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Lehrbuch der Logik
auf positivistischer Grundlage
mit Berficksiclitiguag der Qescbidite der Logilc
Dr. Th. Ziehen,
ord. Professor an der Universität Halle.
Bonn 1920
A. Marcus & E. Webers Verlag
Dr. jur. Albert Ahn.
h. 1. ii,l^.OOglc
Nkckdruck verboten.
Alle Hechte,
bwoBden das der tfbenetrang in bemde Spnchen, bdUlt sidi der Terltg t
Copyright 1919 b; A. Mwoob t E. 'Weben Verlag, Bonn. .
Otto inyiiid'i^e Bnebdniek«Tu G
lA.OOgIc
.:;; i:j mi
.■Z.G
Vorrede
Der nachfolgende Versuch, die Logik auf positivistiBcher
Grundlage aufzubauen und darzustellen, sehlieSt sich un-
mittelbar an meine Psychologie und Erkenntnistheorie an,
soU aber auch unabh&ngig von diesen beiden, als rein
logisches Werk, verständlich sein. Die Geschichte der Logik
ist etwas eingehender beracksichtigt worden, weil der Za-
«.«» «, «ioia« t»»;<.«).,QQ Problemen am leichtesten auf
Wonnen wird. Auch sind die meisten
e in enger Verflechtung mit logi-
m und nur im Zusammenhamg mit
:li, so daß der Logik auch die' AuF-
ndois der philosophisebeo Systeme
ibereiten.
t der Zeitverhältnisse war ich in
lem Verleger erwachsenden Druck-
Fberschreitung des ursprünglich ge-
a sich im Lauf der Arbeit ergeben
der auszugleichen und daher im
;. T. sehr erhebliche Kürzungen vor-
S es mir vergönnt sein, wird, manche
), die in dieser Weise fortgefallen
Stelle mitzuteilen.
Bken, so namentlicb den Bibliotheken
München, Wien, bin ich für ihre Hilfe
1 ist es mir nicht gelungen, manche
ire and ausländische, zu erhalten,
einem Sternchen bezeichnet
Herstellung der Register hat mich
resentHch unterstützt
itember 1919.
Th. Ziehen.
n,g,t,7l.dM,GOOglC
Inhaltsübersicht
S«iU
1. Teil. Abgienzung nnd allgemeine Oeechicht« der Logit 1
1. Kapital. Aufgabe der Logik 1
§ 1. AUgemeine B^riffsbeelimmuDg 1
§ 2. Logik als Norm- nnd WertwiHsenBobati 8
§ 3. Lwik aU WisseiiBcbaHslebre 9
g 4. SteliaDg der hopk innerhalb der Philosophie II
g 5. Stellang zor ErienntniBtheorie, zur Psychologie, zur Spi'ach-
wissenschaft und Uathematik. Die vier Gnuidlegangeu . . 13
2. Kapitel. Allgemeine Oesohiohte der Logit 17
g 6. Bsdeatun|;nud literator dar all^meinenOeM^iolite der Logik 17
6 7. Logik bei den orientalisoheo Völkern des Altertums ... 19
I 6. Die vorariatotelische Logik bei den Griecbeii 20
I 9. Die Logik des Aristoteles 29
§ 10. Unmittelbare Schülei des Aristotelee 41
5 11. Epiknrfter nnd Stoiker 41
§ 12. Skeptiker nnd neuere Akademie. Eklektiker. Neuplatoniker 46
g 13. Peripatetiker und Eommentatoren der Küserzeit .... 47
§ 14. Uartianoe Capella und Boethius 51
6 15. Patristische Logik 53
I 16. ScbolastiEche Logik. Allgemeine Vorbemerkungen .... 55
9 17. Frühperiode der scholastiBohen Lo^. Eiiugena. ßosoelinns-
Anaelmns 56
g 18. Übereangezeit von der 1. zur 2. Periode der Bcholestik,
Abaelard. Gilbert Poiretanos. Hago von Si Victor. Petras
Lombardns. Johannes v. Balisbury 63
§ 19. B;zantioisohe nnd arabische Logikei 67
g 20. Cnristliche Scholsatiker der Hübezeit: Alexander von Haies,
Albertus Magnns, Thomas von Aqoino, Petrus Eispanns . . 72
§ 21. ßoger Bacon, Raimund Lollne 7S
§ 23. Bpätperiode: Duns Scotns, Oocam 79
g 23. Logiker der Kenaissanoe und der Beformation 89
g 24. Die natuTwiBBenscbaftlioh - induktive Sichtung. Baco von
Vemlam 96
g 25. Allgemeiner EintluS der neueren FhliloBophie während der
nftcbeten beiden Jahibnndeite 97
S 26. CartMiiiB. Hobbes 99
§27. Spinoza 103
g 28. Locke 106
9 29. Leibniz . 108
9 30. Berkeley. SchottiBohe Schule 111
g 31. Hnme 115
|3a. Wolff 117
I 33. Kant 124
OC^IC
lohiltsabenicht T
Saiu
§ 34. Euta Asbltiger und Gegner in dei Logik 129
§ 35. Fichte 132
§ 36. Schslliiig. Schletermftcher 135
§ 37. Hegel 141
§ 38. Fries 148
S 39. Herbart 149
S 40. Allgemeine Vorbemerk ongea über die Entnicklang der Logik
in den letzten 80 Jahren (ca. 1830 bis jetzt) 151
S 41. An&Dge der psychologistischen Logik in f nmkreich. Deatntt
de Tracy 154
§ 42. Anfinge der psychologiatisf^en Logik in Deutscblend. Beneke 155
I 43. Die indnktive Logik in England. Whewell, HilJ, Bain. Pa-
rallele Einftösse des PoutivisninB. Comte 156
9 44. Gegenatröniungen: a) Reformvetsiiohe auf dem Gebiet der
Eantschen Logik. Cohea. Natorp 164
lung. Bolzano. Bientano. Hnsserl.
172
delenburg, Ueberweg u. a. .
ondt, Erdmann; IJppB .... 204
a. Dühriog 217
evolationtstische, pragmatistische
23i;
listische) Logik 227
iEche) Logik 236
logische, BpnidiUohe und tntthe-
241
rnndlegnug 241
eiteren Sinn (Oignomenologie) und
Agik in Betracht koounendeti er-
Ipankte 243
istheoretiscben Baoptausichten 253
1. Die Fandalien and die Oegen-
arateliongen 261
n Sinne (ErkennLoiBkritik), Richtig-
irbatb der drei Onindbeziehungen.
ohtigkeit. Adäquatheit uad Kod-
elatire und absolute. Propi-ietates
I Bestehen von Relationen. Ps;oho-
) Anffassnng des Oeltens . . .
T Gültigkeit. AUgemeingültigkeit.
273
IxkretioD, IsolatiOD, Eomplexion
pidnalTorstellniigeo. Komparation
OgIC
Tt InhaHsäbainchi
Uta
g 70. Die bd dar Sutetefanng ahgelmtetor YontelliingMi McÜigleB
Fnnktioiieii (DifFerenzieniDpfanttiODaD) 34i
% 71. Abstrakte und konkrete Vorstelliugai 348
I 72. Allganeine and spezielle Eigeosduften der Voicfellnngen 354
g 73. IdeenassoziatioD. Allgemeiner Ablauf 361
g 74. ürteilsaBBoiiatioii. Fsychologisobe OiarakteriBtik .... 3Ü3
§ 7S. Allgemeine Sigensobaftea des Urteils, Bestandteils seines
Inhalts und BegleiteisoheiDiiiigen des Urteils 375
9 76. Psychologische fSoteilang der ürteiUassoiiatiooen . . . 382
1 77. Der SchluB 301
§ 76. LoRiache Oeföhle 397
S 79. WillkOiücbee Denken. Zieldenkeo 400
3. EapitoL ^rachliohe Onutdlegnng der Logik 402
§ 80. Allgemeine BeEtehongen iwisoben Sprechan and Denken.
BprachwiBseoBcbaft, Psychologie und Lo^k 402
§ 81. Logische Idealspracbe 406
4. Kapital. Hathamatiscbe Qmndlegang der Logik 410
§ 82. Der Orandgedanke der matfaematiBaheB Logik und seine
partielle Berechtignng 410
§ 63. hoffk and Hengmüehra 414
O. Teil. Antocbthone Gnmdlegnng der Logik 417
§ 64. Zweck der aotochthoDen Gnudl^nng 417
I 85. Biobtigkeit und Falschheit der Denkeigebnisse .... 410
§ 86. Die Bichtigkeit der Denkakte 421
§ 87. Das gignomenologisobe Identitätsgeseti und das logische
IdeDÜtätspriniip ; die NormalToretellungen oder Begnffe . 429
g 88, Wortb««imndong der Richtigkeit 447
g 69. EinteÜnng der Logik 461
]T. IUI. Die einzelnen logischen CieMde und ihre Gesetze 4G9
I. Kautel. Die Lehre von den Begriffen 4Sd
g 90. Begriff im allgemdnsten Sinn. Der G^eostand dee Begriffs 459
9 91. Der Inhalt des S^riSta 469
g 92. Genetische Stufenleiter der B^tFe ; ISnteilDng nach Gtond-
fonktioneii 473
g 93. Einfache ond insammengesetzte B^riffe. Zerlegung der
Begriffe in TeUbegriffe. Definition 478
§ 94. Das definitorisohe VertaibTen in den einzeben BegrifEsklassen.
a) DeflnitioD primärer komplexer Individnalbe^riSe . . . 484
g 95. Logische Definition, Fortsetzung: h) Definition primärer
komparativer lodividnalbegriffe 499
g 96. Logische Definitioii, Fortsetznng : c) DefinitJon individneller
Eontraktionsbe^ffe 501
S 97. I/igieolie DeOoitiou: d) DeBnition von Allgemeinbegriffen 506
I 96. ZoEammenfaEsende Charakteristik der logischen Definition.
SohirfereBestimnrangeimgerHsnpteigensduftenderBecriffe 523
g 99. Definition als Urteil- Synthetische nnd kcnstiTiKtiTe
Definitionen 532
g 100- Sprachliche Fonnalierung der Definition. Nominal- und
Bealdefinitionen 534
g 101. Bezeicbnong der Begriffe durch S^bole 537
g 102. Die gegenseitigen allgemeinen Beziehnngen der Begriffe im
EinbUck anf Inhalt und Umfang. l.Ne^tion .... 6i3
g 103. Die gegenseitigen allgemeinen BegriSsbeaehoDgen im Hin-
blick aof Inhalt und Umfang (Forteetion^. 2. Oleiehheit
tmd TeiBchiedenheit des Inhalts ond des Umfatigs . . . 558
.oogic
•m
9 104. Die gagenseitigen tt^mmnao BtfntbbecMinDgeD im Hin-
bliok Uli Inhalt tud Inntuig (VoTtaetzang). 3. BeihenbildiiDg
§ 105. IHe gegenseitigeii allgemsinen BegiifbbuieliQiigeii im Hin-
Uiok Bof Inhalt ond DmfUK (SohloS). 4. Besondete
BegiilbbeiiehoiigeD im Bereioh der Relationsbefrifle.
D^endeoi, insbrnondere EomUtioii. Belative, inabesoader«
S 106. Boteiliugen der Uerkmale 586
} 107. Technik der Beghfbbildiug (IdeatioD, Dsfioition vui
Inoidination) 669
. EapitaL IKe Lehn r<m den ürtaüeit 600
§ 106. Dm Urteil im aUgameinateii logiKhen Sinne. iHgemtina
kigiache DTteilstheorieo 600
§ 109. Der Oegenstasd dee lo^adien Drteila 614
$ 110. DarlDtudtdasnrteilannddieBeetaDdtMledesTTrteilainhalta 616
§ 111. Bprachliohe Foimnlienmg des Urteils. Der Sati. Sjwbolik
dai Urteils 620
§ 112. CntFilm^ der Urteile, 1. nach der Zahl der Hanpt^iedar 826
I 113. fficteüang der Urteile (Fortsetiang), 2. nach dem EmpBn-
dBDgs- oder Toratellongscharakter von 8; 3. natdi der Qualttit 637
§ 114. SnteUoDg der Uneile (Foitsetning), 4. nach dem begriff-
lichen Ciiarakter von 8. Einteitnng der Individnalnrteila 653
g 115. Eiotailiuig der Urteile (FortBetzong), 5. Einte&nng nach dar
Belegni^ und nach d^n Umfang von 8 ^ach der Qnantitlt) 666
§ 116. ESitteilQiig der Urteile (Fortsetzung), 6. Einteiloog nach der
BetBiligong der IndividDalkoeffiiienten tind des Inhalts von
S tmd P an dem Veiglelohongsakt des Urteils .... 675
§ 117. EinteüoDg der Urteile ^hluB), 7. Binteilnng nach der
Geltung bezw. Modalität 682
§ 118. Beaehnngen der Urteile nnteieioander 691
I 119. Logische Ürteilspriniipiea 692
9 120. Zosammengesettte Urteüe : a) EfpothetiBche Urteile . . 697
I 121. ZnsammengeeeUte Urteile: b) EofiigatiTe Urteile ... 703
i. EapiteL Die Lehn von den Schlüssen 710
% 122. Der Sohlnfl im logischen Sinn ; sein Inhalt und Oegenstand
nnd seine Bestandteile 710
I 123. Eisteflong nnd allgemeine Symbolik der Sohlässe ... 714
I 124. Unmittelbare Schl&Bse 716
§ 125. MitWlbaie Bchlüsse. Allgemeine Definition and BintwliiDg.
a) Zosammenfassende Schlosse 720
§ 126. Uittelbare Schlosse, Fortsetznng : b) Fortschreitende Schlüsse,
allEemeine£inteilaiig derselben; ■)8jll<wiBmen oderMittel-
bepifbscUfiase 722
§ 127. Mittelbare fortschreitende Schlüsse, Syllogismen (Fort-
setzong): Die syllogistischeD Figuren ond ilus Uodl . . 736
g 128. Mittelbare fortschreitende Schlässe, Syllogismen (Fort-
setzuDjS): Varianten der einfachen Syllogismen. OUiqoe
^llogiemen. Hypothetische Syllo^emen. Syllogismeu mit
einer disjnnktiTen Prämisse 742
S 129. Mittelbare fortschreitende Schlüsse (Fortsetzung) : Verkürzte
^rliogismen (Enthymeme nnd Epichireme) 7D6
§ 130. Mittalbare fortschreitende Schlösse (Fortsetzung): Syllo-
eistiBohe SchluJketten. KettenschlnS (Sorites)
Mtttelbaie fortstdireitsnde Schlüsse (Fortsetzung^ , , _
■chiettende Schlüsse ohne Mittelbegriff. L Analogie-
OgIC
•yfTT Inhalfsübetsichi
Sein
g 132. Uittelbare fortEchreitende Schlösse ohne UittelbegriS (FoR-
setzimg). il. InduttioDSScblüsse 788
§ las. Mittelbare fortschreiteode Soblüsse ohne Jfittelbeghff (Fort-
seauDg). III. Paradigmatibche Schlüsse 788
§ 134. Fehl- und TrugschlOese 795
4. Eapitel. Die Lehre von den Beweisen 797
g 135. Der Beweis im allgemeinen. Seine Olieder, aein Oegeu-
stand nnd Beine OüIÜgteit 797
§ 136. Teraohiedene Formen der Beweise. Direkter und in-
direkter, analytischei und Bynthetisoher Beweis .... 806
g 137. Beweiafeliler 817
5. Eapitel. Die Lehre von den Wiasenscbaften 818
g 133. Wissenschaft, BjBtem, Theorie . ^ 818
g 139. Der togische Aofbau der Theorien 821
§ 140. Der logische Aafbaa der Systeme und Wissenschaften . 826
Saohr^iater (inkl. lateinische Termini) 830
Oriechisuhe Termini 845
Verzeichnis der Bachstabenabkännngeu und Symbole 848
PeiBOnenre^ter 849
Dmckfehler ond ZnsStze 863
n,g,t,7l.dM,GOOglC
l. Teil
Abgrenzung und allgemeine Geschichte der Logik
1. Kapitel
Aufgabe der Logik
§1. Alicemeine Begrifflsbestimmnng. Die Logik ist
die Lehre von der formalen Gesetzmäßigkeit
des Denkens mit Bezug auf seine Richtigkeit
und Falschheit. Diese Definition enthält, wie dies bei
einer einleitenden Definition nicht anders möglich ist, zahl-
reiche Begriffe, deren vollständige Erklärung nnd Bestim-
mung erst im Lanf der weiteren Darstellnng erfolgen kann.
£instweilen sei daher nnr folgendes bemerkt
An nnaere Sinnesempflndungen schlieSen sich zunächst
die sogenannten primären Erinnerungsbilder (primäre Vor-
stellungen) an, welche aus den ersteren durch einfache
Betention, d. b. Erinnerung, hervorgehen. Die Tatsache,
daB in nnserem Seelenleben, wie es sich tatsächlich ab-
spielt, solche isolierte Sinnesempflndungen und solche iso-
lierte primäre Erinnerungsbilder nur sehr selten vorkommen,
kann hier nicht näher erörtert werden. Es genügt, daß die
Erfahrungen der Psychologie uns nötigen, solche Empfin-
dungen und Erinnerungsbilder als Elementarakte des
Iben vorauszusetzen. Unter
n der oben vorangestellten
sei vorläufig die Gesamtheit
wanden, welche sich an die
ren Erinnerungsbilder an- ■
ierjenigen Vorgänge, welche
sehen, Begehren) bezeichnen.
h namentlich alles, was wir
raid allgemeiner Voratel-
1,1^. OQi
-c^lC
I. Teil. Uvrenziins und alltemeine Geschichte der Loiik.
langen, als Urteilen und Schliefen bezeichoeiL. Es wird die
Aufgabe der Logik selbst sein, entweder selbständig oder mit
Hilfe der Psychologie diese vorlänflge Abgrenzung des
Denkens durch eine exaktere zu ersetzen und die Denk-
vorgänge TollstäDdiger aufzuzählen and systematisch zn
klassifizieren. Jedenfalls hat es also nach unserer Definition
die Logik weder mit den Empfindungen noch mit den pri-
mären Erinnerungsbildern noch mit Gefühls- und Willens-
Vorgängen, sondern ausschließlich mit den eben kurz charak-
terisierten D e n k Vorgängen zu tun.
Wenn nun die Definition weiter die Tätigkeit der Logik
auf das Denken in Bezug auf seine „Richtigkeit and
Falschheit" einschränkt, so kann gleichfalls erst im Lauf
der Entwicklung der logischen Lehren zur vollen Aufklämng
gelangen, was diese Richtigkeit und Falschheit {oft auch
Wahrheit und Unwahrheit genannt, vgl. ^ CO) bedeutet. Wie
bei der Bestimmung des Begriffs des Denkens die Psycho-
logie, so wird bei der Bestimmung des Begriffs des Richtigen
und Falschen die Erkenntnistheorie zusammen mit der
Psychologie der Logik Hilfe leisten müssen. Einstweilen
kann nur darauf hingewiesen werden, daß die Denkvorgänge
sich stets auf irgend einen Tatbestand im ^roitesten
Sinn beziehen, mag dieser Tatbestand im Bereich der
Empfindungen oder der Vorstellungen oder der Gefühle oder
der Wollungen oder irgendwelcher gedachten ,4>inge" liegen,
und daß bei dieser Beziehung das durch den Deskvorgang
hervorgebrachte „Denkergebnis" mit diesem Tatbestand
mehr oder weniger oder gar nicht „übereinstimmt". Diese
Übereinstimmung bzw. Nicht-Übereinstim-
mung, deren nähere Erörterung von der Logik selbst mit
Hilfe der Erkenntnistheorie geleistet werden muß, ist mit
der Richtigkeit bzw. Falschheit der obigen Definition
identisch. Sie kann, da sie sich jeweils auf einen bestimmten
Tatbestand bezieht, auch als material bezeichnet
werden.
Auch mit der Beschräukuug der Logik auf die Unter-
suchung der Gesetzmäßigkeit des material richtigen und
falschen Denkens ist das Gebiet der Logik noch nicht eng
genug abgegrenzt. Es kommt nämlich der Logik nicht
darauf an, irgend einen einzelnen Tatbestand — abgesehen
eben von diesem allgemeinen Tatbestand des richtigen and
falschen Denkens — selbst festzustellen. Sie will vielmehr
D„:,|.,"lh;COOglC
1. bpiUL Auftibe der Logik. 3
nw die allgremeioen Gesetze feststellen, welche fär den Ein-
fluß der Denkvorgänge auf die Eichtigkeit bzw.
Falschheit der Ergebnisse gelten. Ob die Denkergebnisse
mit Bezog auf den einzelnen Tatbestand, den sie betreffen,
richtig sied, d. h. mit diesem Tatbestand übereinstimmen,
ist nicht Gegenstand logischer Untersuchung. Bezeichnet
man, wie dies vielfach üblich ist, die Denkprozesse ') gegen-
über diesem Tatbestand, der I>enk„materie", als formal,
so kann man sagen, dafi die Logik den formalen Anteil
an der materialen Richtigkeit der Denkergebnisse nnter-
sacbt. Sie stellt die formalen gesetzmäßigen Bedingungen
für die materiale Kichtigkeit fest. In diesem Sinn ist es zu
verstehen, wenn in der vorangeschickten Definition der Logik
von der formalen Gesetzmäßigkeit gesprochen wird.
Da die Materie des Denkens stets mehr oder weniger
spezialisiert ist, die Denkvorgänge hingegen allenthalben die-
selben nnd in diesem Sinn allgemein sind, so verbindet sich
mit dem formalen Cbariikter der Logik zugleich ihr „all-
gemeiner" Charakter. Die Logik ist ihrem Wesen nach stets
allgemein, obschon sie sich oft nachträglich auch bemüht,
als spezielle oder angewandte Logik ihre allgemeinen Gesetze
an spezielle Inhaltsgebiete anzupassen nnd für spezielle
Inhaltsgebiete auszugestalten (vgl. auch ^ 33).
ZnweileD «ird aach behiiaptet, daß die Logik von jedem l&balt des
DaokoDB yoUständig abstiahiera. Eioa BOlche Bebauptnng ist euiq mindeeteo
sehr mißTerstindlich. Eine ToUs^dige Abstraktion vom Inhalt ist überhaupt
gar nicht möglich. Auch die allgemeine Logik moB irgendwie, wenn auch
lebi allgemeiD, bestimmte Inhalte ihren üntersnchnngen za gronde legen,
chankteiistiBch ist (Qr sie nur, daQ sie die materiale Biobtigkeit solcher Inhalte
nur soweit nnteraocht, aiä äe von den fortnalen allgemeinen Denkproieseen
als solchen aUiäogt.
Im einzelnen kann der Zusammenhang zwischen der
materialen Richtigkeit und den formalen Denkprozessen
vorlänfig — vorbehaltlich der ausführlicheren Erörterung
in der psychologischen und erkenntnistheoretischen Grund-
legung der Logik — folgendermaßen dargestellt werden. Die
Empfindungen — einschließlich der unscharfen Emp-
findnngren nnd der sogenannten Sinnestänsohungen — sind,
') Die vollständige Anfklärang über die Abgrenzung der Denfcprozeese
gegen die Denkgrondlagen (Oenkmaterie) kann erst in der pByoholo^sohen
Onmdlegong gegeben werden.
4 t Teil. Absrenzung und allgemeine Geacbichte der Logik.
wie Bich später ergeben wird (s. § 6(B', nur in Beziehung auf
hinzngedftchte Beize (Dinge, Beduktionsbestandteüe) und inl
Vergleich mit Normalempflndungen, die wir den letzteren
zuoirdnen, richtig oder falsch. Aiit 0-efühle and
Wollungen können die Attribute „richtig" und „falsch"
überhaupt gar nicht einwandfrei angewendet werden. Anders
verhält es sich mit den primären Erinnerungs-
bildern. Diese können, wenn anch mit bestimmten Ein-
fichränkangen and Vorbehalten, als richtig oder falsch
bezeichnet werden, je nachdem sie den zugehörigen Grund-
empfindungen entsprechen oder nicht. Diese TTbeTeinstim-
mang zwischen primärem Erinnerungsbild und Empfindung
kann man, da sie sich auf den speziellen Tatbestand bezieht
und mit den formalen Denkvorgängen überhaupt noch nichts
zu tun hat, als material (in dem oben angegebenen Sinn)
bezeichnen. Wenn nun das Denken die primären Erinne-
rungsbilder weiter zu abgeleiteten Vorstellungen
(zusammengesetzten, allgemeinen) , Urteilen und
Schlüssen verarbeitet, so kann diese Verarbeitung, wie
soeben erläutert wurde, formal richtig oder formal falsch
sein. Für das Benkergebnis, d. h. die abgeleitete Vorstellung,
das Urteil, den Schluß, ergeben sich damit mehrere Möglich-
keiten, unter welchen einige uns bereits für das Ziel der
jetzigen Erörterung wichtig sind. Wenn schon die ersten
Erinnerungsbilder material falsch waren, so wird in der
Begel ') auch das Denkergebnis material falsch ausfallen,
d. h. mit dem Tatbestand der Empfindungen nicht überein-
stimmen, und zwar wird dies auch dann eintreten, wenn das
Denken selbst formal richtig vollzogen wurde. Waren hin-
gegen die vom Denken verwerteten primären Erinnerungs-
bilder material richtig, so wird das Denkergebnis nnr dann
material falsch ansfalleu, wenn das Denken formal un-
richtig vollzogen wird. Die Logik hat es, wie oben erörtert,
nur mit diesem zweiten Fall zu tun. In beiden Fällen aber —
also einerlei ob die materiale Falschheit auf der materialen,
nicht in das Bereich der Logik fallenden Falschheit der
primären Erinnerungsbilder oder ob sie auf formaler Un-
richtigkeit der von der Logik erforschten Denkprozesse be-
ruht — ist die materiale Falschheit des Ergebnisses,
*) AasDahmaweise können formale DenUehler die materiale Fabohheit
der Erinneiongsbilder wieder ansgleicfaen.
L Eapitei Aubabe der Logik. 5
äofern mao nnr das letztere als solches im Ver^eich mit
dem Tatbestand der Empflodungen ond anabfaän^i^ von
seiner Entstehimg betrachtet, im wesentlicfaeo dieselbe. Nicht
aisQ im Denk ergebnis liegt der für die Logik in Betracht
kommende Tatbestand, sondern in den Akten, welche zu dem
Krgebnis geführt haben. Nur hierin liegt der formale
Charakter der Logik. Man hat allerdings behauptet, daß in
dem zweiten Fall — wenn also die materiale Unrichtigkeit
des Denkergebnisses auf formalen Fehlern der Denkprozesse
beruht — das Denkergebnis stets auch Widersprüche in
sich außer dem materialen Widerspruch mit dem Tatbestand
der Empfindungen zeigen müsse, nnd hat stillschweigend
vorausgesetzt, daB in dem ersten Falle — wenn die materiale
Unrichtigkeit des Denkei^ebnisses nur auf materialer Un-
richtigkeit der verwerteten primären Erinnerun^bilder be-
ruht — ein solcher innerer Widerspruch im Denkergebnis
niemals vorkomme. Auf Grund dieser — wie sich alsbald
zeigen wird — falschen Vorausaetzungen hat mau dann die
dnreh formale Denkfehler zustande gekommene materiale
Unrichtigkeit des Denkergebnisses mit dem Vorhandenficin
innerer Widersprüche im Denkergebnis gleichgesetzt
" irad das Fehlen bzw. Vorhandensein innerer Widersprüche
im Denkergebnis als formale Eichtigkeit bzw. Unrichtigkeit
bezeichnet'). Die Logik wurde von diesem Standpunkt aus
geradezu als die Lehre von der formalen Bichtigkeit bzw.
Unrichtigkeit der Denkergebnisse im Sinn der inneren
Übereinstimmung bzw. Nicht-Übereinstim-
mung definiert. Diese ganze noch hente ziemlich ver-
breitete Auffassung ßchcit^rt schon daran, daß auch in dem
„ersten" Fall der obigen Aufzählung, wenn also die materiale
Unrichtigkeit des Denkergebnisses nur auf materialer Un-
richtigkeit der primären Erinnemngsbilder bemht, das
Denkergebnis sehr oft innere Widerspriiche aufweist, also
trotz formaler Bichtigkeit der Denkprozesse im Sinne jener
Auffassung formal unrichtig ist. Es ist also nicht angängig,
die formale Kichtigkeit bzw. Unrichtigkeit der Denk a k t e
mit der formalen Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit der Denk-
ergebnisse im Sinn der inneren Wide rsprnchs-
*) Der Tenniniis „fomal" bekommt damit abo eine andere Bedeatuug,
■k sie ihm oben S. 3 gegeben waide.
I. Teil. Altgrenzuns tind allgemeine Geachiehte der Losik.
losi^keit bzw. des inneren Widerspruchs gleioh-
ZQBetzen. Bichtig ist nor, daß die formale Unrichtigkeit
der Denkakte wohl noch etwas häufiger als die materiale
Unrichtigkeit der primären Erinnerungsbilder zu inneren
Widersprüchen im Denkergebnis führt, und daß innere
WiderBprüche im Ergebnis durch formale Weiterverarbei-
tung desselben klarer herausgearbeitet werden können.
Als Beispiel mag der folgende sehr einfache Fall dienen.
Ich glaube mich zu erinnern, daß die Salbei vier Staub-
gefäße hat (während sie tatsächlich nur zwei besitzt)..
Weitere Beobachtungen zeigen mir stets Exemplare mit zwei
Stalihgefäßen. Damit ist in mein Denken ein innerer Wider-
spruch hineingekommen, aber offenbar hat derselbe gar
nichts mit einem logischen Fehler, d. h. mit einer formalen
Unrichtigkeit meiner Denkakte, sondern lediglich mit
einer materialen Unrichtigkeit meines primären Erinne-
rnngsbildea einer Salbei mit vier Staubgefäßen zu tun.
Formale Bichtigkeit der Denkakte besteht also hier mit
materialcr Unrichtigkeit der Denkei^ehnisse zusammen.
Sollen wir nnn trotzdem den inneren Widerspruch des Er-
gebnisses als formal bez^chnen and seine Anfdeckong,
Untersuchung und Beseitigung der Logik znwelsenl Ich
glaube, daß man damit der üblichen und natürlichen Ab-
grenzung der Logik Gewalt antun würde. Man könnte die
Zugehörigkeit eines solchen Falles zur Logik höchstens noch
durch die Behauptung aufrecht zu erhalten suchen, daß eben
jeder innere Widerspruch, auch wenn er auf materialer
Unrichtigkeit der Erinnerungsbilder beruht, doch ein
logischer sei, insofern er den logischen Denkgesetzea
(a nicht = non-a) widerspreche. Endgültig kann dieser Ein-
wand erst widerlegt bzw. aufgeklärt werden, wenn die sog.
logischen Denkgesetze selbst näher untersucht worden sind
(§ 85 ff.). Vorläufig ist nnr zu bemerken, daß zwar die
Gleiehsetznng sich widersprechender Vorstellungen durch
unser Denken ganz entsprechend unsrer Definition der Logik
den logischen Gesetzen widerspricht und von der Logik
untersucht wird, daß aber das Vorhandensein widersprechen-
fler Eigenschaften in einem und demselben Tutbestand vor
allem den Seinsgesetzen widerspricht und daher auch ohne
Hilfeleistung der Logik ausgeschlossen werden kann (vgl.
^ 62). Es tritt uns nur schon an dieser Stelle die merk-
würdige Korrespondenz zwischen logischen Giesetzen und
„.,,„,^.oogic
1. KapiteL Aufgabe der Locik. 7
Seine^esetzen entgegen, die ^later noch gründlicher Fcetstel-
foiiff bedarf.
¥40 kSonte vielleicht geneigt sein, das Kriteriom der inoeren Überein-
stifflmuiig dadnioh für die DefiDition der Logik zd retteD, daB mau ee nicht
auf die Deokergebnisee, sondern auf die Denkakte bedeht Damit wire
alleidii]^ eine weseotütiie JUmiherang an tmsere Definition der Logik ge-
geben. Eb wild noT sjdter noch eine eingebeiKle üntersochong erforderlich
KD, ob die Richtigkeit der Denkakte, die wir hier noch gans nnbestiaunt ge-
luaen haben, wirklich schlechthin als innere Übereinatimmong antgetait werden
bna, iizw. in welchem Sinne dies mllssig ist Vgl. § 61 ond 85 f.
Dieselbe Überlegung, die soeben für einen Tatbestand
im Bereich der Empfindungen durchgeführt wurde, gilt mit
nnwesentlichen Abänderungen auch für jeden anderen Tat-
bestand. Daher kann man ganz allgemein sagen: nnr die
formale Bichtigkeit *) der Denkakte ist Gegenstand der
Ix^, die Widerepmchslosigkeit der Denkergebnisse
hängt nicht nnr von der formalen Richtigkeit der Denkakte,
sondern anch von anderen Bedingungen (materialer Bichtig-
keit der Erinnerungsbilder) ab, ktinn also nicht zur Charak^
tenstik des Gegenstandes der Logik dienen. So erklärt es
sich anch, daB wir gelegentlich anf formal unrichtigem
Wege (dnrcb formal unrichtig« Denkakte) zu material und
formal richtigen Ergebnissen, z. B. infolge eines gegen-
seitigen Ausgleichs mehrerer begangener Denkfehler, ge-
langen.
Mit diesen Erörterungen ist angleich festgelegt, daß die
l4)gik nicht etwa nur die Aufgabe hat, die innere Oberein-
stinunnng der Denkergebnisse zu kontrollieren, also gewisser-
maSea auf eiDe Denkpolizei beschränkt ist, eioe Auffassung,
ZD der man gerade dann leicht gelangt, wenn man im Sinne
der eben bekämpften Ansicht die wesentliche Aufgabe der
Ix^k nur darin erblickt, die Denkergebnisse auf ihre
imiere Übereinstimmung zu prüfen. Die Logik hat viel-
mehr vor allem auch die positive Aufgabe, die formale Ge-
setzmääigkeit des Benkens bezüglich der Erreichung des
MflTimnnn«; tqu materialer Bichtigkeit festzostellen (bei
einem gegebenen Material von Empfindungen und primären
Erinoernngsbildem). So bat beispielsweise die Logik nicht
nor zn untersuchen, wie Widersprüche bei der Bildnng von
*) Haidi der 8. 5 getroffenen Beatimmnng ist der Zosata ^anal" fiber-
UncBg, er ist nur dm Nachdrucks wegen hier nnd anch weiterhin erfolgt.
„.,,„, ^.oogic
S L Teil. AbtCrenzuDg und alUemüne Geschichte der Logik.
Art- und Gattungsbegriffen entstehen und zu beseitige» sind,
sondern auch wie diejenigen Art- und Gattungsbegriffe be-
schaffen sind und gebildet werden, die den zugrunde liegen-
den IndiTidnalempfindungen bzw. IndividualvorstellungeD
möglichst genau entsprechen. Gerade durch solche positive
Leistungen ist die Logik imstande, obwohl sie auf Fest-
stellung materialer Tatbestände im übrigen verzichtet, unsere
Erkenntnis auch positiv zu fördern.
§ 2. LogUc als Norm- nnd Wertwissenschaft. Nicht
selten wird in die Definition der Logik ausdrücklich ihr
„normativer" Charakter aufgenommen. Mit diesem nor-
mativen Charakter ist gemeint, daß die Logik nicht Tat-
sachen feststellt, sondern Begeln — bindende Ratschläge —
für das Denken gibt. Die Logik hat es nach dieser Auf-
fassung nicht mit dem „Sein", sondern dem „Sollen" zu tun.
Richtig ist hieran nur, daß sich aus der Logik, indem sie die
Abhängigkeit der Richtigkeit der Denkergebnisse von den
Denkvorgängen untersucht und feststellt, auch Regeln für
das richtige Denken ergeben. £s wäre jedoch ganz willkür-
lich, wenn man diesen praktischen Zweck als das Ziel all«r
lügischen Untersuchungen betrachten und ihn daher in die
Definition drer Logik aufnehmen wollte. Die Feststellimg-
der gesetzmäßigen Beziehungen zwischen den Denkvor-
gängen und der Richtigkeit der Denkergebnisse ist an sich
selbst — unabhängig von der praktischen Verwendung —
die primäre Aufgabe der Logik. Die Ableitung von Denk-
regeln oder Denknormen ist eine sekundäre Aufgabe, deren
Lösung ganz von der Lösung jener primären Aufgabe ab-
bängig ist. Dieser sekundären Aufgabe der Logik trägt ein
besonderer Teil der Logik Rechnung, den man als „logische
Technik" bezeichnet. Wenn diesen technischen Folge-
rungen im Bereich der Logik besondere Bedeutung bei-
gemessen wird — größere z. B. als der Meßkunst im Bereich
der Geometrie oder den Rechenregeln im Bereich der Al-
gebra — , so dürfte dies einerseits mit der allgemeinen Un-
entbehrlichkeit dieser Denkregeln und andrerseits mit dem
formalen Charakter der Logik zusammenhängen.
Sie einseitige Auffa^aag der Logik als einer NortiiwisseaBchaft hat daiu
geführt, sie ab eine „Ksnat", z. B, als „ars directira ipsios actus rationts"
('Diomas t. Aquino ') oder als „art de bien oonduire 1a raison dans U connatsgiDoe
') In Aiialyt poet Xib. 1, Lect 1 (ed. Born. 1570, Bd. 1, 9.
17 a).
1 Kapitel Atifsabe der Losik. 9
dM cfaeees" (Logiqne de Port-Rojal'), oder als .^edidna mentja"') usf. cn
leieiehDeii, unter den yielen neuereo SchriftslelleTii Aber Logil>, welche den
nonutiren Qiaiskter m. £. mit Unrecht in die allgemeine DefinidoD der Logik
wfDebmeD, sei hier beiapielBweise Sigvart*) angeführt, der die Logik als ein«
^onstldire des Deukeiu" definiert, velcbe AnleitiuiK gibt zv gewissen and
tilgrannngültigen ^tzen za gelangen. Sehr viel richtiger nnteischeideD schon
maache Scholattiker (e. B. Lambert Ton Aaxene *) in der Logik einen wissen-
schaftlichen Teil (adenb'a) und einen praktiscben Teil (ais), beide wurden auch
oft als ,^ogica docens" und „logica ntana" nnterechieden (so schon bei Alfiiftbi,
Tgl. § 19 und 89).
Mit mehr Berechtigung hat man die W e r t beziehuug
in die Definition der Logik aufgenommen und die Logik
geradezu als Wertwiseenschaft aufgefaßt. "Ea leuchtet
in der Tat ein, daä die Logik zwar ganz neutral feststellen
kann, welche Denkvorgänge zu richtigen und welche zu
falscheu Denkergebnieeen führen, daü sie dabei aber ge-
wissermaßen stillschweigend doch schon zwischen den rich-
tigen und falschen Denkergehnissen einen Wertunterachied
macht und weiterhin machen m u Q , wenn sie Denkregeln
aufstellen will. Ausdrücklich diese Wertbeziehung in der
Definition anzuführen, liegt trotzdem kein ausreichender
Grnnd vor, weil sie nicht für alle logischen Untersuchungen
unerläßlich ist. Vollends wird man Bedenken tragen,
wenn manche Logiker den Wertunterschied zwischen Bich-
ligkeit und Falschheit als einen objektiven zu erweisen
versucht haben und auf Grund eines vermeintlichen solchen
Kachweiaes in irgendeiner Form in die Definition der Logik
eingefügt haben.
S 3. L<^k als Wlssenschaftslehre. Nach der im ^ 1
gegebenen Definition fällt die Gesetzmäßigkeit eines jeden
Denkens mit Bezug auf seine formale Richtigkeit und Falsch-
heit in das Untersuchungsgebiet der Logik. Von besonderer
Wichtigkeit für die Logik iüt unter den verschiedenen Arten
des Denkens das wissenschaftliche Denken. Erstens
hat für dieses die Bichtigkeit und die Falschheit der Deuk-
*) La logiqtie oa Tart de penser von Arnanldn. Nicole, Paris 1662, 1, 1, S. i
(ed. Amsteidam 1675, S. 47).
*) So lautete £. B. der Titel der TschinihanBenschen L(^k (vgl. den
UitoriadMn AbriS).
*) Logik, Froibnig 1889, 2. AnfL Bd. i, § 1, ß. 1.
*) Bqsuds lopc«e * (v^ Pnutl, Oesohichte der-Logik im Abendlande.
Leipag 1867, Bd. 3, a 26).
„.,.,„,>..oo^^ic
10 I. Teil. Abgrenzung und aUtremeine Geschidite der Logik.
ergebnisee eine besonders weittragende Bedeutung, insofern
die Ergebnisee nicht nur eine vorübergehende Wirkung für
einzelne Menschen in einer augenblicklichen Lage haben,
sondern eine dauernde allgemeine Gültigkeit beanspruchen,
□nd zweitens bietet daB wiseenscbaftliche Denken, insofern
es sich nicbt auf mehr oder weniger kurze, einfache, un-
zuBammenhängende Denkvorgänge beschränkt, sondern ein
sehr ausgedehntes, verwickeltes System von Gedanken'-
vorgängen aufbaut, der Logik ihre Aufgaben in der voll-
ständigsten und entwickeltsten Form. Die Logik wird daher
auf das wissenschaftliche Denken eine ganz besondei*«
Rücksicht nehmen müssen. Einzelne Teile der Logik, welche
das Denken in seinen zasammengesetzteren Formen be-
hemdeln wie die Lehre vom Beweis, vom System usf., werden
es sogar fast ausschließlich mit dem wissenschaftlichen
Denken zu tun haben. Das letzte Kapitel der Logik kann
geradezu als die Lehre von der Wissenschaft — natürlich
stets mit Bezug auf formale Bichtigkeit — bezeichnet
werden und ist auch in der Tat bereits von G. E. Schulze ')
als „Wissenschaftslehre" bezeichnet worden. Irrtümlich ist
hingegen, wenn einzelne Logiker bis in die neueste Zeit die
Logik ganz auf das wissenschaftliche Denken beschränken
und diese Beschränkung in die Definition der Logik auf-
nehmen. Es läQt sich schlechterdings nicht absehen, wes-
halb die Logik sich nicht auch mit dem vorwiesenschaftlichen
bzw. nicht - wissenschaftlichen Denken beschäftigen sollte.
Vgl. auch ^ 35.
Zu diesen, meiues Eraohteus zu engen Definltionea gehört z. B. di^enige
B. Erdm&nns*), welcher die Logili als „die allgemeine, fonoald and nonoatiTs
WisBeoBcbaft von dep methodischen VoranssetztiDgen des wissenschartlicbea
Denkens" definiert Ganz verfehlt tat die Defiuitioc Bolzanoa*), welcher die
Logik erstens auf die wisseoschaftlioben Wahrheiten beschräukt und Kchlecht-
hin als 'Wiasenschaftalehie bezeichnet, und zweitens sogar ihre Aufgabe
lediglich darin Bieht, Regeln für die Zerlegung des gesamten Oebietes der
') Grundsätze der aUgemeinen Logik, 4. Aufl. O&ttingen 1S22, Q. XI,
22 u. 161. Eants urteile über den Terminos s. Sämtl. Werke, Hartenst Auag.
1868, Bd. 8, S. 812.
*) Logik, 1. Band, 2. Aufl. Halle 1907, 8. 25. Tgl. auch Hnsserl, Log.
ünteis., Teil I, HaUe 1900, S. 29 (2. Aufl. 8. 28).
■) Wissensohaftslehre, Sulzbach 1837, Nendrook I^eipzig 1914, Bd. I, § 1,
spez. S. 6. Übrigens hlUt Bolzano selbst diese Definition nicht konsequent fest
(Tgl. L 0. 8. 18 tt. 56).
L EapiteL Atifnbe der Loffik. IX
Tahtbeit in eiiueliie WJsasDBchaften und ffii dia Abfasmng von LehrbüDhern Kr
jede Vissenschaft za geben. Damit vfire der griSBte Teil der Logik not eine noch
iluu vectoBeriichte ats „ateos" im Dienst der BpezialwissensÄaftaB radnxiatt
{ 4. Sfellani: der Logik Innerhalb 4er Philosophie. Die
Begriffsbestimmmig und AbgTenziiiig der PhiJosophie selbst
ist so Bchwankend, daß eine exakte Eingliederung der Logik
in die Philosophie auf Grund der Definition der beiden
Wissenschaften nntunlich ist. Die allgemeine Zugehörigkeit
der Logik zur Philosophie ergibt sich aus folgender Über-
legoDg. Wie man auch die Philosophie definieren und ab-
frensen mag, jedenfalls ist eise ihrer Hauptaufgaben, das
Oegebene nach geinen Ähnlichkeiten und TJnahnlichkeiten
EU ordnen nnd die Grundgesetze der Veränderungen des Ge-
gebenen zu ermitteln. Derjenige Hauptteil der Philosophie,
welcher sich mit dieser Aufgabe beschäftigt, kann als
Oignomenologie oder Erkenntnistheorie im
weiteren Sinn*) oder Grundwissenschaft*) bezeichnet
Verden. Diese Gignomenologie liefert uns erstens die Ein-
teilimg alles Gegebenen (aller „Gignomene") in Empfindun-
gen (Empfindungsgignomene) und Vorstellungen im weite-
sten Sinne (Vorstellnngsgignomene), welche schon im ^ 1 bei
der Besprechung der Definition der Logik zugrunde gelegt
wurde. Außerdem aber gelangt sie zweitens za bestimmten
Zerlegungen jedes einzelnen Gegebenen (Gignomens), die in
') T^ über dieses weiteren Begriff der Erkenntiuatliearie Th. Ziehen,
Efkenotoistheorie, Jena 1913, § 119ff. — Stnmpfa „Phänomenolo^e" (Abb.
d. PieoB. kk. d. Wiss. v. Jahr 1906, Berlin 1S07, S. 26 n. 45) deckt sich in
nitai BeiiehDDgen mit dem hier in Kede stehenden Banptteil der Philosophie.
Dm die Doppelbedeatang — weitere nnd engere — des Wortes „Erkenntnis-
Aeoaxl* nnd die mit der Vieldeutigkeit dee Wortes „Phänomenologie" insammen-
hingettden HiSrerstfindnisse m vermeiden, habe ich die Bezeichnnog „Oig-
nomawlogie" (Q^nemene := WeidniBse, Gegebenes) Toi^eschlagen. Vgl. Grund-
lagen der Psychologie, Leipx^-Berlin 1915, Bd. 1, S. t>2.
*) Diese Bezeichnung wurde in ähnlichem Sinne schon im 18. Jahrhundert
L B. von H. 8. Betmams gebraucht (Die Vemunftlehre usf., Hamburg -Kiel
1783, 4. Anfi., § 10). Kenerdings hat sie auch Bebmke Terweodet (Philosophie
^ Orrmdwiseenschaft, Ldpiig-Piankfort 1910). Die „philosophia prima"
[S(m; fiamt^la) des Aristoteles (Akad. Ausg. uamentL 1(I2b, l94b, 1036a,
iC67a n. 1061b} deckt sich mit der Erkenntobtheorie im weiteren Sinne oder
Onmdwissenscbaft nicht, da sie nach Aristotelea In einem Gegensatt zur Physik
ab der pbitoäophia seconda (>h(|J tat ale^^t&t »i^ae) steht, der für die Er*
kmntnistheorie in weiterem Binne nicht zu Recht besteht
1,1^. OQi
,g,c
12 J- Teil. AbgrenzuDB und allgemeine Geschichte der Logik.
vklen Kichtangen noch sehr strittig sind, aber doch wenier-
stens in einem Ergebnis übereinstinmuen, nämlich in dem
Satz, daß innerhalb des Gegebenen sich durch die erkenntnifi-
tbeoretische Überlegung zwei Gebiete ergeben: ein erstes
Gebiet, in welchem die sog. K a n s a 1 gesetze gelten, und ein
zwieites Gebiet, in welchem andere Gesetze als diese Kausal-
gesetze gelten. Dem ersten Gebiet entsprechen die Natur-
wissenschaften, dem zweiten Gebiet entspricht die
Psychologie. Ob eine vollständige SIerlegung noch
weitere Gebiete ergibt, z. B. ein der Mathematik entsprechen-
des, von besonderen mathematischen Gesetzen beherrschtes
Gebiet, kann hier unerörtert bleiben. Ebenso ist für die uns
beschäftigende Überlegung die Abzweigung und Herleitnng
der übrigen Wissenschaften, welche sich zum Teil auf beide
Hauptgebiete erstrecken, ohne Bedeutung. Um so wichtiger
ist für nns eine zweite Hauptfrage, welche an die Philosophie
herantritt, nachdem sie die erste Hauptfrage, die Eintei-
lung und Zerlegung des Gegebenen erledigt hat. Diese
können wir für unseren Zweck folgendermaßen formulieren.
Unsere Vorstellungen im weitesten Sinne, also einfache
und abgeleitete Vorstellungen, Urteile, Schlüsse, Beweise,
Systeme erheben allenthalben den Anspruch, in irgendeinem
Sinne dem Gegebenen zu enteprechen. Damit ergibt sieb
die Frage, was dieses Entsprechen bedeutet und welche
Kriterien uns für dieses Entsprechen zur Verfügung stehen.
Nicht nur für das alltägliche Denken, sondern gerade anch
für das philosophische Denken ist eine solche Untersuchung
unentbehrlich. Da das philosophische Denken das Gegebene
irgendwie vorstellen oder „erkennen" will, aber anch selbst
zu diesem Gegebenen gehört, so ist es geradezu gezwungen,
DU die allgemeine Untersuchung des Gegebenen eine spezielle
Untersuchung der Stellnng des Denkens im und znm Ge-
gebenen gewissermaßen in reflexivem — auf sich selbst
rückbezüglichem — Sinne anzuschließen nnd das in Bede
stehende „Entsprechen" zu untersuchen. Letzteres ist offen-
bar ganz identisch mit der Übereinstimmung zwischen Denk-
ergebnis und Tatbestand, welche in § 1 erörtert und auch als
materiale Bichtigkeit bezeichnet wurde. Diejenige
philosophische Wissenschaft nun, welche sich mit dieser
zweiten Hauptfrage beschäftigt, also die Bedeutung, Be~
dingungea und Grenzen des Entsprechens, d. h. der mate-
rialen Richtigkeit des Denkens untersucht, ist die Er-
„.,,„,^.oogic
L EaiüteL Aufgabe der Logik. ]3
ienntnistheorie im enteren Sinne oder Er-
kenntniskritik. Indem aber die Erkenntniskritik fest-
stelit, daB die materiale Richtigkeit der Denkergebniase ganz
wesentlich auch von dem formalen Ablanf der Denkakte (in
dem S. 3 angegebenen Sinne) abhangt, sieht sich die Philo-
eopbie vor eine dritte Hauptaufgabe gestellt: nämlich zu
nnfersuchen, nach welchen Gesetzen das Benken infolge
seines formalen Ablaufs bald zu richtigen, bald zu falschen
Denkergebnisaen führt. Dies ist aber nichts anderes als die
Anfgabe, welche in ^ 1 der Logik zugewiesen wurde. Die Logik
achließt sich also als dritte philosophische Teilwisseuschaft
eng und notwendig an die Gignomenologie und die Erkennt-
niskritik an. Damit ist die Zugehörigkeit der Logik zur
Philosophie und ihre Stellung in derselben festgelegt. Aller-
ilings ist die Logik nicht nur für die Philosophie vorhanden,
sondern sie ist zugleich auch für alle anderen Wissenschaften
eine nnerläSHche Vorbereitungsdisziplin. Während sie aber
für die letzteren nur formale Regeln gibt, also für dieselben
nur normative Bedeutung hat, ist sie für die Philosophie
nicht nur gleichfalls formale Normlebre, sondern gehört ihr
zugleich als ein integrierender Teil an.
§ &. Stellung zur Erkenntnistheorie, cur Psychologie,
ZOT SpraehwiBfienschaft und Mathematik. Die vier Grund«
legongen. Durch die vorstehenden Erörterungen ist die
Stellang der Logik zur Erkenntnistheorie bereits
klargestellt. Die Erkenntnistheorie im weiteren Sinne
(Gignomenologie) als grundlegender Hauptteil der Philo-
sophie ist — abgesehen davon, daß sie wie alle Wissenschaf-
ten formal an die Segeln der Logik gebunden ist — von der
Logik ganz unabhängig, dagegen ist die Logik auf die Er-
kenntnistheorie im weiteren Sinne insofern angewiesen, als
sie ihre Grundbegriffe „Gesetzmäßigkeit", „Denken", „for-
mal" usf. der letzteren entlehnen muß. Zur Erkenntnistheorie
im engeren Sinne (Erkenntniskritik) steht die Logik in enger
Koordination. Insbesondere ist die Aufklärung des Begriffs
der Bichtigkeit und die Abgrenzung der formalen Bichtig-
keit gegen die materiale eine Aufgabe, weiche von beiden
gemeinschaftlich bearbeitet wird.
Der eben festgestellten Beziehung der Logik zur Er-
kenntnistheorie muß die Logik durch eino besondere „er-
kenntnistheoretischeOrnndlegung" ihrer Lehren
Rechnung tragen. Vgl. Teil II, Kap. 1.
1,1^. OQi
,g,c
14 I' ^BÜ. Absrenzuus und allseionne Oeachichte der hoek.
Ee ist BelbstreratäDdlich, ia& tiii diejenigen Forscher, velcbe von der
Logik im Gegensati ta anserer Definition auch irgend eino aodemeitige Unter-
BQchong materiater Tatbestände — anSer der formalen GesetzmiBigkeit des
Denkens — verlangen, der Gegensats zwiBohen der ürkenntnistheorie nnd der
Logik sich verwisclit. Ein neneres Beispiel für diese Verschmelznog von Er-
kenntniatbeorie nnd Logik bietet die „eifceontniatheotetisobe Logik" Ton
Schappe ').
Die Stellung der Logik zur Psychologie ist noch
beute sehr umstritten. Bald wird die Logik nur als eine
„Sonderdisziplin der Psychologie" Qjippa')) hezeichnet, bald
— wenigstens in einem Hanptteil — vollständig von der
Psychologie losgelöst und als I^ehre von „Vorstellungen an
sich", „Sätzen an sich", „Wahrheiten an sich" aufgefaßt,
denen in keiner Weise der Charakter psychischer Vorgänge
zukommen soll (Bolzano ')). Die Irrttimlichkeit der letzteren
Anschauung wird sich bei Gelegenheit der erkenntnistheore-
tischen Grundlegung der Logik ergeben. Die erstere An-
schauung ist insofern im Kecht, als sie gemäß unsrer Haupt-
definition Denkvorgänge im psychologischen Sinne
als das Objekt aller logischen üntersncfaungen betrachtet.
Manche ihrer Vertreter werden jedoch der Tatsache nicht
gerecht, daß die Logik in vier wesentlichen Beziehungen über
die Psychologie hinausgeht, nämlich:
erstens, insofern sie an Stelle der wechselnden Vorstel-
lungen, Urteile usf. des tatsächlichen psychischenGcschehens,
auf welche die Psychologie sich zn beschränken pflegt, un-
veränderlich gedachte N o r m a t Vorstellungen, Normal -
urteile usf. setzt (etwa ähnlich wie die theoretische Physik
zur Ermittlung der Fallgesetze an Stelle eines durch zahllose
Nebenumstände in mannigfachster Weise variierten tatsäch-
lichen Falles einen von allen Nebenumständen frei gedachten
Normalfall setzt);
zweitens, insofern die Logik das Denken ausschließlich
mit Bezug auf seine Bichtigkeit und Falschheit,
soweit sie von den formalen Denkakten abhängt, untersucht.
') Erkenntnistheoretisclie Logik, Bonn 1878. VgL ancti den hisforischen
Abschnitt g 37ff. n. 52.
*) Ornndiüge der Logik, Hambnt^g-LaipEig 1893, Neudruck 19l2, S. 1.
VgL jedoob anch nnten § 51.
■) 'friBsenscbaftBlehre, Solzbaoh 1837, Nendruok Läpsig 1914, Bd. 1,
a 61tf., 71f., 761/., 99, lllH. Vgl. auch §45.
iM,Googlc
1. Kapitel. Aufgabe der Look.
während die Psychologie an dieeer Bezugnahme, obwohl sie
auch in ihr TJutersnchongagebiet fällt, kein spezielles
Intere^e nimmt;
drittenß, insofern die Logik einen W e r t unterschied
zwischen Bichtigteit nnd Falschheit macht (vgl. S. ^,
welcher für die Psychologie nicht existiert, nnd ««ar oft
Tersncht, für diesen iWertnnterschied objektive Be-
dentong nachzuweisen;
und endlich viertens, insofern die Ixigik anf Gmnd
ihrer Untersnchungen praktische Deakregeln im Sinne von
Normen (vgl. S. 8) gibt, während die Psychologie solche
praktische Folgerungen aus ihren Untersuchungsergebniflsen
meistens nicht zieht, sondern das Ziehen dieser Folgerungen
den beteiligten Wissenschaften (z. B. Pädagogik, Ästhetik,
Psychiatrie usf.) überläßt.
Diese vier Momente verleihen der Logik trotz ihrer
psychologischen Grundlage eine Sonderstellung gegenüber
der Psychologie nnd haben denn auch in der Geschichte der
Entwicklung der Wissenschaften schon froh zu einer
Trennung der Logik von der Psychologie geführt. Die ali-
gemeine Abhängiglteit der Logik von der Psychologie konmit
dabei insofern doch zur Q^Itong, als für die Logik, wie eine
erkenntnistheoretische, so auch eine „psychologische
Grandlegnng" nnentbehrlich ist. Vgl. Teil U, Kap. 2.
Diejenig^D Logüer, welche wie Bolsano moht-psyohisohe „VoratellaiigeD
kB sidt", ^tze an fäoh" nef. anDehmen, moBseo für diese Gebilde eine be-
sondeie Ajt des Seins, ein drittes Sein, das weder materiell noch psychisch, ist,
annehoieD oder sie sogar als ein niobtseiendes ,^wiBseB Etwas" einfnliTen.
Sie helfeii dch dann mit nnklaren Aosdräcken wie: „es gibt", es „bestehen"
(adl. Wahrheiten m sich). Vgl e. B. Bolzaoo, 1. o. ß. 144, 217, 222 o. 319.
Im histoiischen Abschnitt und in det eiienntnistbeoretischen Orondlegong der
Logik witd anf diese Lehre nnd die mit ihr nahe zusammenhangende Lehre
von den „G^enständen" der Vorstellungen, Urteile usf. ausführlich eing^angen
weiden. — Oft stellt man dieser „logizJBtisohen'^ Bichtong der Logik
diejenige andere extreme Bichtnug, welche in der Logik nnr eine Teildisziplin
der Psychologie erbhokt, alt psychologistisohe gegenüber.
Mit der psychologischen Abhängigkeit der Logik hängt
ihre Beziehung zur Sprachwissenschaft eng zu-
sammen. Unser tatsächliches Denken, wie es Gegenstand
der Psychologie ist, ist zwar nicht immer, aber doch ganz
überwiegend mit einem sog. innerlichen Sprechen ver-
bunden, d. h. — wie sich später ergeben wird — von Wort-
IG I. TeU. Abcrenzung und allgemeine Geschichte der Loiik.
erinneningsbildem irgendwelcher Art, sog. Wortvorstel-
loogren begleitet Auch unterliegt ee keinem Zweifel, daß
diese „verbale Begleitung" für das tatsächliche Denken eine
erhebliche Bedeutung hat. Es wird sich sogar zeigten, daß
gerade auch für die Normalvorstrilungen, welche die Logik
an Stell« der tatsächlichen Vorstellungen der Psychologie
setzt, und deren Verknüpfungen sprachliche Bezeichnangen
oder andere Symbole irgendwelcher Art kaum zu entbehren
sind. Daher wird sich an die erkenntnistheoretische und
an die psychologische Grundlegung eine „sprachliche
(linguistische, symbolische) Grundlegung" an-
schließen müssen. Vgl. Teil II, Kap. 3.
Außer der Sprachwissenschaft hat auch die Mathe-
matik bestinmite Beziehungen zur Logik. Vorläufig können
diese dahin formuliert werden, daß die Mathematik über
eine Symbolik und eine allgemeine Methodik verfügt, welche
für die Logik vorbildlich sein können, und zugleich die
logischen Sätze auf einem besonders einfachen Anwendungs-
gebiet zu veranschaulichen vermag. Die genanere Prüfung
dieser Beziehungen bleibt einer vierten Grundlegung, der
mathematischen Grundlegung vorbehalten. Es
wird sieh bei dieser Prüfung allerdings ergeben, daß diese
vierte (mathematische) Örundlegimg diesen Namen nicht
verdient, und daß die Mathematik nur durch bestimmte,
allerdings sehr wertvolle Hilfelcistungien für die Logik in
Betracht kommt Vgl. Teil II, Kap. 4.
Erst nach Erledigung aller dieser Grundlegungen kamt
die Logik im III. Teil sich ganz ihren eigenen Aufgaben
widmen. Dabei beginnt sie mit einer „antoehthonen Grund-
legung", d. h. sie stellt dl« der Logik selbst eigentüm-
liclien spezüiRchen Grundlagen (vgl. S. 14) fest. Insbesondere
bandelt es sich hier mn die allgemeine Erörterung der
für die Logik charakteristischen Normalgebilde, da*
Wesen und den Wert der logischen Bichtigkeit und des
logischen SoUens (Normativcharakter der Logik). Hierauf
folgt im rv. Teil die ausführliche Darstellung der elnselnen
logischen Gebilde und Gesetze (Begriff, Urteil usf.).
n,g,t,7l.dM,GOOglC
S. Kajntd. AüiemeinB Gwchichte der Logik. 17
2. Kapitel
Allgemeine Geschichte der Logik
§ 8. BedentnDp und Uterator der aUgemeinen 6»-.
aefalehte der Logik. Seltsamerweise verfügrt die Logik, ob-
wohl ihre einfacberen praktiBcben Begeln von jedem Men-
seben ohne beeondere Belehrung im alltäglichen Denken
richtig angewendet werden, doch keineswegs über ein
System allgemeiB anerkannter theoretischer Sätze. Vielmehr
besteht anch heute noch eine weitgehende MeinnngB-
veiscfaiedenheit über die Grundprinzipien der logischen
WiBsenachaft, and endgültige Entscheidnng im Streit der
Ansichten scheint noch in weiter Feme zu liegen. Bei dieser
Sachlage bekommt die allgemeine Geschichte der Logik für
das y««tändnis der Logik eine viel gröBere Bedeutung als
X. B. die allgemeine Geschichte der Mathematik oder der
Botanik oder der Philologie für das Verständnis dieser
Wifisenschaften. Es wird daher im folgenden die allgemeine
Geacbichte der Logik mit einiger Ansführlicbkelt dargestellt
werden müssen.
Die iriohtigBteii Werke, velolie dis Oeaoliiohte der Logik behandeln,
and, abfeeehen Ton ältenn DanteUangeii in den Werken tob P. Bamns,
P. OMseodi XL a., folgende :
Bartbolom. EeokeriiiaDn(aB), Fraeoognitomm logiooram traotatos HI,
HuoT. 159S, 2.AQfI. 1604, a 76-203.
JoIl Alb. Fabrioina, Spooimem elenoticDin. histoiiae logicae eto. Hambo^
1699 («och in Oposo. hiet.'Orit-titar. Bylloge. Hambarg 1738, B. 161—184).
Jac Frid. BeimioaDu'), Critineiender OeaohichtB-Calender von der Logica
o. a. f. Fmukf. a. H. 1699.
lab. Georg Walohtios), Hiatoria logicae in Farerga acadetnica. Lips. 1731.
a 463—848.
loL Jak. Syrbina*, Inatitntionee philosophiae rationalia eolectioaa: in prae-
fatione historia logicae aaocincta delineotur. Jena 1717, 3. AofL 1726.
Colnrnbanna Rdaaer, Inaätntiouefl lofpoae. Wirceboig. 1775 (sehr knner
Appendix: de artis logicae aariptoribus S. 163 ff.).
V, L. 0. T. Eberateiu, Yeraucb einer Oescbiohte der I/)gik ond Meta-
phjtäk be; den Deatsoheo ron Leibnia bis auf g^eowtotige Zeit Halle,
Bd. 1 1794, Bd. 2 1799.
') Beginnt mit der eisten „dispatatio Theologioa" nriAchen Sra nnd dem
6atan L J. 3947.
ZUkan, I«tobneh d*r Lo^. 3
lg L Teil. Aberenzdog und allsemetne Geachkhte der Logik.
Audr. Metz, InatitntioDeB logicae. Bamb. et Wiroebni^. 1796 (Appendix de
histoiia logioee, 8. 230—248).
Joh. Nie. Frobesias, Bibliograph» logica in Wolfii logiott in oompendinin
redacta. Helmsädt 1746.
Friedr. Calfcer, Denklebre oder Logik ond Di&lektik nebet einem Abiifl der
Geschit^te und literatur deiaelben. Bonn 1822, 8. 13—198.
Catl Ftiedr. Baoliinani], SfBtem dei Logik. Leipzig 1828, TeU 3, 8.569
bis 644.
J. F. y. Tioxler, Logik, die Wisseiiechaft des Denkens and Kritik aller
ErkemitiuB. Stut^art d. Tübingen, Teil 3 1830.
de Reiffenberg, Principes de logiqne, saivis de rhistoire et de U biblio-
graphie de cette »rience. Bnuelles 1833, 8. 289—408.
J. Barthelemy Saint-Hilaire, De la logiqne d'Aiistote. Paris 1838,
Bd. 2, 8. 93—355.
Ad. Franok, Esquisse d'nne histoira de la logiqne, precedee d'nne aoalyBe
etendne de l'organam d'Aristote. Paris 1838, S. 189 B.
Bob. Blake;, Historical sketch of logic, from the eailiest timea to tbe proaent
day. London^Ediobni^h 18S1 (besonders wertvoll Kapitel 21 n. 22 über
die neuere Logik in England).
Call Prantl, Geschichte der Logik im Abendlande. Leipzig, Bd. 1 (griech.-
röm. Logiker bis Boethins) 1855 ; Bd. 2 (mittelalterliche Logiker bis etwa
1200) 1861, 2. Aufl. 188&; Bd. 3 (mittelalterliche Logiker von ca^ 1200
bis Oocam einschließlich) 1867 ; Bd. 4 (mittelalterliche Logiker nach Ocoam
bis ZOT Befonnation) 1870; weitere Bände sind nicht erschienen.
Lecnb. Rabns, Logik nnd Metaphysik, 1. Teil: Erkenn tnislehre, Geschichte
der Logik, System der Logik. Erlangen 1868, 8. 121—242 o. 453—518.
Friedr. Harms, Die Philosophie in ihrer Geecbichte. Teil 2: Oeechichte
der Logik (heiausgc^. von Laeson). Berlin I8S1.
Friedr. Deberweg, System der Logik und Geeohiohte der logischen Lehren.
Bonn, 1. Aufl. 1857; 4. AnIL 1874, 8. 15—66; 5. Aufl. (von JOigen Bona .
Meyer) 1882, 8. 15-94.
Robert Adamsoa, A short history of logic. London n. Edinb. 1911 (mir
nicht lugfiug^ch). Vgl. aoch Eacyolopaedia Britannica, Art Logic (9. AuQ.
Bd. 14; 11. AuCL Bd. 16. S. 896 H. W. Blnnt)
Werke und Abhandinngen, welche nur kleinere Perioden der Geschichte
der Logik oder einzelne logische Schulen oder einzelne Logiker behandeln,
werden nnten im I^uf der Mnzelbesprechnng namhaft gemacht werden.
Eine Einteilung der Geschichte der Logik in be-
etinunte aufeinander folgende Haaptperioden laßt^sich ohne
Zwang nicht durehführen. Man bann nur einzelne Hanpt-
BtrÖmnngen unterscheiden, die sich mannigfach kombinieren
and zum l^il auch nebeneinander herlaufen. Als solche sind
beeonders hervorznheben:
OgIC
2. Kapitel. AllsemeiDB Geachichie d«r Logik.
a) die aristotelische Logik nnd ihre Aasseetaltoog in der
Scholastik etwa bis zum End« des 15. Jahrhunderts;
b) die Reaktion geg«n die aristotelische Logik in der Zeit
der Renaissance nnd der Reformation;
c) die von Baco von Vemlam eingeleitete, aber erst im
letzten Jahrhondert zn vollständiger Entwicklung ge-
langte indoktive Ricbtong der Logik;
d) die liogik von Ijeibniz, Wolff, Kant nnd ihren
Schülern ;
e) die materiale Logik der Flchteschen, Hegeischen nnd
ächellingsch«ii Philosophie;
f) die It^zistische Richtung der Logik, wie sie von
Solzano begründet wurde;
g) die psychologistische Richtung der Logik, die sich im
letzten Jahrhundert im Änschlnß an die Fortschritte
der neueren Psychologie entwickelte.
Viel Gewicht ist auf diese Aufstellung nicht zu legen,
da viel« wichtige Nebenströmtmgen dabei unberücksichtigt
bleiben und auch innerhalb der HauptstrÖmnngen die ein-
zelnen logischen Systeme weit auseinander geben.
§ 7. Logik bei den orientailschen Völkern des Alter-
tums. Die philosophische Literatur der Chinesen scheint,
soweit bekannt, die Logik ebenso wie die Erkenntnistheorie
vollständig vernachlässigt zu haben. Nur der von Lao-tzs3
(geb. 604 V. Chr.), der etwa 50 Jahre vor Confucius (K'huug-
fo-tsze, 551 — 478) lebte, begründete Taoismus (Tao etwa ==
Logos) soll einige logische und erkenntnistheoretische Sätze
enthalten*). Erheblich mehr Berücksichtigung fand die
Logik bei den Indern. Schon auf dem Boden der alten
brahmanischen Spekulation trat zu Buddhas Zeit eine Gene-
ration von Dialektikern auf, die man geradezu „als eine Art
indischer Sophistik" bezeichnet hat '). Buddhas Lehre selbst
bietet trotz einer unverkennbaren Neigung zu dialektischen
Formulierungen für die Logik keine nennenswerte Ansbeute.
') VgL c. B. Wilh. Oraiit, Geeohidkte der obineeisoheii Litantur. Leipsig
1902 (Bd. e der UteratnTen d«« Ostens, 8. 139 ff.). Bei einem Nachfolger
I«>-teiXs, C3iD«iig-tszI (Nan-hoa-chen-jen) findet noh inoh ein Anfang einer
Lehr« TOn Sabjdrt nnd Objekt
*) H. Oldenberg, Boddha, sein Leben, seine Lehn, Bone Qemeind«.
3. Anfl. Bariin 1807, a 78.
2*
h. !■, ii.l^.OOQIC
20 I- 1*^- Abennzumt und allgemeine GeachicUe der Logik.
Aach die sog. Sämkhya-PhiloBophie*), deren Beziehung
zum Baddhismus noch nicht völlig aofgeklärt ist, steht
logischen üntersaehnngen ziemlich fem. Dagegen hahen die
beiden letzten der sog. sechs hrahmaniächen Systeme, das
Vai^eshikasystem nnd namentlich das Nyäyasystem, eine an-
■rcrkennbare logische Tendenz. Kanada, der Begründer des
Vaiceshikasystems, unterschied z. B. sechs Grandformen des
Seins: Substanz, Qualität, Bewiegmig (Handlang), Gemein-
samteit (Allgemeines), Verschiedenheit (Besonderes) und
Inhärenz (Untrennbar heit) *). Die Nyüya = Philosophie, be-
gründet von Aksapäda (meist Gantama oder Gotama ge-
nannt), gibt bereits eine sehr «ingebende Darstellung der
formalen Logik *). Sie führt sogar ihren Namen von Nyäya,
dem Schema des Schlusses, das man ans fünf Gliedern —
Behauptung, Beweisgrund (Voraussetzung), Vordersatz,
Nachsatz, Schloß — zusanmiensetzte.
Das Avesta der Iranler scheint keinerlei logische Lehrrai
za enthalten. Ebenso ist über Anfänge der Logik bei den
Ägyptern nichts Bemerkenswerte« bekannt.
§ 8. Die Toraristotelische Logik liei den GrieohMi. Die
ersten Eeime der griechischen Logik finden sich bei den
eleatischen Philosophen, insbesondere Parmenides. Das
mit der Logik eng verknüpfte Problem der Beziehung des
Denkens zum Sein wird hier zum erstenmal mit klaren
Worten aufgestellt und eine Lösung versucht. Parmenides
(Blutezeit um 500 f) lehrt*):
taihop (f ittxi voeJf tb xai ovvsxiv im viijfuf
ov Y«Q ^vev %ov löyios, Iv ^ rrsgiceftaßivov iniVy
'J Vgl. Eich. Oarbe, Die SämUija-Pliilosoptiie. eine Diratelloog des
indiBohen BatioDatiBinas. Leipzig 1894 (e. B. 8.280: 5 Arten deslrrtoms mit
«2 UatererteD) n. Abb. d. 1. KL d. Egl. Bayr. Ak. d. WisB. Ifüncben, Bd. 19,
Abt 3, a Ö17 ff.
*) Vgl. Oarbe L c. S. 116 ff. Eüa ap&terer Vertreter dee Systems ist
Pnsastapäda. Vgl. anoh Max Hüller, Ztschr. d. deotsoh. Morgenl. OeseUsofa.
1852, Bd. 6, 8. 1 (nam. B. 10 ff.).
*) Di« Hsaptqoelle für die Ny äTaphilosopbie Bind die NyäyasQtra, gröSten-
tnls überaetxt von Ballan^ne, Allabitbad 1850— 1S54, ond der EommeDt&r des
VttBy&yona. Vgl ferner Oarbe 1. o. 6. 118 nod Dametitliob Hennaun Jakgbi,
Die indische Logik, Nachr. v. d. Egl Qes. d. Wies, z« OöttingeD, pbilos.-hist
Kl., IdOl, H. 4 (Oött 1902), 8. 460, nam. 8. 476 ff
■} Hnllach, Fragm. philos. Oraec Bd. 1, Paria 1860, 8. 123, t. 94—97;
H. Dieb, Die Fragmente der VorsclTatikei. 2. Aefl. Berlin 1906, Bd. 1,
8. 120; DeTB., Pannenides' Lehrgedicht, BerUu 1897, 8. 32, 38 d. 84.
i.l^. OQi
,g,c
2. Kapital. Aücemems Oesebkhte dn Logik. 21
Silo naftS ^ov ionos ...').
Wie Bich Parmeoides dies Zasammenfallen von Sein und
Denken vorstellt, ist unklar*). Jedenfalls kann, da das Sein
nach Parmenides ohne Vielheit*) und ohne Veränderung ist
und die Sinnesempfinduugen (Saxonov op/ta und ^xV^aaa
i^xopf) uns allenthalben Vielheit nod Verändemng zeigen,
nor das Denken uns die Wahrheit vermitteln, nicht die
SinneHwahmehmong. Parmenideä kam damit za einem Er-
gehnis, zn dem vom entgegengesetzten Standpunkte auch
schon Heraklit, der Vertreter der Lehre von der all-
gemeinen Veränderung des Wirklichen, gelangt war *).
Die beiden jüngeren eleatischen Philosophen, Zeno
von S I e a und Melissue*) (Blütezeit um 460
bzw. 440) haben diese ersten logisch - erkenntnistheo-
retischen Lehren inhaltlich kaom weiter entwickelt, aber
formal schärfer zn begründen versucht. Insbesondere be-
nröhte sieh Zeno dorch kunstgerechte Beweise, namentlieh
indirekte, die Einheit und Unveränderlicbkeit des Seins
nachzuweisen und trug damit zur Entwicklung der logischen
Technik wesentlich bei. Von Aristoteles soll er daher als
Eifinder der Dialektik (n^gtt^s iiaXtxttx^s) bezeichnet
worden seinO. Er vermittelt damit auch den Übergang za
der sog. sophistischen Schule (s. onten).
Die atomistische Schale (Leacippas und
*) In der nreiteii Zeila vermutet Ih. Bergk: .ml' if fif i (nur if
Uimt.* (fOäne phildog. Schiiften. Halte 1886, Bd. 2, B. 81.)
*) Man hat anob behanptet, daB Pannenidee bereHa das IdeotititspriDäp
■u^esteQt habe, und sich anf den Vera berofen: jr^q li Uynr n rsrfr t*
fir t/t/urmt (Hollach 1. c. 43), indem man überBetite: nötig ist dies m sfgea
und lu denken, daS das, -was ist, ist Ea sduint mir jedeoh viel näher m
li^en, mit Diels (fngm. d. ToraokratilEer, 2. AoU^ Bd. 1, S. 117) in über-
setzen: „. . . dafi nnr das Seiende existiert" (nicht aaob das fi^dir), womit
die Beziebong iiud Identitataprinzip sehr in die Feme rückt Tgl. aaob
Dieb L c 8. 116, Z.21.
*) TgL jedoch Zeller, Die Fbilosopbie der Qiiecben. i. Anfl. Leipiig
I8T6, 8. DI6 ff.
*) Siehe Bext Empir. Adr. mathem. TU, 1S6 (ed. Bekker B. 218).
VVgl OHner, Arch. f. Oesob. d. PhDoa. 1891, Bd. 4, E 12 u. A. Pabst,
Be MeliSBi Samii fragmentis, Bonnaa 1889.
*) Bei Diogenes I^ert., De dar. pbiloe. vit Till, 57 d. IZ, 26 (ed.
Cobet S. 217 n. 233).
Og\Q
22 T- 'Fbü- Abffrenzuag und allgemetne G«3chichte der Logik.
Bemocritus) scheint die Logik nur wenig berücksichtigt
zu haben. Bemerkenswert ist nur, daß die Bedeutung der
Wahrnehmong für das Erkennen von den Ätomistikem
wesentlich anders eingeschätzt wurde als von den Eleaten.
Dies et^ibt sich schon daraus, da3 erstere für das Empfinden
(Biff*j/tf6/s) und das Denken (ro^asti) den gleichen und
zwar körperlichen Ursprung ihe^otmesi^ xov aufiaros) an-
nahmen *). Allerdings erklärt Demokrit (geb. um 46K)) aus-
drücklich, daß die Sinnesempfindungen nur eine dunkle*)
Erkenntnis (y*"^M tncoti^^ vermitteln und nur das Denken
CK»'»'©*«) durch seine Forschung (C^^ffig) au£ Grund von
i.öyot zur echten Erkenntnis (Ywöfiii yi^aiii), nämlich zur
Erkenntnis der „Atome", die zu den votirä gehören, führe ").
Indessen scheint er doch im Gegensatz zu den ^lesten die
Sinneeempfindungen als den notwendigen Ausgangspunkt
des Erkennens betrachtet zu haben *').
Die Sophisten") haben — im Gegensatz zu ihren
erheblichen Verdiensten um die Erkenntnistheorie — die
wissenschaftliche Logik nur in zwei Sichtungen wesentlich
gefördert. Erstens bildeten sie die logische Technik im An-
•) Tgl. z. B. Joaoii. titobaeoB, Florileg. ed. Ueineke, Bd. 4, 8. 233 (ü,
25, 12): ..^vxuinor, änfieitqätiie (=^ JtiftSxqinc) W ah^iatK xbJ tAe
*) Zellar (Arch. f. Oescb. d. Fhilos. 1892, Bd. 5, S. 444) macht es sogar
sehr wahrscheinlich, daß bereits Lenoippus „die bloBe PhänomeDalität der sinn-
lichen Qualitäten der Dinge" gelehrt habe. Er stützt sieh dabei auf Aetios,
De ploc. philos. IV, 8, 9 : ol ftip äUoi tpvvu rv miaS^ja, Jtmtmnot ii, Jt/fii-
Fnigm. d. Tarsoknäker, 2. Aufl., Bd. 1, Berlin 1906, 8. 349).
"0 Vgl. Beit. Em[«r. Adr. HkÜi. TU, 139 u. 140 (ed. Bekker S. 221).
Siehe auch Natorp, Ardi. t. syst Pbiloa. 1688, Bd. 1, S. 348 a. O. Hart, Zoi
Seelen- n- Erkenntnialehra des Demokrit. Oymn.-Pr<^. Uülhanaen i. E. 1886.
") £)ne gans bestimmte wndeutige Bel^stelle für diesen Satz kann idb
allerdings nicht anführen, er soheiot uch mir jedoch ans der gauien Lehre
Demokiits mit Notwendi^eit la ergeben. Dagegen hat Aristoteles si^er mit
Unrecht dem Demokrit die Lehre zngeschiieben, dafi die sinnlichen Eischei-
aongan als solche das Wahre seien (i« ii^9it iZkm xi vMt«/if»wi> in De
anima A, 2, Akad. Ausg. 404 a, 28). VgL ZeUer I. o. S.822; Natorp, For-
schungen znr Geschichte des Eikenntnisproblems im Altertum. Berlin 1884,
a 164S,; Ad. Bri^er, Hermes 1902, Bd. 37, 8. 56.
") VgL namentlich H. Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, 2. Aofl.
Berlin 1907, Bd. 2, 1. mifte, 8. 524 C. o. Th. Ocmperz, Oriech. Denker, Bd. I,
Leipzig 1896, 8. 331—396.
i,Cooglc
2. K&piM. Aflgemeiiie Geschichte der Logik. 23
schlnB an Zeno fa. oben) weiter ans "), und zweitens lenkten
ae ge^DÜber der meistens einseitigen naturphilOBophiaohen
Kichtnng der älteren Schnlen dnrch stärkere Betonung der
Subjektiven Bediuarnogen der Erkenntnis das philosophisclie
üntereese direkt anf Erkenntnistheorie nnd Logik bin. Aller-
dinga bedingten beide Momente zugleich auch die Ausartung
der damaligen Philosoph!«, weiche dem Namen Sophistik
seine üble Nebenbedeutung gegeben bat. Aus der sub-
jektiven Bedingtheit der menschlichen Erkenntnis schlössen
die Sophisten, daß es überhaupt eine von den wechselnden
Meinmigen des einzelnen Mensehen unabhängige Wahrheit
Hiebt gebe. Die Übereinstimmung des Denkens mit den Tat-
aachen und mit sich selbst (vgl. ^ 1) verlor ihre Bedeutung.
Gä kam nur noch darauf an, die Meinung des Einzelnen zu-
gunsten eines beliebigen Satzes zu beeinflussen. Die hohe
Aosbildong der logischen Technik bot hierzu die wirksamsten
Mittel und verführte geradezu zu einer solchen Überredungs-
philosophie. So erklärt sich auch das enge Verhältnis der
Sophistik zur Bhet«rik. Die Redekunst mußte die loglacbe
Technik bei dem Überreden unterstützen. Während bei
Protagorae noch das erkeantnistbeoretiech-logische
Interesse überwog, war Oorgias (einige Jahre vor Prota-
goras geboren) der Qauptvertreter der rhetorischen Bich-
tnng. Übrigens stiftete letztere wenigstens insofern einigen
Kotzen, als die Buchungen der Logik zur Sprache mehr
Beachtung fanden. Namentlich hat Prodikos (geb. am
460 — 465) durch Untersuchung der Bedeutungsunterschiede
sinnverwandter Wörter diese wichtige Hilfswissenschaft der
Logik begründet").
Die gefährliche, auf den überredungasieg zielende und
der Becbthaberei, oft auch dem Geldgewinn dienende Bich-
tong der sophistischen Logik wurde durch Sokrates und
Plato mit Erfolg bekämpft und die neu errungene logische
Technik in den Dienst einer lauteren Wahrbeitsforschong
g€6teilt. Sokrates") selbst (c 470—399) hat namentlich
"> Frotagoias <geb. nm 460) aoll sogar eine Hxi"i iftmiiM' v«rfkttt
hibeo, vgl. Diogen. Laert, De vitis IX, 55 (ed. Cobet S. 240).
") Tgl. I. B. AiistoteleB, Top. B, 6, Akad. Ansg. 112 b, 21 u. Plato,
Idch« W D a. Chanoidea 1Q3 D.
") Tgl. Heinr. Haier, Sobatee, sein Werk und seine geschieht). Stallaog.
Tatöngen 1913, namentlich & 262 ff. o. 358 S.
ih,Cooglc
34 I- Teil. Alwreazung und allgemeine Geachichte der Logik.
in drei Bichtnngen einen maßgebenden EinflnS anf die
weitere Entwicklung der {rriechischen Logik gehabt. Erstens
betonte er im Gegensatz zn den Sophisten den Wert einer
objektiv gültigen, von den wechselnden Meinungen un-
abhängigen Wahrheitserkenntnis — Intot^ft^ gegenüber der
iöia, wie man es später aTisdrückte ") — , der er sogar das
sittUotie Handeln unterordnete. Zweitens legte er — in
übereinstinunnng mit den Sophisten — dem Philosophieren
prinzipiell die Definition der allgemeinen Begriffe (vi
äfit^a^at xa^öXov oder StaXiyetv *€na y^l^^ zugrunde
und stellte damit die Bedeutung der Logik für die Philo-
sophie für alle Zeiten fest. Drittens fährte er die Methode
der inaxuxol Xöyot zum Zweck der Feststellung der all-
g^emeinen Begriffe ein*"). Wenn man ihn im Hinblick
hierauf zuweilen geradezu als den Begründer der induktiven
Methode bezeichnet hat"), so ist dies allerdings nnriehtig;
denn die Methode der inaxttxoi löyot bestand im wesent-
lichen nur darin, daß durch zweckmäßig gewählte Bei-
spiele und Analogien {aanaßolaf) der PhiloBophierende
sich selbst oder seinem Zuhörer zur Klarheit über die All-
gemeinbegriffe verhalf. Eine methodische Ableitung der
letzteren ans umfassenden Beobachtungen ist noch nirgends
za finden. Mit der Methode der irtax.vt*oi löyoi hing es
auch zusammen, daß Sokrates — wie Zeno von Elea und die
Sophisten — das <f*a<U)'G(r#af, das philosophische Gespräcfa, als
Hauptweg zur Erforschung der philosophischen Wahrheit
betrachtete. Ln übrigen ist die Bedeutung des Sokrates für
die Logik, da er sich anscheinenti fast ganz auf ethische
Untersuchungen beschränkte, nicht erheblich.
") TgL ZeUer 1. c. 8. 107, Anm. 1.
>') Vgl. Döring, Anh. f. Gesoh. d. PhUos. 1892, Bd. 6, a 186.
"} Das iweite und dritte Homent dieser AofEählnDg wini Bohon von
Aristoteles als das Haaptreidienst des Sotiatefi bingestellt: .ifM fä^ tat»,
sa^JUv . . .■ (Metaphjs. M, 4, Mad. Ausg. 1078 b, 27). An anderen Stellen
wird übrigens not das zneite UomeDt erwähnt (Metaph. A, 6, Akad. Ausg.
987 b, 3 u. M, 9, Akad. Ans. 1066 b, 2). Aaoh Xeoophon (Hemonb. IV, 6, 1
und IV, 5, 12) bebt liB das Hanptbeetieben dee Sokratee her?or: ,4t»}ifyu»
Kmtm yir^ rä xfäyfita« rati «avmtp, rt tuanof lEi r£v Srzmw.'
**) Vgl. t. B. Chr. Aog. Brandis, Handb. d. OeMh. d. griech.-üfim. Philoe.
U, 1, Beriin 1844, S. 490.
n,g,t,7l.dM,GOOglC-
2. Kapild. ADsemeine GocbkMe itr Lo^ 25
Unter den lokratiaolieii Schnleo hat die oyrenaisohe {Lti-
itippae) (ii die Logik niobts geleistat Die oyniaohe bat aioh unter den
fiofloB ihres ßtiftsn Antisthenes**), der aeitwose anch SchnleT des
Oopaa geweeen war, ebeiseits wieder der sophistiacheD Methode geidhwt
D)d «ndereiseita die aokratisc^e DeBnitionsniethode verworfen. Die lo^aofae
Stepeia dea Antiathenee gipfelte in dem Satc, daS jede üttnlaverknüpfniig
nrmr AÜKemeinbegriffe onznliseiK sei; man mässe aidi auf identiaofae Kttie,
TO „der Hoisoh iat «in Uenach", beaohiinkea "). Ob er auf Orund dieser
lehre alle DefinitioneD verwarf oder nur die DefinitioDen einfacher Be-
griffe fOr tumögüoh eikUrt, ist zwedfelbaft Die megariaohe Schnle**)
(Satlides) vereinigte sokntiache nnd eleatiaclie Lehnn, anseheineDd sdileS
lie nch nun Teil aach den Sopbiatan an. Für die WeiterentwioklnDg der
lapk hatte sie mnichst keine Bedeotang. Die spftteren Megariker —
labalidea, Diodorns (Krouoe), Philo (Dialecticiis) a. a. — tmgen
Bamantücb mr Entwicklang der Lehre von den Tragsohlüssen bei. — Die
eliioh-eretrische Schnle (Fbaedo, Henedemns) scheint in ihren
io^tcheu Lehren dem Antiathenes nahe in stehen").
Ungleich größere Bedeutung als alle die soeben aaf-
8«zälilten sokratisehen Sehnlea hat Flato'*) (wahrschein-
hch 427—347) für die Eutwickltmg der Logik. Plato hat
nicht nnr die sokratische Methode der Begriffsbestimmung
") Ang. Wilh. Tfinokelraann hat die Fragmente dea Antistheoes faeiana-
Segeben (Antisthenis fragmenta, Tnrioi 1842). Sdir eingehend wird AntiatheDee
in dem Werk Joels, Der echte and der xeiwpboDtiaGbe Sokrates, Berlin, Bd. 1,
1893, namentlich S. 302, u. Bd. 2, 1901 behanddt, er wird jedoch hier ertieb-
Hdi flbetachttzt S. aaoh Oilleepie, Arch. f. Qeaoh. d. FhUos. 1913, Bd. 26,
9.479, n. 1914, Bd. 27, a 17.
*■) V^ Plato, Sophist 2S1 B. Aach die Angaben im IleAetet 201 E,
andEothTdem 2KSS. belieben sich wahrscheinlich ant Antietbenes. Biehe anob
AriatateleB, Hetaphya. D, 29, Akad. Anag. 1024 b, 32.
**) Tgl. nameotL Praatl, Oeschiobte der Logik im Abendlande, Bd. 1,
Leqaig 1855, aSSff.
■) Vgl PranU L o. S. 57f.
") PUtos It^pscbe Lebren behandeln n. a. : Paal Natorp, Flatos Ide«i-
Idire, £ne Einfühmng in d. Idealismus, Leipdg 1903; Nioolai Eartmaao,
Ratos Logik des Seins, Oohen-Natorps Fbilos. Arb. Bd. 3, Gießen 1909, namenÜ.
8. US ff. und 447 ff. ; Vincemty Lotoslawski, Origin and growth of Platoe legis,
London, New Tork, Bombay 1897, namentl. B. 363—471 u. 517 ff. ; Wilh.
Tindelbaad, PUton, Stuttgart 1900, oamentL B. 65 ff.; Heinr. Maier, Die
Syllogistik des Aristoteles, Täbingeo 1900, Tei) 2, Abt 2, S. 23— fi6; M. AJteo-
h^, Ke Metiiode der Hypothesis bei Plato, Aristoteles, Plotin, Bisa. Marburg
190G; P. Oohlke, Die Lehre T<m der Abstraktion bei PItto und Aristoteles,
Halle 1914, S. 13 ff.; W. v. OoUer, Die analytische nnd synoptische Begrifb-
Udnng bei Sokrates, Platon d. Aristoteles, Diss. Heidelberg 1913, 8. 16.
26 T. Teil. Abgrenzung und allgemane Geachkhte der LoplL.
weiter entwickelt und auf daa G esamtgebiet der Philosophie
angewandt, sondern aach wichtige neue Methoden der Logik
— vor allem die Division — zum erstenmal wissenschaftlich
ein- und durchgeführt. Die platonische Logik steht in eng-
stem Zusammenhang mit der Metaphysik und Erkenntnis-
theorie. Nach Plato kommt dem Allgemeinen eine besondere
Wirklichkeit zu, die von derjenigen des Denkens und der
Sinnendinge verschieden ist und sich also mit dem S. 15 er-
wähnten dritten Sein der „Vorstellungen an sich" usf. hei
modernen Logizistikem im wesentlichen deckt. Dies All-
gemeine wird als sldog oder ISia, seltener als ßo^y^ be-
zeichnet. Jedem Allgemeinen (jeder Gattung bzw. Art) ent-
spricht eine ,Jdee""). Von dem Sein der Dinge sind die
Ideen ganz unabhängig: sie sind „ovffitu xaSöXov'^ „xn^tfral
TÜv xaS' %xaavov" ^'^). Die Dinge als solche haben überhaupt
kein wahres Dasein, sondern nnr insofern sie an den Ideen,
teilhaben (ßi9sS*s}- Die Sinneswahmehmung kann aus
daher auch die Erkenntnis der Ideen nicht verschaffen, son-
dern uns nur Gelegenheit und Anlaß geben, die Ideen durch
das reine Denken {vöiiatg, Xoyta/tol) zu erfassen. Im Hin-
blick auf eine frühere Existenz der Seele kann dies Erfassen
der Ideen auch als eine Wiedererinnemng (öfor/H^fftc) be-
zeichnet werden.
Das Denken selbst (vö^ctg) vollzieht sich in zwei Stufen,
einer niederen, der iiävota, die noch an Voraussetzungen ge-
bunden ist und nicht zum Anfangsgrund («^ z<f) Selaogt, und
einer höheren, der intax^ft^. Der vö^aK stellt Plato die Sota,
die bloße Meinung gegenüber, die dem Irrtum ausgesetzt ist
**) Die Auffassung der platonischen Ideenlehre ist noch immer ia
vielen Funkten stritlis. Seit Lotze und namentlich seit den Arbeiten Natorpa
und seiner Schüler ist man vielfach zu der Annahme geneigt, daB Plato den
Ideen keine metaphysische, sandem nur eine logische Realit&t habe zu-
schreiben wollen. Insbesondere sucht Natorp für die späteren Dialoge nach-
zuweisen, daB Plato unter den Ideen nicht Dinge, sondern „Erkenntnis-
funktionen" verstanden habe (vgl z. R L c ä. 26^ 283^ Siehe aDdieT3eits
H. Gomperz, Arcb. f. Gesck d. Phitos. 1906, Bd 18, Sl U\. Ich selbst bin
Oberzeugt, daB Plato die beiden Deutungen selbst nicht strentg und konsequent
auseinandergehalten hat
M) Aristoteles, Uetaphys. M, 9, Ak&d. Ausg. 1086 a, 33. Natorp ist allw-
dingB überzeugt, daB Aristoteles hier seinen Lehrer mißverstanden bat und
Plato eine ao scharfe Trennung nicht oder wenigstens nicht stets gelehrt hat
(L c. z. a s. aM u. 366 fr.).
OC^IC
2. Kapitel. AllKemeiiie 0«8chicht« der Loflk. 27
Ditd ihrerseits in tixaela (Vermutung:) und nict$g (Olaaben)
wrfällt").
Die logische Methode, velche nach Plato allein befähigt
ist zur Erkenntnis der Ideen zu fähren, wird von ihm in
prägnantem Sinn als SiaUyta&eu (iuxlexrtx^ fi6&oSo() be-
ffiiohnet. Die dialektische Wissenschaft {AaXsxttx^ hriinij-
p^) hat es daher mit der Peetstellnng der Allgemeinbegrifle
lu ttm, dem Sutxfhetv xata yivos "). Freilich tmterseheidet
dabei Plato nicht immer scharf zwischen der Methode dieser
Feststellung and der Wiss^iachaft dieser Methode einerseits
nod der Wissenschaft von den Ideen selbst andrerseits**).
Unten wird sich ergeben, daß man später die BezeiehnaDg
,^alektik" gewöhnlich für die Wissenschaft der Methode
— also etwa die Logik in unserem Sinn — verwendet hat.
Pör Plato fiel die Logik mit der Erkenntnistheorie und
Uetapbysik noch ganz in der Dialektik zusammen.
Im Mittelpunkt der dialektischen Methode steht zu-
nächst, wie bei Sokrates, die Abgrenzung der Ällgemein-
b^friffe oder ovvaytor^*"). Diese stellt in dem Vielen der
Sioneserfahrung das G«mein8ame (rä xotvä) fest und gelangt
30 von dem Vielen zu dem Einen oder Allgemeinen (rtoXXä —
h). Hierbei versteht es sich von selbst, daS alle zufälligen
Merkmale ans der Begriffsbestimmung (S^o;) ausscheiden und
nur die Gesamtheit der wesentlichen, bleibenden Eigenschaf-
ten, die oiaia das Ziel der Dialektik ist (das citfo; avtö). Zu
diesem synagogischen Verfahren kommt aber gewissermaßen
im Sinne einer Gegenprobe die Zerlegung (Einteilung, Divi-
Non) oder Stai^et;, welche das Allgemeine in der Stufen-
leiter seiner Besonderungen durch Hervorhebung aller
unterschiede {StagioQat) bis zum Einzelnen wieder zurück-
verfolgt.
Ancb die awaytoyi^ Piatos ist alles andere eher als eine
Induktion im Sinne der modernen Logik. Wie bei Sokrates
liandelt es sich nur um eine geschickte Verwertung aus-
erlesener Beispiele, nicht um eine systematische Sammlung
and Verarbeitung aller zugänglichen Beobachtungen. Eine
«) RepqbL 611 Aft, «6 DU. u. 688Eff.
**} Sophist 258 E. Ebenda 2580; ««i<< ytvn iuu^ta^at.
") Vgl Phileb. fiSA, wcwelbst Toviiif ta der Regel sul die Dialektik
bnocBD winL
**) VsL niMdrus SeeB u. 26ÖD (,«fr /itev IHar avroemna Sytnr ta
**U>7Ä ittnmffiiya*).
„.,,,:, I^.OOglC
2g 1. Teü. Alvniinuis und aUseiDeine Geschichte itx Logik.
Kontrolle für die Richtifirkeit dieses synagogischen Ver-
fahrens bietet die Priifnng der sich aas einer probeweise auf-
gestellten (hypothetischen) positiven oder negativen Begriffs-
bestimmnng ergebenden Folgerungen (ra evftßaivovra Ae %^c
vno9iasms) "), eine Methode, die offenbar nnr anf eine Er-
weiterung der schon von den Eleaten geübten indirekten
Beweiamethode (vgl. S. 21) hinauslief. Die itaiftOK der
Platonischen Dialektik hat man mit einigem Recht mit der
Deduktion im Sinne der modernen Logik verglichen. Zu-
nächst bedeutet sie allerdings nnr eine Zergliederung des
Allgemeinen in seine Gattungen und Arten (Tiftveti' xavd
Hilfl, xst' ä^&ffa) anf Grund natürlicher unterschiede, ent-
spricht also etwa der Einteilung oder Division der späteren
Logik "). Da indessen diese Enteüung vielfach über einfache
BegrifFsbestinunungen hinausgeht and sich zu einer ganz all-
gemeinen- Herleitnng des Einzelnen aas dem Allgemeinen
-.ausgestaltet, so kann man in der Tat in der JuUetats auch
den ersten Keim der späteren Deduktion erblicken.
Die oben erwähnten „xofrd*', d. h. die gemeinsamen
Eigenschaften der Gegenstände, auf Grand deren wir zu den
xa^oJtov gelangen, hat Plato nicht systematisch untersucht.
Er rechnet zu denselben Sein, Nichteein, Ähnlichkeit, Un-
ähnlichkeit, Dieselbigkeit (td Tavvöv) und Verschiedenheit
(%6 iregov), aber auch Geradzahligkeit und üngeradzahlig-
keit usf. **). An einer anderen Stelle führt er „das Seiende
selbst" (t& Sv ttihö) und Ruhe {mäffts) und Bewegung als die
Ii4jtata TÜv yeväv au, alles Bemerkungen, die vielleicht als
Vorläufer der aristotelischen Kategorienlehre aufgefaßt wer-
den können.
Auf vereinzelto Ansätze zu einer Lehre von urteil and
Schluß sowie anf gelegentliche Bemerkungen über all-
gemeine Denkgesetze wird im speziellen Teil dieses Buches
hingewiesen werden. Hier sei nnr noch erwähnt, daß Flato
zum erstenmal Begriffe und urteile, wenigstens sprachlich,
zu unterscheiden versucht: eretere werden ohne Verknüpf ung
(avßnXox^), letztere in Verknüpfung ausgesprochen. Die dis-
parate VorsteUungsreihe ,4jöwe, Hirsch, Pferd" ist eine Auf-
*>) Farmenides lS6Cfi.
") Vgl. Franz Lukas, Die Methode der Einteüung bei PUton, BaUe 1868^
namentlich S. 292 ff.
») Theaetet 186 a
**] Sophist S54 D.
n,g,t,7l.dM,GOOglC
2. KapUeL Allgemeiiie QeschieUs der LofÜL 29
eiiiaiiderfolge {(rwixtta), die noch keinen ^öyog bildet Erst
Airch die Verknüpfmig von ^ftuta mit ovöjuova, d. h. von Ans-
eagewortem (Verben) mit GegrenetandswÖrtem (Sabetantiven)
koDunt ein i-öyog zustande '*). Dabei betont übrigen« Flato
ansdriicklicb, daS die reine Erkenntnis der Ideen auch von
den Worten abstrahieren müsse **).
Die älteste platonische Schule, die aos. ältere oder erste Aka-
demie, schönt nur önzelne logiache Lehien Plstos, namentlich die Lehre
nn der Bedeutung des jmitör und tii^f weiter au9geaii>eitet zu haben ").
SpenBippus [etwa SO Jahre jOnger als Flato) bat in einer nur in kleinen
BrachstUckeii erhaltenen Schrift "O/ina sich u. a, auch nnt den STnonymien,
Tautonymien und Heteronrnüea des sprachlichen Ausdrucks beschUtigt Von
Htlo weicht er anscheinend ab, indem er auch eine wissenschaftliche Knnes-
■rfahrong (inun^ftoruaf ub^ait) an er kannte"}.
§9. Die Logik des AriBtotelM. Aristoteles (384 bis
322) vird mit Becbt als der Begründer der wissenschaft-
lichen Logik betrachtet, insofern er ihr im Gegensatz zu
Flato in vielen Beziehongen eine selbständigere Stellnng
g^enüber der Met^hysik anwies nnd zum eisten Male eine
fast vollständige and systematische Darstellung der logischen
Lehren gab.
Die Icgisohen HanptweAe des Aristoteles sind: I. KtmiyfUu, 2. nifl
iffninüUf 3. 'Jralvit»* tifit*^ in zwei Büohem, 4. 'Jralwtaiä S<tif« (in
2 BöcberD), 5. Tmiw« (in » Buchern), 6. Jtguctuai tltyx»*- ^O" diesen be-
handelt das erste die Lehre von den Katesorien, das zweite die Lehre vom
Urteil, das dritte die Lehre t<hd SchluB, das vierte die Lehre von der Beweis-
Mhruns und Vom Aufbau der Wissenschaften, das fOnfte und sechste die
AigamentatioDskunat (s. unten). Erst von den späteren Kommentatoren sind
alle diese lociscben WeAs unt« dem Geaamttitel "Ögyamr (Oreaniun) zu-
aunmenielaBl worden'). Zitate werden im folgenden nach der Akademie-
Ausgabe gesd>en'), die einzelnen WaAe event. unter lateinischem Titel
") Sophist S62B.
**] Cratyl. 43SD: rtnir . . , Afvsref ftii9äi' ort« ore/i«r«r lä
") Tgl. namentlich E. Hambruch, Logische Regeln der platoo. Schiüe in
der ariatoteL Topik. Wissenach. BeiL z. Jahresbericht des Askan. Gvmnas.
Beriin 19« (Frogr. Nr. 66).
"^ Allerdings liegt hierfür nur eine nicht ganz beweiskriitiga Beleg-
stelle bei Seztus Empiricus vor (Adv. mathem. VII, 146 u. 146, ed. Bekker
>} Vgl 0. Uielacb, De nomine organi Aristotelid, Diss. Aug. Vind. 1B38,
mmwitlich S. 14. über den Geaamtzusanunenhang der Oberlieferten Weite
a Alb. Ooedeckemerer, Die Gliederung der Ariat. Philosophie, Halle 191%
Mmentlieh S. 4— £7.
*) Oberseizungen mit Sriäuterungen hat KimhnMnn in der Philosoph.
BUiatb^ verOflentlicbt, Soch sind diesriben durchaus nicht fehlerfrei.
„.,,„, ^.oogic
30 I. Teil. Aberenztmg und allgemane Geschichte der Logik.
(Categ., De interpret. usf.] aoeeführt. Auch daa apäter als Metaphysik be-
zeichnete Weifc ist eine wichtige Quelle for die logischen Lehren des
Aristoteles.
Die Echtheit dieser Werke — wenigstens in der uns jd^t vorliegenden
Fassung — istdun^aus nicht unbestritten. Beispielsweise wird die Eategoiieo-
abhandlung wohl mit Recht als nicht-aristotelisch bezeichnet'), wenn auch der
Verfasser wahrscheinlich ein von Aristoteles selbst verfaBtes gleichbetiteltes
Werk benutzt hat. Inst>esondere ist der SchtuBteil sicher unecht. Die Schrift
M^ tg/i^yflae wird gleichfalls oft fDr unecht erklärt, indes hat B. Maier
neuerdings mit triftigen Gründen die Meinung vertreten, daß es ach um eine
ecbte, aber unvollendete Schrift des Aristoteles handelt (Arch. f. Gesch. d.
Philos. 1900, Bd. 13, S. 23). Die vier Übrigen Weik.e sind sehr wahi«:lieia'
lieh echt, wenn auch im einzelnen etwas überarbeitet. Die aatpionxal tliyg»*
sind vielleicht als 9. Buch der Topik zu betrachten (Th. Waitz, Aiistotelis
Organen graece. Leipzig 18** u. 1846, Bd. 2, S. 628). Viele andere WeAe sind
uns, wie die uns überlieferten Verzeichnisse ergeben, verloren gegangen').
Zum Verständnis der aristotelischen Schriften liefern die allen Kommen-
tare von Alexander v. Apbrodisias, Simplicius u. a. manchen Beitrag (vgL
% 13). Eine Gesamtausgabe der griechischen Knnmentare ist von der PreuB.
Akademie der Wissenschaften veranstaltet worden.
Unter den zahlreichen neueren Werken, wek:he eine Gesamtdarstellung
der Logik des Aristoteles geben oder allgemein wichtige Fragen bezOgUch der
aristotelischen Logik bebandeln, seien hier folgende genannt:
S. A i c h e r , Kants Begrüf der Erkenntnis verglichen mit dem des Aristoteles,
Diss. Hallb 1907.
W. Andres, Die Prinzipien des Wissens nach Aristoteles, Disa Breslau
190&.
Otto Apelt, Beitrage z. Geschichte d. griecb. Philosophie, Leipzig 1881,
S. 101—316.
Itich. Bauch, Das spekulative Prinzip der aristotelischen Kategorien,
Wissensch. Beil. z. Prc«i. d. Gytnn. zu Doberan, Rostock 168* (eine Fort-
setzung ist 1886 erschienen).
FranzBie3e,Die Philosophie des Aristoteles etc., Bd. 1 : Logik u. Meta-
physik, Berlin 1836.
R e i n h 0 1 d B i e s e , Die Erkenntnislehre des Aristoteles und Kants in Ver-
gleichung ihrer Grundprinzipien, Berlin 1877.
H. Bonitz, Aristotelische Studien, Wien 1862—1867 (auch Sitz.-Ber. A.
S. Ak. d. Wiss. zu Wien, Bd. 39, *1, 4^ 53 u: 66), — Ders., über die
Kategorien des Aristoteles, Sitz.-Btr. d. K. Ak. d. Wiss. zu Wien 1853^
Bd. 10, S. 591.
Chr. Aug. Brandis, Abb. d. Berl. Ak. d. Wiss. a. i. J^j 1883, BerLn 1835,
S. 2i9 (Reihenfolge der Schriften).
*) Vgl. Dupr£el, Ariatote et te tndtg des catägories, Arch. f. Gesch. d.
Philos. 1909, Bd. 22, S. SSO. Siehe auch unten g 13 u. i*. Gegen die
Echtheit sprechen sich auch Gercke und Gohlke (L c. S. 61) aus, f 0 r di»
Echtheit (mit Ausnahme des Schlufiteils) H. Haier, L c. TeU I^ % S. 201,.
•) Vgl. Prantl I. c. S. SS, Anra. a
n,5,t,7rjM,G00glc
L Kapitel. AJlgeiDeiDe G«scbicb(e der LoRik.
Fraoz Brentano, Die Psychologie des Aristoteles usf., Mainz 1867. —
Den., Aristoteles' Lehre Tom UispniDg des menschlichen Geistes, Leipzic
1911 (tOr die aristotelische Auffaasuns des »irer wichtig).
Giuseppe Caldi, UelodoloKia senerale deU& interprelazioDe scientifica,
Vol. 1 u. 2: La logica di Aiiatotele, Torino-Palenno. 189S u. 18ft*.
lad. Enden, Die Uetbode der uislotdiBchen Forschving etc., Berlin 1872,
S. 19—66.
Altr. Gercke, Ursprung der arislotel. Kategorien, Arcb. f. Gesch. d. Fhilos.
1891, Bä. *,S. &i.
FanlGohlke, Die Lehre von der Ahstraklion bei Plato u. Aristoteles, Abh.
z. Philos. u. ihrer Geschichte Nr. 44, Halle 1914.
W. r. G 0 B 1 e r , Die analytische u. STUoptiache BegriSsbildung bei Sokiates,
Hito n. Aristoteles, Diss. Heidelberg 1913, S. 66 ff.
FL Gamposch, Ober die Logik u. kw. Schriiten detf Aristoteles, Leipzig
1839.
Lor. Haas, Zu den lo^achen Formalprindpien des Aristoteles, Progr. d.
Studienanst. Buighausen 1887.
Georg T. Hertling, Materie u. Form u. die Definition der Seele bei
Arist, Bonn 1871, namentlich S. 31 fi.
flerm. Hettner, De logices Aristotelicae spaculativo principio, Dias.
Halae 1848.
CarlL.W. Heyder, Kritische Darstellung u. Vergleichung der Methoden
.Aiisloteliscber u. Begelscher DialAtik etc., Bd. 1, AbL 1, Erlangen ISU,
S. 131 fi.
i. Baith61emy St.-Hilaire, De la logique d'Aristote, 2 Bde., Paris
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187% namentlich S. 158 fi.
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Beriin 1877, namentlich S. 1 fi. u. 460^ Der Aulsalz über die Kategorien
ist schon im Ruhrorter Programm 1874 abgednx^
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(Urteilslebre), a Teil 1900 (Lehre vom SchluB u. Entstehung d. aristo-
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und als Propädeutik zu einer' neuen Theorie des Denkens dargestellt,
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phUosopbiae fundamento interpretatua est, Heidelberg 1886.
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Uünchen 1^3 (Ges. Bd. 18ä&), & 129 (Bedehung zu Flato).
Herrn. R&ssow, Aristotelia de notionis deflnitione doctrina, BeroL IStö,
Wilh.Scbuppe, Die arislolel. Kategorien, Berlin 1871 (auch Grmn.-Frogr.
Gleiwitz).
H. Steinthal, Geschichte d. Sprachwissensch. bei d. Griechen u. BömerD
mit bes. ftOcksicht auf die Logik, BerUn 1863, SL 179—368 (2. Aufl. Berlia
1890, 1. Teil, s. iaa-e7i).
Charles Thurot, Etudes aux Aristote, Paris 1860, S. llSfl.
Fr. Ad. Trendelenburg, Elementa logices Aristoteleae, BeroL ISSS
(1. Aufl. 1852, 9. AutL 18B3). — Dera, Erläuterungen zu den Elementen
der aristot Logik, Berlin 1S42 (3- Aufl. 187^. — Dera, De Aristotdi»
categorii^, mun. prof. prolusio ex instit acad. Berol. 18331 — Dera., Histor.
Beiträge z. Pbilos., Bd 1, Berlin 18(6, Geschiebte der Kategorie niefaie.
S. 1—196.
Th. Waitz, De Aristotelis libri »(^ Ifft^riiw cap. decimo, Harburg 1844.
J. Wataon, Aristotle's posterior analytica, Fhüos. Review 1904, Bd. 13, S. 1.
R. Witten, Die Kategorien des Aristoteles, Arch. f. Oescbl d. Pbilos; 1904,
Bd. 17, S. 52 (auch Dias. Rostock).
K. Wotke, Quellen der Kategorienlebre, Serta Harteliana Wien 1896, S. 33
(dem Verf. nicht zug&nglich).
Für Aristoteles ist das Allgemeine (tä xa^ölov, %ei
xotvä) nicht, wie fOr Plato, aufierhalb des Einzelnen
(naffä td jioXXa), sondern in diesem (xatd noXXiöv) gegebec.
Das Einzelne (Individuelle, »a^htanop) ^ ist ein Zusammen-
gesetztes ievvoXov) aus dem sl3os (auch fiOQfp^ oder Xö/og
genannt) und der SXii (vgl. z.B. De anima B 412 a u. 414 a).
Die Sl^ — deutsch meist mit „Stoff" (materia) übersetzt —
ist nur fähig zu einer bestimmten individuellen Existenz
{oTTtf Sv) gestaltet zu werden, sie ist nur ftSvapie (Potenz).
Das «Woc — deutsch am besten mit „begrifflicher Form"
(PranÜ) wiederzugeben, lateinisch species s. forma — ver-
wirklicht die bestimmte individuelle Gestaltung und
wird daher geradezu als ivttXixeta oder Ivi^yeta (Aktuali-
sierung) bezeichnet Das eUos stimmt mit der platonischen
Idee überein, insofern es stets ein Allgemeines (xawä nav-
«d£, xa&iXov) ") ist, unterscheidet sich aber von ihr, insofern
*) Allerdings braucht Ariatoteles diesen Terminus a^cb fQr das weniger
Allgemeine (vgl. Qohlke S. 71).
•) Wie Frantl L c- S. 131 zu zeigen versucht, bezeichnet .««iri ««»»«"
dia Allgemeinheil, dagegem saMJav die AllgenKinbcit in Vertiindung mit dena
,a«y «vtö*.
2. Xipitel. AUgemnne Oesobiohte der LogiL 33
es nur in dem Einzelnen, welches von ihm aus der vi^
gestaltet wird, wirklich ist Vgl. Zeller, L c. ill, S. 340.
Die Mt) zeigen untereinander verschiedene Stufen der
Allgemeinheit Daher kann auch ein und dasselbe in der
eineD Beziehung vX^, in der anderen tlios sein. So wird
es verständlich, dafi Aristoteles von einer n^^ür^ Sl^ und
einer iaxär^ H^ spricht Die obersten eiS^ sind jedoch
nicht etwa die Gattangen (yi»^), sondern seltsamerweise
beschränkt Aristoteles die eti^ auf die begriff Uchen Art-
formen. Dio yiv^ entsprechen, insofern die Differenzierung
hier noch auf einer allgemeineren Stufe stehen geblieben
ist, der undiSerenzierten vlti- Daher stellt er zuweilen die
yivj den etJ^ geradezu als vXij gegenüber. Die Unterschiede,
durch welche die liJij sich aus den )^*^ differenzieren, sind
die itaytoQai el6onotai (differentiae speciücae), und daher
nennt Ä. die ^ivi} „dqxal xüv ilSüv^' und erklärt ausdrücklich :
„ix toS yivovs xal tw» itagioqtSv fä eW»?" (Metaphys. 1057 b, 7) ').
Woher die ita^onal selbst stammen, bleibt unklar. Bald
erscheint das tidag als die Ursache der dta^o^ai, bald als
ihr Produkt {?), bald als mit ihnen identiscli (Metaphys.
1038 a, Top. 143 b u. a. m.). Jedes eiSos bestimmt das An
sich (vä xa»' avto) des von ihm verwirklichten Einzelnen,
d. h. seine wesentlichen Merkmale {avfißeß^xota xa9' uvtä)
und — nach späterer Auffassung — einen unveränderlichen
bleibenden Träger derselben^). Woher die unwesentlichen
*) Die unklare Doppelstellung, welche somit dem arislotelischen Beeriff
d« fttf zukommt, scheint mir noch nicht ganz ausreichend eewQrdift worden
m jdn. Wenn man mit Prantl (I. c. S. 829 u. 236) u. a. der aristotelischen
GattniK auch ein „stoECliches Sein" im Gesensatz zur .^begrifflichen Form"
deg üAie zuschreibt, so ergeben sich für die aristotelische Lehre drei total
verschiedene Dillerenzierungen ; eine SelbstdiSereii zierung der vi^, welche die
vnsehiedenen Gattungen herrorbringt, eine von der „Natur" {nupvöc) der
Gtttuagen abh&ngige Differenzierung der Gattungen ii^ ttif? und eine — ge-
«isEermaflen rtk:klaufende -:- Differenzieruns der v^ii tiurch die OSn- Der
Gedanke, den Dualismus zwischen v^ und tUi/ und diese drei Differen-
narongeA durch die monistische Lehre einer fortschreitenden SelbstdiUereu-
zienuig der Siii zu ersetzen, lag Aristoteles ganz fem. Vgl Ober diese
Sehvierigkeilfn auch Gohlke 1. c. S. 81 u. Hertling 1. c. S. 46.
*) Wie «eit Obrigeiis Aiistoteles selbst neben der Zerlegung in (/^bc
lud vjif eine solche Trennung des «a^* 'iri und dunit der o^ata in einen
kenaluiten, selbst eigenschaftslosen, aber die wesentlichen und unwesent-
üebeo Eigenschaften tragenden Träger (Substanz im s(iäleren Sinne) und die
wegeDÜieben Eigenschalten gelehrt hat, ist sehr zweifelhall. Jedenfalls fehlen
tür beide spezielle, konstante und eindeutige Bezeichnungen. Strenggenommen
Ziiliii, 'Lakcbuch dsr Ix«ik. 3
„.,,„, ^.oogic
34 I- Teil- AI^TeDiang and oUgammne Geschichte der Lo^.
Merkmale, das zufällige avfißtfi^xis*) des Einzelnen kommt,
wo die Grenze zwischen den weseutlicheD und den im-
vesentlichen Merkmalen liegt, und wie die Vervielfältigung
eines sUog zu vielen individuellen Substanzen {also die
sog. Individuation) zu denken ist, hat Aristoteles in den
uns erl^iltenen Schriften nicht mit ausreichender Klarheit
erörtert.
Das Einzelne («o'dc vi) bekommt, indem es von dem
zugehörigen sJios in der Sit} gestaltet wird und das xaS^
ttito dieses e/<fo; übernimmt, damit eine bestimmte Wesen-
heit {ovtria, substantia) aJs icxatov slSos (De part anim.
644 a, 23). Diese somit unmittelbar vom eliog abhängige
wesentliche Bestimmtheit wird von Arist zuweilen auch füs
„To %i iaxt" oder auch, insofern sie dem zugrunde liegenden,
kennt er beide nidit einmal im losischea Denken, weder im Uriul noch in der
DeflnitioD. Im Urteil unterscheidet er allerdings daa Subjekt, das üna>cf|Uo«r
und die Piidikate, die xat^tfutifiivti und teilt letztere in wesentliche, die
ttaii i»v vanxti/ilyov., und unwesentliche, die if iip imanufiirif ausgesagt
werden. Indessen ist hier das Subjekt offenbar nicht ein eigenschaflsloser
Träger, sondern die vollständige oi«l<t (= il<bt -1- ^^)- Übertr> man also
lemiS dem allgemeinen aristotelischen Parallelismus zwischen Sein (thiai)
und logischer Aussage (MmtiJYoqita»at) den logischen SubjAtbegrifi in das
Onlologiscbe, so erhält man die oötfte. Eljenso wQrden den wesentlichen
Pridikaten ^xnt^e^fitfa xatä . . .) einerseits die yirit^ andrerseits die
Asfiopai tUimtiol entsprechen, da beide als Prädikate ausgesagt werden
können, wobei die illegal Moatui von den M^ abhängig zu denken
sind und bei Aristoteles nicht immer streng von ihnen unterschieden werdm.
Den unwesentlichen Prädikaten {Kaitiyoqoi/iii'v ir. ..) würden ontologisch die
unwesentlichen avftfitpiineta entsprechen. Auch bei der ontologischen Über-
tragung bleibt also für einen eigenschaftslosen Träger kein Platz. In der Tat
braucht daher Aristoteles ontologisch die Bezeichnung meKd/iamf bald for die
eiaüt, bald — minder korrekt — für die ,viii (vsL Metaphjs. IC^ a, lOtöa.
lOät b u. a. m.), fOhrt aber nirgends — v>edet logisch noch ontologisch —
ein reines Subjekt odc eine reine Substanz ein. Dadurch, daß A, noch über-
dies nicht selten das Wort eMa auch fOr (JAr braucht (vgl. unten S. 36,
Anm. 10), ändert sich hieran nichts. Erst viel spater trat die Spaltung des
«rffff«- Begriffs in die reine substantia und die aus den Wesenseigenschaften
bestehende essentia ein. Vgl. auch Gohlke I. c. S. 78 ff.
*) Der Terminus ao/iflißii'ii (accidens) hat bei Aristoteles eine drei-
fache Bedeutung. Erstens bezeichnet er das zufällige, d. i. unwesentliche,
nicht notwendige und daher nicht immer vorhandene Meitonal; zwdtens be-
zeichnet er das wesentliche, notwendige, stets vorhandene MeAmal und
wird dann oft genauer formuliert als mtftfi*p^*ie xttS^ avtä (fast identisch
mit lAsr biw. Üion nä^os); endlich drittens wird er für das Merkmal Ober-
haupt gebraucht.
OgIC
2. Kqritol. AUgemeinp Oeechicbte der Li^k. 35
gewissermaSen (I) zeitlich früheren slSog entspricht, als „t6
tj fv iivat" bezeichnet (=■ ovaia arev vl^s) ")■
Za der kausalen (verwirklichenden) Beziehung der *t3^
za den einzelnen Dingen, wie sie in allen diesen Lehren
bervortritt, kommt nun weiterhin eine finale : die individuelle
Wesenheit ist zugleich das Endziel (riXas) des Verwirk-
liciiungsprozesses des «U05. Mit eioer nicht ganz einwand-
freien Verschiebung der Begriffe kann dann auch das alioe
selbst nicht nur als Ursache, sondern auch als Ziel — inso-
fern es sich selbst in einer individuellen Substanz verwirk-
licht — bezeichnet werden (z. B. Ausc. phys. 199 a).
Die ersten (obersten) DiSerenzierungsrichtungen des
VerwirklJchungsprozesses bezeichnet Aristoteles auch als
Kategorien^') {al xas^Y^f/iat %ov ovto;, z. B. Metaph. 9,
1045 b) >^. Sie sind also die allgemeinsten gemeinsamen
aossagbareQ Bestimmtheiten des Seienden {tä xoira nQita ;
o[( äfunat so öv) und entsprechen in manchen Beziehungen
den xoivÄ Piatos (vgl. S. 27). Ob die später meistens über-
Ueferte Zehn zahl {ovaia oder ri ian = substantia, noaöy
= qnantum, noiöv = qufile, nfö^ t* = relatio, nov — ■ ubi,
") AJle TerdeutschuDKen dieser AuadrOcbe sind unzuieicheml, ich hohe
^a die giiechiflclien Worte sieben lassen. Die Überaelzungen Pruitla
L c. S. 211) — „begrifOiches Sein" für .lä rl im" und „schCpferischer
^esensbegiiff' für t'^ tI ify »hitu* — scheinen mir nicht recht passend, Aa,
für mein Sprachgefühl das Begriflliche dabei etwas mehr in den Vordergrund
Krackt wird, als es dem Briechischen Ausdruck und der Intention des AA
enUprichl. Üher die Bedeutung von rö rf iy iltvi vgl. auch Trendelenburg,
Rbeio. Uus. f. Pbilol. etc. 1826, Bd. 2, H. 4, SL «7 tl F. Natorp, PUtos Ideen-
iebce, Leipzig, 1906, S. 386. Übrigens ist Aiislcteles selbst in seinen Schrif-
ten — 30, wie sie uns voriiegen — terminologisch nicht konseoaent. Ins-
betandere neigt er dazu, das Wort oäaUt, das streng genommen die Vei>-
«nigang von ('<bf nod ii^ bezeichnet (Metaph. 1066 a), gelegentlich auch
iTiMDvm mit tUt anzuwenden. — Die Bezeichnung itmifm ev«iat für die
rJf aod iMf (im Gegensatz zu dem Einzelnen) findet sich nur in der Eate-
loiieittchrift (2 a u. b). — Auch der Tenoiaus ti Ini wird nicht eindeutig ver-
WHidei. Bald geht et nur auf die Gattung, bald auf die im^a^i (vgl
V«<t[ri). 106O a, 18), bald auf beides.
>') Über den Terminus s. Uaier, I. c. ü, 2, S. 90{, Anra. 1.
") Oleioh bedeutend naniftfiifiKia und tx'il"" '^'^ W*'i '^^ "vv*
7*fiiw. Ansdruoklich bezieht fibrif^ns Ar. die Kat^orien auob auf daa./itq er
<!■ B. Metaph. 1089 b). Die Beatong des tb ir in der Zusammenatellang
HnT*^! t*v Sywof ist auBerdem noch strittig (vgl. Metaph. 1017 a). Bonitz
ud Schappe verstehen darunter das Wirkliohe (Bonitz anch das Gedachte) ;
iMh Apelt 1. c S. 112 ist lä är dos i«€* des Drtdls, ^so die Eopnla, und
der Dispmng der Kategorien somit im urteil zu snoheo.
1,1^.001
'S'c
36 I- '^eil- AbgrenzDog and allgemeine Gesolüolite dar Logili.
ttort = quando, leeia&at = situs, ix"" =~ habere, notsiv =
facere, näax'tf = pati) von Arist selbst geleluii worden
ist, ist zweifelhaft'^. Da sie sich- nur an zwei Stellen
(Cat Ib, 25 u. Top. 103 h, 21) findet, an anderen Sollen
dagegen andere Aufzählungen gegeben werden, hat man
wenigstens anzunehmen, daS Arist., wenn er auch anfangs
10 Kategorien gelehrt hat, später an dieser Zahl nicht fest-
gehalten oder keinen Wert auf die Aufzählung gelegt hat
Für die zweite, dritte und fünfte bis zehnte Kategorie wird
auch der zusammenfassende Ausdruck „irä-»^" gebraucht
Die Kategorie . ft^ög %t wird ausdrücklich als sekundär be-
zeichnet (Metaph. N 1088 a, 22) "). Insofern die Differen-
zierung der höchsten Gattungen gemäfi den Kategorien er-
folgt werden die letzteren zuweilen geradezu als yivii be-
zeichnet (De anima A 402 a, 23) , doch ist diese an Plato
anklingende Verschiebung des Begri5s der Kiitegorien wohl
nur auf eine Ungenauigkeit des Ausdrucks zurückzuführen.
Von den GrundbegriHen Sl^ und eüos bxw. ivvaiiis und
ivi^eta bleiben die Kategorien insofern geschieden, als sie
sich auf das tatsächliche Denken und die tatsächliche Er-
fahrung beziehen, ohne wie jene eine metaphysische Zer-
legung in erste Gründe (o^z^O ^u involvieren (Bonitz;
Luthe S. 27).
Der erkennende Mensch tritt dem ontologischen Tat-
bestand in einer besonderen Weise gegenüber. Die eii%,
die „der Natur nach das Frühere" (nQÖtena j^ gtvtrti) sind,
sind uns als solche nicht gegeben, sondern nur die einzelnen
Dinge, in welche die tX^ sich durch die ttSti gestaltet hat;
'*) Eine sehr TollsUndige Zuummenstelluns der im einzelnen m&nnig-
fach abweichenden Aulzählungen der K&tettorien bei Aristoteles gibt Apelt
1. c S. 140. Siehe auch das Verzeichnis der Synonyma ebenda und Maier,
]. c. Bd. 2, Abu 2, S. S99 ff. Ein Hinweis auf die kategorialen Momente findet
sich Obrigens schon be^ Plalo (Tünaeus 37 A, vgl. Gercke 1. c und Maier,
l c. n, 2, S. 394. Anm. 1).
") In dem unechten SchluBabachnitt der Kategorienschrilt (14 b ff.)
werden nachträglich noch folgende Kategorien hinzugefOgt: ngiitfor, Sf4»,
tUfitoK aod tjrtir (letzteres erscheint also zum zweiten H&le). Philoponus
(Comment. in categ., ed. Busse, Akad. Ausg. Bd. 13, Pars I, Berlin 1898^
S. 13) bezeichnete diese als lä ftua nr Matriyoglae; die späteren Logiker
nannten sie daher postpraedicamenta im Gegensatz zu den ursprOnglichen
Kategorien, den praedicamenta. Da« doppelte Auflceten des fx*'" ^^
einigermaBen verst&ndlich, wenn man berücksichtigt, daS Aiist. in der Auf-
zählung der Kategorien gerade fz**' <>'t ganz wegläSt.
2. Eaintol. AUgemetne Gesohichte der Logik. 37
die einzelnen Dinge, wie wir sie durch das Wahrnehmen
(Empfinden, aXo&^UH;) kennen lernen, sind also „für uns
(mit Bezog auf uns) das Frühere" {n^ottga n^äs ^päg, Analyt.
post A 71 b, 33). Wir sind daher darauf angewiesen, das
Allgemeine in dem Einzelnen zu erkennen. Der Teil der
Seele (/töftov v^t ifmxijs), welcher die Fähigkeit hat, aus
den einzelnen Wahrnehmungen oder Emp&ndungen nnd
ihren Erinnerungsbildern (aladi^ftaTa und ^artdapata) das
Allgemeine zu erkennen, ist der v«vf i^). Als vove na9iin-
m (intellectus passivus) bedeutet er nur die Fähigkeit,
auf Grund der Wahrnehmungen das Intelligible {%ä foijra)
EU erfassen, ähnlich wie das Empfindungsvermögen das
Sensible -erfaßt»*). Nur potentiell (später intellectus possi-
bilis genannt, Ar. spricht nur von „dvväfut") ist er im Besitz
der voi/zä (Ar. sagt sogar: Jwa/ui näg iati wä poi/ta).
Erst bei dem wirklichen erkennenden Herausarbeiten der
tii^ und damit des Allgemeinen aus i^en Wahrnehmungen
vird er aktiv (später vovg noifitxo'c genannt, ~bei Ar. selbst
nur To not^uxöv) i'). In seiner letzten und höchsten Tätig-
keit vermag der vovg sogar sich selbst zu erkennen (avwog
anin vosiv, De anima r 429 b, 9). Dabei wird er identisch
mit dem Erkannten >*) {taiStiv vovg xal wiijro'w, Metaphys.
^ 1072 b, 21) und ist — ebenso wie die Sinneswahrneh-
mung als solche — dem Irrtum nicht ausgesetzt Bei der
Erkennung des Allgemeinen im Einzelnen stützt sich der
wvs auf bestimmte Sätze, die er unmittelbar erkennt Diese
numittelbaren Sätze {n(fotäastg ä/tsaoi, Analyt. post Ä 72 a, 7)
nnd die Sinneserfahrung gestatten dem vovs, die yivij und
tii^ begrifflich zu bestimmen (S^os, Sgiuftös} und für jedes
T/ivos und gldog das ihm an sich Zukommende (tb t^ ovt»
") Deutsch wire revr nrit „Veratanil" oder „Vernunft" wiederzugeheiv
Bei der sehr verschiedenartigeQ Gebrauchsweise dieser deutschen Ternüni
»U jedoch hier nur das niechische Wort verwendet werden. Die Stellung
de« rtif ZOT ^iiävoui' ial noch sehr strittig (vgl. Brentano, Hertling, Neu-
hinset, Kampe u. a.).
'■) Vgl. Bokownew, Der »-wf Tiati/tixie bei Aristoteles, Afch. f. Gesch.
i- Fhilos. 1909, Bd. 23, S. 493. Die »•üs-LebTt des Aristoteles ist noch in
nden Punkten unklar.
>>) Vgl. namentl. De anima 429-^1. In der sehr auUftUigen Stelle der
?fitomach. Ethik lltöb mächte ich annehmne, daB afeAqvv im allgemeinen
Sinae des Eikennens gebraucht wird (gegen Prantl).
") De anima 430a: inl ftir fiq lär äftv Siiit ro aiii ian xo rnoin
»1 (ä ptovfitrcr.
ogic
38 1' ^Bil- AbgieozuDg DDd sUgemaDe Oeschtohte der Logik.
inä^X'^vra x«^' at%6, Metaphys. T 1003 a, 21) festzustellen.
Dadurch bekommt die Erkenatais den Charakter der Not-
wendigkeit und Allgemeinheit Das Verfahreo, welches der
erkennende Mensch dabei anwendet, wird von Aristoteles
als das apodeiktische bezeichnet (auch kurz dnööet^H)-
Es ist die Qrundl^e jeder Wissenschaft {inici^nii). Ihm
stellt Aristoteles immer wieder das dialektische Ver-
fahren gegenüber, welches nicht mit notwendigen Wahr-
heiten, sondern mit zufälligen Wahrscheinlichkeiten zu tun
hat. Bei der Apodeixis wird i^ alij^äv xai nQwtav direkt
oder indirekt das Wahre erschlossen («««* dl^Setav), bei der
Dialektik i^ ^rfof«v das Wahrscheinliche (t^ös Sö^av) i»).
Dort handelt es sich um Notwendiges, das nicht anders
sein kann {ävoYxala — ovx ipdix^tcn aXlug ix"")) ^'^^ ^™
Zufälliges, das auch nicht so sein könnte (cvfißeß^uöra —
ivJixsrat /*^ liwaex«*»") *")■ Dort ist die Selbstüberzeugung
(xad-' iavzöv), hier die dewinnung der Zustimmung eines
Anderen (nfAg ftc^ov) das Wesentliche.
Anders ist der Gegensatz der änödst^g zur inayayfi
i oder Induktion, d. h. dem SchluBfolgem aus gesammelten
Einzelbeobachtungen. Letztere sind notwendig, um die eiä^
bzw. das Allgemeine zu erkennen, aber die ärtöSeiiig leitet
nun rückläufig aus dem Allgemeinen das Einzelne her und
unterscheidet sich insofern wesentlich von der htayrny^.
Daher heifit es ausdrücklich einerseits:") „Itfn ^ (xiv änö-
Set^ff ix täv xa&öXov, ^ 6' inayioyij ix xäv xata fii^og" und
andererseits: „divvatov ii lä xaitöXov ^eraq^aai (x^ Jt ina-
ywy^s." Das wesentliche Denkmittel, welches der Apodeixis
zur Erreichung ihres Ziels zur Verfügung steht, ist der
avlloyiafiös, d.h. das methodische Schlufiverfahren, durch
welches aus gegebenen Sätzen ein neuer abgeleitet wird,
der aus jenen notwendig folgt Die Begründung der Lehre
vom Schluß (im logischen Sinn) ist das Hauptverdienst des
Aristoteles um die Logik ^>).
Und noch einen dritten Gegensatz stellt Aristoteles
fest Insofern die Apodeixis das Zusammengesetztere
»•} Vgl z. B. Tqp. A 100 a und 106b, 30 sowia Analrt. prior A «a
und B 65a, 35.
'*) VsL Analyt post. A 76 a und Metaphya ^ 101& u. a. cn.
") Analyt post. A 81 a.
'*} Vgl Maiers ausführliche Darstellung der „Entdediimg" des Syllogis-
mus. 1. c. U, 2, S. a6H. u- 168 H.
lA.OOt^lC
2. KspitsL ABgememe 0«achiohte der Logik. 30
auf eiofacheTe Prinzipien zurückführt, kann ihr Ver-
ehren als analytisch bezeichnet werden. Äristotelee
^braucht daher die Bezeichnung avälvatg (gelegentlich
such dpayttri), fast gleichbedeutend mit dnöiat^ic") (da-
her auch der wohl auf Aristoteles selbst zurückgehende
Titel zweier seiner Werke, s. S. 29). Dem analytischen Ver-
fahren stellt er nun das logische {Xornis ^r^s) gegen-
über. Während das erstere im Sinn der Apodeizia seine
Schlüsse aus allgemeinen Sätzen und Begriffen ableitet,
begnügt sich das letztere — das „logische" Verfahren im
Sinn des Aristoteles — mit Schlüssen, die auf Argumenten
im Sinn der Dialektik (siehe oben) beruhen. „Logisch"
und „dialektisch'' deckt sich deiher bei Aristoteles zu einem
wesentlichen Teil**).
Übrigens war Aristoteles, wenn er auch die Dialektik
der Apodeiktik unterordoete, von einer Unterschätzung der
praktischen und technischen Bedeutung der ersteren weit
entfernt. Seine Topik (vgl. S. 29) behandelt speziell solche
Fragen der logischen Technik und entspricht mehr der
dialektischen als der apodeiktischen Methode. Insbesondere
erörtert er hier auch die Gesichtspunkte (rönot), von
denen aus Fehlschlüsse zu vermeiden und zu erkennen
sind, und gibt praktische Regeln für die Gewinnung in sich
widerspruchsloser Schlüsse auf Grund wahrscheinlicher Prä-
missen. Die fünf Gegenstände dieser Argumentations-
methodik sind: Definition (Sfo; oder Sinaii6s), tStov (ein-
deutiges, aber nicht wesenhaftes Merkmal), yivos und diagpo^a
(Gattung und Unterschied), avfißtß^xös (zufäJlige Eügenschaft)
and ta'ÖKQv (Dieselbigkeit, d. h. Gleichbleiben nach Zahl,
Art und Gattung) *% eine Zusammenstellung, die durch den
Mangel eines einheitlichen Einteilungsprinzips auffällt
Frägrt man nun, wie weit die Apodeiktik und Analytik des
Aristoteles der „Logik" im heutigen Sinne und speziell
uch der Logik im Sinne onsrer ersten Definition (S. 1) ent-
spricht, 80 ergibt sich, daß die Apodeiktik des Aristoteles sich
zwar in den meisten Beziehungen mit unsrer Logik deckt, sie
■^ AiwIyL prior. A 49 a, IS und Analyt post. 90 &, 37.
**) Vclz.fi. Analyt. post AS4a und B 9a a,U; Top. 168 b, 27; andrer-
wle spricht ArisL zuweilen auch von einer loyixij äniittfie.
'*) Vgl. Top. A 101 a. Das .nnor* nimmt Obrigens eine Sonderstsllunff
«iD (s. Top. A108*).
iM,Googlc
40 ^- Teil. AbgreoEDOg und allgemoine Geecliichte der Lo^b.
aber doch DOch immer in einer untrennbaren Verbindong mit
ErkenntniBtlieorie und Metaphysik enthält. Aristoteles gribt
nicht etwa nur eine erkenntnistheoretische Grundlegung für
die Logik — wie es auch die modernen Logiker noch sehr oft
tun — , sondern die Ai>odeiktik bzw. Analytik ist als Ganze*»
noch fast vollständig mit erkenntnietheoretischen und vor
allem auch metaphysischen Lehren verwoben. Baß Aristo-
teles der Logik eine größere Selbständigkeit gegeben hat, ist
sonach öur im Vergleich mit Plato imd im Hinblick auf viele
Einzelausfühnuigen, die sich von ßrkenutnistheorie und
Metaphysik unabhängig machen, zutreffend (vgl. S. 20).
Keinesfalls ist also die aristotelische Apodeiktik bzw. Ana-
lytik als solche — ihrem Hauptinhalt und ihrer A4)sieht
nach — mit unsrer Logik zu identifizieren. Sie umfaßt ein
viel weiteres Gebiet als letztere. So wird es auch verständ-
lich, daß dje moderne Logik zur Dialektik und Logik im
aristotelischen Sinne nicht in jenem scharfen Gegensatz steht,
den Aristoteles immer wieder zwischen den beiden letzteren
und der Apodeiktik hervorhebt. Vielmehr gehört vieles, was
Aristoteles zur Dialektik und Logik (in seinem Sinne)
rechnet, durchaus zum Bereich der modernen Logik. Auch
wird es so erklärlich, daß man in der Folgezeit, als sich das
Gebiet der modernen Logik mehr und mehr aus der Apo-
deiktik (Analytik) abgrenzte, für dieses abgegrenzte Gebiet
die Bezeichnungen „Dialektik" und ,JjOgik"") wählen
konnte (s. unten), die bei Aristoteles an manchen Stellen
geradezu in einem Gegensatz zur Apodeiktik (Analytik)
stehen.
Die kurzeD vorstehenden Ausfühningen geben von der eAenntnis-
thearetisch - metaphysischen Grundlage der aristotehschen Logik seltist-
verständlich nur ein ganz summarisches Bild. Auch darf nicht verschwiegen
werden, daQ erstens in den aristotelischen Schriften, wie ide uns überliefert
sind, manche Unklarheiten und auch Widersprüche gerade bezüglich dieser
Grundlagen enthalten sind, und daß zweitens auch die Auffassung gerade
dieser Lehren des Aristoteles noch heute in manchen wesentlichen Punkten
strittig ist. In den S. 30 zitierten Schriften sowie in den Weiten Ton
PrantJ, von Brandis und von Zeller Qndet man ausgiebige Belehrung über
diese Schwierigkeiten. Die von mir gegebene Darstellung steht der Prantl-
") Der Name Logik kommt schon bei den Uteren Peripatetikem vor.
Vgl. Boelhius, In Top. Ciceron. Comment. I, ed. BasiL S. 760 und De difl. top.
1, S. 857 („omnis ratio disserendi quam Logicen Peripatetici veteres appel-
lavere, in duas distribuitur partes, unam inveniendi, alteram judicandi").
Aristoteles selbst braucht das Wort ivyutit nur in adjektivischem Sinne.
OgIC
2. Kapitd. AUgemetne OMohichte der Jjogik.
vhm tm nichxten, weicht aber von ihr auch tn mascheu wichtigen Punkten
romtlich ab, ich boße diese Abweichungen an andrer Stelle ausführiich m
berfisd«].
i 10. Unmittelbare Sehöler des Aristoteles. Schon bei
dm ältesten Schalem des Aristoteles macbt sich der oben
(S. 40) angedeutete ProseQ der Losloennfr der Logik von der
Metaphysik und Erkenntnistheorie und der Beschränkang
auf die formalen Denkregeln bemerklich. Wenigstens ist
dies mit großer Wabrecbeinlichkeit aus den zerstreuten Be-
merkungen zu scblieOen, welche uns über die Schriften des
TheophrastußM (ca. 370 bis ca. 285) und Eudemn8*>
(etwa gleichzeitig mit Theophrast, vielleicht etwas jünger)
überliefert sind. Damit steht es wohl in Zusammenhang, daß
beide sich auch besonders eingehend mit den Beziehungen
der Logik zur Sprache, namentlich zur Grammatik be-
schäftigt haben'). Außerdem wird ihnen die Begründung
der Lehre vom hypothetischen und vom disjunktiven Urteil
mgeschrieben, TJrteiteformen, deren Bedeutung Aristoteles
nicht gerecht geworden war (vgl. die historischen Bemerkun-
gen in dem Spezialabschnitt). Das dialektische latereBse des
Theophrast bekundete sich auch darin, daß er die Topik ein-
gehend behandelte. Dabei strich er von den fünf Haupt-
gesichtapunkten des Aristoteles (vgl. oben S. 30) das tavrov
und trennte die dta^oQä vom y6po(. Die Reihe lautete jetzt
also {nach der Rekonstruktion Prantls) : ögts/iös (^^o«), r^vo«,
iuifofä, l3tov, avßßtß^ög, ohne daß wir übrigens imstande
wären, die Bedeutung dieser 5 Punkte scharf anzugeben.
S 11. Eplkoräer und Stoiker. Epikur (341—270)
und seine Schüler haben die Bedeutung der Logik ent-
Qirechend der praktischen Tendenz ihres Systems völlig ver-
kannt '). Die Logik wurde daher auch nur ganz nebenher in
*) Am «ichtigsten sind die Angaben von Alexander Aphrodis., Com.
nuQt in Aristot Graeca Bd. 2, Teil 1, S. ISS, 328, 388, 69, 132, 124, 378, 220.
^ Alex. Aphrod. L c. 220 U. 124; Joh. Philoponiu, Commenl. in Aristot.
Graeca Bd. 18, TeU 2. BerUn 190b (ed. WaUiea), S. 4ß, 12», 129 u. 242. Aus-
iOhiliche Angaben auch bei PranU, 1. c. 1, S. M9 lt.
*) DaB diese schon bei Aristoteles selbst bei der Entdeckung und Enl-
■idiniis der STllogiatik eine groDe Rolle gespielt haben, hat Maier gezeigt
Acn, % S. 1790.).
'J Cicero, Acad. prior, n, 30, 97: „Epicuro, qui totam dialecticani et
«ntennit et jrridet»; Diog. Laert, De vit X, 31 (ed. Cobet S. 261) ,t«v
"li itie jnr n^Yitäimf ^94y]ramc.' '
„.,,„, ^.oogic
42 1' 7^1- AbgreDzaog nnd allgem«De Geechiobte der Logik.
der ErkenntniBttieOTie, dem xavovtxöv *), abgehandelt. Hafi-
gebend für die Wahrheit der ErkenntniB ist die angenschein-
liche G«wifiheit (dvänytta) der Sioneswahmehmungen, aus
denen wir Erinnernngsbilder (Tt^oX^ifuis) zurückbehalten.
Wir kommen daher im allgemeinen nicht über Meinungen
{i^^aty vnoi.riif)stg) hinaus, deren Gültigkeit von der Bestäti-
gung durch die Sinneserf ahmng abhängt *). Unter den
späteren Epikuräem scheinen Zeno aus Sidon und Philo-
de m u e sich wenigstens oberflächlich mit dem Wesen der
Induktion, namentlich dem Schliefien aus Zeichen (tr^ptta)
beschäftigt zu haben *).
Im Gegensatz zu den Epiknräem beschäftigten sich die
Stoiker sehr ausführlich mit der Logik'). Äußer dem
Stifter der stoischen Schule, Zeno von Citium (334/3
bis 263 nach Gomperz), hat namentlich Chrisippns (c 2^0
bis c205) sehr zahlreiche logische Schriften verfaQt, von
denen uns allerdings nur sehr spärliche Bruchstücke erhalten
sind*). Schon bei Zeno erscheint als dritter Hauptgegen-
stand der philosophischen Erkenntnis neben dem „jpvfftxör"
>) DioB. Laert 1. c. X, 27 u. 391. (ed. Cobet. S. 261). Ein Hauptwerk
Epikurs weit betitelt; ntfi jifti^qiov (n&mlich der Wahrheit) ? Kanöf. Ein
Buch Demokrits trug anseblich bereits denselben Titel {ifQl Uyinä- *aniir).
*) V^. hierzu namentlich Epicurea, ed. H. Ilsener, LeipziE,1887, S. 177 K.
und Naiorp, Forschungen zur Geschichte des Eikenntnis Problems im Altertum,
Beriin 188(, S. 209 ff.
*) Vgl Friedr. Bohnach, Des Epikureera Philodemus Schrift nt^l a^fuimr
«ai v^fituüattv, Lyck 1879; Th. Gomperz, Herkulaoische Studien, H. 1
Phitodemua Ober Induktionsschlüsse, Loipzig 1865, namentlich S. 29.
") Vgl. Joannes ab Arnim, Stoicomm veterum ftaementa, Bd. 1, Lips.
1906 Zeno et Zenoma discipuU.'namentl. S. 16 fl., Bd. 3, 1903 Cbrysippt btg-
menla bgica et physica S. 18—110, Bd. 8, SchlUer des Chrysipp, S. 312 u.
2K. Unter den Schriften tlber die Logik der Stoiker sind am wichtissten :
Imman. Uenr. Ritter, De stoiconom doctrina, praesertim de eomm logica.
Vratislav. 18(8, nauL § 4 f. u. 16 ff.; Rud. Nicolai, De logicis Chrralppi libhs
tarn coUigendis quam ad doctr. rationes accomm. disponend. conun., Grmnas.
Progr. QuedlinbuTB 1869, S. 1 — iQ; Rud. Hirzel, Do bsica Stoiconun, in Satura
phJlologa H. Sauppio oblata, Berl. 1879, S. 61; Brochard, Arch. f. Gesch. d.
Philos., 189% Bd. b, S. 449; Faul Barth, Die Stoa, Sluttsait 190S, S. 69«. u.
66fi.; Ludw. Stein, Die Eikennlnislheorie der Stoa, Berlin. Stud. f. klaas.
Philol. u. Arch., 1888* Bd. 7, a 1, S. 87 ft. und Die Psychologie der Stoa.
ebenda 1886, Bd. 3, H. 1, S. 1; Hamelin, L'ami6e phUosophique, Bd. 12 f.
1901, Fans 1902 *. Prantl und Zeller haben die Liwik der Stoiker wohl etwas
xa niedrig eingeschätzt
•) Diogenes Laeriius zlhlt über 100 Titel auf (I. c. VH, 189).
OC^IC
3. KapitoL ADgemeiDB Oescliiohtt der Logik. 43
OQd „^txov'* das ^lorixöp" 0- Die hiermit abgegrenzte
qLogik" umfaßte jedoch immer noch auch die Erkenntnis-
theorie nnd die Rhetorik. Der Teil der Logik, welcher der
Logik in unserem Sinne (also im formalen Sinne) entspricht,
wnrde als Dialektik bezeichnet (JtaXtxttx^), war aber weder
fegen die Erkenntnistheorie noch gegen die Rhetorik scharf
abgegrenzt ')■
Die Dialektik selbst hat es einerseits mit den sprach-
lichen BezeichnimgeD, den a^ftaivovta (auch kurz „gHoy^"
genannt) und andererseits mit dem Bezeichneten, den o^/iat-
vofuva, zu tun. In dem Uyos trifft beides zusammen: als
iöjos ivdtäd^ttof ist er der bezeichnete Qedaokeninhalt, als
löfos 7Ttio^ofi$xög das bezeichnende Wort Die stoische Lehre
voD den «fjuairovra ist im Wesentlichen eine Laut- und
Sprachlehre, scheint aber auch Poetik und Musik umfafit
ZQ haben. Die Lehre von den a^ftaivöfuva behandelt nicht
etwa die bezeichneten Dinge {n^yiutxa), sondern die tod
den Worten bezeichneten QedanJceninhalte, das Xnnöv (wört-
lich fibersetzt: das Ausgesprochene, die Äussere). Während
die ^mv^ (das e^/iaivw) lediglich ein körperliches Laut-
gfibilde ist, ist das lenvöv die unkOrperliche Wortbedeutung.
Von dem Denkakt, der nach stoischer Auffassung als eine
kßrperliche Veränderung der körperlich gedachten Seele
anzufassen ist, soll dies Isxtov verschieden sein. Es ist
eio Mittleres zwischen dem Denkakt und dem Ding {ftiaov
nv Tc voiifunos xol %ov n^äyttatos)'). Es scheint jedocb,
da0 die Stoiker nicht zu einer völligen Klarheit über diese
Mittelstellung des X»xTiv gelangt sind. Jedenfalls bezogen
sie die formale Logik im wesentlichen auf die JUxtä und
schalteten in einer für die Weiterentwicklung der Logik
sehr verhängnisvollen Weise das Denken als Akt aus dem
^ DütfeiL Laeit 1. c. vn, 39 (edu Cobet S. 168). Diese DrdUilui»
scheint zum ersten U&le ron Xenokrates, dem Nachfoiser des Speusippus
(nL S. SS) Torgemommen worden zu sein. Vgl. n&menU. Sext Empir., Advers.
nalbem. Vn, 16 (ed. Bekker ä 19S) Übrigens nnteischeidet Arisloteles selbst
obm n4(td«ne i^vtai, givaixol und i»jrixal (Top. A 10& b, 20).
*} Atufohriich beglicht Zeller diese Einteilungen (1. c. Bd. 4, S. 63 B.).
*) Ammoniua, Comcn. in Arist Graec« (de interpr.), Ak. Ausg. B± i,
Teil 5, Bertin 1897, S. 17. Wenn andrefseiU berichtet wird, dafl die itxTi
der Stoiker mit deo ve^ftma idenlisch seien, so ist anzunebmen, daJ hier
tnil den i>oq/i«i« nicht die Denkakte, sondern der Gedanke ninhalt ge-
mant ist.
44 I- T^. ÄbgrensunR und aUgemons Gesohiohfe dar Logik.
Gebiete der Logik aus '*'). Dabei wurde zugleich dem sprach-
lichen Paktor eine zu hohe Bedeutung beigemessen, so daß
man im Hinblick auf die spätere Entwicklung der Logik
(vgl. § 17 ff.) von einer „nominalistischen" Tendenz der
stoischen Logik sprechen kann.
Auch die metaphysische Grundlage, welche die Logik
bei Plato und Aristoteles hatte, wird von den Stoikern fast
g-anz preisgegeben. Nach stoischer Lehre ist nor das Körper-
liche wirklich. Die Seele ist einschließlich der Denkakte als
körperlich zn betrachten. Das Wirkliche beschränkt sich auf
einen gualitatlosen, leidenden Stoff (änotos Züti) und eine
wirkende, gleichfalls körperliche Ursache, die mit der Gott-
heit identisch ist Die Frage der Yävii und tÜ^ schied damit
aus der stoischen Logik fast ganz aus.
Das Verhältnis des menschlichen Erkennen« zu dieser
aus vX^ und Gottheit entstandenen Wirklichkeit dachten sich
die Stoiker im Sinne eines ausgeprägten Sensualismus. Die
von den Dingen hervorgemfenen Empfindungen und ihre
Erinnerungsbilder, welche als ^aviaoiat („vorläufige Vot-
stellungen", Stein) zusammengefaßt werden (im Gegensatz zu
den leeren Einbildungen, den giavjiiffftata) liefern auf einem
Weg, der nicht näher untersucht wird, die abstrakten Vor-
stellungen {iwotat). Unter den letzteren spielen diejenigen,
welche von allen Menschen in übereinstimmender Weise ans
der Sinneserfahrung abgeleitet werden, eine besondere KoUe:
es sind die xotval (SfigivToi) iwoiai oder n^oi^ipsts (notiones
communes, Cicero; praesnmtiones, Seneca). Durch kunst-
gemäBe Bildung und Verbindung von Begriffen entsteht die
Wissenschaft. Das Kriterium der Bichtigkeit (Wahrheit) bei
der BegrifEsbildung liegt in dem Zwang zur Zustimmung (zur
evyxcnä^eait) , die Vorstellung, die einen solchen Zwang aus-
übt, heißt im Hinblick auf ihre Überzeugungskraft {xatä-
^flV*s) yfvraaitt xaTaA^TTEtx^ i'). Sie überträgt sich von der
'■) Vgl. namentlich die char&kterisUache Bemerkuns bei Simplicius, in
Catee., Ak. Ause- S. 10; „Uh ii leviove (nfimlicb die Btoiker) irratlr, in i«
ir(^ roilfiätiily xaSi ro^fiitta Xiytuf ov loyit^e, diXa Tqr n((J V'^JT^f inur
■jiQuyftatiiitc.'^ Es ist dies wohl die älteste Verwahrung gegen den „E^ycho-
logismnn" (vgl. § 42) in der Logik.
'') Tgl. zu diesen und den vorausgehenden Angaben namentlich das
7. Buch des Werkes De vitis dar. philos. etc. von Diogenes Laertius und
Sextus Empir., Adveraus mathem. VH, 237 ff. und Vni, 67 ff. Übrigen« icA
dia Bedeutung des ^xuivXiinuxii' ia der stoischen Lehre noch nicht vfillig
OgIC
2. EapiteL Allgemeine Oesoliiohte der Logik. 4&
Dreprünglicheu SiHnwerfahmQg aaf die aas ihr abgeleitetes
Vorstellangen.
Offenbar wären nun gerade die Regeln dieser Ableitung
der Tielitigste Gegenstand der Logik (in unserem Sinne), und
ee hätte sich hier eine Gelegenheit zu einer erkenntnistheore-
tiscben und psychologiBchen Grundlegung der Logik geboten.
Wie indes schon & 44 hervorgehoben, gaben die Stoiker diesen
Zmanunenhang fast ganz auf und knüpften die logischen
Gesetze größtenteils sehr äußerlich an die sprachlichen
Faktoren an. So gelangten sie zunächst zu der oberfläch-
lichen Einteilung der Xextä in unvollständige (iXi-tn^), d. h.
isolierte Wortvorstellungen und vollständige {avtoxti.^,
d. h. Sätze, speziell Urteile und Schlüsse.
Die aristotelische Kategorienlehre wurde von den
Stoikern übernommen, obwohl sie streng genommen zu ihrer
Lehre von der Körperlichkeit alles Wirklichen schlecht paßte.
Sie setzten dabei an Stelle der zehn aristotelischen Kate-
gorien außer dem höchsten Begriff, dem Seienden {ri 6v)
nsi vier: 1. Snbstrat (vnoMifisvov), 2. Bestimmtheit (rü rtotövf
nnd zwar gattungs- bzw. artmäßige und individuelle (xotvtäs
noiit und Mug notöv), 3. zufällige (unwesentliche) Be-
Bchaffeuheit (lö ntü; Sx^v) und 4. relative Beschaffenheit (iö
xföf Ti nms ^X"")- Oiese vier „Ttcäxa oder ytvixütata
/rrf" werden von den Stoikern durchaus materiell gedacht.
^ sind sämtlich dem „Seienden" als der höchsten Gattung
nntei^eordnet. Später wurde das Etwas (<ö ji) au Stelle
des Seienden (lö Sv) gesetzt^'). Einen Fortschritt gegenüber
der aristotelischen Lehre lassen diese Aufstellungen höchstens
insofern erkennen, als die unnatürliche Gegenüberstellung
von slioe (Art) und yivos (Gattung) beseitigt wurde (vgl.
S. 33, Anm. 7).
In der Einzelbearbeitung scheinen die Stoiker die Lehre
von den Urteilen und den Schlüssen besonders ausführlich
behandelt zu haben, allerdings, soweit nns überliefert ist, in
sehr äoßerlicher und schematischer Weise. Wahrscheinlich
ufieUlrL Vgl z. B. Barth, 1. c. S, 6& u. Dyroff, Aich. f. Gesch. d. Fbüos.,
ISOt, Bd. 17, S. 14a Auch der stoische BegriB der xiaäi^^K selbst ist noch
i>)chi einwandfrei gedeutet.
") Siehe Zeller 1. c. S. 92, Anm. 3. Vgl. zur atoiscbeD Kategorientehre
auch Treodelenbuig, Histor. Beitr&ge zur FhUoaophie, Berlin 1846, Bd. 1,
S.ai7E
„.,.,„,>..oo^^ic
46 I- T^- Abgraunuig und «llgeineiDe Oeecbichte der Logik.
haben sie auch zum ersten Male streng zwischen divisio und
partitio unterschieden (vgl. den spez. Teil).
§ IX SkBpUk*! sBd nraera Akidante, KfclriHkOT. Knplafamikab
Die alte reo Skeptiker'), Pyrrho (ca. 366 bis ca. 275) uod san
ScbOler T i m o □ lehrten den Verzicht auf jede Überzeugung (''ie axBiaiftMa)
und die Zurückhaltung eines jeden bestimmten Urteils (die ino/ij). Die
sog. neuere Akademie') — namentlich Arcesilaus (geb. ca. 316}
und Carneadea (ca. 210 bis ca. 130> — vertrat gleichfalls diesen skep-
tischen Standpunkt. Die Logik wurde dabei entweder lür oberflOssig eAlärt
oder — von Cameades — mit Recht auf die PrOfung der formalen Ridi-
tigkeit der ^tze beschränkt*). Zuweilen wurde sogar die Möglichkeit einer
logiseben Beweisführung bestritten •). Eine wissenscliaftliche Behandlung der
Logik unterblieb daher fast ganz. Denselben ablehnenden Standpunkt
nahmen auch die jüngeren Skeptiker ein, so namentlich Aenesidemus^)
(im L Jahriiunderf v. Chr.) tmd Sextus Empiricus (gegen Ende des
2. Jahrii. nach Chr.). Der entere stellte zehn allgemeine Zweifelgründe
{argiiM oder titot) zusammen, durch welche jede dogmatische Behauptung
ihrer Sichertieil verlustig gehen sollte, den letztere führte diese zehn rpönM
auf drei zurück und fafite auch dies« unter dem gemeinsamen Gesichtspunkt
des n^t *h d. h. der Relativität aller unserer Vorstellungen, zusammen").
Übrigens wurde dabei die Forschung (fifi^ir), insbesondere die empirische,
durchaus nicht etwa absolut verworfen '') und nur die Beschränkung des Er-
kennens auf die itä»^, d. h. die psychischen Zustände, insbesondere die
Sinneswahmebmungen behauptet ^),
') VgL Tur Logik und Erkenntnislehre der Skeptiker im allgemeinen
auBer Zeller namentlich Victor Brochard, Lee sceptiques grecs, Paris 1687;
Raoul Richter, Der Skeptizismus in der Philosophie, Bd. 1, Läpzig 1901 und
Wundts Philosoph. Studien, 1S02, Bd. 20^ S. 2*6; Rud Hirzel, Untersuch, zu
Ciceros philos. Schriften, Teil 3, Leipzig 1883, S. Iff. u. 493 fl.; Albert Goe-
deckemeyer. Die Geschichte des griech. Skeptizismus, Leipzig 1906.
*) Ton manchen auch als „mittlere Akademie" bezdclinet, so dafl die
Bezeichnung „spätere Akademie" für die letzten Akademiker zur Zeit des
ersten miUuidatischen Krieges, Philo von Larissa und Aotiochus von AAalon,
vorbehalten bleibt
*) Ahnlich Cicero, Acad. prior., II, 28, Ol.
*) VgL Sextus Empir., Advers. mathem., VIII. ^7fi. (ed. BAker,
S. 362).
■>) VgL namenll. auch Natorp, Forschungen zur Geschichte des Er-
kenntnisproblema im Altertum, Berlin 18&t, S. 63.
*} Vgl. Ober die zehn Tropen des Aenesidem namentlich Seit. Empis.,
Pyrrbon. hypotyp. I, 36 ff. (ed. Bekker S. 10 ff.) und Ober ihre Zusammea-
fassung zu dem relativistischen Zweifelsgnmd speziell Pyrrfa. hypot I, 39.
äehe auch Eug. Pappenheim, Die Tropen der griech. Skeptiker, Beriin 1886
(Progr. d. Kölln. Gymnas.).
1} Daher heiBt es bei Diogenes LaerL, De clar. philos. vitis IX, 104c (ed.
Cobet S. 201): ■'sl yäg li ifatröfnray Ti9i/tt9a, »v^ äe nml lotoiiar £r.*
•) Diog. Laert 1. e, IX, 103 (ed. Cobet S. 261) : ,/i«>« tänä»^ r*y^-
„.,,n,^.OOglC
2. Eopitd. AllKemeins Geschichte der Lopb. 47
Die sog. SrnkretisteD (Eklektiker) wie P&n&etius,
Paaidonius*), Cicero, Varro, Seneca, Epiktet, Quin-
lilian D. L m. sümmen, wenn sie ttuch die skeptischen Lehren mehr oder
wenifer entschieden bekämpfen, doch in der Mißachtung oder wenigstens
Vemichlttasigung der Logik mit den Skeptikern Qberein und können daher
hier Obersangen werden.
Auch dieNeaplatonikerCPlotinus, Jamblichus, Proc-
lus) haben für die Geschichte der Logik keine nennenswerte Bedeutung.
I>ie mTstische Tendenz dieser Schule muflte dem Interesse fOr logische Unter-
socbungen entgegenwirken. Nur die Kategorienlehre wurde etwas mehr
bnchtet und zum Teil umgdöldet. So unterschied Plotin (304 — Z70) die
üitegorien in der Sinnenwelt (/' '»Tg ata^nTf) von denen in der Ge-
dukenweit (ir it*t yiitit) und zfihlte diese wie jene abweichend von
Aiialoleles aül ^•)- I*ur e i n Schüler des PloUn, Porphyriu«, zugleich Lehrer
des Jamblicbus, hat bei der Weiterentwkkhing der Logik eine grOBere Rolle
(espielL Da er jedoch in seines logischoi Ansichten ganz von Plotin ab-
deicht und sich den Peripatetikem anschließt, wird er unter diesen be-
sprochen (§ 13).
$ 13. PeripateUker nnd Kommentatoren der Ealsenelt.
Die Schale des Aristoteles setzte inmitten aller dieser Strö-
mongen ihre Tätigkeit mit mannigfachen Schwanktmgen
fort, freilich ohne nennenswerte selbständige Produktion.
Die meisten dieser jüngeren Aristoteliker bescbränkten sich
«uf eiDe Verteidigung der aristotelischen Lehren gegen die
Ängpüfe anderer Schalen, namentlich der stoischen, wobei
Überdies auch manche stoische Anschannng mit einigen Äb-
änderoDgen in die aristotelische Logik hinnbergenommen
wurde, nnd anf eine Aoslegung der Schriften des Aristoteles,
hn Hinblick auf die letztere Tätigkeit werden viele anch
kürz als „Kommentatoren" bezeichnet').
OerUteste dieser Eommentatoren war Andronicus von Rhodus,
dessen Haupttaiigkeit: wohl in die Jahre 78— *7 v. Chr., also noch vor die
Kaisencit liUL Er soll die zehn aristotelischen Katcvorien in zwei —Ma9-'
■M* and ngif u — zusammengefaEtt haben '). Sein Schüler, B o 6 1 h u s
*) V^. Ober Panaetius und Posidonius, die man auch unter der Be-
zeidmimg „mittlere Stoa" zusammenfaüt, namentlich A. Schmekel, Die
Hiikisophie der mittleren Stea und ihr geschichtlicher Zusammenhang, Berlin
1SS% S. 20ö u. 263.
") Enneades VI, Buch 1, Kap. Ifi. (lOUIf.; ed. Grenzer und Hoser
S. 370ff.). AusfOhrlich ist seine Bedeutung von Ed. v. Hartmann (Qe-
xfaichte der UeUphysik, Ausgew.. Weite, Bd. 11, Leipzig 1899, S. 106—176)
•rflrtert worden.
') VgL Ober diese im allgemeinen Chr. Aug. Brandis, Abb. d. Kgl. Ak. d.
Wiss. zu Berlia a. d. J. 1838, hisV philol. Kl., Berlin 1836, & 24B und Max
WilUes, Die griechischen Ausleger der aristotelischen Topik, Berlin 1891
[Fnir. Soi^engymn. Berlin).
I. Teil. AbgreniDiif! imd allf^etneiae Geschichte der Logik.
&U8 Sidon, scheint in manclien Beziehungen an die Stoiker angeknüpft zu
haben ■). Zu den Kommentatoren des 2, Jahrhunderts n. Chr. gehörten u. a.
Aspasius und Herminug some namentlich Claudius Galcnus
(131 bis ca. 200). Der; letztere hat zaMreiche logische Werke verfaBl. von
denen uns nur die kleine Schrift ncpi TÜr nagä tir Uiiv oa^iayutcKur erludteu
ist*), im wesentlichen vertritt er den'ariatotelischen Standpunkt An die
Stelle der TtQcräatK ofimoi (vgl. S. 37) werden von ihm ioyixai «p/ai
(logische Prinzipien) gesetzt'), wie z. B, „Nichts geschieht ohne Ursache",
„Gleiches zu Gleichem gibt Gleiches" usf. Als Vorbild gilt ihm die geo-
metrische Beweisführung (yim/tti^ixi äitöStiiK). Den Kategorien scheint er
im Gegensatz zu den Gattungen jede reale Bedeutung abgesprochen zu haben.
Erwähnenswert ist auch, daQ bei ihm der Ausdruck .Xaytxig* schon allent-
halben für „Logik" im neueren Sinne gebraucht wird (statt des bei den
Stoikern Qblichen .Aaltxiuij*).
Eine Verschmelzung peripaleliscber und stoischer Lehren zeigt die teil-
weise erhaltene Schrift .itpJ iQ/iiinttK* , weldie uns als 3. Teil des Buchs
„De dogmate Piatonis" von Appulejus von Uadaura (geb. um 130
n. Chr.} überliefert ist. Die Echtheit ist zweifelhaft Pranll nimmt an, dsB
es sich um die Übersetzung eines griechischen Schulkompendiums der Logik
handelt. Neue allgemeine Gesichtspunkte enthält die Arbeit nicht (vgl. jedoch
§76).
Sehr viel bedeutender als die Vorgenannteu ist
Alexander von Äphrodieias, der unter SeptimiuB
Severus peripatetische Philosophie in Athen lehrte. Von
seinen Kommentaren Bind u. a. erhalben der zum 1. Bnch der
Analytiea prior» und zur Topik *). Sie zeichnen sieh durch
') Simplic. in Categ., Akad. Ausg. Bd. B, S. 63. SimpUcius nennt
übrigens auch Xeookrates als Vertreter dieser Lehre. Vgl auch Friedr. Littig,
Andronikos von Rhodos, 3 Teile, Manchen 1B90, Eriangen 18M u. 18S6
(Qymu. progr.); in Teil 3, Sl 12 ff. eine Zusammenstellung der ertialUoen
Fragmente.
=) Vgl Prantl I. c. Bd. 1, S. 6*0.
*) Koimsche Ausg. d. Opp. med. gioec. Lips. 1827, Bd. 14, S. 582. Karl
Kalbfleisch (Jahrb. f. klass. Philol. 1897, 23. Suppl.-Bd., 5. 679— '708) sucht
gc«en Prantl (I. o. S. 591 ff.) nachzuweisen, daB auch die Schrift tlattyvyii
itaitxTtKij, welche zuerst Minas (M^rSc) 18*4 herausgegeben hat (spätere
Ausgabe von C. Kalbfleisch : Institutio logica Gal., Lips. 1896), im wesentlichen
echt ist. Vgl. auBerdem üben Galens Xxigik u. a.; Emm. Chauvet, La logique
de GaUen, Compte-rendu des S£ances et Tiav. de l'Ac. des sc. mor. et pol. 1883,
Bd 117, S. 4äO u. 580; Iwan v, MöUer, Abh. d. philos. philol. KL d. Kgl.
Bayr. Ak. d. Wiss. 1897, Bd. 20, S. 40S (betrifft das verlorea gegangene Weit
ntiji änoiflitaie), — Prantl bespricht übrigens noch einen zweiten Pseudo-Galeo.
0) Therap. meth. I, 4 (ed. Kühn Bd. 10, 1826, S. 37).
*) In der von der Berl. Akademie veranstalteten Ausgabe der griechischea
Kommentare zu Aristoteles nehmen sie die beiden ersten Teile des 2. Bandes
ein (1883 u: 1891). Unter den uns eibaltenen selbständigen Werken
Alexanders (>i«?I Vvzvt usf.) finden sich keine speziell logischen. Aus
Alexander bat dann weiterhin Asklepius aus Tialles im 6. Jahrhundert
geschöpft (Ak. Ausg. Bd. 6, Teil 3).
„.,.,„,>..oo^sic
2. XspiteL Allgemeine Oeeohicbte der Logik. 49
Sebarfsiiui nnd Klarheit vor den meisten späteren Kommen-
tareo ans. In einzelnen Punkten ireicht Alexander von
Aristoteles ab. So spricht er den allgemeinen Begriffen jede
Existenz anOerhalh unseres Denkens ab^), Aach beseitigt
er die Ansnahmestellnng des aristotelischen vovg, soweit er
dem Menschen zokommt, und reiht ihn den niederen Seelen-
lätigkeiten unmittelbar als eise gleichfalls vergängliche
Uyaiug t^e V^TTf ^^- -^^^ Anlage (potentielles Vermögen)
ist er der vovs iitxös xai g/vautög, als tätige Kraft der vovs
iainiifog (acqnisitus) oder xa^' tSiv- Die Aktnalisiernng
des potentiellen vovs (des ivväfiet votif) soll durch die Ein-
wirkung des gottlichen voig »ot^tiijc erfolgen ^).
Weit anter den Leistong^i Alexanders stehen die*
jenigen des S>i47 bereits erwähnten Porph^rins <geb. 232
ader233, gest. nach 300— vielleicht 304— n.Chr.), trotzdem
baben seine Lehren infolge ihrer begnemen schnlmäQigen
Dantellnng nnd ihrer Konnivenz gegenüber den gegnerischen
Anschannngen (namentlich der stoischen Schnle) einen viel
größeren Einflnß auf die Weiterentwicklong der ZiOgik ge-
habt. Von den Kommentaren des Porphyrins ist nns nur
die "Edjfiitrts •!; tag 'Jfjunoriiovs xat^Offiag *atä neßetv xal
«tönfuttv erhalten. Sein Ansehen verdankt er jedoch haupt-
sächlich der gleichfalls erhaltenen Schrift filffoyujrij aie %äg
A^tOtniXovf xcniffofiitti (auch „ne^ twf nivrs {pwfüv" be-
utelt}^. Diese behandelt speziell die sog. quinque voces
(nimt fttwat): y6voi^ ita^offä, $lSi>(, ütion und av/tfitfiiptög,
die uns in ähzilicher Welse schon bei Aristoteles (S. 39)
nnd Tbeoplirast (S. 41) begegnet waren. Die UnterscheiduDg
von jiwoe (Gattung, z. B. ^nimal) und tUoe (Art, z. B. homo),
deren Mißlichkeit mit Bezug auf die aristotelische Lehre
S. 3S und 45 hervorgehoben wurde, wird aufrecht erhalten,
«bwohl Porphyrius selbst zwischen den htfchstea Gattungen
und den niedrigsten Arten (/ura^i täv rwsxtnätm' xai %mv
tUumtätmy) zahlreiche Zwischenstufen (ftiea; indlXiiXa; S
0 Jtf^J tH>n*r, Suppl. Aristot. Ak&d. Ausb. Bd. 2, Teil 1, Berlin 1887.
Mf*W xtd »Mfä if v ftir Sntt^w ir talt xa^hmni » xmk Mimt tgu .
"tiamrm H xmgie it^t xatfä ri xai na9«iov yUnai, »at tirl ivtl r*ie «(«v
rafiai . ^ n fii rovtiB, pM Iotw Sit,
») L c. S. 88 ö.
*} Bade Werice siod in Bd. 4, Teil 1 den Berl. Akad. Ausgabe der griecL.
Kommenlue za Aristoleles at^edruckt (1887).
ZUhan, Lduboch dar Itoglk. 4
OgIC
50 I- ^il- i-hgraisang tmd allgemeine Ges<^ichte der Logit.
xal yivti xal «äff Jtrr» rä airä)^") anerkennt Ebensowenig
gelangt Porphyriu3 zu einer Ideiren Unterscheidung von
Sutyofä, tiiov und evftßeß^iig. Er beschränkt sich im ganzen
darauf, die verschiedenen üblichen Auffassungen dieser drei
Momente nebeneinander zu stellen. Die meisten Bestim-
mnngen fallen daher unklar und unsicher aus. So wird
beispielsweise zur Charakteristik der diagio^a gegenüber
dem tSiov angegeben, dafi erstere ini nlLet6»iop eidmv Ufsreu
noJdäxH (I), letzteres aber igi' ivös el9ovs, ov iattv Utov^'}
u. a m.
Den Kategorien schrieb Porphyrius wieder gemäß der
ursprünglichen Lehre des Aristoteles reale Bedeutung zu.
An der Zehuzahl hielt er fest, stellte aber die erste als
ovaia den 9 anderen als den ävftßsßii%ö%a scharf gegenüber.
Jene ist stets das ^noxei/tevov für diese ^^). Auffällig ist,
daß die Einzelwesen {äto/noi ovaiat) als Tr^wvai ovoiat, die
«lAj und riv^ als isv-rs^ai oütriat bezeichnet werden (vgl.
S. 35 , Anm. 10). Ganz aufgeklärt ist der Sinn der hierher-
gehörigen Stellen noch nicht i').
Von späteren Kommen latoren, die zu einem großen Teile dem Neuplalo-
nisntus aosehöreQ oder nahe stehen, seien noch genannt: Dexippus**)
(SchQter des Jantblichus, gesL nach Busse um 360 n. Chr.), T h e m i s l i u s »)
(917 bis ca. 390). Syrianus") (390 bis ca. «0), Ammonius") (Schüler
des Proklus, Enkelschöler des Syrian), Simplicius") (ura MO n. Chr.).
">) Vgl. Aliad. Aus«. S. 4 u. 16.
") L. c, S. 18.
") L. c. a 88.
'») Vgl. die Kritik der Pmntlschen AuWaseung bei Zeller L c. Bd. 5,
S. 6*2, Anm. 2. Ich bin überzeugt, daß Porphyrius die aristotelische Unter-
scheidung des nQÖn^y x^ir if't und des n^it^v ij; tpivu oiißverstandeii
oder übersehen hat.
!•) Der Kommentar desDexippus zu der aristoteUschen Kategorienschrift
ist in Bd. i, Teil 2 der Berl. Ak. Aus«, der griech. Kommentare abgedruckt
(1868). Vgl auch Ad. Busse. Hermes 1888, Bd. 28, S. 402.
") Die uns erhaltenen Kommentare sind in Bd. 5, Teil 1—3 der Ak.
Ausgabe abgedruckt. Die in Bd. 28 abgedruckte Paraphrase au den Analyt.
prior, stammt sehr wahrscheinlich nicht von Themlstius,
'•) Kommentar zur aristotel. Melaplivsik in Ak, Aus«. Bd: 6, Teil 1
(1902).
") Zum Unterschied von anderen Ammonius Hermiae sc. liliuB ge-
nannt. Seine Kommentare (auch zur Isagoge des Porphyrius) finden sich in
der Ak. Ausg. Bd. i, Teil 3—6.
1») Akad. Ausjr. d. griech. Kommentaic. namentlich Bd. 8 (1907) und
Bd. 11 (1882).
1,1^. OQi
,g,c
2. EapiteL Allgemeina Geschichte der Logik. 51
Jehaones G ramma licus P h i lo ponu s ■■) (etwa gleichzeitig mit
Simpltdus in der 1. Hälfte dea 6. Jahrhundert^', wie dieser Schüler des
Aranonius).
Eine wesentliche Weilerbildung oder VeHiefung der aristotelischen Logit
st Iq dieseii Kramaentaren nicht zu linden. Meiat wurden die arisiDtelischen
älEe mehr oder weniger umständlich erklärt und ohne wcdlere Kritik zu-
sumnengesteUt. Nur hin und wieder wurde das eine oder andere Kapitel
rtwM spezieller ausgefohrt. Erwähnt sei nur, daS wahrscheinlich e^t von
diesen späteren Koauoentstoren neben den aristotelischen Kal^orien (imi^-
jtfl** BM«!) die S. d6t Anm. 14 schon erwähnten . vier Nach-Kategorien
imi ii( xar^yffae aufgestellt bzw. anerkannt wurden ^o), obwohl dieK
offenbar in den zehn ursprünglichen Kategorien schon enthalten waren.
§ 14. Martianng Capelia und BoSthiuB. An die letzt-
genaimteo Kommentatoren Bchließen sich einige in latei-
nischer Sprache schreibende Philosophen an, welche — wie
öbrigens aoch Philoponns — Christen waren, aber doch in
ihren philosopfaifichen, namentlich ihren logischen Schriften
noch keinen erheblichen Einfluß der christlichen Lehren er-
kennen lassen. Für die Weiterentwicklung der Logik im
Hittelalter sind sie insofern von großen Bedeutung, als die
christliche Philosophie des Mittelalters bei ihren logischen
Untersuchtingen vorzugsweise an die logischen Komi>endien
flieser Ubergangsphilosophen anknüpft.
MartiannsCapella') (in der 1. Hälfte des 5. Jahr-
hunderts) schrieb ein Satiricon betiteltes Werk über die
7 artes liberales in 9 Büchern, von denen das vierte einen
knrzen Abriß der Lc^k gibt. E^ lehnt sich Vorzugsweise
an die Isagoge des Porphyrius an. Die qninque voces {nivtt
y«*«/) werden als genns, formae (= species), ditPerentia,
aceideuB und proprium aufgeführt, aber nicht auedrucklieh
als solche bezeichnet und ohne scharfe Trennung definitio,
totnni, pai^, divisio, partitio, aequivocum, univocum, pluri-
vocmn angereiht (ed. Eyseenhardt S. 102 ff.); die prima sub-
slantia wird definiert als substantia, quae nee in subjecto est
inseparabiliter neqne de nllo subjecto praedicatur, die secunda
sabstantia als diejenige, quae de priraa praedicatur (ed.
"} Akad. Ausg. Bd. 13— 16.' Vgl. Ober Philoponus A. BaumsUit, Arislo-
tetes bei den STrem, Lpz. 1900, M 1, S. 15&
**) VgL Pbilopouus, In Aristot. Categorias Comment, Conun. in Aiist
Oiaeca Bd. 13, Teil 1 (ed. Busse), Berlin 1898, S. 13: iwig ^mytU, Jof ti
*f< w «pirapo»-, li iz*'"-
') 0« nuptiis pbilologiae ei Hercurii (de sep(«m artibus liberalibus),
fierausgeg. z. B. von Franz ETseenhardt, Lips. 1866.
„.,,„, ^.oogic
[. Teil AbgreDtang und allgemeiDe Gssobiohte der Logik.
Eyssenhardt S. 110). Die 10 Kategorien (praedicationes)
Verden aufgezahlt als sabstantia, qnalitas, qaantitas, rela-
tiTnm, facere, pati, Situs, qnando, ubi, habitns (1. c. S. 108
bis 117). Die lateinisohen Termini wurden vorzugsweise aas
Cicero und M. Fabius Qointilianns (geb. 35 n. Chr., Haupt-
werk De institatione oratoria) entlehnt
Noch viel mehr Einfluß gewann Anicios Manilas Tor-
quatns Sevenrinus Boethiue*) (oft auch fälschlich Boetios
geschrieben; geb. nm 480, hingerichtet 524) durch seine
Kommentare und Übersetzungen logischer Werke des Aristo-
teles und des Porphyrias *). Bis weit in das Mittelalter
hinein schöpfte man die Kenntnis der aristotelischen Logik
nicht aus den Werken des Aristoteles selbst, sondern vorzags-
weise aus diesen Bearbeitungen des Boethiiis. Vor allem be-
gründete er aach die lateinische Terminologie für die Logik.
Die Kenntnis seiner uns za einem groBen Teil erhaltenen
Werke ist daher für das Verständnis der mittelalterlichen
ItOgik unerläfilich.
Die Logik ist nach B. sowohl die pars rationalis philo-
sophiae wie auch instmmentnm philosophiae *). Ihr Ziel ist
inventio jndiciumqae rationom, d. h. der vemnnftgeinäfien
Begründungen. Die Kategorien (praedicamenta) w^en als
„rerom genera" aufgefaßt*) und ähnlich wie bei Capella
3) Vgl Ober ihn Fnst; 1. c Bd. 1, S. 679 ff.; H. Usenet, Anecdoton
Holden etc., Festschr., Bonn 1S77, S. 37 tL. namentl. S. « (AufzAhlunR der
loK. Schriften); M. Gratnnann, Die Geschichte der scbolast Methode, Bd. 1,
Preibun i. Br.' 190», S. 1466. Von den selbaUndigen Schriften sind am
vichtigsten: De dlTisione, Introductio ad syllogismoB categoricos, De syllo-
gismo categorico, De sylloiimio faTPothetico, De differentiis topicis. De defi-
nilione, s&mtlich in Mignes Patrologie, Bd. 9t abgedruckt. Die letztgenaonle
Schrift (de definitione, auch de diffinitione überachrieben] scheint Obiigena
von G. Marius Victorinus AXer im 4l. Jahrhundert verfaßt zu sein.
*) Von Boethius selbst stammt nur die lÜHrsetzung der beiden ariato-
teliscben Schritten De categoriia und De interpretitione und der Isagose des
Porphyrius. Die Übersetzungen der beiden Analytiken, der Topik und der
Elenchi sophist. rühren von Jacobus t. Venelia (i. d. 1. HAtfte des 13. Jahr"
bunderts) her, wurden at>er sp&ter (im 16. Jahihundert) intomlich in die
Weite des BoEthius aulsenommen (s. Schmidlin, niilos. Jahrb. 1906, Bd IGs
S. 168). Zu den Kategorien hat S. einen Kommentsr, zu De interpre-
tatione und zur Isagoge je zwei KommeDtare verfafii Die Kommentare zu
De interpretaüone hat K. Meiser kritisch herausgegeben (Leipzig 1877 — ^1880,
2 BSnde).
*) Comm. in Porph. ed Migne S. 74.
") Ibid. S. 78 D.
n,5,t,7rjM,G00glc
2. EaftitsL Allgemnoe Oeschichte der Logik. 53
beieichnet *). Die qninqne vocee scheinen aar dazo bestimmt
la sein, die Erleraai^ oad AaweQdung der Kategoriea za
erleichtern. Das innere Verhältnis der voces zu den prae-
dicamenta wird ebensowenig antersacht wie die tiefere
Bedeotang and das gegenseitige Verhältnis der praedica-
menta nntereinander. Die erste Kategorie wird als sab-
stantia den übrigea 9 (den accidentia) gegenäbergestellt (vgl.
oben S. 50) and in der üblich gewordenen Weise prima and
aKonda eabstantia onterscbieden (vgl. S. 50/51). Die primae
sabstantiae sind in den sinnlich wahrnehmbaren Individnen
gegeben, die secundae sabstantiae in den intelligiblen on-
körper liehen Begriflen; andrerseits soll doch der Unterschied
der Individnen in den Ähzidentien liegen („differentia aooi-
dentalis", vgl. 8. 63, Anm. 13).
Folcende UteiiiisctM OberaetzuDicen, welche Boeihius tOr aristatelisdie
Termini eingsföhrt bat, dod besondere iriobtig: sctua ^ M^yfim, speoies =
Mk, prinäpiiiin = Jgg^t nnivenale c= «■»' Si»p (Znsammenfusnng tou
innu uod spedee[), ftffinaatio =^ xatü^aaie, negatio = üj^nr, dabi-
btJD ^= ajtofia, diHerentm >= Suuffi, divisio = iialftate, aocidens =: «r/t>
fififit, contingeiis ^^ Mijrifuvw, appositio = tigif9Mie, poteotia = &irafue,
inlyectiuii = iai«nti/iir*y, speonl&tio = 9tmflm, dsfinire = iflfit^mi, deter-
man = MgofitfUCi'^*, iiofl&atmt, «eqnivoonm = tftmy*/ay, oontn-
dictio =1 mni^aov, coobatia = bmfila, coiiTertitar ^ inmft^t, altenttio
= btfitic (nach Grabmana L c. S. 157).
Wesentlich üeter als die Weite dee Boethius steht die Schritt des
HaiDasAmeliu8Cassiodor(i)U9 (nach TeuSel ca. 487 bis ca. 5S3);
De artUnis &c disciplinis liberalium litterarum *). Er beschrankt üch darai^,
die LAren des BoGthii», Appulejus u. a. Icurz zusammeniUBtellen.
{ 15. Patristiaehe Lofik. Inzwischen hatten die
Sircbenväter (Patrist« n) langsam auch einige
Interesse an der Logik gewonnen. Die älteren patristischen
Schriftsteller hatten wichtigere Aufgaben als die logisch
Gnbtile philosophische Begründang der christlichen Glanbens-
lehre. Manche bekämpften die Logik sogar als eine heid-
nische, dem Christentum feindliche Wissenschaft
■} Comm. in CaL S. 201—364.
'i Hignes PatroL Bd. 70, S. 1149. Man unterschied damals unter den
lilteiae liberales die ft artes oder scientiae sermocinales (Grammatik, Dia-
IfUi^ Bheiorik) und die 4 disciplinae oder scientiae reales (Arithmetik, Geo-
metrie, Hiuök, Astronomie). Erstere wurden als Trivium (zuweilen auch als
i^Xica}, letztere als Quadrivium (Physica) zusammenselaflt. Von den
■nuttgen Schriften Cassiodors kommt noch in Betracht De anima, Mignes
frtnA. Bd. 70, S. 1279.
54 I- ^^- AbgreDzuQß und allgsmeine Geschichte der Logik.
Ob die beiden unter dem Namen Aususlins') (35i — (30) übtr-
lieferten, oft als „pseudo-aueuslinisch" angeführlcn logischen Scbririen Prin-
cipia dialeclicae uod Categoriae decem ex Aristolele decerptae echl sind, ist
zweifelhaft. Die erste ist oHenbar unvollendet und wird von Prantl fQr ecbL
gehalten. In der zweiten vermutet Trantl die Ubersetzunit einer Solirift des
Themistijjs (vgl. S. 50). Wesentlich neue Gesichtspunkte sind iu beiden
nicht enthalten, ebensowenig in einem Fragment De arte rhetorica^).
I s i d 0 r u 3 , Bischof von Sevilla, daher Hispalensis genannt (ca.
570— 63&), gab unter dem Titel „Ktymulogiae" oder „Origines" in 20 Büchern*)
eine Enzyklopädie heraus, in der aich auch manche grammalische, rhetorische
und logische Artikel finden. Die Dialektik (=>t.ogik) wird im 2. Buch, Kapi 23
definiert als „disciplina ad disaerendas rerum causas inventa", und weiter
heißt es: „ipsa est philosophiae species, quae logica dicitur id est rationalis
diffioiendi quaerendi et discemendi potens".
Der Mönch Johannes von Damaskus (Damascenus*), ge-
storben vor 7M] suchte bereits die antike Philosophie und speziell die antike
Logik fOr die christliche Theologie zu verwerten. In seiner „Quelle der Er-
kaDntnis" (miyi yi^nuf) lehnt er sich namentlich an Porphyrius an. Im
Abendlande verfaßte etwa zu dersdben Zeit Beda.') gen. Venerabiüs (674
bis 735) kurze Lehrbücher, welche u. a. auch die Logik im Anschluß namenthch
an Isidorus Hispalensis behandelten. Etwas bedeutender ist AIcuin (736
bis 80*), der Lehrer und Berater Karls des Großen, der u. a. ein Kompendium
der Dialektik in Dialogform schrieb*). Auch er schloß sich namentlich an
') Mignes Patrol, Bd, 32, S. l-MXt u. H19. Üher die Dialektik bzw. Logik
des Augustin vgl. H. Hagen, Jahrb. f. klass. Philologie IST?, Bd. 18 (105).
S. 7&7 und W, CreceUus, S. Aurel. Auguslini de dialectica liber, Jahresber.
aber das Gymn. zu Elberfeld, Elberfeld 1857. Der letztere gibt S. 5 ff. den
Text des dialektischen Werkes mit 1«sarlen und Emendationen wieder.
") Vgl. Aug. Reuter, Amuslinische Studien, Gotha 1867 (mir nicht zu-
gänglich) und Ders. in KirchengesclHchll, Studien. H. Reuter gewidmet von
Th. Brieger u. a,, Lpz. It^88. S. 2'il— 351.
") U. a. herausgegeben in Mignes Patrologiae Cursus conipl. Bd. 83,
S. 73. Ebenda Bd. 84, S. 9 die Schrift Difterentiae sive De proprietale ser-
moniun.
•) Opp, ed. Lequien, Paris 1712, und Mignes Patrol. gr. Bd. 9*, S. S&l.
Siehe auch Joseph Langen. Johannes v. Damaskus, Gotha 1879, namentlich
S. 34 — 52. Damascenus ist Übrigens in vielen Beziehungen von einen)
Leontius von Byzanz abhängig, auf den namentlich Loofs aufmerksam ge-
macht hat und der schon über 3(X) Jahre früher christljdi-theologische Lehren
mit den Lehren des Aristoteles und des Porphyrius in Verbindung gebracht
hat. Er lebte unter Justinian und scheint um 5*3 gestorben zu sein. Vgl.
Fr. Loofs, Leontius v. Byzanz und die gleichnam. Schriftsteller der griech.
Kirche, Leipzig 18S7 (Texte u. Unters, z. Gesch. d. altchristl. Lit. Bd. 31 1888).
'■) Über die Echtheit mancher der ihm zugeschriebenen, in Mignes Patro-
logie Bd. 90 abgedruckten SchrLIten bestehen Zweifel. Vgl. Prantl, Sitz.-Ber.
d. Bayr. Ak. d. Wiss. 1867, ü, S. 17ä (17* u. 179) und Kar! Werner, Beda, der
EhrwOrdige und seine Zeit, Wien 187b, S. 236.
«) De dialeclica, Mignes Patrologie Bd. 101, S. 849. Siehe auch 1. B.
Laforet, AIcuin restaurateur des sciences en occident sons Clharleniagne, Diss.
Louvain 185t, namentlich S. 03 ff. u. 216 fl.
OgIC
2. EspiieL AUgemsioe Gescfaiclite der Logik. 55
fsdur und an die Deeudo-augustiaische Kateeorienschrifl (a. oben S. üi) «d.
San Schaler Predesisius') ergine sich in sehr oberflächlichen Speku-
ktimtn über den Begrill des Nichts und der FiDsternis. Von Isidor und
Htm isl auch Babanus (Hraban) Naurus r776— Sö6> in seiuem
*oie De clericorum inslilulione abhängiB *).
S 16. Seholastisehe Logik. Allffemeine Vorb«merfciuigen.
Die Kaaptanf gäbe der Scbolastik bestand darin, für die kirch-
liehen Lehren eine philosophische Grundlage zu schaffen. Die
Dt^meii der Kirche stehen vermöge der Antorität der Kirche
fest Es handelt sich nur darum, sie für die Vernunft syste-
matisch darzustellen und zu l)egründen '). Mit dem über-
wiegend formalen Charukter dieser Aufgabe und Tätigkeit
faing es zusammen, daß die Erkenntnistheorie und die Tjogik
Kr die Bcholastisehe Philosophie eine besonders große Be-
deutung bekam. Der sonstige. Inhalt der alten Philosophie
war für die Scholastik größtenteils überflüssig oder geradezu
verboten, inhaltlich war die Scholastik an die Dogmen ge-
bonden. Höchstens in Fragen, die ab^it« von aller Theologie
lagen, konnte dieser Inhalt nebenbei gelegentlich verwertet
werden. Dagegen bot die bochent\^ ickelte antike Erkenntnis-
lehre nnd Logik ein bequemes Werkzeug, um die Aiifgabe
■ler scholastiscben Philosophie zu lösen.
Für die Stellung der Erkenntnislebre und Logik ergab
sich damit eine tiefgreifende Veränderung. Bei Aristoteles
waren beide noch selbständige Wisseneebaften gewesen, schon
bei den späteren Peripatetikern galt sie überwiegend nur als
Werkzeug (ö^j^voi'} der praktischen und theoretischen Philo-
wphie, bei den Scholastikern kommt überhaupt fast unr noch
diese methodische, vorbereitende Bedeutung in Frage, nnd
zwar jetzt gegenüber der Theologie.
Bei dieser Bichtnng der scholastischen Philosophie war
» sehr begreiflich, daß sie gerade in den aristotelischen
lehren die gewünschte Hilfe suchte und fand. Die aristo-
teiisebe Erkenntnislehre und Logik war zum Teil schon bei
Aristoteles selbst, vor allem aber bei den späteren Kommen-
tatoren von dem metaphysischen nnd sonstigen Inhalt dei<
') Epistola de nihilo et tenebris, Mignes Palrol., Bd. 105. S. 7&I. Vsl,
Xu Abncr, Fredegis v. Tours, Leipzig 1S78, namentlich S. .SHff.
■) Hirnes Falrdogie Bd. 107, S. 293 (namenUich 111, 'ä))-
') Sehr l^rreich ist hierfdr die Zusantmen Stellung der früheren An-
äidilen, die Abttdard im !. Kap, von ^ic et non ed. Henke -lindenkohl, Mar-
l»iu 1H51. S. 18—39) gibt.
O^^IC
56 I- ^sil' Abgreniung and allgemeine GeBchioHte der Logik.
aristotelischen Systeme in hohem Maße unabhängig geworden
lind hatte sich dabei formal anßerordentlioh'hoch entwickelt.
Der Keaplatonismus hatte Logik nnd Erkenntnistheorie ge-
radezu Temachtassigt nnd war mit metaphysischem Inhalt
geradezu überlastet. Die stoische Philosophie mußte schon
durch ihren ausgeprägten SensualismuB (vgl. S. 44) nnd durch
die offensichtliche Bückständigkeit ihrer Logik abschrecken.
Von einer Verwertung der skeptischen Lehren konnte die
Scholastik erst recht nicAits hoffen. Dazu kam, daß zahl-
reiche Kommentare, Übersetzungen und Kompendien die
aristotelischen I^ehren sehr bequem zugänglich machten.
Später konzentrierte sich daher die scholastische Logik
nnd Erkenntnistheorie ganz auf das Studium nnd die Ver-
wertung der aristotelischen Lehren. Sie setzte geradezu in
vielen Beziehungen bei ihren logischen Untersuchungen die
Arbeit der heidnischen griechischen Kommentatoren fort.
Hierbei fiel nun schwer ins Gewicht, daß ans Gründen,
die hier nur angedeutet werden können — Seltenheit der
aristotelischen Originalschriften im Abendlande, Mangel an
Kenntnis des Griechisch^i n. a. m. — die Werke des
Aristoteles selbst in den ersten Jahrhunderten der scholasti-
schen Tätigkeit im Original fast gar nicht gelesen und ver-
wertet wurden '). Man kannte vielmehr seine Lehren nur aus
den Kompendien, Übersetzungen bzw. Kommentaren des
MartianuB Capella, des Boethiua, des Casalodorus, des Augu-
stinus bzw. Pseudo-Aogustinuß (s. oben S. 54). Diese Kenntnis
war aber, wie ans den vorausgegangenen Erörterungen ein-
leochtet, lückenhaft imd verfälscht: lückenhaft, insofern vor
allem die beiden Analytiken des Aristoteles in den Kom-
pendien der genannten Schriftsteller gegenüber der Schrift
über die Kategorien nnd de interpretatione ') völlig vernach-
lässigt worden waren; verfälscht, insofern diese Kompendi^i
ihrerseits sich vorzugsweise auf die Isagoge des Porphyrios
stützten, durch welche die aristotelische Lehre in vielen Be-
ziehungen verunstaltet worden war (vgl. S. 49). Erst zu An-
fang des 12. Jahrhunderts verbreitete und erweiterte sich
allmählich die Kenntnis der aristotelischen Schriften erheb-
') Die Kenntnis der eriechisches Sprache bei Eriueena wer eine Aus-
nafame.
•) Die Schrift De interpretatione wurde zu Anfang des 11, Jahrhunderts
von Notker Ljibeo sogar in das Althochdeutsche abersetzt (vgl GraS, Hist.-
phiios. Abb. d. KbI. Ai. d. Wiss. a. d. J, 1886, BerUn 1887, S. 267 fl.).
O^^IC
3. KApit^ Allgemeine Geschichte der Logik. 57
lieh *), wie sich unten im einzeloen er^ben wird. Zum Teil
stand die damit eintretende ümgeetaltung der scholastischen
Ii)gik in engem Znaammenhang mit dem Eingrreifdn der
byzantinischen und vor allem der arabischen Philosophie.
Die Einteilung der scholastisches Philosophie wird, soweit
t6 meh am Erkenntuislehre und Logik handelt, zweckmäBig,
wenigstens teilweise, auf diesen verschiedenen Umfang der
Kenntnis der aristotelischen Werke gegründet. Mim kann
danach drei Hauptperioden unterscheiden:
1. Frnhperiode der scholastischen Logik
(Periode der unvollständigen Kenntnis
der aristotelischen Werke) ca. 800 — 1100.
Hanptvertreter: Johannes Scotns Griugena, Bosce-
linus, Anseimus von Canterbury.
2. Die Periode der vollständigeren Kennt-
nis und z. T. auch Fortbildung der aristo-
telischen Werke ca. 1100—1300.
a) Scholastiker der Übergangszeit von
derl. zur 2. Periode: Abälard, Gilbert Porre-
tanus, Hugo St Victor, Petrus Lombardns, Jo-
hannes V. Salisbury.
b) Die byzantinischen und arabischen
Äristoteliker: Psellus, Älfäräbi, Avicenna,
Avcrroes.
c) Die christlichen Scholastiker der
Höhezeit: Alezander von Haies, Albertus Mag-
nus, Thomas v. Aqnino, Petrus Hispanns.
d) Scholastiker der Übergangszeit zur
3. Periode: Boger Bacon, Lnllns.
3. Spätperiode ca.1300 — 1600: Duns Scotns, Occam;
Es wird sich jedoch ergeben, daB, unabhängig von dieser
chronologischen EinteUnng, bestimmte Hauptrichtusgeu in
<^r scholastischen Logik unterschieden werden können,
velche teils gleichzeitig, teils nacheinander aufgetreten sind
*) Uan stellte d&her zuweilen geradezu auf Grund dieser Verschieden-
™ des QueUenmaterials eine vetus logica UBd eine nova logica einander
MUQber. Die erstere umlafite die Katesoiien und de interpretatione von
^istolcles, die Isasoge des Forphyrius, die Abhandlunsen des Boölhius de
WMDe nnd de ditferentiis topicia und den Liber sex principionim des
'^'llwrt Pon«tanus, die letztere die beiden Analytiken, die Topik vmd die
Soptiatici elenchi von Aiiatoteles.
OgIC
58 T. Teil. AbgninzDiu; tmd allgemeine Oesolüobte der Logik.
und durah ihre Stellungnahme zu einzelnea Hauptproblemen
der Logik und Erkenntnistheorie charakterisiert sind.
Unter den allgemeinen Werken, welche die Geschichte der scbolastischen
Logik behandeln, sind am wichtigsten Pranll, Geschichte der Logit im Abend-
lande, Bd. 2, Leipzi« 188& {bis Averroea einschl.), B4 3, 1867 (bis Occam
einschl.). Bd. *, 1870 (Schluß); B. Haur^u, De la Philosophie scolasUque,
2 Bde., Paris 1850 u. Hisloire de ia Philosophie scolastique, 3 Bde., Paris
1872—1890; M. de Wulf, Hisloire de la Philosophie mfdiivalt. Louvain 1900
und Le probltoie des Universaus dans son 6vol, bist du 11. — 13. 3iöcle, Areh.
f. Gesch. d. I'hilos. 1896, Bd. 9, S. 427; W. Kaulich. Geschichte der scholast.
Philosophie, Teil 1, Praff 1663 (Eriugena bia Ab&lard); Albert SlöckV Ge-
schichte der Philosophie des Mitlelallers. Ü Bde.. Mainz 1864, 1865 a 1866^
K. Werner, Der Entwicklungsgang der mittelalterlichen Psychologie von Al-
cuin bis Albertus Maenus, Wien 1676 (Denkschr. d. Wien. Akad., philos.-
hislor. Kl., 1876, B^ 2D, S. 69), und Scholastik des späteren Mittelalters,
4 Bde., Wien 1881 — 1887; H. Siebecit. Zur Psychologie der Schoiaslik, Arch.
f. Gesch. d. Philos., 1888—1^0, Bd. 1— Ö: M. Grabmano, Die Geschichte der
scholastischen Methode, FreiburR 1909 u. 1911 (bis jetzt 2 Bde. erschienen);
Francois Picavet, De l'orisine de la scolastique en France et en Allernaene,
Bibl. de i'ic. des haut. 6t. Bd. 1, Paris 1688 *, Estluisse d'une histoire generale
et compar^e des philosophies m^^vales, Paris 1906. 2. Aufl. 1907'*, Essais
3Ur l'hist. frtn. et comp, des thfologies et des philoe. mSdiSv., Paris 1913;
J. A. Endres, Geschichte der mittelalt. Philos. im christl. Abendlande, Kempten-
MQnchen 1908, und Forschungen z. Gesch. d. frühmittelallerl. Philos., Münster
189Ö (in Beitr. z. Gesch. d. Philos. d. Mittelalt., Bd. 17, H. 2—3); CL Bäucdccr,
Die europ. Philosophie des Mittelalters, Kult. d. Gegenw., I, 5, Berl.-Leipzig
1909; Franz Overbeck. Vorseschichte und Jugend der miltelallerlichen Scho-
lastik, Basel 1917, und viele andere. Die Werke von E. Blanc waren mir
nicht zugänglich. — Viele wertvolle Terte und Untersuchungen sind in den
.Beitragen zur Geschichte der Philos. des Mittelalters", hrsg. von CL Bäuin-
licr (seit 1891) und in der Sammlung .,Les phUosophes du moven Age", hrsg.
von M. de Wulf (seit 1903) veröffentlicht. Auch die von Ilaur^au veröflent-
lichten Kotices et extraits de quelques manuscrils lalins de la bibliolhkiue
nationale, Paris 3890—1893, sind unentbehrlich.
§ 17. Friihperiode der seholastischen Logik. Eriu^na,
BoscelinuB, AnaelmuH. Johannes Scotas Eriugena
(um 810 bis ch. 877) hat sich in seinem philosophischen
Hauptwerk De divisione naturaeO anch eingehend mit
logischen Fragen beschäftigt'). Die Dialektik oder „logicu
') Dasselbe ist, obwohl lateinisch geschrieben, unter griechischem Titel
(ntfl ^MtoK fitputfuv) veröffentlicht. Von neueren Ausgaben sind am leich-
testen zugänglich die FloBsche in .Migncs Palrologie, Bd. 12E (1863) und die
SchlüUrsche. Manchni 1838.
') Die Bedeutung Eriugenas für die Geschichte der Logik ist zuerst von
l'rantl (1. c. Bd. 2, S. 2aitj gewürdigt worden. Vibet>, den Text des Weites
vgl. L. Traube und E. K. Band in AbK d. Kgl. Bayer. Ak. d. Wiaä, philos,
u. phiIoL bist. Kl., 1912, B. 26, 1. Abh.
„.,.,„.>..oo^sic
2. Kapitel. Ailgemeine Gesctiicbte dtr Logik. 59
rationalis" ist Dach seiuer Auffassung diejeuige Disziplia,
velche die vernunftnoäßig aufzufassenden Gemeiobe^iffe
erforscht (communium animi conceptionum rationabilioiu
dütgeoB investl^trixque dificiplina, De div. uat, I, 29, ed.
Schlüter S. 35), also von der Ehetorik und Grammatik wohl
Tu nnterscheiden. G«genüber den übrigen Teilen der Wis^en-
«chaft (sophia), nämlich der practice activa, der phygice
naturalis und der theolt^ia nimmt »ic insofern eine b<>'
soudere Stellung ein, als sie zeigt, „quibus reguHs de una-
quaqne trium aliarum partium disputandum" (I. e. III, 29
a. 30, S. 265). Beide Definitionen fallen insofern zusammen,
als Gringena die wesentlicheu „Regeln", welch« von der
lagik den anderen Wissenschaften geliefert werden, auf die
Bildung der Gemeiubegriffe, die divisiones a generallssimis
ad speeialiasLois und die collectio a speeialiseiniis ad genera-
lissima bezieht (I, 16, S. 22). Die divisio bezeichnet er auch
als merismus, die collectio als analytiee (II, 1 , S. 86) '). Die
Stafenleiter schreitet also von den Gattungen (genera) zu den
Arten (forma«) und von diesen zu den Individuen (ousiae) ')
fort Arten und Gattungen sind also nicht wie bei Aristoteles
bet«rogen. Die höchsten Gattungen sind die Kategorien
(essentia, qoantitas, qualitas, ad aliquid, situs, habitus, locus,
lempuB, agere, pati, I, 16, S. 22). Diese wie auch die (äat-
bugeo und Arten existieren nicht nur als Begriffe und auch
nicht etwa nur i n den Einzeldingen, sondern auch unab-
hängig vom menschlichen Deuten und vor den Einzeldingen
als ankörperliche Wesen. Die Einzeldinge erfassen wir mit
den Sinnen, dem sensus corporens, das Allgemeine — die res
per se immatal>ile8 — mit dem Intellekt, dein purus mentis
contuitns (I, 63, S. 64). Trotz dieser realiBtiscli-outologischen
Auffassung der Ällgemeinbegriffe lehrt Eringena, daß die
Worte mit den Allgemeinbegriffen übereinstimmen, wenn
nicht zosamnwnfallen, entsprechend der Doppelbedeutung des
Wortes iöyof, und zwar infolge der von Gott den Worten
verliehenen natura superessentialis (IV, 7, S. 330 und m, 9,
S. 201). Hierdurch wird verständlich, daß die spateren sog.
') .In anderer Steile (De divina praedesl., I, 1. .Mittne» Patrol., Bd. Vi2.
ä. 36S) unterscheidet er vier Methoden : iminnur^ s= divisoiis, ifMiM^ ^=^
iiAmixt, mntittxtixi = demoostrativa, ärmXvtai ^ resolutiva.
*j Ka scheint mir übriBeiis, daß Job. Scolus den Tennlnua ousia in
•topKllera Sinne braucht, bald lOr Individuum, bald für essentia.
OgIC
50 I. T^ AbgrenniDg and aUgemaine Oeeobioht« der Jjagik.
Nominalisten (e. unten S. 61) sich auf Scotns beriefen, obwohl
seine Hanptlebre dem NommaliBmas ^radezn entgegen-
gesetzt war. Die Beziehang des Intellekts zu den Allgemein-
begriffen ist nach Scotna so zu denken, daB das Allgemeine
dem menschlichen Geist innewohnt (inest) und durch die
Dialektik nur zur Erkenntnis gebracht wird (TV, 7 — 9).
An diese Lehre des Scotus Eriugena und an eine von
Boethins kommentierte Stelle der Isagoge des Porpbyrins
knüpften sich mannigfache Streitigkeiten, bei denen schon
frühe die Bedeatong der Universalien (vgl. S. 53), d. b. der
AlIgemeinbegritEe bzw. des Allgemeinen die Hanptrolle
spielte*). Es traten nämlich Scholastiker auf, welche den
AIlgemeinbegrifFen lediglich eine Existenz in dem mensch-
lichen Denken und in den das Denken ausdrückenden Worten
zuschrieben. Im Gegensatz zu den früheren Scholastikern,
welche den Allgemeinbegriffen und speziell den Kategorien
und den quinque voces auch eine objektive Realität an-
schrieben und daher als reales (antiqui) bezeichnet wurden,
bezeichnete man die Anhänger der nenen Lehre als nomi-
nales (modemi *). Die Begründung der nominalistischen
Schule wurde schon im Mittelalter Boscelinus von Com-
piögne zugeschrieben, der in der ^. Hälfte des 11. Jahr-
hundertB gelebt hat. Es ist jedoch nicht ansgeschloseen, daß
Boscelin ältere Vorgänger gehabt bat. Größere Schriften
sind weder von ihm noch etwaigen Vorgängern erhalten, so
daß wir bezüglich der logischen Anschauungen dieser älteren
Nominalistenscbnie fast ganz auf die Mitteilungen ihrer
Gegner, namentlich Anselms (s. unten) angewiesen sind ^).
Danach läßt sich, wenn man alle sichtlichen Enfatelinngen
') Vgl. Beinera, Der aristotel. Realisoius in der FrQhscbolastik usvi.
Aachen 1907, und die S. 66 zitierte ScLrilt von Willner. — Der LibeUuB de
rational! et ratione uti von G e r b e t t (Sylvester U, t ICXB), Mignes Patrol.,
Bd. 139, S. 157, sieht außerhalb der groBen Streitfragen, die damals auf-
tauchten (vgl. Fr. Picavet, Un pape pbilosophe d'apr^ l'hist. et d'aprfis bt
lögeDde, Fatis 1897, S. lil ff.]. Dasselbe gilt anscheinend auch von R & d u I -
fusArdene (um 1100}, aus dessen Speculum universale Grabmana Lei,
S. 348 nianches Interessante initteilt (Einteilung d. Wissenschaften, Einteilung
der Logik in Grammatica, Dialectica und Rheloiica usf.).
*) Abweichend von der oben em&hnten Teiminologie (S. &7, Antn. 4).
'') So erklärt sieb auch, daS die Oescbichtsschteiber der Scholastik
Roscelin außerordentlich verschieden beurteilen. Vgl. P^^ Picavet, Roacelin,
pbilosophe et th^oL d'apris l'histoire etc., Fariä 1911 (auch Ec. prat. des h&ut.
«., Paris 1896).
3. EapHeL AUgemone Oesohirbte dar Logik. 61
der nominalistisGhen Lehre durch ihre Feinde beiseite läßt,
das Prinzip der damaligen Nomiaalisten etwa folgender-
maSen darstellen. Wenn wir irgend eine Eigenschaft, z. B.
eine Farbe, von einem farbigen Gegenstand, z. B. einem
Pferd, abstrahieren, so ist diese Abstraktion lediglich ein
Produkt unseres Denkens nnd unserer Sprache, eine
real getrennte Eigenschaft, z. B. schwarz exbtiert nicht.
Ebenso ist die Zosammenfassung von Teilen zu einem Ganzen,
die Zerlegung eines Ganzen in seine Teile und die Beziehung
der Teile aufeinander nichts real Existierendes, sondern
koomit erst im Denken und Sprechen zustande. Wie weit die
damaligen Nominalisten diese Behauptung auf alle Be-
öehnngen ausdehnten, ist zweifelhaft. Jedenfalls betrach-
teten sie die Zusammenfassung des Gleichartigen zu Arten
und Gattungen nnter Abstraktion von den individuellen hzw.
den artbildenden Merkmalen als einen besonders wichtigen
Spezialfall dieser ihrer Hauptsätze nnd' schrieben daher den
Üniversalien, d. h. den Allgemeinbegriffen nur subjektive
Existenz im menscblicben Verstand nnd in der menschlichen
Sprache zu. Die Einheit der Arten und Gattungen sollte also
nur in dem genteinaamen Namen bzw. Begriff liegen. Die
Dominalistische Aof f assung ') der AUgemeinbegritfe, ins-
besondere auch der Kategorien, scheint also nur eine einzelne
besondOTS wichtige Konsequenz einer viel umfassenderen
nominalistiscben Auffassung der gesamten Logik gewesen zu
■ein. Auch muß es unentschieden bleiben, wie weit diese
älteren Nominalistm die Prozesse der Zusammenfassung,
Teilung, Abstraktion, Generalisation usf. nur der Sprache
oder der Sprache und dem Denken zuschrieben*). Naeh
QutDchen Darstellongen ihrer Gegner mochte man das erstere
glauben, innere Grunde sprechen für letzteres; anch ist wohl
möglich, daß die Nominalisten im Hinblick auf die damals
angenommenen geheimnisvollen Beziehungen zwischen Be-
'} Vg\. hierzu aamentlich einen Brief, den Abaelard Cber Boscelin an
den Bischof von Paris schrieb (Petri Aluelardi Opp. bactenus aeors. edila etc..
•d. V. Cousin, Paria 1859, Bd. 2, S. 150^, und Cousins Bemerltungen, ibid..
Bd. 1, S. 40 u. 51, sowie Abaelard, De divisioi\. et defin., Oeuvr. inädils, ed.
Cousin, Paris 1886, S. 473^ lemer Anselm, De fide trin. elc. c. 2 (S. 366),
und Job. t. Salisbury, Hetoloficus, IT, 17 (S. 874}.
'} Uan beachte, daS z. B. in dem oben zilierten Brie! gerade in diesem
fWkle die handscbriftUche Überlieferunt! divergiert (bez. der Worte „sed
«Am tocem").
1,1^. OQi
,g,c
I. Teil. AbgroOEung und alleeineine Geschichte der D)gik.
griffen und Worten (vgl. S. 59) zwischen Sprechen und
Denken gar nicht scharf nnterBchieden.
An der Spitze der Keaktion gegen diesen Nominalismas
stand A n 8 e i m n 8 von Canterbury") (1033— 1109), d»r,
an piatonißch-auguatinische Lehren anknüpfend, gegenüber
den Nominaliaten — den haeretici dialecticae, wie er sie
nannte — die Realität der „snbBtantiae universales" be-
hauptete und sogar die Wahrheit der Urteile in die Essenz
verlegte '^). Der sog. outologische Gottesbeweis Änselms (ab-
gekürzt etwa: Deo nihil majus cogitare potest — easet in io-
telieetu et in re majus est quam esse in solo intellectu —
ergo Deus non potest cogitari non esse — ergo est) wird von
diesem Standpunkt aus einigermaßen verständlich. Im
übrigen hat Änselm die Entwicklung der Logik nicht ge-
fördert.
Eine noch extremere Ausbildung dieser realistischen Lehre in onto-
loRischer Richtung versuchte Wilhelm v. Champeaux") (1070 bis
1121], von dessen Si^ritten uns nur Fragmente erhalten sind. Er behauptcA,
daB in den Einzeldingen, z. B. SokraleR, nur das Allgemeine, z. B. der homo
universalis, Substanz sei, das Individuelle hingegen, also im asgezogenen
Beispiel die „Sokralitas" nur akzidentell sei, wie ähnlich schon Boßthius
'") Kür die I«gilc sind folgende Schritten Anselins am wichtigsten:
üialogus de verilale, Üialogus de gramniatico. Nfonologium de divinitatia
essentia, l'rDSlDgion seu Alloquium de Dei existentia und De lide Irinitatis et
de incimatione Verbi. Sie finden sich sämtlich im 158. Band der Migneschen
PatPologie (1863—1864). Über Anselma Stellung zur Logik vgl. auch van Wed-
dingen, Essai crilique sur ia philoa. de St. .\iiselme de Cant.. M*ro. de i'Acad.
de Belg., Bd. 46 (mir nicht zuganglich).
"] „Est igitur verilas in omnium quae sunt essentia. quia hoc sunt,
ciiiodin summa veritate sunt" Dial. de ver. c. 1, S. 176). Als EssenE hatte
üuintilian (InstiL orator. III, 6, 23, ed. Rademacher, Lips. 1907, Bdj 1, S. 144)
die erste Kategorie den aristotelischen Tafel, also die ovo«» bezeichnet, fCtf
die er sonst auch das Wort subslantia braucht. Allmählich bekam aber der
Terminus essentia eme andere Bedeutung. Aristoteles hatte den Terminus
ohaUt für die vuin tltoi KUcCallete vili), z^uweilen aber auch für daa tU*e
als solches gebraucht (v^L S. 83). Pori^hvriu.s und Boüthius hatten, die Einzel-
iveseu als nfüttn avahu den Mg und yivi} als den dtviifta *v<rfu g^an-
übergestellt (S. 50 u. 53); demgegenüber machte sich bei den Patristen und
namentlich bei Scotus Eriugena ^Ue divis. uat. 1, 46 ü. unter Berufung auf
Dionysius Areopagita) das Bestreben gellend die otkfia ^ essentia als abaolot
unkörperiich zu deuten: sie ist incorporea, incorruptiblilis, nulle sensui cor-
poreo, nullo Jntellcclui comprehensibilis (seil, quid sit). Die prirase sub-
slantiae des Porphyrius und Boölhius scheiden damit aus den Essenzen
gänzlich aus.
") Vgl. ß. Micliaud, Guillaumc de Champeaux et les 6co1ea de Paria
au Xlie a'\Me, Paris 1867, namenll, I. 3—8, S. PS ff.; G. Letövrw, Les varia-
OgIC
2. Kapital. Allgcmcia« Geschichte der Logik. g3
bbaupiet hatte ■']. Das Allsemeine existiert vor den Eiozeldingen (uni-
retsaie ante res) und wflrde auch «tialieren, wenn keine Ein^eldjnge
fMüerter.
§ 18. Übergattgsxeii von der 1. zur 2. Perlode der Seho-
It&tik. Abaelard. Gilbert Porretanos. Hugo St. Victor.
Petras Lombardns. Johannes t. Salisbnry. Abaelard
(1079 — 1142) kaunte, wie Prantl gezeigt hat'), wahrseheiB-
lieh bereits auch einige hie dahin fast unbekannte aristo-
telische Schriften, so namentlich die beiden Analytiken.
Auch müBsen zu aeiner Zeit zu den Übersetzungen des Boe-
tiins bereits nenere hinzugekommen sein (vgl. S. 65, Anm. 8).
Damit ergab sich eine wesentliche Erweiterung des Gesichts-
kreises der logischen Untersuchungen, die auch in den
If^riscben Anschauungen Äbaelards*) bereits bemerklich
wird. In seinen ontologischen Grundanachauungen lehnt sich
Abaelurd an Plato an, in der Ausführung der logischen Sätze
bleibt er jedoch fast ganz von den peripatetischcn Lehren
abhängig. Die Praedicamenta und Postpruodicamenta wer-
den wie üblich aufgezahlt, die quinqno voces ihnen als Ante-
praedicamenta vorauegeechickt, dabei aber als sechste vox
„individuum" hinzugefügt (Gloss. in Porph. ed. Cousin
S. 553). Die substantia oder subsistentia ist das generalissi-
ÜDos de G. de Ch. ei la queslion des Universaux : Elude suivie de doc. orisiD).,
Tiav. et Uim. de l'Unir. de Lille, Tonte VI, taä8. Htm. No 20 (unter den
»Den Dokumenten a, namentl. Nr. \; S. 2L „De essentia Dei, et substantia
Dei et tribus ejus personis").
") Comm. in Porphyr, a ae Iranslat Lib. 111 (Mignes Patrol., Bd. W,
ä 106: Dolla . . , addiluii diflerentia suttsiantialis ad hominem, ut äocrates
*« aut Cicero . . .).
') L. c. Bd. 2, S. 98H.
*) In Betracht kommen für die Kenntnis derselben: Dialectica (beraus-
E^Rben und mit diesem Titel versehen von V. Cousin in den Ouvrages in^ls
^AWtard, Paris 1836, S, 171 fl.), zahlreiche Kommentare (Glossae in Por-
Aninm, in CatCBorias usf.. ebenda S. 561 H.) und Invectiva in quentdam
<niuvm dialectices (Opp. ed. Cousin, Paris 18*9, Bd. 1, S. 6e&— 699). Die
SchnA Über diviaioausi et definilionuin ist von Cousin als ä. Teil der Dia-
^% L c. S. 4^0, abgedruckt worden, nach Prantl handelt es sich um eine
''ttindere Monograiihie. Die Glossilae super Porphyrium deren Echtheit
iKifethalt ist, sind nur in einem, französischen Auszug bekannt (bei Charles
'ItRtinusal, Abölard, Paris 18*5, Bd. 2, S, 93^111, vgl. aber Grabmann,
^ c- Bd. 2, S. 175). Die sehr interessante, von Cousin dem Abaelard zu-
rachriebene und in den Ouvr. in^dils, S. 505 ff. mit verüClentlichle Sdirift
:J** tetieribus et speciebus" ist nach Prantl (1, c, S, 1t+) u. a. sicher nicht
'on ihm verfaßte
.oo^Sic
Q^ I. Teil. Ät^retu-.nng and allKemmie Oeschiobte der Lo^k.
mom und daher die oberste materia. Dnroh einen
Schöpfnngsakt (ereatio) der mens dei entstehen ans dem
geaeraliesimnm die verschiedenen Oattongen und ans dieeeu
die Terschiedenen Arten. Allenthalben werden Gattungen
und Arten als gleichartig, d. h. als Stufen desselben Difleren-
ziemii^prozesses betrachtet*), aber allerdings — wie schon
bei Aristoteles selbst — die Spaltung des generalisaimum in
genera viel weniger erörtert als die Spaltung der einzelnen
genera in die species. Die letztere Differenzierung erfolgt,
wie schon Porphyrios lehrte, durch die düTerentiae substan-
tiales (1. e. S. 477). Die species besteht materialiter aus der
Gattung, formaliter ans der diflerentia snbstantialis. Die
Arten einer Gattung sind durch die consiniilitudo substantiae
zu einer Einheit verbunden. Die letzte Stnfe des ganzen
DifFerenziemi^aprozesses sind die Einzeldinge (Individuen).
Indes nimmt Abaelard für die Individuation doch eine
wesentlich andere Differenzierung an als für die
Spaltung in Gattungen und Axien, Insofern er den Individuen
einer Art keine -differentia snbstantialis zuschreibt, son-
dern nur eine numerische, „entiale" Verschiedenheit, ohne
allerdings diese beiden Arten der Verschiedenheit klar zu
bestimmen *).
Ofienbar entsprechen diese auch von Plato stark beeinIluBten An-
schauungen einem gem&Bigteren RealisnniB (S. 60): die univeraalia sind zwftr
nicht ante res, aber doch als ein Belbst&ndiger Bestandteil in rebus*).
Damit steht: auch in FinUnng, daB die Auffassung der Universalien, obwohl
sie ihr subsistere nur in den tndividuen (per individua) haben, doch duich
eine besondere Tätigkeit, den conceptus (conceptio} intellectus (rationis), d. b.
die erfassende Tätigkeit der Vemvinft erfolgt. Insofern der Intellekt das
Seiende einlach, wie es ist, eifafit, heiBt er intellectus pums. Und doch nähert
sich Abaelard andererseits einem vemäßigten Nominaliamus. Er lehrt oftmr
lieh in Übereinstimmung mit Aristoteles, daB die Galtung dasienige sei, „quod
3) Vgl. Lib. divis. et def., ed. Cousin, S. 4&7. Selbst wenn ein Schfip-
fungsakt vorliegt, bleibt die Frage nach dem Prinzip der Differenzierung
zulässig.
*) Auch scheint mir Abaelard dieser Lehre untreu zu werden, wenn er
vielfach die Individu«! als principales oder primae substantiae bezeicbneL
Vgl. oben & &» u. 50.
>) Man hat diese in gewissem Süme zwischen Nominaliamua und
RealisiDUB stehende Ansicht auch Konzeptualismus genannt (Cousin,
Hauröau, R6musat), indes ist, wie schon Prantl hervorgehoben hat, dieser
Name unzutreffend: auf die begriffliche Natur oder die Denkauffassung der
UniversaUen bat Atiaelard gar nicht das entscheidende Gewicht gelwt Jedeo-
falls muB die Abaelardsche Ansicht scharf von dem späteren Konzeptualismus
getrennt werden.
2. Ka^iteL Allgemeine Gesohichle der Lof^k. 55
utmo est de pluiibus vraedicui". Es besteht slso snrissennaBen eise
nmosbeBtiminte Beziebuiu äta AUsemunen im obiektiTen Sinne zu unseren
Innuen, (Urteilen, sennones). Das Allsemeine kuin d&her insoweit als
Wort (toi) bezeichnet werden, als unter dem Wort nicht die Lauterscheinung,
soideni seine allsemeine Bedeutung verstanden wird. So weicht also Abaelard
Tcn dem ausgesprochenen Realismus nicht nur dadurch ab, daS er eine vom
bxündiieDen gesonderte Existenz der Universalien bestreitet, sondern auch
iluin, daB er dem raeoscblicbea Denken, speziell dem aussagendea Urteil,
iwar nicbl die Hervorbringung der Universalien, aber doch eine allgemein-
Klttiie uiaprflnglicbe Bedeutung lu ihnen zuschrieb. Daher ist nach Abaelards
AdSusdos auch im Urteil weder der sprachliche Ausdruck noch die Ge-
<^enTeri)indung das Wesentliche^ sondern die wirkliche sachliche Inh&renz
iicnim inhaerenlia realis). Dabei bleibt freilich unaufgeklärt, wie die
wechselnden Urteile diese sachliche Inhärenz anders als durch die Vermittlung
uiner Gedanken ausdrflcken kannten. Die LOcken, Dunkelheiten und
Wideraprüche, welche der Abaelardschen Lehre in dieser und anderen Be-
riehunien anhaften, erklären sich vielleicht zum Teil aus allmählichen Wand-
timgen seiner Ansichten; auch sind wir bezQglich mancher Schriften zur
Zeit noch auf unvollständige auszugsweise Übersetzungen angewiesen.
Nach einer anderen Ricbtung als Abaelard versuchten die soc I n -
differentisten zwischen dem extremen Nomioalismus und dem ex-
tremen Realismus zu vermitteln. Als ihr Uauptvertreter ist wahrscheinlich
Adelard von Batb zu betrachten, der zwischen llOö und 1117 eine
Schrift: De eodem et diverao*) verfaBteL Nach dieser Ansicht ist das Uni-
rerselle als ein Unterschiedsloses (,4 n d i 1 f e r e n s") in den Einzeldingen
Toiiiuiden; sie entfernt sich durchaus nicht so weit von den Ansichten
.Uaelards, als man nach den Angriffen des letzteren auf die indifferentistische
l'^re veraiuten möchte. In der weiteren Ausfahrung scheinen die Inditteren-
tisten sich wieder teils dem Nominaliamns, teils dem Realismus angeschlossen
ni tubeo. Die ersteren fahrten es lediglich auf die Verschiedenheit der Auf-
lassang (respectus) zurück, warn wir bald das Allgemeiue, bald das Einzelne
ds Dinge auffassen, die letzteren schrieben den Universalien schlieBlich doch
wieder eise Existenz nach Art der plalonischen Ideen zu (so z. B. Adelard
^n ipsa noy" Gottes).
Gilbertns Porretanus (de la Ponte, ca. 107fr-llH)»), der
SKher die beiden Analytiken des Aristoteles bereits kannte ■}, untersdieidet
'i üorausgeg. von Hans Willoer in den Beitr. z. Gesch. d. Fhilos. des
HiUelalters, Bd. 4, H. 1, Hauchen 1906 (vgl. iu der beigegebenen Analyse
itiiQeDUich S. Mff.].
*] In Betracht konmit hier namentlich der Kommentar zu BoCthius, De
indtate, abgedruckt in Bd. H, S. 1265 der lligneschen Patroltwe und der
'Jtwr sei principiorums abgedruckt z. B. in der llt)&ndigen Averroes-Ausgabe
*. J. 1560—1668 in Bd. 1, 1662, S. 31—8*, und in Mignes Patrol, Bd. 188.
S. 1367 (hier aber von Ermolao Barbaro spracbUch umgearbeitet). Vgl. über
ilui namenlücb Berthaud, Gilbert de la Porrto £ve<iue de Poitiera ef sa phiio-
scphie, Poitiers 1892 (Th^e de Besancon), namena S. 81 ff.
') Die Einführimg der Topife, der Analstiken und der Sophtatici elenchi
in Deutschland (natürlich in lateinischer Übersetzung) ist das Verdienst des
^hofs Otto von Freising (IH*— 1168, vgl. Schmidlin, Die Philos. Ottos
«n Freising, Philos. Jahrb., 190Ö, Bd. 18, S. 156). Als Übersetzer kommen
2i)hen, IjehAuch der Logik. 6
„.,,„, ^.oogic
66 ^ T^^- AbgreDnuig nnd allgemeine Oesoluchte der Lc^k.
du ,/iuod est" der Snbslanz als das eubsisteiis von dem „quo est" als der
flubsiatentia. Die Ide«i sind Hubststentiae. In der Halerie sind sie als fonnae
aiibstaDtiales [fonnae nativae) wirksam und geben so AnlaS zur EntstAuns
dei Arien und schlieBlich auch der Indrnduen. Auch letzleren kommt je eine
sinsuiaris subsistentia zu. Während aber das Individuelle niebt nur sub-
s i a t i t , sondern auch aub s t a t , insofern ea auch Irteer von Akzidentien
im Sinne der neun letzten Kategorien ist, heiBt es von den gntera et apecies:
aubaistunt tantum, non aubstant vere. Das. menschliche Denken a&mm^t
das Allgemeine aus dem Einzelnen und gelangt so zur Erkenntnis des
Enteren. Unter den neun letzten Kategorien weist er die Qualit&t und Quan-
tität und — wenigstens im Kommentar zu Boetbius — auch die Relatioii
dem vere esse (der natura subsistentis) zu, während die übrigen sich nur
auf die wechselnden Zustände (Status) beziehen. Die EinzelerSrterung der
sechs letzten Kategorien in der Schrift „De sex principüs" zeigt keinen Fort-
schritt über die älteren Logiker heraus. Ais die sechs Prinzipien, d. h. Kate-
gorien, werden hier angefahrt: actio, passio, quando, ubi, positio, babitus.
Vorausgeht ein Kapitel de forma, am SchluS folgt eine Untersuchung de eo,
quod est plus minusve susdper^ d. h. Ober die Frage, ob die Gradabstufunsen
in der Substanz oder den Akzidentien liegen.
HugOTonStVictor»)Cca, 1096—11*1) nimmt eine Sondeistellung
ein, insofern er die Logik wieder fast ganz als eine propädeutische Anweisung
zum wissenschaftlichen Denken und zum richtigen sprachlichen Ausdruck
auffaßt und sie in grammatica nnd ratio disserendi einteilt PetrusLom-
b a r d u s '') (gest 1164) nahm einen ähnlichen Standpunkt ein. Obwohl aein
Hauptweik, Seutentianjm tibri qualuor, die Logik fast vollständig ignotiert,
gab ea doch weiterhin, da es lange Zeit das gebräuchlichste dogmaüsche Lehr-
buch hlieb, fOr die logischen Didcussionen der späteren Scholastiker vielfach
Stoff und Grundlage ab.
Johannes von Salisburv") (Sarisberiensis, ea. 111&— 1180)
Jakob von Venetia (v^. S. f&, Anm. 3) und ein Henricus Aristippus von Ca-
tania (gesi 11^ m Betracht Vgl. darOber Grabmann, 1. o. Bd. % S. TOR.
mit weiterer Literatur.
*) Eniditio didascalica oder Didascalicon, Mignes Patolt^ie Bd. 176,
S. 738 (namentl. B, 2ff., 18tf. ui 26B.) und De unioqe corporis et aniniae
(Spiritus), Mignea Patrol Bd. 177, S. 286^-2». Vgl. Ober ihn AI Hignoa, Lea
origines de la scolastique et Hugues de Saint-Victor, Paris 1895, namentL
Bd. 1, S. 79«.; B. Hauriau, Les Oeuvres de Hugues de S, "Victor, a Aufl.,
Paris 1886 (erste Aufl. luiter d. Titel: Hugues de S. Victor, Nouvel ezameit de
redition de ses oeuvrea 1659). Derselben Schule gehört auch Gottfried
V. St Victor an, dessen Föns pbilosophiae * (von Charma herausgegeben.
Caen 1868} eine kurze Wissenschaftslebre in Versen gibt (vgl. Qrabmann,
I. c Bd. 2, S. 319).
10) Hignes Patrologie Bd. 192, S. 619. Für den Standpunkt des Petrus
Lombardus sehr bezeichnend z. B. Lib. II, Dist. 34, Nr. 6. Vgl. tiber ihn
namentlich Koeget, P. Lomb. m seiner Stellung zur Philosophie des Hittel-
altera, Greifswald 1897, und J. N. Espenberger, Die Philosophie des P. Lomb.
und ihre Stellung im 12. Jahrbondert, Münster 1901 (in Beitr. z. Gesch. d.
Philosophie des Mittelalters Bd. 3, H. 6), namenU. S. 12 ff.
") Für die Logik kommen von seinen Schritten namentlich in Betracht
der PolJcraticus und d« Melalogicus (Mignea Patrologie Bd. 199, S. 38Da. 823).
OgIC
2. EiqtiteL Ailgemeioe Oesdiicht« der Loeik. 67
iireiiMr der eisten, welche die gesamten logischen Schriften des Aristoteiea
tuaten (wahrscheinlich nunetttUch durch VermitlluDS von Adam de Petit-
Prot, der ein Werk de arte dialectica mit BenOtzung einer Übersetziins der
.ItalrttbeD und Topiken schrieb). Seine eieenea Leistungen auf dem Gebiete
iier Locik beschrftcken sich fast ganz aul eine redegewandte, aufierliche
Sanpiktion der ihm zuglnglichen bgischen Lehren, wobei auf die innere
rbeieinstinununc kaum geachtet wurde. Auch betonte er selbet immer wieder,
JiS die Lc«ik im wesentlichen nur als Werkzeug fflr Ethik und Theologie zu
ifienen habe, und grifi die Spitzfindigkeiten der SchuUogikar (,<iiiwnil'xiui
tenülalores") heftig an. Wenn er sich selbst zur Partei der modemi (Metalog.,
Fnloc.; Tgl. S. 60) stellt, so versteht er darunter jetzt nicht mehr die nomi-
mliitis^e Richtur^, sondern die mit der E^rweiterung der Kenntnis der
uutoteiischen Schriften Hand in Hand gehende allgemeine Erweiterung der
logischen Forschungen "). Insbesondere tritt bei ihm die Lehre vom SchluB
sdwn vid mäa in den Vordemnind.
Etwas iOnger als Joh. v. Satisbury ist ein Nicolaus t. Amiens,
der wahrscheinlich als Verfasser der Ars catholicae fidei anzusehen ist (nach
uderen Alanus de Tnsulis). Fflr die Geschichte der Logik ist dies
VeA deshalb interessant, weil hier die malhematiBche Methode, wie sie
spiler z. B. ^inoza anwandte, zum ersten Male auf einem nidit-mathe-
matischen Gebiete versucht wird. Vgl. darüber z. B. Grabmann, 1. c. Bd. 2,
S. a&B. — Petrus v. Poitiers (gest 120^) scheint bereits auch die
MetaphTsik des Aristoteles gekannt zu haben.
§ 19. ByzantiiilBehe and arabische Logiker. Die Grün-
dung: des lateiDischen KaiBertums führte dazu, daß — nament^
lieh auf Betreiben des Papstes Innozenz Ut. zd Anfang des
13. Jahrhunderts — Theologen aus Frankreich nach Eon-
stantinopel kamen, wo Bie die byzantioisehe logische
Literatur kennen -lernten und nach ihrer Rückkehr im
Abendlaade weiter verbreiteten. In Byzanz hatten nämlich
im AnschlnB an die früher erwähnten Kommentatoren, Joh.
PhUoponos n. A. (vgl. S. 47), zahlreiche Schriftsteller di«
Beschäftigung mit den aristotelischen Schriften fortgesetzt.
Besonders wichtig wurde für die weitere Entwicklung der
Ix)gik im Äbendlande ein logisches Kompendium, betitelt
2bo^(£ mI^ r^v 'Agtatotilovs loytx^v ijttm^fMiv^), welches
dank seiner didaktisch geschickten Abfassung rasche Ver-
breitung im Westen gefunden haben muß. Der Text dieser
&slerer ist neuerdings von Clemens C. J. Webb mit einer Einleitung und
Anmeikungen in 2 B&nden herausgegdwn worden (Oxon. 1909). Der Mela-
logicns ist auch ftlr die Geschichte der scholastischen Logik eine wertrolle
Quelle.
'^ Tgl. hierzu wie flbeiiiaupt zu den logischen Schriften des Joh. V.
Salisborr namentlich PranU Bd. 2, S. ll&fL ^x.$»iB.
') Synopsis organi AiistoteUci, M. Psello «utore, ed. EI. Ehinger, Witten-
beig 1G07 (griech. Text mit lat. Übersetzung).
1,1^. OQi
,g,c
igrenEnng tud aDgemeiae Geachiohts der Lo^.
Lt nahezu wörtlich mit den später zu er-
imulae logicales des Petrus Hispanns
;rein, ist aber nicht vollständig' erhalten.
1") annahm, daß ein zu Plato hinneigender
Dyzanimiscner Philosoph, Michael Psellus*) (1018 bis
Oft. 1079), die Synopsis verfaßt habe und die Summnlae des
Petrus Hisp. eine Übersetzung derselben seien, kommt nach
neueren Untersuchungen*) schwerlich Psellus als Verfasser
ia Betracht; auch hat man hin und wieder umgekehrt die
Synopsis für eine Übersetzung der Summulae gehalten (wohl
mit Unrecht). Wie dem auch sei, jedenfalls beherrschte dies
Buch für mehrere Jahrhunderte den Unterrieht in der Logik.
Was den Inhalt anlangrt, so kamen die allgemeinen Grund-
lagen der Logik sehr kurz weg, um so ausführlicher wurde
dagegen die logische Technik behandelt und zwar durchweg
im Anschluß an die aristotelischen Lehren. Für die spätere
Entwicklung besonders einflußreich war ein Abschnitt „De
terminorum proprietatibns", in welchem die signiflcatio
(a^ftaaitt, Bedeutung), suppositio (vnö&sois, Einsetzung eines
substantivischen Begriffs bzw. Worts für ein anderes, z. B.
„Mensch" für „Sokrates"), copulatio [ffv/»7rJU*iJ, Einsetzung
eines attributiven Begriffs bzw. Worts für ein anderes) usf.
erörtert wurde'). Zum ersten Male werden hier auch die
eymbolischen Yokalbezeichnungen für die vier Hanptformen
des Urteils und entsprechende Memorialworte und Memorial-
sätze für die Schlußflguren ') und Urteilsverhältnisse an-
gegeben.
») L. c. Bd. 1, S. 658 u. Bd. 3, S. 266 H. sowie M. Psellua u. Petrus
Hispanus, Leipzig 1867.
*) Von Psellus existieren kurze Paraphrasen zum Organen des Aristo-
teles (z. B. voa Jacobus Foscarenus herausgeit. u, übersetzt Venet. 1532).
<) Vgl. R. Stapper, Die Summulae logicales des Petrus Hispanua und
ihr Verhftltnia za Michael Psellus. Festschr. z. 1100 jähr. Jub. des Deutschen
C. sanlo in Rom, Freiburg 1897, S. 130—136.
■>) In den Summulae des Petrus Hispanus und den logischen Werken
des Wilhelm Shyreswood und Lambeit v. Auxerre, die ebenlalls ganz auf
dem Standpunkt der Synopsis stehen und nach Prantl aus ihr geschöpft
haben, folgen dann Erörterungen über appellatio, ampliatio, restrictio, distri-
buüo, relaüo {vgl. den speziellen Teil).
•) Die Verwendung geometrischer Figuren zur Veranschaulichuni;
einzelner SchlußQguren flndet sich schon bei Philoponus, CommenL in duoa
prior. Analyt. Arisl. libr,, 7.. B. Venet. 1560, S. 13, 22 usf. (in der Akad. Ausg.
nur zum Teil abgedruckt, g. Bd. XIII, 1, S. 38 und Bd. XIII, ^ FraefaL. Supp]
S. XXXVir u. Vn, Anm. 2).
1,1^.001
,g,c
: Eqntel. Allgemaine Gasohichte der Logik-
Ebenso bedenfflam nud ganz unbestritten ist der EinfloB
der arabischen Philosophie^ aof die echolastische Logik.
Die Araber hatten, wahracheinlicb dnrcb syrische Lenker
angeregt, schon viel früher als die Scholastiker sämtliche
Originalwerke des Ariatotetes übersetzt nnd ihren logischen
üntersnehnngen zugrunde gelegt.
Der älteste arabische Schriftslciler, von dem uns auslührlichere logische
Scbrilten erhalten sind, ist A 1 k e n d i ■) (gest. um 870), der vielleicht den
Atistoteles selbst übersetzt und zahlreiche Eommenlate zu seinen logischen
Wnkao geschrieben haL Bekannter und einflufireicber wurde im Abendland
Alf&rftbi') (gesL um 9fiO}. Er betrachtet die Beweisfabruiw (argumentatio)
als den Hanptgegenstand der Logik. Die logica utens hat es mit ihr als
Wofczeug za tun, die locica docens untersucht das Wesen der Beveisfübning.
Qa> Ziel ist Erkenntnis eines Unbdonnten auf Grund des Bekannten. Bei
dem Suchen des Unbekannten handelt es sich entweder um die einfädle
Frage, „quid nt" (= incomplezum), oder um die Frage, „an verum vel falsum
Bt" ^ complexum). Der erste Teil der Logik behandelt daher die „definitio"
oder „quiddit&s", der zweite die arjumentatio (Urteile, Scbltlsse, Beweise}.
Die SchwieriAeit, substantia und essentia (vgl S. % u. f^ und die nunmehr
Bocb hinzugekommene quiddilas (vgl. ro tl intr, S. 34) zu imterscheiden,
acheint von AU&r&bt nicht gelöst worden zu sein. BezOglich der Allgemein-
begriSe nahm A. einen vermittelnden Standpunkt ein. Das Allgememe (uni-
versale) ist ein „unum de mutüs et in multis". Sonach kommt ihm eine ge-
Koderte Existenz nicht zu. Dementsprechend ist auch das Individuelle
(singulare) nicht lediglich ,4n sensu", sondern auch „in intellectu", und das
Allgemeine nicht nur ,4n intellectu", sondern, insoweit es im Individuellen
memischt ist (in singulari nüitum et confusum), auch ,4n sensu" >"}.
*) VgL zum folgenden im alleemeinen auBer Prantl 1. c namentlich
Ptiedr. Dieterici, Die Logik und Psichologie der Araber im 10. Jabrh. n. Chr.
Leipzig 1866, S- 1&— M, und PhUoaophie der Araber im 10. Jahrb., Teil I,
Leipzig 1876, namentl. S. 131 ff., 171 H., TeU 2, 1879, S. 1*8—166.
*) Seine pliilosophisehen Abhandlungen sind von Albino Naer in den
Beitr. z. Gesch. d, Philos. des MtlteUlters, Bd. 8, H. 6, Münster 1897 herau»-
Kgdwn worden (e. namenU. S. 41 ff.). Vgl. auch G. Flügel, Al-Kindl, gen. d,
Philosoph d. Araber usf., Leipzig 18ö7 (Abb. f. d. Kunde des MorgenL Bd. 1,
Sr. 2), S. 7 B. u. 21 L
*} Vgl. Steinschneider, Al-Farabi, des arab. Philesophen Leben und
Schriften etc., Petersburg 1869 (Mgm. de l'Acad. imp:. d. sc. de SL Fätersb.
