch  (vgl.  S.  347}  und  koordiniert.  In  der  Tat  kann  man  sirlt 
IMeile  denken  und  kommen  auch  wirklich  Urteile  vor,  in  denen  diese 
Symmetrie  und  Koordination  durchaus  fccwahrt  ist  Ich  kann  z.  B.  di^ 
Urteil  a  ^^  b  so  denken.  daS  die  Voranslellung  des  a  in  meinem  VorsteUuni»- 


>}  Das  Adjektiv  „loffisch"  kann,  wenn  ein  UiQversl&ndnis  ausgesdilosEen 
ist,  weggelassen  werden. 

»)  Vftl.  G.  Fregc,  BeBfilfsschrift.  Halle  1879.  S.  3.  Fr.  betont  namentlich, 
daß  die  Verwandlung  in  das  Passiv  den  „bt^rifflichen  Inhalt"  nicht  veiindetL 

„.,,„,^.oogic 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urieileo.  619 

ablauf  und  in  der  sprachlichen  FonnulinunK  ledi^cfa  dem  Zufall  zuzu- 
schreiben ist.  U n e  r I &  B  ii c h  ist  also  die  diSerenzierende  Behandlung  von 
SubiektsvorstelluDK  und  Prftdikata Vorstellung  für  das  Urteil  weder  psrcho- 
losisch  noch  logisch.  Tatsächlich  aber  wird  fast  stets  die  Subiektsvorslellung 
—  logisch  also  der  SubjektsbegriS  —  in  dem  S.  496  besprochenen  Sinne 
.,3  u  b  s  t  a  n  t  i  i  e  r  t",  so  daB  sie  al^  die  zusammenfassende  Einheit  {S.  497) 
cider  —  bildlich  au^edrückt  —  als  der  Trtger  gedacht  wird,  dem  die  Pt&- 
dikatsvorstellung  ;der  PrfldikatsbegrUf)  „inharierl".  Damit  ist  die 
Symmetrie  zwischen  Subjekts-  und  Prädikatsrorstellung  und  auf  logischem 
Gebiet  ganz  analog  zwischen  Subjekts-  und  Frädikat^Mgriff  aufgehoben,  und 
an  ihre  Stelle  tritt  eine  nicht-umkehrtiare  Inh&renz,  die  wir  als  begrifflich 
bezeichnen,  solange  sie  nur  auf  die  Begriffe  bezogen  bleibt,  und  als  objekti- 
viert, sobald  sie  auf  die  zugehörigen  Gegenstände  Obertrag^n  wird  (S.  496). 
Sie  deckt  sich  in  vielen  Punkten  mit  der  logischen  Immanenz  Erdmanns 
(S.  612).  Auf  Grund  dieser  Subst&n  ti  ati  on  erscheint  nun  auch  der 
fiutqektsbegriff  als  der  Begriff,  der  bestimmt  wird  (notio  determinanda), 
und  der  Pridikatsbegritf  als  der  Begriff,  der  bestimmt  oder  zur  Bestjm- 
mang  gebraucht  wird  (notio  detenninans).  Da  eine  solche  Bestimmung  eines 
Begriffs  durch  andere  meistens  (nicht  stets)  der  Zweck  unseres  tlrteilens 
ist*),  eo  ist  die  Substantiation  im  altgemeinen  zweckmäBig,  Sie  soll  daher 
im  folgenden  in  der  Regel  bei  dem  Urteil  als  vollzc^cn  gedacht  werden. 

Es  empäeblt  sich,  jedes  logische  urteil  auf  die  Porm  „S 
istP"  bzw.  „S  ist  nicht  P"za  bringen,  also  das  Verb  stets  durch 
die  Kopula  zu  ersetzen  oder  wenigstens  ersetzt  zu  denken. 
Es  wäre  also  z.  B.  an  Stelle  des  Urteils:  „der  Mann  schläft" 
za  setzen,  „der  Mann  ist  schlafend"  usf.  Die  Kopula 
tCopnla,  Vineulum)  drückt  dann  in  dieser  Schulform  des 
Urteils  nichts  anderes  aus  als  die  Deckung  der  Individual- 
koefflzienten.  Die  logische  Beziehung,  welche  im  übrigen 
vermöge  unsrer  Stanunfunktionen  zwischen  Subjektsbegriff 
und  Pradikatshegriff  gedacht  wird,  bleibt  dabei  noch  ganz 
offen. 

Die  in  §  109  besprochene  Gegenstandsbeziehimg  der  Urteilsb^rifle  gilt 
sowohl  fOr  den  Subiektsbegriff  wie  für  den  PrSdikatsbegriff.  Die  Vei^nQpfung 
findet  zwiscben  Subjekts-  und  Prädikatsbegriff  statt,  wird  aber  dann  weiter 
oft  auf  einen  entfernteren  Gegenstand  des  Subjekts-  und  PrfldikatsbegriBs 
hezi^en.  Dieses  Beziehen  involviert  in  dem  S.  287  besprochenen  Sinn  eine 
Auswahl  des  Bezussgegenstandes  (des  Arguments).  Die  Verschiedenartigkeit 
diesep  Auswahl  ertiellt  an  Sätzen  wie;  rot  ist  ein  Eigenschaftswort,  rot  ist 
eine  Farbenempfindung,  rot  ist  eine  Farbenvorstelluug,  rot  ist  ein  Pigment, 
rot  ist  eine  Wellenbewegung  des  Lichts  von  400  BilL  Schwingungen  in  der 
Seknnde;  hier  ist  rot  teils  als  Empfindung,  teils  als  Vorstellung,  teils  als 
Reduktionsbestandteil  (vgl.  S.   260)  gemeint  °).     Sieht  man  von    einzelnen 

')  An  Stelle  des  individuellen  Interesses  bei  dem  psychologischen  Urteil 
(S.  376)  tritt  ein  allgemeingaitiges,  logisches  „Normalinteresse". 

')  Wenn  ich  über  das  Wort  „rot"  urteile,  so  ist  vorzugsweise  die 
akustische  Empfindung  bzw.  Vorstellung  (das  sog.  Klangbild)  des  Worts 
gemeint. 

„.,,„,  ^.oogic 


g20      ^-  Teil    Dw  einzelnen  logiacben  Gebilde  und  ihre  Gesetze, 

philosophischen  Behauptunsen  *]  ah,  so  ka.nn  man  den  Satz  auIsteUen-,  daB 
zun&chst  peychologiach  durchweg  Subjektworstellunc  und  Pridikatsroratri' 
lung  demaelhen  Argumentenbereich  angehören.  So  wird  z.  B-  in  dem  Urteil 
„der  Schnee  ist  weiB"  sowohl  „Schnee"  wie  „w^"  «uf  die  Beduktiona- 
bestandteile  bzw.  auf  die  sog.  „Dinge"  des  naiven  Menseben  bezogen.  IKea 
gilt  auch  for  ein  Urteil  wie  „der  Schnee  ruft  eine  WeiBempGndung  hervor" 
Olendet"  usl.),  wenn  man  das  Urteil  aui  die  SchuUonn  bringt  und  die 
^dikatsvorstellung  in  ihrer  Gesamtheit  in  Betracht  zieht;  diese  lautet  dum 
„WeiBempfindung  herrorrufend"  und  gehört  offenbar  demselben  Argumenten- 
bereich,  nfcmlich  denjenigen  der  Reduktionsbestandteile  bzw.  Dinge,  an  wie 
der  Schnee.  Es  ist  also  nicht  zutreffend,  wenn  Bradley  u.  a.  bebaoptet 
ii&ben,  daB  im  Urteil  ein  Begriff  von  einem  Bealen  ausgesagt  werde  (vgl 
S.  611).  Selbst  in  einem  sog.  Empfindungsurteil  (vgl.  S.  386  u.  637)  wie 
„dies  ist  eine  Eiche"  ist  nicht  nur  mit  „dies"  ein  .Jteales"  gemeint,  sondern 
auch  mit  „Eiche",  n&mlich  ein  Komplex  „realer''  lOr  die  „realen"  Eichen 
charakteiistiacher  Eigenschalten.  Für  das  Urteil  im  logischen  Sun 
kaim  allerdings  von  einem  solchen  schwankenden  psychologischen  „Meinen" 
keine  Rede  »ein,  vielmehr  bezieht  es  sich  entweder  auf  VorsteUunsen 
oder  auf  Empfindungen  oder  auf  Dinge  (Reduktionsbestandteile);  aber 
auch  fOr  das  logische  Urteil  slinnnen  Subjekts-  und  PrädikatsbegriS  in 
der  Begel  im  Argument  Qberein.  Ich  kaim  zwar  formulieren:  dies  (was 
Iiiei  ,49t")  f&Ut  unter  die  Allgemeinvorstellung  „Eiche",  und  dann  scheint 
das  Argument  von  Subjekt  und  Prftdikat  verschieden  (jenes  „Ding",  dieses 
Vorstellung).  Sobald  ich  al)er  zur  Schulform  zurdckkehre :  „dies  ist  —  unter 
die  Allgemeinvorstellung  Eiche  subsumiertiar"  und  das  Prldikat  in  seiner 
Gesamtheit  berücksichtige,  so  kann  die  Subsumierbaikeit  unter  die  AUgentein- 
vorstellung  Eiche  offenbar  auch  nur  als  reale  Dingeigensctutft  gedacht  werden, 
wird  also  auf  dieselbe  Argumentstule  bezogen  wie  das  „dies". 

Bistorische  und  terminologische  Bemerkungen  siehe  am  SchluS  des 
folgenden  Paragraphen. 

i  IIL  Bpn^Iiaha  FemvliaimH  »m  Vitdb.  Du  Sata.  8TmM&  to 
DrWIs.  fn  §  75  war  erwihnt  worden,  daS  das  psvchologische  Urteil 
in  der  Regel  in  einem  „S  a  t  z"  ')  ausgedrückt  wird,  daB  aber  die  Gliederung 
des  Satzes  und  die  Reihenfolge  seiner  Worte  keineswegs  genau  der  Gliede- 
ruDg  des  Urteils  bnd  der  Beihenfolg?  der  Vrteilsvorstellungen  entspricht  (vfL 
S.  371  u.  376).  Das  logische  Urteil  wird  stets  durch  einen  Salz  und 
zwar  einen  vollständigen  ausgedrückt.  Ausrufe  wie  „Feuerl",  „DiebeP, 
„acht',  „Hilfe r'  können  nicht  als  angemessener  Ausdruck  eines  Urteils  be- 
trachtet werden.  Je  nach  dem  logischen  Sinn  des  Ausrufes  müssen  sie. 
soweit  sie  überhaupt  die  Bedeutung  eines  Urteils  haben,  ersetzt  weiden 
durch  S&tze  wie:  „hier  ist  ein  Feuer",  „seht  das  FeuetI",  ,M^  sind  Diäje", 
„dies  Feuer  ist  schrecklich"  (gef&hrlich  usf.),  „diese  Lage  ist  trasrif  fOr 
mich",  „ich  wünsche  Hilfe"  usw.  Ebenso  könnte  es  empfehlenswert  scbeiiien. 
abgekürzte  Sätze,  in  welchen  z.  B.  die  Kopula  weggelassm  ist  —  z.  B. 
„Triume  Schaume"  — ,  durch  Zufügung  der  Kopula  zu  einem  voUstindigen 


*)  Z.  B.  ,J)a3  Ding  an  sich  ist  Vorstellung". 

*)  Auch  der  T«hninus  .Aussage"  wird  oft  verwendet,  nameotlich  i 
der  algebraischen  Logik. 


2.  Kapite).    Die  Lehre  vod  den  Urteilen.  g21 

SatE-zu  ersänzen,  damit  die  im  vorigen  Paragraphen  besprochene  Funktion 
der  Kopula  auch  sprachlich  zum  Ausdruck  kommt  j  indessen  erscheint  gerade 
die  Kopula,  wie  auch  kopula-lose  Sprachen  lehren,  am  ehesten  entbehrlich, 
da  sie  als  solche  stets  dieselbe  Bedeutung  hat  und  also  unzweideutig  er- 
ginxt  werden  kann. 

Ferner  wird  man  —  abwachend  von  dem  gewöhnlichen  Sprachgebrauch 
bei  psychologischen  Urteilen  —  bei  der  Satdomtulierung  des  logischen 
Urteils  stets  (nicht  etwa  nur  meiatena)  das  logische  Subjekt  auch  zum 
grammatischen  Subjekt,  das  logische  Prädikat  auch  zum  grammatischen 
Frldikat  machen.  Da  es  sich  femer  als  zwecktn&fiig  erwiesen  bat,  jedes 
logische  Urteil  auf  die  Kopulafonn  (Schulform,  S.  619)  zu  bringen,  so  wird 
auch  sprachlich  in  Jedem  logischen  IMeil  das  etwa  vorkommende  Verb  durch 
das  Hilfszeitwort  „sein",  also  eben  durch  die  Kopula  ersetzt  werden  müssen. 
Wenn  di*se  Ersetzung  auch  in  der  Look  nicht  stets  streng  durchgefOhrt 
wird  und  im  Interesse  der  sprachlichen  Bequemlichkeit  zuweilen  unterbleibt, 
30  sollte  man  sich  doch  stets  eine  solche  Umwandlung  wenigstens  durch- 
gefOhrt denken.  Erst  wenn  diese  tatsächUch  oder  in  Gedanken  erfolgt 
ist,  ist  die  Vetgleichbarkeit  der  Urteile  untereinander  sichergestellt  und  damit 
die  lieglichkeit  einer  einfachen  und  kurzen  Formulierung  der  logischen  Ge- 
setze des  Urteils  und  sp&ter  des  SchlieBens  gegeben. 

Hat  man  die  in  Rede  stehende  Umwandlung  vorgenommen,  so  zerfillt 
der  Salz  ganz  dem  Urteil  entsprechend  in  ein  grammatisches  (sprachhches) 
Sobjekt  und  ein  grammatisches  (sprachliches)  Prädikat,  in  welchem  letzleren 
äie  Kopula  einbegriffen  ist.  Man  hat  nur  zu  bedenken,  daS  hierdurch  die 
Kopula  zum  sprachlichen  Ausdruck  far  eine  spezifisch  logische  Beziehung 
wirf,  alfio  die  Vieldeutigkeit,  weiche  sie  im  alltäglichen  Sprachgebrauch  hat, 
eingebQQt  bat,  eine  Umbildung,  die  bei  dem  Normalcharakter  des  logischen 
Urteils  unumgänglich  notwendig  war. 

■Wollte  man  die  Umwandlung  in  die  SchuUorm  absolut  streng  durch- 
führen, so  mOBte  beispielsweise  auch  das  Tempus  des  Hilfszeitworts  „sein" 
aus  diesem  herausgezogen  und  zu  den  Prädikatsvorstellungen  Iiiodber- 
genommen  werden,  damif  die  Kopula  ledighch  die  zeitlose  logische  Beziehung 
(der  IndividualkoefQzienten)  ausdrQckt.  Der  Satz  „Augustus  war  der  erste 
'römische  Kaiser"  w&re  also  beispielsweise  zu  ersetzen  durch  den  Satz 
JtuEustus  ist  derjenige,  welcher  der  erste  römische  Kaiser  war",  oder 
iJlngustus  ist  in  der  Vergangenheit  der  erste  römische  Kaiser"  (wobei  durch 
die  Betonung  zum  Ausdruck  kommen  müßte,  'daß  der  Aiisdruck  „in  der  Ver- 
eangenbeit"  dem  ganzen  Ausdruck  „der  erste  römische  Kaiser"  koordiniert 
ist).  Das  Praesens  ,jst"  hat  hier  dieselbe  zeillose  oder  alle  Zeiten  um- 
fassende Bedeutung,  die  es  z.  B.  auch  in  anomischen  Sitzen,  in  Gesetzen  usf. 
hat.    Vgl.  Wolft,  Logica,  2.  Aufl.  Francof.  Lips.  1732,  §  202,  S.  218. 

Kurz  kann  man  also  sagen,  daß  tatsächlich  allenthalben  zwischen  dem 
logischen  Subjekt  (und  ebenso  Prädikat)  und  dem  grammatischen  Subjekt 
d»  gewöhnlichen  Sprachgebrauchs  erhebliche  Divergenzen  bestehen, 
daß  aber  im  logischen  Spraebgd)rauch  diese  Divergenzen  nach  Möglich- 
keit durch  die  angegebenen  Transfomtationen  beseitigt  werden. 

Ein  aus  Erdmanns  Logik  (S.  864)  entlehntes  Beispiel  mag  diese  Sach- 
lage erläutern.  Das  pSTchologische  Urteil:  auf  je  16  Mädchen  Verden 
17  Knaben  geboren"  hat  zum  giammatiachen  Subjekt  „17  Knaben".  Die 
psychol(«iEche  ZentrumvorstellunB  (das  psrchologische  Subjekt}  kann  ge- 


OgIC 


622       '^-  'I'^''-    ^"^  einz^'lD«»  logiscbea  Gebüde  und  ihre  GeseUe. 

mäB  den  AuseuundeisetzonceD  ä.  377  mit  dem  gi«init>aU.-%h«ii  Subjekt  zu- 
sanunenfiüleD,  meist  >ber  werden  nicht  „17  Knaben",  sondeni  „das  Ter- 
h&llnis  der  Knaben-  zu  den  Uaddiengeburtra"  als  ZeatnimToratdlniii  n 
iMtrachten  sein.  Aul  lociscbefn  G«b(et  kommen  etktnfaUs  vendätäoK 
L'rteUe  in  Betracht,  sobald  ich  die  S.  619  besprochene  Substantiation  us- 
Kthre.  Dann  will  ich  nimlich  entweder  die  Zahl  der  Kuabengebutten  oder 
die  Zahl  der  Uadcheixeburtea  oder  das  Veriiältnis  dieser  zu  j^Mii  oder 
iener  zu  diesen  „bestimmen".  Dementsprechend  ist  das  Urteil  zu  tnas- 
lonnieren  und  auszudrücken  entweder  duich  den  Satz:  „die  Zahl  der 
Knabengeburten  ist    ^  der  Zahl  der  Madchengeburten"  oder  „die  Zahl  der 

iUdchengeburten   ist    --     der   Zahl   der   Knabe ngeburten"   oder   ..das  Ter- 


liältnLs  -  -  -  ist-  bzw.  ---".    So  wird  also  im  Interesse  eines  zwcckraiSifen 


t.,^bzw.-.^- 

lofischen  Sprachgebrauchs  das  grammatische  Subiekt  mit  dem  Itviseben  in 
Einklang  gebrachl.  Die  Ausführungen  Erdmanns  scheinen  mir  nur  xa  be- 
weisen, dafi  dies  In-Einktang-bringen  sehr  ott  nur  in  uDvolUcommener  Wo» 
gehngt.  In  der  Herrorbebung  der  weiten  Divergenz  des  grammatiscben 
Subjekts  des  gewöhnlichen  Sprachgebrauchs  von  dem  Iwischen  Subirtt  hat 
K.  jedenfalls  recht. 

Fast  selbstverständlich  ist  ea  nach  allem  Vorausgehenden,  da£  in  dem 
Satz,  soweit  er  ein  logisches  L'rteil  formuliert  und  unter  dem  Einflufi  der 
SubMantiation  steht,  das  erammatiscbe  Subjekt  dem  Prädikat  vor*n- 
aeslelU  wird  (vgl.  hierseu  S.  601  über  die  Zolässigkeit  der  Annahme  eines 
zeitlichen  Ablauli"  des  logischen  Urteils),  während  in  der  Formutiermig  ä« 
gewöhnlicheil  Sprachgebrauchs  eine  abweichende  Reihenfolge  sehr  hiufll  ist 
(vgl  S.  37G  und  auch  'ATi,  Anm.  S>.  Ebenso  selbstverständlich  ist  es  auch, 
dafi  in  dem  streng  fonnulierlen  Satz  attributive  Zusätze  (JVdjektive,  Parti- 
zipien, Appositionen,  Relaliv5ätzi''i  zum  Subjekt  nur  zulassig  sind,  soweit  sie 
<!on  Subjeklsbcg.riff  verändern;  lediglich  ericlär^ide  oder  beschreibende  Zu- 
sätM  sind  weR zulassen.  Dasselbe  gilt  mutatis  mutandls  auch  von  dem 
rrädikalsbeRritf, 

um  den  sprach  liciitn  Ausdruck  zu  vereinfachen  und  abzukürzen  und 
Kugloich  Mißdeutungen  zu  erschweren,  empfiehlt  es  sich  sehr  oft,  gerade  auch 
zur  Darstellung  des  logischen  Urteils,  neben  den  Worten  andere  Symboie 
(Buchstaben  und  sonsliue  Zeichen)  zu  verwenden.  Eine  solche  Urteils- 
Symbolik  ist  bertils  seit  Jahrhunderlen  immer  wieder  vorgeschUien 
worden  (vrI.  unten  die  historischen  Bemerkungen),  eine  allgemein  anerkannt« 
cxisliert  zur  Zeit  noch  nichL  Im  lolgenden  soll  für  die  Urteil sveiknQptuM 
im  allgemeinen  eine  geschweifte  wagerechte  Klammer,  die  zwischen 
Subjekt  und  Prädikat  zu  stehen  kommt,  gebraucht  werden.  .\~— B  be- 
zeichnet also  ein  Urteil,  während  AB  einen  aus  A  und  B  zusammeugesetilen 
Kompleiionsbegritl  (vgl.  S.  320  u.  539)  und  A,  B  eine  disparate  Ideenasso- 
ziation (vgl.  S.  383)  bedeutet.  Die  SymboUk  der  einzelnen  Urteitegattunfni  . 
wird  im  Anschluß  an  die  Besprechung  der  letzteren  angegeben  werden.  Soll 
der  Subjekts-  und  der  PrädikatsbegriEI  ganz  allgemein  bezeichnet  weiden, 
so  geschlriit  dies,  wie  üblich,  durch  die  Buchslaben  S  und  P. 

Historische  Bemerku 


2.  Kapitel.    Die  Jj^hio  von  den  UrtBilen,  623 

Ausdruck  und  zur  zugehörisen  TerminoloBie).  Aristoteles  unlerschied 
wohl  als  erster  das  logische  Siü>jekt  von  dem  logischen  Prädikat.  Erstens 
bezeichnete  er  ala  ^oxii/iivor  oder  *•  »«*'  ov  xaiirjti^iiai,  letzteres  als 
MKUffOfefUrty  (vgl -z.  B.  Akad.  .\u9e.  2ib,  16  u.'  3ß;  189a,  30).  Das 
Pridikat  wird  vom  Subjekt  ausgesagt:  *a9'  vnotufiirov  iiytiai.  Dabei 
bleibt  jedoch  der  Terminus  vaextl/tn-cr  insofern  zweideutig,  als  er  gemäß 
dem  ariatotelischen  Fajallelismus  des  Logischeo  und  Ontologischcn  zugleich 
auch  die  Substanz  (apai'o)  als  Träger/n  der  Attribute  bedeutet.  Daher  kennt 
Aristoteles  selbstversl&ndlich  auch  das  Subjekt  nur  als  substantiiert  (s.  oben 
S.  496  und  619).  Seinen  regelrechten  Ausdruck  findet  es  in  einem  Nomon 
lSr»/*m),  das  Prädikat  in  dem  4^/«'''),  welches  entweder  ein  Verb  oder  die 
Kopula  mit  einem  Nomen  (Ak.  Ausg.  20b,  1  u.  16a,  13  ff.)  ist.  —  Die  Lehre 
der  Stoiker  ist  nach  den  uns  vorliegenden  Berichten  nicht  ganz  klar.  Sie 
scheinen  das  ^gf«  auch  als  nair^ntr  xawtjyÖQnfim  aufgefaßt  und  zwischen 
individuellen  iräfiata  und  allgemeinen  ngoaijyofitri  unterschieden  zu  haben 
(Diogenes  Laert.,  De  ctar.  phil  viL  VIT.  58.  ed.  Cobet,  S.  172;  weitere  Stellen 
bei  J.  v.  Arnim,  Stoic.  veL  Iragm.,  Lips.  1903,' II,  S.  58  u.  62«.). 

B  0  e  t  h  i  u  s  (Introduct.  ad  syll.  categ.,  Mignes  Patrol.,  Bd.  64,  Ü.  767  ff., 
In  libr.  de  inlerpret.,  ebenda  S,  317  u.  De  syll.  cat..  ebenda  S.  SlOfi.)  fahrte 
die  lateinischen  Bezeichnungen  subiectum  und  praedicatum  ein.  Beide 
werden  als  die  termini  des  Urteils  zusammengefaSt.  .«est"  und  „non  est" 
sind  keine  termini,  sondern  nur  eine  „signiflcatio  qualitatis"  (.=  Bezeichnung 
der  Urteilsqualitat,  s.  unten  S. %8fl.).  —  Im  Bereich  der  scholastischen 
Literatur  sind  namentlich  bemerkenswert  die  Ausführungen  Abaelards  über 
praedicatio  ac  subjectio  und  renim  inhaerentia  realis  (Dialeclica  11,  Ouvt. 
in«dits,  Paris  1^6,  S.  2iSÜ.;  vgl.  auch  die  S.  63.  Anm.  2  erwähnte  Schrift 
De  feneribus  et  speciebus,  ebenda  S.  öS6  unten  über  praedicari  und  in- 
haerere).  Bei  Abaelard  finden  wir  auch  (wohl  zum  ersten  Uale}  die  aus- 
drückliche, terminologisch  fixierte  Zerlegung  des  Urteils  in  subjectum,  prae- 
dicatum und  copula  („verbum  inlerposilum  ad  praedicatum  copulandum 
bubjecto  intercedit".  Dialect.  II.  1.  c.  z.  B.  S.  252).  —  Averroes  (De  interpretat. 
fot.  48  r.  B.  nach  PrantI)  stellte  den  enuntiationes  duales^  welche  ein  Verb 
als  Prädikat  haben,  die  enuntiationes  ternales  gegenober,  die  aus  Subjekt, 
verbum  copulans  und  Prädikat  bestehen. 

Ramus  und  sein»  Anhänger  haben  die  einzelnen  Teile  des  Urteils 
und  ihre  Bedeutung  aulfällia  kurz  behandelt.  Auch  die  Logique  de' 
Port-Royal  läßt  sich  auf  keine  gründliche  Erörterung  ein.  Bemerkens- 
wert ist,  daS  sie  das  Prädikat  durchweg  als  „attribut"  bezeichnet  (ed. 
Jonrdain,  Paris  1861,  S.  98 ff.).  —  In  der  neueren  Philosophiu  vom 
18.  Jahrhundert  ab  hat  namentlich  die  Frage,  ob  die  Kopula  zum  Prädikat 
zu  rechnen  sei  oder  eine  selbständige  Bedeutung  habe  >),  lange  Zeit  eine 
groBe  Rolle  gespielt  (vgl.  z.  B.  Chr.  Aug.  Crusius,  Weg  zur  Gewißheil  usw., 
LeipzU  1747,  §  219,  a  408  ff.).  Meist  begnügte  man  sich  mit  der  Fest- 
stellung, dafi  me  einen  nesiis  praedicati   et  subjecU  darstelle  (Chr.  Wulff, 


')  Die  Bedeutung  von  ^vf"  ist  noch  nicht  ganz  aufgeklärt,  vgl.  Bonitt. 
Indes  Anslot..  S.  666;  H.  Steiothal.  Gesch.  d.  Sprachw.  etc.,  2.  Aufl.,  Teil  i. 
BerUn  1891,  S.  232fi.;  Upbues,  dies  Werk  S.  605.   S.  auch  Plato,  Sophist  a62B. 

■)  Hierzu  bot  eine  Stelle  bei  Aiiatoteles,  De  Interpret  cap.  10  (itttr  4i 
ti  foH  ipiTfu-  nqoanttt^rgf^tMt .)  Ankn!lptungsioteg«nheil. 


OgIC 


624       ^-  "^^    ^^  einzelnen  lotiaehen  OdiUde  tind  ihre  Gesetze. 

Uiica,  3.  Aufl.  173%  §  201,  S.  216).  Oft  wtude  und  wird  die  Copuk  ib 
die  pars  fonnalis  (Form)  dem  Subiectum  vmd  Praedicatum  als  den  partes 
materiales  BecenObergestellt  (vri.  z.  B.  BaumgarteD,  Acroasia  logica,  ed.  sec 
V.  Toelloer,  Hol.  Hasd.  1773,  §  »71,  S.  56).  Daiier  auch  die  sötweiSl 
übliche  deutsche  Bezeichnung  „VerbindungsbeBriS"  oder  „innerer  Teil  dn 
llrteils"  (Baunwarten.  1.  c;  G.  Fr.  Heier,  Vemunttlehre,  2.  Aufl.  Halle  1762, 
§  326,  S.  466).  Mitunter  wird  die  fonnale  Bedeutung  der  Kopula  auch  gani 
auf  den  Akt  der  Bejahung  oder  Verneinung  bezogen.  Nach  Kant')  ist  die- 
Kopula  „nur  das,  was  das  Pr&dikat  beziehungsweise  aufs  Suhidl 
setzt".  Auf  die  ontologiscben  und  metaphTsiscben  Unideutungen  der  Kopula 
bei  Schelling,  Hegel  u.  a.  kann  an  dieser  Stelle  nicht  eingegangen  werden. 
Gegen  jede  außerlogischq  Bedeutung  der  Kopula  sind  namentlich  James 
Mill  (Analysis  o!  ihe  pben.  ol  the  hunL  mind,  l^ndon  1829,  Bd.  1,  S.  126  S.) 
und  John  Stuart  Hill  (A  System  of  logic  etc.,  3.  AufL  I^ndon  1851,  S.  S&fl.) 
aufgetreten. 

Eine  sehr  eigentümliche  Deutung  der  Kopula  und  Transfonnation  des 
Urteils  bat  Brentano  im  Zusammenhang  mit  seiner  allgemeinen  Urteils- 
lehre (vgl.  S.  366  u.  614)  und  mit  seiner  spftler  zu  besprechenden  Auffassung 
der  Bxislenzialurteile  (vgl.  g  112)  gelehrt.  Er  behauptet,  dafi  alte  einfachen 
kategorischen'}  (und  hypothetischen)  Urteile  sprachlich  in  EiislenziaMtze 
umgewandell  werden  kOnnen  (Psychologie  v.  emptr.  Standp.,  Lpz.  1874, 
S.  283  a.  u.  Vom  Urspr.  sitU.  Erk.,  Lpz.  1888,  S.  fiSfL).  So  kann  nadi 
Bientano  z.  B.  das  Urteil  „irgendein  Mensch  ist  krank"  in  das  Urteil  ,4tsend- 
ein  kranker  Mensch  ist"  umgewandelt  werden,  ohne  daB  der  Sinn  des  Urtob 
verindert  wird;  ebenso  das  Urteil  „kein  Stein  ist  Idiendig"  in  das  Urteil 
„kein  lebendiger  Stein  ist".  Die  Koptila  soll  in  jedem  kategorischen  Urteü 
dieselbe  Bedeutung  wie  im  Ezistenzialurteil  haben.  Es  soll  sich  stets  um 
ein  Anerkennen  oder  Verwerfen  einer  Existenz  handeln.  Es  muß  iedocb 
bestritten  werden,  daB  der  Sinn  des  Urteils  bei  der  angegebenen  Umwand- 
lung ganz  unverändürt  bSeibL  Wenn  ich  urteile:  ,4rgendän  Mensch  ist 
krank",  wird  allerdings  zu  der  Vorstellung  „irgendein  Hensch"  auch  irgmd- 
ein  Hensch  als  Gegenstand  hinzugedacht.  Eine  solche  Gegenstands vo  t- 
Etellung"  (vgl.  S.  fil5)  existiert  also  als  solche,  und  es  wird  diesem 
Gegenstand  auch  als  Voratellungsgegen stand  Existenz  zugeschrieben,  dabei 
bleibt  aber  TälUg  offen,  ob  ihm  als  solchem,  außerhalb  unseres  Denkots 
irgendeine  Existenz  and  welche  ihm  zukommt  (man  denke  an  Subjekte  wie 
„ein  Zentaur"  oder  „ein  viereckiger  Kreis"  oder  eine  ,>laue  Tu«end"  oder 
„Werlher",  vgl.  Brentano,  Psycbol.  S.  S86,  Anm  1).  Jedenfalls  ist  in  dem 
ursprflnglichen  Urteil  als  solchem  diese  Existenzfrage  nebensächlich;  wir 
denken  vielleicht  oft  auSer  der  Existenz  als  Voretellungsg^enstaud  nocb 
eine  andere  Existenzweise  stillschweigend  hinzu,  aber  letzteres  Hinzudenken 
kann  auch  fehlen,  und  iededfalls  bt  die  Prädikation  des  Krank- 
seins usL  logisch  und  psychologisch  das  Wesentliche.  In  der  Brentaoo- 
scben  Umformung  hingegen  wird  die  Existenzfrage  zur  Hauptsache  gemacfat 
Das  ursprüngliche  Prädikat  wird  zum  Attribut  (vgl.  S.  371}  und  ein  neues 


<)  Kril.  d.  rein.  Vem.,  Kehrb.  Ausg.  S.  472. 

')  Über  die  Bedeutung  des  kategorischen  Urieils  siehe  %  120.  Bis  jettf 
hi'sprochenen  Urteile  von  der  Schulform  „S  ist  T"  sind  sümtlich  kste- 
tonsch. 


2.  KapiteL    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  ^25 

Ptidikat  einsefohrt.  Logisch  und  psychologiscb  hat  sich  der  Sidd  also 
wesenthch  verschoben*]. 

Die  Versuche  einer  symbolischen  Darstellung  des  Urteils 
gehen  liis  in  das  Altertum  zurück.  Früher  beschrflukle  man  sich  meist 
dacaui,  Subjekt  und  Prädikat  durch  Buchstaben  wie  S  und  P  zu  bezeicbsen. 
KanI  drückt  das  Subjekt  durch  ein  Quadrat,  das  Prädikat  durch  einen  Kreis 
Uli  (Logik,  %  21,  Amn.  5),  ein  V«rfahren,  das  sich  nur  dann  empfiehlt,  wenn 
iedi^ich  die  Umlangsvereleichung  von  Subjekt  und  Prädikat  in  Betracht 
kommt.  Eine  exaktere  Symbolik  des  Urteils  hat  dann  die  moderne  aigebra- 
iscfae  Logik  (vgl.  g  82  u.  83]  zu  schalfea  verauchL  Man  kann  nicht  sagen, 
daB  sie  bierin  giflcklich  gewesen  isL  So  führt  z.  B.  Schroeder  (Vorles.  Ob. 
d.  Algebra  d.  Log.,  Lpz.  1890,  Bd.  1,  S.  126  f.)  überhaupt  zunächst  kein  all- 
goneines  Urteilssymbol  ein,  sondern  verwendet  2  Zeichen,  n&mlich  ^  für 
die  Subsumtionsurteile ')  (z.  £.  Gold  C  Metall,  vgl.  S.  «6  u.  540)  und  = 
lür  „die  vollkommene  Übereinstimmung"  (z.  B.  Kochsalz  .=. 
Chlomatrium).  Gegen  die  letztere  Charakteristik  ist  einzuwenden,  daß  in 
dem  angefahrten  Beispiel  „Kochsalz  ^  Chlomatrium"  von  einer  Überein- 
stimmung in  jeder  Hinsicht,  wie  Schroeder  auch  sagt,  gar  nicht  die  Rede 
sein  kann.  Der  Inhalt  der  beiden  gleichgesetzten  Begriffe  ist  durchaus  nicbt 
identisch,  nur  die  Gegenstände  und  damit  die  Umfange  fallen  zusammen. 
Vgl.  S.  6(6.  Schroeder  verwendet  außerdem  das  zusammengesetzte  Zeichen 
^g  um  sowohl  die  Unterordnung  als  die  Gleichheit  auszudrücken,  und  be- 
trachtet dieses  ab  das  allgemeine  Zeichen  für  die  Kopula  (1.  c.  S.  132).  Da 
sich  ergeben  wird,  daß  in  der  Tat  alle  Urteile  nach  ihren  Umfangsbezie- 
hungen  in  Gleichbeits-  (identische)  und  Subsumtionsurteile  zerfallen^)  — 
entsprechend  den  beiden  Grundbeziehungen  der  Individualkoeffizienten  im 
Urteil  — ,  wäre  dies  Zeichen  soweit  einwandfrei.  Trotzdem  empfiehlt  es  sich 
aus  zwei  Gründen  nicht:  erstens  haben  wir  es  bereits  verwendet,  um  die 
tatsächliche  Umfaugsheziebung  zw«i«r  Begriff«  auszudrücken  (i^1.  S.  513), 
ao  daß  es  doppeldeutig  wird,  «eun  wir  es  jetzt  auch  fiir  die  im  Urteil  ge- 
dachte Beziehung  zweier  Begriffe  gebrauchen,  tuid  zweitens  wird  in  vielen 
Urteilen  mehr  gedacht  als  die  VergleJchung  der  beiden  Begriflsumlänge,  so 
dafi  es  unzweckmäßig  erscheint,  nur  diese  Umfaugsvergleichtmg,  so  wesent- 
lich sie  auch  für  das  Urteil  ist,  im  Urteilssymbol  zum  Ausdhick  zu  bringen. 

Statt  der  Formulierung  a^b  verwendet  die  algebraische  Logik  auch 
die  Formehl  ab,  ^0  (vgl.  Schroeder,  1.  c.  Bd.  2,  S.  33  u.  88).  Hier  bedeutet 
ab,  du  den  BegriBen  a  und  b,  gemeinsame  Gebiet,  und  b,  bedeutet  non-b 
(vgl.  S.  566).  ab,  =0  besagt  also,  daS  a  und  non-b  kein  gemeinsames 
Teilgebiet  haben,  und  ist  mit  der  Formel  a^  offenbar  äquivalent 


*)  Die  Argumentation  Brentanos  leidet  vor  allem  an  dem  schweren 
Fehler,  daß  die  Bedeutung  des  Terminus  „Existenz"  unzureichend  bestimnU 
wird.  Vgl  hierüber  unten  §  112  u.  meine  Eikenntnistheorie,  Jena  1913, 
§  96,  61  u.  89. 

^  Er  schließt  ücb  hierin  wohl  an  Ch.  S.  Peirce  an,  dessen  ältere  Ar- 
beiten ttäe  nicht  alle  zugänglich  waren. 

■>  Einlache  S  u  p  e  r  oidinationaurteile  („Metall  ist  Gold"  im  Sinn  von 
„zu  den  Metallen  gehört  Gkild")  kennt  unsere  Sprache  bemerkenswerter- 
weise nicht    Tgl.  S.  603. 

Ziahan,  I«hrtiich  der  Logik. 


OgIC 


626       I^-  T^''''-     D'^  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze.  ^ 

Andere  Symbole,  welche  von  mätbematiscben  Logikern  vorjeaüagen 
worden  sind,  kfinnen  wegen  ihrer  UnzweckmäSiskeit  flbeisuigen  werden 
oder  bezieben  neb  nur  auf  bestimmte  Urteildtatesorien  und  komnttB 
darum  erst  spfiler  zur  Besppecbung. 

§  112.  EinteUung:  der  Urt«Ue,  1.  nacb  der  Zahl  der 
Haoptclieder.  Die  psychologißchen  EinteilunpeD  der  Urteile, 
die  in  ^  76  besprochen  wurden,  laäsen  sich  sämtlich  auch  aof 
die  logischen  Urteile  Übertragren.  Es  empfiehlt  sich  jedoch 
im  Hinblick  auf  äis  speziellen  Interessen  der  Loffik,  die 
Beihenfolge  der  Einteilungen  in  der  Besprechung  etwas  ab- 
zuändern und  einige  hinzuzufügen,  die  dort  wegen  der  Ge- 
ringfügigkeit ihrer  psychologischen  Bedeutung  übergangen 
wurden.  Sieht  msLB  von  den  zusammenfassenden  Urteilen 
(Kolligationen,  S.  393  u.  593),  die  einer  gesonderten  Bespr^ 
chung  nnterzogen  werden  sollen,  vorerst  ab,  so  kommen  für 
die  Logik  folgende  Einteilungen  der  „einfachen"  Urteile  als 
besonders  wichtig  in  Betracht: 

1.  nach  der  Zahl  der  Hauptglieder  in  ein-  und  zweiglie- 
drige Urteile; 

2.  noch  dem  Empfiadungs-  oder  VorstelltmgBcharakter 
von  S  in  Empfindnngs-  und  VoretellungBnrteile; 

3.  nach  der  UrteiH,qiialität"  (S.  391)  in  bejahende  and 
verneinende  Urteile; 

4.  nach  dem  begrifflichen  Charakter  von  S  (S.  477)  in  In- 
dividnal-  und  Qeneralnrteile  usf.; 

5.  nach  der  Belegung  und  nach  dem  Umfang  von  S  (nacb 
der  sog.  Quantität)  in  singulare  und  plarale,  universale  und 
partikuläre  Urteile; 

6.  nach  der  Beteiligung  der  Individnalkoeffizienten  nnd 
des  Inhalts  von  S  und  P  an  dem  Vergleichungsakt  des  Ur- 
teils in  identische  und  subsumierende,  konsertive  und  kom- 
meoBive,  analytische  und  synthetische  Urteile; 

7.  nach  der  Geltung  (S.  365  u.  382  ff.)  bzw.  Modalität  in 
thetische  und  prothetische  Urteile  nsf. 

Bei  der  Einzelerörtemng  dieser  Einteilungen  wird  sich 
ergeben,  daQ  keineswegs  alle  gleichberechtigt  sind;  bezüg- 
lich der  ersten  wird  sogar  nachzuweisen  sein,  daQ  sie  über- 
haupt nicht  zu  Recht  besteht.  Die  gegenseitige  Überlagemsg 
der  Einteilungen  ist  teils  vollständig,  teils  unvollständig,  da 
sich  herausstellen  wird,  daß  einzelne  sich  nicht  auf  das  ge- 
samte Gebiet  der  Urteile  im  weitesten  Sinn  erstrecken- 


1,1^. OQi 


'S" 


2.  Eapitel.    Die  Lehre  vod  den  Urteilen.  627 

Seit  Esnt ')  ist  es  üblich  Beworden.  4  Haupteinteilungen  der  tirieüe 
.aufzuetellen,  nämlich  1.  nach  der  Qu&ntität  (aUgeoieinc,  besoodere  und  ein- 
zelne Urteile],  2.  n&ch  der  QuaJität  (bejahende,  verneinende  und  unendliche). 

3.  nach  der  Relation    (kategorische,    hypothetische    und    disjunktive)    und 

4.  nach  der  Modalität  (probtematiache,  assertorische  und  apodiktische). 
Die  schweren  Mangel  dieser  Auizählung  sollen  bei  den  einzelnen  der  oben 
angefahrten  7  Gruppen  nachgewiesen  werden.  Auch  haben  in  den  letzten 
Jahrzehnten  bereits  manche  andere  Logiker  die  Kantsche  Aufzählung  be- 
anstandet*) vind  durch  andere  AuFzahlungen  zu  ersetzen  verbucht.  Auch 
auf  diese  Versuche'soll  unten  naher  eingegangen  werden. 

1.  Einteilung  der  Urteile  uacb  der  Zahl 
der  Haaptglieder. 

Nach  unsereu  Erörterungen  in  ^  108  S.  besteht  jedes  Ur- 
teil aus  wenigstwis  2  Gliedern,  Subjektsbegriff  S  und  Prädi- 
kat, und  letzteres  läßt  sich  stets,  indem  man  das  Urteil  auf 
die  Schnlform  bringt,  in  Kopula  und  PrädikatBbegriff  P 
(S.  618)  zerlegen.  Sieht  man  also  von  der  Kopula,  durch 
welche  die  TJrteilsverknüpfung  ausgedruckt  wird,  ab,  so  ist 
jed^  Urteil  aus  zwei  Hauptgliedern  zaBammengesetzt. 
Das  Auftreten  von  mehr  als  zwei  Hanptgliedem,  z.  B.  2  Snb- 
jektebegriffen  oder  2  Prädikatsbegriflen,  kommt  erst  bei  den 
-zoBammenfassenden  Urteilen  zur  Geltung.  Wohl  aber  muß 
die  Frage  erörtert  werden,  ob  nicht  auch  eingliedrige 
Urteile  möglich  sind.  In  der  Tat  hat  man  oft  behauptet,  daß 
es  urteile  gibt,  die  aus  einem  Hauptglied  bestehen,  und 
zum  Beweis  einerseits  die  sog.  Existenzialurteile  wie 
.,Gott  ist",  „ich  bin",  „Hegen  ist"  und  andrerseits  die  Im- 
personalien wie  „es  läutet",  „es  regnet"  angeführt*). 

Wir  besprechen  zuerst  die  Existeozlalnrlelle  *).     Her- 


>)  Kril.  d.  rein.  Vern.,  Kehrb.  Ausg.  S.  89;  Logik  §  30  (f. 

■)  In  früherer  Zeit  z.  B.  schon  Herbart,  SAmll.  WW.,  ed.  Hartenstein, 
Leipz.   1850,  Bd.  1,  S.  472. 

»)  Die  Berufung  auf  inlerjektionelle  ausdrücke  wie  „Feuer!"  „Diebe" 
kommt  nicht  in  Betracht,  da  es  sich  offenbar  nur  um  sprachliche  Abkür- 
zungen handelt  (vgl.  S.  620)  entweder  für  gewöhnliche  zweigliedrige  Urteile 
(„ein  Feuer  brennt  hier")  oder  für  ein  Ezisteiizialurleil  („ein  Feuer  ist"). 

*)  Das  primitive  zweigliedrige  Urteil  {^nqäiri'  ämiparati)  des  Ari- 
stoteles (Akad.  Ausg.  19  b),  das  ganz  allgemein  aus  orofia  und  ^/(o  (Verb) 
besteht,  und  in  dem  nicht  die  Kopula  als  dritter  Bestandteil  zwischen  Sub- 
jekts- und  Frädikatsbeeriff  tritt  {t^nf  avyttiaiiyo^iUai),  umfaßt  viel  mehr 
als  die  Existenz! alurteile.  nftmlich  auch  andere  Urteile,  die  zweigliedrig  er- 
scheinen, weil  sie  nicht  auf  die  Schulform  reduziert  worden  sind.  —  Ober 
das  Verdienst  des  Eudemus  um  die  Lehre  vom  Existenzialurtetl  vgl.  Pranit. 
'Gesch.  d.  Log.  Bd.  1.  5.  355,  Anm.  36. 

40* 
n,i.ii.,1^.00t5IC 


628       I^-  T^''-    I^'c  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

bart")  hat  behauptet,  doS  in  diesen  nicht  etwa  „der  Begriff 
des  Seins"  „das  nreprüngliehe  Prädikat"  Bei,  sondern  daß  es 
sich  Jan  eingliedrige  urteile  handle,  in  denen  die  Kopnla  das 
„Zeichen  der  nnbedingtenAnfstellnng"  sei.  Diese  Anffaeeiuig 
Herbarts  kann  nnn  zunächst  entweder  so  fortgeführt  werden, 
daß  man  das  Fehlen  eines  Subjekts  behauptet,  oder  so,  daß 
man  das  Fehlen  eines  Prädikats  behauptet.  Herbart  hat  den 
erstcren  Weg  eingeschlagen.  Er  hält  das  Existenzialurteil 
für  einen  subjektlosen  Satz*).  Die  Kopula  ,J!Ddet  nichts 
mehr,  woran  sie  das  Prädikat  knüpfen  könnte"  (Donner 
ist  ^  es  ist  Donner).  Die  Ezlstenzialurteile  fallen  dann 
offenbar  mit  den  Impersonalnrteilen  im  wesentlichen  zu- 
sammen. Der  zweite  Weg  ist  meines  Wissens  überhaupt  noch 
nicht  konsequent  beschritten  worden.  Dagegen  liegt  sehr 
nahe,  mit  der  Zweiglicdrigkeit  des  Urteils  auch  die  Schei- 
dung von  Subjekt  und  Prädikat  ganz  aufzugeben.  Damit 
wird  die  Frage,  ob  in  den  Existenzialsätzen  S  o  d  e  r  P  fehlt, 
bedeutungslos.  Diesen  Weg  hat  Brentano^)  beschritten.  In 
^edem  Fall  muß  dann  zugleich  die  ganze  ürteilslehre  umge- 
staltet werden.  Das  Urteil  hört  auf,  die  Verknüpfung  zweier 
Begriffe  zu  sein,  es  muß,  um  den  Existenzialsätzen  gerecht 
zu  werden,  anders  definiert  werden.  In  der  Tat  hat  Brentano 
eine  solche  Umgestaltung  der  Definition  des  Urteils  voige- 
nommen  *).  Er  erblickt  das  Wesen  des  Urteils  lediglieh  in 
der  Anerkennung  oder  Verwerfung  eines  vorgestellten  In- 
halts. Im  positiven  Existenzialsatz  „Gott  ist"  wird  also  der 
vorgestellte  Inhalt  „Gott"  anerkannt,  im  negativen  „Gott  ist 
nicht"  derselbe  Inhalt  verworfen.  Er  rechnet  daher  auch  alle 
Wahrnehmungen  zu  den   Urteilen').    Die  Wahrheit  eines 

=)  Lehrb.  z.  Einleit.  i.  d.  Philos..  Abschn.  2,  Kap.  2,  §  63  (1.  c.  Bd.  1. 
S.   JMf,). 

■)  Der  SchlufigatE  des  Paraeraphen  scheint  mir  die  Traeweit»  der 
vorausgegangenen  Sfttze  etwas  abzuschwächen.  Er  ist  von  Herbart  erst  in 
der  8.  Auflage  hinzugefQgt  worden. 

')  Psychologie  v.  empir.  Standp.,  Bd.  1.  Lpz.  187t,  S.  186  u.  276  fl.  a 
Vom  Urspr.  sitt).  Erk.,  Lpz.  1889.  S.  69  ff.  u.  117  ff.  Übrigens  neigen  Bwilino 
und  seine  Anhänger  im  aUeemeinen  doch  mehr  dazu,  die  Subiekttosigfceit  ab 
die  Prädikatloeigkeit  hervorzuheben,  w&hrend  z.B.  Erdmann  (Logik,  2.AalL, 
S.  405)  sogar  die  Bezeichnung  „Subjekteurteile"  für  die  Existenzialsätse  »d 
Grund  ihres  ,3achhchen  Inhalts"  in  Erwägung  zieht. 

■)  Es  versteht  sich  von  selbst,  daB  dies  nicht  etwa  n  u  r  im  HinU)'^ 
auf  die  Existenzial sitze  geschah. 

•)  Psych.  I.  c.  S.  277. 


n,5,t,7rjM,G00glc' 


2.  Kapitel.    Ihe  Lehre  von  dea  Urteilen.  629 

affirmativen  Urteils  ist  nach  Breotano  mit  der  Existenz 
seines  Gegenstandes  identisch  "). 

Brentano  drOckl  denselben  Gedanken  auch  durch  den  Satz  aus:  xu 
dem  ExistierendeD  gehört  alles  das,  wofQr  das  anerkennende  Urteil  wahr  ist 
;i.  c.  S.  61).  Ahnlich  behauptet  Ifaity  (Vierteljahrsschr.  f.  wies  Philos.  18», 
Bd.  8,  S.  172:  der  Begrifl  der  Exialenz  .^lezeichnet  nur  die  Beziehung 
irgendeines  Gegenstandes  (worunter  nir  jedes  Vorgestellte  ver- 
stehen} auf  ein  mögliches  Urteil,  das  ihn  anerkennt  und 
dabei  wahr  oder  richtig  ist".  „Wirklichkeit  oder  Sein  im  Sinn 
voD  Realität  und  im  Sinn  von  Existenz"  sind  nach  Hart;  (ebenda  1806, 
Bd.  18,  5.  33  u.  SSO)  „lotal  verschiedene  BegriCfe".  Leider  haben  sovobl 
Brentano  wie  Uartr  versfiumt,  von  den  Termini :  Anerkennen  (insbesondere 
ein«s  Gegenstandes),  Wahrheit,  Wirklichkeit  und  Existenz  klare,  eindeutige 
Definitionen  oder  wenigstens  Charakteristiken  zu  geben.  Der  Grundirrtum 
Brentanos  liegt  wohl  darin,  daß  er  glaubt,  unser  Erkennen  bestehe,  wenn 
auch  nicht  in  dem  Erzeugen,  so  doch  in  dem  Feststellen  eines  Sachverhalts, 
w&hrend  lalsächtich  unser  Erkennen  immer  nur  einen  Sachvej'halt'  ausdrückt 
und  ihm  mehr  oder  weniger  entspricht  Daher  auch  die  unbegründeten  Be- 
denken Brentanos  gegen  die  adae<iuatio  rei  el  intellectus  der  Scholastiker 
(ürspr.  situ.  lirk.  S.  75j.  Infolgedessen  fa&l  er  die  Wahrheit  nicht  als  die 
Übereinstimmung,  d.  b.  ein  möglichst  nahes  Entsprechen  zwischen  Er- 
kenntnis und  Sachverhalt  aul,  sondern  objektiviert  sie  und  identifiziert  sie 
mit  dem  Sacbvcrbalt  und  kann  daher  den  BegriU  der  Existenz  als  das 
.Jvorrclat"  des  Begriffs  der  Wahrheit  (einheitlicher)  affirmativer  (Jrleile  be- 
zeichnen (I.  c.  S.  76).  Das  Anerkennen  (Zustimmen,  Gellung^ewuBtsein), 
welches  tatsächlich  nur  ein  Bewußtsein  von  der  Übereinstimmung  zwischen 
Eikenntnis  und  Sachverhalt  ist  (in  dem  in  g  6i  u.  76  erörterten  Sinn),  wird 
nun  tOr  Brentano  zum  Statuieren  eines  Sachverhalts:  ein  Sachverbalt  wird 
,.als  wahr  angenommen"  (vgl.  auch  Psych.  S.  262).  Hierzu  kommt  nun  ein 
weiterer  Fehler,  indem  Br.  auch  noch  die  tatsächliche  BicbUgkeit  des 
Urteils  (des  Anerkennens)  einmengt  (eidstieiend  :=  mit  Recht  anerkannt. 
Gegenstand  wahrer  Erkenntnis).  Auf  die  tatsächliche  Richtigkeit  kommt  es 
in  einem  Existenzialurteil  eari  nicht  an.  Oder  meint  Br.,  daS  ich  mit  dem 
Urteil  „Wien  ist"  meine:  ich  erkenne  Wien  als  mit  Recht  anerkannt  an? 
Dann  brächte  die  „Existenz"  in  der  Tat  zu  der  Anerkennung  nichts  hinzu, 
sie  wäre  ein  leerer  Pleonasmus.  Dies  wideistreitet  aber  dem  Tatbestand 
durchaus.  Jch  meine  mit  Urteilen  wie  „Wien  ist",  „Gett  ist"  usf.  nicht  ganz 
allgemein,  daß  ich  ober  Wien  bzw.  Gott  etwas  Richtiges  urteile,  sondern 
meine  damit  einen  ganz  besonderen  Sachverhalt,  nbniich  daB  meiner  Vor- 
stelluDg  Wien  bzw.  Gott  dasjenige  Prädikat  zukonmit,  das  wir  eben  als 
Enstenz  bezeichnen  (einerlei  ob  wahrnehmbare  oder  nicht-wahrnehmbare 
Existenz),  und  das  unten  erörtert  werden  wird. 

Allen  diesen  Anschauungen  gegenüber  muß  festgeätellt 
werden,  dafi  die  Existenzialurteile  wie  alle  anderen  urteile 
aas  zwei  Hauptgliedern  zusammeDgesetzt  sind  und  insbeson- 
dere der  Prädikatsbegriff  nur  scheinbar  fehlt.  Tatsächlich 
ist,  wie  der  Subjektsbegriff,  so  auch  der  PrädikatsbegriC 

»•)  ütsPT.  situ.  Erk.  S.  76. 

n,g,t,7l.dM,GOOglC 


^30       '^-  '^'^-     ^*^  einzelneo  togischen  Gebilde  und  ibre  Gewtze. 

immer  vorhanden,  und  zwar  kommen  logisch  f  ölende  Fälle") 
in  Betracht: 

1.  aU  Subgektsbeipriff  ist  ein  irgendwie  qualitativ  (in- 
haltlich), zeitlich  oder  räomlich  '*)  bestimmter  Tatbestand 
(Ding,  Empfindung,  Erinnerung  usf.)  hinzuzudenken,  und 
das  grammatische  Subjekt  des  Satzes  ist  dem  logischen  Sin» 
nach  PrädikatsbegriS  (Begen  ist  oder  es  regnet  =  das  hier 
bzw.  jetzt  Gesehene  ist  Begen  ^=  „das"  ist  Begen,  vgl.  anch 
8.635  ff.); 

2.  als  Prädikatsbegriff  ist  eine  qualitative,  zeitliche  oder 
räumliche  Bestinunong  im  Sinn  eines  M^-kmals  hinzusn- 
denken  (Begen  ist  =  Begen  ist  jetzt  bzw.  hier); 

3.  als  PrädikatsbegrifF  ist  eine  zeitlich  oder  räumlich 
bestimmte  „Existenz"  hinzuzudenken,  wobei  die  zeitlich- 
ränmliche  Bestimmtheit  nebensächlich  ist  (Bfegen  ist  = 
Begen  existiert  jetzt  bzw.  hier); 

4.  als  Prädikatsbegriff  ist  eine  zeitlich  und  räumlich 
unbestimmte  „Existenz"  hinzuzudenken  (Gott  ist  =  <3ott  ist 
existierend). 

Der  Fall  2  ist  sehr  selten,  weil  das  Merkmal  Jelzt  und  hier"  und  eist 
recht  ein  qualitatives  Merkmal,  wenn  es  den  Besen  detenninieren  soll,  im 
sprachlichen  Ausdruck  nicht  wesKelassen  wiid.  Zuweilen  wird  der  zweite  Fall 
durch  das  Tempus  markiert:  es  regnet  z.  B.  ^  es  wird  nicht  erst  reroen.  Die 
meisten  Beispiele,  welche  man  vielleicht  zu  Fall  2  rechnen  mOchie,  lalteo 
unter  3.  Existenz  imd  Beslinuntheit  der  räumlich- zeitlichen  Individual- 
koeffizienten  gehen  eben  in  der  Regel  Hand  in  Hand. 

In  den  beiden  ersten  Fällen  bietet  das  Existenzialurteil 
überhaupt  keine  wesentliche  Abweichung  von  anderen  Ur- 
teilen, dagegen  bedarf  im  dritten  und  vierten  Fall,  den 
Exifitenzialurteilen  s.  str.,  das  Prädikat  der  Existenz  einer 
Erläuterung. 

Erkenntnistheoretisch  sind  nämlich  folgende  Arten  der 
Existenz  zu  unterscheiden: 

a)  die  Existenz  im  Sinn  des  Oegebenseins  oder  als  Oigao- 
men  (r-Existenz,  vgl.  S.  250), 

und  zwar  a)  als  Empfindung  oderEmpfindungsgigno- 
men  (E-Existenz,  S.  252) 

")  Psvcholc«iscb  sind  sie  keineswegs  scharf  voneinander  seschifden. 
'')  Hier  und  im  folgenden  sei  stets  auch  die  Möglichkeit  einW  quali- 


OgIC 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  Q3J 

oder  ß)  als  Vorstellnng  (im  weitesten  Sinne)  oder 
VorBtellungsgignomen  (V-Exi£tenz) ; 

b)  die  Existenz  im  Sinn  einer  Komponente  eines  Gig- 
nomens, 

und  zwar  a)  als  v  =  Komponente  (v  =  Existenz), 
oder  ß)  als  r=  Komponente  (v  =  Existenz), 
oder  y)  als  ^  c=  Komponente    oder  Bednktions- 

beatandteil   (p  =  Existenz,  Ding«  des 

naiven  Denkens); 

c)  die  Existenz  im  Sinn  des  Gegebenseins  für  andere 
IndiTidnen. 

Die  Existenz  unter  b  und  c  ist  im  Sinn  meiner  Erkenntnistheorie 
transgressiv,  aber  nicht  tionszendent.  Femer  ist  zu  bemerken,  daß  jeweils 
in  den  Gegebenheiten,  Komponenten  usf.  auch  die  Relationen  der 
Gignom^ne  usf.  einbegriffen  sind.  Auch  ist  wichtig,  daB  die  Vatstellungs- 
gignomene'*)  entsprechend  den  Auseinandersetzungen  in  §60Ef.  verschiedenen 
Stufen  angehören.  Die  erste  Stufe  ist  in  dem  Urteil  selbst  gegeben.  Endlich 
empfiehlt  es  sich,  die  verbalen  Empfindungs-  und  VorsteUungsgignomene 
(Sprach  empfindungen  und  S  p  r  a  c  h  klangbilder)  von  der  Gruppe  a  ab- 
zutrennen und  in  einer  besonderen  Gruppe  d  „Wo  rt  exis  t  enzen"  zu- 
sammenzufassen ''*).  Andrerseits  kann  man  auf  Grund  eckeontnis- 
theoretischer  Erw^ungen  alte  aufgeführten  Existenzen  in  zwei  Hauptklassen 
einteilen:  e  =  Existenzen  und  Existenzen  mit  Beteiligung  von  •■-  oder  »- 
Eompcoeaten  und  sich  damit  der  populSien  und  auch  in  der  Wissenschaft 
noch  nicht  überwundenen  Einteilung  in  Physisches  und  Psychisches  nähern. 
Die  erkenn toistheoretische  Frage,  ob  Existenz  immer  eine  individuelle  Be- 
stimmtheit, also  einen  r&umlich- zeitlichen  oder  doch  wenigstens  einen  zeit- 
lichen IndividualkoefSzientep  der  bezQgUchen  Empfindungen  oder  Vorstel- 
lungen oder  Redukte  fordert,  oder  ob  auch  von  Existenz  des  Allgenieineii 
unabhängig  von  der  Existenz  des  subordinierten  Einzelnen  gesprochen 
werden  darf,  kann  hier  nicht  erOrtert  werden.  Ebenso  hegt  für  die  Logik 
keine  Veranlassung  vor,  den  sog.  Werturteilen  **)  eine  besondere  Stellung 
einzuräumen.    Über  die  „dritte"  Existenz  der  I.ogizisten  siehe  S.  16  u.  S71. 


")  Daß  das  Denken  nicht  etwa,  wie  Riehl  (PMlos.  Kritiz.,  2.  Aufl.  Lpj:. 
1906,  S.  171)  meint,  „die  einfachste  Geatalt  des  Seins"  ist,  bedarf  nach  dem 
Yorau^egansenea  keiner  ErQrterung. 

^*)  „Viereckiger  Kreis"  hat  nur  Wortexistenz  und  die  Existenz  zweier 
sukzessiver  Vorstellungen,  aber  nicht  die  Existenz  einer  Komplexions- 
vorstellung.   Vgl.  S.  371. 

^*)  Vgl.  aber  diese  a..  B.  Max  Reiscble,  Werturteile  u.  Glaubenaurleile, 
Halle  1900,  S.  *2ff.;  Chr.  v.  Ehrenlela,  System  der  Werttheorie,  Bd.  1,  Lpz. 
1897;  A.  Ueinong,  Psyohol.  eth.  Untersuch,  z.  Wert-Theorie,  Graz  18M,  S.  20; 
J.  CL  Kreibig,  Psycholog.  Grundlegung  eines  Systems  der  Wert-Theorie,  Wien 
1902  (S.  8  Wert  u.  Urteil);  Durkheim,  Rev.  de  m£taph.  et  de  mor.  1911, 
Bd.  19,  S.  4B7.  —  Die  Windelbandschen  ,3  e  urteilungen"  t^l.  z.  B.  Prae- 
ludien,  4.  Aufl.  Tübingen  1911,  Bd.  1,  5,  29)  sind  strenggenommen  nichts 


OgIC 


532       ^-  'I'^''-     ^'B  einEelnen  loviscbeii  QeUlde  und  ihre  Gesetz«. 

Die  Existenzialsatze  '*)  nun  sagen  ii^ndeine  dieser 
Existenzen  auB.  Die  Existenz  der  im  Existenzialnrtei!  selbBt 
sedachten  Begriffe  (Gott,  Wien,  Begen  nsf.)  als  Begriffe, 
lt.  h.  als  normalisierter  Vorstellnngsgignomene  wird  selbet- 
verstandlich  immer  mitgedacht,  das  Denken  dieser  Existenz 
aher  ist  keine  Besonderheit  des  Existenzialurteils,  sondern 
kommt  jedem  Urteil  im  logischen  Sinne  ^0  zu-  Indem  wir 
dann  aber  die  oft  besprochene  Objektivation  der  Ürteils- 
begrUfe  vollziehen  (S.  379  u.  491),  setzen  wir  an  Stelle  der 
letzteren  entweder  Vorstellnngen  einer  anderen  Stnfe  oder 
Empfindungen  oder  Beduhtionsbestandbeile  (,.Dinge"  der 
populären  Auffassung,  „Reize"  der  Physiologen  nsf.)  nnd 
schreiben  diesen  je  nach  dem  Argument  (S.  268)  eine  jener 
oben  aufgezählten  Existenzen  zu.  Bei  den  gewöhnlichen  Ur- 
teilen lauft  dieses  Zuschreiben  einer  Existenz,  wenn  e« 
stattfindet,  neben  der  Urteilsverknüpfung  einher'*),  bei  dem 
Existenzialnrteil  ist  es  der  einzige  Inhalt  des  Urteils.  Wenn 
ich  urteile  „Gold  ist  19,6  mal  so  schwer  als  Wasser",  so  be- 
ziehe ich  diese  Aussage  auf  die  ^ -Existenz  von  Gold  nnd 
Wasser  (im  Sinn  irgendeiner  wissenschaftlichen  oder  naiven 
Beduktion  des  Gegebenen),  und  dieses  Beziehen  läuft  neben 
meiner  Aussage  her.  Wenn  ich  das  Existenzialurteil  fälle: 
„es  gibt  ein  Metall,  das  19,6  mal  schwerer  ist  als  Wasser" 
oder  „Gold  existiert",  so  ist  die  Existenz,  und  zwar  die 
9- Existenz  des  bez.  Metalls  oder  des  Goldes  der  einzige  In- 
halt meines  Urteils.  Es  kann  also  nicht  zugegeben  werden. 
daB  den  Existenzialsätzen  ein  Prädikat  fehlt. 


anderes  als  Werlurleile;  nach  Wiodelband  veAindcl  sich  mit  jed«n  be- 
labenden  oder  verneinenden  Urteil  eine  Billigung  bzv.  MiBbilligung  bezOgtidi 
des  Wahrheits  w  e  T  t  e  s  und  damit  eine  Beurteilung.  Vgl  g  46  u.  S.  366. 
Anm.  R  u.  362  B. 

'•)  Zuweilen  tritt  sogar  an  Stelle  des  Eiistenzialsatzes  ein  einidn« 
Subslantiv,  so  x.  B.  in  dem  Ausral  „Diebel".  Vgl.  S.  627,  Anm.  S. 

'^  Im  psychologischen  Urteil  ist  nicht  einmal  dieses  Hinzudenken  not- 
wendig. Die  im  Urtei!  verknöpften  Voretellungen  haben  V-Existenz,  son* 
könnten  und  würden  wir  sie  nicht  denken;  aber  ein  besonderes  Anerkennen 
dieser  Existenz  findet  im  allgemeinen  nicht  statt 

!•)  In  diesem  eingeschränkten  Sinne  hat  Hurae  recht,  wenn  er  be- 
hauptet: to  reflect  on  any  tbing  simplf,  and  to  rellect  on  it  ta  existent,  u« 
nolhing  diflerent  from  eacb  other  (Treat  of  hum.  nat.  I,  2.  SecL  6).  —  Auch 
die  Ansicht  Bradleys.  daD  im  Urteil  ein  vorsestellter  Inhalt  auf  eine  RetÜU' 
jenseits  des  Crteilsaktes  bezogen  werde,  gebfirt  hierher  (Prineiplra  of  higic. 
London  188a,  S.  1*  u.  a.l. 


n,5,t,7rjM,G00glc 


•2.  Kapitel    Die  Lehre  von  den  Urleiieu.  63^ 

Es  steht  natürlich  nichts  im  Wege,  auch  auf  diese  Verschiedenheit  des 
Arguments  bei  der  Obiektintion  eine  Einleitung  der  Urteile  zu  gründen 
£s  würden  sich  datwi  die  soeben  unter  a,  b  und  c  angeführten  Klassen  er- 
leben. Hierbei  gebärt  auch  die  Unterscheidung  Grdmanns  (Logik,  2.  Aufl., 
S.  {30  u.  45S)  zwischen  R  e  a  I  urteilen  ")  und  I  d  e  a  1  urteilen,  ie  nachdem 
die  in  dem  fonnuherten  Urteil  ausgesagten  Beziehui^en  „als  unabhängig 
Ton  unserem  Vorstellen  «irklich  vorausgesetzt  werden"  oder  die  „Wirklich- 
keit" dieser  Beziehungen  „lediglich  in  ihrem  Gedachtwerden  besteht".  Ebenso 
finde  —  im  Hinblick  auf  die  Wortezistenzen  —  die  Einteilung  in  essential 
oder  verbal  und  non-essenlial  oder  accidental  oder  real  propositions,  welche 
J-  St  Mül  auf  Grund  einer  Übrigens  sehr  anfechtbaren  Argumentation  gibt 
(Sistem  of  logic  f,  G,  4,  3.  Aufl.  IB&l,  S.  128),  hier  ihren  Platz.  Ein  näheres 
Eingehen  ist  hier  nicht  erforderiich.  da  es  sich  um  eine  vorwiegend  er- 
^enntnistheoretische  Frage  handelL    Vgl,  auch  S.  534  ff. 

Kant  erkl&rt  zwar,  daB  ich  in  dem  Eiistcnzialsalz  ,J:etn  neues  Prä- 
dikat" zum  Begriff,  „sondern  nur  das  Subjekt  an  sich  selbst  mit  allen  seinen 
Prädikaten"  setze,  fügt  aber  ausdrücklich  hinzu:  „und  zwar  den  Gegenstand 
in  Beziehung  auf  meinen  Begrifl"  (KjiL  d.  rein.  Vem.,  Kehcb.  Ausg.  S.  472); 
„der  Gegenstand  .  .  .  kommt  zu  meinem  Begrifft;  (der  eise  Bestimmung  meines 
Zustandes  isl)  synthetisch  hinzu  .  .  .".  Seine  weiteren  Auseinandersetzungen 
lassen  sich  mit  der  oben  gegebenen  Auseinandersetzung  sehr  wohl  in  Ein- 
klang bringen.  —  In  der  neueien  Lileralur  isl  namentlich  auch  Chr.  Sigwart 
gegen  Brentano  für  die  iwädikalive  Natur  der  Exislenzialaussage  eingetreten 
(Ugik,  ßd.  1,  §  la  u.  2,  §  86,  2.  Autl.  Bd.  1,  S.  88  fl.  u.  Bd.  2,  S.  3381t.  u. 
Die  IinpersonaUen,  Freiburg  1888,  S.  50  ff.).  Weim  S.  seinerseits  behauptet, 
„das  Seiende  stehe  dem  bloß  Vorgestellten,  Gedachten,  Eingebildeten  gegen- 
ober", und  es  „stehe  mir,  dem  Vorstellenden,  als  etwas  von  meinem  Vorstellen 
fjoabb&ngises  gegenübet",  wird  er  der  Mannigfaltigkeit  der  Existenzialufteile 
nicht  gerecht.  Vor  allem  sprechen  wir  auch  von  der  Existenz  von  Vor- 
stellungen, Vorstellungsgeaelzen  usf.;  es  müßte  also  wenigstens  statt  „dem 
bloß  Vorgestellten  .  .  ."  heißen  „dem  in  der  aktuellen  Votstellung  Gedachten", 
Ich  sehe  aber  nicht  ein,  warum  nicht  aucli  die  aktuelle  Vorstellung  als  solche 
existieren  sollte  (unahh&ngig  von  einem  Urteil  über  sie),  vgl.  üben  S.  631. 
a,  ß  u.  S.  632.  In  der  aktuellen  Vorstellung,  Empfindung  usf.,  wenn  ich  sie 
gegenstandslos  denke,  liegt  sogar  gewissermaSen  der  PrototTP  der  Existenz 
vor.  Daher  scheint  mir  die  von  Sigwart  im  AnschluB  an  Kant  gew&blte 
BezeichDung  .Jtelationspr&dikat",  die  auf  das  „Verhältnis  zum  Eikenntois- 
vermögen"  hinweisen  soll,  doch  nicht  uubedeokhch.  Nach  meiner  Auffassung 
ist  ein  Existenzialurtell  denn  auch  nur  dann  von  Bedeutung  fUr  unser  Er- 
kennen, wenn  es  nicht  nur  die  Existenz  im  allgemeinen,  sondern  irgendeine 
bestimmte  iener  oben  (S.  630)  aufgezählten  Existenzen  bejaht  oder  verneint 
oder  zwischen  bestimmten  unter  ihnen  die  Wahl  läßt  bzw.  beslimmti)  unter 
ihnen  ausschließt. 

Weitere  Literatur  über  die  Ex  isten  zialu  r  teil  e  (nur 
wichtigere  Arbeiten):  B.  Erdmann,  Lc«ik,  2.  Aufl.  Bd.  1^  [lalle  1907,  S.  iUtS., 
401  f.,  4&3f.  (Betonung  der  „Wirksamkeit"  ab  Merkmal  für  das  Existieren, 
.Zurechnung   zu  den   „Kausalurteilen");   A.    Rieht,  Vierteljahrsschr.  f.   wis.^. 


")  In  etwas  anderem  Sinn  spricht  Kries  von  Kealurteilen  (Vierleljabrs- 
xbiili  l.  wiss.  niilos.  1B92,  Bd.  16,  S.  253). 


O^^IC 


634       '^'-  l*^''-    ^'^  einzelnen  logiscben  Gebilde  und  ihr«  Gesetze. 

Philos.  1^3.  Bd.  16,  S.  IBS.  ' unteischeidet  das  [eigentliche]  „Urteil  als  die 
Auftaäsung  einer  Voislellung  CHler  Vorstellungsverbindung  als  wirklich,  d.  i. 
m  den  Kontext  der  W&hmehmungeD  gehörig"  und  den  „beghfilicben  Satz  ") 
als  die  Auffassung  eines  Verhältnisses  zwischen  zwei  oder  mehreren  Be- 
giiüen  als  allgemeinsültis  und  notwendig,  welche  Eigenschaften  die  Wahrheit 
des  Verfa&ltnisäea  ausmachen");  H.  Cornelius,  Versuch  einer  Theorie  der 
lÜxistSDiialurteilo.  München  l&Oi  (unletscheidet  Relationsurteile  und  Exi- 
stenzial urteile  e.  str.  und  teilt  letztere  ein  in  die  elenrnttaren  Wahmehmuncs- 
urteile,  soweit  sie  sich  auf  pbyäsche  Phänomene  beziehen,  und  die  auf 
solche  Phänomene  bezQgUchen  „symbolischen  ExistenzialurteLle");  Ad.  DtioB, 
Über  den  Existenzialbegriff,  Freiburg  1902;  Franz  Mikloäich,  SubjcÜlose 
Sätze,  2.  Aufl.  Wien  ISSS;  U&rty,  Vierteljahrs  sehr.  f.  wiss.  Philos.  1881. 
Bd.  8,  S.  90«.  u.  lR6f[.,  1888.  Bd.  12,  S.  241  H.  (Sigwarts  Antwort  S.  36öt), 
18M,  Bd.  18,  S.  32Ü  u.  440  fl..  1895,  Bd.  19,  S.  19  ff.  u.  277  0.;  W.  Jordan, 
Die  Zweideutigkeit  der  Copula  bei  Stuart  Mill,  Progr.  d,  kgl.  Gjmn.  in  Stult- 
ttti  1870*;  Fr.  Hillebrand,  Die  neueren  Theorien  der  kategorischen  Schlüsse, 
Wien  1891,  S.  24  u.  35ff.;  J.  Bergmann.  .\]1g.  Logik,  1.  Teil  Reine  Logik, 
Berlin  1879,  |  5.  S.  33  u.  §  15,  S.  142;  W.  Jerusalem,  Die  UrteilsfunkticD, 
Wien-LeipsdR  1896,  S.  68  u.  20";  E.  l,ask,  Die  Log.  d.  Philos.  u.  d.  Kate- 
Eorienlehre,  Tübingen  Iflll,  S.  70  u.  107  ü.;  W.  Wundt,  Völkerpsychologie  1,2. 
2.  Aufl.  1904,  S.  220 ff.;  W.  Enoch,  Philos.  Monatshefte  1833,  Bd.  29,  S.  447 
u.  451;  W.  ScbupDe,  Erkennt nistheorct.  Logik,  Bonn  1878,  naraentl.  S.  634  fl.. 
GrundriB  d.  Erkenntnistheorie  u.  Logik,  2.  Aufl.  BcrUn  1i)lü,  S.  29  u.  170, 
u.  Ztschr.  i.  Völkerpsych.  1886,  Bd.  16,  S.  249  (Existenz  als  „Reflexion:- 
prädikat"  *>),  Esistenzaussagen  betreffen  immer  nur  eine  Existenzart  mit 
Ausschluß  einer  anderen);  E.  Husserl,  Ideen  zu  einer  rein.  Phänomeno)., 
Buch  1,  Halle  1913,  naroenU.  S.  12,  86,  96,  18ö,  280;  F.  H.  Bradley,  Appeuance 
and  reaUtr,  London  1908,  S.  162  ff.,  J.  Venn,  Symbolic  Logic,  London  ISäl, 
2.  Aufl.  1894,  in  1.  Aufl.  Kap.  6,  5.  126  (nähert  sich  Brentano,  Tgl.:  auch 
J.  N.  Keynes,  Studies  and  exercLses  in  formal  logic  elc,  London  I884v 
S.  116tf.);  W.  Bl.  Neatby,  Vind  1897,  Bd.  6,  S.  642;  W.  T.  Mairin.  Joura. 
of  philos.,  psych,  and  scient.  meth.  1911,  Bd,  8,  S.  477. 

Aufier  clen  ü^xistenzialurteileu  Imben  manche  Forseber 
auch  die  Impersonnliea  als  eing:Uedrige  urteile  auffoBseu 
wollen  und  ihnen  Subjekt  oder  Prädikat  abgesprochen  (vgi. 
S.  627),  80  wieder  Herbart,  Brentano,  Miklosich  und  Marty. 
Die  Mehrzahl  der  Logiker  hielt  auch  für  die  Impersonalieu 
an  der  Mehrgliedrigkeit  fest,  konnte  sich  jedoch  bis  heute 
nicht  darüber  riaigen,  welches  Subjekt  bei  den  Impenw- 
nalien  zu  ergänzen  ist  Nach  den  Erörtemngen  S.  630  f.  kann 
nicht  zweifelhaft  sein,  daß  die  impersonalen  Sätze  (ini 
grammatischen  Sinn)  sich  in  der  Tat  in  dieser  Beziehung 


20)  Dos  Gebiet  der  begrifflichen  Sätze  soll  das  ..Gebiet  der  h« 
und  malbematischen  Wahrheit"  sein. 

»')  Vgl.  übei-  diese  RcOexionsp radikale  Ztschr.  f.  Psycho!.  19CB,  I 
S.  119  ((. 


tY^IC 


2.  K&pitet.    IKe  Lehi«  von  den  Urteilen.  635 

p»yehoIo^isch  und  It^iscli  verschieden  verhalteo.   Mao  bat 
nämlich  folgende  Fälle  zu  unterscheiden: 

1.  Als  SubjektsbegriK  ist  ein  irgendwie  qualitativ,  zeitlich  oder  läumlich 
b«5tiounler  Talbestand  zu  ergänzen.  Dieser  Tatbestand  kann  in  einer 
aktndlen  sinnlichen  Wahmebmung  (Empfindung)  gegeben  sein,  so  beispiels- 
weise, wenn  ich  ein  Glockenl&uten  hSre  und  urteile:  es  läutet.  Das  „eK" 
entspricht  hiei  oft  einem  Demonstrativum  „dies  ist  L&uten",  und  das  ganze 
Urteil  kann  als  ein  Wiederarkennungsurteil  (Benennungsuiieil  Sig^tarts)  oder 
auch  als  ein  subsumierendes  EmpQndungsurteil  aufgelaSt  werden.  Sehr  oft 
tiandelt  es  sich  jedoch  auch  um  einen  erinnerten  oder  irgendwie  sonst  vor- 
gestellten Talbestand:  „gestern  regnete  es  auf  unsefem  Spaziergang", 
„es  schneite  während  der  Schlacht  bei  PreuDisch-Bylau".  Die  Ergänzung 
ist  bald  aus  anderen  Bestandteilen  des  Urteils,  z.  B.  präpositionalen,  ad- 
Tcitialen  Ausdrücken  usf.  (vgl.  Erdmann  1.  c.  S.  ÜfOl.),  bald  lediglich  aus 
der  Fleiianaform  des  Verbs,  tiald  nur  aus  dem  Zusammenhang  zu  entnehmen. 
Der  Tatbestand  selbst  schwankt  in  seiner  qualitativen,  zeitlichen  und  räum- 
lichen Bestinuntheit  innerhalb  der  weitesten  Grenzen.  So  kann  „us  läutet" 
auf  eine  bestinunte  Glocke  oder  irgendeine  oder  mehrere  der  mir  bekannten 
Stadlglocken  oder  überhaupt  auf  eine  Stadtglocke  oder  schliefilich  nur  Ober- 
haupt auf  eine  Giocke,  bdisnnte  oder  unbekannte,  bezogen  werden,  so  daB 
nur  die  zeitliche  Bestinuntheit  Qbrig  Meibl^').  „Es  regnet  selten"  kann 
sich  —  wofern  überhaupt  der  Fall  1  vorliegt  —  auf  einen  größeren  oder 
kleineren,  längeren  oder  kürzeren  Zeitraum  beziehen.  Ein  weiteres  Beispiel 
Ol  diese  Spielbreite  der  Bestimmtheit  Uefem  die  Urteile:'  es  ist  heiB,  mir 
ist  beiß,  mir  ist  heiB  im  Kopf.  Die  französische  Sprache  —  i'ai  chaud  — 
gibt  uns  hier  einen  direkten  Hinweis  auf  das  zu  ergänzende  Subjekt  Wie 
das  Urteil  „es  ist  heiB"  lehrt,  kann  schlieBlich  die  Bestimmtheit  so  weit 
reduziert  werden,  daB  nur  eine  ungefähre  räumliche  und  zeitliche  Bestim- 
muiK  fltnig  bleibt,  ein  sehr  unbestimmtes  bic  et  nunc,  welches  wir  meistens 
gar  nicht  durch  ein  Substantivum  ausdrücken  können.  Ganz  verschwindet 
auch  in  diesem  Grenzfall  der  Subjektsbegriff  nicht. 

So  wird  es  verständUch,  daB  Schleiermacher  (Dialektik,  cd.  Jonas,  Berlin 
18SB,  S.  261)  in  dem  „es"  der  Impersonalien  „nur  das  Chaos"  erblickt, 
Lotze  (Logik,  Lpz.  1874,  S.  71)  „den  allesumfassenden  Gedanken  der  Wirk- 
lichkeit, die  bald  so  bald  anders  sestaltell  ist",  und  Ueberweg  (System  der 
lasik.,  6.  AufL  Bonn  1SS2,  §  S8,  S.  197)  als  Subjekt  „die  unbestimmt  ge- 
dachte Totalität  des  uns  umgebenden  Seins  oder  einen  unbestimmten  Teil 
derselben"  e^änzt.    Wundt  (Logik,  Bd.  1,  Stultg.  1880,  S.  155,  2.  AufL  1893, 

^>)  Der  Wortlaut  des  i^tzes  kann  in  allen  drei  Fällen  derselbe  sein. 
•  ")  Die  Unbestimmtheit  ist  bald  eine  notwendige  Folge  der  Unbekannt- 
faeit  (vgl.  die  Bemerkungen  Sigwarts.  Impersonalien  S.  30  tiber  das  Urteil 
„es  lauscht"),  bald  nur  gewählt,  weil  auf  bestimmte  Angabe  kein  Gewicht 
gelegt  wird,  also  an-das  Subjekt  als  unintefessant  nicht  gedacht  wird  oder 
eine  solche  als  selbstverständlich  sofort  jederzeit  ergänzt  werden  kann.  Im 
letzteren  Fall  faßt  das  „es"  eine  unanalysierte  ifenge  van  Objekten  oder 
EindrQcken  (Sigwart  1.  c.  S.  34),  einen  Eomplex,  namentlich  einen  kollektiven, 
atAürzeud  zusammen.  TreSend  zieht  Sigwart  auch  das  Fehlen  des  gram- 
matischen Subjekts  in  Infinitiven  wie  „ich  höre  schießen"  und  bei  Passiven 
„es  wird  getanzt"  heran. 

,  ........X.OOgK 


i636       ^V-  Teil,    Die  einzelnen  logischen  Gebilde  imd  ihr«  Gesetze. 

S.  177)  rechnet  mit  Recht  die  unpersönlichen  Uileile  nur  zum  Teil  zu  den 
Urteilen  mit  unbesUnunt  gelassenem  Subjekt  (den  „uobeslimraten  Urteilen" 
seiner  Terminok^e).  Wenn  Erdmann  I.  c.  S.  446  meint,  daB  in  solchen 
Urteilen  das  Subjekt  „völlig  unbestimmt,  d.  i.  der  formelte  Titel  lür  ein 
Subjekt  ist.  das  nicht  vorliegt  und  doch  nicht  entbehrt  werden  kann",  so 
scheint  mir  hierbei  das  hie  bzw.  nunc  nicht  zu  seinem  Recht  zu  kommen- 
Die  Uiklosichsche  und  Erdmannsche  Bezeichnung  „Prftdikatsurteile"  (a  potieri 
zu  verstehen)  trifit  nicht  fOi  alle  impersonalen  Urteile  zu.  VgL  auch  I^aatl, 
Sitz.-Ber.  d.  Bayer.  Ak.  d.  Wiss.  zu  Manchen,  philos.  bist  philoL  KL  1SK. 
I,  S.  167  u.  J.  Bergmann,  Heine  Logik,  Berlin  1879,  §  5.  S.  38  u.  g  13.  S.  116 
(,.Welf  als  Subjekt). 

Eine  Substitution  wie  elwa  „die  Wolken  regnen"  für  „es  regnet"  würd6 
in  den  meisten  Fällen  den  Sinn  des  letzteren  Urteils  nicht  richtig  wieder- 
geben; denn  es  kommt  uns  gar  nicht  auf  die  Determinalbn  der  Wolken  an. 
sondem  auf  die  Determination  des  hie  et  nunc  (Fall  I)  oder  die  Exisleni- 
aussage  des  Regnens  (s.  unten  Fall  3).  Auch  ändert  ach  an  dem  Sinn  des 
Urteils  nur  wenig,  wenn  an  Stelle  von  „es  regnet"  AusdrQdce  treten  wie 
,Ztit  Sit"  oder  „Regen  fallt".  Meistens  sind  die  Wörter  ,2m"  (bei  Herodot 
•  9ü{)  und  „fällt"  hier  nur  bedeutungslose  Umschreibungen;  „Zeus"  «iid 
nicht  determiniert,  und  „f&llt"  detemünieit  (der  Denkabsicht  nach)  nicht 
mehr  als  das  Wörtchea  „ist".  Sigwart  het)t  mit  Recht  hervor,  daB  uns  die 
Frage,  was  regne,  Oberhaupt  ganz  fem  Hege.  Daher  wird  man  auch  mit 
der  Ergänzung  eines  stammverwandten  Substantivs  (z.  B.  ,Jtegen  regnet") 
dem  logischen  Sinn  der  impetsonalen  Urteile  nicht  gerecht. 

2.  Das  unperaAnUche  Verbum  ist  das  logische  Subjekt,  und  als  Pii' 
dikatstJegrifl  ist  eine  qualitative,  zeitliche  oder  r&umliche  Bestimmung  lu 
ergänzen.  Die  letztere  ist  oft  direkt  aus  weiteren  Satzbeataadteilen,  z.  B- 
adverbialen  oder  pr&positionalen  Ausdrücken  zu  entnehmen.  So  bedeute) 
„es  regnet  stark"  oft:  „der  (jetzt  und  hier  fallende»')  Regen  ist  stark"  uwl 
„es  regnet"  gelegentlich:  ,jlegen  fallt  jetzt  und  hier",  „es  regnete":  es 
regnete  vorhin  (jetzt  nicht  mehr).  Vgl.  S.  680  f. 

3.  Das  unpersönliche  Verbum  ist  das  logische  Subjekt  und  als  Pn- 
dikatsbegritt  ist  der  Begriff  der  Existenz  hinzuzudenken;  letztere  ist  bald 
räumlich- zeit  lieb  in  irgendwelchem  Grade  bestimmt,  bald  rSumUch-Kitbch 
ganz  unbestimmt ").  Dieser  Fall  ist  durch  die  Besprechung  der  Existenzia!- 
urteile  S.  627  bereits  erledigt. 

Literatur   Über    die    Impersonalien:    die    S.    633  u.  tüi 
angeführten   Arbeiten,   auBerdem 
Ad.  Trendelenburg.  Log.  Untersuchungen,  Berlin,  3.  Aufl.  1870,  Teil t 

S.  SSI  (das  iropersonale  Urteil  iat  die  ursprOnglicbe  Form  des  Urtdlaji 
J.  u.  W.  G  r  i  m  m ,  Deutsches  Wörterbuch,  Bd.  Bf.  Lpz.  1663,  S.  U06-1118 

unter  „es",  I,  B — D  (die  relative  Unbesliountheit   das   Neutrum  wir! 

hervoEgeboben,  Versuch  einer  Einteilung  der  Impersonalien,  der  aber 

durch  die  ^Aleren  Einteilungen  von  Miklosich,  Sigwart  und  Erdinuu> 

überholt  ist). 

'*)  Dabei  ist  das  ,jetzt  und  hier  fallen"  nebensächlich. 

"^)  Diese  Beziehung  zwischen  den  Impersonalien  und  den  Eiistenaal- 
sltzen  hat  schon  J.  Chr.  Aug.  Heyse  richtig  erkannt  (Ausfflhrliches  I^r- 
buch  der  deutschen  Sprache  1814.  ö.  AufL,  Hannover  1838,  Bd.  1,  S;  K2 
u.  660  u.   namentL   Bd.    2.    5.   5  u,    16). 


2.  Kapitel.    Die  L^br«  von  den  lirteilen.  Q^J 

H.  Steinlbal,  Zischr.  f.  Völkerpsych.  1866,  Bd.  4,  S.  S35  (Besprechung 
der  MiWosicbschen  Schrift). 

Em.  EggCT,  Natians  f^iim.  de  giammaire  coinpar6e,  Paris*  ISüS,-  7.  Aufl.  1875. 

Berth.  Delbrück,  AlUndische  Syntax  (Syntakt.  Forsch.,  Bd.  5),  Halle 
1B88,  S.  Sff.  (hftlt  an  der  ursprüngl.  Subjektlosigkeit  einzeber  Veiten 
im  Altindischen  fest). 

K.  Paul,  Prinzipien  der  Sprachgeschichte,  i.  Aufl.,  Halle  1909,  S.  130  (be- 
tont, daß  dem  sprachlichen  Ausdnick  nach  die  eingliedrigen  Sätze  stets 
.J:onkret",  nie  .abstrakt"   sind). 

J.  V  e  n  n ,  Mind  1B88.  Bd.  13,  S.  413. 

S.  F.  MacLennan,  The  impersonal  iudgment,  Chicago  1897*. 

R.  Fr.  Rain  dl,  Philos.  Monatshefte  18B2,  Bd.  28,  S.   276. 


§  113.  Einteilans  der  Urieile  (ForiBetznng:),  2.  naeh  dem 
EmpflndniiEs-  oder  Vorstellongscharakter  von  S;  3.  nach  der 
QnalitJit 

2.  EinteiiuDg  der  Urteile  nach  dem  E-  oder 
V-Charakterdes  Subjekts. 
Die  pBychoIoirißch  und  erkenntnistfaooretiscli  ungemein 
wichtige  Einteilung  (vgl.  S.  386)  in  Empfindungs-  und 
Vorstellungsurteile')  hat  logisch  keine  erhebliche 
Bedentnng.  Wir  können,  wenn  es  sich  nur  um  die  for- 
malen Gesetze  des  richtigen  Denkens  handelt,  uns  in  dem 
Empfindnngsarteil  unbedenklich  das  Subjekt,  also  die  Emp- 
findung durch  die  entsprechende  Individual Vorstellung 
bzw.  den  entsprechenden  Individual  begriff  ersetzt  denken. 
Die  logische  Verwertung  wird  dadurch  nicht  beeinilttßt. 
Erdmann  (Logik,  2.  Aufl.,  S.  271  ff.  u,  ***)  unterscheidet  von  den  Wahr- 
nchmungsurieilen,  welche  sich  auf  eine  gegenwärtige  Empfindung  (Wahl 
nehmung)  beziehen,  also  unseren  Empfindungsurteilen  entsprechen,  als  E  r 
fahrungs  urteile  diejenigen,  welche  auf  JrObere  oder  mögliche  spätere 
Wahrnehmungeinhalte  bezogen  sind"  ').  Ich  ziehe  es  vor,  wenn  der  Sufr- 
jektsbegriff  das  unmittelbare  Erinneningsbild  einer  früheren  Empfindung  ist, 
von  Ex  in  nerungs  urteilen  zu  sprechen  [Ysl.  S.  887);  ist  der  Suhiekts^ 
begriff  die  (nonnalisierte)  Vorstellung  einer  künftigen  möglichen  Empfin- 
dung, konnte  man  von  Erwartungs  urteilen  im  prägnanten  Sinne  spre- 
chen. Der  Terminus  „Erfahrung"  scheint  mir  wegen  seiner  Vieldeutigkeit 
meht  zneckmißig.     Alle  3  Gruppen  kann  man  als  Erlebnisurteile  zu- 


^)  Die  Empßndungsurteile  decken  ^ch  vielleicht  mit  den  äfuifima 
tif«ft^a  der  Stoiker,  vgl.  Seztus  Empi/.,  Adv.  malh.  VIH,  96,  ed.  Bekker, 
S.  306. 

^  Die  Definition  der  Erfahrungaurleile  an  den  beiden  zitierten  Stellen 
stimmt  nicht  vollständig  übereic. 


1,1^. OQi 


,g,c 


638       '^-  ^^-    ^^  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ibre  Gesetze. 

3.  Einteilung  der  Urteile  nach  der  Qualität 
Wie  psychologisch,  unterscheiden  wir  auch  logisch  nach 
der  Qnalität  bejahende  (positive,  affirmative) 
und  verneinende  (negative)  Urteile  (vgl.  S.  390). 
Die  Bejahung  bzw.  Verneinung  bezieht  sich  stets  und  "ans- 
schließlich  anf  die  Kopala,  d.  h.  auf  die  UrteilsTerknüpfno; 
(S.  375),  nicht  auf  den  Subjekts-  oder  Prädikatsbeyriff. 
Dnrch  einen  negativen  Subjekts-  oder  Prädikatsbegriff  wird 
also  ein  Urteil  nicht  negativ,  ,.rot  ist  nicht-weiß"  und  „nicht- 
weiß  kann  rot  sein"  sind  positive  Urteile,  nur  „rot  ist  nicht 
weiß"  ist  ein  negatives  Urteil.  Die  beiden  Urteile  „rot  ist  nidit- 
weiß"  und  „rot  ist  niclit  weiß"  drücken  zwar  denselben  Tat- 
bestund aus,  sind  aber  formal  verschieden.  Unter  erweitern- 
der Verwendung  eines  Kantschen  Terminus  kann  man  die 
Urteile  mit  negativem  Subjekt  oder  Prädikat  als  I imita- 
tive bezeichnen.  Die  limitativen  urteile,  können  wir  dann 
sagen,  haben  mit  der  Einteilung  der  Urteile  nach  der  Qaali- 
tät  nichts  zu  tun. 

Nicht  zu  den  limitatiTen,  soodem  zu  den  nogaliven  Urteilen  sind 
sotcbe  zu  rechnen,  in  welchen  die  negative  Partikel  sich  nur  auf  die  Quan- 
litAt  des  Subjekts-  oder  —  sehr  viel  seltener  —  des  Pr&dikatsbegnSs  be- 
zieht. Die  beiden  Haupttygjen  dieser  Urteile  künnen  durch  die  Konnein 
„nicht  alle  S  sind  F'  und  „kein  S  ist  P"  dargestellt  werrtenS).  Dit 
Vertauschbarkeit  mit  den  eewöhnlichen  negativen  Urteilen :  „einige  S  sind 
nicht  F'  und  ,^lie  S  sind  nicht  F'  leuchtet  ein.  Wegea  der  besondeRo 
Stellung,  die  sie  innerhalb  der  negativen  L'rteile  einnehmen,  werden  sif 
unten  (S.  6*6  f.)  einer  gesonderten  Besprechung  unterzogen  werden.  Dasselbe 
Hill  von  Urteilen,  wie  „die  Blindschlekihe  ist  keine  Schlange",  in  wcktec 
die  Negation  nur  sprachlich  mit  dem  Prädikat  verschmolzen  wird  (?i?h5 
S.  647). 

Aristoteles  bezeichnet  das  beiahende  Urteil  als  ratätpatiK  (tder  neiivi'' 
xiaa^aitti  iselti.'u>'r  xmiiyo^ixi;},  das  veraeinende  als  äniipatu  ode; 
n^ittOie  änvpaiixr,,  seltener  nipi^iiKii  {äni(po:v<n(  —  mit  y  —  ist  der 
Tpirainus  Jür  das  Urteil  überhaupt,  vgl.  S.  605),  Die  limilalive^i  Urteile  sind 
ihm  wohl  bekannt  (mit  orefm  oder  (>';ur  aigurTOf),  werden  aber  nicht  be- 
sonders bezeichnet  (De  interpret.  Ak.  Ausg.  17  a,  25  u.  19  b,  5Ö.)  In  der 
lateinischen  TenninoloeiG  hieß  das  beiahende  Urteil  propositio  aifirmati^ä 
s.  ajens  s,  dedicaliva.  das  verneinende  propositio  negativa  s.  negans  s.  ab- 
dicaliva  *).     Die  limitativen   Urteile  wurden  von  BoSthius.  vielleicht  infoll* 

')  Die  Stoiker  nannten  urteile  mit  Negation  der  Quantität  de;  Siih- 
iekls  äftiö/uoTB  liQKtiiixti  (Diogenes  Laert.  De  dar.  philos.  vit.  ed.  Cobei. 
Paris  1878,  S.  174). 

*)  Vgt.  Cicero,  Topica.  eap,  II,  %  id  (negans  u.  ajens);  Appulejus,  D' 
dogm.  Plat.  (TMpi  ip/iiywfnf,  ed,  Thomas,  Lpz.  1908.  S.  177,  ed.  Oud.  S66). 
Ramus  braucht  die  Termini  .Judicium  afflnoatum  und  negatum"  (Kal«!- 
1577,  11,  2.  S.  1061. 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  639 

eines  bei  der  Lehre  von  dea  Begriffen  S.  063  schon  ernähnten  HiSversiand- 
jiisses  des  Worts  ^ägmm,  propositiones  infinit»e°)  (afflrniationea  und 
netntiones,  es  inftnito)  genannt.  Dabei  berücksichtigte  er  allerdings  nur  die 
Urteile  mit  negativem  Pr&dikal  mid  trennte  auBerdem  ohne  ausreichende 
BeerOnduDS  von  den  proposilioneB  in£nitae  die  propositiones  privato- 
riae*)  ab,  worunter  er  Urteile  verstand,  deren  Prldikatswort  mit  dem  „in" 
privativum  zusammengesetzt  ist ')  (In  libr.  de  Interpret.,  Mignes  Patrol. 
Bd.  64,  S.  S!0).  Noch  in  der  Logüt  von  Wolft  kehren  diese  Termini  in 
Ihnli^er  Bedeutung  wieder,  doch  berQcksichtigt  er  auch  die  Urteile  mit 
negativem  Subjekt:  „si  negandi  particula  non  i^lcrtur  ad  copulani.  sed  ad 
praedicafum  vel  subieclum.  propositio  negativa  non  est,  sed  allquam  eius 
saltem  speciem  habet"  und  „propositio,  quae  speciem  negativae  habet,  sed 
revera  affirmativa  est,  inflnila  dicitur  (Loeica,  §  208  u.  209.  2.  Aufl.  173S, 
K,  221 ;  ahnlich  Baun^aiten,  Acroasis  iogica,  2.  Aufl.  1773,  §  215  u  216  u. 
G.  Fr.  Meier,  Vemunltlehrc,  2.  Aufl.  1762,  §  327;.  Kant  hat  in  der  Krit.  d. 
rein.  T«rn.  (Kehrb.  Ausg.  S.  90.  vgl.  auch  Logik,  §  2S)  die  propositiones 
inllnitae  (unsere  ümilaliven  Urteile)  in  seine  Tafel  der  Urteile  als  „un- 
endliche Urteile"  aufgenommen,  aber  nur  die  Urteile  mit  negativem  Pr&- 
dikat  beiOcksichtigt.  Er  ordnet  ihnen  dann  weiterhin  (1.  c.  S.  t)6)  in  der 
Sategorientafel  die  Kategorie  der  Limitation  zu.  Oft  hat  man  die  Berech- 
tigung dieser  Aufstellung  und  Zuordnung  mit  triftigen  Gründen  bestritten. 
Die  neueren  Logiker  haben  gröBtenteils  die  unendlichen  Urteile  aus  der 
qualitativen  Einteilung  der  Urteile  in  Übereinstimmung  mit  Wolff  ganz  ge^ 
strichen.  Erdmann  (1.  c.  öOl)  hat  neuerdings  die  Uileile  mit  negativem 
Prädikat  als  „mittelbar  verneinende"  bezeictmet. 

')  Propositiones  indafinitae  nannte  er  sok^he,  deren  Quanlitftt  nictit  aus- 
drücklich angegeben  ist  (bei  Aristoteles  Ttgatä^us  ditÖQiatM,  Akad.  Ausg. 
'2i  a,  19,  vgl.  S.  5ä2,  Anm.  16).  Übrigens  kommen  weiterhin  auch  manche 
Abweichungen  von  dieser  Terminologie  vor,  siebe  z.  B.  Petrus  Uispanus, 
Summulae  logicales,  Tracl.  VII,  ed.  Colon.  Agr.  1623,  S.  469  u.  485.  Vgl. 
auch  ülier  die  n^iäatK  t*  ufra9iaiaK  des  Theophrast  Prantl,  Gesch.  d. 
Log.  Bd.  1,  S.  357. 

*)  Er  lehnte  sich  dabei  an  die  Stoiker  an,  die  ein  iliafia  ni^^ntnr 
(z.  B.  vgiilär&gaurif  igiir  oürofi  unterschieden.  Vgl.  hierzu  Diogenes  Laert. 
i.  c.  S.  174. 

')  Streng  logisch  gehören  solche  S6tze  (z,  B.  „er  ist  aagerecht")  zu 
den  Umitativen,  ungerecht  bedeutet  nicht-gerecht.  Psychologisch  neigen  sie 
meistens  stark  zu  den  negativen  hinüber  (,,er  ist  nicht  gerecht"),  legen  aber 
das  positive  Urleil  nahe,  daB  fflr  das  Subjekt  das  bezügliche  Prädikat  oder  ein 
Pi'ädikat  derselben  Gattung  wenigstens  hätte  in  Frage  kommen  können. 
Ich  kann  zur  Not  sagen:  „ein  Tisch  ist  nicht  gerecht"  und  auch  „öa 
Tisch  Ist  nicht- gerecht",  aber  nicht:  „ein  Tisch  ist  ungerecht",  weil  ich  damit 
den  (bedanken  zulasse  oder  nahelege,  ein  Tisch  kOnne  Oberhaupt  gerecht  sein 
oder  könne  wenigstens  Träger  ethischer  Prädikate  sein.  Die  Negation  wird 
nicht  kontra diklorisch,  sondern  kontrapositorisch  (S.  548)  autgefaBt.  Vgl. 
auch  W.  Tr.  Krug,  Syst,  der  theor,  Philos..  1.  TeU,  3.  Aufl.  Königsberg  1825. 
ü-  163  ;„)udicium  negative -affirmativum").  PsTchologiscb  könnte  man  also 
die  Klasse  der  privatorischen  Urteile  des  BoStbius  wohl  gelten  lassen,  logisch 
sind  sie  nicht  scharf  genug  charakterisiert.  Vgl.  auch  S.  &t2,  Anm.  13  Aber 
Wmrfts  Ansicht, 

„.,,„,  ^.oogic 


640       I^'  '^^''-     '''''  ^nzelnen  losiscbeo  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

Der  oben  festgestellte  Unlerachied  zwiachen  dem  negativen  und  dem 
limitAliven  Urleil,  speziell  dem  limilativen  Urieil  mit  oegativem  Prtidik&t  iil 
von  Hobbes  und  von  Botzimo  bestritten  worden.  Hobbes  (Elem.  phika.. 
Sect.  1,  De  corpore  I,  3,  6,  Opp.  Ulin.  ed.  Moleswoith,  Vol.  1,  London  1631, 
S.  31)  lehrt,  das  negative  Urteil  sei  eine  .jiroposilio.  cujus  praedicatum  est 
nomen  oecativum",  und  Ähnlich  behauptet  Bolzano  (Wisaenschattslehre,  Snli- 
hach  1837,  Bd.  2,  Neudruck  Leipzig  1915,  §  136,  S.  46],  daB  „mr  den  BegriS 
der  Verneinung  in  alten  den  F&llen,  wo  man  denselben  bisher  fälschlich  zur 
Kopula  bezogen  hat,  im  Aussageteile  zu  suchen  haben".  Auch  W.  Tr.  Eng 
(Syst.  d.  theor.  Philos.,  Teil  1,  3.  Aufl.  1826,  S.  162)  hatte  gemeint,  ,4» 
Verneinung  gehöre  logisch  nie  zur  Kopel,  sondern  immer  zum  Prtdikate" 
(weitere  Ijteratu rangaben  bei  Bolzano).  Erdniann  (E.  c.  S.  Kß)  hkl  gegen 
diese  Forscher  eingewandt,  daS,  wenn  non-P  im  negativen  Urteil  das  Pii- 
dikat  «äre.  die  Vemeinung  der  Begel  nach  jedem  Snlqekt  eine  Beihe  uLler 
sich  unverträglicher  Bestimmungen  (alle  non-P  =  Prädikate)  zueikennai 
wOrde.  Dagegen  ist  jedoch  zu  bemerken,  d&B  dieser  Einwand  hinfUlig  wird, 
wenn  man  das  Urteil  im  Sinn  einer  SuhEumlion  deutet  ;ist  nicht  blau  ^  ge- 
höti  zu  den  nicht  blauen  Gi^genatänden)  und  S.  543  n.  berücksichtigt.  Inhalt- 
lich haben  also  Hobbea.  Krug,  Bolzano  recht.  aJier  Iorma.1  muß  der  Unter- 
.'v^hied  aufrecht  erhalten  werden.  Vgl.  auch  S.  639,  Anm.  7  u.  642.  Anm  IS- 
Wenn  RJcIi  wonach  die  Verneinung  im  negativen  Urteil 
stets  anf  die  ürtcilsverknüpfung  bezieht,  so  erhebt  sich  die 
Frage,  welche  logische  Bedentnng  der  VemeiDimg 
zakonunt,  nnd  in  welchem  Sinn  die  Urteilsverknüpfunff 
verneint  wird  und  welche  Beziehungen  die  Vemeinung 
stiftet.  Was  znnachst  die  Bedeutung  der  Verneinung  an- 
langt, so  liegt  keine  Veranlassung  vor,  für  da£  logische  Ur- 
teil die  Verneinung  anders  zn  deuten  als  für  das  Urteil  im 
psychologischen  Sinn.  Auch  für  das  logische  Urteil  bedentef 
die  Vemeinung  die  Aussage  einer  Verschiedenheit  der  Indi- 
vidualkoeffizienten  (vgl.  Ö.  390)  und  setzt  also  einen  Vergleich 
dieser  Koeffizienten  vorans.  Bei  den  negativen  konscrtiven 
Urteilen  (S.  389)  bezieht  sich  die  Veraeinniig  nur  auf  die 
Individualkoeffizienten  (Beispiel:  .,dieBe  Blnme  hat  keinen 
Griffel"  mit  Berücksichtigung  von  S.  6.38),  bei  den  nega- 
tiven kommensiven  Urteilen  kommt  eine  Verneinung, 
d.  h.  eine  Verschiedenheitsaussoge  bezüglich  der  Merkmale 
hinzu  (Beispiel:  „die  Salbei  ist  keine  Papilionazee").  Die 
letztere  besagt  also  in  dem  angeführten  Beispiet  zweierlei, 
erstens :  wo  und  wann  Salbei,  da  und  dann  keine  Papilionazee, 
tmd  zweitens:  die  Merkmale  der  Salbei  sind  von  denen  der 
Papilionazeen  verschieden. 

Einer  neuen  Untersuchung  bedarf  hingegen  die  Frage,. 
in  welchem  Sinn  die  Urteilsverknüpfung  im  ne- 
gativen Urteil  verneint  wird.  Es  sind  hier  drei  Auffas- 


i>,Cooglc 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  voo  den  Urteilen.  g41 

eonsreii  möglich,  die  sämtlicli  Vertreter  gefunden  haben; 
man  kann  nämlich  behaupten 

entweder:  die  Negation  betrifft  die  indifferente  ,|An- 
nahme"  (vgl.  S.  366  u.  382),  welche  man  dem  urteil  hypothe- 
tisch zngmnde  zu  legen  hat,  oder:  die  Negation  betrifft  die 
Kopnla  in  dem  Sinn,  dafi  das  entsprechende  affirmative  ur- 
teil, welches  man  hypothetisch  zngmnde  zn  legen  hat,  ne- 
giert wird,  oder:  die  Negation  betrifft  die  Eopnla  in  dem 
Sinn,  daß  das  affirmative  nnd  das  negative  urteil  völlig 
koordiniert  sind.  < 

Kurz  kann  man  auch  sagen:  nach  der  ersten  Auffassung  «ird  die  ent- 
sprecbeode  Anaabme,  nach  der  zweiten  das  entsprechende  bejahende  Urteil, 
nach  der  dritten  in  uisprOnglicher  Weise  die  Kopula  negtert.  Die  zweite  und 
dritte  Auffassung  bat  man  auch  so  gegenObergestellt.  dafi  man  sagt,  jene 
spreche  von  einet  verneinten  Kopula,  diese  von  einer  verneinenden 
(Sigwart)  *y 

Die  erste  Ansicht  ist  namentlich  von  Lolze  *)  vertieteD  worden, 
freilich  ohne  daB  er  schon  den  klaren  Besriff  der  Anfiatune  zur  Verfügung 
gehabt  hatte.  Latze  denkt  sich,  daB  der  Urteibönhalt  im  Sinn  einer  neutralen 
,Aage",  die  sowohl  von  Bejahung  wie  von  Verneinung  frei  ist,  vorliegt  und 
nun  in  unserem  Urteil,  wenn  es  bejaht,  die  GQltigkeit  (oder  „Wiriüichkeit") 
zugesprochen,  wenn  es  dagegen  verneint,  die  GOltisküt  al^esprochen  wird. 
Et  glaubt  dieses  Zu-  bzw.  Absprechen  geradezu  als  „Nebenurteile"  bezeichnen 
zu  können  und  achliefit  daraus  weiter,  dafi  damit  „zwei  wesentlich  verschie- 
dene Arten  des  Urteils  als  solchen"  nicht  begrOndet  werden.  GOlti^eit  und 
UngOlti^eit  sind  vielmehr  in  bezug  auf  die  vorliegende  Frage  „als  sachliche 
PAdikate  zu  betrachten,  die  von  dem  ganzen  Urteilsinhalte  als  ihrem  Sub~ 
jekle  gellen" '<0'  Demgegenüber  haben  unsere  früheren  Untersuchungen 
(S.  382 f.)  gelehrt,  erstens  dafi  auch  schon  den  neutralen  Urteilen,  den 
Annahmen,  Verneinung  oder  Bejahung  zukommen  kann,  dafi  also  für  die 
neutralen  Urteile  nicht  das  Tehlen  von  Verneinung  und  Bejahung,  sondern 
nur  das  Fehlen  von  Geltungsbewufitsein  charakteristisch  ist,  und  zweitens 
dafi  nicht  einmal  psychologisch  jedem  thetischen  Urteil  (S.  388)  ein  neutrales 
Urteil  (Frage,  Annahme)  zugrunde  liegt,  sondern  viel  häufiger  thetische 
Urtule,  bejabeade  wie  verneinende,  prim&r  auftreten.  Logisch  liegt  erst  recht 
kein  Grund  vor,  fttr  die  Annahmen  das  Fehlen  von  Verneinung  und  Bejahujig 
zu  behaupten  oder  jedem  thetischen  Urteil  «ne  Annahme  zu  aupponieren. 
Die  Lotzescbe  Lehre  trifft  also  nur  für  die  S.  383  besprochenen  sAundären 
Thesen,  somit  nur  für  einen  kleinen  Bruchteil  aller  Urteile  zu  "). 

■)  Logik,  2.  Aufl.  Freiburs  1689,  Bd.  1,  S.  1»  (1.  AufL  S.  12^. 

•)  Logik,  Leipzig  1874,  §  «),  S.  61. 

^'>)  Lotze  meint  di>iier  auch,  der  Fragesatz  „hfttte  als  drittes  Glied  wohl 
schicklicher  die  Dr^heit  der  UrteilsQualitäten  ausgefOllt  als  das  UndtaÜve 
oder  unendliche  Urteil". 

I')  Vgl.  auch   die  Einw&nde  Erdmanns,  Locik,  2.   Aufl   Halle  1907, 
S.  499,  die  mir  allerdings  nicht  durchschlagend  zu  sein  scbänen. 
ZtBhen.IitbibQehdeiliosik.  41 

„.,,„,  ^.oogic 


042       '^-  "^^^    ^B  einzetnen  loBiKhes  Gebilde  und  ihre  Gewtze. 

Die  zweite  Ansicht  ist  namentlich  von  Sigwart")  und  Erdmano") 
vertreten  worden  und  kann  folBenderniatten  näher  danteslellt  und  becttinikl 
werden:  Die  Verneinung  betriflt  die  Kopula  „des  sachlich  vorauszusetzendm 
beiahenden  I'rteils"  (Erdmann).  Die  Kopula  ist  nicht  der  Tr&eer,  sondern 
das  (tt)jekt  der  Vemeinunn  (SiKvart).  Das  verneioende  Urteil  formuliert  dis 
Fehlen  der  logischen  Immanenz  und  damit  der  Gleichbeitsbeztehung  zwiscbeo 
dem  Subjekts-  und  Prädikalsinhalt  (Erdmann).  Die  Verneinung  ist  deranicb 
keine  speziellere  Bestinunune  der  Kopula,  nicht  eine  besondere  Art  d^r 
logischen  Immanenz  oder  eine  Art  der  prädikativen  Gleichheit  (Erdmann). 
Eidmann  folitert  daher  auch,  die  Verneinung  sei  Überhaupt  „kein  elemenUn» 
Urteil",  sondern  eine  ,ß  e  urleiluns"  "),  „ein  Urteil  über  ein  Urteil,  dessen 
Subjekt  das  versuchte  bejahende,  dessen  Pr&dikat  der  Ausdruck  der  Talseli- 
heit  dieser  bejahenden  Aussage  ist".  Die  Verneinung  ist  „die  Formulieiuot 
einer  miBlinitenden  Bejahung"  (Rrdntann).  Einen  direkten  ausreicli«nden 
Beweis  hat  weder  Sigwart  Doch  Erdmann  gegeben.  Es  läQi  sich  in  du  Tal 
nicht  absehen,  weshalb  bei  gegebenem  S  und  P  das  Gleichheit sutlei'.  irgeod- 
wetehe  Priorität,  psychologische  oder  logische,  vor  dem  Verschiede  nh eil surteil 
haben  sollte.  Dies  gilt  sowohl  iQr  den  Ver^eich  der  Individualko«ItizieDtui 
wie  für  den  V4.'rtileich  der  Merkmale.  Han  darf  eben  nur  nicht  übersebcu. 
daß  das  Wcst-n  eines  jeden  Urteils  ein  Vergleich  ist.  und  daU  bei  eioem 


")  L.  c.  1.  Autl.  Bd.  1,  S.  122 ff.  Ähnlich  auch  schon  K.  Chr.  Fr. Krause 
Vorles.  Ober  d.  Syst.  d.  Philos..  Gölt  1838,  S.  406  und  noch  früher  Golll 
üerh.  Titius,  Ars  cogitandi,  Lips.  1702.  Cap.  (!,  g  33  (S.  lOö).  Sieh«  auch 
Geulinci,  Opp.  ed.  Laud  I,  S.  177  u.  ■tfift  u.  Waller  Kinkel,  Beilräge  ?..  Theone 
des  Urteils  u.  des  Schlusses,  Gießen  1898, 

")  L.  c.  S.  £^.  Der  zweiten  Ansicht  stehen  ferner  mehr  oder  wenis« 
nahe  z.  B.  W.  Wundl.  Logik,  3.  Aufl.  Stuttgart  1906.  S.  200  u,  1» 
W.  Jerusalem,  Die  Urteilsfunktion,  Wien  u.  Leipzig  1865.  S.  183 f.;  Ad.  Iren 
delenburg.  Log.  l'nters.,  Bd.  2.  Berlin  IWO,  S.  89  £f.  Wundt  nimmt  Obrifens 
insolem  eine  besondere  Stellung  ein,  als  er  im  Bereich  der  negalirai 
BelatioQSurteile  zwei  Arien  unterscheidet:  das  „negativ  prädizlerende  IrteiT' 
und  das  „verneinende  Trennungsurleil".  Nur  das  letztem  entspricht  ifo 
negativen  Urteilen  unsrer  Darstellung,  das  erstere  fällt  im  wesenllicheo  ran 
den  proposiliones  phvaloriae  des  Bofthius  und  den  judicia  negativo-affic- 
inativa  von  W.  Tr.  Krug  zusammen  fs.  oben  S.  639,  namentl.  Anni.  7),  «if 
denn  auch  Wundt  eiilärt,  daß  das  negativ  prüdizierende  Urteil  .,im  alte^ 
meinen  eine  positive  Behauptung  einschließe"  und  seine  .Ji^alion  nicbt 
der  Kopula,  sondern  dem  PrädikalsbegriH  anhafte"  (!.'  a  S.  Älöfl.).  —  Vom 
Standpunkt  der  zweiten  Ansicht  aus  hat  man  auch  oft  das  Wesen  der  Vm- 
neinung  in  einer  Abhaltung  des  Irrtums  gesucht,  siehe  z.  B.  Bd.  v.  Uarlmami 
Kalegorienlehrc,  Ausgew.  WW.  Bd.  10,  Lpz.  1896,  S.  212.  —  Rieh!  beslreilrt 
daB  es  rein  negative  Aussagen  gibt;  selbst  wenn  oft  der  -Nachdruck  des  «r- 
neinenden  Urteils  auf  der  Zurückweisung  des  bejahenden  liege,  müsse  dod) 
wenigstens  der  Grund  der  Verneinung  und  ebenso  ihre  Folge  posiiir  sfie 
(Vierteljahrsachr.  f.  wiss.  Philos.  1892,  Bd,  16,  S.  148)- 

")  Als  Beurteilungen  bezeichnet  Erdmann  (I.  c.  P.  495)  solche  IrteiU 
„deren  Subjekt  schon  logisch  als  ein  Urteil  formuliert  ist  oder  als  ein  lormu 
liertes  Urteil  angesehen  werden  muG".  Die  Erdmannschen  .feurteihjaftn" 
<lürlen  nicht  mit  den  Windelbandschen  verwechselt  werden,  vgl.  S.  3fö. 
Anm.  6  u.  6»1,  Anm.  15. 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  lirteiten.  g43 

Ve^eicfa  das  Ergebnis  „Gleicbbeil"  und  das  Ergebnis  „Ungleictiheit"  oder 
..Verechiedenheit"  Tolikommen  koordiniert  sind;  etwas  paradox  au^edrOckt, 
beide  haben  denselben  positiven  Charakter.  Wenn  die  Sprache  für  die  Be- 
KTiTIe  oicht-grün  usf.  nur  ausnahmsweise  besondere  Worte  geschaffen  bat, 
Ko  liegt  dies  einfach  daran,  daS  die  ungeheure  Mannigfaltigkeit  des  vom 
GrÜQ  Verschiedenen  nach  bekannten  psychophysiologischen  Gesetzen  die 
assoziative  Anknüpfung  von  Wortklangbildern  und  Sprechbewegungen  auf 
das  äußerste  erschwerte. 

Die  umgekehrte  Ansicht  —  das  Primat  des  negativen  Urteils,  wenigstens 
das  psychologische  und  metaphysische  —  ist  von  Nie.  Petrescu  (Die  Denk- 
lunküon  der  Verneinung,  Lpz.  Berlin  1914,  S.  11  ff.  u.  48  u.  57)  mit  un- 
zulänglichen Gründen  vertreten  worden  („die  ursprÜngUche  Beziehune  des 
Subjekts  auf  das  Objekt  ist  ein  verneinendes  Urteil").  Auch  H.  Cohen 
scheint  ihr  nahe  zu  stehen  (Logik  der  reinen  Erkenntnis,  Berlin  1902,  S.  S9}. 

Es  bleibt  sonach  nur  die  dritte  Ansicht'^)  übrig,  wo- 
nach die  Verneinung  der  Bejahung  der  Urteilsverkuüpfung 
logisch  vollständig  koordiniert  ist.  Die  von  Erdmann  '*)  (1.  c. 
S.  504)  u.  a.  hiergegen  erhobenen  Einwände  werden  gegen- 
standslos, sobald  man  die  Kopula,  wie  dies  hier  geschehen 
ist,  als  den  Ausdruck  der  partiellen  Beckung  der  Individual- 
koefflzieaten  und  —  bei  den  kommensiven  Urteilen  —  der 
Merkmale  betrachtet.  Diese  Deckung  und  nichts  anderes . 
kommt  in  Frage.  Bei  dem  affirmativen  Urteil  wird  die 
Gleichheit,  bei  dem  negativen  die  Verschiedenheit  der  Koeffi- 
zienten (und  ev.  Merkmal«)  ausgesprochen. 

Von  dem  Anerkennen  und  Verwerfen,  d.  h.  dem  posi- 
tiven oder  negativen  GeltungBbewufitsein  muß  die  Bejahnng 
und  Verneinung  des  Urteils  scharf  getrennt  werden.  E)rsteres 
betrifft  die  Stellungnahme  zu  dem  Urteil,  letztere  (Bejahung 
und  Verneinung)  den  Inhalt  des  Urteils.    Vgl.  S.  382.    Man 

")  Wahrscheinlich  wurde  sie  bereits  von  Aristoteles  verlreleii.  Bei  den 
Scholastikern  war  sie  fast  altgemein  anerkannt:  in  propositione  negativa 
negatio  afßccre  debet  copulam.  In  neuerer  Zeit  bestreitet  Georg  Hagemann 
(Metaphysik,  3.  Aufl.  Freiburg  1875,  S.  13)  zwar,  daC  die  Negation  gleich 
ursprünglich  sei,  halt  aber  fest,  daQ  sie  ursprllnglich  .Ufinnatlon  eines 
.Anderssein  ist  Ebenso  L'rkennt  Natorp  (Quantität  u.  Qualität,  Phllos.  Monats- 
hefte 1891,  Bd.  27.  S.  2,^  f.)  die  Gleichwertigkeit  des  negativen  Urteils  an 
und  (aBt  es  als  „Unterscheid ungsiut eil"  aui,  betont  aber,  daB  man  „nicht 
von  koordinierten  Urteilsarten  reden  solle,  sondern  von  den  untrennbar  zu- 
einander gehörigen  Momenten  cine!4  und  desselt>en  synthctiscben  Aktes,  in 
welchem  Begriff  und  Urleil  miteinander  erst  enUpringen",  Vgl.  auch  J.  Berg- 
mann, Beine  Logik,  Berlin  1879,  S.  4G  u.  177. 

'•)  Fr.  Brentano  (Vom  Urspr.  silll.  Erk..  Lpz.  1889.  S.  (55  ff.)  koordiniert 
mit  Recht  das  „Verneinen,  Absprechen"  mit  dem  „Annehmen  oder  Zu- 
sprechen", scheidet  aber  nicht  klar  zwischen  Verneinen  und  Verwerfen. 
Dasselbe  gilt  von  Windelband,  StreBb.  Abb.  ISU.  S.  165. 

41* 
h,  1.  iiA.OOt^iC 


g44       ^'  '^'■1-    ^'^  eiiuelD«D  losiscbeii  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

kann  auch  keineswegs  sagen,  daß  die  Venrerfung  schlecht- 
hin ein  Urteil  in  sein  negatives  Gegenteil  verwandelt  Ue 
'  Anerkennung'  ändert  an  der  Bejahung  und  Verneinung  ^nes 
Urteils  nichts,  die  Verwerfung  heht  das  positive  wie  das 
negative  Urteil  auf,  verwandelt  aber  nicht  jenes  achlechthin 
in  das  negative  und  dieses  nicht  schlechthin  in  das  positive. 
Wenn  ich  die  Annahme  „a  =:  b"  verwerfe,  so  ist  damit  noch 
nicht  schlechthin  gesagt,  daß  ich  „a  nicht  =  b"  aner- 
kenne. Es  kommt  nämlich  ganz  darauf  an,  wie  stark  die 
S.  383  besprochenen,  nachträglich  zum  Übergewicht  gelsn- 
genden  widersprechenden  Assoziationen  sind.  Je  nach  ihrer 
Stärke  wird  das  thetische  Urteil  a  nicht  =  b  mit  stärkerem 
oder  schwächerem  Geltnngsbewußtäein  anerkannt  werden. 
Bejahung  und  Verneinung  stehen  in  absolutem  Gegensatz, 
Anerkennen  und  Verwerfen  sind  durch  kontinaierliche  Zwi- 
schenstufen miteinander  verbünden.  In  Anbetracht  dieser 
Unbestimmtheit  des  Anerkennens  und  Verwcrfens  (des  G«I- 
tnogsbewußtseins)  muß  dieses  daher  anch  zunächst  (1)  ganz 
aus  der  Logik  in  die  Psychologie  verbannt  werden.  Die  Lc^rik 
kennt  nur  eine  von  dem  stets  individuellen  und  individuell 
schwankenden  Anerkennen  und  Verwerfen  unabhängige, 
normalisierte  Bejahung  und  Verneinung  nnd  schreibt  dieser 
mit  Bezug  auf  den  Gegenstand  des  Urteils  „objektive  Göltig- 
keit"  zu  (vgl.  S.  300  fr.  u.  312  IT.). 

Hinsichtlich  ihrer  Begründung  sind  die  negativen 
Urteile  insofern  verschieden,  als  die  Verneinung  entweder 
auf  dem  bloßen  Fehlen  eines  Prädikaiämerkmals  im  Snb- 
jektsbegriff  oder  auf  der  Anwesenheit  eines  mit  dem  Prädi- 
katsbegrifl  unverträglichen  (repugnanten,  S.  550) 
Merkmals  im  Snbjektsbegriff  beruhen  kann.  Man  spricht  im 
ersteren  Fall  von  einer  Verneinung  infolge  Mangels  (ffr^^ffK, 
privatio),  im  letzteren  von  einer  Verneinung  infolge  Eepn- 
gnanz.  Die  Bedentnng  der  Negation  ist  in  beiden  Fällen  die- 
selbe, nur  ihr  psychologischer  und  logischer  Grund  ist  ver- 
schieden, und  dieser  Verschiedenheit  entspricht  anch  eine 
Verochiedenbeit  nicht  nur  der  psychologischen,  sondern  sueii 
der  logischen  Gewißheit.  Mit  dem  a  (in,  un)  privativnm  hat 
diese  Privation  nichts  zn  tun,  ebensowenig  auch  mit  den 
privatorischen  Urteilen  des  Boethine  (S.  639). 

Aristoteles,  dei  zuerst  den  Beffrifl  der  nigiine  autgestellt  zu  btba 
scheint,  gibt  keine  klare  Darstellunj  {Akad.  Ausg.  18afl.  u.  1055»H.,  siehe 
■ucli  oben  S.  567).  Es  kommt  nicht  eindeutig  iura  Ausdruck,  daB  die  nif^ 


2.  Kapitel    Die  Lehie  von  den  Urteilen.  645 

am  Eisenscbafl  der  Begriffe  ist,  tmd  d&fi  auf  Grand  dieser  Eigenactuft  eine 
be^immte  Klasse  der  negativen  Urteile  zustande  kommt.  Unter  den  neueren 
Logikern  bat  Sigwart  (L  c.  Bd.  1,  S.  167)  den  Sachverhalt  klar  dargestellt,  nui 
seine  Bezeichnung  fOr  die  zweite  Klasse:  Verneinung  infolge  „Gegensatz 
fjravtMifc,  oppositio)"  statt  Verneinung  infolge  Bepugnanz  scheint  mir  ine- 
flihrend  (Verwc^^liiBS  mit  Kontrariet&t  usf.). 

Ein  besonderer  sprachlicher  Ausdruck  fOr  das  positive  Urteil 
existiert  nicht  Das  negative  Urteil  wird  durch  eine  Vemeiauogspartikel  aus- 
drOcklich  ab  solches  charakterisiert^'].  Zuweilen  wird  die  Verneinungs- 
partikel mit  dem  Subiektsbegrifi  oder  mit  dem  Pr&dikatsbegrifi  verschmolzen, 
wie  z.  S.  in  den  UrieUen:  kein  Säugetier  ist  kaltblQtig,  Cromwell  hat  niemals 
nach  dem  Kßnigstitel  gestrebt,  die  MTsomyoeten  sind  keine  Tiere.  Diese, 
wie  sie  zum  Teil  bei  den  Stoikeni  hießen,  „arnetischen"  Urteile  (vgL  S.  ^8, 
Anm.  3)  sind  nicht  etwa  limitaliv,  wie  S.  638  bereits  festgestellt  wurde. 

Die  gdgeasätzliche  Beziehang  zwischen  einem 
bejahenden  Urteil  und  seinem  Negat,  d.  h.  demjenigen  urteil, 
welch«s  ebendieselben  Begriffe  und  ebendieselb&VerknüpfDng 
dieser  Begriffe  enthält,  dabei  aber  dem  Sinne,  oft  auch  dem 
Wortlaut  nach  (vgl.  S.  638)  die  verneinende  Kopula  bat,  aoll 
aU  negierende  Opposition  (Oppositio  negans)  bezeichnet  wer- 
den. Die  beiden  urteile  heißen  Afärmat  und  Negat.  Als 
Opposition  wird  dabei  vorläufig  jede  Gegenaätzliehkeit  be- 
zeichnet ").  Später  wird  sich  ergeben,  daß  es  außer  der 
negierenden  Opposition  auch  eine  ,^  o  ut  r  a  r  i  i  e  r  e  n  d  e"  ") 
gibt.  Selbstverständlich  sind  zwei  Urteile,  die  im  Verhältnis 
n^ierender  Opjiosition  stehen,  unverträglich  miteinander, 
d.  h.  sie  können  nicht  beide  wahr  sein  (Gleichheit  der  Snb- 
jekte  und  Gleichheit  der  Prädikate  vorausgeeetztl);  diese 
Unverträglichkeit  wird  als  Bepugnanz  bezeichnet  (nach 
Analogie  der  Bepngnanz  der  Begriffe  S.  550).  Man  könnte 
sehr  wohl  auch  von  „kontradiktorischem"  Verhalten 
der  beiden  Urteile  sprechen  (vgl.  S.  547  ff.);  indessen  hat 
sich  dieser  Terminus  leider  in  wenig  zweckmäßiger  Weise 
für  zwei  spezielle  Formen  der  negierenden  Opposition  ein- 
gebürgert, die  überdies-  unter  sich  wesentlich  verschieden 
sind;  vgl.  hierüber  unten  S.  649. 

^^  Da  im  Deutschen  des  „nicht"  hinler  das  Verbum  bz«.  die  Kopula 
gesetzt  wird  O.er  ist  nicht  gerecht"),  so  wird  leicht  ein  Umitatives  Urteil  mit 
negativem  Prftdikat  („er  ist  nicht-gerecht")  voiget&uschi  In  der  lateinischen 
Wortstellung  kommt  der  Unterschied  zirischen  dem  negativen  und  einem 
Beleben  limitativen  Urteil  viel  klarer  zum  Ausdruck. 

")  Etwa  entsprechend  dem  Terminus  £fit*^9ai  bei  Aristoteles,  siehe 
jedoch  auch  S.  661. 

^*)  Diese  darf  nicht  mit  der  ,J[oQträren"  Opposition  verwechselt  werden, 
welche  einen  Spezialfall  der  negierenden  bildet.   Vgl.  S.  6(7  u.  %  118. 


1,1^. OQi 


,g,c 


S46       ^-  ^^    ^^  einzelnen  lofiscben  Gebilde  imd  ihn  Gesetze. 

Die  Urteilsnegation  und  daher  anch  die  resnltierende 
Beziehnng:,  die  negierende  Opposition,  tritt  in  einer  doppelten 
Form  auf:  die  NegBtion  im  negativen  Urteil  bezieht  sich 
nämlich  entweder  auf  den  BubjektabegritF  in  seinem  voUen 
umfang  („er  schläft"  —  „er  schläft  nicht",  ,^le  Reptilien 
sind  varmblutig*'  —  alle  Reptilien  sind  nicht  warmblütig", 
d.  h.  „kein  Reptil  ist  warmblütig"),  oder  sie  bezieht  sich 
lediglich  auf  die  Qnantitätsbezeiehnung  des  Subjekisbegriffe 
(„alle",  „einige"  usf.,  vgl.  ^  115)  and  betrifft  also  nur  dsK 
Geltnngsbereicb  des  Urteils  (alle  Planeten  sind  bewohnt  — 
nicht  alle  Flanef«u  sind  bewohnt,  d.  h.  wenigstens  einige 
Planeten  sind  nicht  bewohnt).  Ba  kaum  begreiflicher^ 
weise  für  diese  beiden  Formen  der  Urteilsnegation  ein  ein- 
dentiger  anerkannter  Terminns  noch  fehlt,  will  ich  die  erste 
Form  als  Bnblatorlsehe  Urteilsnegation  (tollo,  snstuli. 
Boblatam  aufheben),  die  zweite  als  restriktorisehe  (in  dem 
Gedanken  an  die  Beschränkung  des  Umfange)  bezeichnen. 
Dementsprechend  ergeben  sich  zwei  Urteiläverhältnisse:  das- 
jenige der  sublatorisehen  Opposition  and  dasjeniKe 
der  restriktorischen  Opposition"). 

Die  sublatorische  Nesalion  entspricht  saaz  unä  sar  dm 
UanpttTPus  dea  negativen  UKeils,  wie  wir  ihn  bisher  besprochen  haben 
Zu  „S  ist  P'  ist  das  sublatoriscbe  Urteil:  ,;S  ist  nicht  P".  Die  NegalioD 
betriSI  also  schlechthin  die  Kopula.  Ist  das  Subjekt  ein  IndividualbegiiS 
oder  «in  nicht  durch  „alle"  (,jeder"}  in  seinem  Umfang  n&her  bestimmler 
Allfemeinbegriff,  so  hält  auch  der  sprachliche  Ausdruck  dies  Verhftltnis  (esl: 
Sokrates  ist  der  Begründer  der  Ethik  —  Sokrstes  ist  nicht  der  Begrflnder 
der  Ethik;  das  Leben  ist  dos  höchste  Gut  —  das  Leben  ist  nicht  das  höchste 
Out;  einige  SäuRetiere  sind  QugfUiig  —  diesei  einige  S&ugetiere  sind  nicht 
thigfihig.  Im  letzten  Beispiel  hat  man  nur  zu  beachten,  daU  die  „einigen 
Siuseticre"  im  negativen  Urteil  dieselben  sein  müssen  nie  in  dem  positiven 
(daher  Zutilgung  von  „diese");  denn  es  handelt  sich  ietri  um  Urt«ls- 
nenltonen  ohne  Veränderung  des  Subjeklsbegriffs  ")  (und  selbstveratlndliiA 

*")  Slreng  genommen  müßte  man  von  sublatorischer  negierender  und 
restriklorischer  negierender  Oppontion  sprechen.  —  Mit  der  „restHctio"  der 
Scholastiker  (bomo  —  homo  albus),  die  besser  als  Determination  zu  br- 
xeiehmen  wäre,  hat  diese  rcstriktorisch«  Upposilion  nichts  zu  tun. 

*>)  Man  wende  nicht  etwa  ein,  daB  der  unbestimmte  Begtifl  emer 
beUcMgen  Anzahl  in  beiden  Urteilen  derselbe  sei.  Wenn  auch  die  Be- 
stimmung der  im  Subjekt  gemeinten  Individuen  (Arten  usf.)  offen  gelassen 
wild,  so  nniQ  sich  doch  bei  dei;  jetzigen  Betrachtung  das  Pti- 
dikat  immer  auf  bestimmte  Individuen  beziehen.  Handelt  «s  sich  nicht 
um  die  Bildung  eines  negativen  Urteils  lUr  dasselbe  Subjekt,  so  ist  selbst- 
verstindlich  auch  das  Verhältnis  zweier  solcher  Urteile  zu  berOcksichtigeo, 
welche  für  einen  g&nzlich  unbestimmten  Teil  des  Umlangs  eines  S«bf^- 
begriflH  dasselbe  Prädikat  affinnieren  bzw.  negieren  (einige  S  sii«!  P  und 

„.,,„,^.oogic 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urieilen.  647 

auch  ohne  Veründening  des  Prädikatsbegriffs).  Setzt  man  als  „einige  Sftuge- 
liere"  ander«  Individuen  bzw.  Arten  usw.  ein,  so  tritt  an  Stelle  der  Urteils- 
negation  die  spater  zu  besprechende  Disjuntction  bzw.  Division.  Nur  in 
einer  Beziehung  haben  sich  manche  Sprachen  in  bestimmten  Fällen 
eine  Abweichung  von  dem  logischen  Verhältnis  erlaubt:  es  wird  Dämlicb 
Damentlioh-dann,  wenn  in  dem  positiven  Urteil  ein  individuellGr  Subjekts- 
becrüf  einem  durch  ein  Substantiv  ausgedrückten  generellen 
Prftdikalsbegriff  subsumiert  wird,  die  Negation  meist  als  negalive» 
Eigenschaftswort  zu  dem  Prädikatsaubstantiv  gesetzt'*)  (Sokrates  ist  nicht 
furchtsam  vor  dem  Tod,  Sokratea  ist  nicht  der  Begründer  der  Ethik,  aber 
Sokrates  ist  kein  Sophist). 

Ganz  anders,  wenn  das  Subjekt  ein  durch  „alle"  oder  ,Jeder"  in 
seinem  Umfang  bestimmter  AllgemeinbegriH  ist,  wenn  es  sich  also  um  ein 
sog.  Universalurteil  (§  115)  handelt.  Die  Sprache  nimmt  dann  fast  stets 
eine  Umgestaltung  vor,  die  darauf  hinausläuft,  daB  an  Stelle  d^r  universellen 
Quanlitfitsbezeichnung  des  Subjekts  die  Quantitätsbezeichnung  der  univer- 
sellen Negation  (keiner  usf.)  tri»  und  damit  die  Negationspartikel  bei  der 
Kopula  weBtfilU  [vgl.  auch  S.  638).  Aus  „alle  S  sind  nicht  F'  wird  auf 
diesem  Weg:  „kein  S  ist  F'-').  Bei  der  großen  Wichtigkeit  des  Umfangs 
des  Sntgektab^fls  für  die  Urteilskhre  hat  die  Schullogik  diesen  Fall  der 
Sublation  besonders  eingehend  behandelt  und  Urteile,  die  in  diesem  gegen- 
sätztidien  Vertiältnis  stehen,  speziell  als  kraMu  (iudicia  contraria,  «n*- 
<fätmfK  iranlai)  bezeichnet.  In  der  Tat  ist  eine  Analogie  mit  der  Kon- 
trarietät  der  Berufe  (vgl.  S.  578)  unverkennbar.  Die  drei  Urteile:  „alle 
Säugetiere  sind  warmWütig",  „emige  Säugetiere  sind  warmblötig"  und  „kein 
Säugetier  ist  warmblütig"  bilden  eine  Reihe  in  dem  froher  festgesetzten  Sinn 
(S.  57(5),  und  die  beiden  Urteile  „alle  Säugetiere  sind  warmblütig"  und  „kein 
Säugetier  ist  warmblütig"  stellen  die  mazimaldistanten  Endglieder  der  Reihe 
dar.  Trotz  dieser  Analogie  ist  der  Terminus  doch  nicht  glücklich  gewählt, 
da  eine  andere  Analogie  für  die  konträren  Begriffe  im  Bereich  der  Urleile 
viel  näher  lag:  Urteile  nämlich  mit  konttiren  Prädikatsbegriffen  (S  ist 
schwarz  —  S  ist  weiB)  erheischen  geradezu  die  Bezeichnung  als  konträre 
Urteile.  Da  indessen  die  Geschichte  der  logischen  Terminologie  dieses  Er- 
fordernis übersehen  und  die  erstgenannte  Bedeutung  des  Terminus  „konträr" 
sich  atlzufesl  eingebürgert  hat.  soll  sie  auch  hier  feslgehailen  werden  und 
also  diejenige  sublatorischc  Opposition  als  KratnuMIt 
betachnet  weiden,  bei  welcher  das  eine  Urteil  die  univer- 
einige, d.  h.  andere  oder  vielleicht  auch  dieselben  sind  nicht  P).  Vgl. 
S.  683.  —  Die  Schullogik  bezeichnete  partikuläre  Urteile  mit  Subjdtts- 
wechsel  von  der  Form  „einige  S  sind  F'  —  „einiue  S  sind  nicht  F'  früher 
als  nhkmtiit  (dritte  empirische  MQglichkeit:  „einige  S  sind  bezüg- 
lich P  unbekannt).  Ihre  Besprechung  erfolgt  in  der  Lehre  von  den  divisiveii 
■  und  disjunktiven  Urteilen.    Vgl.  auch  §  118. 

*>)  Die  vergleichende  Philcdogie  hat  sich  mit  diesen  Problemen  des 
sprachlichen  Ausdrucks  der  Negation  leider  noch  nicht  ausreichend  unter 
Berücksichtigung  der  logischen  Tatsachen  beschäftigt. 

*■)  Es  handelt  sich  gewissermafien  um  die  Negation  aller  der  Teil- 
urteile  Sj  ist  P,  S,  ist  P  usf.,  in  wdche  man  das  Urteil  „alle  S  sind  F' 
zerlegen  kann.  Bei  der  reslriktorischen  Negation  werden  dosten  die  Teil- 
urteile nicht  alle  gleichmäßig  negiert. 


n,5,t,7rjM,G00glc 


648       ^-  '^'^'^-    ^'^  einzelaeD  losischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

a«Ile  Affiimation,  das  andere  Urteil  die  univeTselle 
Negation  ausspricht  Demzulolge  werden  wir  dann,  sp&ter  Urteile. 
deren  Fr&dikatäbeffrilfe  konti&r  sind,  nicht  als  konträr,  sondern  als  kon- 
trariant  bezeichnen  (VBl  g  HS). 

Die  restriktorische  Opposition  (S.  646)  negiert  die  GQUiC' 
keit  des  Urteils  für  die  dem  SubjdctsbecciB  beigefügte  Quantit&tsbezeichnonf- 
Daher  existiert  für  Urteile,  deren  Subjekt  keine  Quantit&tabezeicbnunt  hi; 
überhaupt  kein  restriktorisch -opponiertes  Urteil.  Hierzu  gehfiren  eratens  alk 
Individualurteile  (Plato  ist  ein  Schaler  des  Sokrates),  zweitens  aber  auch 
Generalurteile  wie  „das  Leben  ist  das  höchste  Gut".  'Will  ich  bei  da 
letzten  Beispiel  ein  restriktorisch-opponiertes  Urteil  eimöglichen,  so  muB  icb 
das  Subjekt  „das  Leben"  durch  ,«11»  Lebensgattungen"  oder  ähnliches  a- 
setzen  und  kann  dann  das  restriktorisch -opponierte  Urteil  bilden :  „nicht  lU» 
Lebensgattungen  sind  das  höchste  Gut",  d.  h.  einige,  z.  B.  ein  scbimpflidie? 
Leben,  sind  nicht  das  höchste  Gut.  Zugänglich  für  die  restrikloiische 
Negation  sind  also  im  allgcnieicen"*)  nur  die  Urteile,  die  wir  später  als  om- 
verselle  und  partikuUre  kennen  lernen  werden  (§  IIa),  deren  Subjekt  die 
Quantitätsbezeichnung  „alle"  bzw.  „kein"  bzw.  „einige"  mit  sich  fOhit  Am 
einfachsten  gestaltet  sich  die  restriktoiische  Negation  bei  den  univeiaeDeD 
positiven  Urteilen:  alle  Planeten  sind  bewohnt  —  nicht  alle  Planeten  sind 
bewohnL  Eine  Zweideutigkeit  besteht  hier  nur  insofern,  als  das  letztere 
Urteil  dem  strengen  Wortsinn  nach  besagt:  „einige  Planelen  oder  ndlodit 
sogar  alle  Planeten  änd  nicht  bewohnt",  d.  h.,  zusammeiuefaBt:  wenig- 
etens  einige  Planeten  sind  nicht  bewohnt.  Leider  schaltet  man  jedoch 
zuweilen  die  zweite  Möglichkeit  (das  Nichlbewohntsein  aller  Raneten),  die 
mit  der  konträren,  sublatorischen  Negation  zusammenfällt,  aus  und  behiK 
dann  ais  restriktorische»  Negat  nur  das  Urteil:  „einige  (sc.  allerdings  nur 
einige)  Planeten  sind  nicht  bewohnt"  Qbrig.  Vgl.  S.  6t7,  Anm.  SS. 

Ganz  analog  verhält  sich  die  restriktorische  Negation  der  univetseUen 
negativen  Urteile.  Das  Urteil:  „nicht  kein  Planet  ist  bewohnt"  läBt  streu- 
genommen  die  beiden  Teilurteile  zu:  „alle  Planeten  sind  bewohnt"  und 
„einige  Planeten  sind  bewohnt"  (zusammengefaßt:  „wenigstens  einige 
Planelen  sind  bewohnt").  Das  erste  Teilurteil  ist  auch  hier  mit  der  kon- 
trären  sublatorischen  Negation  identisch,  und  leider  bat  man  wiederum  tu- 
weilen  das  erste  Teilurteil  ganz  unterdrückt  und  nur  das  zweite  —  „amge 
Planeten  (d.  h.  allerdings  nur  einige)  sind  bewohnt'  —  als  restriktorisdies 
Negat  gewissemiaBen  im  prägnanten  Sinne  betrachtet.  —  Etwas  ver- 
wickelter gestaltet  sich  die  restriktorische  Negation  partikulärer  Sätze  vie 
„einige  S  sind  P'.  Jedes  solche  Urteil  ist  nämlfch  zweideutig,  insofern  es 
bedeuten  kann  erstens:  „bu  einige  S  sind  P"  und  zweitens  „■■■Igilwi 
einige  S  sind  F".  In  der  ersten  Bedeutung  steht  es  dem  Urteil  „alle  S  sind 
P"  gegenüber,  scIiUeßt  aller  gleichzeitig  auch  das  Urteil  „kein  S  ist  V"  am; 
es  kann  zerlegt  werden  in  die  beiden  Urteile:  a)  einige  S  sind  P,  ^  die 
and««n  S  »ind  nicht  P.  In  der  zweiten  Bedeutung  steht  es  dem  Uiteii 
„kein  S  ist  P'  gegenüber  (vgl.  oben  über  die  Do|)pe1stdlung  des  partikulären 
Urteils  gegenüber  einerseits  dem  positiven,  andrersnts  dem  negativen  Uni- 
versalurteil) und  kann  zerlegt  werden  in:  «')  einige  S  sind  P,  ß")  auch  die 
anderen  S  sind  vielleicht  P.  Dem  strengen  Wortsinn  nach  kommt  dem 
partikulären  Urteil  die  zweite  Bedeutung  zu:   einige  .^  wenigstens  einige 

"*  j  VolKfäodigere  Ütrer.-iiuht  siehe  S.  663  unter  F. 

h.  i.MM,Googlc 


2.  E&pi(el.    Die  Lehr«  von  den  Urleilen.  649 

(MinimaJhcdeuUing),  im  tatsftcblicben  Denken  bekomint  es  durch  den  Zu- 
Mimannhang  auch  oft  di«  erste  Bedeutuns:  einige  =  nur  einiiie  (ExklusiT' 
bednttuig).  Die  festiiktorische  Negation  beziehen  wir,  wenn  einige  ^  nur 
einif^.auf  das  „nur"  und  erhalten  als  Negat:  alle  S  sind  Pi  wir  negieren 
von  den  beiden  Teilurteilen  also  nur  das  TeilurteÜ  ß.  Negieren  wir  nur  a, 
so  ergibt  sieb:  kein  S  ist  P;  eine  Negation  von  a  und  ^  ist  nicht  mSglich. 
Ist  daeegen  einige  =  wenigstens  einige,  so  ergeben  sich,  je  nachdem 
das  Teiliuteil  a  oder  ^  oder  beide  negiert  werden,  die  Urteile:  höchstens 
einige  S  sind  P  bzw.  nur  einige  S  sind  P  bzw.  kein  S  ist  P'*).  tiMt  das 
letzte  ist  als  das  voUst&ndige  restriktoriscbe  Negat  zu  betrachten. 

Eine  fuse  Vetwimmg  der  TenuLnologi«  ist  nun  aber  dadurch  entstanden, 
daß  fOr  manche  Urteüsgegens&tze  det  Terminus  HkantradiktnlHlL''  verwendet 
wurde,  und  zwar  keineswegs  in  eindeutiger  Weise.  Boethius  (De  divis., 
Mignes  Patrol.  Bd.  et,  S.  682  u.  De  Interpret,  ed.  1,  ebenda  S.  323)  deflnierte 
im  Anschluß  an  den  aristotelischen  Terminus  di'iUfaaic:  „toco  conlra- 
dictionis  oppositionem,  quae  affirmatione  et  negatione  proponitur".  Nimmt 
man  diese  Definition  wörtlich,  so  wäredieKontradiktionmitdersublatorischen 
Opposition  identisch  und  die  Eontrariet&t  (contrarietas,  S.  647)  ein  Spezial- 
fall der  Eontradiktion.  Leider  bai  jedoch  B.  den  Terminus  ..kontradiktorisch" 
auch  in  ganz  anderem  Sinn  verwandt,  nämlich  ffir  das  Urteitspaar;  „alle  S 
und  P'  und  „einige  (=a  wenigstens  einige)  5  sind  nicht  V  sowie  das  Urteils- 
paar j,kein  S  ist  F'  und  „einige  S  sind  F',  also  für  Urteilsgegens&tze  im 
Sinn  der  restriktorischen  Opposition  (vgl.  S.  646),  bei  wek;hen  nicht 
schlechthin  eine  oppositio  negatione  proponitur,  sondern  die  Negation  ledig- 
Uch  auf  die  Quantit&tsbezeichnung  bezogen  ist  Dieser  Doppelsiim  bt  bis 
heule  nicht  verschwunden;  für  Individualurteile  wird  das  Wort  .Jcontra- 
diktorisch"  im  ersten  Sinn  —  einer  Negation  der  Kopula  —  angewandt 
(Sctoites  ist  der  erste  Elhiker  —  ist  nicht  der  «rst«  Ethiker],  fOr  Urleile 
mit  QuanliULtsbezeichnung  hingegen  im  zweiten  Sinn,  nftmlich  einer  Nega- 
tion der  Quantitatsbezeichnuikg.  Dazu  kommt  nun  noch,  daB  bei  der  Ver- 
wendung im  zweiten  Sinn  die  Kontradiktion  in  einen  Gegensatz  zur  Kon- 
trarietät  tritt,  während  sie  im  ersten  Sinn  die  letztere  einschlieSt.  Der  Ver- 
such, die  Repugnanz  zur  eindeutigen  Definition  des  kontradiktoriscben 
Gegensatzes  zu  verwenden,  ist  oHenbar  gleichfalls  aussichtslos,  da  Re- 
pugnanz bei  jeder  Opposition  vorhanden  ist  (vgl.  S.  646).  Etwas  mehr 
.Aussicht  und  Berechligiing  scheint  es  zu  haben,  wenn  man  —  wie  wohl 
schon  BoCthius  im  Sinn  halle  —  solche  Urteile  als  kontradiktorisch  be- 
zeichnet, die  zusammen  alle  kuschen  Möglichkeiten  erschöpfen,  von  denen 
also  eines  wahr  sein  muß  (etwa  nach  Analogie  der  Komplementarität  der 
Begrifie,  S.  M9).  Man  kann  dann  kurz  sagen:  zwei  kontradiktorische  Urteile 
köimen  nicht  beide  wahr  und  nicht  beide  falsch  sein,  das  eine  muB  wahr, 
das  andere  falsch  sein  (vgl.  §  119  über  das  Principium  ezclusi  tertii);  da- 
gegen können  zwei  konträre  Urteile  zwar  nicht  beide  wahr,  wohl  aber  beide 
falsch  sein.  In  der  Tat  gelingt  es  so,  die  beiden  Urteilsgegens&tz«,  fOr 
welche  Boethius  den  Terminus  „Kontndiktion"  verwendet  hat,  doch  unter 
einer  Definition  zusammenzufassen,  und  es  soll  auch  im  folgenden,  wenn 

^)  Damit  sind  die  in  Betracht  kommenden  Möglichkeiten  der  Negation 
keineswegs  völlig  erschöpft,  da  die  Negation  der  Teilurteile  gleichfalls  in 
verschiedener  Weise  au»edtlhrt  werden  kann  (z.  B.  aul  das  „virilMcht" 
S.  Bt8,  Z.  3  v.  unten  beschränkt  werden  kann). 


QgO       IV.  Teil.    Die  «inzelnen  logiscben  Gebilde  und  ihre  Geeetze. 

der  Terminus  .JCoDtradiklion"  bzw.  ,>ODtnu]iktonsch"  verwendet  wkd,  diese 
Bedeutimg  lestielwllen  «erden.  H&n  muB  sich  nur  immer  gegeovlitig 
bklUn,  daß  man  bei  dieser  definitorischen  Zummmenfassun;  zwei  sdu 
betoTBcene  Urteildüassen  — •  subtaloriacli  opponierte  sinfniläre  und  restrii- 
toriach  opponierte  QuanliUtBurteite  —  auf  Gnmd  ihrer  gemeinsamea  B«- 
ziehungen  zur  Wahrheit  und  Falschheit  zoBamraeiiaehweiBt 

Es  IftBt  sich  Oberhaupt  nicht  verkennen,  dal  die  historische  Entwict 
hinc  der  Lo>ä  hier  sachUch  wie  terminologisch  einen  einfachen  Tatbestand 
verdunkelt  hat.  Sieht  man  von  allen  flberiideiten  Einteilungen  and  Be- 
ziehungen ab,  90  kommen  für  das  Deckungsverh&Itnis  von  S  und  P  drei 
MOglichkeilen  in  Betracht,  wekhe  auf  den  beistehenden  drei  Figuren  (ädw 
Flg.  16,  a  bis  c)  dargestellt  sind:  S  liegt  «ntweder  ganz  innerhalb  P  oder 


Fig.  16. 


teils  innerhalb,  teils  aufieihalb  oder  ganz  auBeriialb  P.~  DetnentspredKnd 
erflehen  sich,  wenn  man  von  allen  irgendwie  zweifelhaften  Urteilen  absiebt, 
folgende  6  F&lle: 

1.  „alle  S  sind  P"  alt;  das  zugrunde  liegende  affirmative  aw- 
verselle  Urteil  (Fig.  a); 

2.  „nicht  alle  S  sind  P"  im  Sinne  von  „einige,  allerdiofs 
nur  einige  S  sind  nicht  P"  (und  daher  auch  „nur  einige  S  sind  P") 
(Fig.  b); 

3.  ..alle  S  sind  nicht  P'  im  Sinne  von  „kein  S  ist  P'  als  aM*- 
lives  universellcä  Urteil  (Fig.  c}; 

*.  „wenigstens  einige  S  sind  P',  d.  h.  alle  oder  oini«* 
S  sind  P  (Zusammenfassung  der  Figg.  a  a.  h); 


OgIC 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  Q52 

ü.  ,^tle  oder  kein  S  ist  P,  d.  h.  alle  5  sind  entweder  P 
oder  nicht  P  (disjunktives  Urtdl,  ZusammenfassuDg  der  Fiei.  a  u.  c}; 

6.  „nicht  alle  S  sind  P'  im  Sinne  von  „wenigstens  einige, 
vielleicht  alle  S  sind  nicht  P',  d.  h.  „alle  oder  einige  S  sind 
nicht  P'  (Zusammenfassung  der  Figg.  b  u,  c). 

Fflr  die  uns  hier  beschäftige  ade  Lehre  von  der  Negation  affirmativer 
Urteile  kommt 'Fall  i,  da  er  keine  Negation  enthalt,  nicht  in  Betracht,  ebenso- 
wenig Fall  5,  da  er  die  volle  Affirmation  und  die  volle  Negation  gleich- 
m&Sig  zusammenfaGI.  Fall  2  entspricht  der  restriktorischen  oicht-kontra- 
dikloriscfaen  Negation  von  1  und  ist  bei  der  üblichen  Nomenklatur  nicht 
ausreichend  berücksichtigt.  Fall  G  entspricht  der  restriktorischen  kontra- 
diktorischen Negation  von  1  und  wird  herkömmlich  erweise  schlechthin  als 
kontradiktotisches  Verh&ttnia  bezeichnet.  Endlich  deckt  sich  der  Fall  3 
vollständig  mit  dem  Bereich  der  sublatorischen  nicht-kontradiktorischen 
oder  —  nach  der  üblichen  Nomenklatur  —  der  kantriren  Urteile.  Eine 
ganz  ailaloge  Erörterung  UlBt  sich  auch  fOr  individuelle  Urteile  durchführen. 

Die  wichtigsten  fälle  sind  in  der  folgenden  Übersicht  zusammengestellt: 


kontradiktorisch 

kontrtr 

alle  8  sind  F 

kein  8  ist  P 

kein  8  ist  P 

alle  8  Bind  P 

nur  einige  8  sind  P 

alle  odar  kein  8  sind  P 

„ 

kein  S  ist  P, 

— 

Sokratee  ist  P 

SokntoB  ist  nicht  P 

— 

Dabei  hat  „irnntradiktorisch"  die  5.  6t9  festgesetzte  Bedeutung. 

Ähnliche  fjberlegungen,  wie  sie  soeben  für  die  mannigfaltigen  Be- 
ziehungen der  Negation  zum  Umfang  des  Subiektsbegriffs  angestellt  wurden, 
sind  schlieQlich  mutatis  mutandis  auch  mit  Bezug  auf  den  Inhalt  statt- 
haft. Wird  der  SubjektbegrifF  als  ein  Komplex  von  Merkmalen  oder  Teilen 
angesehen,  so  kann  sich  die  Negalion  auf  alte  Merkmale  bzw.  Teile  oder 
einige  beziehen,  auch  hier  ist  wieder  die  Negation  „nicht  das  ganze  A 
ist  P'  und  „das  ganz  A  ist  nicht  P',  die  Fonnulierung  „nur  teilweise"  und 
„«enigstens  teilweise"  zu  unterscheiden  usf.  Auch  die  Übertragung  auf  die 
Kontraktion  sbeerifle  mit  ihren  Gliedern  (S.  330)  bedarf  keiner  wei- 
teren  Erläuterung. 

Historische  Bemerkungen.  Oben  (S.  Uö)  «rurde  bereits  be- 
meAt,  daß  Aristoteles  den  Gegensatz  im  allgemeinen  als  Bcrwifc^ot 
(setten  at^f^iatc)  und  den  Gegensalz  zwischen  den  Urteilen  „alle  S  sind 
P'  und  „nicht  alle  S  sind  P'  als  äytl^aaie  bzw.  vyiuputatüe  dvtvuXa- 
Jm**)  bezeichnete  (De  interpret.  Akad.  Ausg.  17  b).  Dabei  hat  Aristo- 
teles, soweit  ich  sehe,  das  „nicht  alle  lavnäc)  S  sind  P''  in  dem  Sinn  auf- 
gefaSt:  „wenigstens  einige  S  sind  nicht  P  (vgl.  oben  S.  6Mfi.  u.  648).  pa 
nun  bei  dieser  Auffassung  die  beiden  Urleile  „alle  S  sind  P'  und  „nicht  die 
S  sind  P'  alle  HOglidikeiten  erschöpfen,  so  bekommt  die  änt^ane  die 
Bedeutung  desjenigen  Gegensatzes,  der  Zwischenglieder  nicht  zuläßt  (L  c. 

*>)  Leider  läBt  .4risl.  zuweilen  das  JrtignaiiKäit  weg  und  braucht 
tinauSa»m  in  dem  prägnanten  engeren  Sinn  des  äviupatatät  «rtixilt^ut 
(ibid.  20  a,  30). 

„.,.,„,>..oo^sic 


ßgQ       IV.  Teil.    Die  emzelnen  lotiachen  Gelnlde  und  ihre  Gesetze. 

17  b  u.  18  a).  Zugleich  aber  bezeichnet  Aiistotelea  mit  Bezug  &ttf  Urteile, 
wcJcfae  im  Subjekt  keine  Qumntit&tsbesUnuiHmf  wie  alle,  iedw  usL  haben, 
schlecblhin  die  Verneinuns  aia  dnl^matt  (2.  B.  tan  Xt^äiiie  Uvtit  und 
•M  C»(  2mKfäti!S  itwie).  Es  ist  Aristoteles  nicht  selungen,  diese  beiden 
Bedeutunsen  des  Terminus  oWtfiaav  klar  und  sachfemäB  zu  verbindeo**)- 
Oen  konlr&ren  QeEensatz  beezichnet  Ar.  als  irmn(me  änixtletta").  Ober 
die  beiden  anderen  Arten  des  dmxtItSta,  nimlicb  ni^i«<f  und  ra 
me»e  **,  siehe  Metaphys.  1066a.  —  Bei  den  Stoikern  scheint  der  Ter- 
miaos  inlipvne  durch  den  Terminus  ariMfSs^M  ;s.  Str.,  v^  Anm.  35) 
verdrängt  zu  sein.  Nicht  uninteressant  ist  auch  die  Terminologie  des 
Appulejus  ClftpJ  i^finftias)-  Bei  den  lateinischen  Logikern,  z.  B.  Haicia- 
nus  Capella  wird  inaul/itvei  im  allgemeinen  Sinn  mit  oppositue,  Jnrnwr 
mit  contrarius  fltwTsetzt  (Artes  liberales,  IV,  §  SMS.  ed.  Eyssenhanlt,  Lips. 
1866,  S.  lisa.).  Dazu  fügte  dano  Boetbius  (v|L  S.  61S)  den  Tenmuits 
contradictorius  für  ärtufimietis  imd  den  Terminus  subcontrarius  in  dem 
S.  6(7,  Anm.  31  besprochenen  Sinn.  Eid  weiterer  Terminus  des  Boethius, 
„suballernus"  betrifft  nur  die  Quantität  der  Urteile  (z.  B.  alle  S  sind  P,  einige 
S  sind  P,  vgl.  g  IIB)  und  kommt  daher  hier  noch  nicht  in  Frage.  Vtf. 
De  interpret.,  Uignes  PatroL  Bd.  64,  S.  468  und  Introduct  ad  syllog.  cateru. 
ebenda  S.  773.  Wie  Aristoteles  beracksicfatigt  auch  Boethius  bereits  inmoH 
die  Frage,  ob  die  beiden  gegensätzlichen  Urteile  zugleich  wahr  und  zu^ocb 
falsch  sein  können  (das  „dividete  verum  et  falsiom").  VgL  S.  649.  Die 
Scholastik  hat  an  dieser  Darstellung  und  Terminologie  nichts  WesestlidMs 
geändert  (vgl.  z.  B.  Petrus  Hispanus,  Summulae  logicales,  ed.  Colon.  Agr.  16SS 

1,  S.  89—43,  ES— F2). 

In  den  logischen  Lehren  der  Badiisten  ist  höchsteos  die  Polemik  gegw 
die  oppositio  subcontraria  und  subaltema  bemerkenswert,  vgl.  z.  B.  P.  RanHts 
Dialect,  Francof.  1577  (ed.  Rodingus  mit  Komment,  v.  Audom.  Talaeus),  I,  \i, 
S.  46  ff.  u.  n,  2,  S.  106  ff.  Auch  die  Logique  von  Port-Royal  (ed.  Jourdain. 
Paris  1861,  Teil  2,  Kap.  4,  S.  101)  fügt  nichts  Neues  hinzu.  Eine  sriir  vid- 
deutiee  Definition  findet  sich  bei  Chr.  WolB,  Logica,  §  288:  „Propositianes, 
quarum  uita  negatur,  quod  altera  affirmatur,  oppositae  sunt  In  sp«6e 
coatradlctoriae  dicuntur,  quibus  idem  ponitur  ramul  esse  et  non  esse."  Die 
propositio  contraria  wird  in  der  übhchen  Weise  definiert  (§  297).  Die  be- 
sondere Stellung  der  individuellen  Urteile  wird  richtig  hervorgehoben:  „onues 
propoaitiones  singulare»  opposilae  sunt  coatradlctoriae"  (§  307).  Auch  sonst 
finden  sich  manche  fördernde  Bemeil^mgeD.  Ausdracklich  wird  aneAanot, 
daS  sowohl  kontradiktorische  wie  konträre  Urteile  „sibi  mutuo  repugnant" 
(„simul  ease  nequeunt",   g  311).     Vgl.   auch  Baumgarten,  Acroasis  lofics. 

2.  AutL  (V.  Toellner)  Hai.  Magd.  177S,  §  268H.;  G.  Fr.  Meier,  Vemuuftldire. 
2.  AutL  Halle  1762,  §  878  ff. ;  Kant,  Logik,  g  47  f(.  Die  deutschen  Wörter,  die 
man  fOr  den  kontra^torischen  und  den  konträren  Gegensatz  TorscUui, 
vermochten  nicht  sich  einzubürgern.  So  sollte  z.  B.  kontmdiktorisch  imt 
„widersprechend",  konträr  mit   „widerstreitend"   übersetzt  werden  i   konlia- 


'*)  Die  scharfsinnige  Auseinandersetzung  von  Frantl,  Gesch.  d.  Lof 
im  Abendlande,  Lpz.  IS&S,  Bd.  1,  S.  VA  kann  ich  nicht  als  zutreffend  an- 
erkennen. 

*^)  Die  Substantive  iraintär^  und  tvmwrlattt,  die  von  Ar.  sonst  oft 
gebraucht  werden,  kommen  bei  dies«  Darstellung  nicht  vor.  Siehe  aber 
10&6b.  1. 


OgIC 


2.  KapiteL    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  653 

diktoriscb  «ntgegengesetzte  Urteile  sollten  „widemu^cbende  Sätze",  konträr' 
eolcegengesetzte  Urteile  „Gegensätze",  subkonträf  entgegengesetzte  „Neben- 
säUe"  heißen  {Kiesewetter,  Grundriß  e.  ailg.  Log.,  Berlin  1736,  §  129,  S.  60). 
Geradezu  einen  Rodcschntt  bedeutete  es,  wenn  man  weiterhin  den  Terminus 
.  „repuffnant"  glüchbedeutend  mit  ,^ontmdiktoriach"  verwaadte,  während 
doch  Repugnanz  nach  der  Wölfischen  Definition  die  UnvertrSglichkeil  zweier 
Urteile  bezeichnet  und  sowohl  den  kontradiktorischen  wie  den  konträren 
Urteilen  zukommt  (vgl.  z.  B.  W.  Tr.  Krug,  Logik,  3.  Aull.  £5nig^erg  IBSb, 
g  6i,  S.  19^.  Bei  dieser  Nomenklatur  ging  auch  der  Parallelismüs  mit  den 
Termini  der  B^riSslehre  (S.  M7)  völlig  verloren.  —  Im  19.  Jahrhundert  sind 
die  qnalitaüven  Verhältnisse  der  Begriffe  zueinander  nur  selten  noch  unter- 
sucht worden.  Erst  durch  die  Sigwartsche  Logik  (S.  Aufl.  Freiburg  1880, 
namentl.  Bd.  1,  S.  167  H.  u.  226  ff.)  ist  die  Beschäftigung  mit  diesen  Fragen 
wieder  angeregt  worden. 

Weitere  Literatur  über  Negation  und  Opposition  dej-  Urteile:  i.  i.  Bore- 
lius,  Philos.  Monatshefte  1681,  Bd.  IT,  S,  386;  Tb.  Born.  Über  die  Nesation 
V.  eine  notwend.  Einschränkung  des  Satzes  v.  Widerspruche,  Lpz.  1889; 
H.  Cornelius,  Versuch  einer  Theorie  der  Ezislenzialurteile,  Uünchen  ISäi, 
S.  26;  Gust.  Enauer,  Konträr  u.  kontradiktorisch,  nebst  konvergierenden  Lehr- 
stücken, festgestellt  u.  Kants  Kat^orientatel  berichtigt,  Halle  1868  u.  Philos. 
Monatshefte  1874,  Bd.  9,  S.  161;  Gasp.  Lax,  De  opposttionibus  propositionum 
categoricanim,  Paris  1611';  G.  Tarde,  Rev.  philos.  1897,  Bd.  43,  S.  1  u.  160 
«.  L'opposition  universelle,  essai  de  throne  des  contraires,  Paria  1897. 

Die  STmbolischen  Bezeichnungen  fQr  das  positive  und 
negative  Urteil  schlieSen  sich  unmittelbar  an  die  Symbole  an,  welche  fOr 
negative  BegriBe  und  die  entqjrechenden  Begriffabeziehungen  S.  540  H.  u.568 
eingefährt  worden  sind.  Auch  zur  ssmbolischen  Darstellung  des  negativen 
Urteils  soll  ganz  allgemein  eis  Vertikalstrich  verwendet  werden.  S  J_.  P  ist 
also  das  allgemeinste  Symbol  fQr  ein  negatives  Urteil.  Drückt  das  Urteil 
speziell  Gleichheit,  Identität,  Subordination  oder  Superordination  aus,  so  sind 
für  Bein  Kegat  gemäß  den  Festsetzungen  S.  &41  die  Zeichen  ±,^,  ^i!^  • 
^vnd  ^^  zu  verwenden.  Handelt  es  äch  lediglich  um  die  negative  Aussage, 
d.  b.  das  Al>sprechen  eines  Merkmals  ^ohne  Hervorhebung  einer  Sub-  oder 
Superordination),  so  isl  nach  S.  542  das  Zeichen  ~f->  am  Platze.  Negationen, 
die  nicht  zur  Kopula,  sondern  zu  einer  quantitativen  Bestimmung  des  Sub- 
JAtsbegnBs  gehören,  wie  „nicht  alle"  usf.,  werden  in  Übereinstimmung  mit 
der  S.  &D6  getroffenen  Vereinbarung  durch  einen  Vertikalslricb  ausgedrOckt. 
der  links  oben  zu  der  Quant itätsbestimmung  gesetzt  vird  (z.  B.  'a  S  ^  nicht 
aUe  S). 


§  114.  Einteilnng:  der  Urteile  (Fortsetzung),  4.  nach 
dem  begrifflichen  Charakter  von  8.  E^nteilnne  der  IndiTl- 
dnalnrtelle.  Sieht  man  von  den  Empfindnngsarteilen  ab, 
beschränkt  man  eich  also  auf  die  VorateUm^orteile  (Be- 
griffBorteile),  so  ergeben  sich  aof  Gmnd  der  in  §  67 — 69  ge- 
gebenen psychologieeben  Darstellung  nnd  der  S.  473  und  476 
eotwickelten  logischen  Einteilnitg  der  Begriffe  je  nach  der 


OgIC 


554       1^-  '^^^^-    ^'^  einzelnen  logtacben  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

Zugehörigkeit    des    SabjektebegriSs    folgende    Paare    von 
ürteilsklassen  *) : 

a)  urteile  über  isolate  nnd  urteile  über  komplexe  Be- 
griffe, 

b)  Urteile  über  distrakte  and  Urteile  über  kontrakte 
Begriffe, 

c)  Urteile    über  komparate  and   Urteile  über  inkoiD- 
parate  Begriffe, 

d)  Urteile  über  individaelle  und  Urteile  über  generelle 
Begriffe. 

Diese  Einteilungen  laofen  nebeneinander  her.  Jedes 
logische  Urteil  läßt  sich  also  auf  vierfache  Weise  einordnea 
So  ist  z.  B.  das  Urteil  „die  FiBche  haben  kaltes  Blut"  ein 
Urteil  über  einen  komplexen,  kontrakten,  inkomparaten, 
generellen  Begriff.  Für  die  Logik  ist  die  vierte  Unter- 
scheidung weitaus  am  wichtigsten;  daher  werden  die  beiden 
ihr  entsprechenden  Klassen  auch  mit  besonderen  Termini 
beseichnet,  nämlich  als  ludividualurteile  (weniger 
zweckmäßig  als  Einzelnrteile)  nnd  Qeneralarteile 
(AllgemeinuTl«ile),  judicia  individualia  (weniger  zwetk- 
mäSig  singularia)  und  generalia  (communia  vgl.  S.  478). 

Dns  Individualurteil  (individnelle  Urteil)  sagt  das  Prädi- 
kat von  Individuen  oub,  das  Generalurteil  (generelle  Urteil) 
sagt  aus,  daß  bzw.  in  welcher  Ausdehnung  das  Prädikat 
einer  Gattung  zukommt.  Dabei  ist  besonders  zu  beton«i. 
daß  die  ludividualurteile  keineewegs  etwa  stets  den  Begrifl 
eines  einzigen  Individuums  zum  Subjekt  haben;  auch  urteile 
wie  „Petrus  und  Paulus  und  Johannes  sind  Apostel"  gehören 
zu  den  Individualurteilen.  Man  kann  daher  die  Individnal- 
urteile  in  singulare  und  pluraje  einteilen.  Berück- 
sichtigt man  außerdem,  daß  der  Individualbegriff  ein  Koi- 
lektivbegriff  sein  kann,  so  ergibt  sich  eine  weitere  Grupp* 
der  kollektiven  Individualurteilc  (individuellen 
KoUektiviirteiie),  die  ihrerseits  wieder  in  singulare  nod 
plurale  zerlegt  werden  kann  (diese  Herde  .  .  .,  diese  drei 
Völker  .  .  .  usf.).  In  den  plnralen  Individualu  rteilen  kann 
die  Zahl  bestimmt  angegeben  oder  offen  gelassen  werden 
(vier  Wagen  .  .  .,  mehrere  Wagen  fuhren  nn  mir  vorüber). 
Endlich  können  Individualbegriffe,  wenn  sie  einem  Kol- 


OgIC 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  ß55 

lektivbegriff  angehören,  durch  diesen  ansgedrückt  wer- 
den (das  vorderste  Tier  .  .  .,  die  Tordersten  Tiere  dieser 
Herde) '),  Besonders  wichtig  sind  für  das  logische  Denken 
die  Urteile,  welche  ein  Subjekt  von  letzterem  Charakter 
haben,  dann,'  wenn  die  Individnen  innerhalb  des  Kollektiv- 
begriffs  qnantitativ  bestimmt  werden;  ff^  ergeben  sich  dann 
singnlarisierende^),  pluralieiereude,  par- 
tialisierende  und  totalisierende  individuelle  Kol- 
lektivurteile: ein  Sehüh^r  dieser  Klasse  fehlt,  3  Schäler, 
einige  Schüler,  alle  Schüler  dieser  Klasse  haben  die  Prü- 
fung bestanden,  die  ganze  Klasse  hat  die  Prüfung  bestan- 
den. Wie  die  Beispiele  lehren,  kann  in  diesem  Fall  sogar 
unbestimmt  bleiben  und  unbekannt  seiu,  wer  der  eine 
Schüler  bzw.  die  „einigen  Schüler"  sind.  Überhaupt  kann 
man  auf  Grund  dieses  letzten  Unterschieds  alle  Individual- 
urteile  in  fixierte  und  nichtf isierte  einteilen.  „Die 
sieben  ersten  Tage  dieses  Monats  waren  kalt"  ist  ein  fixiertes 
Individualnrteil,  „sieben  Tage  dieses  Monats  (mehrere  Tage 
dieses  Monats)  waren  kalt"  ist  ein  (relativ)  nichtflxiertes. 
Tatsächlich  müssen  die  Tage  völlig  bestimmt  sein,  aber  dem 
Urteilenden  kann  diese  Bestimmtheit  unbekannt  oder  gleich- 
gültig sein. 

Sehr  oft  fehlt  uns  für  den  ludividuaibegriff,  der  das 
Subjekt  des  Urteils  bildet,  ein  spezielles  Wort,  da  die  Zahl 
iinsrer  Nomina  propria  sehr  beschränkt  ist.  Dazn  kommt, 
daß  auch  die  soeben  erwähnte  Unbekanntheit  und  die  oben 
erwähnte  Vielheit  der  Individnen  oft  den  Crebraueh  eines 
speziellen  Wortes  verhindert.  Wir  nehmen  dann  Allgemein- 
begriffe zu  Hilfe  und  verwenden  die  für  solche  uns  reichlich 
zur  Verfügung  stehenden  Wörter.  So  kommen  Urteile  zu- 
stande mit  Subjekten  wie  „der  heutige  Tag",  „mehrere 
Wagen"  Ondividueü  bestimmte),  „der  letzte  Präsident  von 
Frankreich"  usf.  ^).  Solche  Urteile  sind  also  trotz  der  Ver- 
wendung eines  Allgemeinbegriffs  als  ludividualurteile  zu 
betrachten.  Vgl.  §  115.  Man  kann  solche  einen  AUgemeio- 

')  Man  beachte,  daß  dabei  außerdem  ein  AllBemeinbeuriK  (Tier  usw.) 
zu  Hilfe  genommen  wird. 

■)  „Eine  Herde  weidet  dort"  ist  also  ein  singul&fcs.  „ein  Tier  der 
Herde  weidet  dort"  ein  sinsulan sieiendes  kollektives  lodividualiirteil. 
Der  TemuDus  Kollektivurteit  ist  im  strengen  Sinne  selbstverständlich  nur  für 
das  erste  Urteil  zulässig. 

')  Auch  Helntivsatze  dienen  Jiierzu  (sog.  propositiones  inddedtes}. 


_.ooglc 


g56       ^-  ^^'     ^^  eiazelDCD  lofiscben  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

begriff  verwertend«,  gewissermaßen  entleibende  Individnal- 
iirtei]e  als  mntnierende  (mntaari  entleihen)  bezeichnen. 
Offenbar  handelt  es, sich  aoch  bei  den  oben  angefahrten  Eol- 
lektivnrteilen  oft  nur  um  eine  solche  Mntuation. 

Eine  besondere  SvmboUk»)  ist  fflr  alle  diese  Ktassea  kaum  eifordei- 
lich.  Nur  für  die  ludividualurteile  soll,  wie  nach  den  Besprechungen  S.  SU, 
507  u.  538  ohne  weiteres  verslAndlich  ist,  die  symbolische  Bezeicfanuiig  w,- 
Urieile  bzw.,  wenn  der  Subjektsbegritf  komplex  iat,  Wj-Urteile,  für  die 
Genenüurteile  die  SYmbolische  Bezeichnung  w-Urteile  bzw.  W-Urteile  ge- 
legentlich Verwendung  finden. 

.Analoge  Einteilungen  lassen  sich  auch  auf  Gmnd  der  KUseenzugehöiic- 
keit  dea  Prtdikatsbegriffs  diuchfahren.  WicbtiÄeit  hat  wiederum 
namentlich  die  EinteituDg  unter  d.  Weitaus  am  häufigsten  ist  der  PAdikats- 
begriS  ein  AUgemeinbesriff  (Sokrates  ist  ein  Philosoph,  er  schreibt,  die 
Labiaten  sind  Phanerocamen);  relativ  selten  kommen  Urteile  vor  wie: 
der  Begründer  der  griechischen  Ethik  ist  Sokrates,  dies  ist  mein  Bruder  nsf. 

9  115.  Einteilong  der  UrteUe  (Fortsetzong),  5.  Eintd- 
long  nach  der  Belegung  and  nach  dem  Umfang  tob  S  (nadi 
der  Quantität).  Wenn  das  Sabjekt  ein  Allgemeinbegriff 
(Qeneralbegriff)  ist,  so  kamn  jede  weitere  Bestimmung  über 
Belegung  (S.  358  u.  525)  und  umfang  fehlen.  Es  wird  dann 
stillschweigend  angenommen,  daß  das  Urteil  für  die  gesamte 
Belegung,  d.  h.  alle  onter  den  Ällgemeinbegriff  fallenden  fun- 
dierenden Individuen  nnd  für  den  gesamten  Umfang,  d.  h. 
alle  unter  den  Allgemeinbegriff  fallenden  niederen  G-attun- 
gea  (Arten,  Individuen),  schon  bekannte  wie  etwa  noch  un- 
bekannte, gilt-  Hierher  gehören  Urteile  wie  „der  Mensch 
ist  sterblich",  „(das)  Quecksilber  ist  ein  Schwermetall", 
„Rot  ist  eine  Farbe",  eine  Farbe  ist  eine  sekundäre  Qualität", 
„ein  Hnnd  ist  ein  treuer  Freund",  wobei  die  überwiegende 
Tendenz  zur  Verwendung  des  bestimmten  Artikels  im  Deut- 
schen bemerkenswert  ist  Das  Gewicht  wird  hier  nicht  auf 
die  Vollständigkeit  des  Umfangs,  sondern  anf  den  Merkmal- 
vergleich  gelegt. 

Sehr  oft  wird  jedoch  entweder  die  Belegung  oder  der 
Umfang  des  Subjektsbegriffs  durch  ein  beigefügtes  Attribut 
quantitativ  näher  bestimmt,  und  dann  ergeben  sich  höchst 
wichtige  weitere  Einteilungen  der  Ckneralurteile,  je  nach- 
dem sich  das  Urteil  anf  die  ganze  Belegung  bzw.  den  ganzen 
Umfang  oder  nur  auf  einen  Teil  der  Belegtmg  bzw.  des  Um- 


^       2.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  _^_^^      657 

fange  des  Allgemeinbegriffs  erstreckt  Dieses  Einteilaugs- 
prinzip  wird  als  quantltstives  bezeichnet,  und  daher  der  in 
^  113  besprochenen  GinteUnng  der  Urteile  nach  der  Qnalität 
eine  Einteilang  nach  der  Quantität  gef^nübergeslellt.  Man 
darf  dabei  nar  nicht  vergessen,  daß  die  qualitative  Eintei- 
lang sich  anf  alle  Urteile  erstreckt,  die  quantitative  hin- 
gegen im  engeren  Sinn  nur  anf  die  Gener al arteile  (vgl. 
jedoch  S.  654  u.  660).  Im  folgenden,  wird  zuerst  die  quantita- 
tive Einteilung  nach  der  Belegung,  dann  diejenige  nach  dem 
Umfang  besprochen.  i 

Quantitative  Einteilung  nach  der  Belegung, 
iWir  hatten  unter  Belegung  einer  Allgemeinvorstellung 
bzw.  eines  Allgemeinbegriffs,  schärfer  ausgedrückt,  der  fak- 
tischen Belegung  (S.  358  u.  525  ff.)  die  individuellen  Vorstel- 
longen  bzw.  Begriffe  verstanden,  welche  eine  Allgemeinvor- 
stellung bzw.  einen  Allgemeinbegriff  tatsächlich  fundieren '). 
Die  Belegung  erschöpft  also  den  Allgemeinbegriff  nicht.  Es 
ist  für  diesen  vielmehr  gerade  wesentlich,  daß  er  die  Be- 
legung überschreitet  (Transgression  der  Allgemeiubegriffe, 
S.  360)  und  alle  überhanpt  denkbaren  Individuen, 
welchen  der  bezügliche  Merkmalkomplez  zukommt,  mnfaßt. 
Man  kann  in  diesem  Sinne  sagen,  daß  die  Belegung  die  indi- 
viduelle Grundlage  des  Allgemeinbegrif^  darstellt.  Dem 
entspricht  es,  daß  die  quantitative  Einteilung  der  Allge- 
meinurteile nach  der  Belegung  der  im  letzten  Paragraphen 
entwickelten  Einteilung  der  individuellen  Kollektivurteile 
durchaus  gleicht  Wir  können  auch  im  Bereich  der 
Allgemeinnrteile  singnlarisierende,  pluralisierende,  partiali- 
sierende  und  totalisierende  Belegungsnrteile  unterscheiden: 
„ein  Mensch  gilt  als  Messias,  4  Großstädte  liegen  am  Meer, 
.  manche  Großstädte  haben  keine  Hilfsschulen,  alle  (seil,  mir 
irgendwie  bekannten)  botanischen  Gärten  habenTreibhäuser". 
Zugleich  ist  aber  klar,  daß  alle  diese  Urteile  sich  den  oben 
erwähnten,  das  Subjekt  durch  einen  quantitativ  bestimmten 
Allgemeinbegriff  ausdrückenden  Individualnrteilen  bU  zur 
Verschmelzung  annähern.  Für  schärfere  Betrachtung  bleibt 
aber  doch  immer  noch  insofern  ein  logischer  Unterschied 
bestehen,  als  im  Individualurteil  der  Allgemeinbegriff  stets 


')  Von  der  potentiellen  Belegunv  (S.  356)  und  der  Belegung  mit 
subordinierten  Allgemein  Torstellungen  (S.  368  unten)  wird  also  jetzt  ganz 
abgeseben. 

Ziahen,  L«hrbaefa  dn  Logik.  42 

,^.oogic 


f)58       '^-  Teil,     Die  emzplnen  loEi?chcn  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

nur  als  Notbehelf  Iierangezogen  wird  und  das  IndiTlduum 
selbst  der  wesentliche  Gegenstand  der  Anasf^e  ist,  während 
im  Belegnngaurteil  nnf  der  Aussage  des  Prädikats  fär  ißdi- 
vidnelie  Glieder  gerade  innerhalb  eines  Allgemein- 
begriff»  der  Nachdruck  ruht.  Im  Belegnngsnrteil  sind  In- 
dividnen  das  Subjekt  des  Urteils,  aber  sie  werden  nur  beur- 
teilt, weil  und  insoweit  sie  Glieder  eines  Allgcmeinbegriffs 
sind.  Das  logische  Interesse  (nicht  etwa  nur  das  psycho- 
logische) gilt  dem  lelztereD, 

Quantitative    EinteilHng   nach    dem    Umfang. 

Der  logische  Charakter  des  Allgemeinbegriffs  kommt 
nur  im  Umfang  zur  Geltung,  die  Belegung  stellt  nur  das  den 
Allgemeinbegriff  fundierende  individuelle  Material  dar.  Ntir 
der  Umfang  hat  die  Transgression,  welche  den  Allgemein- 
begriff vom  Individnalbegriff  unterscheidet  (S.  360  u.  527  f.). 
Wäbrend  sich  die  Belegnng  nur  auf  die  tatsächlich  irgend- 
wie bekannten  Individuen  bezieht,  bezieht  sich  der  Umfang 
auf  alle  denkbaren  Individuen,  die  unter  den  Allgemein- 
begriff fallen  (e.  oben  S.  657).  Der  Umfang  ist  daher  aucb 
von  der  Zahl  der  etwa  bekannten  Individuen,  die  unter 
den  Allgemeinbegriff  fallen,  ganz  unabhängig. 

Wird  nun  der  Umfang  eines  Allgemeinbegriffs,  der  Sub- 
jekt eines  Urteils  ist,  quantitativ  bestimmt,  so  darf  doch  der 
transgressive  Charakter  nicht  preisgegeben  werden,  widri- 
genfalls das  Urteil  zum  Belegungsurteil  wird.  Es  ergeben 
«ich  daher,  wenn  man  die  Urteile  nach  der  Quantität  dee 
Urafangs  einteilt,  nur  folgende  zwei  Fälle  für  das  „Um- 
fangsnrteil": 

1.  das  Subjekt  ist  ein  AJlgemeinbegrff  in  seinem 
vollen  Umfang  (Beispiel:  alle  gleichschenkligen  Drei- 
poke,  bekannte  nnd  nnbekannt«,  haben  gleiche  Basiswinkel). 

2.  das  Subjekt  ist  ein  AUgemeinbegriff  in  einem  Teil 
seines  Urafangs  (Beispiel:  einige,  bekannte  nnd  on- 
bekanute,  Labiaten  haben  2  Staubgefäße). 

Die  Urteile  sob  1.  werden  als  imiTerselle,  die  Urteik 
sab  2.  als  partikolire  Allgemeinurteile,  oft  anch 
schlechthin  als  universelle  bzw.  partikulare  Ur- 
teile (Universal-  bzw.  PartiknlarnrteUe)  bezeichnet 

Diese  wichtige  Einteilung  bedarf  nach  verschiedenen 
Bichtnngen  noch  der  Erlänternng. 

„.,.,n.>..OO.^IC 


2.  Kapital.    Die  Lehre  von  den  Urleilen.  g59 

Zunächst  rechnet  man  häufig  zu  den  partikulären  Urteilen  auch 
»lokbe,  die  im  Subjekt  nur  bekannte  (d.  h.  fundierende)  Individuen  ent- 
halten. So  wird  z.  B.  ein  Urteil  wie  „mehrere  Städte  haben  Ober  1  Million 
Einwohner"  oft  als  ein  partikuläres  betrachtet.  Tatsächlich  bandelt  es  sich 
nach  unsrer  Auffassung  um  ein  partialisierendes  Belegungsurteii,  nicht  um 
ein  Umfangsurteil  (nicht  um  ein  „partikuläres"  Urteil  nach  unsrer  Definition); 
denn  die  in  Betracht  kommenden  Städte  werden  als  irgendwie  bekannt  oder 
gegeben  betrachtet.  Das  Urteil  betrifft  streng  genommen  zunächst  die  Be- 
legung und  erst  sekundär  den  Umfang.  Oft  handelt  es  sich  sogar  übeiiiaupt 
gar  nicht  um  ein  Generalurteil,  sondern  um  ein  mutuietendes  Individualurteil 
in  dem  oben  (S.  6&6)  festgesetzten  Sinn.  Nicht  selten  liegt  auch  eine  Ver- 
wechslung  mit  einem  pailialisierenden  individuellen  Kollektivurtcil  vor,  d.  h. 
mit  den  „Stidten"  des  beispielsweise  angefahrten  Urteils  sind  nicht  Städte 
Oberhaupt  im  Sinn  eines  echten,  also  trausgressiven  Allgemeinbegriffs  ge- 
meint,  sondern  nur  die  bekannten,  beispielsweise  zur  Zeit  wirklich  existieren- 
den Städte  der  Erde  im  Sinn  eines  kollektiven  Individualbe^riffa. 

Zweitens  stellt  man  bei  der  Einteilung  der  Urteile  nach  der 
Quantität  oft  netwn  die  universellen  und  partikulären  Urteile  als  koordinierte 
dritte  Klasse  die  „«ti»f-|fl™"  Urteile  und  fahrt  als  solche  beispielsweise  an; 
,,ein  Ifensch  ist  sterblich",  „Sokrates  ist  sterblich"  usf.  £s  ist  klar,  daS 
es  sich  auch  hier  wieder  um  die  Belegung  und  nicht  —  wenigstens  zunächst 
nicht  —  um  den  Umfang  handelt.  Der  ein«  Mensch  muß  ein  irgendwie 
bekannter  Mensch  sein,  Sokrates  ist  ein  mir  ii^endwie  h^anntes  Individuum. 
Es  handelt  sich  also  um  ein  singularisierendes  Belegungsurteii,  wofern  es 
sich  nicht  —  was  meistens  der  Fall  sein  wird  —  geradezu  um  ein  Individual- 
urteil (ein  singuläres  bzw.  muluierendes)  handelt 

Drittens  könnte  man  Bedenken  gegen  die  (luantitattve  Einteilum 
der  Urleile  nach  dem  Umfang  insofern  haben,  als  der  Umfang  sich  gemftB 
seiner  urapranglichen  Definition  nur  auf  die  subordinierten  Arten  bzw. 
Gattungen,  nicht  auf  die  subordinierten  Individuen  bezieht  (vgl. 
S.  359)  und  die  quantitative  Einteilung,  wie  sie  eben  gegeben  wurde,  gerade 
die  Individuen  zu  berücksichtigen  scheint  („alle"  Labialen,  „einige"  Labiaten 
usf.).  Indes  wurde  schon  in  der  psychologischen  Grundlegung  hervorgehoben 
(S.  360),  daB  die  ObUche  Beschränkung  des  Umfangs  «uf  die  subordinierten 
Arten  bzw.  Gattungen  durchaus  nicht  wesentlich  ist.  und  daß  nichts  im  Wege 
steht,  den  Umfang  indirekt  auch  auf  die  letzten  subordinierten  Individual- 
begiifie  zu  beziehen.  Wesentlich  ist  für  den  Umfang  gegenüber  der  Belegung 
nur  der  transgressive  Charakter,  und  dieser  wird  bei  unsrer  Einteilung  ge- 
wahrt Es  ist  logisch  im  wesentlichen  gleichgültig,  ob  ich  unter  „alle 
Labiaten"  alle  Labiatengattungen  und  Labiatenarten  oder  alle  Labiaten- 
individuen verstehe,  es  Itommt  im  wesentlichen  nur  darauf  an.  daß  alle 
nur  denkbaren  Gattungen  bzw.  Arten  bzw.  Individuen  (also  nicht  nur 
die  irgendwie  bekannten,  schon  existierenden,  schon  existiert  haltenden  usf.), 
soweit  sie  unter  den  Begrill  „Labialen"  fallen,  den  Umfang  dieses  Begrifia 
ausmachen. 

BezOglich  derjenigen  untersten  Gattungen,  die  nur  eine  „homogene" 
Belegung  zulassen  (5.  537)  ~  es  sei  an  das  Beispiel  der  Wassersloftelome 
erinnert  — ,  könnte  man  mit  einigem  Becbt  behaupten,  daß  hier  subordinierte 
All  g  emeinbegiifte  Oberhaupt  fehlen  und  daher  ein  Umfang  nur  mit 
Bezug  auf  die  subordinierten  Individuen  in  Betracht  kommt  Hier 
würde   also    auch    eine    Umfangse  int  eilung    nur    mit    Bezug   auf    die 


■,  il^l.OO^IC 


ffßft       IV.  Teil.    Die  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  GesvUiv 

Individuen  denkbar  sein.  Es  ist  iedocb  zu  erw&sen,  daß  tme 
«bBolul  homoflene  Belegung  überhaupt  nicht  voAommL  Selbst  die  Waaer- 
stoflatome  werden,  ganz  abgesehen  von  den  Verschiedenheiten  der  r&unlicb- 
teitUchen  Lage,  sich  voneinander,  z.  B.  durch  ihren  Qcwegungszustand  (Buhe, 
Bewcgungsrichlung,  Bewegungsgeschwindigkeil  usf.),  unterscheiden,  und  dtm- 
entsprechend  vird  ea  möglich  sein,  doch  noch  niedrigere  Arten  aulmstti^ 
[ruhende  und  bewegte,  chemisch  gebundene  und  nicfatgebundene  usf.).  Damit 
wird  also  selbst  in  diesem  Fall  der  Umfang  auch  auf  noch  niedrigere  Alten 
(nicht  nur  auf  Individuen)  bezogen  -werden  können,  und  die  Umfu^ 
eijileiluDg  der  entsprechenden  Urteile  behftit  also  doch  in  dem  dopptllen 
Sinn  —  mit  Bezug  auf  subordinierte  AUgemeinbegrifle  wie  mit  Bezug  iif 
äubordioierte  Individuen  —  ihre  Gültigkeit. 

Viertens  muB  zugegeben  werden,  daß  die  Grenzen  zwischen  Be- 
legung und  Umfang  eines  Allgemeinbegriffs  im  tatsächlichen  Denken  nicbl 
immer  scharf  sind.  Wenn  die  belegenden  tndividualbegriffe  nichl-Giitrt 
(S.  65Ö)  und  bezüglich  ihrer  Tats&chlichkeit  und  Bekanntheit  zweileltiaft 
sind.  90  nähern  sie  sich  den  unbdtannten,  überhaupt  nicht  tatsächüchen, 
sondern  nur  denkbaren  transgressiven  IndividualbegrlFfen,  welche  der  lin- 
fang  eben  dank  seiner  Transgression  mit  umfaQt.  Da  die^e  t'beiglnie 
jedoch  nur  für  das  Urteil  im  psychologischen,  nicht  für  das  Urteil  im  logischen 
Sinn  Bed«;utung  haben,  kann  hier  von  ihnen  abgesehen  werden. 

Damit  hängt  endlich  fünftens  zusammen,  daß  sehr  au^edebBte 
Kollektiv  begriffe,  deren  Individuen  sehr  zahlreich,  nicht  fixiert  und  nur  gvu 
oberflftchUch  bekannt  sind,  sich  im  praktischen  Denken  den  AUgemeiQ- 
begritfen  nShern.  Der  Begriff  aller  jetzt  lebenden  Mens^chen  ;Flieeen,  Wirbel- 
tiere usf.)  ist,  streng  logisch  betrachtet,  seltatverstS-ndlich,  da  ihm  die 
charakteristische  Transgression  fehlt,  kein  All  gerne  inbe  griff,  sondern  ein 
individueller  KoUeklivbegriff ;  da  aber  die  Zahl  der  Individuen  unzihlhar 
aroß  und  die  einzelnen  Individuen  gröBtenleils  nur  durch  das  Attribut  ,jetzt 
lebend"  fiwiTt  sind  und  nur  insofern  als  bekannt  bzw.  gegeben  bezeichnet 
nerden  können,  kommt  eine  Transgression  zustande,  die  derjenigen  der  .\\i- 
Ui'meinbegrifle  sehr  ähnlich  ist.  Dabei  ist  auch  diese  Ähnlichkeit  slreiut 
genommen  nur  psychologisch,  nicht  logisch.  Jedenfalls  aber  «ird  auch  die 
Logik  diese  psychologische  Ähnlichkeit  mancher  Generalurteile  mit  iodivi- 
ituellen  Kollektivur teilen  bei  ihren  praktischen  Regeln  zu  beachten  haben. 

Zugteich  fällt  jetzt  ein  neues  Licht  auf  die  Belegung.  Nach  un^vr 
ursprünglichen  Definition  bezieht  sich  dieselbe  nur  auf  die  tatsächlich 
fundierenden  In  di  vi  dual  Vorstellungen  (fndividualhegriffe)  einer  Allee- 
lueinvorstellung  ^).  Diese  tatsächliche  Fundierung  kann  nun,  wie  sich  jetzt 
t'i^eben  hat.  äußerst  verschieden  sein.  Sie  kann  in  einem  unmittelbaren 
persönlichen  Erleben  (eigener  Wahrnehmung)  bestehen,  sie  kann  sich  aber 
auch  auf  ein  Hörensagen  oder  auf  ein  Erschließen  oder  auf  eine  sehr  un- . 
bestimmte  Annahme  stützen.  So  besieht  die  Belegung  meines  Allgemein- 
begriffs  „Menschen"  zunächst  aus  den  von  mir  selbst  irgendwie  direkt  vahi- 
Benommenen  Menschen,  weiterhin  aber  auch  aus  den  Menschen,  von  denen 
ich  ireendwie  gehört  habe,  und  schließlich  im  unbestimmtesten  Sinn  auch  aas 
den  Menschen,  von  denen  ich  überhaupt  nur  annehme,  daß  sie  ,jetzt  leben"- 
Vereleiche  ich   damit   meinen  individuellen   Kollektivbegriff  der 


')  Von  der  Belegung  der  Kontraktionsvorslellungen,  die  übrigens  ähn- 
liche Überlegungen  zuläßt,  werde  hier  abgesehen. 


2.  Kapitel.    Die  I*hre  von  den  Urteilen.  661 

Jetzt  lebenden  Menschen",  so  gehören  in  der  Tat  alle  jetzt  lebenden 
Menschen  zu  seiner  Belegung  im  weitesten  Sinn.  Wir  sind  abet  sebi  geneigt, 
hier  daneben  auch  noch  von  einer  Belegung  im  engeren  Sinn  zu  sprechen, 
und  verstehen  unter  derseitien  diejenigen  Individuen,  die  mir  durch  eigene 
Wahrnehmung  (Verwandte,  Bekannte,  Mitbttrger  usl.)  ode;  wenigstens  durch 
Hörensagen  (Papst,  K&nig  von  Spanien)  näher  bekannt  sind.  Von  diesem 
Standpunkt  aus  kann  man  dann  auch  bei  kuUekliven  Individualbcgriffen  von 
quantitativ  verscliiedenen  Graden  der  Belegung  frechen  und  damuChin  auch 
die  S.  654  besprochene  Einteilung  der  Urteile,  deren  Subjekt  ein  «tnem 
Koüetkivbegrift  angehSriger  Indlvidualbegriff  ist,  als  eine  quantitative  Be- 
legungseinteüung  auffassen.  In  dem  Urteil  „drei  Schüler  der  otwrstea  Klasse 
fehlen"  handelt  es  sich  dann  nicht  mehr  um  eine  Beurteilung  von  Indi- 
viduen, die  im  Sinn  der  Mutuation  durch  einen  KoUektivb^riff  bezeichnet 
werden,  sondern  der  Nachdruck  liegt  auf  der  Prtdikation  für  individuelle 
Glieder  gerade  innerhalb  eines  individuellen  Kollektivbegriffs  (vgl.  die  analoge 
Ausfflhrung  S.  658  oben). 

Überblickt  man  alle  diese  Verhältnisse,  so  zei^  sich, 
daß  die  quantitative  Eintcilang  der  Urteile  viel  verwickelter 
ist,  als  nacli  der  bis  heute  üblichen  Äufstelinng  der  meisten 
logischen  Werke  zu  erwarten  war.  Nach  dieser  unterscheidet 
man  nämlich  bezüglich  der  Quantität  meistens  nnr  3  TTrteils- 
klassen: 

1.  allgemeine  Urteile,  judicia  imiversalia*), 

2,  besondere  Urteile,  judicia  particularia 
und  3,  einzelne  Urteile,  judicia  singularia. 

Um  diese  Einleitung  mit  der  oben  gegebenen  Darstellung  vergleichen 
zu  können,  sollen  die  Ergebnisse  der  letzteren,  soweit  sie  Itir  den  Vergletdi 
von  Bedeutung  sind,  in  einer  Ütwrsichtlichen  Tafel  zusammengestellt  werden. 

A.  HicIit-mBlsiMmide  Individnalutaila  (nicht-kollektive  und  kollektive): 

a)  singulare:  Demosthenes  ist  ein  Redner;  die  Armada  wurde  i.  i. 
LWS  von  den  Engländern  besiegt; 

bj  plurale:  Demosthenes.Lysias  und  Aeschiiies  sind  Redner;  Deutsch- 
land und  Frankreich  bekriegten  einander, 

B.  ÜBtuamiAe  hdividaalvlaila.     Mutuation   bei  einem   Allgemein- 
begriff: 

a)  singularisierende : 

a)  fixierte:  dieser  Rosenstrauch  in  meinem  Garten  blüht; 
ß)  nicht-fixierte :  ein  Rosenstrauch  in  meinem  Garten  blflht*); 

b)  pluralisierende : 

a)  finerte:  die  drei  Rosenstr.  i,  m.  G.  blühen;  _ 
ß)  nicht'fixierle :  drei  Rosenstr.  i.  m.  G.  blühen: 

*)  Kant  {Logik,  g  21)  macht  zwischen  generellen  und  univcrsetlen 
Sitzen  einen  Unterschied,  der  mit  der  Logik  nichts  zu  tun  hat.  Ich  atibe 
▼OQ  dieser  Unterscheidung,  die  sich  nirgend»  eingebQrgert  hat.  ganz  ab. 

*)  Das  Minimum  der  Fixation  liegt  vor  hei  Subjekten  wie  „Jemand", 
„etwaa"  uaf.  Durch  den  Zusatz  „in  meinem  Garten",  der  die  Individualisation 
anschaulicher  machen  soll,  erfolgt  eine  Annäherung  an  Gruppe  C. 

„.,,„,  ^.oogic 


662       ^-  Teil.     Di»?  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

c)  partiilisierende"):  einige  Rosenstr.  i,  m.  G.  blüben; 

d)  tot&lisierende :  alle  Rosensir.  i.  m,  G.  Wühen. 

C.  H«tafna4a  bUvUwdvMto.     MutuaUon    bei    einem    KolUktiv- 
betriS: 

&]  singulaii  gierende : 

a)  finerie:  der  erste  römische  König  erflodete  Rom; 
ß)  nichl-fixierte :    ein   römischer  König  gab  Rom   eine  V*f- 
lassung; 
h)  pluralisierende ; 

a)  fixierte:  die  drei  vordersten  Tiere  des  Rudels  flohen  zuetst; 
ß)  nicht-fixierte :  drei  Tiere  des  Rudels  wurden  geschossen. 

c)  parüaliaierende :  einige  Tiere  des  Rudels  wurden  geschossen; 

d)  total isieren de :  alle  Tiere  des  Rudels  entkamen. 
I>.  0«anlifiiiaiaitd«  koJUtiTa  IndivUnalnrtafla: 

Einteilung  wie  unter  C,  auch  die  Beispiele  bleiben  dieselbea,  nur 
liegt  hier  der  Nachdruck  auf  der  Aussage  Ober  den  KoUätiTbe<riD, 
während  er  bei  C  nur  zur  Bezeichnung  der  beurteilten  Individuen,  aus- 
hilfsweise herangezogen  wurde. 

E.  a«iuiatBitaiU  (Allgemeinurteile)  olma  QauiliBkatioB: 

Rot  ist  komplementär  zu  grün  (vgl.  S.  %6). 

F.  OMBtahutdl«  (Allgemeinurleile)  mit  OunUfikaUaB: 

a)  universelle*)  Generalurteile:  alle  bekannten  und  unbekannten^ 
Individuen  der  Galtung  .  .  .  sind  .  .  .; 

b)  total isierende  generelle  Belegungsurteile:  alle  bekannten  iDdivi- 
duen  d.  G.  .  .  .  sind  .  .  .; 

c)  partikuläre   Generalurteile :     einige    bekannte     und    unbekannte 
Individuen  d.  G.  ...  sind  . . .; 

d)  parlialisierende  generelle  Belegungsurteile:  einige  bekannte  In- 
dividuen d,  G.  . . .   sind  . . .; 

e)  phiralisierende  generelle  BcIcKungsurtfile :  eine  bestimmte  Zah!. 
•/..  H.  5  bekannte  Individuen  d.  0.  ...    sind  . .  :'); 

'•)  Die  Farlialisation  unterscheidet  sich  von  dor  Pluralisation  dadurch. 
daB  (auch)  die  Zahl  der  Individuen  nicht  finert  ist. 

*)  Pleonaslisch  könnte  man  von  „transgressivea  Universalurteücn" 
sprechen.  Über  die  Weglassung  des  Altribula  .Allgemein"  bzw.  ..generelF" 
siehe  S.  668. 

')  Man  beachte,  daß  Bekanntheit  hier  in  dem  weitesten  -Sinn  zu  ver- 
stehen ist,  also  nicht  etwa  mit  .,6xiert"  oder  „genau  bekannt"  oder  ^.selbst- 
heobachtet"  identisch  ist  (vgl.  S.  6G01).'  Vielmehr  bedeutet  ,J)ekannl"  hi« 
nur  so  viel  wie  tatsächlich  fundierend,  und  eine  tatsächliche  Fundierung 
liegt  auch  vor,  wenn  iede  unoültclbare  Selbstbeobachtung  fehlt.  Die  Uan- 
grovebäume  der  Tropen,  die  ich  nie  gesehen  habe,  sind  doch  an  dei*  Pun- 
dierung  meines  Begriffs  „Mangrovebaum"  indirekt  beteiligt  und  daher  in  den 
jetzt  festgesetzten  Sinn  „bekannt";  „unbekannt"  ^nd  nur  diejenigen  Indivi- 
duen, von  deren  Existenz  ich  Überhaupt  gar  nichts  weiS,  die  also  betOg' 
lieh  der  Belegung  transgressiv  sind.  Selbstverständlich  ist  in  allen  diesw 
Füllen  keineswegs  etwa  nur  an  sinnlich  wahrnehmbare  Existenz )« 
denken. 

")  Es  leuclilet  ein,  daß  Iransgrcssive  pluialisierende  Urteile  nicht  wt*I 
miiBlich  Sinti.     DaB'clbo  gilt  von  der  Gruppe  F.f. 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  gg3 

I)  singularisieiende  generelle  Belegungsurteile :  ^  i  n  bekanntes  In- 
dmduum  d.  G.  .  .  .  ist  .  .  . 

fiel  den  Gruppen  d.  e  und  f  kann  man  nochmals  zwischen  fixierten 
und  nicht-üxierten  Individuen  unterscheiden. 

Nur  dieae  ausfObrliche  Tafel  wird  der  Vielgeataltiskeit  der  logiseben 
Beziehungen  nach  der  Quantität  der  Urteile  wirklich  gerecht*).  Vergleicht 
mau  die  Tafel  mit  der  S.  661  angeiohrten  ilblichen  Dreiteilung  in  univer- 
selle,  partikuläre   und  singulare  Urteile,  ao   ergibt  sich  folgendes: 

Die  univeraellen  Urteile  der  üblichen-  Nomenklatur  entsprechen  vor 
allem  meiner  Gruppe  F.a,  umfasaen  aber  bei  vielen  bzw.  einigen  Forschem 
auch  die  Gruppen  E;  B,  d;  C,  d;  D,  d;  F,  b,  denen  die  hergebracht«  Drei- 
teilung nicht  gerecht  wird; 

die  partikulären  Urteile  der  üblichen  Nomenklatur  entsprechen  vor- 
zugsweise der  Gruppe  F,  c,  oft  bzw.  zuw«ilen  werden  jedoch  auch  die  Grup- 
pen B,c;  C.c;  D,c;  F,d  hinzugerechnet,  gelegentlich  aogai  B.b,«;  S,b,  ß; 
C.b,(,;   C,b,^;   D,ba;  D,b,^;  F,e;  B,a,^;   C,a,ß;  D,a,^; 

die  singulfijen  Urteile  der  üblichen  Nomenklatur  entsprechen  den 
Gruppen  A,a  und  .%,b;  oft  werden  auch  die  Gruppen  B,a,ai  C,a,a: 
D,a,a,  gelegentlich  auch  die  Gruppen  B,a,^;  C,a,^;  D,a,^;  F.  I  hierher 
gerechnet. 

Die  Berechtigung  einer  solchen  Zusammenfassung,  die  ja  an  sich  im 
Interesse  einer  Vereinfacliung  sehr  erwünscht  wAre,  kann  nicht  anerkannt 
werden.  Die  Geschichte  der  Logik  lehrt  nämlich,  daS  sich  keine  ausreichen- 
den Definitionen  dieser  drei  Gruppen  geben  lassen  in  der  Weise,  dafi  sie 
einerseits  scharf  voneinander  untersdiieden  werden  können  und  andrer- 
seits zusammen  alle  Urteile  umfassen.  Es  soll  dies  beispielsweise  für 
die  Eantschen  Definitionen,  die  den  gestellten  Anfordemngen  noch  am  ehe- 
sten Genüge  zu  leisten  scheinen,  dai^etan  werden. 

Kant '")  deliniert :  „im  allgemeinen  Urteile  wird  die  Sphfire 
eines  Begriffs  ganz  innerhalb  der  SphSie  eines  andern  beschlossen;  im 
partikularen  wird  ein  Teil  des  ersteren  unter  die  Sphäre  des  andern, 
und  im  einzelnen  Urteile  endlich  wird  ein  fiegrifl,  der  gar  keine  Sphäre 
hat,  mithin  bloß  als  Teil  unter  die  Sphäre  eines  andern  beschlossen".  Bei 
dies«  Definition  ist  die  Einteilung  —  wenn  man  nur  subsumierende  Ur- 
läle  in  Betracht  zieht  —  allerdings  erschöpfend,  aber  das  für  die  partiku- 
lären (besonderen)  und  die  einzelnen  Urteile  angegebene  UnterscheidungH- 
meAmal  ist  unklar;  sind  Subjekte  wie  „diese  vier  Pferde",  „vier  Pferde", 
„einige  Pferde  dieser  Schwadron"  usf.  als  Begriffe  ohne  Umfang  anzusehen? 
Bei  strengster  Durchfflhrtmg  der  Eantschen  Definition  und  korrekter  Auf^ 
fassung  der  Sphäre  als  Umfang  wäre  diese  Frage  wohl  zu  bejahen,  und  dann 
bliebe  f&r  die  allgemeinen  Urteile  nur  unsere  Gruppe  F,  a,  und  E,  für  die 
partikulären  (besonderen)  nur  die  Gruppe  F,c;  alle  andei-en  Gruppen  wür- 
den trotz  ihrer  erheblichen  Mannigfaltigkeit  zur  Klasse  der  einzelnen  Ur- 
leile Kants  und  der  Qbhchen  Einteilung  gerechnet  werden  müssen.  Mit 
anderen  Worten;  die  letztere  ist  damit  auf  unsere  S.  666  gegebene  Umfangs- 


*)  Vgl.  meine  Erkenntnistheorie,  Jena  1913,  S.  M3ff.  u.  Ü6ÖE;  ich 
habe  jedoch  die  damaligen  Aufstellungen  in  manchen  Beziehungen  herich- 
ligt  und  vervollständigt. 

">)  Logik  §  21  u.  Kril.  d,  rein.  Vern.,  Kehtb,  Ausg.  S.  9Ü. 


i,l^.OOglc 


664       ^-  1^^'''     Die  einzelnen  loBiscben  Gelnlde  und  ihre  Gesetze. 

einteilung  der  Allsemeinurleilc  zurückgefOhrt.  und  eine  wesentliche  Abnei- 
chune  der  dblichen  Cinteilune  von  der  tneinieen  besteht  nur  noch  insotem, 
als  unsere  UnlersuchunB  Bezeigt  hat,  daB  eratens  die  übrigen  Urteilf, 
welclie  man  als  einzelne  (singulare)  zusammenfallt,  sehr  heterogen  nnd, 
und  daB  zweitens  diese  Qbrigen  Urteile  keinesvegs  eine  den  univeraeUm 
und  partikulären  Urteilen  koordinierte  Klasse  bilden  (vgL  S.  659).  Letztem 
peht  Obrigens  auch  schon  aus  dem  Wortlaut  der  oben  angefahrten  IMni- 
lion  Kants  hervor.  Es  wird  von  Kant  auch  zugegeben,  daß  „man  die 
einzelnen  Urteile  beim  Gebrauch  der  Urteile  in  Vernunflsch lassen  ^eich  dea 
allgemeinen  behandeln  könne",  und  andrerseits  wird  oft  eiklärt,  daB  lo 
anderen  Beziehungen  die  einzelnen  Urteile  »cb  gleich  den  besonderen  be- 
handeln lassen.  Alle  diese  Schwierigkeiten  verschwinden,  wenn  man,  wif 
oben  geschehen,  zunAchst  Individual-  und  Generalurteile  unterscheidet  und 
dann  im  Bereich  der  Individualurteile  die  kollektiven  und  die  mutuierenden 
gebührend  berücksichtigt  und  im  Bereich  der  Generalurteile  zwischen  einer 
Kinteilung  nach  der  Belegung  und  einer  Einteilung  nach  dem  Umfang  — 
hei  welch  letzlerer  sich  die  beiden  Hauptgruppen  der  Universalurteile  und 
der  Partikularurteile  ergeben  —  korrekt  unterscheidet. 

Es  haben  mithin  bei  der  hier  gewählten  Eint«iluiig  die 
Termini  ^Generalttrteil"  und  „UniTersalurteil"  eine  gaoi 
verschiedene  Bedeutung:  dae  Geueralurteil  iet  ein  tJrteU, 
<lafi  über  einen  ÄIIgemeinhegrifF  irgend  etwas  aussagt"), 
das  Universalurteil  ist  ein  Qeneralurteil,  das  von  allen  (be- 
kannten und  unbekannten)  Individuen  der  hezüglicheii  Gat- 
tung gilt.  Daher  genügt  der  eine  dentsche  Terminus 
„Allgemein  urteil"  nun  auch  nicht  mehr.  Ich  halte  es 
für  zweckmäßip,  ihn  abweichend  von  dem  ■üblichen  Ge- 
brauch —  wofern,  man  ihn  überhaupt  neben  den  latinisierten 
Termini  noch  beibehalten  will  —  für  die  (Jeneralurteile,  wie 
oben  schon  geschehen,  zu  verwenden  (AuBs«gc  über  einen 
.,A  1 1  ge  m  e  i  n"  begriff),  und  die  Universalurteile  etwa 
auch  als  „Gesamturteile"  zu  bezeichnen.  Im  folgenden 
soll  aber,  am  alle  Mißverständnisse  auszuschließen,  nur  von 
General-  und  UniversalurteÜen  gesprochen  werden. 

Eine  Vereinfachung  unsrer  Einteilung  ergibt  sich  für 
die  Logik  übrigens  insofern,  als  die  Belegungseinteilung  der 
Generalnrteile  offenbar  ihre  Bedeutung  verliert,  wenn  man 
in  der  S.  449  besprochenen  Weise  der  Normalisierung  der 
Allgemein  Vorstellungen  eine  für  alle  denkenden  Indivi- 
duen gültige   Bedeutung  gibt;   denn  die  Belegung  haftet 

")  Die  einen  Allgenieinbegrill  mutuierenden  Individualurteile  (S.  M6) 
sind  keine  Generalurteile,  da  sie  keine  Aussage  über  den  Allgeroeinhegrifl. 
sondern  Ober  Individuen  bezwecken  und  den  Allgemeinbegritf  nur  aiuMfe- 
welse  im  sprachlichen  Ausdnick  heranziehen. 


n,5,t,7rjM,G00glc 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  665 

immer  an  dem  einzeln  en  denkenden  Individuum  und  wird 
gegenstandslos,  sobald  man  von  der  beschränkten  Erfahrung 
der  einzelnen  Individuen  absieht. 

Dem  partikulären  Urteil  haftet  insofern  eine  Zwei- 
deutigkeit an,  als  es  seinem  Wortlaut  nach  über  die  übrigen 
Glieder  des  Subjektsbegriffs  nichts  aussagt.  „Einige  S  sind  P" 
bedeutet:  „wenigstens  einige  S  sind  F"  und  läßt  also 
offen,  daß  alle  S  F  sind.  Oft  fällen  wir  jedoch  auch 
„prägnante"  partikuläre  Urteile  in  dem  Sinn  von  „n  u  r 
einge  S  sind  P".    Vgl.  hierzu  auch  S.  648  ff.  u.  646  "). 

Die  Geschichte  der  quantitativen  Kinleiluns  der  Urteile  kann  hier 
nui'  in  einem  ttanz  kurzen  Auszug  milseleilt  werden.  Aristoteles 
(Akad,  Ausg.  2^  a)  unlerachejdet  n^iävus  xa96lov,  in  fti^a  und  nifw^Mioi 
(vgl.  oben  S.  (>39  u.  5fi2,  bemerkenawerlerweise  drückt  er  den  Talbestand 
bei  dem  partikulären  Urleil  durch  den  Singular  au;:  das  Prädikat  .vnn^/fi 
iiri*).  Die  ersten  beiden  entsprechen  den  allgemeinen  und  besonderen  Ur- 
teilen der  jetzt  üblichen  Einteilung.  Die  nootiaut  t/Ji6fiatoi  entsprechen 
Dicht  etwa  den  stngulAren  Urteilen,  sondern  unsrcf  Gruppe  E  (vgl.  Si  682 
u.  656];  als  Beispiel  tohrt  Arialoleles  an:  nur  iyurziwr  inif  f  avi^  iatai^fit) 
und  q  iiiorii  ov*  laitr  äjmSJr  (das  erste  ist  allerdings  nach  meinem  Dalttr- 
halten  schlecht  gewählt,  weil  es  das  logische  Subjekt,  nämlich  n  tnmijfii! 
jür  iranlot»,  nicht  klar  zum  Ausdruck  bringt).  An  einer  anderen  Stelle 
(1147 a,  1)  spricht  auch  Ar.  nur  von  zwei  Klassen  (allgemeinen  und  be- 
sonderen Urteilen).  Die  individuellen  Urteile  (singulären  Urteile)  erkennt  er 
oHenbar  als  gleichberechtigte  Klasse  bei  der  Ouantitälseinteilung  nicht  an. 
Die  Stoiker  scheinen  alsn^wi^i"«  «dpwr«  Urteile  wie  lU  x«ff^(tti(i=  einer 
bzw.  jemand  sitzt,  s.  Sextus  Empir.,  Advers.  mathem,  VIII.  96,  cd.  Bekker 
S.  306)  bezeichnet  zu  haben.  Urleile  also,  die  wohl  zu  unsrer  Gruppe  B,a,  ^ 
oder  C,  a,  ß  oder  F,  f  gehören  [vgl.  S.  552,  Anm.  16).  Boethius  sprach  von 
proposiliones  isdeTinilae  (vgl.  S.  639,  Anm.  5).  ohne  eine  scliärlcre  Ab- 
grenzung zu  versuchen. 

Im  Mittelalter  wurden  allmähhch  die  individuellen  (singul&rsn) 
Irteile  den  universellen  und  partikulären  koordiniert.  Daher  linden  wir  z.  ß. 
hei  Fseltus  die  Vierleilung  in  ngotäaus  Ka9öXov,  /UQtnai,  änpeeJüftaiai  und 
inKrit    iSeet    frtxöt    iaiir   S    ««*'    Iröf    ftörav    lfyie9ai    TifqDvxufl  "l.       Bi'I 

Petrus  Hispanus  (vgl.  S.  GS  u.  77)  lauten  die  entsprechenden  Termini  '*) : 
propositio  universalis,  parlicularis,  indeilnita  und  ."<  i  n  g  u  I  a  r  i  s.  Der  Ter- 
niinus  „Quantität"  (quantitaa)  war  damals  ftlr  das  Prinzip  dieser  Einteilung 
der  Urteile  schon  ganz  eingebürgert.  Die  Ausdrücke,  welche  zur  näheren 
Bestitomung  der  Quantität  des  Subiektsbegriffs  dienen,  also  omne,  nullum. 
aliquod,  non  aliquod  hieBen  „signa",  wohl  auch  ,.stvna  distribuliva".     Die 

")  Hier  käme  eine  di (leren zierende  Weilerentwicklung  der  Sprache 
in  dem  S.  *10  angedeuteten  Sinne  sehr  wohl  in  Frage  {etwa  „einige"  =  nur 
einige,  „nanche"  ;=  nenigstens  einige), 

>*}  Srcopsis  organ.  Arist.  I,  5.  ed.  Ehinger  1597,  S.  1f>  u.  17. 

1«)  Stunmnlae  logicales,  ed.  Col.  Agripp.  162%  1,  S,  2S  u.  VII,  S.  469 
u.  48(. 


O^^IC 


ggg       IV.  Teil.    Die  eiozelneD  togischeo  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

Beslinunung  eines  AllKemeinbegrifb  durch  solche  Attribute  wurde  „distnbulio" 
eeDasnt  (,^uitiphcatio  termini  communis  per  Signum  universale  [acta",  z.  B. 
Petrus  Hiapanus,  Summulae  lo7.  1.  c.  VI!,  S.  443).  Auch  wurden  diese  ^na 
distributivB  partium  subjectivtirum  scharf  von  den  aui  die  Komplexioo,  nicht 
auf  den  Umfang  beKüglichen  üigna  distributiva  partium  integrahum  (wie  tcitu^ 
usf.)  getrennt.  Das  ganze  distribufive  Verfahren  wurde  zur  suppositio  = 
Sn»»ian  gerechnet  (vel.  S-  68  u.  Psellus,  1.  c.  V.  26,  S.  312)-  Viel  Spli- 
findigkeil  wurde  auf  die  Frage  verschwendet,  ob  das  signum  ..orani^'  such 
auf  weniger  als  drei  Individuen  angewendet  werden  könne  u.  a.  m.  (vrI 
Duns  Scotus,  Qu.  sup.  Analyl.  prior.  1,  Qu.  7,  Opp.  ed.  Paris  1^1,  Bd.  * 
S.  96  u.  Occam,  Summa  tot.  los.  C  4.  f.  26  nach  Pranll,  S.  383). 

Ramus  {Dialecticae  libri  il,  Lib.  If,  C^ap.  4,  id.  1577,  S.  113)  unter- 
schied ein  axioma  Renerale  („commune  conscqueos  attribuitur  genenliKr 
communi  anlecedenti")  und  ein  axioma  spi-ciale  („coDsetiuen^  ooa  omni 
anlecedenti  altribuilur").  Das  axioma  speciale  lieiQt  parliculare,  wenn  ein 
i/xinsequena  commune  antoci^denti  parliculariler  altribuilur".  dagegen  pro- 
prium, wenn  ein  „conscqucns  anlecedenti  proprio  attribuitur".  ItodiDgu« 
belont  in  seinem  Kommentar  (S.  115)  ausdrücklich,  daB  unsere  Gruppe  E  zu 
den  axiomala  generalia  (unseren  universellen  Urteilen)  gehört.  Ahnlich 
unterscheidet  G  o  c  1  e  n  i  u  s  (Partit.  dialect.,  2.  Aufl.  Francof.  15d6.  S.  16S  u. 
171)  axiomata  universalia  und  specialia  und  (eilt  letztere  in  ax.  particulaiii 
und  sinüularia  (propria)  ein.  —  Die  Logique  de  Port-Royal  (ed. 
Paris  ISGl,  S.  99)  unterscheidet  bereits  ganz  in  der  Üblichen  Weise:  pio- 
positions  universelles,  parliculifres  und  sineuliires. 

W  o  1  f  f  s  Definitionen  (Ixigica  §  241  ff.)  lauten :  Judicium  singulare  esl. 
cujus  aubjeclum  est  Individuum  (unmilte)bar  danach  wird  für  die  propositio 
.singularia  ein  individuum  detcrrainatum  verlangt!);  jud.  universale  est,  cuiiu 
subi.  est  Dolio  communis  .'...;  jud.  iiarticulare  est,  cujus  suhi.  est  termiDus 
communis,  species  nempe  vel  geiius,  praedicatum  vero  non  convenit  nisi 
quibusdam  speciei  vel  generia  individuis  (das  L'rleil  „quidam  lapis  e«l 
caJidus"  ist  parlikulLlr);  propositio  iudefinila  uppellatur,  cujus  subjeclum  tsi 
termjnus  communis  sive  absolute  positus  sive  cum  cerla  determinatione.  sed 
absque  iieno  quantilatis  („guidam  hontines  non  sunt  anceri"  ist  eine  pm- 
positio  deünila.  ,J)omo  est  doctrinae  capax"  eine  prop.  indefintta).  Die 
weitere  Ausbildung  der  Quanli  tätsein  (ei  lung  durch  Kant  ist  oben  bereits 
ausreichend  besprochen  worden.  Vgl.  auch  0.  Sickenberger,  Kantslud.  189», 
Bd.  '2,  S.  90.  Kants  Schaler  und  AnhänRcr  haben  im  wesendichen  an  seinen 
Aufstellungen  festgehalten.  Bei  W.  Tr.  Krug  (Syst.  d.  theor.  Philos.,  J.  Teil, 
i).  Aufl.  ICönigsberg  1S25,  §  54,  S.  157)  heißt  das  Judicium  singulare  auch 
individuale,  das  j,  oarticulare  auch  speciale  oderplurativimi,  das  j.  universale 
auch  generale.  Urteile  ohne  Quantitätsbf Stimmung  nennt  er  judicia  in- 
designata  und  betont  mit  Recht,  daB  der  Terminus  „indennitus"  schüD 
fDr  die  Einteilung  nach  der  Qualität  vergeben  sei.  Die  mit  der  Kanlscltfn 
{Einteilung  verbundenen  Schwierigkeilen  bezÜgUch  des  Individualurteii^ 
fahrten  dazu,  daB  seine  Koordination  mit  den  beiden  anderen  Urieilen  sowohl 
innerhalb  wie  auch  auDerhalb  der  bchule  fortgese(zt  oft  bestritten  wurde 
(vgl.  z.  B.  Drobisch,  Neue  Barst,  d.  Logik,  4.  Aufl.  Lpz.  1875,  §  48.  S.  SO)- 

J.  St.  Hill  (Syst  Ol  togic,  3.  Aufl.  l«ndon  1861,  Bd.  1,  S.  93>?erwiift 
im  AnscbluB  an  Whalely  die  Klasse  der  „indefinite"  propositiona,  UUt  tber 
im  Obrigen  die  alle  Einteilung  fest.  Manche  neuere  enghsche  Loi^er  unter- 
scheiden nur  universal  und  p^irticular  proposidons  und  rechnen  die  singular 


OgIC 


2.  Kapilel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  667 

propositions  zu  don  erstercn,  weil  sie  „reEer  lo  the  whole  ot  Ihe  eubject" 
(siehe  z.  B.  Jevons,  Elementair  lessons  in  logic,  16,  Aufl.  London  1890, 
Lesson  8,  S.  66).  Bei  F.  H.  Bradley  (The  principles  of  lc«ic,  London  1883, 
T.  G,  S.  155  ff.  findet  man  ähnliche  Gedanken  wie  die  im  folgenden  erörterten 
von  SiBwart. 

In  Deutschland  hat  Chr.  Sigwart  in  neuerer  Zeit  versucht,  die 
Lehre  von  der  quantitativen  Einteilung  der  Urteile  umzugestalten  (Logik, 
1.  Aufl.  Freib.  1873,  2.  Auf!.  188S,  Bd.  1.  S,  3Mfi.,  §  a6ff.).  Er  steUt  eine 
Klasae  der  pluralen  Urleile  auf  und  versteht  darunter  solche,  welche  in 
einem  Satze  von  einer  Mehrzahl  "von  Subjekten  ein  Präditat  aussagen. 
Die  sog.  allgemeinen  Urteile  (alle  A  sind  B)  können  nach  Sigwart  in  ihrer 
ursprünglichen  Bedeutung  nur  in  Beziehung  auf  bestimmtes  Ein- 
zelnes ausgesprochen  werden  (vgl.  meine  Gruppe  F,  b  auf  S.  662].  Dabei 
soll  „alle"  logisch  betrachtet  Prädikat  sein:  die  A,  die  B  sind,  sind 
alle  A.  Auf  diese  Anschauung,  die  in  einem  etwas  modifizierten  Sinn  sicher 
Zustimmung  verdient,  wird  Imlcn  (S.  672)  bei  der  Besprechung  der  Quanti- 
fikation  des  Prädikats- zurückgekonanen  werden.  Von  diesem  „empirisch 
allgemeinen"  Urteil  unterscheidet  S.  nun  das  „unbedingt  allgemeine"  als  das- 
jenige, welches  „die  notwendige  Zusammengehörigkeit  des  Prädikats  B  mit 
der  Suhielttsvorslellung  A  auf  inadäquate  Weise  durMi  Zurücl^ehen  aul  die 
unbegrenzte  Menge  des  Einzelnen  ausdrücken  will".  Das  „alle"  soll  „immer" 
durch  eine  „doppelte  Negation  hindurchgegangen  sein"  („das  Prädikat  fehlt 
an  keinem",  „alle"  negiert  die  Ausnahme).  Weiter  macht  S.  darauf  auf- 
merksam, daQ  die  „unbedingt  allgemeinen"  Urteile  nachmals  in  zvei  Klassen 
zerfallen,  je  nachdem  sie  analytisch  oder  synthetisch  sind  (vgl.  Ober  diesen 
Unterschied  S.  128,  389  u.  677),  Im  ersleren  Fall  bendit  das  Urteil  ,^uf 
der  anerkannten  Bedeulung  des  Subiektsworts"  (in  der  Vorstellung  A  isl  B 
schon  enthalten),  im  letzteren  handelt  es  sich  um  einen  Schluß  von  allen 
beobachteten  Fällen  auf  alle  öbrigen  oder  um  einen  Schluß  aus  den  in  A 
.jnitverslandenen  Bestimmungen"  auf  andere,  z,  B.  B,  die  notwendig  damit 
verknüpft  sind.  Gegen  diese  Auffassung  Sigwarts  muß  zunächst  eingewendet 
werden,  daß  die  Heranziehung  der  „notwendigen"  Zusammengehörigkeit  bei 
den  absolut  allgemeinen  Urteilen  (meinen  universellen  Urteilen)  wenigstens 
ir.ißverständlich  ist.  Die  Zusammengehörigkeit  kann  auch  wahrscheinlich 
oder  auch  zufällig  sein,  es  kommt  nur  auf  die  .Mlgemeinhcit  als  solche  in 
ihrem  transgressiven  Sinn  (also  nicht  etwa  nur  auf  die  Belegung,  sondern 
auf  den  Umfang  bezogen)  an.  Ferner  ist  die  positive  Transgrcssion  —  wie 
Sigwart  ganz  richtig  bemerkt,  im  Sinn  eines  Analogieschlusses  — -  wesentlich, 
die  Negation  aller  Ausnahmen  (die  „doppelte  Negation")  ist  ein  Korollar,  aber 
keineswegs  das  ausschlie Bliche  primäre  Moment  der  Verallgemeinerung. 
Ejidhch  ist  bei  den  analytischen  unbedingt  allgemeinen  Urteilen  Sigwarts 
(und  ähnlich  auch  bei  der  zweiten  Untergruppe  der  synlheti sehen)  die 
logische  Transgrcssion  als  solche  meines  Eracbtens  gleichfalls  vorhanden  und 
als  solche  nicht  wesentlich  von  der  sonstigen  Transgression  verschieden,  nur 
ihre  Begründung  ist  eine  total  andere.  Auch  wenn  B  sdion  in  A  ent- 
halten ist,  muß  ich  streng  genommen  dies  Entbaltensein  von  B  in  A  von 
den  mir  bekannten  A's  auf  alle  A's  übertragen  und  daraufhin  meine  Aussage 
transgressiv  verallgemeinern.  Die  Hauplthese  Sigwarts,  daß  die  Einteilung 
in  singulare,  partikuläre  und  allgemeine  Urteile  keine  .^richtige  erschöpfende" 
ist  fl.  c.  S.  21ß),  trifft,  wie  unsere  froheren  Ausführungen  gezeigt  haben, 
durchaus  zu.    Das  partikuläre  Urleil,  führt  S.  aus,  ist  „als  empirisches 

„    ,„,^.oogic 


668      rV-  Teil.    Die  emzelmit  loeiscban  G^lde  and  ihre  Gesetie. 

Urieil  über  einzelne  Dinge  nur  dann  von  dem  rein  pluralen  verschieden, 
wenn  es  dazu  bestimmt  ist,  entweder  dem  alleemeinen  gegenüber  eine  Aus- 
nahme zu  lionstatieien  oder  ein  aHgemeines  Urteil  vorzubereiten".  Wo  du 
Subiekt  nicht  in  empirischem  Sinne  genommen  werden  soll,  ist  es  nach  S. 
„ein  durchaus  inadäquater  Ausdruck  für  den  Gedanken, 
welchen  es  bezeichnen  soll,  und  verwirrt  den  durchgreilenden  L'nteracfaied 
der  empirischen  und  der  unbedingt  güttigen  Urteile".  S  meint,  der  Plan! 
der  Fonnel  „einige  A  sind  B"  habe  nur  dann  einen  Sinn,  „wenn  er  Eiozelnes, 
Bestimmtes  und  darum  Zählbares  meine"  (1.  c.  S.  216);  das  partikuläre  Urteil 
„banne  notwendig  den  Gedanken  in  den  Kreis  des  Einzelnen".  WSj^  die» 
Behauptung  Sigwarts  richtig,  so  würde  unsere  Gruppe  der  pariikuliren 
Urteile,  also  die  spezielle  Gruppe  F,  c  (S.  663)  ganz  wegfallen.  Sigwurts 
Behauptung  ist  jedoch  nicht  zutreffend.  Ein  Urteil  wie  „manche  Säugetin^ 
l^en  Eier"  kann  partialisiercnd  semeint  sein  (Gruppe  F,  d],  wenn  ich 
nämlich  nur  an  die  bekannten  Monotremengaltungen  denke").  Ks 
kann  aber  auch  partikulär  (Gruppe  F,  c)  gemeint  sein  und  hat  auch  äton 
einen  guten  Sinn,  insoiem  ich  sagen  will,  daß  bekannte  und  un- 
bekannte Gattungen,  Arten  und  Individuen,  vielleicht  sogar  auch  mr  Zeil 
noch  unbekannte  Ordnungen  der  Säugetiere  Eier  legen.  Dasselbe  leinen 
Urteile  nie:  „manche  Kriege  wiriien  verrohend".  In  letzter  Linie  geht  wie 
jedes  Urteil  auch  ein  solches  auf  Individuen,  aber  diese  Individuen  können 
ganz  unbekannt  und  unbestimmt  sein.  So  sehr  also  S,  im  Recht  ist.  wenn  ei 
die  Unklarheit  des  Terminus  „partikuläre  Urteile"  in  der  Oblichen  Einteilunf 
bekämplt,  so  wenig  zutreffend  ist  seine  Ansicht,  daß  transgressive  pariäoiUrc 
Urteile  neben  den  partialisierenden  überhaupt  nicfit  anzuerkennen  sind. 

Im  einzelnen  isl  namentlich  das  Verhältnis  der  Allgemein- 
urteile ohne  Quantifikation  zu  den  Universalurt eilen  viellich 
erörtert  worden.  H.  Lolze  (L<«ik,  Lpz.  1874,  §  C8,  S.  92(1.)  bezeichnet 
erstere  als  „generelle",  stellt  also  die  generellen  Urleile  den  universellen  gegen- 
über, während  w  i  r  auch  alle  Urteile,  die  eine  Aussage  darübtT  cnlliallen. 
in  welcher  Ausdehnung  ein  AUgemeinbegrill  ein  Prädikat  hat,  ais  generelle 
Urteile  bezeichneten  und  die  Universalurteile  als  eine  besondere  Klasse  der 
generellen  Urteile  auffaBten.  Lolze  meint  nämlich,  daß  das  universelle 
Urteil  nur  eine  Sammlung  vieler  Einzelurteile  ist,  deren  sämtliche  Subjekle 
zusammengenommen  tatsächlich  den  ganzen  Umlang  des  Allgemeinbefrriflü 
ausfüllen,  daß  dagegen  das  generelle  Urteil  (seiner  Terminologie  1,  also  7.  B. 
„der  Mensch  ist  sterblich")  zugleich  den  Grund  der  notwendigen  Gelluoe 
einer  allgemeinen  Tatsache  ,Jiindurchscbeinen"  lasse.  Das  Betspiel,  welches 
L.  für  die  Universalurteile  zum  Beweise  anführt,  „alle  Einwohner  dieser  Stadt 
sind  arm",  entbehrt  jeder  Beweiskraft,  da  es  gar  kein  Universalurteil,  sondern 
ein  totalisierendes  kollektives  Individualurteil  ist.  Hichliger  hat  B.  Erdminn 
(Logik,  2.  Aufl.,  Bd.  1,  Halle  1907,  S.  iM)  den  Unlerschied  dahin  präzisien. 
daS  ,4n  dem  allgemeinen  Urteil :  ,alle  Affen  sind  Säugetiere'  das  Subjekt 
nach  seinem  Unitang,  in  dem  generellen  (nach  Lotzes  und  Brdmanns  Tar- 
minobgie)'*):  ,der  Affe  ist  ein  Säugetier'  nach  seinem  Inhalt  gedacht  sä' 
Man  muß  nur  hinzufügen,  daß  es  sich  dabei  nur  um  eine   graduelle 

")  Selbst  dann  liegt  übrigens  eine  Transgression  vor,  indem  ich  be- 
kannte und  unbekannte  Individuen  und  Arten   zusammenfasse. 

'*)  Wenn  Erdmann  von  dieser  Terminologie  schlechthin  als  der  „der 
tiberlief erung  entsprechenden"  redet  (I.  c.  S.  48ft),  so  kann  ich  dies  vom 
historischen  Standpunkt  nicht  zugeben. 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urleiifin.  QQQ 

Verschiedenheit  des  psychologischcD  Prozesses  und  um  eine  Ver- 
schiedenheit der  logischen  Fassung  (wie  Lotze  trotz  seiner  falschen 
Gnjndansicht  richtig  sagt],  nicht  aber  des  logischen  Inhalts  handelt. 

Verbindet  man  die  wichtigste  quantitative  Ein- 
teilung; in  universelle  und  partikuläre  Urteile  mit  der 
qualitativen  Haupteinteilung  in  bejahende  und  ver- 
neinende, Bo  ergeben  sich  vier  Hauptklaseen : 

1.  die    universellen    positiven    (affirmativen)! 
alle  S  sind  P, 

2.  die  universellen  negativen:  kein  S  ist  P, 

3.  die    partikulären    positiven    (affirmativen) : 
einige  S  sind  P, 

und  4.  die  partikulären   negativen    Urteile:  einige 
S  sind  nicht  P. 

Man  darf  nur  nicht  glauben,  daß  hiermit  eine  erschöp- 
fende Einteilung  aller  Urteile  gegeben  sei  (die  Individual- 
urte^le  lassen  sieh  z.  B.  nur  mit  Hilfe  von  Sophismen  ein- 
ordnen), und  muß  die  in  ^  113  mitgeteilten  Tatsachen  über 
die  Negation  von  Urteilen  berücksichtigen. 

Für  diese  vier  Hauptklassen  der  kombinierten  quali- 
tativ-quantitativen Einteilung  hat  sich  schon  im  Mittelalter 
das  Bedürfnis  nach  symbolischen  Bezeichnungen 
geltend  gemacht.  Peellue  seheint  diizn  die  Zeichen  Ä,  E,  T,  O 
verwendet  zu  haben"),  die  nach  Prantl  auf  die  schon  hei 
Ammoniiis'^)  üblichen  Quantitätsbezeichnungen  näg,  oiitig 
(bzw.  ov^iv),  ^y  und  ov  nag  hinweisen  sollen.  Lambert  von 
Auxerre  (Prontl,  1.  e.  Bd.  3,  S.  27)  bezeichnete  die  positiven 
Urteile  mit  äff,  die  negativen  mit  ne,  die  universellen  mit  u, 
die  partikulären  mit  par,  die  quantitativ  unbestimmten  mit 
in,  die  individuellen  (singulären)  mit  sin.  Wilhelm  von  Shy- 
reewood  (Prantl  1.  c  Bd.  3,  S.  15)  und  Petrus  Hispanns  '*) 
haben  dann  in  Übereinstimmung  mit  Psellus  (vergleiche 
über  das  gegenseitige  Verhältnis  S.  68)  endgültig  den  Vo- 

^■0  Die  Synopsis  org.  Arist.  des  Psellus  enthält  diese  Zeichen  in  der 
gedruckten  Ausgabe  nicht,  aber  Prantl  (Gesch.  d.  Log.  im  Abend).,  Bd.,  2, 
2.  Aufl.  1885,  5.  282;  vgl.  auch  ebenda  S.  279)  hat  in  einer  Handschfill  am 
ftande  Memorial  wo  rte  entdeckt,  aus  denen  äch  die  oben  angefOlirten  Zeichen 
und  ihre  Bedeutung  ergeben. 

'»)  Ad  Arist  de  interpretallone,  Akad.  Ausg.  IV,  5,  Bwlin  1897,  S.  89. 

!■>)  Summulae  log.  ed.  1622,  S.  60.  Ebenda  S.  36  findet  sich  ein 
anderer  Memorialvers  Quae  ca  vet  byp,  Qualis  ne  vel  äff,  u  Quanta  par  in 
sin,  d.  h,  auf  die  Frage  quae  antwortet  das  kategorische  und  kTVolhctische, 
aul  die  Frage  qualis  das  nagative  und  affirmative,  auf  die  Frage  quanta 
das  «niverselle,  paitiltuläre.  Indefinite  und  dngul&re  Urteil. 


g70       1^-  '''^i'-     ^'^  einzelnen  Ionischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

kalen  a,  o,  i,  o  Kiii^ang  verschafft.   Der  übliphe  Memorial- 
vers lautet: 

asserit  a,  iiegat  e.  sed  (oder  sunt)  universalitrr  «mbae; 

agserii  i,  negat  o.  sed  (oder  ?nnt)  nniversaliter  anibae. 

Die  neuere  algebraische  Logik'')  [vgl.  E.  Schroeder. 
Vorles.  Bii.  2.  Lpz.  1891,  S.  85 IF.)  glaubl  fdr  d&s  Universalurleil  a  Tut  dem 
Symbol  A  ^^ß  auazutommen  (yg\.  S-  5il).  Sie  weicht  hier  nur  insdeni 
von  der  üblichen  Losik  ab,  als  s-ie  ein  UniTersalurteil  auch  dann  aneitennl. 
wenn,  die  .^zahl  der  in  Betracht  kommenden  A  gleich  null  ist,  veil  es  keine 
gibt  In  den  universellen  negativen  Urleilen  zieht  sie  die  Negation  in  das 
Priidikat  hinein.  Das  Urteil  e  wird  also  dargestellt  durch  A  ^E  'B  (tkI. 
S.  556}^^).  Im  Hinblick  aul  die  Di'utung,  welche  die  algebraischen  Logikpr 
der  Multiplikation  geben,  drücken  sin  das  ('Diversalurteil  a  auch  durdi  die 
Formel  A'B  =  0,  das  Lnj versalurteil  e  durch  die  Formel  AB  =  0  aus.  Hehr 
Schwierigkeiten  ergeben  sich  für  die  algebraische  Logik  bei  der  SymbcÜ- 
sienmg  der  partikuläjren  Urteile.  Nach  inißBlücklen  Versuchen  von  Boole 
und  Jevons  hat  Schroeder  (L  c.  S.  93)  gezeigt.  daB  es  unmöglich  ist,  miiteU 
der  Zeichen  fflr  Subsumtion  und  Gleichheit  und  der  drei  sog.  „Spezies"  der 
algebraischen  Logik  (Multiplikation,  Addition  und  Negation)  die  putikulfiien 

*")  Die  von  Schroeder  (Vorl.  Ob.  d.  Algebra  der  Logik,  Bd.  I,  Lpz.  1S9D. 
S.  436)  bei  der  Einteilung  der  Urteile  gewählte  Terminologie  ist  so  unzweck- 
mäSig,  daß  sie  nur  ganz  kurz  angefahrt  werden  soll.  Urteile  über  Umfann- 
beziehuagen  bezeichne!  er  als  „Proposiliouen"  und  teilt  sie  ein  in  spezielle 
und  allgemeine.  „Speziell"  heißt  eine  Proposition,  „wenn  sie  als  Sul«kt 
und  Prädikat  .  .  .  lediglich  voUkotnmen  bestinunte  oder  eindeutige  GeMets- 
^;ymbole,  bestimmte  wohldelinierte  Klassen  enthält",  „allgemein,  genau»",  tod 
unbestimmtem  oder  allgemeinem  Charakter",  wenn  „auch  Gebietssymbale 
in  ihr  vorkommen  .  .  .,  die  von  noch  nicht  völlig  bestimmter,  vielmehr  von 
teilweise  oder  völlig  unbestimmter,  ev.  allgemeiner  Bedeutung  in  der  Mannüi- 
faltigkeiL  der  Gebielc  i-esp.  Klai-sen  sind".  Danach  wären  Urteile  wie:  .M 
Neger  sind  von  schwarzer  Hautfarbe"  oder  ,.alle  schwarzen  Krähen  sind 
schwarz"  als  spezielle  Proposilionen  zii  bezeichnen.  Das  Subjekt  „Neger" 
als  Gattungsname  ist  nach  Sehr,  mit  Bezug  aui  die  Mannigfaltigkeit  de' 
individuellen  Objekte  allerdings  vieldeutig,  erscheint  aber  als  eindeutig,  in- 
sofern es  unter  den  Klassen  eine  ganz  bestimmte,  individuelle  (!?)  Klasse 
vorstelll.  Eine  allgemeine  Proposiüon  war«  z.  B,  a^b,  vena  entweder 
a  oder  b  oder  iK'ide  „unbestimmte  Gebiete  oder  Klassen  vorstellen  soUlei 
wenn  die  Bedeutung  dieser  Symbole  ganz  oder  .teilweise  offen  gelassen  wire". 
Die  numerischen  Gleichungen  der  Arithmetik  sind  speziell,  die  BuchstaiMr.- 
gleichunsen,  welche  auch  Buchslaben  als  unbeslimmie  oder  allgemeine  Zahl- 
zeichen enihallcn.  aJIgemeiri,  Offenbar  unterscheidet  Schroeder  nicht  schuf 
genug  2wj5chcn  Belegung  und  Umfang.  Außerdem  gibt  er  keine  kloi«  D^- 
nition  des  Terminus  ..eindeutig",  der  vielen  Äquivokalionen  ausgesetzt  üt 
Der  Begriff  ..alle  A"  als  Subjekt  eines  univeisellen  Urteils  ist  eindeutig,  in- 
sofern die  Merkmale  von  A  bestimmen,  ob  ein  Objekt  zu  A  gehört  oder  nicht, 
dagegen  vieldeuli?.  insofern  ich  nicht  alle  A's  kenne  (nicht  einmal  det 
Zahl  nach). 

=')  Ich  habe  nur  gemäß  der  Festsetzung  S.  556  den  senkrechten  Strich 
links  oben  statt  rechts  unten  gesetzt. 


2.  KapiCel.     Die  Lehre  von  den  Trtnilen, 


671 


Urteile  auszudrdcken.  Es  bedarl  dazu  vielmehr  eines  neuen  Zeichens  für 
nicht-gleich  4=  (vgl  S.  540  u.  653).  Das  partikuläre  posiüve  Urteil  kann 
dann  geschiiebeo  werden  A  B  rj-  0  uud  das  partikuläre  neeative  A''B  ^  0. 
Dabei  wird  das  Wort  „einige"  zunächst  im  Sinn  von  uwenigstens  einige" 
(nicht  im  Sinn  von  „nur  einige")  aufgefaßt.  Sehr,  glauht  mit  einem  solchen 
Zeichen  sogar  erst  die  verneinende  Kopula  gewonnen  zu  haben,  da  er  diese 
in  der  Weltsprache  vermißt  (Begründung  9.  I.  c.  II,  5.  93  u.  I,  S.  319  ff.). 

Unverkennbar  bieten  diese  Lehren  der  algebraischen  Logik  überall  da, 
vo  es  sich  um  reine  Umfangsbeziehungen  handelt,  erhebliche  Vorteile.    Zu- 
nächst ISBt  sich  das  Verhältnis  der  vier  in  Bede  stehenden  Hauptklasaen 
Fig.  17. 


nunmehr  in  sehr  anscbauUcher  Weise  durch  die  beistehende,  von  Pelrce**} 
eingefOhrte,  von  mir  etwas  vereinfachte  Figur  ausdrücken.  Du  Tlrteil  a 
„alie  Striche  und  vertikal"  entspricht  den  beiden  oberen  Quadranten  (auch 
dem  rechten  oberen,  insofern  A  gleich  null  sein  kann,  s.  oben),  das  Urteil  e 
„«Ue  Striche  sind  nicht-Teitikal"  den  beiden  rechten  Quadranten,  das  Urteil  i 
, .einige  Striche  sind  vertikal"  den  beiden  linken,  das  Urteil  0  „einige  Striche 
sind  nicht-vertikal"  den  beiden  unteren.  Außerdem  lassen  sich  mit  Hilfe 
des  Vorausgegangenen  die  überhaupt  denkbaren  BeziehungamfigUchkelten 
zwischen  je  zwei  Gebieten  A  und  B  sehr  viel  kürzer  und  klarer  darstellen. 
Es  ergäwn  räch  nämlich  fQnf  Elementarbezieluingen  (Gergonnes  Glementar- 
fruppen)  **) : 

1.  A  und  B  haben  keinen  Teil  gemein  oder  AB  =  0, 

2.  A  ist  gleich  B  oder  AB  =  A=B  ^0, 

3.  A  tat  B  untergeordnet  oder  AB  =  A  ={=  \^ 

*.  A  ist  B  übergeordnet  oder  ÄB  =  B   ^    j  ^ 

"      (0 
5.  A  ist  schnittig  ^sekant) '•)  mit  B  oder  AB    ^    ?A, 


**)  Das  Original  ist  mir  nicht  zugängüch.    Vgl.  Schroeder.  I.  c.  II,  S.  88. 

'*)  Die  erste  Darstellung  hat  J.  D.  Gergonne  in  seinem  Essai  de  dialec- 
tiqufl  lationelle  gegeben  (Annales  de  mathSm.  1S16  u.  17.  Bd.  7,  S.  183,  spez. 
S.  197).    Vollständiger  ist  die  Entwickluiui  bei  Schroeder,  1.  c.  S.  95  If. 

**)  Diesen  Ausdruck  hat  Schroeder  statt  ,Jireuzeiul"  vorgeschlagen. 


.oogic 


672       ^-  T^'^-     ^^  einzelnen  logiEchcn  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

In  der  Worispracl»;  lauten  diese  Urteilt: 

1.  kein  A  ist  B  und  kein  B  ist  A. 

2.  ftlle  A  sind  B  und  alle  B  sind  A, 

:t.  alle  A  bind  B,  aber  nicht  alle  B  sind  A  (oder  einme  B  sind  nicht  Ai, 

4.  alle  D  sind  A,  aber  einige  A  sind  nicht  B. 

.').  nur  einige  A  sind  B  und  nur  einige  B  sind  A  (oder  einige  B  sod 
nicht  A  oder  einige  A  sind  nicht  B). 
Das  Verblltnis  der  früher  (§  103)  besprochenen  UnifangabeziehunteD 
der  Begriffe  zu  deu  Klasaen  der  quantitativen  Einteilung  der  Urteile  tritt 
hier  deutlich  zulaBe.  Man  muß  nur  berücksichtigen,  daß  einerseits  die 
Aufstellung  der  (ünf  Gergonneschen  Gruppen  sich  auch  auf  dip  Quantilils- 
Terbältnisse  des  Prädikats begrilfs  bezieht,  und  daß  andrerseits  bei  unanr 
Aufstellung  in  g  KCl  neben  den  Umfangsbe Ziehungen  zugleich  auch  die  In- 
hal tsbeziehuneen  lii  Betracht  gezogen  sind.  BerQcksichtigt  man  nur  dea 
rmf&ng  und  r.w^i  auch  nur  die  Umfangsbcziehung  des  Subjektsbegrifc  A 
/.um  Prädikats befirilf  B,  so  j-eduziert  sich  die  erste  Gergonnesche  Gruppe  auf 
die  e-Urleile,  die  zweite  und  dritte  auf  die  a-Urteile,  die  vierte  auf  die 
i*Urteile,  die  Iflnlte  auf  die  i-  und  o-Urteile  (wobei  das  Wort  „einige"  im 
I-  und  o-Urteil  die  Bedeutung  „nur  einige"  hat).  Ferner  entsprechen  die 
Urteile  der  1.  Gcrtionneschen  Gruppe,  also  die  e-Urteile,  der  Begriffsbeziehuis 
der  Hepugnanz  (vgl.  ü.  ^50  u.  572),  diejenigen  der  2.  G.schen  Gruppe,  als» 
ein  Teil  der  a-Urtcilc,  der  Begriffsbeziehung  der  Aciualiiat  hxw.  auch  der 
Identität  (S.  569),  diejenigen  der  3.  G.schen  Gruppe,  also  der  Best  der 
a-Urteile,  der  Subordination  (S.  56S),  diejenigen  der  4.  G.schen  Gruppe,  also 
ein  Teil  der  i-Urteile.  der  Superordination  (S.  668)  und  endlich  dieien«en 
der  6.  G.schen  Gruppe,  also  der  Rest  der  i-Urteile  und  die  o-Urteile,  der 
Kreuzung  (bzw.  Konjunktion,  vgl.  S.  66ö).  Dabei  tritt  auch  klar  hervor,  diB 
die  o-Urteile,  wenn  man  „einige"  im  Sinn  von  „nur  einige"  faßt,  sich  auf 
denselben  Sachverhalt  wie  ein  Teil  der  i-Üiteite,  nämhch  eben  auf  die  Be- 
triff sbc  Ziehung  der  KreuzuDR  bczieben.  —  Streicht  man  die  zweite  und  vierte 
(jergonnesche  Gruppe,  so  ergibt  sich  der  auf  Fig.  16  (S  650)  dargeslellle 
Talbesland. 

Wenn  troLz  der  mannigfachen  Vorteile,  welche  die  algebraische  Sym- 
bolik, insbesondere  die  Peirce-Schroedersche  darbietet,  in  unserer  Baupt- 
darstellung  auf  ihre  Hilfe  verzichtet  worden  ist,  so  geschah  dies  nameoüich 
deshalb,  weil  manche  dieser  Symbole  dem  ablieben  Wortgebrauch  allzusehr 
widersprechen.  Ein  sehr  charakteristisches  Beispiel  führt  Schroeder  L  c. 
Bd.  II,  S.  9ü'an.  Von  mathemalisch- logischem  Standpunkt  ist  gegen  seine 
Ausführungen  nichts  einzuwenden,  nur  vom  Standpunkt  der  praktischen 
Verwendung  wird  man  Bedenken  tragen.  Schroeders  Vorschläge  bei  der 
(Irundlagc  der  ganzen  Darstellung  zu  verwirklichen. 

Schließlich  ist  noch  die  Fra^^e  zu  erörtern,  ob  nicht  aach 
auf  Grund  der  Quantität  des  Prädikatsbegriffs  eine 
Einteilung  der  Urteile  möglich  i^t,  und  wie  sich  übeiiianpt 
die  Quantität  des  Prädikatsbegriffs  verhält.  Es  handelt  sich 
also  um  das  Problem  der  sog.  Quantifibation  des 
Prädikats,  wie   sie  namentlich   Ton   Hamilton   gelehrt 


i,l^.OOglc 


' 2.  ILx^m.    Die  Lehre  tob  den  UrteüeD.  673 

«orden  ist")  (vgl.  S.  609).  unsere  früheren  Anseinander- 
setzangea  haben  bereits  ergelten,  daB  die  HamUtonsche  Lehre 
mir  zum  T^il  richtig  ist.  H.  irrt  sich,  wenn  er  annimmt,  der 
Pi^ikatsbegriff  müsse  im  Umfang  stets  mit  dem  Sabjekts- 
begrlff  öbereinstimmen  (S.  610).  Wir  sahen  vielmehr  bei  der 
Abgrenzung  des  Urteile  (S.  369  u.  603),  daß  die  für  das  Ur- 
teil wesentliche  Deckung  der  Individnalkoeffizienten  total 
oder  partiell  sein  kann.  Ist  sie  total,  so  ist  die  Quantität  (der 
UiBfaiig)  von  P  und  S  gleich:  es  liegt  Äqnalität  bzw. 
Identität  vor  (2.  Gergonnesche  Gmppe,  also  ein  Teil  der 
a-Urteile,  vgl.  S.  671  u.  675;  Beispiel:  a'— b'  =  (a+b)  (a— b); 
dae  urteil  heißt  äqual  bzw.  identisch).  Ist  sie  partiell, 
80  kann  die  Quantität  von  P  größer  oder  kleiner  sein  als  die- 
jenige von  S,  oder  es  kann  das  Größenverhältnis  unbeetinunt 
bleiben.  Im  ersten  Fall  ist  das  Urteil  snbsomierend") 
(3.  Gergonnesche  Gruppe,  also  der  Best  der  a-ürteile;  Bei- 
spiel: alle  Vögel  sind  eierlegend).  Im  zweiten  Fall  ist  das 
Urteil  supersnmierend^')  (4.  Gergonnesche  Gmppe, 
also  ein  kleiner  Teil  der  i-Urteile;  Beispiel:  einige  Säuge- 
tiere sind  Monotremen).  Im  dritten  Fall  —  partielle  Deckung 
der  Individnalkoeffizienten  bei  Unbestimmtheit  des  GrÖßen- 
verbältnifises  des  Gesamtnmfangs  von  P  and  S  —  ist  das  Ur- 
teil kreuzend*')  (5.  Gergonnesche  Gruppe,  also  der  größere 
Best  der  i-Urteile;  Beispiel:  einige  Säugetiere  sind  eier- 
legend). Die  Übertragung  auf  die  negativen  Urteile  bedarf 
keiner  besonderen  Erörterung. 

Hier  ist  nun  auch  der  oben  (S.  667)  bereits  kurz  erwähnten  Ansicht 
Siewarls  zu  gedenken,  der  zufolge  die  Qnantilfttswerter  „einige",  „alle"  usf. 
den  logischen  Sinn  nach  zum  IV&dikat  gehören.  „Alle  S  sind  P'  würde 
nach  dieser  Auffassung  bedeuten:  „die  S  sind  samtlich  P',  d.  h.  „die  Gattung 
S  gehört  ganz  in  die  Gattung  P"  (oder,  wie  Sigwart  es  ausdrQckt:  die  S, 
die  P  sind,  sind  alle  S,  womit  offenbar  gemeint  ist:  erschöpfen  die  Gattung  S); 
dwoso  wOrde  „einige  S  sind  P'  bleuten:  ,idie  S  sind  zum  Teil  P",  d.  h. 
,.di«  Gattung  S  fällt  (wenigstens  oder  nur)  zum  Teil  in  die  Gattung  P'. 
Offenbar  ist  nun  diese  Auffassung  fOr  das  Gene'ralurtäl  in  dem  eigentlichen, 
hier  von  uns  festgesetzten  Sinn,  soweit  sie  die  QuantitAtsbezeichnung  dem  S 
entzieht,  durchaus  zutr^end.    Wir  wollen  im  Generalurleil  etwas  Ober  die 


«)  FrüheP  schon  von  G.  G.  Titius,  Ars  cogitandi,  Lips.  17(B,  Cap.  6, 
§  36ß.  (S.  109). 

=•)  c=:  „subordinierend",  vgl.  jedoch  S,  675,  Anm.  2, 
>»)  =.  „superordinierend".    Wie  trüber  (S.  626,  Anm.  8)  enrthnl,  rind 
supersamierende  Urteile  im  tat^U:hlichen  Denken  sehr  selten.     Die  psycho- 
Josiscbe  BedeutuiK  entspricht  der  logischen  ganz  und  gar  nicht 
**)  =1  s^aot  (im  Anachlufi  an  Scbroedns  Termincdogie). 
Ziehen,  Lehrbuch  dtflioglk.  43 

h.  !■,  iiA.OOgIc 


074       ^-  ^^il-    ^'^  einzelDCO  Ionischen  OebHde  und  ihre  Gesetze. 

Tiattuns  ftusnagen,  die  Gatt  uns  soll  ^  Subiekt  duicli  da»  Piidikil 
Jrsendtrie  n&her  beatimmt  werden,  und  das  Uri«t  sagt  das  durcbgAogiie  oder 
du  iMlweise  ZutreRen  des  Pr&dikatsbeKriSa  aus.  FOr  das  tlniver^uita] 
bedeutet  diese  Aulbssun?  keine  eiiteblicbe  Abweichvns,  da  ,^lle  S"  im 
weseaUichcD  mit  der  „Gatluns  S"  idenliach  sind.  Für  das  PartikulanuUil 
ergibt  ach  jedoch  ein  wesentLcher  Unterschied:  nach  der  üblichen  Auffanont 
betrifft  die  Aussage  nur  die  „einige  S",  nach  der  von  mir  im  allgemeioea 
aknptierien  Ansicht  Sifwarts  betrifft  sie  die  ganze  Gattung  S  und  besut 
bezflslich  derselben,  daB  sie  zum  Teil  das  Piüdikat  F  hat,  mm  Teil  okht, 
bcw.,  ««nn  „einige"  soviel  bedeutet  wie  „wenigstens  einige",  bezQ^h  des 
anderen  Teil«  sich  zweifelhaft  veifaftit  (vgl  S.  HS  u.  665).  OBenbar  ent- 
spricht nur  die  zweite  Auffassung  scharf  dem  für  das  Generaluiteil  fc- 
forderien  Tatbestand.  Ich  stimme  also  mit  Sigwart  darin  aberdn.  dnB  die 
Quanüt&tsbezeichnung  in  dem  eigentlichen  Generalurteil  logisch  nicht  tarn 
Subjekt  gehört,  dagegen  vertiinde  ich  sie,  abweichend  von  Sigwart,  mit  der 
Kopula  und  nicht  mit  dem  Prftdikatsbegrifl  *■).  Die  Kopula  ist  der  Ausdnid 
fOr  die  Deckung  der  Individualkoeffizienten  (vgl.  S.  619).  äe  hat  daher 
auch  die  Funktion  und  Aufgabe  auszudrOcken,  ob  diese  Deckung  voUstfindif 
oder  partiell  ist  Schon  im  t'nivenoluiteil,  soweit  es  subsumierend  und 
nicht  Äqual  biw.  identisch  ist,  mOSte  der  partielle  Charakter  der  Deckui» 
irgendwie  auch  sprachUcb  zum  Ausdrack  kommen;  hier  hat  jedoch  dt» 
Sprache  auf  eine  exakte  Wiedergabe  des  spezielten  logischen  CharakU» 
verzichtet:  das  subsumiet«nde  and  das  ftguale  Unirersalurteil  unterscheiden 
eich  im  allgemeinen  sprschlicb  nicht.  Anders  bei  dem  Partikularuiteil :  hier 
drückt  die  Sprache  den  partiellen  Charakter  der  Det^ung  durch  die  Quanü- 
titabezeichnung  „einige"  ganz  adiquat  aus.  Sie  weicht  nur  iasofem  Ton 
dem  logischen  Talbestand  ab,  als  sie  den  Deckunssindex  nicht  bei  der 
Kopula  anbringt,  sondern  zum  Subiekt  zieht,  eine  Abweichung,  die  wir  auch 
sonst  vielfach  beobachten  (kein  S  ist  P  c=  alle  S  sind  nicht  P),  und  die 
oflenbor  u.  a,  doirnt  zusammenhängt,  daß  wir  das  wichtigste  Wort  der  Aus- 
.sage  voranstellen  und  daher  mit  dem  in  der  Regel  an  der  Spitze  des  Stiles 
stehenden  Subjekt  vertiinden  ^*). 

Diese  ganze  Argumentation  gilt  übrigens  nur  für  die  universellen  und 
partikul&ren  Urleile,  soweit  sie  unsrer  Definition  entsprechen,  also  ecblf 
Genenlurleile,  und  zwar  generelle  Umfangsurteile  (nicht  Belegungsurteile,  vgl 
S.  GM  f.)  sind.  Bei  den  generellen  BelegtuigBurträlen  und  erst  recht  hä  d« 
pluralen,  pluralisierenden  usf.  IiMlividualuiteilen  gehören  selbstverstindbcfc 
die  Quantitfitsbezeichnungen  „einige",  „zwei",  „alle"  usf.  durchaus  nur  zum 
SubjAt. 

Die  Bedenken,  wekbe  Erdmann  in  seiner  Logik'^)  gegen  die  Sigwort^che 
und  ähnliche  Ansdutuungen  erhoben  hat,  scheinen  mir  bei  der  jetzt  fomm- 
lierten  Anschaunng  hinfftllig  zu  werden.  Vor  nllem  bleibt  gegenOber  ollen 
■    1    •    ■ 

3S)  Danüt  fällt  auch  die  oben  in  Klammern  angeführte  gewaltsame  l'm- 
formulierune  Sigwarts  weg. 

")  Es  konmit  wohl  auch  hinzu,  doB  wir  ursprünglich  nur  plural' 
individuelle  Urteile  und  erat  sp&ter  Generaluiteile  bilden,  und  daS  iüi  di» 
eisleren  nur  die  V^bindung  der  Quant  it&tsbezeicbnung  mit  dem  Sutw^ 
■dSquat  ist.    Es  handelt  sich  also  um  ein  Analogieverlahrcn. 

")  8.  Aufl.  HaUe  1907.  S.  «Stf. 


-.ooi^lc 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  g75 

Kinw&nden  und  der  eigenen  Auffassung  Erdmanns  die  Tatsache  bestehen, 
daB  wir, in  dem  echten  Universal-  imd  Partikulanirteil  eine  Aussage  Ober 
die  Gattung  als  solche  machen. 

§  116.  Eiatellnng  der  Urteile  (Fortsetsang),  6.  Bintei- 
InnS  nach  der  Beteilignni:  der  IndlvidDalkoefflzlenteD  and 
des  Inhalts  von  S  und  P  an  dem  Vergleiehnngsaht  des  Urteils. 

Für  die  erste  dieser  Einteilangeii  haben  die  voraoeg^an- 
.^eaen  Besprechungen  bereits  die  erforderlichen  Grundlagen 
geliefert.  Wir  haben  einfach  zn  unterscheiden  zwischen  Ur- 
teilen mit  vollständiger  und  Urteilen  mit  partieller  Decknng 
^r  IndividualkoefflzienteD  (vgl.  auch  S.  603).  So  gelangt 
man  zn  den  beiden  Hanptgruppen  der  äqualen  und  der 
jtkicht-äqnaleuoder  inäqualen  Urteile  (S.  559  n.  671). 
Kommt  bei  den  äqualen  Urteilen  (Formel  S  =  P  oder 
genauer  8  "  P,  vgl,  S.  671)  zu  der  Umfangsgleichheit,  d.  h. 
znr  vollständigen  Deckung  der  IndividDalkoeffizi^iten  noch 
vöIUge  Gleichheit  des  Inhalts  hinzu,  so  heißt  das  Urteil 
identisch  (Formel  S  -~P,  vgl.  S.  559  a.  541).  Die  inäqualen 
Urteile  zerfallen,  wie  %  115  lehrte,  in  subsumierende*) 
(subordinierende,  Formel  S  CT  P),  snpersumierende 
(snperordinierende '),  Formel  S  ^  P)  und  sekante  (kreu- 
zende, Formel  S  3C  P)*)-  Über  Bedeutung  und  Vorkommen 
dieser  Urteilsformen  ist  der  vorhergehende  Paragraph  zu 
vergleichen. 

Was  die  Zweite  der  im  Titel  des  Par^raphen  ange- 
führten Cinteilnngeo,  also  die  Einteilnng  nach  dem  In- 
hal t  s  vergleich  anlangt,  so  kann  die  Logik  die  hierherge- 
hörigen  Unterscheidimgen  der  psychologischen  Grundlegung 
■(S.  388  ff.)  unverändert  übemehmea.  Wir  teilen  also  alle  Ur- 
teile, je  nachdem  sich  mit  der  Vergleichung  der  Individnal- 
koefflzienten  ein  Merkmalvergleich  verbindet  oder  nicht, 
in  kommensive  und  konsertiv»;.   Das  konsertivc  Ur- 


*)  Die  subsumierenden  Urteile  sind  bald  Individuahirteile  (Sokrates  ist 
ein  Philoaopfa),  bald  Generaluiteile,  und  im  letzteren  Fall  l)ald  univers^  (alle 
Wale  sind  Saugetiere},  bald  partikular  (einige  S&ugetiere  legen  Eier). 

*)  Es  dürfte  zweckm&Big  sein,  die  Termini  „subsumierend"  und  „super- 
sumiereod"  für  die  Urteile,  die  Termini  „subordinierend"  und  „superoidi- 
nierend"  fflr  die  BegriBsbeziehunsen  (unabfa&ngig  von  der  Vetknapfung  in 
änem  Urteil)  zu  verwenden.  Ebenso  wUrde  man  dann  von  adtanten  Urleüeo 
(Schioeder)  und  kreuzenden  Begriffen  zu  sptech«o  haben. 

>)  Schroeder  verwendet  eine  VerachUngung  der  beiden  Zeichen  ^  und 
^  ,  Tgl.  VoriesuMen  Bd.  2,  S.  96. 


1,1^. OQi 


,g,c 


070      ^-  Teil.    Die  öDsetiwn  logiKten  GcMIda  wtd  am  Goelze. 

teil  kann  vom  jetzt  gewoniMHien  logischen  Standponkt  ans 
folgendermafien  beschrieben  werden:  wo  und  wann  das  mit 
S  bezeichnete  Merkmal  bzw.  der  mit  S  bezeicbnete  Merkmal- 
komplex  vorliegt,  da  nnd  dann  liegt  —  sei  es  in  einem  indi- 
vidneüen  Fall,  sei  es  in  allen  oder  einigen  Fallen  einer  Gat- 
tung —  aach  das  Merkmal  bzw.  der  Merkmalkomplex  P  vor. 
Beispiel:  ,3eliam  hat  das  Atomgewicht  3,99".  Für  den- 
jenigen, der  das  Atomgewicht  des  Helinms  bisher  nicht  ge- 
kannt hat*),  involviert  dies  Urteil,  mag  er  es  lesen  oder 
hören  oder  auf  Grand  eigener  Versuche  nnd  Berechnnngen 
znm  erstenmal  fällen,  keinen  Merkmalvergleich  zwischen  S 
imd  P,  sondern  einfach  die  Verknüpfung  (consertio)  des 
neuen  Merkmals  P  mit  S.  Demgegenüber  besi^  das  kom- 
mensive  Urteil:  wo  nnd  wann  das  mit  S  bezeichnete  Merk- 
mal bzw.  der  mit  S  bezeichnete  Merkmalkomplex  vorliegt, 
da  und  daim  liegt  auch  das  Merkmal  bzv.  der  Merkmalkom- 
plex P  vor,  und  zwischen  S  nnd  P  besteht  eine  ln> 
haltliehe  Ähnlichkeit  oder  Gleichheit,  d.  h.  teil- 
weise oder  vollständige  Übereinstimmung 
der  in  S  nnd  P  enthaltenen  Merkmale.  Beispiel:  „das 
Lithinm  ist  ein  Alkalimetall".  Einerlei,  ob  ich  vorher  schon 
wußte,  daß  das  Lithinm  ein  Alkalimetall  ist,  od^  nicht, 
jedenfalls  will  ich  mit  meinem  urteil  nicht  nur  sagen:  wo 
und  wann  Lithium,  da  und  dann  ein  Alkalimetall,  sondern 
ich  meine  zu^eich:  bei  einem  Vergleich  der  Merkmale  des 
Lithinms  mit  den  Merkmalen  der  Alkalimetalle  ergibt  sich, 
daß  die  letzteren  Merkmale  sämtlich  in  den  ersteren  ent- 
halten sind.  Die  Merkmale  werden  gewissermaßen  anein- 
ander abgemessen  (commetiri).  Handelt  es  sich  um  negative 
urteile,  so  ergeben  sich  dieselben  Üntersoheidungen,  nur  ist 
an  Stelle  von  Gleichheit  bzw.  Ähnlichkeit  Ungleieheit  bzw. 
ünähnlichkeit  zu  setzen. 

Das  Verhältnis  der  Merkmale  von  P  zu  den  Merkmalen 
von  S  gestattet  aber  noch  eine  weitere  Einteilung  der  Ur- 
teile, die  uns  gleichfalls  bereits  in  der  psychologischen 
Grundlegung  begegnet  ist,  nämlich  die  Einteilnng  in  ana- 


*)  Es  sei  jedoch  daran  erinnert,  daS  bei  dem  konaertiven  Urteil  mva- 
nahmaweise  dem  Urteilenden  «ich  bekannt  sein  kuin,  daß  P  d«n  S  *a- 
konunt,  er  aber  bei  seinem  Urteil  doch  lediglieh  die  Koexistenz  t<si  S  und  P 
(also  die  partielle  oder  totale  Decknns  der  Indiridualkoeffizienlen)  koQriati»t> 
■Jbo  Ruf  den  Meitmalveitfeich  aua  irgendeinem  Giuitde  wskUet.  Vrf. 
hiertkber  5.  S88. 


OgIC 


• a.  Kapitel    Die  Lebre  ron  deg  Urteüen.  677 

lytiee  he  und  synthetische  urteile*)  (vgl.  S.  389).  Der 
logische  Tatbestand  bei  dem  analytischen  Urteil  katm  don^' 

die  Ffomel  abcde  ist  be  ausgedrückt  werden;  chan^te- 
ristisoh  ist,  dafi  P  vollständig  in  S  enthalten  ist.  Es  besteht 
partielle  Inhaltegleiehheit  zwischen  S  nnd  P  in  dem  S.  562 
erUintnien  Sinn.  Die  aUgeraeioste  Formel  des  synthetist^en 

Urteils  istabede  Istbcfg;  charakteristisch  ist,  daß  P  ein 
oder  mehrere  Merkmale  enthält,  die  in  S  nicht  enthalten 
sind*  Bei  dieser  Unterscheidung  darf  man  nicht  etwa  für  S 
d«ijenigen  Begriff  einsetzen,  den  wir  von  seinem  G^enstand 
bei  einem  ideal  vollständigen  Wissen  hätten,  s<mdem  S 
bleibt  auefa  in  der  liogik  ein  Begriff,  der  von  der  jeweiligen 
Kenntnis  des  Gegenstandes  abhängt  Die  KormallBiemng 
besteht  ja  nicht  in  der  Herstellung  einer  idealen  Vollständig- 
keit des  Begriffes  S,  sondern  in  der  Herstellung  einer  ideal^i 
K)onetanzde6selben(vgl.S.472f.).  Dasselbe  gilt  von  F.  Außer- 
dem ist  in  der  Logik  der  konstant  gedachte  Inhalt  von  S 
und  P  durch  eine  Definition  fixiert.  Es  kommt  nun  lediglich 
darauf  an,  ob  der  definitorisch  fixierte  Inhalt  von  P  Merk- 
male aufweist,  die  in  dem  definitorisch  fixierten  Inhalt  von 
S  nicht  vorhanden  sind:  ist  dies  der  Fall,  so  ist  das  Urteil 
synthetiBch,  anderenfalls  analytisch.  Für  die  Logik  hat 
also  diese  Unterscheidung  nur  Bedeutung  unter  der  Voraus- 
Setzung  einer  ausreichenden  Definition  (definitoriscben  Kon- 
stanz) von  S  und  P. 

Bein  synthetisch  (synthetisch   im  engeren  Sinn) 
ist  ein  Urteil,  wenn  P  n  u  r  Merkmtde  enthält,  die  in  S  nicht 

schon  enthalten  sind  (Formel:  abcde  ist  fg);  enthält  F 
anch  Merkmale,  die  schon  in  S  enthalten  sind,  so  ist  es  g  e  - 
mischt,  nämlich  *analy tisch  in  bezug  auf  die  schon  in  S 
enthaltenen,  synthetisch  in  bezog  auf  die  neu  hinzukom- 
menden Merkmale  (Forme),  wie  oben  angegeben:    abcde 

ist  b  c  f  g).  Im  allgemeinen  hat  man  die  Häufigkeit  dieser 
gemischten,    analytisch-synthetischen  Urteile  nicht   immer 


')  Kuit  bezeichnet  die  analytischen  Urteile  auch  als  Erliuterungsurteile, 
die  ayalbetischen  als  Erweiteninssurteile.  Die  letztere  Bezeichaung  ist  zu- 
treSeud,  die  eistere  irrefahrend,  da,  das  analytische  Urteil  Jceraeswega,  stets 
nur  eine  Erllulerung  besagt  oder  bezweckt 


078       '^-  '^^^i'-     '^  «nzelnen  lotischen  Gelnide  und  ihre  Gesetze. 

ausreichend  beachtet.  Ubrigeus  läßt  sich  jedes  rein- 
Sj^thetiscbe  Urteil  sofort   in  ein  analsrttoch-syntbetiBchee 

verwandeln:. abcde  ist  fg  in  abcde  ist  abcdefg,  ,^ie» 
Pferd  ist  schwarz*'  in  „dies  Pferd  ist  ein  schwarzee  Pferd", 
»Helinin  hat  das  Atomgewicht  3,99"  in  „der  Merkmulkomplez 
Helinm  ist  der  Merhmalkomplex  Helitun  mit  dem  Atom- 
gewicht 3,99".  Vgl.  auch  die  Bemerkungen  über  synthe- 
tische und  konstruktive  Definition  S.  522  n.  533. ' 

Ober  die  Einteilung  der  Urleite  in  analytische  und  synthetische  becäe- 
licb  der  eikenntniatheoretischen  Bedeutung  zu  sprechen,  ist  hier  nicht  der 
Ort.  Über  die  logische  Bedeutung  und  Berechtiiung  dieser  Einteilung  sei  m 
dem  Vorausgehenden  noch  folgendes  bemerkt.  Bis  in  die  neueste  Zrät  hat 
man  immer  wieder  bezweifelt,  daB  wirklich  alle  Urteile  in  axialytiscbe  und 
synthetische  eingeteilt  werden  k&nnen.  Schon  Hegel  (Enzyklop.  d.  phUos. 
Wisa.  %  £SS,  WW.  VI,  S.  411)  wandte  gegen  Kant  ein,  daS  jedes  tirteil  nun 
Standpunkt  der  dialektischen  Methode  betrachtet  sowohl  analrtisdt  wie 
synthetisch  sei:  einerseits  werde  nur  das  gesetzt,  «bs  im  unmittelbaren 
BeghS  enthalten  sei,  andrerseits  werde  doch  auch  ein  Unterschied  gesetzt, 
der  in  diesem  BeeriS  noch  nicht  gesetzt  war  Dieser  Einwand  gebt  —  auch 
wenn  man  vom  Standpunkt  der  dialektischen  Methode  ganz  absieht  —  von 
dem  richtigen  Gedanken  aus,  daB  auch  in  dem  aoalytischen  Urteil  eine  Nen- 
leistung  vollzogen  wird,  insofern  die  im  Subjekt  gegebene  Komplexian  duich 
die  analytische  Funktion  (S.  346)  dank  ihrer  invenen  Beziehung  va  syn- 
thetischen Funktion  zerlegt  wird  und  die  Iwi  der  Zerlegung  zum  Vorschein 
kommenden  Uerkmale  mit  dem  Prädikalsbegiiff  ■}  verglicbeD  werden.  Der 
Wert  und  die  Berechtigung  der  E&ntschea  Einteilung  wird  iedocb  hiervon 
nicht  berührt:  es  blei|]|  die  Tatsache  besteben,  daB  im  analytiachen  Urteil 
das  Prtdikat  nur  Merkmale  enthUt,  welche  bei  dieser  Zeriegung  von  S  sich 
ergeben,  im  synthetischen  hingegen  auch  neue.  Eher  kennte  man  —  in  ent- 
ferntem Anschluß  an  die  Argumentation  Hegels  —  das  Bedenken  erfadien. 
ob  bei  manchen  analytischen  Urteilen  nicht  jede  Vetgleichung  fehlt  und  der 
ganze  UrteilaprozeB  sich  auf  die  Analyse,  die  akzentuierende  U^mushebnng 
eines  Merkmals  von  S  beschrftnht.  In  der  Tat  kommen  solche  Denkakte  im 
Sinn  eines  „rudimentären"  Urteils  (ygi  S.  373  u.  Grundl.  der  Psycho- 
logie, Bd.  2,  S.  186)  vor;  bei  dem  vollenlwickelten  Urteil,  mit  dem  die  Lagt 
ea  jetzt  zu  tun  bat,  kommt  zu  einem  solchen  analytischen  Akt  regebnUig 
au«^  noch  eine  Glcichsetzung  und  damit  eine  Vergleichung  hinzu. 

Oft  ist  auch  eingewendet  worden,  der  Unterschied  zwischen  den  aoaly- 
tiscben  und  den  Bynthetischen  Urteilen  sei  nur  nlativ  und  nicht  scharf;  ie 
pachdem  P  im  Subjekt  mehr  oder  weniger  klar  mitgedacht  werde,  kfinne 
dasselbe  Urteil  sowohl  ab  analytisch  wie  als  syntheUscb  bezeichnet  werd». 
Fflr  das  Urteil  im  psychologischen  Sinn  ist  dies  sicher  richtig,  lär  das 
logische,  d.  b.  normalisierte  Urteil  trifft  der  Einwand  jedoch  nicht  zu;  im 
logischen  Urteil  ist  der  Inhalt  von  S  und  P  eindeutig  festgelegt  (durch  eine 
Definition),  die  psychologischen  Schwankungen  des  Subjekts-  und  I^tdiWs- 

■)  Dieser  wird  dabei  oft  gleichfalls  zerlegt  —  Andrerseits  kann  bei 
identischen  Urteilen  wie  a  —  a  jede  Analyse  fehlen. 


3.  KamM.    Die  Lehre  vcd  den  Urleilen.  67g 

iDbaSa  kommen  also  gar  nicht  in  Betracht').  Nur  losoCern  konunt  dem 
Einwand  Bedeutung  zu,  als  bei  der  AnwenduoK  der  logischen  Regeln  aul  das 
lal«lcMiche,  d.  h.  psychologisdie  Denken  der  schwankende  Charakter  des 
letiteren  in  bezuK  auf  das  rnhaltsverhftltnis  von  S  und  P  BerOchsicbtigunR 
bedari. 

Bedeutsamer  sind  die  Ausführungen  Sigwarts  (Logik,  2.  Aufl.  Freiburg 
laee,  Bd.  l,  Al>scbn.  8,  §  IS.  S.  laSIf.)  aber  die  Kantsche  Einteilung.  Die 
Genesia  des  Urleilsaktes  ist  nach  S  entweder  eine  unmittelbare  oder 
eine  mittelbare.  „Unmittelbar  ist  sie,  .wenn  das  Urteil  nichts  als 
die  in  ihm  verknüpften  Voratellungen  des  Subjekts  und  des  Prädikats  selbst 
voraussetzt,  um  mit  dem  Bewußtsein  objektiver  Gflltigkeil  vollzogen  zu  wer- 
den ;  mittelbar,  wenn  erst  durch  das  Hinzutreten  anderer  Voraus- 
setzungen dieser  Vollzug  möglich  wird,  sei  es  daß  die  Aufeinander- 
beziehung von  Subjekt  und  Prädikat  überhaupt  mit  dem  Ge- 
danken ihrer  urteilsm&Bigen  Einheit  erst  einer  Vermittlung  bedarf,  oder  dalt 
wenigstens  das  Bewußtsein  ihrer  objektiven  Galligkeit 
anderswoher  gewonnen  werden  muH."  Der  „Grund  des  Urteils",  d.  h. 
„dasjenige,  was  die  Einasetzung  von  Subj^t  und  Prädikat  herbeilohrt", 
liegt  bei  dem  unmittelbaren  UrteU  „in  den  veiknüpften  Voratellungen  selbst, 
für  sich",  bei  d«n  mittelbaren  Urteil  ,4n  den  veiknUpften  Vorstellungen  nur 
zusammen  mit  anderen".  Sigwart  will  nun  seine  unmittelbaren  und  Kants 
analytische,  seine  mittelbaren  und  Eants  synthetische  trotz  ihrer  weitgehen- 
den Obereinstimmung  nicht  identifizieren;  denn  bei  seiner  Einteilung 
komme  es  „auf  die  jeweilige  Genesis  des  Urteils  in  dem  urteilenden  .Sub- 
jekt" an,  während  „Kant  sich  zunähst  an  die  Voraussetzung;  bestimmter 
begrifflicher  Bedeutung  der  als  Subjekte  auftretenden  Werter*)  lialte". 
Kant  koniw,  meint  S.,  bei  seiner  Einteilung  „nur  eine  faktisch  allgemein 
geltende  Nominaldefinition  voraussetzen".  Heines  Erachtens  vericennt  S. 
damit  die  Bedeutung  der  Eantschen  Einteilung.  Bei  dieser  wird  nur  Tor~ 
ausgesetzt,  daB  die  Begriffe  S  und  P  fixiert  und  definiert  sind;  ob  diese 
Fixation  und  Definition  dem  Denkinhalt  eines  Individuums  oder  vieler 
oder  aller  denkenden  Individuen  entspricht,  ob  und  wie  sie  spractilich 
fixiert  ist,  ja  ob  sie  mit  Bezug  auf  den  Gegenstand  falsch  oder  richtig  ist. 
ist  für  die  Unterscheidung  der  beiden  Urteilsklassen  nicht  von  wesentlicher 
Bedeutung.  Die  Urtuls  genese,  welche  fQr  Sigwarts  EiateiJung  mafi- 
gebend  ist,  ist  allerdings  von  Kant  nicht  ausreichend  berücksichtigt  worden, 
in  der  oben  gegebenen  Darstellung  ist  dies  jedoch  in  ausgiebigei;  Weise  ge- 
schehen. Die  Kommension  entspncbt  dem  unmittelbaren,  die  Konsertion 
dem  mittelbaren  Urteile  Sigwarts.  Beide  charakterisieren  sowohl  das  Er- 
gelmia  und  damit  die  Bedeutung  wie  auch  die  Entstehung  des  Urteils.  Die 
Kantsche  Unterscheidung  STnlhetischer  und  analytischer  Urteile  legt  weder 
die  Bedeutung  noch  die  Entstehung  des  Urteils,  sondern  das  tatsächliche  In- 
haltsverhällnis  der  Begriffe  S  und  P  zugrunde  und  deckt  sich  daher,  wie 
wir  gesehen  haben,  nicht  vollständig  mit  der  F.inteilung  in  konsertive  und 

'')  Damit  erledigen  sich  auch  die  Einwände,  die  Schleiermacher  in 
seiner  Dialektik  (§  166  u.  30fr-810  u.  Beilage  E,  Nr.  7S)  erhoben  hat. 
Sehleiennachere  Unteiscbeidung  zwischen  vollständigen  und  unvollständ- 
digen,  eigentlichen  und  uneigentlichen  Urteilen  ist  unklar  (I.  c.  %  305  B.). 

*)  Diese  nominalisUsche  Fassung  schreibt  Sigwart  der  Kanlschcn  Lehre 
Qbrigens  mit  unrecht  zu. 


ih,Cooglc 


ggO      IV-  T«il.    Die  Minelncn  tociachatt  Gtfcilde  nad  ihre  Gteetoe. 

koBiMiuir«  und  daher  auch  nicht  voUsUndii  miL  Simrts  EintMliiBS  ü 
mittelbare  und  unmittdbar«  UiteÜ«.  Endlich  ist  dasienige,  was  Sifvart  ah 
„Gnmd  des  UiteÜB"  bezeichnet,  ras  ihm  iQr  die  beiden  UrieüsUanaa  in 
weMotlicben  lichtig  angegeben  und  gilt  audi  for  unsere  UnterscbeiteMn. 
Für  die  Kornntension  sind  nur  die  vericnOptten  BegriBe  sdbst  mirgahlBi, 
die  Konsertien  muS,  wenn  sie  zur  Auanie  der  Dedning  der  IndindDal- 
koefflzientea  fahren  soll  und  aut  Vergleich  der  BcsriSe  Eett>3t  TwtictaM, 
„andere"  Vorstdlungen  (ich  wttrde  vorziehen  zu  sagen:  anderweiUge  Oc- 
teile,  Begiitfe  oder  Empfindungen)  zu  Hilfe  zieben.  Das  komraenave  UiW 
findet  daher  auch  schon  in  der  Urteüalehie  srnne  vollständige  Erledigung, 
während  das  konsertive  Urteil  seiner  BegrQndung  nach  (seinem  „GniDde" 
nach  im  Sigwartschen  Sinn)  erat  in  der  Lehre  vom  Schluß  vollkonvBM 
nufgdüart  wird.  Die  letztere  kann  von  diesem  Standpunkt  aus  geradem  ab 
die  Lehre  von  der  Urteilskonsertion  bezeichnet  weiden. 

Auch  Erdmann  (Logik,  1.  Teil,  2.  Aufl.,  Halle  1907,  S.  261  fl.)  ertwM 
eine  Reihe  von  Einwänden  gegen  Santa  Einteilung.  Die  meisten  dieser  Ein- 
wände sind  im  Vomusgebenden  schon  erledigt  Erwähnt  sei  nur  noch,  dat 
E.  (1-  c.  S.  298)  bestreitet,  daB  das  synthetische  Urteil  die  Erfahnug  er- 
weilere.  „Die  WahmeJimungs-  und  Eifahrungeu Keile  (v^.  dies  Werk  5.  S86, 
Ania.  li  u.  S.  637)  seien  vielmehr  lediglich  der  prädikative  Ausdruck  der  in  der 
Wahrnehmung  bereit»  vollzogenen  Erweilening"  i  es  gebe  Oberhaupt  ,^tut 
svnthetisEJien  Erfahrunssurteile  im  Sinne  Kants"  (L  c.  S.  396).  Ich  kann 
dies  nitdit  einmal  im  psychologischen  Skm  zug^n  (vgl.  S.  880),  vollends 
sdieint  mir  logisch  die  Auffassung  Erdmanns  nidit  beiechtigt:  es  ist  nicht 
abzusehen,  weshalb  in  dem  von  E.  selbst  beispielsweise  angefahrten  Urteil 
,,Gold  ist  debidiar"  das  neu  assozierte  Mcitonal  des  Gedehntseins  mit  dem 
Bestand  der  Subjekt vorsleUung  schon  „verflocht en"  sein  muQ,  weslmlb  es 
ausgeschlossen  sein  soll,  daB  diese  Verilechtuos  erst  mit  und  in  dem  Urteil 
erfolgt.  Wenn  es  zur  endfiOlligen  spracht  ich  eu  tormulietunf  des 
l.'rteils  kommt,  ist  aUerdings  die  Verflechtung  meistens  bereits  eriedigt,  abei 
xiiiscr  Urteil  ist  doch  nicht  mit  dieser  Formulierung  identisch  >). 