T. Siiie, Tome 13, No. 4, S. 13 ff.) und Friedr. Dieterici, Alfarabis Philosoph.
Abhandlungen, Leiden 13S2 (arab. Ausg. 1880), namentl. S. 61 ff., 83 u. 139 0.
(Kategorien). Eine Kompilation aus Alfarabi und anderen srabischen Pbilo-
upha ist die um 1160 verfaßte Schrift De divisione philosopbiae von
Oamenicus Gundissalinua (vgL Ludw. Baur, in Beitr. z. Gesch. d. Fhilos. des
UiltelalUra Bd. i, H. 2-3, Münster 1903, namentl. S. 69 ff. u. 28i fl.\
») Vgl. Albert Magn., Analyt. post. Lib: I, Tract 1, Cap. 8, ed. Borgnet
Bd. 2, S. 9. Obrigens ist zu betonen, daB in den Berichten des Albertus
Uagmis, auf welche sich diese Darstellung stützt, oft nicht zwischen den
Uhren des Alfftrftbl und denjenigen des Avicenna unterschiedeo wird.
„.,,„,^.oogic
70 !• Teil. At^reDiang und sUgemeiDe GsacbicJito der Lo^lt.
Avicenna (ca. 980—1037) hat «ine Logik verfaBt, von dei; uns nur
eia Teil in einet alten lateinischea Übersetzung erhatten ist i']. AuBerdctm
kennen wir ein kürzeres logisches Kompendium in Qeatalt einer französischen
Übersetzung von Vattier "). Er steht im allgemeinen auf dem aristotelischen
Standpunkt^ bewahrt sich aber in vielen Punkten doch eine gewisse Selb-
ständigkeit. Sieht man von der neupta toniseben metaphrsischen Grundlegung
des logischen Systems, die auch bei Avicenna noch eine große Rolle spielt,
hier ab, so bleibt etwa folgender Gedankengang "). Es gibt zwei Arten der
ExistenE, die potentielle und dia aktuelle. Das Begriffliche hat potentielle,
die natürlichen Dinge haben aktuelle Existenz. Während für das höchste
Wesen quidditaa und Existenz zusammenfallen, bedarf fOr alle anderen Wesen
nicht nur die quidditas, sondern auch die Existenz einer besonderen Ursache:
die quidditas reicht als Existenigrund nicht aua In den natürlichen Dingen
kann man — wenigstens in Inldlichem Sinne — Uaterie, Form und Akij-
dentien unterscheiden. Durch die beiden ersten werden die wesentlichen
(ersten) Eigenschaften eines Dings, durch die von den neun letzten Kate-
gorien abhängigen Akzidentien die unwesentlichen bestimmt Das Begriffliche
ist an sich weder universal noch sinsulär. Erst in seiner VerwirUicbung in
den Dingen wird es universal oder singulär. Daher kann Avicenna sagen,
daS die Gattungen — genera logica entsprechend den genera naturalia —
sowohl ante res wie in rebus sind. Sie sind aber schließlich auch post res,
insofern die AllgemeinbegriSe erst in unserem Denken (intetlectus) atati«hiert
*') Abgedruckt in Avicennae peripat. philosophi ac medicorum facile
primi opp. in lucem redacta, Venet 149&. Sein die ganze Philosophie um-
fassendes Hauptwerk (Chifä = Heilung oder Eit&iMuäifü) ist bis jetzt nicht
flbersetzt worden. Die venelianische Ausgabe ausgewählter Werke in latei-
nischer Übersetzung v. 1. 1495 enthält u. a. einen Teil der Logik. Der Auszug
aus dem Hauptwerk, den A. selbst unter dem Titel Nadj&t (Kitfib-nagfit) ver-
Oflenllichte, ist in seinem die Logik behandelnden Abschnitt mit dem oben
erwähnten, von Vattier Qbc-setzten Ic^ischen Kompendium identisch. Kn
weiteres logisches Werk, Ichftj'at, ist nur arabisch veröffentlicht (ed. Forget.
Levde 188S).
>*) La logique du Als de Sina, conununfment appelä Avicerme etc.,
Paris 1668. Außerdem existiert noch eine metrisch abgefaßte Daratellung,
die Schmölders in den Documenta philos. Arabum, Bonn. 1SS6, S. 26 mit-
geteilt hat. Auch die Schrift De anima (in der veneüan. Ausgabe v. J. 1495
mit abgedruckt) ist fOr die Logik A^cennas wichtig. Sie existiert Obrigeos
in sehr verschiedenen Texten (vgl S. Landauer, Ztschr. d. Deutsch. Uorgenl.
Ges. 1875, Bd. 2ä, S. 336). Unter den Schriften Aber Avicenna sind fdr das
Verständnis seiner logischen Lehre am wichtigsten: Prantt, I.e. Bd. 2, S. 32öff.;
B. V. Haneberg, Zur Erkennlnislehre v. Ibn Sina und Alb. Magnus, Abh. d.
philos.-philoL Kl. d. Kgl. Bayer. Ak. d. Wiss. 1866, Bd. 11, 1. Abi, S. 18»;
Muh. asch-Schabrar.iitni, Religionsparteien und Philosoph enschulen, äbers. vi
Th. HaarbrQcker, Teil 2, Halte ISöl. namenll. S. 21ätf.; Carra de Vaux,
Avicenue. Paris 1900, namentl. S. 157 ff.
") Infolge der Schwerzugänglichkeit der arabischen Originalwerke Avi-
cennas sind die Darstellungen seiner Lehre noch oft schwankend, wider-
spruchsvoll und sichtlich unzureichend. Ich bin im allgemeinen der Dar-
steHung von Carra de Vaux gefolgt
OgIC
2. EapiteL lllgemeiiie Oeschiokto det Logik. 71
vaita und dunit zu dem Wesea (essentia) Akzidentiea hiozutreteo, welche
iaa Sein des Denkens eicentOmlich aind (propiü istiua sui esse nint). So
iaatü also den GaUungswesenheiten eine dreÜllUse Art des Seina zu.
Die Titiskeit des Denkens verlauft nach Avicenna so, daB eine iuBere
,.TO vprehenäva" die sinnliche Wahrnehroui« besorgt und dann die „nres
vprehendeates ab intus" einoseils di« „formaa sensibiles" und andreramts
die ^tentiones sensibiUum" auffassen. Die forma senaibiliB iit daaienise,
«u die iuBeren Sinne auffassen und dann dem inneren Sinn überliefern,
ät intentio aber dasjenige, was die Seele an dem Wahrnehmbaren erfaßt
(ipprehen^t anima de seneibiU) ■*). Die prinia intentio betrifit die indiyi-
duelien Dinge, die secunda intentio das Allgemeine in ihnen ^*) wie Dberhanpt
alles, was der InteUrtt lu dem Gegebenen, d. h. dem Einzetoen hinzudenkt.
Die Logik will vom Bdiannten 211m Unb^annten gelangen, toq den
islentionibus primo intelleclis zu den inlentiones inteilectae secuiulo. - Da
mm die Dinge unbekannt sind nur in bezug aul uns (nou nisi quanturo ad
dm!, so fillt der Logik die Aufgabe zu, nach Analogie des T^h<nisses der
Grmunatifc zom Sprechen den Hergang dieses Bekanntwerdens und seine Be-
dingungen zu untersuchen und so das Denken vor IrrtQmem zu bewahren.
Speziell hat es die Logik nüt jenen Akzidentien zu tun, welche dem Denken
aitatOmlicb sind oder, wie er es auch ausdrückt, den dispoäliones [>ropriae
isteüectni (vgl. Log. f. 3, A n. B und De philoBoph. prima 1, 2; s. auch
oben).
Die beiden Hauptmethoden des Erkennens ^d die Definition und die
BeweiafQbrung (Urteile, Schlfisse). Die erstere hat es rnit den incompleza,
die letztere nüt den complexa zu tun. Die oft sehr ^itzflndigen Einzel-
autführungen lehnen sich gräStenteils an Aristoteles oder Porphyrius an. Die
<iuinque voces (genus, speciea. differentia, proprium oder proprietas, accidens)
werden vom Standpunkte der Universalienlebre sehr ausfobrlicb bebandelt,
nlaü* kOizer die Kategorien. Bemerkenswert ist hier vor allem, daf( A. das
.mbslaotiale" als ein Hittieres zwischen Substanz und Akzidens eii^
■chiebt"). Er nimmt nämlich an, daB bei flbersiimlichen einfachen
Wesen nur eine quidditas roriiege („signiBcana esse"), daS dagegen bei
msunmengesetzten Dingen die quidditas zusammengesetzt sei aus mehreren
xibstantialia (weniger zweckmäßig essentialia genannt). Diese Substantialien
and mit den Unirersalien identisch. Sie sind das quäle quid im Gegensatz
Zorn einfachen quid. So ist z. & album ein Substantiale fflr Schnee, animal
lüi homo usf. Von den Substantialien, welche die Essenz eines jeden Zu-
»mmengesetzten ausmachen („es konstituieren"), sind die „begleitenden"
Bgenschaften zu unterscheiden, welche das Zusarnmengesetzte außerdem in-
folge seiner Zusammensetzung bat. übrigens acheint Avicenita eine gewisse
PeUtiTitit des quid und duale quid zuzugestehen.
") De anima (in Opp. Venet. 1608) f. 4a--5a (Pars I, Cap. 6).
") VgL auch die in vielen Punkten abweichende Darstellung, welche
i'rantl gibt (Geach. d. Log. im Abendl. Bd. 3, 2. Aufl., S. 391, z. B. Anni. 88 0.^
■*) LogTca f 4, A u. B. Siebe auch Albertus Magnus (Top., Lih. 1,
^racLS, Cap.Gt ed. Borgnet n, S. S66): „Dicit enim Avicenna, quod substan-
tiale medium est inter substantiam et non substantiam: et neque est accidens
ceque subetantia proprie" [desgl. De praedicament, II, 9^ ed. Borgnet I, S. 186).
I. Teil. Akfreaznng und allgemeine Oeschichta der Logik.
An Avicenna scMoB Edch eng Algazeli") an (1069—1111). Eine
selbsUndigere Stellung nimmt AverroCs (1136 — 119$ ein, der, im Gegen-
satz m den Vorgenannten, nicht im Orient, sondern teils in Spanien, teils in
Marokko lebte. Er Terfafite zahlreiche Kommentare und Paraphrasen zum
Organen, eine £pitonie des Organen und einige selbständige Abhandlungen,
30 namentlich eine Epislola de connexione intellectuaabstr&cticumhomine^'),
Destruclio destructionis, De animae beatiludine, Epistola de inleUectu, Intro-
ducUo logica, Prolegomena philosopbiae. Sein Hauptverdienst besteht in
einer sorgfältigen, meistens richtigen Wiedergabe und Erklärung der aristo-
telischen Schriften. Bemeikenswert ist, daS er die Bedeutung der Kategorien
sehr niedrig einschätzt: sie sind zunächst nur logisches Hilfsmittel bei der
BegTiff^>estimmunK (formatio), die Metaphysik Qbernimmt sie von der Logik.
Auch weicht er darin von Aristoteles ab, daB er an Stelle der ZweJteUune
in den rtit ns^iuESf und noiqitxef (vgl. 8. 37 n. 49) eine Dreiteilnng setzt
in intellectus agens s. activus^ int. materialis (potentialis) und passivus, auf
deren Bedeutung und Einzelheiten hier nicht eingegangen werden kann.
Keine erhebliche Bedeutung fOr die Weiterentwicklung der Logik haben
die jüdischen Philosophen des 11. imd 12. Jahrhunderts ; Avicebron
(^ Avencebrol, ca. 1030 bis ca. 1070, Föns vitae"]] und Maimonides
(113&— 130t, Vocabularium logicae und „Leitung der Zweifelnden" *°)) sowie
im U. Jahrhundert Gersonides (1288— 1344) =>).
§ 20. GhriBtliehe Seholastiker der Höhezelt: Alexander
von Haies, Albertos Maj^os, Thomas Ton Aqitino, Petrus
HIspanns. Auf dem Boden der Logik der Übergangszeit und
unter dem EinilaQ der byzantinischen und arabischen
*^ Logica et philosophia Algazelis Arabis, Venet. 1506. Mir bland eine
Ausgabe von 1536 zur Verfügung. Siehe auch Aug. SchmOlders, Essai sur les
£coles philosopbigues cbez les Arabes et notamment sur la doctrine d'Algaz-
2ali, Paris 1842.
'■} Eine llbäudige Ausgabe seiner Werke ist z. B. zu Venedig 1560 bis
1652. erschienen. In dieser enthält Vol. 1 die wichtigsten logischen, VoL 6
die psychologischen Schriften, Vol. 8 die Metaphysik, Vol. 9 die Destractio
destractionum philosophiae Algazalis u. a. Vgl. auch die Aufzähluiw bei
Gmest Benan, Averro^ et l'AvenoIsme, Paris 1852 (3. AufL 1866), S. 49;
femer Prantl, I. c. Bd. 2, S. 380 ff.; Max Horten, Die Metaphysik des Averroes.
Halle 1912 (Abb. z, Philos. u. ihrer Geschichte, Nr. 36), namentl. & 38 ff.
und die Hauptlehren des Averroes nach seiner Schrift: Die Widerlegung des
Gazali, Bonn 1913, namentl. S. 182 u. 268 ff.
") VgL die Angabe der lateinischen Übersetzung des Joh. Hispanus
und Dominicus Gundissalinus von O. Bäumkcr in den Beitr. z. Gesch. d.
Philos. des Mittelalters, Bd. 1, H. 2—4, Münster 1895, namentl. S. 1720.
'0) Ausgabe von S. Munk, Le guido des 6gaiia, 8 Bde., Paris 1666, 1861
u. 1866 (mit Erläuterungen), namentl. Bd. I, S. 104 ff. u. HI, S. 136 &.
") Seine Kommentare zu den aristotelischen Schriften findet man
vielfach in den alten lateinischen Ausgaben des Organons neben den Kom-
mentaren des Averroes, an welche sie sich im ganzen anlehnen, abgedruckt.
Außerdem ist ffir die I>>gifc sein Kommentar 'zur Isagoge des Poiphyrius
wichtig.
lA.OOgIc
2. EairiteL Allgemeine Oesohioht« der ho^. 73
Logiker, vor allem aber wohl auch dank eiDem ZaBammeD'
viiien mehrere besonders begabter Männer entwickelte
dch die seholaatische Logik im 13. Jahrhundert zn ihrer
Höhe. Zagleich gewinnen die logischen Lehren des Aristo-
teles dank ihrem volletändigen Bekamitwerden in zahl-
reichen Übersetzungen ihren größten Einflufl. Die Ver-
wertimg nnd Weiterbildung der aristotelischen Logik im
Dienste der christlichen Glaubenslehre ist das ausgesprochene
Ziel der logischen Literatur dieser Zeit.
Schon in den Werken von Alexander von Halea')
(gest. 1245, Franziskaner) finden wir Einweise auf Avicenna
imd Algazel. Seine Lehre von dem dreifachen Intellekt
(intellectus agens — separatus a corpore, intellectns possi-
bilis — aeparabilis a corpore, intellectus materialls — in-
separabüis a corpore) ist ofFeabar den arabischen Philo-
sophen, vielleicht sogar Averroes'), entlehnt. Im übrigen
tritt bei ihm das logische Interesse noch ganz hinter dem
rein-theologischen zurück.
Albertus Magnus') (1193—1280, Dominikaner) hat
mit grofier Gründlichkeit die Lehren des Aristoteles und
aeiner Kommentatoren zosammengestellt, ohne freilich die
zahlreichen Widersprüche und Unklarheiten, die sich bei den
letzteren angehäuft hatten, auszugleichen und zu einem ein-
heitlichen, selbständigen System zu gelangen. Er zerlegt
niit der aristotelischen Schule die Dinge in forma und
materia. Erstere bestimmt das „esse" im Sinne der Gattut^,
1] Summa lheol<wica, NOrabers 1 J6S, namenU. Teil 2, Qu&eai 68B. u. 69,
Uembr. IL TgL auch J. A. Endr«9, PhUos. Jahrb., 1886, Bd. 1, S. 2i. namentl.
S. 266 ff.
') Allerdings betont Endrea mit Reckt, d&B der intellectus materialis bei
Aleauder Ualensis äballcti wie bei Alezander r. Apbiodisias {vgl. S. 48),
TORogsweise das sinnliche Erkenntnisvermögen umlaBt, dagegen bei Averroes
änt intellektuelle Funktion s. str. ist.
*] Opp. omnia, ed. Borgnet, Paris 1890. Am wichtigsten sind für die Logik
lolf. Sduüten: De praedicabil. s. de universal. (Bd.1, S.l); De praedicamentis
(l.lt9); De sex princirüs (1,3%); Analytica (I,459u.Ü,l); Ferihermeneias
(1. SaZ)', Topica (B, 233}i De anima (V, 117, auch 606); Melaphysica (VT, 1);
CommenL in IV Hbr. aent (XXV ff.); De intetlectu et intelligibiU und andere,
^«t Albeit handeln mit besonderer Berücksichtigung seiner Logik namentlich :
faaa, I. c. Bd. 3, S. 89ff.; Q.- v. Hertling, AM Magnus, Beitr. zu s. WOrdi-
tnng, Festsctar., KOhi 1880; E. Uichael, Deutsche Wissensch. u. deutsche
Miatik während des IS. Jahrhl)., Freiburg ISOä, S. 69 fi.; A. Schneider, Die
^"nchotogie Alberts d. <}r., yonster IWß u.' 1906 (Beitr. z. Gesch. d. Pbilos-
^ Mitteialt, Bd. 4, H. 5 u. 6).
„.,.,„,>..oo^sic
74 I' ^BÜ. AbgreniDog und allgnunDe Gesohichte der Logik.
die quidditas (das quid erat esse), letztere das „hoc esse", das
„hoc aliqnid". Daher echreiht A. — kaum ahweichend von
Aristoteles — dps esse universale der Form und das esse
Bii^nlare als principinm individuationis der Materie za. Das
„esse" schlechthin ist fast identisch mit Bxistenz („quo ali-
qnid est"), das „hoc esse" oder „qnod est" mit Essenz („quo
ali^id est hoc"). Damit glaubt Ä. doch die Ansicht ver-
einigen zu können, daß die Gattungen sowohl in rebus als
universalia (qnidditates, universale in re sive cum re sin-
ffuIarO als auch ante res als essentiae (universale in. se ipso)
und post res als conceptus (universale in anima) existieren.
Demgemäß unterscheidet er ein „esse materiale et naturale"
der üniversalien „in singulari", ein „esse simples in se" und
ein „esse spiritnale in anima". Im ersten Sinne sind die
üniversalien die snbstantiae rerum-, im zweiten die suhstan-
tialia rerum principia, im dritten accidentia et qnalitates
^Gelegentlich scheint er sich dem Konzeptualismos zu nähern.
Wichtig ist auch der Satz: ens in anima potius est iatentio
rei quam res (De intell. Opp. ed. Janumy, Lngd. 1651, S. 245).
Besondere Aufmerksamkeit hat Albert dem Erkeontnis-
akt geschenkt. Er unterscheidet den intellectuB agens and
den intellectus possibilis. Letzterer deckt sich im wesent-
lichen mit dem vovg tUtxä; oder intellectus materialis des
Alexander v. Aphrodisias (vgl. S. 48), Alhert bestreitet aber
gegen Averroes u. a. seine Materialität Er wird erst durcii
den intellectus agens in Tätigkeit versetzt. In der kompli-
zierten weiteren Einteilung des Intellectus und in der Ab-
grenzung der einzelnen Intellekte gegeneinander verwickelt
sich Albert in unlösbare Widersprüche. Erwähnt sei daher
nur noch, daß er an anderer Stelle die „intelligentia" als
die intuitive Erkenntnis, die weder mit Deflnitionen noch mit
Beweisen zu tun bat, der ratio als der diskursiven Erkenntnis
gegenüberstellt,
Thomas von Aquino') (1227—1274), Albert« Schüler,
Dominikaner wie dieser, hat mit Erfolg versucht, die logi-
*) Far die Logik sind folgende Weike am wichtigsUa: De «nte et
essenlia, Kommentare zu den Schriften des Aristoteles und des Petrus Lom-
baidus. Summa de veritate fidei catbolicae contra gentiles (genles). Summa
totius theolosiae, QuaesUones diaputatae s. quodlibetales, De unitate intel-
Ivctua contra Avenoistas, De principia individuationis, De potentiis animae.
Eine neue, noch nicht vollst&ndige Gesamlausffabe seiner Werke iat von
Leo XIIL veranstaltet worden (1862 ff.). Altere Ausgaben, z. B. Rom 1S70,
2. Kapitel Allgemeiae Oeschichte der Logik. 75
sehen und metaphysiBchen Lehren desgelben zu einem «infaeit-
liehen System zn verbrnden. Seine eelbständigen logiBclien
Leigtongen Bind unerheblich. Die Logica oder rationalis
seientia wird von ihm schon scharf aof das Formale be-
sehräukt („congiderat taatnm res secundnm prineipia for-
maÜA"). Sie ist die Nonnwissenschaft (directiva ipeins actns
lationis, Tgl. S. 8). Die Vemnnft kann sich selbst ihre Xormen
geben; denn: ^oc est proprium intellectivae partis, nt in se
ipea reilectatar. Nam intellectoB intelligit seipsnm, et similiter
ratio de sno acta ratiocinari potest" (in Anal, post 1, 1). Onto-
logisch steht Th. zunächst ganz anf aristotelischem Stand-
pniikt : Das Allgemeine existiert nicht getrennt vom Einzelnen
(oniversalia habent esse solnm in singolaribns). Dann aber
erkennt er doch an, daß im Oeist Gottes die Ideen existieren,
mu] zwar als formae sine materia, und daß die formae in
materia, d. h. im Einzelnen, von den formae sine materia
stammen. So ergeben sich auch für Thomas sowohl aniver-
salia in re wie ante rem. Den göttlichen Ideen steht die von
Oott geschaffene prima materia gegenüber. Die dimensional
bestimmte Materie (materia determinata dimensionibns sive
aignata) ist das Prinzip der Individnation *). Sie spielt för
die Individnation dieselbe Bolle wie die ditferentia consti-
tntiva für die Entstehung der Arten (species) ans dem genus.
Kur für die formae sine materia (framae separatae), wie z. B.
die menschlichen Seelen, ist eine Selbst-Individuation an-
zunehmen.
Der Mensch nimmt zunächst mittels der Sinnesorgane
die apecies sensibiles auf. Angeborene, von der Sinneswahr-
uehmung unabhängige Begriffe existieren nicht, vielmehr ist
ToMdis liSä, Paris 1660: Eine sorgfUtige Ausgabe Beiner Dhilosophisclien
Sehriften fehlt noch. Das philosophische Hauptwerk De veritate usf., auch
Samma fhilosophica genaimt, ist auch wiederholt separat enchienen, ao
Neauna 1^3, Rom. 187S (mit Kommentar) u. 1898. Die Ausgabe von 1868
enthilt auch einzelne kleinere philosophioche Schriften. Von den logischen
Amdiuuincen des Thomas handeln namentlich: M. Liberatore, Die Erkemit-
»ittbeorie des h. Thomas von Aquin, übers, v. Frenz, Mainz 1861; Ch. Wil-
lems, Kalos. Jahrb., 1901, Bd. «^ S. 287 u. 16, S. löO); Ludw. Scholz,
TkMDu-Ladkon, Paderiwm 1881, 2. AulL 1895; U. GloBner, Dos Prinzip
te bdinduation nach der Lclire des h. Thomas und seiner Schule, P&der-
bnni 1887 *. BezOgtich weiterer Literatur mufi auf die Belichte und Original-
ubeiten in dem Jahrbuch f. Fhilos. u. spek. TheoL verwiesen weiden
(1886 H.).
•] Vgl. z. B. De anima U, 1% c.
n,5,t,7rjM,G00glc
76 1' T^- Abgrensang and allgemeine Oesobiohte der I/)gik.
der Intellekt bei der BegriffsbUdmi^ auf die Sinneswahr-
□ehmong angewieseD, wenn auch die sensibilia cognitio
keineswegs die totalis et perfecta cansa der iatellectnaliB
cognitio ist. Er muB ans den „species sensibiles" die .^peciee
intelligibiles" „abstrahieren". Daher kann Thomas behanp-
ten, daß die tmiversalia doch auch p o s t rem seien. In Über-
einstinuniing mit Aristoteles lehrt er, daß der Intellekt ein
zwiefacher ist: Erstens die Fähigkeit auf Grand der
species (fotmae) sensibiles die species (formae) intelligibileB
zu erfassen (= intellectns possibilis als potentia receptiva
formarum intelligibilium) und zweitens diese erfassende
Tätigkeit selbst (= intellectns agens). Die komplizierte und
unklare Albertsche Einteilung des/Intellekts wird auf-
gegeben. Die Beziehung auf das ludividaelle ist in der
prima intentio') des Denkens gegeben, die Beziehung auf das
Allgemeine (genas, species et similia, quae quidem non in-
veniuntur in rerum natura, sed considerationem ratioois con-
sequuntur) in der eecunda intentio oder intentio universali-
tatis. Bei der secunda intentio handelt es sich also stets um
ein „ens rationis" (im Gegensatz zum ens naturae), und
Thomas bezeichnet diese eotia rationis ausdrücklich als den
eigentlichen Gegenstand der Logik: „proprio subjectum logi-
cae" '). Weniger klar ist die thomistische Lehre von der
") Man beachte, daB für Thomas die p r i m a intentio eine indirekte
Tfiligkeit des Intellekts involviert, insoFem der Intellekt direkt nur das All-
gemeine erkennt und nur indirekt durch eine ,/iuaedain reflexio"- das Ein-
zelne erkennen kann. Diese indirekte Erkenntnis des Einzelnen wird ihm
dadurch möglich, daB er gezwungen ist, infolge seiner Verbindung mit dem
Kdrper bei der aktuellen Ericennlnis auch nach der Abstraktion der species
intelligibileB zu Phantasmen, d. h. zu sinnlichen Vorstellungen seine Zuflucht
zu nehmen. Vgl Summa theo!. I, Qu. 86, a^t. 1 (ed. Migne I, 1381 B.):
„Respondeo dicendum, quod singulare in rebus nmterialibus intellectus noster
directe et primo cognoscere non poteat . . . Unde intellectus noster directe
noD est cognoscitivus niai universalium. Indirecte autem, et quasi per (luan'
dam reflexionetn, polest cognoscere singulare, quia . . ., eiiam poatquam
species intelligibiles abstraxerit, non potest secundum eas actu inteiligere,
nisi convertendo se ad phantasmata, in quibus species intelligibiles intel-
lisit ... Sic igitur ipsum universale per speciem intelUgibilem directe intel-
ligit, indirecte autem singularia, quorum sunt phantasmata" (man erwartet im
3. Satz statt non potest nisi logisch einfach potest). Vgl. auch ibid. Qu. 8^
art. 7, S. 1312 und De principio individuationis (Opuscula Nr. 29, S. 161;
in der Ausgabe der Summa philosopbica v. J. 16ö3, Bd. 1, S. ÜTB.). Dabei
erkennt Thomas ausdrOcklich aa: Jn cognittone bum&na fundamentum et
origo est sensus".
■<) Expos, ia Uetaphya Ahst. IV, i, 110 (ed. Paris 1660, Bd. *).
2. EaptteL mgemniie 0«e(Aichto der Logik. 77
existentia, essentia und enbstantia. Mit Albert (vgl. S. 74)
unterscbeidet Thomas die essentia ^ q n o d est von der exi-
ftentia = esse, qao est Leztere heiBt aach oft „esse"
wblechthin. Die eesentia „comprebendit materiatn et for-
mam" "), die exlsteotia hängt von dem verwirklichenden Akt
der forma ab (Summa pbil. 11,51 — 54). Mit dieser Unklarheit
iängt aach die zweifelhafte Stellnns zusammen, welche die
snbstantia und die qnidditas in der Thomasschen Lehre ein-
Dehmen. Aach läßt sich der oben angeführte Satz, daß alle
bdividnalität (Einzelheit) auf der Materie beruht, schwer
mit dem weiteren Satz vereinigen, daß alle Einheit anf der
Einheit der Form, unitas formae, beruht (nihil est simpliciter
nnurn nisi per fonnam unam, per quam habet res esse).
Johannes Bonaventura (1221 — 1274, Franziakaner] hat sich,
cemlB seiner starken Herrorhebiing der aflekÜTen Seite der Theolocie, nur
wenis mit logischen UutersuchuDsen beschUtigt. Im Ganzen gewann die
■Ibertistisehe und tbomisUscbe, also dominikanische Bicbluns der Logik zn-
nldot mehr und mehr die (Verband. Not gelegentlich macht sich von frao-
ziakanischer Seite Widerspruch geltend (Richaid v. Middletown).
In dieselbe Zeit fällt auch die achriftstellerische Tätig-
keit des von den Dominikanern für ihren Orden in Anspruch
genommenen Petrus Hispanus (ca. 1226 — 1277). Die
von diesem herausgegebenen Summulae logicales '), die, wie
S. 68 erwähnt, vielleicht eine Übersetznng eines griechi-
fichen Werkes sind, vermieden ^de Parteinahme in den
schwebenden großen ontologischen Streitfragen (Universa-
lienstreit nsf.) nnd fanden wohl gerade deshalb allenthalben
— nicht nur bei den Dominikanern — Eingang. Besonders
bedeutungsvoll war das ztmehmend« Eindringen der Lehre
von den proprietates terminonun (vgl. S. 68), indem es die
Aufmerksamkeit anf die logische Bolle der Wort b'edeotun-
sen lenkte. Man stellte jetzt diese dergestalt erweiterte Logik
geradezu als die logica modemonim der früheren rein aristo-
telischen Logik (logica antiqna) gegenüber'").
*) Vgl die Schrift De ente et esaentia, Opnscuta Nr. 30, S. 161 v (ed.
1868, I, s. 307) Ober die komplizierten Verhaltnisse, welche sich zwischen
«nentia, existentia, quidditaa (nach S. 151, Z. 6 von unten nur ein anderer
liuue der Philosophen fOr esseutia}, diffinitio, subatantia, forma und maieria
*) Die Summulae logicales und seit 1180 sehr oft gedruckt und kom-
■»nliert worden (z. B. von Versorius Parisiensis, Venet 1672>
") Uan darl diesen Gegensatz nicht mit dem froher erwähnten zwischen
wtns nnd nova logica (vgl. S. 57 Anm. 4 u. S. 60) verwechseln. Jetzt rechnete
78 f' Teil. Abgrenmog nnd aUgemeine OesohitAite der Logib.
§ 21. Roger Bacon, Raimond Lnllns. Diese beiden
Philosophen stehen chronologisch zwischen der Höhezeit und
der sog. Verfallszeit der Scholastik. Naeh ihren Lehren, ins-
besondere auch in der Logik, nehmen sie eine vom Hanpt-
verlauf der Entwicklung aBeeits gelegene Stellung ein.
Boger Bacon 0 (zwischen 1210 and 1214 bis nach
]292, Franziskaner) entwickelte seine eigenartigen, zum Teil
an die Philosophie der Benaissance erinnernden Lehren in
direktem Gegensatz zu Thomas v. Aquino. Der Grammatik
und der Logik erkennt er unr bedingten Wert zn. Statt der
Grammatik verlangt er Sprachenkenntnis (ed. Bridges, Bd. I,
S. 66; Compend. stud. philos. ed. Brewer S. 433 fl.). Er weift
auch, daß infolge des Mangels an letzterer Aristoteles viel-
fach falsch übersetzt worden ist. Der Logik stellt er als Vor-
bild die Mathematik auf (necesse est logicam a mathematicis
dependere) (ed. Bridges I, S. 99 — 103). Dabei hat eich der
gewöhnliche Mensch auf die Erfahrung der Sinne („arga-
mentnm non snfflcit, sed experientia"), und zwar die „ez-
perientia per sensus exteriores" zu stützen, da ratio und anc-
toritas trügerisch sind (ed. Brewer S. 397), nur für die Patri-
archen und Propheten existieren auch illuminationes inte-
riores unabhängig von der Sinneswahmehmnng (ed. Bridges
Bd. n, S. 167 ff.). Dementsprechend konunt dem Einzelnen
ein viel größerer Wert zn als dem Allgemeinen, letzteres ist
nnr eine „eonvenientia plurium individuorum" (1. c. I, 42 und
n, 430).
In einem ganz anderen Sinne nimmt Baimundns
L u 1 1 u s ') (Ramon Lnll 1235 — 1315) eine Anenahmestellung
man auch die frtthere nova logica zu der losica antiilUa. Übrigens scheint
mir der Sprachsebrauch hier sehr geschwankt zu haben.
1) In Betracht kcnunen namentlich das Opus majus, herauBS^. von
J. H. firidges, Oxford 1697—1900, und das Opus mijiuB, zusammen mit
einem zweifelhaften Opus tertium hcrausgeg. von S. Brewer, London 1669
(namentUch S. 322a.>. VgL auch Karl Werner, Die Pavchologie, Erkenntnts-
und WissenschaJtslehre des Roger Baco, Sitz.-Ber. d. Ak. d. Wbss., phil.-hist.
KL zu Wien 1879. Bd. 93, S. 467 (namenthch »IfL); und Emile CSuiries,
Roger Bacon, sa vie, sea ouvrages, ses doctrines d'aprte des textea ioMits,
Paris 1861, namentUch S. 165 fi.
') Seine Weike sind nur zum Teil abgedruckt in der Mainzer Ausgabe,
1721 — 1742. Die auf die ara universalis bezQgUchen Werke findet man in
Lullua, Opera ea quae ad adinventam ab ipao artem universalem . . . perttnent,
Ed postrema Aigentorati 16Ö1. Für die Logik kommen namentlich in Be-
tracht: Ars demonstrativa und Introductoria artis demonstrativae, Ais in-
OgIC
2. EapiteL ADgemeiiw OeMhichte der Logik. 79
«in'). Er ordnet nämlich der Logik, welche die res in aniina
behandeit *), and der Metaphysik, welche die res extra animam
behandelt, eine ars ma^na üher, die er selbst erfunden hat ond
die füx alle Wissenschaft die Grandlagen abgeben soll. Das
Wesentliche dieser neaen Konst besteht darin, daß Grund-
begriffe („principia", „generalia") mit Bachstaben bezeichnet
woden, z. B. Gott mit A, Güte mit B usf., ond in bestimmten
Ftgoren (Kammern, Bingen) angeordnet werden. Durch
Orehong der Hinge erhält man dann alle möglichen Begrifls-
kombinationen. Die Auswahl der mit Buchstabenbezeich-
nm^ versehenen Grundbegriffe ist fast ganz willkürlich^
«beuBo die Anordnung und selbstverständlich erst recht die
mechanische Herstellnng der BegrifEskombinationen. Die
Kategorien kehren dabei übrigens auch etwas abgeändert
(ntnun sit, quid est, de quo, qnare, qnantom, qnale, qnando,
nbi, qnomodo, cum quo) als qnaestiones generales oder regnlae
wieder '). Daneben unterscheidet er nenn absolut« Prädikate
oder Prinzipien, die in der unlogischsten Weise zusammen-
S^stellt sind (Güte, Daner, Willen, Wahrheit, Bnhm usw.).
i 22. SpStperiode: Dans Seotns, Oeeun. Während in
der Glanzperiode der Scholastik neben Aristoteles der Bin-
flufi der arabischen Philosophen, namentlich des Avioenna,
überwog, gelangte vom E^de des 13. Jahrhunderts ab die
byzantinische Lt^k zn groBerem Einfloß. Von einer „Ver-
falleperiode" (Erdmann) kann dabei zunächBt nicht wohl ge-
sprochen werden, weder in bezng auf die Philosophie im all-
gemeinen noch in bezog anf die Logik im besonderen. E^
mnS sogar als ein Fortschritt bezeiohnet werden, daß erstere
nicht mehr so unbedingt in den Dienst der Ideologie gestellt
TCDtin Teritatia, Ära coimieiidiDsa mveniendi veritatem s. An magna «t
'uiar, Ära umveisalis s. Lectura aiüa conqiendiaiae, Arbor nüentiae. An
'om», generalis et ullima. An brevis. Tabula generalis luL Die Ära brevis
*ude 1@2 von Tassr Ina Franzfiaische Qberaetzt (Le fondement de rartific»
^■»innel^i dieser Übersetzung ist ein Abdruck der ,J^gica" des Lullus
"«rtasieBchickt.
■) Vgl Ober ibn aucb P. 0. Keicher, Beitr. z. Gesch. der Philos. da
Utttlaltera, 1909, Bd. 7, H. 4—6, namentlich S 96 u. 71.
*) An anderer Stell« (An magna, gen. et ult; Francof. l&SS, S. 19 u.
^3 n. H7> heiBt es: ,Jxigicua ttactat de secundariis inteDtionibus adjunctis
tximis: led generalis artista tractat de prinüs per secundam spedero recu-
Ik C et per primam et quartam de secundariis sicut logicus."
') An magna gen. et ult., Francof. l&OB, S. 1 u. 15.
iM,Googlc
gO I- Teil. AbgreoEnnfc aad allgemeine Oesohlchte der Logik.
/
wurde. Aach ist unTerkeiinbar, daß g«radfi die logischen
Fri^en im allgemeinen klarer und schärfer behandelt
wurden.
An der Spitze dieser Periode steht Dans Scotns^)
<ca. 1270—1308, Franziskaner). Er unterscheidet ähnlieh
wie frühere Autoren {vgl. S. 69) die logica docens, die als
Wissenschaft aus notwendigen und eigenen Prinzipien zn
notwendigen Schlüssen fortschreitet, und die logioa ntens
oder angewandte Logik (Quaest. super univers. Porph.,
Qu. 1 ff., Opp. omnia Lugd. I, S. 87, Paris I, S. 51 ff.). Von
der Theologie trennt er sie schärfer als seine Vorgänger, in-
dem er der ersteren die Stellung einer ganz eigenartigen, auf
spezifische Prinzipien gestützten Wissenschaft und überdies
eine mehr praktische als theoretische Bedeutung zuweist.
Ausdrücklich hebt er hervor, daß die Logik weder ein© scien-
tia realis (Wissenschaft des Realen) noch eine scientia sermo-
cinalis (Wissenschaft der sprachliehen Ausdrucks- und Rede-
weise), sondern eine scientia rationalis ist, d. h. es mit dem
conoeptos, einem „medium tnter rem et sermonem vel vocem"
zu tan hat (Quaeet. super praedicam. Qu. 1, Opp. Lugd. I,
S. 124 a, Paris I, S. 438 b). Während die Metaphysik oder
prima philosophia sich mit dem ens sub absoluta ratione („in
Quantum ens est", „secundum suam quidditatem") und die
naturalis scientia mit dem ens inquantum mobile beschäftigt
(s. auch Qu. super libr. elench., Qu. 1, Lugd. I, S. 224 a,
Paris n, S. 1 b), untersucht die Logik das ens rationis (Super
libr. 1 post analyt., Qu. 47, Lugd. I, S. 415 a, Paris II, S. 320 a
und 22 b).
Innerhalb der Logik selbst betrachtet er die Lehre vom
Begriff und Urteil nur als Vorbereitung, der wesentliche
') Opp. (mit Ausnahme der rein theologischen) ed. Lugdun 1689 in
12 Banden, Neudruck Paris 1891—1896. Über Unechlheit einzelner Schril-
len vgL PranU, 1. c. Bd. 3, S. 209 und Baumgftrtner in Überwegs Geschichte
der Phdos., Itt Aufl., 191&, S. 676. Für die Logik kommen von den Werke«
über Duna Scotus namentlich in Betracht: K, Wemer, Sitz.-Ber' d Ak il
Wim. zu Wien, phiIoB.-hislor. Kk, 1877, Bd. 86, S. 545 und Denkschr der-
selben Ak., philos. hislor. KL, Bd. 26, 1877, S. 3*5; K. Werner, Joh. Dans
Seotus, Wien 1881 (== Bd. 1 der „Scholastik des spfileren Mittelalters-)
namentüch Kap. 5 u. 6; Siebeck, ZtschF. t Philos. u. phüos. Krit. W
Bd. 94, S. 161; Reinhold Seeberg, Die Theologie dea Joh. Duns Scotus Leipzig
1900. S. 68 ff.; Partenius Minges, Das VerhÄltnis zwischen Glauben und
Wissen usw. nach Duns Scotus, Paderborn 1908 (Forsch z christL Lit u.
Dogmengesch., Bd. 7, H. 4 u. 51.
2. Kapitel ADmnaiiM d«Kliicbt« der Lofik. 81
ätpDstand der Lo^ik (Bobjectom primniu et proprinin,
<Iueet snp. UniTers. Porph., Qo. 3, Lngd. I, S. 89, Pari« I,
& 70 b) ist der Schlafi im weiteren Sinne, durch den wir vom
BekHimteB znr Erkenntnis des ünbek¬en fortachreiten.
B^riff und Urteil sind die partes integrales, Schlofi (s. str.)
ond Beweis die partes snbjectivae des Syllogismas. Dons
Seotns bezeichnet daher geradezo die Lehre vom SchlaS als
•ßtavH It^ca", die Lehre von Urteil und Betriff als „vetnd
togiea" 0 (Qoaeet snp. Univ. Porph. Qu. 3, Lngd. I, S. 211,
Paris I, S. 68 ff., spez. 70 b).
Der höchste Gegenstand ist für Dans Scotos das eos. Das
tOE nebst seinen Eigenschaften ist „transzendent". Erst wenn
das ens zn den zehn Kategorien herabsteigt (deecendit in
Septem genera) *), wird es der logischen Analyse znganglich.
In der Stufenleiter der Verwirklichangen des ens ist das
Eiioelne (Individuelle) die letzte (nltima realita«) nnd voll-
kommenste and darf keinesfalls, wie von Thomas getan, als
doicb Beschränknng oder Negation zustande gekommen ge-
dacht werden. Es soll sich dabei vielmehr mn eine entitas
positiTa (von ihm aacb als causa sine qua non „haeoeeitas"
genannt) handeln, die nicht von der Materie abhängt, sondern
von der natura speciei, d. h. der Beschaffenheit der zugehöri-
gen Axt Wenn Duns Scotus trotzdem gelegentlich die entitas
individni för durchaus verschieden von der entitas quiddita-
tira erklärt, so will er damit nnr sagen, daß die quidditas
ih solche zur Individnation nicht ausreicht, sondern der Er-
gänzung durch die haecceitas als Individuationsprinzip be-
darf. Die Existenz, das „esse existentiae", ond die Essenz,
das „esse essentiae" sind die beiden Seinssrten der Substan-
«n *). Zum Individuum als solchem (per se) gehört die Exi-
stenz, zu der Elssenz hingegen nicht. Oft drückt sich Duns
Seotns auch dahin ans, daB jeder Gattung, jeder Art ond
BchlieSlich anch jedem Individnnm in der logischen Betrach-
*) TgL Ober diese, wie Biir scheint, soch immer nicht gmz BufgeklAtte
B*«^hming PranU 1. c. U, S. 117 u. lU, S. ^ 26 u. 206. Wichtig fOr die
tottiiiTig des Dm» Scotua mnd uich die ErliuteruoBen des Mauritius
StwniDs zu der Schrift des Duns Scotus Super Universalia, abgedruckt iu
itt kjug. T. J. 16S9, S. 4A1 ff. (naioentUcb S. M» ff.>
*) Opp. omnia, S. %6a: „. .'. ena ,. . oon dividitur in decem Genera per
^Berenlias enentiales, sed per diverses modos esaendi, quibus correspondent
dnos modi mmedictndi . . ." S. jedocU auch ebenda S. 14Sb.
*} VgL Super libr. I, Rnl. AnalTL Qu. 30^ Luid. I, S.SMb, Parisn,
S.aBb.
Silben, L*t>tb<iekd«Lo^. 6
OgIC
TeiL AteraizuBt und aUfemtiM G«scbicbta d«r Locik.
« znn^unende formale Beetimmtheit, „formalitaa",
B (formslitas specifica, formalitas iitdividai). Im
tz za Thomas (vgl. S. 74) behanptet er daher auch
ralitas formamm und, entsprechend der staCeovösen
mg der Formen, eine intenaio und remissio for-
[TniverBBlienstreit erkennt Dans Scotns im Eünklaiig
1 diesen Sätzen das universale i n re und das Uni-
108 1 rem ohne Einschränkung an. Ersterem ent-
lie prima intentio, letzterem die secnnda intentio.
rereäle ante rem gilt nur insofern, als die qnidditas
laidditiva, forma) in der individuellen res verwirk-
ÄIb reines Universale existiert es nicht'): erst der
tns agens facit aliquid repraesentativnm nniveisalis
lod fnit repraesentativnm singularis". Dabei spielt
ilne Ding nur die Rolle der occasio, der Intellekt ist
cipalis causa der Auffassung des Univers^en *)■
nmt Duns Scotns nicht etwa an, daß der Intellekt
i:emeinbegrifF aus den sinnlichen Qualitäten al»
ibstrahiert, sondern er glaubt, daß die mit den leb-
Einzelding verbundene, die Quiddität ausdrückende
intelliglbilie vom Intellekt aufgefaßt wird {über
eidnng von species impressa und expressa s. Opp-
1 4, S. 523 n. 526).
«hren des. Duns ScotuB fanden E&hlreiche AnhAnger (z. B. An-
LDdreaa'), FranciscusH&Tron*), so daS die ScholasUk
ji zwei Uauptparteien — Thomisten und Skotisten — smlttte.
b spricht D. Scotus ausnahmtnveise auch von der species in dar
i (Oß. II, Feriherm., Qa 3, Lugd. I, S. 215b, Paris I, S. 688a) nnd
1 natürlichen Dinsen Wahiteit zu, insoweit sie zu dem scttticben
Vergleich gesetzt «erden, d. h. mit den sfitUichen Gedanken
nun. Ein Widerspruch zu den oben angelOhiten Letu«n von
dstenz feiner Univenalien entsteht dadurch nicht, da die Bzistenc
in Geiste eben doch ein von-Gott-Gedacht-wetden ist.
. auch Bd. IV, S. 506: „omne quod reciiHtur in alio lecipitor per
Ipientis, non recepli".
iptweite : Ezpositio super artem veterem, Venel. 1492, Qua«8tiones
1 XU hbros metapbTS., Venet. 1405 (Lib. I, Qu, IG^ Fol. 10 r:
uDivers&le, sc. in cauaando et in praedicando"), auch VeneL liBO
Titel: „Super Iota arte vet«ri Aristotelis cum quaesUonibus ejus-
De tribus principüs, Venet. 1489 *.
ige Hauptwerke sind von Nuciarelti mit anderen Scbrilten heraus-
let 1617. Aufieidem In IV litv. sentent. und Quotlibet Quaestio-
Florraz 1519 (von Mauritius Hibemicus berausgeseben}.
«. XvUa. ABcattiiiw OMehichto dm Uglk. ^
iikrdan vurden nrifach Teimiltelnde Systeme aufieBtaÜt, s. B. von A • v i -
^iii Romanus*}, gest. 1816, AuiusUiier. Hervaus Nat«.li»>«),
tat t3S3, Durand ▼. Pourcain"), gest. 1982, Johannes Ora-
ti«del T. Ascoli"), geit 18+1, B&mtlich Dominikaner. Ene selb-
Andicue Stdton« sesenOber beiden Parteien nimmt Walter Bur-
Itiih») (1367 — 1367) ein und noch mehr Petrus Aureolus") (um
QKO. Letitef«r vertritt in vielen BexieliunBen wied«' einen nominalislischep
Stu^mnkt in der Logik. Als Gegenstand der Logik gilt ihm das den BegriR
nadrOckende Wort (yox expressira co&ceplus). Den UniversaUen gesteht
er tute res nur eine Existenz in der göttlichen Intelligenz zu. Auch i n den
Diofen kommt ihnen keine spezifische Existenz zu, spedes intelhgibilM im
Smt der ^otisten existieren nicht Das AUgsmeine ist nur ein Begriff
des der menschliche Inlsll^t bildet, und zwar nicht durch sachliche Ab-
Mnktian von dem Uateridlen, sondern duTcl]| modale in bezng ant die Alt
mi Weise des Eikennens. Damit f&Ut selbstverständlich auch die schar(a
TtcDDung der prima und dei; secunda intentioi
Der ausgeprägteste Vertreter dieses schon T(m Petrus
Änreolus a. a. angebshuten neueren ^ominalistnus (auch
„TenninimnuB" genannt) war Wilhelm v. Oecsm")
(gest ma 1347). Br betrachtet die Logik durchaas als eine
- ■) Für die Logik kommen namentlich in Betracht: Quaestiones meta-
DhTsicales (zur Metaphysik des AristoUles), z. B. Venel. 1499 (namentlich
Bach 2 aber den Wabrfaeilsbegritf); Quodlibet«, z. B. Bonon. 1481; ConmenL
in Ubroe prior, anatyticor., z. B. Venet. l&4d (siehe namenllich den Prolog
Ucr die allgemeine Bedeutung der Logik}; De ente et essentia, Venet IfiOft*.
>*) Namentlich De unitate formae, Venet 1613* und De intenüonibus *,
und in IT Petri Lomb. senUnUanun Volumina, Venet IfiOb (Üb. I, Dist 19,
Oo. 3, S. 41b: „et ideo taha dicuntur esse in intellectu, sicut veritaa et
uinrsale et consimilia"].
») Super sHitenL thaologicas Petri I^mbardi comm. libri IV, Paris
lUO. CharakterisUsch fOr seine Aulfassung ist z. B, folgende Stelle II, 18, 2
(Ioll32b): „Esse intentienale potest dupliciter accipi, uno modo proutdisün'
nitur contm esse reale, et sie dicuntur habere esse intentionale illa, qua« non
■mit nisi per operationam intellectus sicuf genus et apecies et logicae in-
tentiones et iste est proprios modus accipiendi intentionem et esse inten-
boDale . . . AUo modo didtur aliquid habere esse intentionale large, quia babst
OK debile ..."
■*) In tolam artem. veterem Aristotilem, Venet. 1493.
") Besonders interessant ist die SchriFt De intensione et remissione
lonntnun. Vgl. Prantl, 1. c. Bd. 3, S. 207 If.
■•) üommentaria in libros Sententiarum Petri Lond)aidi, Homae 1&06 tf.
BBd QnodUbeta XVI, Romae 1606 *. Vgl. auch P. Raym. Dreiling, Der Kon-
uptnalismus i. d. Universalienlehre des Franz iakanetbischofs P. Aureoli usf.,
fieilr. t. Gexh. d. Philos. d. Hittelalt Bd. 11, H. 6, UOnster 1918, namentt
S.86fl.
") HauptweAe: Super IV Uhros Sentent (Petri Lond).) 1488 u. Otter;
Qnodhheta TD, Argmt 1401; Expoaitlo auiea super artem veterem, BBnoa.
1496; TnctatuB locicae s. Summa totius locicae, Paris. 1486, Venet 1628 und
6*
„.,.,„,>..oo^sic
g4 I- Toü Abfrenzuns und ■Uiemeine GetchieW« der LogOc.
praktische, nieht-apekalative Wissenschaft wie die Bhetorik
und Grammatik (Sap. I Sent. Prol. Qoaest XI, L.). Sie hat
es femer nur mit den Zeiehen, s i g □ a , d. h. mit den begriff-
lichen nnd sprachlichen Bezi<ehangen der Dinge zn tnn (Qnod-
libeta V, 5). Dabei gibt Occom doch zu, dafi jedem geepro-
chenen Satz (propoeitio vocalis) im Innern eine „propositio
mentalis, qoae oolliaB idiomatis est", vorausgeht, nnd be-
schrankt sieb in seinen logischen ünterBUchongen keine»-
wegs auf die propositiones vocales als solche. Er rechnet
eben die Begriffe selbst za den Signa.
Die üniversalien existieren nach Ocoam nnr i n m e n t e.
Das Gemeinsame der Dinge existiert als solches in den Dingen
weder realiter, wie die Bealisten, noch formaliter, wie Dons
Scotos o. a. meinen, sondern es existieren nur die Kinzeldinge
mit den gemeinsamen Eigenscbaiten. Von einer Elxistenz
der üttiversalia ante rem kann natürlich erst recht keine
Bede sein. Anf Omnd dieser Lehren mofi Occam als Eonzep-
tnalist bezeichnet werden. Die Bezeichnimg „Nominalismas"
erscheint also für die Ocoamsche Anseht ebensowenig im
strengen Sinne zutreffend wie für den älteren NominalismnB
(vgl. S. 60), doch hat Occa^ dieser extrem nominalistischen
Auffassung seiner Lehre nicht nnr durch die angeführte
Äufierung über den Gegenstand der Logik, sondern anch
durch zahlreiche andere wenigstens sehr mifiverständliehe
Sätze selbst Vorschab geleistet Bs lag sehr nahe — nament-
lich für seine Gegner — Ausdrücke wie signa u. a. m. nu r
anf die Worte zu bezieben, und damit war der extreme Komi-
nalismos fertig.
Die Einzeldinge werden von ans in den Sinneswahmeh-
mnngen erfaßt (apprehendnntur), nnd diese werden vom In-
tellekt ohne Dazwischentreten von species intelligibiles n. dgl.
verarbeitet. Die „actus intelligendi" sind sonach schlechthin
paseiones animae. Die auf diesem Weg entstandenen Be-
griffe sind also nur „Zeichen" (signa mentalia) für die Din^,
haben aber doch dabei eine natürliche Ähnlichkeit mit den
Dingen (sie sind similitudines rerum). Die Worte (signa
vocalia) sind als Zeichen für die Begriffe gewissermaßen
After. VoB Occams Logik und Eiiennlnislehre handeln u. a. i
Sdwck, Areh. I. Gesch. 4 Philo». 1897, Bd. 10, S. S17 und PrmnU, L c ,
S. 887. Besonders aulkl&read ist auch die Daratelluog in J, E. Erdmaana
Giundtifi d. Geach. d. Philosophie, 4. Auf! Beriin 1888, § 216.
„.,,„, ^.oogic
aiaiMd. ADienidne Gtwehichte d«r tttfk. 85
Zeichen «weiter Ordnang. Sie nnterscheiden siofa von den
B^rÜFen soBerdem dnrch ihre Bntstehnng aaf Orond von
Terabrednng. Die Begriffe bezeichnet O., da eie sich aaf die
rec direkt bezieben, anch als tenuini primae intentionis,
äe Worte, da sie sich nor dnrch Vennittlong der Begriffe
auf die res beziehen, als termini secondae intentionis ^*). Die
istestiones bekommen damit eine andere Bedentnng als seit-
her (vgL S. 71 D. 76). Dabei ist nor zq beachten, daß Occam
unter res nicht nnr Gegenstände der äußeren, sondern auch
solche der inneren Wahmehmnng (psrchische Prozesse) ver-
steht nnd sich dadurch begreiflicherweise in viele Schwierig-
ketten und auch Widersprüche verwickelt. Die Worte selbst
mfallea nach Occam nochmals in nomina primae imposi-
tionis ond nomina secondae impositionis: mit ersteren be-
leiehnen wir entweder die wirklichen Dinge (prima intentio)
oder ihre Begriffe einschließlich der Allgemeinbegriffe
(secnnds intentio), mit letzteren die Worte selbst (termini
aecimdae intentionis). Zu den nomina sec. impoe. würde also
I. B. das Wort „nonven" (= Hauptwort), „participiom", „nu-
rnems" nsf. gehören (Super I. Sentent, Dist 22, qn. 1 und
Tract log. P. I, cap. 11, ed. Paris VI). So ergeben sich für
jeden terminus drei vertretende Bedeutungen (suppositiones):
personaliter pro re, simpliciter pro inteotione animae, mate-
riaüter pro voce (Beispiele homo cnrrit, homo est species,
botno est vox disyllaba).
Das Sein der Gedanken in unserem Geeist bezeichnet
Occam gemäß dem damaligen Sprachgebrauch und im
direkten Gegensatz znm jetzigen auch als esse objectivum«
das vom Denken unabhängige Sein der Dinge als esse sub-
jectivnm. Insoweit unser Denken sieh auf Dinge bezieht und
dem ens snbjectivum der Dinge ähnlich ist (imago simUlima,
^} Dabei ist 0. in Wiaer Terminoloeie insoteni nicht ganz genau, als
V du Wort intentio selbst bald für dasjenige braucht, voraul die Beziehung
•tttlfiDdet, bald für dasienige, welches die Beziehung hat Im ersteren Sinne
iit die intentio prima die „lea realiter ezistens", die intentio secunda „aliauod
ia anima rebus applicabile praedicabile de nonünibus rerum . . . ." (eonceptus
mentis), vgL z. B. Sup. I SenL, Dist 23, qu. 1 und Quodl. IV, yu. S; im
Ittileren Siime ist die intentio stets etwas Geistige^ (intentio animae, wobei
aber animae oft weggelassen wird, ygL z. B. Expos, aur., Frooem-, Traet log,
^- 1, cap. 12}, und die intentio prima ist dann ^ onme ngnum intentionale
niitens in snima .... und die intentio secunda das signum tOr diese inten-
äones primae (vgl QnodUb. IV, qu. 19 und Tract. log. P. I, cap. 12 ed.
Puiivnv).
tY^IC
90 L Teil Alcrmcunf and ■UetmeiBe OMchidito der Ixffk.
siehe oben), kann es als real bezeichnet werden, einerlei ob
ee das Einzelne oder das Allgemeine der Dinge betrifft;
sow«t es sich dagegen aaf Zeichen, speziell Begriffe bezieht,
also nicht perscmaliter, sondern simpticiter „anpponiert", ist
es rational, nnd hierzu gehört die gesamte Logik. Die
Schwierigkeit der somit erforderlichen Unterscheidung
zwischen dem realen Wissen mit Bezug auf das Allgemeine
der Dinge nnd dem rationalen Wissen findet keine aus-
reichende Elrörterung.
Die Kategorien erkennt Oceam folgerichtig nur als
grammatische Gebilde an. Sie stehen daher in engster Be-
ziehung zu dem sprachlichen Aiosdruck. Es ist mithin auch
überflüssig, von der Existenz einer ubitaa, quandeitas,
qnantitas, relatio usf. als einer „res distincta" zu sprechen;
es gibt nur eine' res qnanta, eine res relata usf. (Tract. It«.
I, 41 — 62, ed. Paris XXI ff.). ASjch spricht er von der Mög'-
lichkeit, nur SEbtegorien (generageneralissima): substantia,
qualitas und reepectus (= Relation) statt des „f amoeus nume-
rus" von 10 aufzustellen (Sup. I Sent. Dist. 8, qu. 2). Dabei
hält er hier, wie in der B^el auch sonst, daran Ceet, dafi er
von der wahren Meinung des Aristoteles nicht abweiche.
Nach Occam hat die Scholastik kranen bedeutenden Logiker mehr hervor-
gebracht Dabei schvoU die logiKh- dialektische literariache Produktion auDer-
ordentUch an^ Als Nachfolger Occatns bezOglich seiner ktgischen Lehren sind
eiw&hnenswert: QregorTonRimini") (gest. 1868^, Johann Buri-
dan'») (mit Gregor v. R, etwa gWchzeitig, ca. 1300—1360), der sich nament-
lich aualOhrlicher mit dem Principium identitalia et contr&dictionis beachU-
ligte. Albert V. Sachsen") (geat 1390). Marsiliusv. Inghen")
(gesL 1396 od. nU), Peter v. Ailly") (1850— 1^6), der in sehr ein-
leuchtenden Auseinandersetzungen den Zweck der HitteUung fOr die Sprache
im Gegensatz zu den Begriffen (termini mentales) betonte und demgemftB das
nominalisUsche Element des Occamismus gegenOber dem konzeptualistischert
zurückdt&ngte. u. a. Paulus NicolettusVenetus (gestorben 14ae()
i^ Super f et ü Sentent, Veneti isaa Vgl namenll. Lib. I, Oiat 3, f. 37>
") Penitile compendima lotius logicae, VeneL 1409 (s. SunamiUe, Paris
IQM) und Cranmentar. in Helapfars. Aristotelis, Paris 1618 *.
") Bauptweik Logica Atbertucii, Venet 16S3 und Quaestiones zur Expos,
aurea t. Occam, mit dieser herausgegeben Bonon. 1406 *. Bei Albert v. Sachsen
finden sich auch schon die Ausdrttcke demonstratio a priori (= procedens ex
cauais ad eflectum) und a posteriori, QuaesL in Analrt. post. I, Nr. 9.
*•) Quaestiones super IV libr. SenL, Ai^eni IfiOl u. a.
") Quaestiones super libr. sententiar. 1600; Destructiones iDodtmun
aigniScandi und zwei andere Schriften, die Piantl erwUmt, waren mir
nicht zug&nglich.
n,g,t,7l.dM,GOOglC
& KspiteL ABieBBÜw 0«achkbto dar Letik. S7
vntetto in Bönm Logica muna >■) mit iroB«!!! FleiB, aber ohn« Kritik die
nUsKn MdDQDgstußeninnn neuwer und fttterei Lociker und vbettat« die
kVKfce KuiuaUk und SoidusUk bis ia die entleseaMen KiiuelhäUa «a
Bhb cxtRBiMt ReKliamus ««rsuchl« nochnula Johannes WTclif**)
(titt 1384) dnrdinifQhreB. Einen vermittelnden Standpunkt zvisdieB
nnaonua und Oocamiamus nahm Johannes GersonM) (laes — 143^
an. Bier sei nur erwUmt, daB er scharf zwischen der aignificatio meta'
phincaüi und der dgnificatio Eraimnaticae vel locicae vel rtietoiicae unler-
Kliädel und erstere auf ,j)riniae impreaaionea naturae, quae sunt tranacen-
tatoT (eng unum, ena verum, ena bonum, cns alitiuid) lurikUQhrl« und
iedcm ens creatum ein doweltea Sein, ein esse ohjectale und ein esse reale
mchrid) (Db mod. nsnif. S. 817 fi.)- Dazu kommt nike unveikennbai*
Snodfuns xu der damals erwachenden Uystik.
Im weiteren Verlauf des Ih. Jahrtninderta traten dann noch zahlreitte
Kboluügdie Logiker auf, wekdie Irotz der nuia und mriir sich ausbreitanden
HülaKiihie der RenaiBsaDce im Geist der alten Schulen Kommentare und
Ldirbodier lodschen Inhalts aMafitoi. Hinher ^hOren tL a. Petrus
Hantnanus»], Paulus Pergulensis*^, Petrus Tartar«-
tnC^ (1490 RtUor dtf UnivernUt Paris). Die Parieinamen „antiqui" und
^.Budenü" (vgL S. 77 u. 81) wurden jetzt mehr und mehr so veniendet, dal
die tfaeraiitisdie und z. T. auch die gkotistische Richtung, wriche aoch onto-
kgiadie Untersuchungen verlangte, als via antiqua, die occamistische („t 0 r -
ninistische") Richtung, welche sprachticfa-begrilHiche UnterBUcbungett
baniEogt«, als via modema bezeichnet wurde. Daneben traten vermittelDde
Riehtangen auf**). Den ausgesprochenen Standmmkt des Thomas vertrat
I. a Lambertus de Monte**) (v. Herrei^rg, gest 1499), den
„■Dodemen" Standpunkt — allerdings unter Vermeidung des extremen Nomi-
uliantus — stellen die von der Mainzer Fakult&t r. Jl 148& herausgegebenen
Modenorum summulae logicales dar.
**) VenK. 1408, vgl. s. B. die Argumentation f. (A—'TO. Ein Ausnig
mchien unter dem Titel Logica oder Summulae, Venet. 1488*.
**) Tractatus de logica, ed. M. H. Dziewicki, London 1889 bis 1899
nod Diatogomm libri duatuor 1526, S. Xn u. XXIV S. (auch FiUL-Lpx. 17&ft).
■*} Namentlich Cenlilogium de conceptibus und de nM>dia significandi in
dm 4. Bd. der Antwerpen» Auwabe v. J. 1706.
»•) Logica, Pavia 1488 und Venet. 1*93.
*•) Logic«, VeneL 149a
**) Namentl. Ezpositio in Summulas Petri Hispani, Friburg. 1404; Com-
owatationes in libn» Aristotelis, Friburg. ? (mit Prolog, logicae), spUer noch
<A henuisgegeben.
>*) Rieiiier gehört z. BL Agrippa v. Neltesheim (1466—4665) mit seiner
Schrift ,4a «rtem brevem Raim. Lulli Coiunentartum" ; im Alter bek&mpft»
W die Scholastik (De incertihidine et vanitate scientiarum, 1606). VgL Ober
ihn den Aufsatz von Meurer in Renaissance u. Philos., herausgegi v. DTrofI,
Helt Ä. 11.'
**) Copukla pnlcbemina dirareis ex autoribus logicae in unum corro-
nia in veterem artem ArasL etc., Colon. 14SS und Cop. pule in novam
lofieam Arest etc., Colon. 1486 und Öfter.*
n,5,t,7rjM,G00glc
gg I. Teil Atarcnzuiig und aJlgeradne Geschieht« der Logik.
Zu den Scholastiken! gehört trotz mancher einzelner der dunaUgea Zeil
weit Tonuseilender Lehren auch NikolausTonCusa*«) (XiOl—lißf),
der sich «uf loffiscfaem Gebiet namentlich an Occam und Oerson anschlieBt,
abweichend von diesen aber neboi der ratio noch eine ,4ntaitio intellectualis"
annimmt, durch welche wir die coincid«itia contradktorioruni, wie sie in
Gott gegeben ist, erfassen. Oberhalb der orfaes r^onum sennbilium und
regioDum rationalium existieren die orbes regionum intellectualiuin, die tOx
das TerstandesmftBige Erkennen unzugänglich sind (z. B. De conjed n, IS,
S. 107). Dieses bewußte Nichtwissen (= docta ignorantia) ist, insofern es
alle Gegensätze negiert, rün negativ. Es ist eine visio sine comprebensioDe,
eine theologia mTStica. In späteren Schriften hat übrigens Nikolans doch
auch eine nicht-intuitive, witkliche comprehensio Gottes anerkannt
Die Refonnation hat auf die Richtung der scholastischen Logik ver-
htltDi«mABig wenig EinfluB ausgeObt. Jobann Eck*^) (1486—1648) ver-
wertete fast die gesamte scholastische Literatur zu einer eklektischen Dar-
steUung der Logik. Auch das Compendium dialecticae (Venet. 14B6) voa
Silvester de Frieria (gesL 1538} versucht einen EompromiB zwischen
den streitenden Richtungen der ScholasÜc. Endlich fand zu Ende des 16. Jahr-
hunderts dep th<xnistische Standpunkt nochmals einen ausgezeichnete Ver-
treter in Frans Snarez'*) (16tö— 1617, Jesuit); Sdiolastiker ist diesw
noch insofern, als er noch durchweg an die aristotelischen Lehren ankn(lp5
(wenn auch nicht so sklavisch wie manche älteren Scholastiker) und die
nülosophie noch immer als Dienerin der katholischen Theologie betrachtet.
Die Dialektik' (c= Ixigik) hat nach S. die Aufgabe, „modum scieadi traders"
(DiH), I, SecL i, g 30]. Dabei soll sie jedoch nicht nur die leges reete defi-
niendi, argumentandi aut demonstrandi angeben, sondern auch die rationes
'*) Opp. Paris 1614, Basil. 16^ In Betracht kommen für die Logik
namentlich: De docta ignorantia (ed. Basel S. 1—63), Apologia doctae inia-
ranliae discipuli ad discip. (S. 63 — 75), De conjecturis (S. 75—118), Dialog!
idiotae de sapienUa (S. 137 ff.). De mente (später als 3. Buch der DiaXogi
idiotae abgedruckt, S. 147), De venatione sapientiae (S. 298^ namenlL 306 ff.).
Vgl. Ober ihn namentl. J. üebinger, Ztschr. f. Philoa. u. philos. Krii 18M,
Bd. Vß, & 6ö und 1896, Bd. 106, S. 46 und 18S6, Bd. 107y S, 48.
*') Aristolelis Stagyritae Dialectica cum quinque vocihus Porphyrii
Phoenicis Argrropulo traductore a J. Edüo theoL tacili explanatione declaräta
etc., Aug. Viod. 1616 u. 1617; Elementarius dialecticae, Aug. Vind. 1617;
Bursa pavonis-Logices exercitamenta appellata parva logicalia, Argent. 1607,
") Seine Gesamtwerke sind wiedertiolt herausgegeben worden, luletzt
zu Paris ie&&—1861 in 36 Bänden. Besonders hervorzuheben sind die Dispu-
tationes metaphysicae universam doctrinam duodecim librorum Aristotelis
comprehendentes und De antma (Bd. 25 u. 26 Ul 3). Vgl. über seine Lehren
Karl Werner, Franz Suarez und die Scholastik der letzten Jahrhunderte,
R^ensburg 1861, namentl. Bd. 2, S'. 1 — 71 u. 107-^^. — Suarez steht in
manchen Beziehungen nahe Pedro da Fonseca (1628 — 1599) in seinem
Institutiones dialecticae, Lissabon 1664v Vgl. über ihn M. Uedelhofen, Petnis
Fonseca als Logiker in d. Sammlung Renaissance u. Philos., herausges- v.
Dvrolf, H. 13. Vber weitere spanische, portugiesisclie und französische Logiker
der damaUgen Zeit siehe P. Bl. Soto, Beitr. z. Gesch. d^ Philo», d UitteUItera»
Suppl.-Bd., Monster 1913, S. 390.
■ n,g,t,7l.dM,GOOglC
S. XftpiteL Allgemoiiie OeachieU« dir Lo^. 89
bnm nmm **). Von den Dingen bandelt na nicht, ut etium essratiu sl
ntana deeluet, sondera nur ,jii ordine «d conceptus mentis coordinkndes".
Da SUodpankt des Suarez in der Frue der Re&litit der Besrifie erhellt am
Mcn m folgenden Sitzen: »Hae nsmaue reUtionet (deren 3. drei Heihen
DitoKfaieden hat gsmlS der triplez opeiatio intelleclua) non conTeniunt
nbos Ncundum se, sed ut deoominatis ab aliiiua Operations intrilectus, el
ideo Nmper rationia sunt et non reales . . . Non tamen sunt hae r«lation«s
ntit conficlae, sed numto aliquid fundamenio es re, qualia est aul r«alis
annnieDtia, in qua tundatur abstractio univenalis, <niae etiam variatur in
tma, q>eciein etc., ex eo quod convenientia major est Tel minor; vel realis
idtnülaa aut unio unius cum alio, in ona fundatur atflnnatio unins de alio;
fri lealig «nanatio uniua ab alio aut ctmcomitantia, vel aliguid simile, in
VU bmdatur illatio a piiori vel a postniori (Disp. LIV, Sed. 6, g 9). Ke
nlitioaes generis, speciei, praedicati, subjecti etc. bezeichnet er geradezu als
JDtenüonea logieales". Die intentiones secundae faßt er daher denn auch
nni in thomisÜschem Sinne auf: ^Iqoe ob hanc causam solent hae ultiiii«0
räitiones rationia (nimlich generia, speciei etc.) p«culariter appell&ri lecundae
inttntifHies, Quasi resultantes ez secunda intentione seu attentione Tel con-
ndoatione intellectus, i|uo nomine proprie vocatur intdlectio retleziTa, quia
suvonit aUam circa ouam Tersatur" **). Bemerkenswert sind auch die Aus-
fiihnmgen über die ^lecies intentionales (De anima m, 2) und die doppdte
•apvrefaenaio", die sich an die sinnliche receptio anschlieBt: die apprehensio
■inittoc und die apprehnsio eomposita seu compositio, welche in einer tbt-
flcichenden Titi^eit besteht (ibid. m, 6). Doch ist es Suarez nicht gelungen,
änt Lehren tor die Logik fruchtbar zu machen.
i 23. Li^iker der BenaiMUice nnd der Reformation.
Die BenaisBaDce and die Beformation haben in zwei weseat-
Ucheo BichtongeD einen befreienden EinfloS auf die liogik
■tugeübt, die erstere, indem sie der fast ansscblwBliciien
Herrschaft der arietoteliscben Logik mit den endlosen, oft
■opfaistiBchen Interpretationen der aristotelischen Schriften
ein Ende machte, die letztere, indem sie die Logik von der
katholischen Theologie endgültig unabhängig machte. Wenn
trotzdem für nnbefangeuQ Betrachtang weder diese noch
jene nnmittelbar zn erheblichen positiven Fortschritten der
logischen Wissenschaft führte nnd sogar hier und da auch
numcher wertvolle Erkenntnisbesitz für längere Zeit ver-
loren ging and andrerseits mancher Bückfall in die Soho-
Ustik vorkam, so erklärt sich dies daraus, daß jener fördernde
Einfloß an sich doch eben nur negativ war, indem er Schäd-
*■) iJJam etiam a priori demonstrat, cur recta definitio et aigumen-
latio talcB conditioues et proprietates requirant" Siehe auch Disp. I, SecL ft,
»a? u. XLIV, 12, M uk XXXDC, ProL.l.
**] VgL auch die Untersuchung ,,an uniTersale fit per comparationen
u Tcro per abslracUonem" (De anima, Lib. IV, Cap. 3, Dubium E^ § 21].
■gO L Teil Abfmizuni und aügeiMiiw Gcscbidrte der Loiik.
lichkeiten beseitierte, aber kein poBitiv förderndes Moment
fär die Lo^ik einschlofi. Dazu kam, daß die Interessen sich
-nmöchst ganz anderen Gebieten, einerseits der Philologie
und Altertomswieeenschaft, andrerseits den Glaubensfragen
lawandteo.
G«gen die scbolastische Richtung tnt schon im 11. Jfthihundert
Petrarca*) (1806—1374) auf, dei; sich noch nicht so sehr gegen die Ein-
soitigkeit der aristotelischen Lehren als gegen den UiBbrauch der AutoriUt
des Aristoteles durch die zeitgenössischen IKalektiker mit ihren conclusnui-
enlis wandte, aber doch aucb schon Aber VemachläasiguDg des Plato Uasto-
Direkt gegen den Aristotelismus wandte sich dann naraeoUidt Laurentiiis
Valla*) (1406—1467), der „auch der abgematteten Veraunm-Lehre äenUch
^eder uJS die Beine geholfien" (Beimmann). Er bezweifelte die ZehnsaU
der Kategorien und kritisierte die Grundbegriffe der scholastischen Logik in
^rf&IHgater Weise. Seine poeitiven Leistungen, in denen er sich übrifens an
Qnintilian und Cicero anschloB, waren sehr dOiftig. Eine Ihnliche Bichtm«
acblu« Rudolph (Rodolphus) Agricola*) (1443—1486) ein, der als Ziel
der Logik aufstellte .Formate orationem" und „de (Tuolibet dicer» prohabüitn"
<1. c. Buch II, Kap. 2 u. 11^ S.VSBu. 297) und wie seine Voigftnger fast nnr
durch seine Kritik der aristotriisctien Lehren (I, 3, S. 2B ff.) Nutzen stifivte.
Bemeckenswert ist auch seine Befürwortung des G^naochs der Muttersprache
neben dem Lateinischen. Zu derselben Richtung gehfiren femer L u d o ▼ i -
cus Vives«) (149^-1640) und Harius Nizolius") (14«&— 167&) wie
>) Epistolae de rebus familiär. Flor. 18&&— 1663, z, B. I, Nr. 6 tl, XU,
Nr. S, XVII, Nr. 1 u. a. m.; Quatuor Ubii invectivarum contra quendam,
lih. n, Cap. 17 (Opp. ed. BasU. 16W, S. 1»%. Vgtj Ober ihn Heinr.
Schmelzer, Renaiss. und Philosophie, heiausgeg. von DyrofI, Heft 6^ Bonn
1911, S. 280.
*) Opera, BasiL 1540, darin & 64&— 761 die DiaJecticae disputationes in
drei BOchem (Buch 2, Kap. Iff. Angriff auf die zeitgenössische Dialektik).
Gegen die scholastische Methode, aber for Aristoteles trat auch Desiderius
Brasmus (1467— Ua6) auf (t^. z. B. Encomium moriae 1G09, ed. BaaL
tKO, S. 117 tt. IL £@4Q.). Im neuplatoniachen Sinne gegen Aristoteles
schrieb Franctscus Fatricius (1^9 — 1597) seine Discussiones pen-
pateticae, Basil. 1581 (vgl. namentlich Tom. n u. Tom. m, lib. 4).
') De inventione dialectica, Colon. 1553 (mit Schollen) und Colon. 1657
(nach dieser Ausgabe ist oben zitiert). Heinrich VIII. von England befahl
ausdrOckhch, dafi neben den Werken des Aristoteles anstatt der Kommentare
von Duns Scotus u. a. dies Weik von Agiicola verwendet werden sollte.
*) Sein Hauptweik De discipUnis hbri XX erschien zuerst 16S1 in Ant-
werpen (sp&tere Ausgabe z. B. Colon. 1536). Von den drei Teilen kommt für
die Logik namentlich der erste „De causis comiptarum artium" (in der Ge-
samtausgabe der Vivesschen Werke ValenL Edet. 17B6, Bd. f^ S. S) und der
dritte „De artibus" in Betracht. Im letzteren sind wichtig die Abhandlungen
De censura veri et falsi (Gesamlausg. 17fl3; Bd. 3, S. 165), De disputatione
tS. 68] und De instrumento probabilitatis (S. BB). Inä>c8ondere ist die Schrift
De censura veri et falsi ein kurzes Kompendium der formalen Logik. Auch
I; KuiUL Allgemnn« 0«scli)cUa dar Loiik. 9X
MBTeilanch Giordano Bruno*) (1M6— 1600) und Thomas Cam-
ptDella^ (Ifiea— 1^9).
Sehr viel einflaßreicher als die Vorgenaiinteit war
FetrDB Bamns <Pi«rFe de la Bamäe 1515 — 1572), dessen
Schriften*) für lange Zeit an vielen Orten dem logischen
Stodiom and Unterricht zugrunde gelegt wurden. Seine an-
finglichen Angriffit! auf Aristoteles überschreiten oft alles
Hafi und wurden auch spater von ihm selbst zurück-
SeDommen. Wie Valla und Agricola und Vives betont er
selbst das rhetorische Element in der Logik über Gebühr:
dialeetica est ais bene disserendi, eodemque sensu logica
dieta est (Dialect I, 1 n. Schot, n, 1 u. 2). Sie zerfallt in
zwei Teile: der erste handelt von der inventio (Begriff nnd
die Jugendachrift In Paeudo-Dialecticoa (161B verfaBt, Gesamtausg. Bd. a,
S. 37) ist bemerkenswert.
■) Antibaibarua s. De yeris principU» et vera ratione phUoMphandi
esatia psendophilooophoB, Panna. 1&6S. Er betont hnmet wieder: ,^d veri'
Uten inTcsUsandam redeque phitosophanduni longe uliliorem masisiiue
neeesMiiam smnmaticae et rhetoricae coniitiotiem quam dialecticae et mctt-
[^TSicae esse" (z. B. I, 1, S. 7), und „inter artes et scientias nullom nectue
dklecUcae neque metaphTaicae posse esse loeian atqne ideo ambas *■«>!"'■ m
Uns et imitUes et non necessarias ab omni, acientiarum et artium numero
eitenmnandas" (sc. esse; ibid. S. aOB). Vd. auch U. Glosner, Nik. v. Cusa .
and H. Nizolius ab VorUuIer der neueren Philosophie, HOnster 18S1, nament-
Htb S. 148 — ^laa. Leibniz hat das Werk des Nizolius mit einer Dissertatio
Wartiminari» und Anmerkungen i. J. 1670 herausEeieben.
•) De bt cansa, piincipio et uno, VeneL IbBt; rd. z. B. Dial. I, ed.
U. Walser, Ups. 1880, Bd. 1, S. SSbO. (ed. da Lanrde^ Oottinfa 188«^ I,
Sl 190). Ober die Scbiift Ais inrenliva per XXX itatuu vgl Lutoslaw^
Aldi. f. Gesch. d. Philo«,, 1800^ Bd. 3» S. 894. Audi eine Fortbildunc der
Badistabenkombinatorik des R. Lullus vü. S. 78) hat Biuno venucbt Siehe
euch die von Qfrßter heniugegebene Sammlung seiner lateinischen Schriften,
Stntltard. ISSa^ VoL % S. SBb^ 001^ 821 und namentlich 708 (De prosressu et
lanpade Teaatoria losicoTum etc.).
^ Phifesophia sensibua demonetrata, Neap. 1596*; nülosophiae ratio-
«ili» partes V, Paris IßBe (F. II Dialectica 1K7) a a. m.
*) Aristoteleae anitnadversione«, Paris 1648; Dialecticae partitionea,
I^ris 1548, i X 1668 unter dem Titel Inatilutionum dialecticaniro übri lU
und 16&6 unter dem Titel Dialecticae Ubri II wieder herausgegeben; Dia-
ledique 1566 (unzugAnglicb}; Scbolae in liberales artes, Basti. 1569 (Teil 8,
S. 1—615 Scholae dialecticae in 30 BOchem); Defenaio pro Aristotele adr.
lac. Scfaeduno, Laos. 1571. Vgl. über ihn namentlich C. Waddington-Kastna,
Ranus, sa Tie, ses «crita et ses opinions, Paris 1866 (auch lat. Paris lS4e^
wnentlich S. 109 0.); PrantI, Sitz.-Ber. d. irfulos., phUol. und histor. Kl. Ak.
d. Wiss., UOncb«! 1878^ Bd. a, S. 157; Qeorf Waricert, Enzyklopädie des
Prinis Rasuis, Leipng 1898; J. Owea, The skeptics of tbe French Renaissance,
Uodon laOS, S. 491 fl.
92 I' Teil AbnenzuBf und aIl(eiD«iDe Q«scliicht« der Lofik.
Definition), der zweite vom jndicinm (Urteil, Schloß, Methode).
An anderer Stelle onterscheidet er die topica (inventio ar^-
mentorom, i. e. medionun, principiorom, elementonun) and
die aoalytica (dispositio eorom). In seiner Ontologie sind
platonische Elemente unverkennbar.
Die SchOler und AnfaftoBer des Petrus Rumis Teibreiteten seme Lehien
ftllenlh&lbeD, so in Deutschlaud Job. S t u rm Ufi07 — 1689% dessen Vor-
lesungen P. Ramus Obhsens in Paris besucht hatte und dessen Icsischea
Hauptweik *) vor den Hauntweiken des P. Ramus abgefaBt ist. Frans
Fabricius")(lK7— 1573), Christoph Cramer(us) "), Job. Pia-
eator") (16*7—1636), Fredericus Beu rhusiusi») (1586—1«»),
Job. Thomas Freigius") (1643—1568) u. a., in Engtand & B. Wil-
liKin Temple") (IClß—i^, in Holland Rudolf Snell'*) (lUS
bis 1619) usf. Von der Dialektik des Ramus erschienen bis 1670 gegen
30 Auflwen. Zu den „Semiramisten" rechnet man u. a. Rudolf Oocle-
nius^') (15*7 — 162^. Andrerseits telilte es auch nicht an viellachen An-
*) Partitionum diatecticanim libri IV, Argeni 1589 und Öfter, z. B. 1691
mit SchoUen von Havrenreuter (auch Etütome von Job. Bentz, Aigent. ISOB).
Kit diesem Job. Sturm ist nicht zu verwechseln ein andrer Job. Stunn, Prgf.
d. lied. u. Logik in Greifswal^ gesL 1625, der Disputationes logicae ma
veritate et Aristotele conceptae veröKentlichte (von Abrah. Battus neu her-
ausgegeben, Gryphisw. 164B).
") Die Arbeiten von Fabricius varen mir nicht zugänglich.
") DialecUca Ramea, mir nicht zugänglich, soll spiter von Goclenius
herausgegeben worden sein. Er darf nicht mit Daniel Crsmerus (1568 — 1S37),
der Viginti duae disputationes logicae, Vitenb. lö9B gegen Ramus schrieb,
und mit Andreas Gramer (1582 — 1640), dem mehr theologischen Verfasser
von Disputationes logicae (mir nicht zug&nglich) verweabsell werden.
1*) Animadversionea in dialecticam P. Rami ezemplis Sscr. literatum
PBSsim illustratae, 2. AuIL Ftancofurt. 1582 (1. Aufl. 15807), vgl namentlidt
die Bpist dedicat. S. 5fL Hber seine Bekehrung zur Lehre des Hamus.
>*) Z. B. Defensio P. Rami dialecUcae etc. 1588; Paedagogia logica in
3 TeUen (Teil 2 Colon. 1586, Teil 3 1566).
'*} Quaestiones logicae et ethicae, Basil. 1676, namentlich S. 1 — 67;
Trium artium logicarum, grammaticae, dialecticae et rbetoricae breves suc-
ciDclique schematismi etc. (vgl. namentlich F 5ti., tabellarisch gehalten, von
Helanchthon abhängig); Logicae Rameae triumpbus, Basil. 16^; De logiea
iurisconsullorum, Basil. 1682.
") Epistolae de P. Rami dialectica etc., Francof. löSl, Cantobr. ISSt;
Rami instituliones dial., scholiis G. Tempeüü illustr. et emend., Cambridge
1584;» Pro defensione P, Rami, Francof. 168*. Vgl auch J. Freudenthal,
Aich. 1 Gesch. d. PhiJos. 1892, Bd. 5, S. L
^*) Commentarius doctissimus in dialecticam F. Rami etc., Heibom
1587 u. 1696 (im Anhang Tractatio guaedam compendiosa de praxi logiea etc.);
De rat. discendi) et exercendi logicam i>er analysin et genesin facili et per-
spicua (s. Commentationes dialecticae), Herbem 1609.
") Isagoge in Organen Aristotelis, Francof. 1698; Problemata logiea et
philosopbica, Uarp. 1589, i. Avß. 1606 (mit Appendicea, Marp. 1604^ cum
TeilinDialogtorm); Praxis logiea etc., 2. Aufl. Francof. 1698; Commentaiiolus
^^^^^ ä K«nteL AUgerarine OaKUcfate dar Logik. 93
nfin. Die wichtissten Gemer des Bamus wuen: J«c. Carpenl&riua,
Uimnu utifl diagereodi deacriptio ra ArisL k)Cico organo cnlleeU etc. ParU^
l ML 15ect* 2. Aufl. 1664 (in 3 Bflcheon), Animadrenionea in libros HI
noütiitioinim dialecticarum Petr. Buni, Paris Ibbi, ComDendium in eota-
nniwm artem diaserendi, Paris 1&65 [rsl. z. B. S. 3 11 Da duinque rocibiu),
nd id expositionem diaputationis de metbodo, contn Thessalum Ossatum . . .
imoaxo, Paris IBM; Everaid Digby"), Templea Lehrer (ca. 1&60 bis
ÜB), Theoria analTtica,* Lond. 1679; femer Nicodemus FrischUn
(1H7— lß90) Dialogus logicus contra P. Rami prolesBoris regii sophiatici^n
mAristotäe, Francofurt. IMO; Job. Heinr. Aisted (AMediua) (168H
ht ISSSj, Compendiimi logicae bamonicae, 2. Aufl. Berbomae Nasser. 16831
k dieser als Anhang Nncleus logicae etc., ClaTis artis Lullianae et veiae
kiieei, Argentar. 1609, Compendiuin pfailosophicum, Hertwrn 1628, S. 1629 S,,
UfcM sTitema hannomcum etc., Herbom 1614, Comp, systematis logid etc.,
Hnbom 1611 sowie mehrer« enzYktoptdische Werke. Vgl auch Kecker-
maniiu) in dem S. 17 ziUerUn Werk, S. 2Hir.
Die Beformation nahm anfangs nicht nur eine anti-
Beholastische und antiaristotelische, sondern auch eine fast
antiphilosophische Stellung: «in. Lnther (1483 — 1516) ver-
langte, daB die „philosophia and logica, at nunc habentnr**
ausgerottet nnd durch anderes ersetzt werden, und gesteht der
Phiioeophie höchstens eine Einsicht in das Zeitliche zu. An
die Stelle der Äntorität der katholischen Kirche setzt er eine
asdere Antoritat: diejenige der Bibel. Schon Melan-
chthon gab jedoch diesen Standpunkt auf, und es ist sehr
bemeikenswert, daß er nnd viele andere Reformatoren nun
doch wieder auf Aristoteles zurückgingen nnd damit in
Gegensatz zu dem Bamismns traten. Auch Luther gab später
dieser aristotelischen Tendenz nach. Melanchthou **) (1497
bis 1560) selbst gab in seinen Lehrbüchern eine didaktisch
sehr geschickte, aber doch etwas oberflächliche Darstellung
der aristoteliflchen Lehren. Die Logik oder Dialektik, wie
de latione definiendi, Fnncof. 1600 etwas abweichend De tropo definiendi,
IhiPDig. leOS}; Isagoge in Peripateticormn et scholaBticonim primam philo-
«phiam, quae did consuerit metaphysica, Fnncof. 1&98 (namenlUch Kap. 6
De vero et latso^i Fortitionum dialecticarum lihri II, 2. AuIL Francot. 1&98.
^ Vgl J. Freudenthal, Arch. f. Gesch. d. Philos., 1891, Bd. 1, S. 4fiOi
") Bartholom. Keckermann hat selbst ein Systema logicum in drei
Badiem verlafit (1. Aufl. wohl 1600, & Aufl. 1613 Hanoviae); auSerdem bat
Adnamis Panli E.'s Heidelberger Vorlesungen unter dem Titel Gymnasium
logiaim, Hanoviae 1608, benuiagegebea
"i Compendiaha dialectices ratio, Lips. ISSO (Corp. relorm. XX.
ä 70B); [HalecticB, Hagan. 1S2B; ErotemaU dialectices, 1. Aufl. 1U7 (Corp.
rd Xn^ S. fiO?); De anima, Viteb. lUO (Corp. lef. XIO, S. 1). S. Aber
Hekiichthons Logik Dütber, Arch. f. Gesch. d. Philos. 18BS, Bd. 6, S. 34A
94 I. Teil Abvcanmt imd inKiiinne GMchidita der LoRik.
er sie gewöhnlich nennt, hat selbst anch voizagBweise eine
didaktische Äafgabe: sie ist die ars eea via, recte, ordine et
perspicue docendi (1), qaod fit recte definiendo, dividendot
argumenta vera conneciendo, et male cohaerentia eeu falsa
retezendo et refutando {Erot. dial. S. 1). In der UniTer-
ealienfrage neigt er zum NominaliBmos: genas est nomen
commune nmltis speciebos et praedicatnr de eis in qoaestione,
qnid sit (ibid. S. 13) und analog species nomen oommime
prozimnm individuis etc. Die Kategorie (praedicamentom)
ist „ordo generum et speciemm sub uno genere generalissimo,
qnod ant snbstantiam aut accidens aliquod signiflcat" (ibid.
8. 22). Di« Existenz ist als solche stete eine individoelle.
Die 5 voces (Praedicabilia) — species, genus, differentia,
proprium, accidens — und die 10 Kategorien werden ähnlich
wie bei manchen Scholastikern abgehandelt. In seine Lehre
TOD den letzten Prinzipien mischt er platonische Sätze ein,
ohne einen organischen ZueammeDhang mit seinen logischen
Qnmdanschauangen herzostellen.
Joachim I CamersTius«) (l&OO— 1&74), Jakob Schegk'^
(1611— 1S&7) und viele andere Terbreileten diese Melanehlhonsche DanteHuni
d«r aristotelischen Lehre an den deutschen Hochschulen, so daß gegen Ende
des 16. Jahrhunderts sich in der Logik drei Hauptrichlungen gegenOberataD-
den: die protestantisch -aristolelische Uelanchthons, die katholisch-aristote-
lische des Suarez und die aotiaristoteUsche des Petnis Ramus "].
*i) De Ph. Helaochlhoius ortu, totius vitae cumculo etc., Lins 1606. Er
gab auch die Werke von Aristoteles griechisch und lateinisch heraus (1690 fl-)-
**) De demonstfatione libri XV,! novum opus, Galeni librorum ejusdem
argumenti jacturam resarciens, Basil. 1664 (vgl. tlber seine Stellung nament-
lich S. 9fl.}. Vgl. auch Chr. Sigwart, Ein Collegium logicum im 16. Jshr-
hundert, Freiburg 1S90, und Kleine Schriften, Freiburg 1989, 2. AuO., Bd. 1,
& 366.
") Ein gutes Beispiel der aristotelischen Richtung aus dem Anlang
des 17. Jiüirhunderts ist das Werk von Jacobus Martinus: Inatitu-
tionura loficarum libri VK Wittebergae 1610 (auch Praelectiones extempo-
raneae in srstema logicum B. Keckerm&nni 1617, und l^gicae peripateticae
per dichotomias in gratiam Ramistaruro resolutae libri 11, 6. Aufl., Wilte-
bergae 1616). Einen vermittelnden Standpunkt versucht in derselben Zeit
Clemens Timplerus in seinen Logicae eystema methodicum libris V
Gomprehensum etc., Hanoviae 1612, einsunebnten, desgL auch Conradus
Bergius im Ariificium AristoleEico-Lullio-Rameum, in quo per utem
intelligendi, logicam etc., Bregae 1615. Vgl. ferner Casp. Bartho-
lin u s , Logicae peripateticae praecepta ita perspicue atque breviter scholüs
exemphsque illustrata usf., ed. sexta Francofurti ISäl (1. Aufl. wohl 1611);
M. Georgius Gutkius Logicae divinae seu peripateticae ad rectae
raäonis principia in abstractione entis ut vocant, revocatae usf., Coloniae
Iffll (zum Teil, bis S. 208^ mit fortlaufender deutscher Übersetningl); Con-
„.,,„, ^.oogic
ft KtpiteL lUnaaiM GcBhioIri« te Lofik. (|&
S 24. Die natnrwineMduiftUeh-bidnkUve Biehtiiiir.
Bmo tob Vcvnlain. Schon der oben (S. 90) erwähnt« KizoUoB
batte jegriiche Dialektik and Metaphysik verworfen und nur
Physik nnd Politik als Philosophie anerkannt Koch ent-
schiedener verlang Bernardinns Telesins*) (150S
Im 1588) eine auf £rfahmng: gestützte Erkenntnis. Dabei
ist ihm die Erfahmn^ fast ganz identisch mit Natur-
trfafamng. Nur für die unsterbliche Seele räumt er ein«
i^orma superaddita" ein. Besonders bemerkenswert ist, daft
«r auch für die Gheometrie die Notwendigrkeit der Erfahmng
bdanptet (1. c. Lib. Vm, cap. 4, ed. 1586, a 316 CT.).
Während die Anhänger und Nachfolger des Telesina
teils m rein naturwissenschaftlichen Untersuchungen über-
pBgen, teils einem platonisierenden Myetizismas Terflelen,
hat Francis Bacon v. Verulam*) (1561—1626) das
empiristische Prinzip cur Methode der wissenschaftlichen
Induktion umgestaltet.
ridna Dietericfa (Dietericua), Epitoine ptMceptonun dialecUcaB etc.,
ÜK. 1636 (voftier Institutiooea logiaLe et ifaetoncae, Giessae 1609); M«r-
tai Priedericns Wendelinus, Logicae insUtutioDee, ServetUe
UM; Cbristophorus Scbeibler, Opus logicain quatuor partibu»
unanam huiua artia srstema comprehendens, ed. novianma, Qenevae 1661
(Tomde tmi 1638 datiert, relativ neutnl] Toriier einzeln Introductio loficae.
Ginne 1613, Commentaria topica 16U li a. m.); ConradusUorneius,
laditatioBes logicae, 2. AulV, Francof. 166Si Job. Conradus Dann-
hawerus, Epiknne dialectica, 3. Aufl., AigentoraL l€68i U. Jacobus
Saurins, Synlagmatis losid VI, Stetin^ KSK; H. Antonius Illerue,
Snopaia pbilosophiae rationalis >eu Nueleus pneceptonim logtconun etc.
i. Aufl., FntncoL 1660; Johannes Scbarfius, Hamiale loBicum.
& Anfl, Wittebeis. 1667 (vom Standpunkte des Aristoteles und Helanditban
Ktclirid>en, vieUach auch hemuBsegeben als Hedulla manualis losici Schar-
Gani, z. B. in a AuO., Jena 166(Q.
>) De rerum natura juzta propria prindpia, Romae 1566 u. Neapoli 1670
lin 2 Bachern), dann Neapoli 1686 (in 9 BOchem wovon 6 neu).
1} Cogitata et visa, ca. 1607 veifaBt (erst 1668 fednickt), spAter zun
Nomn oTSanum scientianim, London 1630 umsearbeitet, und Of the pro-
fotnce aad advancement of leaming, London 160^ spater erweitert zu De
dinitate et eugmentis scientianim, London 1620. Beide bilden Teile eines
nn Bacon geplanten Gesamtwerks .^natauratio magna". Gesamtausgabe
Kiner Werke von J. Spedding, R. L. EUis und D. D. Healh in li Bftnden
(inkL Bride), London 1867—1874 (fOr die howk kommen nur Bd. 1—6 in Be-
tadit). Unter den Schriften Ober Bacon sind für seine Stellung als Lwker
■n wicht^sten: Ad. Lasson, Über Baco's v. Ver. wissenschaftl. Fiinzipieu,
Uuedtcr, d. Luisenst Realschule in Berlin, 1800, S. S—3i; J. v, Uebig,
Fr. Bacon v. Verulam und die Geschichte der Naturw., Manchen 1868; C. Sig-
»arl, F»uS. Jahrb. IBEB, Bd. 1^ S. 93 (gegen Liebigs flb^riebene Vorwürfe);
„.,,„, ^.oogic
96 I- TeiL AbBrenzung und allgemüne Gesduchte der Logik.
In seiner bekannten Binteilangr der Wissenschaften ge-
hört die Logica za der doctoins circa animam hominis and
spezieller za der doofrina de nsn et objectis faoaitatnm
animae, and zwar hat sie es mit der Anvendang und den
Gegenständen des „intellectns und der ratio" zo tnn (De
dign. et augm. V, 1). Sie zerfällt in die ars inveniendi, jadi-
candi, retinendi und tradendi, ninfaßt also nach Baco anch
die Technik dee Gedächtnisses (adminicola memoria« etc.)
und die Lehre vora Ansdmck der Gedanken (Grammatik,
Bhetorik usf.). Die inventio zerfällt in die inveatio artium
et Bcientiarnm nnd die inventio argnmentonun et sermonmn.
Die erste inventio geht entweder nur von Experiment*) zn
Experiment und könnte etwa als experimentelle Methodik
im weitesten Sinne bezeichnet werden, die zweite inventio
geht von Experimenten zu Axiomen nnd von diesen zn jenen
über. Die erste wird von Baco auch als „Experientia lite-
rata", die zweite als „interpretatio natnrae" oder „novnm.
Organum" bezeichnet. Nur die zweite kann als Wissenschaft
im strengen Sinne bezeichnet werden. Ihr ist daher anch
das eine Hauptwerk Bacos anter gleichem Titel gewidmet.
E!r stellt hier die interpretatio naturae, welche stetig und
stufenweise von den einzelnen Sinneewahmehmangen zum
Allgemeinsten fortschreitet („a sensu et particnlaribus ex-
citat axiomata, ascendendo continenter et gradatim, at ultimo
loco perveniatnr ad maxime generalia" Nov. Org. I, 19), auch
der bisher üblichen Methode der anticipationes naturae
gegenüber, welche vorschnell vom Einzelnen zu den allge-
meinsten Sätzen hinfliegt („advolat") und vom Standpnnkt
solcher allgemeinen, unwandelbar wahren Prinzipien dann die
„uxiomata media" beurteilen und finden will. Die interpre-
tationes „subjugant res", die anticipationes nur „assensum".
Die Methode dieser Interpretation der Natur ist die Induk-
tion („spes est una in inductione vera"). Sie ist zugleich das
geeignetste Abwehrmittel gegenüber den vier Hanptirrtnms-
tendraizen: deoi idola tribns, specos, fori nnd theatri (d. h.
den in der menschlichen Natur im allgemeinen, den in der
Walter Schmidt, Fr. B. Theorie der Ind., Zlschr. f. Pfailos. u. philos. KnL
1888, Bd. 11^ S. «2 (s. auch Bd. lOQ, S. 79); Kuno Fischer, Oeach. d. n.
Philos., Bd. Üt 3- Aufl. Heidelb. 190«. S. Slfi. Hans Natge, Über Fr. S.
Ponnenlehre, Lpz. 1801.
■} Bei den Scholastikern bedeutete experimentura die Erfahrung.
„.,,„, ^.oogic
L KApileL Allgemeine Getchicbte der Loffik. 97
i&dmdnellen Persönlichkeit begründeten, den im gegen-
eeitigen Verkehr übertragenen und den von Lehrsyetemen
emgeärang«n«n, vgl. Nov. org. I, 28 fF. u. De dign. et angm.
V, 4). "Ober die weiteren Einzelheiten der Baconschen In-
dnküoDglehre ist der Spezialabechnitt über Induktion zu ver-
fleicIieD.
Dem novom Organum gegenüber kommt die inyentio
ar^tuuentomm et sermoaum nur sehr kons weg. Sie proda-
nert nichts Nenes, sondern ruft nur Bekanntes am geeigneten
Ort in die Erinnerung znrück (De dign. et augm. V, 3). Sie
üerßllt in die promptnaria und die topica, die topica wieder
in die topica generalis nnd topica particnlaris, unter welch
lettterer Baco im wesentlichen eine auf die Spezialwissen-
scliaften angewandte Topik versteht.
Die ars judicandi (s. oben) behandelt die natura proba-
tionum s. demonstrationum (ibid. V, 4). Das Judicium er-
folgt per indoctionem oder per syllogismum (die nnldgische
Einteilung der artes logieae führt zu dem doppelten Auf-
treten der indnctio). Die Bedeutung des Syllogismus gegen-
über der indnctio schätzt B. sehr gering ein: ,^yIIogiBmns ad
principia scientiamm non adhibetur, ad media aziomata
fmstra adhibetnr, cnm sit snbtilitati natura« longe impar"
(Nov. org. I, 13).
Die speziellen Ansfnfamngen Bacos sind gröfitenteils
ziemlich oberfiäehlich ,nnd enthalten zahlreiche Irrtümer.
Jedenfalls bleibt ihm aber das Verdienst, die induktive
Methode znm ersten Male systematisch dargestellt zu haben,
wenn auch genugsam nachgewiesen ist, daß er die Qedankeu
derselben ans anderen Werken geschöpft imd selbst im
G^ensatz zn seiner Lehre fast gar nicht experimentell be-
obachtet hat
{ 25. AUgemeiner EUnfinB der neueren Philosophie
wihrend der niehsten beiden Jahrhunderte. Der Einfluß der
neneran Philosophie, deren Begründung mit Recht dem
Cartesins zugeschrieben wird, auf die Iiogik ist zunächst nn-
vertiältnismäBig gering gewesen. Während die Logik des
Altertums und des Mittelalters im allgemeinen mit der Meta-
physik und Erkenntnistheorie (soweit es eine solche gab)
Huid in Hand ging, trennten sich jetzt ihre Wege für längere
Zeit Die großen Philosophen de« 17. nnd* 18. Jabrhnnderts
Zi«h<n, Iichitaik dar Logik. /7
„.,,„, ^.oogic
98 I- l'ei!- Absrenzung und allsemeine Geschichte der Logik.
haben sicli fast an&aahmslos nur nebenher mit einigen
logischen Fragen beschäftigt. Stillschweigend akzeptierten
und befolgten sie die allgemeinen Regeln der Ic^ischen
Technik und kümmerten sich um die Bedeutung der logischen
Gesetze und ihre Beziehung zu den metaphysischen und er-
kenntnistlieoretischen Problemen nur relativ selten. Die
Weiterentwicklung der Logik stockte dabei zunächst fast
ganz und blieb dann Philosophen zweiten Ränget, wie Baum-
garten, WolC u. a. überlassen. Selbst die von Kant aus-
gehende Umwälzung der Philosophie hatte zunächst auf die
Iiogik 8. str. nur geringen EinfluQ. Erst die idealistische
Schule, welche nach Kant zu Anfang des 19. Jahrhunderts
zur Herrschaft gelangte, namentlich Hegel stellte wieder
eine engere Verbindung zwischen Metaphysik und Erkennt-
nistheorie einerseits und Logik andrerseits her.
Sehr charakteristisch ist für die Logik des 17. und 18.
Jahrhunderts auch ihi% Entfremdung von der Psychologie.
Man ist erstaunt, bei den Scholastikern des Mittelalters oft
mehr psychologische Anknüpfungen in den logischen
Systemen zu finden als in den üblichen logischen Lehr-
büchern des 17. und 18. Jahrhunderts. Selbst Wolff unter-
schätzte trotz seiner vielfachen Beschäftigung mit Psycho-
logie die Bedeutung einer psychologischen Grundlegung der
Logik noch so sehr, daß er die Logik der Psychologie voraus-
schickte (s. nuten). Auch Herbart vertrat noch einen ganz
antipsycbologischen Standpunkt in der Logik. Erst im wei-
teren Verlauf des 19. Jahrhunderts hat sich mit der raschen
Entwicklung der empirischeu und speziell der experimen-
tellen Psychologie wieder ein zunehmender Einfluß der
Psychologie auf die Logik geltend gemacht und sogar viel-
fach zu einer unberechtigten Verwischung der Grenzen beider
Wissenschaften geführt (sog. Psychologismus).
Jedenfalls ist es begreiflich, daß die Logiker des 17, und
18. Jahrhunderts infolge dieser Loslösung der Logik sowohl
von der Erkenntnistheorie und Metaphysik wie von der
Psychologie sieh fast ganz auf die logische Technik be-
schränkten! Die Logik sank meistens zu einer bloßen Normen-
lehre herab. Im Bereich einer solchen wurde allerdings viel
geleistet. Insbesondere wurde allmählich der von der Scho-
lastik überkommene Wirrwarr von Regeln, Formeln, tech-
nischen Ausdrücken gesichtet, geordnet und oft auch mit
Erfolg vereinfacht.
1,1^. OQi
,g,c
2. KapttcL Allgemsüie Gnchicbte der Locik. 99
i 26. Cartesins *). Hobbes. Benee Deseartes(Car'
tesitis, 1596 — 1650) hat die Logik namentlich in zwei
Sichton^n gefördert: dnrch seine Methoäenlehre nnd durch
eeise Lehre von den Kriterien der Wahrheit.
C. unterscheidet zwei Wege der Erkenntnis: den intuitus
wewtiB und die deductio '). Unter ersterem versteht er nicht
etwa die Sinneswahmehmung, sondern den „mentis purae et
attentae non dubiam conceptnm, qni a sola rationis Inee nas-
citnr". Unmittelbare evidentia et certitudo sind seine charak-
teristiachen Eigenschaften. Er verhilft ung zur Erkenntnis
der principia prima. Demgegenüber schlägt die dedactio
einen indirekten Weg ein, insofern sie aus bekannten Sätzen
nene erschließt. Sie hat daher keine praesens evidentia, son-
dern nur eine gewissermaBen der Erinnerung entlehnte. Nur
wenn es sich um einen sofortigen Schluß aus den ersten Prin-
zipien handelt, kann man sowohl von intuitus wie von deduc-
tio sprechen; bei allen entfernteren Schlüssen liegt nur de-
dacUo vor. Die deductio kann gegenüber dem intuitus auch
als das sukzessive Erkennen bezeichnet werden. Die einzige
zuverlässige indirekte E)rkenntni8 (deduktive Erkenntnis)')
ist die Induktion (inductio s. sufficiens enumeratio). Die
Regeln der Dialektiker („Logistae") sind überflüssig oder
sogar hinderlich bei dem intuitus mentis (für die ratio pura);
die Dialektik kann nur zuweilen nützlich sein, um die schon
erkannten Satze anderen leichter auseinanderzusetzen, sie ge-
hört daher zur Rhetorik und nicht zur Philosophie *). Als
Beispiele einer intuitiven Erkenntnis führt C. die Erkenntnis
') Von den loKischsn Prinzipien dea CartcsLus handeln u. a. namentlich:
P- Natorp, Descartes' Erkenntnistbeotie, Harbum 1882, namenll. Kap. 1, S. 1
bis 3£i; v. HeTtling, Deacartes' Beziehunsen zur Scholastik, Sitz.-Ber. d. philos.-
PhiloL KL ± kgl. bayer. Ak. d. Wiss. zu Uflnchen ise7, Bd. 2, S. 339 u. ISSd,
Bd 1, S.'S; Jos. Geyser, Philoa^ Jahrb. 1900, Bd. 13, S. 10»; H. Heimsoeth,
Die Uetitode der Erkennte bei Descartea u. Leibniz, Philoa. Aib. v. Cohen
n. Nalorp Bd. 6, H. 1, Giefien 191% S. 27 B.; Bovca Gibson, The reffulae ol
Dewurtes, Mind N. S. Bd. 7, leBS, Nr. SB, S. 14ö u. Nn Sr7, S. 382; firoder
ChristianaeD, Das Urteil bei Descarlesi Hanau 1902 (Freiburser Dissut.);
AÜr. Kaslil, Studien zur neueren Erkenntnistheorie, I. Descartea, Halle a, S.
UOg (oamentl. S. 110 S.).
') Vgl. zum Folgenden namentL Regulae ad direct insen., herause. r.
fiucbenai^ Leipzig 1907, S. 8^ 19 u. 30 (Ubers. i. d. PhUoa. Bibl. Bd. 36 a).
*) L. c S. 30.
•) L. c. S. 10, 11 u. 39; D« meth. 2.
lA.OOgIc
100 I- ^^>I- Absreimins nnd allfemeiiM Geachicbte der Locik.
an: se ezistere, se cogitare *), triangnlnm termmari tribn»
lineis tantum usf.
An anderer Stelle (Hedil., Resp. ad sec. obj.) unterscheidet C. zwei
rationea demonatnuadi : per analysim und per svntfaesim. Die AnalTsis
„veram viam ostendit, per auam res methodice et tanQuam ■ piioti iuventa est'V
die Synthesis „per viam oppositam et tanquam a posteriori quaesilam — etsi
saepe ipsa probatio Bit in hac masis a priori quam illa — claie <iuid^a id,
quod condusum est, demonsirat utituniue lonca definitionum, petitiontun,
anomatum, theorematum et problematum serie". Er gibt iQr philosophische
Untersuchungen der Analysis didaktisch den Vorzug, ohne die Beziehung zank
intuitus mentis völlig klarzustellen.
Als Kriterium der Wahrheit betrachtet C. znnächst bei
dem intuitiveii Erkennea, dann aber ganz allgemein die Klar-
heit und Distinktheit *). All«», was wir „fort clairement"
{„dare" s. „dilncide", zuweilen anch „eTidenter") und „fort
distinctement" vorstellen („eoncevoofi"), ist wahr. Eine be-
stimmte subjektive Beschaffenheit des Denkens soll also die
objektive Wahrheit verbärgen. Klar nennt C. diejenige
Vorstellnng (perceptio), welche nienti attendenti praesens et
aperta eet, distinkt diej«iige, welche „cum clara ait, ab
omnibos alÜs ita Bejtmcta e«t et praecisa, nt nihil plane
aliud, quam qnod olarum est, in se contineat". Die Mim^el-
haftigkeit dieser Beetimmong echeint C. übrigens selbst ge-
fühlt zu habtti, denn er epricbt von „einigen Schwierig-
keiten, welche es habe zu bemerken, ob wir etwas distinkt
vorstollen" ^. Einen Versuch, diese Schwierigkeiten d^nitiv
und allgemein zu beseitigen, macht C. nicht. Er gibt nur
eine Beihe methodischer Batschläge in der Dissertatio de
methodo (1637) und in den Begulae ad directionem ingenü
(1628/9), um praktisch diese Schwierigkeiten zu mildem.
Während Cartesius selbst jede Anknüpfimg an die
traditionelle Logik verschmäht hatte, wurde von seinen
Sehülem schon bald eine Verbindimg der cartesianisehen Er-
kenntnistheorie mit der ajten Logik hergestellt.
So schrieb Johann Clanberg (1622—1665) eine
Logica vetuB et nova (Dotsbarg 1658, 3. Aufl. Snlzbaci
1685)*). Die Logik wird hier definiert als ars rationis for-
>) Sp&ter hat C. bekanntlich die Folgerung des existere aus dem
cogitare des Ich als evident bezeichnet.
■) L. c. S. aO; Med. de prim. pfailos. U u. VI sowie Resp. ad Mcmid.
object.; Princ. philosj I, 4& u. 00; De meth. 4 u. a. m. ^ De meth. 4.
■) ]. Aufl. wohl Amsterd. 16M. AuBerdem Ontoeophia, Tigur. Il694
(mit Logica contiacta als Anhang) <= 8. Aufl. der Hetaphrs. ivaec. 16W/7,
h. !■, II, l^.OOQIC
a. KspiteL Altgemeiiie Geschichte der Lofik. IQI
aandae und in «ine pars genetics (recta formatio suamm
cogitatioamn) nnd eine pars analytica (recta form, alienamm
tag.) eingetoilt (Proleg. Cap. 6). An» der Scholastik (Fr. Hay-
noi, Tract. fomuilitatnm) nahm er mit eini^n Änderungen
die Lehre von den Distinktionen hinüber nad verschaffte ihr
dimit Eingang in die nenere Philosophie. Er definiert:
„distinctio rationis eet inter snbstantiam et aliquod eins attri>
bntnm, sine quo ipea int«Uegi non potest, vel inter dno talia
attribnta ejnsdem enbetantise ; dist. reatis est inter dnas
Tel plnres res stricte dictaa aen snbstantias, qnamm nna
abaqne altera potest clare ac distinote intellegi; dist modalis
est inter modnm et sabstantiam, enios est modus, ant inter
iam modofl ejnsdem substantiae" (1. c. 3. Anfl. S. 61). Noc-h
mehr Verbreitung fand die von Äntoine Arnanld (1612
1)isl6M) und Pierre Nicole (1625—^695) i. J. 1662 in
Parifi heran^^egebene Art de penser *), die e<«. Logikvon
Port Boyal, auf deren durchweg cartesianische Lehren
ia den Einzelabscbnitten noch öfter zurückzukommen sein
wird. Ebenso behandelte Pierre Silvain Begis (1632
bis 1707) im erst^i Band seines Coors entier de Philosophie
5. 1—62 (Paris 1691), Antonius Le Orand in seiner In-
stitatio philoeophiae sec. princ. B. Ben. Deec. ^*) (London
1672) nnd Michel Angeto Fardella (1650—1711) in seiner
Logica (Venet 1691*) die Logik vom Standpunkt des Carte-
sins. Eine selbständigere Stellung nimmt Arnold Qen-
linox (1625 — 1669) in seiner Logica suis fundamentia reeti-
tnta (Lngd. Bat. 1662) nnd der Schrift Methodus inveniendt
ugomenta ") (Lugd. Bat 1663) ein. Eine kurze Behandlung
einzelner allgemeiner logischer Fragen findet sich auch im
6. Buch der Becherche de la v6ritÄ") von Nicol« Male-
branche (1638—1715). Die Wahrheit ist nach M. eine
wirkliche Beziahnng entweder der Gleichheit oder der Cn-
*) Eine neue Ausgabe derselben nüt AnmeTkunsen hat Alfr. FouiU^e
1879 in Farn veröfientlicht. V^L auch Curt Liebmann, Dia Logik toq Port-
BoTal im Veihiltnis zu Descartes, Disa Leipzig 1908. Über die Verfasser-
tnie ridis Racine, Abriei da llustoire de P.-R, Paris 1865, Anhang.
") In der mir zug&nglichen Ausgabe Norimb. 169& wird die Logik im
1- Teil, S. 1—115 abaehandeli
") Werke herausgeg. Ton Land, Hag. Com. Bd. I, S. 165 u. *56 «, ]l,
S. 1. Bemeikenswert ist sein Versuch, die Beiatumg in den Uiltelpunkt der
lonk zu sielten: „radix logices est aftirmalio" (Log. I, 1, 1, ed. Land, S. 17&>.
") Zucisl erschienen Paris 167* u. 75.
OgIC
102 I- "^^^ Alsreiiiuns und ftUgerneine Geschichte der Logik.
gleichheit, xmd zwar findet diese wirkliche Beziehnng ent-
weder zwischen zwei Ideen oder einem Ding: «nd «einer Ide»-
td'nne chose k Bon idde und umgekehrt) oder zwischen zwei
Dingen statt. Als Beispiel für die erste Art führt er an:
„2X2 = 4", für die zweit«; „es gibt eine Sonne", für die-
dritte: „die Erde ist größer als der Mond". Nnr die Wahr-
heiten der ersten Art sind unveränderlich und für den Geist
ohne Bilfe der Sinne unfehlbar (inf aillihlement) ") zu er-
kennen. Seine Methodenlehre schließt sich eng anCartesinsan^
Unter den Gegnern des Cartesius hat namentlich Pierre
Gassend (PetrusGassendi >*), 1098— 16&&) sich eituiebender mit der
1x>8ik beschäftigt Die Logik hat die Aufgabe, das „bene cogit&re" zu lehren^
und letzleres zeri&Ut in : bene imaginari, bene proponere (urteilen), ben«
colligere (schließen), bene ordinäre (Anordnung der Beweise). Die Sinnen-
«ahraehmung verbiUt zur imaginBlio simplex, der Verstand entwickelt aus
der letzteren die Allgemeinbegriffe, und zwar entweder durch Aggregalion
(homo = aggeries ex ideia SocraÜB, Platonis elc), oder durch Abstraktion
(homo = animal bipes, erecta facie etc.). Selbstverständlich haben sie wie:
alle logiseben G^ilde nur Existenz im Denken.
Den skeptischen Standpunkt -vertraten gegenüber der cartesianischetr
Philosophie der Bischof Peter Daniel Huet (16B0— 1721) in seiner
Schritt Censura philosophiae Cartesianae (Paris 1689^ Campis 1690), und
De imbecillitale roentis humanae (Amst 1738 u. 17S8)") und Pierre
B a T 1 e (1617 — 1706) in seinem Systeme de Philosophie eoalenant la logique
vt la m^tapbysique (postunl 1737). Letzterer dehnte die Zweifel sogar au£
die mathematischen Axiome aus.
Den arislolelt sehen Standpunkt vertrat u. a. in Deutschland Erhard
W e i g e 1 (1626—1699). Seine beiden Hauptweilce — Universi corporis pan-
sophici Caput summum etc., Jenae 1673, und Analvsis Aristotelica ex Euclide-
reslilttta etc., Jenae 1668 — verdienen auch heute noch Beachtung. Er will
die Logik des Aristoteles nach dem Vorbild der euklidischen Geometrie dar-
stellen. Dabei wendet er sich ausdrücklich einerseits gegen die Scholastikcr-
■') De la rech, de la vtr. VI, 1, ed. Simon, Paris 1M2. S. *8+ It.
") Opp. Lugd. Batav. 16&8 und Flor. 1727, Für die Logik sind am
wichtigsten die Exercitationes paradoxicae adversus Arislotelem (GratianopoL
192it, in Bd. 3 der Florent. Ausg.) und das postume Syntagma philosophicum
(Bd. 1 der Florent. Ausg., davon Pars prima s. logica, S. 27 ff. mit anschliefien-
der Instilutio logica in i Teilen, S. 61 ä.). Zu den Gegnern ist auch F e t r u a
P Dir et (1640—1719) zu rechnen. Er schrieb einen „Tractalus de vcra
melhodo inveniendi verum" (aebe namenllich I, 18 über verilas roaterialis.
sive facti und veritas menlis s. conceplus aut conscienliae), und „De erudi-
lione solida, superficiaria et falsa"' etc. (siehe namenllich II, 37 u. 3^
S. 172 If.), beide AmsUlodami 1692.
") Vgl. in der lat Ausgabe von 1738 namentlich S. 11 (Definition der
Wahrheit). Huet war sribst erst begeisterter Cartesianer gewesen (ibid.
S. 6). Die erste Aussähe erschien 17a postum in franz. Sprache, schon
3724 folgte «ine deutsche Obersetzung (Frankfurt).
3. Kapilel AlUenwine GCBchicfale der Loeik. ]03
(mdiewDder« das „coiifusum somnium Lullii") und aodrerseils sesen Car-
ttSBS. Noch «{was Alter ist die sog. Los^ica Hamburgensis von
JoichiiD Juiig(e) (1687—1657), die 1638 in erster Aunafie") in Ilombur«
«T^chien and in vorsichliger Weise die aristotelischen Lehren den neuen An-
fcrdemngen — zum Teil unter dem EinduB des B«mus — anzupassen ver-
weht; Leibniz empfiehlt sie uns ausdrücklich "), (Vgl. Bartholoroaei, Ztschr.
t eiairte Philos., 1871, Bd. 9. S. 250, namenlUch S. 253 Ober Weigel).
Eine sehr seibslflndige Stellung nimmt auch in der LoBik Thomaa
Kobbes (158Ö — 1679) ein, dessen philosophische Hauptwerke'*) erst nach
den Hauptwerken des Cartesius erschienen sind. Im Gegensatz zu den
meisten zeitgenfissischen Philosophen gibt er seiner Erkenntnislehre eine
rtycbologische Grundlegung. Die Dinge rufen durch ihre Bewegung die ihnen
UBZ unähniiche Empfindung (sensio) hervor. Das Gedächtnis bewahrt von
dieser eine Vorstellung ^idea, Phantasma). Die Vorstellungen werden mit
VSrtera bezeichne! (signa). Da die Vorstellungen weniger deutlich als die
Empfindungen sind, wird e i n Wort z.ura Zeichen für viele ähnliche Vor-
tldhingen und bekommt dadurch eine allsemeine Bedeutung (wahrscheinlich
EinfluB Occams). Die Verliindung der Vorstellungen im Denken (reasoning)
«eilt sich am reinsten im BechDen dar: reason is nolbing bul rcckoning, die
Logica fftllt mit der Computalio luaammen (vgl. namenllich Kap. 5 de rationo
fi Kienlia im Levialhan, Pars 1, De homine u. Elem. pliilos, Sect. 1, De con).,
l'ajs 1). Wahrheit kommt nur den Sätzen (pro Position es), d. h. den Wort-
vertriaduniten zu. £ip beruht also in letzlcr Linie auf der Bedeutung der
Werter und somit auf Definitionen, Bei dem Verbinden der Wörter, also dem
Reclincn im weitesten Sinne, kommt es darauf an, die WortbedeutunBen fest-
zuballen und dasselbe Wort immer in demselben Sinne zu brauchen.
Der Satz vom Widerspruch ist daher die Grundlage alles vernQnftigen Den-
kena Trotz dieser sensuaUsli sehen und nominal istischen Tendenz seiner Er-
kenntnislehre bek&mpft doch Hobbes andrerseits die ausschließliche Kerr-
Kfaaft der induktiven Methode. Er verlangt sowohl die methodus resoluliva s.
aoalTtica wie die methodus composiliva s. synthetica, d. h. sowohl den For-
xitungsweg a scnsibusad inventionem principiorum nie den umgekehrten (De
<Gip. 1, 6, ed. Molesworth, London 1859, Bd. 1, S. 09). Inwesondere nimmt
u Ijlr die Erforschung der AllgemeinbegriKe ausschließlich dte anaivlischen
Methoden in Anspruch („concludemus ilaque melhodum invesligandi rationes
Mrem universales esse pure analylicam", 1. c. S. 61, siehe iedoch auch
S. WB. u. 71).
S 27. Spinoza '). BarnchdeSpinoza (1632—1677)
tat seine It^ischen Ansichten namentlich in dem wahrschein-
'*) 3. AulL Hand)urg 1681 mit Einleitung des Jeh. Vagclius.
") Philos. Werke, Gerh. Ausg., Bd, 7, S. 498.
") Fär die Logik kommen vor allem in Betracht Etementa philosophiae,
Sect 1. De corpore. Pars 1, Logica und Leviathan, Pars 1, De homine sowie
^ kleine Schrift De principiis et ratiocinalione geomeiric& Vgl. auch
9. Tonnies, Hobbes' Leben und Lebre, Stuttgart 1896, namentlich S. 112 ü.
<A. AnfL unter dem Tilel: Tb. Hobbes, Der Mann und der Denker, Oslerwieck
und Leipzig ISia, S. 91 ff.)
') Die wiehtigsten Schriften, welche sich — weDigstensunleranderem—
eiag^ender mit den logischen Lehren Spinozas bescb&fUgen, sind: Freuden-
OgIC
]04 I' '^ci'- AbgrenzuDB und BÜcemeiDe Geschichte äer Losüi.
lieh schon vor 1662 verfaßten, aber unvollendeten Tractatu»
de intellecttis emeodatione niedergelegt. Die Wahrheit ist
nach Spinoza die Übereinstimmung einer Idee mit ihrem.
Gegenstand (EHhice I, Ax. 6: „idea vera debet cum buo ideata
convenire"). Diese convenientia ideae cum suo ideato gibt
jedoch nur die äußere Eigenschaft (proprietas extrinseca) der
idea vera an, die letztere hat auch bestimmte innere Eigen-
schaften (proprietates sive denominationes intrinsecas), die
ihr bei der Betrachtung an sich ohne Beziehung auf das Ob-
jekt (in se sine relatione ad objectum) zukommen. Die so
durch ihre inneren Eigenschaften als wahr gekennzeichnete
Idee nennt Sp. „adäquat" (Eth. II, Def. ^. Die i n adäquaten
Ideen bxw. Irrtümer entstehen dadurch, daß ims Kenntnisse
fehle« {privatione cognitionis). Sie werden daher auch als
„mutilatae et confusae" bezeichnet, während die adäquaten
Ideen mit Cartesius „clarae et distinctae" genannt werden
(Eth. II, Prop. 17 SchoL, 28, 35). Dasjenige, was allen Dingen
gemeinsam ist und gleichermaßen in einem Teil und im
Ganzen ist, muß nach Sp. stets adäquat aufgefaßt werden,
woraus sich die Existenz adäquater, allen Menschen gemein-
samer B^riffe (notiones communes) ergibt, welche die Grasd-
lagen unseres vernünftigen Denkens bilden (Eth. II, Prop. 38
bis 40). Die Sinnesorgane liefern uns nur verstümmelte, ver-
worrene, ungeordnete Vorstellungen und ermöglichen daher
nur eine „cognitio ab experientia vaga". Diese sowie die
Erkenntnis ex signis (z. B. durch Hörensagen) faßt Sp. als
„opinio vel jmaginatio" zusammen und stellt dieser die
„ratio" als die Erkenntnis ans den notiones communes und
■ — als höchste Stufe -— die scientia intuitiva gegenüber,
■welch letztere „procedit ab adaequata idea essentiae formalis
quorundam Dei attributorum ad adaequatam cognitionem
easentiae rerum" (Etb. II, Prop. 40, Schol. 2). Zu der cognitio
ex experientia vaga und ex signis gehören alle falschen (in-
adäquaten) Ideen, dagegen liefert die ratio und scientia in-
tuitiva stets notwendig adäquate d. h. wahre Ideen. Selt-
tbal, Spinoza und die Scholastik, Philos. AuFs., Ed. Zeller eewidmel, Leipzig
18S7, S. iß; Paul Lesbazeilles, De logica Spinozae, Faiis 1883; Fr. Ertiardt.
iDie Pliilqsophie des Spinoza im Lichte der Kritik, Leipzig 1906^ ntunentlictt
S. S7^195; L. Busse, Über die Bedeutung der Begriffe essenÜK und exislenlia
bei Spinoza, Vjhrschr. I. wiss. Phikia, 188^ Bd. 10. S. 283; Friedr. Meier,
Die Lehre vom Wahren und Falschen bei Descarles und Spinoza. Uissertat
L«pKig 1897, S. 37 fi.
n,g,t,7l.dM,GOOglC
2. S^teL Allgemeine Gcachichte der Loiik. IO5
usMrweiee gibt Sp. in dem Tractat. de intell. emendatione
(ed. Ginsberg, S. 140ff. v. 162) eine wesentlich andere J>ar-
Eteilang. An der Stelle der ratio üteht hier diejenige „per-
«eptio, ubi e^entia rei ex alia re coDcladitor" (z. B. bei dem
SchlnS von der Wirkung anf di« Ursache) und an Stelle der
acientia intuitiva dieienige „perceptio, ubi res percipitnr per
solam Buam essentiam vel per oognitionem saae proximae
csnsae"; vor allem aber wird die peroeptio, ubi ess. rei ex
aüa re conclnditur, hier für nicht-adäquat erklärt.
Den Abschluß erhält diese ganze Erkenntnislehre Spi-
nozas niit dem charakteristiaclien Satz, der bis heute von
manchen I^ogikem in den mannigpfachsten Abänderungen
immer wieder aufgestellt worden ist: „Qui veram habet
ideam, simul seit se veram habere ideam, nee de rei veritate
potest dnbitare" (Eth. II, Prop. 43 n. Tr. de intell. emend., ed.
Ginsberg S. 167). Zo der übrigens nicht näher definierten
Adäquatheit der idea vera soll also noch ein besonderes Adit-
qnaUteitsbewußtseiu kommen. Worin diese Oewißheit be-
stellt, gibt Sp. nicht weiter an. Veritas norma sui et falsi
est, sie tragt ihre Kriterien in sich. Wenn jemand an einer
falschen Meinung festhält, so liegt nach Sp. keine certitndo,
sondern nur ein non dnbitare vor. Die positive Gewißheit
ist mit der falsitas unverträglich (Eth. II, Prop. 49 Schot).
Die methodischen Kegeln für die Wahrheitsforschnng,
vetche Sp. im Schlußteil des Tract de int. em. zusammen-
stellt (1. c. S. 148 ff.), haben bemerkenswerterweise fast nichts
nüt der üblichen logischen Normenlehre gemein, sondern
eind grÖBtenteils Folgerungen aus den erkenntnistbeore-
Üschen Omndsätzen Spinozas. Inabesondere gebort dahin
«Dch die Bevorzugung der deduktiven Methode, wie sie Sp.
wlbet in seinem Hauptwerk streng dprchgeführt hat. Die
niathematiscbe Gliederung (mos mathematicus) im letzteren
»t för Spinozas Methode nicht charakteristisch, sie wurde
Khon vor ihm gelegentlich angewandt und ist von ihm selbst
nicht stets angewandt worden. Immerhin hat das in der
Ethice gegebene Beispiel auch in dieser Beziehung, vielfach
Xachabmimg gefunden.
Kne eiDgehendere DarstelluDg der Logik telbst von dem eben kuTZ dar-
inteilten Standpunkt wurde auch hier erst von einem Schflier gegeben in
dKn L J. 1664 zu fiand>ui8 erachieaenen anonymen Wert : P r i n c i p i a
Panlosophiae, welches im 1. Teil — betitelt „Specimen artis ratio-
■cinandi naturalis et artificialis «d pastosophiae principÜL manuducens ~
„.,,„,^.oogic
106 '- '''<'''' Abgrenzung und allgemeiae Geschichte der Jjogit.
einleitungsweise S. 1—359 die Logik behandelt Für den Verfasser hftlt nuui
Albr. Job. Kuffelaer (CuHelenia). Neben der ablichen Logik, im Sinn»
elwa des Melanchthonsclien L'ehrbuehs und der Rrkenntnislebre Spinozas,
KPielt die Hobbessche AufFassung des Denkens als eines universalen Hech-
ncns eine Hauplrolle (raliocinatio = „nihil aliud quam compulalio quaedam,
i. e. simptex additio subtractiove nostronim conceptuun^ quae a vulgari
aritbmelicorum operatione nihil omnino diSert nisi solo objecto" ).
S 2a Loeke. John Locke') (1632—1704) steht auf
streng protästhetiecheni Standpunkt, indem er alle Vorstel-
lungen (ideas) vonWahm«limungen, äuSeren (sensations) oder
inneren (refleetions), herleitet. Die intellektuellen Prozesse,
in welchen diese Herleitung sich vollzieht und durch welche
weiterhin Urteile und Schlüsse zustande kommen, werden
nur oberflächlich untersucht. Es genügt ihut, die Haupt-
gesetze, nach weichen die Auswahl der Vorstellungen bei
ihrer Verbindung zu zusammengesetzten Vorstellungen und
Urteilen erfolgt, in den sog. Assoziationsgesetzen naelizu-
weiseu. Die logische Bedeutung und der Inhalt dieser Ver-
knüpfungen, des „putting together und separating", wird
kaum berücksichtigt Die Wahrheit besteht nach Locke
daher auch nur in der Verbindung und Trennung der Zeichen
(Worte) entsprechend dem Zusammenstimmen oder Nicht-
Zueammenstimmen der bezeichneten Dinge (,joining or sepa-
rating of signs, as the things signified by theiii do ngree or
disagree one with another", Esa, IV, 5, ^ 2). Insofern die
Zeichen Vorstellungen von Dingen bezeichnen, kann man
neben dieser verbalen Wahrheit eine geistige Wahrheit
(mental truth) unterscheiden, die in der Verbindung oder
IVennung der Vorstellungen im Verstand gemäß der
Znsamraenstinuuung oder Nicht - Zusammenstimmung der
Dinge besteht (ibid. % 6). Nur insoweit die bezeicbmjten Vor-
stellungen mit ihren >,archetypes" übereinstimmen, soll die
Wahrheit „wirklich" (real) sein (ibid. ^ 9). Locke gibt zu,
daß es selbst-evidente Satze, maxims and axioms, gibt (z. B.
ein Kreis ist ein Kreis), und daß für diese eine intuitive Er-
kenntnis (intuitive knowledge) existiert, bestreitet aber, daß
solch© allgemeine Sätze die Wissenschaft erheblich fördern
') Außer dem Hauptwerk „An essay conceming human underslandins"
(London 1690), kommt für Lockes logische Lehren die nach aemem Tode er-
achienene Schrill „Ol tbe conduct of Üio understanding" m Betracht. Vgl.
lemer Ed. Marünak, John Lockes Lehre von den Vorstellungen, Gnx 1887
<Leobener Gynmaa Jahresbcr.)*, und Die Logik J. Lockes, Halle ISM.
.DOglC
a. Kaptle). Altentwlne Oesebkhle der Lorik. 107
Ükid. 7, ^ 11); sie sind nur nQtzlich bei dem Uaterricht und
in der Disputation. Wenn zvei VoretellaogeD vollkommen
dentUch (entire distinct) sind, so urteilt der Verstand, sobald
er die termini versteht, mit unfe'hlbarer Sicherheit, ohne dafi
eis Bevcis erforderlich ist (ibid. % 10). L. bezweifelt dah«r
awh, daS Schlüsse (syllogisms) das „proper Instrument of
reason" sind (IV, 17, % 4). Wenn es vielleicht auch möglich ist,
neue wirkliche Hilfsmittel für die Förderung der Erkenntnis
zn finden: die zur Zeit übliche Logik (the logic now in use)
gehört zu diesen Hilfsmitteln nicht (ibid. % 7). Wir sind
unmer angewiesen auf intuitive knowledge, d. h. die Wahr-
nehmong der sicheren Zosammenstimmnng oder Nicht-
Znsammenstinonung zweier Vorstellungen bei nnmitteibarem
Vergleich, oder durch Vermittlnog einer oder mehrerer an-
derer Vorstellungen (rational knowledge, ibid. % 17). Für
des letzteren Weg gibt die Mathematik das beste Vorbild
(Cftnd. of the underst ^ 7). Rein logische Untersuchungen
»ind so überflüssig wie etwa für den Maler das Zählen der
Haare seines Pinsels (ibid. ^ 43).
Trotz dieser scharten AblehaunK der formalen Logik haben doch cin-
«Ine Anhlnser von Locke versuch!, von seinem e rke nntn ist h corelischen
SUndponkl aus die Logik zu bearbeiten. Hierber gehört z. B. die Logik von
Iiaac Watts (Logic or (he rigbt use of reason in the enquirr aller trulh
etc., Ijjodon 1724 *), deutsch Leipzig 1765, u. Supplement lo hia tiealise of
iotje, London 174-1), die Locke gewidmete Logica ». Ars ratiocinandi von
JoanncsClericus (Jean Leclerc, Amst. 169Ö) und die Logik von Jean
Pierre de Cro USB z (Nouvel essai de logique Amst. 1712»), und Systime
dr logique abreg6 par son auteur, Lausanne 1736}. Namenlücli bei letzterem
«iid Obrigens der Lockesche Standpunkt vielfach nicht streng festneliallen,
IKe sog. Enzyklopädisten haben sich mit logischen Fragen
nüBteoteils nicht eingebend beschäftigt, in den gciegenlhchen kleineren
Artwiteu (vgl namentlich di^ Artikel Logique und SvtloRisme in der EncV'
clopMe ou Dictionnaire raisonni des sciences, des arls et des m^liers*) aber
in wesenllichea den I^ockeschen Slaodpunkl eingenommen. Fast wie ein
-Anachronismus mutet es an, wenn fast ICO Jahre nach dem Erscheinen des
Lodiracben Werkes E ti en ne B on n o t de Condillac (1715—1780) in
xiner Logik (La logique ou les Premiers dtvetopiiemena de l'art de penser,
'■) Mir war nur eine Ausgabe vom Jahre lf2i (Edinburgh) zug&nglich.
Bemerk ensn'ert ist z. B., die scharfe Verurteilung der Kategorienlehre.
') Auch latein. unter dem Titel Job. Petrus de Crasa, Loglcae systenia,
ioxt« principia ab ipso in Gallico opere posita etc., Genevae 1724 (in 3 Bdn.)
Der anatühriiche Titel der französischen Ausgabe lautet: Systeme de reflexions
mi peuvent contiibuer ä la nettelä et l'£tendue de nos connoiasances ou
nouvel essai de logique, Arosterdam 1712 (beide Bftnde).
•) Paris 1761— a77a
ih,Googlc
108 I- Teil AbTrenzuns und allgemciDe Geschiehte der Logik.
Paris 1781} ■) sanz ähnliche Lehren wie Locke entwickelt und sie als durch-
aus neu bezeichnet. Neu ist an denselben höchstens die scb&rfere Herroi^
hetaiutf 'der Bedeutung der AnalTse und die Tendenz zu einem sanz ex-
tremen Sensualismus"), der sich nicht damul beschränkt, im Sinn« des
protisthetischen Prinzips die Unenlbehrlichkeit der En^^ndungen fflr alle
Denkvon&nge zu behaupten, sondern auch die eigenailtgen Vorgänge, durclt
weicbe aus den Bmpflndungen Vorstellungen (ßegrllle) und Urteile entstehen,
mehr oder neniger vollständig ignoriert und lediglich als eine Abscbwlchung
der Empfindungen und VeAnflpfung abgeschwächter Hrnpflndungeu deutet.
In Italien schrieb Antonio Genovesi (Antonius Genuensis 1713
Ins 1769) eine Logik von einem etwas gemilderten Lockeschen Standpunkt
(Elementonim ariis logico-crilicae libri V, Neapoli 17tö, mir in einer si>&teren
Auflage, Bassan. 177^ zugänglich, hier namentlich Froleg. § 9 u.. 10 Qber den
Begriff der Ars logico-critica; ferner Logica pei giovanetti, Neapoli 1761; siehe
auch Opere scelte, Hilano 18Zi — 1835) '). Auch die Logica dei probabili tod
Pagano (Napoli 1806)* gebOrt hierher. CondiUac stehen in ihj^n logischen
Schritten nahe Giovanni Domenico Romagnosi (1761^1835^
z, B. Vedute fondamentali suü' arte logica, Gesamtausgabe seiner Werke,
Milaso 1841, Vol. 1, Parte 1, S. 209t namentlich S. 2^—272; S. 216 lobt er
flbrigens Genovesi, weil er die beiden Eitreme, Sensualismus und Spiritualis-
mus, vermieden habe) ^), Melchiore Gioia (1767 — 1S39, Logica. äelU
slatistica, Hilano 1806^ Ideologia, 4 Bde., Milano 1822* u. a.}, und Fran-
cesco Soave (1743 — 1816, Instituzioni dÜ logica, metaflaica ed etica) *).
§ 29. Leibnlz. Ungleich tiefer als die logiscben Lehren
von Locke sind diejenigen von Q. W. Leibniz (1646 bis
1716). Auch Leibniz hat kein zusammenbängendeeWerk aber
Logik geschrieben, vielmehr sind seine Ansichten tber
') Eine weitere Schrift: La lan^ue des calculs, Paris 1798, ist mir leider
nicht zugänglich gewesen. Vgl. auch Louis Robert, Lea thteries logiques d«
Condillac, Paris 1869, und 0. Noel, LogiQue de Condillac, Paris 190a* ,
*) Uan hüte sich nur davor, diesen extremen Sensualismus mit der
AssoziationspsTcbologie zu verwechseln. Die letslere lehrt nur, daß die
Au^swabl der Vorstellungen bei der Zusammensetzung der Erinnerungs-
bilder zu komplexen Vorstellungen und zu Urteilen ausschlie Blich durch die
sog. Assoziationsgesetze und nicht durch besondere neue Vermögen oder
Prozesse (Apperzeption, Wille usw.) bestimmt wird, kann aber die eigenartige
Bedeutung, den spezifisch neuen Inhalt der hierbei entstehenden G^Ide '
(Begriffe, Urleile) und ihre totale Verschiedenheit von den Empfindungen
durchaus anerkennen.
') In der etwas älteren Logik von Jacobus Facciolatus (Logicae
disciplinae rudimenta etc., Venelüs 1738) hat man den Eindruck, als existierte
[KKh gar keine neuere Philosophie.
■) Beachtenswert ist die soziologische Tendenz bei Romagnosi (s. B.
L c. S. 251-, 221 U.).
•) Bei Pasquale Galluppi (1770—1846, Elementi di filoso&a.
Logica pura und Psicologia, 1830^ Lezioni dt logica e metafisicst Napoli
lS3ä~-ia86) wird der EinfluB Lockes schon sehr durch denjenigen Kants ge-
dämpft. Vgl. Giov. Gentile, Dal Genovesi aL Galluppi, Napoli 1903, S. S16 ff.
OgIC
2. KapiUL Atlgemeine Genchichle der Logik. 109
k^edie Fragen sehr zerstreut in kleineren ÄbbaAdlanffea *)
and Briefen, und in den Xonveanx essais enr l'entendanent
hnmün niedergele^. Wenn L. auch die bisherige Logik für
,^101) «inen Schatten" dessen hält, ,,80 er wünscht und
glnehsam von ferne siebt", gesteht er ihr doch viel Nntsen
za (Vn, 516 ff. o. 488 sowie IV, 425). Er versteht unter der
Logik die Ekinst „den Ventand zn gebrancben, also nicht
allein, was fürgestellet, zn beurteilen, sondern anch was ver-
borgen, zn erfinden". Statt von einer Logica ntens will er
von einer Li^ca serviene reden (I, 166).
Schon der Tatbestand, den Leibniz seinen logischen An-
sehannngen zognmde legt, wich weit von dem von Locke an-
genommenen ab. Dieser hatte die Tätigkeit des Verstandes
bei der Verarbeitnng der Sinneswahmehnrnngen fast ganz
ignoriert. Leibniz legt anf diese Mitwirkung dee Verstandes
eia entscheidendes Gewicht Es gibt nach Leibniz (V, 79) ')
zwar keine pens^es innres, wohl aber veritte inn^s, also zwar
keine actions nnd coonaissances actnellefi, aber doch connais-
') Besonders wichtig sind die Briefe an Conriog (I), Buroelt (^t), an
ränen Fteaad in Bremen (IV, S2b), Kfinixin Sophie Charlotte (VI) uod Gabr.
Vaener (VII); femer: Diseeriatio de arte combinatoria (IV]; AnimadversioDes
in putcm generalem principionim Cartesianonim (IV); UeditalJones de cosni-
tione, verilate et ideis (IV, zuerst in den Act Eiud. Lips. 368t erachieoen);
sog. Petil discours de m^taphynque (IV, -4217); Sur ce (|ui parae let lens et la
rnaüire (VI); soc. Monadologie (VI); Schriften zur Scientia genenüis und
Chancleristica realis (VII); De ffmthesi et anairsi universali (Vll, 293; e.
auch S. 290 anschUeBendes Bnichstdck). Die beigesebEten römischen Ziffern
-- hier vie oben im Text — beziehen sich auf die Bände der Oerhardlschen
inasabe der pfailos. Schriften (Berlin 1876—1880), Mit den Imiachen Lehren
im Leibniz besch&ttigen sieb u. a. : Fiuiz B. Kvel, Leibnitzens Logik, Frar
1%T; Ad. Trendelenbun, Histor. Beitr. z. Pbilos. Bd. S, Berlin 1867, S. 1
B. 48; Louis Conturat, La logique de Leibniz d'apris des documenta in£di(e,
FuialSOl; Fr. Rintden, Leibnizens Beziehungen zur Scholastik, Arch. f<
Gtteh. d. FhiloB. 1906,' Bd. 16, S. 167; R. Zimmennann, Über L.'9 Konzep.
tualiamus, Sitz.-Ber. d. Wien. Ak., philos. bist. Kl. 18M, Bd. 1% S. 661;
WüiT KaMtz, Die Philosophie des jungen Leibniz, Heidelb. 1909 (Nacbveis
der metapbTS. Grundlage der loschen Logik); H. Heimsoeth, Die Methode der Er-
luDiitnis bei Descartes u. Leibniz, Philosoph. Arb. t. Cohen u. Natorp, Bd. 6,
Seit 2, GieBen 1914, S. 201 fL; W. Frertag, BemeAungen zu Leibnizens Er-
kontnisthecrie etc., Arch. 1, d. ges. Psrchol. 191^ Bd. 88, S. 186; Bertiand
Rusell, A critical exposition d the Philosoph? of Leibniz with an appendix
vi leading passages, Cambridge ISOO (namentl. Kap. 2, 8 u. 14, S.. 8ft., 86 ff.
a. IflOff.). Vgl. auch Opuscules et fragments inidits de Leibniz extraits d»
la laUietbiqne royale de Hanovre, par L. Couturat, Paria 1908.
*) Man beachU, daS in der Qerh&rdtacben Ausgabe die S. 6»-^9 nicht
lichtif leoidnet sind (Falekenbet?}.
„.,,„A.OOglC
I^Q I. Teil AbgreDZUBS und «llsameine Geschichte dar Logik.
eances virtuelles als habitades und dispoaitions (aptitudes.
preformations). Er verwahrt sich auch ausdrücklich da-
gegen, daB man diese v4rit^ inn^ (värit^ neoeBsaires oo.
ötemellee, principes speculatifs, mazimes gen^ralee), die aas
dem reinen Verstand (du seul entendement) stammen, etwa
nur als facultas nues oder pures puissanees auffasse; e«
handle sich vielmehr um eine „dispositioa particuli^re ii
Taction" und eioe „tendance ä raotion", die niemals ohne
irgendeine Wirkung sei (V, 100). Ihre Gewißheit berulit
nicht auf der Sinneserfahrung, sondern: ,jie vieot que de oe
<iui est en nous" (V, 72). Die Sinne geben uns nur (Gelegen-
heit, die angeborenen Wahrheiten zu bemerken. L. erkl&rt
auch ausdrücklich, daß den angeborenen Wahrheiten beson-
dere intellektuelle Ideen, d. h. Ideen, die nicht aiis der Sinnes-
erfahning stammen, zugrunde liegen (V, 77)').
Dementsprechend unterscheidet L. weiter die verites de
raisonnement und verites de faits (VI, 612, 490, 404 *). Die
ersteren lassen sich auf einfachere Ideen und Wahrheiten
und so schließlich auf die primitiven (angeborenen) Idieen
und Wahrheiten (v^rit^ primitives, principes primitifs)
durch Analyse zurückführen und sind notwendig (neces-
saires), die letzteren beruhen auf Erfahrung und sind zu-
fällig (contingentes). Die primitiven Ideen siod keiner Defi-
nition, die primitiven Prinzipien — die identischen Satze,
veritßs primitives de raison (V, 343) — keines Beweises fähig-.
Alle „raisonnements" sind auf zwei Hauptprinzipien ge-
gründet (VI, 612), das principe de la contradiction ou de
I'identite und das principe de la raison süffisante (principe
de la raison determinante VI, 127). Dem ersteren znfolgt)
betrachten wir als falsch, was einen Widerspruch enthält,
und als wahr, was dem Falschen entgegengesetzt ist oder
widerspricht („ce qüi est oppos^ ou contradictoire au fauat'*).
Dies Prinzip reicht aus, um die ganze Mathematik zu be-
weisen (VII, 355). Demgegenüber besagt das Prinzip des liin-
») Bemerkenswert ist dabej, daB Lejbniz den Eat«orien nur eine ujttei-
Eeordoete Bedeutung zuschreibt; doch will er sie nicht ganz streichen, aaadera.
BuF fOnf reduzieren: substances, quantil^a, qualilfs, actions ou passiom und
relation (V, 324).
•) In jüngeren Jahren (I, IMff., 205) lehrte L., daB „omnea veritatee
resoivunlur in definitione», propositiones identicas et ezperimenta", tagt« aber
schon damals hinzu: „quarnquam verilates pure intelligibiles experimenti»
neu indigeant". Ebenda Ober Synthese und Analyae.
2. Kapitel. Altfemeine Gescfaichle dsr Logik. m
raehendeu GruudeB, daß nichts wahr oder ezistiepend sein
kann („ancim fait ne sanrait se trouver vray on existent . . .),
sansqu'il y ait one raieon saffisante, pourqaoy il en soit ainsi
et Dou pae aatrement". Diese raison süffisante ist nicht nur
för die vdrit^ de raisonnonent, sondern anch für die virit^
de fait erforderlich (VI, 612 °). Vgl. oben S. 102, Anm. 14.
Ale Kriterinm der Richtigkeit gibt L. für die v^rit^ de
raison einmal die exakte Anwendung der Regeln der Logik
sn (VT, 404). Gewöhnlich aber betrachtet er mit Cartesius
bestimmte Eigenschaften der Vorstellungen und Erkenntnisse
(ideanun et cognitionum) als das wesentliche Kriterinm ihrer
Wahrheit. Er stimmt auch mit Cartesiua darin überein, daß
Klarheit und Distinktheit diese charakteristischen Kriterien
sind, vermiBt aber mit Recht (s. oben S, 100) eine scharfe Be-
ütiomimig der Bedeutung dieser Klarheit und Distinktheit
(in, 269). Er selbst definiert als elara cognitio (IV, 422 ff.):
„cum habeo unde rem repraeeentatam agnoscere possim".
Die clara cognitio ist bald confusa, bald distincta, und zwar
letzteres dann, wenn wir imstande sind „notas ad rem ab
aliis discemendam snfficientes separatim enumerare" (defl-
nitio nominalis). Diese Bestimmung erleidet nur insofern
eine Einschränkung, ais es auch eine cognitio distincta notio-
nis indefinibilis gibt, nämlich in Gestalt der primitiven Ideen
und Erkenntnisse (s. oben), die unzerlegbar (irresolubiles)
sind und „non nisi per se intelleguntur" (IV, 423; III, 247).
Endlich sind die cognitioues distincta« bald adäquat, bald
inadäquat, und zwar ersteres dann, wenn die Analyse bis zum
Ende durchgeführt ist und auch alle in die Erkenntnis ein-
gehenden Vorstellungen (Merkmale) selbst distinkt sind (IV,
423; ni, 257). Nur die notitia numerorum nähert sieh einer
vollkommenen adäquaten Erkenntnis. Wenn wir die ganze
Keihe der Teüvorstellungen nicht zugleich denken können,
iielfen wir uns mit Zeichen (cogitatio symbolica). Ist gleich-
zeitiges Denken möglich, so heißt die Erkenntnis intuitiv
(ct^itio intuitiva, (Gegensatz suppositiv IV, 450). Für pri-
mitive distinkte Erkenntnisse existiert überhaupt nur eine
intuitive Erkenntnis (IV, 423).
') Ohrigens erstreckl sich dies Prinzip des hinreichenden Grundes nickt
nur auf Wahrheiten, sondern auch auf die „raiwn süffisante, pour qu'unc
cbosc existe, qu'un 6v£nenient arrive, qu'une v4ril6 ait lieu" (VII, ilö u. 3&d).
TiL Aiisloleles. Uetaph. -i 1013 a: .naoüi' . . . »«tvir jüir apj^ür ji itQV-
if tJnu S9w q cartr Ij yiyyuat ^ yiywtMXtiai.'
1,1^. OQi
,g,c
112 I- ^^''- AbffTenzuns und allgemeiae Geacbicbte der Logik.
Nur sebwer läßt es sich mit diesen Sätzen in Einklang"
lirit^ren, wenn Leibniz weiter behanptet, zu einer toU-
kommenen Wissenschaf t seien anßer den erwähnten Nominal-
deänitionen anch Bealdefinitionen erforderlich, welche die
Möglichkeit der definierten Sache ergeben, nnd nun er-
klärt: idea vera est, cum notio est possibilis, falsa, cam
contradictionem involvit (IV, 425; lU, 257). Die Möglichkeit
soll entweder a priori erkannt werden (cum notionem resol-
Timns in sca reqnisita seu in alias notiones ct^rnitae possi-
bilitatis nihilqae in iUis incompatibile esse scimus) oder a
posteriori (cum rem actu existere ezperimnr). Über „eaaen.
tielle" Definition s. IV, 450.
Eine besondere Anregang hat schließlich L. der Logik
darch seinen Plan eiQer Scientia generalis und Charaete-
ristica realis gegeben (im Anschloß übrigens an ältere
Arbeiten von Äthan. Kircher'), Jos. Glanvil^),
John Wilkins') nnd George Dalgarno'). -Die
iäcientia generalis sollte eine übersichtliche Darstellung der
ullen Wissenschaften gemeinsamen Prinzipien und ihrer An-
wendungsweiae geben, also offenbar eine Wissenschaftslehre
im weitesten Sinne (mit Einschluß der Logik) sein. Im
Interesse dieser Scientia generalis wollte er eine allgemeine
Charakteristik anfstellen, in welcher die elementaren Begriffe
nach Art der Algebra mit Zahlen oder Buchstaben (Alpha-
betun cogitationum humanarum) bezeichnet, die zusammen-
gesetzten zerlegt und dementsprechend durch Bnchstaben-
kombinationen ausgedrückt und urteile, Schlüsse usw. dnrch
mathematische Bechnnngsweisen zustande gebracht werden,
sollten. In der sprachlichen Grandlegung der Logik (2. Teil,
*) Ars magna sciendi e. combinatoria, Amstelod. 1669, namenfl. S. 158tl.
u. SMfl.; Polygraphia nova et umversaüs ex combinatoria arte detecta, Ron.
1668^ nameoa Syntasma m, S. 128—1^
>) Fhia ultia or the progress and advancement of acience aince the time
of AiiBtoUe, London 1668 und The vanitr ol dogmatizing, Lond. 1661 (2. Aufl.
unter dem Titel Scepsis scientifica 1666, von Owen 1885 neu berausgegebea).
■) Meicunr or tbe secret and awitt messenger, London 1641, auch ab-
gedruckt in The mathem. and pbilosopb. works of J. Wilkins, London 1708
als dritte Abhandlung (1707), uamentl Kap. 11 ff. (S. Üi); An essay towards
a real character and a pbilosophical l&nguage und An alphabetical dictioaarr,
London 1668, uamentl. S. SSbft.
*) Ars aignonun, vulgo chuacter uiiveraalii et lingua. philosophica,
London 1661 ^mil Lexicon lating- Philosoph. S. 95 ff.), Works Edinb. ISM.
müne Gcsebicbt« der Lofik. HS
Plan von Leibniz zorüekznkomiaeii
ib Contorat 1. o. S. 33—387).
üistische Erkenntnislehre Locke»
jogik schlechterdings keine Gmnd-
die Lehren von Leibniz im hoben
Wicklung im Sinne eines logischen
mannen denn auch in der Tat bald
zumal sie bei der allgemeinen
littlnngstendenz der Leibnizschen
1 der verschiedemten Schulen An-
fanden durch Wolff eine allseitige
tnng (s. nuten ^ 32).
br Rber von Spinoza beeinfioBt iit Ehrenfr.
1— !1708]. In seiner Hedicina mentis i. ten-
diaseritur de melhodo deteiendi inconiitae
steUt er als Kriterium der Wahrheit die Be-
nbiBC eigo ^flcitur, falmtatem quidem con-
eondpi; veritatem mro in eo, quod potest
itont er nachdrildcUcb, daB die Begriffe nicht
is eine Bejahung oder Vemeinung bezQBlich
— trotz literarischer Fduje — in manchen
omasins (1666—1796) an. Im Obrigen
id philoMphiam auUcam, Leipzig 16SS (Ein-
f.-Lpz. 1710) einen eklektischen Standpunkt
uchbaAeit in den Tordergrund (s. auch Aus-
L6ei) "). Cbarakleristiech ist, daB er tOr daa
Atiken unUrachied (EinL z. Hofph. S. 113):
' (d. h. der Scholastiker), des Helanchthon,
IS. Sein Schaler Nie. Hier. Gundling
ler Tia ad veritatem et speciatim quidem ad
ketcben Standpunkt. Viele Autoren behalfen
Igen mit einem kompilatoriscben Verfahren,
lise") {l«4a— 1708) u. a.
ae anonym erschienene Ausgabe vor unter
I artis inveniendi praecepta geneialia, Editio
unterzeichnet sich der Verf. mit EJ W; D. T.
nen unter dem Titel Praxis logices, Francot
iften: Gundlingiana, 27. n. SK Stflck, Halle
lCt8— 181, namentL gegen Sirbius gericbtet);
Halae-Uagdebiug, 2. AutL 1726 (k. B. | 7tf.)^
IflBl, Lips^-Francof. 1690 (mir war die Ausg.
logicae, Zitt. 16et u. ups. 1706; Curieus«
ITOa Job. Chr. LangiuB (leaO-lTam
L den Nucleus logica» wieder berau8gegd>en
K s. T. aal den Compandium logices von
fi~-itea).*
lA.OOi
.c^lC
1\^ l. TeiL Abcnnzung und allsemetne Geschichte der Logik.
S 30. Berkeleif. SchottlMbe Schule. Das idealiatiaohe
System George Berkeleys (1684^1753) hat als aolohes
auf die Entwicklong der wissensehaftlich^i iMgik nur B^r
^ringen EinfloB ausgeübt. Es war schlieBlich für die
formale Logik nicht von weaentlieher Bedeutoug, dafi auch
die Dinge geistige Wesen (notional beings) sein sollten. Nor
eine bestimmte Lehre Berkeleys, nämlich seine Aoffasson^
der Ailgemeinbegriffe, wurde für die Logik in hoh^n Maße
bedeatsam und hat auch in der Tat — wenn auch erst viel
später — ■ in der Logik Verwertung gefunden. Berkeley be-
hauptet, dafi «s weder etwas Allgemeines noch auch All-
gemeinvorstellnngen *) gibt (erkenntnlstheoretisch fällt für
ihn beides zusammen) und die Sprache uns einen solches
Besitz nur vortäuscht. Es handelt sich gewissermaßen, wenn
man nur das logische Moment berücksichtigt, lua eine neue
Variante des Nominalismog (vgl. S. 83). Dabei sohloB er, wie
spater nachzuweisen sein wird, fälschlich aus dem Feilen
einer anschaalichen AUgemeinvorstellung „Dreieck"
auf das Fehlen einer solchen AUgemeinvorstellung über-
haupt. Berkeley selbst scheint übrigens später diese schwere
Verwechslung bemerkt zu haben; denn er hat in der 3. Auf-
lage seines Älciphron die hierauf bezüglichen Paragraphen
weggelassen *)■ Mit der Verkeunung der Bedeutung der all-
gemeinen Begriffe verband sich bei Berkeley eine voll-
ständige Verkennoug und ünterschätzung der Mathematik *)
und eine Überschätzung des „common sense", für den
Übrigens B. selbst doch eine Aufklärung durch denkende
Männer verlangen mußte *).
Es ist begreiflich, daB solche Ansichlen Berkeleys in der wisaenschaft-
liehen Logik wenig BerOcksicbliguiig fanden'}. Nur seine Lehren vom
*) Vgl. namentl. Princ. o( hum. knovl., tntrod 6—31 u. Älciphron VTI,
5—7. B. spricht b&ld von universal oder general, bald von abstnut oder
auch abstract geneial ideas (notions), da er Abstraktion und Genenlisition
nicht unlerscheideL Vgl auch g 09 u. 71.
') Vgl auch die Einschiebung in der Z Ausgabe der Principles t, 143.
*} Vgl. z. B. CommonpL Book, ed Fräser I, 47 und Princ o( hum. kn.
I, 1191.
*) Älciphron VI, la wird der oommoa sense definiert als „either the
geneial sense of nuuikin^ or the improved reason o( ihinfcing men"i Vn, 18
wird vom „metaphrsical abstiacted senae" «n den „common sense of
monkind" appelliert.
■) In England scheint damtüs die aristotelische Logik noch die Vor-
herrschaft behauptet zuhaben. Vgl z.B. GuilelmusPrice, ^^^ia logica«
B. KApiteL AUsenwiiw GMchichte te Locik. II5
tvoMi MDW wurden Ton d«r ichotL Schal« wgiterfebildet, di« dnieh
rraBGiBHutchesoiL{lfiM— 1747, LogicM Compradinm, QUafow 176%
intnknü 1772) Lockesche Gedaiik«ii aufieBommen hatt«. Inabeaoad«»
k^ ThomKs Reid«) (1710—179^, daS bei aUea Henadun
anpfOn^iche (d. fa. ang«boRiw) und nttfliikhe Urtale (orifiD»! uid lutui«!
aimiait») als „Töl unmr KooBtitution" vorixandan sind und die Orandlag«
«der vDtnt Ternunftentdackunfen und allea FflrwahrhaHeBa (belM) bUdan.
Sa nachen den „common tenae of manUnd" aua. Die ETkllniog imd Aut-
HUdoc dieser „Prinzipien" iat eine der Hauptaufgaben der Lofik'). R. aelbst
becnflit lieh, eine evidence of senae, of memorr und ol reaaonini ai unler-
aehäden*). Andere WahilieitakriUrien existieren nicht*). Ea libt locar
fbst pdndplea, die mm mebi oder weniger wahncheintich and"). Eine
Ahnüdie Vennischunf der Lehr» vom common aense mit der Lehre von den
ameboreneD Wahrheiten — Qbrigena dabei doch fast immer auf dem Boden
tinea Lockeachen SenauaÜMnui n"^ in theologiacher Einkleidung — findet sich
auch bei Reids NacUolfem, die aUerdinga bereits «nei witeren Periode an-
tebören. fn Betracht kommen unter dieaen fOr die Logik: James
Baattie") (1736—1806), Dugalt Stewart») (1789—1888) nnil
ThomaB Brown'») (1778—1880).
Einen in manchen Beziehungen ihnüchen Standpunkt nahm auf dem
«crop&iscben Festland der Haiquii d'Argens ein in seiuMn Werk: La
riiüoMpiiia du bon-sens ou RMenona philoaophiques sur l'incertitud» des
«cBuuiaaances humainea 4 Tusage des caraliers et du beau ssze (S. Aufl.,
Dnada llbt. Bd. 1, R^ 3 coneemant la logiqua, 9. 168 tl.). Nach Amerika
worden spUer ahnliche L^ren ron Jamea HcCosh (1811— 18H) Tir>
pflanzt (Firat and fundamental truths, London 1880 u. a.).
{31. Hnmeu Die Lehren David Harn esO (1711 bis
1776) waren nngreachtet ihrer groBen erkenntnistheoretischen
^ E theatro 9wldoniano 17C0 (Automamen fehlt auf dem Titd-
UaU).
*) Reids Hauptwerke aind: An inquirr into tbe human nänd, an the
tnndplea of common sense, London 176t, uikd Essars ob the inteüectual
»wert of man, Edinb. 178&. Gesarotauagabe seiner Werke duich Hamilton,
Edinb. 1847 nnd Öfter.
>) Inquirr VII, 4; On the inUU. powers R, 20 u. TT, S U. 4B.; A brief
aoconnt of AriatoUe's togic Kap. fl,
*) Eine sehr naiv* AufzUUnng der flrst principlea findet sich On the
int powera VI, 6 u. 6.
*) On the intdL p. IV, 3.
u) nüd. VI, 4.
*') Essay on Uie nature and immitabilitr of truth in Opposition lo
«qddstaT and sceptioism, Edinb. 1770 (deutsch Copenh. u. Leipzig 1778).
>*) Elements of the philoa. ol the human mind (Works ed. Hamilton
Bd. 8, namentl S. 40^ 106, 1888.); Philoai Esaaya (ibid. b. S, 48L a llOf.).
») Ibid. VI, t
1*) Fhiloeophr ol the human mind, Edinb. 183), namenIL Lact. 4t u.' GO.
*} Vgl tlber Bume's Logik namentlich A. Ueinoi«, Hume-Studien, Sitz.-
Brr. 4. iMoa. bist KL ^ Ak. d. Wiss;. Wien 1877 n. 188^ Bd. 8(7, ^ 9. 1»
o. Bd. 100^ I( S. &7S; J. Zimels, D. Hiuoee Lehra vom Glauben, Beitia 1908;
X10 I. TeQ. AlvnnzuBt md «llgMarine Geachkht« der Logik.
Bedentnng «bensowenig wi« diejenigen Berkeleys dam an-
getan, die wissenschaftliche Logik za fördern. H. unter-
scheidet ') in der Erkenntnis Sätze, welche Beziehnngen von
Vorstellangen (relations of ideas), nnd Sätze, welche Tat-
sachen (matters of fact) betreffen. Eratere können durch
reine Qedankenoperation gefunden werden, letztere nnr durch
Erfahrung. Seine Skepsis bezieht sich anf die Sätze der
zweiten Art (z. B. betr. Ursachen und Wirkungen). Hier
wii^t nur die (Gewohnheit, und unser Fürwahrhalten iet hier
mehr ein Akt des sensitiven als des kc^itativen Teils unserer
Natur*). Außerdem miBtrsnt H. der Leistungsfähigkeit
unserer Vernunft, zumal bei verwickelten Beweisführungen.
Nur der Algebra und Arithmetik (nicht auch der Geometrie)
gesteht er eine vollkommene Sicherheit zu. Die Begriffe
stimmen, abgesehen von ihrer geringeren Intensität, In jeder
Beziehung mit den Empfindungen, aus denen sie hervorgehen,
überein*), können also keinerlei Anspruch auf eine Sonder-
stellung macheu. Über die Bedeutung der logischen Nonnen
selbst hat sich H. nirgends eingehend ausgesprochen. Im
übrigen hat seine extrem-sensualistische Tendenz (vgl. S. 107)
die Weiterentwicklung der Logik in England erheblich be-
einflußt
Nur eine Lehre Humes bedarf hier noch der Erwäh-
nung: seine Aufzählung der Grundbeziehungen (moBt uni-
versal and comprefaensive relations). Als solche nennt er'):
Ähnlichkeit (resemblanoe), Dieeelbigkeit (TJnveränderlich-
keit, identity), räumlich-zeitliche Beziehungen, Beziehun^ren.
der Quantität oder Zahl, Beziehungen der Qualitätsgrade *),
Gegensätzlichkeit (contrariety) und Kausalverhältuis (causa-
tion). Zum Teil erinnern diese sieben Belationen aa die
aristotelischen Kategorien; sie sind auch wi« diese unter sich
äußerst ungleichartig und nicht ohne Willkör zusammen-
gestellt. Vier derselben, nämlich Ähnlichkeit, Gegensätzlich-
keit, qualitative Gradabstufnng und Quantität, hängen, wie
H. sagt, nur von Vorstellungen ab und können «ich nicht
O. Ouast, Dar Bcsnfl dca beUd bei D«v. Hunw, HAÜe ISA (Abk. z. Fbikow
V. ihrer Geech. Nr. 17), naroeiitl. S. öOß.
■) bum. coDC. the bum. nnderal 4, 1.
') Tnut of bifm. tut. I, *, 1.
*) Ibid. I, 1, 6 u. r, 8, t.
») Ibi4 1, 8, 1 u. I, 1, 7.
■) Hier miscbl B. QusUttt und hlttdlll dorchcükiader.
.oogic
X KapiM. Allfemeine G«Khichla dar Lodk. 117
iwiera ohne gleichseitige Ändernng der Voratolliingeii; diese
stdien daher OegenstÜnde der Erkenatnis and der GewiBheifc
Verden können.
(32. Wt^. Inzwiäcben hatte in Deatschland Christian
"Wollt (1679 — 17M) im ÄnschloB an die Lehren von Leibniz
en System der Logik aufgestellt, welches für fast ein Jahr-
londert nahezu allenthalben als die Logik *at' t^ox^ an-
eAaimt wnrde. Dasselhe ist Torzngsweise niedergelegt in
den „YemänJf tig<en Gedancken von den KrfitFten des mensch-
lichen Veratandee nnd ihrem richtigen Gebrauche in Er-
käntniS der Wahrheit", Halle 1712, nnd in der „Philosophia
lationalis s. Logica". Francof. et Li]». 1728. 2. Anfl. 1732 ').
8. auch Batio praelectionum Wolfian., Hai. Magd. 1718,
aus.
Nach Wollt ist die Fbiloeophie die scieatia possibiliom,
^oatenns eese possnnt (Log., Disc praelim. ^ 29) nnd die
logik derjenige Teil derselben, welcher den Gebranch der
EAenntnisfäbiigkeit bei dem Erkennen der Wahrheit und
dem Vermeiden des Irrtums lehrt (ibid. ^ 61 n. 135). Die
hogik entnimmt ihre Prinzipien der Ontol(^ie und Psyoho-
li^ (^ 89), nnd zwar der empirischen Psychologie (^ 111).
Auch die Vorschriften der Logik mttsBen bewiesen werden
Üjog. Prol. % 2). Sie zerHillt in Logica naturalis und arti-
iSeialis, beide wieder in L. ntens und docens.
Das Erkennen vollzieht sich in drei Akten (mentis opera-
tionee): dem Begriff mit der einfachen Erfassnng des Oegen-
«tandee (notio cum simplici appreheosione), dem urteil
{Judicium), welches intuitiv heifit, soweit es, wie z. B. Wahr-
MhmungBnrteile (^ 71fi), nur vom Begriff aussagt, was in
ÜQik enl^alben ist, und dem SchlnB (ratiocinatio oder dis-
«Msns), durch welchen wir aus mehreren Urteilen zu einem
vmea Urteil (einem „diskursiven" urteil) gelangen (Log.,
I**» I, 4 51 ff. n. 332). AIlgemeinbegrifFe können nicht ohne
Beihilfe von Urteilen und Schlfissen gebildet werden .(^ 55).
Gattungen und Arten existieren nur in den Individuen (^ 56),
letxtere bilden atoo den Ausgangspunkt für die Erkenntnis
j« AÜgemeinen (% 57 u. 710 f.).
') Die lolcenden ZlUte beliehen sich auf die 2. Ausgabe. Unter den
AibniiB QberWolB ist beaonders bemeikenswart'. HansKchler, Über Christian
VoUb Ont^ona, Leipzig 1910; Carl GOnther Ludorici, Ausführlicher Entwurit
"ur nllaUad. Historie der WoUGscben IliUoMphiQ, 2. AulL, Leiptif 173S
^Bdc; die 1. AvD. eracUen 17% u. d. Tit. „Xonar Entwarf . . ."•)._
Ug I. Teil Abrnnzuis und aUiemeine GMchkhte der Lotik.
An diese psycholc^bche Ornndle^ang schUeßt sioli ein»
ontologisch«. Bemerkenswert und charakteristisch sind in
dieser folgendeDefloitioDMi <ibld. ^ 64If.): ea, qnae oonatanter-
inennt (sc. enti cnidam), qiionim tarnen nnnnl per alterium
non determioatDr, essentialia appello; ea, qnae constanter
insunt, sed per essentialia siniiil determinantor, attrihuta
dico; attribnta, qnae per omnia essentialia simnl deter-
minantnr, dicnntnr proprietates • • •; mntabilia, qnae enti'
insant nee per essenti^ia determinantor, modos appellare
eoleo (scholastici aooidens). Dann wird weiter gefolgert
(^ 69ff): essentialia et attribnta de ante*) absolute, modi sub^
certa tantnm conditione ennntiantnr; per essentiaiia genera
et species determinantor; genera et speciee possnnt a nobia
distingni per attribnta, etei essentialia ignorentnr; si, qoaer
in notione speciei indeteoninata snpersnnt, stngnla detenni-
nentnr nee determinatio generalibns, quae notioni speciei.
insant, repngnat, notio individni prodit.
Die Doppelstellnng des Begrifflichen führt zn den beiden
Definitionen: differentiam notionnm formalem dieimns^
eam, qnae a modo cognoscendi desnmitor i% 77), mate-
rialem, quae a materia earundem: seo re repraesentatfr
desnmitor (§ 103). Klarheit und Distinktheit sind formale
Eigenschaften der Begriffe. Die Definition dieser beideik
Eigenschaften gibt W. etwas abweichend von Leibniz (vgl.
S. 111) dahin, doB klar derjenige Begriff heifit, der uns aas-
reichende Merkmale zum Erkennen nnd unterscheid ea
eines Gegenstandes bietet (^ 80), distinkt aber derjenige,
dessen Merkmale wir zu unterscheiden vermögen (% 88). Die
Adäqnatbeit wird ganz ähnlich wie bei Leibniz definiert
(i 94 n. 95).
Ans der Urteilslehre sei in dieser allgemeinen Ubensicht
' nnr herroi^ehoben, daB es nach Wolff unbeweisbare Sätze
gibt (theoretische =: Axiome, praktische = Postnlate). Vgl.
^ 262 ff. Eine Erörterung der Herkunft dieser Sätze wird
.Tsrmifit
Erst im zweiten („praktischeb") Teil bespricht W. das
Kriterium der Wahrheit Die logische Wahrheit, d. h. die
') Hauche S&tze WoUfa erinneni, wie Gomperz und Pichler horror-
relwben tutten, «n die moderne Gefenstandstheorie von UeiaoDg u. <l Oma
•na bei WolB ist der Gegenstand ohne Racksicht aul Sein oder NictOrSeüi.
Ob freilieh WoUt das nicht-seiende Ens wirklich klar als ■dbsUadiEeib
kiciscben Gegenstand aufnOfit bat, ist aar sehr zweafelbaA.
.oogic
% KU«teL AHgemeiDe G«tehicht« d«T Locik. ]]9
If^luiieit vom Standpunkt der Lo^k, ist die übereinatim-
naag imseree ürtedls mit dem Objekt (dem vorbestellten
OegeDStsnd). Außer dieser .^ominaldeflnitioii" tH, ^ 505*)
gibt W. folgende ,3«aldefiDition" : „verita» est determina-
bUitas praedicati per notionem snbjeeti" (§ 513). Di« Wahr-
heit in diesem letzteren Sinne, die wir hente ningekehrt eher
als nominal oder als formal bezeichnen würden, entspricht,
wie vorgreifend BchoQ jetzt bemerkt sei, in vielen Beziehungen,
aber keineswegs vollkommen der Wahrheit analytischer
Sätze bei Kant
Das Eriterinm der Wahrheit, d. h. ihr inneres Er-
kennnngBzeichen (^ 523) ist die „determinabilitas praedicati
per notionem snbjeeti" (^ 524). Da dies Merkmal eben ver-
wendet wnrde, nm die Wahrheit zn definieren, so ist nicht
alBneeben, wieso es jetzt nochmals als Kriterium angefahrt
vird. Anch wird jetzt plötzlich nur die Wahrheit im Sinn
der ,3eal"deflnition berücksichtigt. Anf Gmnd dieser Sätze
gelangt W. in Übereinstinunnng mit Tschimhaneen zn dem
Satz: „propositio vera est, qnae est eonceptihilis" (% 528). Die
Elaibeit, Dtetinktheit nnd Adäqnatheit finden anffälliger-
weise hier keine entspre«hende Verwendung.
Erkennen wir, daß ein Satz wahr ist, ist der Satz uns
ffiwiß („nobis eerta" ^ 564). Wer all« „requisita ad veri-
talem" erkennt, d. h. alles das, wodurch ein Prädikat als ein
dem Subjekt zuzuerteilendee bestimmt wird („snbjecto tri-
buendum determinatur"), der erkennt die Wahrheit mit
OewiBheit („certo" ^ 573 f.). Diese reqnisita sind die Gründe
(rationes), weshalb ein Prädikat einem' Subjekt zukommt,
und machen zosammen die ratio sufficiens dieses Zukommen»
aiis (§ 575 n. Disc. prael. % 4).
Die Ermittlung der Wahrheit erfolgt entweder a poste-
ricnri, d. b. nur durch die Sinne („»olo sensu"!) oder a priori,
d. h. durch Schlüsse aus Bekanntem anf Unbekanntes („ex
ahig eognitis ratiocinando elioimus nondnm cognita"). Vgl.
46«3fr.
Wie sich aus dieser Übersicht über die Grundgedanken
«tgihtt varen die Sätze der Logik Wolfls größtenteils nicht
neu ond erst recht nicht von einem einheitlichen Prinzip be<
berrscht, aber sie boten nach langer Zeit zum erstenmal
*) Die N«ininaldefimtiini ist dadurch chuakterislert, daB durch sie ,^od
Mtd rem definitam esse possibtlem" (1. gl»). Vgl auch ]I, g lad
OgIC
120 1- ^^'^ Abgrenzuns und BllienKine Geschichte der Lonilc
wieder e^oß systematisclie, didaktisch sehr geschickte, um*
fassende Darstellung der gesamten Logik. Hier worde alle»
definiert*), alles bewiesen, alles eingeteilt, alles lückenlos bis
in das Kleinste ausgeführt. Die ziemlich genau paragra-
phierte Anordnung, die streng festgehaltene Terminologie
ymd die Folgerichtigkeit im Zusammenhang der Sitze
tänschte über die Schiefheit und Oberflächlichkeit vieler
Definitionen hinweg. Mui übersah, dafi die Schwierigkeiten
oft viel mehr durch willkürliche BegrifFsbeetimmungen ver-
deckt als gelöst wurden. Man glaubte, jetzt sei die Logik
nach Art der Mathematik fiir alle Zeiten fest begründet. So
kam es, dafi die Wolffache Logik in den nächsten Jahrzehnten
•ein« auBerordentlicfae Verbreitung fand und zu einem
starken Anschwellen der logischen Literatur Anlafi gab; Ala
die wichtigsten literarischen Vertreter der Wolffechui Bieh-
tung seien folgende angeführt:
Mich. Got Hieb HanschCieaft— 1768): De arie invoniendi aive »ynopsi»
resularum praecipuamm artia inveniendi, cum praxi regulanim, in in-
venienda veritate per eiperientiam, i72J °) (derselbe ist, wie auch di»
Vorrede besagt, oocb mehr von Leibniz selbst als von WolII abliAnsiB).
Joh. Gott lieb Heineccius (1681— 1741): Elemeata philosophiae ratio-
nalis et moralia, Francof.. 1738, 10. Aufl. 1762, &. 67 tf. (Opp. Genevae
V}U, Sd. 1 = &. AufL).
Israel Gotllieb Ganz (1690 — t7&S]: Humaoae cosnitionis fuDdamenta.
dubÜB onmibua firmion seu Ontologia polemtca, Lips. 1741, namentl.
S. 248 ff. CS 116 tl.).
Job. Peter Reusch (16&1— 1767): Vis ad perfecüonem intellectus con».
pendiaiia, Jsenaci 172S* und Systema losicum «nliquiorum atque receu-
tiorum etc.,' Jena 17S4, 4. Aufl. 1760 (ybL % 109 Ober „claritas SYnthetica"
und ,fü. analTlicft").
GeoriBernb. Bilf inser (BQlffinger, 16BS— 1760); Dilucidaliones phito-
sophicae de Deo, anima humana, mundo et generalihus renun aflectio-
nibug, Tubing. 1726, i. Aufl. 1766 (namenU. § 1— »4 u. a63fL) und
Praecepta logica etc., Jen. 1738 (§ 7 ,J^rica ^= an cogitandi rebua cos-
fonnilet").
Berm. Sam. Heimarus (1694— '1768] : Die Vemuoftlehra, ala eine An-
Weisung z. rieht Gebf. der Vernunft in der ETfcenntnin der Wahrfa., aua
zwoen ganz natOri. Regeln der Einstimmung u. d. Widerspr. heifeleilet,
Hand>. u. Kiel 1756, 2. AufL 1758, 4. Aufl. 1788 (in Uteren Auflasen
H. S. H. P. J. H. signiert).
*) Man vergleiche z. B. die {^ilosoptua defioitiva Baumeisters, «nes
Wolffianers, der die ganze Logik in Definitionen und Positionen auflQst (s. U.
S. 181).
*} Der Verlagsort ist in dem mir zur VerlOguag stehenden BxetDoUr
nicht angegeben (Halle?).
■)„:,tP<.-JM,G00glc
9. Kapitel AllBemeiae Geschichte der Lofik. 121
lid«. PhiL Thümraii (1697—1728): Inslitutione» phüo»phiM Wol-
bnu in usus academ. adonutAe, Fnncof.-Lips. 17t6 {Tom. 1; S. 1
bii 96 Iiutit. logiue seu philosophiae rationalia). '
Joh-Chfistoph GottBched (1700—1766): Erste Gründe der fesamten
Wcitwnaheit usf., Leipnf 1734, 2. AulL 173« (namentUcb S. ab— 114).
CliriBüan Joh. Antoa. Corvinus: InstiUitiones phüosophiAe ratio-
nalis metbodo scientifica conacriptae, Jenae 1742 (schließt sich nament-
ticb luch an Reusch am TSt. insbesondere Ptaelimj g 189ff. uL 151 II.
tbti die ftllgeroeine Stellung der Logik und Logica ipsa S. 33 fl.).
Joh-Heinr. Winkle r(17(»— 1770): Insütutiones philosophiae uiriversae.
Ups. 1735, 2. Aufl. 1742; g B70— 1111 (oamenlüch S. 963B.).
Jok. Aui. Ernesti (1707—1781): Imlia docthnae aolidiom, Lipa. 1736
BDd Öfter (vgl. namentUch ed. 1788, S. 3Bl~tO().
JeL friedr. Stiehrilz (1707—1773): ErUutarunt der vernflofl. Ge-
duicken r. d. Kiiflten des menscbl. Vetstande^ Halle 1741.
Joh. Justin Scbierscbmid (1707-4770): niilosophia ralionaUs,
Dresden 1797.
Friedr. Christian Baumeister (1700—1786): Fhilosopbia deflnitiva
h. e. d^nitiones philosophicae es systemate WolB. etc., Vitemb. 1738*),
S. l~(ß u. 207 — 329; Institutiones pbilos. rationalis melh. Wolfii conscr..
VHemb. 1736, 16. Aufl. Viennae 1766; Denkuneswissenscbatt. Obers, v.
Mnserschmid, Vitt. u. LObben 1766; Eleisenta philosophiae recentioris
etc., ed. nora, Lips. 17&5 (1. Aufl. 1747), worin S. 11 — 134 über Ltwiki
nülosoptiia recens controvena complexa deflnitiones theoremata Quaes-
tbnes etc., Lips. et Gorlici 1749 (S. 1— CO Defloiliones logicae).
Job. Heinr. Sam. Forraey (1711—1797): U belle Wolfienne, Bi 3
(resle de la locique), Ha^g 1749, namentbch S. 1— 'lOG^ und Le tiiompha
de l'iTideace, Berlin 1756 (vorher 17bl in etwas andrer Gestalt, Obenetzt
TOD Haller unter dem Titel „Piflfunc der Sekte, die an allem zwitileii",
in Göltiogen erschienen).
Uarlin Knutzen (171^-1761): Elementa philosophiae rationalis eeu
loKkae com generalis tum specialioris malhematica melhodo in usum
aoditor. suorum demonstrata, 3. Aufl., Regiomont. et Lips. 1771, namenl-
lieh eingebende Besprachung der Lehre von den Irrtümern, § 47011.
(3. Aufl. S. SllB.); Fhilosopbia rationalis'), Königsberg 1747. .
Alex. GottL Baumgarten (1714—1762): Acroaais logica (in Chr. de
ffolfi dicUbat . . .), Halae-Mageb. 1761 (3. Ana von Joh. GotU. Toellner,
HaL-Magdeb. 1773); Fhilosopbia generalis') ed. Joh. Chr. Fürster, lUl.-
Hwdeb. 1770 (namentlich S. GSfl., 80 fr. u a.).
*) Das Titdblatt trigt die Jahreszahl 1758, die Braetatio ist 1738 datiert
(1 AaS. wohl 1738> Durch die LahrbOcbeii von Baumeister und WinkUr
^«ibieilete sich die WoUIscbe Logik namentlich auch in RuBland (vgl J. Ko~
loWikr; Zt«hr. f. ntilos. u. idülos. KriL, 1894, Bd. 104^ S. GB).
') Vgl. Aber Knutzen auch B. Erdmann: Martin Knutzen und seine Zeil.
Uitti|l876, S. 107 II.
^ Baumgaiten teilt die Philosophie in organische, theoielisehe und
Vf^tiiidie. Die organische, Mit de cognosoendo (et pnpoaenda"), und eu
ibc tefaOH die Logik.
1,1^. OQi
,g,c
122 ^- '^^^ Absrcnnins und Bllgemeitie Getchichle der Lofik.
GeoTB Friedr. Meier (1718— 1777): Vernunftlehre, Halle 176^ a AuIL
176S; AuBZUK aus der Vernunftldire, Halle l?fiQ (von Kant seinen Vor-
lesunsen zugnutde gelegt).
Zum Teil wichen diese L<4iker (z. B. Winkler) Obrigens in einzelnen
Punkten nicht unerheblich von Wolfi ab. Auch prinzirieU steht der Wölfi-
schen Lehre etwas ferner Sam. Christian Hotlmann (1696— 17S7)r
nüloaophia raUtmaiis, quae logica yulio dicitur etc., Qotlini. 1746 (nament-
lich S, 80 u. 196 *), und Prima phiiosopfaia, quae met^hyaicaTulgodicitar etc.,
GotUng. 1747'«). Noch selbsUndiger ist Qotttried Ploucquet
(1710 — 1700), der vielfach an Leibniz selbst wieder anzuknüpfen sucht Seine
Hauptweike auf logischem Gebiete sind: Principia de sutnlantiis et phaeno-
meniai Accedit methodus calculandi in logids ab ipao inrenta cui praemitti-
tuT commentalio de arte charaeteristica, Francof. et Upa. llbZ, SL Au(L| 1764
(der Anhang ist auch als Nr. 26 abgedruckt in den Commentationea philo-
sophicae selecticres, antea aeoraim editae, nunc ab ipso auctore recognitae et
passim emendatae, Trajecti ad Rhen. 1781 unter dem Titel „De arte charac-
teristica. Subiicitur methodus ca]culandi in loeicis ab auctore inventa 1768'V
S. 560 — 692) i Methodus tarn demonstrandi directe omnes sTlIogismorunt .
actecies quam vitia formae delefendi, Tubing. 1768; Fundamenta philosopbiae
speculativae, Tubing. 1769 (S. 7, § M Ezplicatio quonindam sisnorum, S. 61 fL
Fundammta methodi); Untersuchung und Abänderung der logikaliscben Kon-
struktionen Herrn Prof. Lan^rts, Tübingen 178fi "). Er nahm den Haa
einer algebiaischen Logik (vgl. S. 112) wieder auf") und Tersuchte eine-
geometrische Darstellung der SchluBfiguren (Prioritälsslreit mit Lambert,
B. Sammhing v. Scbrilten ed. Boek, S. 160). Auch in der Lehn vom Urteil
schlug er teUweise neue Wege ein.
Anfangs wurden die Wolfischen Lehren auch vielfach scharf angegriffen,
und zwar nicht nur von Theologen (Joachim Lange») 1670— 1744^,
u. a.), sondern auch vcn Philosophen. Zu den letzteren gehOren iL B. J d b.
Franz Buddeus**) (1667—1729, Glementa philosophiae instrumentalis,.
zugleich Bd. 1 der InsUtuttones philosophiae eclecticae, Hai. 1708, 8. AufL
*) Die erste Auflage erschien wohl 1727 (Vilemb.), eine zweite ITSf.
Auflerdem kenne ich eine Auflage von 1767.
■*) Die beiden angeführten Werke sind auch betitelt: Pars I und
Pan n paullo uberioris in universam philosopbiam introductionia.
") Siehe auch Sammlung der Schriften, welche den logischen Catcul
Herrn Prot. Floucqueta belreHen, herausgeg. von Aug. Friedr. Bflk, F^okf.
und Lpz. 1766 (mit neuen Zusätzen Tabing. 1773). Von Floucqueta logischen
T,eiatungen handelt u. a. Karl Ancr, Goltfr. Ploucquets Leben und Lehren,
Bonner Diss., Halle 1909 (Abh. z. Philos. u. ihrer Gesch., Nr. 8^, S. 17 0.
"} Inzwischen war David Solbrig (De scriplurae oecumon
quam omnes gentes . . . etc., Hiscell. BeroL ad increm, scient, ConUa. I, 17SS,
S. 28 — 69), und Job. Christian Langius [Inventum novum quadmtt
kwici universalis in trionguli quoque formam commode redacti, Giss. 1714;
vgl auch oben S. 118^ Anm. 18) auf diesem Gebiete tätig gewesen.
") Bescheidene und aurfobrl. Entdeckung der falschen und sch&cU.
Philosophie in dem Wtjltfiani sehen Systemate metaphysico von Gott, der-
Wclt und dem Menschen usf., Halle 1724 (vgl. z. B. S. 206).
>*) Job. Jac. Lehmann, Neueste u. nQtzlichste Art die Vemunllt-Ijelite
... ZV eriemcn etc., Jena 1728 steht B, nahe.
2. KttpiteL AUgenwiDe G«9cliichle dar Logik. 123
1», umentHcfa S. SOSS.); Andr. R Qdicer (1673-1731, De seani veri
H liisi, Ehl. 1709, £. Aud. Lips. 1739^ De usu et abusu terminonim techni-
coniDi in pfailoaophia, und De novia mtionandi adnuniculis [mir nicht zu-
fbHÜeh]; Hül(wn>hia Byntheli« metbodo nuUbematiue aemula, lipi. 1707,
S.1— 96 [apäter unKeaibeitet als Institutionea erudilionia, HaL1711]u. a. m.);
loltJak. Syrbiua (1674 — 1738, Institutioaea phjlosoirtiiae rationalia un«
coB hiatoria loKices, Jena 1718); Jak. Friedr. Malier (erst in den
ffütereB Schritten von 1730 an Gegner Wolfia, Entwurf der alüem. (lelehr-
rnnkät und Klugheit zu studieren usl., Leipzig 1718 [namentlich Buch S,
Kap. !Q imd eineneita z. B. Artkuli generalea de veria et talaia philos. con-
fpcetum integri tractatua ezhibentea, Frankf. u. Leipzig 1736, andererseits
ZtcU«! geteo H. Wolfia vemflnft. Ged. usf., Gießen 1731*}; Joh. Georg
Walch (1698 — 1T7&, Einleitung in die nüloacphie, Leipzig 1727, latein.
Cbcn. 1730, darin 2. Buch, S: 9SH. Philoaophia rationalia; vgl auch oben
S.17); Adolph Friedr. Höftmann (IMB— 17«, Gedanken OberWoBt»
U^ Leipzig 173B; Verounttlelire, anderer Teil, Leipzig 1737); Chr. AuB,
Crasius (1715 — 177&, Weg zur OewiBheit und ZuverliBsigkeit der menschl.
bkeantnia, Leipzig 1747, spatere Auflage 1762 tll&2 S.j; Entwurf der not-
*(odigen Vernunft-Wahrheiten usf., Leipzig 1746 [vorwiegend Ootologie und
thewet. natQrl. Tlieologie]; Diasertatio dt! uau et limitibua principii rationia
detenoina&tis vulgo sufficientia^ Lips. 174S [2. Ausg. deutsch von Pezold,
LipB. 1766) >*); De summis rationia prinGipiia, Lipa. 1758 u. a. ta.).
Einen ddektischm Standpunkt behauptete inmitten dieser Streitigkeiten
loacbimOeorgDarieB (1714—1773). In seinem logischen Hauptwerk
flTia ad veritaton commoda auditoribus methodo demanstrata", Jena 1755.
tnreitert er die Wofflache Definition der Wahriieit dahin, daB sie allea sei.
nod cogitari polest et ipiod non idem siinul esse et non esse iDTolvil (Sect. T,
i 1> S. (^ Auch die etwas filteren logischen Werke von Joh. Friede-
niann Schneider (Fundaments philosophiae rationalis seu logicae etc.,
HsL-Hagd. 1728), und loh. Heinr. Zopf (Logica enucleaU oder erlnch-
terle Vernunft-Lehre, 2. Aufl., Halle 1786) gehCren einer solchen eUdtiacheA
nichtoDg an.
Eine fast selbständige SteUung im Kampfe der Parteien nimmt femer
Johann Heinrich Lambert (1728—1777) ein, dessen Neues Oi«anon
(t Bde., Leipzig 1764) und Anlage zur Arctritektonik usf. (Riga 1771) >*) lange
Zdl vor Kants Hauptwerken erschienen sind. Das erstgenannte Werk be-
handelt in seinem ersten Hauptteil, der Dianoiologie, „die Lehre von den
(•«adxen des Denkens" ganz vom Standpunkt der Logik, im zweiten Haupt-
^ der Alethiologie, „die Unterscheidung der Wahrheit vom Irrtum", imdril-
1*n, der Semiotik, „den Einflufi der Sprache und anderer Zeichen auf die Er~
kenntnia der Wahrheit, und im vierten, der Phänomenologie, „die Lehre vom
Schein". Lambert glaubt zehn „einfache" Begrifie gefunden zu baben^ auc
denen alle anderen Begriffe hervorgehen (Org., Bd. 1, S. 498; vgl. auch ArchiLr
") Auch abgedruckt in Chr. Aug. Crusii Opuscula philosopbico-theo-
iociea. Ups. 1760, S. 152 tf. (mit Appendix S. 2880.). '
'*) Siriie auch Lambarta log. und philoa. Abbandl., herauageg. von
Job. BemouilU, Bd. 1, Beriin 178^ worin u. a. „Sechs Versuche einer Zeichen-
kuntl in der Vemunftlehre", S. 8—180; femer Abhandlung vom Ciiterium
^«litatit, BerÜD 1915 (ietzt von K. Bopp zum erstenmal aus dem Uäk, heraus-
OgIC
124 I- '^^'^ AbsnBEumr und allEemeiM Geschieht« der Logik.
Bd. I, & 40 SO- Die Wahrheit dieser einfachen Begrifie besMit in ihnr
„Gedenkbukait", di^ienige der zusammensesetzten in der IfOitlicbkeit der
ZasunmensetzunB", dieoenige der S&tze iü der ,JlöElichkeit, das Prtdikat
durch das Subjekt zu bestimmen" (S. 038 u. 663). Diese Forderunsen grfindea
sidt i^ast unmittelbar auf den Satz des Widerspruchs". Das .Jirige" liegt
also nicht in den einlachen Begiiffen seU>st, sondern nur in ihrer Veibiaduni
(S. 563), in jedem Irrtum ist Wahrheit, .jolern er Bedenkbar ist">
Wihrend zunft(±3t WolSs Gegner die Oberhand zu gewinnen schienen
und K«ar i. J. 173B bei Friedrich Wilhelm L seine Absetzung und Laikdm-
verweisung durchsetzten, nahm in der Folgezeit der lileransche Kampf mehr
und mehr eine Wendung zugunsten der WoUfschen Lehre. Seine HoA-
berufung nach Halle durch Friedrich Ü. i. J. 17M brachte auch lufteibdi
diesen Sieg zum Ausdruck. Um die Milte des JahrtiuDderts war Wollb Herr-
acliaft, wenigstens auf dem Gebiet der Logik, kaum mehr bestritten. Zugleich
steigerte sich das Interesse für die logische Wissenschaft in ganz auBw-
ordentlicher Weise. Die Zahl der logischen LehrtiOcher war damals erbeb-
lich grOBer als heute. Nicht nur WoUIs eigene Werke und die seiner Haopt-
anhftnger erlebten fortgesetzt neue Auflagen, sondern selbst die LehibOcher
mancher seiner weniger bedeutendoi Anh&nger wurden Ober ein dutsendmal
aufgelegt Die ramistische und die scholastische Logik >^} halten in Deutadi-
land nur hier und da noch einzelne Vertreter, wihrend sie in den romanis^en
Ländern noch das tibergewicht behaupteten. Ganz vereinzelt versuchte aout
auch noch direkt an die griechischen und römischen Logiker anzuknO[rfea
und die neueren Logiker nur eklektisch nebenher zu berflcksich Ligen. Hieifaer
gehört X. B. Daniel Albert Wyttenbach (1746—1830), dessen Frae-
cepta philosoiduae logicae (Amsterdam 1782) von Joh Aug. ^xrhvd, HaBm
17H, nüt einigen Ablnderungen herausgegeben «urden (siehe n«[npiitii<^
S. 9 n. 18 fL).
§ 33. Kant. Trotz dieeer sosgeaprochenen Vorherrschaft
der WoIflBchen Logik um 1750 trat verhältnism&ßig rasoh
ihr Niedergang und Sturz ein. Es war dies die Folge der
NeQorientienmg, welche Kant (1724 — 1804) der gesamt^i
Philosophie, insbesondere der Erkenntnistheorie, gab. Dabei
stand Kant selbst, wie in der Psychologie, soauohinderLoffik
fast ganz auf dem Boden der Wolffschea Schule (vgl. S. 119).
Erst indirekt führte, trotz dieses konservativen logischen
Standpunkts, seine Erkenntnistheorie zu einer Umgestaltung
auch der logischen Wisaeoaehaft. Wir besitzen von Kant
kein Originalwerk, welches die Logik speziell behandelt, in-
dessen hat 6. B. Jaesche im Auftrag Kants auf Grand von
handschriftlichen Aufzeichnungen des letzteren die Kant-
echen Vorlesungen über Logik in Form eines „kompendiöeen
Handbuchs" i. J. ICIOO herausgegeben (abgedruckt x. B. io
'^ Hierher gehört z. B. Dominicus Beck, dessen ^■m■^^^^^ffil«ff#
togieae (Saldnug ITSO^ mir in 3. Auflage ohne Jahreszalil bekannt) ekldügeh
die Sttze der neueren Logik mit scholastischen Prinzipien verbinden.
2. Kkintd. AUgetntiiM Geachichte der Losik. ^25
Bd. 6 der S&mtl. Werkte Kants in der Hartensteinschen Aos^.
]8(%V). Für Kants prinsipielle Stellnnfr xa den logischen
Qnmdlonnen nnd namentlich für den nmgeetaltendea Ein-
Ihifl Beiner Erkenntnietheorie aof die Logik liefern die
Haaptverke Kant« weit mehr Beiträge*).
Der Einfloß Kants anl die Entwicklung der Logik be-
sieht flieh namentlich auf drei Punkte: erstens die Er-
w«iternng der Logik am das Gebiet der trao-
Bzendentaleo Logik, zweitens die TJntersch'eidnng
der analytischen und ay nthetiecben Urteile
und dntt«i6 die Kategorienlehre.
Zorn «raten Pnnkt ist vor allem za bemerk«!, daS
Kant die Lc^k sehr weit definiert, nämlich als „Wiseen-
Bchaft derVerstandesregeln tiberhanpt" (K 77; „Wissenschaft
▼on der bloßen Form des Denkens überhaupt", H VIII, 77;
B. anch H IV, 342). Sie verfällt weiter in die Logik des a 1 1 -
Sf«meinen nnd die liogilt des besonderen Verstandee-
gebrancbB. Die erstere (anch Elementarlogik genannt) ent-
hält die schlechthin notwendigen Regeln des Denkens ohne
B-acksicht aaf die Verschiedenheit seiner Gegenstände, also
unter Abstraktion von allem Inhalt des Erkennens, die letz-
tere enthält die Regeln, „über eine gewisse Art von Gegen-
ständen richtig') zn denken", also die Denkregeln für die
einzelnen Wiesensehalten. Die allgemeine Logik ist ent-
weder „rein" oder „angewandt". Die reine allgemeine
Logik abstrahiert von allen empirischea Bedingungen der
VeratandesaoBÖbnng (z. B. dem Einfluß der Sinne, dem ^iel
der Einbildung, den Gesetzen des Gedächtnisses usf.), d. h.
allen zuföUigen Bedingungen des denkenden Subjekts, und
'} Kne seue Auagabe mit Einleitung von W; Kinkel ist in Leipzic 19U
(fiäka. BibL, Bd. tö) encUeaen. Wertroll für die Beoiteilunc sind aucti
äa Reflexioaen zur Logik (haadschr. Nachlaß) in Bd. 16 d. Bert. Kantausgabe,
^ Im folgenden wird die Kritik der reinen Vernunft nach der Sehrbach-
■eben Ausgabe (K) zitiert, die Obrigen Werke nach der 9: Hartensteinschen
Zugabe T. J. IMJim (H). Von KanU logischen Lehren handeln u. a.: Erait
Wiileiiliagen, Die Logik bei Kant, Disa., Jena 1868; Q. Biedermann, Kants
Knift der retnea Vernunft und die Begdache Logik in ihrer Bedeutung für
die BegriflMnneaschaft, Prag 1869.
*) Das Wort ,jiehtig" hatte bei der allgemeinen Definition der Logik
nffhH, tat aber woU auch bei dieser au eninsen. Jeäenialli bat Kant nicht
•ttef genug zwlachen den Oeaetsen des talatchüchen Denkens, den Qesetaen
daa nötigen Drakens nnd den Hegeln zur Erzieluug daa leUlena uiflw'-
flnUcden.
„.,,„,^.oogic
126 ^ ^^''- At^renzung ond allcemeiiie Gcachichte der Lofik.
brachäfUgt sicli also nur mit apriorischen Prinzipiea des
Denkens, und zwar — als allgremeine Logik — nur mit den
formalen (ohne Rücksicht auf den Inhalt). Sie schöpft daher
nichts aus der F^ychologne (K 78 n. 12, H Vni, 14); alles in
ihr moß vätlig a priori gewiä sein. Demgegenüber handelt
die angewandte allgemeine Logik von den empirischen
Bedingungen des Denkens in concreto (z. B. der Aufmerksam-
keit) and ist auf die Hilfe der Psychologie angewiesen. Di«
irreführende Bezeichnung „angewandte" Logik, welche viel
eher für die Logik des besonderen Verstandesgebranchs (die
„spezielle" Logik) pafit, haben, nachdem schon Maimon (vgl.
S. 132) sie abgelehnt hatte, Kants Schüler später fallen lassen
und Ton „empirischer" I<ogik gesprochen, soweit sie nicht
diesen ganzen Teil ans der Logik gestrichen haben (a. schon
H Vin, 18).
Neben der allgemeinen Logik stellt nun Kant noch eine
transzendentale Logik auf, welche also, str«ig ge-
nommen, zur speziellen Logik gehört (obwohl Kant dies nicht
ausdrücklich ausspricht). Diese transzendentale Logik ab-
strahiert nicht von allem Inhalt der £«rkenntnis (wie die all-
gemeine Logik tut), sondern berücksichtigt diesen wenigstens
iiwofem, als sie den Unterschied zwischen reinem und empi-
rischem Denken der Gegenstände, wie ihn die transzendentale
Ästhetik nahelegt, akzeptiert und sich speziell nur mit den
ßegeln des reinen') Denkens eines Gegenstandes beschäf-
tigt. Ihr weist K. dann auch die weitere Aufgabe zu, den
Ursprung unseiwr Erkenntnisse von Gegenständen zn unter-
suchen. -Wenn, wie Kant in der Kr. d. rein. Vem. nach-
znweisen veisaeht, Denkregeln a priori unsere Erkenntnisse
von Gegenständen bestimmen, so würde in der Tat die Unter-
suchung dieses Ursprungs noch in das Bereich der Logik
nach der weiteren Definition Kants fallen. Gibt es also solche
a priori auf Gegenstände bezügliche Verstandeebegriffe, so
entspricht ihnen die transzendentale Logik als „Wissenschaft
des reinen Verstandes und Vemunfterkenntnisees, dadnrch
«) Han beachte auch hier die UozweokmABigkeit der T«nninok>cie'.
innerbalb der allgemeiDen Logilc wurde bereits ein ,^iiier" Teil untersdiiedeii.
Die Zweideutigkeit ist hier sogar nicht auf das Tenmnologische bcschilDkL
Später hat man- oft schlechthin die transzendentale Logik als „reine'' Logik
bezeichnet In der Haupteinte^Jung Kants baüeht sich die Reinheit nkht mJ
den Gegenstand des Denkens, sondern den Ursprung des Denkens bnrg KU*
Beeidung zum Psychologischen.
„.,,„, ^.oogic
a. KamtflL Allgemeine Oeachichte der Lofik. 127
vir Gegenstände völlig a priori denken" (K 79f. □. 138)*).
nTnutszendental" bedeutet dabei: auf die Mögliehkeit ^irio-
lischer Beziehnng aof Oegenstände der Erfabnmg gehend *).
■ Es kochtet ein, daß damit die v^ritfe iim^ (performatioDB)
von Leibniz (vgl. S. 109) auch für die Logik eine gani andere
Bedentnng bekommen muBten.
Sowohl die (reine) allgemeine Ix^ik wie die traasaen-
dentale Logik geben lediglich Bedingungen an, denen keine
Erkenntnis widersprechen darf (K 82 tl 84), dagegen sind
beide nnföhlg, ohne Hilfe der Erfahrung uns Erkenntnisse
über Erfahningsgegenstände zu verachaffen. Die reine all-
gemeine Logik bleibt stets formal, nnd die transzendentale
lätgik kann nur die Prinzipien nachweisen, ohne die kein
Offenstand gedacht wterden kann. Beide können daher nienuüs
über die Ehrfahmng hioansgehen („tranezen d e u t" werden).
Die yemHnft„kritik" beschränkt die allgemeine Logik auf
den formalen, die transzendentale Logik auf den transzen-
dentalen Gtebranch. Der Teil der Logik, sowohl der all-
gemdnen wie der transzendentalen, welcher innerhalb dieser
Qrenzen bleibt, wird von Kant als „Analytik" ^ bezeichnet,
tjbeieehreitet die allgemeine Logik diese zulässigen Grenzen,
«o wird sie zur Dialektik (K 83); äbersohreitet die transzen-
dentale Logik dieselben, so übt sie selbst als „transzendentale
Dialektik" Kritik an dieser Überschreitung und deckt den
falschen Schein solcher AnmaBimgen anf.
Von diesem Standpnnlfte ans konnte Kant auch viel
schärfer als seine Vorgänger die Frage nach dem Kriterium
der Wahrheit beantworten (K 81 IT.). Ein inhaltliches
■) Die bezüglicbe Stelle der Kritik der reineo Vernunft iat sehr noch-
ttaaig abgebiBl oder verdruckt Ich lese mit Erdmuiii K. 81, Z. 6 von <^ii
.nerdeiL*' st&tt „wiid". Die VaUünserscbe Verbesserung (Kftat-StuX IV, IfiS]
wird dun Qberflüssig.
■) über die Bedeutung der Kantschen Tramzendentalit&t vgL Vaihinger,
XoDuoentar zu Kanla Krit. der rein. Vernunft, Stuttgart 1881, Bd. 1, S. «7 tf.
*) Ancb bei dieser miBverst&ndlichen Bezeichnung muB vor falsdien
Jlmtiuigea gewuitt werden. Die Analytik Kants deckt sich nimii^A nur
am TeU mit der Analytik des Aristoteles (vgl. S. 39) und hat mit Kants
eiiener Unterscheidung zsiachen analytischen und synthetischen Urteilen
'öctäM zu tun. Kant wollte viehnebi mit dem Terminus .Analytik" nur auf
die Zergliederung der formalen Verstandest&tigkeit in ihre Ele-
Bnite (K 8^ bzW. unseres gesamten Erkenntnisses a priori in die Elemente
der reihen Veistandesetkenntnis hätweisen. Vgl. auch- Reftezionen, BdL \
M6t S. lai, Hr, *8a
128 ^- '''^'^ Abgrenzuac und aUgemeioe Geschichte der Lo^.
allgemeineB KHterinm kann es naeh Kant überhanpi
nicht geben, da bei einem solchen von allem Inhalt abatzB-
biert werden müßte, nm die Allgemeinheit des Kriteriums
feetzabalten. Es bleibt also — abgesehen TOn der Nominal-
definition der Wahrheit als der „Übereinstimmong der
Erkenntnis mit ihrem Gegenstände" — nnr ein formales
allgemeines Eriterinm: die Übereinstimmung mit den Denk-
regeln der Logik; dieses ist aber offenbar nur ein „nega-
tiver Probierstein der Wfihrheit". Eine Erkenntnis kann.
der logischen Form völlig gemäß sein, d. h. sich selbst nicht
widersprechen und doch dem Gegenstand vidersprechen.
Der zweite Hauptpunkt, in dem Kants Lehre um-
gestaltend auf die Logik wirkte, ist die Unterscheidung der
analytischen und der synthetischen Urteile (K 39; H IV, 14
u. Vni, 59 u. 108). Analytisch ist nach Kant dasjenige
Urteil, dessen „Rrädikat B zum Subjekt A als etwas gebort,.
was in diesem Begriffe A (versteekterweise) enthalten ist";,
synthetisch dasjenige Urteil, dessen Prädikat B ganz
anfieriialb des Begriffes A liegt, obwohl es mit diesem ver-
knüpft wird. In den analytischen Urteilen wird also die
Verknüpfung durch die Identität gedacht, in den syntheti-
schen ohne Identität. In jenen geht das Prädikat eigentlich
auf den Begriff, in diesen auf das Objekt des Begriffs *). Bei
den synthetischen Urteilen genügt der Snbjektbegriff nicht,
um zu dem Urteile zu gelaojren, sondern «s muß etwas hinzu-
kommen, und zwar ist dies Hinzukommende bei den synthe-
tischen Erfahmngeurteilen die Erfahrung, bei den von Kant-
angenommenen synthetischen Urteilen a priori (z. B. den
Sätzen der reinen Mathematik, dem Prinzip der Kausalität,,
dem Prinzip der Beharrlichkeit usf.) die apriorische Banm-
und Zeitauschauung und die von Kant sog. Kategorien, d. h.
die apriorieehen allgemeinsten Erkenntnisbegriffe. Auf die
Bedeutung dieser Kautscheu Einteilung der Urteile für die
Logik wird in der Lehre vom Urteil aosführlicher eingegan-
gen werden.
Der dritte Hauptpunkt ist Kants Kstegori«ilehre. Ais-
Kategorien bezeichnete Kant, wie eben bereits angedentet,
abweichend von Aristoteles (vgl. S. 35) „die reinen Ver-
•) LoM BlKtUr aui KuBta NftcfaUB, mitfet. voa Rnd. Rek^ KAoifdv.
1B89 tt. 18e& («ach AtbmiB. MonaUb.. Bd. Si^ SO « 81}, Httt 1, S. «.<VgL
«och ebenda, S. 38, ISl^ ie»-a67, SBÜ.
a. Kapitel. AUgeoeine Oescfaichle der Logik,
129
•taoilefibegriffe, wetcho a priori auf Q^mostände der An-
»haDiut^ überhaupt e«heu" (E 96). Eine Itesondere Beden-
tnag bekamen diese Kategorien weiterhin noch dadnrch für
die Logik, dafi aie nach Kant den logischen Funktionen in
Bneeien Urteilen entsprechen, nnd Kant daher die Tafel
iRDer Kategorien ans der Tafel der Denkfnnktionen in den
UrteUen ableitete. Dabei gelangte er znr folgenden Ornppie-
niDg(E89, 96):
ngehdrige Estesori«n
l Qaantität a) allgemeine . ■ . Allheit
Vielheit
2. Qualität
3. Relation
urteil«
a) allgemeine
b) besondere
c) einzelne . .
a) bejahende
b) vemeinend^i.
c) unendliche .
a) kategorische
b) hypothetische
c) disjunktive
Einheit
Bealität
Negation
Limitation
Ifahärenz und Sabsi-
stenz (substantia et
accidena)
EAusalität and Depeo-
denz (üiTBache und
Wirkong)
Gemeinschaft (Wech-
selwirkung zwischen
dem Handelnden und
Leidenden)
Möglichkeit — Unmög-
lichkeit
Dasein — Nichtsein
Notwendigkeit — Zu-
fälligkeit.
In den Einzelabschnitten wird auf diese Eantsehe Tafel
noch öfter zurückzukommen sein, über die Beziehongeu der
SaatBchen Erkenntnistheorie zur Logik ist auch % 56 und 57
^ Tergleichen (PhänomenalismuB).
i U. Kuh AwtlBtw ud Oaga« in tu Lailt Kants Schüler und
AnUnmr versuchten schon sehr bald, auf des von Kant EescbaBenen Gnmd-
ateo die Logik umzuatbeiten, und gaben dabei die WoUfsche Logik, von d;r
«dl Kant niemals völlig befreit hatte, mehr oder weniger voilständiK preis.
Ue «tchtigiten unter diesen von Kant abhAnsigen Logikern sind folgende:
Friedrich Gottlob Born (1743—18(17}: Varsuch Ober die Ursprung).
Gnmdlagea des memcbL Denkens usw., Leipzig 1791 (namentlich § SC
bis 38).
'>*b*n, Lthrinich dir Lopk. 9
i Modalität a) problematische
b) assertorische
e) apodiktische
1,1^. OQi
'S'c
130 I' T«!!- AbtrnnzuDV uod alUemeine 0«acIiichl« der Loiik.
J«h. Aug. Heinr. Ulrich (1746-4813): lostttuliones logica« et meU-
physicae, Jen. 1786. a Aufl. 1793, S. 87— B8a
Dielerich Tiedemann (1748— 1B0&) : Theaetet od. Ober das menachL
Wiben, Fikft. a. M. 17M, namentUch S. 133 ff.
Maternus ReuB (1751—1826); Losica umTersalia et analyüca faculUUs
cognoscuidi purae, Wiiceb. 1789^ S. IH. u. 84 S.; Vodesuosen Obw die
theoret. u. pnkL Philosophie, 1. Teil; Voriesunsen Ober die L(«ik,Wan-
buis 17S7 (S. 1—72 reine Logik; viellach auch von Iteinhold abhäncis).
Carl Leonhard Beinhold (17S8— iieSB): Gnindlegung mner Stdo
nymik elc, Kiel 1612; Versuch einer neuen Theorie des menschlichen
VorsteUungsrermögens, Prag uod Jena 1788; Das menschl. Erkenntnis-
vermögen, aus dem Gesichtspunkte des durch die Wortsivache ver-
mittelten Zusanunenhangs zwischen der Sinnlichkeit und dem Denk-
vermögen, Kiel 1816 (namentlich S. 1120.); Versuch einer Critik der
Logik aus dem Gesichlspunkte der Sprache, 1806, namentlich S. 8 — 62.
Job. Heinr. Tieftrunk (17^-3697): GnindiiB der Logik, HaUe 1801;
Die Denklehre in reindeuladiem Gewände etc., Halle-Leipzig 1886 C^de
z. T. zweckmfcBige Verdeutschungsversuche logischer Termim, z. B. S. 27
Kategorien =s Urbegrifie usf.).
Ludw. Heinr. v. Jakob (1760— d8S7): GrundriB der allgemeinen Logik
und kritische AnlangsgrOnde zu der altgemrinen Metaphysik, HaUe 178&,
2. Aufl. 1790.
Carl Christian Efb. Sehraid (1761—1812): GrundriB der Logil^
Jena-Leipzig 1887 (namentlich S. SB, 71, IfiOff.).
Joh. Heinr. Abicht Cl?ea— 180*'} : Enzyklop&die der Philosophie mit
literarischen Notizen, Frankf. a. M. 1801 (Theorie der Wahrtieätdnuisl,
S. 330 C); Philosophie der Erkenntnisse, Bayreuth 1791 (namentlich
S. 93—86^; Verbesserte Logik oder Wahrheils wissenschafi, Fürth 1800*;
Anleitung und Materialien zu einem logiscb - praktischen Institut, Er-
langen 1796 (kurzer Leitfaden der Logik mit praktisdien Anwendungen).
Job. Gottlieb Buble {176»-^821): Einleitung in die allgemeine Logik
und die Kritik der reinen Vemunit, Gatt. 1796; Entwurf der Tranazeh<
dentalphiloso^e, Gfitt. 1796 (namentL % 113—178).
Job. Christoph Eoffbauer (1766—1828): AnalyUk der UrleUc und
Schlosse mit Anmerkungen etc., Halle 1792; Über die Analysis in der
Philosophie usf., Halle 1910 (namentL Absclm. 1 u. 3); Versuch Ober die
sicherste und leichteste Anwendung der Analysis in der philos. 'Wiasen-
echaft, Leipzig 1810 (S. ISO ff., Konstruktion logischer Begriffe); Anfauss-
grOnde der Logik nebst einem GrundriB der Erlahnmgsseelenlehre, HaUe
179«, S. 139 ff. (2, AufL 1810, S. 17 fi.); Tentamina semiologica, Halae
1789 ••
Job. Gebh. Ehrenr. MaaB (1766—1823): GrundriB der Logik, Halle-
Leipzig 1793, 4. AufL ISEB (stark veiindert).
Friedr. Bouterwek (1766—1828): Idee einer ApodikUk. ein Beytra« z.
menschl. SelbstversUndigung usf., Halle 1799 (namentL Bd. 1, 5. 2»fL);
Idee einer allgemeinen ApodikUk, GOttin^sches Fbiloscvh. llusaum 1798,
Bd. 1, Stück 3, S. 49ff. (Forts. Bd. 2. Stück 1, S. 17ff., logische ApodiÜik) ;
Lehrbuch der Philosoph. Voricetmtnisse, GOttingen ISIC^ ^ Aufl. ISSO^
S. 8Sft.; Lehrbuch der Philosoph. Wiaensch., Gfitüngen 1813, 2. Aufl.
1830, Teit 1, S. 17—66.
h. !■, ii,l^.00^1C
ä. KapilBl. AOscmeiite Geschichte der I^k. 131
Andreis Uetz (17S?— 1839): InttitutMiies togici«, Barab. ei Wircebarc.
17S6 (VI). S 17), ntmeiiU. S. 660.; Huidbucb der Logik, Bamb. u. W-Onib.
180% a AuO. 1816.
iob. GoU fr. Kar) Christian Kiesewetler (1766—1819): Rrund-
hfi einet reinen allsemeinen Logik nach Kartischen Grundaitzen, Frank-
furt IL Leipzig 179ft'); Grundriß einer allsemeinen I^sik sowolil der
raaen als der angewandten nach Kanüacfaen Gnudsitzen, BeiUn 1796
(mgleich 3. Aufl. dea erstgenannten Werks, eine weitere Ausgabe erschien
Berlin 1802; aufierdem Nachdrucke); Logik zum Gebrauch für Schulen,
3. Aufl., Leipzig 17H; Kompendium einer altg. Logik, Leipzig 1796*.
«ilh. Traugott Krug (1770— 1M2): SysUm der Iheoret. Philosophie,
Kdaigsberg 1&06, 2. AufL 1819, 8. AufL 18%, 1. Teil DenUehre, namentl.
S ^11; Versuch einer aystemat Enzyklopädie der Wissenschaften,
L teil, Willenb. u. Lpz. 1796, 5 «2 ff., S. 169 ff.; Handbuch der Philo»,
and philos. Literatur, Bd. 1. Leipzig 1^0, S. 117 ff.
Gsttlob Wilh. Gerlach (1786— 186t): Grundriß der Logik, Halle 1817.
Heinrich Christoph Wilh. Sigvart*) (1769—1844): Handbuch ni
VorlesungLD Ober die Logik, Tübingen 1618, namentl. § 3—36, u. Handb.
d. theor. Philos., Tflb. 1830, g 112fL (S. 65ff.}.
Teils hielten diese Forscher den Kantschen Standpunkt streng fest,
idb (z. B. Tiedunann, Ulrich, Hoffbauer, Jakob) wichen sie in einzelnen
I'oakten von Kant ab oder schwankten in ihren Anschauungen (wie z. B.
C. L Reinhold).
Auch an Gegnern fehlte es der auf Kants Lehren gegründeten Ixigik
uchL So vertrat Joh. Aug. Eberhard (173a~1809) in seiner ,rAllge-
meinen Theorie des Denkens und Empfindens" (Berlin 1776) den Leibnizschen
Standpunkt, Job. Georg Ueinr. Feder (1740-~1821] suchte Kant g^en<
ül)er eine hektische Stellungnahme zu verleidigen (Logik und Hetaphyak,
GälL u. Gotha 1769, ö. Aufl. G6tt 1778; Grundriß der philos. Wissenschaften
•^^ Coburg 1767, S. 63—80; Grundsfitze der Logik und Metaphysik, GQtL
1794; Insüt. tag. et metaphys-, Gott 1777), Joh, Christoph SchwaB
(170—1821) bemühte sich in einer Pretsschrift [Welche Fortschritte hat die
Metaphysik seit Leibnizens und Wolffs Zeilen in Deutschland Bi'macht?
BerÜD 1796) zu zeigen, daß die Wolfische Lehre Doch unerschüttert sei.
Ernst Pia tn er (1744—1818) schrieb ein „Lehrbuch der Logik und Meta-
PtiTrik" (Leipzig 17%, laut Vorrede Auszug und Nachtrag zu den Aphorismen ;
l-ofik S. 6 — HO], das bei allen Angriffen gegen Kant doch allenthalben den
EiafhiB seiner Lehre erkennen ließ*}. Christoph Heiners (17(7 bis
iSlO) trat fOr die Federschen Lehren ein und betonte einseitig den rein
pnch^giscben Standpunkt (Revision der Pliilosophie, Gottingen- Gotha 1772,
MiwatL S. G8 a S. l&9ff.; Untersuchungen Über die Denkkräfte und Willens-
bifte des Menschen, GCttingen 180% Tdl 1, 5. 18S— 215).
') Vielleicht handelt es sich um einen Nachdruck. Die Vorrede ist von
1791 aus Berlin datiert
>) Diesem steht wiederum nahe Andreas Erhard, Handbuch der
Usik, München 1839.
■) Vgl Ober Fiatners Stellung zu Kant auch B. Seligkowils, Tlertetjahrs-
Kttdt L wisa. Philosophie 189% Bd. Iflt & 7A
„.,.,„.>..oo^sic
182 I. Teil Ahfrcnzung und aHgenieine Ceachidite dtt Lo^
Viel bedeutender war der „Versuch einer neuea Lacik oder Theorie des
Denkens" (Beriin 17H Neudruck Beriin 1912) '*nn Salomon Maimon
(17fri — 1800)^ der zwsr «och tesen Kuils Lehre gericfatet war, aber doch
Kilon (anz von der Kaatach«! Fragestellunt bdierrscht war. Hainioii ^fi-
niert die Lcdk als die Wissenschaft des Denkens eines durch innere
Merkmale unbestiimnten und tdoB durch das Verhiltnis zur
Denkbaikeit bestimmten Cttijektes Oberhaupt (S. 1). Objekt der Logik
ist nicht das, was durch das logiBche Denken bestimmt, soadem das, worüber
lofiach gedacht wird. Das Denken ist die Uandluns des Subjekts, «odurclv
unter Vorausaelzung der identischen Einheit des Subjekts im.
BewuBtsein des Mannigfaltigen des dem Denken gegebenen Objekts, eiite
objektive Einheit dieses Mannigfaltigen bervorgebracht wird. Die Wahrheit
von Vorstellungen und BegriKen ist eine logische, wenn sie mit ihren
Objekten nach den Gesetzen des Widerspruchs und der Identität Obeieiii-
stimmen, sie ist dsgesen eine metaphTsiscbe, wenn sie als Bestandteile des
im Objekt verbundenen Masoigfaltigen nicht nur infolge Hangeb eines Wider-
spruchs gedacht, sondern ausGrOnden, die auBerfaalb des Denkvennfifens-
liegen, eAannt werden (S. 15). Die Unterscheidung zwischen analrtiachen
und synthetischen Urteilen venucht M. anders zu formulieren, ohne sachlich
von Kant abzuweichen (S. lOS). Die Kantsche Tenninologie der reinen und
angewandten Logik wurde von ihm vert>essert (vgl. oben S. 126). Die Her-
leitunfl der Kategorien, die MainMn als „die a priori bestimmten Element«r-
prftdikale oder notwendigen Prftdikate aller reellen Objekte" auffallt (S. 13+),
BUS den Urteilsfunktionen wird von M. verworfen und eine Ableitung aus den
Bedingungen der Möglichkeit des Denkens eines reellen Objekts versucttt
(S. 13S). Die Tafel, zu der H. so gelangt, stimmt Qbrigens mit einer Aeis-
nahme (Wegfall der Kausalitlt) ganz mit der Kantschen hbereio. Vgl. Ober
Uaimon auch S. 31 u. § öi in diesem Buche.
Eine besondere Stellung unter Kants Gegnern nimmt endlich Gottlob-
Ernst Schulze (1761 — 1883) ein. Seine Hauptscbrift *) „Aeneüdemus"
(ohne Angabe des Druckorts 1792, Berlin 1911 von Liebett neu herausgegebeii)
Var zwar nach dem Titel gegen Reinholds Elementarphilosophie gerichtet,
griff aber allenthalben auch die Grundlehren Kants vom Standpunkt des
^eptizismus an. Auf die veitere Entwicklung der Logik hat sie keinen
nachhaltigen EinHuB gehabt. Tgl. auch S. 10.
6 35. Fiehto. Job. Gottlieb Fichte a762— 1814)
definierte die Wissenscfaaf talehre als diejenige Wissen-
echaft, welche die Möglichkeit des Wissens erklärt. Dleee
•) Außerdem: Gnindsfttze dei* allgem. I,ogik, HebiBtftdt 1800, i. Aufl.,.
Gottingen 1822i Enzrklopadie der Philosoph. Wissenschaften usw., 2. Aufl.»
Gdttingen 1818 (namentl. S. 20ilL); Über die menschl. Erkenntnis, GötUnsen
1832 (S. 1 — 317); GrundriS der Philosoph. Wissenschaften, Wittenberg u.
Zerbst^ Bd. 1^ 1788, Bd. 2, 1790 (namentL Bd, 1, § 17 ff. u. » ff.).
') Für die Logik kommen namentlich in Betracht: Ober den Begriff der
WiSBenschaftalehre usf., Weimar 179« (SAmtl. WW., Berlin 1846, Bd. 1,
S. 29); Grundlage der gesamten WissenscbaftsJehre, Jena-Leipzig 1794 (WW.
Bd. 1, S. 86); Grundriß des Eigentflmlichea der Wissenschsftslehre usf., Jena.
179b, sowie Philosoph. Joum. 1797, Bd. 6—7; Einleitungsvo riesungen in di«
h. !■, II, l^.OOQIC
2. KaiHteL AÜtwnein« Geachichle dar Logik. jgg
FkliteecheWiseenschaftslehre ist also von derWisseuBcliatts-
Jeliie, vie sie kurz danach von G. B. Schulze aufgestellt
wurde und von mir in der Einleitung S. 9 charakterisiert
wurde, wesentlich verechieden. Sie ist nicht ein Teil der
Logik, sondern eine Wissenschaft, von der die gesamte Logik
ebenso wie jede andere Wissenschaft abhängt Sie ist das
Wi88^ vom Wissen (I, 45; II, 9). Die Möglichkeit alles
Wiflsens beruht nach F. auf dem absolut ersten, unbeweis-
baren und doch dorch sich selbst vollkommen gewlaaen
Gnmdsatz: „Bas Ich setzt ursprünglich sein eigenes Sein."
In dem denkenden loh und dem gedachten Ich sind beide
identisch, im Selbstbewußtsein ist Subjektives und Objek-
tives unzertrennlich vereinigt Die Weiterentwicklung des
Fiditeschen Systems aus diesem ersten Grundsatz kann hier
nicht verfolgt, sondern nur die Beziehung zur Logik kurz
hervorgehoben werden. Ans dem materialen Satz „Ich bin"
entsteht durch Abstraktion von seinem Inhalt „der bloß for-
male nnd logische" „Grundsatz der Identität" : A = AiI, 105).
Indem das Ich w«iter „das Entgegengesetztsein überhaupt"
als Nicht-Ich setzt, ergibt sich durch analoge Abstraktion
der logische Satz: — A nicht = A („Grundsatz des Gegen-
Betzens"). Abstrahiert man endlich von der bestimmten
Handlung des Urteikens ganz und sieht bloß auf die Form
der Folgerung vom Entgegengesetzsein auf das Nicht-Seia,
eo erhält man die Kategorie der Negation. Der Gegensatz
T^ifichen dem Ich und dem entgegengesetzten Nicht-Ich führt
■Ol dem Begriff der Teilbarkeit des Ich: ich setze im Ich dem
teilbaren Ich ein teilbares Nicht-Ich entgegen, und dem ent-
spricht logisch der „Satz des Grundes": A zum Teil = — A
und on^Tckehrt. Jedes Entgegengesetzte ist seinem Ent-
gegengesetzten in Einem Merkmal = X gleich (Bezlehongs-
gnmd), und jedes Gleiche ist seinem Gleichen in Einem Merk-
>nal=X entgegengesetzt (Unterscheidnngsgmnd). Das „anti-
ViSKDschattslehre, die IranszendenUle Logik und die Talsachen d«a BewuSt-
»ins. NicbgeL WW. Bd. 1, Bonn 1684 (= Bd. 9 der Sftmtl. WW.J. Hit
^cbtea Logik beschäftigen sich u. >. i^amenlllcfa'. E. Lask, Fichles Idealismus
md die Geschichte, Tfibingen u. Leiuzig 1D02, namentL S. SSIf.; Fr. Hedkus.
J- G. Fichte, Beriin 1905, namentL S. 2Cäi AUr. HenzeV Die Grundlagen der
Pichteacben WissenscbaHslehre in ihrem Verfaällnis zu Kants KrilizismuB,
Leips« 1909; Lanz, Fichte und der transzendentale Wahrheitsbegrill, Ardi.
IGtKb. d. Fhilos. 1918, Bd. 26, S.1; W. Kabitz, Studien zur EntwicUuQgs-
^Ndiichte der Fichteschen Wiasenschattslehre usl., Berlin 190^ nam. S. B7ff.
„.,,„, ^.oogic
134 '■ T^^ Abcreaiuog nnd (ütsemeioe Oescbichte der Logik.
thetische (analytisclie) Verfahren sacht das letztere, das „S70-
thetiache" Verfahren das erstere Merkmal auf (I, 110 — 113,
etwas abweichend 337 S.). Antithesis ohne Synthesis ist
ebenso unmöglich wie Synthesie ohne Antithesis, and beide
sind anmöglich ohne eine Thesis, d. h. ein ,^tzen schlecht-
hin", dnrch welches ein A (das Ich) keinem anderen gleich
nnd keinem anderen entgegengesetzt, sondern bloB schlecht-
hin gesetzt wird.
Indem das Ich ein Kicbt-Ich anachant (im Sinne einer
reflektierten Tätigkeit I, 228, s. jedoch auch 340 n. 354 u.
391 ff.), soll diese Äosehanang fixiert werden, „nm als eins
und dasselbe aufgefaßt werden zu können". Dies geschieht
durch den Verstand (im Gegensatz zur Vemnnft, dem
„schlechthin setzenden Vermögen im Ich"). Dnrch „Selbst-
bestimmung" and „Wechselbestimmung" ergeben sich wei-
tere logische Tätigkeiten and Beziebungea. Jedenfalls also
sind alle logischen Prozesse gegenüber den ursprünglichen
Tathandlungen des Ich sekundär. Dos Anschauen seiiier
selbst, welches — vor aller logischen Begriffsbildnng — der
Philosoph „im Vollziehen des Aktes, durch den ihm das Ich
entsteht", hat, wird von Fichte als „intellektuelle An-
schauung" bezeichnet (I, 463). Diese intellektuell« An-
schauung meines Selbstbewußtseins begleitet aber überhaupt
alle meine Handlungen, sie ist nicht spezifisch logisch. In den
Späteren Darstellungen seines Systems hat F. manche dieser
Sätze wesentlich modifiziert Die Identität des absoloten
Seins mit dem absoluten Denken im „absoluten Wissen" tritt
in den Vordergrund (II, 14 tT.). Daher heifit es, daQ alles
Sein Wissen ist Ql, 35) und die absolute Form des Wissens
darin besteht, „schlechthin für sich zu sein". Auch wird
noch viel schärfer betont, daß „von irgendeinem empirischen
Ich in der Wissenschaf Islehre nicht die Bede ist" (II, 163 u.
116), daß es sich also um ein überindividuellee, wie Fichtee
Sohn bemerkt, „überfaktisches" Ich bandelt. Daß vollends die
dritte — theistisch - ethische — Umgestaltung der Wissen-
Bchaftslehre sich ganz von der Logik (im herkömmlieben
Sinne) entfernen muß, ist selbstverständlich. Es muß nur
betont werden, daß die Neigung, das Theoretische dem Prak-
tischen und insbesondere das Logische dem Ethischen unter-
zuordnen und das letzte Kriterium aller theoretischen Wahr-
heit im Sittengesetz zu suchen, aach achon in den früheren
2. Kapitel. Alltcmeiae Geachiebte dw Logik. 135
Waiea, namentlich in dem System der Sittenlehre (1798),
oft scharf heryortritt.
Za den logiKheo Waken, w^be aus Fichles Schule hervorfCMiigen
sn^febann: GoltLErnstAug. Uehmel (1761— lUO), Vetsoch eioef
bHVendiahschea Daretellung der Philosophie zur ErleichlcniDS ihres Stu-.
iSiDiis, 1. Heft: Theorie des VorsteUimgsvennögeDS als elementare Grundlage
dtr Riilosophie, Erlangen 1797 (auf einem 2. Titelblatt; Versuch einer voll-
stlDdigen Theorie des Votstellungsrennögens als elementare Grunctlage der
nidoHiihie>); Versuch einer voUstlndigen analytischen Denldebre als Vor-
pkäosophie und im Geiste der Philosopliie, namentt g 18 u. 19, Erlangen
ISB; Job. Baptista Schad (17Eie~aeU}, Keuer GrundriB der transzen-
•imUlen Logik und Metaphysik nach den Pr^zipien der WisBeDschaftdehre,
lau o. Leipzig 1804 u- Institutiones philosophiae universae, Bd. 1: logicam
canvkctens, Charkow u. Halle 1812*; Gottlob Christian Friedr,
Cischhaher (1779—1626), Lehrbuch der Logik, Stutig. 1818; Cliriatian
Weis (1774 — 1868), Lehrbuch der Logik nebst einer Einl. zur Philosophie
libeilisupt und bes; zu der bisherigen Uetaphysik, Leipzig 1801 (vieU&cb Ab-
wacfaungen von Fichte, in der Vorrede und zum SchluB in g 342 eiue .4n-
tüsdigunK einn ganz neuen Wendung seiner pbilos. Denkart im Sinne des
ins. Büciertscben „Realismus"); Aug. Ernst Umbreit, System der
Utik, fieidelbeig 18BS (vgl. namena S & u- S 10 fl.)-
Kit Fichte stimmt in einem wesentlichen Punkte auch Anton
GQnlber (1783—1868, Gesammelte Schrillen, Wien ISBl) bberein, insofcm
tr den Grand aller GewiBheit in der Identit&t von Denken und Sein im Ich
lAchirnseti zn kfinnen glaubt und zwar nur in dem absoluten (gCtt-
üchca} Ich. Zu einer lolgerichtigen Enlwickhing der logischen GewiBheit (Ur
du indiriduelle Ich ist Günther nicht gelangt Die Kategorieolehre verdankt
ibm manche wichtige Anregungen. Ihm steht nahe W i 1 h. K a u 1 i c h (gesL
ISBl, Handbuch der Logik, Prag 1869). In dieselbe Entwicklungsreihc gehören
uKh Martin Deutinger (1816—64', Oruodlinien e. pos. Philosophie etc.,
Hegensburg 18(3—1849, Teil 3, Denklehre, Bd. »), Job. Heinr. Löwe
'jest. IfiSg, Lehrb. der Logik, Wien 1881) und Georg Neudecker (geb.
18M). Letzterer betrachtet in seiner Grundlegung der reinen Logik (WQrz-
tmg 1882) das Selbslbewufitsein des individuellen Ichs, in dem daa Besondere
BBt seinem Allgemeinen und das Sein mit dem Denken unmittelbar zusammen-
Unit, als die Grundlage aller GewiBheit der Eifcenntnis (vgl. z. B. L. c St 2S).
$36. SehelUnK. Sehlelermaelter. Friedr. Wilh. Joa.
SchellingO (1775 — 1854) lehrt bekamitlich — wenigstens
in seinen Hauptwerken ans den Jahren 1800 — 1802 — , daß
die Vernunft die totale Indifferenz des Subjektiven und Ob-
n der Vorrede auch seine Beziehungen
1) System des Iranuendentalen Ideahsmus, TObingen 1800 (^mlL
Vtikc, Stuttgart-Augaburi ISG8, Bd. 8, S. 327); Vorlesungen Ober die Methode
detatad. Stud-, Stuttgart u. TQbii««i 1808 (S&mtl. Werte 180», B4 &, S.207),
uninilL Vori. 4 u. 6; System der geiomten FbiloBophie und dei Naturphilo-
pgic
136 I' ^'''- Abgrenzung und aUgemeioe Geschichte der Logik.
jektiven, die „absolute Identität" ist („absolutes Identitäts-
eystem" oder „objektiver Idealismus" im OegonBatz znm
„änbjektiven" Fichtes). Außer ibr existiert nichts. Alles
Erkennen ist Selbäterkennen. Je nachdem in der Identität
des Snbjekt-ObjektB die Subjektivität oder die Objektivität
überwiegt, ist die Vernunft „Geist" oder „Natur". In der
'Anschauung sind Objekt nnd BegrifF identisch. Erst in der
Reflexion (Abstraktion) werden beide getrennt Bie absolnte
Identität enthält sowohl das Prinzip des Wissens (nicht n n r
des Wissena, wie Fichte lehre) als auch dasjenige des Seine.
Sie ist daher auch absolutes Bewußtsein oder Selbst-
anschaunng. i)ie Grundsätze des Wissens und des Seine
fallen somit zusammen. Die Logik im üblichen Sinne (als
fonnale Logik) gehört, insofern sie nur einseitig die formalen
Gesetze des Erkennens feststellt, „ganz zu den empirischen
iVersuchen in der Philosophie" (V, S. 260); sie ist eine ganz
empirische Doktrin, welche, die Gesetze des gemeinen ' Ver-
Btandee als absolute aufstellt, also z. B. lehrt, daß von zwei
kontradiktorisch entgegengesetzten Begriffen jedem Wesen
nur einer zukomme, was nach Schelling „in der Sphäre der
Endlichkeit seine vollkommene Bicbtigkeit hat, nicht aber in
der Spekulation, die nur in der Gleicbsctsung Entgegwi-
gesetzter ihren Anfang hat" (ibid. u. VI, S. 529).
Die Grundsätze der Logik sind daher anch „nicht nn-
bedingt", sondern ebenfalls von höheren Sätzen abzuleitwi.
Sie entstehen „bloß dadurch, daß wir, was in den anderen
bloß Form ist, selbst wieder zum Inhalt der Sätze machen;
die Logik kann also überhaupt nur durch Abstraktion von
bestimmten Gesetzen entstehen". „Ensteht sie auf wissen-
»cbaftliche Art, so kann sie nur durch Abstraktion von
den obersten Groudsätzen des Wissens entstehen, und da
diese als Grundsätze hinwiederum selbst schon die
logische Form voraussetzen, so müssen sie von der Art sein,
daß in ihnen beides. Form und Gehalt, wechselseitig sich
iwdingt nnd herbeiführt" (UI, S. 360).
Die höchste oder absolute Erkenntnisart ist die intellek-
tuelle Anschauung (Vemnnftanschanung). Sie entspricht
eophie insbesonäere, ISOi (Sämtl. Weike 1860, Bd. 6, & IM, namentl auch
S. blBB.y, D&ratelluns meines Systems der Philosophie, Ztachr. f. apA.
Physik 1801, Bd. 2 (SftmU. Werke 1866, Bd. {. S. 106); Fernere I!>ar3{eIlu]ia«B
a. d. Syst d. Philos., Neue Ztschr. i spek. Physik 18061 Bd. 1 (SioAX. Weft»
Iföe, Bd. *, S. 93^; Bruno, BerUn 180B (ebenda S. 21S, namena S. OBtL).
.OOC^IC
2. KaintaL ADgemeUie GeschJcble der Lo^ 137
der reinen sreometriBchea Anfichaunng aof dem Gebiete der
Kitliematlk. Wie diese ist sie „etwas Entschiedenes und
vorüber kein Zweifel statuiert oder Erklärung nötig ge-
fmdeo wird. Sie ist das, was schleohthin und ohne alle
Fcvdemng vorausgesetzt wird, und kann in dieser Bücksicht
nidit eimnal Postulat der Hiilosophie heÜten" (IV, 8. 361).
Die luunittelbare Erkenntnis des Absoluten ist „das Frinsip
und der Grund der Möglichkeit aller Philosophie" UV, S. 36^.
Die Bedingung dieser unmittelbaren Evidenz ist: Einheit des
Wesens und der Form. Änsdrücklich verwahrt sich Seh. da-
fingen, daß man dabei etwa an „das bloß logische Gesetz der
Identität" denke, „welches, wie die Logik selbst, eine bloße
Verstandeslehre Bei"* und „anch nur den analysierenden Ver-
stand bestimme"; es handle sich vielmehr um das „Vemnnft-
geeetz der Identität, in Ansehung dessen der Gegensatz des
Analytischen und Synthetischen selbst nicht existiere, und
velches einziges Prinzip aller konstruktiven und demonstra-
tiven Erkenntnis sei" (TV, S. 345). Die philosophische
Methode ist daher auch weder synthetisch noch analytisch,
fiondem die Philosophie bat nur die eine „absolute Methode".
Die höchste Erkenntnis (= Vernunft) ist diejenige, worin die
Oleichheit des Subjekts und Objekts selbst erkannt wird oder
njene ewige Gleichheit sich selbst erkennt" (VI, S. 141 u.
497 ff.). Jede Erkenntnis ist daher wahr, wenn sie mittelbar
oder unmittelbar die absolute Identität des Objektiven und
Snbjektiven ausdruckt
Vom Standpunkt ScbeUinn siad folgedde logische Werke verfaBl;
Georg Michael Klein (1776—1830), Verstandeaiehre, Baroberg 1810'.
3. Aufl. (Anscbauungs- und Denklebn), Bamberg^Wflrzburg iS18.
Franz ignazThanaer (1770--18S6], L^rbuch dei* tbeoreL Philosophie.
Teil 1, Salzbuis 1811 u. Handbuch der Vorbereitung u. Einleitung cum
selbsUnd. wiss. Slud. besonders der Philosophie, 1. formaler Teil: Di«
Deoklebre, Uflnchen 1807 >).
linaz Faul Vitalia Trozler (17afr-^lSe6). Naturlehre des inenschl.
Eikennens, Aarau 1S2S (nameDlL S. 19 IT., 149 iL, 209 If.) und Logik, die
Wissenschaft des Denkens uod Kritik aller EAenntnis etc., Stultaait-
TUlMcgen 1899/30').
*) Nebentitel: Lehifouch der Logik nüt isagogischen\ Beme Aungen Ober
<^ ikad. Studium als (onnale Einteilung zur Philosophie (v^ namentL
S. 36 o. 69).
*i Ober »eioa dgrae Slallung gibt ar Teit 3, S. 181 1. AuAunft. Intar-
c»a&t ist leiae Eiateilunf der zeitgeaCssiachen Logiker, ebenda S. 164.
138 I' "^^I' Abcreazuos und aQgenwioe Oesehichte der Lofik.
Job. Jftk. Wagner (177b~lMl), Orsuion der menschl. Eikennüüs, Ulm
1861 (1. AuO. Eria9gen ISBO).
Leonh. Rabus (geb. 1886), Lehrbuch d«r Logik in neuer Dustelluns usf.,
Eriauen 1868 (schliefil sichi an J. I. Wagner an; bezeichnet die Induktion
als eine „Ausschreitung" der Logik, % \0i); Logik und Metaphysik,
Erlangeu 1868; Die neuesten Bestreb, aut dem Gebiete der Log. bei d.
Deutschen u. d. logische Frage, Erlangen 1880; Logik und Srstem der
Wissenschaften, Erlaogen-Leipzig 18Ö6, zugleich Bd. 2 des LchA. z. Ein-
leit. in die Phil osophie {nam. S. 66; auch viele historische AnknQi:du&gen].
Wilh. Joseph Anton Werber (1788 toder 1800] bia 1878), Die Uhte
von der menschlichen EAenntnis etc., Karlsruhe- Freiburg 1S41.