Ich  selbst  habe  lange  Zeit  dos  Bedenken  gehabt,  ob  nicht  viele  ga- 
nietnhin  als  analytisch  betrachtete  Urteile  doch  insofern  streng  genomnen 
ab  synthetisch  anzusehen  seien,  als  die  Subsumtion  eines  Meikmals  a  vod  S 

')  Erdmanns  psvchologische  Einteilung  der  Urteile  in  analysierende 
und  konstruierende  (I.  c.  S.  370 ff.)  fällt  mit  der  Kantschen  fast  zusammen. 
ist  aber  sehr  mißverständlich.  Bei  den  analysierenden  soll  der  Gegenstand 
schon  vor  dem  Urteil  gegeben  sein,  bei  den  konstruierenden  erst  durch  das 
l'rleil  erzeugt  werden.  Nach  unsrer  Darl<^ung  sind  in  jedem  Urteil  zwvi 
ItegrilFsgegenslände,  entsprechend  S  und  P  gegeben,  dazu  kommt  als  weitem' 
Gegenstand  des  Urteils  selbst  die  Beziehung  zwischen  den  beiden  Beghfts- 
Rcgenständcn.  Diese  letztere  wird  auch  im  analytischen  bzw.  analysierenden 
Urleil  durch  das  Urteil  „erzeugt",  d.  h.  gedacht  Ein  Unterschied  besteht  nur 
insofern,  als  bei  dem  analytischen  Urteil  kein  neuer  B^riffsgegenstand  er- 
zeugt wird,  wohl  alter  bei  dem  synthetischen  (konstruierenden),  da  der 
Begriff  des  S  und  damit  sein  Gegenstand  um  ein  neues  MNkmal  (F)  tf- 
weitert  wird.  AuSerdem  ist  zuzugeben,  daS  bei  dem  analytischen  UrW  die 
liezugnahme  auf  die  Gegenstände  der  B^ritfe  von  ndwnsächlichsr  Bedeu- 
tung ist,  während  sie  bei  dem  synthetischen  meistens  (nicht  stelsl)  un- 
iTtaßlich  ist. 


n,g,t,7l.dM,GOOglC 


2.  lUpiM.    Die  Lehre  von  den  Uiteilen. 


unter  das  zoEehöriie  aUsemeine  Merkmal  a*  von  P  doch  nicht  der  Fonnd 

abc~— a  entspricht,  da  das  a  in  5  und  P  nicht  identisch  ist.  W«tm  mir 
die  rote  Faibe  des  Säueetierblutes  ganz  gelftufis  ist,  so  ist  das  Urteil: 
„S&ufetierblut  ist  rot"  nach  der  üblichen  Auflassung  sicher  ein  analytisches 
Urteil,  dabei  ist  aber  doch  das  ,rRot"  des  Sfttuetierblutes  mit  seiner  vuaz 
speziellen  Nuanciening  mit  dem  ,fiol"  des  Prädikats,  sofern  dies  die  Be- 
deutung von  Rot  im  allgemeinen  (nicht  einer  offiziellen  Nuance)  hat,  nicht 
identisch,  es  wird  ihm  nur  subsumiert  Dasselbe  begegnet  uns  überall,  wo 
eine  propinquale  Subordination^")  statthat.  Für  die  logische  Betrach- 
bing  scheint  mir  indessen  auch  dieses  Bedenken  nicht  triftig;  denn  bd  dar 
kgischen  Normalisierung  «erden  die  speziellen  Nuancierungen  der  Heit- 
male  im  Interesse  der  Deünition  durch  allgemeine  Merkmale  ersetzt  (v^ 
S.  lS7fI.),  zunächst  bei  den  IndividualbegriQen,  dann  aber  auch  bei  den  ab- 
geleiteten AllgemeiDbegrinen  niederer  Stufe,  so  da&  es  zu  einer  Angleicbung 
des  a  an  das  a*  kommt  und  damit  der  analytische  Charakter  des  Urteils 
gevahii  bleibt.  Immerbin  wird  man  gut  tim,  diese  subsumierende  Assimi- 
lation vieler  analytischen  Urteile  nicht  aus  dem  Auge  zu  verlieren.  Für  den 
Fortschritt  unseres  Erkennens  sind  solche  analytische  Subsumtionen  von 
erheblicher  Bedeutung,  und  schon  aus  diesem  Grunde  erscheint  es  unange- 
bracht, die  analytischen  Urt-eile  ganz  allgemein  als  Binsenwahrheiten  bei- 
seite zu  schieben. 

£ine  eigentümliche  Stellung  nimmt  die  algebraische  Logik  zu  der 
Kantschen  Einteilung  ein.  So  definiert  z.  B.  E.  Schroeder,  Vorl.  über  d.  Alg- 
d.  Logik,  Lpz.  1890,  Bd.  1,  S.  tö7  die  „analytischen  Pro  Positionen"  als  " 
selche,  die  richtig  werden,  welche  Bedeutungen,  Werte  oder  Wertsysteme 
man  auch  den  in  ihnen  vorkommenden  variablen  Elententen  beilegen  mag", 
und  die  synthetischen  als  solche,  „bei  denen  dies  nicht  der  Fall  ist". 
Offenbar  ist  diese  Unterscheidung  mit  der  Kantschen  nicht  identisch.  Auch 
synthetische  Urleile  (im  Sinne  Kants)  beanspruchen  sehr  oft  (sei  es  mit 
Recht,  sei  es  mit  Unrecht)  allgemeine  Richtigkeit  für  alle  Bedeutungen  usw. 
der  variablen  Elemente  des  Subjekts.  Nicht  ganz  konsenuent  ist  es,  weim 
Sehr,  weiteriiin  als  Kennzeichen  der  analytischen  Proportionen  auch  ihre 
„Sclbstversl&ndlichkeit".  ihre  „denknotwendige  Geltung"  anführt  (k  c.  S.  489). 

Die  Literatur  über  die  Kantsche  Einteilung  '>)  ist  so  ausgedehnt  und 
zerstreut,  daß  hier  nur  einige  wenige,  für  die  Logik  besonders  wichtige  Ab- 
handtungen angeführt  werden  können  (unter  Ausschluß  aller  logischen  Lehr- 
bücher und  Kant-Konunentare) : 

G.  Frege,  Die  Grundlagen  der  Arithmetik.    Breslau  1S84,  S.  3. 
E.  Husserl,  Log.  Untersuch.    Teil  2,  HaUe  1901,  S.  2*7,  2  AuQ.   IM». 

S.  354  (wesentlich  verändert);  Ideen  zu  einer  rein.  Phinomen.     Halle 

1913.  S.  22  u.  31. 
£.  Kühnemann,  Arch.  f.  syslemat  Fhilos.  189Ö,  Bd.  1,  S.  165(1. 
Heinr.    Haier,    Psychologie    des    emotion.    Denkens.     Tübiiwen    1906^ 

S.  IbiB. 


'*)  So  können  wir  im  Hinblick  auf  die  Ausführungen  S.  337  kurz  sagen. 

")  Von  der  bekennlnistheorelischen  Bedeutung  dieser  Ein- 
feilang  ist  sowohl  bei  der  ganzen  Dariegung  wie  bei  den  Literatumflel« 
vfillig  abgesehen  worden.  , 

„.,,n,^.OOglC 


Qg2       'V'  ''^^i'-    ^^  einxelnen  lonschen  Getnide  und  ihre  Geseb«. 

H.  Bickert,  Logos  1911/12,  Bd.  S,  S.  48. 

Ad.    Treodelenbure,    Us-    Untersuchungen.     Beriin    18W,    Bd.    i. 
S.  170  H. 

§  117.  EUntelliuic  der  UrteUe  (SeUnB)»  7.  EinteUnB« 
■aeh  der  Geltnng  bzw.  HodaliUt.  Die  in  der  psychologischen 
Gmndlegung  aafgeetellte  EinteiluDg  nctch  der  Modalität 
kann  onmittelbBr  auf  die  logiscfaea  urteile  übertragen  wer- 
den, nur  müssen  alle  psychologischen  Schwanknngen  des 
Übergewichts  der  zustimtnenden  und  der  widersprechenden 
AsBOziationen  („Fürassoziationen"  and  „Qefrenassosiatio- 
nen")  eliminiert  werden.  Dabei  gelangen  wir  zur  EinteÜnnjr 
der  Urteile  nach  der  Modalität  in  folgende  Klassen: 

A.  Thetisehe  Urteile: 

1.  apodiktische  oder  sichere  (gewisse)  Ur- 
teile: die  begleitenden  Assoziationen  stinuB«n 
sämtlich  mit  dem  Urteil  überein  (mit  seiner  be- 
jahenden Form,  wenn  es  positiv  ist,  mit  seiner  ver- 
neinenden, wenn  es  negativ  ist),  Formel  „S  ist  P"; 
oder  „S  muß  P  sein"; 

2.  problematische  oder  zweifelhafte  (Un- 
gewisse) Urteile:  die  begleitenden  Aesozia- 
tionen  stimmen  zum  Teil  mit  dem  Urteil  überein. 
znm  Teil  nicht,  Formel  „S  ist  vielleicht  P"  oder  .,8 
kann  P  sein"; 

Spezialfall:  Wahrscheinliche  Urteile:  das  Ver- 
hältnis der  znstimmenden  begleitenden  Assoziationen  zu  den 
widersprechenden  gestattet  eine  quantitative  Angabe  über 
den  Grad  der  Sicherheit  (Gewißheit). 

B.  Prothetische  Urteile  (Prothesen,  An- 
nahmen, vgl.  S.  366  u.  382  f.) :  begleitende  Associa- 
tionen fehlen  oder  werden  bei  der  Fällnng  des  Ur- 
teils ausgeschaltet  (ignoriert). 

Man  hat  hierbei  nur  an  Stelle  der  „Assoziationen"  im 
psychologischen  Sinn  jetzt  logische  Urteile  zn  setzen,  wel<^ 
mit  dem  bez.  Urteil  in  Zusammenhang  stehen. 

Erläuternd  sei  noch  bemerkt,  daB  von  psychologiechent 
Standpunkt  zu  den  Annahmen  auch  diejenigen  problema- 
tiflcben  Urteile  zu  rechnen  sind,  hei  welchen  die  zustiniinen- 
den  nnd  die  widersprechenden  Assoziationen  sich  genau  oder 
□ngefähr  das  Gleichgewicht  halten.  Von  It^rischem  Stand- 
punkt empfiehlt  es  sich,  den  Begriff  der  Annahme  enger  m 


_.ooglc 


3.  Kapile).     Ke  Lefare  von  den  Ur^ilen.  6g3 

fasseu  und  die  Abwesenheit  oder  Äassciialtuug ')  aller  zu- 
stimmenden und  aller  widersprechenden  Assoziationen  za 
fordern,  also  diejenigen  Urteile,  bei  denen  ein  Oleichgewicht 
der  zustimmenden  und  der  widersprechenden  Assoziationen 
resultiert,  zu  den  problematischen  Urteilen  zu  rechnen.  Be- 
züglich der  apodiktischen  Urteile  muß  hetont  werden,  daß 
vor  der  endgültigen  Urteilsfällung  Gegenassoziationen  sehr 
wohl  vorhanden  gewesen  sein  können;  charakteristisch  ist 
nnr,  daß  solche  Gegenassoziationen  bei  dem  gefällten  Urteil 
fehlen,  weil  sie  durch  die  zustimmenden  Assoziationen  auf - 
l^ehoben  worden  sind,  f^  handelt  sich  nicht  nur  nm  ein 
"Überwiegen  oder  Aufwiegen,  sondern  um  eine  völlige  Unter- 
drückung der  Gegenassoziationen. 

Die  Aonahmen  därfen  nicht  etwa  deflniett  werden  &ls  „Urteile,  so- 
weit ne  Gegenstand  weiterer  Urteile  oder  anderer  Denkprozesse  und".  Die 
letztere  Definition  srenzt  flbertiaupt  keine  Urteilsklasse  ab,  sondern  be- 
zeichnet eine  Stellungi  die  jedes  Urteil  im  DenkprozeB  einnelunen  kann. 
Die  FUle,  in  denen  ein  Urteil  beurteilt  wird,  liefern  nur  Beispiele,  die  be- 
sonders gengnet  sind,  die  Existenz  von  Annahmen  klar  zu  macben. 

Die  Schullogik  hat  die  prothetischen  Urteile  oft  über- 
sehen oder  überhaupt  nicht  zu  den  Urteilen  gerechnet  (vgl. 
hierüber  §  74  u.  76).  Dafür  stellt  sie  meistens  noch  eine  be- 
sondere Klasse  der  assertorischen  Urteile  anf:  wäh- 
rend das  apodiktische  Urteil  die  Fonn  haben  soll  ,^  muß 
P  sein",  soll  das  assertorische  schlechthin  lauten  „S  ist  P". 
Indessen  ist  diese  Unterscheidung  nicht  haltbar  ').  Auch  bei 
dem  assertorischen  Urteil  stinunen,  wie  bei  dem  apodiktischen, 
die  begleitenden  Assoziationen  eämtlicb  mit  dem  Urteil  nber- 
ein;  anscheinende  Gegenassoziationen  können  bei  diesem  wie 
bei  jenem  auftauchen,  erweisen  sich  aber  hier  wie  dort  als 
nicht  stichhaltig,  d..h.  als  nnr  schein  bar  widersprechend. 
Wenn  wir  sprachlich  bald  das  Hilfszeitwort  „müssen"  ver- 
wenden, bald  nicht,  so  beruht  dies  nnr  darauf,  daß  ans  die 
Unfaaltbarkeit  der  Qegenassoziationen  und  die  eindeutige 
Beweiskraft  der  Fürassoziationen  im  ersteren  Fall  ausdrück- 
lich zum  Bewußtsein  kommt  und  ansdrUcklich  hervorge- 
hoben wird;  vorhanden  ist  eie  auch  im  letzteren  Fall. 


')  Unter  Ausschaltung  von  Gegenassoziationen  verstehe  ich  das 
Absehen  von  Gegenassoziationen  (Ignorieren),  dagegen  unter  Aufhebung 
die  im  lolgeDtteii  charakterisierte  UnterdrQGkunE  durch  die  Fanssoziationen. 

*)  Aneh  Sigwart  (Logik,  S.  Aufl.,  Bd.  1.  S.  390  u.  SB7)  verwirft  sie. 


Sg4       ^-  "^^    ^^  «intelnwi  lotiachwv  G^lds  und  ihre  Gesetze. 

Will  man  trotxdem  den  Tennmus  ^^podiktiach"  for 
eine  besoodere  Klasse  von  Urteilen  reaervieren,  so  küute 
dies  aar  in  der  Weise  geacheh^),  daß  man  ihn  snf  «okhe 
urteile  der  1.  Klasse  beschränkt,  in  denen  sich  das  Urteil 
aof  ein  allgemeine»  Ctesetz  gründet  und  daher  besondere 
Gewi^eit  in  Anspruch  nimmt,  oder  ihn  Bogar  aaf  sokJw 
Urteile  der  1.  Klasse  ^nen^t,  in  denen  das  Urteil  aich  aaf 
die  allgemeinsten  logischen  Prinzipien  (vgl.  ^  119)  stützt 
Zweckmäßig  ist  ein  solches  Verfahren  an  dieser  Stelle  nic^t, 
weil  es  sich  jetzt  nm  eine  Einteilung  der  Urteile  unabhängig 
von  ihrer  Begründung  handelt  und  die  Gewißheit  nur  grad- 
weise veiBcbieden  ist  und  überdies  auch  von  anderen  Fak- 
toren abhänigt. 

Schwieriskeiteii  erwachsen  lOr  das  Vent&ndii^  und  die  Anvoidunt 
dieser  anscheinend  so  anlachen  modalen  Einteilung  der  Urteile  nur  d>- 
durch,  daß  die  Tenoini  und  Begrifle  .Jjotwendi^eit",  .JlCgüchkeit",  „Wahr- 
scheinlichkeil"  usf.,  die  dem  Gegensatz  zwischen  dem  apodiktiacben  udI 
problematischen  (bzw.  wahrscheinlichen)  Urteil  entsprechen,  außer  in  dieser 
psychologisch-Iocischen  Bedeutung  auch  noch  in  ganz  anderen  Bedeutuntea 
vcnrendet  «erden.  Es  soll  dies  vor  altem  an  dem  Beispiel  der  Notwendif- 
keit  darfdegt  werden. 

Wir  haben  in  erstef  Linie  eine  Notwendig  keil  des  Tat- 
bestandes zu  unterscheiden.  Diese  kommt  der  individuellen  WiAlicb- 
keit  zu,  soweit  sie  sich  der  allgemeinen  Gesetzlichkeit  unterordnet,  die 
allenthalben  von  uns  fesigeslellt  wird  und  uns  in  den  drei  Hauptformen  der 
kausalen,  mathematischen  und  parallelgesetzlichen  Gesetzlichkeit  geläufig  ist 
(vgl.  S.  350ff.).  Sie  l&ßt  sich  auf  die  allgemeine  Formel  bringen:  wenn  dar 
Tatbesland  abc  gegeben  ist,  ist  auch  d  gegeben,  a,  b  und  c  können  ganz 
allgemein  als  die  Bedingungen,  d  als  die  Folge  bezeichnet  werden  (Ursache 
und  Wirkung  stellen  also  einen  Spezialfall  dar),  d  wird  als  notwendig  be- 
zeichnet, wenn  der  Zusammenhang  zwischen  abc  und  d  einem  solchen 
allgemeinen  Gesetz  entspricht.  Zur  Unterscheidung  von  anderen  Notwendig- 
keiten sei  diese  von  einem  gesetzmi&igen  Tatbestand  abhängige  als  legale 
Notwendi^eit  bezeichnet  DemgegenOber  kommt  zweitens  oft  ein  Tatb^tand 
abcd  (simultan  oder  sukzessiv)  vor,  der  nur  schlechthin  gegeben  ist,  aber, 
soweit  erkennlMr,  keinem  allgemeinen  Gesetz  beztiglich  des  Zusammenhangs 
vcn  d  mit  abc  zu  gehorchen  scheint.  Ein  solches  d  —  sei  es  auf  sog. 
materiellen,  sei  es  auf  Dbychiachem  Gebiet  —  wird  nicht  als  nolwmdii 
sondern  schlechthin  als  „wirklich"  oder  „seiend"  bezeichnet*]. 
Au  Stelle  einer  Notwendigkeit  hegt  eine  einfache  aot.  „Position"  vor 
Endlich  kommt  drittens,  wenn  das  Auftreten  von  d  nach  ebem  allgemeiDen 
lieselz  von  den  Bedingungen  abc  abti&ngt,  die  Beziehung  des  d  zu  einem 
Tatbestand  ab  (ohne  c)  in  Betracht  In  einem  solchen  Fall  —  bei  unvoll- 
ständigem Gegebensein  der  Bedingungen  —  wird  d  als  m  C  g  I  i  c  h  bezeichnet 


*)  Vgl.  Ober  die  Tennini  Dasein,  WÜiUicbkeit  usl.  meine  Ericennlnis- 
(heorie.  Jena  1618,  S.  396  u.  8^0, 


2.  fUpital.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  Qgg 

Vm  £ase  vom  Tatbestand  aMiingice  HJlglichkeit  von  anderen  MOsItcbkeiten 
ZD  unterscheiden,  soll  ne  ab  sejnnktiTe  Hflglichkeit  bezeichnet  werden. 

Bei  dies«  Darstellung  wurde  zun&chst  vorausgesetzt,  daß  es  sich  um 
einen  individuellen  Tatbestaiid  bandelt.  Dieselben  Unterachiede  be- 
stehen indesaen  auch,  wenn  ein  allgemeiner  Tatbestand  vorliegt  Auch  ein 
solcher  ordnet  «cb  bald  einem  hSheren  allgemeinen  Gesetz  unter,  bald 
nicht  usf. 

Alle  diese  Uodalit&ten  werden  am  besten  zur  Unterscheidung  von  den 
tMeilsmodaliläten  als  objektive  (weniger  zweckmäßig  als  „reale")  b»- 


.  Ein  Spezialfall  nun  der  Notwendigkeit  des  Tatbestandes  liegt  bei  dem 
Denken  im  psychophysiologischen  Sinn  vor.  Auch  die  Denkakte  ordnen  sich, 
wie  die  Fsychophysiologie  im  einzelnen  nachweist,  einer  allgemeinen  Gesetz- 
mftBigkeit  unter  und  kOnnen  insofern  als  notwendig  bezeichnet  werden  (Tgl. 
S.  897 1.  XL  töä).  Uan  karm  daher  von  einer  speziellen  psychophysio- 
logischen (ungenau :  psychologischen)  Denknotwendigkeit,  d.  h. 
einer  Notwendigkeit  der  einzelnen  individuellen  Denkakte  sprechen.  So- 
weit die  Denkakle  nicht  nur  von  den  früher  und  zugleich  aufgenommenen 
Reizen,  sondern  auch  von  der  angeboreiten  psychophysiologischea  Anlage 
abhlngen,  ist  diese  Denknotwendigkeit  mit  Bezug  auf  den  letzteren  Anteil 
von  der  Erfahrung  unabhängig  (apriorisch). 

Ein  weiterer  fOr  die  Logik  ausschlaggebender  Spezialfall  der  Notwen- 
diekeit  ist  durch  das  gignomenologische  Identitätsgesetz  und  das  damit  zu- 
eammenb&ngende  logische  Identität sprin zip  (§  87)  gegeben.  Indem  wir 
letzteres  im  Sinn  der  NormalTorstellungen  der  Logik  (der  ,3egriffe")  vom 
Zugleich  des  einzelnen  Augenblicks  auf  den  gesamten  Denkvcriaul  aus- 
dehnen, ergibt  sich  fOr  das  richtige  Denken  als  ,JIormal denken" 
eine  besondere  GesetzmäBigheit,  die  wir  als  speziflach  logische  be- 
zeichnen, und  dementsprechend  eine  besondere  togische  Notwendig- 
keit, die  sich  freilich  auf  keine  allgemeine  Tatsache,  sondern  ein  allge- 
meines Postulat  gründet. 

Führt  man  die  Unterscheidung  dieser  Notwendigkeiten  in  die  Lehre  vom 
Urteil  ein,  so  kann  offenbar  jedes  einzelne  Urteil  unbeschadet  seiner  psycho- 
physiologischen Denknotwendigkeit  einerseits  ie  nach  dem  Verhalten  der 
Gegenassozialionen  entweder  apodiktisch  (^^  asserlortscti)  oder  problematisch 
oder  prolhetisch  sein  und  kann  andrerseits  zum  I  n  h  a  1 1>  entweder  die  Not- 
wendigkeit oder  die  Möglichkeit  oder  die  Position  eines  Tatbestandes  haben. 
Hit  anderen  Worten:  ich  kann  entweder  apodiktisch  oder  problematisch 
oder  prothetisch  (im  Sinn  einer  Annahme)  urteilen,  daß  etwas  „sein  muH" 
oder  „sein  kann"  oder  ,4st".    Es  ergeben  sich  also  folgende  neun  Klassen: 

1.  apodiktische  Urteile  mit  Bezug  auf  eine  Position,  mit  Bezug  auf  eine 
legale  Notwendigkeit,  mit  Bezug  auf  eine  seiunklive  Möglichkeit; 

2.  problematische  mit  Bezug  auf  eine  Position,  mit  Bezug  auf   eine 
legale  Notwendi^eit,  mit  Bezug  auf  eine  sejunktive  HGglichkeit; 

3.  prothetische  mit  Bezug  auf  eine  Position,  mit  Bezug  auf  «ins  legale 
Notwendigkeit,  mit  Bezug  auf  eine  sejunktive  Möglichkeit. 

Ich  kann  demnach  beispielsweise  sehr  wohl  Ober  eine  legale  Not- 
wendigkeit prolhetisch  oder  problematisch  urteilen,  also  den  legalen  Not- 
wendi^eitscharakter  eines  Urteilsinbalts  dahin  gestellt  sein  lassen  oder  an- 
zweifeln.    Ebenso  kaim  idi  eine  sejunktive  Möglichkeit  apodiktisch  aus- 

h.  !■,  II,  l^.OOQIC 


IV.  Teil.    Die  eincelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 


spradieo:  eine  Kurve  zveiten  Grads  ,Jcann"'  eine  Panbel  sein,  ein,  Atom 
„kann"  esplosiv  zeriaUeu  usf.*). 

Nur  in  einem  Fall  kann,  wie  in  g  77tl.  erörtert  wurde,  Ciber  eise 
lenle  Notwendigkeil  nur  apodiktiach  geuiteilt  werden,  ninüich  dann,  wenn 
es  sich  um  eine  legale  Notwendigkeit  im  San  des  psychophynolo^sdwD 
Ein  eleu  tigkeitsprinzips  handelt  Ich  kann  nicht  denken  a  gleich  oicbt-a  vei 
kann  im  Zugleich  auch  nicht  denken  a  ist  zugleich  mit  b  identisch  und  nicht 
mit  b  identisch.  Die  spezifische  legale  Notwendigkeit  a=a  und  a  ent- 
weder -T  b  oder  nicht  "l  b  kann  ich  daher  nur  apodiktisch  denken.  ?<ii 
di«  Nonnalbegrifle  und  Normalurteile  der  Logik  gilt  dies  im  Sinn  eines 
Postulats  für  den  gesamten  formalen  Ablauf  des  Denkens. 

Di«  Sprache  hat  den  dwn  dacsestditen  Tatbestand  dadurch  verdnnktlt, 
daß  sie  speziell  die  Wörter  Notwendigk^t,  Möglichkeit,  müssen,  könnoi  so- 
wohl for  den  Tatbestand  O^Sale  Natwendi^eit,  seiunktive  USglicJikeit)  «b 
fOr  den  modalen  Clharakter  des  Urteils  braucht  „a  ist  [=i  b,  a  muS  =.  b  sein* 
kann  entweder  bedeuten,  daS  ich  von  der  Glei<Meit  von  a  und  b  flberteufl 
hin.  also  Gegenassoziationen  fehlen,  oder  daB  mein  Tkteil  eine  legale  Nol- 
neiidigkeit  zum  Inhalt  hat;  sehr  o[t  hat  es  beide  Bedeutungen. 

Die  sog.  GewiUheit  ist  zunächst  nichts  anderes  ais  der  eigenarliie 
yarchische  Zustand,  der  dem  Verhalten  der  Gegen-  und  Ffliasso^aliaMii 
entspricht.  Sie  ist  also  als  solche  rein  subieküv.  Ihre  Quellen  sind,  psirdu- 
logisch  betrachtet,  sehr  verschieden:  das  Überwiegen  der  FQrassoziatioDeii 
kann  auf  aktuellen  Empfindungen  (EmptindungsgewiBheit),  unmiltelbueB 
Erinnerungen,  überwiegender  Konstellation,  der  latentm  Vorstellungen  in  der 
Richtung  des  behaupteten  Urteils  u.  a.  beruhen.  Am  intensivsten  ist  ae, 
soweit  unser  Denken  unmittelbar  unter  das  logische  Idcntitfltsprinzip  fillLi 
Hier  ist  der  Denkakt  (z.  B.  a=.a)  nicht  nur  wie  jeder  andere  psychophysio- 
logisch determiniert  (nezessilierl),  sondern  die  allgemeinste  gignomenologiKbe 
Erfahrung  lehrt  uns  auch,  daß  ein  entgegengesetztes  Urtal  übeirhaupt  unter 
keinen  Umständen  erfolgen  kann,  Gegenaas oziationen  also  überhaupt  nidit 
auftreten  können.  Im  Sinn  eines  idealen  Postulats  fordern  wir  dieselbe  sot- 
Kbsolule  GewiBheit  auch  fQr  alle  L'rteile,  indem  wir  das  Identitätspiinüp  auf 
den  Gesamtverlauf  des  Denkens  ausdehnen  (.\orma)isierung).  Di^e  (jewiB' 
heit  ist  rein  forma).  Haben  wir  andrerseits  einmal  auch  irgendwelche 
materiale  Gesetze  und  damit  legale  Notwendigkeiten  anerkannt  >).  so  tritt 
auch  iQr  Urteile,  die  diesen  Gesetzen  entsprechen,  z.  B.  einen  Einzelfall  einon 
solchen  Gesetz  8ut>sumieren,  eine  veistfiriite  GewiQbeit  ein,  da  durch  die  Va^ 
^<tellunK  des  Gesetzes  Gegenassoziationen  unterdrückt  bzw.  aufgehoben 
werden.  Rine  solche  „legale"  GewiBheit  wird  dann  oft  in  miBvenitindlicber 
Weise  als  „objektiv"  bezeichnet.  Die  ericenntnistheoretiscbe  Bedeutung  der 
Gewißheit,  insbesondere  auch  die  Identität  der  GewiBheit  mit  dem  Geltunfs- 
bewuBtsein  (BewuBlaein  der  AdAquatheit  des  Urteils)  ist  bereits  in  §  66  kon 
l>esprochen  worden,  die  ausführliche  Erörierung  fällt  der  Erkenntnistheorie  zu. 

Für  die  Logik  er^bt  eich  aas  allen  diesen  Erörtenuigeii 
(]ie  Folgerung,  daß  die  Einteilung  der  Urteile  nach  der  Mo- 
dalität streng  von  der  Einteilung  der  tTrt«ile  nach  dem  Tat- 

*)  Die  AntumentbeKtehung  (vgl.  S.  368)  kann  dabei  sehr  verschie- 
de n  sein. 

*)  Uan  muU  scharf  7.wischen  der  legalen  Nolwendigkeil  eines  Urt^to 
und  dem  Urleil  aber  eine  legale  Notnendigkeil  unterscheiden. 


OgIC 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  687 

bestand  des  Urteüsiahalts  getrennt  werden  mufi.  Auf  Onuid 
der  ersteren  (modalen)  Binteilnns  nnterscheiden  wir  apo- 
diktische, problematieehe  nnd  prothetiscbe  Urteile,  auf 
Grand  der  letzteren  (faktiven)  l^ale,  sejnnktiTe  and  posi- 
tionelle. 

Zwischen  den  iOassen  der  tnodalen  und  der  faktiven  Urteile  besteht 
ein  leidit  eikeunbarer  Zusammenhang.  So  gebt  z.  B.  ein  thetisches  sejunk- 
lives  Möglichkeilsurteil  in  ein  problemalisches  Urteil  Ober,  wenn  der  Urteilende 
die  einzelnen  Glieder  der  Dishmküon  bnw.  ihre  relative  H&ufigkeit.  nicht 
kennt  und  trotzdem  ein  auf  e  i  n  Glied  gerichtetes,  entsiirechend  ungewines 
Urt«il  versucht.  Statt  einen  Fall  unter  vielen  bestimmt  als  möglich  zu 
behauptm,  behaupte  ich  dann  ungewiß  diesen  einen  Fall  schlechthin. 

Die  sejunktiven  Urteile  haben  (Qr  die  Logik  insofern  noch  ein 
besonderes  Interesse,  als. sie  besonders  oft  mit  pioblematiachen  verwechselt 
««den.  De«  Unterschied  möeen  die  beiden  folgenden  Seispiele  erUutem: 
„der  Hond  ist  vielldcht  bewohnt"  un4  „eine  Labiale  kann  zwei  StaubgefUe 
haben".  Das  erste  Urteil  ist  problematisch,  das  zweite  ist  seiunktiv.  Dabei 
wird  vorausgesetzt,  daS  ich  bei  dem  ersten  Urteil  für  ans,  Bewobntsein  des  , 
Mondes  Gründe,  aber  keine  ausreichenden  habe,  daB  ich  dlacesen  bei  dem 
2w«iteD  Urteil  sehr  geoau  weiS,  dafi  die  Labiaten  zum  Teil  vier,  zum  Teil 
aber  auch  nur  zwei  Staubgefäße  haben.  Der  Unterschied  Ist  hier  oBenbar 
der:  bei  dem  ersten  Urteil  stehen  den  zustimmenden  .^soziationen 
widersprediende  gegenOber,  bei  dem  zweiten  ist  von  einem  sakhen  Kampf 
der  Assoziationen  gar  keine  Rede,  sondern  mir  ist  das  Urteil  gegenwärtig, 
dafi  alle  Labiaten  entweder  zwei  odH'  vier  Slauhgef&Qe  habra,  und  auf  Grund 
dieses  sog.  disjunktiven,  durch  „entweder  —  oder"  charakleiisierten  Urteib 
iällHi  wir  das  sekundäre  Urteil,  eine  I^iate  könne  zwei  Staubgefäße  haben. 
Das  „kann"  hat  also  in  den  beiden  Urtnlen  eine  ganz  verschiedene  Be- 
deutimg:  im  problematischen  Urteil  (Ober  den  Hond)  ist  es  ein  Ausdruck 
meiner  Unwissenheit  und  UngewiBheit,  im  seiunktiven  (über  eine  Labiale) 
ein  Ausdruck  der  Unbestimmtheit  (Allgemeinheit)  des  Subjektsbegrifls,  in- 
sofern dieses  mehrere  Glieder  umfaBt  und  das  Prädikat  nur  einem  Teil  der 
Olied»  zukommt*).  Das  deutsche  Wort  „vielleicht"  wird  in  der  Regel  nur 
im  eisteren  Fall  gebraucht ')  (im  Griechischen  der  Optativns  potenliatis  mit 
«r  und  event  noch  mit  faotf  verbunden). 

*)  Der  Unterschied  zwischen  problematischer  und  äeiunküver  Möglich- 
keit besteht  also  nicht  etwa  darin,  daS  erstere  nur  gedacht,  letztere  aber 
„real"  wftre.  In  dem  Gegebenen  (in  der  sog.  Wirklichkeit)  ist  mit  der  Ge- 
samtheit der  Bedingungen  stets  die  Folge  notwendig  gegeben  (wenn  auch 
zuweilen  erst  in  der  Zukunft).  Nur  wenn  wir  eine  oder  mehrere  Bedingungen 
wesdenken,  ergibt  sich  die  sejunktiTe  Möglichkeit  der  Folge.  Ein 
Gemisdi  von  Sauerstoff  und  Wasserstoff  im  Verhältnis  von  1 : 2  ist  in  Wirii- 
lichkeit  stets  unter  bestimmten  Vertiältnissen  oder  Bedingungen  (etachUtteri 
oder  nicht  erscbflttert,  erwärmt  oder  nicht  erwärmt)  gegä>en  tmd  don- 
entsprecbend  sein  Verhalten  —  ab  Explonon  oder  nicht  —  eindeutig  be- 
stimmt; von  der  Möglichkeit  einer  Explosion  kann  ich  erst  sprechen,  wenn 
ich  eine  oder  einige  Bedingungen  weg  denke,  nicht  kenne  usf. 

^  Vgl  die  aurfdhrlichen  Erörterungen  Ober  seiunkUve  Urteile  in  meiner 
Erkenntnistheorie,  Jena  1918,  S.  367  ff. 

„.,,„,^.oogic 


Qgg       IV.  T«il.    Die  äDHlDen  lofischen  Gebilde  nnd  ihre  Gesetze. 

Man  kann  nicht  etwa  eiovenden,  daB  im  eraten  Urteil  doch  auch  öne 
DiauBklion  Toriiege,  iasofem  dv  Mood  entweder  bewohnt  oder  mcht'bewohiit 
nein  mOsse.  Eine  solche  rein  negative  Diaiunktion  (tcL  S.  SB3)  ist  ffir  «dmi 
WiMea  bedeutungslos. 

Auch  die  letzte  Erörterung  besUtigt  noclHnals,  daB  die  sejunktifeD 
Urteile  for  die  logische  Betrachtung  ebensowenig  wie  die  legalen  und  poM- 
tttmellen  eine  llodali t i t sklaaae  der  Urteile  Ulden.  Eine  besondere  Art 
der  Geltung  und  der  OewiBheit  kommt  ihnen  gar  nicht  sn,  sondern  der 
Umfang  der  Geltung  wird  bei  ihnen  in  ganz  besoaderer  Weis»  beschiiiiU: 
„eine  Labiate  kann  zwei  StaubgeUBe  haben"  bedeutet  soviel  wie  „eiiice 
labialen  haben  zwei  StaubgefSJe",  ist  also  einem  partikulfiren  Urteil  äqm- 
Tatent.  So  wird  es  auch  TersUndlich,  daB  ein  sejunktires  Urteil  selbst  wieda 
apodiktisch  oder  problematisch  oder  prothetlsch  sein  kann.  So  kann  z.  6. 
jemand,  der  in  der  Botanik  nicht  bewandert  ist,  sagen:  eine  Labiate  kma 
fieileicht  xw&  StaubgefiBe  haben;  dann  ist  eben  das  primäre  disjnnktiw 
Urteil  problematisch  und  übertr&gt  den  problematischen  Charakter  aui  du 
sekundAre  sejunktive.    Vgl.  S.  68Ö. 

Die  Dis-  und  Seiunktion  kann  sich  statt  auf  die  Glieder  eines  AUgemnn- 
begriHs  auch  auf  die  QUeder  eines  Kontraktionsbegriffs  beziehen,  indesatn 
verwenden  wir  in  einem  solchen  Fall  bemerke  nswerterweise  das  HiUszeitwuri 
„köon^"  nicht.  Wir  sagen  also  beispielsweise  nicht:  „Frankreich  kam 
«in  Königreich  gewesen  sein"  im  Sinn  von:  „Frankreich  ist  während  ein» 
Phase  seiner  Geschichte  ein  Königreich  gewesen".  Ahnlich  rerbUt  es  sdi 
mit  den  Teilen  eines  Komplexionsbegrifis;  wir  sagen  bebpielsweise  iticbt 
„dies  Zebia  kann  weiB  sein",  wenn  wir  sagen  wollen,  daB  das  Zebn 
teilweise  weiB  ist.  Diese  ungleichartige  siirachliche  Ausdnicksweise  troli 
erbdilicher  logischer  Analogien  h&ngt  wohl  vorzugsweise  damit  zusammen, 
daB  sich  Disjunktionen  bei  der  Oeneralisation  sehr  viel  häufiger  ergeben  ab 
bei  der  Kontraktion  und  Komplexion,  und  daS  das  Wort  ,JcOnnen"  nur  bä 
solchen  Disjunktionen  gebraucht  zu  werden  pflegt.  Einen  lehrreichen  Obe^ 
gangsfall  bilden  Zukunflsurteile  wie;  „dieser  Krieg  kann  mit  einer  scfawefeD 
Niederlage  enden"  *). 

Der  Terminus  HVkhsAsinHdAiär  kann  gleichf&Us  entweder  mit  Be- 
zug auf  die  Modalität  oder  mit  Bezug  auf  den  Tatbestand  gebraucht  werden. 
Im  ersten  Fall  spricht  man  von  modaler  oder  subjektiver  WahrscheinlicbkeiL 
Diese  ist  also  nichts  anderes  als  die  mehr  oder  weniger  bestimmt  :iuantitati* 
ausgedrückte,  dem  VerhäUnis  der  Fftrassoziationen  zu  den  Gegenassozi*- 
lionen  entsprechende  (subjektive)  GewiUheit  (S.  384  u.  686).  Ihre  quanütathre 
Bemessung  ist  äuBerst  ungenau.  Im  zweiten  Fall  handelt  es  sich  um  fak- 
tische oder  sejunktive  Wahrscheinlichkeit  (weniger  zweckmäßig  auch  obiefc- 
live  oder  reale  oder  gar  logische  Wahrscheinlichkeit  genannt).  Sie  ist  die 
aus  einer  richtigen  und  vollständigen  Disjunktion  der  Bedingungen  gesetz- 
ia£Big  ableitbare,  relative  Bäu&gkeit  der  Folge  bei  (i«gebensein  eines  be- 
stimmten Teils  der  Bedingungen.  Die  Logik  hat  es  mit  diesen  Fragen  oickt 
zu  tun.  Bezüglich  der  Gesetze  ier  subjektiven  Wahrscheinlichkeit  ist  die 
Psvchologie,   bezüglich   der  Gesetze  der    sejunktiven    die   Mathematik  zu- 


•)  Interessant  ist  auch,  daB  wir  das  Hilfszeitwort  „können"  ziemBÄ 
oft,  namentlich  im  alltäglichen  Sprechen,  logisch  febleriutft  auch  im  disjunk- 
tiven Urteil  verwenden:  „S  kann  «itweder  P,  oder  P,  sein"  slat!  ^  iit 
entweder  P    oder  P  ". 


OgIC 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  Qg9' 

stAodie.  Vsl.  aucb  S.  Bli,  Anm.  4^^  366,  384,  413.  Bin«  ausfOhrliciie  Dar- 
stellung findet  man  z.  B.  bei  A.  Meinong,  Über  Möglichkeit  und  Wahrschein- 
lichkeit, Lpz.  191&;  J.  V.  KricB,  Die  Prinzipien  der  Wahrscheinlichkeits- 
rechnung, Freiburg  1386;  A,  Gallinger,  Über  das  Problem  der  objektiven 
Möglichkeil,  Lpz.  1912;  U.  Poincar«,  Cakul  des  probabllit^s,  Paris  1896, 
S.  Aufl.,  1912. 

Historische  Bemerkungen.  Bei  Aristoteles  nird  die 
logische,  die  psychologische  und  die  legale  Notwendigkeit  des  Tatbeslandes 
nodi  nicht  scharf  genug  unterschieden.  Dasselbe  gilt  von  den  3  Möghch- 
keilen.  Er  zählt  bereits  die  drei  Urteilsformen  auf,  die  heute  als  die  asser- 
lorische,  apodiktische  und  prohleniatische  bezeichnet  werden:  niaa  ngiimalt 
iattf  q  in  iai^x**"  ^  "''  ^  äwuyxrit  enä^piv  ^  lof  ifiij(vitmt  ijtäg^tw  (Akad. 
An^.  25a,  s.  auch  De  Interpret  c.  12  ft.).  Die  EommeDlatoren  des  Aiislotales 
(vgL  I.  B.  Ammomos,  Comm.  in  L.  de  Interpret,  Akad,  Ausg.  Bd.  IT,  P.  5, 
Beri.  1897,  f.  172  r,  B.  214)  sprachen  von  einer  Einteilung  nach  dem  ,T^ar* 
(^  ^tavq  Vnftaitfovoa,  Sn»s  v!*ÜQ](fi  lö  »tcniyo^Vfiwor  Tfi  vflQxtifiif^)  und  von 
Jtfttävut  fiai  j^Tna.  Die  AoTiählung  ond  die  Termini  schwankten  sehr.  Am- 
monins  ilhlt  z,  B.  4  i^nref  auf :  «i^j'xabf ,  ^foiis,  iyi*xifttfoe  tind  «devanvO)- 
Boöthius  (De  Interpret)  äbeisetzte  T^mtf  mit  modus.  Der Unteivcbied  zmi- 
sdien  possibilis  (ivirtait)  und  contingens  (ir&cxi/t*yK),  der  schon  bei  Aristoteles 
vorhanden,  aber  nicht  scharf  ist  (vgl.  PrantI,  Gesch.  d.  Log.  i.  AbendL  Bd.  1, 
3.166  ff.),  blieb  unklar.  Ahaelard  (Dialect  ed.  Cousin,  5.3688.)  spricht  sdion 
von  propositiones  „modales"  {j^tjtutal  sporaVfif,  I^ellus).  Die  Unterschei- 
dung von  contingens  und  possibilis  lieB  man  zeitweise  fallen.  Bei  den 
arabischen  Logikern  wurden  die  roodi  in  der  Regel  folsendeimaßen  auf- 
gezahlt: possibile,  necessarium  und  inventiva  (oder  de  inssse).  "Vfilh.  von 
Shyreswood  stellt  die  enuntiatio  de  inesse  der  enuntiaüo  modalis  gegenOber; 
die  erstere  simpliciler  significat  inhaerentiam  praedicali  cum  subjecto,  i.  e. 
jion  determinando  qualiler  inhaerent  (nach  Prantl,  I.  c.  Bd.  3,  Abschn.  XVn, 
Anm.  *!)•).  Zeilweise  (Psellus)  wurden  auch  „richtig"  und  „falsch"  als 
modi  betrachtet.  Durchweg  galt  der  Modus  als  ein  Bestandteil  des  Prädikats 
(vgl.  Albertus  Magnus,  Opp.  ed,  Jamtny  Lugd.  1661,  Periherm.  Lib.  2,  Tract  ü, 
Cap.  2,  S,  279).  Andrerseits  unterschied  man  doch  auch  seit  Psellus,  W.  v. 
Shyreswood  u.  a.  einen  modus  nominalis  und  einen  modus  adverbialis,  je 
nachdem  der  Mudus  zum  Subjekt  oder  Prädikat  gehören  sollte.  Später  sprach 
man  von  einem  scnsus  compositus,  wenn  die  Modalitatsbezeichnung  zum 
Sulnekt  oder  zum  Prädikat  gehört,  und  von  einem  modus  divisus,  wenn  sie 
sich  auf  die  Kopula  bezieht,  und  nannte  das  Urteil  im  ersterea  Fall  eine  pro- 
posiüo  composita,  im  letzteren  eine  prop.  divisa  (vgl.  z.  B.  Duns  Scotus, 
Quaest  super  Analyt.  prior.  I,  Qu.  25,  2,  Opp.  omnia  ed.  Paris  1891,  Bd.  2, 
S.  142;  weitere  Literaturangaben  bei  Prantl  1.  c  TTl,  S.  130  f.  u.  385  f.).  Bei 
dem  sog.  Pseudo-Thomas  werden  propositiones  modales  de  diclo  (=>  vere 
modales)  und  de  re  unterschieden;  bei  ersleren  bezieht  sich  die  necessitas 
auf  das  Urteil,  bei  letzteren  auf  den  Sachverhalt  (vgl.  Prantl  1.  c.  DI,  S.  2^, 
Anm.  326).  Occam  fOhrt  eine  groBe  Zahl  von  modalen  Propositionen  an. 
darunter  bemeikenswerterweise  auch  solche  wie  scita,  dubitata,  opinata  usf. 
Gegen  die  aristotelisch-scholastische  Hodalitätslehre  wandten  sich  bereits 
Laurentius  Valla  (Dialecl.  disput.  Lib.  2,  Cap.  19,  ed.  Colon.  1341,  S.  196) 


*)  An  W.  v.  Shyreswood  schlieBt  sich  zum  Teil  wörtlich  die  Schrift  v 
Thomas  v.  Aquino,  De  proposilionibus  modalibus,  an.    ■ 
Zishen,  Labrbneh  der  Logik. 


OgIC 


^90       IV.  Teil    Die  eingelnen  logiacheo  GcMlde  und  ihr»  Gtaetze. 

und  Ludovicus  Vtves  (De  ousis  coirupt  ut  Lib.  lU,  Cap.  2,  Opp.  aaaät, 
VaL  Edet  1780^  Bd.  6,  S.  117)  mit  be&chtenswerteD  Jürsumeuten. 

Einen  nicbt  unwesentüchen  Fortschritt  bedeutet  die  Darstelhuis  in  der 
Lociiiue  de  Port-RoraK  ed.  Jourdain,  Paris  1861,  S.  113).  Sie  betont,  d«t 
manche  Urteile  .Jtomplei:"  seien,  weil  in  ihnen  Todcommen  „des  temiee  on 
des  propositions  incidentes  qui  ne  resardent  <iue  la  fonne  de  U  propoaitkin, 
c'eat-4-dire  l'affinnation  ou  la  ntetion  oui  est  exprimte  psr  )e  veibe'. 
Hierher  Befaflren  also  z.  B.  auch  Sitze  wie  „je  aouUens,  ü  est  vrai,  je  nie  elc, 
que  la  lerre  est  ronde";  ,je  sontiens"  ist  hier  proposiUon  inddeate,  nurjuvni 
de  l'affinnation".  Die  vier  modalen  Urteilaklassen  der  SchullogUc  .fiosäHt, 
impossiUe,  contingent  und  niceesaiie"  (so  wurden  sie  auch  in  der  qiiteieD 
Scholastik  iwch  aufcezihlt)  Beböien  zu  diesen  komplexen  Urteilen.  Da  ttfr 
jeden  Modus  sowohl  affinnation  oder  nisation  de  la  proposition  wie  afSrmt- 
tion  oder  ntiation  du  mode  in  Betracht  kommt,  so  erhält  man  inneiluJb 
eines  jeden  Modus  vier  FftUe  (einigermaBen  ihnlich  sdwn  Petrus  HispaUK 
Summulae  losicales  1,  ed.  1822,  S.  12B.). 

Die  Wolf  fache  Schule  forderte  die  Modalitätstehre  nur  insofern,  ah 
sie  die  Einteilung  vereinfachte.  Beispielsweise  sei  aus  Baumgartens  Acroasif 
losica,  ä.  Aufl.  1773,  S.  U,  §  243  angefahrt:  Hodi  (formales)  in  propoeitione 
sunt  conceptua  vet  termipi  siguificantes  uecessttatem  vel  contingentiam  coa- 
venientiae  aut  repugnantiae;  propositio,  quae  modum  habet  opreasum,  tst 
modalis  (impura,  modificala),  non  modalis  est  pura.  Nicht  selten  «indt 
damals  die  HodalitU  auch  auf  den  „Grad"  der  Bejahung  oder  Vemeiniuki 
bezogen  (z.  B.  Crusius,  Weg  z.  GewiSheit,  Lpz.  1747,  g  226,  S.  430). 

Kant  (Krit  d.  rein.  Vera.,  Kehrb.-Auag.  S.  93)  bat  dann  lOr  die  diei 
Klassen  der  Wotffschen  Schule  —  propositiones  neoessariae,  contingrattes  ufid 
purae  —  die  Bezeichnungen  „apodiktische,  problematische  und  assertoriachi 
Urteile"  eingebOnert  ><>)'  ^^^  problematischen  werden  von  ihm  definiut  ab 
„solche,  wo  man  das  Beiahen  oder  Verneinen  als  bloß  möglich  (belidail 
annimmt",  die  assertorischen  als  solche,  „da  es  als  wirklich  (wahr)  be- 
trachtet wird",  die  apodiktischen  ab  sokhe,  ,4n  denen  man  es  als  not- 
wendig ansieht".  Der  problematische  Salz  „drückt  nur  logische  Mü- 
lichkeit,  die  nicht  objektiv  ist,  aus,  d.  i.  eine  freie  Wahl,  einen  solchen  Sati 
gelten  zu  lassen  .  .  '.",  der  apodiktische  Satz  denkt  sich  den  assertoriscbui 
durch  die  Gesetze  des  Verstahdes  selbst  bestimmt,  „und  daher  a  piian  be- 
hauplend"  und  „drückt  auf  solche  Weise  logische  Notwendi^eit  aus",  b 
seiner  von  Jaeschs  herausgegebenen  Logik  (g  SO)  gibt  Kant  ähnliche  Defi- 
nitionen; terminologisch  ist  nur  bemerkenswert,  daB  er  die  BezeiduraU 
„Satz"  hiü  dem  problematischen  Urteil  abspricht  und  einen  ,j>roblemaliscbeD 
Salz"  für  eine  contradictio  in  adjecto  eAlärt,  obwiriil  er  diesen  Ausdruck  io 
der  Kritik  der  reinen  Vernunft  selbst  braucht  Ebendaselbst  (EinleiL  Ab- 
schnitt DE)  unterscheidet  er  nach  der  „fjewißheit"  drei  „Modi  des  Ftlrwahr- 


'")  Es  lag  ihm  damals  auch  die  Einteilung  Lamberts  „nach  dem  Dnter- 
schicde  des  MSglicben,  WirUichen,  Notwendigen  und  ihres  Gegensatzes"  vor 
(Neues  Ovanon,  Lpz.  1764,  Bd.  1,  S,  88).  Die  Bezeichnung  „assärtorisch" 
^>cheint  von  Kant  neu  eingeführt  worden  zu  sein,  vielleicht  in  Anlehnung  an 
die  Recbtssprache  (P.  Hauck,  Kantstud.  1906,  XI,  S.  20B).  Die  Heitunfl  der 
Bezeichnungen  „apodiktisch"  und  ,j)K)blematisch"  bedarf  noch  weiterer  Auf- 
klärung (vgl.  P.  Hauck,  L  c.  S.  S04).  Siehe  auch  LovejoT,  Kants  classific- 
of  the  forms  of  iudgment,  Philos.  Rev.  1907,  Bd.  16,  S.  699. 


2.  Kftpitd.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  QQ\ 

ballens:  "HeineD,  Glauben  und  Wissen"  und  fQgt  wörtlich  hinzu:  „das 
Meinen  ist  ein  problematisches,  das  Glaul}en  ein  assertori- 
sches und  das  Wissen  ein  apodiktisches  Urteilen";  „assertorisch" 
ist  nach  der  hier  tolgenden  Erläuterung  1=  nicht  objektiv,  sondern  nur  sub- 
jektiv notwendlE  (nur  für  mich  geltend),  „apodiktisch  gevifi"  :=  allgemein 
and  objektiv  notwendig  (für  alle  geltend).  Es  scheint  mir  klai  zu  sein,  daB 
Kant  in  diesen  Definitionen  nicht  scharf  genug  zwischen  dem  Grad  der  das 
Urteil  begleitenden  Gewi&heit  (im  subi^Uven  Sinn)  und  dem  Ursprung  dieser 
Gewißheit  unterscheidet.  Seine  Bemerkung,  dafl  die  Modalität  nichts  zum 
Inhalt  des  Urteils  beitrage,  sondern  nur  den  Wert  der  Kopula  in  Beziehung 
auf  das  Denken  Oberhaupt  angehe  (Eiit.  d.  rein.  Vem.,  Kehrb.  Ausg.  S.  92), 
ist  in  ihrem  zweiten  Teil  sehr  vieldeutig.  Weitere  Verwirrung  ist  dadurdi 
entstanden,  daB  £.  Urteile,  die  eine  Unmöglichkeit  ausdrücken,  als  negative 
problematische  Urteile  aulzufassen  scheint  (1.  c.  S.  96  wird  die  Unmöglichkeit 
zusammen  mit  der  HAglichkeit  als  Kategorie  dem  problematischen  Urteil  zu- 
geordnet, vgl.  dagegen  ebenda  S.  1^;  offenbar  sind  n&mtich  die  Unmöglich- 
keitsurteile  vielmehr  negative  apodiktische  Urteile  (vgl.  hierzu  Ueberweg,  SysL 
d.  Log.,  b.  Aufl.  Bonn  188%  S.  20»). 

Unter  den  Arbeiten  der  alteren  und  neueren  Eantschen  Schule  über  die 
Urieilsmod&litat  sind  namentlich  die  logischen  Studien  von  Friedr.  Alb.  Lange 
(Iseriobn  1877,  2.  Abb.,  S.  30—64)  zu  nennen.  Der  letzUre  gibt  auch  eine 
treffende  Kritik  der  einschlägigen  Ansichten  von  Trendelenburg  (Log.  Unters., 
^.  Aufl.,  Bd.  2,  S.  leS)  und  Ueberweg  (L  c.  Unterscheidung  von  innerem 
Grund  und  &ufieren  Bedingungen).  Eine  weitere  Reform  i6r  Modali tälslehre 
.ist  dann  von  Sigwart  (Logik,  2.  Aufl.  Freiburg  1889,  S.  289 fl.)  und  von 
B.  Erdmann  (Logik,  1.  Bd.,  2.  Aufl.  Halte  1907,  S.  520 II.)  ausgegangen. 

S  11^    BeziehnnKen  der  Urteile  untereinander.    Ans  den 

in  ^  112 — 117  erörterten  Einteilangen  e^eben  sich  zahl- 
reiche Beziehtm^D  zwiachen  einzelnen  Urteilen.  Beispiels- 
weise sei  an  die  negierende  Opposition  (sublatorische  und 
restriktorische,  vgl.  S.  646),  die  Kontradiktion  (S.  649)  and 
die  Eontrarietät  (S.  647)  erinnert.  Nene,  von  diesen  Eintei- 
lungen nnabbängige  Beziehungen  ergeben  sich,  wenn  man 
die  inhaltlichen  Beziehungen  der  Snbjektsbegriffe  oder  der 
Prädikatsbegriffe  zweier  oder  eventnell  auch  zahlreicher 
Urteile  berücksichtigt,  unter  diesen  sei  nnr  eine  hier  be- 
sonders hervorgehoben:  die  S.  648  bereits  flüchtig  erwähnte 
EontTarianz.  Zwei  Urteile  sollen  kontrariant  heißen, 
wenn  sie  im  übrigen  völlig  übereinstimmen,  aber  der  Prä- 
dikatsbegriff  des  einen  konträr  zum  Prädikatsbegriff  des 
anderen  ist  (vgl.  S.  578).  Beispiel:  die  Tranerfarbe  ist 
schwarz  —  die  Tranerfarbe  ist  weiß.  Außer  dieser  Prädi- 
katskontrarianz  existiert  auch  eine  Snbjektskontrarianz; 
Beispiel :  Schwarz  ist  zu  den  Farben  zu  rechnen  —  Weiß  ist 
zu  den  Farben  zn  rechnen.  Über  die  Terminologie,  insbeson- 
dere die  Unterscheidung  vom  konträren  Urteil  vgi.  8.  647. 

44*    - 

„.,.,„,>..oo^sic 


ß92        '^'  ^^''-    ^'^  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

Als  aquipollent  werdeu  Urteile  bezeichnet,  welcbe 
denselben  Inhalt  haben,  diesen  Inhalt  aber  sprachlich  in 
verschiedener  Weise  ausdrücken  (vgl.  Appnlejus,  i7«^  hfV-' 
hier  S.  559  bereits  erwähnt;  Boethins  sprach  von  proposi- 
tiones  „oonsentientes",  Abaelard  bürgerte  die  Bözeiehnnog 
aeqnipollentes  wieder  ein). 

Da  eine  vallstlmdiee  ZusammenslelluoK  aller  denkbaren  Gitöls- 
beziehungen  wegen  Bauminangeb  hier  niclit  gegeben  weiden  kann  und  tnl 
die  zerstreuten  Bemerkungen  in  den  früheren  und  folgenden  ParagraiAo) 
verwiegen  werden  muß.  so  sei  wenigstens  die  figOilicbe  Darstellung  einiier 
HauptbeziehungeD,  wie  sie  seit  BoCthius  (De  inteipret.,  Mignes  Patrolofie 
Bd.  M,  S.  S21)  vielfach  Qblicti  gewesen  ist,  kurz  angefahrt: 


SDbcontnriu  {quidam  homa  Jnitnj  dm  •■) 


%  119.  Logische  Urtellsprlnzipien.  Die  erkenntnistheo- 
retische Grundlegung  hat  in  ^  87  zu  der  Aufstellung  des 
logischen  Identitätsprinzips  geführt  (Formel  a  =  a).  Dort 
ergab  sich  auch,  daß  die  formale  Richtigkeit  aller  Urteile 
an  der  Hand  dieses  Prinzips  kontrolliert  werden  kann  und 
ntnB.  Durch  die  Einführung  der  N^egation  ergeben  sich 
zwei  weitere  abgeleitete  logische  Urteilsprinzipien '),  näm- 
lich folgende: 

1.  es  ist  nicht  möglich,  daß  a  —  non-a,  oder:  a  ist  nicht 
non-a  (Principium  contradictionis  primum) '"), 

2.  es  ist  nicht  möglich,  daß  dasselbe  identische  a  das 
Merkmal  b  hat  und  überhaupt  nicht  hat,  oder:  dasselbe  iden- 
tische a  hat  entweder  das  Merkmal  b  oder  hat  es  überhaupt 
nicht  (Principium  contradictionis  seeuudnm). 

')  Erdmann  (Logik,  2.  Aun..  S.  ölS)  bezeichnet  sie  als  „Grundsitze  der 
Verneinung".    Ui  non-a  in  der  S.  423,  .*nm,  1  festgesetzten  BedMtnnt- 


2.  Kspilel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  693 

BeDutzt  man  die  beiden  Prinzipien  zdf  Prüfung  der 
Urteile  aaf  ihre  Bichtigheit,  so  kann  man  sie  anch  formu- 
lieren : 

1'.  das  urteil  a^=non-a  ist  unrichtig  (Principium  dis- 
graentiae) ; 

3'.  die  Urteile  „a  hat  das  Merkmal  b"  uml  „dasselbe 
identische  a  hat  das  Merkmal  b  überhaupt  nicht",  können 
nicht  beide  richtig  sein,  sondern  es  ist  stets  nnr  dae  eine  oder 
d^  andere  richtig  (auch  als  Principium  exclusi  tertii  eive 
medii  seil,  inter  duo  contradictoria  bezeichnet). 

Die  BenenounK,  Aufzählune  und  FormulierunE  dieser 
logiseben  Prinzipien  hat  bis  heute  sehr  geschwankt.  Was  dieBenonnuns 
betrifit,  so  ist  ea  noch  immer  üblich,  das  Prinzip  2  als  Prindpium  contn- 
dictionis,  das  Prinzip  2*  als  Satz  des  Widerspruchs  zu  bezeichnen  und  zu 
unterscheiden  (siehe  z.  B.  Sigwart,  Logik,.  2.  Aufl.,  I,  S.  182),  ein  Verfahren, 
das  oBenbar  unerträtficb  ist,  wenn  man  bedenkt,  daß  die  eine  Bezeichnung 
eine  wörtliche  Übereetzung  der  anderen  ist.  —  Was  die  Aufzählung 
betriOt,  so  werden  oft  noch  einige  weitere  binzugefOgt.  Die  höchste  Zahl 
der  Grundsätze  der  Verneinung  findet  sich  bei  B.  Erdmann  i\.  c.  S.  614). 
Es  kommen  nändich  zu  den  oben  angeführten  noch  folgende  hinzu:  „Keinem 
Gegenstand  darf  zugesprochen  werden,  was  seinem  prädikativen  Inhalt  fehlt", 
„die  Verneinung  einer  Verneinung  ist  eine  mittelbare  Bejahung"  (alte  Formu- 
lierung: duplex  neeatio  affimmt).  und  „es  ist  notwendig.  daB  dasselbe  „dem- 
selben unter  denselben  Voraussetzungen  zukonmie  oder  nicht  zukomme". 
Von  diesen  Sätzen  scheint  mir  der  erste  im  Hinblick  auf  die  sTuthetiacben 
Urteile  sehr  nüBverständlich ;  JaBt  man  ihn  aber  ao  auf,  daS  er  auch  svn- 
tbetiscbe  Urleile  zuläßt,  so  fällt  er  mit  2  zusammen.  Die  Obrigen  stellen 
nur  Weiterbildungen  der  Hauptprinzipien  dar,  die  wohl  entbehrlich  sind.  — 
Was  die  Formulierung  anlangt,  so  ist  auch  diese  bemerkenswerterweise 
noch  strittig.  Insbesondere  gilt  dies  von  dem  Principium  contradictionJs 
secundum.  Man  glaubt  oft  tünzufügen  zu  müssen  „zugleich"  (viele  ältere 
Logiker,  Sigwart)  oder  „unter  denselben  Voraussetzungen",  und  zwar  im 
Hinblick  darauf,  daß  ein  a  säir  wohl  zum  Teil  das  Prädikat  b  haben,  zum 
Teil  nicht  haben,  also  z.  B.  teils  schwarz,  teils  nicht  schwarz  sein  kann  (und 
analog  zu  verschiedenen  Zeiten,  von  verschiedenen  Standpunkten  aus  usf.). 
In  der  Tat  gilt  das  Princ.  contr.  n  in  der  Form  „es  nicht  möglich,  daB  a 
das  Meitma!  b  hat  und  nicht  hat",  zunächst  nur  für  einfache  individuelle 
ankontrahierte  Begriffe  und  fällt  hier  —  da  b  wegen  der  Einfachheit  von  a 
mit  a  identisch  sein  muB  —  mit  dem  Princ.  contr.  1  zusammen.  Um  ihm 
auch  fOr  komplexe  Begriffe  seine  Gültigkeit  zu  erhalten,  ist  oben  „überhaupt" 
eingefflgt  worden.  Damit  ist  zugleich  auch  die  Gültigkeil  für  Kontraklions- 
begriffe  hergestellt.  Dem  Haben  des  Merkmals  b  niderspricht  bei  solchen 
nicht  nur  das  „zur  gleichen  Zeit  nicht-Haben  des  Merkmals  b".  sondern  auch 
das  „nieraals-Haben  des  Heritioala  b",  und  dem  trägt  das  Wörtchen  „über- 
haupt" Rechnung.  Endlich  ist  damit  auch  die  Ausdehnung  des  Prinzips  auf 
Allgemeinbegriffe  ermöglicht.  Es  ist  ausgeschlossen,  daB  einem  und  dem- 
selben AUgemeinbegriff,  selbst  wenn  man  entsprechend  den  Erörterungen  in 
§  97  in  die  Deflnilion  auch  inkonstante  Merkmale  nebenher  autnehmen  wollte, 

„.,,„,^.oogic 


g94       ^-  "^^^    ^'  einzelnen  loEischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

ein  Merkmal  b  sowohl  zukommt  wie  „überiuiupl"  nicht  zukommt.  Du 
Wortchen  „zugleich"  statt  „überhaupt"  anzuwenden  emp&ehlt  sich  nicht,  wnl 
es  einen  Spezialfall  einseilig  herausgreift.  Der  Erdmannache  Zusatz  „unter 
denselben  Voraussetzuosen"  scheint  mir  ebenlalls  nicht  Banz  passend.  Das 
Prinzip  verUert  seine  GOlliskeit  keinesweis  bei  jeder  Änderuns  der  Toraus- 
setzunsen.  Wesentlich  ist  nur,  da£  es  —  eioeriei  ob  die  Voraussetzuosen 
gleich  bleiben  oder  sich  Andern  —  ausgeacfalossen  ist,  dafi  a  das  Heiknwü  b 
hat  und  unter  keiner  Voraussetzung  hat.  Vfl.  auSeidem  die  unten  folgen- 
den historischen  Bemerkungen. 

AuBer  diesen  ans  der  Einführung  der  Vemeinons  sich 
ergebenden  logischen  Prinzipien  existieren  keine  weiteren, 
die  rein  formal  und  wirklich  allgemein  waren.  Nnr  dnreh  ' 
folgende  Überlegung  erhalten  wir  einen  Hinweis  auf  ein 
weiteres  Prinzip.  Wie  früher  nachgewiesen,  verbärgt  die 
Kongruenz  eines  Urteile  (vgl.  S.  422)  keineswegs  seine 
materiale  Bichligkeit  Wendet  man  also  die  soeben  ange- 
führten logischen  Prinzipien  bei  der  Prüfung  eines  Crteils 
an,  so  ergeben  sich  drei  Möglichkeit«! ;  entweder  das  Urteil 
verstöät  gegen  eines  dieser  Prinzipien  und  ist  dann  dis- 
gruent  und  daher  ancb  material  unrichtig,  oder  das  Urteil 
verstoßt  gegen  keines  dieser  Prinzipien  und  läßt  sich  sogar 
mit  Hilfe  derselben  ohne  anderweitige  Mittel  au£  dem  Sub- 
jektsbegrifF  herleiten  und  ist  dann  ein  sog.  analytisches 
Urteil  (vgl.  389  n.  676)  und  als  solches  stets  material  richtig, 
oder  das  Urteil  verstößt  gegen  keines  der  genannten  Prin- 
zipien, bedarf  aber  zu  seiner  Herleitnng  außer  diesen  Prin- 
zipien noch  anderer  Mittel  und  heißt  dann  synthetisch  und 
kann  dann  trotz  seiner  Kongrttenz  material  unrichtig  sein. 
Um  im  dritten  Pall  die  materiale  Bichtigkeit  des  Urteils 
sicherzustellen,  wird  für  das  Urteil  eine  zureichende  Be- 
grundnng  verlangt,  die  ihrerseita  an  zwei  Bedingungen  ge- 
knüpft ist:  erstens  müssen  die  Fundalien,  welche  das  Urteil 
begründen  (S.  264),  material  richtig  sein  (Solidität  des  Ur- 
teils, S.  284),  und  zweitens  muß  das  Urteil  aus  diesen  Fnn- 
dalien  formal  richtig,  d.  b.  ohne  Verletzung  der  logischen 
Prinzipien  (vgl.  §  87  u.  119)  hergeleitet  sein  (Konkrepanz 
des  Urteils,  S.  284).  Das  Postulat  einer  zureichenden  Be- 
gründung synthetischer  Urteile  wird  als  Grundsatz  der 
zureichenden   Begründung')    (Principinm  ra- 


1)  So  benennt  ihn  Erdmann  1.  c.  S.  410  und  trennt  ihn  von  dem  Grund- 
satz vom  zureichenden  Grunde,  den  E.  folgendermaßen  formuliert:  mit  dem 
zureichenden  Grunde  ist  die  Folge  denknolwendig  gesetzt,  mit  der  Folge  der 
zureichende  Grund  denknotirendig  aufgehoben. 

„.,,„A.OOglC 


2.  Eft[»(eL    Die  Letm  von  des  Urteilen.  605 

tionis  snfficientis)  bezeichnet.  Er  weist  bereits  in 
die  Lehre  vom  Sehlnfi  hinüber.  Vgrl,  auch  S.  381. 

Historisches.  Die  sehr  Terwickelte  Geschichte  der  Lehre  von  den 
toiischeit  UrteilsprinKipien  ■)  kann  hier  nur  kurz  skizziert  werden.  In  den 
oft  zitierten  Stellen  aus  Farmenides,  Sokrates  (Xenophons  Hemorabil.  IV,  3, 
21)  und  Plato  wird  die  ontologische  (roetarhTsische  oder,  wie  ich  sagen 
«Orde,  sisnomenologiBche)  und  die  Sosische  Bedeutung  der  Prinzipien  noch 
nicht  schart  unterschieden.  Aristoteles  lonnuUert  einerseits  den  ontologischen 
Salz :  tä  tmie  äfta  inägj^tir  ti  mal  fi^  irtiej;ttr  äivrutor  r^  svr^*  sei  »uiif  li 
a</ii  (Ak.  Ausg.  iOOÖb,  19;  1010b,  18  mit  dem  Zusatz  ir  t%  «Aip  z«*'V)  <ud 
andrerseits  den  logischen:  ßtßmunäiii  Jefa  naaü»  lö  fii  th/m  olq^Ä  Sfi». 
rä;  lintxu/tifiK  q^öaiir  (1011  b,  18  u.  16  u.  1012  a,  2).  Auch  veraucbt  er 
—  entsprechend  seinen  philosophischen  Gnmdlebren  —  beide  zueinander  in 
Beziehung  zu  setzen  (1006b,  1011b].  Das  Prinzip  S:  wird  formuliert: 
irmfMi  x^e  mt^ufiaiac  »äit^y  ilrat  fi^ur  äinSis  (1012  b).  Galen  (De  meth. 
med.  I,  i.  Med.  Gr&ec.  Opp.  ed.  KOfan,  Lips.  1836,  Bd.  10,  S.  37)  fahrt  das 
Princ.  excL  tertii  ausdrOcklich  unter  den  agx'i  <iar""^  ^^-  Alesander  Aphrod. 
(Ad.  IfeUrfa.,  Ak.  Ausg.  Bd.  1,  1691,  S.  369  u.  273)  spricht  schon  von  einer 
"fZi  tie  ^'tufäcuat-  Über  Porphydus  siehe  BoSthius,  De  Interpret,  Mignes 
PatroL  Bd.  M,  S.  838.  Bei  dem  Aimenier  David  findet  sich  auch  die  Be- 
zeichnung dSimfia  t^e  int^äatios  (nach  Prantl,  Gesch.  A.  Logik,  Bd.  1,  S.  865, 
Anm.  161,  s.  auch  In  Porph.  Isag.,  Comm.  in  AriaL  Graeca  XVm,  %  S.  150). 
BoHbius  spricht  allgemein  von  „per  se  notae  propositiones,  quibus  nihil  est 
notius,  indemonatrabiles  ac  maximae  et  principales"  (De  ditf.  top.  I.  c  S.  859). 
Die  Scholastik  besnOgte  sich  bis  in  ihre  Blfltezeit  hinein  im  wesentlichen  mit 
der  Wiederholung  dieser  Sätze.  Franciscua  Mayron  (vgl.  S.  82)  stellte  —  nach 
Prantl  L  c.  in,  S.  287  zum  ersten  Male  —  ab  primum  principium  com- 
plezum  den  Satz  aut:  de  quoUbet  dlcitur  affirmalio  vel  negatio  et  de  nullo 
ambo  simul  (De  prinw  princ.  f.  27  nach  Prantl)  und  knüpfte  daran  er- 
kenntnistheoretisch  bemerkenswerte  Erörterungen.  Antonius  Andreas  ver- 
suchte eine  Ableitung  aus  dem  Principiura  identilatia  (ens  est  ens,  vgl.  S.  i4A). 

Die  erkenntnistheoretiscben  Erörterungen,  «eiche  sich  in  der  letzten 
Pwiode  der  Scholastik  und  in  der  neueren  Philosophie  an  die  logischen 
Prinzipien  knüpften,  müssen  hier  überganecn  werden.  Die  Formulierung  und 
Aufzühlufig  schwankte  fortgesetzt  Über  Leibniz  vgl,  S.  110.  Chr.  Wolft 
formuliert  2':  „Duae  propositiones  contrariae  non  possunt  esse  simul  verae" 
(Log.  §  539)  und  .J^poeitionum  contradictoriarum  altera  necessario  Vera, 
altera  necessario  falsa"  (§  täS);  vom  Prinzip  3  heiBt  es  „patet  per  se,  eidem 
sulqecto  A  idem  praedicatum  B  vel  convenire  vel  non  convenire".  Bei  der 
Verdeutschung  der  Bezeichnungen  für  die  einzelnen  Prinzipien  ergaben  sich 
die  S.  693  bereits  erwähnten  Unzuträglichkeiten,  zumal  schon  die  lateinischen 
Termini  nicht  immer  in  demselben  Sinn  gebraucht  worden  waren*).  G.  Fr. 
Meier  (Vemunftlehre,  2.  Aufl.  1763,  §  400)  bezeichnet  den  Satz:  „es  ist 
schlechterdings  unmögUch,  daB  etwas  zugleich  sei  oder  (IT)  nicht  sei"  als 

^)  \g\.  dazu  lllhr.  H.  WeiSe,  Ztschr.  f.  Philos.  u.  spek.  Theoi:  1839,  Bd.  i, 
S.  1  bis  39}  J.  H.  Fichte,  De  principiorum  contradictionis,  identitaUs,  cxclusi 
tertii  in  logids  dignitate  et  ordine  dissertatio,  Bonnae  IStO,  nantentl.  S.  11; 
Fr.  Cherw«,  Syst  d.  Log.,  5.  Aufl.  Bonn  1882,  S.  229—275. 

*)  So  bezeichnet  z.  B.  Baumgarlen  in  seiner  Metaphysik  §  7  den  Satz 
nihil  est  A  et  non-A  als  principium  conlradictionis. 


OgIC 


690        i'^-  Teil.    Die  eiDzelnen  logiscbea  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

S«U  des  Widerspruche.  Kant  (Kfit  d.  rein.  Vera.,  Kehrb.  Ausg.  S.  iäl)  Ifihrt 
al9  Satz  des  Widerspruchs  an:  ,Jceinem  Dinge  kommt  ein  Piädikat  zu. 
welches  ihm  widerspricht"  (vgl.  auch  Logik,  Ein).  VlI).  Offenbar  entspricht 
dieser  Satz  zun&chst  nur  unserem  1,  kann  aber  sehr  leicht  auch  aul  3  um- 
gedeutet werden,  indem  man  unter  „ihm"  versteht:  „einem  anderen  ide- 
Sesaglen  Pi&dikat".  Demg^enüber  verstanden  Jacob  ;GruiidnB  der  all;. 
Logik,  i.  Aufl.,  S,  33).  Kiesewetter  (Grundr.  e.  allg.  Log.,  3.  AufL,  S.  15)  n.  t. 
unter  dem  Salz  des  Widerspruchs  das  Prinzip:  „widersprecliende  VorsW- 
luogen  können  nicht  in  einem  Bewußtsein  vereinigt  werden",  wobei  nur 
zweifelhaft  blieb,  ob  diese  Unmöglichkeit  empirisch-psjrchologisch  odec  mil 
Bezug  auf  die  Richtigkeit  gemeint  ist.  W.  Tr.  Krug  (Denklehre,  3,  AufL 
SUSff.)  wollte  ein  priocipium  positionis.  Grundsatz  der  Setzung  („setze  nidils 
WiderspreclieDdes,  sondern  nur  Einstimmiges")  und  ein  principium  oppd- 
silionia,  Grundsatz  der  Entgegensetzung  („unter  entgi'Ecneesetzten  Bestim- 
mungen eines  Dinges  darfst  du  nur  eine  setzen"  usf.)  unterscheiden. 

Sehr  eingehend  hat  sich  Hegel  nüt  den  logischen  Urteilsprinzipien  tx^ 
schäftigt  (Logik.  Werke  Bd.  8,  S.  38 B..  Bd.  4,  S.  S6ff.,  Gif.;  EdztUoii. 
§  116—122.  Werke  Bd.  6,  S.  2^9  ff.).  Er  erblickt  die  Wahrheit  derselben  in 
der  Einheit  der  Identität  und  des  Unterschieds;  auf  der  höchsten  Stute  iä 
die  Einheit  der  Bestimmungen  gerade  in  ihrer  Entgegensetzung  gelegeu. 
Gegen  das  Prinzip  des  ausgeschlossenen  Dritten  wendet  er  ein,  daS  zwi- 
schen +  A  und  — A  A  seinem  absoluten  Wert  nach  (ohne  Vorzeichen)  und 
auch  die  Null  liege,  offenbar  mit  Unrecht,  da  der  Gegensatz  zwischen  +  -^ 
und  —  A  gar  nicht  kontradUctorisch,  sondern  konträr  isL  —  Ixitze  (Logik,  Lpi- 
1874,  S.  du)  versuchte  das  später  zu  «rwfthnende  Dictum  de  oomi  et  nnllo 
mit  dem  Principium  exclusi  tertü  zu  einem  einzigen  Grundgesetz,  d^n  ..dii< 
juoktiven  Denkgesetz"  zu  verschmelzen. 

Ganz  wesentlich  ist  die  Leiir«  von  den  logischen  Urteilsprinzipien  dunb 
Sigwart  gefördert  norden.  Dieser  fuhrt  aus,  daß  mit  dem  Priniip  2  (von 
ihm  Satz  des  Widerspruchs  genannt  und  von  dem  Satz  vom  auagescfdossenen 
Dritten  m.  E.  üturflassiger^eise  getrennt)  .jiicbts  als  eine  Deklaration  ÜK! 
die  Bedeutung  der  Verneinung  gegeben  ist,  die  Wesen  upA.  Sinn  derselben 
in  einem  Satze  darlegt,  der  übrigens  selbst  nicht  ohne  die  Verneinung  aus- 
gesprochen werden  kann,  und  darum  nur  den  Wert  hat,  demjenigen,  der  die 
Negation  gebraucht,  sein  eigenes  Tun  zum  Bewußtsein  zu  bringen"  (Logik, 
*i  Aufl.,  S.  184).  Uas  positive  Gegenstttck  ist  in  der  Eonstanz  der  Vorstel- 
lungen, der  Eindeutigkeit  des  UrleLlsakts  gegeben.  VgL  dies  Werk  S.  447. 

.Weitere  Literatur  zu  der  Lehre  von  den  logiachen  Urieil^inr- 
zipien:  J.  Bei?mann,  s.  hier  S,  199  u.  Kantstud.  U,  1898,  S.  328;  Cnisios. 
hier  S.  123;  Erich  Frank,  Das  Prinzip  d.  dialekf.  Svnthesis,  Eiginz.-Hdte 
Kantstud.  Nr.  21,  BerUn  1911,  S.  8fl.;  P.  F.  Fit^erald,  A  treatise  on  tb« 
principle  of  suf&c.  reason,  London  1887*;  Ad.  L&sson.  Der  Satz  y.  Wido- 
!.pnicb,  Philos.  Vortr.,  herausgeg,  v.  d.  Philos.  Ges.  zu  Berlin,  N.  F.,  Heft  10. 
Halle  1885,  S.  199—223  (mit  DiÄuss.);  G,  Neudecker,  Ztschr.  f.  Philos.  u. 
Phil,  Krit  1884,  Bd.  85,  S.  842;  Fr.  Medicu^  Kantstud.  1907.  Bd.  12,  S.  SO; 
Bran.  Petronievics,  Der  Satz  v.  Grunde,  Lpz.  Diss.,  Belgrad  1898;  G.  ämoits, 
Rev.  n6o-scol.  1902.  Bd.  9,  S.  897—325  (Princ.  de  rais.  suE.);  F.  Staudioger, 
Philos.  Hon.-HeUe  1888,  Bd.  26,  S.  357;  Urban,  The  history  of  Ibe  princ  of 
sufüc.  reason,  Princeton  Contrib.  to  Philos.  1898;  L.  Weber,  Rev.  philos. 
1S97,  Bd.  43,  S.  253—279  (,J*rincipe  do  non-contra-dicüon");  I.  C.  Wilson, 
On  an  evolutional  theory  of  asioms,  London  ISflO*. 


iM,Googlc 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  697 

§  120.  Kasammeoeesetzt«  Urteile,  a)  Hypothetische  Ur- 
teile. Die  seither  betrachteten  Urteile  lassen  sich  ansnahms- 
los  in  d  e  r  Weise  auf  die  Schulform  „A  ist  B"  bringen,  daß  A 
□nd  B  je  einen  Begriff  darstellen  und  durch  die  Kopula 
verbunden  sind.  Die  „zusammengesetzten"  Urteile')^ 
die  jetzt  betrachtet  werden  sollen,  gieetatteu  eine  solche  ein- 
fache Umformung  nicht*).  Wir  kennen  folgende  Haupt- 
klassen  derselben: 

a)  hypothetische  Urteile"»), 

b)  Kolligationeu  oder  zusammenfassende  Urteile 
(vgl.  S.  392),  welch  letztea-e  zerfallen  in:  a)  konjnnktive, 
ß)  kopulative,  y)  dlTisive,  i)  disjunktive  Urteile. 

Alle  diese  zusammengesetzten  Urteile  bilden  bezüglich 
ihrer  Entstehung  und  Zerlegbarkeit  bereits  den  Übergang' 
zu  den  Schlüssen.  Demgegenüber  können  die  bisher  be- 
trachteten Urteile  als  einfache  oder  kategorische  be- 
zeichnet werden.  Den  Unterschied  zwischen  beiden  Klassen 
kann  man  als  Struktur  unterschied  bezeichnen. 

Bei  Aristoteles  ist  die  uimiyogaii  TtQciaav  im  wesentlichen  identisch 
mit  der  xarct^inwq  nßiTaaK,  also  dem  bejahenden  Urteil  (Akad.  Ausg.  z.  B. 
25  a,  7).  Die  Stoiker  unterschieden  dfwßtatu  anXä  nnd  oöj  &:tiä ;  erstere  ent- 
sprechen den  kategorischen  Urteilen,  letztere  zerfallen  in  tarnfifiina  (hypo- 
thetische), «v/Ansnlsyftiya  (kopulative),  iif^tvjfiira  (disjunktive),  u.  S-  m. 
(Sext.  Empir.  Adv.  math.  VIII,  99>  ed.  Bekter  S.  307;  Diogenes  Laert,  De 
clar.  phil.  vit.  Z.,  6Sff.)  und  sind  durch  die  Hitwirkung  von  Konjunktionen 
itt,  iati,  aai'Xfl,  q-^  gekennzeichnet  BoGthius  (De  interpret.  Hignes 
Ffttnil.  Bd.  64.  S.  Sil,  460,  487,  520,  1129)  erw&hnt  die  propoaitio  Sim- 
plex (!}■  Quam  xaiq}«ft>ji>  Grfteci  dicunt,  nos  praedicativani 
interpretari  possumus,  und  stellt  sie  —  wiederum  unter  Berulung  auf  die 
griechischen  Logiker  —  der  propositio  hypothetlca  sive  conditionalis  gegen- 
über (I,  c-  S.  *47).  Die  letztere  wird  zu  den  propositiones  compositae  ge- 
rechnet (oratio  compoaita  ex  propositionibus  conjunctione  conjunclis,  unam 


')  Die  Unterscheidung  einfacher  und  zusammengesetzter  Urteile  be- 
trifft die  „fluaeitas'*  (Baumgarten,  Acroasis  log.»  1773,  S.  62,  §  231). 

')  In  der  neueren  französischen  Literatur  wird  der  Ausdruck  propo- 
sition  compos^e  nicht  inuner  im  gleichen  Sinne  gebraucht  YgL  liierüber 
Mercier,  Logique,  5.  Aufl.,  Louvain— Paris,  S.  140.  M.  aeht  die  Bezeichnung 
proposilion  complexe  vor.  Über  die  Stellung  des  hypothetischen  Urteils  s, 
Goblot,  Bev.  de  mfitaph.  et  de  mor.  1911,  Bd.  19,  S.  199  u.  1913,  Bd.  21,  S.  738. 

ga)  Ffir  die  Psychologie  boten  die  hypothetischen  Urleile  bis  jetzt  kein 
wesentliches  Interesse.  Wir  konnten  daher  S.  383  die  Kolligalionen  (zu- 
sammenlassenden Urteile)  als  einzige  Repraesentanten  der  zusammen- 
gesetzten Urteile  anführen  und  daher  den  Terminus  „zusammengesetzte  Ur- 
teile" ganz  vermeiden.  Übrigens  wird  sich  unten  (S.  701)  ei^eben,  daS  auch 
logisch  die  hypothetischen  Urteile  den  Konisationen  nahe  stehen. 

„.,,„,  ^.oogic 


698       IV-  "^^    ^^  rinselnen  logischen  GeMlde  und  ihre  GtaetM. 

sicnifions  rem,  1.  c.  S.  449).  Das  diaiuiüäive  Urteil  wird  von  BoetUus  nur 
all  eine  besondere  Art  des  bTPothetischen  Urteils  betrachtet  (De  iTllot- 
hypolh.  L  c.  S.  8B4tf.).  Diese  Terminologie  bat  sich  im  wesentlichen  auch 
noch  hei  Wollt  eitalten.  Nur  fOgt  dieser  zur  propositio  categorica,  in  qua 
praedicatum  absolute  seu  nolla  adiecta  conditione  de  subiecto  ennnüitnr, 
und  lur  propositio  hypothetica,  in  qua  pnedicalum  tribuitur  suhiecto  stb 
adiecia  quadam  conditione,  die  propositiones  composilae  hinm,  «eld»  dea 
Kolligationen  entsprechen  (Logik,  %  S16  U.  u.  Blb  ff.).  Der  Tenninns  „compt- 
«lus"  ift  oDenbar  «enig  zweckm&Big,  da  er  auch  auf  die  hTPothetischca 
Urteile  zutriOL  Erst  Kant  koordiniert  das  kategorische,  hypothetische  und 
disjunktive  Urteil  und  behauptet,  daB  diese  drei  Klassen  einem  besondeien 
eiaheitUchen  Einteilungsprinzip  nach  der  ,Jlelation"  entsprechen  (KriL 
d.  rein.  Vem.,  Kehrb.  Ausg.  S.  89;  Logik  §  23fi.)  und  ,^  wesentlich  ver- 
schiedenen  logiseben  Funktionen  des  Verstandes  l>eruben".  Es  soll  sich  um 
die  Beziehung  „des  Prtdikals  zum  Subjekt,  des  Grundes  zur  Folge,  der  kh- 
geteilten  Erkenntnis  und  der  gesammelten  Glieder  der  Einteilung  tmlereio- 
ander"  handeln.  Dos  konjunktive  und  das  kopulative  Urteü  kommen  nicU 
zu  ihrem  Recht.  Überliaupt  ist  die  ganze  Argumentation  Kants  zugunsten 
dieser  neuen  Dreiteilung  der  Urteile  nicht  überzeugend. 

Wir  besprechen  zuerst  die  hTpothetlBcheii  Urteile,  Ihie 
allgemeine  Form  ist:  wenn  Si — P«  so  ist  Si  —  Pi  (Beispiel: 
wenn  ein  Dreieck  gleichschenklig  ist,  sind  seine  Basiswinkel 
gleich;  wenn  Wasser  auf  100*  C  erhitzt  wird,  kocht  es).  I^ 
Begriffe  Si,  Pi,  &>  und  Pi  können  völlig  verschieden  sein, 
sehr  oft  aber  decken  sie  sich  zum  Teil.  Bezeichnet  man  das 
urteil  Si  —  Pi  mit  A,  das  Urteil  S» — P,  mit  C,  so  lautet 
die  Formel  des  hypothetischen  Urteils:  wenn  A,  dann  C 
(oder  wenn  A  gilt  oder  als  gültig  betrachtet  wird,  dann 
gilt  C).  A  heifit' Vordersatz  (Antecedens,  Hypotfaesis*), 
xf^taate  s.  Str. ,  ^aiftsrov),  C  Nachsatz  (Conseqnens, 
Thesis,  änöioats,  i-^yot,  ini/ttvop).  Die  Beziehung  zwischen 
den  beiden  urteilen  A  und  C  ist  ein  Spezialfall  des  Yerbält- 
nieaes  von  Grund  und  Folge  (vgl.  S.  381  u.  395)  und  soll 
hypothetische  Konsequenz  (Consequentia)  heißen*). 

Für  das  bypothetiscbe  Urteil  ist  wesentlich,  daß  der 
Vordersatz  als  Annahme  (Prothese)  in  dem  S.  382  festge- 
stellten Sinn  ansgesprochen  wird.  Die  Gültigkeit  (Bicht^- 
keit)  von  A  wird  niclit  behauptet,  sondetn  nur  angenommen. 
Der  Nachaatz  wird  nnter  der  Voraussetzung  des  Vorder- 

*)  Bei  Arisloletes  bedeutet  vni9tais  bald  jedes  einem  Beweis  zugrunde 
Kegende  Urteil,  bald  ein  zum  Behuf  eines  Beweises  voraussetzungsmiSis 
«efordertea  Urteil,  ist  also  noch  nicht  Terminus  für  den  Vordersatz. 

*)  Von  dem  zeitweilig  Oblicben  Sprachgebrauch,  nach  dem  Consequentia 
nicht  die  Beziehung  dea  SchluBurleils  zu  den  Pr&missen,  sondern  den 
Schluß  selbst  bzw.  eine  besondere  Klasse  von  Schlüssen  (die  sog.  unmittd- 
baren  Schlüsse)  bezeichnet,  wird  also  hier  ganz  abges^en. 

„.,,„,  ^.oogic 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  699 

Satzes,  also  bedingiuiKS'weise  thetisch  ausgesprochen.  Dabei 
kann  der  Oraad,  auf  den  hin  der  urteilende  C  aas  A  tolgert, 
also  der  spezielle  Charakter  des  Verhältnisses  von  Grund 
und  Folge  sehr  verschieden  sein.  Nur  ausnahmsweise  näm- 
lich ei^bt  sich  C  ans  A  lediglich  nach  den  logischen  Ge- 
setzen ohne  Hinzuziehung  irgendwelcher  anderen  Urteile 
{Beispiel:  wenn  a  größer  ist  als  b,  so  ist  a  auch  großer 
ale  ^).  Wir  werden  dieser.  Form  des  hypothetischen  Urteils, 
die  offenbar  dem  analytischen  Urteil  unter  den  einfachen 
urteilen  entspricht,  in  der  Lehre  vom  Schluß  unter  der  Be- 
seiclinnng  „unmittelbare  Schlüsse"  wieder  begegnen.  Viel 
häufiger  beruht  die  Folgerung  von  C  aus  A  anf  irgend- 
welcher Erfahrung  im  weitesten  Sinn,  die  in  den  beiden 
Sätzen  des  hypothetischen  Urteils  gar  nicht  ausgesprochen 
und  im  Augenblick  des  Urteils  oft  auch  nicht  gedacht  wird. 
So  liegt  beispielsweise  dem  hypothetischen  Urteil:  „wenn 
Wasser  und  Alkohol  gemischt  werden,  entwickelt  sich 
Wärme",  der  Gedanke  an  eine,  mehrere  oder  viele  Erfah- 
mngen  über  eine  solche  Wärmeentwicklung  oder  der  be- 
danke an  ein  allgemeines  Gesetz  über  Wärmeentwicklung 
bei  solchen  Mischungen  usf.  zugrunde.  Zuweilen  liegt  die 
Krfahrung  auch  auf  psychologischem  Gebiet  (weim  du  nicht 
gehorchst,  wird  er  bzw.  werde  ich  dich  strafen)  usf.  Die 
Biohtigkeit  des  hypothetischen  Urteils  als  solchen  hängt 
von  diesen  zugrunde  liegenden  Erfahrnngen  wesentlich  ab. 

Auch  im  übrigen  ist  das  hypothetische  Urteil  sehr 
variabel,  insofern  sowohl  A  wie  C  bald  dieser,  bald  jener 
'  Klasse  von  Urteilen  entnommen  ist.  Insbesondere  kommen 
neben  hypothetiscfaera  Generalurteilcn  auch  hypothetische 
Individualnrteile  und  hypothetische  kombinierte  General- 
Individaal-Urteile  vor  (Beispiel:  wenn  dieser  Mann  gemein- 
gefährlich geisteskrank  ist,  ist  seine  Aufnahme  in  eine  An- 
stalt notwendig;  w>enn  jede  Schuld  sich  schließlich  rächt, 
so  hat  er  Unglück  zu  fürchten).  Ebenso  muß  A  und  C  nicht 
stets  assertorisch  oder  apodiktisch  sein,  sondern  auch  proble- 
matische hypothetische  Urteile  kommen  häufig  vor,  wie 
z.  B.:  „wenn  der  Mais  eine  Atmosphäre  haben  sollte,  ist  er 
wohl  bewohnt".    Ist  der  Vordersatz  problematisch'),  so  ist 


■}  Daliei  verliert  die  Annahme  ihren  assertorischen  Charaliter,  insofern 
der  Urteilende  sich  denkt,  daB  sie  mit  Zweifeln  an  ihrer  Richtigkeit  aufge- 
stellt ist  (von  seinen  eigenen  Zweifeln  ganz  abgesehen). 


700        IV.  Teil.    Die  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre^OMetze._ 

der  Kacliaatz  ersteas,  eben  weil  er  za  einem  iiypothetischeo 
Urteil  gehört,  nur  bedingt  richtig,  zweitens  weil  der  Vorder- 
satz problematisch  ist,  mit  seiner  Richtigkeit  an  eine  proble-  - 
matische  Bedingung  geknüpft,  und  drittens  kann  er  noch 
selbst  problematisch  insofern  sein,  als  er  selbst  unter  der 
Voraussetzung  von  A  nicht  mit  Gewißheit  ausgesprochen 
wird.  Hierher  gehören  die  Potentialen  und  gemischt  poten- 
tial-realen  Bedingungssätze  der  Grammatik*).  —  Eine 
weitere  Komplikation  entsteht  dadurch,  daB  wir  ausnahms- 
weise auch  ein  hypothetisches  Urteil  als  Ganzes  im  Sinn 
einer  A  n  n  a  li  m  e-  denken. 

Eine  aDdcfe  wichtige  Verschiedenheit  innerhalb  der  liypothetischea  Ur- 
teile betrifft  die  Ursache  des  protheüscben  Cbanücters  des  Vordersatzes.  Wir 
sprechen  nämlich  den  letzleren  prothelisch  aus,  bald  weil  es  sich  um  einen 
unbestimmlen  Tatbestand  liandcll,  bald  weil  der  beurteilte  Tatbestand  up- 
/ureichend  oder  gar  nicht  begründet  ist.  Ein  Beispiel  fQr  den  ersten  Typus 
ist  das  Urteil:  wenn  die  Basiswinkel  eines  Dreiecks  gleich  sind,  sind  die 
aegenobeiiiegenden  Seiten  (Schenkel)  gleich.  Hier  wird  der  Tatbesland  der 
Gleichheit  der  Basiswinkel  irgendwo  und  irgendwann  angenommen,  kann 
also,  da  Art  und  Zeit  ganz  unbestimmt  sind,  gar  nicht  behauptet  weiden.  £s 
liandelt  sich  um  eine  ähnliche  Unbestimmtheit  wie  bei  dem  Subjekt  univer- 
seller Urteile  (vgl.  S.  370).  Ich  nenne  solche  Urteile  daher  indttandidKta 
hypothelische.  Ein  Beispiel  für  den  2.  Typus  ist  der  Schluß:  wenn  der  Uar^ 
bewohnt  ist,  sind  seine  Bewohner  ähnlich  organisiert  wie  wir.  Hier  ist  der 
Tatbestand  des  Vordersatzes  unzweideutig  bestimmt,  wir  beschränken  uns 
aber  trotzdem  auf  eine  Annahme  (Prothese),  weil  seine  Begründung  fehlt 
büw.  unausreichend  ist  oder  ausgeschaltet  wird  (S.  384).  Solche  Urteile  be- 
zeichne ich  als  iastaUt  hypothetische'). 

Aus  allen  diesen  Erörterungen  geht  hervor,  daß  der 
Gegenstand  des  hyiiothetisehen  Urteils  di©  Beziehung  der 
Inhalte  von  A  und  C  ist.  Wir  behaupten  im  hypothetischen 
Urteil,  daß  zwischen  A  und  C  das  Verhältnis  von  Grund  und 
Folge  besteht  Seine  exakte  Formiüiernng  lautet  also: 
A  und  C  stehen  in  der  Beziehung  von  Grund  nnd  Folge 
(abgekürzt:  sind  „konsequent").  Die  beiden  Urteile  biw. 
ihre  Gegenstände  sind  das  Subjekt;  die  Beziehung  von  Grund 
lind  Folge  ist  das  Prädikat').  Durch  die  S.  265  u.  267  be- 

*)  Bei  irrealen  Bedingungsgefügen  wirc 
absclut  überwiegen  der  Gegenassoziationen  i 
.\u!>schaUung. 

')  Das  Beispiel  des  1.  Ttpus  seht  sofort  in  den  2.  Typus  Ober,  sobald 
man  das  Subjekt  determiniert:  wenn  die  Basiswinkel  ÜMts  Dreiecks  gleich 
sind,  dann  sind  die  Schenkel  gleich. 

')  Diesen  Saehvechait  hat  zuerst  Chr.  Sigwart  (Beitr.  z.  Lehre  v. 
hypoth.  Urteil,  Tübingen  1871  u.  Logik,  2.  Aufl.,  Bd.  1,  S.  28*  ff.)  aoteeU&rt. 
Ich  weiche  nur  insofern  von  Sigwart  ab,  als  ich  nicht  nur  ajMdikliscbe  {uad 


O^^IC 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen.  701 

sprochene  Objektivierung  und  Ärgumeiitverschiebung  treten 
auch  hier  sehr  oft  an  Stelle  des  Urteils  A  und  C  die  entspre- 
chenden Tatbestände  (Sachverhalte)  der  V-,  E-  oder  K- 
Stufe  *). 

Bemerkenswert  ist,  daß  damit  das  hypotlietisclie  Urteil  dem,  kopula- 
tiven (S.  39S)  näher  rückt,  insoiem  ea  wie  dieses  mehr  als  ein  Subjekt  auf- 
Keist.  Der  Unterschied  zwischen  beiden  liest  auch  nicht  etwa  darin.  da6 
das  Subjekt  des  hypothetischen  Urteils  zwei  Urteile  und  das  Pr&dikat 
eine  Relation  ist;  denn  diese  Eigenschalten  kommen  auch  manchen 
kopulatiren  Urteilen  zu  (z.  B.  „diese  beiden  Urteile  sind  falsch,  heben  sich 
gegenseitig  auf').  Charakteristisch  ist  für  das  hypothetische  Urteil  nur,  daß 
zwei  Urteile  in  der  speziellen  Belatiou  von  Grund  und  Folge  stehen. 

Bei  dieser  Auffassung  des  hypothetischen  Urteils  wird  auch  klar,  daß 
es  sich  vom  sog.  kategorischen  nicht  so  erheblich  unterscheidet,  wie  man  es 
auf  Grund  der  total  verschiedenen  sprachlichen  Form  wohl  annehmen  könnte. 
Dementsprechend  ist  auch  stets  die  Umwandlung  in  ein  (einfaches)  kate- 
gorisches Urteil  möglich:  C  steht  zu  A  im  Verhältnis  der  Folge  zum  Grund. 
Die  Tatsache.  daB  A  und  C  durch  ganze  Sätze  ausgedrückt  werden,  ist  von 
untergeordneter  Bedeutung.  Man  beachte  beispielsweise  die  Stufenfolge  der 
Urteile:  „wenn  die  Temfwratur  des  Wassers  auf  100°  C  steigt,  siedet  es" 
(Bedingungssatz),  „bei  Erwärmung  auf  100»  C  siedet  das  Wasser"  (selbstän- 
diger Präposition alej  Ausdruck)  und  „Wasser  von  100»  C  siedet"  (attributiver 
Ausdruck).  Auch  das  dritte  Urteil  ist  seinem  Inhalt  nach  offenbar  hypothe- 
tisch, insoweit  es  mit  dem  ersten  und  zweiten  gleichbedeutend  gedacht 
wird  "). 

Andrerseits  könnte  man  iragen,  ob  nicht  alle  hypothetischen  Urteile  als 
Schlüsse  anzusehen  sind,  da  doch  C  aus  A  geschlossen  wird.  !n  der 
T»t  wtu^e  oben  (S.  669)  bereits  erwähnt,  daQ  diejenigen  Urteil^efüge,  in 
welchen  C  aus  A  lediglich  mit  Hilfe  der  logischen  Gesetze  folgt,  auch  als  un- 
mittelbare Schlosse  aufgefaßt  werden  können.    Man  hat  nämlich  zwischen 


aaserlorlscbe,  vgl,  g  117).  sondern  auch  Droblematische  hypothetische  Urteile 
aimehme  und  also  bestreite,  daS  das  hypothetische  Urteil  den  Nachsalz 
s  t  e  1 9  als  „notwendige"  folge  des  Tordersatzes  behauptet 

•)  Dabei  kann  die  S.  381  erörterte  V«r9chid)ung  der  zeitlichen  Reihen - 
-  folge  eintreten. 

"•)  Umgekehrt  haben  —  wie  im  Mittelalter  schon  Avicenna  —  in 
neuerer  Zeit  Herbart  (L«hrb.  z.  EinL  in  d.  Philos.,  §  ö3,  SärotL  WW.,  Lpz. 
1860,  Bd.  1,  S.  92  ff.)  und  seine  Schüler  (siehe  z.  B.  Drobisch,  Neue  Darsl. 
d.  Log.,  i.  Aufl.  Lpz.  1675,  §  5Ö,  S.  59)  das  hypothetiscfae  Element  hervor- 
gehoben, das  auch  in  jedem  kategorischen  Urteil  enthalten  ist.  Der  Sub- 
jektsbegrifi  wird  nach  H.  nicht  absolut,  sondern  hyolhetiscb,  nämlich  in 
Erwartung  eines  Prädikats  und  zum  Behuf  seiner  Anknüpfung  aufgestellt, 
und  hierdurch  wird  das  Urteil  „allemal  hypothetisch",  Drobisch  erklärt 
sogar  für  den  Sinn  des  kategorischen  Urteils:  „wenn  S  gesetzt,  d,  i.  ge- 
dacht wird",  so  ist  auch  P  gesetzt.  In  der  Tat  ist  zuzugeben,  daß  generelle 
Urteile  eine  solche  Umformung  gestalten:  „der  Mensch  ist  sterblich"  ^ 
„wenn  etwas  Mensch  ist,  ist  es  sterblich".  Bei  vielen  rein  individuellen 
Urteilen  (mit  einem  Noraen  proprium  als  Subjekt)  kann  sie  nur  gewaltsam 
43urchBefObrt  «erden. 


702       ^-  '^^'^    ^^  einzelnen  locischen  Gebilde  and  ihre  Gesetze. 

zwei  Filleo  zu  unterscheiden :  entweder  ist  der  Sinn  des  SatziefOi«s 
„wenn  A  ist,  dann  ist  C"  der  oben  testgeelellte :  „A  und  C  und  konsequent", 
und  dann  handelt  es  sich  offenbar  nicht  um  einen  Schluß,  sondern  ein  zu- 
sammengeselztes  Urteil,  oder  der  ^n  ist  ^uf  Grund  des  l!rteib  A. 
schlieBe  ich  das  Urteil  C"  (so  daB  A  in  diesem  Ersebnis  Qbertiaupt  tct- 
schwunden  ist),  und  dann  liest  ein  echter  ScbluB,  und  zwar  ein  sof.  un- 
mittelbarer vor.  Aber  auch  fOr  dieieniien  hypothetischen  Urteile,  die  ack 
auf  irgendwelche  Erfahrungen  (nicht  nur  auf  die  logischen  Gesetze,  S.  68^ 
slfltzen,  lieft  die  Zurechnunt  zu  den  Schlflssen  einigennaBen  nahe,  iisofon 
d>en  aus  diesen  Erfabningen  und  aus  dem  Vordersatz  A  der  Nachsatz  C  ge- 
schlossen wird.  Es  wOrde  sich  also  um  sog.  Enlhymeme  handeln  (vgl.  S.3U  IL 
u.  §  129).  Indes  auch  diese  Argumentation  ist  nicht  stidihaltiB.  Bei  d«n 
Enthymem  bleiben  die  unterdrückten  (weggelassenen)  Hilfsurteile  nur  im 
sprachlichen  Ausdruck  weg,  im  Denken  müssen  sie,  wenn  auch  „latent",  im 
Augenblick  des  Urteils  mitwirken.  Anders  bei  dem  hypothetischen  Urteil: 
hier  kann  eine  solche  Mitwirkung  ganz  zurücktreten.  Aber  auch,  warn  man 
von  diesem  nicht  stets  nachweisbaren  psychologisches  Unterschied  ganz 
absiebt,  bleibt  derselbe  tidgreifende  Unterschied  bestehen,  der  eben  gegen- 
ttber  den  umniUelbaren  Schlüssen  geltend  gemacht  wurde:  im  Enthymeia 
wird  C  Mit  HfUs  von  A  behauptet,  im  hypothetischen  Urteil  wird  die 
Kanaqwu  von  A  und  C  behauptet.  Auch  bedenke  man  'schUeBUch,  dat 
ein  Zugnmdeliegen  irgendwelcher  Erfahrungen  (ohne  aktuelle  Utwirfcung) 
auch  allen  oder  wenigstens  unendlich  vielen  synthetischen  kategori- 
schen Urteilen  zukommt,  auch  wenn  sie  ganz  isoliert  auftreten,  und  man 
sie  doch  gewiB  nicht  deshalb  zu  den  Schlüssen  rechnen  kann. 

Endlich  muB  betont  werden,  daB  die  hypothetischen  Urteile  nur  einen 
Spezialfall  der  Beziehunes-  oder  Bslatlsasurteile  darstellen,  wie  sich  dies 
schon  bei  der  Besprechung  der  Unterscheidung  von  den  kopulativen  Urteilen 
ergab.  Belationsurteile  sind  ganz  allgemeiD  solche  Urteile,  deren  Frtdikat 
ein  Relationsbegrifi  isL  Das  Subjekt  eines  Relationsurteils  best^t  daher 
wenigstens  aus  zwei  BegriSen  („Eisen  und  llangan  sind  chenäsch  nahe  ver- 
wandt") ").  Unter  den  Relationsurteilen  bilden  diejenigen,  deren  Subiekt 
zwei  (bzw.  auch  mehr)  Urteile  bzw.  Tatbestände  sind,  bezüglich 
des  sprachlichen  Ausdrucks  eine  besondere  Klasse  (Beispiel:  als  der  Tag 
anbrach,  begann  der  Angriff);  logisch  ist  damit  kein  wesentlicher  Unterschied 
l>egründet  (daher  die  Möglichkeit  der  Umformung:  Tagesanbruch  und  Beginn 
des  Angriffs  waren  gleichzeitig).  Viel  mehr  Bedeutung  hat  eine  ^teilnng 
der  Relalionsurteile  nach  dem  allgemeinen  Charakter  der  Relation.  Auf 
Grund  des  letzteren  kann  man  temporale,  kausale,  konzessive,  konditionale 
und  andere  Relation surleiie  unterscheiden.  Ein  temponies  individudles 
singul&res  Relation surleil  ist  z.  B.  das  soeben  erw&hnte  Urteil:  „als  der  Tag 
anbrach,  begann  der  AngriS"'*),  ein  temporales  indtviduelles  plurales:  „se 


")  Ist  das  Prttdikat  ein  RelatarbegriO  (S.  474),  so  kann  das  Subiekt 
aus  einem  Begriff  bestehen  (Beispiel  eines  solchen  Relatarurteils:  Philipp 
ist  der  Vater  Alexanders). 

■■)  Dabei  Obersehe  man  nicht,  daB  auch  das  Teinporalurteil  zweideutig 
ist:  bald  hat  der  temporale  Nebensatz  nur  die  Bedeutung  einer  begleitenden 
relativ  nebensftchlichen  Bestimmung,  bald  liegt  gerade  das  Hauptgewicht  des 
ganzen  Satzgefüges  auf  der  temporalen  Relation;  nur  im  letzteren  Fall  liegt 
ein  temporales  Relalionsurteil  s.  str.  vor. 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  yon  den  UrteMen.  703 

olt  der  Angiüf  erfolsta,  wurde  er  abgewiesen",  ein  temporales  al^emeines: 
„90  oft  es  Früliling  wird,  kehren  die  Schwalben  zu  uns  zurOck".  Das  kausale 
Relationsuiträl  behauptet  eine  Beziehung  von  Uiaache  und  Wirkuns  CBei- 
spiel:  weil  er  einen  Hoid  verObt  hatte,  wurde  er  hingerichtet).  Da  unsere 
Eausalurieile  sich  zu  einem  groBen  Teil  auf  Temporalurteilen  aufbauen  (post 
hoc,  also  propter  hoc  ■ —  saepe  ita,  also  semper  ita),  so  finden  sich  vielfach 
überg&nge  (man  denke  an  die  kausale  Bedeutuiu  des  cum).  Von  dem  tem- 
poralen und  dem  kausalen  Relationsurteil  ist  das  hnwthetische  Belations- 
nrteil  (das  hrpothetische  Urteil  im  prägnanten  Sinn  der  Logik)  insofern 
wesentlich  unteischieden,  als  der  Vordersatz  nicht  thetisch,  sondern  pro- 
tbetisch,  d.  h.  als  Annahme  ausgesprochen  wird  und  daher  auch  dem  Nach' 
satz  nur  bedingungsweise  Geltung  zugeschrieben  wird.  Die  Vemrandtacbaft 
mit  dem  temporalen  Belationsurteil  gibt  sich  auch  hier  in  der  Sprache  sehr 
deutlich  kund  („wann"  —  „weim").  Jedenfalls  ergibt  sich  aus  allen  diesen 
Talaachen,  daB  die  Logik  etwas  einseitig  verf&hrt,  wenn  sie  unter  allen  diesen 
Belationsurteiien  f tTWi—ia-M  "'■"■  Relationsurteilen)  '*)  gerade  nur  die  hTl>o- 
Ihetischen  herausgreifL  VerstAndlich  wird  diese  Einseitigkeit,  wenn  man 
bedenkt,  daB  für  die  Eigentamlichkeit  des  hypothetischen  Urteils  gerade  der 
al^emeine  logische  Charakter  (nftmlich  der  prothetische)  entscheidend  ist 

Die  Aufstellung  besonderer  „kategoriach-hypothetischer  Urteile"  (an- 
geblich von  der  Form:  wenn  A  —  B  ist,  so  ist  C — D)  ist  g&nzlich  Oberflflssis. 

Historisches.  Schon  Theophrast  bereitete  die  Lehra  vom  hypo- 
thetischen  Urteil  durch  seine  Lehre  von  den  hypothetischen  Schlössen 
{«iMujrigfMi  A'  Siov  iTttSttuoi,  vgl.  §  10)  vor.  Auch  hatten  die  Alteren 
Perjiiatetiker  bereits  die  Bezeichnung  avyttftfiinif  und  avrtantxor  für  das 
hrpothetische  Urteil  (Philoponus  ad  Anal,  priora,  Akad.  Ausg.  190&,  S.  ^iSS). 
Das  kausale  Belationsurteil  wurde  von  den  jüngeren  Peripatetikem  als  nmgtt' 
atymnuif,  von  den  Stoikera  als  nagaovy^/ifttroy  bezeichnet  (Simplic  ad 
ArisL  de  Coelo,  Akad.  Ausg.  1894,  S.  18,  117,  6fß  u.  a.).  Das  VeifaUtnis 
von  Grund  und  Folge  hieß  bei  den  Stoikern  ,äM*i»vlHa*.  Bei  den  Lateinern 
hieB  das  hypothetische  Urteil  adjunctum  sive  connesum.  Über  BoSthius  s. 
S.  697.  Die  Bedeutung  der  nicht-hypothetischen  Belat Jonsurteile  (S.  70S) 
wurde  oamentlich  von  Lullus  hervorgehoben  (Dialectica  s.  Logica  nova,  Opp. 
Argent  1617,  S.  151].  Sieh»  auch  Occam,  Summa  tot,  log.  I,  cap.  30  fi.  Für 
die  Beziehung  zwischen  A  und  C  wurde  der  Terminus  „conseauentia"  Oblich 
(vgl  2,  B.  Duns  Scotus,  Quaest  super  Anal.  pr.  I,  Qu.  20,  Opp.  ed.  Paris 
1891,  Bd.  2,  S.  130).  Ramus  braucht  im  Anschluß  an  Cicero  die  Bezeichnung 
azioma  connexum  fOr  das  hypothetische  Urteil  (Dialect.  1577,  S.  118).  Siehe 
auch  Logique  de  Port-Royat,  Paris  1861,  S.  llö. 

g  121.  Znsammeiiiresetzte  Urteile  (FortseizDUK  nnd 
SohloB.  b)  EoUigatioDen.  Während  im  hypothetUclien  Ur- 
teil die  logische  Bedeutung  der  beiden  Urteile  verschieden 
ist,  insbesondere  der  Vordersatz  dem  Nachsatz  logisch 
„unterstellt"  ist,  sind  die  Teilurteile  in  den  Kolliga- 

>*)  Syndesmotisch  nenne  ich  alle  diese  zusammengesetzten  Relations- 
urteile in  Anlehnung  an  die  Stoiker,  welche  manche  dieser  Tatsachen  schon 
richtig  bemerkt  und  insbesondere  die  Bedeutung  der  Konjunktionen  (iriirA«- 
fiot)  hervorgehoben  haben.    Vgl.  S.  697. 

„    ,„,^.oogic 


704        ^^-  T^''-    ^^  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

tionen  (zusammenfaüsenden  Urteilen)  gle  ichfircstellt'). 
Wir  nnterBclieiden  (vgl.  S.  392): 

a)  konjunktive  Urteile:  S  ist  Pi  und  Pj  und  Pj  ... 
(Beispiel:  der  Schnee  ist  weiß  nnd  kalt  und  kristalli- 
nisch) ; 
ß)  kopnlative  Urteile :  S,  und  Si  und  &  . . .  sind  P 
(Beispiel:  Chinin  nnd  Morpliiom  und  Quassia  sind 
bitter); 
y)  divieive  Urteile:  S  ist  teils  (bald)  Pi  teils  (bald) 
P,  teils  (bald)  Si  ...   (Beispiel:  Dreiecke  sind  teils 
eben  teils  sphärisch); 
«*)  disjunktive  Urteile:  S  ist  entweder  Pi  oder  P. 
oder  Pi  ...oder  P«   (Beispiel:  die  sog.  eudemiache 
Ethik  ist  entweder  ein  Werk  des  Endemus  oder  die 
Ausarbeitung  eines  aristotelischen  Vortrags). 
Es  wird  sich  er^ben,  daB  auch  die  KoUigatlouen  auf  be- 
stimmte logische  Belationen    gegründet    sind    (daher  auch 
hier  die  Verwendung  von  Konjonktionen '). 

a)  Konjunktive  Urteile. 
Der  psychologische  Tatbestand  wurde  S.  392  festgestellt 
Die  Normalisierung  wirkt  in  derselben  Weise  wie  bei  allen 
anderen  Urteilen.  Sprachlich  wird  die  logische  Konjunktion 
durch  ,tUnd",  „sowohl  —  als  auch"  und  am  charakteristisch- 
sten in  der  deutschen  Sprache  durch  „auch"  bzw.  „nnd  anch** 
ausgedrückt.  Von  den  unverbnndenen  Urteilen  S  ist  Pi, 
S  ist  Pa  usf.  unterscheidet  sich  das  konjunktive  Urteil,  S  ißt 
Pi  und  Pj  .  .  .  dadurch,  daß  die  (3enieingamkeit  (Di^pelbig- 
keit)  des  Subjekts,  also  eine  bestimmte  Qleichbeitsrelation 
ausdrücklich  mitgedacht  wird:  nicht  nur  die  Individualkoef- 
fizienten  von  S  und  Pi  und  diejenigen  von  S  und  Pj  decken  sich 
für  sich  genommen,  sondern  auch  diejenigen  de»  1.  Ur- 
teils und  diejenigen  des  2.  Urteils.    Die  Hauptbedeutung  der 

')  Die  AusdrOcke  „kooTdiniert"  und  „subordiniert"  venneide  ich  wegen 
ihrer  Verwendung  in  der  Lehre  vom  Begrifi. 

')  Grammatisch  werden  oft  subordinierende  und  koordinierende  Kon- 
junktionen unterschieden.  Man  darf  nun  nicht  etwa  glauben,  daß  letztere 
nur  fOr  Kolligalionen  und  nicht  für  die  in  §  ISO  behandelten  Relationen 
(Relationen  mit  „Unterstellung")  verwandt  wurden;  taU&chlich  erfolgt  auch 
im  letzteren  Fall  oft  sprachliche  Gleichstellung  (z.B.  kausal:  S,  — —  Pj, 
daher  Sj— Pj);  nur  bei  der  hypothetischen  Relation  vermeidet  auch  die 
Sprache  bemerkenswerte rweise  die  Gleichstellung  durch  eine  koordinierende 
Konjunktion. 


OgIC 


2.  KaptleL    Die  Lehre  Tcn  den  Urteilen. 705 

konjunktiven  Urteile  liegt  darin,  daß  sie  aller  Bildnns  kom- 
plexer Begriffe  zugrunde  liegen  oder  wenigstens  der  Her- 
gang einer  solchen  Begriflsbildimg  nachträglieh  auf  die 
Formel  tonjnnktiver  Urteile  gebracht  werden  kann:  S  wird 
ans  Pj,  Pa,  Pi  .  .  .  zusammengesetzt  (vgl.  auch  8.  522  n.  533 
über  synthetische  und  konstruktive  Definition).  Ein  ver- 
stecktes konjunktives  Urteil  liegt  oft  auch  dann  vor,  wenn 
das  Prädikat  ein  von  einem  Attribut  begleitetes  Substantiv 
ißt  Das  P»  ist  in  solchen  Fällen  in  dem  Attribut  enthalten, 
und  das  Pi  ist  substantiiert.  VgL  die  Erörterung  S.  604 
über  das  Urteil  „das  Eisen  ist  ein  paramagnetisches  Metall". 
Ebendaselbst  ist  auch  der  Unterschied  des  konjunktiven  Ur- 
teils von  dem  Schlnfi  angegeben.  „S  ist  Pi  und  Fi"  ist  ein  Ur- 
teil; „S  ist  Pi,  S  ist  Pj,  also  ist  S  Pi  und  P^"  ist  ein  Schluß. 
ß)  Kopulative  Urteile. 
Mit  eiltaprechenden  Abänderungen  gUt  hier  desselbe. 
Auch  der  sprachliche  Ausdruck  weicht  nicht  weaentlich  ab: 
das  Hinzukommen  neuer  Subjekte  mit  demselben  Prädikat 
wird  durch  „und",  „sowohl  —  als  auch",  „auch"  ausgedrückt; 
nur  wenn  dies  Hinzukommen  erst  im  Bereich  des  Prädikats 
zum  Ausdruck  gebracht  wird,  verwenden  wir  im  Deutsehen 
„ebenfalls"  oder  „gleichfalls"  statt  „auch"  (auch  das  Mor- 
phium ist  bitter,  das  Morphium  ist  gleichfalls  bitter).  Die 
logische  Hauptbedeutung  der  kopulativen  Urteile  liegt  in 
der  Vorbereitung  von  Allgemeinbegriffen.  Sie  werden  daher 
auch  als  induktive  Urteile  bezeichnet. 

Die  dem  konjunktiven  und  kopulativen  Urteil  entspre- 
chenden negativen  Urteile  (weder  —  noch)  werden  zuweilen 
als  remotive  bezeichnet. 

t)  Divisive  Urteile. 
Die  „Teile"')  des  Subjektbegriffs  S,  dem  die  Prädikate 
Pi,  Pz,  Ps  usf.  zugeschrieben  werden,  sind  verschiedener 
Natur:  bald  handelt  es  sich  nm  ränmliche  („das  Schachbrett 
hat  teils  weiße,  teils  schwarze  Felder"),  bald  um  zeitliche 
(„die  Melodie  ist  teils  steigend,  teils  fallend"),  insbesondere 
um  die  Glieder  (Flnxionen,  S.  330)  eines  Kontraktions- 
begriffs  („der  Mond  ist  bald  ab-  bald  zunehmend"),  bald 
endlieh  um  die  Glieder  eines  Allgemeinbegritfa  (die  Men- 

*)  Man  beachte  wohl,  daß  „Teile"  hier  eine  weitere  Bedeutuni  hat  als 
in  der  Lehre  vom  Begrifi,  insofern  der  Terminus  hier  auch  die  „Glieder" 
(S.  SaO  u.  335  f.)  omfaBL 

Ziehen,  Lehibnch  der  Logik.  4[i 

„.,,„,  ^.oogic 


706       tV-  T*»!-    P'^  einzelnen  loeischcn  Gebilde  und  ihre  Gewtze. 

evhen  sind  teils  männlich,  teile  veiblich).  Man  kann  iahet 
von  ränmlicher,  zeitlicher,  kontraktiver  und  genereller  K- 
visioQ  und  entsprechenden  DiTisionsnrteUeo  sprechen.  Ka 
Wörter  „teils  —  teils"  geben  den  logischen  Tatbestand  am 
adäg-aatesten  wieder.  Für  die, zeitliche,  insbesondere  die  koit- 
traktive  Division  verwenden  wir  oft  auch  „bald  —  bald".  Die 
generelle  Division  läßt  sich  auch  durch  eine  Beihe  partiku- 
lärer urteile  ausdrücken  (S.  658):  einige  S  sind  Pi,  einige  S 
sind  Pt  usf. 

Die  Aufzählung  der  Teile  ist  bald  vollständig,  bald  nicht 
(vollständige  und  unvollständig«  Division).  Bei  unvollstän- 
diger Divison  ziehen  wir  Wörter  wie  „zum  Teil",  „teil- 
weise", „stellenweise",  „zeitweise"  vor;  „teils  —  teils",  „bald 
—  bald"  weist  Öfter  auf  vollständige  Division  hin.  Ans- 
nahmsweiae  wird  nur  ein  Teil  berücksichtigt  und  das 
Verhalten  der  übrigen  Teile  ganz  unberücksichtigt  gelassen 
(„dies  Feld  ist  teilweise  mit  Zuckerrüben  bepflanzt").  Ib 
diesem  Fall  kann  die  Division  vervollständigt  werden,  indem 
man  den  übrigen  Teilen  das  kontradiktorische  (Gegenteil  zu- 
schreibt  („nicht  mit  Z.  bepflanzt");  doch  ist  dies  oft  nur  eine 
logische  Ergänzung,  die  dem  psychologischen  Tatbestand 
fem  liegt. 

Bezüglich  ihres  Ursprungs  ist  die  Division  bald  empi* 
risch  (im  prägnanten  Sinn)  bald  logisch  (formal  =  logisch, 
ebenfalls  im  prägnanten  Sinn).  So  stützt  sich  das  divisive 
Urteil:  „die  Qeschmacksempflndnngen  sind  teils  süB,  teils 
salzig,  teile  sauer,  teils  bitter"  lediglich  auf  die  Erfahrung; 
dagegen  ist  das  divisive  urteil:  „die  Geschmacksempflndnn- 
gen  sind  teils  bitter,  teils  nicht-bitter"  rein  logisch,  insoweit 
es  eich  lediglich  auf  eine  positiv  bestimmte  Teilerfahrnsg 
P  und  sonstige  ganz  unbestimmte  negative  Teilerfahrungen, 
die  zu  non-P  zusammengefaßt  werden,  gründet.  Die  Voll- 
ständigkeit eines  empirischen  divisiven  Urteils  steht  und 
fallt  mit  der  Vollständigkeit  der  zugrunde  liegenden  Erfah- 
rung, das  logische  divisive  Urteil  ist,  da  die  Prädikate  kon- 
ttadiktorisch  entgegengesetzt  sind  (P  und  non  —  P),  stete 
vollständig.    Vgl.  auch  ^  107  über  Division  der  Begriffe. 

Die  Formalienuig  „einige  S  sind  P,  und  einige  S  sind  nicht  P"  ist  Kt 
die  Tollatandige  logische  Division  unangemessen,  da  der  Anschein  erweckt 
wifd,  es  kirne  noch  eine  weitere  Klasse  der  S  in  Frage.  Die  alte  Logik  be- 
zeichnete die  Urteile  „einige  S  sind  F'  und  „einige  S  sind  nicht  F*  alt 
subkontr&r(vgl.  S.  692). 


tY^IC 


2.  K»|>itel-    Die  Lehre  Ton  den  Urteilen. 707 

UberUgeruug  der  Prädikate  iat  bei  den  divisivea  Urteilen  nicht  zutiasic 
(Staitsveriasaunsen  sind  teils  monarchisch,  teils  parlamentarisch,  teils 
oliganhisch,  teils  lepublikanisch),  vgl.  S.  b9S  *).  —  Einfache  individuelle  Be- 
friUe  lassen  überhaupt  keine  divisiven  Urteile  zu  (wohl  aber  einfache  all- 
gemeine wie  Rot,  Farbe  usf.,  vbL  S.  506). 

«0  DiBJonktive  Urteil«'). 

Jeder  TeilaoBsage  (bzw.  Gliedausaage,  vgl.  S.  705, 
Anm.  3)  eines  divisiven  Urteils  entspricht  eine  sejuuktive 
Möglichkeit  (vgl.  S.  685).  Indem  das  Subjekt  des  divisivea 
Urteils  in  bezog  auf  den  Teil  bzw.  dos  Glied,  das  bearteilt 
wird,  unbestimmt  gelassen  ist,  kommen  ihm  verschiedene 
Prädikate  zu  (ein  Mensch  „k  a  n  n"  männlich  nnd  ,>k  a  n  n" 
weiblich  sein).  Da  eine  Überlagernng  dieser  Prädikate  nicht 
zulässig  ist  (s.  oben),  so  kann  jedem  einzelnen  Teil  bzw.  Glied 
nur  eines  der  Prädikate  Pi,  Fi  .  .  .  zugesprochen  werden. 
Ist  die  Btvisiott  vollständig,  so  m  u  fi  jedem  einzelnen  Teil 
bzw.  Glied  eines  der  Prädikate  zukommen.  Im  letzteren 
Falle  ergibt  sich  also  das  Urteil:  S  ist  entweder  Pi  oder  P) . . . 
oder  Pn.    Ein  Urteil  von  dieser  Form  helQt  disjankÜv. 

Urteile  von  derselben  Form  kommen  aber  auch  ohne 
Division  des  SubjektsbegriSa  und  daher  auch  ohne  zugrunde 
liegendes  bzw.  vorausgehendes  divisives  Urteil  vor.  So  läßt 
Kich  das  disjunktive  Urteil  „Wieland  ist  entweder  am  13. 
oder  am  20.  Jan.  1813  gestorben"  schlechterdings  ohne 
Zwang  auf  kein  primäres  divisives  Urteil  über  Wieland 
zurückführen.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  zahlreichen  an- 
deren disjunktiven  Urteilen,  in  denen  ohne  Büoksicht  auf 
Teile  oder  Glieder  des  Subjektsbegritfs,  also  ohne  Bücksicht 
auf  das  verschiedene  Verhalten  der  Teile  eines  ränmlichen 
oder  zeitlichen  Ganzen  und  ohne  Bücksicht  auf  das  ver- 
schiedene Verhalten  innerhalb  der  Phasen  eines  „Dings" 
oder  der  Arten  einer  Gattung  behauptet  wird,  daß  unter 
einer  Eeihe  von  Prädikaten  eines  dem  Subjektsbegriff  zu- 
kommen müsse  („der  Mars  hat  Kanäle  oder  hat  keine"). 
Wenn  man  hier  überhaupt  von  einer  Division  sprechen  will, 

*)  Damit  ist  selbstverständlich  nicht  ausgeschlossen,  daQ  eines  der  Teil- 
pridikate  ein  Komplex  anderer  Teilpradikale  ist:  rot,  blau,  grDn,  bunt  .... 
sind  zulässige  Teilprädikate;  rot  usw.  und  bunt  Qberiagern  sich  nicht  im 
bzischen  Sinn,  denn,  was  bunt  ist,  ist  nicht  rot  (im  änn  von  „nui  rot")  und 
umsekebrt.  * 

■)  Die  deutsche  Bezeichnung  „Trennungsurteile"  (Baumgarten,  Acroas. 
log.  ')  hat  sich  nicht  eingebOrgert. 

43' 

„.,.,„,>..oo^sic 


7(ffi        IV.  T«iL    Die  einaelnea  togiaehen  Getnlde  und  ihre  Gesetze. 

SO  betrifft  sie  den  Prädikatsbegrifl  (die  Tage  des  Janasrs 
sind  der  Ite,  2te  nsf.  bis  Site);  aber  ofFenbar  entspricht 
eine  solche  Auffassung  weder  dem  psychologischen  noch  dem 
logischen  Tatbestand.  Vielmehr  weist  alles  darauf  hin,  daß 
in  solchen  Fällen  ohne  irgendwelche  Division  auf  Gmnd 
empirischer  oder  rein  logischer  Erwägungen  eine  Reihe  von 
Prädikaten  in  Betracht  gezogen  und  nach  Beseitigung  aller 
Überlagerungen  in  disjunktive  Form  gebracht  wird. 

Es  müssen  also  zwei  Formen  des  disjunktiven  Urteils 
unterschieden  werden,  die  als  sekundäres  und  prima* 
res  disjunktives  Urteil  bezeichnet  werden  sollen.  Das  dis- 
junktive Urteil  im  allgemeinen  ist  ein  Urteil,  welches  aoft- 
aagt,  dafi  einem  Subjekt  von  einer  bestimmten  Anzahl  von 
Prädikaten  jedenfalls  eines  zukommt,  das  primäre  dis- 
junktive Urteil  sagt  dies  unabhängig,  das  sekundäre  ab- 
hängig von  einer  Division  des  SubjektsbegriSs  und  einem 
diviaiven  Urteil')  über  ihn  ans. 

Wählt  man  nicht  Wieland  als  Subjekt,  so  lAQt  sich  auch  fOi  das  primire 
disjunktive  Urteil  ein  fundierendes  divisives  Urteil  nachweisen,  z.  B.  „die 
Tatsachen  sprechen  teils  iOr  den  13.,  teils  fOr  den  20.  Januar  als  Todestas 
Wielands  und  keine  für  einen  anderen".  Korrekter  lautet  daher  auch  das 
disjunktive  Urteil;  „die  Tatsachen  sprechen  entweder  für  den  13.  oder  für 
den  20.  Januar"  usw. 

Ausnahmsweise  kommt  der  Anschein  zustande,  als  ob  ein  disjunktives 
Urteil  aus  zwei  oder  mehr  Urleilen  mit  verschiedenen  Subjekten  bestünde. 
So  kann  z.  B.  jemand,  der  Blutapuren  findet,  urteilen:  .Jüier  ist  ein  Ver- 
brechen verübt  worden,  oder  jemand  hat  sich  verletzt,  oder  .  .  .  ."  Offenbtr 
aber  ist  auch  in  solchen  Fallen  der  logische  Sinn  adäoual  durch  ein  disjunk- 
tives Urleil  mit  einem  einzisen  Subjekt  auszudrücken:  „diese  Blulspnren 
rOhren  von  der  Verübung  eines  Verbrechens  oder  von  einer  Selbstverietxun: 
oder  von  .  .  .  .".  Da  solche  Urteile  im  alltäglichen  und  im  wissen schaltlichen 
Denken  doch  eine  groSe  Rolle  spielen,  sollen  sie  mit  dem  besonderen  Ter- 
minus „taitUia ')  disjunktive  Urteile"  belegt  werden. 

Seltner  ist  8  disjunktiv  gegliedert:  Entwad«  8,  odn  8,  •..  ist  P  (z.  B. 
entweder  der  13.  oder  der  30.  Jan.  ist  Wielands  Todestag). 

Disjunktive  Urteile  können  im  aUgemeinen  thetisch,  also  apodiktisdi 
oder  problematisch  oder  prolhetjsch,  d.  h.  als  Annahmen  (vgl.  S.  686)  aus- 
gesprochen werden.  Die  primären  disjunktiven  Urteile  sind,  wenn  die  Prä- 
dikat« zwei  kontradiktorische  Begriffe  sind,  apodiktisch  im  engeren  Sinne 
(S.  686),  die  sekundären  sind  unter  Voraussetzung  der  Richtigkeit 
des  zugrunde  liegenden  diviaiven  Urteils  gleichfalls  apodiktisch  s.  Str.,  da 


■}    Dies  divisive  Urleil  hat  dann  zuweilen  die 
thetisch en  Vordersalzes. 

')  Nach  der  Zahl  der  Teilurteile  unterscheidet  mtn  tdnire, 
quatemäre  disjunktive  Urteile  usi. 


2.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Urteilen. 709 

sie  nur  eine  logische  Umformung  des  letzteren  darstellen,  und  schlechthin 
apodiktisch,  wenn  das  zugrunde  liegende  divisive  Urleil  eine  Division  im 
pr&gnanten  logischen  Sinn  (S.  706)  enthält 

Hingeviesen  sei  noch  auf  die  sprachlichen  Unstimmigkeiten,  welche 
sich  bei  der  Verwendung  des  Wortes  „alle"  mit  Bezug  auf  die  divisiven  und 
disjunktiven  Urteile  ergeben.  Im  vulg&ren  Sprachgebrauch  hört  man  sowohl: 
„alle  Menschen  sind  teils  mannlich,  teils  weiblich"  als  auch  „alle  Menschen 
sind  entweder  mannlich  oder  weiblich".  Die  erstere  Anwendung  ist  un- 
zweifelhaft falsch,  die  letztere  richtig,  insofern  die  Disjunktion  in  der  Tat 
Toa  jedem  einzelnen  Menschen  gilt 

Historisches  aber  die  Eolligationen.  Den  ersten  An- 
stoB  zur  Begründung  der  Lehre  von  den  EolUgationen  gaben  gleichfalls  bereits 
die  älteren  Peripatetiker.  Sie  stellten  der  dxoXov9ia  des  hypothetischen 
Urteils  (S.  703)  bereits  die  iiv^vtte  (^  disjunctio)  gegenüber  (Philoponus, 
Ad  Anal.  pr.  Akad.  Ausg.  Bd.  13^  190ö,  S.  244).  Die  Stoiker  unterschieden  auch 
bereits  das  avftninUj'fiiMiy  {■=  konjunktives  +  kopulatives  Urteil)  von  dem 
JäiCtir/tiren  (==  disjunktives  Urteil),  vgl.  S.  697.  Ein  infolge  unvollständiger 
Division  unrichtiges  disjunktives  Urteil  hieß  JiaQadu^tvyfiirar  (Gellius,  Noct. 
AtL  XVI,  8,  ed.  Hertz  II,  S.  158).  Lateinisch  nurde  ovfiJitnity/iirof  mit  con* 
iunctum  oder  copulatum,  iaitoffiiror  mit  disjunclum  (Cicero,  Acad.  II,  cap.  30, 
%  97)  oder  auch  mit  disjunctirum  C^ieUius,  1.  c.  V,  11)  abersetzt.  Fflr  dis- 
junctio wurde  auch  der  Ausdruck  altematio  gebraucht  (vgl.  Prantl,  1.  c.  I, 
S.  522,  Anm.  52).  Die  aral)ischen  Logiker  betonten  mit  einigem  Hecht.  daU 
dem  kopulativen  bzw.  konjunktiven  Urteil  nur  eine  unitas  aggregationls, 
dem  konditionalen  (=  hTPothetischen)  und  disjunktiven  eine  unilas  con- 
iunctiona  zukomme  (Albertus  Magn.,  Periherm.  Lib.  I,  Tract.  4,  Opp.  Lugd. 
1651,  Bd.  1,  S.  258)  •).  Hamus  (Dialect.  ed.  1577,  S.  116  ff.)  teilte  die  axiomattt 
composila  in  congregativa  und  s^regativa  ein;  das  a.  congreg,  enuntiat 
omnia  consentanea  affirmando  und  zerfällt  in  a.  copulatum  und  a.  connezum 
(s-  5.  703),  das  a.  segregativum  enuntiat  omnia  etiam  dlssentanea  negando 
und  zermil  in  a.  discretum  (konzessives  Satzgefüge)  und  a.  disiunctum.  In 
der  Logik  von  Port-Royal  (ed.  Paris  1861,  S.  116)  wird  richtig  zwischen 
konjunktiven  und  kopulativen  Urteilen  unterschieden  (ohne  Einführung  be- 
sonderer Termini).  Über  Wolff  und  Kant  s.  S.  698).  Baumgarten  (Acr.  log.  *, 
§  232,  S.  62)  teilt  die  propositiones  compositae  in  solche,  quae  plura  habent 
extrema,  und  solche,  deren  eitrema  sunt  propositiones;  zu  ersteren  gehören 
die  propp.  copulativae,  adversativae,  discretae  und  illalivae,  zu  letzteren  die 
propp.  causales,  relativae,  occupativae,  concomitativa. 

Anhangsweise  sei  noch  bemerkt,, daß  es  außer  den  in  §  ISO  u. 
121  besprochenen,  manifest  zusammengesetzten  Urteilen  auch  Urteile  gibt, 
die  formal  einfach  erscheinen,  in  der  Tal  aber  ein  latentes  zweites  Urteil 
enthalten.  Hierher  gehören  z.  B.  die  sog.  Propositiones  exclusivae, 
deren  Subjekt  von  einem  „nur"  begleitet  ist  C,nur  S  ist  P").  Sie  gestatten, 
wenn  „nur  S"  bedeutet  „nur  alle  S",  die  unmittelbare  Verwandlung  (Kon- 
veraion,  vgl.  S.  718)  in  ein  universelles  Urteil  („alle  P  sind  S")  oder  in  eine 
negative  universelle  sog.  ezzeptive  Proposition  (nichts  ist  P  außer  S). 

*)  Ähnlich  Lotze,  Logik,  Lpz.  1874,  S.  9{.  —  Aus  der  neueren  Literatur 
sei  erwähnt  Sam.  Louri6,  Die  Prinzipien  der  Wahrscheinlichkeitsrechnung, 
eine  loa.  Unters,  d.  disjunkt  Urteils,  Tübingen  1910. 


OgIC 


710       IV-  Teil.    Dig  cipwlneii  totiachen  Gebilde  und  ihre  OeBelte. 
3.  Kapitel 

Die  Lehre  von  den  Schlüssen. 

S  122.  Der  ScfaluB  Im  lo^lMheii  Sinn;  sein  Inhalt  wai 
Gegenstand  und  seine  Bestandteile.  Die  psycfaolo^he 
CharakteriBtik  des  Schlusses  (Conclnsio)  *)  wurde  in  %  11  ge- 
geben (vgl.  aach  S.  603  u.  701).  Dort  ei^ab  sich,  daß  die 
UrteilssyntheBen  {S.393)  in  2  Klassen  zerfallen :  dieKlaeseder 
zneammeDgefietzten  Urteile  and  die  Klasse  der  Schlüsse'*). 
Die  zQsammengesetzten  Urteile  wurden  weiterhin  in  hypothe- 
tische Urteile  und  zusammenfasBende  Urteile  (Kolligationen) 
eingeteilt  Der  SchlnO  unterscheidet  sich  von  dem  znsammett- 
gesetzten  Urteil  (sowohl  dem  hypothetischen  wie  dem  zn- 
sammenfasseDden)  durch  folgende  Merkmale:  1.  er  besteht 
aus  mehreren  Urteilen  (wenigstens  zwei),  während  das 
zusammengesetzte  Urteil  sich  zwar  nachträglich  zerlegen 
läDt,  als  solches  aber  eine  Einheit  darstellt;  2.  die  Urteile, 
ans  denen  der  Sehlnfi  besteht,  sind  nicht  gleichgestellt,  son- 
dern das  letzte  ist  den  übrigen  übergeordnet,  insofern  es  za 
denselben  im  Verhültnis  der  Folge  zu  den  Gründen  (Ver- 
liultnis  der  Konsequenz,  Tgl.  S.  381,  395  n.  698)  steht  nnd  das 
Ziel  der  ganzen  ürteilsreihe  bildet;  3.  dementsprechend 
erscheint  der  Schluß  als  ein  Sukzessiv gebilde,  dessen 
Glieder  wenigstens  insofern  an  eine  bestimmte  Reihenfolge 
gebonden  sind,  als  das  letzte  Urteil  (das  Conclusnm  oder 
Schiufiurteil)  seine  Stelle  nicht  mit.  einem  der  anderen  ur- 
teil« (der  Prämissen  oder  Vordemrteile)  vertauschen  kann. 

Die  Logik  bann  diese  psychologischen  Feststellungen 
sämtlich  übernehmen,  jedoch  mit  der  Maßgabe,  daß  alle  zur 
Verwendung  kommenden  Begriffe  und  Urteile  und  auch  die 
Beziehungen  der  Prämissen  zueinander  und  zu  dem  Schlnß- 
arteil  „normalisiert"  nnd  daher  den  wechselnden  psycho- 
logischen Bedingungen  entrückt  werden.  Daher  spielt  für 
den  Schluß  im  logischen  Sinn  das  unter  3  angeführte  Merk- 
mal der  Sukzession  eine  untergeordnete  Bolle  gegenüber  däu 
unter  2  angeführten  Merkmal  der  zielmäßigen  Konsequenz. 
Logisch  kann  deir  Schluß  sonach  kurz  definiert  werden  als 
eine  Reihe  von  Urteilen,  deren  eines  zn  den  übrigen  im  Ver- 
hältnis einer  Konsequenz  steht. 

')  über  die  Verwenduiis  des  speziellen  Terminiis  SvlIOBiamus  s.  unten 
S.  724  u.  726.  —  1>)  Dabei  sind  die  terminolog.  DeiDefkunsen  S.  697,  Anm.  Sa 
va  beitchteii. 


OgIC 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Schlössen.  "JW 

Im  bypolhetischen  Urteil  vird  die  Konsequenz  behauptet,  im  SchlnB 
(im  hypothetisch en  SchluB  und  jedem  anderen  ScbluB)  werden  die  eintelnen 
Urteile  und  insbesondere  das  Schlufiurteil  behauptet  und  zwar  letzteres  als 
Eitebnis,  d.  b.  auf  Grund  der  Konsequenz.  •—  Die  nachdrflckticbe  Betonung 
einer  Konsequenz  ist  eriorderlich,  um  den  SchluB  vom  Beweis  zu  unter* 
•cheiden  (vgl.  Kap.  4)').  —  Die  relative  GleichKQltigkeit  der  Sukzession  fOr 
den  logischen  Schluß  ergibt  sich  daraus,  daB  ich  nicht  nur  seine  Prämissen 
unslellen,  sondern  auch  das  SchluBurteil  den  Prlmissen  Toranstellen  kann: 
Cajus  ist  sterblich,  denn  er  ist  ein  Mensch,  und  alle  Menseben  sind  sterttUcb. 

Die  Termini  „Inhalt"  und  „Gegenstand"  lassen  sich  auch  auf  den 
SchluB  unmittelbar  abertragen.  Der  Inhalt  eines  Schlusses  ist  gegeben  in 
den  Inhalten  seiner  TeilurteUe  und  ihrer  VerknOpfung  (also  in  ihrer  Kon- 
sequenz). Innerhalb  dieses  Gesamtinhalts  kommt  dem  Inhalt  des  SchluB- 
urteits  gemäfi  seiner  soeben  hervorgehobenen  dominierenden  Stellung  ein« 
besondere  Stellung  zu.  Die  Konsequenz  kann  als  ebenso  wesentlicher  Be- 
standteil des  ganzen  Schlusses  auch  ausdrücklich  als  SchluBverknQpfung 
(analog  dem  Terminus  „Urlcilsverknapfune",  vgl.  S.  376)  bezeichnet  werden. 
Der  Gegenstand  (S.  265)  des  Schlusses  ist  die  Gesamtheit  der  fundierenden 
Urteile,  «eiche  in  der  Eonsequenz  for  das  SchluBurteil  verwertet  werden, 
eioschlie Blich  der  tatsächlichen  zwisohen  diesen  fundierenden  Urteilen  be- 
stehenden Beziehungen,  soweit  sie  für  das  SchluBurteil  verwertet  werden. 
Er  dart  keinesfalls  mit  dem  Gegenstand  des  ScbluQurteils  verwechselt  werden. 

Die  Bestandteile  des  Schlusses  im  logischen  Sinn  könqen 
anbedenklich  ebenso  bezeichnet  werden  wie  diejenigen  des 
Schlusses  im  psychologischen  Sinn.  Wir  nnterscheiden  also 
ein  oder  mehrere  Vordersätze  (Vorderarteile,  PrKmissen) 
find  einen  Schlußsatz  (Schlnfiurteil,  Konklnsom).  Die 
Hauptbegriffe,  welche  in  den  Teilurteilen  des  Schlusses  ent- 
halten sind,  werden  oft  auch  „Termini"  oder  besser  Ter  me 
im  prägnanten  Sinn  genannt  Viele  Bezeichnungen,  die 
für  die  Teilurteile  und  Teilbegriffe  besonderer  SchloSformen 
üblich  sind,  werden  bei  Besprechung  der  letzteren  angeführt. 

Historisches.  Bei  Plato  hat  das  Wort tvXioyi«MÖc  die  allgemeinere 
Bedeutung  des  Denkens  (Theaetet  186  D).  hei  Aristoteles  wird  es  zum  ersten* 
mal  ausdrücklich  für  den  SchluB  (und  den  Beweis)  gebraucht  (ftnalft  pr., 
Akad.  Ausg.  2ib;  ovlJMyMfiic  ii  Am  Xiyat  ir  if  tt9lytatr  ii^ür  htfir  n 
tvr  nufiimv  iiäräyxijs  w/iflnlr*!  t%  t«£rir  (&ai).  Die  sog.  unmittelbaren 
Schlüsse  (vgl.  S.  894  u.  unten  S.  716)  rechnet  A  nicht  zu  den  aMoyiv/ial. 
Die  Stoiker  bezeichneten  den  SchluB  bzw.  die  von  ihnen  vorzugsweise  berück- 
sicfatigte  Uauptform  des  Schlusses  schlechthin  als  l^t  (Diog.  Laert.,  De 
ctar.  pfail.  Vit.  VQ,  76,  ed.  Cobet  S.  176).  Der  Terminus  ■mUoriv/Mc' 
wurde  mehr  und  mehr  auf  eine  spezielle  Form  des  Schlusses,  nämlich  den 
aog.  deduktiven  SchluB  beschränkt  (Andeutung  schon  bei  Alexander  Aphrod., 
Ad  AnalyL  priora  f.  106  v,  Akad.  Ausg.  18631  S.  316  f.).  Die  Prämissen 
wurden  von  den  griechischen  Logikern  als  nf/aitirifitr«  oder  jt^irta  oder 
tttifttfn  oder  als  nqnättit  im  prftgnahten  Sinn  bezeichnet,  der  SchluB  hieB 
•och  «vfoti^vfia  oder  iTtuftofä,  die  Termini  opoi  (ArisioL,  Ak.  Ausg.  2i  a). 