Franz Anl. NOBlein (1776—1832), Gnmdlinien der Logik zum Ge-
brauche bei Vorlesungen nebst einem Anhange: BegriO und Einteilung
der Philosophie elc, Bamberg 1824, namenll. S. 17 (§ 36) u. Anhang
S. ab (§ 37 *).
Etwas femer steht der Schellingschen Lehre Karl Christian
Friedrich Krause °) (1781— 188S), der überdies namentlich in seinen
späteren Schriften stark unter den EinfluB Hegels geriet. Schelfings intel-
lektuelle Anschauung kehrt bei ihm als „Wesensschauung" wieder. Die Selbst-
schauung des Ich als Leib weist auf die Natur als das zugehörige Ganze, die
Selfastscbauung des Ich als Geist auf die Vernunft ab das zugehörige Ganze
hin. Beide zusammen weisen auf ein „Urwesen" bin. Difl Schauung „Wesen
oder Gott" bildet den AbschluS. Diejenigen philosophischen Disziplinen,
welche untersuchen, was „Wesen an sich" ist, sind nach Krause die formalen
DisziplineD oder „W e s e n hsttslehren" im Gegensatz zu den materialen
Disziplinen oder „Wesen lehren", die untersuchen, was Gott „in neb und
unter sich" ist. Zu den Wesenheitslebren gehört neben der Mathematik
auch die Logik. Die Wesenheiten bilden ein System von Kategorien, welche
Krause mit Kant anerkennt, aber wesentlich anders gliedert (GrundriB S. 33).
Die Logik als Wissenschaft vom menschlichen Eikennen (Ericenntnis- 04«"
Erkennlehre, AbriS g 1 u. 4) hat einerseits analytisch (historisch) das Denken
zu beschreiben und andrerseits die objektive Gültigkeit der Denkfonn«i und
Denkgesetze darzutun. Hiemach unterscheidet Kt. eine analytische oder
histnische und eine synthetische oder metaphy^sche oder philosophische
(a stf.) Logik. Manche neuere logizislische Lehren (vgl. g 46) werden hier
bereits vorgetragen. Entsprechend seiner Lehre von der „Uathesis" als
der allgemeinen Wissenschaft des Erstwesentlichen (Lehre v. EA., Encykl
S 8, S. 466) verstattet er der mathematischen, speziell der geometrischen Ver-
bildlichung des Logischen einen breiten Raum.
*) In manchen Funkien weicht NoSlein übrigens erheblich von ScheJ-
ting ab.
') Hauptwerke auf logischem Gebiet: Vorlesungen über das Syston der
Philosophie, Gott 1828 S. asaff.; Vorles. über synthetische Logik, Lpz. 18S<;
AbriB des Systems der Logik als Philosoph, Wissenschaff nebst der meta-
physischen Grundlage der Logik und einer neuen schematischen Bezeichnunc
der Formen der Urteile und der Syllogismen etc., ISSG^ 2. Ausg. Qottingen
1828; GrandriB der histor.'Logik für Voriesungen, Jena-Leipzig 1808; Vor-
ksunsen Ober die Grundwahrheiten der Wissensdiaft etc., QOttingen 1829,
namentl. S. 181 — SM; Die Lehre vom Erkennen und von der Erkenntnis, als
erste fiinleit in die Wiswiiach. (postum), QCUincen 1880.
OgIC
2. Eaintel. AIlfaimDe Geschichte der Loirik. ]39
&II KrauMS Lehren knüirflen dann wcitertiiD Guillauine Tiber-
lbitn(1819 — 1901, nanieDUich Ia^uc, la tcience de U comtaissance, Paris
Iffi'.md Essai Uitoriquc et historiquc sur 1> tfafraüon des eonnaissuices
ktnamn ete., Bmx. 1844, nam. S. B6ft. u. 76 R.; Tgl. Aber ihn L. du Roua-
sn, Her. ntescol. 190S, Bd. 9, S. aB6) und Heinr. Simon Linde-
■ iDD (1807—1866. Die Denfckunde oder Logik, Sololhurn 1B(6, ntmentl.
1130.), MTie iD Spanien Inlian Sanz del Rio (Doctrinal de lotica
Eine eiientomliche, lum Teil weit abweichende Weiterbildung der
Schdlraneheii Auffassung Tertochlen auf logischem Gebiet auch Benedikt
Fraoz Xaver t. Baader*) (1766—1841) und sein Schaler Franz
Hoffmaan'} (1804—1681]. Sie stellten der theosophischen Losik als dem
rrtiiJd eine anthroposophische als ihr Abbild gegenDber. Die Logik ist, wie
li^ in Übereinstimmung mit Fichte, SchelUng und Hegel lehren, nichl bloBe
Jkenltformen Wissenschaft", sondern als „Erkenntniswissenscfaatl" auch
fnbiEts Wissenschaft. Sie ist also metaphysisch, umfaßt aber nicht wie
bei Hege] (s. unten) die g a n z e Metaphysik. Die Lehre von Gott lillt gleich-
hVs in das Gebiet der Logik, wenigstens derjenige Teil, welcher Gott als das
al<9olat erkennende Wesen darstellt Hierin liegt aber die Aufgabe der „theo-
uphischen" Logik. Die wahre Logik ist notwendig christlich; denn die
Takttwit kann nicht ohne die Vermittlung der Wahrheit, d. b. des absoluten
Götti gehmden werden, und Gott ist als Logos oder Gotlsohn Vermiltler fOr
du menschliche Erkennen.
Noch phan laslisch er ist das „System der positiven Logik" (Erlangen
IMl) Ton Emil Aug. t. Schaden (1814—1862), das Obrigens auch
■ttDche wertTolle Anregungen gqeben hat (z. B. scharfe Betonung des flkUven
Quuakters der Ealegorien, L c. S. 6; andrerseits ZurOckführung altes Seica
Bsd Werdens einschlieSlich der Logik auf die Kegetgestalt).
Die bedeutendste ÄasgeatalttiDg der logischen Prinzipien
Schellings bietet sich «ndlich in der Dialektik Friedr.
Dan. Ernst Sehleiermachers') (1768—1834) dar.
*) Fennenta cognitionis, Heft 1—6 Berlin 1GQ2-^S4, Heft 8 Leipzig 1825
(SifflU. WeAe Leipzig 1861 ff., Bd. 2, 5. 137—442); Ober den EinfluB der
Zachen der Gedanken auf deren Erzeugung und Gestaltung, Sonkordia
1830/31, Heft 2 (Säratl. WeAe Bd. 2, S. 126; kuQpfl an L. Gl. de St. Martins
Sdmfl Ober denselben Gegenstand y. J. 1799 an). Vor Baader fast schon
f^iedrich T. Schlegel (1773—1^4) eine theosophisch gerichtete Logik in seinen
lUlosoidüschen Vorlesungen aus den Jahren 1804—1806 (aus dem Nachlaß
kenusgegeben Ton C. J. H. Windiachmann, Bd. 1, Bonn 1886, S. 1—227, s.
auch Bd. 2, 1(07, S. 406-i*10) vertreten.
^ Gnindrifi der reinen aUgem. Logä, 2. Aufl., WOrzburg 1866; Gnind-
ztge ^er Geschichte des BegriBs der Logik in Deutschland von Sant bis
Biader, Lnpzig 1661 (Vorrede u. Einl. zu Baaders Weiken). Der Baaderachen
Sitele nihert sich in vielen Punkten auch KarIPhitippFischer (1807
Us 1886): GrundzDge des Systems der Philos. od. Enzykloplidie der philos.
Wäsenschaften, Bd. 1 GrundzOge der Logik u. Philos. der Natur, Erlangen
181^ S. SB— 168 u. Bd. 2, I.Abt., 1850, S. 887 8., sowie Hart in Katzen -
berger. Die Qnmdfngen der Logik, Leipzig 1868 (siehe ■. B. § 66).
*) Von L. Jonas in Bd. 2, Abt. 2 des UterariachcD Nachlasses, Berhn
UM ^ Bd. 4, Teil 2 der sftmtl. Werke) herausgegeben. Siehe auch Hslpem,
„.,,„, ^.oogic
140 ^ ^^ Abireozang und allgemetoe Gescbicbte der Loiik.
Nach Schi, ist Logik, formale Philosophie ohne Metaphysikt
transeeiidentale Philosophie, keine Wissenschaft; Sein und
Wissen kommen nar in einer Beihe von Terknäpft«n Er-
scheinnngen vor (^ 15 n. 16). Die ,J)ialektik" ist das
„Organon des Wissens, d. h. der Sitz aller Formeln seiner
Eonstroktion" und „das Mittel, sich üher jedes einzelne als
Wiesen Gegrebene zu orientieren durch Änknüpfonfr an die
zur Klarheit gebrachten letzten Prinzipien alles Wissens . . ."
(% 51b, 52, 17). „Wissen" ist dasjenige Denken, „welches
vorgestellt wird mit der Notwendigkeit, daß es von all^n
Duikensfähigen auf dieselbe Weise produziert werde, und
welches vorgestellt wird als einem Sein, dem darin gedachten,
entsprechend*' (^ 87 u. 238). Da wir im Selbstbewußtsein
zQgleich Denken imd Gedachtes sind, ist die absolute Ver-
schiedenartigkeit und Inkommensurabilität dea Gedankens
und des Seins kein triftiges Bedenken gegen die gegebene
Definition des Wissens (^ 101). Das Eorrespondieren des
Denkens nnd Seins ist durch die reale Beziehung, in der die
Totalität des Seins mit der Organisation steht, vermittelt
(% 106). Das Denken zerfällt in drei Gebiete: das eigentliche
Denken mit überwiegender Vemunfttätigkeit und anhangen-
der organischer, das Wahrnehmen -mit überwiegender oma-
nischer und anhangender rationaler und das Anschauen mit
dem Gleichgewicht beider (^ 115). In allem Denken ist die
Vemunfttätigkeit die Quelle der Einheit und Vielheit, die
organische Tätigkeit die Qnelle der Mannigfaltigkeit (^ 118).
Die Gemeinsamkeit der Erfahrung und der Prinzipien sind
mit der Idee des Wissens gesetzt. In Wirklichkeit gibt es
also kein reines Wissen, wir müssen nur hinter der Differenz
des gesonderten Wissens eine allgemeine Identität notwendig
yoraossetzen (§ 122 ff.). Die Vemunfttätigkeit ist im Idealen,
die organische Tätigkeit als abhängig von den Einwirkungen
der Gegenstände im Realen gegründet. Ideales und Böales
laufen parallel nebeneinander fort als Modi des Seins. Das
Ideale im Sein ist dasjenige, was Prinzip aller Vemnnf ttätig-
keit ist, inwiefern diese durchaus nicht von der organischen
Tätigkeit abstammt, und dos Reale dasjenige, vermöge dessen
Enlwii^iuigsgang der Schleiennach ersehen Dialektik, Atch. f.Qesch.d.PhilM.
laoi, Bd. 14, S. 210 und Georg Fr. L. WeiBenbom (tbI. S. 146), VorienuKen
Ober Schleiermachera Dialektik und Dogmalik, 1. Teil Darstelluo« und Eiitik
der Schleiermacherxheii Dialektik, Leipzis 1M7, Damena S. 1—187 u. SSSfl.
OgIC
2. Kapitel. AIlcaneiDe Geschichte der L(«ik. 141
€8 fämp der or^aniBchen Tätigkeit ist, iawiefem diese
AtreluQS nicht von der Vemtmfttätigkcrit abstammt (% 132tF.).
Qm Tnnfixendentale ist sonach „die Idee des Seine an sich
niter zwei entgegengiesetzten nnd sich anfeinander beziehen-
dBD Arten oder Formen Tind modis, dem idealen nnd realen,
ah Bedingnngr der Bealität des Wissens" i% 1'36). Die Idee
des ftbeointen Seins als Identit&t von Begriff nnd Gegenstand
ist Bellwt kein Wissen, aber der transzendentale Gnmd nnd
die Form alles Wissens (§ 153, 154). Begriff nnd urteil sind
die einzigen Formen des Denkens (^ 138). Beide setzen sich
gtgeiiBeitig vorans (% 140 ff. n. 233). Die Unterscheidung
iwiscben analytischen nnd synthetischea Urteilen ist daher
nielit aafreoht zn erhalten (^ 155).
Li dem zweiten oder „technischen" Teil (^ 230 ff.) legt
San gpoBee Gewicht auf die Untersnchong der Idee des
WisBens in der* Bewegung, d. h. im Werden. Da das reine
Senken nor ans dem bedingten entsteht, mnß man an den
hrtum anknüpfen and sich doch vom Irrtum frei halten. Den
[rrtam selbst betrachtet Schi, als eine onvermeidliche Sünde.
Auf weitere Binzelansfühmngen Schleiermachers wird in
dem speziellen Teil zurückgekommen werden.
Schleiennacfaera EinlluB auf die Weiterentwicklung der LcBik in
DntKhknd ist verhiltaismiBi« btdB Kewesen. Unmiltelbar schlieBen sich
AniuBt Hcinr, Ritler (1791—1869) und Franz Vorländer (1806
lis ISIT) aa ihn an. Von Rilter kommen namentlich in Betracht: Vor-
'tMotta zur Einleitung in die Logik, Berlin 1828; Abriß der philos. Logik,
Berlin 18M (2. Aufl. 18S9}, namenll. S. 1—39 a «—186; System der Logik
lud HeUphysik, 2 Bde., GOltingen 1866 und Enzyklop. der philoa. Wissen-
KMen, Bd. 1, GOttingcu 1862 (namenlL S. 297 tf.); von Vorlander: Grund-
'iaiea einer org. Wissenschaft der mensch). Seele, Beriin IMl, namenU.
S-HOD. und Wissenschalt der Erkeimtnis, Marburg-Leipzig 1847.
Sehleiennacher steht auch nahe Aug. Detlev Christian
^«esten (1789—1865), dessen J.ogik, insbesondere die Analytik" {Schles-
wig ISSb') jedoch vor dem Erscheinen der Schleiermacherschen Dialektik
»wMentlicbt ist (vgl. Vorrede XXXDC) und auch viel Eigenartiges enthalt.
So UEleracheidet er eine „anairtische Logik", die „mehr zu einer in sich ein-
^tamiien und konsequenten Entwicklung schon vorhandener als zur Grzeu-
twt neuer EAenntnisse fQhrt" und eine „synthetische Logik", der „die Bil-
iiiot (Synthesis) auch solcher Begriffe, Urteile und Erkenntnisse, die nicht als
*l»n «geben vorausgesetit werden" (S. XXVI u. § 19 ff. u. 261 ff), obliegt.
S 37. Hegel. Inzwischen hatte lange Zeit vor der Ver-
öffentlichung des postumen Werks von Schleiermacher die
*) Aufierdem GnindriB der analytischen Logik, Kiel 1634 (Auszug aus
^Äaptw<A}.
i,l^.OOglc
\42 '■ ^'>'- Abgrenzunt und ftUcemeine Gexhichte dei LoEik. |
Logik durch Georg Wilhelm Friedrich Hegel*) I
(1770—1831) im AnachlaB an Fichte and SchellingB fräfaere
Werke nochmals eine entschieden metaphysische Wendnng
genommen. Hegel lehrt, z. T. wohl in ÄUHchluß an Chri-
Btoph Gottfried Bardili') (1761—1808), daß sowohl
der Weltgeiat bzw. die Menschheit wie das einzelne Subjekt
drei Hauptstafen der Entwicklung durchlauft: BewuStsein,
SelbsthewnBtsein and Vernunft, welch letztere sich nochmals
in vier Stufen gliedert: Vernunft s. str., Geiet (als sittlicher
Geist), Religion und absolutes Wissen, in dem Wahrheit und
Gewißheit, Inhait und Form der Erkenntnis zusammenfallen
(III, 28 u. 35)^ Die Logik steht jenseits des Gegensatsee
zwischen „Sache" und „Gedanken", Inhalt und Fonn. Sie ist
daher durchaus nicht etwa eine formale) Wissenschaft, son-
dern die Wissenschaft des reinen Denkens, der absolaten
Wahrheit, wie sie ohne Hülle an und für sich selbst ist Die
Logik bedarf daher, lirn dieser ihrer eigentlichen inhalt-
lichen Aufgabe gerecht zu werden, einer „totalen Um- j
arbeitung". Die Methode, durch welche sie ifare Aufgabe löst,
ist die „d i a 1 e4 tische" (im prägnanten Sinne Hegels) and
besteht in einer „inneren Selbstbewegung" des Denkinhalt«.
Indem eine „Gestalt des Bewußtseins sich in ihrer Beali-
■) Für die Losik kommen aamenUIcb in iktiachl: PMaomeDolosie d«3
GeisUa, Bunburg-Würzbucs 1807 (S&mU. Werke, Bd. 2); Wisaeoschaft der
Losik, NQmberg 1612 u. 1816 (Simtt. We^e, Bd. 3—0), 2. AutL 1833— IS»;
Euzvklop&die der philoMuh. WissenscbalLen im Giundrisse, Heideiben ISl^
aAua 182P, 3,Aun. isao, Teül. Wissensch. der Logik (SimtL Werke, Bift
hier von L. v. Henning mit Zus&tzen aus Hegelschea Vorlesungaiieflen und
Nackschrilten der Zuhörer berauagegeben)! PropJLdeutik (S&mtliche Weik^
Bd. IS, nach fainterlassenen Heften usf. von Itosenkiauz herauagegeben).
Unter den Scbriften über Hegels Logik sind am wichtigsten: Kuno Fiäcber,
Hegels Leben, Werke u. Lehie, Heidelberg 190i; oamenU. TeU 1, S. i3»B.;
AI. Sdunid, EDl^icLelungsgbsich, oer Hegeischen Logik^ Begensburg ISbS;
Georges Noei. La logique de Hegel, Paris 1687; McTaggäit, A commeulan'
an Hegels logic, Cambridge 1910 Cs- auch Mind 1693, S. 56) u. Sludics in
(he Hegelian üialectic, (lambridge 1896; E. B. UcGilvan'; I'he dialectical
method, Mind, Bd. 7. 1699, S. 560.; Ad. Trendelenburg, Die log. Frage ia
Hegels System, I^ipzig 1843; Ed. v. Hartmann, Über die dialekl. Uelbode,
Berlin 186Et 2. Aufl., Sachsa 1910; J. Stuhrmann, Die Wurzeln der Ilegel-
schen Logik bei Kant 1887. Der 3. Bd. der WW. wird nach d. 2. Aufl. zitiert.
') Grundrüt der Ersten Logik, gereiniget von den Irrtümern bisheriger
Logiken überhaupt, der Eantisdien in^Ksondere etc., Stuttgart 1800 (TgL
z. B. S. 3 u. 33Bff.); Philosophische Elementarlehre etc., Landshul iSOS,
Heft 2, tetn nameoU. 1, ISait. u. % 1430.; Beitrag z. BeuileUung d. gegeDV.
ZuBtandes der Verannftlebre etc., Laudsbut \iSI33.
„.,,„, ^.oogic
aKwtel. Allfaneiiw Geschichte der Logik. 143
täenn^ zugleich selbst aoflösf", negiert sie sich Belbst, aber
dÜM Negation bedeutet nicht die Äuflösuog in ein abstraktes
Nichts, sondern onr die Negation eines besonderen In-
Mta nnd damit die Erhebung des negierten Begr;ifles auf
One liöbere Stufe: er wird zur Einheit seiner selbst und seines
Entgegengesetzten. Das Negative also „macht das wahrhaft
Dijüektische aus" (III, 43), in ihm als dem .J^assen des Ent-
gegengesetzten in seiner Einheit" (des Positiven im Xega-
tivtfo) besteht das Spekolative. Dos System der Logik ist
^e Welt der einfachen Wesenheiten, von aller sinnlichen
Efmkretion befreit". In der Logik ist der Gegensatz zwischen
Snbjekt und Objekt überwunden: „das Sein wird als reiner
fi^riff an sich selbst und der reine Begriff als das wahrhafte
Sein gewuflt". Indem sie einerseits den Begriff an sich als
Sein nnd andrerseits den Begriff als Begriff untersucht, zer-
fiUtt sie in objektive und subjektive Logik. Zwischen der
Lehre vwn Begriff und der Lehre vom Sein steht inmitten
die Lehre tmu „Wesen" (III, 52 u. IV, 3 ff.). Die objektive
Logik entspricht zum Teil der transzendentalen Ix^ik Kants,
mnfaBt aber anch die Ontologie sowie die gesamte Meta-
physik'). Das Denken ist eben mit dem Sein nach Hegel
idaitisch.
Mau könnte nun erwarten, datt die subjektive Logik
Hegels wenigstens im allgemeinen das Gebiet der formalen
Logik ütt unserem Sinne) behandeln werde. In der Tat aber
gliedert sie sich nochmals in drei Abschnitte, betitelt „die
Sabjektivität", „die Objektivität" nnd „die Idee". Der Be-
griff ist nämlich auf einer niederen Stufe nur ein s u b j e k -
') Hegels Definitionen und Einteilungen der Logik »linunen in aeineu
■'erachiedenen Weiten nicht oberein. Namentlich in der Propädeutik und
in der EnzTUopSdie d. pbilos. Wissensch., die allerdings beide von Uenos-
Rbera erst zusttnunengestellt worden sind, finden sich manche Alnrei-
diiingen- In der ersleien werden als Inhalt der Logik ansegeben „die
ciientfUnlicbea Bestimmungen des Denkens selbst, die gar keinen anderen
Gnmd ala das Denken haben" (XVIU, 91 ff.). Der Gedanken, heißt es
*eiler, sind dreieriei: 1. die Kategorien, 2. die Heflezionsbestiranungen,
3- die BegriOe. Die beiden ersteren behandelt „die objektive Logik in der
Hetapbrsik", die letzteren die „eigentliche oder aubjeklive" Logik. Spiter
fXVQI, UV) wird die l«gik eingeteilt in ontologische Logi^ subjektire
I^k und Ideenlehie. Die ontolog. Logik ist das System der feinen Be-
nitle dea Seienden, lUe lul^. Logik das Sistem der reinen Begriffe des All-
nraeineD, und die Ideenlehia „enthUl den BegriH der Wisaenachaft". Vgl.
uefa XVm. 1*8; U, 21Si VI, IWtt, lUfl.. SIAH.; UI, U.
„.,.,, :,>..OO^SIC
144 '- l*^'- AbgreDttin« und «IlgemeiDC Geschidile dei Logik.
tives Denken, eine „der Sache äoBerliche Reflexion" und
dab«r nnr der formelle Begriff (V, 32). Auf einer höheren
Stnfe wird die Trennung dee Begriffs von der Sache anf-
g«hoben, nnd die darana hervorgebende Totalität (Einheit
ist der objektive Begriff, nnd dieser objektive, mjt der
Sache identische Begriff mnB sich endlich nnn nochmals „al&
die Seele des objektiven Daseioe die Form der Subjektivität
geben, die er als formeller Begriff unmittelbar schon gehabt
hatte, nnd so macht er nnn die Identität mit der Objektivität,
die er an nnd für sich als objektiver Begriff hat, „zu einer
aneh gesetzten", womit die Stnfe der „I d e e", „der sich selbst
enthäuten Wahrheit" gegeben ist. IHwas abgekürzt könnte
man die drei Stufen auch bezeichnen als: reine Vorstellang'
— Vorstellung mit Sache identisch — Vorstellnng sich in
ihrer Identität mit der Sache vorstellend (setzend).
Hier ist nicht der Ort, diese seltsame Snplikation nnd
Rücklänfigkeit des Prozesses zn' kritisieren, ich beschränke
mich daher daranf, zn bemerken, daß die Lehre von der
Objektivität nichts mit der Logik in unserem Sinne zu tnn
hat, sondern „Mechanismns", „Chemismus" und „Teleologie"
behandelt, nnd daB anoh die Lehre von der Idee auBer der
Idee des Erkennens (Idee des Wahren und Idee des Guten)
auch „das Leben" nnd „die absolute Idee" erörtert. Für die-
formale Logik bleibt sonach im wesentlichen nur der „die-
Subjektivität" behandelnde Abschnitt der subjektiven Logik.
Wie hier Hegel verflacht hat seine ootologische Auffassang
des Logischen im einzelnen durchzuführen, wird, soweit er-
forderlich, im speziellen Teil an passender Stelle angegeben
werden. Es mufi nur noch ausdrücklich betont werden, daß dia-
logischen Lehren Hegels in seinen Hauptwerken und deren
einzelnen Aufl^en keineswegs vollkommen übereinstimmen
nnd selbst innerhalb eines nnd desselben Werkes Wider- .
Sprüche nicht fehlen (z. R auch bezüglich der Begriffs-
bestimmung der Logik selbst, b. oben S. 143, Anm. 3).
Die logischen Lehren Heg«ls fanden weit mehrf als die-
jenigen Fichtes und Schellings unmittelbare Beachtung und
Weiterbildung. Die vollständige Loslösnng des Logischen
von der Psycholof^e, insbesondere von der Empfindnngslehre,
die stärkere Berücksichtigung der sog. Oeisteswiasenschaften
und die eindringliche Hervorhebung des Prinzips der histo-
rischen Entwicklung waren auch für viele annehmbar, die
das metaphysische System Hegels gar nicht oder nur sehr
„.,,„,^.oogic
2. Kapitel. AUfemeine GescUchU der Loiik. 145
oBfaclinmkt gelten lieBeoi. Die wichtigsten Schfiler nod
Aabinger Hegels auf It^iBohem Gebiete sind :
IliaddaenB Anselm Risner (1760—1886): Aphorismen aus der
Monpliie etc., Landshnt 1809 (S. 4£ff.}. 3- AufL Sukbacb 1818 untir
d. Titel j^boriKneD der sesaioten Philos.", namentL 1. fiaadchen:
lein-lbeorel. Philos., S. 18B. u. 230. (R. scheint Obncsns zu seinen
Hauptkhren unabhängig von Hecel gekommen zu sein, betont aber
selM seine Übereinstimmuns mit ihm in der Vorrede; z. Teil n&bert
er lieh auch Scfaelling).
Geori Andr. Qabler (178S— 18C6): Lehrb. d. Philosoph. Propädeutik
als EiDl. z. WissenKb., 1. Abt. Kritik des BewuBta, Erlanceo 1687,
neu herausseg. Leiden 1901.
Hcimanu Friedr. Wilh. Uinricba (17W— 1861): Orundliaien der
Fbiknophie der Logik, BaBe 1826; Die Genesb des Wissens, 1. Teil,
Heidelberg 1S35.
JeL George Mufimann (1798—1883): Grundlinien der Logik und Dia-
lektik, Berlin 1S£8; De logicae ac dialecticae notione historica, Berol.
el Ral. läse (sp&ter Qbrigens oft von Hegel abweichend).
Eni Ludwig Michelet (1801—1898): Esquisse de tegiciue, Paris
18&6; Das System der Philosophie als exakter Wissenschaft, Berlin
1876—1881; Rosenkranz' Wissenschaft der lodschen Idee, Der Ge-
danke 1861, Bd. 1', S. SO«.
Itinz Biese (1808—1895): Philosoph. PropideuUk. Berlin 1845 (vrI.
auch S. SO).
ich. Karl Friedr. Rosenkranz«) (180fr-187B): Die Modifikationen
der Logik, abgeleitet aus dem Besrifi des Denkens (= 3. Teil der Stu-
dien), Leipzig 1846 (für die Unterscheidung der logischen Richtungen
nicbt unwichtig); System der Wissenscbalt, ein philosophisches En-
cheiridion, Kfinigsbers 18&0, % ISiB.; Wissenschaft der logischen Idee
[1- Toi MetaphTS., 2. Teil I*|ik u. Ideenlehre), Königsberg 1858/&9;
Epilegomena zu meiner Wissenschaft der log. Idee, ebenda 1862 (vgl.
namentlidi die Unterscheidung einer ,j]srchologischen" Logik von der
spekulativen, S. 90. u. S. 24 Ober Abweichung von Hi«et).
loh. Eduard Erdmann (ia0&-nl892) : Vorlesungen Ober Glauben u.
Wissen etc., Berlin 1897, namentl. S. 139fi.; Grundriß der X«gik u.
MelaphTsik, Halle 18«, S. Aufl. 1«^ 6. Aufl. 1875.
latl Friedr. Werder (1806— 18M): Logik, als Kommentar u. Ergfin-
nmg zu Hegels Wissenschaft der Logik, 1. AbL, Berlin 1841 (S. 26
J)ie Logik ist das "Spiel des Wissens mit ^ch selber, dos Wissen in
seiner götUichen Freiheit").
Iiniz Job. Hanusch (Hanul) (1813—1869): Handbuch der wissen-
KhaftL Denklehre, Lemberg 1848, 2. Aua Prag 1860 *.
nnilav Biedermann*) (geb. 1815): 'fte Wissenscbaftslehrc, Leipzig
*) Wilfa. Uartin Joachim Rosenkrantz (1821— d874), Jurist, schrieb
üe „WisHenschaft des Wissens etc." (Bd. 1, Manchen 1866, Bd. % Mainz:
IHB) Tom Scbellingscben Standpunkt Vgl. Hayd, Ztschr. f. Philos. u. philos.
Siit. IB90, Bd. 97, a 26* u. 1881, Bd «8, S. 89.
*) Auch der Schweizer Alois Emanuel Biedermann (1819—1886) stellt
m Teil anl Hegelachem Boden. Seine Schriften sind iedoch vorzugsweise
i)>Nte(iMhai Inhalts.
ZithtB, Lahrback dm I««iL 10
.oogic
146 '- ^^ Absrenmng und ^teameias Geschichte der Logik.
166fr— tSEOi DU 'WimeoBchaft des Geiites, Prag 1858— 1860^ Z AwD.
(mir war nur diese zuianelich) 186% nuneaU. S. 60 0.; Kanls Kiitik
der reinen Temunfl u. die Hegelache Logik, Prag 1869; Zur logischeD
Frage, Prag 1870.
Georg Friedr. Ludw. Weißenborn (1816—1874): Vorlesungen Ober
Schlciermacbers Diaicfctik u. Oogmatik, 2 Teile, Leipzig 18(7 ü. 1849
(vgl. S. 139, Anm. 8); Logik u. Metaphysik ete., Halle 19B0 v. 51 (be
sondera bemerkenswert § 1 — 3, 7 a 26 H.).
Guslav Ferd. Thaulow (1817—1^3): Kinlcitung in die Philosophie,
Kiel 1862.
ConradHermann (1818—1897): Die Sprachwissenschalt nach ihren
ZuBamenhang tnil Logik, menschlicher Geistesbildung u. Philosophie,
Leipzig 187&; Hegel u. die log. Frage der Philos. i. d. Gegenwart, Leip-
zig 1878; Philosophische Granimatik, Leipzig 1868 (namentl. g 7, 8 u. Sl).
Karl Christian Planck (1818^-1879) : Grundriß der Logik als krit
Einleitong zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1878 (entfernt ach n^-
facb von Hegel): Log. Kausalgesetze etc., NOrdl. 1877, S. 1—107.
Ernst Enno Berthold Fischer (183^—1907): Logik u. MeUphyK^
oder WiBSenachaftslehre, Heidelberg 1862 (vgl. namentlich S. XV u. 38
fiber Fischers Stellung zu Hegel}, 2. Aufl. Syst. d. Log. u. Mclaph. etc..
Heidelberg 1889 (auch prinzipiell verändert), 3. Aufl., 1909.
Fcrd. Job. Gottlieb Lassalle a82&— 186«): Die Hegeische und die
Rosenkranzische Logik und die Grundlage der Hegeischen GescKichts-
philosophie im Hegeischen System; Der Gedanke 18&1„ 1. Jafarg« Bd. 2.
Nr. Sb, S. 1^ (betrachtet die Roseokranziscbe Logik als „Neo-Eantia-
nisDius").
Adolf Lassen**), geb. tSSi: Vorbemerkungen zur Ericenntnistbeone.
I^ilos. Monatshefte 188», Bd. 26, S. 513.
Auch Christian Hermann Weiße (18D1— 186S, Über den
gegenwärtigen Standpunkt der Philosoph. Wissenschaft, in besonderer Be-
ziehung aul das System Hegri^ Leipzig 18S&) ging von Hegel aus, wandte
sich aber später mehr und mehr von ihm ab. An Weiße und zum Teil
auch an Lotze (vgl. § 47) schließt sich Rudolf Seydel an (1886— 189S.
Logik oder Wissenschaft vom Wissen, Leipzig 1866) '.
Eine Vermittlung zwischen Schleiermacher und Hegel versucht«
Christian Jul. Braniss (1792-1873^ Die Logik in ihrem Vertiältnis
zur Philosophie geschichtlich betrachtet, Berlin 1323; Grundriß der Logik.
Breslau 1880; Die wissenschaftL Aufgabe der Gegenwart usw., Breslau 18*8.
namentl. Vorles. 2). Die Logik ist nach Br. ,J}ar3tellung der Beziehung zwi-
schen dem Denken und Sein". Letztere beiden sind an sich voneinander
unabhängig, aber der .fesrifi" als ihre Beziehung aufeinander ist „dasjenige.
worin beide einander berohren und eins sind". Die Logik ist also ,J)arslel-
luns des Begrifls". Einen ähnliphen Vermittlungsversuch macht auf anderon
Wege, zum Teil unter dem Einfluß von Trendelecburg (s. § 49). auch
Leopold George (1811 — 1873) in seinem „System der Metaphrak"
(Berlin 18U) und der ,X-oäk als WissenschaftsJehre" (Berlin 1868). EineB
■kiektischen Standpunkt gegenüber den drei großen idealistischen Philo-
sophen nimmt der Sohn des Verfassere der Wissenschattslehre Immanuel
•) Vgl. B. G. Engel, Ad. Lassen als Logiker, Ztschr. f. Fhiloa. u. phOM
Ertt. lOH Bd. leSi S. 9.
2. Sapilel. Allsenwiiie Gescbicfate der Locik. 147
fittnann t. Fichte (1796— 1B79> in winea „GrandzQfen zum System
te rbkwapbie" ') (Abt. 1. Du EAennsn als SelbstarkeBnen, H«idelben
m DunentL 8 ««— IfiS u. SCO-£QB u. AbL ^ laW, Die Ontolofie, im
■rmntficbeii KatHMiBolehre) und Job. Erich v. Berger (177S— 18S^
in Minen „Allg. Gmodzagen sur Wissenschaft" (Bd 1, Analyse des Er-
bonbiisirermfiffens, Allona 1817, s. auch g M) ein.
loch im Aualand verschaBte sich die Uegdache Logik ziemlich rasch
Euiang. Scbon Antonio Rosmini-Serb&ti (1797—1865) hatte sich
In seinem Nnovo sasgio suU'origine delle idee (Ideolc«ia e logica, Roma 19B0,
Müuu laas, zuletzt Intni 1S7&) und in dem postumen Saggio storio-critico
alle calegorie e la dialettica (Torino 1888, namenll. S. 46ö> in manchen
ftuASxD &n Hegel angeschlossen ■}, ebenso seine Schüler Giovanni
Sattiala Peyretti in einem Saggio di logica geniale (Torino IBGO)
•BdGiQseppe Allievo in den Saggi filoscdci (Hilano 1S66) und der
Stbift LUegelianismo, la scienza e la vita (UÜano 1866). Eine Vermittlung
nischen dem Thomismus und der Hegel- Rosminiscben Lehre versuchte
Pietro Maria Ferr6 (Detii universali secondo la teoria ro»niniana etc.,
Unle 1880—188^. Weiter von U(«el entfernt ist die Logik von Vin-
«enio Gioberti (1801-4868, Introduzione allo studio della flbatfia.
Snodles 183B — 18M; Della protologia, postum Torino 1867). Demgegen-
über begrOndete Augusto Vera (1S13 — ^188Gv Introduction k la philo-
KEhie de Hegel, Paris 18E6; La k«ictue de Hegel, Paris 1869 u. a. m.) eine
Henlache Schule strengster Observanz. Unter vielen anderen gehörte zu
«iostlben auch Bertrando Spaventa (1817— 188S) in seiner Intni-
dukme alle lezioni di fllosolia *) (Napoli 1863) und — allerdings nur in seiner
«rden Periode — Antoliio Labriola (1813— 19M) in seiner Ditesa
delU dialettica di Hegel (Napoli 1882). -An diese Richtung knüpfte weitertiin
itt italienische Neubegelianismus an (vgl. § iB).
In EngUnd machte William Wallace (184»— 1897) die HKelsche
Lehre dunäi Ubeisetzunien seiner WeAe bekannt. Auch schrieb er selbst
üne Logik vom Standpunkt Hegels (The logic of Heget Oidord 1879). Zu
einem grODeren EinfluB gelangte jedoch hier erst die neuhegelsche Logik,
^e ipUer zu be^irechen sein vird. In Amerika vurde die Hegeische Logik
auch William T. Harris (Hegels logic, a book on the generis of thl^
caHgnies of the human mind. Chicago 1890) u. a. eingefOhrl.
In Schweden vertrat Johann Jakob Borelius (1828~1908) ur-
siMnglich den aKhegelschen Standpunkt (Om ideena förfa&llande tili verklig-
heten, TJpsala 18(9; Lär^ok i den formella logiken, Kalmar 1869, mir nicht
miiBglich), wich aber später wesentlich von denselben ab (Über dm Salz
ia Vider^nichs und die Bedeutung der Negation Philos. Honatsh.
18«, Bd. 17,' S. 886). — In Dänemark schrieb Job. Ludw.
^ Andere fflr die Logik wichtige Schriften; De principiorum contntdic-
lioBis, identitatia, exclusi tertii in logicis diguttate et ordine comm., Bonn
IMO; BeitiHge zur Charakteristik der neueren Riilosophie etc., Sulzbach
1929, 2. AufL iMl; Über Gegensalz, Wendepunkt und Ziel heutiger Philo-
XBbie, Haidelbeis 1S33 (1. krit. Teil).
') Vgl- Francesco de Sario, La logica di A. Rosmini ed i problemi della
lotiea modmna, Roma 1898.
■) S. auch Frammenti inediti, verötfentlidit von Oiov. Oenlile in La
niom dcUa dialettica hegeliana, tleraina IBIS, S. 4ft— 71.
10*
„.,.,„,>..oo^sic
248 I- '^'^ Abcrenzunc und allgmiaute Geschicbte der Locik.
H e i b e r K einen Leitf&den zu Voriesunsen über spetulatne Logik int
Hefeischen Sinn (vgl. audv tlber J. B. v. Berger, S. 147), doch QberwoB hier
der direkt segen Hegel gehcbtele EinfluB von SSren A&bve Kierke-
gaard CIS13— 1866), Gnindideemes Logik, Kopenhagen 1864>— 186^. In
Norwegen vertraten Markus Jak. Uonrad (1816—1867, Udsigt over
den hoeier« Logik, Christiania ISttl)* und G. V. Lyng (gestorben 18Sf,
Grundtankemes System, ChristJania 1886-^88?) * den Standpunkt Hegels in
der Logik.
§ 38. Fries. Während Fichte, SohelUn«. He^el und fast
alle ihre Schüler darin ühereinstimmten, daß sie die Logik,
anknöpfend an Kants transzendentale Logik, zu einer in-
haltlichen Wissenschaft machen nnd, abweichend von
Kant, den log^hen Gesetzen und Formen eine ontologiscbe
(metaphysische) Bedeutung und Bealität außerhalb des
Denkens beilegen, ist Jakob Friedrich Fries^) (1773
bis 1843) der Kantschen Auffassung der Logik in der Ab-
lehnung des Ontologisohen treuer geblieben, andrerseits aber
über Kaut weit hinausgegangen, indem er „das Vorurteil des
Transzendentalen" ganz fallen ließ und nur die psycho-
li^isehe oder, wie man es damals ausdrückte, „anthropo-
logische" Grundlage der Logik scharf betonte. ÄuBerdem
ninmit er — wiederum im Gegensatz zu Kant imd in Ati-
lehnung an Friedr. Heinr. Jacbbis sog. Glaubensphilosophie —
auch unbeweisbare ursprüngliche Erkenntnisse in uns au.
Die erregbare Selbsttätigkeit des Erkenntnisvermögens (Syst.
S. 41), der wir diese unmittelbaren Erkenntnisse verdanken,
ist die Vernunft, die mittelbare Erkenntnis, durch die wir
uns dieselben zum Bewußtsein bringen, ist die Reflexion des
Verstandes. Die Lelstong der Beflexion beschränkt sich aaf
eine Verdeutlichung nnsrer Erkenntnisse. Während wir
durch „Beweise" zu mittelbaren urteilen gelangen,
stützen sich unsere unmittelbaren urteile, die letzten
„Gmndurteile" oder „Grundsätze" auf „Deduktionen",
die darin bestehen, daß wir aus einer „Theorie der Vernunft"
die uns notwendig znkonmiende ursprüngliche Erkenntnis
ableiten (Syst S. 438). Bei diesen Deduktionen sind wir a:iif
die innere Erfahrung angewiesen: wir können nur „auf-
*) tu Betracht tommt namentlich: System der Logik, Heidelberg 1811:
(3. AiÜage 1819); dem System der Logik ist in beiden Auflagen ein „Qrund-
riB der Logik" vorauageschickt und zwar mit eigener SeitenzUihinc (S. 1 — ^141
hzw. 12*). Vgl. zu der Logik von Fries namentlich Th. Ebenhans, I'ries und
Kan^ Gießen 1906 (indws. S. W-SOS).
Z Kapitel. AUgemeine Geschichte der LoRik. 149
t
weisen", daß der bez. „Gnmdsate" „in jeder endliehen Ver-
BDnft lie^". Die Mathematik beruht auf Demonstratiraen
und DednÜionen, die Philosophie anf Deduktionen. Die
Logik zerfällt in eine „philosophische" oder „demonfitratlve"
Logik, welche die notwendigen Qmndsätze der Denkbarkeit
der Tünge überhaupt ermittelt, nnd eine „anthropologiBche",
welche „die Natur und das Wesen" speziell des mensch-
liehen Verstandes untersucht (Onmdriß S. 4). Die erstere
~~ auch „Wissenschaft der analytischen Erkennbiis" von
Fries genannt — hat ee eben mit der Festst^Uunsr jener un-
mittelbaren Grundsätze zu ton, die letstere mit der Beeohrei-
laag der Denkformen. Die philosophische Logik läßt sich
ohne die anthropologische weder aufstellen noch verstehen.
Sie ist von der letzteren so abhängig und selbst so arm an
Gehalt, daB sie gar nicht abgesondert für sich aufgestellt
verdeai kann (Syst S. 8). Bei der anthropologischen Be-
obachtung unseres eigenen Erkennrais „werden wir die Bin-
Wiht in die philosophische Zx>gik gleichsam miterhal(«i"
(ibid. S. 10).
ba WesentUchen auf dem FrieMchen SUndminkt stehen u. a.:
Friedr. r. CaUer (1790— 1S70): Denklehre odez Logik und Dialektik usw.
BoDn ISBZ (jü. auch S. 18).
Etnst Friedr. Apelt (1812— 1869): Die Theorie der Induktion, Leipzis
UM; HaUphTsik, Leipzig 1867, namentl. S. 10—68 u. 93—393.
In iOiicster Zeit haben Leonard Nelson u. a. in den „Abhand-
hiDgm der Friesschen Schule", JKeue Folge, herausgeg. v. 0. Heseenbent u. a.,
Gtlüocen 1904 B., versucht, die Frieaecfaen Lehren mit einigen Abänderungen
*Mder aulzunehmen. Eine Spezulbearfaeitung der Logik ist aus diesen Be-
ttretnngen bis jetzt nicht herrorseganien.
839. Herbart: Auch J o h. Friedr. Herbart*) (1776
bis 1841) steht zu der Fichte-ScheUing-Hegelschen Richtung
bufem in Gegensatz, als er die Logik als eine reine Formal-
vtasenechaft auffaßt. Die allgemeine Aufgabe der Philo-
*opliie, „die Begriffe zu bearbeiten" U, 27), wird von der
Metaphysik nach der inhaltlichen, von der Logik nach der
fonnalen Seite gelöst. Die Jj>gik hat es mit „den BegriSen
') Am wichtigsten für die Logik sind : Lehrfa. zur Einleitung in die
^UoMphie (1. Aufl. ISIS, 4. Aufl. 18S7, Hartenst. Aus«, d. stmtl. WeAa
190-.186^ Bd. 1, 5. 1]; Hauptpunkte der Logik 1808 (äienda Sd. 1,
^ H&); Enrze Enzyklop. d. Fhilos. aus prakt. GesichtHninkten antworles
^ ^ % S. 1). Die Zitate im Text beziehen ach aul die Band- nad
StilnuaUen der Hattenstdnachen Ausgabe v. J. 18G0— 1863.
150 I- "^^ Abgremtmf und •Ugemeine Geschichte der Logik.
als solohea" zu ton, ihrem „Verhältnis und ihrerVerknüpfmig'
ohne Bticksieht auf die Frage, iralche Oültigkeit die Begriffe
haben mögen" (n, 7). Ebeiuo ist üe Ton Psychologie ganz
unabhängig, der „Äktns des VorstelleiKs" ist nicht ihr Gegen-
stand Q, 467): „in dar IJogik ist es notwendig, alles Psycho-
logisobe zu ignorieren, weil hier lediglich diejenigen Formen
der möglichen Verknüpfung des Ctedachten sollen nach-
gewiesen werden, welche das Gedachte selbst nach seiner
Beschaffenheit znläSt" (I, 78). Sie beschränkt sich darauf,
die allgemeinsten Vorschriften für die Sonderung, Ordnung
und Verbindung der Begriffe zu geben, die sie als bekannt
Toraufisetzt und um deren eigentümlichen Inhalt sie sich
niobt kümmert Sie ist daher nicht eigentlich ein Werkzeug
der Untersuchung hehufs Auffindung von Neuem, sondern
„eine Anleitung zum Vorürag dessen, was man schon weifi"
(Z, 42). Positiv betrachtet, erscheint sie meistens als ein
Mentor, der mehr warnt als hilft <II, 228). Ihre Gmnd-
fordemng ist „Eiiutimmung in den Begriffen", also das
Prineipinm identitatis (I, 78ff. u. 536 ff.).
Eierbarts Schaler h&ben diese I.ehren in der ausgiebigsten Weise in
zablreicheii Lehrbüchern darsestellt und zum Teil auch weiter ausgeführt.
Am wichtigsten sind:
Friedr. Konrad Griepcakerl (1783—18*9): Lehrbuch der Logik in
kurzen Umrissen, Braunschw. 1828, 2. Aufl. Hehnst. 1831.
Moritz Wilhelm Drobisch (1803—1886): Neue DarstelluBC der
Logik nach ihren einfachsten Verh<nissen mit Rücksicht auf Hathe-
nutik und Naturwissenachaft, Leipzig 1836, in den späteren Auflagen
(18M, 186ff, tSfTb, 1867) zum Teil erheblich umgeaibeitet (dabei ein
kig.-math. AnhanÄ-
Bd. Bobrik : Neues prakL System der Logik, ZOrich 18S6 (unvoBendet).
Friedr. Heinr. Theodor Alllhn (1811—1886): Antibaitarus logicus,
Halle IS&O (unter dem Pseudonym cäjus), in 8. Auli. neubearbeitet von
O. Flügel unter dem Titel .rAbriS der Logik und die Lehre v, d. Trug-
Schlüssen", Langensalza 1894, 5. Aufl. 1914; Einleitung in die allg. foi^
male Logik von Cajus (_= 2. verb. u. verm. Aufl. des 1. Teils des Anli-
baibanis logicus), Halle 18CB (S. i7B. u. 94 ff. Kritik des „hypenriisen-
Bckaftlichen Wahns" Hegels).
Ludw. StrOmpell (1813— d899): Entwurf der Logik, UiUn u. Leipzig
1846; GrundriQ der Logik oder der Lehre vom wissenscbaftL Denken.
Leipzig 1881.
1. H. W. Waits: Haupüehroi der Logik, Erfurt 1840.
Theodor Waitz (1681— 18«) : LehAuch der Psychologie als Nalnr-
«issenschaft. Brannschweig IBtß (weicht jedoch von Heibart wesent-
ücb ab. Tgl. z. B. S. MS).
Franz Karl Lott (1807—1874): Zur Logik, GSttingen 1846, nam. S.t-Si-
Roh. r. Zimmermann (1834—1896): Fhilosophiacbe Pnptdeutik,
ytiea iäOS. % Aufl. 16fl0 (namenU. S. \% ft S), S. Ana IHB?.
„.,.,,:A.OO.^K-
2. Eapild. AJlfemeiBe GeschichU der Lofik. ]5^
UilbUs Arnos Drbal (182ß~lSB5]: Lehrbtich der ptop&deutiKhen
Locifc, Wien 1865 (vgl z. B. % 8 v. % 8. Aufl. 1S74; Prmküscb« Logik
odn Denklehre, Wien 187S.
ßnsL Ad. Lindner (182ft-18S7): Ldirbuch der lommlen Logik nach
FoteL Methode, Graz 1S80, Z Aofl., Wien 1863, 3. erweit. Aufl. 1874
ä Aufl. 1881.
Kirl Volkmar Stoy (1S1&— .1886): Pbilos. PropftdeutUc, Abi. 1. Die
philoe. Probleme und die Loitik, Leipzig 1869.
SeÜHtändiier ist Heymann (Heinr.) Steiulhal Ciasa-iaeft).
da in seinen Werken — r vor allem „Grammatik, Logik und Psychologie,
ihn PiTDziinen und ihr Verhältnis zueinander", Bertin IBbö. namentL
S. 337— SB^ und AbriB der Spracbwisaenscbaft, Teil 1. IKe Sprache im All-
moeinen. Einleitung in die Psycbol. und Spraehwiss-, Berlin 1871, 2. Aufl.
1S81 — anknüpfend auch an Wilh. v. Humboldt, insbesondere die Bezie-
i.mgea zwischen Sprachwissenschaft und Logik untersucht hat ') ;vgl. | 55).
Noch weiter entfernt sich vod Heit«rt Steinthab Schaler Gustav Qlo-
cao (18U^18M), der in seinem Abriß der pbilos. GniDd-WissetiBcbaftea
(Breslau 1880. u. 1889) auch die Logik ausfohrlich behandelt >).
Den ausuchtslosen Versuch, einen Mittelweg zwischen Kerbart und
Hegel . zu finden, bat Heinr. Moritz Chalybaeus. gemacht
CITK— IflBB, Entwurf eines Systems der Wissenschaflslehre, Kiel 18*6;
l'iudunenUIpbilosophie. Kiel 1861, nament). S. 66 tf.)-
1 40. AUfemelne Vorbemerfcimgvn Aber die EntwicUnnir
4er Locik in dM letsten SO Jahren (ea. 1830 bis jeiii). Die
logische WisseiiBChaft seigt von 1830 ab eine aoff allende Zer-
sidittenmff. Während die Logiker vorber jeweils je nach
ibrar Stellung sa bestimmten allgemeinen Prinzipienfragen
in groBe gegensätzliche Gruppen serfallen (z. B. Bealisten
Dod Nominalisten, Bamisten nnd Antiramisten, Wolfflaner
md Antiwolffianer nsf.), die sich nm ein oder mehrere über-
n^ende schalenbildende Parteihäcpter scharen, treten jetzt
(fie Bisammenf aesendeu Grandfragen mehr zurück, nnd große
Partei- und Schulbildnngen sind kaum mehr zu erkennen.
Die alten Schulen sind noch, nicht erloschen: Kantianer,
Hegelianer, Herbartianer n. a., selbst Thomisten und Aristo-
teÜBten treten bis in die neueste Zeit noch hier nnd da in
^ Logik auf, wie z. T. schon vorgreifend erwähnt wurde.
*] Sein Vorgänger in dieser Richtung war Job. Werner Meiner, Ver-
Wk nner an der menachl. Sprache abgebildettn Vemunftlehre oder I>hilo- .
»Pili« u. allg. Sprachlehre, Leipzig 1781.
■) Vgl. namentl. leü 3, Abt. 2, Abacha. » .Meeb&nik des Denkpro-
MSKT (Bd. 1, S. 386 tf.) u. Teil ^ Abt. 8 „NoStik" (Bd. 2, S. *37n.). Von
'lOMiben itna: Die Haaptldiren der Logik und Wiwenschaftriebre, Kiel
B. L^zig 18M (S. 1— tO^: Vgl. Ober ihn H. Clasen, Ztschr. f. FbUos. u.
E^i. Eril. 1902, Bd. 119, spei. S. U9 S.
i,l^.OOglc
]52 '• "^^^ AbierenninB und allgemeiDe Geschichte der LotriV.
z. T. noch anzuführen sein wird, aber neue Schulen kommen
nur in kleinsten Kreisen zustande. Statt dessen treten Tiele
einzelne Logiker auf, die unabhängig von einer be-
stimmten Schclrichtung bald dnrch originale Leistungen die
TjOgik neu zn gestalten versuchen, bald nnd zwar viel öfter
durch eine umfassende Eklektik die angeeanunelten logischen
Kenntnisse systematisch ordnen. Dabei bekommt die Logik
anch einen internationalen Charakter. Während eine neae
logische Bewegung früher meistens in einer bestimmten
Periode vorzugsweise in einem Land auftrat und sich auf
dieses beschränkte und nur hier und da anf die Nachbar-
iänder übergriff, einzelne Länder sogar jahrhundertelang
sich an der Fortentwicklung der Logik nicht beteiligten, ja
kaum etwas von ihr bemerkten, setzt jetzt eine gleichmäSi-
g«re Beteiligung der verschiedenen Kulturländer an der
logischen Wissenschaft ein, und öfter nnd rascher werden die
logischen Werke eines Landen auch in den übrigen bekannt
imd verwertet.
Zugleich ändert eich allmählich auch die Stellung der
Logik zn den übrigen Wissenschaften, insbesondere zn d^a
anderen philosophiechen Disziplinen. Bis zum Anfang des
19. Jahrhunderts War die Logik meistens mit einem meta-
physischen oder erkenntnistheoretisehen System eng ver-
knüpft und sehr oft auch von diesem abhängig. Das all-
gemeine Scheitern der philosophischen Systembildnng, wel-
<-hes für die J. 1820— 185Ö charakteristisch ist nnd z. T. mit
dem Nachwirken des Kritizismus zusammenhängt, befreite
die Logik von dieser Verknüpfung und Abhängigkeit Sie
bekam eine früher nur selten verwirklichte Selbständigkeit.
Die TitelvCTbindnng ,Jx>gik nnd Metaphysik" verschwand
fast ganz. Dies hatte weiter znr Folge, daö die Logik nnn
erst wirklich formal sein, d. h. auf ihr formales (Gebiet sich
beschränken konnte. Früher war eie durch die Verbindung'mit
Metaphysik bezw. Ontologie immer wieder — trotz mancher
Einsprüche und Warnnngen (vgl. § 39) — verführt worden,
oft geradezu gezwungen gewesen, auch inhaltlich tätig zn
sein and damit ihre Qi«nzen zu überschreiten, ^etzt blieb
diese Verführung nnd dieser Zwang fast ganz weg.
Dazu kam die veränderte Stellung zur Psychologie. Diese
hatte sieh schon im 18. Jahrhundert etwas von der Meta-
physik losgelöst nnd im 19. errang sie endgültig ihre 8elb<
ständigkeit. Ihre Umbildung erst zur empirischen und
a. Kapitel. Allfemeine Geschichte der LoBik. 153
dann noch spezieller zar physiologischen oder ez-
perimentellen PsTchologie hatte eine enorme Venneb-
tjog and Befeatignng der psycholf^iec^en Erkenntnisse zur
Ftdge. Elam dieser Znw&chs auch zonächst Torzogttweise der
hydioIoKie der Empfladunirea zognte, so blieb doch die
fiäekwirknngr auf die Psychologie der Denkvorgänge nicht
aas. Aach diese machte von Jahrzehnt zu Jahrzehnt grofle,
Biehere Fortsehritte. Die Logik als die Lehre von der Qesetz-
näfiigkeit des Denkens in' bezng anf formale Bichtigkeit
(vgL ^ 1) konnte diese Fortschritte nicht ignorieren^ Trotz
des Protestes Herbarts und im Einklang mit der von Fries
eingeschlagenen Biohtnng gewann die Psychologie mehr und
mehr Einfluö, mitonter, wie sich zei^n wird, sogar zu viel
fänfloQ auf die Logik (sog. Psychologismns in der Logik).
AllerdingB nicht ohne Kampf nnd Widersprach. G«rade die
extreme Betonung des psychologischen Standpunkts in dtit
Logik stiefi aof eine oft katuu weniger extreme Reaktion,
velcbe Logik und Psychologie absolut trennen will (sog.
Xiogizismns) und daher auch geneigt ist, dem Logischen
irgffiideiae ontologische Bedeutung außerhalb des Denkens,
entweder im Sinne eines besonderen logischen Seins oder mit
Bezng auf die Grundlagen der sinnenmäSigen Erscheinnn-
gm zuzuschreiben. Wenn man überhaupt noch allgemeine
Farteig^ensätze in der heutigen Logik anerkennen will, so
vürde der Gegensatz zwischen diesen beiden Bichtungen noch
am ehesten als solcher angeführt werden können.
Endlich änderte sich die Stellung der Logik zu denNatur-
vüeeoschaften. Die Induktion war trotz Baco ein Stiefkind
der Logik geblieben. Die gewaltige Entwicklung der Natur-
viMenschaft lehrte, welche Bedeutung gerade die Induktion
nicht nur für die Erweiterung unserer praktischen, sondern
aticb für Erweiterung unserer theoretischen Erkenntnis hat.
Die Lc^ik konnte sich daher der Aufgabe einer wissenschaf t-
Jichen Unt«i»uchung der Induktion und der mit ihr zu-
sananenhangenden naturwissenschaftlichen Methodik nicht
mehr entziehen.
Durch das Zusammenwirken aller dieser verschieden-
artigen Einflüsee kommt das vielgestaltige und etwas zer-
rissene Bild der hentigen Logik zustande. Bei der folgenden
Dantellung ist versucht, trotz des hervorgehobenen Zurück-
tretens der Bildnng wissenschaftlicher Schalen und Par-
teien ancb die Lofpker der letzten 80 — 90 Jahre in Gruppen
1,1^. OQi
,g,c
154 ^- '^^'- Al«renzuBg und aUeemüne GeMhichte der Logik.
zasammenzQordnen. E^ sei jedoch nochm^ darauf hin-
gewiesen, dafi auf diese Qrnppiemitgea zam Teil nicht viel
Oewieht zn legen ist, weil eben ansge^roehene ZuBanunen-
scfalüase za bestimmten Bichtangen selten sind. Insbeeon-
dere ist auch die Beihenfolge der Qrappen einigermaßen
willknrlicb. Da die Bedeutung vieler neuerer Logiker nicht
von einem Hauptwerk abhängt, so ist eine chronologische
Anordnnng ganz nndorchfQhrbar. Im wesraitlichen habe ich
mieh bemiiht, die Groppea nach ihrer iimerllchen Verwandt-
schaft zu ordnen.
f 41. Anfinge dn* psyehologisehen Logik In Frankreteh.
Dcstntt de Traey. Die ersten Erscheinungen der neueren
psychologischen Logik begegnen uns in Frankreich. Sie
hatte hier bereits in Condillacn Logik v. J. 1781, auf
deren Zastunmenhang mit den Lockeechen Lehren in ^ 28
hingewiesen wurde, ihre Hauptsätze konseQnent entwickelt,
allerdings in Abhängigkeit von einem extremen Sensaalis-
mus, wie er durch Locke nnd Hume (vgl. ^ 26 u. 31) zur
Oeltnng gekommen war, der aber durchaus keine notwendige
Voraussetzung und kein notwi»idiger Bestandteil der paycho-
logistischen Logik ist. Eine weitere Ausbildung erfuhren
diese Lehren durch Antoine Louis Claude Destntt de
Tracy') (1754 — 1636), dessen Blemens d'idtologi« nament-
lich im 3. Teil di« Logik ausführlich behandeln. Das Denk-
.vennögea besteht nach ihm aus vier Elementarvermögen:
sensibilitä s. str., mj^moire, jugement nnd volonte (IdöpL
1801, S. 321). Auch das Urteil ist nur eine „esp^oe de sen-
8ibilit6"; denn es ist „la facnltä de sentir des rapports entre
noe perceptioDs" Q. c. S. 324). Die AllgemeinbegrifFe sind
nnr „des maniöres de claseer nos id^es des individus" (S. 329).
Die logische Wissenschaft besteht nur „dans l'ätude de noe
Operations intellectnelles et de leurs etfets", die Theorie der
Logik nnr dans l>tude de nos moyois de conniütre.
Einen Ithnlic^en Standpunkt vertraten aucb Joseph Harte de
G«rando (1772—184^ Dee signes de t'art da penset etc., Paris 1800) und
Pierre La Romiguiäre (1756—1^7, Lewns de Philosophie air le»
principe de rintellisence, Paria 1B16— 181B, 7. Aufl. 1SÖ8).
Francois Pierre Maine de Biran>) (1789— 1SS4) vertnl in
»einer ersten Periode einen ähnlichen Standpunkt *ic Tracv, später wandt»
>) Projet d'«l£nKnts d'idCologie, Teil 1[ Ideologie, PansAn IXCcslSOl^
Teil 2, Grammaire itairale IMS, TeU 3, Lotfque 180& (auch Paris 18a&— S7).
*) Ocurr.« philos., ed. Cousin, Paris IMl u. Oeurrea in&)., puht. par
R NaviUe, Paris 16&S.
a Kwitel. Ansemeiae Geschichte der Logik. 155
a äA cnlsehiedcn eegen di« BansualisUsche AuffaGSung, ohne jedoch die
iiqdokitistJKhe ganz aufzuteben. Direkt bekimrit wurde die letztere von
Htlor Couain*) (1793—1887}, der Hegdscfae Lehr«n vertrat, schlJeB-
Mi aber zu einem sehr unbestimmten Eklektizismus überRinS *).
§ 42. AnfXnce der pSTehoIosiatlMheii Logik in Deutaeh*
lui, Bmeke. Auch in Dentachland lassen sich die ersten
Wurzeln der psycholo^stischeu Lo^ik bis in daslS-Jahrhan-
dert und noch weiter zurückverfolgen. Fries (vgl. S. 148)
listte sich der psycholt^isttschen Atiffaesaiig schon sehr ge-
nähert Der erste, allerdings anch noch nicht konsequente
Versuch einer systematischen psychologistisehenDarstellung
der gesamten Logik stammt bei nns von Friedrich
Sdnard Beneke') (1798—1854). B. betrachtet dio „Er-
fahningsseelenlehre" als Grundlage allen wahren Wissens.
Auch die Logik fuBt dnrohaoe anf der Psychologie. Sie
onteracheidet sich von letzterer nnr dadnrcb, daß sie nicht
iii]r darstellt, wie tatsächlich gedacht wird, sondern anch
ixigt, wie gedacht werden soll. Alle Begriffe, auch die
bntischen Kategorien, „entstehen durch Zusammenfassung
von AnsohanQDgen", dabei ist jedoch eine „Selbsttätigkeit
«fcs Geistes" (vgl. über deren fihiffache Gliederung Syst. d.
Log. Bd. 2, S. 24 tt.) unentbehrlich. Begriffsbildnng, urteil
and SchloB ergeben niemals einen inhaltlichen Fort-
abritt des Vorstellens, sondern nur einen formalen in
besag auf Stärke und Klarheit des Vorstelleos. Alles in-
tutitliche Fortschreiten unserer Erkenntnig beruht auf syn-
ftetisohen Vorgängen, bei denen die Logik „gleichsam nur
Jas Znsehen hat". Die eynthetiaehen Vorgänge selbst be-
ndien auf bestimmten synthetischen Grundverhältnissen
(Etmtiguität, Sukzession, Kausalität usf.), und die Logik bat
Dur die Aufgabe, die letzter^i „in Hinsieht des Bigentäm-'
liehen und der Schwierigkeiten" zu untersuchen, welche sie
') Du »rai du beau et du bieo, Paris 1867, 7. Aufl. 1868^' 1£ Aufl. 1873
(tUMntL S. 1 — 181 d, 7. Aufl.); FraameDts de lÄüos. conlempor., Fans 182B,
K> iMUeren AuIUgea (fflnfte 186Q sehr vermehrt.
') Vgl de Reiffenberg, Principea de logique suivis de rhistoire
a de la bibliosiaphie de celte acience, Bnucelles 1888 (namentl. S. 3480.).
*) Eikenntntaiehre nach dem BomiBtseiii der reinen Vernunft Mc, Jena
'aO; Lehrbuch der Logik als KiuuUehre des Denkens, Berün-Paaen-Bronberg
IW; Sratem dti Logik als Kimstiehre des Denkens, ä Bde., B«ttn iBtö;
oorum analyticoTum origines et oido naturalis, Beral. 1S39.
156 ^- '^'^- AbffrenmnB und allgemeine Geschichte der Losik.
für die VerarbeitTingimDenkeii darbieten (1. ß. Bd. 1,
S. 255 ff.).
An Beoeke scblieBen sich eoir Jobano Gottlieb DreBler
(1799— 1S67; Praktische Denklehre, Bautzen 18E3 und Grundlehrea der Fst-
chologie und Logik, Leipzis 1867} und Friedr. Dittes (1839— 18B6;
Lehitnich der praktischen Logik, bes. f. Lehrer, Wen 187S)*) an. Auch
Otto Friedrich Gruppe (1804—1876) vertrat mit sroKer Entschieden-
heit einen psycholoiistischen und empiristischen Standpunkt (AntAm et«!.,
Berlin ISBi; Wendepunkt der Philos. im 19. JahiiL, Berlin 18Bf, S. SB— 1G6;
Gegenwart und Zukunft der Hulosophie in Deutschland, Beriin 1856v namenü.
S. 179 C). Insbesondere nahm er den alten Universalienstreit in modemeir
KJmeestaltung wieder auf und lehrte, daß alle abstrakten Besri&e nur ab-
kürzende Hillszeichen zur Erleichtenrns der logischen Rechnung sind, aber
nicht als etwas Abselutes und Fertiges betrachtet werden dflifen. Sehr cba-
rakteristisch war für seinen. Standpunkt die scharfe Bek&mpfung sowohl der
aristotelischen wie der hegelschen Lo^ imd der eindringliche Binweis auf
Baco und auf die Wichtigkeit der Induktion für die l^ogik. Er bezeichnet die
neue Methode direkt als eine „Verallgemeinerung der Baconischen Methode",
die in ihrer uraprQnslichen Form nur für die Naturwissenschaft ausreicht
(Wendepunkt S. IB).
In neuester Zeit hat Theodor Elsenhans dm psrcbotofisdien
Standimnkt besonders eindringlich und konsecpient vertreten (Das TerhJUtnis
der Logik zur PsTchoIogie, Ztschr. I. Fhflos. u. philos. Krif. 18D6, Bd. lOO^
S. 166; PsTchologie und Logik, Leipzig ISeq, i. Aufl. 1913). Einen sensua-
listiflchen und zugleich nominalistischen Standpunkt scheint auch H e i n r.
Gomperz einzunehmen (Zur Psychologie der log. Grundtatsachen, Löpzig-
.Wien 1897, vgl. z. B. S. SOS.); doch bat derselbe in einem neueren Weik,
von dem bis jetzt 3 Teile erschienen sind (Weltansch^uungdehre, lena —
LeipEig 1905 u. 1908) seinen Standpunkt etwas alweindert, er sucht jetzt
nachzuweisen, daB im Bewußtsein alle Formen der Erfahrung durch Ge-
fühle dargestellt werden (1. c. Bd. 1, S. 274; vgl. auch S. 116, 177. 800^
Der pSTcholi^iBtischen Richtung stehen ferner nahe; Julius Schultz
(Psychologie der Axiome, GOttingen 1899, z. B. 5. 37 0. u. a.) sowie Ernst
Schrader (Zur Grundlegung der Psychologie des Urteils, Leipzig 190S,
namentL S. 920., und Elemente der Psychologie des Urteils, Bd. 1 Analyse
des Urteils, Leipzig 1906) und G. Heymans (Die Gesetze und Elenteiite
des wissenschafllichm Denkens, Leipzig 1890^ 2. Aufl. 1906, namenU. S. 36
u. 4»S.).
§ 43. Die indaktive Logik in England. Whewell, Mill,
Bain. Parallele ElaflQMe des PosiilTismns. Comte. In-
zwischen hatte in England die Logik eine ähnliche Bichtong
eingeschlagen. Hier hatte die Logik zunächst unter dem
Einfloß der Lehren von Locke nnd Hnme gestandon und war
*) 1878 in 4. Aufl. zusammen mit dem Lehibuch der Psychologie als
Lehrbuch der Psychol. u. Logik in Leipzig herausgegeben und hier
S. 168— SBB zu finden. Eine 9. Aufl. * ist 18(Hi erschienen. Dittes hat auch
DreSlers Qrundldiren 187S in 8. Auflage berausgefebfo.
OgIC
2 KftpiteL Allgemeine Gescbtchte der Logik. 257
dam «iner fast TSUigen VemacUässigiuig anheimgefallen.
Ent die im wesentlichen eklektischen Elements of. logic von
Bich.Whately (1787—1863) (London 1825, 4. Anfl. 1 831 ,
9i Anfl. 1848) belebten das Inter^ee an logisoben üntei>
iDohnngen wieder^). Eine nene Ära der Logik in England
sebte dann mit den Werken A. William Whewells
(1794^1866) über die induktiven Wiseenschaftea*) ein. Wh.
lutte viele Lehren von Kant angenommen und anch, wie er
aelbet berichtet, Sehelüng viel zn verdanken. Er ging daher
nicht von dem extrem aenenaUstischen, ja nicht einmal von
dem protaathetischen Standponlrt aas (vgl. z. B. Phil. ind.
BC I, S. 27 n. n, S. 436 fl. d* 457 tF.); indem er aber die
logische Bedeutung der Induktion untersuchte, gelangte er
doeh mehr und mehr — fast gegen seinen Willen — dazu,
die enorme Bedeutung der letzteren anzuerkennen nnd damit
doch der eenenalistisehen Richtung (der „sensational school",
wie er sie nennt) manche Zugeständnisse zu machen. Eine
allgemeine logische Theorie hat Wh. nicht anfgeetellt
Hier setzt nun die Tätigkeit von John Stuart Mi)l
(1806 — 1873) ein, dessen Hauptwerk „A. System of logic ratio-
önative and inductive, being a connected view of the prin-
ciples of evidence, and the methods of scientific investigation"
1843 in London erschien und in 25 Jahren 7 Auflagen erlebte,
auch bereits i. J. 1849 in dentschef Übersetzung (von
i. Sebiel) veröffentlicht wurde*)- J. St. Hill unterscheidet
') TgL Forsythe, Questions on WbatelTS Elemeols of Losic, London
1853; B. H. ShtLtp, A letter to Dr. Wbately on the eCfect whicb bis wodc
Qonenta of Logic has hid in reUrding the piogress of Locke's philosophsij
i^aitm 1868". Whately stützt sich Obrigens aui zwei altere Werke Ton
>tia VkUit^ Instilutio logieae, Ozon. 1^7, und Henry Aldiicb, Arüs logicu
ixnnpendiiun, 16dli, die fortgesetzt .in neuen Auflagen erschienen (beide mir
mäa. zngSnsiicb).
>) History of the inductive sciences from the earliest to the present
linNS, London 1837 (schon ISiO—iStl in Stuttgart von J. J. v. Ljttrow in
deatidier Übersetzung veröfientlicht); The philosophy of ihe inductive sci-
«B«^ London 1840 (2 Bde.); letztere wurde spftter in 3 getrennten Teilen
l>aui|^eben, speziell der zveite Tei) unter dem litel Novum Organum
nwnatam (3. Aufl. 18»).
*) V^ aufierdem An examination of Sir ^llUun Hanüllons philo-
»Sibt etc, London 18^ nam. Ch. 17—23. Von Hills Logik handeln u. a.
^ Stfglich, Ztschr. f. Philos. u. philos. Erit. 1910, Bd. 187, S. 111; Th. Hill
■^"«en, The logic of ]. S. Uitl (in WoAs^ London 1S86, Bd. 2, S, 196);
*■ Üehen, Om J. St^ Mills logit, Chriatiaoia— KjobenhaTn 1685.
OgIC
158 ^' "^^ Abstwizuac und aUgameui« Geschichte der Losik.
unmittelbar bewoflte und erschloflsene Walirheiten (tmths
known by intnition or immediate conscionsneae und trutbK
known only by way of inferenoe). Zn ersteren gehören unsere
eigrenen „bodily sensationB and mental feelings", zu letzteren
z. B. auch alle nur dnrch HörenBagen bekannt gewordenen
Ereiccnisse (wie z. B. die historiechen). Die Frage, welche
Tatsachen Objekte der ,Jntnition" und welche Objekte der
tJnfereoJE" (inferenoe, reasoning) sind, bat die „Metf^hysik"
(wir würden sagen: die Erkenntnietheorie) zu «itsobeiden.
Die Logik beecbränkt sieb darauf, die erschlossenen Wahr-
heiten ohne Rücksicht auf die Art der WahrbeitMi, ans
denen sie erschlossen sind, zu untersuchen. Sie ist die
Wiseenachaft „des Beweises oder der Evidenz" (scienoe of
proof or evidenee). Insofern hiermit schliefllioh dasselbe ge-
sagt wird, was die mittelalterliche Philosophie mit dem Fort-
schreiten vom Bekannten zum Unbekannten als Qegenstand
der Logik meinte (vgl. z. B. S. 81), hatte sich Milll bis dahin
von der traditionellen Logik kaum entfernt. Auch seine aus-
führliche Untersuchung der Namen*) und Sätze (names and
propositions), welcher das ganze erste Buch seines Werks .ge-
widmet ist, scheint nach ihrer Geeamtabsieht noch keinen
prinzipiell neuen Standpunkt einzuführen; haben doch im
späteren Mittelalter ausführliche Erörterungen der termini,
eignifieationes usf. nicht gefehlt. Ein genaueres Studium der
Ausführungen Mills in diesem 1. Buch ergibt jedoch, daß
hier bereits ganz neue Lebren hervortreten. Es wird näm-
lich fast die ganze Lehre von den Begriffen und Urteilen
dieser einleitenden Untersuchung der Namen und Sätze ein-
verleibt, so daß für die Logik selbst im wesentlichen nnr die
Lehre von den Schlüssen bleibt. Abn wichtigsten ist für die
Millschen Lehren das 5. Kapitel des 1. Bachs „of tbe Import
of propositions". Hier sucht Mill zu rechtfertigen, daß er im
*) „Name" („lutme") ist bei MUl mit „Worl" („nord") nicht gleichbedeu-
lend. Namen sind nach seiner Terminotogie nur solche Worte, von deren
Gegenstand eine bejahende oder verneinende Aussage möglich iat Partikel,
Adrertiienv Casus obliqui von Substantiven betrachtet Hill daher nicht slt
Namen, sondern als Worte, die Teile von Namen sind. Auch faßt er eine Zu-
sammenstellung von vielen Wbrten, die nur einen Gegenstand bezeichnet,
nur als einen Namen auf. Zu einer vollstindig klaren Unterscheidung
zihscben dem Gegenstand des Begiifla uad dem Begriff bzw. der Vorstellung
aslbat ist eben Mill nie gelaogt. Seiue Berufung auf Hobbes ist nur zum
Teil zutreSend.
OgIC
2. K^tel. Allretneiiie Geschichte der Locik. 159
Oegflnaatz zu fast allen früheren Logikern ") -das Wesentliche
des Urteil« nicht in der Beziehong zweier Begriffe er-
iSekt Dabei macht er zunächst die wichtige Bemerkung
— aof der die späteren Lehren von Brentano und Meinong
faBen — , daß Verkntipfnngen von Begriffen bald mit, bald
ohne Znstimmnng (assent, belief')) bzw., wenn negativ,
bald mit, bald ohne Verwerfnng (dissent, disbelief) aus-
StqODchen werden könnmi. So könne nuui die Vorstellnng
nBog" nnd „golden" verbinden, ohne wirklich zu glauben,
da8 der (bzw. ein) Berg golden sei. Nun meint Hill, daß
jedenfalls die Bedeutung (Import) der „Urteile" (judgmenta)
und der vcm diesen sich nur durch den hinzukommenden
■mchliehen Ansdruck unterscheidenden „Sätze" (propo-
äti<ntB) *) mit der Natur dieser Zustimmung zur Verbindung
tweier BegrifEe bzw. ihrer Verwerfung nichts zu tun hat.
IHe Untersuchung der Natur dieses belief - Zustandes mit
Beeng aof die verknüpften Begriffe geht die Logik nichts
a&; denn Satee (Urteile) sind nioht Behauptungen bezüglich
onBrer Begriffe von den Dingen, sondern Behauptungen
bozfiglich der Dingeselbst, und M. gibt sich Mühe naoh-
nwftisen, daß jeder Satz (mit Ausnahme der rein sprach-
Uchen) sieh anf Existenz, Koexistenz, Sukzession, Kausation
od»- Ähnlichkeit der Dinge beziehe '). Dabei übersieht er
fum, daß es auch zahlreiche Urteile gibt — die analytischen
im Sinne Kants (vgl. S. 126) — , in denen eich die Zustim-
nnmg und Verwerfung gerade ansechließlich auf die Ver-
knflpfong zweier Begriff« beziehen und das Verhalten der
Dinge, d. h. der mit den B^prlffen gemeinten Gegenstände
Wa außer Betracht bleiben kann, und daß gerade diese
*) Leider hat Mill eine Kenauere Versleichung seiner Ansichten mit
in lUKniiutlist lachen von Occam u. a. unterlassen. Siehe aber z. B. I,
Ol e, § 1.
■) Schon bei Carteaiua apielt dieser assensus eine Rolle. Hume be-
'whsete ihn ab beliel und neigte dazu, ihn nur ab eine „streng and
'^T conception ot any idea, and such as approaches in some measure
to an immediate inyiression" aufzufassen (Treat. ot hum. nal. I, 3, 7, Anm.).
^'!t- 0. Quast, Der BegriQ des beUef bei Dav. Hume, Halle 1009 (Abb. z.
ftiilos. u. ihrer Geach. Nr. 17). J. St Mül betrachtet .^eüeT* als ein© loteU
■"iniortiale, für unser Urteilen und zum Teil auch Vorstellen charakte-
'iAMhe BevuBlseinatataache.
'] V^ z. 6. EsaiQ. ol Sir Harn. phUos. S. 857.
■) An anderer Stelle fügt er vorsichtiger hinzu; everr propositJon
*i)ichcon«CTs real information asseris m matter ot faet ....
-.ooi^lc
1^ L TeiL Abgrenzunc und ftUgemeiDe Geschickte der Logik.
Fälle in des Bereich der formalen Logik fallen. Er übersieht
femer oder unterschätzt wenigstens auch bei den äbrigen
Urteilen — den syntbeÜBChen in Kante Sinn — die Be-
dentang der VermittlongsroUe, welche unsere Begriffe
zwischen den Dingen nnd dem Urteil übernehmen. Nachdem
er nnn aber einmal in dieser Weise die Begriffe und BegriflE-
▼«rknüpfnngen aus der Logik e. str. ausgeschaltet hat, blübt
für diese eben in der Tat nnr die Lehre vom Schluß übrig.
Die Lehre vom Begriff und Urteil kann von diesem Stand-
pnnkt ans in der Lehre von den sprachlichen Bezeichnungen
— Namen und Sätzen — erledigt werden.
3iocb einschneidender aind die Umänderungen, welche
Mill in dei^ Lebre vom Schluß, also der eigentlichen Logik
naeh seiner Auffassung, vornimmt Er unterseheidet zvei
Formen des Schlusses: die Induktion und die Batiozination
oder den Syllf^ismus. Bei der Indnktion ist der Schluß all-
gemeiner als die Prämissen, bei der Batiozination ist der
Schluß weniger allgemein oder höchstens ebenso allgemein
als die Prämissen (Log. ZI, 1, 3). Danach könnte es zunächst
noch scheinen, als werde der „Syllogismus", d. h. also in
Mills SiniK der deduktive Schluß (vom Allgemeinen auf Be-
sonderes oder weniger Allgemeines), wenigstens als gleich-
berechtigt neben der Indnktion anerkannt; indes Mill jer-
sucht, durch längere Ausführungen zu zeigen, daß eine
korrekte Analyse auch bei den Syllogismen (deduktiven
Schlüssen) gar keinen Schluß von Allgemeinem auf Beson-
deres ergibt, sondern immer nur einen Schluß von Bescm-
derem auf Besonderes (vgl. nam. Log. II, 3, 5). Der all-
g«mieine Obersatz, z. B. alle Menschen sind sterblich, faßt
nnr registrierend viele Einzelbeobachtungen zusammen. Die
allgemeine Fassnng des Obersatzes bat nur eine Reibe prsi-
tiecher Vorteile, vor allem erleichtert sie die Kontrolle der
Schlüsse. Schließlich ist also Induktion die Grundlage
aller Schlüsse, und jede Deduktion (jeder Syllogismus) ist
nnr eine sekundäre Umgestaltung induktiver Schlüsse i^I-
Über Einzelheiten den Spezialabschuitt). Damit ist nnn in
der Tat die Indnktion fast Alleinherrscherin in der Logik
geworden, und dementsprechend widmet ihr Mill eine sehr
ausführliche Besprechung, die über die aphoristische Bscos
weit hinausgeht
Und diese Darstellung der Lehre von der Indukticm sr-
gibt noch einen weiteren Fortschritt In älteren Logiken war
„.,,„,^.oogic
2. Kapitel. AUfenwinB Geachidit« der Lofik. 161
mt meh achou oft von der .rUethode", ,rtfet}iodenlehre" die
B«h gflveaen, aber man hatte eich doch meiBtena auf einige
aUiemeine Satze beschränkt. Mill gibt zum entenmal eine
«afnhrlichere Darstellnng- der wiasenschaftlichen Methodik
iiad berücksichtigt dabei eingehend aach einzelne Wissen-
^ehafteo, and zwar sowohl NaturwiMensehaften wie Geistee-
jrinenschaften (ntoral sciences, z. B. peychology, „ethology",
nfloeial scieuce" usf.). Mag auch vieles den Wideispmch
bcraoBfordem, jedenfalls war damit die Logik anf ein neues
vMtes Arbeitsfeld mit Becht hingewiesen.
Hau kann nicht sagen, daB die Zahl der speziellen logiacbeo Werke,
«•lebe auf dam Boden dieser induktiven Locik Uüt's enchtenen, beeondei«
tmi wite. Inmerbin versuchten namentlich in England einzelne Forscher
HiD's Lehren noch weiter auszubauen und zum Teil auch zu verroUkomm-
DCB. So stellte Alexander Bain (ISld— 19(»i Logic, deduclive and in-
tecine, London 1870) «ne enger« Tetbindong der englischen Assoziations-
»Tchalogie mit MiU's induktiver Logik b«r. Thomas Fowler (1831 bis
iSOk; The Clements o! deducUve logic, Oxford-London 1867^ lO.AufL lSd7;
Ttte Clements ot induclive logic, ib. 1869 u. 1884; Logic^ deductive and in-
duetive, ib. 1895) gab ihr mancherlei didaktische Abnindunsen, ohne an den
Qnmdlehrea wesentlich zu ändern. lohn Venn, Symbolic logic, London-
!««w York 1881^ ä Aufi- 1894; On the forms ot logical proposition, Mind 188l^
Bd.% Sl336; The logic of chance, London -Cambridge 1866, namentl. Fre<
Uce S. Xni; The principles ot empirical or inductive logic, London 1889,
!2. Aufi. ISCFT) kleidete die tlillscben Sätze in das Gewand der sog. mathema-
ÜKben oder symbolischen Logik (vgl. g 54).
Koch bedeutsamer nnd tiefer greifend war die Wendung,
*ekhe Herbert Spencer (1820—1903; First principles
of a new system of phllosophy "), London 1860 — 1662, 6. Antl.
1889, nam. Parti 1, Ch. 3 — 5; Principles of psychology, Lon-
don 1855, 5. Aufl. 1890, u. a.) den Mlllschen Gedanken gab.
Et behauptet nämlich, daß die Logik sich mit den allgemein-
steB Qesetzeu der Beziehongeu (most general laws of corre-
lation) zwischen Wirklichkeiten, soweit sie als objektiv
betrachtet werden, beschäftigt, und bezeichnet die Logik
daher auch geradezu als objektiv (Pr. of psych. II, S. 87 ff.,
^ 302 IT.). Damit tritt sie ia G^ensatz zur Erkenntnistheorie
(tbeory of reasoning), welche die allgemeinsten Gesetze der
Besiebungen zwischen den jenen Wirklichkeiten entsprechen-
ilen Vorstellungen (ideaia) aufsucht. Die Behauptungen der
*) Spater lautete der Titel nur kurz: First principles. Sie bilden den
e«en Band des Werts „A System of synthetic philosophy", die Principles
gl psiebology den vierten und tOnften. Die Zitate im Text beziehen sich auf
die 3. Auflage beider Werke.
Zicbau, I«hrt>D«b der Logik. 11
n,i.iiA.OOt5IC
lQ-2 I- Teil. Abffrenzunc vind aUfemeioe Geschichle der Logik.
Logik sollen sicli aiso aaf die Verkntipfiingea der „Diagt)",
soweit Bie als aaBerhalb nnseres Bewußtseins existierend be-
trachtet werden, beziehen. Von der Notwendigkeit des Glau-
bens an s<^che extrapsyehisehe Dinge ist Spencer fest öber-
zengt (First Princ, S. 87 ff., ^' 26). Es existiert aber nebw
dem bestimmten BewuQteein, dessen Gesetze die lit^ik for-
muliert, ein □nbeetimmtes Bewußtsein (indefinite consciooB-
ness), welches keiner Formulierung zugänglich ist, aber doch
zn den „normal affections*' des Intellekts gi^ört (ebenda,
S. 38). Die Beschränkung des Denkens auf Relationen (thin-
king = relationing, S. 86) ist vom biologischen Standpunkt der
Entwicklung aus selbstverständlich. Nor pin solches Denken
ist nützlich für uns (vgl. die Bemerkungen über evolutio-
nisti&che, biologische und pragmatistiscbe Iiogik in ^ 53 dieses
Buches). Auf die tieferen Probleme, welche sich aus der An-
nahme eines „objektiven" Charakters der Logik ergeben, ist
Spencer nicht eingegangen.
Die Lehre von Spencer i^t in bemeriunswerler Weise w^tergebi^t
worden von Carvetb Read (On the theoir of logic : an essay, London
167d u. Logic, deductive and inductive, London 1886). Dieser nüiert üch
wenigstens prinzipiell insofern dem Fositiviamus (siehe unten tmter g &),
als er die Logik definieit als „a science of universal matter-of-
fact", die weder objektiv noch subjektiv ist (l. c. S. 1*). Bei der weiteten
AusfOhning bleibt er diesem Standpunkt allerdings nicht treu.
Viel zahlreicher waren die Anhänger der Millschen Lehre, welche as
der spezifisch bgisch -nissenschafUicben Seite derselben kein Interesse
nahmen, aber ihre Spezialwissenschaften vom Standpunkt Mills aufiaBten
und eine weitere Darlegung und Begrflndung der Millschen Satze für ganz
aberfldssig hielten. Insbesondere legten die Vertreter der Naturwissen-
schaften (im weitesten Sinn) größtenteils Hills Auffassung mehr oder weniger
bewuBl und klar ihren allgemeinen Anschauungen zugrunde.
Das etwa gleichzeitige Auftreten von Auguste Comte
(1798 — 1857), dessen Cents de Philosophie positive in den
Jahren 1830 — 1842 erschien, trug zu diesem Erfolg wesent-
lich bei; denn obwohl Comte in diesem Werk die Logik als
Wissenschaft fast ganz ignorierte, war doch allenthalben un-
verkennbar, daß hier das Induktionsprinzip als für alle
Wissenschaften maßgebend hingestellt wurde: „l'nsage bien
eombin^ du raisonnemeat et de l'observation" war nichts
anderes als die Anwendung der Induktion auf die Beobach-
tung. Selbst die Mathematik ist nach Comte, wenn seine
Ausführungen auch in diesem Punkt keineswegs klar und
eindeutig sind, von der Erfahrung abhängig und daher
schließlich auf Induktion angewiesen. Die Zurückföhmng
„.,,„,^.oogic
ä Kapitel. Allgemeine Geschichte der Lofik. 163
aller Wissenscliaften (mit ÄUBnahme der Hatbemaiik) anf
PbfBik, insbesondere die Degrradation der Psychologie zn
eiatsm Anhängsel der Himphyaiologie, und die Reduktion
der So2iol(^e anf „physiqne sociale" konnten kaum anders
als im Sinn einer Alleinherschaft der Induktion verstanden
Verden. Comte behauptet sogar, daS die Gesetze der Logik
»Ibst nur durch eine „Observation approfondie" der bei der
Bildung der wissenschaftlichen Theorien tatsächlich ange-
wendeten Verfahmngsweieen („l'examen des procäd^ r^Ue-
ment employ^ pour obtenir les diverses connaiwances
eiactes . . . dejä acquises", Cours de philos., 5. Anfl., I, S. 27)
«rkannt werden können, allerdings läßt er dahingestellt, ob
es später vielleicht einmal möglich werde, a priori die
großen logischen Methoden zu entwickeln (1. c. S. 33).
Comte seibat hat in späteren Weiten, namentlich seiner Synthese sub-
xctire, ou Systeme univenal des couceptions propres i. l'tM normal de
lliamaiüt^, Bd. 1 Systeme de logigue positive ou trailä de i^losophle
mithänatique, Paris iSSß"), seinen ursprangiichen Standpunkt nicht fest-
(efaalten und die Loeik in Mathematik und Mystik autgelöst. Dabei «iid
udeieneils der Nfltzlicbkeitsstandpunkt last ganz im Sinn des spfttereo
PnsmaÜimus eingehalten. So lautet x. B. die endgoltige Definition der
l^k [1. c S. 27): ,Je concours normal des sentimeats, des Images et des
signes, pour noua inspirer les concepUons qui conviennent k nos besoins,
nuiau^ intellectuela et physiques". Die ersten, übrigens unvollst&ndigMi
englischen ttbetsetzungen des Uauplweikes erschienen 1861 und 18G6.
Ant dem Boden der induktiven Logik steht in vielen Beziehungen auch
-]«T boQ&ndische Philosoph Cornelia Willem Opzoomer (1831 Ixs
1882] in seinem LeeAoek der Logica, Amsterdam 1868 ''). Er bestreitet die
Kantsche Lehre, dafi die Form der Erfahrung nur im &ibjekt wurzelt und
knnen obäektiven Ursprung hat, und rechnet auch die Mathematik zur Natur-
**) So spricht er S. 65 von der science mathämatique, rAg6n6rte sous
1« Dom de logique, gibt aber dann nicht etwa eine mathematische Logik im
mideraen Sinn, sondern eine wenig klare, religiCs gefärbte Philosophie der
Mathematik, in der z. B. die .^lorobres sacr^s" eine Rolle spielen (S. 109). Er-
bueichnet dies selbst als „enseignement sacerdolal de 1a logique" <S. 90).
IntcRssant ist die starke Hervorhebung der Bedeutung des GefOhlB fOr die
I^gik; „A la t6te des moyens loBiques^ il faut donc plaeer les sentintenls
qtii, founiissaDt k la fois la sourc« et la destination des pensäes^ les combi-
neat d'aprto la conneiit6 dea 6motiona correspondantes" (S. 29) und „la
»TStematisation logique eat autant due gue l'unitö g£n£rale k la pr6pond6-
iiDce du coeui sur l'esprit". Vor Comte hatte sdion Burdin * (Mim. sur la
xience de lliomme) erklärt: „La math^matique transcendante, qui n'est
«ilre chose Que la science g£n6ralB de comparaison, antremeot dit la logi-
lue ... ."
"} Andere Hauptwerke: De weg der wetenschap, Leyden 1961, 3. Au(L,
Bet mzea der kennis, Amsterdam 186B (unter dem Titel „Die Methode der
TissQucbafl, ein Bandbuch der Logik", ins Deutsche Obersetzt von
11»
„.,.,„.>..oo^sic
]g4 I- T'öl. AbgienzuDS und »ng^neine Geschieht« der Losik.
wiBMoacball. Die Logik hat die AulSab^ die bewthrten naUuwiMenschaftr
liehen Uethoden zu beschreiben und den Geisteswissenschaften zur Befol-
guDg zu empfehlen.
In Italien wurde die Lncik in positivisltfcbem Sinn von C&rl»
Catl«neo {180V— läS^ Scritti di filoso&a, fürenze 18SS^ Bd. 3) imd wn
Bpberto Ardigö (geboren räBB, Opeoe filonfich^ nam. Bd. 8, Padon
IfiB&k RelstiviU ddla logica umana, S. 413 ff. und Riv. di fllos. 1911, Bd. 3,
S. SIT) ausgebildet. Auch Federigo Enriques (leb. 1871] gehört
hierher (I^blemi della sdenza, Bokxna 1906, 2. Aufl. 1910; Die Probleme
dar Logik, Enzrkkvid. der iriulos. Wiss., hentusaeg. von Ä. Rüge, Bd. 1,
TOtnagen 1B12, S. 219—213; Ut nteUphyuaue de Hegel, Rev. de miUvh. et
de mor. 1910, Bd. 18; S. 1; Les concepts tondamentaux de la scienc?,
Paris 1913) *.
S 44. O^enstrSmiingeB: a) BeCarmTerHiebe amt d«a
Gebiet der Kantsehen Lt^ik. Cohen. Natorp. Die im
vorausgehenden knrz geschilderten Strönniagen, die extrem-
. sensualistische Lo^rik Destntt de Traeys, die psycholo^ietische
Benekes, die indnktiv-poBitiTistiscbe Mills und Comtes ver-
einigten sich gewisBermaBen za einem konzentrischen An-
griff auf die alte Logik. Allerdinga stimmten sie bei aller
Verwandtschaft keineswegs unter sich überein. Beneke
wollte von dem extremen Sensnalismus der Nachfolger Con-
dillaos Dichte wissen und hatte doch andererseits Bedraiki-n
gegen die von Whewell and Kant übemonunene lichre von
apriorischen Elementen („ftmdamental ideas") '); Com^te hielt
die ganze Psychologie, wie sie z. B. Beneke trieb und der
Logik zugrunde legen wollte, für ganz überflüssig, Gruppe')
und Hill *) nahmen wiederum an vielen positivistiscbea
Lshren Anstofi usf. la der Verwerfung der herrschenden
Logik waren sie jedoch einig.
Demgegenüber waren die Vertreter der letzteren größten-
teUs in einer miälichen Lage. Die Fichtesche und Schelling-
sehe Schule hatte schon fast alle ihre Anhänger eingebüßt
Die H^relsohe war zwar noch sehr einfiuBreich, aber dieser
Biofluä äußerte sich bereits mehr in anderen Oeiateewissen-
schaften ((Jeechichte, Jura usf.) a\t gerade in der Philosophie
0. Schwindt, Utrecht 1852, nam. S, 11); De warheid en hare kenbronoLii,
Amsterdam 18B8, 2, Aufl., Leyden 1863. tn>rigens vertritt Opz. andeierscils
eine an Jacobi erinnernde Gefoblslehre.
") System der Logik, TeU ^ S. aOß.
*) Siehe S. 1B6. AusfOhrliche ErCrterung im Wendepunkt der Philo».
J. c. Vgl. «ich Gruppes Bedenken gegen Uill in Gegenwart u. Zukunft der
PhiloiL in Deutschland S. 181.
') Auguste Comte and PoMüvism, Westminster Re». 1865, April.
1,1^. OQi
,g,c
£ K>intel. JUltemüne Geschichte der Logik. IQg
wibtt In dieser wankte der Olanbe an den Panlofrümns be-
reite allenthalben. Daza kam^i die Streitigkeiten ioneriiolb
der flegvlschen Scbnle, welche die Aufmerksamkeit der Ver-
treter der H^elecfaen Lehre von des aoBariialb der Sehale
drohenden (Gefahren ablenkten. Erst viel iqiätcr (t^I. % 48)
gelangten dnrch dm sog. Ken-HegclianiBmns anch Hegels
logische Ijebrea wieder zum Wort. Die Herbartaehe Schnle
kam öb^iaapt kaum in Bctraeht. Ihr Ansehen beschränkte
äeh tmt gttm auf päda^ogiKbe Kreise, amd infi^ffe dinw
Spestalisiemng beteiligte sie sich nnr auverhältninaiMg
wenig an der allgemeinen Weiterentwicklung der Philo-
tofäät, insbeeoodere der Logik. Letsteres gilt aneh von der
Frieaehen Schule, ans deren Mitte ül»i0enB Äpelt sehr ant-
Bchiflden g^en Mill auftrat *}.
So blieb denn der Kampf gegen die neuen Siehtnufen
laiiäch st vorzugsweise Vieren Schulen überlassen, die
doRli die Fichte -Sehelliog- Hegeische Richtung zeitweise
xinückgedränfft «ordeD wann, jetat aber uaeh dem äeheiteni
dieeer System© sich wieder erhoben und ihre alten Lrtnm
~~ nun Teil allerdings unter erheblichen Umgestaltungen
und reformierenden ÄnpasBungen — gegenüber dem An-
shirm des Psychologismus, Seiunuüiaauis und Indnktivismns
verteidigteai.
Am «nebligsten ist onler diesen ReftktioBastrtmunsen gefen die neue
Logik dieieilite derSantscben Schule. In England trat tetztere scbon
<«tir fttA f^en J. St Hill auf, mib^ aüerdinRif manche seltsame Hitnr-
tündstee und Umdnlungen der Kantscbeit Lehren vurkanten. Die Bsnpt-
mtreler dieser RicfatunK waren Henry Longneville Hanftet
(ta!D-~ie71, Prolegtnnena logica, an inqtürr inio the psycfaolosieal charactw
«( logicftl processes, Oxford 1861; The liniitfl of irilgious ttiought etc., Ottori
1^ naiBentL Leeture 3 u. b, S. 14A; Tke Umita of a domonstrative acience
«Diida«! in a letter to the Rev. W. WheweU, Oxford 1SG3>; Artis logicae
radhnenta, from the text of Aldrich, with notes and introduction, Oxford
IW), William Thompson (Outline» oa the necenaiy la«n ol tbouftl;
* Instiie «n puic and apidied lofic, London lSt2, 8. AuD. ISSB), und •nt
^lem William Hamilton (1786— 1656^ Lectures on mrtaphvsics and
knc, Edinburgh lacd—iee^ wovon Bd. 3 u. 4 Lectures oo logic^ 3. Aufl.,
^nbnish u. London 1866 mit einem uhlniche Fragmente enthaltenden
Amendix; vgl auch § M). Die Lebren des letzteren erinnern QbrtSR» hier
and da aa die später zn bewrechenöe ArifaMong Bdzanos (v^ 3. 17^, so
**im er coneapt und eoDeeption miterscfacidet and rasteren wie alW Pn>-
ii^ to Duften« der Lafik, letxtcoe wie alle Operationen des Denk«» 4m
fnäata^ zniMist (Logk. Bd. S, L«et fi, & Aufl., S. 74, Eiehc andi S. »,
•) Dia Tbrntw am Induktioa, Leipdi 18M, S, 171 B.
h. i.MM,Googlc
]gg' I. T«L Aberenmns und all«emein« Geschichte der Lo^
In Belgien nahm E. T a n d e 1 einen ähnlichen Standpunkt ein [Coure de
lodove, Liäfe 18U *). In Italien rertraUn Alfonao Testa (1784^1860.
Filoaofia della mente, Piacenza 1686*) und später Carlo Ca.ntoni
(IStO— 1906, Coiso elementare di filosof., Uilano 1870, 13. Aufl. 190S, Bd. 1}
den Kantschen Standpunkt gesenDber den neuen Lehren.
Viel bedeutsame^' ist die Reaktion, welche in Deutschland von der
wiedererwacbenden Kantschen Schule — allerdings eilieblich sp&ter — geEen
die Beneke-Comte-Mi tische Richtung ausging. Schon Cbristian Ej'nst
Oottlieb Jens Reinhold (1793—1856) halte in zahlreichen Werten o)
die Lehren seines Vaters (rgl. S. 180) und Kants geeenQber der Fiebte-Schet-
ling-Hegelsdien Richtung, sfxnM auch auf logischem Gebiet mit relatiT un-
bedeutenden Ab&ndanmgen (Logik 1827, Vorrede S. V) vertreten. Aber erst
viel apftter, nftmlich im 7, Jahrzehnt des Jahrhunderts verscbaSte Mch der
Bot: „Zurück zu Kant" allgemeines Geher und zwar insbesondere auch aul
dem Gebiet der Logik, und kehrte man den Angriü bzw. die Verteidigung
gegen die neue psTchologiatische, sensualistische und induktive Logik. Die
„kritische Abhandlung" Otto Liebmanns v. J. 186& „Kant und die Epi-
gonen" bezeichnet ziemlich scharf den Anfangspunkt dieser neuen Beregung.
AuaführUcher und positiver wurde der neue Standpunkt von Frif^drich
Albej-t Lange (182S — 1876) in seiner Geschichte des Materialismus (Iser-
lohn 1866^ 2. sehr vermehrte AufL 1873, 7. Aufl., Leipzig 190S^ berausgeg.
von H. Cohen) entwickelt. Bemerkenswert sind darin vor allem aoch die-
erheblichen Zugeständnisse, welche L. allenthalben der induktiv -natur-
wissenschafllichen Anschauung macht.
In einär kleineren unvollendeten Schrift, die H. Cohen aus dem Nach—
laB herausgegeben hat, betitelt „Logische Studien, ein Beitrag eur Neu-
begrandung der formalen Logik und der EAenntufartheorie" (leertohn 1877,
2. AufL iSBi), bat Lange die Lehre vom Urteil und vom SchhiS weaentliclr
gefordert, wie in den Spezialabschnitten weiter zu erCrtem sein wird. Seine
Angriffe richten sich hier viel mehr gegen die alte aristotelische, d. h. die-
metaphysische Logik als gegen die neue psTcbokigistische und iaduktiTe. Der
letzteren kommt L. sogar vielfach weit entgegen. Neu und selbeUndig;.
wenn auch sicher unhaltbar*) ist die in diesen Studien entwickelte Lehre
Langes, daß alle unsere Denkbegiitfe und BegriffsverhAltnisse aus der^
Raumanschauung entspringen.
Noch viel schärfer wendet aicli die folgende Generation der-
Neakantschen Schale gegen die psychologistische, sensua-
listische nnd induktive Logik. Es hängt dies einerseits mit
der zunehmenden Abwendnng der Schnle von den Natur-
wissenschaften nnd andrerseits mit ihrer Neigung zu einer
rein lf>gi5chen (statt It^isch-paychologischen) Auffasenn^ dor
■) QrdndzOge eines Systems der Etkenntnisldire und Doiktehre,
Sditesirig 1822, S. 176B. (g 109 fL); Versuch einer BcvrOndunf und neuen
Darstellung der log. Formen, Leipzig 1819; Die Logik oder die aUfemeinS'
Denklonneniehre, Jena 1827; Theorie des menschl. ErkenntnisvamCgens und.
Metaphysik, Gotha-Erfurt 1833— IBM; Lehrb. der philos. prop&devL Psy-
chologe nebst GrundzOgen der formalen Logik, Jena 1686.
«) VgL A.Riebl, Vierteliahrsscbr. f. «iss. PhUos. ISiS. B.S, S.H6tL
Z KftpiUl. Allgemeine Geschichte der tosik. 167
LehnD Kants zoBammen. Nach Alois Biehl') (geb. 1344)
ungm aelbfit in der theoretischen Naturwissenschaft die
lUsaehen der Sinne durch Induktion und Experiment „nuter
Begrilte a priori gebracht werden", om Erkenntnis zu liefern.
Drb Mlt^nscb-mathematische Wissen" ist eine nicht minder
areprängliche, nicht weniger wesentlich» Quelle des Er-
kennens wie die Wahmehmnngstatsacben. Die Psychologie,
imd speziell die physiologische I%yehologie wird ganz in den
Hiot^^ond gedrängt Vgl. auch ^ 57. Noch ausgeprägter
vertritt HermannCohen*) (1842—1918) denselben Stand-
paukt. Er bestreitet, daß „in der Wahrnehmung das natür-
liche Becht, die unmittelbare Gewißheit, die absolute Quelle
der Wirklichkeit" zn erblicken sei (Prinz, d. Inßn. S. 27).
Das Denken ist eine der Anschauung ebenbürtige Erkenntnie-
qoelle. Jede „gegenständliche" (jed« „spezielle") Erkenntnis
iet dareh die Verbindung beider Erkenntnisquellen bedingt
d c. S. 16). Später erklärt C. noch schärfer: Die Schwache
in der Grundlegung Kants liege darin, daß dem Denkeu
>Min Anfang in Etwas außerhalb seiner selbst" zugeschrie-
ben werde. Cohen lehnt es ab, „der Logik eine Lehre von der
Simlichkeit voranfgehen zu lassMi": „wir fangen mit dem
Denken an". ,J>as Denken darf keinen Ursprung haben
»Lfierhalb seiner selbst . . ." (Log. d. rein. Erk. 8. 11), Das reine
Ocoikea in sich selbst und ausschließlich muß die reinen Er-
kenntnisse zur Erzeugung bringen. Das Zusammenwirken
von Anschauung ond Denken ist also hier nicht erforderlich.
Ifithin muß die Lehre vom Denken die Lehre von der Er-
k™"tnifi werden. ,^Als solche Lehre vom Denken, welche an
öeh Lehre von der Erkenntnis ist", will C. „die Logik niit-
1 ndlosopbie der Geienwart, a AnfL, Leipzig 190« (z. B. S. VSStS.);
In idnlosoph. KiitizismuB u. a Bedeutung iQr die pos. Wissanachal^
l^Big 1878, 1879 u. 1887, 2. Aufl., Bd. 1, 1908. Die ,3eitra«o zur Ugik"
(VittlelMtiiBscbT. f. wiss. Fhilos. 18^ Bd. 16, S. 1; 2. AutL, Leipzig 1912)
bchudeln spezielle Probleme; Logik und Eiteuntnistfaeorie, Kultur der
'^fmwirt I, 6, Beriin 1907. Eine Uittelatdlung zwischeu der alteren
LumcheD und der neueren Riehlschen Richtung mmmt der oben be-
Kiit ervfihnte Otto Liebmann in seinen spateren Werken ein (1840
^ 1^, Zur AnaiTBis der Wirklichkeit, StraBburs 1S76, i. AufL 1911; Ge-
*«iken u. Talsachen etc., Bd. 1., Straßburg 1883— 18S9, Bd. 3, 1901—190*,
^ Aufl. 1904), doch bat er togische Fragen niemals auStahrlich behandelt.
*) Kants Theorie der Erfabrong, Berlin 1871, 3. Aufl. ie8&; Das Prin-
^ da Infiniteaimalmethode u. seine Qeachichte, Berlin 1889; Logik des
'öuea EAennen» (= System der Philosophie. 1. TeU), Berlin 1902.
16S '• '^^' Absrenzunc und allgemeiae Geschicli<e der Locik.
bauen". lu diesem Sinne spricht er auch von dem i,Q«^
üpeost einer Normalen Lo^ik". Der Lo^ik muß die uatürtiolie
Beziehung auf sachliche Geltung wiedergegeben werden, „dtw
Interessengebiet der alten Metaphysik darf ihr nicht entrüokt
werden". ,4>a8 Sein ist das Sein des Denkens." Die alte.
von Parmenides gelehrte BelatifHi der Identität von Denken
imd Sein muß festgehalten werden. Der BegrifF fragt: was
isti Die Antwort ist die „Idee". Die letztere ist „das Selbet-
bewnfltsein des Begriffs'', „die Bechenschaft des BegrtfCs"
(Log. d. r. Erk. S. 14). Für die Psychologie bleibt lediglioh
das Subj^t, die Einheit der menschlichen Kultur, die Btn-
heit des Bewußteeins als Einheit des KulturbewoBtseins.
Die Logik hat es mit dieser Einheit nicht zu tun, sondMii mit
„der Einheit des Denkens als des Denkens der Erkenntnis" ").
Es leuchtet ein, daß damit jede psychologtstische und
eensualistische, ja sogar jede empirische Richtung der Ijosik
durchaus abgelehnt wird. Die induktive Logik vcfümI ilira
von Mill behauptete Bedeutung. Zt^Ieich wird überhaupt
die formale Logik beiseite geschoben und die transeendeatale
Log] k Kants (vgl. S. 126) als d i e Logik x««' ifox^p hingestellt.
Die Logik hat danach lUe apriorischen Bedingrui^n des
Denkens eines Gegenstands zu untersuchen. Aber Cohen g^t
über diesen Kantschen „Transzendentalismus" noch hinaus.
Die Beziehung auf die Anschauung, die Kaut als unentbehr-
lich erachtete, wird jetzt für das reine Denken ganz anf-
gehoben. Das reine Denken muß die reinen Erkenntniaee
ganz aus sich selbst schöpfen. Und auch die Beziehung Etun
Sein verschiebt sich. An Stelle der Kantschen BeziehoD«
des Denkens auf Anschaunngien tritt eine etwas geheimai»-
volle Identität von Denken und Sein. Die metaphysische Be-
deutung, welche die Logik bei Plato, Aristoteles, bei den
Scholastikern, bei Hegel hatte, wird jetzt wieder ausdrück-
lich für sie in Anspruch genommen.
So hat die neu-kantsehe Ix^k in dieser von Cohen ver-
tretenen Richtung nicht nur gegenüber der psychologisii-
echen, sensualiatischen und induktiven Logik den KantacbttD
transzendentalen Standpunkt wieder betont, sondern ist atxdi
über diesen noch hinausgegangen, so daß sie einerseits tnit
■) Auf die merkwürdige VberacUtiunS dw I
Welches C. lOr ein Produkt du reinea De«kena hUt und in dan
Punkt der Logik Btelten vill, kuin hier Dicht einseganien werden.
3 Kapitel. Allgemeine Geschiebte der Lofik. 169
äiaw Bjchtungen, andreneite mit der alsbald za be-
spfficlienden logizistischen zasammentritft.
Unter Cohens SdiOlem tut ach nuDentlicb Ernst Gtssirer (feU
ISH; SnhatOTifhegrifl u. FunktiombeffriS, Betlin 1010 il a.) auch mit Idti-
■tken ?nsen beacbUügt. Vnwandte Anschauunien finden sich in der von
}. Pktter bersusgegebenen Logilc von Aug. Stadler (1860—1910), Leip-
Dem Ck>Iien6chen Stanijpunkt steht Faul Natorp**)
fg6b. 2854) sehr nahe. Wie Cohen nimmt er an der Kantschen
Fordemng des durchgängigen Zusammenwirkens' von An-
Khaanng und Denken ÄnstoB. Nicht nur für die Logik selbst,
sondern auch für die Mathematik soll eine rein logische,
aprioriBche Begründung unabhängig von der Anschauung
m^lieh sein. Die Unterscheidung einer „reinen Anschauung"
und eines „reinen Denkens" im Eantschen Sinne wird über-
haupt preisgegeben. Dabei wird doch ein Zusammenfalien
<ier Logik mit der Mathematik bestritten "). Die Mathematik
ist wie die Naturwissenschaften eine konkrete Wissenschaft
und als solche direkt auf ihren besonderen Gegenstand ge- -
richtet, während die Lc^ik die Gesetze der Synthese selbst,
vonach irgendein „Gegenstand der Wissenschaft sich zum
Gegreostand erst gestaltet, also die Gesetze des Wissen-
schaffens aJa solchen feststellt". Die Logik kann daher als
eine „neue Art der Beflexion" bezeichnet werden. Der
1*¥ische Charakter kommt der Mathematik nur zu, insofern
■*) Die logischen Grundlagen der exakten Wissenschalten, Leipzig-
Berlin 1910, u. AUg. Psychologie nach kritischer Methode, 1. Buch, Tobingen
W13, nam. S. MB. u. aOOfl.; Logik (Grundlegung u. log. Aulbau der Math.
n. math. Naturwissensch.} in Leitsätzen zu ak. Vories. 19M, 2. Aufl. Mar-
targlBia
'>) Ein solches Zusammenfallen lehrten von anderem Standpunkt aus
GoUk«) Frege (Die Grundlagen der Aiithm. etc, Breslau 18», S. 99,
S 87; Funktion u. Begriff, Jena 18B1, S. IttO.; Grundgesetze ddr Arith-
»tik etc., Jena 1808 u. 19»), Bertraod A. W. Russell (An essky on Ibe
'nsdalions ol geomelrr, Caübr. 1897; The Problems of idiilosoiAy, Lon-
in in* (Kap. 7 u. 9— 1»); The principks of matbematica, Bd. 1. Cam-
bridge 190B; La Uiteiie des types logiques, Rev. de mätaph. et de mar.
ino^ Bd. 1^ S. 263; Amer. Jouro. of Math., Bd. 30, S. 238; Mind 19ll\
U. 18, 3. aOi Ober Heiuings Lehren; Hiilos. Rer. 1906, Bd. 16, S. 400),
*ä. Ntnth 'Whitehead (A trmtise on universal aJgebra. with aptdicatienst
^ 1, Cunbr. ISBS), Louis C o u t u r a t (Lea principes des matbömatiques,
Paris 1906, deutsch von C. Siegel, Leipzig 1906; Die Priniipien der Logik
■n Bnzrttep. d. philos. Wisaensch., Bd. 1, Tobingen 1913, S. 137—301; Rev.
^ nttaph. et äe mor. 190*, Bd. 1% ä 1»«., 1906, Bd. IS, S. SW^ 191%
U. 30, a 1] u. a. VgL auch 3 Ul
„.,.,, :,>..OO^SIC
370 L '^^- Abfrenzunc und allcemeine Gesdiichte der Logik.
ihre Onmdbegriffle dnrch die Logik dargeboten mid zi^leicb
Belbflt Begriffe der Logik sind nud ihre erfiteu Orandsätze iu.
den Gesetzen der Logik enthalten oder ans ihnen ableitbar,
nicht blofi in irgendeinem allgemeinen Sinne logisch, d. h.
widersprnclufrei und zusanuncnhängend sind.
Den Standpunkt der rein-formalen Logik verwirft dem-
gemäß anch N. durchaus. Diese formale Bichtung der Logik
beschränkt nach N. die ganze Leistung der ßrkenntniB auf
die analytische Verarbeitung dinglicher Inhalte, die auf
dem Wege der Wahrnehmung ihrem 'wesentlichen Bestand
nach vorauBgegeben sind, und äbersieht, daß, wie Kant ge-
zeigt hat, die vorausgegebenen Dinge, soweit von solchen zu
reden überhanpt Sinn hat, vielmehr voraus vollzogene, aber
nicht immer rein und richtig vollzogene Synthesen „eines
primitiven Verstandes" sind. Bei dieser von Kant fest-
gestellten Sachlage kann die Analyse allerdings wolil
auch zu richtigen Ergebnissen führen, die letzteren aber
niemals „ans sich verstehen und rechtfertigen", während die
Absicht nicht widersinnig sein soll, die Synthesis „zum
Verständnis zu bringen und sicherzustellen auf dem Weg
der Synthesia selbst".
Die hiermit verlangrt« „synthetische Begründung" des
Krkennens will N. in genetischem Sinne verstanden wissen.
Die Möglichkeit der Erfahrung als Wissenschaft im Sinne
der transzendentalen Ixtgik Kants untersuchen bedeutet nach
N. den unendlichen Werdeprozefi der Wissenschaft, von dem
bereits Plato gesprochen, aufdecken. Man „setzt" bei dieser
unendlichen Aufgabe notwendig irgend etwas zum einst-
weiligen Anfang und sucht, indem man einerseits hinter
diesen Anfang wieder zurückzugehen strebt, andrerseits über
jeden scheinbaren Abschluß wieder hinausdringt, zu immer
fundamentaleren Voraussetzungen und schließlich zu einem
Voraussetzungslosen zu gelangen. Das Voraussetzungsloee
kann aber nichts anderes sein als „das Gesetz dieses ganzen
Prozesses", ,M Piatos Sprache das Gesetz des Jjogos', daa
ürgesetz /les Logischen' oder das Gesetz des reinen Denkens'*.
Man darf diese „genetische" Auffassung Nat»rps natür-
lich in keiner Weise psychologisch auffassen. „Jeder,
anch der entfernteste Schein einer Begründung im Subjek-
tiven des Denkerlebnieses" soll gründlich beseitigt sein.
Ebensowenig darf man von einem „gegebenen" Gegen-
stand reden und also auch nicht von der Erk^mtnis als
1,1^. OQi
,g,c
t Kttpitel. Allnmeiii« Geschichte der Lc«ik. ny
UoBer Analyse dieses O^rebenen, sondern „gerade der
Gegenstand ist Anfgabe, ist Problem me Unendliche",
vobei N. offenbar den anf dem Wßg der Reflexion nnter-
nshten synthetischen Prosessen eine Sonderstellung in oder
sogar anSerhalb des Gegebenen zuweist. SehlieBIicb denkt
sieh Natorp das gesuchte ursprüngliche als eine Einheit, die
veder Bejahong noch Verneinung, weder Identität noch Ver-
Behiedenbeit, weder Syntbesis noch Analysis ist, sondern
,^Dsammenhang** durch „Ursprungseinheit". Die
Präge des „Ursprung'«" — den Aasdmck „Urspmnjr"
batte schon Cohen in fast gleichem Sinne gebrancht **) —
bezeichnet sonach die universale Aufgabe der liogik.
Nalom stehen unter den iflnseren Forachem nahe: Weither Kin-
tel, Beiträge zur Erkenntniduitik. GieBen 1900, u. Idealismus u. Raalis-
nm, GGttingen 1911, sowie Nicolki Hartmftnn, Systematische Me-
thode, Logos 1913, Bd. 3, S. 121.
Der Ziisammenhang dieser Natorpechen Anffassong der
Logik mit der Kantschen transzendentalen Logik ist nnver-
kennbar, andrerseite geht auch Natorp wie Cohen erheblieh
aber Kant hinaas und nähert sich mit seiner vollständigen
Ablehnung des i»yohologiBch-indtiktiven Standpunkts gleich-
falls der logizistischen Bichtnng. Bemerkenswert sind wieder
die vielfachen Ubereinetimmongen mit Plato und Hegel.
Auf dem Boden des filtereo Neukantianismus steht auch zum Teil
Job. Tolkelt («eb. IBiß; Erfahrung n. Denken, Hamburg-Leipzig 1886;
Kc Ouellen der meDschl. GewiBheit, Manchen 1906, u. Ztschr. f. Philos. u.
rtdoi. SiiL 188», Bd. 96, S. 27 n. -1990, Bd. »7, S. 26 sowie 1915, Bd. 157,
& IBS}. Er fordert mit den meisten Kantiaitem im Sinn des sog. PbAnomena-
Ünmis die Existenz transsubjeküver Wesenheiten. Zugleich n&hert er sich
*l>er den im folgenden Paraeiaphen zu besprechenden Logiziaten, indem
M auBer der Erfahrungagewißheit eine Ober das Gegebene hinausgehende,
Tan ihm unaUi&neige Gewiflheit der Denknotwendigkeit annimmt.
K)ch niher steht der ursprOnglicben Ldira Kants die Schrift von
E- Harens, Die Elementariehre zur allgemeinen Logik und die Qrund-
iQie der Inui szendental es Logik, Herford 1906 •*) (s. namentlich S. IM ff.).
Auch Anklinge an Bolzanoscbe S&tze (s. unten) finden sich hier.
Auch in Frankf«ch hat sich eme Schule im Sinn eines Neukantianis-
»Ui unter dem EinflnB namentlich von Charles Renouvier (1S15 bis
13CB) entwickelt, jedoch in einer wesentlich Teischiedenen, vorzugsweise
PbbioFaeDalistiscben Richtung. Eine selbständige Darstellung der Ix^k
") Nur hat Cohen für die Frage des Drsprungs eine Antwort zu
haben geglaubt und daher an Stelle der Fnce ein Prinzip des Ursprungs
iwetri.
>*] Eine zweite, unter dem Titel Logik 1911 erschienene Anagabe war
'"it nicht zngändich.
172 I- "^^ Abtrennmg und allsemein» Geschichte der Logik.
ist «US ihr nicht hervonegangea. Renouvier sdbst hat die Katfsorienldin
Kanta erfaehUch umgestallct, sonst aber logische Fngen 9. str. nur nebenher
behandelt (Essais de Crilique generale, 1. Logique^ Paris ISU; 2. Aufl. tBl6,
3. Aufl. IB12 u. d. Titel Trait£ de logique generale et l<wi(lue formale u.
Les cat^gories de la raiMii et la roMaphTBique do l'absolu, Annte ^k>-
sophidue 1886). Dasselbe gilt von Octave Hamelin (1866—1907), der
in seinem Essai sur les älfaoenls principauz de la 'repi^entation (I^ris
1907) die Benouvierachen Kategorien deduktiv lu entwickeln versucht. Die
logiachen Arbeilen von Jules Lachelier (gebiven 1832), der ebenfalls
von Kant ausginf, aber seine Lehren in dotmatisierender spiritualistlschef
Rit^tuni umgestaltet hat, betreten namentlich die Lehre ron den SchlOMen
und «erden daher oni, splter berOcksicht^ werden (De natura syllogiaad,
Paris 1871; Eludes sur le svllogisme etc^ Paris 1907; [emer Du fondement
de l'induclioD, Thise de Paris, 1871, 2. Aufl. Paris 1886, i. Aufl., 1««) '. In
Holland hat Cornelius Bellaar Spruyt (gestorben 1001) ein Leer-
boek der formale Logica (postum Huriem IWSI) von einem etwas modi-
fiziertea Kantsehen Standpunkt aus verfaßt
§ 45. b. Logizistlsclie (Je^nstrSmQDf . Boizano. &«ntaiio.
Hnueri. Helnong. Eine andere Gegenströmung gegen die
psychologistisch-seusualistiscb-mdaktive Ricbtang ist von
der neokantscben Bewegung iu ihren Ausgangspunkten tost
ganz unabhängig, wenn sie auch in ibrer weiteren Entwick-
lung sich mit ihr in nicht wenigen Paukten begegnet> Die
gemeinBame Orundlefare, von der alle Anbänger dieser
zweiten Gegenströmung ausgeben, ist der Satz, daß außer
den Empftudnngen und den aus ihnen iierTorgegaOgenen
Vorstellungen sowie den etwa syntbetiech für die Empfln-
dungsn als Grundlage uima«hmendea Dingen an aiob d»
Logisehe in irgendeiner Weise eine eigene, selbständige
Existenz hat, also gewlssermaBen neben den psychischen
Vorgängen der Empfindungen, der Vorstellungen und des
Denkens und neben den Dingen an «iob (oder wie mau soast
das den Ihnpflndungen zngronde Liegende nennen will) ein
drittes ßein darstellt Die nahe Verwandtschaft mit dem
scholastischen lEealismus (vgl. ^ 17) llegi auf der Hand. Zu-
gleich leuchtet ein, daQ jede psychologistiscb-sensualiatiBche
Auffassang der Logik mit dt«een Lehren ganz anvapeinbar
ist. Da die meisten Anhänger der letzteren auOerdem fttr
die Auffassung dieses spezifisch Logischen eine ganz iK-
Bondere Tätigkeit, die nicht auf gewöhnliche sammelnde Kr-
fahnmg gegründet Ist, annehmen, so mußte auch ein scharfer
Gegensatz zu der Millscben induktiven Richtung der Logik
hervortreten. Dagegen könnt« sich die in Bede stehende
Lelire verhältnismäßig leicht mät der Eantacheo transzen-
_.ooglc
2. Kapitel. Allgemeine Geachichte der Logik. 173
dntaloi Logik abfinden. . Das speaiflsoh Logifiche, dem Jen«
wUafcKBdiBe I^xiaienz zogesehrieben vord«, soUto eben auch
dwjeoigd sein, was naeh Kant die Erfahrung allererBt mög-
tich jnoeht Ein weBenüicber Unterschied blieb dabei (rei-
lid insofern, als nach Kaut dies Lt^ische sich auf inhalts-
leere Formen beschränkt, während die neue Bichtnng für
das qtezifiaeh Logiscbe aneh einen mannigfachen Inhalt in
Aoiqiraoh nahm nnd hin und wieder es fast im Sinne eines
Dings an sieh behandelte. Da indeä die neu-kantscbe ßich-
tong diesem Daaliarnns von Inhalt and Form nicht tren ge-
blieben war, so mudte der genannte Unterschied gegenüb»
dieera Biehtong viel au Bedeatung verlieren. Eine zn-
oehnMude Konvergenz der beiden Bichtnngeu ist daher anch
in den letzten Jahrzehnten onverkeunbar.
Die so gekennzeichnete Biehtung wird im folgenden
^n die logizistische genannt werden, nm auf die
Hanptlehren von der selbstAudigen Existenz spezifleeh logi*
echer Gebilde hiDSuweisen. Sie steht in vielen Beziehungen
in einem ähnliehen Verhältnis zu den älteren Neukantianern
(Biebl, I^nge) wie B%el zu Kant selbst 0.
Als ihr Begrndder ist Bernard Bolzano (1781 bis
1848) EU betrachten. In seinem Hauptwerk „Wisaenscbafts-
lehre" ') (vgl. auch S. 10) stellt Bolzano die Behauptung auf,
'} Zuerst bat wohl L. Busse die Bezeichnuns , J, o e i s m u s" tQr die
Hnaserlscbe Logik, aläo einen speziellen Zweig der in Rede stehenden
Ricbtong gäiraucbt (Ztschr. f. Psvch. u. Phys. d. Sinn. 19(6, Bd. 3% S. 153).
kfa bibe dieselbe Bezeichnung für die ganze Richtung vorgeschlagen (Er-
tmntniitbeorie, Jena IftlS, S. iil\ dann aber durch die Bezeichnung
Logiiiimus eraetzl (Z. g^enw. Standp. d. Erkenntnistheorie, Wies-
bxden leu^ S. 33), da der Terminus .^'Ogistik." seit langer Zeit nament-
lich in Frankreich für die sog. algebraische Logik gebraucht wird. Auch
E. Oiooa (Ztschr. f. Psycho). 191SI Bd. 62, S. 271) verwendet die Bezeich-
DUM JLi^iziBmucr Uinlich wie idi. — Von „Logistik" spricht z^ B. schon
Franz Vieta im Sinn von Rechenkunst und Algebra (vgl. S. 228). W. Tr.
Km« (vgl S. 131) gibt im Philos. BandwOfterbuch an, .J^ogisUk" bedeute
eigeatlicb Rechenkunst, werde aber zuweilen auch für SvUogistik (ebraucbt.
Die bestimmte Einschränkung der Bedeutung auf die algebraische Logik er-
loigle i- J. 1904 durch Cuuturat, Itelson u. LaJande (Rev. de mftaphys. et
de 011». 19M, Bd. 12, S. 1012; s. auch Meinong, Zlscbr. f. Philos. u. philoa.
Kiit 1WI7, Bd. 130, S. 13). Vgl. auch S. 99.
*) Sulzbach 1887 (4 Bde.). Der 1. u. 2. Band ist inzwischen in einem
cnginalgetreuen Neudruck von Alois HOfler wieder herausgegeben worden
(Läpzig 1914 u. 1915). Von sonstigen Schriften Bolzanos kommt für die
Logik namentlich noch in Betracht: Wiasenschaltslehre u. Religionswissen -
»duli in einer beurteilenden Übereicht, Sulzbacb 1841 (anonym erachiesen);
„.,,„, ^.oogic
174 I- '^^- Absrenzuiw und aUveoMiiie Geschichte der Logik.
daS es niclit nur ^redachte (und «ventoell ausgeBprocliene)
Sätze, sondern aoch „Sätze an sich" g«be, und definiert
den Satz an sich, als „irgendeine Aussage, dafi etwas ist od^
nicht ist, gleichviel ob diese Aussage wahr oder falsch
ist, ob sie von irrend Jenuind in Worte gefaßt oder
nicht gefaßt, ja auch im Geiste nur gedacht oder nicht ge-
dacht worden ist" (Wissenschaftslehre, Bd. 1, S. 77). Die
Bezeichnung „Aussage" darf also offenbar hier nicht wört-
lich verstanden werden: Qas Ausgesagtwerden und sogar
das Gedachtwerden und ebenso das Färwahrgehaltenwerden
kommt dem „Satz an sich" nach B. im Gegensatz zum Urteil
nicht notwendig zu, er ist von ihnen unabhängig. Andrer-
seits zeigt die Anwendung des Terminus „Aussage" auf die
Sätze au sich, daß B. unter letzteren auch nicht etwa Tat-
sachen der sog. Wirklichkeit versteht ,J)er Satz an sich,
der den Inhalt des Gedankens oder Urteils ausmacht, ist
überhaupt nichts Elxistierendee".
Der ,3atz an sich" ist seinerseits wieder zusammen-
gesetzt aus „Vorstellungen an sich" (S. 99 u. 216). Als Bei-
spiel eines Satzes an sich führt Bolzano u. a. an: Dasjenige,
„was durch die Worte: ,ein gleichseitiges Dreieck ist auch
gleichwinklig* auegedräckt wird, falls sie auch niemand liest
und versteht". Was dabei durch den Anblick der Worte im
Lesenden erzeugt wird, ist im Gegematz zum Satz an sich
ein gedachter Satz; was diejenigen Leser, „welche die
Wahl-heit dieses Satzes erkennen, bei seiner Aussprache tun,
nur das erst ist ein Urteil" (S. 99). Die „Wahrheiten an sich"
sind „eine Art von Sätzen an sich", nämlich solche, die etwas
aussagen, so wie es ist (S. 112 u. 121). Auch die Wahrheiten
an sich haben also „kein wirkliches Dasein'), d. h. sie sind
nichts Solches, das in irgendeinem Orte, oder zu irgendeiner
Zeit, oder auch sonst eine Art als etwas Wirkliches be-
stände". Nur erkannte oder gedachte Wahrheiten
Paradaxien des Unendlichen, Leipzig 1851 (aoasUt. Neudnick, Berlin 1689)-
Uber Bolzano vrI. Hugo Befginann, Das Philosoph. WeA B. Bolzanos, Ball«
1909, u. Gerii. Gottliardt, Bolzanos L*hre v. Satz an sich in ihrer metbodo-
Icgischeo Bedeutuns, Berlin 1906.
*) Uan beachte also wohl, daß Bolzano hierin — bei aller sonstiien
übereinatimmuns — von den scholastischen Realisten abweicht D»*
Wahre und das Seiende ist tflir B. nicht identisch, die Wahriieit ist nicbl
auf existierende Gegenstände beschFftnkL Im Obrigen meint aber Bolu"*'
selbst, daS seine Wahrheit an sich schon dem Thomas v. Aquino u. >■
vorgeschwebt habe (Wissenschattslehre I. S. HS f.).
2. KapiM. AllBemeine Geschichte der Logik. 175
hbea „in dem Gemütfae desjenigen Weaeitö, das sie erkennt
odei denkt, ein wirkliches Dasein zu bastinunter Zeit". Die
Wahriieiten an sich können sich anf Wirkliches beziehen,
und aber nicht dieses Wirkliche selbst und können sich auch
saf Nicht- Wirkliche» beziehen. Was nnn eigentlich ein Satz
an sieh bedeutet außer dem objektiven Tatbestand und auAer
(!em fiabjektiveu Tatbestand des Denkens bzw. Gedacht-
Terdens, klärt B. trotz aller Ausführlichkeit nicht aof.
Wenn man ihm vorhalten würde, daß alle falschen Sätze
nnrim Gedaohtwerden, alle richtigen „Sätze" gleich-
falls im Oedachtwerden vorhanden sind und außerdem den
letzteren Gesetze des objektiven Tatbestandes, d. h. in-
duktiv festgestellte Ähnlichkeiten im Gegebenen und seinem
Ablauf entsprechen, so würde in seinem Werk keine Ant-
wort zu finden sein, was diese ,3ätze an sieh" nnn aoßerdem
noch sein sollen. Er sf^ nicht, was es bedeutet, daß es
Sätze an sich „gebe". Auch seine Anseinondersetzang über
den Sinn der Behauptung, daß es Wahrheiten an sieb
gebe (Wissensehaftslehre ^ 30), hilft keinen Schritt weiter:
ima Bolzano erläutert diese Behauptung dahin, „daß ge-
visae Sätze die Beschaffenheit von Wahrtieiten an sich
haben", versäDDit aber aach hier mitsuteilen, was es bedeuten
soll, daß es Sätze an sich gebe. Der Sinn des Satzes: „es
^bt gefallene Engel" wird nicht deutlicher, wenn ich sage:
er bedeutet, daß gewisse Engel gefallen sind. Die Schwier^-
keit der Bolzanoechen Lehre wird noch größer daduivh, daß
er die Vorstellung an sich, obwohl sie den „Stoff" einer ge-
wöhnlichen — gedachten — Vorstellung abgeben kann, doch
dorchaus von dem „Gegenstand" der gedachten Vorstellung
— d. h. dem „Gegenstand, anf den sich eine gedachte Vor-
stellung bezieht" — unterscheiden will (§ 49). In der Tat
haben die Nachfolger Bolzanos, wie sich' nuten ergeben wird,
mm Teil an diesem schwachen Punkt seiner Beweisführung
mit ihrer Weiterbildung seiner Lehre eingesetzt.
Zunächst blieben Bolzanos Gedanken fast ganz un-
tieacbtet. Der katholischen Theologie war er zu wenig scho-
lastisch, insofern er sich zn weit von den kirchlich anerkann-
ten scholastischen Auffassung entfernte — er verlor sogar
i. J. 1820 seine Professur, weil er sich weigerte, seine Lehren
m widerrufen — , der nicht katholisch-theologischen Philo-
sophie war er größtenteils zu scholastisch, zumal er gelegent-
licii davon spraoh, daß die Wahrheiten an sich doch wenig-
„.,,„A.f>OglC
176 "- ^*^ Abcrrazuiut und allgemune Geschichte der Logik.
Btens von Gott als dem Allwüsendeu fortwäIu«iid vor-
gMiellt würden (z. B. I. c. S. 113). Erst aa£ eiDem Umweg
Tflisehaffien sieb seine Lebren in den letsten 30 — 10 Jahren
langsam einen verapäteten Einfluß. Eine Bichtnnff der
Psychologie nämlioh, die Brentano voe etwa 40 Jahren
einsehlng, brachte dem Grundgedanken Bolsanos eine in-
dir^te Hilfe.
Franz Brentano (1838— 1917) bat selbst kein logi-
sches Werk verfaßt, aber sein psycfaologifiches Hauptwerk
„l^ychologie vom empirischen Standpunkt" (Leipzig 1874) *)
ist für die psychologische Orundlegung der Logik so wichtig
und insbesondere auch für die Weiterentwicklung der Bol-
utnoschen Richtung der Logik so bedeutsam, daß es auch
in der Gesehiehte der Logik erwähnt werden muß. Brentano
lehrte nämlich, daß alle psychischen Phänomene, d. h.
alle „Vorstellungen, Urteile und Phänomene der Liebe un3
des Hasses'* sieh durch „die Beziehung auf etwas
als Objekt" von den psychischen Phänomenen unter-
scheiden. Im Anschluß an unliebe Lehren mancher Scho-
lastiker bezeichnete er dies charakteristische Merkmal auch
als „intentionale Inezistenz [eines Gegenstande s'V
deutsch etwa „Beziehung auf einen lühalt" oder .Richtung
auf ein Objekt" oder immanente Gegenständlichkeit" (1. c.
S. 115 n. 127 ff.)«). Weiter schUeßt dann Br., daß eine
Wahrnehmung im eigentlichen Sinne nnr von den psychi-
schen 'Phänomenen möglich sei, und daß nnr den letzteren,
außer der intentionalen, auch eine wirkliche Existenz zu-
komme, während die physischen PhänMuene nnr „phäno-
*) Vgl. auch Von der Klassifikation psychischer Phänomene, Leipzigs
1911, neue, durch NachtT&ge stafk vermehrte Ausg. d. Psn^boL v. enuiir.
Standp., namentl. S. &S u. 71. Uanche EixänzuDsen auch in der Schrift
„Vom UrspnmB sittlicher Eikenntnia", Leipzig 1889. Von Brootauo) Logik
handelt u, a. W. Enoch, Franz Brentanos Beform der Logik, Fhiloa. Mo-
natshefte 1893, Bd. 2d, S. 483.
') Terminologisch ist flbrigens sehr miBlich, daB Br. einerseits das
chaiAteristische Meikmal der psTchischen Phänomene als „intentionale In-
existeoz" bezeichnet (wo also streng genommen Inesislenz t=s Enthalten)
und andrerseits von einer ,4ntentionalen Inezistenz" des Gegenstan-
des <al£o doch wohl i^= Enthaltensein) im Sinn einec Eigenschaft
dieses Gegenstandes spricht. Dazu kommt, daB Br. auBerdem den Aus-
druck „intentionale Existenz" imracht, welche sowohl den physiacbea
wie den psTchischen Phinomenen zukommen soll (S. 127 a 122}. Ich
bezeichne die int. Inexistenz im ersten Sinn als „Intentionali tat".
OgIC
2. Kapitel, ungemeine Qeschichte der Logik. ]77
aesal and inteutional" bestehen sollen. Dia Empflndimgen
ab^kte'* ^hör«n zn den psychischen Phänomenen
^ l(ß, 129), die in ihnea intentional inexistierenden Inhalte
(Objekte) sind physische Phänomene (S. 127 n. 129).
Wie sich diese physischen Phänomene, auf welche sich die
Gmp0ndung8akte beziehen, zu den äußeren ÜTsachen der
fin^findnnsr, welche außerdem von Br. angenommen wer-
den (S. 128/9), verhalten, wird nicht näher erörtert nnd nur
«isdräcklich die Anwendung des Ausdrucks „physische
I^ÜDomene" auf die in den äuBeren Ursachen wirksamen
Kräfte als mifibräuchlich bezeichnet (S. 128). Besonders
bedentsam wird diese ganze Lehre Brentanos dadurch, daß
»auch von physischen Phänomenen der Phantasie
spricht <S. 127 u. 129). Ob er diese als direkte Objekte der
Phantasie betrachtet oder eine Vermittlong dnrch die Emp'
flndnngsinhalte annimmt, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls
sollen diese physischen Phänomene der Phantasie nicht in
das Bereich der Naturwissenschaft fallen.
Über die Natur der Gegenstände, welche den psychischen
Phänomenen inexistieren und auf welche diese sich im Sinne
eines Aktes beziehen, bleiben somit, obwohl sie von Br. als
physische Phänomene bezeichnet werden, noch viele Zweifel.
Wir hören eben nur, daß den physischen Phänomenen keine
wirkliche, sondern nur intentionale Existenz zukommt
(S. 122). Namentlich bleibt auch ihre Beziehung zur Logik
fanz unklar. Überhaupt hat Brentano selbst aus seiner all-
fmneinen Inteationslehre für die Logik keine weiteren
Folgerungen gezogen*), insbesondere auch keine Anknüp-
fong an die Bolzanosehen Aufstelltmgen versucht Selbst,
wie sieh psychologisch dieses „einen-Oegenstand-Bnt-
*} Die logischen Grörtenuigeii S. 3Ü3t(. habea mit jenem allgemeinen
anz keinen notwendigen Zusammenhang, sondern beziehen sich aul spe-
^Ue Fragen ^r Lehre vom Urteil und Schluß und sollen daher etai un
lienellen Teil berflclcsichtigt werden (vgl. g 76). Die von Brentano in Äus-
^ttU gestellte Verölfenllicbung seiner Würzburger Vorlesungen über
ijitik ist meines Wissens nicht erfolgt. Die speziellen Lehren Brentanos
'om Urteil, auf welche erst im speziellen Teil eingegangen wird, wurden
««itergebildet von Anton MaTty (vgl. § 56^ Franz Mitlosich
lWa-1881, Subieittlose Sätze, 2. Aufl. Wien 188d) u. FranzHillebrand
'Xä>. 1863), Die neuen Theorien der kategor. Schlüsse, Wien 1881 u. Zur
I^hr« V. d. HypoUiesenbildung, Wien ISSG). An Brentano und Marty
^iefit sich Hugo Bergmann an (Untersuch, z. Problem der Evidenz
^r inneren Wahrnehmung, Halle 1906).
ZicbcD, Lebrbneii der LogUc. 12
h. 1. iiA.OOt^lC
178 '- 'I'^'- AbsienzuDg und «Ugemeine Gcvcbichte der Lofik.
halten" zn den 8<«. Merikmalen oder ESgenschaften derVor-
etellungen verhält, bleibt unerörtert. Erst andere ForBoher
baben den inexistenten Oegenetand Brentanos in logizisti-
scbem Sinne ans^edeatet nnd mit der „Vorstellimg an sich"
Bolzanos identifiziert oder wenigstens in -raigen Znsammeii-
bang gebracht
Unter dieeoi neueren an Bolzano und Brentano anknüp-
fenden logizistifichen Theorien stellt die „Gegenstands-
theorie" Alexiu« v. Meinongs') (geb. 1853) ge-
wifisermaBen cfie geradlinige Fortsetzung der Bolzanoscheo
und Brentanoechen Lehre dar. Meinong versteht unter
„Gegenstand", soweit das Denken in Betracht kommt, im
wesentlichen dasselbe wie Brentano. Der Qegenstand ist
also dasjenige, was man vorstellt, worüber man urteilt usf.
Zugleich deckt sich der Meinongscbe „Oegenstand" auch fast
ganz mit Bolzanos Vorstellung an sich. Auch die Gegen-
stände Meinongs sind nicht auf Existierendes beschränkt
(z. B. Vm, 1906, S. 70) nnd von den psychologischen hx-
halten der Vorstellungen verschieden. Aber Meinong ver-
sucht sehr viel genauer als Bolzano die Beziehung der Gegen-
stände zur Existenz und die Beziehung der Gegenstände zam
Vorstellung« Inhalt festzustellen. Mit Bezug auf den
emteren Punkt unterscbeidet M. (VI, S. 124; VU, & 39)
zwischen Sein als Existenz*) (Existieren) nnd Sein als Be-
0 Für die Lofik kommea lumenllich iolgende Schriften bzw. BOcÜer
Meinonsa in Betracht: 1. Hume-Studien (S. 115 bereits zitiert); U. Zur
PsTchol. d^ Komplexioaen u. Delationen, Ztscbr. f. Psych, u. FhTS. d.
Sinn., 1681, Bd. % & SH; m. BeitrUe z. Theorie der psychd. Analyse,
ebend., 18M, fid. 6, S. SM; IV. über Gegenstände höherer Ordnung, ebend.,
am», Bd. 31, S. 1B3; V. Abstnhieren u. Vergleicben, ebend.^ 1900^ Bd. %
S. 34; VL Über Annahmen, Erglnzungaband 2 z. Ztschi;. f. Psych, u. Phys.
a. Sinn., Leipzig 1902 (2. Aul, 1910); VH. Über Gegenstandstheorie in
UnteisucL Z. Gegenslandsth. u. Psrchol., berausgeg. t. Heinons, Leipzig
ISM, S. 1; Vra. Über die SteUung der Gegenstandsth. im System der Wissen-
schaften, Leipzig 1907, u. Ztschr. f. Hiilos. u. pbiloB. Kritik 1906^ Bd ISS,
S. « «- 1907, Bd. laa S. 1; IX. Urteilsgefühle, Aich. f. d. ge& Psycho).
1906, Bd. 6, S. 22; X. Über die Ertahningsgrundlagen unseres Wissens,
Berlin 1906; XI. Vibei Möglichkeit und Wahracheinlichkeit, Leipzig IBlfi.
Ein Teil der genannten Schriften ist auch in Mdnongs Gesammelten Ab-
handlungen, Bd. 1 u. 2, Leipzig 19U u. 1913 abgedlniekt. Auf die rtni-
aohen Zittern weisen die Zitate oben im Text hin.
*) Die Terminologis ist leider dadurch sehr in Verwirrung gerate^ dafi
ein andrer Anhänger Brentanos, A. Hartv, umg^ehit das Udnongsche Exi-
stieren als ReaUtAt und das Ueinongschc Bestehen als Existieren bezeich-
net hat. Zeitlich geht die Haitysche Arbeit (Tierteljahrsscbr. t. vim. Pbiloa
h. !■, II, l^.OOQIC
2. KipiteL AUcMaeine Oeachidite der Logik- 179
Btmil (Bestehen). IHe Existens, auch als Realität oder Wirk-
Mkeit oder Dasein bezeichnet, ist entweder psychisch oder
(AysiBch. So „existieren" z. B. die Vorstellmigen und ihre
Inhalte (z. B. IV, S. 187). Die den Vorstellnngen immanen-
ten Oegenstände „bestehen", müssen aber nicht „existieren".
Kaoche YorsteUnngsgegemtändel existieren nicht, wie z. B.
der goldene Berg, das runde Viereck usf. Man kann in
dtesem Falle höchstens von einer Psendo-Existenz oder
QnsBi-Wirklichkeit (Existenz in der Vorstellung) sprechen.
& ist ein YoruTteU, wenn man oft das „Nicht-wirkliche"
ftls identisch mSt „nichts" betrachtet. Daher nntersoheidet
M. 2wischen „realen Gegenständen", d. h. Oegenatänden, die
«irklieh existieren oder, falls sie nicht wirklich existieren,
ihrer Natnr nach doch jedenfalls existieren könnten, und
tödealen G^enstanden", „die, anch we«in sie in gewisser
Weise affirmiert werden müssen, doch wieder ihrer Natnr
Dtch niemals ohne Inkorrektheit als existierend beseiohnet
*erdai d&rfen" OV, 3. 198). Als Beispiel eines idealen
Gegenatanides führt Meinong □. a. .Jlbnlichkeit" an. Selbet-
Tentandlich erhebt sich anch hier wieder die Frage, wa«
das »Bestehen" der Gegenstände bedeuten soll, und ob es
fiberhanpt bei den realm wi« bei den idealen Gegenständen
Doch etwas anderes bedeutet als die Wirklichkeit eines be-
stimmten Vorstellnngsinhalts in psychologischem Sinne, so
daS bei den realen Gegenständen nur noch die „Wirklich-
keit", bei den idealen überhanpt nichts zu dem Vorstellunga-
inhalt hinzukommen würde. In seinen späteren Schriften hat
it. mit Entschiedenheit die Meinung vertreten, daß Gegen-
stand und Vorstellungsinhalt verschieden seien (TV,
S. 185 ff.)*). Er beruft sich namentlich darauf, daS der
(Gegenstand einer Vorstellnng nicht wirklich, nicht
psychisch, nicht gegenwärtig sein müsse, während der In-
halt einer Vorstellnng stets — ' wie diese seihst — wirk-
üch, psychisch und gegenwärtig sei. Hiergegen ist aller-
dings einzuwenden, daß einerseit« nicht-wirkliehe, also in
VU, Bd. 8, S. 161, namenU. S. 171) dea oben ütieHeo Meinongscbea
ntiua. Auch Brentano selbst eAlKrt in äer SchnH Vom Urspr. sitll. Br->
bnntnis, S. TJ^ ea korome auf dasselbe hinaus, (A man sage, ein affir-
nttna Urtdl sei wahr, oder ob man sage, sein Oesenstand sei exiatiennd.
*) Dieselbe Fiase behandelt au! anderem Wege, .aber mit fast dam-
MlbcD Kitebms auch Kasimir Twardowski, Z. Lehn v. Inhalt u. OegensL
1 VontcUaneen, Wien IBM. u. Über begrifllicbe Vorstellungen, Wlsaensclv
BeiL I. ifi. Jahresbeneht d. Pbiloa. Oea, a. d. Un. Wien. Leipzig 1906^ & 1.
12»
i.f, II, l^.OOQK
180 '- ^^- AbgTNisung und «Usemeine Oeschiehte der Losifc.
MeinongB Sinn „ideal«" Gegenstände nicht nscbgewieeen
sind und die Beispiele, die M. fär solche anführt, sehr vohl
als wirkliche Vorstellnngsinhalte — anschanliche oder va-
ansehanliche, dentlicfae oder nndentliche — gedeatet werden
können '"), und daB andrerseits die wirklichen, ,;rea]en"
Oegenstände Meinongs, soweit sie nicht psychisch nnd nicht
gegenwärtig sind, mit den wirklichen Dingen identisch sind.
Noch weiter scheint M. in den seit 1904 erschienenen Schrif-
ten die Gegenstände ans dem Bereich des Psychischen her-
anezarttcken. Während er noch i. J. 1890 das Bestehen, die
Fsendoexistenz der Gegenstände als ein Existieren in der
Vorstellimg gelten ließ (allerdings nhter Vorbehalt), wird
jetzt die ganze Mathematik von ihm als „im wesentUchen
ein Stück Gegenstandstheorie" betrachtet (Vn, S^ 27). IXe
Brücken znr Psychologie erscheinen damit abgebrochen, an
Stelle der konzeptnalistischen Auffassung der BegritTe tritt
die realistiscfae (in scholastischem Sinne).
Die Gegenstandstbeorie ist nach Meinong mit Unrecht
als Teil der Logik (a. B. unter der Beaeichnong „reine
Logik"), aufgefaßt worden *'), nach seiner Meinung gibt sie
nur „eine wesentliche Grundlage" für die Logik ab (Vlil,
1907, S. 25). Die Gegenstandstbeorie erstreckt eich auf alles
dasjenige, was „aus der Natur eines Gegenstandes, also
a priori, in betreff dieses Gegenstände« erkannt werden
kann" (VII, S. 40). Sie betrilFt das „So sein" des Gegebenen
und das Sein nur, soweit dies ans dem „Sosein" erkennbar
ist. Ihre Satze sind „daseinsfreie" Erkenntnisse des „wa-
rum", nicht des „daß" und können das sein, weil das „So-
sein" von dem „Sein" unabhängig ist (VTII, 1906, S. 77 fr.;
VII, S. 7 ff.).
Auf die weiteren Sätze, welche M. in seiner Gegen-
standstbeorie entwickelt, wird zum Teil in den speziellen
Abschnitten eingegangen werden müssen. Hier sei nur noch
erwähnt, daß M. nicht nur jeder Vorstellung, sondern auch
jedem Urteil einen Gegenstand oder wenigstens „etwas
*') Eine Auanahme machen auch widersinnige VoratellunKCa wie ^ud-
dea Viereck" Dich), Bei solchen h&ndelt es sich um blofle WortverbüidiiQ-
gen (sukzessive Klaugvorstellungen) oder sukzessive SftcbvoiBtcllungen,
deren Zusammendenken als Aufgabe gestellt wird, sich aber als unausführ-
bar erweist. Vgl. jedoch auch S. 271.
") So z. B. von llelson, Revue de m^taphya. et mor. 19M, Bd. Vi,
S.' 1037 („la logique est la scienc« des objets en gfinöral").
i.l^. OQi
,g,c
2. Kwitel. AllsemeiD« GeichichU der Li«ilt- 161
Gegenstaad-Ähnlichea" zascfareibt (VI, S. 150). Im UrtsU:
„es gibt Schnee dranAen" ist Schnee der beurteilte V o r -
stellan^agegenstand; aber die ernrteilte Erkeantnis,
dsSes Sehne« gibt, ist das Oegenätandartige, welches dem
urteil zakommt. Jenen Gegrenstaitd bezeichnet M. als
„Objekt", dieses Oegenstandartige als „Objektiv" (vgl.
aueh die etwas abgeänderte Darstellnng in VI *, S. 42 ff.).
Nicht minder wichtig für Heinongs Anffaseang ist die
l'nlerscheidnng von G^enständen niederer nnd höherer
Ordnung (IV, S. 189 ff.; VI, S. 129 ff.). (Jegenstände höherer
Ordnong (Snperiora) sind Gegenstände, denen man eine in
ilirer Nator gelegene innere ünaelbstäDdigkeit nachsagen
kann", oder „die eich gleichsam anf andere Gegenstände
Qoferiora) als nnerläBliche Voranssetzungen **) aofbanen".
So ist z, B. „Verschiedenheit" ein Gegenstand höherer Ord-
nniig, da sie ohne Bezugnahme anf Objekte (Inferior^ gar
niciit gedacbt werden kann. Für VcMTstellungen nnd Urteile,
«elehe einen Gegenstand höherer Ordnung haben (z. B. „Bot
nnd Blau sind Terschieden"), ist der letztere der „primäre
Oegenstand" (im angeführten Beispiel die Verschiedenheit),
nnd dessen Inferior» (z. B. Bot nnd Blau) können ttls „sekun-
däre Gegenstände" bezeichnet werden. Die Beziehung
zwischen Gegenständen hi^rer nnd niederer Ordnung ist
oatorlich nur relativ, insofern ein Superius wieder für
Gegenstände noch höherer Ordnung als Inferius auftreten
^snn. Die Beziehung zwischen dem Superius und seinen
Inferiora bezeichnet M. auch als Fundierung: das Supe-
nns wird durch seine Inferiora fundiert (VI, 3. 8).
Die sogenannten logischen Denkgesetze bekommen vom
Standpunkt der Gegenstandstheorie eine andere Bedeutung.
&e sind keine Normen, das Imperativische ist überflüssig,
<<ndem sie können einfach formuliert werden: dafi jeder
beliebige Gegenstand entweder Ä oder non-A ist, das „ist
»ahr" („das ist", „das ist Tatsache"). Es handelt sich um
& priori einsichtige logische Urteile, deren Objektiv selbst
wieder Objektive zum Material hat Auch von einem
nOesetz" könnte also nur in dem Sinne die Bede sein, wie
etwa auch der pythagoreische Lehrsatz ein (besetz genannt
werden kann. Vor allem ist von keinem Denkgesetz die
fiede, sondern man könnte höchstens von einem (besetz des A -
'*) Vonussetzuneea üt hier als Akkusaliv zu verstehen.
h. i."iM,Googlc
182 '- ^'''' Abfrenzims unA allgemetiie Geachidit« d«r Logik.
oder von einem Gesetz grewiBser Objektive sprechen (VIII,
1907, R 44).
Unter MdnoDn Anhftnfem uod Schülern, die sich abrisenn z. Teä
selbotlndig an der Waterbüduns der guizen Tbeoh» beteiligt haben, sind
nammthch zu nennen:
AloisUefler, seh. 1868^ Giundlehran der Logik u. Paycholosie, Leipzig-
Wien 1S90, auch sepant Orandlehren der Logik, i. Aufl., 1907; Philos.
Propädeutik, 1. Tal, Logik, Leipzig-Wien IWO'; Zur gegenwbtigen
Natttiphilosophie, Abh. 2. Didaktik u. Philo*, d. NalunrissenadL her-
auKeg. V. Foske, Uö&er u. GrimseU, Berlin 19U *.
Sl«phan Witasek (1870—1916), Gnindiinien de» Psychologie, Leip-
zig 1908.
Ernst Hatly, Untersuchungen z. Gegenstandstheorie des Uessena in
Meinongs Unters, x. Gegenstandsth. u. Psych., Leipzig ISU, S. 181;
Gegenslandstheoretische Gnmdlag«t der Logik u. Logistik, Leipzig
1912 (Eiginzungsheft z. Ztschr. [. PbÜos. u. philos. Krit.).
Rud. Ameseder, Beitrige z. Grundlegung d. Gegenstandsth. in Hcuiong»
. Unters., S. 51.
Wilh. H. F ran kl, Inhalt u. Umfang v. Begriffen, Arch. f. syst. Philos.
1911, Bd. 17, S. 486 (s. auch ebenda S. 11«); Über (konomie des Den-
kens in Ueinongs Unten., S. 263; Logik, eine wissensch. tbeoiet
Unters, nach den Forschungserg. Meinongs, 1906 '.
Konrad Zindler, geb. 1866, Beitr. x. Theorie d. math. Erkenntni«
Wien 1888.
Hans Pichler, Ober die Qltennbarkeit der Gegenstände, Wien 1909;
Über Chr. Wolffs Ontologie, Leipzig 1910 (P. sucht an WollI anzu-
knöpfen); UflgUchkeit u. Wideispruchslosiduit, Leipzig 1912.
Jos. Klemens Kreibig, Die intellektuellen Funktionen, Wien-Leip-
zig 1909.
Eduard Hartinak, geb. 1869, Psycholog. Untersuchungen z. Bedeu-
tungslehre, Leipzig 1901.
UnaMiängig von Meinong und, wie es scheint, auch unabhängig von
Bolzano hat G. F r e g e (vgl S. 169, Anm. 11) schon vor fiber 30 Jahren die
Lehre vertreten, daB auBer den sinnlich wahmehmbareD Dingen auch
logische Gegenstiode anäritannt werden maßten (vgL z. B. Funktion u.
Begriff, Jena 1801, S. 3 u. 18; Vierteljabrsschr. I. wiss. Philos. 180% Bd. 16,
S. 192, u. Ztschr. f. Fbilos. u. phUos. Krit. 1802, Bd. 100, S. 100). Nach
Frege ,M Gegenstand alles, was nicht Funktion ist, dessen Ausdruck als»
kane leere Stelle mit sich fflhrt". FOf „Gegenstand" braucht er auch den
Terminus ,3edeutung": „Abend-" tmd ,Jlorgenstem" haben dieselbe Be-
deutung, aber nicht denselben Sinn.
Wie Meinong knöpft auch CarlStumpf") (geb. 1848)
in vielen Beziehnngen an Brentano an und trifft in njancb«ii
") Für die Logik sind folgende Schnften am wichtigsten: Zur Ein-
leihing d. Wissenschaften, Abh. d. PreuB. Ak. d. Wiss. t. J. 190^ Berlin
1907; Erscheinungen u. psychische Funktionen, ebenda 1907; Psydulogie
u. Erkenntnistheorie, Abh. d. bayer. Ak. d. Wiae., Bd. 19, 2. AU, 1891.
S. Mfi.
tY^IC
2. Sa«it^ AUfemeiD« Qe«Aichte der LoiiL ig3
Ponkten, die für die Logrik in Betracht kommen, mit Mei<
iMHig Zusammen "). St. nuterscheidet jjßrscheinnnffen"
nnd „psychisch» Funktionen (Akte, Zustände, Kr-
lebnime)". Zu den ersteren gehören die , Jnhalte der Sinoes-
empflndongen" und die gleichnamigen Oedäehtnisbilder; sie
entqirechen im wesentlichen etwa den physischen
Phäsranenen von Brentano (vgl. S. 176). Bie Verhältnisse,
die zwischen den Erscheinungen bestehen, „sind in und mit
äax Erscheinungen gegeben, nicht von uns hineingelegt, son-
dern darin oder dmran wahrgenommen". Sie sind nicht
selbst Fimktionen noch auch Erzeugnisse von solchen. Zu
den psychischen Fonktionen gehört das ,3«iuerken" von Er-
Kheinimgen und ihren VerhältniBsen, das Znsammenfeseen
vcm Ebscheinnngen zu Komplexen, die Begriffsbildung, das
Auffassen nnd Urteilen usf. Jede Funktion außer der grund-
legenden des Wahraehmens hat ein Korrelat, dessen all-
8«iqeine Nator — wie die der Funktion selbst — nur durch
Bespiele erläntert werden kann. Gin solches , J>ritte8 außer
Kncheinung nnd Funktion" steUen z. B. für die Funktion des
begrifflichen Denkens (des Erfassens der einfachsten He-
griffe) die Begriffe dar. Für das Urteil spielen „Bpezifitwthe
ürteilsinhalte" („Sachverhalte") die Rolle des Korrelats.
IHeee Korrelate oder Qebilde entsprechen offenbar, soweit
das Denken in Betracht koaunt, in den meisten Punkten ganz
den „Vorstellungen an sich" und „Sätzen an sich" Boizanos
»nd den „Gegenständen" (Objekten und Objektiven) Mei-
iHHigs. Fraglich bleibt nur, ob St. die Gebilde als etwas Selb-
ständiges betrachtet, was mehr ist oder bedeutet als ein Er-
lengniB der Denkfnnktionen aus den Erscheinungen, und
ilioen also eine jenseits des Psychischen liegende Existenz
nwrkennt (vgl. uamentL Brsch. n. ps. F., S. 30 ff.). Als beson-
ders beachtenswert sei auch hervorgehoben, daß St. gegen die
Neukantianer (Neokritizisten) hervorhebt, daß aach Snbstnn-
'*) Stumpf selbst betont mehr seine Cbereinsümmung mit Uusserl
ItUerdiiiga lagen ihm damals die neueien Arbeiten des letzteren noch nicht
W} uut eihdit gegen Meinongs Absrenzung der Oegenatandstheorie mancha
Uftige Bedenken (Z. Einteil. d. Wisa., S. 6 u. 40). Auf die bemerken»-
vtrten Obercimtimmungen, welche zwischen den Stumvfschen Funktionen
■lud dem *«£c des Aristoteles, speziell dem rsür jw^hw der Ariatoteliker,
«ie ihn namenllicb Brentano aufgelaBt hat (vgl. S. 31, U, 47, 75) be-
Mm, sei hier nur hingewiesen.
OgIC
\^ I. Teil. Abfrenzune und allgemeine Geschichte der Logik.
zialitat nnd Kausalität nicht Benkf onktionen, Bondera
Gebilde, also Korrelate von Funktionen aind.
Während Meinong — allordiDg« namentlich in seinen
früheren Schriften — zwar einer psychologisÜsehen Auffas-
sung: der Logik entgegengetreten war, aber doch nicht jede
Beziehung zur Psychologie abgebrochen hatte, verbannt Ed-
mund O. Husfierl'") (geh. 1859) die Psycholc^ie voUstän-
ttig aus der, Logik. In seinen Werken tritt die logizistisohe
Lehre von der absoluten Selbständigkeit des Logischen und
die Opposition gegen die sensualistisch-psychologistisch-
indnktive Richtung der Logik am schärfsten hervor. H.
akzeptiert den (Gegensatz zwischen Fsychtschem und Phy-
sischem (y, S. 311 ff.) und stellt das erstere als Phänomwa
dem letzteren als der Natur gegenüber. Während die Katur
in Grscheianogen erscheint, existiert in der psychisciien
Sphäre kein Unterschied zwischen Erscheinung und Sein.
Das Psychische ist „Erlebnis" und „in der Reflexion er-
schautes Erlebnis", „erscheint als seihst durch sich selbst".
Als solches ist es aoch der Forschung zugänglich. Diese hat
dabei auf jede „Naturalisierung" za verzichten, sie muß rein
immanent bleiben, die „phänomenologische Einstellung" kon-
eeqneut und rein festhalten. So gelangen wir zum „Wesen."
der Phänomene '*). Dies Wesen kann also in „unmitteU)arem
Schauen*' (Intuition) adäquat erfaßt werden. Im Gegensatz
zur experimentellen Psychologie handelt es sich dabei nm
eine nicht-empirische phänomenologische Weseosana-
lyse. So können wir dnrch Wesensschaunng (intuitiv) uns
z. B. das Wesen „Farbe", das Wesen „Wahrnehmung" „zu
voller Klarheit, zu voller Gegebenheit" bringen (V, S. 315)
*') I. Philosophie der Arithmetik, psrchoL u. log. Untersuchungen, Bd. 1,
Halle ISOl; H. I^rchototiecbe Studien z. elementaren Losik, Philos. Ifonats-
hofle 18M, Bd. sa S. 150; UI. Beriebt über deutsche Schriften zur Logik,
Arch. i. syst Philos. 1S97, Bd. S^ & 316 ff„ IM», Bd. 9, S. 113 fi., IMM,
Bd. 10, S. 101; IV. Logische Untersuchungen, 2 Teile, Halle 1900 u. 1901,
2. Autl (noch nicht vollständig erschienen) 1918; V. Philosophie als stiens«
Wissenschaft, Logos 1910/11, Bd. 1, S. 2S9; VI. Ideen zu einer reinra
rhänomenologie u. ph&nomenol. Philosophie, Jahri). f. Philos. u. pb&noinefiaL
Forsch. 191B, Bd. 1 (auch separat erschienen). Husserls Lehren haben siofa
im Lauf der letzten 26 Jahre eUiebiicb um- und ausgestaltet. Der Dar-
stellung oben im Text ist namentlich die an letzter Stelle angeftiute
Schrift zugrunde gelegt.
") In der letzten Schrift (VI, S. 76) unterscheidet H. da» Sein «Is
.Bewußtsein" („Erlebnis") und das Sein als „Realität" („Ding").
OgIC
2. Kapitel. Allgemeine Geschichte der Lopk. 185
md aoßh „die im Weaensschanen getaBten Wesen in festen
Bej^en, in aehr weitem JJmtange mindestenB, fixieren" und
dsrüber absolut grfiltige Anssagen ab^ben: „Die Scbanonft
erfaßt dabei daä Wesen als Wesenssein and setzt in keiner
Weise Dasein" (man vergleiche Meinong^s (Gegenüberstellung
von „Soeein" und „Sein"). Diese reine Wesensforsohung, die
also mit Selbstbeobachtung, sog. innerer Wahrnehmung
nichts zu tun hat, wird von H. als reine Phänomenologie be-
zeiehnet. Sie macht das gemeinsame Fundament jeder Philo-
sophie (inkl. Erkenntnistheorie) und Psychologie aus.
Die Wissenschaften, welche sich in dieser Weise mit dem
„Wesen" (Eidos) beschäftigen, bezeichnet H. als Wesens-
visBenschaften oder eidetisebe Wissenschaften. Zu den reinen
Wesenswlssenechaften gehört die reine Logik, die reine
Mathematik, die reine Zeitlehre usf. Überall ist hier statt
der Erfahrung di& Wesenserscbaunng der letztbegründende
Akt (VI, S. 17). Von diesen eidetischen Wissenschaften vill
aber H. die „reine BewuBtseinsforschung der Phänomeno-
logie", soweit sie sich auf deskriptive Analyse mittels reiner
lotnitton beschränkt, noch trennen. In diesem Sinne kann
(üe reine deskriptiv« Phänomenologie sogar die formale Logik
nitd damit anch alle Disziplinen der formalen Mathesis (Alge-
bra, Zahtentheorie, Mannigfaltigkeitslehre usf.) bei ihrem
Forschen „ausschalten" („in Klammer setzen"), vgl. VI, 112.
Di» Phänomenologie wird eo zu einer rein deskriptiven Dis-
liplin, welche das „Feld des transzendental reinen BewuBt-
Mios in der puren Intnitioa durcbforscht". Die logischen
Sätze, auf die sich zu berufen sie je Anlaß finden könnte,
vären also durchaus logische Axiome, wie der Satz vom
Widetspmch, deren allgemeine und absolute Oeltung die
Phänomenologie an ihren eigenen (Gegebenheiten exempla-
ntch einsichtig machen könnte. Die phänomenologische
Kom geht also dahin, „nichts in Anspruch zu
nehmen, als was Wir am Bewußtsein selbst, in
reiim Immanenz uns wesensmäBig einsichtig machen kön-
nen", ■ Die reine oder transzendentale Phanomenolgie ist die
<l«afaiptiv« Wesensiehre transzendental reduzierter (nioht-
>^ler) Phänomene.
Diese Lehre von der Wesensschauung verknüpft Hus-
■erl nun mit Lehren, die auf Bolzano und Brentano zurück-
geben. Er behauptet, daß viele „Erlebnisse" („BewuSteeine"),
und zwar sowohl individuelle Anschannugen wie Wesens-
OgIC
Ig6 I. Tai. MliMtziuw tutd iJteniaDe Geachichle der Unft.
schanungen BewiiBtseis »von etwas siod" (VI, S. 64): sie
haben ein ,4ntentioDale8 Objekt" (Gegenstand). Diese
Intentionalität ist nicht etwa — man beachte die Äbweichoi^
von Stumpf — mit der Beziehang zwischen einem psycho-
k^iscfaen Vorgang (wie Achten, Aufmerken oder Erfassen)
ttnd einem realen Objekt identisch, sondern soll den Erleb-
nissen ihrem „Wesen" nach zukommen. Bei den „aktnel-
len" intentionalen Erlebnissen kommt zn der allgemeinen
intentionalen Beziehung als Wesensmerkmal noch das „Oe-
richtetsein auf („im Blick haben", ,Jchblick") hinzn, du
je nach dem Akt „wahrnehmend" oder „wollend" usf. ist Die
Erfassung oder Bettchtang ist eine besondere Modifikation,
welche erst nnter bestimmten Umständen zu dem Akt als
eine zweite intentio hinzutritt. Nur bei den einfachsten sinn-
lichen Vorstellungen deckt sich der „Ichblick" eo ipso mit
der Erfassong (VI, S. 63 ff.). Bei allen anderen Akten würde,
wenn sie vollständig sind, dreierlei zu unterscheiden sein: die
allgemeine intentionale Beziehung auf ein Objekt, die für den
Akt kennzeichnende Zuwendung des Ich und die Erfassong
des Gegenstandes „in einer eigenen vergegenständlichenden
Wendni^'. Dazu kommt weiter, daB jedes Erlebnis selbst
wieder intentionalee Objekt eines neuen Erlebnisses werden
kfmn (durch „reflektive Blickweadung").
Das Zugrundeliegende eines Erlebnisses wird von Huseerl
als „sensueller StofT' bezeichnet, dasjenige, was die Stoffe zu
intentionalen Erlebnissen formt und das Spezifische der In-
tentionalität hineinbringt, als „noetisches Moment" oder
.^Noese" (VI, S. 174). Im reinen Wesen der Noesen. liegt die
,J^nktlon" begründet, Bewußtsein von etwas zustande zu
bringen und damit eine synthetische Einheit möglich zu
machen und dem Erlebnis einen „Sinn" za geben. Während
in dieser Weise das Erlebnis selbst in stoffliche und noetische
Beetandteile durch „reelle" Analyse zerlegt wird, ergibt das
intentionale Korrelat des Ergebnisses „noematische Bestände"
(= „intentionale" Analyse). So würde z. B. für das Urteilen
das Genrteilte als solches das Noemal sein (VI, S. 182). Des
Verhältnis dieser Noemen zn den intentionalen Gegenständen
ist auch in der letzten Schrift Husserls nicht ganz aufge-
klärt").
") Vgl. zur Kritik der Husseriscben Lehre Tb. Elsenliuia, Kautstudien,
19}B, Bd. ao, 9. 3S«i Tb. Ziehen. Zlschr. S. FsTCbol. IfilS, Bd. li, S. ISi
a Kwrttet. Alhtemwne Geacbichte der Logik. 187
Dae Kriterinm für die Wahrheit der Weeensschanangr ist
naeb Hosserl dadaroh gegeben, daß es für jedes Wesen sozs-
sagBB eine absolute Nähe gibt, in der seine Gegebenheit ab-
solut klar ist, eine „Selbstgegebenheit" ist (VI, S. 126). Woran
wir diese abaolnte Nähe merken, wird nicht gesagt. Die
scharfe GegenäbersteUnng der „assertorischen Evidenz" bei
dem asfiertorischen Sehen eiuea Individnellen und der »apo-
diktischea Evidenz" bei dem apodiktischen Einsehen eines
Wesens oder Wesensverhaltens (VI, S. 286) bleibt daher doch
unbestimmt, znmal ein besonderes Bvidenzgefühl nach Hoe-
su{ nicht in Frage kommt (VI, S. 39). Die „Evidenz" ist
nimlich kein Gefühl, sondern vielmehr das Erlebnis der
Wahrheit selbst, and reziprok ist die Wahrheit „eine Idee,
deren Einzelfall im evidenten urteil aktuelles Erlebnis ist"
tIV, 3. Änfl-, Bd. 1, S. 18» f. u. Bd. 2, S. 593 ff.).
Der Gegenstand Brentanos ist damit seiner psycholo-
giecben Bedeutung ganz entkleidet, die Bolzanoeche „Vorstel-
lung an sich" als ein nicht-psychologiBches „Wesen" wieder
hergestellt and ihr ein nicht-psychologischer Vorgang der
Weeensschaanng zugeordnet. Die „reine Xjogik", die iu
HnsBeris älteren Werken (vgl. z. B. IV, 1900, Teil 1, S. 223)
noch diese Wesensontersuchungen zu nrnfassen schien, wird
ietat za Gonsten einer reinen Phäoomenologie auf ein engeres
Qebiet beschränkt, dessen Abgrenzung freilich nicht ganz
klar ist
Vom Siaadpunkl der Husserlscben Lehren sind u. a. folgende zur
l^wk in Beziehuiw stehende Art>eitea veilaBt:
Ahe. Gallinger, Das Problem der objektiTen HOBÜchkeit, LeipziB IdlS
(Sehr. d. Ges: f. psychol. Forsch, 4 Samml., Heft 16) u. Zur Grend-
itKaag einer Lehre von der Eiinnenutf, Halle 19U (ia beiden Ai-
beiten ist auch der EinlluB von Lippa bemaAbar), namenlL S. 71 ft.
Erich Heinrich, Untersuchungen zur Lehre vom Begrifl, Dias. GCttin-
ten 1910.
Moll Läpp, Die Wahrheit, ein erkennlnieiheoret Verauch orientiert an
^^^m, Musaerl u. an Vaihiosers Philosophie des Als ob, Stuttg. 1913 (auch
^ Dias. Versuch tlber den Wahrheitsbegrifl mit besond. BerOcksicht.
^ 1. L, Erlangen 1912); W. Jerusalam, Der kritische Idealismus u. die
Xite Logik, Wien 1906 (n&mentl. S. 91 ff.); P. Natorp, Zur Frage der log.
■l^ode, Kantstudien 1901, Bd. 6, S. 270; Heinr. Maier, Logik u. Fsrcbo-
I«n«, Festschr. L Riehl, Halle 1914, S. 311, namentl. 319 H. u. 860 ff.
") bi den älteren Arbeiten scheint Husserl die Phänomenologie ntehr
)lt aae Vorbereitungswissenscbaft der reinen Logik la betrachten fJV,
1800, 3. T«1, S. 18).
.oogic
Igg L Teil. Abgrenning und aUgemuna Geschichte der Li^ik.
Wilh. Schapp, BeitrMe zur Phinomenolotie der Wahrnehmung, Disa.
HaUe IBia
Heinr. Hofmana, Untersuchungen Ober den Emp^ndungsbegriS, Disa
Goitingeu 1912 u. Arcb. I. d. ges. Psychol 1913, Bd. 36, S. Salt.
In RuBland bat Nikolaj LoBkij (Die Umgestaltung des BewuBI-
seinsbetfciffes in der modernen Erkenntnistheorie u. ihre Bedeutung für die
Logik, in EnitTklop. d. philos. WIssl, Bd. 1, Tobingen 1912, S. S43— 37i)
einen Standpunkt vertreten, der dem Husserlachen sehr nahe steht Er
behauptet, daB im Moment der Urteil aauassge Erkenntnisobjekt und Er-
kenntniainhalt, mögen sie auch sonst transzendHit sein, „dem BewuBtsein
Bes erkennenden Subjektes immanent «erden, und zwar dank der vorüber-
gehenden Funktion des Individuums, die in der Hinlenkung der AufmeA-^
aandceit besteht" („Intuitivismus").
Als ein Vorläufer von Husserl kann in manchen Beziehungen Wil-
helm Dillbev (1833 — 1911) betrachtet werden, wenigstens in seinen
neueren Schriften. FQt die Logik kommen namentlich folgende Werke in
Betracht: Grundriß der I^ogik u. des Syslem* der philos. Wissenschaftei^
Berlin 1866; Einleiiung in die Geisteswissenschaften, Bd. 1, Leipzig 188%
namentl. S. 491 — 619 u- S. 146; Ideen über eine beschreibende imd zerfElie-
demde Fsrchologie, Sltzungsber. d. Kgl. Pr. Ak. d. Wiss. zu Berlin, Jahrg.
18«. Berlin 189*, S. 1309; Studien z. Gnmdlegung der Geisteswissenach.
ibid. 1906y 1. Halbband, S. dßO. IfaiDentlich DUtheys Lehre von einer
„unmitteltuirea G^ebenheit des inneren Zusammenhangs" im Psychischen
(z. B. Sltzungsber. ISM, S- 1M3) oder von einem „Strukturzusammenhang"
(5. 1346) steht Husserls sp&teren Lehren einigermaßen nahe. Zu einer
systematischen Ausgestaltung seiner neueren logischen I«hren ist D. nicht
gelangt.
In einigen Punkten berührt sich mit Bolzano und Husserl endlich auch
Melchior Fal&gyi (Der Streit der Paycbologisten und Formalisten ia
der modernen Logik, Leipzig 1902; Kant u. Bolzano, Halle 1903*; Die Logik
auf dem Scheidewege, Beiün 1908), obwohl er in der erstgenannten Schrift
scharfe, aber gr6Blenteils auf MiSverstandnissen beruhende Angriffe gegeu
Husserl gelichtet hat (rgL die Antwort in der Husserlschen Besprediunt
Ztschr. f. Psychol. IKÄ^ Bd. 31, S. 287). Die Logik hat e» nach P. mit
der Besinnung fiberttaupt", die PsYchologie mit der .Besinnung hier und
jetzt" 2u tun. Die Logik ist daher „die allxemeine Wissenschaft von der
Besinnung". Auch Hans Schmidkuni (GrundzOge einer Lehre v-
d. log. Evidenz (Ztschr. f. Philos. u. philos. Erit. 191% Bd. 14S, S. 1} scbUeBt
sich in vielen Punkten an Husserl an. Noch Ober ihn hinaus geht in
manchen Punkten Bruno Bauch (Studien zur Philosophie der eiaklen
WissenschafUn, Heidelberg 1911, namentl. S. aWHJ.
§ 46. c) Werttbeoretiselier LoKizismus: Windelbud;
Rlekert Ebenfalls in direkter Reaktion gegen die indoktlve
uod psycholog'iBtische Logik undiaeng'emZusammeiihaiigiDit
dem Nen-Kantianismus entwickelte eich in Deutschland eine
weitere Richtung der logischen Forschung, welche man als die
werttheoretische bezeichnen kann. Ihr Begründer ist
OgIC
2. Kapitel. Allgenuine Geachiehte der Logik- 189
Wilhelm WindelbaDd') (1848—1915). Auch er verlangt
,^'e meüiodisebe Unabhängigbeit der Logik von psycholo-
siMben Voraossetiungen". Die Psychologie mnfi nur be-
summte Vorarbeiten för die Logik leisten und kann ihr
uSenlein wichtige Anregungen geben. Die Erkenntnis-
theorie ist für W. nur ,^r dritte Teil der Logik" (vgl. unten).
Die Logik omfafit also die ganze „philosophische Lehre vom
Wiesen als Theorie der theoretischen Vemanft". Mit der
jfthetik vod Ethik zosammen stellt Bie die drei „philoso-
I^ÜBchen Gmndwissenschaften" dar, andere existieren nicht.
Die Fundamentaltatsache, die aller logischen Besinnung zn-
Snmde liegt, besteht darin, daß wir zwischen unseren Vor-
stellungen den Wertunterschied des Wahren and
des Falschen machen. Im Mittelpunkt der Logik steht
fSr W. wie für viele moderne Logiker die Lehre vom Urteil.
Etwas extrem drückt dies W. sogar gelegentlich durch den
Sati aus; „Die Logik ist Urteilslehre." Mit Kant betrachtet
eralB den allgemeinsten Charakter des theoretischen Bewußt-
Being das Prinzip der Synthesis (synthetische Einheit dnrch
eine verknöpfende Form). Pie Logik zerfällt demgemäß in
3 Teile: erstens die formale Logik (von W. sehr miß-
verständlich auch als „reine" Logik bezeichnet), welche „die-
imigen Formen des Denkens, von welchen die ErftiUnng des
Vshrheitszwecks im Erkennen und Wissen abhängt, in der
Alntraktion isoliert und in ihrer unmittelbaren Evidenz auf-
KJgt**, zweitens die Methodologie, welche mit Bezug
nif die besonderen Erkenntniainhalte „die planvollen Zu-
■annnenhänge von logischen Formen darlegt, worin die ein-
Klnen Wissenschaften mit Rücksicht auf die formale ') und
') WichtifBte tosiscbe Schhlteo ; Beiträge zur Lebre v. negativen Ur-
>(il (in StnBbuner Abb. z. Philos. z. Zellers 70. Geburisla» StraQburg
»4 S. 166; Präludien, Freiburg u. Tüb. 188^ i. Aufl. Tübingen 1911
(uiDenUicb Bd. 2, S. ZiB. Über Denken und Nachdenken^ u. S. 5911. Noi^
'"^ u. Na(ur«esette u. S. 99 H. Kritische od. geneiiscbc UelhodeT); Vom
äMem der Kategorien (in der Festschr. f. Sigwart), Tübingen 1900, S. 41;
l^xit; in „Die Philosophie im Beginn des SO. Jahrh." (Feslscbr. f. K. Fischer),
Bfidelberg IBO*, 2. Aufl, 1907, S. 186—207; tJber Gleichheit u. Identität,
.•^Jlnuigsber. d. Heidelb. Ak. d. Wisa., philo8.-hisl. Kl. IMO, Abb. 1*; Die
^ääen der Logik (in Enzyklop. d. philos. Wiss., Bd. 1), Tübingen 1812;
^■nltitung in die Philosophie, TObingen 1314, nam. TeU 1, Kap. 3, S. 1900.;
DwffUle zur Wahrheil, Heidelbere 1909, über die Gewißheit der Erkeanlnis,
B«Hn 1S73.
>) Der Widerspruch, der in dieser ,4 o r m a 1 e n Natur" der Gegen-
»liDde liegt, wird von W. nicht aufgekl&rt.
lA.OOgIc
190 ^- ^^- Abcrenzimg und allgemetne Geschichte der Logik.
Bachliche Natur ihrer Oegenstände ihren Erkenntniszweok
erfüllen", und drittras die Erkenntnistheorie, welche
untersacht, wie sieh das ans der Arbeit der Wiseensohriten
herTorgegangene „objektive Weltbild za der absolnten Wirk-
lichkeit verbält, die nach den Voraassetznngen des naiTCD
Bewnfitseine ihren ^) Gegenstand bildet".
Während hiernach bei Windelbaod das Wertmoment bei
aller Betonong doch keinen entscheidenden Einfluß auf die
Wesensauffassui^ der gesamten Logik gewinnt, hat Hein-
richKickert*) (geb. 1863) konsequent versucht, die Logik
verttheoretisch zu begründen. Er ninunt an, daß es neben
der „immanenten wirklichen" Welt noch eine andere „in der
Sphäre des Wertes" gelegene, von jedem Bealen unabhängige
und insofern transzendente Welt gibt, die uns als ein Sollen
gegenübertritt, das sich nie auf ein Seiendes zuräck-
föhren läßt. Zwischen diesen beiden Welten, der „seienden"
und der „geltenden" steht das theoretische Subjekt, das beide
Welten 'doroh sein urteilen miteinander verbindet. Zo-
nächst leuchtet die Verwandtschaft dieeer Lehre mit der
logizistischen (^ 45) ein. Die geltende Welt deckt sich in
vielen Punkten mit den Vorstellungen an sich usf. von Bol-
zano und den Wesen von Husserl. Eine Abweichung' tritt eist
darin hervor, daß Kickert diese Welt des Logischen der
Logizisten jeden Seins Charakters entblößen will: „dae
Logische existiert nicht, sondern es g i 1 1". Und auch damit
würde noch kein allzu erheblicher Unterschied gegenüber
dem Logizismns Bolzanos gegeben sein, wenn Bickert nicht
dies „Gelten" ganz im Sinn eines Wertes — statt im Sinn
') Ich möchte Termuten, dafi statt „ihren" stehea mOSte „seinen"-
*) Zur Lehre v. d. Definition, Diss., Freibur« 18S8, 2. Aufl. Tflbioien
191&; Der Gesenstand der Erkenntnis, Freibur? IStß, 8. Aufl. Tflbiuai
1916; Die Grenzen der naturwissensch. Becrifisbildi^tg, TflbinBea u. Leip-
äg 190S, 2. Aufl. 1919 (vgl. auch Vieiteljahrsschr. f. wiss. Philos. ISH,
Dd. 18, S. 277, nam. 5. 290 ff.}; Kultunriseenschaft u. Natunrissenscbaft,
Freiburg 1899, 3. Aufl., 1916; Zwei Wege der EAenntnisUieorie, Kant-Stu-
dieo, 1909, Bd. 1^ S. 169; Über log. u. eth. GeUumc, ebenda 191^ Bd. 14
S. 182; Vom Begik d. Philosophie, Logos 1910/11, Bd. 1, S. 1; Das Eine,
die Einheit u. die Ein^ ebenda 1911/1% Bd. 2, S. 36; Urteil u. Urteileii,
ebenda 191^ Bd. S, S. 230; Vom System der Werte, eben<& 1919^ Bd. (
S. 295. Die Ansichten Rickerta haben ^h im Laut der Jahre in manclMti
Funkten geftndert und ausgestaltet Die Zitate oben im Text beaebee
sich, wenn nichts anderes bemerkt ist, auf die 8. Aufl. des an zweiter
Stelle gokatuilen Werks.
a. Kapitel. Allc«ineioe Oesclücbt« der Logüi. 191
mfT Tatsache oder tatsächlichen ÜbereioBtimmong — uaf-
taäte. Die Logik ist daher nach Bickert eine „'W«rt'wia8eD-
lefaift". Alles TheoretiBche hat einen „Wertcharakter*'.
Eine „ontoloffiache Logik" im Sinne der Logizisten ist naoh
B. unmöglich. Da auch nach ihm das Urteil (der Satz) den
Banptgegenstand der Logik bildet, so kann die Bickertsohe
Ansicht aneh spezieller dahin formnliert werden, dafi
eisten 6 der „transzendente Urteilegehalt" („der objektive
oder transzendente Sinn, der wahr ist") *) von dem ,rA.kt des
UrteilenB*' dnrchaos verschieden ist*), insofern er seinem
Tesen nach nur unwirklich sein kann, aod alao zum Akt des
nrieilenden Verstehens in einem prinzipiell anderen Ver-
hähnis steht als z. B. der wahrgenommene Körper zom Akt
desWahmehmens (S.259), nnd daQ zweitens dieser trans-
wndente Sinn des Urteils ein „tranezendenter Wert" ist
(8. 272 o. Kantätud. Bd. 19, ä 185).
Was das Wort „Wert" bedeutet, bleibt dabei freilich unklar. H. gibt
kUM an, daB der Begrifi des Wertes sich ebensovenig wie der des Seins
<i(&ueren laase, und daB er daa Wort «Wert" t»auche „fOr Gebilde, die
nicht existieten und trotzdem Etwas sind" (S. 266). Nun bedeutet aber
loch tllfemeioeni und si>ezie)l auch nach wiasenschafüichem Sprach-
Rtntich „Wert" etwas viel Spezielleres, und auch Ricktal toiucht „Wert"
k«in«swees stets in jenem ganz unbestinunten Sinn eines nicht^ezifftiefen-
den und doch etwas-seienden Gebildes. Us mQBle also der Nachweis
«ineht werden, daB der piisnante flhliche Sinn und jener ganz unbe-
slmmte Sioa zusanunenlallen, und dieser Nachweis steht aus.
ADerdings gibt R. ein Kriterium zur Unterscheidung ders.Seinsbegnfle"
von den Wertbegriften an (S. 266). Die Negation soll bei Wiertbegriffen
zwei Bedeutungen, bei SeiDsbeariOen nur eine Uelem. Wann ha( Keil
es „Seinsbegnff" ist, nach R. nur eine Bedeulun« der Verneinung, nin-
Wi: Abwesenheit von warm (Abwesenheit in logischem Sinne). B«
dnn konträren Gegensatz „kait", den man im Sinn eines Einwände gegen
Riekni vielleicht anffUiren mfichte, handelt es sich nach R. nicht um eine
tiiie Negation, sondern zugleich um eine positive Eigänzung; er soll daher
»*di R. nicht in Betracht kommen, tai Gegensatz zu warm sollen z. B. gut,
*t)>r Dsw., weil es sich hier um „Wertbegriffe" handelt bei reiner Vemei-
>>">£ iwei Bedeutungen eirgeben, nimlich erstens ,>öse" bzw. ,J!alsch" usw.
oiid zweitens Abwesenheit von gut und bCse bzw. wahr und falsch ^), Das
Hiuiikonunen der ersten dieser beiden Bedeutungen soll für die Wert-
■WiBt charakteristisch sein. Hiergegen ist jedoch folgendes einzuwenden.
*) Die Transzendenz beruht nach R. auf der Wahrheit (S. 363).
■) In dam Aufsatz im Logos 191% S. SSO unterscheidet R. 1. die psr-
'^'•che UrteilswirUichkeit, 2. den unwirklichen, d. b, nicht-psTchischen,
'"'uiUichen tbteilsgehalt und 8. den insnanenlen Sinn des Urteilsaktes.
') Sehen die Formulierunt „Abwesenheit von wahr und falsch" ist
uUkomfct
1,1^. OQi
,g,c
192 '■ Teil. Abgrepzuni imd aHgemeine Geschichte der Logik.
Auch die reine Negalion von wahr ist nur: Abwesenheit von «ahr. falsch"
ist keine reine Negation, soDdem involviert bereits eine positive AusfQUunt
der Negation des W&hren, ähnlich wie kalt eine solche der N««ation des
Warmen. Bemerkenswert ist allerdings, daS ich unter der Bezeichmmg
,Jslach" alle innertialb derselben Klasse *) m<>glicben positiven KrstnzunKen,
also olle die verschiedenen Falschbetten, die zu einer Wahrheit gdiöreii,
in einem Begrifl und Wort zusammentasse. Aber dies ist auch bd den
,3 e i n s begriffen" sehr wohl möglich. Ich kann z. B. den Begriff der
„nicht-srOnen Farbe"*) bilden: dieser umfaBt dann sleichlalls alle positiven
Auslflllungen des Nieht-granen innerhalb der Klasse der Farben '<>)' Solche
Begriffe sind uns nicht so geläufig, weil derartige Zusammenfassungen auf
dem Gebiet der SinnesqualitAten praktisch nicht so bedeutsam sind. Lc^isch
betrachtet sind sie jedoch ebenso berechtigt wie die Begriffe böse, falsch usf.
Sobald praktisches Bedtlrtnis vorliegt, bilden wir denn auch ganz entspre-
chende negative Seinsbegriffe. Besonders lehrreich ist in dieser Beziehung
der Betfifi „verschieden" („ut^leich") als Negation von gleich. Hier hat die
Zusammenfassung der positiven Ausfüllungen der Verneinung auch mnen
geläufigen sprachlichen Ausdruck gefunden. Auch die Begriffspaare hoch —
tief, rechts — links lassen sich zu analogen Erwägungen vdrwerten. Jedeo-
lalls kann also die Doppeldeuligkeit der Verneinung nicht als zutreffendes
spezifisches Heitmal irgendeiner Begrifisklasse, geschweige denn im Beson-
deren der Klasse der Wertbegrifie gelten.
ScbUeBticb wird man, wenn R. den Wertbegiiff im üblichen wgeni
Sinn versteht, bezweifeln müssen, daB „Wert" und „Gelten" zusammen-
fallen, da man sich „gelten" und „wahr sein" sehr wohl audi triine „Wert"
(s. sIr.) denken kann. Es bleibt daher bedenklich, wenn R. „Wert" nod
„Gelten" piomiacue braucht Der Schritt über das Gelten im Sinn von Bol-
zano, Brentano u. a. hinaus, wie er in der Bickertachen Einführung des
Wert bepritfa hegt, bleibt daher unklar und anfechtbar.
B. gründet auf den Wertcliarakter des transzendenten
Urteilssiims den Gedanken „einer Wissenschaft, welche die
Wertformen des transzendenten Urteilesinnes systematisch
dannstellen hat, und die sich ansschlieQlich in einem Reich
der transzendenten theoretischen Werte bewegen könote,
ohne dabei SückBicht anf das wirkliche Erkennen zu
nehmen . . .", und will diese als „reine ") Logik" bezeichnen
<) Nämlich der auf Wahrheit und Falschheit bezüglichen Urteils-
prSdikale.
■] Das Beispiel der Temperaturempfindungen hat die Besonderheit, daB
im Bereich derselben nur 2 Qualitäten, warm und kalt, existieren, eine solche
Zusammenfassung des nicbt-warmen bzw. nicht-kallen also gar nicht
in Frage kommt.
'*■) Die positive Ergänzung wird durch die Zusammenfassung, inso-
fern dabei die speziellen Differenzen — rot, blau, gelb usf. — EurOckge-
diängt werden, nur verdeckt, aber nicht ganz aufgehoben.
") Das Wort „rein" wird hier also abermals in einem neuen Sinn ge-
braucht, vgl. S. 126 Anm i und Rickert, Logos 11, S. 30 ff. In der letzleieo
Abhandlung (S. 38) gibt Rickert übrigens eine Bestimmung des j.rein legi-
OgIC
3. Kapitel. Allganeine Geschichte der Locik. 1 \)^
(& 272). Sie wäre eine reine Wertwissenscfaaft, die ,^ weder
mit einem physischen noch mit einem psychischen Sein,
weder mit einem realen noch mit einem idealen, weder mit
eioer sinnlichen noch mit einer übersinnlichen Wirklichkeit,
soüdem aUein mit dem nicht-seienden Sinn der Sätze über
die seienden Objekte und mit den Formen, die als Werte
diesen Sinn konstituieren, za ton" hat. Sehr mißverständlich
bcMichnet B. diese reine Logik anch als „objektive" Lc^k.
Er Hill damit offenbar jede Beziehung' auf ein Subjekt
UHebalten. Es soll sich nicht nm eine Norm, „ein transzen-
dentes Sollen" für ein Subjekt handeln, sondern dos Wesen
des Transzendenten soll anf theoretischem Gebiet restlos in
seiner nnbedingten Geltung aufgehen: „ee fragt nicht, für
»en es gilt" {S. 279). Die Umwandlung der Werte in
Nonnen für den wirklichen ErkenntniaprozeB ist keine
winensehaftliche Anfgabe mehr, sondern Sache der Technik
(S. 280). Andrerseits hebt B. gegen Iiosk (s. unten) hervor,
daß eine solche reine Logik, welche das erkennende Subjekt
and damit die Erkenntnis geflissentlich ignoriert, unvoll-
stäiid^ bleibt und durch eine „Transzeudentalpsychologie",
3nf welche hier nicht einzugehen ist, ergänzt werden muS
(S.294tt.). So glaubt B. doch eine Brücke zwischen der Welt
der theoretischen Werte und den psychischen Erkenntnis-
akten schlagen zu können. Das „überempirische Beich des
Logischen" — lehrt die Transzendentalpeychologie — ist
dodt nur als „eine Welt der theoretischen Werte zu ver-
itdien, die dem erkennenden Subjekt als Sollen gegenübcr-
treten". Es wird zugegeben, daß „alles Erkennen, obwohl
es gewiß mehr als einen psychischen Prozeß bedeutet,
inunfir auch ein psychischer Prozeß ist" (S. 296). An dem
payehischen Sinn des Erkennens muß sich daher irgend etwns
finden lassen, was das „mehr ala bloß psychisch" verbürgt,
and dies immanente Kriterium ist die Gewißheit (Evidenz).
Dabei verzichtet E. auf die Annahme einer überrationalen
Sikeontnisfähi-gkeit oder Intuition (etwa im Sinne Scbcl-
lings).
Kl>a Gegenstandes" (oder des „logiseben Urphänomena"), die sich ouc
scbver mit der Werttheorie vereiiügeii l&Bt. Hier heiBt es nainllch, daß „der
nü lociKhe Gegeostand einerseits aus dem Einen" (der Form) „und dem
andern" (dem Inhalt), andrerseits aber „auch aus der Einheit dieses Mannig-
f«hes ttettebe, von dem das Eine sich als das Einrache, nicht IQr sich be-
Bt^rade Uoment am Qegensüinde unterscheidet".
Zifhta, LArtHicli d«t Logik. 13
„.,,n,^.OOglC
1P4 ' "f^'- Abtrenzung und allsemeiae Geschichle der Loüik.
Die weitere Lehre Ftickerts, da.B auch das Qberindividnellc (unpenäo-
hche) „Bewußtseio Oberhaupt" iiimier noch als „ein urieilendes, das SoHeo
bejahendes Subiekt" gedacht werden mtlsse, steht bereits Banz auSerimlb
der Loitik im Sinn unserer .Vbgrenzunf (vgl namcnli. 1. c. Kap. 4% g 10 u. 11).
Neben der Logik, die «ä mit dein „rein logisclien Ge^n-
htJinde" oder der »Einheit von Form und Inhalt übirhanpl"
zu tan hat, erkennt übrigens auch R. eine Logik an, die sich
mit den nieht mehr rein logiBchcn Formen, d. h. Formen,
die mit einem inlialtlichen Faktor in eigenartiger Weise
verschmolzen sind, beschäftigt. Aber anch diese nicht gam
reine Logik fragt, selbst wenn sie es mit den besonderen
Gegenständen zn tun hat, immer nur, dnrch welche Form
und durch welchen Inhalt dieselben zu Erkenntnisgegen-
Ktünden werden, nntersncht aber die Gegenstände selbst nicht
(T_ogos n, S. 74).
Zur Rickertachen Schule (tehört u. a. Broder CbristianscD
^Daa Urteil bei Descartes, Freiburg 1902; Kfitik der Kantischeit Eikenntnis^
lehre. Berlin-Steglitz 1913} und Rieh. Kroner (Über log. und ästhei
.'Mleemeingüitigkcit, Zlschr. f. niilos. u. philos. Krit 1909, Bd. ia4, S, 2äl
u. Bd. 136, S. 10). Auch die „utä^auistischc" Autfassung von Jonas Cobn
(geb. 1S69, VoraussGlzunsen und Ziele des Erkennens, tintersiicbungen über
die Gnindlrageo der Logik, Leipzig 1908} ist der Rickertschcn nahe ver
wandt. Teils zu Rickert, l«ils zu 'Husscrl neigt Fried r. Kunze (Die khl.
Lehre von der Objektivitäl, Heidclbers IHOfi u. Festschr. {. Rielil, H»Ili-
1914. S. ICB— 165).
Winrielhand und «ickcrt sehr nahe steht Emil Last: (1S7&— 1915).
Insbesondere haben sich Rickert und Lask in mannigfacher Weise gegen
seilig beeinflußt. Außerdem ist Lask noch sichtlich von E&ntschen Ldiren
abhängiger als Windelband und Rickert. Lasks llauptachriften aul logischem
Gebiet sind: Die Logik der Philosophie und die Kategoritnlehre, Tlibingeti
1911, und Die Lehre vom l'rteil, Tübingen 1912. Von Bolzttno und Husserl
weicht L. namentlich insofern ab, als er die Zeitlosigkcit der Wahrheiten
(Mlze an sich) nur ihrer Form, nicht ihrem Inhalt zuschreibt und daher
im Gegensatz zu den Logizisten ein Zusammenfallen der „Wahrheiten" und
der „GegensUnde" lehrt (Log. 4 Pbilos. S. 38 fi.). Damit entfallt für Last
auch der Gegensalz des Logischen wie Oberluiupt des Gellenden zum Sein
und die Priorität des Geltcns (Sollens) vor dem Sein, wie äe Rickert be
hjiuptct. Nur das Seinsmatcrial, nicht das Seiende als Ganzes, wie es
JUS Material und Form besteht, ist dem Geltenden entgegengesetzt (1. c-
S. 46). Das „Ineinander von hingellender Form und betroffenem Matenal"
bezeichnet L. auch als „Sinn" (l c. S. 38\ Die theoretischen Foimen (im
Gegensatz zur ästhetischen Form), die den speziellen Gegenstand der Logik
ausmachen, sind die Kategorien. Da es nach L, auch „Formen der Formen"
gibt, sind die Kategorien nicht auf das sinnliche Material beschrlnkL. son-
dern es gibt auch Kategorien der nicht -sinnlichen Fahnen (vgl die Bemer-
kungen Ober Plotin S. 47 in diesem Werk). Durch die ..Subjektivität", d. li
das Denken des Subjekts, bekommen die Kategorien „reflexiven" und ,^ene-
rellen" Ofiuakter (statt des urspTOngUchen „konstitutiven" und ttanssub-
1,1^. OQi
,g,c
__ 3. Kapitel. AllgeiOMne GcBchiehtc der Logik. J95
ictbia]. Die seitherige formale Logik als ,4^rc von den generellen lo«i-
xhD fblnomeBen" hat vielfach hetenigene Beatandteile — koDstitutive und
nSain ~ zusamroengeworien. Die Logik zerftlH daher in 1. die LeUre
'^ca ien iiegenständlichen logischen Ptiänomenen {^= transzendentale oder
titonliustheoretische Logik) und 3. die Lehre von den nicht gegenst&nd-
Mm logischen lUnomenen (= [annale Logik}. Da nach meinen Dar-
'«iiiUMi besonderelogiBche Gegenst&nde nichtbestehen,
Tielmehr künstliche Begriffskonstruktionen sind (vgl
ip aulochthone Gnindlrgung § SS), so fällt der erste Teil der
Losikim Sinne l.asks ganz mit der Elrkennlnislheorie
Auch Hugo Hiinsterberg") (geb. ISGS) steht in vielen Bczie-
buDjen der Windelbandschen werttheoretisch ün Auffassung der Lc^ik nahe.
Et btingl nur ähnlich nie Fichte die Werttheorie in engen Zusammenhang
mit dw W i 1 1 e n 3 thtorie. Durch eine ursiirünBliche Talhandlung tj.Gnind-
Ül") bejahl der Wille eine von uns unabhängige Weil und ochaJJt damit ab-
soNile Werte, zu weichen auch die logischen g^ören. Bei den logischen
Akten soll es sich um die „aberindividuelle Beiahung von /usammenhänsen"
larnjeln. Der Zusammenbang, den die Logik fQr sich selbst als Wissen-
:clialt lierstellt, wird gedeutet als „die Zusammenfassung des zerstreuten
TOwUich mannigfaltigen Materials logischer Akte unler einfachen einheil-
lidieii allgemeinen GrundwiUr'nsakten."
I 47. d) Halbe Lf^idsten. Lotse. TelehmaUer. Die
loeizistiscbe Richtung' der modernen Logik ist in den beiden
letzten Paragraphen von Bolzauo aus in ihren mannigfaltigen
l'iDSestaltiingen (gegenstandstheoretisehe, werttheoretische
Anffaeenng tief.) bis in die neueste Zeit verfolgt worden. Es
muß jetzt nachholend zu einigen älteren antipsycho-
lo^stischen bzw. antisensnalistiscben und aotipositivistiBehea
Gegenströmungen (vgl. S. 164) zurückgekehrt, werden, die
iiwar vielfach It^izistiscbe Ansichten vertreten und zum Teil
uueh nicht ohne Einfluß auf die logizietische Richtung ge-
blieben sind, aber doch in wesentlichen Punkten von ihr ab-
wichen und zu keinem endgültigen Abschluß in logizisti-
».'hem Sinne gelangt sind.
Hderher gehört vor allem Rudolph Hermann
Lotze') (1817 — 1881), der schon durch seinen Lehrer Chr.
") Namentlich GrundzUge der Psychologie Bd. 1, Leipzig 1900 (insbes.
S- Ifia— 16&) und Philosophie der Werte, Leipzig 1908 (insbcs. S. R3ff. u.
s. mtl.).
') Logik, Leipzig l&fcJ; System der Philosophie, 1. Teil, Drei Bücher
^ Logik (Untertitel ; Logik, Drei Bücher vom Denken, vom Untersuchen
y^ vom Erkennen), Leipzig IflTi, 3. Aufl. (bis auf eine Anmerkung ober
'•^lien Kalkül nicht wesentlich verändert) 1880, Neudruck in der philos.
WÄirthek Bd. 141, 1»12; GrundzQge der Logik und Enzyklopäd. der Philos.
(■^tate aus den Vdrlesungen), Ldpzig 1S8B, 5. Autt. 1613. Die Zitate im
„.,.,„.>..oo^sic
196 '■ 'I^^'- Absrenzung und AÜKemeiDe Qeschicbte der Losik.
H. WeiBe (vgl. S. 146) in Hegeleohe Gedankenkreise «in-
geführt worden war, dann aber teils dorch WeiBe selbst, teils
dnreh naturwissenschaftÜch-psychologische TJntersnchnngen
von Hegel abgekommen war. In seiner Logik vom Jahr« 184S
hob L. das ethische Moment in der Logik hervor. Kr
glaubte — hierin znm Teil mit Fichte übereinstimmend (vgl.
S. 132) — die Notwendigkeit der Denkgesetze darin suchen
zu müssen, daß der Geist nnr durch die Denkgesetze „seine
ethische Natnr verwirklichen", „seine wahre Bestimmung
erreichen" könne. In der ansführlichen späteren Darstellnng
der Logik vom Jahre 1874 führt L. den Begriff der „Gel-
tung" als maBgebendes Prinzip des Logischen ein. Er
glanbt nachweisen zu können, dafi „diejen^e Bealität, die
wir den dnrch unser Denken erzeugten ÄUgemeinbegriffeB
znerkennen wollen, völlig onähnlich einem Sein ist nnd nur
in einer Geltung von dem Seienden bestehen kann (8. 549,
^ 341). Die logische Denkhandlnng hat nnr eine „subjek-
tive Bedeutung", der durch sie erzeugte Q«dauke dagegen
hat objektiv« Gelttmg. Das Objekt wird dank seiner
gleichen Entstehung bei vielen Denkenden von der Subjek-
tivität des einzelnen Denkenden unabhängig (S. 557, ^ 345).
Die Denkbandlungen selbst sind darum doch nicht als „nur
subjektiv" zu bezeichnen, da eine jede ungeachtet ihrer indi-
viduellen Bestimmtheit stets auch dnreb den allgemeinen
Zusammenhang der Sachenwelt bedingt wird. Beal sind nnr
die Dii^pe, insofern sie „sind", und die Ereignisse, sofern sie
„geschehen", „in ihrer dem Denken jenseitigen Wirklich-
keit". Die „logischen Gedauken", d. h. die Produkte der
Denkhandlungen, haben in bezng auf das jenseitige Beale
sachlich keine unmittelbare Geltung, sondern nur dem Denk-
inhalt als solcheoi gegenüber. Sie haben eine Wirklichküt
des Seins nnr in den Augenblicken, in welchen sie gedacht
werden, zugleich aber ist doch „die Natur aller Geister so ge-
artet, daB immer, sobald dieselben beiden Beziehongsponkte
a nnd b gedacht wurden, auch sich selbst gleich dasselbe
Text beziehen sich auf die Logik v. J. 187*. Uit Lotzeo Logik besdiÄfÜgt
sich u. a. G. Fonsegrive, Rev. philosophique 1888 A, Bd. 21, S. 618; 0. Kreb*
Der WiosenBchaftabegrifi bei H. Lotie, Viertelirtreachr. t. wios. Philo». 1887,
Bd. 3t, a 26 (Dunentl. zutrefiende Kritik der Lotzeschen Wahrtieitslehre);
Chr. F. Pfeil, Der EinfluB Lo(h8 aut die log. Bewfigung dar Gesennrt, dar-
gestellt am Begriff der HQeltung" und am Begrifi der Wahrheit und de»
J^priori, Dis9. Erlangen 10U (Druckort TObingeo).
„.,,„, ^.oogic
2. Kapitel. Allfemeiite G«sehidil« der Logik. 197
ÜHeÜ C über ihr Kegeii8eitig«B Verhältats gefallt wird"
Ca 561, ^ 346). Wie im platoniBchen Ideenreich stehen alle
Tontellbaren Inhalte in festen nnd nnveränderlichen Be-
ziehongeu, die ein fSr allemal gegeben Bind. Die Möglich-
keit, daß diese „wnnderbarate" Tatsache „in der Welt" auf
der Beschaffenheit der dinglichen (seienden) Wirklichkeit
und den ihr angepaßten Denkfnnktioneni benihen könnte,
bleibt nnberöcksichti^ Das „Oelten" einer Wahrheit ist
nach Lotze „ein durcfasTis nur auf sich beruhender Orond-
bogriff" (trotz der Entstellung äer Gedanken ans Denkhand-
Inogenl). E^ hat weder die Wirklichkeit des Seins noch ist
f& vom Denken abhängig (S. 500, ^ 316). Die spezielle Wirk-
Kehkeit, welche hiernach den Gedanken (Denkinhalten) zu-
kommt, drückt Lotze auch durch den Terminns .fachlich
gegeben" aus (S. 558, ^ 345).
Lotze bestreitet daher auch, daß die Logik wesentlichen
Xutsen aus der Erörterung der Bedingungen ziehen könne,
unter denen das Denken als Vorgang verwirklicht wird. Er
weht „die Bedentung der logischen Formen" vielmehr „in
ieta Sinuc der Verknüpfungen, in welche wir den Inhalt
nnarer Voistellungswelt bringen sollen" . . . (Logik ' 1874,
a 531, § 332).
Wie mannigfach sich diese Lehren mit den älteren Bol-
unoB und den neueren einerseits von Cohen und Natorp,
andrerseits von Windelband and seiner Schnle berühren, liegt
nitage*). Es maß nur betont werden, daß Lotze nicht zu
einer konsequenten Ansgestaltong dieser Auffassung ge-
ktnunen ist und über die dritte Existenzart des Logischen
nie zu völliger Klarheit gelangt zu sein scheint.
Unter L«t2e9 Schalem hat natnenUich With. HolleaberB das lo-
■nche Gebiet etwas ausfohdicher behandelt (Logik, Psrchologie und Ethik
*)> PlukQopbiaelw Propädeutik, Elberfeld 1800}.
Wesentlich bedeutender, wenn anch aus äußeren Grüu-
^ viel weniger beachtet als diejenigen Lotzes sind die
l(«i8clien Leistungen Gustav Teichmüllers') (1832 bis
1838). Auch Teichmüllcr nähert sich den Logizisten, indem
='} Vgl. auch Rieh. Falckenber^ Ztschr. f. Philo», u. philos. Kiilik 1SI3,
^- IC^ & 37 (40) und Georg Miwh, Einleitung L d. Neudnick der Logik,
"ipog 1M2, Bd. 1, S. IX-ÄCI, namentl. XXXVU ff. u. LXXII ff.
') IHe wirkliche und die scbeinbaTe Welt, neue Grundlegung der Meta-
*^ak, Breslau 1883 (Buch 1, Kap. a— 7J und namentl. Neue Grundlegung
wf Psichologie und Logik, berausseg. von J. Ohse. Breslau ISÖB.
.........X.OOgh.
198 '- '^^''' Abgrenzung und allgemeine Geschichte der Logik.
er neben dem „realen Sein" der Erkenntnisakte and sonstigen
psychischen Akte und dem „sobstanziellen Sein" des Ich ein
„ideelles Sein" annimmt (N, Gmndl. d. Psych, n. Log.
S. 17). Dies ideelle Sein ist der „Inhalt und Gegenstand
iinsrer Erkenntnisfunktion" und somit unsrer „Gedanken".
Lotzes Geltungstheorie wird von TeichmülJer ausdrück-
lich abgelehnt (I. e. S. 117). „Der gegebene ideelle Inhalt"
wird nach T.'„ii^ndvie durch den metaphysischen Verkehr
unseres Ichs mit den Wesen außer uns bestimmt". Die Ord-
nni^ der Dinge, die als ideeller Inhalt in unserem Bewußt-
sein erscheinen, stammt aus der Ordnung, dem „inneren
Koordinatensystem" unserer Funktionen (I. c. S. 283). Jedw
Erkennen ist ein Schluß, durch den mindestens zwei „Be-
ziehnngsptinkte" unter einem „Gesiclitspunkt" zu der Einheit
einer Funktion zusammengefaßt werden (S. 19, 312). Die
elementaren Beziehungspunkte werden von den Empfin-
dangen, den Gefühlen und dem .Jchbewußtsein" geliefert
(S. 265 n. 313). Das Wesentliche des Erkennen^ ist also in
T.S Terminologie ein „Koordinatensystem", Elategorien und
apriorische Prinzipien existieren nicht. Durch das Erkeuuen
kommen die ,Jdeen" zustande. Die Funktion, welche dabei
wirksam ist, wird als Vernunft bezeichnet. So konmit z. B-
der Veruunftakt des Zahlens bzw. die Idee der Zahl dadurch
zustande, daß das Bewußtsein irgendwelcher gleichartiger
Sachen als ideelles Sein, das Bewußtsein der Perzeptiou
der einzelnen Sachen als reelles Sein gegeben ist and die
Vernunft die funktionelle Zusammenfassung der reellen
Akte in Beziehung auf die ideellen Bilder des BewuSt-
seins vornimmt (S. 293). Alle Gedanken — auch die empi-
rischen individuellen 1 — bilden ihrem ideellen Inhalt nach
ein „festverkettetes, identisches und unveränderliches
System" (S. 329). Bei dem Erkennen kommt zu diesem
„ideellen oder objektiven" Koordinatensystem eine bestimmte
Ordnung xmsrer geistigen Funktionen als „snbjektives Ko-
ordinatensystem" hinzu (S. 324).
Auch bei T. bleiben, wie diese kurze Darstellung zeigt
und eine ausführlichere — die seine Metaphysik mitberüek-
sichtigen müßte — bestätigen würde, vielfache Lücken und
Unklarheiten bezüglich des ideellen Seins, was zum Teil wohl
darauf zurückzuführen ist, daß der Tod ihn vor Abschluß
seines Hauptwerks überraschte. Seine antiaensualistische
und antipsychologistische Stellung hat er selbst an vielen
„.,,„,^.oogic
2. Kapitel. .Allffemeine Geschichte der Logik. 199
StfUeo scharf betont (z. B. 1. c. S. 273, 283, 287, 324), ebeiisu
sfioe Anerkennung: der Tendenz, der He^elschen Dialektik
dm Angriffen anf dieselbe ansdrücklich voransgeschickt.
i^u den Halb-Lügizisten gehört — allerdings in wesentlich anderer Üich-
luct als Teichmüller — in vielen Beziehungen auch JuL Bergmaon
.l6tiU19l>{, Allgeiu. Logik, Teil 1 Beine Logik, Berlin 1879, nunentl. g 1-^
11.210.; Die Grund Probleme der Logik, Berlin läS2, S. völlig unurearb. Aufl.,
BeriiD 1895; Sein und Erkennen, Berlin 1380; Über Glauben und Gewißheit,
ZbiJtr. r. Hiilos. u. phitos. EntJk 1896, Bd. 107, S. 176; Über don Satz des
laäch. Grundes, Zlschr. f. imman. Phtlos. 1897. Bd. 2. S. 261) *). In Berg-
"BODs logischen Lehren siod namentlich Anklänge an Fichte und Lotze,
nin Teil auch an Lcibniz zu erkennen. Das sich zum Inhalt habende Be-
iiStsein ist selbst das Subjekt, dem es zukommt, und das Übic4(t, auf wcl-
ehea es gerichtet isL Jedes Seiende ist ganz und Rar wahrnehmendes
^iekt und ganz und gar Objekt seines Wahrnehmens. Das Sein
«iDdr Bestinuntheil besteht in ihrer Inhäreoz in einer Substanz, das :^eiii
aner Substanz in ihrer Inhäreui; im „Weltgrunde", Jedes Attribut gehört,
iir Jdentität" seiner Substanz. Die Logik untereutiht sowohl den Begritf
iei formalen wie den der matcrialen Wahrheil. Die formale Wahrheit will
B. »uf tormale Identität zurilckführen, die materiale »11 auf drr Exisleiia
fe Vorgestellten und somit auf der maferialen Identität beruhen. — Be-
Mnders wertvolle Anregungen hat ß. in der Lehre vom iTieil cesebrn.
( 48. e) NeH-HegeliaB«r. Während die altereu He^ijl-
seben Sehtilen ztuneist dnreh innere Streitigkeiten und oft
weh durch einen grewissen Schulenhoehmnt von einer
näheren B^tchäftignin^ mit der nenen psychologiBtischen,
PositivistiBchen und Induktiven Ijogik abgehalten wui'den
(vgl 8. 144), richtete die neu-Hegelsche Schule, die in den
letzten 40 Jahren namentlich außerhalb Dentschlatidä ziem-
ßch zahlreiche Vertreter fand, ihre Front gerade vorzugs-
vtise gegen die psychologistisehe, {Mwittvistische und induk-
tive Bichtung der Logik. Sie spielt daher heut« unter den
(Gegenströmungen gegen die letztere in manchen Ländern
eine einflußreiche EoUe.
Eine bemerkenswerte Übergangserscheinung zwischen dem älteren und
»^ereii Hegelianismus stellt auf dem Gebiet der Logik der „Grundrifi der
l«cik und Metaphysik, dargestellt als Entwicklung des menschlichen Geistes,
Haue 1878 voQ G ü n t h e r T h i c 1 o (1841—1911) dar. Er weicht von Hegel
umenllich in der starken Hervorhebung des denkenden aberzeitlichen indi-
'^«'uellen Ichs als „Trager der Kategorien" ab.
In Deutschland näherten sich die .Veu- Kantianer und die l.ogi-
') Die beiden letzten Aulsätze und einige andere finden sich La ntuei-
BwtKitmig auch in dem Werk „Untersuchungen über Hauptpunkte der Phi-
■«oplae", Martwnt 19Ö0, S. 1 u. 70. Vgl über Bergmanna Logik, W. Schuppe»
ViBtaüahrsschr. t wiss. Philos. IfifT», Bd. 3, S. 467 und E. Hosserl, .^i^h. f.
^«em. Philos. 190B, Bd. 9, S. 113 ff. ■
i,l^.OOglc
200 I- ''^^i'- Abrrenmng and allsemeine Geacttichte der Losik.
zisten, nantentiich Natorp, Husserl und WindeUnnd (vgl. g fö u, 46) vidbdi
den HeKelschen Auffassuiigen, ohne jedoch die panlosistiaclie Tendsnz Henli
und die mit ihr zusammenhAngonde Lehre von der „iiinereD Selbstbewefun^
des Denkinhalts anzunehmen. Auch treten bei diesen Forschem dis Ober-
einstimmungen mit Hegel gegendber anderweitigen Anknüpfungen (Käst,
Plato) mehr in den Hintergrund. Enger an Hegel, speziell an die losischen
Lebren Hegels, schlössen sich nur vereinzelle Forscher an, wie z. B. J alias
Ebbinghaus, Relativer und absoluter Idealismus usw., Leipzig 191IX
namenlL S. 6Bf., Eberhard Zschimmer, Das Welterl^nis, Leipzig
1909—1913* (8 Bände roit Anhang: Prolegomena zur Panlogik) tind Enil
Mammacher, Die Bedeutung der Philosophie Hegels usf., Leipzig 1911.
Wesentlich einfluBreicher ist der Neu-Hegelianismus in Italien.
Sein Hauptvertreler ist hier BenedettoCroce (geb. 1866), der in seiner
Logica come sdenza del concetto puro ^) (Bart idOZ, 3. AufL 1909, vgL z. B.
S. 6, 17 B., 66) und „Die Aufgaben der Logik" (EnzvklopL der pbüos. Wiaa
Bd. 1, Tobingen 1912, S. 202 S.) Hegels logischen Standpunkt ohne wesent-
liche Abweichungen vertritt Vgl. auch Giovanni Gentile (ßA. ISJb),
La riforma della dialeltica hegeliana, Messina 1913 (nameutL S. 13). In Eng-
land gehören hierher: John M. ElUs Mc laggart (Studies in (he
Ueaelian DialecUc, Cambridge 1886, siehe z. B. S. 288, und A commenlarr oa
Hesel's logic, ebenda 1910; Mind 1897, N. S. Nr. 22. S. 164>, JamesBlack
B & i 1 1 i e (The origin and significance of Heget's logic, London 1901, namenlL
Kap. 12, S. SBSff, Criticism), Bernafd Bosanquet (Knowledge and
rcalitv, a criticiran of Ur. Bradley's „Frinciples of logic", London 1886,
'J. Aufl. 1892; Logic or Ihe morphology of knowledge, 2 Bände, Oxford 18S3').
2. Aufl. 1912; The essentials oF logic, London u. New York 188&) und Harald
H. J o a c h i m (The nature of truth, Oxford 1906, coherence theory : „truth in
its essential nature is that systematic coherence, which is the character of
a significant whole"). In Amerika steht u. a. John Giier Hibben
(Inductire logic, New Yoik 1896*; Hegel's logic, New York 1903, nament-
licb Kaf. Uff.; Logic, deductive and inductive, New York 1806) auf
dem Boden des Neuhegelianismus. In Holland tut G. J. P. J. Bolland
eine Wiedeiiwlebung der Hegeischen Logik versucht (CoUegium logicum,
lidden IBOi u. a.).
Decm Logizismns einerseits und dem NeubegelianismuB
audrerseits steht in manchen Punkten auch Ed. v. Hart-
mann*) (1842 — 1906) nahe, soweit die allgemeine Auf-
*) Zudeich Bd. 2 der Filosofia come scicnza dello spirito.
3) So kommt BosanqueL S. 236 zu folgendem allgemeinen Ergebnis:
;,logical Science is the analysis, not indeed of indiv-idual leal objects, iHit ol
Ihe intellectual structure of reality as a whole".
*) Philosophio des Unl>ewuBlen usw^ Berlin 1869, 11. Aufl. Sschsa
300« (die ZiUte im Text beziehen sich auf die 6. Aua, Beriin 1S74); Ober
die dialektische Methode, BerUn 1868, 2. Aufl., Sachsa 1910; Das Ding an
sich u. s. Beschaffenheit, BerUn 1S71, 2. Aufl. unter d. Titel Erit. Grund-
legung des transzendentalen Bealismus etc.,, Berlin 1ST5 CnamcntL S. Itl ^)>
3. Aufl. 1386 (Ausgew. Werke, Bd. 1); Kategorienlehre, Leipzig 1896 (AuB-
gew. Wciie, Bd. 10, namenlL S. 173fE.); System dar Phüos. im Grtmdrift
Sachsa 1807—1908 (namcnit. Bd. 1: Grundr. d. Ericenntnislehre, S. 1—«
U. 165 It.).
3. Kapitel. Allgemeine Geschichle der Logik. 201
tagm^ der Logik in Betracht kommt. Auen H. nimmt
nämlich an, daß das ,iLogiscbs'* auch anQerhalb des indivi-
(hMflen (bewußten) Denkens existiert und zwar neben »ün-
lo^ischem". Das Logische ist, metaphysiscli betrachtet, nach
H. „die allereinfacbste Vernunft, ans der sich alles Ver-
aänftige erst ableitet", und damit „der formale Regulator
der iobaltlichen Selbstbestimmung der Idee", „die formale
Seitoder onbewußten Intuition des ÄU-Eiuen, deren in-
b^tliebe oder materiale Seite die Idee s. str. ist" (S. 802).
An sich selbst fällt „das Logische oder die Vernunft" mit
dem Jf^ischen Formalprinzip, d. b. dem Satz der Identität
lind des Widerspruchs zusammen. Während dieses nun in
«einer positiven Gestalt (als Satz der Identität) schlechthin
improduktiv ist, kann es sich in seiner negativen Gestalt auch
prodoktiv betätigen, wenn es auf ein „unlogisches" trifft.
Ein solches Unlogisches ist „der innere Widerstreit dea leeren
W<^enB, das wollen will und doch nicht kann". Indem das
Wollen fordert, das A nicht A bleibe, sondern sieh zu B ver-
ändere, ist es die Negation des Satzes der Identität, d. h. des
pobitiv Logischen. Demgegenüber n^iert das Logisehe diese
^legation seiner selbst und sagt: der Widerspruch (nämlich
gegra mich, das Logische) soll nicht sein. Damit setzt es
sieb den Zweck, nämlich die Aufhebnng des Unlogischen, des
Wollens. Es gibt daher nach H. eigentlich auch keine reine
Logik, sondern nur angewandte Logik, d. h. „Betätigung
des Logischen in und an seinem Andern, dem Unlogischen".
Dafi in diesen Itehren auch eine Annäherung an Hegel liegt,
tut H. selbst anerkannt unbeschadet zahlreicher, vielfach
betonter prinzipieller Abweichungen. Besonders bedeutsam
and snch H.s Auseinandersetznngen zur Kategorienlehre,
^ruiser Bewußtsein sind die Kategorien nur abstrakte
Begriffe. Da aber die Dinge an sich nichts anderes sind als
die vom Willen realisierten intellektuellen Intuitionen der
reinen Vernunft, so sind auch in ihnen die Kategorien im-
plicite enthalten. Als unbewußte logische Formen sind
die Kategorien sowohl im Denken wie im Sein a priori, als
bewußte logische Formen sind sie a posteriori (Krit. Grundl.
■t. .\nfl., S. 99 u. 106).
i 49. f) Nen-AristoteUkcr. Trendelenburg, Ueberw^
*>• a. Ungleich bedeutender als die neu-Hcgelaehen logischen
Scliritka sind die wissonschaftlicben Untersuchungen einer
OgIC
202 ^- T^'l- Abgrenzui^ und allgemeine Geschichte der LogiV.
kleinen Beihe von Philosophen, welche auf die logischeu
Lehren des Arietoteles zariickgehen und ihre Umbildung ttnd
Ausgestaltung entsprechend dem wisseöschaftlicheu Stand-
punkt der Gegenwart verlangen.
. Der Hauptvertreter dieser Richtung ist Adolf Treu-
dclenbnrg^) (1802—1872). Auch Tr. scheidet die Logik
streng von der Psychologie. Während die letztere nur die
subjektiven Bedingungen darstellt, faßt die erstere das Er-
kennen in seineu objektiven Ansprüchen auf (Log. Unters. L
S. 101). Die formale Logik verfehlt aber ihr Ziel, da sie aicb
auf den fertigen Begriff beüchräukt und damit auf jede Ent-
wicklung und jede Begründung verzichtet. Die dialektiBcln^
Methode Hegels versagt, weil das Denken jiicht imstande ist,
iille Wahrheit aus sieh bclbst zu schöpfen. Es kommt, um
die Beziehung des Benkens zum Sein zu erklären, darauf uu,
ein Gemeinsames zu finden, welches den Gegensatz zwisciioa
beiden vermittelt. Dies Gemeinsamie glaubte Tr. ia der „B e -
wegung" gefunden zu haben (Veränderung ist nach Tr. »ui*
eine spezielle Art der Bewegung, 1. c. S. 119). Die Bewegang
ist ee z. B., die — „in sinnlichem Verstände genommen" —
„im (3eiste Gestalten und Zahlen entwirft und die Möglich-
keit der grollen apriorischen Wissenschaft erzengt, die wir
in der reinen Mathematik bewundern". Diese von Tr. noch
vielfach weiter ausgebaute Ijebre von der „koustmktiven
Bewegung" — die übrigens den Hegeischen Lehren näher
steht, als man nacli der scharfen Polemik Tr.s gegen Hegel
erwarten sollte — hat wenig Kinfluß erlangt; um so bedeut-
samer war, daß Tr. allenthalben seine Übereinstimmung mit
Aristoteles betonte und in den meisten logischen Prägen nicht
nur auf ihn zurückging, sondern auch oft geradezu seine
Lehren zugrunde legte. Dazu kam, daß Tr. den damals fast
ganz verkünvnerten Sinn für die Geschichte der Philosophie,
insbesondere der Logik durch zahlreiche eigene wissenschaft-
liche Untersuchungen wiederbelebte (vgl. auch S. 32) und
statt der Häufung immer neuer, stets wieder von vom an-
fangender Systeme eine stetige Weiterentwicklung, vor allem
auch durch einzelne Untersuchungen verlangte.
An Trendelenburg schUeBen atch eng an Carl L. W. Heyder (1813
bis 1886), Kritische Uarstellune u. VorgleichuDg der Methoden ariatoteL n.
■) Logische Uatcrsuchuntieii, BeHin ISW (2 BAnde), 2. Aufi. 1604
3.' Aun. 1870; Die logische Frag« in Hegels Syslem, Leipzig ISid; Histcw-
Brälräge z. Philosophie, Berlin 1846, 1865 u. 1867 (3 Bfinde),
I
i
\
i. Kapitel. Allgemeine Geschieht« der Logik. 203
htfcM« Dialektik u. s. S. 1. M>L Eiiansen 1816. und A. h. Kym
liSS—lfOS), Tfendeleobufss Logiscti« Untersuch unffen u. ihre Gegner,
äxbr. L Philos. u. Hubs. Kiit. Iä69. Bd. bi. S. 261 (Forts. Fhilos. MoiuUs-
bffle 1868-1870, Bd. 4, S. 436).
Mit Trendelenbupg stimmt Friedrich Ueberwfipr')
(1826—1871) namentlich iu der Aiiknüpfunjr an Aristoteles,
«lanii aber auch in der Beachtung der Qeschlcbte der Logik
(vgl 8. 18) überein. Dabei steht «r aber den psychologischen
AnsehaDttngen Benekes sehr viel näher. Bedeutsam war es
auch, daß üeberweg die Logik wieder im wesentlichen auf das
Gebiet der sog. „formalen" Logik beschränkte und meta-
physiechen und erkenntnistheoretischen Erörterungen mehr
nne grundlegende und vorbereitende Rolle anfierhalb der
Log^ik 6. str. zuteilte. Er kehrte also zn der alten Tradition
znröck und fand hierin bald in Sigrwarf:, Wundt, Erdmann
n. a. (vgl. § 51) Nachfolger.
Auch PI ata 9 Lehren sind, obwohl sie nur selten aul logische FruGun
im engeren Sinne eingingen, neuerdings hin und wieder zum Aufbau logi-
selm llieorien verwendet worden, so namentlich von G o s w i n K.
Iphaes (1841— 191Ö, Einführang in die moderne Logik, Oslerwieck 1901,
i. ncuverfaBle Aufl., Osterwieck-Leipzig 1S13; Zur Krisis in da- Logik, Ber-
lin 1903; Brkenntniskritisehe Logik, Halle 190ft, s. auch S. 3», Ann). 1),
desKD Standpunkt sich allerdings im Lauf der Jahre merklich vtirschobcn
btt, und George Edward Moore (The nalore of judgment, Mind 1S09,
a. S. Bd. 8. S. 176, namentl. S. 193; IdentitT. Proc. Anstot Soc. 1901.
Bd. I, S. 103). .4uf die Beziehungen der Natorpschen Lehren zu Ptato
"orde S. 107 bereits hingewiesen.
§ 50. g) Nea-Thomisten. Auch von der katholischen
Philosophie aus entwickelte sich eine zunehmende Gegen-
Htrömung gegen die psychologistisch-positivistiscb-indubtive
Bichtnng der Logik. Seit dem Ende der achtziger Jahre
hatte der Versuch begonnen, auf der Grundlage der Lehren
deelhomas v. Aqnino (vgl. S. 74) die scholastische Philosophie
wieder zu beleben. Dabei verstand es sich von selbst, daß
dieser „Neu-Thomismus" auch vielfach auf Aristoteles zn-
rSckging und eich ganz besonders aach der Logik des letz-
teren zuwandte. Prinzipielle neue Anregungen ergaben sich
von dieser Seite nicht, wohl aber verdanken wir ihr zahl-
reiche wertvolle historisch« Feststellungen. Hierher gehören
z. B,'):
*> Sistem der Logik u. Geschichte der logischen Lehren, Bonn 18ö7,
^ AufL l8gQ (herausgegeben von jQigen Bona Ueyer).
*) Als ein Vorläufer kann in manchen Beziehungen Alphon se
■^'»tr? (18n&-.1872) betrachtet werden, der in seiner Logik (Logique,
OgIC
204 !■ ^^'- Abgrenzung und allgemeine Geschichte der Logik.
Albert Stftckl (1899—1605, LehitL d. FbUosoplue, Mainz 186% &. AufL
1906 (Bd. 1 Logik), beariwitet von G. Wohhnuth (GegensUnd der Logik
ist die „Fonn des wisaensdttfllichen Denkens").
Georg Hagcraann (1838—1908), raemenfe der Ilukoopbie, Bd. 1.
Logik und Noetik, Monster 1868, 9. u. la Aufl. Fräburg 191&, neu be-
arbeitet V. Ad. DyToÖ.
Tilmann Fesch (1886—1899), Institutiones 1ogicale% Freiburg 1889.
Joh. Jos. Urr&buru, Ugica, ValUsoleU 1880*.
Konstantin Gutberiet, geb. 1S37, Ldirtiuch d. Philosophie, Mon-
ster 1878— 18M, darin Logik' u. Erkenntnistheorie, 4. Aufl. 1909
namenUich S. 3 ff.).
Otto Willmann, geb. 1^9, Philosoph. Propideulik, 1. TeU Logik. Frei-
buis 1901 (namentL S. 2b-~my, 2. Aufl. 190&.
Alt. Lehmen (1847—1910), Lehib. d. ntäosophie auf arislolelisch-acbolast
Gnmdlage; Freibui« 1889, *. AufL 1917 (Bd. 1, Logik, Kritik u. Ontolosie).
Carl Braig, geb. 1863^ Tom, Denken, AbriB der Logik, FröbiuR 1896
(namentl. § a u. 3).
Carl Friclc, g'eb. 18&«^ Logica in usum scholarum, Freibunr 1893, *. Aufl.
1908.
Joseph Gerser, geb. 1809, Über Wahrheit und Evidenz, FreibuiE 1918;
Grundlagen der Logik und Erkenntnialehre usw., Mflnster 1909 (namoitl.
S. 1—74; stdit zum Teil unter dem Einfluß Husseris).
Albert Steuer, geb. ISfli, Lehit. d. Philosophie, Bd. 1 Logik u. No«ik^
Paderborn 1907 (S. 31—142).
AuBUSto Conti (18S3— 1906). H vero nell' oidine, o ontobgia e logica,
Firenze 1876, 2. Aufl. 1891*.
George Hayward Joyce, Principles of logic, London 1908.
Rieh. F. Clarke, Logic in The manuals of calholic philosophy, Iiondoo
1888, 2. Aufl. 1908 (mir nicht zugänglich).
Eine freiere Richtung inneAalb der katholisiAen Lehre schlug
Edouard le Roy ein, gA. 1870, La logique de l'invention, Paris 1906.
§ 51. Koiiziiiiiisten. Slirwu^ Wandt, Brdmaon; Uppa.
Bei allen von ^ 44 ab angeführten Lt^ikem spielte — nnbe-
scbadet der vielfachen positiven Leistangren — die Opposition
^egen die psyehologiBtisehe, positivistische und induktive Lo^ik
eine wesentliche Bolle. Damit hing es TioBammen, dafi alle
diese Logiker die sog. formale Logik im Sinne Kant« gegenüber
der reinen oder transzendentalen Logik (im Sinne desselben
Philosophen) zurückdrängten. Die formale Logik erschien.
oft nur als ein nebensächliches Anhängsel. Mit der scharfen
Abwendung von der Psychologie verband sich meistens eine
weitgehende Annäherung an die Erkenntnistheorie; dieQren-
Paris, 3. Aufl., 18&8, 2 Bde.) die induktive und die platonische dialektische
Methode mit thoniistiachen Lehren zu verbinden sucht und insbesondere
auch die Identität der bgischen Induktion nüt dem Inflnitesimalvcrfahren
nachzuweisen sucht (11^ S. 87).
2. K«pilal. AHtemeine Geschichte der Logifc. 205
MD irischen der Logik und der letzteren schienen sieh oft
gas ZQ verwiBcheo. Aach der normative tmd methodolo-
SÜebe Teil der Log^ik trat oft ganz zarüek.
Till Gegensatz hierzu ist hei den Logikern, die im folgen-
den miter der Bezeichnung „Konzinnieten" ^) zosammengefeßt
werden solleo, vor allem von einer so scharfen Abwendung
von der Philosophie keine Bede. Sie erkennen im Gegenteil
die Cnentbehrlichkeit einer psychologischen Qmndlage
— neben anderen Qmndlagen — für die Logik an. Bem-
eot^echend kommt es nicht zn einer so weit gehenden Yei--
sehmelznng mit der Erkenntnistheorie. Die letztere ist nor
insofeni für die Logik wichtig, als sie eine weitere Grandläge
der Logik liefert; sie wird daher höchstens als ein Teil der
Ix^iik anerkannt. Infolgedessen tritt die „transzendentale"
(„reine") Logik wieder gegenüber der fonnalen zorück. Aach
iommt damit wieder der normative nnd methodologische Teil
der Logik zn seinem Becht. Sie teilen anBcrdem mit Trcn-
delenbnrg, der ihnen überhaupt anter den I<ogikem der im
Voraosgehendeu besprochenen Schalen am nächsten steht, die
Abneigang g^en abrupte Systembildungen und die Bevor-,
ZQgang einer kontinoierltchen, namentlich auch auf Einzel-
nntersnchungen sich stützenden Weiterentwicklung der Logik.
Wie diese kurze Zasanmienfassung zeigt, bleibt inner-
halb dieses Konzinnismus noch ein breiter Spielraum für
miumigfacbe Abstufang^i und Modifikationen der Gmnd-
anffasBung der Logik. In der Tat wird sich ergeben, daß die
Merher gehörigen Logiker bei aller Übereinstimmung in den
wesentlichen Punkten der Grundauffassung der Logik doch
in einzelnen Beziehungen sehr weit divergieren.
Ab ein Vorläufer^) der konzinuistischen ßichtunE kann in man-
cIkii BeEiefaungen Hermann Ulrici (1806— ISM, über Phnzip und
Methode der Heselschen Philosophie, Halle 1811^ namentj. S. Si—lU; über
iaa Wesen der log. Kalegorien, Zeitschr. f. PhUos. u. phil. Kr., l&U^ Bd. 19,
S. 9Ii System der Logik, Leipzig 18&2; Kompendium der Logik, Leipzig 1S80,
2. AdQ. 1872; Zur logischen Frage, Halle 1870) gelten. Wie U. selbst eTkiart,
') Concionare bedeutet: in schicklicher Weise zusammenfügen. Die
Bezetchnang iat gewählt, um die scIiicUiche Zusammenfassung der Fsycho-
l«i^ der Eritenntnistheorie und der fonnalen Logik einschlieBhch ihres
Donnativen Teils auazudrOtdien.
>) Ein noch Uteier Vorl&ufer ist der Dttne Frederik Christian
Sibbern (1786—1872), der anfangs unter Schellings EinIluB stand. Sein .
'■xräcbes Rauptnerk sind die Logikens Elemeuter, KiobenbaTn 1822 (& Aufl.
1866), TgL namenU. S. 1, *, ^ 146.
206 !■ ^^1- Abffrenzung und allgemeine Geschichte der Logik.
will er die I<onk in ihrer InleRriUt als SommXe:, grundlegende Wissenschaft
bestehen lassen und sie doch zugleich zur Erkenntnistheorie wie zur Psycho-
logie und Metaphysik in unmittelbare Beziehung setzen. Er verwirft sovobl
die Hegeische ,Jdentiflziening der Logik" mit der Melaphysik wie die von
Trcndelenbunt u. a. vertretene Verschmelzung mit der Erkenntniatheorie.
Von Erkenntnistheorie und Metaphysik kann nach V. Oberhaupt erst die Redi'
.Spin, nachdem die Logik die allgemeinen Cieeetze, Normen und Formen des
Denkens Oberhaupt festgestellt hat Der „TatsÄchlichkeit" der Empfin-
dungen st^l nach V. das Bewußlsein als eine SeibstlfiliKkeil der Seele gegen-
über und beruht durchweg auf einer „unterscheidenden Tätigkeit".
Die Logik hat die Aulgabe „die bestimmte Art und Weise zn enmtteln. in
wetcber sich diese unterscheidende Tätigkeit ... ihrer Natur
tiem&Q vollzidil. Die logischen (iesetze sind zugleich „Gesetze des ceeUen
Seins der Dinge". Darauf beruht ihre „objektive Geltung". Die allgemeinen
bestimmten Beziehungen des Unterscheidens änd die logiseben Kategorien
(Qualität, QuantitAt). Sie sind also keine Begriffe, sondern a priori gegebene
„leitende Normen" unserer unterscheidenden TAIigkeit Erst sekundär
ergibt sich, daB die Kategorien, obwohl an sich nur logischer Natur.
doch zugleich eine metaiifaysische Bedeutung liaben. Die theistische Deu
tung, welche U. hieran knQpft. bietet hier kein Interesse.
Ais der älteste Vertreter der neueren konzinnistiacheo
Hiehtung kann Christoph Siffwart (18:J0— 1904) gelten.
JSoine Logih'), deren erster Band 1873 in erster Auflage er-
schien, ist eines der wichtigsten Werke der gesamten logi-
schen Iiiteratur. S. definiert die Logik als „Kunstlehre dee
lienkens", welche Anleitung gibt zu gewissen und all-
gemeingültigen Sätzen zu gelangen {Logik', S. 1). Sie
Jehrt das Denken „so vollziehen, daß die aus ihm lier\'or-
gehendeu Urteile walir, d. h. notwendig, und geviü,
d. h. vom Bewußtsein ihrer Notwendigkeit begleitet, und eben
darum allgemeingültig seien". Die Notwendigkeit, um
die es sich hier handelt, „wurzelt rein iu dem Inhalt und
Gegenstand des Denkens selbst, ist also nicht in den ver-
änderlichen subjektiven individuellen Zutiliiuden, sondern der
Natur der Objekte b<^rründet, welche gedacht werden", und
kann insofern objektiv heißen (1. c. S. 6). Die Beziehung
auf d«n eben angegebenen Zweck scheidet die logische Be-
trachtung des Denkens von der psychologischen (S. 10). Die
^J Tübingen 1873— 187f, 2. Aud. Frribuvg IhS»— l«es, 3. Aufl. noch
bearbeitet von Sigwart sell>st, aber henuisgcg. von H. Maier 190*. 4. Aufl.
tltll. AuB«4«n Beiträge zur Lelire vom hypotheL UHeil, Tübingen 1871;
Die Impersonalien, Freiburg 1886; Logische Fragen, Vierteljahisschr. f. wiss,
Thilos., 188Ct Bd, 4, S. 46t, u. 1881, Bd. 5, S. 97; Kleine Schriften, Fxeibura
ItJBl, 4. Aufl. 1901 (historisch inleress.inle Aufsätze über Agrippa von Nettes
heim, J. Schegk u. a,;i.
„.,,„A.OOglC
S. Kapitel. AJIsemeine Geschichte der Logik. 207
Itpfik iintersacht nicht wie die Psychologie das wirkliche
Denken, sondern stellt einerseits die Kriterien dea wahren
Denkens anf, wie sie sieh aus der Forderung der Notwendig-
keit und Ällgemeingültigkeit ergeben, und gibt andrerseits
Anweisang, die Denkoperationen so einzurichten, daß der
Zweck — das wahre Denken — erreicht wird (1. e. S. 10).
Die erkenntnistheoretisch« Untersuchung über das Verhält-
nis von Erkennen und Sein und über die Erkennbarkeit des
Seins kann dabei außer Betracht bleiben. Insofern die Logik
nur Eeigt, welche allgemeine Forderungen vermöge der Natur
Dnseres Denkens jeder Satz erfüllen muß, um notwendig und
all^^neingültig sein zu können, und, unter welchen Be-
dingui^en und nach welchen Begeln von gegebenen Voraus-
selznngen ans auf notwendige und allgemeingültige Weise
fortgeschritten werden kann, indem sie also darauf verzichtet
Sber die Notwendigkeit und Ällgemeingültigkeit der je-
weiligen Voraussetzungen zu entscheiden, hat sie in diesem
Siime notwendig formalen Charakter. Die Befolgung
ihrer Regeln verbürgt nicht notwendig die materiale
Wahrheit der Ergebnisse, sondern nur die formale Bioh-
ligiceit des Verfahrens. Damit will S. jedoch keineswegs
sagen, daß dio Logik das Denken überhaupt als eiiie bloß
fonoale Tätigkeit auffassen solle, die getrennt von jedem Ju-
fa&U betrachtet werden könnte, oder daß man bei der logischen
Untersnchung von der allgemeinen BesehaiTenüeit des Inhalts
und der Voraussetzungen des wirklichen Denkens ganz ab-
sehen und sie ignorieren solle (1. c. S. 14).
Die Fähigkeit, objektiv notwendiges Denken von nicht-
notwendigem: zu unterscheiden, äußert sich nach 8. in dem
„unmittelbaren Bewußtsein der Evidenz, wel-
ches notwendiges Denken begleitet". „Die Erfahrung diesei^
Bewußtseins nnd der Glaube an seine Zuverlässigkeit iöt
ein Postulat, über welches nicht znrückgegangen werden
liBnn".
Die Logik zerfällt entsprechend diesen Dai'legungen bei
^ ineinen analytischen Teil, der das Wesen der Funktion
betrachtet, für welche die Begeln gesncht werden sollen, einen
gesetzgebenden Teil, welcher die Bedingungen und Qe-
setze des normalen Vollzug der Funktion aufstellt, und einen
teehnisehen Teil, welcher die Begeln des Verfahrens zur
Vorvollkommnung des natürlichen Denkens gibt (1. c. S. 16).
Der wichtigste Abschnitt des letzten — technieehen — Teils
1,1^. OQi
,g,c
20g I. Teil. AbRrenzuiw und aUgeroÖpe Geschichte der Logit-
ist die Theorie der Induktion (1. c. S. 21). Der m-istoteliBch-
soholastische Formelballast wird von S. auf ein Minimom
reduziert.
Auf viele Einzellehren Sigwarts — so namentlich auf
seine Anffassun^ der „Normalgesetze" (Lt^ik, 2. Aufl., Bd. 1,
S. 383) wird in den Spezialabschnitten zuirfickgekonunen
werden.