*)  Bei  den  SchluBketten  ist  die  Konsequenz  mehrgliedrig.  Vgl.  S.  757. 

h.    !■,    11,1^.001510 


712       ^-  ''*"■    ^'"  «w»lnen  lociachen  Gtbilde  und  ihre  Geaetge. 

In  der  itterea  römischen  Literatur  finden  sich  für  den  ScbluB  im  allcetneinen 
die  AusdrOcke  ratiocinatio,  coUectio  und  conclusio,  der  letzteenannle  wirf 
sowohl  tor  den  ganzen  SchluS  wie  für  das  Schlufiurteil  verwendet  BeispielB- 
weise  erkl&rt  Cicero  (De  divin.  II,  cap.  iS,  %  1(6):  conchisio  autem  rationis 
ea  probanda  est,  in  qua  ez  rebus  non  dubiis  id,  quod  dubitatui,  elficitar. 
FQr  das  Verhältnis  des  SchluBurteils  zu  den  Votderurteilen  findet  sich  nebca 
elfici  auch  consequi.  In  der  Kaiseraeit  hmucbte  man  auch  das  Wort  ,4Ttto- 
gismus",  wie  es  scheint,  in  eanz  allgemeinem  Sinn  (Seneca,  Quintilian). 
Durch  die  Schriften  des  BoSthius  verdrängte  dieser  Terminus  dann  fOr 
längere  Zeit  alle  anderen,  doch  stellt  B.  bereits  ausdraddich  die  inductio  den 
Syllogismus  gegenOber  (ed.  Uigne  Bd.  6i,  S.  709).  Aus  der  Lehre  vom  brpothe- 
tiscben  Urteil  (vgl.  S.  698}  wurden  die  Termini  propositiones  antecedentes  für 
die  Pr&missen  und  proposilio  consectuens  fOr  ias  SchluSurteil  entlehnt  Der 
Zusammenhang  zwischen  den  Prämissen  und  dem  SchluBuiteil  wurde  ala 
consequeutia  oder  consecutio  oder  inferenlia  bezeichnet');  auch  von  einer 
vis  inferenliae  und  necessitas  inferentiae  wurde  gesprochen.  Nicht  selten 
wurden  freilich  dieselben  Bezeichnungen  auch  fOr  den  SchluB  selbst  oder 
auch  fOr  das  Scblußurteil  gebraucht.  In  den  lateinischen  Übersetzungen  do- 
Itniscten  Werke  der  Araber  tritt  zum  erstenmal  die  Bezeichouns  praemisaae 
fOr  die  Pr&miasen  auf  (s.  PrantI,  'Geech.  d.  Log..  Bd.  2,  2.  AuQ.  188&,  S.  317 
u.  S18,  Anm.  iS).  FQr  die  Lehre  vom  ScbluBgegenstand  ist  folgende  von 
PrantI  (1,  c  S.  364)  hervorgehobene  Stelle  aus  der  Metaphysik  Avicennas 
sehr  bemerkenswert:  „Jam  autem  posuerunt  quidam  propositiones  sinüliter 
materiam  conclusioni.  Et  est  error;  immo  propositiones  sunt  materia  fiendi 
syllogisml,  conclusio  vero  non  est  forma  propositionum,  sed  quoddam,  tiuod 
consequilur  ex  illis,  quae  propositiones  efficiunt  in  anima."  Die  spSlece 
Scholastik  hat  vielfach  das  Wort  „consequentLa"  ab  allgemeinsten  Terminus 
lor  alle  Schlüsse  verwendet,  vgl.  z.  B.  Duns  Scotus,  Quaest.  sup.  Analrt 
pr.  I,  Qu.  20,  ed.  Paris  1891,  Bd.  2,  S.  130  b:  „quaedam  est  ccnsequentia 
enthymematica,  et  guaedam  STllogistica".  Auf  die  verwickelte  und  wenif 
fruchtbare  Weiterentwicklung  dieser  Lehre  von  den  conseiiuentiae  kann  hier 
nicht  eingegangen  werden. 

Eine  eigentümliche  Stellung  weist  P.  Bamus  (vgl.  S.  ■*52)  dem  SchfaiC 
an.  Er  bezeichnet  nämlich  als  dianoia  den  DenkprozeB,  „cum  aliud  szioiiu. 
ex  alio  deducitur",  und  unlerscheidet  zwei  Foniien  der  dianoia:  syllogismiis 
und  methodus  (Dialect.  Lib.  n,  Cap.  9,  ed.  1677,  S.  134).  Ersterer  cntspriiü 
dem  SchluB  in  unserem  Sinn,  unter  letzterer  versteht  R,,  soweit  aus  dar 
nicht  ganz  klaren  Darstellung  zu  entnehmen  ist  *],  eine  auf  Grund  ihrer 
Fundierung  und  Bdcanntheit  systematisch  geordnete  Urteilsreihe  (etwa  nach 
Analogie  der  Begrifisreihe  Punkt,  Linie,  Fläche,  Körper).  Sicherüch  hebt  IL 
damit  einen  wichtigen  Gesichtspunkt  hervor.  Wie  wir  Stufenleitern  und 
Systeme  von  Beritten  aufstellen  können  (vgL  S.  333  u.  §  97  u.  107},  sa  iit 


»)  Vgl.  z.  B.  Abaelard.  Dialectica,  P.  UI  (ed.  Cousin  S.  S25):  Interenlia 
itaque  in  necessitate  consecutionis  consistit,  in  eo  scilicet  quod  ex  aeiwa 
antecedentis  sententia  exigilur  consequenlis,  sicut  in  farpothetica  prop»- 
silione  dicitur  . . . 

*}  Die  Definition  lautet:  „methodus  est  dianoia  variorum  aziimiatUBi 
homogeneoruro  pro  nalurae  suae  claritate  praepositorum,  unde  omnium  inter 
se  convenientia  iudicatur  memoriaque  comprehendilur"  (I.  c.  S.  166).  Der 
Sinn  dieser  Definiüon  ergibt  sich  erst  aus  den  weiteten  Erörterungen. 


8.  Kapitel.    Die  Lehre  voo  den  SchlQssea  713 

auch  eine  systematische  Ordnung  von  Urteilen  möglich.  Ftlr  eine  solche 
Ordnung  können  auch  Beziehungen  der  Eonsequenz,  gelegentlich  aber  auch 
andere  Beziehungen  verwendet  weiden;  jedentalls  wird  aber  auch  im  ersteren 
Fall  das  Hauptgewicht  nicht  auf  die  Begrtlndung,  sondern  auf  den  systema- 
tischen Zusammenhang  gelegt.  Die  methodus  des  Ramus  gehört  aUo  nicht 
in  die  Lehre  vom  Schlufi,  sondern  in  die  Lehre  von  der  Wissenschaft  in 
dem  S.  4ßl,  Anm.  1  festgesetzten  weiteren  Sinn.  VgL  auch  Locke,  Ess.  conc. 
hum.  undersL  IV,  17,  3. 

Die  Logik  von  Port-Boval  (ed.  Paris  1S61,  S.  159  ff.)  verwendet  ohn« 
scharfe  Unleischeidung  die  Bezeichnungen  „raisonnement"  und  „syllogisme** 
(Or  den  Schluß;  zuweilen  wird  auch  von  „argument"  gesprochen <>). 

Wolff  (Logica  %  60)  definiert  die  ratiocinatio  (auch  ratiocinium  oder 
discursus  genannt)  zu  eng  als  die  operatio  mentis,  Qua  ex  duabus  propo- 
sitionibus  terminum  communem'  habentibus  formatur  lertia,  combinando 
(erminos  in  utraque  diverses,  und  den  Syllogismus  als  ihren  deutlichen 
sprachlichen  Ausdruck  (oratio,  qua  ratiocinium  ...  diatincte  proponitur, 
§  832).  Vgl.  auch  Baumgarten,  Acroasis  logica  g  0(6  ff.  Die  Lehre  vom 
SchluB  wurde  oft  als  Dianoilica,  die  Prftmissen  als  praemissae  oder  data 
oder  sumliones,  das  SchluBurteil  als  conclusio  (statt  coDclusum),  der  Zu- 
sammenhang des  SchluBurteils  mit  den  PrämiBsen  als  conaequentia  oder 
Folge,  die  Bildung  des  SchluBurteils  als  illatio  (vgl.  S.  393,  Anm,  G]  be- 
zeichnet. Ist  der  SchluB  gewiß  und  deutlich,  so  wiude  er  auch  ratiocinium 
s.  Str.  oder  „VemunftschluB"  („gelehrter  Vemunftschluß")  genannt  (vgl. 
z.  B.  G.  Fr.  Ueier,  Vernunftlehre,  2.  Aufl.,  g  S8S).  Im  Anschluß  an  diese 
Terminologie  unterschied  dann  E  a  n  t  Verstandesschlüsse,  Vemunf (Schlüsse 
und  Schlüsse  der  Urteilskraft  (Logik  g  41  ff.).  Seine  Definitionen  lauten:  ein 
Schluß  ist  „die  Ableitung  eines  Urteils  aus  dem  andern",  der  Yerstandes- 
schluB  ist  eine  unmittelbare  Ableitung  „eines  Urteils  aus  dem  andern  ohne 
«in  vermittelndes",  der  VemunftschluB  ist  „das  Erkenntnis  der  Notwendig- 
keit eines  Satzes  durch  die  Subsumtion  seiner  Bedingung  unter  eine  gegebene 
allgemeine  Begel",  die  Schlösse  der  Urteilskraft  sind  „gewisse  Schlußarten, 
aus  besonderen  Begriffen  zu  allgemeinen  zu  kommen".  Die  VernunttschlOsse 
und  die  Schlüsse  der  Urteilskraft  sind  mittelbar.  Die  letzleren  faßt  K.  als 
„Funktionen  der  reflektierenden",  d.  h.  der  „vom  Besondern  zum  Mge- 
roeineD  gehenden"  „Urteilskralt"  auf  (im  Gegensatz  zu  den  Funktionen  der 
bestimmenden  Urteilskraft,  die  vom  Allgemeinen  zum  Besondem  geht).  Ei 
schreibt  der  reflektierenden  Urteilskraft  nur  s  u  b  i  e  k  t  i  v  e  Gültigkeit  zu,  ds 
das  Allgemeine,  zu  welchem  sie  von  dem  Besonderen  fortschreite,  nur  em- 
pirische Allgenteinheit,  ein  bioBes  Analogen  der  logischen  sei.  In- 
duktion und  Analogie  werden  als  die  beiden  SchluBarten  der  Urteilskraft  an- 
geführt; der  Terminus  „Syllogismus"  wird  vermieden.  Etwas  andere  Defini- 
tionen gibt  K.  in  der  Kritik  der  reinen  Vernunft,  Kehrb.  Ausg.  S.  26b  u.  267. 
Aq  der  zweiten  Stelle  wird  der  unmittelbare  SchluB  als  Vetstandesschlul, 
der  mittelbare  schlechfhin  als  VemunftschluB  bezeichnet.  Der  letztere  soll 
in  der  Weise  zustande  kommen,  daB  zuerat  eine  (allgemeine)  Begel  durch 
den  V  e  r  s  l  a  n  d  gedacht,  dann  ein  Erkenntnis  unter  die  Bedinguiw  der 
Begel  vermittelst  der  Urteilskraft  subsumiert  und  endlich  in  dem  Kon- 


■)  In  der  neueren  französischen  Literatur  wird  oft  der  Terminus  „syllo- 
Sisme"  für  die  vollständige  und  typische  und  einfachste  Form  des  raisonne- 
ment verwendet  (vgL  z.  B.  D.  Mercier,  Loiidue,  5.  AuQ.  Louvain— Paris 
1909,  S.  itß). 


714       'V'  T^.    Die  «inKlttMi  locischtti  G«tälde  und  ihre  GcmIu. 

klutum  d«B  .Erkenntnis  durch  das  Pr&dikat  der  Regel,  mithin  >  priori 
durch  die  Vej-nunft  bestimmt'"  wird.  Hier  ist  also  von  besonderen 
Schlüssen  der  Urteilskralt  noch  keine  Rede.  Die  Einsch&ltuoK  der  letzletea 
in  der  Logik  hfingt  wohl  mit  den  inzwischen  in  der  Kritik  der  Urteilskraft 
(uedergeleglenGeduikenglnsen  (Einleit.  m  u.   IV)  zusunmen. 

Eine  wesentliche  Veränderuiif  in  der  allsemeinen  Terminolotfe  des 
Schlosses  isl  seitdem  in  Deutschland  nicht  eingetieten,  nur  wurde  es  mehr 
und  mehf  üblich,  den  Terminus  SrlloEismus  wieder  in  enserem  Sinn  ra 
bnochen,  vgl.  g  126.  In  England  wurden  die  wichtigsten  Termini  zuerst  *MI 
Locke  etwas  schärfer  fixiert,  und  zwar  inference  (illalion,  to  infer)  fOr  da 
SchluB  im  allgemeinen,  syljogism  für  den  logisch  formulierten  SchluB  (Eas. 
coDC.  hum.  underst.  IV,  17,  i).  Das  Schließen  ist  fflr  Locke  nur  eine  Foim 
der  Titigkeit  der  Vernunft  (reason)  neben  anderen.  Erst  J.  St  Hill  ;A  System 
ol  logic  etc.  Bd.  1.  Book  II)  hat  diese  Nomenklatur  wesentlich  verändert  Er 
bezeichnet  iede  Ableitung  eines  Satzes  aus  einem  anderen  als  reasoning 
oder  infefence  und  verwendet  die  Bezeichnung  ratiocination  or  sTUogiam  im 
engeren  Sinn  fQr  reasoning  from  generals  to  pariiculars  und  stellt  sie  daher 
der  induction  (reasoning  from  particuUrs  to  generals)  gegenüber*).  Die 
neueren  englischen  Logiker  braucheA  größtenteils  fOr  den  SchluB  im  allge- 
meinen das  Wort  „interence"'  und  reservieren  das  Wort  „syllogism"  für  deo 
mittelbaren  SchluB  (mediale  interence  or  inFerence  by  a  medium  or  middl« 
lenn,  vgl.  z.  B.  W.  St  Jevons,  Elena,  lessons  in  logic,  IS.  AufL,  London  1890, 
S.  126).  Die  Vorderurteile  werden  als  premisea,  das  SchluBurleil  als  condv- 
■ion  bezeichnet. 

fi  123.  EiateilDnK  and  BllKemeine  STinboUk  der  SehlBsse. 
Aach  die  Schlüsse  können  von  Terschiedenen  Gesichtspunk- 
teo  eingeteilt  werden.  Anf  Grand  des  G«lta  ngsbewaflt* 
«eins  {vgl.  S.  382)  hat  man  thetische  and  prothetisehe 
Schlüsae  zn  unterscheiden.  Der  thetische  Schloß  besteht  aus 
thetischen  urteilen  (^  76),  der  prothetisehe  enthält  eine  oder 
mehrere  Annahmen  (Prothesen).  WeitsoB  die  meisten 
Schlüsee  des  täglichei)  Lebens  and  des  wissenschaftlichen 
Denkens  sind  thetisch.  Ein  Beispiel  einer  Prothese  erleben 
wir,  wenn  wir  irgendeinen  gewagteren  SchlnB  etwa  eines 
philosophischen  Schriftstellers  (beispielsweise  eines  der 
Argumente  Kants  zagnnsten  der  Apriorität  der  Banm- 
anschaaung)  zuerst  kennen  lernen;  dann  wird  oft  zunächst 
Widerspruch  und  Zustimmung  sowohl  für  die  Vordemrteile 
wie  für  das  Schlnßnrteil  wie  auch  für  den  Zusammenhang 
zwischen  diesem  und  jenen  ansbleiben:  der  ganze  Schloß 
wird  also  prothetisch  sein  (vgl.  S.  383).  Mitunter  kommt 
jedoch  dieser  prothetisehe  Charakter  nttr  einzelnen  Teil- 
urteilen  zu.    So  kann  ich  z.  B.  eine  Annahme  (ein  protheti- 

,  Hill  weiterhin  dies» 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  SchiOsseu.  715 

ecbes  urteil)  prüfen,  indem  ich  es  aU  erste  Prämisse  ver- 
wende, eine  thetiecbe  Prämisse  hinzofüffe,  den  Schlafi  ziehe 
und  diesen,  der  für  mich  zunächst  infolge  des.  prothetischen 
Charakters  der  ersten  Prämisse  selbst  prothetisch  ist,  mit 
der  Erfahrung  vergleiche  oder  auf  seine  Kongruenz  (S.  289) 
nntersnche.  Bei  dem  indirekten  Beweis  spielen  solche  par- 
tiell prothetischen  Schlüsse  eine  groBe  Bolle. 

Eine  zweite  Einteilung  der  Schlüsse  gründet  sich  auf 
die  Zahl  der  Vorder  urteile.  Die  onmittelbaren 
Schlüsse  (Conclusiones  immediatae)  enthalten  nur 
ein,  die  mittelbaren  (Concl.mediatae)  wenigstens 
zwei  Vorderttrteile  (vgl.  S.  394) ').  Übrigens  kann  dnrch 
Latentwerden  eines  oder  mehrerer  Vorderurteile  (enthyme- 
matische  Verkürzung,  S.394)  ein  mittelbarer  Schluß  die  Form 
eine«  unmittelbaren  annehmen. 

Mit  dieser  Einteilung  kreuzt  sich  eine  dritte,  bei 
welcher  in  Betracht  gezogen  wird,  ob  das  Schlußurteil  unsere 
Erkenntnis  erweitert,  also  eine  neue  Erkenntnis  {^cq^v  tt  v£v 
xgiftivnv,  Aristoteles),  zustande  bringt  oder  die  Vorderurteile 
bzw.  das  Vorderurteil  lediglich  umbildet,  z.  B.  irgendwie  zu- 
sammenfaßt, ohne  die  Erkenntnis  zu  erweitem.  Erstere  wer- 
den auch  als  Schlüsse  s.  str.  (vgl.  S.  392)  oder  als  Erwcitc- 
mngsschlüsse,  letztere  am  besten  als  Umbildangsscblüsse 
bezeichnet.  Ausschließlich  sprachliche  Cmformaogen 
(z.  B.  tjbersetzungen,  Einsetzungen  von  Synonymen)  sollten 
nicht  als  Schlüsse  bezeichnet  werden  (vgl.  394). 

Eine  vierte  und  fünfte  Einteilung  beruht  auf  der 
Qualität  (S.  638fr.)  bzw.  Quantität  (S.  656fr.)  der  Prä- 
missen, bezieht  sich  also  darauf,  ob  die  Prämissen  bejahend 
oder  verneinend,  generell  oder  individuell,  universell  oder 
partikulär  sind  usf.  Für  die  wichtigen  hieraus  sich  ergeben- 
den Schlußformen  sollen  erst  bei  der  speziellen  Besprechung, 
soweit  erforderlich,  besondere  Bezeichnungen  eingeführt 
werden.  Eine  sechste  Einteilung  ergibt  sich  aus  der  Be- 
rücksichtigung der  Modalität  der  Prämissen.  Es  leuchtet 
ein,  daß  die  Modalität  des  Schlnßurteils,  d.  li.  sein  problema- 
tischer oder  apodiktischer  Charakter  (vgl.  S.  682)  von  der 
Modalität  der  Vorderurteile  abhängen  wird.  Die  siebente 
Einteilung  endlich  berücksichtigt  die  Struktur  (S.  697) 

„einlaclie"  und  „tu- 


OgIC 


716        IV.  Teil.    Die  einEelnen  logisdiep  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

der  Främiseen,  srmppiert  also  die  Schlüsse,  je  nachdem  die 
Prämisseo  kategorische  oder  hrpothetische  oder  zusammen- 
fassende  Urteile  sind  i%  120). 

Im  folgenden  wird  zunächst  die  Einteilung 
in  unmittelbare  nnd  mittelbare  Schlüsse  zn- 
grnnde  gelegt. 

Bezüglich  der  allgemeinen  Symbolik  der  Schlüsse  soll 
festgesetzt  werden,  daß  sämtliche  Teilarteile  auf  die  Schal- 
form  „S  ist  F"  gebracht  werden  (vgl.  S.  619  f.),  nnd  daß  die  Zu- 
gehörigkeit eines  S  bzw.  P  zur  ersten  oder  zweiten  «sf.  Pr5- 
misse  nötigeufalls  dnrch  eine  rechts  unten  beigesetzte  rö- 
mische Ziffer  (St,  Sd>  Ft  usf.)  ausgedrückt  wird.  Im  Schluß- 
urteil  werden  diese  Ziffern  weggelassen.  Zwischen  die  ein- 
zelnen Prämissen  soll  ein  Semikolon  gesetzt  werden;  dieses 
drückt  also  das  Znsammenbestehen  der  Prämissen  ans.  Die 
letzte  Prämisse  und  das  Schlußurtejl  sollen  durch  Semikolon 
und  Doppelpunkt  ;:  getrennt  werden.  Abgekürzt  kann  ein 
Teilurteil  auch  S  P  (statt  S  —  P)  geschrieben  werden. 
S  Ppr  bedeutet,  daß  S P  nur  Annahme  (Prothese)  ist. 

Die  Blnebraische  Losik  setzt  jede  Primisse  in  eine  Klammer  und  rat 
d&3  EonUusum  das  Subsuuitiiinszeichen  ^  (vgl.  z.  B.  E.  Scbroeder,  AbriE 
d.  AI«,  d.  Log.  1.  Teil,  Lpz-,  Berlin  1909,  S.  7  «.  Vories.  Ober  d.  Alg.  d.  Lo|. 
Bd.  11,  1,  Lpz.  1891,  S.  217  ö.;  Couturat,  L'algöbre  de  ia  logique  1905.  §  6). 
4X  ^5  ß  bedeutet  also:  aus  dem  Urteil  <x  folgt  das  Urteil  ß.  desgleichea 
(>  <  b)(b<c)  ^  (a  <  o):  wenn  a  kleiner  ist  als  b  und  b  kleiner  ist 
als  c,  d&aa  ist  a  kleiner  als  c  (sog.  Aussagenmultiplikation).  Vgl.  auch  S.  569. 
Andrerseits  verwendet  sie  zur  Einleitung  des  Konklusums  auch  ein  PunLI- 
dreieck  (Scbroeder  I.  c.  Bd.  2,  S.  231). 

§  124.  Unmittelbare  Sehlnsse.  Die  unmittelbaren 
Schlüsse  zerfallen  in  folgende  Hiauptgruppen: 

1.  solche,  deren  Schlnßurteil  aus  der  Prämisse  sich  schon 
auf  G)?and  der  Wortbedeutangea  der  Terme  der  letzteren 
ergibt; 

2.  solche,  deren  SchluBurteU  säch  auf  Grund  der  allge- 
meinen logischen  ürteilsprinzipien  (^  119)  ergibt; 

und  3.  solche,  deren  Schlußurteil  sich  bei  Vertauschnng 
von  S  mit  P  aus  den  speziellen  quantitativen  Beziehmigen 
zwischen  S  und  P  ergibt. 

Zu   der  ersten  Gruppe  gehören  Schlüsse   wie:  alle 

S P ; :  einige  S — P  oder  alle  S — P  ; :  dies  S — P  oder 

alle  Säugetiere  haben  warmes  Blut  ; :  die  (bzw.  anch:  alle) 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Schlosses.  7^7 

Waasersängetiere  haben  warmes  Blut  (vgl.  S.  394).  Soweit  es 
sieh  dabei,  wie  in  diesen  Beispielen,  nm  Übergang  vom  üniver- 
Bellen  zam  Partikulären  oder  Individuellen  handelt,  spricht 
die  ältere  Logik  von  einem  Schluß  „ad  subalternatam 
propositionem"  oder  „a  majori  ad  minus"  (Snbaltematione- 
schloit,  vgl.  S.  719).    Der  umgekehrte  Schluß  (einige  bzw. 

viele  S P  :  :  alle  S — ^P)  heifit  „ad  subalternantem"  oder 

„a  jninori  ad  majus"  und  muß  seibstverständlich  nicht 
richtig  sein  und  ist  daher  generell  nicht  zulässig;  trotzdem 
spielt  er  bei  dem  sog.  induktiven  Schluß  (S.  397  u.  unten  ^  132) 
eine  sehr  bedeutsame  KoUe.  Vgl.  auch  S.  733  über  das  Dictum 
de  omni  et  nullol 

Nicht  zu  der  ersten  Gruppe  und  überhaupt  nicht  zu  den  unmittel- 
baren Schlüssen  gehören  diejenigen  Schlüsse,  bei  welchen  sich  das  SchluB- 
urteil  erst  vermöBe  einer  Nominaldefinition  seines  Subjekts  (vgl.  S.  636)  aus 
der  Prämisse  Ergibt.  Beispiel:  alle  S&ugetiere  haben  warmes  Blut;  ich  ver- 
stehe unter  Aplazentaliem  eine  bestimmte  Unterklasse  der  Säugetiere;  also 
haben  die  Aplazentalier  warmes  Blut.  Sie  bilden  den  übersang  zu  den  sehr 
häufigen  mittelbaren  Schlüssen,  bei  welchen  das  ScbluBurteil  durch  eine 
Bealdefinilion  seines  Subjekts  erzielt  wird.  —  Schlüsse  wie  der  oben  an- 
geführte mit  dem  Konklusum  „dies  S  ist  F'  (vbI.  S.  378  u.  83*)  leiten 
übrigens  schon  zu  den  mittelbaren  Schlössen  hinüber,  insofern  der  ScbluB 
zerlegt  werden  kann  in  „alle  S  sind  P;  dies  ist  ein  S;  dies  (seil.  S)  ist  ein  P'. 

Bei  der  zweiten  Gruppe  handelt  es  sich  um  mannig- 
fache Anwendungen  des  Princlpium  contradictionis  in  seineu 
verschiedenen  Formen  (vgl.  S.  692).  Hierher  gehört  der 
Schluß:  S  ist  P  ; :  S  ist  nicht  non-P.  Das  Schlußurteil  ist 
nnr  dann  richtig,  wenn  „ist  non-P"  soviel  bedeutet  wie  „hat 
die  Eigenschaft  P  überhaupt  nicht"  ^)  oder  „gehört  zur 
Klasse  der  nicht-P,  d.  h.  gehört  nicht  zur  Klasse  der  P".  In 
der  älteren  Logik  spricht  man  in  einem  solchen  Fall  von 
Schlüssen  durch  oder  aus  Äqnipollenz  (s.  str.).  Vgl. 
hierzu  S.  692  über  äquipollente  Urteile. 

')  Vgl.  S.  423,  Anm.  1  u.  43a  An  der  letzteren  Stelle  wurde  non-a 
in  anderem  Sinn  definiert,  oben  hat  e9  die  S.  423,  Anm  1  u.  Mit.  fest- 
gesetzte Bedeutung.  Bei  der  großen  Zahl  von  logiseben  Schwierigkeiten, 
welche  dem  Terminus  non-a  anhalten,  stelle  ich  seine  Bedeutungen  hier 
nochmals  zusammen,  non-a  kann  entweder  bedeuten  „von  a  verschie- 
den" oder  „a  (Akkusativ)  ausschliefiend".  DemgemAS  bedeutet  „non-a  als 
Teilinhalt  innerhalb  eines  Gesamtinhalts  1  denken"  entweder  ,4nneriialb 
J  etwas  von  a  verschiedenes  denken",  wobei  oBen  bleibt,  ob  daneben 
such  a  gedacht  wird  oder  nicht,  oder  .innerhalb  J  a  nicht  denken".  Soll 
mit  a  selbst  der  G  e  s  a  m  t  inhalt  des  jeweiligen  Denkens  gemeint  sein,  so 
bedeutet  non-a  denken  in  beiden  Fallen  (sowohl  in  dem  Sinn  „von  a  ver- 
schieden" wie  in  dem  Sinn  „a  auBScblie&end")  soviel  wie  „a  nicht  denken". 


718       IV.  Teil.    Dia  eintelnen  logischen  Gdiilde  und  Hut  Ge«eize. 

Wichtiger  sind  die  anmittelbaren  Schlüsse  der  dritten 
Gruppe.  Hierher  gehört  vor  alleoi  die  EonTersion,  d.  h.  die 
formal  richtige  Herleitai^  eines  gleichinhaltliehen  Urteils 
ans  eiDem  anderen  durch  Vertanschung  von  Subjekt  und  Pni- 
dikat  ev.  unter  entsprechender  Ähänderang  der  Qnantitäts- 
bezeichnung.  So  entsteht  aus  dem  universellen  affirmativen 

Urteil  „alle  S P"  das  partikuläre  affirmative  Urteil  „einigt 

p S"    (Conversio    per    accidens),    aas    dem    universellen 

negativen   Urteil    „kein  S P"   das   universelle    negative 

„kein  P S"  (Conversio  simplex,  d.  h.  Konversion  ohne 

Quantitätsänderung)  und  aus  dem  partikulären  affirmativen 

„einige  S P"  das  partikuläre  affirmative  „einige  P S" 

(gleichfalls  Conversio  simpIex).  Aus  dem  partikulären  nega- 
tiven Urteil  „einige  S  sind  nicht  P"  ergibt  sich  durch  Eon- 
version das  Urteil  „die  P  enthalten  einen  Teil  der  S",  d.  h. 
P  ist  dem  S  nicht  superordiniert,  sondern  mit  S  gekreuzt*); 
für  solche  Snperordinationsurteile  (in  diesem  Spezialfall  ein 
negatives)  ist,  wie  früher  S.  673  hervorgehoben  wurde,  bei 
der  üblichen  Klassifikation  der  Urteile  eine  besoudere  Bolle 
nnd  ein  besonderer  Terminus  nicht  vorgesehen.  Etwas  miß- 
verständlich drückt,  man  dies  auch  durch  den  Satz  aus,  daS 
partikuläre  .negative  Urteile  eine  Konversion  nicht  zulassen. 

Offenbar  haben  alle  diese  EonTersionen  nur  dann  einen  Sinn,  vaut 
dag  P  der  Prämisae  einen  dem  S  abergeordneten  Gatlunssbegrifl  bezeidin«. 
die  Pr&misse  also  ein  Subsumtionsurteil  ist  (vgl  S.  673).  Ist  P  ein  HeckmiL 
die  Prämisse  also  ein  Inhirenzurteil  ^vgl.  S.  610),  so  bekommt  die  Eoo- 
version  erst  dann  einen  Sinn,  wenn  an  Stelle  des  Merkmals  P  duich  die 
S.  4tlj  u.  518  besprochene  Hypostasierung  die  Gattung  der  Träjer  dea  Uett- 
inals  P  gesetzt  wird  ;z.  B.  alle  Ur&nverbindungen  sind  radioaktiv  :=  alle  ütan- 
verbindiingen  sind  Triger  des  MericmaU  der  Radioaktivit&t;  Konveision; 
einige  Tr&ger  des  Merkmals  der  Radioaktivität  sind  Uranvetbindungen)- 
Dabei  hat  das  Wort  „einige"  in  dem  konvertierten  Urteil  die  Bedeutunc 
„wenigstens  einige"  (vgl.  S.  665).  Es  leuchtet  ein,  daB  in  vielen  Fiilen 
eine  solche  Hypostasierung  und  damit  die  Eonversion  den  gewöhnlichen  ¥a> 
gingen  des  Denkens  ;im  psychologischen  Sinn)  wenig  entspricht*). 

Außer  der  Konversion  gehört  zur  dritten  Gruppe  die 
sog.  Eontrapositlon.  Sie  unterscheidet  sich  von  der  ersteren 
dadurch,  daß  das  kontradiktorische  Negat  des  Prä- 
dikats der  Prämisse  (vgl.  S.  547)  znm  Subjekt  des  SchlnS- 

^  Dabei  ist  vorausgesetzt,  daß  „einige"  bedeutet  „nur  einige".  Be- 
deutet es  „wenigstens  einige",  so  lautet  das  konvertierte  Urteil:  P  ist  von  S 
völlig  getrennt  o  d  e  r  mit  S  gekreuzt  (kein  P  ist  S  oder  nur  einige  P  sind  S). 

*)  Sigwart,  Logik  ',  Bd.  1,  S.  440  hebt  dies  namentlich  (Or  die  Urteile 
der  Aktion  (Prfidikat  ein  zeitUches  Geschehen)  hervor. 


•oog\c 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Schlüsaea.  719 

Urteils  gemacht  wird.  Dabei  ist  meistens  eine  Umkehr  der 
Qualität  erforderlich.  So  entsteht  aus 

alle  S  sind  P     t    alle    non-P    sind    niclit    S 
(^  kein  non-P  ist  S); 
kein  S  ipt  P     :    einige*)  non-P  sind  8; 
nur  einige  S  sind  P     :    einige  non-P  sind  S; 
wenigstens  einige  S  sind  P     :    einige    oder    keine    non-P 
sind  S"). 

Die  Hauptbedentung  der  Konversion  und  der  Kontra- 
position für  das  praktische  Schließen  liegt  in  den  folgenden 
beiden  Regeln  *) :  1.  Steht  fest,  daß,  wenn  etwas  A  ist,  es  anch 
B  ist,  so  folgt,  dafi,  wenn  etwaa  nicht  fi  ist,  es  anch  nicht  A 
sein  kann,  und  2.  steht  fest,  daB,  wenn  etwas  A  ist,  es  nicht 
B  ist,  so  folgt,  daß,  wenn  etwtas  B  ist,  es  nicht  A  sein  kann. 
Alle  übrigen  Fälle  von  Konversion  und  Kontraposition  haben 
geringe  Bedeutung.  Die  beiden  angeführten  Fälle  entspre- 
chen der  sog.  „reinen"  Konversion  und   Kontraposition. 

Eine  Erweiterung  nnsrer  Erkenntnis  liegt  bei  den  un- 
mittelbaren Schlüssen  nicht  vor;  sie  gehören  also  nicht  zu  den 
Schlüssen  s.  str. 

Historisches.  Die  alte  Losik  legle  auf  die  Lehre  von  der  Sub- 
alteraation,  AquipoUenz,  Eonversion  und  Kontraposition  groBes  Gewicht. 
Dia  unmittelbaren  Urteile  der  ersten  Gruppe  sind,  wie  es  scheiut,  zuerst  von 
Appuleius  (Btfi  iffi.,  «d.  Oud.  266.  ed.  Thomas  III,  S.  179)  genauer  be- 
schrieben worden.    Er  stellte  folgende  Tafel  auf: 

L  alle  S P,  IL  aUe  S  nicht P, 

m.  einige  S P,         IV.  einige  S  nicht P. 

und  nannte  Urteile  im  Verhältnis  von  I  zu  II  propositiones  incongiuae,  Urteile 
im  Verhältnis  von  m  zu  IV  pr.  suppares,  Urteile  im  Verh&ltnis  von  I  zu  IV 
oder  II  zu  m  alterutrae.  Für  die  Urteile  im  Vertiiltnis  von  I  zu  HI  und 
n  zu  IV  fohrten  die  jatetnischea  Logiker  dann  weiterhin  die  Bezeichnung 
propositiones  subaltemae  ein  (vgl  z.  B.  BoSthius,  De  syllog.  caL,  Mignes 
Palrol-,  Bd.  6*,  S.  773  u.  dies  Vferk  S.  663  u.  692).  —  Die  Lehre  von  den 
äquipollenten  unmittelbaren  Schlössen  geht  gleichfalls  anscheinend  aul 
Appuleius  zurück  (l  c.  ed.  Thomas  S.  181),  doch  hat  der  Tenninua  A<iui- 
pollenz  bei  ihm  noch  eine  etwas  allgemeinere  Bedeutung.  —  Die  Lehre  von 
der  Eonversion,  dem  Jmainiiptty,  hat  Aristoteles  begründet  (Analyt.  pr. 
Ak.  Ausg.  ffla).  Er  gibt  die  oben  angeführten  Hauptregeln  bereits  an  und 
sucht  sie  apagogisch  wenigstens  zum   Teil  zu  beweisen.     Über  die  Um- 

*)  „einige"  hat  hiei  die  Bedeutung  „wenigstens  einige,  vielleicht  sogar 
alle". 

■)  Der  nbiichen  Fonnuliening,  daS  aus  dem  Urteil  „Einiges  S  ist  F' 
nichts  durch  Eontraposition  folge  (vgl.  z.  B.  Sigwart  1.  c.  S.  UV),  kann  ich 
nicht  zustimmen. 

•)  Vgl.  Sigwart,  I.  c  S.  Ml. 


n,g,t,7rJM,GOOglC 


730        ^-  '^'''-    ^^  einzelnen  losischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

kehnins  des  parlikulftien  neEativeo  Uneils  beme At  er :  tifi'  «n^'*'^'  (oimbcii 
if  fi^*!  Jt^Tucw  ävtMt(ii<ftui  KBiä  fiigof,  wie  es  vom  positiven  puUkn- 
Uren  Urteil  gilt)  av«  ((i>ax'"''<»'nut  der  unausreichenden  BeErflndungtBv  7a;  d 

if^fUiat  fii  vniifgu  toi  j'ufi,  *a,l  Cnotr  avjr  vnaQgU  Uri  ifSqiön^  (die  ricboga 

KouTeiGion  a.  o.)-  Aach  versacht  er  analoge  Eonversionaregeln  für  die  one  Mög- 
lichkeit aassageoden  Urteile  {jis  staä  tö  iriixt*iat  ngatävw)  aafmstelleD  (L  c 
32a,  15  tL).  Bei  Galen  {ed.  Kühn,  Leipz.  1826,  Bd.  XI,  De  simpl.  med.  lemp.  S.499) 
tritt  neben  demTeiminns  ävjtaigitpto'aachäeiTermiimiaymoTfu^i  mt,  tller- 
dinn,  wie  mir  scheint,  ohne  ausreichend  scharle  Unterscheidung  (vgl.  da- 
gegen Prantl.  1.  c.  Bd.  1.  S.  &69).  Bei  Appulejus  ;i.  c,  S.  181)  begegnet  uns 
zuerst  die  Bezeichnung  „conversio".  Das  unirenelle  verneinende  und  du 
partikul&re  bejahende  Urteil  bezeichnet  er  als  „conversibiles"  (im  pTtgaanteo 
Sinn),  insofern  bei  ihnen  eine  Umkehrung  ohne  Quantit&ts-  und  ohne  QnaU- 
tätsändening  vorgenommen  werden  kann  (selbstverständUch  ohne  d&B  der 
WahrbeitstehalL  sich  verschiebt,  „permanente  conditione  veritatis  aut  falsi- 
tatis").  Die  oben  als  Kontisposition  bezeichneten  unmittelbaren  Schlosse 
bebandelt  er  als  eine  „altera  propositionum  conversio,  quM  non  tantom 
ordinem,  sed  etiam'  ip3as  particulas  in  contrarium  perducit  .  .  .".  Eine  sehr 
ausfOhrliche  Behandlung  der  Umkehrungen  findet  sich  bei  Boethius.  Er  stellt 
die  conversio  per  accidens  der  conversio  simplex  gegentlber  und  spricht  von 
einer  conversio  per  contrapositionem  (Hignes  FatroL  Bd.  6i,  S.  904  E,  2S9 
—  allgemeine  Definition  des  converti  — ,  786  fl.). 

Auch  in  der  Folgezeit  wurde  der  Terminus  „Konveraion"  noch  nidit  in 
heutigen  Sinn  gebraucht.  So  erkl&rt  z.  B.  die  Logik  von  Port-Royal  {U,  18): 
.,011  appelle  conversion  d'une  proposilion,  lorsqu'on  change  le  sujet  en  sttri- 
but  (==  I^adikat,  s.  S.  623)  et  l'attnbut  en  suiet,  sans  que  la  proposition 
cesse  d'etre  vraie,  si  eile  l'^lait  auparavant,  ou  plulCt  en  sorte,  qu'il  s'ensuiva 
nteessairement  de  la  conversion,  qu'elle  est  vraie,  supposä  qu'elle  le  ful". 
Im  einzelnen  finden  sieb  manche  treffende  Bemerkumen.  Baumgarten  (Acr. 
log.  §  278  B.)  nimmt  wie  die  meisten  Autoren  das  Erhaltenbleiben  der  Qualität 
in  die  Definition  der  Conveisio  auf,  wahrend  nach  der  5.  718  gegebenen 
Darstellung  außer  der  Vertauscbung  von  S  und  P  nur  die  formale  Richti^eil 
der  Herleitung  fflr  die  Konversion  gefordert  wird  und  die  Erhaltung  der 
QualitAt  ein  sekundäres  Merkmal  ist.  Conversio  mit  Erhaltung  der  Quantität 
wird  conversio  simplex  odej  reciprocatio,  conversio  mit  Wechsel  der  Uuantitit 
conversio  per  accidens  genannt.  Die  Kontraposition  wird  nicht  mehr  als  eise 
Abart  der  Konversion,  sondern  als  eine  koordinierte  SchluBbildung  behandelt 
(praedicaium  in  conceptum  negativum  mutatur,  g  288).  Bemerkt  sei  nocb, 
daß  die  Prämisse  propoAlio  conveisa  bzw.  contraposita,  das  Konklusum 
prop.  convertens  bzw.  contraponens  heifit  k 

Die  neue  Literatur  hat  an  der  Lehre  von  den  unmittelbaren  SchlOsseii 
nur  wenig  geändert.  Nur  die  Lehrbücher  von  Sigwart  und  Erdmann  haben 
manche  neue  Anregung  gegeben.  Auf  eine  Darstellung  der  sehr  bemerkess- 
werten,  weitläufigen  Theorie  der  algebraischen  Logik  von  den  Relativen,  der 
relativen  HultipUkalion  (oder  Komposition),  der  telativen  Addition,  der  Kon- 
version. Inversion  usf.  aiuB  hier  verzichtet  werden.  Vgl.  z.  B.  E.  Schmeder, 
Vorl.  tlber  d.  Algebra  d.  Logik,  Bd.  S,  Abt.  1,  Lpz.  1895,  §  1  ff. 

§  125.  Mittelbare  Schlftsse.  AUeemelne  DefinltloB  toi 
Elateilang.  a)  ZasanunenfasseBde  Schlosse.  Die  mittelbaren 
Schlüsse  sind  dadurch  definiert,  daß  sie  mehr  als  eine  Prä- 


O^^IC 


3.  Kapitel    Die  Lehre  von  den  Schlüasen.  721 

misse  eathalten  (vgl.  8.  715).  Sie  sollen  in  folgende  Hanpt- 
klaseen  eingeteilt  werden: 

a)  zQsammenfassende  Schläsee:  a)  konjanktive,  ß)  kopu- 
lative, y)  divisive,  3)  difijnnktive; 

b)  fortschreitende  Sckltisee:  a)  Syllogismen  oder  Hittel- 
begriffSBchlüsse,  ß)  fortächreitende  Schlüase  obne 
Mittelbegriff  (Analogie,  lodnktionsschluB,  paradig- 
niatisoher  SchlnB). 

„ZaBammenfassend"  sollen  diejenigen  mittelbaren 
Schlüsse  heißen,  deren  Schlnfisätze  nnsere  Erkenntnis 
nicht  erweitern  (mittelbao-e  ümbildungaschlüsse,  vgl.  S.  715), 
T,f ortschreitend"  die  mittelbaren  Erweitemngsscblüsse 
<8.  715).  Die  ersteren  stehen  den  onmittelbaren  Schlüssen 
noch  sehr  nahe.  Die  Bedentnug  der  übrigen  Klassen- 
bezeichnnngen  ergibt  eich  znm  Teil  aas  den  ErÖrtemngen 
in  ^  77  Q.  122  n.  123,  zmn  Teil  wird  sie  bei  der  Besprechung 
der  einzelnen  Elassen  weiter  aufgeklärt  werden. 

a)  Zusammenfassende  Schlüsse. 
Nach  der  ausführlichen  Erörterung  über  die  zusammen- 
fassenden urteile  (KoUigationen)  S.  703 ff.  genügt  eine 
kurze  Charakteristik  der  vier  Unterklassen  der  znsammen- 
f aasenden  Schlüsse  durch  Formeln: 

a\  konjunktiver  SchluB:  S — P^;  S — P,;  . . .;  S — P„  ; : 

S— P,  und  P,  ...  und  P„. 
/S)  kopulativer  Schluß:  S, — P;  S, — P;  . . .;  S„  — P  ; : 

S,  und  S,  ...  und  8„ — P. 
f)  divisiverSchlufi:  einige  S--.»Pi;  einige  S-»-P,;  . . .; 
einige  S  —  P„  ; :    die  S  sind  teils  P,,  teils  P,  . . ., 
teils  P„ . 
J)  disjunktiver  Schluß:  einige  S~—Pi;  einige  S—P,; 
. . .;  alle  anderen  S — P„  ; :  die  S  sind  entweder  P^ 
oder  P,  . . .  oder  P„ . 
In  allen  diesen  Klassen  bringt  der  SchluBsatz  keine 
Brweitemng  unserer  Erkenntnis.   Es  handelt  sich  also  um 
ümbUdungs-,    nicht    um    Erweitemngsschlüsse     (Schlüsse 
s.  Str.,  S.  715).  In  dieser  Beziehung  stehen  eben  die  zusammen- 
fassenden Schlüase  den  unmittelbaren  noch  sehr  nahe. 

Bei  den  disjunktiven  Schlüssen  ist  die  S.  707  bespro- 
chene doppelte  Entstehungsweise  zu  berücksichtigen:  die 
Disjunktion  kann  entweder  darauf  beruhen,  daß  für  die  ein- 
zelnen  Alternativen    verschiedene    Gründe   sprechen,   oder 

Zi«lt«n,  Lehrbnch  dsi  Ltvik.  46 

„.,,„,  ^.oogic 


722        "■  T**'-    ^*  einzelnen  logischen  Gebilde  imd  ihre  Gesetze. 

daranf,  dafi  innerhalb  S  eine  vollständige  Division  stattge- 
funden hat. 

Die  Bezeichnung  „digjanktiver  Schloß"  wird  zuweilen 
onzweckmäßigerweiBe  für  Schlüsse  von  folgender  Form  ver- 
wendet: M  ist  entweder  Pt  oder  Pi ...  oder  Pn  ;  S  ist  M  : : 
S  ist  entweder  Pt  oder  Pi  . . .  oder  Po-  Offenbar  liegt  das 
Charakteristisohe  des  Schlusses  hier  gar  nicht  in  der  Die- 
jnnktion,  sondern  es  handelt  sich  um  einen  typischen  Syllc^is- 
mos,  der  nar  insofern  bemerkenswert  ist,  als  sein  Ober-  and 
sein  Schlnßsatz  ein  DisjnnktioDBnrteil  darstellen.  VgL  ^  128. 

§  126  .  Mittelbare  Schlüsse,  Fortsetning.  b)  Fortschrei- 
tende Sehlfisse.  allgemeine  Einteilung  derselbm;  a)  Syllo- 
gismen oder  MlttelbegriitasehlüBse.  Die  fortschreitenden 
mittelbaren  Schlüsse  können  von  verschiedenen  Oeeichts- 
pnnkten  ans  eingeteilt  werden: 

Erstens  kann  man  in  Erwägung  ziehen,  ob  in  den 
Teilurteilen  des  Schlusses  die  Umfangsbeziehung  oder  die 
Inhaltsbeziehung  zwischen  S  und  P  wesentlich  ist,  ob  also 
die  Teilurteile  Umfanga-  oder  Inhaltsnrteile  sind  0.  Ist  die 
U  m  f  a  n  g  s  beziehong  wesentlich,  so  ergeben  sich  nach  den 
früheren  Erörterungen  4  Hanptfälle:  1.  S  ist  dem  P  sub- 
ordiniert: alle  S  bzw.  ein  individuelles  bzw.  mehrere  indi- 
viduelle S  sind  P,  d.  h.  gehören  zur  Gattung  P;  2.  S  ist  dem 
P  superordiniert;  3.  S  ist  mit  P  gekrenzt:  einige  (=  nur 
einige)  S,  d.  b.  Olieder  der  Gattung  S  sind  P;  4.  S  ist  mit  P 
bezüglich  des  Umfaugs  identisch  (äquales  urteil,  '^1- 
S.  673).  Ist  die  Inhaltsbeziehung  wesentlich,  so  ergeben 
sich  gleichfalls  4  Hauptfälle*):  I.  das  Merkmal  bzw.  der 
Merkmalkomplez  S  ist  ein  Teil  des  Merkmalkomplezes  P 
(kommt  dem  Komplex  P  zu);  n.  das  Merkmal  bzw.  der 
Merkmalkomplex  P  ist  ein  Teil  des  Merkmalkomplexes  S 
(kommt  S  zu);  in.  die  Merkmalkomplexe  S  und  P  stimmen 
in  einem  Teil  ihrer  Merkmale  überein  (z.  B.  in  einem  gleich- 
schenkligen Dreieck  Winkel  a  =  Winkel  ß,  Übereinsüm- 


I)  Die  Deckung  der  Individualkoeffizienten  (totale  oder  partielle)  kommt 
beiden  Klassen  zu.  Tgl.  S.  869  6.  Bti  nutheroatiscben  UrieUen  wie  a=^ 
ist  natarllch  als  FrädikatsroTstelluoB  nicht  etwa  ,.^',  sondern  „gleich  JT 
(die  Gleichheit  mit  ^  zu  betrachten. 

*)  Psychologisch,  also  im  tatsächlichen  Denben  wird  in  der  Regd 
sowohl  eine  Inhalts-  wie  eine  Umlangsbeziehung  in  jedem  Urteil  gedacht, 
bald  mehr  iene,  bald  mehr  diese. 


3.  K«piteL    Die  Lehre  von  den  Schlössen.  723 

mung  in  der  Gradzahl);  IV.  die  Merknialkoniplexe  S  und  P 
stimmen  in  allen  Merkmalen  überein  (Inlialtsgleichheit  mit 
konsekutiver  ümfangegleichheit,  Identitätsurteil,  vgl.  S.  675). 
Die  urteile  der  Kategorie  4  und  IV  sind  im  tatsäch- 
lichen Denken  selten.  Urteile  der  Kategorie  2  und  1°)  sind 
zwar  ziemlich  hänflg  („die  Wirbeltiere  enthalten  als  unter- 
geordnete Klasse  die  Fische",  „weiß  ist  eine  Eigenschaft 
des  Schnees"),  lassen  sich  aber,  wie  schon  hervorgehoben 
wurde  (S.  625)  nicht  ohne  Zwang  auf  die  Sehnlform  des  Ur- 
teils „S  Ist  P""  bringen ').  Nimmt  man  also  in  die  „Schul- 
form  des  Schlusses"  nur  Urteile  in  Sehnlform  auf,  so  fallen 
die  Kategorien  2  und  I  weg.  Bemerkt  muß  auch  werden» 
dafi  die  Kategorien  1 — 4  und  die  Kategorien  l — IV  inner- 
halb bestimmter  Grenzen  aufeinander  zurückgeführt  wer- 
den können.  Durch  ,rA.ttribution"  wird  ans  dem  Umfangs- 
nrteil  „Cajns  ist  ein  Mensch"  (=  gehört  zu  den  Menschen) 
das  Inhaltsurteil  „Cajus  hat  menschliche  Eigenschaften", 
und  durch  „Hypoetasierung"  (vgl.  S.  494,  513,  516)  wird  auB 
dem  Urteil  „Cajus  ist  sterblich"  das  Ümfangsurteil  „Cajufi 
gehört  zur  Gattung  der  sterblichen  Wesen".  Dabei  ist  je- 
doch klar,  dafi  diese  Transformation  dem  tatsächlichen  Ge- 
dankeninhalt oft  Gewalt  antut  (besonders  auffällig  bei  der 
zweiten  Transformation,  z.  B.  der  Schnee  ist  weiB  =  der 
Schnee  g«hört  zu  der  Gattung  der  weißen  Gegenstände). 

Auf  Grund  dieser  Unterscheidungen  nun  kann  man 
auch  die  fortschreitenden  mittelbaren  Schlüsse  einteilen,  je 
nachdem  ihre  Teilurteile  Umfangs-  oder  Inhaltsurteile  sind 
und  weiterhin  dieser  oder  jener  Kategorie  dieser  beiden 
Hsuptklassen  angehören.  So  besteht  z.  B.  der  Schluß:  „die 
Blindschleiche  ist  eine  Eidechse,  die  (alle)  Eidechsen  sind 
Beptilien,  also  ist  die  Blindschleiche  ein  Reptil"  aus  drei 
Umfangsurteilen.  Dagegen  besteht  der  Schluß  „Cajus  ist 
ein  Mensch,  alle  Menschen  sind  sterblieh,  also  ist  Cajus 
sterblich"  aus  einem  Ümfangsurteil  und  zwei  Inhalts- 
nrteilen.  Eine  solche  Einteilung  im  einzelnen  dnrchzu- 
führen,  lohnt  es  sich  nicht;  es  wird  sich  aber  praktisch  und 
theoretisch  als  sehr  nützlich  erweisen,  sie  niemals  ganz  Aus 
dem  Ange  zu  verlieren. 

■)  Die  Analogie  dieser  beiden  Kategorien  ist  beachtenswert. 

*)  Um  die  Schulform  herzuslellen,  muB  das  BeBebene  P  dnreh  ein 
anderes  ersetzt  icerden  (Eigenschaft  des  Schnees  statt  Schnee  tisf,).  Vgl  Ober 
die  rerschiedenen  Bedeutungen  der  Kopula  S.  486. 

46- 

„.,.,„,>..oo^sic 


724        IV-  '''^"'    ^^  «nzelnen  loeischen  GelHlde  und  ihre  Gesetze. 

Zweitens  kann  man  die  fortschreitenden  mittelbaren 
Schlüsse  anf  Onmd  der  gegenseitigen  quantitativen  Bezie- 
hangen  der  Subjekte  der  Teilurteile  einteilen.  Hierbei  er- 
geben sich  folgende  Hauptklassen: 

1.  Deduktive  Schlüsse:  Ausgangsurteile  (E*nt- 
missen)  zum  Teil  allgemeiner  als  SchlnQurteil; 

2.  Niveau  Bchlüase ')  (äquative  Schlüsse) :  Äu^ao^- 
urteile  und  SchlußurteÜ  von  gleicher  Stufe  der  All- 
gemeinheit (sehr  oft  jene  und  dieses  individuell); 

3.  induktive  und  paradigmatische  Schlüsse: 
SchlußurteÜ  allgemeiner  als  Ansgangsnrteile  Qetz- 
tere  oft  individuell); 

Diese  Einteilung  nach  der  „B  i  c  h  t  u  n  g"  ist  von  aller- 
größtem Wert,  nur  empfiehlt  es  sich  aua  didaktischen  G-rün- 
den  nioht,  sie  an  die  Spitze  zu  Stellen;  sie  soll  vielntehr  im 
Sinn  einer  Untereinteilung  ausgiebig  berücksichtigt  werden. 

Die  dritte  Einteilung  geht  auf  Aristoteles  zurück  und 
ist  in  neuerer  Zeit  namentlich  von  Erdmann  vertreten  wor- 
den. Danach  unterscheiden  wir  fortschreitende  mittelbare 
Schlüsse,  bei  welchen  der  Schlußsatz  mit  Hilfe  eines  Mittel- 
begriffs (zuweilen  auch  mehrerer)  erzielt  wird,  der  selbst 
nicht  in  den  Schlußsatz  eingeht  (wieder  „eliminiert"  wird). 
und  solche,  bei  welchen  dies  nicht  der  Fall  ist.  Erstere 
sollen  Mlttelbegriffsschlüsse  oder  Syllogismen  im  prägnanten 
Sinn  heißen,  letztere  fortschreitende  mittelbare  Schlüsse  ohne 
Mlttolbegrtff.  Beispiel  für  erstere:  Cajus  ist  ein  M^iscli, 
alle  Menschen  sind  sterblich,  also  ist  Cajus  sterblich 
(„Mensch"  ist  Mittelbegriff),  Beispiel  für  letztere:  Kalium 
ist  elektropositiv,  Natrium  ist  elektropositiv,  Lithium  isl 
elektropositiv  . . .;  Kalium,  Natrium,  Lithiiun  . . .  sind  Alkali- 
metalle; also  sind  alle  Alkalimetalle  elektropositiv  ftein 
Mittelbegriff,  insofern  K,  N,  L . . .  im  Subjekt  des  ScblaS- 
urteils  enthalten  sind).  Der  Mittelbegriff  kann  geradezu  als 
der  Träger  der  Konsequenz  (S.  710)  bezeichnet  werden. 
Diese  Einteilung  wird  im  folgenden  zugrunde  gelegt, 
a)  Syllogismen  (Mittelbegriff  ssehlü  sse). 

Im  einfachsten  Fall,  der  zunächst  ausschließlich  beräeb- 
siehtigt  werden  soll,  be&tebt  ein  solcher  Syllogismus  nur 

^)  Zu  den  Niveauschlüssen  eehörcn  außer  dea  soi.  AnalogieacblQnei 
iweh  BchlSsso  wie  ^  m  ^  ^  f,  ^  p  =^  ^  y,  aso^m  =  ^ri*-^ 
bczQElich  einer  bestimiulen  Figur). 


8.  Kapitel.    Die  Lehn  von  den  ScUfluen.  725 

ans  drei  Urteilen,  in  denen  nur  drei  Be^iffe  vorkonunen 
(Sylloirlsmiu  slraplex).  Bezeichnet  man  das  Subjekt  des 
ScIiloBnrteils  mit  S,  das  Prädikat  des  Schlußnrteila  mit  P, 
den  Mittelbefrriff  mit  M,  so  ergibt  sieh  als  einfachste  Formel 
des  Syllogismus  die  folgende:  S  — M;  M — P;:.S  —  P. 
Beispiel:  ^a=.^ß;  ^ß=^Y-  ^a==^y  oder:  derWal 
ist  ein  Saugetier;  alle  Säugetiere  haben  warmes  Blut; :  der 
Wal  hat  warmes  Blut  Die  Beihenlolge  der  Prämissen  ist 
dabei  logisch  gleicbgnltig.  Die  Formel  kann  daher  auch 
geschrieben  werden:  M P;  S M;:  S— P.  In  der  her- 
gebrachten Logik  ist  diese  lavertierte  Schreibweise  üblicher, 
für  das  natürliche  tatsächliche  Denken  kommt  jedoch  diese 
umgekehrte  Anordnnng  der  Prämissen  nur  selten  in  Frage 
(vgl.  Locke,  Ebb.  cohc.  hum.  udderst.  EV,  17,  8). 

Die  soeben  entwickelte  Grundformel  des  einfachen  Syl- 
l<^riimas  entapricht  der  sog.  nsten  sylloglBtisehen  Figur  von 
Aristoteles.  Es  ist  offenbar,  daß  auch  folgende  andere  Stel- 
lungen für  den  Hittelbegriff  in  Betracht  kommen: 

S M;  P M; :  S  — P=  zweite  syllogistische  Figur, 

M — S;  M — P;:  S  —  P=  dritte  syllogistische  Figur, 
M — 8;  P — M;:  S-—P  =  vierte  syllogistische  Figur, 
Aach  hier  köimen  die  beiden  Prämiaeen  miteinander  ver- 
tanscht  werden,  and  in  der  hergebrachten  Logik  zieht  man 
diese  y^-verÜeiTttiB*'  Formen  vor.  Im  übrigen  soll  vorlänflg 
von  diesen  andeiren  Figuren  abgesehen  und  nur  die  erste 
Figur  berücksichtigt  werden. 

Bei  der  Benennong  der  TeilurteUe  hat  man  die  inver- 
tierte Stellung  der  ersten  Figur  zugrunde  gelegt  CM— —  P; 
S M;:  S— -P)  und  hat  daher  folgende  Termini  ein- 
geführt: die  Prämisse  M  — P  heißt  Oberaatz  oder  Pro- 

positio  major,  die  Prämisse  S M  Untersatz  oder 

Propositio  minor;  M,  also  in  der  ersten  Figur  (nicht 
stetsl)  das  Subjekt  des  Obersatzes,  heißt  Mittelbegriff 
oder  Terminas  medius,  S  Unterbegriff  oder 
Terminus  minor,  P  Oberbegriff  oder  Terminas 
major. 

Wie  Bohon  die  angeführten  Beispiele  eigeben,  können 
eich  Umfangs-  und  Inhaltsarteile  an  dem  Aufbau  dieser  ein- 
fachen Syllogismen  beteiligen.  Ihre  „Bichtnng"  (vgl. 
S.  724)  ist  oft  (Beispiel  von  Cajus),  aber  keineswegs  stets 
CWinkelbeispiel)  deduktiv.    Auf  Onmd  der  S.  724  einge- 

„.,,„,  ^.oogic 


726       ^-  '"'^    ^^  einzelnen  lo^scken  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

führten  Bezeichnungen  kann  man  vielmehr  die  Syllogismen  in 
dednkÜTe  SyllogiÄnen  und  Niveansyllosismen  einteilen 
(Formel  der  eroteren  symbolisch  etwa:  alleMsindP;  SistM;: 
S  ist  P;  Formel  der  letzteren:  M  =  P;  S  =  M;:  S^P). 

Historisches  zur  Terminologie.  Ober  den  weiteren  Gt- 
brauch  des  Worts  „SvUoginnus"  bei  älteren  Logikern  vgl.  S.  711  &.  Ee 
scheint,  daß  nunentlich  die  Abtrennung  der  Induktion  uimI  der  Anak>gie  von 
den  VerauotlschlOssen  durch  Kant  (S.  713)  viel  dazu  beigetragen  hat,  daB 
der  Terminus  „Syllogismus"  mehr  und  mehr  für  den  HittelbegrifisacUiifi 
reserviert  wurde.  Immerhin  ist  auch  heute  noch  der  Sprachgebfauch  s^ 
schwankend.  Zuweilen  hilft  man  sich  auch  dadurch,  dafi  man  einen  S^ 
logismus  im  engeren  und  im  weiteren  Sinn  unterscheidet  (vgL  z.  B.  Uä>Nwe(. 
SysL  d.  Logik,  5.  Aufl.  Bonn  1862,  S.  812].  Die  Verwirrung  nahm  dabei  noch 
zu,  da  man  den  Syllogismus  im  engeren  Sinn  wiedNum  sehr  verschieden 
definierte.  Insbesondere  bestand  und  besteht  vielfach  die  Neigung,  den 
Terminus  Syllogismus  s-  str.  lediglich  fOr  den  deduktiven  Mittelb^rifis- 
schluS  zu  vwwenden.  Hierzu  ist  zu  bemerken,  daB  bei  Aristoteles  die  Be- 
zeichnung „  Jnvymy^  c=  deductio"  eine  ganz  andere  Bedeutung  hatte  (v^ 
darOber  das  [olgende  Kapitel  S.  810),  ebenso  noch  bei  Boethius  (ed.  Uigne. 
Bd.  64,  S.  709).  Erst  in  der  Scholastik  ward  es  aUich,  die  Herieitung  des 
Individuellen  aus  dem  Allgoneinen  als  „deductio"  zu  bezeichnen  (y%\.  z.  ft 
Gocienius,  Lex.  philos.  Uarp.,  S.  499*).  -~  Von  demselben  Standpunkt  aie 
wurde  auch  die  Bezeichnung  „subsumiereiider  Schlufi"  (SubsumtionsschhiSi 
UnterordnungsschluB)  mit  der  Bezeichnung  „Syllc^ismus"  identifiziert  (vgl 
J.  Hoppe,  Die  gesamte  Logik,  Paderborn  1868*  u.  dazu  Ueberweg,  L  c.  S.  313;. 

Der  Obenatz  wurde  von  den  Stoikern  alsl?^^«,  der  Untersatz  als 
»(•«ifVw,  das  Konklusum  als  kkuf»^  bezeichnet  (Diog.  Laert  VII,  76,  ed 
Cobel  S.  176).  Cicero'  führte  dafür  die  Termini  „sumtio",  „assumtio"  und 
„conclusio"  ein  (De  divin.  II,  &3,  108).  Vielfach  wurde  der  Obersatz  auch 
im  prilgnanlen  Sinn  als  prapositio  bezeichnet  (z.  B.  noch  bei  Ramus,  Dialect 
Lib.  0,  cap.  9).  Die  Termini  propositio  major  {==!  praemissa,  in  qua  tenninis 
maMr  construitur  cum  tennino  medio)  und  propositio  minor  (=  iv.,  in  qua 
t.  minor  construitur  cum  t.  medio)  treten  bei  Wolff  zuerst  scharf  definiert 
hervor  (Logica,  §  340),  finden  sich  aber  schon  viel  früher  (z.  B.  Oir.  Wdsins, 
Noct.  logicae,  Lips.  1706,  S.  12).  Bei  Baumgarten  finden  sich  die  Ver- 
deutschungen „Obersatz"  und  „Untersatz"  (Acroasis  logica,  ed.  Toellner, 
8  Ml). 

Die  Terme  des  Srllogismus  wurden  schon  von  Aristoteles  unterschie- 
den als  i^  fxiaot  (rg  /tfmc)  und  /itifev  (oder  n^Mrof)  und  timno^  (oder 
<«/arM-);  die  beiden  letzten  weiden  als  Sk^  zusammengefaßt  (Akad.  Aiug 
ä&b  u.  26  a).  Dem  entsprechen  bei  Boethius  die  lateinischen  Bezeichnungen 
terminus  medius  (oder  medium),  maior  sive  primus,  minor  sive  postinnus 
und  ezlremitates  (ed.  Migne,  S.  611).  Diese  Bezeichnungen  sind  daim  in 
alle  neueren  Sprachen  übergegangen  (terme  moyen,  petit  teime,  grand  Ikiw 
in  der  Log.  de  Port-Royal;  middle,  minor  und  major  term  in  der  engUscbcD 
Logik  usf.).  Schon  sehr  früh  wurden  auch  Buchstaben  für  die  einzelnes 
Termini  verwent^et  ^BoEthius:  ,4d  quod  per  litteras  demonstrarr  voIumUK. 
universaltter  demonstramus"  ed.  M^ne  Bd.  U,  S.  810).  IHe  Scholsstiker 
nannten  die  Buchstaben  „termini  transcendenles  oiliil  et  omnia  significantef" 


3.  KupiteL    Die  Lghfe  «m  den  SdilüBWii. 727 

(s.  Albertus  HaSDUs,  In  Anal,  pr.  Lib.  I,  Tract.  I,  cap.  9,  ed.  Lugd.  1661, 
Bd.  I,  S.  298a). 

Logische  Theorie  und  Bedeutung  des  Syt- 
logismns.  Allen  Syllogismen  liegt  als  erstes  and  all- 
gemeinetes  Prinzip  der  SchloB  zugrunde:  a^=:b*);  b  =  e;: 
a=c  (S.  722  Kategorie  4  und  IV).  Hier  bedeutet  das  Zei- 
chen =,  wie  wir  vorläufig  sagen  wollen,  entweder  inhalt- 
liche oder  umfängliche  oder  inhaltliche  und  umfängliche 
Gleichheit  der  bezeichneten  Begriffe  bzw.  ihrer  Qegenstände, 
ist  also  vom  allgemeinen  Zeichen  — —  wohl  zu  imterscheiden. 
Ich  will  dies  Prinzip  kurz  als  Principium  aequaüonis  oder 
Gleichungsprinzip  bezeichnen,  da  auf  ihm  in  der  Tat 
alle  Oleichungsrechnnngen  beruhen.  In  unserem  tatsäch- 
lichen Denken  wird  es  im  Nacheinander  oft  genug  übertre- 
ten, in  dem  idealisierten  Normaldenken  der  Logik  wird  es 
als  äberall  durchgeführt  Torausgesetzt.  Von  einer  Unmög- 
lichkeit von  Denkvorgängen,  die  dem  Prinzip  widerstreiten, 
kann  also  nur  im  Zugleich  und  auch  hier  nur  mit  Vor- 
behalt gesprochen  werden.  Warum  lehnen  wir  nun  aber  im 
Zugleich  ==  denken,  d.  h.  im  Denken  eines  Augenblicks  (vgl. 
S.  430)  eine  Verschiedenheit  von  a  und  c,  wenn  a  =  b  und 
b  =  c,  unbedingt  ab,  und  zwar  nicht  nur  mit  Bezug  auf 
die  Begriffe  selbst,  sondern  auch  mit  Bezug  auf  ihre  Gegen- 
stände (einerlei  welches  ihr  Argument  ist,  S.  268)1  Da 
die  Gleichheit  zunächst  nur  eine  Relation  zwischen  zwei 
Begriffen  bzw.  Gegenständen  dst,  so  scheint  es  gar  nicht 
-denknotwendig  zu  sein,  daß  sie  sich  von  einem  Paar  auf  das 
andere  überträgt.  Worauf  beruht  —  um  in  der  Sprache  der 
Mengenlehre  zu  redffli  —  6et  transitive  Charakter  (vgl. 
■S.  541,  Anm.  7)  der  Gleichheiti  wie  hängt  er  mit  dem  Be- 
^griff  der  Gleichheit  zusommenl 

Um  ZQ  einer  richtigen  Antwort  anf  diese  schwierige 
Frage  zu  gelangen,  *  soll  zuerst  der  Fall  inhaltlicher 
"Gleichheit  von  a,  b  und  c  erwogen  werden.  In  diesem  Fall 
mufi,  wenn  die  Inhaltsgleichheit  wirklich  vollständig  ist, 
■offenbar  auch  der  Umfang  gleich  sein  (vgl.  S.  559).  Es  liegt 
also  Identität  vor;  eine  lediglich  inhaltliche  Gleichheit,  wie 
wir  sie  oben  zunächst  neben  der  umfänglichen  vorläufig  anf- 


■)  Partielle  Gleichheiten  mit  Bezug  aul  einen  Teil  des  Umlanes 
oder  einen  Teil  der  Merkmale  (S.  722  Kategoiie  1—3  und  I— m,  z.  B.  ^  a 

^^  .^P)  sollen  hier  zunächst  ausdrücklich  ausgeschlossen  neiden. 

„.,,„,  ^.oogic 


728       ^-  Teil,    Dia  einxelncn  logiBchen  Gebilde  und  ihre  Geaetee.       

stellten,  existiert  mithin  gar  nicht  Wenn  ich  daher  di«  Be- 
zeichnungen a,  b  und  c  brauche,  so  Bind  eben  nur  die  Be- 
zeichnungen verschieden,  di«  bezeichneten  Begriffe  und 
die  zugehörigen  Oegenstände,  richtiger  GegenetandsTontel- 
Inngen  (S.  266)  sind  identisch.  Bas  Äqaationsprinzip  fällt 
also  hier  mit  dem  Identitätsprinzip  (%  87)  zusammen-  In 
nnserem  Benken  verwenden  wir  denn  auch  in  der  Tat  das 
Äquationsprinzip  fast  niemals  im  Sinn  einer  solchen  totalen 
Inhaltsgleiehheit,  sondern  für  Gleichheiten  bezöglicb  eiaee 
bestimmten  Merkmale  oder  Merkmalkomplexes  (S.  722,  Kate- 
gwie  3  nnd  m).  Wenn  wir  beiepielBweise  in  der  Geometrie 
in  der  üblichen  Weise  den  Lehrsatz  von  der  Gleichheit  des 
ÄuBenwinkels  (<f)  und  der  gegenüherliegeadan  Breiecics- 
winkel  (a-|-^  beweisen,  also  schließen  *^2E — 7^;  a+ß 
^^2B  — y;:  S=^a+ß,BO  besteht  nicht  etwa  vollständige  In- 
haltsgleiehheit der  Begriffe  i  und  2B  —  y  usf.,  otul  d>eiiao- 
wenig  denken  wir  eine  vollständige  Inhaltsgleiehheit  der 
zngehSrigen  Gegenstände,  d.  h.  des  Winkels  i  und  der  Win- 
keldifferenz 2B  —  y,  sondern  es  handelt  sidi  nur  am  eine 
partielle  Inhaltsgleiehheit,  nämlich  um  eine  Gleichheit  mit 
Bezug  auf  die  Maßzahl  der  Winkelgrade.  Bezeichnen  wir 
dies  übereinstimmende  Merkmal  als  m,  so  lautet  unser 
Schloß:  i  stimmt  mit  2E  —  y  im  Merkmal  m  überein,  rt-\-ß 
stimmt  mit  2B  —  y  im  Merkmal  m  überein,  folglich  stimmt 
auch  i  mit  ot-f-^  im  Merkmal  m,  d.  h.  in  der  Gradcahl  über- 
ein. Damit  ist  offenbar  auch  hier  das  Äqnationsprinsip  auf 
das  Identität^rinzip  zurückgeführt  Der  ümw«g  über  y 
(bzw.  2B-~y)  hat  nur  die  Bedeutung,  daß  ich  mir  das  Bint- 
haltensein  des  Merkmals  m  sowohl  in  '  wie  in  a+ß  klar 
mache').  Das  Prinzip  a=b;  b=c,  folgli<^  a=o  muß  streng- 
genommen lauten:  a  =  a'-t-m  =  b'  +  m  =  b;  b  =  b'-fm 
=  o'  +  m:=o,  folglich  a=ia'-|-m=o' -Fm  =  e,  wo  die 
Gleichheit  eben  nur  die  Übereinstimmung  in  m  bedeutet  Im 
Grenzfall  reduziert  eich  die  Verschied^iheit  von  a,  b  und  c 
untereinander  auf  eine  Verschiedenheit  der  örüü^en  oder 
zeitlichen  Lage,  filso  der  Individnalkoefflzienten '). 


^  y  soll  den  Nebenwinkel  des  AuBenwink'^  i  bezeicbnen. 

■)  Reimarus  (Vemunf tlebie  *,  §  lES,  S.  18t)  bezeichnet  mit  änisem 
Hacht  den-Hittelbegiiff  vergleichsweise  tls  einen  IbtSstab  der  Venuntt 

■}  VsL  hierObar  meine  Aoieinuidenetzim  in  den  QntndL  d.  AtcImiI. 
Bd.  1,  S.  S36. 


3.  Kapitel    Die  Lehre  von  den  SchlüBsen.  729 

Vom  Standpunkt  ungrer  TJrteilstheorie  läfit  sieh  diese 
Argninentatlon  sehr  einfach  folgendermaßen  foxmnlieren. 
Handelt  es  sich  z.  B.  um  drei  beliebige  Winkel  a,  ß  nnd  y, 
für  welche  gilt  a  =  ß;  ß  =  y;:  a  =  y,  so  bedeuten  die  3  Teil- 
nrteile:  wo  und  wann  a,  da  und  dann  Gleichheit  mit  ß;  wo 
nnd  wann  ß,  da  nnd  dann  Gleichheit  mit  y;  folglich  wo  nnd 
wann  a,  da  nnd  dann  Gleichheit  mit  y.  Die  Gleichheit  be- 
deutet die  Übereinstimmung  der  Winkel  in  eiitem  bestimm- 
ten  Merkmal,  nämlich  der  Gradzahl.  Bezeichnet  man  dies 
Merkmiil  mit  m,  so  wird  von  diesem  identischen  Merkmal  m 
ausgesagt,  dafl  es  sich  ebenda  nnd  ebendann  vorfindet,  wo 
und  wann  a  und  wo  and  wann  ß  und  wo  imd  wann  y.  Iah 
identifiziere  m  mit  Hilfe  von  ^  in  a  und  y  und  spreche  dar- 
aafhin  das  Urteil  aus:  a  =  y. 

Von  diesem  Standpunkt  aus  gelingt  es  nun  auch,  die  ge- 
stellte Frage  für  den  Fall  einer  lediglich  umfänglichen 
Qleiehheit  von  a,  b  und  c  zu  beantworten.  Als  Beispiel  diene 
etwa  der  Schluß:  gleichschenklige  Dreiecbe  =  Dreiecke  mit 
gleichen  Basiswinkeln  j  Dreiecke  mit  gleichen  Basiswinkeln 
=  Dreiecke  mit  zwei  gleichen  Hohen ;  gleichschenklige  Drei- 
ecke =  Dreiecke  mit  zwei  gleichen  Höhen  "),  wo  das  Gleidii- 
heitszeichen  die  Umfan^gleichheit  (Äqualität,  S.  559)  be- 
zeichnet. Hier  ist  offenbar  das  gemeinsame  Merkmal  m  der 
vorausgehenden  Argumentation  in  den  Individnalkocfä- 
zienten  selbst  gegeben.  Diese  stimmen  in  den  3  Urteilen 
iiberein  (sind  ,4denti£Gh")-  Die  beiden  ersten  Urteile  spre- 
chen ihre  Deckung  ans,  nnd  daher  wird  sie  auch  im  Sehlnfi- 
nrteil  ausgesprochen.  Für  dasselbe  irgendwo  und  irgend- 
wann (vgl.  S.  370)  denke  ich  Gleichheit  der  Schenkel,  der 
Basiswinkel  und  der  Höhen.  Auch  hier  also  wieder  Zurück- 
fühmng  der  Gleichheiten  zwischen  a,  h  und  c  auf  Identitäten, 
dee  Aquationsprinzips  auf  das  Identität«prinzip. 

Wir  setzen  also  in  beiden  Fällen  a=^c  auf  Grund  von 
a  =  b  nnd  b^c,  weil  und  insofern  wir  eine  identische  Teil- 
voTsteUnng  bzw.  ein  identisches  Merkmal  in  allen  drei  ur- 
teilen denken.  Die  hierbei  speziell  beteiligten  Fanktioaen 
sind  die  analytische  und  die  komparative. 

Diese  Überlegung  laßt  sich  nun  von  Schlüssen  im  Sinn 
des  Aquationsprinzips  ohne  Schwierigkeit  auf  alle  übrigen 

^<^  Es  ist  bemerkenswert,  dafi  im  wissenschaftlichen  Denken  sokshe 
Schiasae  sehr  seilen  sind.  Paitielle  inhaltliche  tSbereinstinunung  be~ 
atdit  auch  in  imserem  Beispiel  (Dreieckiskeit). 

„.,,„,  ^.oogic 


730        ^'  ^^    ^^  einzelnen  lopschen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

Kategorien  der  Syllogismeo  (S.  724)  übertragen.  Ic^ 
wähle  al«  Beispiel  den  folgenden  Syllogismus:  die  (=  alle) 
Eideofasen  sind  Beptilien;  die  (=  alle)  Beptilien  sind  Wirbel- 
tiere; folglich  sind  die  Eidechsen  Wirbeltiere.  Der  Begrilt 
der  Eidechsen  sei  etwa  durch  die  Merkmale  a  b  c  i  bestimmt, 
wo  i  den  Individualkoefflzienten  (mit  der  S.  370  erörterten 
Unbestimmtheit)  **)  bedeutet.  Dann  ist  der  Begriff  der  Bep- 
tilien in  Anbetracht  seiner  gröderen  Allgemeinheit  etwa 
durch  a  b  (i  -f  iO  nnd  der  Begriff  der  Wirbeltiere  durch 
a  (i  -H  i'  +  i")  bestimmt.  Fasse  ich  die  drei  TeUnrteile,  wie 
«B  in  diesem  Fall  natürlicher  ist,  als  tJmfangsorteile  auf,  so 
beruht  die  Konsequenz  des  Syllogismus  auf  der  Identifika- 
tion des  1  in  den  drei  Begriffen.  Die  partielle  Deckong  der 
IndividDalkoeffizienten  entspricht  der  Obereinstimmnng  is 
m  bei  unsrer  Torausgehenden  Argumentation.  Fasse  ich  die 
drei  Teilnrteile  als  Znfaaltsurteile,  so  kann  ich  statt  des  ge- 
meinsamen i  auch  das  gemeinsame  inhaltliche  Merkmal  a 
als  die  Grundlage  des  Syllogismus  betrachten;  dies  a  ent- 
spricht dann  dem  m  unsrer  ersten  Argumentation. 

So  wird  auch  die  Verdeutlichung  verständlich,  welche  wir  dem  Syl- 
locisanis  durch  fiEflrliche  Darstellung  geben  können.  Indem  ich  P  z.  B.  ab 
einen  sroBen  Kreis,  M  als  einen  kleinen  Kreis  im  Ereis  F  und  S  als  «ineo 
noch  kleineren  Ereis  oder  (bei  individuellem  S)  als  Punkt  inoertialb  des 
Kreises  H  darstelle,  vergesenw&rtise  ich  mir  wenigstens  den  rSumlicbeii 
Individuklkoeffizienten  der  drei  BesiiSssegenstftnde  unmittelbar  tmd  identi- 
llziere  seine  partielle  Deckung. 

In  der  Geschichte  der  Logik  sind  viele  IhaaiisB  tm  Ijünliwii  auf- 
getreten, und  auch  heute  stehen  sich  noch  mehrere  Theorien  gegenüb«. 
Am  wichtigsten  sind  folgende: 

1.  Theorie  von  Sigwart  (Logik,  2.  Aufl.  1888,  Bd.  1,  S.  4SSn.). 
Nach  dieser  Theorie  ist  das  „allgemeinste  bgische  Schema"  alles  Folgems  der 
„sog.  gemischte  hrpotbetische  Schluß":  A  gilt;  wenn  A  gilt,  so  gilt  X;:  slsa 
gilt  X,  bzw.:  wenn  A  gilt,  so  gilt  X;  A  gilt;:  also  gilt  X.  Von  dem  fAeo  be- 
sprochenen Syllogismus  unteracheidet  sich  ein  solcher  Schluß  wesentUdi 
dadurch,  daß  die  Subjekte  der  Prämissen  und  des  Scblußurteüa  in  gani 
anderer  Beziehung  stehen.  Lautet  z.  B.  der  Schluß:  Konjunktion  von  Sodm 
und  Mond  liegt  vor;  wenn  Eoniunktion  von  Sonne  und  Mond  vorliegt,  besidil 
SonnenGnstemis ;  also  besteht  Sonnenfinsternis,  so  würde  er  in  der  Scbnl- 
form  sich  folgendermaßen  gestalten :  alle  Konjunktionen  von  Sonne  und  UoDd 
sind  Ton  Sonnenfinsternis  begleitet,  also  auch  die  jetzige.  Bei  dieser  Foneu- 
lierung  handelt  es  sich  also  gar  nicht  um  einen  mittelbaren  Schluß  im  Sin» 
des  Syllogismus  (unsrer  DefiniUon],  sondern  um  einen  unmiltelbaten  SchtuS 
im  Sinn  der  ersten  S.  716  beschriebenen  Gruppe  (alle  S^^^P;:  dies 
3  •>—  P).     Lehnt  man  aber  diese  Umformung  ab,  so  ist  das  Sigmrtsch« 


")  Sonst  hat  das  wo  und  wann  eine  bestimmte  individuelle  BedeuHUK- 

„.,,„,^.oogic 


3.  EapiteL    Die  Lehi-e  von  den  SchlQsaen.  731 

Schema  offenbar  eine  ganz  spezielle  Form  des  Svllogismus,  die  von  dem 
einladien  Sylloeismus,  wie  er  hier  in  Hede  steht,  erheblich  abweicht.  Dazu 
komint  ein  weiteras  Bedenken:  das  Sigwartscbe  Schema  bat  einen  Sinn  nur, 
wenn  die  Prämisse  ,^  gilt"  soviel  bedeutet  wie:  .ja  einem  bestimmten  Fall 
oder  in  einer  Gruppe  bzw.  Gattung  von  Fällen  eilt  A"  und  das  Schlufiurteil 
sich  aul  denselben  Fall  bzw.  dieselbe  Gruppe  (Gattung)  von  Fällen  bezieht "). 
Bei  ganz  allgemeiner  Bedeutung  der  Prämisse  und  des  Schlufiurteils  bekäme 
man  den  sinnlosen  Scbliiü:  das  allgemeine  Gesetz  (bzw.  der  allgemeine  Tat- 
bestand) A  gilt;  wenn  dies  allgemeine  Gesetz  A  gilt,  gilt  das  allgemeine 
Gesetz  X;  also  gilt  das  allgemeine  Gesetz  X;  der  ScbluBaatz  ist  ofienbar  hier 
ganz  Qberllflsaig,  er  bekommt  nur  dann  einen  Sinn,  wenn  das  Gesetz  oder 
<ier  Tatbesland  A  nicht  ganz  allgemein  ist,  sondern  irgendwie  bestimmt  ist. 
Die  Formulierung  „A  gilt"  ist  also  nicht  eiakt  Sehr  beweisend  gegen 
Sigwarts  Theorie  fällt  auch  der  Versuch  aus,  den  gewöhnlichen  A.quations- 
scbluB  aui  einen  gemischt  hvpothetischen  SchluB  zurückzuführen ;  eine  solche 
ZurOckfQfarung  gelingt  nämlich  ohne  schwere  Vergewaltigung  des  Denkens 
Oberhaupt  nicht.  Der  von  Sigwart  als  allgemeinstes  Schema  betrachtete 
Scbhifi  ist  also  erstens  eine  ganz  spezielle  Form  des  Schlusses  (sie  wird  uns 
apkter  als  sog.  hypothetischer  Schluß  beg^nen),  und  zweitens  bedarf  er 
einer  exakteren  Formulierung.  Vgl.  auch  meine  Erkenntnistheorie,  Jena  I91S, 
§  100,  S.  428. 

S.  Die  Einordnungstbeorie,  wie  »e  z.  B.  von  Erdmann,  (Logik, 
S.  AuD.,  S.  707  B.)  vertreten  wild.  Erdmann  drOckt  den  gewöhnlichen  Syl- 
logismus, den  wir  zunächst  der  Besprechung  zugrunde  gelegt  haben,  durch 
den  Satz  aus:  .jedem  Subjekt  kommt  mittelbar  das  Prädikat  seines  Prädikats 
zu"  und  nennt  dies  Verfahren,  durch  das  einem  Subjekt  seine  mittelturen 
Prädikate  zugesprochen  werden,  „Einordnung"  (Einordnung  „des  Prftdikats- 
in  den  Subjektsinbatt",  „Beziehung  logischer  Immanenz",  l  c.  S.  ZbS;  s.  auch 
dies  Werk  S.  612}  '*).  Diese  Auffassung  iiat  vor  der  Sigwartschen  jedenfalls 
den  Vorzug,  daB  sie  nicht  einseitig  den  hypothetischen  SchluB  zugrunde  lest. 
.  Auch  entspricht  der  hier  angenommene  Fortgang  des  Denkens  von  S  tlber  M 
zu  P  in  der  Tat  dem  natürlichen  Weg  unseres  Denkens  (b.  oben  S.  72Ö). 
Unzureichend  ist  aber  auch  die  Einordnungstbeorie  insofern,  als  sie  nicht 
beiOcksichtigt,  dafi  in  vielen  Schlüssen  weder  die  Prämissen  noch  das  SchluS- 
urteil  eine  Inhaltsbeziehung,  sondern  vleimehr  eine  Umfangsbeziehung  (Sub- 
sumtion) oder  eine  Inhalts-  und  Umfangsbeziehung  (z.  B.  IdeolitSt)  aus- 
sagen. Die  Einseitigkeil  der  Immanenztheorie  des  Urteils  (vgl.  S.  612) 
überträgt  sich  hier  auf  die  Theorie  des  Schlusses. 

8. Die Unterordnungs-  oder Subeumtionstheorle.  Aristo- 
teles hat  sie  bereits  formuliert  (Analyt.  pr.  A,  i,  Ak.  Ausg.  26  a),  ohne  jedoch 
ausdrücklich  die  Subsumtion  für  das  wesentliche  Moment  aller  Syllogismen 
zu  erklären  (s.  auch  unten).  Sie  betrachtet  als  das  Wesentliche  des  Syl- 
logismus die  Subsumtion  von  S  unter  U,  von  U  unter  P  und  daher  von  S 
unter  P.    Sie  kann  übrigens  ebensogut  die  üb  er  Ordnung  (Superordinalion) 


")  In  dem  Beispiel  von  der  Konjunktion  liegt  diese  bestimmte  Be- 
ziehung in  einem  zu  ergänzenden  ,jetzt". 

1*)  Bei  verneinendem  SdüuBurteil  tritt  an  Stelle  der  Einordnung  die 
uAusBchlieSung". 

„.,,„,  ^.oogic 


732       ^-  ^^'-    ^^  rinzelBen  losischen  QdHide  and  ihr«  Gesetze. 

faeranziehen  '*)  oder  audi  Ober-  und  Unterordnuns  nebenunandet  aU' 
erkeimen.  In  diesem  weiteren  Sinn  kann  sie  als  Umf  anistbeohe  des 
SyltofisimiB  bezeichnet  werden.  Ihr  Hauptvertreter  in  neuerer  Zeit  ist  Lobe 
(Losik,  Lpz.  187«,  §  86,  S.  110:  „der  Gedanke,  der  dieser  Folgerung"  — 
nlnüich  dem  SehluBsatz  des  in  Bede  stehenden  Syllogianaus  —  „zi«nude 
lieft,  iat  sichtlich  der  der  Subsumtion:  jedem  Subjekt  konomt  das  Prädikat 
seiner  Gattung  lu").  Für  viele  Schlosse  erscheint  sie  in  der  Tat  zutrelfratdei 
als  die  EiDordnungatheorie.  Andrerseits  ist  auch  sie  einseitig,  und  zwar  m- 
saft  aie  gerade  bei  denjenigen  Schlüssen,  bei  denen  die  Einordnucgstbeefie 
sich  zu  bew&hren  scheint,  nSmtich  solchen,  bei  denen  InbaUsurteile  (itf. 
S.  728]  wesentlich  beteiligt  sind.  Urteile  wie  „der  Schnee  iit  wetB",  „alle 
Henscbes  sind  sterblich",  wie  sie  in  unzUitigen  Fallen  als  Obenatz  eiits 
Schlusses  aultreten,  können  nicfat  ohne  Vergew^ügunf  als  UmfangBUrtdle 
aufgefaBt  werden  (etwa:  „der  Schnee  gehört  zu  den  weLBen  Dingen")-  Dv- 
aelben  gilt  in  Tielen  FAUen  von  dem  SchluBurteii  („Cajus  ist  Mtrtilich"  tsL). 
Nun  könnte  man  freilich  die  Subsumtionstbeorie  demg^enüber  dadurch  tn 
halten  versuchen,  daB  man  behauptet,  nui  die  Subsumtion  des  Subj^ts  des 
Untersatzes  unter  das  Subjekt  des  Obeisatzes  sei  lOr  den  Srlk^ismus  worbI- 
hcb.  In  der  Tat  wird  die  Subsumtionstbeorie  in  dieser  Form  dem  Tatbestand 
viel  besaer  gerecht.  Bei  den  meisten  Svllogismen  gehören  der  Kittel-  und 
der  UnterbeghB  (z.  B.  Mensch  und  Cajus)  nicht  demselben  Niveau  an") 
und  sind  auch  nicht  total  heterogen,  sonders  stehen  im  Verhältnis  der  Sub- 
ordination bzw.  Euperordinatioi).  Es  scheint  — '  bei  oberfUchlicher  Betraf 
tung  — ,  als  könnte  ohne  solche  Sub-  bzw.  SuperOrdination  gar  kein  SchluB 
zustande  kommen.  Hiergegen  ist  jedoch  zu  bemeAen,  daB  selbst,  wenn  eine 
solche  Subordination  vorliegt,  der  Denkinhalt  des  Syllogismus  sowohl  iogisdi 
wie  psychologisch  in  vielen  Fällen  durch  eine  Subsumtion  nicht  adbinat 
wiedergegeben  wird.  Schließe  ich  z.  B. ;  „dies  Kleid  ist  schwaiz,  schwarz  ist 
eine  l^uerfarbe,  also  bat  dies  Kleid  Trauerfarbe",  so  tue  ich  dem  ScUoB 
Zwang  an,  wenn  ich  seinen  Untersatz  formuliere:  das  Kleid  gehfirt  zu  der 
Gattung  der  schwarzen  Gegenstände.  In  solchen  Fällen  hat  die  inimanpiii- 
tfaeorie  recht  und  die  Auffassung  der  Unrfanfstheorie  erscheint  gekOostdL 
Vollends  scheitert  die  letztere  ganz  und  gar  bei  Schlüssen  wie  ^a^^ß, 
^pT=^y  folglich  ^  K  =  ^ ^.  Hier  kann  von  einer  Subsumtion  fo^ieh 
öberiiaupt  keine  Rede  sein. 

So  enteisen  sich  sowohl  die  Subsumlionslheoiie  wie  die  imm.iMni- 
theorie  als  einseitig.  Beide  treffen  nur  für  je  einen  Teil  der  Syllogismen  m. 
bei  den  XquationsavUogbmen  versagen  beide.  Beide  sind  auf  ^e  einseitige 
Urteilstbeorie  gegründet.  Vom  Standpunkt  der  hier  entwickelten  Urtnls- 
tbeorie  (Deckung  der  Individualkoetflzienten)  und  der  nunmehr  hierauf  gt- 
grflndeten  SchluBtheorie  (Aguationsprinzip)  werden  alle  Syllogismen  aiD- 
reichend  erklärt 

4.  Die  Substitutionstheorie,  die  wohl  zuerst  von  Lotaii 
(Gerh.  Ausg.  Bd.  7,  S.  230,  Theorems  1  u.  U.)  etwas  schärfer  formuliert  ww- 

>*)  Die  Kantsche  Formulierung  „nota  notae  est  eliam  notae  rei  ipsias" 
seheint  mir  daher  durchaus  nicht  —  wie  Erdmann  dies  annimmt  (I.  c 
S.  7U}  —  schlechtbin  mit  der  Subsumtionstbeorie  s.  str.  tu mmmf n m ifa  11^ "■ 

")  D.  h.  sie  sind  nicht  koordinierte  Individual-  oder  koordinierte  AH- 
gemeinvorstellungen. 


3.  Kapitel    Die  Lehre  von  den  Schlflasen.  733 

den  ist  >■}  und  bei  dem  Vergleich  der  ScblOase  mit  algebraischen  Gleichui^en 
sdir  nahe  liegt.  Sie  erblickt  daa  Wesen  des  Syllogismus  darin,  daß  ein  Be- 
triff durch  einen  ihm  gleichen  ersetzt  wird.  Nun  leuchtet  ja  allerdings  ein, 
daB  man  sich  das  Aquationsprinzip  selbst  „a^^b;  b^=c;  :  ft  =  c"  imter 
dem  Bild  einer  solchen  Suhslitution  vorstellen  hann;  es  ist  aber  nicht  abzu- 
sehen, wieso  das  Wesen  des  Schlusses  aufgeklärt  werden  könnte,  indem  man 
<ksi  kgischen  Verhältnis  den  psychologischen  Akt  oder  Vorgang  dei  Sub- 
stitution unterschiebt.  Dazu  kommt,  daS  die  Substitution  bei  den  gewöhn- 
lichen Syllogismen  eben  doch  nicht  einfach  in  der  Ersetzung  eines  BegriHs 
durch  einen  ihm  gleichen  besteht.  Im  CajusschluQ  wird  „aUc  Menschen" 
durch  Caiu9  ersetzt,  im  SchluS  vom  schwarzen  Kleide  (S.  7äS)  schwarz  durch 
Tiwieriarbe,  ohne  daß  Gleichheit  besteht.  Die  Substitution stfaeorie  muB  also 
doch  auch  auf  Umfangs-  oder  Inhaltsbeziehungen  RDcksicht  nehmen,  die 
nicht  schlechthin  als  Gleichheit  bezeichnet  werden  können,  und  ist  daher 
doch  gezwungen,  die  Binordnungstheorie  oder  die  ünterordnungstheorie  oder 
die  von  mir  entwickelte  Theorie  zu  Hilfe  zu  ziehen.  Nur  insofern  die  Sub- 
stitutioDatbeorie  wie  die  letztere  von  dem  Aquationsprinzip  ausgeht,  scheint 
sie  nüt  der  Einordnungs-  und  Ünterordnungstheorie  Oberlegen  zu  sein. 
Book,  Peiice,  Jevons,  E,  Schroeder  und  A.  haben  ihr  eine  präzise  mathema- 
tiache  Form  gegeben.  Dabei  ist  das  Bestreben  hervorgetreten,  die  Konklusion 
ganz  ira  Sinn  der  Auflösung  einer  Gleichung  zu  gestalten;  die  Substitution 
bctemmt  damit  den  Charakter  der  „Elimination"  einer  Unbekannten  (vgl. 
z.  B.  E.  Schroeder,  VorL  üb.  d.  ÄJg.  d.  Lob-,  Bd.  1,  S.  «6  u,  496.  Bd.  2. 
S.  238,  Bd.  3a,  S.  176  u.  468).  Die  von  der  algebraischen  Logik  entwickelten  ' 
LOsangsmethoden  sind  Qbrigens  im  einzelnen  noch  unausreichend  und 
grMtenteils  sehr  komplideTt. 

6.  Die  ontologische  Theorie,  wie  sie  neben  der  logiseben 
Theorie  bei  Aristoteles  "}  allenthalben  hervortritt.  Vom  Standpunkt  dieser 
Theorie  ist  der  Mittelbe^S  nicht  nur  als  logisches  Verblndungsghed,  son- 
dern auch  im  ontologischen  Sinn  als  Realgrund  wirksam.  Richtig  ist  an 
dieser  Theorie  oflenlwr  nur,  daB  der  Gegenstand  des  Mittelbegrifls  und  die 
Relationen  dieses  Gegenstands  zu  den  Gegenständen  des  Subjekts-  und 
Pridikatsbegrifis  für  den  Ablaut  der  Conchisio  und  damit  auch  tüi  Jas  Con- 
dosum  entscheidend  sind.  Da  Aristoteles  Ober  den  Begriff  des  Gegenstands 
im  Sitin  der  neueren  Logik  noch  nidit  veTfOgt,  bleibt  seine  Darstdtung 
oBklar. 

Sehr  oft  ist  in  der  Gescbichte  der  Logik  das  Grundprinzip  des  Syllo- 
gismus auch  in  dem  sog.  Uctam  da  oaud  «t  «ila  ")  gesucht  worden.   Dies 

*■)  Ganz  allgemein  ist  sie  von  J.  P.  Reusch  (vgl.  S.  ISO)  in  seinem 
Svstema  logiciun,  §  507,  S.  551)  ausgesprot^en  worden.  Eine  ausführliche 
Darstellung  hat  Beneke  (vgl.  S.  155  (f.)  in  seinem  System  der  Logik,  Berlin 
1842,  I,  S.  210ff.  gegeben  (vgl.  auch  seine  Monographie:  Syllogismorum  ana- 
lyticorum  origines  et  ordinem  naturalem  demonsiravit  Fr.  Ed.  Beneke,  Berot. 
1880). 

»')  Vgl  Akad.  Ausg.  90  a,  6:  ri  /tif  yöp  «hiw  *ö  fi4mr  u.  95  a,  11: 
ti  yie  fi*»'  «tiw.  Das  Fehlen  des  Artikels  und  der  Zusammenhang  zeigt, 
'  daB  in  beiden  Sätzen  i»  ftioBf  Subjekt  ist  Vgl.  hierzu  Überweg,  Syst.  d.  Log. 
5.  AufL  S.  317. 

'•)  Die  Geschichte  dieses  Terminus,  der  auf  das  «oiii  nartis  u.  xmi 
ftilitrit  des  Aristoteles  zurückgeht,  bedarf  noch  mancher  Aufklärung.    Ftlr 

„.,,„,  ^.oogic 


734        ^-  '^'i'-    ^^  einzelnen  logiBchen  Gd>ilde  und  ihre  Gesetze. 

wird  in  zwei  Sitzen  formuliert:  „qnicquid  de  omni  Takt,  valet  «tiam  de 
qnilNisdam  et  sinsolis"  und  „qoicquid  de  nuUo  ralet,  nee  de  onibusäam  nee 
de  sinffalis  valet".  Znnftcbst  leuchtet  ein,  daB  dies  Prinzip  dorcbaus  zu  der 
S.  716  besprochenen  ersten  Gruppe  der  UDnuttelbaren  Schlüsse  gehfirt  Hu 
konnte  es  daher  geradezu  als  Suballemationspnnzip  bezeichnen.  Bei  den 
Syllogisinen  kommt  nun  aber  entsprechend  ihrem  mittelbai«n  Charakter  ein 
neues  Moment  hinzu,  ntmlich  die  im  Untersatz  ausgesprochene  Erfcenntms, 
daB  S  zu  M  gehftrt  Daß  „einige  Menschen"  zu  „^en  Menschen"  gehsres, 
und  daß  „dieser'*)  Mensch"  zu  aUen  Menschen  gehört,  eigibt  sieb  aas  der 
Wortbedeutung  der  Terme,  in  diesem  Fall  der  Quantit&tsbezeichnungen;  dlB 
hingegen  Caius  ein  Mensch,  der  W(ü  ein  Säugetier  ist,  kann  aus  der  Wort- 
bedeutung des  T«ins  „Cwus"  bzw.  „Wal"  nicht  entnommen  werden  "),  son- 
dern hierzu  bedarf  es  einer  besonderen  neuen  Erkenntnis,  die  dten  ia 
Unter«atz  ausspricht  Das  Dictum  de  omni  et  nullo  wird  also  von  den  HD- 
mittelbaren  aot  die  mittelbaren  Schiftsse  Obeilragen,  und  in  dieser  Cber- 
tragung  wOrde  nach  der  in  Rede  stehenden  AuSassung  das  Wesen  des  StOd- 
gismus  liegen.  Offenbar  deckt  sich  sonach  dieser  Standpunkt  ganz  mit  des- 
jenigen der  Unterordnungstbeorie  (S.  731)  und  ist  denadbeo  Bedenken  «ie 
diese  auqtesetzL 

Der  Wart  ist  IfBagfa—  tOr  unsere  Erkenntnis  ist  im  Laut  der  G*- 
schichte  der  Philosophie  sehr  verschieden  beurteilt  worden.  Im  AUethBS 
und  im  Mittelalter  wurde  er  dmchweg  flbersch&tzL  Seit  der  I%iloso[Aiie  itt 
Renaissance  (S.  80  ff.)  und  namentlich  seit  Baco  von  Verulam  (S.  95)  and 
Locke  (S.  lOB)  wurde  er  olt  bezweifelt").  Am  sch&rfsten  und  klanteo 
kommen  diese  Bedenken  in  der  Logik  von  John  Stuart  M  i  1 1  zum  Ausdrad. 
Dabei  hat  man  iedoch  zu  beachten,  daB  dieselben  sich  nicht  gegen  tat 
Syllogismen,  sondern  nur  gegen  die  deduktiven  STllogisiDea  (s.  S  TSE) 
richten,  also  gegen  diejenigen  Syllogismen,  welche  aus  einem  allgenidneieo 
Ohersatz  einen  weniger  allgemednen,  z.  B.  einen  individuellen  Schlufisati 
ableiten.  Der  wesentliche  Einwand  UiUs  gegen  den  Wert  des  dedid:tiTai 
SyllogismuB  ist  folgender  (SysL  of  log.  U,  3,  2,  3.  AufL,  S.  205).  Wenn  wir 
scblJeBen:  alle  Menschen  sind  sterblich;  Cajus  ist  ein  Mensch:  also  ist  C 
sterblich,  so  wird  im  Obersatz  schon  vorausgesetzt  (presupposed),  daß  andi 
C.  sterblich  ist;  wenn  wir  nicht  schon  von  der  Sterblichkeit  jedes  einielDeo 
individuellen  Menschen  Qberzeugt  wären,  so  könnten  wir  den  Obersatz,  die 
Sterblichkeit  aller  Menschen,  gar  nicht  behaupten.  Der  SchluBsatz,  dtf 
zu  beweisen  ist,  wird  also  im  Obersatz  schon  vorweggenommen.  Jedsr 
Syllogismus  involviert  daher  einen  logischen  Fehler,  die  sog.  Petitio  pria- 


die  Einbürgerung  war  namentlich  die  Formulierung  bei  Petrus  Hispanus 
(Summ.  log.  IV,  ed.  Versor.  1622,  S.  226)  bedeutsam:  „dici  de  omni  est. 
quAQdo  nihil  est  sumere  (suh)  subiecto,  de  quo  non  dicatur  praedicatum  ..■■ 
dici  de  nullo  est,  quando  nihil  est  sumere  suh  sübjeclo,  a  quo  non  rerao- 
veatur  praedicatum  . . .".   Vgl.  BoCthius.  Opp.  ed.  Migne  Bd.  6*.  S.  6«. 

'»)  Bei  solchen  Urteilen  mit  dem  Subjekt  „dieser  . . ."  sind  Qbigens 
auch  die  Bemerkungen  S.  717  u.  378  zu  berücksichtigen. 

*•)  Die  UnzweckmÄBigkeit  des  Cajus-Beispiels  tritt  auch  hier  wied« 
zutage,  indem  im  Wort  „Cajus"  allerdings  das  Menschsein  schon  fast  »e- 
gellen  ist. 

'")  Jos,  GJanvil,  Plus  ultra  1668  spricht  S.  120  von  den  „logical  trid* 
anout  shutfimg  and  ordering  propoHiüons  and  forms  of  syllogism". 


O^^IC 


_    3.  Kapitel.    Me  Lehre  von  den  ScblOaa«».  735 

cipii  (vsL  §  134).  W«nn  der  Obersatz  ausgesagt  ist,  bleibt  gar  nichts  raehi 
zn  enteisen.  Dabei  gibt  Mill  zu,  daß  die  Sterblichkeit  des  Cajus  eine  neue 
EAenntnia  ist;  er  behauptet  dut,  dafi  wir  zu  ihr  nicht  durch  einen  dednk- 
tiren  Syllogismus,  sondern  durch  Analogie  gelangen:  „from  inatances  which 
we  have  observed,  we  feel  wairanted  in  concluding,  that  ichat  we  found  tnie 
in  those  inatances,  bolds  in  all  similaj  ones,  post,  present  and  future,  howvver 
Dumeroufi  they  may  be"..  Hill  schließt  daher:  „all  inference  is  from  parti- 
culars  to  particulara;  general  propcsitions  are  merely  registers  of  sueh  in- 
teMDces  ftlready  made  and  short  formulae  for  making  more".  Diese  Argu- 
roentatiDii  ist  zwar  sehr  bestechend,  aber  doch  unrichtig.  Man  bat  n&inlicb 
fclgende  drei  F&lle  bezQglicfa  der  Schlosse  von  der  Form  des  deduktiven 
Syllogismus  zu  unterscheiden.  Erstens:  der  Obersatz  beniht  auf  einer  tat- 
sachlichen Tollst&ndigen  Erfahrung  bezüglich  aller  H  (Menschen  im  Caiua- 
beispiel);  dann  ist  in  der  Tat  der  ScbluBsatz,  da  die  Erfabnuu^  audi  besOg- 
lich  S  (Cajus}  bereits  gemacht  worden  ist,  nur  eine  registrierende  Repro- 
duktion dieser  früheren  Erfahrung,  es  bandelt  sich  also  um  keine  wirkliche 
Deduktion.  Zweitens:  die  im  Obersatz  ausgesprochene  Erfahrung  erstredt 
sich  nicht  auch  auf  S  und  wird  auf  S  im  Schlußsatz  wegen  der  Ähnlichkeit 
nüt  allen  H  ausgedehnt;  in  diesem  Fall  handelt  es  sich  nur  um  eine  schein- 
bare Deduktion,  in  der  Tat  liegt  ein  Analogieschluß  vor.  Drittens:  die  dem 
Obersatz  zugrunde  liegende  Erfahrung  ist  an  vielen  M  gemacht  worden  und 
dann  im  Sinn  des  transgressiven  offenen  AUgemeinbegriffs  M  (vgl.  S.  ^6 
n.  526  ff.)  auch  auf  solche  gewissermaßen  potentiell  gegebene  M'a,  d.  h.  auf  alle 
denkbaren  M's  ausgedehnt  worden,  der  Obersatz  spricht  diese  Erfahrung  in 
einem  Univemlurteil  aus,  der  Untersalz  stellt  lest,  daß  S  unter  den  AUge- 
meinbeeriff  M  f&Ut,  und  auf  Gnmd  dieser  Subsumtion  wird  das  Schlußuileil 
gefällt  **).  Nur  dieser  dritte  Fkll  stellt  wirklich  einen  deduktiven  Syllogbmus 
in  unserem  Sinne  dar,  und  gerade  dieser  dritte  Fall  kommt  bei  der  Argu- 
mentation Mills  nicht  zu  seinem  Recht.  Hier  wird  durch  die  Verbindung  der 
beiden  Primissen  in  der  Tat  auf  deduktivem  Weg  eine  neue  Eritenntnis 
erzielt  Es  ist  auch  nicht  angängig,  etwa  im  Sinn  des  Millschen  Gedanken- 
gangs auch  hier  einen  Analogieschluß  anzunehmen.  Die  Subsumtion  des  S 
unter  M  im  Untersatz  gründet  sich  natürlich  auf  eine  Ähnlichkeit  von  S  und 
M,  insofern  beiden  ein  oder  mehrere  Merkmale  gemeinsam  sind,  aber  die 
einzelnen  M's  spielen  dabei  keine  Rolle,  nur  der  aus  einzelnen  M's  gewonnene 
AUgemeinbegriB  M  konmit  in  Betracht.  Wenn  ich  dem  Walfisch  (S),  weil  er 
Stugetier  (M)  ist,  warmes  Blut  zuschreibe,  so  denke  ich  nicht  an  seine  Ähn- 
lichkeit mit  vielen  einzelnen  Säugern,  sondern  nur  an  die  Zugehörigkeit  zur 
Klasse  der  Säuger.  Bei  dem  Analogieschluß  muß  ich  von  den  vielen  Merk- 
tnalen,  welche  dem  Wal  mit  den  einzelnen  Säugern  nicht  gemeinsam  sind, 
erst  abstrahieren,  um  zum  Schlußurteil  zu  gelangen,  bei  dem  deduktiven  Syl- 
logismus ist  diese  Abstraktion  schon  erledigt,  und  in  M  liegt  tnir  der  Komplex 
der  gemeinsamen  Merkmale  als  Ei^ebnis  dieser  Abstraktion  bereits  vor.  B»- 
sonders  klar  tritt  dies  Verhältnis  zul&ge,  wenn  das  im  Obersatz  aos- 
gesprocbene  universelle  Urteil  einen  notwendigen,  d.  h.  gesetzmäßigen  Zu- 
sammenhang zwischen  M  und  P  ausspricht  Die  Bedeutungslosigkeit  der 
individuellen  M's  für  den  ganzen  Schluß  rückt  dann  in  ein  noch  grelleres 
Ucht.    So  vrird  es  auch  begreiflich,  daß  Ueberweg  (1.  c.  S.  316)  u.  a.  in  Ober- 


**)  Dasselbe  gilt  mutatis  mutandis,  auch  wenn  es  sich  um  Einordnung 
^att  um  Unterordnung  handelt. 


OgIC 


796        ^-  ^^-    I^B  eiDEelnm  logisch«!  Gdülde  und  ihre  Gesetze. 

treibeDder  Weise  „die  BeziebuDf  des  SiÜotiamaa  auf  eiiie  leale  Gesetonitti- 
keit"  fOr  das  wesentlidie  und  notwendite  Kriterium  des  SrllosisnHu  ertlirm 
und  damit  im  AnsdihiB  au  Aristotries  in  dem  Uitldbcgriff  „deo  Aosdnict 
des  Realtrmdes"  eiWcken. 

S127.  Mittelbare  fortsehreltende  SeUBsse,  STÜt^BBMi, 
FMiwtxunc:  die  sylloclstisclieii  Fiiforen  and  Ihre  Moft 
S^on  S.  725  wurde  b^nerkt,  daß  man  bei  dee  einfachen 
Syllogismen  auf  GroBd  der  verschiedenen  Stellanffai  dw 
Mittelbegriffs  vier  Figuren  nnterseheiden  kann.  V&- 
taiwcbt  man  in  der  üblichen  Weise  (S.  725)  Ober-  und  Unter 
sats,  so  lassen  sie  sich  dnrch  folgende  Formeln  darsteUen: 
Pignr  I      M—P     z.  B.  alle  Säugetiere  sind  wannblntig; 

S M  alle  Wale  sind  Saugetiere; 

also    S— P  also  sind  alle  Wale  warmblütig- 

I^gnr  n      P— 'M    z.  B.  kein  Saugetier  ist  gefiedert; 
S-— M  alle  Vögel  sind  gefiedert; 

also   S P  also  ist  kein  Vogel  ein  Säugetier. 

Fi«nr  m  M P     z.  B.  alle  Vögel  sind  gefiedert; 

M— S  alle  Vögel  sind  Plagtiere; 

also  S'-r'P  also  sind  einigeFlugtiere  gefiedert. 

Figur  IV    P M     2.  B.  alle  Wale  sind  Säugetiere; 

M S  alle  Säugetiere  sind  warnihlötig; 

also    S— — P  also  siad  einige  Warmblüter  Wale- 

Man  beachte,  dafi  diese  invertiert^!  Syllogismen  skit 
von  den  natürlichen  (S.  725)  dadnrch  nnterseheiden,  daß  in 
der  ersten  Prämisse  S,  in  der  zweiten  P  fehlt.  Die  Zählnn« 
der  Figuren  ändert  sich  durch  di«  Inversion  nicht.  Auch 
sieht  man  sofort,  dafi  M  nicht  nur  seine  Stellung  wechselt, 
sondern  auch  nicht  stets  —  wie  in  der  ersten  Figur  — 
weniger  allgemein  ist  als  P.  In  allen  Figuren  ist  der  Obersati 
dnrch  das  Fehlen  von  S  charakterisiert. 

HiatoriBcfaes.  Aristoteles  untenctued  nur  3  Figuren  (»xif"'- 
AnalrL  pr.  I,  cw.  4—6).  Die  erste  Ficur  nennt  er  auch  t«»Uqn^ 
iü*s'  {TotIkcHiuneuer  Syltoeismus),  die  beiden  andeira  t^U»rti^ 
Jnitk'  {Akad.  Aus«.  24  b,  83).  Er  iöhrte  bereits  in  aUen  Fiswea  die  h- 
TCision  durch,  und  zwar,  wie  Ueberveg  (I.  c.  S.  331),  mit  Recht  anninHl, 
namentlich  aut  Grund  seiner  Oeirohnfaeit,  das  Pr&difcat  an  die  Spitse  de 
Urleals  lu  stellen  (z.  B.  in  der  ersten  Figur:  il  ti  A  anä  nmrtie  tai  M  m 
jc  ■  KMti  nanöf  nv  T,  ifäytti  wi  J  xtaa  xsvier  rev  r  tmt^y^JM» 
l.  c.  2öb}.  Die  Schlüsse  nach  der  vierien  Figur  wurden  zuerst  von  Theo- 
nhrast')  (S.  41)  —  fibrigens  auf  Grund  von  Andeutungen  des  ArisloW» 

')  Die  BeleiliBung  des  Eudemus  (S,  41)  ist  nii-ht  ganz  sicher. 

„.,,„,^.oogic 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Schlössen.  737 

teibtl  —  naher  berücksichtigt  (vgl.  namenttich  Alexander  Aphrod.,  Ad  Ana]. 
l>r.,  Comm.  AnstGraeca  II,  1,  8.840.]  und  von  ihm  oder  seinen  Nachfolsem  als 
ceüoyM/nl  »ar  ttyäxlaMii  Oder  äriaratlüfitft  bezeichnet  (Hiiloponua,  Ad 
AnaL  pr.,  Comm.  Arial.  Gr.  XIII,  2,  S.  79).  Während  nun  Theophrast  diese 
Schlösse  noch  zur  ersten  Fiffur  zählte,  hat  sie,  wie  aus  einer  von  Minas  in 
seiner  EiDleituDg  zu  der  Galen  zugeschriebenen  Blaayttyri  AaJUxTutq  (vgl. 
S.  48,  Amn.  4)  mitgeteilten  Stelle  eines  griechisches  Kommentators  bervor- 
zogehen  acheint,  Galen  zu  einer  besonderen  neuen  vierten  Figur  zu- 
sammeugefaSt ').  Will  man  alle  Möglichkeiten  der  Stellung,  wel/'Jie  der 
Miilelbegrifi  in  den  Priunissen  haben  kann,  berUcksichtigen,  ao  ist  in  dec 
Tat  die  ZufOgung  der  vierten  Figur  notwendig.  Andrerseits  sprechen  trifiwe 
Gründe  zugunsten  der  aristotelischen  Dreiteilung,  Viel  wesentlicher  als  die 
Stellung  des  Mittelbegritls  innerhalb  der  Vorderurteile  ist  nämlich  oOenbar 
seine  StellimB  innerhalb  der  Skala  der  verwendeten  Allgemeinbegrüle,  und 
von  diesem  Einteiluncsprinzip  aus  ergeben  sich  nur  3  Figuren:  in  der  ersten 
figar  stfihl  M  mit  Bezug  auf  den  Grad  der  Allgemeinheit  zwischen  S  und  P, 
in  der  zweiten  Figur  ist  M  allgemeiner  als  S  und  P,  in  der  dritten  weniger 
allgemein  als  S  und  P  (vgl.  Trendelenbuig,  Log.  Unters.,  Berlin  18W,  Bd.  2. 
S.  283,  u.  Elem.  log.  Aristot.,  Berol.  1^6,  S.  78  zu  g  28} "),  Auch  hat  man 
mit  Recht  darauf  hingewiesen,  daB  dem  natürlichen  Denken  die  Schluflweise 
der  vierten  Figur  fernliegt,  wie  z.  B.  schon  Averroes  hervorgehoben  Hat  (Prior. 
Jteaol  I,  8,  Venet.  1&Ö3,  f.  63  b  nach  Prantl,  Bd.  1,  5.  571).  Die  vierte  Figur 
wurde  denn  auch  in  der  Folgezeit  noch  oft  weggelassen:  WoHf  ignoriert 
sie  z.  B.  vollständig  und  läBl  auch  die  zweite  und  dritte  Figur  nur  als  „syllo- 
Bismi  cfTptici"  der  ersten  gelten  ^Logica  g  3C5,  3%,  397).  Vgl.  auch  Crusius, 
Weg  zur  GcwiBheit  usw.,  Leipzig  1747,  §  dää,  S.  596.  Demgegentiber  erkennt 
(.ambert  (Neues  Organ.,  Leipzig  1764,  §  197  u.  221(1.)  alle  vier  Figuren 
als  gleichberechtigt  an.  Die  erste  soll  „zur  Erfindung  oder  Beweis  der  Eigen- 
schaften eines  Dinges",  die  zweite  „zur  ^findung  oder  Beweis  dea  Unter- 
schieds der  Dinge",  die  dritte  „zu  Erfindung  und  Beweis  der  Beispiele  und 
Ausnahmen",  die  vierte  „zu  Erfindung  und  .\usschlieBung  der  Arten  einer 
Gattung"  dienen.  Er  ordnet  dementsprechend  der  ersten  das  Dictum  de  omni 
et  nullo,  der  zweiten  ein  Dictum  de  diverse,  der  dritten  ein  Dictum  de 
excmpio,  der  vierten  ein  Dictum  de  reciproco  zu  (g  SS2).  Kant  versuchte 
in  seiner  Abhandlung  „Die  falsche  Spitzfindigkeit  der  vier  syllogistischen 
Figuren  erwiesen"  (Königsberg  1762;  SJimtl.  Werke,  ed.  HartensteiD,  Leipzig 
1867,  Bd.  2,  S.  6B)  mit  unsureicbenden  Gründen  nachzuweisen,  daB  „einzig 
und  allein"  in  der  ersten  Figur  „reine  Vemunftachlüsse  möglich"  siad,  and 
„daB  die  obersten  Regeln  alier  Vemunftscblfisse  unmitteltiar  auf  diejenige 
Ordnung  der  Begrille  führen,  die  man  die  erste  Figur  nennt".  —  W.  Tr.  Krug 
(Syst.  d.  theor.  Fhilos.,  1.  Teil,  3.  AuE,  Königsberg  1820,  g  104  ff.,  S.  343  ff.) 
teilt  die  Syllogismen  ein,  je  nachdem  nur  Versetzung  der  Satze  (These)  oder 
nur  Versetzung  der  Begriffe  in  den  S&tzen  (Antithese)  oder  beides  zugleich 
(Synthese)  st^tfindet  und  gelangt  so  zu  sieben  Figuren.  —  über  Hegols  üm- 
deutung  und  Umgestaltung  der  Figg.  stehe  W.W.  Bd.  5.  S.  i22i.  u-  Bd.  6,  S.  346ff. 

'■')  So  «klärt  sich   dir  Bezeichnung   ,^lenische    Figur"   (oder  „theo-  ' 
ptuastiseh«  Uodi"). 

^>  Siehe  andrerseits  auch  die  austflhrliche  Erörterung  Ueberwegs  1.  c. 
S.  332  ff.  Jac.  Zabarella,  libtt  de  quarta  syllogismomm  figura  (Opp.  Lugd. 
1587,  S.  41)  war  mir  nicht  zugängüch. 

Ziebeo,  L«lubDcli  dac  L«grUt.  47 


1,1^. OQi 


,g,c 


738       ^-  ^*i'-    ^^  eilurtiMa  locMchen  GtHUt  wid  ikn  Gtutoe. 

Bse  endtOliiie  Kttnuit  aUer  dieser  tia  nr  Gcf^nnit  i 
StrwKifcgiteB  nt  ent  dnnli  fie  nrae  KntWhmt  der  ■ 

Vom  Standponk  der  FigpUFeneinteilon^  wurden  wüter- 
hin  innerludb  jeder  Fi^nr  16  SeUaBwrisea  OCafi,  vfitm 
CMT  «mßtitmr,  Aristoteles,  Ak.  Ausg.  43  a,  10)  nnteraeliiedtn, 
je  nachdem  die  Prämissen  nmverseU  bejahend,  nnivosdl 
verneinend,  partikalär  bejahend  oder  partikulär  Temeinoid 
sind.  Mit  Hilfe  der  S.  670  ein^reföhrten  Symbole  können  die 
sich  för  jede  Figur  ergebenden  16  Kombinationen  kun  fo^ 
ffendermaßen  dargestellt  werden: 

1.  Prämisse      a  e  i  o 

2.  Prämisse  aeio    aeio    aeio    aeio 

Unter  den  6(  Konduiationen,  die  auf  dieMm  Wefe  msUnde  koaves, 
liefern  nur  It)  rtitiae,  d.  h.  riehtiie  SchttiSsitze.    Es  sind  dies  bdrende: 


(s.p 

HeP 

äaH 

SeP 

CeUteot 

HaP 

SiH 
SiP 
Daiü 

HeP 
SiH 
SoP 
Ftaio 

(PeH 
n.  Figur  \b»U 

PaH 

SeH 

SeP 

Cmaitna 

PeH 

SiH 
SoP 
FWiiK. 

PaH 
SoH 
8oP 
Banoo 

•  V«P 

m.  Kgor  JMaS 

IsfP 

HiP           HaP 

SaH         HiS 
SiP           8iP 
Diaamia      DatU 

HeP         HoP         H.P 

HaS         HaS         Hiß 

SoP          SoP          SoP 

Felaittam     Bocanlo    Ferine 

(PaH 

IV.  Kja,     H.8 

Isip 

Bmulip 

PaH           PiH           PeH 
MeS             HaS            HaS 
SeP            SiP            SoP 
Calemea        Dimatia        Feeapo 

PeH 

HiS 

SoP 

Freäoa 

Die  unter  ieder  Formel  stehenden  MeAwofte  kommen  nach  Praufl  imn 
ersten  Haie  bei  Wilhelm  t.  Shyreswood  (gest  IS^  vor  und  sind  dann  vra 
Lambert  ».  Auxeire  und  Petrus  Hispsnus  äbemommen  worden.  Sie  watdat 
im  folgenden  Memorialvers  znsammensesteUt: 

Barbara,  Celarent,  Darii,  Ferio,  BaraUpton, 
Celantes,  Dabiti»,  Fapesmo,  Friaesomomm^K 
Cesare,  Campeatres,  Festino,  Baroco,  Darapti, 
PelaptoD,  Disanns,  Datiri,  Bocardo,  Ferison. 
Die  Vokale  der  drei  Silben  geben  die  Ouantitat  und  QmüitÄl  jedes  ein- 
zelnen Teilurleil«  an  (Barbara  a  a  a  usf.).  wÄhrend  die  Eonmnanten  auf  (fe 
Begehungen  der  Modi  zueinander  hitiweisen.     So  soU  z.  B.  der  Anlaiig*- 
buchstabe  B  bedeuten,  dafi  dieser  Modus  ,4ebet  reduci  ad  primum  modmii 
pnmaefigurae",  ein  einrefüpe»  M  (metathesis).  daB  „debel  fien  tnuBpwitio 

'•)  Baralipton  bis  Frjsesomonuu  entsprechen  den  5  Modi  der  4.  Gale- 
nisoben  Fipir  (ohne  Inversion). 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Schlflssen.  739 

in  piaemissis"  usf.  Später  wurden  die  Merkworle  einerseits  zuweilen  noch 
vermehrt  (64  bei  Petrus  Mantuonus),  andrerseits  mannisfacb  abgeändert.  Die 
jetzt  üblichen,  oben  angeführten  Merkworte  faßt  der  folgende,  übrigens  auch 
in  allerhand  Variationen*)  vorkommende  Vers  zusammen: 

Barbara,  Celarent,  Darii,  Feriöque  prioria  (seil,  figurae); 

Ceeare,  Camestres,  Festino,  Baroco  secnndae; 

Tertia  Dart4>ti,  Disomis,  Datisi,  Felapton, 

Bocardo,  Ferison  habet;  quarta  insuper  addit 

Bamalip,  Calemes,  Dimatls,  Fes4po,  Fresiso(n). 
ZweckmäB^  Beispiele  für  jeden  Modus  gibt  z.  B.  Erdroann,  Logik, 
2.  Aufl.,  S.  658  ff. 

Man  ersieht  also  hieraus  z.  B.,  daS  in  der  zweiten  Figur 
ans  zwei  nniveracll  bejahenden  Prämissen  (aa)  kein  syllo- 
gistisches  Schlußurteil  gezogen  werden  kann.  M  kann  hier 
nicht  so  eliminiert  werden,  daS  nur  S  und  F  In  einem  urteil 
(nämlich  dem  Conclnsum)  verbunden  werden.  Als  Beispiel 
wähle  man  etwa  die  Prämissen:  „alle  Wale  sind  Säugetiere" 
und  „alle  Beuteltiere  sind  Sängetiere".  Hier  ist  offenbar 
ein  syllogistischer  Schluß  nicht  möglieh.  Selbstverständlich 
aber  ist  6ec  kopulative  ScUnQ  zulässig:  die  Wale  und  die 
Benteltiere  sind  Sängetiere.  Es  fehlt  jedoch  dann  der  fort- 
schreitende Charakter  (vgl.  S.  721)  und  die  Elimination  des 
Mittelbegriffs.  Der  Unterschied  zwischen  den  zusammen- 
fassenden Schlüssen  und  den  Syllogismen  tritt  hier  klar 
zutage. 

unter  den  mannigfachen  Begeln,  welche  ans  der  obigen 
Aufzählung  entnommen  werden  können,  sind  folgende  be- 
sonders wichtig: 

1.  Ans  zwei  verneinenden  Prämissen  (ee  oder  eo  oder 
oe  oder  oo)  läßt  sieh  kein  gültiges  einfaches  syllc^istisches 

*)  Z.B.:  Barbara  Celarent  primae  Darii  Ferioque; 

Cesare,  Cameatres,  Festino,  Baroco  secundae; 

Tertia  grande  aonans  recitat  Darapti,  Felapton, 

Disamls,  DaUsi,  Bocirdo,  Ferison.    Quirtae 

Sunt  Bamalip,  Calemes,  Dimatif^  Fesapo,  Fresiso. 
£ine  beachtenswerte  Umgestaltung  gibt  auch  Aug.  de  Morgan.  Forma] 
logic,  London  1M7,  S.  131  *.  Prantl  fand  analoge,  aber  sinnTolle  griechische 
Hemorialverse  in  einer  Handschrift  der  Svt^^ne  des  Psellus  (S.  68),  vgl. 
Prantl,  Oesch.  d.  hos.  usw.,  Bd.  2,  2.  Aufl.,  S.  2^  Obrigens  hat  auch  die 
Zahl  der  Modi  geschwankt.  So  scheint  Tbeophrast  und  SD&ter  FondiTriuB 
in  der  dritten  Figur  noch  einen  siebenten  Modus  aufgezählt  zu  haben  MaP; 
KBS;:PiS  (s.  Appuleius,!!««!^;^.  ed.  Thomas  190S.  S.  180;  Boölhius,  De  syll. 
cal.,  ed.  Migne  Bd.  U,  S.  813).  Je  zwei  neue  Modi  wurden  zur  ersten  und 
zweiten  Figur  von  Job.  Hospinianus  in  mir  unzug&nglichen  Schriften  a.  d.  J. 
1560  n.  1567  hinzugefügt  und  von  Leibniz  anerkannt  (Gerh.  Ausg.,  Bd.  ^,  S.  50). 

47* 

„.,.,, :,>..OO^SIC 


740       ^-  "^^^    ^'^  änzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

Schlnßnrteil  ableiten  (nn^nau  formuliert:  ex  mere  n^a- 
tivis  nihil  seqoitnr).  Die  Richtigkeit  dieaer  syllogistiecheu 
Begel  ergibt  sich  aus  folgender  Erwägung*).  Sind  beide 
PrämisMD  universell  verneinend,  so  besagen  die  Prämiseen 
nur,  daß  M  ein  sowohl  von  P  wie  von  S  völlig  getrenntes 
Gebiet  einnimmt;  «s  fehlt  also  jeder  Anhalt  für  eine  syllo- 
gistische  Beetinmiung  des  VerhältnisBes  von  S  und  P,  das 
letztere  bleibt  ganz  unbestimmt;  wir  können  höchstens  in 
bestimmten  Fällen  einen  negativen  kopulativen  Schluß 
ziehen  (z.  B.  weder  S  noch  P  sind  M).  Ist  die  eine  Prämisse 
universell  verneinend,  die  andere  partikulär  verneinend,  so 
kann  das  Subjekt  der  partikulär  verneinenden  Prämiss« 
„einige"  «ntweder  „wenigstens  einige"  oder  „nur  einige" 
bedeuten.  In  beiden  Fällen  ist  ein  Schluß  auf  eine  Bezie- 
hung von  S  zu  P  nicht  möglich:  im  ersten  Fall,  weil  er  audi 
den  an  erster  Stelle  behandelten  Fall  zweier  universell  ver- 
neinender Prämissen  einschließt,  im  zweiten,  weil  sich  ans 
der  Kreuzung  (S.  565)  von  P  (bzw.  S)  mit  M  und  dem  vollen 
Auseinanderliegen  von  S  (bzw.  P)  und  M  für  die  Beziehung 
von  S  und  P  ebenfalls  nichts  ergibt. 

Aristoteles  hat  diese  syllosistiache  Regel  schon  kurz  angedeutet  fAkkd. 
Ausg.  il  b,  6).  Eine  scbeinbue  Ausnahme  bilden  Schlüsse  der  lolgenden 
Fonn:  „alle  non-H  sind  nicht  P;  S  ist  nicht  M  ; :  S.  ist  nicht  P".  Offenbir 
ist  dieser  Schluß,  wie  man  sich  auch  leicht  duich  graphische  Darstellung  kbr 
machen  kann,  einwandfrei,  obwohl  beide  PiAmissen  verneinend  sind.  ScbäD- 
bar  ist  diese  Ausnahme  deshalb,  weil  außer  den  drei  Beerten,  auf  welche  dif 
jetzt  behandelten  Syllogismen  beschi'&nkt  sind,  ein  Werter,  n&nüich  „non-V, 
vorkommt.  Reduuert  man  die  Begriffe  auf  drei,  indem  man  entweder  den 
Obersati  formuliert:  alle  P  sind  11,  oder  den  Untersatz  formuliert:  S  ist  ein 
non-M,  SD  wird  klar,  daS  auch  in  diesem  Fall  eine  PrSmisse  positiv  ;st'> 
Vgl.  Boethius.  In  libr.  de  Interpret,  ed.  11,  Hignes  Patrol,  S,  &61.  Der  Ein- 
wand von  Duns  Scotus  (Quaest.  sup-  Anal.  pr.  I,  Qu.  21.  Opp.  Paris  1891. 
Bd.  3,  S.  139)  ist  bereits  oben  berOck  achtigt. 

2.  Aus  zwei  partikulären  Prämissen  (ii,  io,  oi  oder  oo) 
läßt  sich  kein  gültiges  einfaches  eyllogistisches  Schlnfi- 
urteil  ziehen  (ex  mere  particnlaribus  nihil  seqnitur). 
Diese  K^el,  die  schon  von  Aristoteles  aufgestellt  warde 
(Akad.  A'usg.  41  b,  7  u.  22:  ip  änawt  sciL  avlloytafiä  itl  . .. 
%i  xa9öXov  iitäfx"*')}  ergibt  sich  wiederum  daraus,  daß  aa« 
den  Kreuzungen  von  P  und  S  mit  M  nichts  für  das  Verhält- 


=)  Vgl.  hierzu  auch  Ueberweg,  1.  c.  S.  34611. 

')  Der  Erdmannsche  Versuch,  die  Scheinbarkeit  dieser  Ausnahmen  anf 
anderem  Weg  nachzuweisen,  scheint  mir  nicht  laaz  gdvog«n  (1.  c.  S.  681). 


OgIC 


8.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Schlüssen.  741 

nis  von  S  und  P  folgt  (aiiRftlfaTliche  Darl^rnng  bei  Überweg 
L  c.  S.  351) '). 

3.  Ans  einem  partikulären  Obersatz  (i  oder  o)  und  einem 
verneinenden  Untersatz  (e  oder  o)  läßt  sich  kein  gültiges 
einfaebes  sylJogistiscbes  Schlnßnrteil  ableiten.  Ber  Beweis 
ist  in  ähnlicber  Weise  wie  für  die  erste  Begel  zu  führen 
(ansführlicbe  Darlegung  bei  Ueberweg  1.  c.  S.  353). 

4.  Ist  eine  Prämisse  negativ,  so  ist  aucb  das  SchluB- 
urteil  negativ;  ist  eine  Prämisse  partikulär,  so  ist  auch 
das  Schlnßurteil  partikulär  (conclnsio*)  seqnitnr  partem 
debiliorem).  ^ 

Unter  den  zahlreichen  speziellen  Regeln,  die  für  die  einzelnen  Figuren 
selten,  seien  folgende  hervorgehoben :  In  der  ersten  Figur  nuiB,  damit  ein 
gUlUger  ayllogiatischer  SchluBsatz  zustande  koimnt,  der  Obersatz  stets  uni- 
versell, der  Untersatz  stets  bejahend  sein.  Die  erste  Regel  gilt  auch  tOr  die 
zweite  Fisur.  FQr  die  2.  Figur  ist  auQerdem,  wie  oben  (S.  739)  bereits  bei- 
spielsweise angeführt  nurde,  Regel,  daS  eine  (und  zwar  nach  Regel  1, 
S.  739  ikur  eine)  Prlntisae  negativ  ist.  In  der  dritten  Figur  muQ  der 
Untersatz  beiahend  sein. 

Der  Beweis  für  die  Gültigkeit  der  oben  angeführten  19  Syllc^imen  und 
die  DngfÜtigkeit  der  übrigen  45  und  für  die  Richtigkeit  der  soeben  aufgestell- 
ten Regeln  kann  in  verschiedener  Weise  geführt  werden.  Die  mittetalterliche 
Logik  betrachtete  in  der  Regel  die  Modi  der  ersten  Figur  als  unmittelbar 
Rewiß  und  „reduzierte"  die  Uodi  der  übrigen  Figuren  auf  jene  (vgl.  S.  738). 
Demgegenüber  muB  hervorgehoben  werden,  daB  alle  gültigen  Modi  sich  auch 
unmittelbar  durch  Umfangsvergleichung  (eventuell  mit  Hilfe  veranschaulichen' 
der  Symbole)  als  solche,  d.  h.  als  güJUe  erweisen  lassen.  Noch  korrdter 
—  weil  allgemeiner  —  lassen  sich  alle  diese  Nachweise  mit  Hilfe  der  Lehre 
von  den  Indrridualkoeffizienten  (vgl.  S.  3G9  u.  730)  führen.  Sei  z.  B.  der 
SchluS  Camestres  gesehen:  alle  P  sind  H;  alle  S  sind  nuht  M  ;  :  alle  S  sind 
nicht  P,  sa  argumentiert  man  fblffendennaBen :  Nach  dem  Obersatz  stimmt 
ein  Teil  der  M  mit  den  F  in  den  fndividualkoeffizienten  flberein;  diese  U'a 
sollen  mit  m  bezeichnet  werden  und  die  Individualkoeffizienten,  in  denen 
die  Fs  und  die  m's  übereinstimmen,  mit  ip,,,.  Dann  besagt  dec  Untersatz, 
daß  keinem  S  die  Individualkoeffizienten  ip^,  zukommen,  und  damit  ist  auch 
bewiesen,  daB  alle  S  nicht  P  sind. 

ScblieBlieb  sei  noeb  betont,  dafi  bei  der  ablieben  Klasai- 
flkation  der  Syllogismen  diejenigen,  deren  Untersatz  und 
Scblufisatz  ein  oder  mehrere  bestimmte  Indivi  dnen 
zum  Subjekt  haben,  nicht  ausreichend  berücksichtigt  sind.  Im 
praktischen  Benken  spiel-eu  sie  die  größte  Rolle  (Subsumtion 

')  Die  weitere  Ausführung  Ueberwegs  bezOslicb  des  singuliren  Urteils 
(S.  862  unten)  kann  ich  nicht  als  zutreffend  anerkennen. 

*)  Nach  unsrcr  Nomenklatur  muB  es  heiBen  „conclusaa".  Diese  Formel 
ist  übrigens  oft  in  unzutreSender  Weise  angewendet  wordrai. 


OgIC 


742       IV-  feil'    Die  nnzdoen  losiscfasii  Gdnide  und  ihre  Gesetze.  ^^ 

eines  jaristiacheu  bzw.  ärztlichen  Falles  unter  eineo  Ge- 
setzesparagraphen, Krankheitsbegrriff  usf.).  Nor  die  Indivi- 
dnalkoefflzieatentbeorie  wird  diesen  Fällen  gerecht. 

y&Dcheriei  vichtise  AulUirunB  bezfiglicb  aller  dieser  Fragen  verdanken 
wii  der  «Icebndtdieii  Lofjk^).  Insbesondeie  hat  Ladd-Franklia  (Schrfider, 
Voiles.,  Bd.  2,  S.  228)  nachgewiesen,  daS  alle  überlieferten  Syllogismen  sich 
aut  die  Formel  (ab^  o)('bc:=  o)^g(ac  =io)  zurüclcfahreii  lassen,  in  der  a,b 
und  c  Gebiete  bedeuten  und  die  Symbole  dea  S.  541  u.  670  angesebenen  Sinn 
haben.  Die  Fonn«l  kann  auch  geschrieben  «erden:  (ab  =  o)  ('bc  =  i>) 
[ae^  0)^0  tmd  stellt  einen  besonderen  Fall  der  lolgenden  allgemeinen  „In- 
konsistenz"  dar :  (ab  c=  o)  (cd  :=  o)  {  ac(b  +  d)  4=  o )  ;=  o.  In  der  Tat  lassoi 
sieb  aus  jeder  dieser  Formeln  alle  angefahrten  Syllogismen  in  sehr  einfadi« 
Weise  atdeiten.  Dabei  ergibt  sich,  daB  nur  acht  wesentiich  verschiedeK 
Uodi  vorhanden  sind,  nämlich  Barbara,  Darii,  Cesare,  Feslino,  Disunis, 
Calemes,  Baroco  und  Bocardo.  Nur  in  der  Wort  spräche  eerfalien  diese 
vom  Aussagekalkul  unterschiedenen  Formen  noch  in  Unterformen.  Zu  Cesue 
gehört  Celarent,  zu  Calemes  Calestres,  zu  Darii  Datisi,  zu  Festino  Feiio, 
Ferison  und  Fresison,  zu  Disamis  Dimatis.  —  Sieht  man  von  den  Qberliefer- 
len  Fisuren  und  Modi  ab,  so  gestaltet  sich  die  algebraisch-logische  Bntwict- 
lunf  Doch  einlacher.  Es  handelt  sich  dann  lediglich  um  die  Eliminatton 
von  b  (d.  h.  des  UittelbegriKs)  aus  den  folgenden  sechs  PrftmissenpaartD: 
I.  (abc=o)(bc  =  o),  2.  (8b  =  o)  ("bc  =  o),  3.  (Bb  =  o)  (bc^io),  4.(ab=o( 
('bc4:o),  5.  (ab^o)  (bc4:o)  und  6.  (ab^:  o)  ('bo^o).  Tj^  Schröder  L c 
S.  234  u.  3  48  u.  A.  Cajley,  Quart.  Jonm.  of  pure  and  appL  math.  1871, 
Bd.  11,  S.  282—283. 

S  128.  Hfttelbare  fortschreitende  Sehlflsse,  Syllogismei, 
Fortsetsnng:  Varianten  der  einfachen  Syllc^ismen.  Obllq« 
Syllt^ismen.  Hypothetische  Syllt^^sinen.  Syllogismen  nlt 
einer  disjanktiv«!  Prämisse.  Bei  allen  seither  betrachtete» 
Syllogismen  war  derTatbestand  insofern  sehr  einfach,  als  das 
Sehluflurteil  aas  den  Prämissen  dnrch  einfache  Vertau- 
schung  dreier  Begriffe  heig^leitet  werden  konnte  (vgl.  S.733 
über  Substitutionstheorie).  Eb  kommen  nun  aber  Syllc^is- 
meu  auch  dadurch  zustande,  dafi  nicht  der  ganze  Begriff  H, 
sondern  nur  ein  Teilbegriff  desselben  substituiert  und  eli- 
miniert wird.  Ein  sehr  einfaches  Beispiel  ist  folgender 
Schluß:  ,J>er  Lanzettfisch  hat  kein  Großhirn;  das  Gro&him 
ist  das  einzige  Organ  für  psychische  Prozesse;:  also  hat  der 
I^anzettfisch  kein  Organ  für  psychische  Prozesse".  Die  Schul- 
form  des  einfachen  seither  besprochenen  Syllogismus  läßt 
sich  hier  in  adäquater  Weise  gar  nicht  herstellen.  Eine  Um- 


*)  FQr   nicht   zutreffend  halte   ich  die   Einw&nde   Scbroedos   fegec 
Uampti,  Felapton,  BamaUp  und  Fesapo  (1.  c.  S.  2201.,  227  f.  u.  2S9E>. 


OgIC 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  ScblOwen.  743 

fonnimgr  wie:  „Der  L.  ist  ein  groöhirnloses  Tier;  großhim- 
loee  Tiere  sind  Tiere  ohne  das  einzige  Organ  für  psychische 
Prozesse;:  also  ist  der  L.  ein  Tier  ohne  das  einzige  Organ  für 
psych.  Prozesse"  entspricht  weder  dem  wirklichen  Denken  (im 
psychologischen  Sinn)  noch  dem  logischen  Zusammenhang 
der  Urteile.  Der  Begriff,  der  eliminiert  wird,  ist  hier  nicht 
.jgroßhimloees  Tier",  sondern  „QroQhim",  und  dieser  Begriff 
ist  LQ  der  ersten  Prämisse  als  solcher  weder  Prädikat  noch 
Subjekt,  sondern  nnr  im  Prädikat  enthalten.  Noch 
sehr  viel  durchsichtiger  sind  analoge  Schlüsse  aof  mathe- 
matischem Gebiet,  wie  z.  B.  J  (Dreiecksinhalt)  ^^/lah; 
h  =  b8in>';:  J  =  V*absin7.  DasVersagen  der  einfachen Syl- 
logismnsformeln  springt  hier  sofort  in  die  Augen,  h  ist,  da 
es  in  der  ersten  Prämisse  nur  ein  Teilbegriff  des  Prädikats 
ist,  kein  Mittelbegriff  im  Sinn  des  einfachen  Syllogismns. 
Bichtiger  wird  es  als  „Eliminand"  bezeichnet.  Im  Sinn 
der  SutMtitntionstheorie  (S.  732)  kann  man  sagen,  daB  das 
Senlufinrteil  darch  „Substitution"  von  b  sin  y  für  h  zustande 
ktHnmt,  oder  —  anders  ausgedrückt  —  daS  die  Bichtigkeit 
der  ersten  Prämisse  erhatten  bleibt,  wenn  dem  h  das  ihm 
gleiche  b  ein  y  substitaiert  wird  (vgl.  hierzu  auch  S.  727  ff.). 
In  anderen  Fällen  wird  der  Eliminand  nicht  im  Sinn  des 
ÄquatioDsprinzips,  sondern  im  Sinn  der  Sabsomtion  elimi- 
niert. Als  Beispiel  mag  der  folgende  Schluß  angeführt  wer- 
den: die  Massenattraktion  ist  dem  Produkt  der  Massen 
direkt  und  dem  Quadrat  ihrer  Entfernung  umgekehrt  pro- 
portional; die  Entfernung  ist  eine  Längendimension;:  also 
ist  die  Massenattraktion  dem  Produkt  der  Massen  direkt  und 
dem  Quadrat  einerLängendimension  umgekehrt  proportional. 
Die  „Entfernung"  entspricht  dem  h  des  vorigen  Beispiels, 
ist  also  der  Eliminand.  Hier  wird  aber  der  letztere  nicht 
durch  einen  ihm  lunfangsgleichen  Begriff  (wie  h  durch 
b  sin  y)' ersetzt,  sondern  durch  einen  ihm  übergeordneten  Be- 
griff, nämlich  tJÄngendimension";  der  Eliminand  wird  dem 
letzteren  subsumiert.  Dabei  darf  dieser  übergeordnete  Be- 
griff selbstverständlich  nicht  in  seinem  vollen  Umfang,  son- 
dern eben  doch  nur  im  Umfang  des  Eliminanden  („eine" 
Längendimension)  eingesetzt  werden;  insofern  bleibt  also 
auch  hier  das  Äquationsprinzip  in  Kraft.  In  einer  dritten 
Reihe  von  Fällen  erfolgt  die  Elimination  im  Sinn  der  Ein- 
ordnung. Hierfür  gibt  folgender  Schluß  ein  Beispiel:  Dieset 
Ouvertüre    beginnt   mit    einer    B«ihe    von    Mollakkorden; 


OgIC 


744       'V'  T^>''    ^'^  einzelnen  loiischon  Gebilde  und  ifare  Gesetze. 

Mollakkorde  lösen  eine  wehmütige  Stiramting  ans;:  diese 
Onvertäre  beginnt  mit  einer  Reihe  eine  wehmütige  Stim- 
mung auslösender  Akkorde.  Hier  ist  Moll  der  Elim{PMid. 
Die  Auffassung  im  Sinn  der  Subsumtion  (Mollakkoide  ge- 
hören zu  den  eine  wehmütige  Stimmung  auslösenden  Din- 
gen) wäre  durchaus  gekünstelt.  Wir  ordnen  vielmehr  die 
Auslöaung  wehmütiger  Stimmung  unmittelbar  dem  Begriff 
des  Moll  ein  und  übertragen  Bie  dann  in  demselben  ^nn  auf 
die  Akkordreihe,  mit  welcher  die  Ouvertüre  beginnt.  Die 
Subsumtion  tritt  zurück.  Offenbar  kehren  auch  hier  die 
Theorien  wieder,  welche  S.  731  mit  bezug  auf  den  einfachai 
Syllogismus  besprochen  wurden,  und  auch  hier  scheint  mir 
jede  dieser  Theorien  nur  eine  Seite  des  Tatbestandes  n 
berücksichtigen  und  bei  manchen  Fällen  ganz  zu  T^sagaa. 
Dag^en  wird  die  Äquationstheorie  der  IndiTidnsJkoefil- 
zienten  (vgl.  S.  730)  wiederum  allen  Fällen  gerecht. 

Historisch  sei  nur  bemerkt,  daS  scbon  Occam  sich  mit  den  SchlüSKD 
beichAftigt,  die  in  den  Pr&missen  einen  Casus  obliquus  enthalten  (Summa  W. 
los.  I,  cap.  9),  und  dementsprechend  von  einem  Sylkvismus  de  obliquis 
spricbl.  Ich  schlage  daher  auch  vof,  solche  Syllo^smen  kurz  als  oblique 
zu  bezeichnen.  Buridan  (S.  86]  hat  die  Occamsche  Lehre  noch  etwas  weiter 
ausgefahrt  (Ferutile  coou>.  tot.  Iok.).  Eine  vortreEQiche  Darstellung  bat  spSter 
der  Verfasser  der  Logique  de  Port-Royal  gegeben  (Teil  III,  Ch.  9,  ed.  Jourdaio 
Paris  1861,  S.  188  ff.).  Er  bezeichnet  solche  Schlüsse  als  .^llogismes  c«o- 
piexes". 

Eine  andere  wichtige  Variante  des  einfachen  Syllogis- 
mus ist  der  hypothetische  Syllogismus,  auch  kurz  hypotbe- 
tiscber  Schluß  genannt.  Die  hypothetiachen  Syllogismen  zer- 
fallen in  zwei  weit  verschiedene  Klassen,  nämlich  in  die  sog. 
gemischt  hypothetischen  und  in  die  refat  hypothettseheD 
Syllogismen.  Aus  der  folgenden  Darstellung  wird  sich  er- 
geben, dafi  ihre  Zusammenfassung  nur  auf  der  relativ  on- 
weseutlicben  Tatsache  beruht,  daB  bei  beiden  wenigstens 
eine  Prämisse  ein  hypothetisches  urteil  (S.  698)  ist.  Im 
übrigen  weichen  sie  in  ihrer  logischen  Struktur  wesentlich 
voneinander  ab  und  sollen  daher  ganz  getrennt  besprochen 
werden.  Die  seither  betrachteten  Syllogismen  werden,  weil 
sie  kein  hypothetisches  urteil,  sondern  nnr  sog.  katc^rische 
urteile  enthalten,  auch  herkömmlicherweise  ausdrücklich 
als  kategorische  Syllogismen  bezeichnet. 

Der  gemischt  hypothetisehe  SchloB  hat  nach  der  ab- 
lieben Darstellung  die  allgemeine  Formel: 


iM,Googlc 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Schltlssen.  745 

positiv:  negativ: 

wenn  A  gilt,  dann  gilt  C;  wenn  A  gilt,  dann  gilt  0; 

A  gilt;:  C  gilt  nicht;: 

also  gilt  C.  also  gilt  A  nicht 

Der  positive  Fall  wird  als  „Modus  (ponendo)  p  0  n  e  n  s", 
der  negative  als  „Modus  (tollendo)  tollens"  bezeichnet. 
Man  beachte,  daß  das  Subjekt  in  den  Untersätzen  der  beiden 
Modi  verschieden  ist.  Der  Obersatz  enthält  zwei  Urteile 
fA  und  C).  Seine  Bedeutung  ist  durch  die  Erörterungen 
S.  700f.  genugsam  aufgeklärt.  Er  spricht  den  Zusammen- 
hang von  Grund  und  Folge  für  die  beiden  Urteile  A  und  C 
aus  und  kann  daher  kurz  formuliert  werden:  A  und  C  sind 
„konsequent"-  A  und  C  sind  also  die  Subjekte  des  Obersatzes.  A 
hat  den  Charakter  einer  Annahme  oder  Prothese  (S.  382),  der 
Znsammenhang  von  C  mit  A  wird  dagegen  thetisch  ans- 
gesprocheu  *).  Der  prothetische  Charakter  von  A  wird  darch 
die  konditionale  Formulierung  ausdrücklich  hervorgehoben. 
Der  Untersatz  hebt  nun  diesen  prothetischen  Charakter  von 
A  für  einen  oder  einige  oder  alle  Fälle  anf,  verwandelt  also 
das  Urteil  A  in  ein  thetisches:  A  gilt,  d.  h.  gilt  tatsächlich 
(wird  von  mir  als  richtig  betrachtet),  und  daraufhin  wird 
für  denselben  Fall  bzw.  für  dieselben  Fälle  jetzt  auch  das 
Urteil  C  thetisch  ausgeeprochen '). 

Auch  hier  hat  man  zu  nnterscheiden,  ob  der  Obersatz  ein 
indeterminiertes  oder  ein  instables  hypothetisches 
Urteil  ist  (vgl.  S.  70Ö).  Im  ersteren  Fall  wird-  die  Un- 
bestimmtheit des  Urteils  A  (im  Obersatz)  und  damit 
auch  der  prothetische  Charakter  von  A  und  die  Bedingtheit 
des  Qeltens  von  C  im  Untersatz  dadurch  aufgehoben,  daB  an 
Stelle  des  unbestimmten  Subjekts  von  A  ein  bestimmtes  ge- 
setzt wird.  Beispiel:  „Wenn  ein  Dreieck  (ganz  unbestimmt) 
gleiche  Basiswinkel  hat,  ist  es  gleichschenklig;  dies  Dreieck 
(Determination])  hat  gleiche  Basiswinkel;:  also  ist  dies 
Dreieck  gleichschenklig".  Offenbar  ist  in  diesem  Fall  der 
hypothetische  Schluß  nichta  anderes  als  ein  deduktiver 
^llogiemuB,  der  sprachlich  etwas  umgestaltet  ist;  er  lautet 

')  Sa  wenigstens  bei  der  jetzt  gew&hlten  Form;  ich  kann  jedoch  aus- 
nahmsweise auch  das  e a n z e  hypothetische  Urteil,  also  den  Zusammea- 
h  a  n  B  von  C  mit  A  protfaeUsch  (im  Sinn  einer  Annahme)  denken,  z.  B.  als 
die  Behauptung  eines  anderen  in  Erwlgung  ziehen  usf.     VgL  S.  700. 

*)  Der  Ob«^atz  halte  nu;  den  Zusammenhang  von  A  und  C 
Ihetiacb  ausgesprochen. 


740       IV-  TeU.    Die  cinielnen  logiscfaen  Gdnlde  und  ihr«  Gesetze. 

in  der  Form  des  gewähnlicben  Syllogümus:  alle  Dreiecke 
mit  gleichen  Basiswinkeln  sind  gleichschenklig;  dies  ist  ein 
Dreieck  mit  gleichen  Basiswinkeln;:  also  ist  es  gleich- 
schenklig'). Diese  Form  des  gemiscljt- hypothetischen 
Schlusses  schwebte  wohl  anch  Sigwart  bei  seiner  auf  S.  730 
erörterten  Theorie  des  Syllogismus  vor.  Exakt  formuliert, 
müßte  der  Untersatz  lauten:  „in  einem  bestimmten  Fall  bzw. 
in  bestimmten  Fällen  gilt  A"  nnd  das  Schlufiurteil:  „also 
gilt  in  diesem  Fall  bzw.  in  diesen  Fällen  C".  —  Ganz  anders 
bei  derjenigen  Form  des  gemischt-hypothetischen  Schlusses, 
deren  Obersatz  ein  instables  hypothetisches  urteil  ist 
Hier  beruht  der  prothetische  Charakter  des  Teilnrteils  A  des 
Obersatzes  und  damit  auch  die  Bedingtheit  des  TeUurteils  C 
aaf  dem  Fehlen  ausreichender  Gründe  für  A.  Nun  wird 
im  Untersatz  („A  gilt*')  an  Stelle  des  prothetischeu  Charak- 
ters von  A  der  thetiache  gesetzt,  sei  es,  weil  sich  ausreichende 
Gründe  für  A  iieu  gefunden  haben  oder  weil  eine  anfängliche 
Aosschaltuug  (s.  S.  384)  der  Gründe  aufgegeben  wird,  und 
damit  tritt  an  Stelle  der  bedingten  Gültigkeit  von  C  die  un- 
bedingte („C  gilt").  Beispiel:  „wenn  dies  Dreieck  gleiche 
Basiswinkel  hat,  ist  es  gleichBchenklig;  dies  Dreieck  hat 
gleiche  Basiswinkel;:  also  ist  es  gleichschenklig",  oder  „wenn 
der  Mars  bewohnt  ist,  sind  seine  Bewohner  menschenähnlich; 
der  Mars  ist  bewohnt"  (etwa  als  Behauptung  eines  über- 
zeugten Anhängers  der  Marskanäle);:  „also  sind  die  Be- 
wohner des  Mars  menschenähnlich"  (als  Schlnßnrteil  des- 
selben Anhängers).  Hier  läßt  sieh  eine  Verwandtschaft  mit 
dem  deduktiven  Syllogismus  kaum  konstruieren*),  da- 
g^en  ist  der  allgemeine  Charakter  des  Syllogismus  insofern 
noch  einigermaßen  vorhanden,  als  das  Urteil  A  eine  ähnliche 
Bolle  spielt  wie  der  MittelbegrifF  in  dem  gewöhnlichen  ein- 
fachen Syllogismus.  Man  muß  aber  doch  beachten,  daß  von 
einer  vollständigen  Elimination  des  A  meistens  nicht  die 
Bede  ist").     Sein  Subjekt  wird  sogar  in  der  Regel  in  das 


")  Daber  lUt  sich  auch  der  typische  deduktive  SrlloBismus  stets  auf 
die  Form  «ines  gemiscbt-hvpotheüscben  Schluases  mit  indeterminiettem 
Übersats  brinsen:  „wenn  Jemand  ein  Uensch  i>t,  ist  er  slerblichi  Caius  ist 
ein  Mensch;:  also  ist  er  steifalicb. 

*)  Uan  kann  nur  zusehen,  daß  der  Ohersalz  olt  auf  ein  uniTeraelles 
Urteil  zurOckgehl. 

^)  Ein  Beispiel  fCr  eine  vollständige  Etiminslion  wäre  folsendes :  „wenn 
unser  Herrscher  unheilbar  krank  ist,  droht  unserem  Staat  schirerea  Unheili 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Schlössen.  747 

ScUoBurteil  mit  fainäbersenomuieiL,  so  kann  z.  B.  in  anBerem 
Beispi«!  das  SchloBnrteil  auch  formaliert  werden:  „also  ist 
der  MarG  von  menBohenähnlichen  ludividnen  bewohnt"  und 
Bomit  einen  groQen  Teil  von  A  in  sich  enthalten.  Jedenfalls 
beansprucht  also  die  zweite  Form  des  gemischt-hypothetischen 
SohloBsee  gegenüber  den  typischen  Mittelbegriffsschlüssen 
eine  selbständigere  Stellung.  Wegen  dieser  Selb- 
ständigkeit verdient  sie  die  Bezeichnong  „gemischt-hypo- 
tbeÜBcher  Schloß"  im  prägnanten  Sinne. 

Oft  wird  der  gemischle  hypothetische  SchluB  auch  in  foleeadem  Salx 
uisseatrocben :  Mit  dem  Grund  ist  auch  die  Folge  bejaht,  mit  der  Folse 
ist  auch  der  Grund  verneint.  Exakt  trifft  diese  Formulierung  nur  fQr  die 
zweite  Form  zu,  und  auch  für  diese  wird  sie  besser  folsendennaBen  ab- 
geändert: mit  dem  thetischen  Aussprechen  des  Grundes  ist  auch  das  thetischc 
Aussprechen  der  Folge  g^eben  d.s.  f. 

Sehr  miBverst&ndlich  und  geradezu  falsch  ist  es,  wenn  als  Merkmal 
der  gemischt-hypothetischen  SchlUsse  angegeben  wird  *),  ihr  Untersatz  sei 
ein  „Exis  tenzialurteil".  Das  Pr&dikat  des  Untersatzes  muB  keines- 
wegs die  E^slenz  sein.  Nicht  die  Existenz,  sondern  die  im  Obersatz  offen- 
gelassene Gültigkeit  (Geltung)  von  A  vird  im  Untersalz  bejaht;  darin 
besteht  eben  die  Aulhebung  des  prothetischen  Ctiarakters  und  die  Eintetzung 
des  thetischen  Charakters.  Man  überzeuge  sich  hiervon  etwa  an  folgendem 
Beispiel:  „wenn  die  Zentauren  die  Fiktion  eines  Dichters  sind,  so  sind  die 
S&mpfe  der  Zentauren  und  Lapithen  eis  eine  Sage  zu  betrachten;  die 
Zentauren  sind  die  Fiktion  eines  Dichters;  also  sind  die  Kampfe  der  Zen- 
tauren und  Lapithen  als  Sage  zu  betrachten". 

Der  rein  hypothetische  Sehlaß  hat  die  Formel: 

positiv:  .  negativ; 

wenn  A  gilt,  dann  gilt  M;  wenn  A  gilt,  dann  gilt  M; 
wenn  M  gi!^  dann  gilt  B;  wenn  M  gilt,  dfuin  gilt  B; 
also:  wenn  A  gilt,  gilt  B.  also:  wenn  B  nicht  gilt,  giltAnicht. 
In  Worten  wird  der  positive  rein  hypothetische  Schlufl 
ausgesprochen:  die  Folge  der  Folge  ist  Folge  des  Grundes. 
Charakteristisch  für  den  rein  hypothetischen  Schluß  ist  vor 
allem  der  protbetische  Charakter  aller  seiner  Teilnrteile. 
Es  wird  also  nicht  wie  bei  dem  gemischt  hypothetischen 
Schluß  der  prothetische  Charakter  eines  Obersatzes  durch 
einen  thetischen  Untersatz  eliminiert.  Eine  tiefere  Ver- 
wandtschaft mit  dem  gemischt  hypothetischen  Schluß  besteht 


*)  Diese  Auffassung  gehl  auf  die  Brenlanosche  Lehre  vom  Ezistenzial- 
uiteil  zurück.    Vgl.  S.  628. 


OgIC 


748        ^-  '^^i'-    ^i^  eiDEelneit  I<«i9cben  GeUtde  und  ihre  Gesetze. 

nicht.  Dage^n  ist  die  Zagehürigkeit  zu  den  Syllogismen 
(MittelbegrifFBschlüssen)  anverkennbar.  Das  Teilarteil  M, 
welches  den  Nachsatz  des  hypothetischen  Obersatates  nnd 
den  Vordersatz  des  hypothetischen  Untersatzes  bildet,  spielt 
durchaus  die  Rolle  des  MittelbegrifFs  und  wird  ganz  «ie 
dieser  bei  den  typischen  Syllogismen  eliminiert.  Sehr  oft 
haben  die  rein  hypothetischen  Schlüsse  auch  deduktiven 
Charakter,  nnd  zwar  entspricht  der  Untersatz  des  rein 
hypothetischen  Schlusses  dem  Obersatz  eines  deduktiven 
Syllogismus,  wie  z.  B.  folgende  Transformation  lehrt.  Ge- 
geben sei  der  rein  hypothetische  Schluß:  „wenn  der  Meneob 
atmet,  finden  Oxydationen  statt;  wenn  Oxydationen  statt- 
finden, wird  Wärme  entwickelt;:  also  wird,  wenn  der  Mensch 
atmet.  Warme  entwickelt".  Die  Transformation  in  einen 
deduktiven  Schluß  ergibt:  ,«re(ler  OxydationsprozeB  ist  mit 
Wärmeeatwickluug  verbunden;  die  Atmung  des  Menaeheo 
ist  ein  OxydationsprozeB;:  die  Atmung  des  Menschen  ist  mit 
Wärmeentwicklung  verbunden"  (Schluß  Barbara). 

In  diesem  Fall  kann  man  von  einer  zweimaligen  Subordination  des 
rein  hypoiheli sehen  Urteils  sprechen.  Oft  tritt  iedodi  an  Stelle  einer  od» 
beider  Subordinationen  eine  Aqualion  (vhI.  S.  727  fl.],  nie  die  folseoden  Bei- 
spiele lehren;  1.  wenn  die  Basiswinkel  eines  Dreiecks  gleich  sind,  nnd  seiiie 
Schenkel  gleich  (Aqualion);  wenn  die  Schenkel  eines  Dreiecks  gleich  sind, 
besieht  Symmetrie  (Subordination);-  wenn  die  Basiswinkel  eines  Draacfcs 
gleich  sind,  besteht  Symmetrie.  2.  wenn  a^^ß,  so  ist  a.^b  (Aquatün); 
wenn  a,^b,  so  ist  h,  =  hi,;  (AduatioQ);;  wenn  a  =  ß,  so  ist  h,  =  hb.  — 
Man  hat  in  allen  Fällen  darauf  zu  achten,  daB  die  Konsequenz  des  Ober- 
salzes  und  des  Untersatzes  allgemein  gilt.  So  liegt  z.  B.  ein  Fehlschluß  m, 
wenn  wir  schließen:  „wenn  die  Sonne  scheint,  schmilzt  der  Schnee;  wenn 
der  Schnee  schmilzt,  wird  Wärme  gebunden;:  wenn  die  Sonne  scheint,  wird 
Wftrme  gebunden".  Der  Fehler  liegt  in  dem  Vordersatz,  der  nicht  allgemeia 
gilt:  nicht  immer,  nenn  die  Sonne  scheint,  schmilzt  Schnee  (z.  B.  dann 
nicht,  wenn  kein  Schnee  liegt).  Im  alltäglichen  und  im  wissenschaftlichen 
Denken  sind  solche  Fehlschlüsse  in  versteckterer  Form  nicht  selten. 

Historisches  übe;  die  hypothetischen  Schlttsse. 
Aristoteles  hatte  den  hypothetischen  Schluß  nicht  anerkannt  Die  ScbhtB- 
weise^;  iw»teaif  (Ak.  Ausg.  40  b,  46  b  usf.)  wird  von  ihm  im  wesenUicbca 
auf  den  indirekten  Beweis  beschränkt  (vgl.  §  136).  Erat  Tbeophrasl  u,  Eudenros 
(vgl.  S.  41)  ')  stellten  den  hypotlielischen  SchluB  als  eine  selhst&ndige  Schluß 
form  aul  (Alexander  Aphrod.,  Ad  Analyt.  pr.,  Akad.  Ausg.  11,  1,  ä  3ü0  u. 
Fhiloponus,  Ad  Anal,  pr.,  Akad.  Ausg.  XIH,  2.  S.  243),  und  zwar  beschrieben 
sie  sowohl  den  gemischt  hypothetischen  wie  den  rein  hypothetischen  Scfahil. 
Das  Hauptgewicht  wurde  bei  ersterem  auf  das  .JUnzundimen"  des  Unter- 

')  Es  muD  daselbst,  wie  ich  bei  der  Korr^lur  bemeilEe,  Z.  17  v.  ofaen 
heißen  „SchluB"  stall  „Urteil". 


OgIC 


3.  KaEHlel.    Die  Lehre  von  den  Schlüssen.  749 

Satzes  {np*«^^;,  fitiäi^^lHt) ")  getegL  Der  lelzlere  hieB  aviloytafiis  iiä 
T^r  (Philoponus,  1.  c.  S.  243  u.  413)  oder  d^'  ähtv  v7io»{nxit.  Die  Stoikec 
rechnelea  die  hypothetischen  Schlüsse  mit  den  disjunkliven  zu  den  tüyn 
dra»öiu*ti\  den  Obersatz  nannten  sie  rpoTnnv  oder  i.^fifta,  den  Untersatz 
n^«hit/ne,  den  SchluB  (««tjunipato/ict  der  Peripatetiker)  htu/MQ«  (Pbilopouus, 
L  c.  S.  S43  u.  Diogenes  Laert„  De  dar.  phiios.  viL  VII,  1,  ed.  Cobet.  S.  176 
u.  Sextus  Empir.,  Fyrrh.  Hypot.  II,  135,  ed.  Bekker,  S.  87;  nach  letzterem 
hieBen  beide  Prämissen  liifi/4 am).  Unt^r  den  lateinischen  Logikern  hat 
Baätfaius  die  hypothetischen  Schlflsse  (syllogismos  non  simplices  oder  con- 
ditionales)  in  einer  besonderen  Monographie  ausfohrlich  behandelt  (ed.  lligne 
Bd.  64,  S.  831).  Er  nannte  den  Obersatz  propositio  (im  prägnanten  Sinne) 
oder  sumliun,  den  Untersatz  assumtto,  den  ScbluB  concluno  (i.  c.  S.  844). 
Etwas  klareiT  als  seine  meisten  Vorgänger  unteraeheidet  er  die  gemischt 
hypothetischen  und  die  rein  hypothetischen  Schlösse;  letztere  werden 
dcÄniert  als  diejenigen,  „gui  duabus  hypolbeticis  connectimtur"  (I.  c.  S.  867). 
Das  spätere  Mittelalter  bat  zu  diesen  Lehren  nichts  wesentliches  hinzugelQgt. 
Bamus  (Dialectica,  ed.  Francol.  1577,  H,  13,  S.  140  IL)  bezeichnet  den  ge- 
nascht hypothetischen  ScbluB  als  Syllogismus  connexus.  Die  Logique  de 
Port-Royal  spricht  von  „syilogismes  conditionnels  (Partie  III,  Ch.  IS,  ed. 
Jourdain,  S.  194).  Wolffs  entscheidende  Definitionen  lauten  (Logica,  S  VI&B-'i- 
Syllogismus  compositus  est,  cujus  vel  una  vel  utraciue  praemissa  non  est 
propcutio  categoTica;  quodsi  major  fuerit  propositio  bypothetica,  syU.  hypo- 
thetJcus  dicitur  (oder  conditionalis  oder  connexus);  modus  syüogismonim 
hypolheticorum,  qui  posilo  antecedente  nonit  consequens,  dicitur  p  o  n  e  n  s , 
contra  vero  modus,  qui  sublalo  consequente  tolUt  antecedens,  dicitur 
tollcns.  Der  rein  hypothetische  SchluB  kommt  bei  ihm  wie  l)ei  den 
iolgenden  Logikern  zu  kurz.  In  Baumgariens  Acroasis  losico,  ed.  Toellner 
1773,  §  364  helBf  der  hypolheüsche  SchluB  in  deutscher  Übersetzung  „be- 
dingter", dej  kategorische  „unbedingter"  SchluB.  G.  Fr.  Meier  (Vernunft- 
lehre», 17K.  §  420,  S.  &8*)  spricht  von  „bedingten  Vernunftschlüssen". 
Kant  (Logik,  §  75)  spricht  dem  hypothetischen  Vemunltschluß  einen  Icrminns 
medius  ab  und  meint,  er  sei  „eigentlich  kein  VemunftschluB,  sondern  viel- 
mehr ein  unmittelbarer,  aus  einem  Vordersatze  und  Nachsatze,  der  Materie 
oder  der  Form  nach,  zu  erweisender  SchluB".  Das  Teilurteil  A  (vgl.  S.  746) 
des  Obersalzes  wird  von  den  Logikern  des  18.  Jahrhunderts  meist  als  ratio, 
das  Teilurteil  C  als  rationatum  bezeichnet.  Daher  gilt  als  ,4*rinzip"  der 
lirpothetischea  Schlosse:  a  ratione  ad  rationatum,  a  negatione  rationati  ad 
negatiouem  rnlionis  valet  consequenlia.  Die  Kantsche  Auffassung  wurde 
schon  von  W.  Tr.  Krug  (Syst.  d.  theor.  Phiios.  =,  182ü,  I,  §  83)  mit  zum  Teil 
triftigen  GrOnden  bestritten.  Die  Logik  des  letzten  Jahrhunderts  hat  keine 
wesentlichen  Fortschrille  gebracht.  Zur  Einbürgerung  der  Bezeichnungen 
,4«in  hypothetischer"  und  gemischt  hypothetischer"  Schluß,  die  oben  ver- 
wendet worden  sind,  hat  namentlich  die  Logik  von  Chr.  Signart  bei- 
getragen. —  Englische  Logiker  (so  z.  B.  Jevons,  Elementary  lessons  in  logic, 
London  1890,  17.  Aufl.  Lesson  XIX,  S.  161)  bezeichnen  den  Modus  ponens 
ab  constructive,  den  Modus  lollens  als  deslrtictive  hypclhelical  syllogiun.  — 


')  Wie  itfimX^^  ond  /iira2/}^  unterschieden  «'urde,  scheint  mir  noch 
nicht  ausreichend  aufgeklirt;  die  n^ahi^  scheint  speziell  fOr  die  erste 
Form  des  gem.  hypothetischen  Schlusses  (s.  o.)  zu  gellen. 


OgIC 


750       '^-  '''^''    ^^  anzelnen  lofKchen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

In  dar  (ranzesischen  Literatur  Godet  man  auch  beute  noch  oft  den  Tmniinn 
..STDosisme  conditioDDel"  (neben  bypotb^Uque). 

Eine  letzte  Variante  des  einfaclien  Syllogiemns  ist  der 
fliaiimktiTe  Syllofinniu.  Als  disjnnktiveD  zasammes- 
fassenden  (I)  SehlnB  hatten  wir  S.  721  einen  SchloS 
kennen  gelernt  von  der  Form'):  S  ist  teils  Pi;  S  ist  teils  P,; 
der  Best  von  S  ist  Pi;:  S  ist  entweder  Pi  oder  Pj  oder  ?»■ 
Hier  wird  eine  Beihe  von  Urteilen,  die  einer  vollständigen 
Division  entsprechen,  in  einem  disjnnktiven  Schlußnrteil 
(§  121,  namentl.  S.  707)  „zusammen^faBt" '").  Von  diesem 
disjunktiven  zusammenfassenden  Schluß,  der  in  den  neueren 
logischen  Lebrbnchem  nicht  selten  ganz  übersehen  wird, 
muß  der  disjunktive  Syllogismnsd),  um  den  es  sich  im 
folgenden  handelt,  dnrcfaans  nnterechieden  werden,  und  zwar 
um  so  mehr,  weil  er  in  den  Lehrbüchern  sehr  oft  als  diB- 
jnnktiver  Schluß  schlechthin  bezeichnet  wird.  Wie  die  hypo- 
thetischen Syllogismen  treten  anch  die  disjunktiven  in 
wesentlich  verschiedenen  Formen  auf.  Ihr  gemeinschaft- 
liches Merkmal  gegenüber  dem'  disjnnktiven  zusammen- 
fassenden Schluß  ist  der  disjunktive  Charakter  einer  Fiä- 
misse.  Am  zweckmäßigsten  unterscheidet  man  folgende 
drei  Öauptformen: 

positi  V :  negativ : 

I.  M  ist  entweder  Pi  oder     M  ist  nicht  entweder  Pi  oder 
P,  oderP,;  P,  oder  P,; 

S  ist  M;:  S  ist  M;: 

S  ist  entweder  P,  oder     S  ist  nicht  entweder-  P,  oder 
P,  oder  P,.  P,  oder  Pa. 

IT.  S  ist  entweder  M,  oder     S  ißt  entweder  M,  oder  M» 
Ml  oder  H,;  oder  Mi; 

sowohl  Mt  wie  M,  wie  Mj     P  ist  weder  Mi  noch  Mi  noch 

ist  P;:  M,; 

S  ist  P.  S  ist  nicht  P. 


'*)  Es  sei  jedoch  nochmals  daran  erinnert,  daB  es  auch  diajunktiTC 
Urleile  gibt,  die  nicht  direkt  von  primären  divisiven  Urteilen  abbtngiK  ^ 
(S.  707).  Disjunktive  Syllosismen  entsprechen  diesen  disjunktiven  Urteil« 
nicht  unmittelbar;  erst  nach  der  S.  706  erwähnten  Umformung  ergibt  sid 
auch  in  diesem  Fall  ein  typischer  disjunküver  Syllogismas. 


_^_^__        3.  KaTnteL    Die  Lehre  »on  den  Schlüssen.  75J 

in.  S  ist  entweder  Pi  oder  P;  S  ist  entweder  P,  oder  P-  oder 
oder  P,;  P.; 

S  ist  nicht  P,;:  S  ist  P,; 

S  ist  entweder  Pi  oder  Pj.     S  ist  nicht  Pj  oder  Pj. 

Die  disjunktiven  Syllogismen  I  und  n  entsprechen  offen- 
bar dorchans  dem  Typns  der  MittelbegrÜfsBehlüase ,  (Syl- 
logismen, vgl.  S.  724)  und  sind  der  1.  Gmppe  der  gemischt- 
hypothetischen  Schläsae  (S.  745)  zn  vergleichen.  Der  Mittel- 
begriff ist  in  den  Formeln  mit  M  bezeichnet  und  wird  in  der 
für  die  Syllogismen  typischen  Weise  eliminiert.  Die  dis- 
janktive  Gliederung  betrifft  bei  I  M,  bei  11  S.  Die  Bichtnng 
ist  meistens  deduktiv,  seltener  äquativ  (S.  724).  Die  negative 
Form  von  I  ist  für  das  tatsächliche  Denken  fast  wertlos.  In 
der  Form  m  tritt  der  Typns  des  Mittelbegriffsschlusses  ganx 
znrüek. 

Beispiel  für  I:  Die  Labialen  liaben  entweder  zwei  oder  vier  Staub- 
SeHie;  die  Salbei  ist  eine  Labiate;:  also  bat  sie  zwei  oder  vier  Staubgefftße. 
WUrend  in  diesem  Beispiel  P  ,  P,  usf.  Merkmale  sind,  die  nur  im  Sinn 
der  Hyposlasiening  (vgl.  S.  4M  u.  516)  die  Zugebfiriskeit  zn  einer  (auper- 
ordinierten)  Gattung  involvieren,  änd  im  folgenden  Beispiel  P,,  P^  usf. 
sobordinierte  Galtungen"):  die  Wirbeltiere  sind  entweder  Säugetiere  oder 
VOsel  oder  Reptilien  oder  Amphibien  oder  Fische;  die  Schlangen  sind 
Wirbeltiere;:  also  sind  sie  entweder  S.  od.  V.  od.  R.  od.  A.  od.  Fische. 
Wenn  im  Obersatz  P^,  P^  und  P,  s  u  b  ordinierte  allgemeine  Begrille  sind 
vnd  S  im  Untersatz  einer  dieser  subordinierten  aUgemeinen  Begrifie  ist, 
so  «ntsteben  Schlösse  wie  der  folgende:  M  ist  entweder  P,  oder  P,  oder  P,; 
S  ist  M;  also  ist  S  entweder  P,  oder  P,  oder  P,.  Das  Schlußurieil  klingt 
hier  höchst  befremdlich,  ist  aber,  rein  logisch  betrachtet,  korrekt  So  ergibt 
»ich  z.  B..  wenn  ich  fOr  S  im  letzten  Schluß  statt  „Schlangen"  „Repülien" 
einsetze,  das  SchluSurleil :  die  Reptilien  sind  entweder  Saugetiere  odei  Vfigel 
oder  Reptilieo  oder  Amphibien  oder  Fische.  Die  logische  Korrektheit 
leuchtet  ein,  sobald  man  bedenkt,  daB  die  Disjunktion  lediglich  besagt,  daS 
eines  der  Prildikate  P,,  P,,  Pj  .  .  .  zutreSen  muß,  dagegen  an  sich  nichts, 
tlber  die  etwaige  UnzulSssigkeil  einzelner  Glieder  aussagt.  Die  befremdliche 
und  Oberflflssüe  HinzufQgune  der  anderen  P-Glieder  im  SchluBurteil  kommt 
dadurch   zustande,  daB  der   Untersatz   lediglich  subordinierend  wiederholt. 


'>)  Es  ist  bemerkenswert,  daß  bei  dem  disiunktiven  Urteil  die  P's  dem 
S  bald  sub-,  bald  superordiniert,  also  bald  weniger  allgemein,  bald  allgemeiner 
als  das  Subjekt  sind.  Ersteres  trifft  zu  im  Urteil:  die  Tiere  sind  entweder 
Wirbeltiere  oder  Wirbellose,  letzteres  im  Urteil:  der  LanzettSsch  ist  entweder 
ein  Wirbeltier  oder  ein  wirbelloses  Tier.  Das  erste  Urteil  ist  einfach  der 
unmittelbare  Ausdruck  einer  vollständigen  Division,  das  zweite  ordnet  einen 
besonderen  Fall  einer  vollständigen  Division  unter.  Wenn  P^.  P  usf.  M  e  r  k  - 
male  sind,  so  bandelt  es  sich  meistens  um  den  letzteren  F^l.  Jedenfalls, 
scheint  mir  aber  kein  ausreichender  AnlaB  vorzuliegen,  das  disjunktive  Urteil 
etwa  nut  einen  dieser  beiden  Fälle  zu  beschränken. 

„.,,„,^.oogic 


752       ^-  l*^'!'    ^^  einzelnen  lofischen  Getnlde  und  ihre  GeseUc. 

wu  im  Obersali  schon  superordimerend  enthalten  war.  —  Auch  lolcendes 
ist  im  Fall  1  zu  beachten.  Wenn  das  S  des  Untersatzes  und  des  Scfahifi- 
urteils  kein  individueller,  sondern  ein  allgemeiDer  Besrifi  ist,  so  bedeutet 
das  SchluBurteil  „S  ist  entweder  P,  oder  P^  oder  P,"  selbstrerstindlich  nicht 
etwa  stets,  daB  der  AJIgemeinbegriO  S  als  Ganzes  entweder  in  P,  oäa  P, 
oder  Pj  fallen  bzw.  als  Ganzes  entweder  das  Merkmal  P,  oder  P^  oder  Pj 
haben  mQsse,  sondern  nur,  daB  die  einzelnen  iDdividuen,  die  unt^  S 
fallen,  entweder  in  P^  oder  P,  oder  P,  fallen  bzw.  entweder  das  Mecinal 
P,  oder  Pj  oder  P^  haben  müssen.  —  Beispiel  für  U:  Die  Wirbeltiere  sind 
entweder  Säusetiere  oder  Vösel  oder  Reptilien  oder  Amphibien  oder  Rache; 
sowohl  S.  wie  V.  wie  H.  wie  A.  wie  Fische  haben  rotes  Blut;:  diel  Säuge- 
tiere haben  rotes  Blut.  —  Beispiel  für  III:  Dies  Erdbeben  ist  entweder  dmch 
Eruption  oder  durch  Einsturz  oder  durch  Dislokation  entstanden;  dies  Eid- 
beben ist  nicht  durch  Eruption  entstanden;:  also  ist  es  durch  Einsturz  oder 
durch  Dislokation  entstanden.  Der  Obersatz  ersibl  sich  meistens  aus  einem 
allfemeineD  empirisch  fesigestelUen  Satz  und  kann  auch  als  Schlußurtnl 
eines  Syllogismus  aufsefafil  werden :  „alle  Erdbeben  sind  entweder  durch  ... 
entstanden;  dies  ist  ein  Erdbeben;;  also  ist  es  entweder  durch  ...  eirt- 
standen".  Der  Untersatz  „eliminiert"  ein  P,  nämUch  P,.  Durch  neue 
Schlosse  kann  die  Disjunktion  immer  mehr  „eingeengt"  (restringiert)  werdot, 
*  bis  schlieBhch  nur  e  i  n  P  flbrif  bleibt.  Sowohl  im  allt&glichen  wie  im 
wissenschaftlichen  Denken  spielt  dies  Verfahren  die  allergröBte  Rolle.  TeL 
auch  S.  ?a8. 

Als  allgemeines  Prinzip  der  diaJDtiktiven  SchlüsBe  hat 
man  oft  das  Principium  exclusi  tertU(vgl.S.693ff.) bezeichnet 
Offenbar  ist  dies  nur  für  die  Form  m  zutreffend. 

Sehr  verbreitet  ist  das  Vorurteil,  daß  ein  disjunktiver 
Syllogismus  nur  dann  znlässig  sei,  wenn  er  anf  einer  absolut 
ToUständigen  logischen  Division  bemhe  (S  ist  entweder  P 
€)der  noD-P).  Demgefpenüber  loufi  festgehalten  werden,  daß 
wir  ans  meistens  mit  einer  empirischen  Vollständigkeit  der 
zngninde  liegenden  Division  begnügen  möasen  und  könnot. 
Wir  haben  nur  zu  beachten,  daß  dabei  unser  SchloBorteil 
nur  solange  gilt,  als  die  Vollständigkeit  der  zugrunde  ge- 
legten Division  nicht  durch  neue  Tatsachen  in  Frage  gestellt 
wird. 

Durch  eine  Kombination  des  hypothetischen  und  des  difi- 
juiiktiven  Schlußses,  und  zwar  der  negativen  Form  n  (S.  750). 
kommt  ein  hypothetisch^lsjiinktt'veT  Sfllogtomos  von  folgen- 
der Form  zustande:  Wenn  Ä  gilt,  gilt  entweder  Ci  oder  C; 
oder  Ci;  weder  Ci  noch  C,  noch  C»  gilt;:  A  gilt  nicht  Auch 
dieser  Schluß  wird  im  tatsächlichen  Denken  oft  verwandet 
und  zwar  um  eine  Behauptung  (Gültigkeit  von  A)  zu  wider- 
legen. Je  nach  der  Zahl  der  Glieder  der  Disjunktion  (also 
d«r  C's)  wird  er  als  Dflenuna,  Trilemma,  Polylenuna  be- 
zeichnet (vgl.  z.  B.  Wolfl,  Logica,  §  482),  doch  werden  diese 


O^^IC 


3.  Eapitel.    Die  Lehre  von  den  Schlüssen.  753 

Termini  zuweilen  i  auch  in  weiterem  Sinn  gebraucht,  so  daö 
sie  auch  die  gewöhnlichen  disjunktiven  Syllogismen,  nament- 
lich die  negative  zweite  Form  (S.  750)  einschließen. 

Historische  a.  Die  diainnktiren  Syllogismeii  tauchen  in  det 
Diechischen  Literatur  zuerst  bei  Thfopbmat  und  Eudsaua  zugleich  mit  den 
hTpothetiBchen  auf  und  wurden  auch  weitertiin  noch  lange  mit  diesen  zu- 
sammen behandelt  [vgl.  S.  748  IL).  Maßgebend  hierfür  war  wohl,  daB  bei 
beiden  der  Oberaatz  durch  Hinzunahme  des  Untersatzes  (n^irliitfrv,  s.S. 749) 
in  eigenartiger  Weise  näher  bestimmt  «ird.  Die  disjunktiven  Syllogismen 
hieSen  daher  auch  geradezu  tati  Aäitvlw  i7ip9*rixol  aviltytafini.  Vorzugs- 
weiae  wurd«  die  Form  III  (positiv  und  negativ)  behandelt  (Philoponus,  Ad 
AnaL  pr.,  Akad.  Ausg.  Xm,  2,  S.  244).  Die  Stoiker  verwendeten  dio  Termini 
ifonMÖv,  X^fi/ia,  JtqiaXrfliiie  und  inupofä  hei  den  disjunktiven  Syllogismen  in 
demselben  Sinn  wie  iwi  den  hypothetischen  (vgl.  S.  744).  Auch  für  BoSthius 
ist  das  disjunktive  Urteil  nur  eine  Art  des  hypothetischen:  omnis  hypothetica 
PTopositio  vel  per  connexionem  ....  fit  vel  per  disjuuctionem  (ed.  Migne, 
Bd.  6t,  S.  83&),  und  dieser  Unterschied  wird  auch  auf  die  entsprechenden 
Scbldass  Obertragen.  Das  ganze  Mittelalter  hindurch  wurde  dieser  Stand- 
punkt festgehalten.  Bei  Bamus  treten  der  Syllogismus  connezus  (==  hypo- 
tlieticus,  vgL  S.  749)  und  der  S.  disjunctua  koordiniert  auf  (Dialect  II,  13 
u.  16  f.);  beide  werden  als  Syllogismi  compoaiti  zusammengefaBL  Auch 
weiterhin  blieb  die  Lehre  vom  disjunktiven  SchluB  meistens  auf  die  3.  Form 
unsrer  Aufz&hlung  heschiankt  An  Stelle  der  oben  angefahrten  Formel  wurde 
auch  oft  die  Formulierung  gew&hlt-.  entweder  A  ist  (=  gilt)  oder  B  ist 
(=  gül)i  A  ist;  aJso  ist  B  nicht  usf.  (vgL  z.  &  "WolS,  Logica,  §  419).  In 
Baumgartens  Acroasis  logica  (2.  Aufl.  1773,  §  874)  findet  sich  die  Ver- 
deutschung „TTennungsschluB".  Di«  negative  Form  m  wird  Modus  ponendo 
lotlens,  die  positive  Modus  tolleudo  ponens  genannt  (1.  c.  §  379  f.)  "■).  Kant 
hat  insofern  die  Lehre  vom  disjunktiven  Syllogismus  wesentlich  umgestaltet, 
als  er  alle  Vemunftschlüsse  in  kategorische,  hyiwthetische  und  disjunktive 
Enteilt  Die  Vollständigkeit  dieser  Einteilung  nach  der  Relation  leitete  er 
danus  ah  (Logik,  §  60),  daß  sich  nur  drei  Bedingungen  der  „objektiven  Ein- 
.''.eit  des  BenuBtseins  des  Mannigfaltigen  der  EAenntnis"  denken  lassen, 
n&mlich:  „als  Subjekt  der  Inh&renz  der  Me^male  oder  als  Grund  der  De- 
!)eQdenz  eines  Erkenntnisses  zum  andern  oder  endlich  als  Verbindung  der 
Teile  in  einem  Ganzen  (togische  Einteilung)".     Die  Auffassung  der  hypo- 


**)  Bei  den  Stoikern  hieB  ein  hypothetischer  SchluB  mit  nur  einer 
Piftmisse./'B>'a^/'^a»rl<>}^f*(Se):tus  Emp.,  Adv.  Math.  Vm,  443,  ed.  B^±er, 
St  SS3),  die  gewQhnlichen  mit  zwei  Prämissen  idififiaiti.  Beispiel  eines 
i4yv/4uroi^fiftaiog;  du  atmest,  also  lebst  du.  Die  oben  angegebene  Bedeutung 
lee  Terminns  „Dilemma"  scheint  von  Hhetoren  «ingetührt  worden  zu  sein. 
Vgl.  Anon.  Proleg,  ad.  Bermog.  IV,  14:  id^/ifmor  «x^ftä  igttUyoc  i*  3i» 
n^itfvta»'  irminlar  lö  avti  niQKt  anräytof  (nach  Prantl).  —  Später  ist  das 
Dilemma  in  dem  oben  definierten  Sinn  auch  Cfters  als  Syllogismus  croco- 
dilinus  oder  comulus  oder  refutatorius  bezeichnet  worden  (vgl.  z.  B.  Baum- 
garten, Acroasis  logica*,  §  383),  doch  liegen  bei  dieser  Terminologie  Ver- 
wechslungen vor. 

^■)  Ober  tenuinologische  Verwicklungen  siebe  W.  Tr.  Krflger,  Denk- 
lebre",  S.  268. 

Zi*h«o,  Lehrbuch  dar  Lcvik.  48 


1,1^. OQi 


-c^lC 


754      '^-  Twl-    ^c  wnwü>»g  logbehen  Gebilde  und  ihre  Gearize. 

tbetiachen  und  disjunktiven  VernunftBchlllsae  als  .^ufierordentlicher"  tw- 
wirft  er  durchaus;  alle  drei  Klassen  seien  ,J>rodu]ile  gleidi  riditiier,  aber 
Toneinander  gleich  wesenUich  Terschiedener  Funktionen  der  Vernunft".  Vff- 
auch  KiiL  d.  t.  Vera.,  Kehrb.  Ausg.  S.  81  u.  666  (2.  AuD-t)-  In  ebenso 
gezwungener  Weise  ordnet  er  den  drei  Klassen  die  drei  Kategorien:  Inhimu 
(SubsUntiaUUt),  KausaUUt  und  Gemeinschaft  (Wechselwirkung)  zu  (L  c 
S.  96).  —  Im  letiten  Jahrhundert  Bind  eihebliche  Fortschritte  nicht  zu  nr- 
zeichnen.  Neben  der  dritten  Fonn  fand  hier  imd  da  auch  die  zweite  an»- 
reichende  Berücksichtigung  (i.  B.  in  der  Logik  von  Chr.  Sigwart,  2.  Aufl.,  Bd.  1. 
S.  477  u.  4fi0);  die  erste  wird  —  da  sie  dem  deduktiven  Syllogismus  sebr 
nahe  steht  —  oft  gar  nicht  eiwihnt  Alle  drei  Formen  zUüt  z.  B.  BfiBn 
auf  (Giundl.  d.  Log.,  4.  Aufl.  Lpz.  Wien  1907,  S.  121).  E.  Fr.  Apelt  (Die 
Theorie  der  Induktion,  Lpz.  1864,  S.  13)  will  die  Form  m  Oberhaupt  nicU 
zu  den  disjunkliven  Schlössen  rechnen  und  als  „eine  besondere  Art  hypo- 
thetischer Schlüsse"  betrachten.  Er  erkennt  neben  den  kategoriachen  imd 
hrpothetiscben  Schlössen  nur  noch  divisire  an  und  teilt  diese  in  konranktiTt 
und  disjunktive'*);  der  disjunktive  SchluB  soll  mit  der  Induktion  ideotiaA 
aein  (1.  c.  S.  17).  Vgl  auch  S.  786  f. 

Man  kann  die  Frage  aufweifen,  ob,  wie  diaiunktive  SyUo^smen,  n 
auch  konjunktive  und  kopulative  Syllogismen  —  auBer  den  konjunktiveo  und 
kopulativen  zusaiaenfaseenden  Schlüssen  (S.  721}  —  existieren.  Die  Ant- 
wort lautet  bejahend,  und  zwar  lassen  sich  konjunktive  Syllogismen  ent- 
sprechend allen  drei  Formen  der  disjunktiven  Syllogismen  (S.  750)  nacfa' 
weisen.  Bei  Weglassung  aller  derjenigen  Uodi,  bei  welchen  paitibilire 
Urteile  vorkommen,  ergeben  sich  folgende  Formeln  als  die  wichtigsten: 
positiv  negativ 

1.  M  ist  sowohl  P    wie  P    wie  P  ;  4.  S  ist  nicht  sowohl  M    wie  H,  wie 
SistM;:  M,"); 

S  ist  sowohl  P    wie  P.  wie  P,.  P  ist  sowohl  M,  wie  M,  wie  IL;: 

2.  S  ist  sowohl  M,  wie  M,  wie  M,;  P  ist  nicht  S,  und  S  ist  nicht  P. 
M,  (bzw.  Mj  bzw.  M^)  ist  P; :  5.  M  ist   nicht  sowohl    P,     wie  P. 
S  ist  P.  wie  P,; 

3.  S  ist  sowohl  M    wie  M    wie  M,;  S  ist  M;: 

Pistnicbt  M,  (bzw.  M  Izw.  M,);:  S   ist  nicht   sowohl    P,    wie  P. 

S  ist  nicht  P,  und  P  ist  nicht  S  ").  wie  P,. 

6.  S  ist  weder  U,  noch  M,  noch  U,; 
P  ist  M,  (bzw.  M,  bzw.  M,);: 

S  ist  nicht  P,  und  P  ist  nicht  S. 

7.  H  ist  weder  P   noch  P    noch  P,; 
S  ist  M;: 

S  ist  weder  P,  noch  P,  noch  F.- 


'*)  „Die  etsteren  setzen  den  Inhalt  eines  BegriCfes  aus  dem  Inbegri! 
seiner  wesentlichen  Merkmale  zusammen,  die  letzteren  geben  die  Eintälunp- 
elieder  an,  die  den  Um  lang  eines  BegriBes  ausfallen." 

")  Der  Untersatz  dürfte  auch  lauten  „Mi  (bzw.  M,  bzw.  M,)  isl 
nicht  P'  im  Sinne  von  ,Jcein  Mt  ist  F*. 

")  Dabei  ist  der  Unterschied  des  negativen  konjunktiven  ürteil.i  ■  J^ 
nicht  sowohl  —  wie"  und  des  negativen  konjunkUven  Urteils:  ,4st  weder - 
noch"  zu  beachten.  Das  erstere  ist  global  negierend,  das  lefzlere  distriboti' 
negierend  (vrI.  8.  546).  —  L,t  S  ein  Gattungsbegriff,  so  sud  mit  6  alle  8  gema«. 


8.  K&pite).    Die  Lehre  von  den  SchlQssen.  755    ' 

Abweichend  hiervon  veratehl  die  Logik  von  Port-Roy»!  (111,  12) 
tuAet  kopalatiTeii  SylloBismen  solche  von  der  Fonn:  „Un  homme  n'est  pas 
tout  ensemble  serriteur  de  Dieu  et  idol&tre  de  son  argenl;  oi,  l'av&ie  est 
idolfttre  de  son  argeut;:  donc  U  n'est  pas  serviteur  de  Dieu."  Eier  ist  der 
Obersatz  allerdings  im  Sinn  der  L.  r.  Port-Royal  *'')  eine  proposition  copu- 
lativ«  niante  (vgl  auch  L  c  II,  9,  ed.  Jourdain  S.  117),  aber  das  ganze 
ScfaluSgefaKe  ist  komplizierter,  ab  es  einem  einfachen  konjunktiren  STllogis- 
nuu  entspricht,  und  am  besten  durch  einen  DoppelschluB  darzustellen :  S  ist 
Sicht  sowohl  M^  wie  M,;  P  (=raTsre}  ist  S;:  P  ist  nicht  sowohl  M,  wie  If, 

(nach  Formel  5  oben) P  ist  nicht  sowohl  Mi  wie  H| ;  P  ist  Ui  ;  :  P  ist 

nicht  Ml  '*).  In  Worten  lieSe  sich  das  Beispiel  kwz  betOglich  des  Obersatzes 
formulieren:  „Mensch  sein,  Diener  Gottes  sein  und  Anbeter  des  Mammon 
sein  sind  unverträgliche  Eigenschaften."  Übrigens  gelingt  auch  die  Zurflck' 
fOhrang  auf  einen  gewöbnlichen  Syllogismus  mit  einem  durch  ein  AdjekUr 
enger  bestimmten  Subjekt  im  Obersatz:  kein  den  Mammon  anbetender 
Mensch  ist  ein  Diener  Gottes;  der  Geizige  ist  ein  den  Mammon  anbetender 
Mensch;  also  ist  er  kein  Diener  Gottes.  Bei  dieser  Sactalase  halte  ich  es 
für  zweckm&fiiier,  solche  Schlosse  nicht  schlechthin  als  kopulative  bzw.  kon- 
iunklive  STlIogismen  zu  bezeichnen.  Vgl.  auch  Baumsarten,  Acr.  log.,  II,  §  386. 

§  129.  Mittelbare  tortsehreltende  Sehlfisfie.  Fortsetzni«. 
Verkfirste  Syllt^rismen  (Enthymeme  nnd   Epichireme).    In 

der  psychologiech'en  Einleitong  wurde  schon  bemerkt,  daß 
wir  meistens  in  abgekikrzten  Syllogismen  denken.  Statt 
S  —  M;  M  —  P;:  S  —  P  denken  wir:  S  —  M,  also  —  P, 
z.  B.  das  Kalitmi  ist  ein  Alkalimetall,  also  elektropoeitiv 
(latente  Prämisse:  alle  Alkalimetalle  sind  elektropositiv). 
Man  beseichnet  solche  abgekürzte  Syllogismen  als  Eniby> 
meme.  Die  Verkürzung  betrifft  in  der  Kegel  den  Ohersatz. 
So  aofierordentlich  wichtig  sie  psychologisch  sind,  so  beden- 
tangslos  sind  sie  für  die  rein  theoretische  Logik.  Die  letztere 
wird  solche  mehr  oder  weniger  latente  (reprimierte)  Prä- 
missen stets  irgendwie  zmn  vollen  Atisdrack  bi^ingen  müssen. 
Sehr  oft  nehmen  wir  im  tatsächlichen  Denken  solche  Ab- 
kürzongen  anch  in  der  Begründung  der  Prämissen  vor. 
Statt  diese  durch  einen  eingeschobenen  vollständigen  Syl- 
It^smns  ZQ  begründen,  begründen  wir  sie  durch  einen  kurzen 
eingeschobenen  Satz.  Solche  in  den  Prämissen  selbst  unver- 
kürzte Syllogiemen,  bei  welchen  nur  die  Begründung 
einer  oder  mehrerer  Prämissen  enthymematisch  verkürzt  ist, 
nennen  wir Epicbireme.  Beispiel:  „Wechselwirkung zwischen 
total  Verschiedenartigem  ist  nicht  möglich;  das  Materielle 

f)  Man  erinnere  sich,  daB  die  Lagique  von  Port-Royal  unter  kopu- 
lativen Urteilen  sowohl  unsere  kopulativen  wie  unsere  konjunktiven  versteht. 
>■)  Der  doppelte  Gedankenstrich  führt  den  zweiten  Schluß  ein. 

■IS* 

„.,.,„,>..oo^sic 


756       ^-  '^^''-    ^^  einzelnen  losiachen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

und  das  Peychiache  sind  total  verschiedenartig,  da  sie  kontra- 
diktorische Merkmale  haben  (Räumlichkeit  nnd  Nicht-Bänm- 
lichkeit) ; :  Wechselwirkung  zwischen  Materiellem  nnd 
Psychischem  ist  nicht  möglich.  Die  vollständige  Begrün- 
dung des  tJntersatzee  würde  lauten:  was  kontradiktorische 
Merkmale  hat,  ist  total  verschiedenartig;  das  Materielle  und 
das  Psychische  haben  kontradiktorische  Merkmale  (Bänm- 
lichkeit  und  Nicht-Bänmliohkeit);  also  sind  sie  total  ver- 
schiedenartig. Unser  tatsächliches  Denken  spielt  eich  zn 
einem  großen  Teil  in  Epichiremen  ab. 

Historisches.  Aristoteles  verstuid  —  wie  meist  gesagt  wird,  im 
Gegensatz  zu  dem  jetzigen  Worigebrauch  —  unter  ivSvftqum  einen  Wabr- 
scheinlicbkeits-  oder  IndizienschluB,  «uUoyta^c  ij  Uxiicm  ^  smulmr. 
Ofienbar  können  nur  die  IndizienacfalOsse  als  Enthymeme  betracbtel  werden. 
So  vOrde  das  Beispiel  des  Aristoteles  in  vollständiger  Form  lauten:  „milch- 
fObrende  Frauen  sind  schwanger;  diese  Frau  ist  milchführead;  also  ist  st 
schwanger;"  enthymema tisch  verkürzt:  „Diese  Frau  führt  Hilch  (=  s^/iiUr), 
also  ist  sie  schwanger"  (Akad.  Ausg.  70  a)  ■).  Die  lateinischen  losiachen 
Schriftsteller  bezeichneten  f&lschlich  als  finthymem  „ea  sentenlia,  Quae  ei 
contrariis  conßcitur  (Cicero,  Top.  13,  5ä;  Quinlihan,  InstiL  oraL  V,  10,  I 
und  Vllf,  5,  9).  Die  bleibende  Definition  bat  dann  BoCthius  gegeben:  jm- 
perfectus  Syllogismus,  cujus  aliquae  partes  vel  propter  brevitatem  vel  propter 
notitiam  pnetermiseae  sunt"  (ed.  Migne,  Bd.  6i,  5.  1050).  —  Das 
cnt//{(ii)/«,  Epichirem  (im  {JegensstE  zn  der  sonst  üblichen  Ablantnng 
chir-  wird  meistens  Epicherem  gesprochen  und  geschrieben  *))  scheiDt  bei 
Aristoteles  eine  Art  von  ProbeschJuB  im  Dienst  der  Dialektik  zu  sein  (z.  R 
Akad.  Ausg.  161  b).  Valgius  soll  den  Terminus  mit  aggressio  übetsetil, 
Caecilius  ihn  zuerst  als  apodixis  imperfecta  deriniert  haben  (Quintilian,  L  c 
V,  10,  4  u.  V,  M,  U).  Späterhin  hat  der  Sprachgebrauch  noch  vielfich 
geschwankt.  Beispielsweise  sei  die  Definition  Baunigartens  angeführt  „s^o- 
gismus,  cujus  omnes  praemissae  sunt  syllogismi  coatracti"  (Acroasis  kx., 
2.  Aufl.,  g  töi)  mit  der  falschen  Übersetzung  .^landgrifT  im  SchlieBen".  In 
der  neuesten  Zeit  ist  nur  der  Gebrauch  im  Baumgartenschen  Sinn  üblich,  doch 
wird  statt  der  Verkürzung  aller  Pr&missen  die  Veckürzung  wenigstens  einer 
Pr&qüsse  als  charakteristisches  llerkmal  betrachtet 

S  13D.  Mittfdbare  fortschreitende  Schlosse,  Fortsetmag. 
Syllogistischc  ScbloBketten.  Kettenschloß  (Sorltes).  Mehrere 
Syllogismen  können  in  der  Weise  zu  fetten"  {Polysyllogis- 
men)  zosammentreten,  daß  das  Schioßurteil  des  ersten  Syl- 
logismus als  Prämisse  eines  zweiten  verwendet  wird,  das 


')  Die  S.  753,  Anm.  12  angeführten  ftoruiijftiuaiot  iöytt  (angeblich  von 
Antipater,  einem  spateren  Stoiker  zuerst  aulgestellt)  sind  zum  gmBen 
TeU  solche  Enthymeme  (der  Rest  gehört  zu  den  hypotheÜBchen  Urieilen). 

')  8o  schon  bei  QaiotiliaD.  Einige  weitere  Angaben  über  den  Won- 
gebranch  bei  Emg,  L,  o.  S.  399. 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Schlüssen.  757 

Schlaßarteil  des  zweiten  als  Prämisse  eines  dritten  usf. 
Solche  Schlaßketten  treten  in  zwei  Hanptformen  auf,  die 
man  am  besten  als  aristotelische  ond  goklenische 
bezeichnet    Bei  der  ersten,  also  der  aristotelischen 

lautet  das  Schema:  S  —  M;  M  —  Pi;:  S —  Pi S —  Pi; 

Pi~Pi;:S— P, S~-P=;P,~P,;:  S  —  P.  usf.,  oder 

mit  Inversion,  also  bei  Voranstellang  des  Obersatzes')  (S.  725): 

M— P,;    S  — M;:  S~P, P^-— P,;  S—P,;  S-— P, 

usf.  Hier  wird  das  Schlußurteil  jedes  einzelnen  Syllogrismus 
zum  Unter  satz  des  folgenden  gemacht.  Charakteristisch 
ist  offenbar  anch,  daß  das  Prädikat  des  Schlußurteils 
eines  jeden  Gliedsyllogismus  zum  Terminus  medins  des 
nächsten  Gliedsollygisrnns  gemacht  und  also  fortlaufend 
eliminiert  wird.  Beispiel  (mit  Inversion) :  „All«  Alkali- 
metalle sind  elektropositivfl  Elemente;  das  Natrium  ist  ein 
Alkedimetall;;  das  Natrium  ist  ein  elektropoaitives  Ele- 
ment   Alle  elektropositiven  Elemente  wemdem  bei  der 

Elektrolyse  zur  Kathode;  das  Natrium  ist  ein  elektropositives 
Element;:  das  Natrium  wandert  bei  der  Elektrolyse  zur 
Kathode."    Bei  der  zweiten  Hanptform,  der  gokleni- 

schen,  lautet  das  Schema:  S, —  M;  M — P;:  Si~-P 

Sj  — S,;  Si~P;:  S,— P S,~S,;  S,~P;:  S.  —  P 

usf.,  oder  mit  Inversion:  M  —  P;  Si — M;:  S,  —  P 

Si  —  P;  Sj — S,;:  Sj— P  usf.  ffier  wird  das  SchluBurteü 
des  einzelnen  Syllogismus  zum  Obersatz  des  folgenden  und 
das  Subjekt  des  SchluSurteils  des  ersten  Syllogismus  zum  T. 
medins  des  zweiten  gemacht  usf.  Bei  der  aristotelischen 
Schlnßkette  kehrt  dasselbe  Subjekt,  bei  der  goklenischen 
dasselbe  Prädikat  in  aUen  Schlußurteilen  wieder.  Die  gokle- 
nische  ist  seltener  als  die  aristotelische.  Beispiel  für  eine 
goklenische  Kette  (mit  Inversion):  „Alle  Pflanzen  atmen; 
alle  Kryptogamen  sind  Pflanzen;  alle  Kryptogamen  atmen 
—  —  Alle  Kryptogamen  atmen;  alle  Pilze  sind  Krypto- 
gamen;: alle  Pilze  atmen".  'Fast  niemals  wird  eine  Schluß- 
kette mit  dieser  Ausführlichkeit  vollzogen,  sondern  in  der 
Regel  werden  die  Gliedsyllogismen  enthymematisch  verkürzt. 
Das  in  dieser  Weise  entstandene  Gebilde  heißt  Kettenschlaß 
(Sorites).  Schema  des  aristotelischen  Sorites:  S — M; 

')  Es  ist  daran  zu  erinnern,  dafi  der  Obersalz  nicht  etwa  durch  seine 
Stelluna,  sondem  lediglich  dadurch  definiert  ist,  daß  er  den  Terminus  minor 
nicht  enthält,  also  nur  M  und  P  verknüpft. 


.oogic 


758      ^-  T<il-    Die  einzelnen  lagiachen  Gebilda  und  ihr»  Oeaetoft. 

M~P.;  P.~P,;  P,_P,...;  P„_i~P„;:  S_P„.  Bei- 
spiel: Das  NaMmn  ist  ein  Alkalimetall;  alle  Alkalimetalle 
sind  elektropOBitive  Elemente;  alle  elektropositiven  Element« 
wandern  bei  der  Elektrolyse  zur  Kathode;:  dae  Katriom 
waädert  bei  der  Elektrolyse  zur  SaUiode.  Schema  des 
goklenißchen  Borites:  M  —  P;  Si  —  M;  S,  — 8,; 
S, — S,  .  . .;  S„~S„_,;:  S„~.P.  Beispiel:  ,^Ue  PflaMea 
atmen;  alle  Eryptogamen  sind  Pflanzen;  alle  Pilze  sind 
Kryptogamen ; :  alle  Pilze  atmen"').  Bei  der  aristotelisdieii 
Form  fallen  alle  Untersätze  außer  dem  ersten,  bö.  der  gokle- 
nisohen  alle  Obereätze  außer  dem  ersten  fort. 

In  den  bisher  besprochenen  FUlen  handelte  es  sich  um  SubsumtioDm: 
bei  der  aristotelischen  Form  mn  zunehmende  Generalisation  von  F,  bä  da 
goUenischen  um  zundimende  Determination  von  S.  Es  kommm  iedo^ 
auch  SchluBketten  und  Kettenschlflsse  im  Sinn  der  Aquation  (als  Mveau- 
schlQsM)  Tor.  Schema  einer  Aquativen  aristotelischen  SchluBkette:  B=b; 
b^c;:a=^c a^o;  ii  =  d;:  a  =  tl  usf.  tjchema^es  äquativeo  aristote- 
lischen EettanschtnBses :  a=  b,  b  =  o;  o  :=  d;:  a  ^  d.    Sohema  einer  iqu- 

tiven  gofcleoisohen  Schlafibette:  assb;  b  =  c;:  a^o d  =>&;  a^c;: 

d  ^  0  usf.  Schema  eines  üquativeo  goUenisoben  EettensohlnaaeeB:  (nut  In- 
veiaion)  b  =  a;  o  =  b;  d  =  o;:  d  =  a. 

Entbehrlich  sind  die  Bezeicbnunsen  Fraayltoitamu  und  Evit^MHiK 
Hit  erstuem  Terminus  bat  man  denieoisen  Glieds yllogismus  betest,  dessen 
Schlußsatz  die  Prämisse  des  nächsten  liefert,  mit  letzterem  denjeniies. 
dessen  eine  Pr&misse  ScbluBsatz  des  vorausgeh  enden  ist  Der  erste  ScbM 
der  Kette  ist  nur  ProsyllogismuE,  der  zweite  ist  Episyllogismus  des  eisten 
und  Prosyllogismus  des  dritten  usf.  Das  Fortschreiten  vom  Prosrlloiismiis 
zum  EpisTlIogismus  wird  auch  —  in  sehr  unzweckm&fliger  Weise  —  (b 
„e  p  i  syllogis tisch"  (auch  als  synthetisch  oder  prosressv,  a  principüs  ad 
principiata]  bezeichnet.  In  diesem  Sinn  sind  alle  ScbluBketlea  und  KetUo- 
schlüsse  e  p  i  syllogistisch  (vgl.  Unverricht,  Syst.  d.  L.og.,  b.  Aufl.,  S.  413  n. 
416)  *).  Pro  syllogistisch  (analytisch,  regressiv,  a  [uincipistis  ad  principiatt) 
nennt  man  dagegen  den  Fortgang  vom  Episyllogismus  zum  ProsyllogiBaius. 
Ein  solches  Verfahren  ist  dann  verwirklicht,  wenn  der  letzte  Gliedsyllors- 
mus  an  die  Spitze  gestellt  wird  und  nuii  nachträglich  die  Begründiuir 
einer  setner  Prämissen  (eventuell  auch  beider)  durch  die  entsprecheodeo 
Gliedsyllogismen  nachgeholt  wird.  Beispiel:  „Alle  Pilze  atmen;  denn  äe 
'  sind  Eryptogamen,  und  alle  Er^-plogamea  sind  Pflanzen,  und  alle  Pfianzen 
atmen." 

Auch  hypothetische  Urteile  können  zu  SchluBketten  und  Ketieo- 
scblQssen  zusammentreten.  Schema  der  hypothetischen  SchluBkette:  „Wou 
A  gilt,  dann  gilt  B;  wenn  B  gilt,  dann  gilt  C;  also:  wenn  A  gilt,  dum 

^)  Man  beachte  auch,  daß  die  SoritesverkOrzung  bei  der  aristotelischen 
Kette  sich  am  bequemsten  an  die  nictt- invertierte,  bei  der  goklenisch«  «d 
die  invertierte  Form  anschließt. 

')  Die  Sigwartscben  Bemerkungen  (Logik ',  H,  §  80,  S.  268,  Abbi) 
scheinen  mir  den  Kernpunkt  nicht  ganz  zu  treffen. 


3.  Kapitel.    Die  Lrfire  von  den  Schiassen.  759 

gilt  C. Wenn  A  gilt,  dann  gilt  C;  wenn  C  gilt,'  dann  gilt  D;  alao:  wenn 

A  gilt,  dann  gilt  D."  Schema  dr^i  Jiypotbetisi^en  Ketlenschlusses :  Wenn 
A  giit,  dann  gilt  B;  wenn  B  gilt,  Qann  gilt  G;  itenn  0  gilt,  dann  gilt  D;  : 
wenn  A  gilt,  dann  gilt  D.  OifenlMT  handelt  es  sich  dabei  nun  um  eine  Br- 
weit^ung  des  S.  747  besprochenen  rein  hypothetischen  Schlusses.  Ebenso 
kann  ab«  auch  der  gemischt  hypothetische  Schluß  (S.  7U)  ketten- 
fönnig  erweitert  werden.  Dabei  ergibt  sich  folgendes  Schema:  Wenn  A  gilt, 
dann  gilt  B;  wenn  B  gilt,  dann  gilt  G;  wenn  C  gilt,  dann  gilt  D;  A  gilt;: 
also  gilt  D. 

Das  Vorkonunen  analoger  disjunktiver  Ketten  manniglacher  Form 
bedarl  keiner  näheren  Erörterung.  Die  wichtigste  Form  ist  der  S.  703  bereits 
erw&hnte,  die  Disjunktion  immer  mehr  einengende  Res  triktio  nsschluB. 
Schema:  S  ist  entweder)  F  oder  F  oder  P,;  5  ist  nicht  P,;:  S  ist  entweder 
P,  oder  Pj S  ist  nidit  P,;:  S  ist  P^. 

Bezüglich  aller  SchluBketlen  konnte  die  Frage  aufgeworfen  werden, 
ob  sie  nicht  bereits  dem  Gebiet  des  Beweises  angehören.  Da  das  letzte 
SchluBurteil  der  Eett«  nicht  durch  einen  SchluS  *)  gewonnen  wird,  sondern 
durch  mehrere  (wenigstens  zwei),  so  handelt  es  sich  nach  unsi«r  trOberen 
Definition  (S.  710)  in  der  Tat  um  Beweise.  Nur  aus  didaktischen  Grflnden 
ist  die  Besprechung  bereits  hier  eingeschalteL  Dabei  kommt  auch  in  Be- 
tracht, daß  infolge  der  absoluten  Gleichartigkeit  des  Foitschreitens  von 
SchlnH  zu  Schlufi  kein  neues  spezifisches  Moment  zur  Geltuns  kommt 

Mistorischea  Aristoteles  hat  sich  mit  den  SchluBketten  austOhr- 
lich  (Ak,  Ausg.  448),  mit  den  KettenschlüBsen  nur  kurz  beschäftigt  (die  Aus- 
fObrungen  Akad.  Ausg.  41a,  42  b  sind  nicht  ganz  eindeutig).  Ausführlichere 
Erörterungen  findeni  sich  bei  Alexander  Aphrod.  (Ad  Anal.  pr.  I,  Akad.  Ausg. 
1889,  D,  1,  S.  282  a.).  Der  Kettenschlufl  hieß  c»r»tTtitii'  »aögiiftt;  der  erste 
Gliedsyllogiamus,  dessen  SchluBurteil  weggelassen  ist,  iiußaiUftifos,  der 
letzte,  dessen  eine  Prämisse  fehlt,  inißdilay.  Der  Terminus  Sorites  (oußö;  = 
Haufen)  bt  bei  Aristoteles  nicht  nachzuweisen,  bei  Marius  Victorinus  (vgl. 
S.  62)  Sndet  sich  der  Terminus  Syllogismus  sorilicus,  „qui  in  inhnitum 
semper  intenta  rei  definitione  porrieitur,  ut  granum,  cumulus,  acerrus" 
(Expos,  in  Cicer.  Rhet.,  nach  Frantl,  1.  c.  S.  6K).  Er  wurde  wahrscheinlich 
wegen  einer  ziemlich  oberflächlichen  Ähnlichkeit  gewählt,  welche  der  Ketten- 
schluß mit  einem  bescnderen  FangschtuB  hat,  den  schon  die  sog.  Megariker 
(vgl.  S.  2&)  unter  dem  Namen  oaqiiiiie  aufstellten  und  der  u.  a.  in  die  Form 
Bekleidet  wurde:  30  WeizenkOmer  machen  einen  Haufen  (aiogäf),  ich  nehme 
eines  weg,  es  bleibt  ein  Haufen,  ich  nehme  noch  eines  weg,  es  bleibt  ein 
Haufen  usf.  bis  zu  einem  £om  (Diog.  Laert.,  De  vit.,  VII,  82;  Cicero, 
Acad.  II,  29).  Wann  bzw.  durch  wen  der  Terminus  Sorites  deflniliv  auf 
unseren  KettenschluB  übertragen  und  eingeschränkt  worden  ist,  bedarf  noch 
der  Aufklärung.  Hamilton  (Logic  ',  I,  I<ect.  19,  S.  377)  denkt  an  Laurentiua 
Valla  (dies  Werk  S.  90),  der  in  seinen  Dialecticae  digpuUüones  ill,  12;  ed. 
Colon.  1541,  S.  273  schreibt:  coacervatio  syllogismorum,  ouem  Graeci  «ai^r 
vocanL  Die  unverkürzte  Schlufikette  wurde  lateinisch  mit  catena  srUogis- 
morum.  svllogisrai  concatenati,  raliocinalio  polvsyQogbtica  bezeichnet.  Der 
deutsche  Ausdruck  „Schlußkette"  findet  sich  bei  Baurogarlen,  Acroasis  log.  *, 
§  414,  S.  110.  Die  geleEenllich  verwendete  Bezeichnung  „zusamen gesetzter 
Schluß"  für  die  Schlußketle  ist  wegen  ihrts  schwankenden  Gebrauchs  ganz 

<)  DieZahlderPrämiBsen  ist  gleichgültig.  Vgl.  S.  711,  Änm.  2. 


OgIC 


760        '^'-  '''*''■     ^^  einzelnen  logiscKen  Gebilde  und  ihre  GeaeUe, 

zu  venneiden.  —  Der  Terminus  ,nfoaviioyMfiöt'  findet  sich  schon  bd 
Aristoteles  (Akad.  Ausg.  43b,  b;  Mi,  22),  iedoch  nicht  ganz  schalt  bc- 
slimmti  er  scheint  sicIl  alliiemein  auf  die  Verkettung  in  SchluBketten  zd 
beziehen  i,Ai  nfvvXltyivfiüif  q  Aä  nitätrir  fttamr  wtvjfdr*).  Das  ei^ 
Auftreten  des  Tenninus  E  p  i  sTllosismus  tdeibt  noch  zu  ermitteln.  Baum- 
garten  (I.  c.  %  ilt)  übersetzt  mit  „VarschluB"  bzw.  ,Jtachschlufi". 

S  131.  Mittelbare  fortschreitende  SehlQsge,  Forteettn^ 
ß)  fortschreitende  Schlüsse  ohne  Mittelbegriff.  L  Analogte- 
Bchlfisse.  Als  zweite  Klasse  der  mittelbaren  fortschreitenden 
Schlüge  hatten  wir  S.  724  diejenigen  ohne  Mitteibegriff  (im 
Gegensatz  zn  den  Mittelbegriffsschlüssen  oder  Syllogiemea) 
kennen  gelernt  und  bereits  ihre  Einteilung  in  Analogie- 
schlüsae,  induktive  Schlüsse  und  paradigmatische  Schlösse 
erwähnt.  Im  folgenden  werden  diese  drei  Formen  einzeln 
ausführlich  behandelt. 

I.  Analogieschlüsse. 

Der  Analogieschluß  ist  ein  mittelbarer  fortschreitender, 
ohne  Mittelbegriff  vollzogener  Schlufl,  bei  dem  auf  Grand 
von  wenigstens  zwei  Prämissen,  welche  ähnlichen  Subjekten 
S',  S",  S'"  usf.  dasselbe  Prädikat  P  zuordnen,  im  Schlnßnrteil 
einem  weiteren  ähnUchen  äquigraden  (vgl,  S.  565)  Subjekts* 
dies  Prädikat  P  gleichfalls  zugeschrieben  wird.  Die  Ähn- 
lichkeit soll  hier  im  prägnanten  Sinn  bedeuten,  daß  S',  S', 
S"  usf.  und  8*  wenigstens  ein  allen  gemeinsame  identisches 
oder  propinqtial  ähnliches  (S.  327)  Merkmal  haben  (Kon- 
similität).  Das  Schema  des  Analogieschlusses  ist  also  fol- 
gendes: Obersatz  S' — P,  S" — P,  S'" — P, ;  Untersatz 

S',  S",  S" sind  unter  sich  und  einem  S*  im  prägnanten 

Sinn  ähnlich  (konsimi!) ;  Schlußurteil  S*  —  P.  Die  im  Unter- 
satz behauptete  Ähnlichkeit  kann  schlechthin  als  solche  aus- 
gesprochen oder  durch  Angabe  der  gemeinsamen  Merkmale 
spezifiziert  werden  {ev.  im  Sinn  einer  epichirematischcn  Be- 
gründung, S.  755). 

Die  exakte  Bestimmung  der  Ähnlichkeit  im  Sinn  der  Eonsimilit&t  ist 
unerläßlich.  DaQ  die  übticbe  unbesUnimte  Forderung  von  Ahnüdikeit  der 
Subjekte  im  allgemeinen  Sinn  nicht  ausreichend  ist,  um  einen  AnaiogieschlaG 
zu  rechtfertigen,  beweist  folgendes  Beispiel:  S'  habe  die  Merkmale  bcdh. 
S"  die  Merkmale  befi,  S'"  die  Merkmale  cegk,  S""  die  Merkmale  dfgi. 
S*  die  Merkmale  b  i  k  1,  Hier  besieht  sogar  durchgänsige  AhnUchbeit,  aber 
sie  genagt  offenbar  nicht  für  einen  AnalogieschluQ;  die  Eonsimiliät  fehlt— 
Es  steht  öbrigens  nichts  ira  Wege,  auch  den  Untersatz  formelhaft  in  folgen- 

derWeise  auszudrücken:  S'-~m,  m^  . . .,  S" — m,m  .,.,  ...,  S* — m,nij..-, 
siehe  unlen.  —  Beispiel  eines  Analogieschlusses  (der  etiva  von.  dem  Knt- 


OgIC 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Schlüssen,  731 

decker  eines  neuen  Planeten  gedacht  wird):  „Merkur,  Venus,  Erde,  Hars  ... 
bewegen  sich  in  Ellipsen  um  die  Sonne;  das  neue  Gestirn  ist  jenen  ähnlich 
(koDsimil);  also  wird  es  sich  gleichfalls  in  einer  Ellipse  um  die  Sonne  be- 

Id  dieser  allgemeinBten  Formel  sind  mehrere  wichtig 
Spezialfälle  enthalten.  Vor  allem  schwankt  erstens,  die  All- 
gemeinheit der  S  innerhalb  der  weitesten  Grenzen.  Einer- 
seits kann  es  sich  um  die  allgemeinsten  Begriffe,  andrerseits 
um  individueUe  handeln.  Dementsprechend  variiert  auch  die 
absolnte  Zahl  der  gemeinsamen  Merkmale  der  S.  Im  ez- 
tremstien  Fall  sind  die  S*,  S",  S"' . . .  Indivldualbegriffe  hzw. 
Individuen,  die  sich  nur  im  räumlich-zeitlichen  Individnal- 
koeffizienten  unterscheiden  (Ähnlichkeit  nach  Art  der  Wasser- 
fitoffatome,  vgl.  S.  333  n.  527).  In  der  Regel  sind  die  S  äquigrad, 
meistens  sogar  koordiniert  Der  AnalogieschluS  —  wenig- 
stens der  formal  richtige  —  ist  also  stets  ein  Niveauschlnß, 
er  ist  weder  deduktiv  noch  induktiv  (vgl.  S.  724). 

Selbst  in  Lehrbüchern  findet  man  zuweilen  die  Behauptung,  im  Ana- 
lagieschluB  werde  stets  vom  Individuellen  auf  das  Individuelle  geschlossen. 
Dies  ist  unzutreffend.  Nicht  ebenso  oft,  aber  immerhin  doch  häufig  genug 
ziehen  wir  Analogieschlüsse  vom  Allgemeinen  auf  Allgemeines.  Derjenige 
z.  B-,  der  eine  neue  Familie  der  Beuteltiere,  z.  B.  die  Wombats,  zuerst  ent- 
deckt hat,  wird  auf  Grund  ihrer  Ähnlichkeit  mit  den  schon  bekannten 
Beuteltierfamilien  nach  der  Analogie  geschlossen  haben,  daß  die  Wombats 
wie  diese  einen  sog.  Beutelknochen  haben.  In  letzter  Lini«  gehen  solche 
Schlosse  selbstverständlich  auf  individuelle  Beobachtungen  zurück,  aber  der 
SchluS  selbst  vollzieht  sich  an  Allgemeinbegrilfen.  —  Auch  die  sehr  häufige 
Definition  des  Analogieschlusses  als  eines  Schlusses  von  Besonderem  auf  Be- 
sonderes ist  irreführend.  Denn  erstens  kann  man  wohl  von  einigen  Beutel- 
tieifamilien,  nicht  wohl  ober  von  der  Familie  der  Wombats  als  Besonderem 
sprechen,  und  zweitens  ist  in  vielen  Fällen  nicht  nur  S',  S"  usf.,  sondern 
auch  S*  ein  einzelnes  Individuum. 

Nicht  weniger  schwankend  ist  zweitens  der  Grad  der 
Ähnlichkeit  der  S  untereinander.  Unter  diesem 
sei  nicht  die  absolute  Zahl  der  übereinstimmenden  Merk- 
male, sondern  ihre  relative  Zahl,  d.  h.  ihr  Verbältais  zur 
Zahl   der   nicht-übereinstimmenden    Merkmale    verstanden. 

Löst  man  jedes  S  in  einen  Merkmalkomplez  mim^m 

auf  ^)  und  bezeichnet  man  auch  P  im  Sinn  eines  Merkmals 
bzw.    Merkmalkomplexes    mit    m  p,   so    lautet    die    allge- 

^)  Bei  propinqual  ähnlichen  S-Beeriüen  ist  eine  solche  Zerlegung  nur 
im  Sinn  der  S.  327  angeführten  HTPolhese  möglich.  Im  Hinblick  hierauf 
scheint  es  mir  auch  nicht  zweckmäßig,  die  Merkmal  Zerlegung  schon  von 
Anfang  an  in  die  Hauptformel  des  Analogieschlusses  aufzunehmen. 


OgIC 


762        I^-  T«l-    Pie  einzelnen  logiaehen  Gebad*  und  ihre  Geselw. 

meinste Formel  desAnalogieBeblnaBesz.  B.:  miiDimiiu« — nip, 

miiQimtnit — nip,    mimtmtm« — nip  osf.;:  miminitm« — mp^- 

Anf  dem  gremeinsamen  Merkmalkomplex*)  mimtm«  beruht 
die  Ähnlichkeit  der  S',  S",  S™ . . .  unteTeinander  und  mit  S*. 
m«,  m»,  m«...,  m*  und  die  „dif  f  erenten"  Merkmale.  Die 
Zahl  dieser  letzteren  nnn  im  Vergleich  za  den  übereineüm- 
menden  schwankt  erheblich.  Im  extremsten,  oben  bemte 
angeführten  Fall  ist  nnr  e  i  n  Merkmal  in  jedem  Komplex 
different,  und  dieees  besteht  dann  in  dem  rämnlich-zeitUcben 
IndiTidnalkoeffizienten.  Dieeer  Fall  wird  eich  insofern  als 
besonders  wichtig  erweis«!,  als  wir  mit  gutem  Grand  geneigt 
sind,  hier  dem  Analogieschlnß  eine  besondere  Gewißheit  zu- 
zDschreiben.  Symbolisch  kann  er,  wenn  man  die  räumlich- 
zeitliche  Bestimmtheit  gar  nicht  als  Merkmal  betrachtet, 

auch  ausgedruckt  werden  durch  die  Formel :  viele  miminii . .  • 
—  m,;  folglich  auch  irgendein  neues,  "nur  im  ränmlicli-zeit- 


lichen  Individualkoeffizienten  abweichendes^  nii  mj  nu  ■  •  • 
~mp. 

Ebenso  variabel  ist  endlich  drittens  die  Zahl  der  S 
in  den  Prämissen.  Im  extremsten  Fall  ist  nur  ela  S 
vorhanden,  so  daß  die  Formel  lautet:  S*  —  P;  S*  —  ähnlich 
S'; :  S*  —  P.  Meistens  handelt  es  sich  um  mehrere  oder 
viele  S. 

Das  Prinzip  aUer  AnalogiesehlQsse  ist  wie  alle  sog. 
logischen  Prinzipien  gignomenologisch  (vgl.  S.  11  n. 
429 ff.)  und  kann  kurz  das  Prinzip  der  G-leichartigkeit 
des  Gegebenen  und  seiner  Veränderngen  heißen. 
Es  ist  in  folgendem  Tatbestand  begründet.  1.  Jedes  Oignomen 
(Gegebene,    vgl.   S.   11   u.   250)   zeigt   Grundeigenschafteo 


")     Hier    isl    also    S'      m,  m^mjmj,    S"      m^  m^m^i7i^_    uaL,    und 

S'i-'m,  m,tD,  m.,  so  dall  m,  das  bei  S*  abweichende  Iferfcnul  bezeichnet 
Einfachere  und  vefvicbeltere  MerknulzusammenselzunBen  lassen  sich  «u 
der  Formel  ohne  weiteres  ableiten.  Ist  P  selbst  zusanunensesetzt,  so  vIR 
slrens  senommen  Mp  zu  schreiben  (S.  818,  Anm.  6). 

■)  Dieser  eemeinsame  Merkmalkoniplez  stellt  zugleich  den  allen  S  übei- 
eeordnelen  Beeriff  dar,  in  bezug  auf  den  sie  koordiniert  oder  &quicnid  and 
(s.  oben).  —  Der  Untersatz  der  Hauptfonnel  (s.  oben)  kann  bei  der  ietiigen 
Formulierung  wegfallen,  da  die  Ähnlichkeit  der  S  untereinand«-  in  der  Be- 
zeichnung der  Merkmal tomplexe  zum  Ausdruck  kommt. 


3.  E&pitel.    Die  L«hre  von  den  ScUOssen.  763 

(primäre,  irredozible)  und  Nebeneigenschaften  (sekundäre  *), 
redozible).  Die  letzteren  sind  von  den  ersteren  abhängig; 
viele,  vielleicht  alle  Nebeneigenschalten  sind  auf  Wir- 
knngen  zurückzuführen,  an  welchen  die  Grondeigenschaften 
irgendwie  beteiligt  sind.  Bei  gleichen  Gmndeigenßchaften 
sind  stets  aneh  die  Nebeneigensohaften  gleich.  2.  Dieselben 
Gmndeigenschaf  ten  kehren  bei  den  Gignomenen  allenthalben 
wieder;  wenn  aneh  die  Zorückfühmng  aller  Qmndeigen- 
schaften  anf  eine  einzige  (im  Sinn  eines  absoluten  Monismns) 
zweifelhaft  ist,  so  ist  doch  sicher,  daß  in  unseremGignomenen 
nur  relativ  wenige  Gmndeigenschaften,  die  zmn  Teil  über- 
dies in  propinqu&l  ähnlichen  Beihen  angeordnet  werden 
können,  enthalten  sind.  3.  Die  Gmndeigenschaften  treten 
zwar  in  den  mannigfachsten  Kombinationen  anf,  viele  ein- 
.  zelne  Kombinationen  kehren  aber  doch  vielfach  in  derselben 
oder  ähnlicher  iWeise  wieder  (es  gibt  nicht  nnr  viele 
gleiche  Wasserstoffatome,  sondern  aneh  viele  gleiche  Wasaer- 
moleküle,  viele  ähnliche  Salbei-Individnen  nsf.).  Hierauf  be- 
ruht die  Möglichkeit  aller  G-eneralisationen  und  damit  aneh 
aller  Klassifikationen  des  Gegebenen.  Insbesondere  gilt  diese 
Tendenz  zum  Auftreten  gleicher  bzw.  ähnlicher  Komtinsr 
tionen  in  denjenigen  Fällen,  in  denen  die  Grondeigenschaf ten 
unter  sich  in  vielfachen  kamalen,  insbesondere  genetisch- 
kausalen  Verknüpfungen  stehen  (wie  z.  B.  hei  Organismen 
einer  Art,  Gattung  nsf.  der  anatomisehe  Bau  der  einzelnen 
Organe  wiederkehrt).    Daher  wird  ein  Komplex  von  Grund- 

eigenscbaften,  z.  B.  ABOD  nicht  mit  unzähligen  anderen 
GrundeigeoBchaften  sich  kombinieren,  sondern  ausschlieBIich 
oder  besonders  häufig  mit  einer  bestimmten  anderen,  z.  B. 
£,  so  daß  sich  die  Kombination  ABCDE  ergibt,  oder  mit 
einigen  bestimmten  anderen,  z.  B.  aufler  mit  E  auch  mit  F 
und  G  (Kombinationen  ABCDEF,  ABCDEFG  usf.).  4.  Die 
Veränderungen  der  Gignomene  hängen  von  den  Grundeigen- 
scheften  ab.  5.  Bei  gleichen  Gmndeigenschaften  sind  stets 
auch  die  Veränderungen  gleich,  selbstveretändlich  immer 
nur  unter  der  Voraussetzung  einer  geeigneten  erkenntnis- 
theoretischen  Zerlegung  der  Gignomene.  Auf  dieser  Gleich- 
heit beruht  die  Gesetzmäßigkeit  der  Veränderungen  im  (}e- 
gebenen  und  damit  alle  Lehre  von  Gesetzen.    Von  den  zeit- 


764        ^-  ''^^''-    ""*  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  Geaelze. 

lich-ränmlichen  IndiTidualkoeffizienten  sind  die  Clesetxe  der 
Verändemugen  also  unabhängig;  ei«  gelten  immer  nnd 
überall.  6.  Anch  diese  Gesetze  sind  —  vieUeicfat  entsprechend 
der  häufigen  Wiederkehr  vieler  einzelner  Kombinationen  tos 
Grundeigenschaften  —  nicht  absolat  unähnlich  nntereioander. 
sondern  allenthalben  ähnlich.  Anch  die  Gesetze  gestatten 
Generalisationen  und  Klassifikationen,  insofern  sich  spe- 
ziellere Gesetze  allgemeineren  unterordnen,  andere  sieb 
reihenweise  ordnen  lassen  nsf.  (physikalische  Konstanten- 
reihen,  Mendelejeffsches  System,  System  der  optischen 
Empflndnugsqnalitäten).  —  Unser  tatsächliches  Denken  (im 
psychologischen  Sinn)  hat  sich  diesem  Tatbestand  an- 
gepaßt und  neigt  dazu,  allenthalben  von  Ähnlichkeit  aof 
völlig©  Gleichheit  zu  schließen.  Wir  übertreiben  gewisser- 
maßen den  gignomenologischen  Tatbestand.  Anch  verzichten 
wir  in  der  Kegel  darauf,  bis  auf  die  letzten  Grundeigen- 
schaften zurückzugehen,  nnd  setzen  uns  dadurch  weiteren 
Irrtümern  aas.  Das  ideale  logische,  also  normalisierte 
Denken  darf,  selbst  wenn  das  Prinzip  in  allen  seinen  Teilen 
als  gültig  vorausgesetzt  wird,  den  Schluß  auf  Grund  von 
Ähnlichkeit  streng  genommen  nur  nach  Feststellung  der 
Grnndeigenschaften  und  nur  in  den  Fällen  1.  nnd  5.,  welche 
bei  absoluter  Gleichheit  der  Bedingungen  stete  gleiches  Ver- 
halten zeigen,  zulassen.  Da  diese  Feststellung  nur  ausnahms- 
weise möglich  ist  und  die  Fälle  1.  und  5.  nur  einen  kleinen 
Bruchteil  des  Gegebenen  darstellen,  würde  der  Aoalogie- 
schlnS  fast  ganz  aus  der  Xiogik  zu  streichen  sein,  und  damit 
würde  die  Logik  den  Bedürfnissen  des  tatsächlichen  Denkens, 
das  ihn  sehr  oft  und  zuweilen  mit  großem  Erfolg  verwendet, 
nicht  gerecht  werden.  Sie  hilft  sich  in  dieser  Lage  damit, 
daß  sie  den  Analogieschluß  ganz  allgemein,  also  anch  ohne 
Zurückgehen  bis  auf  die  Grundeigenschaften  und  auch  in 
anderen  Fällen  als  1.  und  5.  zuläßt,  aber  ihn  nur  als  W  a  h  r  ■ 
scheinlicbkeitsBchluß,  das  Schlußurteil  des 
Analogieschlusses  nur  als  problematisch  an- 
erkennt. Dies  sollte  auch  stets  im  Schlußurteil  durch  Zo- 
sätze  wie  „wahrscheinlich"  oder  durch  die  Anwendung  des 
Futurums  (vgl.  das  Beispiel  S.  761)  oder  des  Modus  poten- 
tialis  zum  Ausdruck  kommen. 

Keineswegs  ist  übrigens  das  Prinzip  der  Analogie  die  bwiBlt  Gniod- 
lage  des  Analogieschlusses.  Der  reine  Analogieschluß  weiß  von  einer  all- 
gemeinen Gesetzmäßigkeit  und  Gleichartigkeit  noch  nichts.   Diese  Erkenntnis 


OgIC 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Schlfissen,  765 

wird  erst  durch  Induktion  sschlQsse  sewonoen.  Das  eben  erörterte 
Prinzip  ist  4Uso  an  dem  Akt  des  SchlieBens  als  solchem  nicht  beteiliet,  es 
rcchtfertiet  ihn  nur  und  erklärt  sein«  psychologische  H&uüskeit. 

Die  Gewißheit  des  einzelnen  Änalogrie&chlasBes  hän^ 
vom  Standpunkt  dieses  Prinzips  ans  von  dem  Grad  ab,  in 
dem  die  Merkmale  ma,  mi  nsf.  (S.  761)  Grundeigenschaften 
sind  bzw.  sich  solchen  annähern,  von  dem  Grad  der  Ähnlich- 
keit der  S  untereinander  nnd  des  S*  mit  den  S  und  von  der 
Zahl  der  S  in  den  Prämissen.  Die  Bedeutnng  des  letzteren 
Faktors  wird  durch  folgende  tTberlegong  verständlich.  Bas 
Prinzip  der  Analogie  w^t  anf  eine  allgemeine  Gesetzmäßig- 
keit hin.  Nnr  vom  Standpunkt  der  letzteren  ist  die  Analogie 
^rechtfertigt.  Direkt  eine  solche  allgemeine  Gesetzmäßig- 
keit nachzuweisen,  liegt  dem  Analogieschluß  fem.  Wir  sind 
also  bei  ihm  darauf  angewiesen,  uns  der  allgemeinen  Gesetz- 
mäßigkeit zu  nähern,  indem  wir  möglichst  viele  Einzelfälle 
sammeln.  Je  mehr  Einzelfälle  wir  z.  B.,  wenn  es  sich  um  die 
auf  S.  762  erörterte  Formel  handelt,  zusammenbringen,  in 

denen  lOi  mj  m^  zusammen  mit  diesem  oder  jenem  anderen  m 
(m«  oder  m^  oder  m«  usf.)  das  Prädikat  mp  hat,  nm  so  wahr- 
acheinlicher  wird  ein  allgenwiner,  d.  h.  gesetzmäßiger  Zu- 
sammenhang zwischen  mi  ma  ms  nnd  mp  (sei  es  im  Sinn  einer 
gesetzmäßigen  Nebeneigenschaft  oder  im  Sinn  einer  gesetz- 
mäßig eintretenden  Veränderung,  vgl.  S.  763  f.),  und  nm  so  ge- 
wisser wird  also  der  Analogieschluß.  Im  nächsten  Paragraph 
wird  sich  ergehen,  daß  im  Hinblick  auf  diesen  Tatbestand  der 
Analogieschluß  geradezu  als  Vorstufe  des  InduktionsBchlosses 
und  zugleich  allerdings  auch  dieser  als  Voraussetzung  des 
AoalogieschlusseB  betrachtet  werden  kann.  Jedenfalls  ist, 
psychologisch  betrachtet,  der  Analogieschluß  trotz 
»eines  ungewissen  Charakters  für  unser  Schließen  unent- 
behrlich. 

Xeben  dem  Analogieschluß  auf  Gleichheit  existiert  auch 
ein  Analogieschluß  auf  analoge  Versehledenhelt.  Wenn  ich 
ein  Stück  Eisen  S  sehe  und  z.  B.  durch  Wiegen  auf  der  Hand 
oder  auf  einer  Wage  ihm  ein  bestimmtes  Gewicht  als  Merk- 
n*al  P  zuschreibe  (S  —  P),  so  werde  ich  einem  größeren, 
z.  B.  doppelt  so  großen  Stück  Eisen  S*  ein  größeres  Gewicht 
P  zuschreiben  (S*  — P*),  zumal  wenn  mich  zahlreiche 
andere  Beobachtungen  gelehrt  haben,  daß  einem  etwas 
größeren  Stück  S'  ein  etwas  größeres  Gewicht  P",  einem  noch 

„.,.,„.>..oo^sic 


766        *^-  '■^^'*-    P'*  eitj'el'ien  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

etwaa  grOfieren  Stück  S"  ein  noch  etwas  gTÖSeres  Gewicht  P" 
zajcoinmt  usf.  Die  Indnktioa  kann  ans  dieser  analogen  Yef^ 
sohiedenhelt  eine  gesetzmäßige  ,J*roporiion**  entwickeln. 

Im  Hinblick  anf  die  Erörterungen  in  ^  86  kann  jede 
Analogie  auch  als  eine  bewußte  Alienation  bezeichnet  «er- 
den, loh  ignoriere  die  „differenten"  Merkmale  nu,  nii, . . .  m, 
absichtlich,  obwohl  ich  mir  ihrer  Verschiedenheit  und  damit 
der  VeTschiedeuheit  des  S*  von  den  S  wohl  bewnfit  hin. 

Historisches.  Aristoteles  (Ak&d.  Ausc.  68b,  36}  bezeichnet  dn 
AnaloEiescbluB  aia  na^Juj'ium  uai  gibt  als  Uerkmal  «n:  Sitof  r^  fUtf  n 
itfr  intigx*''  itttx9-ß  iiä  loS  i/toüv  tf  TqUtf,  Er  fügt  auch  die  oben  S.  761 
beanstandete  Charakteristik  hinzu :  fi  imgäitiffiä  itil»  alr  fiife  irpäc  ^i^' 
(Tom  Partikul&ren  zum  PartikuUxen,  wie  man  sidter  B»gle),itmf  m/t^pm  fiif ! 
vni  Tavii,  yfiägi/tar  Ji  »ättgtr.  Von  der  Induktion,  namentlitJi  der  luvoU' 
stindigen  (vgL  S.  770)  grenzt  er  die  Analogie  noch  nicht  schuf  ab.  lii/wJUyU 
bedeutet  bei  Aristoteles  soviel  wie  Proportion.  Theophrast  nannte  die  leia 
hypothetischen  Schlosse  (avlitorM/ioi  M  Tfuir,  t^.  8.  T49),  auch  ttiUMy^^ 
x«/  draiaylar  (Alexander  Aphrod-,  Ad  Anal.  pr.  At  Ausg.  II,  1,  ä  336  u. 
396 1(.  u.  In  Top.  ibid.  0,  2,  S.  58).  Die  avXXoyivfni  »tä  nuM^r«  wri  tei 
fiSlioy  nnd  Jni  jeS  qi»»  und  ilni  iti  o/itSoB  (oder  iftaüx),  welche  die  Scbüier 
des  Aristoteles  erörterten  (Alexander  Aphr.,  1.  c.  II,  1,  S.  266,  824  f.  u.  390], 
gehören  wenigstens  zum  Teil  zu  den  AnalogieschlOssen  auf  analoge  Vei- 
schiedenheit  (s.  S.  76&).  In  der  Eiaafmy},  imlttiaii  des  Galenus  bzv. 
F^udogalenus  (s.  S.  48,  Anm.  i)  werden  zum  ersten  Male  unter  den  Rdt- 
tionssohliissen  (•!  xarii  rä  »paV  ii  odUo/m/'oI)  neben  den  Schlüssen  xsni  n 
/ifUär  n  xal  qiiar  die  Schlüsse  ,xiits  lö  maavrme  xai  äri  iiyor'  im  SilU  der 
AnalogieschlQsse  der  heutigen  Terminologie  angefahrt  und  die  Beziehungec 
zur  mathematischen  Proportionalitit  hervorgehoben  [ed.  Kalbfleisch  XTI,  12 
u.  XVm,  1,  S.  41  u.  45).  über  die  philologische  Bedeutung  von  analisia  s. 
auch  Qellius,  NocL  Att.  II,  2ö  u.  XV,  9  (similium  aimiiiff  doolinatto).  BoElliiiis 
(ed.  Migne,  Bd.  64,  S.  709,  vgl.  auch  S.  1116)  behielt  den  aristotdisches 
Terminus  bei  und  übersetzte  Um  mit  „exemplum".  Petrus  Hispanua  (Soinm. 
log.,Trsct.  V,  ed.  Colon.  Agr.  1623,  S.  272)  definiert:  „exemplum  est,  quando 
per  unum  parliculare  probalur  aliud  particulare  per  aliquod  simiie  repotmn 
in  ipsis".  Im  allgemeinen  wird  die  Analogie  bis  zum  17.  Jahrhundert  va 
ganz  nebensächlich  behandelt  Bei  Baco  von  Veruktn  tritt  sie  noch  gini 
hinter  der  Induktion  zurück.  Locke  (Ess.  conc.  hum.  undersL  IV,  16,  1?} 
rohmt  nur  beiläufig  ihren  Wert,  Hume  (Treai  ot  hum.  naL  I,  8,  18  u.  InQO. 
conc.  hum.  underst.  SecL  9)  behandelt  sie  etwas  auafOhrUcber.  V^  auch 
Berkeley,  Alciphron,  Dial.  IV,  §  20.  In  der  deutschen  Logik  wurde  die 
Analogie  wenig  berOcksichUgt  So  bedeutet  bei  Baumgarten  (Acr.  log.'. 
§  899  u.  644)  exemplum  soviel  wie  conceptus  inferior  supaiorem  vel  dedi- 
raturus  vel  probaturus  und  analogia  soviel  wie  nexus  propositionum  se  in- 
vicem  delerminantium,  und  bezüglich  des  crsteren  bemerkt  er:  ezeamfaun 
in  raliocinüs  concludit  a  conceptu  inferiore  vel  ad  ejus  auperiorem  vel  ad 
■  alium  inferiorem  (§  400—402).  G.  Fr.  Meier  (Vemunftlehre  «,  §  430)  be- 
zeichnet unsere  AnaJogieschlOsse  als  ExempelschlOsse  und  rechnet  sie  zu  den 
.verstammelten  VemunftschlOssen".  In  der  Wissenschaft  sollen  sie  „nicht 
eben"  einen  groSen  Nutzen  haben  und  auch  nicht  häufig  vottommen.  lanl 

„.,,„,^.oogic 


3.  KaiHlel.    Die  Lehre  von  den  Schlüssen.  767 

(Logik,  §  6t,  vgl.  auch  Kr.  d.  r.  Vera.,  Kehib.  Ause.  S.  173  Ober  die  ail- 
gemeinete  Bedeutung  toh  Analogie)  braucht  den  Terminus  Analogie.  Sie  ist 
ein  „SchluB  der  Urteilskraft",  durch  welchen  wir  „von  vielen  Bestim- 
mongen  und  Eigenschaften,  worin  Dinge  von  einerl«  Art  zusammenstimmen, 
auf  die  übrigen,  sofern  sie  zu  demselben  Prinzip  gehören,  schlieBen". 
Ihr  Prinzip  ist  das  der  Spezifikation.  Wie  die  Induktion  gibt  sie  keine  Not- 
wendigkeit und  ist  daher  kein  TernunftschluB,  sondera  nur  eine  „logische 
Präsumtion"  oder  auch  ein  „empirischer  Schluß".  Die  NOtzUchkeit  und 
Uneotbehrlicl^eit  wird  ausdrflcklich  betont.  Hegel  (Enzykl.  d.  pbiL  Wiss., 
Logik,  WW.  Bd.  VI,  S.  356,  §  190)  stellte  die  Analogie  neben  den  deduktiven 
und  den  induktiven'  SchluB  als  dritte  Hauptform  und  meinte,  dafi  „ea  der 
Mangel  der  Induktion  sei,  welcher  zur  Analogie  fahrt".  —  Unter  dem  Ein- 
druck der  modernen  Entwicklung  der  Naturwissenschaften  nahm  auch  das 
Interesse  an  der  Analogie  zu.  J.  St.  Hill  (Syst,  of  log.',  London  1661,  11, 
Ch.  20,  S.  84)  abersieht  ihre' Bedeutung  allerdings  Ober  der  Induktion  fast 
votlst&ndig,  ebenso  Wbewell  (vgl.  z.  B.  Phüos.  of  the  induct  sc  1840,  II, 
Ch.  6  u.  S),  dagegen  wurde  sie  von  deutschen  Logikern  oft  ausfOhrlicher 
behandelt.  Besonders  hervorgehoben  sei  Drobisch  (Neue  DarsL  d.  Log.*, 
Lpz.  187&,  S.  186  ff.),  der  eine  Analogia  exacta  und  eine  A.  incomplela  s. 
probabilis  unterschied.  Die  erslere  ist  ein  mathematisch-exakt  formulierter 
AnalogieschluB  auf  analoge  Verschiedenheit  (S.  765),  die  letztere  entspricht 
dem  gewöhnlichen  AitalogieschluB.  In  den  letzten  Jahrzetmten  wurde 
namentlich  das  Prinzip  und  die  Theorie  der  Analogie  und  ihre  Stellung  zur 
Induktion  und  zum  Syllogismus  vielfach  erörtert.  Lotze  (Logik,  Lpz.  1874, 
g  103 ff.)  hat  folgenden  Grundsatz  far  die  Analogie  aufgestellt:  kein  Inhalt 
eines  richtig  gedachten  Begriffes  besteht  in  einem  zusammenhangslosen 
Haufen  von  Merkmalen,  den  man  beliebig  durch  HinzufOgung  gleichviel 
welcher  neuen  Bestandteile  vermehren  kann;  zwar  nicht  durch  ein  Uerk- 
mal,  aber  durch  eine  gegebene  Verbindung  mehrerer  ist  vermöge  der  durch- 
gängigen gegenseitigen  Determination  aller  Merkmale  auch  schon  daiOber 
entschieden,  welche  anderen  noch  unbeobachteten  sich  mit  denselben  ver- 
knQpfen  können,  welche  nicht,  und  deshalb  ist  es  ntöglicb,  aus  dem  „an- 
gefaingenen  Bild",  welches  die  Prämissen  liefern,  auch  die  mögliche  Ver- 
vollständigung und  Fortsetzung  desselben  zu  folgern.  Vgl.  oben  S.  763 
unter  3.  Neben  dieser  Deteiminationstheorie  der  Anatogie  wird  die  syl- 
logistiscfae  oder  deduktive  Theorie  von  vielen  Logikern  vertreten.  Sie  be- 
hauptet, dafi  der  Analogieschluß  seiner  Form  nach  eine  Unterart  des 
SrlloglBmus  sei.  So  formuliert  ihn  Wundt")  (Logik',  Stuttg.  18S8,  Bd.  1, 
S.  318):  M  hat  die  Eigenschaft  P)  S  gleicht  dem  M  in  den  Eigenschaften 
a, b, c...;  also  hat  auch  S  wahrscheinlich  die  Eigenschaft  P.  Der  Unter- 
schied vom  Subaumtionsschlufl  „  S  —  M;  M  — —  P;:  S  —  F'  wflrde  nur 
darin  liegen,  daß  S  nicht  ein  spezieller  Fall  von  M,  sondern  ein  dem  M 
ähnlicher  Fall  ist  und  daher  der  SchluB  nur  mit  Wahrscheinlichkeit  gezogen 
werden  kann.  Hiergegen  ist  einzuwenden,  daß  bei  dem  echten  Asalogie- 
scbluß  ein  M   im  Sinn   eines  abergeordneten  AJIgemeinbegriffs  (iberhaupt 


*)  Wundt  hat  auBerdem  die  Drobischsche  Lehre  von  der  exakten  Ana- 
logie weiter  ausgefOhrt  und  den  mathematischen  SchluB  von  der  Potenz  n 
auf  die  Potenz  n  -f  1,  der  von  den  Mathematikern  falschlich  als  Berncullische 
„Induktion"  bezeichnet  wird,  zu  den  Analogieschlüssen  gerechnet  (i-  c- 
5.  361).     Ifierauf  wird  S.  794   zurackzukommen  sein. 


1,1^. OQi 


,g,c 


766        ^'  '^^'''    ^^  einzelnen  logischen  Getülde  uad  ihre  Gesetze. 

nicht  auftritt,  sondern  nur  die  dem  Subjekt  des  ScUuBurteils  S*  ftquigiaden 
hl«,  koordinierten  Begrifle  S*,  S",  S"'  uat.  (im  GrenztaU  nur  ainS).  V^ 
auch  U.  Maier,  PsTcbol,  d.  emoL  Denkens,  TObingen  1908,  S.  312).  Da 
deduktiven  Theorie  steht  die  induktive  Theorie  gegenüber.  Diese  betrachte 
den  Analogieschlufi  nur  als  eine  Abart  der  sog.  unTollständigen  Induktion 
und  behauptet,  daß  die  AnalogieschlOsse  nur  dadurch  zustande  kommen,  daB 
aus  den  Pr&missen  zuuichst  im  Sinn  der  Induktion  ein  allgemeine  ScbkB 
gezogen  werde  und  dieser  alsdann  aut  S*  angewandt  werde.  Trotz  aller 
Gegensätze  stimmt  also  die  induktive  Theorie  mit  der  deduktiven  darin  Qber- 
ein,  daß  sie  die  Intervention  bzw.  Beteiligung  «nes  AUgemeinbegiifis  bei  dran 
Zustandekommen  des  Analogieschlusses  fOr  notwendig  h&lt  Dia  induktive 
Theorie  bleibt  jedenfalls  dem  entscheidenden  Einwand  ausgesetzt,  daS  wir 
den  Analogieschlufi  oft  vollziehen,  ohne  den  gemeinsamen  Herkmalkomplez 


Bei  vielen  englischen  Logikern  (Ferguson,  Whately,  J.  St  Mill,  Jevons] 
besteht  die  Neigung,  unter  analogy  (reaaoning  by  analogy,  argument  fnim 
analogy)  im  engeren  Sinn  einen  Schluß  aul  Grund  der  Ähnlichkeit  oder 
Gleichheit  der  Beziehungen  zu  verstehen,  also  die  ältere  Bedeutung 
der  Analogie  festzuhalten  (S.  706)  mtd  unseren  Analoeieschlu&  als  Analosie 
im  weiteren  Sinn  zu  bezeichnen.  Wenn  Jevons  (Eiern,  less.  in  logic,  Less.  36) 
es  tüT  wahrscheinlich  eikl&tt,  daB  alles  SchlieBen  ^ch  auf  einen  einzigen 
Typus  reduziert:  „that,  wbat  b  true  o(  one  thing  will  be  true  ol  another 
thing,  on  condition  of  there  being  an  exact  lesemblance  between  them  in  all 
material  circumstances",  so  erkennt  er  die  grundlegende  Bedeutung  des 
Analogieschlusses  an,  wird  aber  der  Bedeutung  des  rückläufigen  deduktiven 
Schlusses  nicht  gerecht  und  unterläßt  uns  kl&r  zu  sagen,  welche  IJm- 
stände  wesentlich  (material)  sind- 

§  132.  Mittelbare  fortsefareitende  Schlüsse  ohne  Mittel- 
hegrltty  Fortsetsmif  II:  IndoktloiissehläsBe.  Neben  den  Ana- 
logieschlüssen, die  im  letzten  Paragraph  behandelt  worden, 
nnterscbeiden  wir: 

n.  IndnktioDSsehtttSBe. 

Der  Induktionsschlafi  ist  ein  mittelbarer  fortachreiten- 
der,  ohne  Mittelbegriff  gezogener  Schluß,  bei  dem  auf  Gmnd 
mehrerer  Prämissen,  welche  ahnlichen  Subjekten  S',  S", 
S'"  nsf .  dasselbe  Prädikat  P  zuordnen,  im  Schlnßnpteil  einem 
den  S  übergeordneten  Allgemeinbegrifi  S^  dies  P  gleichfalls 
zngeBchrieben  wird.  Die  aUgemeinste  Formel  des  indoktiven 
Schlusses  lautet  also:  S*  — P,  S" —  P,  S"'  —  P,  ...;  S',  S*, 
S"'  usf.  untereinander  ähnlich  im  prägnanten  Sinn  (konsimil, 

S.  760);:  S«  d.  h.  S'S"S"'...  —  P  (vgl.  zur  Bedentraig  der 
horisontalen  Klammer  S  331  u.  506).  Der  Allgemeinbegriff 
S<  bedentet  die  Gesamtheit  aller  überhaupt  denkbaren,  also 
bekannten  und  unbekannten  konsimileu  Begriffe.  Es  kommt 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Schlüssen.  769 

mithin  sein  in  dem  oft  besproeheaen  Sinn  tranegressiver 
Cbarakt«r  znr  Q«ltnng  (S.  335,  475  nnd  öfter).  Statt  S>  kann 
man  daher  auch  sagen  „alle  konsimilen  S  im  Sinn  eines 
AUgemeinbegrifCs".  Aoch  hier  kann  man,  wie  bei  der  Ana- 
logie, die  Urteile  S'  —  P,  8^ —  P  nsf.  als  Obersatz  und  den 
UrteiLskomplex,  welcher  die  Ähnlichkeiten  anssagt,  als 
Untersatz  bezeichnen.  Große  Bedentong  kommt  dieser  ter- 
minologischen ünterscheldnng  weder  hier  noch  dort  zu.  Zer- 
legt man  wie  bei  dem  Analogieechlnit  (S.  761)  die  S  in  Merk- 
malkomplexe nnd  wendet  man  dieeelben  Symbole  wie  dort 
an,  so  ergibt  sich  beispielsweise  die  Formuliemug: 
jn^minigm^  —  mp,  mjmjmgmj — mp,  m^^m^mimg-n-nipUsE.;: 

3<c  :'  m^  m^  mg  —  mp  ^.  Folgendes  einfache  Beispiel  mag 
diese  Stmktnr  eines  Indnktionssehlnsses  veranschanlichen: 
Obersatz:  Natriom  ist  elektropositiv,  Kalinm  ist  elektro- 
positiv,  Lithiom  ist  elektropositiv;  Untersatz:  Natrium, 
Ealinm  nnd  Lithinm  sind  untereinander  ähnlich  (konsimil);: 
alle  diesen  ähnliche  (konslmile)  Elemente  sind  elektropositiv. 
Dabei  ist  „alle"  im  transgressiven  Sinn  eines  Allgemein- 
begriffs  zn  verstehen. 

Orofiere  Bedentnng  für  nnser  Denken  bekommt  der  In- 
duktionsschluS  erst  dann,  wenn  die  im  Untersatz  ans- 
gesprochene  Ähnlichkeit^  dnrch  Angabe  der  gemeinsamen 
tferkmale  (mi,  m„  ms  der  letzten  Formel)  spezifiziert  (vgl. 
S.  762)  and  damit  der  Allgemeinbegriff  S«  im  Sinn  einer  Defi- 
nition als  m,  mi  m,  fest  bestimmt  wird.  In  unserem  Beispiel 
würde  der  Untersatz  etwa  lauten:  „Natrium,  Kalium  und 
Lithinm  sind  untereinander  ähnlich,  insofern  sie  alle  ein- 
wertige (mi),  Wasser  zersetzende  und  dabei  starke  Basen 
bildende  (mg)  Elemente  (m*)  sind,"  und  dementsprechend  das 
SchlnSurteil:  „alle  einwertigen,  Wasser  zersetzenden  und  da- 
bei starke  Basen  bildenden  Elemente  sind  elektropositiv.'' 

Sehr  oft  ist  das  gemeinsame  Merkmal  mimtni)  ein  schon  be- 
kannter und  mit  Namen  bezeichneter  Allgemeinbegriff,  und 
dann  kann  dieser  unmittelbar  als  Prädikat  im  Untersatz  nnd 


■)  Die  in  den  Aomerkunien  1—8  auf  S.  761  u.  762  enlhaHenen  Zusätze 
finden  auch  hier  sinngemABe  Anwendung. 

'}  Im  folgenden  ist  stets  die  Ähnlichkeit  im  prignautcD  Sinn  (Kon- 
similhät)  gemeint 

Ziehen,  Lehrtmch  der  LogUL  49 

„.,,„,  ^.oogic 


770        ^-  ^^'-    ^^  einzeinen  togiMhen  Gebildo  und  ihre  Gesetze. 

als  Subjekt  im  Bchlaßarteil  verwertet  werden.    In  unserem 

Beispiel  ist  der  Merkmalkomplex  mimjm,  mit  dem  All- 
gemeinbegriff  „ÄJkalimetall"  wiederzogeben ').  Demnach 
lautet  der  Schlnfi  jetzt  kurz:  „Na,  K  and  Li  sind  elektro- 
pofiitiv;  Na,  K  and  Li  sind  Alkalimetalle  (als  Alkalimetalle 
nntereinander  ähnlich); :  alle  Alkalimetalte  sind  elektro- 
poBitiv"  (oder:  dem  AUgemeinbegrifl  „Alkalimetall"  kommt 
als  weiteres  Merkmal  Klektropoeitivttät  zn). 

ÜMn  muB  Bich  nur  darOber  klar  sein,  daB  dw  SchluB  nur  fOr  denjenigcD 
als  induktiv  bezeicbaet  werden  kann,  der  nicht  bereits' im  AUeeioeinbecritf 
^Ikalimetal!"  das  Merkmal  der  ElektropositlTitAt  mitdenkt.  Mit  xndeieD 
Worten:  das  SchluBurleil  des  induktiven  Schlusses  ist  stets  srnthetiacb,  tiichl 
analTtisch  (vgl  S.  389). 

Die  einzelnen  S,  also  S',  S"  usf.  sind  bald  IndividnalbexiiEIe,  bald 
niednsere  oder  hObeie  AUsemeinbesrifle.  Wenn  ich  aus  der  elfiptiachra 
Bahn  einiger  bestimmter  Planeten  auf  die  eUiptische  Bahn  aller  Planeten, 
der  brannten  und  unbetonten  (im  tranafressiven  Sinn),  schlieBe.  ao  sind 
die  5,  wBfche  meinem  SchluS  zusnmde  liegen,  individuell,  wahrend  in  dem 
oben  angefOhrten  Beispiel  aus  der  Chemie  die  S  generell  waren.  Begreü- 
licherweise  beginnt  die  Wissenschaft  meistens  mit  individuellen  Induk- 
tionen. Hand  in  Hand  mit  diesen  Schwankungen  geht  die  Schwankung  der 
absoluten  Zahl  der  Meifanale,  aus  denen  sich  die  S  zusammensetsen.  — 
S*^,  das  Subjekt  des  SchluBurteils,  ist  stets  ein  AllKemeinbegrUf.  Sind  die 
S  Individualbegrille,  so  ist  als  S'  der  niedrigste  Allgemeinbegrifi  zn  wähtei, 
der  allen  S  superordiniert  ist;  sind  die  S  selbst  AUgemeinbegriSe,  so  gilt 
dieselbe  Regel.  Wird  sie  nicht  eingehalten,  so  leidet  darunter,  wie  noch  zu 
erörtern  sein  wird,  die  Gewißheit  des  Induklionsschlusses.  Jedenfalls  ist  der 
InduktionsschluB  niemals  ein  deduktiver  SchluB  oder  ein  NiveauschtuB,  son- 
dern induktiv  in  dem  weiten  Sinn  der  BemeAungen  S.  395,  3S7  u.  469^  da 
er  vom  weniger  Allgemeinen  zum  Allgemeinen  aufsteigt. 

Die  relative  Zahl  der  gemeinsamen  Merkmale  der  S  und  damit  der 
Grad  der  Ähnlichkeit  der  S  (vgl  S.  761)  ist  ebenfalls  den  gr&Btu 
Schwankungen  unterworfen.  Das  eine  Extrem  liegt  vor,  wenn  jedes  S  sthr 
zahlreiche  Merkmale  hat  und  alle  S  nur  eines  dieser  Merkmale  gtoxin 
haben,  das  andere  Extrem,  «enn  die  S  sich  lediglich  in  dem  rtnmlich- 
zeitlichen  IndividualkoefBzieDten  unterscheiden  (Wasseratoflatome,  s.  S.  B3 
u.  SZ7). 

SchlieBUch  isl  auch  die  Variabilität  der  Zahl  der  S  nicht  geiioger 
als  bei  der  Analogie  (vgl  S.  762).  Im  «xtremsten  Fall,  der  wissenschaflhch 
meistens  (nicht  stets  1}  wertlos  ist,  liegt  der  Induktion  nur  mn  einnies  S 
zugrunde  (Beobachtungen  an  einem  Exemplar  einer  fossilen  Tiersrtl),  te 
der  Regel  stützt  sich  der  Induktion sschluB  auf  v  i  e  1  e  5. 

Neben  der  soeben  beschriebenen  Liduktion  hat  man  oft 
bis  in  die  neueste  Zeit  auch  eine  vollstKndixe  Induktion  be- 

*)  Allenthalben  machen  wir  dabei  von  der  oft  besjHocbeoen  Htpo- 
slasierune  Gebrauch.     Vgl.  S.  +94;  513  fi.  u.  529. 


3.  Kapitel.    Die  Lriire  von  den  Sctüüascp-       _  771 

schrieben  und  als  charakteristisches  Merkmal  derselben  an- 
gegeben, daß  die  S',  S"  nsf.  den  Allgemeinbegriff  S"  «r- 
schöpfen.  Eine  solche  Erschöpfung  ist  unmöglich;  denn  jeder 
AUgemeinbegrifl  ist  vermine  seines  transgressiven  Charak- 
ters für  eine  nnendliche  Zahl  von  untergeordneten  AU- 
gemeinbegrüfen  und  in  letzter  Linie  Individnen  offen.  Die 
S',  S"  Qsf.  des  Ober-  und  Untersatzes  stellen  immer  nur  eine 
Belegung  von  8*  dar,  im  Schlnßarteü  aber  handelt  es  sich 
um  den  nnenfllichen  Umfang  von  S'  (vgl.  über  den  funda- 
mentalen Unterschied  von  Umfang  mid  Belegung  namentlich 
S.  526  ff.  Q.  561).  Nur  unter  ganz  bestimmten  Bedingangen, 
die  wir  im  nächsten  Paragraph  in  der  Lehre  vom  paradigma- 
tischen Schloß  kennen  lernen  werden,  können  wir  auf  eine 
solche  transgressive  unendliche  Zahl  von  Fällen  durch  ein 
besonderes,  von  der  Indnktion  wesentlich  verschiedenes  Ver- 
fahren ans  einer  scheinbar  endlichen  Keibe  von  Fällen  einen 
Schluß  ziehen.  Eine  vollständige  Indnktion  existiert  also 
nicht,  es  ist  also  auch  ganz  überflüssig,  die  oben  ausführlich 
beschriebene  Induktion  als  „unvollständige"  zn  bezeichnen. 

Das  vielverwandte  Planetenbeispiel:  „Uerinir,  Venus.  Erde,  Ifare, 
Jupiter  und  Saturn  hatKn  Achaendrehung;  alle  diese  sind  alte  Planeten;  also 
tiaben  a]le  alten  Planeten  Achsendrebung"  ist  ein  iLijuaüver  Syllotismus  oder 
auch  eine  verbale  Zusammentassung  luid  kein  InduktionsscbluB  (vgl.  auch 
S.  7(0);  die  „alten  Planeten"  sind  ein  KoUektivbesriff  und  kein  Allgemein- 
begrifi  (vfl.  S.  334  u.  660). 

Das  Verhältnis  des  Indnktionsscblusses  zum  Ana- 
logieschlußist durch  die  vorausgehenden  Ausfäbmngen 
genügend  bestimmt  Die  Analogie  ist  ein  Niveauechluß,  der 
IndoktionsBchlaß  steigt  zu  höherer  Allgemeinheit  auf.  Die 
Analogie  bezieht  sich  anf  die  Belegung  eines  Begriffs,  der 
Indoktionsschluß  geht  von  der  Belegung  *)  zum  Umfang  über. 
Die  Analogie  ignoriert  die  differenten  Merkmale  der  S 
(m,,  m„  m«  in  der  Formel  auf  S.  762),  der  Induktionsschluß 
eliminiert  sie.  Obgleich  demnach  logisch  beide  scharf 
getrennt  sind,  Ist  doch  andrerseits  ihre  psychologische  Ver- 
wandtschaft und  Neigung  zur  Vermischung  zugegeben.  —  Ist 
der  Induktionsschluß  perfekt  geworden,  so  kann  aus  seinem 
Schlnßnrteil,  dank  seinem  allgemeinen  Charakter,  mm  rück- 
wärts im  Sinn  eines  deduktiven  Syllogismoa  (z.  B.  Barbara) 
anf  das  Vorhandensein  von  F  bei  jedem  einzelnen  neuen  S, 
das  unter  den  Allgemeinbegriff  S'  fällt,  geschlossen  werden. 


■}  .Belegung"  im  weiteren  Sinn  (S.  358  unten). 

49« 

h.  1.  ii,l^.OOglc 


772        '^-  ^^''-    ^'^  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  Oeeetze. 

Analogieäcfalüsse  für  diese  neuen  S  Bind  also  aaf  dieeem  Weg 
durch  den  InduktionBBchlnS  überfliissi?  gemacht  worden. 

Das  Priiudp  derlnduktion  deckt  sich  mit  dem  Prinzip 
der  Analogie.  Während  aber  der  Analogieschluß  gewisser- 
maSen  blindlings  verfährt  und  dank  der  Gleichartigkeit  osd 
Gesetzmäßigkeit  des  Gegebenen,  ohne  von  ihr  zu  wissen,  oft 
za  richtigem  Ergebnis  gelangt,  stellt  der  Indaktionsschlnß 
eben  diese  Gleichartigkeit  bzw.  Gesetzmäßigkeit  in  irgend- 
einem Spezialbereich  im  Sinn  des  allgemeinen  Prinzips  fest 
Die  Induktion  liefert  also  die  prinzipieUe  Grundlage  für  djp 
Analogie.  Die  Analogie  ihrerseits  ist  bei  dem  IndnktiODS- 
schlnB  hilfreich,  insofern  sie  außer  den  Fällen  S',  S",  ST  ..-, 
f&r  welche  das  Prädikat  P  laut  Obersatz  des  Induktions- 
achlnsses  nachgewiesen  ist,  anch  solche  weitere  S-FäJle  hin- 
zufügen kann,  die  den  S',  S",  S'"  ähnlich  sind,  für  die  aber 
der  Nachweis  des  Prädikats  P  noch  nicht  geführt  ist.  Im 
Hinblick  auf  diese  Hilfe  konnte  der  Analogieschluß  S.  765 
geradezu  als  Vorstufe  des  Induktionsschlusses  bezeichnet 
werden.  Es  scheint  anch,  daß  bei  den  Indaktionaschlüssen 
des  tatsächlichen  Denkens,  also  psychologisob,  diese 
Mitwirktmg  der  Analogie  nur  sehr  selten  fehlt,  aber 
logisch  bleiben  alle  oben  angegebenen  Unterschiede  an- 
erschüttert. Indem  der  Induktionsschlnß  sein  Schlnßnrteil 
transgressiv  auf  alle  ähnlichen  S  im  Sinn  eines  All- 
gemeinbegriffes (Gesetzes)  ausdehnt,  geht  er  pritudpiell  über 
den  Analogieschluß  hinaus. 

Indem  die  Indnktionsschlüsse  zu  immer  allgemeineren 
ErkenntnisseQ  aufsteigen,  ergibt  sich  schließlieh  als  all- 
gemeinster gigiiomenologischei;  Satz  die  Erkenntnis  der 
allgemeinen  Gleichartigkeit  nnd  Gesetzmäßigkeit  der  Gigno- 
mene,  also  des  allgemeinen  Prinzips  der  Induktion  selbst 
Der  einzelne  Induktionsschluß  setzt  die  Dichtigkeit  des  Prin- 
zips voraus  nnd  weist  es  in  einem  Spezialfall  nach,  die  Ge- 
samtheit aller  Induktionsschlüsse  führt  zur  Erhärtung  des 
Prinzips  in  seiner  Allgemeinheit. 

Unzul&ssis  iat  es  auch,  mit  Wulff  (Logica  §  VJ&),  Jevons  [Prioc  <d 
science,  3.  AuQ.)  u.  a.  vom  Standpunkt  des  alteemeinen  InduktionnFrioiips 
den  InduktionsschluB  als  einen  „invetsen  Syllogismus"  zu  deuten,  etwa  ma 
folgender  Form:  „Ein  Pr&dikat,  das  für  viele  ähnliche  Gegenstände  tilL 
gilt  für  alle  Oegenstiuide  deiselben  Gattung;  im  TOiiiegenden  Fall  stod  <fie8 
viele  ähnliche  Gegenstände,  und  es  gilt  von  ihnen  ein  und  dasselbe  PiiJibl 
P;  also  gilt  auch  im  vorliegenden  Fall  das  Prftdikat  P  von  de  ganieo 
Gattung  B*,"    Der  Obersatz  dieses  Svllogimnus  ist  mit  dem  allgemeinen  b>- 


3.  Kapitel.    Di«  Lehre  von  den  SchtOasen.  773 

duklionaprinzip  identisch,  und  wir  können  selbstveisländUch  jeden  einzelnen 
iDduklionnchluB  als  einen  Spezialfall  des  allgemeinen  Prinzips  betraditen 
und  syllogistisch  aus  dem  letzteren  folgern;  aber  damit  ist  nicht  etwa  der 
Induktionsachlufi  auf  den  SvlloBisrnua  zurückgefühit  Bei  dem  einzelnen 
InduktionsschluB  tritt  das  allgemeine  Induktion  sprinzip  gai  nicht  auf,  die 
Bedeutung  des  letzteren  als  Prinzip  besteht  nur  darin,  daB  die  Richtiskeit 
ebes  jeden  Induktionsschlusses  von  der  Richtigkeit  des  allgemeinen  Prinäps 
abhängt.  Vgl.  Erdmanns  Ausführungen,  L  c.  S.  766  ff.  und  Festschr.  f.  Zeller, 
Leipzig  1887,  S.  S21,  und  andrerseits  Chr.  Sigwart,  Logik  *,  Bd.  2,  S.  432,  Anm. 
Ganz  verkehrt  wäre  es,  wenn  man  bei  dieser  GesetzmäBigkeil  etwa  nur 
an  die  Kausalgesetze  (sog.  Naturgesetze)  denken  würde.  Die  von  mir  so  ge- 
nannten Parallelgesetze  (vgl.  S.  2tß)  haben  genau  denselben  Anspruch  auf 
GesetzmftBigkeit  und  sind  icie  die  Kausalgesetze  Gegenstand  von  Induktions- 
schlDssen.  Tgl.  über  diesen  Binomismus  sowie  Ober  alle  anderen  hier  nur 
flQchtig  berührten  erkenntnistheareti sehen  Fragen  meine  Erkenntnistheorie, 
Jena  1913,  g  11  ff.  u.  60~«6. 

Die  Gewißheit  eines  IndoktiooBeehlassee  ist  niemala  mit 
detijem^eii  eines  Syllogifimos  zn  vergleichen.  Der  Syllogis- 
mus ist,  wenn  er  ohne  technischen  Fehler  vollzogen  wird, 
formal  ahsolnt  und  stets  richtig  nnd  daher  formal  gewiß. 
Seine  materiale  Bichtigkeit  hängt  von  der  materialen  Bich- 
tigkeit  seiner  Prämiesen  ah.  Die  letztere  Abhängigkeit  be- 
steht selbstverständlich  asoh  für  die  materiale  Bichtigkeit 
des  Indaktionsschlnsses.  Bei  diesem  ist  aber  außerdem  die 
formale  Bichtigkeit  stets  zweifelhaft  Aach  wenn  alle  Prä- 
miesen material  absolut  richtig  sind,  kann  der  Induktions- 
schlnß  für  sein  SchloBurteil  doch  höchstens  eine  sehr  große 
Wahrscheinlichkeit  beanspruchen.  Das  Schlußurteil  bleibt 
stets  problematisch.  Der  Schluß  von  einer  endlichen  Zahl 
von  S-Snbjekten  auf  all«  S  (im  transgressiven  Sinn)  ent- 
behrt immer  der  absoluten  Gewißheit.  Die  widersprechende 
Assoziation  einer  Ausnahme  kann  nie  durchaus  ausgeschaltet 
werden.  Dies  gilt  auch  von  dem  Prinzip  der  Induktion  selbst 
in  seiner  größten  Allgemeinheit.  Man  kann  daher  auch  gar 
nicht  schlechthin  von  einer  „formalen  Bichtigkeit"  der 
Induktionsschlüsse  sprechen,  sondern  nur  von  einer  mehr 
oder  weniger  großen  Annäherung  an  eine  niemals  voll- 
kommen erfüllte  absolute  formale  Bichtigkeit. 

Die  generelle  Überlegenheit  des  Syllogismus  über  den 
Induktionsschluß,  welche  man  auf  Grund  dieses  Tatbestandes 
anzunehmen  geneigt'  sein  könnte,  besteht  tatsächlich  nicht, 
wenigstens  nicht,  soweit  die  üblichen  deduktiven  Syllogismen 
(Barbara  nsf.)  in  Betracht  kommen.  Die  letzteren  enthalten 
nämlich    aosnahuifilos  in   einer  ihrer   Prämissen    ein   nni- 


1,1^.001 


,g,c 


774       IV.  Teil.    Die  einzelnen  Iwiaebtn  Gebilde  und  ihre  Geseltc. 

verseltes  allgemeines  Urteil  (positives  oder  negatives),  und 
za  solchen  allgemeinen  urteilen  gelangen  wir  in  der  Begel 
durch  Induktionsschlüfise.  Die  formale  Minderwertigkeit  des 
Prodnktionaschlasses  haftet  also  aooh  fast  jedem  dedaktiTea 
Syllogismas  an,  insofern  sie  in  seine  Prämissen  eingeht  nnd 
dadnrch  seine  materiale  Richtigkeit  (Solidität)  in  Frage 
steUt. 

Uan  konnte  hiergegen  einwenden,  daß  vir  über  einige  nicht  durch  In- 
duklionsschlOsse  gewonnene  allgemeine  S&tEe  verfügen  wie  s.  B.  a^t, 
2a>K,  3  +  <=i7.  die  gnade  Linie  ist  der  kOrtesle  Weg  swisclien  nrei 
Punklen  usf.  Hienul  ist  zu  erwiedern,  daß  deduklire  Syllogisinen  nul 
solchen  nni  aligemeinen,  nicht  induktiv  gewonnenen  (Hiersfttzen  AuSeist 
selten  im  alU&glichen  und  im  wiseenschaftbchen  Denken  TOTkommra  nad 
durchweg  unfruchtbar  sind.  Aus  a^a  kann  ich  nur  sehlieBen,  dafl  in 
jedem  einzelnen  Fall  eine  Größe  »ch  selbst  gleich  ist,  und,  um  dies  zu  er 
kennen,  bedarf  ich  des  allgemeinen  Obersatzes  nicbt,  sondern  ich  sehe  dies 
unmittelbar  an  jeder  einzelnen  Größe  selbst  sofort  ein  (vgl  %  87).  Nur  ä.t 
Mathematik  bildet  eine  Ausitahme.  Hier  kommt  es  in  der  Tat  oft  vor,  diS 
allgemeine,  nicht  induktiv  gewonnene  Sätze  als  Prämissen  von  syllogistisches 
Schlüssen  verwendet  werden,  es  wird  sich  aber  im  nftchsten  Faiagraidten 
zeigen,  daß  diese  allgemeinen  Satze  durch  eine  dem  Induktionsscbtuß  sehr 
nahe  verwandte  SchluBforrn,  den  paradigmatischen  Schluß,  gewonnen  sind. 

Die  Berechtigung  und  der  Wert  des  Induktions- 
scblusses  liegt  nach  den  vorausgehenden  Elrörtemngen  einer- 
seits in  dem  Erwerli  allgemeiner,  wenn  auch  probl^natischer 
Erkenntnisse  und  andrerseits  in  der  Möglichkeit,  auf  Qmnd 
der  letzteren  rückläufig  Folgerungen  im  Sinn  individueller 
bzw.  weniger  allgemeiner  Urteile  zu  ziehen.  Der  Indoktione- 
schlnß  ist  das  wichtigste  produktive  Schiußverfahreu, 
über  das  wir  verfügen,  und  die  Grundlage  fast  des  gesamten 
Fortschreitens  unserer  BegrifFsbildong,  vgl.  ^  107. 

Bei  dieser  Sachlage  erhebt  sich  die  Frage:  wovon 
hängt  der  Grad  der  Gewißheit  eines  Induk- 
tionsschlasses  ab,  und  wie  miiB  dement- 
sprechend der  InduktionsschlnS  gestaltet 
werden,  damit  das  Maximum  der  Oewififaeit 
erreicht  wirdf  Zunächst  ist  es  klar,  dafi  —  wie  bei  der 
Analogie  (vgl.  S.  765)  —  das  induktive  Schlnßarteil  um  » 
gewisser  ist,  je  mehr  die  Merlünale  m„  mi . ..  Grandeigen- 
schaften,  je  zahlreicher  die  S  und  je  ähnlicher  (konsimiler) 
sie  untereinander  sind.  Damit  ist  jedoch  unsere  Frage  noch 
nicht  genügend  beantwortet.  Eine  kurze  Umschau  eigibt 
sofort,  daß  das  Zusammenwirken  dieser  Faktoren  und  di)- 
Bedeutung  jedes  einzelnen  noch  einer  genaueren  Äofklämii? 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  SchlOMan. 775 

bedarf.  So  kommt  es  z.  B.  vor,  daß  der  Physiker  auf  Grand 
einiger  wenigeii  exakten  Versuche  sehr  allgemeine  Sätze  auf- 
stellt, und  wir  trotz  der  Spärlichkeit  der  Versuche  solchen 
Säteen  eine  sehr  groÖe  Gewißheit  zugestehen.  Sollen  wir 
diese  bestreiten,  oder  wie  wird  hier  die  geringe  Zahl  der 
S-Beobachtnngen  ausgeglichen  t  Andrerseits  erleben  wir  um- 
gekehrt auch  allenthalben,  daß  InduktionsschlüBse,  die  sich 
auf  äuBerst  zahlreiche  Beobachtungen  etützten,  doch  plötz- 
lich durch  eine  neue  umgestoßen  werden.  Wenn  wir  auch 
selbstverständlich  an  unserem  Zugeständnis  festhalten,  dafi 
kein  Induktionsschluß  uns  absolute  Gewißheit  verschaffen 
kann,  wollen  wir  doch  wissen,  welche  AnswaU  der  S  uns  das 
Maximum  der  Gewißheit  verspricht.  Dazu  kommt,  daß  uns 
auch  S*  keineswegs  gegeben  ist  Wir  müssen,  um  den  In- 
duktionsschluß vollziehen  zu  können,  ans  den  gegebenen  S*, 
S",  S"'  usf.  auf  Grund  der  gemeinsamen  Merkmale  ein  ge- 
eignetes S*  abstrahieren")  {im  Sinn  «ines  übergeordneten 
Allgemeinhegriffs).  Auch  diese  Abstraktion  eines  geeigneten 
S'  hängt  von  der  zweckmäßigen  Auswahl  der  S',  S"  . . .  ab. 
In  allen  diesen  Beziehungen  nun  gelten  folgende  Regeln  und 
Efwägongen. 

1.  Die  Zusammenstellung  und  Analyse  der  von 
Baco  sog.  positiven  Instanzen"),  d.  h.  derjenigen 
Fälle,  die  dem  Obersatz  entsprechen,  in  denen  also  S',  8"  usf. 
dae  Prädikat  P  tatsächlich  haben,  ist  die  Grundlage  des 
ganzen  Verfahrens.  Brückt  man  die  S  wiederum  wie  oben, 
S.  769,  durch  ihre  Merkmale  aus,  verwendet  aber  jetzt  der 
£infachheit  wegen  für  die  Merkmale  die  Buchstaben  a,  h,  c, 
d  usf.  (statt  mi,  mi,  m«,  m«  usf.)  und  läßt  die  horizontalen 
Eomplezionsklammem  weg,  so  erhält  man  im  Obersatz 
folgende  Beihe  positiver  Fälle  (Tabula  essentiae  et  praesen- 
tiae,  Coordinatio  instantiarum  afflrmativarum  s.  convenien- 
tium  bei  Baco,  Nov.  Org.  U,  lOff.):  abcd«~P,  abd«f — P, 
abcdg — P,  abde-i-P  usf.").  Bei  der  Auswahl  dieser  Fälle 
wird  man  sonfiehst  nur  darauf  zu  achten  haben,  daß  sie  mc^- 

")  Man  kann  bei  dem  InduktionsscbluS  geradezu  sagen,  dafi  Sit  ge- 
sucht wild. 

"J  .instantia"  keouiit  achgn  bei  den  Scholaatikem  olt  vor  (namentlich 
bei  Buridan);  tmtute  hei  Aristoteles  hat  andere  Bedeutung. 

i>)  Im  Hinblick  auf  das  Voricommen  additiver  Herimule  (vgl.  S  .338) 
braucht  die  Zahl  der  Merbmale  selbst  bei  kooidinierten  S  nicht  immer  iQr 
jedes  S  gleich  zu  sein. 


OgIC 


776       ^-  Teil-    Ke  einzelnen  logiachen  Qetalde  w°d  jhre  Geaelze. 

liehst  zahlreich  sind  und  möglichst  viel  gemeinsame  Merk- 
male**), nnd  zwar,  wenn  möglich,  irredozible  (alBO  Gmnd- 
eigeneohaften)  haben.  Eine  bloQe  „ennmeratio  Sim- 
plex, abi  non  reperitnr  instantia  contradictoria"  (Baco)  ohne 
jede  Auslese,  wie  etwa  die  Zusanunenstellnng  möglichst 
vieler  weißen  Dinge,  kommt  kaum  jemals  in  Frage.  Da  ee 
meistens  sehr  schwierig  ist  zu  unterscheiden,  welche  Merk- 
male irredozibel  sind,  so  wird  man  sich  in  der  Regel  damit 
begnägen  müssen,  nachweislich  nnd  sicher  redozible  Merk- 
male bei  der  Fixierung  der  Merkmalkomplexe  S',  S"  . . .  nn- 
beachtet  zu  lassen  oder  vielmehr  durch  diejenigen  Merk- 
male, auf  welche  sie  reduziert  werden  können,  zn  ersetzen. 

2.  Die  Zasammenstellang  und  Analyse  der  sog. 
negativen  Instanzen  (Tabula  declinationis  s.  absentiae  in 
proximo,  Coordinatio  instsntiarum  negativamm  Bacos)  ist 
immittelbar  anzuschließen.  Wir  haben  möglichst  viele  Fälle 
zu  sammeln,  in  welchen  ähnliche  Merkmalkomplexe  vor- 
liegen find  P  fehlt.  Es  wären  dies  also  beispielsweise  Fälle 
von  der  Struktur :  a  b  c  e  nicht  —  P,  a  b  e  f  nicht  —  Fi 
adef  nicht  —  P  usf.  War  es  schon  auf  Grund  der  posi- 
tiven Fälle  etwas  wahrscheinlich  geworden,  daß  der  Kom- 
plex a  b  d  als  S*  zu  wählen  ist,  oder  —  anders  ausgedrückt  — 
daß  P  an  den  Komplex  abd  gebnnden  ist,  so  wird  durch  die 
eben  beispielsweise  angeführten  negativen  Instanzen  diese 
Wahrscheinlichkeit  gesteigert:  die  „Gewißheit"  des  Indnk- 
tionsschlnsses  nimmt  zn.  Hätten  sich  andrerseits  negative 
Instanzen  oder  auch  nur  eine  sichere  negative  Instanz  ge- 
funden etwa  von  der  Form  a  b  d  h  nicht  —  P,  so  wäre  die 
Wahrscheinlichkeit  des  Schlußurt^ils  abd  —  P  wesentUdi 
verringert  worden.  Als  sicher  unrichtig  würde  man  es 
allerdings  doch  noch  nicht  sofort  bezeichnen  können;  denn 
man  hätte  mit  der  Möglichkeit  zu  rechnen,  daß  durch  das 
Zusammenwirken  von  h  mit  d  ")  oder  a  oder  b  etwa  P  unter- 
drückt („gehemmt")  wird.  BescAiders  wertvoll  sind  solche 
negative  Instanzen,  die  in  allen  Merkmalen  bis  aof  ein 
einziges  mit  einer  positiven  Instanz  übereinstinuneQ,  zmnal 
dann,  wenn  die  Abweichung  dieses  einzigen  Merkmals  klein 

")  Es  handett  sich  auch  hier  w  ieder  um  die  relative  Zahl  der  fe- 
meinsamen  Herkmale  (vgi.  S.  761). 

'■)  Unter  Umständen  sende  in  der  bestimmten  Kombination  abdb. 
Generell  kann  man  sagen,  dafi  niemals  nur  die  Merkmale  selbst  (S.  Str.), 
sondern  stets  auch  ihre  Relationen  berücksichtigt  werden  müBsen. 


.oogic 


3.  Kauttel.    Die  Lehre  von  den  ScMüssen.  777 

isL  Liefft  z,  B.  vor  abcde —  P  und  abcd'e  nicht  —  P 
(wo  d'  ein  not  wenig  von  d  verschiedenes  Merkmal  be- 
zeichnet), BD  wird  man  ans  zwei  solchen  „differentialen" 
Fällen  mit  relativ  großer  Wahrscheinlichkeit  schlieBen 
können,  daB  gerade  anoh  d  fär  P  maßgebend  ist,  d  also  in 
den  Merkmalkomplex  S^  hineingehört 

3.  In  vielen  Fällen  ist  es  möglich  und  vorteilhaft,  die 
negativen  Instanzen  nicht  nur  in  der  eben  erörterten  Weise 
znr  Nachprüfoag  zn  verwenden  ond  nur  ihren  negativen 
Charakter  zu  berücksichtigen,  sondern  sie  auch  positiv  als 
„komparative"  Instanzen  zu  verwerten.  Es  zeigt  sich 
nämlich  oft,  daß,  wenn  in  einem  S  ein  Merkmal  dnjroh  ein« 
Reihe  (vgl.  S.  576)  nach  einer  Begel  veränderlicher  Merk- 
male, also  z.  B.  im  Komplex  abde  d  erst  dnrch  d',  dann 
durch  d"  usf.  ersetzt  wird,  P  stets  eine  analoge ")  Beihe 
P',  P"  nsf.  durchläuft.  Dorch  die  Feststellnng  eines  solchen 
„ParallelismuB  der  Variationen"  wird  gleichfalls  die  Gewiß- 
heit für  das  Schlufinrteil  erhöht  Insbesondere  wird  dies 
dann  der  Fall  sein,  wenn  bestimmte  quantitative  Beziehungen 
unter  d,  d',  d"  nsf.  und  unter  den  bestimmten  zugehörigen 
P,  K,  P"  usf.  immer  in  gleicher  Weise  festzustellen  sind. 
Damit  erhält  man  zugleich  statt  eines  einzigen  induktiven 
SehluBurteils  eine  zusammenhängende  Beihe  von  solchen. 
Die  einzelnen  d's  und  die  einzelnen  F's  erweisen  sich  als 
Glieder  eines  noch  allgemeineren  gesetzmäßigen, 
z.  B.  kausalen  Znsammenhangs;  die  d's  und  die  P's 
stehen  im  Verhältnis  einer  „Zuordnung",  oder  P  ist  eine 
Funktion  von  d.  In  vielen  Wissenschaften  haben  diese 
Beihen  einen  ontogenetischen  oder  phylogenetischen  oder 
onto-  und  phylogenetischen  Charakter  (Parallelismus  der 
^Entwicklung).  Baco  bezeichnet  eine  derartige  Zusammen- 
stellung als  Tabula  graduam  sive  oomparativae  (1.  c.  ^  13, 
vgl.  auch  '^  27  über  instantiae  conformes  sive  proportionales 
B.  parallelae),  hat  aber  allzu  einseitig  nur  oder  wenigstens 
vorwiegend  Intensitätereihen  im  Auge. 