Unter den von Sigwart ausgegangenen Forschem ist besonders Hein-
rich Maier*) (geb. 1867) auzulohren. Er geht Ober Sigwart hinaiu. in-
dem er neben dem „erkennenden Denken" auch ein „emotionales"
(atiiAlives und volitives) „Denken" aimimmt, das z. B. in den Tatsachen-
kreiaen der Religion und des ästhetischen Geniefiena hervortreten und gestal-
tend, nicbt auffassend tfttiK sein soll. Wahrheit ist allerdings nur fOr das
erkennende Denken Zweck und Maßstab, aber das Bewußtsein der logischen
Notwendigkeit, d. b. das Bewußtsein, daB ein Denkakt „durch gegebene Vor-
stellungsdaten gefordert ist", und der Anspruch auf allgemeine Geltung kommt
auch dem emotionalen Denken zu. Daher fordert und entwidcelt H. n^n
der kognitiven Logik eine emotionale Logik, die u. o. fflr das religiöse und
ästhetische Denken Normen aufstellt °).
Etwas später als Sigwart ist Wilhelm Wundt (geb.
1832) mit seiner Logik *) hervorgetreten. Seine Abgrenzung
der Logik gegen die Psychologie stimmt im wesentlichen mit
der Sigwartschen überein. Auch für W. ist die Logik, ähn-
lich der Ethik, eine normative Wissenschaft. Sie soeht
für die Methoden des Denkens, die bei den Forschungen der
einzelnen Wissenschaften zur Anwendung kommen, die all-
gemeinen Regeln festzustellen. Zu diesem Zweck „scheidet
»ie aus den mannigfachen Vorstellnngsverbindnogen unseres
BewuStseins diejenigen ans, .die für die Entwicklung unseres
Wissens einen gesetzgebenden Charakter besitzen". In der
näheren Bestimmung der Aufgaben der Logik weicht W. von
Sigwart insofern erheblich ab, als er die Erkenntnistheorie
*) Psychologie des emotionalen Denkens, Tübingen 1908 (namentL
S. 40e. u. S4»fi.); Logik u. Erkenntnistheone, Festschr. f. ägwart, Tübingen
1900, S. 217; Logik u. Psychologie, Festscbr. f. Riehl, Halle 1914, S. 911;
Das geschichtliche EAennen, Göttingen 1914.
■) TgL Thtedule Ribot, l* logique des sentiments, Paris 190^ nanwnll.
S. 918., 9. Aufl. 190B; und G.-H. Luquet, Logique rationelle et psyclnloiinK
Re». philos. 190», Bd. 62, S. 60a
•) 1. Aufl. (2 Binde). Stuttgart 1880 u. 1888^ 2. Aufl. (9 Töle) 18BS bi»
1805 (NamensTCrzeichnis und Sachregister von H. Lindau. Stutt^url 190S}.
3. AulL 1906— 1908 i Zur Geschichte und Theone der abstrakten BegöB^^
PhiJos. Stud., 1885, Bd 2, S, 161; Die Logik der Chemie, ebend. 1888. Bd 1>
S. *78; System der Philosophie, Leipzig 1689, 3. Aufl. (in 3 Binden) 19^
(namentl. Bd. 1, S. 2711., 138K., 806fr.); Psycbologismus und LogiBsm«»-
Kleine Schriften, Bd. 1, Leipzig 1910, S. 511— «8t.
O^^IC
__. ä Kapitel Alltemeine Geschichte der Lorüc. 209
in veitem ümfnng ia die Logik hineinzieht W. verlangt
niadieh von der wiflsenschaftiichea Logik ,^eben der Dar-
slellnng der logiechen Normen" dreierlei: entens eine psycho-
higiBelie Entwicklnngsgeschiohte des Denkens, zweiten« eine
OntMsnchang der GnmdlRgen und Bedingongen der Er-
keuBtiuB und drittens eine Analyse der logischen Methoden
wiasenschaftlicher Forschong. Da W. die psycbologiache
Estwieklnngsgeschichte dee Denkens der Untersnehnng der
Grundlagen der Erkenntnis beizählen zn können glanbt, so
kommt er zu dem SchlnS, daß „die Iiogik der Erkenntnis-
tbeorie za ihrer Begründnhg and der Methodenlehre zn ihrer
Vcdkndtmp braucht" (Logik *, I, S. 2). Er nennt daher aneh
iea ersten Teil seiner Logik geradezu Erkenntnielehre, den
zweiten Teil Methodenlehre. Die „Darstellnng der logischen
Nonnen", die offenbar Sigwarts „gesetzgebendem" Teil ent-
sprechen müßte, wird im wesentlichen mit der Erkenntnis-
iebre verschmolzen.
W. wendet sich daher auch sowohl gegen die „formale
Änffasäung" der Logik, welche die Darstellung der Formen
des Denkens als die einzige Auf ^be der logischen Wiseen-
seWt ansieht und behanptet, daB es eine „bloQ formale
Wahiheit" gebe, wie anch gegen die „metaphysische oder
■dialektische Auffossting", welche das logische Denken ffir
ßhig hält, anch den Inhalt des Wissen» aus sieh hervor-
ntkringeo.
Die fundamentalen Eigenschaften, welche das logische
Denken gegenüber uideren psychologischen Yerbindimgen
des Denkens auszeichnen, sind Evidenz nnd Allgemeingültig-
keit Auf ihnen bemht anch der normative Charakter der
lagicchen Denkgesetze (I. e. S. 8B). Da beide Eigenschaften
immer nnr bestimmten Gedankenzusammenhängen zukom-
moi, lassen sich in dem wirklichen Deuten die togischen
Oeokgcsetze niemals völlig von den psychologischen sondern.
,^h» psychologische Denken bleibt immer die umfassendere
Porm." Alle Evidenz, die mittelbare (bei dem Schließen) wie
die nsmittelbare, glaubt W. auf „Anschauung" als <ilelegen-
)>ätnusaebe nnd auf die frei verknüpfende Tätigkeit des
Dentens als eigentlichen Grund 0- c. S. 80 f.) zurückführen
m ktanen '). Die subjektive Allgemeingültigkeit des Denken?
*) Qende diese Dantrihlng ncbeint mir vor LQckcn und UnUarheilea
2>ilieD, Ltbrbnch d«r Lo(ik, 14
h, 1. iiA.OOt^lC
210 I- 'f^l- AbCTCDZung und aUsemeioe Geschichte der Loeik.
ist nach W. eine niunittelbare Folge seiner Evidenz, die ob-
jektive besteht nar ioeofem, als wir „an die innere wie an
die änßere Erfahrung mit dem Poetnlat herantreten, daB
alles, was Gegenstand nnsrer Erfahrung wird, sich in einem
durchweg begreiflichen Znsanunenhang befinde" (1. c. S. 86).
Sigwarts Merkmal der Notwendigkeit tritt gegenüber der
Evidenz ganz in den Hintergrund. Dafür betont W. sehr
entschieden, daS das Denken in höherem Grade als alle an'
deren Vorstellungsverhindnngen den Charakter einer i n n e
ren Tätigkeit trage (1. c. 2. Aufl., S. 79, in der 3. Aufl.
weggefallen). Er will daher das Denken als eine „nnmittel-
bare innere Willenshandlnng" (in der 3. AufL heifit es ledig-
lich: „eine Willenshaudlung") und demgemäß die logischen
Gesetze als Gesetze des Willens auffassen. Der „Wert"
des Ic^rischen Denkens findet somit nach Wnndt seinen Aus-
druck in drei Merkmalen, durch deren Verbindung sich das
logische Denken vor allen anderen psychischen Vorgängen
auszeichnen soll: Spontaneität, Evidenz und Allgemeingnltig-
keit (1. c. 3. Anfl., S. 74).
Ein besonderes Verdienst hat sich Wnndt um die Ent-
wicklang der Lf^rik dadurch erworben, daß er die tatsächliche
Entwicklung der wissenschaftlichen Methoden in den ein-
zelnen Wissenschaften seiner Methodologie der Logik i»
weitesten umfang zugrunde gelegt hat und allenthalben die
Bedeutung der speziellen Methoden ausführlich erörtert hat
SchOler bat Wuudt auf dem Gebiete der Logik nur wenige gdundec
BinisermaBcn nahe steht ihm RudoHEisler (geb. 1878) in den 31^™™'
ten der Locik" (Leipzig 1898, 2. Aufl. EBliogen 1910*).
Als dritter Hauptvertreter des Konzinnismiu sei B e n n o
Erdmann (geb. 1851) angeführt, dessen logisches Haupt-
werk") 1892 in; erster Anflage erschienen, aber leider noch
unvollendet ist
■) Logik, 1. Band Logische Elementariehrc, Halle 189% 2. Aufl., rtlUs
umceaibeitet, 1907 (der zweite Band ist noch nicht erschienen). Wettere
loEdschc Schriften: Die Axiome der Geometrie, Leipzig 1877; Die Gliedemng
der WiBsenachaften, VierteljahTSBchr. t wiae, Fhilos. 187^ Bd. 2, 5. 73;
LoEische Studien, ebeada. 188S, Bd. 6, S. 3B, und 1887, Bd. 7; S. ISi; Zai
Theorie der Beobachtung, Arch. f. System. Philos. 1886, Bd. U S. 1*; Die
peycholog. Gnindlagen der Beziehungen zwischen Sprachen und Denken,
dienda 1896, Bd. 2, S. 3fiS^ 1897, Bd. % S. 81. 1901, Bd. 7, S. «9; tlmri»
mr Psychologie äea Denkens, Sigwartfestschr., Tübingen, Freiburg, Leipzig
1900, S. 1, a Aufl. 1908; Die Funktionen der Phantasie im wissensch. Denket^
Beriin 1918; Erkennen und Terstdien, »(z.-Ber. d. KgL Pr. Ak. d. Wi>^ i91X
g-KapiM. äSgmtinti Gcadiichte dw Loiik. 211
Erdmann nntersoheidet ein „fonmüiertes" (d. h. irgend-
Tie epractiiich fonnnliertes) nnd ein nieht-fonnnliertes o^r
„IntnitiTee" Denken. Dieses wie jenes ist bald Wissenschaft-
lieb, b&ld anwisBensch&ftlicli. Das intuitive Denken ist bald
■^Tperlogisch" (dichterische Konzeptionen, praktische Kom-
binationen eines Politikers oder GroBkanfmanns nsf.), bald
ntiTPologisch" (Ansätze zn einem Vergleichen nnd ünterachei-
ftra bei Kindern und Tieren). Die Aufgabe des wissenschaft-
Üdwn Denkens besteht darin, die in der Sinnes- nnd Selbst-
Tahmehmnng gegebenen Gegenstände dnrch allgemeinglU'
% Urteile zn bestimmen (S. 10). Strenge Allgemeingültig-
keit ist ein Ideal des Denkens, das anf dem Gebiet der Wissen-
«htften Ton Tatsachen niemals völlig erreichbar ist. Wir
monen ose daher oft mit wahTsoheinlioben Urteilen (statt
wahrer) befTnüS^Bn.
Die Wissenschaft, welche sich mit der allen Wissen-
schaften (einschließlieh ihr selbst) zngnninde liegenden Vor-
»nssetznng der Möglichkeit des Gewinnens all-
gemeingültiger Urteile über das Seiende be-
iwhäftigt, wird von E. „Wissenschaftslehre" genannt
(vrl. dieses Werk S. 9 u. 134). Sie aerfällt in Erkenntnis-
theorie nnd Logik. Die erstere nntersncht die allen
E^naelwissenschsften gemeinsamen Voranssetznngen über die
tnaterialen Gmndlageii unseres Erkennene, die letztere
■Üe formalen ünethodiechen) Grundlagen unseres wissen-.
!ichaftlichen Deutens (S. 15 ff.). So gelaugt E. zu der bereits
S. 10 angeführten nnd als) zu eng beanstandeten Definition
der Logik als der „allgemeinen, formalen und normatiTen
Viuenschaft von den methodischen Voraussetzungen des
"isaensdiaftlichen Denkens". Dabei verwahrt sieh auch Erd-
■num dagegen, daß die Formalität der Logik etwa, wie Kant
von der allgemeinen Logik sagte (vgl. dies Werk ^ 33), so
*«it ginge, daß von allem Inhalt der Verstandeserkenntnis
md aller Verschiedenheit ihrer Gegenstände abstrahiert
werde.
Von diesem Standpunkt nun halt E. daran fest, daß das
Ol)jekt der Logik nicht etwa ein Teil des Objekts der Psycho-
^ IMO; PSTchologie des Eigen^irachens, ebenda ^Pl*. S. 2; Kritik der
''■cUemlage in Kants transEendentaler Deduktion der Kateeorien^ elmida
%^ S. 190; Uethodoloc. Konsequenzen aus der Theorie der Afastraktioi^
tbcadi 1916, a 4S7. Die Zitate im Text bezidten ad^ soweit nichts anderM
bmvfct ist, stmOkli auf dia S. AuHage da- Logik.
„.,":,^.oosic
212 T. Teil. Ahgreiming und aUgameiiM Geschidtte ger Logik.
lo^e ist (S. 27)*). Im OegeoBaiM zur Psychologie hat die
Loffik ein Urteil oder einen Urteilezasammenhang als <M>jekt
n«r mit BäckBicht auf die Frage: welche Beziefanngm mäBaen
zwisclien den Bestandteilen dee Urteils oder Urteilsznsammen-
hangB Toraosgresetzt werden, wenn diese gfUtiK »ein
«ollen. Troti dieses Oegensataes aber kann die Logik die
psyehologisohe Ermittlung des Tatbestandes nnsrer Denk-
Torgänge nicht entbehren. In der Tat schickt denn auch Erd-
raann seinen logischen Entwicklangen allenthalben ansfdhr-
liche „psychologische Vorbetraohtnngen" voraas. Er ver-
wirft al«o sowohl die einseitige erkenntnistheoretische wie die
einseitige peychologisierende (psychologistische) Logik (S. 32).
Eine besondere Darstellang widmet E. aach den Beziehnagen
zwischen Logik nnd Orammatik, wie das selbstverständlich
ist, da nach E. das formolierte Denken, das eigentliche Objekt
der logischen Normierung, ein sprachliches ist.
Brdmann stehen u. •- nahe: Willy FreTt&g (.geb. 187S), Der
Realiiniua und dts Tnui9zendeazprobl«n>, Versuch- einer Gruadletung der
Logik, Halle IfiOS (eingehende Behandlung der Lehre vom induktiven Sch]ull)i
Jobann Eduard Th. Wildschrcy, Die Grundlagen einer voUaUii-
ditw SyUogistik, Halle 1907 (AbhandL z. Philos. u. ihrer Geschichte» Nr. Sß);
Richard Herbeitz, Dag Wabifeeitsprotalem in der Kriech. Pfailoaoiriiie.
BeiUa 191S (ein neiMres Werk ist betitelt „Protefotnena zu einer realistischen
Logik, HtUe 1916).
Zu den Konziunisten kann man auch T h o ma sG. Uasaryk (jpii.
18B0) rechnen (Versuch einer konkreten Logik, Klasaifikation und Oigtni-
sation der Wissenschaften, Wien 1867; eine etwas frflhn erschienene böh-
mndm Ausgabe «ar mir nidit zug&ngUch); er betrachtet die Logik als eine
vorniBireise apriorische WiMenschaft (g 82ff., S. 20äB^ und teilt «e in
abetiakte (= aUgenteine) Logik, die sich im wesentlichen mit der Eifce&ntnis-
theorie deckt, und konkrete Logik, die der Uethodenlehre entspricht Vielfach
n&bert er sich dem Positivismus.
Einen konzinntstischen Standpunkt scheint femer Oswald Kütpe
(1SB3 — 1916) eingenommen zu haben; ein vorzeitiger Tod hat ihn leider Ter-
hindert, aöne Anschauungen vollständig zu entwickeln (a aaioeiMlicfa Die
ReaÜMerung, Leipzig 1«12, Bd. 1, & 11 ß., 17 B., 214 fi., 326 ff., und Zur Kate-
gorieidehre, Sitz.-Ber. d. Ktf. Bayer. Ak. d. Wies., Philos. -phüol. u. faisL KL
1916, 6. Abb.).
Nur mit sehr erheblichen Vorbehalten kann euch Theo-
dor Lipps") (1851 — 1914) zu den Konzinnisten gerechnet
*) In der OslerrdcbBchen Ausgabe der 11. Aufl. von Oberwegs Gnnd-
rifi der Geschichte der Philoaophie, Teil 4, S. 490, wird Erdraum fUtdüidi
die entgegengesetzte Meinung zueeachivdwn.
>*) QnindzQga der Logik, Hamburg 18iB (unverAndertar Neu-
druck, Leipzig-BaD^urfcl913),- BswsBtaein und QegeBstinde, I^choLIMcr-
„.,,„,^.oogic
2. SapiteL AUteneine Geachichle der Logik. 213
vetduL In seinem älteren Werk nämlieh — den Qjrond-
^gn der Logik vom Jahre 1893 — steht Lippe der pejcho-
logMiachen AuffasRnng noch näher alB in seinen späteren
ArMten. Damals definierte er die Lc^k als die Lehre von
da Formen nnd Gesetzen des Denkene. Die besondere Hw-
vorlulianK ihres normativen Charakters schien ihm nicht
erforderlich, da „wir immer richtig denken in dem Maße,
als vir denken". Die Frage, was man tun solle, ist nach L.
immer znrückführbar auf die Frage, was man tun mösse,
veiut ein heetimmtes Ziel erreicht werden solle, und somit
aof die Frage, wie das Ziel tatsächlich erreicht werde (Gnmd-
löge S. 1). Damals nannte L. die Logik geradezu am
nSonderdisziplin" der Psychologie und bemerkte, dafi aller-
^gs für die Psychologie zum Unterschiede von der Logik
der Gegensatz von Erkenntnis und Irrtum nicht in Betracht
komme, daß damit aber nicht gesagt sei, dafi die Psychologie
diese beiden v(»ieinander verschiedenen Tatbestände als gleich
ausgebe, sondern nur, daß sie beide in gleicher Weise ver-
Btttodtich 3U macheu habe.
Bas Material des Denkens nnd Erkenneos sind nach der
Älteren Darstellung vtm Lippe die Bewußtseinsobjekte. Das
Daaein und die Beschaffenheit derselben ist das absolut „Tat-
sächliche" und bildet die Grundlage für alles Brkenuen. Er-
kenntois ist „objektiv notwendige" (d. h. lediglich von den
Objekten selbst bedingte) „Ordnung von Objekten des Be-
vnfttseinfi"; sie ist daher gleichbedeutend mit „Wahrheit
oder objektiver (Jewißheit", während das Bewußtsein der-
wlben gleichbedeutend mit „WahrheitsbewnBtsein" oder
nBnbjektiver Gewißheit" ist Die objektiv notwendige Otd-
uimg ist unanfhehbar, das Bewußtsein der objektiven Kot-
veodigkeit hingegen nicht; es muß sich erst als nnaufbebbar
«eh. 1907, Bd. 1. S. 1 ; Vom FOUsn^ Wollen u. Denken, Sehr. d. Ges. f. jnychoL
f<nch. IflO^ Bd. 8, H. 1& u. U, S, Aufl. 1907; Einheiten und BriaboDen,
Uiinig 1902; Über „UiteilsBefOhle", Arch. f. d. gea. FsychoL 1906t Bd 7,
S.1; Subjektive Kategorien in Objekt Urteilen, Philos. Monatsh. 1804, Bd. 80.
S. 97; Inhalt und Gegenstand; Psychologie und Logik, SiU.-Ber. d. philos.-
bMoL u. d. tust Kl d. Bayer. Ak. d. Wiso. 1906, H. 4, S. 5111 Eine au»-
fUiriicl» Darstellung der neueren Urteilslehre von Lipps hat kürzlich Q. An-
Kbütz gegd)» (Arch. f. d. ges. Psychol. 1914, Bd. 80, S. 240) und dabei auch
Voriesumen and gelegentliche Äußerungen von Lipps verwertet und zugleich
u einigen Stellen versncht, den Lippsschen Gedankenkreis noch weiter aus-
OgIC
214 ^- '^^"- AbtranzuQs und «Ug^tneine Geschichte der Logik.
erweisen und ist dann als „Wissen" zu bezeiclmen (sonst als
Meinen). Bas „Objektive", .d. h. das Bedingtseiu durch die
Objekte, soll — wie L. dann in schwerlich einwandfreier
Weise folgert — daa Kennzeichen alles Logischen im. G«een-
satz zn dem lediglich Psychologischen sein (1. c. S. 4). Weiter
nnterscheidet L. zwischen ObjektiTitätsbewuBfsein und Sub-
jektivitätsbewufitsein, beide können entweder formal oder
material sein. Bern Gegensatz des formalen und materialen
Objektivitätsbewußtseins entspricht in unserem Erkennen der
Oegensatz zwischen formaler und materialer Erkenntnis.
Eine ausreichende Klarheit über die Bedeatnng dieBCs Qeg«i-
satzes und seine Beziehung zur Logik wird in dem altereu
Werk nicht erreicht.
In seineu neueren Arbeiten nähert sich Lipps in vielen
Punkten teils den älteren Anschauungen Brenteüios, teils den
neueren Meinonge und Husserla Die „innere Zuwendmig"
(d. h. die Tätigkeit der Aufmerksamkeit oder noch genauer
die irAnffassungstätigkeit") „zn dem, was erst nur mein In-
halt ist und für mich Gegenstand werden soll, spielt jetzt eine
erhebliche BoUe (vgl. die Intentionslehre Brentanos). Der
Eintritt des Erfolgs dieser Tätigkeit, „das mir Oegenüber-
treten des Gegenstandes", ist das ,J)enken". Dies ist selbst
nicht Tätigkeit, sondern Ergebnis meiner Tätigkeit: „es ist
ein Akt". „Die Tätigkeit ist etwas Lineares, d. h. iu der Zeit
Verlaufendes", „der Akt ist ein Punkt, nämlicfa im Ich", er
ist „ein punktförmiges Icberlebnis", zugleich aber Anfangs-
punkt z n einer Tätigkeit „oder die natürliche Vollendang
einer Tätigkeit" (Bew. u. C^g. S. 23 ff.). Die Auffassung iet
„noch seelische Funktion", das Denken schon „geistige".
Damit wird offenbar — ganz ähnlich wie bei Stumpf (vgl.
S. 183) — zwischen dem Empfinden und „Vorstellen" (sc. von
Gedächtnisbildem) einerseits und dem „Denken" andrerseits
eine tiefe Scheidnngsliuie gezogen. Das „Gterichtetsein" des
Ich soll in beiden Fällen durchaus verschieden sein, dort auf
einen „Inhalt", hier auf einen „Gegenstand" (vgl. Meinongi
^45).
Im „schlichten" Denkakt setzt der Geist einfach Gegen-
stände. Daneben gibt es eine Denktätigkeit, welche einen
Gegenstand sjjeziell ins Auge faßt („beeondert", „für sie''
stellt"). Diese bezeichnet L. als Apperzeption (J. e. S. 53) ond
unterscheidet bestimmte Arten derselben („ordneades", be-
fragendes" Apperzipieren). In diesem neuen Sinn wird dfls
OgIC
, 2. Kapitel. Alliemeine Geschieht« der Logit. 215
Dmten gleicfabedentend mit „Urteilen". Der apperzipkrte
O^atBtand maeht dem Ich ^^niiber den Ansprach, als ein
aBabhängiffer gedacht xa werden. Insofern die Gegenstände
solcbe gr^ordernngen" erbeben, die für alle Zeiten ond fftr
sUe iDdividnen, also schlechthin „gelten", schreiben wir
ilmen Gültigkeit zn (vgl. oben' überLotze, S. 196). Das Erleb-
nis jer „Forderung" eines G^enstandes bezeichnet L. als
«Sollen" mid unterscheidet es jetzt sehr scharf von dem
JlflsBen" (siehe oben S. 213).
Das Urteil ist von diesem Standpunkt ans das BewuBt-
ttin nnd der Akt der „Anerkennnng" (wie dies schon Bren-
tano gelehrt) oder Abweisung einer wirklichen oder ver-
memtiichen , J'orderung" eines Gegenstandes (1. c. S. 57). Der
IntDm, d. h. das falsche Urteil als Akt"), ist die Auerken-
anug einer vermeintlichen, d. h. ungültigen Gegenstands-
forderong. Damit gelangt L. zn den Begriffen der Bicbtig-
keit tmd Falschheit. Das Urteil ist zugleich der „reinste"
Akt Hier entsteht der „absolut reine" Gegenstand als Kor-
lelat des reinen, überindividnetlen Ich.
,J)i« Tätigkeit des Ich fordert nämlich, vermöge ihres
muDittelbar erlebten relativen Wertes, das Denken und das
unbedingte Werten dieser Tätigkeit und damit zugleich die
«ntsprechende unbedingte Zwecksetzung. Diese absolute
'Ktigkeit ist das absolute Ich." ,Jn allen leben" findet sich
Tidas eine und selbige transzendente Ich" (nberindividuelle
Ich, I. c. S. 180). Damit ist der Sprung in den Logizismus ei--
folgt (mit Entlehnungen von Windelband nnd Rickert).
Die Gesetze des Denkens nod Urteüens sind daher nach
Lipps zngleich auch Gesetze der gedachten Gegenstände. Sie
kommen also gewissermaßen zweimal vor. Das Gravitations-
TGBetz besagt einerseits, daß für das reine Denken die Not-
*aiidigkeit besteht, zwei oder mehr Körper sieh in dieser
Weise verhaltend zu denken, und andrerseits muß doch das-
selbe Gesetz auch in den Gegenständen selbst zum Ansdmck
kommend gedacht werden (vgl. Änschütz, 1. c. S. 322 f.). Das
Weeentliche der Denkgesetze soll jedenfalls nicht in der An-
erkennung von „Forderungen" der Gegenstände besteheiii
stHidem die Denkgesetze sollen wesentlich der Ausdruck eines
^Ugemeinen Erlebnii^ses sein : das Ich soll, sofern es über-
, ") Das Urteil als Geltungsauspruch (Objektiv Meinonua) kioia
Mch LippB Oberhaupt nicht wahr oder fniseh sein.
OgIC
216 I- Tdl. AbcrenzuDf und allBemeine Geschichte der Loeik.
iudividuelles leli, Vertreter des Oeistee nberhaapt iBt, ein
AUgemeines erleben.
Alles Wisseu von einer wecbeelseitigen Abhängigkeit der
Dluge von einander schließt nnch Lippe „das Urteil der
Elxistenz einer von ihnen verschiedenen, doch nicht aufiechalli
ihrer liegenden Einheit, welche die Dinge in eiob tragt oder
hegt, in ßich" (= „Welteubetanz"). Diese Einheit soll för die
sinnliche Erfahrung und Vorstellung ein reines X sein (Bew.
11. Gegenst. 8. 100 f.).
Über diese ztun Teil an die Logik der Identitätsphilo-
^phen erinnernden Sätze ist L. bei der Entwicklung seines
neuen allgemeinen Standpunktes nicht hinausgekommen.
Insbesondere vermifit man eine klare Bestimmung der Anf-
gabe der Logik vom Standpunkt seiner neuen Auffassungen-
Der Versuch einer solchen Bestimmung in der Abhandlnn;
aus dem Jahre 1905 konunt über eine eklektische Daratellnng
Hasserischer, Rickertscher und Meinongscher Anschauungen
nicht hinans.
Wollte roan nur die neueren Schriften von Ilppa ber&cksichtiBeD, n
köDole maa ihn keineslalla zu den Koncinmsl«n Techam. sondern mOBte
ihn etwa «Js eklektischen Logizisten bezeichnen. Nur im Hinblick aul wök
ältere Auffaseung der Losib und im Hinblick auf die Tatsache. daB li. doch
auch in seinen neueren Schriften bei der Behandlung spezieller logischer
Fragen trotz der Einführung des reinen (absotuten, überindividuellen} Ichs,
der G«Benstands„forderunv" usf. allenthalben p sy c hole gi sehe und
erkenntnistheoretische Beliachtungsweise verknüpft, kann
i;r in die Nliie der Konzinnisten gestellt werden.
Unter den Schülern von Lipp9 sind auf dem Gebiet der Logik tnment-
Jich zu nennen: Morit« Geiger (Methodologische und experimentdle
fieilitge zur QDantitAtclehre^ Psycho!. Untersuch, herauqeg. von Th. Lippe
1907, Bd. 1; S. 325). Alfred Brunsnii (Das Vei^eichen und die ReU-
tionstricenntnis, Leipzig 1910), und vor allen Ernst v. Aster (Phn-
zipien der Erkenntnislehre, Versuch zu einer Neubegründung des Nonanaü»-
mus, Leipzig 1913, namentL S. Itöff.; Untersuchungen über den logischen
ßehalt des Kausalgesetzes. Psychol. Unterst herau^eg. v. Lipps 1907, Bd. 1.
S. 305). Die ersten beiden neigen zur Husserischen Richtung, der Utst-
genanate zu einer im Sinn von Mach, Avenarius u. a. eingeschlagenen neo-
positivistischen Richlungj die alsbald noch kurz zu erwähnen sein wird.
Etwas femer steht Harald Hötfding (geb. ibtö) der konzinniiÜ-
Bchen Richtung (Formel Logik, 6. Aufl. Eöbenhavnog Kristiania 1913, namentL
S. 7B.; Den menneskelige Tanke, dens Former og dens Opgaver, Kjtbenfaafn
1910, deutsch Leipzig 1911; über Kategorien, Annal. d. Naturpbilos. 1S(4
Bd. 7, S. 121; La base psychologictue des jugements logiques, Rev. pbikiä
1901, Bd. 5S, S. 34Ö). Ein eigenartiges Gepräge bekommt seine Lisifc, ^
Eich sonst auch viellach an Jevöns (vgl. S. 231) anschließt, dmch die starke
Betonung der Bedeutung der vergleichenden Funktion für das Urteilen ww
üiierhaajji alle logischen Vorgänge.
OgIC
S. Kapitel. AUfemeine Geschichte der Logik. 217
{52. NMpeiiltiTistm. — Schupp«. USkriiiK. DerPosi-
tirisrnnä ist im allgemeinen am schärfsten dadurch
diankterisiert, dafi er die Erkenntnis gana anf das Gegebene
beeehränkt, er fällt sonach mit dem Immaoenttsrnns (der aof.
Immanenzphilosophie) zusammen'). Der ältere Positivis-
QDS, wie ihn Comte be^rnndet hatte, war diesem Grund-
prinzip insofern nicht trea ^«blieben, als er ganz unkritisch
das G^^bene allenthalben mit dem Materiellen identifizierte.
Anf dem Gebiet der Logik war er wissenschaftlich — ■ ab-
gesehen von seiner Begünstignng der induktiven Logik —
fast gaoz einflußlos und unfruchtbar geblieben (vgl. S. 182).
Der neuere Positivismns, als dessen charakteristische
Hanptrertreter Mach und Avenarius gelten können, hat sich
TOT der materialistischen Inkonsequenz des älteren im gapzen
)K«Ber gehütet. Oft ist er sogar in die entgegengesetzte In-
koDseqnenz verfallen und hat im Sinne des Psychomonismus
(Pampeyehismne) alles Gegebene ohne weiteres als psychisch
— sIs Empfindungen und Vorstellnngen — betrachtet, so daB
w sich dem Idealismus oder auch dem Spiritualismus
näherte '). Es ist begreiflich, dafi er bei dieser Bichtung viel
riier zur Behandlung logischer Fragen gelangte als der
ältere fast rein naturwissenBchaftlich-soziologische Poeitivis-
nms Comtes. Trotzdem haben die eben genannten Hanpt-
vertreter sich nur beiläufig mit logischen Fragen beschäftigt
Auch ist bemerkenswert, wie änfierst verschieden der Stand-
ponkt der einzelnen Positivisten sich in der logischen Frage
prestaltet hat.
Richard Avenarius (1843 — 1896) hat in seinem
Hanptwerk, der Kritik der reinen Erfahrung (Leipzig 1688
n. 1890), der Logik nur einige aphoristiBche Bemerkungen
gewidmet. Er nimmt an, daß die Li^k nur in der Form der
nNorm" („Begel", „Forderung") das enthalte, was die Ent-
wicklung der abhängigen Vitalreihen (im bekannten Sinn
des Avenariusschen Empiriokritizismus) bereits verwirklicht
hat, indem sie einerseits „zn einer immer größeren Vielheit
und Vielartigkeit*', andrerseits aber auch zu einer denkbar
'1 VbL zu. dieser Charakteristik des Positivismus Th. Zitbat, Vber dea
menvlitiieii StaudimDkt der EAenntniBtheori^ Wie^taden WH, S. SOS.
^ Im Gecenaatz za dem von Jtüi vertretenen neutralen (binoimstischen)
ftniüvismoB, der den tiblichen OefensatK zwischen „matericU" und „wr-
'^Kh" nicht anerkennt
„.,,„,^.oogic
218 '- '''^>'- Aberenzung und albemeine Geschichte der Logik.
germgst«ii formalen Anderelieit „innerhalb jener Vielheit
und Vielarügteit" fortschreitet (Bd. 2, S. 329 ff.).
Ernst Mach (geb. 1838) hat sich gleichfalls mit
einigen knrzen Hinweisen begnügt. Er glaubt, daB die
Formen der Logik aus Fällen wirklichen wissenschaftlichen
Denkens dnrch Abstraktioa gewonnen worden sind (Er-
kenntnis nnd Irrtum, Leipzig 1905, S. 178). Den Hanptwert
der Logik erblickt er darin, daß sie uns die Abhängigkeit der
Erkenntnisse voneinander zu klarem Bewußtsein bringt und
uns daher erspart, eine besondere Begründung für einen
Satz zu suchen, wenn dieser schon in eiuem anderen enthalten
ist (1. c. S. 302). Auf die Omndprobleme der Logik geht er
ebensowenig ein wie Avenarins. Dagegen legt er die größte
Bedentim^ auf die „ökonomische" nnd „biologische" Be-
dentnng des wissenschaftlichen Denkens. Die Wissenschaft
hat die Aufgabe, Erfahrongen zu ersetzen oder zu ersparen,
indem sie zahlreiche Tatsachen gedanklich zusanunenfafit;
selbst die Algebra besteht wesentlich darin, daß sie das
Bechnen abkürzt oder uns ganz erspart
Auch Ernst Laas (18B7— 1885, Kants Analogien der Erfahrung,
Berlin 187^ namentl. S. 3iff.; IdeaHsraus und PositivisDniE^ Berlin 187S bis
JSßi, namentl. Bd. 3) hat sich vom positivistischen Standpunkt Ober die
logische Frage geäußert Er stellt den Satz auf, daS alle formalen logischen
Gesetze nur „t autologisch oder analytisch" seien (gegen Wtodd-
band, der sie fOr synlhetiscb erklärt hatte), und iKzeichnet konsequent diesen
Standpunkt selbst als nominalistisch (1. c. Bd. 9, S. e7&). Jede Ifanszenden-
tale Logik fallt für Laas selbstv'erstftndlich el)enso wie alle Transzendenz w«g.
Im Gegensatz zu Avenarius, Mach und Laas >hat sich
ein dritter Vertreter des neueren Positivismus, Wilhelm
Schuppe') (1836—1913), sehr eingehend mit der Logik
beschäftigt. Schuppe ist Positivist, insofern er strenge
Immanenz im G^egebenen verlangt, bleibt aber dieser buma-
nenz nicht treu, insofern er das Gegebene als ein „Bewofit-
sein" mit Inhalten auffaßt und einem Ich zuordnet. In seinen
^) Das meoscbL Denken, Berlin 1870; Eik. theoret. Logik, Bonn läTSi
GnmdriB der Eriranntnislbeorie und Logik, Berlin le&i, 2. Aufl. 1910; BW^
und Grenzen der Psvchologie, Zeitschr. f. imman. Philos. 1896, Bd. 1, S. 31;
Das Systsm der Wissensch. und das des Seienden, ebenda 1898^ Bd. 9, S. 6S;
Zum Psrcliologismus und zum Normeharakter der LiOgik, Arch. f. syst Pbilo>-
1901, Bd. 7, S. 1; Beremanns reine Logik usw., Vierteljahrsschr. f. tii»
Philos. 1679, Bd. S. S. 467; Die Normen des Donkens, obenda 1888, PA- "•'
S. 385 u. a. m.
n,g,t,7rJM,GOOglC
3. Kapitel. AUgemeine Geacbicbte der Logik. 219
spetaren Bchiifton nimmt er sogar neben den individoellen
^ ein allgemeines Ich und ihm zagehörig ein BewaBtsein
nbeiianpt nnd «inen allen Individuen notwendig gemein-
sunen BewnBtseinsiolialt an. Die Logik kann nach Seh.
DÜbt von der ^Erkenntnistheorie getrennt werden. Sie wird
inimer wieder bei ihren speziellen Aufgaben auf die Orund-
frafieD: was iet das DenkenT was ist das wirkliche Sein,
*«lchefi das Objekt des Denkens werden soUl zarückgeführt.
Se lehrt also nicht etwa nur eine subjektive Verfahrungs-
nise des bloßen Denkens, sondern strebt nach inhaltlichen
Brkenntniesen allgemeinster Axt vom Seienden überhaupt
and seinen obersten Arten. Zum Begriff nnd Wesen des
Denkens gehört es, daß es einen Inhalt hat nnd dieser Inhalt
virllich Seiendes ist. Das nrspröngliehe Objektsverhältnis
zvisehen dem Denken und seinem Inhalt ist undefinierbar
und imbeschreiblich.
Zu den allgemeinsten Sätzen vom Seienden gelangt das
Denken durch Beflexiou auf sich selbst. Auf diesem Weg
stellen wir zwei .Jtenkprinzipien oder Gesetze" fest, die sog.
»Kategorien": Identität und Kausalität und erkennen das
Verhältnis der Kategorien zum Wahmehmungsinhalt CJte-
lleiionsprädikate" '), z. B. „dies ist ein Ding, eine Ursache
nsf"). Ein besonderer Akt der Anwendung dieser kategori-
alen Begriffe findet überhaupt nicht statt Sie haben dieselbe
Objektivität wie das Oegebene selbst. Sie gehören zum „Be-
wnfltsein überhaupt" und konstituieren erst die wirkliehe
Welt als den gemeinsamen Teil der Bewußtseinsinhalte (s.
oben). Das Denken besteht daher nur in Urteilen, d. i. dem
BemBtfiein der Identität oder Verschiedenheit und der kau-
salen Beziehungen von Gegebenem. Obwohl also Seh. in
^eten Punkten sich dem Logizismns nähert, trennt er sich
liier scharf von ihm. Das Logische bildet nicht eine dritte
Sonderwelt, sondern fällt im Sinne der Immanenzphilosophie
mit den ,3estinmitheiten des Gegebenen" zusammen.
Bei dieser Verlegung des Logischen in das Sein scheint
für die formale Logik überhaupt kein Baum zu bleiben. Alle
Irrtümer scheinen sieh anf Widerspruch mit den Tatsachen
*) GrindriB, L Aufl., S. 16* H. Genaueres über Schuppes BeOezioDS-
prädikate s. Ziehen, BA. tbeoret. AuMinandersetz., Ztschr. I. Psych. 19C8,
W. 33, S. 119». Tbl int übrigen auch Wundl, Philoa Slud. 1896. Bd. 12.
OC^IC
220 J- Teil. Abgrenzupi and allgemMi» GeachiiAte der Logik.
ZU reduzieren, der formal-lo^eche Widerspruch scheint alle
Bedeutung zu verlieren. In der Tat glaubt Seh., daä ,^er
Irrtum in Wahmehmougen und urteilen bestehe, welche den
individuelleD Unterachteden der einzelnen Bewußtseine, nieht
dem gattungsmäßigen Weaen angehören" (GmndriS 1, S. 171),
und weiM die Ermittluug der störenden individuellen (sub-
jektiven) Faktoren der Psychologie zu. Die Tatsache, daß
durch diese Paktoren Wider^rfiehe im Sinne der formalen
Lt^ik — und zwar auch bei Richtigkeit der zugrunde lie^n-
den Wahmehmnngen — bedingt werden, und daß diese
Widersprüche ebenso wie die formalen Übereinstimmungen
auch unabhängig von der Psychologie und ohne Bücküeht
auf das „Sein" einer wissenschaftlichen Untersuchung, näm-
lich eben in der formalen Logik, zugänglich sind, kommt
begreiflicherweise bei diesem Standpunkt zu kurz.
Den NeopoätivisUD stehea außerdem mehr oder weniger nah«*):
Josef DietzBen (1838—1888), Das Wesen der menschlichen Korfaibett,
Hamburg 186B; Briefe übet Logik usw. iaBO-^1883,*
Carl Göhring (18*1—1876), System der triüspchen Philosophie, Lelpn*
1874 u. 18176, DamentL TeU 1, Kap. 18—16, S. 339 B. (Äabei auch vid-
fachc AnknapfuDgen an Herttart, Hanmann Zetlw u. a.).
Richard t. Schubert- Soldern (geb. 18fi2), Über Tianszendenx des
Objekts und des Subjekts, Leipzig 1882^ namentl. S. 9111.; Grundlagen
einer Erkenntnistheorie, Leipzig 188t, namentl ä. 86—220.
A. Döring, Gnindlimen der Logik als einer Uethadenl^re uniTerseHer
sachlicher Ordnung nnsrer Vorstelhmgen, Leipzig 1S12; Grundzflge der
allgemeinen Logik, 1. Teil, Doitnnind 1880; Vierteljahisschr. f. imi.
PhilDS. laeo^ Bd. 9, S. 324^ und 1890. Bd. U, S. 121.
Anton V. Leclair (geb. ISt8), Lehrbuch der allgemeinen Logik, Leipaf
18M, 8. Aufl. 190B, 8. Aufl. 191** (mit G. A. Lindner jun.).
Shadworth HollwaT Hodgson (1863—1913), The pbilosophy of
reflection, London 1878, namentl Kap. & 6 u. 10; The maUFAyaie of
. ezperienoe, London 1898, namentl Bd. 3, Kap. i, & 236—386; Wbat
is logic, Proc. Arist. Soc. 1889, Bd. 1, S. 11.
.Adolf StOhr (geb. 1865), liCitfaden der Logik in psychologisierender Dar-
stellung, Leipzig-Wien 1905; L^irbuch der Logik in psychologisieieiider
DarateUung, Leipzig-Wien 1910; Algebra der Grammatik, Leipaig-Wieo
1898.
HansCornelius (geb. 1863), Versuch einer 'nieorie der Esiatenzial-
urieile, München 189i; Psychologie als Eriahrungswisaenschaft, Ldpzü
1887 (S. SISB.); Einleitung in die Philosophie, Leipzig 190S, 2< AulL ISlli
Hit Cornelius stimmt in vielen Punkten auch der S. S16 bereits anfelOliitc
Ernst T. Aster üborcin.
Max Reinhard Kauftmann (1868—1896), Fundament der Er-
kenutnistheorie und Wissenschaftslehre^ I>ipzig 1890 (namentl. § 30 f. und
S37tf.),
'') über Jerusalem s. S. 238.
n,g,t,7l.dM,GOOglC
2. KapiM. Allcemnne Getchicbte der Ltvik. 221
fikBG Drieacfa (geb. 1867, Ordnunnlebra usw., Jeu 1912; Die
Ldfi tis Aofgabe usw., Tübincen 1813) leht von eincni positivMiaBbea
uid — iNnwUns vorlfiufiR — Mlipsistiscken aUfanttsen Standponkt ans,
fdufl ator daan unter AntehnuuB an die Denkpsycbolo«ie dsr KOipeachea
Stkü» za AjHicbteii, die äch denieniceB Heinongs, HuMerk und Naterps
aa Teil «ehr oUiMti. Dabei b< er jedoch KegmOber dem Befriffareatiunua
dKU iest, daA die aOeicnsUiide der Kathematä, des AUfemeiiien, dee nin
MnranhaHen" nur „Gedankemnhalte" sind (Log. ale Aufg. S. 90 u. 67).
Ke Ltgik «ird Ton Dr. als eine „Ordnungitehre" ■) auigelaflt: ,4>er Logiker
nU die Eilä>theit und alles durch Eriebtheit Gemeinte durchaus und äi jeder
Faatllwit als Geordnetes mMen" und „auSerden wissen, venaäge wrekhei
Ktouncfara Erlebtheit und alles durch aie gemeinte unmitteihar Gegenslind-
hcke »ordnet ist" (L c. S. »1).
Za der iwopoaitivistiBcben Ricbluv der Logik kaan schbefllich auch
die Logik von Karl Eugen DQhring^ (l^S— 1901) gerechnet werden.
D. unterscheidet jjtedankUcbe" und „sachlicbe" Axionte. Ke ersteren Bind
..KUatmsUlndliche Einsichten", die Miteren ,^ht weiter, zectegbare
■NttuWsadien" (wie z. B. das Bebarrvafsgesetz, I^. u. Wiie. S. 28).
Bade müssen „eüifaeitlicb zosammeagelatt" werden; denn bmden Gebieten
umat ein „einheitUcfaes Sein" und eine „gemeinsasM logiacbe Grundgeslalt"
n [dmu beachte die Vbei«instimnK)Bg DOit Schuppe in dieaem Punkt). Das
lenken kann daher aw^ die einfachen TataichHchkeiten gar nicht
udns Jasaei:^ als sie witklich sind. IrrtOmer ergeben sich erst bei der
Zusammensetzung des Einlachen. Die Hathemalik rechnet D. zu
dea itin gedanklichen Wissenschaften (L c. S. 86). Die ,j^n logischen"
iame (Prinzipien) sind — auf gedanklichem und sachlichem Gebiet —
vUte, die alten Wissenschaften (nicht nur einer besonderen) angehören.
Do denkende Verstand darf nicht „formal borniert", d. h. auf eine, von den
SioneMovfindunKen getrennte, rein formale Tlti^eit beschrftnkt weiden,
wnderD hftngt mit der SinnesUti^eit untrennbar zuaanunen (L c. S. 71 ff.).
DL bestreitet nicht, daB z. B. bei dem Satz 2XSc=;>4 zu dem SachreiiiaJt
nut dem Donken des Sachverhalts etwas hinzukommt, behauptet aber;
yAta darin, daS ach die nngewufltc Wiiklidtkeit völlig streng in das Denken
ilienetzt, ohne das Geringste von ihrem wesentlichen Inhalt aulzug^>en.
bntebt die EUnertefteit des denkbaren Gehalts der Dinge und des darauf be-
öWcben Gebalts der Gedanken." Die sachlich gegenständliche Bedeutung
^ rein logischen und mathematischen Wahrheiten beruht sonach nicht
duaof, daS unser Deidien „als solches mit diesm Notwendigkeiten behaftet
isl", anndem darauf, daB „sich die sachlich an sich vorhandenen Vcrb<-
*) Von einer „Ordnungswissenschaft" spricht auch Josiah Royce
iPtiiuiDien der Logik in Ruges Enzyklopädie d. philos. Wissenscb., Bd. 1,
TtOringen 1B1£^ S. 61 — 136; The spint of modern phüosophy, Boston u. New
Tttk ISSB, S. 368 fi.; llie wortd and the individual, first series, New York
IWB, tecond series IBM). Er schwankt im übrigen ziemlich unklar zwisdien
iHaren Xantschen und Hegeischen und neueren Uttnslerbergschen und
^Ixkertschen Anschauungen.
') Natürliche Dialeictik, neue iog. Grundlegungen der Wissenschaft u.
IWoeophie, Berlin 1965; Lork u. Wisaenschaftstheorie, Leipzig 1878, 2. Aufl.
IKK; WiiUkhkeitsphilosophie (Teil S des Geaamtkursus der Philosophie),
i^iHtg ia9&, & 68a.
tY^IC
222 I- "^^l- Abfreazun« und allc«meine Gwchicbte der Loeik.
□isse in den fnsUcfaen Begriffen und Wahifaeiten bekunden und ihrer gecea-
st&ndlichen. Notwendigkeit in einer dem Ich einverleibten N6tisun( einen
B«danklichen Ausdruck vetschaHen" (I. c S. 168/9). Über diese Befamdnnc,
NOtiKung, Fortpflanzuiig durch das Denkweikzeue gibt D. keine nihere Aus-
kunft. Das Denken ist nach seiner Auffassung eben mne „spezieUere Artong".
ein „besonderer Fall" der Wiridicbkdt, in dem „ungeachtet der SpenaüUl
dieser neuen SeinsbeUtigung doch alle Beatimmungen zur absoluten Eifcenst-
uis zulänglich entbalten sind" (I. c. S. 171}. Unser Denken ist nur das
Produkt einer an sich und ohne Denken voihandenen Notwendigkeit (L <-
S. 810). Den GrundverhUtniasen der Begriffe mOasen G^enstOcke iti
„Gnindvetb&Hnissen der SeinsBcberoatik" entsprechen. Manche der hierher
gehfirigen AusfOhrunsen Dohringe, die man geradezu als logisch-ontolociacheD
Parallelismus bezeichnen könnt«, erinnern fast an einzelne Satze der Look
der Identitatsphüoeophen; nv darf nicht Qberaehen werden, daß D. doch
stets den Standpunkt seiner Wiiklichkeitsidiilosopbie mit ihrer sensualisti-
schen GfuncBage festzuhalten sucht
Ein besonderea Verdienst DOhrings liegt darin, daB er ähnlich wie
Wundt, aber von einem ganz anderen Standpunkt aus die Logik in ibicr
Anwendung und Betitigung auf dem Gebiet der einzdnen Wlas^iscbaRen
untersucht und überhaivt die praktische wissen scbaftUche Ff)r8chung «n-
gehehd berOdraiditigt hat. Seine maßlose Polemik gegen Aristoteles uiuJ
Kant — von den Angriflen auf die Scholastiker ganz zu schweigen — isl
nur ausnahmsweise durch ausreichende sachliche Ausführungen gesUttzL
§ 63. Skeptisebe, relatiTistiscbe» «volutiontetlsche, pnf'
matistisehe Lo^er. Alle bis hierher angeführten modernen
Logriker — einschließlich auch der meisten neopositivisti-
Bchen — stimmen darin übereiu, daß sie den logischen Ge-
setzen bzw. Begeln eine absolute Cteltung nicht nur innerhalb
des menschlichen Erkennens, sondern auch noch weit darüber
hinaus znerkennen. I>»ngegeiiüber sind in den letzten
50 Jahren auch mehr und mehr BichtungeD hervorgetreten,
welche die Gültigkeit der l(^(i8chen Gesetze mehr oder weniger
eiiuchränken oder gemdezn anzweifeln. Von Tomherein mnfi
bemerkt werden, daS manche Vertreter dieser Bichtungen
'wegen der Unwissenschaftlicbkeit ihrer Arbeiten im folgen-
den ganz übergangen werden.
Ein absolnter Skeptizismus bezüglich der Logik ist
begreiflicherweise kaum jemals vertreten worden; müßte sieb
ein solcher doch folgerichtig auf ein kopfschüttelndes
Schweigen nnd Ohrenzuhalten beschränken. Immerhin war
schon im Aitertnm die Skepsis gelegentlich auch auf die
logischen Qesetze ausgedehnt worden (vgl. ^ It!), und aucb
in der Folgezeit traten immer hin nnd wieder Forscher anf.
die solche Zweifel wiederholten. Zuweilen wurde sogar direkt
in senauatistischem Sinne der Sinneswahmehmung noch ein*
„.,,„,^.oogic
2. Kapitel. AIISMoeine Otsctuchte der Logik. 223
lelatire SicfaerhMt zogestanden und alle Unsicherheit gerade
b das Denken verlegt So erklärte z. 6. Francisons
SanchezO („philosophns et medicns doctor", 1552 — 1632):
,fiertaäma onmiom c(wnitio est, qnae per seosns fit; incer-
tisgiiii& omniom gnae per diacnrsnm. Nam haec non vere
eo^tio est, sed palpatio, dabltatio" etc. *) und „omnis seientia
fictio est'**). Und doch ist selbst dieser Forscher von einer
absoluten konsequenten logischen Sepsis weit entfernt.
Sie veitgehendeu skeptischen Bedenken gegen die mathe-
matiBch«! Axiome, welche von Pierre Bayle erhoben
«lirdeii, sind froher bereits erwähnt worden (S. 102). Der
tiodenie Skeptizismos — Hnzleys Agnostizisnras — hat
meistens nur die Unsicherheit aller materialen Erkenntnis
behauptet, dagegen eich über die Gültigkeit der logischen
Gesetze nicht geäußert ^
Noch gemäßigter tritt die relativistische Bichtnng
der Logik auf. Der Belativismos gibt zn, daß wir zu wahren
Erkwintniasen gelangen können, behauptet aber, daß alle
dieee unsere Erkenntnis lediglich für den erkennenden Men-
Kben göltig Ist und insofern jede Wahrheit relativ ist Be-
ifiglich der formalen Logik stellt er sich daher in der Bege)
auf den Standpunkt, daß die logischen Gesetze eine Spezia-
lität des menschlichen Erkennens sind nnd über dieses hinaus
keiue Gültigkeit mit zureichenden Gründen beanspruchen
können.
Ein Vertreter dieser Sichtung ist z. B. Bichard Shute
in seinem Discourse od tnitti, London 1877 *). Nach Shnte
glibt es keine nnveränderliche Wahrheit Ebenso wie die
Wahmehmungan ist auch die Vernunft veränderlich, unser
lenken ist von unsrer Organisation abhängig und wechselt
') Vgl. zu den logischen Lehren voa Sancbes: L. Oeikrftth, Fnnz
^aoäiK usf., Wien 1860 und John Owen, The skeptk» ot the Frencb
RtDüfiano^ London 1808, S. 616 ff.
*) Quod nihil idbir. Lugdun. 1681, S. 6ß. tJbrigens wendet sich S.
'»DKutüch gegen die auf die AatoriUt des Aiiatoielea sich benilenden
Diikküker und weist dieeen gegenOber auf daa „expeiiraentum", die Br-
>>l>mog hin CL c. S. 90).
*] L. c S. S4. Tgl. auch S. Ol: ^.Sensoa Mhim «Tterioni videt: oec
*} Auch deutsch herausgegdien von K. G. U[diues^ Breslau IBSft (out
ilienacliUieher Gnleitnng und kritischem Schlaft; in Betracht kommt samenU
^ Kap. Q).
„.,,„, ^.oogic
224 !■ "^^i'- Abgrenzung und Ulwmeine Geachidite der Logik.
d^er mit ihr. Die DenksesetEe bleiben nar dieeelben, so-
isnge der Menecli derselbe bleibt ').
Schon Shnte hat diesen relativiatiecbea Standpunkt noch
in BWei Bichtnngen veiter anszngestalten versucht: in der
eTolationiBtisch-biologischen nnd in der p r a g -
matifitischen. Allee Denken ist nach eeiner AnffasBimg'
nar ein Mittel, am das Leben den jeweiligen Lebens-
bedingungen anzupassen, nnd hat sich mit all «einer Oeaets-
m&Sigkeit anter dem Einfloß solcher Anpassungen ent-
wickelt (evolntionistisch-biologischer Standpnnkt). Sein Wert
baniBt sich daher auch lediglich nach seinem Erfolg, also
nach seiner Nützlichkeit für das menschliche Handeln
(inagmatistiBcher Standpunkt).
Weiter ausgebildet wurde diese evolutionislisch-prMmattsUscbe Auf-
fassung der Logik in einem Sammelweric ■) von 8 Mitittedern dar Oxtoder
t'nivemt&t: George F. Stouf), Ferdinand Oänning Scott
Schiller, W. R. Boy ce Gibson«), Henry Sturt») u. a. Schil-
ler hat dann in demselben Sinne noch mehreve andere Wette vnfaBt und
MÜe besondere RichtuiK äes PramalisiDus als Hnmanisrnua**) be-
zacfanet (Studies in humanism, London 1907, 2. Aufl. 1912; Humaaifiin,
FhUofloph. e3sa.y9, London 190S, 2. Aufl. 1912, namenU. S. XIV B., awli
deutsch von R. Eisler, Leipzig 1911 ; Axions as postulates, in dem erwähnten
Saautetwerk, London 1906; Formal logic, a scientific and social proUem,
London 191S, z. B. Pieface S. IX; Logic or ps?ch<^OKT, Uind 1906, N. S.
Bd. 18, S. 400; The anduguity of trutb, ibid. 1906^ Bd. ISy S. 161 u. a. m.).
Die überlieferte Logik ist nach Schiller „fundamentallT tncoosistent non-
'^) Andeutungen eines solchen Pragmatismus finden sich schon bei Feder
(vgl. S. 181), Grunds, d. Log. u. Melaphys. S. 107.
*) Unter dem Titel Personal idealism herausgeg. v. R Sturb, London-
Hew ToA 1902.
') In Mnen sonstigen Schriften nähert sich Staut zuweilen dem Lo^-
aamus, indem er zwischen der Vorstellung, die i m BewuBtsein erlebt wir^
und 4em Objekt des Denkens^ das für du BewuBisdn vorhanden ist, unter-
scheidet. Vgl. z. B. Proceed. Ariatot. Soc 191S N. S. Bd. 13, S. SSI und
Analytic Psychology, l-ondon 1909 (3 Bde.), nameatL Book II, Cb. 5, 9 u. 10.
*} In einem späteroi Werk Hie ptoUem of tosic, London 1906 (ä. Band
meines Wissens sodt nicht erschienen) sudit Gibson zwischoi dem eni-
lischen Neu-Hegelianismus und dem Pregmatimms zu vennitteln.
>} Henry Sturt, Idola tbeatri. A critidsm of Oxford thought and thinken
from the standpoiot of personal idealism, London 1906. Die Idola tbeatri, die
SL bekämpft, sind: Inlelldrtualiwous, ^»ohitismuB und äubjektiviannta Be-
merkenswert ist namentlich die auafObrliche Kritik von Bradley (S. StOS.J
und von Bosanquet (S. SS2fl.). Im allfemeinen steht Sturt von den Obrigeo
Brotutionisten und vollends von den Pragmatisten durch die Betonung des
persOalichen Ideali mMs und dea Vohmtarianus weiter ab.
^ Windelband (Der WiUe zur Wahrheit, Heidelberg 1906) schlägt stril
dessen die korrAtera Bezeichnung ,Poaäiüsaaa" vor.
OgIC
2. Kspttel. AUsuneine Geschichte der Logik. o>).^
MB". AQe Wahriieitea sind nur meDSchiicbe logische Werte (loaical valuesj,
'lenBedenttuiir auf ihrer praktischen Braucbl>arkeit beruht. Abstrakte Vtattr-
iHila lind Qberhaopt keine leetlen Wahrheiten (not fullr trutha at att, Stud.
iiit<aiLS.AuIL S. 8}. Ähnliche S&tze finden sich bei Alf red Sidgivick
(^VlriicalJon of locic, London 1910, namentl. S. 267 ff.; Fallauea, a view
ef Jose frgm the jiractical side^ London 1863; The process of aigumcnt etc.,
l«*ii ISSei S 18*; The use of words in reasoning, London 1901). „Wahr-
iMlra mossen angewandt werden, um wahr z\i werden und am Ende wahr
n btebea" (Schiller I. c. S. 9), und alles (logische) Meinen hfingt von einsni
Zaed (Dorpose) ab. Die Logik ist daher nur die systematische Bewertung
des allueUen Wissens (^vstematic cvalualion of acliial knowing", I. c. S. 7&).
Sthit niv die Aufgabe empirisch festzustellen, auf neJchem Wece wir zu
^ wertroUslen Wahrheiten kommen. Sie ist daher auch auf die Hilfe des
'^dxriogie angewiesen. Entscheidend bleibt schließlich immer die ,^d<<
»oiöice" (Sidgwick).
Noch mehr Anklahg fanden solche Lehren in Amerika. Charles
^iDliago Peirce hatte schon ld76^ also nur wenig spater als Shute,
>n mta Au^t^ betitdt „How to make cur ideas clear" (Populär Science
ItodhlT 187% Jan. XII, Sl 2fö, mir nicht zugänglich, und Rev. philos. 1&7&,
Bi 6t S. öaa, und 1879, Bd. 7, S. 36), ahnliche Sätze aufgestellt "), aber doch
■H^ Ton einer mathemalischen Logik (s. unten § 54) eine selbsländigo
Vatneohricklung der Lt^k erwartet und seine Lehre als Fragmalidsmus
vgD IVagmatiamus unterschieden (Studies in logic, from J. Hopkins Univers.,
Boshm 1883; Honist 1896/97, Bd. 7, S. 19 u. 161, und 19», Bd. 16, S. 161 u.
^ aamentl S. 180 Ober die Stellung zum Uegelschen absoluten Idealismus,
n. Ifloe, Bd. Ifi, S. 492). Sehr viel radikaler wurde der Pragmatismus dann
m John Dewey (Studies in logical theory, Chicago 1903, 2. Aufl. 1909^
"^ Beiträgen von Schalem; InDuence of Darwin on phUosophy and cther
«»TJ ele., New York 1910; Journ. of philos., psychol. and scient. meth, 1910,
Bd. 7, S. 169) und namentlich von William James (Fragmalism etc.,
-lew York etc. 1907, deutsch von W. Jerusalem, Leipzig 1908; The meanink
^ Inith elc, New York etc.l90g^ 3. Aufl. 1911; The pragmatist aocount et
"Dth and ils misunderstanders, Philos. Review 1906^ Bd. 17, S. 1 ; Mind 190*,
8i 13, S. 467) vertreten i*). Insbesondere stimmt James, der auch den
■''UDen mgmatismus schon im Jahre 1898 eingeführt hat, in den wesentlichen
I^len mit Shute und Schiller Uberein. Auch bei ihm besteht, wie schon
tei Shute, der Pragmatismus aus einer Reihe von Sät2en, die nicht notwendi«
nnierelnander zusammenhangen. Zu dem Hauptsatz der pragmatistischen
l^re, daB die Wahrheit eines Satzes von seiner Nützlichkeit im Leben ab-
lilxie, werden Sätze hinzugefügt, die auch von ganz anderen Standpunkten
>nt aufgestellt «erden k&nnen und schon längst und oft aufgestellt worden
^ N z. B. der Satz, daB unser Denken biologisch zweckmäQig ist "), daC
") Es ist sehr charakteristisch, daB Peirce zugleich die schlieBlicho
^Iteneine Zustimmung der Forschenden als Wahrheitskriterium hinstellt
Joiömon prMestinte k r^tmir finalement tous les chercheurs est ce que neu?
^PWlcDs le Tiai et l'objet de cette opinion est le räd").
") Siehe auch A. K. Rogers, Prof. James' theory ol knowledge, Philos.
aw. 1SQ6, Bd. 15. S. 677— 59a
'^) Vgl z. B. G. Sinimel, Aich. L svatem. PhUos. 1896, Bd. 1, S. 34.
äehe weh unlen S. 236.
2)tb«D, Lchibneh der Iiogik. 15 -i -* il -.
226 1- Teil. Abnenzung und sUgemeine Geschichte der Logik.
hei der Entwicklung unseres Denkens AnpassungsvorBänse im Gehirn be-
teili|[t sind, daB die Best&Uguns durch die weitere Eifahning ein ausgezach-
neter Prflfstein tQr die Wahrheit vieler oder gar aüw Sätze ist, daB im Sann
des Fosttivismus (Inunanentismus, bei James „radical empirism"] die niih)-
sophie durchaus an das Gegebene gebunden ist und auch alle Relationen zu
dem Gegebenen gehCren, dafi alle Erkenntnisse im Sinne des s<w. RelatiriB-
rous nur tor die besondere Konstitution unseres Intellekts gelten uri.
Auch in Deutschland fand die evoluüonisUsche und praematislische
Richtung einzehie Anhänger'*) unter den Logikern. Macbs Ldire von der
Qkonomischen Bedeutung des Denkens (vgl. S. 318) und die von Avenaiins
vertretene biologische Auffassung der reinen Erfahrung kamen dem Bvolu
tionismua direkt entgegen. So wird es verständlich, dafi z. B. Wilhelm
Jerusalem (geb. 1864), der in seinen frttheren Schriften (Die Urimb^
funktion, Wien 1895; Über psychologische und logische Urteilstheo rien.
Vicrteljahreschr. f. wiss. Philos. 1897, Bd. 21!, S. 157; Einleihing in die Philo-
acphic, Wien 1899, 6. AuflL 1913; Der kritische Idealismus und die reine
fj^gik, Wien-Leipzig 1905) einen positivistischen Standpunkt vertreten hatte,
in einem neueren Aufsatz (Deutsche Lileraturz^. '2b. 1. 19G^ Jahrg. 29, Nr. 4
S. 198) sich zum Prasmatismus bekennt, ohne jedoch bis jetzt die letzten
Konse<iuenzen desselben für die Logik zu Eiehen^'), Auch Georg Simmel
(läöU— 1918) steht in seiner Philosophie des Geldes (Leipzig 1900, S. 6(,
2. Aufl. 1907) auf ähnlichem Standpunkt, desgleichen GOntber Jacob v.
Der Pragmatismus, Leipzig 1909 (z. B. S. 15). In Italien wird der Pragma-
tismus in etwas mystischer Form z. B. von Giovanni Papini vettieieo
(Sul pragmatismo, Sa^i e licerche, Milano 1913). Der Eonformismus
von 0. V. d. Pfordten veifaiOpft pragmatistische Anschauungen nüt wert
theoretischen Lehren Windelbands (Versuch einer Theorie von Urt^ und
Begriff, Heidelberg 1906^ z. B. S. 3, 9 u. &; Konformismus, eine Philosophie
d. normaUven Werte, bis jetzt 3 Bde., Heidetb. 1910—13, z. B. Bd. I, S. 1W>
Dem PragmaUsmus steht auch der „genetische Instrumen-
ta 1 i s m u b" von James Hark Baldwin sehr nahe (Thought and
things, or Ganetic logic, Bd. 1: Functional logic, or genetic theory of know-
ledge, London-New York 1909'*), Bd. 2: fizperimental logic or genetic tbaon
of thought, 190^ Bd. 3: Interest and art being real logic, 1911). B. betont
vor allem den evolutionistischen Standpunkt und meint auf genetischem
Weg das Erkennen und speziell das logische Denken erklären zu können.
Die ästhetische Betrachtung wird als „Oberbgiache" Stufe der Eikeantnis
aufgefaBt, der logischen Erkenntnis eine voriogische und quasUogische Stufe
vorausgeschickt Gegen die Übertreibungen des Pragmatismus, gerade auch
mit Bezug auf die logischen Gesetze, hat sich B. ausdräcklidi verwabrt
(Psychol. Rev. 1904, Bd. 11, S. 30, namentl. S. 62 ff.).
'*) Auch einzdne Äußerungen von Nietzsche gehören hierher, sieht'
2. B. Weite, Bd. 7, S. 12, 56, MB— *70 u. Bd. l'^ S, 828 1 u. 3B6f. („das
Perspektivische", daher die Bezeichnung „Peiapektivismus"). Vgl. aoch
Herder, UetakriUk, Werke, Bd. 31, S. 286 („pragmatischer Glauben").
") Andrerseits nähert nch J. der psycbologistischen Logik (Erit. Id.
S. 78 UL 95) und bezeichnet sich selbst als Realisten (ebenda S. 66 u. lOfij),
'*) Eine Übersetzung der beiden ersten Bände von W. F. G. Gäase ist
Leipzig igOft— 19U erschienen.
1,1^. OQi
'S"
_^ 2. Kuiitel. AUferoeüiB Geschidite der Eogik. 227
Sna dem Precmalismus enUteBenBesetzteD >*), übrigens sehr gem&BiR-
Im Rdativisniiis vertrilt in «iBcnarÜKer Weise Fraac«B Herbert
Bridley (Principles of logic, London 1S68; Appeanuue «nd realilr, Lod-
dn 18B3, 2. Aufl. 1897, 5. Druck 190B). Seibat die absolute Wahrheit ist
«ht jsnz wahr" C^o possible truth b quite true". ^p. a. real. 1908,
£. Üi), »e ist zwar intell^luell nicht mehr konigieiiiar, aber ne gibt nur
fa AUiemeine der Wirklichkeit, nicht alle ihre Knzelheiten. Dabei stellt
Sr. in seiner Urteilslehre den staik zum LoBizismus und auch Hesetianis-
tm nagenden Satz auf, daß das Urteil im logischen Sinn von dem Urteil
•li psychischer Tatsache völlig verschieden sei und im Subjekt eine Wirk-
Alikit enthalte, aui welche «in ideeller Inhalt (ideal content) bezogen
TOde").
$ 54. Die umthemstisehe UymbolUtlsehe) Lo^lk. Neben
allen den in den vorausgehenden Paragraphen dargestellten
StrÖmniigen der neueren Logik geht eine Bewegung einher,
nlehe durch Einführnus von Symbolen nach Art der mathe-
matischen nnd sonstige Anwendung der mathematischen
Uethoden zo einer Beform oder wenigstens Weiterentwick-
huigder Ix^ik za gelangen hofft. Diese sog. ,^ymboliBti8che"
nnd mathematische" Logik (vgl. such ^ 81 u. 82) war auch
is früheren Jahrhunderten nicht unbekannt (vgl. z. B. 8. 112
n-liS), ist aber doch erst im letzten Jahrhundert systematisch
an^ebitdet worden. Dabei ist es leicfat verständlich, daB die
Verbeter dieser mathematischen Bichtung, da es sich eben
im wesentlichen nur um ein methodologisches Prinzip
tiandelte, im äbrigen bezüglich ihrer (Jeeamtauffaasang des
logischen bzw. der Logik weit auseinandergii^^n und sich
ans fast allen den im Vorigen angeführten Schulen rekra-
ttertea. Auch knüpften die Vertreter der mathematischen
Lo^ oft an üntersnchnngen über die logischen Onmdlagen
der lUsthematik an, so daß die „mathematische Logik" sich
zuweilen eng mit einer „Logik der Mathematik" verband.
Atif die anBerordentliche Bedeutung der mathematischen
Satxe für Erkenntnistheorie und Logik hatte ja schon Kant
eindringlich hingewiesen. Diese Beziehung zwischen mathe-
■■utischer Logik und Li^ik der Mathematik mußte sich um
*> enger gestalten, als die Mathematik selbst bei ihrer fort-
Khreitendeu Entwicklang in der Bichtong auf die Funk-
") Vö- Bradlev, On truth and practice, Mind IflOt, N. S. Bd. 13, S. 90»
« Sehillw, Studies in hnmanism 191^ S. lU ff.
'*) Unter dem Einfluß ist Bradleyschen Lehren steht auch Sydney
Herbert Hellone (An introductory text-bodc of logi«^ Edinb. u. Lon-
h. ^?Ti,i^.oo^ic
228 '- '^^''' Abgrenzung und aJIcemeiDe Geschidite der Logik.
tionentheorie anscheinend mehr and mehr die Beschrän-
knng auf den GröQenbegriff hatte fallen lassen nnd xn einer
„allgemeinen Mannigfaltigkeitslehre" (s.anten)
'gelangt war.- Damit schien geradezu eine Versoluuelzung der
Logik mit der Mathematik vollzogen, nnd in der Tat worde
z. B. von manchen Logizisten die allgemeine MannigfalUg-
keitslehre als ein Teil der sog. „reinen" Logik in Ansprach
genommen (vgL § SS).
Die Anlehnung an die Matheäiatik kann in dopjKlter
Weise erfolgen. Entweder ahmt die Logik nnr die
Methoden der Mathematik nach, schafft sieh also eigene
Symbole nach Art der mathematischen für die Vorstellnngen
(Begriffe) nnd Denkoperationen und baut nun unabhängig
von der Mathematik ihr System auf (vgl. z. B. S. 48), oder
sie entlehnt der Mathematik direkt deren Symbole und ver-
sDcht auch bei dem Aufbau ihres Systems die mathematisofaeit
Operationen (Addition, Mnltiplikation nsf.) allenthalben mit
entsprechenden Abändernngen oder auch ümdeatnngen an-
zuwenden. Die erste Bichtung kann man als symbolisti*
sehe Logik (s. str.), die zweite als mathematische
Logik (s. str.) bezeichnen. In der Geschichte der Logik
haben sich beide Richtungen in einer vielfach unklaren Ver-
bindung miteinander entwickelt, so daß in dieser geschicht-
lichen Einleitung eine Trennung derselben nicht durch-
geführt werden kann.
Des weiteren kann die Lo^ik entweder getanetrische oder
algebraische (arithmetische) Symbole nachahmen bzw. der
Mathematik entlehnen. Die Verwendung geometrischer
Symbole ist weit älter. Dem Joh. Philoponus war sie jeden-
falls schon bekannt '). Sie war dann allgemein gebräuchlich,
teils um den Umfang der Begriffe, teils um die B^riffs-
verhältnisse in den ScbluSfiguren darzustellen. Ein scharf-
sinniger Versuch, über die hergebrachten räumlichen Sche-
mata hinauszugelangen, stammt von Qenlincs*) (vgl.
S. 101). Lambert (vgl. S. 123) bemühte sich die geometrische
') Siehe z. B. Philoponus^ Comm. in Analyt. prior. Akad. Auag. BeroL
190b, S. 381 u. B. Vgl. I. Barthölany Ssint-Hilaire, De la logique d'Aristote,
Paris ISSe, Bd. 2, S. 888 If. (App«ndice).
=} Logica, Lugd. BataV. 1663, namenU. a 11, 100, 399 CHI, 3, can. 9).
„Cubus logicua resolvitur in sex quadrata, quodlibet quadratum in quatuor
axiomata. Axioma voco proposilioncm necessariam et per se notam aut ex
tali evidenter demonstrataia"
h. !■, II, l^.OOQIC
^ a. Kapitd. AHg«ineine Gesdiichto der Logik. 229
CatstelluEg ,fi.vA der Natar der Sache hemileiten" *) and ver-
veodele einfache Linienlangen, Ploucquet (vg^. S. 122) zt^
.Quadrate vor, Christiaa Weise *) nnd E a 1 e r ') Sreise, MaaB
f^i. S. 130) Dreiecke. Weeentliehe wissenschaftliche Fort-
sehriite warden bei allen diesen geometrischen Darstellnngs-
veisnchen nicht erreicht*), wenn aaeh ihre didaktische Nütz-
lieUelt anznerkennen ist Ein neuerer Versacfa Fr. A. Langes
(fgL S. 166), alle Denkrerhältnisse ans der Baumansehaanng'
bwmleiten, ist mißglückt ^).
Viel anssichtsreicher hat sich die Verwendung alge-
braiBcher Zeichen für die Lofflk gestaltet. Schon Loltos
(TgiS.78) verwandte Buchstahenbezeiehnui^eo für Begriffe
tun] zwar in Verbindung mit räomlicfaen Anordnangen
UCamniem" usf.), aber in so willkürlicher, üuSerlicher Weiee,
daS keinerlei Fortschritt erzielt wurde. Buchstabenbezeicfa-
nniigen warden daher lange Zeit vorzugsweise als moemo-
1«(-liiiiBche Hilfsmittel verwendet*). Fr. V i e t a gab dann mit
der Einführung von Buchstaben für ZahlengröBen in seiner
Algebra nova *) den AolaB zu weiteren Versuchen. Er unter-
schied eine „logistice (d. h. Bechenkunst) numerosa, qnae per
oomeros" und eine „logistice speciosa, quae per ftpecies seu
nmm formas exhibetur, utpote per alphabetica elementa".
Cbor die hierher gehörigen Arbeiten von Wllkios, Dal-
ganio und Leibniz wurde schon oben (S. 112 f.) *') berichtet
■) Keaes Oimnon usw. Bd. 1, Leipzig 17M, S. lOBIf. (§ 173— IM).
') Nudeus loBicae Weisianae, ed. J. Chr. LaDgitu», Gissae 1713. D«r
SiKleoa logicae von Weise selbst ist 1691 erschienen, VbI. S. 113.
') Leonbard Euler (1707 — 1788), Letlrea & une princesse d'AIlemagne
*lc., Paris 1766—72, n. Lettre M H. (ed. IVia 19*8, S. 260 H).
*) Tgl. die EiDwendtmgen gegen die geometrische Symbolik bei Heg^l
(ffissensch. d. Logik, U, 1, 1, WW. Bd. &, S. 57X und dazu Bolzano, Wissen-
schsflslehre, Sulzbach 1837 S. 47* u. 488 sowie Schopenhauer, Die Welt als
Wille und Vorstellung, Leipzig 1811), Griscbschsche Ausg. Bd. 1, S. 81.
0 Vgl. dazu die Kritik Rud. Serdels, Zeitschr. f. Philos. u. pbilos. Krit.
1588s Bd. 94, S. 210.
') Vgl. z. B. Joh. JueIus Winckelmann, Logica memorativa, Halle 1658'.
Sehr Tiel iltor und nicht rein mnenwtechnisch ist die symbolische Bezeich-
nung der 4 UHeilsUassen mit den Buchstaben a, e, i und o ^zw. «v\ die
ach zuerst bei Psellus zu finden scheint. VgL PrantI, Gesch. d. Log. im
AiwKll.. 2. AufL, Bd. 2. S. 27B u. 283. und Bd. 1, S. 663, Anm. Iö6.
*> Ffancieci Vielae in artera analyticem Isagiwe, seorsim «xcussa ab
"^^^ mtitutae inaUiemaUcae analyseos, seu, algebra nova, Turonis 1&91, S. E.
^) Von Glanvil liegen keine bestimmte Formulierungen vor.
lA.OOgIc
230 ^ '^^'' AbcrenzunR und allBemeiiie Gescbichie der Logik.
Die Ergebnisse blieben zun&chst unbedeutend. Ebensowenig «reich-
ten Floucquet (vgl. S. 123) und Lambert i«) (t^. S. 128). Der letzten glaubte
z. B. adjeküTische BeiwOrter nut Koeffizienten vei^eichen zu können. Wert-
voller waten die ToiSchUge von Salomon Maimon (vtf. S. 138) in
seinem Versuch einer neuen hwpk oder Theorie des Denkens (^erlin 179^,
S. 64 fl.; s. auch Verauch über die Transzendentalphilosophie usn., Beriin
1790). Von kantachem Standpunkt verfaßte Ludw. Benedikt Trede
{1781—1819} seine „Vorachläge zu einer notwendigen Spmchlehrei" ^^), zu
denen auch eine eigenartige Zeichenschrift gehörte. Unter dem EinfluB
Hegels steht die Algdwa der Ideen von Joh. Erich v. Berger") (vgl
S. 147). Herbarts loatheraatische Behandlung der Vorstelhmgspsycbologie
stand diesen Bestrebungen zun&chat fem, insofern dabei der Voistellusgs-
inhalt — abgesehen von den einlacbaten F&llen des Gegensatzes — ganz
unberücksichtigt blieb. Erst Drobisch") (vgl. S. lüO) veisuchU auch
den Inhalt der Be^rifie mathematisch zu fassen, indem er die GrABe des
Inhalts ab com A, die GrQBe des Umfangs als amb A bezeichnet« und » B.
comA^=iComA| + 1 setzte (wo A, eine Art zweiter Ordnimg innerhalb A,
bezeichnet). Einen ähnlichen Versuch machte auch B e n e k e (vgl. S. 156).
Bedeatsamer waren die Ajuregrungen, die Hamilton
(vgl. S. 165) in seiner „New anolytic of logfic^ forms'"*)
gab, indem er jedes Urteil als Gleichung anffafite, anch dem
Prädikat des ÜrteiU Qaantitüt zuschrieb C^uantifleation of
") Neues Org., Bd. 2; S. 28 fl-, 109, 140.
'^) Anonym ohne Ortsangabe (Handnitg ?) 1811 erschienen. VgL dazu
Ad. Trendelenbuig, Histor. Beltr. z. Philos., Bd. 3> Bertin 1867, S. 480,
»») Allgem. Gnmdzüge z. Wias., Bd. 1, Altona 1817> S. 375. — Beich-
licbe Verweudung von algebraischen Buchstaben und Zeichen findet man
anch in dem S. 1-^ erwähnten GrundriB Bardilis (z. B. S. 183 u. S86).
") Neue Darstellung det Logik usw., Leipzig 1^6, Log.-math. Anhang,
4. Aufl. 1875, S. 310.
**) Die erste Verüffentlichung soll 1846 (Edinb. Review 7) erfolgt sein
(mir nicht zugänglich). Ein Wiederabdruck findet sich in den Discu^ons on
phihMopby and literature etc., London ISGSt Am leichtesten zugänglich ut.
die ,jiew analytic" in den von Hansel u. Veitch herausgegebenen Lectuies
an metaphysics and logic (Bd. 4, Edinh. London 3. Aufl. 1866, Appendii
Nr. 6, S. 3&1). Die Scbhfi ist übrigens ein Fragment gebUeben. über die
PrioriUtsfrage vgl. Hamiltons ,J.etter to A. de Morgan. Esd., on bis claim to
an indep^ident re-discovenr of a new principie in the theory of syllogism,
London and Edinb. 1847*. Ein Vorgänger Hamiltons in den bezeichneten
Lehren war George Bentham, An ouUine of a. new System of logic,
London 1837. Vgl. aber diese Richtung der enghschen Logik auch L. Uaid,
Die neuere englische Logik, Übers, v. J. Imelmonn, Beriin 1880, namentL
5. 84 ff. ; Th. Spoicer Baynes, An essay on the new analytic of logical forros,
Edinb. 1860, 3. 81; L. Nedich, Wundts PhiloR Stud. 1886, Bd. 9, S. 180;
Jevons, Contemp- Review ISTO Hai, S. 728. Da» Werte von William llomp-
son (Outhnes on the necessary laws of tbought*, London 184^ & Aufl. 1883^
der ebenfalls die Priorit&t der quantification of the piedicate beansnvcbl,
war nur nicht zugänglich (vgl S. 161).
I
2. Kapitel. Allgemeine Geschichte der Logik. 'j;;i
pfcdieate") nnd neben geometrischen Veranschaulichungea
aneb Bnehstabenzeichen in weiterem Umfang verwendete '').
Tliomas Spencer Baynes hat dann diese Gedanken
fiuttiltons in seiner Preisschrift Essay on the new analytic
of kifpea] forma (Edinburgh 1850) ansfüfarlicher dargestellt,
ebeoBO auch Francis Bowen (1811 — 1890) in seinem
Treatise on iogic or the laws of pure thought, Cambridge
C. S. 1864 ÜO. Aufl. 1874) '. ,
An Hamilton knüpft George Boole (1815—1864) an,
der mit seinen beiden Hauptwerken ") — The mathematical
analysis of Iogic, Cambridge-London 1847 imd An investi-
gation of the laws of thought, on wbich are founded the
msäiematical theories of Iogic and probabilities, London
1854 — als der Begründer der neueren algebraischen Lc^ik
angesehen werden kann. Er sieht die Lc«ik gewissermaßen
alB einen Spezialfall der Algebra an, in dem alle Größen nur
den Wert 1 oder den Wert 0 annehmen können. »The ultimate
laws of thought are mathematical in their form." Der Satz
des Widerspruchs, den Boole als das logische Grundprinzip
betrachtet, wird von ihm dnrch die Gleichung ausgedrückt
i=x' oder (1 — x)(x = 0), worin i eiöe Klasse von (Jegen-
standea und z — 1 die nicht in dieser Klasse enthaltenen
(l^mBtände bezeichnet. An Boole schlieBt sich William
Stanley Jevons an in seinen Werken The Substitution
of Bimilars, the trnej prineiple of neasoning, derived from a
modifieation of Aristotle's dictum, London 1869 und The prin-
ciples of scienoe: a treatise on Iogic and scientific method,
London 1874 (7. Aufl. 1900"). Er gibt die komplizierten
") L. c. 3. 279 u. 288.
^*) Eine gute Übersicht Ober seine HaupUehren gibt auch seine kurz»
t The calculua of Iogic im Cambridge and Dublin Mathem. Journ.
18i% VoL 8 (=3 VoL 7 des Cambr. Math. Joutd.), S^ 188. Die drei ersten
HiDptthesen lauten hier: „The business of Iogic is with the relations of
cluKS, and with the modes in which the mind conteroplates thoae relations.
Anlecedenüy to our recognition of the eiistence of prepositjons, there are
!*W3 to which the conception of a class is subiect, — ■ laws whicli are depen-
dul mwn the Constitution of the iatellect, and wbich delemune t!ie character
ud form of Ihe reasoning process. — Thosc laws are capable of malhenm-
<)al ezprewioQ, and they Ihus constitute Ihe baas of an interpretabie
tifeulua."
''} AuBerdem hat Jevons Elemeutary tessons in Iogic: deductire and
"■Aocttre Teriaflt, die London 1870 in erster, 190K in 2S. Autlage ersi^ienen
nod^deutKbe Obersetzung von H. Kleinpeter unter dem TUc\: Leitfaden der
OgIC
232 '- Teil. AberenzunB and allgemeine Gcschiclite der Logik.
mathematischeu Formeln von Boole gröfiteateilf; preis, haU
aber di« BezeicLuungsweiBe und die elemeotAren It^nec^wn
Ilerechnungsniethodeii fest. Auf Gnmd der letzteren hat er
nach eine „logiBche Maechine" konstruiert (Proceed. of the
Roy. Sog. 20. 1. 1870, Bd. 18, S. 166 u. Philos. Traueact. 1870).
ungefähr gleichzeitig mit Boole arbeitete Auffusta«
de Morgan (Formal logic, or the caiculus of iiif«reiice
necessary and probable, London 1847, und Syllabus of a pro-
posed System of logic, Cbioago 1860)* eia algebraisch-logisches
System aus. Etwas später folgten die Arbeiten von Charles
8. Peirce (vgl. S.225); Logical papera, St. Louis 1867*; On
an iinprovement in Boole's Caiculus of logic, Cambr. 1870;*;
On the algebra of logic, Aaner. Jouni. of Math. 1880, Bd- 3,
K. 15—57 u. 1885, Bd. 7, S. 180—202; The regenerated logic,
Monist 1896/97, Bd. 7, S. 19; The logic of- relatives, ebenda
1896, Bd. 7,1 S. 161, und der S. 161 bereite erwähnte John
iTenn (Symbolie logic, London-New York 1881, 2. Anfl. 1894).
In Deutschland wurde die mathematische Logik von
Frege, Schroeder und Wundt eingeführt. GottlobFrege
(vgl. S. 169 n. 182) erfand eine besondere Begriffsschrift und
wandte diese einerseits auf die Logik, andrerseits auf die
Arithmetik an (Begriffsschrift, eine der arithmetischen nach-
gebildete Formelsprache des reinen Denkens, Halle; 1879;
Fonktion und Begriff, Jena 1891; Grundgesetze der Arith-
metik, begriffsschriftlich abgeleitet, Jena 1893 n. 1903; Die
Grundlagen der Arithmetik, log.-matb. Unters, über den Be-
griff der Zahl, Breslau 1884). Seine Hauptdefinitionen sind
(vgl. z. B. Grundl. d. Ar. S. 67): 1. Einem Begriff kommt die
Zahl 0 zu, wenn allgemein, was auch a sei, der Setz gilt, daB
a nicht unter diesen Begriff falle, und 2. Einem Begriff F
kommt die Zahl 1 zu, wenn nicht allgemein, was auch a sei,
der Satz gilt, daß a nicht unter F falle, und wenn aus den
Sätzen: a fällt unter F und b fällt unter F allgemein folgt,
daß a und b dasselbe sind. In seiner allgemeinen Auffassung
des Logischen nähert sich Frege der^Lehre.Bolzauos. Mehr
Verbreitung und Anerkennung haben die WeAe von Ernst
Bohroeder (1841 — 1902) gefunden, namentlich Der Opera-
tionskrcis des Logikkalkuls, Leipzig 1877; Vorlesungen über
die Algebra der Logik (exakte Logik), Leipzig, 1. Bd. 1890,
Logik, Leipzig 1906, 2. Aufl. 1913. Famer Pure logic, or the logic oi qui^r
uart irom quanütv, Lond. 1864^ 3. Aufl. 1890; Stud. in ded. log. Lond. ISU-
n,g,t,7l.dM,GOOglC
2. Kapitel. Allgemeine Geschichte der LoRik. 233
i Bi 1. Abt. 1891, 2. Abt. (heransgeg. v. Eugen MüUct) 1905,
aBd. 1. Abt 1895 (betitelt Algebra nnd Logik der Eelative);
ibriS der Algebra der Logik, Leipzig-Berlin, bearbeitet von
fingen MüUer, 1909 n. 1910 (bis jetzt 2 Hefte erschienen)»).
Scnreit überhaupt algebraische Formnlienmgen sich zweck-
QäSjg erwiesen haben, werden im Spezialteil dieses Buches
vorzugsweise die Schroederschen verwertet werden. In vielen
Beziehungen anfklärend hat auch der die „Logik der Mathe-
matik" behandelnde Abschnitt in Wu n d t s logischen Haupt-
werk gewirkt (Logik, Stuttgart 1880, Bd. 2, S. 217ff. u. 339ff.,
epätere Auflagen s. ohen S. 208). Wundt spricht in Anleh-
Dnng an Delboenf (vgl. unten S. 234) von einem „Algorith-
mas" der Logik ").
Noch engere Beziehungen zwischen der Logik und
Mathematik ergaben sich durch die Begründung der sog.
■Mengen-" oder „M annigfaltigkeitslehr e". Schon
E. Dedekind'") hatte von einer „einfachsten Wissenschaft,
Dämlicb demjeaigen Teil der Logik, welcher die Lehre von
den Zahlen behandelt", gesprochen und den Zahlbegriff für
»einen nnmittelbaren Ausflnß der reinen Denkgesetz«" er-
klärt. Die von GeorgiCantor") (gest. 1918) begründete
Mengenlehre faßte den Begriff der „Menge" so allgemein,
daß er in der Tat den rein mathematischen Charakter ein-
büßte und eine allgemeine logische Bedeutung bekam. In
den anf Grund dieses Mengenbegriffä vorliegenden Unter-
suchungen und Ergebnissen tritt allerdin^ allenthalben doch
wieder der spezielle mathematische Inhalt in den Vorder-
grund"). ■
In Italien fand die mathematische Logik eine selbständige BeartwitiuiE
dnfch Giuseppe Feano (CalcoJo geometrico secondo TAusdehnungB-
lehre di H. Grassmann, Torino 188^ Übers, v. Ad. Schapp, Leipzig 1891 ;
Mmetices prindpia nova methodo esposita, Aue, Taur. 1889, namcntl. S. VI
") Vgl. auch F.. Müller, tlbef die Algebra der Logik und über die hinter-
iass. aljebr. log. Schritten v, E. Schroeder, Internat, philo». Kongr. in Heidcl-
btrg 1909.
"J Übrigens war schon ein Werk ron G. K. Caslillon betitelt: „Sur uu
nouv«! algorithme logique", litfo. de VAc. Boy. Jahrg. 1803, Berlin 1805, S. 141.
") Was sind und was sollen die Zahlen, Braunschweig 1888, 3. Aufl.
1811, Vorrede.
") Grandlagen einer allgenieincD Hannitrlalligkcilslcltre, Leipzig 1883^
**) AnslQhrlichfl Erörterungen über dieses „Verhältnis der Logik mr
KcDgenldir«'' findet man in meiner gleichnamigen Schrift, Berlin 1917. Da-
*6lb»l auch weitere Literaturangaben.
.oogic
L Teil. Atwrenzung und &U8«ineiiie GeschichU der Losilc.
bis XVI; 1 priocipii di geom. logicamenle esposti, Torino 1869, nameoU. S. 9:
Notationa de losique math., IntroducUon au formuUire de math^Diatiquea, Turin
tSM; Fonnulaire de mathämatiques, Paris 1895B.*. Bamericenswert ist ferner
der Verauch von Joseph Delboeuf (1681—1806) in seiner Losigue
alsonUiimque, Bnuelles 1877 (vorher Proligomtoes phiJosopiiiques de la
CtomMrie et Solution des Postulats, Li^e IdGO (namentL S. 3 — 8i) und Es»i
de logique scientifique, Prol^om^nes suivis d'une ätude «ir la <iueBUan du
mouvement consid6r6e dans ses rapports avec le principe de contradiction.
Liege 186&, namenU. S. 3—130).
In den letzten 26 Jahren sind dann viele Abhandlungen und Werke
erachienen, von denen nur die wichtigen im folgenden angeführt werden:
L£on Brunöchwicg, Leg £lapes de la Philosophie mathfimatique,
Plans 191% namenU. S. 36» ff. u. 4S7fi., und Hev. de mMaph. et de nur.
mi. Bd. 19, S. 145—176.
Cesare Bufali-Forti, Logica matematica, Hilano 18Mi und Bendi-
conU del circ. matemat. di Palertno 1897, Bd. 11 (unzug&ngUcb).
Louis CoutUTat (1868—1914), Les principea des mathtaiatiques, Paris
1906, Übers, v. Siecel, Leipzig 1906; La logique de Leibniz etc., l'aris
.1901 (vgL S. 109); Manuel de logisUque, Paris 1905; L'alggbre de U
losique, Paris 1906 (Scientia, M&rz); Bev. de mätaph. et de nur. ia9E^
Bd. 6, S. 3öi u. 1906. Bd. 1^ S. 20e u. 316 (vgl. auch S. 168« Aom. 11).
Christine Ladd Franklin, On some characteriatics of symbolic
logic, Aroer. Joum. of Psychology 1889, Bd. 2, & MS; und Studies in
logtc by membera of the J. Hopkins Universitv, Boston 188d (mit Mitchell
u. Peirce).
J. D. Gergonne, £ssai de dialecL rat., Ann. de Math. 1817, Bd. 7,
S. 186 u. 346.
Hermann GxaSmann, Die Wissenschaft der extensiven Gröfie oder
die Ausddumngslehre, eine neue mathemat. Disziplin usw., Leipzig 1844,
2. unverftnd. AufL 1878; Die Ausdehnungslehre voUstandig u. in strenger
Form beartieitet, Berlin 1883; beide Schriften auch in den Ges. math. u.
phys. Werken, berausgeg. von Fr. Engel, Leipzig 1684 u. 1886 (siehe .
namentl Bd.1, Tetll, 8.22 f. Über d. Terh<nis d. Formenlehre z. Logik}.
Robert Graßmann, Die BegriCtslehre od. Logik. Stettin 1672; Logik u.
Fonnenlehre. Stettin 1890 u. 1891; Die Logik, Stettin 1896, 2. AufL 1900*.
David Hartley (1704— fi7), Observalions on man, b. Aufl. Bath-London
1810, Bd. 1, & 847 a 971.
David Hubert, Grundlagen der Geometrie, 4. AuQ., I^eipzig u. Berlin
1913 (namentl. Kap. 2 u. Anhang 7).
P. J. Helwig, Die kombinatorisch-ästheU Funktion u. die Formeln der
symboUscben Logik, Arch. f. sTStem. Philos. 1896, Bd. 4, S. 4S&
Felix Hausdorff, Grundztlge der Hengenl^re, Leipzig 1914.
J. Homans, La logique algorithmiqu^ Rev. nk>-scoL 19Ce, Bd. 9, S. 344
bis 9M (schUeBt sich Hontheim an).
Jos. Uontbeiin, Der logische Algorithmus in seinem Wesen, seiner An-
wendung tmd in seiner philosophischen Bedeutung, Berlin J896.
E. T. Huntington, Sets of indep^ident postiüates for tbe algsbn of
logic, TransacL Amer. Math. Soe. 1004, Bd. av S. 288-309.
W. E. Johnson, Um locical cakulus. Mind 189% N. S. Bd. 1. S. 8,
336 0. 340.
tY^IC
2. Kapitel AllgMnrine Gesdiichte der Lotik. 235
A-B.Iempe, Ün Ute relalion between tfae ktgical theory ol closees and
^ geometiical theory of points, Proceed. LoDd. Math. Soc., Bd. 21,
I8W, S. 1*7—182.
Jnlm.NevilleKeyDes, Sludies and exercises in tbnaal logic etc., Lon-
don im, nuoBDtL Teü i. S. 290«.; a AuA IBM.
hiiusibaig, Neue Grundlagen d«r Logik, Arithmetik und Mengenlehre,
Uipag 1914 (nanienlf. S. 81).
i-lerselt, .(ahresber. d.Deulschen Uath.-Vei«ins 1906^ Bd. 1% S. i02;
mb, Bd. 14, S. 366; 1908, Bd. 17, S. 96; 1911; Bd. 20, S. 86« (Anhänger
Bolianos).
Albino Nagy, Fondamenti del calcolo lofico, Torino 1890; Pnncipi di
lofka esposti secondo le dottrine moderne, Torino- Fire&se-Botoa 1903*.
C J. Levis, Implication and Ihe Algebra of logic, Hind 191% Bd. 21,
S.622.
Ernst llally. Gegen standstheoret. Grundlagen der Logik und Lofiglik,
Leimig 1913.
Huih U c C o tl , Symholic logic and iU appücatioDs, London 1906^ femer
Und 1880, Bd. 6, S. 46, 1897, N. S. Bd. 6, S. 403^ 1900, Bd. ^ S. 7Ei
IWS, Bd. 11, S. 36StltK», Bd. IS^ S. 366 (VennitUungsvereuch zwischen
Boole und Jerons).
mCactarlane, Priociples of tbe algebra of Logic, with examples, Edin-
bntth 1879.
Cmt. Uineo, Lt^ica e matematica, Kiv. di filosof. 1911, Bd. 8^ H^ 1,
&*9-7a
Aleasandro Padoa, Conf£i«nce sur la logique malh^nutique, Bnuelles
1S99; La logiquc d^udive dans sa demiire phase de d^eloppement,
Paris 1B12 (auch Rev. de mMaph. et de mor. 1911, Bd. 19, S. 928, u. 1912,
Bd. 30, S. 4a
^ Lucaa de PesJoQan, Les Systeme» logiques et 'la logiatique etc.,
Paiia 1909, nunentl S. 127 fT.
Henri Poincar6 (1863 — 1912), Sur les principes de gtemHrie, Rev. de
mitaphys. et de mor. 1896, Bd. 6, S. 1; Les math^matiquet et ta loBique,
I ebenda ISOEi, Bd. 13, & 816; Science et m^thode, Paria 1909.
fUton Poretsky, Sept loia londamentales de la thtorie des tfalites
logiques, Eazan 1699 (ipAtere Ergänzungen 1903 u. 190t, mir nicht zu-
ADglicb), und Her. de metaph. et de mor. 1900^ Bd. 8, S. 168.
Btitritnd A. W. Russell (leb. 1S73\ The principles of mathematics,
Bd. 1, Cambndge 190B (Kap. 2, S. 10 S. Syndxilic logic); An essay on the
fmmdations oE geometry, Cambridge 1807; Mind 1886, N. S., Bd. 6, S. 1;
Key. de mitaph. et de mor. 1911, Bd. 19, S. 281, u. 1906, Bd. 18, S. 906
(*d. auch S. 169, Anm. H)»»).
*-T.Shearman, The derelopment of symboUc logic, London 1906; The
1B06; The scope ol formal logic, London 1911.
QiflTtnni Vailati (18^—1909), H metodo deduttivo coma strumento
^ ricerca, Torino 1898 (auch Rev. de m^Upb. et de mor. 1886, Bd. 6,
8. 687—70% und Riv. di matem. l891i, Bd. 1. S. 100 u. ig? (Scritü,
^Pug-Fiiense S. 1).
") Mit Whitefaead bat R. verSOentJicht: Piincipia mathemaüca, Cam-
?4t ISlO— 1913. Für die Logik kommt nantentlich die Einleitung und
"" 1 Maihematical logic Od. 1, a 89-34Sf) in Betracht.
tY^IC
236 '■ ^'''' Abgrenzuns and allgemeine Geachkhte d«r Losik.
Andr»a.s Voigt, Die Auflösung von UrteilssTstemen usw., I.eipzig ISSO
(schließt sich meistens Schroeder an), i
Alf. NojTth Vhitehead, A treatise an imivereal algebra, Cambridge
18S8 (vgl. S. 16», Anm. 11 u. S. 236, Anm. 2B}.
Max Winter, Ia mithode dans la philoaophie des mathämaliciues, Paris
- 1911 (B. auch Rev. de m§taph. et de mor. 1906^ Bd. 13, S. 5B9— 619).
Am wichtigsten unler diesen Arbeiten sind die WIerite von Couturat, na
Mally und von Busrell.
Neuerdings scheint sich namentlich im Ausland unter dem EinfluB
Couturats die Bezeichnung .J^gistik" fOr die mathemalische Logik einzu-
bürgern (Tgl. hierzu S. 179, Anm. 1).
Mit der mathematischen Logik darf die Logik der Mathematik
nicht verwechselt werden (vgl. S. SSTT). Die letztere beschSitigt sich mit den
logischen Grundlagen der Mathematik, ist also ein bestimmter Zweig der
weziellen oder angewandten Logik (vgl. § 86). Übrigens fallen viele Arbdtei\
insofern ne die noch vielfach strittigen Beziehungen zwischen Mathematik
und Logik behandeln, sowohl in das Gebiet der mathematischen Logik wie
dasienige der Logik der Mathematik.
§ 55. Die linsraistische (^ammatiselie) ijogik. Difl
großen Fortschritte der Sprachwissenschaften im Lanfe der
letzten 120 Jahre (namentlich seit dem B^anntwerden des
Sanskrit) haben auch Anlaß gegeben, die Beziehnngen des
io£:ischen Denkens zur Sprache eingehend zu untersaeben.
In der Tat haben diese Untersuchungen die Logik in vielen
Hinsichten gefördert. Andrerseits gingen manche Forscher
so weit,'daB sie überhaupt die Logik auf die Sprachwissen-
schaft gründen zu können glaubten. Biese exkluaiv-
linguistische Bichtung hat sich jedocli nirgends halten
können.
Während im Mittelalter der Nominalismus zu einer
sprachwissenschaftlichen Änffassnng der Logik hinneigte
und daher das Verhältnis von Wort und Begriff, Satz ond
Urteil vielfach untersuchte, hatte die Logik der neueren
Philosophie zunächst weniger Interesse für die Beziehungen
zwischen Denken und Sprechen gezeigt. N\a die sensaa-
listiacbe Logik (vgl. z. B. S. 154) hatte erklärlicherweise öfter
das Bestreben, die Denkvorgänge irgendwie auf Sprachvor-
gänge zurückzuführen oder gar mit ihnen zu identifizieren.
Vom Standpunkt Kants und Fichtes versuchte gegen
Ende des 18. Jahrhunderts Aug. Perd. Bernhardi(1770
bis 1820, Vollst, latein. Granunatik, I, Berlin-Leipzig 1795*
Anfangsgründe der Sprachwissenschaft, Berlin 1805, § 4 ff.
u. 92fl.; Sprachlehre. Bd. I, Berlin 1801, namentl. S. 119ff.
u. Bd. II, 1803, S. 189 ff.) Logik und Sprachwissenschaft in
„.,.,„.>..oo^sic
2. Kapitel. Allgemeine Geschichte der Logik. 2U7
fogttt Beziehung: zu bringen, ohne jedoch bei den. Logikern
erfaebliche Beachtong zu finden. Etwa gleichzeitig machte
Joli. Gottf r. Herder (1744^1803) in seiner Metakritik
zur Kritik der reinen Vernunft (Teil 1 ; Verstand und Er-
fahrung, Teil 2: Vernunft und Sprache, Leipzig 1799, Sümtl.
Weite ed. Suphan, Berlin 1881, Bd. 21, z. B. S. 208 f., 251,
367, 317) eindringlich und mit nachhaltigerem Elrfolg aof die
Bedeatung der Sprache für das Denken aufmerksam ').
Id Ensland hatte sich James UaTrie (1700—1780) in seinem Her-
DKSi OT a phüoBOphical iaquirv conceniing language and universal grammar,
ia «hieb the most decidcd dissent is expressed from the fundamental asioms
«1 Lade, London 17öO *) bereits »ehr entschieden gegen die Lockesche Lehre
ran den Wörtern gewandt und aul Verslandestormen (intetligible forms, pat-
Uras, ideas) hingewiesen, die aller sinnlichen Tdtigkeit vorausgehen.
Ohne direkt auf logische Fragen im einzelnen einzu-
gehen, hat dann Wilh. v. Humboldt (1767—1835) durch
seine sprachphilosophischen Werke ') das Interesse für
SprachwisseDschaft bei den Philosophen und speziell bei den
Psychologen und Logikern angeregt und vertieft. An ihn
knüpfte einerseits H. Steiuthal*) (vgl. S. 151) und andrer-
seits KarlTerd. Becker") (1775—1849) an. Auch Hegel
') Vgl. auch Abhandlung Ober den U.rsprung der Sprache, Berlin 177'J,
2. Ann. 1788 (WW. ed. Suphan Bd. 5).
'} Die mir zugangliche 2. Auflage iQhrt den 'Titel liermcs or a phiios.
iwrairy conceming univeraal grammar, London 176& (namentl. S. 381 ff.).
Eine deutsche tUwreetzutig von Chr. G. KweAeck erschien 1768 in Halle
(namenU. Buch 3, S. 243 ff. u. 279 ff.).
*) Uerausge«. und erlAutert von H. Steinihal, Berlin ISS» u. äi. .'Un
nichtigsten ist das Buch (,t}ber die Verschiedenheit des menschlichen Sprach'
'vots und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts
(web von A. Fr. Pott mit wertvoller Einleitung herausgegeben, 2. Aufl. Ber-
^ 1S80). In der Alcademie-Ausgabe der gesammelten Schriften (Berlin
I9UB.) finden sich die hierher gehSrigen Schriften vorzugsweise im 5l bis
'. Band. Tgl. auch Moritz Scheinert, W. v. Humboldts Sprachphilosophie,
Arch. 1, d. ges. Psychol. 1908, Bd. 18, S. lil.
*) Hier kommt auch Steinthals Charakteristik der hauptsächlichsten
Trpen des Sprachbaues^ Bedin 1860, in Betracht, namentlich Abschn. 2,
&ie allgemeinen Prinzipien, S. 76—106. Dies Werk ist die Neubearbeitung
önes älteren, betitelt „Klassifikation der Sprachen, dargeslellt als die Enl-
wickiung der Sprachidee, Berlin 1850. Eine neue Ausgabe verdanken wir
Uisteli (Berlin 1896). Auch Steinthals Geschichte der Sprochwisseüschafb
im den Griechen und Römern mit besonderer Rücksicht auf die Logik,
Berim 1863 (E Aufl. 1890 u. 91) bietet fflr die spreebliche Grundlegung der
Logik reiche Aurfjeule, desgL Philologie, Gesidiichte und Psrrchologie in ihren
nitnseiligen BeziehUi^en, Berlin 1864.
*) Deutsche Sprachlehre, Teil 1: Organinnus der Sprache, Frankf. a. XI.
Ifi^ (2. AuO, 1841), und Teil 2: Deutsche Grammatik, 1829. Vgl. namenlL
„.,,„, ^.oogic
238 1' ''^'' Ateienzuns und allsemeine Geschichte der Loffik.
lind die ältere Hegelsche Schule beschaftigtea sich vielfach
mit Fragen der sprachlichen Logik, wenn auch zunächst vor-
zugsweise in deduktivem Sinne. Die wissenschaftliche Philo-
logie, insbesondere die vergleichende Spraehkunde und inner-
halb der letzteren die vergleichende Grammatik gaben diesen
Forschungen weiterbin eine gesicherte empirische Grundlage.
So haben Jakob Grimm (1785—1863, Über den Urapniiig
der Sprache, 4. Aufl. Berlin 1858 [Abb. d. Egl. Ak. d. Wies.
V. J. 1851]), Franz Bopp (1791—1867, Über das Konju-
gationssystem der Sanskritaprache usw., Frankfurt a. M.
1816°)), August Friedrieh Pott (1802— 1887, Etymolo-
gische Forschungen usw., Lemgo 1833—36, 2. Aufl. 1850 bis
1873, RegUter 1876), Christian Friedrich Diez (1794
bis 1876, Grammatik der romanischen Sprachen, Bonn 1836
bis 1844 und öfter), Rudolf Georg Herrn. We&tphal
(1826—1892, Philosoph. - histor. Grammatik der deutschen
Sprache, Jena 1869, o. Vergleich. Grammatik d. indogerman.
Sprachen, Bd. 1, Jena 1873, namentl. Anbang S. 56), nnd
viele andere auch für die Logik zahlreiche wichtige Tat-
sachen festgestellt.
In neuerer Zeit haben sich mit den Beziehungen
zwischen Denken und Sprechen teils in logischer, teils ia
psychologisch-logischer Richtung namentlich folgende For-
scher beschäftigt:
Theodor Conrad, Sprarchphiios. Untersuch. I, Arcfa-
f. d. ges. Psychol., 1910, Bdl9, S. 395; L.Co«turat, Snr
la stmctore logique du langage, Rev. de metapfa. et de mor.,
1912, Bd. 20, S. 1; Benedetto Croce, Estetica cwne
scienza deU' espressione e Unguistica generale, Palermo 1902,
2.Aufl.l904 (vgl. auch S.200); Berth. Delbrück, Gmnd-
fr^en der Sprachforschung mit Rücksicht auf W. Wundts
Sprachpsychologie erörtert, Strasburg 1901; Ottomar
Dittrich, Grundzüge der Sprachpsychologie, Bd. 1 Ein-
leitung und allgemein - psychologische Grundlegung, Halle
1903, und die Probleme der Sprachpsychologie, Leipzig 1913;
Karl Otto Erdmann,' Die Bedeutung des Wortes, Leipzig
§ lOi Ober dms Verhältnis der Logik zur Sprachlehre (wie Mathematik zw
Hiysik).
*} Bopp bezeichnet ee, wie WiDdischmann in der Einleitung £ IX w
gibt, selbst als aeinen EstschluB, „Aaa Sprachstudium als ein historisches und
philosophisches zu behandeln". Vgl. auch ebenda S. U und beispidsnreise
S. 8 If. (tbra die Bedeutung der Kopula.
2. Kapitel. AllgenKine Geschiebte der Logik. 239
1800, 2. Ä-nfl. 1910;, Benno Erdmann, zablreiche S. 210
bereits angeführte Schriften; Franz Nikolana Finck,
Die KlasBteUtation der Sprachen, Marbni« 1901; Die Aof-
^be nnd Gliedening der Sprachwiasenachaft, Halle 1905;
Fedfirico Qarlanda, I>a flloaofla delle parole, Borna,
1 Aufl. 1900; Lazarus Geiger (1829—1870), Der Ur-
spnmg der Sprache, Stuttgart 1869, und Die menschliche
Sprache nnd Vernunft, Stuttgart Bd. 1 1868, Bd. 2 (ans dem
Nachlaß) 1872, 2. Anfl. 1899; Jac. van Ginneken, Prin-
cipes de lingnistique psychologiqne, Leipzig 1907; Edm.
HuBserl in den S. 184 zitierten Logischen Untersuchungen;
Moritz Lazarus (1824—1903), Geist und Sprache (=
Leben der Seele, Bd. 2), Berlin 1856/57, 3. Anfl. ohne Jahres-
ahl (Vorrede 1884); Br. Liebich, Die Wortfamilien der
lebendMi hochdeutschen Sprache usf., Breslau 1899 (namentl.
S. V n. 3); Anton MartyO (1847—1914), Ursprung der
Sprache, Wünsburg 1875, Über subjektlose Sätze und das
Verhältais der Grammatik zu Logik u. Psychologie, Viertel-
iahrsechr. f. wiss. Philoe., 1884, Bd. 8, S. 56 ff., 1894, Bd. 18,
S.3^ir., nnd 1895, Bd. 19, S. 19, Über Sprachreflex, NativU-
miw usw., ebenda 1884, Bd. 8, a 456, 1886, Bd. 10, S. 69 ff.,
1889, Bd. 13, S. 195, 1890 Bd. 14, S. 55, 1891, Bd. 15, S. 251
nnd 1892, Bd. 16, S. 104, Über das Verhältnis von Grammatik
und Logik, Symbolae Pragcnses 1893, Über die Scheidung
von grammatischem, logischem und psychologischem Subjekt
regp. Prädikat, Areh. f. syst Philo»., 1897, Bd. 3, S. 174; Zur
^irachphilosophie, Die „togischen", „lokalistischen" und
andere KasnsÖieorien, Halle 1910, Über Begriff und Methode
der allgemeinen Grammatik n. Sprachphilosophie, Zeitschr.
r. Psycho!., 1910, Bd. 55, S. 257, Untersuchungen zur Gmnd-
legong der allgemeinen Grammatik und Sprachphllosophie,
Bd. 1, Halle 1908; Marki«, Studien zur exakten Logik und
Grammatik, Bndolfswert 1899* ;Ed. Martinak, Psycholog.
Vntersuehongen znr Bedentnn^lehre, Leipzig 1901 (vgl.
S. 177); Fritz Mauthner, Beiträge zu einer Kritik der
Sprache, Bd. 3, Zur Grammatik und Logik, Stuttgart 1902;
Aug. MessQr, Kritische Untersuchungen über Denken,
Sprechen nnd Sprachunterricht (Sammlung Schiller-Ziehen),
Berlin 1900; ErnstMenmann, Die Entstehung der ersten
') Kürzlich liat auch eine Hcrauacabe seiner Oes&mmelten Schritleo
begonna (Bd. 1, Halle 191«).
„.,.,n.>..OO^^IC
240 '■ 1'^''- Abgrenzuns und alleemein« Gescbicbte der Logik.
Wortbedeutungen beim Kinde, PhUos. Stnd. 1902, Bd. 20.
S. 152 (mit Verzeichnis der Literator über diese Frage);
Priedr. Max Müller (1823—1900), Science of thouglit,
London 1887 (deutach Leipzig 1888) nnd Lectnres on the
Bcience of language, London 1861 — 64, 7. Äofi. 1873, in neuer
Bearbeitung anter dem Titel „Scieuce of luiguage" London
1891 veröffentlicht (Übers, v. Fick u. Wischmann, Bd. 1,
Leipig 1892, namentl. Kap. 1, 2 a. 14, und Bd. 2, 1893, Kap. 2
u. 13); Hermann Paul, Prinzipien der ^rafehgeechicbte,
Halle 1880, 4. Aufl. 1909; Hermann Schwarz, Die ver-
schiedenen Punktionen des Worts, Zeitachr. f. Philo», a.
phüos. Krit. 1908, Bd. 132, S. 152; Cl. o. W. Stern. Die
Kinderspraehe, Leipzig 1907; Adolf Stöhr, Algebra der
(Grammatik, Leipzig-Wien 1898 (s. auch S. 220) ; L u d w. S ü t -
t erlin. Das Wesen der sprachlichen Gebilde, Heidelbei^
1902, namentl. S. 144 ff. (Kritik der Wnndtschen Sprach-
psychologie), und Die deutsche Sprache der Gegenwart,
Leipzig 1900, 2. Aufl. 1907, narftentl. S. Ifl., 86 ff., 282 ff.,
3. Aufl. 1910; Ferd. Tönnies, Philosophical terminology,
Mind 1899, N. S., Bd. 8, S. 289 und 1900, Bd. 9, S. 46 (für
die allgemeine Bedeutungs- und Zeichenlehre wichtig);
K. Voöler, Positivismus in der Sprachwissenschaft, Hei-
delberg 1904; William Dwight Whitney, lianguagc
and its study etc., seven lectures London 1876 (namentl. Vor-
lee. 1 — 3), Oriental and linguistio stndies, First Series, The
Weda, the Avesta, the science of language, New York 1874,
Langnage and the study of language, twelve leotures on the
principies of linguistic, London 1867, 3. Aufl. 1876 (enthält
aufier dem oben an erster Stelle genannten Werk noch fünf
weitere Vorlesungen, von J. JoUy übersetzt iind nm-
gearbeitet unter dem Titel ,J>ie Sprachwissenschaft", Mün-
chen 1874), femer Leben und Wachstum der Sprache, übers.
V. Leskien, Leipzig 1876; Herm. Wolff (1842—1896),
Logik und Sprachphilosophie, Berlin 1880, 2. Aufl. Leipzig
1883, und Handbuch der Logik, Leipzig 1884; W. Wnndt,
Völkerpsychologie, Bd. 1, Die Sprache, Leipzig 19(X)
(2 Teile)*), vgl. auch S.208, und Sprachgeschichte u. Sprach-
psychologie, Leipzig 1901 (Antwort auf die oben angeführte
Schrift Delbrücks).
*) In der 3. u. 3. Aufl., welche eine n«ue EinleUuiiK des Gesaiotwerfcs
gd«n, bildet du Weik über die Sprache den 1. und 2. Band. . Die 3. Aufl.
ist in 2 Teilen 1911 und 1912 enchicnen.
„.,,„,^.oogic
Erkenntnistheoretische, psycholoj^ische, sprach-
Ucbe and mathematiscbe Grnndleguag der Logik
1. Kapitel
erkenntnistheoretische Grundlegung
I 5S. Die ErkCBBÜitetfaeorie im v^teren Sinae (Qi^o-
wwdafie) and ihre Zerlegangr des GecebeBen. Die Erkennt-
Ibeorie im weiteren Sinne (Phänomenologie Stnmpfs, Gigno-
masologie - meiner Nomenklatnr) nntersnelit, wie bereits
ä 11 korz bemerkt wurde, das Gegebene, ohne irgendwelche
Vdraosaetzungen zi^mnde zn legen (also ohne z. B. schon
eiwa Gegensatz zwischen Subjekt nnd Objekt, Materiellem
imd Pgychisehem nsf. als schon erwiesen anzunehmen).
Atwh der Gegenstand der Logik, das Denken ist ihr bei Be-
P«B ihrer Untersaohungen noch nicht als etwas Gesondertes
gegeben, sondern in der Mannigfaltigkeit des Gegebenen
allenthalben zerstreut nnd mit anderem vermischt enthalten.
Die Gignomenologie hat eben ei*st die Aufgabe, das Gegebene
und seine Verändemngen nach Ähnlichkeiten zu ordnen nnd
tiadarch zu den allgemeinen Klassen nnd G^esetzen des Ge-
gebeuGu zn gelangen. Die Logik hat an den Ergebnissen
dieser gignomenologischen Untersuchung insofern ein
wesentliches Interesse, als die Abgrenzung ihres eigenen
(i^enstaodes, des Denkens, zu diesen Ergebnissen gehören
nmB, wofern dag Denken überhaupt ein besonderer, abgrenz-
barer Gegenstand ist.
Bestände nun bezüglich dieser Ergebnisse allgemeine
übeteinstimmung, so wäre die erkenntnistbeoretieche Grund-
Zi«b«n, Labibach dflt Logik. 16
242 !'■ Teil. Erkenntniolheoretische usw. Grundleguut der Logik.
lejning (in diesem weiteren Sinne) für die Logik rasch er-
ledigt. Bekanntlich sind jedoch diese Ergebnisse fast in
jeder Beziehung strittige* Aller Kampf der philosophischen
Systeme dreht sich in letzter Linie um diese Omndfrage da
ersten Klassifikation und Gesetzlichkeit des Gegebenen. Ja
nicht einmal über die Formulierung der Grundfrage besteht
irgendwelche Einigkeit.
Die Logik — in dem Sinne, wie sie in ^ 1 definiert wurde
und Gegenstand dieses Buchs ist — sieht sich daher vor die
Frage gestellt, ob sie für ihre im allgemeinen sehr viel ge-
sicherteren nnd auch größtenteils allgemeiner Zustimmtmg
sieh erfreuenden Gesetze überhaupt eine erkenntaistbeo-
retische Grundlegung suchen soll und nicht besser das
Denken als aJlgemein bekannten, wenn auch nicht wissen-
schaftlich abgegrenzten Gegenstand innerhalb des Gegebenen
voraussetzt. Ein solcher Verzicht ist jedoch nnzalässig. Jede
Wissenschaft wird auch die Abgrenzung ihres Gegenstandes
irgendwie prüfen müssen, auch wenn die Schwierigkeiten
dieser Abgrenzung zur Zeit noch so groB sind, daß ein ab-
solut sicheres Ergebnis ausgeschlossen ist. Auch der Che-
miker und Physiker verzichtet nicht darauf, die Abgrenzung
des Gegenstandes seiner Wissenschaft — etwa einer hypo-
thetischen Materie — zu erörtern, obwohl diese Abgrenzung
mit ganz analogen Schwierigkeiten verknüpft ist. Die Logik
hat also trotz aller Uneinigkeit der erkenntnistheoretischen
Systeme doch die Pflicht und das Becht, eine erkeuntnie-
thoretische Grundlegung ihres Gegenstandes zu versucbeo
oder wenigstens zar Erörterui^ zu bringen. - Sie wird sich
dabei nur immer klar bleiben müssen, daß jede solche Grund-
legung hypothetisch ist, und daher nicht zugunsten irgend-
einer hypothetischen Grundlegung ihre eigenen gesicherten
Ergebnisse irgendwie umgestalten oder preisgeben dürfen —
eb«i80wenig wie der Chemiker oder Physijrer die von ihm
festgestellten Tatsachen nnd Gesetze zugunsten einer hypo-
thetischen Theorie der Materie vergewaltigt. Mit anderen
Worten: die erkenntnistheoretische .(gignomenologische)
Grundlegung der Logik kann nicht in dem Sinne eine
Grundlegung sein, daß sie die Gesetze der Logik von er-
kenntnistheoretiscfaen Sätzen abhängig macht, sondern nur
in d e m Sinne, daß sie für die Gesetze der Logik erkenntnis-
theoretische Gesichtspunkte aufstellt, welche für die Deu-
tung der logischen Gesetze grundlegend sein können.
„.,,„,^.oogic
1. Knjiitel. ErkenDtnistheo retische GrandleguDS. 243
' Damit ist zugleich gen>, daß die erkenntnistheoretische
Grandlesfimg der Jjogik zweckm&äig so verfährt, daß sie aas
der Geschichte der Philosophie die wichtigsten hisher attf-
Restellten erkeDiitnistheoretiselien Abgrenznngen des Den-
kess ans der Fülle dee Gegebenen kritisch zusatnineiistellt
nnd dann nnter allen Vorbehalten und ohne Bindung einer
beetimmten den Vorzog gibt. Die nachfolgende Übersicht
veraaeht diese Aufgabe zo leisten. Dabei ist die Einteilung
und Beihenfolge so gewählt, wie sie dem hier vorliegenden
Zweck, d. h. eben der Onmdlegang der Logik, am bebten
entepricht ').
§ 57. Die wiehtigsten fär die Logik in Betracht kommen-
den o-kenntnUtheoretlschen Standpunkte, Dem naiven
Denken des nicht-phüoeophierenden Menschen steht die An-
sicht des psyehophyslschen Dnalismos am nächsten. Danach
vird das Gegebene in Psychisches und Materielles (Phy-
sisches) eingeteilt, nnd das Denken, der Gegenstand der Logik,
mit allen seinen Komponpnten, Variationen und Ergebnissen
als eine besondere Art des Psychischen aufgefaßt. Die Be-
Qehong zwischen dem Psychischen — einschließlich des
l)enkens — nnd dem Materiellen kann dabei noch in ver-
schiedener Weise aufgefaßt werden, so daß sich mehrere
Hanptvarianten des psychophysischen Dualismus ergeben.
So behanptet der peyehophysische Kausalismus eine Wechsel-
wirkung zwischen den beiden Beihen, der psyehophysische
Parallelismus eine wechselseitige Zuordnung derselben.
Beide stimmen darin überein, daß sie das Psychische und
das Materielle als koordiniert betrachten. DemigegMiüber
Suchen der Materiallsmos und der Spiritualismus, obwohl sie
gleichfalls von der Einteilung dfs Gegebenen in Psychisches
und Materielles ausgehen, nachträglich wieder eine Einheit
herzustellen, indem sie eine Subordination der einen Keihe
nnter die andere behaupten. Der Materialismus subordiniert
(De psychische Keihe der materiellen, indem er erstere als
^geoschaft, Wirkung usf. der letzteren deutet. Der Spiri-
tnalismus subordiniert nmgekefart die materielle Reihe der
psychischen. Femer gehören hierher der Tdentismus (Identi-
') Bne den Zwecken An Erfcennlnislheone selbst eD(spr«cheiide Klassi-
Bkation findet nun in meiner Abhandlung „Zum gesenwärtigen Stand der
Etkenntniatheorie", Wiesb«den 1914.
16«
„.,.,„,>..oo^sic
244 !'■ '''^i'- Eii^iBlnisUmreUgchc usv. GnindlectUS der L<wik.
iätohypothese) und der Unitarisiaus. Beide geben gewöhn-
Hek von irg^ideiiier Fona des psychophysiseheo FaraUelis-
mas aus und sind trotz ihres NanwraE dem peycliepfaysäsohen
Dogilisiaus zuzuieehnen, da sie den G^ie^sats zwischen
I^yohisohfflB und MaterjeUeio alcaeptieren und erst nach-
träglich scheinbar beseitigen : der Identismus, indem er das
P«y«hische als die inaere, das Materielle als die äuSere Seite
«in«« und deaselben Praeesses bezeiobaet (Speaeer, Fecbner,
Ehbinghaus), der TTnltarismus, indem er das Psychische «od
äaß Materielle in eioer rein V^Trifflich konstruierten Kiakeit
verbindet, z. B. wie Spinoza als Attnbute der einen &ib-
stanz (Dens sive mundus) aoffafit.
Weitere Varianten ergeben «ich daraus, daß die Be-
ziehung der beiden Reihen — sie mag Wechselwirkung oder
Paralleiismus usf. sein — bald für beide Beiheu in ihrer
giftnzen Ausdehnung behauptet wird, bald für die eine «der
die andere Reihe beachränkt wird. So kann z. R die Wechsel-
wirkung zwischen beiden Reihen bezüglich der materiellen
Reihe auf die Gro^imrinde oder bezüglich der psychischen
Reihe auf die Empfindungen (also mit Ausschluß gerade der
Denkvorgänge) beschränkt werden usf.
Auch begnügt sich der psychophysische Dualismus, so-
bald er als philoeophischea System auftritt, in der Regel
nicht damit, wie der niÜTe Mensch den Gegeitsatz zwischen
den beiden Reihen als gegeben ohne weitere Untersuchung
hinsunehmen, sondern er versucht, diesen Gegensatz irgend-
wie durch Angabe bestimmter Unterscheidungsmerkmale
zu fixieren. So wird z. B. das Psychische als das Unrämn-
liche dem Materiellen als dem Räumlicben gegenübergestellt
(Bain) oder einer besonderen „inneren Wahmdtunung" za-
gewiesen oder durch eine „intentionale Beziehung", d. h.
die „Beziehung auf einen Inhalt", die ,3ichtung auf «in
Objekt" charakterisiert (Brentano'). Aber selbst bei diesen
wissenschaftlichen Weiterbildungen wird der psychophy-
sische Dualismus nicht überwunden, insofern der Gegen-
satz zwischen Psychischem und Materiellem festgehalten und
auch ein Drittes neben beiden nicht anerkannt wird.
Vom psychophysischen Dualismus unterscheidet sich der
Egotismns, die zweite Hauptform der erkenntnistheoretischeii
') Vgl. hierzu Th. Ziehen, Die GrundUsen der Psycboloei^ Leipwe-
Berlin 191&, Buch 1, S. 69 ff.
1. Kapitel. ErfcenntnisÜieioretigche GnindleguPf ■ __245
ZerieftmfeD des Ge^benen, dadarcfa, daQ er den OegcQsatz
nilchen leh aiid Nicht-Ich rogtunde legt. Der Gegensatz
itiokea Materiellem nnd Fisrehischem wird von den V/go-
tisten biüd ffanst beseitigt, hald zwar feetgehaltes, aber als
sekHnilär hii^eetellt "). An Stelle deß Qfigensatzee zwiacheu
Ich und Nicht-Ich wird raweilen auch der OegenaatB zwischen
Subjekt und Objekt angesetzt. Das Ich (bzw. Subjekt) wird
TOD dem Egotismns bald entsprechend einer großen ^hl
inJiTidaeller Ichs als vielfach angenommen, bald wird ein
überindividnelles allgemeines („nniversclles" oder „abBO-
iates") Ich d^ indLvidaelleA Ich« irgendwie übergeordÄet
(Pichte nnd viele andere). Wie der psychophysische Doftlis-
B1U8 oft nachträglich doch eine Einheit hensofltellen ver-
radtt, hat au^ der egotistische Daaliamas nicht selten eine
DtoaistiBche Tendenti, indem er z. B. das Nicht-Ich aus dem
lefa hervorgehen läBt (Fichte), unverkennbar neigt ferner
der EgotismaB dazn, das Ich bzw. die Ichs dem Psychischen
wbet zn stellen als dem Materiellen. Stillschweigend akzep-
tiert er dann also nebenher au^ das Prinzip der ersten
Hanptamicht. Dementsprechend wird daher das Ich oft noch
i^endwie naher psychologisch charakterisiert, z. 6. als Be-
vitUsein, SelbstbewttBteein, Apperzeption, Einheitsfunktion
des Denkens, Willenstätigheit nef., oder anch ganz allgemein
als »Seele". Das Denken ist für die egotistische Lehre in
der Regel eine Funktion des Ichs, die im einzelnen von den
Terschiedenen Egotisten sehr verschieden anfgefaBt wird.
Eine dritte Hanptansicht stellt der sog. Idealisnns
dar. Da der Terminus jJdealiBmns" in der mannigfaltigsten
und znm Teil auch in widersprechender WeiBe definiert nnd
venrendet worden ist, sei voraaabemerkt, daß er hier im
ftfine des Pampsyehismus (Psychomonismus) gebraucht
'nrden soll *). Charakteristisch ist hiernach also für den
') Ebenso wie tuusekehrt die anderen Haupbuisichlen nicht selten
Hkund&r egoistische Annahmen hinzufügen (s. unten).
*) Etwa entsprechend der DcSnitlon von Chr. Wtolt (PsycholoBia empir.
l'ttt S. 26, 9 36): ,4deatistae dicuOlur, mii nonnisi idealem corporum in
Uimabus noslris eiistentiam conceduut adeoquc realem mundi et corporum
uislenliam oesant" — Manche Idealisten haben sich selbst als „naive
Healislen" bezeichnet und snd auch von anderen so bezeichnet wonien.
Verst&ndüch wird diese Bezeicfanung, wenn man in Betracht ziebt^ iAB der
Ui*e Mensch in der Tat dazu neift, im aUsemeinen seine Emplindunfsiidialte
BDI der Wtftlicbkeit zu identifizieren (Jti. z. B. Schuppe. GnindriD d. KA.
«■ Lof. ISH S. 9*>.
1,1^. OQi
,g,c
246 II- '''^'- EAenntnistheoietische usw. Gnmdtegune der Logik.
Idealismus, dafi er alles Materielle überhanpt leo^oet und
alles Wirkliche als psychisch betrachtet. Er macht also nicht
wie der Spiritualismos daa Materielle von dem Psychischwi
ii^endwie abhängig:, sondern bestreitet die Existenz de»
Materiellen. £r bedenkt dabei nicht, daB mit diesem
Streichen des Gogenglieds das Wort „psychisch" seinen In-
halt ganz einbüfit nnd ganz bedentnngslos geworden ist.
Indem der Idealismus mit seiner ansschließlichen An-
erkennung des Psychischen and der Identiflziemng des
Psychischen mit dem Wirklichen streng innerhalb des Oe-
gebenen za bleiben behauptete, verschmolz er in der Ge-
schichte der neueren Philosophie oft mit dem Positivismus
bzv. der Immanenzphilosophie (z. B. bei Mach, vgl. S. 218),
obwohl diese letzteren durch ihr Grundprinzip gar nicht ge-
zwangen sind, das Gegebene als ausechlieBlich psychisch
zu betrachten und sogar sehr wohl den ganzen Gegensatz
„psychisch-materiell" in seinen beiden Gliedern verwerfen
können. Oft schlng er auch eine egotistiscfae Richtung ein')
und ordnete dem Psychischen ein universales Ich oder viele
individuelle Ichs zu, die ihrerseits ntm als rein-psychisch (als
„Seelen") gedacht wurden (Schuppe, S. 218; Berkeley, S. 114).
Zu einer einheitlichen Abgrenzung des Denkens inner-
lialb des Gegebenen ist der Idealismus nicht gelangL Wenn
er sich überhaupt mit dem Problem des Denkens beschäftigt
hat, hat er meistens angenommen, daB das Denken durch
irgendwelche Prozesse, z. B. durch Funktionen eines Ich aoä
den Empfindungen hervorgehe. Das Denken besteht in be-
sonderen ,3e8timmtheiten des Gegebenen", die „im Bewußt-
sein auftreten" (Schuppe). Bald hat dann der Idealismus
darauf verzichtet, zwischen den Empfindungsbestimmtheiteo
und den Denkhestimmtheiten eine weitere Beziehung (ab-
gesehen von der Abhängigkeit der letzteren von den ersteren)
anzunehmen (so z. B. Mach), bald hat er in einer an Plato
erinnernden Art und Weise die Ähhängigheitsbeziehnng um-
gekehrt und die AUgenieinvorstellnngen des Denkens als
„den tragenden Grund und die innere Möglichkeit alles
*) Die DeSDition des Idealismus, welche Kant in den Prolegomena z-
dner jed. kQnft. MeUphys. usw. (§ 13, Anm. 2} gibt, triflt cur auf die ego-
tislische Variaute des Idealismus zu („der Idealismus besteht in der Be-
bauptuDg, daS es keine anderen als denkende Wesen gebe . . ." usw.). lo der
Khtik der reinen Vernunft (Kehifa. Ausg. S. 31% vgl. auch S. SOS) feUl diese
bestimmte ctiolistische Modifikation der Defioition. Siehe auch unten S. 3*7.
OgIC
1. ^pilel. Erkenntnistbeoretische Gnmdlecuiw. 247
^petjflschea" and damit also vor allem d«r gegebenen
Bmi^dangen betrachtet (Schnppe^).
Als V i e r t e Hanptansicht sei der PbKiiomnialfBmiis an-
geführt. Dieser nimmt in seiner nrsprüngUchen Form an,
dafi den Erscheinongen („Phänomenen") nnerkennbare, weder
materieUe noch psychische ,J)inge an sich" irgendwie zu-
gruade liegen *). Er zerlegt das Gegebene, d. h. die Erschei-
DDiigen, in solche Dinge an sich nnd apriorische Anschaunngs-
fwmen (Kanm, Zeit). Letztere können anch als „formale
Bedingnngen" betrachtet werden. Kant, der erste Vertreter
dieger Lehre, hat sie anch als „transzendentalen (oder
k;ntisehen) Idealismus" bezeichnet '). Nach der oben
(& 245) feetgestellten Definition ist die Bezeichnnug „I d e a -
liBmns" nnzatreffend '), insofern der PhänomenaliBt die
JSxistenz von Dingen an sieh behauptet nnd diesen Dingen
ui eich keinen {»ychiscben Charakter zuschreibt, sondern
sie för ganz unerkennbar erklärt. Trotzdem hat sie einen
Sewisaen Sinn, insofern die Erscheinungen selbst (also das
begebene) nach der Iiehre des Phänomenalismus „bloße Vor-
gtellimgen" sind. „Transzendental" nennt Kant seine
I«iue, weil sie sich mit der Möglichkeit einer apriorischen
G^enntnis von Gegenständen beschäftigt*); diese Möglicb-
^ soll sich nach Kant eben daraus ergeben, daß die Er-
scheinungen uns in den erwähnten Anechaunngsformen ge-
Reben sind.
Der Gegensatz zwischen „psychisch" nnd „materiell" ist
bei dem Phänomenalismus sonach nicht vollständig beseitigt.
Das Ding an sich ist allerdings, da es völlig unerkennbar
Bein soU, weder materiell noch psychisch, aber die Erschei-
>) Tgl. EHceniitnistheorel. Logik, Bonn 1878, S. 182. In seiueD spüteren
Schriften drOckt sich Schuppe veniser beBUmmt aus.
*) Kant eikliit in der Krit. d. rein. Vem. Eehrb. Auss. S. 330 ausdrück-
^: „Das transzendentale Objekt, welches den äußeren Erschei-
oonsea, inwleicfaen das, was der inneren Anschauung zum Grunde liegt, ist
weder Materie, noch ein denkend Wesen an sich selbst, sondern ein uns un-
bekannter Grund der Erscheinungen, die den empirischen BcgriFf von der
ersten sowohl als zweiten Axt an die Hand geben."
'} Kril. d. lein. Vern., Eehrb. Ausg. S. 313, und Riehl, Der pbilos. Krili-
^iamos, 2. Aufl. Leipzig 1908, Bd. 1, S. 408. Vgl. auch oben S. 246, ALm. 4.
*) ZweckmäBiger ist daher, wenn man die Bezeichnung „Phänomenalis-
nauT noch näher bestimmen will, die Bezeichnung „Transzendentnlismus",
die neuerdings vieliach gebraucht wird.
■) Zum Beispiel L c. S. U.
rmn-n-.;GoOg\c
248 *1- '^^^^- Erkenotnistheoretische usw. OnindlesunB der Lo^ik.
nuDgen werden allenthalben ausdrücklich ale psychisch anf-
ffefaBt und daher als Voratellongen usf. bezeichnet. Die
Anschaunugsformen seihet bekommen dadurch ebenfalls
einen psychischen Charakter, insofern sie es sind, welldie
den Erscheinungen ihren psychischen Charakter geben.
Auch der Phänomenalismus verbindet sich oft mit einem
e.iwan modifizierten Egotismus, insofern er die Vorstellnngs-
formen ausdrücklich als subjektiv bezeichnet und einem loh
od«r Subjekt zuschreibt. In diesem Ich selbst wird bald
ebenfalls ein „erscheinendes" Ich und ein zugrunde übendes
,Jch als Bing an sich" unterschieden, bald wird es schlechthin
zu den Dingen an sich gezählt. Nicht selten liat sich auch
liier eine Tendenz geltend gemacht, au Stelle des indivi-
duell^i Ichs ein universales Ich zu setzen. Dabei kann
iwiederom — oft in direktem Widerspruch mit der dem- Ich
nls Ding an sich zukommenden Unerkennbarkeit — versacht
werden, das Ich irgendwie näher zu charakterisieren. Hier-
her gehört z. B. auch Kants transzendentale Einheit der
Apperzeption.
Die Stellung des Denkens ist für den Phänomenalisten
durch sein Grandprinzip noch nicht eindeutig festgelegt.
Meist niimnt er im Anechluß an Kante Darstellung in der
1. Auflage der Kritik der reinen Vernunft an, daß ein besfHi-
deres Seelenvermögen (Kants „Verstand") oder wenigBtras
eine besondere seelische Tätigkeit die gegebenen Empfin-
dungen verarbeitet, und daß auch diese Verstandestätigkeit
an apriorische formale Bedingungen gebunden ist. Diese
formalen Bedingungen sind die reinen Verstandesbegriife
oder Kategorien (vgl. ^ 33). Durch dieselben gelangt das
Denken zunächst zu „Begriffen von (^genständen". Daran
schließen sich dann weiter Urteile usf.
Der Phänomenalist kann jedoch anch von einer scdchmi
'Hineinziebnng von seelischen Tätigkeiten oder gar Seelen-
.vermdgen absehen und die Denk formen als von den
psychischen Prozessen ganz unabhängig betrachten. Kant
hat namentlich in der zweiten Auflage der Kritik der reinen
iVernimft sich dieser Auffassung sehr genähert. Damit führt
'diese Variante des Phänomenali Bmus offenbar neben den
Dingen an sich und den Anschauungsformen eine dritte
[Wirklichkeit ein, und während sie die Anschauungsformen
Iisychologiech auffaßt (siebe oben), beansprucht sie für die
Denkformen einen durchaus nicht-psychischen Charakter.
1A..OO1
,^^IC
1. K^rild. Krkeimtnistheoreliache GnindJesun«. 249
Tüteer nicht-psychiscbe Charakter wird oft geradezu als
^Ka^h /.logischer" beseichoet. Die ursprüng'liche Ser-
iffag dee PhJbioni«ialiämtis wird damit preisgegeben oder
mügstens erheblich modifiziert and das Prinzip des alsbald
tu beq>rechenden LogizismiiB neben das phänomenal istisdle
Prinzip gesetzt.
An den Phänomenalismas schließen sich zahlretche
^steine an, welche die ünteischeidmig der Erscheinungen
nndder Dii^re an sich im Sinne des F^änomenalismus akzep-
tierto, aber die ünerkennbarkeit des Dings an sich bestreiten.
Begteiflieherweise müssen diese inkonsequenten phänome-
nalistiechen Systeme dann schließlich doch die Dinge an
sich mit irgendeiner ans der Welt der Erscheinungen ent-
nommenen Wirklichkeit identifizieren und zu diesem Zweck
Doch irgendeine andere prinzipielle Zerlegung der Ersch«!-
nnngBwelt heranziehen. So wird dann z. B. das Ding an sich
bald mit dem Materiellen, bald mit dem Psychischen oder
einem Teil des Psychischen irgendwie identifiziert, also der
peychophysische Dualismus der ersten Hauptansicht zu Hilfe
genommen. Ein sehr klares Beispiel liefert die Identifikation
«fc« Dings an sich mit dem Willen bei Schopenbaner. Oder
der Egotianus muß aushelfen, und es wird wenigstens für
das Ich die Erkennbarkeit des Dings an sich bzw. das Zo-
Buumenfallen von Erscheinung und. Ding' an sich im Ich be-
hauptet oder sof^r ein Unirersal-Ich als das universelle Ding
an sieb betrachtet. Für die Logik besonders interessant ist
diejenige Variante der in Bede stehenden Ansichti welclie
)>ebanptet, daß die Begriffe, insbesondere die ÄUgemein-
begriffe mit dem gesachten Ding an sich identisch sind, oder
auch eine absolnte Vemonft als Träger solcher Begriffe dem
Ding an sieh substitui^.
Von allen diesen Ansichten weicht — - unbeschadet mao-
<^r Übergänge and Kombinationen — eine fünfte An-
^ht, welche früher bereits als Logizlsmns bezeichnet wurde
^gl ^45, S. 173 f.), insofern ab, als sie eine besondere Wirk-
lichkeit oder ein besonderes Sein für das Logische annimmt,
ttebei ttehält der Logizismus bezüglich der Auffassung nnd
Zerlegung des nicht-logischen Ghigebenen freie Hand. Er
twin das Nicht-Logische in Materielles und Psychisches zer-
legen und sich so mit dem psychophysiscben Dualismus ver-
binden; oder er kuin mit dem Egotismus verschmelzen, in-
dem er ein universales Ich oder individuelle Ichs annimmt.
1,1^. OQi
-c^lC
250 ^- f^''- EikenntnisUieoretische usw. GrandlegutiB der Loaik.
für welche das Li^nsche Oegenstand einer besonderen In-
toition ist; oder er betrachtet alles Nicbt-Lc^ische uls
psychisch und nähert sich damit dem Idealismos in dem
S. 245 definierten Sinne; oder endlich verknüpft er eich in
dieser oder jener Weise mit dem Phänomenali^niis (vgl.
S. 247), indem er nebenher die Annahme von Dingen an sich
akzeptiert.
Als sechste und letzte Hauptansicht sei bei dieser
sommarischen Darstellung der von mir vertretene Biatmis-
niiis angeführt*"). Dieser bestreitet, daß die Gegenüber-
stellung „psychisch-materiell" erkeuntnistheoretisch gerecht-
fertigt ist, und verwirft damit den psychophysischen Dualiti-
mns und den Idealismus. Ebenso leugnet er im Gegensatz
zum Egotismus, dafi ein universalem Ich oder individuelle
Ichs als besondere (spezifische) Wirkliclikeiten irgendwie
existieren, und versneht vielmehr naehzaweiBen, daß das-
jenige, was der naive Mensch und was andere Systeme als
Ich bezeichnen, nor in charaktenstisehen, sehr häufigen
Komplexen bestimmter Delationen besteht, die wir aus dem
Gegebenen abstrahieren. Gegen den Phänomenalismus be-
hauptet er, daß die Zerlegung des Gegebenen in unerkenn-
bare Dinge an sich einerseits und apriorieche Anschanutigä-
und Denkformeu andrerseits nicht zulässig ist (£1, ^ 49; m,
S. 71), daß sich vielmehr ans der Analyse des Gegebenen (der
„6 i g n o m e n e") nur zwei Hauptarten gesetzlicher
Beziehungen im Gegebenen (daher die BezeichiiuDg
,3 i n o m i s m u s") ergeben. Die Gignomene zeigen das Pro-
dukt dieser gesetzliehen Beziehungen; dasjenige in den Oi(C-
nomenen, was in diesen gesetzlichen Beziehungen zueioander
steht, ist von mir als Eeduktionsbestandteil (abge-
kürzt Be du kt oderB) bezeichnet worden. Die beiden Haupt-
arten gesetzlicher Beziehungen sind die Kausal- und dip
Parallelgesetze. Die Kausalgesetze fallen mit den sog-
Naturgesetzen zusammen ; die ihnen entsprechenden Verän-
derungen erfolgen auf bestimmten Wegen und mit einer
bestimmten Geschwindigkeit. Die Parallelgesetze be-
") Erste llarsteUuDg in Psvchophysiol. Ericenntnistbeorie, Jena W98,
2. Aufl. 1907 (1), ausFührlicti in Erkenntnistheorie auf psvchophysiol ogischer
u. physikalischer Grundlage, Jena 1913 (11). Vgl auch Zum gegenwärtigen
Stand der Erkenntnistheorie, Wiesbaden 191i (III) und Die Grundlaten ä^'
Psychologie, Leipzig-Berlin 19ia, speziell Teil 1 (IV). Im Text zitiere icb
nach den in Klammem gesetzten römischen Zifleni.
OglC
1. Kapitel Eri^enntnisUieoretiache Grondleguns. 251
ziehen sich im einfachsten Fall z. B. anf die Zaordnnng einer
bcstisunten Sionesqnalität zu einer bestimmten Himriaden-
enegung, die ihrerseite wieder von einem bestimmten, z. B.
ofAischeu Reiz abhänjrt (Gesetz der speziflachen Sinneeener-
gien); für die ihnen entsprechenden Verändemngen ist
veder Weg noclt Geschwindigkeit nachzuweisen, sie erfolgen
„veflos mid instantan" (11, ^ 53).
Dnrch das Hinzutreten solcher „Parallelwirkungen"
(Böckwirkongen, Beflesionen) werden die Bedoktionsbestäad-
teile in die Gignomene des individnellen Erlebnisses ver-
v&odelt. Die Gignomene können daher in diesem Sinn in
Bednktionsbestandteile nnd „Parallelkompouenten" zerlegt
werden. Kaosalwirkungen laufen zwischen allen Beduk-
lioDsbestandteilen ab. ^arallelwirkungen gehen, soweit
vir nachweisen können, nur von bestimmten Beduk-
tioQsbeetandteilen aus, die zu dem sog. Gehirn, insbesondere
der Hirnrinde, gehören (U, § 12 ff.; IV, ^ 5).
Unter die Parallelgesetze fällt nun nicht nur das Emp-
finden, sondern anch das gesamte Denken (Vorstellungs-
bildong, Urteilen usf.). Anch bei diesem ^') handelt es sich
um Säckwirkungen von Kindenelementen (genaner von
Bednktionebestandteilen solcher Rindenelemente, Tgl. H,
i S7ff.). Wie die Beduktionebestandteile in denjenigen
Qignopienen, die wir als Empflndimgen oder Sinneswahr-
Dehmimgen bezeichnen, enthalten sind („inezistieren"), so
und sie anch noch in den Vorstellungen usw. enthalten. Anch
nnsere Vorstellungen schweben nicht gewissermaßen frei in
<ler Loft, sondern sind das Produkt der Bednktionsbestand-
teile nnd besonderer Parallelkomponeuten, die ich auch als
v-Komponenten bezeichne (IV, W; H, § 71 u. 78 ff). Mit
dieser Inexistenz der Beduktionsbestandteile sowohl in den
^pfindungen wie in den Vorstellungen hängt die eigentüm-
liche Eückbeziehang (Badikalbeziehnng) der Vorstel-
lungen auf die ^Empfindungen, aus denen sie hervorgegangen
sind, zusammen. Hierin liegt anch dasjenige, was an Bren-
") Hierio liegt die von Kanl ansedeutete „vielleicht" vorhandene „ee-
tMiuchailliche, aber uns unhekaünte Wurzel" von „Sinnlichkeit und Ver-
»4od" (Kr. d. reia. Vem., Kehrb. Aus«. S. 47) odei" vidmehi ihr gemeinsamer
Qniiiter: der Rückwirkunes- oder Parallelchaf akter. Die gemeinsame Grün d-
^e Inlden die Reduktionsbestandteile.
OgIC
252 II- T^il- Eitenntnistheorctiache usw. GrundlecunK der I^eik.
tanos Lßhre (vgl. S. 176) von der Intentionalitat des Psychi-
schen richtig ist").
Die Prozesse, durch welche ans Empfindungen VorsM-
Inngen (im weitesten Sinite) hervorgehen, also alle uns be-
kannten Denfcprozesse und damit auch fdle v-Kompooeaiien,
lassen sich auf drei Orandproaeese zurückführen: Znsam-
mensetznng (Synthese, Komplezion), Zerlegung
(Analyse) und Vergleichung(Komparation). Für
diese drei Grundprozesse brauche ich auch den Terminus
„Dif ferenzierungsf unktionen", insofern sie uns zu
der Differenzierung des Gegebenen in unserem Denken ver-
helfen.
Vom Standpunkt des Binomismus ist jede Empfindung K
bzw. jede Vorstellung V, insoweit sie von den DifferCnzie-
rnngsfunktionen zu einer neuen Vorstellung V verarbeitet
wird, der „Gegenstand" ") (und zwar der inexist^te) der
letzteren. Damit lehnt der Binomismus also durchaus die
l<^izistisehe Annahme ab, daß die „(^gcnstände" eine dritte
Welt der „Vorstellungen an sieh", „Wesen" od. dgl. bilden.
die in besonderer Weise bestehen und erschant werden soll.
Außer den Vorstellungen tm Sinn individueller psychischer
Erlebnisse von bestinuntem Inhalt und den ihnen zugrunde
liegenden weiteren Vorstellungen, Empfindungen und Be-
duktionsbestandteilen ist uns nichts gegeben und darf auch
nichts angenommen werden (XII, S. 40 (f. ; IV, ^ 10).
Während jedes einzelne Gignomen in Beduktions-
bestandteil und Paralielkomponente zerlegt werden kann,
kann die Gesamtheit der Gignomene eingeteilt werden
in Empf indungsgignomene und VorstelluDgs-
gignomene oder kürzer in Empfindungen und Vor-
stellungen. Der Unterschied zwischen beiden wird in»
einzelnen von der Psychologie untersucht und festgestellt-
Für die Erkenntnistheorie genügt es, ihn kurz durch dm
Hinweis auf das alltägliche Leben und einen bestimmten
Terminus zu fixieren. Zu letzterem Behuf sprechen wir von
der „sinnlichen Lebhaftigkeit" der Empfindung und sprechen
diese sinnliche Lebhaftigkeit den Vorstellnngn ab. Zugleich
sei ausdrücklich festgestellt, daß unter dem Wort „Vorstel-
lt) BranU.no niromt jedoch diese Intentionalitäi nilschlich zwischen. Vor-
st€lluiifB,^t" und Voratellung9„inhaJt" an.
'') Weiterhin (S. 366) werden wir'VeranlassuDS haben, den BegtUI d«s
GeBenstandes noch etwas anders zu fassen.
1. KapUeL Erkenntnütheoretiscbe GfunffleEunc 258
\vifftigaomeae" bzw. VorsteUimeeD hier vorläufig alle
QJtht Binnlicb-lebhaf ten DenkToiwäoge zasammen-
geCUi irerdeB soUeo.
Auch der Binooiismos simcht also von peychischeu Pro-
HMCB oder Vorgwigen> Damit meint er aber nicht etwa ein
bnonderes psyebisehee Dtwae, sondern das Gegebene, inno-
Iva es mit Besug aa{ eeioe Parallelkomponenten betrachtet
ViiA Die BedukticHisbeBtandteile sind nicht materiell, und
die PuallelkompoBenten sind nicht psychisch; wohl aber
kau man eine „Psychologie" als diejenige Wissenechaft ab-
gmaeo, welche die Giguomene speziell mit Büoksicbt auf
ihre Parallelkompooenten, also das Geltmigsgebiet der
Puallelgesetae untersucht (IV, ^ 8 u. die» Buch S. 11). TTnd
inierhalb der psychischen Prozesse spricht der Binomismus
iuafern von Denkproaessen, als innerhalb des Gegebenen
Qignomene sich finden — nämlich eben die sog. Vorstel-
Imgen, Urteile usw. — , welche durch besondere Parallel-
kili^ionealeii ausgezeichnet sind.
§ 58. Karae Kritik der erkenntnlstheoretisclien B#apt-
iHlehten. Die Logik sieht sich nun vor die Aufgabe ge-
stellt, diese Hauptansichten kritisch zu vergleichen und sich
(ör eine unter ihnen zu entscheiden. Sie hat dabei die er-
kemtnistheoretischen Argumente zu prüfen, welche für und
gegen eine jede angeführt worden sind oder angeführt wer-
den können. An dieser Stelle muß folgende kurze Kritik ge-
Die Gegenüberstellung von „materiell" und „psychisch"
»eiche der ersten Hauptansicht, also dem psychophy-
sisehen Dualism.ns in seinen mannigfaltigen Formen
mmmde liegt, scheitert daran, daß eine klare Definition oder
Charakteristik, oder überhaupt irgendwelche klare Bestim-
iDnng oder Nschweisung weder für das Materielle noch für
•las Psychische gelingt Die scharfsinnigen und doch vergeb-
lieben Bemüht^igen Brentanos '), das Psychische irgendwie
Seg«niiber dem Materiellen zu charakterisieren, zeigen, daü
diese GegenüberBtellnng nicht haltbar ist. S. 177 T\Tirde be-
reits angedeutet, welche Unklarheiten auch bei dem von Bren-
') Psycbol. V. enipir. Slandp., Lpz. 187*, S. 101 If.; Vom llrepr. ailll.
EA, Ua. 188», S. 14; Von d. Klsssifik. d. psych. Phänomene, Lpa. 1811
^UoüfikaUoD d trOberen An»cfa(, xsl. Vomde S. IV).
_.ooglc
254 ''• ^^'- EikeimtnistheDretische \iaw. Gnm<DesuiiK der i^iik.
tano als besonders keanzeichnend för die psychischen Phäno-
mene aufgestellten Merkmal der Intentionalität noch in viel-
facher Bichtung bestehen bleiben. Dazn .kommt, daB bei
dieser Bestimmtmgr des Psychischen das Gegenglied, also das
Physische oder Materielle, nur negativ charakterisiert ist
und mancherlei enthält — z. R die Sinnesqnalitäten — , was
mit gutem Grunde sonst zu dem Psychischem gezählt zn vret-
dea pflegt'). Daher erscheint das Physische auch dnrchauR
nicht einheitlieh, sondern in anklarer Weise ans „äuBeren
Ursachen" der Empfindungen imd „physischen Phänomenen"
zmammengesetzt, so daß dae Problem überhaupt nur teil-
weise erledigt und in einem wesentlichen Teil nuT verschoben
worden ist Noch sehr viel weniger leisten die von anderen
Forschem angegebenen Unterscheidungsmerkmale des Psy-
chischen (ünräumlicbkeit, Aktcharakter, Einheit, Ich-
Beziehung, Zogänglichkeit für innere Wahrnehmung) *).
Bei dieser Sachlage kann der psychophysische Dualis-
mus nicht als ausreichende erkenntnistheoretische Grund-
lage der Logik betrachtet werden. Damit ist natürlich mcht
gesagt, daß die Ausdrücke „materiell" („physisch") und
„I»yohisch" absolut vermieden werden müssen. Bei Unter-
SBchnngen, bei welchen es nicht auf erkenntnistheo-
retische Genauigkeit ankommt, wird man sie in An-
lehnung an den gewöhnlichen Sprachgebrauch nnbedenklicli
verwenden können. Dae Materielle ist dann eben vom
Standpunkt des hier vertretenen Binomismns identisch mit
dem Gegebenen, insowieit es mit Bezog auf seine kausal-
gesetzlichen Beziehungen betrachtet wird, und das Psy-
chische mit demselben Gegebenen, insoweit es mit Bezug
auf seine parallelgesetzlichen Beziehungen betrachtet wird-
Mit der Verwerfung des Gegensatzes „psychlsch-mal«-
riell" ist auch die Ablehnung des Idealismus, der oben
an dritter Stelle angeführten Hauptansieht, entschieden, da
derselbe, wenn er auch schließlich das Materielle leugnet,
doch diesen Gegensatz seinem ganzen System zugrunde legt
Gegen den Egotismus, die zweite Hauptansicbt
unserer Amfzählnng, lassen sich gleichfalls gewichtige Be-
*) Stumpf (vsl. S. 182) hat woU auch im Hinblick auf diese Scbwierie-
keit an Stelle der „phTsiKhen Phinomene'* Brentanos seine „Ergcbeinungen"
gesetzt, also das Altribut „phTsisch" Bestrich^.
») Eine einitehende Kritik aller dieser Unterscheidungsversucbe finde*
man in meinen GTundlagen der Parchologie, Buch 1, % 10.
1. Kapitel. ErkeDntiiitttieoretische GjundlesuDg. 255
denken erheben. Zunächet iBt es trotz jahrhondertelanger
Banölinngen den egotistischen Tbeorien noch nicht gelun-
gen, vtm klar anzugeben, was sie unter einem individnellea
oder niUTersellea Ich (Subjekt, Seele) verstehen.
Die übrigens sebr Terschiedenen Merkmale, welche die
Dinzelnen Egotisten für das von ihnen angenommene spezi-
Asche Ich angegeben haben, versagen sämtlich *), Teils ist
es iveifelhaft, ob überhaupt etwas existiert, das diese Merk-
male (z. B. ünveränderliehkeit, Einfachheit) hat, teils finden
swii diese Merkmale (z. B'. Einheit) auch bei Dingen, die der
Egotist selbst nicht zu dem Ich bzw. zu den Ichs rechnet. Bei
dieser Unklarheit des Ich-Begriffe ist es denn aach nicht zu
vfirwnndem, dafi alle Versuche, das Ich oder die Ichs direkt
oder indirekt nachzuweisen, gescheitert sind.
Die Behauptung, daß uns dasJch direkt und schlechthin
(larch eine spezielle ,Jntaition" oder ein „spezielles Oefühl"
oder ein spezifisches Selbstbewußtsein gegeben sei, kann
nicht akzeptiert werden. Eine solche Intuition od. <^I. ist
niclit nachgewiesen. Viele behaupten bestimmt, eine solche
Ich-intuition (im Sinn des Egotismns) nicht zn besitzen.
SehoD die Tatsache, daß nicht wenige Egotisten ein univer-
Beiles Ich annehmen, für welches eine solche Intuition usw.
floch wohl nicht in Betracht kommt, zeigt, wie strittig sogai
unter den Eigotisten selbst die Berufung auf Intnition n. dgl.
ist. Ebenso wenig ist ein indirekter Nachweis gelungen.
Mangels einer exakten Definition oder wenigstens Charak-
tsriaierung des Ichs k o n n t e er offenbar gar nicht zum Ziele
Seefahrt werden.
Sehr viel schwieriger gestaltet sich die Entscheidung
S^nüber dem Phänomenalismus (Kants „tran-
szendentalem Idealismus", vgl. S. 247). Immerhin
scheiaen mir folgend» Punkte auch gegen den Phänomenalis-
mns (in jeder Form) zu sprechen:
Erstens die absolute Unerkennbarkeit des Dinges
an sich steht mit den eigenen Sätzen des Phänomenalismus
in Widerspruch. Wenn die speziellen („empirischen")
Natncgesetze, wie Eant ausdrücklich hervorhebt (Krit. d.
rein. Vem., 1. Aufl., S. 127, Kehrb. Ausg., S. 135 u. 681),
Dicht aus dem reinen Verstand ihren Ursprung herleiten, also
a dem oben liticrten Weik g 12
OgIC
256 1- '^'^^^ I^riienntnlsUieoretuche ubw. Gnmdlecung der Logik.
nicht a priori sind, so mässen sie irgeodwie von den Dingen
an sich abltängen. Folglich geben sie uns über die letateren
anclt einen wenn anch noch so indirekten und verschleierten
Aof Schluß. Sie mnssen ein Äquivalentbild der Dinge
an sich sein. Ee ist Bchleehterdinge nicht einzusehen, wes-
halb wir diese Erkenntnis nun doch für ganz nnll niul niehtig
beattglich der Dinge an sich erklärMi und die absolute
Unerkeanbarkeit der Din^ an sich behaupten sollten.
Zweitens: ist somit eine eingeschränkte und bediaffte
Krkenntnis der Dinge; an sich sehr wohl mögrlich '), so fällt
aoch die abeolate Transzendenz der Dinge an sich weg. äe
liegen nicht mehr jenseits der Brscbeinungen und der Er-
kenntnisse, sondern in ihnen. Das Immauennprinzip, das ich
zugleich als das Prinzip des Positivismns in seiner reinen
Form betrachte '), wird gewahrt Die Dinge an sich werden
ZB ^eduktioeebestandteilen" des begebenen im Sinne eine«
Hinomiamus.
Drittens ist die vom Phänomenalismus behauptete
Apriorität der Kaum- und Zeitanschaunng und der sog. reinen
VerstandesbegrifTc (auch unabhängig von ihrer speziellen
Aufzahlung) zu beanstanden. Wie man sich diese Äpriorität
auch denken mag, es bleibt nnerflndlich, wie wir, die wir
doch ganz auf das Gegebene angewiesen sind, zu irgend etwas
gelangen sollten', was wie das A priori über die Erfahmng
hinausgeht'), oder — mit anderen Worten — ü^Bdeineu
Satz, er sei auch noch so allg^uein, „unabhängig von der
Krfahmng einsehen" sollten'). Es ist Kant nicht gelungen, —
weder durch seine metaphysische Erörterung in der Ästhetik
*) Es empfiehlt sich nictit, die Lehre von der Eiiiennbatteit der Dinge
an sieb als „Reabsmus" zu bezeichnen, wie dies zuweilen geschieht. Will
man das viel miBbrauchle Wort Realismus" Oberhaupt noch verwenden, so
eradteint es am zweckndlBifaten, unter Realismus im Gegensatz zu dem
Idealismus (in dem S. 2ib aiiKegebeiien Sinn) dieiemee einsieht zu versldien,
nach der auBer dem Psvcbischen noch irgend etwas Nicht-PsTchiscbes
existiert.
*) Vgl. Zum geeenwärt. Standp. d. EAenntnistheohe, Wiesbaden 191'.
S. 18 ff. (namentl. S. 20) und Grundlagen der Psychologie % i.
') Auch Riehl, Der philos. Erilizismus^ 3. Aufl. Leipzig 1906, Bd. 1,
S. 38B erklärt ausdrücklich, dafl gewisse ErkenutniSBe ^ priori heiBen, wal
sie Aber die Erfahrung hinausgeben und mehr behaupten, als die Erfahruni
durch Wahrnehmungen uns lehren kann".
") Riehl, 1. c. S. 421. Das Zugestfiodnis, daß auch unsere apriorischen
Erkenntnisse sich mit und an der Erfahruag entwickeln, hilft Über die
Schwierigkeit, wie sie fiber die Erfahrung hinausgehen können, nicht hinweg-
,OOgk
1. Kwitel. ErkennliusUMOFeliscbe Gnmdlecuns. 257
■aeb dnrch sein« metaphysiBche Deduktion in d«r Analytik
Bodi dnreh di« Analyse der mathematiseheu Axiome und
LebnStze nnd d^ Prinzipien der Natarwissenscbeft —
im wirkliehe Vorkommen synthetischer Satz« a priori
uetuaweisen. Wenn z. B. das Kanaalgesetz ein t^triori-
sdm Prinzip wäre, so ktonten nicht zahllose Henscheu an
Wonder, an eine Erschaff nng der Weit ans dem N&chta n. dgl.
Rlubeo '). Es ist eine «anz willkSrliehe Behauptung, wenn
lengt wird, der BegrifT der Schöpfong und Vemiehtnng
hebe die Möglichkeit der Erfahrung auf, weil er der Einheit
<f« DenkeiM und der Zeit widerspreche *'). Wir können nns
aui Entstehen und Vergehen sehr wohl denken, ja uns sogar
Qttetee eines solchen vorstellen. Der moderne Mensch Ter-
virft es nur deshalb, weil die Beobachtung oiigends und nie-
niaie ein solches ergeben hat. Wenn der Naturforscher jetzt
das Eausalprinzip seinen weiteren Untersuchungen zugrunde
legt und es als allenthalben gültig voraussetzt, so ist dies
kein Gebrauch a priori (wie Biehl 1. c. S. 439 meint), sondern
ein AnalogieschluB im Sinn der Erwartung auf Grund der
Brfahrung. Ebenso ist die Apriorität der ^tze der reinen
Hatbematik nicht nachznweisen. Wir können dieselben nur
dnroh Anschannng beweisen nnd erwarten nur deshalb, sie
ü1)erall und immer bestätigt zu finden, weil die Erfahrnng
Qiu die beweisenden Anschanungeu in nnendlicher Zahl ge-
bracht hat und jeden Augenblick mit weiteren zur Ver-
Kping steht. Die „Allgemeinheit" und „Notwendigkeit",
welehe man allen diesen Sätzen zuschreibt, bleibt induktiv
Qiid hypothetiäch, nur ist unsere Gewißheit der Richtigkeit
infolge der Unendlichkeit der beweisenden Erfahrungen so
Kn>&, dafi wir nns erlauben, von Notwendigkeit und All-
Kenwinheit z« sprechen. Wir können sagen: „Die Welt ist
w," aber nicht: ,J>ie Welt mufi so sein." Es handelt sicli
um erfahmngsmääige Allgemeingültigkeit, aber niclit um
logiMh-absolute Niotwendigkelt.
Biese drei Einwände gegen den PhänomenalismuB ")
IsBBen auch ihn nicht als geeignete erkenntnistheoreüsche
*) Riehl, 1. c. S. 4381. scheint soüar die Priii2icien der Krbaltung von
MiHm nnd Energie als apriorisch zu betrachten. Vgl. jedoch andrerseits
ebada S. bm.
») Vf[l. Krit. d. rein. Vem., Kehrb. Aus«., S. 178ff.; Hiehl, I. c. ä. M8,
^') Selbstversländlich handelt ea sich hier nur um eine unvoUsl&Ddige,
kune NamhaftmachuDiC der BinffBnde. Bezüglich einer eingehenden Brftrt»-
Zi*h«it, Ltbrbucli der Lopt. 17
„.,,„,^.oogic
258 ^'- TeiL Erkenntnistheorettsdie usw. Grundlegung der Logilc.
Grandlage der Logik erscheinen. Noclt viel weniger kann
der Logizismns als Bolcbe gelten. Dieser geht von d«n
richtigen Satz ans, dafi die Logik insofern von der Psycho-
iogie wesensversohieden ist, als sie nicht wie letztere den tat-
sächlichen Ablauf und die tatsächliche Entwicklnng des
Denkens untersucht, sondern Gesetze für ein ideales, formal
richtiges Denken aufstellt. Er zieht aber ans diesem rieb-
tigen Vordersatz eine falsche Schlnßfolgcrung **), indem
er- nun das Logische überhaupt ganz vom FBychologiBcben
loslöst und als ein ganz besonderes Beicb deutet, das ebenso-
wohl von den Mngen (Dingen an sich usw.) wie von den p^-
chischen Vorgängen ganz unabhängig ist. Die meines Er-
achtens unwiderlegbaren Hanpteinwände, welche gegen den
Logizismns erhoben werden müssen, sind folgende:
E rs t e ng muß die für den Logizismns unerläßliche und
cliarakteristiscbe Annahme bestritten werden, daB es mög-
lich sei, durch rein logische Zergliederung eines Begriffes
irgendwelche matcriale Aufschlüsse zu erhalten, die von der
Erfahrung unabhängig sind. Schon Kent neigte in der
2. Auflage seiner Kritik der reinen Vernunft zn dieser An-
nahme *°), and viele seiner Anhänger haben diese logizistischc
Neigung noch viel stärker hervorgehoben, als es dem Wort-
laut und dem Gedanbenzusauunenhang des Kantschen Werken
entspricht. Nach dieser Annahme wäre es möglich, unab-
hängig von aller Psychologie rein logisch durch Zei^liede-
rung des Begriffs der „Erfahrung" (bzw. des „Gegenstandes"
oder des „Denkens" oder des „Urteils" oder einer „Verbin-
dung überhaupt") ") zu synthetischen Erkenntnisse n a priori
zu gelangen. Es soll auf diesem Wege glücken, rein logische
rung derselben muß auf meine S. 250, Anm. 10 ansefOhrlen erkenatnistbeo-
retiscben Arbeiten und sp&tere EinzeläusfQhrunsen, naroenU. g M, verwiesen
werden,
") Als Anlipsvchologismus bezeichnet man gewöhnlich den rlclitiien
Vorderaatz mitsamt den falschen Schlußfolgerungeiu
^') In der ersten Auflage finden sich nur Andeutungen in dieser Rich-
tung, z. B. KehrfoachMhe Ausg. S. ISS, Anm.
") Vgl. z. B. Riehl, L c. S. St», 608 f., 607^ 621, 526, UO. Sehr miß-
TerslüncUicfa Ist es auch, wenn Riehl S. ibG von diesem Standpunkt aus ,be-
hauptet, daß die Reflexion auf Form und Gehalt einer sinnlichen Varstelhinf
logisch, nicht psychologisch sei und „durch Zergliederung des BegriOs «ner
wnpUischen Anschauung erfolge . . . ." TatsichUch erfolgt sie durch Zer-
gliederung der empirischen Anschauung selbst und nicht ihres Begiifies-
Vgl. auch I, c. S. 46a
1. KafiteL EAennlnistbeoretuche Gnindleguiv. 259
Fannen zu ermitteln, die unabhängig von aller Erfahrung
*iai, die aber zugleich die Bedingungen der Möglichkeit der
Erfilinmg darstellen. Es muß nun b^tritten werden, daß
tm solcher Weg überhaupt existiert. Dnrch logische Zer-
gliedenmg werde ich mir immer nur über das Verhältnis
Duiner Begriffe untereinander klar. Zu irgendwelcher, von
der Erfahrung unabhängigen inhaltlichen Eineicht gelange
ieh durch eine solche Analyse nicht. Es iät der logizistischen
Schale nicht gelungen, ein einziges unbestrittenes, einwand-
freies Beispiel einer erfolgreichen derartigen reinlogischen
Analyse beizubringen. Sie hat sich daher denn auch schließ-
lich damit helfen müssen zn behaupten, daß an Stelle der
iogiflchen Zergliederung eine besondere Intuition (,^haa-
irng" asf.) tritt, welche sieh natürlich jeder Erörterung
entzieht
Zweitens ist die Annahme, daß das Logische irgend
etwas besonderes Drittes neben den tatsächlich ablaufenden
iadividnellen Empfindungen, Vorstellungen, Denkvorgängen
vai neben den diesen etwa zugmnde liegenden individnellen
Dingen an sich bzw. Beduktionsbestaadteilen sei, sowohl
nberflnssig wie unklar. Ihre Überflüssigkeit wird sich in der
«rkeoDtuütheoretiBchen und autochthonen Grundl^Tung der
Logik (s. unten ^ 84 ff.) ergeben. Ihre Unklarheit liegt darin,
daß der Iiogizist nns nirgends eine zureichende Cbarakte-
nstik (geschweige denn eine Definition) dieses angeblichen
dritten Beichs des Logischen gibt and ebensowenig durch
^vandfrcie Beispiele ans den Sinn seiner Annahme klar zu
madien vermag. Was er ans als Beispiele für Wahrheiten
an sich, Vorstellungen an sich usf. beibringt, sind durchweg
entweder Denkvorgai^re einzelner oder vieler Individuen
oder Tatbestande, einzelne oder allgemeine, im Bereich unsrer
Vorgtelltmgs- oder Empflndungsvorgänge oder der diesen
ZDgrunde liegenden Dinge an sich bzw. RedukUonsbestand-
teile. Der „G^enstand" einer Vorstellong, eines Urteils usf.
als Korrelat des Inhalts ") der Vorstellung bzw. des Urteils
Bsf. ist nichts ^ideree als ein Komplex oder Teil eines Kom-
plexes von Dingen an sich (Bednktionsbestandteilen), Emp-
fisdungen oder anderen Voretellangen, auf welchen sich die
Vorstellung, das Urteil osf. bezieht. Diese tatsächliche Be-
") Auch die G«cner du Losiziitea unteracheideD also zwischen Inhalt
wd GefensUad.
260 II- ^^''- Ei^enntiiisUiearetisclie usw. Gnindlacunc der Logik.
Ziehung inTolviert selbständig ein tiefes and schwieriges
Problem, aber es wird nicht dadurch gelöst, dofi man di«seTi
„Ctegenständm" eine dritte besondere Seinsweise oder Weise
dee Bestehens znsohreibt, die jeder Charakteristik und jeder
tatsächlichen Unterlage entb^irt.
Damit hängt es aneh zusammea, daß die Logiiisten aber
die SeinBweiBe dieser logiaehen Gegenstände alles andere
eher ala einig sind. Bald scheinen sie ihnen überhaopt jede
Realität abzusprechen, bald bean^mchen sie für dieselben
eine neoe besondere Bealität, bald sollen die Gegenstände
ganz zeitlos und allgemein sräs, bald scheinen sie doch sach
indiTiduell nnd zn einem bestimmten Zeitpunkt vorbanden
zu sein, bald sind sie „Wesen" bald „Werte", bdd bab^i sie
die Bedeutung dee Seins, bald des Sollens usf. (vgl. % ^
u. 46 und nuten S. 270).
Drittens 'ist im besonderen die Ixwlösung des Iii^-
schen vom Pa^chischen nicht gelungen. Der Logizismus "ves-
wechselt das Psychische mit dem Psychologischen. Weil die
übliche Psychologie in der Tat nicht imstande ist, ohne be-
sondere Bülfskonstruktionen (vgl- das Kapitel „antochthone
Grundlegung der Logik", ^ 84 ff.) die logischen Probl^ne sn
behandeln, will er die Psychologie ganz eliminierNi und
damit das Ix^sche vom PsychologisohMi absolut trennen.
Dabei bleibt die Tatsache bestehen, daS alle logischen Qe-
setze sieh wenigtens zimäehst auf die tatsächlichen Denk-
vorgänge beziehen. So gewiß wir bei der Erforschung diseer
Gesetze nicht den tatsächlichen Ablauf der Denkvorgänge als
solchen untersuchen, sondern mit Bezug auf seine Richtig-
keit prüfen, so gewiß haben wir es dabei doch noch immer
mit den Denkvorgängen zu tun. Ohne diese hätte die Logik
überhaupt kein Objekt ihrer Tätigkeit. Selbst wenn man
eine besondere Welt logischer Gegenstände anerkenn^i wollte.
könnte sie doch nur durch Vermittlung psychischer Vor-
gänge uns zugänglich werden. Eine Ausschaltung der Psy-
chologie wäre also selbst dann noch ganz unmöglich. Tat-
sächlich ist diese Ausschaltung in d€ai Werken der Logizisten
auch gar nicht durchgeführt. Allenthalben handelt es sich
auch bei ihnen durchweg um psychi&che Vorgänge, speziell
Denkvorgänge, die nur von einem besonderen Standpunkt
aus betrachtet werden.
Da dies Werk nicht der Erkenntnistheorie, sondern der
Logik und zwar im alten Sinn der formalen Logik gewidmet
„.,,„,^.oogic
1. Kapitel BAeontnistheoretiadie GiUndleminr. 361
ist, maä di« Kritik der Hsaptansiehteti sich auf diese kurzen
Site besekränken. Nacbdem sich hierbei schwere Bedenken
gega die psyehophraiscbe, idealistieebe, e^otistische, pfaäno-
iBeaiüatiaehe and loflizistisehe Ansicht ergeben haben, leg«
ich ^ von mir vertretene sechste Ansicht, den Binom is-
niQs der folgenden Darstellong zn^rnnde. Es soll jedoch
aUeathalben auch weiterhin der erkenntnistheoretieehe 9t«Dd-
imnkt der anderen Ansichten, soweit erforderlich, mitberüek-
uektigt werden. Überhanpt ist naohdrücklieh nochmals zu
betoaen, daß die Lehren der formalen Logik auch unabhängig
von diesem oder jenem erkenntnistfaeoretischen Standpunkt
als solche zoreeht beeteben, und daS die erkenntnistbeo-
retiscbe Qmndlegang im wesentUchea nur die Stellung der
logischen Lehren im Qesamtsystem der Philosophie betrifft
( 59. Die drei Gmudbesi^iiiigra. Dia Famdaltea und
die GegeMtibide (Argummite) der VoisteUnngciL Die Gr-
kenntnigtheorie im weitereu Sinne (als Gignonwnologie, vgl.
S.lla.241) hat das Gegebene (dieOignomene) zerlegt und
eingeteilt (vgl. S. 252). Die Zerlegung ist für jedes
einzelne Gi^rnomeu in BeduktionsbestandteU (Bedukt, vom
Standpunkt des Phüaomenalismos »Ding- an sich") und
Parallelkomponente (psyeholi^iaebe Komponente) erfolgt.
lue Parallelkomponente ist bei den Empfindungen (Ehnj^n-
dungsgignomeDen) und den Vorstellungen (Vorstellungs-
giKnomenen in dem umfassenden S. 252 festgesetzten Sinn)
verschieden. Hierauf gründet sich eben die Einteilung
der Gesamtheit des Gegebenen in Emi^iulongsgignonkeae
und Vorstellnng^gnomene. Zugleich hat sieh eine be-
stimmte Kückbeziehung der Vorstellungsgignomene auf die
Empfindungsgignomene und eine Beziehung der letzteren auf
die ihnen hypothetisch zugrunde gelegten, uns direkt nicht
mgtuiglichen Beduktionsbestandteile ergaben. Während nun
die Erkenntnistheorie diese B^iehungen nach Kausal-
wirknngeD und Parallelwirkungen zerlegen mnfi, kann sieh
die Logik in ihrer erkenntnistheoretiBchen Grundlegung da-
mit begnügen, die Beziehungen nnzerl^ aufzuzählen und
euzoteilen. Dabei ergibt sich, wenn man von den Empfin-
dangen ausgeht, folgende Stufenleiter. An die Empfindung
£ aeUieBt sieh das primäre Erinnerungsbild V (vgl. S. 4),
7~ B, an die Oesichtsempfindang eines bestimmten Baumes
OgIC
2ß2 n. Teil. Eikenntnislhnretjsche unr. Onmdicgung fer LocilE.
da» optische Eritmerun^bild diese« Baumes*). Die Be-
sdehnDg von V aaf E soll dnrcli das Symbol Y^-E aofi-
gedrftckt und kurz als Erinnernnffsbeziehnng: be-
zeichnet werden. Bie Eigenartigrkeit dieeer ,iR ü c k -
beziehnn^' (vgl. S. 251) wird von der ErkeantniBtheorie
ansführlich erörtert; die Lo^k kann sie als gegeben voraus-
setzen (siehe jedoch auch nnten S. 268). Die EmpflndTing'
ihrerseits hat eine eigentümliche Beziehnng za einem hypo-
thetischen Beduktionsbestandteil (Ding an sieh) B, den sich
der I^ysiker, wenn es sich tun einen Baom handelt, etwB al»
einen Komplex von Molekülen denken würde. Diese Be-
ziehnng mag Reduktbeziehnng oder Dingbezie-
hnng heißen und symbolisch durch E-*-B ausgedrückt
werden. Auch diese Beduktbeziehung wird von der Er-
kenntnistheorie untersucht und von der Logik, soweit sifr
überhaupt Veranlassung hat sich mit ihr zu beschäftigen, aus
der Erkenntnistheorie einfach übernommen (siehe jedocit
auch S. 268). Die dritte Beziehung besteht zwischen des
Denkvorgängen im weitesten Sinn V, welche sicli an die
primären Erinnerungsbilder anschließen und mit diesen sie
Vorstellungen im weitesten Sinne zusammengefaßt wurden,
einerseits und den primären Erinnemngsbildem anderseits.
Man denke etwa an die Beziehung zwischen der Allgemein-
vorstellung „Baum" und den primären Erinnerungsbildern
einzelner Bäume (Baumindividnen) oder an die zusammen-
gesetzte Vorstellung eines Walds, einer Melodie nrf. oder an
das Urteil „der Banm hat einen Stamm" usf. Diese dritte
Beziehung bezeichne ich als Denkbeziehung und sym-
bolisch mit V-^V*). Innerhalb dieser Denkbeziehung be-
stehen noch mannigfache weitere Abstufungen, indem Vor-
stellungen höherer Ordnung sieh auf Vorstellungen niederer
Ordnung beziehen, etwa im Sinne der Symbole V"^-V,
V"'-»-V" usf. Bei weitaus den meisten Denkergebnieeeii
haben wir es bereits mit solchen höheren Stufen zu tun, so
daß die Beziehung auf V keine direkte mehr ist Wie E die
') Dabei imiQ noch von jeder ZusammPtifassuns (OesUltauffossuns) usL
abgesehen werden, da eine solche schon über die einfache prim&re Eriune-
rting hinausseht
^ Vgl. z. B. meine ErkennlTustheorif^ Jena 191S. S. 288 u. 30a
') Unter V hat man sich hier stets mehrere Vorstelhmgen — min-
d«slens r.mei — zu denken.
OgIC
I. Kapitel. ErkenDtnistheoretiEche Gnindlecans. 263
„Grandempfindang" für V ist, so ist V die „Qrnnd-
Torstellnng" für V, V die GnuidTorstellTinff för V"
nrf. Allen diesen Beziehungen der 3. Klasse (V'-^V) bleibt
aber (^meinsam, daß es sich um Beziehungen von V ü r -
BteUnn^en (im weitesten Sinne) untereinander
bieht von VorBtellnDgen anf Empfindungen wie bei der
1 Klasse) handelt. Nach der in ^ 1 gegebenen Definition der
logik hat die letztere «6 unmittelbar ^wziell nur mit der
dritten Beziehung zu tun und zwar in Gemeinschaft mit der
BrkemitniBtheorie (s. str.). "Die beiden anderen Beziehungen,
E-*-E nnd V-*-E, feommen fÖr die Lt^k nur insofern in
Betracht, als sieh die Benkakte mittelbar, d. h. durch Ver-
mittlmig von V, zu einem großen Teil doch in letzter Linie
auf ein E oder sogac ein hypothetisches B beziehen
(V-^V-*-E oder V-*-V-^E-^R) und die größtmögliche
Übereinstimmung mit den E's bzw. B's bezwecken.
Ganz allgemein kann man sagen, daß das Denken fsich
auf irgendeinen „Tatbestand" bezieht und dieser Tat-
bestand bald im Bereich der R's, bald im Bereich der E's, bald
im Bereich der V's liegt. So kann sich z. B. das Benken auf
die Molekularformel des Benzols (hypothetisches R) oder auf
üeParbe eines Minerals (E) od. auf die Teilvorstellungen (V)
eises Vorstellungskomplexes beziehen. Im zweiten Falle
wird R, im dritten R and E unberücksichtigt gelassen. Ja
Bogar derselbe Satz, in dem wir einen Gedanken V formu-
lieren, bekommt, je nachdem man ihn nur zu V oder auch
zu E oud B in Beziehung setzt, eine verschiedene Bedeutung.
Die eben erörterte genetische Beziehung höherer,
d. h. abgeleiteter Vorstellungen auf niedere kann man in
Anlehnun« an Meinong u. a. (vgl. § 45) auch als ,^Pun-
dierung" eines „Superins" anf „Inferiora" und demgemäß
Vals fundierende, V als fundierte Vorstellung be-
zeichnen. Nicht aber darf man die fundierten Vorstellungen,
wie dies sehr oft geschieht, als „Vorstellungen von Voratel-
loogen'* auffassen. Man denkt sich nämlich zuweilen, daß
wir imstande seien, von einer Vorstellmig V, uns nochmals
— gewissermaßen reduplizierend oder reflexiv — eine Vor-
stellung' zu machen, also etwa im Sinne des Symbols V (V.).
IHe Selbstbeobachtung zeigrt jedoch, daß der Veranch einer
•olehen Bildung von Vorstellungsvorstellnngen absolut
eeheitert: wir kommen öbor die Vorstellung V:, nicht
2frl IL Teil. Erkennlnistheorotisch« us*'. Gnindlesung der Logik.
liiuaus*). Wohl aber ist es uns möglieb, mit Hilf«
anderer Vorstellungea im Anschluß an V, dank den
drei Grandfanktionen (vgl. § 70) nene Voratellnngen V so
bilden, die sich in irgendeiner Weise anf V« beziehen, also
— nach der eben angeführten Terminologie — VorvteUnnuen,
die anf V. nnd andere Vorstellimgen „fnodiert" sind and
daher eine Deukbeziebong zn Vg haben. Eb mnß an schweren
MiSverstandnisBeo führen, wenn man solche fundierten Vor-
stellungen als „VorstellongMi von Vorstellungen" bezeidbnet
Man wird dann immer wieder zu der soeben abgewiee^Mo
Annahme verführt, wir krämten ohne Hilfe anderer Vor-
stellungen von einer und derselben Vorstellnng V, uns noch-
mals eine Vorstellung machen, die vMi V • selbst irgendwie
.verschieden wäre.
Es ist ferner zweckmäßig, den Terminus „Fundierodff"
auch auf die erste und zweite Beziehung anzuwenden, al0O
quch von einer Fnndiemng des primären Erinnernngsbildee
V in") der Empfindung G und — unter bestimmten
erkenntnistheore tischen Vorbehalten — von
einer Fundierung der Empfindung E in dem hypothetisch
hinzugedachten Redukticmsbestandteil B (Bednkt, Ding an
sich, Beiz der naiven physiologischen Auffassung usf.) m
sprechen.
Das Fundierende (Meinongs Inferius) soll nunmehr ganz
allgemein als Fun dal (Plural Fundalien), das Fundierte
als Edukt*) bezeichnet werden. E ist also das Edukt von
B, B das (hypothetische) Fundal von E, V das Edukt von K,
E das Fundal (die Grundempflnduug) von V, V das EdnW
von V, V das Fundal (die Grund Vorstellung) von V, V" das
*) Vgl meine GnindL d. Psychol. Bd. 3; S. 17 H. (namenU. S. 24). t»«
dit enüeiengeaetzte Ansidit vgl. z. B. Brentano, PsycboloBie v. empir. Standp.,
Lpz. 187Jv S. 166 f[.
") Die Ausdrücke ,4^]ndie^uue in . . ." und „Fundierung durch . . ■"
und „Fundierung auf . . ." sind gleichbedeutend.
*) Die naheliegende Bezeichnung .Produkt" vermeide ich, weil äe tu
dem Intum verfahrt, als bitchte der Gegenaland selbstAndig und alleio au^
sich das Edukt hervor. Überdies wird der Ausdruck „Produktion" bereits von
der Meinoneschen Schule (vgL namentl. Ameseder in Heinongs Unten >'
■ Gc»cnslandslheorie u. Psychologie, Leipzig 190t, S. 488) in einem abweidien-
den — vor allem engeren — Sinn sebiaucht — Mit der edoctio der Scto-
lastiker hat das Edukt, wie es oben itemeint ist, nichts zu tun^ diese bedwict
vielmehr die eductio fonnae de polentia matej-iae, — Die etwa in Antohmu»
an Wundt naheliegende Bezeichnung „Resultante" acheint mir fthnlichen Be-
denken zu unieriiegen wie die Bezeichnung „Produkt".
„.,,„,^.oogic
1. Kvitel. ErtcenntftiBUworatis^e GmndlegunK. 2S5
Ednkt von V, V das Fundal von V usf. Orundempflndang
nmi GnmdTOTStelliin? (S. 262) sind also Spezialfälle eines
Besondere Verhältoiase ergeben sich, wenn das Fondal
t)?endwie zasammengeBetxt ist. Dann besteht nämlich die
Terarbeitmig: des Fnndals zom Ednkt meistens aaob darin,
M mir Teile des Fnndals für die Bildnng des Ednkts ver-
wertet werden*), während die übrigen Teile unverwertet
bleiben. Von ersteren werden wir später auch sagen, dafi
sie isoliert, von letzteren, daß sie weggelassen oder
reprimiert werden. Wenn wir z. B. zwei Engeln ver-
fleiehen nnd zn dem Ednkt gelangen, dafi sie gleich groß
Bind, so ist nnr die ränmliche Ansdehnung der Kngeln ver-
wertet worden ; Farbe nsf . sind reprimiert wordm.
Es empfiehlt sich, denjenigen Teil des Fnndals bzw. ,der
ftindalien, der zur Verwertung bei der Bildnng des Edukta
gekommen ist, und anf den sich daher das Ednkt speziell
hezieht, d. h. also das zu V speziell gehörige V nnd
das zu V" speziell gehörige V mit einem besonderen
Namen zn belegen. Als solcher soll hier das Wort „Q- e g e n ~
stand" oder „Objekt" verwendet werden. Die Kngeln
uosraes Beispiels sind das Fnndal, ihre OrÖfienielation der
Gegenstand des Gleicbheitsurteils, das Gleichheitsurteil
selbst das „Ednkt", die Vorstelltmg der Gleichheit der
Engeln der ,JnhaIt" des Ednkts (vgl. ^ 72). Ein anderes
Beispiel für diesen wicht^n unterschied ist der Satz von
der Inhaltsgleichheit solcher Dreiecke, die in Grundlinie und
Höhe übereinstimmen. Wird dieser Satz etwa für die Drei-
ecke ABC nnd A'B'C bewiesen, so sind die Dreiecke selbst
einsehliefilich aller ihrer Eigenschaften und Belatiotaen
dss Fnndal des Satzes, hingegen ist sein Gegenstand
nur die Inhaltsgleichheit von ABC und A'B'C'. Der Inhalt
des Satzes „entspricht" dieser liohaltsgleichheit.
Der Gegenstand ist also, kurz gesagt, der speziell ver-
wertete Teil des Fnndals. Nnr ausnahmsweise, nämlich wenn
SU keine Weglassungen erfolgt sind, fällt der Gegenstand
mit dem Fnndal zusammen. Dabei steht nichts im Wege,
das gesamte Fnndal auch als Gesamtgegenstand
'Gegenstand im weiteren Sinne) zu bezeichnen.
^ Du fänUchtie Bei^icl dieser partiellen Verwertung ist im Bereich
^ Erapfindongen in der sog. scnsohrilen AuFnuriisarakeit geit^ben.
OgIC
2g6 n. Teil. EikennlniBtheoKtisehe usw. GnindlesniiB der Logik.
Eine scharfe Abgrenznng zwischen Fandal und Gegenstand
ist nbrigens ohnehin sehr oft überhaupt nicht möglidk, da die
Isolation des Gegenstandes aus den Fundalien gradweise ver-
aehieden ist (vgl. S. 317 u. ^ 90), insofern wir manche Teile
hei der Bildung des Edukt« nicht vollständig weglassen, son-
dern nur „reprimieren".
Anch die Bezeichnung „Gegenstand" beschränken wir
. nicht auf die Beziehung der Vorstellungen zueinander, son-
dern dehnen sie auch anf Empfindung und Beduktione-
bestandteil aus. Es ist also nicht nur V der Gegenstand von
V" und V der Gegenstand von V, sondern auch E der Gegen-
stand von V und B ein hypothetischer Gegenstand \'on E.
Daraus erhellt zugleich, daS dasselbe V je nach der Be-
ziehnng, in der es betrachtet wird, bald Edukt bald Gegen-
stand ist").
H&n hat darauf zu achten, daB mit dem Terminus „Gegenstand" der
tats&chliche fundierende Gegenstand gemeint ist, nicht aber die Vor-
stellung, die wir uns oft noch sekundär Ton diesem Bezugsgegenstand tnachen.
Gegenstand und Gegenstandsvorstellung sind im allgemnnen
nicht identisch. So denken wir uns zur Phantasievorstellung eines Gartens
wohl änen solchen Garten als Gegenstand hinzu (= GegensUndsrorsteUung),
aber gegeben sind mir als zugehörige Gecenst&nde nur die Erinneiun^ildei
früher gesehener Bäume, Beete usf., aus denen ich die Phantasievorstellung
zusammengesetzt habe. Nicht selten ist die Gegenstandsvorst eilung geradezu
falsch. So kann z, B. der tatsächliche Gegenstandskomplex 6 X 17 zu dan
Vorstellungsergebnis 103 gefQhrt haben, ich mir aber nachträglich infoige einer
Verwechslung 7 X Iß als Gegenstand vorstellen. Hier ist S X 17 der Gegen-
stand und 7 X 16 die (falsche) Gegenslandsvorstellung. Ebenso beachte nun,
daß die Gegenstandsvorstelluns, wie auch schon das letzte Beispiet zeigt, vod
der auf den Gegenstand sich beziehenden Vorstellung verschieden ist Die
Vorstellung 102 bezieht sich auf %y.n als ihren Gegenstand und ist also mit
der Vorstellung des Gegenstandes, d. h. mit der Vorstellung 8X1' biv,-., im
Fall der eben erwähnten Verwechslung, mit der Vorstellung 7 X 16 durchaus
nicht identisch. Man muB sich nur vor dem weitverbreiteten Irrtum hüten,
als sei der I n h a 1 1 einer Vorstellung ihr Gegenstand, als richte sich bei der
Vorstellung ein „Akt" auf ihren Inhalt als Gegenstand. Der Inhalt einer
Vorstellung liegt fOr den von mir vertretenen Standpunkt, wenn man es etwas
drastisch ausdrOcken will, stets innerhalb seiner Vorstellung. Vgl. aucb
§ 72.
Ist eine Kette fundierender und fundierter Gegenstunde
Sieben, z. B. B, E, V, V, V", V" usf., so kann man, wenn
man von der Vorstellung, welche die Kette afoschlieSt, als»
z. B. V'" ausgeht, diese alsTerminaledukt, Y' als ihren
Prozimalgegenstand (direkten Gegenstand) und
») Diese Relativität gilt natürlich auch für V. V" uat (s. S. 3WJ-
1. Kapitel. ErfcenntiiisUieoretische Onindlegung. 267
dieEeihe V, V, E, R als die Distal gegenstände (in-
direkte Qe^nstände) bezeichnen "). Der distalste (ent-
fmiteste) Ge^nstand mag der Prinzipialgegenstand
ieißea, die zwiechen dem Proximal- nnd dem Prinzipial-
KSKemtand eingeschobenen Gegenstände sind die inter-
mediären Gegenstände. Analoge Bezeicfaniingen er-
gtben sich für die Fnndalien.
Im allgemeinen bezieht sich jede Vorstellung ent-
sprechend ihrer Genese anf den zugehörigen Proximalgegen-
sland, also z. B. V anf V, indes wird, sehr oft in nnserem
Denken auch eine Vorstellong auf einen genetisch ent-
feroteren Gegenstand, also V z. B. auf E oder sogar auf ein
hinzugedachtes hypothetisches K bezogen. Wemi ich bel-
tpielsweise jetzt die Vorstelinng V des Mondes und eines
Sternes reproduziere (ohne beide zu sehen) und die Vorstel-
iong V des Größenuntersehieds beider Gestirne bilde, so be-
gehe ich diesen Größennnterschied in der Begel gar nicht
anf eine Verschiedenheit der Vorstellungen V,") sondern auf
•iie Empfindungen, die ich von Mond und Stern frtther
gehabt habe, und noch öfter anf Mond und Stern selbst, d. h.
auf die B'a, die ich mir hypothetisch für die Empfindungen
denke (also auf die ,J)inge" dee naiven Menschen). Die Denk-
iKziehtmg kann also eine oder mehrere Glieder der Kette der
genetischen Beziehungen (der Fundierungsbeziehungen) ge-
wifiBermaßen überspringen, sie ist nicht an den Proximal-
S^nstand im genetischen Sinne gebunden. Anders aus-
sedrüekt: ich beziehe sehr oft V" nicht auf V°-', sondern
ir^ndein V mit noch niedrigerem Index oder auf E oder
auf B. Es wird also nicht nur der „Gegenstand" unter den
fWdalien einer Stufe (z. B. der V-Stufe oder V'-Stufe)
jwliert", sondern außerdem auch jede Vorstellung bald auf
den Gegenstand dieser, bald auf den Gegenstand jener Stufe
beiK^Q. Unter den genetisch beteiligten Gegenständen der
einaelnen Stufen findet gewissermaßen eine Auswahl eines
nBezngsgegenstandes" statt. Dieser für die Logik besonders
^chtige Gegenstand, auf welchen die Vorstellung bezogen
wird und anf den anch unsere (JegepstandsvorsteCung
(S. 266) zielt, soll als Gegenstand im prägnanten
') Die S. 181 aoKefahrten Meinongschen BezeicKnungen (primärer und
s*adirer Geiensland) gdien allzu leicht m VerwechBlunaen AnlaB.
**) In di«Km Fall Urnen die Inhalte der Vorstetluoseii in Betracht.
i,l^.OOglc
268 n. Teil BitMintnisUiwrriiaehe u«w. Gnmdlegnni der Logik. ^
Sinn bezeichnet werden. Wenn im folgenden von Gegen-
standen gesprochen wird, sind stets GegenEctände in dieeem
engeren prägnanten Sinn gemeint, Soll der Gegenstand im
prägnanten Sinn ausnahmsweise aosdrücklich von dem
Gegenstand im alig«meineren Sinn unterschieden werden, so
bezeichne ich den ersteren als „Argument"'*).
Die eikenntnistheoretische Deutuns dieser verschieden&rÜKen ROck-
beziehun« ist ebenso schwierig wie ihre psychologische Ch&nkterislik. Wif
mOMen fragea: Worin besteht psycboloEisch und «rkenntnistheoratisch d«r
Unterachied, wenn ich irgendein V", z. B. ein Gleichheiisurieil, einmal auf
zwei gleiche Vorstell ungen, z. B. zwei Erinnerungsbilder, und ein anderes Mal
auf zwei gleiche Empfindungen, und em drittes Ual auf zwei gleiche „Dinge"
(Reduktion sbestandteile usf.) beziehe? Daran knOpft aich unmittelbar die
prinzipielle Fxage, was Oberhaupt dies ,.Bezieheii" bedeutet: was komnl zu
der genetischen tatsftchUchen Denkbeziehung hinzu, wenn wir nun eir
Ziehung auf ein Argument, bald ein näheres, bald ein ferneres, hinxu-
denken? Uan hat, um diese Fragen zu beantworten, zuweilen eine
sonderen „Objektivierungsakt" oder ein besonderes „BeziehungsbewuBtseiD'
zu Hilfe senommen. Hit dem Unterlegen einer solchen Seele ntitigkeit oder
eines solchen Seelenvermögens ist indessen gar kein Fortachritl unserer Ein-
sicht erzielt, sondern nur ein flbertläsBiger, miBversländlicber Terminus
RefOhrt. Wohl aber öftnet uns folgende, hier nur al«ekürzt wiedergegebenc
Überlegung einen Weg zum Verständnis. Wenn aus einer Empfindung
ein Erinnerungsbild V, dann eine Vorstellungsveriiindung V "), V" ust. ent-
steht, so sind bestimmte psychische Funktionen wirksam, und zwar bei der
Bildung von V die Ged&chtnistu nktion (Hetention), bei der Bildung vc
V" usf. die oben (5. 2ßSi) angeführten Difierenzierungsfunklionen (Synlhesev
Analyse und Komparation), die uns später noch ausfflhrlicher beschäftigen
werden (vgl % 70). Die BOdbeziehung auf das Fundal und daher auch auf
den Gegenstand gehart zum Wesen dieser Funktionen. E ist in V, V in V,
V in V" usf. enthalten, voraus dann weiter folgt« daB E auch in V uod
in V" usf. enthalten ist. Von meinem erkenntnistheoretischen Standpunkt
(vgl. S. 260) muB man sogar hinzufagen, daß in anabger Weise auch die
Reduktionsbestandteile R in den E's, Vs, V"s usf. inexisUeren. Damit wird,
nun zunächst die bewuBtc RQckbeziehun g der Vorstellungen auf
ihre Fundalien (bis H einschlieBlich) zwar nicht eAl&rt, aber doch im Sivn
einea allgemeinen Zusammenhanges verst&ndlich. Es besteht eben nicht nur
eine genetische Beziehung zwischen den sukzessiv auseinander hervor-
gehenden Fundalien, so daß etwa mit dem Zustandekommen des Edukts du
jeweilige Fundal ganz verschwunden w&i«, sondern es besteht dank dieser
Inexlstenz auch eine fortlaufende RQckbeziebung, die eben in
dem Beziehen der Vorstellung auf ihre Fundalicn zum Ausdru(± kommt
Die Isolierung des speziellen Gegenstandes aus den Fundalien (s. oben
S. 266) erkl&rt sich ausreichend aus unserer analytischen Funktion (v^
'>) In Anlehnung an die Terminologie Freges (vgl. § 76). Auch die
der Termiiwlogie der Logarithmen entlehnte Bezeichnung „CharakterisUlt"
scheint mir passend.
'■) Selbstverst&ndlich sind mehrere Vs erforderlich, um ein V zu bilden
1. KapileL Eikenntnistbeoretische Gnindiesung. 269
S. SUIL). Die Tatsacbe, daß wir nun weiterhin eine Vorstelluns V", z. B.
a Gleicfaheitsiirteil, bald auf V, bald auT V, bald auf E; bald auf R zurOck-
kiidKn, also unsrcr Vorstelluac V" bald dieg, bald jenes ,^ r 8 u m e n t"
Rhu, ist pBTcholtWiach so zu verstehen, daQ vir das Denkerietais V", das
ranilnKtich nur auf V sich besieht, »ekuDd&r retrograd auch auf V oder K
oim R öbertiasei). StreoK BenomniMi taiuidelt es sich dabei um einen
Wtctoel der oben (S. 266) erw&hnien Gegeogtandavorstellung, An Stelle
dv uCajwclichen Ges^isULndavorslelluDK im Bereich der V Irilt eme neue
M Befäcb der V oder der E oder der R auf. iltn kann auch durch Selbst-
MocbtunK leidit feslalellen, daß in der Tat eine solche Substitution einer
stfaadiren Gecenstandavorelellusg stalUlndet. Erifenntnistbeoretisch liegt
it Bedeutung dieser Substitution daria, daS wir nicht nur durch unmittel-'
btre Verwertung der EmpfindungMi dirdtt zu Vorateliungen (Erkenntnissen)
ran diesen Empfindungen und ihreo Reduktionsbestandl eilen Belangen können,
»mlem auch indirekt auf dem Umweg Ober viele V und V" usf. Voretel-
luBten von den E's und R's za bilden imstande sind.
Ihn diese wichtisen Sitze vor iedon Mifiverständnis zu schützen, mag
■ucb das folgende Beispiel ansefOkrt werden. Gegeben seien S Seiten eines ge-
leiduwteB Dreiecks a und b als zwei GesichlsempflndungenEB and Eb. Dann
Unn ich an diese EnqifinduDgen unmittelbar das Gleichheitsurleil X'") an-
''iltoi: Ea = Eb , d. h. die beiden Seilen erscheinen mir gleich lang (ihre
SctfföSea siiid d^cb). Die Gesicfataempündiing des ganzen Dreiecks ist
<lu Fpodal für mein Gleicfabeitsurteil V, die Geuchtsenmtiodung der beiden
Satediiisen, also ein Teil der GesamtempünduDg, ist der Gegenstand des
Gleidiheitsurteils und, solange ich mich in dem Gleichheitsurteil auf das
Olodier scheinen der beiden Seiten, also die Gleichheit im Bereich
iter Empfindungen beschränke, zugleich auch sein Argument, d. b. sein
Geiaistand im prägnanten Sinne. Sehr oft übertrage ich nun aber dieses
Gleichbeitsurteil auch auf die Seiten selbst >*), mag ich mir diese im naiven
Sinn als Dinge oder als Reduktionriiestandteile oder als Holekülreihen oder
alt sonstige Reize denken. In diesem Fall, d. b. fOi' dies abgefinderle Gleicb-
hnlsurleil sind nicht mehr £^ and Eb , tiondem Ba und Rb ^as Argument ^^).
Das Cldchheilsurteil, das genetisch nur indirekt zu Et und Bb in Be-
gebung steht, wird jetzt direkt auf Ba und ßb bezogen. Die sekundäre ge-
dachte Beziehung ist von der prinAren genetischen zu unterscheiden. Noch
ifbeblicher ist die Ab&nderung, wenn ich das Gleichheitsurteil nicht an die
Geaichtse mpf indung einer Figur, sondern an das Erinnerungsbild einer
solchen angeknüpft habe. Ich habe z. B. ein Zimmer gesehen, ohne zunächst
auf das Verhältnis seiner Länge a zu seiner Breite b zu achten. Später stelle
") Man beachte, daD V hier noch ganz allgemein als Syntbol für ledes
Ilaikergdtnis [Yoistellungea s. Str., Urteile, Schlüsse usf.) verwendet wird.
'*) Im täglichen Lehen halte ich mich sogar meistens bei dem Urteil
fiber die Empfindungsgleichheit gar nicht auf, sondern substituiere ihm sofort,
lewiioermaBen instinktiv das Urleil über die Gleichheit der hypotbeti sehen
Heize („Dinge"). Andrerseits zeigen viele Tatsachen — man denke z. B. an
die pb^atologische Optik — , daß wir unser Gleichheitsurteil auch ausdrOcklich
auf die Empfindungen beschränken, also die E's seihst als Anument fest-
HUen können; die Übertragung muB also nicht stattfinden. Vgl S. 267.
") Da£ in diesem Fall R^ und.Rb nur hypothetisch hinzugedacht sind,
muB dabei im Auge behalten werden.
^- „.,,„,^.oogic
^70 ^ '^^ EikenntniaUieoTetJBche uaw. Gniodlagung der Logik.
ich mir das Zimmer nieder vor (V) und knüpfe nun an diese Vorsttl-
luns das Gleichheitsurteil V: meine VorsteUung der Zimmeriing« und
meine VoratelluDS der Zimme^reite sind Bleich (T. = Vb). Ke Fundalien
dieses Gleicbheitsurteils V* sind jetzt die Gesichtsempfindung des Zimmers
(distales Fundal) und das Erinnenmgdiild des Zimmers (proiinules Fundai;.
Die QesichtsenmflnduoK der Zinuneri&nse und Zimmeibreil« ist der distale
Gegenstand, die GesichtavorsteUimK der Zimmerl&nge und Zimmertireite der
proximale (aus der Gesamtvorsletlung isolierte) Geeenstand und zunächst anch
das Argument des Gleichheilsurteils V ^nämlich V» = Vb)- Und wiedwujn
vollziehe ich nun meistens retrograde Obeitragungen, indem ich der Gleich
heit der Vorstellungen die Gleichheit der Empfindungen und dieser die Gleich
heit hypothetischer Dinge, also der von mir als vririclich gedachten Zimmet-
seiten substituiere. Damit wird al>er G bzw. R an Stelle von V zum ArgumeDt
dieser aligeftnderten Gleichheitsurteile (£.=:]!>> and Rs ^ Bb)- ^^ ^-
gebnis fällt jetzt also gerade so aus, als ob ich das Urteil unmittelbar im
Anschluß an die Empfindungen gelallt hätte. Auch in diesen zweiten Fall
wird in der Regel die Substitution gewissennaBen instinktiv sofort vor-
genommen, so daß das phmire GlekMeitsnitnl V^ ^= Vb uns kaum zum
Bewußtsein kommt. Ich kann aber wiederum auch bei der Vorstellun^-
gletchheit, also auf der proximalen Stufe stehHi bleiben. — z. B. aus wisseo-
schaftlichem psychologischem Interesse — ~ und die Vorstellung als AiguaKDl
festhalten. — In der Selbstbeobachtung ist es oft gai nicht Uitibi, die drei
GleichheitBurteile zu uaterscheiden i*) ; es kommt eben auch bei V^^W
die Inazisteikz von Es und ICb bzw. H« uad Rb ^^'^ Geltung. Zu einer
scharfes Trennung gelange ich erst, wenn ich bestimmte allgemeine Büb-
begiifle (Seelisches, KCrperliches, Wahrgenonunenes, Gedachtes usf.) beran-
ziebe.
Die „Gegenstände" in dem jetzt hier festgesetzten Sinne
müssen «charf und durchaas von den „Gegenständen" man-
cher logiziBtischen Erkenntnistbeoretiker und Logiker (vgl.
% 45 f.) getrennt werden "). Diese nehmen an, daß die Gegen-
■•) Uan achte z. B. aul das Urteil; „Zimmerlängc und Zimroerbiei(<:
sind in meiner Erinnerung gleich".
") Auch sonst ist das Wort „Gegeusland" in dem allerverschiedensteo
Sisn gebraucht worden. Kanl verwendet es zuweilen (bei weitem nicht stets)
lakt in demselben Sinn wie ich oben; vgl z. B. KriL d. rein. Venu, 1. Aufl,
Erdm. Ausg. S. 137, Kehlt. Ausg. S. 133. — Brentanos Gegenstand {iti-
Psychol. V. emp. Standp., Lpz. 1874, S. 101 ff.) ist im wesentlichen mit dMs
Vorstellungsinhalt meiner Terminologie identisch; statt nämlich die Vorslel-
luag als Ganzes als Akt aulzufassen, nimmt Br. bei jeder Vorstellung einen
Akt an, der auf den Vorslellungsinhalt gerichtet ist (intentionale Inexisleiu
Brentanos). Auch der Lippssc^ GegenstandsbegrilE (vgl. LeitE. d. Psych.,
3. Aufl. Lpz. 1909, S. &f!.) hat mit dem hier festgesetzten BegriH nichts m
tun. Slumpfs ,tKorre]ate" (vgL S. ISd) decken sich nur teilweise mit ibii>-
Nur insofern stimme ich mit allen diesen Autoren sowie mit den Logizisten
Oberein, als ich gleidiifalls behaupte, daß der Vorstellungs i n h a 1 1 nicht ntil
dem Vorstellungs g e g e n s t a n d identisch ist. Besonders klar hat K. TVai-
dowski diesen Unterschied zwischen Inhalt und Gegenstand dargelegt (Zur
Lefare v. Inhalt u. (Gegenstand der Voitatlungen, Wien ISMO- VgL anch
. Kapitel EAenntimtheorettscbe GTUiid)eeuDe. 271
stände des Denkens D«ben den psychi^hen Prozessen und den
Bedoktionsbestandteilen (,J>ingeu", Beizen, Dingen an eiich
usd eine dritte besonder Art des Seins bilden. Hierher gt-
boren z. B. die „Vorstellongeu an sich" Bolzanos und die
„bestehenden" G«g«istäQde M«inoDg8 ivgi. S. 178 ff.). Daß
fÖT eine solche Annahme alle Anhaltspunkte fehlen, wnrde
schon 8. 258 ff. bei der allgemeinen Kritik des Logizismos er-
örtert; ich kann sogar nberhanpt keinen klaren Sinn mit dem
Begriff der It^rizietischen Gegenstände verbinden. Die Logi-
nsten bernten sieh zuweilen darauf, daß wir auch Phantasie-
^'orgtellnngen "), z. B. eines goldenen Weltkörpers oder des
Maiqnis Posa, und sogar der Erfahrung widersprechende
oder in sich wid^sinn^e Vorstellungen, z. B. des Peter
Sehlemihl oder eiaes viereckigen Dreiecks bilden könnaii,
and daß für solche Vorstellungen weder ein wirklicher Beiz
noch eine wirkliche Empfindung in Betracht kommt. Indes
üt auch diese Berufung nicht stichhaltig. Die Gegenstände
dieser phantastischen und widersinnigen Vorstellungen sind
die einzelnen Vorstellungen"), ans denen sie zusammen-
gesetzt fund (also die Vorstellungen: golden, Weltkörper,
viereckig, dreieckig nsf.), und die Gegenstände der letzteren
sind in letzter Linie die lugehörigen Empfindungen bzw.
Zimmeimann, Philosoph. Propädeutik, Wien 1887, § IB u. SS u. Keiry.
fitrteliahrsscbr. f. wiss. Philos. 1886, Bd. 9, S. 4S&, Bd. 10, S. 419^ Bd. 11,
S. M, Bd, 13, S. 711 Bd. 14, 9. 317, Bd, 16, S. lS7u Auch die ForrauUenin«,
d&S iet Inh< in der VontellunB und der Gegenstand durch die Vor-
«WliuB voigesteUt venle, scbMnt mir unbedenUicb. — In der Frage, was
denn nun der durch die Vorstellung vorgeBtellte Gegenstand ist, weiche ich
nii dieaen Autoren weit ab, Daher kann ich auch die Bezeichnung des Vor-
^HhingsiDhdts als des immanenten oder intentionalen Objektes im Gegen-
uiz tum Gegenstand, auf den sich das Vorstellen bezieht (vgl. HöDer, Logik
mler Mitwirkung Ton Meinong verfaßt, Wien 1890, % 6) nicht akzep-
tieren, denn ich betrachte auch den letzleren Gegenstand (den Gegenstand
■in obigen Daistellung) als der Votstellung inexistent, nur ist diese Ineüstenz
(ine ganz andere als diejenige des Inhalts in der Vorstellung.
") Auch zahlreiche Spekulationsvorstellungen (^1. S. 348) gehören
hierh«.
") Ich bestreite also mit Twardowaki (1. c, 31) gegen Bolzano u. a..
difi solche Vorstellungen „gegenstandaloa" sind, nach meinem Ermessen
'iibai sogar auch sog. STokategorematische Vorstellungen wie „des Vaters"^
„mn" oaf. einen Gegenstand. Bolzano lehrt Obrigens selbst, daB gegenstands-
^ Vorstellungen wie die eines viereckigen Dreiecks zwar keinen Gegenstand
'»ben, ,4hre einzelnen Teile und die Art ihrer Veriiindung" at«r doch so be-
^^iulCen seien wie bei Vorstellungen, die sich auf einen Gegenstand bezieben
Wasnaduftalelve Bd. 1^ S. 81&ff. u. 383).
272 ^- '''^''- Erkenntiüstbeoretiiche usw. Gmndlecuns öer Logik.
Ding« oder Din^i^enschofteu g'leicben NftiaenB. Es liegt
aber keinerlei Veraulaasung vor, auch für die Vorstellongs-
kombination aU solche (als Q-anzea) einen entsprechend
kombinierten Gegenstand anzunehmen. Wir haben kein
Becht, ledig-licli nach einer oberfläcliUohen Analogne aoch
solche Gegenstände willkürlich anzunehmen. Wir können
uns wohl innerhalb bestimmter Grenzen das Erleben ph an-
tastischer Empflndongskombinationen und das Dasein
flotaprechender „Din«e" {Beize) nach einer unsicheren Ana-
logie als möglich vorstellen, aber damit stellen wir nicht
eine neue Seinsart vor, sondern immer wieder dieselbe Seins-
art, die den Empfindungen bzw. Dingen (Be^n) zukommt,
nur in einer neuen Kombination. Wir verfahren, genau ge-
nommen, bei solchen Phantaeievoretellnngen, zu denen wir
entsprechende „Dinge" hinzudenken, znnäehst nicht anders
als bei den Vorstellungen der Bednkte (Bednktionsbestand-
teile, Dinge, Beize, Dinge an sich, vgl. S. 25D), anoh diese
Bedukte sind uns niemals als solche gegeben, sondern wir
denken sie uns nur hinzu. Dieselbe gedachte Existenz — nicht
etwa eine neue dritte — kommt auch den „Dingen" dieser
Pbantasievorstellungen zn. Der erkenntnistheoretische Un-
terschied liegt nur darin, daß jene Bednkte nicht nur ge-
dacht werden, sondern außerdem auch in den Empfin-
dungen inexistieren. Vgl. auch unten S. 309 f. über die
„Geltung" solcher Vorstellungen und S. 266 über „Gegen-
ständsvorstellungen" 1
Es bleibt noch übrig, die Beziehung zwischen einer Vor-
stellung (im weitesten Sinn) und ihrem Gegenstand durch
einen besonderen Terminus zu bezeichneoi, da die Termini
,3]rinnerungsbeziehnng'*, „Beduktionsbeziehung" und „Denk-
beziehong" (vgl. S. 262f.) sich nur auf die allgemeine
genetische Fundierang beziehen. Am besten eignet sich
die Bezeichnung „Intention" („Gegenstandsbeziehung");
man muß dabei nur von den vielen Nebenbedeutungen,
welche man dem Terminus „Intention" im Lanf der Zeit ge-
geben hat (^ 20 u. 45), ganz absehen, so namentlich auch von
der neuerdings oft hervorgetretenen Neigung, im Anschluß
un Brentano die Beziehimg zwischen dem „Akt" des Vonttel-
lens und dem Inhalt der Vorstellung als Intention zn be-
zeichnen (vgl. S. 270, Anm. 17).
Nachdrücklich muß betont werden, daß die Beziehung
irgendeines Edukts auf seine Fundalien uns keineswegs
OgIC
1. KMiitel- Erfcenntnistheoretbche OnimUegung. 273
i>aer als solche zom Betpii0t«eiü kommt logbesoDdere
gUt dies TOD der Beci«hmiK der VorstellaiiK anf die Gmpän-
dOf nnd von der BeslehDUfr der EmpfindtmK auf R. Wir
iDteen solche BeEiehnngren nicht notwendig mitdenken**).
So kaim z. B. das Eriniiernnc;sbUd eines Menschen in mir
asfetei^n, ohne dafi ich mir bewnBt bin, daB es sich nm das
Ermnerunffsbild einer von mir erlebten Empfindnng handelt.
Auf dem Oebiet der Denkbeziehnng (V' -*- V), also anf dem-
jenigen G«biet, das gerade für die Ix^ik speziell in Betracht
kommt, fehlt jedoch im tatsächlichen Denkoi eine bewußte
Bfiekbeziehnng fast niemals ToIIständig. Wenn wir nns auch
nicht aller Fondaüen einer Vorstellmig V' bewußt werden,
«0 denken wir doch wenigstens die Besüehnng anf die bei der
Bildimg von V isolierten (Biehe oben S. 265) Fnndalien, d. h.
(tifl Gegenstandfibeziehung oder Intention, mit. Da es für die
Logik anf die Kiehtigkeit voD' V ankommt (vgl. ^ 1 n.
^91 f.), fioistfürdaslogischeDenken die Gegen -
standsheziehnng unerläßlich. Dabei ist es zu-
nächst logisch (nicht etwa erkenntnietheoretiach) gleichgöl-
tlg, wieweit diese Gegenstandsbeziebang im Sinn des Argn-
WMte retrograd verfolgt wird (vgl. 8. 268).
Da die Psychologie femer mit ausreichenden Gründen
naeliveist, daß von den Eigenschaften, welche wir jeder Yor-
sttfung zuschreiben (Inhalt, Gefühlston nnd Daner, vgl.
^ 7S) nur der Inhalt stets unmittelbar nnd wesentlich vom
G«genstand der Voistellnng abhängt, so kann man auch kurz
sagen: Die Denkbeziehnng fällt im Bereich der
Logik mit der Beziehung des Vorstellongs-
inh&Its auf den Vorstelinngsgegenstand zn-
«anmea, nnd muß nur hinzufügen, daß dieser Vorstel-
(nugsgegenatand bald eine abgeleitete Torstellnng, bald ein
primäres Erinnenrngsbild, bald eine Empflndnng, hold ein
B ist, daß also neben den direkten Vorstellnngsgegeuständeu
auch indirekte existieren.
9 SO. Erkenntnistlieorie im engeren Sinne (Brkenatnis-
krttlk), Biehtlgkelt and UBiiefatigkeit hmn-halb der dr«i
CmdbesiekiiKceB- MatcrUle nU formde Rlebtlgkctt^
") In di«9em Sinn und nur in diesem (^1. S. 271, Anm. 19) eAeone icEt
^ „(«fenstandilose" Vofstallnn^D, richüger ausgedrackt, VoisteüUDgeB
(AUK bewofitan OegeoBtand (ohne Q^anaBdsToratelhiiig) an.
aUh», I.ATbDcbd«LoeIk- 18
„.,,„,^.oogic
274 I'- -^''- Eitenntnistbeoretische usw. Ctnindlecung der Logik.
Adiqnatheit und Konkrepanx. IHe Frage des „Gntäprechens"
oder der „Übereinfltimmnng", wie sie uns schon in § 1 be-
gegnete, muß nunmehr von der Logik in ihrer erkenntnis-
theoretischen Omndlegang für die drei anf S. 262 ff. fest-
Kest«Ut«n Qriindbezieliungen natersocbt werden. Sie ist da-
bei auf die Hilfe der Krkenntnistheorie im engeren Sinae
(der Erkenntnii^itik, vgl. S. 13) angewieseoi. Die Antwort
der letzteren gestaltet sich für die drei Orundbeziehnngen im
r^inzelnen verschieden, generell kann aber folgendes voraus-
bemerkt werden:
Jedes Entspreeben im prägnanten Sinn des r i c h t i g e o
Entspreohens bedeutet nur eine gesetzmäßige Zuordnung'),
aber keine Identität Empfindung, primäres Erinnearungs-
bild, abgeleitete Vorstellung, Urteil nsf. sind mit ihrem
Gegenstand nicht identisch, sondern sind ihm nur in gesetz-
mäßiger Weise zugeordnet. Das Entsprechen als rich-
tiges Gntsprecben oder, anders au^edrückt, die Bicbtii^eit
des Entsprechens beruht auf der eindeutigen Gesetzmäßig-
keit der Zuordnung. In dem sogen. Abbild ist der Tat-
bestand, welcher den G^enstand des Abbilds ausmacht, stet«
verändert, aber dies« Veränderung kann zu alloi Zeiten
homolog aein, d. h. nur einem allgemeinen unveränder-
lichen antochtbonen Gesetz folgen, oder sie kann willkSr-
lioh, d. h. unter dem EUnflufi fremder Einwirkungen und Ge-
setzmäßigkeiten hin imd her schwanken. Im ersteren Fall
— bei „A 1 1 g ü 1 1 i g k e i t" der Veränderungen (vgl, § 75) —
„entspricht" das Abbild dem Gegenstand, und wir nennen ei'
material richtig; im letzteren entspricht es dem Grgenstand
nicht und wird material falsch genannt.
Die Gesetzmäßigkeiten des Entsprechens sind zugleich
für die weit überwiegende Mehrzahl der Individiwn, speziell
der Menschen, dieselben. Die Abbüdverändemngen sind
niehtnnr „all gültig", d. h. in bezug auf Objekte einerGal-
tung, sondern auch innerhalb weiter Grenzen „allgemein-
g ü 1 1 i g", d. h. für alle denkenden Individuen. Daher kann
uns zuweilen nnd bis zu einem gewissen Grad^
^) Nicht einmal von einer .Ähnlichkeit" kann gesprochen werden, tte
AnsdrOcke det Scholastiker „aMimilaUocognitianisadrem" [Albertua llagnus),
„uturalis umilitudo" (Biel) uaf. erscheiDen mir, obwohl man sie neueidinp
«t«der aulfegriiten hat, hOchsl unriOcklklL Auch von eiser JibtäiaBt
kann daher nur etwa in demselben Sinn die Rede aein, in weichem Üf
Katbematik di<M& Teiminw verwendet
1. Kwitel. Eikenntnistfaeoretische Grundlegung. 275
die empirisch festgiestellte AUgem^nKÜltigkeit ') d«r Ver-
ändernngen der Abbilder ebenfalls als ein Kriteriom des
£nbprecheii8 dienec.
Ein Teisteicfa mag diese Sachlage veranschaulichen. Die Wörter einer
^ndte köimen ebenfalls als ,^U>bilder" der bezeichneten Geeenst&nde be-
<adAel werden. Die Richtigkeit des Sprechens besteht in dei g e s e t z -
KiiSigen Zuordnung, der zulolge ein Wort stets für denselben Gegenstand
in denetben Form gebraucht wird. Wenn jemand z. B. aus Nachlässigkeit
an und dasselbe Wort bald so, bald so verstflnunelt oder bald tüz diesen, bald
ät JoieD Gegenstand gebraucht, so ist die GesetemäBigkeit — wenigstens die
«itodithone für die Beziehung von Gegenstand und Wort geltende ' — auf-
Kitaben, und wir nennen ein solches Sprechen unrichtig. Verstümmelt
leniuid, z. B. ein Stammler, dasselbe Wort immer in derselben Weise, so
bum stmg genonunen von einer materlalen Unrichügkeit nicht die Rede
KD, es handelt sich rielmeh* nur um eine Abweichung vom ObUchen
Sprechen, bei welcher doch die gesetzmABige Zuordnung nicht aufgehoben
«ird. Im allgemeinen kommen gesetzin&&ige sprachliche Zuordnungen nur
W einer grOBeren Zahl von Individuen, z. & einem Volk zustande; sie
änd — mit anderen Worten — in der Regel innerhalb bestimmter Grenzen
allgemeiDgaltig, daher kann die Abweichung vom atlgemeisen ^rachgebra'uch
' Bidd Betten wsmigstens als ein Indiz für GeselztoABirteit der Zuordnung und
<luntt für Ricbti^eit angesehen werden. Wie relativ aber dies IndJK ist^
nht z, B. aus de* Tatsache der Dialekte und der Tatsache der Entstehung
nn Volkssprachen aus Dialekten hervor. Selbstversl&ndlich darf dieser ganze
Veiiäch eben nur als Vergleich betrachtet werden. Die Beziehung zwischen
Wort und Gegenstand ist sehr viel äußerlicher als diejenige zwischen einem
KTchiscben FrozeS und seinem Gegenstand.
Nach diesen aUgemeineo Erörternngen über das £nt-
Bprecben kommt «s darauf an, seine Bedingnn^en für die
«nselQen oben (S. 262) nnterschiedenen „Beziehungen" feet-
niBtellen.
Was erstens die Bedukt- oder Dingbeziehnn?,
also die Beziehung der Empfindungen zu den gedachten
Beduktionsbeatandteilen °) (Dingen an sich des Fhänomena-
lismus, Beizen der naiven Physiologie) anlangrt, so wird das
Gnt^rechen hier durch die Gesetze der sog. spezifischen
Snneaenergien (i^ Parallelgesetze meiner Erk^mtnistheorie)
eindeutig beherrscht. Von Bicbtigkeit und Unrichtig-
bit der Empflndnngen kann, wenn man sie isoliert be-
trachtet, natürlich überhaupt nicht die Bede sein. Erst wenn
^ Ob es auch eine unabh&ngig von der Erfahrung feststellbare Allge-
loeiicQltigfceit gib^ wiid an andrer Stelle erörtert
') Uan beachte dabei, daB wir auf Grund unsrer Empfindungen Vor-
Melhmgea Ton Beduktionsbestandteilen bildea und dann umgekehrt auch
mstre Envfinitensen prüfen, ob sie den auf Grund anderer Empflndungen
UKoMomniai Heduktiaiiä>e8tandteilen entvrscheii.
1,1^. OQi
'S'c
276 ^ '''<'>'' EikenndiisUieDretiiche usw. Gnindlecuns der Loiik.
man sie in ihrer Beziehung zn den hixuEngedachten Bednk-
ttonsbestcuidteilen prüft, fallen sie unter die Ättribote rtohti;
and falsch (vgl. S. 4). Man kann aleo eine Empflndang nur
dann unrichtig nennen, wenn die gesetzmäSige Zaordnong zn
den Bedoktionsbeetandteilen irgendwie geetört iet. Da die
zostfindigen Gesetze der spezifischen Energien (v-Par^cl-
gesetze) wie alle anderen Gesetze unabänderlich und stets
gelten, so kann eine Störung der Zuordnung nor dadareh er-
folgen, daß andere Gesetae mit ihren Wirkungira eingivifen.
Von solchen anderen Gesetzen bzw. fremden geset^OB&fiigen
Einwirkungen kommen hier nur diejenigen der Vorstellongs-
vorgänge in Betracht, In der Tat können wir strenggencHn-
men eine Empändong nur dann als nnriohtig bezeiehneD,
wenn sie unter dem Einflofi von VorsteIlnngsvoi^ng«D ab-
• geändert ist*). Viele sog, Illasionen normaler nnd geifites-
kranker Individuen und die Phantasmien (begleitende Holla-
zinationen) der GeisteekraidEen ') gehören hierher.
Wir haben uns allerdings angewöhnt, TOn Unrichtigkeit
der Empfindungen auch in vielen anderen Fällen zn sprechen,
in welchen tatsächlich eine Unrichtigkeit in dem hier fest-
gesetzten Sinn nicht vorliegt, nämlich
1. Bei einer von der gewöhnlichen abweichenden Ver-
fassung der sensorischen Körpergebiete (im weitesten Sinn *)
bis zur sensorischen Hirnrinde eioschlteBlich). Die EmpfiB'
düngen sind dann lückenhaft oder weniger differenziert and
weichen von den gewöhnlichen entweder in ihrer QaaUtftt
oder in ihrer Intensität oder in ihren ränmlichen oder seit-
lichen Eigenschaften ab. Teils sind diese Abweichungen in-
dividuell nnd vorübergehend (beispieleweise im Santonin-
ransch), teils individuell und mehr oder weniger dauernd
(Beispiele: Farbenblindheit, Phantomien vonCteieteskranken,
Doppeltsehrai net.), teils wahrscheinlich sogar anf Sassen
und Arten ausgebreitet und werden dann meistens schon
niefat mehr als nnriehtig bezeichnet.
2. Bei ungewöhnlicher Beschaffenheit der zwischen dem
Reiz und der aufnehmenden Sinnesfläche gelegenen Medien
') Uas beachte wohl, daA es sich um wiitiiche Verftsderungea der
Empfindungen selbst, nicht etm nur um sog. Auffassungsstdnumn handelt.
>) Vft. meine Psychiatfi^ i. Aufl. Leipzig 1911, S. 86 B. Auch die
G«cl&chtDi9fai4>en Herings und thaliche Erscheinungen rechne ich hieriier.
*) Auch die motorischen Gebiete eisbegrilfen, soweit sie aui dia SrnpSo-
dungen Einfluß haben (Akkommadation usf.).
1,1^. OQi
,g,c
1. Kapitel ErkennUiisUirareUsche Gnudleguns. 277
(Bdqdel: Veraemmg: dorch BFechung, Cnsehärfe der im
KeM sesebeuen Dinge).
3. Bei nngewShoUcher EDtfemung der Reize 0 (Beispiel:
ÜDsehüfe der EmpflDdimgeii «ntfemter optischer nnd akasti-
«ber Beize).
4. Bei nngewöhnlichem Zasammeowirkeii der Bedok-
^onsbeetandteile (Beize), wie z. B. bei Kontraeterscheinnii-
gea, bei den gieometrisch-optüchen Täascbangeii, bei «tro-
boBkopisehen Scheinbewegning:ea nsf.; in vielen dieser Fälle
Itat m&a fibrigens zom TeÜ mit Erfolg nacbzaweiaen gesucht,
^ V<a«tellangBeinflÖ88e beteiligt sind, so dalt solche Fälle
hier anmcheiden nnd zn den in unserem Sinn unrichtigen
Em{Aadangen (s. o. S. 27^ zu rechnen sein würden.'
Wenn man in allen diesen 4 Hauptfällen die Eämpfln-
dongen als unrichtig bezeichnet, so geht man offenbar still-
schweigend von der Voraussetzung aus, daB es gewisser-
Btafieo Normalempfindnngen gebe oder Normalemp-
flndongen gedacht werden können, bei welchen alle die auf-
gezählten „ungewöhnlichen" Momente eliminiert sind.
Durch Vergleich der „onrichtigen" Empfindungen mit
Smpflndnngen derselben Beize unter „gewöhnlichen" Um-
etäiiden oder mit Empfindungen derselben Beize durch andere
Sinnesorgane, bei denen die ungewöhnlichen Umstände nicht
zur Wirkung gelangen (Betasten des durch die Brechung ver-
lent erscheinenden Stabes), kann ich sogar nähemngsweiae
eine Korrektur im Knn der Normalempflndungen tatsächlich
herheifähren. Ebenso aber leuchtet ein, daS von einer ün-
nchtigkeiti nur in konventionellem; Sinn, eben im Hinblick
tttl solche fingierte Nonnalempfindnngen, gesprochen wer-
^ kann. Tatsächlich entsprechen die Empfindungen in
allm diesen Fällen den Bednktionsbestandteilen durchaus.
Die gesetxmäBige Zuordnung ist nirgends durchbrochen.
Haa muß nur bei der Beurteilung der Gmpflndnngen die ge-
samte Situation, welche ihnen zugrunde liegt, also diet 6 e -
santtheit der wirksamen Beduktionsbestandteile (Beize)
nnd die Gesamtverfassqag der beteiligten sensoriellen
Sörpeigsbiete berücksichtigen. Das infolge der Brechung
Sekniekte Bild eines Stabs, der halb unter Wasser ist, kann
mir als nnrichtjg gelten, wenn ich nur den Stab als Beduk-
i,Cooglc
278 n. Teil. EritenntnisUieoretiscfae usw. GnincUesunc der Losik.
tionsbestandteü in Betracht ziehe, erweist sich aber als
richtig, wenn ich anch das Wasser und den Weg der Äther-
wellen berückBichtige. Die gelbliche Färbnng vieler Objekte
im Santoninraasch wird richtig, wenn ich den besonderen Zu-
stand der anfoehmenden sensoriellen Körpergebiete beachte.
Kurz, die Unrichtigkeit der Empfindung ist nnr scheinbar.
Eine Unrichtigkeit kommt erst zustande, wenn ich in meinem
Denken die Brnpflndong unter Vernachlässigung der un-
gewöhnlichen Momente der Beiznngssitnation ungenau nur
einem Teilglied der Bedokte zuordne.
Eb bleibt also dabei, daß als unrichtig im strengen Sinn
unerer Definition nnr diejenigen Empfindungen bezeichnet
werden können, welche durch Vorstellungen umgestaltet sind.
Jedenffdle mtiesen wir femer, wenn wir bei dem Sprechen
von Richtigkeit nicht die Qesamt'sitnation, sondern nur
einen bestimmten Beduktionsbestaadteil ins Ange fassen,
festhalten, daS das Etatsprechen zwischen f^pfindnng und
Beduhtionebestandteil (Ding an eich, Beiz) einige bemerkens-
werte Eigenschaften hat, die hier nur kurz erwähnt werden
können. Vor allem zeichnet es sieh dadurch ans, daS es
gradweise abgestuft, also nicht an die kontradikto-
rische Disjunktion „richtig oder unrichtig" gebunden ist-
So schwankt beispielsweise die Schärfe der Empflndong
zwischen einem Maximum und einem Minimom derart, dafi
alle denkbaren Übergänge zwischen beiden gelegentlich vor-
konunen können.
Ebenso wichtig ist eine andere Eigenschaft, die man im
prägnanten Sinn als die Belativität') des Ent-
sprechens bezeichnen kann. Diese besteht darin, daß jenes
Maximum des Entsprechen» zwischen Empfindung und B^
dnktionsbeetandteil kein feststehender oder feststellbarer
Pnnkt in der Skala des Emtapreehens ist. Wenn ich ein
Objekt ans großer Nähe bei vorteilhafter Beleuchtung mit
günstigster Akkonomodation betrachte, so kann ich mir
immer noch eine empfiuiUicherie Netzhaut, eine Verwendung
von Vergrößerungsgläsern u. a. m. denken und damit eine
weitere Verschärfung der Empfindung, ein noch genaueree
Entsprechen, eine größere Bichtigkeit der Empfindung theo-
retisch konsthiieren nnd sogar bis zu einer gewissen (Frenze
1. Kapitel. Erkenntniatheoretiscbe Gnindtesunt. 279
anch tatsäehlieh herbeiführen. Die optimale Lage (im wei-
testen Sinn) des Reizes zn dem anfnehmendeu Organ (Sinnes-
vgan, Gehirn) bleibt nnbestimmt. Wenigstens theoretisch
existiert kein absolates. Maxünnm *).
Was zweitens die Beziehang der primären Erinue-
nmgsbilder (V) za den Empfindungen (E), also die Er-
innernngsbeziehung anlangt, so kommt hier ein Ent-
qipechen nnd daher auch Richtigkeit und Falschheit
Steher in Betracht Das nndeDtlicbe **) Erinneningsbild
entspricht seiner Grondempflndong weniger als das dentliche
und ist insofern weniger richtig. Auch dies Elntsprechen ist
oflenbar gradweise abgestuft, dagegen weicht es von dem
Entsprechen der Rednktionsbeziehnng darin ab, daS das
M&ximom einigermaßen fixiert ist: wir werden dasselbe dann
annmehmen haben, wenn alle Eigenschaften der Gmnd-
empflndnng im Erinnemngsbild so vertreten sind, wie es
einem Minimum des Vergessens und einem Maximum der
ÄTtfmerksamkeit entspricht. Auch hierbei ist noch eine weite
Belativität vorhanden, aber es besteht doch nicht mehr jene
abeolnte Unbestimmtheit, welche für das MaxinnTim des
f^tsprechens der Bednktionsbeziehnng vorliegt und die
offenbar mit der unzureichenden Bekanutheit und der Hetero-
genität der Reduktionsbestandteile zosammenhängt.
Im Bereich der EmpfindunRen bleibt uds niclits anderes übrig, als «ilt-
^ililich einen idealen Fall der Reizlage und der Reizauinahme zu konatraierea
und benuBZLsreiten, in dem nach unseren allgemeinen Ermittlungen die
EBVfinduDg eiatan bestimmten Reiz am schärfsten entspricht (soweit bei
■nuftr Omutisation ein Entsprechen Oberhaupt möglich ist), und nun die
tdslchticben Empfindungen mit denen eines solchen Ideal- und Durchschnitts-
Üb, den oben erw&hnten Nonnatempfindungen zu vergleiciien. Nur so ge-
laiigen vir dazu, auch Air die Empflnduniten iinahhlngig von StCningen durch
VonteUungen vem^edene Grade der Übereinstimmung (des Entspiechens)
ni iMlianpten imd eine Empfindung im Vergleich mit einer anderen als falsch
ni bezeichnen. Bei den Erinnerungsbildem ist uns ein Idealfall ohne weiteres
is dnn Fall eines unmittelbar an die Empfindung sich anschUefienclen, bei
*uwm H aximum der Aufmerksamkeit erwort>enen Erinnerungsbildes gegeben,
lud es kann sich nur um eine Auswahl mit Bezug auf die individuellei)
DiOerenzen in der Annäherune an die bekannte Gnindenvündung band^.
Bei dieser Sachlage ist auch die gröBte Zurückhaltung gegenüber dem
KhoQ Ton Aristoteles aufgestellten und seitdem vielfach, oft mit kleinen Ab-
liideruDgen nachgesprochenen Satz geboten, daB nur jedem Urteil (^t-
*) Bin solches w&re erst dann gegeben, wenn die Empfindunc mit B
>d«ktiaGh wird, also aulhört Empfindung zu sein.
'*) Tri- aber Schlrfe und Deutlichkeit Leitf. d. phvs. Fsychol., 10. Aufl.
J«na 1914, s. aas.
tY^IC
280 '^- "^^l- Erkennt nistheoretische usw. Grundkeunc der Logik.
9«n»«c !•}«;) Wabisein oder Falschsein zukomme (ir ^ t» il^Hitf
q i/mviftt9vi in^x*'i Akad. Auw- 17b)- Wenn man nicht ex 4«fliu^iie
Wahrsein und Palscbseia auf das UrteUen einschränki, womit der Baue Satz
auf ein triviales a=a hinauslaufen würde, trifft er nicht zu: uich anl die
Empfindungen (s. o.) und vor allem auf die iHuiiren und abgäeüetn Vor-
Hlellungen kann man mit sutem Sinn die Prftdikate „richtis" un4 ,^ilsdi"
RnvMiden >^}. Der wahre und wichüse Satz, der Aiiatoteles wohl ^o^-
sescbwebt haben mac, seht dahin, daB die Feststellung der Richtigkeit
oder Unrichtigkeit immer nur durch Urleilsakte (Vergleiche) möglich ist. Dieser
Satz gilt auch fOr die Richtigkeit imd tlnrictatigkeit von Empfindungen lutd
primiren Srinnerungsbildwn, besagt also nichts weniger als den AusacUnS
dieser Prädikate von den Enmflndungen.
Beacbtunsr verdi^Dt anch, dafi, wie schon erwähnt,
den primäreD Ermnerqngsbildern durch VermittlunK der
Gmpflndnnffen auch eine indirekte Beziehung zn
den gedachten Beduktionsbestandteilen zuktHnmt:
V-^E-*^R (vgl. S, 262). Im Hinblick Buf diese indirekte
Beziehnng kann man nämlich den primären ErinnemiigB-
bildem eine doppelte Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit to-
eckceiben, nämlich eine Richtigkeit mit Bezug auf Uiie
G'rundempfiudungen und eine Bicbtigkeit mit Bezug ahf die
Beduktlonsbetitundteile der Grundempfindang^i' In der
Begel hängt die letztere von der ersteren und zugleich von
der Bichtigkeit der Empfindungen ab.
Sowohl die Bichtigkeit der Empfindungen wie die Bioh-
tigksit der primären Erinnerungsbilder kann in dem S. 3
ffstgesetzten Sinn al» material bezeichnet werden. Die
allgemeinen Gesetze, nach denen die Empfindungs- und Er-
innerungsvorgäuge zu einem material richtige» oder qn-
ritihtigen £mpflndiing«- bzw. Einaerungsergebnift füluWB.
können demgegenüber als formal bezeichnet werden. Ber-
kümmlicherweise werden sie nicht von der Logik, deren
Untersuchungen sich eben auf die Denk Vorgänge be-
echräiikeu, sondern von der Psychologie erforscht. Es sei
darum hier nur betont, dafi die materiale Unrichtigkeit der
fimpfindongen und primäTen Erinnerungsbilder stets airf
einer Störung der formalen Empfindungs- bzw. Erinnerungs-
prozesse beruht "), insofern die beiden letzteren unter Be-
") Daher sind Autoren, die wie Matte von dem Satz des Anstotelw
jnit leiditcr Ab&nderunc ausgeben (Exper. psrcbol. t'ntersuchungen Ober das
Urleil usf., Lpz. 1901, S. Stf.) genötifft, »'UrteilssachTMBteUangen" oder „Urteil»-
Vorstellungen" anzunehmen.
^^ Bei den Erinnerungabildem kann, »ie oben auch itäuta arwlkat.
£• indirekte materiale Unrichtigkeit audi auf der matoriakn ÜnricUigkcil
der EmpfinduDsen beruhen, worauf hier mehl nfiher cinzugdien ist.
OgIC
__^^ 1. KapiteL Erk«iuUDisUieoretiscbe Gnindlegunit, 281
'fispingen stattfinden, di« von dem uns als Norm geltenden
ZostaDd abweichen- Formale nnd mat^ale Biohti^ieit bzw.
Unrichtigkeit fallen hier zusammen. Man spricht daher hier
gewämlich nnr horz von materialer Richtigkeit bsw.
(^richtigkeit.
Wesentlich anders verhält sich das Hutsprechen im
Bereich der dritten Beziehung, der „Denkbeziehang"
zwischen V and V, d. h. zwischen den Ergehniasen der Denk-
^oifäng« und den primären Erinnernngsbiidem oder — knrz
aosgedräckt — zwischen den Vorstellongen virsohiedener
Stnfe untereinander (vgl. S. 263). Da ein Denkargebnis V
sich bald nur direkt auf V ") (V-*- V), bald indirekt auch
auf E (V'-*V-^ E) oder sogar auf B (V'-^V-^E-^B) be-
liehen kann (vgl. S. 263), so kommt neben dem direkten Ent-
tp'ecben mit Bezug auf V auch ein indirektes Entsprechen
mit Bezug auf £ und B und also neben der direkten BichUff-
keit auch eine indirekte in Betracht Da femer, wie S. 262
schon erwähnt wurde, innerhalb der Denkergebnisse noch
veitera Beziehnngen nnd Abstufungen bestehen, indem anf
die ersten Denkei^bnisse' räch immer weitere aufbauen, so
konunt noch ein Entsprechen, also eine Richtigkeit bzw-
Unrichtigkeit innerhalb des Gebiets der V hinzu, oder
— mit anderen Worten -r~ aneh die Beziehung- auf V ist s^r
rft indirekt (y"-*-V-^y usf., vgL S. 263). Das Entspreeben
zwischen VorstellungBinhatt und Vorstellungs gegen-
ständ (vgl. S. 273) ist durch mehr oder weniger Zwischen-
stufen vermittelt.
Eine gradweise Abstufung der Bichtigkeit kommt auch
bei der dritten Beziehung vor. Meine Allgemeinvorstellung
'*) Einen Übergang znischen der ErinneninssbeziebuDB und der Denk-
beziehnns bilden die sog. Emffindungsurteile wie z. B. „dies ist Herr kl.",
«dies iat eine Rose". Das Subjekt des Urteils ist hier eine EmpfladutiK, der
Denkakt tutt nicht eine VorftflUuaK, sondern eine Empfindung zum unmUtat-
baren Geienstand, während er sich sonst nur indirekt, d. h. durch Vennitt-
hug von Vorstellungen auf Empfindungen bezieht Man kann diese Eisen-
tündichkeit der Empfindungsurteile auch dahin lorraulieren, daB die Erinnc-
nD«d)eziebung als Denbkt lormuliert oder in einen Denkakt unuestaUet
«ifd. Sowohl in der psycholociKhen Grundleguiv {% 7ö] wie auch ia der
Wik a. slr. (g 90 ff.) wird dieser Sonderst^ung 4^'' Empfindungsurteile ein-
Kfa«ud Hcchuung getragen werden. Es leuchtet äbrigens ein^ daB jedes
EnpäBdungnuteil mit dem Verschwinden oder Zurücktreten der Emiifindung
Mim io ein ■ewAhnlicAcs VargteilunmuitHl übergeht („dies war eine Rme"
<)der ,jits, was ich gesehen habe, ist eine Rose").
„.,,„A.OOglC
282 IT- Teil EricenntnisUteontiscbe usw. Gnindlesnns der Logik.
einer Meduse wird z. B. richtiger oder weniger richtig sein,
je nachdem meine Eiinnernngsbilder der einzelnen Medoseu
deutlicher oder undeutlicher sind. Andrerseits fehlen in zahl-
losen Fällen alle Abstufungen vollständig. Zwischen a^^a
und a^nona existiert keine Zwischenstufe. Daa eine ist
absolut richtig, das andere absolut falsch. Ähnlich verhält
es sich mit der Relativität im Bereich der Denkbeziehungen.
In denselben Fällen, in welchen gradweise Ahstnfnngen der
Richtigkeit vorkommen, ist die BLchtigkeit auch in dem
S. 278 festgesetzten prägnanten Sinn relativ, in den anderen
absoint. Für die AllgemeinvorsteUung „Meduse" läßt sich
ein Maximum der Richtigkeit überhaupt nicht fixieren, für
Sätze wie a^^a ist es ohne weiteres gegeben, da überhaupt
eine andere richtige Beziehung zwischen a und a ausge-
schlossen ist Worauf diese Ungleichm&ßigkeit im Bereich
der Denkbeziehuugen beruht nnd welche tiefere Bedentimg
sie hat, wird sich später ergehen.
Die aUgemeine Relativität, welche aller unsrer Erkeanlnis anhaltet,
wimHfh die Abh&Dgigkeit von unseren Erfcenntnisfunktionen, kommt sdbet
stündlich allen unseren Erkenntnissen zu: Eik ist stets eine Funktion f des
Objekts O und unsrer Eikenntnishmktioncn F, symbolisch ErkE=9f (0, F)
oder absekOrzt Eik = F (0). Dia sog. adaequatio rei et intellectus ist günstiü-
sten Falles eine roüimale Annähening.
Wie jede Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit
ist auch diejenige des Denkergebnisses im Be-
reich der Denkbeziehung stets material: es
handelt sich auch hier stets darum, ob innerhalb der durch
Kausal- und Parallelgesetze gesteckten Orenzm V mit V
bzw. E bzw. R äbereinstimmt, ob also — ganz allgemein —
ein Tatbestand innerhalb des Gegebenen (ein gignome-
naler Tatbestand) von anderen Gignomenen richtig wieder-
gegeben wird (vgl. S. 2). Nur in bezug auf die Ent-
steh nng des Denkergebnisses besteht insofern ein Unter-
schied, als die materiale Richtigkeit des Ei^^ebnisses
einerseits von der materialen Richtigkeit der in Betracht
kmnmenden Empfindungen und primären Erinnerungsbilder
und andrerseits von dem richtigen Ahlanf der Denkprozesee,
rfnrch welche die Empfindungen bzw. Erinnernngsbilder ver-
arbeitet werden, abhängt und somit auch die materiale Un-
richtigkeit eines Denkergebniases entweder durch materiale
Unrichtigkeit der bez. Empfindungen oder primären Er-
imaerungsbilder oder durch unrichtigen Ablauf der an-
„.,,„,^.oogic
1. Kapitel. EriietintiiistheoretiBdte Gnindleeung. 283
«üiließendeii Denkprozeese bediagrt wird. Der richtige bzw.
nnhehtige Ablauf der Deiücprozesse wurde schon in ^ 1
i& 3) mit dem Terminus „formal" bele^. Wir können
Mer kurz sa^o: Die matertale Richtigkeit der
Denkergebnisse hängt von der materialen
Bichtigkeit der zugehörigen (verwerteten) Emp-
findungen bzw. primären Erinnerungsbilder
and der formalen Bichtigkeit der zagehörigen
Oenkakte ab.
Handelt es sich um Denfcakte, die mchl an primäMn Erinneninsabildern,
soDdem an aus diesen abseleiteten VorsteUunaen vollzogen werden, so tritt
n Stelle der materialen Richtigkeit der E's und der priin&ren Vs die mate-
riale ßicfati^eit dieser abgeleiteten Vorstellunsen, und diese hftnst ihrerseits
*)eder von jenen beiden Faktoren und ihrer eifenen Unversehrtbeit ab.
Mdit nur unsere primären Erinneruiigsbilder, sondern auch die aus ihnen
haielellelen Vorstellunsen sind dem Vergessen und allerhand anderen Ton
den Denkakten unahhänsigen Entstellungen ausgesetzt und kj^nnen so ihre
■nteriale Richtigkeit einbOBen. Da diese Quelle der Unrichtigkeit der Denk-
ofAniase mit den Denkaklen nichts zu tun hat und in ihrer wesentlichen
Bedeutung ganz mit der materialen Unrichtigkeit der [nim&ren Erinnerungs-
Ixlder zusammenl&llt, soll sie im folgenden nicht immer besonders neben der
Mzteren angeführt werden (vgl. auch § 87).
Will man den Terminus „formal" auch auf das Denk-
«Tgebnis übertragen, so wird man also sagen müssen:
Duterial richtige Denkergebnisae sind stets zugleich formal
riehtig"), material unrichtige Denkergebniase kommen bald
nur infolge material unrichtiger Empfindungen bzw. pri-
märer Erinnerungsbilder zustande und sind dann also auch
ikrer Entstehung nach ansechliefilioh material-
ttorichtig; bald beruhen sie nur oder wenigstens auch
aof unrichtigen Denkakten und können insofern ahs material
and formal unrichtig bezeichnet werden (material bez.
des Ergebnisses, formal bez. des Entstehungsakts).
Es empfiehlt sich, diese Unterschiede in der Bichtigkeit
der Denkergebnisse durch besondere Bezeichnungen festzu-
baUen. Die Bezeichnungen „materiale und formale Bichtig-
keit'* bzw. „Unrichtigkeit" oder anch „materiale nnd formale
WahAeit" bzw. „Unwahrheit" haben d«i Nachteil, daß sie
ans je zwei Wörtern zusanmiengesetzt und daher zu weiteren,
'*) Eine Ausnahme ergibt sich nur bei der zum Teil schon S. i, Anm. 3
QvUuten Kompensation: Eegenaeitifer Konu>ensation foimaler Fdilei unter-
(>nuder od« formaler fcbler mit materialen Fehlem der E's oder V's oder
*bA formaler Fehler dui^ materiale Ei^nzungen, worOber % 80 nach-
ailwen ist.
„.,,„,^.oogic
284 ^ '^^'I- EAeantnisthMfetbche usw. Grundlemra det Logilc.
z. B. adjektiviechen Wortableitnnsen wenig geeignet sind.
Ich werde daher im folgmden die Riehtigkeit bzw. Unricli-
tigtceit der Denkergebnisse im allgemeinen, welche ja,
wie sich gezeigt hat, etets material ist, als Adäquat-
hei t bsw. Ivadäquatheit und die Bichtigkeit bsw. Un-
richtigkeit der Denkergebnisse, soweit sie von der Richtig-
keit der zugehörigen Denk a kl e abhängt, also formal be-
dingt ist, als Konkrepanz bzw. Diskrepanz**) be-
zeichnen. Wird im folgenden das Wort ,3ichtigkeit" bzw.
„Wahrheit" ohne Znsats gebraucht, so ist stets die Adäqoat-
heit einschliefilioh der Konkrepanz gemeint, welch letztere
ja, wenn Adäqnatheit vorliegt, im aUgemeinen gleichfalls
vorhanden ist**).
Man übersehe nicht, dafi die materiale Richtigkeit eines
Denkergebnisses sonach zwei Richtigkeiten einschlieSt,
erstens die materiale Richtigkeit der verwierteten Brinne-
ruQgsbUder und anderer Gegenstände niederer OrdsBOK
(fimdierender Gegenstände Meinongs, vgl. S. 263 n. 36^
and zweitetH die formale Richtigkeit des verwiertenden Daok-
aktes. Überträgt man den Terminus „formale Bichtij^eif ,
wie jetzt geschehen, vom Denkakt aaf das Denkergeb-
nis, so kann man auch den Anteil, den die materiale Rich-
tigkeit der verwerteten Gegenstände niederer Ordnung h»ti
besonders bezeichnen, z. B. als fondiert-materiale Riditig-
keit oder kurzer als fandale Richtigkeit (Solidität).
In der deutschen Sprache scheint sich noch ein weiterer terminriotiacba
AuswflC darzubisteu^ da si« uns einerseits die AusdrOcke „Wabrtieit" und
„Unwahrheit" und andrereits die Ausdrücke .^icbtifkeit" und „UnrichtiAäL''
") Den die Diskrepanz bedingenden unrichtigen E>enkakt kann nan
mit Aristoteles als Paralofisnius bezeichneu, doch beziebt Um Ahalotdes u
einseitig auf Schlüsse (vgt. z. B. Akad. Aus«. 6ib). Vgl. auch Kant, Krit d.
rein. Vem., Kehrt>. Ausg., S. 29et.
1*) Ich kehre damit zu dem Sprachgebrauch des Albertus Magnus und
Thomas y. Aquino — „adaequatia lai et intälectus" — zurück. SpUcr bat
man nftmUch alt gerade umgekehrt als AdAquatheit eine oder m^W
innere Eigeoachaften (,jiropri«Utea intrinsecae"), welche einn „u'w^' •''
se sine relaüone ad objectum" zukonunen, bezeichnet. Vgl. EAenntni»-
tfaeorie 1. c. S. &S5ft.; Spinoza, Ethice, Pars 2, Def. 4; Leibniz, Hiilos. Sehr.
Gerb. Ausg. Bd. i, S. 4S3; Chr. WolB, Logica, 2. Ausg. 1738, % 96 (ß. 1«)
u. a. m. AndierseilB hat z. B. Locke die alte Bedetduag von «deouale im
wesentlichen festgehalten: tfaoae — "*iiT'yh real ideaa — • I call siMuatAi
which pertsctly Tepresent tbose «jcheivpes wbidi the miad snpposes thMi
taken fron^ irtiich it intcAda then to stjud ftii^ aad to irtöcfa U refen tt*
CEsB. conc. faum, undersl. II, 81, 1).
1. Kapüel. Erkennlnistheoreüsche Omndletung. 285
'«fa iDcIi Falschheit") duiiieteL In der Tat bat man nicht gelten hieivon
Gdcneh Bemacbt. So habe auch ich selbst an andrer Stelle^') voisescUxen,
dKlonnale Übereinstimmung ab RichtiBkeit, die roateriale als Wahrheit zu
'noAnen, und glaobe andi jetzt noch, daB eine solche Unteiscbeidung
noBm ^naidiceflihl noch am ehesten entsprechen würde. Indes haben
udm aerade die entgecensesetzte Bestimmung vorgeschlafen (vgl. t. B.
E«^ Einleit. i. d. Fhilos., b. AufL Leipzig 191% S. Ul u. 306; Ober di«
niecÜscbe Terminologie sehe auch Hieb. Bertierts, Das Wahrheitspioblem
L d. piedi. Fhilos., Berlin 1913, namentL Kap. 8 u. 9. Steuer u. Epikur).
Ml anders Terwendet Bolzano (Wisseaschaflslebre I, S. M7) dieselben
ramtiu: er inil bei Vorstellungen von RicfatiAeit ond Unrichtigkeit, bei
SatzCD von Wahrheit und Falschheit sprecfaeD;, wogegen vor allem schon
anmelden ist, daB nach dem Sprachg^raucb Falschheit das Gegenteil von
RiditiAeit und nicht das Gegenteil von Wahilieit ist Erdmann gebrauchl
m AuchluB an Ihering dm Terminus ,Jtichtigkeit" speziell mit Bezug auf
priktiscbe Nonnen (Logikk Bd. 1, 2. Aufl. Halle 1907, Sl 3U). Bei
Aesv extramoi Divergenz des wissenschaftlicfam ^irachgebrauchs, für welche
Bcb Doch sehr viele iveitere Beispiele anführen lassen, schien es erlaubt und
ntMkmUig, wie oben geschehen, neue neutralere Termini vorzuschlagen. —
Dtr sdir nahe liegende Terminus „Eonformit&t" für die formale Richtigkeit
*nde vermieden, ttal er sowohl in der scholastischen wie in der neueren
Logik oft gerade fOr die materiale Richtigkeit v«wendet worden ist (vgl.
t- B. Godenins, Lexicon Philosoph, graeco-lat., Uarpurgi 1013, S. 311;
Ikinnd de Pourcain „conformitaa intelleclu^ ad rem intellectam". In prina.
kdL I, 19, qu 5; Gassendi, Fhilos. Epic. synt. I, 1, Opusc. Philosoph, ed.
Howit, Tom. m, S. t; Watts, Logic I, eh. 3, S. +). Für die materiale
Riddigkeit gebtaucht Leibniz gelt^entticb den Ausdiijck ,correspondaQce"
{Sam. Ess. IT, 6, S), Wolf! spricht von „consenflue" (Logica % 505), Rüdiger
definiert die „veritas logica" als „convenientia ^*) cogilationum nobtrarum
cum sensione" (De sensu veri et taln ^ i; g 14 Sl Aufl. a 27) usL Alle diese
Tennini kAnntes aber nach ihrer Wortbedeutung ebensogut für die formale
BiditlAeit gri}raticht werden und siAd daher wohl weniger zweckmäBig.
Man beachte übrigens Bchon jetzt, dafi die Diskrepanz
in dran Ergebnis bald manifest, bald latent ist. Wenn z. B.
ein logischer Becheofehler zn dem Ergebnis führt, dafi
2=5 ist, so liegt ein nnmittelbar erkennbarer, d. h. mani-
fester aog. iimerer Widersprach vor. Dieser wird uns als
Disgrnenz (s. str.) alsbald (S. 290) ausführlicher beschäf-
tigen; er kann entweder anf Diskrepanz oder auf Insolidität
benÜND.
"] Gnmdlagen der Fsychologie, Leipzig-Berlin 1915, fid. 1, S. 236,
-tun. 1. Siebe iedoch auch Etkeimtnistheorie,' Jena 1913, S. 5^. Vgl. auch
Hegel, Encyklop. g 173 (WW. Bd. 6. S. 3M).
'*) Schon Spinoza stellt das Axiom auf: idea vera dehet cum suo ideato
Mnrtoin" (Eth. I, Ax. 9). Rüdiger fogt an der oben zitierten Stella zu
scnaone hinzu: „ouae iam vera esse metaphysice nee fallere sunütur" und
^miift in S 8 ausdrücklich die Definition der Wahrheit als äner convenientia
rei nmi intellectu (1. c. S. 26).
1,1^. OQi
'S'c
286 ^ '^^''- ErkenDtnistheoretiache us«r. Gnindlecunr der LogÜc
Die allgemeine Beziehung zwiecheu formaler nnd mate-
rialer Bichtigkett läßt eicli mit HUfe der feetgeBetzteu Ter-
mini nunmehr anch kurz folgendermaßen ansdrücken: Jedes
adäquate V ist zugleich auch konkrepant ^*), ein inadäquatee
V ist hald infolge Inadäquatheit der verwerteten V's oder E'&
(oder anch V's niederer Ordnung), bald infolge Diskrepanz,
bald infolge beider Momente inadäquat. Vor allem ei^bt äeh
also, daß Konkrepanz durchaus keine Böa^rschaft für Äd-
äqoatheit gibt. So ist, wenn ich schließe:
jjüju Fische schwimmen;
Der Wal schwimmt;
also ist der Wal ein Fisch,"
dieser Denkakt formal richtig, das Denkergebnis also mit
Bezog auf ihn konkrepant, und doch ist letzteres inadäquat
d. h. material unrichtig, weil der erste Vordersatz — in
diesem Fall also ein V niederer Ordnung — inadäquat ist
Nur wienn man — rein theoretisch — voraussetzt, daß all«'
B's and V's absolut adäquat Mnd, würde anch jede Inadäquat-
heit eines Denkergebnisses auf eine Diskrepanz hinweisen
(entweder hei der Entstehung des letzten V oder hei der Ent-
etehnng eines V niederer Ordnung).
Es leuchtet ein, daß wir mit dieser Erläuterung der for-
malen Richtigkeit oder Konkrepanz zugleich wieder zu der
in ^ 1 gegebenen Definition und Abgrenzung der Logik
zurückgelangt sind. Die Erkenntnistheorie bestimmt, vas
formale und materiale Bichtigk«it ist, und Überläßt dann die
spezielle Untersuchung der fonnalen Gesetzmäßigkeit un-
seres Denkens mit Bezug auf die materiale Bichtigkeit de»
Denkergebnisses der Logik. Die Logik, können wir jetzt
auch sagen, hat festzustellen, wie die materiale Richtigkeit
der Denkergebnisse gesetzmäßig von der formalen Richtig-
keit der Den^akte abhängt. In diesem Sinn ist sie, etwas
kurz anagedrückt, die Wissenschaft von der Konkrepanz und
Diskrepanz.
W&hrend die Spezialwissenachaften abgeleitete VoratcUungsinhalte aul
Grund des Oegebenea bilden, hat die Eiieimtiiisthean« (s. str.) und die Locit
die Aulsabe, die allgemeineii Prinzipien des Entunechenfl fOr alle dieso
Inhalte mit Bezug aut die GegensUnde und die Denkakte festzustellen. So
stellt z. B. eine bestinunte ^ziolwissenschaft die mol^ulara Eonstitutioii
des Benzols und die Gesetze des Atomaustauschs zwischen Terachiedeneo
Molekülen, dne andere die EigenUmlicfakeiten der Form und der Farbe eion
>•] Immer mit der S. 4, Ania 9 u. S. 3S3, Anm. M angefohitea Aus-
OgIC
i. Kapilel. Eriunntiüstbeofetuche Gnindietung. 287
VüimJs, eine dritte die Eif enscbaften dar Vorslelhinzen und die Gesetz« des
VonlelluiigstblauXs, eine vierte die Motive KmIs V. bei seiner ThroDentsasunK
IM nsL Die Eitenntnistheorie (a str.) und die Look hat an diesen Vor-
EteDutiaiiihalteii und ihien Gegenständen als solchen k«in Interesse; entere
rahnacht nur, wie weit Qbeiiisupt im Allgemeinen ein Entacrechen zwiacben
(ÜNoi and jenen roötlich ist und was ein solches Entsprechen bedeutet,
Ittdoe KOft nnr in ebenso allgemeiner Weise, welche Denkakte das Haxi-
nrnin des Entsprechens herbeiführen.
S 61. Kriterien der BtehÜKkeit, relative nnd absolate.
Pnqtrietates Intrinsecae der Wahrheit. Das allgemeiDe Kri-
terinni der materialen Bichtig'keit oder Adäquatheit
istacfaon durch ihre Definition gegeben: wir sind daranf an-
fewieeen, durch immer wiederholte Yergleichong festm-
stellen, ob V" mit V, V mit V, V mit E and E mit dem
hinzugedachten B, zasammenfassend, oh das Edakt mit
seinen Fandalien übereinstimmt. BeispielHweiae erwies sich
die anfänglich« Galileische Annahme einer Proportionalität
zwiacben Fallgeschwindigkeit und dnrchmessenem Fallraum
bei seinen eigenen weiteren Versuchen sehr bald als un-
richtig: sie stinomte mit den Beobachtungen nicht überein.
I>iee allgemeine Kriteriom läßt eich, wie ^ 60 ergeben hat,
veiter zerlegen in das Kriterium der f undalen and das
der formalen Bicbtigbeit (S. 284), also der Soli-
dität und der Konhrepanz nach der hier gewählten
Terminologie. So würde z. B. Galilei die fnndale Bichtig-
keit seines Ergebnisses geprüft haben, , indem er die ver-
verieten Zwiscbengegenstände (vgl. S. 267), also Beobaoh-
timgen und event. Erinnenmgen, anf ihre.materiale Bichtig-
^eit kontrollierte. Dagegen würde er die formale Bich-
tigkeit desselben Ergebnisses dadurch nachzuprüfen gehabt
lubeD, daß er die Denkakte, welche zu dem Ergebnis geführt
htäten, also Begritbtbildungen, Bechnongen, Überlegungen
usf., anf ihre formale Bichtigkeit kontrollierte. Die letztere
Prnfnng würde eben, insofern sie anf Orund allgemeiner
^eln erfolgt, in das Bereich der Logik ') fallen.
Prinzipielle Schwierigkeiten bietet die Kriterienfrage
bie dabin nicht. Solche ergeben sich erst dann, wenn man
^ Frage anfwirft: Ist die materiale Bichtigkeit (Adäquat-
beiO ^nes Deokergebniasea V nicht immer oder wenigstens
zDveilen auch erkennbar, ohne die fandale nnd formale
') Man beachte die hieibei zutage tretende BezWmng dei rechnenden
HtlboMtik rar Lectk (a; stich g SS)-
„.,.■, ,:,>..OO^SIC
288 II. Teil. Erkenntnistheeralische usw. Gnindlesime der Logik.
Richtigkeit zu prüfenl oder — mit anderen Worten — hat
das material richtige D^ikergebuis nicht inun«r oder wenig-
stens zuweilen Eigenschaften, welche seine materiale Rich-
tigkeit grauz abSolat, d. h. ohne Berttoksichtigong seiner
FuDdalien und der zugehörigen Denkakt« verbärgeul gibt
es also proprietates intrinsecae der ideae verae im Sinn
Spinozaa (vgl. S. 104)1
Eine besondere Wendung nimmt diese Fraee der Proprietates intnn-
secM, wenn man mit manchen neueren Uathematikero, namentlich Hengen-
forscbem (vgl. S. SB8) annimmt, daB unser Verstand auch unabhängig von
der Sinneserfahrung der Hauptsache nach durch „innere" Induktion und De-
duktion Begriffe bildet, und d&G solche BegriSe, sofern sie in sich wider'
spruchslos siod und in festen durch Definitionen geordneten Beziehungen sa
den bereits voibandenen und bewflhrten Begriffen Stehen, ,4mmaoente Reali-
tät" haben. Von diesem Standpunkt aus sind die Proprietates intrinsecae
nicht nur absohite Kriterien der materialen Richtigkeit, sondern auch das
ZnUssigkeitsfcriterium fOr von unserem Denken neugeschaffene Denkgaen-
stinde (entsprechend Spekulations- oder Fhantasäevorstellungen, s. S. 8^-
Nach dem von mir vertretenen Staudpunkt sind solche definitnrisch entstan-
denen neuen Gegenstände („freie Uathemaük" Cantors) so lange for unser
Erkennen bedeutungslos^ als es nicht geUngt in dem Gegebenen etnas zu
linden, was ihnen entspricht. Nut die Aussicht, daB ein solches Entsprechen-
dea sich einmal finden konnte, gibt diesen Spekulationen eine brpothetische
Berechtigung. Wird ein Entsprechendes nicht gefunden, so werden sie cd
einem logischen Gedicht. Vgl. Cantor, Math. Ann, 18SS, Bd. Sl^ S. 66g u. Ö8B.
lu ' der Tat ist in der Gfschichte der Philosophie und
speziell auch der Erkenntnistheorie nnd hogiTs. diese Frage
öfters bejaht worden. So ist nach Cartesius die Klarheit
und Distinktheit eine solche kennzeichnende Eigenschaft der
material richtigen Denkergebnisse') (vgl. S. 100). Indes
weder gibt Cartesius eine auch nur einigermaßen zureichende
Definition dieser Klarheit nnd Distinktheit, noch zeigt er
uns, wie wir die vermeintliche Klarheit und Distinkt-
heit, die oft genug auch für falsche Behauptungien ia An-
spruch genommen wird, von der wirklichen unterschei-
den können '). Auch bei Spinoza kehrt dasselbe' Kriteriiun
wieder (allerdings neben anderen, s. unten), wird aber ebenao-
wealg .wie bei Cartesius näher bestimmt oder als zureichend
^ Schon Theophrast fahrt als Kriterium ,r« iimoyic' au (Seil. Emnr.r
Adr. math. VU, 218).
*} Nftheres s. Kattti in der S. 99 utieiten Arfont und Ziehen, Eikenotiiis-
theorie, Jena 19181 S. fiSa Schon die gelegentliche graduelle Fonnu-
lienmg (De methodo i) „valde dilncide et dietiocte" «nthülH die Unzitl&ntdieb-
keü des Eriteriuma.
OgIC
1. Kwilel. ErkeimtiusÜieoretische Grundlegung. 289
Baehgewiesen (vgl. S. 104 n. 284, Antn. 16). Leibniz hat veni^-
stens versncht, die Klarheit und Distinhtheit zn definieren
lad für seine adäquate Erbenntnie (vgl. S. 284, Aum. 16) beide
EigeiiBchaften nicht nur von dem Denkei^ebnis selbst, son-
dern auch von allen seinen TeilvorBtelluncen (fnndierenden
Vontellnnffen) verlangt (vgl. S. 111). Damit ist off enbar schon
halb zugestanden, daS ein von Denkakt nud Oegenständea
gtaa. losgelöstes, absolutes Wahrheitskriterium nicht esi-
BÜCTt. Überdies bezweifelt L. selbst, ob ein vollkonmienes
Beispiel einer in seinem Sinn adäquaten Erkenntnis bei den
Measchen vorkomme. Endlich führt Leibnizens eigene
Definition der Klarheit und Distinktheit (9. 111) die Beziehung
anf die res selbst wieder ein. Auch später Ist man immer
vieder gel^entlieh zu dem Carteeiusschen Kriterium in
«einer ursprünglichen Form oder in der Iieibnizschen Um-
gestaltung zurückgekehrt, ohne auch nur irgendwie zu einer
eiabeUigien Definition der Klarheit und Deutlichkeit zu ge-
langen *).
Als weiteres inneres oder absolutes Kriterium wird zu-
veilen auch die Vollständigkeit des Denkergebnisses
angeführt So identifiziert Spinoza geradezu die inadäquaten
Ideen (inadäquat in seinenu Sinn, vgl. S. 284, Anm. 16) mit den
Tentümmelten und konfusen Ideen und leitet sie von einer
«^itionis prlvatio ab'). Auch bei der oben angeführten,
von Leibniz geforderten An«dehnnng der Klarheit und
Distinktheit auf alle Teilvorstellungen mag ein ähnlicher
Gedanke mitgespielt haben. Jedenfalls leuchtet ein, daß von
einer solchen Vollständigkeit nur mit Bücksicht und in Be-
üehnng auf die Fundalien bzw. Gegenstände des
Denkergebnisses die Bede sein kann, daß also dies Kriterium
dorchans nicht absolut ist, sondern in das Bereich der fuu-
dalen Bichtigkeit fällt.
Mehr scheint ein anderes Kriterium zu leisten, welches
man kurz als die innere Widerspruchslosigkeit
oder innere, Übereinstimmung (Kongruenz) des
Denkergebnißsea bezeichnen kann, nnd das schon in § 1
*) Als Definitionsversuche seien beispielsweise noch angefahrt: Kant,
Erit. i. lein. Vem. (Kehrb. Ausg. S. 693, Anm. 1) und K. L. Reinbold, Vers.
HD. neuen llieorie usw., S. 881 ff.
'•) Eth. U, Prop. 86: JBalsilas cansistit in cogoitignia piivatione, quam
idm inadaeqoatae äTe mutilaUe et confusaa iCTolrunt,"
ZUh«ii,Lthrbuoh dar Logik. 19
1,1^. OQi
'S'c
290 fl' Teil- ErkanntnistheoretüchB usw. GnindleEune der Logik.
(S. 5 ff.) in einem tmderan G«dankenflra]i«: kurz erwihnt
wurde*). Die materiale Richtigkeit eines Denkergebnissea soll
dadurch charakterisiert sein, da8 es in sich — also gans
nnabhSngig von der formalen Bichtigkeit der eraeugendeii
Denkakte — widerspruchsfrei ist, d. h. keinen nuaiiteateD
Widerspruch zeigt Nun liegt zunächst auf der Hand, daB
dies Kriterium überhaupt nur ein negatives ist Ejs gibt eine
Conditio sine qua non für die materiale Richtigkeit des Denk-
ergebnisse« an, aber keineswegs auch in positivem Sinn dir
Gesamtheit der zureichenden Bedingungen. Ein Satz etwa
wie: „Der Mond hat ein« Wasserstoffatmoephäre" oder
,s=^-t" enthält keinen inneren Widerspruch und ist doch
falsch. Er kann trotz seiner inneren Widersprnehslosigkeit
fnndal oder formal oder sogar fundal und formal nnriehti;
sein, also z. B. etwa auf material unrichtigen, d. h. un-
richtig aufgefaßten Beobachtungen beruhen ^fundale Un-
richtigkeit) oder durch formal unrichtige Schlüsse gewonnen
sein (fonnale Unrichtigkeit im Sinne meiner Terminologie)
oder gar sich sowohl auf unrichtige Beobachtungen wie anf
unrichtige Schlüsse gründen. Die innere Widerspruchslosig-
keit eines Denkergebnisses ist also weder für formale nocb
für fundale Richtigkeit beweisend. Nur das positäve Vor-
haodensein eines inneren Widerspruchs im Denkergebnis, äk
Disgruenz (vgL S. 285) gestattet den sicheren äclilnff, dafi
das Denkergebnis material unrichtig ist und selbst dieser
Schluß ist insofern zweideutig, als er uns in keiner Weise
iil>er den Charakter der materialen Unrichtigkeit des Ergeb-
nisses belehrt: es bleibt ganz unentschieden, ob die letztere
fundal oder formal ist Wenn beispielsweise ein Physiker
zu einem disgruenten Ergebnis kommt von der Form 2 = 2»
(natürlich ist der Fehler gewöhnlich viel versteckter), so
kann dieses falsche Ei^;ebnis sowohl auf einem Beobachtungs-
fehler (fundaler Unrichtigkeit) wie auf einem Denkfehler
(formaler Unrichtigkeit) beruhen. Es bleibt also nur die
Tatsache bestehen, daß Disgruenz des Denkergebnisses mit
materialer Richtigkeit desselben imverträglich ist. Nur in
diesem Sinn kann die Kongruenz als ein „absolutes" Kri-
') Dort kam es darauf an zu zeisen, daS es nicht angfciwis iH, din
innere übereinsUmmung mit der formalen Richtigkeit zu identifiäeno vni
zur Definition der Logik eu verwerten.
OgIC
1. SwM. Bifc«nntausihMifeti9cbe GniRdtttnnf. 29]
teriom gdten. Auch kann schon jetzt hinzn^fugi werden,
ddetiie manifeete Disgmenx innerhalb des einaeta«!!
tilddilicken Benkakt« gur nicht Torkomsat. Wir sind nieht
iastaade, zngleieh B=b und anon = b zu denk«a (rgl.
& 294 ff. n. ^ 87). Der VoTgang ist ridmehr in allen FiUlm
dpr Disgroenz stets der, daB unsere Denkakte in ihrem
sakz««8iven Ablauf «ineraeits zu dem Krgebnis a = b
Dsd aBdrerseits zu dem Ei^rebnis aaon = b führen, nnd dafi
wir b«i dem Vereach, nun beide Ergebnisse zu vereinigen,
iL k. beide simnltan zu denken, seheitem. Häoflc ist aneh
die Disfnmenz in dem Sinne latent, daB das in Frage stehende
Ergebnis erst durch einige weitere Denkakte umgeftHint
T«rdeii mofi, um die Disgruenz unmittelbar vor Augen zu
rteUen. Di« definitive ÄnfklaruBg der Bedeutung der Kon-
imnz und der Diagmenz hat die Logik in ihrer anto-
«kthonen Omndlegung unabhängig von der Erkenntois-
tbeorie zu geben (vgl. ^ 85).
Viel hänfiger als alle vorgenannten Merkmale ist bis in
die neueste Zeit als abBolutes Kriterium (immer in dem S. 287
rasegebenen Knne) die SelbstevidenzO (Selbstgewi^eit,
unmittelbare GewiBheit usf.) aufgestellt worden. Über die
Nitor dieser Selbstevidenz traten in der Geschichte der Logik
und Elikenntaiatfaeorie die verschiedensten Meinungen auf.
Die Stoiker geben offenbar nnr eine Wortnmschreibung,
wenn sie von einem Zwang zur Zustimmung sprechen (vgl.
S. 44). Dasselbe gilt von dem Inmen naturale und habitus
naturalis mancher Scholastiker*). Besonders scharf hat
Spinoza das Kriterium der Selbstevidenz formuliert: „Qni
veram habet idenm, simul seit se veram habere ideam nee
de rei veritate poteat dubitare" (Eth. 11, Prop. 43). Daher
bezeichnet er die veritas als norma sni et falsi. Indes ist es
itoch ihm nicht gelungen, dies WahrheitsbewuBtsein von dem
blofien Meinen-recht-zQ-haben, welches oft die falschesten
') Es empfidüt sich ausdrücklich von Selbstevidenz ta sprechen,
da vidfach auch die mittelbare, auf fundierende Gegenst&nde und Schlosse
RCrOndele oder von der Klarheit und DistinkUteit abhängi«e GewiBhrat als
Evidenz bezeichnet wird. H«nche Philosophen sebrauchen allerdings das
Wort ^fvidenz" nur im Sinn von „Selbstevidens:".
>) Vgl I. B. Thomas v. Aduino, In libr. IV metaphya, lect, 8: „Ei ipso
bnmne naturali intellectns agentis (vgl § 20) prima principia fluni cogniU
DM aequiiuntur per ratiocin&tiones, sed solum per hoc quod ewum termini
isüdiescunt,"
1,1^. OQi
'S'c
293 n. Teil. Erkenntnistheoretiache usw. Gnindletnng dar Locik.
Urteile begleitet, za nnterscheidenv Dazn kommt, daB wir
ancli mngekehrt nicht selten eine wahre Behanptang denlreo
und doch aber ihre Wahrheit noch Zweifel haben. Es ist
denn aach sehr bezeichnend, dafi Spinoza am SchlnB des
Seholions za der angefahrten Proposition doch wieder anf
die Klarheit nnd Distinktheit zurückkommt. Von neueren
Logikern hat namentlich Hnsserl (vgl. S. 184 ff.) eine Selbste
evidenz in ähnlichem Sinn vertreten. Er behanptet, dafi es
eich bei der SelbstcTidenz *) nm einen ,^igentämlichen
Setznngsmodns" handelt, daß es „so etwas wie BewnBtaein
der ,Erfällang der Intention' gebe", dafi ee bei der
„Weaenserfassnng" (vgl. S. 185) ftir jedes „Wesen" „somsagen
eine absolute Nähe gebe, in der seine Gegebenheit . . ■
reine Selbstgegebenheit ist" (Id. z. einer rein. Fhän.
S. 300 n. 126, s. auch S. 39, 157, 284 ttX Auch diese Fassung
der Lehre von der Selbstevidenz scheint mir völlig zn ver-
sagen gegenüber der einfachen Frage: Woran merken wir die
£rfällang, die abeointe Nähe nsf.1 nnd gegenüber der Tat-
sache, dafi nicht selten auch für falsche ürträle eine solche
Erfüllung bzw. absolute Nähe von dem Urteilenden in An-
Spruch genommen wird.
Ebensowenig leistet das oft herangezogene Evidenz-
gefühl fär den Nachweis der Selbstevidenz. Gerade das
Evidenz gefühl, soweit es überhaupt auftritt, begleitet un-
endlich oft auch falsche Urteile. Wie könnte ee also im Sinn
der Selbstevidenz als absolutes Kriterium der materialen
Kichtigkeit dienen 1
Endlich versagt aach die sog. Denknotwendig-
keit, die man bald mit der Selbstevidenz identifizieren
wollte (z. B. die Stoiker, vgl. S. 291), bald neben ihr als abso-
lutes Kriterium der materialen Richtigkeit aufgestellt hat
Diese ,J)enknotwendigkeit" ist nämlich zweideutig. Erstens
versteht man darunter die logische Gesetzmäfiigkeit der
Deokakte; diese kommt als absolutes Kriterium für die
materiale Bichtigkeit des Denkergebnisses nicht in Frage,
da sie sich eben gerade anf die Denkakte, also die formale
Bichtigkeit bezieht. Zweitens versteht man darunter vom
Standpunkt des Determinismus die psychophysio-
logische Notwendigkeit, mit der die einzelnen Denkpro-
zeese des Individnums erfolgen; diese ist erst recht kein
*) Er vricht nur afhlw.hthia von GYidenz.
h. i."ih,Googlc
_^ 1. Kapitel. EikanntnisthMietücbe GnuuUesuni. 203
sladiitfls BicbtisrbfiitskTiteTinni, da zahllose einzelne indivü
dneOe Denkprozease ein material falsches Ei^ebnis herror-
bnogeo. Die Tatsach«, daä wir nicht denken können
a = nicht a, fällt teils in das Bereich der peychophyeio-
lofisehea OeaetzmäQigkeit, teils in das Bereich der logischen
Gesetzmäßigkeit der Denkakte und wird demgemäß auch in
der antochthonen Grundiegnn^ der Logik erörtert werden.
Vgl. sDch oben S. 289 (über Kongruenz). Ein allgemeines
^bulntes Kriterium ist also anch in der Denknotwendigkeit
nicht gegeben.
Qegennber allen diesen Veranchen, ein absolutes Kri-
terinm anfzustellen, bleibt der bereits von Kant formulierte
Einwand bestehen: Da man bei einem allgemeinen Kriterium
tier Wahrheit von allem Inhalt der Erkenntnis (Beziehung
auf ihr Objekt) abetrafaieren müßte, and Wahrheit gerade
diesen Inhalt angeht, so ist es ganz unmöglich und nngereimt,
nach einem Merkmal der Wahrheit dieses Inhalts der Eh*-
Kenntnisse zu fragen ; daher kann ein hinreichendes und doch
togleich aUgemeiiKs Kennzeich«i der Wahrheit uumögUch
«ig^eben werden ").
i 62. Gmndaxiome. Wenn es kein absolutes Kriterium
der Wahrheit gibt, so werden auch keine Sätze existieren,
die unabhängig von allen fundierenden Gegenständen und
unabhängig von der Gesetzmäfiigkeit der Denkakte be-
atupmchen können richtig zu sein. Man kann solche Sätse
tarn Unterachied von den Axiomen, welche auf irgend-
velchen Tatbestand fundiert sind (wie z. B. das Axiom, daß
die grade Linie der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten
ist), als Grnndaxiome bezeichnen^). Von dem in den
») KriL d. rein. Vem., KebA. Ausf. S. 88.
>) Sie aitaitncben ungefUir der «ip/q irwni^tfe Pialos (RepuU. 610B)
und den »mtri Jüinfttttm des Aiisloleles (im Q^wimIz zu den UtmM «f jr*<>
t&Akad. Aase. iOO&b, 88; 73a, 16; 7&>t 41; 76 b, U; 997 a, 18). — Das
Wwt „Axiom" selbst ist Obrigens keinesweea immer in dem ilöcjun Sinn
Mnncbt worden. Bei Aiistoteles bedeutet es einen ttnes Beweises nicht
Uiiien, aber zum Beweis uoentbehrlichea Satz. Die Stoiker Be)»auch(en
te Voit iluifttam tflr Urteile Oberhaupt pikier kehrte man im Wesent-
liditt wieder zu dem aiistotelischen Spncbfebiauch zurOck. Vgl z. B.
Lobnix, HonadoL Hb. So definiert auch nodi Wollt in seiner Logik (g 387
u- 1^ das Aüom als eine .jnoposiUo tbeoretica indemonatrabiUa" (ofienbv
tbriiuu Dicht koRskt, da auch jeder falsche Satz unter diese Definition ttUt).
Kut bat dann die Bedeutung des Worts, ein Kinklsng mit aner bis in das
„.,,„,^.oogic
2M U- T^' fiikmntnistbeoretiKhe usv. Gnmdlemc der Locik.
letatco Paragraphen gewfmaKaea Standpunkt ans kann es
also ttberhrnipt keine Gmndazifnne in dan eben'^featgelegten
Sinn geben. Dui «Jieiirt: nun aber die Tateadie zn wider-
spreobMi, dafi ^rade die Li^ik eelbst einige ^rinxipien"
(„Ornndsätae", „PMtoIate") aufstellt, die gram den Charakter
von Grandaxifflnaen zn haben echeinen, so z. B. das aog. Identi-
tätqninzip ^^a", das sog:. Widerspmchsprinzip ,# nicht =
aon a", der Satz „wenn a = b und b = c, dann a = e" nsf .
Eine sor^ältigere Überlegung xeigt jedoch sofort, daB dieser
Widersprach nur scheinbar ist: auch diese st^. Prinüpien
sind keine Gmndaziome in dem jetst in Rede stehendeo
abeolnten Sinn.
Vielm^r sind sie entons fundiert in den allge-
meinsten Tatsachen dcB Gegebenen („gigno-
menologisch fundiert", .^einsgesetee", vgL S. 6).
Ich habe niemals in einem bestimmten Zeitaugenblick ein
Erlebnis a und zugleich das Erlebnis non-a'). Das Ge-
gebene ist, nm es knrz auszudrücken, stets „Singular**
etwa im Sinn einer Gleichung, die nnr eine Lösung
(„Wurzel") ergibt Dieselbe singulare oder, wie wir auch
sagen können, „sejunktive" Beschaffenheit schreiben wir
daher dann auch den Bedoktionsbeetandteilen („Dingen") za:
wenn zu einer bestimmten Zeit nnter bestimmten Umständen
eine Masse einen Bewegungsantrieb ki in der Richtpog n
und einen Bewegungsantrieb ki in der Richtung r^ erfährt,
so schlägt sie niemals als Ganzes, d. b. ungeteilt, zQgleich
sowohl die Bichtnng ri wie die Richtnng r« {d. h. die Rich-
tung a und eine Richtung non-iO ein, sondern entweder
nur r» oder nur r. oder teils r, teils r« usf. Rein logisch,
vom Standpunkt unsrer Dei&gesetze betrachtet, wäre es sehr
Altertum verfolgbuen Tendenz) auf daa Get«et der mathanatiechen An-
achatiunf beachrlnkt und zugleich im [»«snaDten Sinn besUmmte srutbeUscbe
QruDdsitze des reinen Ventandes als „Axiome der Anschauung" bezächiMt
(Krit d. rein. Vera., Eehrb. Ausg. & US B.>. Die erstere Beschrlnkuac ist
aoch weitertiin oft beibehalten worden, vsl. z. R. B. Erdmann, Die Axiome der
Geometrie, Leipzig 1877, S. 12. Wundt u. a. sind zu dem weiteren Grimucb
zurOekgefcehrt, Loflil^ Stuttgart 188B, Z AnlL, S. US ff.
■) Streng genommen gilt dies ailenüngs nur für nicht-zusunniengeeettte
Eiläinisse. Bei qualitativ oder rikumlich zusanunengesetzten (nicht «nbeit-
lieben) ErlebniMen können sehr wobl a. und non — a, z. B. zwei verechie-
dene Töne b£w. zwei Terschiedene Farben, cugteich gegeben sein. In t ^
wird geteigt werden, in welchem Sinn die oben entwickelten Sfctce auch fOt
BUMUDmen gesetzte EU-letUHsae gellen.
1. SasöM. Eikcnntniatheorelische Gnindletunt. 295
vdlmdylich, daß die Hasse angeteilt zwei veraehiedeae
RiebtnnKeii einschlägt Nor weil alte aasere Erfahningen
eiiMr sokhen DoppellöHung widerBpreehen, scheint sie
(Jon naiveD Menschen anch denknnmöglich*). Tatsächlich
liandelt es sich nnr iim eine allgemeinste „gignomeno-
lofpsehe" Erfahmug. Eis kann also nicht die Bede davon
KÜi, dafi das sc^. Identitätsprinzip in diesem gign<Mneno-
lo^iflchen Sinn irgendwelche 'absolute Seibatevidenz hätte.
Zwelieiu gilt diese Singularität speziell auch für das
psychophysiologische Geschehen. Wir können gar nicht
— weder rein psychologisch noch psychophysiologisch be-
trachtet — als Totalinhalt z a g I e i c h die Vorstellnng a und
eine Vorstellung non-a, d. h. eine von a verschiedene Vor-
stellung denken. IMe Singularität des Geschehens gilt auch
tiier. Es handelt sich um eine Denkunmöglichkeit, und in
diesem Sinn (aber auch nur in diesem Sinn) bei dem urteil
i=a und analogen Urteilen um eine Denknotw^ndigkeit.
Auch in dieser psychologischen bzw. psychophysiologischen
Bedeutung hat also das Identitätsprinzip keine geheimnis-
mllen proprietates intrinsecae und insbesoudere keine abso-
lute Sellntevidenz, sondern ist auf allgemeine Tatsachen des
Qegebenen fundiert*).
C stumpf. Über den psychologischen Ursprung der RaumvorstellunK,
Uipiig 1S73, S. 107, hat allerdings, wie vor ihm schon Bolzano, behauptet,
oun kbune auch „Entgecengesetztes zusammen voistetlen", z. B. ein hölzernes
^wn; denn sonst kennten wir nicht urteilen; „Ein hölzernes Eisen ist un-
■Ufiicb". Gerea dieses Argument Stumpfs ist jedoch einzuwenden, dafi in
^ von ihm angefahrten Urteil kein „Zusammenvorstellen" von hölzern und
Einn, Modem nur ein Vergleich im Sinn der komparativen Gnindfunktion
MltfiadeL Dabei muB berOcksicht^ werden, daB Zusammenvorstellen zwei-
*«tti! ist. Bedeutet es nur „zugteicti vorstellen" bzw. ;„zuglach mit
Baut auf denaelbea Gegenstand vonteilen", so kann ich mir selbstversläud-
Mi Holz und Eisen zusammenvoratellen (z. B. mit Bezug auC einen teils
'■iltemen, teils eisernen Gegenstand). Bedeutet es dagegen — ^ wie dies mit
bölumem Eisen doch wohr gemeint ist — „zugleich als Totalinhalt vor-
') Olsigens zeigt jeder Zaubetglauben, daB auf tieferen Bildungsstufen
diese Denkunmöglidikeit durchaus nicht anerkannt wird.
') So wird es auch, verständlich, daB liebmann (vgl S. 166) den Sulz
^ Widerspruchs al9 ein „psychologisches Naturgesetz" bezeichnet (Ge-
iluken u. Tals. 1BB2, 2. AufL 1»M, Bd. 1, S. 26). — Die AusfOhnmgen von
). Staart Mill (Syst. of log., 4. Au8. I^ndon laB6^ Buch 2j Kap. 7, § 6, S. 3ü*l
in den früheren Auflagen fehlt dies Kapitel; I^rs. v. Gomperz, 2. AufL Leipzig
MH Bd. 1, S. 336), dem wohl etnaa Ähnllcbes vorschwebte, sind in vielen
Pnlnen zu beanstanden. Die Einwinde Husserla (Log. Unters. Teil 1. S. 79)
>ttSm nur die Millscfae Entwicklung, nicht die oben gegebene.
^)6 ■ II. Teil. Erfcenntpiatheoreüache usw. Grusdleffimg der Loeik.
steUen", so ist es fOr EntgcBengesetztes ausceachlossen. Aufierdem handelt es
sich, bei meineF AuseinandenetzunB um kontradikto riscbe (Kcen-
sätzc^ nicht um bbBe Verschiedenheit wie Holz und Eisen.
IMtteiu wird sich ergeben, daß die Logik in ihrer
autochthonen Orondlegnng dem Identitätsprinzip noch eine
besondere logische Bedeutung gibt, indem sie ideale „Be-
grifle" usf. konetroiert, welche der Veränderlichkeit und
dem Wechsel der psychologischen „Vorstellnngen"
entrückt sind. Das Identitätsprinzip a=a ist in diesem
togischen Sinn ein kurzer Ansdruck für die (gedachte)
iibsolnte Konstanz dieser Ideal- oder Normalvorstellongen.
Formale Richtigkeit nnsrer Denkakte (Konkrepanz) ist nur
möglich, wenn unser Denken den Oesetzen folgt, welche für
das Denken mit solchen normalisierteii Vorstellungen gelten.
Das Identitätsprinzip im logischen Sinn ist also unmittel-
bar von der (Gesetzmäßigkeit unseres Denkens mit Bezug aof
Biehtigkeit und Unrichtigkeit abhängig, kann also gleioh-
falle keine absolute Selbstevidenz beanspruchen.
Die logischen „Prinzipien" sind somit gleichfalls keine
Gmndaxtonie, und damit fällt der letzte Axihaltspunkt for
die Ehüstenz solcher Grundaxiome. Omndaxiome existieren
ebensowenig wie jene proprietates intrinsecae der material«i
Wahrheit, welche im letzten Paragraphen besprochen wor-
den sind.
§ 63. AprioritXt. . Wenn alle unsere Vorstellungen (im
weitesten Sinne, also einschlieBlich der urteile nnd Schlösse)
von fundierenden Gegenständen nnd der Gesetzmäßigkeit
vnseres Denkens abhängig sind, so sind sie idle ans dem Ge-
gebenen, d. h. aus der Srfahrong (imi weitesten Sinne)
geschöpft nnd in diesem Sinn a posteriori. Aiush die
Tatsache, daß a=non-a denknnmÖgUch ist, müssen wir
der Erfahrung entlehnen. Wir müssen durch Elrfalinmg
„konstatieren, daß jeder Versuch eine die formalen Grund-
sätze unseres Denkens aufhebende Verneinung zu denken,
unvollziehbar ist" (Elrdmann) '). Man muß räch nur hütm,
unter Erfahrung etwa nur die SianesempSndongen zu ver-
stehen. Die Erfahrung in unserem Sinn ist mit der gansen
Summe der Gignomene, d. h. — etwas kurz nnd mißverständ-
>} Losik, 1. Band, 2. Aufl. Halle 1W7. S. 41B. Es ist auch sebr chaok'
teriatisch, daß Erdmann seine Ban2e Logilf ohne den BeiriS der ApMiitIt
autbauen kann.
1. Kvitel. Brfcenntnistheoretisehe Onindleeung. 297
lidi ansgedrnckt — tmsrer s<^. BewußteelnsertebDisse, iden-
tisdi. ApPiorisohe Satze also im Siim von Sätzen, die nicht
ans der Erfahmn; abgeleitet waren, existieren nicht. Damit
ist die erkenntnistheoretische Grondleguog für die Logik
einen weiteren wichtigen allgemeinen Gesichtspunkt ge-
liefert
Unzatreffeud wird dagegen der eben aufgestellte Satz,
venu man die Aposteriorität bzw. Apriorität, wie dies schon
seit Aristoteles vielfach geschehen ist, nicht auf die Erfah-
ning im weitesten Sinn, sondern auf die Sinneserfahnrng
besieht Aprioriach ist bei dieser zweiten Deutong des Worts
jedes Denkergebnis, das nicht ans der Sinnes erf abrang ab-
geleitet ist, aposteriorisch jedes aus der Sinneserfahrnng ab-
geleitete Denkergebnis. Legt man diese Bedeutong zugrunde,
so bleibt die Möglichkeit offen, daß wirklich apriorische
Denkergebnisse existieren. Da nämlich, wie Kant zuerst klar
nachgewiesen hat, bei jedem Denkergebnis formale Denk-
geeetze, von denen seine Bichtigkeit abhängt, mit wirk-
sam sind, 80 ist es möglich, daß diese Oesetzmäßigkeit on-
seree Denkens genügt, uns einige Denkergebnisse ganz unab-
hängig von der Sinneserfahrnng zu liefern. Apriorisch ist
bei dieser Deatnng des Worts jedes Denkergeboia, welches
sich ans dieser Gesetzmäßigkeit unseres Denkens ohne Hilfe
anderweitiger Erfahrungen (Sinneserfahnmgen) ergibt,
aposteriorisch jedes Deokergebnis, welches sich ans der Ge-
setzmäßigkeit des Denkens und anderweitigen Erfahrungen
et^bt Unter der Gesetzmäßigkeit des Denkens sind hier
nicht etwa schlechthin die psychologischen Gesetze (z. B.
AsBoziationagesetze) zu vemtehen, nach welchen tatsächlich
das Denken — das richtige sowohl wie das falsche — erfolgt,
sondern diese (besetze, soweit sie zu richtigen Denkergeb-
nissen führen, also nach nnsrer Definition die logischen Ge-
Mtze. O b und in welcher Zahl ^rioriache Begriffe und
Sätze im Sinn dieser zweiten Definition der Apriorität exi-
stieren, ist strittig. Kants „reine Yerstandesbegriffe" (Kate-
gorien) und „synthetische Grondsätae des reinen Verstandes"
värdoQ hierher gehören. Vor allem aber leuchtet ein, daß
eben jene formalen (l<^ischen) Gesetze selbst, welche die
Dichtigkeit nnsres Draikens nach der formalen Seite hin be-
stimmen, sich als solche apriorische Sätze (Erkenntnisse,
Denkergebnisse) erweisen könnten, die lediglich aus nnseren
Erfahrungen über die Gesetzmäßigkeit des richtigen Denkeoa
298 n. Teil. BrkeiiDtniBtbeonlische usw- Gmndlt<m>K dw Logjk-
abgeleitet sind. Aaf diese Frage wird später eiozogehen
sein. Hier war nur feetzoBtellen, daS der Terminn» .^-prio-
ritfit" zweideatig ist, und daß er ia seiner eretea Bedeu-
tung für die Logik nicht in Betracht kommt, dagegen in
seiner zweiten unmittelbar gerade auf die logischen Gesetze
hinweist.
Die Bcdeutunc der Worte « priori und a posteriori hat in der Gescbichle
der Erkenntnistbeorie und Logik auSerordentlich gewechselt und sich keina-
vega auf die soeben erörterten beiden Bedeutungen bschr&nkt An dieser
Stelle können nur einige wenige für die Logik besonders wichtige Auf-
fassungen kurz hervorgehoben werden.
Bei Aristoteles (TgL S. SSt.) treten die Tennini ^göft^v nfit iftme"^ and
füfiitf»!' Tg 7«vit* (.dnUf Hfiifftr*) auf. Beide beziehen nch mdi
seiner ausdrOcklicben Festsetzung auf die individudte einzelne Snnes-
eriahiung (mb9ti«K, Ak. Ausg. 71bff.). npeif^r n^f ^/täe ist, was diese)
naher, Mfiftff tg fMiati, was ihr ferner steht. Damit ist zugleich festgrie^,
dafi das Allgemeine dos «penpac tj ^mh ist. Wieso das vvttfoy »plr ^fiit
doch ab Mfütf^ if ipiati bezeichnet werden darf, wird nicht genl^eod ei-
öiteri. Sogar der Sinn dieses nqitifr ig tpiiMt bleibt insolem unklar, als
das „vorangehend" b^d mehr logiscl^ bald mehr ontologisch gefafit wird
Jedenlalls deckt sich weder das tifittgor ngie ^ftäe noch das .«päri^i- '^
9D««' eindeutig mit dem apriori in einer der beiden olien erörterten Be-
deutung«!.
nie Scholastik hielt zum Teil an der aristotelischen Bestimmung mit
unwesentlichen Änderungen fest. So bezeichnet Thcmasv.Aquino (Tgl. 3.741]
das priua quoad nos auch als prius cognitione, das prius natura auch als
prius in ordine naturae. Zum Teil aber Obertrug man die ganze Unteracbei-
dung auf die Beweise und unterschied eine demonstratio a priori, d. L pro-
cedens ex cbusib und eine demonstratio a posteriori, d. h. procedois ab
dfectibuB ad causas ') (z. B. Alb. v. Sachsen). Diesen Standpunkt nahm u. a.
sp&terhin auch die Logik von Port-Boval ein.
In der neueren Philosophie wurde hier und da der aristotelische Spncli'
gebrauch festgehalten. Vielfach aber wurde auch die Bedeutung dahin ver-
schoben, dafi man nicht mehr wie Aristoteles den Gegenstand der Er-
kenntnis, sondern ähnlich wie Albert von Sachsen u. a. den Weg der Er-
kenntnis in Betracht zog, andrerseits aber in teilweiser Obereinstimmum mit
Aristoteles und in teilweisem Gegensatz zu Albert von Sachsen das ent-
scheidende Gewicht auf den Unterschied zwischen begrifflicher Ericenntnis
und SinneserfahruDg legte. Die apriorische Erkeimtnis galt als die Eikenot-
Dis BUS Begriffen, die aposteriorische als die EAenntnis au/ Grund der änoes-
erfahrung. Dabei wurde allerdings meistens nicht schaff zwischen der Er-
fahrung im weiteren Sinn und der Sinneserfahrung unterschieden und auch
nicht genOgend beachtet, daB die BegriS^ deren Zergliederung und Ver-
bindung zu apriorischen S&tzen führen sollten, ihrerseits teilweise oder gant
der Sinneserfahmng entlehnt sind ^), Sehr deutlich tritt diese Unklariint in
') Übrigens konnte sich diese Auffassung gleichfalls auf ^nzäne Aufc-
rungen des Aristoteles berufen.
') Später sprach Kant in einem solchen Fall von einem „nicht reinen"
»priori (Krit. d. rein. Vem., Kehrb. Ausg. S. 6«).
1. Kwitel. Eik«niitiiistbeorelische GniBdleruns. 299
dn W^lbcben Defiaition hervor (Logica S 6GB1): „Utünur uttam in veriüitc
pnvm Harte emenda vel solo aena^ wd ex aliia cognitiB latiociiuatdo eli-
nanBoDdum cofnita. In priori um dicimur vcntatem eniere a poatetion;
in PMteriori aat»i a priem." Leifaniz hatte vorher viel klaier an SteHe
AraÜteacnita die aUeemeinen Benifie ala das Hateriil fOr die Erkeontnisae
> priori beseichnet.
Kne totale Umdeulung de« Tenninua ,APnari" hat dann Kant an-
pWmt (vtf. § 44)*). Er definiert die apriorische Erkenntnis ab die von
•Bcr Erfahrung unabfainfige Erkenntnis (vgl. c. B. Kritik der nisen Vem.,
t inO, Ein!., Kehrb. Ausg. S. U7). Ausdrth^lich gibt er zu, daB alle lOKre
bkoutnia mit der Erf^ning aiihebt, bestreitet aber, daB alle unseze Er-
^nmtnia ans der Erfahrung entspringt Dabei iinttfüeS «r aber lii illimiil
t> oUlTNi, was er unter Erfahnmg verstehe, insbesondere, ob er unter Er-
UmiBg nur die Sinnesempfindungen versiehe. Zunftchst scheint er unter
EtUinmg die zu einef Erkenntnis der G^enstände verarbeiteten SinneS'
nadrOeke, also nicht etwa nur die SnneseindrOde selbst zu verstehen.
Dum würde nch Kants Apriori mit d^n Apriori in der ersten Bedeutung
nnner Darstellung wenigstens ungefthr decken. Dann aber weist er nach, daß
in murer „Erfahrungserkenntnis" doch auch ein aus unserem ,,Bikenittnis-
TciiBögen" stammender „Zusatz" enthalten ist, der nicht aus den Stmies-
cmdracken entspringt, und bezeichnet nun diesen Zusalz als von der Er-
fAnog onabhftngig und als apriori. Damit ist offenbar jetzt die Erfahrung
HB Hferen Sinn der Sinneserfahrai^ gemeint >) und das Apriori ans der -
«iten BedeQtung meiner obigen Darstellung in die zweite verschoben.
Nicht weniger bedenklich war eine weitere Zweideutigkeit in Kants
vriori-Begriff. Kant läSt n&mlich zweifelhaft, ob der aus dem EAenntnis-
taiBBgen kanmende Zusatz, der uns die apriorische Erkenntnis verschärft,
in psTchologischem oder in logischem Sinn zu verstehen ist. In psycho-
lopschem Sinn würde Kants Apriori dasjenige sein, was äch aus der an-
Kbcmnen Anlage des Erkenntnisvermögens oder — modemer ausgedockt —
UB der generdlen Gesetzm&Bifteit unserer tatsächlichen Deokakte ergibt
«Bd Mfnit potentiell aller Erfahrung (im weitesten Sinn) des Individuums
irontugehL In logiBchem Sinn würde Kants Apriori dasjenige sein, wag ge-
^*üA werden muB, um die Möglichkeit g^ebener Vorstellungen (im weitesten
^ime) zu erklären. Dabei beachte man, daß auch bei der logischen Auf-
iuBnng dem Apriori keine Unabhingigkeit von der Erfahrung im weiteren
Sinn oder gar ein Überschreiten der Erfahrang in weitemn Sna zukommt;
ioD auch die Feststellung dessen, was als begriflliche Bedingung für die
HJllichkeit gegebener Vorstellungen gedacht weiden muß, kann nur auf
'^nutd der Erfahrung (im weiteren Sinn) erfolgen. Welche von diesen beiden
Deatimcen Kant selbst vorgeschwebt hat, kann hier nicht erörtert werden.
^ itt wahrscheinlich, daB er anfangs mehr die psrcbologiscbe, später mehr
drt iogische Bedeutung des Apriori bevorzugt hat und Oberhaupt nicht volU
^Mnen klar und konsequent beide Standpunkte unterschieden hat. Seine
AnlODger und seine Gegnerliaben seiner Lehre bald diese, bald jene Deutung
*) Vgl. Vailiinger, Kommentar zu Kants Krilik d. rein. Vernunft, Slutt-
»»rt Bd. 1 (1881), S. 188 f., 166, 221 u. Bd. 3 (1892), S. aötf-, «, 177 (Kritik
4er Riehischen Auffassung) u. 279.
*) Aul die Komi^kationen der Kantschen Lehre, die durch seine An-
'»imt eines „inneren" Sinnes entstebeo, kann hier nicht eiDgtgRDgen werden,
.oogic
300 ^- "^^l- Grteiintnislheo retische usw. GrundleruiK der I^ogik.
unleiselegL Die Neubantsche Schute (vgl g 44) hat KTöfitentäb dift logische
Scutunc akzeptiert, aUenünfs oft mit allerhand weseiilUcheii Abandcrunceo-
Beispielsweise sei die Deutung Riehls (t|1. S. 167} angeführt: ,^ prioii isk
subjektiv genommen deijenige Teil dei Erkenntnis, der unabbfliing von der
Erfahrung efworben wird, der aus der Gesetzlichkeit des Bewußtsein*
stammt und hervorgebracht ist A priori ist objektiv genommen die Erkennl-
nis, welche von der firiahning unabhängig eingesehen und bewiesen
werden kaim" (Der philos. Kritizismus usw>., Bd. 1, a Aufl. Leipcif 1006^
S. &7B) *). Erst recht wurde die logische Deutung des Apriori von den Legi-
ziaten (vgl. § 46) bevorzugt. Zum Teil gingen sie sogar uoch insofern Aber
diese hinaus, als sie für die Erkenntnis des Apriorischen .eine guiz besondere
logische Tätigkeit, die jenseits des Psychologischen liegt, in Anspruch nehmen
(Weaensschauung bei Husserl, die „eidetisch" und „apriorisch" identifixieit,
8. Ideen zu einem rein. PhAnom., S. b. 81, 64, 286, S0& und dieses Werk S. ISI).
Die oben (S. 287 ff.) von mir an zweiter Stelle angefahrte AuBassung
des Apriori deckt sich weder vollsUndig mit der pSTcbologischen noch toU-
sländig mit der logischen Deutung des Apriori Psychologisch ist sie, insoten
sie die ausschlieBliche Herkunft der apriorischen Erkeimtnisse aus den tat-
s&chCchen Deokakten behauptet und jede von diesen tatsächlichen DenkaUes
losgelöste rein und ausschlieSlich logische Beziehung leugul.
Logisch ist Bi€^ insofern sie nicht das Denken in der Allgemeinheit, wie es
Gegenstand der Psychologie ist, also richtiges und falsches Denken der Ab-
leitung des Apriorischen zugrunde legt, sondern nur das richtige Denken. Sie
behauptet, daB aus der GesetzmiBiAeit des richtigen Denkens aprioiiscbe
Denkeisebnisse (apriorisch im zweiten Sinn) entspringen oder wenigstens
entspringen k S n n e n.
Die Aufgabe, die etwa Torhandenen apriorischen Sfilse
(in der zweiten Bedeutnng) aufzusuchen, fällt der Lo^
selbst, und zwar ihrer autochthonen Grundlegung za; denn
es kann sieh bei derselben, wie aus den Erörterungen dieses
Paragraphen hervorg^t, nur um Sätze handeln, welche aa&
der Gesetzmäßigkeit des richtigen Denkens entspringen, also
logisch sind. Die weitere Frage, ob diesen Sätzen eine Gül-
tigkeit über nnser Denken hinaus zukommt — wie man dies
für Kants apriorische Begriffe (Kategorien) and apriorische
synthetische Grandsätze behauptet hat — fällt in daa Be-
reich der Erkenntnistheorie. ■
% 64. Geltung oder GOltigk^t Das Beaiehed' tok BOmt
tlonen. PsjrehcrioghittMhe und logisistlsehe Aaffassnag dt«
Geltens. Die Geltung oder Gültigkeit einer abgeleiteten
Vorstellung {im weitesten Sinne, also einachlieBlich aller
VorstellangSTerknüpfangien, wie urteile nsf.) deokt sich
noch den Ausführungen des % 62 ganz mit ihrer materialeo
•) Obrigens giU Hiehl S. 1W9, 468, 4», u. 4» audi andere, nicht un-
betrichtlich abweichende Deanitionen d» Apriori.
1. Kapitel. EAenniDisthforetische Gnindleguns. 301
Biehti^eit. Der Begriff der materialen Richtigkeit ist nur
iDMifehi weiter, als wir ihn auch auf Empflndongea and pri-
märe Erinnenuigshilder anwenden, was bezüglich des Be-
gtiJb der Gültigkeit nicht üblich ist. Wir schränkm den
letiteren anf die abgeleiteten Vorstellnngen ein. Eine Vot-
stennng „gilt" oder „ifit gültig", soweit sie ihrem Oegen-
«tuid, also dem Tatbestand, auf den sie sich bezieht, ent-
fpöebXj einerlei ob dieser Tatbestand im Bereich der Emp-
flndnngeib oder der Vorstellungen oder hypothetischer, von
ans hinzugedachter Bedokttonsbestandteile („Dinge an
sieli", „Beize" vom Standpunkt uiderer Erkenntnistheorien)
fd^Tcn ist Wegen dieser Beziehung auf einen G^egenstand
iObjßkt, vgL & 265) muß jede Geltung bzw. Gültigkeit als
qObjektiv" bezeichnet werden. Ob es trotzdem noch zulässig
iet, in einem bestimmten Sinn auch von „sabjehtiver" G«l-
tnng hzw. Gültigkeit zu sprechen, wird' unten zu prüfen sein.
Diese Gültigkeit kolDunt znnachst nur den individuellen
VoTsteUnngen zn, die im psychischen Leben des Einzelnen
Boftreten. Nnn fingieren wir aber, wie schon wiederholt an-
sedeatet wurde nnd in der antochthonen Orundlegong der
Logik ansföhrlich dargetan wird, Ideal- oder Normal-
vorstellungen (:^ Begriffe), die der Veränderlichkeit
Qod Unbestimmtheit der individuellen Vorstellungen ent-
togsn sind, and schreiben auch diesen Gültigkeit oder mate-
liale Richtigkeit zu. Diese Gültigkeit kann als die „spezi-
fisch logische", oder kurz als die „logische" (in prä-
^Emtem Sinn) bezeichnet werden.
An diesen Terminns der Geltung knüpfen sich nsn man-
cherlei Zweideutigkeiten und Streitfragen, die im folgenden
kurz erörtert werden sollen.
Zunächst mofi davor gewarnt werden, den Terminns Gel-
tung von der Vorstellnng, UfOch genauer dem Vorstellungs-
inhalt (S. 273) auf den Gegenstand, also den intendierten
Tatbestand (S. 265) zu übertragen. Wenn ich sage: für den
Kreis gilt die Gleichung x* + y* = r*, so kann dies bedeuten:
meine durch die Symbole (Worte nsf.) ausgedrückte Vor-
^tellongsverkuäpf nng ') gibt einen Tatbestand bezüglich des
Kreises material richtig wieder („entspricht" diesem Tat-
') Die Ausdrficke .peeziB", „Satz" usw. werden hier noch absichtlich
'^ntneden, weil sie erst in der autocHthonen Orundlegung der Logik leeitimiert
vetdcu.
.oogic
302 "- '^*^- Ericenntniatbeoretiache usw. Gnmdlegunx der I-osUc.
bestand). Däese Bedeutiuifi: fällt mit der (objektiven) GülUir-
keit in den» eben festgesetzten Sinn« zosanunen. Zaweilai
meine ich aber mit demselben Satae auch etwas anderes,
oämlieh, dafl d^ Tatbestand z* + y* = r* für den Ejreifi be-
steht (bei dem Kreis existiert), und will gar nicht die mate-
riale Richtigkeit meiner Vorstellou^rftverbindting hervor-
heben: In beiden Fällen wird ein bestimmter Tatbestand
gedacht bzw. behauptet, aber im ersten' Fall — wenn «e
aich um die Gültigkeit der VorBtelhing bitw. Behanplnng
handelt — füge ich dem Denken des Tatbestandes noch des
ansdrücküchen Gedanken hinzu, daA der Tatbestand O durck
die Vorstellung bzw. Behauptung V richtig wiedergegeben
wird, d. h. eben, daß V* dem O entspricht und inacrfern gültig
ist. während im zweiten! Fall auf diese BeziehuDg vom V
za O gar nicht reflektiert wird.
Später — insbesondere in der Lehre vom Urteil — wiid
sich sogar «rgeben, daß die erste Gültigkeit, also die Gültig-
keit im Sinn der materialen Richtigkeit von V, noch in einer
sehr bemerkenswerten Abart auftritt: die Gültigkeit von V
ist nämlich zuweilen nur eine hypothetische, ich stelle V
trotz gegenteiliger Vorst«llangen (Zweifel, Bedenken usf-)
als „Annahme" auf, z. B. bei dem indirekten Beweis, um das
ongenonmiene V" zu prüfen nnd zn widerlegen. In diesem
Fall handelt es sich also gleichfalls, wie bei der ersten Gül-
tigkeit, um das Entsprechen zwischen V und O, aber man
behält sich die Eotscheidung über di« Tatsäcblichkeit der
Gültigkeit noch vor.
Im folg«nden wird von dieser hypothetischen Gültigkeil
zunächst abgesehen (vgl, die späteren Erörterungen ^ 74 ff.)
und nur von der ersten und zweiten Gültigkeit gesprochen
werden, diese beiden aber sollen streng nuaeinandergehalteo
werden, und zwar soll der Terminus „Geltung" („Gültig-
keit'*) ausdrücklich auf die erste Bedeutung, also die Bedeu-
tung der materialen Richtigkeit von V eingeschränkt wer-
den. Für die zweite Bedeutung, das Gelten von O, empfiehlt
sieh der Terminus „Bestaud" oder „Bestehen".
Offenbar tritt nun die Frage der Unterscheidung von
Gegenstand (O) und Vorstellung (V), die uns schon im ^ 59
beschäftigt hat, in ein neues Licht. Die bewußte Rftckbezip-
hung von V auf O, die wir dort kennengelernt haben (vgl.
S. 262 fl. u. 272), wird jetzt zu einer scharfen Unterscheidung
des V von dem O, and auf Grund eben dieser Unterscheidung
„.,,„,^.oogic
1. lUpiM. ErkeDatnistbeoretiselM GnudiegonB. 303
qncekes wir von eiaeaa Euteprechen, d. b. Gelton des V
X(fnüb«r O und geben dem Tatbestand O eine znnäcbat toib
IhiTe*) Selbständigkeit. Die Brkenntnistbeorie 8. 8tr. hat
£e Aufgabe, den Sinn und die Berechtigung dieaer Ver-
selbetäadijrnng za nntersocheu. Die Logik betrachtet diese
VnBelbBtändignng des Gegenstandes als gegeben und legt
de ilirer ganzen Lehre zugrunde. Ohne die Annahme eines
irgendwie selbständigen Gegenstandes gäbe es überhaupt
keia Entsprechen und damit verlöre die Logik jeden Sinn
und Zweek (vgl. S. 273).
Aach die Abgrenznag von V" gegen O im Einzelnen
Featznstellen, bann ganz der Erkenntnistheorie überlaesen
Verden. Nur ein erkenntnietheoretiacher Satz, der sieh auf
diese Abgrenzung bezieht, muß wegen seiner Unentbeihrlieb-
keit für die Logik besonders hervorgehoben werden, nämlich
daß auch den Relationsvoretellungen (Vei^lei-
ehnngg-, BeztöhungsvorBtellungeu, vgl. S. 323 ff.), welche von
den Tatbeständen „gelten", „bestehende" Rela-
tionen innerhalb der TatbeBtände entsprechen. Man ist
ümlieh leicht versucht, die Relationen — im Gegensatz zu
(im nicht-relativen Ki^nschafteoi — aueschlieBUch in unser
bezi^endes Denken zu verlegen. Wenn ich dem Sonnen-
licht eine gröSere Helligkeit zuschreibe als der elektrischen
Ij&mpe auf meinem Tisch, so liegt es nahe anzunehmen, da0
eist in meinem Denken die Relation zustande kommt. Und
doch iBt eine solche Annahme falsch. Der Tatbestand selbst
enthält die Relation. Die einzelnen Dinge führen nicht eine
loBgeriesene, isolierte Inselexistenz. Ohne das Bestehen einer
ulcheu Relation könnten wir niemals eine Belationsvorstel-
Inug bilden. VeTschiedenheit und Versehiedenheitsvorstel-
^g (ebenso Ähnlichkeit und AhulichkeitsvorBtellnng) be-
deuten nicht dasselbe, und ohne Verschiedenheit keine Ver-
schiedenheitsvorstellung'). Nur die Tatsache, daß die Ver-
*) Wir mOssen bedenken, d&B der Gegenstand stets — auch wenn er
^ T oder E iat — im Augenblick, wo er Gegenstand eines V wird, nicbt
n^ unmittelbar als solcber geKeben ist.
*) Dabei wird festgehalten, daB die Verschiedenheits Vorstellung
■nid ent recht die Zusammenfassungs- und Zergliedeningsvo rstellung
HU bestimmtes Pbs zu dem Helationstatbestand hinzufügt. Vgl. Grundl. d.
Aicholone, Lnpzif-BerUn 1915, Bd. % S. 171, und Vierteljahreschr. t. wiss.
I'bilos., Bd. 39, & 168 ff. Bezüglich der KomplexionS' oder Zusammen-
luGunisvorsteUujigen sei vorgreifend (vgl.geS) schon jetzt hervomehobeD.daS
ae sich zwar wie die VergleuhungsvorsteUungeit aul Verachiedeabeits. ode^
„.,,n,^.OOglC
304 1. Teil. Erkfnntnistbeoretiache xisw. Gnindleriu« der Logik.
scbiedenbeit selbst als solche niemals in meiaen AnssagcD
auftritt, sondern stets als die von mir gedachte und aosge-
sagte, täuscht auch hier wieder leicht einen rein sabjektiven
Charakter aller Relationen vor. Ihre objektive Natur ergibt
sieh demgegenüber schon daraus, daB viele wenn nicht alle
Natargesetze von Belationen abhängig sind. Man denke s. B.
an den Potentialonterschied, der einen großen Teil des physi-
kalischen Geschehens bestimmt. Wir werden also, wie wir
im allgemeinen zwischen dem Gelten von Denkei^bnissen
und dem Besteben von Tatbeständen (im Bereich der R'a
oder E's oder V's) unterscheiden müssen, so im besonderen
auch das Gelten von Belationsvorstellungen nnd das Be-
stehen von Belationen auseinanderhalten müssen (nament-
lich gegenüber Meinong, vgl. S. 178) *).
Mit der Behauptung, daB die Belationen auch nnab-
bangig von den Belationsvor Stellungen „bestehen", iet
nicht gemeint, daß sie gesondert von den Dingen (Gigno-
Gleidiheitsrelationen des Gegebenen im weitesten Snn (also einsciilieBlich der
Relalionen der rtumlicben und zeitlichen Läse) grOnden, aber oft in anderer
Weise und in höherem HaBe als die Vergleichungsrorstellungen über den Tat-
bestand des Gegebenen hinauBgeben. Die GröBenversdiiedenheit zwischen
einem Baum und einem Strauch ,J>esiebt", und die VergleicfaungSTorstellnDl
dieser Verschiedenheit drückt diesen Tatbestand entsprechend den zugehörigen
Empfindungs- und Vorstellungsprozessen aus. Die VergleichuDgsfnnktion gebt
über den Tatbestand im wesentbcben nur insofern hinaus, als sie die J»e-
slehende" Belation isoliert. Anders bei den Zusammenfassungsrorstellimfea
Die zusammenfassende Vorstellung „Wald" gründet sich auf xftumlicbe und
andere Relationen, beschrttnkt sich aber oft nicht auf die Vorstdlunf der
Bimne und ihrer Relationen (r¨iche Nachbarschaft, Ähnlichkdt), sondern
fOgl oft die Zusammenfassung zu edner Einheit oder einem G a n i e &
hinzu, die in den Relationen nicht enthalten ist und daher in einer eigen-
artigenWeise und in besonderem UaSe über den Tatbestand hinausfabl Ke
zusammenfassenden Voratellnngen werden also durch Relationen angereit
und involvieren und enthalten Relalionsvorstellungen, fügen dann aber oft n
denselben noch einen neuen, über die Relationen hinausgehenden Akt hinzu.
Vd. zu dieser schwierigen Frage auch S. 3äi (g 68) u. M7, sowie GrundL L c
*) IMo Scholastiker unterscheiden sehr scharf zwischen einnn refliec-
tus (relationes), der auch in den Beziehungen der Dinge selbst liest, ub^
einem respectus, der nur in der apprehensio des Verstandes liegt Vgl z. B-
Thomas v. Aquino, Summa theoL I, 13, 7 u. 38, 1, ed. Mign«, Bd. i, äTl^
u. 867. Die alten Skeptiker hatten dagegen bereits behaupte^ d>B den
Relationen außerhalb des Verstandes flberiiaupt keine Realit&t zukomo'
(Sextus Empir., Adv. matfa. Vm, US: tti^ fiinr mitnat lä itgit >( i*m
tjc^tm, SnaifiK <K st'« tartr ainlt{). Auch in dei' modernen Fhilosopbie
kehrt derselbe Gegensatz wieder, vgl z. B. Tb. lÄm», Einheiten und Rela-
ti«MD, Leipzig 1802, und Ztscbr. L Psych, u. Phrs. d. £nn. 190% Bd. %
i,l^.OOglc
1. Kapitel. Erfcenntuistheoretische Gnindlesung- ;j05
nwiieu) eine selbstäadige Existeoz irgendwelcher Art
fahren. P^ eine solche Annahme im Sinne Piatos oder des
seholastischen BealiBrnne (vgl. ^ 17 ff.) fehlt jeder Anhalts-
pnnkt IHe Sondernng (Abstraktion) aas den Gignomenen
kommt erst dnrch unser Denken zostande, existiert also nur
in den Belations vorstellangen. Die Relationen bestehen
QU i Q (an) den Gegenständen. Verschiedenheit, Gleichheit, ' ^
Lage, SnhzeasioQ, Zahl, analitative nnd intensive Eigen-
Khaften') nsf. sind Bclationen von Gignomen za Gignomen
oder imierhalb eines Gignomens, die von nnserem Denken
ianh Vergleichnng, Znsammenfassnng imd Zergliederang
(Komparation, Synthese nnd Analyse, vgl. ^ 70) festgestellt
und nur in nnserem Denken, d. h. in den Belationsvorstel-
Inngen CBelationsurteilen usf.) von den Gignomenen losgelöst
werden (sog. distinotio rationis). Man darf daher beispiels-
veise nicht dreierlei koordiniert nebeneinanderstellen: das
Verschiedene, die Verschiedenheit nnd die Ver-
se hiedenheitsvoretellnng. Die Verschiedenheit exi-
stiert nicht gesondert von dem Verschiedenen'). Nur die
Veischiedenheits v o r s t e 1 1 u n g stellt ein Novum dar.
Der hier vertretenen Lehre, daß die Geltung mit der
matenalen Richtigkeit der Vorstellungen (im weitesten Sinn)
identisch ist und sieh anf einen Tatbestand im Bereioh der
B's oder V's oder R's oder Relationen dieses Tatbestands be-
zieht and in der Logik auf fingierte KormAlvorstellungen
öbertragen wird ^ignomenologische Auffassung der
Geltoag), stehen zwei andere Auffassungen gegenüber, die
msD als die psychologistische nnd die 1 o g i z i -
Btische bezeichnen kann.
Die psychologistische Auffassnng, wie sie z. B.
Heymans (vgl. S. 156) besonders scharf vertritt, kennt über-
haapt nur die tatsächlichen Vorstellungen im Sinn der Psy-
. S. laB; KotDu, Ztachr. f. Paychol. 191b, Bd. 73. & 11, D&nwntt. S. 36 8.;
I Kmoag. Ztscbr. f. Psych, u. Pbys. d. Sinn., 18»9. Bd. 21, S. 183 (191 tt):
3tiuapf, EracbeinunBen il psych. Funktionen, Abb. d. PreuB. Ak. d. Wiss.
>• 1 1«0(^ Berlin 1007, S. 4 u. 2811; Huaserl, Log. Untersuch. 2. Teü, Hallei
1901, S. 290, 2. Aufl., S. 2U (Einbeitsmoment).
I *} Diese unsysleroatische AufzAblung bezweckt lediglich, Beispiele zu
nben.
*) Heine EAenntnistbeorie gebt noch weiter und behauptet, daS auclt
^ VerscbiedcDbeitsvorstellunK nicht gesondert von dem Verachiedenen
^lütiert, sondern dieses jener inexiatiei-t. Für die Logik eracheint eine wai-
l«re Gntwicklung dieses Satzes vorläufig OberUfissie.
2i*hea, Lehrbaefa der Logik. ^
„.,,„,^.oogic
30(i !!• Teil. Erkenntnialheo retische usw. Gnindlegung der Loeik.
tiholo^e. Sie übemeht ako die Umbildung d«r psycholo-
gischen VoTfitelliingen in logische NormalTOratelInngen -(Bc
griffe) und kann deshalb dem Logischen nicht gerecht werden.
Die Oeltung wird daher zn einer lediglich psychologischen
Tatsache, die ganze Logik dmnit zn einem nnsclbstandigen
Teil der Psychologie.
Die 1 o g i z i« t i s c h e Auffassung ') (vgl. S. 173 ff-, 258fl.,
'-'70 ff.) geht auf Bolzano (vgl. S. 173) und Lotze (vgl. S. 195)
zurück. Sie behauptet, daß außer dem Tatbeetand, aof wel-
chen der Inhalt eines Denkergebnisses sich als anf seineo
Gegenstand bezieht, und außer dem Denkergebnis selbst nocb
ein drittes reinLogisches unterschieden werden muß, und
schreibt dieeem eine absolute Geltung zu. Dies Dritte
heifit bei Bolzano „Vorstellnng an sich" und „Satz an sich"
(Wahrheit an sich), bei Lotze ,4ogischer Gedanke", bei
Husserl „Wesen" oder ,^idos". Oft wird es als „ideal" oder
„ideell" den gewöhnlichen Realitäten gegenübergestellt.
Auch die Termini „Gegenstand", „Inhalt", „Sinn", „Bedeu-
tung"' werden oft gebraucht. Bald wird ihm Existenz und
Wirklichkeit geradezu ganz abgebrochen, bald eine ganz
besondere neue Art der Wirklichkeit oder des Seins zuge-
schrieben. Für diese besondere Seinsart hat nun Lotze den
Terminus Geltang bzw. Gelten eingeführt Hier bedeutet
also Gelten nicht mehr die materiale Bielitigkeit mit Beza?
auf einen Tatbestand (im Bereich der B's oder E's oder V'e)
und auch kein „Bestehen" innerhalb der Tatbestände, son-
dern einen neuen hypothetischen Tatbestand, der nicht wie
die R's im Gegebenen gedacht wird, sondern in einer un-
klaren Stellung neben dem Gegebenen „gilt". Manche
Logizisten, z.B. Bolzano, nehmen daher auch an, daßesselbet
ganz phantastische, ja sogar falsche „VorsteUungeu und
Sätze an sich" „gibt". Das Logische wird 2u ein^ dritten
Kategorie neben dem Tteychischen und Kiysischen. Schließ-
lich ging man so weit, daß man für das individuelle Er-
kennen dieses „rein Logischen" oder „Geltenden" (im Sinn
der Logizisten) nicht mehr das gewöhnliche Denken, wie ee
die Psychologen Untersachen, für kompetent erklärte, sondern
auch einen besonderen Akt in Anspruch nahm: „wir müssen
') Vgl. zum foUrenden auch AKhur Liebert, Das Problem der Geltuni,
BerKn 19U, m)d Heinr. Lau, Das Problem der Gegenständlichkeit in der
modernen Loeik, Berlin 1912 (beide AibeitMi &sftnzungrii^l« der K*Jit-
studJen).
1,1^. OQi
,g,c
i. Kapilel. Erkeimlmstheoretische Grundletiuns. 307
allesGehende einfach finden als eine ei^eDtümliche Gegeben-
Iteit, welche neben dem I^yehiechen und Physischen als eine
beamdere Art des ideellen Seins . . . existiert"'). Damit
iet die Intnition oder intellektuelle Änschattang im Sinne
Schellinffs (S. 135) n. a. anf einem Umwi^ wieder eingeführt.
Der psychologißtischen Auffassimg gegenüber hat der
Li^izist leichtes Spiel und bis zu einem bestimmten Punkte
recht Der Satz 2X2 = 4, die Zahl tt, der AUgemeinbegrÜf
Oold nsf. sind in der Tat nicht nur Denkergebnisse im indi-
vidoell psycholc^iscben Sinne. Selbst die Übereinstimmung
vieler IndiTidnen bezüglich solcher Denkergebnisse erklärt
uns nicht, daß jene Sätze Überall und stet« genau und kon-
rtuit zutreffen, während unsere Denkergebnisee intermit-
tieren, ungenau und inkouBtaut sind. Dagegen versagt der
U>gizifimns g^enüber der oben dargelegten gignomenolo-
gischen Auffaseang. 2 X 2 = 4, w, der Komplex „Gold"
Dsf. gehören zu den bestehenden Relationen der Tatbestände *) .
Wie oben erörtert, sind diege Belationen nicht Denkprodokte,
sondern in den Tatbeetändeu gegeben. Diese Belationen (im
Veitesten Sinn) innerhalb der Tatbestände machen neben den
Tatbeständen (im ganzen) den Gegenstand der Denkergeb-
nisae aus. Die Hypothese eines ganz neuen Dritten, eines
Wischen oder Geltenden (im Sinn der Logizisten), ist daher
gaos überflüssig nnd außerdem, da die Natur dieses IMtten
ganz unklar bleibt, unzulässig. Die „Ewigkeit" oder „ün-
witlicfakeit" der logischen Voretellnngen und Sätze erklärt
sich daraus, daß in den Tatbeständen neben zufälligen Bela-
tionen (z. B. jeweilige Lage des Federhalters auf meinem
Tisch) relativ konstante (z. B. Gold) und absolut konstante,
also gesetzliche Belationen (2 X 2 := 4, n) vorkommen.
Ebensowenig beweist fiär die logizistisehe These die Tat-
sache, daß ich die Vorstellung der Zahl 71, den Satz 2X2=4,
die Vorstellung des Goldes usf. selbst wieder zum Gegen-
stand von neuen „geltenden" Vorstellungen (im weitesten
Sinn), z. B. von Aussagen, Schlüssen machen kann (etwa: die
Zahl TT ist zuerst von Archimedee abgeleitet worden). In
») Ssal«goB, Ztschr. f. Philos. u, phUos. Krit 1911, Bd. 148, S. 18fe In
<l*>i letzten Jahren Oberbielen sich manche Autoren geradezu in Angriflen
auf den P>7cfaolo8i3mu9 und Steigerunsen der lotrizistischen Annahme.
*) In den gewählten Beispielen handelt es sich um Tjilbestinde im Be-
nich dw R'^ ganz analoge Talbestinde finden sich auch im Bereich dier E's
nid Tw. S. auch S. 3060,
20»
„.,.,„.>..oo^sic
308 M- Teil. Erkennlnistheoretjache usw. Gnindletcung der Loeik.
diesem Fall ist der Gegenstand der neuen VoTsteUnng«!
eben die VoTfitellDOg: w, der Satz 2X2^4 nsf.; von irgend-
einem ganz neuen Logisehen ist auch hier nicht die Bede.
Eb handelt sich nm solche früher (S. 262) besprochene Vor-
stellnngsgebilde höherer Ordnung V, V", V" usf. "), die sich
- auf Tatbestände im Bereich der Vorstellungen beziehen.
Freilich kommt dabei die von der psychologigtisehen
Auffassung übersehene, oben (S. 301} bereits erwähnte, für
die Logik fnndamentttle Tatsache zur Geltung, daß wir die
schwankenden Vorstellungen der Zahl n, des Satzes
2X2 = 4, des Goldes usf. des individuellen inychischeii
Lebens durch jene konstant gedachten Xormalvorstel-
lungen ersetzen. Damit wird die Konstanz (UnzeiÜich-
keit), welche sich ucsprüngtieh nur in den gesetzmäÖigea
Tatbeständen (R's, E's, V's) selbst fand, auch auf die Inhalte
der Vorstellungen der bez. Tatbestände übertragen. Die
Konstanz der logischen Vorstellungen und Sätze, welche ^ch
zunächst als objektiv begründet erwies, wird nun auch snb-
jektiv, d. h. für unser Denken künstlich gegenüb&r der In-
konstanz der tatsächlichen Denkvorgänge hergestelll Maa
kann in diesem Sinn geradezu von der logischen Anpassoug
unseres Denkens an die allgemeine Gesetzmäßigkeit der Tat-
bestände (nicht etwa nur der physikalischen) reden. Die
logizistische Berufimg auf die Konstanz der logischen Be-
griffe ist also auch in subjektiver Beziehung nicht stichhaltig.
Der Logizist elaubt seine Auffassung oft auch daduich retten zu kCDnen,
daß er auf einige weitere besondere Beispiele verweist So wird z. B. be-
hauptet, das Gedankensystem der Kritik der reinen Vernunft oder der ScbluB
„Cajus ist ein Mensch, alle Menschen sind sterblich, also ist Cajus sterblich"
sei doch etwas an sich Bestehendes oder Geltendes, das von dem Gedacht-
") Ich erinnere nochmals daran, daB hiermit nicht „Vorstellungen von
Vorstellungen" im Sinn der ablieben Annahme aueAannt werden. Vgl
S, 263. — Die den Stufen V, V, V" usf. entsprechenden Beziehtingen
bauen sich allerdings gewissennaBen übereinander auf, aber deshalb ist V
von V, V" von V usf. doch nicht in dem Sinn verschieden, daS man von
einer neuen psychischen Katecorie sprechen kennte. Wenn ich denke
„3X3=4". so wird bei dieser VorstellungsveAnapfung die Beziehung auf
den Eoathematischen Tatbestand gedacht, der letztere ist da- „Gegenstand"
der Vorstellungsverknüpfung; wenn ich denke „der Satz 2X3;:=)4 ist von
dem ScbOler heute gelernt worden", so tritt dieselbe Vorstellungsverknüpfung
als solche, d. h. ohne Beziehung auf den mathematischen Tatbestand, also
als Tatbesland im Bereich der V's auf und wird mit weiteren VorstellumM«
verknflpft, der „G««enstaDd" dieser weiteren VeiknQpfung ist ietzt die Vor-
stellung „2X2=4" geworden. Man vergleiche hiermit auch Uetnon^s
Lehre von Objekt und ObjAliv (S. 181).
h. !■, ii,l^.OOQK-
1. liiipilel. ErkeiiDtiusUieoretische Grundlegimg. 309
w^^ diuch einen einzelnen Menseben unabhingis sei. Auch dies AifU'
menl ist nicht stichhaltig. Die Sachlage ist ganz dieselbe wie bei dem Satz
^XS=^4", nur ist die VoratellungaveiknOpfuuB komplizierter: es handelt
ocbomeinV' höherer Ordnung. Als Kant sein GedankensTslem dachte,
odN wenn jetzt ein anderer es ihm nachdenkt, so war bzw. ist das Gedanken-
SYslem selbst ein rein psycbologiaches Denkeigebnis, dessen fundierende
6««eiisfaiidskette (vgl. S. 2eS) zahlreiche Tatbestande innerhalb der E'b^ V's
und erent. auch R's sind. Wenn wir aber nun weiter irgend etwas von
(üesem Gedankens vstem aussagen (z. B. daB es dem Lockeschen entgegen-
gesetzt sei), es also gewissermaBen loE^gelOst von seinem Gedachtwerden durch
die einzelnen Personen betrachten, so wird es allerdings „G^enstand" eines
Deokergebnisses, aber als solches gehört es nicht in ein neues logizisUaches
Reidi, sondern zu den Tatbeständen im Bereich der Vorstellung«! und be-
kommt seinen spezifisch logischen Charakter nur dadurch, daB wir uns an
Stelle der individuell schwankenden, unvoUstAndigen, inexakten, zntlich
wechselnden Vorstellungen, welche die einzelnen Menschen sich von dem
System machen, -einen konstanten und daher unzeitlicben, interindividuellen
NomialbegriB desselben gesetzt denken.
Besondere Beneirtrait fOr ihre Ansicht schreiben manche Logizislen
auch den Beispielen widersinniger Vorstellungen (wie „dreieckiges Viereck")
oder Riner Phantasievorstellungen (wie „goldener Berg", „Marquis Posa" usf.)
W- Oben (S, 271) hat mch bereits ergeben, naa der Gegenstand solcher Vor-
stellungen ist: namlieh die Gesamtheit der Teilvorstetlungen, aus denen »e
msanunengesetzt sind (z. B. „dreieckig" und „Viereck" bzw. „golden" und
rBeig" usf.). Für die Kombinafian „djreieckiges Viereck", .jioldener
Berg" usf. existiert kein Gegenstand, diese Kombinationen existieren nur als
Votstellungs i n h a 1 1 e "), nicht als VorstellungsgegenstAude. Eine materiale
Richtigkeit mit Bezug auf einen eutsprechendäi Tatbestand kommt daher
hier gar nicht in Betracht, ^mi von Gelten oder G 0 1 1 i g k e i 1 kann bei
Stichen Vorstellungen Überhaupt gar nicht gesprochen werden. Ober die
bierrgn scharf zu unterscheidende Frage der Existenz s. § 113. Hieran ändert
■och die Tatsache nichts, daB ich mir in meiner Phantasie oft E's und R's
zu meinen Phantasievorstelluiigen hypothetisch hinzuerg&nze ''). Damit
wird nur der Inhalt meiner Phantasievorstellungen noch veigrfiBert und
modifiziert, aber kein G^enstand binzugeacbafien. Von einer GOltigkeits-
beziehung zwischen dem hinzugedachten E bzw. R und meiner Phantasie'
voratellung kann deshalb auch nicht die Rede sein. Wir kommen Ober unsere
Vorstellungsinhalte nicht hinaust Wohl aber können diese Phanlasievorstel-
hiRgen, die als Ganzes selbst keinen Gegenstand haben, ganz
ebcDso wie alle anderen Vorstellungen Gegenstände neuer geltender Vor-
stdhmgen (V", V"' urf.) werden. So kann ich z. B. galtige Urteile Ober
Uaniuia Posa fällen (z. B. er sei von Schiller erfunden, er habe diese oder
jene Charaktereigenschaften usf.). Solche Aussagen haben selbstverständlich
einen Gegenstand, aber nicht in einem dritten logizislischen Reich, sondern
ihr Gegenstand ist meine Pbaotasievorstellung Marquis Posa oder die
^') Soweit es sich um unmittelbar sich widerspirechende Vorstellungen
huidett (dreieckiges Viereck) werden nicht einmal die Vorstellungskombi-
utiaiien inhaltlich vollzogen, sondern ihre Vollziehung nur durch sukzessive
Tortkombinationen (attributiveB Adjektiv und Substantiv) vorgetäuscht
'*) Hierauf beruht es, daB ich zwischen der Vorstellung von Manpiis
Posa and dem vorgestellten Marquis Posa unterscheiden kann.
OgIC
310 ^ l'^il- Erkennlnistheoretiaüie usw. Giuudlegung der Lock.
Phant&aievorsteUuDS Matquis Posa Schillers usf. Diesen neuen Vorsielluneeo
V" kommt denn audi Gelten oder GOltigkeit zu und wiedenun in doppeller
Bedeutuns: einerseits, insofern sie material richtig sind, d. h. der Ph&nt&sie-
vorstellting Marquis Poaa entsprechen, und andrefseits, insofern Obertiaupt
eine dem V" entsprechende (das V" rechtfertigende) Fhantasierorstellung
„besteht". Aber diese GOltigkeit ist in keiner Weise, wie die Logizisten
behaupten, eine absolute, die sich auf irgendein neues Ansichaein brpo-
thetischer Gegenstände eines dritten Reiches bezöge, sondern dieselbe rela-
Uve, wohlbekannte Galtiä:eit, mit der wir es allenthalben zu tun tiaben. Aus
dem Gelten kann kein neues Sein herauskonstruiert werden.
Besonderes Gewicht pflegen die Logizisten auch auf die GOltigkeil
mathematischer Sp^ulations^-orstelluneen zu legen, namentlich solcher, deotn
— wie z. B. den imagin&ren Größen {i = y'—l) — nichts in der siiuilich
wahmehEobaren Wirklichkeit zu entsprechen scheint'*). Indes abgesehen
davon, daB der letztere Punkt noch strittig ist, würde die wissenschafthche
Bedeutung der Lehre von den imaginären Größen auch dann besteben blei-
ben, wenn man einräumt, daß sie nur Hilfsvarstellungen sint^ denen als
solchen (in tote) kein Gegenstand entspricht, und Lehrsätze wie die Hoivre~
sehen Formeln und viele andere, welche fOr solche komplexe GrSBen be-
wiesen werden (V">, also diese zum Gegenstand haben, werden für diae
„gelten"' in demselben Sinn wie irgendwelcbe Lebraätze der nicht -imaginären
llathematik für ihre Gegenstände.
Was S. 300ff. ganz im allgememen über die „Geltung:
von VoTstellnngen gesagt wnirde, findet eine spezielle An-
wendung aof die sog. logischen Prinzipien (vgl-
S. 294 ff.). Aach ihnen schreibt man eine Geltung in doppel-
tem Sinn zn, insofern man bald meint, dafl die Sätze, in' wel-
chen wir die6e Prinzipien fommlieren, material richtig sind,
bald aber nur das Bestehen eines bestimmten Tatbestandes
im Bereich des logischen Denkens im Äoge hat. G«mäQ der
Festsetzung S. 302 soll hier nur von Gültigkeit im ersten
Sinn gesprochen werden, so daB die Gültigkeit oder Geltong
mit der materialen Kiehtigkeit identisch ist Beispielsweise
ist das Identitätsprinzip a = a material richtig, insofern es
die allgemeine Eindeutigkeit (Singularität, vgl. S. 294) in
allem Geschehen einschließlich des Denkens richtig aus-
drückt, und kann in diesem Sinn als objektiv gäll^ be-
zeichnet werden. Zngleich bekommen die Prinzipien eins,
weitergehende spezifisch logische Bedeutung (S. 296>, i '
wir an Stelle der schwankenden individuellen Vorstellni
von a, b und c usf. konstant gedachte Normalvorste
äetzen. Das Gesetz der Singularität oder Kindeuti
Geschehens gilt nur für die Unverträglichkeit <
*■} Vgl. Ober solche mathemat. Gegenstände Medicus, I
Bd. 19, S. 1, und Hugo Bergmann, Ann. d. Natundiilos. 19t,
1. Kapitel. Erkennt Distheoretische GFundtegung. 311
gesetzter Totalvorgäose zu derselben Zeit. Indem wir jene
XormalbegTÜfe einführen, wird für das Denken die Zeit nnd
die individuelle psychologische Variabilität eliminiert: a gilt
als ,3e8Tiff" für unveränderlich. Bezeichnet man ein ein-
faches Gegebenes für einen bestimmten Zeitpunkt t als at,
so besagt das Identität»gesetz im allgemeinen (gignomeno-
loffiachen) Sinn sowohl für das Denken wie für jedes andere
Geschehen a^ = a», d. h. der Vorgang at kann nicht zngleieh
von at verschieden sein: er ist singnlär'*) (sejnnktiv, vgl.
S. 2d4). Wenn die Logik nnn an Stelle dier wechselnden
Denkvorstellnngen Normalvorstellungen setzt, so macht sie
das Denken, soweit es sich in Normalvorstellungen vollzieht,
wenigstens der Absicht nach von der Zeit unabhängig nnd
kann für diese Normalvorstellnngen behaupten: a=^a (ohne
den Index t). Die „Gleitung" dieses logischen Identitäts-
prinzips ist also ebenfalls mit seiner materialen Bichtigkeit
identisch. Insofern es den Tatbestand, dessen Bestehen in
dem giguomenologischen Identitätsgesetz ausgedrückt ist,
speziell mit Bezug auf die Nonnalvorstellungen unseres logi-
schen Denkens richtig wiedergibt, „gilt" es. Eine andere
Bedeutmig hat die Geltung nicht.
Kant hat zwar nicht fQr die fonnale Logik, zu welcher nach ihm das
logiache IdentiUtscmnzip gebärt, wohl aber für seine Kategorien und syn-
tbetischeD Sätze a priori (vgl. S. 289) eine Gdturig behauptet, die nicht nüt
der materialen Richtigkeit identisch ist, sgndem ein Gelten in dem Sinne,
dtfi sie „die Gründe der Uüglichkeit aller Erfahrung Oberhaupt" enthalten.
Die schweren allgemeinen Bedenken, welche dieser ganzen Auffassung gcecn-
flheratehen, sind zum Teil bereits S. 255 ff. hervorgehoben worden. Im Be-
soDderen ist zu bemerken, daB die Ifantsche BeweisfQhning mit einem dop-
Wllen Begriff der „Erfahj-ung" arbeitet. Zuerst nimmt Kant Erfahrung
im Sbne der vom Denken verarbeiteten Sinnesertahrung und
kann für diese n&tüilich zeigen, daß sie ohne das Denken und unabhängig
wn seinen Gesetzen nicht möglich ist. Dann aber überträgt er ohne aus-
reichende Gründe den letzteren Salz auf di« Erfahrung im weiteren Sinn,
'■iailich auch auf die vom Denken nicht verarbeitete, und gelangt so zu d«n
Sdz, daß die bezüglichen Begriffe und Sätze für alle Erfahrung überhaupt
äe Gründe dir Ufiglichkeit abgeben. Die natürliche Auffassung, daß diese
B^iriOe und Sätze, soweit sie überhaupt zutreffen, aus dem Gegebenen nach
^a Gesetzen unseres Denkens, die selbst zu dem Gegebenen gehören, ge-
schöpft sind und j,gelten", insofern sie diesem Gegebenen richtig entsprechen,
«iid in unzulänglicher Weise mit einem Hinweis auf ihre absolute All-
(öneinheit und Denknotwendigkeit abgefertigt. Die Allgemeinheit und Denk-
Wtvendifkeit, die wir ihnen gern zuschreiben, erklärt sich aus der durch-
") Die mit der Eindeutigkeit (Singularität) eng verknüpfte
Einzigartigkeit (Insignität) muB in der Erkenntnistheorie erörtert
n,g,t,7l.dM,GOOglC
312 II- '^^- Erkeontnistheoreüscbe usw. GnindleKunE ^er Loeik.
fiänsiceD Ubereiastlmmvinr unsrer Erfahrung (r. B. bezOgUch der SiiKulaiiUl
allen Geschehens) und diese durchgängige ObereinsUmmung aus der all-
Eenieinen GesetzmfiBigkeit, die nun eben einmal allem Gegebenen lulconimL
Der Versuch Kants, die allgemeinen Gesetze aus dem Gegebenen herausia-
nehmen und ausschließlich dem Denken zuzuweisen, so daB dieses dieaelken
in die Natur „bineinbtingt" ^^) und der Natur nur die speziellen „empiriscbeo
'iesetze" belassen werde», scheitert schon an dar Tatsache, daB wir uns
ein den Kantschen apriorischen Beghtten und Grundsätzen und selbst dem
Singularitäts Prinzip widersprechendes Geschehen sehr wohl denken kAmm
(vgl. oben S. 3H); nur unter dem Einflufl der duichs&ugigeii Üba:«iiutim-
mung der Erfahnmg mit Bezug auf jene allgemeinen Gesetze schreiben wir
ihnen eine absolute Allgemeinheit und DenknotwendiAeit zu.
W&hrend Kant die Beziehung der sog. formalen logischen Ge-
setze auf die Naturgesetze nicht berQcksichtigt und seine Lehren von der
obiekÜTen apriorischen Gültigkeit auf die Kategorien und synthetischen aprio-
rischen Grundsatze beschrAnkl^ haben andere die soeben erörterte Eanlsche
I^lire auch auf die formalen Sfttze der Logik ausgedehnt. Hiertier ge-
hören u. a. die Auffassungen von Fichte und Hegel (vgl. g 3& u. 37). In
neuerer Z«it ist z. B. Dilthey '*) ein Vertreter dieser Ansicht. D. behauptet;
Da die Erkenntnis von Ursachen an den Schluß und die in ihm liegende
Denknofwendigkeit gebunden sei, so mOsse im Naturzusammenhang eine
logische Notwendigkeit obwalten. Dabei wird ofienbar von D. Oberseben,
daß das Identitatsprinzip, welches der gesamten formalen Look zugrunde
liegt, ein gemeinsames Gesetz des Gegebenen (ein gignomenologisches Gesetz)
ist und daher die Denknotwendigkeit und die Naturnotwendigkeit koordiniert
sind; es erscheint daher unzulftssig, die letztere als logisch zu bezeichnen
itnd damit der enteren zu subsumieren.
i 65. Subjektive Bezlebangeii der Gültisrkeit. All-
ItemeinKÜltigkeit. GeltoDEsbewnBtselii. OewiBheit. Wenn,
wie im letzten Paragraphen naeiLgewieeen wnrde, die Qültig-
keit mit der materialen Bichtigkeit identisch nnd eonacb
Btete objektiv ist (vgl. S. 301), so bedeutet dies, daB von
Gültigkeit stet«! nur mit Bezug auf einen Tatbestand,
ein .JEorrelat", gesprochen werden kann. Da aber »mdrer-
eeits die Gültigkeit stets nur einer abgeleiteten Vorstellung
unseres Denkens zukommt, eo besteht sie eben immer auch
nnr für dies Denken. Sie ist also auf das einzelne, je-
iweils denkende Subjekt beschränkt. Auch bei vollkom-
mener materialer, also fnndaler nnd formaler Dichtigkeit
,(vgl. S. 283) ist sie zunächst an den einzelnen psycholc^-
Bchen Denkakt gebunden. Wir können höchstens den Ana-
logieseblufi ziehen, daß für ein ähnliches Denken sich wohl
such ähnliche Richtigkeiten ergeben werden. Die subjek-
tive Gültigkeit wird also nur mit einer gewissen Wahr-
'=> Kril. d. rein. Vent, Kehtt. Ausg. S. 134, Erdm. Ausg. S. 167.
") Ein!, in die Geisleswisa. Bd. 1, I.eipziB 1883, S. «1 0. ;
.oogw
1. Kapitel. Eritenntnislheorelische Grundl^uns- 313
echeinlichkeit weiter ausgedehnt. Das Individuam bleibt —
etwa im Sinn der griechischen Sophisten — zunächst das
UaÜ aUer OöItiKkeit
Dies ändert sieb erst, wenn die Logik in ihrer anto-
ohtbonen Gnmdlegnng die Bohon wiederholt erwähnten Nor-
nmlToiBtellnngen (vgl. S. 301, 308 n. 311) einführt Bamit
Verden die Denkakte wenigstens hypothetisch von den in-
dividnellen nnd temporären Zufälligkeiten befreit, und
damit ist eine hypothetische absolute Allgemeingältigkeit
för alle Sabjekte, die solche Normalvorstellongen hypothe-
tiecb bilden, knnetlich hergeBtellt. Zu der objektiven All-
gültigkeit kommt eine subjektive Altgemeingültig-
keit hinzu (vgl. S. 274).
Völlig zu trennen sowohl von der subjektiven wie von
der objektiven Ctültigl^it ist d&s sog. „Gelt un gs -
bewnSteein". Dem Wortsinn nach ist unter letzterem
ein rein psychologisches Phänomen zu verstehen, welches mit
dem „Für richtig halten" (ZnstünmeD, Billigen, Anerkennen
W. Verwerfen, vgl. § 74) identisch ist, von der Gül-
tigkeit, d. h. der tatsächlichen materialen Bicfatig-
keit also durchaus verschieden ist. Man kann indessen auch
^on einem: GelttmgsbewnAtsein in prägnantem logischen
Sinn sprechen und darunter die allenthalben wiederkehrende
Erfahrung von der Singnisrität nnsrer Denkvorgänge in
dem S, 294 erörterten Sinn verstehen, die Erfahrung also,
d&B wir nicht imstande sind zu denken: a==non-a usf.
Nnr dieses Geltungsbewofitsein hat für die Logik ein spe-
zielles Interesse. Das Geltungsbewufitaein im Sinn einer
psychologischen Zustimmnng kommt oft genug auch dem
Irrtam zu, das Geltungsbewoßtsein im prägnanten Sinn ist
•Üe Urfahmng einer Denknnmöglichkeit bzw. Denknot-
wendigkeit (vgl. S. 295), also eine Erlebnistatsache selbst,
bei der ein „sieh-Irren" überhaupt nicht in Frage kommt,
Teil es sich eben nur um die tatsachliche Gegebenheit, nicht
tnn die Beziehung auf einen Gegenstand handelt.
Sofern das GeltungsbewuStsein in prägnantem Sinn sich bei der Aus-
uge eines Prädikats von einem Gesensland darin äußert, daS vir im Denken
Xin einem GeBenstand dasjenige aussagen mOS3«n, „was seinem Inhalt «sen
ist", kann man mit Erdmann (Logik, 2. Aufl. S. 371 9.) von ,Jogischer Im-
maneoz" sprechen. Allerdings scheint Erdmann auch die Übereinstimmung
Rut dem Tatbestand der Sinnesempfindungen zur Ic^schen Immanenz zu
nchnen (Beispiel vom weiBeo Papier S. S72), worin ich ihm nicht folgen
^ann. Richtig ist nur, doB unsere Empfindungen als solche (nicht etwa auch
„.,,„,^.oogic
314 n. Teil. Erkeantnistheorclische usw. Gniadleffung der Logik.
die an aie eeknäpften Urteile. Deutungen usw.) für uuser Denken ein Noii-
melansere sind. Sic teilen aber dieae Eigenschaft mit allen anderen Erieb-
nistatMcben (Gignomenen). Sie sind ausnahmslos singulär (S. SIH). Das
GeltungsbewuStsein im prägnanten Sinn, welches ein Denkergebnis be-
gleitet, mufi sich nicht aut die Singularität der zugrunde hegenden Empfln-
dungen stützen, sondern es beruht auf der Singularit&t der DenkrorgänGc
Hit dem Gf^IlungsbewuQteein fällt die sog. „Gewiß-
heit" TolIkomineQ znsammen *). Nur dnrcli ganz willk&r-
Hcfae Festsetzungen kann man beide voneinander trennen.
Die Gewißheit im allgemeinen Sinn ist also gleichfalls niclits
anderes als ein Pür-richtig-h alten, wie es oft genug auch
bei dem Irrtum vorkommt. Auch wenn dies Für-richtig-
halten mit der Erkenntnis verbunden ist, daß es unmöglicli
sei, daß die für richtig gehaltene Erkenntnis falsch sei'},
bleibt es ein individuelles, dem Irrtum ausgesetztes psycho-
logische» Phänomen. Auf diesem Wege kommen wir, auch
wenn wir in einem uoeudlicfaen Prozeß uns immer neue
Selbstbeglaubigungen und Selbstlegitimationen ausstellen,
keinen Schritt über die psychologischen Grenzen hinaus.
Anders wiederum die Gewißheit in prägnantem logischeii
Sinn, also mit Bezug auf die Unmöglichkeit a^^non-a zu
denken. Diese Erlebnistatsache fallt eben als solche aus
dem Bereich des Irrens heraus. Diese Gewißheit ist nur ein
Spezialfall der Singularität aller Gignomene und mit dum
logischen Geltungsbewußtsein identisch.
Die Aufgabe, die Entstehungsbedingungen der Gewißheit im aUgemcinen
Sinn zu untersuchen^ f&IU daher auch ganz der Psychologie zu. Freilich hat
letztere sieb mit solchen Untersuchungen bis jetzt noch kaum befaBt. Nur
für die Erinnerungagewißheil hegen wertvolle Untersuchungen von G, E.
Müller') vor. So sind z. B. .\usschließlichkeit, Promptheit und Hajtnäckig-
keit der Reproduktion und Deutlichkeit und Fülle der reproduzierten Vor-
stellung solche psychologische Kriterien des Ricbtiitkeitsbewußtseina fit
dem psychologischen Charakter dieser UewiBheit hängt es auch zusammen.
daS es verschiedene Grade derselben gibt '). Die .\nnahme einer spezifischen,
^) Vgl. außer den Lehrbüchern d^ Ei^cnntnistheorie u. der Psychologie
z. EL Job. Volkelt, Die Quellen der menschl. GewiBheit, Hünchen 1906 (weit
abweichender Standpunkt); Jules Payot, De la croyance, Paris 1SB5. namenlt.
S. aaH.i B. Bourdon, Rav. phüos. 1S90. Janv., Bd. 15, S. 37—61.
') So definiert Kant in der Untersuchung über die Deutlichkeit der
Grundsätze d. nalürl. Theologie und d. Moral. 3. Betr., § 1.
°) Zur Analyse der Gedächtnistätigkeit und des Vorstellungsrerlaufes,
Teil 3, Leipzig 1913, S. 324^ ff.
*) Bei der logischen Wahrscheinlichkeit hegen solche „Grade" der Ge-
viSheit, wie später gezeigt werden wird, nicht vor.
„.,,n,^.OOglC
1. Karite!. EikenntDistheoretische Gnmdlesung. 31^5
iig«iid«Je 8[>ezieU (ür die WaimehinuiiK der Richligkeit, der ObcreiDslim-
mung, des Widerspruchs usf. bestimmten Seelent&tigkeit, wie sie z. B. Locke
vondiwebte (,j)erceive the aKreement or disagreement of ideas"), entbehil
jeder tatsäcbUchen UDlerla«e. Auf die GefQhle, welche die psycho-
loesche GewiBheit begleiten, insbesoadere die sog. ^Jogischen" GefÜhJe *),
Unn Regen ihres rein psychologischen Cliarakters hier nicht ein-
leWKen werden.
Erdmann fahrt die üewiüheit auf die „wiederholte gleichsinnige Wahr-
Dehiomig zurück" (I. c. namentl. S. 379) und rechnet zu der letzteren auch
iK „Selbstwahmehmung", welche uns z. B. belehrt, daß Gedanken, welche
Widersprüche in sich enthalten, für unser Denken unvollziehbar sind. Nach
meiner Auffassung ist diese GewiBheit Oberhaupt die einzige, welche für die
Lciik in Betracht kommt. Die Gewißheit, welche sich auf andere Selbst'
oder auf Sinneswahmehmiuigen stQtzt, ist ein rein psychologisches Ph&-
tnoen. — In der logischen Literatur wird übrigens sehr oft die GewiSbeit
mit da' materialen Hichügkeit verwechselt So wird es z. B. verständlich,
itA Locke eine certainty of trutb und eine certainty of knowledge unter-
scheidet (Essay coDC. hum. underst IV, 6, % B) und Leibniz die erstere mit
dfr Wahrheit selbst für idenüsch erklärt {Nouv. Ess. sur l'ent. IV, 6^ § 3,
Geit Ausg. Bd. 5, S. 380).
Weiter leuchtet ein, daß auch das GeltongähewaBtsein
iiD prägnanten Sinn (die Gewißheit im prägn. Sinn) mit der
EinföhruDg der logischen Nonnalhegriffe eine viel weitere
Bedentnng hekommt Das Individuum hat bei seinen ge-
wamliehen — psychologischen — Vorstellungen eine Ge-
wiBheit im^ prägnanten Sinn nur, insoweit es nicht fähig ist,
in demselben Augenblick, also im Zugleich als Gesamt-
inhalt a nnd einen von a verschiedenen Gesamtinhalt zu
denken (vgl. S. 295), nnd insoweit es daher auch nicht im
Zugleich einem ond demselben Gegenstand ai» Ganzem eine
Big«D9cfaaft p beilegen und überhaupt absprechen kami.
hn Nacheinander ist letzteres hingegen sehr wohl möglich:
i<?h kann demselben Gegenstand heute p zu- und morgen
absprechen (vgl. die ausführlichen Erörterungen über Ali-
enation nnd das Identitätsprinzip in ^ 86 u. 87). Erst indem
wir nnzeitliche, überindividuelle Normalbegriffe fingieren,
^rd dieser Fehler wenigstens theoretisch aasgeschaltet und
Mine Ausschaltung als Postulat fixiert. Damit wird das Be-
reich der logischen Gewißheit über alle Individuen und über
Blle Zeiten ausgedehnt. Zu der anmittelbaren, auf
*) Insbesondere hat J. G. Fichte ein unmittelbares, niemals täuschen-
^M, im Ethischen wurzelndes Gefühl der Gewißheit angenommen, in dem
„die völlige Ijt>erein8timmung unseres empiriachen Ich mit dem reinen Ich"
am Ausdruck kommen soll (System der Sittenlehre 1798, HauptA Ilt 1,
S lü, SinsSl Werke. Berlin 1M5, Öd. i, S. 169, Auswahl d. Werke, Leipzig
ia»s Bd. 2, s. ata).
1,1^.001
,g,c
3Jl6 ^- '^^' Erkenntnistheoretiache usw. Gniadleeung der Logik.
den Moment vergleich eines a und uon-a gegründetes
GewiBheit des einzelneu Subjekte kommt eine mittel-
b ti r e , auf der IJnTeränderlichkeit der NormalbegriSe
fußende, für alle Subjekte gültige, durch Beweise und Be-
wei^etten sich beliebig lange hinziehende Gewißheit im
Sinne einer für unser Denken zweckmäßigen Fiktion bioza.
2. Kapitel
Psychologische Grundlegung
i M. Xwwdk dn ptTehslm^sdiB anndlagsas. Die Beziehung ds
Psrcholocie zur Logik wurde bereits in § 4 (S. 18 ff.) erörterl Da aDe
UntersochuDgen der Logik von den tatsächlich gegebenen Denkvor^ogen des
einzelnen Individuums, also psychologiBchen Vorgängen ausgehen und auch
die für die Logik charakteristischen schon vielfach vorgreifend erw&hnten
bgischen NonnaJvor^eUungen (vgl. S. 301, 808, 311, 815} nur durch Vmieslal-
lung der psychologisch gegebenen Vorstellungen zustande kommen, so ist
die Psychologie unbeschadet der tiefgehenden Unterschiede zwischen ihr
und der I«gik für die letztere unentbehrlich. Die Logik verfolgt daher in
ihrer psychologischen Grundlegung den Zweck, die sichergestellten L'nter-
suchungsergebnisse der Psychologie bezüglich der Denkvorgänge zusammen-
zustellen, soweit sie für die Logik in Betracht kommen. Sie eriOUt damit
zugleich den Nebenzweck, für ihre Untersuchungen irgendeine bestimmte
und klare, wenn auch leider bei der weiten Divergenz der Nomenklaturen
der einzelnen paychologischea Forscher nicht allgemein anerkannte psycbo-
logiache Terminologie als Ausgangsbasis fQr ihre logische Terminologie zu
gewinnen.
Bei der AusfOhrung ergeben sich dadurch große Schwierigkeiten, daB
keineswegs Übereinstimmung besteht Aber dasjenige, was als sicbersesteUtes
UntersuchunKsergebma der Psychologie betrachtet werden kann. Je weiter
wir uns von der Psychologie der Empfindungen entfernen und der Psycho-
logie der Vorstellungen und Oenkvorg&nge nähern, um so gr&Ber wird der
Z«iespalt der Meinungen. Ich werde im folgenden zwar meine eigene
psvcbologiscbe Ansicht allenthalben zugrunde legen, aber doch auch die ab-
weichenden MeiDungen anderer Forscher, soweit die Abweichungen Itlr die
Logik von Belang ^d, berficksichtUen ').
>) Im folgenden werde ich einzelne psychologische Werke abgekOizt
zitieren, nämlich Efllpe = Kfllpe, GrundriB der Psychologie^ Leipdg 1B0S;
lipps =: Tb. Lipps, Leitf. d. Psychologie, 3. AuD. Leipzig 1908; Jodl c=
Jodl, Lebrb. d. Psychologie, S. AufL Stuttg.-Berlln 1909; Wundt t= Wundt,
GrundzOge der physiol. Psych., 6. Aua Leipzig 1908—1911; Ltf. = Zidien.
Leitf. d. phys. Psych., 10. AufL Jena 1914; Oc e= Ziehen, Die Grundlagen
d. Psycbologiev Buch ^ Leipng-Beriin 1916; Dift. es Ziehen, VierteUahrsschr.
f. wiss. Fhilos., Bd. 39, S. 13SB.; Erfc. b Ziehen, EtkenntnisUieone.
h. !■, ii,l^.OOQK-
2. Kapitel. Psychologische Grundlegung. 317
1 17. bdiiiduInnUltmvni. BtknUaB, ImUMob, KrawInieB. Das
Srinneniniisbild, welches von einer Empfindung zurückbleibt, ist fast niemab
IUI DUTeraibeitel. Selbst in dem einfachsten Fall unsrer Empfindungs-
Utaglieit sind schoa mit der Empfindung mannigfache Vorstellungen, z. B. im
Sna des Wiedererkennen s, des Vergtelchens usf., fast untrennbar ver-
landen >). Die Psychologie hat aber mit gutem Grund und mit Erfolg trotz-
dem eine reine, d. h. Torstellungafreie Empfindung gewissennafien als idealen
Gcenzbll aufgestetH (Eik. 1886, S. 78). Ganz in derselben Weise steUt de
sich vor, daß auch Erinnenmgsbilder solcher reiner Empfindungen existieren,
ireicbe noch in keiner Weise von unserem Denken transformiert worden sind.
Man kann diese Erinnerungsbilder auch spezidl als intairala primäre
iDdividuelle Erinnerungsbilder*) bezeichnen, als inteerale,
«til sie von den Denkakten noch ganz unversehrt geblieben sind, insbesoo-
deie von ihrer Vollständigkeit noch nichts verloren haben, als primSre, weil
se für alle anderen Vorstellungen die Grundlage abgeben, als individueUe,
«eil sie sich auf eine einzelne, zeitlich-rfiumlich bestimmte, also in diesem
Sinne individuelle Empfindung (eine einfache oder zusammet^esetzte) be-
geben. Ein solches integrales prim&res individuelles Erinnerungsbild wäre
etwa das Erinnerungsbild meiner gesamten Gestchtsfeldsinhaite, z. B.
lihrend des Vorüberfahrens und Sturzes eines Badfahreis auf der StraBe,
«ie .ich es bei AugenschluB unmittelbar reproduzieren konnte. Es
leoefatet ein, daB ein solches absolut integrales Erinnerungsbild ohne jede
Zusammenfassung und ohne jede Weglassung kaum jemals vorkommt Nicht
cur das Vergessen bedingt Locken, sondern auch durch mannigfache
Mrchische Prozesse (Aufmerksamkeit usf.) kommen Verdrängungen und Weg*
lassongen, Hervorhebungen und Hinzufogungen sowie sonst^e Abänderungea
anstände.
An das inieerale primäre individuelle Erinnerungebild schließt sich das
nalascheidet sich von dem ersleren dadurch, daB die Loslösung oder Iso-
liening aus der räumlich -zeitlichen Umgebung stattgefunden bat Uan kann
)uch von einer ,rAbhebung" von dem räumlich-zeitlichen Hintergrund oder
^ „AnfeUederung" aus der räumlich-zeitlichen Reihe der Nachbarempün-
^antta qjrecben- In der Regel vollzieht sich diese LoslOsung und Abhebung
uuaitteUMT an den Empfindungen (der „Tolalempfindung"), ausnahmsweise
^ua sie jedoch auch erst nachträglidi an dem von der Totalempfindung
nuOckgebliebenen „Tolalerinnerungsbild", also dem integralen Erinnerungs-
l><ld erfolgen. Im ersteren Fall fällt sie im wesentlichen mit der gewOhnlichea
»%- seosonellen Aufmerksamkeit zusansnen. Bin solches exzemiertes Er-
inoeningsbild wäre, um an das oben g^ebene Beispiel anzuknüpfen, etwa
<Menige des Sturzes des Radfahrers, wobei aber jetzt einerseits die räum-
liche Umgebung — Straße, Häuser usf. — und andreiseils die zeitliche
l^mgebung — das dem Sturz vorangehende Vorüberiahren usf. — w e g -
■ elaisen oder mehr oder weniger vollständig „reprimiert" (ver-
^Aogt) ist. Dies Weglassen und Reprimieren soll ganz allgemein als
') Diese nät Vorstellungen verschmolzenen Empfindungen bezeichnet
™° zweckmäßig auch als „W ahrnehmunge n".
') Gr. 73 u. 136.
•) Gr. S. 73 u. 186, Llt. S. S7. . ;. ,
iM,Googlc
318 lt. Tdl. Erkenntnistheoretiscfae unr. Grundleguiie der Lonk.
Abstraktion (ygl. auch S. 348') und der Vorgaog, durch den in dem
eben beairochenen speziellen Fall das ezzemierie Erinnerungsbild — die
BxkntioanoisMluii — mittels Abstraktion zustande kommt, als Exkre-
t i o n bezeichnet werden.
Mit dejr Exkretion, wenn sie Tollsländig ist, verUert der Inhalt des
Erinnerunssbildes auch seine rftumtich-zeitl iche Bestimmtheil
oder, wie man auch sa^ea kann, den r¨ich - zeitliche n Indi-
vidualk oeffizi enten. Er ist aus der räumlichen und zeillichen
Ordnung der Unvebung ausgegliedert. Oft ist allerdings die Ezkretion un-
ToUständiK, 90 dafi das exzemierte ErinnenmgsbUd doch noch eine mehr
oder weniger bestimmte räumliche und zeitliche Orientiening beh&lL Hit
diesen exlrinsekalen i&mnlich-zeillichen Eigenschaften, die sich auf
die Umgebung beziehen, darf. man die intrinsekalen, welche sich «nf
die Ordnung der Teile innerhalb des Inhalts einschlieSlich Dauer und
Grüße beziehen, nicht verwechseln. Diese intrinsekalen rftumJich-zeitUcbeB
Eigenschaften gehen selbstverständlich bei der Ezkretion nicht verloren, son-
dern gehen in den Inhalt des exzeraierten Erinnerungsbildes über.
An die Exkretion scfalieSt sich unmittelbar ein weiterer AbstrakUons-
piozeB an: die Isolation']. Das exzemierte primäre individuelle Ei-
innerunssbild wird in „T e i 1 v o r s t e 1 1 u n g e n" zerlegt und eine dieser
Teilvoistellungen oder ein Komplex solcher Teitvorstellungcn unter Weg-
lasaung der Qhrigen Teilvorstellungen abgesondert vorgestellt. Die Vor
Stellungen, die auf diesem Wege entstehen, heißen bolatioBsvoiitallntM
(SijmboliBch : V«VbVc -*-Vi,oder abc ->■ a*), wo a die aus der zusammm-
*} Bei Aristoteles ist die «yoiip*«!- (Gegensatz nQ*«»t«K^ die Trennnnf
in Gedanken (r^ Sutttl^; Gegensaü j(atfM/tic oder Aal^aif ;= matenafc
Trennung) und wird vorzugsweise, aber nicht ausscblieQUch fflr den Vor-
gang des Weglassens bei der Bildung der A 1 1 g e m e i n begriff e verwendrf-
Noch schärfer tritt diese Tendenz bei vielen ScholastüEem hervor. Zugleicb
neigte man begreiflicherwMse dazu, das EmpSndungsmäSige, die Emufin-
dungen selbst und ihre unmittelbaren Erinnerungsbilder, als konkrrt Uia-
abstrakt") zu bezeichnen (vgl z. B. Gilbert Porretanus, Comm. zu Bodh.
De trinitate, Uignes Patrologie Bd. 6i, S. 1366). Daraus würde sieb eine zwei-
fache Abstn^tion ergeben, nämlich erstens vom Individuellen und zweitens
von der „materia sensibilis". Die noch jetzt vielbch übliche Identifizieruni
des Abstrakten mit dem „Un anschaulichen" geht auf die zweite Bedeutung
der Abstraktion zurück. Über weitere Auflassungen des Abstrakten in der
Scholastik siehe g 71, S. Siß. In der neueren Philosophie hat ach mehr und
mehr die Neigung geltend gemacht, jed« gedankliche Trennung bzw. Weg-
iassung als Abstraktion zu (»zeichnen (^L § 71). — Interessant ist, dafi
zeitweise die abstrakten Vorstellungen im Sinn von allgemeinen VorsteUungen
als praedicobilia oder adpercepüones bezeichnet wurden (siehe z. B. Crusius,
Weg z. Gewißheit usrf, Leipzig 1747. S. 305, § 119).
») Gr. S. 73 u. 133, Ltf. a 248 ul 269, Dill. S. Sai.
') Im folgenden bezeichne ich, wenn nicht besondere Gründe eine Ab-
weichung eriieischen, zussmmengeaetztere Vorstellungen mit großen latei-
nischen Buchstaben Va , Vb , Vo oder abgekürzt A, B, C), wradnr m«—
u« Ibubnurt aUl wtUm wbitai» mit kWna btditafe«
■ (Vk, Tb. Ve oder abgekürzt a, b, c). Später, im speziell loffiachBB
2. Kapitel. Fsrchologiache GnuidleKung. 319
lesetztea Vorslellung abc isolierte Voratellune bedeutet, vgl. auch S. 321).
So wird z. B. aus dem Erinneninssbild äea Sturzes des Radfahrers das Er-
innerungsbild seiner heninterfliegesden Motze oder der brauDeo ¥tabe seines
.\Dzugs isoliert. Geht die Isolierung so weit. daS nur eine vmzerlegbare
TdlTorstellung als Isolationsvorat eilung übrig bleibt, so soll diese als ulti-
male IsolaUons- oder TeiivorsteUung bezeichnet werden. Insofern bei der
Etkretion die Weglassung der nicht-isoUerten Teilvorstellungen oft nicht voll-
^odig ist, kann man oft nicht von einer vollständigen Isolation; sondern
HUT Ton einer mehr oder weniger weitgehenden Repression (vgl. S. 317)
der nicht-isolierten und einer entsprechenden „Akzentuation" der
isolierten Teilvoislellungen sprechen.
Zwischen Isolation uud Exfcretion besteht also kein wesentlicher Unter-
schied. Die Gxkretion ist der eiste IsolationsprozeB. Nur wegen mancher
ptTchologischer Besonderheiten verdient sie eine besondere Bezeii±nung.
Soweit aus einer Gesamtvorstellung mehrere oder alle Tcitvorstellungen iso-
liert werden und die Beziehung der ersteren zu den letzteren in Betracht
Kzogen wird, spricht man von einer AnalTse oder Zerlegung. Die iso-
lierten Teilvoratellungen werden, namentlich sofern sie fOr einen Gegenstand
charakteristisch sind, auch als Uerkmalvorstellun gen bezeichnet
adle jedoch auch unten Anm. 7 Ober diesen temunologischen Unterschied).
Die Teilvorstellungen verhalten sich bezOglich ihrer IsoUerbarkät sehr
varacbieden. So kann ich mir relativ leicht ein Klavier ohne seine Tasten
und auch umgekehrt die Tasten ohne das (Ihrige Klavier vorstellen. Dagegen
telingt es mir kaum, ein Bot ganz ohne räumliche Ausdehnung oder ein
Rechteck ganz ohne Farbe vorzustellen; bei dem ersteren Versuch schleicht
sich doch immer ein unbestimmter Umriß, bei dem letzteren eine unbestimmte,
^a. graue Farbe ein. Man kann diesen Tatbestand auch dahin formulieren,
daü man sagt, die Repression der nicht- isolierten Vorstellungen sei sehr ver-
schieden schwierig und demgem&B sehr verschieden vollständig. Man muS
daher selbständige und unselbständ^e '') Teil Vorstellungen oder, wie ich zu
Teil, soll allerdings zwischen Ta <ind A und ebenso zwischen V^ und a in
losischem Interesse noch ein Unterschied gemacht werden (vgl § M}. Die
tatsächlichen G^enstände der Vorstellungen (S.26&) bezeichne ich mit kleinen
<ri«chi3chen Buchstaben (U^, Og, Oy oder abgekürzt a, ß, y)- Für die Iso-
IttioQ kommen sonach auch die Symbole ABC ->- A und ABC -*- a gelegent-
lich in Betracht. Die geschweifte Klammer bedeutet aberall die Zusamnien-
»rtiUDB, wie alsbald (S. 330) naher erörtert werden wird.
^ Vgl. C. Stumpf, über den psrchol. Ursprung d. Raumvorstellung.
Uipag 1879, S. 108i und E. Husserl, Log. Untersuchungen, Teil 3, Halle 1901t
S. 23af. (ä Aufl. S. S35f.). Stumpf bezeichnet die selbslSodigen TeUe als
■uOatändige Inhalte", die unselbständigen als .Teüinh<e". Die letzlere
Bezeichnung scheint mir, da sie -auch auf die selbständigen Teile paBt, irre-
'fHirend und daher unzweckmäßig. A. Höfler u. a. beschränken den Tenninua
gteile" auf die selbständigen Teile und bezeichnen die unselbständigen Teile
*ls Merkmale (Onindlefaren der Logik, *. Aufl. Leipzig-Wien 1909, § ib.
S- \i; siehe auch K. Twardowski, Z. Lehre v. Inhalt u. Gegenst. d. Vor-
OgIC
320 U. Teil. Erkenntnistheoretiscbe msk. GrundleguDg der Logik.
sagen vorziehe, ioadbärente und adhäreate (d.b. leidit und
schwer isolierbare) unterscheiden. Die Vorstellung der Kl&viertaateD ist mit
Bezug auf die KlaTiei-voratellung inadhärenl, die Vorsteliung des Rot mit
Bezug auf rote Dinge adbärent. Dabei ist anzueAennen, dftS — un-
beechadet des scharfen eriienntnistheoretischen Unteracbieda — eine scharfe
Grenze zwischen adhärenten und inadbärenten Teüvorstellungen psycho-
logisch nicht existiert, daß also dielsolierbarkeitbzw. Adhärenz nur gradweise
verschieden ist. Ich kana, wenn ich auf eine anschauliche individuelle Vor-
stelhing vensichte und mich auf die AUgemränvorstellung .^t" beschifinke,
die räumliche Komponente schlieBlich doch nahezu voUsUndig' reprinüereD.
Die den TeilvoTstelluugen, den isolierten wie den we^elassenen b£w.
repdmierten, entsprechende Zeriegung übertragen wir auch auf den Gegen-
stand der zerlegten Vorstellung, also das zug^örige integrale Erinnerungs-
bild und die zugehörige Empfindung und weiterhin eventuell auch auf die
hypothetische (gedachte) Grundlage der letzteren (den „materiellen Heil",
das Ding an sich, das Redukt usf., vgl § ö6~-ö8) und zerlegen diese gedank-
lich in analoge „Teil e" bzw. „Merkmal e". Der Terminus „Teile"- wild
hier also — im Gegensatz zu dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, wie diet
schon von Husserl geschehen ist*), in einem sehr weiten Sinn genommen.
So bezeichnen wir z. B. auch die Farbe, Form usf. eines Gegenstandes als
einen Teil dessdben. Weiter unteracheiden wir vne bei den Teilvorstellungen
selbständige und unselbständige oder inadhärente und adhärente Teile. Die
inadbärenten Teile kann man auch mit Husserl als „Stocke" (Teile im
engeren, üblichen Sinn), die adhärenten Teile als ,31omente" bezeichDen.
Diese und alle anderen im folgenden zu besprechenden Übertragungen
auf den Gegenstand (Gegeustandsflbertragungen) betreffen selbst-
verständlich streng genommen nicht den Gegenstand selbst, sondern dia
Gegenslandsvorstellung in dem S. 266 festgelegten Sinn; nur zur AbkOrzung
wird von einer Übertragung auf den Gegenstand ge^rocbea Obemll, wo es
aul eine strenge Unterscheidung von Gegenstand und Gegenstandsvotstellung
ankommt, soll ersterer mit 0 bzw. «, ß, y, letztere mit (O) bzw. (o). (^, (y)
bezeichnet werden!
Im Gegensatz zur Isolation iaSt die Komplesion*) Empfindungen
oder Etinnerungsbilder zusammen. Auf diesem Wege entstehen KamhilsM»
voisliBKBBsn. Wie die Isolation durch einen Pfeil, soll die Eompleiian
symbolisch durch eine aber die Buchstabenzeichen gesetzte, ihnen zu-
gekehrte Klammer bezeichnet werden (vgl, S. 318, Anm. 6 und S. 863).
stelhmgen. Wien 18», g 8 u. 18). Bei dieser Terminologie fehlt ein T«-
minus, der Teile und Heriunale umfaßt Auch wird der Terminus Haimal
nicht nur populär, sondern auch in der Logik bereits allenthalben in weilereiD
Sinb gebratKht. Bei dieser Sachlage ziehe ich vor, die Termini „Teil-
vorstelluDg" und ^erkmalvorstellung" in demselben Sinn zu verwenden und
letztere nur dann zu bevorzugen, wenn es sieb um cbarakteristiacbe
Teitvorstellungen bandelt.
■) L. c. &. 224. Es läge sonst nahe, den Terminus „KoDU>onente" zu
verwenden, doch wOrde dies zu umständlichen WortveAindungen („Kompo-
nentenvorstellung") führen. Aucb ist uns bei dem zusammengeeetztea Wort
TeitvorsteHung der weitere Sinn des Terminus „Teil" bereits geläufig.
•> Gr. S. 138 u. 171, LU. S. 3*6 u. 360, Düt. S. 312.
2. Kapitel Fsvchologiache ünutdlegung. :j2I
«Im VtVbTc oder abcbzw. .\BCi°). Zur Abktirzung mag auch die Be-
zdcbnung Vi oder K verwendet weiden. Soi! ausdrOckllch der H e r C & n 2
der lomplexiDTi symbolisch dartestelU werden, so kann ohne Oet&hr ainei
Hiflreretändnisses wie bei der laotsüon ein Pleil verweadet werden. So be-
demtel £. B. a, b, c -» a b c, 4aB aus den Teitvorstellungen a, b und c di«
KompleiioDSvorstellung abc eelnldet wird. An Stelle des bkiBen Zugleidi
md Ifacheilunder der Empfindunfen ") und der primären inteeralen Er-
innauscaljilder tritt eine Vereinheitltdiimg, die vir nicht definieren, sondern
mir dnrch Hisweis auf unser Erleben eriSutem kOnnen. Nur sehr selten
viid die Komplexion an Totalempfindungen oder integralen GrlnnerungB-
bUdern rollzogen, vielmehr in der Regel an Empfindungen bzw. Erinnernngs-
)ddm), an welchen sich bereits Exkretion und oft auch Isolation in klainerem
oder |T&Serem Umfang al«esinelt haben. Andrerseits fijidel die ItolatiOB
umgekehrt auch oft an Toriier gelnideten Komplezionsvorstellungen statt.
foM ist also die Isolation ^*), bald die Kony>lezion primftr (vgL Ober ihi
uneisea Verhältnis unten u. S. S46). Sehr oft erfolgen Exkretion biw.
Isotition und SomplexiDn geradezu Hand in Hand. So wird das Erinnerungs-
bOd eines bestimmten Hausea^') gebildet, indem eineraeits von der lim-
1*01« (StraBc, Nachbarhäusern uaf.) einschlieSlich der vorausgegangenen
mtd nachfolgenden anderweitigen Sinneseindrflcke abstrahieri wird und
mdreneits die W&nde, Fenster, Taren usf. des bezüglichen Hauses zu-
Bumneneefafit werden. Dies Zusammenwirken von Abstraktion und Kom-
Plnion soll als Syllektion bezeichnet werden. — Auch die Komp1«xton
ToBzieht sich in den venchiedensten Abstufungen (Blume — Beet — Gatten),
feiner faßt sie bald wie in den eben angefahrten Beispielen simultane Oegen~
ttnde, bald wie im Erinnerungsbild eines Blitzschlags (Blitz + Bonner) oder
eine» eben gehörten Schusses (Knall ■}- Pulvenreruch) sukzessive Qegenat&nd^
bsW wvohi diese wie jene zusammen (Symphonie, Gewitter ust.) '■'■). Im
UinUick auf die oben festgestellte Tatsache, daB die Komplexion auch das
[■über Exzemierte oder Isolierte wieder zusanmienfassen und umg^ehrt die
Watien das fhlber Zusammeagefa B te wieder trennen kann, sind Eom-
Pleaon and Isolation (Exkretion) als iuverse Prozesse zu bezeichnen
<yA. auch S. M6).
■*) SchlieBt »ch die Komplexion unmittelbar an EnvInduDgen an, so
*tre«twa zu schreiben: Esbr .. .
"] Im Anschluß an Kant könnte man auch von einer bloBen „Synop-
na" amechen (Erit. d. rein. Vem., Kehrt). Ausg. 3, llt^ Erdm. Aasg. S. 11»).
^ Fdüen der Komplexion kann auch als DiapanUbeit bezeichnet werden
[uch .in^ogie von S. 368).
") Der Exkretion «eht die Komplexion niemals voraus, höchstens voll-
aAea sich beide gleichzeitig.
") Das ErianwiigsliHld des Hauses usf. ist hier noch nicht als Ding-
noMhmg zu ventebea (vgl. S. S38).
") Es handelt ädi dabei oft nicbt um Pr«xinaigegeaBt&ade, soadem
um Distalgegenstande (vgl. S. 366). über die VertrifUcUeit der Zusammen.
iMHig sikEestiver Gegeast&nda mit den Ko]itiguil&tsgeaet2 der Ideen-
UMoation siehe Lft. S. 2461. u. 80911.
ZitbtD, Idubncli du Loifik. 21
OgIC
322 ''- '^^'1- Ei^eonloistheoretische usw. Gniodlegune der Logik.
Ein Spezialfall der KompIexioD ist die Kolleklion. Bei dieser
werden die Individualvöratellungen ühnlicher oder gleicber GegensUndc
.Dinge, UeAmale usF.) im änn der Komplexioii zusunmengelafit i') Von
einem Garten habe ich eise Komplexionsnirstellun^ von einer Scbalbeide
eine kollektive Kompleiionsvoretellung oder KollektiTVoralellung*')
(Symbol A*p oder C), Die Grenze ist nicht immer scharf; ein Zehneck be-
tncbten wir nicht als ein ItoUAtivum von 10 Linien, wohl aber eine zehn-
kOpHge Herde als eia Kotlcktiviun von 10 Tieren; auch ein Nebelfleck kum
uns noch als ein KoUektivtieKiiff selten, b«i dem Stemhild des Orion wiid
man schon Zweifel haben. Oflenbar ist für die Eolleiktion dutrakteristisd^
daß die Komplexton nur auf Ähnlicbkät bzw. Gleichheit, auf Zugleich bzw.
Nebeneinander begründet ist; je mehr beatiuuntcT; räumJiche oder zeiUicbe
oder qualitative usf. Beziehungen zwischen den Individuen als wesent-
lich mitgedacht werden (Gestalt des Zehnecks, des Orions), um so mehr Dber-
schreitet die Eomplezion die Grenze der Kollektion.
Auch die Komplexion ist sehr oft keine ganz gleicbmältige, sondem
mit einer st&rkeren Akzentuation einzelner Teilvorstellungen bzw. Meikmal-
voistellungen in dem oben (S. 319) featgeseUten Sinn veitunden.
Der Sinn der „Zusammenfassung zu einer Einheil" (Verschrndzuni).
welche das Wesen der Komplexion ausmacht, kann an dieser Stelle nichi
ausFQbrlich eröitert' werden. Diese Aufgabe muß der Psychologie und Ür-
kesnlnistbeorie vorbehalten bleiben. Nach meiner Auffassung handelt es
sich bei der Zusammenfassung zu einer Einhät stets danrn^ dafi die Indi-
vidualkoeffizienten der Komplexionsvorstellung, d. h. der zusammenfassoidec
Vot^lellung, sich mit denjenigen der Teilvorslellungen, d. h. der zusammen
letißten Vorstellungen ganz oder teilweise decken. Etabei versiehe ich unter
den Individualkoeffiidenten die ritumliche und zeitliche Bestimmtheit der
iTcrslellungsinhalte (vgl. auch S. 318 u. 369). W«nn ich mir «ne besUmmtf
oder irgendeine Rose im Sinn einer Komplesionavorstelluag denke, so ist
die stattgehabte Verschmelzung dadurch charakterisiert, daß die den Teil-
vorotellungen (Duft, Farbe usf.) entsprechenden Teilinhalte sich mit dem In-
halt der Gesamtvoistetlung Rose räumlich und zeitlich ganz oder l«lw<>W
decken : an dem Ort imd zu der Zeit, wo Rosendult, Rosenfarbe usf.^ da Rose.
Auch ftir die ahstiaktesten Komplexionsvorst^ungm gilt diesn Sali. Ke
Vereinheitlichung des Inhalts der Komplexionsvoistelluns beruht auf der
Deckung der Individualkoetfizienten der Teilinhalte''). Indem wir ferner,
wie oben die Zereliederung, so jetzt die Zusammenfassung auf den Gegen-
stand der Komplexionsvorstellung ftbertragen, fassen wir diesen als einen
aus Teilen bzw. Merkmalen bestehenden „Komplex"") auf (vgl. $. SU?.
") Gr. S. 75, MO u. l*a
'*) Bemerkenswerterweise haben manche brachen besondere Kollektir-
formen; hierher gehören z. B. die sog. inneren oder gebrochenen Fluiale d»
Arabischen, die als feminine Singulare behandelt werden.
") Wenn man vom „Gegenstand" einer Komplesionsvorstellung spricht,
meint man oft nicht den Gegenstand im Sinn der hier duichgefOhrten Ter-
minologie (vgl. S. 366), sondern diesen auf Grund der Einheit der Individual-
koeffizienten vereinheitlichten Torstellungsinhalt und setzt sich diduicb
schweren Verwechslungen aus.
") „Komplex" im Gegensatz zu einem nur riumlich- zeitlich vertwa-
2. Kapitel. Fsycliologischc GnindleftunR. 323
2tslech sind wir Beneigt, diesem Komples tinen „Träger" unterzuschieben,
der im wesentlichen der Substanz (im philosophischen Sinn) entspricht,
und die Teile bzw. Merkmale als Eigenschaften dieser Substanz, ala soK.
Akzidentien, zn betrachten. Diese hypolhetische Substantialion wird ans
in den logischen Spezialabschnitten ausführlicher beschitftigen müssen ^^).
i m. Waite« StabM dar UdiTUulTonlaBnitn. KompanS« ud
Iralaktias. Die K omparation "j'^VergleichunB, von mir aus spater
äcb ergebenden Gronden auch als Kategorialfunktion bezeichnet) besteht in
«iser nicht weiter zurückfabiinren und auch nicht definierti&reD Bildung von
K^VuaÜMSTamMlwioatt (Ver^eichungsrorstellungen), die nur durch Bei-
stkk, also durch Hinweise auf das alltSsUche Erleben cbarakterisÄert werden
kann, fan primitivsten Fall handelt es sich um die Verglelcbung tod Emp-
fiodoDgen, ganz der analme VergleichungsprozeS wird aber allenthalben
aneh an den primären Erinnerungsbildern, integralen und exzemierteu, und
an den alsbald zu besprechenden sekundären Erinnerungsbildern wie über-
lianpl an allen alweleiteten Vorstellungen ToUzogen. Bei dem sog. Wieder-
ntennen qtieit er sich zwischen EcoDfindung und Erinnerungsbild ab. Sym-
Wisch bezeichne ich die Komparation durch das Zeichen /\\ so ergeben
sith die Symbole : E» Eb , T» Vb oder a b bzw. A B (vgl. S. 91^ Anm. 6),
E« W , l!« V^b nsf. Abgdürzt wird für Komparalionsvorstellungen ganz
«Ujemein auch daa Symbol V„ oder U verwendet werden. In den Worten:
AhDlichkeit, Gleichheitv Verschiedenheit, Unähnlichkeit, Ungleichheit ust. fassen
vir — zunächst in bezug auf Individuatvorstellungen, weitertün aber auch
in bezng auf Generalvorstellungen (Allgemeinvorstellungen, s. unten § 69) —
alle diese einfachen Vergleichungsvorstellungen zusammen. Bald betreBsn
sie Tale bzw. Meritmale und setzen dann Isolationen voraus, bald gante
Komideie; im ersteren Fall betreffen sie bald Qualit&ten (z. B. höher und
tiefer im Tonbereich), bald Intensitäten (z. B. lauter und leiser), bald lium-
liebe oder zeitliche Eigenschaften (z. B. länger und kürzer, näher und temer,
«rtler und früher), bald GefOhlstflne (z. D. schAner und baulicher). Dabei
nmB an die früheren AnsfOhnmgen erinnert werden, wonach den Ver-
döclnmgsvorstelliingen „bestehende" Relationen in dem verglichenen Ge-
IdKnen entsprechen {vgl S. 306).
Aus den eben be^rocbeoen einfachen Vergleich ungs Vorstellungen
fAeo weiterhin zahlreiche andere zusammengesetzte bzw. abgeleitete Ver-
^ichangsvorstellungen hervor. Hierher gehOren z. B. alle Vorstellungen
von Kausalbeziebungei), Zweckbeziehungen, math^natiachen Beziehungeo^
logischen Beziehungen (z. B. Urteilsbeziebung, Koordination, Subordination)
nsl. Ich glaube mich tiberzeugt zu haben, dafi psvchologisch auch alle diese
Vorstdhingen sich in letzter Linie auf Versleichungsakte zurückführen lassen,
bä «eichen aUerdings auch Synthesen und Analysen allenlbatben beteiligt
üd. Die durch Konn>aration entstandenen Vorstellungen ^nd also mit den
'*] Auf die Beziehungen zu Husserls Jioeioa." kann hier nicht ein-
irtugen v«rden (vgl. S. ISB).
>) Gr. S. 167 ff., IM. S. StBf. A. Brunswig, Das Vergleichen und die
lUtationseifcenntnis, Leipzig-Beriin 1914 ^bt Mne richtige Darstellung der
IBTchologtachen Tatsachen.
21»
„.,.,„.>..oo^sic
324 n. Teil. Erkenntnistheoretische usw. Grundlegung Jer Logik.
meist aDKcführten einfachen VersIeichimBsrorstellungen im engeren Sinn
nicht erschöllt, sondern umfassen das Gesuntg^iet der sos. Birishra«-
oder BriilliMi»iihl^MM Im tolgenden wird daher der Ausdruck ^tt-
llifcikmiTTiUlhtM im iTiMwa Umaf oder „VertleichungsvorstcUungen'
schlechthin gleichbedeutend mit ^ziehuws- oder RelationsvorateUuncen"
verwendet '). Die Gesamtheit alter Komparstionsprozesse (im weiteren
Sinn) mag daher auch als Relativation bezeichnet werden.
Insbesondere verdient es Beachtung, daB auch die von unsrer Voi-
stellunssbildung selbst geatiftetec Beziehungen — Kompleiioii, Kontraktion
und Generaiisation — zum Gegenstand von Relationsvarstellattgen verdea
können ^„Vorstellung der KomplexiiHubeEictiung" usf.).
Selbstverständlich kann die Frage eingebender erArtert werden, ob wirk-
lieb afle Beziehungs Vorstellungen als wesentliches Uomant einen Ver-
gleichungsakt enthalten, ntit ander«i Worten: (d> es wich nicht-kompantin
BeEiehunesToratellungen gibL Ich bdiaupt^ daß sie im Sinn der eisten
Alternative zu beantworten isL Insbesondere liegt auch t)ei jeder Kaus^-
vorstellung eine Vergleichung vor, insofern wir «cen früheren und einen
späteren Zustand vergleichen und daran die RelatarvorstellunEeti (s. unten)
„Ursache" und „Wiitung" knüpfen. Dies gilt auch dann, wenn die Wir-
kung in Empfindungen und Gefühlen besteht. Die endgültige Entscheidung
hierUber steht jedoch der EAenntnistheorie zu. Die Logik kann sich sdiliefl-
lich zur Not auch mit der entgegengesetzten AuRassung abfinden.
Eine eigentOmliche Abwandlung erfahren viele Vergleichungi-
vorstellungen dadurch, daß die VcrsleichungsvorstelluJig mit der Vorstellunf
eines der beiden verglichenen GegenslAnde verschmolzen wird und so ibroi
reinen Beziehungscharakler eint)flBt, Hierher gehören Vorstellungen wie
Vater, Sohn. Vetter, Freund, größere Linie (mit Bezug auf zwei Linien) usf.
Meistens, aber keineswegs stets volllieht sich dieser Prozeß zwischen Ver-
gleidkungsvorstellunEen und individuellen oder allgffDeinea Kontrat-
tion svorsteQungen (S. 336). Behufs Unterscheidung von den flbrigen Ver-
eleichungs- oder Relationsvorstdluneen sollen diese eigentümlich abgewtn-
deHen Vergleichungsvorstellungen als Relatarvorstellungcn bezekk-
net werden. In der sprachlichen Bezeichnung gehen sie abrigens den Re-
lationsvorsletlungen olt voran. Vgl. auch S, ät7 Ober polare und symnKtiiscbe
Vergleichungsvorstellungen.
Im Anschluß hieran sei übej den Unterschied der Kon-
pleicionsvorstellungen und der Komparatio nsvorstel-
lungen (Relationsvorstellungen) noch (dgendes hervorgehoben:
Der Unterschied zwischen b^en beruht nicht etwa darauf, dafi die Gegen-
stlnde der Konavlestonsvorstellungen keine Relationen unterainaAder haben
oder die Relationen ihrer Gegenstände in der Komplexionsvorst^ung nicht
mitgedacht werden. Im Gegenteil stehen, wie bereits 8. 303, Anm. 3 in
dem Beispiel des Waldes gezeigt wurde, die Gegenstände der Somplralons-
vurstellungen stets untereinander in zahlreichen Rdatlonen. (räumlichen, leit-
Ikshen usf.). Diese Relationen sind sogar wie die Psychologie lehrt, nicht nur
ein wesentliches Hotiv, sondern auch eine unerläßliche Bedingung für das
Zustandekommen der Komplexionsvoratellungen, insofeni diese nach dem
") Der Nan» „Vergleichungsvorstellungen" deutet mehr auf die wirt-
same Funktion, der Name „Relation s" Vorstellungen auf den EUgrunde liegen-
a«m Gegenstand.
3. KapiLel. Paycholosische Grundlegung. 325
Gesetz der Konliguität^Bssoziatton entat^en (vgl. auch S. 321^ Amn. 14)
und die tat die letztere erfarderikhe zeitliche Koutifuitflt der hmdierenden
Vn^lungea ohne irgendwelche Relationen der Gegenat&nde nicht denkbar
fsL Erat recht kann nicht die Rede davon sein, daß diese Relationen der
hmdiereitden Gegenstände nicht in die Komplexiongvorstellung aufgenom-
men werden. Wohl werden oft einzelne Relationen weggelassen, aber
andere gehören zum wesentlichen Inhalt der Komplexion 9 Vorstellung, so z.B.
die gegenseitige Lage der Beete meines Gartens zur Vustellung dieses meines
CirlGDs, die gegenseitigen Intervalle der sukzessiven T6ne zur Vorstellung
ier Melodie eines Liedes usf. Seien etwa drei fundierende Gegenstände
A A A
a.ßiwAy mit den Relationen aß, ßy,ay gegeben, so hat die Komplexions-
vorsWlung abc nicht etwa nur o. ß und y zum Gegenstand, sondern auch
A A ■ A
die Relationen aß, ßy und a y (bald aile, bald einen Teil derselben) *). Dfec
l'nleischied zwischen Komplexionsvorstellungen einerseila und Komparations-
Voratellongen (Belationsvorstellungen) andrerseits beruht also nicht auf dem
Fehlen von fundierenden Relationen bei den ersteren; man kann geradezu
Igen, daß fast jede Komplexionsvorstellung in ihrem Inhalt auch Relationen
enlbilt und daher Relationsvorstellungeo involviert Vielmehr liegt der
l'nlerscfaied nur darin, daB die Relationen, welche in den Inhalt einer iota-
fdeaonsvorslellung eingehet^ zwischen den T e i 1 gegenständen der Kom-
plexiousvorst eilung bestehen und nicht isoliert und somit überhaupt nicht
aktuell als solche vorgestellt werden*), während die Relation, welche den
Inhalt einer Komparationsvorslellung (Belationsvorstellung) bildet, zwischen
Gegenständen besieht, deren einer oder die beide nicht zu den unmittel-
haren Teilgegen ständen der Komparalionsvorstellung gehören und daher
gewissermaßen auBeriialb der Komparationsvorstellung liegen, und isoliert
und aktuell vorgestellt wird. Dort interne, hier externe Relationen. Die
Okichheitsvorslellung zweier Kugeln hat z.B. die Gleichheit der beiden Kugeln
zum Gegenstand, aber die beiden Kugeln selbst sind nicht unmittelbare Teil-
IHSeiutände dieser Gleichheit, während die Komplexionsvorstellung eines
Kugelpaares die Kugeln zu unmittelbaren Teilgegenstäiiden hat. Dieser
Unlersclüed filt auch fOr die soeben gekennzeichneten Relatarvorstellungen.
Ke Relalarvorstellung „Vater" enthält die Belalion zu Kindern, aber die
*) Dabei bleibt auBer Betracht, dafi die Komplexionsvorstellung zwischen
den Teilvorstetlungen a, b und c neue, nämlich psychologische Relationen
■tiftet
*) Uan sieht dies sofort ein, wenn man bedenkt, wie unzählige räum-
Ücfae Relationen beispielsweise das Bild eines Hauses usf. enthält. — Wie weit
Verschmelzungen einer Komplex ionsvorstellung mit Ttelationsvorsteltungen
ihrer Taitgcgenstände vorkommen, ist ein hier nicht zu erörterndes psycho-
Idfisches Problem. Mit dem Verhältnis von Komplexion und Relation be-
Khiftigt sich besonders eingehend A. Heinong, Hume-Sfudien 1 u. S, Sitz.-
fler. d. philos. bist. KL d. Ak. d. Wis*. in Wien, 1877, Bd. 87. S, 18B ff.^ u
1883. Bd. 101, S. 678 ff. (auch abgedruckt in Heinong, Abhandi. z. Psycbol.,
Bi 1, Leipzig 191*. namenU. S. 36 tf., u. Bd. 2, 1911», S. 1 tt.), u. Ztschr. f.
l^chol. u. PhrsioL d. Sinn. 1806,, Bd. 91, S. 191 ff. {„Koinzidenzprinzip":
vg Komplexion, da Relation und umgekehrt).
OgIC
326 U- l*^')' E^riienntnisttaeoretische nsw. Gfundlegung der Logik.
Kinder bilden keinen umniltelbaxen Teilgegenstand der Vorstellong Vatet.
Sie unterscheiden sich von den gewöhnlichen R Nation svorstellungen nur
dadurch, daB sie doch wemestenä das eine Glied der Relation als uc-
miltelbaren Teilgegenstand enthalten, und nahem sich insofern den Kom-
plexionsvorstelluDgen. Außerdem ist zu beachten, daß eine Kelationsrorstet'
luna oft ihrerseits wieder aus mehreren Teü-Helationsvorstellungen zu-
sanunen gesetzt ist.
Neben der Komparation und zum Teil abhängig von ihr vollueht sich
ein andrer Prozeß der Var3tellungcd>ildung, den ich als K o n t ^ a k t i o d ')
bezeichnet habe. Er besteht darin, dafi in den Erinneningsbildera eines
Vorgangs von den qualitativen, intensiven usf. Vertndenmgen, die innerhalb
des exzemierten Zeitabschnittes stattgefunden haben, abstrahiert wird und
die unverändert gebliebenen '] oder unverändert gedachten Teilvorstellun^cn
unter Weglassung bzw. Repression der veränderlichen zu einer eigenartigen
Kinheit zusammengefaßt werden. Die Vorstellung dieser besonderen Einheil
oder Dieselbigkeit, d. h. eines identischen Etwas, welche sich mit dieser Zu-
sammenfassung untrennbar verbindet und [Qr die Sontraktionsvorstellung
gegenüber der sukzessiven Eomplexionsvorstellung charakteristisch ist, muB
von der Erkenntnistheorie [s. str.) untersucht werden. Logik und Psycho-
loKie können sich damit begnägen, von ihrer Existenz Kenntnis zu nehmen.
Die durch eine solche Kontraktion entstandenen Vorstellungen sollen als
lAudln individuelle Erinnerungsbilder (sekundäre In-
werden. So bilden wir z. B. aiit Grund dieser oder jener Folge von Empfin-
dungen (Keimen, Wachsen, BlOhen, Welken usf.) die Kontraktionsvorstellung
einer bestimmten Pflanze, die alle diese Zusl&nde durchlaufen hat Svin-
bohsch drücke ich die Kontraktion durch einen wagerechten Strich aus, z. B.
ABC. Die KoDtraktionsvorsteliung soll als Vf oder F, die kontrahierten Vor-
stdlungen (also z. B. A, B und C) sollen auch als F,, F,, F, usf. beEeichnet
werden. Ein besonders wichtiger Spezialfall liegt dann vor, wenn die koo-
trahierten Vorstellungen vollkommen gleich sind (F^^ i=i F^ c^ F, usf.). Die
Kontraktion besteht dann ausschließlich in der Vorstellung der Dieselbigkeit
(Vorstellung eines vüll^ gleichbleüwnden Gegenstandes). Die großen
Buchstaben sind absichtlich gemäß der Festsetzung S. 318, Anm. 6 gewählt
worden; denn die kontrahierten Vorstellungen sind fast stets zusammcn-
gesetzl. Eine Ausnahme würde beispielsweise die Vorstellung einer einfachen
Tonqualität machen, die sich sukzessiv verändert und bei der von Intensität,
Lokalität usf. abstrahiert worden ist In diesem Ausnahmefall hätte man zu
' schräben a b c . . . , oder f i f , f ,
Die Kontraktion erfolgt säum jemals an primären integralen, son-
dern fast stets an primären exzernierten Erinnerungsbildern. In der
») Gr. S. 7i u. U2. Ltf. S. ^8 u, 361. — Die Scholasüker iwslanden
im Gegensatz hierzu unter contractio die „determinato alicujus conunuois"
(vgl. z. B. Duns Sootus^ Sup. Uhr. elench., Quaeslio 13, Opp. omnia, ed Paris
1891, Bd. 2, S. 17).
■) Die Erkenntnistheorie lehrt, daß das Unverändertbleiben von Teit-
vorsteUungen keineswegs unerläßlich ist, vgl. meine Eitenntnislbeorie, Jena
1913, S. 306ß.
') Die Bezeichnung „Kontraktion" ist gewählt, weil es sich ^ichsam
um eine verkürzende Zusammenfassung handelt.
OgIC
2. Kapitel. Psvchologische Grundlegung. 327
Regel and auch bei«il3 ausgiebige Komplex ioneu und Isol&Uooen ') votaus-
gegugai. Andererseits werden nun auch weiterhin die Kontraktionsvorstel-
h»u> zum UegensLand der manniglacbaten Komplenonen, Isolationen und
Komparationen (oachlraglicbe Isolation der Fartw einer Blume, die ich oft
geseben habe, usf.). Meistens verdechten sich alle diese Prozesse in sehr
verwickelter Weise.
Die WeglasBung der vetlnderlichen TeilvorsteUungea ist Fast niemals
i'ollsliQdig. Eis handelt sich durchw^ um Repression und Akzenluatian.
Indem wir eine sekundäre Individualvorstellung hUden, akzentuieren wir
öni^e TeÜToratellungen der der Kontraktion unterzogenen primären Indi-
nduahorstellungen besonders staii (z. B. die Vorstellungen unveränder-
licber oAw besonders gefUhlsbetonter Teile bzw. Ueikmale) und reprimieren
die Obrigen. Das Maß der Abstraktion schwankt also innerhalb der weitesten
Grenzen, sowohl was ihren Grad, als auch was ihre Ausdehnung betrifft.
Ganz Busnahmaweise kann eine Kontraktion ohne jede Abstraktion verlaufen
ifleiwiel: Konttaktionsvorstellung eines dunklen, allmShlich sich aufhellenden
(iesichtafelds).
Die rftumhch- zeitlichen Individuatkoefflzienten fallen bei der Kontrak-
tian nicht fori, sondern bleiben iDDerbalb einer von Fall zu Fall wechselnden
Breite (LaUtüde) besteben.
Eine tiefere Einsicht in die Vorgänge bei der Kontraktion ergibt sieb,
veno man die Arten der Ähnlichkeit Und der Verschieden-
htit, welche erkenn tnistheoretisch und psychologisch festgestellt neigen
tennm, scharf unterscheidet. Unter fr u's taler Ähnlichkeit (frustum
= Brocken, Stock) verstehe ich eine Ähnlichkeit, die auf Gleichheit einzelner
Hertmale bzw. Teile beruht, unter propinqualer Ähnlichkeit eine nicht
weiter zerlegbare Ähnlichkeit einfacher Gegenstände*). So ist z. B. die
Ahidichkeit der beiden Akkorde ceg und dfg frustal, dagegen die Ähnlich-
keit der Emiifladungsqualitaien gelb (c) und orange (c') und die Ähnlichkeit
cises Kreises (c) und einer Ellipse von geringer Exzentrizität (c') propinqual
Bescbiinkt skdi die propinquale Ähnhchkeit auf die Zugehörigkeit zu einer
Gattong, so soll sie kognat heiBen; so sind z. B. rot [a) und blau (a")
iomtt ähnlich (gemeinsame Gattung r Farbe); rot und blau änd „kognat"
ihnliche HeAmale.
Die Gleichheit zweier zusacomengesetzter Gegenstände bezüglich
aller Uerkmale kann als der extreme Gr«nzfall der fnistalen Ähnlichkeit,
Ae Gleichheit zweier einfacher Gegenstände als der Grenzfall der pro-
innqnalen Ähnlichkeit aufgefaCt werden. Man kann sieh übrigens hypo-
Ibetisch vorstellen, daB ein nicht- isolierbares x in zwei propinqual ahn-
lichea Gebilden enthalten ist, auf dem ihre Ähnlichkeit beruht i"). Beruht
üe Ähnlichkeit nicht auf Gleichheit, sondern auf propinqualer Ähnlichkeit
*) Ganz ohne Isolation würde nur diejenige Kontraktionsvoxsteltung
auskommen, welche die Gesamtheit des Gegebenen umFaQt ^.,Welt"-vontellung
im allgemeinsten Fall).
') Vgl. Gr. S. lii. Siehe auch C. Stumpf, über den i>sychoL Ursprung
ia Raumvorstellung, Lpz. 1S73, S. 108 u. Tonpsycb., Lpz. 1883, B. 1, S. tll H.
'•) Dies 3 könnte^z. B, der physiologischen Analyse der Binden-
PTOzene zugänglich sein.~' Vgl. auch Stumpf i. c. u. Gr. 5. 141'. Beispiels-
wedle hätte man also etwa gelb zu zerlegen in einen Faktor s, den man ab
Gelblichkeit bezeichnen kOnnte, und einen Faktor r, der aus der Gelbikhkeit
^28 '^- '^^'' Erkennt nisthenreliscbe us»-. Grundtegung der Looik.
eines oder mehrerer Merkmale, so bezeichne ich sie als frusto-pro-
piuqual (Beispiel: eine hellgräne Wiese und ein dunkelgrünes tüeid).
Sehr oft ist die Ähnlichkeit zugleich frustal und frustopropinqual (Buiaiitri:
zwei Kleider, die in Schnitt usw. vollkommen Obereinstimmen, deren. eiliM
aber hellgrün, das andere dunkelgrün ist, oder die beiden Akluude c eg nsd
cegis). Andrerseits kann sich die propinquale Ähnlichkeit auf alle
eines Gegenstandpaars erstrecken; dann nenne ich die Ähnlichkeit pmp
pinqual (Beispiel: zwei Kleider, die sich in Schnitt und Farbe UmelD],
Eine dritte Art der Ähnlichkeil neben der trustalcn und der im
pinqualen ist die Relationeäbnlicbkeit. Sie beruht auf der XIul-
lichkeit der Relationen zwischen den Merkmalen des einen Gegen-
standes mit den Relatianen zwischen den Heifanalen des anderen (Beispiel
die Akkorde c g und es b, die beide das Quintintervall enthalten) und kann
in manchen Beziehungen als ein Speziallall der frualalen Äfanlichkeit miI-
aefaßt werden.
In analoger Weise kann man auch Arten der Verschiedenheit
iinletscheiden. Lese ich das Hauptgewicht darauf, daB die frvslate und
ebenso auch die propinquale Ähnlichkeit eben doch keine Gleichheit ist, so
kann ich mit demseltien Rechte von (nstaler Verschiedenheit und von pro-
piniiualer Verschiedenheit sprechen. Unter den speziellen FftUen, die akdi
hierbei ei^eben, ist besonders der folgende für die Logik bemerkenswert
Es kommt vor, daB zwei Gegenstände in allen Mertunalen übereinstimmefi,
außerdem aber der eine ein Merkmal hat, das dem anderen durchaus
fehlt, d. h. bei ihm nicht einmal durch ein irgendwie verwandtes vertreten
ist. Eine solche Ähnlichkeit bzw. Verochiedeoheit soll als additive be-
zeichnet werden. So sind z. B. eine Person ohne Hui und dieselbe Person
mit Hut additiv ähnlich; der Hut ist ein neu hinzukommeadea^ bei dem
anderen Gegenstand überhaupt nicht vertretenes, wie wir sagen woUmi,
„additives" Merkmal ''). Die additive Verschiedenheit kann als ein Spezial-
fall der frustalen gedeutet werden.
durch sein llinzukonnnen das Gelbsein (die Gellidieit) macht, und dement-
sprechend orange in denselben Faktor x und einen Faktor z, der aus der
Gelblichkeit das Oran<eseiu macht. Die Theorien des Farbensehens ^Aea
zum Teil hiermit in Einklang. Cbrigens weist die Tatsache, daB wir alle
Farben wegen einer duichgingigen Ähnlichkeit dem AllgemeiobegriH Fart»
unterordnen können, darauf hin, daB in allen Farben — als Empflndunts-
qualitäten — ein solcher gemeinsamer x-Faktor enthalten ist.
^^> In der Buchstabensymbolik wOrde auszudrOcken sein:
ein Paar frustal ahnlicher Vorstellungen durch abc und dec (bzw. abc
und dbc usf.),
„ propinqual ähnliclier Vorstellungen durch a und a', ,
„ u kotnat ähnlicher Vorstellungen durch a und a",
„ „ perpropinqual ähnlicher Vorstellungen durch abc und a'b'c' u^,
,. frustopropintiual ähnlicher Vorstellungen durch abc und dec',
., frustal und frustopropinciual ähnlicher Vorstellungen durch abc
und dbc',
„ frustokognat ähnlicher Voisteliungen durch abc und dec",
., ., frustal und frustokognat ähnlicher Vorstellungen dunA abc und
dbc",
„ additiv ähnlii^er Vorstellungen durch abc und abc d.
OgIC
2. Kapitel. P?rcho1o|ciache Gnindleguns- ,'129
Bei den Abstraktionen, welche die Kontraktion begleiten, spielen nun
diese Homente oftenbar sSmtlich eine mehr oder weuitter bedeutsame RoUa
Bald aberwieirt die frastale, bald die fnialoproiHnquale Aimlichki^it, ausnahina-
weue bandelt es Eich um einlache pTopinquale Ähnlichkeit. üal>ei ist vor
allem das folgende Verhalten der Abstraktion gegenüber den Verschieden-
heilen und Ähnlichkeiten der priinftren Individualroratellungen beneikens-
wert. Additive Uerfcmale werden bei der Abstraktion meisten» schlechthin
'tstelaasen (bcw. reprimiert), so daB die Zahl der Merkmale (bzw. die Zahl
■Iv akteDtuierien Merkmale) kleiner wird: die Abstraktion wiikt di-
minuierend. Dacesen werden propinqual oder kognat verschiedene
Merkmale '■') in der Regel durch das zugehörige allgemeinere Merkmal
wwtzt, aber nicht weggelassen. Ea wird eine offene Stelle reserviert.
Rie KoD Irak tionsvo rat ellung eines Abendhimioels, der viele Farbenumwand-
luiiBen duichgemacht hat, isl, wenn wir die einzelnen bestimmten Ffirbungen
lucb noch 30 vollständig reprimieren oder sogar eliminiej'ei^ nicht farblos,
jie behilt wenigstens die allgemeine Bestimmtheit „Farbe". Man kann
daher in diesem Fall auch nicht sagen, daß durch die Abstraktion die Mcrk-
■ulzahl der-Kontfaktionsvorstellung im Vergleich zur einzelnen Prim&T'
Vorstellung verkleinert werde: die Abstraktion wirkt hier nicht diminuierend,
sondern sie wirkt, wie wir sagen wollen, indeterminierend.
Auch der Kontraklionsprozeß wird von uns auf die Gegenstände
dbert rage n , sowohl auf die uumiitelbaren wie auf die entfernteren.
Vir denken uns also zu den sukzessiv gegebenen Gegenständen einen ein-
iieillicheD beharrenden Gegenstand hinzu und betrachten die sukzessiven
änzelgegen stände als wechselnde Phasen oder Zustande dieser Einheit. Wie
■of dem Gebiet der Isolation und Komplexion dehnen wir diese Gegenslands-
ilbertragung auch auf die hypothetischen Grundlagen der Empfindung (mate-
lielle Beize, Dinge an sich, Reduktionsliestandteile) aus und bezeichnen in
diesem Falle die veigegensttlndlichtec Kontr&klionseinlieitcn als „Dinge"
W. S. 96S Ober Dingbeziehung). Konirak tionsvorstellungen, die von einer
solcben Oberlragung auf hypothetische Empfindungsgrundlagen begleitet
aind, kann man daher auch als Ding Vorstellungen bezeichnen.
Uan darf nur nicht glauben, dafi etwa alle Kontrnktions Vorstellungen Ding-
wstellungen seien. Wir machen in unzAhligen Fällen mit unserer l]ber-
tiagoni schon frtiher Halt und sprechen von Kontraktionseinbeiten, die mit
Koen hypothetischen Emp&ndungnnmdlagen nichts zu tun haben. So
käDDeo wir z, B. die Umwandlungen einer Vorstellung ganz unabh&ngig von
ihren Empfindungsgrundlagen verfolgen und sonach eine Vorstellung
als Regenständliche Kontraktionseinhett auflassen. Gerade die logischen Be-
mile selbst bieten, wie sich sp&ter ergeben wird, hierfor ein ausgezeichnetes
Betsnel (Tgl. g 90 ff.).
Dabei ist noch zweieriei zu l>eachten. Erstens wird der Tenninua
»Ding" zuweilen in viel wraterera Sinn gd>raucht, so daß er sich nicht immer
aal die hypothetischen Enu}findungsgrundlagen, sondern auch auf anderes
■gendwie Gegebenes oder Erschlossenes bezieht. Für diese Terminologie ist
I- B. auch ein Gedanke, ein Affekt oder ein Charakter, der allerhand Wand-
bniten durchmacht, ein Ding. Von diesem ungewöhnlichen Sprachgebrauch
«ird hier abgeseheai. Zweitens wird die Bezeichnung „Ding" zuweilen auch
") Die gesamte Ähnlichkeit ist dabei frustopropinqual oder frustokognat
oder frastal und frostoproplnfpial oder fnistal und frustokognat.
„.,,n,^.OOglC
330 "' '^c''- tlrkennlnistheoretiscbe usw. Grundlegung der Logik.
ohne nckcksicht auf sukzessive Zustände mit Bezug auf einen ein-
maligen Komplex gebraucht. Die DineroTstellung wird bei dieser Termino-
logie mit der substanziierten Romplexionsvorstellung identisch (vgl S. 3S3).
Auch dieser Sprachgebrauch scheint mir dem Qblicben zu sehr zu wider-
sprechen.
Uit der Obcrtrasung auf des UegensUnd verbindet sich endlich auch
fast stets derProzeB der Substantiation, wie wir ihn schon bei dn Eompleiion
kennen gelernt haben (vgl. S. 32&). Wir denken uns zu der EontnktioDS-
eiobelt einen „Trflger" sowohl der beharrenden wie der veränderlichen Merti-
male. Die~Erkeimtnistheorie lehrt, daB gerade die Vorstellung der DieselUg-
keit uns in besonderem HaS AnlaB gibt, solche Trftgervnrstellungen (Sab-
slanzvorstellungen) zu bilden.
ZweckmäQig ist es für die Vorstellungen der einzelnen Zustände oder
Phasen, aus denen die Kontraktionsvorstellung gebildet wird, noch eine be-
sondere Bezeichnung einzuführen. Ich wähle als solche den Terminus
,4>'luxion9varstellungen" (fluzus .= flQchtig, vgl. auch Nentoni
Fluiionen). Die FjuiioDsvorstellungen sind also die den Kontraktionsvorstel-
lungen unmittelbar zugrundeliegenden (fundierenden) Primärvorstellungat
Dagegen ist es ganz unzulässig, die Fluzionsvorstellungen etwa aJa Teil-
vorstelluogen oder Teile der Kontraktionsvorstellungen zu deuten. Ms
Teile können nur die aus den Fluzionsvorstellungen in die Kontraktions-
vorslellungen aufgenommenen Merkmale gelten. Die Fluicionsvonteltungen
m&gen „Glieder" der Kontraktionsvorstellung heiBen.
Die den Fluzionsvorstellungen zugrundeliegenden Empfindungskomplexe
können dementsprechend ata Fluzionsempfindungen und die zu-
gehörigen Gegenstände als Fluxionen bezeichnet werden. Die verfindcr-
lichen Merkmale nenne ich kurz Wechselmerkmale.
Inaofem der Gegenstand einer Kontraklionsvorstellung oft noch (ori-
besteht, also noch weitere Zustände desselben eintreten und mir bekannt wer-
den kännen, sind viele (nicht alle! vgl. auch S. 3%) Kontraktionsvorstellungea
für neue Zustände desselben Gegenstands mit neuen HeAmalen „offen".
Sie enthalten gewissermaßen ,3lanko3telle n", deren Ausfüllung weiter-
hin in der verschiedensten Weise erfolgen kann, und greifen insofern ver-
möge einer eigenartigen Transgression ") Ober die bisherige Erfahrung hinaus.
Mit dieser far unser Denken sehr bedeutsamen Offenheit oder Unahgeschtos-
senheit vieler Konlraktionsvorstellungen hängt auch ihre Umbildbarkeit
zusammen. Neue Erfahrungen können mich in den Stand setzen oder sogar
zwingen, Merkmale, die ich für konstant gehalten halK, als variabel zu be-
trachten und aus der Kontraktionsvorstellung zu eliminieren oder wenigstens
zu reprimieren. Ich habe geradezu die Wahl, entweder meine Konlraktions-
vorslelttmg umzubilden oder die Dieselbigkeit des Gegenstandes zu leugnen.
Man hüte sich aber, diese Umbildbarkeit der Xontraktionsvorstellungen mit
ihrer Korrigierbarkeit zu verwechseln, welche ihnen mit den un-
kontrahierten Vorstellungen gemem ist. Diese Korrigierbark ^t besteht näm-
lich darin, daB eine Vorstellung auF. Grund einer Hichligslellung ihrer alten
Fandalien oder einer Berichtigung ihrer Verwertung attge&ndert werden kann,
während die Umbildbarkeit die Abänderung auf Grund des Uinzukonunens
neuer Fundalien betrilFt.
"> Vgl. Erkenntnistbeoiie, Jena 1913, S. 38i u. 307.
h. !■, ii,l^.OOglc
S. Kapitel. Psvcholoiriache Grundlegung. :{;tl
Es verbiodet sich also mit der KonlraJilion ein doppeltes „Offenlassen",
idmlich erstens ein OHenlassen von Meilmals teilen und zweitens ein Offen-
luwn ron Gliederetellen. Eratoes bezieht sich auf die WechBdmeikmale,
alle wie neue, letzteres auf neue Glieder. Die Wechselmerkmale (z. B. rot,
«ciS) sind in der Kontraktionsvorstetlung, soweit sie nicht ganz weggelasseD
sind, nur durch ein allgemeines Merkmal (Farbe) vertreten (vgl. S. SSST),
die neuen Glieder sind, abgesehen davon. daB sie den Bedingunfien der Die-
Kli^cit genügen mOssen, völlig unbestimmt. L'm Verwechslungen zu ver-
meiden, soll künftig, v«nn nicht ausdrücklich das Gegeutül bemerkt wird,
der Terminus „Offenheit" und der Terminus .3lanko3teUen" nur für den
iweileo Fall, also mit Bezug auf neue Glieder, gebraucht werden.
Tenuinologisch sei noch bemerkt, daB zur Erleichterung des spracb-
üdiRi Ausdrucks auch die Termini: isolierte, konwlei^ komparate, relate,
'ditare und konlrakte 'Vorstellungen (statt Isolationsvorstellungen, Kom-
dlajonsvorstellungen usf.) verwendet werden sollen. Auch sei nochmals
«udrOcklich davor gewarnt, die Termini ,Jtomple«onsvorstellungen" usf. so
aoInlBssen, als bedeuteten sie „Vorstellungen von einer Komplexion"; nach
den vorau^ebenden Erörterungen ist klar, daB sie nur bedeuten „durch
Komplezion entstandene Vorstellungen" "). Wenn ganz ausnahmsweise hier
einmal von solchen ^oretellungen na einer psychischen Funktion die Rede
Min soll, SD wird stets der ausfOhrliche Terminus „Vorstellung von der
Konplexion, von der Komparation" usf. gebraucht werden.
I n. > llgfi dnTT ittH¥initw . QntanUutiiia ^). Die Geueralisation,
d. h. die Bildung von Allgemeinvorslellungen besteht daj-in, daB mehr oder
■eniger zahlreiche individuelle Erinnerungsbilder auf Grund von Ähnlichkeit
in einer ganz besonderen Weise zu einer Einheil zusanunengefaBt werden.
So Mde ich z. B. aus den Erinnerungsbildern vieler einzelner Fahrräder die
-■VllBemeinvorstellung (Generalvorstellung) „Fahrrad".
Symbolisch dröcke ich die Generalisation durch eine über die Buchstaben-
zeichen gesetzte, von ihnen abgekehrte Klammer aus, schreibe also z. B.
. bzw. ABC ... (vgl. S. 318 u. 820). An Stelle
") Vorstellungen toi einzelnen Romplcnionen, Kontraktionen, Iso-
lationen usf. als reinen Akten existieren ebensowenig wie Vorstellungen tob
einzelnen Komplexionsvorstellungen usf. (vgl. S. 3^ u. LelU. S. 2bi},
wohl aber kann ich die AI Ige mein Vorstellungen „Komplezionsvorstel-
lung", „Kontraktionsvorstellung" usf. bilden und durch ihre Vergleichung ihre
nnterscbeidenden Merkmale feststellen und so zu Allgemein Vorstellungen
der beteiligten psychischen Prozesse, also zu einer Allgenteinvorstellung von
Komplexion, Kontraktion usf. selansen.
') Gr. S. l«fl., Ltf. S. 242 u. 346; Wundt. Bd. 3, S, 518 u. Ö46i LiPKS,
S. leofL; KOliw, S. 209 B. VgL anOei^em Alfred Binet, L'ätude expärimeo-
tale de l'intelligence, Paris 1003; Tb. Ribot, L'ävolution des idäes g£n£rale9,
Puis ia»7, 3. AufL 1900; JodI, Lehrb. d. Psychol., 3. Aufl. Stuttgart-Berlin
IWe, Bd. 2, S. 300 ff.; KOlpe, 1. Kongr. f. exp. PsTchol, GieBen 1004, Bericht
S. G6; Moore, Univers, of CaUforn. PubL in Psychol., Berkeley, Nov. 12,
ISIO, VoL 1, No. 2, S. 73 B.; Htttenzwey, Psychol. Studien von Wundt,
1S07, Bd. 3, S. 358; Störring, Philosoph. Stud. v. Wundt, 1000, Bd. SO.
S. 328; WaU, Arch. f. d. ges. Psychol., lOOfi^ Bd. 4, S. 280.
„.,.,„.>..oo^sic
332 ^I- ^^i'- ETkennlnisIheorctigcl:«- usv. Gnindlesune der Ixigik.
von A B C . . . bzw. a b c . . . setze ich im folgenden in der nege! W, W. W^ . . .
bzw. Wj Wj w,, um auszudrücken, daB es sich um die IndiridualTOTstellnDgen
der AügeinMcnrorstdlung W bzw. w handelt (vgl. S. SIS u. 820). Die groBen
Buchstaben werden gewfihlt, wenn die Allgemeinvorslellung zusunntt&geseUt
ist (S. 318, Aiun. 6). Es empfiehlt sich fOr diese AUgemeinvorsteUungen
nicht mehr die Bezeichnung .Erinnerungsbild" m gebrauchen, sod-
dern diese auf die Indi vi dual Vorstellungen (primäTe und sdcundiie,
exzemierte, isolierte^ komplexe und kompaxate) zu beschrtnken ■), obwohl
Erinnerungen selbslTerstfindlich auch die Grundlage der AUeemMnvDTsIal*
luDgen bilden. Es scheint dies erstens mit dem Sprachgdirauch besser über-
einzustimmen, und zweitens wird es dadurch möglich, das Attribut ,4odi-
vidudl", das zunächst um der Deutlichkeit willen oben allenthalben zu den
Terminus „Krinneningsbild" hinzugesetzt wwde, als pleonastisch ta stieichen
und so die Terminologie zu vereinfachen. Wir können dann kurz sagen.
daB all* Vorstellungen, sie mögen von einem anderen Standpunkt der Ein-
teilung ans aia exzemiert oder isoliert oder komplex oder komparvt usL m
bezeichnen seiB, in Individualvorstellungen = Erinnerungsbilder und AU-
gemeinvorstellunsen zerfallen '].
Ganz verfehlt ist der gelegentlich aufgetauchte Versuch, die Allgmoo-
vorstetlungen als „Vorstellungen von Vorstellungen" zu deuten. Weim ich
von den individuellen QegeDSlftnden Y^, Y^, Y, , . . die Individualvorateliimwu
Wj, Wj, W^. . . gebildet habe und diese nun zu einer Allsemeinvorstellung
W =a Wj Wj W . . verbinde, so ist W auf W,, W„, W, . . . fundiert, diese
Fundieningsbezichung aber besteht in einer komplizierten Verarbeitimg »on
Wj, W,, Wj . . . durch unsere Differenzierungsfunklionen, ist also altes andern
eher als eine einfache nochmalige Wiederholung (Iteration) des Voratellunts-
prazesses im Sinn einer hypothetischen Selbst wabmehmung, wie sie die
Anh&nger der „Vorstellungen von Vorstellungen" annehmen. Solche Vor-
stellungen von Vorstellungen im Sinn einer reflexiven Iteration existieren
überhaupt nicht, wie schon S. 363 ausgeführt wurde.
Auch die All gemein Vorstellungen, welche wir von den Vorstelluagen
selbst und ihren Klassen (Kompleidons-, Konlralctions-, AUg^neinvoratet-
lungen usf.) bilden, sind nicht als Voratellungen von Vorstellungen in dem
eben abgelehnten Sinne zu betrachten. Vielmehr ist der Hergang, wenn air
beispielsweise die Allgemeinvorstellung „Aligemeinvoralellung" bilden, fdien-
*) Wollte man den Tenninus „Erinnerungsbilder" streng auf diejenigen
Vorstellungen beschränken, bei deren Bildung keine intellektuelle Funktion
außer der Refention wirksam ist, so konnten nur die primären integralen
Erinnerungsbilder als Erinnerung^der gelten. Wollte man andrerseits alle
Vorstellungen, welche überhaupt Gegenstand der Betention werden bOniMB.
Erinnerungsbilder nennen, so würde sich der Terminus „Erinnerungsbüd"
ganz mit dem Terminus „Vorstellung" decken; denn auch die Allgemein-
vonteUungm werden von dem Qed&chtnis festgehalten, die Reimtian be-
scbrinkt sich nicht auf die prinOren Inhalte, sondern erstreckt sich auf die
sakundtren, von den Differenzieningsfunktionen zwischen ihnen hergestellten
VerimOphmgen.
*) Die Allgomeinvorslellungen werden zuweilen auch als ^^t Titte"
bezeichnet. Es wird sich jedoch ergaben. daB dieser Tenninus besser fäi
bestimmte logische CMiilde reservi»t wird. Vgl. § 86.
„.,,„,^.oogic
2. Kapitel. Psvchologische Gnindleeune. 3:{3
dar. Vir haben zu den individueUeo Gecenständen a,. a,. a^ ■•■ bzw. zu
dem IndiTidualvoratelluDCen A,, A^, A, . . . die Allgemeiavorstellung A, des-
^«iefaeii zu dea indivjdiuUen GegensUnden ^,, ß„ ßt •■■ '''^ AUgemein-
vcntelltuK B und zu den individuellen Gegenständen y,, y^, y, ... die AII-
(eAwiTafsteUune C gebildel usf. Von A existiert nun nicht noch einmal eine
Vontelluttg V(A), ebensowenig von B eine Vorstellung V(B) usf., wohl aber
können A, B, C ... als fundierende Gegenstande für eine neue Gene-
ralisatioa dienen, durch wekhe schlieBUch auch die Atlgemeinvorstel'
hing „.Ulgemeinvorstellung" zustande kommt. Auch hier handelt es sich also
nicht um eine einfache reflexive Ilemtion der Vorstellungen A, B. C. , . .,
Modeni um eine neue Vetariwitung derselben (im Sinn des V der Etörte-
/■mfen in § öS). Uan muB dabei nur scbarf unterscheiden zwischen Gcne-
laiiatiaaen höherer Stufe, die sich auf die a^. a^, a, ■ -, -, ß^ ß^ ß^ ■ ■ ■•
fi' 7vyf- beziehen {z. B. Insekten, Krdise, TausendfaiJer =3 Arthropoden),
uod den Generalisalionen höherer Stufe, die sich auf die A, B, (^ .. . ., d. li.
die Vorsteilungen jenw Gegenstande beziehen.
In der Regel erfolgt die Generelisation an den sekundären Er-
Jnnenmssbildem (wie in dem Beispiel dea Fahrrads), und zwar bald an
iwUerten einer niederen oder höheren iBolalionsslute (Allgemeinvorstellung
,jot")i bald an kompleicn einer niederen oder höheren Eomplexionsstulo
(AUgemeinvoTSteUung „Dorf', „Gewitier"). Selbatverständlich können jedoch
loch p r i m & r e Erinnerung^ilder generalisiert werden, indem die Diesclbig-
keit im Sinne der Kontraktion gaj; nicht in Betracht gezogen wird.
Auf der tiefsten Stufe der Generalisalion werden im einfachsten Fall
nur vollkommen gleiche, also ausschlieSUch im räumlicfa-zeitUchen Individuai-
toetßzienten (vgl. S. 818) sich unterscheidende Individualvorstellungen zu-
stnmeogefaflt (Beispiel: Allgemeinvorstellung „Wasserst olfatom"). Oft aber
«niredt sich die Zusammenfassung auf derselben Stufe auch auf nicht voU-
konunen Qbereinstimmende, nur ähnliche fndividualvorstellungen (Bei-
^wl: Hauskatze"). So wird — auf einem dieser beiden Wege*) — die
erste Hauptstufe, die Art vo rste llung erreicht. Die Generali-
satton achreitet dann in der Weise weiter fort, daß wiederum mehrere oder
vide fieser Artvorstellungen auf Grund von Ähnlichkeiten zu einer Allgemein-
*onteUung höherer Ordnung zusammengefaBt werden. Durch fortgesetzte
Wiederholung dieses Prozesses ergibt sich eine Stufenleiter (Skala) wechseU
(eilig sub- und superordinierter (unter- und abergeord-
aeter) AUgemeinvorsteUungen. Auch die nachträgliche Spaltung tiner All-
Kmeinvorstellung in mehrere niederer Ordnung kommt vor. Den Artvorstel-
hingen als den niedrigsten Allgemeinvorstellungen stellt man die höhefen
•bGattungsvorstellungen gegenflber. Allgemein Vorstellungen der-
»Iben Stufe beißen koordiniert (gleichgeordnet).
Der psychologische Unterschied zwischen der Generalisalion einerseits
imd der Komplexion und der Kontraktion andrerseits läßt, sich auf Gnmd
der Selbstbeobachtung folgendermaßen bestimmen. Die Komplexion bezieht
■ich bald auf simultane Gegenstände, bald auf sukzessive, die Eontraktion
riels auf sukzessive, die Generalisalion in der Begel auf sukzessiv« oder
nnmllane und sukzessive. Die Komplexion kann ohne jede Abstraktion
iTfolgen; meistens verbindet sie sich mit Abstraktionen (im Sinn der S;l-
*) Zuweilen spricht man nur im 2. Fall von A r I Vorstellung.
h. i.MM,Googlc
334 H, Teil. Krkennfnistheoreüsche usw. Gnindlesuns der Ix«ik.
lektion, vgl. S. 331). Die Kontraktion ist meist, aber doch nicht ausnahms-
los mit Abstraktionen verknöpft (vgl. S. 327}. Generalisstion ohne Abstrak.
tionen kommt nicht vot. Die Vontellunit der Dieselbigkeit °) ist der Kom-
plexion völlig fremd, ebenso hat sie mit der Genenüisation als solcher nichts
zu tun, dagegen ist sie das charakleristiscbe, niemals febtende, wesentliche
Merkmal der Kontraktion. Endlich bleiben die r¨ich-zeitUchen Individual-
koefflzienten bei der Komplexion vOllig erhalten, bei der Kontraktion werden
sie erweitert, ohne jedoch zu verschwinden, bei der Generalisation Fallen sie
völlig fort. Vgl. auch S. 8*3.
Die Voretellung „alle Feldherren Alexanders des Großen" ist, wie im
logischen Abschnitt n&ber ausgefohrt wird, eine univetsate Kollektiworstel-
hmg, aber keine AUgemeinvorstellung. Dasselhe gilt von der Vorsteltung
„aUe Soldaten Alexanders des Großen". Die UiÜH^anntheit und die aus ihr
sich ergebende Unbestimmtheit der unter eine 3ok;he UniversalvoTstriluni
fallenden Individuen bebt den individuellen Charakter der Voistelluns nicht
auf: sie bleibt trotz ihrer Unbestimmtheit individuell - kollektiv und ent-
behrt der absoluten Offenheit und der völligen räumlich - zeitlicbea Un-
bestimmtheit, die für die AllgemeinvorsteUungen charakteristisch ist Vgl.
S. 820 f. I
Wie bei der Kontraktion (S. 360) ist auch bei der Generalisation die
Aletraktion b^d diminuierend, bald indeterminierend. Im
ersten Falle wird ein Uerkmal (bzw. Teil), das nur einzelnen unter deo
subordinierten Vorstellungen W^, W^ usf. zukommt, in der Allgemeinvorstel-
lung W schlechthin weggelassen bzw. reprimiert. Im zweiten Falle yiiii ein
Merkmal (bzw. Teil), das allen subordinierten Vorstellungen, aber in ver-
schiedener Beschaffenheit zukommt, unter Absehung von diesen Vetschiedoi-
heiten, also verallgemeiaert, der Allgemeinvorstetlung W beigelegt: die speäell
bestimmten Merkmale von W^, W^ usf. werden durch ein relativ un-
bestimmtes ersetzt C An determiniert"). Es handelt sich gewissermaOen um
eine Teilgeneialisation. Wenn ich z. B. bei der Bildung der Allgemein-
vorsteUuug „Ungulaten" oder „S&ugetiere" von dem Geweih der Hirsche
abstrahiere, so handelt es sich um eine diminuicrende Abstraktion: idi
elimiDiere oder reprimiere das Merkmal „Geweih" schlechthin. Dagegen lasse
ich bei der Bildung der Allgemeinvorstellung „S&ugetiere" das Merkmal
„Gehirn", wie es sich bei den einzelnen Säugetieren findet, nicht schtecbthiD
weg, sondern behalte das MeAmal „Gehirn" verallgemönert bei, indem ich
nur von seinen q^eziellen Ausgestaltumen bei den einzelnen S&ugera absehe:
hier ist die Abstraktion indeterminierend. Ebenso ist. um ein weiteres Bei-
spiel anzufahren, bei der Allgemeinvorstetlunfr „Ton" wed« das Heifcmal
„TonhChe" noch das Merkmal „Tonintensität" ganz weggefallen, sondern
beide sind nur — gegenOber dem speziellen Ton, z. B. einem eis von be-
stimmter Hohe und Intensität — verallgemeinert, d. h. unbestimmt gelassen.
Wenn es sich auch um nahe verwandte und durch ITbergänge verbundene*)
^] Selbstverständlich ist hier nur von der Dieaelbigkeit im Sinn der
Erörterungen des letzten Paragraphen die Bede. Über and«e Arten ätt
DieselbiAeit habe ich in meiner Erkenntnistheorie (Jena 1EI18, S. äfi6 R. u.
306 ff.) austOhrlich gesprochen.
*) Eine solche Verwandtschaft und Existenz von Cben^ngeo leuchtet
sofort ein, wenn man bräspielsweise das Geweih als eine ^MiiaUilerende
Ausgest^tung des Skeletts bedmchtsti
.oogic
2. Kapilel Psych ologisc he Grundlegung. 335
PBTchologische Prozesse handelt, so cUr{ doch das Weglassen eines ganzen
Uerkmtls und das Weglassea seiner spezialisierenden Ausgestaltungen nicht
einfach zusammengeworfen werden. Bei den misten Allgemeinvotstellungen
liegl übrigens sowohl eine Verkleinerung der Zahl der Merkmale durch cb-
miniiierende Abstraktion wie eine VeraUgeineüierung von Merkmalen durch
ioddenninierende Abstraktion vor. Jedenfalls aber ist es bei dieser Sachlage
noniUssig, die Genemlisation etwa in allen Fallen schlechthin mit einer
'«ikleineruDg der Zahl der MeAmale. also einer zunehmenden Vereinfachung
der Torstellungen zu identifizieren.
Die Ohertragung au{ den Gegenstand wird bei den AU-
femeinvorstellnngen in ganz Ähnlicher Weise vollzogen wie bei den Kon-
trattionsTorstellunBen. WSr bilden eine Gegenstandsvorstellung (vgl. S. S66
0. 3IS0), die der von uns erzeugten Generalisationaeinbeit entspricht. An
Stelle der uns allein gegebenen Gemeinsanikeit der Merkmale der Individuen
Mtzeo wir einen neuen hTPothetischen Gegenstand, namtich die im Sinn der
Geoeralisation als Einheit gedachte Gesamtheil dieser gemeinsamen M^-
iBale. Dazu kommt dann in der Regel auch hier eine Substantiation,
iosolem wir dieser vergegenstindlicbten Generalisationseinbeit einen „Trager"
uilerschieben, der die gemeinsaioen Heitmale „hat" (vgl. S. 3SS u. 380). In
dm speziell logischen Kapiteln dieses Werks wird hierauf n&her eingegangen
werden.
Wie bei den Kontraktionsvorstellungen ist es selbslversUlndlich auch
bei den AUsemeinvorstetlungen ganz unzuUssig, die subordinierten Vorstel-
ktnceo (Individual-, Art-vorsteilungen us[.}W,, W usf., welche der Allgemein-
msteUung W zu^imde liegen, als die „T e i 1 vorslellungen der letzleren
ni äeatea. Ab Teil vorsteUungen einer Allgemeinvorstellung kommen aus-
schlieBlich die in die Allgemeinvorstellung aufgenommenen Teil vorsteN
Inngen der fundierenden (subordinierten) Vorstellungen W^. W^ . . ., also in
erster Linie die den fctrteren g«seinsamen Teilvorstellungen in Bedacht,
ffie subordinierten Vorstellungen W^, W^ . . . sind nicht Teile, sondern Glie-
der (fundierende Glieder, Oogenst&nde) der AllgemeinvorsteUimg W (vgl
&330).
Wie die KontnktionsTorstelluDgen sind auch die AUgemeinvorstellungen
fOr die Aufnahme neuer subordinierter Vorstellungen .o f f e n" (vgl. S. 880)
nsd dementsprechend u m b i 1 d b a r. Wie bei jenen bezieht sich die Ofien-
heit sowohl auf neue Individuen, Arten usf. wie auf neue Merkmale. Sie
lubeu ,3iankostGllen", die durch neue Gegenstände ausgefüllt werden kAnaen.
Wikrend aber die Offenheit der Kontraktionsvorstellungen fakultativ ist, d. h.
■■ictit stets vorbanden ist, ist jede AUgemeinvorstellung oSen.
Ober die psychologische Natur des Vorgangs der Generali-
ation besteht bis jetzt keine Übereinstimmung. Es gibt eine groBe Zahl von
'Hieorien der Qeneralisation. In Anbetracht der grundlegenden Bedeutung,
welche die Allgemeinvorstellungen für einen großen Teil der Logik haben,
MOen diese Theorien im folgenden kurz aufgezählt und besprechen werden:
1. Die Intuitionstheorie: sie nimmt eine unmittelbare Er-
lisniig des Alliemeinen in dem Vielen und Einzelnen durch eine besondere,
RwiMermaflen intuitive Tätigkeit an. Plato schreibt letztere dem Uynair,
d. h. dem obersten Seelengebiet zu^). Auch bei manchen modemen
') Die Stellung des Aristoteles tritt in den uns OberUeferten Schrillen
Bichi ganz eindeutig and Uar hervor. Pnuitl (Gesch. d. Log. i. AbendL, Bd. 1,
„.i.vA.OOglC
336 "- '^^''' Efkenntnislheorebsche us«-. GnmdteguiiK der Logik.
Locixisten finden sich Umliche Anschauungen. Es lieft nämlich vom Stand-
punkt der intuitionstheone begreiflicberweise sehr nahe^ das Allgemeine ab
etwas auch unabfa&ngifi von dem Vielen und Einzelnen itsenduie existiereD-
des Hein-Losisches aulzufassen (vgl. S. 172 H. u. 196 B.). Da diese llieorie
jader empiiiscfaen Grundlage entbehrt, kann sie überhaupt nicht ala eine
psychologiache Theorie der Generalisation betrachtet werden: sie aclmeidet
geradezu jede pa?choloiiKlie Analyse und Erforschung der GenenlisKUon ab,
indem sie die Erfassung des Allgemeinen einer primtren. nicht weiter teriei-
baren Seelenfunküon zuschreibt.
2. Die Summentheorie: diese betrachtet die Allgemein voisteUun;
schlechthin als die Summe der Individuatvorstellungen. Die Unhaltbufceit
dieser Theorie ergibt sich schon daraus, daß dabei der Unterschied zwiscben
der individuellen Kollektivsorstellung und der AUgemeinvoTstellunr, den die
Selbstbeobschtung und die Analyse mit Sicheriieit ergibt, ganz verwischt
wird. Dieser schlagende Einwand bleibt auch dann bestehen, wenn man der
Theorie einen physiologischen Hantel umh&ngt und an Stelle der Individua!-
vorstelhingcn die Vorstellungserregungen der Hirnrinde set^
3. Die Üurchschnittstbeorie: diese nimmt an, daS die All-
gemeinvorstellung ein Komplex von Ihirchschnittsmeikmnlen isL Hat z. S.
eine der in der AUgemeinvorstellung W zusammengefaßten Vorstellungen W^
die Meitmale*) mi, »i usf. und eine zweite W^ die Utnlichen^ aber dock
nicht sämtlich voll»; übereinstimmenden Merkmale m^, n, usf., so würde
(fie Allgemeinvmvtellung W die Dur^hschnitlsmerfcranle -' T,.>ZL^"'
V+"
-' ' usf. haben, wo 3 die Zahl der zusanunengefafilen Individual-
vorMeliungen bedeutet. Diese Theorie kqmmt der Wahrheit erhebUcfa niber,
insofern die Durch Schnittsvorstellungen in der Tat als eine Vorstufe der
AtlgemcinTorstellunKen betrachtet werden können. Wenn nAmlich ausnahms-
weise alle Merkmale und ihre VorsteUungen lich inendwie vvlbttndig durck
Quanla ausdrücken lassen, wie z. K Linienlftngen, Intensit&ten usf., so OUt
— wenigstens unter bestimmten Vorbritalten — die DurchBchnittsvorstellunc
im Ergebnis mit der Allgemeinvorstellung zusammen. Für weitaus dis
meisten AllgemeinTorstellungen 'trifft jedoch diese Voraussetzung nicfat m.
Die nwsten Herkmahrorstellungen — man denke i. B. an verschiedene
Farben — sind weder additionefähig noch divisionaffthig "). Auch die Selbst-
beobachtung widerspricht dem Schema der Durchachnittstbeorie duich&ni.
Wir denken uns bei der AUgemeinvorstellung last niemals einen bestimmten
S. 107) glaubt, daß Aristoteles lehre, das AUsemeine (»«tf^Je») „werde ver-
möge des yoSg wahrend und innerhalb der Sinneswahmehmung eisriOen";
indes sind die von ihm angefahrten Belegstellen nicht ganz Qberzeugod.
Vgl auch Zeller, FhUos. d. Griech. II, 2^ a Aufl. Leipzig 1879, S. aUff. s.
a66, Anm. 8 sowie 578 ff.
*) Streng genommen mOBte die Theorie von Ueikmalvorstetltmeen und
nicht von Merkmalen sprechen. Vgl. S. 880.
*) Welche Bedenken selbst bei Intensitäten einn strichen mattNUBtiscben
Auflassung entgegenstehen, habe ich — in übereinstimnuing mit anderen —
LH. S. 66 ftusfOhrlicher erörtert und zwar für das der Durdischiüttsllieone-
noch relativ günstigere Gebiet der Empfindungen.
.oogic
2. KapileL PsrcholoBische Gnmdlegun«. ;{;[7
SiDchschiiitI, sondern lassen den einzelnen Merkmalen einen mehr odec
wHiiier unbestimmten Spielraum.
i. DU Repräsentationsltaeorie: sie setzt an Stelle des
uiltoDelischai Mittels der Duichschnittstheorie ein einzelnes bestimmtes
GMedder Reibe der Einzelvorstellmigen, z. 6. Wt, und b^iauptet, daß dieses
tls Repräsentant" die Reihe vertritt. Die Auswahl des Reprftsentantea
Tflrde z. B. durch die Oberwiegende H&ufigkeit der bei VTr vorbandensQ
HettmalkombiDation bedingt sein. Auch kann die Repr&sentationstbeorie
noch die .Annahme binzuf aaea, daB zuweilen als Repräsentant eine P b a n -
lisievoistellunB (T81-S.848) auftritt, welche sich mit keiner einzelnen Vor-
stellung der Reibe vollkommen deckt, sondern ihre Merkmale mehreren Glie_
den der Reihe entlehnt Den Vertretern der Repr&sentationstbeorie muß zu-
ntrben werden, daB bei dem Versuch, eine AUgemeinvorstellung bestimmter
la denken, oft eine solche Reprisen tationsvorsteüune auftaucht, andrerseits
Dl tber der Einwand zu erbeben, daß solche Repräsentationsvorstallungen
nidit selten gänzlich fehlen und sich erst bei einer auadr&ckliches Bo-
müfauDg hinterdrein einsteUen und sogsf zuweilen auch bei einer sokheä
audileiben (2. B. bei den meisten abstrakten Vorateltuugen). Dazu kommt,
iti die Repttsentationstheorie uns gar nicht sagt, worin die Repräsentation
besteht oder anders ausgedrückt, worin sich Wr als Repräsentationsvorslei-
iOLt Ton Vr als einzelner Vorstellung unterscheidet.
5. Die Zentraltheorie: diese sucht dem Kuletzt hervorgehobenen
)iangel der Repräsentation stheorie durch eine Hiltshypothese abzuhelfen. Sie
itiiniQt nämlich an, daB die Bepräsentationsvorsteltung dadurch reprftsen-
Uerend wtikt, dafi sie mit den übrigen Ws durchgängig irgendwie verknüpft
ist und diese daher immer „mitschwingen" oder jeden AujKnblick in Aa^
knüphuig anWr gewissermaBen als Beispiele reproduziert werden können '").
Die Zeniraltheorie scheitert im ersterea Fall — bei der Annahme eipea „Mit-
schwingens" — o0enhar daran, daB sie die psychologiscbe Bedeutung dieses
UÜBcbwingens ganz unklar IBBt und uds mit einem Vergleidi abspeist, tm
letzteren Fall aber — bei der Annahmo einer potentiellen AnknQpfung der
uderen Ws — wird der Maugel der Repräsentatioostheorie Oberhaupt gar
nicht beseitigt: es wird uns nicht gesagt, worin das Vertreten der Repräsen-
tationsvoratellung (Zentral vor Stellung) besteht, wenn, wie dies so oft vor-
komml, jene fakultative Anknüpfung anderer Wb ausbleibL Die potentieüs
AnknQpfung muB sich doch auch schon aktuell in irgend einer Weise
pfaäDoroenologisch in Wr äuBem, damit aus Wr die AUgemeinvorstellung W
•ird, und über eine solche AuSenmg gibt die Zentrqltheorie keine Ankunft,
rtmer versagt auch sie dem anderen Einwand gegenüber, der oben gegen
lue Repräsentation stheorie erhoben wurde: sehr oft fehlt bei dem Denken
OMr AUgemeinvorstellung jede repräsentierende VorsteUnog.
6. Die Worttheorie: sie ist nur eine Variante der Reprüsentations-
UwcBie und nimmt an, dafi das Wort — die akustische Wortvorstellung oder
lue Sprechbewegung oder gar eine überhaupt nicht einwandfrei nachgewiesene
„SgiechbewegungsvorsteUung" — ' den Repräsentanten für die Allgemein-
**) Man fcarm diese Variante auch als Exemplifikalionstheorie bezeichnen.
Bin Vertreter dieser Ansicht — ' allerdings mit Hinneigung zuir Worttheorie
'S- S. 38S) — ist Hume (Treal. of hum. nat. I, 1, 7); er sagt ausdrflckUch,
'Üe zugehörigen Individualvorsteltungen seien „not really and in fad present
to Ihe rnind, bul only Id power".
Ziehen, LeliAaclt der Logik. 22
1,1^.001
'S'c
338 11- Tri!. Erkgimtpistheoreliache vsw. Grandleguos der Losik.
vorstellunB abgibt und die sachlichen EinzetvorsteUunsen (ObidclTorsteUangeD)
W,, W, usf. nur mitschwingen oder anceknüplt werden können. Der extreme
Nominaüanius des MiUdalters (vgl g 17 ff.) stand zum Teil auf einem Ihn-
lichen Standpunkt. Die Mängel der Repräseniationa- und der Zentnltheorie
bleiben bei der Worttheorie bestäien: das „Mitschwingen" der Obidctvoratel-
lungen gibt uns keinerlei wirkliche Aufklftning und die potentielle Anknüpfung
keinen £isatz fOr die aktuelle Eigenartigkeit der AllgemeinvorsCeUunE. Die
iWorttheorie fügt aber außerdem noch den Fehler hinzu, daß sie die gegen-
seitige Beziehung der Einzelvorslellungen, welche ofienbar für die Geneiali-
sation wesentlich ist, ganz beiseite schielrt und offen läBt, wie die zusamm«i
„mitschwingenden" Einzelvorstellungen sich zueinander verhalten. AJlgemein-
voratellungen und Komplezionsvorstellunsen fallen dabei ganz zuummen.
Endlich ist — unbeschadet der enormen Bedeutung der Worte fOr die Ent-
wicklung der AllgcmeinvorstellungeQ und das Denken — nicht einmal richtig,
daß alle Allgemeinvorslellungen stets von Worten begleitet sind.
Don angefüluien Mängeln der zwei letzten Theorien wird auch dadureh
nicht abg^olfen, daß man mit Ribot^^) u. a. die vonWr repriaeutierten,
d. h. also die mitschwingenden oder potentiell vorhandenen Vonteltunien
W^, W usf. als unbewußte oder latente Faktoiten autfaßL 'VVü- kommen
auch hierbei nicht Ober die Tatsache hinweg, daS die bewußte AUgemeiD-
vorstelluDg als solche mehr ist als «ine einzelne Repräsentationsrorstdlung
oder eine Wortvorslellung.
Man kann sich natürlich zur Erklärung unseres Denkens vom Stand-
punkt dieser Tlieorien zunächst ganz gut zurechtlegen, daß wir dank den
mitschwingenden oder pot«nt>eUefl oder imterbewußten Vorstellungen in
nnserem Denken, z. B. bei einem allgemeinen Urteil, zu einer richtigen Tor-
stellungsverkndpfuDg, z. B. zu einer richtigen Frädikatsvorstelhmg gelangen;
ober, wenn diese angeknüpften Vorstellungen wiederum in unserem bewußten
Denken nur Repr&sentations- oder Wortvorstellungen sind, so wäre schließ-
lich das allgemeine Urteil abgelaufen, ohne als solches bewußt vodianden
gewesen zu sein, eine Konsequenz die offenbar mit der Selbstbeobachtung
Huniiaus in Widerspruch steht. Diese lehrt, daß auch aktuell die Allgemein-
voretellung und das AUgemeinutieil mehr als ein bloßes Beispiel oder Wort ißt.
7. Die Exzerptionstlieorle: sie besagt, daß die Allgemein-
vorstellune — natOriicb inaner im psychologischen Sinn — mit der Summe
der gemeinsamen Merkmale**) der £inzelvoratellungen W^.W^, W^...
identisch ist. Es wäi« also, wenn g , g^, g, ■ . - und ebenso h^, h^, b, . . . usl.
semeinsame, d. h. Obereinstimmende oder &hnUche Merkmale der Einzel-
TOTstelhingen W^, W^, W, ... sind, die Allgsmeinvorstellung Wcsg -{- b-i- ...
(wo g :^ gj =1 gj =: g, usL, h = h, := hj ^ h, usf.). Die nicht gemeinsamen,
d. h. nicht Obereinstimmenden MeHcmale, die beispielsweise als \ (_= be-
sonderes Meriunal von W,), y, (= besonderes Merkmal von W,), z» ud.
bezeichnet werden soUen, wQiden nach dieser Theorie bei der Bildung der
Allgemeinvorstellung ganz weglallen. Auch die Ezzerptionstheorie gerät mit
den Tatsachen der psychalogiBchen Selbstbeobachtung in Widerspruch. Es
iit nicht richtig, daB die nicht Ubereinstimm enden Merkmale ganz weg'
») L'6volutian des id6es gänfiiales, Paris 1897, 3. Aufl. 1909 (z. B.
S. 361) a EnquGte sur'tes idtes g^n^rales, Rev. philoa 1891, Bd. 3S, Oki^
*■) Auch hier gilt die Bemerkung auf S. 886 Anm. 3.
D„:iv, 11,1^.001^10
2. Kapitel. Psychologische Gmndleaung. 339
felasaen uod die abereinstimmenden demenlwrechend in der Allgemein-
vorsdDung sAaz isoliert gedacht werden. Weder das Meriunal „weifi" noch
das Ueiiinal ,;tQi" wird von demienigeQ, der außer roten auch weifie Romu
■«eben bat, in der AUgeroeinvontelluiig „Rose" ganz woggelaäsen, sondern
tcidc werden in einer noch nahet zu bestünmenden Weise mitgedacht, nur
mä das MeAmal „weifi", wia «s voiUufig auvodrOckt werden mag, ent-
sprechend dem selteneren Sehen weüter Rosen in der AUgemeiDVotstelluug
leniier akzentuiert als das Herkmü >,rot". Auch venast die Exzerptions-
Uieorie ganz, wenn es sich um die Oeneralisalion von proplnqual ihn-
lidwn Einzehrorslellungen statt frustal ähnli^er hand<").
Beikeley (Priociples of human knowledge, Introduction, Sect. 8fl. u.
Alcipbroii, Sect. 6—7 der 1, u. 3. Ausgabe, in der 8. Ausgabe t. J. 17&3 be-
DHrkniswerterweise weggelassen) hat gegen die Ezzerptionstheorie auch ein-
»wendet, daB die von derselben angenomncenen Vorstellungen, z. B. eines
DreiKks, das weder siatz- noch stumpf- noch jechlwinklig sei, also keine
twtunnla Winkel habe, gar nicht existieren. Dieser Einwand ist un-
mtnflend, so khireich und anregend auch die Beikeleysche Auseinander-
t«tnuig in maocben Beziehungen sein mag. Berteley schUeBt aus der Tat-
nche, daS solche AUgemeinvorstellungen wie Dreieck nicht anschaulich
Toigestdll werden können, mit Unrecht daB sie Oberhaupt nicht gedacht
Verden können, also nicht existieren. VgL Gr. S. 167, Anm. 1 u. KQlpe, Die
ßeaSsienmg, Bd. 1, Leipzig 1912, S; 130, der gleichfalls die Triftigkeit des
Betieteyschen Einwandes bestreitet >•). G. £. MtlUer (Zur Analyse der Ge-
dichtDist&tigkeit u. des Vorstellungsveriaufes, Ztschr. f. PsychoL, Ergfcnz.-
Bd. 6, namentl. S. Ö65 u. SM) hat Berkeley gegenüber Einwänden von Binet
(L'äude expirimenlale de llnteliigence, Paris 19C&> einerseils mit Recht in
Schutz genommen, andrerseits aber der BeAeleyschen Lehre doch wohl einen
«twis korrekteren Inhalt gegeben, als sie ihn tatsiLcbhch hat. Berkeley be-
streitet n&mlich nicht schlechthin die Existenz allgemeiner Votstellungen,
sondern diejenige „abstrakter allgemeiner Vorstellungen" (abstract geneial
ideas) und versteht unter Abstraktion das Weglassen (leave out} von „parti-
colais", d. h. nicht allen Reibengliedeni gvotelnsamen Besonderheiten. Ja.
er nklärt sogar ausdrOcklich (1. c. Sect 1(1}, daB er auch dieses Weglassen
TOD Teilen oder Merkmalen aus einem Komplex nur dann for unmöglich hAlt,
wenn sie in Wiriüichkeit niemals ohne den Komplex existieren^'}. Sein
'>) Siehe oben S. 327.
'*) Von sonstigen Besprechungen des Berkeleyschen Arguments ist
oucenllich zu nennen: J. J. Engel (1741—1802), Über die Bealit&t allgemeiner
Begrifle, Schriften Bd. 10. Philosoph. Schritten 2. Teil, Berlin 18061, S. IM;
O.Liebmanii, Zur Analysis der Wirklichkeit, 3. Aufl. Strasburg 190(^ S.478ft.;
HuMeri, Log. Untersuch., Teil 2, Halle 1901, S. 132 (t. u. 176 ff. (2- AuD.
S. 133 fl. u. 175 ff.); A. Meinong, Uume-Studien 1, Sitz.-Ber, d. philos.-hi5t
KL i. Kais. Ak. d. Wiss. in Wien 1877, Bd. 87, S. 186 ff.; J. Volkelt, Philos.
Üonatsh. ISei^ Bd. 17, S. 129 (Annahme eines „intuitiven Verstandes"). So
nrd es auch verstfindlich, wenn Wundt in seiner Ixigik (2. Aufl., Bd. 1,
S> 9S) von einem „Postulat der Allgemeingültigkeit" spricht
") Beiliofig bemeikt, bedeutet dies ein sehr bedenkliches Bekunieren
^ «BS hypothetisch^ nicht n&ber bezdchnete „reale Existenz". Ventefat
»»D di«M wortlich und im Qbbchen Snn, so hätte man dodi alle Unacb*
hi.e.v.oo^ic
340 II' l"^''- Erkennlnistheoretischc usw- Grundlegung der Logik.
ArgumcDt für die Nicht- Existenz solcher abstrakter Varstellungen ist ihre
UnanschftuUchkeit, und dies Argument eben ist unzutrellend. Wenn nun
G. E. HoUer die Berkeleyacbe Abstraktheit als inhalUiche Unbestimmtheit
deutel, so entsteht leicht der Anschein lugunslen Berkeleys, als ob es sich
bei den von ihm geleugneten Vorstellungen nur um solche handelt, denen im
Widerspruch mit der singuliren Bestimmtheit (Eindeutigkeit) alles Existie-
renden bzw. Geschehenden (vgl. S. 296) eine mit dem Existieren tatsächlich
unTertr&gliche Vieldeutigkeit (auch unabhängig von der Obiektbedebung) an-
haftet Die Existenz solcher j^nbaltüch unbestimmter" Vorstellungen be-
streitet G. E. Möller mit Recht (S. 067). Aber Berkeley geht viel weiter: er
versteht unter seiner Abstraktheit nicht nur eine solche Unbestimmtheit in
dem eben angegebenen Sinn, sondern überhaupt einen Mangel an derjenigen
VoUstandi^eit, welche den Empfindungen und ihren unmittelbaren Erinne-
rungsbildern zukommt. Die abstrakten allgemeinen Vorstellungen sind durch
diesen Mangel an VollstAndigkeit charakterisiert, und die Selbstbeobachtung
ergibt, daB sie nicht anschaulich vorsleUbar sind, und hieraus wird von
Bei^ley gefolgert, daß sie nicht existieren. Erst wird also ein Ki^iium
aufgestellt, welches nur für die anschaulichen Vorstellungen zutriftt,
und dann dieses Kriterium von allen Vorstellungen verlangt Barkele;
scheint flbrigeus selbst £i>&ter an der Richtigkeit seiner Lehre gezweifelt zu
haben (vgl. dies Werk S. 114, 339 a 350).
8. Die Verschmelzungstheorie: sie nimmt an, daS die
GUedN Wj, W , Wg . . . irgendwie untereinander zu einer Einheit verschmel-
zen. Oft kommt dazu die weitere Annahme, dafl die gemeinsamen Herfcro^e
(Herkmalvorstellungen) >*) g^, g, ■ ■ ■, b,, h, . . . usf. vAlhg, die nicht gemein-
samen X,, Vj usf. je nach dem Grade ihrer Ähnlichkeit mehr oder weniger
verschmolzen, dabei gehenamt und schlieQlich „dauernd verdunkelt" wer-
den. Herbart ist ein Hauplvertreter dieser Theorie gewesen. "). Er hat
allerdings zugleich behauptet, daB „allgemeine BegriHe, die bloB durch ihr«i
Inhalt gedacht würden, ohne äa Hinabgleiten des Vorstellens in ihren Um-
fang", nur logische Ideale seien und fflr diese logischen fdeale die Enistefaung
aus Urteilen gelehrt'"). Solche logische fdeale allgemeiner Vorst^ungen
stehen aber hier jetzt noch gar nicht in Frage, sondern ledighch die All-
gemeinvorstellungen im psychologischen Sinn. Die logischen idealen
Allgemeinbegriffe Herbaris könnten nur etwa mit den Nonnalvorstelhuten
der Ltffiik, wie sie hier bereits wiederholt erwihnt worden sind und in der
zu fragen: Hängt z. B. die Abflirafaiert»arkeit des Rosenduftes wiiUich etwa
davon ab, dt ein unsichtbares Gas existiert, das uns sinnlich allein durch
die Oualit&t des Rosenduftes wahmehmhaf ist? Soll aber das „really exist"
bedeuten: „in meiner Sinneserfahrung vorgekommen sein", so wild die
Bericelevsche Behauptung mehr als zweifelhaft: kann ich wirklich die Vor-
Stellung des Duftes der Rose erst dann gesondert bilden, wenn ich einmal
mit geschlossenen Augen an einer Rose gerochen habe? Vgl. auch Stumpf
1. c. s. isaft.
") Vgl. S, 336, Anm. &
") In etwas anderer Form ist sie von Taioe aufgestellt worden (üb
l'inteUigencc, Paris 1667, übers, v. h. Siegfried, Bd. 3 Bonn 1880, namentl.
S. 169 ff.). Die Tainesche Darstellung ist übrigens mehr als oberfUchlich-
">) Lehrb. z. Psychol. § 180 u. 81.
h. !■, ii,l^.OOQK-
2. Kapitel. Psvcholosische Grundlc^nins. 341
snlochilooen Grundlegung der Logik ausführlich enlwickett werden sollen,
TeijUdien werden.
Die Verschmelzungstheone ist der eiofachen SummationElheorie insofern
veit tiberlegen, als sie den synthetischen, von der einlachen Sununatioa
wescDtlich Terschiedenen Prozeß bei der G^neraliaation ausdrücklich an-
etkennl. Uan hat sich diese Synthese natürlich nicht etwa so vorzustellen,
daB die psychischen Prozesse W^, W W^ . . . entsprechend den physio-
Iceixben Prozessen ip„ v,, q>,, ■■ bei Kdcm Auftreten der AUgemeinvorstel-
luDg stets erst wieder gesondert auftreten und dann nachträglich verschmel-
zea, sondern man hal sich -iu denken, daD dem Zusammenauftreten der '
physiologischen Prozesse gi^, ip,. ip, ..., welches mit einer gegenseitigan
Modifikation dieser Prozesse veitnmden ist^ der synthetische Prozeß der
AllnemeinvorstcUung Wi=Wj, W^, W^ . , . entspricht (dabei soll die hori-
zoQlale Elanuner andeuten, daß es sich nicht um eine einfache Sumroation,
snnden um eine Synthese bzw. Komplexion handelt, vgl. S. 3S1). Andrer-
seils versagt jedoch auch die Verschmelzunsstheorie insofern, als sie keine
Aufklärung über den Unterschied der Verschmelzung bei der Kontraktion
(vgl. S. 326), bei. der Komplezion, insbesondere der Kollektion (vgl. S. 322)
und bei der Generahsation gibt.
Die Verschmelzuneslheorie hat selbstverständlich nichts mit der Kanl-
Kben Lshre von der Beziehung der Allgemeinvorstellungen auf „Schemata
der Binbildungskraft" (Kr. d. rein. Vera-, Kehrb. S. 144) zu tun. Die All-
gemein Vorstellung (z. B. „Der BegriS vom Hunde") bedeutet nach Kant keine
Vejscfuoelzung, sondern eine „Hegel der Synthesis der EinbitdunRskrait",
nach welcher die letztere z. B. die Gestalt eines vierfüßigcn Tieres allgemein
verzeichnen kann. Die Kanlsche Auffassung ist oben nicht als besondere
Theorie angeführt, neil sie offenbar die Frage nur zurückschiebt; denn die
bei der Synthesis verwendeten Teilvorstellungen müssen selbst doch bereits
ailEemein sein, um bei ihrer regelmäßigen Synthese die Allgemeinvorslellung
zu liefern. — Sehr nahe steht dagegen der Verschmelzungslheorie Tetena
[Philos. Vei3. üb. d. menschl. Nat, Bd. 1, S. 129 ft.), nur betrachtet er di«
Verschmelzung als das Produkt eines Seelenvermögens, das er als „bildende
Pichtkraft" bezeichnet.
9. Die Undeullichkeitstheorie. Sie ist, alrcng genommen,
nur eine Variante der Verschmelzungstheo ne. Sie legt nämlich das Haupt-
Itewicht darauf, daß durch die Verschmelzungen der nichtübereinstimmenden
Merkmale iCj, y^ usf. in bezug auf diese Merkmale eine Undeuthchkeit zu-
stande kommt, und daß gerade vermöge dieser Undeutlicbkeit die Allgemein-
Totstetlung befähigt ist, assoziativ als Ausgangs- und Anknüpfungspunkt for
die Einzelglieder W W^, W, . , ..zu dienen. Das letztere kann unbedenk-
lidi n^egeben werden (vgl. 'S. 319 über Repression), aber andrerseits muß
eiofewendet werden, daß auch unzjlhlige nicht-allgemeine Vorstellungen un-
deutlich sind, und daß also die Undeutlicbkeit zur psychologischen Charakte-
ristik der Allgemeinvorstellungen und der Generalisalion nicht ausreicht").
10. Die Urteilstheorie. Nach dieser Theorie entsteht die All-
(emein Vorstellung aus Urteilen. Sie ist gewissermaßen ein abgekürzter Aus-
druck für eirte Reibe zusammengehöriger Urteile. Wir urleilen z. B.
W =g, + h, + ... +x, ..., VFj,=3gj + h, + ... +y, ... usf., femer
") AusfOhilicheres ober diese Theorie s. Gr. S. 160 B. Auf dem Stand-
Punkt dieser Theorie steht im wesentlichen ^inoza, Etb. IT, Frop. Vi, Schal. 1.
OgIC
342 1- T^"' Erfcenntnislheoretische usw. Gnindlegung der Logfk.
e ziuammeiL Die UiträlsthMrie hat yor d«r V«r9cbinelzungs-
tfaeorie den Vorzug, daB sie die Zeriesungsakte (W, ea g, + h, . . . utf.) und
die Vvnleicbuiigsakte (g^ i=i g, . . . usf.) iu ihnr Bedeutung fOr die Genen-
Usation besser wQrdigt. Andrersäts ist sie jedoch zwei entscheidenden Kin-
wandea ausgesetzt Erstens ist von solchen Urteilen (im üblichen Sinne des
Worts I) bei der Entstehung der meisten Allgemeinvoistellungan tals&chlich
nichts nachzuweisen; zwar können jederzeit die einer 'Generalisation zu-
gninde liegenden Prozesse nachtrSsUch auf die Form solcher Urtale gebracht
werden, aber meistens haben sie diese Form zunächst tatsSchllch nicht. Und
zweitens Obersieht die Urteilstheorie der Generutisation, daß die Zu-
sammenfassung der zugmndeliecenden Urteile in der Altgemein-
vorslellung eben doch ein Akt ist, der über die Urteile hinausgeht und selbst
nicht wieder — : ohne grobe Tautologie — als Urteil gedeutet werden darf;
sie wird also — und darin steht sie der Verschmelzungstheorie nach — dem
svnthetischen Prozeß, welcher bei jeder Generali sation eine Hauptrolle
spielt — nicht gerecht.
11. Die Funktionstheorie in der Form, in der ich sie selbst
vertreten habe*"). Nach dieser Theorie handelt es sich bei der Generali-
sation um ein ganz bestimmtes Zusammenwirken dreier intellektueller Grund-
funktionen (Ditferenzienmgsfunktiooen, vgl S. 258), die such bd den Ur-
teilen eine Bolle spielen, nämlich der kompanttiven (oder kategorialen), der
analytischen und der synthetischen Funktion. Vermöge der analytischen
Funktion zerlegen wi* die gegebenen Vorstellungen W^, W^ W^ usl. in
gj, h , ... X,...; f^ hj, ... y, ... usf.; vermöge der komparativen erfassen
wir die Gleichheit, Ungleichheit, Ähnlichkeit und Un&hnlichkeit d» bü der
Analyse isoUerten Merkmale hzw. Teil« f,, g^ h,, h,, z,, y, usf,. verm^
der Synthese verschmelzen wir W^, W^, W^ usf. zu einer Einbrit, in der
jedoch auf Grund der stattgehabten Komparation und Analyse die geinsn-
samen Merkmale (bzw. Teile) st&rker akzentuiert, die nicht-gemein-
samen reprimiert werden, und in der die Vergleichungs- und Zerlegunas-
Prozesse implicite mit enthalten sind. Von der Kollektion unterscheidet sich
die Generallsation mithin vor allem dadurch, daB eine Akzentuation und
Verachmelzung gemeinsamer Meikmsle (bzw. Teile] stattfindet und daher
nicht eine einfache Zusammenfassung derindividuellen Glieder Wj,Wj,W....
zu einem Kollektiv iiidi vi duum, sondern eine mit Abstraktion verbun-
dene Zusammenfassung zu einer nicht- individuellen Einhmt ei^
folgt"). Kontraktion und Generallsation stimmen vom Standpunkt der
Funktionstheorie insofern Qberein, als bei beiden Abstraktionen — Etini-
nationen und Represtöonen ~- stattfinden; während aber bei der Kontraktion
die individuelle Einheit festgehalten (Dieselbigkeitsvorstdiung, S. 3M) und
nur von Veränderungen in der Zeit ahsb^hiert wird, wird bei der Generall-
sation gerade von den individuellen Verschiedenbeilen [unabhängig von der
Zeit) abstrabi«^ und daher die individuelle Einheit preisgegeben.
*') Entfernt ähnlich ist Kanta Darstellung in seiner Logik § 6.
") Vgl. Gr. 5. 1480.; ich glaube jedoch, meine Auffassung ietzt noch
etwas korrekter als damals formuliert lu haben. Insbesondere ist der dort
S. 149 ausgesprochene Satz „die Kollektion involviert überhaupt keiae Vor-
stellungen von Individuen" (d. b. ändert an der stattgehabten Bildung von
Indivldual Vorstellungen nichts) Mißverständnissen ausgesetzt
.oogic
2. Kapitel. Paychologische Grundlegung. ^143
' Übersicht mag zur weiteren AufklänuK dieser wichtigen
Untersdiiede vom Standpunkt der Funktionatheoria dieoen. Wenn ich in
dner Herde, Ton der icti eine nicht-kontrabiert« individuelle Kolklftiwarstej-
iaag K (koUe^ve KoinplesionsvarsteUung) gebildet habe, nachträglich ein
Irüfaer bereits voriiandenes, aber ßhersehenes Tier entdecke, so muS ich K
.korrigieren". Andere Umbildungen kommen nicht in Frage, Kommt
tatsichlich ein neues Tier erst hinzu oder stellt sich sonst irgendeine Ver-
isderang der Herde ein und ich halt« die Vorstellung derselben Herde
fest, so bandelt es üch nunmehr um die kontrahierte, aber immer
noch individuelle KoUektiworstellung F der Herde. Wenn ich Oberhaupt
u der Dieselbigkeit des Gegenstandes, d, h. der H«de festhalten, also ?,. B.
das neue Tier als zu derselben Herde gehörig betrachten will und damit die
Unveränderlichkeit von F preisgebe (vgl. S. 326), so nniB ich meine koutra-
■uerte individueUe Koilektiworstellung im Sinn der neuen Phase (Fhudon,
lB. der Vermehrung um ein Stflck), soweit es diese verlangt, „.umbilden".
Dufc der Offenheit der KontraktionsvontelhmgeD (vgl. S, 980) gelingt dies
ohite Schwierigkeit. Diese Umbildung kann, wenn es weitarhin eintretende
Teilnderungen des Objekts erbeischen, auch die gemeinsamen M.3ii[miüc be-
IrefieD, die in der anfänglichen Kontraktionavorstellung zusamutengofaßt
worden waren (z. B. die Zahl der Tiere der Herde, wofem diese Zahl in der
»Uen Konlraktionsvoratellung fest besttmml war). Wenn hingegen eine
Allgemein vorstdlung vorliegt (einerlei ob kontrahiert oder un kontrahiert),
W gestaltet sich der Vorgang folgeudennaßen : Wenn ich ein Individuum,
du ich bei der Bildung einer Artvoratellung *=) W bereits als Fundal ver-
wettet habe, nachträglich richtiger kennen lerne, so muB ich oft W dem-
CAtspcechend .korrigieren". Kommt ein neues, bisher noch nicht ver-
wertetes Individuum hinzu, so muB ich wiederum, wenn ich überhaupt an
der Zugehörigkeit zu derselben Art festhalten will, W „umbilden", und
wiederum kann sich diese Umbildung auch auf die gemeinsamen UeAmale
«strecken, die in der Allgemeinvorstellung zusaimnengefaSt worden waren.
Da auch die AllgemeinvorsteUungen offen und umbildbar sind, so begegnet
üe Umbildung keinen Schwierigkeiten. Die individuellen kollektiven Kon-
ttakHonsvorsteliungen und die Allgemeinvorstellungen stimmen also in der
OSaheit und Umbildbaikeit in vielen Beziehungen ttberein. Ein sehr wesent-
üdier Unterschied bestdit jedoch darin, daß die Offenheit der ersteren sich
Uf das zeitliche Hinzukommen neuer Zustünde oder Phasen (u. a. /.. B.
auch Vermehrung um neue Individuen), die Offenheit der letzteren auf das
van der Zeit unabhängige Hinzukommen neuer Individuen bezieht, und die
Uiildung der ersteren den individuellen und diejenige der letzteren den
nicht-individuellen Charakter der gebildeten Vorstellung bestehen l&ßt.
Selbstverständlich darf man sich nicht dadurch irremachen lassen, daB
4e KoUektiworstellungen ihrerseits generalisiert werden können (Beispiel:
lOgemeinvorstellung „Herde"), also die Generalisation sich der Kollektion
■mnponieren kann. Solche generalisierte Kollektiwarstellungen mQssen
KJbBtverständlich sowohl die Meriunale der Kollektion wie diejenigen der
Generalisation aulweisen.
Die mktische Bedeutung der Wortvoratellungen, namentlich dec
«tastischen für die Zusammenfassung der Glieder W^, W^, W, . . . wird auch
") Ganz analog gestaltet sich die Überlegung, wenn es sich um Arten
innerhalb einer Gattungsvorstellung handelt, usf.
n,5,t,7rjM,G00glc
344 "■ ''^^i'' Eritenntnistheoretischp usw. Gnindlesung dw Loidk.
von der Funktionstheorie anerlcannt Ebenso wird von ihr da^ häufige,
individuell tÜbriBens sehr variable Auftreten und auxiliare Wirken von aa-
schaulichen Repräsentation svorstellunBen (siehe oben S. 337) nicht be-
stj'itten; nur behauptet sie, daß weder diese noch iene das Wesentliche dei
GencralisaUon ausmachen.
Damit ist zugleich das viel umstrittene Verhältnis der Generalisation zur
Abstraktion (vgl. S. 318) bestimmt: bei der Generalisation sind Abstraktianen
beteiligt, aber w«der ist umgekehrt jede Ahatraktion mit Geneialisationen
verbunden, noch auch ial die Generalisation lediglich aus Al>stiaktionen
zusammengesetzt. So bemerkenswert die Tatsache ist, daB wir einer-
seits oft (nicht stets) schon gebildete Allsemeinvorstellungen bei der Ana-
lyse und Abstraktion vem-euden, und daB uns andrerseits die Abstreldioii
sehr oft zur Generalisation der isolierten Vorstellungen AnlaB ^l, so
bleibt doch der tiefgreifende Unterschied zwischen Abstraktion und Gent-
ralisation bestehen. Der psychologische Vorgang ist weit verschieden, wenn
ich einerseits nur einen Teil oder ein Merkmal aus dner Empfindung durch
Abstraktion isoliere, und wenn ich andrerseits mit einer solchen Abstiaktion
die Vorstellung eines unbegrenzt häufigen gleichen oder ähnlichen Voi-
kommens verbinde, d. h. die isolierte Vorstellung allgemein denke. — Dw
Hinimum der Abstraktion liegt oBenbar dann vor, wenn eine Allgenuili-
TCrslellung auf Grund Tollkommen gleicher Individualvorstellungen
gebildet wird. In diesem extremen Grenzfall beschränkt sich der Abstr«li-
tionsprozefi namJich auf die Wcglassung der räumlich-zeitlichen Individual-
koetfizienten. Siehe auch oben S. 333 u. unten S. 349, 351 u. 35A.
I 7a Dia bei der EnlitaliBHO ab«diit«tw TonltOiutu toMHihi
FanktiaBaB (Difin«ultraM*fiu>ktiaBen). Aus den vorausgegangenen Dar-
legungen (§ 67 — 69) ergibt sich, daß bei der Bildung alweleiteter Vorstellungw
nur drei Grundfunktionen (Stammfunktionen) beteiligt sind:
die analytische (zerlegende, isolierende), die synthetische (ver-
bindende) und die vergleichende (beziehende, kategoriale) Funkhen.
Da die zunehmende Differenzierung unserer Vorstellungen auf der Tätigkeit
dieser Funktionen beruht, habe ich sie auch als Dif f eren zierungs-
funktionen oder noftische Funktionen bezeichnet und der
einfachen Erinnenmgsfunktion (Hetention) einerseits gegenübergestellt und
andererseits mit ihr im Gegen.'^^tz zu dem Empfinden als 1 deation') zU'
sammengefaßL Es wird sich später ergeben, daß auch die weiteren Denk-
prozesse, wie Urteilen, SchlieBen usf. sämtlich an die genannten drei Gnind-
funktionen gebunden sind').
Alle Versuche, diese drei Grundfunktionen nochmals zu zeriegen oder
aufeinander zurückzuführen, sind mißglückt. Andererseils lassen sich all*
') Auch der Terminus .intellektuelle Funktionen" wird zuweilen u)
fthnlichem Sinne gebraucht Vgl. z. B. Kreibig, Die intellektuellen Funklioneiw
Wien-Leipzig 190B.
') Kant hat übrigens an einer mir bisher entgangenen Stelle oüeobar
d>enfalls diese drei Grundfunktionen, wenn auch in anderem Sinne, im Auf«
gehabt. In der Logik § 6 unterscheidet er nämlich drei „logische VetstaodM-
Aktus, woduich Begriffe ihrer Form nach erzeugt werden", nAmlich 1. die
OgIC
2. Kapitel. Psycliolosische Onudleguns- 345
Denkprozesse (Vorstelluiutsprozesse im weileslen Sinn) ausnalimslos und
ohae Rest auf einen dieaer GrundnroKesse oder ein Zusamm^mviAcn der-
selben üurOckTobren.
Wenn Wundt") neuerdings seine Apperzeption als teila verbindende,
leils zerlegende Funklion, beidemal aber ziuleich als beziehende Funktion
deutet, so deckt sicli dies sachlich in vielen Beziehungen mit der eben ent-
wickelten Lehre; es bleibt nur unverständlich, was die nominelle Vereinisune
der drei Funktionen unter einer „Apperzeption" dabei noch zu bedeuten hat.
Die fetzt vielfach beliebte Bezeichnung ,jVkt" ist für die drei DiSe-
reD<;ieningspro2es3e sehr wohl zulässig. Man muQ sich nur hüten, iittendeine
willkOiliche Ich-Hypothese mit diesem Terminus versteckt einzuführen, und
Doxi bectchlen, daS auch die einlache Reproduktion mit ähnlichem Recht als
-4 tl bezeichnet weiden kann.
In den oben erörterten psychischen Prozessen der Exkretion, Isolation,
Kontraktion, Komplexion, Komparation und Generalisation ist kaum jemals
nur eine der drei Differenzieruneslunktionen tätig. Allerdinga dominieil
l>ei der E^ietion und Isolation ganz die analytische, bei der Komplexion
eanz die synthetische, bei der Komparation ganz die vergleichende Funktion,
aber es muBte doch allenthalben hervorgehoben werden, daS im tatsächlicbcR
Ablauf der Prozesse immer noch eine zweite oder sogar die beiden anderea
Foctilianen mitbeteiligt sind. So erstreckt sich z. B. die Komparation meist
auf eizemierie oder isolierte Merkmale usf. Vollends ist die Kontraktion
und Generalisation ohne ein kompliziertes Zusammenwirken aller drei Funk-
tionen gar nicht denkbar.
Im einzelnen sei im Hinblick aul spätere Verwendung in den speziell
loziscben Abschnitten Ober die Beziehung der Differenzierungsfunktionen zu
den oben besprochenen psychischen Prozessen noch folgendes bemerkt. Die
Abstrattion (vgl. S, 318) gehört nicht zu den Grundfunklionen, son-
dern bt nur ein Spezialfall der Tätigkeit der analytischen Funktion,
Jede Abstraktion setzt also einen analytischen ProzeB voraus. Nach oder
such zugleich mit der Zerlegung (Analyse) werden die aus ihr hervor-
gegangenen Teilvorstellungen (S. 319) teils weggelassen, teils festgehalten.
Die festgehaltenen Teil Vorstellungen werden durch das W<^lassen der übrigen
iMlierl (vgl. S. 918). Ist die Weglassung unvollständig, findet also nur eine
He[»e3sion statt, so ist auch die Isolation unvollständig, und es tritt an ihre
Stelle die Akzentuation (S. B19). Für die Weglassung bzw. Repression und
die Isolation bzw. Akzentuation eine neue GrundTunktion anzunehmen, er-
scheint ganz überflüssig, da es sich nur um eine relative Verschiebung der
Voistellcngsenersie handelt und diese Verschiebung nach den Assoziations-
ttsdzen abläuft, also keine neue Funktion, sondern eben nur eine Intensiläis-
Saderung involviert; die Funktionsart der sich assoziierenden Elemente
kommt dabei als sokhe gar nicht in Betracht, Beachtenswert ist nur Jie
enge Beziehung, welche sich aus dieser Darlegung zwischen der Abstraktion
fümparalion, d. i. die Vergleichung der Vorstellungen untereinander im Ver-
liällnisse zur Einheit des Bewußtseins, 2. die Heflexion, d. i. die Überlegung,
we verschiedene Vorstellungen in einem Bewußtsein begriHen sein können,
und 31 die Abstraktion oder die Absonderung alles übrigen, worin die ge-
gebenen Vorstellungen sich unterscheiden.