4.  Von  wesentlicher  Bedeutung  ist  bei  den  positiven  wie 
bei  den  negativen  und  komparativen  Instanzen  die  Öftere, 
so  weit  möglich,  identische  Feststellung  jeder  ein- 
zelnen Instanz.  Nach  dem  allgemeinen  Indnktionsprinzip 
(S.  772)    ist  ja   allerdings  vorauszusetzen,    daß,    wenn    zu 

>>)  Vgl.  S.  76Ö  Ober  analoge  Verschiedenheit. 

D„:,i.,-iM,G00glc 


778       ^-  ''''i'-    ^B  eiocclDeo  logischen  Gebilde  und  ihr«  Gesetze. 

.  irgreudeiDer  Zeit  und  an  irg^eodeinem  Ort  ein  S  (z.  B. '-'-'  abcd) 
ein  Prädikat  P  bat,  letzteres  ihm  auch  stets  und  äberall 
(ceteris  paribnst)  zukommt,  und  eine  Bestätigimg  dieses  all- 
gemeinen Oeeetzes  kommt  bei  den  Induktionsscblfissen  aof 
einem  Spezialgebiet  gar  nicht  mehr  in  Frage.  Trotzdem  sind 
üolcbe  identische,  d.  h.  nur  zeitlich  oder  nur  zeitlich  and 
räumlich  variierende  Wiederholungen  schon  zu  dem  Zweck 
geboten,  um  nachzuprüfen,  ob  wirklich  kein  Merkmal  von 
S  übersehen  worden  ist,  also  die  Analyse  von  S  wirklich  voll- 
ständig war.  Fehler  der  Beobachtimg  und  der  Änaly« 
werden  sehr  oft  nur  durch  solche  Wiederholungen  enmttelt 
In  der  Begel  wird  es  freilich  nicht  zu  vermeiden  sein,  daS 
die  Wiederholungen  doch  nicht  ganz  identisch  sind,  sondern 
aach  inhaltlich,  d.  h.  in  den  Merkmalen  a,  b,  c  usf.  etwas 
abweichen  uid  also  doch  auf  eine  Vermehrnng  der 
ä-FäUe  durch  inhaltliche  Veränderung  hinauslaufen.  Wenig- 
stens aber  wird  man  versuchen  müssen,  speziell  die  ffir  S* 

in  Betracht  kommenden  Merkmale  (abd  unseres  Beispiels) 
völlig  identisch  bei  solchen  Wiederholungen  featzohalten. 
Einerseits  ist  also  Variation  von  a,  b,  d  geboten  (s.  unter  4) 
und  andrerseits  auch  identische  Wiederholung. 

5.  Besonders  wertvoll  sind  für  die  Sicherheit  des  lodok- 
tionsschlnsses  solche  Instanzen,  in  welchen  S  außer  den 
gemeinschaftlichen  Merkmalen,  z.  B.  ab  d,  nur  sehr  wenig 
andere,  ausnahmsweise  sc^ar  kein  einziges  anderes  Merkmal 
enthält.  Man  kann  solche  Instanzen  als  „reine  Fälle" 
bezeichnen.  Baco  rechnet  sie  mit  vielen  anderen  zu  den 
„instantiae  praerogativae",  ohne  klare  unterschiede  ansa- 
geben**). Ganz  allgemein  ist  ceteris  paribus  eine  Instanz 
um  so  wertvoller,  je  weniger  diflerente  Merkmale  (vgL  S.  762) 
sie  neben  den  gemeinsamen  enthält  Besonderen  Wert  habea 
begreiflicherweise  oft  auch  kontrapositorische  In- 
stanzen (vgl.  S.  548),  wie  abde  und  abdnon-e  oder  abd 
und  a  b  non-d,  sowohl  wenn  sie  positiv  wie  wenn  sie  negativ 
ausfallen  (sowohl  bei  „  —  P"  wie  hei  „nicht  —  P",  s.  oben 
unter  2). 


")  Er  unterscheidet  InstAnliae  solitame,  migrantes,  ostensivae  s.  Iüm- 
ralM  et  praedominaDles  (elucescenttae).  clandesünae,  constitutiTae,  eon- 
lormes  usf. 


i>,Cooglc 


3.  Eapilel.    Die  Lehre  von  den  Schlössen.  779 

6.  Die  Wahrscheinlichkeit  eines  Indnktionsschlusses 
wächst  auch,  wenn  sich  koordinierte  Induktioas- 
schlnsse  und  ein  superordinierter  Induktions- 
schluß nachweisen  lassen  oder  bereits  vorliegren.  Die  mei- 
sten Induktionsschlnsse  bekommen  erst  durch  die  Eingliede- 
rung in  ein  solches  System  wissenschaftliche  Bedeutung. 

Auf  Grund  der  angetübrten  Punkte  wird  es  nun  auch  veraländlich,  daS 
zuweilen  ein  einziges  S  zu  einem  Induktionsschlufl  von  sehr  großer  Wahr- 
scheinlichkeit ausreicht  (lUfaiUger  Induktionsschluß).  Zunächst  ist  nach  dem 
allgemeinen  Induktionsprinzip  der  ScbluS  von  einem  einzigen  S  auf  alle 
MZ  räumlich-zeitlich  von  ihm  verschiedenen  S  zuIäseiB,  voraus- 
gesetzt, daß  dies  S  sicher  beobachtet  ist,  und  da8  man  den  SchluB  eben  nur 
auf  lediglich  r&umlich- zeitlich  verschiedene  S  ausdehnt ")  (vgl  oben  unter  4). 
Aber  auch  auf  nicht  nur  rftumlich- zeitlich,  sondern  auch  anderweitig  (inhalt- 
licb)  Terschiedeoe  S  kann  aus  einem  S  bzw.  sehr  wenigen  S  unter  be- 
stuomten  Bedingungen  mit  gro&er  Wahrscheinlichkeit  geschlossen  werden, 
wenn  *')  das  beobachtete  S  ein  leiner  Fall  ist,  wenn  seine  Merkmale  ein- 
wandfrei festgestellt  sind,  und  wenn  er  sich  einem  „System"  ko-  und  super- 
ordinierter  InduktionsschlOsse  einfügt.  So  ist  beispielsweise  von  dem  filtesten 
fossilen  Vogel,  dem  Aichaeopteryz,  nur  ein  einziges  leidlich  voUsUlndiges 
Exemplar  bekannt,  und  dieses  zeigt  einen  bezahnten  Kiefer.  Wir  sprechen 
nun  auf  Grund  dieses  einen  S  mit  groBer  Sicherheit  den  allgemeinen  Salz 
aus,  dafi  alle  Archaeopleryxindividuen  i»)  (und  eventuell  nicht  nur  die  Art, 
sondern  auch  die  ganze  übergeordnete  Gattung  und  Familie)  bezahnt  ge- 
wesen sind,  und  wir  kOmten  dies  vor  allem  deshalb,  weil  koordinierte  In- 
duktionsschlosse uns  in  groBer  Zahl  zur  Verfügung  stehen;  manche  Vogel- 
gnippen  der  Kreidezeit  sind  in  ahnlicher  Weise  bezahnt,  in  der  Entwicklung 
der  rezenten  Vögel  treten  vorübergehend  zahnarlige  Gebilde  im  Kiefer  auf 
(biogenetisches  Grundgesetz),  die  reptilienfthnlichen,  zum  Teil  schon  vogel&hn- 
lieben  Vorfahren  des  Archaeopteryx  (Compsognathus)  waren  bezahnt  usl.  — 
E»  verlohnt  sich  auch,  noch  kurz  etwas  bei  dem  eigentümlichen  Charakter 
dieser  auf  ein  S  gegründeten  InduktionsschlOsse  zu  verweilen.  Wir  werden 
doch  fragen  müssen :  wo  bleibt  hier  der  scbuhnABige  Untersatz,  der  in  jedem 
Induktionsschluß  die  Ähnlichkeit  zwischen  den  S',  S"  usf.  aussagen  soll? 
Hier  scheint  er  zu  fehlen  und  der  ScfaluB  sonach  nur  eine  Prämisse  zu 
liaben.  Tatsächlich  fehlt  der  Untersatz  nicht,  und  zwar  lautet  er:  „Auller 
dem  einen  im  Obersatz  angeführten  S  sind  auf  Grund  andrer  Erfahrungen 
noch  zahlreiche  andere  S  anzunehmen,  die  dem  S  des  Obersatzes  gleich  bzw. 
ähnlich  sind."  Es  ist  dies  ein  Satz,  der  im  Sinn  eines  Analogieschlusses 
oder  deduktiv  auf  Grund  des  Teitstückes  3  des  Analogie-  und  Induktions- 
priozips  (S.  763)  von  uns  ausgesprochen  wird.    Die  Obrigen  S  werden  alM 

")  Die  moderne  Rdativitätslheorie  bietet  manche  Beispiele  ran  Ge- 
fahren, die  b$i  dieser  Ausdehnung  auftreten. 

'■)  Daß  negative  Instanzen  fehlen  mOssen,  ist  als  selbstverständlich  gar 
nicht  erwUmt 

'*)  Im  Interesse  der  logischen  Genauigkeit  beachte  man,  dafi  diese 
Individuen  nicht  wie  Wasseistoffatome  (S.  383)  nur  rftumtfch-zeitlich,  sondern 
auch  in  manchen  qualitativen  Nebeneigenschaften  verschieden  sind. 


OgIC 


780       ^^*  '^'"-    ^^  eiDEdnen  lonschen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

als  FbubUBnorstetlunBeo  {S.  346)  von  mir  hinzugedacht.  So  Dehme  A 
z.  B.  mit  grOBler  Sicherheit  an,  da£  aiiBer  ienem  einen  bxw.  zwei  Esempluen 
des  Archaeopteryx  noch  zahlreiche  andere  gelebt  haben,  und  konstniiere  in 
meiner  Phantasie  aus  diesen  hiniusedachten  anderen  Exemplaren  eine  Art 
und  weiter  eine  Gattuns  Archaeopteryx  usf.  und  beanspruche  nüt  ilkn 
Recht  für  die  frühere  Existenz  dieser  Gattung  und  für  ihr  Bezahntsain  einen 
ftuSerst  hohen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit. 

Noch  eine  weitere  Folgerung,  aul  die  namentlich  J.  St  Uill  die  Anhnafc- 
samkeit  gelenkt  Iiat,  ergibt  sich  aus  dem  Vorhergehenden:  Die  meisten,  wena 
nicht  alle  Merkmale  sind  in  mehrere  Oesetzm&Bigkeiteu,  wie  wir  säe  doidi 
iDduktionsschlOsse  feststellen,  eingeOochten.  Solche  P's,  die  an  sehr  ndm 
fietrennten  GeselzmftSigkeiten  beteiligt  und  daher  variabel  sind,  wefdes 
in  der  Begel  nur  unsichere  InduktionsschlQsse  Restatten.  Dahin  gehört  cR 
die  Farbe  organischer  Gebilde.  Die  weiBe  Farbe  des  Schwans  und  die 
„weiBe"  Farbe  der  menschlichen  Haut  (MiU)  sind  jahrhundertehms  auf  Grand 
unzähliger  S  für  ein  allgemeingOItiges  Heikmal  in  Europa  gehalten  xroidn 
und  haben  sich  doch  als  nicht  allgemeingflltig  erwiesen.  Gegen  das  T«- 
kommen  blauer  Haare  bei  dem  Menschen  spricht  eine  ungeheure  Zahl  tm 
S-FIllen,  und  doch  wird  man  es,  rein  logisch  betrachtet,  nicht  so  unbedinil 
ausschlieBen,  weil  es  sich  et>en  um  ein  Merkmal  handelt,  das  unter  den  Eio- 
fluB  sehr  vieler  voneinander  unabhängiger  Qesetzm&Bigkeiten  steht  (ICt 
geburten,  „Menschen"  auf  anderen  Wettkörpem).  Dagegen  wird  m»"  die 
Teriagerung  der  Leber  in  den  Kopf  mit  viel  gr^fierer  Sicherheit  ausschlieteo, 
weil  erfahrungsgemäB  die  Verteilung  der  inneren  Organe  des  tierisclwD 
Körpers  auf  die  einzelnen  KOrperb&blen  zwar  von  einer  SuBerst  verwickeHea 
Gesetzm&Bigkeil,  aber  nicht  von  vielen  gegenseitig  unabb&ngigen  Geseb- 
onABigkeiten  bedingt  wird  und  daher  sehr  konstant  ist.  Man  denke  aber  aadi 
in  diesem  Fall  an  MiBgeburten  usf. 

7.  Die  Er^äuznng  dnrch  künstlich,  ä.  h.  willkürlieh 
herbeiffeführte  S-Fälle,  mit  anderen  Worten  dar  oh  sof- 
Experimente  ")  ist  für  nneere  vifieenachaftUchen  Indoktions- 
schläsBe  bei  vielen  Fragen  nnerläßlich,  tun  aosreicbende 
Oewifiheit  zn  erzielen.  Die  S-Fälle,  welche  ans  die  Erfahnmp 
ohne  noser  Zntan  liefert,  sind  in  der  Begel  so  spärlich  nnd 
so  wenig  rein  (s.  oben  \mter  5),  daß  sie  für  Sidoküoi»- 
schlüsse  wenig  geeignet  sind.  Wenn  wir  die  Oesetze  der 
Elektrizität  auf  Gmnd  gelegentlicher  Gewitter  and  andrer 
zufälliger,  zerstreuter  elektrischer  Ek^cheinnngea  induktiv 
feststellen  wollten,  kämen  wir  ober  einige  höchst  proble- 
matische Verrnntongen  nicht  hinaus.  Das  Experiment  hat 
also  die  Aufgabe,  uns  S-Fälle  in  größerer  Zahl  und  känstlicli 
vereinfacht  zu  verschaffen.    Indem  wir  im  Experiment  die 

")  Baco  (I.  c  I,  8^  spricht  ausdrOcfcUch  von  esperientia  quaesita 
=  experimentum,  während  in  der  Scholastik  das  Wort  experimentum  noch 
nicht  die  prägnante  Bedeutung  wie  beute  hatte,  sondern  dasselbe  bedeutete 
wie  experientia,  abo  die  Erfahrung  ganz  allgemein.  Vgl.  auch  I.  c.  1,  99 
und  De  augm.  sc.  V,  Kap.  2. 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  ScbtOssen.  7g][ 

Zahl  der  m-Merkiuale  zunächst  maximal  reduzieren  und 
dann  allmählich  vergrößern,  können  wir  Indaktionsschluß 
anf  Indnktionsschlnä  „b  y  n  t  h  e  t  i  b  c  h"  aufbauen  und  damit 
auch  den  unter  6  geforderten  systematischen  Znsammenhang 
erreichen.  Auch  die  reihenweise  komparative  Verfolgung 
der  Instanzen,  wie  sie  oben  unter  3  sich  als  rätlich  erwies, 
läfit  sich  fast  stets  nur  experimentell  verwirklichen.  Zu- 
weilen haben  sich  auch  die  Zweifel  in  dem  Fall  eines  be- 
stimmten Induktionsschlu^es  so  zugespitzt  und  eingeengt, 
daB  nur  noch  eine  bestimmte  Frage  zu  erledigen  ist,  z.  B. 
ob  d  zu  dem  S'^  des  Schlnfiurteils  gehört  oder  nicht  >Die 
Elrgänzung  durch  das  Experiment  kann  sich  dann  darauf 
beschränken,  dafi  wir  durch  das  Experiment  uns  eine  In- 
atanz mit  d  und  eine  ohne  d  verschaffen  (vorausgesetzt,  daß 
die  Erfahrung  ohne  unser  Zutun  ans  ein  solches  Paar  nicht 
liefert).  Man  spricht  dimn  von  einem  Ezperimentnm  crucis 
(Instantia  crucis,  Baco  1.  c.  ^  36).  Jedenfalls  sollen  alle  diese 
Experimente  in  dem  Sinn  systematisch  sein,  daß  sie 
bestimmten  Fragestellungen  lückenlos  entsprechen  (lege, 
seriatim  et  contineuter  procedere  im  Gegensatz  zur  vaga 
experientia,  Baco,  1.  c.  I,  100). 

8.  Um  die  Answahl  der  S,  namentlich  der  experimen- 
tellen, zweckmäßig  zu  gestalten,  insbesondere  auch  um  zu 
bestimmten  Fragiestellungen  zu  gelangen,  werden  oft  dem  In- 
dnktionsschlnß  Hypothesen  vorausgeschickt  werden  müssen. 
Es  wird  anf  Grund  einer  unzureichenden  S-Beihe  ganz  im 
Sinne  eines  gewöhnlichen  Indoktionsscliliisses  ein  vorläufiges 
Schlußnrteil  gebildet,  das  infolge  der  unzulänglichen  Prä- 
missen nur  auf  eine  sehr  beschränkte  Wahrscheinlichkeit 
Ajupmeh  macheu  kann,  und  auf  diese  „Hypothese"  bin  eine 
bestimmte  Fragestellung,  die  durch  Experin^nta  crucis  (s. 
oben)  erledigt  werden  kann,  formuliert.  Diese  Fragestellung 
kann  oft  auch  in  die  Form  eines  hypothetischen  Urteils  (vgl. 
§  120)  gekleidet  werden:  ich  nehme  auf  Grund  einer  un- 
zureichenden S-Beihe  an,  daß  ein  bestimmtes  S^  mit  be- 
stimmten Merkmalen  das  Prädikat  P  hat,  ziehe  aus  dieser 
Annahme  die  Folgerung  „wenn  S^  —  P,  dann  gilt  auch 
3"  —  Q"  nnd  stelle  nun  fest,  ob  diese  Folgerung  zutrifft. 
Trifft  sie  nicht  zu,  so  schließe  ich  nach  dem  Modus  toUens, 
daß  meine  vorläufige  Hypothese  falsch  war,  nnd  stelle  eine 
andere  auf. 


n,g,t,7rJM,GOOglC 


782       ^-  ^^'-    '^^  einteilten  loeischen  Gebilde  und  ihr«  Gesetz«. 

Das  Aufstellen  solcher  Hrpolhesen  flndel  zwar,  losiscb  betraditel, 
im  Sinn  eines  Induktionsschlusses  sUtt;  psTcbolofiscb  Uult  es  sehr  oft  im 
Sinn  unbewußter  Assoziationen  ab  (vgl.  S.  S9i  über  latente  Urteile).  Geiad» 
der  geniale  Kopf  achtftgt  in  seinem  tatsächlichen  Denken  sehr  oft  diesen  od- 
bewuBten  Weg  ein.  —  Das  Wort  iWö^«»  kommt  in  verwandter  Bedeutnnc. 
aber  nicht  in  nwzieller  Beziehung  zur  Induktion  schon  bei  Aristoteles  nt 
(Akad.  AuM.  76b  u.  72a);  es  hat  bei  ihm  auOerdem  die  NebenbedeBtom: 
eines  Satzes,  dessen  Galligkeit  zum  Beweis  eines  anderen  Salzes  criorderii* 
ist  und  diesem  daher  zugrunde  liegt ")  (Akad.  Ausg.  1018).  Auch  bei  seise* 
Schalem  sind  die  beideu  Bedeutungen  des  Wortes  —  einerseits  Annahiw, 
andrerseits  Voraussetzung  —  noch  nicht  scharf  unterschieden.  VgL  asdi 
S.  698  u.  744  über  hypothetische  thleüe  hzw.  Schlüsse.  In  der  mittelaltei^ 
liehen  Logik  kam  eine  neue  Komplikation  der  Terminologie  hinzu,  insolRii 
man  auch  die  Einselzung  eines  substantivischen  BegriOes  für  einen  andere* 
(z.  B.  Mensch  für  S(ATates)  als  rfnöfta«  oder  suppositio  bezeichnete  (igL 
z.  B.  Psellus,£cf'a(tw  V,  26,  3,  ed.  Ehinger,  S.  312).  Die  heute  abliebe  Be- 
deutung scheint  das  Wort  namentlich  durch  Keplers  Schriften  bekommen  la 
haben  (vgl.  z.  B.  Opp.  ed.  Frisch  Bd.  1,  S.  2BS). 

9.  Da  jeder  induktive  Schluß,  auch  rein  formal  be- 
trachtet, unsicher  ist,  bo  bedarf  er  der  BestSüffung  (YeA- 
flkatlon).  Diese  kann  wiederum  nur  durch  die  Erfahrung 
an  neuen  S  gewonnen  werden.  Es  haftet  also  —  anders  aos- 
gedrückt  —  auch  dem  definitiven  IndaktionsschluB  aoeh 
immer  der  Charakter  einer  Hypothese  an.  Auch  die  nenen 
bestätigenden  S-Fälle  können  entweder  zufällig  von  der  Er 
fahrung  oder  absichtlich  und  systematisch  durch  das  Exp^- 
ment  geliefert  werden.  Will  man  das  ganze  VerifikationB- 
verfahren  rein  logisch  formolieren,  so  kann  man  sagen:  wir 
machen  das  Schlnßarteil  des  Induktionsschlnsses  zum  Ober- 
satz eines  Syllogismus  (z.  B.  von  der  Form  Barbara),  also 
etwa  S'  —  P,  subsumieren  ihm  in  einem  Untersatz  ein  neues 
S,  also  z.  B.  S" —  S*,  schließen  S" —  P  nnd  prüfen,  indem 
wir  dieses  Schlnßarteil  als  „Aimabme"  betrachten,  ob  ee 
tatsächlich  zntrifft  Es  kommt  also  zu  der  sub  8  erörterten 
konsequentialen  Verifikation  (ans  den  Folgen)  eine  kasu- 
istische (aus  anderen  S-Fällen)  hinzu. 

Historisches.  Aristoteles  (Akad.  Aus3.  1078b,  27)  führt  dit 
AimrwaJ  Uy»*,  d.  h,  eben  die  induktiven  Sciiiüsse  und  Beweisfoimen. 
wie  sie  Aristoteles  verstand,  auf  Sokrates  zurück.  In  der  Tat  versocU 
Sokrates  in  seinen  Gespiichen,  gerade  weil  es  ihm  darauf  ankoromt,  zu  Defi- 
nitionen von  Allgemeinbegriffen  zu  gelangen  und  mit  ihrer  Hilfe  dann  phite- 
sophische  Probleme  subsumierend  zu  lösen,  aus  einzelnen  wenig«  *U- 
genteinen  Beispielen  einen  allgemeinen  Salz  herzuleiten  (vgl.  XenophoD, 
Meroor&b.  IV,  8,  13).     General isation  von  Begrifien  unct  induktiver  Schlot 


")  Vgl.  auch  Plalo,  Phaed.  107  B,  Republ  610  B  u.  638C. 


3.  K&pifel.    Die  Lehre  von  den  ScMflsaen.  7g3 

sind  weder  bei  ihm  noch  bei  Plato  scharf  gesondert.  Aristoteles  bezeichnet 
das  induktive  Verfahren  alsiaaytiyjj  und  definiert  die  ia.  als  .$  ^c  iwr  kmS^ 
tttmor  M  tä  McM'lov  fywfef  *  (Akad.  Ausg.  106  a,  13  u.  81  b,  1).  Die  Gr^ze 
mischen  Gener&lisatioD  von  Begriffen  und'  induktivem  SchhiB  zieht  er 
nieistens  schad,  zwischen  dem  induktiven  SchluS  und  dem  induktiven  Beweis 
(induktivem  Verfahren'  im  allgemeinen),  die  in  der  Tat  durch  mannigfache 
Überginge  zusnmdtenhitngen,  unterscheidet  er  nicht  genau,  im  einzehien  ist 
seine  Darstellung,  so  wie  sie  Oberliefert  ist,  wenig  klar  und  einleuchtend,  wie 
schon  Ramus  in  seinen  Scholae  dialect.  bemerkt.  Oft  bat  man  vermutet,  er 
habe  Überhaupt  nur  die  sog.  vollständige  Induklion  (vgl.  S.  770)  im  Auge 
gehabt.  Jedenfalls  ist  sein  Versuch,  die  Induktion  auf  den  Syllogismus 
zurückzufahren,  noch  weniger  gelungen  als  der  S.  773  angeführte.  Ober  den 
aristotelischen  Standpunkt  kam  weder  das  Altertum  noch  das  Mittelalter 
heraus.  Über  etwaige  Leistungen  der  Epikureer  (S.  42)  s.  Fr.  Bahnsch,  Des 
Epik.  Philodemus  Schnft  nc^  viifielmf  mi  «^/inmffitw,  Lyck  1870  (¥b.  lebte 
zur  Zeit  Ciceros).  Bemerkenswert  sind  nur  die  Einwilnde  der  Skeptiker  gegen 
die  SchlQssigkeit  der  Induktion  (Sextus  Empij-.,  Pyrihon.  Hypot.  U,  1Ö5,  ed. 
Bdker  S.  102).  In  der  lateinischen  Terminologie  wurde  btaymy^  mit  in- 
dudio  öbersetit  und  der  ratiocinatio,  d.  h.  dem  Syllogismus  gegenObergestellt 
(Qu.  Ctomiflcius,  Rhetor.  ad  Herenn.  lU,  16,  28,  ed.  Spengel,  Lips.  186*, 
S.  109,  hier  noch  sehr  unbestimmt;  Cicero,  De  invent.  I,  cap.  35,  §  61; 
BoHhiua,  ed,.  Miene  Bd.  64,  S.  281  u.  706).  Die  Qbliche  Definition  des  Mittel- 
alters gibt  a.  B.  Petrus  Hispanua  (Summ,  log.,  ed.  Col.  Agr.  1622.  Tract  V, 
S.  270)  mit  folgenden  Worten  wieder:  „inductio  est  a  singularibus  sufficienter 
enumeratis  ad  universale  progressio."  Thomas  v.  Aquino  fügt  zu  singulari- 
bus ausdrücklich  hinzu  ,.quae  sunt  manifesta  ad  sensum"  und  unterscheidet 
inductio  complela  und  incompleta  [In  AnalTt.  post.  I,  Lect.  1,  3  u.  8,  Opp. 
omnia,  Parmae  1865,  Bd.  18,  S.  86,  89  u.  97;  hier  fehlt  „ad  sensum").  Erst 
in  der  spateren  Schdastik  beginnt  ein  lebl^tes  Interesse  fOr  die  Erfahrung 
und  damit  für  die  Induktionsschlüsse  sich  zu  regen.  So  erklärt  Occam 
(Quodlib.  V,  iiu.  2):  conclusiones  compositae  es  illis  erunt  tüterius  Talionis 
quarum  una  est  nata  sciri  per  demonstrationem  alia  per  eiperientiam  (s. 
auch  Summa  toL  log.  I.  31  u.  SS).  Noch  bestimmter  weist  Buridan  (S.  86) 
auf  die  Bedeutung  des  eiperimentum  und  der  instantiae  hin  (In  Melaphys.  I. 
qu.  8,  f.  7  nach  Pranll). 

Die  naturwissenschaftlichen  Forschungen  der  Übergangszeit  tiaben  dann 
dem  Induktion  sscbluB  zunächst  im  Bereich  des  naturwissenschaftlichen 
Denkens  zur  Iferrschaft  verholfen.  Eine  theoretische  und  praktische  Methoden- 
lehre  der  Induktion  gab  Baco,  obwohl  er  selbst  von  ans  totelisch -scholastischen 
Vorurteilen  durchaus  nicht  frei  war  und  sie  auch  allenthalben  in  seine  In- 
dnktionslehre  einmengte.  Seine  Hauptgedanken  sind  oben  bereits  ausreichend 
herOcksicbtigt  worden.  In  der  Folgezeil  wax  die  Cartesius-Leibnizache  Rich- 
tung der  nülosophie  und  speziell  der  Logik  dem  Ausbau  der  Induktionsldu« 
nicht  günstig,  da  Oberall  eine  certitudo  arithmeticis  et  geometricis  demoBstra- 
tionibus  aequalis  gefordert  wurde  (Carteslus,  R^.  ad  dir.  ing.  11,  6,  ed. 
Bnchenau  S.  6)  und  man  mit  der  Induklion  die  Philosophie  dem  Skeptizismus 
verfallen  wfthnte  (Leibniz.  M.  Niz.  de  veris  princ.  etc..  Gerb.  Ausg.  IV, 
S.  161  u.  Nouv.  Ess.,  Buch  i).  Wolfl  (Logica  §  477)  spricht  als  Fundamentum 
indudionis  den  Satz  aus:  „Quod  de  singulis  inferioribus  alfirmari  vel  negari 
potest,  idem  etiam  de  superiori  universaliter  affinnari  vel  negari  debet.  sub 
quo  inferiora  ista  continentur"  und  setzt  in  seinem  Beweis  ganz  harmlos 

h.  !■,  ii.l^.OOQIC 


7S4        IV.  Teil.    Die  ginzelnan  ioBBcbeo  Gebilde  und  ihre  Geadze. 

voraus,  daß  „onmia  inleriDra"  gegeben  seien.  Etwas  fconekter,  aber  doch 
auch  Doch  recht  unklar  ist  ein  wetterer  Beweisvenuch  t.  c  S  334  (yü-  uicb 
%  706  ff.}.  Wie  5.  772  besprochen,  glaubte  er  jeden  InduktionsschloB  aui 
einen  SrUogiamus  zurtcMühren  zu  können,  dessen  Oberaatz  das  «llgp meine 
InduktioDSpmmp  ist,  und  rechnete  die  inducüo,  da  dieser  Öbersatz  gewöhn- 
lich nicht  ausdrOcklich  formuliert  vifd,  zu  den  Enthymemen  ^.  Dcaisetben 
Standpunkt  nimmt  Baumgarten  ein,  der  inductio  mit  „Zemliedeni ngsaehlnE" 
Oberaetzt  (Acroas.  log.',  §  396  S.).  Über  Kants  Standpunkt  9.  S.  766f.  Uefar 
Beachtung  fand  der  InduktionsschluS  bei  der  empirischen  BtcbtuoK.  Einm 
wiAlicben  Fortschritt  in  der  Theorie  der  Induktion  finden  wir  erat  bei  Home, 
den  Erdmann  sogar  als  ihren  BegrOnder  bezeichnet  Freilich  liegt  dieser 
Forlschiilt  in)  wesentUchen  nur  auf  eAenntnistheoretiscbem  und  psrdto- 
logiachem,  nicht  auf  logischem  Gebiet  (vgl.  S.  115  t.).  Home  eeiict,  auf 
welchem  Weg  gewohnheilsm&Big  unser  Denken  nach  den  AsaoziationsKesetzai 
7.U  einem  FOrnahrhalten  (belief)  allgemeiner  Sätze  gelangt,  und  weldie  er- 
kenntnistheoretische Bedeutung  diesem  belief  zukommt,  nicht  aber,  welche« 
Prinzip  dem  InduklionsachluB  im  logiseben  Sinn  zugrunde  liegt  AuBerdem 
hat  er  durch  die  vorzugsweise  BerQcksicbtigung  der  KausalitUsbezidiDiig 
der  Ansicht  Vorschub  geleistet.  daS  die  Induktion  sich  auf  kausale  Urteilt 
bcschr&nke. 

Die  neuere  Hieorie  des  Induktionsschlusses  ist  von  J  ohn  Stuart  Hill 
ausgegangen.  W.  Hamilton  kann  trotz  vieler  schroBer  Gegenattze  als  sein 
Vorläufer  betrachtet  werden.  H.  unterschied  nlmlich  eine  fonnal  or  locical 
und  eine  material  or  philosophical  induction  (Logic,  Lect.  XVn,  2.  Aufl.. 
Bd.  1,  S.  819 ff).  Die  ersUre  schüeßt:  S',  S",  S"'  —  P;  S-,  S",  S"  werden 
ab  eine  Galtung  S'  gedacht  („are  conceived  to  constitule  all  S,  d.  h.  „Ihe 
whole  —  the  class  —  Ihe  genus"  S  ');  folglich  S' —  P,  Als  Beispiel  gibt 
H.:  „This^  that  and  Ihe  other  magnet  attract  Iran;  but  this,  tbat  and  tbt 
other  roagnet  are  all  magacts  (='are  conceived  to  constitute  Ibe  whole  class 
magnet);  tberefore,  all  ma<nets  attract  iron".  Die  teine  Logik,  bemerkt  H. 
gegen  Wbately,  hat  sich  nicht  darum  zu  kOmmern,  ob  die  drei  im  Obersali 
angeführten  Magneten  alle  lifagneten  sind.  Der  Logiker  nimmt  dies  einlach 
an  und  darf  es  armehmen,  wenn  die  Annahme  keinen  logischen  Widerspracfa 
(contradiclion  in  terms)  enth&lt;  um  die  materiate  Richtigkeit  braucht  er  sich 
nicht  zu  kommem.  Es  handelt  sich  also  um  eine  Enumeratio  Simplex  (s. 
S.  776),  die  gewisse nnuBen  selbstberrlicfa  erklärt:  ich  steHe  ein  Genus,  einen 
AUgenteinbeffriff  dar.  Diese  erste  Handltonsche  Form  der  Induktion  bestebt 
nun  offenbar,  so  interessant  dieser  rein-logische  Standpunkt  auch  erscheiD« 
mag,  nicht  zu  Hecht  Eine  endliche  Zahl  von  Individuen  darf  niemals  einem 
Allgemeinbegriff  gleichgesetzt  werden;  datin  liegt  auch  logisch  ein  Wid«- 
spruch.  Der  transgreasive  Cbankter  des  AUgemeinbegrifls  wird  Obersefaen, 
Belegung  und  Umfang  verwechselt  (vgl.  §  72  u.  88).  Die  zweite  Ramiltonsclw 
Form,  die  materiale  oder  philosophische  Induktion  (inference  of  induction. 
logical  or  philosophical  presumption,  L  c.  Lect  XXXII,  n,  S.  166  B.  u.  S75) 
deckt  sich  mit  unserem  induktiven  SchluB,  und  H.  hat  schon  ganz  ricbtii 
erkannt,  daB  das  Prinzip  dieser  Induktion  die  supposed  uniformity  of  nalurF 
ist;  auch  hebt  er  bereits  den  Unterschied  zwischen  essentiat  qualities  and 


")  Er  hat  diese  Lehre  übrigens  wohl  Schramm  entlehnt  (Afist.  Philo- 
soph. Principia,  Uelmst  1718,  S.  27  nach  Hamillon). 


3.  Eftpitel.    Die  Lehre  von  den  Schlössen.  7g5 

accideatial  qualiUes  hervoi  (freilich  nur  mit  Bezug  auf  F)  und  verluiit,  daß 
S^  eine  natürliche  Klasse  (natural  ctass}  iaL  An  diese  letzten  Sätze  schlieBen 
sich  inhaltlich  die  Lehren. Mills  unmittelbar  an^).  Das  Grundprinzip  der 
Induktion  ist  auch  nach  Mill  der  Salz  von  der  Gleichförmigkeit  der  Natur  '*) 
i,„tbat  Ihe  course  of  nature  is  imifonrt",  Syst.  of  log.  III,  3,  1).  Unser  Denkea 
brinst  —  lehrt  Mill  weiter  — ,  indem  es  induktiv  zu  einem  allgemeinen  Satz 
gelangt,  nicht  durch  seine  eigene  Täti^eit  ein  neues  Element  hinzu,  wie 
Whewell  (vgl.  S.  l&J)  meinte,  noch  weniger  handelt  es  sich  um  eine  intuitive 
Überzeugung,  di«  wir  im  Sinn  eines  „first  principle"  auf  Gnmd  dec  Eon' 
stitution  unseres  Verstandes  (the  Constitution  of  the  mind  itsell)  von  vorn- 
herein haben,  wie  Reid  und  Stewart  (Reid,  On  the  intcll.  powers  VI,  6, 
Woriw,  Edinb.  18*8.  S.  451  *■>);  Stewart,  Elem.  of  the  phil.  of  the  hum.  mind. 
Coli.  Works  Bd.  3,  S.  19*  u.  830  Ö.;  s.  auch  dies  Werk  S,  116)  behaupten, 
sondein  wir  stellen  dies  Prinzip  lediglich  auf  Grund  unaren  Erfahrung  auf 
(I  reg&rd  it  as  itaelf  a  generalization  ot  experience,  s.  auch  L  c  DI,  21,  2). 
Das  groBe  Verdienst  von  Mill  besteht  nun  darin,  daB  er  zu  zeigen  versucht, 
in  welchem  Sinn  und  innerhalb  welcher  Grenzen  die  GleichiOnni^eit  der 
Natur  zu  InduktionsschlOssen  von  relativ  sehr  großer  Sicherheit  fohren  kann. 
Seine  Hauptsätze  sind  folgende:  die  Gleichförmigkeit  der  Natur  ist  «in  aus 
vielen  einzelnen  Gleichförmigkeiten  zusammengesetzter  Tatbestand;  zum 
Behuf  der  Induktion  massen  diese  Gleichförmigkeiten  auf  mSglichst  wenig 
primäre  zurackgefOhrt  und  die  letzteren  auf  den  einfachsten  Ausdruck  ge- 
bracht werden;  manche  Gleichförmigkeiten  sind  variabler,  andere  konstanter, 
die  wissenschaftliche  Indulrtion  muS  daher  jeden  einzelnen  InduktionsschluB 
prüfen  jmtet  Berü^sichtigung  solcher  ebenlalls  induktiv  gewonnener  Er- 
fahrungen Ober  die  Variabilität  und  Konstanz  der  einzelnen  Merkmale  und 
Merkmalkomplese  (L  c.  III,  i,  2);  die  InduktionsschlQsse  stehen  vielfach  in 
einem  Verhältnis  der  Sub-  und  Superordination,  so  daB  der  eine  zur  Siche- 
rung des  anderen  beiträgt  (vgl.  oben  S.  779  unter  6);  die  Voraussetzung  für 
jede  Induktion  ist  die  Zerlegung  der  gegebenen  Komplexe  in  ihre  Elemente 
(etwa  den  m's  unsrer  Darstellung  entsprechend).  Auf  Grund  dieser  Er- 
wägungen stellt  H.  vier  Metboden  des  induktiven  und  speziell  des  experi- 
mentellen induktiven  Verfahrens  auf  (l.  c.  III,  8):  method  of  agreement, 
ntetbod  of  difference,  method  of  residues  und  method  of  concoimtant  varia- 
lions  und  gibt  für  jede  regulierende  Prinzipien  („canons")  an.  So  lautet 
z.  B.  der  Canon  der  1.  Methode:  if  tno  or  more  instances  of  the  phenomenon 
under  investigation  have  only  one  circumstance  in  common,  the  circumstance 
in  which  alone  all  the  instances  agree,  is  the  cause  (or  effect}  ot  the  gtven 
phenomenon".     Sieht  man  von  der  einseitigen  Beschränkung  auf  kausale 


^)  Da  Hamiltons  Vorlesungen  über  Logik  erst  ISStjSO,  Hills  Haupt- 
werk aber  schon  18^  erschien,  so  liegt  der  Gedanke  nahe,  daß  unwdcehrt 
Hamilton  von  Mill  mit  seiner  Lehre  von  der  uniformity  of  nature  abhängig 
ist  Da  jedoch  die  Herausgeber  der  Hamiltonschen  Vorlesungen  ausdrOckUch 
erklären,  der  Text  derselben  sei  im  wesentbcben  schon  1887/83  entstanden, 
so  wird  die  Priorität  Mills  zweifelhaft. 

-*)  In  dem  engeren  Sinn,  daB  für  gleichartige  Wirkungen  in  der  Natur 
dieselben  Ursachen  anzunehmen  seien,  hatte  ihn  u.  a.  bereits  Newton  aus- 
gesprochen effectDum  naluralium  ejusdem  genesis  easdem  esse  cauaas). 

**)  übrigens  scheint  der  Terminus  „inducUve  priociple"  von  Reid  her- 
zurühren, siehe  seine  Abhandlung  Inwry  into  Ihe  hum.  mind,  Woiks  S.  199, 

Ziehau,  lAtirbach  der  LoKik.  50 


1,1^. OQi 


,g,c 


786        IV-  TeiL    Die  emsdnen  logiacben  Gebilde  und  ihre  GeaeUe. 

OesetzmiBidiatea  ab**),  so  bedeutet  dies  in  nnsrer  Zeicfaenapimcbe  etwa: 
S,  ab  cd  —  P,  8,  -aefg  —  P,  8,_r»bik  —  P;  8,,  8„  8,  unttf 
sich  ähnlich  nur  mit  Bezug  «uf  du  gemeinsune  a;:  3*.  _a  —  P  d.  !i- 
a  bat  (bedingt)  das  Uerkmal  P,  ist  z.  B.  die  Ursache  tou  F.  Die  UÜlscbe 
sprachliche  Formulienug  iat  Kdoch  nicht  ganz  racakt  (onUai«  Bedeutung  no 
phenomenon).  Auch  kommt  es  durchaus  nicht  darauf  an,  daS  gerade  mu 
e  i  n  gemeinsamer  Umstand  vorliegt,  wir  können  d)ensognt  an  Stelle  vm  a 
einen  Komplex  arst  setzen  (vgl.  S.  775 f.;  UiD  hat  mit  circumsiance  wohl 
auch  einen  solchen  Komples  gemränt).  Der  Kanon  der  8.  Methode  decU  sidk 
mit  unseren  kontrapositorischen  Instanzen  (S.  778),  Do-  Kanon  der  dritleii. 
flbrigens  aus  der  zweiten  ableitbaren  und  mit  Deduktion  konüiinierttB 
Methode  lauM:  „subduct  from  any  phenomenon  such  pari  as  is  known  br 
previoos  inductions  to  be  tbe  eflect  ot  certain  antecedents,  and  the  määat 
of  tbe  phenomenon  is  the  effect  of  the  remaining  antecedents".  In  unser 
Zeicbensprscbe  ließe  sich  dies  beupielswase  lolgendeimaBen  ans- 
drBelcen:  S,  abc  —  FFT";  8,  ra —  P";  S,  b  —  P";  folgM 
^  .  c  —  P"'.  Offenbar  geht  dies  Tert&hren  Ober  den  einlachen  Intbiktioiis- 
schluS  weil  hinaus  und  ist,  wie  auch  Hill  zum  Teil  hervorhebt,  nur  ontn 
erheblichen  Vorbehalten  znl&ssig.  Da  die  Komplexe  abc  utf .  nicht  einlacbe 
Summen,  sondern  ihre  Glieder  durch  mannigfache,  zum  Teil  sehr  verwickelte 
Relationen  verbunden  sind  (vgl.  S.  776,  Anm.  It),  sind  sokhe  einfocbe 
Additionen  und  Subtraktionen  nur  zur  ersten  Orientierung  erlaubt;  in  diesa 
Venrendung  erweisen  sie  sich  allerdings  heuristisch  von  unsch&tdtarem  Wert 
Der  Kanon  der  4.  Helhude  Uuft  im  wesentlii^en  auf  die  Erörterungen  S.  TTT 
unter  8  hinausL  Die  vier  genannten  Methoden  sollen  die  einzig  mCtficheo 
der  „direkten  Induktion"  sein.  SchlieBhch  hat  Hill  die  Induktionstheorie 
noch  wesentlich  dadurch  gelördert,  da8  er  —  im  Gegensatz  zu  Baco,  der  für 
die  Koexistenz  der  Eigenschaften  in  hypothetischen  Formen  (lormae)  dieselbe 
GleichfQnniskeit  und  GesetzmaBigkeit  wie  für  die  Sukzession  der  Erschei- 
nungen aimabm  —  nachdrücklich  hervorhob,  daQ  allgemeine  Gesetze  der 
Koexistenz,  die  den  allgemeinen  Gesetzen  der  Sukzession  (laws  of  causstion) 
enisprtcben,  fehlen  (1.  c.  m,  22,  4).  Im  Bereich  der  Koexistenz  gelangen 
wir  nur  zu  empirical  laws,  nicht  zu  laws  of  nature.  Immerhin  werden  auch 
die  empirischen  Koexistenzgesetze  um  so  gewisser,  ie  Bllsemeiner  sie  weiden. 
Auch  ist  zu  bedenken,  daß  viele,  wenn  nicht  alle  Koexistenzen  kausalen  Ur- 
sprungs sind.     Vgl.  S.  763i 

Seil  Mills  Weric  hat  die  Lehre  von  der  Induktion  keine  wesentliebeD 
Fortschritte  zu  verzeichnen.  Ernst  Fried r.  Apelt  (Die  Theorie  der 
Induktion,  Lpz.  18&i)  verauchte  den  induktiven  SchluB  als  einen  „SchluB  aus 
einer  disjunktiven  Regel"  zu  deuten  (1.  c  S.  17),  So  gestaltet  er  das  Planetes- 
beispiel  (s.  oben  S,  771)  folgendermaßen  um:  „das  Sonnensystem  bestebl 
aus  der  Sonne  und  den  Planeten  Merkur,  Venus  usf.^T);  Merkur  bewegt  sü 
von  Abend  gegen  Morgen,  Venus  desgleichen  «st.;:  alle  Planeten  bewegen 
sich  von  Abend  gegen  Morgen".  Nach  der  abheben  Terminologio  hatte  man 
im  Obersatz  von  einem  divisiven,  im  Untersatz  von  einem  kopulativen  urteil 


")  In  einem  spateren  Kapitel  (L  c.  m,  22)  wird  diese  Binseitigkal  nur 
zum  TeU  korrigiert  (uniformiües  ot  coeiisUnce  neben  uniformiUes  of  suf- 
cessioo).    S.  unten. 

h-h,„t2.."*»   ^eachle,  daß  A.  zum  Obersatz  macht,  was  wir  als  UnteraaU 
oetrachtet,  nttmhch  die  Aussage  über  die  Ähnlichkeit  (das  Gemeinsame)  der  a 


3.  Kapitel.    Die  Lriire  von  den  Schlössen.  7g7 

zg  eprecbeu.  Von  einer  Dbhinktion  im  Obersatz  kann  nur  in  Fällen  voll' 
ständicer  filschlich  sogenannter  Induktion  (S.  770)  gesprochen  werden  (also 
im  ancefOhrten  Planetenbeispiel,  wenn  man  es,  wie  üblich,  auf  die  alten 
Raneten  beachiänkt  und  diese  im  Ober-  und  Untersatz  sämtlich  aufzählt]. 
Bei  der  wirklichen,  d.  h.  unTollständigen  Induktion  liegt  nur  eine  unvoU- 
ständige  Division,  also  keine  DistonkUon  vor.  Abgesehen  von  diesem 
lenninologischen  Verstoß  ist  nun  aber  einzuwenden,  daB  es  lür  den  Induk- 
tionsschluß  nur  auf  die  Ähnlichkeit  der  S  und  die  auf  ihrer  Ähnlichkeit  be- 
ruhende Zugehörigkeit  zu  einem  AUeemeinbeerifi  S'  ankommt,  daB  dagegen 
die  Division  des  letzteren,  die  Apelt  im  Ohersatz  seines  Schemas  (unserem 
Untersatz)  einsetzen  will,  ganz  unwesentlich  ist.  A.  bemüht  sich  dahfer  auch 
ohne  Erfolg,  den  InduktionsschluS  einfach  syllo^stiscb  zu  fassen.  Vollends 
scheitert  A.s  Versuch,  den  Berechtigungsgrund  der  Induktion  aufzukui«n. 
Er  will  eine  empirische  und  eine  rationelle  unvollständige  Induktion  unter- 
scheiden. Die  ersteie  folgt  dem  Assoziationsgesetz  und  ist  nicht  reine  Sache 
der  Urteilskraft,  die  letztere  ist  im  Sinne  Kants  apriorisch  bedingt  und  daher 
vollkommen  sicher.  Wir  wissen  dank  den  Maximen  der  Urteilskiait  im 
voraus,  daB  die  Notwendigkdt  eines  Gesetzes  waltet.  A.  zählt  drei  derartige 
Maiiroen  auf  (1.  c.  S.  58):  „1.  die  Maxime  der  Einheit:  alle  menschliche  Er- 
kenntnis steht  unter  Gesetz  und  Regel,  2.  die  Maxime  der  HAnnigfaltigkrat : 
die  Tatsachen  \ierden  nicht  durch  Gesetz  und  Regel  gegeben,  sondern  durch 
die  Beobachtung,  &.  die  Maxime  der  Wissenschaft:  das  Prinzip  ist  das 
UnwOngliche  in  der  Erkenntnis;  das  Allgemeine  entspringt  nie  aus  dem 
Besonderen,  sondern  das  Besondere  unterliegt  den  allgemeinen  Bestim- 
mungen". Irgendwelchen  Beweis  fflr  die  hier  behauptete  Apriorität  des 
Induktionsprinzips  hat  A.  nicht  erbracht.  —  In  bezug  auf  den  disjunktiven 
Charakter  des  Induktionsschlusses  hat  sich  Schuppe  (Ericenntniatbeor.  Logik, 
Bonn  1878,  §  78)  teilweise  an  Apell  angescblossen,  ebenso  H.  Cohen 
(Log.  d.  reinen  Erkenntnis,  Beriin  1902,  S.  4901.).  An  Apelt  erinnert  auch 
der  Satz  von  H.  M&ier:  „das  deduktive  Element,  das  in  aller  Induktions- 
tStigkeit  des  Menschen  die  Voraussetzung  bildet,  hat  eine  apriorische  Wurzel" 
(Psych,  d.  emot.  Denkens,  Tob.  1908,  S.  305). 

Weitere  Literatur  aber  den  induktiven  Schluß  (nur  wichtigere 
Spezial&bbandlunsen):  R.  Benzoni,  L'induzione,  Qenova  1894*;  Amand 
BKchT,  L'induction  etc.,  Paris  1868*;  N.  v.  Bubnott,  Kant-Studien,  130^ 
Bd.  13,  S.  267  (auch  Heidelberg  1909);  Consbnich,  Arch.  f.  Gesch.  d.  PhUos., 
1892,  Bd.  3,  S.  302  (Induktion  bei  Aristoteles);  W.  G.  Davies.  Mind  1678, 
Bd.  3,  S.  417;  G.  Fonsegrive,  Rev.  philos.,  1896,  Bd.  41,  S.  358;  Tb.  Fowler, 
Inductive  logic,  3.  AufL  Oxford  1878;  J.  G.  Hibben,  Inductive  lo^c,  New  York 
1896;  Th.  Jacob,  IndukÜve  Erkenntnis,  Berlin  1881*;  J.  (H.?)  Lachelier,  Du 
fandement  de  l'induction,  Paris  1871,  2.  AufL  1896,  4.  Aufl.  1902  u.  Rev. 
Philo».  189Ü,  Bd.  40,  S.  609  u.  1896,  Bd.  43,  S.<  369;  P.  Leuckfeld,  Arch.  f. 
Gescb.  d.  PhUos.  1895.  Bd.  8.  N.  F.  Bd.  1,  S.  33.  10.  S.  340,  11,  S.  874 
i.  V.  Liebig,  Induktion  u.  Deduktion,  Maocbeu  1865  (Reden  u.  AU.,  Lpz. 
Heidelb.  187*.  S.  296—609);  0.  Fr.  Lipps,  Wundts  philos.  Slad-,  1901, 
Bd.  17,  S.  78,  namena  83(1.,  E.  Mach,  Erkenntn.  a  Irrtum,  Lpz.  1906, 
S.  2990.  (303);  Oh.  Merder,  A  new  bgic,  London  1912,  namentt.  Book  2; 
D.  Mercier.  Rev.  nto-scoL  1900.  Bd.  7,  S.  432;  Ern.  iVaville,  La  logique  de 
l'hrpothtee,  Paris  1860;  Adr.  Naville,  L'induction  dsjis  les  Sciences  pbT- 
siques,  Rev.  philos.  1890,  Bd.  29,  S.  62;  H.  Poiocare,  La  Science  et  l'brpo- 
lh*se,  Paris  1906,  S.  9  u.  167  ff.  u.  Science  et  mfithode,  Paris  1914,  S.  809; 

60* 


tY^IC 


788        ^-  Teil.    Die  eioEelnen  logiacbcn  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

W.  J.  Roberts,  Hind,  N.  S.  1909,  Bd.  18,  S.  638;  R.  v.  Schubeit-Soldem,  Vieilei- 
Äbreacbr.  f.  wiss.  Philos.  1906,  Bd.  30.  S.  60 ff.;  O.  SeiHert,  Beiträge  zu  den 
Theorien  des  Svllottismus  u.  der  Induktion,  Diss.  Breslau  1888;  ThillT,  fiäo- 
aopb.  Review  1906,  Bd.  12,  S.  401;  Jcbn  Venu,  The  piinciples  oE  empihad  or 
inductive  logic,  London  1S89,  namentl.  Kap.  14,  S.  9(3  B.;  W.  WbeweO,  CK 
induclion,  wilh  especial  referenoe  to  HiU'a  syBlem  of  lopc.  London  IStS': 
W.  Wundt,  Die  Logik  der  Cbeime.  Philo».  Stud.,  1883,  Bd.  1,  a  473. 

fi  ISS.  Mittelbare  fortechrettende  Sehlflne  oline  Mittet 
betriff,  Fortsetnug.  m.  FaradiKtnatiBolie  Sehlüsse.  AoBer 
den  AnalogieBchlüssen  (^  131)  nnd  den  iDdnktionascMüssen 
(^  132)  Bcheint  es  mir  zweckmäßig,  noch  eine  dritte  Klasse  der 
mittelbaren  fortschreitenden  Schlüsse  ohne  MittelbegnlT') 
za  anterschciden,  deren  Selbständigkeit  freilich  bisher 
meistens  nicht  anerkannt  worden  ist  Ich  unterscheide  also 
HL  Paradigmatlsehe  Sehie§8e. 

Ihre  eharakteristischen  Eigentümlichkeiten  aollen  znerfit 
an  einem  Beispiel  klargestellt  werden.  Wenn  der  Mathe- 
matiker beweisen  will,  daß  die  Winkclsimiiae  im  Dreieck 
2  B  beträgt,  so  pflegt  er  ein  bestimmtes  (indÜTidnelle^ 
Dreieck  ABC  zu  zeichnen  und  führt  den  Beweis  an  diesem- 
Diese  Beweisführung,  soweit  sie  sich  auf  das  bestimnite 
Dreieck  bezieht,  interessiert  uns  jetzt  nicht,  wohl  aber  die 
eigentümliche  Verallgemeinerung,  die  wir  mit  dem  Bewüs- 
ergebnis  vornehmen,  indem  wir  es  von  dem  einen  ein- 
zelnen Dreieck,  für  welches  der  Beweis  geführt  ist,  auf  alle 
Dreiecke  übertragen.  Auf  den  ersten  Blick  scheint  es,  als 
läge  hier  nur  einer  jener  oben  S.  779  besprochenen  ein- 
fälligen  Induktionsschlüsse  vor  (Archaeoptetyxbeispiet),  dir 
anf  eine  einzige  Instanz,  ein  S  gegründet  sind.  Soi^ältigeR 
Erwägung  ergibt  jedoch  wesentliche  unterschiede.  Vor 
allem  schreiben  wir  dieser  mathematischen  Verallgemeine- 
nmg  nicht  nur  Wahrscheinlichkeit  zu,  auf  welche  selbst  der 
sicherste  InduktionsschliiQ  doch  immer  beschränkt  bleibt 
sondern  absolute  Gewißheit  (vorausgesetzt  natürlich,  daß  der 
Beweis  an  dem  einzelnen  Dreieck  A  B  C  als  solcher  absolute 
Gewißheit  beansprachen  kann).  Außerdem  ist  aber  auch  der 
Denkprozeß  ein  andrer.  In  dem  Archaeopteryzfall  nehme 
ich  einfach  anf  Orund  analoger  Erfahrungen  bei  anderen 
Lebewesen  an,  daß  außer  dem  einen  beobachteten  S  noch 
viele  andere  ähnliche  Exemplare,  eine  „Gattnng"  S'  exi- 
stiert hat,  und  schreibe  nuu  dieser  ganzen  in  meiner  Plian- 

')  Unlen  (S.  79»)  wirf  sicli  allerdings  zeigen,  d«D  sich  bei  einer  be- 
Btimmten  TransfonDBlion  doch  ein  MiUelbegriB  ergibl. 

„.,,n,^.OOglC 


3.  Sapilel.    Die  Lshra  von  den  Schlössen.  7g9 

tasie  vorgestellten  Oattun?  daa  Merkmal  Bezahnung  (P)  zn, 
das  ich  an  dem  einen  Exemplar  S  beobachtet  habe.  Ganz 
anders  bei  meinem  SchluS  über  die  Winbelsnmme  im  Drei- 
eck! Hier  bin  ich  an  sich  durchaus  nicht  auf  das  eine  ge- 
zeichnete Dreieck  ABC  beschränkt,  ich  verzichte  aber  auf 
andere  Dreiecke  und  stelle  mir  dafür  in  der  Phantasie  alle 
Sberhanpt  nur  denkbaren  Dreiecke  mit  den  verschiedensten 
Winkeln  und  Seiten  vor  und  überzeuge  mich,  dafl  der  am 
A  A  B  C  geführte  Beweis  durch  die  Veränderung  der 
Winkel  und  Seiten  gar  nicht  beeinfiufit  würde,  mit  anderen 
Worten,  daß  für  den  Beweis  das  gemeinschi^tliche  Merkmal 
der  Dreieckigkeit  aoBpeicht.  Auf  Gmnd  dieser  Einsicht  ver- 
allgemeinere ich  dann  mein  Beweisergebnis.  Symbolisch 
ausgedruckt  stellt  sich  der  Verlauf  also  folgendermafien  dar: 
S  (d.  h.  A  A  BC)  laut  Beweis  — '  P  (d.  h.  hat  die  Winkel- 
amnme=:2B),  alle  nur  denkbaren'*),  in  meiner  Phantasie 
vorgestellten  8  —  ich  bezeichne  sie  weiterhin  mit  s  (also 
s',  s"  usf.)  —  sind  dem  S  bezüglich  der  Anwendbarkeit  des 
Beweises  vollkommen  gleich  imd  daher  ebenfalls  —  P; 
S  und  die  s',  s",  s'"  —  sind  vermöge  der  gemeinsamen  Merk- 
male m,  n  .  .  .  .  (in  unserem  Fall  etwa  Dreieckigkeit  nnd 
Ebenheit)  untereinander  ähnlich  nnd  bilden  die  Gattung 
S^  C  Fii  m  n . . .,  hier  ebenes  Dreieck) ; :  folglieh  Sf  —  P. 

Dieser  SohlnßprozeB  bedarf  nun  noch  der  Aufklärung 
im  einzelnen,  um  die  Unterschiede  gegenüber  dem  Analogie- 
schluß und  dem  InduktionsscbluB,  namentlich  dem  eiu- 
fälligen  (S.  779)  noch  »chärfer  festzustellen.  Charakteristisch 
ist  für  den  paradigmatischen  Schluß  in  erster  Linie  die 
eigenartige  Ergänzung  des  Materials  im  Obersatz.  Das 
S  (das  gezeichnete  A  ABC*),  an  dem  der  Beweis  geführt 
wird)  dient  gewisserma&en  nur  als  Bepräsentant  (vgl.  S.  337), 
als  Parad^cms  (=  Musterbeispiel),  daher  auch  die  von  mir 
vorgeschlagene   Bezeichnung  „paradigmatischcr  Schluß"*). 

1*}  Also  im  Sinn  des  Umfangs,  nicht  im  Sinn  der  Belesune  aufsefaßt. 

')  Es  liegt  übrigens  auf  der  Hand,  daB  ich  statt  des  gezeichneten  Drei- 
ecks auch  irgendein  in  der  Natur  schon  gegebenes  oder  auch  —  vas  sehr 
t>emerkenswerl  igt  —  ein  nur  vorgestelltes  Dreieck  venrerten  kann. 

')  Die  viellach  gebräuchliche  Bezeichnung  .mathematische  In- 
duktion" scheint  mir  unzweckmäSig,  weil  erstens  das  Attribut  „inaUie- 
matisch"  nur  das  Anwendungsgebiet,  aber  nicht  das  Wesen  des  Prozesses 
ausdrückt,  und  weil  zweitens  der  FrozeB  von  dei  typischen  Induktion  wesent- 
lich abweichL  — '  Über  die  Bedeutung  von  ntifäiuyßia  bei  Aristoteles  a. 
S.  766.    Die  ,^t*9wic'  von  Aristoteles  ist  eine  verallgemeinernd«  ExempM- 

„.,,n,^.OOglC 


790        '^*  '''^i'-    ^^  einzelnen  logiaclien  Gebilde  und  ihr«  Gesetze. 

Bei  dem  Analogieschluß  findet  dagegen  überhaupt  keine 
Ergänzung  des  Materials  statt.  Bei  dem  einfälligen  Indoi- 
tionsachlnß  (Ärchaeopterysbeispiel)  maB  nnsere  Phantasie 
zwar  eine  Ergänzung  vornehmen,  aber  diese  erfolgt  in  ganz 
anderer  Weise:  wir  greifen  aus  dem  einen  gegebenen  S 
(dem  bekannten  Archaeopteryxexemplar)  mehr  oder  weniger 
willkürlich  einige  Merkmale  als  konstant  (als  „Gattongs'^- 
merkmale)  heraus  und  denken  uns  nach  Analogie  besser 
bekannter  Tiergattungen  in  nnsrer  Phantasie  noch  eine  un- 
bestimmte Zahl  von  Exemplaren  ohne  feste  Begel  hinzu,  bei 
welchen  die  nicht  als  konstant  betrachteten  Merkmale  von 
denjenigen  des  gegebenen  S  abweichen.  Es  bleibt  also  die 
Gattungsb^renzung  einigerinafien  willkürlich,  die  Ergän- 
zung durch  weitere  8  unbestimmt,  regellos  nnd  unvoll- 
ständig. Anders  bei  der  paradigmatischen  Ergänzung.  Hier 
zieht  die  Phantasie  zur  Ergänzung  nach  einer  be- 
stimmten Begel  alle  s  heran,  die  zu  einer  scharf  be- 
stimmten Gattung  (Dreieck)  gehören.  Es  ist  anch  begreiflich, 
dafi  eine  solche  Transgression  uns  bei  dem  Archaeopteryi 
nicht,  dagegen  wohl  bei  dem  Dreieck  gelingt  Eine  äoBerst 
ausgedehnte  Erfahrung  zeigt  uns,  daß  Breiecke  nur  in 
einigen  wenigen  ganz  bestimmten  Bichtungen  variieren 
(Seitenlänge,  Winkelgröße).  Bezüglich  des  Archaeopteryz 
wissen  wir  nicht  einmal  sicher,  weiche  Merkmale  wir 
—  entsprechend  der  Dreieckigkeit  der  Dreiecke  —  als  un- 
veränderliche festhalten  sollen,  und  erst  recht  nicht,  nacb 
.  welchen  von  den  unzähligen  denkbaren  Bichtungen  wir  die 
veränderlichen  Merkmale  variieren  sollen  nnd  dürfen,  ohne 
den  Begriff  „Archaeopteryx"  aufzugeben. 

Psychologisch  ist  diese  Phantasieersänztins  nicht  so  zu  ver- 
stehen^ als  ob  irir  etwa  in  unserer  Phantasie  tats&chUch  alle  denkbaieD 
Dreiecke  duicbmusterten,  sondern  es  handelt  sich  nur  um  einen  summariacheii 
Überblick,  bei  vrelchem  wir  höchstens  einige  BaupHypen  etwas  deuUicber 
herausgreilen  *)  und  nach  Bedarf  diese  uns  sogar  durch  besondere  neue 
Zeichnungen  vergegenwärtigen  (vgl.  z.  B.  die  bekannte  dreilache  Beweis- 
fOhning  für  den  Satz  vom  Zentri-  und  Peripherie»  inkel).     Wir  denken  uns 

kation,  die  sich  mit  dem  paradigmatischen  Schluß  nicht  deckt  (vjL  hiMzu 
H.  Maier,  Die  Syllogislik  des  Aristoteles  n,  S.  453). 

*)  Man  beachte,  daß  also  die  Auswahl  der  s  im  Oberaatz  C,Dreieck'; 
•cbon  von  der  im  Untersatz  formulierten  AbnUchkeit  abhängt 

')  In  dieser  Beziehung  ist  sehr  charakteristisch,  daB  die  alten  Mathe- 
matiker den  Satz  von  de*  Winkelsumme  im  Dreieck  gesondert  erst  für  dis 
gleichswlige,  dann  lör  das  gleichschenklige  und  schlieBlidi  für  das  ungteidi- 
Belüge  bewiesen. 


3.  EapiUL    Die  Lehre  von  den  Schlfisaen.  791 

eine  Heretellungsrege!  und  ennöelichen  so  die  Transgresaion.  Die  er- 
Icenntaistheoretische  Frwe,  ob  ea  sich  dabei  um  eine  apriorische 
Form  der  Raumanscbauuns  oder  um  eine  der  ErfabniDg  angepaBte  ubd  von 
ihr  abh&ueige  Art  der  VorstellunBaUUgkeit  handelt,  ist  for  den  psrcbo- 
logischen  und  logischen  T&tbestand  ohne  eatscheidende  Bedeutung.  Ebenso 
hat  die  Erkenntnistheorie  zu  entscheiden,  ob  der  in  Rede  stehende  psTcho- 
losische  Prozeß  die  für  die  Logik  erforderliche  Vollständigkeit  —  GtUtlgkeit 
für  a  1 1  e  Dreiecke  in  unserem  Fall  —  irgendwie  wiiUich  gew&hrleisten  ktmn. 
Fflr  die  Logik  genOgt  die  Tatsache,  daB  unsere  Raumanscbauung  90  be- 
sebaflen  ist,  daB  wir  mit  absoluter  Gewißheit  eine  solche  transgressive  Vor- 
atellungsreihe  bilden  zu  k&nuen  glauben  und  uns  andere  Glieder  außer  dieser 
Reibe  innerhalb  desselben  Gattungsbegrifls  gar  nicht  vorstellen  können. 

Nicht  weniger  bemerkenswert  ist  der  Charakter  der 
Aussage,  die  wir  bezüglich  der  hinzugedachten  Phantasie- 
vorsteUnngen  s',  e" ...  im  zweiten  Teil  des  Obersatzes  (8. 789) 
machen.  Wir  behaupten  nämlich,  daß  alle  diese  Phantasie- 
dreiecke  ausnahmslos  den  Bedingungen  des  au  S  geführteu 
Beweises  genügen  („beweistanglich"  oder  „beweisgereeht" 
sind)  und  deshalb  gleicbf^U  daß  Merkmal  P  (Winkelsumme 
2  R)  haben.  Wir  verfahren  hier  ganz  anders  als  bei  dem  ge- 
wöhnlichen und  dem  einfälligen  Induktionsschluß.  Bei  dem 
ersteren  stellen  wir  für  tatsächlich  beobachtete  (nicht  erst 
hinzugedachte)  andere  S  das  Merkmal  P  fest;  bei  dem 
letzteren  stellen  wir  P  für  die  durch  unsere  Phantasie  hin- 
zugedachten S  überhaupt  nicht  fest,  die  hinzugedachten  S 
kommen  gar  nicht  als  Träger  von  P  zur  Begründung 
des  Schlußurteils  in  Betracht,  sondern  nur  als  weitere 
Glieder  der  von  uns  gedachten  Gattung  S^ .  also  zur  Bil- 
dung des  Subjekts  des  SchluBurteils.  Bei  -lem  paradigma- 
tischen Scfalnfi  ist  es  hingegen  für  die  Begründung  des 
SchluBurteils  w>eBentIich,  daß  wir  an  den  hinzugedachten  s, 
and  zwar  an  allen  diesen  s,  das  Merkmal  P  feststellen.  Da- 
mit erhebt  sich  aber  die  Frage,  wie  eine  solche  Feststellung 
an  einer  transgressiven  Beihe  erdachter  Vorstellongen  statt- 
findet und  stattfinden  kann.  Die  Logik  kann  sich  wiederum 
auf  die  tatsächliche  Feststellung  beschränken,  daß  wir  den 
UQ  8  geführten  Beweis  °)  auf  die  hinzugedachten  s  übertragen 
und  uns  überzeugen,  daß  die  letzteren  beweisgerecht  (s.  o.) 
sind.    Um  einen  Analogieschluß '')  handelt  es  sich  dabei  nur 


*)  Dieser  geht  ja  dem  ganzen  paradigmatischen  Schluß  voraus  und  liegt 
dem  ersten  Teil  seines  Obersatzes  zugrunde  (s.  S.  78Sf.). 

'')  Wohlsemerkt  handelt  es  sich  jetzt  niobt  um  den  ganzen  paradigma- 
lischen  SchluB,  sondern  nur  um  d«n  zweiten  Teil  seines  Obersatzes  (S  789} 


...ogK 


792        nr.  Teil.    Die  einzelnen  loriachen  Gebade  und  ihre  Geaetze. 

insofern,  als  wir  von  Einzelnem  (nämlich  S)  auf  ähnliches 
Elnaelne  (die  s',  b"  nsf.)  nbeTgehen.  Ein  wesentlicher 
ITnteTBcliied  von  dem  AnalogieschlnB  liegt  darin,  daß 
vir  erstens  auf  alles  ähnliche  Einzelne  (alles  Einzelne 
derselben  Gattung)  übergehen,  und  daB  wir  zweitens  nidit 
lediglich  ans  der  Ähnlichheit  der  s  mit  S  auf  das  Vorhanden- 
Rein  des  Prädikats  P  bei  den  s  sehließen,  sondern  die  s  doch 
auch  wenigstens  summarisch  auf  ihre  Beweisgerechtigkeit 
und  damit  auf  das  Vorhandensein  von  P  prüfen.  Gerade 
auch  dies  zweite  Moiuent  ist  von  erheblicher  Bedeutung.  Wir 
denken  nicht  etwa  nur  im  Sinn  des  gewöhnlichen  Anal(^e- 
schlusses:  „die  Phautasiedreiecke  s',  s"  ...  sind  dem  gezeicb- 
neten  Dreieck  in  bezug  auf  die  Dreieckigkeit  ähnliph,  und 
deshalb  wird  wohl  der  Beweis  für  das  Zutreffen  von  P  auch 
bei  ihnen  gelingen,  und  folglich  werden  sie  wohl  die  Eigen- 
schaft P  haben,"  sondern  wir  stellen  uns  die  s  —  ähnlich  wie 
bei  dem  gewöhnlichen  mehrfälligeu  Induktionrachlnil  die 
unabhängig  von  unsrer  Phantasie  gegebenen  S  —  vor  und 
stellen  an  ihnen  auch  unabhängig  von  ihrer  Ähnlichkeit  mit 
dem  gezeichneten  Dreieck  fest,  daß  der  an  diesem  geführt« 
Beweis  auch  an  ihnen  geführt  werden  kann  und  zn  dem- 
selben Ergebnis  führt.     Meine  Behauptung  s'  usf.  P 

gründet  sich  nicht  auf  die  Ähnlichkeit  der  8  mit  S,  son- 
dern ich  mache  mir  an  den  s  selbst  die  Ausführbarkeit 
eines  ähnlichen  („analogen")  Beweises  klar. 

Für  I^i&ntasieejemplare  von  Anh&eopleiyx  etwa  suf  utiniir-hrm  Wei 
die  Bez&hnung  (vfiL  S.  T79)  nachzuweisen,  ist  deshalb  umnÜgUeh,  «eil  die 
gemeinsamen  Mcriunale  und  die  Variationen  der  nicht  gemeinsamen  hier 
nicht  scharf  bestimmt  sind  und  der  Zusammenhans  von  P  (also  der  Be- 
7.nhnung)  mit  den  ersieren  für  eine  summarische  Festateliung  viel  zu  ver- 
nicfcell  ist.  Den  unbegrenzt  zahlreichen  VariationsrichtunseD.  welche  für 
Archaeopteryx  vorbanden  sind,  stehen  bei  den  Dreiecken  nur  einige  wenige 
scharf  bestimmte  gegenüber,  deren  EinOuB  auf  den  Beweis  von  P  relatj» 
leicht  zu  Obcrschauen  ist.  Im  Obrigen  muS  bezüglich  dieser  wie  alter  er- 
kenn Inistheorefiscben  Fragen  auf  die  Erkenntnistheorie  verwiesen  werden*). 

Mit  den  soeben  besprochenen  Eigentümlichkeiten  des 
Obersatzes  des  paradigmatischen  Schlusses ')  hängt  nun  aucb 
der  eigenartige  Charakter  der  Konseqnenz  des  paradigma- 
tischen Schlusses  und  seines  SchlnSurteils  zusammen.  Da 
der  Obersatz  und  dementsprechend  auch  der  Untersatz  (S.  s'. 


')  Th.  Ziehen.  Erkenntnistheorie  auf  psych ophysiol.  u.  pbysik.  GnindL. 
Jena  191B,  namenll.  %  34. 

")  VfL  auch  E.  Rignano,  Scientia,  1915.  Bd.  17,  S.  «1  ff. 

h.  !■,  ii,l^.OOglc 


3.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  SchlOasan.  793 

s",  %'"  sind  Dreiecke,  vgl.  S.  789)  beanspruchen,  alle  Dreiecke 
(alle  nntcr  S<  fallende  Individuen  im  transgreeeiven  Sinn) 
zu  umfassen,  entspricht  das  Schlnflverfahren  (die  Konae- 
qaenz,  S.  710)  einer  so^.  vollständigen  Induktion,  die  wir 
S.  77Ü  kennen  gelernt,  aber  nicht  als  echte  Indaktioa  an- 
erkannt haben.  Von  irgendwelcher  transgreesiven  Verall- 
gemeinerung, wie  sie  für  das  Schlußverfahren  der  echten 
ladnktion  bei  dem  Übergang  von  den  Prämissen  zum  SchluS- 
urteil  charakteristisch  ist,  ist  hier  keine  Kede.  DieTrans- 
gression  ist  schon  im  Ober- und  Untersatz  voll- 
zogen. Im  Schlußnrteil  wird  nur  das  Ergebnis  des  Ober- 
und  Untersatzes  zusammengefaßt:  Obersatz  S  —  P  und 
alles'.s"...  —  P;  Untersatz  S,  s',  s"  ...  ^£^S«");  Schlußsatz 
S«  —  P.  Es  wird  nach  dem  äquativen  Prinzip  (vgl.  S.  727) 
für  S,  b',  s"  ...im  Obersatz  S*  sabstituiert  und  dadurch  der 
Schlußsatz  gewonnen.  Es  handelt  sich  also  bei  dem  Haupt- 
gefüge  des  paradigmatischen  Schlusses  wie  bei  jeder  „voll- 
ständigen Induktion"  imi  einen  äquativen  Syllogismus,  dessen 
Mittelbegriff  S,  s',  s"  . . .  ist  ^^).  Er  ist  daher  als  solcher  auch 
im  Gegensatz  zu  dem  gewöhnlichen  (unvollständigen)  In- 
doktionsschlnß  formal  nicht  problematisch,  sondern  apodik- 
tisch. Nur  insoweit  sein  Obersatz  eine  Transgression  ent- 
hält, deren  materiale  Richtigkeit  und  Berechtigung  in 
Frage  steht  und  von  der  Erkenntnistheorie  beurteilt  werden 
muß,  kann  seine  Richtigkeit  angezweifelt  werden. 

Der  paradigmatische  Schluß  entpuppt  sich  also  als  ein 
kompliziertes  SchloBgehilde,  dessen  Obersatz  schon  aus  einem 
eigentümlichen,  wesentlich  modifizierten  Induktionsverf  abren 
hervorgeht,  und  dessen  Schlußsatz  auf  syllogistischem  Weg 
zustande  kommt.  Die  Beziehung  zum  echten  Induktions- 
schlnß  beschränkt  sich  auf  eben  diese  Entstehung  des  Ober- 
satzes und  auf  die  Gemeinsamkeit  der  Richtung  vom  Ein- 
zelnen bzw.  weniger  Allgemeinen  zum  Allgemeinen. 

Eine  besondere  Art  des  paradigmatischen  Schlusses  kommt  dadurch  zu- 
stande, daB  in  vielen  Ftltlen  die  Phantasieergftnzung  der  s',  s" . . , .  an  eine 
ganz  bestimmte  quantitative  Regel  geknüpft  wird.    Hierher  gehört  namentlich 


^'')  Das  IdentitStszeichen  ist  gerechtlertigt,  da  S,  s*,  s",  s'" die 

Gattung  S^  erschöpfen,  nicht  etwa  nur  zu  ihr  gehören. 

**)  Wenn  man  S^  nur  als  eine  verbale  Umschreibung  der  tran^ressiven 
Reihe  S,  s',  s",  "' . . .  betrachtet,  so  kann  man  auch  von  einer  verbalen  Zu- 
sammenfassung sprechen,  doch  kommt  dabei  der  G  a  1 1  u  n  g  s  Charakter 
von  S^  nicht  genügend  zum  Ausdruck. 

„.,,„,^.oogic 


794        ^'  '^^'^    ^'^  einzelneo  logiachen  Gänlde  und  ihre  Gesetze. 


die  soK.  BuMalÜM^  hdvUiMi  in  der  M&lbetoatik.  Um  deren  loffscbe  Be- 
deutung zu  verstehen,  tehen  wir  zunftchst  von  einem  Fall  aus,  der  nicht 
in  ihr  Bereich  gehört.  Fermat  hatte  gefunden.  daB  2>  +  l=a.(2*)*  +  1 
=  17,  (2*)» +  1  =  267  usf.  bis  (2»)"  +  1  und  geschlcwaen,  dafl  guiz  aB- 
geniein  ^)''  -f- 1  <>i>«  Primzahl  ist,  wenn  n  eine  ganze  positive  Zahl  bedeutet. 
Es  war  dies  nichts  anderes  als  ein  paradismatischer  Scblufi  >*)  in  ansenm 
Sinn,  nur  liegen  ihm  statt  eines  S  sechzehn  zugrunde ").  Aufieidem  halte 
er  aber  den  Hangel,  da£  für  jedes  einzelne  dieser  sechzehn  S  der  Primnlil- 
charakter  lediglich  konstatiert,  nicht  durch  einen  Beweis  (wie  für  das  Dceieä 
AB  C  die  Winkelsurome  =3 2 R)  erwiesen  war  und  daher  auch  von  oner  Be- 
weisführung an  den  hinzugedachten  a,  also  (2^)"  +  1  usf.  nicht  die  Rede 
sein  konnte.  lA  der  Tat  hat  Euler  nachgewiesen,  daB  bei  (2*)*>  +  1  die 
Fermatsche  Regel  versagt  Demgegenüber  ist  der  folgende  Schlufi  (tnno- 
mischer  Lehrsatz)  einnandfrei: 


(n  — 1)1  1!  ^(n  — 2)!  21  *  ^(n  — 3)!  31  ^  ■'  (n~n)!  n1  ' 
Jak.  Bemouim  (Acta  Erudit,  Ups.  1686,  Juli,  S.  360/1)  hat  nun  ganz  lU- 
gemein  gez«igt,  wovon  die  Richtigkeit  dieses  für  die  Bfathematik  usenibehi- 
liehen  atohhiint  tos  k  amt  a  +  1"  abhängt.  Er  ist  nämlich  immer  dann 
richtig,  wenn  eine  allgemeine  Regel  gilt,  nach  der  das  (n  +  l)te  Glied  sieb 
aus  dem  nlen  Glied  ergibt.  So  läBt  sich  für  die  binomische  Reihe  nach- 
weisen, daB,  wenn  für  ein  beliebiges  Glied  der  angeführte  Satz  gilt,  er  dana 
auch  für  das  (n  -f  l)tD  Glied  gültig  ist.  BeztlBÜch  aller  Einzelheiten  maS 
auf  die  Lehrbücher  der  Mathematik  verwiesen  werden.  Hier  genügt  es,  zu 
bemeiken,  daB,  logisch  betrachtet,  die  BemouiUische  Regel  danul  hinaus- 
läuft, daB  für  die  hinzugedachten  s  ein  allgemeines  Gesetz  des  Fortschteiteos 
(der  Variation)  fixiert  wird,  und  daB  damit  die  letzte  Unbeslimmtheit  in  den 
Obn^atz  des  paradigmattscben  Schlusses  beseitigt  wird.  Vgl  auch  H.  1^. 
Drobiacb,  Neue  Darst.  d.  Log.,  i.  Aufl.  Leipzig  1876,  S.  286  fr.;  JuL  Könii. 
Neue  GrundL  d.  Log.,  Arithm.  u.  M«ngenlehre,  Leipzig  19U,  S.  16&fl.;  Geifi. 
Hessenberg,  Gnmdbegriffe  der  Uengenlehre,  GQttingen  1906,  §  181,  S.  SOG; 
Poincarft,  La  science  et  rhjpothftse,  Paris  1902  (raiaonnement  par  rfcur- 
rence);  Goblot,  Rev.  philos.  1911,  Bd.  21,  S.  68  u.  Annfie  psychoL  1906,  Bd.  IJ, 
S.  364,  und  Luquet,  Rev.  philos.  1910,  Bd.  7(%  S.  262. 


i>)  Aus  den  S.  792  angegebenen  Gründen  kann  ich  Drobisch  und 
Wundt  ^vgl.  S.  767,  Anm.  &)  nicht  zugeben,  daB  es  sich  um  einen  Anakrpe- 
schluB  im  wissenschaftlichen  Sinn  handelt  Gewiß  ist  Analogie  im  Sinn  von 
Ähnlichkeit  beteiligt,  aber  der  Charakter  des  Analogie  Schlusses  fehlt. 

!■)  Es  entspräche  dies  also  dem  Fall,  daß  man  den  Satz  von  der 
Winkelsumme  im  Dreieck  an  16  Dreiecken  statt  an  einem  beweisen  und 
dann  erst  verallgemeinern  würde. 


OgIC 


3.  Kapitel.    Die  hebte  von  den  ScWOssen.  795 

In  bezus  auf  die  TermidoloEie.sei  daran  eiinneit,  daß  Jidfäiuy/ta  bei 
Aiiatoteles,  ezemplum  in  der  lateinischen  Logik  eine  Banz  andere  Bedeutuns 
hatte  (ml  S.  766),  aber  schon  lanse  im  SprachBebrauch  diese  Bedeutung 
eingeboBt  hat. 

§  134.  Fehl-  und  TrassehlQsse.  Formal  anrichtige 
(diflkrepantc,  vgl.  S.  284)  Schlüsse  werden,  wenn  sie  unab- 
eichtlich  sind,  Fehlschlüsse  (Paralogismen),  wenn  sie  ab- 
sichtlich fiind,  Tragschlüsse  (Sophismen)  genannt.  Trug- 
schlüsse, die  nicht  darauf  berechnet  sind  zu  tänschen,  son- 
dern durch  ihr  paradoxes  Schlußurteil  Befremden  zu  er- 
regen, heulen  Fanfschlüsse.  * 

,  Ober  den  Tenninus  ,^aral<»is[nu3"  vgl.  S.  281,  Anm.  15.  Echte  Trug- 
achlüsse,  also  verbunden  mit  dem  BewuBlsein  des  IVuges,  scheinen  zuerst 
bei  den  Sophisten  auigetreten  zu  sein  (vgL  Pinto,  Eutbydem.  298  B  IL).  Bei 
den  Megarikern  waren  die  Fehl-,  Trug-  und  FangschlQsse  schon  G^enstand 
logischer  Untersuchung  (s.  PrantI,  G«9Ch.  d.  Log.  im  Ab.,  Leipzig  1856^  Bd.  1, 
S.  42  tf.).  Aristoteles  definierte  das  ai^ur/ta  als  avlXoyw/iot  iQiatvi6t  (Akad. 
Aii3g.  162  a,  16)  imd  gab  eine  austührlicbe  Darstellung  in  dar  Schrill  mgi 
••ftMiunü*-  iifygaaf.  Er  unterscheidet  IXiyget  tta^a  Tqf  Utw  und  li—  ^W 
Utiav  und  gruppiert  dementsprechend  auch  die  Sophismen  (I.  c.  165  b  H.). 
Seine  Aufzählung  der  einzelnen  Arten  hat  zum  gröBten  Teil  nur  noch 
historisches  Interesse.  Erwähnt  sei  hier  nur  die  oftaiyn/iUt  (aequivocatio)  und 
die  ift^ißtiitt  (ambiguitas) ;  die  Fehlschlüsse  ff»  t^e  Ufnv  trennt  er  nicht 
ausreichend  von  den  Fehlbeweisen.  Sehx  ausfObrlich  wurden  sie  dann  von 
den  Stoikern  behandelt  und  in  ae^la/iaia  naga  rä  ngäyfiaia  und  a.  Jta^  iqv 
^•M-qf  eingeteilt  (Diogenes  Laert,  De  clar.  ph.  vit.  TU,  iä,  ed.  Cobet  S.  169). 
Manche  wurden  mit  besonderen  Namen  belegt  {i/nBS6fay«t,  iy^ttaivfiftifK, 
»tfatinn  usf.).  Die  von  den  Zweideutigkeiten  der  Sprache  abhängigen  hieBen 
«BlMxJi'anir  iiyoi  (Soloecismen)  oder  ifitptßoUiu  und  g^n  zu  mannig- 
fachen weiteren  Untersuchungen  Ober  Synonymie,  Homonymie,  Paronrniie 
usf.  AnlaS  (^1.  SimpUcius,  In  categ.  Akad.  Ausg.  Bd.  8,  S.  24  u.  86;  Sextus 
Empir.,  Pyrrh.  Hypot  0,  23t,  ed.  Bekker,  S.  112;  Galen,  De  aoph.  penes  dict., 
Opp.  ed.  Kahn,  Bd.  14,  S.  S6&),  die  bis  auf  Aristoteles  und  Speusjppus 
(s.  S.  29)  zurückgehen.  In  der  lateinischen  Literatur  wurden  die  Fehl-  und 
Trugschlflsse  zu  den  ,4allaciae"  gerechnet. 

Ihrer  Entstehung  und  ihrem  Wesen  nach  zerfallen  die 
Fehlschlüsse  in  solche,  bei  welchen  ein  in  dem  Schluß  ver- 
wendeter Begriff,  z.  B.  der  Mittelbegriff  eines  Syllogi&mns 
im  Verlauf  des  Scfalußprozesses  gegen  einen  anderen  ähn- 
lichen, aber  nicht  gleichen  Inhalts  vertauscht  wird,  und 
solche,  bei  welchen  die  U  m  f  a  n  g  s  beziehnng  zweier  Be- 
griffe falsch  beurteilt  wird.  Die  erste  Klasse  entspricht  ganz 
den  in  ^  86  besprochenen  Älienationen.  Aber  auch  bei  der 
zweiten  Klasse  spielen  die  Älienationen  die  entscheidende 
Bolle,  insofern  die  falsche  Beurteilung  des  Umfangs  sich 
stets  darauf  zurückführen  läßt,  daß  ein  und  demselben  Teil- 


OgIC 


796        ^-  Teil-    Die  einzelnen  logiacben  Gebilde  und  ihre  Gegttoe- 

begriff  des  ScfaluBses  bald  die  eine,  bald  die  andere  Qnactität 
oder  quantitative  Beziebnng'  znffeschrieben  wird.  Wenn  ich 
z.  B.  scblieBe:  „der  Menscb  hat  eine  Seele,  die  Tiere  und 
kein«  Menschen,  also  haben  die  Tiere  keine  Seele",  so  liegt 
die  Alieoation  darin,  daß  ich  der  ersten  PrämiBse  nadiiiäg- 
lich  eine  andere  Qaantitätsbeziehung  anterschiebe,  nämlich: 
„Dar  der  Mensch  bat  eine  Seele".  In  der  Srllogiätik  wird 
dieser  spezielle  Fehler  dnrch  die  B«gel  gekennzeichnet: 
Schlüffiie  mit  negativem  Untersatz  s^d  in  der  1.  Figur  ver- 
boten (vgl.  S.  741). 

Wenn  also  eine  einfache  Älienation  der  Begriffe  bei  äaa 
typischen  Syllogismufi  mit  drei  Begriffen  eintritt,  so  liegen 
tatsächlich  vier  Begriffe  vor.  Man  spricht  daher  von  einer 
Quaternio  terminorum  (Beispiel  s.  S.  426).  —  Die 
verführende  Bedeiitnng,  welche  die  Worte  für  aUe  Formen 
der  Fehlschlüsse  haben,  wurde  gleichfalls  in  §  86  bereits 
hervorgehoben.  Es  kann  jetzt  noch  znr  Ergänzong  speziell 
auf  die  Mehrdeutigkeit  (Äquivokation,  Amphibolie,  Homo- 
nymie, Ambignität)  hingewiesen  werden,  welche  gerad» 
Worte  wie  „einige",  „nicht"  (zumal  bei  Häufung  mehrerer 
Negationen)  haben.    Vgl.  z.  B.  S.  543  u.  546. 

Nicht  zu  den  Fehlschlüssen,  sondern  zu  den  unsoliden, 
also  durch  material  unrichtige  Prämiesen  (S.  284)  bedingten 
Schlüssen  sind  solche  zu  rechnen,  die  auf  einer  nnvoll- 
ständigen,  also  fehlerhaften  Disjunktion  beruhen*).  Znr 
materialen  Unrichtigkeit  der  Prämissen  ist  es  auch  za 
rechnen,  wenn  bei  einem  InduktionsschloS  tatsächlich  vor- 
handene negative  Instanzen  übersehen  und  daher  in  den 
Obersatz  nicht  aufgenommen  werden.  Anch  in  einem  solchen 
Fall  liegrt  kein  Fehlschluß,  sondern  ein  unsolider  SchlnB  vor. 

Eine  gute  Vbenieht  flbei  die  Sophifmen  gibt  n.  a.  A.  SdiopenhaoH. 
Eiistische  Dialektik,  Handsehi.  Nachlaß,  ed.  GriEebadi  Bd.  2,  S.  71—107. 
S.  auch  Pruitl,  I.  c  ferner  L.  Rabns,  Logik  u.  Metapb.,  ErUngen  I86S, 
S.  431—4^4;  Alli.  Sidgwick,  Fallades,  London  1883;  J.  Viola,  Uathera.  Se- 
phismen,  2.  AdS.  Wien  1886  *;  Jei.  Bentham,  The  book  of  fallades,  LondM 
1834;  Job.  Buridan,  Sophiamata,  Paris  H93;  0.  Hentisberos,  &ipositio  ngn- 
larum  solvcndt  eophiemata,  Venet.  1483  *;  J.  St.  MiU,  Logic,  Book  T. 


')  Ein  FehlsehluS  würde  dann  vorliegen,  wenn  in  der  Främiase  mit  Be- 
wnfitfein  eine  unvoll ständige  IMvision  als  solche  ausgesagt,  diese  aber  bei  den 
Schlußakt  ah  vollständige  und  daher  als  Disjunktion  behandelt  wird. 


n,g,t,7l.dM,GOOglC 


4.  Kauitel.    Die  Letire  von  den  Beweisen.  797 

4.  Kapitel 

Die  Lehre  von  den  Beweisen 

S  135.  Der  Beweis  im  allgemeinen;  seine  Olleder,  sein 
O^^stand  und  seine  Gültigkeit.  Als  Beweis  (Demonstratio) 
wird  eine  Beihe  von  Schlüssen  (train  of  reasoning,  J.  St.  Mill) 
bezeichnet,  wenn  das  Schlnßnrteil  des  letzten  durch  die  Ge- 
samtheit der  Schlüsse  in  der  Weise  hegründet  wird,  daß  eine 
oder  mehrere  Prämissen  vieler  Schlüsse  der  Reihe  durcli 
voraosgehende  Schlüsse  begründet  werden.  Ziehe  ich  also 
ein  nnd  dasselbe  Schlußarteü  aus  mehreren  voneinander 
unabhängigen  Schlußreihen,  so  handelt  es  sich  nni  „kon- 
vergente" Scblnßreihen,  aber  nicht  um  einen  Beweis.  Bei 
dem  Beweis  etehen  alle  vorausgehenden  Schlüsse  in  mannig- 
fachen Beziehongen  zueinander  und  sind  diera  letzten  subordi- 
niert ^).  Die  vorausgehenden  Schlüsse  sollen  Vorsdilüsse, 
der  letzte  Schluß  findSchluB  heißen').  Der  Begründungs- 
zusammenhang,  der  alle  Schlüsse  eines  Beweises  verknüpft, 
ist  mit  der  S.  395,  698  u.  710  besprochenen  „Konse- 
quenz" (Beziehung  von  Grund  nnd  Folge)  identisch.  In- 
Bofem  alle  Teilschlüsse  in  Eonsequenzbeziehung  zu  dem 
letzten  urteil  des.  Beweises,  dem  Schlußnrteil  des  End- 
schlusses steheu,  kann  man  letzteres  als  das  „Z  i  e  1"  des  Be- 
weises betrachten.  Psychologisch  spielt  das  Scbiußurteil  des 
Entschlusses,  das  sog.  Demonstrandum  oder  Finieiis  nicht 
immer  dieselbe  Bolle;  bald  will  ich  nämlich  ein  mir  schon 
bekanntes  Demonstrandum,  das  ich  als.  „Thesis"  (Behaup- 
tung, beides  im  prägnanten  Sinn)  dem  Beweis  vorausschicke, 
bald  auf  Grund  eines  gegebenen  Tatbestandes  einen  mir  vor- 
läufig noch    unbekannten  Satz   beweisen,    d.  h.    beweisend 


1)  Diese  Sobordination  hat  mit  derjenigeo  der  Begriffe  {S.  3SB  u.  511) 
nichts  za  tun. 

')  Wenig  zweekmlBig  ist  die  noeh  vieUtMli  gebräuchliche  Bezeichnung 
der  Votschlfisie  als  „Argumente".  Ee  cntcpiieht  n.  E.  unserem  beatigeu 
Sprachgefühl  vielmehi,  den  ganzen  Komplex  der  VorselilüBBe  als  Argument  zu 
beteidmen.  So  sprechen  wir  von  den  verschiedenen  Argumenten  zaguneten 
einer  Behauptung  und  verstehen  darunter  die  verschiedenen,  voneinander  nn- 
abhfingigen,  konvergenten  (b.  oben)  Bevreisführungen,  welche  für  die  Behaup- 
tnug  versucht  werden.  Gher  znUesig  erscheint  der  alte  Terminus  „rationes 
demonatrandi"  {BeweisgrQnde)  tQr  die  VorscblUase,  indes  ist  auch  er  nicht  Itjr 
alle  Vorschlflase  geeignet,  da  ni^  gewohnt  sind,  bei  ihm  nur  an  die  wesent- 
lidien,  d.  b.  tQr  den  Beweia  entscheide uden  VorschlDsse  zu  denken. 


1,1^. OQi 


,g,c 


798       ^-  '''^'''    ^®  einzelnen  krischen  Gebilde  und  ihre  Gegetee. 

finden  *).  Im  ersten  Fall  ist  mir  das  Ziel  (z*  der  Erörterong 
in  ^  79)  gegeben  nnd  nur  der  Weg  muB  gefunden  werden, 
im  zweiten  Fall  ist  mir  das  Ziel  nnr  als  eine  mit  einer  oder 
mehreren  unbekannten  behaftet«  Ziel  Vorstellung  (Z* 
der  Erörterung  in  ^  79)  gegeben,  so  daß  ich  Weg  und  Ziel 
finden  maß.  Logisch  spielt  diese  Unterscheidung  keine 
wesentliche  Eolle,  da  das  Bewei8en-„w  o  1 1  e  n"  ganz  ans- 
scheidet. 

Im  einzelnen  vollzieht  sich  der  Aufbau  des  Beweises  in 
der  Begel  in  der  Art,  daß  mit  dem  Eonklusmn  eines  erstes 
Schlusses  ein  ,3ilfsarteil"  verbunden  wird  und  aus  beiden 
als  Prämissen  nnn  mittels  eines  zweiten  Schlusses  ein  neues 
Eonklusum  abgeleitet  wird  usf.  Da  die  Hilfsurteile  oft 
ihrerseits  aus  einem  Schluß  oder  aus  einer  Reihe  vtm 
Schlüssen  (also  durch  Neben-  oder  ünterbeweise)  hergeleitet 
werden,  so  gliedern  sich  an  die  Hauptkette  oft  eine  oder 
mehrere  Seitenketten  an.  Durch  Enthymeme  und  Gpichireme 
(^  129)  kann  der  Verlauf  abgekürzt  werden.  Vor  allem  wird 
es  auch  —  namentlich  bei  symbolischer  Darstellung  —  nicht 
erforderlich  sein,  das  Sohlußurteü  eines  Vorschlusses  noch- 
mals zu  wiederholen,  um  seine  Stellung  als  Prämisse  des 
nächsten  Vorschlnsses  zu  kennzeichnen,  sondern  man  wird, 
wie  es  bei  geometrischen  Beweisen  und  auch  im  täglich«! 
Leben  allenthalben  schon  längst  üblich  ist,  das  Schlußnrteil 
des  einen  Vorschlnsses  unmittelbar  auch  als  erste  Prämisse 
des  nächsten  gelten  lassen.  Symbolisch  hebt  man  diesen 
Doppelcharakter  am  einfachsten  durch  Unterstreichung  her- 
vor. Beispiel:  a  =  b;  b  =  c;:  a  =  c;  d=d;:a  +  d  =  c  +  d  nsf. 
Ausnahmsweise  kann  der  Fortachritt  des  Beweises  auch  ein- 
mal durch  einen  unmittelbaren  Schluß  (^  124),  also  ohne 
Zuziehung  eines  Hilfsurteils  erfolgen,  doch  ist  ein  solcher 
Fortschritt  stets  nur  formal. 

Die  meiBten  Beweise  weiden  —  ebenso  wie  die  meisten  Schlösse  —  uiAX 
fonngeieeht,  &1so  in  det  Btrengen  Folge  der  VotEchlÜBse  godadit  und  mitgeteilt, 
sondeni  allenthalben  dem  natDiliäien  Sprechen,  insbcBondere  auch  seinei  Nei- 
guDg  iD  Sprüngen,  ZosammenfastungeD,  AbGchweifnngen,  ibweehslnng  otf. 
angepaßt.  Nor  die  Mathematik,  nnd  zwar  zuerst  die  Geometrie,  hat  £e 
Etreuge  Fonnolienrng  der  Beweise  priniipiell  duTchgellihrt.   In  der  Philosophie 


^  In  diesem  Fall  ist  die  Beieiehnung  „Demonstiandulo"  oSenbai  nkht 
ganz  passend,  ich  ziehe  daher  die  generelle  Bezeichnnng  ,^hlafinrteil  dci 
EndBchlnues"  oder,  wie  ich  zur  Abkflnang  vorschlage,  „Piniens"  toi  (deatsdi 


4.  Kapitel.    Die  Lehi«  von  den  Beweben.  799 

sind  solche  Venaehe  sehr  selten  (mos  geometiieas  von  CarteBins,  Med.  de  pr. 
phlL,  Besp.  sd  «ee.  obj.,  oido  geometriens  der  Ethice  des  Spinoza,  auch  Mheie 
Versndie  von  Dnos  Scotos,  spätere  von  Letbniz,  vgl.  S.  112).  Nu  die  aeneM 
mathematische  Logik  beweist  biet  and  da  mit  Erfolg  gerade  auch  logische 
Sitae  in  streng  mathematischeT  Form.  Im  allgemeinen  scheitern  solche  Vei- 
snehe  an  der  ÜUständliehkeit  des  mathematischen  Verfahrens,  die  sich  sofort 
geltend  macht,  wenn  an  SleUe  der  relativ  eiof&chen  BnchBtabengrSBen  der 
Mathematik  verwickelt  zQSommengesetxte  BegriHe  treten.  Je  mehr  es  gelingen 
wird,  such  in  den  philosophischen  Wissenschaften  eine  zweckmäßige  Symbolik 
za  schatten,  um  so  mehr  wird  dies  Hindernis  der  Umständlichkeit  wegfallen 
und  damit  sieb  dem  formgereehten  Beweis  ein  grSBeres  Qebiet  üSnen.  SchoB 
jetit  sollte  er  wenigstens  stets  dann  zor  Naehprfifnng  dnrehgefOhrt  weiden, 
wenn  irgendwelche  Zweifel  an  der  formalen  Richtigkeit  eines  Beweises  be- 
steben. 

Nicht  alle  Vorschlüsse  and  auch  nicht  alle  in  den  Vor- 
schlüssen enthaltenen  Urteile  sind  für  die  Begründung  des 
Beweisergebnisses  von  gleicher  Bedeutung.  Zunächst  spielen 
diejenigen  Urteile  eine  besondere  Bolle,  welche  den  Tat- 
bestand, auf  welchen  sich  der  Beweis  bezieht  und  der  ins- 
besondere Gegenstand  seines  Endnrteils  ist,  unmittelbar 
wiedergeben  oder  sich  <ganz  unmittelbar  aus  ihm  ergeben. 
Sie  bilden  die  Orundlage  für  den  ganzen  Beweis  und  sollen 
seine  „statuierenden"  urteile  oder  Grundurteile 
heißen.  Eines  derselben  ist  zugleich  fast  stets  das  Ausgangs- 
nrteil  des  ganzen  Sohlnßgefüges  *),  also  die  erste  Prämisse 
des  ersten  Vorsehlusees.  Die  übrigen  statuierenden  Urteile 
treten  teils  zerstreut,  teils  als  Ansgangssätze  von  Hilfsketten 
auf.  Oft  werden  sie  auch  zu  Anfang  des  Beweises  über- 
sichtlich zusammengestellt,  so  namentlich  in  der  Geometrie 
(Voranasetznng,  Hypothesis  s.  str.)-  Die  übrigen 
Teilorteile  —  nach  Abzug  der  statuierenden  —  zerfallen  in 
die  Schlofiurteile  der  einzelnen  Vor  Schlüsse  und  die 
Htlfsurteile  (HiHssätze),  die  jeweils  als  Prämissen 
hinzugezogen  werden  (vgl.  S.  798).  Die  ersteren  markieren 
die  sukzessiven  Fortschritte  des  Beweisverfahrens,  die 
letzteren  liefern  das  Eilfsmaterial  für  diese  Fortechritte. 
Unter  sich  sind  auch  die  Hilfsurteile  keineswegs  gleich- 
wertig, sondern  in  der  Begel  hängt  Bichtang  und  Erfolg 
des  Beweises  vorzugsweise  von  einem  oder  einigen  wenigen 
Hilfearteilen  nnd  den  an  sie  geknüpften  Vorschlüssen  ab. 

Wenn  ich  z.  B.  die  Gleichheit  der  gegenüberliegenden  Winkel  im  Rhom- 
bus auf  dem  flbliehen  Wege  beweise,  ist  das  entscheidende  Hilfsurteil  du  TJr- 


*)  Der  Ausdruck  „Schlußkette"  wird  besser  im  allgemeinen  vermieden, 
da  er  gewSholich  in  prSgnantem  Sinn  gebraucht  wird,  siehe  §  180. 

„.,,„,  ^.oogic 


gQO        IV,  Teil.    Die  «inzelnen  lofischen  Gebilde  und  ihre  Geselze. 

teil,  welches  die  Kongiueni  äei  beiden  Dreiecke,  i^  welche  der  lUiDmbas  dareh 
die  den  bez.  Winkeln  gegenübeili^ode  Diagonale  zerfallt,  aussagt  In  der 
Qeoinetrie  knüpft  ein  solches  Hilfsurteil  oft  an  eine  besondere  Hilkkonftmk- 
tion  an  {t.  B.  in  dem  eben  erwihnten  Lehrsatz  an  die  Sonstniküon  der  Kago- 
nak),  in  anderen  WisBeneebafteD  an  die  EinfOhrnng  eines  besoodocn  Hilb- 
begrilts  (i.  B.  des  PoteBtialfi  bti  physikalisdien,  dei  Valenz  bei  ebcmiaehw, 
dci  ipeiiäMheii  Siniwsenergie  bei  psjdiophjsiologisdien  Sitten  nsf.).  Mas  be. 
leiehnet  ein  solcfaet  beroraogtes  HiUsniteil  andi  als  Bewei^nmd  *m^  ti*X^' 
<iin  prignanten  Sinn,  Tgl.  S.  797,  Anm.  2)  oder  als  Nerms  probandi  (tI'^ 
demonstiationis).  Die  Auffindung  (inventio)  dieser  entscfaeideadei 
Hillsarteile  biw.  der  ihnen  zugninde  übenden  Hilfskonstniktionen  oder  Hilf^ 
begriffe  wird  nieht  von  der  Li^k  gelehrt,  sondern  fillt  der  sog.  Kombi- 
nation im  pathologischen  Sinn  lu  (vgl.  Ltf.  der  phys.  Psyeb. '^  S.  351  ff. 
u.  Ptiniipien  n.  Meth.  d.  IntelligenzprOfung  *,  Berlin  1918,  S.  51  S.).  In  de: 
Tat  ist  and)  die  kombinatoriadie  Begabtug  im  allgemeinen  von  der  logisdtea 
unabhängig.  —  Bei  der  Answaht  der  HiUsnrteile  (HiUskonstivktioaai  ond 
HillsbegriRe)  wird  man  stets  nieht  nur  schlechthin  die  Erreichung  des  Zic^ 
iilso  den  Beweis  des  SehluBurteile  des  Endschlosses  (des  Finiens  a.  DemoostraB- 
dnm),  sondern  aoch  die  Erreichnng  des  Ziels  an!  dem  einfachsten  and 
kürzesten  Weg  im  Auge  haben  mdssen.  Vor  allem  soll  anch  der  Zusammen- 
hang der  Grundniteile  (siehe  oben)  mit  dem  EndschlnB  nieht  auf  verwidteltere 
Beziehungen  gegründet  werden,  als  sie  in  den  G^enstinden  selbst  vorlieges. 
Gerade  manche  euklidische  Beweise  in  der  Geometrie  schlagen  tJmweg«  fiba 
abgelegene  Hilfskonstruktionen  ein,  die  den  einfacheren  Zasammuihaog  d« 
Tatbest&nde  verschleiern.  Etwas  miBveratandlich  drflckt  man  dies  oft  »ach 
durch  die  Fordemng  aus,  jeder  Beweis  solle  „nach  Möglichkeit  genetisdi  sein", 
oder  bei  jedem  Beweise  solle  „der  Erkenntnisgrund  der  Wahrheit  des  Sates 
mit  dem  Redigninde  zusammentreffen"  (z.  B.  Überw^,  Syst.  d.  Log.,  S.  459). 
Insbesondere  ist  ferner  auch  bei  der  Ordnung  der  Beweisgrflnde  darauf  ii 
achten,  dafi  das  Eingreifen  der  entscheidenden  Hilfsurteile  an  geeigneter  Stelle 
erfolgt  nnd  klar  hervortritt  und  daher  die  Gesarotrichtung  des  Be- 
weises nicht  dnrdi  nebensächliche  Hilfsurteile  versdileiert  wird.  Zuweikn 
empfiehlt  es  sieh,  die  erstercn  doreh  Beifügung  eines  AusmfongsKidiens  be- 
sonders hervonnhebeii.     Vgl.  aneh  Madis  Ökonomik  des  Denkens  (S.  218). 

Nach  ihrem  Wesen  und  ihrer  Herkunft  kann  man  die 
Hilfsurteile  in  Definitionen,  Axiome  und  Theo- 
reme einteilen.  Die  Definitionen  beziehen  sich  auf  die  io 
den  Grundurteilen  und  in  den  hinzugezogenen  Hilfsnrteileo 
vorkommenden  Begriffe  und  haben  die  in  den  §§  93 — 100  er- 
örterte Bedeutung.  Die  Axiome  sind  Sätze,  für  die  ein  Be- 
weis nicht  für  notwendig  gehalten  wird.  Ob  nnd  in  welchem 
Sinn  es  solch«  Axiome  gibt,  die  wirklich  selbst  keines  Be- 
weises bedürfen,  entscheidet  die  Erkenntnistheorie,  vgl. 
jedoch  auch  ^  62  über  Grundaxiome  und  §  119  über  Urteils- 
Prinzipien  sowie  Kapitel  4  dieses  Teils  über  den  Aufbau  der 
Wissenschaft.  Die  Theoi-eme  endlich  sind  Satze,  die  dDich 
.anderweitige  Beweise  als  schon  sicher  festgestellt  gelten. 

„....„A.OO^SIC 


4.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Beweisen.  801 

Theoreme,  die  aus  «inem  anderen  Wissenschaftsgebiet  ent- 
lehnt werden,  heißen  Lemmata. 

t'ber  die  vielfachea  Schwukungen  im  Qebnuieh  des  Worts  Judana 
vgl.  S.  -293  o.  e05.  .Die  namcnllich  durch  Wollt  (Logica  §  267)  eingebürgerte 
Definition  des  AiiomB  als  einer  propositio  theoretlca  iDdemonstrabilis  legt  mit 
Unredit  das  Hauptgenidit  nicht  auf  die  Entbehrlichkeit,  sondern  auf  die  Un- 
möglichkeit eines  Beweises  (Tgl.  S.  293,  Anm.  1).  Das  pMtilat  ist  im  O^en- 
Mtz  zum  Axiom  nach  WolB  eine  propositio  practica  indemonstrabilis 
0.  c.  g  269).  In  der  Tat  ist  es  zweckmäßig,  den  Terminus  „Postulat"  auf  die 
AutfBhrung  irgendeiner  Handlung  —  sei  es  eine  mathematische  Konstruk- 
tion, sei  es  ein  Handeln  im  ethischen  Sinne  usf.  —  cinzusdiränken  °).  — 
Theorem  ist  bei  Wollt  (1.  c.  g  275)  ganz  in  unserem  Sinn  die  propositio  theo- 
retiea  deroonstrativa.  — -  Über  die  Bedeutung  von  Lemma  im  Altertum  s.  S.  726. 
Erst  in  neuerer  Zeit  hat  der  Terminus  die  oben  venrendete  Bedeutnng  be- 
kommen (Banmgarten,  Acr.  log.  *,  §  258:  „propositio  in  alüs  veritatum  serie- 
bns,  quam  in  qua  veritatum  serie  Dunc  versamur,  demonstranda",  deutsch 
Lchnsatz). 

Als  Fundalien  des  Beweises  (vgl.  S.  264)  haben  wir  das 
gesamte  Begriffs-,  Urteils-  nnd  Schliifimaterial  zu  bezeichnen, 
welches  in  dem  früher  festgesetzten  Sinn  dem  Beweis  zu- 
grunde liegt,  als  unmittelbaren  Gegenstand  des  Be- 
weises diejenigen  Schlüsse,  welche  in  dem  Beweis  speziell 
verwertet  worden  sind,  und  ihre  gegenseitigen  Beziehnngen 
(Konsequenzen)  (vgl.  S.  265).  Von  dem  Gegenstand  des  B  e  - 
weises  mnQ  der  Gegenstand  des  SchluBurteils  des  B  n  d  - 
Schlusses  (des  Finiens  s.  Demonstrandum,  der  These, 
S.  797)  scharf  imterecbieden  werden;  dieser  letztere  Gegen- 
stand deckt  eich  ganz  mit  dem  ürteilsgegenstand,  wie  wir 
ihn  in  ^  75  und  109  kennen  gelernt  haben.  Der  Gegenstand 
des  pythagoreischen  Lehrsatzes,  d.  h.  des  SchluBurteils  des 
Endschlusses,  ist  selbstverständlich  die  Gleichheit  der  drei 
Quadrate,  dagegen  ist  der  Gegenstand  des  Beweises  der  Ge- 
samtkomplex der  Schlüsse  lud  ihrer  Beziehungen,  die  in 
dem  Beweis  verwertet  werden.  Der  Doppelsinn  des  Wortes 
„Gegenstand"  verführt  auch  hier  wieder  zu  gefährlichen 
Mißdeutungen,  vor  allem  zu  dem  Irrtum,  das  Demonstran- 
dum (Finiens),  also  das  Ziel  des  Beweises  mit  dem  Gegen- 
stand des  Beweises  zu  verwechseln.  Auch  sind  wir  immer 
geneigt,  bei  dem  Wort  „Beweis"  lediglich  an  das  Finiens 
statt  an  den  gesamten  Schlussekomplex  und  das  Beweis- 
verfahren  zu  denken.     Daß  wir  bei  dem  Beweis  —  wie 


°)  Bei  Aristoteles  Ak.  Ausg.  76  b)  verwendet  atitjua   im  Sinn  von  ,iu 
i/atPBrttof  rav  ftay9äi>oyi«f  i^  <b'{^,   ^  S  ay  tk  äntiuxtir  Sy  Xnfifiäy^  xni 
XHn^f*  /<4  Af^nf.'  S.  auch  Aieinnder  Aphr.,  In  Anal,  pr.,  Ak.  knn^.  VI,  1,  S.  126. 
Ziehen,  Iiekrbuch  der  LdbÜc.  äl 

„.,,„,^.oogic 


802        IV.  Teil.     IWe  einzelnen  Iceischen  Gebilde  and  ihre  Geaetw. 

bei  dem  Begritt,  dem  Urteil  und  dem  SchluQ  —  den  Gegen- 
stand dann  auf  andere  Argum«nte,  d.  h.  mittelbare 
Oegeostände  <S.  268),  also  die  zugrunde  liegenden  Urteile, 
VorstellnDgen,  Empfindungen,  Dinge,  Sedoktionsbestandteile, 
kurz  irgendwelche  entferntere  fundierende  Tatbestände  (In- 
feriora,  S.  263)  zurückbeziehen  können  und  tatsächlicb  fast 
stetg  zurückbeziehen,  bedarf  keiner  weiteren  Erörterung.  — 
Von  deu  Fundalien  und  dem  Gegenstand  des  Beweises  ist 
dann  noch  sein  Inhalt  (vgl.  S.  355  n.  375  u.  616)  zu  treonea. 
Der  Inhalt  des  Beweises  ist  nichts  anderes  als  die  Gesamtheit 
der  in  dem  Beweis  enthaltenen  Denkverkniipfungen  aller 
einzelnen  Schlüsse.  Er  ist  dasjenige,  was  wir  über  den  Tat- 
bestand dieser  Schlüsse  und  ihrer  gegenseitigen  Beziehungen, 
d.  h.  eben  über  den  Beweisgegenstand  im  Beweis  denken. 
Auch  dieser  Inhalt  des  Beweises  ist  nicht  mit  dem  Inhalt 
des  Finiens  zu  verwechseln;  dieser  letztere  ist  mit  der 
Gesamtheit  der  in  diesem  Finiens  von  uns  gedachten  Begriffs- 
verknüpfungen identisch. 

Man  konnte  die  Frage  autiTetfea,  ob  überhaupt  die  Schlosse,  aus  datet 
sieh  der  Beweis  lueammensetit.  zum  Inhalt  des  Beweises  ^hSien  nnd  nidit 
Tielmeht  ganz  mm  Gegenstand  des  Beweises  zu  rechnen  sind  und  der  Beweii- 
inhalt  aich  also  aul  die  gedachten  gegenscitigea  Beziehungen,  d.  h.  die  Denk- 
TerknUpfuDgen  der  Schlüsse  beschränkt.  Ganz  dje  analogen  Bedenken  wördei 
sich  dann  auch  bezüglich  des  Inhalts  der  Begriffe  (S.  335  n.  4fi9),  des  Inbihi 
der  Uiteile  (S.  375  u.  616)  und  des  Inhalts  dci  Sehlasse  (S.  711)  ergebei. 
Man  würde  also  z.  D.  auch  bezüglich  des  Urleils  fragen  können,  ob  die  ia 
Urteil  verknüpften  Bcgiifle  überhaupt  zum  UrteilEinhalt  gehören  nnd  der 
letztere  nicht  ant  die  gedachten  Beziehungen  der  UrteilsfaegriOe,  d.  b.  die 
UrteilsTerknU  p  f  ung  zu  beschränken  ist. Mit  anderen  Worten:  li^en  dir 
Schlosse  dem  Beweis,  die  Begriffe  dem  Urteil  usf.  nur  als  Gegenstände 
zugrunde  oder  gehen  sie  auch  ab  Bestandteile  in  seinen  Inhalt  ein? 
S.  375,  616  n.  oben  wurde  das  letztere  angenommen.  In  der  Tat  findet  in 
wirklichen  Denken  ein  wiederholendes  Mitdenken  der  Gegenstände  gani  r^^ 
mäBig  statt,  im  geringsten  Umfang  bei  dem  Denken  von  Begiilfen,  in  weiteKM 
Umfang  bei  dem  Denken  von  Urteilen  und  Schlüssen  und  im  weitesten  bei 
dem  Denken  von  Beweisen.  Von  diesnn  Standpunkt  bu3  wflrde  ^icli  also  Geges- 
stand  und  Inhalt  nur  dadurch  stets  unterscheiden,  daß  bei  dem  Inhalt  du 
Denken  der  Beziehungen  zwischen  den  Begriffen  (bei  dem  Urteil),  iwisAm 
den  Urteilen  (bei  dem  SchtuS)  bzw.  zwischen  den  Schltissen  (bei  dem  Beweis) 
hinzukommt.  Dem  Gegenstand  kommen  tatsächliche  Beziehungea  n. 
im  Inhalt  des  dem  Gegenstand  zugeordneten  Denkprozesses  werden  diese  Be- 
ziehungen gedacht  (DenkverknUpIungen).  Vom  rein  theoretischen  logisch» 
Standpunkt  liegt  es  nahe,  die  gestellte  Frage  anders,  nämlich  im  Sinn  dw 
eisten  Alternative  zu  beantworten,  also  zu  behaupten,  daß  der  Inhalt  des  Bc 
griffs  nur  in  der  gedachten  Verknüpfung  der  zugehörigen,  seine» 
Gegenstand  bildenden  Begriffe  bzw.  Empfindungen,  derjenige  des  Urteils  mr 
in    der    gedachten    Verknüpfung    der    zugehörigen    Begriffe,     derjenige    d« 

„.,,„A.OOglC 


4.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Beweisen.  g03 

SchlotBes  D  u  r  in  der  gedachten  Verknüpfung  der  lagehSrigen  Urteile,  der- 
jenige dea  Beweises  nur  in  der  gedaehten  Verknüptung  der  xugehBrigen 
Schlüsse  besteht.  —■  Nimmt  man  die  S.  S52  tun  eiwähnte  Lehre  von  der  In- 
eiisteni  der  Q^enstände  (der-  Reduktioasbestandteile  in  den  Empfindungen, 
die  Empfindungen  in  den  Vorstellungen  usf.)  an,  so  verliert  die  ganze  Frage- 
atellong  Bedeutung  und  Beteehtigung. 

Die  materialeBiclitigheit  UDd  damit  die  Gfiltl|;- 
keit  und  logische  CtewIBheit  (s.  S.  300  u.  315)  einee  Beweises 
bängi;  von  der  materialen  Bichtigkeit  aller  Teilscblüsse  ein- 
schlieJJlicli  des  Endschlusses  ab.  Irgendwelches  neue  Moment 
gegenüber  dem  Tatbestand  der  Schlüsse  ergibt  sich  also  in 
(lieser  Beziehung  für  den  Beweis  nicht.  Insbesondere  gibt 
es  auch  protlietiscbe  Beweise  aeben  thetieehen  und  proble- 
nttitiBche  neben  apodiktischen,  wie  der  folgende  Paragraph 
zeigen  wird. 

Der  Beweis  im  psfebologischen  Sinn  verzichtet  zuweilen  —  einerlei  ob 
das  Finicns  (S.  798,  Anm.  3)  material  richtig  oder  falsch,  eventuell  sogar  be- 
voBt  falsch  ist  —  auf  niateriate  Richtigkeit  der  Teüurteile  oder  auch  auf  for- 
inale  Richtigkeit  der  TeiledilQsEe  oder  sogar  auf  beides  und  begnflgt  sich  da- 
mit, durch  irgendwelche  Teilarteile  und  TeilsehlOsse  die  jeweilige  Zustim- 
mung desjenigen,  dem  der  Beweis  vorgetragen  wird,  zn  gewinnen.  Man  be- 
zeichnet eine  solche  Beweisführung,  die  mit  dem  logischen  Beweis  nichts 
zu  tun  hat,  ab  demonstratio  s.  a^mentatio  ad  bominem  (>«'  (TvtffMnaf, 
argumenta  ad  fidem)  im  Gegensatz  zur  dem.  ad  rei  veritatem  (ttai  Al^^tmi', 
ta^.  ad  Judicium).  Nur  diese  letztere  führt  lu  einem  Wissen  (£iM(q/iq},  jene 
nar  zn  einem  Meinen  (iüu).  Der  überindividuelle  Charakter  des  Logischen 
(S.  449)  wird  bei  der  Demonstratio  ad  hominem  preisgc^ben.  An  Stelle  der 
„Apodeiktik"  tritt  die  „Dialektik"  und  speziell  die  sog.  Sophistik  nnd  Eristik 
(Aristoteles,  Akad.  Ausg.  165  b),  vergl.  S.  23  n.  38  f.  Dabei  ist  jedoch  fest- 
zustellen (gegenüber  Aristoteles  und  auch  manchen  modernen  Lt^kem),  daß 
der  UntcrEChied  dieser  beiden  Beweisarten  durchaus  nicht  etwa  darin  besteht, 
daß  der  Beweis  ad  hominem  nur  Wahrscheinlichkeit,  der  Beweis  ad  veritatem 
ittets  apodiktische  Sicheriieit  liefert.  Auch  der  streng  logische  Beweis  ad  veri- 
tatem maß  sieh  oft  mit  einer  Wahracheinlichkeit,  also  einem  problematigebfln 
Endnrteil  begnügen  (es  gibt  auch  ein  Wahrscheinlichkeits wissen).  Es  kommt 
vielmehr  Bei  jener  Unterscheidung  nnr  darauf  an,  ob  der  Beweis  ganz  unab- 
hängig von  dem  psycholi^ischen  Verhalten  einzelner  McoBchen  geführt  wird.  — 
Znweilen  wird  die  argumentatio  ad  hominem  audi  aig.  ex  concesais  genannt, 
insofern  derjenige,  für  den  der  Beweis  geführt  wird,  voreilig  einzelne  Teil- 
scblüsse oder  Teilurteile  einräumt. 

Wenn  ein  Beweis  abgeschlossen  ist,  werden  zuweilen 
noch  Bemerkungen  angefügt,  welche  zur  Veransehaulichung 
nnd  Erläuterung  des  Beweises  und  seines  Ergebnisses  dienen 
sollen.  Diese  wurden  früher  als  Schollen  bezeichnet.  So 
definiert  Baumgarten  (Acr.  log.  *,  ^  258) :  „propositio  ad  seriem 
demonstratarum  et  demonstrationis  non  necessaria,  sed  tarnen 
ad  oaudem  praesertim  illustrandam  utilia  cxhibens  seholion 


OgIC 


g()4        IV.  Teil.    Die  einzelnen  loftischen  Gebilde  und  Sire  Gesetze. 

est"  (dcutBch:  „Anmerkung").  Die  Ethice  Spinozas  bietet 
viele  Beiäpiele.  —  Oft  schlieQt  man  auch  an  einen  Beweis 
ein«D  oder  mehrere  Sätze  an,  welche  sich  aus  dem  Endnrteil 
des  Beweises  ohne  weitere  komplizierte  Schlußakte  ata  oa- 
mittclbare  Schlüsse  (vgl.  S.  716)  ei^ehen.  Solche  Sätie 
heißen  Korollarien  oder  Konsektarien *)  (nach  WoU, 
Logik,  ^  277  „propositionee,  quae  non  multa  ratiocLnionun 
ambage  ex  deflnitionibus  vel  propositionibus  aliis  inferun- 
tur"). 

Die  Widerlegung  (Refutatio,  KA*nf''e)  eines 
Beweises  kann  auf  verschiedene  Weise  stattfinden,  uänüicb 
cratens  dtircb  den  Nachweis  der  ■  materialen  Unrichtigkeit 
einer  oder  mehrerer  im  Beweis  verwendeter  Hilfsarteile  (De- 
finitionen, Axiome,  Theoreme,  s.  S.  800),  oder  zweitem  durch 
den  Nachweis  von  formalen  Beweiefehlem  (s.  §  137),  oder 
drittens  durch  den  Nachweis  eines  Disgmenz  (s.  S.  290)  im 
Endlirteil,  oder  viertens  durch  den  Vorweis  eines  Tatbestan- 
des bzw.  den  Beweis  eines  Satzes,  der  mit  dem  Endurteil  des 
der  Prüfung  unterzogenen  Beweises  unverträglich  ist.  Auf 
dert  ersten  beiden  Wegen  wird  nicht  das  Endurteil  des  Be- 
weises, sondern  nur  das  Beweisverfahren,  das  zu  ihm  geführt 
hat,  als  unrichtig  erwiesen,  auf  dem  dritten  und  vierten  Weg 
wird  beides  als  unrichtig  erwiesen,  aber  die  Ursache,  die  für 
das  unrichtige  Ergebnis  verantwortlich  ist,  nicht  aufgeklart 
Eine  vollständige  Widerlegung  sollte  daher  stets  den  ersten 
bzw.  zweiten  Weg  mit  dem  dritten  bzw.  vierten  verbinden. 
Vgl.,  auch  S.  808  über  das  indirekte  Beweisverfahren. 

Wenn  das  Beweisergebnis  zu  Beginn  des  Beweises  noch 
nicht  feststeht  (vgl.  S.  797),  so  bekommt  der  Beweis  den 
Charakter  einer  Aufgabe  oder  eines  Problems^)  in 
prägnanten  Sinne.  Den  Sachverhalt,  der  sich  in  diesem  be- 
sonderen Fall  ergibt,  kann  man  auch  durch  folgende  Über- 
legung darstellen :  Der  zugrunde  liegende  Tatbestand,  welchen 
wir  zu  Beginn  des  Beweises  in  den  Qmndurteilen,  der  sog. 
Hypothesis  (S.  799)  festlegen,  enthält  das  Ziel  (z*  a  798)  als 
ein  X,  das  bestimmt  werden  muß,  diese  Bestimmung  eines  x 
ist  also  die  „Aufgabe"  des  Beweises.     Die  Auflösung  einer 


^)  Baumgsrten,  L  c.  §  257  will  zwlsciien  beiden  noch  antergeheiden  und 
flbersetrt  mit  „Zugabe"  baw.  „Znsatz". 

^  nföpliiiiam  ähnlichem  Sinne  schon  bei  Aristoteles,  z.  B.  Ak.  Ausg.  föa 
(sjDonyni  n^t«»f c,  TtQay/ja  mfi«i,  nqi9K!ic,  letzterer  Tenninus  »Iso  in  »s- 
derem  Sinn  sla  unsere  Prothese). 


■)„:,tP<.-jM,G00glc 


4.  Kapitel.    Die  Lehre  \on  den  Beweisen.  805 

algebraiscbeo  Gleicfaung  gibt  hierfür  ein  sehr  klares  Bei- 
spiel. In  dem  Basiswinkelsatz  würde  das  gegenseitige  Ver- 
hältnis der  Basiswinkel  das  zu  bestimnjende  x  sein. 

Der  Terminus  „L  e  hr  s  a  t  z" ')  ist  in  den  vorauBgebcnden 
Erörterungen  wegen  seiner  Vieldeutigkeit  vermieden  worden. 
Er  wird  am  besten  für  das  bewiesene  Endurteil  (die  be- 
wiesene These)  gebraucht,  so  weit  es  Qegenstand  weiterer 
Verarbeitung  (in  anderen  Beweisen,  in  einem  System,  einer 
Theorie,  einer  Wissenschaft)  ist.  Da  zu  einer  solchen  die 
eprachliche  Formulierung  unerläßlich  ist,  so  mag  auch  die 
Bezeichnung  als  Lehrsatz  gerechtfertigt  sein  (vgl.  %  111). 
Daher  sprechen  wir  denn  auch  von  „Hilfslebrsätzen".  Der 
Terminus  „Theorem",  der  S.  800  bereits  verwendet  wurde, 
ist  mit  „Lehrsatz"  gleichbedeutend,  insofern  ein  als  Hilfs- 
urteil  verwendetes  Theorem  selbst  aus  einem  Beweis  als  End- 
urteil hervorgegangen  ist.  Oft  werden  übrigens  auch  Kon- 
klusa,  also  Urteile,  die  sieh  auf  einen  Schluß,  nicht  auf 
einen  Beweis  gründen,  zn  den  Lehrsätzen  gerechnet. 

HiBtoTiBcheR.  Die  Lehre  vom  Beweis  und  seine  Tenninologie  Ut 
tTst  von  Acistoletes  Gjatenutisch  entwickelt  worden.  Seine  Definition  lautet: 
dnäii^iS  fiiy  oiv  Iviir,  itai/  (i  äkijSüy  *al  n^rur  t  avUoytoftic  g,  ^  l* 
jvtoätaiiß,  3  iiä  Tivoli'  n^iüiwy  mtl  dXti^t  t^f  nt^l  eiia  yvÜHum  rqv  ägxn<' 
illtltptr,  iiaXimait  di  evlXoyiOftic  i  li  irJöftii'  Cvli.oyi(öiiniii(  [Akad.  Aus- 
gabe 100  a).  Sie  ist  aus  zwei  Gründen  zu  beanstanden,  entene  weil  sie  die  mate- 
riale  Richtigkeit  der  PiStnissen,  also  ein  Eifordernis  des  zu  einem  richtigen  End- 
urteil führenden  Beweises  in  die  Definition  des  Beweises  aufnimmt,  und  iweiteOB 
wcü  sie  den  Wahrscheinlichkeitsbeweis  ansschlieSt  >).  Von  den  Nachfolgern  des 
Aristoteles  wurde  die  Lehre  vom  Beweis  dnrchweg  nur  sehr  flüchtig  behandelt. 
Üoelhius  (De  diH.  top.,  Mignes  PatroL,  Bd.  64,  S.  1041  u.  1174)  definiert  »rgu- 
mentum  als  ratio  rci  duhiae  faeiens  fldem  und  ai^mentatio  als  argumenti  per 
oiationem  eiplicatio  oder  eloeutio,  locus  (bei  Aristoteles  lo'nof)  als  sedes  argii- 
menti  vel  id,  unde  ad  propoeitam  quaestionem  conveniens  trahifur  aj'gumentuni. 
Die  bei  dem  Beweis  verwendeten  Axiome  nennt  er  maximae  ac  piincipales  pro- 
positiones.  Thesis  und  bypolhcsis  (b.  o.  S.  797  d.  799)  faßt  er  abweichend  vuiii 
heutigen  Sprachgebrauch  auf  (aber  in  wesentlicher  Übereinstimmung  mit  Aristo- 
teles, Ak.  Ausg.  72»).  —  Iln  Mittelalter  ist  die  Lehre  vom  Beweis  von  den 
Arabern  erweitert  und  z.  T.  auch  vertieft  worden,  so  namentlich  von  Altärabi 
(vgl.  S.  69)  in  seiner  uns  nur  in  Berichten  zugänglichen  Schrift  De  demon- 
sttatione.    Man  onterschied  damals  eine  demonstratio  quia '")  und  eine  dcuiun' 

^)  Schon  im  IT.  Jahrhundert  nachzuweisen. 

*)  Vgl.  auch  71  b  u.  25  über  den  Unterschied  von  änöiufv  und 
tvXi»yuiftee.  Zur  Rechtfertigung  der  aristotelischen  Lehre  kann  man  natür- 
lich voibringeu,  daB  die  äne'itdfw  nur  eine  besondere  Art  des  Beweises  (in 
unserem  Sinn)  darstelle;  dann  bleibt  aber  immer  noch  das  Bedenken,  daß  Ar. 
nirgends  klar  das  Gaumtgebiet  des  Beweises  (in  unserem  Sinn)  znsainmenfaßt 
und  erörtert. 


OgIC 


g06       'V-  !"«''■    Die  einaelnen  logiachen  Gebilde  und  ihre  Geaetze. 

Btratio  qnaie  «fv«  pri^ter  qnid  (demoDstntio  Su  nnd  demooetntia  *«ti).  tW 
der  letiteien  litt  der  Mittelbegriff  kanule  Bedeutung,  bei  der  ersteren  oüt. 
Wie  sdion  wis  dieser  ChiratteriBtik  hervorgeht,  wurde  dabei  iwisehen  SeUsB 
und  Beweis  keine  scharfe  Grenw  gezogen.  Avicenoa  erkannte  eine  demonstratio 
quih  d.  h.  eine  demonstratio  eiistentiae  tlberhaapt  nidit  als  gültig  m  {^. 
Prantl,  Oeseh.  d.  Logik  Bd.  2,  2.  Ann.,  S.  366).  Neben  w^mentatio  mä 
deinonetratio  kam  »eh  der  Terminoe  probatio  auf. 

Ratnns  (vgl.  auch  S.  452,  Anm.  5)  behandelte  die  Lehre  vom  Beweis  nntff 
dem  Titel  „methodus"  und  berück  sichtig  te  im  wesentlichen  nur  die  Anord- 
nang  der  VwschlÜBse  (Dialect.,  Francof.  1577,  H,  17—20,  S.  156B).  Aw4 
trennt  er  den  Beweis  nicht  vm  der  wissen schaltliehen  llethode,  d.  h.  dem  Ver- 
fahren bei  dem  Aufbau  einer  Theorie,  eines  Systems  biw.  einer  gatuen  Wisees- 
Schaft,  welcher  sich  offenbar  aus  vielen  Beweisen  lusammensetit.  CartcstK 
hat  den  Tenninns  „methodus"  duin  ganz  in  letzterem  Sinn  gebraucht  (vgl.  t.E 
B^.  ad  dir.  ingen.  Nr.  V;  Diss.  de  metb.  1—3).  VgL  andi  Logique  de  Fort- 
Royal,  Teil  t. 

In  der  WolRschen  Schule  war  der  allgemeine  Terminus  für  Beweis  „pro- 
batio";  dem<HiBtratia  hieß  derjenige  Beweis,  der  sieh  nnr  auf  ,J)efinitianeii, 
iweifelfieie  Erfahrungen,  Axiome  und  früher  schon  bewiesene  Sätze"  grüudet 
(WolB,  Log.  g  496 ff.;  ßaumgarten,  Act.  log.»,  §  303  n.  413 H.;  G.  Fr.  Meiet. 
Vernunftlehrc  »,  §  223  ff.).  Der  gewöhnliche  Schluß  wurde  als  probatio  wnipl« 
aufgefaßt.  Anfflllig  dQrftig  wird  die  Lehre  vom  Beweis  in  den  meisten  logi- 
schen Lehrbfichern  der  Kantsehen  Schule  behandelt.  —  Im  letzten  Jahrhundert 
sind  wesentliche  Fortadiritte  oder  terminologische  Veränderungen  in  der  Lehre 
vom  Beweis  nicht  zu  verieichnen.  Bis  heote  wird  sie  von  ^nanchen  Logiken 
gani  der  angewandten  Logik  lugewieeen:  Lotie,  Logik  1874,  n,  4,  S  l'-KtS., 
rechnet  den  Beweis  z.  6.  zur  Lehre  „vom  Untersuchen",  Chr.  Sigwait,  Logik' 
1893,  11,  $  81,  behuidelt  ihn  im  „techniBchen  Teil"  anter  den  .JogisdieB 
Methoden"  nsf. 

§  136.  Verschiedene  Formen  der  Beweise.  Dtr^ter  und 
Indirekter,  Bnalytlscher  und  syntlietlsclier  BewelH.    Ancb  die 

Beweise  können  von  den  verschiedensten  Standpunkten  ans 
eingeteilt  werden.  Hier  werden  nur  die  wichtigsten  Kio- 
teilungen  kurz  angeführt  nnd  einige  besonders  wichtige 
Gmppen  ausführlicher  besprochen. 

Auf  Qrund  des  Oeltungsbewußtseins  (S.  312,  378,  382  d. 
682 ff.)  hat  mpn  thetische  und  prothetische  Beweise 
zu  nnterBcheiden.  Der  gewöhnliche  Beweis  ist  thetisch,  d.  h. 
wir  sind  von  der  Richtigkeit  des  Beweises,  sowohl  der  Vor- 
Bchlüsse  wie  des  EndschhisseB  eiaschlieSlich  der  Grund-  und 
Hilfsurteile  and  des  Endurteils  mehr  oder  weniger  fest  über- 
zeugt, und  sprechen  daher  alle  einzelnen  Teilurteile  und 
namentlich  das  Endurteil  apodiktisch  (assertorisch)  oder 
problematisch  aus  (^  117).  Ausnahmsweise  ist  ein  Beweis 
prothetisch,  d.  h.  neutral  im  Sinn  einer  „Annahme",  d.  b. 


'°)  Quia  bat  hiei  keine  streng  kausale  Bedeutung. 

h.  i."ih,Googlc 


4.  Kapitel.    Die  Ldire  von  den  Beweisen.  g07 

wir  enthalten  uns  zunächst  eines  jeden  Urteils  über  seine 
Bichtigkeit  oder  Unrichtigkeit,  weil  begleitende  zustimmende 
und  widersprechende  Assoziationen  fehlen  oder  ausgeschaltet 
(ignoriert)  werden  (vgl.  S.  683).  Dieser  Tatbestand  liegt 
z.  B.  vor,  wenn  wir  einen  uns  vorgelegten  Beweis  kritisch 
prüfen.  Um  einen  besonderen  Fall  handelt  es  sich,  wenn  die 
Grundurteile  des  Beweises  (seine  Voraussetzung  oder  H^po- 
thesis,  S.  799)  prothetisch  sind,  also  nur  unter  Vorbehalt  als 
wahr  „angenommen"  werden,  die  weiterhin  zugezogenen 
Hilfsurteile  (einschiießJich  Definitionen  und  Axiome)  aber 
thetisch  sind.  Das  ganze  Beweisgefüge  kann  dann  mit 
einem  „hypothetischen  Urteil"  (§  120)  verglichen  werden, 
dessen  Antecedens  die  Grundurteile  (die  Hypothesis)  sind, 
und  dessen  Kousequens  das  Endurteil  (das  Finiens,  die  Thesis) 
ist.  Diese  wichtige  Form  des  Beweises  soll  als  hypothe- 
tischer Beweis  bezeichnet  werden. 

Man  ersieht  hieraus  audi,  daß  die  Bezeichnung  des  GiunduTteile  b:iw. 
der  Gründarteile  als  „Hypothesis"  irreführend  igt.  Das  Orundurteil  bildet  in 
der  Tat  die  Grundlage  fQr  den  Beweis  und  kann  in  diesem  Sinn  als  die 
Voraussetzung  oder  die  Bedingung  fOr  das  Endurteil  gelten,  aber,  da  es  bald 
tbetisch,  bald  prothetisch  ist,  entspricht  es  durchaus  nicht  stets  dem  Ante- 
eedena  eines  hypothetischen  Urteils;  denn  dies  Antecedens  ist  stets  pro- 
thetisch. Kurt  kann  man  auch  sagen:  nicht  jeder  Beweis  ist  hypothetisch. 
SelbetTerständlieh  ist  jeder  Beweis  nur  gültig  unter  Voraassetinng  seiner 
Grundarteile,  aber  diese  Qrundurt«ile  selbst  sind  bald  thetisch,  bald  prothe- 
tisch, nod  nur  im  letzteren  Falle  trSgt  der  Beweb  hypothetischen  Charakter 
und  trifft  die  Bezeichnung  Hypothese  IQi  das  Grundurteil  zu.  Man  könnte 
hierg^en  rielleicht  einwenden,  daß  von  unsenh  Standpunkt  doch  jedes  Grund- 
urteil eines  Beweises  prothetisch  sei,  da  ich  beispielsweise  bei  dera  Basis- 
winkelsatz die  Oleichschenkligkeit  des  gezeichneten  individuellen  Dreiecks  oder 
eines  gedachten  genereilen  Dreieclis  indner  nur  „annehmen"  kQnnn.  Indes  ist 
hierauf  zu  emidern,  daß  es  bei  nnsrer  Unterscheidung  gar  nicht  darauf  an- 
kommt, oh  der  im  Grundurteil  ausgesagte  Tatbestand  wirklich  eiistiert,  son- 
dern nur  darauf,  ob  er  von  mir  anerkannt  wird,  also  Qegenassoziationen  fehlen 
bzw.  ausgeschaltet  werdea.  Bei  den  meisten  Beweisen  ist  dies  der  Fall,  und 
daher  sind  sie  tbetisch.  Man  kann  sogar  sagen,  daß  bei  vielen  Grundurteileu 
Gegeoassoziationen  fast  niemals  in  Frage  kommen.  Wenn  ich  z.  B.  elwn  den 
Basiswinkelsatz  im  gleichschenkligen  Dreieck  beweise,  so  lautet  das  Grund- 
urteil einfach:  irgendwelche  Dreiecke  )nit  gleichen  Schenkeln  sind  gegeben. 
Da  für  dies  Gegebensein  schon  die  Vorstellun^eiistenz  (V-Exislenz  S.  631) 
genügt,  so  sind,  vorausgesetzt  natQrlich,  daß  Dreieckigkeit  und  Gleichschenklig- 
keit  miteinander  verträglich  sind,  Gegennssoziatiunen  gar  nicht  denkbar.  Hin 
solches  Grundurteil  wird  also  immer  thetisch  sein.  Im  allgemeinen  kommt 
prathetischer  Charakter  fflr  das  Grundurteil  nur  dann  in  Fr^c,  nenn  es  niclit 
ein  bloßes  Oegebensein,  sondern  eine  Urteilsverknüptung  innerhalb  des  Ge- 
gebenen, z,  B.  eine  bcstimtnie  Art  der  Existenz  oder  des  G^ebenseim 
(S.  G30)  ausspricht. 


n,g,t,7rJM,GOOglC 


gOg        IV.  Teil.     Die  einzelii«i  loeiachen  Gebilde  und  ihre  Gesetxe. 

Eine  zweite  wichtige  Einteilung  der  Beweise  gründet 
eich  anf  die  quantitativen  Beziehungen  der  Teilnrteile. 
inaheBondere  des  entscheidenden  Hilfsurteils  und  des  End- 
urteils.  Ist  das  Endurteil  weniger  allgemein  als  das  ent- 
scheidende Hilfsnrteil,  so  tragt  der  Beweis  einen  deduk- 
tiven Charakter,  im  entgegengesetzten  Falle  einen 
induktiven.  In  heiden  Fällen  bandelt  es  sich  nur  um  die 
aUgemeine  Sichtung  des  Beweisgangs.  Besonders  deot- 
lieh  tritt  die  induktive  Richtung  hervor,  wenn  die  Hilfstat- 
sachen,  welche  in  den  Hilfsurteilen  herangezogen  werden, 
sämtlich  oder  vorwiegend  individueller  Natur  und  das  £hid- 
prteil  allgemein  ist.  Übrigens  gibt  es  auch  zahlreiche  Be- 
weise, die  weder  induktiv  noch  deduktiv  sind  (Niveaubeweise 
nach  Analogie  der  Niveanschlüsse  S.  724). 

Noch  wichtiger  ist  eine  dritte  Einteilung  der  Beweise, 
nämlich  in  direkte  und  Indirekte  (apagoj'ische).  Der  direkte 
Beweis  beweist  dasEndnrteil  {die  These)  selbst,  der  indirekte 
beweist,  daß  das  zu  dem  Endurteil  kontradiktorische  urteil 
(vgl.  S.  649)  zu  einem,  logischen  Widerspruch  (Disgruenz) 
oder  zu  einem  Widerspruch  mit  einwandfrei  nachgewiesenea 
bzw.  nachweisbaren  Sätzen  oder  zu  einem  Widerspruch 
mit  gegebenen  Tatsachen  (einem  empirischen  Widerspruck) 
führt.  Es  handelt  sich  also  bei  dem  indirekten  Beweis 
um  eine  Widerlegung  des  kontradiktorischen  Gegenteils 
des  behaupteten  Endurteils  auf  dem  dritten  oder  vierten 
der  S.  804  besprochenen  Wege,  und  zwar  erfolgt  dieselbe 
in  der  Weise,  daß  das  Eudurteil  z.  B.  S — P  in  sein  kontra- 
diktorisches G«genteil  verwandelt  wird,  also  in  S  non — P, 
und  aus  diesem  unmittelbar  oder  mit  Hilfe  einwandfreier 
Hilfesätze  Schlüsse  gezogen  werden  und  für  diese 
einer  jener  Widersprüche  nachgewiesen  wird.  Schematisch: 
aus  Suon — P  folgt  M — N;  M~N  enthält  einen  unzweifel- 
haften Widerspruch  '); :  also  S  non  —  P  gilt  nicht,  und  folg- 
lich gilt  S — P.  Es  entspricht  dies  dem  Modus  tollens,  der 
S.  745  f.  erörtert  wurde,  nur  wird  auBerdem.  noch  aus  dem 
Nicht-(3elten  von  S  non — P  nach  dem  Prineipium  excinßi 
tertii  (S.  693)  auf  das  Gelten  von  S  — P  gescUlossen  (Modus 
toUendo  poneus,  S.  753). 


>)  Die  viellacb  gebi&ucliliche  Bezeichniug  „dednctio  oder  redudio  ad  *b- 
Hurdum"  trifft  streng  genommen  nur  zu,  wenn  dieser  Widerspruch  ein  RÜ 
logiBcher  ist  (manifeste  oder  latesle  Disgmiiz). 


OgIC 


4.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Beweiaen. 809 

An  Sicherheit  gibt  der  indirekte  Beweis  dem  direkten 
nichts  nach,  er  fördert  aber  unsere  Erkenntnis  nicht  in  dem- 
selben MaBe  wie  dieser,  da  er  uns  über  den  Zusammenhang 
der  Grundurteile  mit  dem  Endurteil  {den  sog.  ,4lealgrund") 
keine  Aufklärung  gibt.  Sein  wichtigstes,  aber  durchaus 
nicht  etwa  sein  einziges  Auweadungsgebiet  ist  die  Mathe- 
matik. Besonders  eignet  er  sieh  auch  zum  Beweis  negativer 
Sätze. 

Oft  wird  auch  behauptet,  daß  negative  Thesen  ani  auf  apagogiechem  Weg 
bewiesen  werden  kOnnen.  VAtB  ist  schon  im  Hinblick  auf  viele  induktive  Be- 
weise mit  negetivem  Endurteil  sicher  nicht  richtig.  Wohl  aber  kann  man  mit 
Trendeknbarg  (Log.  Unters.  Bd.  2,  Berlin  1840,  S.  320  ff.)  zugeben,  daB  der 
indirekte  Beweis  an  sich  nur  negative  Ergebnisse  liefert  und  erst  dadurch,  daß 
die  Unterordnung  unter  eine  Disjunktion  erfolgt,  ein  positives  Ergebnis  er- 
zielt wird.  Die  folgenden  Erörterungen  werden  dies  bestätigen.  Auch  betont 
Tr.  mit  Recht,  daß  die  Überzeugung  von  der  Richtigkeit  der  Aiiomc  auf  der 
Unmöglichkeit  des  Denkens  ihres  Gegenteils  beruhe,  alao  hier  der  indirekte 
Beweis  als  „Nothille"  eintrete. 