*; Wundt, Bd". 3, S. 5«.
jM,Googlc
346 II- Teü. ErkenntDistheoreüBche usw. GnmdlecunE d«- Lwik.
und der Aufmerksamkeit ergibt *). Hierbei mag anch ausdrücklich
in ErK&BZuns der S. 317 gegebenen BestimmuDgen festgesetzt werden, daB
unter Abstraktion nicht nur der ProzeB der Weglassung (Repression), sondern
auch der koordinierte positive Prozefi der Isolation (Akzent uation) verstanden
werden soll: Von den weggelassenen bzw. reprimierten Teilvorstellungen
wifd abstrahiert, und die isolierten bzw. akzentuierten Teilvoistellnngen
werden abstrahiert"), — In ähnlicher Weise muB auch zwischen Kam-
ple x i o n und Synthese unterschieden werden. Die Komplerion ist nur
der einfachste, ganz unkomplizierte Spezialfall der STnthese. Auch bei jeder
Kontraktion und bei jeder Generalisation findet eine Synthese statt (kontra-
hierende und generalisierende Synthese). Charakteristisch fOralle syntbetischeu
Vorgänge ist eine nicht-definierfaare „Verschmelzung", durch welche an Stella
mehierer fundierende» Vorstellungen V^, Vj, V, . . . eine einzige V gesetzt wird.
Im Fall der gewöhnlichen Komplexion ist die synthetische Versctunelzunc
nicht mit einer Vereinfachung verbunden: durch die Verdnheillicbung wird
keine Vermindening der Zahl der Heikmale (Tcilvorstellunsen) herbeigeFührt.
dagegen ist im Fall der Kontraktion und der Generalisation die synthetisch
entstandene Vorstellung V stets meAmallrmer als die fundierenden Vorstel-
Inngen V,, V usf. in ihrer Gesamtheit und auch oft (nicht stetsi vtf.
S. 3S9 u. 3&t) merkraalärmer als die einzelne fundierende VorstelluDf.
Der Terminus „zusammengesetzt" hat einen doppelten Sinn.
Entweder bedeutet er „durch Synthese entstanden" oder — im (SegensaU
zu einfach -— ,4n Teilvorslellungen zerlegbar". Eine KomiriexioncvorsteUuns
ist stets in beiden Bedeutungen „zusammengesetzt". Eine Kontiaktions- und
ebenso eine Allgemeinvorstellung hingegen ist zwar stets zusammengesetzt
im ersten Sinn, kann dabei aber sehr wohl einfach sdn. So ist z. B. dia
Vorstellung „Farbe" nicht in „Teil" Vorstellungen zerled»r, aber doch dunli
Synthese aus den „Gliedern" rot, grün usf. entstanden. VgL hierzu die Be-
merkungen Aber den TJnterechied von Teilen (Merkmalen) und Gliedern
S. 330 u. 33&.
Für die Logik ist die Talsache besonders wichtig, daB unter den Di&s-
renzierungsfunktionen zwei, nämlich die analytische und die synthetische
i n V e r s zueinander sind oder — anders ausgediflckt — die eine die inveise
der anderen ist, insofern die von der einen hervorgebrachte Transformation
durch eine entsprechende Tätigkeit der anderen wieder rückgängig genutdit
werden kann (vgl. S. 921). Dabei ist nur bemertcenswert, daß in bestimmten
raUen eine Analyse (Isolation, Abstraktion) möglich ist, ohne dafi jemals
eine uns als 'solche zum Bewußtsein kommende Synthese stattgefunden hat
*) So spricht schon Gilbert Porretänus an der S. 318, Anra. i aaielühr-
len Stelle von „abstractim attendere". In besonders klarer Weise ist die Be-
ziehung der Abstraktion zur Aufmeriisamkeit von Hamilton dargestellt wor-
den (z. B. Lectures on logic, No. 7, 1866, S. 123). Der Versuch Hamiltons iedocb,
mit zwei Grundfunktionen, coiiH>ariBon und abstraction, auszukomoen, ist
gescheitert J. St, Mill hat Hamiltons Lehre von der Beziehung . der Aufmerk-
samkeit zur Abstraktion weiter ausgebildet und im Sinn seines lofiGchen
Systems umgestaltet (An exam. of Sir W. Hamiltons philosopby, London 1d6E>.
S. 320).
^) Salpe (Bericht über d. 1. Kongr. f. ezp. FsychoL zu GieBen, Leipzig
190*, S. 66) spricht in diesem Siim von positiver .Ibstraktion.
OgIC
2. Kapitel. Parcbologische Onmdlegung. 347
So kOonen wir uns z. B. die Vorstellung der Farbe üoes ges(Aenen Gegen-
sltades asalTÜsch unter Abstraktion von seiner Form büden (allerdings nur
uniDscbaiilich], obne daß wir iemals eine Svnthese von Fonu und Farbe
tuagefObrt bitten; da uns beide stets zusammen gegeben sind, hatten wir
Die Gelegenheit und Veranlassung zu einem besonderen synthetischen Akt.
Nur bei Gegenständen der Phantasie vollziehen wir Synthesen von Fonn
und Farbe (vgl. die Beroeitungen S. 320 Ober Adhärenz}.
Für die vergleichende Funktion existiert eine analoge inverae Funktion
niehL DalOr bat sie eine andere^ auch logisch sehr bedentsame Eigenschaft.
Sie tiitt n&mlicb bald „median", bald „polar" auf: im ersteren Falle
wird schlechtbin eine Beziehung zwischen einem a und einem ß gedacht
(£. B. Verschiedenheit, Gleichheit, Freundschaft usf.), im letzteren wird die
Beziehung als eine Eigenschaft (Merkmal) des a gegenüber dem ß oder des
ß legenQber dem tx gedacht (Z. B. verschieden von ß, gleidi ß, grÄBer als ß,
Utiner als a, rechts von ßasi.). Polai kann das Ergebnis jeder Vergleichung
iloppelt ausgedrückt werden; a:=ß oder ßt=.a, a>-ß oder ^ <a ust
EHne doppelte Formulierung hat nichts niit einer Inversion zu tun und soll
daher mit dem hesondeien Terminus ,3 e z i p r 0 z i t ä t" bezeichnet werden.
Werden die Vorstellungen, auf welche diese polare Übertragung der Delation
stattfindet, mit der Belalion bzw. dem übertragenen Relation smeitmal zu
tiner Einheit verschmolzen, so ergeben sich die oben (S. 32t u. 825) be-
^irothenen R elatarvorste llungen (Vatei^ Sohn usf.). Zwei zu-
mmnengehörige Relatarvorstellungen heiBen korrelat zueinander.
Bei der polaren Übertragung verhalten sich die RelationsvorsteUungen
onler sich insofern veiscbieden, als manche in genau derseiben Weise fflr
die beiden Relationsobiekte a und ß gelten (z. B. Gleichheit bzv. gleich, Vec-
setiedenheit, Freundschaft), andere dagegen nur für die Beziehung in einei
Richtang gelten und, um in der anderen Richtung zu gelten, umgewandelt
werden müssen (z. B, Vaterschaft, Sohnsehatt; GrOBersein, Eleinersein usf.).
Im enteren Fall ist die Relationsvorstellung symmetrisch oder um-
iüabu (reveraibel), im letzteren unsymmetrisch oder ununAehrbar
(irreversibel). Dieser Unterschied überträgt sich auch auf die Relatarvorstel-
!nngeii (Freund ; Vater —4 Sohn usf.).
Bin weiterer wichtiger Unterschied zwischen den drei Grundfunktionen
Bitibt sich, wenn man untersucht, wie weit die durch ihre Tätigkeit ent-
standenen abgeleiteten Vorstellungen über den gegebenen fundierenden Tat-
bestand hinausgehen (einerlei ob dieser im Bereich der Empfindungen oder
in demjenigen der Vorstellungen liegt). Während n&mlich die Analyse und
<& Komparation als solche keinen durchaus neuen Tatbestand schaffen *),
tut lües die Synthese olt (S. 30a, Anm. 3). Wir können sc«ar Vorstellungen,
die Belbst und deren Grundempflndungen traher niemals zugleich oder in un-
miltelbarer Folge aufgetreten sind, zu neuen Komplexionsvorstellusgen zu<
^uanensetzen. Diese besondere Form der synthetischen Tätigkeit bezeichnet
»Q »m besten als Kombination und die so entstandenen Voistellungen
aliEombinationsvorstellungen^). Je nachdem mehr Individual-
*) Wo es den Anschein hat, als oh auch die Analyse oder die Kom-
Daniioi) einen neuen Tatbe'stand schaBt,' ULBt sieb, wie ich glaube, stets
uchveisen, daß auch Synthesen beteiligt sind.
') Or. S. 112a., Ltf. S. aeSH.; Wtmdt S. 5*81. u. 606ff. Daß eine
Miehe Entstehung der Komhinations Vorstellungen mit d«at Kontignit&tageKtz
OgIC
34S II- 1'^''- ErkennlDistheorelische usw. Qrundlefuns der Logik.
oder melu- AllgemeinvorsleUungen bei der Bildunn von KombinaLorsvorstel-
luDsen beleiliBt sind, kann man unter den KombinationsTorstellungen
Phantasievorstellungen und Spekulationsvorstellua-
8 e n unterecheiden *). Gegenüber den fundierenden Vorstellungen zeigen
diese Konüunations Vorstellungen einerseits zahlreiche Auflösungen und Weg-
lasBungen, andrerseits zahlreiche Synthesen und ZufOgungen. Dadurch, daS
die Kombinationsprozesse sich an allen den besprochenen Vorstellungs-
eattungen abspielen und auch wieder ihrerseits zum Gegenstand von Kom-
parationen, Kontraktionen und Generalisationen werden können, ergilA sich
eine schier unübersehbare MannigfalÜKkeit neuer VorsletlungsgebiMe, die
jeder Klassiflitalion zu spotten scheint ■), oUenbar aber durchaus unsoeni
tatsäcliUchen alllSgUchen Erleben entspricht.
% n. Abstrakt« vai kanknla TontaUum. FrQlier glaiüjte nuui
zwischen abstrakten und konkreten Vorstellui^en eine scharfe
Grenze ziehen zu können. Es hat sich jedoch mdir und mehr gezeigt, da£
wenigstens psychologisch eine solche scharfe Grenze nicht existiert.
Dazu kommt, daB man die Bezeichnung „abstrakt" (und „konkret") in sehr
verschiedenen Bedeutungen verwendet bat (vgl. S. 31^ Arno. 4). Am nächsten
liegt es, als abstrakt alle diejenigen Vorstellungen zu bezeichnen, bei wekben
bereits irgendwefche Abstraktion oder Weglassung in dem ot>en festg^el^ten
Sinne (v^l. S. 318) stattgefunden hat, und als konkret diejenigen, bei vetchen
keine solche Abstraktion erfolgt ist. Dabei bleiben, streng genommen, nur
die primären integralen individuellen Erinnerungsbilder für die Klasse der
konkreten Vorslellungen übrig; alle anderen Vorstellungen wQrden in ver-
schiedenem Grade, je nach dem Umfang der Weglassungen, abstrakt sein.
Meistens hat man jedoch das Gebiet der konkreten Vorstellungen auf Kosten
des Gebiets der abstrakten erhebüch erweitert und auch die eszemlerteD
primären individuellen Erinnerungsbilder und die sekund&ren indiridueUen
Erinnerungsbüder samt den durch Komplexion (inkl. Kombination) aus ihnen
hervorgegangenen Vorstellungen zu den konkrelen Vorstellungen gerechnet.
Man betrachlet dann et>en nicht mehr die Nicht-Beteiligung irgendeiner Abstrak-
tion (im allgemeinstea Sinne) als das charakteristische Merkmal der konkreten
Vorstellungen, sondern die scg. Anschaulichkeit. Diese ist nun aber
ein sehr unbestimmtes Meriunal, das weder eine befriedigende Definition ')
der Ideenassoziation vertrAslich ist, leuchtet ein, wenn man erwägt, daB die
einzelnen Teilvorstellungen, aus welchen sich die neue Kombinations-
vorstellung bildet, ganz gemäß dem Eontiguil&lsgesetz auttreten.
") Die Generalisation mit ihren Verschmelzungen und Weglassunien
kann geradezu als ein elementarer paradigmatischer Fall der Bildung von
Koniiiiiatioiisvorel eilungen angesehen werden.
») Einen Versuch einer Überseht findet man Gr. S. 173.
') Meinong hat schließlich sogar eine Definition durch ein negatives
Merkmal versucht. Anschaulich ist nach ihm ,,eine komplexe Vorstellung,
sofern sie nach jeder Richtung frei von Unverträglichkeit ist" (Ztschr. f-
Pbilos. u. philos. Krit. 1688, Bd. 95, a 21B). Späten hat er selbst den Mangd
dieser negativen Kennzeichnung zugestanden (I]ber Annahmen, Lpz. 1908,
S. 111) und eine anderweitige Bestimmung versucht (1, c, namenil. § K).
meines Eischtena ist dabei ein klares Ergebnis nicht zustande gekommeiL
OgIC
_^___ ~- Kapilel. Psycho losisch e Gruiidl«siii:g. 349
zullfit. Doch bei der praktischen AnwenduiiK im Ifiglicbeu Eriebcn mil einiger
Sieherbett verwertet werden kann. Man könnte vjelleicbt daran denken,
das Vorhandensein der Teil Vorstellungen der elementaren Empflndungseisen-
schaHen (Qualität, intenatät usf., beispielsweise Farbe, Helligkeit, Form bei
optischen VorstellungenJ als das WesenUiche der Anscbaulichkeit zu be-
ifichnen. Damit würde jedoch jede scharfe Grenze verloren gehen; denn
diese sinnlichen Teilvorstellungen fehlen auch bei vielen Allgemrinvorstel-
toBgea, die wir zu den abstrakten zu rechnen pflegen, keineswegs gänzlich.
M»o wäre also doch wieder gezwungen, aul die Vollzähligkeit der
anulichen Teilvorstellungen, also die eistangefahrte Charakterinerung des
Kookreten zurückzukommen. Andere haben den individuellen Charakter als
■«sentlich für die Anschaulichkeit bezeichnet. Dann würde also z. B. diu
Vorstellung ,J)tau" abstrakt sein, dagegen die Vorstellung des beslinunten
Blau einer bestimmten Blume, die ich eben an einem bestimmten Ort ge-
Kfaen habe, konkret Abgesehen davon, daB auch diese Bezeichnungsweise
dem üMichcn Sprachgebrach nicht entspricht, hat man einzuwenden, daB
dabei die Termini „konkret" und „abstrakt", „anschaulich" und „unanschau-
!kh" ganz Qbernassig sind, da wir ia bereits üb?r die viel klareren Termini
.jDdividualvorstellung" und „Allgemein Vorstellung" verJügen. Bei dieser
Stcblage scheint mir das Merkmal der Anschaulichkeit für den wiasenachaft-
bchea Gebrauch nicht geeignet. Man könnte höchstens etwa die Uberein-
Himmung mit den Empfindungen selbst und deren unmittelbaren Erinnerungs-
Wetn als HaSstab der Ansctiauhchkeit verwerten und festsetzen: eine Vor-
^Uung soll um so abstrakter heulen, je mehr sie sich von den Empfindungen
<iod deren unmittelbaren Erinnerungsbildem entfernt. Die Abstraktheit ent-
wicht dann geradezu dem Abstand von letzteren'). Es liegt aber auf der
Hand, daB man damit zu der erstangefährten Bestimmung des Abstrakt«»
2WQckk«hrt und den graduellen Charakter der Abstraktheit anerkennt. Es
sqU daher auch im folgenden diese Auflassung festgehalten werden, im
aUfaneinen aber der Gebrauch der Termini abstrakt und konkret ganz ver-
mieden werden, da sie vom Standpunkt d&r in den leti^ten Paragraphen er-
öEterten Klassifikation der Vorstellungen Qberflflssig und durch ihren viel-
dtuhien Gebrauch entwertet sind.
In historischer Beziehung sei noch folgendes bemerkt. Bei Aristoteles
fiodft sich, wie S. 31% Anm. 1 schon erwähnt wurde, wohl der Begriff der
Alistraktion (ä^nf^caif nnd mtpaiiftlt'), dagegen ist ihm der Terminus abstrakt
(B^ttfOK) im logischen Sinn nicht geläufig *]. Die häufige Angabe, .Aristo-
teles habe das Abstnkte mit dem Allgemeinen identifldert, entspricht keines-
wegs allen in Betracht kommenden Stellen der aristoteUschen Werke. Auch
in der Scholastik hat sich kein einheitliidier Gebrauch des Worts abstrakt
(tiid konkret) entwickelt Im ganzen bestand die Neigung, das Allgemeine
nat dem Abstrakten gleichzusetzen. Die abstractio fällt fast ganz mit der
3lstrac(io a materia individuali zusammen. Bei der engen Beziehung des
ADfemänen zum Denken und des Individuellen zum Empfinden wurde an
SWIe der abstractio & materia individuali oft die abstractio a materia
=) Vgl. Aristoteles, Metapbvs. 982a, 24: " fiiiXtat« xaMlac . . . nB^<n-
■■I« tmr ala9^«tür inw.
') Wohl finden sich Ausdrücke wie tä ii ägMrip/«wr, lä Ir ä^toftau
^»ri/ur« und ähnliche, aber ohne daß auf die Abgrenzung solcher Vor-
^tälung^assen ein erhebUches Gewicht gelegt wird.
„.,,„,^.oogic
35U U. TeiJ. ErkennlnbthearetJache usw. Grandlesuns der Losik-
sensibili gesetzt und concretus und seoailis (aenübilis) gleichgesetzt. Bä
Dans Scotus bezieht sich der modus significandi abstractus auf die „essente
sub ratione propda", der modus aisnificandi concretus &uf die ,essentii.
inouantum iotormat subjectum" *). Sp&t«r machte sich jedoch mehr und
mehr daneben auch die Tendenz geltend, das accidens oder die fonna
realiter iuhaerens subjeclo ab abstrakt, das subjectum ejusdem accidentis
vel formae aber als konkret zu bezeichnen ■) (tkL auch S. 319, Anm. ^-
Zu einem klaren Abschluß dieser ganzen Lehre sind denn aush die spUereu
Scholastiker nicht gelaugt
Die neuere Philosophie hat sich zunächst bald mehr an diese, bald
mehr an jene scholastische Auffassung der Abstrakthdt angeschlossen. Bei*
spielsweise fällt bei Locke die absttact idea fast ganz mit der general idei
zusammen (Ess. conc. hum. underat. n, 11, 9; m, 3, 6; m, 3, 9; E, 3,
IS— 1&; III, £s 1; m, G^ 22; III, 6, 38). Nur in den AuseinandersetzungeD
über abstract und concrete terms scheint er plötzlich die substantlTierten
Eigenschaften (wbiteness, justice, equality} als abslfakte Namen, dagegen die
adjektivischen Ausdrucke (white, just, equal) als konkrete zu bezeichnoi
(III, 8, 1 u. 2; IV, 8, 12). Bei Bericeley ist eine doppelte Auffassung der ab-
strakten Vorstdlungen noch nachweisbar. In d« Introduction to tbe ptia-
dples of human knowledge spricht er in § 7 zunächst von abstrakten Vo^
Stellungen, welche dadurch entstehen, daB aus einer zusammengesetzten Vor
Stellung eine Teilvorstcllung durch WeglasseQ der anderen isoliert wild.
Dann aber geht er in g 8 zu abstrakten Vorst^ungen über, die mit den All-
gemeinvorstellungen ganz identisch und, und gebraucht weiterhin die Aus-
drücke „abstrakte Vorstellung" und „AUgemeiavorstellung" fast in demsdben
Sinn (TgL auch S. 114 u. dW). E^nso spricht Hume geradezu von „■!>-
stract or general ideas" *). Er kennt die abstracUon daher auch fast nur als
Genaalisalion und besträtet, daß bei der Abstraktion {= GeneralisatioD)
eine Separation und distinction — Prozesse, die zum Teil der analytischen
und komparalivea Funktion entsprechen — beteiligt sind. Tatsäcblid)
existieren nach Hume überhaupt keine abstrakten, d. h. allgemeinen Vor-
slellungen, alle Vorstellungen sind individuell, und die Abstraktheit besteht
nur in der auf Gewohnheit beruhenden aUcemeinen RepräseutationsAhigkeit
der sog. AUgemeinvorslellungen '} (vgl. S. 887).
Wahrend Spinoza und Leibniz — ebenso wie früher Cartesius — - k«ne
klare Darstellung der Lehre von den konkreten und abstrakten Vorstellunjen
gegeben haben, bat WolS sieb wiederholt über diese Unterscheidung deut-
lich ausgesprochen : Notio abstrada est, guae aUquid, quod rei cuidam inest
') Ouaestiones super praedicamenta, Qu. S, Opp. omnia I^ris 1801,
I, S. 467. Subjectum bedeutete damals oft speziell den individuellen GeSeu-
stand.
•>) VgL z. B. Occam, Summ, tot- log. I. cap. 6—», foL 2v ff. u. cap- 73,
fol. 28 r (Prantt). Dabei unterscheidet jedoch Occam noch andwe Beziefun«''
zwischen abstrakt und konkret und lehrt ausdrücklich : nomen coocreluin et
abstractum quandoque sunt Synonyma (Cap. 6, fol. 1 v}. Schon Ijaurentivs
Valla polemisierte gegen die Occamsche Unterscheidung (Dialect. disput I,
1, S. 10).
•) TreaL of hum. naL I, 1, 7.
') L. c. I, a, S: „All abstract ideas are realls nolhln« btit particulir
onea^ considered in a certain Ught" urf.
h. !■, II, l^.OOQIC
2. Kapitel. Pavchoknische Onmdl^unB. 351
vel adest, lepraeseatat absque ea re, cul incsl vel a<i«3t (z. B. eine Fttrbe
oluw den G^enst&nd, dem sie inh&rieTt); concreta autem est notio, quae
aliquid, quod alten inest vel adest, repraeaentat ut eidem inradstens (z. B.
,fi subjectum consideTatur ut coioratum") *). Ofienbar f&Ut diese Definitioa
mit d^n oben an zweiter Stelle angelohrten Sprachgebrauch lM:ke3 ziemlich
genau zusammen. Denuegenüber kehrt Kant zu dem uispriingliclieii Begrifi
der Abstraktion zorOck und definiert den abstrakten Befriä als deuemgen,
in dem „Unterschiede der Dinge aus einem B^riß weggelassen sind", und
erimuit Stuieu der Abstraktion an: von je mehr Bestimmungen in einem
BeghS abstrahiert worden ist, desto abstrakter ist der Begriff "). Er mnnt
daher auch, eigentlich aolle mau von abstrahieienden und nicht von abstrak-
ten B^riSen sprechen. Indem er dabei an Stelle der Merkmale die „Unter-
sddede" setzt, wird zugleich die Beziehung der abstrakten Begrifie zu den
aUgemeinen in sehr geschickter Weise in die Definition sUIlscbweigend mit
aufgenommen^"). Fteitich bleibt dabei die Tatsache unberOcksichtigt, daB
diese Beziehung zwischen Abstraktion und Generaltsatioa doch nicht so
absolut ist, als es nach Santa Definition scheinen konnte. Wenn ich die
*t)stnikte Vorstellung der „Röte" (d. h. der roten Fartw) bilde, so ist aller-
dings die Vorstellung „foler Dinge" stets eine Allgemeinvoistelhmg, insofern
die Unterschiede der raten Dinge in bezug auf Fonn usl. weggelassen sind,
thet man kann doch bezweifeln, ob die Vorstellung „Röte" notwendig und
stets mit der allgemeinen Vorstellung „roter Dinge" verknüpft ist und nicht
ais Ergebnis der Analyse einzelner roter Dinge, er. eines einzigen roten Dings,
auch imabbftpgig von diesen Dingen eine selbstfindige Bedeutung hat, der
zunächst keine Allgemeinheit zukommt. Eine solche Allgemein-
lieit wOrde sich erst dann einstellen, wenn verschiedene Naancen oder Art-
licb-ieitiiche Vorkommen des „rot" zusammengefaBt werden S. SM u. S48).
So sidier bei jeder Generalisation Abstraktionen beteiligt sind, so ist umge-
kehit doch nicht jede Abstraktion mit Generalisation verbunden : meistens,
aber nicht stets erfolgt die Abstraktion zugleich mit einem Generali-
saÜoiisprozeB oder mit Hilfe schon gebildeter AUgemeinvorstellungen. Durch
das Weglassen von Bestimmungen wird eine Vorstellung logisch allerdings
immer zu einer AUgemeinvorsteUung, weim man fOr die ObrigbleibendeD,
nicht weggelassenen Merkmale (Teile) einen allgemeinen Irftger voraussetzt
(rote „Dinge" usf.)! psychologisch werden jedoch die Weglassungen oft so
vorgenommen, daB Obeihaupt nur ein Merkmal [ohne allgemeine Träger,
z. B. „rot") als abstrakte Vorstellung übrig bleibt, und auch das Merkmal
xlbst kaim ganz individuell, muB nicht als ein allgemeines („Röte") gedadit
Ganz konsequent behauptet Kant daim weiter (1. c. g 16), daß jeder
Begrill abstrakt sei, und daß die Unterscheidung von „abstrakt" und ,Ju>n-
bet" neb nur auf den Gebrauch der Begriae bcEiehe (abstrakter Ge-
brauch 1=: allgemeirter, konkreter Gebrauch c=; besonderer Gebrauch). Auch
in seinen Hauptwarken hat Kant im wesentlichen diesen Standpunkt fest-
Ertialten und daher auch auf die ganze Unterscheidung abstrakter und kon-
kreter Vorstellunsen lu^ends gro&es Gewicht gelegt.
*) Philosoph. raUooaUs % 110.
*) Logik % 6, Anm. 2.
'*) Vgl. auch die Umliche Aulfaasung Chr. Slgwarta, Logik, % Aufl.
Prabujg laaO, Bd. 1, S, 8t
.. „.,.,,:,L.OO.^k
352 "- "^^f^- I^rkeaDtnistbeoretische usw. Grundlegung der Logik.
In der nach-kant sehen Philosophie und insbesondere in der Logik des
19. Jahrhunderts ist es ebensowenig zu einer übereinstiaunenden Definition
und Verwendung der Termini „abstraJct" und ,^onkret"' gekommen. Aucb
hat m&n meistens nicht zwischen der psTchologischen und der logischen
Bedeutung dieser Termini ausreichend unterschieden. An dieser Stelle
kdnnen nur einige wenige Definitionen, welche einen wenigstens teilweise
neuen Gesichtspunkt involvieren, kurz erwähnt werden.
John Stuart Mill ") griff wieder aut den S. 360 erwähnten Sprach-
get»such zurück und definierte: ,A concrete name is a name which sUnds
for a Ihing; an abstiact name is a name which Stands (or an attribute of s
thing," Dabei rechnet er jedoch „weiG" zu den konkreten Namen und nur
„WeiBe" (whiteness) zu den abstrakten und rechtfertigt dies damit, daß der
Gebrauch bei der Prädikation, also im Urteil, als der häufigste maßgebend
sein mOsse und hier mit „weiB" das „weiSe Ding" gemeint werde.
Wundt'*) führt das Fehlen einer „adäquaten stellvertretenden Vor-
stellung" (einer „sinnUchen Anscliauung", eines sinnlich repräaentierbaren
Inhalts) als ä u B e r e s Uerktnal der abstrakten Begriffe an. Danach sind
„Mensch", „Tier" konkrete, dagegen „Menschheit", v>der Gerechte", „die
Gerechtigkeit" abstrakte Begriffe. Offenbar deckt sich dies ä;iSere Uerkmal
ungefähr mit der S. 348 erörterten Anschaulichkeit. Außerdem aber esislie-
rtn nach W, auch „innere Eigenschaften, die den logischen Unterschied des
iibetrakten von dem konkreten Begrifi ausmachen", und mit deoeo es ini-
sanunenh&ngt, daB der abstrakte Begriff nur durch ein Wort oder ein an-
deres willkärtich gewähltes Symbol ausdrtlckbar ist Die Bildung ab^ntklei
Begriffe besieht nämlich nach W. immer in einer Feststdlung von Be-
ziehungen, welche unser Denken an seinen Vorstellungen oder an be-
reits gegebenen B^iriffen antrifit, und zwar solle nicht wie bei den Be-
Zi chungsbegrilTen ein Denkinhalt in Beziehung zu einem anderen von ihm
verschiedenen gedacht werden, sondern die Beziehungen selbst
zwischen verschiedenen Denkinhallen sollen den Inhalt des Begriffes bilden.
Zugleich behauptet W., daB al 1 e abstrakten Begriffe Allgemeinbegriffe seien.
Begreiflicherweise bekommt daher auch bei W. neben dem analytischen
ProzeB der synthetische für die Bildung der abstrakten Begriffe eine sehr
große Bedeutung. Auch gibt W. die Existenz von mannigfachen Obergän-
gen zwischen den abstrakten und den konkreten Begriffen zu.
Eine wiederum abweichende Auffassung der abstrakten Vorstellungen
findet sich bei Erdmann >']. Nach diesem Forscher „entstehen abstrakta
Gegenstände in jedem vorstellenden Wesen, dem sich in wiederholten Wahr-
nclimungen gleiche Bestimmungen des Wahrgenommenen darbieten". Ab-
strakte Gebilde sollen „die gleichen Bestimmungen verschiedener Wabmeh-
mungsinhalle enthalten". Daraus wird dann gefolgert, daß „sie nicht mit
die gemeinsamen Bestimmungen ähnlicher Gegenstände umfassen, son-
1 Logikern steht z. B. Jevona noch auf dem HiUschen StandpuiAt>
Ldtf. d. Log., Ubefs. d. 2Z. Aufl, v. KleinpeUr, Leipzig Idlft (a AufL), 5. SO.
■•) Logik, 2. AufL Stuttgart 1893^ Bd. 1, S. lia
>«) Logik, 2. AuQ. Bd. 1. Halle 1907, S. 65 ff.; Methodolog. Konsequenw»
au» der Theorie der Abstraktion, Sitz.-Ber, d. Kgl. PreuB. Akad. d. Wi»
1919, XXU, a *87 (601).
_ 2. EsDitel. PsycboloKiscbe Grundlegune. ^53
dem &ach die BesUmmuDgen, die sich in wiederholten WahniehmuDBeu
eineauDd desselben Gegenstandes fegenOber anderen, veränderlichen
als koDBtanl erweisen". Danach ist also z. B. nicht nur Uensch, Kn-
dem auch Sokrates eine abstrakte Vorstellung. Es gibt nicht nur abstmkta
AllgnneiDTorsteUungen, sondern auch abstrakte Einzelvorstellungeti. Diese
AuHaBSDiiK deckt sich inbaltUch im wesentlichen mit der Darlegung S. 348^
es muB aur betont werden, daB eine solche Terwendung des Terminus
.abstrakt" dem seither Qblichen Gebrauch vailig widerstreitet. Auch fragt
n sich sehr, ob ein solches Zusammenfassen der Generalisation mit der
Xontraklion (vgl. S. 31S) zu dem Gesamtbegritf der Bildung abstrakter Vor-
steDuugen, wie es durch die Erdmanssche Definition involviert wird, irgend-
welchen Vorteil bietet. Die W^glaasüne nicht -gemeinsamer bzw. vertnder-
lieher Merkmale und die Isolation der Obtigbleibenden gemeinsamen bzw.
koDslatiten Merkmale bei der Generalisation bzw. Kontraktion steUen doch
«ben Dur die beiden biufigsten Fälle der Alistraktion im aligemeinen Sinn
der Veglassung (ä^ojfww) dar. Ich kann mir sehr wohl eine Abstraktioil
denken, bei der gleiche — gemeinsame oder konstante — Merkmale Ober-
binpt nicht in Frage kommen. Gemeinsamkeit und Eonslanü von Merk-
malen sind gewiß weitaus die häufigsten AusICsungsmomente fOr Abslf^-
lioDsprozesse, aber doch nicbt at>solut unerläBlicb. Wenn ich — um ein
eittemes Beispiel zu nählen — zugleich das Contra C und b gestrichene d
böte, so werde ich diesen Zweiklang zerlegen können und jeden der beiden
TSne diuch Weglassung des anderen gesondert vorstellen können, auch ohne
diB ich einen der beiden Töne schon vorher gehört habs und auch ohne daB
ich den bez. Zweiklang öfter höre. Es empfiehlt sich also doch wohl nicht,
die Abstraktion auf die Abstraktion von. Gleichem ex definitione ein-
nachrlnken und damit die abstrakten Vorstellungen schlechthin mit den
AQfeDKin- und den Kontra ttionsvorstellungen zu identifizieren,
RusserM*) geht von einer schon von 5tunuif>>) durchgefflhrten Unter-
Kheidung zwischen selbständigen und unselbständigen In-
baHen (vgl. dies Werk S. 819) aus. Erstere können getrennt vorgestellt
««rden, letztere nicht. Husserl tilaubt nun, daß der Sinn dieser Lostrennbar-
teit io der Vorstellung ,.aus3chließlich in dem Gedanken Uege: in der Natur
des Inhalts selbst gründe keine Abhängigkeit von anderen", und „daß dem-
«ntsorechend der Sinn der Unselbständigkeit in dem positiven Gedanken der
AUuingigkeit" liexe (Log. Unters. II, S. ^2). Auch meint er damit eine
objektive Unterscheidung gewonnen zu haben, durch welche die Bück-
liniehuiig auf die Weise des Vorstellcns QberflOssig wird. Er definiert nun:
.£d unselbständiges Wesen heißt ein Abstraktum, ein absolut selbständiges
^ Konkretum" (Id. zu ein. rein. Phän. S. S9]. Offenbar ist damit die alte
Ufare von der Abstraktheit (vgl. oben S. 350) in eine korrektere Form ge-
Incht und auch wesentlich abgeändert. Trotzdem erscheint mir auch die
^serlscbe Definition nicht zureichend. Ein Rekurs auf die objektive Ab-
») Ideen zu ein, rein. Riinom. Buch 1, Halle 1913, § 16, S. 88ff.;
Ug. Untersuch. 2. Teil, Halle 1901, namentl. S. 314 ff.' u. 222 tt. (2. Aufl.
im«, u. 226 ft); Philosoph. Monatsh. 189t, Bd. 30. S. 159fr.; Philos. d.
Aiithm. Bd. 1, Halle 1891, S. 161.
"} Ober den psychologischen UrsDiung der Raumvorstellung, Leipzig
MB, S. 106B.
Ziabcn, tiehtbneh der Ingik. 23
OgIC
3^)4 'I' T^'- EfkenntnistheoreÜEche usw. firundletang dei- Losik.
häugigkeit ist — abgesehen von manchen anderen Bedenken — serade Mr
die hier zunftchst nur in Frage stehende psvehologische Cbanlctenstik
der abstrakten und der konkreten Vorstellungen nichl zulässig, nnd der
psTehologische Tlntersdiied der ,i.ostrennbarkeit" in der Voreteilnng bewfthrt
sieh nur, wenn man „Vorstellung" In der Bedeutung des anschaulichen
Vorstellens nimmt. Damit siud wir doch wieder zu der „AnsdiauUchkeil"
zurOckgelanfft, die oben S. 348 bereits erörtert worden ist. Tatsache bl ntn.
daB manche Inhaltsleile Teichter, andere schwerer weggelassen werden kännen
und defDentsiirechend die Qbriflbleibenden Inhaltsteile weniger oder mehr an
ARscbmilichkeit verlieren, d. h. den unmittelbaren Erinnerungsbildern roefa-
oder veniger unShnlicb werden.
Wenn endlich manche neuere deutsche l'sychologen '■) von ,Jlemtfil-
seiuslagen", .^ewuBtheiten", „Gedanken" u. dgl. im G^ensatz zu dtn
sinnlichen Vorstellungen (ErinneruMsbildern und PhantasieTorstellmHen)
sprechen und oft such die UnanschauUchkeit dieser Gebilde als dwiaftte-
ristisch hervorbäwn "), so decken sich di« letzteien fost ganz mit deo ab-
strakten Vorstetlungen in dem S. 9i8 erCrterten Sinn. Keinesfalla darf miD
aber etwa annehmen, daB die abstrakten Vorstelhmgen oft oder ear stets top
charakteristischen psychischen Erlebnissen — abgesehen Ton dem spracb-
lichen Eindruck — , überhaupt nicht begleitet seien. Wenn Versuchspersonen,
und zwar gerade auch psychologisch geschulte, auf den Zuruf eines Wortes,
welches einer abstrakten Vorstellung entspricht, oft über gar keine psychischen
Erlebnisse, auDer etwaigen repräsentierenden sinnlichen EinEelroislellDnieD
(vSf. S. 837), zu berichten wissen, so beruht dies nach meinen eXperiSUD'
teilen Erfahrungen meistens dsranf, dafi dieselben ihre Anfmerksanfteit m»
auf sinnliche Tarstellungen einstellen und daher die nicht-sinnlichen pnrdl-
schen Erlebnisse (im Sinn der Funktions- und Verschmetzungstheorie, S. MS
u. Siffi unterdrücken oder (Ersehen. Auch kann ich in der ZnsanMBts-
fassmtg aller dieser mehr oder weniger ananschaalichen Vorstellungen unter
einem der oben angeführten S.inwnelnampn (BewuBtseinslatfen usf.) keisM
FortscMtt erblicken.
psTchologiscbe Untersuchung lehrt, daB jede^) Vorstellung folgende Glruitd-
eigenschaften hat, die ihr als solcher — auch unabhängig von jedem Ter-
gleich mit anderen Gelrilden — zukommen: Inhalt, Dauer, GefQbls-
^') Vgl. z. B. den kritischen Bericht Haibes über diese sog. „denkpsjcbo-
logische" Richtung, roilschr. d. Psrcbot. usf^ 1014^ Bd. S, S. 1.
1') Nach meinen Beobachtungen geht schon bei den einfacbstan >W-
nUetrischen Bezirinrngsrorstellungeti (S. M?), z. B. der Vorstellung der Un-
gleichheit zweier Raumstrecken, sehr oft die AnschauUcbkeit veriorea. An-
^haulich ist die Vorstellung der beiden Kaumstrecken, aber die Vorstellung
„Strecke a ^ Strecke b" ist streng genommen schon sehr oft nicht mehr
anscbaulich. es sei denn, daB ich in der Vorstellung a auf b ablmge (was in
vielen FUlen unterbleibt). Die B&uOgteit der Beteiligung von Beziehuncs-
Toistellungen an dem Aufbau abslrekter Vorstellungen gewinnt damit eiiK
besondere Bedeutung, und zugleich wird die S. 388 bespro^ene Ldi»
Wuiidts verstÄndüch.
') Siehe icdodi S. 366 Ober Gefühlston.
iM,Googlc
1
{
2. Kapitel. Psychologische GrundleKunfi. 3<i5
(onuod Energie. Sie bedürfen an dieser Stelle nur einer kurzen Be-
sprechung.
Der VorslelloDffB Inhalt umfaSt lüles dasjenige, was (Accusativus
eflectittis) wir in der Vorstetliuv Toratellen. Selbstverständlich ist hiennil
oBes andere eher als eine Definition gegeben oder bezweckt. Kine Deünilion
ist rur den Vorstellungsinhalt ebenso unmöglich wie beispielsweise fOi Fatbe
oder Tonhöbe. E» handelt sieh nur um einen allgemeimrerständlichen Biu-
Teis auf den eigen tflmlichen Tatbestand, den wir in dem Vorsteüungsinhatt
«rieben. Wir kfionen diesen Hinweis nnr noch durch die Feststellung cr-
irtDien, daB der gesamte VorstelhUigsiiihalt allen Eiaeiischaften der za-
nhüngen Grundompfindungen, also der Qualität, der Intensität^ dem Gefühls-
Km nnd den «ftumlicben und zeitlichen Eigenschaften derselben entspricht
oder «renigstens — im Hinblick auf das Vergessen — entsifrechen kann.
Diesen Inhalt der Voratellunc als ein „immanentes oder intentjonales Objekt"
doseUcn aufzufassen, wie das die sog. Gegen Htandstheorie (vgl. % 45) frOher
T«ht zuveilen fetan hal=], liegt fdr die Psychologie kein Grund vor. Damit
&Dt für sie auch jede Veranlassung weg, mit der sog. AklpsycholoKie (in
HifDantem Sinn) dem VorsteUungsinhalt eiren besonderen „A k l" des Vor-
slelleDs zuzuordnen. Die Vorstellung selbst ist stets als Ganzes ein Akt oder
Vorung (vgl. S. 346) und niemals ein stabiles Ding, und als Akt bat sie
einen Inhalt, der nicht verdinglicht werden darf, sondern zu dem Akt als
solchem gehört. Wohl aber erscheint es, wenn mau von der iisychologiecben
mr erkeimt nistheoretischcu Untersuchung Qbcrgeht, zulässig, der Vorsteltung
äatn vom Inhalt verschiedenen Gegenstand (Objekt) zu-
! zosdireiben, wie dies schon S. 2G(> geschehen ist, also nicht im Sinn einer
I Denen Spezies des Seienden (vgl. § 4ö u. g 64), sondern im Sinn der er-
j kmatnistheoreti sehen Grundlegung, wonach der Gegenstand eines primären
I Erinnctuiigsbildes die zugehörige ,4sotierte" Gmodempfinduns und der Gegen-
stand eines sekundären Vorstellungseebildes die isolierten Toratellungen sind,
aas denen es mitlela der DiBerenzieningstunktioueD hervorgegangen isL Von
diesan Standpunkt aus kann man dann auch von einer Beziehung
zwischen der Vorstellung (als dem Edukt, S. 2&t) und ihrem Gegenstand
sprachen und diess Beziehung ganz allgemein als Intention bezeichnen
- (S. 272]. ?ricbt verwechselt «erden darf femer der Terminus „Inhalt" mit
dem T«ininua ,3 o d e u t u n g". Stnng genommen sollte man von Bedeu-
tung mir bei solchen Gebilden sprechen, welche syrnboliscfa — ohne
■oneien Zusammenhanf — eine Vorslellune ausdrücken, wie z. B. Worte oder
ticstra. Die Bedeutung solcher symbolischen Gebilde ist, psychologisch
Kcsjaochen, identisch mit dem Gesamtkreis der Vorstellungen, welche von
den symbolischen Gebilde üblicherweise assoziativ geweckt werden (vgl.
§80). Wir Gbertiagen diesen Terminus dann aber auch auf nicht-symbolische
Gdiüde tmd verstehen unter der Bedeutung einer nicht-symbolischen Vot-
sttthng in analoger Weise den Gesamtkreis von Varstellungen, der üblicher-
weise von ihr assoziativ geweckt wird. Es liegt somit auf der Hand, dalt
psychologisch dieser Terminus äuBerat vage ist. In der Tat wird er
ff< in der Logik wissenschaftliche Umbildung und Verwendung finden.
Igt eine Vorstellung V aus Teilvorstellungen zusammengesetzt bzw. in
*ok:he zerlegbar, so umfaßt der Inhalt nicht etwa nur diese Teilvorstellungen,
*) Tgl z. B. Hofier, Grundlehren der Logik, t. Aufl., Leipzig-Wien, % 6.
23'
h. !■, iiA.OOt^lC
I
L
556 D- ^^''- ErkenntnisiheoretiBche usw. Gnindlegung der Loffik.
sondern auch die Beziehunseo, die wir in V zwischen den TeÜvorstellungen
im Sinn der Differenzierunisfunktionen denken.
Die Vorstelliings d a u e t kann hier ganz übersanKen wenlen, da sie
nur psycho losisches Interesse bielel. Bezüglich des Gefahlstons det
Vorstellung sei nur bemerkt. daB er nicht mit dem Gefühlston des Votstel-
lungsgegen Standes verwechselt werden darf. Der Gefühlston der Omnd-
empfindung geht einerseits in den Inhalt der Vorstellung über, deren Gegen-
stand sie ist, und wird andrerseits auch auf die Vorstellung als solche über-
tragen. Die Erinnerung an Zahnschmerz, an eine Kränkung usf. ist nicht
nur eine Erinnerung a n etwas UnaDgeoehmes, sondern oft genug audi als
Erinnerung noch unangenehm. Auch sei duan erinnert, daB der GefflhlstoD
der Vorstellung ebenso wie derjenige der Empfindung nicht obligatorisch ist,
sondern auch fehlen kann (sog. Nullwert des GefOtUstons).
Die Voretellungs e n e r g i e ist eine Eigenschaft der Vorstellungen, die
uns zwar auch direkt zum Bewußtsein kononen kann, vor allem aber aus
dem Einfluß der Vorstellungen auf den Ablauf der fdeenassoziation tu er-
schlieBen ist Sie kommt nicht nur den aktuellen, sondern auch den
sog. latenten Vorstellungen (Erregungsverftnderungen der Vorstellungselemente
der Ilimrinde ohne begleitenden psychischen F^zeB] ^) zu.
Nicht zu den allgemeinen Eigenschaften der Vorstellungen ist die
Lokalisation zu rechnen. Es kommt zwar vor, daB wir eine konkrete
Vorstellung lokalisieren, namenUich haben einzelne Menschen in besonderem
UaB die F&higkeit, ein optisches Erinnerungs- oder Phantaaiebild auf eine
Flache zu projizieren; im ganzen bandelt es sich aber dabei um Ausnahmen,
die sich wahrscheinlich aus einer leichten Milenegung der kortikalen Empfin-
dungselemente eiilAren *).
Die Deutlichkeit ist zwar eine allgemeine, aber keine selbständige
VoTstellungseigenschaft. Wir Terstehen nämlich unter Deutlichkeit den mehr
oder weniger hoben Grad der Übereinstimmung, welchen eine VorsteUung
mit ihrem Gegenstand, also ihren Gnindempfindungen bzw. Grundvorelel-
lungen (vgl. S. 268) hat Es handelt steh also nur um eine relative
Eigenschaft, welche der Vorstellung und zwar speziell dem Vorstellungsinhalt
zukommt und unmittelbar mit der materialen Richtirteit der Vorstellungen
zusammenhängt (vgl S. 3 u. 275 ff.). Das Wachsen und Abnehmen der
Deutlichkeit einer besonderen Punktion (Apperzeption, Aufmerksamkeit) zu-
zuschreiben, liegt keine Veranlassung vor. Vielmehr hängt die Deutlichkeit
erstens von dem Grad der Unversehrtheit der in Betracht kommenden latenten
Torstellungen (Residuen) ab Und zweitens von der Energie, mit welcher die
Reproduktion in der Ideenassoziation stattfindet. Insbesondere die letztere
Tatsache ist bemerkenswert; sie äuBert sich u. a. darin, daß innerhalb einer
Gesamtvorstellung einzelne oder auch viele Teilvorstellungen undeutlich sind
und so gewissermaBen fOr die deutlichen TeilvorstcUungen einen Hinter-
grund*} abgeben, der für die Verwettung der Vorstellung in Urteilen nicht
») Ltf. S. 325 ff.
«) Gr. S. 88 n.
■) Baumgartens „campus obscuritaüs" oder „fundus animoe" =i „com-
plexus obscurarum pereeptionum" (Hetaphys-, 4. AufL Halae 1767, g 511 n.
51^ S. 176). Die Grundlagen dieser Lehre finden sich schon bei Leibniz u. a.
Was James (I^inciples of psychology, London 1901, Bd. 1, S. 26^) als „psTchic
h. I ■. ii,l^.OOQIC
2, Kapitel. Psychologische Grundlegung. 357
gincbiulüg isL Auch ist es oft zwecktnäBig, die Deutlichkeit, soweit sie von
der thiTersehrlheit der latenten Vorstellungen abhängt, und die Deutlichkeit,
scweit sie von der Energie der Reproduktion abb&ngt, tenninologiacb zu
imierscheiden : ich bezeichne die eretere als r e t e n t i v e , die letzlere «Is
Assoziative Deutlichkeit. Hit der Distioktheit von Leibniz u. a. (vgL
S. ^89) dürfen beide nicht identifiziert werden»).
Uanche Vorstellungseigenscbaftcn konunen nur einzelnen VorsteliungS'
Wassen zu. Unter diesen „speziellen" Voratellunsseigenschaflen sind
im HiDhlick auf die Logik besonders wichtig: die Ftilte, die Belegung, die
Spannung, der Umfang und die UChe.
Die Falle ist eine Eigenschalt, welche nur den zusammengesetzten
Voistellungen (KomplexionsvorBteUungen) zukommt, und entspricht der Tat-
sache, daG mancbe zusammengesetzte Vorstellungen in sebf viel mehr ultimale
Teilntrslellungen (Merkmalvorstellungen)') zerlegt werden können als andere.
So enth< z. B. die Voisteliung der Symphonie eroica mehr ultimale Teil-
vorstellungen als — bei demselben Menschen — die Vorstellung ihres ersten
Satzes, die Vorstellung des 30 jährigen Krieges bei den neislen Menschen
mehr als die Voislellung irgendeines kleinen Gefechts in diesem »der einem'
anderen Krieg, die Vorstellung Erde bei allen Menschen mehr als die Vor-
stettung Sonne usf. Die Folie ist also mit der Zahl der ultimaien Teil-
Torstellungen identisch; sie ist der quantitalive Index des Inhalts'] zu-
saiQinengeaetzter VorsLellnngen. Es steht daher auch nichts im Wege, auch
den einfachen Vorstellungen im Sinne eines Grenzfalles Fülle zuzuschreiben
|Fü!le =^ 1). Bei den auB erordentlichen Schwierigkeilen, welche die Zer-
legung der Vorstellungen in ihre ultimaien Teilvorstellungen hat, ist die
psychologische Bedeutung der Folie nicht groß. In der Logik, nelche
durch ihr definitorisches Verfahren (vgl. § 93 ff.) die Teilvorslellungen scharf
bestimmt, bekoraml sie größere Bedeutung. Äußerlich bleibt die Eigenschaft
der Felle immer insofern, als der Inhalt einer zusammengesetzten Vorstellung
aieroals einfach als die Summe ihrer Teilvorstellungen angesehen werden
kann. Die Komplexion ist stets mehr als eine bloße Addition und außerdem
is der Regel mit der Bildung von Belalions Vorstellungen eng verknüpft (vgl.
S. 3QB I. u. 323 f.). In der FQIIe kommen diese Kompteuons- und Belationg-
numente (die „Strukturen") nicht zum Ausdruck.
Schon das einfache Beispiel einer Melodie Vorstellung genügt, um diese
Schwierigkeit zu beleuchten. Handelt es sich z. B. um ein aus i Tönen
«1 S, h, c (in dieser Reihenfolge) zusammengesetztes Motiv, so ist offenbar
die Zerlegung in die i Tonvorstellungen e, g, h und c unzuUlnglich, um den
OTUlone, sufiusinn or fringe" bezeichnet, deckt sich im wesenthcben mit dem
Campus obscuritatis Baumgartens.
') In der älteren Literatur wurde der Terminus „distinctus" des Car-
ie=ius und Leibniz (vgl. S. 100 u. 111) oft mit „deutüch" wiedergegeben.
^ll z. B. G. Fr. Meier, VemunfUehre, 2. Aufl., % 28, S. 29. Es leuchtet ein,
<laB die Deutlichkeit im Sinn meiner Erörterung mit der Distinklfaeit im
lieihnizschen Sinn nur indirekt zu3anuDenhi.ngt, dagegen der Leibnizschen
.^Klarheit" sehr nahe steht.
^ Vgl. Ober diese Termini S. 319, namentl. Anm. 7.
*] In der togiachen Literatur wurde seither das Wort ,Jnhalt" gewfihn-
^ Mwohl lux die Teilvorstellungen selbst nie für ihre Zahl gebraucht.
„.,,„,^.oogic
II. Teil. Eifceimliustbeorelievbe usw. Grundlegung der Logik.
Inhalt des Motivs zu charakterisieren. Die zeilliche Anordnung der i Töne
ist lor den Inhalt ebenso wesentlich. Soll man diese als ö. Teüvorstellung
uthlen? oder als 5. — 8. Teilvoratellung? Außerdem sind die Tntervallvorstel-
Uingen e — s, e — h, g — h usf. gleichfalls sehr charakteristisch. Soll man diese
nicht doch auch als Teilvorstellungen zahlen und — bejahenden Falles —
wie soll man sie zählen? Aus diesen Schwierigkeiten erklärt es sich, daS
die Psychologie den Begriff der Folie seither fast ganz ignoriert hat. Für
die Logik ist er, wie sich später zeigen wird, ud entbehrlich.
AJsBelegung soll im Bereich der Kontraklionsvorsteilungen und der
AUgemeiuvorstelluaeen die Gesamtheit der isolierten ■] fundierenden Vor-
stellungen, also der zugehörigen Gegenstände bezeichnet werden. Bei jenen
handelt es sich um die Gesamtheit der fundierenden FluxionsTorsteUungen
(Fluxions- oder Phase ubelegung), bei diesen um die Gesamtheit der fundieren-
den Individualvorstellungen (Individuent>elegung). Selbstverständlich darf
man diese faktische Belegung, um die es sich hier ausscblieBlich handelt,
nicht mit dem &!ögl ichkei tsbercich der Belegung '"J verwechseln, welch
letzterer bei vielen Kontraktionsvorstellungen und bei allen AUgenidn-
vorslellungen dank ihrer Offenheit (vgl. S. 330, 336 u. 343) theoretisch unend-
lich groß ist. Habe ich z. B. viermal in meinem Leben ein virginiachcs
Opossum gesehen und auch sonst nichts Ober diese Tierspezies erfahren, so
bilden diese vier Individualvorstellungen der von mir gesehenen Tiere die
faktische Belegung meiner Vorstellung des virgini sehen Opossums. Di*
Zahl i, der quantitative Index der Individuenhelegung (bzw. bei Kontrak-
tionsvorstellungen der Pbasenbelegung] kann als ,3eleeungsziffer" bezeichnet
werden.
Hierbei ist zu beachten, daß von Beleeungsziffer hier in ver-
schiedenem Sinn gesprochen werden kann. Entweder kann man nftmlich
alle (beobachteten) Individuen zählen, die ftberhaupt unter die Allgemein-
Vorstellung fallen, oder man kann nur solche (beobachtete) Individuen zählen,
die neben einem besonderen räumlich-zeitlichen IndividuaikoefUzieaten auch
i.rgendvekhe andere, z. B. qualitative Verschiedenheit untereinander zeigen.
So sind z. B. alle Wasserstoffatome nur im ersten Sinn verschieden, während
die verschiedenen Exemplare einer Tierart (wie des virginischen Opossums)
unter sich auch maimigfache qualitative Besonderheiten zeigen (vgl. S. 333)
u. SU). Für die logische Verwertung ist dieser Unterschied von einiger
Bedeutung (vgl. % 96).
Es liegt nahe und ist gerechUerligt, im Bereidi der Allgemeinvoistel-
lungen auch von einer Belegung einer Allgemeinvorslellung mit den ihr
subordinierten Allgemein Vorstellungen (z. B. Artvorstelluagen) oi
sprechen"), also den individuellen Charakter der belegenden Vor-
■) Vgl. S. 'J65. Ich werde den Zusatz „ieoUcrt" im ft^enden ab sclbst-
veretändtich meistens weglassen.
)*) Dieser MStfichkeitibareich der Belegung deckt sich etwa mit demt
waa Hiahl (Vierteliahrsschr. f. wiss. Ptaibs., 180% Bd 16, S. 130) auf be-
aritfUchsn Gebiet als „Geltungsbereich" und Ei^Buinn (Logik, 2. AufL, S. SOe,
Anm. 1) als „Qattungsbereich" bezeichnet; doch scheint leteterer nicbt gaai
scharf zwischen der faktischen Beleguü« und dem Stöglichkeitsbereich der
Belegung zu unterscheiden.
») Diese Belegung mit subordinierten GallUBgen deckt sich mit Sig-
warts empirischnn Umfang (vg. S. 369 Anm. 14).
OgIC
__^_^^ 3. Kapitel. Psychologische tituudlegung. ygg
aieUuitfen bei der BesiitfsbestimmunB der Belegung Iireiszugebeii. Es soll
diet im folgenden jedoch im allgemeinen nicht geschehen, also Belegung,
wenn nichts anderes bemerict wird, immer in dem prägnanten Sinn der
I ■ d i « t d u e n belegung verstanden werden.
Als Spannung soll im Bereich der Konl^aktions- und Allgemein-
vorstelhiogen der Grad der Kontraktion bzw. Genenüisation bezeichnet
w«den {Kontrattion 9- bzw. GeneraliBationsapannung). Der Kontraklionsgrad
wird gemessen durch das Verh<nis der reprimierten und ganz weggelassenen
TeilvorateDungen der einzelnen Fluxionen zu den in die Kontraklionsrorstel-
lung übergegangenen, akzentuierten Teilvoratellungen. So kommt z. B. der
Kontraktion svorstellung einer Eiche, die ich von ibrem Keimen aus der Eichel
tat zur Vollendung ihres Wachstums als Baum beobachtet habe, eine sehr
erbebliche Kontiaktionsspannung zu "). Der Generalisationsgrad wird ge-
messen durch das Verbfillnis der reprimierten und ganz weggelassenen Teil-
forslellungen der einzelnen Individuen zu den mit Akzentuatiou in den
Allgeineinbegrifr übergegangenen. So bilden z. B. die drei Allgemeinvorslei-
luDfen Pferd, Eiohuler, Saugetier nach ihrer Spannung eine aufsteigende
Reibe. Oft wird die Spannung einer All gemein Vorstellung auch in etwas
nifiversUndlicher Weise schlechtbin als die — abstufbar gedachte — „All-
gemeinfaeit" der Vorslellung bezeichnet.
Der Umfang ist eine Eigenschaft, welche nur den AUgemeinvoislel-
lungen zukommt und auf ihrer skalaren (stufenartigen, vgl. S. 383) Anordnung
beruht. Ganz allgemein kann er als die Gesamtheit der in eine,' Allgemein-
Torslelhing enthaltenen, d. h. ihr untergeordneten (S. 333) Allgemeinvorstel-
lungen definiert werden. Die niedrüste Allgemein vorslellung einer Skala,
die ArtvoTstellung (S. 333) bat, da sie nur IndividualvorsCellungen zusammen-
hSX, überhaupt keinen Umfang, sondern nur Belegung (s. oben u. g 98).
Bezeichnet man eine höhere Allgemeinvor Stellung als w», so kann man die
ihr nlchstuntergeordneten als w»— ■ bezeichnen und die einzelnen .\llgemein-
vonlellnngen dieser Stufe als W|ii— l, w^o— l^ Wa"~' us'- unterscheiden. Der
Cnlani ist dann als die Gesamtheit aller wn— I definiert. Dabei ist es jedoch
<iem Belieben anheimgeatcUt, zur Darglellung des Umfangs irgendeine tiefere
Shde der Skala sUU der nach st niedrigeren betanzuziehen, also z. B.
"»-II oder wn— III usf., «ventuell also bis auf die Artvorstellungen ") als die
niedrigslen Allgemeinvorstellungen zurflckzugehen.
Besonders zu beachten ist, daB der Umfang in dem Sinn, wie er eben
d^ilniert wurde, nicht etwa nur diejenigen subordinierten Allgemein vorsteN
liutaa umfaBl, die tatsächUcb von dem denkenden Subjekt bei der Bildung
des superordinierten Begriffes verwertet worden sind ^*). Vielmehr umfaßt
n — im stritlen Gegensatz zur Belegung (ntl. S. 3(6) — slels vermöge
>*) Man dar! diese Spannung nicht mit der rein zeitlichen Erstracltung
^»er Kontrakt ionsvorstellung verwochseln. Diese zeitliche Krstreckung be-
^wJuet man am besten als ,ProteDsion".
") Diase l>ezeichne ich als wi bzw. WI, die Individualvorstellunaen als
» tew. Wo (vKl, § IW).
H) Sswart (Logik, 2. .4ufl. Freiburf 1888, S. 9b3) spricht ^erdings auch
•«n eiaem „empirischen Umlang" der Be«rifie und versteht darunter im
Q«tensatz zum „logischen Umfang" eben nur die Gesamtheit d« be-
kiBBten, hei der Bildung des Allgemeinbegriffs faktisch belMligten
OgIC
3()0 II. Teil. ErkpnntnislheoretiBchf ustt. Grundleaunr der Lo^k.
der OHenheit einer jeden AUgertiHnvorafelluna (S. 885) auch das seeunle
Möglichlcieilsbereicb der vorläufig noch unbekannten^*}
untergeordneten AllBemeiDvorsteltuneen, die mir eine spätere Erfahrung etwa
noch liefern nird oder liefern könnte. Nur wenn ich absteigend durch
kontradiktorische Zweiteilung (schwarz und nicht-schwarz) unter-
Ueofdnete Vorstellungen konstruiere, kann ich wenigstens scheinbar den
Dotentiellen Umfang völlig ausfallen.
Es BtÄnde naWrüch nichts im Wege, im G^ensalz zu unserer Fest-
setzung den Umfang einer Allgemein Vorstellung, der sich nur auf die sub-
oj'dinierten Allgemeinvorstellungen bezieht, indirekt auch auf die den
letzleren achlieBlich subordinierten 1 n d i v i d u a 1 Vorstellungen zu beziehen,
nur muß auch dabei streng und atisolut daran festgehalten werden, dafi bei
einem solchen ZurOckgehen bis auf die Individual Vorstellungen nicht etwa
der Umfang mit den tatsfichUch bekannten (dem oder den Denkenden
bekannten), also schon gebildeten und daher fundierend
wirksamen Individualvorstellungen gleichgesetzt und an ihrer Zahl ge-
messen wird. Vielmehr ist bei solchem Zurfickgehen auf die Individual-
yorstellung«D der Umfang der Giesamlheit aller derjenigen Individualvorstel-
lungen gleichzusetzen, die unter die bezügliche Allgemeinvorstellune fallen
können, d. h. ihr subordiniert werden können. Der transgressive
Charakter der AI iReraein Vorstellung muB jedenfalls gewahrt werden. Gibt
man diesen preis, so fällt die Allgemeinvorstellung mit der Kollektiworslellung
zusammen. So sind die 12 Apostel eine Kollektiworstellung, dagegen die
Jünger Christi — im Sinn der unbegrenzten Zaiil derjenigen, die Christi
Lehre vertreten haben, vertreten und noch vertreten werden ■ — eine echte
Allgemeinvoretellung (vgl. S. 334). Umfang kommt nur der letzteren eh.
Hieraus ergibt sich auch, daß, selbst wenn man im weiteren Sinn auch von
einer Belegung mit subordinierten Gattungen (vgl, S. 358) und von einem
Umfaiv bezüglich der subordinierten Individuen spricht, der Unterschied
;'.wischen Belegung und Umfang doch bestehen bleibt: bei ersterer nur aktuelle
Fundierung, bei letzterem potentielle Transgression.
Der ciuantilalive Index des Umfangs ist in der Zahl der unter-
geordneten Gattungen gegeben. Man kann ihn auch kurz als Umfangs-
zi f f er bezeichnen.
Sowohl der Umfang wie die Belegung bezi^en sich zuu&chst nur auf
die zugeordneten Vorstellungen, werden aber weiteriiin auch auf die ent-
fernteren Gegenstände, z. B. die zugrunde liegenden Empfindungen
subordinierten Allgemeinbegritfe. So würden z. B. unter den empirischen
Umfang des BegriSs ,JdetaJI" nur diejenigen Melallarlen fallen, welche mir
irgendwie bekannt sind (direkt nachgewiesen oder erschlossen), wählend
zum logischen Umfang alle denkbaren Metalle gehören, die den Merkmalen
des B^riffs Metall genügen. Mit Riehl u. a. halle ich einen solchen er-
weiterten G^rauch des Worts „Umfang" für sehr unzweckmäßig, und zinr
fiowohl psychologisch — im Bereich der Vorstellungen — wie logisch — im
Bereich der Begrifle. Der ..empirische Umlang" Sigwarts ist konekt als
Belegung mit Arien bzw, niederen Gattungen zu bezeichnen (s, oben
S. 358).
") Ex handelt sich um die S. 330 u, 3<^r> erwähnten Blankostellw.
OgIC
2. Kapitel. Psychologische Gnincllegunfi. 361
oder Reize (Rediiktionsbestandleile, Dinge usn.) bezoEen. So sprechen wir
z. B. TOS den Terachieöenen Rosenarten, die unter die GaltungsvorstellunK
Rose fatlen, and meinen damit nicht die verschiedenen Ari v o r s t e I -
luDgen und ihre OatlungsvoTstelluDB, sondern die zugefafiriKen
~~ übrigens byothelischen — Dinge selbst.
Der Umfang als die Gesamtheit der — aktuellen und potentiellen —
koordinierten AllgemeinTorstellunsen irgendeiner tieferen Stute darf
nicht mit der Zahl der Stuten verwediselt werden»*), welche absteigend
zKiachen der AUgemetnvorstellung uod den ilir in letzter Linie subordinierten
IndividuaWorsteUungen liegen. Für wn lietrftgt die Zahl dieser Stufen n,
vjhrend der Umfang durch die auf einer und derselben subordi-
nierten Stufe vorhandenen, oben überall durch arabische Ziffern aus-
vedrOdtteu siüiardinierten Vorstellungen gegeben ist. Man kann diese Stufen-
^1 auch als die Höhe der AI [gemein Vorstellung bezeichnen, wahrend der
I mfang gleichsam seiner Breite entspricht Der Umfang der Allgemein-
'oTsteUnng „Tiere" (wn) ist z. B. gegeben durch die Gesamtheit der Tier-
alimnie oder Typen (wn— !), also Protozoen, Spongien, Coidarien, Würmer,
fitiederfüßer, Weichtiere, SUchelhauter. Manleltiere und Wirbeltiere (w,ii— 1,
w i»-l, . . ., Wg"— I) oder durch die Gesamtheit der Tierklaasen (wn— li), also
Bbizopoden, Flagellalen, Sporozoen, Ciliaten; Kalkschwämme, Kiesel-
sehwämme; Hydrozoen. Skvphozoen; Plattwürmer, Rundwürmer, Ringel-
wüimer usf.. oder durch die Gesamtheit aller Ordnungen oder aller Fami-
lien nsf. Dagegen ist die Höhe der Allgemein Vorstellung „Tiere" gegeben
dnicb die Stufen : Art, Galtung, Familie, Ordnung, Klasse, Typus. Das Bei-
spiel lehrt zugleich, dall die H » h e n z i f f e r , d. h. die Zahl der Stufen
scbr willkürlich ist, insofern die Einschiebung van Zwischenstufen (Varietäten,
l'nteigalliirtgen, L'nterfaraiÜen usf.) allenthalben freisteht und auch oft genug
tatSichlich vollzogen wird (vgl. § 69). Ebenso leuchtet ein, daS sowohl Um-
fang nie H3he für dieselbe Allgemeinvorslellung in ntanniglacher Weise an-
se^eben werden können, insofern die verschiedensten Geceralisationsprin-
zipien ;,Yom umgekehrten Standpunkt betrachtet: Einteilungsprinzipien) zu-
ruode gelegt werden können. Die verschiedenen Einteilungen der ebenen
Kurren in der analytischen Geometrie bieten ein einlaches Beispiel. Endlich
1(1 noch zu betonen, dafi die „Höhe" mit der Generalisationsspannung in
rin«in engen Zusammenhang steht, insofern jene mit dieser zunimmt und
«nigekehri. Ein absoluter zahlenroÄßiger Parallelismus besteht nicht, da bei
dem Fortschreiten von einer tieferen zu einer höheren General isationsstufe
Bit mehr als ein Merkmal eliminiert wird.
Eine schärfere Abgrenzung aller dieser Eigenschaften wird erst vom
speziellen Standpunkt der Logik in § 98 möglich sein, nachdem die Lehre
Ten der Definition erörtert worden ist.
fl 73. IdMBaaaosUliML lUpameian AUttvl. Bei den vorausgehenden
Erörterungen handelte es sich um die einzelnen Vorstellungen. Nunmehr
sehen wir zur Untersuchung der Aufeinanderfolge der Vorstellungen,
") Ebensowenig selbstverständlich mit der Spannung, die sich nicht auf
^ snbndiuierten Vontellungen, sondern auf die Teitvorstellungen (Merk-
nahotstelhmgen) bezieht. Über das Verhältnis von Spannung und Höhe
*elie untan.
„.,,„,^.oogic
362 "■ "'^'1- Krisen nloistheoretische usw. Giundlegunt; der Logik.
der Ideeaassoziation im pr^iumteo Sinne ') über. Die .\3sozi&üoa>-
psvchologie behauptet, daß diese Aufeinanderfolge notwendig nach bestinun-
len Gesetzen, den sog. ABsozialionsgesetzen. erfolgt. FrOber glaubte Jnan oH
mit einigea wenigen sehr einfachen Assozialionagesetaen auszukommen. So
glaubte man z. B. alle Assoziationen auf solche der Kontiguitat ( Gleich Eeilig-
keit bxw. zeitlichen Nachlurschaft) und solche der Ähnlichkeit zurOckführcn
XU können. Demgegenüber ergibt die expeiimenleüe Beobachtung ersleiis,
daS die Kontiguität (auch „assoziative Vernandtachaft" genannt) bei allen
AsBoaiationen eine wesentliche Rolle spielt, und daß die Ahnlictakeitsasso-
/iation sehr wahrscheinlich — abgesehen vom sog. Wiedererkennen — steis
auf KontiguitfitsassoKialion zurückgefüfut werden kann, und zweileOB, daB
aufier der KontiguiUt noch bestimmte andere Faktoren, nämlich der Ge-
fühlsloD, die Deutlichkeit und die bonstellatioD der latenten
VorstelluDsen, das Auftreten einer Vorstellung in der ideenassoziation geset/-
mASig bestimmen '). Nur aus dem Zusammenwirken dieser aehr variablen
Faktoren wird die enorme, scheinbar aller GesetzmflSigkeit spottende Uannit-
faltigkeit unsrer Vorstellungs reihen verstindlich.
Gegenüber dieser Lehre d«r Asdoziationapsychologie behaupten ihr«
Gegoer, vor allem die sog. Apperzeptionspsychologen, dafi irgendwie eine
nicht an die Assoziationseesetze gebundcue Auswahl unter den von der
Ideenaasoziulion dargebotenen Vorstellungen stattfindet. Diese Auswahl wird
bald einer sog. Apperzeption, bald dem Ich zugeschiieben. Solange die
Assoziationspsvchologie, wie dies früher stets geschah, nur daa Assoziations-
geaetz der Kontiguität und der ÄhnUcbkeit (und des iiontrastes) konnte, vtr
sie offenbar unfähig, die Mannigfaltigkeit des Denkens zu erklaren und daher
die Hvpotbese des Eingreifens einer Apperzeption bzw. einos Ich einiger
nafien berechtigt. Diese Berechtigung ist meines Erachtens wegRefalleo,
nachdem die Assoziationspsvchologie in ihrer neueren Gestaltung die ölten
angeflthiten andert-ii assoziativen Fakturen — Gefublsbetonung, Deutlichkeil
und naraentlidi Konstellation — neben der Konliguität herangezogen hat
und damit fähig geworden ist, die unendliche Variabilität der Ideenassoziation
aus den dergestalt erweiterten Assoziatioosgesctzen zu erklären. Die Hipo-
tbese eines eingreifenden Ichs bzw. einer eingreifenden Apperzeption endieint
mir daher heute mindestens entbehrlich. Ein näheres Eingeben auf die
ganze Streitfrage irt an dieser Stelle nicht erfordeiücb, da die Logik als
solche sich schließlich mit beiden Theorien abfinden kann.
Es ist tlbrigens kaum zu verkennen — trotz einer fast lieispiellosen
und zuneilen ebenso kritiklosen wie gehässigen Polemik gegen die Asso-
ziltionspsychologie — , daß gerade die besonnenen Vertreter der Apper-
aeptionspsychologie langsam der Assoziationspaychologie erhebliche Kon-
zessionen gemacht haben. Man wahrt im übrigen den Schein dee Siegs und
ermöglicht sich die Fortsetzung der .Angriffe oft nur dadurch, daB man die
AssoKiations Psychologie nur in ihrer älteren einseitigen Richtung (s. o.) be-
kämpft und ihr auflerdem allerlei leicht widerlegliare Ansichten — z. B. die
Meinung, daB sich aus den .Assoziation sgeselzen auch der Inhalt des Denkens,
') Im weiteren Sinn umfaBt die Ideenassoziation die Simultanasso-
ziatioB, wie sie bei der Synthese aller zusammenfesetzten Vorstellungen als
Produkt voriiegt, und die jetzt in Rede stehende Suksesnvaeaoziation.
-) Vgl. die ausführliche Daralellung in meinem L^lf. d. phys. PncboL,
10. Aull-, 1»U, S. 309 ff., und Eriienntnislheorie, Jena 1913, § 8811.
„.,,„,^.oogic
2. Kapitel, Psvcbologische Gniodlegung. 3g3
lue Art der Verknüpluns der Vorstellungen ua(. erklären lasse — in der
wiläürUchsten Weise unterschiebt. DemgegenQber sei nochm&ls betont, duB
die AaaosiktionsjiSTchalosie erstena über jene ältere Kictitung weit binaus'
gefuigen ist, und zweitens nur die Auleln&nd erfolge und Ene^e der Vor-
sfaliiUMen auf die Assoziation^eselze zurückführt') (vgl. auch § 70).
Die Ideenasaozialion tritt in zwei Formsn auf : als disparate
Ideenassozialion und al» Ur t eilsa sao z ia t i o n. Wenn jemand
in mir z. B. durch Zuruf die Vorstellung „Hoäe" weckt, und mir fällt „Früh-
ling" ein, so handelt es sich um eine digparate Assoziation. Wenn ich auf
deoselbeo i^uruf bin denke: „Die Rose blüht im Frühling", so Uegt eine Ur-
talsassoziation vor. Dort nur zeitliche Folge, hier auch eine gedankliche
VettnüpfuDg, die wir eben als Urteil bezeichaen. Symbolisch bezeichne
ich erstere durch eiu elufaches Komma, also Va , Vb bzw. a,b bzw. A,B
lyti. S. 318, Anm. 6), letzlere durch eine zwischen die Bucbstabeu-
zeichen gesetzte Klammer, also V»— ^—Vb bzw. a^—- b bzw. A— ^^B (vgL
S. 330 u. ^I). Dabei muS man sich hüten anzunehmen, daß zwischen
diesen beiden Formeu immer scbaif und sicher untejschieden werden kOnne.
Wenn ich ,Jlnse" — ,.iot" assoziiere, so ist es oft selbst der geschultesten
Selbstbeobachtung nicht müglicb, bestimmt festzustellen, ob bzw. wie weit
doch auch eine Urteilsvertnüpfung im Sinn des Satzes „die Rose ist rot"
mit aulgetreten ist. Jedenfalls ist in dem alltäglichen Denken die dispArate
(dacnaasoziation ein Ausnabmefall. Es kommt hinzu, daB fOr die bloUe
Sukzession zweier oder roehierer Vorstellungen eine Richtigkeil und
Falschheit überh au i)l' nicht in Frage kommt. Von einer solchen kann
nur bei der einzelnen Vorstellung und bei der Urteil sassoziation die Itede
sein, bei der ersteren noil Bezug auf die Frage, nie weil sie den Grundempfin-
dungen bzw. allgemein ihrem Gegenstand (vgl. § 60), bei der letzleren mit
Bezug auf die Frage, wie weit sie der Verknüpfung der Gegenstände ent'
bricht. Die bloBe Sukzession hat als solche weder einen Gegenstand, noch
erhebt sie den Anspruch, eine Verknüpfung der Gegenstände (oder gar ihre
Sukzession) wiederzugeben. Sie steht deshalb ganz auQer Bereich von
Richtigkeit und Falschheit. Daher bietet auch die disparate Ideenassozialion,
90 interessant sie für die PsTcholaKie als elementare, einfachere, ge-
KiEsermafien primitive Form der Ideenassoziation ist, doch für die Logik
kdn besonderes Interesse. Die psychologische Grundlegung der Logik kann
skh daher darauf beschranken, die Ergebnisse der Psychologie bezüglich der
l-'rt eilsa^^oziation heranzuziehen und zu verwerten.
Die Tatsache, daU die Ideenassoziation und insbesondere auch die
L'iteilsassoziation zuweilen auch an eine Empfindung anknüpfen kann und
Koacfa ein Urteil auch in einer VerknQpfung einer Vorstellung mit einer
BmpQQduog bestehen kann (sog. Empfindungsurteil), wird im g 76 bei der
Besprechung der Einteilung der Urt eilsa ssozialionen zur Sprache kommen.
I H. WttkutnUOn. Ffr<katofiMlu niwrtfctailrtlli. Die erste
F>l|e, -^Iche. von der Psychologie bezüglich der Urteilsassoziation oder das
Urteils') zu beantworten ist, geht dahin, welches das allgemeine psvcho'
>) Vgl. hierzu Gr. S. ISäff.; Coetling. gelehrte Anz., 1»14. Nr. 13, S. 766;
Lätt S. aKfl.
>) Beide Wörter werden im folgenden ganz synonym verwendet.
i,l^.OOglc
364 IL '''^''' ErkenntnisUieoretische usw. Gnmdlegimg der Logik.
logische Meriimal*) aller Urteile ist. Insbesondere handelt es sich dannm
das linterscbeidungsmerkmal des Urteils einerseits gegenüber einer isoUerten
VorstellUDE und andrerseits gegenQber der disparaten Ideenassosiatioa an-
zugeben. Man erinnere sich dabei der scholastischen Unterscheidunf
zwischen den complexa und incomplesa (s. S. 71), dem actus apprefaensims
und actus judicalivus (Occam).
Eine erste Reihe von Antworten auf diese Gnindtcage zieht die Be-
ziehung zur Richtigkeit und Falschheit in iisendeiner Weise
heran. So erkl&rt schon Aristoteles (vgl. auch S. 279), nur derjenige UfK
siii iaaiptct'Ttxie (d. h. eben eine äjiöf afait ^ Urteil), .ir ^ ro äl^iaur
i tfitvöm^i vnägjrii^ä. h. ,Jbei dem das Richtig- oder Falsch-
sein vorliegt (in Betracbtkomm t)" '). Indes ist diese Beslimmum
schon deshalb unzulfissig, weil sie die tatsächliche materiale Richtigkeit bzv.
Unrichtigkeit — die Adäquatheit bzw. Inad&quatheit (vgl. S. 2S4) — ab
Kriterium verwertet und diese gar kein rein psychologisches tf erkmal
ist. Aber auch wenn man an Stelle der materialen Richtigkeit bzvr. Un-
richtigkeit die lomiale setzt — die Konkrepanz bzw. Diskrepanz (S. 284) —
und damit direkt in die Logik übergreift, verfehlt man das Ziel: man hat
bei dieser Abänderung der aristotelischen Restimmung allerdings den psTcho-
losiscben Boden, wie sich später zeigen wird, nicht vollständig verlassen,
bleibt aber immer noch dem entscheidenden Einwand *) ausgesetzt, daB das
In-Betrachl -kommen von Richtigkeit und Falschheil sehi oft auch den
isolierten Vorstellungen zukommt (Richtigkeit eines Erinnerungsbildes mit
Bezug auf seine Grundempfindung, einer AUgemeinvorstellung mit Bezog
auf die zugehörigen Individualvorslellungen usf.; s, auch % 60). Das an-
gezogene Merkmal ist also nur gegenQber der disparaten Ideenassoziation
zutreffend und brauchbar *). Zudem drückt es offenbar keine selbstfindige
=) Als Merkmale eines psychologischen Gebildes (Gebildes im weitesten
Sinn) sind nicht etwa nur diejenigen zu betrachten, welche die unmittel-
bare einzelne Selbstbeobachtung ergibt, sondern auch diejenigen, welche
sich aus vergleichenden Selbstbeobachtungen, also nüttelbar ergeben. Wenn
es sich z. B. um die Merkmale der Empfindungsintensität handelt, so kann
ich bei unmittelbarer einzelner Selbstbrobachlung ihr wesentlichstes Merk-
mal, die Ubergangsmöglichkeit in Null, völlig übersehen, während ver-
gleichende Beobachtungen miir mittelbar seinen einwandfreien Nachweis ,
gestatten.
*) Akad. Ausg. 17 a. Vgl. auch 490 a. Ähnlich auch die Stoiker nach
Seit. Enwir., Adv. math. Vm, 12 (ed. Bekker, S. 291).
*) Einen weiteren bemerkenswerten Einwand erhebt Bolzano, Wissen-
scbaitslehre, Bd. 1, Leipzig 191i, S. 93.
') Offenbar hat übrigens Aristoteles die Abgrenzung des Urteils gegen
isolierte Vorstellungen bei der Aufstellung dieses UnterscheidungsmeAmals
gar nicht im Auge gehabt, sondern die Abgrenzung g^en manche Sfttie wie
Wunschsätze ('vj-jt), die er nicht zum Urteil rechnet, während sie nach
meiner Auffassung (vgl. auch S. it66, Anm. 7) wohl zu demselben zu
rechnen sind. So wird es auch ganz begreiflieb, daß Sexlus Empiricus an
einer anderen Sielte (vgl. oben Anm. 3) einmal von den Sfoikem sagt.
daß sie das In-Betrachl-kommen von Richtig- und Falschsein als Unter-
scheidungsmerkmal zwischen den ala^qni und raqrii, also nicht nur für die
Urteile, sondern für alles Gegebene aufstellen (Adv. math. VIH, 07). Auch
„.,',„,^.oogic
2. Kapitel. Psychologische Grundleeung. 3^5
EigcDSchaft, sondern nur eine relative aus; denn die materiale RichÜ^eil
iaw. Falschheit ergibt sieb eist bei dem Vergleich dea Urteils mit seinem
Gegenstand uDd die formale erst bei einer vergleiehenden Prüfung der im
Drteil Tertnapften Vorstellungen bzw. der zu dem Urteil führenden Denk-
Nicht viel günstiger sind dieienigen Antworten zu beurteilen, welche
in irgendeiner Form den Anspruch auf Richtigkeit, die Uber-
zeugnng (Uberzeugtheit, Oberieugungsbewufltaein) von der Richtigkeit, den
Anspruch auf GfllligkeU, das G eitu ngsbe w u S t se in (vgl.
S. 313) oder gar GeltungsEelOhl, das Anerkennen oder Verveden, die GewiS-
tieit usf. als das wesentliche Merkmal des Urteils herrorhdien (Geltungs-
tbeoiiea des Urteils) *). Es ist allerdings richtig, daB dieses GeltungsbewuBt-
die von Uarbe (Eip.-psych. Untersuchungen über das Urteil, Leipzig 1901>
S. 9) voreenonunene Umformung „Urteile = BewuBtseinsvorgftnge, auf welche
die Prftdikate richtig oder falsch eine sinngemäBe Anwendung finden", hilft
den oben angeführten U&ngeln nicht ab (vgl S. 279).
*) Schon die Stoiker (vgl. S. ü Ober «oyxaiäftais) standen auf einem
verwandten Standpunkt. Ahnlich spricht Cartesius von einer aasensio,
welche der Wille bei dem Urteil gewähren muB (Princip, philos. I, 3i), und
aucb die Spinozascbe Definition der voluntas als facultas affirroandi et
negancd (Eth. II, Prop. 4S Schol.) kann vielleicht in demselben Sinn gedeutet
werden, Humea Lehre vom belief (Treat. of huia nat. I, 3, 7) gehört gleich-
!alls biertier. In neuerer Zeit hat Überweg (Logüi, +, Aufl., g 67) das Urteil
Moiert als das ,3ewufltsein Olier die objektive Gültigkeit einer subjektiven
Tetbindting von Vorstellungen, welche verschiedene, aber zueinander gehörige
Formen haben . . .". Ebenso erklärt Chr. Sigwart, daB in jedem vollendeten Ur-
töl als solchem neben der Ineinssetzung verschiedener Vorstellungen zugleich
.,du BevnStsein der objektiven Gültigkeit dieser Ineinssetzung" liege (Logik,
Bd. I, g 14, S. 7T> 2. Aufl., S. 98). Eine klare FonnuUerung hat die ganze
Lehre erst bei Brentano gefunden, Psychologie t. empir. Standpunkt, Bd. i,
l^pzig 1874, S. 366 ff.; er faBt das „Anerkennen und Verwerfen" als das
iQr das Urteil charakteristische Elementarphänomen auf. Andere Vertreter
der Geltangs tbeorie sind: Jul. Bei^ntann, Ztschr. L Phitos. u. philos. Krit.,
18W, Bd. 107, S. 176 (178); v. Kries, Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos, 1899,
Bd. 23, S. 8£t.; Windelband, z. B. Prtludien, 4. AuD. Tübingen 1911, S. 29
SnrteilDng als Beifall oder Mißfallen); Störring, Arch. f. d. ges. Psychol.,
1908, Bd. 1*. S. 1 (Bewußtsein der Gültigkeit oder „Zustand der Sicherheil");
G. Heymans, Die Gesetze u. Elemente des wissensch. Denkens, 2. Aufl.
L«pzig 1906, S. 24 („als wahr setzen"); Lipps, Sitz.-Ber. d, philos.- philol. «.
i- bist. Kl. d. Kgl. Bayer. Ak. d. Wiss., Jahrg. 1905, München 1906, 5. SSS
(nimmt sogar ein Bewußtsein der allgemeinen Gültigkeit für jedes Urtäl
ui); Busserl, Log. Unters-, HaUe 1901, 3. Teil, S. 449 (Urteil „setzender"
Ropoiitjonaler Akt; daher sprechen die Logizisten von setzender Qualität,
tbetisehem Charakter usf.; s. auch Messer, Empfindung u. Denken, Leipzig
IWe, S. 1S9). Auch Jerusalems „Objektivienmg" gehört, unbeschadet seines
Gcfensatzes zu Brentano, zum Teil hierher (Urteilstunktion, Wien-Leipzig
1896, S. 83). Es ist leicht verstandlich, daß Brentano von seinem Standpunkt
^e UrteilssatzB auf Briste nzialsätze zurückführen wollte (i. c. S. 286, vgl.
^ni Meinoiu, Über Annabmen, Leipzig 190^ S. Uff). Dabei muBte er den
B^B der Existenz in unzweckm&fiiger Weise erweitem, so daß die Existenz-
OgIC
3ß6 n. Teil. Krifennlnistheoretische usw. Grundlegune der Loaik.
sein — 30 will ich diese Termioi zusammenfassen — meistens bei dem
Urteil deutlicher Ausgesprochen isl als bei einer einzelnen VotsteUung. Ifeii)
Erinnerangsbild einer gestrigen Besegniing rait Herrn M. taucht oft ohne >edes
tjeltuogsbewuBtsein auf; wenn ich letzteres habe und es ausdtfickeii will,
so gehe ich fast unwillkarlich zu dem Urteit über; ich bin gestern dem
Heim U. begegnet. Aber e» handelt sich hierbei doch immer nur um eioen
Hautekeitsunterscbied. Auch eine einzelne Vorstellung Iritt zuweilen nül
auegeptäxtem GellungsbewuBtsein auf, Z. 6. die Erinnerung an eine Obn-
standene Gefahr. Andrerseits gibt es Urteile, bei weicbeo das Geltums-
bewußlsein ganz zurQcktritt. Wollte man im letzteren Fall häiaapt«i, dafi
doch wenigstens immer ein Gel lungsbewu Bisein involviert werde, se
würde man erst recht die Grenze gegen die einzelne Voistdlung verwisefara;
denn ein solches Involvieren des Geltung^KwuStseins kommt dieser erst
recht oft zu. Es gibt endlich BOgar eine Klasse von Urteilen, deikea dai
GeltungsbenuBtsein gewissermaBen es definitiooe ganz fehlt. Heinong, der
sieb um die Eriorschung dieser „neutralen" Urteile besonders bemüht
hat, bezeichnet sie als „Annahmen" ^). So kann ich z. B. das UHeil
,^uf dem Mars wohnen Mensi^en" denken, erwägen, kritisieren usf., ohne
ihm zuzustimmen und ohne es abzulehnen, also ohne GeltungabewuBtsein im
positiven oder negativen Sinn (Anerkennung, Bichtigkeit9ät>erKeugung, Ver-
werfung usf.). Ich halte es — im Gegensatz zu Heinong ~ im HinUidc anl
die Verwertung in der Logik nicht fQr zweckmißig, diese „Annahmen" von
den Urteilen vollständig zu trennen. Die Bichtigkeits- bzw. Falschheits
Oberzeugung ist ein Zusatzphftnomen, welches bei den Urteilen je nach äan
Vorttandaisein entgegengesetzter AsMziationen von der absoluten VerwerfoM
durch alle Qrade des Zweifels hindurch bis zu der absoluten ZustimmuDE,
bezidning auch der isoUerten Vorstellung zukommt und also als Unler-
scheidungsmerkmal zwischen dieser und dem Urteil versagt. Brentano uod
Jerusalem eAlfiren daher auch schon die Wahrnehmung für ein Urteil Vgl
auch Stont, Torlr. auf d. i. Internat. Eongr. f. Fhilos. in Bologna 1911. De»
Geltunfslheorien steht auch Bradlcy (Principlea of log. 1888, S. 10) nahe, wenn
er das Urteil als den Akt auffaßt, der „refers an ideal content to a realilv
beyond the act". Allenthalben wird dabei dem Urteil eine etkenntnistbeore-
tische Bedeutung beigelegt, die es in unzähligen Fällen in keiner Weise hat.
Insofern die Anhänger der Geltungstheorie in dem Geltung^iewufltsein (Ab-
erkennen und Verwerien usw.) ein spezifisches Meitmal dps Urteils gefonden
zu haben glauben und seine UnznrOckfohrbari;eil auf andere psychische
Pbänoraene behaupten, kann man auch von einer ,4dioge netischen"
Urteilstheorie sprechen; dieser Name stanunt von Fr. Billebrand (Die neuen
Theorien d. kaUgor. Schlüsse, Wien IBH, S 16. 3. 27).
^) Namentlich: Ober Annahmen, Leipzig 19DS, 2. Aufl. ISIO (watne
Literatur S. 17^. Bolzano I. c. S. 1&5 bat die SondersUllirag dieser Sitze
bereits zulreBend hervorgehoben. Die Zng^&riifteit der Loge und d»
Wunsches zu den Annahmen ist von Ueinong besprochen woiden (I. c
S. töff. und 2&1K.), desgleichen die Beziehung zur Frage (S. MfL. siehe
unten S. äBi). Weitere Beiträge zur Ausgeslaltuns und Kritik der Lehre voi
den Annahmen haben namentlich geliefert: Lipps, Ztschr. f, Fsrchol., iW.
Bd. 31, S. 67; Marly, ebenda, 1906, Bd. «, S. 1 (Antwort Meinongs, ebenda
1S06. Bd. 41, S. 1); Russell. Mind lOU, N. S.. Bd. 1», S. 2U; Hnsserl, Idm
zu ein. rein. Phanom. usw., Halle 161», S. 23'(!f. (Neutialitäismodifikalion].
OgIC
2. Kapil«). PsycboloEische Cfrundl^rune. ft67
zwiicben der scbäristen StelluDgsnahmc und der vollständigen Neutnlit&t
schTuAt*). Irgendeme Strecke aus dieser Reihe herauSEuschneiden und
am Aem Bereich des Urteils ex definitione auscuachUeßen, empfiehlt sioli
Dicht. Damit ist aber vollende die Untaughchkeit des OeltungshewnBtwlii»
als eioes Kriteriums de» Urteils erwiesen. Das GeltungabewaBt-
sein kommt nur den bebauptenden Urteilen (Behaup-
tatiECD)*) zu and gebt andrerseits aucb manchen iso-
lierten Vorstellungen nicht ganz ab. Vgl. auch S. SSafL Ober
wiche Yorgftnge.
Hiebt zureicliend sind auch alle diejentgen Antworten auf die gestellt«
Grundfrage, welche ganz allgemeia leffigUch eine Verknapfimg oder Stb-
Ihese'*;, oder weiche eine Beziehung oder ein Verhiitnis als das
psTcbalogisefae Charakteristikum des Urteils aufstellen. GewiB ist bei iedsin
Crleil eine Synthese, Beziehung usf. beteiligt, aber eine solche kommt a\ich
jeder isolierieo, zusammengesetzten Vorstellung zu. Also versagt aucb dies
Krilerinm, wenn es auch gegenOber der dispamten Ideenassoziation zutrtBt.
doch eegenaber vieteB isolierten VorsteUunffen. Daher konnte sogar um-
Rkehrt Wundt mit etnem gewissen Bflcbt das Urteil als „eine Zerlegung einer
Oesamtvorsteliung in ihre Bestandteile" bzw. „eines Gedankens in seine
betrifflicben Bestandteile" definieren"). Das Urteil stellt oflenbar eine ganz
besoKdere Synthese dar, bei welcber auch die analTtiscfae Fanktion
iiiendwie beteiligt ist. Andrerseits ist es auch nicht lunlich, etwa mit V^Bsdt
lediglich die Analyse als charakteristisches Merkmal des Urteils aut-
zaslellen. Eine solche Analyse ko&vnt z. B. auch bei jedem Aufmerksamkeits-
akt tsr, wenn wir die AufmeAsanikeit auf eine TeilvoTstellung konzentrieren,
and loan dann ohne ^eden Urlellsakt auftreten.
Eine andere Antwort, weiche gleichfalls bis auf Aristoteles'-) zuroci-
EcU, erblickt ^as ChaTaktertstikum des Urteils in reinem AlternaliT-
charakter, d. b. in der Tatsache, daS es stets eine Beiabung oder
Verncinun g inTolvi«re^. Dies Merkmal erscheint in der Tat eilMMMi
') In paihologisdier Weise verwischt sich der Unterschied zwischen
Annahme und gewöhnlichem Urteil oft bei der sog. Pseudologia phanlastica.
*) Vgl. Erdmann, I.ogik, ß. Aufl., S. 371. Uan beachte auch, daß in
der iiti^vav des Aristoteles Urteil und behauptendes Urteil noch fast ganz
msammenflieBen (& Erdmann, 1. c. S. 366).
'*) Schon bei Aristoteles, Aftad. Ausg. 18b „9ir9**h it". Sigwart
spricht in seitter Logik von „IneinssetEung".
") Loa, 3. Aufl. Stuttgart 18%, Bd. 1, S. 156 (3. Aufl. 1900, S. 147).
H. Gomperz (Zur Psych, d. log. Gmndtals., Leipzig-Wien 1897J Abschn. S)
lirunt einen analytiscben Prozeß bei dem Sprecher, einen synthetischen bei
dffn Hörer an.
") Akad. Ausg. 17 a-. ,'E4it <ffi h «W"!^ «aiipin'WK ^Wf^ ei/pirrjati
m«) raS ytä^tf Tt q /iq M^;)*»»- , is «t j^'*«t A^^vtm" — Mill nocMe
ich nicht, wie Wundl dies tut (Lo^, 2. Aufl., S. IM), schlechthin m dsn
^'ntretem dieser Ansicht rechnen. Die von Wnndt zitierte Defimtion (1, 1, 2)
>>t doch wohl nur als vorlaut zu betrachten und wird splter (1, ö. 4) er-
iKUidi moffifiziert.
u) Ahofich attch Baumgorteo, Acroas. log., | 9tlB^ 2. Aufl. 177ß, S. 66:
'J^'i^ämi e«t repraesenfatio aliquonmi cooceptmim «t inter m vel coo-
'KDientiom vel mrafnanthun".
„.,,„,^.oogic
:J68 ^- ^^''- EikennlniaUieoretische usw. Gnmdlesung der Logik.
brauchbarer. Weder eine isolierte Vorstellung noch eine dispante Voistel-
lunfsreihe iDTolnert eine solche Beziehung zu Beiahuag-Vemeinung (vgl
S. 37ä). Und doch ist die Besonderheit der Urteilasynthese auch mit diesem
Meriuual nicht ausreichend bezeichnet. Es gibt Urteile, welche weder be-
iahend noch verneinend, sondern zwischen Bejahung und Verneinung geteüt
sind (Wahocheiahchkeilsurteile). Auch wird man die Fräse erheben mOssen,
ob nicht eine Charakteristik des Urteils unabhingig von seinen immanenten
Verschiedenheiten möglich ist ^<).
Man beachte wohl, daB die hier in Betracht kommende Beiahuns-Vei-
neinung von der oben (S. 365) bespiocheDen Anerkennung-Veiwerfuni
wesentlich verschieden ist. Die Beiahung-VemeiDung involviert keine Stel-
lungsnahme, »ie dies die Aneiltennung-Verwerhmg stets tut, Sie kommt
daher auch den Meinongschen Annahnten zu („der Uajs ist bewohnt
bzV. ist nicht bewohnt" im Sinn einer nicht von mir selbst aufgestellten,
sondern von mir nur z. B. zur Diskussion gestellten Behauptung anderer
Menschen).
Gegenüber diesen, wie mir scheint, unzureichenden Antworten scheint
mir die folgende der Lösung wesentlich näher zu kommen '^):
Das Urteil hat sowohl mit der isolierten zusammengesetzten") Vor-
stellung wie mit der disparaten Ideenassoziation manche Merkmale g«neiB
und unterscheidet sich andrerseits sowohl von dieser wie von jener durch
ganz bestimmte Meitmale und zwar von dieser dundi andere als von jener.
Die Antwort zerfUlt in zwei Teilantworten;
1. Unterscheidung des Urteils (der U rteilsassozia-
lion) von der isolierten zusammengesetzten Vorstel-
lung")- QiBiiBHB ist beiden die Zusammeogesetztbät (Hehrgliedric-
kttt) und die Beteiligung einer oder metu^rer Slaromfu nktionen (S. 3t4
bei der Enthebung; partiell gemeinsam ist beiden das Vorbanden-
sein einer festen Beziehung der Individualkoelfizienten der verfenQpften
Vorstellungen >■), insofern diese allen Urteilen, aber nur einem Teil der
zusammengesetzten Vorstellungen zukommt (siebe jedoch S. 369, Anm. 30).
Die Zusammen gesetzlheit (Mehrgliedrigkeit) ist zuweilen aus der Defi-
nition gestrichen worden. So hat namentlich Brentano seine oben (S. 36^
") Wundt, Logik, S. AufL, S. IM, wirft der in Rede stehenden Ldu«
sogar eine Diallele vor. Dieser Vorwurf scheint mir zu scharf. Es bandet
sich gar nicht um eine D^nition im gewöhnlichen Sinn, sondern um eine
Charakteristik eines Gattungsbegriffs, und für eine solche genOgt die Angabe
über die Anordnung der Arten innerhalb der Gattung (vgl. nteine EAenntnis-
Iheorie. 1913, S. 66).
") Vgl. Llf. S. BÜÜ.; Gr. S. IStlt.; Erkenntnisth-, 1913, S. 3378.;
DifL S. 1*9 B.
1«) Von der isolierten einfachen, d. h. unzusammengesetzten Vor-
stelhmt ist es schon durch die Zusammensetzung aus wenigstens zwei
Vorstetlnngen unterschieden.
'^ Das Attribut „zusammengesetzt" werde ich im folgenden zai Ab-
kOrzunf oft weglassen.
**) Der Anspruch auf Richtigkeit oder Geltung, den ich frOher (GnmdL
S. IST) als weiteres gemeinsames Merkmal angeführt habe, fUlt hier mt,-
da ich es jetzt fOr zweckmäBig halte, auch die „Anrkafamen" zu dm Urteilen
zu rechnen (/^ oben S 806).
2. Kapitel. Psycbologische Gnindleeune. ^@Q
imn. 0 erwlLbnte Lehre von der Aneifcetmiuig und Verwerfung im Vrteit
dktuii formuliert, daB das Wesen des Urteils au in diesec Aneriunnung bzw.
VsrwerfonK l>e9tehe und insbesondere die Uefargliedrigkeit nicht allen Urteilen
zakomme. Er und seine SchOter beriefen sich dabei namentlich auf die sog.
Eiistenzialsätze nie z. B. „Qott ist" und die sog. Impersonalien wie z. B.<
„es blitzt". Die Unhallbarkeit dieser I^hre wird>sich in % 113 ergeben.
Die Beteiligung der Stammfunktionen «n der Vorstel-
loDfsbilduns wurde in § 70 bereits besprochen, ihn Beteilisung bei der
EntsIehuDg des Urteils ergibt sich aus den kritischen Darlegungen dieses
ParagnijiheD. Bald spielt die analytische, bald die synthetische, bald dia
tomparatiTe Funktion die Hauptrolle bei der Urteilsbildung. So wird in dem
Ditol „der Schnee ist weiQ" die komplexe Vorsteilung Schnee zerlegt (Ana--
)Tm); in dem Urteil „diese drei Linien bilden ein Dreieck" werden drei
Vontellunsen zusammengefaBt (Synthese); in dem Urteil „das heutige Wettet;
ist günstiger als das gestrige" werden zwei Vorstellungen verglichen (Eom-
mratiDn). Meistens wirken mehrere Stamtnfunktionen bei def Bildung eine«
Urtdls zusammen.
Einer etwas eingehenderen Erläuterung bedarf das an letzter Stell«
(mannte Herkmal, die feste Beziehung der Individualkoetfi-
zienten. Ich verstehe unter den Individualkoeffizienten einer Vorstellung
die räumlich- zeitliche Bestimmtheit des Vorstellungsinhalts (vgl. S. 318).
Wenn ich nun die isolierte Vorstellung einer Rose bilde, so stehen die Indi-
ndualkoeffizienten der zugehörigen Teilvorstellungen — Farbe, Duft usf. —
in einer festen Beziehung. Ich stelle mir die Farbe, den Duft usf. nicht als
in verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten befindlich, sondern als
an demselben Ort und zu derselben Zeit befindlich vor. Die „feste B&<
äehun^' ist eine teilweise oder vollständige Deckung. Wir können dafOe
auch mit gewissen Vorbehalten geradezu sagen: wir beziehen alle Tril-
TOTsWungen auf denselben „Gegenstand" (vgl. S. 365, 3961.). Es gOt
dies, wie leicht zu erweisen ist, sowohl ftlr viele rein synthetisch gebildete
VorsteDuDgen (symbolisch: AB gebildet aus A und B) >*) wie fOr viele rein
analytisch gebildete (symbolisch: A entstanden aus AB oder AB—^-A) wia
A
tor Tide Kia komparativ gebildete (symbolisch-. A B angeknöpft an AundB)
wie endlich auch für die zahllosen Vorstellungen, bei deren Entstehung
mehiere Grundlunktionen beteiligt sind. Keineswegs aber kommt dies Meik-
m&l allen zusammengesetzten isolierten Vorstellungen zu. Bei Vorstel-
lungen wie „Hobenstaufengeschlechl", „Erustazeen" usf. fehlt wenigstens
xbeinbar die feste Beziehung der Individualkoeffizienten der einzelnen
Glieder»*). Sie ist entweder durch Abstraktion verloren gegangen, oder die
SnUiese ist dank ihrer IrOber (S. 303, Anm. S) besprochenen „Über den Tat-
bestand hinausgehenden" Wirksamkeit überhaupt ohne feste Beziehunel der
IndrridualkoefBzienten erfolgt
»•) Vgl. über die Symbole S. 318, 39«, äSB.
^ Dabei ist Obrigens sehr zu beachten, daft selbst in ^esea PUlen
die — partielle oder vollständige — Deckung der Individualkoeffiäentea
um IdiH, wenn man lediglich die Beziehung auf die zugehörigen Glieder
der loHAtiv- bzw. Allgemeinvoratellung. also die fundierenden Individual-
mrsteQungen in Betracht zieht, dagegen stets vorhanden ist, wenn joaa,
Zi*hsD, Lthrbucli dnLa^ 34
„ ,„,^.oogic
j;70 "' '^''^- EricsnntnisUieorelische usw. Gnindlegung der Logik.
B«i den Urteilen find^ sich dieselbe feste Beziehung dar IndiriteJ-
koeffizienten wie bei den eraterwJUmten isolierten Vorstellunsen, iedoch raeU
nur bei vielen Urteilen, sondern bei aOai. Wenn ich das Urteil f&lle: Jiat
R«ee ist rot" (allgemein Ac=B oder A— -ß), so stelle ich wti nicht die
„Roee" und das „rot" an verachiedenen Orten und zu verschiedenen ZötMi
beiindlich vor. wndem beides an demselben Ort und m derselbe« Zeit.
Auch hier lieft also eine fest« Beziehung im Sinn einer teilweisen oder tdH-
ständigea Deckung für die im Urteil vericnOpfleD Vorstellungen vor"). Der
eiulachste sprachliche Ausdruck für diese Deckung ist die £opula. In
raaacbeii Sprachen wird sie Oberhaupt nicht ausgedrückt (vgL „Triumf
Schäume"). An andrer Stelle habe ich gezeigt, daß diese lOr das Urteil chi-
rakteristische feste Beziehung — teilweise oder voUalindige Deckung — der
Itidividualkoeffizienten auch for solche FUlle zutrifft, in welchen sie bei obe^
Ilächlicher Betrachtuns zu fehlen scheint. Ich erw&hae hier beitpielsweiae
nur zwei Fülle. Zunichsl die allgemeinen Urteile wie „alle BIfttter sied
grOn"! Hier scheint es, als ob ia Anbetracht dar Allgemeinheit des
Subjekts Individualkoeffizienten, d. h. räumliche und zeitlicbe BesÜmmUittleii
Dberhauut ganz fehlten. Und doch bleibt das angegebene Merkmal auch iOr
diese AUgemeinurieile süllig. Allerdings kann hier nicht von einer Deckunt
bestimmter- Individualkoeffizienten die Rede sein, wohl aber von der
Deckung unbestimmt gelassener Individualkoetfi tienten (etwa vergleichbar des
PaiMoetern der mathematischen GleichungasymboUk, z. B. in S, — kS,,=0).
Wenn wir uns allgemein ein Blatt vorstellen (,Me Blttter"), so lassen wir
unbestimmt, wo und wann es ' wächst, stellen uns aber doch vor, da£ es
ijrgendwo" und siisendwann" w&cfast. Wir schreiben ihm riumlicb-zeüUcbe
BeEtimmtheit zu, lassen nur den Wert derselben bei unsrer Ubeiiegunf un-
liestimmt. Wenn wir urteilen: „alle Blätter sind grün", ao denken wir
4Bbei, daB sich dies „irgendwo" und ,äTgendwann" für ,31att" und „hüd"
ganz oder talweise deckt. Ebensowenig kOimen Urteile, in denen an Sldle
der Kopula ein anderes Zeitwort steht, gegen die AllgemQDgQlUgkeit des
Satzes von der Deckung der Individualkoeffizienten angeführt weiden. Wenn
ich urteile: „der Jäger verfolgt den Hirsch", so decken sich allerdings die
Individualkoeffizienten des Jägers und des Hirsches nicht, aber der Vufleidi
der Individualkoeffizienten bezieht sich auch gar nicht auf Jäger und Hiiscb,
sondern auf Jfifer und die san^e I^ldükatsrorstellQUg, d. b. die VeiMgunt
des Hirschs. Für diese VetMfmg aber nnd den Jlger trifft offenbar üe
Deckuoe der individualkoeffiaenten sanz ebeosa zv wie für diese Rose und
rot in dem Urteil „diese Rose ist rat".
Partiell ist die Decfamg der Individualkoeffizienten im Urteil sehr oH
Insofern, als ilim ^iiiiliiliiiwiiiiiii iiii li Im Iiiilii iiluilliiii fdi ii iili ii ili i TiHilitnlo
vorsteHuns grfiBer ist als daqeaige der SubieUsvorstellung : wo und wann
Schnee, da und dann weiß, aber nicht: wo und wann weiB, da und dann Schnee.
Sehr kurzaichtig ist der Einwand, der gelegentlich erturf)6n wirf: i»
jedem Urteil liege doch auch eine logisch-inhaltliche Veiteflirfuns vor.
Selbstverständlich liegt eine solcbe sehr oft vor, sie kann aber bei den
wie dies richlig ist, die zugeMrigen Teilvoistalluageo (semeinsame Heik-
BMk der EmsUaeen) ins Auge fafit. VgL S. 8« Ober ZusammrägevetzUmL
") Siehe namentlich DUff. S. IfiO ff. Bei VorateUungen, welcbe kanen
rMnlichen IndividualkoefCzienten haben, kommt nur der zeiUiche für die
nackung in Betracht.
3. Kapitel. Psychologische Grundlegung. 371
Urteil (int psychologiachen Sinn) auch vöUig fehlen und ist öaliitr
scher Hicht das charakteristische Uerkinal des psvchologiacheD Urteils Ober-
haupt. Als Beisinel nehme man etva du Urteil ; hier stdit ein Tisch usf.**).
Die Detdning der IndividuaUweffisienten, die aoBacb neben der Be-
lalitnmg der Stammfunktionen für dos Urteil wesentlich ist, wird von dem
Urteilenden imt Hilfe der komparativen Funktion festgestellt. Diese ist alao
in zweifBcber Weise bei dem Urtül boteiligt, erstens bei jedem Urteil, in-
*iem sie die Deckung der Individualkoeffizienten feststellt, und zutitens
«deidem bei vielen Urteilen, insofern sie sonstige M«Amale der im Urteil
wknOpHen VoratelluDgen vergleicht (a. S. 369 u. 388). Wenn hier und
weiterhin von Deckung schlechthin die Rede ist, ist
stets diese vermöge der Vergleichungsfunktion ge-
dachte Deckung gemeint.
£in gemeinsames relatives Merkmal der Urteile uod vieler isolierter
zaaumnengeseizter Vorstellungen ist die EigentOmlicbkeit. richtig oder falsch
n sein. Fäläcblicti bat man sie den isolierten zusammengesetzten Vorstel-
hinjen zuweilen generell at«esptochea (vgl. S. 3&lff.).
Gesenüber allen diesen gemeinsamen bzw. partiell gemeinsamen Herk-
maleii sind folgende durchgängige Ualtncbaidaats merk male
ntischen Urteil und isolierler Vorstellung nachzuweisen: der Sukzes-
sivcharakter des Urteils im Gegensatz zum S i m u I ( a n Charakter der
iulieiten Vorstellung und der hiermit zusammenhänge ode (^larakler des
Ablaufens bei dem Urteil im Gegensatz zu dem Abgelaufensein
^er VorstelluDB *').
Auch diese Unterscheidungsmerkmale bedürfen noch einiger Etl&ute-
nuig. Der Sukzessivcharakter des Urteils ist für die Worivorstel-
insgen bzw. SprechinDervationen, in welchen das Urteil ausgedrückt wir^
ODzieUelhaft, dagegen könnte er ftlr die Obiektvorsleltungen fraglich er-
scheinen. In der Tat besieht zwischen den Obiektvotstellungen und dem
^>rachlichen Ausdruck keineswegs ein absoluter Parallelismus (vgl. Grundl.
S- 1S1). Indes geben uns sorgf<ige experimentelle Sell)3(beot)achtnngen
usreicbende Gew&br, daB wirklich auch die Objekt Vorstellungen im Urteil
Kienat sukzessiv auftreten. Die sprachliche Formulierung spiegelt diese
**) Wenn Jerusalem (L c. S. S3C) u. a. behaupten, daB in einem Urteil
«ie „der Baum Müht" der Baum aus der Vorstellung des Urteilenden „harwis-
tMtdä und so lAjektiviert" werde (s. euch oben S. B65, Anm. 6), so kann
tA äne sok^ Obje^viening generell nur insoweit anerkoiaeD, als unter
dnselhen die erörterte Beziehung der Individualkoeffizienten verstanden
wird, die nur sehr miBverständlich als eine Vergegenständlichung bezeichnet
Verden kann (vgl. S. 322 u. andrerseits g lOS). Auch die von Erdmann
(L c S. IM, 387, 2SB ff.) besonders betonte logische Immaneni: der Hcvk-
loBle in dem als Inhalt gefaBten Gegenstand reduziert sich psrckolscisch
uf £e Besiehung dar Individualkoeffizienten, soweit es sich um ein all-
lemeines Merkmal der Urteile handelt.
**) Vgl. auch Busserl tiber den Unterschied zwischen nominalen und
ivopOBtionalen Akten („der vorObergebende Postbote" und „der Postbote geht
*n1lbei"). Log. Vntera, Teil 2. Halle 1901, S. 4S6f. u. 446 ff., 2. Aufl. S. «6
^ 477 K. SimtchBdi deckt sich mit diesem Unterschied tmgefibr derjenige
i^st^en Attijbtit (inkl. Apposition) und Prädikat. Siehe awdi Berth. Dsl-
^"iA, Qrundfirasen d. ^trachf. usw., StnBb. 1901, S. 146.
24"
372 ^' "^^^^ BAenntnistheoretisdie usw. Grondleguns der Logik.
Sukzession in verzerrter und ObertreibendeT Weise wieder, biingt sie aber
nkht etwa erst hervor. Aus d«m Sukzessivcharakter des Urteils ergibt äcb
nun auch weiter der dem Urteil Kukonuneiide Charakter des Ablaufeni.
Im Urteil A^^~-B spielt sich an den Vorstellungen A und B an Pro-
zeß und zwar eine Tätigkeit dsr Differeozierungafunktionen a b. Man kano
geradezu sagen: dos Urteil ist dieser ProzeB, ist diese TäliäieiL Anders bd
der isolierten Vorstellung. Wenn diese reproduziert wird, ist der ProteA, die
Tätiskeit der DiBerenzieruagslunktionen schon abgelaufen und abgeschlossen.
Die Vorstellung ist ein fertiges Ergebnis dersVergangenbelL GewiB ist ihre
Beproduktion auch ein Hergang, aber durcn diesen Heigang entsteht die
Vorstellung nicht erst, sondern eine früher gebildete Vorstellung wird nor
geweckt. Die Individualkoefflzienleu werden bei dem Urteil veifüdieii
und zur Deckung gebracht, bei der isolierten Vorstellung decken sie sich'*).
Auch der vielfach betonte und S. 367 bereits erwähnte Alternativ-
charakter des Urteils hängt mit dem Sukzessivcharakter zusamronL Es
ist in der Tat für das Urleil sehr charakleristiach, daB es die AlteroatiTe
zwischen Verneinung und Bejahung zul&ßt (bzw. einen Obergang nrischeo
beiden). Nunmehr ist dies, wenn das Urteil ein ProzeS ist, ohne weiteres ver-
ständlich. Ein ProzeB kann in einem bestimmten Sinn oder im entgegen-
gesetzlen ablauten. Bei der Vorstellung als dem Produkt eines Prozesses ist
die Alternative schon erledigt und kommt daher nicht mehr in Frage.
Aus dieser Erörterung ergibt sich zugleich, daß die beiden angegebeoen
Unterscheidungsmerkmale nur für das Urteil, insofern wir es i e t z t b i 1 d e d,
und für die Vorstellung nur, insofern wir sie froher bereits gelnidet
haben und jetzt reproduzieren, zutriSt. Reproduzieren wir
ein frtlher gebildetes Urteil, ohne den Bildungspro zeB zu wiederholen, so
unterscheidet sich eine solche Beproduktion oft nicht wesentlich von «n«r
zusammengesetzten Vorstellung (wofern Oberhaupt noch ObjektvorsteUungeB
aultreten}. Besonders deutUi^ trilt dies bei solchen Urteilen hervor, welche
dem einfachen Akt einer Grundfunktion, insbesondere einem soldien der
Veigleichungsfunktion (vgl. S '70) entsprechen. Wenn ich geurteilt habe:
„Gelb und Orange sind Ohnticb", so kann ich dies Urteil seinem Ergebnis
nach in der isolierten Vorstellung von der „Ähnlichkeit des Gelb
und des Orange" reproduzieren. Die beiden Genitive weisen noch
auf das Urteil bin. Das reproduzierte Urteil fallt fast mit der isolierten
Vorstelluns zusammen. Die Psychologie weist allerdings noch bestimmle
feinere Unterschiede nach. Ganz analog nähert sich der B i 1 d u n g s prozeB
einer Vorstellung sehr einem Urteil Weim ich aus der zuaammeugesetrteB
Vorstellung „Vogel" (AB) zum ersten Male durch Analyse die Tor-
stellung „Schnabel" (A) isoliei« oder aus den Vorstellungen „Beete" (A) und
,3aume" (B) zum ersten Haie die Vorstellung „Garten" (AB) durch
Synthese zusammensetze oder endlich an die Vorstellungen zweier Töne
(A und B) zum ersten Mal« durch Komparation die Vorstellung ihn*
Intervalls (A B) anknflpfe *°), so versagen die beiden oben angefühlten
Unterscheidungsmerkmale. Der Vorstellungs b i 1 d u n g kommt ideichMs
^*) Natürlich nur, soweit übeAaupt Deckupg in Betracht kotomt (v^.
S. 369). — ») Das von mir Grundl. S. 186 gewählte Beispiel fOr die Kompi'
ration ist nicht so eindeutig.
8. Kapitel. Paycbologische Grundlegung. 373
SutzessioD und Ablanien zu. Wir drQcken daher die Vorstellunssbilduns in
solcbea F&Uen audi meistens solort duich ein Urteil aus, z. B. „der Vogel
lut einen Schnabel", ,feete und BAume bilden einen Garten", ,fi. und g
stehen zneinander im Intervall der Quint". Diese „introduzierendan"
L'rtdle, vie ich sie kurz nennen will, unterscheiden sich von den gewöhn-
lichen Urteilen nur dadurch, daB sie nicht nur schon gebildete Voirstellungen
(nlhsHen, sondern aus schon gebildeten Vorstellungen zugleich mit dem
Fillen des Urteils eine ganz neue Vorstellung gebildet wird. Das intniduzie-
nnde Urteil dient geradeni als Ausdruck der Voratellungsbildung. Gegenüber
den sonstigen Urteilen erscheint es gleichsam als rudimentär. Nur
iasofem besteht auch zwischen dem iniroduzierenden Urteil und der Voi-
siellongsbildunc doch noch ein Unterschied, als im ersteren die Tatsache dec
Keubüdung lonnell gar nicht zum Ausdruck kommt: Die neugebildete ^tro-
duzierte" Vorstellung des Schnabels, des Gartens, des latervalls usL wird so
behandelt, a 1 s o b sie eine schon gebildete, abgeschlossene Vorstellung wtre.
Daher kaun im iotroduzierenden Urteil die Sukzession der Vorstellungen
nachträglich auch umgekehrt werden. Indem ich voraussetze, daß die neu-
Rbildete Vorstellung der Quint schon vorliegt, kann ich dem Urteil auch die
Form geben „die Quint ist das Intervall zwischen c und g" usl., w&hrend bei
dei Vorstell ungsbildung eine solche Umkehrung ausgeschlossen ist ^*). Der
Charakter der Sukzession ist also doch nicht ganz derselbe. Immerhin kann
man wohl sagen, daS hier Vorstellen und Urteilen noch nicht völlig differen-
ziert sind, und dsB sonach hier beide in einer gemeinschaftlichen Wurzel zu-
Der eben entwickdten Auflassung steht die Koinzidenztbeoiie
fegaiober, welche ein vollst&ndiges Zusammenfallen von Urteil und Vor-
stellung behauptet (bald nur von psychologischem, bald nur von logischem
Standpunkt, bald von beiden Standpunkten ans). Besonders klar ist üe von
Teichmüller vertreten worden^ (Neue Grundleg. d. Psychol. u. Logik,
Breslau 1S8B, S. 36 ff.). Mir scheint aber, daB sein Hauptargument dmch die
oben gegd)enen Erörterungen, namentlich durch die Unterscheidung zwischen
^un in Bildung begriffenen und dem schon gebildeten, reproduzierten Urteil
hinfällig wird. Hart»e (L c.) glaubte sogar experimentell nachweisen zu
kfinnen, dafi es keine psTchologiscben Bedingungen gebe, welche die Erleb-
Disss zu Urteilen gestalten. Ich halte das von ihm beigebrachte Material
für nicht ausreichend, um diesen Schlufi zu gestatten, und bin oberdies bei
«ifenen expenmentellen Untersuchungen zu entgegengesetzten Resultaten ge-
langt Insbesondere ist bei den Versuchen auch den S. 3&i u. 36i, Anm. 2
hervorgehobenen Bedenken nicht genOgend Rechnung getragen.
Wenn man wie Uarbe den Satz aufstellt: „Alle Erlebnisse kennen zu
Urteilen «erden, wenn sie nach der Absicht des Eriehenden entweder direkt
«der in ihren Bedeutungen mit anderen Gegenständen Übereinstimmen sollen"
0- c. S. &S), so I&Ut auch die einfache Beproduklion dnes Erinnerungsbildes
Ahr oft unter den Begrifi des Urteils; damit wird aber eine wissenschaftlich
'*) Hau vergleiche hierzu z. B. die zum Teil analogen Auseinander-
sctmngen Herbarts über die „einseitige" und die „racklaufeode" Verbindung
nreier Begrifle im Urteü (Lehrb. z. Einl. in d. Philos., § E3 u. 50).
") Auch die Auffassung H. Maiers gehört hierher. Er meint, daB man,
«eui man Begrifle wie Mensch, Schnee usf. wirklich vorstellt, ein „elemen-
liins BegriSsurteil" vollzieht (Psych, d. emot. Denkens, TObingen 190S, S. 180).
1,1^. OQi
B'c
374 ^ '''^''- ErfccnntnisUieoreÜache usw. Gnindlessiv der Logik.
werti*(i4)e Abgrenzung ohne zwingenden Gnind und im Widerspruch mit dem
wiB«eDKbaftlichen Spradigebrauch verwischt (vgL S. 363 R.).
' AusdrOcktieh sei auch noch bemerkt. daB ein besonder«r Fall dann vor-
liegt, wenn wir ein Utleil weder selbst bilden, noch ein fiQhet s^Hldetes
reproduzieren, sondern ein von einem Andeien Erebildetes, fQr ans neues
Urteil boren und verstehen. Offenbar beginnt tiier der ProzeB imt dner
Synthese der sukEeKsir und zunächst isolieit uns zugehenden Vorstellungen
(vgl. S. 367, Anm. 10) und ist in der Beget als „Annahme" zu bezeichnen.
2. UnlerscbeiduDsdes Urteils (der Urteilsassoziation) tod
der disparalen Ideenasaoziation. Diese Unterscheidung bietet
prinzipiell keine Schwierigkeit, wenn auch piaktisch manniglache ObetAnge
vorkommen (vgl. S. 3K). Der Urteilsassoziation A~— ß und der disptun-
teo Assoziation A,B ist der Subzessivcbarakter gemein, atwr entere
unterscheidet sieb von der letzteren durch das Eingreifen der Diffeien-
zienings funkt Jonen, insbesondere der Vergldchungsfunktion, wodurch
zwischen A und B eine Beziehung (Zusammenhang, Verknüpfung) hergestellt
wird, und zwar insbesondere durch die oben ausfobrlich erörterte, von der
Vergieichungsfunktion abtiKngige, teilweise oder vollständige Deckung der
IndivtdualkoefGzienlen**) (gl. g. 3gg). Bei der disparaten VorstellunR^olge
„Rose ... rot" verknüpft keine der drei DiHerenzierungsJunktionen die Vor-
sfelluneen „Rose" und „rot", und insbesondere steht es mir frei, die Hose
als an einem Ort und zu einer Zeit und das Rot als an einem anderen Ort
und zu einer anderen Zeit befindlich zu denken; bei dem Uileil „die Rose
iat rot" werden die Vorstellungen ,.IIose" und ,^t" durch die DUIerenzie-
rungsfunktionen miteinander verbunden, indem das „rot" auf „Rose" irgend-
wie bezogen wird, und insbesondere «erden „Rose" und „rot" als an dem-
selben Ort und zu derselben Zeit befindlich gedacht Noch bestinunter kann
man sagen, daB in jedem Urteil speziell die Ve rgle ichungsfunktioa
itirksam ist, bald nur, insofern die Gleichheit der r¨ich-zeitlichen Ihdi-
vidualkoeffizienten au^esproctaen wird, bald indem auch außerdem
ein Herkmalvergleich zwischen Subjekt und Fr&dikat Eingestellt wird")
(s. auch unten § 76), und daB auQerdem die ajislytische und die sio-
thetische Funktion in wechselndem ilaSe nütwirken.
Mit dem soeben erörterten Unterscheidungsmerkmal hängt auch der
Mangel an Gliederung tmd AbschluB bei der disparaten Ideenassoziation
zusammen; es fehlt gewlssermaBen jede Interpunktion, und es ist der Willkür
überlassen, wo ich die dispatate Vorstellungsreihe abteile oder aUirec^e").
") leb setze also diese Koeffizienteudeckung an Stelle der, wie nur
scheint, sehr unklaren „iCusanunengehörigkeit", welche noch immer in der
Charakteristik bzw. Definition des Urteils eine Rolle spielt (vgl. z. B. Lask,
Die Lehre vom UrteU, Tübingen 1912, S. 30).
'») Diff. S. 148 ff. Man hat seibstveratSndbch zu unterscheiden zwi-
schen der tatsächlichen f3ber«instimmung der Individuallcoeffizienlfn von
Subjekt und Prädikat und dem Denken (Erkennen) dieser fjbereinstimmung.
Unter „Deckung"' soll immer letzteres verstanden werden. Vgl. S. 371,
'") Vgl. Jerusalem, I. c. S. 79, Daher auch die Definition des Satzes
bei Dionysios Thras: üyor Ü iati niC^t jt xii t/4fthQ»c USitK «crtftra
Jiär«uir aiioiil^ i^Xnäua {Tigyii ygafiftaitx^, ed. Bekker, Anecd. Graeca,
Bd. 2, Berol. 1816, 5. eß4c, § lä; s. auch Schol. S, 8t0). Das UrteU ist eben
im Gegensatz zur disparaten Ideenassoziation ein abgeschlossenes
Gebilde.
i>, Google
2. Kapitel. Psychologische Gnindlegung. ^75
SeUieBlich kommt zu den eben aulsezähltea UnlerscheidiinKsmerknialeii
iwh ein sehr wichtiges, aber nur relatives und auch nicht rein psycho-
Itfbchea hinzu, welches schon S. 3€B u. 871 hervonreboben wurde; nur für
& l'rtnlsassoziation kommt Richtigkeil und Falschheit in Betracht, tat die
Üapuate Ideenassoziation hingegen nicht.
Zusammenfassend können wir bezüglich der charakteristischen Rolle
te Differenzierungstunktionen bei dem Urteilen folgendes sagen: Bei vielen
UitHlcD sind alle drei Differenz ieningsfunktionen beteiligt: die synthetische,
insofern sie die Verbindung der Urteilsvorstellungen beratellt und — wenn
Mitere zuummengesetirt sind — auch die innerhalb der Urieilsvorstet-
InigeD verboodeneD Teilvoratellungen zusammenhält, die analytische, in-
xtaa sie die Zerlegung der Subiektsyorsteltung zum Behuf der Gewinnung
der Pridikatsvorslellung ausfahrt, die komparative, insofern sie dem Koeffi-
äentm- und eventuell auch dem Merkmal vergleich zugrunde liegt Charak-
teristisch ist für das Urteilen weder die Synthese allein (Sigwartsche Ansicbl)
Mch die .^alyse allein (Wundtsche Ansicht), sondern die ^enartiee Kom-
bination von Synthese und Analyse mit Komparation speziell der
iDdrridnalkoeffizienten. Und auch diese Charakteristik wird zur linter-
xbadung des Urteils als Prozesses (Urtdlsbildung) von der zusanmen-
■ lesettten Vorstellung erst dann ausreichend, venn wir noch hinzufügen, daB
die drei DiUerenzierungsfunktionen bei dem Urteilen in Tätigkeil sind („ab-
taufm"), während bei der isolierten zusammengesetzten Vorstellung das
Produkt ihrer (schon ^,abgelaufenen") TAtigkeit vorliegt.
Die Qesamtheit der von den Difierenziei'ungsfunktioncn gelei^l^ten
Tldgkeit soll auch kurz als DitdatenkliaB bezeichnet werden. Diese ist
»iso für das Urteil charakteristisch. Ihr Ergebnis ist die Urteil s»«dB*pla»i.
We wettere Terminologie des Urteils wird, da sie sich vorzugsweise auf
ii»s Urteil im logischen Sinn bezieht, erst in § 106 benprochen werden.
f n. ilniMiini KJtMMfcaÜM im% VxMa, HMtandM* b^am lahtlla
Hd Hwläliiiiihal^amii i«a IhMk, Analog wie bei den Voi Stellungen
(vgl. g 72, S. 3M} kann man auch bei den Urteilen bestimmte Eigen-
ichafleni) unterscheiden, nämlich Inhalt. Dauer, Gefablston
ond Energie. Von diesen bietet die Dauer kein logisches, sondern nur
psychologisches Interesse. Dasselbe gilt auch von der Energie des
iJrteils, die Übrigens im wesentlichen direkt von der Energie und der assozia-
tiven Verwandtschaft der im Urteil verknüpften Vorstellungen abhängt.
Hancbe pathologische Zwangsgedanken (Zwan^surteile) vfranschaulichen das
Qiaiaktens tische dieser Urteilsenergie in ausgezeichneter Weise. Der Li e -
fühlston der Urteile wird in § 76 ausfilhrliclier besprochen werden.
Das Hauptinteresse der Logik konzentriert sich aul den Urteils 1 n h a 1 1
Dieser Urteilsinhalt ist nichts anderes als die Gesamtheit der in dem Urteil
enthaltenen Vorstellungen mitsamt ihrer durch die Differenzierungsfunktionen
bzw. Urieilsfunktion (vgl. § 74 Schluß) hergestellten Verknöffung.
Wie von einem VorslellungsgeEen stand (rel. S. SCö u. 355), kann man
»och von einem Urteils gegenständ sprechen. Dieser ist wiederum nicht
*t*a mit dem Urteilsinhalt identisch, also nicht etwa eine Eigenschaft
^ Utteils. sondern deckt sich schlechthin mit den Vorstellungen bzvr.
Enmflndungen, «eiche im Urteil verknüpft worden sind, und auf welche sich
') Das Wort „Eigenscbait" wird hier im weitesten Sinne gebraucht.
,^.oogic
37() 1. Teil. ErkenntnistheoKÜschc usn*. GrundieKUDK der Lcgtk.
daher das Urteil bezieht, und im letzten Regiefi also auch mit den etwaigen
Reduktionsbestandteilen, die wir fQr die bez. Empfindungen und Vorstel-
lungen annetunen. Daa Urteil gibt die Verhältnisse seines GcgenstandM,
also der bez. Empfindunsen, Vorstellungen und Reduictionsbestandteile in
ireendeiner Webe, bald falsch, bald richtig wieder. Die Urteilsbeziehuiigni
existieren nur in unserem Denken, die Gegenstände haben die Verbaltniase,
auf welche sich jene gründen. Vgl. auch % 109. Aufier unseren Urtälen
nnd den Gegenständen derselben (einschliefiücli der Verbältnisse dieser
Gegenstände) gibt es nicht noch etwas Drittes ira Sinn der Logizisten (etm
wie die ,^tze an sieb" von Bolzano, vgl. S. 174). Allerdings verwandelt die
Logik, wie ia dem Si)ezialabschnitt gezeigt werden wird, die individuellen
Urteilsakte durch ein idealisierendes Verfahren in „Nornialurteile" (nach
Analogie der öfters erwähnten Normalbegrifle), aber hierdurch wird nicht
ein ganz neues Drittes geschafien, sondern nur eine zweckmfiSige Abslrattion '
eingeführt
Wie deD Vorstellungen kommen auch den Urteilen außer den genannten
Eigenachafteii, welche jedes Urteil, auch ganz isoliert betrachtet, hat, noch
relative Eigenschaften zu, welche sich ergeben, wenn wir das Urteil
irgendwie vergleichen. Zu diesen gehört die formale und materiale Richtig-
keit des Urteils (Konkrepan z und Adäquatheit; vgl. S. 284).
Die Bestandteile des Urteilsinhal t s sind die Vorstellungen,
welche im Urteil verknüpft werden. Die Vei^üpfung selbst — als Ergebnis
der Urteilsfunktion — kann nur in weiterem Sinn als ,3e3tandteil'' des
Urteilsinhalts betrachtet werden, da sie den im Urteil enthaltenen Vorstel-
lungen nicht gleich-, sondern übergeordnet ist. Jedenfalls aber gebdrt sie
nach unsrer Terminologie gleichfalls zum Inhalt des Urteils und kann
daher nur auf Gefahr von HiBverst&ndnissen als Urteils form bezMchnet
werden.
Selbstverständlich bat man sieb davor zu hüten, etwa den flbliidiei
sprachlichen Ausdruck des Urteils im S a t z für ein getreues Bild der Urteib-
bestandteile zu halten. Wenn ich sage: „der Wein schmeckt gut", so habe
ich nicht etwa hintereinander die Vorstellungen: „der", „Wein", „schmeckt",
„gut", sondern sowohl die Zahl als die Reihenfolge der Vorelellungen weicht
von derjenigen der Worte ab. So tritt z. B. eine besondere Vorstellung
„der" Oberhaupt nicht auf, die Vorstellung „mir" uird sehr off in dem Ur-
teil enthalten sein, fehlt aber in dem Satz usf. (vgl. auch S. S71).
Unter den Vorstellungen, welche die Bestandteile eines Urteils bilden,
sind sehr off einzelne dadurch ausgezeichnet, daB sie in besonderem HaS
von dem Interesse und der Aufmerksamkeit ^) des Urteilenden begleitet sind.
Meistens (nicht stete!) handelt es sich auch zugleidi um solche Vorstellungen,
die in der vorangehenden Ideenassozialion bereits öfters aufgetreten wami
und daher bekannter sind. In sehr vielen Fällen spielt eine einzige Vor-
stellung bzw. bei den Empfindungsurteilen (S. 363] eine einzige Empfindung
diese bevorzugte Rolle. Man kann diese dann als das Zentrum-
gebildet) oder Zentrum des Urteils und Urteile, die ein solches Zoi-
trum haben, als zentrierte Urteile bezeichnen. Kui äuBerst selten febU
jede Zentrierung. Im sprachlichen Ausdruck wird die Zentrumvorstel-
>) Ltf. S. 878 H.
■) Die Bezeichnung H. Uaiers „Substratvorslellung" scheint nur Ver-
wechslungen mit den fundierenden Vorstellungen ausgesetzt zu sein.
OgIC
2. Kapitel, fsycholcwscbe GnindleEune- 377
luDg bzw. Zentramempfinduns*) in der Besel*) zum Subjekt
gemacht, so daß man auch von einer Subieklsvofstellunx sprechen
kann. Zeitlich geht sie den Ohrigen Vorstellungen gewöhnlich vonn*)-
Demjegenflber erscheinen die anderen Vorstellungen als EnuntiatTOr-
Stellungen ^P r ä d 1 k a t s vorsteiluneen). Die Enuntiatvoratelluneen sind
dabei oft bedeutsamer und interessanter als die Zentrumvorstellung, aber aie
werden es erst durch das Urteil, während die Zenlruravorstellung es schon
vor dem Urteil ist. So wird die Voranstellung des Prttdikals im Hebräischen
verständlich. Die Zentnunvoistellung stellt gewissermaBen eine Frage und
tibi ein unbefriedigtes Interesse kund, die Elnuntiatvorstellung gibt die Änl-
norl und befriedigt das Interesse.
lUn kann aud^ sagen, daB in den zentrierten Urteilen die Urteils-
verknOphmg (S. 37&) zwischen der Zentrumvorstellung ') einerseits und den
EauntiatvurateUuDgen andrerseits best^t, und die letzteren mit der Urteils^
ve^Qpfung als Enuntiat (Pr&dlkat) zusammenfassen. Letzteres fUlt
mit dem Prädikat im grammatischen Smn nicht immer genau zusammen.
In manchen Urteilen ist Ohrigens, wenn nur der Wortlaut gegeben ist, dec
Willkür tjberlsssen. welche Vorstellung man als Zenirumvorstellung auffassen,
und welche Vorstellungen man zum Prädikat rechnen will: man kann das
Urteil in verschiedener Weise deuten. Der G^enstand der Zentrumvorstel-
bmg mag Zentrumgegenstand oder Zentrumargument (S. 368)
heiBen.
Auch unter den Enuntiatvoistellungen ist selir oft eine besondws
Stack betont und kann datier als psychologische PrädikatsvorstelluBg
mb' if^zi" betrachtet werden. So hat H. Faul *) t»ffend ausgefOhrt, daB
in einem Satz wie „Kart fährt morgen nach Bertin" jedes der vier Glieder
schart abgehobenes psTcholcvisches Prädikat werden kann. Ist schon von
*) kh venneide die Bezeichnung „Zenlnhorstellung", weil diese S.S37
schon in anderem Sinn gebraucht wurde.
*) Nicht immerl Uan denke z. B. an einen ^atz wie: „vorhin hArte ich
von einer schweren Schlacht", in dem die „schwere Schlacht" doch wohl
setir olt psychologisch als Zenirumvorstellung zu betrachten ist. v. d. Gabe-
lenlz hat auf diese Divergenz zuerst aufmerksam gemacht und deshalb ein
psychologisches Subjekt neben dem grammatischen unterschieden (Ztschr. f.
PsTchoL u. Sprachwissenach., 1869, Bd. 6, S. 37^ § b). Ein ausgezeichnetes
Beisinel für diese Divergenz bieten die impersonalen Sätze wie: es wurde
Kämpft, es regnet. Selbstverständlich ist die Bedeutung
des Subjekts mit dieser Beziehung zur Zenirumvorstel-
lung nicht erschöpft Vgl. g MB. Ober begriOliche Substanz.
°) Umgekehrt verbalten sich die Iflr diese ganze Frage äuSersl instruk-
tiven sog. Nominal- und Verbalaaize des Arabischen (^1. z. B. Socin, Arab.
Grammatik, Berlin lS»i. % 1350., 199 Anm. u. 147).
^ Den Zusatz „bzw. Zentrumempflndung" werde ich im folgenden zur
AhtOrzung oft weglassen.
*) Prinzipien der Sprachgeschichte, i. Aufl. Halle 1909, S. 2S3. — Be-
^<>fUch der Unterscheidung des psychologischen Subjekts vom psychologischen
Mdäat weiche ich von Paul ab. P. betrachtet das psychologische Subjekt
als ^e zuet«t im BewuBlsein vorhandene Vors teil ungsmaäse. Dies Zuerst-
voriiandensein' scheint mir nicht das wesentliche Uoment zu sein, ist sogar
aichl immer nachweisbar. Vgl. auch Erdmann, Logik, 2. AufL, S. 336.
1,1^. OQi
,g,c
378 n- "^^'^^ Siiennlnistheoretische usw. Onmdleguns der Ij>sik.
einer for monien geplanten Reise Karls die Hede gewesen, so ist „nach
Berin" betontes Prädikat. Ist schon von einer Heise Karls nach Berlin die
Red» gewesen und war nur noch die Zeit unbestimmt, so ist ,fooigea" be-
tontes Prädikat usf. Ist bekannt, daB morgen jemand nach Berlin fihrt und
ist nur die Person noch zweilelbaft, so isl das grammatische Subjekt „Kaii"
psychologisches Prädikat (..derjenige, der morgen nach Berlin fährt, ist Karl'}.
Frege hat in seiner BegriHsschrift (Halle 1879. g 9) die Beziehung
zwischen Zenti umrorstellunB und Enuntiat bereits im wesentlichen richtig
dargestellt. Seine Bezeichnungen — ' Argument für die Zentrurarorsteltunt
Funktion fOr das Enuntiat — scheinen mir weniger zweckmäßig; sprachlich
und sachlich liegt es näher, die urteil svejknflptung als Funktion 2U be-
zeichnen und die Zentrumvor^leUusg u o d die Enuntlatvorstellungeo zu-
sammen als Arg umen (toi Stellungen autzufassen (vgl. 5. 268). ^- Die
Substra turteile von H. Maier (Psychol, d. emot. Denkens. TOb. 1909,
S. 164} decken sich zum Teil mit den zentrierteii Urteilen, doch betrachte
ich M.s einfache und komplexe Lrfeüe gleicbEalls als zentriert und sehe ihre
Besonderheit nur darin, daß die Zent tum Vorstellung sprachlich latent bleibt.
In dem Ausruf ..ein ßaum!" ist die Zentrumvorslellung vertrelen durch die
Genchtsemprindiing des Baums, auf don sich der Ausruf besieht; sprachlich
vollständig würde das Urteil lauten ..dies" ist ein Baum und das Wort „dies"
die Gesichtsemp&nduDR des Baumes bezeichnen. — Beiläufig sei noch be-
merkt, daß die ZeatrumvorsteUung zuweilen als das „psychologisch!.'
Subjekt" [zur Unterscheiduni; von dem grammatischen und dem logischen)
bezeichnet isird») Vgl. oben S. 377, Anm. 5 u. S 111.
Wir sind sehr geneigt, nur die Zentrumvorslellung mit dem „Gc^n-
stand" des Urteils zu identifizieren, also z. B. in dem Urteil „diese Rose ist
ml" „diese Rose" als den Gegenstand des Urteils zu betrachten. Diese
populäre Betrachtungsweise ist nicht zulässig; Gegenstand des Urteil? ist
entsprechend seinem Gesamt Inhalt „diese Rose" und „rot" (vgl. S. 376).
Von den konstanten Eigenschaften und den konstanten Bestandteilen
des Urteils sind die fakultativen Begleiterscheinungen"*) zu
unterscheiden, welche bei manchen oder auch viele», aber nicht bei allen
Urteilen auflfeten.
Hierher gehört vor allem die Überzeugung von der Richtig-
keit des gedachten Urteils. Ich kann entsprechend früheren ErArteruDgen
(S. 913 u. 36&) ein Urteil wie etwa „der Mars ist bewohnt" aussprechen und
auch denken, ohne zuzustimmen, z. B. um es zu prüfen oder sogar zu wider-
legen, und kann andrerseits dasselbe Urteil auch als meine Überzeugung
aussprechen und denken. Im letzteren Fall ist das Urteil von dem sog.
„GeltungsbewuBtsein" oder „GeviBheit" begleitet, oder, anders susRedrückI,
der Urteilende sehreibt seinem Urteil „objektive Geltung" [GOltiKkeit), d. h.
materiale Richtigkeit zu. S. 965 wurde auch gelegentlich der Besprechung
der sog. Geltungstheorien des Urteils von Brentano u. a. auseinandergesetzt.
daB dieses „Zusatzphänomen" von dem Vorhandensein zuslinwoender und
entgegeneesetzter Assoziationen abhängig isl, also nicht etwa als ein primäres,
*) Vgl. zur Streitfrage des psychologischen, granuna tischen und logischen
Subjekts einerseits H. Paul, I. c. S. 124 If. und andrerseits Marty. Areh. f.
System. PhUos., 1887, Bd. 3, S. 17*.
") Der Gefühlston der Urteile nähert Sich in vielen Beziehungen de»
Begleiterscheinungen.
, ^..«>sic
2. Kapitel. Psycholopsche Gnindlegung. 379
ganz spezifisches und neues psychiscbes Phänomen betrachtet werden darf
(V|t. auch % 7b). Fast stets vei4)indet sieb Übrieens weitertiin mit dem
Grft«iiigd)ewuBlsein »ußer der Überaeunmg von der objektiven Geltung auch
die Oberzeuguns von der Geltung für alle (der sog. AUi^raeingQltigkeit) ").
D«r Gmd und die Deutlichkeit des GeltungsbewuBtseins schwankt innerbalb
weiter Grenzen. Zuweilen wird es auBdrQcklich in einem neuen Urteil
lonnuliert.
Ein zweites fakultatives Begleitpbänomen des Urteils ist das B e -
VB fitsein der Beziehung auf den UrteilsRegcnstand (vgl.
S. 975]. Wir ve/den uns meistens ausdrücklich bewußt, daß sich tmser
Urteil, z. B. „a. und b sind gleich" auf a und b und ihre Gleichheit (vgl.
S. 3(ß) als Gegenstand (Gegenstände) bezieht. In manchen Fallen tritt aber
dieses „Gegenslandsbenu Bisein" ganz zurück, es ist also vom psTCholofischen
Standpuakl kein ohligalorisches Merkmal des Urteils. Die ROckbeziebunK
auf Oeienstände kommt, wie jeder Vorslellung (S. 262 u. 2G8), so auch jedem
trteil zu, aber wir ateltcn uns difse Rückbe Ziehung keineswegs stets neben
oder m dem Urteil auBdrQcklich als solche vor. Die psychologische Analyse
des Gegenstandabewu Biseins — wenn es vorhanden ist — ergibt nach
meinen Beobaehlungen als regelmäßiges Merkmal immer nur die Urteils-
««dcnOpfung in dem S. 375 definierten Sinn, also kein neues Moment. Man
kann das Gegeastandsbewußlaein auch als „Objektivierung" bezeichnen,
muB sich dabei aber hüten, es mit dem Wirklichkeitsbewußtsein (s. unten)
ni verwechseln. Vgl. auch S. 371, Anm. 22 sowie die Erörterungen Ober
Otcenatandsvorstelluneen S. 266 f.
Ein drittes fakultatives BegleitphSnomen ist das sog. Wirklich-
keilsbewußlsein, auch Wirklichsetzung genannt. Einzelne Forscher,
i. B. Brentano, haben ein solches Wiriclichkeitsbewu Bisein irrtflmlich fflr
»11« Urteile hebauplet (vgl. S. 365, Anm. 6). Versteht man unter Wiit-
lichkeit lediglich das Gegebensein irgendeines Tatbeslandes im Bereich der
Empfindungen oder Vorstellungen (im weitesten Sinne) oder der zu ersteren
hinzi^edachlen Reize, so f&lll das Wirklich keitabewußtaeic des Urteils ganz
mit dem eben besprochenen Gegen Standsbewußtsein zusammen. Versteht
man aber unter Wirklichkeit eine Existenz außerhalb des Denkens überhaupt
oder auch speziell außerhalb des Denkens des Urteilenden, so ist das Wirt-
lichkeitsbe wußtsein erheblich enger als das Gegenstandsbewußlsein. Jeden-
lalls ist es dann erst recht fakultativ, d. b, nicht t>ei jedem Urteil vorhanden.
Wenn ich urteile: „die Blätter sind grün", so denke ich mir allerdings bei
dem Urteil fast stets hinzu, daß die Blätter wiriclich auch auBerlialb des
Denkens existieren. Wenn ich hingegen Über eine Phantasievorstellung
utteite, z. B. „Wilhelm Meister ist wiUensschwach" oder „dieser Plan (von
mir oder einem anderen) wird scheitern", so nehme ich keinen Augenblick
*ine Rtistenz des Wilhelm Meister oder des Plans auBerbalb des Denkens '*),
meine» Denkens oder des Denkens einer anderen Person, an.
") Der Terminus „Allgemeingülligkeit" wird oft sowohl für die Gallig-
keit in bezog auf alle Objekte einer Gattung als für die Gültigkeit in bezug
>uf alte denkenden Individuen gebraucht. Hier ist die zweite Bedeutung
lemeint. In der ersten gebraucht man besser den Terminus „AllgQlUgkeit".
Vgl S. 27*.
") iinn erwäge, daß das erste Urteil auch hei Goethe selbst auf-
treten kann.
1,1^.001
,g,c
380 ^ '''^' Ericennlmsthearetische usw. Gnindleruns der Losit
Nach einer Argumentation H. Uaiers (I. c S. 158) kannte nma hieig^en
etwa, einwenden, der „Ptai" im letzten Beispiel sei doch eine „reale Tal-
sache". Indes wäre ein solcher Einwand nicht stichhaltig; denn der Plan
ist nur in meinem Denken eine «eale Tatsache und wird auch nur in diesem
von mir als reale Tatsache betrachtet"); es kommt also nur das WirkUch-
keitsbewuBtsein im ersten Sinn, das sog. GegenstandsbewuBlsein in Frage,
und dieses ist, wie sich gezeigt hat, erst recht fakultativ: ich habe natOrücli
die VorstellunR des Plans, wenn ich Ober den Plan urteile, da ich Ober etwas
überhaupt nicht Gegebenes nicht urteilen kann, und der Plan bat in meinem
Denken bzw. im Denken eines anderen existiert, sonst hfitte ich keine
Kenntnis von ihm, aber wenn ich ein Urteil Ober den Plan (Ule, kommt mir
diese Beziehung auf einen wirklichen (denkwirklichen) Gegenstand in dem
Urteil keineswegs stets ausdrOckUch als solche zum Benußtaein. Wenn
wir die Frage aufwerfen, ob ein wirklicher Gegenstand [im ersten, ganz
allgemeinen Sinn) vorliegt, so muS sie bejaht werden, aber bei dem Er-
leben des Uiteils weden wir diese Frage oft gar nicht auf. das begleitende
Wiiklichkeitebewußteein kann bei dem Urteil über meinen Plan fehlen, so
wirklich der Plan auch aulgelreten isl. Besonders geeignet. Ober diesen
Tatbestand aufiukl&ren, isl folgende Reihe von Urteilen: 1. mein (sein) Plan
wird scheitern; 2. meine Erinnerung an den Charakter Wilhelm Meisteis ist
verschwommen; 8. Wilhelm Meister ist willensscbwacb ; 4. i^y'"^!. Alle
vier Urteile haben einen wirklichen Gegenstand, und zwar hat der Gegen-
stand bei allen vier nur Vorstellungswirklichkeit (die zur Wirklichkeit im
ersten Sinn, S. 3?H Rehörl). Im ersten iind zweiten Fall handelt es sich
lediglich um die Wirklichkeit in einem individuellen Denken, im dritten um
diejenige eines Vorstellungskomplexes, zu dem wir im Sinn der S. S72 er-
Grterten Fhantasievorslellungen einen mehr als vorsteUungswiiklichen Gegen-
stand in bewußter Selbsttäuschung hinzugedacht haben, im vierten um die
Wirklichkeit einer generalisierten und im Siim einer Normalvoisiellung (vgL
. z. B. S. U, 296) umgedachten Spekulationsvorstellung (vgl S. 311). Außer-
dem beachte man, daß es sich in allen Fällen, auch weim wir die Gegen-
stände des Urteib uns ausdrücklich vorstellen, nicht um Vorstellungen von
Vorstellungen bandelt, sondern um Reproduktion der Vorstellungen, welche
den Gegenstand insbesondere der Subiektsvorstellung bilden (vgl. S. 2Kk>.
Die Voratellung des Vorstellungskomplexes „Plan" bedeutet psychologiach
nichts anderes als das nochmalige Auftreten dieses Vorstellungskomplexes
„Plan" (allerdings oft in abgekürzter, unbestimmter Form^ usf. '•). Und nun
profe man sieb bei allen vier Urteilen selbst, ob man bei dem Erleben des
Urteils immer die Vorstelluugswirtlichkeit in dem oben festgestellten Snn
mitdenkt. Ich glaube, daß man bei vorurteilsloser Prüfung zu dem Ergebnis
kommt, daß ein solches Mitdenken keineswegs stets staltfindet.
Eine vierte Begleiterscheinung des Urteils kann als BegrOn-
dungsbewußtsein (kausales Fundierungsbewußtsein,
vgl. S. 283) bezeichnet werden und ist gleichfalls fakultativ. Es besteht in
^ An die etwa zugeordneten UimiindenvorgBnge wird nur ganz aus-
nahmsweise gedacht.
") Bei dem zweiten Urteil könnte man sogar von der Vorstellung einet
Vorstellung einer Vorstellung sprechen wollen. Tatsächlich handelt es nch
nur um die Reproduktion meines (verschwommenen) EriimerungslHldes.
d. h, meiner in der Erinnerung umeewandelten Phantasievorstellung WS-
heha Heisters. ,
2. Kapitel. Psychologische GrundlegUDe. 381
dem Bewufltsein eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen iigend-
weichen Empfindungstalsachen (Eriahningstatsachen, Tatsachen der AuBen-
velt nach dem populären Ausdruck) oder Denktatsachen (VorsteUungen,
anderen Urteilen) und dem aktuellen Urteil und geht sonach Ober das tdoße
OegenstandsbeiQiBtaein hinaus. Das Urteil wird als Wirkung jener
EmiAndungs- und Denktatsachen betrachtet**). Der Besouderiieit dieses
KaDsalrerhKItiiisses wird auch durch besondere Bezeichnungen Rechnung
getragen: das aktuelle Urteil heiSt „Folge", die ursftchlichen EmpEindungs-
und Denkvots&nge heifien „Grande". Die Begründung eines Urteils liegt
sonach zunächst in den vorausgegangeiien Gedanken des Urteilenden (Vor-
steDongen s. str. und anderen Urleilen, manifesten und latenten, vgl S. 363
u. g 77), dann alier auch in den Empfindungstatsachen bzw. tu den Beizen,
welche wir für die Emp&udungen als Ursache voraussetzen. Eine solche
Begrflndung fehlt nun selbstverständlicfa niemals bei einem Urteil, dagegen
kann das BewuBtsein dieser Begründung vollständig fehlen. Die be-
grflDdenden Denktatsachen können latent sein (vgl. % 77). die beeründenden
Empfindungstatsachen als solche kfinnen vergessen sein. Nicht nur An-
nahmen (Tgl. S. 366), sondern auch Urteile mit GeltungsbewuBtsein 0>Be-
haaptnngen", vgl. S. 867 u. 882) k 0 n n e n ohne jedes — bestimmte oder
unbestimmte — BegrOnduDgsbewuBtsein ausgesprochen werden. Bei aller
Wichtigkeit desselben (insbesondere fOr die Logik) kann es doch nicht als
eine allgemeine Eigenschaft des Urteils im psychologischen Sinn belrachtM
werden.
Das Wesen des BegrflndungsbewuGIseins, wie nir es jetzt als fakultative
BegieitetscheiDimi kennen gelernt haben, ist mit dem kausalen Verhältnis
zwischen den „Gründen" und der .JFolge" nicht erschöpft. Dies spezielle
Kausatverhältnis ist nicht lediglich eine regelmäBlge Sukzession von Ursache
und Wirkung wie die in den Naturgesetzen ausgedrückten Kausalverhältnisse,
sondern es' kommt durch die DiSeienzierungsfunktionen ein innerer eigen-
■rtiger Zusammenhang zwiscben Grund und Folge hinzu, der in den psycho-
l(«ischen Erörterungen Ober den SchluB (g 77) und im logischen Hauptteil
ansftlhrlicher besprochen werden wird.
Man verwechsle die Tatsache der durchgängigen Begrandung aller
Urteile und der Begleiterscheinung des BegrondungsbewuStseins bei vielen
CrteiIeD nicfat mit dem sog. Principium rationis Bufticientis
(sc, cognoscendi). Letzteres verlangt für iedes richtige Urteil
zureichende Gründe und gehört daher in die Logik, während die durct\gängige
Begrflndung sowohl falschen wie richtigen Urteilen zukomtnt und ganz in
psychologisches Gebiet fällt — Femer lasse man sich nicht dadurch täuschen,
daB Öfters (bei weitem nicht stets) das kausale Verhältnis der Dinge sich
bei der Verwertung in unserem Denken „umzukehren" scheint So ver-
ursacht z. B. das Feuer Asche, und andrerseits schlieBen wir olt aus der
ische auf Feuer, z, B.: „hier war Feuer". Eine einfache Umkehrung liegt
hier nicht vor. Die Kette der Grttnde fOr das in Rede stehende Urteil ist
tatslchhcb etwa folgende: .^rOher ist nach meiner Beobachtung Feuer oft
von Asche gefolgt gewesen (bat Asche Terursacht), also kommt auch jetzt
"} Die letzte Begründung liegt stets in Empfindungstatsachen. Vgl.
Schopenhauer, Satz v. Onmde, g 50: „die Reihe der GrOnde des EAennens
t^ Ober in die Reihe der Gründe des Werdens" (nämlich hei rückwärts ger
"chleter Verfolgung).
„.,,„, ^.oogic
382 ^- '^B''- Eikenntmiatheoretiscfae usw. Grundlegune der Loeik.
und hier Feuer in Frage". In der zeitlichen AUolie der beurteilten Obidite '•)
also ein KausahreitaUtnis zwischen Feuer und Aacbe, im Denken ein KauMtl-
vsrhältois zwischen der Gesichts empfinduns der Asche und der Br-
innerung froherer Beobachtungen eineraeits und der Vorstellung
eines Feuere, dxs jetzt gebrannt hat, andrerseits. Die Glieder der beiden
KauBalrerfa<nisee sind also ganz verschieden. Von einer einfncben Um-
kehnms kann keine Rede sein. Es bleibt nur die interessante Tatsache, daB
der Kausalzusammenhang des Denkens uns zuweilen zu einem — iiald
richtigen, bald falschen — RückscbluS von der WiAung auf die Ursache
führt, ohne daß etwa dieser HüdcschluB als eine einfache UmkehiUBg des
realen Zusammenhangs aufzufassen w&re. Die nähere Erörterung dieser
Tatsache bleibt der Logik vortiehalten.
I 71. Pay^ilipliAa IMrflwa dn PHifcaaiiriallww '). In der
psychologischen Grundlegung kann es sieb nur um eine Einteilung von
P!<rchologiscbem Standpunkt aus handelD. Auch für eine aokhe
psychologische Einteilung bieten sich verschiedene Piiniipien dar, und dem-
gem&B eneben sich verschiedene psychologische Einteilunsen der Urteile,
die sich nicht gegraiseilig ausschlieSen, sondern gewissennaBen aberlagero.
Bei der Darstething dieser Einteilungen werden nur wichtigere berOckatcbtigl,
auch soll zur Vereinfachung hier vorausgesetzt weiden, daB die Ijrteils-
assoziation auf die Kopulaform gebracht ist („die Rose ist rot" ; ,jst die Rose
rot?" „der Jäger ist schieBend" usf.).
Als erstes Einteilungsprinzip kann das GeltungsbewuBtsein verwertet
«erden, von dem oben (S. 37S) bernts die Rede war. Fehlt ledes GeHungs-
iKRuBtsein, d. b. sind Oberhaupt weder Afsozialionen im Sinne des lirteiJs
noch solche im Widerspruch mit demselben, kurz gesagt weder zu-
stimmende noch widersprechende Assoziationen vorhanden, oder werden sie
aus irgendeinem Grunde ausgeschaltet, oder endlich befinden sie sieb in
Gleichgewicht, so liegt ein neutrales Urteil, eine ..Annahme" im
Sinne Meinongs (vgl. S. S66), ein „settung^oser propositionaler Akt" im
Sinne Husserts '), vor. Jedes neue von mir selbst nicht gebildete Urteil, das
ich von einem anderen eben b&re. kann als Beispiel dienen. fJrtöle da-
gegen, bei denen überwiegende zustimmende oder Aber wiegende wider-
sprechende Assoziationen auftreten (im Smn der Zustimmung oder Ver-
werfung), können als tbetiscbe Urteile oder Behauptungen')
bezeichnet werden. Die Urteile (iudida) z^aJlen also in neutrale Mai
*■) Diese müssen keineswegs- stets den Sinnendingen ang^Aren, wie
z. B. der Satz zeigt: „meik Denken widern)ricfat sieh, also muB ich einen
frrtum begangen haben".
') Vgl. hierzu Jerusalem, Vierteljahrsscihr. f. wiss. Philos. 1897, Bd. 81,
S. 167 (181); Hesser, Arcb. f. d. ges. Psychol. 1906, Bd. S, S. 1 (114); Lipps,
Leitf. d. Psydi-, Leipzig, 8. Aufl. 1809, a 189 (sehr anfechtbar); B. Erd-
mann. Logik, Bd. 1. a Aufl. Halle 1907, S. 270 ff.; Ziehen, Ltt. S. 947.
") Log. Unters., 1. Aufl., Teil 2. Halle 1901, S. «8f. {2. AuH. S. «0).
Ich würde Übrigens von Husserls eigenem Standpunkt aus das Urteil: „ein
Dreieck mit zwei rechten Winkehi — gibt es nicht" (I. c. 5. OB) als ein
setzendes negatives und nicht als ein setzungsloaes negatives betrachteo.
*) Die thetischen Urteile von Drobiseh, Neue Darst d. Logik, i. Aalt
%B»^ S U, S. 61 haben ^e andere Bedeutung.
2. JKiipiteL Psychologische GnindlcTOPg. 383
tbetucbe Urteile. Erstere müicen auch Prothesen, letalere auch
Thesen helAen, doch ist der Gebrauch des letzteren Teraünus bisher
sctnrankend sewesea. Schetnatisch ersibt aicb danach folgende Gruppierung,
wenn man sowohl poeitiven wie negatiren lltleilniibalt berflcicsichtigt:
L Neutrale Urteile (Prothesen oder Annahmen), d. h.
Urteile bei Gleidicewicht oder Fehlen oder Ausschalten zusUm-
meoder und widersprechender Assoziation«) ') : 1. a c= b,
2. Bnon = b.
Q. Tbetische Urteile (Thesen oder Behauptungen), d.h.
Urteile bei Uberwiecen .
1. der zustimmenden Assoziation en : a^^b,
2. der widersprechenden Assoziationen: anon^b.
Zustimmen ist hier identisch mit pasitiver, Widersprechen mit nega-
tiver Urteilsrichtuog (Gleich- bzw. Verschiedcnsetzung der IndiTidnalkoetB-
denteo}.
Ob eine Annahme positiv oder negativ oder dishinktiv (entweder —
oder) oder fragend fomuihert wird, ist theoretisch bei ibiem neutr»leu
Charakter gleichgOttic. In der Hegel hangt die tatsächliche positTve oder
Degatire Fonnuherung von zufUligen auBeren Umständen [Behauptungen
udeRr usL) oder Absichten der Bewetsftlhrung oder von einem doch etwa
voibanlenen leichten Übergewicht nach der einen oder aaderen Seite ab.
Eine adiarfe Grenze zwischen Behauptungen und Annahmen besteht fSber-
htnpt nicht.
Tor allem muB man bei der Unterscheidung zwischen Prothesen und
Tbeaeo anch beachten, daß die in Betracht komnaenden zustimmenden
iitm. widersprechenden Assoziationen keineswegs immar den Charakter be-
wußter Grande (vgl. S. Sgl) haben mOisen. Gerade bei Behauptimgs-
utlalen, welche von einem besonders ausg^rögten GeltungsbewuBtaein
begleitet sind, z. B. bei religiösen Glanbenssätzen, fehlen bewuBte Asso-
ziationen im Sinn einer Begründung s. str. sehr oft fast vollständig,
aber anzAblige, fast Uier des ganze Denken des lodividuuraa ausgabrntele
Aasuialioneu stehen der Oiaubensüberzeugung begünstigend, fest mit ihr
vetklammert zur Seite. Das oben (S. S80) besprochene Begründungsbewwdt-
9ein kann iübo auch bei Thesen fehlen oder wenigstens sehr unbestimmt sein.
Weitaus die meisten Urteile des täglichen Lebens treten dank dem
Obergewtcht entweder der zustimmenden oder der widersprechenden
Anoziationen sofort als Thesen — positive im ersteira, negative im letz-
teren Fall — auf. Es kommt dann gar nicht zu einem ausdrücklichen,
npUaten Akt der Billigung oder Verwerfung. Der Frozel ist mit der Be-
nhang bzw. Vemeinnng erledigt Anders, wenn ein Übergewicht nach
einer Seite fätH «nd das l.'rteil ^so als positive oder wgntive Anoatune
^tbMC) anftritt; kommt es dann nachträglich zu eiaCHi Übergewicht der ihr
aotimmenden oder der ihr widersprechenden Assosiatianen, so wird nach-
trtglich die Annahme entweder gebilligt oder verworfen und damit in eine
jcknndare" These verwandelt Das Geltun gsbewuStsein ist dann oft
besonders deutlich. Dabei ergeben sich vier Falle:
1. Billigung der positiven Annabme a == b bei nachtiftgUckem Ober-
«ewicbt der znatünaeDden Asseziationen,
w.) einer An-
OgIC
3g4 O- "^^^ Gi^enntiiistheoretische usw. Grundlefning der Losil:.
2. Billigung der nes&tiven Annahme aiioii=b im nacbtiUlicheiD
Übergewicht der zustimmenden ABaoäaüonen,
3. Terweriung der positiven Annahme a^b bei nachttisUchem
Übergewicht der widersprechenden Assoziationen,
4. Verwerfung der negativen Annahme anon = b bei nacbtrftsUchem
Übergewicht der widersprechenden Assoziationen.
Die sekundäre Tbese Nr. 1 deckt sich im Ergebnis mit der primlKO
positiven, die sekund&re Tbese Nr. 2 mit der primären negativeu (s. § 113).
Man darf also nicht etwa glauben, daB Urteile im Sinn von Nr. 3
und * gar nicht möglich seien, weil die Verknflpfung a=;h bzw. anoii=t»
durch die widersprechenden Assoziationen im Keim erstickt werde. Sie
kommen vielmehr tatsächlich oft genug vor, da die widersprechenden Asso-
ziationen oft erst sekundär, plötzlich oder allmftblich, zur Geltung kommra.
Sehr bemerkenswert ist mit Bezug auf die aekund&ren Verwerfungen auch
die ZufOgung eines ft^ nach positiven, eines /nij <rv nach negativen Verben
des Bflstreitens im Griechischen.
Die Behauptungsurteite kann man von demselben Ge^cbtspunkt aus
noch weiter in sichere und zweifelhafte (sowohl verneinende wie
beiahende) einteilen. Das zweifelhafte Bebauptungsucteil unterscheidet äcli
von dem neutralen Urleil (der Annahme) dadurch, daB nicht wie bei letz-
terem zustimmende und widersprechende Assoziationen ganz fehlen
oder ganz ausgeschaltet werden oder sich ungef&hr das
Oteicbgewicbt hallen, sondern diese wie jene zwar vortianden
sind und auch entweder diese oder jene Oberwiegen, die unterliegenden
Assoziationen aber doch gegenüber den siegenden noch zur Geltung kommen.
Je nachdem dabei das Gleichgewicht mehr oder weniger zugunsten der Be-
hauptung gestört ist ') kann man von einer größeren oder kleineren
psychologischen, d. h. subjektiven Wahrscheinlich-
keit (Sicherheit) des Urteils sprechen.
Nicht zulässig erscheint es, mit Windelband (1. c.) das GettungshewuBl-
sein — die Baurteihing (s. S. SBb, Anm. 6} — als die Reaktion eines wol-
lenden und fohlenden Individuums auf einen bestimmten Vorstellungs-
gflhalt aufzufassen. Zahlreiche Behauptungen sind vom Wollen und FoUni
ganz nnobhfingig. Das FOf-richtig-haiten enth< keineswegs stets eine Be-
wertnng. Vgl. % 46 und die Kritik Sigwarts (Logik, 2. Aufl., Bd. 1, S. IM,
Anm.).
Ein Spezialfall der Annahme ist die Frage*), sofern sie in gant
neutralem Sinn gestellt wird (Fragepartikel: ne, opt, ig). Sie unteracbeidet
sich von den sonstigen Annahmen nur dadurch, dsfl ne eine oder mehrere
Unbekannte enthält und in der Begel deren Bestimmung gewQnscht,
d. h. positiv gefühlsbetont ist. Bei den sog. Entscheidungstragen
besteht die gewünschte Bestimmung nur in einer Zustimmung oder Ver-
werfung (z. B. „warst du in der Kirche?"), bei den Ergänzungs fragen
^ Das Arabische kann die Sicherheit der Behauptung duicb einen be-
sonderen Uodus (H. energicus) ausdrOt^en.
■) Mit der psych ologischen Untersochung der Frage beschäf-
tigen üeh namentlich : Jodl, Bd. 2, Kap. 10, Abschn. 8, S. SM G.DoPPelurteir):
Mdnong 9. S. 866, Anm. 7; R. Wähle, Über den Hecbanismus des
geistigen Ubens, Wien-Leipzig 1906, S. 361 ff., und Ztschr. f. Psych, u. PhTS^
d. Siim. 1890, Bd. 1, S. 810; Krwbig, Arch. f. d. ges. PsychoL 1916, Bd. S8-
tY^IC
2. Kapitel. Psychologische Gnmdlefuns. 3g5
in der EixftnzuDg einer luibekannlen TeilvorBleituns des Urteils. Sehr olt
sclüeieht sich Qbriieos doch in di« Ft&gea der ersten Art eine Mitwirkung
zusUmmender oder widersprechender Assoziationen und damit ein be-
haMrtender Qiarakter (im Sinn der zweifelhaften Behauptung, s. oben) ein.
Wir drücken dies dann durch die Zalügune von „nicht" oder „etwa" (nonne
biw. num, «e' orf b*w. aga pij) aua. VrL auch S. 366, Anm. 7.
Meinong') hat auch den Wunach in Beziehung zu den Annahmen
gebnchL Meines Erachtens sind Wanache, Auf f o rderungan.
Befehle, Bitten, Warnungen usf. echte behauptende, also mit
GeihugsbewuBtsein verbundene Urteile (vgl. S. 382), deren thetischer Charak-
ter jedoch im sprachlichen Ausdruck nicht in der sonst Qblichen Form zur
GetluDg kommt In dem Wunsch: „O w&re doch der Himmel klarF' lautet
die Bdiauptung: ,Jilarer Himmel wire mir angenehm"*). Ebenso ist der
Befehl: „Gib mir das Bnchr' der Behauptung äquivalent: ,4ch will, daß du
mir das Buch gibst". Das EigentQmliche dieser Wunsch- und Befehlsurteile*}
lieft inhaltlich nur darin, daS der Urteilende tflr sich die positive Ge-
KlhldMtonung i^endeines nicfat-wiiklicfaen Talbestandes aussagt Dazu kommt
bä dem Wunsch oft»), bei dem Befehl immer auch die positive Gefohls-
hetonung der Verwirklichung des zur Zeit nicht -wirkUchen Tatbestandes '').
Auf Grund dieser Eigentümlichkeit von einem besonderen „emotionalen"
und .ToUtiTen Denken" (H. Uaier) zu sprechen, erscheint nicht angebracht,
bn sprachlichen Ausdruck kommt sie insofern noch scharfer zum Vor-
xhctn, als die dem Wunsch bzw. Befehl zugrunde hegende negative Behaup-
Icng (tats&chliches Nicht-klar-sein des Himmels) überhaupt nicht oder hOch-
ateos in der Wohl des Modus ausgedrückt wird und die In dem Wunsch
bzw. Befehl unmittelbar enthaltene positive Behauptung (Lustbetonung dea
Klar-aeins des Hinunels) nicht wie bei den meisten Urteilen als Hauptinhalt
des Prädikats auftritt, sondern durch eine grammatische Form, in der Regel
S. US; Jerusalem, Die Urteilsfunktion, Wien-Leipzig 1905, S. 160; Imme^
Gymusialprogramm Cleve 1679 u. 1681 *; Martiniüf. Alti del 6. Congr.
iolersaz. di Psicol., Borna 1906, S. SS2; K. Groos, Ztschr. f. PsvchoL u. Phys.
d. Sinne 1901, Bd. 26^ S. 146; Heinr. Maier, PsycboL d. emot. Denkens,
TObingen 11908^ S. 373 FT.; W. Wundt, Völkerpsychologie, t, Z, 2. Aufl. Leipzig
1»*, S. 260; II. Paul, Prinzipien d. Sprachgesch., 4. Aufl. Halle 1909.
S. 13b E. — Die der Frage nabesteheode ,A u f g a b o" ist schon von Lambert
lAher erörtert worden (Neues Organen, Bd. 1, Leipzig 176t, § Ifiöff.).
n Ober Annahmen, Leipzig 1903, § 5a Vgl. zur Lehre vom Wunsch
tmd vom Befehl auch H. Maier, I. c. S. 871 u. 616ft.; Husserl, Log, Unter-
wehnngen 1901, Bd. 2, § 68y S. 679 (ähnliche Auffa^ung wie die oben ent-
oickelte).
*) Wahrend wir im IJeutschen auch bei dieser letzteren Umformung
den Konjunktiv oft festhalten, tun dies bemeitenswerterweise andere
Sprachen nicht
*) Vielleicht hängt es hiermit auch zusammen, daft z. B. im Arabischen
ein Modus, der sog. Modus apocopatus sowohl Befehle als auch negative
Tatsacbens&tze (nach lam) ausdrücken kann.
'*) Man kann auch „wünschen", was man selbst für unmögUch hnil,
t> R: „Wäre er doch am Leben geblieben 1"
") Vgl. Gr. S. 251 über die psychische Situation des Wo^eus und
WüDsebens.
Zi«ben, L«lnlRi«li der Legik. '>5
„.,,„, ^.oogic
'.]8G "' Teil' GrkeimtmsUieoretisdie usw. Grundlegung der Locit
eintn Modua (Konjunktiv, Imperativ, OuteÜT, Apocopal) bezeichnet witi
Auff&llis oft wird auch das Verb g&nz weisekseen. Vgl. auch S. SU, Anm. b
n. 366^ Aiun. 7.
Die Frage und der Wunsch ^') sind also wesentlich verschieden. Entere
involviert eine Annalime oder zuweilen (S. 385) eine unsichere Behauptunt,
letzterer eine sichere Behauptung, In enge Beziehung treten beide iedecb
dadurch, daQ bei der Frage ") in der Regel der Wunsch nach einer Antwort
mitgedacht wird und auch meistens durch das E^ajezeichen bzw. den
eharaJtteristischea Stimmfall mit ausgedrückt wird.
Bei der Lüge sind AMoziationen gegeben, welche eine absolute Vv-
weriung des in der Lflge enthalteneu Urteils bedingen. Ich kann lelztcRS
also nur, im Sinn einer Prothese (Annahme) unter Ausschaltung der wider-
sprechenden AsMziationen denken (yg). S. 382). Die Ausschaltung (Hem-
mung) erfolgt durch die mit der Täuschungsabsicht verbundenen Vorstel-
lungen. Die Loge ist also glüchfalls ein Spezialfall einer Prothese oder An-
nahme und sonach keineswegs etwa auf den sprachlichen Ausdruck be-
schränkt (LiL 8. S, 366, Anm. 7).
Als zweites Einteilungsprinzip kann die Empfindungs- bzw. Vor-
stellungsnatur des Subjektes bzw. Zentrums des Urteils (vgl. S. 37^ dienen.
Ist das Zentrum eine Empfindung, so liegt ein Empfindungsurteil")
vor (z. B. „dies ist ein Baum", „dort bUtzt es"); ist das Zentrum eine Vor-
stellung, so liegt ein V o f a t e 1 1 u n g 8 u r t e i 1 vor (z. B. „HuB wurde
verbrannt" ; „gestern war ein Erdbeben" ; „morgen wird das Schifi in New-Vork
ankomihen"; „Tapferkeit ist eine Tugend"; „[a + b] [a — b] =a* — b*").
Das Enuntiat (Prädikat) enthalt fast stet» nur Vorstellungen. Das Empfin-
dungsurleil kann oft auch als ein Wiedererkennen in Urteilsform aufgefailt
und daher als Wiederertcennungsurtei! bezeichnet werden i"). Man muB
■ich bei der Anerkennung von Empflndungsurteilen nur darüber klar sein,
daß damit eine wesentliche Erweiterung des llrteilbegriffea eingefohrt wird:
das Urteil ist jetzt nicht mehr stets eine Assoziation von Vorsteliungm,
sondern auch mitunter eine Assoziation zwischen Empfindung und Vor-
stelluwf. Vgl. S. S81, Anm. 18 u. S. 363.
'*) Die sog. deliberative Frage (z. B. „soll ich konunen,") ist ein
Wunsch bzw. Befehl in F^^efonn.
") Man konnte viell^cht geneigt sein, insofern audi jeder Frage
Ibetischen Charakter zuzuschreiben, als sie die Behauptung des eigenen
Nicht-Wissens involviert Indes trifft letzteres nicht für alle Fragen zu
(Prüfungsfrage D !).
*') Mit den „bloßen Wahmehmungsurteilen" Kants (Prolegomena, § IB),
d. h. Urteilen, die „nur subjektiv gOltig sind", haben die Empfindungsurteile
nichts zu tun. Auch mit den Wahmehroungsurtälen Erdmanns (Logik,
2. Aufl., S. 271; s. auch H. Maier, Psychol. d. enwt Denkens 1«»^ S. 166fl.)
decken sie sich nur teilweise.
") H. Maier (I. r. S. 166) ninunt ein Wiedererkennen nur dann an,
wenn die Prftdikatavoratellung eine Individualvorstellung ist (z. B. der Vater,
dar Säntis), und spricht, wenn die Ridikatsvorstellung allgemnn ist (z, B.
dn Baum), von „Erkennen". Ich zweifle an der ZweckmiBi^eit dieser
Ternunok)|[ie und ziehe vor, ein individualisierendes und ein generalisienn-
des Wiedererkennen zu unterscheiden.
.oogic
2. Kapitel. Psychologische GrundJeeung. 3g7
Voa dem Satz, daB dfts Prftdikat nur Vorstellungen, keine Empfin-
duDfen enthält, existieren einige scheiobare Ausnahmen. So ist bei dem
unmittelbaren Urteil: „dies ist gröBer als jenes" allerdings oft auch ,jenetf'
als Empfindung gegeben und grammatisch ein Teil des Prädikat^
PSTchdogisch aber ist in der Regel „dies" und .jenes" als Subjekt
ni betrachten; auBerdem ist der Vorstellungscharakter des Prädikats schon
duich das „grCBer" gewährleistet. — Nicht zu den einlachen Empfin-
duDKsurleileD gehören Urteile wie: „Kese Rose ist rot". Der psychologisctie
Inhalt eines solchen Urteils ist in der Regel: „dieses ist eine Böse" und
,^ies ist rot". Es handelt sich also um <4n Urteil, das aus ztcei Empfindungs-
«rlcilea verschmolzen ist; dabei ist allerdings das Subjekt des zweiten Ur-
teils Dicht mehr eine reine Empfindung (dlesX sondern eine Empfindung,
welche durch die erste Urtei Isasso ziation mit einer Vorstellung eng verknüpft
ist. — Eine wirkliche Ausnahme liegt vor in Urteilen wie: ,4ch sehe dies".
Ein drittes Einteilungsprinzip, welches allerdings nur auf die Vor-
stellungsurteile anwendbar ist und somit ergänzend zu dem zweiten hinzu-
idfigt werden kann, legt die Natur der Subjekisvorstellung und der Prädikats-
vaisletlong zugrund«. Von diesem Standpunkt aus hätte man also zunächst
etwa zu unterscheiden Vorstellungen, deren Subjekt
a> eine integrale primäre Individualvorstellung (vgL S. 317),
b) eine eKzemierte primäre Individualvorstellung (S. 317).
c) eine primäre individuelle Isolationsvorstellung (S. 318),
d) eine primäre individuelle Komplexionsvorstellung (S. 320),
e) eine primäre individuelle Vergleichungsvof Stellung (S. 38ß),
t) eine s^mdäre Individualvorstellung oder individuelle Kontrak-
timsvorstellung (S. 386),
g) eine Allgemeinvorslellung (S. 331),
h) eine Kombinaüonsvorsteilung (S. 347) ist.
Viel Gewicht wird man einer solchen Einteilung schon deshalb nicht
beilegen, weil sie nicht erschöpfend ist, insofern sie den mannigfachen Ver-
liindungen, welche noch weiterhin zwischen den aufgezählten Vorstellungs-
Uassen zustande kommen (vgl.^g 68), nicht gerecht wird. Es kommt hinzu,
iM für die PrSdikatsvorsleltung eine ganz analoge Unterscheidung durcb-
leführt werden müßte und damit die Zahl der Urteilsarten in das Un-
gemessene steigen wtlfde. Vor allem endlicü ist eine solche Klassifikation
der Urteile psychologisch schon deshalb fiberflossig, weil der Vorgang der
L'rteiJaassoziation als solcher allenthalben im wesentlichen derselbe bleibt
^Insoweit bei dieser Einteilung der Urteile die Zahl der im Subjekt enthaltenen
lodividuen bzw. Arten (alle Menschen, einige Menschen, dieser Mensch,
Sokrates usf.) eine wesentliche Bolle spielt, spricht man von einer Einigung
tiach der Quantität.
Handelt es sich rnn ein individueUes Erlebnis des Urteilenden, so kann
■UM von Erlebnisurleilen") sprechen. Das Erlebnis kann der
Gegenwart angehören („p rasen tisch e s Erkenntnisurteil, z. B.:
nich denke nacb", ,4ch bin traurig", „ich sehe hier einen Baum", wofür
«uch oft „hier ist ein Baum") oder vergangen sein (Erinnerunga-
'*} Sie decken sich zum Teil mit den Erlebnisurteilen B. Haiers
CF*ych. d. emot. Denkens, TObingen IBOa, S. 218); Haier nimmt als Vor-
sah der letzteren „psrcbologische odet BewuBtseinsurteile" an (l. c. S. 19^
25'
„.,.,„,>..oo^sic
3g8 ^' '^^'^ Erkenn Inistheoretiacbe usw. GmndlesxiDK der Locik.
urteil, z. B.: .festem sah ich rneinen Freund hier", wofOr auch oft
unter einer nicht unwesentlicfaea AbAnderunn des wertlichen Sinns „Bestem
war mein Freund hier").
Weit mehr Bedeutung darf ein viertes Einteilungsprinzip'') be-
annpruchen, welches auf die verschiedenartige Tätigkeit der Verglräcfanngs-
funktion gegrOndet ist. Wie oben (S. 375) eii&uterl wurde, gebt bei iedeca
Urteil eine Tergleichung der Individualkoelfizienten vor sicly und das Urleil
ist das Vergleichsergebnifl. Bei vielen Urteilen ist damit die Tätigkeit der
komparativen Funktion und das Ergebnis dersdben erschöpft. So ist in dem
Urteil „die Salbei hat zwei StaubgefaSe" (,jsl mit zwei Stanbgefäften ver-
sehen"), wenn der Urleilende bisher in der VorsteUung „Salbei" das „Haben
von zwei Staubgef&Ben" nicht mitgedacht hat, die Vergleichung ganz auf
die Individualkoeffizienten besc^irinkt: wo und wann eine Salbei, da und
dann zwei Slaubgef&Be. Der Tatbestand kann hier etwa durch die Formet
abc— d ausgedrOckt werden (wo abc den Herkmalkomi^ex „Salbei" be-
deutet) <"}. Dasselbe gilt von dem Urteil: „Die Salbei ist eine Labiale"]
wofern der Urteilende bisher nit^t wußte, daB die Salbei eine Latüte isL
Auch hier findet nur eine \ergleichung der IndividualkoefGzienlen statt: wo
und wann Salbei, da und dann auch die LabiatenmeAmale. Die Formel
würde hier lauten abc... d e f g. Das UrteU fügt Merkmale bzw. Teile <•}
zu dem Suladl S hinzu, beruht aber nicht auf einem Vergleich der mir
schon bekannten Merkmale des Subiekts mit denen des Fiftdikala ">), sondern
auf Erfahrungen über Koexistenz der objektiven Merkmale, d. h. Ober
partielle oder totale Deckung der Individualkoeffizienten von S und P. Zu-
weilen ist sogar ausnahmsweise das Medunal bzw. der Herkmalkomplez P
lats&chlich versteckt in meinem SubjeklbegriH S enthalten (Formel etwa
ab[c]~— c), aber ich beachte dies Enthaltensein nicht und fiLHe das Urteil
nur auf Grund und im Sinn einer Deckung der Individua1koctfizienl«n; ohne
HOcksicht auf das MetkmalverhflltBis zwischen S und P. Anders verfallt
sich der psvchische Akt, wenn der Urteilende schon weifi, daB die Salbei
zwei StaubgefäBe bzw. die Labiatenmerkmale hat, und auf Orund und im
Sinn dieses Wissens urteilt. Das typische Vergteichsergebnis bezOglicb der
Individualkoeffizienten Jiegt auch hier vor: wo und «aim Salbei, da und
dann zwei StaubgelftBe bzw. die LabiatenmeAmale. Jetzt aber liegt dem
Urteil „ein Vergleich der begrifflichen Merkmale zugrunde,
und auf Giund dieser Vergleichung spricht nun das Urteil nicht nur ein
Vergleichscrgebnis bezQglich der Individualkoeffizienten, sondern auch ein
Vergleich sergebnis bezQalich der Merkmale aus: das Merkmal „zwei Staub-
gefäße" bzw. die.MeAmale, welche den Labiaten zukommen, kommen
meinem Begriff der Salbei bzw. dieser selbst zu. Das Merkmal aller Urteile,
die Deckung (totale oder partielle) der Individualkoeffizienten, fehlt auch
") Diff. S. «8 ff.
") Sehr oft ist auch die Formel abcx--~d zutreSend, insofern das
„Haben von Staubgefäßen" (=x) bekaiml, und nur die Zahl der Staub-
gefäße (= d) noch der Determination bedarf. Vgl. S. 32B.
■*) Im folgenden ist zu Merkmalen immer hinzuzudenken : „oder Teile".
Vgl. S. 320 und Diff. S. 14d.
") Dies verträgt sich selbstverständlich sehr wohl damit, daß das
Urteil sich auf zahlreiche Vergleichungen objektiver Merkmale (§ 9t) bei
einzelnen Salbeiarten und -Individuen stützt.
„.,,„, ^.oogic
a. Kapitel. Psychologiache Gnindlegung.
Uer nicbt; der Unterschied liegt nur duin, dafi kb zu dem Deckungsergebnis
liMf durch bloBe Vergleichung der begrifflichen Heitmale gelangt bin und im
[MetI auch das Ergebnis der letzleren Vergleichung mitdenke. Die Urteile
der ersten Art (nur Koeffizienten vergleich) »Ben w^tertiin als IconaeT-
tive (conserere), diejenigen der zweiten Art (auch Meifanalvergleich) als
koramenaive (conunetiri) bezeichnet werden. Das logiscbe VerhAttnis
dieser beiden Urteilakategorien wird in g US besprochen. '
Sehr hftufis sind auch gemischte, d. h. konsertiv-konunenaive Ur-
lfile, d. h. sdir oft wird von einem Herkmalkomplez S ein Merkmalkomirtex P
ausgesagt, der zum Teil schon in S enthalten ist, zum Teil noch
nicht. Die Formel dieser gemischten Urteile lautet abc-~-cde oder
abcd'— cdef. Wenn ich z. B. weiß, dafl die Salbei eine Lippenblüte
liat, nicht aber, daß sie vier sog. NQBcben bildet, und nun urteile „die Salbei
ist eine Labiale", so ist in bezue auf das BleAmal der Lippeoblüte das Urteil
kommensiT, aber in b«zug auf das Merkmal der NaBcben konsertiv.
Mit dieser Einteilung h&ngt di» Kantsche Einteilung der Urteile in
synthetische und analytische eng zusammen. Hier ist ein
fünftes Einteilungsprinzip maßgebend, welches sich darauf grOndet, ob
das Prädikat B in der Subiekfsvorslellung A „(versleckterweise) ") enthalten
ist" oder „ganz außer dem Be«nä A" liegt (vgL S. 12S). Im ersteren Fall
ist das Urleil nach Kanls Terminologie analytisch, im letzteren synthietisch.
Diese Unterscheidung ist oDenbar, wenn sie auch fflr die Eiiennlnistheorie
und Logik besonders interessant ist, nicht nur erkennt nistheoretisch und
logisch, sondern betrifft auch einen psychologischen Tatbestand. Das UrteQ:
„der Schnee ist weifl" wird tQr die meisten Urteilenden analytisch sein, in-
aofem tatsachlich in der Vorstellung „Schnee" die Vorstellung „neiB" bereits
mitgedacht wird. Die analytischen Urteile sind zugleich diejenigen, auf
vciche die oben (S. 367) angeführte Wundlsche Auffassung des l^rteil^ noch
am meisten zutrifft: eine gegebene Gesamlvorstellung (Schnee) wird in ihre
Bestandteile zeriegt und ein einzelner Bestandteil im Prädikat (weiß) heraus-
nenriffen. Psychologisch hat diese Unterscheidung jedoch fast keine
Bedeutung*'), da in weitaus den meisten Fällen der Urteilende kaum iniK
■[3sde ist sicher anzugeben, ob er in der Subjefctsvorstellung das Prädikat
„Tersteckterweise" mitgedacht hat. So eiklärt es sich auch zum Teil, daß
z. B. bezüglich der arithmetischen Sätze (fi + i^7 usf.) noch heute zu-
veilen gestritten wird, ob sie analytisch oder synthetisch sind.
Die vierte und die fünfte Erteilung stehen offenbar in einer sehr engen
Beziehung. Ein kommensives positives Urteil ist stets analytisch; denn
der Vergleich der begrifflichen Merkmale, der fOr ersteres chajakteristisch
isl, kann zu einem positiven Ergebnis — Richligkeil vorausgesetzt — nur
dann fahren, wenn das Merkmal v<m P in S irgendwie enthalten ist. Ein
ionsertives positives Urteil von der Form abc-— ^d ist aelbstverständ-
lich stets synthetisch; die seltenen konsertiven positiven Urteile von der Form
ab[c]~— c (s. oben) sind als analytisch zu betrachten, wenn man das ta t -
sächliche Verhältnis der begrifflichen Prädikatsmerkmale zu den begriH-
lichen Subjektsmerk malen als maßgebend für den analytischen Charakter
d« Urteils betrachtet, hingegen als synthetisch, wenn man den psycho-
'^) In den Prtdegomena zu jed. kQnft'. Melaph. .§ 3 heißt es: „nicht so
klar und mit gleichem Bewußtsein gedacht".
") Vgl ErkenntnisUieorie, Jena 1913, S. 406 H.
jM,Googlc
390 M. Teil. Eitenntnistheorefische ustw. Grunäleguns der Logik.
logischen Vorgang der Aussondening des Pr&dikfttsmerkmals aas dem Heck-
malkomplex des Subjekts als das entscheidende Ehterium des aoalytiachen
Urteils ansieht. Auf die eigentümlichen Schwierigkeiten, i^elche sich bei
negativen Urteilen fOr die Eantsche Einteilung ergeben, kann in dieser
kurzen psycbologischen Grundlegung nicht eingegangen werden. Ebenso
kann nur kurz darauf hingewiesen werden, dafi der Gegensatz zwischen
analytischen und synthetischen Urteilen nur mit Voibehali auf Empfin-
dung s urteile (S. 366) übertragen werden darf. Streng genommen sind alle
reinen Empfindungsurteile synthetisch; denn Vorstellung und Empfindung
sind heterogen, die Pfidikatvorstellung kann also in der Subiektempfinduni.
sofern sie rein ist, nicht enthalten sein. V^ auch Diff. S. 149 f. u. Iö2.
Ein sechstes psychologisches Eioteilungspiinzip der Urteile beruht
darauf, daB die Veigleichungshmtfion, welche bei jedem Urteil wiiksam ist
(im Sinn eines Eoeffizientenrergteichs, vgl. S. 369), polar*») ist, d. h. zu
Gleicbheits- oder Verschiedenheits-(Ungleichheits-)Urtei!en fflhrt Vf ird im
Urteil die Gleichheit der Individualkoeffizienlen ausgesagt, so ist das Urteil
bejahend^ wird ihre Verschiedenheit ausgesagt, so ist das Urteil ver-
neinend"). So bedeutet z. B. das Urteil „diese Rose ist nicht rot",
dafi „diese Rose" und „rot" verschiedene Individualkoeffixienten haben.
Geltungsbewußtsein (behauptender Chajakter) kann sowohl bejahenden wie
verneinenden Urteilen zukommen und sowohl diesen wie jenen fehlen (vgl.
S. 38^. Es gibt negative und positive Thesen (Behauptungen) und negative
und positive Prothesen (Annahmen). Beispiel für eine positive Behauptung:
die Erde dreht sich um die Sonne (als meine Überzeugung ausgesprochen),
für eine negative Behauptung: die Erde ist keine vollkomniene Kugel (als
meine Überzeugung ausgesprochen); für eine positive Annahme: die Erde
ist eine Scheibe (z. B. als Meinung Homers von mir erwihnt), für eine
negative Annahme: die Erde bewegt sich nicht (z. B. als Ueinuns der
Richter Galileis von mir erwähnt). Es bedarf kaum einer besonderen Hervor-
hebung, daB die Verneinung sich stets auf den Koeffizientenver^eich be-
zieht (vgl. S. 369 u. 38B). Handelt es sich um em negatives kommensives
Urteil,' liegt also außer dem Koeffizientenvergteich auch ein Herkmal-
vergleich vor, so beruht der negative Ausfall des Koefßzientenvergletchs zu-
gleich auch auf dem negativen Ausfall des Ueikmalvergleichs (a b c d e g ge-
hört nicht zur Gattung abcdef, weil das Ueikmal f fehlt usf.).
*>) Diese Polarität ist selbstverständlich ohne jede Beziehung zu der
S. 3(7 besprochenen begrifflichen Polarität.
**) Die Literatur Ober die Psychologie der Verneinung ist äußerst
dürftig. Meist wurde die Verneinung nur von logischem Gesichtspunkt unter-
sucht In Betracht kommen namentlich: Windelband, Beitr, z. Lehre v. neg.
Urteil, StraOb.' Abh. z. Philos. lasi, S. 187 (bebt die Beziehung zur Frage
hervor); Jerusalem, Die Urteilsfunktioa, Wien-Leipzig 1896, S. 181 fi (wird
den negativen Annahmen nicht gerecht); Nie. Petrescu, Denkfunktion der
Veineinung, Leipzig-Berlin 1914^ S. 6 — 17 (behauptet, daß die Veraeinui^ die
ursprüngliche Form des Urieiless Oberhaupt ist); LoBkij, Logos 191^ Bd. 3,
S. S27; Heinr. Maier, Psychol. d. emot. Denkens, Tüb. 1908, S. 272H.; W. H.
SheldoD, Philosoph. Review ISOB, Bd. 11, S. 486. Die logische Beziehung
der Negation zur Venchiedenheit hat schon Plato im wesentlichen richtig
dargealdlt (Sophist. 258B).
2. Kapitel. PsychglogiBche Qrundlefune. 391
Die Beziehung des Gelhuusbeicufitseiiis, aJso der Anerkennuiw und
Verwerfung, zu der Bejahung und Verneinung des Urteils wird in dem
Jogifcbea Haupttei] besprochen weiden. Hier sei von psychologischem
SUndpunkl nur vocUufig bemerlil, d&B die AneAennung den positiven bzw.
:iegativen Charakter des Urteils unberührt läßt, die Verwerfung ihn aufhebt
;ind damit aus der positiven Behauptung die entgegengesetzte negative macht
und umgekehrt. Vgl. S. 384.
Tenninologisch ist leider ein schwerer MtBstand insofern vorhanden,
als die alteren Logiker seit Appulejus") (vgl. S. 48) das sechste lün-
teilungsprinzip als qualitativ, also Verneinung und Bejahung als
„Qualitäten" des Urteils bezeichnen, wahrend manche neuere Forscher
(Winddbaud, Husaert in der 1. Aufl. der Log. Unters.) *■} das erste Ein-
teitungsprinzip qualitativ nennen und daher eine setzende und nicht-
setzende Qualität unterscheiden (vgl S, 38&(}. Im folgenden wird der Ter-
minus „Urteilsqualitfit" antsprechend dem auch jetzt noch überwiegenden
Gebtauch stets im alteren Sinn angewendet werden.
Die Lehre, daß bei der Verneinung immer erst das entgegengesetzte
positive Urteil vollzogen oder versucht werde *^) (Chr. Sigwart, Logik, 2. Aufl^
Freihurg 1889, Bd. 1, S, IfiO) und daher die Kopula nicht der Trager, sondern
das Objekt der Verneinung und die Verneinung direkt ein Urteil Ober ein
versuchtes oder vollzogenes positives Urteil und erst indirekt ein Urteil Ober
das Subjekt sei, acheint mir psychologisch jedenfalls unzutreOend.
FsTcholoKisch ist das positive und das negative Urteil koordiniert. Nur zu-
weilen, aber keineswegs stets laBt sich durch Selbstbeobachtung das tat-
sächliche Vorangehen des bez. positiven Urteils nachweisen oder wahr-
scbönlich machen. Die logische PrOfung der Sigwartschen Lehre folgt
») Lib. nigJ i^M-i 266 {ed. Thomas 1908, S. 177).
") Neuerdings bezeichnet Husserl das neutrale „Dahingestellt"! iahen
als „Modifikation" und schreibt ieder eigenartigen Thesis eine Qualität zu,
bezeichnet aber die Thesis selbst nicht als Qualität (Id. z. einer reinen Phän.,
Halle 1918, S. 268 u. 274).
") Messer, L c. S. 118, spricht daher von „Versuchsurteilen". Erdraann
(Utik, 3. Aufl. 1907, S. 505} sagt in ahnlichem Sinn, die Verneinung sei „die
Formuherung einer miBlingenden Bejahung" und demnach kein elementares
(Jrleil, sondern ein Urteil über ein Urteil und rechnet sie daher zu den
^Beurteilungen" (wobei dieser Terminus eine ganz andere Bedeutung hat als
hei Windelband, vgl. S. 3fö, Anm. 6). Man kann die Sigwarlsche Lehre
auch dahin formulieren, daB es negative Urteile (II, 3 in dem Schema an(
S. 388) überhaupt nicht gebe, sondern nur Verwerlungen positiver Annahmen,
*•) S^art selbst scheint mit trotz der Bemerkungen 1. c. S. 159 Annw
liebt scharf genug zwischen der psychologischen und der logischen Seile der
Frage zu unterscheiden.
') Für die Psychologie des Schlusses kommen namentlich die Exiieri-
meDtahmtersuchungen von StCrring (Arch. I. d. ges. Psychol., 1008, Bd. 11,
S. 1) in Betracht, teioer Heinr. Maier, Psychol. d. emoi Denkens, Tlib. 190^^
S. 29ia.; Petenwn, Psjchol. Review 1908, Bd. 16, S, 327.
O^^IC
392 "- ''^^''- 'Erkenntnistheoretische usw. Gniodleeune der Logik.
einander entbehren, z. B.: der Schnee ist weiB, der KreisumlAnt ist glnch
2ifr usf. Dieser disp&rate Charakter einer Urteilsreihe verschwindet kvch
dann nicht, wenn die sukzesnven Urteile setneinsune Vorslellnnsen ent-
haltMk wie z. B, die Reihe: der Schnee ist kalt, der Schnee ist weiß, dac
Schnee ist kristallinisch, oder: Chinin schmeckt hitter, Morphium Kchmeckt
bitler, Ouassia schmeckt bitter. Wir nfihem uns dagegen bereits dem SchluB,
wenn wir mehrere sukzessive Urteile zu einem einzigen auf Grund der ihnen
gemeinsamen Vorstellungen verschmelzen. Wir können dann von Vorder
Sätzen (V ordern rt ei ! en) und einem Schlußsatz (SchluB-
urteiJ) sprechen. So entsteht z.B. das „zusammenfassende"
Urteil >); „der Schnee ist kalt und weiB und kriBtallinisch" (koniunk.
tives Urteil) oder „Chinin und Morphium und Quassia schmecken
bitter" (kopulatives Urteil)»). IsoUert betrachtet, ist ein solches
Urteil kein SchluB; dagegen muU das ganze GetOge — Urt«l mit
Vordersätzen — als SchluB bezeichnet weiden. Der SchluB in
diesem weiteren Snne ist sonach jede Reihe *) von zwei oder mehr
Urleilen, deren letztes durch die vorhergehenden begründet wird : „der Sduiee
ist kalt, der Schnee ist weiB usf., also (1) ist der Schnee kall und weiB".
Itlan kann dann also auch van koniunkliven und von kopulativen
Schlüssen sprechen. Zuneilen gebraucht nian jedoch den Terminus
„SchluB" in engerem Sinn und verlangt von dem SchluB das Zustande-
kommen einer neuen selbat&ndigen Verknüpfung von Vorstellungen (abo
nicht bloB eine ftuBerlicbe Verbindung der unverftadeiten Voratdlungs-
verkndpfungen der Vordersitze). Ein solcher SchluB im engeren Sinn ist
K. B. folgender: „diese Blume ist eine Salbei — die Salbei bat stets zwei
StaubgeflBe — also muB diese Blume zwei Staubgef&Be haben". Hier tnetet
der Schlußsatz wiiklich etwas Neues, wahrend er bei dem voiher erörterten
konjunktiven und kopulativen Schluß die Vordersatze im wesentlichen nur
sprachlich abkürzend zusammenlaBt, ohne ihren Inhalt zu Andern. Damit
hSngt auch zusammen, daB bei dem konjunktiven und koimlativen SchluB di»
Vordersätze untereinander vollständig koordiniert sind, daß dagegen bei dem
^hluB im engeren Sinne durchweg e i n Vordersatz bzw. das Subjekt des-
sedben dominiert imd mit Hilfe des anderen bzw. der anderen VordersUie
der erste umgestallel bzn. sein Subiekl mit einem neuen Pr&dikat veibunden
wird. Man kann daher einen prinzipalen Vordersatz und ein
oder mehrere auxiliare Vordersatze (Kilfsvordersatze) unter-
*} Erdmann (Logik, 2. Aufl., S. 403 u. 73S) bezeichnet solche z
lassenden Urteile als „Urteilsverbindungen". Ober die Stellung des sog.
civisiven, disjunktiven und hypothetischen Urteils ist § 120 und 131 lu
vergleichen. Nach Erdmann ist das divisivc Urleil nicht wie das kopu-
lative ein „Aggregat von Urteilen", sondern ein , System" .... Ober
Krdmanns „Urt ei I s getoge" (disjunktive Urteile, I. c. S. OB)
und „Ufteilsinbegrirfe" (hy pol hellsehe Urteile, S. 668)
.wird erst im logischen Hauplteit gesprochen werden,
») Weniger zweckmäßig ist die Bezeichnung „induktive Urteile" (Höf-
ler u. a.).
*) Man beachte also wohl, daß das einzelne Urteil: „der Schnee ist kalt
und weiB" ein konjunktivcs Urteil ist und nur die „Urteils" re i he: ,A^
Schnee ist kall, der Schnee isl weiB, also ist der .Schnep kalt und weiB"
ein SchluB genannt werden darf.
OgIC
2, Kapitd. Psvcliologischc Gruodlegung. 393
scheiden. Dis DenkUtigkeit beschränkt sich bei der Konjuakllon und Kopu-
lation AoS die Eikennlnis der Gemeinsamkeit des bezüglichen Subjekts bzw.
Piidikats, wahrend bei dem SchluS im engeren Sinn eine Vergleichung der
VoFstethmien der Vordersätze untereinander uneriftBlich ist.
Tenninoloeisch sei für die folgenden Erortefungen festgesetzt, dftS mit
,Schlufl~ oder „Konklusion" (ohne Zusatz] stets der Schluß im
«eiteren Sinn gemeint ist'). Er scliiieBl also den koniunktiven und
kopulativen SchluB ein. DemgegenQber soUen die kopulativen und kon-
niDttiveD Urteile als „zusammenfassende Urteile" oder
Kolligationen bezeichnet werden. Für die Schlüsse im weiteren
Sinn samt den zuanunenfsssMiden Urteilen eignet sich die Bezeichnuiw
p.ürtejlssy nthesen". Die Urteilasynthese ist also entweder Konklu-
sicD oder EoUigation. Ferner soll scharf zwischen SchluS und Schluß-
Qrlail (Schlußsatz) unterscbiedeh werden. SchluB (Konklusion) bezeich-
net im folgenden stets den gesamten Prozeß*) vom ersten Vorderurteil bis
zum Schlußurleil inkl., während im alltäglichen Sprachgebrauch sehr oft
aucb das SchluSurteil (der Schlußsatz) fflr sich genommen als Schluß be-
zeichnet wird. Das SchluSurteil heißt auch Folgerung') oder besser
Konklusum, die Vordenuteile heißen auch Prämissen. Die Ter-
niiDi „Schlußurleil" und „SchluSsat^* sind — abgesehen von der Betonung
der sprachlicben FormulieninB bei dem letzteren — im wesentlichen gteich-
Itedeulend. Dasselbe gilt von den Termini „Vorderurteile" und „Vordersätze".
Im tatsächlichen Denken werden bei den Schlüssen sehr oft ein oder
«KJi mehrere HiUsvordersätze nur sehr flüchUg und unbestimmt gedacht
und daher auch sprachlich nicht in Gestalt eines vollständigen Satzes
lonnuliert. Wir denken z. B. in dem oben angeführten Bei^iel in der Regel
eiva folgendermaßen : „Diese Blume ist eine Salbei, also (daher, folglich) muß
sie zwei Staubgefäße haben". Zuweilen denken wir auch im Sinne der
Worte: . . . ,3lso muß »c a I s Salbei zwei Staubgefäße haben". Die zuerst
angeführte Fomndierung in drei ^tzen entspricht also dem gewöhnlichen
Psychologischen Tatbestand nicht, sondern steht bereits unter dem
EinlhiB des logischen Schemas. Richtig ist aber, daß der psychologische
Talbesland sich stets auf ein solches oder ähnliches Schema zurückführen
läBt, und daß der in der Formulierung übersprungene Hilfsvordersatz irgend-
wie mitgewirkt hat)en muS. Ebenso wie viele psychologische Beobachtungen
uns zu der Annahme zwingen, daß neben den bewußten Vorstellungen auch
tot. unbewußte oder latente Vorstellungen existieren, d. h. ausschlieBUch
nulerielle, von psychischen Prozessen nicht begleitete Rindenerregungen
°) Knen noch engeren, rein logischen Sinn hat der Terminus „Syl-
logismus", wie in dem logischen Spezialabschnitt zu erörtern sein wird.
l^iegen sind alte oben angeführten Unterscheidungen auch rein psycho-
loüsch unenlbetiriich und seither von der deskriptiven Psvdiologie mit Un-
recht vemacMässigt «orden.
°) Noch zutreffender wäre der Terminus „Schließung", doch wider
»»rebt er unserem Sprachgefühl. Altere Logiker bezeichneten zuweilen den
Schjuisatz als Conclusio, den SchluB, d. h. den Gesamtprozeß als Ulatio.
V|L z. B. Chr. Wdlö, Philos. ration. Pars I, § 336.
') Von dem abweichenden Wolffschen Sprachgebrauch (vgl. S. 39*.
^jn. 9) sehe ich ganz ab.
1,1^. OQi
,g,c
394 U- "^^^ ^rkenniniBtheoretische usw. Gnindleguiu der Losik.
(vgl S. 362 u- 381), werden wir auch zu der Annahme gedr&nst, daS es
materielle Aasoaationsprozesse gibt, die von Urteilen im Sinne psychischer
ProTttK nicht begleilet sind, aber doch Urieilen iquivalent und bei den
Zustandekommen von ScbluBsAtzen [nie ia dem obigen Beispiel) wescnüich
beteiligt sind. Das plötzliche AiJtauchen mathematischer und anderer
Problemlösungen usf. USt sich ohne solche „latente Urteile"') gu
nicht erklftren. Logisch bezeichnet man seit BoElhius alle solche abgeküreta
Schlosse meistena als Enthrmeme (vgl. den io^schen Spezialaiaehmtt).
Es unterliegt keinem wesentlichen Bedenken, diesen Tenninus in analoKec
Sinn auch psychologisch zu verwenden. Bei manchen unvoUstandigeo
Schlauen kann dabei sogar die Gemeiasamkeit von Vorstellungen scheinbar
ganz (ehien, so z, B. in dem Schluß: „Der Briefsiegel ist verietzt, also i-:t
mein Geheimnis verraten."
Ausnahmsweise kommen in unsej^m tatsächlichen Denken aucb
Schlüsse vor, welche nur aus einem Vorderaatz und dem Schlußsatz be-
stehen und auch keinen ergänzenden Hillsvordeisatz involvieren. Hieiter
gehören z. B. folgende ScUOsse: alle Pflanzen atmen Sauerstoff ein, folglich
atmet diese Pflanze SauerstofI ein (vgl. jedoch auch § 12v); Ellipsen sind
Kurven zweiter Ordnung, folglich sind einige Kurven zweiter Ordnuu
EUvsen; keine Ellipse ist eine Kurve dritter Ordnung, folglich ist keine Kurve
dritter Ordnung eine Ellipse. Offenbar ist hier für den SchluB der Sinn der
Worte „alle", „einige", „keino" usf. mafigebend.
Auf die logische Bedeutung dieser letzterörterten sog. unmittel-
baren Schlosse*) wird in dem logischen Spezialabscbnitt eingegangeo.
Die zuerst erörterten, wenigstens zwei Vordersätze enthaltenden oder ia-
volvierenden Schlüsse werden im Gegensatz bierzn speziell als mi ttelbars
Schlüsse bezeichnet ^"j. Sprachhche Umgestaltungen eines Urteils, welcba
seinen Sinn nicht verändern, werden am besten übertiaupt nicht zu den
Schltlssen gerechnet (z. B. „das Haus wird von der Sonne beschienen" statt
„die Sonne bescheint das Haus") ").
Die weitere psychologische Erörterung aller jetzt «d-
') Über die psychophysiologische Bedeutung einer solchen Latenz s.
Ltf., 10. Aufl., S. 22a
') WoUf bezeichnet sie als „unmittelbare Folgen", „Consequentiae im-
mediatae". Philos. rat. § i&ä: „Modus ratiocinandi, <iua una propcäliaDe
posita simul poni alleram per rationes logicas maniteslum est, dicitur cou-
sequcDtia inunediata" Nach Erdmann (Logik, 2. AufL, S. 5905 hätte Wolfi
die unmittelbaren Schlösse auch „Folgerungen" genannt, indes habe ich in
WolHs eigenen Schriften (Vernünffl. Gedancken v. d. KiaUten usw., 1131.
§ 29 ff-, VernOnUt. Gedancken v. Gott usw., 1747, § 364 ff. u. a.) diesen Te^
minus bis jetzt nicht gefunden. In Ludovicis S. 117 zitiertem Entwurf findet
er sich allerdings (Bd. 2, S. 239), aber nicht für consequentia ünmediita.
sondern für consequentia. Vgl. auch A. G. Baumgarten, Acroasis logica, ei
Töllner, 2. Aufl. 1773. S. 1(B: consequentia immediata ,= unmitleltMre
Folgerung.
»•) Die gewöhnlichen Enthymeme rechne ich, da sie einen zweiten
Vordersatz involvieren, noch zu den mittelbaren Schlüssen.
") Eine genaue Beobachtung lehrt übrigens, daß bei diesen Umgestal-
tungen doch nicht selten auch der Inhalt eine leichte Abänderung eriihrt
„.,.,„,>..oo^sic
2. Kapitel. Psychologische Grundlegung. 39g
eezäli}fen SchluBprozesse ^*) kanu von der zu Anfang des Paragraphen fest'
gesleHtcn Tatsache ausgehen, daB das Vorhandensein gemeinsamer Vorstel"
hingeo aus einer Urleilsreihe noch keinen SchhiB macht Es ist die Conditio
aiat qua non für einen Schluß, reicht aber zur Charakteristik dea Schlusses
akbl aus. Es muB noch ein bestimmter Denkzusammenliang hinzukommen,
den man (auch psychologisch) als den Zusammenhang von Grund und
Folge bezeichnen kann. Die Vorderurteile bilden den „Grund", das
SehlnBurteil die „Folge". Die psychologische Analyse dieses Zusanunen-
baags ergibt lediglich die Wirksamkeit derselben DifferenzierungsfunkUosen,
velcfae bei der Entstehung des Uileils beteiligt sind (vgl. S. 3S1). In^eson-
dere handelt es sich dabei stets um «inen fortlaufenden Koeffizienten vergleich
(s. S. 36ft). Im einzelnen ergibt die psychologische Untersuchung noch
folgende fOr die Grundlegung der Logik wichtige Tatsachen;
Mau kann, wenn man sich auf einlache Schlüsse in schulroäSiger Form
besdiränkt, drei Hauptlälle unterscheiden, je nachdem der zweite '■) Vorder-
satz unseres Salbeibeispiels, der sogen. Obersatz, allgemdner oder ebenso all-
gemein oder weniger allgemein als der Schlußsatz ist, und im ersten Fall
von deduktiven Schlössen, im zweiten von Analere- bzw. NiveauschlOssen,
un dt^ten von induktiven Schlüssen sprechen. Das psycho-
logische Erlebnis bei dem deduktiven SchluB l&ßt sich kurz dahin
tharakterisieren, daß ein Spezialfall in eine allgemeine Regel (ein Individuum
in eine Gattung usf.) eingeordnet wird. Bei psychologischen Schlußeiperi-"
menlen kleidet sich diese Einordnung gewöhnlich in Worte wie „gehört zu"
(z. B. Cajus zu den Menschen) od. dgl. Wir gehen also vom Allgemeinen zum
ladiTiduellen bzw. zum weniger Allgemeinen über. Die eigentümliche Vnr-
scbmelzung, durch welche die Generalisation charakterisiert ist (g 69),
(eslatttt eine solche Einordnung ohne weiteres, da sie in der S. 335 be-
snxtcheDen Wdse die AUgemeinvoratelluns für neue EinzelgUeder offen läBt,
und auf Grund der Einordnung nimmt die eingeordnete Vorstellung an allen
Itlr die Allgemein Vorstellung ausgesprochenen Urteilen teil. Spradüich diesen
Euordnungsvorgang zu beschreiben oder ihn begrifflich zu zerlegen, ist uns
Hiebt mäglich, ebenso wie wir nicht imstande sind, z. B. den Hergang der
Genenttisation mit Worten adäquat wiederzugeben. Es handelt ^ch um ein
Erlebnis im Bereich der DiSeTenzierungsfunktionen, das ebenso unbeschreib-
lüh ist wie die Empfindung blau. Deshalb etwa zu behaupten, daß es sich
Oberhaupt um kein chaxakleris tische s psychisches Erlebnis handle, ist selbst-
versl&odlich ganz unzulässig (ebenso wie in dem Fall der BIau-E!mptindung).
Wtdien wir uns unser Erlebnis durchaus veranschaulichen, so kScnen wir
die ^Ordnung durch rftumliche Symbole darstellen (z. B. Cajus als einen
kleiDen Kreis in den groBen Kreis „Mensch" einzeichnen). In der Tat tauchen
solche räumliche Symbole bei den Versuchspersonen sehr oft ganz spontan
aid und erleichtern auch zuweilen eben infolge ihrer Anschaulichkeit den Akt
to Schbeßens. Unerläßlich — wie dies Fr, A. Lange behauptet hat
") Man beachte für das Folgendu immer, daß für die psychologischo
wrterung falsche Schlüsse ebenso in Betracht kommen wie richtige.
") Da die Reihenfolge der Vordersätze bis zu einem gewissen Grad
*iBkDrlich ist, so ist auf die Bestimmung „der zweite Vordersatz" kein
RoBes Gewicht zu legen. Hier ist diejenige Reihenfolge vorausgesetzt, welche
bei dem natürlichen Denken durchaus überwiegt. Vgl. Beispiel S. 392. Die
l^k pOegt die Reihenfolge umzukehren.
OgIC
396 ^- ^^'1- I-rkenntnistheo retische usw. Orundlegune der Logik.
(Tgl. S. 166 u. 3SS) — ist eine solche ,JViiscliauuns der BeKTÜfsverhiltmase in
ßaumbildem" nicht, und tatsächlich fehlt sie nicht selten gltnzlwh. IHe
Häufigkeit des Auftretens räumlicher Symbole erklärt sich aus der Be-
deutung des fortlaufenden IndividualkoeffizientenveTgleichs und li^rt eine
indirekte BeBt&tigung für die Richtigkeit unserer Charakterisierung des
t-'rteils und des Schlusses durch den Individualkoeffi&enten vergleich.
Etwas anders gestaltet sich das psTchologische Erlebnis im tweitoi
t'atl, also bei Analogieschlüssen. Als Beisiriel mag der schon frOhet
verwertete Schluß dienen^'): IJier sehe ich heifle Aache; ähnliche heiBe
Aacbe habe ich schon oft gesehen, nachdem kurz vorlier ein Feuer gebrannt
hat; also wird wobt auch hier kurz vorher ein Feuer gebrannt haben. Von
einer einfachen Einordnuns unter eine allgemeine Regel wie in dem enten
Fall kann hier sehr oft keine Rede sein. Der zweite Satz hat gar nicht den
Charakter einer allgemeinen Regel. Zuweilen genügt eine einzige ähnliche
Erfahrung als Prämisse eines solchen Schlusses („gebranntes Kind scheut
das Feuer"). Während Mensch-sein mit allen seinen Ueikmalen auf den
l^jus zulri&t, handelt es sich bei der heiBen Asche nur um eine partielle
Ähnlichkeit mit früheren ähnlichen Erlebnissen; zu der Abstraktion einer
AllgemeinTorsletlung ist es gar nicht gekommen. Ich Bliebe daher in der Tal
nur ein Ah nlichkeitsbewu fitsein des jetzigen Falles mit froheren und dehne
in meinem Schluß die Ähnlichkeit auch auf Merkmale«,- Teile, Wiikungen,
Ursachen usf. aus, die mir für den jetzigen Fall nicht direkt bekannt sind.
Von irgendwelchem Gedanken an die allgemeine Gleichförmigen oder Ijc-
NelzmäSigkeit des Geschehens ist in den meisten Fällen nichts zu konsla-
tieren. Es tritt einfach das Aussageprädikat der trüberen Fälle audi in dem
neuen Fall, d. h. für das neue Subjekt ein; Wenn man also von einer Sub-
stitution reden will, so erfolgt diese psychologisch nicht etwa in dem Sinne,
daB das neue Subjekt in die allen Urteile (in die in Urteilen austedrflcUen
Erfahrungen) eingesetzt wird, sondern in dem Sinne, daB das afte Prädikat
in das neue Urteil eingesetzt wird. Dabei bleiben die alt«n Ur-
teile außerordentlich oft in dem oben (S.393) besproche-
nen SinnelalenL Es handelt sich also t)ei den Schlüssen der zweiten
Klasse noch öfter als bei denen der ersten Klasse um Enlhymeme. Wir
müssen annehmen. da& die auf die früheren FaUe bezüglichen Urteile in
irgendeiner Weise latent, also im Sinn rein -physiologisch er Endungen wirk-
sam werden. Unertäfilicb ist femer, daB ein Vergleich des jetEigen Fallet
(Subjektes) mit den früheren stattfindet und zum Ergebnis einer mehr oder
weniger erbeblichen Ähnlichkeit zwischen jenem und diesem fülirt '*). Auch
die letztere Tätigkeit der Vcrgleichungsfunktion vollzieht sich in der Refd
latent. Nur hin und wieder, z. B. in schwierigeren oder wichtigeren Fällen,
reproduzieren wir ausdrücklich in einem oder mehreren Prämissen die
früheren Urteile und konstatieren ausdrückUch die Ähnlichkeit des ietit vor-
liegenden Subjektes mit den Subjekten der früheren Urteile. Zuweilen kCnnen
wir bei fortlaufender Beobachtung sogar unmittelbar verfolgen, wie alhnäh-
lich die Vordersätze und der Vergleich der Subjekte imntcr kDr:cer und un-
bestimmter »ird, bis er schließlich ganz latent wird.
'*) Absichtlich wird für diese psychologische Betrachtung ein ganz
populäres Wahrscheinlichkeitsurteil des täglichen Lehens gewählt.
") Daß vom Standpunkt der Assoziationspsychologie diese zweite An-
nahme überOüssis wwden kann, mag hier unerörtert bleitten.
2. Kapitel. Psychotogiache GnmdleguDg. 397
As die AnalogieschlQsse achlieBen sich unmittelbar £e sog. induk-
liveo Schlüsse an. Sl&tt vom Individuellen auf Individudles eu schlieBeu,
seldieften wir bei dem indukliven SchluB vom Individuellen auf Allgemeines
«der auch vom weniger AIlgemeiDen auf Allgemeineres. Es handelt
sich also um denselben ProzeB, dar jeder Gcneralisation zugrunde liegt (vgl.
S. 331 ff.). Psychologisch gehören die AnalogieschlQsse und die induktiven
SdüOBse zu derselben Hauiitblasse. Exaktere Bestimmungen gibt die Logik.
Au9 allen diesen Darlegungen geht wohl mit Sicherheit hervor, daS
psychologisch bei dem Schluß weder im ersten noch im zweiten Fall ■*) neue
intdIAtueile Funktionen in Tätigkeil treten. Der Zusammei^ang, den wir
rwisdien den Prämissen und dem SchJuBurteil finden, beruht im wesentlichen
«uf einer besliimnten Tätigkeit der Vergleichungsfunktion. Das Begründunga-
bewufltaein, d. h. das BewuBtsein von Grund und Folge, welches den Schluß-
proMfl mehr oder weniger bestimmt hegleitet, besteht für die p s v c h 0 -
loiisehe Betrachtung lediglich in dem durch die Diüerenziemngsfunk-
lionen hergestellten Zusammenhang der Prämissen und des Sc hlu Burteils.
Dabei. ist zugleich eine adbstverständiiche Voraussetzung, daß die Voistel-
hingen, welche in den Prämissen aulgetreten sind, noch bis zum SchluBurteil
nadnriAen (Dominantvorsteltungen, Leitvorstellungen, richtun^ebende Vor-
itelhmgen), wie dies vom Standpunkt meiner Konstellationalehfe sehr woht
wretindlich ist"). Charakteristisch iür den Schluß ist jedoch eine
»lebe Nachwirkung nicht; denn wir beobachten sie auch sehr oft bei dis-
peiaten Ilrteilsreiben und sogsf disparalen Vorstellungsreihen, freilich in der
Hegel nicht so ausgesprochen. Charakteristisch ist nur die durch die DiUe-
Kazierongslunktionen hergestellte Beziehung.
Manche Psychologen nehmen an, daß, wie bei dem Urteil, so auch bei
dem Schluß eine neue spezifische Punktion in Kraft tritt, und daß dieser
AmklJon das Begründungsbe wußtsein entspricht. Sie berufen sieb dabei ent-
weder auf die sog, Selbstwahmehmung oder — wie die Logizislen (vgl. § 45) —1
auf dn jenseits des psychologischen Geschehens erfolgendes Schauen. Dabei
*ird bald auf eine Definition bzw. Charakteristik des Schlusses ganz vcr-
zicfatet und einfach auf das spezifische Erleben hingewiesen, bald doch auch
öne p8Tcfa<dogiBche Charakteristik dieses spezifischen Erlebnisses versucht.
So betrachtet z. B. Kreibig, der das SchUeßen für eine irreduzible Funktion
lält, das Schließen als „das Farwahrhalten eines Urteils mit dem Bewußtsein,
daS dieses Fflrwahrhalteit von dem FQrwahrhalten anderer Urteile bedingt
ist" (Die inlelL Funktionen. Wien-Leipzig 1900, S. 303). Ob solche und ähn-
bebe Charakteristiken mit der Behauptung der Unzurilckführbaiiceit des
Sdilnßprozesses verträglich sind, soll hier nicht erörtert werden. Es muß an
dieser Stelle genOgen, auf die Existenz solcher Lehrmeinungen hinzuweisen.
") Der Nachweis, daß alle Schlüsse sich auf diese beiden Hauptfalle
«rOcklÜhren lassen, wird im logischen Haoptteil erbracht werden.
") Ltf., 1. Auf!. 1891, S. 119, 10, Aufl,, a älStl. u, 362 fl,
*) Tgl. zur Psychologie dieser sog. logischen Gefühle : Wundt, Bd. 3,
9. eoo u. 112; Ljpps, S. S8& (Ko n stell aüonsgefü hl e) ; Jodl. S, 3&li (FonnaJ-
8dühte); H. Uaier, Psycholoeie des emotionalen Denkens, Tübingen 190S,
S. WH.; Th. Ribot, U bgique des sentiments. Paris 1906; M. Geiger, Arch.
O^^IC
398 II- 1'^''' EricenntDistheoretische usw. GnindleBung der Logik.
teilist. Man kann bei dem einfachen Urteil folgende II a.upt fälle dieser
Beteiligung unterscheiden:
1. Subjektsvorstellung oder Prädikatavorsiellung oder beide aind ge-
fahMietonte Voretelluagen (z, B. „unser Sieg iat am . . . erfochten
woiden", „diese Schlacht ist fOr ims ein groBer Sieg");
2. Subjektsvorstellung oder Prädikalsrorstellung oder beide sind Vor-
stellungen von Gefühlstönen bzw. Stimmungen bzw. Aflektec
(z. B. „diese Freude ist unemariet", „die Freude ist von Puls-
ver&nderungen begleitet");
3. das Urteil als solches ist von GefOhlstOnen begleitet.
Der dritte Fall umfaBt zw«i wesenUich verschiedene Unlerf&Ue. Bild
nämlich ist die Gefohlabetonung des Urteils ganz und gar von der Gefühls-
betonung der im Urteil verknüpften Vorstellungen abhängig, bald ist sie von
diesen ganz oder wenigstens im wesenliichea unabhängig und scheint an
dem Urteilsakt ab solchem zu haften. Als Beispiel für den ersteren Untei-
faU kann das Urteil dienen: ,^eine Lage ist günstig". Die positive Gefohls-
betonung des ganzen Urteils ist hier offenbar von derjenigen der Uiteils-
vorstellungen abhängig. In der Regel läQt sich dabei gar nicht unteracheiden,
ob die Gefahlsbetonung wirkhch a.uch dem Urteil als solchem zukoimnt oder
nur den Urteüsvoratellungen und den mit diesen assoziierten Nebenvorsiel*
lungen. Ein Beispiel für den zweiten Unterfall wixc das Urteil Xi=iSx (wie
es sich z. B. infolge eines Rechenfehlers bei Behandlung einer Gleichung, in
der X einen endlichen, von Null verschiedenen Wert haben solly etgebeo
könnlä). Hier ist die GefOhlrf)etonung offenbar weder von x noch von 2i
noch von der Gldchheit, also nicht von den im Urteil verknüpften Voralel-
luiigen abhängig, sondern von dem dem ganzen Urteil anhaftenden inneren
Widerspruch, der Disgruenz (vgl. S. 286 u. 290).
FOr die Logik hat zunächst (vgl. % 77) nur dieser letzte Unteriin
ein gröSeres Interesse. Hier handelt es sich um Gefühlsbeloaungen, die den
Urteil gerade nach seiner formalen Seite hin zukommen, also mit seinem
logischen Charakter eng zusammenhängen. Man bezeichnet sie daher auch
als logische UrteilsgefüUe. Dan oben an erster Stelle angeführten in-
haltlichen Urteilsgetohlen kann man sie auch als formale Urteila-
gefOhle gegenüberstellen. Ganz analoge Gefühle können auch isoUeclc
zusammengesetzte Vorstellungea und zusammenhängende Urieilsreihen
(Schlüsse, Beweise) begleiten. Auch ein VV'iderspruch der TeilvorslelluDgeo
innerhalb einer einzelnen Vorstellung oder einer Vorstellung mit den Empfin-
dungen und ein VTiderspruch der Urteile innerhalb einer Urteilsreihe ist
von ganz ähnlichen Gefohlsbetonungen begleitet. Alle diese und ähnüdie
Gefühle kann man nach Wundts Voif ang als logische Gefühle zu-
sammenfassen.
Die negative Gefühlsbetonung des Widerspruchs ist nur ein einzelnes
Beispiet für solche logische Gefühle. Es gibt außerdem noch manche andeie,
die sich teils von dem Widerspruchsgefühl herleiten lassen, teils auf anderer
Grundlage entstehen. So ist der Zweifel^), wekher so viele Urteile be-
gleitet, gleichfalls von einem logischen Gefühl begleitet und offenbar nur eine
f. d. ges. Psychol., 1904, Bd. 4i S. 283, namentl. 380 ff.; Mariinak, Süddeutsche
Hält f. höh. Unterrichlsanst., 1896, Bd. t, S. 167.
*> Vgl. Paul SoUier, L« doute, Paris 1906, namentL S. 019 0.
2. Kapitel. Psycboiosiache Gnindl^UDS.
Abart des Widenpnicbsgefübls. Der Widerspruch bestcbt hier zwischen dem
■u^esagten bsw. gedachion Urteil A und anderen bald nebenher gedachten,
bald auch mehr oder weniger latenten Urteilen, die direkt oder indirekt zu A
in Gecensatz stehen. Es ist sehr charakteristiscb. daß dieses Unlustg^üld
des Zweifels verschwindet oder wenigstens sehr stark abnimmt, sobald wir
den uideraptecbenden Urteilen durch eine Wahrecheinlichkeitsfomwlierunf,
also dorch eine GOlügkeitsbeschitnkuDj des Urteils A Rechnung getragen
haben. Mit Unsicherheit und Ungewißheit bezeichnen wir bestimmte Nuancen
des Zweifds, denen wiederum Mancen des logischen ZweifelgefllhlB ent-
sprechen. Nahe verwandt mit dem ZweilelgelüM ist femer das UnUarheits-
geCnhl, wekbes unklare Vorstellungen und Urteile begleitet Bedenkt mar.,
daS jede Unklarheit wenigstens die Gefahr eines latenten Widerspruchs
in sich trägt, so wird es verständhch, dsS bei vielen Menschen auch die
l'nUariieit ein negatives logisches Gefühl involviert.
Umg^ehrt scheint die innere Übereinstimmung, die Kongruenz
(TfL S, 289) oft von positiven logischen Gefühlen begleitet zu sein. Dem
negativen Zweifel-, Unsicherheit»-, Ungewißheits- und Unkiarheitsgefühl ent-
spricht ein positives Gefühl äei Bestimmtheit, Sicherheit, Gewißheit und
Klarheit.
Außer diesen Disgruenz- und Kocgruenzgefühlen acheint auch die Ver-
langsamung des Assoziationsprozesses als solche von Unlustgefohl, seine
Beschleuniguag von Lustgefühl begleitet zu sein. Handelt es sich um dis-
parate Vorstellungsreihen, so kann man nur von Assoziations gefOhlen
feden; handelt es sich um zusammenhängende Vorsteilungspiozesse im Sinn
der Deokprozesee, so kann man die hegleitenden, vom Tempo des Denkens
abhängigen Gefühle wenigstens zu den logiseben Gefühlen im weiteren Sinn
rechnen. Auch die Bezeichnungen „Denkhemmungs- und DeijkfOrderungs-
«dOhle" sind zutreffend.
Mit diesen Hemmungs- und Förderungsgefühlen hängen wabrschein-
lieh die allerdings sehr schwankenden und meistens sehr schwachen nega-
tiven bzw. positiven Gefühle zusammen, welche das an Unbekanntes bzw.
Bekanntes angeknüpfte Denken begleiten. Die Unbekanntheit erschwert das
Wiedererkennen "), die Bekanntheit fördert es, daher eine Neigung zu Un-
hisOietonung des Denkens im ersten, zu Lustbetonong im zweiten Fall*).
D»hei liegt auf der Hand, daß außer der Hemmung bzw. Förderung nicht
seHen auch Disgruenz bzw. Kongruenz bei dem Zustandekommen dieser
Befähle beteiligt ist. Das Unbekannte ist oft auch die Quelle von Zweifel.
Ungewißheit, Unsicherheit, Unklarheil des Denkens usf. Man kann andrer-
seits aber such die Frage aufwerten, ob die negative Gefühlsbetonung der
*) Die Luslhetonung der Leitmotive, des Refrains, des Reims, der
ihTthinischen Wiedeilcehr, der homerischen Epitheta omantia usf. gebort
wm Teil hierher.
*) Das Notal und Sekural von Avenarius, die Bekannlheitsqualität von
HäQding gehören zum Teil hierher. Verbindet sich das Unbekannte (Fremde)
mit bestimmten inhaltUcben Gefühlstönen [z. B. von Gefahrvorstellungen).
»bskommt es den Gefühlslon der „Unheimlichkeit". Vgl. Erk., S. 606 ff.;
rimndl., Bd. 2, S. 242; Ul, S. 281. Beide Gefühl sbelonungen haben übrigens
ttue Grenzen: das positive BekanntheitsgefQhl schlügt in das negative Gefühl
der Langeweile um, und unter bestimmten Bedingungen tritt der lustbelonte
Reiz des H«uen an die Stelle des negativen UnbekaontheitagetüUs.
OgIC
400 ^' '''<^>'' EHtenntnistheoretisclie uaw. Grundlegung der Logik.
Disgruenz und die positive der KonEruenz nicht ganz und gar auf soldie
llemmungS' und FördeningsgefQhle zurOckzufObren sind.
Die psychologische Entstehung aller dieser logiseben Gefühle ist nocb
nicht genügend aufgeklärt Entweder kann man sie ab primär betrachten
oder versuchen, fäe auf inhallUche Gefühle zurückzuführen. Im Sum der
ersten Ansicht künnte man daran denken, alle logischen GelQhle entweder,
wie eben angedeutet, als unmittelbare Begleiterscheinungen der Hemmung
oder Forderung des Denkens oder als Ausdruck der Belriedigung eines ,Äii-
tellekluellen FuDklion^)edürfnisse9" ^) usf. aufzufassen. Im Sinn der zweiten
Ansicht kann man darauf hinweisen, daJ d>e Hemmung des Denkens, der
Widerspruch im Denken, der Zweifel, die Unklaiiieit usf. unlustbetonte Vor-
stellungen, z. B. die Vorstellung des MiSerfolgs, und unlustbetonte Emidiit-
dungen, z. B. der ErmQdung, hervorrufen und die Gelflhlstöne dieser ati'
Bekntipften ValstellunReB und Empfindungen sich durch Irradiation auf dai
Banzeu Denkprozeß übertragen. Die Tatsache, daB unbemerkte (lataito)
Widerspruche meistens keine logischen Unlustgefohle bedingen, schont
einigermaBen zugunsten, der zweiten Ansicht zu sprechen. Eine definitin
Entscheidung zwischen den beiden Ansichten ist beute noch nicht mi^iich
und auch für die Logik nicht dringend.
( ?9. Vn&bfiAM Owkn. lUiaakn. Die soeben erortetten
logischen Gefühle bekommen eine besondere Bedeutung in dem Fall des
sog. willkürlichen Denkens. Unter letzterem sei, um die hier überHOs^
Erörterung des Willensproblems ganz auszuschalten, das auf ein Ziel ge-
richtete Denken (Zieldenken) veralanden. Als einfaches Beispiel kann
ein Vorslellungskomplex wie „Geburtsort Schillers" oder eine Gleichung
x' -|- X = 17 dienen. Das Ziel ist hier die Beatimmung des Geburtsorts bzw.
des x: ich „wiB" den Namen des Geburtsorts finden, ich „will" durch man,
Denken x bestinunen. x ist mir in der Gleichung implicite gegeben, ich stelle
mir die „Aufgabe", es explicite, d. b, hier in seinem Zablenwert, darzusteUen.
Bezeichnet man >) den ganzen gegebenen Vorstellungskomplex als Z* und
den gesuchten bestimmten Wert ') von x als z*, so ist das Ziel nieines Denk«is
die „Ergänzung" >] von Z*. Uahe ich z* gefunden, so ist das Ziel eneicbl,
die Autgabe gelösL Zu der ganzen psychischen Situation gehört als wesent-
licher Teilbesland außer der Gleichung Z* selbst mit ihrem x auch die ge-
fühlsbetonte Vorstellung der Ergänzung von Z* mit Bezug auf das x Der
lustbetonte dominierende aktive*) Charakter dieser Vorstellung der E«in-
') Vgl. z. B. Jerusalem. Die Urteilsfunküon, Wien-Leipzig 189Ü, S. S7.
J. versucht eine solche Erklärung für das theoretische Interesse.
') Ich wähle diese Symbole im AnschluB an meine ausfOhrUche Dar-
stellung Grundl. S. 251 ff.
") Nicht etwa das unbestimmte x selbst, dies gehört zu Z*. — Uit x
soll weiterhin ganz allgemein die gesuchte Vorstellung bezeichnet werden.
*) Das Wort „Ergänzung", „ergänzen" brauche ich hier stets in Ver-
hindimg mit dem affi zierten (nicht affizierien) Objekt, also der Lücke
bzw. dem lückenhaften Gegenstand.
*) Die Begründung dieser einzelnen Merkmale findet sieb Grandl.
S. 267 ff. DaB eine solche allgemeine Vorstelltmg der Eisänzung nicht etwa
zu der Annahme einer Vorstellung von Torsteltungen oder einer VoretelhiW
i,Cooglc
^^^^^ 2. Kapitel. Psychologische Gnmdlegune. 401
tuitf isl fflr das Zieldenkeo, die psychische Situation des Denken w o 1 1 e n 3
duuaJctemtisch. Dia Aktivil&t der VorstcUunK der Ergänzung heeteht dann,
dtä ich mir die ErsAnzung ajs Wirkung meines Denkprozesses vorstelle. Da
der Terminus ZielvorsteUung zweideutig ist^), empfiehlt es sich Z* mit dem
unbestimmten z als Blankovorstellung und z*, d. h. das gefundene
(besümmte) x alsAusfüllungsTorstellung zu bezeichnen.
Bei dem Denkenwollen oder Zieldenken spielt also ebenfalls die Ge-
fühlsbetonuDS eine wichtige Rolle, sie ist aber hier nicht wie bei den
togischen Gefohlec, die int § 78 behandelt wurden, an den Denkprozefi als
solchen gebunden, sondern an eine Vorstelluns, nftmlich die soeben chaiak-
leriflierte Vorstellung der Ergänzung. Der DenkprozeB emplängt höchstens
sdoDdir ~ im Sinn des ersten TJnlerfalls S. 398 — eine analoge GefOhls-
betonong *). Die Herkunft des positiven Gefahlstons der Vorstellung der
Ergänzung ist dabei je nach den Motiven, aus denen wir die Aufgabe lösen
wollen, sehr verschiedenartig.
POr die Logik hat diese gefühlsbetonte Vorstellung der Erg&nzuns in-
sofern noch eine besondere Bedeutung, als es sich fast stets um die Er-
Anznng einer bzw. der richtigen Vorstellung handelt. Wir verlangen ')
fon der ergänzenden Voistellung z*, dem gefundenen x-Wert, daB sie den
BedugimgeD von Z* genOgt. Das erste und unmittelbarste — wenn auch
obieUiv nicht immer zuverlässige — Kriterium fOr dies Genflgeieisten haben
wir in dem S. 399 besprochenen Kongruenzgefflbl. Vorbehaltlich weiterer
Proben auf die maleriale Richtigkeit muß vor allem als Conditio sine qua non
der letzteren Kongruenz bestehen, imd diese ist nicht nur ein formaler Tat-
besland unseres Denkens, sondern verrät sich eben auch oft durch ein
Iwsches Gefühl. Gefohlc spielen also eine doppelte Rolle hei dem Ziel-
denken: erstens ist die Vorstellung der Ergänzung von Z' positiv gefOhls-
dss V(»s(ellens zwingt, habe ich Erk. S. 4St7 ausfOhrUch erörtert. Die .Ul-
temeinyorstellung „Varstellung" ist keine Vorstellung von Vorstellungen,
■andern eine Varstellung, welche viele Vorstellungen zusammenfaSt, etwa wie
ein Ahgeordneter viele Menschen vertritt, aber dabei doch selbst nicht Mensch
Ton Menschen ist, sondern ein einfacher Mensch bleibt Die DiHerential-
funktionen sind eben nicht nur an Enqdndungen, sondern auch an Vorstel-
liuwen tätig. Vgl. auch S. 344 ff.
«) Grundl. S. STTSf.
*) Diese tritt dann in Kampf mit den GefflblstQnen, welche derselbe
DenkprozeB aus anderen Quellen schöpft, logischen Gefühlen und irradüertes
Q^fOhlsIdnen anderer Teüvorstelluogen der Z*-Situation.
*) Man darf von rein psychologischem Standpunkt nicht mit Nietzsche
(Werke Bd. 7, S. 471) für diesen „WiUen zur Wahrheit" noch eine „Recht-
leitiiung" verlangen, sondern nur eine psychologische Motivierung, und diese
letztere fällt fOr die einzehien Menschen sehr verschieden au& Bald liegt
<lie riditige Einsicht zugrunde, daß meistens durch das richtigere Urteil auch
«0 zweckmäßigeres, d. h. lustbringenderes Handdn ermöglicht wird, bald die
Utdnang auf irgendwelche Belohnung (gute Zeugnisse in der Schule, An-
eikcimnnsen, Berufungen in der Wissenschaft usf.), bald — freilieb äußerst
seHeo — nur jenes SongruenzgefiJhl. Die Annahme einer „volitiven Evidenz"
(H. Maier) für die Richtung auf das Wabrheitsideal scheint mir ganz enl-
bebr&h.
ZI*h*n, Lthilnuüi av Logik. 26
402 U. Teil. GAeimtDistbeoretische usw. Gnmdlegune det Logik.
betoDt, und deshalb „wollen" wir „Z*" ergänzen, und zweitens eiU ach Ä*
fonnal richtige Erginzung oft dufch ein positives Kongrueiizsefühl kund.
Uit dieser kurzen ErörtenuE des Zieldenkens kann die psychobgisdM
GnmdleEung abschließen. Die eingehende Unteisuchune der Asaoziitions-
pronsse, durch welche das Zieldenken srine Aulgabe löst oder zu lösen ver-
sucht, bat far die Logik keip wesenUiches Interesse.
3. Kapitel
sprachliche Grundlegung der Lx>gik
{ 80. AIIp«Biaiiu Ba^thBBoa nriiekni ZpnAam wai DnkM. twntk-
wlHUuehaf^ FiTcb«le«b ud Logik. Das menschliche Denken ist mdstens,
aber doch nicht stets von Worten begleitet Bei Assoziationsverauchen etiebl
man es z. B. ziemlich oft, daß ganz dentlicfa die Vorstellung äch vor der
Wortbezeichnung einstellt An einer geometdscfaeo Figur können wir lange
und verwickelte Überiegungen anstellen, ohne d&B ein Wort dieselben be-
gleitet. Es gibt also auch ein sprachloses oder, wie man sagen kann, tun
alle Symbole zu umfassen, ein „unlormulieries" Denken (Erdmann). Sein
VoAommen beschränkt sich jedoch bei den meisten Menschen auf solche
Denkprazesse, die eich unmittelbar im AnschluS an gegenw&rtige Empfin-
dungen oder lebhafte Erinnerungsbilder vollziehen >), und ist auch bier als
Ausnahme zu betrachten.
Schwieriger gestaltet sich die Frage, ob ein Denken ohne alle „Zeichen"
(Worte Bind eine besondere Art der Zeichen) vorkommt Leibniz (Pbilos-
Schr., Gerbardtsche Ausg. Bd. 7, S. 190— IdS) hat dies verneint und be-
trachtet z. B, die geometrische Figur, an welche ein mathemalischer Gedanke
anknüpft, auch als Zeichen (cbaracteres), während sie doch oBenbar selbst
Objekt des Denkens ist. Auch die Selbstbeobachtung scheint mir gegen die
absolute Bestreitung eines zeicbeulosen Denkens zu sprechen.
Die Sprache haben wir uns bei dieser Auffassung nicht etwa einfach
nur als ein lautes oder leises Hitspreeben zu denken, sondern als ein kom-
pliziertes Gebilde, das aus mannigfachen Komponenten zusammengesetzt ist
Die wichtigste Rolle unter den letzteren spielt die akustische Wortkomponente,
d. h. das akustische Erinnerungsbild des geborten Wortes. Das Deuten ist
vor allem fortlaufend von solchen Wortklangbildem begleitet Dazu kommt
ferner ein leichtes Mitinnervieren der Sprechmuskeln, welches zu schwach
ist, um zu einem bürbarea Aussprechen der Worte zu ffihren, aber uns doch
durch sog. kinasthetische Empfindungen vielleicht ab und zu zum BewuBtsän
kommen kann und jedenfalls als eine unbewuBte Miterregung für den Ab-
lauf des Denkens nicht gleichgtiltig ist. In besonderen Fällen kommt noch
die optische Vorstellung des geschriebenen bzw. gedruckten Wortes und die
') Mit Erdmann (Logik, 2. Aufl. 1907, S. 3) das unformulieite Denken
schlechthin auch als intuitives Denken zu bezeichnen empfiehlt sich kaum,
da in seltenen Fällen auch das imformuUerte Denken unanschaulich ist und
das anschauliche Denken sehr oft formuliert bt Auch die Unteischeidong
eines h y p o logischen und h y p e r lopschen inliiitiven Denkens scheint mir
nicht zweckmäßig, da bei unseren zunächst rein psychologischen Klassi-
flkationen besser jeder Hinweis auf das Logische vermieden wird.
h. !■, II, l^.OOQIC
3. KipiteL Sprachliche GruDdleguns der Losik. ^)3
dem Schreiben entsprechende iDnerralion der Hacdmu^ein hinzu. Oft faßt
maQ lUe Komponenten des Worts als „Wortvorstellung" zusammen tmd stellt
letztere der „Objektvorstelhmg", d. h. der Wortbedeutui« gegeaüber. Ganz
zutreffend ist dieser Terminus jedorfi nicht, da die motorische' Spracfa-
innervation keine Votstellung ist ').
Die ,3edeu(ung" oder der „Sinn" eines Wortes oder anderen
Zeichens fällt daher paycholoeisch ganz mit dem an die Worl-
„vorstedlunR" (s, oben) unmittelbar angeknflpften Vorstellungskomplex zu-
sammen. Die Beziehung zwischen dem Wort und dem bezeichneten Vor-
sleUimgskomplex (im Grenzfall: einer einfachen Vorstellung) ist nichts
anderes als die Tatsache, daß an das Wort ein solcher VoBstellungskompler
roo Tielen Menschen, nämlich den der bezüglichen Sprache mächtigen, in
der Regel angeknüpft wird. Oft bezeichnen wir im täglichen Leben auch
diese Talsache der häufigen ' Anknüpfung und somit die potentielle An-
laüpfnng als ,3edeutung". Man kann mit Huaserl») auch von ,4)edeutungs-
«rieihenden Akten" oder auch „Bedeutungsintentionen" sprechen, dagegen
xbeint mir keine Veranlassung, mit demselben Forscher von einer besonderen
»Erlebniseinheit" zwischen „sinnbelebter Zeichenerscheinung" und „sinn-
erfüUendem Akt" zu sprechen. Der Akt ist mit der Anknüpfung der Objekt-
voislellung identisch (einerlei ob diese individuell oder allgemein, anschau-
lich oder unanschaulich ist). Sekundär kommt es bei öfteiem Gebrauch eines
Wortes zu einer Verschmelzung der Wortvorsteliuog mit dem Komplex der
Obidtrorstellung, einer Verschmelzung, die ganz derjenigen zwischen den
Teihorstellungen irgendeiner sonstigen zusammengesetzten Vorstellung ent-
spricht. Will man diese Verschmelzung als Erlebniseinbeit bezeichnen, so
ist dagegen an sich nichts einzuwenden, nur darf man nicht glauben, daß
es lieh dabei um irgend etwas Spezifisches oder Neues handle. Wenn Husserl
aufier dem hedeulungverleihenden Akt noch einen fakultativen ,4)edeutun8-
erfOUenden" unterscheidet, so kann ich als solchen nur die fakultative An-
knOpfung anschaulicher Reprfisentationsvorstdiungen (im Fall von Allgemein-
voistellnngen, vgl. S. 337 ff.) verstehen. — Die Bedeutung der Worte muB
selbstverständlich von der früher (S. 355) besprochenen Bedeutung der Vor-
stellungen streng unterschieden werden.
Der Hauptvorteil der Spracbentwicklung und damit auch die Haupt-
uraache derselben liegt darin, daS wir unsere psrchiscben Prozesse geg«D-
«eitig mitteilen können. Insbesondere sind wir vermittels der Sprache im-
stande, unser Denken „an das allgemeine Denken" der anderen Menschen
.Anzuknüpfen" (W. v. Humboldt). Außerdem gewährt uns jedoch die sprach-
liche Begleitung des Denkens bestimmte andere große Vorteile, die mit der
HitteihjDg tmsrer Gedanken gar nichts zu tun haben, sondern die Denktätig-
keit als solche fOrdem.' Unsere nkeisten Vorstellungen sind, nie in § 67 ff.
ausanandergesetzt worden ist, aus äußerst zahlreichen Teilvorslellungen
herrojgegangen und verschmolzen. Psychophysiologisch beruht die Ein-
') Die Annahme von Sprech„bewegungsvor3telIunsen" ist ganz un-
bewiesen.
") Log. Untersuch-, TeU 2, HaUe 19OT, S. 23 ff. (2. Aufl. desgl.). Wert-
volle BemeAnngen zur allgemeinen Zeichenlehre findet man auch in Ferd.
Tfinnies, Philosophical tenmnologr, Hind 1898, S. S. Bd. 8, S. aS9 u. IMD,
B4 9, S. «.
,OO.^k
404 1. Teil. EitennliiisUieoretiscbft usw. Grundlegung der Logii:.
heit dieser zusammengesetzten Vorstellungen auf der durchgängigen Vet-
knapfung der beteiligtes lUndenelemente durch mehr oder weniger aus-
gescbliffene Assoziationsbahnen. Das Wort, insbesondere die akustische
WoTtrorsiellung, ist nun ausgezeichnet geeignet, fOr einen solchen Asaozia-
tionskomplex eine repr&sentierende Einheit abzugeben. Es ermöglicbt da-
duicb nicht nur eine rasche Mitteilung an andere, sondern erleichtert auch
dem Denkenden selbst seine Denktätigkeit Es spielt in dieser Beziehung
etwa dieselbe Bolle wie in der Mathematik ein Buchstabe 7 oder S, den wir
für einen komplizierten mathematischen Ausdruck einführen. Das mathe-
malische Denken wird duit;h solche Abkürzungen nicht etwa erst möglich,
aber doch außerordentlich erleichterL So efki&rt es sich auch, daB Aphasische,
d. b. Individuen, die wesentliche Komponenten der Sprache durch eine Gehim-
erkrankung verloren haben, bei sonst intakter Intelligenz in ihrem Denken
eine auffällige Langsamkeit und Schwerl&Iligkeit zeigen. Dazu konunt noch,
dsB unsere Vorstellungen jeglicher Stabilität und Abgeschlossenheit entbehies.
Sie sind keine Dinge, sondern Prozesse, die sich in einem fortwährenden
Fluß befinden und von Augenblick zu Augenblick Schwankungen und Um-
wandlungen ausgesetzt sind. Dtirch das begleitende Wort werden sie bis zu
einem gewissen Grade fixiert und abgeschlossen. Das Wort bleibt — schon
deshalb, weil es Gemeingut vieler Personen ist — innerhalb weiter Grenzen
iüT lange Zeilen unveränderlich. Es ist dem verändernden Einfluß des
Assoziationsgetriebes viel mehr entrückt und kann daher dem Komplex der
Objektvorstellungen gleichsam einen Halt gewähren *).
Wenn sonach die Sprache eine fast tegelmäBige und sehr bedeutungs-
volle B^leiteiin des Denkprozesses ist, so darf man doch nicht etwa denken,
dafi zwischen Spreeben und Denken ein absoluter Parallelismus bestehe.
Beispielsweise kann nicht die Hede davon sein, daB wir bei dem Satz: „diese
Rose ist schöner als jene" in derselben Heihenfolge und mit derselben Ge-
schwindigkeit einzeln jedem Wort entsprechend erst „diese", dann „Rose",
dann „ist" dächten usf. Vielmehr ist die Reihenfolge im Satz gegenüber der
f>eftkahfolge verschoben, getrennte Vorstellungen sind nicht selten in einem
Wort zusammengelaSt, einheitliche Vorstellungen in zwei oder mehr Worte
zerlegt, die Worte hinken den Vorstellungen nach, einzebie Vorstellungen
bleuten, weil ihre Ergänzung selbstverständlich ist, ganz unausgedrOckt (sog.
Ellipsen). Man kann geradezu sagen, daB bei der Bildung des „Satzes" eine
der Sprache imd dem durch die Konstellation gerade dargebotenen Worf-
material angepaßte Transformation des Gedankens (Urteils usw.) in eine neue
Voistellungsj-eihe stattfindet, welche nun sprachlichen Ausdruck findet Diese
eingeschobene Reihe kommt uns allerdings in der Regel als gesondertes Ge-
bilde gar nicht zum Bewußtsein ■). Vgl. die Ausführung Ober die Beziehung
von Satz und Urteil S. 3761. Man mufi sich also selir hüten, aus der sprach-
lichen Formulierung direkt auf den Denkablauf zu schlieBen. Vor allem bleibt
auch zu berücksichtigen, daB die einzelnen Individuen mit demseltwn Wort
keineswegs dieselbe Vorstellung verbinden, ja daB sogar ein und dassell)e
') Nähere Ausfüluungen Über aUe diese Fragen findet man in i
Leitf. d. phT». PsTchol., 10. Aufl., a 2ME u. 436 ff.
'^) Vgl. hierzu auch die AusfOhrungen H. Uaiera Ober „Satzvorstellungen"
(Psych, d. emot. Denkens, Tüb. 1908, 3.363(1.). — In der Menschbeitsenlwick-
long haben übrigens wabrscbeinUch die ersten LautäuBerungen Satzbedeutung
gehabt.
8. SaidteL Sprachliche Gmndlegung der Logik. 405
Indhiduun) nicbt zu alleo Zeiten die gleiche Vorstellung mit dentselben WoK
veAindeL
Immerhin bleibt auch bei weitgebend» BerOcksichtiBung solcher Uirer-
eenzea noch eine so erhebliche Ubeieinstimniuiig zwischen frechen und
Denken, daB die Psychologie und insbesondere gerade auch die Psfcbologie
des Denkens in engste Beziehongen zu der Sprachwissenschaft tritt. Etwas
anders gestaltet sich das Veriiftltnis der letzteren zur Logik. Lange bevor
Sleiothal (vgL S. 237) die engen Beziehungen zwischen dem Spreeben und
dem Denken als psychologischem ProzeS zum ersten Male klarlegte, galt
allenibalben die Lehre, daü die Sprache und das logische Denken paiallel
Isafen oder geradezu identisch seien (vgl. g 11 u. 2S). Nicbt da9 tatsächliche
Denken, wie es Gegenstand der psychologischen Untersuchung ist, aondern
du ideale Denken, wie es die Logik normiert, sollte in der Sprache seinen
umnillelbaren Ausdruck finden. Von Aristoteles bis Wilhelm von Humboldt
blid) diese Anschauung mit wenigen Ausnahmen herrschend; man drOckte
sie nur meistens nicht so schroff aus, da man zwischen dem tatsächlichen
Denken der Psychologie und dem idealen Denken der Logik selten scharf
uDtnschied. Die Grammatik fiel bei dieser Auffassung fast ganz mit der
fonnalen Logik zusammen. Die L4>gik sollte sich zur Spracbletire verhalten
wie die Mathematik zur Physik *). Ganz ist — trotz der von Steinthal an-
febshnten psychologisdi - historischen Richtung der allgemeinen Sprach-
wissenschaft — die alte logische Auffassung auch heute noch nicht ver-
schwunden.
Und in der Tat hat die Sprachwissenschaft nicht etwa nur zur Psydio-
logie Beziehungen, sondern auch sehr bedeutsame und direkte zur Logik.
Da das Sprechen vorzugsweise im Dienst des ficht igen Denkens steht,
so ntuBte ersteres sich in seiner Entwicklung vorzugsweise dem richtigen
Denken anpassen. Da die Sprachentwicklung noch von vielen anderen An-
passungen abhängt, so ist die logische Anpassung nicht in allen Sprach-
gebilden rein ausgeprägt, ja manchmal scheint sie vollständig verwischt oder
verzerrt; aber als Regel kann betrachtet werden, daQ die Sprache die logischen
Uenkverhältoisse ziemlich treu niedeispiegelt
Abgesehen davon, daS sich somit die Sprache unter dem EintluB dec
Loiik entwickelt hat, tritt sie auch noch durch eine andere Tatsache in
«ngere Beziehung zur Logik. Wie schon gelegentlich (S. li, SOI, 306^ 911) er-
wähnt worden ist und in der autochthonen Grundlegung der Logik ausfOhr-
lich erörtert werden wird, setzt die Logik an Stelle der schwankenden Vor-
stellungen und Vorstellungsverknüpfungen des tatsächlichen Denkens ideale
AurmalvorBt Ölungen und VerknOpfungen von solchen, die als unveränderlich
abgeschlossen gedacht werden. Nur mit Hilfe solcher alabil gedachten ,3e-
Rrifte" kann sie ihre Aufgaben erfOUen. Diesem BedQrfnb kommt nun die
Sprache in hohem Hafl entgegen. Die spnchlicheii Symbole (vgl. S. US
u. 442) sind inü Gegensatz zu den Vorstellungen des tatsächlichen Denkens
f^tiv stabil und insofern geradezu ein adäquaterer Ausdruck ftlr die logischen
Ilegrifle als fOr die tat säe blieben Vorstellungen des Denkens. Die Logik
DQtzl diese wertvolle Eigenschaft der Sprache in ihren Definitionen denn
*} E. F. Becker, Deutsche Sprachlehre, Bd. 1, § 10. Auch Prent! (RefonD-
s«4ankeD z. Log.. ^tz.-Ber. d. Kgl. Bayer. Ak. d. Wiss., phU.-hist. KL, 1875,
Bd. 1, S. ISG) will die L<»ik auf die grammatisi^ Bedeutungslehre granden
und spricht von einer „Verwirklichung der Denkkraft im nalüriichen Laut".
OgIC
406 n. Teil. BrkenBtnistbeotetische usw. Grandlesaiis det Lt^ik.
auch in der weitesten AuadehDunK aus. Die Sprache bekommt dadurch — in
einem gewissen Gegensatz zu der oben angefahrten ÄuBeruns Beckers —
for die Logik eine entfernt ähnliche Bedeutung wie die mathematisdie
Zeichensprache FOr die Mathematik, und das nfichste Eapitel, welches die
mathematische Logik behandelt, wird zeigen, wie die neuere Logik diese
Bigenschatt der Sprache noch weiter zu TerroUkommoen und dabei geradeza
die Worte zum Teil durch mathematische Zeichen zu ersetzen versucht hat
Bei dieser ganzen Sachlage ist es sehr begreiflich, daB man oft behauptet
hat, der sprachliche Ausdruck sei, wenn auch nicht für das tats&chlicb«
Denken (vgl. S. 402), so doch für das logische Denken unentbehrlich. Wenn
nun auch diese Behauptung etwas zu weit geht und doch auch ein logisches
Denken ohne Sprache vorkommt, so bleibt doch richtig, daß das logische
Denken noch weit mehr als das tatsächliche in der Sprache sein natOriicbes
und wichtigstes Hilfsmittel hat.
Noch in einer dritten Beziehung ist die Logik auf die Sprachwissen-
schaften angewiesen. Sie muß nämlich wie jede Wissenschaft zunichst
sammelnd verfahren, also die logischen Denkbexiehungen allenthalben aul-
suchen. Für dies Sammeln bietet die Sprache, insbesondere die GramnnÜk
und innerhalb derselben namentlich die Svnlax eine schier unerschöpfliche
Fundgrube. Auch heuristisch ist also die Sprachwissenschaft für die
Logik kaum zu entbehren. Die Logik muB nur immer eingedenk bleibeo.
daB die wirklich^ Sprachen yon einer rein-logischen IdealKramntttik stets
weit entfernt faleiben, weil sie eben nicht nur aus dem lofrischen Bedorinis
entsprungen sind und sich auch unter zahlreichen anderen EinäOssen ent-
wickelt haben. Dabei Ueibt es der Logik selbstverständlich unbenommen,
nicht nur die sprachlichen Zeichen zu vervollkommnen (s. oben), sondern
auch eine rein-logische universelle Idealgrammatik ') aufzubauen. Der
Sprachwissenschaft als solcher wird die letztere allerdings höchstens als
allgemeiner Grundmaßslab Kenste leisten, fOr die Logik bietet sie aber den
Vorteil einer natOrlichen und zweckmäSigen Veranschaulichung der logischen
Gesetze. Innerhalb bestimmter Grenzen kann Obrigens die Logik bei d^
Verwertung der in der Sprache gegebenen Tatsachen die NacfateÜe, wekbe
die Vermeiigung des Logischen mit anderen Faktoren bei jeder einzelnen
Sprache mit sich bringt, dadurch vermeiden, daO sie viele Sprachen benn-
zieht, sich also auf die vergleichende Sprachwissenschaft sttttzt Eine
Logik, die etwa nur die indognmanischen Sprachen oder gar nur die Hutter-
spracbe verwerten wollte, ist den gröbsten Irrtflmem ausgesetzt.
f 81. LhImIu UMhfradu, Die Vervollkommnung der Sprache fOr
die Zwecke der Logik und dai-Ober hinaus die Schöpfung einer eigenen
logischen Sprache wird schon dadurch nahegelegt, daB die wirtlichen
Sprachen sämtlich nur einzelnen Völkern verständlich sind. Immerhin bot
hierfür der Gebraui^ des Lateinischen einen Behelf, und in der Tat bat it
bis in die ersten Jahrhunderte der neueren Philosophie hinein ein groBer
Teil der Philosophen und inabesondere auch der Logiker die meisten WeAe
') Hierher gehört die Grammaire gfintrale von Fort-HoraL Husserl
(Log. Unters., Teil 2, S. 287) spricht von einer „apriorischen Grammatik".
VgL auch GotUr. Hermann, De emendanda ratJone Graecae grammaticae,
Ljpsiae 1801, S. Z
i>,Cooglc
3. KapiteL Sprachliche Gruadlcgung der Logik. 407
in laltiniscber Sprache abgefaBL Ein anderes Moiuent dräoste jedoch direkt
zur Bitdung einer logischen Idealspr&cbe : die mangelhafte Anpassung aller
Smcben einschlie Blich des Lateinischen an die speziellen BedOrfnisso der
Loiik (Tgl. oben S. 406). Von einer solchen spezifisch loeischen Sprache
glaubte man tot allem verlangen zu mQssen, daS sie die sprachlichen Zeichen
veninlacht und die Zusammensetzung der Vorstellungen durch Kombination
der Zeichen fQr die einfachen Vorstellungen (Elementarvorstellungen) ao»-
drüdL Es lag nahe, zu diesem Zweck fär die letzteren z. B. einzelne Buch-
staben'] zu verwenden, so daB die zusammengesetzten Vorstellungen durch
Bochslabengtuppierungen bezeichnet werden konnten. Das Vorbild der
Hathematik spielte dabei begreiflicherweise gleichfalls eine Rolle. Erst apiter
kam auch der Gedanke hinzu, diese Buchstaben nach Art der mathematischen
Operatiooen zu behandeln. So entwickelte sich aus dem Gedanken einer
allgemeinverstAndlichen, vereinfachten, der Logik speziell aiuepaBten Ideal-
sprache zunächst die sog. symbolistische und schlieBlich die sog. algebraische
(mathematische) Logik (vgl. S. EST ff.). Hiei soll vorerst nur die logische Ideal-
spiache selbst einscblieBlich det logiseben Zeichensprache (der logischen
Symbolik oder Semantik) besprochen werden, dagegen die Besprecburtg der
mathematischen Lo^, weil sie über die Lehre von den Zeichen weit binaus-
täA, einem besonderen Kapitel (§ Wi.) vorbehalten bleiben.
Die ersten Versuche einer logischen Idealspracbe sind uns im histo-
riscben Abschnitt bei Lullus begegnet (Tgl. S. 78). Dann folgten die Aiteiten
Ton Wilkins, Dalcamo*), Sircber u. a., auf denen iriedenim Leibnis
luBte (Tgl. S. 113). Der letztere wollte ursprünglich die Elementarbegriffe
(tem^Di primi) durch Punktzeichen, ihre Beziehungen durch Linien usf. au8-
drOd«i') und kam auch sp&ter immer wieder auf den Gedanken eines
,41pbabetum cogitationum humanarum" und einer „Analysis axiomatum"
zurQck*). Damit verband er bereits den Grundgedanken der mathematischen
LoÖT Die scriplura univeisaüs sollte es auch ermöglichen „caiculare in
omni genere rerum et demonslrationes invenire , . ," *). Andrerseits hielt er
es auch für notwendig, die bisherigen Zeichen für die Zahlen zu reformieren.
Qtaii dem allgemeinen Prinzip sollte auch hier das Zeichen die Zusammen-
Mtzong erkennen lassen; so sollte z. B. für 8 ein Zeichen gewühlt werden,
') Statt der Buchstaben wurden auch Zahlen vorgeschlagen, so z. B.
Khen von Job. Joachim Becher, dem es dabei allerdings nur auf die AU-
gemeinTersländlichkeit, nicht auf die Darstellung der Zusammensetzung der
Vonlellungen ankam.
^ WÜkins und Dalgamo führten nicht fOr die Elementarbegriffe,
Mndem fQr die Begriffs k 1 a s s e n Zeichen ein. Dalgamo unterschied 17,
Wükins 40 Klassen, ersterer bezeichnete sie durch Buchstaben, letzterer durch
>äbiterfundene Zeichen.
*) Diss. de arte combinatoria etc., Lips. 1666 (Gerh. Ausg., Bd. *, 9. 27,
^Kz. S. 73) : ,,. . , Termini primi, ex quorum complexu omnes alii constituun-
'iir, signentur notis, hae notae erunt quasi alphabetum. Conunodum autem
erit Botas quam mazime fiert naturales, t. g. pro uno punctum, pro numeris
uuicia, pro relationibus Entis ad Eos lineas, pro varialione angulorum aut
Tenninorum in lineia genera relationum."
*) Besonders wichtig ist ein Brief von L. an Oldenburg (Gerb. Ausg..
fli 7, S. 11).
') Von Gerhard 1. c. S. 17 angetQhrl. Vgl. auch ebenda S. 31.
i,l^.OOglc
408 ^- ^^' Edienntnistheoietische usw. Grundlegung der Logik.
&US dem sich ohne weiteres ergibt, daß & + 3 = 8 und 2X9=16. DK
idcalp Zeichensprache sollte so allgemeiti sein, daB sie auch die Hathenuäk
umfaBt, nicht etwa nur die mathematischen Zeichen auf das Denken aber-
Iragen. Zu einer definitiven Ausbildung der geptanten „Ch&nLcteristici
lealia" ist L. nicht gelangt Er rDhmt immer nieder ihre Vorzüge vor äa
chinesischen Schrift, die bekanntlich IQr jedes Wort ein besonderes BM
hat, und die FnchtbaAeit seiner Entdeckung fOr die Wissenschaft, macht
aber keine bestimmten und endgültigen Vorschläge. Oflenbar scheiterte er
an der Schwierigkeit, die Begriffe richtig zu zerlegen, die ElemenlarbegriDf
sieher zu bestimmen und auch wiAUch passende Zeichen zu finden *) Aos
pinzelnen Aufzeichnungen gebt Obrigens hervor, daB er spiter doch ancb
Buchstabens rmbole verwandle und für die Verbindungsweisen der BegiiSe
mathematische Symbole (H } heranzog').
Der Leibnizsche Plan wurde zum Teil von Ploucquel (vgl. S. 122
u. 3S9) wieder aufgenommen. Letzterer beschränkte sich jedoch darauf, ge-
wisse allgemeine Beziehungen durch Buchstaben oder Zeichen auszudrOcken.
So sollle z. B. bedeuten O onviitudo positive sumta, N omnitudo negative
sumta, Q vel q particularilas, AB subjectum A cum praedicalo B, A— B
A est B, A >B A non est B, NA — B nullum A est B usf. Es huddle
sieb dabei also um eine Erweiterung der schon im Mittelalter gebrAuchlkrben
abkürzenden Bezeichnungsweise für die verschiedenen Urteile, a für das
allgemein bejahende {nSe). i für das bescmders bejahende i'k), e für das
allgemein verneinende {iiitk) und o für da» besonders venieiaende (*r
tat.) ')- Auf Zeichen für den Inhalt der Vorstellungen verzichtete die
PlDucquetsche Symbolik gändicti, sie blieb durchaus formal. In der Tit
hat Ploucquet mit dieser Beschränkung offenbar das Richtige gelioBen. Der
Plan einer materialen Zeichensprache, wie sie Leibniz und aäato
Vorgängern vorschwebte, ist für lange Zeiten eine L'lopie, indem er voraus-
setzt, daß die Philosophie bereits am Ende ihres Wegs angelangt ist und
die Zerlegung aller Begriffe in letzte ElementaibegrifTe vollendet hat. Da
hierzu in absehbarer Zeit keine Aussicht ist, ist also wenigstens vorläufig
auf die logische Idealsprache in malerialem Sinn fast ganz Verzicht zn
leisten. In der neueren Literatur bat man sich denn auch meistens auf
diesen Standpunkt gestellt und nur die formalen Beziehungen durcb be<
sondere Symbole ausgedrückt. So beschränkt sich z. B. die Fregesche Be-
griBsscbrift (vgl. S. 282) im wesentlichen darauf, die intellektuellen Be-
ziehungen durch Simbole auszudrOcken. Die einzelnen Vorstellungen
werden wohl zur Abkürzung durch Buchstaben bezeichnet, aber ohne die
Absicht. tJber ihren f n h a 1 1 irgend etwas auszusagen. A bedeutet z. B.
«?ine beliebige, ganz unbestimmte Vorstellung (aber selbstverständlich im I^uf
einer Untersuchung immer dieselbe). Die Buchstaben haben also bier
eine ähnliche Bedeutung wie in der Ualhematik.
•) Vgl. Gerb. Ausg., Bd. 7, S. ISS.
•) Gerii. Ausg., Bd. 7, S. 31.
<) Siehe Pranll, Gesch. d. Logik, Bd. 2, 2. Aufl., Leipzig ISSa^ S. 169
u. 279. Ob die Zeichen a, i, e, o bis auf Psellus zurückgehen, fst fregbob
(vgl. S. 68). Bei Petnis Hispanus findet sich bereits der Vers: „Assecil a,
negat e, sed univemliter ambae, asserit i, negat o, sed particularitet ambae
(Summul^c logicales, Tract. I, ed. Col. Agr. 1623, S. 50). Vgl. auch % 111 U. HS.
i>,Cooglc
3. KuüUI. Sprachliche Gnindleguni der L«ik. ^|g
Ein wesentlicher Unterschied bleibt zwischen den logischen und den
matbenMüschen Beziehungssymbolen nur insolem, als die mathematischen
Symbole im wesentlichen auf quantitative Beziehungen beschrSnkt
smd Die Logik hat sich daher entweder auch eisene Symbole nach Ana-
logie der mathematischen seschaSen (symbolistische Logik s. Str.,
TgL S. 2SS) oder unter Vemachläasigung des eben herrorgehobenen Unter-
scMeds einfach unter beslin:miteii L'mdeutungcn die mathematischen Sym-
bole auf die Logik übertragen (mathematische Logik s. Str.). Auch
im ersleren Fall ist die Anlehnung an die Mathematik heute so eng, daß
die sTinboIJstische Logik mit de>r mathematischen Logik in Kap, 3 zusammen
besprochen werden soll, soweit die Erörterung nicht Oberhaupt in die
speäellen logischen Abschnitte zu verweisen ist.
Vollständig ist der eben ausgesprochene Verzicht auf eine
naferiaie Symbolik nicht, insofern die Logik doch öfters genötigt iat, auch
die sprachlichen Zeichen für die Vorstellungsinhalte wenigstens
hier und da ohne Anspruch auf ein Zurflckgeheu bis zu den Grundbegriffen
ibrem Zweck anzupassen. Das Fixieren der Wortbedeutungen durch Defi-
nitionen (vgl. den logischen Spe;dalabscbmtt) genGgt zu diesem Zweck nicht,
<b, nie die Geschichte der Philosophie allenthalben lehrt, der EinfluD
populärer oder anderweitiger Nebenbedeutungen selbst durch die korrektesten
Definitionen nicht ausgeschaltet wird und aufierdem jede Definition wieder
zahlreiche neue, ebenso vieldeutige und deflnitionsbedürftige Worte einfühlt.
Die Neubildung von Wörtern, die ja ohnehin, wenn es sich um neue Be-
iriffe handelt, unvermeidlich ist, kann auch bei allen Begriffen erheblich
(rfiSeie Gewahr für die symbolische Fixation eines Wortes geben. Ist das
neogebüdcte Wort einer relativ internationalen Sprache, wie dem L'atein oder
Griechisch, entlehnt, so ist zugleich für die Allgemeinverstandhchkeit ge-
sorgt. Tr«tzdem haften auch diesem Verfahren Hänge! an. Abgesehen
davon, daB es keinerlei Abkürzung mit sich bringt, werden die heugebildeten
Worte in dem Gebrauch (auch im wissenschaftlichen) sehr oft wieder durch
naclitä^ich hineingelegte Nebenbedeutungen und Umdeutungen entwertet.
Worte wie ,4dear', ,',reai" usf, sind so vieldeutig geworden, daB sie fast
noch gefährlicher sind als die populären Worte des täglichen Lebens. Bei
■dieser Sachlage hilft sich die Philosophie und insbesondere auch die Logik
damit, daS sie Symbole — Buchstaben mit Indices, Zahlen usf. — auch für
einzehie inhaltlich bestimmte Begriffe (Normalvotstellungen) wenig-
stois für eine bestimmte lintersuchung *) oder Untersuchungsreibe einführt
(»A S. 4*2). Das Denken wird dadurch vor Phrasen, MiBveistfindnissen
wid Sophismen geschützt (vgl. auch § 86), und dieser Schutz ist durch die
Schwierigkeit des Verständnisses "solcher Zeichen nicbl zu leuer erkauft;
nder die Flülosopbie im allgemeinen noch die Logik im besonderen ist für
dächte und tr^e Köpfe bestimmt. Zugleich gewinnt die Logik hierdurch
eine erhebliche Abkürzung des Denkprozesses selbst und seiner Darstellung,
eine Abkürzung, die zugleich eine Förderung invoMeri. Übrigens schlägt
die Logik bei diesem Verfahren nur einen Weg ein, den die Mathenutik
l&Dgst betreten hat. Auch die letztere beschrtnkt sich nicht auf rein for-
male Zeichen, sondern führt allenthalben aus ganz ähnlichen Beweggründen
aoch materiale Zeichen ein (z. B. S '" o,, x; + aj,x,'+ . ., = 0 für eine
*] Beispielsweise sei die Abhandlung von B. Erdmann, Erkennen und
Vetitehen, Sitz.-Ber. d. Sgl. Ak. d, Wiss., IMS, 9. 1SI0, angeführt.
O^^IC
410 H. Teil. EikemitniBtbeoreüscbe usw. Gnmdlecunc der Locüt-
Kurve zweiter Ordnung; Disluiminanten; Determinanten uaf., vgl S. WS).
DaS solche Zeichen auch der Forderung der internationalen Vo^tändHchkeit
am heaten entsprechen, bedarf nicht der Hervorhebung.
Es scheint mir auch nicht ganz unmOgUch, daB innerhalb enger
Grenzen die Logik liier und da die einzelne Nationalsprache auch fflr den
all8«iueinen Gebrauch in logischem Sinn etwas vervoUkomnuien
könnte. Die Sprachen sind zwar im allgemeinen die oatüiiichen Ergebnisse
der EntvicUuDg des Volkes; damit ist aber doch nicht ausgeschlossen, dsB
eine »nzelne Wissenschaft kOnstlich in zweckmäBiger Richtung einzugreifen
versucht (wie dies auf dem Gebiet der neligion und Sitte oft genug geschehen
ist), selbstverständlich vorbehalUich der definitiven Entscheidung durch den
allgemeinen Sprachgebrauch. So ist z. B. das deutsche Wort „oder" in der
stOrendsten Weise logisch vieldeutig; namentlich involviert es bald den gegen-
seitigen Ausschluß der verbundenen Begriffe (= entweder — oder) bald
nichL Sollte es wirklich so ganz utopisch sein, wenn die Logik in ihrem
eigenen Interesse und im Interesse des alltäglichen Denkens vorschl>.
etwa „oder" stels Aur im ersten Sinn zu verwenden und im zwülen
Sinn durch ein neues Wort z. B. „or" (dem Englischen entlehnt] zu er-
setzen?
4. Kapitel
Mathematische Grundlegung der Lx>gik
I 8X Dar OmiHJirti 4»t nnBuMsHictiii IiOfik aad amm» *»•
IMk Bn«cUfU|. Die geschichtliche Entwicklung der «kathematischen
Logik ist in § U (S. 227 B.) kurz dargestellt worden. Dort wie auch in den
Erflrterungen des letzten Paragraphen (S. 409) hat sich enebeu, daB die
srmbolistische Logik nach Analogie der mathematischen Symbole fOr di«
Begriffe und Begriflsbe Ziehungen formale STnüwle einführt und nach Ana-
logie der mathematischen Methoden mit Hilfe der gewählten STmbole die
logischen Denkopemtionen darstellt, und daB die mathematische Logik s. str.
sogar direkt mathematische Symbole verwendet und die mathematisdien
Operationen selbst mit einigen Abänderungen auf die Denkprozesse anzu-
wenden versucht >). Auch wurde S. 228 bereits betont, daB die geometrischen
Symbole und Uethoden ftlr diesen Zweck nur eine untergeordnete Bedeutung
haben (s. jedoch unten), und daS im wesentlichen nur die algebraischen
Symbole und Uethoden in Betracht kommen. Die mathematische Logik
kann daher auch geradezu als algebraische Logik (alg^re de la logique) be-
zeichnet «erden.
Bei Erwägung der Zwecke und des Gegenstandes der mathematischen
Logik ergibt sich sofort ein Bedenken, welches uns nötigt, das Geltungs-
bereich des Grundgedankens der mathematischen Logik s. str. erheblich ein-
zuengen. Es ist nimlich unverkennbar, .daB der Gegenstand der Algetna
und der Gegenstand der Logik wesentlich verschieden sind. Der erstere be-
schränkt sich — wenigstens nach der früher üblichen Auffassung — auf
Quantitäten (vgl. S. i09), der Gegenstand der Logik umfaßt auBer Quanti-
>) Von einer irgendwie scharfen Trennung der malhemaliscben und
symbolischen Logik kann dabei keine Rede sein.
iM,Googlc
i. ExpiteL UathemaUsche Grandllegune der Logik. 411
täten Doch vieles andere, welches sich schlechterdings nicht auf Quanüt&ten
zuTOdfQtaren l&Bt. Es kann also keinesfalb von einer generellen ein-
facben Übertragung der algebraischen Synüwle und Operationen auf die
Logik die Rede sein. Vielmehr muB sich die mathematische Logik ent-
weder auf die quantitativ ausdrückbaren Gegenst&nde der Logik beschrlnken
oder Tersucfaen, tflr die quantitativ nicht ausdrückbaren GegensUnde eine
besondere nicht-quantitative Mathematik — eventuell mit Hilfe von Vm-
deutungen der mathematischen Symbole — neu zu schaSen, wie dies dutcb
Bode, Feirce, Schroeder, Peano und Russell (vgl. S. 2S1) versucht worden
ist Diese neue Wissenschaft ist jedoch, wie schon die widerspruchsvolle
Bezeichnung „mcfat-<iuantitative Matheinatik" andeuten sollte, gar keine
Mathematik mehr, sondern nichts anderes als eine Wissenschaft von den
allgemeinsten logischen Gesetzen und Beziehungen, also durchaus ein Teil der
Logik selbeL Sie entlehnt von der Mathematik nur manches Uethodische,
insbesondere die ausgiebige Anwendung von Symbolen *). Die Mathematik
selbst, einschlieBUch der sog. Mengenlehre, erscheint nur als ein spezielles
Anwendungsgebiet dieser allgemeinsten Logik ^). Die Zufechnung dieser all-
gemeinsten Logik zur „Algdmt der Logik" ist daher auch in keiner Weise
berechtigt.
Man darf sich nur nicht dadurch t&uachen lassen, daß die sog. alge-
hnische Logik, d. h. die Symbole verwendende allgemeinste Logik, oft ia
Mhr gesdiickter und zweckmäßiger Weise ihre Symbole mit mathematischen
Bexeichnungen belegt Tatsächlich sind diese Bezeichnungen nur im Sinn
anea Vergleichs oder einer Analogie zu verrtehen. So wird z. B,
die logische Multiplikation p = a X h definiert ( I) durch die Etklärung, p sei
«n ßdüet, dem alle gemeinsamen Untergebiete von a und b und auch nur
solche angehören. Es wäre also etwa FJederm&usecaFlugtiere X S&ugetiere.
Unbeschaäet mancher zutreffenden Analogie ist eine solche „Multiplikation"
Aatüilidi sinnlos. Das Symbol X hat hier einen sehr guten, aber ganz
anderen Sinn, den die algebraische Logik neu festgesetzt hat (vgl. S. 413).
In diesem Buch findet deshalb diese allgemeinste Logik,
welche mit Vorteil Symbole benutzt, ihren Platz in der
autochthonen Grundlegung der Logik und in den einzel-
nen logischen Kapiteln, aber nicht in dieser mathematischen
(iniodlegung. Zugleich wird sich ergeben, daB die SStze dieser allgemein-
sten Logik in enger Beziehung zur Erkenntnistheorie, speziell zur Gigno-
menolt^ie stehen, da sie in allgemeinsten Tatsachen des Gegebenen Qber-
hanpt (nicht nur des Denkens) h^ründet sind, wie das in g 63 (S. 293)
bereits erörtert wurde. Vom Standpunkt der Kantschen Terminologie (^1.
S. 123) banden es sich um eine „allgemeine reine" Logik, bei der auch der
(■egensatz zwischen reinem und empirischen Denken, wie ihn die transzen-
dentale Logik zugrunde legt, in Wegfall kommt.
Hier und da könnte es allerdings scheinen, als ob die mathematische
Logik wirklich auf mathematischem Weg auch logische Sitze
Dicht- quantitativen Inhalts behandeln kQnnte. Indes ist dies nur
Schein, wie folgendes Beispiel einwandfrei zeigt. Die mathematische Logik
*J Nicht jede semantische, d. h. Symbole verwendende Wissenschaft
ist Mathematik.
^) Ahnlicfa äuBert sich auch Couturat. L'algibre de la logique, Paris
üÄß, S, 95.
lA.OOgIc
412 H. Teil. Ertanntoistheoretische vsw. Gnindlegung der Logik-
definiert iwei Propositionen (Sätze) ala ,Äleich"' oder .^quiTalen»", wenn
nichts aus der einen von beiden folsl, nas sich nicht auch aus der andeieD
herleiten ließe" (so z. B. B. Schröder, AbriB d. Algebra Aet Logik, § Ib,
S. 11). Darin liegt die schw«r3te Diallete. Der wenc-Satz bedeutet nim-
licb, wie auch ausdrücklich gesagt wird, daB „man irgendwie zeigen kann",
daB die beiden Sätze 4n den beiderseitigen Folgerungen durchaus ObeRin-
stimmen". Was ist dies „durchaus übereinstimmen" anderes als „Gleitii-
heit"? Vielleicht aber versucht sich der mathematische Logiker dutch den
Einwand zu rechtfertigen: jene völlige Übereinstimmung bedeute IdentiUt,
die von ihm definierte Gleichheit dagegen nicht (vgl, 1. c. § 16), Danit
ist ihm jedoch nicht geholfen. Er gibt damit nur selbst zu, daB er zur Auf-
klärung oder auch nur zur definitorischen Fisiening der Qleicbheit nichts
beilragen kann. Indem er die Äquivalenz, d. h. die völlige Obefeinstimmuiur
in den Folgerungen, auch als „Gleichheit" bezeichnet und durch das-
selbe Gleichheilszeichen t=^ {% \G Beginn) ausdrückt, welches er sonst für
quantitative Gleictiheit anwendet, wird nur der Anschein erweckt, als ob
er der Logik ungemein wichtige Hilfe leistete. Überdies bleibt iuSersl
fragUch, ob es zwei Sitze gibt, die inhaltlich — von sprach-
lichen Synonymen usw. abgesehen — verschieden sind und doch m
identischen Folgerungen fflhren. Vidmehr scheint Äquivalenz und inhalt-
liche Identität ganz zusammenzufallen, so daB der Einwand des mathe-
matischen Logikers nicht einmal die Diallele beseitigt. Das Beispiel Schroe-
ders zeigt dies sehr gut. Er fahrt (a = b) = (a c ~ b c) als Beispiel ffli
zwei gleiche, aber nicht identische Aussagen an. Ich bestreite aber, daE
die beiden Aussagen (a=b) und (ac=bc) gleich, d. h. äquivalent sind.
d. h. in den Folgerungen durchaus obereinstimmen. Aus der zweiten folgt
nimlich offenbar mehr, z. B. dafi es ein c irgendwie gibt, daB o und c zu-
sammen gelten können usf.
FQr die mathemalische Logik bleibt also bei diesem Standpunkt hier
nur die t>eschr&nkte Aufgabe, die Logik, soweit sie quantitativ aus-
drQckbare Gegenst&nde behandelt, durch Einfahrung malbematischer (quan-
titativer) Srndxile und Anwendung entsprechend angepaßter mathemalisdier
Metboden die Arbeit der wissenschaftlichen Logik zu ffirdem. Man kann
also, streng genommen, gar nicht von einer mathematischen „Grundlegung"
der Logik — ebensowenig wie von einer sprachlichen — sprechen, sondern
nur von einer Anleihe eines Teils der Logik bei der Uathematik oder> anders
ausgedrückt, von gewissen Hilfeleistungen der Uathematik fOr die Logik.
Es leuchtet auch schon Stoi Grund der psychologischen Grundlegung
ein, welche Teile der Logik sich voraussichtlich als quantitativ faBbar
emeisen und daher fOr solche Hilfeleistung der Mathematik in Belnchl
kommen werden. Die Allgemeinvorslellung umfaBt eine allerdings nit-
bestimmle Zahl von Arten und weiter von Individuen. In analoger Weise
kann auch gesagt werden, daß ein Urteil, insofern sein Subjekt od»
Prädikat eine Allgemeinvorslellung ist, in dieser Beziehung quantitativ taS-
bar ist Bezeichnet man, wie dies S. 369 zunächst für das psTcbologische Ge-
biet geschehen ist und bald auch für das Bereich der Logik durchgeführt
werden wird, den InbegiiB der unter eine Allgemeinvorstellung fallenden
Untervorstellungen als den Umfang der Allgemeinvorstellung und spricht
man in analtvem Sinn auch von einem Umfang der Urteile, so kann
man kurz sagen, daB vor allem die Umfangsbeziehungen des Torslrilens
und Denkens eine mathematische Behandlung zulassen. In der Tat wird in
OgIC
4. Kapitel. Mathenutiscbe Grunäleming der Logik. 4X3
den falsenden logiscben Spezialabschnitten bei allen Umfangsfragen die Hilfe
der Uathonatit in erheblichem Maße verwertet werden. Eine allgemeine
Darlegnng dieser Hilfeleistungen ist an dieser Stelle überQassig. Derienige
Zweig der Hathematik, welcher für dieselben in Beü-acbt konunt, die sog.
alicemeine Mengenlehre wird bezüglich der Stellung zur Logik im
tolseDdeD Paragraphen kurz besprochen werden. Ein ausgezeichnetes
weiteres Beispiel für die Hilie der Mathematik bietet die logische Wahr-
scheinlichkeit sl ehrei die relative Zahl der MUe, lOr welche ein
Urteil behauptet wird, ist ein Quantum und erfordert daher geradezu mathe-
matiacbe Behandlung.
Man kann sich die Beschränkung dieser mathematischen Hilfe sehr
leicht an dem oben S. 411 erörterten Beispiel der Multiplikation (im
ma thematisch en . Sinn) klar machen. Die Addition zweier Begriffe
behiJt auch im Logischen ihren guten Sinn, wenn man die BegriSe nur
mit Bezug auF die Zahl der untef sie fallenden Arten bzw. Individuen
untersucht. Man kann dann — > allerdings unter bestimmten Vorbehalten —
mit Recht sagen, daß die Summe zweier Begriffe die Gesamtzahl der unter
die beiden Begriffe fallenden Arten bzw. Individuen ist, also denselben Sinn
bat wie eine Simmie im algebraischen Sinn '). Ich denke dann eben die
qualitativen (inhaitlichen) Verschiedenheiten weg und kann nun die Begriffe
als Qnanten behandeln und als solche addieren. Schon bei der Multiplikation
Teraagt dieses Verfahren. Zahlen können nmltipliziert werden, weil sie
unteieinander gleichartig sind. Zwei BegriQe, selbst zwei verwandte, sind
immer ungleichartig. Damit verliert die Multiplikation jeden Sinn ^). Ich
kann allerdings — wie bei der Addition — auch hier von den qualitativen
Verschiedenheiten abstrahieren und dann die Umfangszahlen multiplizieren,
aber dn hierbei sich ergebendes Produkt hat für die I«sik keine Bedeutung,
geschweige denn Interesse •).
SrhlieBlich darf nicht dbersehen werden, daß eine solche mathe-
mitisebe Hilfe doch nicht ganz ausachlieOhcb bei der Algebra gesucht werdon
muB, daB «e vielmehr zuweiten auch von der Geometrie geleistet werden
kann. Statt algebraische BuchstabengröBen heranzuziehen, kann man
wenigstens zur Veranscbaulichung auch geometnscfae Figuren verwenden.
So ist es schon lange Qbhch, die Umfange der Begriffe durch Kreise^
wiederzugeben (vgl S. SSO). Meistens sind solche Veranschaulichungen
sogar noch versländhcher und überzeugender als algebraische Kombinationen.
Wir werden daher in den logischen SpeziaJkapiteln auch von diesem Hilfs-
■nittel umfassend Gebrauch machen. Für diese Bedeutung geometrischer
*) Strenggenommen auch dies nur dann, wenn die beiden „Mengen"
elunentarfremd und. Vgl. F. Hausdorff, Grundzüge der Mengenlehre,
Ldpag 1914, S. 6.
^) Die sog. Mengenlehre (vgl. % 82) igt viel vorsichtiger und spricht
ifl dem S. 411 erwähnten Fall nicht von „Multiplikation", sondern von
Jlurchschnitt" (wobei allerdings der letztere Terminus sehr unglQcUich ge-
rtblt ist).
*) Ebenso läSt sich leicht zeigen, daß die Difierenz zweier Begrifis-
Bä»ete nur dann einen Sinn hat, wenn das eine Begriftsgebiet ganz in dad
udere hineinfällt
') Durch Verwendung farbiger Kreise hat Wildschrey (vgl. S. MS)
die Anachaulicbkeit noch weiter gesteigert
OgIC
414 It Teil'. Ericenntnistbeoieüscfae usw. GnuKÜeguiH der Logik.
Veranschaulichungen isl es sehr charakUmtiech, dafi die alEebniscbe Lofik
selbst gelesenttich geometriache Figuren heranzieht. Vgl. z. B. Scfaroeder,
Abr. d. Algebra d. Log., 1. TeU, 1909» S. Sa.
I 83. Leilk ud IbwaUu*. Die von G. Canlox (vgl S. 233) be-
gründete allgemeine Mengen- oder Mannigfaltigkeitatehre wurde und wird
noch jetzt vieliach als eine der Logik und Hathematik übergeordnete Wissen-
achaft betrachtet. Eine solche Bedeutung kommt ihr gegenüber der Logik
in keiner Weise zu, vielmehr aetzt umgekehrt die allgemeine Mengenlehre
überall die grundlegenden S&tze der allgemeinen Logik voraus. Man kino
geradezu sagen, daB die Mengenlehre das eiste, einfachste ■) Anwenduois-
gebiet der allgemeinen Logik ist (vgL S. HOL).
Wenn die Mengenlehre eine Menge als „eine Zusammenlassung tdd
Dingen zu einem Ganzen, d. h. zu einem neuen Ding" definiert, schein! es
ja allerdings, als ob eine solche Zusammenfassung in einem weiteren ils
im n u r quantitativen Sinn gemeint ist. Dieser Anschein wird zunächst
noch welter veist&rkt, nenn die Mengenlehre auadrücklicb erkl&it, daB sie
als „feine" Mengenlehre von der Beschaffenheit der Elentente der
Mengen ganz absehe, also auch von Punkten und Zahlen [ [). Dann aber
erfolgt regelm&Big, oft ganz unter der Hand, die Bemerkung, daB die Meng«
aus ihren Elementen „besteht". Damit ist jener Anschein beseitigt und die
quantitative Natur der Mengenlehre, auch der retnm klargestelll. Eine
Inlensit&t ,4iesleht" nicht aus Teilintensitäten, und erst recht „besteht" em
AUgemeinliegrift bzw. eine AUgemeinvorsfellung nicht aus den ihm subordi-
nierten Begriffen bzw. Vorstellungen, ein Urteil nicht aus den in ihm ver-
knüpften Vorstellungen. Die Zusanunenfassung zu Mengen, welche der
ganzen Mengenlehre zugrunde liegt, ist immer eine quantitative ZusammeD-
fassung und zwar quantitativ in einem doppelten Sinn: die Elemente der
Menge werden erstens als z&hlbar') vorgestellt, und zweitens wiid an-
genommen, daß sie durch die Zusammenfassungen als solche selbst nichl
verludert werden. Wenn ich 3 + 5=:8 rechne, so wird allerdings 3 ver-
ändert, nfimlich zu 8, aber in der S ist es noch immer als solches, als ein
unveränderter und unveränderlicher Teil enthalten, der auch bei anderen
Summenbildungen (3 + 6, 3 + 10) stets unverändert als derselbe wiederkehrt
und adäquat nur räumlich veranschaulicht werden kann. Der Ausdrucl^
„die Menge besieht aus ihren Elementen" bezieht sich auf eben diese
beiden Eigenschaften des Quantitativen *). Weim ich hingegen Individua!-
vorstellungen zu einer Allgemeinvorslellung zusammenfasse, ^o ist die Zahl
') Mit der Eiafacbheil ist hier die Abwesenheit qualitativer .inhalt-
licher) Verschiedenbeilen gemeint.
>) Wohlgemeikt nicht stets als abzählbar, d. b. als zählbar im Smn
der natürlichen Zahlenreihe (vgl. z. B. Hausdorff, Grundz. d. Mengenlehre,
Lpz. 191{, S. 3i u. il), aber als zählbar im Sinn der algebraischen Zahlen
(d, h. der reellen + transzendenten Zahlen).
') Dabei unterscheidet die Mengenlehre prinzipiell meist streng zwi-
schen „Summen" usf. im Sinn der mathematischen Operation S^A + B
und Summen im Sinn eines Bestandes an Elementen ohne mathematische
Summierung S (A, B). vgl. Hausdorff 1. c, z. B, S. 5. Aber dies* Unter-
scheidung ändert an den oben hervorgehobenen prinzipiellen Unterschieden
des SUndpunkts der Logik und desjenigen der Mengenlehre nichts.
i.l^. OQi
,g,c
i. Kaidtel. Halhematiache Onmdleguns der Logik. 415
der oraleren sleicbgültis, und sie bleibeo innerhalb der AUEememvorstcUuni
nichE als unveränderte Bestandteile erhdten. Die Mengeclefare tut es a u s -
schiieBIich mit Quantitäten zu tun^), die Logik hat es, so lange me
von Anwendungen absieht, nur auch mit Quantitäten zu tun. Diese Ab-
Erenzung wird natOrUch nicht dadurch verwischt, daB die Meiwenlehre ge-
legentlich ihre Grenzen flberschreitet und logische Sätze einflicht: sie ist
dum, wie sich Fall für Falt nachweisen läßt, bei solchen Exkursen keine
Mengenlehre mehr, d. h. sie beschäftigt sich dann nicht mehr mit ^us
ElementeD bestehenden Mengen", wie sie es gemäß ihrer eigenen
Definition wollte.- Ebenso wird jene Abgrenzung nicht dadurch beseitigt,
daB die Logik in vielen Kapiteln gern ihre Beispiele aus der Mengen-
lehre entlehnt. Da letztere die einlachsten Fälle der angewandten Logik
behandelt, so bietet sie eben geeignete veranschaulichende Beispiele in be-
sonders großer Zahl dar. ^
Es bleibt also wiederum nur die Tatsache bestehen, daB die Logik
Kktiv Ott gleichfalls mit Quantitäten zu tun hat, so z. B. wenn sie von
lilen, einigen, vielen Individuen, Arten, Urteilen usf. spricht. Bei aller An-
eitennung der Wichtigkeit solcher (luantitativer Unterscheidungen fQr viele
logische Sätze kann doch von einer Quantifikation der ganzen Logik keine
llede sein. Viele grundlegende logische Beziehungen lassen sich nicht in
quanlitative Beziehungen auflösen, wie die speziellen Kapitel der Logik
ailenthaU>en ergeben werden.
Soweit nun die Logik auch Otters mit Quantitäten zu tun hat, kann
sie «an den Sätzen der Mengenlehre Gebrauch machen, wie dies S. 412
tiereits in Aussiebt gestellt wurde. Das Verhältnis ist dann folgendes: die
Logik hat zahlreiche logische Sätze festgestellt bzw. entwickelt, welche auch
für Quantitäten gelten (a. B. a = b, b = c, also a = c), die Mengenlehre bat
diese Jwiachen Sätze für Quantitäten weiter ausgearbeitet, und nun ver-
wertet die Logik, wenn sie bei der weiteren Entwicklung ihrer spezlfiscb
logischen Sätze auf quantitative Beziehungen stößt, diese von der Mengen-
lehre zustande gebrachten Ausarbeitungen, um ihre eigene (logische) Arbeit
abzukürzen und zu vereinfachen. Sie beansprucht also weder etwa die
Sätze der Mengenlehre als ihr Eigentum, wie wohl von logizistischer Seite
gelegentlich behauptet wurde (vgl. S, WS), noch entlehnt sie ihre Grund
Prinzipien der Mengenlehre als einer Qbetgeordneten Wissenschaft, sondern
sie liefert umgekehrt der Mengenlehre eine Grundlage und verwertet die
Hilfe der Mengenlehre nur sekundär.
Wie sehr die reine Mengenlehre sich auf die Logik stQtzt und stutzen
tmiB, lehrt ieder Blick in irgendein Lehrbuch der Mengenlehre. So ist z. B.
') Dabei sehe ich noch ganz davon ab, daB die Mengenlehre in ihrer
heutigen Gestalt neben wertvollen Sätzen auch viel Scheinwissen enthält.
Gbeim&fiig viele „Definitionen" werden aufgestellt, und Schltlase, die sich
Itdiglich durch Kombination solcher Definitionen ergeben, als wissenschaft-
Me Sätze hingestellt Tatsächlich haben manche solche Sätze nicht viel mehr
wissenscbaftlicben Wert wie die Sätze, wache sich für die Bewegung der
Schachspielfiguren ergeben, nachdem man einmal die Schachfiguren defi-
niert, d. h. ihnen bestimmte Bewegungsfäbigkeiten zugeschrieben hat Di»
Tiikiich wertvollen Sätze der Mengentheorie gehören fast ausnahmslos der
Zahlen, und Baumtheorie an. Vgl. auch nieinen Vortrag in der Kant-
eesellschalt „Die Bedeutung der Mengenlehre für die Logik", Berlin 1917.
i.l^. OQi
,g,c
416 U. Teil. Erkenntnislheoretiscbe usw. Grundleguiis der Lofik.
«iner der eniDdleseiiden SUze der Mengenlehre lolsender: wenn zweiMentei
BleicbzeiÜB Teilmengen voneinander sind (Ä^B, B^A), so und si«
identisch (A^B, vfl. HauadorQ, I. c. S. i). OHenbu ist dieser SaU nui
eine spezielle Anwendung logiacher Grundprinzipien (S^z des Widetsptuchi)
auf Uengea Ebenso legt die Mengenlehre allenthalben den logischen SaU
„wenn A^B und B^C, dann A = C" zugrunde und wendet ihn nur
speziell auf Quantitäten an, «ährend er auch für Inhalte (Oualit&ten) gilt.
Dagegen darf man nicht etwa sagen, daB die Mengenlehre die Quanti-
tüten nur nach ihrer G r ö B e mit Hilfe der sog. mathematischen Operationen
(Addition uaw.) untersuchti denn sie beschäftigt sich auch mit der Ord-
nung von Quanten (sog. Ordnungslehre) und kann hier bei manchen Silien
Sans auf mathematische Operationen verzichten. Man darf sich nur nicht
dadurch irre machen lassen, daß sie unzweclunAGigerweise ffir das „vortiei"
und .jiachher" in der Reihenordnung ott dieselben Zeichen < und > ver-
wendet, die wir sonst tüi „größer" und ,Jüeinoi" zu verwenden pfleiea
(Uausdorff, L c. S. 70). Diese Ordnungstehre als Kapitel der Mengenlehre
steht manchen Kapiteln der Logik (z. B. der Lehre von der Division) sehr
nahe. Ein Unterschied bleibt jedoch immer noch insofern, als die „Oid-
nungen" der Logik sich auf Inhalte jeder Art (nicht nur Quantitäten) be-
ziehen und das Ordnungsprinzip oft auch qualitativ ist, während die Mengen-
Irtire in ihren Ordnuugss&tzen den quantitativen Gesichtspunkt bevorzugt
FOi die folgende Darstellung der Logik selbst ergibt sich aus diesen
ErArterungeD die praktische Folgerung, daß die Mengenlehre dwnaa wie
andere Teilnissenschaften der Mathematik nur als Hillswissenscbatt in Be-
tracht zu ziehen ist Dabei wird sich sogar ergeben, daB die Hilf^ wdcbe
bis letzt von der Mengenlehre der Logik wirklich geleistet wird, unverblltnis-
TOkiit gering ist.
n,5,t,7rjM,G00glc
IIL Teil
Aatocfatbone Graadlegons der Logik
§ 84. Zweck der aatoehthonen GmndlesaiiK. Wie schon
in ^ 5 (S. 16) erwähnt wurde, schickt die Logik der ansführ-
licheo TTnterenchnag der einzelnen logischen Gebilde
und Clesetze eine allgemeine Erörterong der der Logik
speziflsch eigentümlichen Grundlagen vorans. Die erkennt-
nifitheoretische Gmndlegnng ') (Teil II, Kap. 1 n. 2) hat der
Xiogik Klarheit aber die Stellung des Denkens, welches ja
gemäß nnarer Definition (% 1) nach einer besonderen Sich-
timg hin den Gegenstand der Logik bildet, innerhalb des
Gegebenen verscbafFt oder wenigstens zu Tersobaffen ver-
sucht Dann hat die psychologische Grundlegung das tat-
sächlidie Denken beschrieben, klassifiziert und seine wich-
tigsten Gesetze festgestellt und damit die Logik mit den
Sigentümlicbkeiten des Denkens im weitesten Sinn bekannt
gemacht. Da jedoch nun die Logik nicht die Lehre vom Den-
ken flcblecfathin ist (dann wäre sie nur ein Abschnitt der
Psychologie), sondern die* Lehre von der formalen Qesetz-
mäßigkeit des Denkens mit Bezug auf seine Bichtigkeit und
Falschheit sein wiU {% 1), also das Denken nach einer ganz
qieziflfichen Bichtung nntersncht, so erwachst der Logik vor
allem die Aufgabe, auf dem Boden der erkenntnistheore-
tiacben and psychologischen Grundlegung, aber nuu zugleich
anch über diese hinaus im Hinblick auf ihr eigentümliches
Ziel sich eine eigene Grundlage zu geben. Sie maß zu diesem
Behuf vor aller Einzelerörtemog in einer aatoehthonen
Grundlegung den Begriff des Denkens, der ihr von der
*) Die sprachliche und nameDtUcb ^e mathematische Gnindlegune
haben, wie »cb gezeisl bat, uai sekundire Bedeutung.
Ziahen, Lsbtbnehdgrlaiefk. 27
OgIC
418 UI. Teil. Autochthone Grupdlegung der Logik. ^^
Erkenntnistheorie und Psychologie im weitesten Umfang
übermittelt worden ist, ganz wesentlich einengen. Nicht
jedes Denken, sondern das richtige Denken oder, schär-
fer ausgedrückt, dae Denken mit Bezug auf eeine Richtig-
keit und Falschheit ist Gegenstand der Logik. Sie muß daher
vor allem im allgemeinen feststellen, worin die logische
Richtigkeit bzw. Falschheit des Denkens besteht. Sie wird
dann — ebenfalls ganz allgemein — den Wert unterschied
zugunsten des richtigen logischen Denkens zu unter-
suchen und damit auch den normativen Charakter der Logib
(vgl. § 2) aufzuklären haben. Femer muß sie — wiedemin
in allgemeinen Umrissen — den Weg aufzeigen, den sie ein-
zuschlagen gedenkt, um gegenüber dem tatsächlichen Den-
ken, das fast unterschiedslos bald richtig, bald falsch ist,
das richtige Denken für ihre Untersuchung zu isolieren nnd
festzuhalten. Wie früher bereits wiederholt erwähnt wurde,
ist dieser Weg in der Bildlmg sog. Normalgebilde (Normal-
Vorstellungen usf., vgl. S. 14, 301, 308, 311, 405) ge-
geben. Die generelle Begründung solcher Normalgebildi
wird also ebenfalls eine Aufgabe der autochthonen Grund-
legung sein. Endlich wird die letztere auf Grund ihrer all
getneinen Ergebnisse auch imstande sein, für die ansfnhr-
liche Darstellung der logischen Gebilde und der logischen
Gesetze eine zweckmäßige Kinteilung zu geben.
Diese Übersicht über die Aufgaben der folgenden
autochthonen Grundlegung kann selbstverständlich nur eine
vorläufige sein. Die antochthone Grundlegung kann selbst
erst iin Lauf ihrer Entwicklung zu einer vollen Klarheit
über ihre einzelnen Aufgaben kommen. Ausdrücklich sei
fiuch nochmals hervorgehoben, daß der autoehthone Cha-
rakter nicht etwa darin besteht, daß ganz unabhängig von
der Erkenntnistheorie und der Psychologie bzw. von der
crkenntnistheoretischen und psychologischen Grundlegung
eine gewissermaßen ganz neue si>ezifl8ch-logische Grand-
legung gegeben wird; es handelt sich vielmehr nur dämm,
anf dem Boden der erkenntnistheoretisehen
und psychologischen Grundlegung eine dem spe-
ziellen Ziel der Logik angepaßte allgemeine Grundlage für
die spezifisch logischen Untersuchungen za gewinnen, also
die erkenntnistheoretisehen nnd psychologischen Ergebnie«e
für die Zwecke der Logik auszugestalten.
iM,Googlc
m. TeiL Autochthone Gnindlesung der Logik. 419
S 85. Biehtigkeit and Falsehhelt der DenkergebniBse.
Das Wesen nnd die Bedeutang der Bichtigkeit und Falsch-
heit der DenbergebnisBe im allgemeinen ist in der erkenntnis-
theoretischea Grundlegung bereits erörtert worden (vgl.
§ 60, namentlich S. 273 ff. u. § 1, S. 2 ff.). Dort hat sich im
wesentlichen folgendes ergehen. Das Denken V (im weite-
sten Sinn) hat einen Gegenstand (Objekt), auf den es sich
bezieht (vgl, S. 265). Dieser Gegenstand ist unmittelbar
in der Regel eine Vorstellung V, nur ausnahmsweise eine
Empfindung {vgl. S. 281, Anm. 13 n. 386). Mittelbar be-
zieht sich aber das Denken sehr oft auch auf Empfindungen
£ oder auch auf die .^eduktionsbestandteile" B (,J>inge"
üBf.), die wir etwa hypothetisch für die Empfindungen an-
nehmen. Auch zeigte sich, daß sich das Denken nicht selten
stufenartig auf VoTStelluDgen bezieht, die ihrerseits Vor-
Etellungen zum Gegenstand haben usf. Allgemein hatten
wir dies durch die Formel ausgedrückt: V" -*- V -*" V ^^
E-*- E, in welcher V"-*- V-^ V die Deokbeziehnng s. str.
bezeichnet; es muQ nur hinzugefügt werden, daß V" einer-
seits zuweilen fehlt, andrerseits noch weitere übergeordnete
Denkakte V", V" nsf. hinzukommen können. Im folgen-
den wird zur Ä'bkürzung von den übergeordneten Denk-
stufen V", V" nsf. abgesehen.
Jede Bichtigkeit eines Deukprozesses V bearteht
in der Übereinstinunung dee Denkprozesses V mit seinem
Ge^nstand ') (Objekt) und ist also, wenn man — wie viel-
') Man hQte sich den GegenstaDd eines Denkprozesaes, verleitet
durch den eewOhntichen Sprachgebrauct^ mit seinem Ziel oder Problem
oder auch mit seinen Fundalien zu verwechseln. In dem Urteil (V')
„die Salbei ist eine Labiate" sind die Salbei und die Labiaten einscbUeBlich
ibier Relationen (vgl. S. 303) die Fundalien, und zwaf die Allgemein-
TOTstellungen „Salbei" und .J^biaten" die näheren^ die zahlreichen Empfin-
dnnien und Voratellungea, aus denen diese Aligemeinvorstellungen hervor-
Ktuigen sind, die entfernteren Fundalien. Die Ubereinstimmungsrelationeu
niKben Salbei und Labiaten bilden den Gegenstand des Urteils, d. b. den
im Urteil speziell verwerteten Teil des Fundais (vgl. S. 36Ö u. 375 u.
378). Die Zentnimvorst eilung (Subiektsvorstellung) des Urteils ist die Vor-
tteÜong „Salbei", sein Zentrumgegenstand die Salbei (S. 377). Das durch
d*s Urteil gelCste Problem (Ergänzung von Z* in § 79} ist die Familien-
miehorigkeit der Salbei; die gedachte Zugehörigkeit der Salbei za den
Labiaten macht den Inhalt des Urtrils (S. 87b) aus, ist also gewissermaßen
<& Lösung des Problems (z* des % 78). Die spezielle Bedeutung, die der
Silbei unter den Fundaben als dem Subjekt des Urteils zukommt, wird ia
^ ipenellcn Urieitolehre (§ 110) besprochen.
27'
430 ^- Teil. Autocbthone Grundlegung der Logt.
fach geschieht — den Tatbestand oder „Gegenstand", der
von dem Denkprozeß verarbeitet wird, als seine »»Uateiie"
auffaßt, stets material (v?I.S.4 u. 273 f.). DerOegenstiuid
des Benkprozeeees ist bald ein Tatbestand im Bereich des
VorstellimgBlebens, bald ein Tatbestand im Bereich derEmp-
flndnogen, bald endlich ein solcher im Bereich der hypothe-
tischen ßnipflndnngssubstrate CRednktionsbeetandteile, Dinge
an sich usf.). Zum ersten Fall gehört z. B. die materiale
Richtigkeit eines Urteils über die (bedanken, die Kapoleon L
zom Zug nach Bußland veranlaßten, oder über die OesetzCr
welche die Ideenassoziatioa beherrschen, zum zweiten z. 3.
die materiale Richtigkeit eines Urteils über die Ähnlichkeit
der Orange- und der RotempSndung, zum dritten diejenige
eines Urteils über die Abhängigkeit des Fallraums vom
Quadrat der Fallzeit.
Weiter hat sich ergeben, daß jede materiale Richtigkat
eines Denkergebnisses V von zwei Faktoren abhängt, näm-
lich erstens von der materialen Richtigkeit der bei dem Zn-
standekommen von V verwerteten Grundlagen (Fun-
dalien, S. 264), also der VorstelluDgen niederer Stnfe,
in letzter Linie der verwerteten primären Eä-innerongsbilder
nnd Empfindungen, nnd zweitens von der Richtigkeit der bei
dem Zustandekommen von V beteiligten DenkprozesBe.
Die auf der materialen Richtigkeit der verwerteten Grund-
lagen (Gegenstände niederer Ordnung) beruhende materiale
Richtigkeit der Denkergebnisse bezeichneten wir als fun-
d a 1 (S. 284), die Richtigkeit der beteiligten Denkprozesse als
formal (S. 3 u. 283). Indem wir aucb den letzteren Ter-
minus auf das Denk ergebnis V übertrugen, konnten wir
die materiale Richtigkeit des letzteren, welche wir auch
als Ädäqnatheit bezeichneten, in zwei Komponenten
zerlegen: die fandale Richtigkeit oder Solidität,
d. h. die materiale Richtigkeit seiner Grundlagen, mid die
formale') Richtigkeit oder Konkrepanz, d. h.
die formale Richtigkeit der beteiligten Denkprozesse (vgl.
S. 282 ff.). Im allgemeinen ist zur materialen Richtigkeit,
des Denkergebnisaes V sowohl fundale wie formale Richtig-,
keit erforderlich. Nur ausnahmsweise kann dnorch mehr
r
•) Von dem Sprachgebrauch, nach dem die Beziehungen d»
Teile eines Ganzen als Form, die Gesamlfaeil der Teile selbst aber aJs
Stoff bc:»ichnet wird (vgl. z. B. K. Twardowski, Zur Lehre v. Inhalt u.
Gegenstand der Voral., Wien 18M, S. 48) wird hier ganz abgesehen.
„.,,„,^.oogic
HL Teil. Autochthone Grundiegmn der Logik. ^1
oder weniger zufällig« gegenseitige Kompensation der Fehler
trotz fondaler bzw. formaler Unrichtigkeit ein material
richtiges Ergebnis Zustandekommen.
Die gegenseitige Abhängigkeit der materialen Bichtig-
keit (Adäqnatbeit), deuL fnudalen Bichtigkeit (Solidität) und
der formalen Bichtigkeit (KonkreiMiMi) läßt sich in. folgen-
dem Schema übersichtlich darstellen:
•ad IJegt für das ElrgebniB Solidität und Kon-
krepanz vor, so ist das Ergebnis stete anch adaqnat;
b) Liegt Solidität nnd Diskrepanz vor, so ist
das Ergebnis meistens inadäquat; aosnahmsweise ist es
trotzdem, gewissermaßen zufällig, adäquat, wenn entweder
mehrere Fehler in den Denkakten vorliegen, die sich gegen-
seitig ausgleichen, oder nicht-verwertete Omndlagen vor-
banden sind, die zur Ausgleichung der Fehler in den Denk-
akten ausreichen (hierher gehört z. B. die zufällige Bichtig-
keit voreiliger Verallgemeinerungen und Analogieschlüsse,
TgL & 4, Anm. 2; 283, Anm. 14; 424fr.);
c) Liegt Insolidität und Konkrepanz des Er-
gebnissee vor, so ist letzteres gleichfalls im allgemeinen in-
adäquat; wiederum aber kann es ansnahmsweise adäquat
sein, wenn die verwerteten unrichtigen Gmndli^en im Ver-
lauf der Denkakte wieder ausgeschaltet worden sind, ihre
Verwertung also nur scheinbar war, nnd anderweitige,
oicht-verwertetc richtige Grundlagen für das Ergebnis vor-
handen sind;
d) Liegt Insolidität und Diskrepanz des Er-
gebnisses vor, so ist es erst recht im allgemeinen inadäquat;
aoBDahmsweise ist es wiederum adäquat, wenn entweder die
unter c angeführte Auniahmebedingung und zugleich eine
der beiden unter b angeführten Ausnahmebedingnngen vor-
liegt oder die Denkfehler sich zufällig mit den Unrichtig-
keiten der Grundlagen ausgleichen.
S 88. Die Bichtigkeit der Denkafcte. Die Logik hat es
nach unsrer Definition nur mit der formalen Bichtigkeit
der Denkergebnisse zu tun. Man kann diese daher anch
Seradezn als „logische" Bichtigkeit bezeichnen. Die
I«gik hat nunmehr auf Grund der vorausgegangenen Fest-
stelinngen und Unterscheidungen zunächst die Frage auf-
znwerfen, ob es für diese logische Bichtigkeit oder Konkre-
.oogic
422 I"' ^^''' Autochtbone Qnindlesuns der Li^ik.
panz ein allgemeines Kriterium gibt, welches gestattet, oboe
EinzelantereachTing aller Denkprozesae, welche ein Denk-
ergebnis V Zustande gebracht haben, lediglich auf Grand
der BcBchaflenheit des Denkergebnisses selbst zu entschei-
den, ob ee konkrepant ist, d. h. aus richtigen Denkproaesden
hervorgegangen ist. Auch hierauf hat die erkenntnistheore-
tische Grundlegung bereits geantwortet (% 61, S. 287 ff.). Es
hat sich ergeben, daS nnter den verschiedenen Kriterien,
welche man aufzastellea versucht hat, höchstens die sog-
Kongruenz, d. h. die innere Widerspmchslosigkeit in Be-
tracht kommen könnte, und daß auch dieses Kriterinin
erstens nur negative Bedeutung hat und zweitens für die
fundale Richigkeit ebenso gilt wie für die formale. Kon-
gmenz, d. h. das Fehlen einea manifesten Widersprachs in
4!)nem Denkergebnis, beweist nichts für seine fundale nnd
nicht« für seine formale Richtigkeit (und also erst recht
nichts für die Verbindung beider, die Adäquatheit), nnd
Disgnienz weist allerdings mit Sicherheit auf Inadäqaatheit
hin, laJJt aber offen, ob letztere auf fundaler oder auf for-
maler Unrichtigkeit beruht (S. 289 ff.).
An diesen Feststellungen ändert sich auch nichts wesent-
liches, wenn wir die innere Widerspmchslosigkeit etwas
weiter fassen nnd nicht auf das Fehlen eines man i festen
Widerspruchs einschränken. Ich kann in der Tat durch ein-
fache logische Operationen sehr oft einen latenten inneren
Wider^ruch manifest machen, z. B. ein kongruent scheinen-
des Denkergebnis durch Zerlegung oder Ziehen von Folge-
rungen ad absardum führen. Indes wird damit allerdings
das Kriterium verschärft, so daß ich öfter mit seiner Hilfe
Inadäquatheit nachweisen kann, aber die prinzipielle Be-
grenztheit seiner Bedeutung wird dadurch nicht beseitigt
Auch die latente Disgmenz bewieist immer norlnadäqnatbeit,
zeigt aber nicht, ob sie fnndal oder formal bedingt ist, nnd
das Fehlen der latenten Disgruenz erlaubt keinen SchlnB
auf formale oder fundale Richtigkeit ' Ein diskrepantes,
d. h. durch unrichtige Denkakte zustande gekommenes Denk-
ergebnis braucht also durchaus nicht — um weiterhin nur
die formte Richtigkeit in Betracht zu ziehen — diee un-
richtige Zustandekommen durch eine manifeste oder latente
Disgmenz zn verraten.
Somit bleibt als einziges positives und eindeutiges Mit-
tel, um die formale Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit eines
„.,,„,^.oogic
lU. Teil. Aulocbthone Grundlegum: der Logik. 423
Denke^ebnisees nachzuweiseQ, nnr die Nachprüfung aller
einzelnen Denkakte, welche za dexa bezüglichen Ergebnis
geehrt haben.
Daipit sieht sich aber die Logik vor die weitere Frage
gestellt, worin denn die formale Biehtigkeit der
beteiligten Denkakte selbst besteht. Am näch-
sten scheint die Antwort zu liegen, daß die Denkakte bei der
Mehrzahl der normalen Menschen nach bestimmten Gesetzen
ablaufen und die Biehtigkeit der Denkakte in der Uherein-
stinunnng mit diesen Gesetzen des Denkens besteht. Indes
diese Antwort hat sich bereits als falsch erwiesen. Das
Denken führt auch hei der Mehrzahl der normalen Men-
schen trotz seines gesetzmäßigen Verlaufs sehr oft zu for-
mal unrichtigen fh-gebnissen oder — mit anderen Worten —
ist selbst nicht selten unrichtig. Die psychologischen Ge-
setze genügen für die Logik nicht, letztere verlaugt nach
den Kennzeichen des richtigen Denkens. Es fragt sich
also, ob die Psycholog auch imstande ist — ganz unab-
hängig von den Gesetzen des tatsächlichen Denkens — , uns
ein oder mehrere solche Kriterien nachzuweisen. Tatsächlich
iet dies der FaJl. Jeder Nachweis einer Unrichtigkeit in den
an einem Denkergehnis beteiligt gewesenen Denkakten läuft
nämlich schließlich darauf hinaus, daß nachgewiesen wird,
daB irgendeine Vorstelliaig A im Lauf der bezüglichen Denk-
akte einmal so verwertet worden ist, als hätte sie einen ab-
weichenden Inhalt (vgl. S. 273 u. 355) A', also fälschlich als
mit A' gleich gesetzt und behandelt wird. Im gröbsten
F&U wird geradezu der Vorstellung A, die sich beispiels-
weise aus den Teilvorstellungen ai, &t und a^ zusammensetzt
(A = ai Oa a„ vgl. S. 321) eine Vorstellung A' untergeschoben,
welche die Teilvorstellungen ai, non — ^ ') und aj hat
tl'=ai non — a^ aj). Sehr viel häufiger handelt es sieh
nur darum, daß für A eine ähnliche Vorstellung (also
nicht gerade eine ganz oder partiell entgegengesetzte) ein-
gesetzt wird, z. B. an Stell« von A^aia^iaj etwa ein
A'=aia»a„ wo ai von a» mehr oder weniger verschieden ist ,
') ,A liat die TeilvorsteUung n^-a" soll hier und im lllctotfol senden
Meuten enlens, dofi dem A die Teilvoratellung a nicht zugesprochen, und
nälens, daB sie dem A ausdrücUich als nicht zu ihm gehörig abgesproches
»iri Vgl. auch S. 430, 54« u, 717.
L_.
424 in. Tal. Autochthone GrundleBuns der hegÜL.
(tit A a«) *), oder ein A' = ai aj ai a«, wo Os ein neues, in Ä
nicht enthaltenes Merkmal bezeichnet. Die sog. Qaatemio
terminomm, ein logischer Fehler, der in der Verwendong
eines Terminns in doppelter Bedeninng besteht nnd im
speziellen Teil ausführlich zu behandeln sein wird, kann
daher ^radeza als einfachstes Paradigma für alle ünricb-
tigkeiten der Denkakte überhaupt gelten*). Daß die Denk-
unrichtigkeiten ausnahmslos auf solchen Unterschiebungen
beruhen, wird sich im einzelnen erst bei der Untersuchung
der speziellen logischen Denkakte ei^eben. Hier mufi das
Resultat vorweggenommen werden.
Die eben charakterisierte, die Unrichtigkeiten der Denk-
ukte) allgemein' kennzeichnende Unterschiebung soll kurz
im prägnanten Sinn als VorstellnngSTer-
wechsluDg oder als Alienation*) bezeichnet werden-
Nur ganz vorläufig mögen die folgenden, absichtlich
sehr grob gewählten Beispiele dieses allgemeine Kriterinm
der unrichtigen Denkakte veranschaulichen:
Wenn ich bei der Bildung des Begriffs „Typhus"
die Temperatursteigerung (schlechthin, d. h. ohne einschrän-
kbnden Zusatz) unter seine Merkmale und damit in seine
sog. Definition aufnehme, obwohl mir einzelne TyphuBfälle
ohne Temperatursteigerung bekannt sind"), so ist diese Be-
griffsbildung formal unrichtig, weil sie mit einem unrich-
^) ,A hat die TeUvoTsteUung a, A^^" bedeutet (im Gegensatz zu „A-
hat die Teilvoistelluns uoo — &t, S. i23, Anin. 1), daß A die von &, iifeiid-
wie verschiedene TeüvorsteUung a^ hat, ohne daß &, dei Vorstellung A gerade
ganz und gar mit Bestimmtheit abgesprochen wira. Die exaktere Fonmi-
lierung kann erst in dem logischen SpeziaJabschnitt entwickelt werden. Das
Zeichen A zwischen zwei Buchstaben bedeutet stets „verschieden vod"i
Ober dasselbe Zeichen oberhalb zweier Buchetaben siehe S. 323.
') Die Zugehörigkeit des falschen Analogieschlusses zur Quaternio tet-
minonun hebt auch Erdmann hervor (Logik, Bd. 1, 2. Aufl. 1807, S. 78^
Ein Unterschied besteht insotem, als bei der Quaternio terminorum der
Urteilende niemals — von fingierten Schlüssen abgesehen — weiß, daß nur
Ahnlichkeil vorliegt Siehe auch S. iäö u. § iBi.
*) Man denke etwa auch an das inc»dotay in Piatos Tbeaetet.
>) Bitte ich solche fieberlosen TyphusfAlle zufällig nie beobachtet und
atich nie von ihnen gehört, so wäre meine Definition des TTPhua als einer
fiebefhaflen usw. Krankheit logisch richtig gewesen, vorausgesetzt daß ich
sie auf die von mir beobachteten und zur Kenntnis gekommenen Typhus-
lälte bescbrOnkl, bzw. eine Reserve beztlglich der bei allen lAUgemeinbegriSen
voiliegenden Transgression (S. 335 u. 3€0) gemacht bitte CatudiO^Iidi odK
slillschweigend). '
ih,Googlc
UI. TeiL Autochthone GrundlegunB der Logik. 425
ügen Denkakt behaftet ist, und die Unrichtigkeit des Denk-
pnaeesee besteht darin, dafl ich die fleberlosen Fälle in
meiner Definition ala fieberhafte behandele. Es liegt also
eine AUenation in dem besprochenen Sinn tot.
Als zweites Beispiel mag der folgende Sehlnfi angeführt
verdeD :
I Alle Fische haben Wirbelsäule und Flossen und
kaltes Blut;
H. die Wale haben Wirbelsäule und Flossen;
m. also haben die Wale kaltes Blut und also sind die
Wale Fische.
Auch hier ist die AUenation offenkundig. Aus der Ähnlich-
keit zwischen Fischen und Walen wird eine Gleichheit ge-
macht
Es leuchtet eiD, daB ein solcher formal unrichtiger, auf Alienation Uin-
üctier Vontellungen beruhender SchluS dem erlaubteo und praktisch äuBerst
«Kbtigen .j^naloBieschluB" (vgl. das Kapitel Oher den SchluB im IV. Teil)
Kbr nabe steht Ein wesentlicher Unterschied liegt ahef darin, daB der
licblice AnalogieschluS stets die Folsenmg ausdrücklich nur mit einer ge-
vineo (oft sehr kleinen) Wahrscheinlichkeit zieht, sich also des l)eschrILnken~
den EinOusses d&r bloBen Ähnlichkeit bewußt ist und diese Einsiebt in der
Polgening zum Ausdruck bringt. Bei der Alienation fehlt diese Einsicht
Dies zweite Beispiel zeigt einstweilen auch schon deut-
lich, daS die Sprache uns oft geradezu zu solchen Fehl-
schlässen verführt. Die Wörter sind oft auf Grund von
Ähnlichkeiten gebildet worden („Walfisch") und verleiten
uns daher jetzt fortgesetzt zu Gleichsetzungen. Ebenso
fällt durch solche Beispiele schon jetzt etwas mehr Licht
anf die gefährliche Doppeldeutigkeit der Kopnla. Das
Wörtchen „ist" („sind") bedeutet sowohl: „ist in ganzer Äns-
dehnung identisch mit dem Merkmalkomplex . . ." als auch:
Jiat anter anderem das Merkmal . . ." wie auch „ist gehörig
m , . ." (= jjiat die Gatttmgsmerkmale . . .") '). Wir sind
Qim gewöhnt, dasselbe auch dann anzuwenden, wenn es nur
nn zweiten oder dritten Sinne zutrifft, und gelangen dadurch
2Q schweren Alienationen, wie der folgende Fehlschluß zeigt:
Fische sind kaltblütig,
Krebse sind kaltblütig,
also sind die Krebse Fische.
*) Der zweite und dritte Fall fallen zusammen, wenn man Sich auf
te «Ater zu besprechenden Standpunkt stellt, daB „ein Hert:mal a haben" -
miel bedeutet wie: „zu d^ Gattung der Gegenstände mit dem Merkmal a
leli6t*n". Vgl & 4M.
tY^IC
426 HI. Teil. Autochthooe Grundlcffting der Logik.
Das folgende Beispiel zeigt die AHenation bei einer
typiecfaen Qnaternio termiaoram :
Alle Vortellnngen haben einen Gegenstand,
alle Gegenstände sind ränmliclie Gebilde,
also haben alle Vorstellungen rämnliche Gebilde zu
Gegenstanden.
In diesem Fall verführt die Doppeldent^keit des Worts .
„Gegenstand" zu der Alienation.
Schematisch lassen sich solche Alienationen stets aof
eine Formel bringen wie:
also B =A,
A' = C,
B =C (Unterschiebung von A' für A).
Dabei ist vorausgesetzt, daß die Gleichsetzmigen B = A
und A';=;C material richtig sind. Sind schon diese Vorder-
sätze material unrichtig, so wird das Denkergebnis fnndal
unrichtig (vgl. S. 420).
Man beachte aucb, daB in dea angefflhrtea Beispielen Disgruens, d. b.
ein innerer Widerspnicb innerbaib des tenninalen Denkergebaisses (im Sinn
der Erörtening S. 286 u. 290) in diesem selbst ebenso wie in den einieliien
fundierenden Denkergebnissen (B=^^A. A' = C) vorhanden sein kann
— manifest oder latent — , aber nicht vorhanden sein muß.
Im Einzelnen ist bezüglich dieser Alienation noch fol-
gendes zu bemerken (immer vorbehaltlich der Ausführungen
in den logischen Spezialabschnitten) :
1. Die Alienation betrifft zunächst nur den einzelnen
Denkakt (im Zugleich), erstreckt sich aber in ihren die Ad-
äquatheit des Denkens gefährdenden Wirkungen weit über
den momentanen Denkakt hinaus (auf das Nacheinander des
Denkens). In diesem Sinne kann man von primärer nnd se-
kundärer Alienation sprechen.
2. Jede primäre Alienation beruht auf einem Fehlakt
iinerer komparativen Funktion. Sie kann stets symbolisch
ausgedrückt werden durch
a=^a' oder A = A' oder abc = a'bc,
wo der beigefügte Strich eine Abweichung (Verschiedenheit)
gegenüber dem durch den Buchstaben ohne Strich bezeich-
neten Inhalt bedeutet (also z. B. a' A a) und die Symbole im
übrigen die S. 318, Anm. 6 festgesetzte Bedeutung haben.
Auch ist vorausgesetzt, dafi eine materiale Grundlage für
die Gleichsetzung fehlt. Besonders häufig wird es zu Aliens-
„.,,„,^.oogic
III. Teil. Aulochtbone Gmodlesuiiii der Iäbüc. 427
-tionen kommeu, wenn die Teilvorstelhmifen von A und A'
nicht explizit gpegeben sind, sondern nur implizit i n A und A'.
3. Für die analytische nnd die synthetische Tätigkeit «r-
geben sich die Siwzialf alle ')
abc -*"a' (iBolation von a' statt a aus a b e)
und a, b, c-*-a' b c (Synthese aus a', b und e statt aus a, b und c).
Es leuchtet ein, daS anch hier ein Fehlakt der Vergleichnngs-
fnnktion — fälschliche Gleichfiotzung von a und a' — füi* die
Alienation verantwortlich ist. Als formal ist die Aliena-
tion auch hier zu bezeichnen, da Ich voraussetzungsgemäß
(b, 0.) nicht etwa in der Erinnerung fälschlich a in a' ver-
wandelt habe, sondern trotz normaler Erinnerniig a und a'
gleichsetze; es wird also auch in diesen Spezialfällen aus-
drücklich angenommen, daß bezüglich der materialen (Grund-
lagen a, b und c nicht gestört sind.
4. Die besprochenen Alienationen gelten zunächst für die
Vorstellungen als solche, dann aber auch für ihre Bezie-
hungen auf Gegenstände. Die Gleichsetznng von aunda'.
voQ A und A' ist zunächst als solche unzulässig, gerade weil
sie in den Gegenständen nicht begründet ist. Meistens tritt
Ulm aber in unserem Denken eine Beziehung auf Gegenstände
hinzu, und dann ergibt sich als unausweichliche Folge aus
den beschriebenen Alienationen, daß
entweder einem und demselben Gegenstand a ohne mate-
riale Grundlage zwei verschiedene Vorstellungen A und A'
bzw. abc und a' b c bzw. a ond a' (Merkmale) bzw. W und W
(Gattungen, vgl. unten Anm. 7) zugeordnet werden,
oder daß zwei verschiedenen Gegenständen o und a' ohne
materiale Grundlage eine und dieselbe Vorstellung A zuge-
ordnet wird.
So kann die Alienation von blau und violett zur Folge
haben, daß ich dem Veilchen sowohl die blaue wie die vio-
lette Farbe zuschreibe, und ehenso die Alienation von Neid
') Ein dritter Spezialfall ersibt sich, wenn toan die Unterordnung unter
^e GattuDE besonders berück sicbtigt. Forroel: abc C a'b (vgl. S. 3^ u.
S lOl : c bedeutet Unterordnung). Es ist jedoch offenbar dieser Fall scbon in
da Formel abc -*- a' enthalten, da diese letztere auch dahin interpretiert
^ttdenkaDn: abc gehört zur Gattung der Gegenstände (Dinge) mit dem
«Oku«] a' (ytl. 9. 4S6. AnnL 6 u. *M).
h. !■, II, l^.OO^IC
428 ^- "^^'^ Autochthone Gnindletune der Logik.
and Mißgunst, daß ich einen und denselben Tatbestand so-
wohl als Neid wie als Mißgunst deute. Mao bemerkt auch so-
fort, daß wir bald trotz richtig ungleicher sprachlicher Be-
zeichnung, bald verführt durch fälschlich gleiche sprachliche
Bezeichnung sn Alienationen gelangen.
Jedenfalls büßen unsere Vorstellungen in-
folge dieser Wirkung der Alienationen ihre
konstante Gegenstandsbeziehung vollkoDi>
men ein.
Psychologisch ist das häufige Vorkommen tou Aliena-
tionen leicht verständlich. Abgesehen nämlich von den mate-
rial bedingten Verwechslungen, welche auf dem Undeutlich-
werden (Vergessen) und anderen Entsteliungen der primären
Erinnerungsbilder und weiterhin auch der aus diesen her-
vorgegangenen sekundären Vorstellungen (^'gl. S. 281) be-
ruhen, ist unser Benken selbst durch seine eigenen Gesetze
in mannigfacher Weise zu Verwechslangen (Alienationen im
logischen Sinn) geradezu prädisponiert unsere Ideenafiso-
ziation (vgl., ^ 73) reproduziert sowohl simultan — bei der
Bildung abgeleiteter, z. B. znsanmiengesetzter Vorstellon-
geo — wie auch sokzesedv — z, B. hei der Bildung von Ut-
teileq — die einzelnen Vorstellungen in einer Auswahl bzw.
Keihenfolge, welche nicht einfach von dem Inhalt der Vor-
stellungen, sondern von mehreren Faktoren (Kontiguitat,
Gefühlfiton und Konstellation) bestimmt wird, die oft als
subjektiv und zufällig zn bezeichnen sind, wie jedes Beispiel
einer disparaten Vorstellungsfolge zeigt (vgl. S. 363). Gün-
stigsten Falles führen die Assoziationsgesetze wenigstens
zwei solche Vorstellungen zusammen, die einander vermöge
der Gemeinsamkeit von Partialvorstellungen ähnlich sind").
Zwischen diesen sehr mannigfaltigen von der Ideenassozia-
tion uns gelieferten Vorstellungen stellen nun die Differen-
zierungsfunktionen *) (vgl. S. 375) Beziehungen her, und ge-
rade hierbei erfolgen die in Bede stehenden Alienationen.
unsere DifFerenziemngsfunktionen arbeiten eben nicht mit
absoluter Genauigkeit, insbesondere hat die komparative
Funktion — wie ja auch jede Empfindungsschätzung be-
weist — ihre Schwelle, unterhalb deren sie dem Irrtnm
•) Vgl. Leitf. d. physiol. Psycholofie, m Aufl. Jen» 191* S. SIL
>) Entsprechend den Parallelkomponenten der beteUigtea RindemeUea.
OSJC
m. Teil. Autocbthone Gnindl^unB der Logik. 429
aoBgesetzt ist Es läßt sich auch leicht zeigen, dafi die Lage
dieser SchweUe unter den Terschiedensten Einflüssen — Auf-
merksamkeit, Begabung nsf. — sehr schwankt und oft sehr
liocb liegt. Auch anseT Denken ist also in keiner Weise
fehlerfret Wie S. 426 gezeigt wxirde, entspricht jeder der drei
Dilferenzierangsfunktionen eine besondere Gnmdklasse der
Alienationen, jedoch in der Weise, daß die entscheidende
Bolle bei der Alienation in allen drei Grundklassen gerade
der Ve^Ieichnngsfnnktion zufällt Man erinnere sich dabei
aDch der grundlegenden Bedeutung, welche die letztere- für
das Urteil hat (8. 369 ff-, 375 und 388).
Die synthetische und die analytische Funktion veriiatten sich sleich-
fallt nicht gaaz sleichm&fiig mit Bezus auf das VoitommeD von Alienationen.
Hudelt es sich um die eistere und zwar um den einfachen Fall der Bildung
einer KomplexionsroTsteüung K, so kann eine Diskrepanz nur dadurch zu-
stande kommen, daS die Teile bzw. Ueikmale, die in die Komplexions-
vofstelhms eingehen, oder ihre Relationen nicht unverändert aufgenommen
Verden bzw. trotz stattgehabter Verindenins als unver&ndert betrachtet
werden (^. a,b,c^^a'bc, S. 427). Handelt es sich dagegen um die
analytische Funktion, so entstehen Diskrepanzen dadurch, daB Teile bzw.
Merkmale, die in der zusammengesetzten Vorstellung enthalten sind, oder
ihre Relationen bei der Analyse infolge von Alienation falsch wiedergegeben
werden {abc-^a', S. 427). Es ist begreiflich und scheint durch die Er-
fahrung bestätigt zu werden, daS die letztere Gefahr — Alienation bei
Analyse — im allgemeinen noch großer ist als die ers^enannte — Alienation
bei Synthese.
Als Ergebnis dieser ganzen Erörterung stellen wir vor-
länfig nur fest, dafi die logische Richtigkeit (Kon-
krepanz) mit der Abwesenheit voa Aliena-
tionen zusaminenf ällt.
§ 87. Das signomenoIosiBehe Identitätsgesetz und das
Ic^isehe Identitätsprinzip; die NormalTorstellnngen oder Be-
griffe. Das Kennzeichen des konkrepanten Denkens, welches
soeben festgestellt wurde, führt uns anf ein für die gesamte
lx>gik grundlegendes Prinzip, wie die folgende Überlegung
alsbald zeigen wird. Das gewöhnliche tatsächliche Denken
scheint nach den bisberigeu Erwägungen bezüglich Bichtig-
keit -and Falschheit nahezu vogelfrei, indem es den mannig-
fachsten Alienationen preisgegeben ist. Demgegenüber muß
BOD festgestellt werden, dafi doch eine absolute Schranke
för unser tatsäcblicheB Denken existiert, welche wenigstens
430 UI. Teil. Autochlhonu Grundlegung der Logik.
im Zugleich, d. h. im Denken eines Augenblicks'), uns vor
beetinunten Alienationsgefabren ') schützt. Im Zugleich ist
es nämlich absolut unmöglich, a (bzw. Ä) zu denken und zu-
gleich nicht zu denken. In die&em Sinn ist unser Denken
„eindeutig positiv bestimm t". Dagegen ist es
selbstverständlich wohl möglich, zugleich a (bzw. A) and
nicht-a (bzw.oicht-A) zu denken»). Beides gilt sowohl von den
Vorstellungen als solchen (absolnt genommen) wie von den
Vorstellnugen mit Bezug auf ihren Gegenstand (a).
So taan luli bomtiiels weise sehr wohl im Zugleich weiB and aüfi (a and b|
denken, wo süß uin nicht- weiß (ein Don— »)*) ist, und ee hiudert mi^'b
auch nichts, diese beiden Heikmale mit Bezug auf einen und denselben
Gegenstand, etwa ein Zuckerattlck, zu denken. Ich bin dabei ancfa duichdus
nicht etwa gezwungen, süß und weiß in verschiedenen Teilen, räumlieben
oder zeitlichen, des Gegenstandes zu denken; ich kann mir sogar zwei ver-
schiedene Farben, sogar zwei sog. konlrftre Farben nicht nur zugleich in
einem Gegenstand vorstellen, sondern sogar, wenigstens ohne 1 o g i sehen
Widerspruch, in demselben Teil des Gegenstandes zugleich vorstellen*).
Man muß nur schart auseinanderhalten, daß die Neg»-
tion „nicht" sich entweder auf das Denken (den Denk-
akt), genauer gesagt, auf den gesamten Denk in halt
oder auf einen Teil desselben bezieht (vgl. Anm. 3). Wenn
ich von „a nicht denken" spreche, wird gesagt, daß alles
in dem bezüglichen Augenblick von mir Gedachte nicht a
ist, d, h. von a verschieden ist; wenn ich dagegen vou
„non — a denken" spreche, wird nur gesagt, daß wenigsteui
ein Teil des in dem l)czUgIichGn Augenblick von mir Ge-
dachten nicht a ist, d. h. von a verschieden ist. Nur wenn
ein non-a als Gesamtinhalt eines Augenblicks gedaclit
wird, fällt „nicht a denken" und „non — a denken" sachlieli
*-) E>ie ZeitgröBe „Augcnbhck", die hier und an anderen Stellen ver-
wertet wird, bedeutet allenthalben diejenige Zeit, welche ein einzelner Denk-
akt in Anspruch nimmt, ist a,lso keineswegs eine konstante GröBe. Sie
entspricht dem „Zugleich" unsrer Auseinanderselzung.
') Man beachte Iflr das folgende, daB die Empf i ndungsverwechs-
lungcn nicht zu den Alienationen gehören. Siehe auch S. 450.
'•) Nicht-a bedeutet hier abweichend von S. 430 nur „vefschieden von a".
') Um Verwechslungen vorzubeugen, ersetze ich weiterhin das „nicht"
nur dann, wenn es sich nicht auf den Denkakt in iolo, also aul den Tolal-
inhalt, sondern auf eines Teil inhalt bezieht, durch „non" mit Bindestrich.
Dabei ist nur daran zu erinnern, daß der Akt nichl eine geheimnisvolle
Tätigkeit gegenüber dem Inhalt bedeutet, sondern in dem S. 355 besprochenen
Sinn mit der gesamten Vorstellung identisch ist, von welcher der Inhalt eine
Eigenschalt ist
') Vgl, auch Ghrisloph Sigwart, Logik, a Aufl. 1888, l. Teil, S. 173.
„.,.,„.i..oo^sic
III. Teil. .4.uloctathoDe GruncUetnine der Logik. 431
zneanunen, vorausgesetzt, daQ überhaupt etwas gedacht
wml'). Vgl. auch § 102 u. 124.
Man bat also auch wohl zu uDlerscheiden zwischen der Verbicdung
emiüisch unvertiäglicher und der Verbindung loaisch unverträglicher Uerk-
male in einer Vorstellung. „weiB" und „nichtweiB" sind nach meiner Aui-
IissuDg weder empirisch noch logisch unvertr&gUch. Logisch und empiriscli
unrartiftglich sind nur „weiB" und „überhaupt nicht weifi" (in keinem Teil,
zu keiner Zeit weiß). Aus dem Verbot der Verbindung solcher Merkmale
zn einem Begrid bzw. aus der UnmögUchkeit einer solchen Verbindung ein
besonderes F^incipium consensus s. convenientiae zu machen (W. Tr. Krug,
SssL d. theor. PhilosL, Teü 1, 3. Aufl. 182&, § 18, S. *7), erscheint unnötig,
Uit dem Hauptsatz — der Unmöglichkeit zugleich a zu
denken und nicht zu denken — hängt im Sinn eines KoroUar-
satzes die Unmöglichkeit zusammen in einem Urteil
zugleich zn denken „Ä -*- a" und „Ä nicht -*- a" oder
,^4 c W" und zugleich „Ä nicht c W" (vgl. über die Sym-
bole S. 427) "). Denn aae dem Hauptsatz folgt die Unmög-
lichkeit, zugleich zu denken „Ä -^a" und nicht zu denkeu
„k ->- a" ; letzteres bedeutet aber, wenn überhaupt
zwischen A und a die analytische Denkfnnk-
tion wirksam ist, offenbar dasselbe wie „Ä nicht -*-a".
VgL hierüber auch den spateren Abschnitt über das Princi-
pinm exclnsi tertü und das Principitun contradictionis und
den disjunktiven Charakter der Yergleichimgsfunktion bei
der TJrteilstätigkeit.
Dagegen können wir wohl denken, daß a vielleicht = b, viel-
leicht aber auch /\ b isl, worüber die Urteilalehre zu vergleichen ist
{siehe vorl&ufig auch S. 384).
Mit diesem Verhalten unseres I>enkens stimmt nun das
allgemeine Verhalten aller Gignomene durchaus über-
ein. Auch im Gegebenen eines Augenblicks kann neben u
ein non — a und können neben a auch viele non — a's, z. B.
b, c und d gegeben sein, aber unmöglich ist es, daQ a im
Zugleich gegeben ist und nicht gegeben ist. a und non — a
sind im Zugleich verträglich, nicht aber Gegebensein von. a
and Nichtgegebensein von a. Auch hier hat man zu unter-
scheiden Gegebensein von non — a und Nichtgegebensein
von a. Erstere« bedeutet, daß wenigstens ein Teil des Ge-
') Man ehnnere sich d&bei der verschiedenen Bedeutung von a. und A
IS. 318, Antn. 6). Hier kann tOr a auch A gesetzt werden.
*) Ein wicbtigef Spezialfall ist in der UnmOgUchkeit gegeben, zugletoh
n denken Ae=B und AAB.
jM,Googlc
432
gebenen von s -verschieden ist, letzteres, daß alles Gegebene
voD a Terschieden ist.
Führt man die Annahme irgendwelcher beharrender, z. B. rftumhcb
indlviduaUsierter Dinge (Substanzen) hinzu, so selanst man zu weiteren
folgesfttzen fdr das Gegebene, z. B. zu dem Satz, daß ein DiDg sich ala
Ganzes nicht zugleich nach oben und unten bewegen kann usf. Die Er-
örterung dieser Sätze fällt der Erkenntnistheorie zu.
Diese oben festgestellte Eindentigkeit oder „Sin-
gularität" des psychischen Oeschehens, speziell des Den-
kens'), ißt also nur eine Teilerscheinung der allgemeinen
Eindeutigkeit oder SingulECrität allen Geschehens, wie bereits
in der erkenntnistheoretisohen Grundlegung auseinander-
gesetzt wurde. Sie ist also in keiner Weise eine spezielle
Eigentümlichkeit des logisch richtigen Denkens, sondern
das oberste Gesetz für alles Gegebene, nach nnsrer früheren
Terminologie ein „gignomenologisches Gesetz".
Die Eindeutigkeit des psychologischen Geschehens kann ge-
radezu als Ausdruck der Eindeutigkeit des physiologischen
Geschehens im Zentralnervensiysteni gelten. Man kann dies
allgemeine Eindeutigkeitsgesetz auch durch die übliche For-
mel a^^a, das sog. Identitätsprinzip (vgl. S. 296)
ausdrücken, indem man unter a = a versteht, daß der Denk-
akt a als Totalvorgang') mit dem Voi^ang A a bzir.
iion — a als Totalvorgang in dem oben erörterten Sinne im
Zugleich unverträglich ist. Da indessen dies Identitätsprin-
zip bzw. das Symbol für dasselbe ,^ = a" in der Geschichte
der Philosophie sehr verschiedene Dentongen erfahren bat
(s. unten S. 443), so soll von der Verwendung dieses Ter-
minus und Symbols hier abgesehen werden und das ent-
wickelte allgemeine Gesetz als „gignomenologisches
Eindentigkeitsgesetz" bezeichnet werden. In seiner
speziellen Gültigkeit für da« psychologische bzw. psycho-
physiologische Geschehen mag es auch als „psychophy*
siologischcs Eindentigkeitsgesetz" oder noch
'') Die Tatsache, daß wir niemals zugleich mehrere unrerbundene Vor-
stellungen in unserem Denken haben können und die etwa zugleich anf-
tretenden Vorstellungen stets durch die Dilferenzierung^unklionen mit-
einander verknOpFt werden (etwa fiimlich wie zwei phyäische GegensUtnde
niemals ganz ohne Wirkungsgemeinschaft eziBtieren), hat mit der oben be-
sprochenen Singularität nur einen entfernten Zusammenhang.
*) Uan beachte, daS bei dieser Üblichen Formulierung a nicht die
spezielle Bedeutung wie in unserer Symbolik hat. In der letzteren wäre es
durch A zu ersetzen.
n,g,t,7rJM,GOOglC
Ul. Teil. Autochthone Gnindleguix der Logik. 433
spezieller mit Bezug auf dag Denken als „Gesetz der
Blndeatigkeit des DeDkens" hervorgehoben werden.
Das gignomenologische und speziell das psychophysio-
logische Eindeutigkeitsprinzip nun schließt die ungünstigen
Wirkongen der Alienationen nnd damit anrichtige Denkakte
ond formal anrichtige (diskrepante) Denkergebnisse im Zn-
gleich keinecrwegs aas, sondern schränkt sie nur erheblich
ein. Wäre unser Denken nicht in dem besprochenen Sinn
«indeatig positiv bestimmt, könnten wir zugleich denken
A-*-a und A nicht -»-a usf., so würden die Alienationen
anser Denken vollständig seiner Bichtigkeit beracben. Für
das Zugleich ist unserem Denken durch das Singnlaritäts-
prinzip eine sehr wirksame, wenn auch nicht überall aus-
reichende Schutzwehr geschafFen. Im Nacheinander
gilt das Singnlaritätsprinzip nicht, und damit wären wir
hier den Alienationen völlig preisgegeben. Ich kann imNacb-
eiaander von demselben Qegenstand o heate A und morgen
— lediglich infolge Alienation, ohne entsprechende Ver-
änderung der materialen ärundlagen — A' denken und da-
durch zu den widersprechendsten Denkergebnissen gelangen.
H&beQ sich die materialen Gruadlagen seandert, so hat die Logik als
IbnMle Wisaenschalt mit der Richtigkeitafrags nichts zu tun; eine etwa auf
dieaem We^e zustande gekommene Inadaquatheit des Ergebnisses ist insolid,
abcz Dicht diskrepant.
Um das Denken bei dieser schweren Gefährdang aach
im Nacheinander wenigstens einigermaßen gegen die nach-
teiligen Wirkungen der mannigfachen Alienationen zu
echntzem und die eindeutige konstante Beziebnng zwischen
den Vorstellongen nnd ihren Gegenständen zu erhalten, be-
darf die Iiügik eines neuen Prinzips. Der Eigentümlichkeit
and dem Anspruch der Logik, welche sich mit der formalen
Bichtigkeit der Denkakte überhaupt, eicht nnr denjenigen
eines Augenblicks beschäftigt, ist durch das psychophysio-
Ic^ische Eindeutigkeiteprinzip nicht Genüge geleistet. Die
Lc^ik behandelt und verlangt eine durchgehende, nicht
an das Zugleich eines Augenblicks gebundene Konkrepanz
der Denkakte. Sie ist daher gezwungen, über das psycho-
logische Gesetz hinauszugehen and antocMhou, auf ihrem
ebenen Boden und für ihren speziellen Zweck ein weiter-
gehendes und zugleich spezielleres Prinzip aufzustellen, wie
dies übrigens das natürliche Denken schon immer, freilich
im unklarer and unbestimmter Weise getan hat.
Zieb«D, LehrbQcb <l<r Logik. 1 28
„.,,„,^.oogic
434 ^^- ^^i'- Autochthone Grundlegung der Logik.
Die Logik erreicht dies, indem sie die Elndeotig'keit oder
,Jdentität" der Denkvor^ränse von dem einzelnen Ai^n-
blick auf die ganze Zeit, vom Zugleich anf das Nacbeb-
andcr ansdehnt, d. h. von der Zeit ganz nnabhängig macht
Richtig im Sinn dieses logischen Grandprinzips ist derjeni^
Ablanf der Denkakte, bei welchem eine Vorstellung A mit
Bezog auf denselben Gegenstand a stets denselben ein-
deutig bestimmten Inhalt hat, also dieselben Teilvor.
Stellungen Bi, ai, as . . . in derselben Verknüpfung enthält
(vgl. § 87), solange die materialen Grundlagen unverändert
bleiben (vgl. S. 427). Die Logik fügt also zu der tatsaeh-
lichen momentanen Eindeutigkeit die ideale Annahme einer
dauernden Eindeutigkeit, d. h. ünveränderlichkeit hinzu.
Sie stellt geradezu den veränderlichen tatsächlichen Ding-
vorstellungen*) unveränderlich gedachte logische Vorstel-
lungen gegenüber, welche von den individuellen Denkakten
als solchen und anderen psychologischen Faktoren (Auf-
merksamkeit, GefühlstÖnen) nicht verändert werden, son-
dern durch alle Denkakte hindnrch einen und denselben
konstanten Inhalt haben, soweit die mateiialen Grundlagen
unverändert bleiben. Jedem Gegenstand ordnen wir auf
Grund des neuen Prinzips ein oder, wenn entsprechende
materiale Unterlagen vorhanden sind, mehrere unver-
änderliche A's ((3esamtvorstellungen, desgl. Merkmal-,
Gattungsvorstellungen) zu.
Mit der Einführung dieser unveränderlich eindentigen
IdealvorstelluDgen ist selbstverständlich nur ein Postu-
lat aufgestellt und eine Bichtschnur gegeben. Di^
AlienatiQoen als ' solche und ihre Gefahren werden nicht
beseitigt. Selbst im Zugleich werden sie, wie wir sahen,
durch das Singularitätsprinzip nur eingeschränkt, aber
nicht beseitigt (S. 430). Im Nacheinander kann gleichfalls
von einer Beseitigung keine Bede sein; durch die Ausdeh-
nung des Singularitätsprinzips auf das Nacheinander wird
nur theoretisch die Ausschaltung aller Alienationen
gefordert und ihre ungünstige Wirkung wesentlich einge-
schränkt.
Die Schutzwirkung dieses Prinzips wird noch wesent-
lich gesteigert und die Zahl der Alienationen noch weiter
■) Den VeränderUDgea der Dinge selbst wird sie dabei dorch die Ko«-
traküonsvoratellunaen (S. 3261 Berechl.
n,5,t,7rjM,G00glc
m. Teil. Autochthone Grundlegung der Logik. 435
eingeschränkt, wenn wir zugleich jede znfiamineagesetzte
Vorstellong in bestimmte Teilvorstellungen zerlegen; vie
5. 427 schon betont vurde, sind ja Alienatiouen bei impli-
ziten Gebilden erheblich häufiger als bei expliziten. 'Diese
Zerlegung vird von uns hei der Lehre von der Definition
ausführlich erörtert werden.
Es empfiehlt sich für die soeben gekennzeichneten Ideal-
vorstellungen einen kurzen Terminus einzuführen. Als sol-
cher wird im folgenden, wie gelegentlich schon früher (S. 14,
296, 301, 308, 311, 340, 418), der Terminus „Normalvor-
stellangen" verwendet werden. Synonym hiermit werde
ich im folgenden auch den Terminus „Begriff" verwen-
den, der allerdings durch seinen vieldeutigen Gebranch fast
^aoz entwertet worden ist"*). Das logische Prinzip selbst
") Der deutsche Temiinus ,^eeriff" gehört zu den vieldeuügalen
und mlBbrnucbtesten der deutschen philosophischen Literatur. WoUi hatte
„eine jede Voratellung einer Sache in unsern Gedanken" aJs Begriff be-
zeichnet (VemQnfIt. Gedanckea v. d. KräSlen des menscbl. Verst. usw.,
6. Äud. HaUe 1731, S. 12, Kap. 1, § *). Für Wgltf deckte aich also BegriH
mit den^ was jetzt meistens aJs Vorstellung im Gegensatz zur Empfindung
bezeichnet wird. G. Fr. Meier (Vernunft ie hie, 2. Aufl. HaUe 176^ S. 409,
§ 288) lies nur die einheitliche Vorstellung („insofern wir den Gegenstand
... als Eins betrachten") als Begrifl gelten. Kant hat, wie es scheint, zum
ersten Uale dem Wort .ßegriff' eine engere Bedeutung gegeben, indem er
den Begriff definierte als „eine allgemeine oder reflektierte Vorstellung" (re-
praesentatio per notas communes, repraesentatio discuisiva) oder al» „eine
Vorstellung dessen, was mehreren Objekten gemein ist, also eine Vorstellung,
sofern sie in verschiedenen enthalten sein kann" (Logik, § 1). Es scheint
danach, daB Kant Individualbegriff«, wie z. B. Sokrates, gar nicht an«rkeimen
trollte. Nur mit einigem Zwang könnte man im Hinblick auf die von mir
S. 326 erörterte Kontraktion und die etwas weitere Definition des Begriffes,
die Kant in der Krit. d. rein. Ver. gibt( Kehrb, S. 88), auch die durch Kon-
Inktion entstandenen Mkundären Individualvorstellungen den B^rilfen im
Sinne Kants subsumieren. Die Neigung, den Teirminus Begriff auf die AU-
gemeinvorstellungen zu beschränken, bat sieb seit Kant trotz gelegentlicher
Einwendungen (vgl. z. B. Schopenhauer, Die Welt als Wille u. als Vorst.,
Buch 1, § 9, ed. Grisebach, S. 80) bis heute bei den meisten von Kant
abhfttigigen Denkern erhalten. Andrersdts gaben Fichte und namentlich
Hege^ dem Terminus Begriff oine weit über das Denken des individuellen
hinausreichende Bedeutung. Bei Hegel wird der BegriU zum Wesen oder
An-sich des Gegenstandes selbst (Phän. des Geist., Werke, Bd. ^ S. i% 66,
127 f!.); auch schreibt er ihm — in einer entfernt an die Unabhängigkeit der
Nonnal Vorstellungen von der Zeit erinnernden Weise — ausdrOcklicb Zeit-
losigkeil zu. Unter dem EinfluB der psychologistischen Reaktion (vgl. § 41 ff.)
sachte man dann wieder durch den Terminus ,3egriB" eine psycho-
lo fisch chankterisierte Gruppe von Vorstellungen abzugrenzen. Dabei
ging man bald wieder auf das Kantache MeAnal der Allgemeinheit in
28'
„.,.,, :.l..OO^^IC
436 III- Teil. Aulochthooe Gniodlegims der Logik.
soll als: logisches Eind«atigkeit8prinzip oder
logisches Identitätsprinzip (vgl. S. 432) bezeichnet
werden. ,
Die Bezeichnung „Prinzip" ist statt der Bezeichnang'
„Geeetz" absichtlich gewählt worden; denn es handelt sich
nicht tun eine QesetzmäBigkeit irgendeines tatsächlichen
Geschehens, sondern nm eine d«n tatsächlichen Geschehen
(einschließlich des tatsächlichen Denkens) fremde und in-
sofern (I) willkürliehe Peatsetzong. Die Willkürlichkeit er-
scheint zunächst um eo größer, als das Gegebene (die Ge-
samtheit der Gignomene) bei oberflächlicher Betrachtung
nirgends die ideale Unveränderlichkeit der logischen Kor-
malvorstellnngen {Begriffe) zeigt und auch die Eeduktions-
beatandteile, die wir etwa hypothetisch dem Gegebenen zn-
gründe legen, nicht als unveränderlich gedacht werden kön-
nen. In ganz anderem Licht erscheint jedoch diese „Will-
kärlichkeit", wenn wir nicht die sich verändernden Dinge,
sondern die Gesetze der Verandemngen der Gignomene
in Betracht ziehen"). Dieee Gesetze haben nach allem,
was wir beobachten, tatsächlich diejenige Unveränderlich-
keit, die wir den logischen Normalvorstellnngen hypothe-
tisch zuschreiben, um die Gesetzmäßigkeit des Gegebenen
erkennen und in unserem Handeln verwerten zu können,
sind wir geradezu gezwungen, unsere Vorstellungen nach
PSTcbologischem Sinn zurück, bald glaubte man in dem „släAerea, klaieien
Bevufitsein" des VoTStelleas (Beneke, Die neue Psychologie, Berlin nsv.
1846, S. 180} oder in der bestimmten Art des geaetzm&Bisen inhalUicboi
Zusammenhangs der verbundenen Vorstelhingea (Waitz, Lehrb. d. Kirch.,
IMB, S. &13tf.) ein kennzeichnendes M«itma1 zu finden. Auch die sehr
strittige Beziehung zu Urteilen (^1. S. 341) wurde vielfach der Definition
des Begrifles zugrunde gelegt. Andere sahen wie Meier die Einheit oder Ein-
heitlichkeit in diesem oder jenem Sinn als unterscheidendes Merkmal der Be-
sriJfe an (Lotze, Schuppe). Endlich versuchte man zuweilen die Unaoscbtu-
lichkeit, die schon bei Kant neben der Allgemeinheil eine nicht ganz scharf
bestimmte Rolle spielt, bei der Definition zu vertierten; ,3eErifl" wurde mit
„abslrakler Voralellung" identifiziert (vgl, S. 3*8). GesleiÄert wurde die Ver-
wiiTung der Terminologie noch dadorob. daB viele Autoren zwei oder mehr
der genannten Merkmale verbanden, um die Begrifie abzugrenzen. Auf die-
ienwea Autoren, weiche, ähnlich wie ich, unter Begriflen ideale Nonnal-
voislellungen verstehen, werde ich unten (S. U7) zurückkommen. Vgl. auch
den Spezialabechnitt flber Begriffe.
") Auf die bemeAenswerte Analogie mit dem Tri^eitsgesetz soll hier
nicht eingeeangen werden, da eine solche Erörterung in das Gebiet der all-
gemeinen GiEnomenologie fUlt.
Ul. Teil. AutochthGoe Qnmdlegnne der Logik. 437
Möglichkeit nnverBiiderüch gedachten NormaivorsteHun-
gen anznpasBen. Auch die Tatsachen des Gedächtnisses, der
Kontraktion (S. 326) und der Generalisation (S. 331) weisen
fast prädestinatorisch auf solche Normalvorstellungen hin.
Zugleich leuchtet ein, daB mit der Bildung hypothe-
tiecher Normal Vorstellungen auch die Gegenstände des
Denkens (S. 265 u. 355) umgedacht werden. Da die Gegen-
stände nichts anderes Bind als dasjenige, worauf sich das
Denken speziell bezieht, so sind sie mit dem Gegebenen
identisch oder irgendwie in ihm enthalten und daher im all-
gemeinen veränderlich. Indem das logische Denken Nor-
malvorsteliungen bildet, denkt es auch Normalgegen-
stände hinzu, die dem fixierten Inhalt der Normalvorstel-
loDgen entsprechen. Wir hypoetasieren den wirklichen zeit-
lich bestimmten Gegenständen, z. B. der Schlacht bei Cannae
fingierte Gegenstände, denen als solchen keine zeitliche Be-
stimmtheit zukommt, die vielmehr nur eine zeitliche Be-
stimmtheit im Inhalt der zugehörigen Vorstellung auf-
weisen, also z. B. die „Tatsache" der Schlacht bei Cannae.
Die früher (^ 45 ff.) besprochenen „Vorstellangen an sich"
Bolzanos, die „Gegenstände" vieler Logizisten, die ein drit-
tes besonderes selbständiges Beich des Seienden bilden
soUen, sind nichts anderes als solche Gegenstände des Den-
kens, die hypothetisch zu Normalgegenständen um-
gedacht worden sind. Es handelt sieh also um besondere
„Gegenstands vorstellnngen" in dem früher bespro-
chenen Sinn (vgl. S. 266, 269, 320 u. 430).
Dabei beachte man wohl, daß diese Normalvorstellun-
geu durchaus nicht material richtig sein müssen. Wir
können auch von material falschen Vorstellungen Nor-
malvorBtellungen bilden, d. h. sie z. B. durch Definition so
fixieren, daß ihre formal richtige, unveränderlich eindeu-
tige Verwendxmg im Denken gefordert wird. So ist z. B.
die Vorstellung einer Bewegung der Sonne um die Erde
material unrichtig, aber ich kann doch sagen, daB sie in der
ptolemäischen Theorie wenigstens formal richtig, d. h. in
konstantem Sinn verwertet worden ist. Vgl. auqh S. 462.
Ausdrücklich muß hervorgehoben werden, daQ die hier-
mit definierte Bichtigkeit der Denkakte doch immer ein
psychologisches Kriteriimi bleibt, insofern wir sie
umner nur auf psychologischem Weg, nämlich durch Ana-
lyse der gleichgesetzten Vorstellungen und Prüfung der
1,1^.001
,g,c
438 ^^- "^^i'- Autocbthone Grundlesun)! der Logik.
UbereinBtiiuiitTmg der Teilvorstellnngen und ihrer Ver-
fanfipfnngen, also kurz gesagt durch VergJeiehnng der tat-
eächlicben VorstellnDgen feststellen kÖDneti. Von einer
völligen Loslösung der Ijogik von der Psychologie — etwa
wie sie die Logizisten (vgl. ^ 45 ff.) verlangen — kann keine
Bede sein. Nur insofern beansprucht die Logik mit der
Aufstellung ihrer Normalvorstellungen eine gewisse ein-
geschränkte Selbständigkeit, als sie ans den tatsächlichen
Denkprozessen eine besondere Gruppe, nämlich die formal
richtigen Denkprozeese herausgreift, durch ein psycholo-
gisches Kennzeichen bestimmt und nun sich ideale Vor-
stellungen und entsprechende Yorstellungaprozesse konstru-
iert, die diesem Kennzeichen dorchans und immer ent-
sprechen, während die tatsächlichen Denkprozesse ihm nur
zuweilen entsprechen. Man könnte in dieser Hinsicht die
Normalvorstellungen etwa entfernt mit dem Idealmaß der
Längeneinheit vergleichen, das bestimmt definiert ist, aber
nirgends mit absoluter Qenauigkeit existiert und doch
offenbar seine grundlegende Bedeutung innerhalb der Physik
durchaus behält.
Das logische Eindeutigkeitsprinzip darf daher ancb
nicht als ein „Grund asiom" betrachtet werden, welches
unabhängig von allen fundierenden Gegenständen und un-
abhängig von der Gesetzmäßigkeit des Denkens beanspru-
chen könnte richtig zu sein (vgl. S. 293). Wie in § 62 er-
örtert wurde, gibt es solche Grundaziome überhaupt nicht.
Nicht einmal das gignomenologische Eindeutigkeitsgesetz
ist ein Grundaxiom. Vollends kann das eben entwickelte
logische Prinzip in keiner Weise als ein Grundaxiom ge-
deutet werden. Es ist von dem gignomenologiscben Ein-
deutigkeiisgesetz dunchaos abhängig. Indem es dasselbe
hypothetisch für die Normalvorstellungen erweitert und die
Normalvorstellungcn zn Normaldenkprozessen verknüpft,
beseitigt es diese Abhängigkeit nicht Die Eindeutigkeit
(Singularität) des momentanen Denkakts bleibt noch immer
die Voranssetznng für die Konstruktion aller Normalvor-
stellungen und Normaldenkprozesse. Auch von der Gesetz-
mäßigkeit unsres Denkens bleibt das logische Grundprinzip
durchaus abhängig, es wählt nur einen SpezialFall, nämlich
den des formal richtigen Denkens aus dieser Gesetzmäßig-
keit heraus und konstruiert für diesen Spezialfall einen
idealen Maßstab. Man kann direkt sagen: wenn in i
m. Teil Autochtbone Grundlegung der Logik. 439
Denken nicht anch das richtige Denken vorkäme, so könn-
ten vir jenes Grundprinzip überhaupt nicht aufstellen. Ins-
beeosderc ist die Tätigkeit nnsrer Difterenziernngsfonk-
tionen — Synthese, Analyse und Komparation (vgl. S. 344) —
immer schon vorausgesetzt, wenn wir von Nonnalvorsteliun-
gen sprechen.
Zweifel könnten noch bestehen, in welcher Beziehung
die Kongruenz, d. h. die innere Widerspruohs-
losigkeit, wie wir sie in § 61 definiert haben, zu dem
logischen Eindeutigkeitsprinzip steht. Es hat sich S. 289 f.
ergeben, daß die Kongruenz eines Denkergebnisses im all-
gemeinea keine Bürgschaft für materiale Bichtigkelt, weder
fnndale noch formale, gibt, und dafi ebenso Di^gnienz zwar
beweisend für materiale Unrichtigkeit ist, aber ebensowohl
auf Insolidität wie auf Diskrepanz beruhen kann. Richtig-
keit der Denkakte im Sinn des logischen Eindeutigkeils-
prinzips und Kongmenz des Denkergebuisses fallen also
nicht durchweg zusammen und ebensowenig ünrit^htigkeit
der logischen Denkakte und Disgruenz. Wohl aber ist die
Disgruenz innerhalb des einzelnen Deukakts,
also im Zugleich unverträglich mit dem psycho-
physiologischen Eindentigkeitsgesetz. Sie mutet uns
'£u, in demselben Äugenblick als Totalakt den Denkakt a und
den Denkakt A a oder gar non-a zu vollziehen. Tatsächlich
denken wir daher im Zugleich niemals disgruent, weil wir
eben einen solchen Doppelakt gar nicht simultan ausführen
können. Wir scheitern bei dem Versuch. Diese Deukunmög-
Uchkeit ist mit der Disgruenz im Zugleich identisch. Die
Kongmenz und die Disgruenz beziehen sich also nur auf den
simultanen Momentanakt und haben daher mit dem logi-
schen Eindeutigkeitsprinzip, welches sich gerade auf die
Übereinstimmung sukzessiver Denkakte bezieht, zu-
nächst nicht« zu tan. Indessen ist es selbstverständlich zn-
läasig, den Begriff und den Terminus der Disgruenz zu er-
weitern, so daß er nicht iiur dem psychophysiologischen Ein-
dentigkeitsgesetz, sondern auch dem logischen Eindeutig-
keitsprinzip entspricht Di^ruent heißt dann auch jede
VerwechsiuDg sukzessiver Vorstellungen (in dem oben
bezeichneten Sinn). Wir übertragen die momentane Dis-
gruenz des Ergebnisses auf die Gesamtheit der sukzes-
siven Denkakte , die zu dem Ergebnis geführt haben.
Schließen wir dabei zugleich diejenige Disgruenz, die auf
440 ni. Teil. Antochthone Gniodleguue der Losik.
materialer Grundlage bemlit, also die Fälle von Inaoli-
dität ans, 60 sind wir zu einer formalen zeitlosen, spezifiscli
logischen Diagmenz und — vice versa — Kongruenz ge-
langt, die in jeder Beziehung das Korrelat des logischen
IfJindentigkeitsprinzipg ist, und können nun auch die durch-
gängige formale Übereinstimmang als Kenn-
zeichen der logischen Normalvoretellungen und Normal-
prozesse verwerten.
Der negative Charakter des logischen Kindeutigkeits-
prinzips kann nicht befremden. Da die einzelnen Vorstel-
lungen eines Augenblicks gemäß dem allgemeinen Kindeu-
tigkeitsgesetz isoliert betrac}itet formal richtig sind, so kann
es sich nur darum handein, daß diese formale Richtigkeit
auch im Lauf der Denkakte gemäß dem logischen Eindeu-
tigkeitsprinzip erhalten bleibt, also I<^ische Fehler (Alie-
natiouen) femgehalten werden. Damit ist jedoch keineswegs
ansgeschloseen, daß die I^ogik weiterhin auch positive Vor-
schriften gibt, um die bez. Übereinstimmung im Sinn der
Normalvorstellungen festzuhalten.
Endlich könnte man noch die Frage aufwerfen, was denn
jene Normalvorstellnngen zu bedeuten haben, wenn sie nor
idealisierte, unwirkliche Vorstellungen sind, und bezweifeln,
daß sie überhaupt mehr als eine leere Fiktion sind. Setzt die
Logik dabei nicht seelische Prozwse voraus, die niemals und
nirgends existieren, also ganz uurealisierbar sindt Diesen
Bedenken gegenüber muß zunächst hervorgehoben werden,
daß uns solche unrealisierbare Idealvorstellungen allent-
halben begegnen. Ich kann mir z. B. die optische Idealvor-
stellung eines regulären Tansendecks ") bilden, obwohl ich
diese Vorstellung niemals auch nur annähernd aoschaolich
realisieren kann. Nun wird man freilich sagen, daß eine
solche TausendeckvorstelUing zwar nicht optisch realisiert
werden kann (vgl. S. 348 f. über anschauliche Vorstellungen),
aber doch im Sinn einer sehr abstrakten Vorstellung mit
Hilfe bestimmter Teilvorstellungen (Seitenzahl, Seiten-
gleichheit) und einer Bildungsregel von uns wirklich ge-
dacht wird. Indessen in diesem Sinn können auch die Nor-
malvorstellungen gedacht werden. Wir denken uns die un-
") Hie Idealvorsteliuns eines eleichseitiseu Dreiecks kann Obiigeos
in demselben Sinn verwertet werden, dureh die Wahl eines Polvgons
vielen Senilen wird die Analogie nur noch eindrucksvoller.
ines PolTSons nut t'
lA.OOgIc l
III. Teil. - Autocbtbcne GnindleguDe der Logik. 441
vollkommene relative Konstanz, welche unseren tatsäch-
lichen Vorstellnngen zukommt, biß zu einer vollkommenen,
absointen Konstanz geBi/eigeit. ßs handelt sich also nm
spekulative KombinationsvorstellnnÄen (vgl. S. 348), wie wir
8ie allenthalben bilden"). Die Unrealisierbarkeit der Nor-
malvorsteünngeu trifft also nur insofern zn, als in unserem
tateächljchen Denken Normalvorstellungen, d. h. Vorstel-
lungen TOD al«oluter Konstanz nicht vorkommen; dagegen
ist die Vorstellung: „Normalvorstellung" — sowohl in bezog
auf die einzelne bestimmte Normalvorätelinng wie im Sinn
der Allgemeinvorstellnng „NormalvorBtellung" — in un-
serem Denken nicht nur realisierbar, sondern auch oft ge-
nug realisiert. Man darf dabei nur nicht in den S. 263 be-
sprochenen Fehler verfallen und die Normalvorstellungen
in dem dort gerügten unzulässigen Sinn als „Vorstellimgen
von Vorstellungen" betrachten. Wir können zu einer Vor-
stellnng Vaj deren Gegenstand A ist, nicht noch eine Vor-
stellung der Vorstellung Va hinznhildeu, wohl aber können
wir mit Hilfe anderer Vorstellungen durch die Tätigkeit
unserer Differenziernngsfunktionen Va m neuen Vorstel-
Inngen umbilden, diel zn Va in Beziehung stehen, d. b. auf
Va und andere Vorstellungen fundiert sind oder Va zum
Gegenstand haben. Dahin gehört z. B. die Allgemeinvorstel-
lung V, die ich zu bzw. ans Va, Vb, Vc . . . bilde, die
komplexe Vorstellung V, die ich zn bzw. ans denselben Vor-
stellnngen bilde, usf., und dahin gehört eben auch die Nor-
malvorstellung, die ich zu Va bilde, indem ich das allge-
meine Merkmal der ünveränderlichkeit hinzudenke und von
den im tatsächlichen Denken bestehenden Veränderungen
TOD Va abstrahiere. Tatsächlich verschwinden dabei die
Veränderungen von Va aus meinem Denken nicht, ebenso-
wenig wie aus der anschaulichen Vorstellung eines Dreiecks
durch Abstraktion von allen Qualitäten (Farbe und auch In-
^*) Hau kann freilich noch die Frage auFwerfen, auf wetcbem Wege
es uns möglich wird, auch SpekulätioosvoTsfellungea zu bilden, die irKend-
wie eine unendliche Dimension enthalten (Vorstellung eines unendlichen
lUunis, einer uneodlichen, d. b. absoluten Konstanz usf.). Dies Problein
kann als rein erkenntnistbeoretisch hier nicht erörtert werden, es sei daher
nur bemerict, daß alle solche Vorslellungen lediglich neffativ sind, also inend-
«ine posilive endliche Eigenscbalt vemeineß. Dabei ist nachdrücklich zu be-
Itmei^ daS z. B. die Verändening als ein Positives, die Konstanz ob ein
Negatives £U betrachten ist.
OgIC
442 ™- Teil. Autochthone Grundlegurig der Logik.
tensität) äeoials die letzteren vollständig w^gedacht werden
koniieD, eo daß eine absolut qualitätenfreie, rein ränmlicbe
DreieeksvorstelloDg zustande käme. Dies und nur dies ist
gemeint, wenn wir behaupten, daß wir die Vorstellung „Nor-
malvorstellung" sehr wohl realisieren können. Die Nonnal-
vorstellungen können daher jetzt auch geradezu definiert
werden als Vorstellungen, welche durch Abstraktion von den
Veränderungen der tatsächlichen Vorstellungen (bei gleich-
bleibendem Gegenstand) gebildet sind.
Bei der Flüchtigkeit und Veränderlichkeit der tatsäch-
lichen Vorstellungen ergibt sich zugleich auch das BcdnrfniE,
für die Normalvorstellungen und damit auch für ihre Nor-
malgegenstände (S. 437) irgendeinen Ersatz in unserem
tatsächlichen Denken zu beschaffen, der wenigstens einiger-
maßen stabil ist. Als solches Ersatzmittel kommt vor allem
zunächst die Sprache in Betracht. Das Wort ist gegenüber
der Vorstellung des tatsächlichen Denkens relativ stabil.
Und in der Tat leistet die Sprache unserem Denken neben
vielen anderen Diensten" auch diesen. Ohne die Hilfe der
Sprache wären wir der Inkonstanz unsrer Vorstellungen fast
durchaus preisgegeben. Daher ist auch das logische Denken
— gerade weil es auf Normalvorstellungeu angewiesen ist —
mit dem sprachlichen Ausdruck fast unlöslich verknüpft.
Andrerseits aber wird diese Hilfe doch auch oft illusorisch,
weil die Worte durch ihren allgemeinen und oft unbedachten
Gebranch zu einem großen Teil ihre feste, eindeatige Bezie-
hung zu bestimmten Vorstellungen verloren haben. Ja, in-
folge dieser Vieldeutigkeit der Worte kann sogar die Hilfe
der Sprache sich in ihr Gegenteil verkehren. Indem wir das-
selbe Wort bei einem Denkprozeß in zwei verschiedenen Be-
deutungen verwenden und mehr auf das Wort als auf die
von ihm bezeichneten Vorstellttngsinhalte achten, verfallen
wir gerade den logischen Verwechslungen, welche die Logik
durch ihre Normalvorstellungeu vermeiden will (s. oben
S. 434). Die Geschichte der philosophischen Systeme wimmelt
von flehen Beispielen. Die Logik wird daher versuchen
müssen, noch andere, zuverlässigere Fixationamittel für ihre
Normalvorsteilungen zu gewinnen. Als solche bieten sieh die
S. 229 u. 406 ff. erwähnten, der Mathematik entlehnten oder
wenigstens nach Analogie der mathematischen Symbole ge-
'•) Vgl, darüber Lif. d. phyaiol. Psychol, 10. Aufl., S. ;S4fl.
h. 1. ii,l^.OOglc
m. Teil. Autochthone Grundlegung der Logik. 443
bildeten Zeichen dar. Solche Symbole sind dem täglichen
gewöhnlichen Sprachgebranch entzc^en nnd verfallen daher
viel weniger leicht der Doppel- nnd Mehrdentigkeit. Sie
sind im der Tat das adäquateste Fixations-
mittel fnr die in Bede stehenden Normalvor-
stellnngen. Die hohe Bedeutnng der sog. symbolischea
Logik für die Gesamtlogik tritt damit in das richtige Licht.
Historisch sei zunächst über das Ideutitätspriozip, dessen
BeziehuDg zu den Normal Vorstellungen im Vorhergehenden erSitert worden
ist, folgendes bemerkt. Klar») wurde es zuerst von Aristoteles aus-
gesprochen: JfT när 10 älriAis avti iam^ S/jaiftvfurov tirai näm^ (Analyl.
prior. A, 32, Akad. Ausg. 47a) und: lö ftii klytiv »0 iv ftlj tlrai ^ lö fii
ir (Irai ^ti^l, 10 di lö Sy llfat xni lö fi^ Br fii llrat äXijSH . ■ ■
MelaphYS. r, e, Akad. Ausg. 1011b). Oftenbaj meint er damit die innere
Widerspruch alosigkeit (Kongruenz) ganz im allgemeinen, wie wir sie S. 289
u. tö.% besprochen haben, nicht die spezielle auf Abwesenheil aller Alie-
nalionen beruhende Konkrepanz. Auch hebt Aristoteles hervor, daß es sich
um ein grundlegendes Prinzip (ßtßamäiii tiöy «ez"*" "o"«»-) handle, für
welches nochmals einen Beweis beizubringen ganz unmögbch sei (Mela-
phys. r, 4, Akad. Ausg. 1006a). In der Regel bevorzugt er die negative
Kassong des Prinzips, welche jetzt gewöhnlich als Principium contradic-
tionis bezeichnet wird: „le oifrä äfm önÖQx'"' '" ""^ fi itägz"'' d6itiaz»y
Tf aii^ xaJ XOTV re «v'io" oder ..äifiivirior ivtivoiir tavlir vnoXafifininar
ärtt ul ftii th>ai" (1. c. lOOöb). Aus diesen AuBerungen ergibt sich zu-
gleich, daß Aristoteles die ontok^sche und die logische Bedeutung des
Prinzips nicht schalt unterschied (vgl. auch Analyt. prior. U, 2). Auch
die Schaler und Kommentatoren des Aristoteles führten das Prinzip meistens
in seiner itegativen Form an und bezeichneten es schon als äiba/ia iq;
anupaof«;, s. z. B. Philoponus, In Analyt. post. 1, H, Akad. Ausg. Bd. 13,
Teil 3, S. 13Ö u. 34: i,'' ^^ ^VC iytupäatus äilai/ua Inl näncar fiir zäv
»ftior xal fiii ofray iittt^iT rä iii^9i{ xal lo ^itJof" (s. auch Ammonius,
In Uhr. de interpret. 140r. u. 178. Akad. Ausg. Bd. 4, Teil 5, S. 174 u. 222).
Die 5ch olastiker strilten namentlich darüber, ob das Idenlitäts-
prinzip beweisbar sei und aus der Erfahrung entspringe oder nicht. An-
tonius Andreas (vgl. S. 8S) gab ihm die kurze Formulierung: „ens est ens"
und sachte gegenüber Aristoteles nachzuweisen, daß es ursprünglicher sei
als das Principium contra diciiouis (Comm. in Metaphys., ed. Venet. 1513,
Qu. V, S. 21 a), woran sich dann mann^acbe weitere Kontroversen knüpften.
Locke hat sich bemüht zu ze^en, daß, wie viele andere sog. Maxime
oder Axiome, auch der Identitätssatz nicht angeboren und fast werttos sei.
Br linlt nach Lockes Meinung nur darauf hinaus, daß „the same word may
with grest certainly he affirmed of itself, without any doubt of the tnith
of any such proposilion (seil, purely identical proposition) ; and let me add
ilso, without any real knowledge" (Ess. conc. hum. underst. I, 2 u. IV, 7
") Ein kurzer Uinweia auf das Prinzip findet steh vielleicht schon bei
Parmenides (vgl. S. 20). Auch einige Stellen bei Plalo können ähnlich ge-
deirtet werden (z. B. Bepubl. V 477 B: tlt *ii" rö Sr , und Phaedon lOA
ttslOtÜ).
„.,.,„.>..oo^sic
444 Ul- T^- AntoehUione Grundlegung der Logik.
tt. 8). Es entgeht ihm vollständig, daß das Identitätsprinzip doch auch eiiie
tiefere, jenseits des sprachlichen Ausdnicks gelegene Bedeutung babeii
Unnte. Auch bei Hume fehlt jede Einsicht in den logischen und gigoonKno-
logischen Sinn des Prinzips.
DemgegenOber schreibt Leibniz dem Idenlität^rlnzip eine gro£e
Bedeutung zu. Die identischen Wahrheilen oder primitiven Vemunftwabi-
beiten (vtril£s identiques, v^rit^ primitives de nison) lehren uns zwu
nichts Neues, sind aber für die logische BeweisfOhnmg unentbehrlich [Houv.
ess. sur l'enlend. IV, 2, 1 u. 7, 13 u. 8^ 1 ff). Als Beispiel führt et an:
„chaque chose est ce qu'elle est." An andrer Stelle (L c IV, 7, 1> spricht
er in demselben Sinne von „axiomes primitifs ou immediats et indefnaD-
Strahles" oder „axiomes identiques" und b^oeiit ausdrücklich (IV, ?, 9),
daß die positive Fassung „une chose est ce qu'elle est" ursprünglicher ist
(est uil£rieur dans l'ordre naturel) als die negative „une chose n'est p*s
une autre "). Auf die eAenntnistheoretische Bedeutung geht er wedei hier
noch in seinen anderen Schriften näher ein. Chr. Wolff hat dann die
i.eibniz9cfae Lehre terminologisch noch etwas schärfer filiert. Er rechnet
die propositiones identicae zu den axiomata. d. h. zu den propositiones
iheoreticae indemonstrabiles und fonnuliert die ,j)niposiUo ideolica gene-
ralis" folgendermaBen : ,4dem ens est illud ipsum ens, quod est, seu
omne A est A, ubi A denotat generatim ens cuiuscunque speciei vel generis,
sive in communi, sise in siogulari" (Log., § 270 u. 363)"). Wie bei
Leibniz tritt also die ontologische Bedeutung in den Vordergrund. Er be-
tont aber, daQ durchaus nicht etwa der spracMche Ausdruck in Subjekt und
Prädikat derselbe sein mOsse, daB es vielmehr nur auf die Dieselbigkeil
des BegriUs (notio) ankomme 0- c. § 370 u. 213). Von Baumgarten
rOhrt die später oft verwendete Formulierung: omne subjectimi est praedi-
catum sui (Metaph.. § 11) und die Bezeichnung als „principium positionis
seu identitatis." Dabei hielt die Wolffsche Schule daran fest, daß es sich
um ein Prinzip des Seienden handelt; die Logik hat nur die VerpDichtong,
dies I^inzip Qberall zu beachten, weil sie nur so zur wahren £rkennlius
des Seienden gelangt G. Fr. Meier (Vemunftlehre, 3. Aufl., Halle 176&
§ 400, S. 567) glaubt imt der negativen FormuUerung im Satz des Wider-
spruchs auszukommen.
Mit Kant änderte Eich diese Auffassung des Idenlitälsprinzips wesoit-
lich. Die Beziehung auf das Seiende mußte, da dieses nach Kant als Ding
au sich flbertiaupt nicht ericennbar ist, fortfallen. Das IdMititätsprinxip
wurde daher nunmehr als eine rein logische, auf das logische Denken be-
schränkte Regel aufgefaßt. Kam froher die logische Bedeutung zu kun, so
wurde jetzt die gignoraeno logische vernachlässigt. Für Kant ist der Satz
der Identität, den er mit dem Satz des Widerspruchs als e i n Prinzip zu-
sammenfaßt, ein „allgemeines formales oder logisches Kriterium der Wahr-
") Andrerseits wird in der Monadologie, § 31, neben dem principe
de la raison süffisante Oberhaupt nur das principe de la contrridicüon ge-
") In der Philosophia prima leitet Wolf! das Principium identitatis
(oder „Principium certitudinis") von dem Principium cootradictionis ab, so
daß letzteres zum „fonS onuiis certitudinis" viid. Die Fonnulieruog des
Identitätsprinzip lautet hier: quodlibet, dum est, est, d. b. si A est, utique
verum est, .A esse (g 55 u. — mit leichter Abänderung — § 264 ed. 1736).
OgIC
Ili. Teil. Autochtbone GruDdl^tmk der Logik. 445
heil". Er bestimmt die „logische Uöglichkeit eines Eitenntnisses", und
diese logische HCglichkeiL besteht darin, daB es sich nicht wider-
spricht (Logik, Einleitung, VD). Kant betrachtet also den inneren Wider-
spmch in jedem Fall als einen logischen Fehler, w&farend wir in der Ein-
leitung (§ 1), in g 61 und in diesem Paragraph nachzuweisen Tersucbt haben,
ila.B der Widerspruch in einem Denkergebnis sehr olt auch mateml bedingt
ist und ebenso sehr dem gignomenologiscben Identitätsprinzip wie dem
ic«ifichen widerstreitet.
G. E. Schutze wich von der Üblichen Aulfassung namentlich in-
sofern ab, als er den Grundsatz der „Einerleibeit" auf die Gleichheit zwischen
dem Begriff imd seinen sämtUchen Merkmalen bezog (Giund^tze d. alle.
Logik, S. Aufl., S. 32).
Eine ganz neue Bedeutung bekam das Identitätsprinzip duich J. G.
Fichte. F. leitet es aus der ursprOngUcbea Tathandlung des Ich ab, ver-
möge deren das Ich sein eigenes Sein setzt (vgl. § 36). Wenn in dem Satz
„Ich ^ Ich" oder ,^ch bin" von dem beftimmten Inhalt, nämlich dem Ich
abstrahiert und nur die mit diesem Inhalt gegebene Form der Folgerung
vom Gesetztsein auf das Sein Obrig gelassen wird, so erfiält man das
Identitätsprinzip A = A (Grundlage d. ges. Wisaenachaflslehre, SamU. Werke,
Bejhn 1845, Bd. t, S. 98 f.; vgl. auch Über d. BegriH d. Wissenscbaftalebre,
Bd. 1, a 69). Dieser Lehre steht auch S c h e 1 1 i n g (§ 36) in seinen älteren
Schriften sehr nahe (vgl. z. B, System des transzendental. Idealismus, 1800,
Simtl. Werke, Bd. 6, S. 3^ 360, 372, 377). Später streifte ScheUing die
Beziehung auf das Subjekt ganz ab. Die Vernunft ist die totale Indifferenz
des Subjektiven und Objekliven und wird daher direkt als absolute Identität
bezeichnet, und damit wird das Gesetz der Identität zum höchsten Gesetz
foi das Sein der Vernunft und, da aufier dieser nichts ist, for alles Sein.
Die Beziehung des Idenlitätsprinzips zur Logik tritt bei diesem „absoluten
IdentilätssTstem" ganz in den Hintergrund (Darsk. m. Syst. d. Philos., 1801^
SftmtL Werke, Bd 4, S. 116, s. ^ch S- 374 ff. u. a. m.)-
In scharfem Gegensatz sowonl zur Lehre Fichtes vie auch zur späteren
Lehre Schellings steht Hegels Auffassung des tdentitätsgesetzes (vgl. §37).
Er betrachtet es nur als „das Gesetz des abstrakten Verstandes" und nicÜ
als „ein wahres Denkgesetz". Die Form des Satzes enthält bereits einen
Widerspruch, insofern er als Satz einen Unterschied zwischen Subjekt und
Ftidikat verspricht, aber das nicht leistet, was seine Form fordert (Enzyklop.
i. phüos. WiBs., Teil 1, g 115, WeAe, Bd. 6, S. 229 ff.).
Im letzten lahrhundert hat sich die Divergenz in der terminologischen
Verwendung des Wortes und in der Deutung des Sinns des Identitätsprinzips
noch gesteigert. Nicht nur wurde das A selbst in den verschiedensten Be-
deutungen (weiteren, engeren usf.) genommen, sondern oft wurde auch dem
k als Subjekt eine andere Bedeutung als dem A als Prädikat beigelegt;
vollends wurde die Gleichheit, die zwischen A und A behauptet wird, in
der mannigfachsten Weise gedeutet. Dabei knüpfte man teils an ältere,
oben angefahrte Deutungen an, teils schlug man ganz neue Bahnen ein.
Die wichtigsten dieser neueren Deutungen sind folgende:
1. A=A bedeutet die Identität des Wesens der Dinge im Gegensatz
lur Veränderlichkeit der Dinge in der bloBen Wahrnehmung (z. B. Inun.
Henn. Fichte, Psychologie, a TeU, Leipzig 1873, S. 108; vgl. auch dies
Werk S. U7); dieser Ansicht, die man auch als eleatische bezeichnen
lum, steht auch Palägyi nahe (Die Logik auf dem Scheidewege, Berlin
„.,,„, ^.oogic
446 lU. Teil. Autochtbone Grundlegung der Logik.
1908, S. Sßi), der iedoch die FoiraulieniDg .,K ist A" als völlig «ideisiiirij
verwirft.
2. A = A bedeutet die Idealität des denkenden Subjektes (z. B.
Schleiermacher, Dialektik, § 112: „a = a ist entweder Identitit des Gedach-
ten und des Seins^ also Form des Wissens, oder Identität des Subjdcls,
also Bedingung des Wissens"). In pyschologistiachei Wendung steht dieser
Auffassung die von WeiBe nahe, derzufolge es sich um die identiacbe Natur
unsrer begrifflichen Erkenntnis, des „VerounftbewuBlseins" handeil (Zlschi.
f. Philos. u. spek. Theol., 1839, Bd. 4, S. Iff.)-
3. A:=A bedeutet die Identit&t des Gedachten und des Seins. So
hebt schon Schleiermacher (s. o.) diese Deutung neben der oi>ea emihotes
hervor als Prinzip für die „Form des Wissens". Ahnlich ist die Auftasnui
von Delboeuf.
i. A=A bedeutet den Akt der Setzung (als Gegenstand). GcgeDsUiid
und Identität mit sich selbst ist ein und dasselbe (B. Erdmann, Logik, Bd. 1.
2. Aufl., Halle 1907, S. 237 ff,).
b. A^A bedeutet neben dem Akt der Setzung den Akt der Unter-
scheidung. A wird als solches von allem und jedem Nichl-A unterschiedeB
(z. B. Llrici, Compcnd. d. Logik, Leipzig 1872, S. m; s. auch Schuppe,
Erkenntnistheoret. Logik, Bonn 1878, 5. 145: „Aufnahme des Eindrucks
in seiner positiven Bestinuntheit, zugleich natürlich mit dem Ausschluß tod
allem andern . . .," und Menschl. Denken, Berlin 1870, S. 46 {(.}'■).
6. A = A bedeutet die Einfachheit ieder Vorstellung bzw. jeder psychi-
schen Aktion (z. B. Tb. Waitz, Lebrb. d. Psychol. als Naturw., Braunschr.
1849, S. M2fl.; s. auch dies Werk S. 160).
7. A = A bedeutet die notwendige Verknüpfung oder Einheil ied«
Vorstellung (Jul. Bergmann u. viele andere, vgl. auch unten Anm. 1!^.
8. A = A bedeutet die Übereinstimmung (Widerspruchslosigkeit) »üei
Erkenntnisse untereinander (z. B. Ueberweg, System d. Logik, 5. Aufl., Bodii
1882^ S. 231, doch ist dies nach L'eberweg die Bedeutung des Identitits-
prinzips in erweitertem Sinn).
9. A:=A bedeutet die Identität des Begriffs mit seinen Merkmalaa
bzw. des Ganzen mit seinen Teilen (G. E. Schulze, s. o. S. 445; ferner
Hamilton, Lectures on logic, Bd. 1, 2. Aufl., Edinb. n. London, 1865, S. 79)");
") Vgl. auch Artur Dubs, Das Wesen des Begriffs und des Begreitens,
Halle 1911, Teil II, S. 19 („Prinap der logischen Di stinkt Ion* ■).
'*) Einen verwandten Standpunkt nimmt lul. Bergmann in seiner
Allgemeinen Logik (1. Teil, Reine Logik, Berlin 1879, § 2^ S. 252 ff.) ein.
Er meint, daD mit dem konstituierenden Merkmal der Subjektsroratelluos
stets s&mtlicbe Merkmale, bei Galtungs Vorstellungen einschlieBlich der van
Art zu Art schwankenden Merkmale, mitaeseizt seien, und daS dthci
jede material uaricbtige Vorstellung sich durch einen inneren Widerspruch
verrate. Beispielsweise soll die unrichtige Vorstellung der Säugetiere als
auf dem Lande lebender Tiere insofern einen inneren Widerspruch zeigen.
als wir unter den Saugetieren auch die Wale, und zwar als im Wasser
lebend, vorstellen. So gelangt B. zu der Behauptung, daü jede uuichtigr
Vorstellung sich widerspreche (Principium contradictionis) und jede richtige
identisch sei. B. nird damit den synthetischen Sätzen im Sinn Kants
nicht gerecht.
OgIC
III. Teil. Autochthone Grundlegung der LoRik. 447
bei dieser AuffaBsung lag es nahe, das Identilälsprinzip au( d&s Urteil zu
bescbränken und schlieBUch mit dem Wesen des Urteils zu identiHzieren.
10. A=::A bedeutet die Konstanz der logischen Begriffe im Gegensatz
zu der Ver&nderlichkeit der lalsächlichen Vorstellungen "f). Diese AuIIassuna
wurde namentlich von Sigwart vertreten (Vierteljahrsachr. I. wisa. Pbilos-,
18Sa Bd. 4, S. i82^ und LoTik, 2. Aufl., Bd. 1. Freiburg 1888. S. 1(B B. u.
3%B.), der jedoch außerdem mit Bezug auf die Urteile ein besonderes
,J*rinzip der Übereinstimmung" unterscheidet (I. c. S. 107 u. 383).
11. A=A bedeutet die Forderung, daS ein begriffliches Symbol (Wort,
Terminus] immer nur in derselben feststehenden Bedeutung angewandt
werden soll (Cornelius, Einleit. in die Philos., Leipzig ISOft, S. 267).
AnSerdem bat es nicht an den mannigfachsten Übergängen und Kom-
binationen zwischen diesen Deutungen gefehlt. Was die Kritik betriflt,
so hat man sich bei jeder dieser Auffassungen die Frage vorzulegen, erstens,
ob sie Oberhaupt einen zutreffenden Satz aussiirichl, und zweilena, ob es
zweckm&Qig ist, den bezüglichen Satz als IdentitStsprinzip zu bezeichnen.
Der historische Standpunkt kann bezüglich der zweiten Frage kaum in
Betracht kommen, da die Verwendung ^es Terminus von Anfang an mit
erheblichen Unklarheiten und Zweideutigkeiten behaftet war. Ich habe
bei den vorausgegangenen Darlegungen im wesenthchen die unter 10. an-
geführte Auffassung mit bestimmten Abänderungen zugrunde gelegt, dabei
aber die Bezeichnung „Identität sge setz" wegen ihrer Vieldeutigkeit durch die
Bezeichnung „logisches Eindeutigkeitsprinzip" eraetzl.
Zu der oben entwickelten Lehre von den Normalvorstellungen
sei femer historisch bemerkt, daS schon Sigwart von „einer von allem
zeitlichen Wechsel unabhängigen Konstanz der Vorstellungen" und dem
„idealen Zustand einer durchgängigen unveränderlichen Gegenwart des ge-
samten geordneten Vorstellungsinhalts fQr ein Bewußtsein, der empirisch
niemals vollständig erfüllt sein kann", spricht ") (Logik, 2. Aufl., Bd. 1,
S. 383 f. u. 106). Von dem oben eingenommenen Standpunkt'^] aus kann
man auch sagen, daß wir unsere Vorstellungen nach einer doppelten Rich-
tung idealisieren können: erstens mateiial im Sinn einer maximalen oder
sogaf totalen Adäquatheit mit Bezug auf ihren Gegenstand, und zweitens
formal im Sinn einer maximalen oder absoluten Konstanz ihres Inhalts mit
Bezug auf einen und denselben Gegenstand (vgl. auch Sigwart I. c, S. 317
u. Weiße, I. c. S, -JÜJ.
§ 88. Wertbe^TfindiuiK der Biehti^keit Indem die Logik
zwischen materialer Bichtigkeit und Unrichtigkeit im An-
schlnß an die Erkenntnistheorie nnd auf ihrem eigenen
Boden zwischen formaler Richtigkeit und Unrichtigkeit
unterscheidet, kann sie sich zunächst noch eines jeden Wert-
") Ähnlich sagt auch Riehl: ,3egnIIe sind bestimmte und beharrliche
Vcisleltungen" (Pbilos. Kritiz., 2. Aufl., Bd. 1, Leipzig 190E^ S. 170).
") In einigermaßen ähnlichem Sinn spricht Cohen von einer ,^iche-
rang" und einem „Festhalten" des A (Logik der reinen Erkenntnis, Berlin
1S0% S. 83).
**) Vgl. auch meine Grundl. d. Parchol. Bd. 1, 5. 339 S.
i,l^.OOglc
448 ^ '^^ Aatochthone Gnindleguiis der Loiik.
Urteils und damit auch jeder normativen Bestrebonsr ent-
halten. Sie hat nnr tatsächlich mit Hilfe der Erkenntnis-
theorie festgrefitellt, wag sie onfer materialer Bicbtigkei't bsw.
ünrichtig:keit versteht, und ebenso nur tatsachlich fest-
gestellt, dnrch welche psychologische Merkmale sich das for-
mal richtige Denken vom formal unrichtigen unterscheidet
Selbst die NomtalvorstellnngcD, welche sie dabei anfzustel-
len gezwungen ist, involvieren an sich noch keine Wert-
onterscheidnng. Auf diesem neutraleu Boden bleibt die
Logik jedoch nicht stehen. Sie beansprucht für das material
richtige Denken im Einklang mit der Erkenntnistheorie einen
besondem Wert und mufi daher auch für das formal richtige
Denken, sofern es für jenes unerläßlich ist, gleichfalls in
demselben Sinn einen besonderen Wert beansprachen.
Die Begründung dieser Wertanterscheidung ist, soweit
die materiale Bichtigkeit in Frage kommt, eine Ange-
legenheit der Erkenntnistheorie. Hier sei nur kurz erwähnt,
daB diese dabei verschiedene Wege einschlagen kann und
asch tatsächlich eingeschlagen hat '). Entweder nämlich be-
gründet sie den Wert des material richtigen Denkens mit
»einem Nutzen für das menschliche Handeln (utilitaristische
bzw. pragmatistische Bichtnng, vgl. ^ 53), einerlei ob es in
letzter Linie den Handelnden selbst oder einem Teil süner
Mitmenschen oder der menschlichen Gesellschaft*) zugute
kommt, oder sie begnügt sich mit dem Hinweis auf die posi-
tive Oefühlsbetonung, welche bei einem gewissen Prozent-
satz der Menschen mit der Vorstellung der materialen Denk-
richtigkeit verbunden ist, oder endlich sie sucht ans der Ein-
zigartigkeit (Insignität, S. 311, Anm. 14) der material richti-
gen Vorstellung (in bezug auf einen bestimmten Gegenstand)
im Gegensatz zur unendlichen Mannigfaltigkeit der material
falschen Vorstellungen (mit Bezug auf denselben G«gen-
.stand) und aus der hiermit zusammenhängenden Möglichkeit
der All- und Allgemeingültigkeit (S. 274) der material rich-
tigen Denkergebnisse einen von den zufälligen individuellen
GefühlabetODungen unabhängigen allgemeinen Wert des
material richtigen Denkens abzuleiten. Die Logik als solche
kann sich zur Not mit allen diesen drei Auffassungen ab-
finden (obschon die erste offenbar ganz nnznlänglicfa ist) und
') Vgl. dazu meine EAenntniaUieone S. 48t H.
=>) Comle, Cours de philos. poa., &. AuiT. Fans 1894, Bd. 6, S. G11.
OgIC
IIL Teil. Autochtbooe GrundleKung der Logik. 449
kann wach, sehr wohl die zweite mit der dritten verbinden ;
ihr kommt es nur darauf an, daß überhaupt eine besondere
Wertnng für das material richtige Denken irgendwie fest-
gestellt wird. Sie seibat hat dann nur die Aufgabe zn zeigen,
dafi dieser besondere Wert auch dem formal richtigen
Denken zukommt. Hierzn genügt im allgemeinen ein Hin-
weis darauf, daß die formale Denkrichtigkeit unerläßlich
ist, vm zu material richtigen Denkergebnissen zn gelangen
(vgl. S. 421). Im besonderen kann sie noch herrorheben, daß
der „Wert" der Normalvor^tellungen — im Sinn des logi-
schen Eindentigkeitsprinzips — für das wissenschaftliche
Erkennen sich schon daraus ergibt, daß es sich bei diesem
nicht um die Gewinnung momentan richtiger, sondern zeitlos
richtiger Yoratellongen handelt und solche eben nur mit
Bäte der Normalvorstellnngen erreichbar sind.
Der überindividuelle Wert der Normalvorstellungen und
Normaldenkprozesse im besonderen leuchtet übrigens vom
Standpunkt des dritten soeben angeführten Weges auch ganz
tmabhängig von ihrer Ünentbehrlichkeit für das Erlangen
msterial richtiger Erkenntnisse ein. Die Verwechslungen
(Alienationen), welche infolge Abweeenheit oder Unwirksam-
keit von Normalvorstellungen fortwährend im individuellen
Denken mit Bezog auf irgendeinen Gegenstand auftreten,
sind von unzählbarer Mannigfaltigkeit, demgegenüber ist
die Normalvorstellung mit Bezog aof einen G^egenstand
einzigartig. Die Einzigartigkeit der formalen Eiehtig-
keit findet in der Einzigartigkeit der Normalvorstellungen
ihren ai^emessenen Ausdruck. Ohne Normalvorstellungen
ist eine überindividnelle Gültigkeit (Allgemeingültigkeit
und damit Universalität) onsrer Erkenntnisse überhaupt un-
denkbar, nnd darauf beruht ihr besonderer Wert und damit
auch der Wert der von ihnen abhängigen formalen Bichtig-
keit Nur ist selbstverständlich zuzugeben, daß hieraus sich
nicht etwa für jede Normalvorstellung notwendig ein
äberindividneller Wert ergibt. Um diesen herzustellen, muß
die materiale Bichtigkeit der Norm^vorstellnng hinzu-
Koimuen.
Von diesem Standpunkt aus wird es auch einigermaßen
verständlich, wenn Averroes u. b. von der unitas intellectus
activi bei allen Menschen sprechen. Man darf darunter nur
nicht, wie Averroes, eine metaphysische Identität und noch
ZiefetD, Lebrbncb der I^iiüc. 29
OgIC
450 'U- Teil. Autochlhonp Gnmdlegung der Logik.
weniger eine psychologische Übereinstimmung verstehen'),
sondern die Einzigartigkeit der logischen Normalvorstel-
Inngen als Conditio sine qua iion fiii- die Ällgemeingültig-
keit unseres Erkenneus.
M«u könnte im AnschluB an dies^ Erörlerunsen sowie dieienicen ^^
ä K> noch die Frage aufwerfen, ob nicht doch in letzter Instanz jede
materiale tinncbligkeit ausschlieBlich auf formale l'nrichtieheit nuäck-
KufOfaren ist und daher auch die Rückführucg de!< Werts der lomuten
Richtigkeit auf den Wert der materialen noch strenacj formuliert weri«n
könnte. Es liegt n&nüich nahe, den materialen Charakler der lo-
richtigkeit der primären Erinnerungsbilder, welche wir als eine zweite Quelle
der materialen L'nrichUi^eit der Denkcrgebnisse neben der Unrichtigkeit dei
nenkakle kennen gelernt hatt«n (S. 2S2), zu beanstanden. Die Unricbtif-
keit eines primären Erinnerungsbildes, könnte man sagen, besteht in doch
nur mit Bezug auf ihren Gegenstand, d. h. die zugehörige GnindemplindUDI
b2w. den Komplex der zugehörigen Grundempfindungen : an ^ich ist eint
solche Vofstellung weder falsch noch richtig, sie wird es erst dadurch. lUB
wir sie auf die GrundempSndung bezieben, und ist nicht die Beziehuni
f'ines gefälschten Erinnerungsbildes auf eine ilim nicht entsprechende Gnmd-
en:pfindung schließlich doch auch ein unrichtiger Denkakt. eine Allenation
in dem oben besprochenen Sinnv Die Unsoliditäl würde von diesem Stand.
Punkt aus auf eine sekundäre Rolle beschränlf.t : sie würde nur noch msirieni
in Betracht kommen, als wir auf ein unrichtiges Denkergebnis neue Denk-
akte aufbauen, aber das fundierende unrichtige Denkergebnis würde in
Jiilzter Linie doch auch nur auf formal unrichtigen Denkakten beruhen.
Jlan wird die Bedeutung und Tragweite dieses Einwandes kaum ernsl genlB
nehmen können. Immerhin muB ihm doch folgende Überlegung entgecen-
gestellt werden. Wenn wir bei der Beproduklion eines prinüLren Eriniw-
rungsbÜdes dies trotz etwaiger Gedächtßisentstellungen aul denselben Gegen-
stand beziehen, so kommt allerdings auch eine Verwechslung zustande, aber
diese bemht nicht au( den Denkprozessen, wie wir sie hier abgegrenzt haben
(vgl. S. 262), sondern spielt sich im Bereich der Hetention und jener meit-
wQrdigen Rückbeziehung ab, welche alle unsere Erinnerungsbilder mit BeMip
auf ihre Grundempfindung haben (vgl. S. 268). Selbst in dem nicht seltenen
Fall, wo die Eatstellung des Erinnerungsbildes nicht im Sinn eines einfachen
Verges^eiis, sondern unier dem EinDuC assoziierter Vorstellungen erfclgt
ist dieser fälschende Einfluß kein DenkprozeQ in unserem Sinn. Der Unter-
schied zwischen UnsoliditSt und Diskrepanz bleibt also trotz dieses Ein-
wandes bestehen und damit auch die Abgrenzung der formalen Unrichtigkeit
gegenüber der materialen un erschüttert.
Auf deu so begründeten Wert der formalen Richtigkeit
stützt sich nun auch der schon in § 2 besprochene Norm-
charakter der Logik. Wenn die liOgik, nachdem sie das rich-
tige Denken untersucht hat, nun auch sekundär bindende
Regeln, „Normen", für das Denken aufstellt, so ist sie hieran
hofugt und verpflichtet, weil sie eben für das formal richtige
'J Vgl. Groß, Zischr. f. Thilos, u. philos, Kril.. 1888, Bd. 93, S. 278.
III. Teil. .AutochthoDe GniadlcguDS der LoRÜc. 45J
Denken einen besonderen Wert in Änäprucb uelinien kann.
Die NormalTorstellnnsen nnd Normaldenkprozesee werden
zugleich zn Normvorsteliun^en und Normdenk-
prozessen (Denknormen) erhoben.
§ 89. Elnteilnnr der Li^ik. Anf allen diesen Grund-
lagen vermag nun die Lc^ik auch ihre Einzelontersuchungen
der logischen Gebilde zweckmäßig einzuteilen. Eine solelie
Einteilung kann sich nur an die tatsächlich gegebenen Denk-
prozeese anschließen, muß also von der Psychologie bzw. der
psychologischen Grundlegung der Logik ausgehen, jedoch
iouQer mit der Maßgabe, daß nicht die tatsächlfch gegebenen
p6yehischen*Prozesse, sondern nur die entsprechenden logi-
schen idealisierten Normalprozesee in Betracht kommen.
Daraus ergibt sich folgende Einteilung:
1. Lehre von den VoreteUungen im Sinn von Normal-
vorstellungen oder Begriffen;
2. Lehre von den Urteilen im Sinn von Normalurteilen;
3. Lehre von den Schlüssen im Sinn von Norraalschlüssen;
4. Lehre von den Beweisen im Sinne von Normalbeweiaen ;
5. Lehre von den Wissenschaften ') im Sinn von Nonnal-
wiaeensch af te u ,
Vielfach sind aucli andere Einteilungen üblich. So teilt Erdniauii*)
die allgemeine LosUc in Elementarlehre und Methodenlebre des nissenscbaft'
liehen Denkens ein. Die etatere behandelt „die Voraussetzungen und die
FoTmcfemente des Denkens, also die Gegenstände des Denkens sowie die
llrteile und SchlQsse", die letztere „die Fonnelemente zweiter Dränung', die
allen Wissen sc liallen gemeinsamen Methoden". Andrerseits ualeracheidet
Chr. Sigwart ^) drei Teile: einen analytischen, einen normativen und einen
technischen. Ich halte es lär zweckmaBiger, die Können und technischen
Regeln jeweils unmittelbar im Anschluß an die Abschnitte, welche den ein-
zelnen logischen Gebilden gewidmet sind, zu behandeln.
Auffällig könnte bei dieser Einteilung nur erscheinen,
daß hier Schluß, Beweis und Wissenschaft als selbständige,
koordinierte Glieder neben Vorstellung und Urteil auf-
treten, während sie in der Psychologie meistens nur als
') Ausnahmsweise kommen für diesen Teil der Logik auch nicht-
wissenichaltliche zusammenhängende Überlegungen (Pläne u. dgL]
in Betracht. Es handelt sich also um eine Denominatio a potiori. Vgl. S. fl.
=) Logik, Bd. 1, 2. Aufl. Halle 1907, S. 51. Übrigens behandelt E. ia
^ Elementarlehre auch die psychologische, erkenntnistheorclische und
BBiacfaliche Grundlegung der Logik.
») Logik, 2. Aufl. 1889 u. 1893, namentl. Bd. 1, S. 16.
'2»'
h. 1. iiA.OOgIc
452 *n. Teil. Autochlhone Grundlecun« der LocJfc.
relativ nebensächliche A^regate von Vorstellangen und
Urteilen behandelt werden. Diese unterschiedliche Behand-
Inng erklärt sich jedoch ohne weiteres an» dem prinzipiell
verschiedenen Charakter der Logik nnd der Psychologie.
Der Psychologie kommt es haapteächlich auf die Unter-
suchung der grundlegenden psychischen Prozesse an, das
Znsammentreten dieser psychischen Prozesee zu nenen
Aggregaten interesüert sie nnr insofern, als etwa bei dem-
selben neue psychische Prozesse wirksam werden. Die
Jjogik hingegen will das richtige Denken nnterRacbeB,
und für dieses haben nicht nur die einfachen grundlegenden
Prozesse, sondern auch die zusfunmengesetzten Prozesse —
bis zum Aufbau der gesamten Wissenschaften — ein wesent-
liches Interesse.
Kine historische Darstellung der zahlreichen anderen,
weit verschiedenen Einteilungen der Logik, welche im Lauf
der Jahrhunderte vereacht worden sind, kann an diesef
Stelle nicht gegeben werden *)- Einzelne wichtigere Eintei-
lungsversuche sind überdies bereits in dem historischen Teil
(§ 6 ff.) erwähnt worden. Die oben von mir angegebene geht
im wesentlichen auf Petrus Bamue ') zurück. Hier moS nur
noch kurz auf eine namentlich in den letzten Jahrzehnten
stärker hervorgetretene Kichtuug der Logik hingewieeen
werden, welche die Lehre vom Urteil als das Fundameot
der ganzen Logik betrachtet nnd ihr daher in der Einteilung
der Logik die erste oder wenigstens eine zentrale Stellung
*) Eine Übereicht der ^teren Einteiluoieii, die allerdings weder voll-
ständig noch in allen Einzelheiten zutrefiend ist, Bibt Hamilton, Lectures od
logic, 2. Aufl. Edinb.-LondQa-186e, Bd. 1, S. 51 ft. (Lect 3 u. 4) u. BdL 2,
S. £39 (Appendix 3).
*) Bamua teilt allerdings die Logik (Dialectica) dem Wortlaut nach in
invenlio und Judicium ein (Tgl. z. B. Dialecticae libri duo, ed. Rodingns,
Francof. Iß77. S. t3 u. dies Weit S.40, Anm.26). Die inventio hat es aberniit
der Auifindiug der argumenta zu tun, argumentum aber est quod ad aliqoid
arguendum alfectum est: quales sunt eingulae rationes solae et per se consi-
deratae. Die inventio fällt daher im wesentlichen mit der Lehre vom Begfiff
zusanmien. Der Teil, der .Judicium" benannt wird, behandelt Urteil, ScbtoB
und .Methode". An andrer Stelle wird eine pars topica (= inventio argu-
mentorum, i. e. mediorum, piincipiorum, elementorum) und eine para ana-
lytica C= eoram dispositio) unterschieden. Siehe Scholae in lib. art^ Basileae
1669, Buch 9, S. 306. Auf den interessanten Vergleich mit der aristotelischen
Enteilung, die oHenbar wieder derienigea des Ramus zugrunde liegt, kann
hier nicht emgeganges werden.
ni. Tea. Autochthone Grundlegui« der Logik. 453
«inräamt*) So erklärt z. B. Windelbacd'): ,JiO?ik ist ür-
teÜBläire", die Lehre vom Begriff und Schloß sind „aar
eiozehie Aaszweigungen der Lehre vom Urteil", and in ähn-
lichem Sinn behauptet Cohen'): ,Jfiir das Urteil bildet das
Qaellgehiet der Logik'*, „dae Urteil bedeutet reines Denken".
Dieee Anffaeanng hat insofern gewiß eine Berechtignng,
als «ineiseits die Begriffsbildnng sich wenigstens zum Teil
mit HUfe von Urteilen vollzieht und die Begriffe selbst sich
durch Urteile (Deänitionen) darstellen lassen nnd andrer-
seits alle Schlüsse, Beweise nnd Wissenschaftssysteme eich
ans Urteilen zusammensetzen; indessen tritt sie sowohl mit
der Psychologie wie mit der Erkenntnistheorie in einen. Wie
mir seheint, unvermeidlichen und unlösbaren Konflikt, in-
sofern für diese unzweifelhaft die Begriffsbildung — wenig-
stens in ihrer einfachsten Form — das prios ist"). Dazu
kommt, daß didaktisch sich ein Ausgehen von der Urteils-
lehre als unzweckmäßig erweist"). Ich stelle daher doch
die Lehre vom Begriff an die Spitze. Der besonderen Be-
deutung des Urteils kann und wird dadurch Bechniing ge-
tragen werden, daß die Urteilslehre besonders ausführlich
behandelt und die Beteiligung des Urteils an der Begriffe-
bildung allenthalben berücksichtigt wird.
t'br^ens hat man zuweilen auch der Lehre vom Schluß oder vom
Beweise die zentrale Stellung im G«b&ude der Lonk zugeschrieben. Schon
bei Adsloteles ist eine solche Tendenz unverkennbar. Auch Boethias scheint
*) Diesen Standpunkt vertrat z. B. schon Ploucquet (vgl. S. 128), der
die Lehre vom Begrifl deshalb auch ganz in den zweiten Teil der Logik^
die Methoden lehre verwies, femer 0. F. Gruppe, Wendepunkt der PhUos.,
ira*, S. 3*fl.
^ Die Philosonhie im Beginn des ao. Jahrb., Heidelberg 1907, S. 189.
Vgl auch Kant, Kiil. d. rein. Vem., Kehrt). Ausg. S. 8B u. Hanüllon, Lectures
on logic, LecL 7.
■) Logik der reinen Erkenntnis, Berlin 190S, S. 409.
') Vgl hierzu auch E. Lask (Die Lehre v. Urteil, Tftbingen 1912), der
«iae transzendentale Logik (L^re von den gegensl&ndUchen logischen
Phiaemenen) und eine formale Logik (Lehre von den nicht-gegenständlichen
loliscben Fhftnomenen) unterscheidet und die Vorhenschalt des Urteils fOr
^ legenstAndliche Logik bestreitet. Das Urteil wird zu der sekund&ren,
d. h. nicht-gKenständlichen Region gerechnet, im Urteil tritt zur , ablichten
(«lensl&ndlichen Urstruktur" eine „künstliche Slrukturkomplikation" hinzu
(S. 6). Vgl. auch dies Werk S. 194.
'■) Schon die älteren Kommentatoren des Aristoteles machen diesen
Standpunkt geltend, vgl, 2., B. Philoponust Ad analyt post. 1, 1, Akad. Au«.
Bi 13i Teü 3, S. S (*«n.
454 'n- "'"''''■ Aulochlhone firundlegung der LoEib.
sie gelegenllich auszusprechen (In caleg. Arislot. ed. Migne Bd. 64, S. 161).
Albertus Magnus gibt ausdrücklich an, daB die arabischen Logiker die arau-
mentatio als das eigentliche .^ubjectum logicac" (sei!, docentis) bflraditen
(De praedicabil. I, +. ed. Lugdun. 16Ö1. Bd. 1, S. 5 a). Wilhelm Shyreswood
(Zitat aus d. Hdschr. bei Pjantl, Geach, d. Log. im Abend!., M. 3^ S. 11.
Anm. 32>, Lan*ert v, Auxerre (Pranll, !. c. S. 27, Anm. ]05). Duns Scolu»
(Quaeat. sup. Univ. Porphyr., Qu. 3, Opp. ed. Paris, Bd. 1, S. 70 b), Aeodins
Romanus (Expos, sup. art. vet. fol. 3 v B nach Pranll) u. a. stellen gleich-
falta den Syllogismus an die Spitze der Logik. In neuester Zeit vcrtrilt u. a.
H. Maier einen ahnlichen Standpunkt [Psych, d, eniol. Denken^ Tüb, 1908,
S. 311). Nach ihm ist die syllogis tische Fvtnktion die Jogiscbe Grund-
hmklion, in der sich alle Ferschungsprozesse, wenn aie von vorhandenen
Erkennlnisvorslellungen zu neuen vorzudrinsen suchen, bewegen".
Neben der soeben aofgeBtellten Haupteinteil nng der
Logik läuft nun eine andere her, welche für die praktiache
Anwendung der Logik von großer Bedeutung ist: die Ein-
teilung in allgemeine und spezielle oder ange-
wandte Logik"). Die allgemeine Logik will die Lehre
vom Begriff, urteil usf. («inschl. Wiseenschaft) begründen
ohne Bücksicht auf die besonderen Bedingungen, welche
das Denken auf den einzelnen Gegeu&tandsgebieten (der
mathematischen, physikalischen, historischeu Gegenstände
nsf.) vorfindet, und daher auch ohne; Rücksicht auf die Be-
griffs-, Urteilsbildungen usf., welche in den aktuell ge-
gebenen EinzelwiBsenschftften vorliegen. Sie verwendet
die Begriffsbildungen usf. der letzteren nur als wertvolles
Ausgangs- und Beispielniatcrial, eliminiert aber, um zu
ihren allgemeinen Ergebnissen zu kommen, alle speziellen
Eigentümlichkeiten dieses Materials — soweit sie es über-
haupt benutzt — nachträglich wieder vollständig. Dem-
gegenüber untersucht die spezielle Logik das logische Den-
ken nnter den besonderen Bedingungen dieser oder jener
Binzelwissennchaft (Logik der Mathematik, Logik der
Sprachwissenschaft nsf.), wobei sie einerseits die allge-
meinen logischen Gesetze auf die Einzelwissenschaft an-
wendet, andrerseits auch zuweilen ohne Rücksicht auf
erstere mehr oder weniger selbständig die logischen Gesetze
in der für die Einzelwissenschaft charakteristischen Form
entwickelt. Der rein formale Charakter der Logik wird bei
diesem Verfahren erheblich eingeschränkt.
") Die Bezeichnung „angewandte Logik" wird alsä hier nicht im
Kantachen Sinne verwendet, vgl. S. 1S6. Kants angewandte Logik gdiört
xw Psychologie, b. unten.
Ili. Teil. Aulocbthone Grundlegung der Losik. 455
Für die BarstelluDg: lier Gesamtlogtk bietet sieh eiii
doppelter Weg: entweder kann man die allgemeine Logik
zuerst abgesondert vortragen und dann die besondere in
einem selbständigen Abschnitt behandeln oder allenthalben
die wichtigsten Tatsachen der besonderen Logik in die ent-
sprechenden Kapitel der allgemeinen Logik einfügen. Beide
Wege haben ihre Berechtigung. Ich habe hier den zweiten
' eingeschlagen, weil mir bei dem hentigen Stand der logi-
schen Forschung eine besonders enge Verbindung zwischen
allgemeiner und besonderer Logik von überwiegendem
Nutzen zu sein scheint. Am wichtigsten ist ans leicht er-
sichtlichen Gründen die spezielle Logik für den 5. Teil, die
Wissenschaftslehre. Eine ausführliche Darstellung der
speziellen Logik überschreitet übrigens die dem Logiker
gezogenen Grenzen.
Die im Mittelalter vielfach übliche tinterscheiduDR zwischen logica
doceos und togica ulens ") (auch applicata ee&annl) deckt sich mit der Gin-
leiluDg in allgemeiDe und besondere Losik nicht bei allen Autoreti voll-
ständig. Insi^esondere legte man oft bei dem Begriff der Icgica uleos das
EUuptgewicht auf die Verwendung der logischen Regeln hei der Diskusaioit,
im täglichen Leben usf.. während die besondere Logik in dem oben deli-
nierten Sinn sich vorzugsweise auf die Verwendung in den Einzel wissen.
schatten bezieht. Die logiea docens wurde auf Gnind dieser Auffassung -
aucb oft als Wissenschalt (dtscipüna, scicntia oder wenigstens modus sciendi)
der logica utens als der ,^rs" gcKenObergestellt. Bei den späteren Nomina-
lislen, z. B. Pelrus Aureolus^ stellte sich dann zuweilen eine Tendenz ein,
die logica utens^ also die logica als ars ganz in den Vordergrund zu stelbn
(In prim. sentent. 37 a nach Pranll).
Die allgemein© Logik wurde von Kant in reine and
„angewandte" eingeteilt {über die Mißverständliebkeit diese»
Tenninos vgl. S. 126). In der reinen allgemeinen Logik
wird von allen empirischen Bedingungen, iinter denen unser
Verstand tätig ist, ja sogar von allen Ursachen, aus denen
uns gewisse Erkenntnisse entspringen . . ., abstrahiert, in
der angewandten allgemeinen Logik wird die Tätigkeit de»
Verstandes unter den zufälligen empirischen Bedingungen
des Subjekts (Aufmerksamkeit, Gedächtnis usf.) untersucht.
Offenbar gehört nun diese angewandte allgemeine Logik
zur Psychologie nnd kann höchstens in der psychologischen
") Vgl. auch S. 69. Besonders klar ist die Unterscheidung bei Duns
Scotns durchgefOhit, Quaest. sup. Univ. Porphyr., Qu. 1 (Opp., ed. Paris
Bd. 1, Slafi., namentl. G3a). Eine abweichende Delinitioa gibt z. B. Aegidius
Romanos in Expos, sup, hbr. Poster, f. 5 v A (nach Prantl).
i-Mh,Goo.glc
456 III. Teil. Autoehtbone Grundlaping dw Logit.
Gnindlegtmg der Logik beiläufig hier und da berücksichtigt
werden. Insofern ist also die allgemeine Logik stets rein;
wenn jedoch Kant den Gegensatz dahin: überspannt, dafi die
reine allgemeine Logik von allen empirischen Bedingun-
gen des Denkens abstrahieren and es „also mit laater Prin-
zipien, a priori zu tun" haben solle, so muß eingewendet
werden, daß eine solche reine Logik überhaupt unm^lich
ist. In dieser Beziehung kann auf dasjenige zurückrer-
wiesen werden, was S. 14, 167 f., 316, 417 u. 437 über die
Notwendi^fkeit eines Zusammenhangs mit der Psychologi«
ausgeführt wurde. Ohne psychologisches Material, and
zwar wissenschaftlich untersuchtes und geordnetes psycho-
logisches Material kann die Logik ihre Arbeit nicht be-
ginnen, sie geht dann allerdings über dieses Material mit
der Konstruktion ihrer Normalgebilde weit hinaus. Bein
ist sie also nur insofern, als sie die zufälligen psychologi-
schen Bedingungen nachträglich eliminiert, d. h. eben:
Normalgebilde konstruiert.
Kant selbst hat nicht klar und bestimmt ansreffeben,
wie er sich den Aufbau einer solchen in seinem Sinne reinen,
d. h. ganz apriorischen Logik denkt, und bat auch, wie Hns-
serl bezüglich der Kantianer mit Recht hervorhebt "), in
seinem Anfbau der Logik keineswegs vollständig von aller
Psychologie abstrahiert. Die Logizisten (vgl. '^ 45 ff.), unter
ihnen namentlich Husserl, glauben einen solchen rein
apriorischen Aufbau in der Tat ausführen zu können. „Der
Forscher in der ,dogmatisch' behandelten reinen Logik
erfaßt abstraktiv die apophantischen Formen (,Satz über-
haupt' oder ,TTrteir, kategorisches, hypothetisches, konjonk-
tives, disjunktives Urteil usw.) und fixiert für sie Axiome
formaler Wahrheit" "). Die reine Logik ist „eidetische"
Wissenschaft, gründet sich auf Wesensscbauung in dem
S. 184 erörterten Sinne. Die Bedenken, welche dieser logi-
zistischen Auffassung entgegenstehen, sind S. 187 bereite an-
geführt worden. Auch zeigt sich allenthalben, daß der Logi-
zist tatsächlich versteckt doch immer wieder psycholo-
gisches Material verwertet und zum Ausgangspunkt nimmt
Auch seine Logik ist in dem von ihm geforderten Sinn nicht
") Logische lintersuiAunuen, Halle 1900, Teü 1, S. 59 (3. AulL desgl)-
'*) Husserl, Ideen zu einer reinen Phänamenolosie usf., Halle lEn%
M,Googlc
m. Teil- Aulochthone Gruadlesuns der Logik. 457
rein. Meines Erachteos ist daher die loffizistische reine
Logik ebenso anssichtslos and verfehlt wie eine psycliolo-
^tiscbe, die mit dem psfcliologisch eregebenen Denken,
ohne Konstruktion von Normalvoratellnngen usf. anskom-
meo will.
Anch der Gegensatz zwischen formaler und mate-
r ia 1 e r Logik kann von dem hier entwickelten Stand-
punkt ans nicht anerkannt werden. Die Logik wurde als
die Lehre von der formalen OesetzmüQigkeit des Den-
kens mit Bezug auf seine Richtigkeit und Falschheit defi-
niert {% 1). Alles Materiale in den Denkgegenständen ist
damit prinzipiell aas dem Untersuchangsgebiet der Logik
ausgeschlossen und fällt, soweit es allgemein ist, der Gigno-
nienolt^ie (vgl. S. 241) und der Erkenntnistheorie s. str. ")
oder den Einzelwissenschaften zu. Dies gilt unter anderem
z. B. auch von den sog. Kategorien (vgl. S. 35 a. "297), deren
Eimaen^rang in die formale Logik zu unzähligen Mißver-
ständnissen und Irrtümern geführt hat. Nur als Äusgangs-
stoS für die Untersuchung, als Quelle für paradigmatische
Beispiele und als Anwendungsgebiet (in der speziellen
Logik) ist das Materiale der Denkgegenstände für die Logik
unentbehrlich. Gerade wenn, wie es hier geschehen soll,
die Sätze der speziellen Logik allenthalben in die Darstel-
lung der allgemeinen Logik eingeflochten werden (vgl.
S. 455), wird daher der rein formale Charakter der Logik zu-
weilen wenigstens scheinbar preisgegeben. Dazu kommt
aber noch ein weiterer Gesichtspunkt: in einer Beziehung
ist die Logik geradezu gezwungen, prinzipiell auch Mate-
riales in ihren Untersuchungskreis einzubeziehen, nämlich
dasjenige Materiale, was in den Tatsachen des Denkens
selbst uns gegeben ist (vgl. dazu über den Begriff des Mate-
rialen namentlich S. 3 u. 280). Sie muß den allgemeinen
Tatbestand der Vorstellungen, Urteile usf. dem psycholo-
gischen Material entnehmen und, wenn sie anch in seiner
Bearbeitung sich weit von der Psychologie trennt und es
in bestimmter Richtung umbildet, kommt sie doch von
diesem Material niemals los. Eine Logik, die auch hier
rein formal bleiben wollte, ist gar nicht denkbar. Gerade
von dem in diesem Werk eingenommenen Standpunkt ans
") Dies gilt insbesondere auch Ton der transzendenlalen Logik Kants.
„.,,n,^.OOglC
458 'Q' '''^'l- Autocbtbonc Grundlegung tler T^ik.
maß diese notwendige Einschränkung des formalen Cbarak-
ters der Logik nachdrücklich betont werden.
Ganz ausgeschlossen von der hier behandelten Logik ist
ied«> ontologische „Gehaltslogik" (auch metaphysische Logik
genannt) "), welche vermeint in den Gesetzen des richtigen
Denkens auch Gesetze de» „Seins" ermitteln zu müssen und
ermitteln zu können. Selbst wenn man einen Augenblick
zugeben wollte, daß die Formen des Denkens und des Seins
in irgendeinem Sinn identisch wären, würde doch der Nach-
weis dieser Identität über die Grenzen der hier behandelteu
Tjogik weit hinausgehen. Die Untersuchung dieses Pro-
blems bleibt der Erkenntistheorie oder eTentuell einer Meta-
physik vorbehalten. Ein Bück in die Geschichte der Logik
(vgl. ^ 8 ff.) lehrt, wie nngfünstig die Einmisclinng dieses
Problems auf die logischen Untersuchungen selbst ein-
gewirkt hat.
Kun kann miiu' ja seliließlich immer einwenden, daß die
Abgrenzung und Bezeichnung der Wissenschaften noc)i
strittig ist, und willkürlich ein weiteres, in erheblichem
Umfang auch materiales Gebiet als eine Wissenschaftsein-
heit abgrenzen und als Logik bezeichnen. Ob diese weitere
oder die hier gewählte Abgrenzung natürlicher und zweck-
mäßiger ist, mag an dieser Stelle unnntersncht bleiben. Die
Geschichte der Logik scheint mir allerdings zu lehren, daß
trotz vieler Versuche zur materialen Umgestaltung und Er-
weiterung der Logik doch immer wieder die hier vertretene
formalistische Auffassung ihre Geltung behalten hat and
aach heute noch die üblichere ist Wie dem aber auch sei,
jedenfalls beschränkt sich alles, was in diesem Werk weiter-
hin vorgetragen werden wird, ganz anf das formale Ge-
biet in dem Sinn und mit den Einschränkungen, welche so-
eben festgesetzt worden sind.
'*) Auch die BezeichnuDgen .,{iragiiuitisctie Logik", „objektive Logik"
kommen in ähnlichem Sinn vor, v^. z. B. Karl Rosenkrane, Die Modifik. d.
Logik, Lpz. 1846. S. 9, 13. ]99>, doch haben alle diese Bezeicbnungen viel-
fach geschwank L
n,g,t,7l.dM,GOOglC
IV. Teil
Die einzelnen logischen Gebilde und ihre Gesetze
1. Kapitel
Die Lehre von den Begriffen
§ 90. BegrifF im allfpemeinsten SIod. Der Ciei^eiistuid
dm Begriffs. Als Begriff (Conceptns) im allgemeinsten
Sinn hatten wir die Normelvorstellungen bezeich-
net (vgl. S. 435 n. 332, Anm. 3). Jede Vorstellung, die in dem
früher erörterten Sinn als unveränderlich mit Bezug auf
denselben Gegenstand gedacht wird, wird dadnrch aus dem
Bereich des Psychologischen herausgerückt und zu
einer logischen Vorstellung — HormaLvorstelluDg, Be-
griff — nmgedacht. Es wurde auch bereits erörtert, daß
diese NormalvoTstelluugen oder Begriffe Idealgebilde sind,
die psychologisch, d. h. in dem tatsächlichen Denken nie-
mals vollkommen, verwirklicht sind, und denen daher in
unserem Denken nur eine regulative Bedeutung zukommt.
Der Tatbestand, auf den sich ein Begriff speziell be-
zieht, das „isolierte Fundal", wird ale sein Gegenstand
oder Objekt bezeichnet (vgl. S. 265). Dieser Gegenstand
kann im Bereich der Empfindungen (Beispiel: Begriff der
Qrünempfindung) oder im Bereich der Vorstellungen (Bei-
spiel: Begriff der Ideenassoziation) oder im Bereich hypo-
thetischer Dinge (Beispiel: Begriff des Vesuvs, des Atoms
nsf.) liegen. Wir bezeichnen dies als die Verschiedenheit
des Arguments (S. 268). Die wissenschaftliche Unter-
suchung der Bedeutung der Beziehung zwischen Begriff nnd
Gegenstand ist Aofgabe der Erkenntnistheorie. Die wesent-
lichen Lehrsätze der Ijc^ik sind von den sehr verschiedenen
Anffasenngen, welche die Erkenntnistheorie im Lauf der
„.,,„, ^.oogic
460 ^- ^^'1' ^'^ einzelnen logiscbeo Gebilde und ihre Gesetse.
Jahrhunderte von dieser Beziehung entwickelt hat, unab-
hängig.
Terminologisch ist für die Verwendung des Worts
„Gegenstand" in der Logik noch folgendes von erheblicher
Bedeutung. Wenn wir von mehreren einzelnen Gegenstän-
den Ol, Ol, Os . . . die einzelnen Vorstellungen und weiterhin
die einzelnen Begriffe Ci, c«, Ca . . . gebildet haben und ^äter
auf Grand irgendwelcher Beziehungen (z. B. räumlichen Zu-
sammeuaeine) den znsammenfaesendeii Begriff C von den
Gegenständen Oi, Oi, Oi . . . entsprechend einem Gesamt-
gegenstand O bilden, oder auch umgekehrt, wenn; wir nach-
träglich einen dem Gegenstand O entsprechenden Begriff C
in einzelne Begriffe Cj, C;, d . . . entsprechend den einzelnen
Gegenständen Oi, Oj, Ot ■ ■ ■ zerlegen, so fassen wir im wei-
teren Sinn auch den Gesamtgegenstand O als Gegenstand
von ci (bzw. c>, bzw. c* usf.) auf, obwohl es sich hier nur am
eine Teilbeziehung handelt. Ohnehin kann von einer schar-
fen Isolierung des Gegenstandes nicht die Rede sein (vgl.
S. 266). Wir können daher anch sagen, daß der Begriff zu
»einem Gegenstand („Gegenstand" in weiterem Sinn) bald
inGesamtbeziehung, bald in Teilbeziehung steht
Die weitere Aufklänmg dieser beiden Beziehongen wird in
der Lehre vom Begriff und vom Urteil gegeben werden
müssen. Streng genommen gehören Oi, Os usf. nicht zum
Gegenstand von ci, sondern höchstens zu seinen Fundaliea
(vgl. 9. 264).
Ohne weitere Erklärung leuchtet ferner ein, dofi wir
Normalvorstellungen oder Begriffe auch von veränderlicheu
- Gegenständen und Veränderungen bilden können, also z. B.
von einem bewegten Gegenstand nnd einer Bewegung, denn
die Uaveränderlichkeit der Normalvorstellnng bezieht sich
eben nur auf das Verhältnis der Vorstellung zu ihrem
Gegenstand. Wenn der Gegenstand veränderlich iät„ so be-
steht die XJnveränderlichkeit seines Begriffes darin, daß die
Vorstellung eben der Veräoderungen des Gegenstandes zeit-
los, d. h. unverändert festgehalten wird. Handelt es sich
um einen (^genstaud, der noch jetzt in Veränderung be-
griffen ist, so mu£ die zagehörige Vorstellung (Kontrak-
tionsvorstellang) nach Bedarf, entsprechend der Verand«-
mug der materialen Grundlage umgestaltet werden. Die
leCoDstanz der Normalvorstellungen kommt nnr in Betracht,
1,1^. OQi
,g,c
I. Kapitel. Die Lehre von deo Begritfen. 461
eoiange die materialen QnmdlageD sich nicht ändern. \g\.
S.434.
SbenBO ist Belbstver&täudlich nicht aoB^eschlossen, daß
wir TOD einem und deniBelben Gegebenen mehr als eine
Normalvoratellongr bilden, also z. B. von Schiller die Nor-
malTorBtelltmK des Dichters Schiller, am Philosophen
Schiller, des Historikers Schiller usf. Wir greifen dabei
, ans der Q-eBamtrorstellang Schiller einzelne Teilvoratellnn-
;en heraoB nnd können die letzteren ganz ebenso wie die
Geeamtrorstellnng normalisieren. Streng genommen hat
onsere Normalvorstellnng des „Dichters' Schiller" gar nicht
Schiller zum Gegenstand, sondern eben nnr den ,J>ichter
Schiller". Schiller ist das Fnndal, nicht der Gegenstand
<vgl, S. 266). Wenn wir trotzdem unsere Vorstellung von
dem Dichter Schiller auf Schiller als ihren „Gegenstand"
beziehen, so fassen wir das Wort „Gegenstand" in der viel
weiteren Bedeutung des Geaamtgegenstandes, wie wir sie
früher (S. 265) und jetzt wieder festgesetzt haben.
Von grundlegender Bedeutung ist endlich die S. 437 be-
eprocheoe Tatsache, daß wir auf Grund unsrer Normalvor-
Btellungen auch die Gegenstände zu „Normalgegen-
ständen" („logischen Gegenständen") umdenken.
Wenn wir einem Gegenstand O eine konstante, den Schwan-
kungen des psychischen Geschehens entzogene Normal-
vorstellnng C zugeordnet haben, so ist damit auch O als
unveränderlicher G«gen8l:and von G fixiert. Die tatsäch-
lichen Veränderlichkeiten und Veränderungen der Gegen-
stände*) w<erden dadurch nicht berührt, sie gehören, falls
sie voriianden sind, zu dem Gegenstand selbst; es kommt
nur darauf an, daß, nachdem einem Gegenstand O ein-
Bchließlicb seiner etwaigen Veränderungen eine Nor-
malvorstellnng C zugeordnet worden ist, nunmehr weitere
Verändemngen, solange er derselben Normalvorstellung C
zugeordnet bleibt, also die Normalvorstellung nicht umge-
staltet wird, für O als ausgeschlossen betrachtet werden.
0 wird als relativ unveränderlich gedacht. Ich kann im
Sinn der soeben erläuterten Teilbeziebnngen wohl neue
Nonnalvorsteiinngen mit Bezug auf dasselbe O bilden,
') Es bandelt sich in diesem Fall um die Gegenstände der durch Kon-
trafeÜDH (S. S96) entstandenen sekundären Eiinnerungstndler.
OgIC
462 ^^'* '^^^' ^^ einzelnen titschen (iebilde und ihre Guselze.
halte aber dabei docb fest, daß es eicb uoch um dasselbe 0
handelt, in welchem ntir nene Tellge^enstände aufgedeckt
und fixiert werden. Die nähere Erortemng dieses wichtigen
Tatbestandes fällt demjenigen Teil der Erkenntnistheorie
za, welcher die Lehre von der Veränderung (Veränderung,
Snbstanz, Dieselbigkeit) behandelt Man muß nur anch für
die Logik festhalten, dafi die Normalgegenstände (logischen
Gegenstände) sich nicht mehr mit_den Gegenständen s. str.,
also den speziellen, fundierenden Vorstellnngen bzw. Emp-
flndnngen decken, sondern nm^edacbte Vorstellnngen
dieser Gegenstände (Gegenstandsvorstellnngen, vgl. S. 266.
269, 320, 430) sind.
Auch der logische Begriff ist zunächst noch die Vor-
stellung vines einzelnen denkenden Individnnms. Es wird
wohi von den psychologischen Schwankungen, die sich bei
dem einzelneu Individuum abspielen, bei der Normalisieruog
abstrahiert, aber nicht von dem individuellen Charakter des
Denkenden selbst Es lie^ aber auf der Hand, daß sich
«ekundär damit auch eine Entindividualisiernng
verbinden muß. Die Schwankungen von Individuum zn In-
dividuum fallen wenigstens z. T. mit den Schwankungen zu-
sammen, welche eine Vorstellung bei demselben Individuum
durchmacht. So bekommen die Begriffe auch eine allge-
meingültige, d. h. Uberindividuelle Bedeutung
in dem S. 274 u. STQ^besprochencn Sinn oder erheben wenig-
stens de» Anspruch auf solche und nehmen als rich-
tige Begriffe regulativ die Richtung auf Allgemeiu-
gültigkeit. Sell)stverRtändlich beschränkt sich diese
ÄUgemeingültigkeit auf slle diejenigen Individuen, die Be-
griffe in ähnlicher Weise bilden wie wir. Damit rückt nun
zugleich auch die Beziehung zu den Normalgegenständen in
ein nenes Licht. Der Normalgegenstand wird jetzt nicht
mehr einer für e i n denkendes Individuum -gültigen Nor-
malvorstellung Ci. sondern einer allgemeinirältigen C« zu-
geordnet. Die Schlacht bei Cannae, die Zahl n usf. werden
al;ä Gegenstände des ullgemeincn menschlichen Denkens
aufgefaßt Auch leuchtet ein, daß mit der Entindividuali-
sierung sich eine Ausgleichung individueller Fehler der
Begriffsbildung verbinden muß, und daß daher die Begriffe,
Koweit sie überindividuell gedacht werden, auch einen be-
sonderen Anspruch und eine Bichtung auf materiale —
fundale und formale — Richtigkeit bekommen. Von
lA.OQi
-c^lC
1. Kapitel. Die Lehre von den Begriffen. 463
dieser Beziehung wird, soweit sie nicht iu das Bereiuh der
£rk«untniBtheorie fällt, unteo noch ausführlicher gespro-
chen werden. Die tatsächliche Richtigkeit wird durch diesen
Ansprach und diese Richtung nicht gewährleistet (vgl,
S. 437).
Die Terminologie des Wortes ,.BegriIi"' wurde bereits S. üb kurz,
soweit fOr die Logik erforderlich, erörtert. Jetzt handelt es sich noclt darum,
umgekehrt die verschiede oea Termiiu für das, was jetzt gewöhnlich in der
Logik als Begriff bezeichnet, im Ohrigen aber sehr verschieden erläutert wird
und Ton mir als Normalvorstellung g^ennzeichnet worden ist, historisch zu
durchmustern. Bei Plato fehlt' ein eigenes Wort für den Begrilf in
unserem Sinn noch ganz. Mit dem Wort röijfia scheint er nur die psycho-
loBische Vorstellung zu bezeichnen '). Weiterhin wird aber seine logische
Terminologie ganz wesentlich dadurch beeinCuBt, daü er als Gegenstände
des Denkens (der AbVoir bzw. viijCK) an Stelle unsrer j-elativ unver-
änderlichen Normalgegenstände absolut unveränderliche, vom individuellen
Denken unabhängige Ideen (liiat, iWij) setzt und diese auf das Gebiet der
AllgemeinbegriHe beschränkt (vgl. § 8). Er gehraucht nämhcfa nun auf Grund
dieser Auffassung der Ideen oft im Laul der l'ntersuchuiigcn die Worte lila
und fiibc fast ganz in demselben Sinn, wie wir das Wort Normalvarstellung
oder Begriff verwenden, wenn auch immer an ihrer Oberindividnellen selb-
ständigen Existenz festgehalten wird ').
Bei Aristoteles (vgl. § 9) herrscht für den Begrifl die Bezeichnung
U^Bf vor, die Fkto ausschlieShch für das zusammenhängende, einheitliche
Denken (Urleil usf.} verwendet hatte; indes bekommt dieser 't.iyoc unter dem
KinttuB des erkenninislheoreti sehen und metaphysischen Standpunkts des
Analotcles eine Bedeutung, die in vielen Beziehungen inhaltlich sehr weit
von derjenigen des Besrifls im Sinn der neueren Logik und im ^>inn der
Mormalvorslellung abweicht. Erstens erkennt Aristoteles keinen iiyos der
einzelnen sinnlichen Dinge als solcher an •). Dadurch tritt der iöfot in
einen schaffen und ganz anderen Gfgensatz zu der giaytaaia (ipäyiaofia).
d. h. der anschaulichen Vorsleliung und dem fir^fiirivua, dem Erinnerungs-
bild, d. h. der von der Erinnerungsbeziehung begleiteten ^aviaaia.']
Zweitens wird im Zusammenhang damit ein Hauptgewicht auf die Definition
als wesentliches Kennzeichen des Begriffes gelegt. So kommt es, daS die
Worte äpar und equifiög zuweilen fast gleichbedeutend mit Xiyoi gebraucht
') Vgl. Parmenides 13SB.
') Die Annahme Susemihls (Die gehetisclie Entwicklung der plato-
nischen Philosophie, L^eipsig 1865 — 1961^ Teil 1, S. 122), daB tliot mehr
den subjektiven Begriff, Mi« die objektive Grundgestalt bezeichne, hat sich
als unhaltbar erwiesen. Vgl. auch Bonitz, Aristotel. Studien 1, Wien 1862,
S. 11 ff. Nach Nalorp, Pialos Ideenlehre, Leipzig 1903, S. 2 bezeichnet tiiv:
•len Begriff mehr dem Umfang. Ula mehr dem Inhalt nach.
<) Vgl. E. Zeller. Die Philosophie d. Griechen, 3. Aufl. 1870^ II, 2.
S- 310, und H. Siebeck, Geschieht« der Psychologie, 1. Teil, 2. Abt., Gotha
}SSt, S. 48H.
*) Allerdinga gebraucht Aristoteles ipojfiaaüi zuweilen auch im weiteren
Sinn, Daher kann er z. B. doch behaupten, daB die <parjasla entweder Aä
"t^S oder A' mls^fuK entstehe (Ak. Ausg. 703 a).
i.l^. OQi
'S'c
464 ^- '^^'^- ^'^ einzeloea loeischen Gebilde und ihre Gesetze.
Verden *). Diittena hat der Uy»r bei Aristoteles auch eine otöektive Be-
deutung: er ist zugleich das objektivierte begriffliche Wesen der Dinee. In-
sofern nähert er sich einisernuBen dem, was oben als Nannalgegenstand
bezeichnet wurde. Für den letzteren fehlt bei Aristoteles ein umfasseodei,
einheitlicher, durchgehender Ausdruck. Mit den Worten tlitt, ytifot, m*tt,
ti T( iatuf, n >{ qv tiriu sind nur besUmnite Momente bezeichnet, &
zu logischen GegensUnden werden können ''), aber nicht der Gegenstind
im allgemeinen Sinn der modernen Logik *). Endlich ist viertens Aristoteles
geneigt, unter Begrifl (lr/*r usF.) stets in prägnantem Sinn den richtigen
Begriff zu verstehen.
Bei den S t o i k e i' n finden sich für Begriff die Bezeichnungen &»•>«,
vanfa und iatiir (vgl. § It). Eine scharfe, einwandfreie Abgrenzung dieser
drei Termini gegeneinander läßt sich a.'äi Grund der uns Obertiefeiten
Fragmente und Berichte nicht feststellen ■). Ea s c h e i n t , d&B der BegriB
in unserem logischen Sinn vorzugsweise als luiir bezeichnet wurde, also
für die stoische Lehre nahezu mit der Wortbedeutung zusammenfiel (vgl
S. H&), wihrend trfma und vw}/» mehr für die Vorstellung im psydia-
logiscbeo Sinn gehraucht wurde. Daneben wird übrigens anscheinend auch
der Ausdruck l^iyts, welcher sonst der technische Terminus für den ScbloB
in der stoischen Philosophie ist, hier und da verwendet und bezOglich des
iifs von einer doppelten Form gesprochen, dem Xiytt als der logiscbeo
Definition und der iaoy^ip^ als einem anscheinend mehr beschreibenden
Grundriß (ratio subscriptiva) '*0-
Bei der Übertjagung der griechischen Termini in das Lateinische
(vgl. S. 53) hörten erst recht die scharfen terminologischen At^renzungen
«) Vgl. z. B. Analjt. post. ü, 10, Ak. Ausg. 93 b: 'OpM/4»r f im^
UyttKi fhrai liyos rov xt iaii . . ., und Top. I, 6, Ak. ^sg. 101b: Ini /
Sfot ftir iayo( i ri U qc titwi oi/tairaw. Über sonstige Bedeutungen von
Hyte a. auch H. Bonitz, Index Aristotelicus, Berlin 1870, Ak. Ausg., Bd. ü
S. 4SBlf. Insbesondere wird auch der Beweis als Uy^ bezeichnet, s. z. B.
De anim. 407 a iöyas nat igioftit ^ änHuiK.
') So finden sich auSer den in Anm. 6 angefahrten u. a. folgende Vet-
bindungen: S üyof iqr oäitai (Metaph. lOISa q. öfter), i, Xiyt £ dqUr
tqr titlav (z. B. Top. 130b), avtfte j sa» wif Uyov (z.B. Hetaph. 1025b);
Xa'ys Mut tot nfäyfiarae (De anima 403h, vgl. auch 996b und 1044b),
ID tU*t >B xnrä tir iiy»» (z. B. Pbys. auscult 193a); •; liyet rar ytrir
iTop. 122b).
■) Diese kurzen Qemeritungen geben selbstverständlich nur einm
kurzen Hinweis auf die aristotelische Terminokigie des Begriffes, die über-
dies auch heule noch in vielen Punkten strittig ist. Manche Termini wie
ro'q^a (vgl. De mem. 460 b u. töl a) konnten nicht einmal erwUmt werden.
•) Vgl 5. B. Zeller, 1. c, TeU 3, Abt. 1, 3. Aufl., namentlich a 86,
Aura. S.
'«) Vgl. Diogenes Laett., Vit et plac VIT, Kap. 1, § «0 (ed. Hobnei,
Leipzig leSl, Bd. 3, S. 1£«); Pseudo-Galen (vgl. S. iSj. Defin. med. in Galeu
Werken ed. Sühn, Bd. IS, Lips. 1880^ S. M8; siehe auch Simplicius, In
Categ., Ak. Ausg. 1907, Bd. S, S. 23, 29 iL 45 {ätnygaipixit n. Sfmuit Ur«);
Boethius, In Porph. a Victor. transUt, Fatrol. ed. Migne, Bd. », & 27.
.OOC^IC
1. Kapitel. Die Lehre voo den Beenden. 465
Ott. Begrifi wurde seit Cicero") meisteas mit notio wiederaesebea.
Du Vort S(v (_=• tenninus) trat mehr zurück, iijiafiit wurde mit definitio
üheisetzl und von der notio schärfer unterschieden (z. B. bei BoBthios).
Ndxn notio findet sich der Terminus conceptio und conceptus ohae scharfe
Abgrenzung >^).
In dem Unirenalienstreit des Mittelalters (vgl. g 17 fi.) ging das
luterease au der Gesamt lehre vom Begriff zeitweise gänzUch verloren'^).
Aach ist begreiflich, da.Q in der Terminologie der extremen Nominalisten der
BegrifE oft durch der Sprache entlehnte Termini (voz usf.) bezeichnet
müde**). Die arabischen Philosophen bfligerlen for die Begriffe bzw. die
sie beteicbaenden Worte auch die Bezeichnung incomplexa ein, um
den Gegoisatz gegen die Urteile und Schlosse (complexa) zu bezeichnen i').
Zugleich wurde fOr die Bezi^ung des Begrifies auf seinen Gegenstand der
Terminus ,4ntentio" gebrftuchlich '*). wobei freilich oft die Neigung bestand
diese intentio nicht dem Begriff, sondern dem für den Begrifl gebrauchtat
Worte zuzuschreiben, also mit der signiflcaüo zu verwechseln. Seit Avi-
cenna (vgl. S. 70), wenn nicht schon frOher, unterschied man eine intentio
Rima, welche si«± auf die Dinge selbst, und eine intentio secunda, welche
seh auf die VorstelluDgen der Dinge und die Operationen mit diesen Vor-
steUungen bezi^en soll. Die intentiones secuncEae and der eigentliche
(legeoBtand der Logik. In der Tat entsprechen sie, soweit sie inkomplex
änd, in vielen Beziehungen unseren Normalvorstälungan^ Die Termini
„enentia" und „quidditas" (vgl. S. 62, Anm. 11 und 70, 74, 81) bezeichneten
II) Cicero, Topica ad Trebatium 5 u. 7; TuscuL. Disput. I, 24', &7; De
fin. bon. et mal. UI, 6,
>*] Zum Beispiel BoSthius. In libr. de interpret., ed. Uigne. Bd. 64,
S. 2S8- Seltener ist die Bezeichnung ,jntellectuB".
I») Einen guten Überbück über den mittelalterlichen Sprachgebrauch
ins zum 12. Jahrhundert gibt u. a der Metalogicus des Joh. v. Sajisbury
(TgL S. 66), oamentt. H 16 H.
i^) Die voces entsprechen den ^mm-oI der griechischen Logiker; die
beiden Hauptklassen der 9io»"il waren die ece^ma^^r nomina) und iie^/aata
(meist 8. str.=verba).
») VgL den Bericht des Albertus Magnus, De praedicabiL I, ä (Opp.
Lugd. 1661, Bd. 1, S. 6): incomplexum=de quo quaeritur, quid sit, complexum,
de qao quaeritur, an verum vel falsum sit. Flato sprach bereits von
nfatimt^ (z. B. Sophist. 262 c), verstand aber darunter die VerfcnQpfung der
Vorstellungen zum Urteil (als dem einfachsten Myc) im Gegensatz zu der
dnes solchen Zusammenhangs entbehrenden disparaten Ideenassoziation.
Ebenso Aristoteles Categ. 1 a. VgL femer S. 6a
") Vgl. z. B. Avicenna, Log.. lol. 2 r B (nach Prantl, Bd. 3, S. 637),
und Uetaphys. I, 2, fol. 70 (Prantl ibid.], und Alberhis MÜnus, Metaphys.,
1, 1, 1, tmd Thomas v. Aquino, In HeUpbys., 4. 4 (ed. Parmae 1866, Bd. 30,
S, S4S). Erst sp&ter, namentlich seit Lulhis, wurde die intentio singularis ab
prmia, die intentio universahs als secunda bezeichnet Der Alteren Auf-
tasBung entspricht es, dafi man die entia rationis den intentiones secundae
zuordnete (vgl. die oben zitierte Stelle des Thomas). Eine Verbindung beider
Ansicbles findet sieb z. B. bei Duns Scotus, Ou. sup. Lib. I Post Analytic.
Qu. 48 (ed. Paria, Bd. 3, S. aiSbfl.).
Zitlien, I>«hTlm*h der laogik.
"S"
466 l^'- Teil. Die einselDeD loeiachen Gdälde und ihre Gesetze. _ _^
den Gegenstand des Besriffes, jedoch nur nach bestimmteti BicblunBen hu.
Durch die Svve^fne des Psellua bzw. die Summul&e logicales des Fetnu
Uiepanus (vgl. S. 68) kam auch die Bezeichnuns ique ^taminvia wiedei
ir^r ia Gebrauch, so namentlich seitdem die Logik einen besonderen Ab-
schnitt „de proprietatibus tenninorum" in ihr Lehrgebäude aufnahm (vfL
S. 68). Die großen Scholastiker der Blütezeit i'] haben an dieser Tennino-
logie nur wenig geändert. Die Einfahrung des Terminus ,,speciea inteUifi-
biles" für die aus den wahrnehmbaren einzelnen Dingen vom Intellekt enl-
sprechend ihrer mateha intelligibilis abstrahierten allgemeinen apectes tnu
eher noch zur Steigerung der (enninologischen Unklaiheiteu bei, insofeta
der Terminus „species" keine scharf ahgesreozte Bedeutung hatte (vsL S.76).
Bei Raimund Luüus werden terminus, propositio und aisumentatiii
als die drei Hauptgegenstände der Losik genannt; hier wird also das Woil
„terminus" ganz allgemein für den Begriff in unserm Sinn verwandt").
Bei Duns Scotus findet sich gelegentlich der Ausdruck aliquid repraesent»-
tivum mit dem Genitiv for den Begriff^*]. Auch bekommt bei ihm du
Terminus „species intelligibiUs" eine klarere Bedeutung: die spedes intelli-
gibilis ist das Abbild der Dinge — allerdings nur nach ihrem allgemeinai
Wesensinhalt — im Intellekt und daher der eigentliche Gegenstand der
sprachlichen Bezeichnung*"). Es leuchtet ein, daB die q>ecies intelligibilis
damit — abgesehen von ihrer Beschränkung auf das Allgemeine — tatslch-
lich fast mit unarer Normalvorstellung zusammenfälft. Zugleich soll sie
allerdings in einer unklaren Weise zwischen Sinnesempfindung und Inletitf
die Vermittlung übentehmen. Wenn man dann später zwischen einem eise
materiale des Allgemeinen extra animam ui|d einem esse formale
i n anima unterschied, so entspricht dieser Unterschied — nur immer be-
schränkt auf das universale — etwa dem Unterschied zwischen Nomuü-
gegenstand und Normalvorstellung ^*). Ein ähnlicher Gegensatz kehrt bä
Durand v. Pourcain in der Gegentibersteilung des esse reale und des esse
intentionale wieder'*). Eine besonders konsequente DurchfotuuDg d» Ter-
minologie der intentio wie Oberhaupt der zahheichen Ausdrücke fflr den
Begriff findet sich bei Armand von Be&uvoir (+ IBM) **). Die Unteracbei-
dung zwischen compleza und incompleia wird festgehalten, beide, auch die
complexa, heiBen conceptiones. Der Begriff als conceptus mentis formatus
") Vgl. z. B. Thomas v. Aquino, De unit. intelL, ed. Venet. 1787, Bd. 19,
S. 247 und Summa theol.. Pars I, cpi. 86, art. 1 u. qu. 86, ajl. 1 (vgl auch
dies WeA, 5. 72 fS).
"<) Dialectica s. logica nova, ed. Argentoi. 1617, S. 147.
") Sentent Lib. 1. Dist. 3, Ou. 6, S. 821 (Bd. ö), und Quaest. de rer.
pr. M, S, 129 AB (Bd. 3). Bemerkenswert ist auch die Auffassung der
Riedes intelligibilis als species informans (gestaltende species) bei Duo*
Scotus.
=0) Vgl, Quaest. sup. Perihenn. I, 2, 187 A u. B.,
") VgL Aegidius Romanus, Expos, in art. veL fol. 3v B und 4r A
(Prantl, S. 261), und Heireus Katali^ De intent. (nach Prantl, I. c S. 266).
") In Sentent. n, Dist. 13, qu. 2, 6. £. 166r B (nach PranU, L c.
^. 293, Aber Burleigh stehe ebenda S. 30S).
'*) Mir war nur das Weric De deciaratione difficilium (enniBorum,
Coloniae ohne Jüireazahl (nach PninU löOS) zugänglich.
i.l^. OQi
B'c
1. Kapitel. Die Lahre von den BegriBen- 467
wird auch „veiiuim mentale" Benannt**). Scharfe tenninologische Unter-
scbeidangen zwischen conceptio und conceptus (objectiTua) finden sich bei
Petrua Aureolus ") : conceptio ist der Denkakt, conceptus das ,fio gesetzte
Dim'i der letztere deckt sich mit der intentio. In der Folge, z. B. bei
OccaiD"), werden denn auch die Termini conceptus undintentio fast unter-
sdiiedslos fOr den BegriQ gebraucht. Occam nennt ihn auch „terminus
conceptu^' im Gegensatz zum „terminus scriptus" und „tentunus prola-
tua" ^) oder auch „tenninus mentalis" im Gegensatz zum „terminus vocaUs".
Die .Ülgemeinbegrüfe gelten als terniini secundae intentionis. Vielfach ge-
langle man schlieBlich dazu, den Begriff schlechthin als ein Signum rei zu
bezeichnen (z. B. Occam**) und Feter v. Ailly **))
In und nach der Benaissance war die Nomenklatur völlig zersplittert.
An Iduflgsten wurden die Ausdrücke conceptus und notio*") gebraucht.
Auch die neuere Philosophie nahm zunächst an der tenninologisdien Ab-
grenznng des Begriffs in unserem logischen Sinn kein besonderes Interesse.
Das BedOiinii^ die logische Vorstellung von der psychologischen zu trennen,
machte sich nur selten seilend. Auch Clur. Wolfl ") und seine Nachfolger
brauchen den Terminus iKitio oder auch idea oder conceptus, deutsch
Begriff, fast unterschiedslos sowohl fOr BegriO in unserem Sinn wie fQr die
Vorstellung als Bestandteil der tatsftchlicheu psTchologischen Prozesse.
Btnmgarteu (Acroasis togica, 2. Aufl., UaL Magd. 1773>, S. 17) defliuerte con-
ceptus allgemein als lepiaesentaüo unius in cogitante und wollte den con-
ceptus singnlaris seu individui als idea, den conceptus communis seu eius-
dem in piuribus als notio bezeichnen, fand aber keine Nachfolge. Kant
gebnnchte durchweg die Bezeichnung ,JBegriB", schränkte aber die Be-
dentong, wie S. 48C^ Anm. 10 angegeben, ein. Seitdem ist bei den deutschen
Logikern dies Wort für die Vorstellung im logischen Sinn üblich gebUeben,
wobei man freilich, }e nach dem erkenntnistbeoretischen bzn. metaphysiBchen
Standpunkt, dem Begrifi oft noch weitgehende andere Bedeutungen beilegte
und sein entscheidendes Merkmal, den Normalcbarakter, meistens übersah
(TgL S. 447). Damit stand in Zusammenhang, daB man doch inuoer wieder
auch diese oder jene Klasse nicht-logischer, rein psychologischer Vorstel-
'*) L. c. Tractat. 2, cap, 368. Auch seine Lehre von dem ,4utenUonale"
verdient Beachtung. Vgl. auch loh. Gratiadei, Feriherm. Lect. 2.
*•) Sentent. I, Diät S, Art. ^ 538 A u. I. Bist. 9, Art. 1, 32S A
(nach PranU),
*•) Summa tot. log. I, 12, ed. 1506, fol. 6v und Iv.
") Sunma tot. log., Frooem. I, 1, fol. 1 r, und Quodlib. V, qu. 8.
!^ Siehe z. B. Summa toL log. I, 12, fol. 5r. Vgl. jedoch übe: Occams
Stellung zum Nominalisnms auch S. 8i.
*») Siehe seine Schrilt Conceptus (nach FranU, Bd. 4, S. 108). Vgl.
auch S. 86.
*o) Namentlich Goclenius in seinem Lexicon pfailosophicum graecum
(Mardiioburg. 1615) trug zur Wiedereinführung bei (vgl. z. B. den Artikel irret«,
S.75).
*') Chr. WolH, PhUos. rat. s. Logica, 2. Aufl. 17S2, g M: „Berum in
nienle repraesentatio notio, ab aliis idea appellatur." S. auch G. Fr. Meier,
VennmftlehM^ 2. AufL Halle 1763, § 382, S. 409 C.w« nennen aber eine Et-
kenntniB einen Begrif, in so ferne wir den Gegenstand derselben als Hna
betrachten").
1,1^. OQi
'S'c
468 IV. Teil. Die einzelnen logischen Gebilde und ihre Gesetze.
hmgoi ab BeKriffe bezeichnet«. Der sprachliche Ausdnu^ lOr den Betriff
winde als „terminus" bezeichnet (vsl. z- B. Wollt, 1. c. g 36).
In Frankreich wurde durch die Logik ron Fort-Royal (vgl S. 101)
der Terminus .^d^e" for den Begriff gebr&uchbch *'). In der neueren fran-
zfisiBchen Logik werden die Termini „idie" und „notion" oft ganz in dem-
selben Sinn verwendet **). Daneben scheint in. neuerer Zeit das Wort coneept
vielfach Eingang zu finden (Rabier»*) a a.).
In England haben die Bezeichnungen lange geschwankt. Sdl der
Logik Hamiltons *°) wurden die Termini concept und notion meistens syno-
nym fOr die Begriffe geraucht John Stuart Mill, der die Zwischeorolle,
welche die Vorstellung zwischen Wort (name) und Gegenstand (thing) stnelt,
fast ganz Obersah, kam zu dem Satz, daS names are names of things, not
ol oor ideas, und konnte daher auf einen besonderen Terminus fQr den
Bcgrifi ganz verzichten **). Dank dem groBen EinlluS, den Hills WeA snl
die englische Logik hatte, ist diese Tendenz bis heute wirksam gebUebw-
So tritt z. B. auch in der Tielverbreitelen Logik von Jevons ") der Tenmous
notion gegenflber dem Terminus term, der ungefähr Mills „name" entspricbt,
ganz in den Hintergrund zurück. John Neville Keynes (Studies and exw-
cises in formal logic etc., London 1884, S. 3fl.) unterscheidet term von name:
,^ term is a name regarded as the sut^ect or the predicate of a proposition."
Eine interessante Auseinandersetzung Ober die Zweideutigkeit des Tenmmis
„idea" findet sich bei Bradtey, The principles of logic, London lS8ä, I, 1.
60., & 6H.
Auch in der italienischen Literatur kämpfen die Termini con-
cetto, nozione und idea nüteinasder ^^).
«) La logique ou l'art de penser etc., Amsterdam 1675, S. 47: con-
cevoir = la simple veud que nous avons des <^K>ses qui se presentent i.
notre esprit . . ., id^=la forme par laquelte nous nous represenloos ces
ehoaes.
") Dies ericiart z. B. L. Liar^, Logique, Paris 1884, S. 5, ausdrOcklicb.
'*) Elte Rabier, Lecons de Philosophie, II, Logiqnes 5. Aufl. Paris 1B03,
S. »ff.; G. Noei, Rev. phUosophique, 1891, Bd. 31, S. 463; Mercier, Logique,
I^uvain-Paris 1909, S. 80; R. P. Peitlaube, Theorie des ccncepts etc., PaitslSSS.
»"*) Lectures on logic, Lect 7 (a Aufl. 1866, Bd. 1, S. 119 ff.). Mit
„conception" wird der Akt der Begriffs b 1 1 d u n g bezeichnet (L c. S. 121).
Ober den Unterschied von idea und notion siehe auch Berkeley, Of tbe
princ. of hum. knowl. I, Itö (Zusatz der 3. Aufl.).
**> A System of logic, ratiocinalive and inducUve, 3. Au(L 1S61, S. SS B.
(Book 1, Cb. ^ g 1). An anderer Stelle scheint J. St. MÜl übrigens den
Terminus „concept" fQr die AUgemeinbegri&e (general noüons) zu reservieren
(Tbe examination of Sir W. Hamiltons philosopby, London 1865, S. 346).
In d?r Logik von Wliately (vgl. S. 157) wird ziemlich scharf zwischen tenn
und notion unterschieden; term ist der Wortausdruck für den Begrifi (notion).
^') Vgl. z. B. Elementary lessons in logic: deductive and inducUve,
London 1890, S. 16 ff.
'*) Vgl. z. B. Antonio Rosinini-Serbati, Nuovo saggio suU' origine delle
idee; Vol. 1, Milano 1866, S. 11; ferner Alb. Erren, EUmenü di logica,
Pii^ze 1890; C. Ferrari, Introduzione alla logica, Alesaandiia 1896; V. Val-
dtmini, Elententi sdentifici di psicologia e logica, 4. AufL Torino 1866;
A. Paob, Introduz. alla logica, 2. Aufl. Firenze 1896 (nur z. T. zugänglidi).
i.l^. OQi
,g,c
L Kapitel Die Lehre von den Begiiffen. 469
§ 91. Der Inhalt des Begriffs. Der VorstoUnng im
psychologischen Sinn schreiben wir vier Eigenschaften:
Inhalt, Daner, Gefühlston und Energie zn (vgl.
S. 273 n. 354). Bei der Nonualisiening der Vorstellnng
znin Begriff (zur VorBtellong im logischen Sinn) wird
der Vorstellimgsinh^t znm Begriffsinhalt, und dabei
vollzieht sich eine eigentümliche, im folgenden aoB-
föhrlich darznstellende Uiywandlung mit ihm (logiBche
Umvandlong). Dagegen fallen Dauer and Energie
ganz weg, da diese beiden Eigenschaften, wie in
^ 72 erörtert wurde, durchaus nur an der VorsteUung als
psychologischem ProzeB im Verlauf imsrer Ideenassoziation
haften und für die zeitlos gedachten Normalvorstellungen
nicht in Betracht komnten können. Der Gefühlston — so-
weit er nicht znm Inhalt der Vorstellung gehört (vgl.
8. 356) — geht bei der logischen Umwandlung der Vorstel-
luDg gleichfalls verloren, insofern er bei den aktuellen
(psychologischen) Vorstellungen mannigfachen Schwankun-
gen unterworfen ist. Nur diejenigen Gefühlstöne der Vor-
stellung, welche von allen diesen Schwuikungen unabhängig
sind, können auch auf den zeitlos gedachten Begriff über-
tragen werden. Aber auch unter diesen konstant gedach-
ten, auf den Begriff übertragbaren Gefühlstönen hat für die
Logik, welche die Normalvorstellungen ja ausschließlieh
vom Gesichtspunkt der Bichtigkeit oder Unrichtigkeit
ontersucht, nur ein Paar Interessf*, nämlich der positive
Gefühlston, der die richtige, und der n^ative, der die un-
richtige Normalvorstellung begleitet. Deis gesamte E^n-
schaftsgehiet der Vorstellungen reduziert sich also bei den
Begriffen auf den Inhalt und die von der Richtigkeit
bzw. Unrichtigkeit des Inhalts abhängige un-
veränderlich gedachte und daher im Sinn des ^ 90
allgemeingültig gedachte Gef ühlfibetonung '). Auf
diese beiden Eigenschaften wird sich daher auch die fol-
gende Betrachtung ausschließlich beschränken. Allerdings
wird sich ergeben, daß sich aus diesen beiden Haupteigen-
schaften noch einige andere sekundäre*) ableiten lassen,
*) Eine gewisse Analogie dieser Sätze zu dem sub specie aetemitatis
intetligere und dem amor intellectuali» Dei des Spinoza (Kthice tl, 44,
CoroU. 2 u. V, 29 u. 32 ff.) liegt auf der Hand.
*) Zu diesen sekunderen, aus dem Inhalt abli'ilboren Eigenschaflen
e^Srt auch die Richtiekeit bzw. Unrichtigkeit selbst, die von dem GcfQhlsloti
der Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit scharf unleischieden vretden muQ.
OgIC
470 ^- '^^'^- ^^ einzelnen Icwiachen Gebilde und ihre Gesetze.
Yorläoflg wird von diesen abgesehen. Auch soll in den
nächsten ErÖrtemngen die Q«fühlsbetoQttng der Bicbtigkeit
bzw. Unrichtigkeit noch nnberücksichtigt bleiben nnd nnr
vom Inhalt die Bede sein.
Der BegriflB i n h a 1 1 ist nach dem vorstehenden zn-
näehst nichts anderes als der normalisierte Vorstel-
langsinhalt. Später wird sich zeigen (vgl. S. 496
sowie 486 a. 489), daß sich mjt derNoTmalisiernDg
noch ganz bestimmte Vereinfachungen ver-
binden, and daß wir in dem Terminus ,3«-
grif ffiinhalt" diese Vereinfachungen mit ein-
schließen.
Im Hinblick auf die früheren Erörterungen über den
Gegenstand der Vorstellung und das „Entsprechen"*) zwi-
schen Gegenstand und Vorstellung (§ 59 «. 72) kanu es nnn-
mehr nicht zweifelhaft sein, daß das Entsprechen zwisclieD
Gegenstand und Begriff identisch ist mit dem Entspreeben
zwischen dem Gegenstand und dem Begriffsinhalt. Zd-
gleich leuchtet ein, daß für den Begriff, weil er die konstant
gedachte Vorstellung ist, die Konstanz der Zuordnan?
zwischen dem Inhalt des Begriffs und seinem Gegenstand
wesentlich ist. Dadurch unterscheidet sich der Begriff eben
von der Vorstellung im psychologischen Sinn, bei welcher
diese Konstanz der Zuordnung infolge von Alienationen
sehr oft fehlt (vgl. ^ 8-5 u. 87).
Man muß sich nur hüten, von dem Begriffsinhalt zu
verlangen, daß er vollständig seinem Gegenstand, d. h.
allen Komponenten des Gegenstandes im weitesten Sinne
entspricht. Da, wie oben (S. 46D) erörtert, der einzelne Be-
griff oft in einer Teilbeziehang zu seinem Gegenstand (in
weiterem Sinne) steht, oder — anders axisgedrüekt — da wir
im weiteren Sinn als Gegenstand (Gesamtgegenstand) eines
Begriffes nicht nur das isolierte Pnnda!, sondern die Ge-
samtheit der ihn fundierenden Tatbestände (S. 265) bezeich-
nen, so wird das Entsprechen sehr häufig nnr partiell sein,
d. h. sich auf einzelne Komponenten des Gesamtg^enstan-
des, d. b. auf den Gegenstand im engeren Sinn beschränken.
Nicht weniger gefährlich ist ein andrer Irrtum, näm-
lich die Verwechslnng des Begriffs mit seinem
') Daa prägnante Entsprechen im Sinn des richtigen Entsprechens
kommt hier noch nicht in Frage.
n,<:,tPrjM,G00glc
1. Kapitel. Die Lehre von den Begriflen. 471
Gegenstand. Wir mäseen inmter eingedenk bleiben, daß
der Begriff nnd speziell der Begriflsinbalt dnrcb die Ver-
arbeitong' des Gegenstandes mit Hilfe nnsrer Differenzie-
nrngsfonktionen mstande konunt. Bei der Normalisierong
der Vorstellongen wird die generell allen Vorstellungen an-
haftende »== Komponente in keiner Weise eliminiert.
Ein Zweifel könnte höchstens in dem Fall auftreten,
daß der Gegenstand eines Begriffes selbst eine Vorstellung
T ist nnd eine Verarbeitung des Gegenstandes durch unsere
Denkfunktionen überhaupt nicht erfolgt. Wir haben jedoch
früher gesehen, daß solche Vorstellungen von Vorstellun-
gen überhaupt nicht existieren (S. 264, 400, 441). In dem
angezogenen Fall geht also überhaupt gar nichts vor sich,
die Vorstellung V bleibt bestehen, und es ist unzulässig,
von Gegenstand und Begriff überhaupt zu sprechen. E'r-
folgt überhaupt eine Normalisierung, so erfolgt sie an V
selbst. Tatsächlich kann man auch feststellen, daS in allen
Fällen solcher angeblicher Vorstellungen von Vorstellungen
entweder gar nichts erfolgt ist oder aber doch irgendeine
^Verarbeitung und damit Veränderung der primären Vor-
stellung (des V zu VO stattgefunden hat
Ein dritter, nahe verwandter Irrtum besteht darin, dafi
man den Inhalt eines Begriffs mit der Snnuue der ihn fon-
äierenden Vorstellungen bzw. Begriffe identifiziert. Zns-
besondere bei allen AUgemelnvorst«lInngen ist diese Ver-
wechslung naheliegend und gefährlich. So bin ioh bei-
spielsweise versucht, den Inhalt des Begriffs „Schmetter-
lingsblütler" mit der Summe der Vorstellungen oder Be-
griffe der einzelnen Gattungen, Arten oder vielleicht sogar
Individuen, die zu den Schmetterlingsblütlern gehören und
mir bekannt geworden sind, gleichzusetzen *). Demgegenüber
muß festgehalten werden, daß — ebensowenig wie die All-
gemeinvoratellung in psyehologiscbeni Sinn die Summe der
Zügehörigen Einzelvorstellungen ist (vgl. S. 336) — so aach
der Allgemeinbegriff nicht als eine Summe von subordi-
nierten Vorstellungen aufzufassen ist. Die Verschmelzun-
gen, Vergleichungen, Zerlegungen, Akzentuationen nnd Re-
*) Meistens verbindet sich dieser Irrium mit dem an zweiter Stelle
wnannlen, der Verwechslung des Begriffs mit seinem Gegenstand; der Begriff
■SduMlterlingsblütler" wird dann mit der Summe der Qattnnsen, .^rten usw.
»ibst identifiziert.
n,g,t,7l.dM,GOOglC
472 'V' T^- ^>^ einzelnen logischen Gebilde und Uue Gesetze.
presslonen, welche den psychologischen Prozeß der Bildnng
der AIlgemeiDvoTSteUung begleiten (vgl. 8. 342), verschwin-
den bei der Normalisienmg der AUgemeinvorateüung nicht,
ihre Wirkungen Bind daher auch in dem Allgemeinh^iiJf
enthalten. Die sog. UnbeBtimmtheit, welche infolge aller
jener Vorgänge der Allgemeinvorstellung „Schmetterling»-
blütler" anhaftet, kommt auch dem AUgemeinbegriff
„Schmetterlingsblütler" zn, nnd wir haben kein Becht, die
iSnmme der bestimmten zugehörigen EinzelTorstellungen
dem Allgemeinbegriff zu snbstituieren. Die Begriffe Bohne.
Erbse usf. sind die fundierenden Begriffe („Glieder",
S. 335) für den Allgemeinbegriff Schmetterlingsblütler,
aber in keiner Weise einfache Bestandteile des letzteren im
Sinne von Summanden.
Ehrst recht verfehlt wäre es, wenn ich etwa den Inhalt
des Begriffes so definieren wollte, daß er alle über-
haupt objektiv möglichen Teilbegriffe bzw. Ittdivi-
doalbegriffe — nicht nur die tatsachlich von mir gebildeten
und mir zur Verfügung stehenden — wirklich enthalten
raüfite. Der Begriff „Schmetterlingsblütler" wäre nach di«-
ser Auffassung der Oesamtbegrlff, welcher sich bei einer
auf die vollständige Kenntnis aller überhaupt existierenden
Arten und Individuen fundierten Begriffsbildung ergeben
würde. Eine solche Auffassung des Begriffs ist unhaltbu*-
Man verwechselt dabei den richtigen Begriff mit dem Be-
griff überhaupt. Der richtige Begriff 'soll allerdings in
prägnantem Sinn (vgL-S. 274) seinem Gegenstand ent-
sprechen, und zu einer absoluten Bichtigkeit würde in der
Tat objektive Vollständigkeit, also bei einem Allgemein-
begriff Fundierung auf alle überhaupt objektiv möglichen
untergeordneten Begriffe gehören. Indes ist hier von dem
richtigen Begriff und erst recht von einem solchen idealen
absolut richtigen Begriff noch gar keine Bede. Der mate-
rial falsche und der material unvollkommene Begriff ist
eben auch ein Begriff und ein Gegenstand der Logik. Die
objektive Vollständigkeit gehört also nicht zu den allge-
meinen Merkmalen des Begriffs. Kur im Sinn der S. 330
u. 335 bereits psychologisch erörterten „Offenheit" erstreckt
sich der Normalbegriff potentiell auch auf unbekannte,
mir bis jetzt unzugänglich gewesene Teil- brw, Individnal-
begrifte. Vgl. auch S. 289.
n,5,t,7rjM,G00glc
1. Kapitel. Die Lebre von den Beerifteo. 473
Ibn unterscheide äberiuupt sch&rf die Idealisierung, welche in jedem
BegnB, insofern er normaliaierte Vorstellung ist, liegt, von der Idealisienuuc
eines solchen objektiv vollständigen Begriffes. Beide stimmen darin flberein,
daB sie im psfchologiscben Geschehen niemals vernrii^licht sind; beide
sind aber wesentlich verschieden, insofern bei der ersteren nur eine Forde-
rung au^esldlt wird, die vom Gegenstand der Logik unzertrennlich ist,
nämlich die Forderung einer Vorstellüngfdconstsjiz, ohne welche ein formal
richtiges und daher logisches Denken gar nicht niSglich ist (vgl. § 85&.),
während die letztere zugleich eine materiaie Richtigkeit der Voratellung
nach einer bestimmten Richtung hin (ordert, eine Forderung, die über das
Gebiet der Logik hinausgeht (vgl auch S. +50).
§ 92. Genetische Stntenlelter der Begrriffe; C^nteilnng
nach Grundfnnktionen. Die Begriffe können je nach dem
Einteilnngsprinzip, das man wählt, in sehr verschiedener
Weise eingeteilt oder viehnebr geordnet werden. Wir stel-
len zunächst eine geoeti^whe Einteilnng auf, welche an-
mittelbar au die Einteilung der Vorstellungea (im psycho-
logischen Sinn) anknüpft. Auf Grund einer solchen sind
gemäfi den Erörterungen in ^ 67 ff. zu unterscheiden:
1. primäre integrale ludividualbegriffe
(z. B. der Begriff *) des unvertirbeiteten vollständigen Ge-
fiichtsfelds, das ich im jetzigen Äugenhlick habe, vgl. S. 317);
2. primäre ezzernierte ludividualbegriffe
(z. B. der Begriff ein«r einmaligen momentan in meinem
Gesichtsfeld aufleuchtenden Liehterscheinung, vgl. S. 317);
3. primäre Isolationsbegri f f e (z. B. der Be-
griff des eigenartigen Rots der unter 2 tmgeführten Lieht-
erscheinung, vgl, 8. 318); sie stellen nur eine Weiterbildung
der noter 2 aufgezählten primären eszernierten Individual-
begriffe dar;
4. primäre Komplexionsbegriffe*) (z. B. der
Begriff eines beliebigen von mir eben gehörten Tongemischs
1) Man könnte ernste Zweifel erheben, ob die Bezeichnung „Begriff"
lüi diese ganz unveiarbeiteten primkren integralen Erinnerungsbilder, bei
welchen keine intellektuelle Funktion s. str., sondern nur die Retentions-
fonktioiL wirksam ist, Oberhaupt angemessen bzw. zulässig ist Indessen
lege ich, obwohl es sich in der Tat um einen GrenzfaU handelt, doch Ge-
wicht darauf, die Bezeichnung „Begriff" auch hier festzuhalten, da die
charakicri? tische Ncrmalisierung auch an diesen primären integralen Er- '
iimeningsbildem vollzogen werden kann. Der Grenzcharakter der piim.
intcgr. Individualbegritte soll dabei durchaus anerkannt werden.
») Im Hinblick auf eine in der neueren Psychologie sehr veitreitete
I^ehre (vgl. Leitf. der phys. Psychol. 10. Aufl.. S. 3*7) kann man auch von
»GestaH"-becriffen sprechen.
„.,,„,^.oogic
474 ^- T^- ^^ einzelnea lociscben QdnUe and ihre Gesetze.
oder einer eben von mir ^hörten Tonreihe, vgL S. 32G); die
Komplexion betrifft bald simoltane, bald snkzessive Gegen-
stände; meist verbindet sie sich mit Exkretionen und Iso-
lationen OSyllektionsbegriffe, vgl. S. 321); faBt ein
Komplezionsbegriff irgendwie ähnliebe oder gleiche Indi-
vidnen zusammen, so wird er als Kollektivbegriff
bezeichnet (S. 322);
5. primäre Komparatiousbegriffe (z. B. der
Begriff des Farben- oder des Helligkeitsnnterschieds zweier
aufeinander folgender oder gleichzeitiger lächterscheinoii-
gen, vgl. S. 323); au die Komparationsbegrifl© s. str. (ver-
gleichende Belationsbegrüfe) reihen sich gemäß der Dar-
legung in ^ 68 noch zahlreiche andere Relations- oder
Beziebungsbegriffe an (z. B. der Begriff einer or-
sächlichen Beziehung zwischen zwei aufeinanderfolgenden
Erscheinnngen, vgl. S. 323); alle Komparationsbegriffe sind
entweder median oder polar (vgl. S. 347); durch Ver-
Hchmelzung mit Komparationsbegriflen entstehen, wie dies
S. 324 n. 347 erläutert wurde. Bei atarbegrif f e und
Paare korrelater Begriffe;
6. sekundäre Individualbegriffe oder Kon-
traktionsbegriffe (z. B. der Begriff meiner Lampe,
die .schon oft in meinem Gesichtsfeld aufgetreten ist, oder
einer Pflanze, deren Wachstnm ich in verschiedenen Phasen
beobachtet habe, vgl. 8. 326); fast stet« ist die BUdong der
Kontraktionsbegriffe zugleich mit Exkretionen, Isolationen
and Komplexionen verbunden, wie schon die angeführten
Beispiele zeigen, auch treten sie sehr oft ihrerseits zn
sekundären neuen Komplexionsbegriffen (z. B. eines be-
stimmten Gfurtens, eines bestimmten historischen Ereig-
nisses) zusammen; ebenso entstehen auch sekundäre Kom-
parationsbegriffe, z. B. der Begriff des Helligkeitsanter-
schiedes zwischen Sonne und Mond. Eine besondere Gruppe
innerhalb der Kontraktionsbegriffe bilden die den Ding-
Vorstellungen (vgl. S. 329) entsprechenden Dingbegriffe.
Die den Kontraktionsbegriffon zugrunde liegenden Begriffe
der einzelnen Phasen oder Zustände kann man anch als
Pluxionsbegrif fe bezeichnen (vgl. S. 330).
Ea ist auch liier nieder beacbleoswert, daB des charakteristische Meik-
mal der Kontraktionsbegriffe eegenOber den Komplexionsbegriaen, Dainent-
lich den sukzessiven (S. 474), nicht die Beziehung der Teilvoretdlungen «uf
1. Kapitel. Die Lehre von den Begritlen. 475
ei Den Gesenstand ist — dies Meriunal teilen sie mit den KompleiiBns-
vonleiliingen — ; sondern lediglich die WeBlassung der Teilvoistellunsen der
veiinderlichen MeAnmle. Ein Unterschied gesenOber den Kontraktions-
vorstellunsen (vgl. S. 326 f.) besteht nur insofern, als bei den Kon-
tntlionsbeg ri f f en im Hinblick auf die ihnen als Begriffen zukommende
Konstanz die variabelen Teilvorstellungen nicht mehr oder veniger repri-
miert, sondern entweder ganz weggelassen oder unter ausdrOcklicber Her-
Torfaebung ihrer Variabilität voll aufgenommen «erden. Offenheit und
ümbildbarkeit kommt den Kontraktionsbegriften ganz ebenso wie den
Kontraktion svorslellungen zu (vgl. S. 330).
7. Allsremein- oder Generalbegriffe (z. B. die
Begriffe Lampe, (Jewitter, Symphonie, brann, Farbe, Gleich-
heit, Vater, Merkmal asf., vgl. S. 331 ff.); ihre Bildung
gründet sich bald anf das Vorhandensein gemeineamer
Merkmale oder Teile der im Allgemeinbegriff znaammen-
gefaBten Gegenstande (fnistale Ähnlichkeit), bald aof das Vor-
handensein ähnlicher, nicht weiter zerlegbarer Merkmale (pro-
pinquale Ähnlichkeit, S. 327). Abgesehen von der NormaliBie-
nmg entsprechen sie ganz den Allgemeinvorstellungen. Sie
teilen also mit ihnen anch die S. 335 besprochene Offen-
heit (TransgressiOD) und Ümbildbarkeit. Sie unter-
scheiden sich von ihnen nur wieder dadurch, daß zugunsten
ihrer Eonstanz die nicht gemeinsamen Teilvorstellungen
keinesfalls in unbestimmter Weise „reprimiert" werden
dürfen (vgl. § 97).