Nahe  verwandt  mit  dem  indirekten  Beweis  ist  der  Be- 
weis per  exciusioneiu  (disjunktiver  Beweis,  s.  unten  S.  810). 
Er  besteht  darin,  daß  für  das  x,  welches  durch  den  Beweis 
bestimmt  werden  soll,  eine  einwandfreie  logische  oder  empi- 
rische Disjunktion  aufgestellt  wird,  z.  B.  „S  ist  entweder  — P 
oder  ist  nicht — P"  (logische  Disjunktion)'),  oder  „S  ist  ent- 
weder—  Pi  oder  Pa  oder  P,"  (empirisch«  Division)  und  dann 
gezeigt  wird,  daß  alle  Glieder  der  Disjunktion  bis  auf  eines 
mit  Widersprüchen  behaftet  sind  oder  zu  Wideraprüchen 
führen.  Offenbar  läuft  dieses  Verfahren  auf  einen  indirekten 
Beweis  hinaus:  ich  beweise  „S —  P"  (bzw.  „S —  Pi"),  indem 
ich  „Snon-— P"  (bzw.  S  —  P,  und  S — P,)  widerlege.  Ein 
äußerlicher  Unterschied  besteht  nur  insofern,  als  ich  bei  dem 
Beweis  per  ezclnsionem  zuerst  die  disjunktiv  gegliederten 
Urteile  koordiniert  nebeneinanderstelle,  während  .  ich  bei 
dem  indirekten  Beweis  von  dem  Endurteil,  also  einem  he- 
stimmteu  Glied  der  Disjunktion,  ausgehe.  Außerdem  pflegt 
man  von  einem  indirekten  Beweis  vorzugsweise  dann  zu 
sprechen,  wenn  die  Disjunktion  logisch  ist  *). 

')  Hau  erinnere  sich,  daß  die  Urteile  „S —  P"  und  „S  —  non-P"  keine 
richtige,  d.  h.  vollständige  Disjunktion  bilde»,  es  sei  denn  daQ  itiaa  non-F  in 
der  S.  423,  Änm.   1  ang^ebenco  Weise  deSniert. 

')  So  wh-d  es  verständlieh,  daß  Chr.  Sigwart  (Logik,  2.  Aufl.,  II,  §  81, 
S.  286)  den  indirekten  Beweis  Ittr  eine  „besondere  Fortn"  des  Beweises  durch 
AuBBcblitBong  erklärt. 


glQ        IV.  Teil.     Die  einzelnen  logiKhen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

H)slori«eheB.  Aristotelec  bezeii^et  den  indirekten  Bevd«  als 
ditiibtt  biiT.  tvULoyta/ihc  Jii  nv  äieräi»»  oder  tlc  te  äümtv  mimymji 
(i.  B.  Ak.  AoBg.  40  b,  26  0.  29  U  5)  vaA  lechnet  ibn  nj  den  Beweises,  l>d 
denen  nirht  itairixüc,  sondern  if  tinolH^tntt  nSmlich  auf  Grand  der  Annalunc 
de*  Richtigkeit  des  Gegenteils  der  Beweis  geführt  wird.  Er  leigt  »nth,  d*B 
und  «i«  fflr  jeden  Sati  sowohl  ein  direkter  wie  ein  indirekter  Beneis  m^ÜA 
ist  (62  b,  38),  gibt  aber  doch  dem  ersteren  den  Vorzog  *).  Latciniseh  fiba- 
Bellte  man  mit  „piobatio  per  impossibile"  (Appnlejns,  Hi^  t^ft.,  g  13,  ed. 
Oud.  277,  Opp.  ed.  I'homi«,  S.  190)  oder  später  auch  mit  „demonstratio  >{«■ 
gogica".  Neue  GesichlEpunkte  kamen  bis  in  die  neueste  Zeit  nicht  lom  Vor- 
schein. Ein  wenig  eiakte  Definition  gab  WolS  (Logik  §  ÖÖOB):  ,J>enK«- 
sltatio  apag^Lca  seu  indircd«  (im  Gegensatz  zur  demonstratio  „ostensiva  siTt 
ditecta")  est,  qua,  posito  contrario  ejus,  <[uod  probori  debet,  tanqnam  vera, 
coUigitur,  ijnod  propositioni  verae  vel  notioni  subjecti  contradicit".  KSnei 
und  eiakt«r  definiert  Baumgarien  (Acr.  log.*,  g  691):  „demcmstratio  falsitatii 
atieujus  proposilionis  ei  sequenlibus  ex  iUa  falsis."  Kant  hat  nur  in  der  Kritik 
der  reinen  Vernunft  (Kehrb.  Ausg.  S.  600)  etwas  ausführlicher  über  den  indi- 
rekten Beweis  gesprochen.  Er  betont  mnäehsl,  daS  in  „aller  Art  der  Erkennt- 
nis" der  indirekte  Beweis  insofern  mehr  Nothille  sei,  als  er  ,,iwar  GewiSbeit, 
aber  nicht  Begreiflichkeit  der  Wahrheit  in  Ansehung  des  Zusammenhangs  mit 
den  Grflnden  ihrer  Mögliclikeit  hervorbringen  könne"  (s.  oben  S.  809),  and 
will  ihn  nur  in  denjenigen  Wissenschaften  gestatten,  „wo  es  nninSglich  ist, 
das  Subjektive  unserer  Vorstellungen  dem  Objektiven,  nämlich  der  Erkenntnis 
desjenigen,  was  am  Gegenstand  ist,  unterznschiebe n".  Die  tisnszeodeo- 
talen  Beweise  der  reinen  Vernunft  dürfen  nach  Kant  nie  indirekt  sein.  Die 
B^prflndnng  Eants  ist  nur  darin  stichhaltig,  dafl  die  Gehren  von  Beweis- 
fehlera  bei  indirekten  Beweisen  auf  dem  sog.  transzendentalen  Gebiet  beson- 
ders groB  sind. 

Auffällig  ist  die  dürftige  Behandlung  des  indirekten  Beweises  bei  des 
groBen  neueren  englischen  Logikern  (Hs)nilt«n,  J.  Stuart  Hill).  In  Deutschland 
hat  Lotze  versucht,  wie  die  direkten,  so  auch  die  indirekten  Beweise  noch  weiter 
einiuteilen  (Logik  1874,  g  211,  S.  272).  Weder  praktisch  noch  theoretisch  be- 
deutet diese  Einteilung  einen  PortMhritt.  Es  sei  nur  erwähnt,  daß  L.  als 
„Beweis  durch  Eingrenzang"  denjenigen  indirekten  Beweis  bezeichnen  will,  in 
welchem  eine  dreigliedrige  Disjunktion  dadurch  zustande  kommt,  daß  non  — P 
(s.  oben  S.  808  f.)  selbst  wieder  in  zwei  kontradiktorische  Gegenteile  zerfällt. 
Die  Ansiebten  von  Trendelenbui^^  und  Sigwart  wurden  oben  bereits  erwähnt 
Wandt  (Logik  >,  1894.  Bd.  2,  S.  79)  nnUrscheidet  3  Hauptfonneo  des  bdirekten 
Beweises,  die  disjunktive,  konträre  und  kontradiktorische.  Von  diesen  eat. 
spricht  die  kontTadiktorische  dem  indirekten  Beweis  a.  str.,  wie  wir  ihn  oben 
kennen  gelernt  haben,  die  disjunktive  dein  Beweis  auf  Gniud  oidit-kontn- 
diktorischer  Disjunktion.  Die  konträre  Form  soll  „sieh  auf  ein  altematiTCS  Ur- 
teil von  der  Form;  A  ist  entweder  B  oder  C  stützen,  und  da  W.  sniiinunt 
dafl  überall,  wo  ein  Begriff  in  nur  iwei  positiv  bestimmbare  Teile  zerlegt  wird, 
diese  zugleich  in  das  Verhältnis  des  konträren  Gegensatzes  zueinander  treten, 
so  würde  es  sich  bei  der  konträren  Form  immer  darum  handeln,  die  DnmBg- 
lichkeit  des  konträren  Gegensatzes  der  autgesteUten  Behauptung  zu  e 


*)  Vgl.  hierzu  H.  Maier,  Die  Sjllogistik  des  Arist.,  II,  1,  Tübingen  1900, 
S.  229  fl.  u.  344  ff.  Der  Terminus  ^inayttyi^  hat  übrigens  sonst  bd  Aristo- 
teles eine  ganz  uidere  Bedeutung,  e.  Akad.  Ausg.  6da,  20. 


i.  Kawtel.    Die  Lehre  von  den  Beweisen. 811 

Uir  scheint  diese  Form  nur  ein  Speziairall  der  empiriüch  disjunktiven  lu  sein. — 
In  vielen  Beziehungen  aufklirend  sind  auch  die  EiSrterungen  Bolzanos,  WisBen- 
edultslebrc.  Sulzbfich  1837,  Bd.  4,  g  530,  S.  209  ff.,  vor  tillem  mit  Bezug  auf 
die  von  Aristoteleü  bejahte,  vi>n  Leibniz  (Nouv.  Ees.  IV,  B.  Gerh.  AuBg.  S.  409) 
bezweifelte  Ersetzbarkeit  aller  indirekten  Beircise  durch  direkte. 

Von  der  Einteilung  in  direkte  und  indirekte  Beweise 
muß  die  Einteilung  iu  synthetische  nnd  analytische  scharf 
getrennt  werden.  Die  in  §  135  besprochenen  direkten  Be- 
weise waren  sämtlich  synthetisch:  sie  gingen  von  dem  ge- 
gebenen Tatbestand,  also  von  den  Gmndnrt>eilen,  aus  und 
„setzten"  aus  diesen  und  den  zugezogenen  Definitionen, 
Axiomen  nnd  Theoremen  das  Endurieil  gewissermaßen  „zu- 
sammen". Wegen  ihres  Portschreitens  vom  Gegebenen  zum 
Qesnchten  werden  sie  auch  „progressiv  genannt').  Mau 
kann  nun  aber  auch  in  scheinbar  paradoxer  Weise  den  um- 
gekehrten Weg  einschlagen,  nämlich  vom  Endurteil  ausgehen 
lind  dies  so  lange  umgestalten,  bis  es  in  der  umgestalteten 
Form  auf  unmittelbare  Zustimmung  stößt  Solche  Beweise 
nennt  man  analytisch  oder  regressiv.  Ein  einfaches  Beispiel 
ist  folgendes*"):  Es  sei  zu  beweisen,  daß  »in'a  +  ea6*a=l. 
Synthetisch  (progressiv)  geschieht  dies  bekauntlich  durch 
folgende  Gleichungsreihe:  a*  +  b*  —  c>  (pythag. Lehrsatz);: 
a»  ,  b*      ,       /8\»  ,  /b\»       ,      .  a  b 

-i  +  -:=l;:  (-)+-)  — l;8ina  —  -,  cosä«— -;: 
c*   "^  c»  \c/     '   \c/  c  c 

sin» «  -J-  coa'  a  —  l.  Analytisch  oder  regressiv  transtonniere 
ich  das  Endurteil  sin^a  -|-  cos*«  «  1  mit  Hülfe  der  Qiei- 

chuDgen  sin  «  —  -,  cos  o  —  -  in  |-)  -|-  (- J    —  1   und 

a'      b* 
letztereGleichuogin  — ^  -| — ^  •■  1  und  diese  in  a*+  b » =  c*. 

In  dieser  umgestalteten  Form  aber  stößt  der  Satz  auf  nu- 
mittelbare  Zustimmung;  denn  er  entspricht  dem  schon  be- 
wiesenen pythagoreischen  Lehrsatz.  Mit  der  „Zurückfüh- 
mng"  des  zu  beweisenden  Satzes  auf  einen  schon  bewiesenen 
Satz  (in  anderen  Fällen  auf  eine  anerkannte  Definition,  oder 
ein  anerkanntes  Axiom,  od«r  auch  einen  einwandfrei  ge- 
gebenen Tatbestand  (vor  allem  z.  6.  auf  den  in  den  Grund- 
urteilen niedergelegten)  ist  auch  der  zu  beweisende  Satz  be- 
wiesen. Zulässig  ist  dies  Verfahren  selbstverständlich  nur 
dann,  wenn  die  Umgestaltung  lediglich  im  Sinne  äqualer 


3)  Ganz  nnzweckmäSig  ist  die  Bezeichnung  „deduktiv",  da  diese  bereite 
n  anderer  Dedeatung  vergeben  ist,  s.  S.  808.    sa)  Andi  von  HSfler  venvendet. 


OgIC 


812        IV.  Teil,    Die  einzelneD  logischen  Gebilde  uncl^  ihre  Geaetzfc 

Urteile  (vgl.  t  116),  also  nach  dem  Prinzip  der  Äqoaüon 
(vgl.  S.  727)  erfofgt  Ich  darf  also  nicht  etwa  subsamierende 
oder  superBumierende  Urteile  zu  Hilfe  ziehen.  Unter  diesem 
Vorbehalt  liefert  der  analytiische  Beweis  ebensolche  Sicher- 
heit wie  der  sj'nthetische.  Es  erklärt  sich  dies  einfach  dar- 
aus, daß  bei  einer  solchen  —  kurz  gesagt  —  äqnalen  Tranft- 
fonnation  niemais  eine  partielle,  sondern  stets  eine  totale 
Deckung  der  IndividualkoefSzienten  von  Subjekt  nnd  Prä- 
dikat vorliegt  (vgl.  S.  728  tt.).  E^  kann  also  bei  dem  Fort- 
schreiten von  einem  Satz  zum  anderen  niemals  eine  Umfangs- 
verschiedenheit  zustande  kommen,  und  daher  bleibt  die  Reihe 
der  Gleichungen  beweiskräftig,  einerlei,  in  welcher  Richtuoff 
ich  sie  durchlaufe.  Aus  der  Sterblichkeit  von  Cajus  kann 
ich  nicht  auf  die  Sterblichkeit  aller  Menschen  BchlieSen, 
denn  das  Urteil  „Cajus  ist  ein  Mensch"  ist  nicht  äqnal,  son- 
dern subsumierend;  wohl  aber  kann  ich  aus  c=b  und  b  =  a 
schließen  a  =  c,  wenn  c  =  b  und  b^a  äquale  Urteile  sind. 
Der  synthetische  Beweis  beruht  also  in  der  Tat  ganz  auf 
dem  Prinzip  der  Äquation.  Offenbar  ist  das  analytische 
Beweisverfahren  nur  möglich ,  wenn  das  zu  beweisende 
Endnrteil  schon  bekannt  ist  (vgl.  S.  707),  dann  aber  hat 
es  vor  dem'  synthetischen  oft  erhebliche  praktische  Vor- 
züge, da  in  vielen  Fällen  die  zom  Beweis  erforderlichen 
Hilfssätze  sich  leichter  vom  Endurteil  aus  als  von  denOrund- 
urteilen  aus  finden  lassen.  In  dem  tatsächlichen  Denken 
wird  übrigens  oft  auch  ein  gemischtes  Verfahren  ein- 
geschlagen, d,  h.  einerseits  aus  den  Gnmdurteilen  synthetisch 
vorwärts  und  andrerseits  aus  dem  Endurteil  analytisch  rück- 
wärts geschlossen.  Die  beiden  Wege  kommen  sieh  dabei  ge- 
wissermaßen entgegen.  Heuristisch  ist  dies  Verfahren  von 
großer  Bedeutung.  Die  eigentümliche  analytische  Methode 
der  Mathematik,  welche  das  Endurteil  durch  eine  Gleichung 
mit  Unbekannten  ausdrückt  oder  eine  unbekannte  Konstruk- 
tion als  vollzogen  annimmt  und  dann  analytisch  weiter 
schließt,  kann  hier  nur  kurz  erwähnt  werden. 

Mit  dem  analytischen  Beweis  nahe  verwandt,  aber  nicht 
identisch  ist  der  verifizierende  Beweis.  Er  besteht  darin,  daß 
aus  dem  Endurteil,  das  wiedei-uin  als  gegeben  vorausgesetzt 
wird,  beliebige  Folgerungen  formal  richtig  gezogen  werden, 
nnd  die  materiale  Richtigkeit  dieser  Folgerungen,  falls  sie 
nicht  ohnehin  einleuchtet,  nachgewiesen  wird.  Es  handelt 
sich  also  um  eine  Demonstratio  ex  consequentibus. 

h,  1.  iiA.OO^IC 


4.  Kapitel.    Die  L^re  von  den  Beweisen.  Q\^ 

Im  einfachsten  Fall  werden  die  Folgerungen  mit  Hilfe 
von  Subsumtionsurteilen  gezogen.  Wenn  beispielsweise  das 
f^ndurteil  ein  allg«meine6  physikalisches  Q«setz  ist,  so  wird 
aus  ihm  gefo1g€rrt,  daß  es  in  diesen  und  jenen  Spezialfäüen 
sieh  bewähren  muß  und  diese  Bewährung  nun  festgestellt. 
Diese  erste  Form  des  verifizierenden  Beweises  soll  als 
s p e z i f i z ie r ende  Verifikation  bezeichnet  werden. 
Aus  der  speziellen  Bewährung  wird  auf  die  in  dem  Endurteil 
ausgesprochene  allgemeine  Bewährung  geschlossen.  Offen- 
bar handelt  es  sich  um  dieselbe  Methode,  welche  wir  bei  dem 
Induktionsschluß  in  ^  132  kenneu  gelernt  haben,  insbesondere 
ist  die  dort  beschriebene  Verifikation  mit  der  jetzt  in  Bede 
stehenden  im  wesentlichen  identisch.  Oft  gestaltet  sich  diese 
speziSzierende  Verifikation  auch  so,  daß  wir  aus  dem  all- 
gemeinen Gesetz,  welches  in  dem  Endurteil  aufgestellt  wird, 
die  spezielle  modifizierte  Form  herleiten,  welche  es  in 
einem  oder  mehreren  speziellen  Fällen  annehmen  muß,  und 
das  Zurechtbesteben  dieser  modifizierten  Form  nachweisen. 
Im  extremsten  Fall  beschränken  wir  uns  darauf,  nur  indi- 
viduelle f^älle  durch  Subsumtionsurteile  heranzuziehen  und 
aus  der  Gültigkeit  des  Endurteils  für  diese  individuellen 
Fälle  auf  die  allgemeine  Gültigkeit  im  Sinn  der  These  zu 
schließen.  Diese  „exemplifizierende"  Verifikation 
stimmt  ToUends  mit  der  induktiven  überein.  Die  Beweis- 
kräftigkeit der  spezifizierenden  Verifikation  (einschließlich 
der  exemplifizierenden)  hängt  daher  denn  auch  von  denselben 
Momenten  ab  wie  der  Induktionsschluß  (vgl.  hierüber  S.  774). 
Im  Gegensatz  zu  dem  analytischen  Beweis  handelt  es  sieh 
immer  nur  um  eine  Wahrscheinlichkeit. 

Eine  zweite  Form  des  verifizierenden  Beweises  ist  die 
generalisierende  Verifikation.  Sie  besteht  darin, 
daß  das  zu  beweisende  Endurteil  als  der  Spezialfall  eines 
allgemeinen,  anerkannten  Urteils,  also  z.  B.  ein  Gesetz  als 
Spezialfall  eines  allgemeinen  Gesetzes  erwiesen  wird.  Hier 
werden  also  hypothetische  verallgemeinernde  Folgerungen 
aas  der  These  gezogen  (mit  Hilfe  von  Supersumtionsurt^len) 
und  diese,  soweit  sie  nicht  ohnehin  eiuleuchten,  als  richtig 
nachgewiesen.  Selbstverständlich  liefert  diese  Verifikation 
nicht  nur  Wahrscheinlichkeit,  sondern  stets  volle  Sicherheit: 
wenn  das  allgemeine  G^etz  richtig  ist,  muß  das  ihm  sub- 
ordinierte speziellere  Gesetz  richtig  sein.  Im  tatsächlichen 
Denken  bat  sie  jedoch  in  der  eben  angegebenen  Form  keine 


OgIC 


R]4        IV.  Teil.    Die  einzelnen  logtachcn  Gebilite  unS  ihre  GeBetre. 

Bedeutang,  denn  in  der  Reffet  wird  das  allgemeine  Gesets, 
aus  dessen  ZurecbtbesteheD  die  Richtigkeit  der  spezielleren 
These  hergeleitet  werden  soll,  selbst  noch  zweifelhaft  sein, 
solange  im  Spezialfall  der  These  noch  Zweifel  bestehen.  In 
einer  abgeänderten  Form  hingegen  hat  die  generalisierende 
Verifikation  sehr  große  Bedeutung.  Wir  können  nänüich  oft 
zeigen,  daß,  wenn  eine  zu  beweisende  These  richtig  ist,  ans 
ihr  und  einigen  anderen  Thesen,  die  entweder  schon  bewiesen 
oder  noch  zu  beweisen  sind,  sich  ein  allgemeines 
Gesetz  ergibt,  welches  viele  Erscheinungen  (nicht  nur  die 
im  Tatbestand  der  These  enthaltenen)  umfaßt.  Wir  haben 
damit  zwar  keine  Sicherheit  für  die  Richtigkeit  der  zu  be- 
weisenden These,  wohl  aber  eine  mehr  oder  weniger  erbeb- 
liche Wahrflcheinlichkeit  für  diese  Richtigkeit  erreicht.  Der 
Zusammenhang  der  Erscheinungen  und  ihrer  Gesetze  in  der 
allgemeinen  Gleichförmigkeit  und  Gesetzmäßigkeit  der  Natnr 
(vgl.  %  131  unter  2  ff.  u.  ^  132  unter  3  u.  6),  dem  sich  die  The» 
einfügt,  fällt  dann  zugunsten  der  Richtigkeit  der  letzteren 
in  die  Wagscbale.  Man  kann  dies  auch  durch  den  Satz  ans- 
driicken:  eine  Hyimthese  (in  dem  S.  781  erwähnten  Sinn)  ist 
um  so  wahrscheinlicher,  je  mehr  Erscheinungen  sie  erklärt 
(richtiger:  unter  einem  allgemeinen  Satz  zusammenfaßt) 
und  je  zahlreicher  die  Hypothesen  sind,  mit  denen  sie  selbst 
zu  einem  allgemeinen  Satz  zusammengefaßt  werden  kann. 

Die  dritte  und  letzte  Form  *)  des  verifizierenden  Be- 
weises ist  die  koordinierende  Ve rifikation.  Diese 
besteht  darin,  daß  aus  dem  zu  beweisenden  Endurteil  mit 
Hilfe  anderer  einwandfreier  Sätze  oder  Tatbestände  FoU^e- 
rungen  gezogen  werden,  die  nicht  —  wie  bei  der  spezifizieren- 
den, bzw.  generalisierenden  Verifikation  —  ihm  sub-  oder 
superordiniert  sind,  sondern  auf  derselben  Stufe  der  Allge- 
meinheit stehen  oder  auch  gar  nicht  zu  derselben  Skala  der 
Allgeiiieinbegriffe  gehören,  und  aus  der  Bewälirung  dieser 
Folgerungen  auf  die  Richtigkeit  des  Endurteils  geschlossen 
wird.  Es  handle  sich  beispielsweise  um  den  Beweis,  daß  N. 
einen  bestimmten  Raubmord  begangen  hat.  Ich  folgere: 
wenn  N.  den  Raubmord  begangen  hat,  so  muß  er  in  dem  Be- 


0)  Die  EiDteilung  Wundts  (1.  e.  IT,  S.  71).  der  alle  diese  Formca  ni  dem 
antdjtiBchen  Beireis  rechnet  und  eine  kategorische  and  eine  hypothetische  Fonn 
unterscheidet,  scheint  mir  weder  sachlich  richtig  noch  terminologisch  zwtA- 
mfiUig. 

„.,,„,  ^.oogic 


i.  Kapilel.    Die  Lehre  von  den  Beweisen.  815 

Bitz  größerer  Geldsummen  sein,  und  stelle  fest,  daß  diese  Fol- 
gerung tatsächlich  richtig  ist  (z.  B.  mit  Hilf«  des  Tatbestan- 
des ungewöhnlich  hoher  Auggaben).  Mit  dieser  Feststellung 
wird  eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit  gewonnen,  daß  N.  der 
Raubmörder  ist.  Die  Wahrscheinlichkeit,  für  welche  das 
Indiz  spricht,  wird  um  so  größer  sein,  je  mehr  es  gelingt,  eine 
anderweitige  Herkunft  der  bei  N.  feätgestellten  Geldmittel  . 
auszuschließen  ^).  Von  einer  Sicherheit  kann  bei  der  koordi- 
nierenden Verifikation  niemals  die  Rede  sein.  Wenn  man  mit 
T  die  zu  beweisende  Thesis,  mit  H  die  zu  Hilfe  gezogenen 
Sätze  bzw.  Tatbestände  und  mit  F  die  aus  der  Thesis  mit 
Hilfe  von  H  gezogene  Folgerung  bezeichnet,  so  wird  durch 
die  Richtigkeit  von  F  und  H  die  Richtigkeit  vou  T  nie- 
mals  apodiktisch  erwiesen.  Es  bleibt  immer  die  Möglichkeit, 
daß  das  richtige  F  auf  dem  Zusamanentrcffen  von  H  mit  einer 
anderen  Tatsache  oder  einem  anderen  Satz  (an  Stelle  von  T) 
beruht  *).  Die  Wahrscheinlichkeit  der  Richtigkeit  von  T  wird 
um  so  größer,  je  mehr  solcher  V  nachgewiesen  werden  könneu 
und  je  mehr  nachgewiesen  werden  kann,  daß  für  das  ein-  ' 
zelne  F  neben  den  H  andere  Grundlagen  als  T  nicht  in  Frage 
kommen  (vgl.  das  oben  angeführte  Beispiel). 

Überblickt  man  die  Gesamtheit  der  verifizierenden  Be- 
weise, so  ergibt  sich,  daß  sie  mit  Ausnahme  der  praktisch  be- 
deutungslosen generalisierenden  Verifikation  sämtlich  nur 
problematisch  sind.  Damit  verträgt  sich  die  Tatsache  sehr 
wohl,  daß  sie  sowohl  im  praktischen  Leben  wie  in  der  Wissen- 
schaft die  allergrößte  Rolle  spielen. 

Higtoiisches.  Der  TcnuinuB  ärälvvK  ist  schoD  Aristoteles  geUufig. 
Der  O^nsntz  zur  ow^tate  tritt  bei  ihm  noch  in  den  Hintergruad.  Dem 
äythuKÜt  wird  das  ioynmc  entgegengeBtellt  (84  o,  7,  Tgl.  auch  dies  Werk 
S.  39).  Dagegen  gibt  schon  Alexander  Aphrod.  (Al:ad.  Xuag.  Bd.  II,  1,  S.  7) 
die  scharfe  Definition:  avr^Mit  =  äne  x6iv  ä^x^y  ädös  tnl  ti  Ix  tälr  ä^gär, 
(ItvliMv  ^=  irtätodat  ätti  ro9  UUvt  ini  jäe  n^/aV.  Vgl.  auch  Philoponus, 
COYnm.  in  Anal,  post.,  Akad.  Au^.  XIII,  3,  S.  15a  über  Analyse  und  Syn- 
these in  der  Mathematik.  Das  Mittelalter  hat  die  Frage  nicht  wesentlich  ge- 
fordert. In  der  neueren  Philosophie  haben  dann  namentlich  Cartesins,  Hobbes 
und  Ualilei  lie  Unterscheidung  der  Methodus  synthetica  s.  compositiva  und 
analytica  s.  resolutiva  begründet.  Vgl.  auch  Leibniz,  De  synthesi  et  analyni 
unJTersali  sen  arte  ^inveniendi  et  judicandi  (Philos.  Sehr.  ed.  Gerhardt,  Bd.  7, 

')  Man  beachte  die  Annäherung  an  den  disjunktiven  Beweis  (S.  810): 
„N.  hat  die  Geldmittel  entweder  durch  den  Raubmord  oder  .  .  .  oder  .  .  .  nsf. 
erlangt." 

■■)  Handelt  es  sieh  nm  Kausalgesetzlidikeit,  so  besagt  dieser  Satz  eben 
nur,  daß  der  Schluß  von  der  Wirjcung  au!  die  Ursache  stets  nDsieher  ist. 

„.,,„,  ^.oogic 


816        '^-  ^^''-    ^'^  einzelnen  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetz«. 

S.  292  lt.).  Dahei  liefen  noch  Tieltach  Verwethalungen  der  indnktiTen  Mit  der 
aulytiBcben  Methode  unter  (i.  B.  aoeh  bei  Newtun,  Opticks  1704,  3.  Anfl.  LondM 
IT^J,  S.  i)30).  WolH  |ngt  auf  den  genetisch-heuristischen  Unterschied  lu  groBe 
Gewicht  (Log.  §  855r  „ordo,  quo  utimur  in  tradendis  di^mati»,  dicilnr  metbe- 
dusi  ^pell&tut  . . .  analytica,  qua  veritates  ita  ptoponuntur,  prout  Tel  inveitat 
tuerunt  vel  minimum  inveniri  potuerunt;  , . ,  sjnthetiea,  qua  ver.  ita  prop.,  proil 
una  ex  altera  facilius  intelligi  et  demonstrarj  potegt;  mcth.  mixta  est,  qoM  ei 
utrinsque  combinatione  reaultat").  Im  wesentlichen  einwuidfrei  ist  K*ati 
Definition  (Logit  §  117):  Die  analytische  Methode  „fängt  von  dem  Bedingt« 
und  Begründeten  an  und  geht  zu  den  Prinzipien  fort  (a  prindpiatia  ad  prin- 
cipiata)",  die  synthetische  hingt^n  „geht  von  den  Piiniipien  zu  den  Folg» 
oder  »om  Einfachen  loin  Zusanunengeeetiten".  Das  synthetische  Verfahid 
von  J.  0.  Fi*hte  sieht  nur  in  «ner  sehr  entfernten  Beiieboog  in  onseren 
synthetischen  Beweis. 

Schließlich  Bei  noch  die  Einteiluug  der  Beweise  in 
apriorische  und  aposteriorische  erwähnt.  Bei  der 
Mehrdentigkeit  der  Termini  „apriorisch"  und  aposteriorisch 
(vgl.  ^  6.3)  kann  diese  Einteilung  nur  dann  zagelassen  werden, 
wenn  beide  Terraiui  vorher  eindeutig  definiert  worden  sind. 
Definiert  man  a  priori  als  von  der  Erfahrung  im  weitesten 
Sinn  (vgl.  S.  296)  unabhängig,  so  gibt  es  überhaupt  keine  Be- 
weise a  priori.  Definiert  man  a  priori  als  von  der  SIniHS» 
erfahrung  unabhängig,  so  könnte  man  sich  das  Zustande- 
kommen apriorischer  Beweise  in  der  Weise  denken,  daß  die 
Beweisführung  aus  Grundurteilen,  die  von  der  Sinneserfah- 
rung  unabhängig  sind,  lediglich  mit  Hilfe  ebeoeolcher 
Äiciome,  Definitionen,  Hilfssatse  oder  Tatbestände  erfolgt. 
Da  alle  Tatbestände  uns  ursprünglich  als  Sinneserfabrung 
gegeben  sind  und  auch  all^  Urteile  einschließlich  der  Axiome 
und  Definitionen  Vorstellungen  enthalten,  die  in  letzter  Linie 
aus  der  Sinneserfabrung  hervoi^egangen  sind,  so  müßte  bei 
einer  Beweisführung  a  priori  von  diesem  sinnlichen  Gehalt, 
der  allem  Gegebenen  zukommt  oder  ihm  zugrunde  liegt, 
völlig  abgesehen  werden  und  ein  „reiner"  Denktatbestand 
isoliert  werden.  Ob  ein  solcher  Tatbestand  isoliert  werden 
kann  und  ob  er  ausreicht,  irgendwelche  Begriffe,  Urteile  und 
Schlüsse  zu  bilden  und  damit  auch  einen  apriorischen  Be- 
weis zu  führen,  untersucht  die  Erkenntnistheorie  (vgl.  auch 
S.  298  ff.).  Die  Logik  hat  mit  dieser  materialen  Frage  nichts 
zn  tun.  Nur  soviel  ist  jedenfalls  sicher:  gibt  es  apriorische 
Sätze,  die  unbeweisbar  sind  und  keines  Beweises  bedürfen, 
80  hat  gerade  deshalb  die  Logik  in  ihrer  Lehre  vom  Beweis 
nichts  mit  ihneu  zu  tun;  bandelt  es  sich  aber  um  apriorische 
Sätze,  die  beweisbar  sind  und  eines  Beweises  bedürfen,  so  ist 


OgIC 


4.  Kapitel.    Die  Lthre  von  d«i  Beweisen. 817 

ein  Bolcber  Beweis  apriorischer  Sätze  nach  denselben  logi- 
echen  Kegeln  zu  führen  wie  irgrendein  andrer  Beweis. 

i  137.  B«w«iaMlar.  Jede  Niehtbeaefataug  ii^ndeinei  der  Tatsachen, 
die  ia  der  Lehre  vom  Beweis  festgestellt  wurden,  ist  ein  Beweirfebler,  Wir 
lerstehen  also  wit«r  Bewetsfehlern  alle  lonnalen  Unriditigkeiten  eines  Be- 
weises. Iq  dei  Regel  bedingen  sie  eine  mateiiale  Unriehtif^eit,  also  IndSqnat- 
beit  des  Endorteils  (über  seltene  Ansnahmen  s.  S.  283,  Anm.  14).  Die  wich- 
tigsten sind  folgende: 

1.  Verwedislnngen  der  Modalität,  sei  es  in  den  Onndorteilen,  sei  es 
in  den  heiangeiogeDeti  Hilfsarteilen,  sei  es  in  den  SchlnBarteileD  der  Vor- 
■ehlOsBe  odec  des  Endschlnsses.  Jeder  Beweis  muß  also  sotg^tig  bis  zum  End- 
sdilnß  (einschließl.)  auf  die  Innehaltong  der  richtigen  Modalitat  geprüft  werden. 

2.  Der  Fehler  des  „zn  wenig  Beweisens"  (Probatio  minns  pro- 
boDs).  Dieser  li^  dann  vor,  wenn  das  Endorteil  des  gefGturten  Beweises  nur 
einen  Teil  desjenigen  enthält,  was  man  in  der  voiansgeschickten  Thesis  m  be- 
weisen Tersprochen  hatte.  Beispiel:  es  soll  bewiesen  werden,  daS  alle  Kri^e 
ein  UnglUek  sind,  nnd  der  Beweis  führt  nar  m  dem  Endnrteil,  daS  viele 
Kriege  ein  UnglQek  sind  (Subjektsomfang  im  Endniteil  enger  als  in  der 
These);  oder  es  soll  bewiesen  werden,  daB  der  Baom  eine  apriorische  An-  , 
■dtanangstorm  ist,  nnd  es  wird  nur  bewiesen,  daß  er  eine  Anschauangstorm  ist 
(Wegbleiben  eines  Teils  des  Prädikats  der  These  im  EndnrteQ)  nsf.  Ist  das- 
jenige, was  .wirklich  bewiesen  worden  ist,  richtig  bewiesen,  so  kann  wenigstens 
dies  Bewiesene  verwertet  werden:  der  Beweis  ist  nur  in  Bezug  anf  die  These 
lalsch,  nur  die  These  bedarf  der  Korrektur. 

Das  tatsächliche  „zu  fiel  Beweisen"  (Probatio  plus  probans)  ist  ein  nn- 
sehädUcher  Mangel  des  Beweises,  insofern  ans  dem  zu  umfassenden  Endnrteil 
leicht  durch  Spezifikation,  Partition  nf.  die  weniger  mnfassende  Thesis  abge- 
leitet werden  kann.  Es  ist  sogar  nützlich,  indem  es  nns  zeigt,  daB  wir  die 
Thecis  zn  eng  formuliert  haben.  Es  kommt  also  nnr  daranf  an,  daß  wir 
merken,  daß  Endurteil  und  Thesis  verschieden  sind,  nnd  demgemäß  die 
Theda  erweitem.  Der  alle  Satz:  „qni  nimium  probat,  nihil  probat"  ist  also 
falsch.  Besonders  gel&hilteh  ist  das  „Zuviel  beweisen  wolle  n",  weil  es  daza 
lerffilirt,  Beweisfehler,  z.  B.  gegen  die  Modalität,  zu  begehen  oder  unsolid« 
Hilfssfitze,  I.  B.  anvorsichtig  feiaUgemeinerte,  zn  verwerten. 

8.  Inhaltliche  Tersebiedenheit  von  Endurteil  nnd  These.  Während 
ea  tneb  sub  2  um  ein  Mehr  oder  Weniger  handelt,  li^  hier  eine  nicht  einfach 
quantitativ  ansdrOckbare  Inhaltsverschiedenheit  vor.  Beispiel:  es  soll  bewiesen 
werden,  daß  eine  Krankheit  ererbt  ist,  und  es  wird  bewiesen,  daß  sie  angeboren 
ist.  Man  spricht  in  solchen  Fällen  auch  von  einer  ftträßmite  de  äiio  yiyat. 
Die  Fehler  sub  2  und  3  werden  auch  znsanänengefaßt  als  Heterozetesis  (iiifw- 
{qnjffir).  Ist  die  These  Qegenstand  eines  Streites,  so  spricht  man  von  igno- 
ratio elenchi  (äyiiatu  iliyjrov,  Unknnde  des  Streitpunkts,  falla^  of  irrdennt 
eoneliision  von  Whately)  bzw.,  wenn  die  Heterozetesis  wissentlich,  also  in  Täu- 
sfjiuiigsabsieht  erfolgt,  von  mntatio  elenchi  (/itrapol^  iXiyx^- 

4.  Die  Petitio  principii  oder  der  Zirkelbeweis  ((Sroulus in  demon- 
strando,  vgl.  S.  592  über  Cireulos  in  definiendo],  auch  idem  per  idou  genannt 
Der  Zirkelbeweis  ist  dadurch  charakterisiert,  daß  die  zu  beweisende  These 
•dbat  im  Verlauf  des  Beweises  als  HüfsurteU  verwendet,  also  das  ni  Bewei- 
Bsnde  als  bewieaAi  vorausgesetzt  wird. 

Zlafaen,  iMbibnch  d«r  Ijogik.  S2 

h.  !■,  iiA.OOt^lC 


RIß        !V.  Teil.    Die  cmzclnen  logMchien  Gebilde  mtd  ihre  Gesetze. 

Die  ni»teri»leii  Unriehtigkeiteo  dei  Hüfstuteile.  Definittonen  wl., 
die  im  Las!  einet  Beweiaei  sieh  eiii)whli>iohea,  habea  mit  der  Logik  aiehta  » 
tun.  El  (dien  daher  nni  eimdne  technische  Anedrteke  ugetDhrt  wenla. 
Liegt  ecbon  in  der  Formnlieniog  der  Qnudiirteile  oder  eines  entadteideitihn 
HillButiee  (S.  805)  ein  miJerialeT  Irrtum  Tor,  eo  epridit  man  von  etM« 
mmnr  ftviot  (enor  principalia  a.  tondamentaüe).  Ein  „Sprang"  im  lleaut 
(ealto«  a.  hiatoa  in  demomrtrando)  ist  eine  msteriale  Lflde  in  den  TeitadiirMKi 
oder  ihren  Primiasen,  doch  verwesdet  man  dieae  Beieichnnng  laweilen  aidi 
ffir  tormal  tiniichtige  enth^ematiscbe  Teikflnnngen  innerhalb  der  Teilsehitae 
(§  129).  Als  beeonders  ge(&hriieh  gilt  mit  Beeht  jede  materiale  LOehe  in  eiier 
empirischen  Disjunktion,  vor  allem  bei  dem  disjunktiTen  Bsweia  selbst  (laeni 
disjimetionb).  —  Nicht  eindentig  wird  der  Terminns  Hysteron-proteron  [rtit^ 
M^ttfr)  verwendet;  man  bezeichnet  damit  bald  die  petitie  principii,  iraoltn 
boi  derselben  die  lu  beweisende  Theeis  vorweggenommen  wird,  bald  jede  flin- 
kehr der  natflrlichen  Beibentolge  der  BeweisgrOnde  oder  «ach  der  IjelinÄtu, 
I.  B.  Voranstellnng  abgeleiteterer  oder  bedingterer  Tor  weniger  sbgeleilete 
biw.  weniger  bedingte  (andi  anBerhalb  eines  Beweises). 

Historieebee.  Mit  manchen  Beweiafehlem  hat  sich  Bchon  Atiila- 
teles  eingehend  beschKItigt  (r^  S.  795).  Die  Petitio  principii  (ta  ir  lifjj 
oder  it  äezii  <^i'-  nfontl/ttnf  abOii^at,  Tgl.  Akad.  An^.  64  d.  L)  Taltt  er 
noch  etwas  enger,  ftls  wir  es  hente  meist«ns  tnn,  nnd  nnterscbeidet  sie  (N 
dem  Zirkelbeweia,  dem  .av*i^  xnl  Ü  äU^Xmr  itixpo^^at-  (L  e.  57  h,  18). 
Bei  Seztos  Empit.  findet  eich  in  Uuüichem  Sinn  der  Tenninns  Aöll^io^  rfhf 
(Pjrrh.  hTpot.  I,  169  n.  II,  68,  ed.  Bekker,  S.  87  u.  72).  AU  lateiaisdM 
Tenninos  fenrendete  man  eineiseits  „petitio  principii",  nndrermits  „orbJi  riw 
circolus  in  demonstnndo".  Die  erstere  Übenetinng  Bcheiot  Qbrigeoi  ant  einem 
Irrtum  m  berohen,  inso|erD  man  „principii"  statt  ,4n  prindpio  pn^Msiti"  aeUd 
(s.  FaeiuE,  Conun.  in  AnaL  pr.  *  11,  10).  Auch  von  fallaci«  quaesiti  mtiB 
wnrde  gesprochen.  Bdde  Termini  —  petitio  [uincipii  and  fallad«  quaesiti 
medii  • —  wurden  cnweilea  auch  fOr  jede  Heraniiehung  eines  unbewieaeiNa 
Hillisaties,  nicht  nur  für  die  Heraniiehung  der  in  beweisenden  Theais  eellal, 
gbraoeht.  Für  letztere  blieb  dann  der  Tenninus  cirtulus  in  demonatreado  vor 
behalten  (so  i.  B.  aneh  bei  Kant,  Logik,  g  92).  —  Der  Terminus  fitinfituv  tk 
all*  firof  hat  bei  Aristoteles  noch  nicht  die  speiielle  Bedeutung,  die  er  it 
der  heutigen  Terminologie  meistens  (1)  bat,  vgl.  L  e.  268  b,  1.  Ober  den  Te^ 
minos  R(iäiai'  t/^iJoe  s.  1.  e.  66  a,  16.  Ei  schwebt  wohl  auch  WolR  tot,  wem 
er  definiert  (Log.  g  S32):  qni  circa  notiones  deceptriees  (deBaitionum  quippt 
locum  sustincntea)  atque  jodicU  intnltiVa  eommittitor  error,  est  error  ciitt 
prineipia  commiasm. 


5.  Kapitel 

Die  Lehre  von  den  Wissenschaften 

S  138.  Wluenschaft,  System,  Theorie.  Dos  Gegebene 
wird  von  der  Erkenntnistheorie  in  große  Gruppen  oder  Klm- 
sen  zerleg  Diese  sollen  weiterhin  mit  einem  der  algelirfti- 
achen  Logik  entlehnten  Namen  als  Haiiptgeblete  bnseiclinet 


OgIC 


fi.  Kapitel.    Die  I«hre  von  <Jen  Wissen schaften.  819 

werden.  Aus  dieser  Einteilang  in  Haaptgebiete  ergibt  sich 
anmittelbar  auch  eine  Einteilung  in  Hanptwiaseaschatten. 
Die  im  %  107  besprochenen  logischen  Regeln  der  Division, 
Inordination  nsf.  sind  bei  den  Abgrenzungen  derselben  allent- 
halben beteiligt.  Im  übrigen  aber  nimmt  die  Logik  von 
diesen  Einteilungen  nur  Kenntnis,  ohne  sich  material  an 
ihrer  Änfstellnng  zu  beteiligen.  Innerhalb  jeder  Haupt- 
wisaenflchaft  ergeben  sich  wiederum  TeilgeTiiete,  deren  Ab- 
grenznng  in  der  Regel  schon  nicht  mehr  der  Erkenntnistheo- 
rie, sondern  den  einzelnen  Hanptwissensohaften  selbst  zu- 
fällt. Auch  hieran  ist  die  Logik  nur  formal  beteiligt.  Wie 
weit  eine  solche  Qliederuug  in  Teilwissenschaften  vollzogen 
wird,  hängt  vielfach  auch  von  praktischen  Bewei^rnnden  ab. 
Innerhalb  eines  irgendwie  abgegrenzten  größeren  oder 
kleineren  Teilgebiets  nun  und  demgemäß  auch  innerhalb  der 
zugeordneten  Teilwisseoschaft  sammelii  sich  nach  den  in 
den  voransgehenden  Kapiteln  besprochenen  Regeln  zahl- 
reiche Beobachtungen,  die  in  individnellen  Begriffen  und 
Urteilen  niedergelegt  werden,  nnd  aus  ihnen  abgeleitete  all- 
gemeine Begriffe  nnd  urteile  (Sätze)  an.  Die  Begriffe  sind 
durch  Definitionen  fixiert  Die  Urteile  sind  teils  auf  Schlüsse 
oder  Beweise  gegründet,  teile  nicht;  die  ersteren  heißen 
Theoreme  oder  Lehrsätze  (vgl.  S.  800  u.  805),  die  letzteren 
sind  unmittelbare  Urteile  über  individnelle  Tatbestände  (Be- 
obachtungen) oder  Axiome  (vgl.  S.  800).  Die  .Wissenschaft 
ist  nun  aber  keineswegs  etwa  nüt  der  Summe  oder  dem  Ag- 
gregat dieser  in  Definitionen  fixierten  Begriffe,  Tatbestands- 
nrteile,  Theoreme  and  Axiome  identisch,  sondern  wir  ver- 
stehen unter  Wissenschaft  die  einheitlich  geordnete 
Gesamtheit  der  Begriffe,  Tatbeetandenrteile,  Theoreme  und 
Axiome  eines  Gebiets.  Mit  der  Lehre  von  den  Begriffen,  Ur- 
teilen, Schlüssen  nnd  Beweisen  ist  daher  die  logische  Auf- 
gabe noch  nicht  erledigt;  die  Logik  hat  auch  die  Verpflich- 
tung, soweit  möglich,  wenigstens  die  allgemwnsten  Regeln 
für  die  einheitliche  Ordnnng  des  innerhalb  eines  Gebiets 
angesammelten  Erkenntnismaterials  aufzustellen.  Die  Ord- 
nnngsversache  selbst  werden  als  Systeme  bezeichnet. 

Dm  gegenseitige  Verhiltnis  an  Mfttjri«la  du  WisseiuchafteQ  m  d^ 
Haoptgrappen  der  logiaehen  Gebilde  kun  lüer  dnich  ein  konee  Sdtnu  fol- 
gendermtßeii  wiedeigegebeD  weiden:     - 

52- 


iX.OOglc 


TV.  Teil.    Die  rinielnen  logiachen  Gebilde  and  ihre  Gegetie. 
TiitiMEtuidsbeobiditiuigeii 


indJ^idueUe  B^Be  ■    .   '  it.-  -,    ( indiridaelk  TatbertwidHirteile 

Ipmnire  Urteile  !  ,  . 

'  I  I  Bog.  Axioine 

Allgemeine  Begriffe  j 

Bekundire  durch  SchlQBse  oder  Beweise  gewoonae 
Urteile  (Theoreme) 
BeiBglich  aller  Einielheiten  oad  nunenüieh  bezOglidi  der  Begifinduis 
m&  auf  die  EikenntaiGtheorie  verwiesen  werden. 

Innerhalb  jeder  Wisaenschaft  existieren  in  der  Eegel 
meliKre,  oft  zahlreiche  Gruppen  von  Erscheinungen  (6e- 
gehenheiten),  die  unter  sich  gleichartig  sind,  wie  z.  B.  die 
Licht-  oder  die  Gravitationserscbeinnngen  in  der  I^ysik,  die 
Gegebenheiten  im  Bereich  des  Strafrechte  in  der  Jora  nsf. 
Solche  EracheinaDgegnippen  werden  hänfig  zunächst  einer 
ifiolierten  wissenschaftlichen  Untersachnng  miterzogen  and 
die  Lehrsätze  usf.,  die  für  eine  solche  Gruppe  gelten,  vor- 
läufig für  eich  einheitlich  geordnet  Ein  solcher  inhaltlich 
beschränkter  einheitlicher  Ordnungsversnch  wird  als  Tbewle 
bezeichnet.  So  spricht  man  z.  B.  von  einer  elektromagne- 
tiechcQ  Lichttheorie,  einer  Gravitationstheorie,  einer  Straf- 
rechtßtheorie  nsf. ').  Die  Theorie  nnterscheidet  sieh  also  von 
dem  System  nur  dadurch,  daß  ihr  Gegenstand  nicht  mit  dem 
Gebiet  einer  Wissenschaft  zusammenfällt  Bei  der  Willkür- 
lichkeit  der  Abgrenzung  der  Wissenschaften  ist  diese  Unter- 
scheidung übrigens  nicht  streng  durchführbar. 

Der  Sprachgebrauch  ist  bezüglich  der  Termini  „Theorie", 
„System"  und  „Wissenschaft"  bis  heote  sehr  schwankend  ge- 
blieben. Vor  allem  haben  sich  zahlreiche  Nebenbedeutm^ren 
erhalten.  So  sprechen  wir  von  Theorie  auch  im  Gegensatz 
zum  Schaffen  und  Handeln  iitüvota  ^sa^^txi^,  noi^tx^  und 
n^axTtx^  bei  Aristoteles,  Ak.  Ansg.  1025  b,  25;  theoretische 
und  praktische  Vernunft  bei  Efmt  usf.).  So  hat  femer  da3 
Wort  „System"  zuweilen  die  ganz  besondere  Bedeutung  des 
Einteilungesystems,  so  z.  B.  wenn  wir  von  natürlichen 
Systemen  usf.  (vgl.  S.  595)  sprechen.  Von  allen  diesen  Neben- 
bedentongen  wird  hier  gänzlich  abgesehen. 

Irrig  wäpe  es  auch,  wemi  man  annehmen  wollte,  daB 
Theorien   ausschließlich    anf    das    wissenschaftliche 


')■  über     die    epezieUe    Bedentnng     des    Termiatis    , Jl  t  k  e  n  b 
theorie"  »gl.  Ziehen,  Erkenntnistheorie,  Jena  1913,  S.  512  f. 

„.,,„,^.oogic 


5.  Kapitel.    Die  Lehre  Ton  den  Wissensctuften.  g21 

rkenken  beschränkt  seien.  Anch  im  alltäglichen  Leben  bietet 
sich  zuweilen  Veranlaßsung,  eine  Gruppe  von  Erscheinungen 
amsammenznf 8B6ea  und  einheitlich  zn  ordnen.  Von  Syste- 
men allerdings  kann  vom  Standpunkt  unsrer  D^nition 
ausschlieBlicb  dann  gesprochen  werden,  wenn  es  sich  um 
einheitliche  Ordnung  eine»  Wiseenschaftsgebiets  handelt 

Bei  Flato  und  Aiietoteles  haben  aiviatiK  nnd  avti^/ta  noch  keine  pr»- 
gnante  Bedeotung.  Die  Stoikei  bezeidmeten  die  Welt  und  die  Weltordnnng 
selbst  im  objektiven  Sinn  nie  ein  avaiii/ia  (Stobaaus,  Eclog.  1, 444,  ed.  WachS' 
muth  Bd.  I.  S.  184  u. DiO)n>aes  Laert.,  De  uiar.  phil. fit  VII,  138,  ed.  Cobet. 8. 188 u. 
äsmentL  Marc  Aniel,  Tä  lit  iaviör  VU,  IS,  ed.  Stich,  2.  AnfL  iW&,  3.  82: 
f»ii»e  ü/d  loS  i*  Tütr  Xoyuiär  <niaii]/iiaioc^  desgl.  XII,  23).  Von  spSteren 
De&nitJoneD  sei  liier  nm  diejenige  WoUfs  angefDhrt  (Ix^.  §  869):  „Bjetema  = 
veritatiDD  intei  ee  et  com  principiis  soia  conneianim  congeiieB."  Kant  stellt 
die  Beziehnng  von  System  und  Wissensebatt  folgendennaßen  fest:  „eine  jede 
Lehre,  wenn  sie  ein  Sj'stem,  d.  i.  ein  nach  Prinzipien  geordnetes  Ganze  der 
Erkenntnis  sein  soll,  beißt  Wissenscbsft"  (Hett^b.  Anl.  gr.  d.  Nat.  wiss-,  Tor- 
rede, Tgl.  auch  Kr.  d.  rein  Vem.,  Kehrb.  Ausg.  S.  504—515).  Hegel  (Eaiyklop. 
$213.  WW.  1840  Bd.  6,  S.  38ö)  betraditet  das  3;stem  als  eine  Besondemng  des 
Absoluten:  das  Abeolnteistdie  allgemeinennd  eine  Idee,  welche  ala  urteilend  sich 
sam  System  der  bestimmten  Ideen  besonder!  In  neuester  Zeit  hat  Chr.  Sigwart 
das  Wesentlidie  des  Sjstems  in  der  Ic^ischen  Verknflpfnng  gesucht,  denn  et 
stellt  der  „Systänatik"  die  „Anfgabe,  die  Totalität  der  in  irgendeinem  Zeit- 
ponht  erreichten  Erkenntnisse  als  ein  Ganzes  darzustellen,  dessen  Teile  dureh- 
gSngig  in  logischen  Verhältnissen  Terknflpft  sind"  (Logik*,  Freib. 
1893,  n,  §  lOS,  &.  6B5). 

Ober  den  Terminna  ^tagta  bei  Aristoteles  s.H.Bonitz,  Kommentar  z.Heta- 
phjs.,  Berlin  1849,  8.127.  Im  allgemeinen  liberwi^  im  Altertum  nnd  im 
Uittelalter  die  ailgenieine  Bedeutung  „wissenschaftliche  üntersnchnng"  im 
Oegensatz  zur  Praxis  (s.  oben  S.  820).  Oft  wird  er  geradezu  für  Lehrmeinung 
gebiaodit.  So  spricht  Baco  (Not.  org.  I,  61  n.  02)  von  dm  idola  theatri  sive 
theoriaium.  El  scheint  sich  dann  zuerst  in  der  Naturwissenschaft  in  dem 
heutigen  Sinn  (einheitlich  geordnete  Erkenntnis)  eingebOrgert  zn  haben,  doch 
bedarf  die  Geschichte  des  Terminns  noch  weiterer  Untersuchung. 

§  139.  Der  logische  Anfbao  der  Hieorlen.  Da  die  Tlieo- 
rie  ein  einheitlicher  Ordnungsversuch  unsrer  Erkenntnisse 
im.  Bereich  einer  größeren  oder  kleineren  (}ruppe  von  Ge- 
gebenheiten ist,  erhebt  sich  die  Frage:  nach  welchem  Prinzip 
diese  Ordnung  erfolgen  soll.  Am  nächsten  scheint  das  gene- 
tische Prinzip  zu  liegen.  Danach  hätten  wir  zuerst  das  zu- 
grunde liegende  Gegebene,  das  „Material"  festzustellen  nnd 
nach  Bedarf  auszuwählen  nnd  abzugrenzen  und  dann  Begriff 
für  Begriff,  Urteil  für  Urteil,  Sehlufi  für  SchluB,  Beweis  für 
Beweis  in  der  Abfolge  aneinander  zu  reih^i,  wie  sie  im  Lauf 
unseres  Erkenntnisprozesses    aufgetreten  sind.     Da  unser 


OgIC 


g22        IV'  'I'^-    ^^  einzdnen  logüchen  Gebilde  und  ihre  Gesetze. 

wiBBenschaftliches  Erkennen  in  manchen  Wifisenscbaften 
vom  Einfachen  zom  Zosammengeeetzten  and  vom  Beson- 
deren znm  Allgemeinen  fortechreitet,  so  kann  für  diese 
Wissenschaften  die  genetiBche  (henriatische,  t^tistorische") 
Ordnoug  zagleich  der  synthetischen  nnd  der  induktiven  Bidi- 
tung:  entsprechen,  indessen  bleibt  ein  aolebes  Znsammentref- 
fen  doch  mehr  oder  weniger  zufällig.  Solange  eine  llieOTie 
noeh  in  der  Bildung  begriffen  ist  and  Cberall  da,  wo  eine 
lleorie  gegenüber  Zweifeln  begründet  werden  soll,  ist  das 
genetische  Verfahren  offenbar  im  allgemeinen  das  zweck- 
mäßigste. Dies  ändert  sich,  sobald  eine  Theorie  vollständig 
abgeschlossen  und  ihre  Begründung  erted^  ist.  Dann 
wird  es  sich  darum  handeln,  die  Gesamtheit  der  Begriffe  und 
Lehrsätze  so  darzustellen,  dafl  ihr  Zusammenhang  klar  her- 
vortritt. Es  kommt  uns  daim  aaf  die  Einheitlichkeit 
der  Ordnnng  an,  dfis  Bedürfnis  nach  einer  Theorie  im  Siao 
nnsrer  Definition  macht  sich  geltend.  Hier  versagt  nun  die 
genetische  Ordnnng  in  den  meisten  Wissenschaften;  denn 
bei  ihr  txitt  jeder  Begriff  und  jeder  Lehrsatz  nur  im  An- 
schluß an  seine  Grundlagen,  aber  aufier  Zusammenhang  mit 
koordinierten  und  superordinierten  Begriffen  undLehreatzen 
auf.  Wir  sind  also  gezwungen,  ii^endein  Prinzip  der  Ein- 
heitlichkeit behufs  Ordnnng  unsrer  Erkenntnisse  aufzu- 
stellen. Nun  hat  uns  die  Logik  nur  vier  Einheitlichkeiten 
kennen  gelehrt,  nämlich  die  Einheitlichkeit  der  einfachen  Be- 
griffe, die  Einheitlichkeit  der  komplexen,  die  Einheitlichkeit 
der  kontrakten  und  die  Einheitlichkeit  der  allgemeinen  Be- 
griffe (vgl.  S.  473  ff.)  In  der  Tat  sind  alle  diese  vier  Einheit- 
lichkeiten geeignet,  um  als  Ordnungspriozip  für  Theorien 
nnd  weiterhin  auch  für  Systeme  zu  dienen,  und  sind  auch 
sämtlich  in  der  Geschichte  der  Wissenschaften  zu  diesem 
Zweck  teils  einzeln,  teils  kombiniert  verwendet  worden,  aller- 
dings in  sehr  verschiedenem  Ma0e  und  mit  sehr  verschie- 
denem Erfolg. 

Die  erste  Einheitlichkeit,  diejenige  der  einfachen  Be- 
griffe, kann  als  Ordnnngsprinzip  nor  insoweit  verwendet 
werden,  als  wir  an  die  Spitze  der  Theorie  die  einfachen  „Ele- 
mente" stellen,  auf  die  wir  glauben  die  von  der  Theorie  um- 
faßte Gruppe  von  Erscheinungen  (G^ebenheiten)  zurück- 
führen za  können.  Die  Elemente  der  Chemie,  die  Monadra 
von  Giordano  Bruno,  Leibniz  u.  a.,  die  einfachen  Bealien 
Herbarts,  die  Punkte  and  Linien  der  ebenen  Geometrie  spie- 


OgIC 


b.  Kapitel.    Die  Lehn  von  den  WiaaenschalUn.  §23 

leit  z.  B.  eine  solche  Rolle.  Der  Aufbau  der  Theorie  erfolgt 
(liiiin  selbBtTeretändlioh  stets  synthetisch.  Di«  Vorzüge  dieser 
Ikfelhode  bedürfen  keiner  Hervorhebung,  wohl  aber  ihre 
Müiigel.  Erstens  ist  nämlich  die  Einfachheit  dieser  Ele- 
■iieiite  stets  hypothetisch,  oft  müssen  wir  sogar  direkt  zu- 
gobcn,  dafl  sie  nur  relativ  und  nnr  vorlänflg  ist.  Da  bei 
jeilor  Theorie  ein  Vorbehalt  bezüglich  ihrer  endgültigen  Ein- 
gliederung in  ein  umfassendes  System  gemacht  wird,  so  wird 
'man  sich  oft  mit  diesem  Mangel  abfinden  können.  Viel 
schwerer  wiegt  das  zweite  Bedenken.  Die  Theorie  verlangt 
auch  eine  Ordnung  der  Elemente  selbst.  Durchweg  ei^ibt 
sich  nämlich  nicht  ein  Element,  sondern  eine  große  Z^l 
von  solchen.  Eine  ungeordnete,  rein  pluralistische  Neben- 
eiiianderstellung  dieser  vielen  Elemente  genügt  den  Anfor- 
derungen nicht.  Diejenigen  Theorien,  welche  an  ihre  Spitze 
einfache  „Elemente"  stellen  —  man  kann  sie  korz  Ele- 
meiitetheorien  nennen  — ,  müssen  dieser  Schwierigkeit 
gegenüber  irgendwelche  Auswege  suchen.  So  bemühen  sie 
sich  z.  B.,  die  vielen  Elemente,  welche  sich  zunächst  ergeben 
haben,  nachträglich  doch  auf  ein  einziges  zu  reduzieren  — 
man  denke  z.  B.  in  der  Chemie  an  die  inzwischen  widerlegte 
WosserstoShypothese  von  Proust  — ,  oder  sie  entlehnen 
Hilfe  bei  der  Einheitlichkeit  der  allgemeinen  BegritFe  und 
OPilnen  die  Elemente  nach  ihrer  Ähnlichkeit  in  Gruppen. 
Das  Mendelejetfsche  periodische  System ')  der  chemischen 
Elemente  bietet  ein  ausgezeichnetes  Beispiel  für  dies  letztere 
Verfahren.  Im  Bereich  der  Mathematik  sei  an  den  sog.  Dua- 
lismus der  Cartesianiechen  und  Plückerschen  Koordinaten 
(Pniikt-  und  Linienkoordinaten)  und  die  Einfühmng  der 
homogenen  Koordinaten  erinnert.  Hier  sehen  wir,  wie  in 
ganz  exakter  Weise  verschiedene  „Elemente"  erst  in  Be? 
sichnngen  gesetzt  und  dann  unter  einem  Allgemeiiibegriff  zu- 
sammengefaßt werden. 

Die  zweite  und  die  dritte  Einheitlichkeit,  also  diejenige 
der  kontrakten  nnd  der  komplexen  Begriff e,  werden  fast  stets 
in  enger  Verbindung  als  Ordnnngsprinzip  benutzt*),  nnd  zwar 
vorzugsweise  von  den  Individnalwissenschaften ")  wie  Ge- 
schichte (mit  allen  verwandten  Disziplinen),  beschreibender 


')  „Sjstem"  hier  in  dem  Sinn  von  EinteilnngsBystem,  vgl.  S.  595. 
I)  Man  kann  daher  Ton  komplexiv-kontrabtiTea  Theorien  Bprechen. 
>)  Vgl.  Grundlagen  der  rajOuA.,  Teil  ].  S.  53, 


n,5,t,7rjM,G00glc 


824        t^-  TeiL    Die  einzdpcn  logächen  Gebiida  und  fluc  Gesetic 

Aftronomie  und  Geographie.  Die  Geschichte  faBt  nidit  nur 
den  einzelnen  Herrseber  usf.,  sondern  auch  das  einzelne  V<dk, 
den  einzelnen  Staat,  den  einzelnen  Krieg  osf.  als  zoBOmmra- 
gesetztes  ,J>ing*'  im  Sinn  eines  kontrakten  komplexen  Be- 
griffs (vgl.  S.  320  ff.  n.  473  f.)  auf  and  ordnet  eine  Ornppe 
historischer  Gegebenheiten  nach  solchen  Dingen  (Heriachem, 
Dynastien,  Völkern,  Kriegen,  Dichtem,  Dichterschalen  osf.). 
Ähnlich  verfährt  die  Astronomie  mit  der  Sonne,  dem  Sonnen- 
system, den  einzelnen  Planetensystemen'  osf.,  die  Geo^s- 
phie  *)  mit  Ländern,  Gebirgssystemen,  Flaflläufen  usf.  Auch 
hier  ergibt  sich  die  Schwierigkeit,  daß  die  Theorie,  sobald 
sie  größere  Gmppen  Ton  Gegebenheiten  zn  bewältigen  sucht, 
nicht  mit  Einern  Komplex  anskommt,  sondern  mehrere 
Komplex«  aofsteüen  mnß  und  non  eine  Ordnung  dieser 
Komplexe  selbst  vorzunehmen  hat.  Es  gelingt  ihr  dies  durch 
Zusammenfassung  der  kleineren  Komplexe  zn  immer  grS- 
ßeren.  So  geht  die  Geschichte  z.  B.  vom  einzelnen  Herrscher 
zur  einzelnen  Dynastie  und  von  dieser  zn  einer  Folge  von' 
Dynastien  über.  Die  Zusammenfassung  und  die  Gliederung 
innerhalb  der  Komplexe  ist  bald  chronologisch  (Perioden) 
bald  topologisch  (Geschichte  einzelner  Länder).  Die  Einheit- 
lichkeit der  Allgemeinbegriffe  wird  nur  selten  als  sekundäre« 
Ordnnngsprinzip  herbeigezogen  (Geschichte  der  sozialen 
Kevolutionen,  Geschichte  der  romantischen  Kunst  usf.).  Im 
allgemeinen  spielt  bei  der  zweiten  und  dritten  Einheitlich- 
keit das  logische  Ordnungselement  gegenüber  dem  rämnlich- 
zeitlich-kausalen  eine  untergeordnete  Rolle.  Damit  hängt  es 
znsanmien,  daß  wir  das  Wort  „Theorie"  hier  nur  ausnahms- 
weise anwenden.  Wir  sprechen  wohl  von  der  Lamprecfat- 
schen  „Theorie"  der  sechs  Zeitalter  der  Geschichte  von  der 
Comteschen  „Theorie"  der  drei  großen  Perioden  der  Ent- 
wicklung des  menschlichen  Denkens,  von  den  verschiedenen 
Theorien  der  Entstehung  dee  toten  Meers,  der  Alpen  usf.. 
wir  können  zur  Not  auch  von  den  Theorien  sprechen,  welche 
z.  B.  den  Untergang  des  römischen  Reichs  erklaren.  Ds- 
gegen  werden  wir  nicht  von  einer  Theorie  sprechen,  wenn  die 
kriegerischen  Ereignisse  von  1618 — 1648  als  Dreißigjährigw 
Krieg  zusammengefaßt  and  in  die  bekannten  Unterabsohniite 


•)  Die  beBchreibeode  und  lüstoTifche  Geologie,  die  gei^imphische  wi 
historiBche  Paläontologie,  die  Tier-  und  Pflanlengeogtaphie  gehBren  grtflt*f 
teils  eben  falls  hierher. 


n,5,t,7rjM,G00glc 


6.  Kapitel.    Die  Lehre  von  dm  Wisaepachaften.  §25 

serleift  werden.  IMe  Ordounft  ist  hier  so  einfach  nnd  ein- 
deatig  dnrch  die  zeitlich-räumlich-kausalen  Beziehungen'  ge- 
geben, daß  ein  Ordnungaversnoh  im  Sinn  einer  Theorie  von 
Seiten  des  logischen  Denkens  gar  nicht  in  Betracht  kommt. 
Dabei  hüte  man  sich  vor  der  falschen  Anffaseimg,  als  gäbe 
es  nur  Theorien  des  Allgemeinen.  Die  oben  angeführten 
Beispiele  zeigen  znr  G^enöge,  daß  auch  für  das  Individuelle 
Theorien  möglich  und  wirklich  vorhanden  sind. 

Die  vierte  Einheitlichkeit,  diejenige  der  Ällgemeln- 
b^tiffe,  ist  als  das  logische  Ordnangsprinzip  xav  i^ox^v 
zu  bezeichnen,  da  die  wissenschaftliche  Anwendung  des  Ge- 
neralisationsprinzips  ohne  den  Prozeß  der  Generalisation  im 
logischen  Sinn  nicht  möglich  ist  Theorien,  för  welche  dies 
£inteilungsprinzip  maßgebend  ist,  können  „Generaltheorien" 
genannt  werden.  Die  Naturwissenschaften  bieten  allenthal- 
ben Beispiele,  ebenso  die  Psychologie  und  alle  anderen  philo- 
Bophischen  Disziplinen  mit  Ausnahme  der  Geschichte  der 
Philosophie.  So  stellt  z.  B.  im  Bereich  der  sog.  Gravitations- 
erscheinnngen  die  Theorie  jetzt  das  altgemeinste  Gesetz  der 

Massenanziehung  an  die  Spitze  (k  =  c  — 1-5 — )  und    leitet 

daraus  als  Spezialfälle  die  Geeetze  -der  Bahn  der  Planeten, 
des  senkrechten  Falls,  des  Wurfs,  der  Pendelbewegnng  nsf. 
ab.  Auch  die  Mathematik  enthält  neben  Elementetheorien 
<S.  823)  allenthalben  auch  Generattheorien.  Insofern  diei 
mathematischen  Generaltheorien  gestatten,  von  dem  all- 
gemeinsten Gesetz  bzw.  der  allgemeinsten  Formel  dnrch 
logische  Disjunktion  (logisch  vollständige  Division,  vgl. 
S.  594  f.)  zu  immer  spezielleren  Fällen  überzugehen  und  so 
den  Umfang  dear  subordinierten  Fälle  zu  erschöpfen,  können 
sie  als  Musterbild  allerTheorien  gelten.  So  wird  beispielsweise 
für  die  Kurven  zweiter  Ordnung  die  allgemeinste  Gleichung 
aufgestellt:  a,i  x*  -1-  a„  y'  +  2  a^  x  y  -|-  2  a,,  x  -f-  2  a,»  y  +  a„ 
=  0  und  dann  untersucht,  welche  Spezialfälle  sich  ergeben, 
wenn  die  aus  den  Koeffizienten  gebildete  Dlskriminante 
=  0  oder  ^-O  oder  -CO  ist  und  wenn  an'  —  aiiaM=0  oder 
>  0  oder  <  0  ist  usf.  (vgl.  S.  595).  Nur  für  einzelne 
Gruppen  der  physikalischen  Erscheinungen  ist  eine  ähnliche 
Vollständigkeit  nahezu  erreicht  worden.  Die  Bichtung  der 
Ordnung  auf  Grund  der  vierten  Einheitlichkeit  ist  stets 
deduktiv  (im  Gegensatz  zur  Bichtung  der  Genese  der  mei- 
sten Erkenntnisse  der  hierher  gehörigen  Wissenschaften). 


O^^IC 


926        ^-  ^^'-    ^^  eiiiie)it«D  logiachen  Gebilde  und  One  Gcsetift 

S  140.  Der  It^^Mlie  Anfbrnn  dw  Systeme  sad  der  WIm«- 
■duften.  Während  ee  Bloh  bei  den  Theorien  nm  eine 
Omppe  von  Gegebenheiten  innerhalb  eines  Wissenschafte- 
gebietee  handelt,  betrifft  nach  unarer  Definition  der  Änfbas 
einea  Systems  das  gesbnite  Oehiet  einer  Wissenschaft. 
JBine  scharfe  Trennung  zwischen  Theorie  und  System  ist 
nicht  dnrchzafähren.  Der  Anfbaa  eines  Systems  erfolgt 
nach  denselben  Regeln  wie  derjenige  einer  Theorie.  Je  mehr 
also  eine  Wissenschaft  sich  dem  Ahschlnfi  nähert  oder  zn 
nähern  glaubt,  um  so  mehr  wird  sie  von  der  genetischen 
Darstellung  zu  der  einheitlich  ordnenden  übergehen.  Die 
OrdttungBprinzipien,  die  ans  zur  Verfügung  stehen,  sind 
wiederum  die  vier  oben  aufgezählten.  Eine  neue  Aufgabe 
ergibt  sich  nur  insofern,  als  ein  Wissenschaftsaystem,  d.  h. 
das  System  einer  ganzen  Wissenschaft,  nicht  wie  eine  Theo- 
rie, sich  mit  der  Tetsache,  dafi  eine  ii^ndwie  bestimmte 
Gruppe  von  Erscheinungen  gegeben  ist,  begnügen  kann, 
sondern  bis  auf  Grundbegriffe  imd  Grundsätze  zurückgehen 
muB,  welche  die  bezügliche  Wisseiwohaft  als  richtig  voraua- 
setzt  und  ihrem  Aufbau  zugrunde  legt  Diese  Grundbegriffe 
und  Grundsätze  werden  von  der  Einzelwissenschaft  nicht 
weiter  untersucht  bzw.  bewiesen,  sondern  entweder  ganz. 
naiv  als  schlechthin  gegeben  betrachtet  oder  der  Erkenntnis- 
theorie im  weiteren  Sinn  (Gignomenologie,  vgL  S.  241)  ent- 
lehnt. So  untersucht  z.  B.  die  Geometrie  als  solche  nicht,  was 
der  Baum  bzw.  das  Bänmliehe  ist,  sondern  nimmt  naiv  an, 
daß  Baum  bzw.  Räumliches  irgendwie  gegeben  ist,  oder  ent- 
lehnt die  Abgrenzung  und  Charakteristik  dieses  Grund- 
begriffs der  Erkenntnistheorie,  Ebenso  sieht  die  Mathematik 
den  Grundsatz  „wenn  a  =  b  und  b  =  o,  dann  a=c*',  ohne 
ihn  zu  beweisen,  als  selbstverständlich  an  oder  entaimmi 
ihn  wiederum  der  Erkenntistheorie  ^pgnomenolt^riaches 
Ideatitätsgesetz,  vgl.  ^  87).  Die  einzelne  Wissenschaft  ist 
nur  insofern  zur  aktiven  Mitarbeit  verpflichtet,  als  sie  zur 
Klarheit  darüber  gelangen  mofi,  wieviele  irrednzible')' 
Grandhegriffe  und  Grundsätze  und  welche  sie  voraossetst 
und  zugrunde  legt  Die  meisten  Wissenschaften  sind  dieser 
Verpflichtung  erst  in  jüngster  Zeit  oder  überhaupt  noch 
nicht  exakt  nachgekommen.    Die  GmadbegriOe  können  auch 


n,g,t,7l.dM,GOOglC 


5.  Eapitel.    Die  Lehre  von  dea  WisseuBchaften.  g27 

alB  Ultima  der  bezügrlichen  Wissenschaft  bezeichnet  wer- 
den. Zu  den  .Elementen"  der  Theorien  innerhalb  der 
einzelnen  Wissenschaft  stehen  sie  oft,  aber  nicht  stets  in  der 
Beziehong  höherer  Atlgemeinbegriffe.  Eine  scharfe  Grenze 
Ewiscben  Ultima  nud  Elementen  läfit  sich  ebensowenig  ziehen 
wie  zwischei^  System  nnd  Theorie.  Die  Grondsätze  decken 
eich,  insoweit  sie  als  unbeweisbar  oder  keines  Beweises  be- 
dürftig betrachtet  werden,  mit  den  Axiomen  nnsrer  Logik 
.(vgl.  S.  293  u.  800). 

Die  Herkunft  der  Grnndbegriff e  und  Grandsätze  ist  von 
der  Erkenntnistheorie  festzustellen.  Für  den  hier  zagmnde 
gelegten  erkenntnistheoretischen  Standpunkt  (vgl.  ^  58)  ist 
es  selbstverständlich,  daß  sie  aosnahmslos  aus  dem  Gege- 
benen abgeleitet  werden.  Auch  die  letzten  Gmndbegriffe 
und  Grundsätze  sind  gignomenologisch. 

Diese  Darstellung  scblieBt  natürlich  nicht  aas,  daß  die 
Einzelwiasenschaft  sich  oft  auch  erfolgreich  an  der  erkennt- 
niatbeoretischen  Aufklärung  ihrer  Graudbegriffe  aud  Grund* 
täize  beteiligt.  Sie  überschreitet  aber  damit  Ihre  natürlichen 
Grenzen,  ee  kommt  gewissermaßen  zn  einer  Persoualonion 
der  Einzetwissenschaft  nnd  der  Philosophie.  Ein  besonder^ 
lehrreiches  Beispiel  einer  solchen  Grenzübersohreitung  zeigt 
die  moderne  Mathematik  bzw.  Geometrie.  Viele  Mathe- 
matiker haben  sich  mit  dem  Grundbegriff  (dem  ultimum) 
des  dreidimensionalen  gegebenen  Baums  nicht  begnügt,  son- 
dern mit  Erfolg  versucht,  nachzuweisen,  daß  der  anschau- 
lich gegebene  dreidimensionale  Banm  nur  ein  Spezialfall 
einer  denkbaren  n-dimensionalen  Mannigfaltigkeit  isL  Wenn 
man  davon  absieht,  daß  dabei  meistens  nicht  klar  genug  der 
nicht-räumliche  Charakter  dieser  gedachten  Mannigfaltig- 
keiten anerkannt  nnd  daher  anch  die  Grenzüberschreitung 
nicht  offen  zugegeben  wurde,  so  war  damit  doch  der  Grund- 
hegrÜt  des  Bänmiicben  erkenntnistheoretiseh  nach  einer 
Seite  hin  wesentlich  aufgeklärt  worden:  er  war  einem  höhe- 
MQ  AUgemeinbegrift  untergeordnet,  eiuer  W-Skala  (vgl. 
S.  539)  eingereiht  ! 

Vit  Literatni  zni  Logik  der  Systeme  und  der  WissenKhaft  ist  in  der 
hirtoriecben  fiinleitniig  bereits  allenth&lben  ausgiebig  berücksiehögt  worden. 
Zorn  großcD  Teil  gebürt  sie  Obrigens  der  BrkeoEitiiistheorie  an.  Als  bewn- 
deis  wichtig  seien  —  abgesehen  »ob  den  oft  angefOhrten  LehrbOchern  d« 
Logik  —  hier  nur  nocb  aogeführt:  H.  Driesch,  Ordnungsichn;  usw.,  Jena  1912; 


1,1^. OQi 


,g,c 


828        '^-  ''^^''-     ^*  einielDen  logischen  Gebilde  und  ihre  Gesetze^ 

Edm.  Hunil,  Logische  üntenuehnngeii,  Teil  1,  Halle  1900,  S  62  B.;  P.  V(tt- 
toiaiin,  Ertenntn.-theoi.  QnmdiOge  der  NatnrwisseiiBcluftNi,  2.  AntL  htipt. 
IL  Beriin  1900,  nameaü.  Vortr.  4—3;  K.  Urooa,  UntecsadL  fibtr  d.  Aiflun 
dfli  Systeme,  Zeitsohr.  f.  Psychd.  Bd.  49,  S.  393;  Bd.  51,  8.347;  B1S5, 
S.  177,  Bd.  60,  8. 1 1  Bd.  62,  8.  241 ;  Bd.  71,  S.  bi ;  Bd.  77,  &  145. 

Für  die  Logrik  erhebt  sich  nur  noch  die  Fra^e,  ob  dieee 
Gmndbefrrif f e  einer  Definition  im  logischen  Sinne  zn- 
ffänglich  sind,  und  in  welcher  Beziehung  sie  zu  den  Grnnd- 
Sätzen  (Axiomen)  stehen.  Die  erste  Frage  erlediift  sieb 
dahin,  daß  wir  manche  GmndbegrifFe  aUerdinj^s  einem  Genus 
prozimnm  subordinieren,  aber  selbst,  wenn  dies  geliiurt 
keine  vollständigre  Diflerentia  speciflca  angeben  können.  So 
ist  es  uns  z.  B.  wohl  möglich,  den  anachaolichen  Baum  unter 
den  Allgemeinbegriff  der  n-dimensionalen  Mannigfaltig- 
keiten zu  subordinieren  und  als  Merkmal  innerhalb  dieses 
Allgeraeinbegriffs  die  DreidimensloQalitftt  hervorzahebeo, 
aber  offenbar  ist  damit  keine  erschöpfende  Differentia  speci- 
flca angegeben.  Ebeiuo  verhalt  es  sich,  wie  die  Erkenntni»- 
theorie  im  einzelnen  zeigt,  mit  allen  anderen  Grundbegriff^L 
Die  zweite  Frage  ist  dahin  zn  beantworten,  daS  die  Gnmd- 
sätze  Beziehungen  zwifichen  den  Grundbe^itCen  aussagen. 
Die  Logik  hat  infolge  ihres  formalen  Charakters  (vgl.  ^  1) 
diese  Beziehungen  nicht  auf  ihren  Inhalt  zu  untersuchen, 
sie  kann  nur  noch  feststellen,  daß  diese  Beziehungen,  welche 
inj  den  Axiomen  ausgesprochen  werden,  ihrerseits  verwertet 
werden  können,  um  die  Grundbegriffe,  wenn  anch  nicht  sn 
deünieren,  so  doch  in  dem  S.  496  erörterten  Sinn  zu  c  h  a  - 
rakterisieren.  So  hat  D.  Hubert»)  für  die  Geometrie  er- 
klärt; ,J)ie  Grundbegriffe  sollen  eben  dadurch  definiert 
sein,  daß  sie  den  Aximnen  genügen".  Dies  Verfahren  d» 
sog.  MlrapUziten  Deflaition"  (Definition  durch  Axiome)  wirkt 
unzweifelhaft  außerordentlich  aufklärend,  man  darf  aber 
nicht  vergessen,  daß  eine  solche  Definition  eben  doch  nar 
ein  Notbehelf  ist  und  keineswegs  die  erkenatnistheoretiache 
Untersuchung  ersetzt. 

Die  Hilbertschen  Formulierungen  suchen  zugleich  auch 
nach  Möglichkeit  die  Anschaulichkeit  von  Begriffen  wie 
„Punkt,  Ebene,  außer-  und  innerhalb,  zwischen"  zu  elimi- 


*)  Onudlagen  der  Oeometiie,  Leipzig  u.  Berha  1899,  4.  Anfi.  1913, 
oBmentL  8.  243  ff.  Vgl  dazu  die  Kritik  Poinoires,  Sdenoe  et  möäiode,  Flrit 
1914,  8.  179ff.  o.  196. 


5.  Kapitel.    Die  Lehre  von  den  Wisaenwhaften. 829 

nieren.  Dies  VeTfahren  läuft  schließlich  auf  die  ohen  er- 
örterte Snboriiin&tion  dee  Anschaulichen  unter  den  höheren 
AIlgemeinbegritF  des  Denkbaren  hinaus.  Das  Deflniendnm 
wird  dabei  durch  Geneiralisation  gewissermaßen  verstüm- 
melt. Ob  bzw.  wieweit  ein  solches  Verfahren  berechtigt  ist, 
erörtert  die  Erkenntnistheorie. 


Mit  der  einheitlichen  Ordnung  der  Erkeilntnisse  in 
Theorie  und  System  hat  die  Logik  als  formale  Wissenschaft 
ihre  Aufgaben  gelöst.  Die  inhaltliche  Anpassung  und  Durch-  . 
föhrnng  für  die  einzelnen  Wissenschaften  und  ihre  Teil- 
gebiete li^t  außerh^b  ihres  Bereichs.  Streng  genommen 
ist  schon  die  Lehre  von  Theorie  und  System,  da  es  sich  nicht 
mehr  um  das  richtige  Denken,  sondern  die  zweckmäßige 
Anordnung  des  Gedachten  handelt,  nicht  mehr  rein-logisch. 
Nur  insofern  durch  unzweckmäßige  Anordnung  richtiger 
Theoreme  falsche  theoretische  und  systematische  Zusammen- 
fassungen entstehen  können,  war  die  Lc^ik  auch  zu  einer 
kurzen  allgemeinen  TJntersnchung  des  logischen  Charakters 
der  Theorie-  und  Systembildung  genötigt.  Ihr  wesentliches 
Gebiet  ist  schon  mit  der  Lehre  von  Begriff,  Urteil,  Sehliiß 
und  Beweis  erschöpft. 


n,g,t,7l.dM,GOOglC 


Alphabetisches  Sachregister 

[FMt««dniokla  Zahlan  v«iMn  aat  dl*  HaqrtatoUm  hin.  Stichvorti,  di*  am  Adjcktif 
md  SobataDttr  lOMmmsaireMtit  und,  tiai  TcmgsweUa  nnUr  IMatemm  »iihawiriiw. 
TBi  BrisebUnh«  Tanniai  IM  «in  b*M>iid«tM  Bagutv  UfsstBEt  (tann.)  Iwv.  (p^iteU 
hlaMr  dnet  SdtMuahl  bedratet,  diB  m  licb  am  tenniu  •  ■  ■  ■ 
'    it&nemnffwi  hudalt.] 

Abhebung  317. 

Absinkt,    Abstraktheit   318  Anm.  4, 

$48  rf. 
Abstraktion  30S.81S,  R2],  83Rf.,  334t., 

339,  350S.,  47S;  dimiDoierende  329, 

334;  gaueraliaieratide  344,  50B;  in- 

determinlerendft329,  334,  479f.,  614 

Ann.  16;  iwlierende  344,  508;  Ab- 

BtnktioD  n.  Genenlisation  344;  Ab- 

BtraktioD  D.  analTL  VnDktion  345. 
Aocidens  51,  53,  71,  74,  94,  U6. 
AocusativQB  affocÜTDa  n.  effectinu  400 


AotuB  53,  150,  364;  a.  inteUigeDdi  84. 
Adaeqoat  104.  111,  118. 
AdwqojUheit  284  ff.,  4S0ff. 
Adaeqnatio  rei  et  inteilectus  282. 
Addition  413,  4I4ff.,  669. 
AdditiT  3^8.  775  Anm.  12. 
Adb&rent  320. 
Adjektiv  585. 
Adjnngierea  513,  551. 
Almlichkeit  116,  274.  8»C.,  4991, 
.,  öOlff.,  760ff. 
Ähnlicbbeitsvonttellangen  303. 
Äqual,  ÄqualitätUOf.,  564,673,  675. 
AquBtivea  Priniip  787,  733,  793. 
Aiaiitrad  511.  5tt5  (anoh  Anm.  16.) 
Iqaipollent  5&9ff.,  692,  717,  719;  729. 
iqtiivaleni  402. 


Aeqi 


51, 


jüqaivokatioa  795. 

Affinität  der  Begriffe  597. 

ArGnnstio  53,  567,  638  S. 

Affirniat  645. 

Aggregat  322  Adhi.  18;  Aggregation' 

lOJ,  709. 
Akt  (Akte)  183,   191,  216,  254,  270 

Anm.  17,  346,  365,  403.  609. 
AkzentDation  Sl>,  322,  342,  346 
AkzideDtieo  496. 


AUthiologie  123. 

Aigebraisohe  Logik  112,  122,  2aff_ 

406ff.,  410£,  &39IL,  665,  716,  742. 
AlienatioD  424 IT^  449,  766.  7». 
AUgemünb^rille  26,  3311.,  59  E,  lli 

47&ff.,  487,  fiWff.,  591,825. 
Allgemeine  Logik  125,  454ff. 
Al^eiDgältigkeit  206,  200, 211,  271, 

313,  379  Anm.  11,  449.  462. 
AllgemeinaTteile  «64  IL,  «61 S^  «H. 
Allgemein voratellannn    288,    II1&, 

350,  471,  487. 
Allgältigkfflt  874,  313,  379  Anm.  It 
Allfaeit  129. 
Alteratio  53. 

AltematiTdiankter  des  Urtoils  367, 372. 
Alterutrae  (pTopoBtttooes)  719. 
AmbiKoitlU  795. 
AmphiboUe  795. 
Aroptiatio  68  Anm.  5. 
Analogie  24,  596,  766  (tenn.) 
Analogieprinmp  762  ff^ 
AnaloeieMAlüs9e39Ö,  667,  724Ann.5. 

736,  760ff.,  771. 
Analyse  (Analrais)  100, 108,  170,  2S2, 

319   367. 
Analytik  391.,  92,  101,  127,  207. 
Analytiaohe  Fnnktton  344ff..  431,  481; 

anal.  F.  n.  Abatraktion  345. 
Analytifiohe  Methode  134, 141, 140,758, 

811. 
Analytische  Urteile  128,  150,  MC 

677ff.,  681,  694. 
ADSTkenneti  3fö,  368, 391,  6391,  643L 
Angeborene  'Wahiheiten  oaf.  109. 
Angewaodte  Logik  1251,  4&4ff. 
AnnahmeQ   303,    SMl,   SSSff-,  641, 

Ö82ff.,  698,  70O,  716,  782. 
Anschauliobk^t  340,  348ff. 
Ansohaanng,  inteUektaelle  s.  Intoitio 

iatelleotualis. 


OgIC 


AIphabetiacheB  Ssohregicter. 


831 


Antecedens  «96  ff.,  807. 
^otepraedicunenta  63. 
Anthrapologisobe  Lo^  149. 
AniitbetiachM  TerfahreD  134f.;  Anti- 

diese  737. 
Apagofnisoher  Beweis  806ff. 
Apodeitbk  38ir.,  803. 
Apodiktisch  187. 

Apodiktisohe  urteile  129,  0S9ff:,  690. 
Appellatio  68  Anm.  5. 
Appeizeptioa  106,  214,  248,  315,  356, 

362,  608. 
Appositio  53,  371  Anm.  23. 
ApprebeQsio  89,  117,  304  Anm.  4,  364. 
AprioriUt  126s  aWK,  816. 
Archetypea  106,  284  Anm.  16. 
Argameot  SeSff.,  458,  619,  633,  686 

Anm.  4,  70l,  727;  (nach  Frage)  37a 
Argumentation  69,  466,  806;  Arg.  ad 

bominem  803. 
ArKomentom  452  Anw.  5,  797  Anm. 2, 

805. 
Arntttisobe  Urteile  645. 
Artbegriff  33,  46,  &11. 
ArtvoiBtellnng  333, 369;  niedrigste  359. 
Asseot  159;  assensio  606. 


Assrrtoiische  Urteile  129,  8SS,  690. 
ABHimilatio    oognitionis    ad    rem    274 
Anm.  I. 


AttBoiiatioDBgeaetze  106. 
Axxuiationspeychologie  106. 
ASEnmüo  726,  749. 
Attril>atIL8, 309  Anm.  11, 371  Anm.  23, 

805. 

586,  618,  622,  701. 
Attribut  (frani.)  623. 
AttribntioD  723. 
Auffiadoog  SUO. 
AnffordeniDgen  3K>. 
Au^be  171,  384  Anm.  6,  804. 
Aafmertsamkeit  346,  356,  367. 
AusfiilloDgsTorstellang  401. 
Aosrafe  620  L,  627  Anm.  3. 
Aiusage  620  Anm.  1. 
AusscIilieBeDd  660,  563;  ADsacUieSung 

731  Aam.  13. 
Aatoohthone  Omndlegang  16,  111 H. 
Auxiüarer  Tonlersatx  392. 
Anom96,  106,  118,  221,  293  (term.). 

»IUI.,  819,  828. 
Axioma  (bei  BamoB)  606,  703. 

Bedentang  162;  B.  von  TontslL  306, 

S56,  5S0;  von  Worten  403. 
Baftihf  385. 


BtfoiB  290,  301,  332  Anm.  3,  435fl., 
4eeS.,  601;  DeBnition  U3f.,  435; 
Oebrauch  des  AVortea  435  Anm.  10; 
andere  Termini  4(i3fr.,  473;  äquale 
559 ff.;  äqaipollente  569 ff.;  AUge- 
tneinbegriffe  475  f.,  606  ff. ;  sieb  ans- 
echlieBende  650,  663;  Dingbegriffe 
474;  disjankte  511,  563f.,  666 
Anm.  15,  570;  dietratte  476;  ein* 
faohe  479 f.,  508;  Finnen sbegriffe 
474,  501;  Generalbegriffe  476».; 
gleichgelteDde559;inl[omparate476; 
irrelate  477;  isolau 476;  iodividaelle 
473fl,  484ff.;  Kombinationabegriffe 
478;  komplexe  (Eomplexionab^ffe) 
476ff.,  484tt,  590;  tonjunkte  611, 
6(!3ff.,  565;  kontradiktoriBohe  547, 
670,  64»;  kontrtire  5T8ff.;  kontra- 
grediente  548,  573 ;  kontrakte  [Eon- 
traktionsb^ffe)  474  ff ,  601  ff.,  690, 
6.51;  koatrapoeitonsohe  648,  661, 
5ö2,  573;  koordinierte  547,  666, 
594;  kreoiende  668,  565,  672; 
Fhaotasieb%rifre478;  Phasenbegriffe 
474,  501 ;  rekontradiktorische  548, 
655,  670,  673;  rekontrapositorisobe 
549fr.,  662;  subordinit-rte  333,  511, 
52(1,  566,  568,  573,  581,  594;  sapetv 
ordioierte  ebenda;  supplementiie 
549,  572,573,  674f.;  Inhalt  4«»ff. ; 
Oefiihlabetonnng  469 ;  O^enstand 
471,  492;  VolUtändigkeit  472. 

Begriffliche  Merkmale  495  f. 

Begriffliche  Siue  (Biehlj  634. 

Begriffebildong  689  ff. 

B^rtsurteile  373  Anm.  27. 

B^ndong  380,  797. 

Begründangsbewiifitaein  380,  397. 

Boborrliahkeit  498. 

Behaoptncg  867,  ltS2ft.;  797. 

Bejahung  367,  390,  638  ff. 

Beispiel  24,  788,  813. 

Bekanotheit  660,  662  Anm.  7,  668. 

Belegung  v.  Torstall.  858, 369  Anm.  14 ; 
V.  Begriffen  625n.,  661,  596,  771; 
faktiKohe  (empirische)  358,  668 
Anm. 20;  homogene  a.  nriaiiTe  527; 
potentielle  358,  657  Anm.  1;  BeLo. 
Umfang  527,  661. 

Belegnogaorleile  656ft. 

Belief  115,  116,  159. 

Benennung  (Erdmann)  635  Aom.  3. 

Berkeleys  Dreieoksargumont  114,  339. 

BeächreiboDg  619. 

Beeondere  Urteile  661. 

BeeondeniDg  (H^)  608. 

Bestehen  15,  179,  302,  306. 


.oogic 


AlphabeÜBobeB  Sachr^Kter. 


BMÜnntheit,  eindeatige  310,  340, 
4Mff.,  438,  670  Anm.  20. 

BenTteilung  3tt5  Anm.  6,  391  Anm.  27, 
042  Adhi.  U. 

Beweis  711,  TWff.;  Fondalian  80t, 
Inhalt  802.  ualTtisoher  811,  ai»- 
gogiacdter  (indirekter)  21, 808,  aprio- 
rischei  816,  direkter  808,  disjnok- 
tinr  809  f.,  per  exclunoneiii  809, 
pro-  nad  regressiver  811,  Bjntlie- 
tisobei  611,  Terifiziereiider  812. 

BeireitoDK  (Windelband)  384. 

BewnfithateD  354. 

BevoBtseiD  18111.,  218. 

BewnfitseinBlagen  354. 

Bewnfit8eiiiBartmle(]laiera)387Anin.l6. 

BewnBtsein  überhaupt  194. 

Bezeichanngsmetboden  fi99L 

Beuebende  Funktion  344. 

Beiiehnng  Sei  ff.,  35S,  367. 

Benehnngsbegriffe  siehe  Balationsbe- 
gritte. 

BeäiehangebewnBtseiQ  268,  379. 

Beiiehnngsuteile  702. 

»  nnd  -begriffe 


Ben^nagSTorsteUnngen  n 
303,  324,  570  ff. 


fiinomismas  21?  Anm.  2,  SSOfL,  261. 
Bitte  386. 

BlankoeteUen  330,  335,  562. 
BlankoTorMellnngen  401. 

Campus  obecoritafis  356  Amn.  5. 
ChanoteiistiGa  realis  112,  122. 
Charakter,  begrifflicher  476. 
Charaktenatik.  Cbarakterisiemog  509, 

510  Anm.  6,  828. 
CbankteristiBche  Herfanale  588. 
Ciroolos  in  definiendo  592  f;  in  demon- 

Btrando  817. 
Claras  100,  104,  111,  118,  28a 
CoBoerratio  759. 
OoUeotio  59,  102,  711. 
Common  senae  1I4(. 
Commnnis  478,  664. 
ComplexaeS,  71,  364,  465,  466,  606, 

695. 
ComplexoB  356  Anm.  5. 
Graaprdiensio  88;  comprehension  531. 
Compntatio  103,  106. 
ConoBptitttliB  113,  119. 
Conceptns,  conoeptio  64.  80, 469, 466. 
Condnaio  SSS,  TOB,  711,  726,  749. 
Conoltunm  898,  710,  739. 
Connexns  703,  763. 
Connotation,  connotativ  631,  &84tf. 
Conaenene  r"'  ..       -.~- 


CoDseqaana  «Wff.,  (712). 
CDnseqnentia  394  Anm.  9,  MSIt.,  703. 
GoiwigDifioanB  58ö  Anm.  10. 
OontingeflS  53,  110,  690. 
Oontraotio  32«  Anm.  5. 
Contrapoeitio  720. 
Contradiotio  53,  U7,  «9,  696. 
Cantnrios  53,  667,  647,  6^ 
Convenientia  104,  285,  605. 
ConTertere  53,  7ia 
Copolatio  6a 
Correapondance  285. 

Daeön  (als  Kategorie)  129. 

Data  713. 

Deckung  der  IndiTidoalkoeffixJeciteB 
SlOff.,  874  Anm.  2»,  COS,  728fL 

Dedustio  nominis  536. 

Dednctio(D)  99.  148,  726,  806;  al 
abeoidiun  808  Anm.  1. 

Deduktiv  160,  489,  724. 

Dedoktii^  Schlüsse  724. 

Definiendnm  532  ff. 

Definiens  532. 

Definition  24,  51,  53,  59,  69,  (SSE, 
52Sff.,  591fF.,  593,  677 ;  akädentdl» 
503 ;  analytische  533 ;  essentidle  1 12, 
503 ;  explanatoriscbe  591 ;  genetische 
564;  impliiite  S28;  kaaaale  52a 
683:  konstroktiTe  521,  6SS,  7«,; 
nominale  111,  623,  717;  BeaUefi- 
nition  520,  522,  6S4ft,  relatim 
6B2f.;  synthetische  522,  68S,  705; 
verbale  536. 

Definitiuisfehter  681  ff. 

Demonstnudnm  797,  800. 

Demonstntio  797,  805:f ;  a  pmii  298. 

Denkakte  (Denkvo^i^)  2S. 

Denkbedehang  262,  273,  281. 

Denken  1,  251. 

DenkergebnisBe  7  ff. 

DenkfSrdenugs-  nnd  -iieminnigt- 
gefähle  39». 

Detibmaterie  3, 

Denknotwendi^eit  aB2L,  313,  6fö. 

Denkpsychologie  354. 

Denknitmöglioh  42ifL 

Denotation  531. 

Dependeni  129,  680. 

Deskription,  logische  (deocriptio)  &19. 

Desnbetaatiierea  629. 


Deatlichkut  366. 
Diagnomonisehe  Uadmala  68a 
Didektil  27,  39f.,  48,  91,  140i  4S 


Alplubetiaahefl  Bachr^BtaF. 


Diilektiache  Ueäwde  (Hefcol)  142,  203. 
Süllele  5&2. 

SiaDOioldi^e  123;  Dianoia  712. 
Sichotonue  606. 

liatndlo  717,788!.,  737. 
1. 13,  630,  636,  717. 


keit  i 


.  Hfl. 


Differa&tiB  61,  53,  71,  M. 
IKOerantia  spedfioa  blt,  619  L 
DiffereDtia  aooidentaliB  63;    d.    sab- 

stantialiB  64;  coostitativa  76. 
IKflerenzienuigBhuiUiooco  262,  268, 

U4S.,  369,  372,  375,  439,  476, 

eooiT. 

Düemnia  762,  7S3  Anm.  12. 
Diminmereiide  Abetnktion  329,  334. 
IKng  184  Aom.  16,  329,  606,  691,  S24. 
IHogbegriff  474. 
Singbenehnng  262,  2?5ff. 
Sin^oratalliiDg  829  ff. 
Dinmtioii  (Hegel)  606. 
Disoorgns,  disouniTiu  117,  435,  713. 
Diagnnis  28ö,  SWff.,  399,  426,  6931 
Diqiuikte'  B^riffe    611,    §681,    666 

Amt.  15,  570. 
I&jänktiveT    Qunrakter    des    Dent- 

geBetnee    (Hegel)    696,    der    Ter- 

gteichnngafonktioii  431. 
Dnonktive  SchlfiBse  41,  7211,  750ff. 
DaSonktive    Drtmla    651,    697,    704, 

707  ff.,  796. 
Dislmpanz  284S.,  364.  421,  450. 
Disparat  651,  658,  570,  674,  686. 
Dispante   Ideenassoaatioa  SSS,  606. 
Disparatheit  321  Ann.  11. 
DistalgegeaBtaud  267,   321    Anm.  14; 

distabter  O^eiwtand  267. 
Diatau  (in  BegritbreiheD)  578. 
DistiDotio  rationiB  eto.  101,  306. 
Dbtinctafi  100,  104,    107,   111,   118, 

357  Antn.  6. 
Distmktheit  100,  288ff.,  367. 
Disbakt  476. 

Distnbatio  68  Anm.  6,  666,  666. 
SistribntiTe  Negatioa  546fr.,  663. 
Divenioa  557. 
DiTidendam  694. 
Division  26,  53, 69, 6Hff. ;  fttiolopsche 

697 ;  empirische  und  lo^uohe  595  ff., 

825. 
Dirisiver  SohlnS  721,  7&Dff. 
DiTiBives  ürtefl  697,  704,  70»,  707. 
Sirisnni  694.     ' 
Doeta  igDorantis  88. 
IKnninaiitvorBtellDDg  397. 

ZUban,  Lthibneh  dar  Logik. 


DrittSB   Sein   des  Logisc^ien  16,  249, 

252,  259,  270,  310. 
Dabitatio  63. 
DnrchBchmtt    der   Hengenlehie   413 

Anm.  6,  669. 
Dnrahsohmttatheorie    der    Allgemein- 

Tonteilnngen  336. 

Bdnotio  2C4  Anm.  6. 
EdoktSMff. 
Egotismas  244L,  254L 
mx  186,  306. 


375  J 


1.1. 


Eindevti^eit  dee  Denkens  eto.  310, 

340,  «soff.,  438,  «70  Anm.  20. 
Einfädle  Begriffe  4791,  468  Anm.  9, 

Eiogliedrige  Urteila  601,  «Ttf. 

EÜD&eitsmomeDt  904  Anm.  4. 

Hniga  (DcqipelsiiiD)  646,  646,  660ff., 

666,  666  Anm.  12,  671,  672,  673ff., 

718  Anm.  2,  740. 
Einordnung  593ff. 
^noidonnsstheoiie    des   Urteils  612, 

dee  Sohlosses  731. 
Einstimmigkeit  der  B^ihffe  568. 
Einteilong  S9^tt 

Rinaftlabstiattion  (ErdmaiiD)  352  f. 
Einielb^hffe  477«. 
SäDzalnrteil  654. 

ffint^attigkeit  311  Anm.  14,  449. 
Element  677;  822. 
ElementaiTOTsteUiuig  407. 
Elemeotargnippen  von  Oeigonne  671. 
Elementetheorien  823. 
Eliminand  743  f. 
ElimiDation  743f.,  746,  771. 
Emotioiulee  Denken  206,  385. 
Empflndang    3,    262;    Empfindongs- 

gignomens  11,  252,  630. 
Empflndongsiritäiner  276  ff. 
EmpBndsngsniteil  261  Anm.  13,  SSS, 

«87. 
EodsrhlnB  791. 
Endnrteil  798  Anm.  3. 
Energie  des   Drtola   376;   der  Tor- 

stellang  356. 
£ns  rationis  76,  80. 
Bnthymeme  394,  712,  7G&,  79a 
Entitat  (Entitas)  61. 
EntsohadnngsbaKeD  384. 
3!Dtspreoben  274»..  279. 
EtitsilbBtantiieren  629. 
Enomeiatio  nmplex  776. 
Ennntiat  877,  «ISf. 
Enontiatbegriff  <18f. 
EDontiatum  etc.  605. 


53 


iM,Googlc 


Alphabetischn  SMhngiitar. 


firanäatvoreteUnng  S37. 
Epk>hi(e)ren  3U,  798. 
I^önllogiBmaa  768. 
lUlWig  12711.,  SMtf..  311. 
KrfahniiigBDitoü  299,  637. 


EnnnenuigBbe&eiiiiiig  282,  379. 
SrimieniiigBbüd  332  (term.). 
EnnuemngBfiuiktioD  344. 
Eriimenuigsiirteil  387,  637. 
Erkennen  (Hawrg)  386  Anm.  15. 
Eilenntuukritik  273  ff. 
ErkenntniBtheoret  Onrndl^nng  241  ff. 
^Attuitnistbeoiie  im  weiteren  Binn  11, 
2Ufi.;  B.  etr.  IS,  S7Sff. 


(StnmpO     183,     254 

Eratrechmg  546. 
Enrartangeurteil  637. 
Erweitenügwcblüsae  714. 
Erweiteron^sarteile  677  Anm.  5. 
Gaae  eseentue  uad  existontiae  61. 
Enentitlia  116. 
EBuntieU  503,  587. 
Eesenz  (Essentia)  59,  62  Anm.  11,  6d, 

74.   81,    105,   485,  495  Anm.  24, 

519,  587. 
Evidentia  (Evideni)  99, 115,  158, 167, 

183,  207,  209,  291,  401  Anm.  7. 
Eridenzgefuhl  292. 
Exemplifikatioustheorie  der  Allgemein- 

voistellongen  337. 
Exemplom  766,  795. 
ExisteoE  (Existentia)  179, 339  Anm.  15, 

365  Anm.  6,  624,  629,  680  ff.,  747. 
Ezistenttalurteile   305   Anm.  6,    624, 

«27  ff. 
ExUusive  Urteile  709. 
Eifcretioti  318,  321. 
ExkretionsbeEnffe  (exxarnierte  BeeriSe) 

473. 
BxlcretionsvoistellaDgen  318. 
Esperieotia  vaga  104,  qnaasita  780. 
Experiment  7S0. 
Explanatoiische  Definition  5911. 
Exposition  (Kant)  520f. 
Extt«na  619. 
Extremitates  72G. 
Extrinaekal  318. 
Exztptive  Urteile  70'J. 
Exierniertas  Erinnenmesbild  317, 
Exzerptionstheone   der   All^meio vor- 
steil ung  338. 


Fattiv6B7. 

EaUaciae  795. 

Falaohheit  8  fL,  105,  285  (tarn.). 

FugBchlafi  795. 

I^gnren,  syüogisüacbe  TKfL,  Wf 

Finiena  797 fi.,  SOlf. 

Kxatioii   (-na   UrteOai)    föOO^  W 

iJim.  4,  661. 
nnxion  S80,  505. 

Flnxionab^ffe  474,  501,  S%  9tt 
Flaxiona«mpfindtmg«n  330. 


Folge  381,  394  Anm.  9  (tann.),  396. 
Folganmg  393,  391  Ajmi.  9  (Htm.). 
Fordenmg  (lippa)  215 ;  (Avenarin^  217. 
Fem  194,  ^0  Anm.  3. 
Foima  51,  59,  73,   751,  82,  Ki  t 


Foimal  3,  5  Anm.  3, 118,  tt7ff..  SM. 
Formalitu  82. 
Formatio  72. 

Frateohraitende  Schlöase  721. 
Frage  366  Aimi.  7,  SU.  641,  An».  10. 
Tnata»  Äluiliahkeit  S27fL,  339,676-. 

frnstokognate  328  Anm.  11;  fmto- 

propinqnaie  328. 
Fnlla  der  ToisMloDgen  357,  detB*- 

griffe  525. 
Pürwahrhaltea  397. 
F^dale  fiiohtigkeit  384,  287. 
Fondatien  264  ff.,  289,  419  Anm.  3. 

*»,  461,  6141,  801. 
nindamentum  diTiaionis  595. 
Fnudiaroiig  181,  26Sff.,  602. 
Fnndierungsbewoßtsein  380. 
Fondieniagsboiiehong  272. 
Funktion    (Frege)    378;    (Kant)  60: 

Anm.  12 ;  F.,  psychische  (Stampp  18J. 
E^ktionstheoria     der     AllgemeiBTiH'- 

Btellungon  3421 


ßanz  (bei  dem  FrSdikat)  546. 
Ganzes  und  Teile  581. 
GattoQg  33,  45,  64,  427  Anm. 


.5H 


Gattungabereioli  358. 

Gattongsbegriffc  33,  45,  glOfl 

GattongsvorstcIlongeD  333. 

GebUde  183. 

OedBohtnisfarben  276  Anm  5. 

Gedanken  354. 

Gefüge  (Erdmann)  392  Anm.  2. 

Qefi^le,  logiaohe  SS7ff.,  401. 

Gegensatz,  gegensfitxlich  578,  653. 

Gegenstand  175,  176,  17eff..  214,  W. 
252,  26fifl.  270  Anm.  17  (tenL> 
30e    Anm.  10,    427,    614ff.,   711, 


O^^IC 


AlphabetiMhM  Saohn^Bter. 


83fi 


G.  dw  Bepitte  459,  4g2tt.;  des 
Beweises  801  f. ;  Beziehniig  nun 
Inhalt  270  Anm.  17,  322  Anm.  IT, 
3V5, 4ie  Anm.2,  437,  529,  802;  Be- 
äehnsg  zdiii  Umfang  S29;  Be- 
siahnng  znr  ZentniiUTOiBteUnii^377 ; 
O.  der  LogiEiBten  siehe  Loginsmoa; 
O.  der  Pbäotasift*  and  Speknlatioiis- 
roratelliing«)  30&f.;  O.desSchhuBes 
711;  G.  im  eng.  n,  wat  SinaM?; 
O.  des  CrteilB  375ff.,  379,  419 
Anm.  2,  614H.,  802;  G.  der  Vor- 
BteUong  281,  35S. 
Gflgeiistandsb«siiff  492. 

Gegenstandebewafitsein  379. 

G^nsbmdsbeiiehDng  272  f. 

G^enstandsübertragang  320,  335. 

GegeDstandsToistellong  266  f.,  462, 492, 
615,  616,  624. 

Gflbaltslogit  456. 

Oekrenzt  (von  BegrifTen)  56S,  566,  572, 
671  Anm.  24,  740. 

Geltung,  Gelten  190, 196f.,  206, 800ff., 
306,  311,  366,  378. 

Geitangsbereich  358. 

OeltangBbewiiSteeiii31Sff.,366,382ff., 
629,  ?14ff. 

Gemeinschaft  (als  Kategorie)  129,  754. 

Genenltogriffe  475,  477. 

Oeneialisation  SSlff.,  359,  479;  G. 
und  AbstrattioD  344. 

Geneialisationsgrad  359. 

Geneialissimnm  63f.,  86,  94. 

G^ieialtheorien  825. 

GenersInrteUe  664«.,  «67ff.,  ItSl. 

GeneralTOretellimgen  381. 

Generell  477. 

Genetische  Definitionen  584. 

Genetische  Logit  101,  170. 

OemiB  51,  59,  70,  71,  75,  94. 

Genas  proximom  510,  5151,  520, 524. 

GeometriBohe  Methode  48,  798,  825. 

Geometrische  Danrtellnng  66  Anm.  6, 
122,  139,  166,  2281,  395,  4181, 
6871.,  646,  553ff.,  Ö60H. 

Oei^onnesohe  Einteilung  576,  671. 

Gesamtbeiiehnng  460. 

Gesamt^egenstand  265,  460. 

Gesetz  436  (term.);  logische  Gesetze 
siehe  unter  Prinripian. 

GewiBheit  100,  105,  193,  206,  213, 
291«.,  814ff.,  365,  378,  682ff.,  68«, 
690,  765,  773«.,  803;  legale  686. 

Gignomene  11,  2&0ff.,  296,  630. 

OignomeDoIc^ell,  13, 241  ff.,  261,305. 

Qignomenolwisohe  Prinzipien  294  ff., 
42»  fl,  762! 


Gleichabifig  SU. 

Oletobfatit  412,  6G8tf.,  643,  701. 

QlMohbrttsarteile  625. 

GlMOJmpgBptiniip  127  ff. 

Glieder  380,  385,  50t  Anm.  1,  507 

Anm.2. 
Globale  Eontisdtktion  5470.;  gl.  Ne- 

ration  548  fl 
Goldener  Berg  osw.    169,  271,  205, 

GraramatUi  n.  Logik  236,  406  (siehe 

moh  Spraohe  o.  Lo^). 
OrfiDde  (zureichende)  381,  395,  694. 
Grand  a.  Folge  361,  395,  700,  701, 

746  ff. 
Gmndaxiome  293  fl,  433. 
Grundbcsriffe  626. 
GrnndbräiehmigeD  261  ff. 
Groudeigensohaften  762  ff. 
GrandempfinduDg  2S3. 
OrondfouktioDeQ  344  ff. 
OnmdsUze  626,  siehe  anoh  Prinziinen. 
Grundortfflle  148;  199  ff. 
GrnndTorstellnngeD  263. 
Grundvissensohaft  11. 
Gültigkeit  212,  300(f.,  365,  376  f.,  747. 

Haecceitas  81. 

Hetaronynie  29. 

Hiatus  818. 

HilfBSlttze  799  ff. 

Hilfeurteile  799ff. 

EBhe  (T.  AllgemeinTOisL)  861  (v.  All- 

gemeinbegr.)  527. 
Homogene  Belegung  527. 
Homologie  696.  - 
Homonymie  795. 
Hyperiogisoh  402  Anm.  1. 
HypologiBch  402  Anm.  1. 
Hypostaelerung    425    Anm.  6,    494, 

613,  516,  529,  547,  559,  589,  611, 

723. 
Hypothesen  781. 

Hypothesis  698  f  1 ;  bei  Beweisen  799  ff. 
Hypothetische  Schlüsse  41. 144  ff.,  758. 
Hypothetische  urteile  129,  697,  6S6Ü., 

781,  807. 
Hysteron-proteron  818. 

Idea  adee)  201,  467. 

Ideale  Gegenstände  179. 

Idealismus  245  f.,  254 ;  tianszendentiüer 

247,  255. 
IdealapiHohe  406  fl 
Ideafurteile  633. 
IdealTorstellangen  206. 
Ideatiou  344,  590  fl 


53* 


i,l^.OOglc 


Alphabatiadias  SttAn^gter. 


IdarilM  Sein  (leiduDäUfir)  I9ü 
IdMBMMtiitKHi  SSlfL;  diapuiteSSS, 

374;  DneilMMoÜBtioD  168  H. 
Idrätbnhe  Additku  u.  Moltiplikiticni 

669. 
IdentiMA«  Bt^riff«  641,  6U. 
IdentiBdie  üiteilo  626,  673. 
Uentitlt  v.BcsriHeolltf,  443  tC,  641, 

ftU,  727;  sEwIata  13«,  445. 
Identitltmriosip  4120.,  443ff.  (bist), 

692  ff.,  T28H. 
Id«atititstheorie  de«  Ürtefla  610  ff. 
Idiogwetiaohe  UtMlattiAorie  866,  An- 


XBonüQ  deoohi  817. 


II  276  (f. 
Im^jolre  OrSSen  310. 
ImnHUMDto  Beditit  (Cuitor)  288. 
ImmuMiu,    logitnhe  313,    356,    490, 

498.  012,  0^  731. 
ImnuMDStbeoiie  des  Urteils  012  An- 

meit.31. 
Impentiv  385. 
Impenoculien  CSiff. 
Implisite  Dtifinition  B28. 
Impontio  86. 
IiuuUqaMtheit  2Uff. 
ludULreot  320. 
Inb^fr  631  f. 
Inoomplsxa  69,  7t,  466. 
InoongnraB  719. 

iDdefiDitns  563,  639  Aom.  &,  665,  «66. 
IndeaigiiatiiB  666. 
IndeteinuniBreoda    AbetnktioD     329, 

334. 
Indetanninierta  hypotbet  urteile  700, 

745. 
Indiffsrens,  IndifferentiBten  65. 
Indmdaaltwgnff»  473ft.,  484 ff.,  500. 
IiidiTlduatkcKifri»enteiiSl»,322,8«Sft.. 

601  ff..    B13,    621,    640,    674,   722 

Anni.  t.  728f.,  741,  76i. 
iDdividaal  urteile  «Uft 
iDdividnatvoretellDDgeD  S17ff. 
Indiridamn  «3ff. 
Indakbonaprioiip  772  f. 
lDdaotio(n)    160,  712;    BemovlÜMfae 

767    Aom.    5;    inoen    28B;    voU- 

sUndiKe  770  t. 
TnduktiTa   Uetboda  24,    27,    38,    96, 

163,   156,    lß7ff^    100t.,  162,  822. 
Induktive  Bchläme  724,  7«Sff. 
IneinSBetzaug  (Bigmrt)  367  ADm.  10. 
Ineeae  689. 
IneziBteoi  176,  251,  270,  305  Anm.  6, 


Inferem  (infereooe)  168,712,714,784 

Inferion  ISI.  263. 

InßnitatioB  553. 

InfinituB  552,  639. 

Inhlmz   (Inhaerentü)  20.  fö,  129, 

497,  619.  623,  764;  iMle  n.  ob- 

iektiriertie  486,  408  Ann.  32,  534L 
iDhireiutiieoriedesürtnlBOlS  AdilSL 
Inhalt    194,    266,    367  Anm.  S.  530 

(term.);  dta  Begiiffa  47«l  486:  4h 

Beweises 802;  des BcfaloSMa711:4a 

ürteiU    876  &.;    der 

l?Bfr.,  281,  SK;  B(  ' 

Umfug  Ü8,  668tf.; 

Inbtlt  496. 
Inhaltstheorie  des  Urteils  610  fL 
InhaltBortMle  722. 
lokomparat  476  f. 
Inkooftrnens  >■  Disgraeas. 
Inordinstion  6081 
Insignitit  311  Anm.  14. 
IneoliditU  286,  4;ilfi,  450. 
IneUbel  700,  745 1 
iDstansen  776  fL 
logtJxmientaliBiniu  226. 
Intecisle  Ehnnenuigabildei  317. 
InteUeotna  eotivnB,   eaeiiB,   rMl»<ritf» 

naw.  72,  73t„  76,  82,  96.        ... 
IntelIrttaeUe  Funktionen  344  Anm.  L 
Intelli^DtU  74. 
lolenaio  fonnunm  62. 
intentio  :  1,  76,   79  Anm.  4,  63,  8S, 

8»,  465. 
Intention  Cmtentional)  1761, 166,214, 

244,  270,  STSfi,  292,  355. 
InteDtionelint  176  Anm.  5. 
iDterene  376,  619  Aom.  4. 
Interferiereade  B^ntfe  566  Anm.  lt. 
]ntennediftrer<  OeKOaittaiid  287.    ,^t^^ 
Interpratatio  nMoiae  96. 
Intnnaekal  31& 

IntroducieTeDde  Urteile  373.        '" 
Intuitio   intelleatnalis    nsv.   S8,  lOi, 

106,111,134,  136, 158, 184«.,  SIL 
Intaittonstbeorie  dar 


335. 

Intaitives  Denken  402  Anm.  1. 
iDtaitirisrnns  188. 
lutuitns  mentia  99. 
lD*eDtio  62,  91,  462  Anm.  6. 
InveotiTB  689. 
luven  321,  346,  772. 
Invertierte  Scilla Bfignren  TSff.,  736, 

757,  768  Anm.  2. 
Inzidente   PropositiMien  föS  Aam.*, 


Irredoiibel  486,  686,  595. 


AlphabetiHohea  SMhi^OBter. 


Iireaolnbilia  (LMbnit)  48t>  Amn.  3. 

Imom  141,  220,  4Ma. 

laoUt  476. 

luUtion  265,  SlSf^  331,  327,  344. 

iMlationsbegnfta  476. 

boUtjonsvonteUaugeii  SiS. 

Iwlierbarkeit  320. 

IlatatÜD  332. 

JudidDin  92,  117,  367  Anm.  13,  382, 


Kategoridfonktion  323,  344. 

lürtegorian  86ff.,  4ß,  47,  48,  62,  53, 
59,  SO,  66,  79,  »1,  86,  94,  128  f., 
130,  132,  138,  15^  194,  199,  201, 
219,  297,  58Sf.,  639,  754. 

Xttegorisohe  ürteUe  129,  tBK,  753. 

Kusddefinitiou  &83. 

Kaosaliat  U6,  129,  184,  250ff.,  381, 
754,  815  Anm.  6. 

KnmluTteüe  169,  633. 

Keüer  (nnUas)  638,  617. 

Ketten  IWt. 

EettensohlnB  757  f.       1 

Klartieit  100,  116,  288. 

Kluteitsgefühl  399. 

Klwse  (Sohroeder)  543  Anm.  11. 

EluufÜBtion  5Hff. 

Eoexistenzarteile  159. 

Kognat  327.  479. 

Ediiaden  591  Anm,  2. 

Eoiniidenz  (Sigwart)  613. 

Eoinudenipräuip  325  Anm.  4. 

Koiuiidenitheorie  d.  Urteile  373,  613. 

XoUaktioD  823,  334,  342. 

SoUektivbe^a  474,  660. 

KollektiTarteile  tSMft 

KoilaktivTontellangeD  822. 

Eollisstionea  393,  604,  6»7,  70Stf. 

Eombiiiation  347,  800. 

KoinÜnatioiisbegriffe  478. 

KombioationsToratBllDnfcen  300,  347. 

Konmenaive  Urtaite  389,  532,  «75  If. 

Eomparat  476. 

Kompantjod  252.  828  ff.,  344. 

EDmporetionabegnff«  474, 499  ff.,  579. 

EonparatiODavoTstelluDgen  823  ft 

EompensatioD  von  Fehleni  4  Aom. 

RomptementSre  Begriffe  549,  563, 574. 

Komplex  322,  486,  512,  524. 

Eomplexion  252,  830,  357.  479. 

Eomplezion  a.  ßelaUoD  324  ^  E.  n. 
Byntbesa  340. 

£oraplexionBb«^te     473tf.,    48411, 


EomptexionsToiBtcIlniigen  303  Ann.  3, 

820«.,  324,  331. 
KompleidTe  f^ktion   b.  Ditferenzia- 

nuwBfnnktiooen. 
EompleziT-koatnktiTft  deorien    823 

Anm.  2. 
Eondivisionea  695. 
EoDfonmtU  2%. 

Eoncraeu  2Wff.,  399,  422ff.,  439. 
Eomookt  511,  MSft.,  565. 
KoDionktiTe  Sohlnsse  721  f.,  740. 
EoDjDnbtive  DrteUe  697,  704  ff. 
EonkioBion  388,  70»,  711. 
Eonklntom  888,  710. 
Eonkreptuu  2S4ff.,  364.  420ff.,  601, 

894. 
Eonknit  848  ff. 

Eonnotetir  631  Anm.  11,  584ff. 
Eonsektarien  804. 
Konaeqnent  700. 
Konaeqnenz  698  tt,  702,  710. 
EonaertiTe  Urteile  880,  532,  675  ff. 
EonamiUat  760.  768  f. 
Eonstellation  362.  404,  428. 
EonstitatioD,  reale  o.  logiaoha  495  L 
KonotitntiTe  Kategorien   589  Anm.  5. 
KoDstitntive  Heitanala  503,  687. 
Eontradiktoriaofae   Begriße    547,  570, 

64»;  k.  Urteile  645,  682. 
Eontiir  578  L,  647,  692,  810. 
EoDtragredient  548,  673. 
Eontrakt,  Eontrafction  SM  ff.,  359, 479. 
EoDtraktionsbegriffe    474  f&,    501  ft., 

690,  651. 
EoDtraktionsgrad  359. 
EontraktionsvoTstallnDKen  S26ff.    ' 
Eontrapontioa  ala  SoblaB  718  f. 
Eontimpoeitoriaoh  548,  551,  662,  573, 

778. 
Eontrarietfit  647. 
Kontiaiüerend  Ö4^  648.  691. 
EoDvamente  Begriffe  (Eonvenienz)  550, 

668. 
KoDveigenzmeilmalo  596. 
EimvenioQ  7m. 
Eomeptive  Merkotile  496  f. 
EonseptoaUsmoB  64  Anm.  2,  610. 
Eonzesaivs&tis  702,  709. 
Eonsinniamns  204. 

Eoordmiert  333,  611,  547,  565.  594. 
EopQU  391,  <18ff.,  621,  633,  627  f., 

641  ft,  674:  Mehrdentigkeit  der  E. 

426. 
Eopulatärar  SoUnfl  7211,  740. 
EopolstiTes  UrteU  697^  704,  706. 
EoroUariaD  804. 
KoireUt  183,  270  Aom.  17,  312,  629. 


O^^IC 


Alpbabctimhes  Stdna^stw. 


TontriL  347;    k.  Begrifre 


KraiigisriMdeit  390,  343. 


EnozoBabfläiK»  MS,  6 
Anmr24,?40. 


_     „  s  «73,  «75. 

XiituioB  dn  Kohtigkeit  100,  1041, 
110,  113,  119,  207,  WJÜ-,  USfl 
EnAodÜBohtnl  753  *"tn    12. 

Utmto  Vitale  3S4,  386,  400. 

latente  ToTBtMDngan  356,  383,  400. 

LmI«  TFitflile  687. 

Le£nitse  8». 

LoitTOistdiDiigeii  367. 

Lemma  MM. 

limitation  129, 

LimititiT«  urteile  63Stf. 

limitiert  64a 

LingiiHtiBohe  Logik  23etf. 

Looas  806. 

Logiu  dooau  9,  69,  60,  llfl;  L.  nt«is 
fl,  99,  80,  116. 

Lopk,  DeGBition  1  ft ;  TsnniaoB  40, 
48,  91;  Einteiloiig  461;  oUgaiMUie 
12S.4Mf(.;  ug«w>iidtel26,4Mfi; 
aBthropolorieidie  149 :  heuaaien 
126,  464H.;  bMogiscb«  1«2,  218; 
erdutionistiBolie  I«2,  SUff.;  emo- 
tionale 208;  ÜHmai«  10.,  457f. ; 
ile  I  f  &,  467  L ;  mathematisdie 
;  metaphytisohe  458;  olqek- 
uTe  (gegcaatftndlioke)  143, 161, 193, 
463  Anm.  9;  poaitinBtiHiM  16Slt; 
piagmatiBtisoIw  162,  224  ff. ;  psfoho- 
logiaohe  164;  nins  126. 192,460 f.; 
speneUe  136,  454t.;  nibjektivo  143, 
161,193;  technische  451;  tranaseo- 
dentale  126,  143,  168,  19G,  463 
Anm.  9. 

Logische  Gefbhle  397  ff. 

LogiBtaa  99. 

Logistik  173  Anm.  1,  229. 

Logiidsmoa  15,  19,  138,  153,  169, 
iraft.,  188f&,  216,  219,  «»ff., 
aUff.,  2T0ff.,  306a,  306  Asm.  6, 
602. 

LogOB  170. 

Laie  366  Anm.  7,  S8«. 

Mannigfaltigkeitslehre  185,  228,  233. 

Hateria  73,  70. 

HatOTial  2,  118,  589. 

Materie  eines  Denkproieaaee  3,   613 


Mathematik  iL  Logik  16,  163,  Itti 
186,  aWff.,  310,  ««ft,  442,  541tt 

Mathematisobe  Hotbode  4S,  67, 78, 1Q&, 
798,825. 

UatlMÜ  (uiTataalia)  138. 

Uaxim  106. 

Median  561. 

Membra  dmdentia  594. 

Memorialvene  669,  739. 

Mengeoldkn  233,  288,  413  Ama.  B, 
414  ff.,  542. 

Merismos  59. 

Merkmale  320,  364  Aiun.  2,  492,  «5 
Am».  23,  586f&,596;  additive328; 
bwiftlicbe  4951;  cfaanktarisftdw 
(diaoMiDonisohe)  588;  difbmla 
762;  eeaentieUe  508,  5B7;  komti- 
tative  603,  587;  objektiTO  495;  ob- 
iektmerte  495;  rednxifafe  G86; 
weseuUiohe  503,  587;  Meikmil  >. 
■Feil  320,  492. 

Herkmalb^ff  495. 

MeitaiialT0i8t»llaii£  319  (anoh  AflB.71,    . 
381. 

Mutathesia  738. 

Methodenlehre  161,  188,  818fL 

MethodoB  100,  102,  709  Anm.  4,  801 

Mittfdbore  Bohlüsse  3WfL 

Mittelbare  ürtule  679. 

Hittdbegiiff  721, 

HittelbegriffaBohiaMie  7»  ff.,  746. 

Modalia  689  t  Jtetm.). 

ModalitU  deeürteila  I29,ffi2ft:,8lT. 

Modi  =  aoddeotia  118,  505  Anm.  6, 
566,  689;  M.  der  BeblnSfiK.  3S>1L 

Hodifikatioii  (Hasaeri)  391  Ama.  S6. 

Modna  enet^oB  384;  poneea  VAt 
749;  M.  ttdtene  746,  749,  80&  & 
oacb  753. 

Hödicbkoit    129,    6Mtf.;    . 


Moment  eines  Begriffe  320. 
MaltipUkatiom  411,  413,  609. 
Mntoierende  Urteile  CMff.,  a61fL 

Name  156  Anm.  4. 

Negat  547,  646. 

Negation  63,  129,  191  f.;  T.  B^iitEBi 
USff.,  566;  distribottTe  &46fL, 
553;  globak)  545ff.,  553;  paitid* 
544ff.,  648f.;  totale  &44fL 

Negative  ürteUe  6SSff. 

N^atiT-diqnnkt  663,  S73. 

Negadvo-affiimatiT  639  Asm.  7,  6tf 
Aom.  13. 


i,Cooglc 


AtphabetiMheB  SadmgisteT. 


NsatraliaUsmodifikatioD  (Hosserl)  366 

.Anm.  7. 
NivMaEchlüsBe  ?%771- 
NireansyllogMmen  7211. 
Koems  186,  323  Anm,  10,  615  Anm.  2. 
Noeee  186,  61S  Anm.  2. 
NoetiBcbe  Fonktionan  344. 
Kominaldafinition  111,  586,  679. 
Nominaler  Akt  371  Anm.  23. 
Komjnalismna  44,   60f.,  84,  U,  114, 

218,  521,  610. 
NominaleUEe  der  Aisber  377  Anm.  6. 
Nomination  535. 
Noo-a    296,    423,    430,    &44ff.,    717 

Ajun.  I. 
Nonnaldenkpniiesae  685. 
Normalempfindungen  277. 
NranMlgeulde  16. 

NoTmalgegenstknde  «S7ä.,  461,  61G. 
Nonnahsienuig  4361t.,  iSOff. 
Nonualechlnsse  710. 
Noraialorträle  14,  «17. 
NormalToistelhmgen  14,  296,  301, 306, 

308,  3tOf.,  313,  380,  4S6ff.,  449, 

601. 
VonnatiTobaTalter  8,  16,  200,  211. 
Nonnen  15,  193,  200;  217,  451. 
NonninteiMM  619  Anm.  4. 
HonnTOnteUiuigen  451. 


Notwendickat  129,  «S4ff. 

NnDgebiet  542  f. 

Nnr  560  ff.,  563,  666,  709,  796. 

OberliegriH  KBfL 

Obersati;  725  ff. 

Objekt  IBl,  186,  285  ff.,  306  Anm.  10, 

469. 
Objektiv  (Heinong)  181,  215Amn.  11, 

308  Anm.  10. 
ObjektivatioD  492ff.,  516,  524,  616. 
Otqektive  ]f erktnole  495. 
Olqektinflrte  Merkmale  496. 
Otq^viemng  366  Anm.  6,  371  Anm. 

ObkktiTieniDgsaU  268. 
ObjektTonteUnngen  S3& 
ObiektBbeitragiuig  s.  Objektivation. 
Obren  676. 
Oder  410,  584  Anm.  9. 
Offene  Stellen  880. 
Offenheit  890, 335,  360,  475,  50i,  516. 
Ontotogie  in  der  Logik  40,  191. 
Ontdi^iBolter  Beweis  62 ;  ootologisohe 
Ibeoiie  des  SoUnsaes  733. 


oppoBit^ns)  55?,  57a 
O^Kwitioa  557f.,  64611. 
or  und  oder  410. 
Orbia593. 
OrdnnngSWff. 
Oitinnngslehre  221. 
Ordnungszahl  578. 

Paar  649,  576. 
PampBf{^ianna  245. 


PBTadiKDwtieche  Schl&BBe  724. 
PuaUeVsetza  2600-  275. 
PanOlelkomponMiton  250  ff.,  261. 
Pindogismns  284  Anm.  15,  795. 


Partialisiermde  tTrteile  föSff.,  659. 
Partikel  584. 

Partiknllre  ürteÜe  658  tC,  667, 688, 706. 
Partition  51,  69&,  600. 
Feipropinquäl  328. 
Petitio  ptiDcipü  734,  817. 
Ph&Domenalismas  129,  247,  2&b,  26L 
Phänomenologie  11,  123,   185,  241 S. 
Fhantasiebegnffs  478. 
PhantanerorstellDugen  177,  309,  347  f. 
FhilosophJn  prima  11  Anm. 
Fturale  Drtaile  Blgwaita  667. 
Ploiale  urteile  654  fL,  666. 
FloialiBation  662  Anm.  6. 
floraliaierende  Urteile  65511. 
PlwiyDonm  51. 
Polar  347,  681. 
Folylemma  762. 
Po^syllogiBmen  760. 
Posa-Beispiel  271,  309. 
Position  684. 
Poativ-diqankt  663. 
PomtiTo  Urteile  638(1. 
Poaitivismns  156,  162  ff.,  217  ff. 
Postpiidikamento  36  Anm.  14,  51,  63. 
PoBtdate  118,  207, 294,  434,  685. 861. 
Potestia  63. 
Piaedioalülia  94. 
Praedioamente  36  Anm.  14. 
PraedicstioDes  62,  623. 
Praedioativna  60^  602. 
Prtdikat  377,  eiTff. 
PrSdikatiooBtheone  dee  ürtuls  «4. 
Prldikatsb^riffe  618  fi^. 
Pridikatsiuteae  636. 
FrldikatsTorstallangen  377. 
Prälate  T^begrifCe  4Wff.,  504, 51 3, 524. 
Pl^missen  m.  711  ff.,  712  (term.). 
Piipoeitionen  684,  701. 
Praesnmtio  44. 
Prinsierende  Attribute  618. 


_.ooglc 


AiplulMtiMifcM  SaohngiBler. 


9  Logik,  PragnutJamiiB 

DOM  110,  127. 
Primira  EriuaenuigBbilder  4,  261, 27S. 
nünpialer  Vordaruti  302. 
Priniipialgegtostaiid  267. 
FlinoiiHiua  53,  66,  79;  Pt.  MqutieiiiG 
7S7ff.;  aiiaIoffiHn2ff.;iMilitadiiUB  ' 


(ooDvenittitiae)  431;  oontndiotionis 
110,  331,  294,  443ff.,  «Hff^  717; 
diannentüe  603 ;  extdiui  teriü  603  ff., 
752;  idflotitttis  110,  133,  IM,  29S, 
310,  4S2ff.i  individtutionü  74,  76; 
(^positionia  696;  poötjonis  606; 
ntioiuisiiffici6iitisU0,S81f.,«Mff.; 


74. 
Prisupüo,  lodadis  48,  115. 294, 310, 

«8S,  600,  miL,  7S7a.,  76Sf.,  772. 
PrioiiaU  602. 
PriTttion  5S&,  644. 
FriTatorisohe  üiteüe  639,  642   An- 
.    merk.  13. 
PntMitio  806. 

Problem  171,  419  Anm.  2,  804. 
ProUemstiMhe  ürteae   129,    «S2ff., 

689,  699. 
Prodokt  der  MeogeoleHre  569. 
Produkt    (ProdnktioD)    ab    logischer 

Tenniims  264  Anm.  6. 
PnwieBBives  BoblieSen  758. 
Pndoqoinm  etc.  605. 
PnqdnqiuJe  Älmliohkeit   827  ff.,    339, 

479,  516  Anm.  16,  576,  680  Anm.  2. 
Propositio  466,  605,  749;  Pr.  major 

DBd  minor  TSSff. 
Froprietaa  71,  118. 
PropoatioDaler  Akt  371  Anm.  23. 
Pioprietates  intrinseoae  veiitatis  lOJ, 

119,  264  Anm.  16,  SSSff. 
Fn^rietatea  terminorum  68,  77. 
Tioprinm  61,  71,  94. 
ProeyllogümeD  758. 
Protensüm  359  Anm.  12. 
Prothesen  SSSff.,  6S3ff.,  698,  700,  714, 

716. 
Prothetiacbe  urteile  SSSff-,  745. 
Pioximalg^enetand  266,  321  Aimi.  14. 
Psendo-i&isteDi  179. 
Pseadologia  pbantaetica  367,  Anm.  8. 
Ps^hologie  und  Logit  14. 
I^Tohologische  Gnudlegang  316fl. 
PsyobologiBohe  Uerkmale  364  Anm.  2. 
{^cbologismng  16,  19,  44  Anm.  10, 

98,  153,  154  ff..  306  ff. 
PsyobphysiBober  Dnalifimos  243ff.,  253  f. 


?uadriTiQm  53  Anm.  7. 
nalitas  697  Ann.  I. 
Qualität  des  Urtnls  129,  SU,  mS. 
Qnantilifaäon  das  Piidikits  23Ö,  ML 

«TSff. 
Qoantillt  des  UrteOs  129,  tS7,  «*£, 

665  (term.). 
Quantitas  der  Begriffe  530. 
Qnatemio  tarminonua  434,  796. 
Qoidditaa  69,  74,  80,  82,  465,  BIS. 
Qainqoe  vooea  39,  41,  49,  61,  53, 00, 

63,  71,  94. 
Qua  est,  qnod  est  66,  74,  77. 

Badikalben^ong  s.  BäokbasiehBig. 
Biomliob-iutliäie    Baatimmthat   i. 

Indiv.  Eoeffiiienten. 
Batio  74,  96,  104;  r.  rafficieDa  U9. 
Baüooinatio  117,  160,  711,  713. 


748. 

BaÜonea  demonatrandi  797. 
KealdeGnition  620,  622,  U4S: 
BaaUsmos  136,  266. 
BaaUIät  (Eatsmiie)  129. 
Reatniteile  6^ 
Keoiprooatio  720. 
Bedoktbeai^nng  262,  276  ff. 
Bednkte  2WS.,  261. 
BeduktioD  der  SohloBmodi  741. 
BedoktionsbeetsndtMle  SUIff.,  »1^ 

269,  275  ff.,  491,  631. 
Bedosibel  686,  836. 
BeOexion  160,  186,  344  Anm.  2. 
BeflezionMiSdikata  (Sohnppe)  219, 634. 
B«Aexiv  (Sohroeder)  641  Anm.  7. 
Befl^ve     Kategorien     (^inddhiad) 

589  Anm.  5. 
Befatatio  SM. 
Begio  530. 

BegressiTee  SchUeBea  758. 
Beihantnldang,  logisohe  6TttL,7l2. 
Beine  Logik  125,  192,  466L 
Bekontt*£ktoriach  54S,  6K,  570,  573. 
Bekontrapodtoriaoh  649  ff.,  562. 
Bei^arbeicriae  581  ff. 
Balatararteil  702  Aom.  II. 
Belatan-orstelluDgen  3S4,  347,  5311. 
BeUtion  68  Anm.  5,  162,  3Q3ff,  63b, 

701 ;  des  Urteils  129. 
Relation«!,  beatehende  303,  63t. 
Belationen,  logische  579  ff. 


BelaHoDsb^iüfe  116,  &7>ff. 
Bd&tionspiiidtkate  633. 
BelationsnitsUe  634,  TOSt 
BelatianEToiEtelluagoii  303.  834  S. 


Alpbabetbohes  Sxihtegister. 


BdativatioB  334,  476. 
BdatiTatÜMBTsIatioii  581. 
fietative  Defimtiotwu  CSSS. 
BelatiYiUt  des  Eotapreohens  27S. 
BeUtirömos  23,  46  Anm.  6,  2230. 
Remiaaio  fonnaram  82. 
fieprSsentatio  467. 
BepiSsentalioDstheorie  der  Allgemein- 

Torstellongen  337. 
BepiisentationsvontellDiig  337. 
BepreBsioii  2ffif.,  317,  319,  34S,  475, 

479,  508. 
Repngnant  B60f.,  E58,  563,  570,  572f., 

644  L,  662. 
Be^wotns  66,  86,  304  Aum.  4. 
Beenttwite  S64  Anm.  6. 
Kesttiotio  68  Anm.  5 ;  reBtiiUoriscbe 

Negatian  616 ff.;  BestrittioiiSBddnß 

759. 
Betention  268,  344. 
Berersibel  347. 
SesQSsiT  490,  513,  524. 
BflziprontSt  347,  5!:>d. 
Rhetorik  23. 
Bichtigieit  Sff.,  284  (tenn.),  41»rr. 

formale  280,  SSSff.,  420fl,    773 

fondale  S84,  41» ff.;  materiRle  2 ff. 

280,  aSSff.,  420ff^  448,  450;  der 

EmpfmdnDgeii  276ff.;  der  Urteile 

279,  a84f.;  WertbegröDdaiig  447ff. 
BitditigkeitsbewaBtsem  313fE.,  378. 
Badimenäre  ürteUe  373,  67& 
Bfiokbeiiäh[utg251,262, 2681, 373, 302. 
Bondes  Tiereck  tisw.    180  Anm.  10, 
.    271,  309. 

Saltos  in  demonstrandoSlS. 

Satz  374  Anm.  30, 376, 607, 609,  «2Dff. ; 

S.  an  sich  174,  306,  609;  &  and 

I)efinitioii&S4K.;8.iindürteU616ff.; 

S.  des  WideiBpniohs  s.  Piincipiiun 

oontradiotioiiis. 
SaUvoiBtellnDgen  404. 
Schemata  (Eants)  341. 
Schhifl>)  4,  38,  30S,  381  ff.  ^ToboL), 

710ff.,  715  (term.);  Aiial<^e8ohlii£ 

396,  667,  724  Anm.  5,  735,  7Mff.; 
bedingter  749;  dedoktiver  396,  724; 
d^o^tiTer  n.  divisiver  7311,  750ff. : 
fortschreitende  7S1,  722 ff.;  Gegen- 
stand dos  Schi  711;  hypothetischer 
730,  744fl,  gemisohtbypoth.  r44ff., 
759,  rein  hypoth.747ff.;  indaktiver 

397,  724,  765,  768ff.;  Inhalt  711; 


bttegorisober  744;  kopalatiTer  und 
koitjonktiver  721 L,  740;  kiyptisoher 
737;mittelbarer3d4,7I&,717,720fl; 
]Iittelb€«ri£Enohlüs8e724ff.;obUqner 
744;  patadigmattBoher  724;  protlie- 
tisober  714;  tbetisoher  714;  nnbe- 
dingtar  749;  nnmittdbaror  395,  699, 
716, 716fl;zasaDimenfBSseDder  7211 

BchloBketten  756  ff. 

Soblnßsatz  392,  711  ff. 

SohloBtheorieD  730  ff. 

Schlatorteil  392,  604,  310  ff.,  799. 

SoblaSverknf^faiig  711. 

Schnittig  671. 

Sdiolien  803. 

Soholfonn  des  Urteils  6191 ;  des 
St^nssw  723. 

ScbweUe  428. 

Scientia  genenlis  112. 

Seesaw  693. 

Seiosgesetie  294. 

SojiuktiT  294,  68&,  683. 

Sekaat  671,  673  Anm.  28,  675. 

BekoniUre  Erinneningabilder  896  ff. 

Selbständige  Teile  319  Anm.  7. 

SelbetaodigeTeiliiihalto  319  Anm.  7,363. 

Belbetevidenz  291fl,  295. 

Selbstgegebenheit  187,  202. 

Selbeti^irnehmang  315. 

Semantik  (Zeiohenlehre)  402ff. 


Setznngsloser  propos.  Akt  382. 

Sicherheit  384. 

Signa  84,  103,  1041,  106,  467, 


Significatio  68,  87,  4fö. 
SiognUr  294  ff.,  478  (term.). 
Singolftre  Urteile  6ö4fl,  659. 
Singalaiiderende  Urteile  656  fl 
Singolaritit  294ff.,  310,  314,  43(rfl 
Sina  [der  Worte  usw.)  182,  194,  306, 

403,  630. 
Skala  der  Allgemeinvorst    333^   359. 

509,  515,  525,  561,  594. 
Skeptischer  Standpunkt  46. 
SoUditat  284 fl,  287,  4aOff.,  694. 
Sollen  (ßickert)  190  ff.,  214. 
SoIoeoiBnien  795. 
Sophismen  795. 
Sorites  757. 
Sosein  und  Sein  180,  185. 

>)  Der  Bequemlichkeit  halber  sind  auch  manche  Sddä£3e  hier  aufgezählt, 
die  spedell  zu  den  Syllogismen  geboren. 


n,5,t,7rjM,G00glc 


Spauraos  dar  Tont^  SU;  dar  Ba- 


-. ■  61,  53,  75,  M,  466;  8p.  sen- 

nUb«  75 ;  Sp.  iniaUigMis  TB,  82,466. 


Spciaktioiitbegrifle  478. 
MmbtioMröraMlniwaii  310, 348, 441 
■   -.  13. 


490. 

BiliHn530. 

Bpnohe  und  Logik  15,  29.  43f..  61, 
77,  84 ff.,  161,  XWff.,  309  Anm.  11, 
322  Asm.  16,  371  Aom.  23,  371  f., 
376ff.,  377  Anm.  6,  383  Anm.  4, 
365,  387,  402tf.,  425,  442,  634«., 
684,  586,  599,  617,  «aOff.,  631. 
635  ff.,  646  Anm.  17.  083,  702,  704 
Anm.  2,  709,  715,  764. 

Stammbegriffe  689  Anm.  5.  687,  701. 

StammfimktioneD  344  ff.,  369,  600  ff. 

Statniareitde  Urteile  799. 

Status  66- 

SteUo^  (eiim  Begrifb)  67a 

Struktur  (der  BMiifte)  357;  (der  ür- 

teUe)  607,  706. 
Stuck  (Hiuaeri)  320. 
Sabaltam  692,  719;  ad  sobalt  717. 
Snbjeotam  53,  623. 
Sabiekt  377,  617. 
Sabjektabagiiff  617. 


419  i 


SolnektSTDiBtellaiiK  377, 
Saln^laortHle  6^  Anm 
8aUoiiti«r646  Anm.21,652,  692,  700. 
BoUation  «4«fL 
Ssbordiniert  333,  511,  626,  565,  568, 

573,  681,  694. 
SabacriptiTa  ratio  464. 
Sahaiataiitia  63,  66,  129. 
Snbatantia  %,  53, 63, 69, 323;  8.  pnma 

und  secmoda  61,  53. 
Sabetantialfl  71. 

'  '     utiatioD  323,  330,   336,   496f. 
,  606,  616,  624,  582,  61». 


SnmnwBtbeoriB  der  AUgHBatanald. 


726,  7 
Sopariot«  161,  263. 


Svperonliniert  333,  511,  526.  665, 5«. 
673,  561,  694,  673  Aom.  27,  73ia 

SnpeiminiereBde  üttäle  63i  Aub.  & 
67Sft,  675. 

8apei8Dmtion  673  fL 

Sapparea  (propontioaea)  719. 

SappleoMDt&i«  Begiifle  649,  672,  573. 
5741 

Snppoaitio  68,  86,  666,  782. 

Suppomtiv  lU. 

SyllektioD  821,  479. 

Syllektionsberriffa  474. 

^ogismiu  81,  97,  ISO,  393  Caam.], 
7127724«.,  726 (term.);  dednkliw 
726ff.;  disjonktiTer  7ML;  bna- 
t)ietisoheT744ff.;  inTeraer  772;nB- 
janktirar  and  kiqmlativer  7641;  Ni- 
TegDSyllogiamas  72Q  £f . ;  obliqtMT  741 ; 


7E3; 


763  A 


1.12. 


fttlietaiu  20,  4WfL 


Symbole  16, 79, 111, 112,  4«fl,  4<2 

669t,  716. 
Symb-distiBobe  Logik  1 12, 237  fC  5370, 

625  ft,  653,  670fL 
SymmetriBohe    HetatitaiBbegiiffä  bcv. 

-Tontellnnsen  347,  582. 
SyndeamotiBobe  Balatioiiinilailfl  7%, 
Bjnkategoreomata  584. 
Syttonjmie  29,  534  Anm.  I,  795.    ' 
SyiHveis  321  Aom.  II. 
%ntluee  (SynäieaiB)  lOO,  155,  170, 

189,  262,  346,  367,  479,  737. 
Synthetiacbe  Punktioii  344  fL 
SynthetiBcbe  Uetkode  134,  141,  758« 

781,  822. 
BjnthetiacheüitMle  128, 38*fL,  8771t, 


Sdüüaeaa  733,  742. 
SabstHntiiKutheorie  der  SohUtBae  TSSfL 
Sabetntnrtmle  (Haier)  378. 
SabetratTOTSteUnngeii  (lUiar)  376  An- 

meikang  3. 
Sobeamierende    Urteile    67$ff,,    673 

Anm.  26,  676. 
Sabsnmtiön  a73ff.,  744. 


Tabnlae  Baoons  77&ff. 

Tatbestaiid  3,  26Sfr.,  282,  303,3061^, 

799. 
Ikntologie  592. 
IkntODymie  29. 
Taxinomie  600. 
Technik,  logiadie  8,  207,  SMtt. 


AljdiibetiMliM  Baohngistei. 


848 


Te3e  319  Anm.  7,  320,  330,  336.  6Ki, 

705  Anm.  3. 
Tnlbegiitfe  482«.,  542. 
TsUbaDehnDK  460. 
TeilsweDstand  491. 
Tedffiilult  310  Anm.  7,  481. 
Tolvtaile  711. 
TeüwntoUiuig  SlSf.,  319  Anm.  7, 335, 

356,481. 
Tsrnii  and  tertiär  706. 


TenniDi   (Tenne)    85f.,    465,    4«6f., 

TUff.;  major,  medins, minor  72&R. 
Theorem  800,  806. 
Theorie  820,  821  ff. 
Theaaopbische  Logik  139. 
Iheee  «88  ff.,  «W,  (737);  797. 
«tetisober  Chuakter  3^tf.,  382  ff. 
TbetiBohe  Urteile  882  ff. 
Topih  39f.,  92,  07,  452  Anm.  6. 
TetalempfindaDg  and  TotalednneruogB- 

Uld  317. 
Totilisierende  tlrtöle  665  ff. 
Tiiger  von  Kgensobaften  323,  330, 

336,  496,  605. 
Traoaxendent  81,  87,  127,  191,  726. 
TiUuaeDdeDtal  126,  141,    143,  148, 

168. 
Iransgreeeion     der    Allgemeinbegitffe 

475,  Klit,  770t.,  7^,  793. 
Trantpositio  738. 

rbmatiT  (Sohroeder)  541  Anm.  7,  727. 
TramnngnohtaB  753. 
Trüdiotomie  598. 


ümtaagigleiaUudt  541,  U»f. 
ümfeagtAbeorie  de«  Urteils  ÜOff. 
UmtugBortdle  722. 
UmkätrbKAut  682. 
OD  —  i1b  Vorsilbe  551,  639  Anm.  7. 
Undeflnieilwre  Begriffe  25,  111,  484, 


Tririom  53  Anm.  7. 
Tropen,  ekept  46. 
K^!Bchl&sse  2S,  196. 
Tyföa  596  Anm.  15 

fiberindiTidaelle  Bedentnng  194,  215^ 
245,  449,  462. 

Ohertrmgnng  anf  den  Oegenstanl  320, 
335,  8.  KQoh  Objektivation. 

Übeneoftbett  383. 

Ultima  827. 

Dltimale  iBOlationsTorsteUnng  367, 477, 
479,  485,  600  Anm.  5. 

Umbildbaikeit  SM,  335,  343,  475. 

ÜmbUdangsEohlüsBe  714. 

Umfiü^lioh  643. 

Umfang  der  VorstellaDgen  869  ft;  der 
Begriffe  63«  fL  630  ff.  (tarmj,  581; 
empiriaoher  U.  359  Anm.  14;  Umtang 
nnd  Belenmg  K9  f.,  527,  561 ;  Urn- 
ing nndlnhalt  6281,  6&8ff. 


_   I  Urteile  129,  «88ff. 

Un^ewiSheit  682. 

Unitae  formae  77. 

UniTMsale  53. 

UniversaUenstnit  «Off.,  «»ff.,  73L, 
82,  84,  166. 

Univenalnrteile  «WfL,  ««4. 

Univereell  478. 

UniTocom  61. 

UnklarheitsgefObl  399. 

Unmittelbare  Sohtüaee  699,  71«  ff. 

Unmittelbare  Urteile  679,  820. 

Unsioherfafflt  398. 

Unterbegriff  786  ff. 

Untersatz  72&ff. 

UnteischeidnngBnrtüIa  643  Anm.  15. 

UnTertrtgUolie  B^He  550. 

Urbegriffe  130. 

Umrang  (Natorp)  171. 

Urteü  4,  164,  168,  189,  279,  MSfL, 
aOOtL;  affirmatiye  6380.;  anetiiohe 
046;  amdysiraende  680  Anm.  9; 
asBertmiMhe  129,  «88.  690;  Ba- 
gleitenclMiniiDgeD  378f[.:I>efinitioD 
aSSff.,  «03;  diejunktive  392  Anm.  2, 
061,  697,  704,  707  fr.;  diviaiveeOr, 
704,  706«.,  707;  dnfaohe  697;  «in- 
gßedrigel  627«.;  OntüInoK  626CE., 
669;  ezUaaive709;  exzepttva  709; 
hypoOtetisoho  392  Anm.  2,  604 
Anm.  4,  624,  697,  «98ff.,  710;  in- 
dividnelle  654 ff.;  induktive  705; 
kategoriaohe  624  Anm.  5,  697;  kon- 
jnnrave  892,  687;  konstmiereiide 
680  Anm.  0;  kontndiktoriacfae  645; 
konttbe  «47;  koatraiiiemds  645; 
kopnlative892,e97, 704, 706;  latente 
394, 396,  400;  n^ative  638ff.;  poei- 
tive  638ff.;  remotive  705;  Urteils- 
theorien  364 ft,  eoOff.;  znsammen- 
fsssenda  888,  604,  710;  anaammeQ' 
geaetite  6e7ff.,  7030.,  710. 

UneilaaaaoEiatioi)  868  fL 

Urteilsbegiffe  616. 

Urteilsfonktion  376,  616.    • 

Urtffliegefnge  392  Anm.  2,  701. 

Uiteil^eMJe  398  ff. 


AIpliabatiMlMB  8*a)inp«t«i. 


ürteUuenoBtuK 


id   375  fL,    379,    419 


ÜriMUnbeKiiff  3 
üitMUDhalt  375  tf^  61«  ff^  802. 
ürtMJikraft  6071,  7131 
ürtelbpiiBsipien  69SfL, 
ürteUBS^mbole  «»ft.,  716. 


Vondilal  707  fL 

TorateUangen  im  wdteaten  Sun  352, 
281;  latente  35«,  383,  400;  T.t« 
ToTst(4liuigeii  263.  306,  332,  400 
Aom.  4,  6lö;  V.  an  sich  175,  176. 


ÜTtMbtnMiie    der    AUcemeiaroTBML 

341. 
ÜiteUBTertnaptaiig  »&,  «14,  618, 643. 
DtnqniUDiu  104. 


'^" 


Vertelnrtnle 
TerbaMefinitioiieii  636. 
Verbalaitie  im  Anb.  377  Aom.  6. 
TergtfliohDiig  323. 
Teigtei<JiiiDg8begriffe  s.  Eompantions- 

WKiiUe. 
Ter^idiDngafaiiktioQ  216, 252, 344  ff., 

374,388,426. 
Tenl^dinDgsvoratellaiigaa  323. 
Tenfikaüaa  182,  812. 
Veritte  de  fatt,  de  raiMo  osw.  llO,  444. 
Vernannng  129,  367,  880,  «S8  ff-,  693. 
Vernnaft  134,  136L,  140,  142f. 
VemanftschlnB  713ff..  737,  766. 
VeTsohiadeuliNt  102,  S38,&&8ff.,  643, 

764. 
Tenchiedenhutsvontellaiig  303,  305. 
VeracdunelxniiK  bei  KomplexioB  322; 

bei  BalatiMiBbegriffeD  581. 
TenobmeLzuugstheorie  der  Allgemein- 

TonteUangeD  340  f. 
Tentand  134,  137;  TeratandeescUofl 

713. 
Veraaohsarteile  (Hesser)  391  Anm.  27 
Vertragliche  Begriffe  560,  568. 
Ter  weohalang  der  yoiatelliuisen  424  ff., 

449   766. 
Terwe'rfen  366,  368,  391,  643  Anm.  16, 

Tielheit  (ab  Kategorie)  120. 

TieUeioht  431,  687. 

Viereokiger  Ereia  624,  631   Anm.  14. 

Vincnlnm  619. 

Tis  demooBtratiomB  800. 

ToliÜTee  Denken  3fö. 

Tolitire  Evideni  401  Anm.  7. 

Vollkommenheit  der  Begriffe  447, 472  f. 

Vollständigkeit  der  Begriffe  472  f. 

VolUtändigkeitekriteriom  269. 

Voranssetzung  799. 

Vorderaats  393,  688  ff.,  311  ff. 

VordemrteU  392,  311  ff. 


V.  178ff.,  281.  301,  300,  tSbL 
Dauer  der  V.  356;  Goffthlstoa  te 
V.356 ;  Snerpe  356 ;  Lokaiiaation^e. 

Toistellniigsgigiioiiimie   11,  SU,  631. 

Voistellangsartail  386. 

Vox  65,  80,  83  f.,  466. 

Wahrtteit  101,  HO,  118, 12&  132, 28f 

(term.);  W.  ao  sich  15,  174f.,  30(1. 
Wakmehmong  317  Aun.  1. 
Wahniflhmnngsarteile  386  Anm.  14,  CIT. 
Wahrscheinlichkeit     184  tt.,     688  fl.; 

snbjektiTe  384,  688. 
WshisobeiDliohkeiteiirteUe  384,  682. 
Vanerstoffatombeisplel  333,  358, 587, 

761,  770. 
Weob8elb««iiffe  »»ff. 
Weohaelwirkung  129,  754. 
WegtasBsn  265,  317. 
Veite  530  Arno.  8. 
Wenigstens  648,  GS5,  718  Anm.  Z 
Werdnisee  II  Anm.  I. 
Werte  101. 

WerttbMr«t  Lo^zismaE  188  fL 
Wartartole  631. 
Wertwisaeoechaft  9. 
Wesen  184f[.,  306- 
Weeeosbegritf  35  Anm.  10. 
WesenssMMtiiDg  138. 
Wesentliche   Heifcmala  490  fL,    524- 

586  ff.,  695  fL 
Widerlegung  804. 
Widerapreohend  55T.  652. 
Widerspruch,  innerer  5. 
Widerq>raah8Sefähl  398  f. 
Widerapraobaloeigkeit  28»  ff.,  US  ff- 
Widentieitend  568,  573,  65i'. 
Wiedererkennnngsniteile  388. 
WilMrliohea  Denken  400ff. 
WirkUohkeit  684  f. 
WirklichkeitsbewoHtseia  379. 
Wissen  140,  214. 
Wissensobaft  10,  820  fL 
WiBsensohaftaläu«  9,   133,   146,  211. 

818  ff. 
Wartexistenz  631. 

Worttheorie  der  Allgemeinrorat.  337. 
WortTorsteUangen  337,  343,492,631. 
Wonach  364  Anm.  5,  366  Anm.  7, 3%. 


OgIC 


GrieohiEohe  Tmmni. 


ZaUeBreilie  677  Anm.  2. 
Zentnltbeorie    der   AllgamniiTOTstel- 

Inngen   337. 
ZentnlTOTstelliiiig^    der    Allgemein- 


Zentnummpnndiuig  377,  fllS. 
Zentromgegenatuid  377,  419  Anm.  2. 
Zentrum  7orstdtiui|;  des   Urteils    376, 

419  Anin.  2,  616. 
Zfli:diedeniiig8ToreteIIaDgea  303  Anm  .3 . 
ZeiT^aDK  252,  319,  344.  S9Ö. 
Zeiiegangsgegausttiide  491. 
Ziel  400,  4Ift  Anm.  2,  797. 
ffletdenten  400  ff. 
SelTorateUnng  400,  798. 
Zirkel  592f. 
Ziikelbewde  593,  817. 
ZottlligkeH  129. 


Zogabe  604  Anm.  6. 
Zuordnung  274  f.,  777. 
Zusammenfassende  urteile  S98)  604, 

710. 
ZDGammenfusnngBVorstelliiQgeD      303 


710. 

ZiiBammengesetxte  Voistall.  KU,  47a 
ZoBUnmenBetinng  252,  346,  368,  4S0. 
Znssti  804  A/un.  6. 
Zweifel  396,  082». 
Zweifelhafte  üitcnle  384,  662. 
Zwisohengattangen  506  Anm.  3,  511, 

Ö27,  693,  597. 
Zwiadieiucegenstaiid  "=  intermediftier 

Gegenstand  267. 


Griechische  Termini 


äOufmtt  552  Anm,  16,  639  Anm.  6, 

665. 
mlt^^tm  SDl  Anm.  5. 
«MfBlfW«  46. 

im*3u»M4i  703,  709. 
iwfm  72«. 
£/iinc  37,  48. 

vjuptfitHtm  795. 
^myamlat  669. 
ärafmyij  39. 
aMsloair  737. 
äfaUyta  766. 
4rä3mmt  ,39,  815. 

iirmiMtuir  59. 

irtatUuMtue  7W. 


JirttlutlfK«  599. 

dpti»tvw  651. 

irtma«»tu  557,  645  Anm.  18,  651  ff., 

695. 
dpii»Tftatw  53,  719  f. 
mnl^mtis  53, 443, 557, 649, 651  f.,  695. 
«{teiMt  293   Anm.  1,  413,   605,   695. 
äifnH  552,  557,  038,  665. 
^myrnri  726,  ÖlU 
«faKpte  4S9  Anm.  12. 
Atlm  697. 

inU^K  38,  48,  69,  464,  605. 
■     -     f  696. 


oMi^nrait  364,   367  Anm.  9  Bad  12. 

605;  nftini  i.  627  Anm.  4. 
Aii<piw  53,  557,  599,  605,  638. 
infotiti^tnot  665. 
«oniatit  038  Anm.  3. 
^erf  26,  33,  36,  48,  53,  443,  696,  815, 

Hl6;    «.   drvni^tnt   293  Anm.  1; 

iffid  lÄai  i^3  Anm.  I. 
•'mIÄ  736. 
ä^o^ic  316  Anm.  4,  349,  353. 

riTMtfr««  yin,  45,  49,  589. 
yi^w  33,  35  Anm„  39,  41,  49,   62 
Anm.  II,  530,  678. 


1.4,509. 


,  810. 
fuUtvttt  709,  753. 
Aalpfe«27t.,53,  59,  3 
imMatrtf  27. 
imiattni  21,  24,  27,  39,  43,  48,  SC». 
fUUt^Ut  Urw  692. 
itälX^lH  tgiow  693,  818. 
aUnta  26,  37,  318  Anm.  4,  463,  605, 


M  27,  33,  39, 41,  49  f.,  63,  618, 
oau;  -lUiMtif  33  Anm.  8,  518. 

Anm.  14,  516. 
ii^if^fiww  663,  697,  709. 
A*  Um>  749. 


lA.OOgIc 


tüvtfmnt  763  Adiii.  12. 
Am«m*m  53. 

«C«  24,  26,  38,  42,  803. 
■■        1 32H.        . 


JyrafdvJVifrifr  795. 

iUk  26£r32ff^  38,  46,  4S,  53,  62 


b*tnr  789  Amn.  3. 

«Urzof  795,  8M,  817. 

IvMTfcf  63,  557,  578,  647,  652. 

IravitoMf,  irartMTiff  557  f.,  578,  645. 

tr^tj^tt  trmtrtm  42,  ÜS8  Anin.  2. 

iv4/;M»«i  53,  689,  720. 

tfifvua  32,  63. 

h^lioif^  756. 

6wM  665. 

li-vwM  22.  44,  464. 

Imm«w  775. 

<mi^r(M>  32. 

i»vmmfxtf  530. 

I««r«r«,  iMKTUMi  Uyn  24,  38,  781  f. 

intßmümr  759. 

iwMs  304  Anm.  4. 

/nmq^q  34,  26.  38,  803. 

te^*^  711,  726,  748,  753. 

iatriliii,/ui  756. 

iaaiiMrar  698. 

huxn  46. 

ifowaut  7W. 

fafförfr  53,  657. 

4*2i|  364  Anm.  5. 

hifi^a,  424  Anm.  4. 

htfof^tn^K  817. 

ttnjw  46. 


Siüqiifta  759. 
»foßigrucöf  820. 
J»(w(ia  53,  821. 

Uia  26,  463. 

W«..'  34, 3»,  41,  49  t..  518,  587  Anm.  2. 
taaivrttfiotaa*  npoiiiittti  -^59  Anm.  4. 
taov  6b7. 

««»'  airi  33,  38,  47,  587  Anm.  2. 
xo»'  fjiairr*»'  26,  32. 
xa»'  Siov    24,    26,    32,   38,    53,   349 
Anm.  2,  665,  740,  783. 


rrä  mAtk,  >.  Ksrne  7it3  Anm.  1& 

tmm^Mtt  53,  605,  ^. 
«■m^ffai  29. 35  f.,  51, 618, 560  Abb.4. 
^lta^y^atis  638,  687. 
mmntytfn/u:^  33  Anm.  8,  623. 
Mtlftum  711. 
niomtüntt  795. 
KM»  27L.  32,  36,  518. 
Mfu^gfr  42  AjUD.  2. 
aMt  593,  81& 

tonV  43  f.,  464. 

iitu  606,  795. 

Iq^er  696. 

iififim  726,  749,  763. 

loyuit  39, 40  Anm.  28,  tö,  44  Anm.  10. 

48,  6%,  815,  821. 
l»yMuit  26. 
U>wf   22,   29,   32,   39,   43,  59,  374 

Anm.  30,  463,  465   Anm.  15,  5IB. 

592,  605,  711,  749. 

/MlEir  488. 

fiiftauit  69,  600. 

/tiatt  49 ;  rö  /lifr  726,  733  Anm.  17. 

ft*w«ßmait  ti{  äUo  ytvK  8171 

finafiai^  iUyx^  817. 

fiftä^uw  639  Ajuu.  5. 

/inäXifllHc  749. 

funifiiMv/ia  463. 

fft^ai^tt/nmf  753,  756  Anm.  1. 

/40P7Q  26,  32. 

räf^s  43,  44  Anm.  10,  463,  613. 
vi^iit  22,  26,  463. 
•wirer  37,  47,  364  Aam.  5. 
yvf  aaS^rutör,  nat^nsöf,  «läse  oaw. 
37,  49,  72,  74. 

tr*^a  29,  4fö  Anm.  14,  923,  638. 

S^yatrof  29,  55. 

iiiitfiis,  i^i^fSiu  24,  37,  39,  41, 4fi3, 

4ii4,  518,  522. 
ioor  27,   37,   39,  41,  463,  466,  518, 

665,  711,  726. 
o^ia  27    33H.,  50,  59,  62,  464,518. 

522,  623  Anm.  11 ;  n^m  Q.  imtif* 

85  Anm.  10,  62  Anm.  II. 

ji<i»i)  36.  46. 
nagapol^  24. 
Jtafaiu(tvyftir»r  709. 
naqäfiiyfia  766,  795. 
nafaavMnnxif,  nttqitnwiififiir«t  70J. 
n^rf«  tpairai  49,  51. 


OgIC 


Grieduscdio  Tennini. 


ngtßi^fii 


606. 


neißX^fia  804  AnnL  7. 

Kg^X^v  42,  44. 

3if»aÄ»fl^e9iu  53. 

«^'»«(tfif  63,  31B  Aiuii.4, 516  iiim.lS. 

nc«*at^ji«fiifttn«  584   Aom.  8,   023 

^Qi«hii^  72&  749,  753. 
nftmtHifiantKi  584  Amn.  8. 
npMvUavM/iär  760. 
i^M  ri  36,  45,  46,  580  Anm.  4,  652, 
noitaais  37,  43  Anm.  7,  605  Anm.  6. 

606  Anm.  7,  698,  711. 
iioin^v  nqit  ij/tttf  und  rf  ^<mu  36, 

50  Anm.  13,  298. 
ttfoturifify«  711. 
n^'ri|  fileaa^ia  11  Anm. 
s^ior  ^Mirfbr  818. 

i^/im  29,  465  Anm.  14,  623,  638. 

«q^abw*-  43. 


«qiMta  42,  756,  783. 

M]bM{£r»T*f  UjIM  795. 

»iaHifia  48,  795. 

or^qov  557  Anm.  21,  558,  644,  652. 
moniuis  638,  639  Anm.  6,  720. 
atotxäv  485  Anm.  4. 
MytuaeStaie  44.  .165  Anm.  6. 
mtyxat^yoQiv/itna  584. 
«v^xni)}'»^«^*  627  Anm.  4. 
«vUajSol  466  Anm.  6. 
awXXoytO/4ir  38,703,711  f.,  805;  a.iia 

ifiür  749. 
mfißtfn'^ta  33  ff.,  39,  41,  49  f.,  53, 

518,  587  Anm.  2. 
«vfititnXtyfiyoy  565  Anm.  15, 607,709. 
9¥fatiQaafia  711,  740. 
«vfniUx^  68,  465  Anm.  15,  605. 


cmumytY^  27. 

atfotttutit  703. 

«•r^fM  2»,  605. 

aivfufui  703  Anm.  13. 

m^/tfiiiw  697,  703. 

««'f^iatf  367  Anm.  10,  374  Aom.  SO, 

605,  613  Anm.  34,  815. 
«vy9uuüe  759. 
«vnrasw  821. 
aimiftm  821. 
»2'9/M  T36f- 
««etfrvr  759. 

tffff*T«  711. 

riUits  736. 

*<W  35,  815. 

jl  int  341,  69,  464,  516,  690. 

tl  ^y  th^t  35  f^  464,  518. 

jÜt  »  34. 

jinei  39,  46,  8CB. 

Tomtais  680,  749,  753. 

i^önw  46,  689,  738. 

iU  32ff.,  44,  62  Anm.  11. 

fti>(i^H>' 38,  304  Anm.  4,  443,  740. 

inaygtupi  464,  618. 

vaoiial^aitt  699. 

^•'»Htf   28.    68,   666,    698  Anm.  3. 

748,  782,  810. 
vJfd^atxit  703,  763. 
inamafttvor  33  Anm.  8,  45,  50, 53, 623. 
.    iirtih^s  42. 

vvit^or  ngärtf»!'  618. 

^arritata,  ^ävtaaftm  44,  463. 

fävK  695. 

^a»^'  465  Anm.  14. 

j[Ufia/t6[  318  Anm.  4. 

ffiniifivw  705. 

•iqta/iirK  637  Anm.  1.     . 


n,g,t,7l.dM,GOOglC 


Verzeichnis  der  wichtigsten  Buchstaben- 
abkürzungen und  Symbole 


A,  B,  C. 

griffe  318  Anm.  6. 

B  )],   AU    KompantioiubeKriff  bi«. 

-TontellQO«  323,  499,  &39. 
«*,  b*,  o*  .  .  .  ■Ugemüfie  TailbflRiiffe 

487. 
a!  biw.  K*l  ptftlAtar  teilb^rUf  490. 
a'  abweichend  von  a  423. 

abc,  ABC  EonqtlezioiiibagriH  brv. 
KomplexioDiTontellQiig  3181,  486, 
539. 


•vontellniig 
B  EmpfindnDg(s^gDonieii  252,  269. 

V„  F„  F,  . . .  mdividaeUe  losammen- 
geäeUta  FlQzioiiabegnffe  bcw.  -vor- 
etdlongen  326,  501,  539. 

f,,  f,,  ^  . . .  desgL  eiofache  I>39. 

F.  JT,  K,  Kontraktioiisbegriff  bnr. -vor- 

steUoDg  326,  501,  539. 
#    OeffQDstaud     önee     KonbaktionB- 

b«gnf&  (biw.  -vonitellaDg)  540. 
E  EomptexioDsbegriff  bzw.  -TOistel- 

hmg  321,  485,  539. 

n    nhürrinatimmandn ,     O    ShnHohe,    q 

volH|  verechiedena  Merinule  dar 
eiiedvoratellongen  (faDdierenden 
VontellungeD)  eioee  Eontrakttons- 
Qder  Allgemöubegrifb  501  ff.,  513ff. 

tt,  a,  K  nigehQrige  otridtiTe  Mertmale 
505. 

91  Wort  für  einen  Begriff  536. 


0  Objekt,  Qegenataod  320. 

(0)  QegenstandsvmsteUmig  320. 

(0.)  (O^)  .  .  .  deagL 

0.,  0^  .  .  .  Oegenstinde  318  AiUB.1 

P  PrUikai. 

P„P,  .  .  .  TulpTiiSkate. 

B  BedoktiaBabestandtml. 

S  Sabjekt 

ü  Kompantionsbegriff  bcw.  -matd' 

Inug  323,  499,  Ö39. 
V,,Vb,  T,  .  .  .  318  Ann».  6. 


T.VTiVn 


.  31S  Anm.  6. 


Vj  KoIloktiTVOMtdlong  322. 
T^  EompIezicmsTaistdlong  321. 
fT^b^e  KomplaziaiBTontellDDgSn. 
V^  EompanÜtawTDistellang  323. 
w   enofadier    Allgemeinb^iiff    htw. 

•voistellong  332. 
W  deegL  znsamniengeMtxtei  332. 
w°  anfaeherenbonUnierterlndiridoil- 

begrift  359,  510,  539. 
W°  deed.  loBammongesetstsr  359, 510, 

539. 
w^,w°  .  .  .  aofBteigende  Skala  flia- 

faoher  AUgemebMcritfe  biw.  -m- 

steUangen  359,  510,  539L 
T^,W° desgl.    snsamiMnge- 

setztor  359,  510,  539  t. 
w^,  wS  .  .  .  tfooTdioierto  eiufadie  la- 

diridDilbegrifh  611,  540. 


R,,  R,  .  .  .  koordinierte  einfädle  Art- 

Iwgnffe  540. 
w^,  w^  .  .  .    koordinierta     onEad» 
Battongsbegriffe,    die    dem   Allge- 
meuibegriff  w*°BobaTdtDiQrtliI>dMCl■ 
Z•  BlankoTOntaUang  401. 
a*  AnsfiÜlDiiipvoiateniiDg  401. 


hX'.oot^lc 


Vorzeiobois  der  wichtigsten  Symbole.  —  FeraoDeiiregister. 


^=  gleiob. 

J.  partiell  gleicli  558  Anm.  2 

=1:  total  gleich  558  Anm.  2. 

S^nngleioh  556,  653. 

=^  identiscli  659, 

^ß  nicht  identisch  556,  559. 


A  (iwisohen  2    Buohstsben)    paitieU 
TeiBobiedea  vod  558  Anm.  2. 


/\  (ttber  2  Baohstaben)  Komparations- 

TOisteUnng  323,  499,  539. 
I    allgemeines  Zaicben  für  Negation 


^  moht  snbordiniert  540. 


•J)  nicht  superordiniert  540. 


I Zeichen  för  Isolation  318  und  tBx 
die    BeEiehong    der   Teitbegritfe 
(-Torat.)  zum  EompleKionsbegriff 
(-voret)  642.  ^ 
S  „gehört  KurBelegang  von"  3561, 

525,  540. 
"■-'>'-  (lber&aohstaben)Eomplezions- 
begriff  biw.  -votstellung  320. 
— — ^  (swtBekenBiiohstaben)TJrtüls- 
verknüptang  363. 

(fiber    Buchstaben)    Eontrak- 

tionsbegriff    bzv.    -Torstel- 
Inng  326,  501,  539. 
■,*->-—  (über  Buchstaben)  Allgemein- 
begriff bzw. -voiatsllung  331. 


Personenregister 

(Haoptstellen  und  fettgedradt) 


Abaetsid  65  Anm.  1,  57,  61  Anm.  8, 6S, 
64,  64  Anm.  5,  65,  519,  559  Anm.  4, 
606,  689,  692,  712  Anm.  3. 

Abicht  130. 

Adam  de  Peüt-Fout  67. 

Adamson  18. 

Adelard  tod  Bath  65. 

Aegidins  Romanas  8S,  454, 455  Anm.  12, 
466  Anm.  21. 

Aenesidemas  46. 

AStins  22  Anm.  9. 

Agricola  90^  91. 

Agrippa  TOn  Nettesheim  87  Anm.  28. 

A£ner  55  Anm.  7. 

Aicher  30. 

AisapSda  20, 

Alanus  de  Insolis  67. 

Albert  TOD  Sachsen  86, 86  Anm.  19,  208, 

Albertus  Magnus  57,  69  Anin.  10,  71 
Anm.  16,  72,  781,  77,  274  Anm.  1, 
284  Anm.  16,  454,  465  Anm.  15, 
689,  727. 

Aldrich  157  Anm.  I. 

Zisben,  Lehrbneb  dn  Logik. 


Alexander  von  AphrodisiaB  30,  41 
Anm.  1  D.  2,  48,  48  Anm.  6,  49,  74, 
605  Anm.  6,  695,  7U,  737,  748, 
759,  76B,  815, 

Alesander  von  Ealea  57,  72,  73. 

Alfäräbi  9,  57,  68,  805. 

Alkendi  69. 

Alknin  54,  55, 

Altenbnrft  25  Anm.  24. 

AlgateU  72,  73. 

AlBevo  147. 

AUihn  150. 

Aisted  93. 

Amescder  182,  264  Anm.  6. 

Ammonius  43  Anm.  9.,  60. 50  Anm.  17, 
51,  6S9,  689. 

Andreas,  Antonius  82,  695. 

Andres  30, 

Andiwcas  von  Bhodus  47. 

Aner  122  Anm.  11. 

Anschüti  213  Anm.  10,  215. 

Anitelmas  von  Canterbory  57,  53,  60, 
61  Anm.  8,  62,  "~    " 


54 


O^^IC 


850 


Petnonenregister. 


ADtiocliiu  TOn  AscatoD  46  Anm.  2.  v.  Buder  1 

Antipater  Tfl6  Anm.  1.  Bacbmann  18. 

AatiätheDCs  2&,  484  Anm.  2. 

Apelt,  E.  F.  14»,  165,  754.  78G,  7S7. 

Apett,  Otto  30,  36  Anm.  13. 

AppDlejos  voD  Madann  48, 559  Anm.  4, 

605,  638  Aam.  4,  652,   692,   719, 

720,  739. 
Arcesilaos  46. 
Archimedes  307. 
Atdens,  Radulfus  60  Aom.  5. 
Ardigö  164. 
(1' Arsens  11.5. 
AhstippDfi  25. 
Aristoteles  11  Anm.  2,  22  Amo.  11,  r 


9  Anm.  C. 


Anm.  14,  24  Aom.  18.  25  Anm.  21, 
26  Anm.  26,  2»ff„  44,  47,  49,  50, 
52,  54  Anm.  4,  55,  56.  57  Arno.  4, 
59,  62  Anm.  11,  64,  67,  69,  72,  73, 
74,  76,  78,  79,  80,  90,  91.  93,  102, 
111  Anm.  5,  127  Anm.  7.  128,  156, 
133  Anm.  14,  202,  203,  222,  279, 
280  Arno.  II,  284  Anm.  15,  293 
Anm.  1,  297,  298,  298  Anm.  2,  318 
Anm.  4,  335  Anm.  7.  349  Anm.  2, 
364,  364  Anm.  5,  367  Anm.  10,  443, 
453,  468,  463  Anm.  5,  464,  465 
Anm.  15,  4S4  Anm.  2,  488  Anm.  8, 
516  Anm.  18,  318,  518  Anm.  24, 
519,  552,  552  Anm.  14  n.  16,  553 
Anm.  16,  557,  557  Anm.  21,  578, 
580  Anm.  4,  587  Anm.  2,  588,  593, 
596  Anm.  fl7,  600,  613  Anm.  34, 
623,  623  Anm.  3.  627  Anm.  4,  638, 
643,  644.  645  Anm.  18,  651,  651 
Anm.  25,  652,  652  Anm.  27,  665. 
069  Anm.  18,  089,  695,  697,  698 
Anm.  3.  709,  711,  715,  719,  726, 
733,  733  Anm.  18,  736,  738,  740, 
748,  756,  759,  766,  782,  783,  789 
Anm.  3.  795,  801  Aom.  5,  803,  804 
Anm.  7,  805,  810,  811,  815,  818, 
820.  821. 

Annand  von  Beauvoir  466. 

Arnanld  9  Anm.  2,  101. 

Arnim,  J.  ab  42  Anm.  5,  518. 

Asklepius  48  Anm.  6. 

Aspasius  48. 

T.  Aster  216,  220. 

Atomisten  21. 

Angostin  54,  56. 

AveoariiiB  216,  217  f.,  218,  399  An- 

Averrois  57,  12,  73,  74,  449,  623. 
ATJcebron  72. 

Ävioenna  57,  70  f.,  73,    79,  465,  465 
Anm.  16,  701  Anm.  10. 


Bacon,  Itoger  5 

Baco  von  Veralam  19.  KfL,  15G,  734, 

760,  780  Anm.  20,  783.  786,  821. 
Baeomker  .58,  72  Aom.  19. 
Bahnsch  42  Anm.  4,  7S3. 
Baillie  200. 
Bain  156,  Ml. 
Baldirin  226. 
BaUaotvne  20  Anm.  5. 
BardilJ  141,  230  Anm.  12. 
Barth,  Paol  42  Anm.  5,  45  Anm.  11. 
BarthelemySt-Eilaire  18,3 1,228  Ana.  1. 
BaiÜialinns  94  Anm.  23. 
Banch  30,  188. 
Baameiaterl20Anm.4,121, 121  Aom.  6. 
Baomgärtner  80  Anm.  1. 
Banmgarten  98,  121,  121  Anm.  8. 356 

Anm.  5,  367  Anm.  13.  394  iam.9. 

444,  467,  593,  600,  607,  6S9,  C39. 

652,  690,  695  Anm.  4,  697  Anm.  I. 

707  Anm.  5,  709,  720,  726,  749,  753. 

753  Anm.  12. 755.  756,  759, 766. 784. 

801,  803,  804  Anm.  6,  806.  810. 
Banmstark  51  Anm.  19. 
Bayle  102,  223. 
Bajmes  230  Anm.  14,  231. 
Beattie  115. 
Beck  124  Aom.  17. 
Becker,  J.  J.  407  Anm.  1. 
Becker.  K.  F.  237,  405  Anm.  C,  406. 

Beneke  lüüf.,  164,  203,  436  Anm.  10; 

523,  733  Anm.  16. 
Bentham  230  Anm.  14.  610  Anm.  1% 

796. 
Benzoni  787. 
Beiger  147,  230. 
Bei^tts,  C.  94  Anm.  23. 
Bergmann,  Hugo   174   Anm.  2,   1T7 

Anm.  6,  310  Anm.  13. 
Bei^^ann,   Joüns  IW,  365  Anm.G. 

446,  634,  636,  643  Anm.  15,  6% 
Berkeley  lUf.,  246,  339.  340.  aW. 

463  Anm.  35,  766. 
Benihardi  236. 
Betnoolli  794. 
BeoHmaias  92, 

Biedennann,  G.  125  Anm.  2,  14'i. 
Biedermann,  A.  E.  145  Anro.  5. 
Biel  274  Anm.  I. 
Biese,  Frani  30. 
Biese,  Bemhold  30,  145. 
Bilfinger  120. 
Biaet  339. 
Black  Baillie  200. 


i,l^.OOglc 


Blakej  16. 

Blano  58. 

Bleohy  787. 

Bobrik  150. 

Boettuns  40  Anm.  28,  51,  52,  52 
Anin.  3,  53,  56,  57  katn.  4,  60,  62, 
62  Anm.  II,  63,  453,  464  Anm.  10, 
465, 465  Anm.  12,  519,  519  Anm.26, 
548  Anm.  10,  552,  557.  559  Anm. 4, 
570  Anm.  22,  684,  605,  623,  638, 
639  Anm.  7,  642  Anm.  13,  649, 
652,  665,  689,  092,  695,  697,  698, 
703,  712.  719,  720,  726,  734  An- 
merk.  18,  739,  740,  753,  756,  766, 
783,  805. 

Boethns  47. 

Bokoimew  37  Anm.  16. 

BolUnd  200. 

Boliano  10.  10  Anm.  3,  14,  15,  19, 
171,  172,  lim,  178,  182.  183, 
185,  187,  188,  190,  192,  194,  195, 
197,  229  Anm.  6, 271  Anm.  19,  271, 
285,  306,  364  Anm.  4,  366  Anm.  7, 
376,  530  Anm.  8,  600  Anm.  24, 
609,  640,  811. 

Bonaventura  77. 

Bonitz30,  35  Anm.  12,  36, 463  Anm.  3, 
464  Anm.  6,  555  Anm.  19,  609,  640, 
821. 

Boole  231-  232,  411,  542  Anm.  10, 
575,  670. 

Bopp  238,  238  Anm.  6. 

BorelioB  147,  653. 

Bom  129,  653.       ' 

Bosanqnet  200,  200  Anm.  2. 

Boanlon  314  Anm.  1. 

Bonterwek  130. 

Bowen  231. 

Bndler  227, 227  Anm.  17.  366  Anm.  6, 
468,  611  Anm.  28,  6S2  Anm.  18, 
634,  667. 

Braig  204,  523. 

Braniss  146. 

Bnndia  24  Anm.  19,  30,  40,  47  An- 
meik.  1. 

Brentano  31,  37  Anm.  15,  159,  172, 
17<ff.,  182,  183,  163  Anm.  14, 
165,  187.  192,  214,  215,  244,  253 
Aom.  12,  233,  254  Anm.  2,  270 
Anm.  17,  272,  365  Anm.  6,  366 
Anm.  6,  368,  379,  405,  624,  625 
Anm.  6,  628.  628  Anm.  7,  629,  633, 
634,  643  Anm.  16,  747  Anm.  6. 

Brieger  22  Anm.  11. 

Brocbard  42  Anm.  5,  46  Anm.  1. 

Brown  115. 

Brnno,  OiorOano  91,  91  Anm.  6,  822. 


Bronsohvicg  234. 

BranBwig  216,  323  Anm.  I. 

V.  BnbnoH  787. 

Bachenaa  99  Anm.  2. 

Buddeos  122. 

BaddhH  19. 

Bohle  130. 

Borali-Forti  234. 

Bordin  16S  Anm.  10. 

Baridan  86,  744,  775  Aom.  11,  783, 


786. 


173  i 


1.1. 


CaacilioK  756. 

Caldi  31. 

Calker  18,  149. 

CamBraiiDB  94. 

CantoDi  136. 

Cantor  233,  288,  540  Anm.  5. 

Canz  120. 

Capella,  HartJanua  M,  56,  '.18,  557, 

652. 
Cameades  46. 

Caira  de  Vaux  70  Anm.  12  u.  13. 
Carte^ns   97,   Wff.,    104,   111,    113, 

169   Anm.  6,   288,   289.   350,  357 

Anm.  6,  365  Anm.  6,  498  Anm.  30, 

606,  783.  799,  806,  815,  823. 
Cassiodorns  53,  53  Anm.  7,  56. 
Cassiier  169. 
CastiUoo  233  Anm.  19. 
Cattaneo  164. 
Qialybeeos  151. 
Champeaox,  Wilhelm  roD  62.  62  An-  - 

merk.  12. 
Cliarles  78  Anm.  1. 
Chaavet  48  Aom.  4. 
Cbristiansen,  Broder  99  Anm.  1,  194. 
Chrysippos  42,  318. 
Cicero  41  Anm.  1,  44,  46  Anm.  3,  47, 

52,  463,  465  Anm.  11,  563  Anm.  11, 

670  Anm.  22,  638  Anm.  4,  703,  709, 

712,  726,  756,  759,  783. 
Clarke  204. 
Clasen  151  Anm.  3. 
Clauboig  100. 
Clericns.  loannes  107. 
Cohen  99  Anm.l,  164,  166,167,171. 

197,  447  Anm.  21,  433,  643,  787. 
Cohn,  Jonas  194, 
Comte    156,    1621,    164,    217,   448 

Anm.  2. 
Condülao  107,  154,  164. 
Confucins  19. 
Conrad  238. 


54* 


i,l^.OOglc 


Pwwaenregiiter 


Oonsbrach  787. 

Conti  20i. 

ConwlioB  230,  447,  634,  653. 

Cornifioins  783. 

CoTTinns  121. 

Cousin  63  Anm.  2,  64  Aam.  5,  155. 

Cotitant  109  Anm.  1, 113, 169  Anm.  11, 

173  Anm.  1,  234,  236,   238,   411 

Anm.  3,  542  Aom.  8,  S75  Anm.  28, 

715. 
Cnmer,  Andteis  92  Anm.  11. 
Gnunar,  Chr.  92. 
Cntmeras,  Daniel  92  Anm.  11. 
CreoelinB  54  Anm.  1. 
Crooe,  B.  200,  238. 
Cronsaz  103,  525  Äom.  3,  606  Anm.  9. 
CiOBins  las,  318  Anm.  4,  530,  557, 

GOO,  623,  690,  696,  737. 

Dftleuiio  112,  226,  407,  407  Anm.  2. 
DannhAwarns  99  Anm.  23. 
Dujes  123. 
Dnrid  695. 
Davidson  523. 
DavioB  787. 
Dedebind  233. 
'Delboenf  233,  2S4. 
Ddbrüok  238,  240,  371  Anm.  23,  63". 
Demokrit  22,  22  Anm.  U,  42  AnDi.2. 
Deetatt  de  Trac;  lUt,  164. 
Dentinger  135. 
Dewoy  225. 

BexippQS  50,  50  Aom.  14. 
DieU  20  Anm.  1, 21  Anm.  3, 22  Anm.  12. 
Dieterici  60  Anra.  7  u.  9. 
Dietarions  95  Anm.  23. 


Diu  238. 

Digby  93. 

Dilthey  188,  312. 

Diodoros  25. 

Diogenes  Laertins  21  Anm.7,33  Anm. 13, 
41  Anm.  1,  42  Anm.  2,  42  Anm.  6, 
43  Anm.  7,  44  Anm.  11,  46  Anm.  7 
n.  8,  599,  636  Anm.  3,  639  Anm.  6, 
711,  749,  759,  795,  821. 

Dionysius  Ihms  374  Anm.  30. 

Dittee  156,  156  Anm.  2. 

Ditlricb  238. 

Döring  24  Anm.  17,  220. 

Domenicus  Gnodissalinns  69  Anm.  9. 

Drbal  151. 

DreBlei  156,  156  Anm.  2. 

Drieeoh  220.  827. 

Drotnsch  150, 382  Anm.  3, 5I4Anm.l4, 
666,  701  Anm.  10,  767,  797  Anm,  5, 
794,  704  Aom.  12. 


Dnbe  446  Anm.  18. 

Daehiing  217,  220,  2211,  521. 

Dans  Sootae  57,  79,  80fr.,  326  io- 
merk.  5,  350,  455  Anm.  12, 465  i>- 
merk.  16,  466,  466  Anm.  19,  581 
606,  666,  703,  712,  740,  799. 

Dnpred  30  Anm.  3. 

Dnnod  von  Fonrcain  83,  235,  468. 

Daitheim  631  Anm.  15. 

Dyntff  45  Anm.  11,  634. 


17. 

Eck,  Johann  88. 
^ger  637. 

££renfels  631  Anm.  15. 
Eialar  210,  224. 
Xleaten  20. 

14S  Anm.  1, 


Ll7. 


156,  ] 


;ad- 


Euoyolo^distan  107. 

Endroa  58,  73  Anm.  I  n.  2. 

Engel  146  Anm.  6,  339  Anm.  14. 

Engler  596  Anm.  16. 

Enocb  176  Anm.  4,  634. 

H^riqnes  164. 

Epiktet  47. 

Epitor  41  f.,  42  Anm.  3,  283. 

Epikureer  41,  783. 

unsmuB  90  Anm.  2. 

Erdmann,  Benno  10,  79,  84  Ann.  15, 
121  Anm.  7,  127  Anm.  5,  203,  2(M, 
210ff.,  239,  285,  294  Anm.  1,  296, 
296  Anm.  1,  313,  315,  352,  353,  358 
Anm.  10,  367  Anm.  9,  371  Anm.  22, 
377  Anm.8, 3S2Anffl.l,  391  Anm.27, 
392  Anm.  2. 394  Anm.  9,  402  Anm.  1. 
409  Anm.  9,  424  Anm.  3,  446,  451, 
496,  498  Anm.  32,  531,  535  Anm.  i 
58U,  587  Anm.  1,  588  Anm.  4,  589, 
597  Anm.  19,  600,  602  Anm.  2,  610 
Anm.  19  u.  22,  612,  621,  628  Anm.  7, 
633,  6^,  636,  637,  639,  MtO,  641 
Anm.  11,  642,  642  Anm.  14,  643, 
668,  668  Amn.  16,  674,  68a  691, 
692  Anm.  1,  693,  694,  694  Ann.  2, 
720,  731,  740  Anm.  6,  7F3,  784. 

Erdmsnn,  J.  E.  145. 

Eidmann,  E.  0.  238. 

Eriiaid,  Andr.  131  Anm.  2,  537. 

Brhardt,  Fi.  104  Anm.  1. 

Eriugena  56  Anm.  2,  57,  Ki(~,  S 
Anm.  11,  503. 

Ermolao  Barbaro  65  Anm.  7. 

Ernesti  121. 

Errera  468  Anm.  38. 


_.ooglc 


Eabulidea  25. 

Backen  31. 

Endemns  41,  627  Ann.  4,  736  Anm.  1, 

748,  753. 
EoUides  25. 

Eokr  229,  229  Anm.  5,  794. 
Eweibeck  237  Anm.  2. 

Fabrichis  17,  S2,  92  Anm.  10. 

FacciolatDS  106  Anm.  7. 

FaTckenbeis  100  Anm.  2,  197  Anm.  2. 

FardeUa  lOl. 

Feder  131,  224  Anm.  5. 

Ferguson  768. 

Ferrari  468  Anm.  38. 

Ferra  147. 

Fichte,  Imm.  Herm.  147,  445, 

Fichte,  Job.  Gottl.  19, 132  ff-,  136, 139, 
142,  144,  148,  149,  164,  165,  195, 
196, 199,  236,  24fi,  312.  315  Anm.  6, 
435  Anm.  10,  446,  695  Anm.3,  S16. 

Fiook  239. 

Fischer,  K.  Ph.  139  Anm.  7. 

Fischer,  Enno  96  Anm.  2, 142  Anm.  1, 
146. 

¥lsohhaber  135. 

Fitzgerald  696. 

Flosa  58  Anm.  1. 

Flöge)  69  Anm.  8. 

Fonsegri«  196  Anm  1,  787. 

Formey  121. 

Forwtte  157  Anm.  1,  787. 

For&ge  514  Anm.  15. 

Fomllto  101  Anm.  9. 

Fowler  161,  787. 

Franck.  Ad.  18. 

Fnuk,  E.  696. 

Franki  182. 

Franklin  234,  742. 

FredeginoB  55. 

Frege  169  Anm.  11,  182,  232,  268 
Anm.  11,  378,  530,  618  Anm.  3,  681. 

Fcei^os  92. 

Frendenthal  92  Anm.  15,-93  Anm.  18, 
103  Anm.  1. 

Freytag  109  Anm.  1,  212. 

Frick  2CM. 

Fries  1481,  153,  155,  165,  521. 

Fliesach  596  Anm.  15. 

Frisohlin  93. 

Frobeaiiu  18. 


OalenoB  48,  559  Anm.  4,  696.  720, 

737,  766,  795. 
OalUd  615. 
GallingGT  187. 
OaUnppi  108  Anm.  9. 
Garbe  20  Anm.  3,  20  Anm.  5. 
Garianda  239. 

Gassendi  17,  lOS,  285,  606. 
GaTttama  20. 

Geiger,  L.  239,  397  Anm.  1. 
Geiger,  M.  216. 
Gosse  226  Anm.  16. 
OeUins  565  Anm.  15,  605,  766. 
GenoTed  108. 
GentUe  147  Anm.  9,  200. 
George  146. 
Geiando  154. 
Gerbert  60  Anm.  5. 
Geroke  30  Anm.  3,  31. 
Gergonne    234,    576,    671    Anm.  ^, 

672,  673. 
Getkrath  223  Anm.  1. 
Gerlaofa  131. 
GeiBon  87,  88. 

Genlincx  101,  228,  643  Anm.  12. 
Gersonides  72. 
Oeyset  99  Anm.  1,  204. 
Gfrörer  91  Anm.  6. 
ÖibsoB,  Boyoe  99  Anm.  10,  224,  224 

Anm.  8. 
Gilbert  de  la  Forree  65  Anm.  7. 
GiQespie  25  Anm.  20. 
Gilrary  142  Anm.  1. 
Gineekon  239. 
Gioberb  147. 
Gioja  108. 

Gknvü  112,  229  Anm.  9.  734  Anm.  21. 
Okigaa  151. 

Gloiaer  75  Anm.  4,  91  Anm.  5. 
Ooblot  794. 
Oodenins  »2,  285,  467  Anm.  30,  606. 

666,  726. 
Ooedeckemeyer  29  Amn.  1, 46  Anm.  1. 
OoebriDg  220. 
Gohlke  25  Anm.  24,  30  Anm.3,  31, 

32  Anm.  b,  33  Anm.  7,  34  Anm.  8. 
Gomperz  22  Anm.  11,  26  Anm.  25,  4L', 

42  Anm.  4.  118  Anm.  2,  156,  29j 

Anm.  4,  367  Anm.  11. 
Gorgias  23,  25. 
GoBler  25  Anm.  24,  31. 
Gotanu  20. 

Gottfried  von  Si  Victor  66  Aum.  9. 
Gotthardt  174  Anm.  2. 
Gottsched  121. 
OrabmauD    53    Aoni.  2,   53,   58,  Oii 


OgIC 


ijun.  5,  63  Inm.  2,  65,  65  Anm.  8, 

66  Anm.  9,  67. 
Qittt  X  Anm.  3. 
Le  Onnd  101, 
GnJmiDii,  E.  234. 
QnBmiuui,  B.  234,  505  Anm.  19. 
GMtiT  203. 
Oroen  167  Anm.  3. 
Oregor  v.  Bimini  66. 
Gn«päikorl  150. 
Orimm,  J.  238,  636. 
Grimm,  W.  636. 
GiooB  173  Anm.  I,  385  Anm.  6. 
GtoB  450  Ajim.  3. 
Grube  19  Anm.  l. 
Qnippe  15«,   164,   164  Anm.  2,  453 

Amn.  6. 
Oönüier  135. 
Onmpoach  31. 
Gnndling  113. 
Ontberiet  204. 
Onthius  94  Anm.  23. 


Uagemaut  204,  643  AiUD,  15. 

Ragen  54  Anm,  1. 

flambruch  29  Anm.  37. 

Hwnelm  42  Anm.  5,  172. 

HunütoD  165,  SSO,  346  Anm.  4,  446. 
452  Anm.  4,  453  Anm,  7,  463,  468 
Anm.  36,  531,  593,  609,  610,  610 
Anm.  23,  673, 759,  784,  784  Anm.  22, 
785  Anm.  23,  810. 


Henricna  Anstippos  ' 
Anm.  8. 


_   _      .     -200. 

r.  Hanebeig  70  Anm.  12,  230  Anm.  14. 


145, 

Harms  18. 

EarriB  147,  287. 

Harttey  234. 

T.Htirtmtnn,  Eduard  47  Anm.  10, 142 
Anm.  1,  200  f.,  642  Anm,  13. 

Hartmann,  NiooUi  25  Anm,  24,  171, 

Haoreau  58,   64  Anm.  5,   66  Anm.  9. 

Hansdorff  234,  413  Anm.  4,  414  Anm.  2 
o.  3,  416,  542  Anm.  9,  569  Amn.  21. 

Hegel  19,  98,  138,  139,  141«.,  147, 
148,  149,  156,  164,  165,  171,  173, 
196,  199,  200,  203,  221,  Anm.  6, 
225,  229  Anm.  6,  237,  238,  285 
Anm,  17,  312,  435  Anm,  10,  445, 
608,  624,  678,  696,  767,  881. 

Heibei^  148. 

Heimsoeth  99  Anm.  I,  109  Anm.  1, 

Hejneccins  120. 

Heinrich,  E.  187. 

äelwig  234. 


Hentisberaa  796. 

HeraUit  21. 

Herbart  S8,  149H.,  153,  165,  VA 

373   Anm.  26,   595  Anm.  14,  627 

Aun.  2,  628,  628  Anm.  6,  634, 7(H 

Anm.  10,  822. 
Herbert!  212,  285. 
Heider  226  Anm.  14,  2S7. 
Hermann,  C.  146. 
Hermann,  Oottfr.  406  Anm.  7. 
Heiminna  48. 
V.  Heitimg  31,  32  Anm.  6,  33  Aon.  7, 

37  Anm.  15,  73  Anm.  3,  99  Anm.  I. 
Hervens  Natalia  88,  466  Anm.  21. 
Hessenbe^  794. 
Hettner  31. 
Heyder  31,  202. 
Heymans  156,  305,  365  Anm.  6. 
Hejse  636  Anm.  25. 
Hibbc«  200,  787. 
Hiläre  31,  228  Anm.  1. 
BUbert  234,  828. 
HUlebiand  177  Anm.  6,  366  Anm.  6, 

634. 
Hinriche  146. 

Hirzel,  Rad.  42  Anm.  5,  46  Inm.  1. 
Hobbes  99,  lOS,  106, 158  Anm,  4,640, 

815. 
Hodgson  220. 

Höttding  216,  399  Anm.  4. 
Höfler,   AI.   182,    271   Anm,  17,  329 

Anm.  7,  356  Anm.  2,  39J  Anm.  3, 

531,  7Ö4,  611,  Anm.  5a. 
Hoffbaner  130,  131,  539  Anm.  3,  55S. 
Hoffmann,  A.  F.  123. 
Hoffmann,  F.  139. 
Hofmann,  Heinr.  188. 
Hottenbei^  197. 
Hollmann  122. 
Homoos  234. 
Hontheim  234, 
Hoppe  726.    ■ 
Homeius  95  Anm.  23. 
Horten  72  Anm.  18. 
EoapinianoE  739. 
Hnet  102,  102  Anm.  15. 
Hugo  T.  Si  Victor  57,  63.  W. 
T.  Humboldt,  W.  237,  405,  405. 
Hnme  Iläff.,  154,  159  Anm.  6,  337 

Anm.  10,   360,   365  Anm.  6,  444, 

632  Anm.  18,  766,  784. 
Himtington  234. 
Haaik  31. 


iM,Googlc 


HuBserl  10  Anm.  2, 172, 163  Aiun.  14, 
l$4tf.,  190,  194,  199  Anm.  4,  200, 
214,  216,  238,  292,  295  Anm.  4, 
300,  305  Anm.  4,  306,  319  Anm.  7, 
320,  323  Anm.  19,  339,  Anm.  14, 
353,  365  Anm.  6,  371  Anm.  23,  382, 
385  Anm.  7,  391,  391  Anm.  26,  403, 
406  Anm.  7,  456.  456  Anm.  14,  615 
Anm.  2,  634,  681,  828. 

Hutcheeon  115. 

Hnxley  223. 

JacoboB  von  Venetia  52  Anm.  3,  U6 
Anm.  8. 

Jaeger  31,  518  Anm.  23. 

Jaräohe  124. 

Jakob,  Th,  787. 

V.  Jakob  130,  131. 

Jakobi,  Heim.  20  Anm.  5. 

Jakobi,  Ft.  H.  148,  164  Anm.  II. 

Jakoby,  Q.  226. 

JambLchus  47,  50. 

James  225. 

Jeraealem,  A.  187  Anm.  17,  220  An- 
meil:.  5,  226,  365  Anm.  6,  366  An- 
nierk.  6,  371  Anm.  22,  374  Anm.  30, 
382  Anm.  1.  385  Anm.  6,  300  An. 
merL  24,  400  Anm.  5,  609,  634, 
642  .tnm.  13. 

Juvons  216,  230  Anm.  14,  231,  231 
Anm.  17,  352  Anm.  11,  468,  531, 
611  Anm.  25,  667,  670,  714,  749, 
768,  772. 

Imelnann  31. 

Joachim  200. 

Jodl  331  Anm,  1,  384  Anm.  6,  397'' 


Johannes  Bonaventora  77. 

Johannes  Gntiadei  von  Ascoti  83,  467 

Anm.  24. 
Johannes  von  Damascua  54,  54  Anm.  4. 
Johannes  von  Salisbnry  57,  Anm.  8,  63. 
John  531  Anm.  11. 
Johnson  234. 
JoUy  24a 
Jonas  139  Anm.  8. 
Jones  531. 

Jourdain  610  Aum.  20. 
-Toyoe  204. 
Isidorns  54,  55. 

Itelfion  173  Anm.  I,  108  Anm.  11, 
Ittenis  95  Anm.  23,  536. 
Jung  103. 

Eabitz  109  Anm.  1,  133  Anm.  1. 
Kaindl  637. 
Salbileisoh  48  Anm.  4. 


Kampe  31,  37  Anm.  15. 

Kanada  20. 

Kant  10  Anm.  1,  19,  98,  108  Anm.  9, 
119,  123, 124  ff.,  143, 148, 167, 160, 
164,  165,  168,  169,  170,  171,  172, 
173, 189,  200,  204,  221  Amn.6,  222, 
227,  236,  246  Anm.  4, 247, 247  Anm. 
6, 248,251  Änm.11,255, 256, 258,270 
Anm.  17,  284  Anm.  15,  289  Anm.  4, 
293,  293  Anm.  1,  297,  298  Anm.  3, 
209,  300,  309,  311,  312,  3I4Anm.  2, 
315,  321  Aum.  11,  341,  342  Anm.  20, 
344  Anm.  2,  351,  386  Anm.  14,  389, 
390,  435  Anm.  10,  444,  445,  446, 
453  Anm.  7,  454  Anm.  11,  455,  456, 
457  Anm.  15,  467,  486,  408  Anm.31, 
520,  521,  530,  536,  551  Anm.  11, 
597,  600,  607,  607  Anm.  12,  608, 
624,  627,  633,  639,  652,  653,  661 
Anm.  3,  663,  666,  677  Anm.  5,  678, 
679,  670  Anm.  8,  660,  680  Anm.  9, 
681,  690,  690  Anm.  10,  691,  696, 
698,  709,  713,  714,  732  Aum.  14, 
737,  749,  754,  766,  784,  787,  810, 
816,  eia  820,  821. 

Kastü  99  Änm.  1,  288  Anm.  3. 

Katienbergw  139  Anm.  7. 

Kauffmann  220. 

EauHch  58,  135.     ' 

Keciermann  17,  93  Anm.  19. 

Keioher  79  Anm.  3. 

Keimann  113  Anm.  13. 

Kempe  235,  576. 

Kepler  782. 

Kerry  271  Anm.  19. 

Keynes  235,  468,  Ö31  Anm.  12,  634. 

Kierkegaard  148. 

Eiesewetter  131,  608,  653,  606. 

Kinkel  125Ajmi.l,  171,  642Anm.lL>. 

Kircher  112,  407. 

EiTChmanD  29  Anm.  2. 

Klein  137. 

Kleinpetor  231  Anm.  17. 

Knaner  653. 

Knatzeu  121. 

Koesel  66  Anm.  10. 

KoflU  306  Anm.  4. 

Kommentatoren  47ff.,  443,  689. 

König,  J.  235,  794. 

Körner  596  Anm.  15. 

Konmmiäten  204  ff. 

Korselt  235. 

Krause,  K.  Ch.  F.  138,  139,  556  An- 
merk.  19,  642  Anm.  12. 

Krabe  196  Anm.  1. 

Kroibig  182,  344  Anm.  1,  384  Anm.  6. 
397,  631  Aun.  15. 


tY^IC 


V.  Kries  365  Anm.  6,  633,  689. 

Kronei  IM. 

Krag  Ul,  173  Anm.  1,  431,  478 
Anm.  9,  630,  530  Amn.d,  668,  593, 
630  Anm.  7,  640,  642  Anm.  13,  653, 
666,  696,  737,  746,  753  Amn.  13, 
756  ADD.  2. 

Kahn  31,  48  Anm.  4. 

Kähnemann  681. 

KiUpe  212,  2es,  331  Anm.  1,  339,  346 
Anm.  Ö. 

EnffoUer  106. 

Kunze  194. 

Knt  109  Anm.  1. 

Laas  218. 

UbrioU  147. 

LMhdiei  172,  767. 

Lftforgt  54  Anm.  6. 

Lalaade  173  Anm.  1. 

lunbert,  3.  H.  228  f.,  123  Anm.  16, 
228,  230,  385  Anm.  6,  530  Anm.  7, 
690  Anm.  10,  737. 

Lambert  TOn  Amerre  9,  68  Anm.  5, 
454,  669.  738. 

Lambsttos  de  Monte  87. 

Land  101  Anm.  11. 

Landaner  70  Anm.  12. 

I^g  306  Anm.  7. 

LMige,  Fr.  A.  166^73,  229,  395,  601. 

I^ange,  Joachim  132. 

Loipen  64  Asm.  i. 

Ungins,  J.  Chr.  113  Ann.  13,  122 
Anm.  12. 

Lan2  133  Anm.  1. 

Lao-tzse  19. 

Läpp  187  Anm.  17. 

La  Bomigniöre  154. 

LassaUe  148. 

Uuson  95  Anm.  2,  146,  696. 

Lask  133  Anm.  1,  193,  IM  f.,  374 
Anm.  28,  453  Anm.  9,  614. 

lu  653. 

Lazarus  239. 

V.  Leclair  220. 

Lelevre  62  Anm.  12. 

Le  Orand,  Ant.  101. 

Lehmann  132  Anm.  14. 

Lehmen  204. 

Leibniz  19,  91  Anm.  5,  103,  108  ff., 
118, 122, 127, 199, 229, 284  Anm.  16, 
289,  293  Anm.  1,  299,  350,  356 
Anm.  5,  357  Anm.  6,  402,  407,  408, 
444,  485  Anm.  3,  519,  520,  521,  536, 
539  Anm.  3,  695,  732,  739,  783, 
799,  811,  815,  822. 

LeonlinB  von  Byzanz  54  Azim.  4. 


LeebazäUes  101  Anm.  1. 

Lencippns  21.  22  Anm.  9. 

LencUeld  787. 

Lewis  235. 

Ijard  230Anni.l4.  468  Asm.  33, 523. 

liberatore  75  Anm.  4. 

Liebert  306  Anm.  7. 

Liebidi  239. 

V.  Uetig  95  Anm.  2,  787. 

liebmann,  Eort  101  Anm.  9. 

liebmann,  Otto  166,  167  Anm.  7, 330 

lindemann  139. 

lindaer  151. 

Lipps  U,  204,  212  fL,  270  Ann.  17. 
295  Anm.  4,  304  Anm.  4,  331 
Anm.  1,  365  Anm.  6,  366  Amn.  7, 
382  Anm.  1,  397  Anm.  1,  787. 

Littig  48  Anm.  2. 

T.  Littrow  157  Anm.  2. 

Locke  lOSf.,  lOS,  108  Anm.  9,  113, 
154,  237,  284  Anm.  16,  309,  315, 
350,  351.  443,  713,  714,  734,  763 
Anm.  4,  766. 

Loecben  157  Anm.  3. 

Loewe  135. 

Lombardns,  Petras  57,  63,  M,  G6 
Anm.  10. 

Loofe  54  Anm.  4. 

LoSkij  188,  390  Anm.  24. 

Lott  150. 

Lotio  26  Anm.  25,  146,  IKfL,  199, 
216.  306,  436  Anm.  10,  521,  521 
Anm.  32,  589  Anm.  5,  594,  594 
Anm.  10,  597,  612,  635,  641,  641 
Anm.  10,  668,  669,  696,  709,  709 
Anm.  8,  767,  806,  810. 

Lovejoy  690  Anm.  10. 

Ludovioi  117  Anm.  1,  394  Anm.  9. 

Lukas,  Franz  28  Anm.  32. 

Lullus  57.  78f.,  78  Anm.2,  79Anm.2, 
229,  465  Anm.  16,  466,  703. 

Luquet  208  Anm.  5,  794. 

Lather  93. 

Lotke  31,  36. 

LntosUwski  25  Anm.  24,  91  Anm.  6. 

Lyng  148. 

MaiiB  130,  530  Anm.  9,  537  Anin.  1. 

Mabiliean  31. 

Macfarlane  235. 

Mach  216,  217,  218,  246,  787. 

MacLennan  637. 

Müer,  Eeinr.  23  Anm.  15,  25  Anm.24, 
30,  30  Anm.  3,  31,  35  Anm.  11,  36 
Anm.  13,  38  Anm.  22,  41  Anm.  3, 
187  Anm.  17,  206  Anm.  3,  108, 373 


O^^IC 


Anm.  27,  376  Aom.  3, 378,  360,  385, 

386  Anm.6n.7,  386  Aam.llu.  15, 

387  Anm.  16,  390  Anm.  24,  391 
Anm.  1,  397  Anm.  1.  401  Anm.  7, 
404  Anm.  5,  454,  681,  768,  787, 
790  Anm.  3,  810  Anm.  4. 

Uaimon  31,  JS2,  230. 

HaimonidBB  72. 

Haine  de  Birsn  164. 

Halebianche  101. 

Maily  183,  235,  236. 

Hansel  Ifö,  230  Aum.  14. 

Marbe  280  Anm.  1 1,  364  Anm.  16,  305 
Anm.  6,  373. 

Marc  Anrel  821. 

Markte  239. 

HadoB  171. 

MarsilioB  von  In^en  86. 

Mutianus  Capellä  51,  66. 

Martin  139  Anm.  6. 

Hartinat  106  Anm.  1.  182,  239,  385 
Ann).  6,  398  Anm.  2. 

Martinns,  Jac.  94  Anm.  23. 

Marty  177  Anm.  6,  178  Anm.8,  239, 
366  Anm.  7,  587  Anm.  1,  629,  634. 

Marrin  634. 

Haoiitios  Hibemua  61  Anm.  2,  82 
Anm.  8. 

UanUiner  239. 

Mayron,  Franc.  82,  101,  695. 

Mo  Coli  235. 

JloCoBh  115. 

Medicos  133  Anm.  1,  310  Anm.  13. 

Mwariier  25,  759. 

Mehmel  135.  • 

Meier,  Fr.  104  Anm.  1. 

Meier,  G.  Fr.  123,  367  Anm.  6,  435 
Anm.  10,  444,  467  Anm.  32,  530, 
536,  592,  607,  624,  639,  652,  695. 
713,  749,  766,  806. 

Meiner  151  Anm.  2. 

Meinera  131. 

V.  Meinong  115  Anm.  1,  118  Anm.  2, 
159,  172,  173  Anm.  1,  178H.,  183, 
183  Anm.  14,  184,  185,  214,  216, 
264  Anm.  6.  267  Anm.  9,  271,  271 
Anm.  17,  284,  304,  305  Anm.  4,  308 
Anm.  10,  325  Anm.  4,  339  Anm.  14, 
348  Anm.  1.  365  Anm.  6,  368,  382, 
384  Anm.  6,  385,  631  Anm.  15,  689. 

Meiser  52  Anm.  3. 

Melanchtbon  93f.,  113. 

Melissas  21. 

Meliin  60?  Anm.  11. 

Mellone  227  Anm.  18. 

Mendelejeff  823. 

Menedemns  25. 


Menzel  133  Anm.  1. 

Herder,  Ch.  787. 

Mercier,D.531,607Anm.2,713Aiim.5. 


Meeser  ! 


a.27. 


5  Aom.  6,  382  Amn.  1, 


Metz  18,  131. 

Meomann  239. 

Michael  73  Anm,  3. 

Michand  63  Anm.  12. 

Miohelet  145. 

Michelis  31. 

Middletown,  lüohard  von  77. 

Mieladi  29  Anm.  1. 

Hignon  66  Anm.  9. 

Miilosich  177  Anm.  6,  634,  636. 

MiU,  James  531  Anm.  11. 

Mill,  J.  Bt  15«ff.,  159  Anm.  5,  164, 
168,  172,  295  Anm.  4,  346  Anm.  4, 
352,  352  Anm.  11, 468,  468  Anm,  36, 
521,  531,  531  Anm.  U,  5ffi,  606, 
BIO,  610  Anm.  23,  611,  611  Anm.  25 
u.  28,  613,  633.  634,  666,  714,  714 
Anm.  6,  734,  735,  767,  768,  784. 
785,  785  Anm.  23,  786,  796,  797, 
810. 

Minus  48  Aom.  4. 

Hineo  235. 

Minges,  Fartenius  80  Anm.  1. 

Hiadi  197  Anm.  2. 

MiBteli  237  Anm.  4. 

Mittonzney  331  Aum.  1. 

Modemi  57,  60,  67,  77,  87. 

Monrad  148. 

Moore,  O.E.  203;   T.  V.  331  Anm.  1, 

de  Morgan  232,  739. 

MnUer,  Engen  233,  233  Anm.  18,  541, 
556  Anm.  20. 

MüUer,  Fr.  M.  240. 

Müller,  G.  B.  314,  339,  340. 

Müller,  Iwan  von  48  Anw.  4. 

MüUer,  J.  F.  129. 

Müller,  Mu  20  Anm.  4. 

Hünsterberg  195,  221  Anm.  6. 

Mnh.  asdi-Sohabrastäni  70  Anm,  12. 

Mollaoh  20  Anm.  1,  21  Anm.  3. 

Monk  72  Anm.  20. 

Mnflmaon  145. 

Nagy,  Albino  69  Anm.  8,  235. 

Na(ge  96  Anm.  2. 

Natorp  22  Anm.  10  n.  11,  25  Anm.  24, 
26  Anm.  25  n.  26,  35  Anm.  10,  42 
Anm.  3,  46  Anm.  5,  99  Anm.  1, 164, 
JTOff.,  187  Anm.  17,  197,  200,  203, 
463  Anm,  3,  643  Anm.  15. 

NsTille,  Adr.  787. 


lA.OOgIc 


VmOt,  Ern.  787. 

Pein»  225,  225  Aom.  11,  232,  411. 

NMtby  634. 

Nedioh  230  Anm.  U. 

555   Anm.  19,   575  Anm.  29,  625 

Aom.  7,  672. 

NttlBon  149. 

Pesch  204. 

Neadeoker  136,  696. 

Peslaan  235. 

NenUtiBei  31,  37  Anm.  15. 

Peter  v.  AiUy  86,  467. 

NfltimaA  32. 

Petereon  391  Anm.  1. 

Petraros  90. 

NeathomiBteD  203. 

Petreeon  390  Anm.  24,  693. 

Newton  785  Anm.  24.  816. 

Petrottievios  606. 

Nicolai,  Rad.  42  Anm.  5. 

Petrus  Aoreolos  8S,  45.1.  467. 

Nioolans  TOn  Amieu  67. 

Petrus  Hispanos  57,  68,  68  Anm.  2  a.  K 

NioolAus  von  Cusa  88. 

72, 77, 408  Anm.  8, 466,  56t  Ajud.  a 

Nicole  9  Anm.  2,  101. 

639  Anm.  5,  652,  665,  666, 669,  69a 

Niooletta«,  Paolos  Venetu«  86. 

734  Anm.  18,  738,  766,  783. 

Nietzsche  226  Anm.  14,  401  Anm.  7. 

Petrus   Lombardus    57,    63,   «6,  66 

Nixoliw  90. 

Anm.  10. 

Noel   108  Anm.  5,  142  Anm.  1, 

468 

Petrus  Mantaanna  87,  739. 

Anm.  34,  523. 

Petrus  von  Poitiers  67. 

Notker  Ubeo  56  ABm.  3. 

Petrua  Tarlaretus  87. 

Hooiarelü  82  Aora.  8,  863. 

Peyretti  147. 

NnBlein  138,  138  Anm.  4. 

PfeÜ  196  Anm.  1. 

Nyäy»  20. 

PfordtoB  226. 
Phaedo  25. 

Occam  57,  79,  SSff.,   88,    lOIJ, 

159 

Philo  von  Larissa  46  Anm.  3. 

Aom.  5,  350  Anm.  5,  364,  467 

531 

Philo  Megarious  25. 

Aom  11,   536,   584,  585  Anm 

10, 

Philodemns  42,  783. 

666,  689,  703,  744,  783. 

Phüoponus  36  Aum.  14,  41  Awu.3,  Sl, 

Uftaer  21  Anm.  6. 

51  Anm.  20,  Ü8  Amn.  6,  228,  Äi 

Oldenbere  19  Aom.  2,  407  Anm. 

4. 

Anm.  1,  463  Anm.  10,  7(B,  709,  73:, 

Opzoomer  163. 

748,  749,  753,  815. 

Otto  von  Freising  65  Anm.  8. 

Piat32. 

Overbeck  58. 

Ptcavet  58,  60  Anm.  7. 

Owen  91  Anm.  8,  112  Anm.  7, 

223 

Pisoator«. 

Anm.  1. 

Piohler  117  Anm.  1,  118  Anm.  2,  ISi 
Planck  146. 

PjAst  21  Anm.  6. 

Platnei  131. 

l'adua  818. 

Flato  23,  23  Anm.  14,  »,  25  Anm.  21, 

Tadoft  235. 

28,  26  Anm-  25  n.  26,  27,  28,  29. 

Facam>  108. 
P^gyi  188,  445. 

32,  35,   36,   36  Anm.  13,  40,  44, 

63.  64,  68,  90,  170,  171,  197,  200, 

P«nifiuB47. 

203,  246,  293  Anm.  1,  305,  335. 

Paoü  468  Anm.  38. 

390   Anm.  24,    424    Anm.  4,  4ti 

PaptDi  226. 

Anm.  15,  463,  465  Anm.  15,  4SI 

rappenfaeim  46  Aom.  6. 

Anm.  2,  485  Anm.  4,  486  Amn.  6. 

28 

«8  Amn.  7,  489  Anm.  11  u.  12. 480 

Anm.  31,  168,  443  Anm.  15, 

463 

Anm.  14,  498  Anm.  30,  518,  55?, 

Anm.  2,  695. 

5Ö9,  605,  623  Anm.  2,  695,  711, 

Pmiwiä  90  Anm.  2. 

782  Anm.  21,  783,  795,  831. 

Paul  240,  377,  378  Anm.  9,  385  Anm.  6, 

Platter  169. 

637. 

Pünins  697  Anm.  17. 

Pauli,  Adi.  93  Anm.  19. 

PloÜnos  47. 

Paolns  Nicolettus  Tenetus  Sti. 

Ploaquet   122,    229,    230,    408,  453 
Anm.  6,  610  Anm.  20. 

PanloB  PaigalSDsis  87. 

P^öt  314  Anm.  1. 

Plüoker  823. 

Pwno  233,  411. 

Poinoarö  235,  689,  794. 

Pedro  da  FonMca  88  Anm.  32. 

Poiret  102  Anm.  14. 

i,l^.OOglc 


Poretily  235. 

PorphyriuB  47,  49,  50,  60  Anm.  13, 
51,  54,  54  Anm,  4,  57  Anm.  4,  00, 
€2  Aimi.  n,  64.  65,  695. 

Poiretuias,  Gilbert  57,  57  Aum.  4,  63, 
«6,  318  Amn.  4,  346  Aum.  4,  519. 

Port-Eoyal,  L(^que  de  9,  101,  298, 
406  Anm.  7,  468,  519, .  536,  610 
Anm.  20,  614,  623,  662,  666,  690, 
703,  709,  713,  720,  726,  744,  749, 
755,  755  Anm.  17,  S06. 

Po^donhis  47.' 

PoH238. 

Pouvsin  83,  285,  466. 

Pnmtl  fl  Anm.  5,  18,  25  Anm.  22  u.  23, 
30  Anm.  4,  32,  32  Anm.  6,  33 
Aum.  7,  35  Anm.  10,  37  Anm.  17, 
40,  41,  41  Aura.  2,  42  Anm.  5,  48, 
46  Anm.  3  o.  4,  52  Anm.  2,  54,  54 
Anm.  6. 58, 58  Anm.  2, 68, 63  Anm.  2, 
64  Anm.  6,  67  Anm.  12,  68,  68 
Anm.  5,  69  Amn.  7,  70  Anm.  12, 
71  Anm.  15,  72  Anm.  18,  73  Anm.  3, 
80  Anm.  1,  81  Anm.  2,  83  Arnq.  13, 
84  Anm.  15,  86  Anm.  21,  91  Anm.  6, 
229  Anm.  8,  335  Anm.  7,  405  Amn.  6, 
408  Anm.  8,  454,  455,  455  Anm.  12, 
465  Anm.  16,  466  Anm.  21  u.  22, 
467  Anm.  25  n.  29,  519  Anm.  25, 
584  Anm.  8,  623,  62?  Anm.  4,  636, 
639  Anm.  5,  652  Amn.  26,  666,  669, 
669  Anm.  17,  689,  695,  709,  712, 
739,  753  Anm.  12,  759,  783,  795, 
796,  806. 

Frasastap£da  20  Anm.  4. 

Price  114  Anm.  5. 

Priadanna  584  Anm,  8. 

Proolns  47,  50. 

ProdikoB  23. 

Protigotas  23,  23  Anm.  13. 

Pselliu  57,  67  Anm.  1,  «8,  68  Anm.  2 
u.  3,  229  Anm.  8,  408  Anm.  8,  466, 
584  Anm.  8,  606  Anm.  7,  666,  668, 
669  Anm.  17,689,  739  Anm.  4,  782. 

Pseado-Augnstmns  56. 

f>Beado-Oalen  48Anm.4,  464  Anm.  10, 
766. 

Pseado-Thomas  689. 

Pyrrtio  46,  46  Aum.  6. 

Oiuet  116  Anm.  1,  159  Anm.  6.      . 
Quintiltan  47,  52,  62  Anm.  11,  558, 
756  Aam.  2. 

Kabanus  55. 

Babier  468,  468  Anm.  34. 

Babos  18,  138,  796. 


Badne  101  Anm.  9. 

Badlkofer  596  Amn.  15. 

Bamns  17,  »If.,  94,  103,  113,  452, 
452  Anm.  5,  519,  606,  623,  638 
Anm.  4,  652,  666,  703,  709,  712, 
749,  753,  806, 

Band  58  Anm.  2. 

Kead  162.' 

BwiB,  F.  S.  101. 

B^mk«  11  Anm.  2. 

fieicke  128  Anm.  a 

Beid  11&,  531,  531  Anm.  10,  785,  785 
Aam.2B. 

de  Beiffenbeig  16,  155  Anm.  4. 

Bahnaros  11  Anm.  2,  120,  728  Anm.  8. 

Beimmann  17,  90. 

R^eia  60  Anm.  5. 

Beinhold,  Chr.  E.  G.  J.  166. 

Bmniiold,  E.  L.  130,  131,  289  Aum.  4. 

ReiBchke  631  Anm.  15. 

Bemusat  63  Aum.  2,  64  Aum.  5. 

Renan  72  Anm.  18. 

Benouvier  17,  18. 

Bethwiscb  523. 

BeoBch  120,  733  Anm.  16. 

BenJl  130. 

Bibot  208  Anm.  5,  331  Anm.  1,  338, 
397  Anm.  1. 

Richter  46  Anm.  1. 

Biokert  188,  IMf.,  215,  21«,  221 
Anm.  6,  522,  522  Anm.  37,  623,  533 
Anm.  1,  682. 

Biebl  1 66  Anm.  6, 167, 1 73, 247  Anm.  6, 
256  Anm.  7  u.  8,  257,  267  Annt.  0 
D.  10,  258  Anm  14,  300,  300  Anm.  6, 
358  Anm.  10,  360  Anm.  14,  447 
Anm.  20,  631  Anm.  13,  642  Anm.  13. 

Bignuo  792  Anm.  2. 

Bintelen  109  Anm.  1. 

Ritter,  A.H.  141,  608. 

Bitter,  Imman.  Henr,  42  Anm.  6. 

Bisner  145. 

Robert  108  Anm.  5. 

Roberts  787. 

BodinguB  666. 

Sössei  17. 

Boger  Baoon  57,  78. 

Bogen  226  Anm.  12. 

Bomagnoei  108,  108  Anm.  8. 

La  Bomigni^  164. 

Bosmini  Serbsti  147,  . 


lURKwuuua  57,  Ö8,  60ff. 
BoBenkranz,  J.  K.  F.  146, 458  Anm.  16. 
Bosenbantz,  Vf.  U.  J.   145  Anm.  4. 
Lo  Boy  204. 
Boyoe  221. 


iM,Googlc 


Rüdiger  12S,  285,  285  Amn.  18,  610 
Anm.  20. 

Rasselt  109  Anm.  1, 169  Aant.  11,  3S&, 
236,  306  Asm.  7,  411,  531. 

Saliabory,  Johannes  v.  57,  61  Anm.  8, 
«3,  Mi,  465  Anm.  13. 

Simkhys-PhiloMphie  20. 

Banohez  223,  223  Anm.  1. 

Sau  139. 

de  Sailo  147  Anm.  8. 

Sanrios,  Jao.  95  Anm.  23. 

Schad  135. 

V.  Schaden  139. 

echapp  188. 

Bcharfina,  Joh.  95  Anm.  23. 

3oh«tb94. 

Scb«abler  95  Anm.  23. 

Soheinert  237  Anm.  3. 

Scheüing  19,  185  ff.,  138, 138  Anm.  4, 
139,  U2,  144,  148,  149,  157,  164, 
193,  206  Anm.  2,  440,  624. 

Schierschmid  121. 

Schiller,  F.  C.  S,  224, 225, 227  Anm.  17. 

».  Schlegoi,  Fr.  139  Ann.  6. 

Schleiemacher  135,  18»fL,  446,  598 
Amn.  22,  635,  679  Anm.  7. 

Schlosser  523. 

Schlflter  58  Anm.  1. 

Sohmekel  4?  Anm.  9. 

Sohmeliet  90  Atun.  1. 

Sohmid,  AI.  142  Anm.  1. 

Schmid,  C.  Chr.  E.  130. 

Sohmidbou  188. 

Sohmidlin  02  Anm.  3,  65  Anm.  S. 

Schmidt,  Walther  96  Ann).  2. 

Schm^deis  70  Anm.  12,  72  Aum.  17. 

Schneider,  A.  73  Anm.  3. 

Schneider,  ].  F.  128. 

Scht^Muhaner  229  Anm.  6,  249,  381 
Anm.  15.  435  Anm.  10,  796. 

Sctuader  156. 

Schramm  784  Anm.  22. 

SchtMer  282,  233,  411,  412,  414, 
540  Anm.  6,  641,  541  Amn.  7,  542, 
542  Anm.  7,  548  Anm.  10,  556,  556 
Anm.  20,  669,  574.  574  Anm.  27, 
675,  575  Anm.  29,  576.  584  Anm.  9, 
625,  670,  670  Anm.  20,  671  Anm.  22, 
23  u.  24,  672,  673  Anm.  28,  675 
Anm.  2  u.  3,  681,  715,  716,  720,  733, 
742,  742  Anm.  9. 

Sctabert-eoldem  220,  787. 

Schütz  75  Anm.  4. 

Sfdinltz,  JnL  156. 

Sohnlze,  G.  B.  10,  183,  133,  445,  446. 

Schiqipe  14,  32,  35  Anm.  12,  199 
Anm.  4, 217, 218  ff.,  221, 245  Anm.  3, 


246,  247,  247  Anm.  5,  436  Anm.  la 
446,  634,  787. 

Schwab  131. 

Schwan  240. 

Scdiwiodt  163  Anm.  II. 

Seeben  80  Anm.  1. 

SeiCteit  788. 

Seligbtwitz  131  Anm.  3. 

8a>eoa44,47. 

Sextos  Bmpirions  21  Anm.  5,  2!) 
Anm.  38,  43  Anm.  7, U  Ann.  11,46. 
46  Anm.  4  n.  6,  288  Anm.  2,  30t 
Anm.  4,  364  Annt  3  nnd  5,  553 
Anm.  16,  593,  599,  637,  663,  697, 
749,  753  Anm.  12,  783,  T95, 818. 

Seydel  146,  229  Anm.  7. 

Sharp  157  Anm.  1. 

Skeannau  236,  523. 

Sheldon  390  Anm.  24. 

Shote  223  f.,  225. 

Sbyreswood,  W.  t.  68  Anm.  5, 454,  iM 
Anm.8,  669,  689,  689  Anm.  9,  T3S. 

Kbbern  205  Anm.  2. 

Sidcwidi  225,  796. 

Siebeok  58,  SO  Anm.  1,  64  Anm.  IJ, 
463  Anm.  4. 

Sigwart  9,  94  Anm.  22.  95  Ann.  2. 
131.  203,  204,  »WS..  209,  351 
Anm.  10,  358  Anm.  11,  359  Anm.  14 
365  Anm.  6,  367  Anm.  10,  384,  391 
Anm.  27  o.  28,  430  Anm.  4,  447. 
451,  477,  484  Anm.  I,  491  Anm.  15. 
496  Anm.  25,  621,  522,  631,  556. 
560  Anm.  7,  563  Anm.  11,  589 
Anm.  5,  613,  633.  634,  635,  635 
Anm.  22,  636,  641,  642.  645,  653. 
667,  674,  674  Anm.  29.  679,  679 
Anm.  8.  680,  683  Anm.  2,  691,  693. 
696,  700  Anm.  8,  718  Anm.  3,  719 
Anm.  6  n.  6,  730.  730,  731,  746. 
754,  758  Anm.  3,  773,,  806,  809 
Anm.  3,  810,  821. 

Silvester  de  Prieria  88. 

Simmel  225  Anm.  12,  226. 

Smons  696. 

Simpiteins  30,  44  Amn.  10,  48  Anm.l 
50,  61,  464  Anm.  10,  705. 

Skeptiliei  46,  332  ff.,  304  Aam.  4,  783. 

Snell  »3. 

Boave.  Vr.  lOS. 

Socin  377  Anm.  6. 

Sotratos  28,  24,  27,  695,  782. 

Solbrig  122  Anm.  12. 

Sollier  398  Anm.  3. 

Sophisten  2S,  795. 

Soto  88  Anm.  32. 

Spaventa  147. 


iM,Googlc 


Spencer  Ml  f. 


Spinoza  67,1081, 113,244, 284  ADm.16, 
285  Aum.  18,  288,  289,  292,  341 
Anin.l9,350,385Anm.6,469Anm.l, 
505  Anra.  6,  799,  804. 

Sprayt  172. 

SBagaloff  307  Aam.  8. 

Stadler  169. 

Stapper  68  Anm.  4. 

Standinger  696. 

Steelic}!  157  Anm.  3. 

Steui  42  Anm.  5,  44. 

Steinsclineider  69  Anm.  9. 

Steiuliial  32,  l&l,  237,  237  Anm.  4, 
405,  623  Anm.  2,  637. 

Stein,  CL  240. 

Stern,  W.  240. 

Steuer  204. 

Stewart  115,  T8ä. 

StiebritK  121. 

St.  Hilaire  18,  31,  228  Anm.  1. 

St.  Uartin  139  Anm.  6. 

Stobaena  22  Anm.  8,  821. 

Stöckl  58,  204. 

Stöhr  220,  240. 

Störriog  331  AnsL-l,  365  Aum.  6,  391 
Anm.  1,  566  Anm.  16. 

Stoiter  42,  285,  291,  292,  293  Anm.  1, 
364  Anm.  3,  3G6  Anm.  0,  464,  516, 
557,  563  Anm.  11,  565  Anm.  15, 
593,  599, 600,  604,  637,  638  Aom.  3, 
639  Anm.  6,  645,  662,  665,  697, 703, 
703  Anm.  13,  711,  726,  749,  733, 
753  Anm.  12,  795,  821. 

Stont  224,  224  Amn.  7,  366  Anm.  6. 

Stoy  161. 

Strümpell  150. 

Stmnpf  11  Anm.  1,  183ff.,  241,  254 
Anm.  2,  270  Anm.  17,  295,  319 
Anm.  7,  327  Anm.  9  nnd  10,  340 
Anm,  15,  481  Anm.  7. 

Sturm  92,  92  Anm.  8. 

Stnrt  224,  224  Anm.  9. 

Suarez  57,  88  f.,  94. 

Suetteriin  240. 

Snsemihl  463  Anm.  3. 

Synkcetisten  47. 

Syrbios  17,  lÄ 

"    ■         50. 


Ti^ait  142  Anm.  1,  200. 
Taue  340  Anm.  17. 
Tandel  196. 
Tarde  653. 

Tartaretas,  Petrus  87. 
Teiohmfiner  196,  197  ft. 


Telesius  95. 

Temple  92. 

Testa  166. 

TeteuB  607. 

Tenffel  53. 

Thanner  137. 

Thaulow  14G. 

TbemJBtius  50,  50  Anm,  15,  54. 

Theophiastua  41,  49,  288  Anm.  2,  639 
Anm.  5,  703, 736, 739,  748,  753,  76«. 

Thiele  199. 

ThiUy  788. 

TTiomasias  113. 

Thomaa  Ton  Aqnino  8,  57,  72,  74  ff., 
78,  81,  82,  89,  174  Anm.  3,  203, 
284  Anm.  16,  291  Anm.  8.  298,  304 
Aom.  4,  4S6  Anm.  16,  466  Anm.  17, 
519,  600.  606,  689  Anm.  9,  783. 

Thompson  165,  230  Anm.  14. 

ThQmmig  121. 

Thurot  32. 

Tibet^en  139. 

Tiedemann  130,  131. 

TSeftrunit  130. 

Timon  46. 

TimpleniB  94  Anm.  23. 

Titios  642  Anm.  12,  673  Anm.  35. 

Tonoies  103  Anm.  18,  240,  403  Aom.  3. 

TBwy,  D.  de  154  f.,  164. 

Traobe  58  Anm.  2. 

Trede  230. 

Trendelenburg  32,  35  Anm.  10,  45 
Anm.  12,  109  Anm.  1,  142  Anm.  1, 
146,  201,  S02i,  230  Anm.  11,  519 
Anm.  27,  617,  636,  642  Anm.  13, 
669,  682,  691,  737,  809,  810. 

Troxler  18,  137. 

^ohimhanaen  9  Anm.  3,  113. 

Twardowsti  179  Atitti.  9,  270  Anm.  17, 
271  Anm.  19,  319  Anm.  7,  420 
Anm.  3,  495  Anm.  23. 

T  Westen  141. 

Deberw^  18,  80  Anm.  1,  201,  S03, 
365  Anm.  6,  446,  503,  521,  622 
Anm.  39,  531,  533  Anm.  1,  663 
Anm.  11,  568,  570,  592,  592  Anm.  3, 
635,  691,  695  Anm.  3,  726,  730, 
737  Anm.  3,  740  Anm.  5,  741,  741 
Anm.  7,  800. 

Uebinger  88  Anm.  30. 

Uodelhoren  88  Anm.  32. 

Ulrich  130,  131. 

Ulrici  205,  446. 

Umbreit  135. 

Üphnee  WA,  223  Anm,  4,  6<Hi  Anm.  5, 
623  Anm,  2. 


ih,Cooglc 


Urtan  686. 

tJniboni  204. 

Vsener  42  Anm.  3,  52  Ajud.  i 

TueUna  103  Anm.  16. 

Tuhinger  127  Anm.  5  n.  7,  299  Aam.  4, 

920  Anm.  31. 
Ttiloti  235. 
Valla,  I^orentiiw  ML  91,  350  Anm.  5, 

689,  7S9. 
TaldaniDi  468  Anm.  38. 
Vtigaa  756. 
VwTO  47,  605. 
Tany  79  Anm.  2. 
T&taftyoiui  20  Anm.  G. 
Vrtäer  70. 
Teitch  230  Anm.  14. 
V«no  161,  2SS,  634,  637,  788. 
Yen  147. 

Versorins  Ftuigiensis  77  Anm.  9. 
V.  St  Victor,  Oottfried  66  Anm.  9. 
V.  St.  Victor,  Hngo  57,  63,  M. 
Victoriaas,   Uaiios  52  Anm.  2,  510 

Ann.  25,  759. 
Viel«  173  Anm.  1,  229. 
VioU  796. 
ViTM  M,  91,  690. 
Voigt  236. 

VtJlelt  171*  314  Anm.  1,  339  Anm.  14, 
Vottnunn  828. 

5U  Anm.  15. 
Vorländer  141. 
Vofllar  240. 

Waddington-Eastos  91  Anm.  8. 

^Vagoer,  J.  J.  138. 

WaEle  384  Anm.  6. 

Waiti.  J.  H.  W.  150. 

Waiti,  Tb.  30,  32,  150,  435  Anm.  10. 

446,  552  Anm.  16. 
Walch  17,  123. 
^allacä  147. 
TVaUiee  47  Anm.  1. 
'Wallis  157  Anm.  1. 
Watson  32. 
Watt  331  Anm.  1. 
Watts  107,  285. 
Webb  67  Anm.  11. 
Weber  696. 

Tan  Veddingen  62  Anm.  10. 
Weigel  102. 
Weise  HS,  113  Anm.  13,  220,  229 

Anm,  4,  726. 
Weiß,  Chr.  135. 
WeiBo  146,  196,  695  Anm.  3. 
Weiflenbom  146. 
Wendelinna  95  Anm.  23. 


Werber  138. 
Werder  145. 

Werner  54  Anm.  5,  58,  78  Ann.!, 
80  Anm.  1,  88  Anm.  32. 


Wbevell  lUf.,    164,   596  Anm.  I&, 

600,  766,  785,  788. 
Whitehead  169  Anm.  11,  235  Ann.  23, 

236. 
Wliitney  240. 
Wickenhagen  125  Anm.  3. 
Wieener  59S  Anm.  15. 
Wildsohrey  212,  413  Anm.  7. 
WUkina  112,   112  Anm.  8,  229,  407, 


407  i 


1.2. 


Willems  75  Anm.  4. 

Willmann  204. 

Willoer  60  Anm.  5. 

Wilson  696. 

Wmobelmanii,  A.  W.  26  Anm.  20. 

Winckelmann,  J.  J.  229  Anm.  8. 

Windelband  25  Ann.  24,  188.  I89U 
194,  195,  197,  200,  215,  218,  224 
Anm.  10,  226,  385  Anm.  6,  384, 
390  Anm.  24,  391,  391  Anm.  27. 
453,  589  Anm.  5,  014,  631  Anm.  15, 
642  Anm.  14,  643  Arno.  16. 

Windisclunann  238  Anm.  6. 

Winkler  121,  121  Anm.  6,  122. 

VTiaUi  236. 

Witasek  182. 

Witten  32. 

Wolff,  Chr.  19,  98,  113,  U7ti.,  124, 
129, 131,  246  Anm.  3,  284  Anm.  16, 
285,  293  Anm.  1,  299,  350,  333 
Anm.  6  n.  7,  394  Anm.  9, 435  Anm.  10, 
444,  4U  Anm.  17,  467, 467  Anm.  31, 
468,  479  Anm.  I,  520.  521,  536, 
658,  593,  593  Anm.  6,  606,  607 
Anm.  10,  621,  623,  639,  652,  653, 
666,  680,  695,  696,  700,  713,  726, 
737,  749,  752,  753,  772,  7M,  801, 
804,  806,  810,  816,  818,  821. 

Wolff,  Herrn.  240. 

Wotie  32. 

Würkert  91  Anm.  8. 

Wulf,  M.  de  58,  65. 

Wondt  46  Anm.  1.  203,  204,  366  ff.. 
219  Anm.  4,  SSS,  240,  264  Anm.  6, 
294  Anm.  1. 331  Anm.  1, 339  Anm.  14, 
345,  345  Änm.  3,  347  Aflm.  7,  352, 
354  Anm.  17,  367  Anm.  12,  368 
Anm.  14, 385  Anm.  6, 389, 397  Anm.  1, 
306,  522,  580  Anm.  5,  600,  634, 


i>,Cot>^lc 


Personenregister.  —  DracMebler  nnd  ZosUze. 


635,  639  Antn.  7,  642  Antn.  13,  767,  Anm.  6,  43  Anm.  8,  45  Anm.  12,  46 

767  Anm.  5,  788,  794  Anm.  12.  810,  Anm.  1,  50  Anm.  13,  336  Antn.  7, 

814  Anm.  6.  463Anm.4,464Anm.9,557Aiim.21. 

Wyolil,  Jobannes  87.  Zono.  Eleat  21.  23,  24,  42. 

Wyttenbach  134.  Zeno,  Stoiker  42. 

Ziemer  596  Anm.  16,  599. 

Xenokiates  43  Anm.  7.  Zimeb  115  Anm.  1. 

XcQOphon  S4  Anm.  18,  78i.  Zimmennann   109  Anm.  1,   l.'iO,  271 

Z&barella  737  Anm.  3.  Ziodler  182. 

Zeller,  Ed.  20,  21  Anm.  4,  22  Anm.  9  Zopi  123. 

u.    11,    24  Anm.  16,   33,  40,  42  Zsohimmer  200. 


Druckfehler  und  Zusätze 

S.  18  bei  Frobesius  ist  ein  *  zuzufügen. 

S.  SO  Z.  11  von  oben  lies:  Gnatoma  statt  Gantoma. 

S.  20  Anm.  1  füge  hinza :  Karl  Beinhardt,  Parmenides  nnd  die  Gesohichto  der 
griech.  Philosophie,  Bonn  191C. 

R.  23  Neaci-dings  ist  noch  erschienen:  Julin.<)  Stanzel,  Znr  Logik  des  Sokratcs, 
95.  Jahresber.  d.  Schles.  Ges.  f.  vaterl.  Kalt.  1917  u.  Studien  z.  Entw. 
d.  piaton.  Dialektik  von  Sokrates  zu  Aristoteles  etc.,  Brenlau  1917  (S.  62). 

3.  25  Z.  4  von  nnten  lies:  und  Pioklus  statt  Flotin. 

S.  30  lies  bei  Aicber:  Ergänzungahefte  d.  Kaptstud.  Nr.  6,  Berlin  1907,  S.  44ff. 
statt  Diss.  Halle  1907. 

S.  32  Anm.  6.  Zusatz ;  Eertling  u.  a.  behaupten,  daS  Aristoteles  auch  indivi- 
duelle (Ml)  annimmt. 

S.  41  Z.  17  von  oben  hes:  ScWuß  statt  Urteil. 

S.  42  bei  Bahnsch  ist  ein  *  zuzufilgen. 

S.  46  Z.  17  von  oben  lies:  r^Mrot  statt  aroüiM. 

8.  58  bei  J.  A.  Endres,  Geschichte  d.  mittelalterl.  Philos.  {Samml.  Koesel  Bd.  22) 
ist  ein  *  zuzufügen. 

a.  75  Anm.  4.  Das  •  bei  Glossner  ist  zu  streichen  u.  zuzufügen :  Jalirb.  f. 
Philos.  u.  spek.  Theol.  1887,  Bd.  1,  8.  40. 

S.  82  Z.  3  von  unten  lies :  Hier,  de  Nuciarellis  statt  Nuciarelli  u.  füge  ein  *  bei. 

S.  82  Anm.  8.  Die  wichtigsten  Werke  von  Fr.  Hayron  sind  auch  in  einer  Aus- 
gabe Tenet.  1503  zusammen  mit  Schriften  des  Gregor  v.  Bimini  (S.  86) 
eracbienen.  —  S.  86  Anm.  21  lies:  1490  statt  1500. 

S.  87  Anm.  28.  Erschienen  ist  bis  jetzt  nur  die  Disserlatioa  von  Job.  Mearer, 
Zur  Logik  des  Heinr.  Cornelius  Agrippa  t.  Nettsaheim,  Bonn  1913. 

8.  88  Z.  5  von  unten  lies:  Die  Logik  Petrus  Fonsecas  statt  P.  Fonseca  als 
Logiker,  n.  fuge  zu:  Bonn  1916,  S.  1—112. 

S.  91  Anm.  6  lies  OloBner  statt  Glosner. 

S.  91  Anm.  8,  Z.  2  von  unteu  schiebe  Dissert  ein  vor  Leipzig. 

S.  92.  Von  Baurhusius  stammt  femer:  P.  Hami  Dialecticae  hbri  duo:  et  bis 
e  legione  comparati  Philippi  Melanchthonis  Dialecticae  libri  qoatuor,  cum 
expbcationum  et  coUationum  notis  eot,  Ftsncof.  1588. 

S.  92  Anm.  11.  Daniel  Cramer  soll  aooh  DisceptatJones  logicae,  Marp.  1598,  ver> 
faflt  haben.  Die  Arbeiten  eines  Bamisten  Job.  Cramer  in  Leipzig  waren 
mir  nicht  zugSnglich.  Auch  ein  Schüler  Mehuchthons  hiefi  Job.  Cramer 
(1530—1602). 

S,  92  Anm.  14  fehlt  bei  Logioae  Baineae  trinmphuB  ein  '.  Der  Titel  -der 
Tempieschen  Schrift  (Anm.  15)  lautet  genauer:  Pro  Müdapetti  de  unica 
mothedo  defensione  contra  Diplodophilum,  Franoof.  1584. 


OgIC 


864  Drnckfditer  nod  Znsttt«. 

S.  93.    Ton  Et.  Digbf  ist  ftoAeriiem  brnneriEeoBwert:  De  daplid  metbodo  libi 

dno,  mtioam  P.  Bami  methodrun  refaUntea  uaw.,  Fiaaeohu^  1589,  na- 

meotl.  C«p.  lOfL  (S.  20  ff.). 
8.  94.    Ortholph  Fachäperaer,  Natürliche  n^  rechte  Ennst  der  Dialecäo,  1533 

ti.  Aogsp.  ICiSO,  nach  Prantl  die  erste  deutsche  Logit,  war  mir  bs  jM 

nicht  Euglnglioh  rÜbeisetzosg  aus  dem  I^  in  das  Dentache,  Zürich  15ÜV). 
S.  S5  Z.  21  Ton  oben  lies:  logioom  statt  logicam. 
S.  So.     Über  Hocenigo  als  Torllofer  Baoos  e.  Itelson,  Fhiloe.  C<Migr.  Bologaa 

1911  XL  Dyroff,  Benaiss.  n.  Philos.,  Heft  13,  Bonn  I91G,  8. 1Q7. 
S.  101.    Die  Arbeit  von  Jean  Itadne  wai  mir  nicht  ingingüch. 
6. 102.    Üerra  B»le'8  Systeme  abrege  de  Philosophie  en  qnatze  paities  (partie 

1  Lonqne)  midet  man  anoh  in  Bayle  s  OeuTres,  Tome  4,  La  Ea;e  1731, 

8. 192  ff.,  spea.  S.  206—267. 
S.  103.    Ton  Hobbes  ist  noch  anznf&hren  die  Schrift:  Examinatio  et  onen- 

datio  matbematicae  hodietnae,  ed.  Molesworth  Lond.  1845  Opp.  Bd.  4,  3. 1. 
B.  10t)  Amn.  1  füge  eu;  H.  Ollion,  La  philosophie  geoerale  de  J.  Locte,  PaiB 

1906,  namentL  S.  324ff. 
S.  107.  In  det  Tierbftndigea  Ausgabe  der  Opp.  philosophica  von  Joannes  Qericos. 

5.  AufL  Amstelodami  1722  nimmt  die  Logik  Bd.  1,  S.  1—250  ein. 
S.  107  Anm.  4  füge  hinzu:  Ansg.  1780  Bd.  20,  S.  241  n.  Bd.  32,  S.  273. 
S.  108  Anm.  5  füge  bei  L.  Bobert  ein  *  hinzo,  deMl.  bei  OenoTesi,  Lo^ca  pä 

gioranetti  u.  Oioja,  Logica  della  statiatioa  a.  Soare,  Institozioni  etc. 
8. 113  Aam.  13  iat  bei  Curiense  Fragen  ecl  ein  *  mzolägen. 

8. 115  Z.  21  von  oben  fuge  hinter  d'Argens  ein  (Jean  Baptiste  Bojer). 

8. 116  Anm.  1  füge  bei  Zimels  hinzu:  (auch  Dissert.  Eriüigen). 

8. 121  ist  bei  Bcluerschmid,  Fhilosophia  ratioDalis  ein  *  luiufügan. 

8.  122  Anm.  11  füge  hioEu:  Paul  Bornstein,  G.  Pkincquets  ErkenntniBtheorie  n. 
Metaphysik,  Diss.  Erlangen  189S,  namenÜ.  S.  69  ff. 

8. 122  Anm.  12.    Die  Schrift  von  Joh.  Chr.  Langius  war  mir  xätäit  lugfin^idL 
8,  123.    Die  Syrbiossche  Schrift  ist  mit  einem  *  zu  Tersehm;  ihr  Teriiittni» 

m  der  S.  17  erwähnten  Schrift  vennocbte  ich  nicht  festzustellen. 
8. 123.    Bei  Ad.  Friedr.  Hoftmaon,  Gedanken  über  Wolfts  Logik  fehlt  ein  *. 

5.  125  Anm.  2:  AnBerdem  ist  zu  nennen  Fr.  B.  L.  Zelle,  De  discrimiue  inter 

Aristotelicam  et  Eantianim  logicea  uotionem  intercedente,  Diss.  Ha).  1870 
(deutsch  Berlin  1870?) 

6.  127  Z.  4tod  oben  lies:  prefonnations  statt  performatioos  u.  Z.  5  110  statt  109.  ' 
S.  130.    Bei  Buhle,  EinL  m  die  allg.  Logik  usf.  fehlt  ein  '.      Der  vollstindige 

Intel  der  Hof fbanerschen  Schrift  lautet :  Tentamina  semiolo^ca  aive  qnaedam 
generalem  theoHam  signoram  spectantia,  Diss.  H^  17S9. 

8. 131.  Zu  Kants  Gegnern  auf  logischen  Gebiet  kann  auch  Jak.  Friedr.  Abel 
(1751—1829}  gezahlt  werden. 

S.  132.  TgL  über  S.  Maimon  auch  L.  Gottselig,  Die  Logik  Salomon  Haimons, 
Diss.?,  Bern  1908  (Bemer  Stnd.  61)*. 

S.  133  Anm.  1.  Die  Henzelsche  Schrift  ist  anob  als  Kieler  Disaertatioe  (1909) 
erschieaen. 

S.  135-  Bei  Fischhabers  Lehrbuch  der  Logik  ist  ein  *  beizufügen,  deegt  bei 
Kanüoh,  Handbuch  der  Logik.  Hinzuzufügen  sind  Joh.  Cbriatian 
Gottl.  Schaumann  1768—1821,  Elemente  der  allg.  Logik  ect  GieBea 
1795'  und  Friedrich  Harms  1819—1880,  Logik,  Leipzw  1886' u.  Die 
Reform  der  Logik,  Philol.  n.  histor.  Abb.  d.  Kgl.  Akad.  d.  Wiss.  zu  Beiüa 
a.  d.  J.  1874,  Berlin  1875,  8.  121—169. 

S.  137.    Bei  Thanner.  Lehrb.  d.  theoret  Philosophie  ist  ein  *  zusofügen. 

8.138.  Der  ausführliche  Titel  der  fiabosschen  Schrift  lautet:  Die  nenestea 
Bestrebungeu  auf  dem  Gebiet  der  Logik  bei  den  Dentsciien  und  die  lo- 
gische Frage,  Erlangen  1860.  —  Bei  Werber  f^lt  ein  *,  desgl.  bei  A.  E. 
Bitter,  Tonesungen. 


OSK 


Jlniokfehler  und  ZnaitaB.  865 

S.  142  Anm.  1.  Die  Job.  Btahnnannschs  Bohrift  i*t  als  wittenaotuftüche  Rai- 
üge  zum  OsterpTOgramro  des  Oymn.  io  Neostadt  Wpr.  (Progr.  38)  er- 
atutienen.    ferner  setze  hinter  MoCHImy  Eomma  statt  SemikoloD. 

8. 145  Z.  14  TQQ  oben  fOge  hinter  lagik  ein:  als  Veraaoh  einer  wiuensdiaft- 
liuhan  UmKeetaltnog  ihrer  bisberinD  FriniipieD  (nameDtl.  Vorrede  a. 
§  241t.).    Bei  Biese  ist  ün  *  loxonigen,  desgL  bei  Miohelet,  EwiaisM. 

8. 146.  Tgl.  EQ  Planck  auoh  A.  Bsomeister,  Anmerkiingen  latn  4.  DeUMMtM 
mit  besonderer  Berüoksiohtigang  der  PUaokiohen  Losik,  JabreaCer.  i. 
Kg(.  Ofmo.  Ulm  1901  (Nr.  64»}.  S.  1—22.  Thanlows  Einl.  in  d.  PbUoB. 
n.  Enoyolop.  d.  Philoa.  im  UmnB  war  mir  nicht  EDxttnglich. 

8. 146  Z.  20  *on  ob«n  fOge  hinter  2.  Aofl.  ein :  unter  dem  Ctel  Sntsm  dsr 
Lopk  u.  IfeUtphrtUt  od«i  WissensohaftslehTe.  —  Dia  *  bei  B.  Seydel  ist 
ZD  streiohan. 

3.  U7  ist  bei  Pejrretti,  Spaventa  (IntroduiODe),  v.  Beiger,  Terri,  AlUevo,  Tara 
nnd  Harris  äa  '  luiDfäceD.  —  The  loglo  of  Hegel  na  Wallaoe  ist  wobl 
1874  erschienen  nnd  sohMut  nur  eine  Übeiaetinng  la  sein ;  mir  war  die 
2.  AntL  tnglDgliob  anter  dem  Titel :  Frolegomena  to  ths  etndy  of  Hngals 

Sbiloaophjr  aod  «epedtUr  of  his  bgic,  Oxfoid  1894  (s.  namentL  8. 30C 11).  — 
IM  Werl  von  Öioberti  (Introdoiione)  ist  auch  in  bausöniacber  Ober- 

•stnug.  Paris  1846/7,  erschieoeu.  —  Dar  Leitfaden  von  Heibug  war 

mir  luolit  lagOngUch. 
S.  ICO.    Bei  Oriepenkerl,  Bobrik  and  Waiu  Ist  ein  *  nuaKgen.  desf^.  8. 151 

bei  der  PraUischra  Logik  von  Dibal  n.  8.  IM  bei  Girando. 
B.  154  Z.  11  n.  13  von  oben  lies:  MTobologistiBahen  statt  paychoitwisclieti. 
S.  156.    ConaiD'a  Pn^ments  de  poiloe.  oontemp.  bilden  den  5.  Band  aalDor 

Fiagmenis  philoeophiqast  (vgl  in  der  AnfL  v.  J,  1805  namantL  8.  17  tf. 

0.9.90). 

8. 165  Z.  8  von  ttnten  ist  hinter  Posen  nooli  Bromberg  rinrasohieben. 

8. 167.  Biei  Lochen  ist  «n  *  EOiuf&gen ,  dangL  bei  Foraythe.  Anroftthren 
wire  hier  aoch  John  Eersohel,  A  preliminarj  discourse  on  the  study  of 
natural  philoeophy,  London  1831  (dentaoha  Obers,  v.  Wwnlig,  Leipi.  1896) 
n.  Qnarterly  Review  1S4I,  Jone*. 

S.  161.    Fowlere  Werke  waren  mir  nicht  niglCn^lioh,  ebenso  nicht  Bains  logic 

S.  164.  Eoriqnes,  Problemi  della  idenca  ist  m  dentsoher  ÜliarMtsang  von 
Orelling  enohianen,  Leipzig  IBIO  (L  Wirklichkeit  a.  Lo^,  8. 1— 2S8). 

8. 164  Z.  7  von  onten  ist  vor  Jaoobi  einiafOrnn:  fr.  H. 

8. 166  Bei  W.  Thompson  ist  ein  *  tosongan,  def^L  bei  den  "Weiinn  von 
Usnsel,  Cattaoeo  n.  Cantonl. 

8. 166.  Dte  beiden  letitaogeCtthrten  Werke  Reinholda  waren  mir  nicht  soglngUdi. 

S.  169  Anm.  11  füge  hinter  Amer.  Joorn.  of  Math,  ein:  1908. 

B.  172  Z.  4  von  oben  lies;  de  logiqae  formelle  atatt  loglqaa  formale.  —  Bei 

Hamelins  Easai  ist:  Th^  de  Paris  znnifOgen,  b«  Sprayte  Leerboek  ein  *. 
S.  173  Anm.  2  leiste  Zeile  von  onten  ist  rin  *  Eatatagen. 
8. 177  Anm.  6.    Hillebranda  Arbeit  aber  Hypotheeenbildong  iat  eracbienan  in 

8it>.-Ber.  Ak.  d.  Wissensoh.,  PhUos.  tust  Kl.  Jahrg.  188^  Wien  1896, 

Bd.  134,  No.  6. 
8. 178.    TgL  über  Usinong  a.  a.:   Gast  Spengler,  Ueinongs  Lehre  von  den 

AnnihmeQ  o.  ihre  Bedentung  fQr  die  SohnllwilL  Jsbreeber.  d.  Enhenog 

Bainer<Ovmn.,  Wieo  1903,  8. 3—32  o.  D.  H.  Keiler,  Ober  Annahmen, 

Ulm  1610'. 
S.  162.    Witaseka  Orondlioien  sind   in  der  Philosoph.  Bibliothek  Bd.  115  ar- 

sohienen.    Bei  Zicdler  o.  Martfnak  ist  «n  *  zoiafüeen. 
8. 186  Anm.  17  ist  lOEnfügen  W.  Wandt,  KL  Schritten  S.  669—580  o.  601— 

614  and  Natoip,  Eantstodien  1901,  Bd.  6,  &  270. 
8. 188.    B«i  LoBkij  ist  zoinfügen:  Kantstad.  Bd.  13,  8. 481  nnd  Die  tosiMhe 

ond  die  psycbologiBche  Seite  der  bq'ahenden  a.  verneinenden  IM^ 


Logo«  1912,  Bd.  3,  S.  827.    Z.  18  Ton  onten  ist  dn  •  lo  streieheiL 
Ziehen,  Lehtbvcb  der  bKik.  ^ 


"S" 


806  DiwftMiler  VBd  SirittM. 

6.  ISO  Z.  4  TOB  untMi  aohieb«  vor  Hüdribe^  eio:  abuleanadw  B«ds. 

B.  IM-    ChrütunBen,  Das  Drtnl  b«  DemutM  iat  Fraboiger  DiiBrtiHoii,  te 

in  Huaa  godnickt  (vg).  S.  99). 
8. 19T  Z.  b  Ton  onteo  föce  Unter  1868  n:  a  1—35, 
8. 200-    Bol  BoUaiid  o.  Boauiqiiet,   Knowledg«  and   reali^  M  «in  *  nuo- 

%eD,  dewi.  S.  204  bei  le  Boy  0.  Joyce  luid  8.  203  bei  Hoore. 
8.  218.    Über  lltohs  Logik  vgL  uah  Heiv.  BomIIo,  Ergtam^ih.  dei  EidI- 

rtad.  Nr.  23,  Beriin  1011,  S.  34—63. 
8. 220  Z.  18  Ton  oben  ist  *  ra  itreiolieD  ond  bianmfBgen:  Skod.  Stiuiftai 

Vieabwlen  1911,  Bd.  I  u.  2. 
8.  224.    Siebe  von  SohiDer  «Mb  Hiiid  1913,  Bd.  22,  S.  243.    Dm  mAl  rixa- 

Ula  bierber  gebCrige  Weit  von  P.  Ctnu,  Tnitb  on  triel,  Qüoego  1910, 

wu  mir  Dicht  iQ|ln^icb  (Tgl.  snoh  UooU,  Bd  20),  desgL  au  an  td 

der  Deweyschen  Arbeiten. 
EL  229.    Sebr  bemerkenswert  ist  Mch  die  ÄoBeniiw  von  Halebnoche,  BecL 

de  k  rir.  VI,  1,  5:    ....  l'uithmetiqQe  et  Palgebre  Knt  anseaUa  h 

veritable  logiqne  qni  seit  k  diooavrir  U  verite  . . ." 
S.  230  2.  7  Ton  oben  Mge  hinter  1790  ein :  Anhang  Aber  d.  ^rm^iol-  Sikeoat- 

nifl  0,2638. 
8. 232  Z.  6  von  oben  lie«:  PhQeaopb.  Traosaotiona  for  1870.  Bd.  IflO,  FUt  ü, 

S.497. 

8. 234  füge  hinin :  H.  Breal,  Bssai  de  aemaatiqaa,  Paris  1897. 

8. 235  unter  Poinoar«  lies  1914  statt  1909  n.  fOge  bitm  Monist,  Bd.  22. 
S.  238  Z.  9  TOD  noten  fOge  hinn  hinter  B.  1 :  und  Bd.  19,  8. 

E  239  Z.  8  TOD  unten  Ues :  Markic  statt  Ma^e. 

B.  245  Ann.  3  lies  Volff  statt  WolL 

8.  285.    Ooalanios  war  mir  später  nicht  mehr  zngingliah. 

5.  314.    0.  Hilhaad,   Essai  aor  lee  oonditions   et  les  limites  de  b  eerütnde 

logiqne,  Paria  1894  war  mir  nicht  zo^ln^oh. 

8.  360  Anm.  5  ist  (Prantl)  cn  streichen.  Ebenda  lies:  DiaL  dimrt.  L  3,  el 
Colon.  1591,  8.20ff. 

8.  375  Z.  6  Ton  nnten  fSge  hinin :  TgL  aooh  8.  802. 

8.  385  Anm.  6  das  *  bei  Imme  ist  au  streioben.  Der  Iftel  der  Arböt  lautet: 
Theodor  Imme,  Die  Fragesltse  nach  pefohologiBohen  Oeeiditqmakteo  ein- 
geteilt n.  erlkatsrt,  Jshresber.  d.  K^  Qvinn.  Cleve  1839,  B.  3—37  ud 
1881,  8.  3— *6. 

6.  407  Anm.  1.    Die  Beoheraob«  Arbeit  war  mir  nicht  ngin^ob. 
B.  423  Anm.  1  füge  hinter  717  hinia:  Anm.  1. 
~  '      1.  7  TOD  oben  fBge  hinsn :  Vri.  such  Dietloanairs  das  soiaBoes  phH^ 


sophiqoea,  Paris  1844—62  r6  Bde.). 
19  Z.  19  TOD  oben  lies:  dirisK 


8. 619  Z.  19  TOD  oben  lies:  dirisioonm  statt  diTlsonom, 
8. 623.    S.  Ooolenins,  Commentnriolns  de  raÜODB  definiendi,  FnnooL  1000,  wn 
mir  nicht  ngkogÜob. 

8.  640  Z.  5  TOD  oben  liei  v,*  w,°  w,*  statt  w,  w,  w,. 

S.676  Z.  1  von  oben  lies  21  statt  6  nnd  fäge  bin»  1891. 

S.  506  Anm.  16  letxte  Zeile  füge  hinm:  S.  1^  [aiiBschliellioh  »xdofnsch). 

8.  637.    H.  JovanoTJch,  Die  IinpereoDalien,  Leips.  Dies.  Belgrad  1896,  wn  mir 

erM  Deaerdings  in^tänglioh. 
8.697  füge  fainzu:  Die  Oegenüberstellaag  Ton  „hypothetisch"  nnd  „kategoriwi" 

Sadet  dich  schon  bei  Oaleo  (Opp.  ed-  Kühn,  Bd.  4,  8.  609). 
8.  785  Anm.  24  Schlnl  lies:  paedem  generis  eaedem  sont  Mnsae  (Philoe.  bA 

prino.  math.  III,  Reg.  2). 
&851  2.Spalt»  unter  Boridan  lies  796  statt  786. 


n,5,t,7rjM,G00glc 


A.  Warcns  ft  g.  Weben  Vertag  (Dr.  Inf.  Albert  Ahn)  In  Bona 

Soeben  ereohien: 

Die  Erhaltung  der  geistigen  Gesundheit 

Qeb.  Mcd.'Rat  Dr.  Th.  Rumpf 

Prei.  der  mUlcn  Mcdlilo  in  ter  UnlvcnJUi  Bimb 
TrtiB  H.  S,60,  mit  TenemugsnueUac  M*  l>— 
Inhftlt: 
1.  Die  EstiriflUnnr  im  cetstifav  FlUrktftOL 

1.  Unsere  Kenntnisw   ron  den  OehirnprorinieQ.     3.  Di«  Entirlakhuig 
des  Oedäohtoiasea.    3.  Du  Bewofitsein.    4.  Bewegong  ond  Wille. 

B.  Die  nttel  zum  Sehsti  der  Keiatlgeit.  Oonndlielb 

1.  FemhEiltiiDg  orguüsoher  Störungen.  2.  Die  Eiziehniig  der  Jngend, 
a)  höhere  Bobnles.  3.  Die  Erziebnug  znin  Stutsbürger.  4.  Die  Ein- 
wirknngen  des  Labans.  6.  Die  Btfihlnng  des  Willens,  a)  Erziebnug  inr 
FfliohtarfiillatLg,  b)  Ercebong  zor  LebeBafreode,  o)  Sahiuknng  in  den  Tod. 
C>  ZonnmudluMnde  Lebentregebt. 

Anf  Orond  der  uiloDiisoheD  und  pbysiologiMÄen  KeniitniSM  t«i  der 
LoluliMtion  eimelner  einfacher  FanktiODen  im  0«hini  entiriokelt  der  Verftseet 
BÜne  Insohamuig  &ber  die  EDtrioklnng  der  geistigen  Iktigkeit  und  des  Oe- 
diahtniaaeB. 

Die  in  OaoglieDiellen  und  Pasem  der  Sinneszentren  erfolgandeti  Nieder- 
sohriften,  deren  Verkofipfong  ontereinander  die  Onindlsge  des  einfacbsten 
Denk^rozesBea  ist, .  lerfaUen  in  zwei  getrenote,  aber  siub  vielfach  duroh- 
sohneidende  Creiae.  Der  eine  nmfafit  die  Bilder  der  AnBenwelt,  der  andere 
dinenigen  des  eigeneD  bh.  Aber  diese  Niedeiscbriften  ood  ilire  Varknäpfaegen 
etulen  nur  das  B«ch  dar,  in  welohem  als  et^aa  Besonderes  das  BewÖBtads, 
die  „Oedankenhbrik"  schaltet,  Zentren  nnd  Babnen  verknüpfend  und  so  aas 
SoBerot  nod  inneren  Erinnerungsbildern  sobäpfead,  den  WUlen,  die  fipraebe 
und  das  Hudela  beherrscht  Anf  diesem  Wege  kommt  der  VerfaBser  aach 
tat  ADnahme  einee  trries  WlUeas  des  Ht-nsoheD. 

unter  den  Kitteln  «im  Sehnta  der  (dsüses  tiemnidheit  findet  lanlobst 
die  Ferahaltang  organischer  Krankhüten  (iDabeuoDdere  dnrcb  Alkoholml^raneh 
und  SjpUUs)  BerücknohtiRanf:  nnd  sodann  in  eingebender  Weiee  die  Ersiehung 
der  Jnmnd.  Die  Fehler  der  Eraiehong  werden  an  Beispielen  erßrtert,  sohid- 
liehe  Eanflöase  TOn  Dienstboten,  Kiod>-imSdchen,  Hitscbntem  werden  gesubitdert 
Der  Verfasser  betont,  d«B  die  Erziebnug zn  PfllekttefUii  und  BelbetbeherrsckB^. 
BUUuf  des  Ckaisktws  und  Wülens  an  eiste  Stelle  treten  müsM,  wäbratid 
in  DentsohlaDd  seither  mehr  Wert  auf  reicbeH  Wissen  gelegt  wurde.  Anob 
die  monUlselM  Oenbrdnng  der  Jugeed  moB  gröfiere  Bcauhtoiig  flndeo. 

Die  kBrpwlidie  EntWicklnng  und  Gesundheit  werden  nach  Acschanong 
des  Tertasaers  durch  die  falsche  Kiniitellnng  unserer  Bcfaiden,  iDsbesondere  der 
hBliereB,  gesobidigt  An  Btelle  der  eingehenden  formalea  Auhbildung  in  alten 
Spraoben  fordert  a  besbere  Pflege  dee  Dentaelie«  in  Wort  und  Bohrlft. 
Weiterfain  findet  die  Ansbildnng  des  weiblichen  Oesdileohta  Berncksiobügune. 

Die  n&obsten  Kapitd  behandeln  die  nEniebnng  zum  Staatsbürger",  die 
„Snwirkong  des  titliehei  Lebens,  lltere  nnd  moderoe  Suggestionen',  die 
qStUilnng  dee  Willens",  die  „Eniebn^  zur  Lelwasfrende"  durch  Fflicht- 
erföllnng,  die  ,jBohioknng  in  den  Tod". 

Zosammenfassende  Lel»eii«effdii,  in  veloben  anob  die  Erhalhmg  der 
libyeiilekeB  fleanadkelt  berührt  wird,  beaohlieSen  das  kleine  Boob,  dem  die 
weitatte  Terbteitaug  an  «dnaoban  iat 


lA.OOgIc 


A.  MfaM  et  E.  Wthari  Verlag  (Dr.  Inr.  Albert  Abo)  !■  Bow 

Werden  und  Vergehen 
auf  der  Erde 

im  Rahmen  chemischer  Umwandlungen 
Pflr  Stadiereodc  aller  fakulliten  und  gebildete  Lueo  - 

Dr.  Carl  Klppenber^er 

•■o.  PnltNor  «I  der  UalnnilU  Bona 

MH  26  Abbadtugea 

PreU  galb  IL  ZM,  mit  TeaemngsnMtLUg  H.  4.» 
g»b.  „».-,„  „  „  iM 

Aniittge  4aa  Bespreohnngen: 
. . .  Dt  dM  Wetkohn  aioh  wBtdgst  «n  den  gwAiPwin,  ala  u  dan  yfit- 
Utdattn"  weedet,  m  Irt  «in  weiter  Leäadreis  in  wfinaoheit  und  eq  hoBeD. 
liiterarisobes  Zantratblati 

. . .  Nioht  mir  der  mtorwianeiaoheftiioh  gebildete  Laie  witd  Bddinuig 
nnd  OemiS  au  dem  Bache  KippenbeKar  Bellen^  sondeiii  auch  dem  Oietniksc 
wird  dai  B«oh  maooberiei  anregende  Oedankoi  and  IWsaohen  ans  den  Oieot- 
geUataB  aainer  'WimenBcliaft  Termittetn.  Prometlient. 

...  Da  die  Bäuift  aicb  fm  guten  an  den  alkemönen  miterrichtetm 
Htmaoben^reiBt  wendet  mid  die  Eikenntnit  teitritt,  du  der  HenstA  Hr  mqm 
IntwiaUnng  noob  aebr  viel  an  ton  vermöge,  eei  ne  den  Gebildeten  .dea  deoticAta 
Tolkaa  wann  ana  Hen  gelegt  Hamburger  Fremdenblatt 


...  Das  Ziel  der  Bohrilt  lat,  an  anenwlhlten  Btiifnelai  EiiiMDMiten  n 
baaohrüben,  die  dem  Leeer  «sen  genttgenden  Binbliok  in  die  Oeediehniw»  dn 
Natu  gabra,  nm  ihn  den  Zaaammenbang  der  sogenannten  anoigaiuaaheB  mi 
dar  aOMUnnlen  orpuiaohen  Welt  niiaetea  Plaaeteo  toi  Augen  n  ffihraa.  . . . 
D«n  nohgenoaaen  wird  du  Weil  niohf  nur  Auknnft  übm  KiiMlheiteii  und 
aadi  weitüliin  Sänblioke  in  feaaelnde  Gebiete,  eondeni  auch  eine  Fille  voa 
Anregungen  eu  eigenem  Denken  and  Forschen  cewlhren  bönneD. 

Ber,  der  deutaoh.  pharm.  OeieUaobaft 

. . .  Dai  iniegead  gaaohiiebene  Buch  wird  vielen  willbnumen  uin. 

Frankfurter  Zeitong. 

. . .  Dbb  Budi  Uetat  dne  FfUle  Ton  Tatsaoheo  nnd  widiMurciidac^ittt 
Folnmngen  nnd  ea  regt  anoh  den  Leaer  snm  Nachdenken  fiber  ^nili 
FnUene  an.  Ürani«. 

. . .  Diejenigen,  welche  ihre  Weltannchanungen  an  wissensdiafdieh  tet- 
geataüten  Talaaohen  orientieren  nnd  in  geologisohae  und  Inotogiaohes  OaadidMa 
einen  tieferen  j^dmok  haben  wollen,  aber  zn  dem  Studinm  grSBner  Lehi- 
bfiober  nicht  Zeit  nnd  Sneigie  genug  nfbiiDgen,  können  lioh  dunh  Lakttn 
diaaea  Buohea  helfen.  tTmaehaa. 


&  E  Wrtiwt  Verm  (Pf.  Inf.  Albert  Ahnj  to  BwMI 

Die  philosophischen 
Auffassungen  des  Mitleids 

Eine  historisch-kritische  Studie 

von 

Dr.  C.  von  OrelU,  Pfarrer  in  Sissach 

Preis  M.  7.20,  mit  Teaeningszaschlas  M.  7.95 

Über  das  Hitleid  gibt  es  venig«  Spezialabhandluiigeii,  obudioii 
dieser  Begriff  einereeita  fflr  die  Ethik  voa  grCflter  BedeutODg  ist, 
Bodererseita  im  WeltaoschauiiDgBltarapf  der  OegeDvart  gerade  dieser 
Begriff  in  den  Mittelpunkt  des  Intereeaee  gerückt  ist  und  von  moderaen 
Zeitstifimungen  —  hnddhlstischer  Axt  und  ^etzechetum  —  Tfillig 
entgegengesetzte  Auffassungen  dArQber  vertreten  verden.  von  Orelli 
untemimmt  in  seinem  lehrräcben  Buch  ^e  eingehende  D&rstalluDK 
der  Auffassung  des  llfitleids  in  der  Philosophie  von  der  Antike  bis  zur 
Oegenwirt  und  bebandelt  dann  dm  Begriff  des  Mitl^ds  systematiach 
nach  psychologisch»  Erklftning,  ethischer  Wertung,  Hetlietischer  'Vet- 
wortnng  und  metaphysischer  Bedeutung.     OäaUskampf  der  Gegenwart. 

Die  Hauptlehren  des  Averroes 

von 
Prof.  Dr.  M.  Horten 

Privatdozent  an  der  Univer^tSt  Bonn 
PreiB  M.  13.20,  mit  Teaeraassznschlag  M.  14.55 

Über  das  philoeophisabe  System  des  Averroes  herrschen  zurztil 
noch  die  grfifiten  Schwierigkeiten.  Sdne  Lehren  Über  Qott  und  Welt,  die 
himmlischen  Geister,  die  Wesensformäi  und  die  erste  Materie,  besonders 
aber  seine  Leugnung  der  MCglichkdt  („Eontingenz")  der  Weltdioge, 
seine  Thesis  Qber  die  UniversaliUt  der  SeeleneubBtanz,  sind  in  vielen 
Punkten  noch  dunkel.  Der  Verfasser  unternimmt  es,  durch  Zurflck- 
gehen  anf  das  arabische  Original  einer  Schrift  des  Averroes:  ,,Die 
Widwl^nug  des  Gazali"  die  Fragen  aufzuklären.  Die  erzielten  Beenltste 
änä  lufierat  zahlräch.  Die  wichtigsten  Punkte  der  Weltsnschaunng 
des  Averroes  treten  klar  vor  Augen.  Auch  die  theologischen 
'  Erdse  Eönd  au  dieser  Studie  Interessiert,  da  die  Stellung  des  genannten 
Philosophen  in  dem  Kampf  zwischen  Wisseu  und  Glauben  in  neuer 
Beleuchtung  erscheint  und  manchem  unerwartetes  bieten  wird  (z.  B.  such 
die  Anffassung  von  Uysteriea).  Die  YerzeichniBse,  die  mit  groSer  Soi^- 
falt  ausgearbeitet  tänd,  erleichtem  den  Überblick.  Sdtr  zweckmäßig 
Ist  das  systematische  Verzeichnis  iet  metaphyBischen  B^riffe. 


OSK 


A.  Mmaa  tt  E.  Wtber«  Verl«»  (Dr.  lar.  Albert  Ahn)  h  Bo« 

Wahrheit  und  Wirklichkeit 

Untersuchungen  zum  realistischen  Wahrheitsproblen 

von  Dr.  Aloys  Müller 

M  Scften  /  Preis  M.  2.40,  mit  Teaernnsszascbl^r  M.  2^65 

Du-  fittodpuikt  Mfillen  ist  der  det  JdMlfwKmim",  ^or  Synt^MM  ^w 
IdMÜsrans  nnd  »trwigwn  Bealismu  mit  entpinBchw  ünteri^ ....  Du  T«> 
klltnia  dieees  Ideibwiiamu  dos  nm  überkominaDOD  Wihrtraitabeghff  m  vbIk- 
fndin,  iit  dis  i.af|{abe  der  TorlMgcmdaa  Arbeit  Bi  stellt  noh  dab«  heram,  drf 
dar  Znmnmeohuff  det  atteD  Wahiteitsbepilks  mit  dem  UeelneliragiM  mdit 
blol  biitoiiMdiar  Hmot  M,  Modeni  dil  ein  saehlieher  Konnex  voibuden  ttt,  im 
I  KihtrWBniger  Weiw  ua  IJoht  öAt    PUlo»oplLJalirb.ms,  BiftS. 


Der  doroh  leine  OntaimahDngen  fiber  dn  Problem  des  thairinteo  niiiin 
Tortrilhaft  bekunte  Tertuser  itibt  io  der  TorliMendeo  iri^^ippaii  aber  koutB- 
trierten  Abhandlang  eine  neae  Wahriieilstheerie  dea  Be^ismna.  Das  wiehtjola 
Kr^bois  Im  die  BonaiduDg  von  svei  Wahrtieitsbegrif ten.    Der  eiiie,  der  Vu^ 


BsinabegriUM  aas,  aondwn  frädeit  aar,  die  Inluitabeetinimanc  mäaa«  so  it- 
griffen  werden,  du  iie  mit  dem  Oegeastande,  von  dem  sie  gelten  acÄ,  Uer> 
einatimme.  Tom  Standponkt  dieseH  WabrbeitBbegriffea  aas  kann  nie  etitacfaiedae 
«erdeo,  ob  eüi  bdiebiges  tJrteilBUId  eine  Erksnntnü  ist,  d.  h.  mit  dem  nm 
Danken  nnd  BewuBtsein  onaUiIiigiKen  Oe^natand  übeTeinatimmt  Ton  diesM 
Wahrbeitabegriff  der  ObereiDStimmang  iwischen  Üttailüiihalt  nnd  UrteibgageD- 
staad  ist  der  Begriff  der  Wirklichkeitatreue  (der  anoh  biswcdlen  fOr  dot  da 
Wahriteit  genoounen  wird)  n  treonen,  naoh  weldiem  etwa  die  phinomenda 
WiAlidtkeit  da  ein  KU  des  transsnbjektiveii  Bealitten-Systama  aafnfuMB 
iat.  In  jeder  Erkenntois-Ibeorie,  die  ein  vom  Denken  nnaUilngigea  Sein  keont, 
kann  der  Wahrbeitabegriff  onr  doroh  Termittiniu  des  Begriffes  der  WirUidi- 
ksitatreoe  Beiiehnngen  n  diesem  8^  erhalteu.   Pädagogimlur  JMvwiw-.  1SI3. 

Der  Mythus  von  der  Sintflut 

von 
Qeors  Qerland 

Prns  geh.  H.  3.60,  mit  Tsnerangszasohlag  IC.  i.— 

^      geb.    „   4A6,     „  „  „    6.— 

. . .  Der  Wert  des  Bnofiaa  liegt  in  der  groSen  Menge  der  mefar  odv 

weniger  ansführlich  mitgeteilten  BintflateraUituugeD   der  einselnai  T^ker  na 

Wettasien,  Afnkn,  Ansmieo.  Uelaneeien,  Hikionesiaii,  Polynesien,  Maliinst, 

Zentral-  nnd  Ostaslen,  Ameiua  nnd  Gnropa. 

LiterorüeAs  Htmämkaii  I91S,  Sr.  S. 
...  Zn  den  merkwfiidigsten  inSenuigen  des  Hensobengnstes  geÜit  dn 
„Hythst  von  der  Sintflat".  Ton  allen  snderea  Uythen  und  6iKm  QOtencbeiW 
er  neb  durah  seine  Terbreitang  über  die  ganie  Erde  und  eerne  Hannigblli^ 
keit  Beide  lUaadien  werden  m  Prof.  OeorgOerlanda  Schrift  aasinaalia 
gemaoht,  dis  öne  Fülle  von  AnregUDKen  bietet  Neben  der  SunnituDg  und 
Sritisoben  Betraofatnngen  des  Materials  bat  Gerlnnd  den  Tersudi  nntts' 
Ci^ning  und  Bedentang  der  Sintflatmythe  zd  erklären,  wobä  n 
!en  Binba«  in  (Ue  Psyehe  der  friihEeitigea  Menschen  beknndat 

NaiwvÜMtnnlu^iiehi  Wochmudtnft  1913,  Nr.O. 


Allgemeine  Religionsgeschichte 


Conrad  von  Orelli 

Dr.  phO.  et  thaol.,  weil.  Piofessor  in  Basel 

2.  Auflage  in  zwei  Bäaden 

Zwei  Bftnde  gebunden  U.  26.40,  mit  TenerungszuBcUag  H.  29.06 

Ton  dm  modernen  BTSfieran  Warken  r«ia  d«iD  Gebleta  der  B«ligloiiBKoichlchle 
iit  die  OrellUebe  die  eindge,  welche  den  g«umten  StotE  in  elnheltllotaer  BMibeitioiK 
bistet.  BtM  Werk  iit  so  elngferichtet,  dafi  jeder  Gebildete  dHmiw  ahne  Hübe  dn 
lebendigss  Bild  der  eiiuelneii  Sellgionen  gewiimen  kum,  wu  dOD  VertMMT  bei  der 
weit  yerbreitet«D  Teilnahme,  welche  die  allgemeine  BaligiaUKSMlilohte  beute  findet, 
TOD  beeonderer  Wichtig^teit  sehien,  d»  ant  bei  wiAUeh  UetoiiMtieni  TeratändiUe  dar  ' 
tiehtige  HiSitAb   nir  Bemt^anK  der  einialnen  Eiecbeinimgen  Tortundan  itün  kum. 

Band  I  imifkfit  koBer  dar  oilentieTUKlen  ESnleltiinc  die  HeligloDU  der  CUneien 
nnd  Japaner  Mirie  der  fibrlKen  mancoUaehan  TSIker.  Famer  dia  Btfigion  der  alten 
Ägypter;  dann  die  der  Babylaniet  und  Aaarrer,  an  welche  ai6h  die  der  Weataemit«B, 
Anroler,  Kananlar  oaw.  anrriheD,  mit  BarBckaielitlgmig  ilirer  Terlilltnliiie  cur  Bdi- 
gion  laräela  vid  inm  CluiiteDtnm.  Ferner  wird  hier  belwodelt  dar  Maolobiltmaa  nnd 
die  MandUache  Baliglon.    EndUeh  die  arablaoha,  iiul>aaondere  der  lalam,  bi»  «d  die 

Band  II  atellt  dia  graBe  indogennaslache  Baltgionifamilie  dar:  die  Beligionen 
Indiena:  Brahmaniimna,  Buddhiamoa,  Hindniamai ;  darant  den  PaniunoB,  die  Bali- 
gianen  der  Hdlanen,  Bemer,  Kelten,  Geraumen  nnd  Slawen.  Weiterhin  kommen  mr 
Belundlnng  die  Beliglonen  der  Eingeborenen  Afrikaa  mid  Amerikai  mit  beaandsrer 
Berdekliehtigntig  Haijkoa  und  Pema  aowie  daa  SBdaeegebietea,  Anatntlien  oiw.  Am 
SelilnA  werden  einige  BlohtUnien  fttr  die  Probleme  der  Allgamrinheit,  de*  Dnpronga 
vftd  der  EntwieUoDg  dar  Baligion  gesogen. 

HaM  od  Hwd,  OUMiwntI:  Das  teohniiebe  Material  erdrSekt  keineswegs  den  gebildetaii 
Laien,  der  aleh  gern  Sin.  nnd  Übersieht  aof  diesem  wicbtigen  Gebiet  **r- 
acbaffen  mSchte.  In  der  Bibliothek  dea  Predigera  aoUt«  dies  Heisterwaifc  aidm 
nleht  tebles. 

PHnaaw  naaL  mte«:  Althongh  it  ia  atriaUr  a  scientiflc  welk  based  an  tfae  atodr  of 
tha  Bonreea,  and  the  leamsd  aatkor  bü  done  »  «tnpandons  amonut  of  raading, 
It  ean  be  md  be  all  edacated  people  «ha  take  an  interest  in  the  snbjaot.  And 
last,  bat  not  least,  it  is  writtsn  in  a  genninly  CbiisUsn  sidrtt  Ae  aatbor  ia  a 
modera  man,  bat  he  is  not  carried  away  hj  the  ndieallräi  ot  tbe  nodtm  tan- 
denc7  of  cor  age. 

,)Mr  alte  fliaiti":  Da  sowohl  daa  Intareaae  ala  aneh  das  Material  fflr  die  Bdiglons. 
geaehiebta  i&awlachen  <sait  Eracheinaa  dar  eraten  Aoflage)  miohtig  gewachsen 
Ist,  wird  auch  die  Zahl  der  FTennda  dieses  eingehenden,  voiüehtigan  nnd  in- 
TerUarigen  Bnebaa  sehr  waehaen. 

KInU.  Bnlaehaa  IBIt,  Ben  I» :  Der  Vormg  dea  OrelUaahea  Weikaa  Ist  der,  dafl  es  eine 
objektive  Dantellung  der  Beligionen  gibt,  indem  er  sie  selbst  reden  Hflt. 
Xlnsei«  Uisalonsfraimda,  die  den  Entachddnngaksmpf  swischen  lalam  nnd  Chriatsn- 
tnm  in  Abiks  kommen  sdien,  finden  hier  bestes  Bdataeng  fflr  die  liteiarisohe 
Beafbeltang  des  Gegners. 

Berae  des  srifcei  pUliaipkl|Sii :  Oest  nn  oanaga  sirieat  et  «age,  ainsi  qn'il  aied  a 
nn  manael,  bien  lälormt,  et  dana  l<enaamble,  trta  jndldenx,  qni  mtiite,  d'Stre 
rMommandt. 

FrQbflliefenuigeii  «erden  auf  Wonscli  fiberssodt  ron 

A.  Marcus  &  £.  Webers  Verla]{  in  Bonn 

„.,.,„.>..oo^^ic 


A.  Mira»  >  t.  Weberi  Verl««  (Dr.  Inf.  Albtrt  Ahn)  h  Boa 

Der  Weltheiland 

Eine  Jenaer  Rosenvorlesung  mit  Anmericungen 
Hans  Lietzmann 

59  Mtaa.  1009.  Preis  M.  1.20,  mit  TenanuigKaMhli«  IL  13S 
Inbftlt:  VergOs  Tierte  Ekloge.  Du  goldena  Zeitalter  in  der  iftmiichH 
LfrlL  Hont  and  Bsrtoiii]^.  Du  SLkalain.  Alezuder  dar  OroBe  ki>  Vrit- 
Ktag.  Die  DiadooboB  nnd  die  SotervoTBtellang,  ilir  OottfedDigtom.  Obu  nad 
Aognitoa  all  Weltheiland.  Te^  und  Horu  üb«r  die  u^ttstnadie  Z«t 
Aninutnt  und  die  Heilandsidee.  Die  epitore  Kiiserzeit  Die  oiienttliKti« 
Wonel  der  rCraisobeD  EeilindBidee :  Babylonischee  oad  Ä^^bachee  Oottkönig- 
tam.  Igyptische  meBBianieohe  WeinaguDgen.  Die  MesKiagidee  in  iJtitns 
nnd  im  jädinohen  VoUe.  Daa  ürotuieteDtiun.  Der  Chiliasmua.  Der  Heüandf- 
bepiff  de«  Panliu.  

Petrus  und  Paulus  in  Rom 

Litui^sche  und  archiologlscbe  Studien 
Hans  Lietzmann 

lOt  6  ninan  Prue  M.  8.15,  mit  TenerangunaoUag  IL  9.- 

Waa  den  Huptteil  des  Bnohea  angght  ao  mäaaan  wir  Katbolikaa  in 
T«rtMaer  ftaradein  dankbar  Beb.  wir  liUtra  die  katholiacba  Tradidoi 
nicht  be^nr  verteidigen  könaea,  als  er  ea  ^tas  hat  Die  Beweise  machen  ii 
Hinem  Bnobe,  das  der  BTancelisch -theologischen  Fakultät  in  B91U1  gewtdmst 
ist  entBohieden  mehr  Eindnuä.  Es  tommt  noob  binio,  daB  der  VeifasMi  in 
dem  finofae  jede  für  Eatbolikea  auaioBige  Bemerkang  vermiedeo  bat 

0.  BauMtAm  *n  titr  Tkeolog.  Bmie,  1926,  Nr.  UjiZ. 

Lehrbuch  der  Kirchengeschichte 

von 

D.  S.  n.  Deutsch 

Gabeimen  Eonaiatorialrat  nnd  Profaesor  der  Ibeologia 
Ptoa  geh.  M.  1 
,,     geb.   „   la.—^    „ 

Urteile: 
Sie  baben  ea  Tentanden,  den  nngeheneren  Stoff  ao  in  bemeisteni.  da>  er 
in  dttrcbMchtigster  Gestalt  dem  Leser  tot  Ad^d  tritt  leb  iwüfle  nicbt  diiaa, 
daB  gerade  den  Studicrendpo  mit  Ihrem  Werk  ein  gniBer  Dienst  erwiesen  ist 
Hier  wird  allps  Beachte oswerte  in  schlichter  ond  das  Waeentliche  klar  berans- 
stellonder  Weise  geboten,  .V,  JBomoeUoh.  Oötiingm. 

...Der  Bedeutung  des  reichen  reifen  Werkes  konece  kein 
Referat  genügen.  Wir  bitten,  auch  wenn  man  sein  akademisches  Stadinm 
lingst  hinter  sieb  nnd  ein  anderes  Lehrbudi  znr  Hand  hat,  Dentschens  Werk 
aico  m  Terschaffen.    Sichet  in  hohem  Gewinn  nnd  OenaB. 

BUekträ  für  da»  Mang.  Pfar^iam. 

„.,,„,  ^.oogic 


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