Selbstverständlich darf diese Stufenleiter unter keinen lintständen so
aufgt^aBt werden, als ob in einer ersten Periode der seelischen Entwicklung
des Kindes erst alle Begriffe der ersten, in einer zweiten alle Bepiffe der
zweiten Stufe gebildet würden ual. Dies trifft auch für die Vorstellungen
in psychologischem Sinn in keiner Weise zu, und erst recht wäre eine
solche Annahme lOr die entsprechenden Begriffe, deren Bildung an
jeder Stufe jederzeit einsetzen kann, ja bei denen im Hinblick auf ihren
idealen Charakter von einer „Bildung" im gewöhnlichen Sirm gar nicht
gesprochen werden kann, ganz sinnlos. Ferner hat man zu berflcksichtigen,
daB die den angeführten Stufen zugrunde liegenden Prozesse sich in der
mannigfachsten Weise verknüpfen und verschieben können, und daB daher
die mannigfachsten kombinierten Begriffe zustande kommen, wie schon an
einzelnen Beispielen angedeutet worden ist. So kQnnea insbesondere auch
Allgemeinbegriffe sowohl von Isolationsbegriffen wie von Kontraktionsbegrif.
fen wie von Komplesionsbegriffen wie von Komparationshegriffen gebUdet
werden. Nicht nur zeitUch, sondern auch inhaltlich überlagern sich die
Begriffe in der kompUziertesten Weise. Es bandelt sich also keineswegs
um eine „Einteilung", deren Glieder sich gegenseit^ ausschlieBen, sondern
nm eine lediglich auf Grund empirisch ermittelter Entwicklungsbeziehungen
vorfenommene Anordnung und Orienliening in der enormen Mannigfaltig-
keit der Begriffe.
1,1^. OQi
,g,c
476 ^- Teil. Die einzdnen logiscbBR Gebilde und ihre Gesetze. ^
Die psychischen Prozesse, welche bei dieser
stnfenweisen EkitwickluDg in Betracht kommen, sind, wie die
Er&rtemngen in ^ 68 u. 69 ergaben, folgende:
1. Exkretion und Isolation, die auch als Abstraktion
zosammengefaBt werden können (vgl. S. 318 n. 344), nnd zu
denen auch Akzentuation und Eepression gehören, 2. Kwii-
plexion, 3. Komparation bzw. Belativation (vgl. S. 324),
4. Kontraktion, 5. Generalieation.
Femer hat sich gezeigt, dafi diese Prozesse sich zum
Teil noch weiter zerlegen lassen und nur drei Grundbegriffe
— entsprechend den drei Differenzierungsfunktionen (vgl.
§70) — zu unterscheiden sind: Analyse, Synthese
nud Komparation. Was so von den psychologischen
Prozessen und ihren Produkten gilt, gilt ganz ebenso auch
von den logischen: Die drei Differenzierangsfunktionen sind
zugleich auch die logischen Grundfunktionen, Be^
züglich des inversen Charakters der Analyse und Synthese
kann auf die Darlegung S. 321 u. 346 zurückverwiesen werden.
Da sich die soeben oben aufgezählten Begriffsgruppen
allenthalben überlagern und für die Logik scharfe kontra-
diktorische Unterscheidungen unerläßlich sind, so empfiehlt
es sich, an Stelle dieser sieben Gruppen im logischen Ge-
brauch vier Gruppenpaare zu unterscheiden, die so aos-
gewählt sind, daß die beiden Gruppen eines Paares sich
gegenseitig ansschlieQen und jedes Gruppenpaar die Gesamt-
heit aller Begriffe umfaßt. An Stelle der schwankenden
Gknese im zeitlichen Sinn wird damit die genetische Be-
ziehung zu den Grandfunktionen, der begriffliche „Charak-
ter" als Einteilungsprinzip verwendet. So ergeben sich
folgende Paare:
I. Isolate und komplexe Begriffe (Isolations-
und Komplexionsbegriffe),
n. Inkomparate und komparate Bogriffe
(letztere auch als Komparations- oder Relations-
begrifle bezeichnet),
lU. Distrakte (primäre) und kontrakte (sekun-
däre) Begriffe*) (Fluxions- und Kontraktions'
begriffe),
") Ich verwende den Ausdruck ,>ontrakte Becriff^" neben „Eontnk-
tionabeBtiCfe" usf., Keil die adieUivische Fonn sprachlich oft viel beQUoner
Ist. Vgl. S. 326. — Den Tenninus „distrakte", d, h. nicht-kontrahierte
1. Kapitel Ke Lehre von den BecrifteD. 477
rV. Individuelle and generelle Begriffe
(Einzel- mid Allgemeinlwfin^e).
Es handelt sich hier also um 4 Einteilungen, die nebeneinander
herlaufen. Die Beziehung dieser Gruppen zu denjenigen, die oben (S. 473)
mi Grand der psFcholtfiischen EntwicUuns unterschieden wurden, bedarf
keiner weiteren Erläuterung. Es sei niv bemeiM, daB als distiakt ietzt
alle diejenigen Begriffe zusammengefaSt werden, bei deren KIdung die froher
definierten Kontraktionsprozesse nicht beteiligt sind*). Ein distiakter
Begriff liegt also vor erstens, wenn ein zugehöriger KontraktionsbegriS
bbertianpt nicht gebildet worden ist, und zweitens, wenn ein zugebSriger
KontnkÜonsbexriS zwar gebildet worden ist, aber ausdrücklich außer Be-
tracht bleibt (wie z. B. im B^iifi eines 'vorübergehenden Zustandes, einer
Hiase eines Dings). BezQgUch der isolierten (isolaten) und kom-
plexen Begriffe muQ hervorgehoben werden, daB sowohl Isolation wie
Koduilexion in verschiedenen Graden auftreten. Unter isolierten Be-
griflen sollen nicht etwa nur die maximal isolierten, d. h. bb auf die
letzten (ultimalen, S. 319) Teilbegriffe reduzierten Begriffe verstanden
«erden, sondern alle Begriffe, die Teilbegrifle einea zusammengesetzteren-
sind. Inkomparat oder irrelat sollen diejenigen Begriße") heißen,
bei deren Bildung Vergleichungsprozesse (RelaÜTationsprozesse, vgl. S. d2i)
mit anfieitialb des Begriffs gelegenen Gegenständen nicht beteiügt sind*).
Die dritte und die vierte Gruppe — disfiakte und kontraite sowie indivi-
duelle and generelie Begriffe — entsprechen, wie die früheren Auseinander-
seliongen ergeben, nicht einer einheitlichen Grundlfunktion, da bei der
Kontraktion und der Generalisation alle drei Grandfunktionen zusammen-
wiAen (vgl- % 7{F). Nur wegen ihrer enormen praktischen und theoretischen
Bedeutung for da^t logische Denken empfiehlt es sich, sie neben den zwei
ersten Gruppen ausdrücklich als dritte und vierte Gruppe aufzuzählen.
Vielfach ist die Neigung aufgetreten, Individualbegrif f e übeihaupl
zu leugnen (vgl. S. 468, Aimi. S) oder ihr Gebiet sehr einzuengen. So will
Sigwart') einen Individualb^ritf nur dann gelten lassen, wenn durch seine
Merkmale „schon die Einzigkeit eines ihm entsprechenden Objekts gegeben
ist"; und führt als Beispiel den Mittelpunkt der Welt an. Ich glaube, daB
TCB jedem individuellen Ding auch ein Individualbegriff existiert; dabei
kann die Sigwartsche Bedingung sogar festgehalten werden: die rAunüich-
Begrifie füge ich hinzu, neil Fluxionsbegriffe streng genommen (vgU S. 330
K. 474) nur diejenigen distrakten Begriffe sind, welche zur Bildung von
Koniraktionsbegriflen schon Anlaß gegeben haben. Nur virtuell decken sich
die distrakten Begriffe mit den Fluzionsbegriffen.
*) Die Psrchologie hat im Gegensatz zur Logik kein so erhebliches
Interesse, einen besonderen Tenmnus für die der Kontraktionsstufe voraus-
Rchenden distrakten Vorstellungen einzuführen. — Es sei übrigens nochmals
•usdrficklich daran erinnert, daß auch distrakte Votslellungen bzw. BegriBe
weiterhin generalisiert werden können.
°) Auch an der terminologiscben Abgrenzung dieser Kategorie hatte die
Psrchologie kein dringendes Interesse.
') Die Begründung für diese etwas umstAndliche Definition ergibt sich
aus den Bemerkungen S. 325.
') Logik, 2. Aufl. Freiburs 1868, Bd. 1, S. 351.
n,5,t,7rjM,G00glc
478 IV. Teil. Die einzelnen logischen Gebilde und ihre GeseU«.
zeUlicbe BesUmmlheit ist das Meiianal, durch «etches die Einzigkeit des
Objelits Begeben ist
Die den EombinationsTorateUungen (produktiven Vorstellungen) ent-
sprechenden Kombinationsbeeriff e — Phan taslebegritfe
und Spekul&lionsbegriffe (S. 348) — weichen nur in ibrei psycho-
loBiscben Entstehuns und in ihr«r eikenntnistheoretiscbMi Bedeutung von
den Komplezionsbegriffen ab; logisch fallen sie ganz mit den letzteien
zusammen und sollen daher auch mit ihnen zusanunengelaSt werden. Sia
sind also zu den komplexen Begriffen bzw., wenn sie kontrahiert oder gene-
ralisiert sind, zu den komplexen kontrakten oder komplexen generellen B«-
griffen zu rechnen.
Die Geschichte der Terminologie der einzelnen fi^rifi^assen kami
an dieser Stelle nicht dargestellt werden. In dem historischen Teil
(§ ö— ^} ^d überdies manche der in Betracht kommenden Termini schon
angeführt worden, einschlie Blich derjenigen des Altertums und Mittelalteis.
Hier sind nur noch wenige Bemerkungen erforderlich. Für die Individual-
begriffe (individuelle Begrilfe) einerseits und die AUgemeinbegrifle andrer-
seits haben sich bis heute feste einheitliche Beziehungeu nicht eingebOrgen.
Die ludividualbegriffe werden meistens als conceplus singulares bezeichnet^
(deutsch: EinzelbegriBe). Diese Bezeichnung ist mcher unzweckmäßig; denn
die Einzahl, auf welche der Terminus hinweist, ist für den individuellen
Charakter nicht entscheidend"). Es ein{>flehlt sich daher dringend, audL im
Lateinischen nur den Terminus „conceptus individualis" zu gebrauchen. Für
die Allgemeinbegriffe stehen aus der logischen Literatur vier Termini zw
Verfügung : conceptus universales, conceptus abetiacU, conceptus geneialet
(oder generici, MaaS u. a.) und conceptus communes ■). Der letzte scheidet
wegen seiner sehr bedenklichen Mißverstindlichkeit völlig aus. Von dem
Terminus „abstrakt" wurde S. 361 gezeigt, daß er zwar für jeden Geneiali-
sationsprozeB, aber nicht nur fOr Generalisationsprozesse gilt; er ist also
gleichfalls unbrauchbar. Der Tenninus „universalis" wüxde aus liistorischen
Gründen in erster Linie in Betracht kommen; er ist jedoch deshalb nicht
ganz geeignet, weil wir in der Urteilslehre hericönunlicherweise durch den
Terminus „universell" ausdrücken, dafi ein Urteil von allen Gliedern einer
Gattung gibt, also den Nachdruck nicht auf die „Gattung", sondern auf
„alle" legen. Bei dieser Sachlage scheint mir der Terminus „generalis" am
zweckmäBigsten zu sein. Er scheint mir auch dem französischen und eng-
lischen Sprachgebrauch sich besser anzupassen. Je nachdem der Allgemeis-
begrifi (Generalbegritf, genereller Begriff) ein Art- oder Gattungsbegrifi ist,
könnte man dann noch zwischen Speziesbegriflen (conceptus apeciei) nnd
GatlunssbegriRen (conceptus generis s. generici) unterscheiden. i|
§ 93. Einfache und zassmmeiiKesetzte Begriffe. Zer<
iegang Aer Begriffe In Teilbegriffe. Definition. Durch Syn-
these entstehen im allgemeinen znsammengesetzte,
") Vorgreifend sei an die partikularen oder „besonderen" Urteile er-
innert, welche sehr wohl zugleich individuell sein köimen (nach dem Wort-
laut ihrer tlblichen Definition!).
•) Vgl. z. B. W, Fr. Krug. Syst. d. Iheoret. Philos., 3. Aufl. Künigsbei«
lB2b. S. 8g.
h. I ■. ii,l^.OOQIC
1. Kapitel. Die L^ra von den BegriS^a 479
zerlegbar« Vorstellungen und dementsprechend auch zu-
sammengesetzte Begriffe (vgl. anch S. 346 ff.) ^). Sehr
bsoflg ist jedoch die Synthese, wie in § 67 ff. n. § 92 er-
läutert worden iet, mit Aibstraktionen verbunden. Die drei
Hauptformen einer solchen mit Abstraktionen verbundenen
Synthese sind die Syllektion (S. 321 a. 474), die Kontraktion
(S. 326 n. 474) und die Generalisation (S. 331 u. 475). Andrer-
seits hatte sich ergeben, daS den Abstraktionen allenthalben
eine Grenze gezogen ist, inäofem wir schliefilich auf ultimale
Isolationsvorstellungen bzw. Isolationabegriffe stoßen, an
welchen wir weitere Abstraktionen nicht vornehmen
könoen. Diese oltimalen Isolationsvorstellungen bzw.
Isolationsbegriffe werden, da die Unmöglichkeit weiterer
Abstraktionen anf ihrer TJnzerlegbarkeit bemhf, auch alt.
einfache Vorstellungen bzw. einfache Begriffe be-
zeichnet.
Dieser Sachverhall «ird dadurch etwas verwickeil, daB die Zusammeu-
fassuBg [Synthese] bei der Syllektion einerseits und bei der Kontraktion und
Generalisation andreraeit» in einem wesentlich verschiedenen Verhältnis zu
den begleitenden Abstraktionen steht oder wenisatens stehen kann. Bei der
KldnnK von STllektionsbegrifteo beträten die Abstraktionen (Weglaasunsen
bzw. Repressionen] dasieaiee, was in den Komptexionshesriff Dberhaupt
nichl anigeooinmen, bzw. reprimiert wird, z. B. bei dem Besriff eines be-
stimmten, von mir gesehenen Schlosses den Hintergrund, au( dem es er-
schanl, bei dem BegriS einer bestimmten, von mir gehörten Melodie') die
Intenatftt (Lautbeit), in der sie erklingt. Anders sehr oft bei der Kontraktion
und bei der Generalisation, wenn es sich um propinqiial oder
kognat ähnliche Merkmale handelt Hier sind die Abstrak-
tionen, wie S. 339 auseinandergesetzt wurde, sehr oft Dicht diminuierend,
sondern indeterminierend. Sie betreuen, wenn man es etwas paradox aus-
drOckes will, sehr oft gerade die in den Begriff aufgenommenen Merkmale,
insofern sie weder weggelassen noch reprimiert, sondern unbestimmt and
daher — bei der Generalisation — allgemein gedacht werden *). So wird
z. B. in der Kontraktionsvorstellung des Mondes von den verschiedenen
Farmen seiner sichtbaren Scheibe abstrahiert, aber dabei wird riicht etwa
») Wolffs Notio compleia (Logica 2. Aufl. 1732, S. 166, § 106) und
Baumgartens Conceptus combinatus s. compositus (Acroasis logica, ed.
Töllner, 2. Aufl. Hai. Magd. 1773, § 71 ff., S. 22) haben eine etwas andere
Bedeutung.
») Zum Begriff eines eben gehörten Lieds gehört die Lautheit hinzu.
nicht aber zum Begrifi der Melodie dieses Lieds.
*) Man kanif geradezu sagen, daB dies „Unbestimmtdenken" eine ge-
meinsame Wurzel des Kontrakttons- und des Generalisationsprozesses dar-
steltL Die Psychologie weist flhrigens nach, daß doch auch bei der Syllek-
tion hin und ivieder indeterminierende AbstrakUonen im Sinn von Ver-
schmelzungen vorkommen.
„.,,„, ^.oogic
480 ^- ^^- ^^ einzelnen logischen Gebilde und ihre Gesetze.
die Form völlig wcHedacht «ie oben bei dem Begriff dea Schlosaes dei
HinterKTuntl. Die Pomi als Wechselmerkmal (S. 390) wird mitgedacht im
Sinn eines allgemeinen Merkmals und aur ihre bestimn^ AusfflUunf
ioDerfaalb einer gewissen Breite offen gelaseen. Gbeuao verhftlt es sieb z. B.
mit <)er Allgemeinvorstellung Böse. Hier wird von deu wechselnden be-
atinunten Farben absinhiert, aber dabei doch das aUgesneine Merkmal Farbe
lestgehalten, nur die bestimmte AusfflUung ;rot, wetB usfO wird auaseschalteL
Die Zusammenfassung wirkt also bald vereinfachend, bald zusanunen-
selzend, d h. bald vermindert sie, bald vermehrt sie die Zahl der Merkmale.
Bei der Syllektion herrscht die Vemündenmg im allgemeinen vor: Dw dunh
SyllektioD entstandene Komplexion!4>egriff hat weniger Merkmale als sein«
Grundbegriffe zusammen. Bei der Kontraktion und bei der Generalisatien
kommt durch Überwiegen diminuierender Abstraktionen gleichfalls oft eine
Vereinfachung insofern zustande, als durch diminuierende Abstraktion ICeik-
raale der zugrunde hegenden Begriffe ausgeschaltet werden; handelt es sich
jedoch um propinqual oder kognat ähnliche Merkmale der Grundbegrifie, so
kann statt der diminuierende n Abstraktion die indetenniniereode erfolgen,
und alsdann ist der resultierende Kontraktionsbegriff nicht merkmalErmer,
sondern ebenso merkmalrcich wie sein einzelner ( I) Grundbegriff.
Hieraus ergibt sich aucb, daB synthetische Entstehung und Einlachhett
sich dun^baus miteinander vertragen •). Besonders scharf zeigt sich dies bei
der Eontraktion und Generalisation einfacher propinqual oder kognal
ähnlicher Begriffe (vgl. S. 327). So ist z. B. der AUgemeinbegriO (imd
ebenso auch die Allgemeinvorstellung) .rot" einfach, obwohl er durch Zu-
sammenfassung von beispielsweise fünf verschiedenen Rots entstanden ist-
IJie Erklärung Hegt in dem indeterminierenden Charakter, den die Abstiak-
lion haben kann. Dank diesem Charakter kann einerseits die Abstraktion
auch an Einfachem vollzogen werden und kann andrerseits die Zusamroen-
Fassung bei der GeneraUsation und bei der Eontraktion einfacher Begrifle
wiederum zu einfachen Begriffen führen. Die reine Komplexion eio-
facher Begriffe kann selbstverständlich stets nur zu -einem zusammen-
gesetzlen Begriff führen ^).
Die mit diesen Tatsachen zusammenhängende Hypothese, daS Schar-
lachrot trotz seiner scheinbaren Einfachheit in 2 Komponenten Rotheit und
Scharlachcharakler des Bot und in analoger Webe Rot selbst in Farl>itf eit
und Rotcharakter der Farbigkeit zu zerlegen sei, kommt fQr die Logik niehl
in Betracht. (Iber die psychologische Bedeutung vgl. S. 827, .Anm. 10.
Die Normalisierung einfacher VorBtellimg«ii zu ein-
lachen Begriffen verfügt üher keinerlei Hilfsmittel außer
dem immer wiederholten Vergleich mit den fundierenden
Vorstellungen, aus denen sie isoliert sind. Nur auf beson-
deren Umwegen — z. B. durch sog. kausale Definitionen (vgl-
^ 105) — sind wir im Stande, die für die Normalisierung
charakteristigche Konstanz aucli bei einfachen Begritfea
*) Vgl. die -Auseinandersetzung Ober die doppelte Bedeutung des Ter-
minus „Zusammtngesetztheif S. 346.
') Die S. 479 Arno. S angeführte Ausnahme gilt auch hier. Man denke
z. B. an ein Mischrot. Mischrot, Durchschnittsrot und Rot als Allgemein-
vorstcllung bilden eine eigenartige Stufenleiter.
OgIC
^ 1. Kapitel. Die Lehre von den Begriffen. 481
tlieoretisch herzustellen. Bei der Normalisierung zu-
sammengesetzter Vorstellungen hingegen bietet sich
für die Logik eine Methode dar, durch welche die Normali-
sierung wenigstens im Prinzip auf diejenige einfacher Vor-
stellungen zurückgeführt wird. Diese Methode besteht in
der Zerlegung der zusammengesetzten Vorstellungen in ihre
Teilvorstellungen, und zwar, wenn möglich, in die ultimalen,
alog einfachen Teilvorstellungen in dem S. 319 ff. festgesetzten
Sinn. Dabei sei nochmals daran erinnert, daß die Termini
„Teilvorstellung" und „Merkmalvorstellang" im wesent-
lichen für uns gleichbedeutend sind (S. 320), und daß die
Teilvorstellungen streng von den fundierenden Vorstellungen,
insbesondere also im Bereich der Kontraktions- und Ä11-
gemeinTorstellungen von den fundierenden „Gliedern", d. h.
den zugehörigen Fluxions- bzw. Individualvorstellungen
(S. 330 n. 335) unterschieden werden müssen.
Was die Zerlegung selbst betrifft, so ist nach den Aus-
führungen des ^ 91 klar, daß sie sich nur auf den Begritfä-
inhalt bezieht (S. 469). Von der je nach Richtigkeit oder
Unrichtigkeit eintretenden Geföhlsbetonung des BegrifFes
wird dabei ganz abgesehen (S. 470)"). In der Tat ist der
BegriSsinhalt die einzige Eigenschaft des Begriffs, welch»
jedem Begriff als solchem, d. h. auch ohne Bücksicht auf
seine Beziehung zu anderen Begriffen oder anderen Gegen-
ständen zukommt. "EJa handelt eich also um die Zerlegung
des Begriffsinhalte in TeUinhalte '). Die Zerlegung selbst
wird mit Hilfe unsrer analytischen Funktion vollzogen (vgl.
S. 318 f). Wir sind vermöge der letzteren imstande, in einer
zu8anuneng«setzten Vorstellung die aas den fundierenden
Vorstellungen in sie übergegangenen und daher in ihr ent-
haltenen Teilvorstellungen wieder aufzufinden') und durch
Wiedervei^genwärtigung der Bildung der Vorstellung uns
der im Sinn nnsrer Differenziemngsfnnktionen hinzugedach-
ten Akte (Repressionen, Komplexionen, Komparationen usf.)
bewnfit'zu werden.
') Im folgenden *ird diese Reservation nicht immer wieder ausdrück-
lich erwähnt werden.
1) Die sehr enge Bedeutung, welche Stumpf (Ober den psycho!. Dr-
-Sprung der Raumvorst., Lpi. 1873, S. 109) dem Tenninus „Teilinhalf ge-
geben hat, kann ich nicht i^eptieren. Vgl. 5. 319, Anm, 7.
•) Vil. auch die Bemeitungen S. K6 Ober „Bedeutung".
KiehsD, Lehrbuch dei Logik. 31
482 ^- '^^'^- ^^ eiozeluen logischen Gebilde und ihre Gesrtie.
Die Aueführung der Zerlegnng im Dienst der Normali-
sierung stößt auf zureiche Schwierigkeiten. Vor allem iet
zn bedenken, daß jede, zusammengesetzte Voretellnng mehr
und etwas anderes ist als die Summ« ihrer TeilvorstellangeD,
insofern für ihren Inhalt auch die Beziehungen der T«il-
vorstellnngen untereinander von wesentlicher Bedentrm«
sind. Man denke im einfachsten Fall etwa an die ränmliche
Lage der einzelnen Farbenfelder einer Fahne! Was soll nun
bei der Zerlegung aus diesen Beziehungen werden? Sollen
sie etwa ganz weggelassen werdenl Sicherlich nicht. In
welcher Form sollen sie dann aber Aufnahme flndenl Dazu
kommt weiter,' daß die durch die psychologische Analyse
ermittelten Teilvorstellongen meistens sehr schwankend nad
unbeetinmit sind, so daß sie sich zar Charaktensiemng der
Normalvorstellungen, d. h. eben der Begriffe ganz und gar
nicht eignen. Sie müssen daher bei der normalisierenden
Zerlegtmg durch bestimmte, konstante „Teilbegriffe" er-
setzt werden. Insbesondere müssen also selbstverstsodUcb
bei dieser unumgänglichen Ic^ischen Umwandlung alle nur
reprimierten Teilvorstellungen ganz wegfallen oder voll auf'
genommen werden. Für die IjOgik gibt es nur das Dilemma:
entweder Aufnahme oder Ausschaltung.
Im einzehien gestalien sich dies« Schwierigkeiten in den verschiedenen
Klassen der BegriHe sehr verschieden und soUen daher, um das Problem der
logischen Umwandlung der Teilvorstellungen in Teilbegriffe klar zu fonnu-
IJeren, kurz Klasse fOr Klasse dargelegt werden.
Bei den primären integralen Individualbegriflen kommt, dia sie oocb
ganz unberOhrt von der Tätigkeit der intellektuellen Funktionen sind (vgl.
auch S. i7&, Aam. 1), also auch noch keine Zusammenfassung involvieren.
eine Zerlegung strenggenommen nur im Sinn der Eikreüon (vgl. S. S18) in
Betracht. Hier deckt sich der Gesamtinhalt in der Tat noch fast ganz mit
der Summe der Teilinhalte, die Gesamtvorsteüung mit der Summe der TeiL
vorstellungeiL
Je mehr sich Isolationen und KompleiiioneQ an der Begritfabildunt be-
teiligen, um so unbestimmter und schwankender werden die Teilvoistellus-
gen. Die Isolationen sind, wie IiOher (S. 319) erörtert wurde, gradweise ver-
schieden; dasjenige, was bei der Isolation reprimiert wird, wird nicht immer
vollständig weggelassen, sondern eben nur zurückgedr&ngt. Ebenso ist der
Grad, in dem die einzelnen Teilvorslellungen in der Komplexvorstellunr
aufgehen, und demgem&fl ihre nachträgliche Wiederisolterbarkeit sehr ver-
»!chieden. Es ist also schon hier schlechterdiruis unmöglich, das Gebiet der
Teilvorstellungen überhaupt noch bestimmt abzugrenzen.,
Mit dem Hinzutreten von Eontnüctionsprozessen ergeben sich neue
Komplikalionen. Sind hier nur die Gesamtvorstellungen der einzelne»
Fluxionen (S. SW) als Teilvorslellmigen zu betiachten oder auch aUe Teil-
1,1^. OQi
,g,c
1. Kipitel. Die Lebre vod den Besriffen. 483
voistellaagen der einzeloea Fluxioneo? Ergibt sich dabei nichl ein fast un-
endlieber Regreß?
Noch schwieriger sestaltet sieb die Frage der TeilTorstellungen bei der
Normalisierung der Allgemein vors leiluagen (GeDeralTorslellunKen). Soll man
z. E bei einer generalisierten KontraktionsvorstflluDg nur die fuDdierenden
aekundiren IndtvidualvorstelluDgcn (Kanlraktionsvorsleilungea) In Betracht
ziehen oder auch alle Tundieienden FluxionsTorsIelluDgen der letzteren und
Tielleicht sogar alle Teil Vorstellungen, die diesen zukommen? Oder soll maD
sieh bei der Kormalisierung auf diejeniKen TeilvorBtellungen beschränken,
die allen zugrunde liegenden Konlraklions- bzw. FIuxionsvoisLellungen ge-
neitjsam sind? Und nie wäreo. nenn man sich auf den letzten Standpunkt
stellt, die^e gemeinsamen Teilvorsteilungen auszuwählen und zu besUmmea,
<ia ihre Repression gradweise verschieden ist? Wie können hier und bei
iea aoderen BegiifTsk lassen auch die gegenseitigen Beziehtiogea der Teil-
voistellungen bei der Zerlegung zum Ausdruck gebracht werden?
Alle diese Fragen, welche darch HinzDziehung der Itel&-
tionsTorstelliiQgeD DOch erbeblich vermehrt werden könnten,
bedürfen vom psychologischen Standpunkt ans keiner
scharfen Antwort. Die absolute Unbestimnitheit der Teil-
vorstellnngen, wie sie uns namentlich hei den komplexen,
kontrakten und generellen Vorstellungen begegnet, ist ge-
radezu eine charakteristische und, wie sich leicht zeigen
läilt, JD vielen Beziehungen zweckmäßige Eigenschaft der
Vorstellungen, die in unserem tatsächlichen Denken auf'
treten. Vom logischen Standpunkt ist hingegen im Hin-
blick auf die Normalisierang der Vorstellungen die Zu-
lassnng solcher anbestimmter, schwankender, mehr oder
weniger reprimierter Teilvorstellungen ganz ausgeschlossen.
Die Logik ist gezwangen, den Begriffsinhalt in bestimmter
und konstanter Weise in Teilinhalte, den Gesamtbegritf in
Teübegritfe zu zerlegen. Sie kann die Normalisierung der
ihr von der Psychologie übergebenen Vorstellangeo zu Be-
griffen nur dann durchführen, wenn sie die Inhalte der Be-
griffe durch bestimmte Zerlegungen fixiert. Diese fixieren-
den bestimmten Zerlegungen sied die Definitionen. Sie
sind einerseits die Werkzeuge und andrerseits zugleich die
Ergebnisse der Normalisierang. Die Definition ist
also die inhaltliche Zerlegung eines Begriffes
in Teil begriff e. Sie fixiert die Beziehung eines Be-
griffes zu denjenigen Begriffen, die in ihm irgendwie ent-
halten sind. Mit der Beschreibung, Erklärung dnroh Bei-
spiele asf. hat sie den Zweck gemein, die Teilinhalte deut-
licher zu machen. Sie unterscheidet sich aber von der Be-
schreibung, Erklärung usf. dadurch wesentlich, daß sie im
1,1^. OQi
,g,c
484 1^- '^'^- I^ einzelnen lo^sehen Gebilde und ihre Gesetze.
Dienst der Normalisierong der Vorstellungen steht und
daher das konstante Festhalten eines Be^rriffes im logiecheit
Sinn gegenüber den Schwankang>en der Voistellongen im
psychologischen Sinn zu fördern bezweckt. Für die logische
Verwertung zneammengesetzter und, wie sich weiterhin noch
ergeben wird, auch einfacher, vorläufig UDdeSnierbar er-
scheinender Begriffe, z. B. ihre Vergkichnng, Untersehei'
dang usf., ist sie deshalb unentbehrlich.
§ 94. Dos definitorlscfae Verfahren in den eioielaen
BegritTsklaasen. a) Deflnitioo primfirer komplexer Indl»
▼idnalbegriffe. Die yoraoBgehenden Erörterungen haben
gezeigt, daß die Ix)gik mit einer psychologischen Zergliede-
mng der Begriffe nicht auskommt, sondern gezwungen ist,
das definitorische Verfahren einzuschlagen. Das Weseoi'
liehe dieses Verfahrens ist die Zerlegung eines Begriffes in
Teilbegriffe, d. h. konstante (normalisierte) Teilvorstel-
Inngen.
Man hat zuweilen von den Teilvorslclluneen auch verlangt, daß sie
„allaeitiic unterschieden" seien*). Diese aJlseitige Unterschiedenhnf deckt
sich mit der Eigenschaft der Nonnalvoratellungen, die S. 434 als eiodeatig«
Bestimmtheit beeeichoet wufde. Sie ist in der Eigenschaft der Konstani
schon enthalten, insofern Konstanz ohne eindeutige Bestimmtheit nidil
denkbar ist.
Im tollenden wird das defmito tische Verfahren nach den einzelnen
Klassen gesondert besprochen. Dabei soll zunächst von den Ultimaten Jso-
lationshegriUen, deren Inhalt wegen ihrer Einfachheit unzerlegbar ist (vgl
S. 319 u. 479 f.) und sich daher einer zerlegenden Definition entzieht, ab-
ei'sehen werden und die Untersuchung auf solche Begriffe beschränkt wei-
den, welche in irgendeinem Grade zusammengesetzt sind ■). Vgl. jedoch
auch § 97.
u) Definition primärer komplexer I ndividual'
begriffe.
Die logische Definiüon einee primären komplexen Indi-
vidualbegriffs besteht in der vollständigen Aufzählung aller
irrednziblen Teilbegriffe desselben. Diese Teilhegriffe
decken sich hier noch ganz mit den Teilvorstellungen in
psychologischem Sinn. Ein Unterschied gegenüber der
psychologischen Beschreibung besteht nur insofern, als nur
'■) Diesen Ausdruck gebraucht Sigwart, Logik, 2. Aufl. Freibur; 1889.
S. 325. Vgl. auch S. 111 Aber die Leibnizsche DisünIctheiU
>) Die Undefinierbaikeit des Einfachen scheint Antisthenes zuerst ge-
lehri zu haben, s. Aristoteles, At. Ausg. 10*3 b u. Plato, Theaetet 201 E.
1,1^.001^10
1. Kapitel. Die Ldire von den Begrilleii- 485
die irredaziblen Teilvoretellangen, diese aber sämtlich,
snge^ben werden. Irreduzibel sind solche Teilvoratellan-
gen*), die nicht irgendwie ineinander enthalten Bind (wie
etwa „nmd" in .Jireisförmig"). Eine Definition soll also
keine öberflüssigen Teilvorätellungen aufnehmen. Prin-
zipiell kann man auch die Forderung aufstellen, daß alle
Teilbegriffe ultimal sein sollen (vgl. S. 319 o. 477) *). Es wird
sich jedoch bald ergeben, daß dies Prinzip praktisch sehr oft
nicht durchführbar ist und seine strenge Durchfühmng anch
oft nicht zweckmäßig ist. um MiBverständnisse zu verhüten,
sei ausdrücklich bemerkt, daS zn den nltimalen Teilvorsteh
lungen der primären Individualbegritfe selbstverständlich
auch die Teilvorstellungen der räumlichen und zeitlichen
Lagebestimmimg, der sog. Individualkoefflzienten (vgl. S. 369)
gehören.
Bezeichnet man die psychologischen Teilvorstellungen
einer primären komplexen Individualvorstellung V, die ans
den simultanen oder sukzeBsiven Empfindungen E. , Eb , Gc>
Ed... hervorgegangen ist, mit Va, Vb, Vc, Vdf •> so kann
man die bloße Gleichzeitigkeit oder Sukzession der letzteren
symbolisch etwa durch «ine senkrechte Klanuner, also das
fVd
ausdrücken. Die zugehörige primäre komplexe Individual-
vorstellong V soll dann wie früher durch eine wagrechte
Klammer, also durch das Symbol V, Vb Ve Vd - . . oder kürzer
a b c d . . . wiedergegeben werden (vgl. S. 320). Für den zu-
gehörigen primären komplexen Individualbegr if f K emp-
fiehlt es sich, nur das letztere Symbol abcd... zn verwen-
den'). Das Eintreten der Horizontalklammer an Stelle der
)) Leibniz nennt solche Uerkmale „trresolubiles" (Gerh, Ausg. Bd. i,
S. 428).
*) Plato braucht für diese im Hinblick auf den Vergleich mit der
Sprache auch die Bezeichnung vmxtta (Theaelet 207). — Man hOte sich
dnor, diese uHimalen Teilvoratellungen mit den Pnnzipialgegenal&nden
!S. 367) zu verwechseln.
>) DemgemäB nird nunmehr weiterhin für die komplexe Vorstellung io
ir noch das ausführlichere Symbol V»VbVc Vd.. '.
nmensesetzte Begriffe (im logischen Sinn)
OgIC
486 IV. Teil. Dieeinztilaen loBischen Gebilde und ihre Gesetze.
Vertikalklammer würde also bedeateii, daß an Stelle der
bloßen Gleichzeitigkeit bzw. SukzeBsion (Kants Synopsis, vgl.
S. 321, Anm. 11) eine Komplexion getreten ist; Weglassen von
R mag andeuten, daß rediizible Tel] Vorstellungen veggeblie-
ben sind; a, b, d, ... würden also die den Teilvoratellungen
V^n Vb, Vc . . . entsprechenden irrednziblen Teilbegriffe
sein. Der Terminus „Teilbegriff" wird hier wiederum in dem
S. 320 festgesetzten weiteren Sinn gebraucht, so daß er mit
dem Terminus „MerkiualbegrifT" im wesentlichen identisch
ist. Der letztere hebt nur die charakterisierende Bedentong
nachdrücklicher hervor (vpl. S. 319, Änm. 7),
Selbstvers ländlich ist jeder TeilbegriJf in der Definition
nicht nur seinem Inhalt nach, sondern ancb mit ßezng anf
seine Kelatloneu zu den anderen Teilbegriffen anzugeben.
Im Hinblick darauf, daU die^e Fixierung der primären IndividuaU
begriffe der osvchüloüiücheo Deskiiptinn norli sehr rahe slfhl, kann nun
aueb «OD einer logischen Desk^intion sprechen und den Terminus
„Definilion" (im engeren Sinn) Jür die Fixierungen im Bereich der höheren
Begriffsklassen auFsparen.
Bei der praktischen Durebführnng soleber logischen
Deskriptionen von primären lud ividual begriffen ergibt sieb
noo aber sofort die Schwierigkeit, daß die Zerlegung in
letzte Teilvorstellungen sehr oft nicht mit Sicherheit ge-
lingt Es bleibt daher in diesen Fällen nichts übrig als
vorläufig innerhalb des Gesamtinhalts noch komplexe Teit-
inhalte bestehen zu lassen, deren weitere Zerlegung vor-
behalten bleibt. Begriffe erweisen sich — entsprechend
ihrem Charakter als Normalvorstellungen — auch hier als
Idealgebilde, deren volle psychische Verwirklichung Dtcbt
möglich iät. Übrigens sind auch zur Abkürzung der
logischen Deskription solche gruppenweise zusammengefaßt«
Teilbegriffe nncnUiehrJich. Ich bezeichne sie kurz als
komplexe Teilbegriffe*) oder Teilbegriffkom-
p 1 e X e.
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich daraus, daß die
letzten Teilbegriffe selbst streng genommen zunächst nnr
werden rturch einen großen lakini-^cltcn Bnchslabfn (A, K, T, W usl.
vgl. S. 318, Aiim. G), zusammenKPSol/le Vorslilii'n'-;efi (im psycho'ocischen
Sinn) analoK durch Va uk[. bezcichnt'l. Die kleinen Buthslabcn sollen
ielzl ausschtieSlich fnr nichtzusammengeselzte ßigrifre und
Vorslellungen verweitdfl werden. — Handelt es sich sfiezleü iim einen Kol-
leklivbegriff (vgl. S. 474), so brauche ich stall des Symbols K das Symbol f.
«) Piatos auiXBfiBl, s, oben S. 4B5, Anm. 4.
OgIC
1. Kapitel. Die Lehre von den BegrlHen. 487
rein individaelle Isolationsbegriffe sind. So kommt beispiels-
weise dem Indvidualbegriff eines Wolkenbildes, das ich ge-
sehen habe, ein ganz eigenartiges Gran und eine ganz eigen-
artige elliptische Form zn, für welche mir eine vollkommen
entsprechende Vorstellimg noch fehlt. Eigentlich müßten
die TeilbegrifFe dieses eigenartigen Orans und dieser eigen-
artigen elliptischen Form in die Definition (logische Deskrip-
tion) des WolkenbDde aufgenommen werden. Offenbar ist
ein solches Verfahren fast niemals durchführbar und logisch
änfierst onzweckmäfiig. Wir müßten für jeden neuen Be-
griff neue Teilhegrifle aufstellen and diese mit neuen Worten
belegen. Tue Vei^leichnng und auch jede andere Verarhei-
tnng der Individualbegriffe würde damit auf das äußerste
ejachwert. Die Sprache wurde nicht ausreichen. Die Mit-
teilung von Mensch zu Mensch würde im höchsten Orade
beschränkt. Wir sehlagen daher ein anderes Verfahren ein:
wir verwenden zur Charakteristik der letzten Teilhegrifle
Allgemein vorstellongen bzw. Allgemein begriffe und
zwar ganz vorzugsweise solche höherer Stufe, bei welchen
sieht nur von den räumlich-zeitlichen Individualkoeffizien-
ten, sondern auch bereits von qualitativen Verschiedenheiten
mehr oder weniger abstrahiert ist (vgl. S. 333), wie z. B.
Grauweiß, Grün, elliptische Gestalt, dreieckige Gestalt usf.
Symbolisch sei diese Umwandlnng dadurch ausgedrückt, daß
wir an Stelle von a, b, c . . . nunmehr a*, b*, c* . . . setzen.
Wenn wir eine spätere Erörterung vorwegnehmen, können
wir geradezu sagen, daß wir bei diesem Verfahren den In-
dividaalbegriff bezüglich eines jeden Merkmals einem All-
gemeinbegrjfl (dem Allgemeinbegriff der «"-Gegenstände,
^'-Gegenstände usf.) „snbsnmieren". Psychologisch ist dieser
Weg ohDehin sehr nahe gelegt, da, wie sich schon S. 349 und
351 gezeigt hat, die Generalisation mit der Isolation bzw.
Abstraktion von Merkmalen in der Kegel Band in Hand
geht Die eben aufgezählten Schwierigkeiten der logischen
Oeskription fallen bei diesem Verfahren fast ganz weg. Wir
verschaffen ims die Möglichkeit einer kürzesten und ciu-
fachsten Beschreibung. Dabei müssen wir freilich auch
einen Nachteil in den Kauf nehmen: indem wir die Teil-
begriffe eines primären Individualbegriffs durch Ällgemein-
begriffe wiedei^eben, opfern wir die letzten spezifischen
Eigentümlichkeiten der Teilvorstellnngen des Individust-
begriffs, da diese letzten, gewiesermaßen individuellsten
OgIC
488 'V- "I'^'l' Die einzelnen loeiachen Gabilde und ihre Gesetze.
Eisentümliehkeiten eben in den AllgemeinbegrifEen infolgp
der mit diesen verbundenen Abstraktion nicht enthalten
sind. Die spezifiscli© Individualität des primären ludividual-
be^iffs kommt etwas zu kurz: sie wird dargestellt bzw. er-
setzt durch eine spezifische KombinationO von
Allgemeinbegriffen, die das Spezifische der wirk-
lichen Teilbegriffe nicht ganz vollständig wiedergeben*).
Wir opfern also im Interesse der leichten und sicheren
logischen Bestimmbarkeit und Verwendbarkeit einen Teil
der vollen individuellen Bestimmtheit. Indem der Allge-
meinbegriff durch relativ weniger Teilbegriffe bestimmt ist,
ist er zugleich dem Gegebenen gegenüber unbestimmt.
„Dreieckig" im allgemeinen ist durch viel weniger Merk-
male bestimmt als ein einzelnes Dreieck (ein bestimmtes
„dreieckig") und gerade deshalb dem letzteren gegenüber
relativ unbestimmt. Da es jedoch der Logik nicht auf An-
Kchauliehkeit, sondern auf Denkriehtigkeit ankommt, so
wiegt dieser Nachteil gegenüber den enormen Vorteilen für
dae Denken nicht allzu schwer.
Diese Verwendung der Aligemeinbegriffe ist anch
keineswegs auf jene idealen letzten Teilbegriffe beschränkt,
sie bewährt sieh ganz ebenso bei den oben (S. 486) erwähnten
komplexen Teilbegriffen *).
Für den ganzen Aufbau der Logik ist das soeben er-
örterte Verfahren vou der allergrößten Bedeutung. Wäh-
rend vom psychologischen Standpunkt die Allgemeinvorstel-
lungen das letzte, abgeleitetste Glied der ganzen Stufenleiter
der Vorstellungen darstellen, bekommen für die Logik die
Allgemeinbegriffe durch diese V«rwendung bei der Fixation
') Plato spricht geradeau von einer /tiiitf (z. B. Sophiäl. 253 B) in
ähnlicbem Sinne. Man kann auch vergleichsweise sagen, daB jeder der ver-
wendeten AllgemeinbegriRe einen geometrischen Ort für den zu definierendeo
Individualbegrüt abgibt.
") So wird es auch verständUch, daB von Alters her sehr viele Logiker
(iie Defiiiierbarkeit der Individualbegriffe bestrillen haben. Alle Einzelbegriffe
würden danach gleichsam logisch identisch sein oder gar außerhalb der Logik
ht«eQ. Vgl. z. B. .\ristoteles, Akad. Ausg. 97 a, lOSibff., 1039b u. 105&b.
■*) Es leuchtet sogar ein, daß andrerseits auch die ulli malen pri-
müren individuellen Isolatiansbegriffe, für die wir S. ifü «in Definieren ab-
Eclehnt haben, doch wenigstens eine solche Subsumtion zulassen, z. B. die
Subsumtion eines eben gesehenen eigenartigen Hols i==, a) unter den Allge-
meinbeariff ..Buritunderrot" oder „Rol" (=r. a').
iM,Googlc
__^^_^^^ *■ Kapitel. Die Lehre von den BeKriHen. 4g9
der primären Individaalbegriffe") eine grundle;(rcn(le Be-
deotnng für die G^amtheit .aller Begriffe. Sie treten,
indem sich gewiBsermaßen die Reihenfolge umkehrt, an die
Spitze der ganzen Begriffsreihe. Dabei muQ festgehalten
werden, daß es sieh nicht um eine künstliche, willkürliche
Umstellung handelt, sondern daß diese ümstellnng sich
natürlich und notwendig aus dem Zweck und dem Wesen
der Logik ergibt. Die Ällgemeinbegritfe lassen sich un-
verhältnismäßig vollständig, leicht und sicher in relativ
weoige feste allgemeine Teilbegriffe (ultimale einfache oder
komplexe) zerlegen und sind daher für die Normalisierung
geradezu geschaffen'*), während die Individualbegriffe als
solche, d. h. als Komplexe von individuellen Teilbegriffen,
immer psychologischen Schwankungen unterworfen bleiben
und einer vollständigen', konetanten, einwandfreien Zer-
legung die größten Schwierigkeiten entgegensetzen "}. Be-
züglich der Machteile, die, wie oben schon betont wurde, mit
dieser Bevorzugung der AUgemeinbegriffe verbunden sind,
wird überdies später zu zeigen sein, wie die Logik dieselben
wieder aoszugleichen und ihr generalisierendes Verfahren
zu ergänzen versucht und vermag. Es sei jetzt nur hervor-
gehoben, daß uns hier zum ersten Male der Gegensatz zwi-
schen dem deduktiven (vom Allgemeinen ausgehenden) und
dem induktiven (vom Individuellen ausgehenden) Verfahren
begegnet, freilich noch in einer Form, welche den vollen
Gegensatz der Deduktion und der Induktion bei weitem nicht
erschöpft.
Die Teilbegriffe a*, h*, c* . . . sind zunächst völlig gleich-
gestellt; so kann z. B. der primäre Individualbegritf einer
kürzlich erlebten Lichterscheinnng sich aus den allgemeinen
Teilbegriflen „gelb", „hell", „kreisförmig" zusammensetzen,
ohne daß einer dieser Teilbegriffe eine bevorzugte Stellung
einnimmt. Sehr oft aber ändert sich dies Verhältnis, indem
"J Später werden sich noch «ndere Momente ergeben, die in dem
selben Sinn wirksam sind.
") Sehr klar hebt schon Plato dies von einem ganz anderen Stand-
tiimkt &U9 hervor, Theaetet 182 D.
") Man vergleiche hiermit auch den Gegensatz zwischen dem itfat
"ler begrüfljchen Einheiten (des tr linwr»»') und der änaeia der naUä
bei PUto (Phileb. Iß C u. Pannen. 168). Plato schiebt einseitig alle Begrenzt-
beit (ni^t) den Allgemein begriffen zu und unterscheidet nicht scharf
zwischen Begrenztheit und Bestimmtheit.
OgIC
490 'V- '''^'l' ^^ einzelaen loguchen Gebilde und ihre Gesetze.
einer der allgeTD«iiieu TeilbegrilTe den übrigen über-,
geordnet wird. Sprachlich drückt sich dies hänflg (keines-
wegs immer) darin aus, daß der bevorzugte — „prae-
1 a t e" — Teilbegriff — etwa a* (in fettem Druck) oder a*! —
durch ein Substantiv, die untergeordneten — „rezes-
siven" — Teilbegriffe durch Adjektive bezeichnet werden.
Wir sprechen dann z. B. von einem „gelben hellen Kr^".
Man kann diesen Vorgang auch dahin auffassen, daS der
IndividualbegrifE zuerst dem Allgemeiubegrilf a'l als „Gat-
tung" „subsumiert" wird und dann durch Zufügung der
Teilbegriffe b*, c*... seine Art und soweit möglich seine
Individualität näher bestimmt („spezifiziert") wird. Auf
diese Auffassung und die spezielle Verwendung eines „Qenit»
proximum" wird später ^ 97) ausführlich eingegangen
werden. Hier sei nur noch bemerkt, daß als bevorzugter
Teilbegriff a* ! besonders oft ein komplexer Teilbegriff (S. 486)
gewählt wird. Die Auswahl des bevorzugten' a' ist sowohl
logisch wie psychologisch nicht eindeutig bestimmt. Sie
hängt logisch auch wesentlich von dem Verwertnngszwe«k
im Denken ab. So kann ich z. B. in bezug auf bestinmite
Überlegungen es vorziehen, von einer „gelben kreisförmigen
Helligkeit" zu sprechen.
Fast ebenso bedeutsam ist eine andere Modifikation der
logischen Deskription der primären Individualbegriffe ")■
Wir können die Deskription nämlich auch dadurch abkürzen,
daß wir uns auf die Angabe der sog. wesentlichen Teil-
begriffe beschränken. Da unser logisches Denken fast aus-
schließlich in einer Vergleichung der Begriffe besteht, so
genügt es für diesen Zweck sehr oft vollständig, wenn wir
bei der logiseben Deskription eines primären Individnal-
begriffs diejenigen Teilbegriffe hervorheben, welche bei der
Vergleichung mit anderen Begriffen als unterscheidend
in Betracht kommen "). Diese unterscheidenden Teilbegriffe
sind eben die wesentlichen Teilbegriffe. Ihre Wesent-
lichkeit ist also stets relativ, d. h, nur gültig mit Bezug aaf
bestimmte, zum Vergleich herangezogene oder für den Ver-
") Den Zu9Hlz „komplex" lasse ich als selbsiveratändlicb (s. oben
S. iS5) otl bei diesen EröileruQKen weg.
'*) Bei Plalo (Iteaetd 209) (fw^opon); und JisgM^v fti"iftti»v, V^.
die hislorischcD BemerkuAgea in § 97,
OgIC
1. Kapitel. Die Lehre von den BeerifieD. 4gX
gleich iu Betracht kommende andere Be^iffe '*). Vgl. ^ 96.
Oft, aber nicht immer werden die wesentlichen Teilhegriffe
als bevorzugte Teilbegritfe im Sinn der letzten Erörterung
verwendet.
Die UnerläBlichkeit einer Beschränkung auf die wesent-
lichen Teilbegriffe ergibt sich übrigens in sehr vielen Fällen
achon daraus, daß die Zahl der TeilbegrifFe für eine voll-
ständige Aufzählung viel zu groß ist und eine Auswahl not-
wendig macht. Die Verwendung komplexer Teilhegriffe
(S. 486) kann uns diese Notwendigkeit nicht ersparen.
Uil der logischen Deskription der primären IndividualbegriOe ver-
binde) sich — wie auch mit jeder andern Definition — noch ein weiterer
bedeutsamer ProzeS. Wir begnügen uns nicht mit der Zerlegung des pri-
mären kosüpIeMen Individualbegiilfes K selbst in die TeilbegriHe '*)
a, b, d .... sondern übertragen diese Zerlegung — ganz analog wie auf
pa;chologiachem Gebiet (vgl. S. 330, 322t!.) — auch auf seinen Normal-
gegeriiiiand (£. 437 u. 461 ff.). Es handelt sich also um eine Zerlegung
der mehrfach erwähnlen G eg en st aodsvorble Illingen (S. 266, 269, 320, 430,
u. 437). Wenn wii' die S. 485 eingefOlirlen Symbole lesthallen, so ist der
Gegenstand eines komplexen BegriSes abd... ein Torstellungsaggregat
IT.
Y** oder, wenn wir auf den entfernteren (distaleren) Qegensland ziurOck-
Vd
IE.
gehen, ein Empflndungsaggreg&t l^ oder, wenn wir den distatsten, hypo-
(Ed
tbetisch hinzugedachten Gegenstand (Reiz, Ding an sich, Reduktions-
beetandteil vef., vgl. S. 250fl. u. 363 f.) hinziuehmen wollten, ein R =
o Indem wir nun diese Gegenstinde zu Normalgegen-
Rd...
stftn^n umdenken und die Begriffszerlegung auf sie Obertragen, also redu-
zible Teile bzw. Merkmale weglassen, erhalten wir als Normalgegensland
einen Vorstellungs„komplex" V, , V,., V,* ■. .") bzw. einen Empfindungs-
{"1 \P) W
i>) Vgl. hierzu die in manchen Beziehungen verwandten 4usfQbrun-
gen Si^warls Qber wesentliche und unwesentliche Merkmale I. c. S. 343
n. 354 ff.
">) Mit den Begriffen hzvr. Teilbegriffen sind hier stets die BegriHs-
inhaite bzw. Teilbegrilfs i n h al I e gemeint. Vgl. S. 469.
") Mit dem Buchslaben 11 sollen hier alle die hypolhelischen zu den
Empfindungen fainzu^dachlen. dislalsten Gegenstände bezeichnet werden
(vgl. S. 262).
1») über die Verwendung der griechischen Buchslaben s. S. 318, Anm. 6.
— Man bedenke nur immer, dafi diese Gegenstände gedachte b/w. um-
OgIC
IV. Teil. Die einzelnen loeiscben Gebilde und ihre Gesetze.
komplex B, » '•(«i^'/ji--- l'^"- einer R:= Komplex 1
nftcbdem der Bezugsgegenstand des BegriHes E C&lao sein Argument, vgl
S. 268) im Bereich der Vorstellungen oder der Empfindungen oder der K's
liegt, und zerlegen diese Komplexe entsprechend den TeitbegrtSen a,b,d...
in die Teile oder Merkmale (vgL S. saDff.) V , V ^' j ••■ •'^^
^foV ^(jjf ^(i\ ■ • ■ ^^^' ^f«V ^iSi' ^(Jl ■ ■ ■ *"'^' *ll«einein in die „Zerlegunga-
gegenstände" (n)> (.ff), l') - - Der gedachte Gesamtgegenstand oder
Gegenstandsbegriff kann also auch geschrieben werden:
(a) (.ß){'f) •■■ Die ZerlegungsgegensüLndc sind ebetüalls nur gedacht
Wir gelangen zu ihnen durch den S. 31S beschriebenen IsolationsprazeB.
Sie gehAren also ebenso wie der hinzugedachte Gesamtgegenstand (vgl
S. 461, Anm. 16) durchaus der Gegenstands Vorstellung an (vgl
S. 366) und dürfen mit den tatsächlichen fundierendeD Teilen
oder Merkmalen des Gegenstandes selbst nicht verwechselt
werden. Es empfiehlt sich dringend auch terminologisch diesen UntU'-
schied zu fixieren und die tatsachlichen Teilgegenstände a, ß, i ;. . aus-
drQcklich als tatsftchhche oder objektive Teile bzn-. Heitanale, dagegen
die gedachten Teilgegenat&nde (a). Iß), (iTl ... als gedachte oder objek-
tivierte Teile bzw. Merkmale zu bezeichnen, über die Unteischeiduni
von Teil und Merkmal i^. S. 320, doch soll im folgenden der Terminus
„Merkmale" bevorzugt werden, da er in der Logik übUcher ist
Ein Beispiel mag diesen logisch und ericenntnistheoretisch gleich wich-
tigen Prozeß deiOfajektivation der Begrifie eiläutem. Ich höre eine
aus drei Tönen bestehende MekxUe oder einen aus drei Tönen bestehenden
Akkord. Dies sukzesive bzw. simultane Empfindungsaggregat kann etm
IE>
^ ausgedrückt werden; dabei mögen E«, Eb and Kd
Ed
den 8 Tönen imd E^ etwaigen Nebenempfin düngen, welche die drei Töne
h^leilen, zusammenfassend entsprechen. Von diesem EropfinduDBsaggr^at
kann ich sp&ter ein Vorstellungsttggregat reproduzieren
vontellungen die Vorstellungen der drei Töne und der zugehörigen Neben-
gedacbte sind, daÜ es sich also am Gegenstands vorstellungea handelt
Deshalb mufiten auch entsprechend der Festsetzung S. 330 die griechischea
Buchstaben in Klammem gesetzt werden.
'(«) '(« '
Standsvorstellung, die wir uns von dem Gegenstand |y machen,
. (Vd...
and ebenso sind IT. E^.. E^^ ... nnd ß, . R.,j B/jv--"- lediglich Gegen-
standsvorstellungen. Die tatsAchUchen Gegenstände a. ß. y, 4 and
!V. iE. iE.
vi *'^*- !S ^''^- li^ ■ VgL S. 265.
Vd ..
iM,Googlc
1. Kapitel. Di« Lehre von den Begriffen. 493
empfindnngen sind (natürlich nur, soweit mein Gedächtnis aie festgehalten
hat). Indem ich nun die drei Töne aus ihrer r¨ichen und zeitUchen
L'mgebnng ezzetniere und zu einer Einheit zusammenfasse, bilde ich
die indiciduelle Komplexionsvoralellung ••) V» Tb V« Vd (Melodievorstellung,
AkkordvoTstellung, „Gestalfvorstellung). Auch in diese geht die Vorstellune
der Nebenempfin düngen sehr oft noch ein. Bis dahin ist der ganze ProzeB
noch rein psvcliolosisch. Die nun zunächst erfolgende logische Normali-
sierung besteht darin, daB wir an Stelle der psychologischen Teilvorstellun-
gen Vt, Vb usf. logische TeilbegriOe a, b usf. (S. 482) setzen. Weiterhin
werden die Neben vurstelinngeu Vc, soweit sie auf die drei Hauptvorstel'
lungen redunert oder als unwesentlich (S. 4B0) betrachtet werden können,
und femer alle Gefühlstöne, soweit sie nicht ' zum Inhalt gehören, -weg-
gelassen und die individuell nOancierten Teilvorslellungen der drei Töne
durch generalisierte TeilbeBjüIe a', b', d* (vgl. S. *87) ersetzt, z. B.
durch die drei AUgemeinbeBriffe : Ton h, Ton dis, Ton fis»"). Weiterhin
Qbertrage ich nun diese delinitorischc Zerlegung des fcomplexen Begriffes
auch auf seinen Gegenstani}, also z. B. zunächst auf jy und serlege
liiesen in V. , V. ,, V, , , setze also an Stelle der ganz individuellen, nuan-
cierten, von Nebenvorstellungen begleiteten Erinnerungsbilder der drei Töne
die Allgemeinvorstellungen der drei Töne*'). Dieselbe Zerlegung führe ich
dann auch an E aus: an Stelle der nüaiicierten und von Nebenempflndun-
een begleiteten Tonempflndungen Ea, Eb, Ed treten die generalisierten,
nuancierten Empfindungen E, „ E,.,, E,.,. Habe ich mir endlich zu
im) (pt (g)
meinen Empfindungen noch irgendeinen weiteren distalsten G^ensland
(S. 267) — das ,J)ing" des naiven Menschen, den „Reiz" des Physiologen,
das Ding an sich der Phänomenalisten, einen Reduktion sbe standteil usf. ~,
also eine sog. „wirkliche" Tonfo Ige oder einen „wirklichen" Akkord hypo-
thetisch hinzugedacht, so kann ich die begriCilichB Zerlegung auch auf
diesen distalsten hypothetischen Gegenstand übertragen und beispielsweise
die Tonfolge in 3 Töne oder in '6 Hörsphärenerregungen meines Gehinis
oder in S Ton Wellenbewegungen usf., allgemein in K , K., B . entsprechend
den generalisierten TeilbegriCfen a*, b*, d* zerlegen. Die „reale Konstitu-
tion" wird der logischen entsprechend gedacht.
'>) Nebenbei sei nui daran erinnert, daß der ProzeB jy'' sehr oft
'vd
äbe^^r^angen wird und die Kompicxton direkt an das Empfindungsasgregat
anknüpft (vgl. S. 321, Anm. 10).
") Bei noch weitergehender Generalisation erfolgt die Zerlegung ganz
allgemein in drei „TOne".
^') Hier wie in der allgemeinen Auseinandersetzung S, 491 würde man
strenggenommen statt (a), (.0). (J) überall etwa (a'). iß*), (tf,*) schreiben
müssen, da die Gegenstandsmerkmale generalisiert sind und die Generali-
sierang S. 467 durch ein Sternchen symbolisch ausgedrückt wurde. Nur
^ur Vereinfachung ist das Sternchen oben weggeblieben.
lA.Ot
.^Sic
494 '^- '1^''- ^^ einzelDea logiseben Uebilde und ihre Gesel».
Bei d«r Verwertung dieses Beispiels darf nicht Qbersehcn nerdeo, iti
lieineGwegs s 1 e l s der „Gegensland" eines fiegrifles bis in das Empfin-
dungsBebiet oder gar über dasselbe hinaus zurOckliegL Für unzählige Be-
gtifle hegl — im Sinn des „Argumenls" (S. 26(1) — der dislalste Gegensland
schon aul dem VoisleDungsgebiel (Begriff einer Farbenvorstellung, einer Tor-
slellungsfolge). Ebenso muB man bei dieser Erörterung in. Betracht zieben.
daB solche reine Komplexionsvorstellungen, in welchen auBer den räum-
lich-zeitlichen Beziehungen keine andern Relationen {?.. B. in dem ange-
zogenen Beispiel Tonintervalle) mitgedacht werden, unverhUtnismäBig selteo
siod. Unsere meisten Komplex! onsvorsteUungen enthalten auch Belatioos-
TorsleltunzeD, wie dies S. S34f. bereits erörtert wurde. Daher sind auch in
den entsprechenden Komplexionsbeg ritten unter den Teiibegriffen fast stets
RelatioDsteilbegritte enthalten, die nun gleichfalls auf die zugeböiigen Gegen-
stände übertragen werden. Der Gegenstand wird entsprechend der Kom-
plexion als ein durch Relationen zusammen hangend er Komplex gedacht i^.
Nur zur Erleichterung des Verständnisses wurden in den vorstehenden Et-
erterungen zunächst relatiens freie KomplexionsbegriDe angenommen und zu-
grunde gelegt. Bei Besprechung der Relalionsbegii&e (siehe unten § 9b)
wird der Komplikation niit Relation steilbegriBen Rechnung getragen werden.
Die Verwertang allgemeiner Merkmale bei der Defini-
tion komplexer Individualbegriffe erlaubt noch eine andere
Deutung. Statt zn sagen „ich bestimme den Individnal-
begrifF durch das allgemeine Merkmal a*", kann ich ancb
sagen: „ich subsumiere den Gegenstand des Individual-
begriffs unter den Allgemeinbegritf der dies Merkmal führen-
den Gegenstände", z. B. unter den ÄllgemeinbegrifF der roten
bzv. ziegelroten oder der kreisförmigen oder der den Ton h
enthaltenden Gegenstände. Die gesamte Definition stellt sieb
dann als eine größere Zahl solider Subsumtionen dar, die,
wiederum ähnlieh wie geometrische Orter (S. 488, Amn. 7),
den Individnalbegriff durch ihr Zasammengelten bestimmen.
Die große Tragweite dieser Deutung, die kurz als Hypo-
stasierung der Merkmale bezeichnet werden soll, wird
sich bei der Besprechung der Definition der Allgemein-
begrifEe alsbald zeigen (^ 97).
Die erkenn tnistheoretische Frage, welche Bedeutung die so gedachten
Normalgegenstfinde der primären komplexen Individualbegrifle und die Kor-
malmcfkmale dieser Gegenstände innerhalb der Gignomene — abgesehen
von der Bedeutung für das logische Denken — haben, kann hier nicht er-
örtert werden. Nach meiner Auffassung haben sie nur methodolo-
gische Bedeutung IQr die Erkenntnis (Reduktion) der Gignomene, d- h.
eben nur logische, aber keine unmittelbar materiale Bedeutung. Beiüufis
mag aber In historischer Beziehung bemerkt werden, daß in der platoni-
schen Ideenlehre den im Sinn der Generalisation gedachten Merkmalen
1. Kupils!. Uit Lehre voii den Besriffen. 495
materiBJe Bedeutung zugescbriebeo wird. Auch die weitere Frage, wie weit
die gedacbtea Gegeustfinde (0) und ihre gedachten Teilgesenstande («), (fi),
{t) wL den tatsächlichen Gegenständen 0 und deren Teiigegenständen a,
p, i usf. entsprechen können und wirklich entsprechen, liegt außerhalb
des Bereichs der Logik. Hier genügt es festzustellen, daB tatsächlich ein
Entsprechen oft nicht stattfindet (vgl. g i&). Außerdem muQ erkenntnit^-
theoretiscb daran festgehalten werden, daB wir die Gegensl&nde selbst als
■olcbe, also die O's und die Merkmale derselben nur erleben, aber nicht
■h Mick« vorstellen kOnnen. Wenn wir sie vorstellen wollen, so
werden sie stets durch Retention und Differenzienmesfunktionen uinse-
stalleL Unserem Vorstellen sind immer nur Gegenstandsvoratellungen, also
die (0)'9 zugänglich. ' Wir sind freilich geneigt, letzlere den Gegenständen
zu subslttuieren und werden bierin durch den Dappebinn des Ausdrucks
„einen Gegenstand voratellen" bestärkt, in welchem der Akkusativ sprach-
lich sowohl Accusativus aSectivu^ wie Acc. afiecUvus sein kann. Tatsächlich
kommt ma der letztere Akkusativ in Betracht. Vollends die hypothetischen
Gegenstände der Empfindungen, die R's erleben wir nicht einmal als solche,
sondern sind bezüglich derselben ganz auf Gegenstand svorstellungea (Re-
duttionsTorotellungen) angewiesen.
Terminologisch sei noch bemerkt, daß es vielfach üblich
ist, auch die Teilbegriffe (Merkmalbegriffe) a*, b', d*
sehlechthin als „Merkmale" des Begriffes K zu bezeichnen.
Um Verwechslmigen za verhüten '*), sollen im folgenden
a*, b*, d* als begriffliche (konzeptive) Merkmale
des Be^iffes K nnd die auf den gedachten Gegenstand des
Begriffes übertragenen Merkmale («), (ß), (tf) des Gegen-
standsbegriffs (O) — vgl. oben S. 492 — als objekti-
vierte begriffliche Merkmale bezeichnet werden.
Von beiden müssen sowohl die objektiven Merkmale
o, ß, y, 8 des Gegenstandes O wie auch die rein psycho-
logischen Teilvorstellungen V,, Vt, Vo, Vd der Vorstel-
Inug y duTchans scharf unterschieden werden. Die begriff-
lichen Merkmale werden auch als Begriffsinhalt
zusammengefaßt (vgl. S. 470). Ebenso kann man die objekti-
vierten Merkmale als objektivierten Inhalf) zu-
sammenfassen. Beide sind mit dem Vorstellungsinha)t
(S. 355) also nicht identisch.
Die Tatsache, daB wir die eben erörterten Zerlecungen in Worten
oder anderen Zeichen ausdrücken, und die weitere Tatsache, daB wir die
definilorische Zerlegung in einem Urteil formulieren können und im Hin-
blick auf die weiteren Zwecke der I^gik auch formulieren müssen, nird
später gemeinschaftlich für alle Begriff sk lassen erörtert werden. Es leuchtet
**) Vgl über den Doppelsinn des Terminus „Merkmal" auch Twar-
dow«ki, Z. Lehre v. Inhalt u. Gegenst. d. Vorst., Wien 1894, S. « ff.
' ") Er entspricht in manchen Beziehungen der essentia der scholasti-
schen Logik. Vgl, S, 71 u. 77.
496 IV. Teil. Die einzelnen losiscbcn GeWlde und ihre Gesetze.
Zq «inem vollständigen Abschluß ist der logiechc Pro-
zeß aach mit der Merkmalzerlegung noch nicht gelangt. Wir
vollKiehen noch eine eigentümliche Umdentung der vor-
genommenen Zerlegung, indem wir uns K als den „Träger"
der Teilbegriffe a*, b*, d* , . . und ebenso (O) als den Träger
der gegenständlichen Merkmale («), iß), (d) • • . denken. (0) alß
„Träger" seiner gedachten (objektivierten) Merkmale bzw.
' Teile wird in der Erkenntnistheorie meistens als Snbstani
bezeichnet, die gedachten Merkmale bzw. Teile") als Akzi-
d e n t i c n. Die Beziehung zwischen der Substanz und den
Akzidentien wird oft reale Inhärenz genannt. In aoa-
loger Weise kann man den Begriff K, insofern wir ihn nicht
mehr als Komplexion, sondern als Träger seiner Teilbegriffe
auffassen, als „begriffliche Substanz" nnd seine Teilbegriffe
als „begriffliche Akzidentien" bezeichnen. Üblicher ist für
die letzteren die Bezeichnung: „begriffliche Attribute" oder
..begriffliche Merkmale" im prägnanten Sinn
(vgl. S. 495) bzw., wenn eine Verwechslung durch den Zu-
sammenhang ausgeschlossen ist, event. auch schlecbthiD
„Attribute" oder „Merkmale". Der Terminus „Merkmal"
bekommt hier also durch den Gegensatz zu „Substanz" einen
engeren Sinn. Die Beziehung zwischen der begrifflichen
Substanz, d. h. dem Begriff als Träger, und seinen Meti-
malcn wird von Erdmann °^ als „logische Immanenz" be-
zeichnet (vgl. S. 313); ich ziehe vor, sie als begriff liehe
Inhärenz zu bezeichnen und die sog. reale Inhärenz (s.
oben), d. h. die Beziehung zwischen dem gedachten Gegen-
stand (O) und Beinen Merkmalen von ihr als objekti-
vierte Inhärenz zu unterscheiden. Dementsprechend
stelle ich die Substanz (O), den Träger der objektivierteß
Merkmale als objektivierte Substanz der begriffliehen Sub-
stanz, dem Träger der begrifflichen Merkmale gegenüber.
Das ganze Verfahren, durch welches wir die Merkmale in
beiden Fällen einer Substanz als Träger subordinieren, kimn
als Substantiation bezeichnet werden. Mit dem prS-
") Beispielsweise betrachlcl Sigwart die Derinition als Fixiening eine»
Wortgebrauchs.
") Den Zusatz .,bzw. Teile'" lasse ich im folgenöen olt w(«. V«L
S- 330 u. *86.
") Lopili. 2. .^iin., Teil 1, Halle 1907, S. 19*.
iM,Googlc
___^ 1. Kapitel. Die Lehre von den BemBen. 497
laten Teilbegriif (S. 490) hat die begriffliche Substanz an
sieh nichts za ton ; allerdings sind beide in der Wiseenschaf t
oft verwechselt worden, auch beeteht die Neigung, im all-
ta^iiehen Denken jenen mit dieser za identifizieren") (vgl.
8. 516).
80 ist also z. B. „grün" ein objektiviertes Merkmal des opti-
schen Blattbildes (E) oder anch des hypothetischen Blattes
(B)t positive Gefühlsbetonnng ein objektiviertes Merkmal
dieser oder jeuer Erinnerung, Phantasievorstellnag (V) usf.
Zwischen dem Qrün = (a) und dem Blattbild bzw. Blatt
= (0) besteht objektivierte Inhärenz, ebenso zwischen der
positiven Qefühlsbetonmig = (a) und der Erinuemng = (O).
Dagegen ist der Teil begriff „grün" ein begriffliches Merk-
mal a* des individuellen oder allgemeinen Begriffes £ oder
W eines Blatts und steht za letzterem in der Beziehung der
twgrifllichen Inhärenz.
Aach der Suttstanzbecriff kano eingehend nur in der Etkenntnistheohe
uDlenucht werden, hier mOSen nur folgende Bemerkungen Hatz finden.
Erstens ist die Aoffassong des Gegenstandes (Objektes) als Trftger
uuer Akzidenlien uns weitaus am geläufigsten bei sog. körperlichen (mate-
riellen, ifträachen] Gegaist&uden, indes ist sie doch keineswegs aul solche
besehränki Auch psychische Gegenstände — sowohl solche primärer In-
dtvidualhegrifTe, von denen jetzt speziell die Hede ist, wie auch scdcbe aller
anderen Begrilfe — kCnnen wir in ähnlicher Weise auflassen und fObren
eine solche Auffassung auch oft genug tatsächlich durch. Ebenso ist zu
beachten, daß die Substantiation bei den KontraktionriKTriflen (namentUch
den Dingbecrifien, vgl. S. 474) infolge des teilweisen Wechsels der Merk-
male besonders nahe liegt, aber doch schon bei den unkontrahierten Kom~
plexionsbetiiflen vorkotmnl-
Zweitens bedarf der Sinn des Worts „Träger" einer Erläuterung- Was
bedeutet es, wenn wir (0) als Träger von (a), (^5), (rf) und K als Träger von
4. b, d auflassen? Auf diese Frage gibt die Eriienntnistheorie zwei prin-
opieQ verschiedene Antworten. Entweder bedeutet nämlich das „Träger-
sein" (bzw. die Inhärenz) nur die Beziehung zwischen dem zu einer Ein-
brit zusammengefaßten UeAmalkomfilex und den einzelnen UeAmalen,
sa da£ mit der Auffassung als Tf&ger sachlich fiberhaupt nichts Neues hin-
zocefogt wird; oder man stellt sich vor, dafi in dem Objekt bzw. B«riff
»och ein X vorhanden ist, welches weder mit dem Komplex identisch ist
Qcch gar selbst ein Herbnat oder Teil des Komplexes ist, sondern gewisser-
■n&Boi einer ganz anderen Rangordnung angehfirt**). Die erste Antwort
tomnä bei (0) mit der Tatsache einer Wirkungseinheit, bei K mit der Tat-
9Khe der Komplexionseinheit aus, die zweite Antwort bat mit der Schwierig-
keit zu kämufen, jenes neue X, zu dessen Bestimmung man sich ex deflni-
») Es kommt das in dem Gebrauch des „Substantivs" für erster«»
5. *90) zum Ausdruck.
*^ Mulatis mutandis gilt dasselbe auch von der begiiftlichen SubBttn;;.
Ziehen, lidttbneh der Logik. 32
4gg 'V. Teil. Ke einzelnen logisdien Gebilde und ihn GeseUe.
tioae &lle Wece abgeschnitten hat, doch irgendwie zu cbu-akteiisicrtn*^
Die letzte Entscheidunc zwischen diesen beiden Antworten steht der Sr-
kenutnistbeoiie zu. Die Logik kann sich schlieBUch mit beiden aMnJen.
Bei dem ganz hTPottaeUscben Charakter und der, wie mir scheint, andi
heute noch nicht behobenen Unklarheit der zweiten Antwort scdl hier vo^
zugsweise der Standpunkt der eisten Antwort zugnmda gelegt werden. Die
sog. Beharrlichkeit (Dieselbigkeit) der Substanz kommt oHenbar, so-
lange es sich uro p r i m ft r e ladividualbegrifle handelt, noch gar nidil
in Betracht (vgl. S. 326 und unt«n S. 506).
Drittens wird man zu fiajten haben, wie wir zu jenem winoini<antwi
eines TrAgeis in den Gegenstand und in den Begrifi gelangen. Auch di«e
Fräse gehört in das Bereich der Erkenntnistheorie. Hier kann nur knn
bemerkt werden, daß man entweder mit Eant*>) eine besondere apiioiische
Kategorie des Denkens — Kategorie der Inhärenz und Suhsistenz (nibstan-
tia et accidcDs) — annehmen oder die Bildung der Substanzrorstelluns auf
ein Zusammenwirken bekannter psychischer Funktionen, z. B. der drei
Diflerenzierunsshinktionen (vgl. S. 'miL) zurückführen kann. Wir ziehen
den letzteren Weg vor (vgl § 66 B.).
Viertens kann man die Frage aufwerten, ob sich das Hineindenken
einer begrifflichen Substanz in imsem Begriff und das Hineindenken einer
obiektivierten Substanz in die gedachten Gegenstände der Begrifie (z. B. in
unsere EmpEodungen) unabh&ngig voneinander vollzieht. Nach Erdmann *^
stellt steh „psychologisch genommen" die Inhärenz der gegenst&ndlichoi
Uerfcmale als die Entwicklungsgiundlage der logischen Inhärenz dar: „die
Beziehung der realen Inhärenz ist", wie er es auadrOckt, „das Mustertiild für
die logische Immanenz". Einen zwing«iden Grund tOr diese Annahme
kann ich nicht finden; es scheint mir nur richtig zu sein, daS wir im all-
'^) Nicht selten hat man sich gegenüber dieser Apone damit gehoUen,
daß man doch irgendein Merkmal in entsprechender Umgestaltung aus dan
Komplex herausnahm und zum Träger machte. So wurde der Raum z. B.
bei Plato und in anderem Sinne bei Cartesius fast ganz mit einem solchen
Träger idenUflziert. Inabesandere wurden auch die S. 489 und 4S0 erwähn-
ten Prälaten und wesentlichen TeiUieghffe von anderen zuweilen in diesem
Sinne verwendet
") Knt. d. rein. Vern., Kehcb. Ausg. S. 86, 671 u. a. m. Der Beghll
einer Substanz ist nach Kant der BegriCf „von etwas, das als Subjdrt, nie-
mals aber als bloQes Prädikat existieten könne". Vgl. auch die auafOht-
lichen Erörterungen in meiner ErkenntnisUieorie S. 196, 208, 272.
^) L. c. S. 19t. Dabei mufi jedoch bemeriit werden, daB Erdmann
die jeale Inhärenz (meine objektivierte Inhärenz) auf kCrperliche Sub-
stanzen beschränkt, während ich sie auf Gegenstände; Oberhaupt beziehe
(siehe oben S. 49"). Vor allem aber versteht E. unter „Gegenstand" etwas
ganz anderes {die Inhalte „werden uns als Gegenstände bewußt", 1. c
t^. 56). Es muB immer wieder daran erinnert werden, daß ich im G^en-
sntz zu solchen Auffassungen als Gegenstand einer Vorstellung den ihr zu-
Rrunde liegenden, durch mein Denken isolierten Tatbestand, d. h. die «w-
Kitllen fundierenden Vorstellungen, Empfindungen und ev. Reduktions-
bestandteUe bezeichnet habe und Gegenstände außer diesen fundierenden
Tatbeständen, etwa im Sinn einer neuen Seinsart, nicht anerkenne. Vri.
h. 17a n. u. 270 n.
tY^ic
]. li&pitel. Die Lehre von den BesrUfen. 499
KemeiDeD die gegenständliche SubstantiaUoD vor der begriBIkheD. d. h.
kciacben vornehmen, beide aber doch unabh&nxiK voneinander auf Grand
denelben psTchologischen Funktionen \otizogva werden können.
§ 95. Lofrische DeOnition, FortHetzoiiK: b) DeBnition
primärer komparativer IndividoalbeKrifte. Ganz allgemeiB
sollen primäre individaelle Komparationabegriffe durch das
Symbol U ausgedrückt werden (vgl. S. 323). Was zunächst
diejenigen primären komparativen Zndivid aalbegriffe anlangt,
welche sich auf einfache, d. h. nnzerlegbare, nur propinqual
vergleichbare (S. 327 u. 474) Gegenstände beziehen, wie z. B.
der Begriff des Unterschieds zwischen einem Gelb und einem
Orange, das ich eben sehe oder gesehen liabe, so ist ein solcher
A
„einfacher" Komparativbegriff a b (vgl. S. 323) ebenso-
wenig deflnierbar wie nltimale Isolationsbegriffe (vgl. S. 489).
Wir können ihn höchstens, wie dies für letztere S. 488,
Anm. 9 angedeutet wurde, einem allgemeinen Kouiparativ-
begriff sDbsnmieren '), womit aber selbstTerständlich keine
irgendwie ausreichende Definition gegeben ist Meistens be-
helfen wir ans damit', daß wir die verglichenen Gegenstände
selbst auführen, waa eben einem Verzicht anf die Definition
des Vergleichangsbegriffes gleichkommt.
Anders verhält es sich bei denjenigen primären kompa-
rativen Individualbegriffen, welche sich auf zusammen-
gesetzte, fmstal vergleichbare (S. 327 u. 475) Gegenstände
beziehen, wie z. B. auf einen leisen Akkord fis, ais, eis, und
einen etwas lauteren Akkord fis, gis, eis *). Ein solcher Be-
A
griff A B ^) kann ganz allgemein durch das Symbol
abcdef ao'e'ghi angedrückt werden. Seine Definition
besteht dann darin, daß ich alle TeilvergleichangsbegriSe,
soweit sie nicht aufeinander zurückgeführt werden können.
1) Logisch betrachtet, gehört auch der G r a d der Ähnlichkeit zu diesen
allgemeinen Komparationsbegiißen.
•) Je nach dem Argument (vgl. S. 268) kommt die AkkonI Vorstellung
oder die Akkordemp&ndung oder der hypothetische Reduktionsbestandteil
(der Akkord als „Reiz", „der Akkord selbst" usf.) in Betracht. — Von den
rlnmlich-zeitlichen Eigenschaften des Akkords ist um der Kflrze «-illen in
dem Beispiel abstrahiert.
') Die großen Buchstaben werden wieder gesetzt, um die Zusammen-
gesetztheit anzudeuten. Tgl. S .316, Anm. 6.
lA.OQi
-c^lC
500 'V- ''^i'- ^c einzelnen logiachen Gebilde und ihre Ge9elze.
also Bowobl die Gleichheiten (a ai wie die Älnüichkeiten
A A ^
(c c' nnd e eO wie die völligen Verschiedenheiten (ün-
A
vergleichbarkeiten b d f g h i) aufzähle. Dabei spielt die
richtige Zusammenstellung der Paare, d. h. die Auswahl der
Paarglieder, eine Hauptrolle.
In dem Akkoidbeispiel worden die Bemeinsamen Töne fis und ds dem
ji. die Tone ais und eis etwa dem c bzv. c', die iDtensit&ten der beiden
Töne dem e bzw. e' entsprechen, und onTerEleichbare TeUbesriffe würden
Btsz fehlen. Bei dem Vergleich eines Schneestunns mit einem Gentler
worden z. B. die Schneeflocken einerseits, und die Blitze andnrseils un-
vergleichbar*) sein, also etwa dem f bzw. i entsprechen. Dabei mafiUn
strenggenommen die individuellen Tdlvergleichungsbegrifie selbst (ultimaie
oder komplexe) anselOhit werden, also z. B. der Begriä des charskteristiscben
'Vergleicbserlebnisses, welches der Unterschied der beiden To'nempfinduniea
ais und eis bei mir herromift. Da jedoch diese Veigleichaerlebnisse in
ihrer individuellen Bestimmtheit ebenso schwieris oder noch scfawieriier
begriFflich und sprachhch zu fixieren sind als die Merkmaleriebnisse eines
komplexen Begriffes, so schlagen wir denselben Weg wie dort (S. 187} und
wie bei der benrifflichen Fixierung isolierter ultimaler Verflrächsb^hfle
(S. 499) ein, d. h. wir ersetzen den ganz individuellen, nuancierten ^-
zelnen TeilbegriU durch einen allgemeinen TeilbegriH >), wie z. B. mit
Bezug auf 2 Töne durch „glächbocb", „um eine Terz auseinandeiüegend",
„sehr verschieden hoch" usf. Nicht seilen helfen wir uns auch — wie bei
den anfachen Kompsrationsbegrilfen {S. *99) — dadurch, daß wir, statt
die komparativen Teilbegriffe anzugeben, die Übereinstimmenden, die ähn-
lichen und die unvergleichbaren MetfcmalbegriOe selbst aufzählen. Ja
schtiefilich begnügen wir uns oft damit, nur die nicht übereinslimmenden
Merkmalbegriffe zu nennen. Von einer „Definition" des komparativen Be-
grilles selbst kann bei diesem Verfahren nicht mehr die Rede sön. Vir
schieben dabei die Deflnidon um eine Argumentstufe zurück und geben
eine gegenüberstellende und auswählende Definition der beiden dem Ver-
gleich zugrunde liegenden Vorstellungen bzw. Empfindungen, aber keine
Definition des Vergleichsei^ehnisses.
Eine Übertragung der Definition auf den Gegenstand findet b«
den primären individuellen Eomparativbegriffen ganz ebenso statt wie bei
den primüren individuellen Komplenonsbegnften. Der Gegenstand des
Konyjarativbegriffes •) ist die Relation der verglichenen Vorsteltungen biw.
*) Olfenbar ist diese Unvergleichbarkeit flbrisens nur relativ.
*) In dieser Beziehung kommen wir" also über die Unzul&nglichkeit
der Definition der ultimalen (einfachen) individuellen Vergleicbsbegriffe (vgl
S. 499) keinen Schritt hinaus, nur in der Zahl der beteiügUn Teilbeffifle
können wir bei den zusammengesetzten individuellen VergleichsbegriSen
eine gewisse Vollständigkeit erreichen.
■) Den Zusatz „primär individuell" lasse ich im folgenden zur Ab-
kürzunn öfters weg; es handelt sich in diesem Parasraphen vorerst üb«-
naupl n u r um primäre individuelle Komparativbegritfe.
I. Kapitel. Die Lehre von den BeeriUen. 501
EmpSnduDSen bzw. Reduktionabestandt^te (vel. S. 333 fl.). Diese Relaüoa
zeilefeu wir bei dieser Obertiagung entaprecbend den komparativen Teil-
becriSen, also — unter Brabehaltunc der S. 496 eriäuterten Symbolik — in
A A A
[a a), [y y"), (t *'] usf. Bei dem Aufbau der Wissenschaften spielen
diese nonmüisierten Relatioossegenstaade eine wichtige Bolle.
Endlich kommt «s auch zu einer SabstantiatioQ
der primäreD individuellen Komparationsbegriffe in dem
8. 496 erörterten Sinn. Wir denken uns die Relation bzw.
den Komparationsbegriff (Belationsbegriff, vgl. S. 324) als
den Träger der definitorisch fixierten Teilrelationen bzw. der
fixierten Teilrelationsbegriffe. Wenn wir z. 6. popnlär und
wissenBchaftlich von „Kräften" sprechen und denselben
Attribute znschreiben, so handelt es sich sehr oft — logisch
betrachtet — nur um eine Snbstantiation komplexer Bela-
iioQsbegriffe. Größere Bedeutung bekommen dicBe Substan-
tiationen allerdlngB erst bei der Verallgemeinerung der
Eomparationsbegriffe.
S 96. Logische Definition, FortsetzDog: c) Definition
individneller Kontraktionsbegriffe, Symbolisch kann jeder
individuelle Kontraktionsbegriff ausgedrückt werden durch
ABC oder, wie jetzt durchweg geschehen soll, durch
PiPsPI"! (vgl. S. 326), abgekürzt F. Hier bezeichnen A,
B und C bzw. Fi, Fj und Fa die Zustandsbegriffe (Phasen-
begriffe, Fluxionsbegriffe, S. 330 u. 474), aus deren eigen-
artiger Verschmelzung (Kontraktion) der Kontraktions-
begriff entstanden ist. Dies Symbol gestattet nun eine be-
deutsame Umwandlung. Jeder der Fluxionsbegriffe enthält
eine Reihe von Teil- oder Merkmalbegriffen *) ; so würde z. B.
seinFi^mop, Fi = mo'p, P, = mopq usf. (wo durch die
Strichelnng, wie auf S. 499, die Ähnlichkeit zwischen o und
o' bezeichnet werden soll). Die Kontraktion besteht nun
darin, daS die übereinstimmenden Merkmalbegriffe (m) stark
akzentuiert, die ähnlichen (o) schwach akzentuiert oder mehr
oder weniger reprimiert, die gänzlich verschiedenen, wie q,
nahezu vollständig reprimiert oder eliminiert werden (vgl.
') Die Tennini „Teilhegrifl" und ,^eAmalbegnff' sollen auch hier im
wesentlichen in demselben Sinne sebraucht werden (vgl. S. 319, namentl.
Aiun. T u. S. 486). Femer beachte man, daS selbstverständlich nicht etwa
Fi> Fl u^. die Teilbegrilfe des Eontraktionsbegrifles sind; F^ F, usf. sind
seine lundierenden Begiilte oder „G 1 i e d e r" (vgl. S. 330).
„.,,„,^.oogic
502 ^- 1^^"- Die einzelnen logischea Gebilde uod ihre Gesetze
S. 327)*). Ee trügt sich nun, wie weit in die Definition eises
individuellen Koutraklionabegriffes auch die o- nnd q-Meik-
male aufzunehmen sind. Kine ziemlich verbreitete An-
sicht*) geht dahin, daß beide aus der Definition ganz weg-
zulassen sind, die Definition sich also auf die gemeinsamen
Merkmale (die m-Merkmale) zu beschränken habe')- Hier-
gegen sprechen jedoch folgende entscheidende Gründe. Man
denke sicli eiae kreisrunde belle Scheibe, die erst in 0«ll)
nnd dann alhnahlich mehr und mehr in Bot erscheint. Die
Rreisform und die Helligkeit sind hier die uii veränderlichen
m-Merkmale, das Qelb würde dem Merkmal o entsprechen
und allmählich in das dem ähnlichen Merkmal o' ent-
sprechende Rot übergehen. Es liegt nnn auf der Hand, daß
die Definition dicNPs Begriffes sich nicht anf Kreisform und
Helligkeit beschränken dürfte, sondern aacli die Farbe gelb-
rot irgendwie anfnebinen müßte. Je geringer und je lang-
samer und je stetiger die Farbenänderung ist, um so dringen-
der erscheint die Berückaichtigung der Farbe in der Defi-
nition. Sobald man aber die Aufnahme eines Merkmals in
die Definition nicht von seiner absoluten Unveränderlichkeit
abhängig macht, läßt sieh überhaupt keine Grenze mehr
ziehen. Insbesondere ist auch die Geringfügigkeit nnd Lai«-
samkeit und Stetigkeit der Veränderung keineswegs aus-
schlaggebend, wie das Beispiel einer fortgesetzt jäh zwischen
Gelb und Blaa die Farbe wechselnden Scheibe beweist. Es
kann sogar das Charakteristische eines Gegenstandes ein
solcher Wechsel der Merkmale sein. Keinesfalls also dürfen
die o-Merkmale prinzipiell aus der Definition aus-
geschlossen werden. Dasselbe gilt aber auch von denq-Merk-
inalen. Jn der Definition eines Berges, der jahrbondertelang
stets geruht und nur einmal eine Eruption gezeigt hat,
wird man diese einmalige Eruption nicht vermissen wollen.
Von manchen Kontraktionsbegriffen bliebe, wenn man alle
') Die hierbei wirksame Abslraklion ist bald dimiDuierend, bald ind&-
lenniniercnd. vmI. S. 3^,
') Dabei ist freilich zu berück sichtigeu, daß die DeCnilion individueller
1 der Logik bisher überhaupt sehr
•] Beruht die Aholichkeit eines Merkmals iltrerseils auf Qbeiciostiiii-
menden Teilmerkmaltn, ist sie also frusfal (S. 827), 90 würden die Qbeiein-
slimmenden Teilmcrkmale als m-Merkmale zu betrachten sein.
OgIC
1. Kaintel. Die Lehre von den Begriffen. 503
o- and q-Merkmale streichen wollte, überhaupt kaum noch
etwas Qbri^.
Ans allen diesen Beispielen schließe ich, daß die Defi-
nition eines individuellen Kontraktionsbeyriffea auch die o-
tmd q-Herkmale aufnehmen darf nnd oft auch aufnehmen
muB. Es ergibt sich damit eine ähnliehe Lage, wie wir
sie oben (S. 491) bei der Erörterung der Komplesions-
begrifFe fanden: wir sind zu einer Auswahl unter den
D- nnd q-Merkmalen gezwungen. Eine generelle Begel läßt
sich für die letztere von rein-logischem Standpunkte aus
nicht geben. Die Wesentlichkeit eines Merkmals ist hier
ebenso schwankend wie im Bereich der Komplexionsbegriffe
(vgl. S. 490). Es wird immer auf den Zweck ankommen, dem
die Definition innerhalb der jeweiligen Untersuchung dienen
soll. „Absolut wichtige" Merkmale existieren nicht. Das
vorübergehendste q-Merkmal kann gelegentlich für den
speziellen Zweck einer Definition nnentbehrlich sein.
Die althergebrachte Unterscheidung zwischen einer Definitio c-ssentialis
(mpVMiigf) und einer Definitio accidenlalia aeu attributiva beruht auf dieser
Annahme, daB man streng zwischen wesentlichen und unwesen'.lichen Merk-
malen unterscheiden könne. Vgl. z. B. J. Scotus Eriugena, De divis. nat.
I, 48 (ed. Honast. Guestph. 183S, S. iü); siehe zu dieser Unterscheidung auch
Ceberweg, System der Logik, 5. Aufl. Bonn 1882, S. 169. Die „wesentlichen"
Merkmale werden oft auch als essentielle odpr knnstitutive be-
/.eichnet.
Selbstverständlich dürfen nun über die o- und q-Merk-
male in der Definition nicht mit den m-Merkmaleu auf eine
Stufe gestellt nnd zusammengeworfen werden, sondern die
o- bzw. q-N«tnr eines in die Definition aufgenommenen Merk-
mals muß ausdrücklich in der Definition durch irgendeiun
Zeitbestimmung zum Ausdruck gebracht werden. Bei den
o-Merkmalen wird man außerdem oft die Schwankungsbreite
innerhalb des zugehörigen Allgemeinbegriffs (z. B. Farbe)
angeben können.
Es erhebt sieh nun das Bedenken, ob nicht iluich dii'S'^ Aufnahme der
u- und q-M^riimale die für die Logik unerläBiichc Konstanz und damit der
N'ormalcharakter der Kontraklionsbegriffe in Frage gestellt oder sogar direkt
aufgehoben wird (vgl. S. 482). fn der Tat kann dies Bedenken kaum ernst
genug genomirien werden. Es wurde auch in g 93 ausdrücklich betont, daß
reprimierte Vorstellungen in der Definition eines Begriffes keine Steile haben.
E» scheint also, als oh das eben geschilderte und begrilndele Verfahren
der Aufnahme der o- und q-Merkmale zu einem unlösbaren Widerspruch
mit den Prinzipien der logischen Begri Eisbildung fühlte. Tatsachlich
]st dies jedoch nicht der Fall. Allerdings können die o- «nd (i-Mcrkmale in
OgIC
504 '*'■ Teil. Die einzelnea logischen G«bil<te »md ihre Gesetze.
der unbestimmten Rolle, die sie in der psyctioiogisciieii Konlnklionsvocstel-
luDg im Sinn eines sog. Uitschwinsens spielen, nicht in den logischen Kon
traktionsbeRTiff aufgenommen werden. Van einer solchen Aufnahme war
ja. aber auch in der vorausgegxnsenen Erörterung keine Rede. Wenn ich
— um bei einem der oben gewählten Beispiele zu bleiben — die einmalige
Eruption eines bestimmten Berges im Hinblick auf ii^enddnen Zweck
meiner Untersuchung in seine Definition aufnehme, so geschieht dies: nicbi
im Sinn eines unbestimmten „Mitschwingens" der Vorstellung der einmaligen
Eruption, sondern ohne jede Repression im Sinn des ausdrOcklich zeitlicb
beschr&nkten Merkmals „einmalige Eruption". Durch die Hinzufilgung der
zeitlicb en Angabe, sie mag Qbrigens noch so unbestimmt sein, b^ommt du
Merkmal diejenige Unveräaderlichkeit °), die es als logisches Ifeikmal haben
muB. Dasselbe gilt von der „anfänglichen" Gelbfärtnmg der Scheibe ai.
Ihirch die begleitende zeilliche Limitation wird der Normalbegriff konstant
Ks kommt eben bei der Konstanz der logischen BegriQe nicht auf die Kon-
stanz der Merkmale, sondern nur auf das konstante Festbaltea
aller einzelnen Merkmalbegrif f e an. Vgl. S, 460.
Die. weitere Frage, ob die übereinstimmenden,
also die m-Merkmale, sämtlich in die Definition des
individuellen Kontraktionsbegriffes anfgenommen werden
müssen, ist wiederum — ganz analog wie bei den unkontxa-
hierten KomplexionsbegrifFen — zu verneinen. Eine solche
vollstäudige Aufzählung der m-Merkmale ist in vielen Fällen
weder zweckmäßig noch auch nur möglich. Sie scheitert
meistens schon an ihrer großen Zahl. Wir sind daher auch
bezüglich der m-Merkmale zu einer Auswahl gezwungen mid
werden nns bei dieser auf die für die spezielle Untersuchung
wesentlichen Merkmale beschränken (vgL 8. 490 u. 503). Sehr
oft werden wir dabei wiederum (vgl. S. 490) ein Merkmal
oder einen Merkmalkomples als p r ä 1 a t den übrigen über-
ordnen. Daß wir dabei zugleich in der S. 487 angegebenen
Weise die individnellcn Merkmale durch allgemeine ersetzen,
ist selbstverständlich.
Die Angabe nur eines allseitig unterscheidenden Metlcmals oder
ilcrkmalkomp!e.-(es ist keine Definition. Wenn ich z. B. Alexander den
GroSen als unmittelbaren Nachfolger Philipps von Mazedonien bezeichne, so
ist damit eindeutig angegeben, wen ich meine, und doch kann von einer
Definition keine Hede sein, da die für die Definition wesentliche Zeriwni
(vgl S. 483) fehlt Di» Definition ist eben stets mehr als ein Hilfsmitte! zum
Wiedererkeimen.
Äußerst wichtig ist für die Definition der individuellen Kontraktions-
bcgriEte auch die Tatsache, daß sie größtenteils unabgeschlossen und
offen sind (vgl. S. 330 u. 47Ö), insofern neue Fluzionsb^rifle jederzeit
angegliedert werden können. Dabei kann auch ein m-Teilbegriff seine
m-Hatur einbüßen und 2. B.'in einen o-TEilbegrill Obergehen usf. Auch
=) über die Veränderung durch neue Erfahrungen siehe unten.
OgIC
1. Kapitel. Die Leltre von den Begriffen. 505
diese Un&bee&cfalosseDheit uad Ofleuheit und die dunit zusammenhängende
Vaänderlichkeil der KontraklionsbeBrifle widerapricht durchaus nicht etwa
der EonsUnz, die sie ala NormalTorstellungen beanspruchen (vgl. § 87 u
S. Uß) . Die NonnaivoratelluDgen sind Idealgebilde, und ihre Konstanz be-
9Wt nur, daB für ein und denselben OeEenataiid unverändert derHcU>e Begriff
fesUehalten werden soll Eommen rteue Fundalien hinzu (vgl. S. 460) oder
erweist sich ein von mir gebildeter Begriff infolge neuer Erfahrungen oder
besserer Überlegungen als nialerial falsch, so tritt an Stelle des unzureichen-
den bzvr. verfehlten Begriffes ein neuer, der nun s-einereeits Anspruch auf
jene ideale Konstanz macht.
Wie bei der Definition primürer individueller Kom-
plexionsbe^ffe (vgl. S. 485), so ist anch bei der Definition
individneller KontraktionsbegrifFe keineswegs st«ts ein Zn-
rückgehen bis anf die ultimaJen Teilbegriffe erforderlich
oder auch nur zw>eckinäBig: wir kürzen auch hier die Defl-
nitioo durch Verweadung komplexer Teilbegriffe ab. Ebenso
gilt, was S. 4S7 über die definitorische Verwendung von All-
gemeinbegriffen gesagt wurde, auch von den individuellen
Kontraktionsbegriffen.
Sieht man von allen dieäen einzelnen Modifikationen ab,
so kann der Kontraktionsbegrüf P allgemein gesetzt wer-
den = m, n, . . ., o, . . ., t[, . . . . Er unterscheidet sich also
äufierlich von dem einzelnen Fluxionsbegriff, z. B. Fi, nor da-
durch, daß unter den Merkmalen eine bestimmte Auswahl
nnd meist auch eine Hinzufügung von Merkmalen auf Grund
andrer FInzionsbegriffe stattgefunden hat.
Die Übertragung der Definition des individuellen KontrakÜonsbegriOes
auf seinen Gegenstand (vgl. S. 491 u. 500) findet in derselben Weise
statt wie bei den prim&ren individuellen Eomplexions- und Komparations-
begrifien. Wir denken uns entsprechend der Bildung des KontfaktioDS-
begritfes auch seinen Gegenstand, z. B. das „Ding" im Sinn der ErSrtening
S. 82B, aus Fliudonen •> hervorgegangen und aus m-, o- und q-Merkmalen
zusanunengeselzt, etwa im Sinn des Symbols:
(^r<'>aK*a) . ■ ■ oder |^)irj ... t<,H») ...(«).. .
Eine besondere Bedeutung hat schließlich die S u b ■
8tantiation auf dem Gebiet der individuellen Eontrak-
tionsbegriffe. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß diese
psychologisch sich zuerst auf dem Gebiet der Kontrak-
tions Vorstellungen entwickelt. Wir denken ans, daß der
Kontraktionsbegriff der „Träger" der Fluxionsbegriffe bzw.
der in diesen enthaltenen Merkmalbgrifle und daß sein
Gegenstand der beharrende eine Träger der Flaxionen bzw.
*) Man beachte die entfernte Ahnlichkeil mit den modi Spinozas.
.oogic
500 IV. Teil. Die emzelnea logiscben Gebilde und ihre Gesetze.
der in diesen enthaltenen Merkmale ist. Vorzugsweise hier-
aaf beruht der Unterechied zwischen einer sukzessiTen Kom-
plexiODSvorstellnng: und einer Kontraktionsvorritellung.
Inabeeondere bei körperlichen Gegecatanden ist uns diese AuHmsuhi
■el&ufis; so schreiben wir das Wacbscn. GrQnen, Blühen. Welken usw. der
Blume als inb&herende Zustande iu. Indessen auch bei soft. psychiai^Kn
Gegenständen verfahren wir in ganz ähnlicher Weise; so sprechen wir »on
den Veränderungen und Schwantungen einer Stimmung, eines Erinnerangs-
t)ildes usf. Der Temiinua „Tritgersein" kann auch hier in doppeltem Sinn
verstanden werden (vgl- S. i97>. Entweder versteht man unter dem
Trägersein nur die Beziehung zwischen dem zu einer Elinheit zusammeB-
gefafiten Koniraktionskomplex und den einzelnen Fluxionen bzw. deien
Merkmalen; oder man stellt sich vor. daS in dem Kontraktlonskom^ei
noch irgendein X vorhanden ist, welches eine Sonderst eilung einnimmt, hn
ersten Fall hat die Annahme eines TrBgers keine neue sachliche (gegen-
st&Ddliche) Bedeutung; im zweiten wird hald der Gesamtheit der Daueimeik-
male (m-Merkmate) die Ti^gerrolle zugeschrieben, bald ein von allen
Fluiionen und ihren Merkmalen verschiedenes, ganz spezifisches Etwas ftls
Tr&ger hinzugedacht, ^'an der Entscheidung zwischen diesen verschiedenen
UOglichkeiten gelten die Bemerkungen S. *98. — Die Termini begriffliche und
objektivierte Substanz, begriffliche und objektivierte Merkmale (Akzidenlien),
begriffliche und objektivierte fnhärenz (vgl, S. 496) können auch mit Bezug
auf die Kontrakt ionsbeitriffe deDnitorisch verwendet werden.
§ 97. Logische Definition: d) Definition von AllgemeiB*
besrlffen. Die Bedeutung der AllgemeiDbegriffe für die
Definition der Individualbegriffe wnrde im Vorhergehenden
wiederholt hervorgehoben (vgl. namentlich S. 487). Bei
dieser Bedeutung bekommt die Lehre vou der Definition der
AllgemeinbegriSe eine Wichtigkeit, die weit über das Be-
reich der AUgeiuoinbegriffe selbst hinausgeht. Oft hat man
daher sogar die Definitionen stillschweigend oder ausdrück-
lich auf die Allgmeinbegriffe beschränkt (vgl. S. 488,
Anm. 8). Wenn nun auch eine solche Beschränkung ganz
ungerechtfertigt ist und zu einer gefährlichen Trennong
zwischen der Logik einerseits und den induktiven Wissen-
schaften einschlieülich der Psychologie andrerseits geführt
hat, so muß doch die Definition der Allgemeinbegriffe im
folgenden besonders ausführlich behandelt werden.
Als allgemeines Symbol eines Allgemeinbegriffs (gene-
rellen Begriffs, GeneralbegrifEs) ergibt sich auf Grund der
psychologischen Grundlegung in ^ 69 und gemäß der Fest-
setzung auf S. 331 u. 485 die Formel Ai Ai As . . ., in der
Ai, Aa, A3 . . . die normalisierten Individualvorstellnngen
(Individualbegrilfe) sind, die zu dem Allgemeinbegrifl zu-
OgIC
I. Katnlcl. Die Lehre von den Begrilfen. 507
eamiuengef afit werden '). TTdi jedoch im folgenden schon durch
die Wahl der Buchstaben anszndräcken, daß von einem All-
dem e i n begriff die Kede ist, wähle ich statt A jetzt den
BachBtaben W (wie für den individaellen KontraktionB-
begriff F gewählt wnrde); W ist also = Wi W» W, . . . .
Handelt es sieh anfinahmsweise nm einen nicht-zusammen-
gesetzten, auf Qrand propinqualer Ähnlichkeit gebildeten
(S. 346) Ällgemeinbegriff wie „gelb", so ist er gemäß der
Festsetzung S. 318, Anm. 6 u. 485, Anm. 5, durch w zu be-
zeichnen und also = Wi w- Wj . ■ ., wo beiapielBweise wi , Wa , wr.
Indivldnalbegriffe einzelner Gelbempfindungen sind. W,,
W:, Wj . , . sind die fundierenden Individualbegrifle für W,
Wi, Wj, Wa . . . die fundierenden Individualbegriffe für w. Da-
bei mag es unentschieden bleiben, ob wir gelegentlich aach
nicht -normalisierte Individualvorfitellungen zu einem gene-
rellen Normalbegriff zneammenfassen, ob also gelegentlich
Normalisation und Generalisation gleichzeitig erfolgen.
Es erhebt sich nun wiederum die Frage, worin die Defi-
nition (vgl. S. 484) eines solchen Allgemeinbegriffs besteht
Dabei empfiehlt es sich, die einfachen, d. h. ans ein-
fachen Individualbegriffen hervorgegangenen ÄUgemein-
begriffe (Formel: w) von den zusammengesetzten (Formel:
W = mno..., wo m, n, o die Teilbegriffe von W bezeich-
nen)') und ebenso die Allgemeinbegriffe der niedrigsten
Stufe, deren Fundalien nicht andere Allgemeinbegriffe, son-
dern nnmittelbar Individualbegriffe sind, von den Allgeme Jn-
■) Wie sich alsbald ergeben wird, beKbrftnkt sich diese Zusammen-
fassuns nicht auC iDdividualvorstellunsen, sondern schreitet stufen
weiter fort.
>) Man unterscheide also wohl W=Wj W^W, . . . von W
(und ebenso w =. w^ w w^ ... von w =: m). Die erstcre Formel
(W = Wj Wj Wj . . .) stellt difi Generalisation aus den individuellen bzw.
weniger allKemeinen Begriffen W,, W^, W^ usf., die letztere (W ^ m n o . . .)
die Zusammensetzung desselben allgemeinen Begriffs W aus seinen Teil-
bpgriHen m, n, o . . . (begrifflichen Merkmalen, S. 496) dar. Die W^, W,. W, . . ,
änd subordinierte, die m, n, o ... in der Regel superordinierte Begriffe:
i/ot" oder vielmebr „Kotes" ist ein allgemeinerer Begrifl als der Begriff
,3lut" und letzterem daher Obergeordnet, w&hrend ,31ul" ein allgemeinerer
Begrill ist als z. B. „Menschpnblut". Wj, W^, W, . . . können als fundierende
JBüliMf des Allgemeinbegriffs W bezeichnet werden, während m. n, o ...
«ine TeilbegriOe sind (vgl. S. 335 u. 501, .Anm. 1).
lA.OOgIc
508 ^- '^^''- ^^ emzeinen logischen G^ülde und ihre Gesetze.
begiiffeu' höherer Stufen za nnterscheiden und die sich so
ergebenden vier Omppen getrennt zu behandeln.
Ich beginne mit der Definition der einfachen ÄU-
gemeinbegrifte der niedrigsten*) Stufe, z. B. des Be-
griffes „rot" »od erinnere daran, daß zu dem Zostande-
kommen eines solchen einfachen ÄUgemeinbegriffes, gans
abgesehen und unabhängig von der Generalisation selbst,
mannigfache Abstraktionen {S. 318) erforderlich waren, so
für „rot" namentlich die Abstraktion von den begleitenden
räumlichen Eigenschaften (roter Kreis, rotes Qnadrat aaf.).
Die Cteneralisation selbst besteht darin, daß nun auch tdd
qualitativen Verschiedenheiten {Ziegelrot, Scharlachrot, Zin-
noberrot, Burganderrot usf.) abstrahiert wird. Diese zweite
— generalisierende — Abstraktion ist von der ersten — der
isolierenden wesentlich verschieden. Aus dem Allgemein-
begriff „rot" sind die räumlichen Formen {Kreisform usf.)
völlig ausgeschaltet*), wahrend die qualitativen
Eigenschaften des Kot (Ziegelrot usf.) in dem Allgeroein-
begriff trotz ihrer Repression (vgl. S. 319) enthalten
bleiben nnd nur indeterminiert werden (vgl. S. 329). !bi
die Definition gehen also die ersteren keinesfalls ein; sie
gehören wohl zu den Fuudalien des Allgemeinbegriffs „rot",
aber nicht zu seinem Gegenstand; im letzteren sind die
Farbenqualitäten schon durch Abstraktion von den raom-
liehen Formen isoliert (vgl. S. 265). Die Definition hatte
sich also auf die Qualität zu beschränken nnd müßte vor
allem das Gemeinsame aller Botnäancen angeben. Nns
leuchtet ein, daß eine solche Angabe bei einfachen All-
>) Künstlich lassen sich auch für diesen wie Ifl* iast jeden Allgemeiii-
b^iiff noch niedrisere konstniieren, z. B. elwa Burgunderrot. insofern wir
auch dieses noch in mancherlei NQancen kennen. Von solchen konsüicben
Einschiebungen soll im folgenden alnesehen werden (vgl. S. 359 f.)- — Uu
übersehe auch nicht, daß in dem oben behandelten Beispiel vorau^esetd
wird, daß die Isolation des Merkmals rot aus der komplexen Vorstellung der
roten Körper bereits Fall für Fall voraussegangen ist. Tatsfichlich ist eine
solche Sukzession oft gar nicht vorhanden, sondern die Isolation (AbstraklioD
von Form usL) vollzieht sich gleichzeitig und Hand in Hand mit der quab-
tativen GeneraJisation (vgl. hierüber S. 351 ff). Bei der Bildung des Allgemeln-
begrifls „rote KOrper" würde diese voraus gängige bzw. Rleichzeilige Isolatien
wegfallen und die Generalisation sich auf Farbe und Form erstrecken. In
ersten Fall ist der Gegenstand der Generalisation in den einzelnen Rot
QualitAten, im letzteren in den einzelnen roten Körpern gegeben.
<) Psychologisch gelingt diese Ausschaltung niemals vollständig,
»ie ist nur eine ideale Forderung der togischen Normal Vorstellung.
OgIC
1. Kapitel. Die Lehre von den Begriffen. 50^
gemeiDbegriffen ganz unmöglich ist, da die ziig«hörig«ii lodi-
vidaalbeg^iffe gleichfalls einfach und nur durch propinqnale
Ähnlichkeit (S. 327) verknüpft sind. Hieraus folgt, daß «in-
faehe AllgemeinbegriSe mcdrigster Stufe, wie rot, im
strengsten Sinne überhaupt nicht deflnierbar Bind: konstante
und allseitig unterschiedene Teilbegriffe lassen sich für sie
ebensowenig angäben, wie für einfache individuetle Isola-
tions- und Komparationsbegriffe (vgl. S. 482 u. 499), wir
l(önn«n höchstens zur „Erläuterung" die zugehörigen Indi-
vidualbegriffe mehr oder weniger volUtändig aufzählen.
Geht man zu einfachen Ällgemeinbegriffen höherer
Stufe, also dem Begriff „Farbe" über, so bleibt die ündefl-
nierbarkeit bestehen: Die Unzerlegbarkeit schließt jede Defi-
nition aas. Wir können nur dadurch die Erläuterung etwas
abkürzen, daß wir statt der zugehörigen IndividnalbegriSe
die zugehörigen Ällgemeinbegriffe niederer Ordnung, z. B.
zu ,^Parhe" „rot", „blau", „grün" usf. teilweise oder sämtlich
aufeählen.
Wenn sonach einlache Allgemeinbeeriffe keine eigentliche DeOnilioa
zulassen, so ist doch zuweilen auBer einer beispi^lsweisen Erläuterung
vrenigstcns auch eine „Charakterisierung"' nach einw bestimmten
Hichlung hin möglich: wir kCnuen nämlich oft über die Anordnung, d. b.
das eegenseitige Verhältnis der Individualbegrifte innerhalb eines Allgemein-
beghDs bzw. der niedrigeren Allgemeinbegriffe innerhalb eines höheren be<
stimmte jVngaben machen. So i.st z. B. der AngDmeinbesriff ., Farbe" dadurch
cfiaraktemiert, daB die einzelnen Fartwn eine stelige zweidimensionale
ßeihe bilden, waiirend für den AllBemeinbegriö „Genich" dies nicht gilt.
Auch die Angahe der GrenzbegriHe der Reihe, der Schwankungsbreile, der
SchwankungsdichüBkeit oder «Ines etwaigen Schwankungsgesetzes kann zu-
weilen in demselben Sinn verwendet werden. Eine solche .,CharakteTi3ie-
ning" is* weder eindeutig noch ßlierhaupt eine Definition, hielet aber zuweilen
unserer Eiltennlnis einen wertvollen Ersatz fflr eine Definition. Vgl. Ziehen,
Eikeuitnistheorie, Jena IBIS, S. 66 f. Von dem Ersatz durch sog. kausale'
Definitionen wird unten gesprochen werden.
Dio TJndefinierbarkeit aller einfachen Allgemeinbegriffe,
wie sie jetzt festgestellt worden ist, erfährt nun aber eine
wesentliche Einschränkung, sobald wir einmal eine auf-
steigende Skala von Allgemeinbegriffen (vgl. S. 333) fest-
pestellt haben, beispielsweise die Skala Rot — Farbe ^) — op-
=) Ich verstehe auch hier (vgl. S. 508. Anm. 3) unier Rot und Farbe
die reine QnaUtät, nicht etwa rotes Licht bzw. farbiges L i c h L Rotes Licht
und (ajhigeB Licht sind, da ihnen auch Intenaitftt, Lokalität usf. zukommt,
nicht einfach, sondern zusammengesetzt. Farbe entspricht also z, B. auf
akustischem Gebiet nicht dem Ton, sondern der Ton hübe.
„.,,„,^.oogic
510 'V- "^^ ^^ emzelnen logischen G«biide und Um tie&etze.
tiecbe Qualität — Sinnesqnalität — Ei^nschaft, ein« Skala
also, in der jeder Allgemeinbegiiff in dem foIgeDden ent-
halten ist. Symbolisch soll, wie schon S. 359 erwähnt, eint
solche Skala durch w*, w", w^ usf. bezeichnet werden. Tue
oben rechts beigefügte römische Züfer gibt also die
Qeneralisationsstnfe an, während die unten rechts bei-
gef ögte arabische Ziffer zur Anf Zählung der koordinier-
ten Begriffe einer and derselben Stufe verwendet wird,
w' bezeichnet den niedrigsten Allgemeinbegriff, w" den
nächsthöheren usf. Mit w* wird die Stnfe der den niedrig-
sten Allgemeisbegriff fundierenden Individualbegriffe be-
zeichnet. Es ist also w' ^^ Wi", Wj", w,° . . ., w" = Wi', Wi', W;' . . .
usf. Ich kann nämlich anf Qmnd einer solchen Skala nunmehr
jedes w dadoreb partiell definieren, daß ich einen höheren
Allgemeinbegriff angebe, in dem es enthalten ist, für w' also
z. B. w" oder w'" (Bot ist eine Farbe, ist eine optische Quali-
tät). Am meisten wird eine solche rein „subsamie-
r e n d e" Definition leisten, wenn ich za dem w, das ich defi-
nieren will, das nächsthöhere w angebe, also zu w' w",
za w^ w^' usf. Dies nächsthöhere w wird „nächsthöherer
Gattungsbegriff" cder auch — gemäS der auch hier übUcben
Übertragong auf den Gegenstand (S. 491) — nächsthöhere
Gattung (Genus proximum) genannt (vgl. S. 490).
Partiell bleibt eine solche Definition stets insofern, als die
Stellung des w, das definiert werden soll, innerhalb des
Genus proximum ganz unbestimmt bleibt*). Von irgend-
welcher Zerlegung in Tetlbegriffe, wie sie sonst für die
Definition charakteristisch ist (vgl. S. 484), kann dabei nicht
die Bede sein '). Da auch nicht, wie bei der Verwendung
der Allgemeinbegriffe zur Definition komplexer Individual-
begriffe (S. 488), durch Verbindung mehrerer AllgemeiD-
begriffe eine einengende Bestimmung erfolgt (vgl. auch
S. 494), so bedeutet die jetzt in Bede stehende Subsumtion
unter einen höheren AUgemeinbegriff bzw. eine Skala von
Allgemeinbegriffen sogar eigentlich in gewissem Sinne ein
') H&chsteDs kann sie im Sinn der S. 500 BogefOhrten Cbarakte<isienin8
(Angabe iet Stellung in der Reihe det koordinierten w's) etwas naher be-
zeichnet werden. Die Einzelwisaenschaften schlagen diesen Weg sehr oft
mit Erfolg ein.
■j Allzuviel Gewicht ist iiiorauf nicht zn legen, da maii die Definition
eelbsl aucli anders dclinioren kann. Siehe unten den historischen Exkurs.
OgIC
1. Kapitel. Die Lehre von den Besriffen. 5X1
ZnräckBchieben in grofiere Unbestmuntheit. Es wird sich je-
doch zeigen, daß trotzdem eine solche nnvollstsndige Defini-
tion, die aiif eine einzige bloße SabsumtiOD hinaoslänft, für
unser Denfcen sehr oft aaßerordentlieh nützlich ist. Übri^ns
leuchtet ein, daß snbsnmierende Definitionen auch für ein-
fache nicht-allgemeine Begriff« verwendbar sind, sogar auch
für primäre Individnalbegriffe, wie oben (S. 488, Änm. 9)
Bchrai bemerkt wurde.
Terminologisch eei noch bemerkt, daß in der Skala der
w's jedes W mit Bezug auf das nächsthöhere w"+' und alle
' noch höheren w's als untergeordneter oder subordi-
nierter Gattungsbegriff und bei Übertragung auf den
Gegenstand aU untergeordnete (subordinierte) Gattung be-
zeichnet wird. Umgekehrt sind w""*"', ■w"''"" usf. dem w"
saperordiniert. Der niedrigste Allgemeinbegriff einer
Skala, also w', heißt Artbegriff. Dem Artb^riff sind
die Individnalbegriffe Wi% w.", w," . . . subordiniert. Art-
oder Oattnngsbegrilfe derselben Stufe, die demselben w sub-
ordiniert sind, also W]"-', Wi"-', Wt"-' usf. heißen koordi-
niert Vgl. & 333.
Der Terminus „koordinierte BegriHe" achlieüt insolem eine Zweideutig-
keit ein, als er im engeren Sinn Begiitfe bezeichnet, die derselben Stufe
einer w-Skala angehören, demselben w subordiniert sind und sich
cegenseitiE ausschlieBen, während für seineu Gebrauch im
weiteren Sinn das letzte HeAmat wegfällt. So sind z. B. ,rArier" und
„UongDle" koordinierte Begriffe im engeron Sinn, „Neger" und „Sklave"
koordinierte Begrilfe im wetteren Sinn. Bei den letzteren entsprechen die
beiden Begriffe verschiedenen Einteilungsprinzipien dea übergeordneten Be-
grifles, bei den ersteren ist das Einteilungsprinzip für beide Begrifle dasselbe
(Wirtwitiere und wirbelloae Tiere) oder fehlt ein einheitliches einfaches Ein-
teilungsprinzip ganz (Schimpanse und Orang). Ich halte es fär zweck-
mäBiger, den Terminus .koordinierte Begriffe", da er auf eine „Ordnung"
hinweist, nur im engeren Sinn zu gebrauchen und die koordinierten Begrifle
im weileren Sinn als gleichstufige oder äquigrade zu bezeichnen.
Später werden wir auch die Termini „konjunkl" und „diaiunkt", ersteren für
ämiigrade, letzteren fflr koordinierte (s. str.) Begriffe «infOhren (vgl. S. b6B
u. 566. AnnL 15).
Anders gestaltet sich die Definition zusammen-
gesetzter AUgemeinbegriffe. Auch hier geht man am
besten von solchen der niedrigsten Stufe*) aus, also
^ SelbstverBtändlich ist die Bemerkung S. fiOe, Anm. 3 auch hier
cültig.
OgIC
512 ^- Teil. Dit^ eiiLM'.nen losi^chen Gebilde und ihre Gesetze.
etwa von AUgemeinbegriffea wie „roter Kreis*' *), „Ton c" **),
„Wiesenaalbei" "). Die Defloitioii eines solchen niedrigstrai
zoBanuneDKesetzten AUfifemeinbe^nfCB W hat zunächst jeden-
falls alle diejenigen irredosiblen Teilbegriffe (begriffUche
Merkmale, S. 496), anfznnehmen, welche allen subordinierten
Individaalbegriffen Wi, Wi, Wi . . . gemeinsam sind. IMese ge-
meinsamen, d. h. völlig übereinstimmenden Teilbegnffe sollen
wieder (S. &01f.) alB m-Merkmale bezeichnet werden. Irgend-
eine Weglassnng etwa als unwesentlich betrachteter gemein-
Bamer Teilbegrifle (vgl. 8. 490 n. 504) ist hier nicht statt-
haft, solange der Ällgemeinbegriff als solcher, d. h. als Glied
einer Skala (s. oben) verwendet wird. Dag^ren müssen die
aafgezählten m-Merkmale keineswegs stets ultimal sein (vgL
(S. 319), sondern es können, wie bei der Definition indivi-
dneller Korapl^xionsbegriffe, auch komplexe Teilbegriffe
verwendet werden") (vgl. S. 486). So kann man z. B. bei
i)er Definition der Wiesensalbei den Teilbegriff ,Jiippen-
blüte", also einen sehr komplexen Begriff mit Vorteil ver-
werten. Die verwerteten Teilbegriffe sind bald in dem
früher erlänterten Sinne (S. 320) adhärent, wie z. B. das Bot
und die Kreisform in der Definition des Allgemeinbegriffee
„roter Kreis", oder inadhärent wie die Lippenblüte in der
Definition des Allgemeinbegriffg „Wiesensalbei".
Von besonderer Wichtigkeit ist die Stellung der in die Definition auf-
Kf/nommenen Teiltjegrilfe zueinander. Zuweilen sind diese nämlich gleicb-
L'e?iellt, keiner ist iirfilal, wie wir nach Analogie der bevorzugten TeObesnffe
änea individuellen Komplcxionsbegriffes (S. 490 u. 504} sagen können. Sa
ist z. ß. jn dem AllsemeinbegriU „psychophysisch" weder der TeilbegiiS
„psychisch" noch der TeilbegriCf „physisch" prfilBt, beide sind völlig koorii-
niert, und nur etnaS künstlich lieBe sich fflr den einen von beiden eine
('bcTordnung herausktaRcln. Sotehe Fälle sind jedoch sehr selten. Farf
*) Han beachte, daß wir diesen AllgemeinbegriH nicht durch ein cin-
■jfAneii Wort ausdrücken kSnnen.
") Ich verstehe unter Ton mit den meisten Psychologen im prägnanten
Sinn den sog. einfachen Ton im Gegensatz zum Klang. Zusanunengesetri
ist er aus Höhe, Intensität mi. Vgl, auch S. 50B, Anm. 3.
") Die „Arten" der beschreibenden Naturwissenschaften sind im logi-
schen Sinn größtenteils niedrigste Gattungen.
*^ Ich erinnere nochmals dafan, daß nicht etwa die Individualbegiifle
Aj, A,, A. . . ., welche einem AUgemeinbegrifi A zugrunde liegen, als seine
Teilb^riffe zu betrachten sind; vielmehr kommen a!s solche nur die Teü-
begriffe in Betracht, die in den IndividualbcghSen enthalten aind, al^o vor
allem die den IndividualbegriSen gemeinsamen Teiibegriffe. VgL S. 3Si,
336 u. 507, Anm, 2,
i>,Cooglc
1. KaDitel. Die Lefai« von den Begriffen. 513
stets ist unter den semeinsamen Teilbegriffen bzw. Teilbegriltkomplexen
einer, der zur Unterscheiduns des zu definierenden Begriffes von anderen
besonders viel beitr>, und dann verwenden wir diesen in unserer DeH-
nitioa als pr&laten Teilbegriff, die anderen als rezessive.
Symbolisch soll ersterer durch ein beigefOgtes 1 charakterisiert werden
(z. B. m!). So kommen bei der Definition des Allgemeinbegriffes „Ton" (als
EmpfindungspbOnomen verstanden) als Teilbegrilfe in Betracht: akustiachu
Qualität, Intensität (intensive Variierbarkeit), Dauer (temporale Variierbaf-
keit) naf. Alle diese Teilbegriffe sind fOr den Allgemeinbegriff „Ton" wesent-
ücb: jeder Ton hat nicht nur eine bestimmte akustische Qualität, sondern
auch eine bestimmte Intensit&t und eine bestimmte Dauer. Es leuchtet aber
ein, dafi die akustische QuaUtät für weitaus die meisten Zwecke unseres
Denkens der charakteristischste Teilbegriff ist. Daher machen wir diesen
TeübegriR zum prälaten und adjungieren'*) ihm die ahmen. Ebenso
ist in dem AUsemeinbegriff „roter Kreis" die Kreiaform fQr unser Denken
meisleDS „p r ä 1 a t" und die rote Farbe „rezessiv"*. Sprachlich drückt
sich dies wiederum oft darin aus, daS wir den prälaten Teilbegrifi substan-
tirisch, die rezessiven adjektivisch ausdrücken (vgL S. 497, Anm. 38).
Es versteht sich von selbst, daB die zur Verwendung gelangenden
m~TeilbegriIf e selbst Allgemeinbegriffe sind. Was bei den individu-
ellen Eomplexionsbegriffen nur eine zweckmäBige Aushilfe war (S. tö7),
ist bei den allgemeinen BcgriSea eine notwendige Folge ihrer Aligemeinheil.
Dabei ist allerdings nicht ausgeschlossen, daB neben allgemeinen Teiibegriffen
■usnahmaweise auch individueDe als erläuternde Beispiele herangezogen
weiden; die Grenze der logischen Definition wird jedoch damit überschritten.
Das ganze Verfahren läuft somit daranf hinaus, daB in
der Definition eine charakteristische Kombination von all-
gemeinen Teiibegriffen angegeben wird, von denen in der
Begel einer als prälat bebandelt wird. Jede Angabe eines
Teilbegriffs (z. B. rot) ist mit der Snbsmntion nntereine
Oattong (der roten Gegenstände) äquivalent: wir ,,hypo-
stasleren" dem Merkmal „rot" die Qattnng „rote Gegen-
stande" (vgl. S. 494 n. 516).
Es erhebt sich onn die weitere Frage, wie die niobt-
gemeinsamen Merkmale, also die nur ähnlichen und die gänz-
lich verschiedenen (die o- und die q-Merkmale, vgl. S. 501)
bei der Definition zusammengesetzter Allgemeiubegriffe
niedrigster Stufe behandelt werden sollen. Eine unbestimmte
Bepression, wie sie psychologisch bei der Bildung sol-
cher AUgemeinvorstellungen erfolgt (vgl. ^ 09), ist auch
hier für die Logik ausgeschlossen (vgl. ^ 93 u. S. 503). Für
diese kommt eine gewissermaßen halbe, gradweise ver-
schiedene Aufnahme nicht in Betracht. Zunächst nun bat
**) Ich wähle diesen Terminus, weil das Wort „subordinieren" schon
vergeben ist.
Zlebtn, Lthriraeh der Lo^lc 33
„.,,„, ^.oogic
514 ^'- TeiL Die einzelnen iogischea Gebilde und ihre GeseUe.
die Logik — älinlicli wie auf dem G«biet der KontraktitHiB-
begriffe — oft genng Veranlaesiuig die o- und q-Merkmale
nicht völlig aas der Definition za eliminieren"), sondern
wenigstens insoweit in die Definition mit aofzonehmen, sIb
wir die relative Hänflgkeit (paHieUe Gemeinsamkeit) eines
o- oder q-Merkmals, das ausnahmsweise Vorkommen eines
q-Merkmals, die Schwankungsbreite eines o-Merkmals zwi-
schen bestimmten Grenzen hervorheben. Es handelt sich
gewissermaßen nm eine Charakterisiemng der Struktur des
AUgemeinbegriffs. So wird man sich z. B. oft bei der Defi-
nition des Begriffes „Ton" nicht auf die Teilbegriff« Ton-
höhe, Intensität usf. beschränken müssen, sondern auch die
Schwanknngsbreite zwischen dem sog. tiefsten nnd höehatea
Ton in die Definition aufnehmen dürfen. Ebenso wird die
Angabe in der Definition des Wiesensalbei, daß die Farbe
der Blute fast stets blauviolett und ausnahmsweise weiß ist,
zulässig und in vielen Fallen für die Verwertung der Defi-
nition in unserem Denken nützlich sein. Selbstverständlich
könnte man wUlkürlieh festsetzen, daß man anter Deflnititn
nur diejenige Begriffsbestimmung verstehen will, welche sidi
auf die gemeinsamen Merkmale beschrankt, aber es fragt
sieh, ob ein« solche Festsetzung nicht der Fmchtbarkeit der
Definitionen wesentlichen Abbruch tnt nnd nicht auch mit
dem tatsächlichen Deflnitionsverfahren vieler Wissenschaf-
ten in Widersprach steht*').
Dabei ist selbstverständlich, daß diese fakultativ zn-
gelassenen o- und q-Merkmale stets als solche in der Defl-
tiition gekennzeichnet und von den m-Merkmalen ansdrfick-
lich nnterschieden werden müssen. Nur also, wenn die
individuelle Beschränktheit (Beschränktheit auf Individaen
und Individnengruppen) i n dem o- nnd q-Merkmal als solche
ansgesprochen wird (z. B. „ausnahms weises Vorkonunen
**) Vgl. hierzu Drobiscb, Neue Darstelluns der Logik usl., i- AQU.
Uipzig 1876, g 18, S. 19.
^*) VgL zu dieser Frage auch Fortlace. System d. PsfcholofiG otf
1. TeU. Leipzig 1856, S. 130ff. u. Volkelt, Philos. Mon.-Helte 1881, Bd. 17,
S. 120. Es ist daher auch nicht ausreichend, wenn man nur davon spridil.
daß die „Stelle" aller bestimmten Artunterschiede in der Definition noch
mitgedacht, aber ihre Besetzung mit diesem oder jenem Aitunterachied oflen
gelassen werde (vgl. S. 329 Ober indeterminierende AbalrakUoB). Wii
müssen zuweilen in die Definition auch eine Angabe über die variabfe Be-
setzungsweise selbst aufnehmen.
1. Kapitel. Die Lehre Ton den Begiillea. 515
weißer Blntenfarbe"), iet die Aufnahme solcher Merkm^e
mit der Konstanz der logischen BegritFe verträglich (S. 503).
Utn kCanle gegen die Aufnahme von o- und q-Heitanalen nodi
einireDden, daB durch sie die Grenze zwischen dem individuellen kollektiven
Komplexionsbegriff CS. 3SS u. 474) und dem AllgemeinbennS nftnEÜch ver-
wischt werde. Dieser Einwand ist jedoch nicht zutreHend. Der Allgemein-
begriS behält trotz der Aufnahme von o- und q-Herkmalen seine räumlich-
zeitliche Unbestimmtheit und cbarakleristiache Ofienheit (S. 336, 360 u. 476)
bczOglich der Aufnahme neuer Individuen, EiKcnschaften, wie sie dem
individuellen KompIexionabeBrifi, auch dem kollektiven und kontrahierten,
niemals zukommen.
Diese Znlässigkeit der Anfnahme von o- und q-Merk-
malen erleidet jedoch hei den Allgemeinbegriffen infolge
ihres skalaren Charakters eine wesentliche Einschränkung,
welche bei den Kontraktionsbegriffea nicht bestand. Sobald
nämlich ein AUgemeinbegrlff mit Hinblick auf seine Stnfen*
stelinng in einer Skala w', w" usf. definiert und verwertet
werden soll, müssen alle o- und q-Merkmale vollständig ans
der Definition ausgeschaltet werden. Diese Ausschaltung ist
geradezu selbstveretändUch, da ja die Konstmktion der
Skala allen Sinn verliert, wenn auch irgendwelche fakul-
tative Merkmale zugelassen werden.
Ist erst einmal eine Skala von AllgemeinbegriSen in dem
S. 509 besprochenen Sinn gebildet, so vereinfacht sieh die
Definition der zusammengesetzten AllgemeinbegriSe niedrig-
ster Stufe formal erheblich. Statt einen solchen Allgemein-
begriff durch eine für ihn charakteristische Kombination
von einfachen oder komplexen (S. 512) Merkmalbegriffen zu
definieren und dabei eventnell einen Merkmalbegriff m I
als pralat hervorzuheben, geben wir einen höheren Allge-
meinbegrUt an, unter den der zu definierende Begriff fallt,
dem er also in dem S. 511 festgestellten Sinn snbordiniert
ist, und unterscheiden ihn deflnitorisch von koordinierten
anderen Allgemeinbegriffen, indem wir die für ihn gegen-
über diesen charakteristischen Merkmalhegriffe hinzufügen.
Sachlich hat sich dabei nichts geändert (vgl. S. 513). Wie
bei der Definition einfacher Allgemeinbegriffe (vgl. S. 510)
verwenden wir als höheren Allgemeinbegriff am zweck-
mäßigsten den nächsthöheren, geben also das Genus
prozimum W' an. Der Unterschied gegenüber der Defi-
nition einfacher AUgemeinbegrifFe liegt nur eben darin, daß
^nx bei den zusammengesetzten Allgemeinbegriffen die Defi-
nition durch Hinznfügung unterscheidender Merkmale ver-
33*
„.,.,„,>..oo^sic
516 ^- '^^'^ ^^ ünzelnea lotischen Gebilde und ihr« Gesetze.
vollständig«!! können **). Die Gesamtheit der letzteiren wird
anch als Differentia specifiea") bezeichnet. Der
prälate Merk!nalbegriff, er mag einfach oder komplex eein,
gebt bei diesem Verfahren gewöhnlich in das Qenns prozi-
mom über.
In dem Genas proximom bleiben aleo Merkmaletellen
offen bzw. indeterminiert (vgL S. 334), nnd darauf beimht
sein fibergeordneter Charakter. Die DifFerentia specifiea
füllt diese offenen Stellen ans und setzt damit den generellen
Charakter nm eine Stnfe herunter (von w"+' anf w"). Maa
spricht daher auch von der Determination des G«Dns
prozimmn dnrch die beigefügte Differentia specifiea ").
Auch bei den AlIgemeiubegritfeD kommt es in der Resel zu den als
Obiektivation und Substantiation beschriebenen UmbUduniw
(VgL S. 492 u. 496). Der zu definierende zusammengesetzte AUgemein-
besriB W l&Bt sich als ein Meikmalkomplex z. B. mnop daistellen (v|L
S. &07) und als solcher eich nie Jede Eomplexionsvoistellung obiektivieTen
und substantiieren. An Stelle des AUgemeinbegriäs Pferd tritt das allge-
meine Objekt Pferd, und letzteres wird als „substantieller Trflger" der Merk-
male n^ n, o, p aufgefaßt "}. Diese Objekltvation und Substantiation dehnen
wir nun auch auf das Genus proximum Wp' — also etva mno — aus.
Auch dies wild nicht mehr einfs£h als Merkmalkomplex gedacht, sondern
obiekUviert und subslantüert (gewissermaBen zentriert). Die Suboidinatioii
von W unter Wpr bekommt daher die Bedeutung: das allgemeine Objekt W
gebArt zur Gattung der allgemeinen Objekte Wi"', und die W- Objekte
als Substanzen (Meikmaltrfigef) gedacht gehören zu den Substanzen (Ueit-
maltrlgem) Wpr. Offenbar ist diese Umdenkung Terwandt mit dem, was
wir in SpeziaU&llen bereits als Hyposlasierung '*) kennen gelernt haben
(vgl. S. 494 und auch oben S. 519). Aus dem prilaten HeriunalbegriB
„Lippenblüte" in der Definition der Wiesensalbei wird der hypostasierie
Begriff des Genus proximum ,jjppenbiatler". Die in der Difierenüa spedfica
Zusammengestell len Merkmale werden ganz ebenso wie das Uenus pron-
mum objektiviert, dagegen nehmen sie an der Substantiation in der Regel
^■) Bei einfachen AUgemeinbeeriflen besieht zwischen den Arten des
OenuB pnnümum nur eine uozerletfHire propinquale Ähnlichkeit (ygL S. 899).
'^) Strenggenommen dürfte zunächst nur vom n&chsthöheren Gathings-
begriff und spezifischen Unterschiedsbegriffen gesprochen werden.
Die Ausdrücke „Genua proximum" und „Difierentia spedfica" involvieren
bereits eine ObjekUvation (vgl. S. 493 und unten).
^■) Aristoteles (^1. z. B. Akad. Ausg. B2a) braucht dafflr das Wort
tfittwt, freilich nicht in ganz konstanter Bedeutung. Siehe auch oben
S. 81B, Anm. 4.
") Nicht nur allgemeine si^. Dinge, sondern auch allgemeine Eigen-
schaften können substantiiert werden.
»0 Das Merkmal bzw. der MeAmalkomplex wird sobstantiiert, der
Träger ihm hypostasiert.
1. Kapitel. Die Lehie von den B^riHen. 517
nidit teil Ein wesentlicher Unterschied ist damit nicht gesehen, da ia iedes
za der DiSerentia speciflca gehörige Merkmal seinerseits Eum Genus pioxi-
miun erfaobetr werden kann, indem der zu definierende Begriff einer anderen
Skala von Allgemeinbegriffen untergeordnet wird, und damit der Substan-
tiation verfallt
Selbatvent&odlich kann diese Betrachtung muUtia mutandis nun auch
auf die an fraheren Stellen efw&bnten Verwendungen des Genus pioximum
Oberiragen werden (S. 490 u. BIO). Wenn ich definiere; diese Farbe ist
ein helles Gelb, so wird das Gelb objektiviert und substantiiert und im Sinn
der Hrpostasierung „diese Farbe" unter die bellen oder unter die gelben
ßegenst&nde eingereiht
Wir neigen dann weiter in hohem UaBe dazu, nicht nur das Genus
mwcimum zu substantiieren, also fOr seine Merkmale m, n, o einen Trftger
aniunehmen, sondern auch das Genus prozimum als Ganzes oder den hypo-
thetischen Trfiger seiner Meifcmale m, n, o z u g I e i c h als Träger der Diffe-
rentia specifica aufzufassen, also — in unserem einfachen Beispiel — als
Träger von p. Genus prozimum und DUferentia specifica treten daroil in
ein VerhUtnis von Substanz und Akzidentien (S. 496). FOr die Logik be-
steht kein zwingender Grund, den einfachen Tatbestand in dieser Weise
umzudeuten.
Diese ErÖrtenuigeD — von S. 511 ab — gelten zunächst
nur für die zosammeDgesetzten AUgemeinbegriffe der
niedrigsten Stnfe. Sie lassen sich aber offenbar nnmittelbar
auch auf Allgemeinbegriffe höherer Stufen übertragen,
wie dies hin und wieder schon beiläufig angedeutet wurde.
Aach für diese besteht die Definition in erster Linie in der
Aufzählung aller den anbordinierten Art- und daher auc^
IndividualbegrÜIen gemeinsamen Teilbegriffe (vgl. S. 512).
Auch hier verwerten wir statt der ultimalen Teilbegriffe oft
Teilbegriffkomplexe, auch hier geben wir einem bestinmiten
Teilbegriff oder Teilbegriffkomplex oft eine pralate Stellang
(S. 513), auch hier werden die nicht-gemeinsamen o- und
q-Teilbegriffe nach Bedarf und unter ausdrücklicher Hervor-
hebung ihres Charakters (als nicht-gemeinsamer Teilbegriffe)
mit znr Definition herangezogen (vgl. S. 514), auch hier ist
letzteres Verfahren unzulässig, sobald der Allgemeinbegriff
irgendwie nach seinem skalaren Charakter verwertet wird
(S. 515), auch hier beschränken wir die Definition, sobald
einmal eine Skala zugehöriger Allgemeinbegriffe gebildet
ist, oft mit Vorteil auf die Angabe des Genus proximom nnd
der QKzifischen Differenz (vgl. S. 515 ff.). Ein wesentlieher
Unterschied liegt nur darin, daß die Determination daroh
die spezifische Differenz bei den Allgemeinbegriffen der
niedrigstea Stufe (z.' B. Wiesensalbei) bis aaf indivi-
duelle Eigentümlichkeiten yollstandig ist, während sie bei
„.,,„, ^.oogic
Ö18 ^- ''^^''- ^^ einzelnen losiscfaen Gebilde und ihre Gesetz«.
Allgemembegriffen höherer Stufen (z. B. Labiaten) immer
unvollständiger wird. Viel Gewicht wird man diesem Unter-
schied nicht beilegen, wenn man eich erinnert (vgl. S. 508,
Anm. 3), daß der „niedrigste Allgemeinbegriff", die sog.
Species infima, nur eine Fiktion ist, und daB es uns allezeit
freisteht, noch einen niedrigeren Allgemeinbegriff zn kon-
struieren und diesen zwischen dem „niedrigsten" AllgMnein-
begriff und den Individualbegriffen einzuschieben.
Die Obiektirienins und Subslanliaüon der höheren zusammengeselztea
Aligemeinbegriffe verfa< sich ebenso wie bei den niedrigsten, vgl S. 516.
Historisch sei Ober die Definition des Bcgriflea im aUgcmönen
und der einzelnen Begriflsklassen noch folgendes bemerkt. Bei Plato
beiBt die Definition bzw. die Handlung des Definierens ifl(t«9mt (Riaednu
366 D, cp#r 287 D); das xoirii' (nun jtou-ür w) entspricht etwa dem über-
geordneten Gattungsbegrifi, die ita^o^i^s oder AofM^s etwa der Difla«iiÜ>
specifica (Tbeaet 209 Afl.)- Vgl. auch S, 2* u. 27. Vielleicht war ri Piatos
Zeiten auch bereits der Terminus „Uytt" for die Definition gebräuchlich
(Jheaet 306 DJ; insbesondere wird dem Anlisthenes der Sats zugeschrieben:
ÜyK inlv t *B ti i» i) Int") tfi,»«;» (Diog. Laert., De vilia etc. V^ 1, 3.
ed. Huebner, Bd. 2, S. 2). Bei A r i 3 1 o t e I e s (vgl. S. S2) finden sich fast
gleichbedeutend die Termini Wyoe") und t^ufiis. Der Gegenstand der Defi-
nition ist das t£ W ^r (Jvst (vgl. S. 36). Daher gibt er die ErkUinmt:
iftB/Uc i«i( Uj/f S » tI Je iJrat a^/tatfur (Akad. Ausg. IGOa 81)*^).
D«r in der Definition verwendete übei^eorduete GaltungsbegriS heiSt yirw,
di« Differentia specifica Juitpagmt oder ädanoüc Jiuipo^ (vgl Akad.
Ausgabe 103 b u. 143 b). Jede Definition ist an die Kategorien gebundeo
(a«i yä^ li evftßtpii»ie xal rö yirtt »al td tinr aai i igim/tie /r fuf
Toviaw war KBn:y»fiäi' hrm). Über die Bedeutung der cvfiptfiit*it* b«
Aristoteles siehe S. M, Anm. 9. Die stoische Definitionslehn bedeatct
insofern einen Rackaohritt gegenüber der aristotelischen. aJs die Stoiker die
Ddkdtiou auf die zur Unterscheidung eines Gegenstandes von anderen er-
forderUcben Merkmale beschränkten "). So wird z. B. dem Chrrsippu*
die Lehre zngescfarieben : ön i^r larif j tau M»v ixUoau, rMtJar»',
i ji Umr änoM^ir (vgl. J. ab Arnim, Stoic. veL fragm., Bd. 2, Lips. IVB,
S. 76). Vgl. auch S. 464 aber die iiuy^avi der Stoiker.
Ifarcianus Capeila (vgl. S. 61) betont besonders schuf die
Bedeutung des Genus prozimum fflr die Definition (De nupt. Lib. 4, g SM
31) Huebner liest g £ri.
**) Im ganzen ist aber iäye doch ein weiterer Begriff, nur im prkgnin-
len Sinn wird Uj-v schlechthin für Definition gebraucht und dem ö^/i»e
sleicbgeselzt.
*■) Die Paginiening deq Akad. Ausg. ist hier unrichtig, die zweite mit
160 bezeichnete Seite ist gemeint (Top. H, 5). VgL auch Top. A, 8, 108 b lund
KetapliTa. Z, 4, 1029 b. Auch die BemeAungen von Jaeger in der S. Sl
alterten Arbeit sind fOr das Verständnis der Deünitionslehre in der aristo-
teUsdiea Metaphysik zu beachten. In den Analvt. post (90b) findet sich
die Wendung: ■<' i igM/iit •vvte« tie jmteu/Mt ■ ■ ■"
**) Aristoteles hatte diese M« vom Sfia/iie allenthalben scharf ge-
trennt (vgl. S. B6).
1. Kapitel. Die Lehn von den Besriffen. 5]^9
«. 849, ed. Byesenfaardt, S. 103 tf.). B o § t h i u s (vsL 5. 51) iQhrie die Mr
<Us nJtM Hittelaller tnafigebend« TenunoioRie der Definition ein. So
9cb«tnl z. 6, die Bezeichnung „Differentia speciSca" auf ihn zurückzugehen
(Im PondtTf. a se IranslaL, ed. Basil. Lib. IV, S. 81, ed. Mime, Bd. 64, S. 125),
and zwsr brauchte er noch den Plural diflerentiae specificae und setzte »e
mit dea dtSereatiae per se, d. h. den weaentliches Difl«renzen (Gegensatz
dtHcMoUa« per accideus] gleich (De divisione, «d. Ba«!. Lib. I, S. 611, ed.
Mime S. 880). Bemerkenswert ist seine AuseinanderaetEung Ober die Un-
definteitoadteit aller höchsten Gattungen (generslisama genera}; für solche
ist atu eine desariptio (tm^y^M/iic iiiv*!, vgl. S. 46{, subacriptiva ratio. In
PonAyr. a Victorino translat., ed. Basil, DiaL I, S. 14, ed. Uigne S. STT] mAg-
lich. Die wahre Definition geht stets „a toto" aus (ai(^t „a partibus bzw.
paitiuiB ennmeratione" oder „a nota") und tritt in z^üreichen Formen auf,
derea B. unter Vorbehalt 15 aufzflhH (De diffin. S. 48 «., ed. Higne S. 801) ^).
Oie Definilionslehre des llitlelalters, insbesondere der Scholastik,
stsad 'gräSlenteils unter dem Einflufi des Universal ienstreits (v|l. g 17 ff.).
Am bemerkenswertesten sind in der älteren Scholastik die Erfirterungen von
Gil'bcrl Porretanus (ad BoSthium**) de Trinitate, in Opp. BoSthii, ed.
BasiL tb?0, 5. 1148) und Abaelard (Liber divisonum et definititmnn^
OuTT. in£d. ed. Cousin, Paris 1886). Durch das Hinzukommen dei
TeraäDi „essentia" (vgl. S. 62, Anm. 11) und „quidditas" (vgl. S. 69, 77
o. 41} Bu d«n Tenninus „sobstantia" wurde die VeiwmTenheit der D^-
mtionriefare noch weiter gesteigert. Die EiiUrung des Thomas von
Aqaino (Summa theol. II, II, Qu. 4, art 1, ed. Migne, Bd. S, S. 46:
„defioitia indicat rei (piidditatem et essentiam") ist von ihm nirgends klar
erlMert worden (vgl. S. 77). Vgl. auch De ente et essentia e. 1: „Quia
illiid, per quod res constituituf in proprio genere vel species, est quod stfni-
Scamua per definittonem indicantem quid eet res^ inde est quod nomen
easentiafl a philosophis in nomen quidditaUs mutalur." Ein wesentlicher
Fortaohritt Ober Aristoteles hinaus ist nicht erkennbar.
Ke partielle Reform der Logä im 16. Jahrhundert durdi Petrus
Ramas (vgl. S. 91) hat an der Lehre von der Definition nur wenig ge-
Aadsrt. Die vollkommene Definition — im Gegensatz zur unvollkommenen,
der fasdvtio — ist die „defioiüo constans e solis causis essentiam conati-
twatäwe: quales causae genere et forma comprehenduntur", sie ist ein
„univenale symbolum causarum essentiam rn et naturam constituentium
C*tL z. B. Dialecticae Ubri duo, I, SO, ed. Francof. 1677, S. 92 f.). Jedes tiefere
ffiiKehen auf das Wesen der Definition wird vermifit.
Die Logique de Port-Royal gibt gleichfalls keinerlei neue Auf-
acUflwe Ober die Definition (vgl z. B. Partie I, Chap. b, ed. Jourdain, Paris
IWt & 46 ff.), nur die Bemerkungen Ober die d^finiUon de nom (I. c. S. 71 S.)
bedeuten in methodologischer Beziehung einen Fortschritt.
Eine eibebliche Föfderang erfuhr die Lehre von der Definition durch
L e i b n i z *')- ^ '">'> ■<■'( Recht hervor (vgl. die BemeAungen oben S. 490,
'*) Er schlieBl sich dabei, wie Prantl festgestellt hat, tast ganz an
Mhos Tictorinus an (Isidorus Hispal., EtTmd. B, 29, ed. Areval., Bd. 3,
S. lue. Vgl. auch S. 62, Anm. 2.
**) <ät Boethius die Schrift de trinitate verfaSt hat, ist sehr zweifelhaft.
*>} Vgl. hierzu Trendelenburg, Histor. Beilrage z. Philosophie, Berlin
18(7, Bd. 8, S. 48ir.
0'^\Q
520 ^V- "^^^^ ^^ einzelnen logUchen Gebilde und ihre Gesetze.
5U tut. Ober prälate Teilbeghfle), daß Genus (proidmum) und Dififiuitii.
(si>ecific&} verUuschbar sind (homo est animal nlionale c= homo est ratinul
onimale) >■}. Auch yersuchte er' unennüdUch für die wichtiBsten Begcife
mtrefiende Definitionen zu finden. Den Unterschied zwisctien Nomiul- nnd
Realdefliuiionen (vgl unten S. 686) charakterisierte er durch den Satz, die
definitio nominalis sei nichts anderes als die „enumeratio notanim suffiden-
tium", die definitio reaUs diejenige, aus der „constat rem esse possibilmT.
Die bei der Realdefinition in Betiacht kommende HftgUchkeit (posaiMlitu)
erkennen wir entweder a priori („cum notionem resohnmus in sua requisila
seu in alias notiones coKnitae possibilitatis, nihilique in üUs incomi«-
tibile esse scimus") oder a posteriori („cum rem actu esistere experimuO-
Die Eausaldefioitionen (s. unten § 106) redmet L. zu den apriorischen
RealdeGnitionen "). Chr. W o 1 f f tiat diese Lehre dann fast wörtlich Ob«-
nommen (vsl. z. B. Phibaophia rationalis, § IBl). Dabei neigt er dasu, das
sprachliche Moment in der Definition in den Vontetsnind üu stellen: definilü
est oratio, qua significatur notio completa atgue detenninata (emüno coidlB
respondens (1. c. § 11&, 92, 123).
Kant weicht von dem Leibniz-Wolffschen Standpunkt schon weemt-
lich ab. Die Definition ist nach Kant „ein zureichend deutlichem, und ab-
gemessener Begrifi (conceptus rei adaequatus in minirais terminls, cob-
plete determinatus)" '"), und die Bealdefinition ist diejenige Definition, weldia
ein klares Meikmal in sich enthält, an dem der Gegenstand iedeizeit sich«
erk&nnt werden kann, und das den erid&rten Begriff zur Anwendung braudh
bar macht, welche also „nicht blo8 einen Begriff, aondem zugleich die
objektive Realität desselben deutlich macht" "). Au3hlhdld>ff
spricht K. an anderer Stelle *') von den Definitionen. Definieren, meint f-,
solle eigentlich nur so viel bedeuten, als den ausführlich en Begrifi eines
Dinges innerhalb seiner Grenzen ursprünglich darstellen. Unter ,^os-
f ührlichkei t" ist die Klarheit und Zulanglichkeit der Merkmale, unter
„Grenzen" die Präzision, daB „deren nicht mehr sind, als zum ausfuhr-
lichen Begrifl gehören, zu verstehen (vgl. oben S. iSS); „ursprOngJidi" aber
bedeutet, daß die Grenzbestimmung nicht irgend woher abgeleitet sei ub{.
Er weist dann überzeugend nach, dafl eine Definition in diesem Sinn «edet
für empirisch noch für a priori gegebene Begritfe mOglich ist. Definieiliar
sind also nur wiilkOrlich gedachte Begrifie. Unter diesen sdieiden aber nadit
E. alle diejenigen aus, welche auf empirischen Bedingungen beruhen, da
man bei solchen wiilkOrlich gedachten Begrifien aus der Definition nicbt
einmal entnehmen k&nne, oh sie überhaupt einen Gegenstand haben. Zma
Definieren taugen daher nur „solche Begriffe, die eine willkdrliche Syntheais
enthalten, «ekhe a priori konstruiert werden kann", und mithin bat ao
die Mathematik Definitionen. Die philosophischen sogenannten DefinitioiHi
sind nur „Expositionen" gegebener Begriffe, die analTlisch durch Zergliede-
^) Brief an Qabr. Wagner, Philos. Sehr. ed. Gerhardt, Bd. 7, S. S^
'") Meditationes de cogn., ver. et id., ed. Gerhardt, Bd. i, S. 423 ff.
w) Logik, § 99.
•') Krit, d. rein. Vern., Kehrb. S. 225 (in der 2, Ausg. weagelasssB).
Vgl. auch Vaihinger, Kant-Studien, Bd. i, S. 461. Es scheint mir Ohriieas
unzweifelhaft, daß das „Deutlichmachen der Realität" erheblich Ober die
auerst gegebene Erklärung hinausgeht
M) Krit. d. rein. Vern., Kehrt), S. 568, Erdm., 5. Aufl., S. M5,
OC^IC
1. Kapitel. Die Lehre von dea BesrUIeD. 521
nnt (deren VoUsUUidiglceit nicht apodiktisch sewiB ist) zustande eebracht
werden. 0er Fortschritt, der in diesen Kantschen DarleKimgen geKenflber
dem Leilmiz-Wol&scfaen Standpunkt liegt, ist unverkennbar. Dagegen vei-
miBl man noch immer eine psTchologische und kigiscbe Erforschung der
Zenüederuiw, welche in der Definition bzw. Exposition vorliegt. Außerdem
ist die Einmengung der Wirklichkeitslrage zu beanstanden; ob die Definition
eiDen Gegenstand hat (Kant meint einen wirklichen Gegenstand), ist
erkenntniatheoretisch und für die Verwertung dee Definitionen interessant.
bat aber mit dem Wesen der Definition nichts zu tun.
Fries (System der Logik, Heidelb. 1811, S. 270, 2. Aufl 1819, S. 2B1),
IJeberweg (System der Logik usf., Bonn 1882, 5. Aufl., § 60, S. 165),
D Q h r i n g [Logik u. WissenschafUtheorie. Leipzig 1878, 1, 1, 1, S. 11) u. a.
haben den systematischen bzw. geordneten Charakter der Definition l)esou-
ders betont.
L o t z e **) stiimnt mit Kant darin tiberein, daB fast nur die mathema-
tischen Begrifle sich eindeutig aus einer bestimmten Anzahl eindeutiger Teil-
voretellungen durch Konstruktion entwickeln lasseiL In bezug auf Gegen-
stände der Wirklichkeit „schw&cbt sich die Konstruktion zur Beschreibung
ab" (1. c. S. 197), und fOr wissenschaftliche Zwecke wird das beschrelbenda
Verfahren durch die Definition geregelt. Die Definition kann daher zunächst
als „methodische Beschreibung" bezeichnet werden. Im praktischen Gebrauch
beacfaränkt sie sich iedoch oft darauf, auBer dem Genus proximum nur das
Kennzeichen namhaft zu machen, dureh welches sich der Gegenstand von
allen anderen Arten derselben Gattung unterscheidet. Der nachdrackliche
Hinweis auf die Abhfineigkdt der DeSnitionsweise von der jeweiligen An-
wendung im praktischen Denken ist ein besonderes Verdienst Lotzes. Es
ist nach Lotze nicht die Aufgabe der Logik, ihrer Begriffsform stets nur
. diejenige „auserlesene Füllung" zu geben, welche die Erkenntnis der wesent-
lichen Natur des (legenstandes ausdrückt; vielmehr kann es je nach Wahl
des Standpunktes verschieden gleich richtige und gleich fruchtbare logische
Begriffe desselben Gegenstandes geben ").
Vielfach machte sich auch im 19. Jahrhundert die Neigung zu einer
nominalistischen Auffassung jeder DeSnitian geltend. So erklärt I. Stuart
Hill**): „The simplest and most correct nolion of a Definition ia, a pro-
position declaratory oC Ihe meaning of a word." In Deutschland hat Chr.
Sil wart diesen Standpunkt am klarsten vertreten. Er behauptet*^:
„Eine Definition iafelD Urteil, in welchem die Bedeutung eines einen
Begrifi bezeichnenden Wortes angegeben wird, sei es durch einen Ausdruck,
der diesen BegritT in seine Heriuoale zerlegt zeigt, wodurch also der Inhalt
des Begriffs vollständig dargelegt wird, sei es durch Angabe der nächst-
höheren Gattung und des aribildeaden Unterschieds, wodurch seine Stellung
") Vgl. Logik, Leipzig 187*, Buch 3, Kap. 1, g IH R. (Neudruck Leipzig
1912, S. 192 f[.). Es ist auch bezeichnend, daQ Lolze seine Deflnitionslehra
in dem Alischnitl „Vom Untersuchen" (in der „Angewandten Logik") vor-
tragt Vgl. S. 498.
**) L. c. Buch 1, Kap. 1, g 27, S. 45.
*') A System of logic, ratioc. and induct., London, 3. Aufl. 1861, I, 8, 1,
S. IBl.
**) Logik, 2. Aufl. Freiburg 1889, Bd. 1, § 44, S. 970, GoeiUnger geL
Anz. IBBO, Bd. 1, Nr. 2, S. 49—65.
tY^IC
522 IV- Teil Die etaa^Bep logiaehen Gabilde imd ihre Geaetee.
im iMTdiieten Systeme der BegriHe uisegebea wird." Jede kgisdie Defi-
nition ist daher nach S. eine Nominaldefinition, die Forderung einet Beai-
definition beruht auf der VermiachuDg der metairiiy siechen und dev lociadei
Anfgatwn. Die Unrichtigkeit dieser M«inunK Sigwarts seht schon daraus
harvor, da£ beispielaneiBe der Uathematiker sehr wohl eine Fieat, die er
zochnet oder aocar nur denkt, definieren kann (z. B. durch eine GleidumcX
ohne ihr einen Namen zu geben, daß der Zoologe eine neue Spezies adnü-
gerecht definieren kann, ohne sie zu benennen usf. Der spezielle Inhatt
jeder Definition ist selbstverstAndlich translogisch (metaphysiacb oder enuii-
riicb], aber die allgemeine Definilions f o r m ist logisch, mag der deMeile
Q«8enstuid benannt sein oder nicht *^). W u n d t gibt m ^*), dafi jede
Definition „zunächst eine Worterklärung" ist, weist aber dann gleichfalls mt
guten Gründen nach, daß „die bloBe Worteiklärung kein Gegenaland logiscfaH
Untersuchung ist", sondern daB diese sich nur mit Healdeflnitionen zu be-
schäftigen tiat; dabei versteht er unter Realdeflnitionen „solche De£nitioDea,
durch welche die Stellung eines Begriffs innerhalb eines allgemeinen Zu-
sammeniiangs von BegriRen bestimmt wird".
Die neueren Versuche**), in Anlehnung an die aristotelisdie Aul-
laasung (J^m^m- ^= aiflmf yyuQMftis) die Definition mit der Angal» all«
„wMmtlichen" Merkmale des Begriflgegenstanda rieichzuBetzen, sind an der
Unbestimmtheit des Ausdrucks „wesentlich" gescheitert.
Ke Beziehung der Definition zum Urteil ist in neuerer Zeit namenl-
lid von Rickert untenucht worden. Er unterscheidet die Bvntbetisdw
und die analytische Definition **). Erstere ist der Akt des Definierens, dntch
welchen ein BegriQ aus Heikmaleu zusammengesetzt wird, und wekW cur
durch Urteile zustande kommen kann, letztere der Akt des Definierens, dmcb
wichen ein Begriff in seide Merkmale, also in Urteile zeriegt wird. Gtgen
diese Auffassung ist einzuwenden, daB es nicht Qblidi ist, die BecnSd»!-
dung als Definition zu bezeichnen, und daB es sdiweriich zweckmt&i( istt
plötzlich dem Wort Definition solche viel weitere Bedeutung zu <ebea-
Rick er ts synthetische Definition ist keine Definition im hergebcacbioi
Siaa (vgl. jedoch auch S. a38). Sodann ist eu beanstanden, dafi jede
Zeriegung in Merkmate bzw. Urteile als analytische DefiniliDn bezeichnet
wird. Nach der oblichen Auffassung und auch nach der hier entwickeUen
Lehre (vgL S. töt) ist nur die Zerlegung in konstante und bestimiate Uetk-
mala eine DefiniÜon. Auf die Beziehung der Definition zu Urteilen wird
erst unten näher eingegangen werden. Hier sei nur erwähnt, daB R. zu ton
ErgetaiiB kommt, der Begrill sei eigentlich nichts anderes als ein Urteil in
einer eigentOmlichen Form, der Begrifi „sei etwas von den ihn tuldenden
Urteilen dem logischen Gehalt nach nicht Verschiedenes" *'), er bestehe, so-
weit er definiert bzw. definiertwr ist, aus Urteilen "). L'brigens macht dabei
>') Vgl. hierzu auch H. Rickert, Zur Lehre v. d. Definition, ä. Aufl.,
TOfaingfln 1915, S. 32 ff. u. TS.
**) I*gik, % Aufl., Stuttgart 18M, Bd. S, AbL 1^ S. 41.
») Vgl. z. B. Ueberweg, System der Logik, Bonn 1S82, b. Aufl., S. U7
u. 165 (siehe jedoch auch S. 169 Ober die „Eseential-D^nition" im beson-
deren).
*•) L. c. S. 58fl.
"} L. c S. 60 u. 66.
**) L. c. S. 69. Vgl. hierzu dies Wert S. »1 u. 368tl.
_.ooglc
^^^ 1. KKpitel. Die Lehre von den BeinfieiL 523
BickeTt selbst den Vorbehalt, dsB diea nur silt, wenn man das Urteil
Jm Sinn der Tradition für eine Vorstellungssynthese halte", während nach
seiner AnlfassunK bei jedem Urteil zu der VontellunssbeziehunK als neues
MoDMDt noch ein Ja oder Nein gehöre (tsI. dieses Werk % 7b). Der Sprache
näBl auch R. aul Grand seines Standpunktes eine sehr hohe Bedeutung zu:
J)as Wort allein bildet die Einheit (sc bei einem definierten Begritf, dessen
wesentlicher Gehalt Ton Anschauung frei ist) und täuscht darOber hinweg,
daB man, abgesehen von der Sprach^ nur Urteile vor sich hat, die, aus-
difl<±lieh vollzogen, die Form von Sitzen annehmen müssen" **). Die Unter-
scheidung zwischen Nominal- und Healdefinitionen will R. voUstindig lallen
lassen.
Sehr «erbreitet ist die Ansicht, dafl die Lehre von der Definition ganz
oder im wesentUchen der Methodenlehre der Logik zufalle. Hiergegen ist
einzuwenden, daß das Wesen und die Bedeutung der Derinition von den
methodologi sehen Vorschriften zur Herstellung bzw. Auffindung von Defi-
nitionen «ans unabhängig ist, vielmehr als Grundlage für diese Vorschriften
zu dienen hat.
Weitere Spezialliteratur zur ^Ifemeinen Lehre von der Definition:
E. Gb.Senecke, Hind 1881, Bd. 6, S. &80.
C. Bray, Psrchological and ethical definitions, London 1ST9 *.
W. L. Davidson, The logic of deßnifion, London 1B86*.
E. Essen, Die DeflnilioQ nach Aristoteles, Stargard 18M.
L. Liard, Des döGnitions g£omätriq:ues et des d^nitions empiriques, Paris
1&38, 2. AuL 1688.
G. N 0 € 1 , La philos. posiUve 1868, Bd. % S. 421 (mathematische Defini-
tionen].
B. Rethwisch, Der Begriü der Definition usf., Leipzig 1880.
Fr. Phil. Schlosser, De cautione philosophica circa definitiones.
Tuen*. 1725 •.
A. T. Sbearman, Definition in symbolic logic, ^ind ISIO, N. S. Bd. 19,
% 98. ZtuamtneBtaweade (3i«r^terlstlk der loglwlien
DeB>ltioa. Scbltefere BeatfannuiDf ^niger HMipteicen*
sduttteii der BegrUPe. M&ohdem in ^' 94 — 97 die DefinitioD
der einzelnen Begriff skategtmen erörtert worden ist, kann
nonmetur zusammenfassend das Wesentliche des logi-
aebea Definitioosverfahrens fol^endermaBen charakterisiert
wNtkn. In jeder Definition wird ein Begriff in konstante
(noQQsJisierte) und bestiomite, irrednzible Teilbegriffe (be-
griffliche Iferkmale) zerlegt (S. 484 n. 485). Als Teilbegriffe
w-erdMi an» d«i S. 487 ff. angegebenen Gründen Ailgemein-
liegarilEe verwertet, so daS die Definition den Charakter der
Zerlegung in Ailgemeinbegriffe bekommt. Oft köuneD nicht
all« Teiibegriffe angegeben werden, sondern nor diejenigen,
") U c. S. 72.
524 ^' '^^>'' ^^ flinzelneD losischen G^ide und Um G«eeUe.
welche ZOT ünterscheidanff von anderen — teils zn derselben
Gattung, teilB zn anderen Oattnngeo gehörigen — in Be-
tracht kommen tmd insofern wesentlich sind (S. 490 n.
503). Da die in Betracht kommenden Teilbegriffe sich nie-
mals völlig übersehen lassen, so ist jede Definition in diesem
Sinn vorläuSg und unvollständig. In die Deflnitiui der
Kontraktionsbegriffe und der ÄUgemeiabegriffe werden nat^
Bedarf auch die nicht gemeinsamen — nur ähnlichen oder
sogar gänzlich verschiedenen — Teilbegrifie aufgenommen.
Unzulässig ist dies Verfahren bei der Definition von Allge-
meinbegriffen, wenn letztere in ihrer skalaren Bedeatong
(S, 515 u. 526) verwendet werden. Unter den in der Defi-
nition angegebenen wesentlichen Teilbegriffen werden einige
oder auch nur einer meistens den anderen wegen seiner be-
sonderen Bedeutung für den jeweiligen Untersachnngszweek
als prälat den übrigen (rezessiven) übergeordnet
(S. 490, 504, 513). Zur Äbkürzmig der Definition werden
meistens die Teilbegriffe nicht einzeln aufgezählt, sondern
zu Komplexen zusammengefaßt (S. 486, 512). Dies gilt
auch für die prälaten Teilbegriffe. Ais prälater Teilbegriff-
komplez wird in der Regel, spweit angängig, der nächst-
höhere Gattungsbegriff, das Genus proximnm gewäblt
(vgl. S. 490 u. 510 ff.). Die weiteren Teilbegriffe werden als-
dann 60 gewählt, daß sie den zn definierenden Begriff von
anderen Begriffen, soweit möglich, von allen anderen Be-
griffen derselben Gattung zu nnterscheiden gestatten. In
diesem Sinn können sie als Differentia specificszn-
sanunengefaßt und dem Genus proximum gegenübergestellt
werden (S. 516). Durch die Differentia speciflca wird das
Genus proximnm determiniert (S. 516). Die Definition
wird femer von dem Begriff durchweg auf seinen Gegen-
stand übertragen (Objektivierung). Den Teilbegriffen,
in welche der Begriff bei der Definition zerlegt worden ist,
ordnen wir gedachte Teilgegenstände des gedachten Gesamt-
gegenstandes zu (objektivierte Merkmale, Zerlegnngsgegen-
stände, S. 495, 500, 505, 516). Mit der definitorischen Zer-
legnng verbindet sich endlich in der Begel eine Substan-
tiation (8. 496, 501, 505, 516), insofern wir sowohl dem
Begriff wie seinem gedachten Gegenstand einen Träger
seiner Merkmale, eine „Substanz" unterschieben (begriffltehe
Substanz bzw. objektivierte Substanz). Demgemäß sprecbea
wir von einer begrifflichen Inhärenz zwischen der
OgIC
i. Kapitel. Die Lehre von den Beghften. 525
b^:rifflich«D Substanz ond den begrifflichen Merkmalen and
von einer objektivierten Inhärenz zwischea der
objektivierten Substanz ond den objektivierten Merkmalen
(v^h S. 496, 505, 517). Sobald Ällgemeinbegriffe in ge-
nügender Zahl gebildet sind, ergibt sich eine Stufen-
leiter der AllgemeinbegritFe ') w', w"..., W, w""^'..., io
der jeder ÄUgemeinbegriff w" dem folgenden w*"*"' subordi-
niert bzw. dieser jenem superordiDiert ist und jedem w° ein
oder mehrere w" (wi", Wi", w»"...) als zu demselben w"*' ge-
hörig koordiniert sind (vgl. S. 511 ff.). Dem niedrigsteu All-
gemeinbegritf, soweit ein solcher sich überhaupt fixieren laßt
(vgl. S. 508, Anm. 3), also dem w' sind nur Individualbegriffe
Wi", Wi", Ws" nsf. subordiniert.
Auf Grtmd dieses deßnitorischen Verfahrens gestatten
nun auch die Vorstellungseigenschaften, welche S. 354 fr.
ohne Bäcksicht anf die normalisierenden Definitionen rein-
psychologisch als Fülle, Belegung, Spannung, Umfang und
Höhe bezeichnet nnd vorläufig charakterisiert worden, eine
etwas schärfere Bestimmnng.
Als Fülle*) wurde der quantitative Index der gesamten
altimalen Teilvorstellungen bezeichnet (S. 357). Vom Stand-
punkt des jetzt erörterten Definitionsverfahrens treten an
Stelle, der gesamten ultimalen Teilvorstellungen die in die
Definition aufgenommenen ultimalen Teilbegriffe unter
Ansschluit aller reduziblen Teilbegriffe (S. 485). Da es her-
kömmlich ist, aftch unter dem Begrifisinhalt (vgL S. 470 n.
495) in prägnantem Sinn nur die defioitorisch ver-
werteten Merkmale zu verstehen, so kann aneh von dem jetzt
erreichten Standpunkt aus festgehalten werden, daß die
Fülle der Qoantitative Index des Begriffsinhalta ist.
Als Belegung einer Eontraktionsvorstellung wurde
in der psychologischen Grundlegung (S. 358) die Gesamtheit
ihrer fundierenden Fluxionsvorstellungen, als Belegung einer
AUgemeinvorstellung die Gesamtheit ihrer fundierenden In-
dividualvorstellungen bezeichnet Dieser Terminus kann in
ganz unveränderter Bedeutung auch auf die definierten Be-
grille übertragen werden. Wichtig ist die Belegung vor-
>) ¥aSiB es sidi um zusammengesetzte Allgemeinbesriae handelt, ist
statt V QberaU W zu setzen (siehe S. SIS, Anm. 6 u. S. S)7).
1) Hit der plenitudo von Crousaz (Loeicae STStema, Genevae 17S{,
S. 667) bat sie nichts zu tun.
„.,,„,^.oogic
526 ^- Teil. Die einzelnen lotischen Gebilde und ihre Gwetze.
zngBweise für die Entetehnng and Beglanbigimg eines Be-
griffs.
Ais Spannung warde in der psychologiscfaen Orand-
legnng der 0rad der Kontrabtion einer KontraktionsvoTstel-
long nnd der Qrad der Generatisation einer AUgemeinTor-
stellong bezeichnet Sie wurde gemessen dan:h das Verhält-
nis der reprimierten nnd ganz weggelassenen Teilrorstel-
lungen der einzelnen Flnsions- bzw. IndividaalTorstellnngeii
zn den in die Vorstellnng aufgenommenen (vgl. S. 359). Da
im Bereich der Begriffe nur Tollständige Ausschaltungen,
keine Bepreasionen in Betracht kommen, kann die Spannung
eines Kontraktions begriffs bzw. eines Allgemein-
begriffs einfach als das numerische Verhältnis der aus-
geschalteten zu den in die Definition anfgenommeuen Teil-
begriffen aufgefaßt werden.
Von besonderer Wichtigkeit ist endlich die Übertragung
der in der psychologischen Grundlegung als Umfang be-
zeichneten Vorstellungseigenschaft (vgl. S. 359) auf die defi-
nierten Begriffe. Wie dort erörtert, kommt ein Umfang nur
den AllgemeinTOrstellungen zn und ist nichts anderes als
die Gesamtheit der einer AlIgemeinTorstellnng nntergeord-
neten Allgemeinvorstelinngen. Auf Gnmd des ümftmgB
konnten wir eine Stufenleiter der Allgemeinvoretellongen
w', w", w"', . . ., w", w°*' usf. *) aufstellen, dergestalt, daß jede
AlIgemeinTorstellnng in den Umfang der folgenden fällt.
Auf psychologischem Gebiet kommt eine solche Skala kanm
jemals scharf ausgeprägt zustande, weil die tatsächlichen
Allgemeinvorstelinngen zn unbestimmt sind. Infolge der
reprimierten, weder vollständig ausgeschalteten noeh voll-
ständig aufgenommenen TeivorsteUungen bleibt ihr umfang
stets mehr oder weniger unbestimmt und die Aufstellung
einer Skala bzw. die Einordnung in eine Skala stete proble-
matisch. Dies ändert sich durchaus, sobald die Allgemein-
vorstelinngen zu Allgemeinbegriffen normalisiert und die
letzteren durch Definitionen fixiert sind. Zahlreiche Skalen
von Allgemeinvorstelinngen ergeben sich dann unmittelbar
ans den Definitionen. Die Termini ,,8ubor diniert",
„s u p e r 0 r d i n i e r t" und „koordinier t", welche für die
Vorstellungen nur vorläufig und ohne exakte Verwirk-
OgIC
1. Kapitel- Die Lehre vod den Begriflen. 527
lichnngsmöglichkeit eingeführt wurden (vgl. S. 333 a. 359),
bekommea jetzt im begrifflichen Gebiet für alle Allgemein-
begrüfe eine eeharie Bedeutung (vgl. S. 511 ff. u. 525) imd
können exakt verwendet werden. Dasselbe gilt von der S. 361
besprochenen Höhe der Allgemeinvorstellungen. Sobald
die Skala festgelegt ist und der Begriff dank seiner Defi-
nition in der Skala eingeordnet ist, ist anch seine Höhe, d. h.
die Zahl der (Jeneralisationsstufen, welche zwischen den sob-
erdinierten Individualbegriffen und ihm selbst liegen, ein-
deutig bestimmt. Nur insofern bleibt auch auf begrifflichem
Gebiet die Höhe willkürlich, als ich die Skala durch Ein-
fichiebong von Zwischenstufen (ünterfamilien, Unterordnun-
gen usf., vgl. S. 361, 508 n. 518) erweitem kann.
Der Unterscbied zwischen BeleguDg und Umfang ial sehr schart, inso-
fern «Tstere sich nur auf bekannte Vorstellungen (Belegung mit bekannten
Voralellimsen] erstreckt, letzterer tranagressiv iat (vgl. S. 335, 360, 47fi).
Weniger scharf ist et bezüglich des individuellen Charakters dei die
Belegung und des generellen der den Umfang bildenden Vorstellungen (vgl.
S. 358 IL S60). Immerhin läBt er räch auch nach dieser Richtung sicher
bestiDunen, ao lange man unter einer Art nur qualitativ völlig überein-
stimmende Individuen zusammenfallt, die sich voneinander lediglich durch
ihre iftumlich- zeilliche Lage unterscheiden (Beispiel: Wassersloffatome, vgl.
S. 333 u. 358). Die Zahl der bekannten Individuen, d. h. eben die Be-
legung iat dann for den Umfang des AUgemeinbegrilfs, wie wir ersteren be-
stimmt haben, völlig gleichgültig. Dies lindert sich, sobald wir, wie dies Qb-
licfa ist, auch qualitativ etwas verschiedene Individuen zu einer Art ver-
einigen (Beispiel: die unter sich durchweg etwas verschiedenen Exemplare
der Wieaensalbei) *]. Offenbar bekommt in diesem Fall die Belegung, so-
weit sie qualitativ etwas verschiedene Individuen lunfaSt, hinsichtlich
dieser belegenden Vorstellungen einün ähnlichen Charakter wie der Umfang.
Wie sich der Umfang des G a 1 1 u n g s begriffa Wll nach der Zahl der A r t -
veischiedenheiten (W^I, W,^l, W,I usf.) bemiBt, go bemiBt sich die Belegung
des Artbegriffs Wl, wenn man zur Belegung nur die qualitativ irgendvie
versctiiedenen Tndividuatbegriffe rechnet, nach der Zahl solcher Individual-
verscliiedenheiten. Selbstverständlich betrifft diese Analogie lediglich eine
Beziehung zwischen dem Untergeordneten und Obergeordneten ; nur ein
minder bedeutsamer Unterschied zwischen Belegung und Umfang (vgl. S. 8fi6
u. 360) — nUmlich der individuelle Charakter der zur Belegung und der gene-
relle der zum Umfang gehörenden Begritfe — verliert hierdurch an Sch&rfe.
Ich werde im fotgenden, wenn die Erörterung zu schärferen Unterscheidungen
nötigt, die beiden soeben charakterisierten Formen der Belegung als homo-
gene uiicl variative Belegung unterscheiden. Die Wasserstoffatome
geben ein Beispiel fOr homogene Belegung (des Ailgemeinbegriffs „Wasser-
Atoflatom"), die unter sich etwas verschiedenen Exemplare der Wieaensalbei
ein Beispiel für variative Belegung (des Allgemeinbegrifis Wiesensalbei).
*) Schiebt man noch VarietSlen ein, so Sndeit sich prinzipiell an dieser
ÜbeilegnnB nichts.
„.,,„,^.oogic
528 '^- "^^^^ ^^ einzelDra logbcben Gebilde and ihre Gesetze.
Die wütive Beletunc ist dem Umfani näher verwandt Diese Venreixit'
Schaft wird besonders einleuchtend, wenn man beiknkt, daB eine medrigal«
Art, wie bereits wiedeiholt betont wurde, in den Fällen variatrrer ßelcsuni!
nicht existiert. Es steht mir beispielsweise immer frei, die Terachiedeoen
Exemplare der Wieseosatbei nochmals in Gnippen ant Grand BemeinsaiiKr
V^vchiedenheiten zusammenzuordnen und so Unterarten (Vanet&tea) zu
bilden. Dabei wird dann dasjenige, was vorher Tariative Belentng war, zum
Teil in den Umfant des Begrifies hineingezogen. So wird es audi Terstind-
lich, daS in der logischen Literatur noch heule die variative Belegung zu-
weilen schlechthin zum Umfang des Begrifles gerechnet wird. TgL auch die
lolgenden historischen Bemeifamgen und § 115. Das zweite entscheideDde
Ueifcmal des Umfangs gegenOber der Belegung, seine Tiansgression (tiI-
% 72} wird durch diese Erörterung Oberhaupt nicht berührt.
Zwischen Inhalt and Umfang besteben gesetzmäßige Be-
ziehnngen. Man drückt diese gewöhnlich dnrch den Satx
ans: Je größer der Inhalt eines Allgemein-
begriffg, um so kleiner sein umfang. In der
Tat leuchtet ein, daß jede Hinznfügnug eines weiteren
Merkmals znr Definition eines Ällgemeinbegriffs W oder
— antjers ausgedrückt — jede Herabsetzung der Höhe des
ÄlIgemeinbegrifFs W am eine Stufe notwendig die Aub-
scheidnng aller derjenigen dem letzteren subordinierten Be-
griffe Wj"-', Wj"~', Ws""' nsf. nach sich zieht, welche dieses
neue Merkmal nicht haben, und daher mit einer Verkleine-
rung (Einengung) des Umfangs des Begriffes W" notwendig
verknüpft ist (z. B. zu "Wj^. In nmgekefartem Sinn wirkt
die Weglassung eines Merkmals. Eine Ausnahme erleidet
diese Regel selbstverständlich dann, wenn das hinzugefügte
Merkmal ohnehin allen subordinierten Begriffen W°~' zukam
bzw. wenn koordinierte Begriffe ohne das weggelassene
Merkmal nicht denkbar sind. Offenbar ist übrigens diese
Ausnahme nur scheinbar; denn in dem Falle, der die Aus-
nahme bilden soll, hätte offenbar das hinzugefügte Merkmal
schon in die Deflnition von W aufgenommen werden müssen
und vice versa.
Maßgebend ist stets, daß die Quantität des Umfangs
munittelbar von der Zahl der Gegenstände (im logischen
Siun) abbängrt, während die Quantität des Inhalts (die Fülle)
durch die Zahl der Merkmale bestimmt wird.
Das Verhtltnis zwischen Inhalt und Umlang wird mweilen auch durch
folgenden Satz ausgedrückt: Die Merkmale eines AUgemeinbegiiffs W tnlden
seinen Inhalt, diejenigen Begrifle aber, deren UeAmal er selbst ist, seioea
Umfang. So kann z. B. der Begriff „Wirbeltiei'' durch eine Reihe von Ueit-
malen definiert werden, die zusammen seinen Inhalt darsteileu; andreiseits
bilden diöenigen BecriBe, denen das Merkmal „Wirbeltier" zukommt, also
"S"
1. Kapitel. Die I.eU« von den Begriffen. 529
etwa Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien, FiKhe, nach diesem Satz den
VmlABg des Beeriffes „Wirbeltier". Nun gibt olfenbar die erste Hälfte des
Stt»a lichlig ao, was wir unter Inhalt verateheo, dagegen ist die zweite
Büße, wenn sie den Umfang definieren soll, MiBvcrst&ndnissen ausgesetzt.
Der Begritl „Wirbeltier'* darf nftmlich nicht ohne weiteres als Merkmal
der Begriffe „S&ugetiere, Vögel" usf. betrachtet werden. Als Merkmal
kann nur der Besitz (das Haben) einer Wirbelsäule selten. Erst wenn
man diesem Mertmal einen Tr&ger hyposlasiert, d. h. unterschiebt (,JBe-
ätzer einer Wirbelsäule" = Wiibellier", vgl. S. *9* u. 516), darf man
sagen, dafi die Begriffe „S&ugetiere", „Vögel" usf. den Umfang des so um^
(«dachten Merkmals bilden. Erst nachdem eine solche Hypostasiening
ausdrücklich oder stillschweigend voUzogen ist, kann der Herkmalbegrifl als
abeigeordneter B^riff betrachtet werden, und umgekehrt muß der letztere
seioes TrAgercharakters entkleidet, gewissermaBen desubstantiiert werden,
%am man ilm als Herkmalbegrifl fOr die untergeordneten Begriffe behandeln
will'). Dies Bedenken wird auch nicht etwa beseitigt, wenn man alle
Begriffe nur als Merkmalkomplexe auflassen, also durchweg von Trflgem
abaßen wollte und Saugetier vielleicht s= m + n + o, Vogel i=: m + r + s,
Haptil =3 m + t + u usf. setzen wollte (wo m das Wirbeltiersein bezeichnen
könnte); denn dann ist offenbar erst recht der übergeordnete Begriff fOr
m + n + o, m + r + s usf. nicht in m, sondern in m + x + y gegeben, wo
X und y offene Stellen in dem frflher besprochenen Sinne bezeichnen. Vfrl.
S. 92», fiOS, Anm. 3 und namenU. Ö16f.
Hinsichtlich der Beziehung eines Begriffs auf seinen Gegenstand
(S. 2Bb) verhalten sich die Belegung und der Umfang einerseits und der
Inhalt andrerseits verschieden. Die Belegung (vgl. S. 366 f. u. 6S5) deckt
9)cb mit den fundierenden individuellen Gegenständen, der Umfang (S. 359
IL 6SB) erstreckt sich auf die Gesamtheit der fundierenden subordinierten
Gaitaiyng<W9iistände mit Einschluß derjenigen, welche wir vermine der
Offenh^t der Allgemeiobegrifle (S. i7b) im Sinn unbestimmter Phantasie-
TorsteOungen zu den wirklich erlebten hinzudenken. Jedes Glied der Be-
legung bzw. des Umfangs entspricht einem Gegenstand bzw. einer Gegen-
staadsgnippe des Begnffs. Ich kann daher unbedenklich die Belegung und
den Umfang eines Begriffs auf seine Bezugsgegenstftnde dieser oder jener
Stufe Obertragen ^vgl. S. 267 u. 361) und beide an der Zahl der letzteren
nessen. Anders verb< es sich mit dem Inhalt. Auch er hängt selbst-
verständlich von den Gegenständen des Begriffs ab, und die eiozotnen Merk-
male des Inballs kennen auf diese Gegenstände bezogen werden, aber keines-
wegs entspricht jedem Merkmal ein subordinierter Gegenstand bzw. eina
subordinierte Gegenstandsgruppe und umgekehrt Manche Merkmale der
saboTfirierten Begriffe sind infolge von diminuierend«' Abstraktion (S. 364)
völlig verschwunden und fcMen daher im Inhalt des superordinierten Be-
griffe«.
Die abliebe SchuUogik hat von den hier angeführten Eigenschaften
der B«grilte meistens nui Inhalt (Falle) und Umfang oül besonderen Terminis
') Dabei Qbersehe luan nicht, dafi im BegriB „Wirbeltier" in der Regel
noch andere Meikmale aufier dem Besitz einer Wirbelgäule mitgedacht
wwim, wd daB daher auch das enlsprecbcnde Unkmal mehr umfaBt als
<lm Besitz einer Wirbelsäule und etwa als „Wirbeltier-sein" sprachlicb »us-
ludrOcken 'aL .^
ZlekM.Lriubneh a«r Logik. 34
1,1^. OQi
'S'c
530 ^ '^^'^ ^" einzebien loeiscfaeo G«bUde ood ihm Geaet«.
bezeiehnef. Der Tcrmimis .Jnbatt" seht wohl auf AristotriM zorOcfc, der
Tjelluh den Ausdruck irvnmfx**' u> losiKhem Sinne verwendet; indMKB
denkt er dabei Torzugnreise an das EnthaltenseiD der Gattung in den AriM
(Metatriirs. J 28, Akad. Ausf. 10Mb; f» At i" ntf U}«v r> KfMw ir«»
a'f jfM-, I ^tr«t ir ff? tl t€» tdvi« r'''K< *^ 'w^papn Ujwvr« «( sounrnc).
Ein besonderer Terminus sdieint noch im Mittelalter sowohl fQr InhaK «te
tOr U m f a n s (efeUt zu haben. Auch in der neueren Philosophie tüs W<M
und Baumgarten*) (einschlieBL) kann ich einen solchen nicht nacfaweiseB
G. Fr. Meier erklärt zum ersten Male: „Alle diese BegriOe und tKsfe"
fnämlicb, die unter einem höheren enthalten sind) „wollen wir den Um-
fang eines höheren oder eines abgesonderten Begriffs
nennen"^). Er folgert auch tichtig Je h&her und aJMtiakter demnach cia
Betril ist, desto sräßer wird sein Umfang". Von der Belegung untersduidet
M. den Umfang noch nicbt scbarf. Den Terminus ,4nhalt" finde ich scboa
bei Chr. Aug. Crusius ■). In Kants Lonk (g 7) haben „Inhalt" und „Um-
fang" bereits die heule Obliche Bedeutung. Eine besonders scharfe Formu-
lierung hat dann W. Tr. Krug gegeben: Die GrOBe (oaantitas} anes Be-
griffs ist teils eine innere (inlenstra) oder GrOBe des Inhalts (<ioanf^n
complexus), teils eine &uBere (extensiva) oder GröBe des ümfangs (<iuantiUs
arobilus}; entere benebl sich auf die Vonlellung«», die im Begritl, letilere
auf dieienigen, die unter ihm angeiroBen i^erden; der Umfang beiBt auch
das Gebiet oder der Kreis des Bwrifis (regio s. sphaora notionis)*). — Die
von Frege (Ztschr. f. PhUos. m. philos. KriL 1883, Bd. 100, S. 25) vor
geschlagnen Teniüm „Snn" und ,£edeutung" scheinen mir nicht zweck-
mfiBi« (vgl. S. 356 u. ^»).
AuBer Inhalt und Umfang, welche die Größe oder QuantitU des Begiilb
ausmacben, unteischied Krug noch die Beschaffenheit oder Quali-
tät, d. h. den Grad des BewuStseins, mit welchem das durch den Begril
Vorfestetite gedacht wird (Vollkommenbeit oder Unvollkommenheit' der Dw-
EteUimg der Einheit und des ManiügUtigen in demselben während da
Denkens, I. c. § 26 u. 80), die B e 1 a t i o n , d. h. das VerfaUtnis der Be-
grifle zueinander als Denkobjekte (g 25 u. 86), und dieHodalitil,d.h-
das Verb<nis zum denkenden Subjekt als Denkakt (g 2& u. 46). Tai
*) Auch nicht in der 2. Auflage der Acroosis logica (aucta et in sTsleaa
redada a Joanne GoltUeb Toellneio, HaL Magd. 1773).
^ Vemunftlehre, 2. Aufl. Halls 1762, S. 4SI. g 3S6. Vgl auch UmlMrt.
Neues Organon, Leipzig 17M, Bd. 1, 5. 10 (g 14).
■) Weg zur GewiBhdt u. Zurerl&seigkeit d. menschl. Erkenntnis, Lapsf
1747, g 136. S. 240 u. § 118, S. 205. Hier versteht Cr. unter dem „weMol-
lichen Inhalt" eines BegiUles „die Ideen, die man darinnen denket", unter
„Weite" dag^ien „die Uenge der Individuorum, auf welcbe ea (nXmlich dis
Abstractum logicum) sich schicket, und von welchen es einen Namen abvixD
kann". Es ist mic übrigens wabischeinlich, daß es gelingen wird, bade
Termini noch weiter zurOckeuverfoUen. — Der Terminus „W^te" B^
neuerdings von Bolzano (Wissenschaftslehr«, Bd. 1, Sulzbacb ISST, S. SM)
in einem besonderen Sinn wieder eingetOhrt worden.
■) System der tbeoret Philosot^e. 1. Teil Denklehre. 3. Aufl. EBiügs-
berg 1835, a 76, g S6. Ähnlich vor Krug schon J. Q. E. MaaB in sailM
GrundriB der Logik, 4. AulL Halle-Leipzig 18SS^ g Uff., S. S2K.
„.,.,„,>..oo^sic
1. S&pileL Die Lehm toü den Begiiflen. 531
£ncn Eigenschaften vird, soweit sie Oberhaupt für die Loeik Interesw
haben, eist spUer Kcsprocben werden.
In E D s 1 a n d wurde, wahrscbeinlich im Anschluß an B«id "), ein«
ihnliche Termlnolisie von Hamilton eingefOhrt (vgL Ledatea on logic,
2. Aufl., Bd. 1, 1866, S. 187 ff. u. 212 ff.}. „Umgang" wurde mi« „extension",
iJnhalt" mit .^mprebension" wiedergegeben. John Stuart Uill (vgl. S. 157)
braucht für comrrebension auch den Ausdruct „connotatlon", allerdings mit
einer Nebenbedeutung, welche den Tetminus etwas einscbrftnkt ") (vgl.
A rratem of logic. rat and induct., 'A. Aufl. London 1851, Bd. 1, S. 158 u. 31).
Weitere Synonyme tär Inhalt sind intenaion, depth, meaning, implication;
f(tr Umfang breadth, denotation, domain, sphere, application, applica-
bility (Jevons, Eiern, lessons in logic, London ISOO, 5. 39; E. E. C. Jones,
Mind 1910, N. S. Bd. 19, S. 379; BusseU, Hind 19(ft, N. S. Bd. 14, S. 47B).
Dabei wird Umfang und Belegung oft yerwechselt ^*).
In Frankreich ist der Qbliche Terminus für Inhalt compr^hension,
fOr Umfang extension (z. B. D. Meicier, Logique 1909, S. 81 u. 112).
Zum SchiuB dieser hisloiiscben Bemeritungen sei auf die einigerma&en
beschlmende Tatsache hingewiesen, daB bezüglich der Definition der be-
aprochenen Begriffseigenschaflen noch heute weitgehende Divergenzen be*
■tehen. Insbesondere gilt dies von dem Umlang. Beispielsweise seien aus
der neueren deutschen Literatur folgende Definitionen des Umfangs der Vor-
«teUnng bcw. des Begriffs angeführt: Ol>erweg>*): „Die Gesamthtit der-
ienigen Vorstellungen, deren gleichartige Inhaltselemenle den Inhalt jener
ansmachen" ; Hoefler'*): „Der Inbegriff aller Gegenstfinde, die einer Vor-
stellung von bestimmtem Inhalt entsprechen"**); Sigwart**]: „Die Gesamt-
heit der ihm (d.h. demB^riff) untergeordneten niederen Begriffe"; Erdmann:
*•) Th. Beid, Works, 2. Aufl. Edinb. 1849, Essay V, S. 891.
"} 1. SL Hill unterscheidet n&mUch im AnschluB an James Bfill (Ana-
lysis of the phenomena of hum. mind, London 1829, Bd. 2, S. 92) u. a. con-
Dotatrre terms und non-connotative terms: „a non-connotative term ia one,
wbich signifles a suhject only, or an attribute only; a connotativ» teim is
one wich denotes a subiect. and implies an attribute." John, London,
whiteness, virtue sind non-connotatire, white, virtuous änd coonotalive
(„the Word white denotes all white things . . . and implies, or as it was
terrosd by the schoolmen, coonotes the attribute whiteness"). Die zahl-
leichen Streitfragen, weldie namentlich in England dber diese bis auf
Occam zurückgebende Unteracbeidung unter den Lwkem entstanden sind,
werden, soweit erforderlich, in % 105 erSrtert werden.
^ Vgl. z. B. J. N. Keynes, Studies and exercises in tormü logic etc.,
London 1884. S. 18.
'») System, der Logik usf.. B. Aufl. Bonn 1883, S. 1« (§ 58).
M) Qrondlehren der Logik, 4. Aufl. Leipzic-Wien 1907. S. 20. Nach
£sser Definition würde der Umfang eines Begrifies, z. B. einer Semmelsorle,
üch Andern, wenn mehr Semmeln der Sort« gebacken wOrden. Vgl S. 309,
Anm. 14. '
M) H. fügt dann zu dieser Definition das VorstellnngsumlAngs
nodk hinzu: und speziell „Umfang des Begriffes", wenn jene Vorstellung
sdbst schon eine besriBliche''war — womit natOrhch auch nichts gebessert laL
^ Logik. & Aufl. Prübnif 18S9, Bd. 1, S. 348.
34*
„.,.,,:A.OO.^IC
532 ^- ToL Dia änMtaiai logiaebai GdHlde ood ihn Geaetie.
Jta InbeniH der Arten aner Gattow (und detDnrtsprMbaod der Sptzäl-
vonteDuDfen einer GeauntvoretdlnM)" ") Dsf.
S S9. DetHitlea ab UrtM). SyMÜietiBehe n^ kowirak.
Üvt Defloitloiieit. Jede Definition findet ihren notärlidieii
Aoadmck in einem Copola-Ürteil, deeeen Sabjekt der ni
definierende B^riS (dae Definiendnm) and dessen Prädikat
die ZOT Definition verwendeten Begriffe (die Definientia) sind.
In dem oben besprochenen Schnifall besteht das Prädikat
aas Genus prozimmn nnd Differentia specifica. Nach der
psychologischen OnrndJegong (^ 74) ist diese Beziehnng der
Definition zun urteil leicht verständlich. Die Zerl^n^iK
eines Begriffs in Teilbegriffe ist ein Akt nnarer analytischen
Fonktion, bei wielchem die Veiirleichang zwischen dem Be-
griff einerseits und den Teilbegriffen andrerseits al» Bicht-
schnar nnd Kontrolle dient Eis liegt also der Tatbestand
vor, der fär das Urteil charakteristisch ist (S. 368 ff J, nnd
zwar handelt ee sieh, da die im Begriff implizit gedachtea
Merkmale mit den darch die Zerlegnng isolierten nnd daher
explizit gedachten Merkmalen verglichen werden, bei jeder
Definition um ein kommensives Urteil (S. 389), nicht
um ein lediglich konsertives. Introduzierender Charakter
(S. 373) kommt der Definition, wie sie bisher von nne nnter-
Kucht worden ist, nicht zn, da zunächst von der Voraas-
mtznng anagegangen wurde, daß der za definierende Begriff
vor der Delinition schon fertig gebildet vorliegt Der Dnter-
(«chied der Definition von einer zosammengesetzten Vorstel-
Inog liegt darin, daß in der Definition ein Akt der Zer-
legung and Oleichsetzong vollzogen wird (S. 372). Ist das
definitorische Urteil einmal vollzogen nnd wiederholen vir
»päter die Definition rein gedächtnismäßig, so wird dieser
Unterschied verwischt: wir denken dann die Gleichheit dw
Definiendnm und der Definientia, ohne den Akt der Gleich-
Setzung als sukzessiven Prozeß za vollziehen, wie dies S. 372 f.
ausführlich erörtert worden ist Zugleich ergibt sich, daB
alle diese Definitionen analytische Urtmle sind (8. 389). &
wird dem Snbjektbegriff bei seiner Zerl^img nichts hinsu-
gefügt.
Dieser einfache Tatbestand erfährt nun aber in anserem
Denken oft zwei bedeutsame An^estaltungen. Neben den
") LoBilt, Bd. 1, 2. Aun. Halle J907, S. SBO.
h. i."ih,Googlc
1. Kapitel. Die Lehm tod den BegriSen. 533
bis jetet besprochenen rein analytischen Definitionen exi-
stieren nämlich auch synthetische und konstrnktive Defi-
nitionen.
Eine synthetische Definition kommt dadurch
zustande, daß ich in die Definition des zn definierenden Be-
griffes A noch ein oder mehrere Merkmale aufnehme, die icfa
bisher in ihm noch nicht mitgedacht habe und erst jetzt
durch neue Erfahmngen irgendwelcher Art kennen gelernt
habe. Wenn ich beispielfiweise eben erst durch Versuche das
Atomgewicht des Heliums zu 3,99 bestimmt und damit eine
neue charakteristische Eigenschaft p desselben festgestdit
habe und nan das Helium, de» ich seither nur als chemisches
Element mit den Eigenschi^ten m, n, o gekannt hatte, aU
chemiacbes Element mit den Eigenschaften m, n,. o und p
definiere, so kann diese Definition als synthetische be-
zeichnet werden, indem formal die Eigenschaft p neu in den
Begriff des Helinms und in seine Definition aufgenommen
wird. Weitaus die Mehrzahl unsrer wissenschaftlichen Be-
griffe ist auf diesem Weg durch fortgesetzte Merkmalvermeb-
rtmg zustande gekommen, tmd die Definitionen folgen allent-
halben der letzteren nach. Im Hinblick auf die Erörterungen
S. 389 kann man auch sagen, daB die Definitionen fortgesetzt
'durch hinzukommende syntbetische urteile über das Defl-
niendom al^eändert werden können. Man maß nur festhal-
ten, daß unmittelbar, nachdem die Anfnahme des nenen
Merkmals endgültig vollzogen ist, die abgeänderte Definition
künftighin den Charakter eines analytischen Urteils — logisch
und psychologisch — hat 0.
Eine konstruktive Definition liegt dann vor,
wenn durch Zusanmiensetzang von Merkmalen ein neuer Be-
griff geschaffen wird, dessen Geeamtgegenetand vorher über-
haupt nicht gedacht worden war. Es handelt sich also tun eine
') Mit dieser Einschränkung kann num daher auch der S. 529 er-
wUmten Rickertschen AuffasauoK Berecbtiirune zuiestehen. — UebenraK
(System d. Logik, 5. AufL Bonn lSe&, & 170) versteht unter der analTtiaclx
gebildeten Definition diejenige, die ,Än Gem&Qheit des bestehenden Sprach-
gebrauchs oder der bis dahin in der Wissenschalt ablieben VoisteUuog»-
weisa", unter der smthetisch gebildeten diejenige, die „ohne den Ansprach
einw Übersinstinunung mit deni bisherigen Gebrauche neu und Irei gebildet
wird". Diese Bezugnahme auf den Sprachgebrauch und die in der Wissen-
schaft Qbliche Vorstaliungsweise scheint mir das Wesen des Unterschieds
zwischen den bnden Deflnitionsarten nicht richtig zu treffen.
534 IV. TtiL IKa anidacn tottaeben GeMde tmd um Gesetac
neue Q^penstandsvorsteUoiis in dem S. 266 n. 269 besproche-
aen Sinn und einen mitsprechenden OegenstandBÖegriff. Bald
ist dieser neogeschaffene Begriff ein Phantasiebc^riff, bald
ein SpeknlatioiiBbegriff (vgl S. 348 o. 478). So kann ich
z. B. mit manchen Zoolc^ren den Begriff einer Oastraea koo-
etmieren imd definieren, die eine Lncke in dem phylogene-
tischen Stammbamn aoBfüllt Insbesondere die Mathenutit
hat mit dem größten Erfolg solche konstruktive DefinitioneD
ansgefährt. Auch hier muQ jedoch hinzogefügt werden, dafi,
sobald die Konstraktion nnd die konstmktiTe Definition eine6
B^riffes einmal erfolgt ist, weiterhin seine Definition wieder
ganx den gewöhnlichen analytischen Charakter trägt.
Über die Qrenzen der Znlasaigkeit solcher synthetisehen
nnd namentlich solcher konstruktiven Definitionen wird erst
später 2a reden sein.
S 100. Sprachliehe FormnlleniBg der DefinitfoL NobI-
B^- uid Beald^Bitionen. Der edäqnate sprachliche Aos-
dmck für die Definition ist entsprechend ihrem ürteils-
charakter der Satz. Das Deflniendnm wird zum Snbjektr
die Definientia, also in der Begel Qenns proximnm nnd Difle-
rentia speciflca werden zom Prädikat gemacht Dabei fügt
der sprachliche Ausdruck zn der begrifflichen Erklärung gar
nichts hinzu, und es wird auch vorausgesetzt, daß sowohl
das Wort für den za definierenden Sabjektsbegriff S wie
die Worte für die definierenden Prädikatsbegriffe P,, Pi usf.
bekannt und eindeutig mit ihren Begriffen verbunden sind.
Definitionen, welche von dieser Voraussetzung ansgehen,
also nor die Erklärung des Begriffs S, nicht aber die Fest-
setzung eines Wortgebranchs bezwecken, heißen Beal-
definitionen. Alle Definitionen, die seither besprodien
wurden, waren Bealdefinitionen.
Diese Voraussetzung ist jedoch nicht immer erfüllt.
Viele WiM^er nnsrer Sprache sind zwei- oder sograr viel-
deutig, und andrerseits fehlt es ihr für manche Begriffe, s. B.
neukonstruierte, an bezeichnenden Wörtern; anders aos-
gedräcbt: manchem Wort sind mehrere verschiedene Be-
griffe, und manchem Begriff ist kein Wort zugeordnet*).
I) Der ebenfalls nidtt seltene Fftll, daB «inem Beffiifi mdirete Wort»
(SynoDTina) zuieordnet sind, hat fOr diese Erörtenins nur uoterfeoidiKte
Bedeutung.
OgIC
1. Kapitel. Die Lehre top den BwriHen. 535
Bb OTwäobst uns daher sehr oft die Aufgabe, eineD Be^iff S,
der bisher mit keinem Wort oder mit vieldeutigen Worten
verksäpf t war, eindeatig mit einem bestimmten Wort zu ver-
fainpfen. Dies kann auf doppelte Weise geschehen; ent-
weder bringe ich den Begriff S auf irgendeinem Wege mir
selbst oder dem Hörer bzw. Leser zum Erlebnis (z. B. durch
uiBchanlicfae Demonstration, also etwa durch Hervorrafung
der zugehörigen OrundempfindangeD) und setze ohne jeden
Versuch einer Realdefinition fest, daß der demonstrierte Be-
griff 3 (z. B. eine bestimmte Farbe des Spektrums) künftig
den bestlDunten Namen 91 (z. B. „violett") tragen' soll'),
oder ich verschaffe mir selbst oder dem Hörer bzw. Leser
den Begriff 8, indem ich s^oe Bealdefinition gebe, und ver-
binde diese Bealdefinition nnn mit der Einführung eines he-
atimmten Namens 91, setze also fest, daß ein durch bestimmte
Merkmale definierter Begriff S künftig den bestimmten
Namen 91 führen soll. Das erste Verfahren, welches mit
einer Definition nichts zu tun hat, soll alsNomination*)
beseiehnet werden, das zweite Verfahren, ««Iches die Fest-
eetsnng eines eindeutigen Namens mit der Bealdefinition ver-
bindet, wird als Nominaldefinition bezeichnet. Das
logische Subjekt der Nominaldefinition ist also nicht etwa
der Name (das Wort), sondern der durch die Merkmale
Pi, P», Pj . . - definierte Begriff S. Die korrekte Nominal-
deflnition für ein Quadrat würde also z. B. nicht lauten: „ein
Quadrat ist ein Parallelogramm, dessen vier Seiten gleich
lang sind imd dessen, vier Winkel je 90* betragen" — dies
ict die Bealdefinition des Quadrats :— , sondern: „ein Paral-
lelogramm, dessen vier Seiten gleich lang sind nnd dessen
vier Winkel je 90* betragen, soll Quadrat heißen". Im ge-
wöhnlichen und leider auch im wissenschaftlichen Sprechen
imterBoheiden wir freilich oft nicht scharf zwischen Beal-
nnd Nominaldefinition. Zur Entschuldigung dieser Vermen-
gong kann man anführen, daß jede Bealdefinition, auch wenn
sie von der Voraussetzung anseht, daß das für den Begriff S
verwendete Wort eine bekannte Bedeutung hat, stets diese
eine Bedeutung nochmals gewissermaßen stillschweigend
") Die ETdDunnBchen j^eneaniuiEen" (Logik, Bd. 1, 2. Aud. Halle 1907,
3,' 394) umlasaen das ganze Gebiet der NomiDaldefiDitioDen.
OgIC
536 ^- '^^'^ ^^ einzelnen logischen Gebilde und ifare Gesetze
bestätigt und insofern eine NominaldefinitioD mit involviert.
Vgl. a 521 ff.
Stall, wie bei dieser Erörteruwr gtacheben, von dem Besrtif 3 ««•-
zusehen, kann man seltntverstfindlich auch von dem Wort 3t ausitiWD
und den Zweck verfolgen, tor das Wort 91 in seinem weiteren G«bnw&
eine bestimmte BedeutunK festzulegen, d. b. es eindeutig mit einem be~
stimmten Begriff zu verbinden. Man gibl dann im eigentlichen Sinn «<•
eindeutige BedeutungseiU&rung (etwa declaratio nominis) tür ein Wort. Um
Verfahren ist jedoch vom togischen Standpunkt oSenbar sdnindfcr. In ier
Logik haben nir von den Begrilfen auszugehen und wollen jedem Beniff
ein Wort zuordnen; dafi auch jedem Wort nur ein Begiiff zugeordnet
werde, daB also die Zuordnung umkehibar eindeutig (eineindeutig im Sinn
der Mathematik) werde, ist eine ebenso unerläSliche, aber doch sekundii«
Forderung, da es uns letztlich auf die Verwendung der BegiiKe im Denken
imd nicht auf die Verwendung der Worte ankommt
Eine acbSrfere Unterscheidung zwischen Heal- und Nominalde&nilionoi
(quid rei und quid nominis) wurde wohl zueist von Occam gemadit (Summ*
tolius logicae, I. Cap. Sß u. 280.]. Ci>er die Logique de FortHoyal s. ob^
S. 519. Leibniz nannte, wie S. 520 bereits erwäimt wurde, definitiones
reales solche, „ex quibus constal rem esse possibilem", wobei unter U(c-
lichkeit die widerspmchsfreie Üenlcbarkeit zu verstehen ist, definitJonea
nominales hingegen solche, „quae notas tantum rei ab alüs disceniendfte
continent", also sich auf eine „enumeratio notarum Bufficienlium" be-
schitnken (Ued. de cogn., ver. et ideis, Gerti. Ausg. Bd. i, S. 4S& u. 42$).
Damit wurde eine Eigenschaft, welche von der richtigen RealdefinitioB
verlangt weiden muß, zu einem Kennzeichen der Bealdefinilitm als solcher
gemacht imd vor allem zugleich eine ontologische Deutung der Reald^Ü-
lion nahegelegt In der Tat finden wir denn audi z. B. bei Bilfinger (viL
S. ISQ) die EiUtirung, die Realdeflnition sei diejenige Definition, welche
„ipsam rei genesin" ausdrücke (Dilucidaliones philosophicae etc. Tab.,
S 140). Gegen diese Umdeutung der Bealdeflnition wandte sieb bereitB
G. Fr. Meier (Vemunfliehre, 2. Aufl. 1762, § 313. S. 466} und setzte tat:
eine „Socherkiarung" eritl&rt das „Wesen der erklarten Sache". Xhnüdi
sagt Baumgarten: deßnilio essentiam definiti repraesentans est realis
(genetica), hanc non repfaeseotans nominatis est (Acroasis logica. 2. Aufl.
ilT73, g 183ff., S. 47fl.)i dabei zeigt die ZutUgung „genetica", dafi er d«k
Leibniz-WoUfschen Standpunkt noch nicht ganz autgegeben hat Dafi aacb
fiant die Beziehung auf die objektive Realit&t noch lestgehallen bat, wuidft
bereits 5. 630 erw&hnt Ebendaselbst wurde auch berichtet, dafi weitaibin
vielfach Bestrebungen sich gellend machten, jede Definition als Normnil-
definilion aufzulassen. Neue Gesichtspunkte fOr die Unleischeidung der
Kominal- und der Realdeflnition ergaben sich bei diesen Diskussionen nidit.
Gelegentlich ist in der Geschichte der Logik auch der Versuch g^
macht worden, diejenige Definition als Monunaldefinition zu bezeichnea.
welche lediglich in einer sprachlichen Erläuterung eines Traminus be-
steht. So erklart z. B. Itterua (Svnopsis philosophiae rationalis, 2. AuA.
Francof, 1660, S. 74): „Definitio nominalis est, quae nominis alicujus sigoi-
ficationem per elymologiam, aut transsumplionem nominis exponit" (l B.
consul = qui consuüt patriae, Jesus e= Salvator). Uiermil hingt auch di*
UnterMheiduog zwischen NominaldeSnitionen und V e r b a 1 definiliooen la-
OgIC
1, Kapitel. Die Lehre tod den Begriflen. 537
sumnni, wie sie von einzelnen Logikern duTchgeführt worden ist (vgl. z. B.
.^dr. Erbari, Handbuch d. Logik, München 1836, § 234, S. 138).
I UL HeMfahBOTi im Bfvdfl* taiA Byhrii. Aus Gründen, die in
§ 81— «I suafohrlich entwickelt worden sind, ist die Sprache nicht ein voU-
ständig zureichendes und vollkonunen «d&qiuites Mittel zum Ausdrücken der
Begiifte. Gerade der ideale Normalcharakter des. Begrifls erheischt dne
siii^lische Fixierung, welche den Bedeutungsverschiebungen und Bedeu-
luDgsschwankungen der Wortsprache entrückt ist. Zu diesem an erster
Stelle stehenden Bedürfnis der Fixierung kommt das Bedürfnis nach Ver-
aoscbaulichung und namentUch nach AMtürziing hinzu. Die Wortaprache
«rweist «ch bei vielen logiseben Untersuchungen als zu unanschauUcb und
n umständlich. Man hat daher fflr die Begnfle eine Symbolik eingeführt,
welche der mathematischen nachgebildet ist. Dabei ergibt sich der weitere
Vorteil. daB die zahlreichen quantitativen Beziehungen der Begriffe (Um-
fang usf.) nüt Hilfe sokher mathematischen Symbole uomittelbaT nach
mathemaliscben Regeln behandelt werden kOnnen.
Die hier erwähnte Al>k0r2ung hat nicht etwa nur die Bedeutung einer
Zeiletspamis als solcher. Es leuchtet vielmehr ein, daß die zahlreichen
Alienationen, welche, wie in § 86 erUutert, durch den Sukzessivcharakler
unseres Denkens begünstigt werden, durch die Abkürzung des DenkproEesseH
FuigeschiAnkt werden kCnnen. Außerdem gestaltet uns die Abkürzung,
iederzeit komplizierte Begriffe explizit darzustellen, ohne den Ablauf unserer
Beweise allzulange zu unterbrechen, und damit verstopfen wir eine weitere
Ouelle von Alienationen. Wir k&nnen uns so der idealen Gleichzeitigkeit
bzw. Zeitlosigkeit annähern, welche für die Normalisation und damit Ober-
haupt für das logische Denken charakteristisch Ist.
Dem Zweck der Veranschaulichung dient vor allem die geome-
trische Darstellung der Begriffe. Man verwendet dazu gewöhnlich Kreise,
ich zi^e jedoch oft Dreiecke, Vierecke und andere Polygone vor, weil sie
sich bequemer im Text nach den Eckenbuchstaben bezeichnen lassen und
auch bei der Darstellung der vollständigen (restlosen) Einteilung eines Be-
griffs usf. leichter verwendet werden können '). Jede Kreis- bzw. Polygon-
flSche '), wie sie durch die Eckbuchstaben bezeichnet wird, entspricht dem
VmfaDg eines Begriffes, stellt also die ihm subordinierten Gattungen t>zw.
Arten in ihrer Gesamtheit dar. Jede Art, Gattung usf. ist nur durch einen
Kreis vertreten. Gehört also z. B. eine Art 2 Gattungen an, so müssen
die Kreise der beiden Gattungsbegriffe sich schiwiden, d. h. teilweise decken.
Gehören zwei Arten derselben Gattung an, so liegen sie innerhalb desselben
Galtungakreises usf. Die Merkmale, also der Inhalt des Begriffs kann durch
eine in den Kreis bzw. in das Polygon eingetragene Aufzählung seiner Merk-
male oder eine ebenso eingetragene Wortbezeichnung angegeben werden,
wird also nicht direkt dargestellt. Insofern jedoch jedes Merkmal m eines
Gegenstandes 0 dahin ausgelegt werden kann (vgl. über diese Hypostasie-
*) Sehr beachtenswert ist auch der Versuch von J. G. E. Maaß (Grundr.
d. Log., i, AufL 1823, § 496, S. 246), den Begriffsumfang durch einen Winkel-
raum darzustellen. Namentlich kann so die Transgression der Allgemein-
beniffe veranschaulicht werden. ''
') Im folgenden wird der Zusatz „bzw. Polygonflache". bzw. „Polygoa"
OgIC
588 IV. TeiL Die rinzelpcQ logiaehen Gebilde und ihre Gtactae.
nuK MTMptiü.^ s. 49i, biß u. 53Sf), daft 0 äner Gattunf anfehfiit, die
neben &ndaen dem O zukommeDden Meckmalen auch d&s Merkmal m
oder uieta nur das Herfcn»! m hat, so kann duich ginTriftimim sokber
' den einseinen Merkmalen entsprechenden Gattunsen auch der Inhalt de»
Befrillea dargestellt nerden. Auf der beistehenden Zeichnung, die im
Obricen kdner weiteren Eiklftrunc bedarf, iat z. B. die Art Schnabeltier
duich ein kleines Vineck AB CD dargestellL Ihre U m f a n g s beziehntc
nach oben, d. h. ni h&taeren Allgemeinbegri&eo, erfibt sich uimiittelbaj
Fig. 1.
<*
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/•(«•aMSA.,
^
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damus, daB ihr Viereck Tollatandig in dem Viereck .^Stuaelier" (EFGH]
enthalten ist. Ein Merkmal des Schnabeltiers ist nun z. B. das Berieten.
Das Merkmal kann dadurch darsestellt werden und ist aul der Figur da-
dorch dargestellt, daß ein weiteres Viereck I E L M eingezeichnet ist, das dem
BegriK „eierlegende Tiere" entspricht und nur einige wenige andere Slnge-
tiere, zahlreiche andere Wiiteltiere und zahlreiche wirbellose Tiere umEaBt
In Ähnlicher Weise kCnnen auch die anderen MeAmale des Schnabeltien
durch entsprechende Kreise bzw. Vierecke zur Darstellung grtiracbt wetden.
Es ist auch klar, daß prinzipiell zwischen der Ginordnung in die höhere
Gattung (im logischen Siim) „S&ugetiere" und in die höhere Gattung „üer-
tegende Tiere" kein wesentlicher Unterschied besteht. Wir geben der eislaen
nur deshalb den Vorzug, weil die Gattung „Sftugetiere" durch zahlreidiere
und wesentlichere Merkmale definiert ist als die Qatlong „eierlegende Tkre".
Za dieser und allen weiteren geometrischen Darstellungen muB oocb
bemerirt werden, daS auf die G r 6 8 e der zur Darstellung verwendeten
FULcben im allgemeinen kein Gewicht gelegt wird; es kommt nur auf die
Lagabeziehung — Ineinander- bzw. Auseinanderliegen, teilweises oder
ToUsULndiges — an. So ist in der eben gegebenen flgur das Vineck ABCD
relativ viel zu groS usf.
Eise erfaebUche erkenntnisfördernde Bedeutung — ahge-
s^en von dem wichtigen didaktiseheD Moment der Verausdtau-
lichung — kommt dieser und anderen geometrischen Darstellungen der Be-
srifle nicht zu. Schon die Umstindlichkeit des Zeichnens steht im Vider-
vmch mit den Anforderungen, welche man an eine logiache Snobolifc
■teilen muB.
1, Kapitel. Die Ltbre von den BeghKen. 539
Um so nQtzlicher erweisen sieb die algebraischen Symbole bei
der DustelluDB der Begrilte. Wenn diese algebraischen Symbole auch
weniger aDschauUch sind, so leisten sie dalQr bezüglich der Fixierung der
Begrifie und bezoglich der AbkOrzunK der Verwendung der BeEriBe im
Denken alles, was man von einer wissenschaftlichen Symbolik verlangen
kann. Es wurde daher in den hUheren Kapiteln allenthalben schon aus-
ciebtger Gduauch von solchen Symbolen gemacht. Es handelt sich dabei
mn&ehst darum, die einzelnen BegriBdutegorien und ihre Beziehungen
durch zweckm&Big gewählte Buchstabeusymbole auszudrucken *). Die
ZweckmäBigkeit der Auswahl besteht vor allem darin, daß jedes Symbol
auch die Zusammensetzung des Begriffes durch geeignete Zeichen darstellt.
Im folgenden stelle ich diejenigen Symbole zusammen, die in den bisherigen
Entwicklongen verwendet worden sind, soweit sie auch weiterhin IQr die
spezielle Logik in Betracht kommen:
S EmpfindDiig; <^ BmpfindnsgBaggiegat (vgl 8. 491).
' TotsteUaDgBaggTägat.
B hTpothetisches Empfindangssabettat
, Ding an moh, Reduktions-
, Aggregat solohez hypoQietiBohBr
beitaidteil) Vgl. 9.4fll; )?' EmpfindungssubBtiate.
"T, V(, Vo ■■■ komplexe Vorstelhuif; (S. 486). a, b, o tiaf. einlache Begriffe,
A, B, Cnaf. zusammengesetzte B^riffe (vgl. 8. 318, Anm. 6 n. S. 485, Annt. 5).
ji k 0 . . : bzw. i B "fc . . . komplexer B^riö (8.319 u. 48ß);
E indiridaellet Komplezioiisbegriff (8. 320, 460 a. 400); C iodindneller
KdlektiQiksbeeriff (8. 322 n. 48Q, Anm. 5)-!
ab bzw. ALB, al^üret TT individneller EomparstJoDsbegritl (tt. 323 n. 499) *>■
1, ^ f , . . . biw. y, JT, F, . . ., abgekürzt t btw. P individneller KontiaUions-
begriff <S. 326 u. S. 501), hervoi^eguigen ans den Flnzionsbegriffen
f., 1„ f, . . . Um. Fl, F„ g, . . . (v^. 8. 330 n. 501).
Wi w, w, ... bzw. TV, W, W, . . !, at^ekOrzt w bez. W AUgemeinbegiiff
iß. 3S1 n. 606), hervoig^tangeD ans den saboidinierten Begriffen w,, w„ w, . . .
bzw. W„ W„ W, . . .
Soll bei einem AllEemeinbegriff ausdrücklich hervorgehoben werden,
dafl es aich um einen generalisierten Komparation»-, KontroktionsbegriS
osf. handelt, so soll statt W geschrieben werden W (U), W {¥) usf.
w® bzw. TP* Individual begriff, w^ bzw. W^ DfLchstböberer Allgemein-
kegiifl (ArtU^rift), w° bzw. w", w™ bzw. "W™ usf. Skala höherer Allgemein-
b^riffe (a359 u. 510 ff.).
3) Einen interessanten Versuch hat in dieser Richtung nach dem Vor
gang von Leihniz u. a. »hon Job. Chr. Hoffbaner (vgl S. i3(Q in seinen
AnlugmUnden der Logik gemacht (S. 86, g 37).
*> a A *> bedeutet : a ist verschieden von b.
n,5,t,7rjM,G00glc
540 '^- ^^ ^^ eiimlnen logiscltea Gebilde und ilu« Geaetze.
w,*, w/, V,* nsL kowdiBiwto LnüridtutbeBritfe (8. 511^
w,', w,i, v,I (uf. kooidinierte Artb«crirfe (8. 611),
"i^i "i™. "»^^ Mt townünierto Oattungsbegnlfa (danuelbeii
wM gubordiniert) «sf. (»gl 8. 510)^
Kb iat also w* = w, w, w, , . ., w" ■=. w,' w,'V,' ... vM.
Die kleinea Buchstabeii lO, n, o, p «erden in besooderem Sian Mr
Uerkmale verwendet, und irwar m speziell fflr gleiche Merkmale, o für Itift-
liche, p rar absolut verschiedene (S. EOS, 614-). Ein beigeBetsies Abb-
rufungszeichen bezeichnet ein prftlatea Uerkmal (S. 490, 504, 513). Da die
Merkmale im zusammengesetzten Begriff durch K<Hnplexion veiknfipA sind,
90 nird das Zeichen .'—-—~^ für die Vcri^nüpfung der Uerkmale n^randit.
Es ist also z. B. F, = m o p usf.
Der Gegenstand eines Begriffes wird durch griechische Buchstaben
bezeichnet, so ist z. B. q der Gegenstand des Begrifteii a.. <l> der Gegciulasd
des Begriffes F, K der Gegensland des BegrUles W us(. SoU ausdiftHiA
hervorgehoben werden, daß dieVorslellung eines Gegenstandes (Geeen-
standsvorstellung, vgl 5. 820 u. 491) gemeint ist, so wini der griechisdw
Buchstabe in Klammern gesetzt, z. B. (o) oder ia)(.ß}(.y) ■ ■ ■ uaf. Vgl
auch S. 491, Anm. 18.
Die sog. mathematische Logik (vgl g S2 n. 83) hat leider der
Maimigfaltigkeit der logischen BegriffAildung nicht genOgend Rechnung
Betragen und ganz vorwiegend nur die Beziehuns der Generalisation be~
arbeitet und nur fQr diese eine Reihe von Symbolea geschaffen. Uota
diesen kfinnen nur einzelne als wiiklich zweckmäßig anerkannt und dalfer
2ur Ergftnzunfl der oben angefahrten Symbole herangezogen werden. ]A
wähle im folgenden diejenigen aus, deren Verwertung mir nQl^ich scheint,
gestatte mir aber dabei einige Abweichungen von dem Sinn, den man des
Zeichen uisprOniUch gegeben hat, und füge einige neue hinzu.
V @ W" oder w* ^ w", d. h. der Individaalbegriff W* biw. w* ge-
hört zur ,3elerung" ') [vgl S. 868 f . u. G3E) dee Art- oder GattungsbegijtfM
begriffe« W" bzw. w" {„fSUt unter*' W" bzw. w»);
de^.!?" C ■W»+' oderw^C w" + • tmd allgemMn W^ C W»+"
oder w" C »"+"', d. h. der Art- hiw. Gattungsbegriff W» bsw. w» aiR in
den Umfang des höheren Gattungsbegriffes W°+>° biw. w''^ (ist ihm nb-
ordiniert).
Die Abwesenheit der Beziehung ^ wird durch das Znchen (^ txa-
gedrückt, wie Oberhaupt ein senkrechter Strich (Durchstrich) zum Ausdruck
der Verneinung dient Vgl. S, 666.
Die reziproke Beziehung, also die Superordinalion (Supeisumtion,
Schroeder) *) wird durch das Spi^elbild des Svmbols, d. h. durdi 3 '>'*'
^ ausgodräckL So bedeutet t. B. W+l ;^ w" , da« w"+^ dem w" aber-
geordnet ist Das Zeichen— ist lör solche Fälle zu reservieren, in denn
die gemeinschaftliche Subordination aller oder wenigstens mehrerer
*) An die Belegung im änn der C&ntorschen MeDgentefare ist sdbst-
verstindlich weder hier nodi in g 78 u. 98 gedacht
*) E. Schroeder, Vorlesungen Ober die Algebra der Logik, Bd. 1, Leipsg
lasa S. 167.
1. Kapitel. Die Lehre von den BegrilfMi. 541
Begritle unter einen abergeordneten BegriO «ussedrQckt werden soll (trI.
S. 331).
Das Gleichheitazeichen =s wird vorzugsweise verwendet, um die U m -
faniseleichheit aw^er Besriffe zu bezeichnen. Wenn ein MißvenUndnis
mögüeh ist, wird aber d»a Gleichheitazeichen ein u Besetzt werden (also ^ >.
Dieiahaltlicbe Gleichheit zweier BegriHe soll durch das IdentitAts-
uiehen =~ «uffiedrückt werden. Aus der inhaltlichen Gleichheit folgt stets
auch die Umlangsgleichheit, w&hfend Umfaiigwleichheit sehr wohl mit In-
baHsrenchiede aheil vertrAtficb ist. So ist z. B. der Begriff .«leichaeitiges
Dreieck" mit dem Begrilf „gleichwinkliges Dreieck" umfangsgleich, aber doch
TOQ ihm inballsTerachieden ; erat wenn msn auf die fundierenden Gegen-
stlnde zorQckgebt, ergibt sich auch luballsgleichheit und damit Deckung.
V^ hierzu § 102 f.
Ober die BeAunft der Zeichen O , ^ und O , I& s^ folgendes be-
meikL E. Schroeder (Vorles. Ober die Algebra der Logik, Leipzig 1800.
fid. 1, S. 1S7 ff.) führte beide ursprünglich in einer Bedeutung ein, die weh
mit der soeben angegebenen im wesentlichen deckL AuBerdem verwendete
er die kombinierten Zeichen <€> ^> ^fud^, wenn auBer Sub- bzw.
SuperOrdination auch Gleichheit der beiden Begrifl« oBen gelassen werden
toQ, und sprach in solchen FUleu von „eventueller (oder fakultativer) Unter-
ardnnng" usf. (I o. a 188). So bedeutet 2. Bj A ^ B, daB A entweder
d«u B untergeordnet ist oder ihm gleich ist FOr Subordination braucht
^r. auch den Terminus Subsumtion, den ich für subordinierende Urteile
resoviere. AtiSerdem unterscheidet Sehr, nicht so scharf zwischen der
Subordination der Begriffe imd der Subordination der Gegeost&ncle. Selt-
umerwase hat nun Schroeder in dem nach seinem Tod von Eug. Maller
beaibettelen AbriS der Algebra der Logik (Leipzig-^Berbn 1909, Teil 1, S. 7 tf.)
dieselben Zeichen etwas anders definiert. Hier fflhrt er das Zeichen ^£
mnlchsl lor die Folgerungsbeziebung zwischen zwei S & t z e n
(Propomtionen) ein, und zwar soll a^s ß bedeuten: ß ist die Folgerung
aus Q (mit Einschluß des Falls der Identität). Er nennt diese Beziehung
letzt sekundäre Subsumtion (sekundäre Einordnung). Dabei fällt auf, dafl
er das Zeichen ^= sprachlich mit „sub" wiedergibt, obwohl nach seiner
ugenen Auffassung a ^S ß talsächlich in der Begel nicht bedeutet, daB der
Sttz a unter (sub) den allgemeinen Satz ß Eällt, sondern umgekehrt, daß
der spezielle Satz ß unter den allgemeinen Satz a fällt. Weiteitin (1. c.
S. IS) dehnt nun Sehr, diese Symbolik von Sätzen auch auf Begriffe aus
und setzt fest, jede binäre, reflenve und transitive, einem Elementesystem
zugehörige^) Beziehung zwischen zwei BegriHen a und b solle durch das-
') Zu diesen Schroederschen Terminis sei folgendes iKmerkt: Die
Dinge a, b, c . . . gehOt«! mit der Beziehung Z zu einem Elementesystem,
von jedes Ding p unter ihnen zu jedem anderen Ding q unter ihnen Ober-
haupt in irsendeiner Beziehving steht, tmd zwar entwed» in der Bc-
liehunt Z oder aber, wo nicht, doch in einer damit in Widerapruch stehen-
fai Beziehung Z. Sokhe Dinge änd z. B. die reellen Zahlen, die unter
adi entweder gleich oder uatfeich sind (1. c. S. 18 mit einigen wichtigen
Zusätzen). .Jtefleiiv" nennt Schroeder eine Beziehung, „w«nD »des
DoK p des SyslemG, zu dran Z gehfirt, mit sich selbst in dieser Beziehung
stefar (I. c. S. 12 u. l»)i so ist ZJ B. fOr die Gleichheit stets aaa („Eigen-
sckall dar Oteichbaitriwziehuoi"). „Transitiv" ist eine Beziehung Z
i.l^. OQi
'S'c
g42 ^- "^^^^ ^^ «iiz«tneii loguchen G^dlde und ihre Gesetze.
selbe Zeichen ^c i>suh" d&rsestellt werdea nad primäre Subsunfiiin
oder piimire EiDoidnmia faeiBen. Dtnius ergibt sich, dkfl du Zeicbea ^
dia im Gebiet der S & 1 1 e eine bestimmla e i n »eitise (polftre) Ricfatuai
der Beziehung, nimüch von der IMmiase nmi Konklusuro (S. 308) be-
zeichnet, jetzt im Bereich der B e g r i f f e fOr eine Beziehung ohne Fincmig
ihrer Bichtung gelten soll, a ^ b kann, wie Sehr, selbst betont, sowohl
die Unterordnung von._a unter b wie die Oberordnung von a Ober b be-
denten. Diese Ungleichheit der Verwendung, die auch durch sp&tere Br-
Alterungen (1. c. § 84, S. 56) nicht behoben wird, sdteint ni>i< unzweck-
m&Sig. Ich habe daher oben auch im Berdch der BesriOe das Zöcben ^E
nur fflr die Unterordnung gebraucht (und ^ für die ÜboFordiiusi),
bin also im wesentlicbeo der älteren Darstetlang Schroeders gefolgt*}.
Das Zeichen ^ wird auch von der Hengentebre (Tgl. § 8^ verwendet,
hat aber hier einen abweichenden Sinn. Es wird iil,mlicb folgendermaBen
definiert*): Wenn alle Elemente der Menge A auch Elemente der Menge B
sind, 80 sagen wir „A ist in B enthalten", srnüxriisch AO B (i*enQ mu
den Fall der Gleichheit der beiden Mengen wegl&Bt). Da die Mengen der
Mengenlehre individuelle KoUektivbegriBe (C'b nach der Srnibolik S. CSS)
und nicht Allgemeinb^riSe sind, so bedeutet für die Mengenlehre das
Zeicben ^ nicht die Subordination unter einen Allganeinbegritf, sondern
das Enthaltensein in einem individuellen KoUekÜvbegrifi. Von dieser ab-
weichenden Verwendung wird hier g&nzlich abgesehen. Ein besonderes
Zeichen fflr das Enthaltensein in einer Menge scheint vorl&ofig in der Logik
nidit erforderlich.
Es fehlt nunmehr noch rin Syn^l für die Bemehuhg eines Teil-
begiiffa im weitesten Sinn (eines begriSUcben Merkmals, vgL S. BOl,
Anm. 1' u. S. 496) zu dem zugeh&rigen Begriffsganzen, also zu dem ni-
gehOrigen — individuellen oder generellen — KomplezionsbegTitL kh
werde bierfOr im folgenden das Zeichen -k~ und -«-verwenden, das S. SIS
bereits für die Isolation eingefflhrt worden ist, und zwar in der Weise, daS
die Pfeilspitze dem Teilbegriff zugekehrt ist; m -*- K bedeutet also: m ist
«n Teilbegiiff begriffliches Merkmal} von E. Ebenso bedeutet K ->■ n
das E den Teilbegrifl m enthfilt, femer E -}-> m, daB m kein TeilbeaiS
von K ist usf.
Die atg^raische Logik fahrt im AnschtuB an die oben angefOhtt«
Zeichen noch zwei spezielle Gebiete ein, welche sie als die Gelnete der
,.identischen Null" und der „identischen Eins" bezeichnet und durch die
Symbole 0 und 1 ausdrückt. Die Definition derselben lautet z. B. bei
Scbroeder >")■ rfi nennen wir ein Gebiet, welches zu jedem Gebiete a in
der Beziehung der Einordnung stdit, weÜies in jedem Gdnete der Uannig-
nach Schroeder, wenn ans der Beziehunf Z zwischen p ttnd q (srmbolisdt
p Z q) und der Beziehung Z zwischen q und r [srn^lisch q Z r) stets lolft.
daß auch zwischen p und r die Beziehung Z besteht (pZr). VgL L e-
S. 9 u. 19.
*) L. Coutural, L'algäue de la logique. Scientia, Mars 1906, g S w
wendet das Zeichen < und spricht von incluaion, bei Begriffen speziell w»
subsomption.
*) VgL F. HausdorS, GrundzQge der Mengenlehre, Lzg. 1914, S. 3 o- 4-
'«} Voriesungen, Bd. 1, S. 188^ 812 o. 371; AbriB, Teil t, S. 36. T«
allem sind auch die viel Uteren Untersuchungen toh Q. Boole^ An InnA
1. KapiM. Die Lehre von den BesriBen. 5^
ialtiikeil enthalten ist." 1 dagegen „ein Gebiet, zu welchem jedes Gebiet a
in der Beziehung der Einordnung steht, in welchem jedes Gebiet der Uuuüs-
falti^eit enthalten ist". Die Null soll, „wenn von Klassen >i) die Rede ist.
dem Begrifi des Nichts entsprechen", wahrend die Eins, wenn a, b, c, ...
Klassen vorstellen, die „nmlaasendate Klaaae bedeutet, welche alle die Klassen
Tind Individuen, von denen in der Untersuchung die Rede ist, in sich ver-
einigt". Des Nullgebiet, ist also lediglich „fingiert", während das Einsgebtet
dem Be^iff „des Ganzen" oder „Alles" innerhalb der voTausgesetzten
lUnnigfaitigkeit entspricht. Für die weitere mathematische Behandlung
logischer Probleme bieten diese Symbole manche Vorteile (vgl. S. 574).
la^wsondere gelingt es mit Hilfe derselben, weitgehende Analogien zwischen
loiisdien S&tzen und mathematischen Formeln herzustellen. Dagegen kann
nicht zugegeben werden, daB diese Hilfsbegriffe uns eine neue oder tiefere
Kinsicbt in das Wesen der BegriSe und ihrer Verknüpfungen versehaOen.
Vgl S. 675.
§ 102. Die ge8:eiueit]^a Bllgemeinen Beciebongui der
Besrilfe <m Hinblick anf Inhalt und TJmfai^. 1. Negatton.
Mit der Unterecheidang einerseits einfacher und znsammen-
gefletzter, andrerseits subordinierter, snperordinierter nnd
koordinierter Begriffe, wie sie sich in den letzten Para-
graphen ergehen hat, sind die gegenseitigen allgemeinen Be-
ziehongen der Begriffe nicht erschöpft. Die Logik nnter-
scheidet vielmehr noch zahlreiche andere theoretisch und
pritktisch wichtige allgemeine B^rlffsbeziehnngen, die sich
nnnmehr mit Hilfe der festgesetzten Symbole sehr scharf
kennzeichnen lassen. Dieselben sind teils inhaltlich, teils
mnfänglich ^). Es wird sich aber zeigen, daä jede inhaltliche
Beziehung auch umfängliche Beziehungen involviert nnd
umgekehrt.
Bei der Darstelinng dieser weiteren Beziehungen gehen
wir von der Unterscheidung positiver und negativer
Begriffe (conoeptns positiv! bzw. negfttivO aus. Negativ
heißt jeder Begriff, der ein oder mehrere negative Merkmale
enthält, wie z. B. die Begriffe „nicht-grün", „nicht-teilbarer
und nicht-elastischer, beweglicher Körper" nsf. Die Negation
hat dabei die ganz allgemeine Bedeutung des unbestimmten
„anders als". Sie entspricht also der allgemeinen Versohie-
denheitsvorstellung, welche wir vermöge der ve^leichenden
tA the laws of thought etc., London 18U, S. 17 fl. (lotical value and signi-
ficance of the Symbols 0 and 1) zu vergleichen.
") Unter einer Klasse versteht Sehr, bald eilten loglachen AUgemetn-
begriff, bald die Gesamtheit der unter einen solchen fallenden IndiTidneni
*) Im Interesse der AbkCbzung sei dieser Tenninus, dar in der popu-
Um Spnche einen ganz anderen Sinn hat, gestatteL
1,1^. OQi
-c^lC
544 IV' l'^iL ^^ einzelnen loiäacben Gebilde und ihre Gesetze.
FoHktioa (vgL S. 344) mit Bezng aaf Gegenstände bilden
aad in der Begel in Urteilen aosdrücken (vgl. die psycho-
logischen Erörtemngen über negative Urteile S. 390 IF.). Sie
unterscheidet sich von der sonstigen Verschiedenheit nnr
dadorch, dafi bei letzterer das Gegenglied doch auch positiv
bestimmt ist (rot statt nicht-grnn, rotes Tuch statt nicbt-
grünes Tuch). Jet also ein einfacher Begriff „a" gegeben, m
ist der Begriff ,^on-a" ein Ällgemeinbegriff, dessen einzigem
Merkmal die Verschiedenheit von a ist Zu dem non-a
„nicht-grün" gehört also, wenn „grün" streng als Eigen-
schaft gedacht ist*), nicht nur blau, rot usf., sondern aocb
viereckig, süS, Gold, Gras, Pflicht usf. Gras ist zwar grün
und gehört daher zu den grünen Körpern (Gegenständen),
ist aber nicht die Eigenschaft (Farbe) „grün". Handelt es
sich um einen zosammengesetzten Begriff a b e . . ., so kano
sich die Negation entweder anf alle Teilbegriffe oder nur aof
einige bzw. einen einzigen beziehen. Wenn z. B. die Physik
früher die Ätherteilchen als nicht-schwere (imponderable),
bewegliche Körper anffaBte, so ist dieser B^riff ein
partiell -negativer. Es handelt Bi9h nur nm die Negation
eines oder mehrerer, aber nicht aller Merkmale' eines Kom-
plexes. Andere Beispiele wären: gemchlose Blume (indi-
viduell oder allgemein), nicht-grüne Körper, dorch 5 nicht
teilbare Zahl osf. Ist der partiell negierte znsanunengesetste
Begriff ein Allgemeinbegriff (z. B. ranchloees Pulver) nnd
dieser in der üblichen Weise definiert, so kann man auch
sagen, daß die Negation sich bei ihm anf Merkmale inner-
halb der Differentia specifica beschränkt, dagegen der Merk-
malbestand des Genus proximom erhalten bleibt '). Die all-
gemeine Formel des partiell negativen OEOsammMigesetrten)
Begriffes ist ab...non-c Ein Beispiel für die totale
Negation eines zusammengesetzten Begriffes ist der Begriff
Niobt-Ioh (wofern mau den Ich-Begriff als zusamioen-
gesatzt anerkennt). Seine Formel kann geschrieben werden
non-(abc.. .). Die Negation erstreckt sich hier also, wenn
es flieh nm einen Allg«neinbegriff handelt, auch anf sein
1} Im Gegensatz zum BegriB „GrOnee" oder pjrOae KSiper". Vd-
S. aOBt Anin. 3 u. &S9. — Hier hat non-a andere Bedeutung ab S. HS.
') In dem sprachlichen Auadruck lOr partiell nefierte Baniffe ist zu-
weilen der partielle Charakter der Negation verwischt (Nkiht-Baucb« statt
nicbt-Muchende Menschen). Vgl S. äbi.
1. Kapitel. Die Lebre von den BesriOen. 545
G«niiB proximum. Logisch stehen offenbar die total negativen
znBammengeBetzlea Begriffe den negativen einfachen Be-
grifTen sehr nahe; sie sollen daher im folgenden in der Begel
mit diesen zusammengefaßt werden. Besondere Beachtung
verdient, daß selbstverständlich anch a und b und a b und a e
nsf . unter den Begriff non-(a h c . . .) fallen. Die Kegation in
dem letzteren bezieht sich nicht auf die einzelnen Teilbegriffe
a, h, e usf., Bondem auf den Komplex abc. Deshalb wurde
das Elammerzeichen ( ) hinzugefügt.'
Die partielle Negalion eines Begriffs unterscheidet sich von dei N«ga-
tioD eines parlifeui&ien Urteils Cimanche Rosen sind nicht lot", vgl. g 115)
dadurch, daS jene sich auf einen Teil des Inhalts, diese auf einen Teil des
Umlangs bzw. der Belegung bezieht; beide sind jedoch verwandt, indem die
I>artielle Begriflsnegation stets auch eine entsprechende Spaltung des Um-
fangs des Genus proximuAi involviert (rote und nicht-fote Rosen).
Von der totalen Negation in dem eben beeprochenen
Sinne — Begriffssymbol non-(8 b c) — muß die durchgängige
Negation aller einzelnen Merkmale — Begriffsaymhol
non-a non-b non-c — scharf nntersebieden werden *). Bei
der letzteren handelt es sich nicht um die Negation des Be-
griffes abc, sondern am eine Begriffsbildung, die doreh
Negation dreier einzelner Begriffej nämlich a, b und c,
zustande gekommen ist. Der Begriff non-(ahe) schließt
nur den Begriff ahc aus, dagegen Begriffe wie a b non-c,
anon-b^on-c nsf. ein, während der Begriff non-a non-b non-c
alte Begriffe ausschließt, die überhaupt auch nur eines der
Merkmale a, b oder c einzeln oder in irgendeiner Kombi-
nation enthalten. Die Negation bezieht sieh also im ersten
Fall auf ein hesehränkteree Gebiet als im zweiten, und das
Umfangsgehiet de« negativen Begriffes selbst ist daher im
ersten Fall größer. Es gibt — um ein Beispiel mit zwei
Merkmalen anzuführen — mehr (Gegenstände, die nicht
„grünes Kleid" sind, als Oegeustände, die weder „grün" noch
„Kleid" sind. Vgl. heistehende Fig. 2, auf der die horizon-
tale Schraffierung die globale, die senkrechte Schraffierung
die distributive totale Negation darstellt'), sowie S. 554,
*) Die Übertragung auf Begriffe mit mehr als 3 oder mit 2 Merkmalen
kann übergangen werden.
>) Die Schraflierung muS man sich nach oben, unten, rechts und links
unendlich weit fortgesetzt denken.
Zlflhaii, Lelubucb derLoirik. 35
„.,,„, ^.oogic
546 1* Tel. Di> nmfmen lop«faep GriHide utd ihre G«art».
Fig. 4a o. b. Um diese beiden Formen der Negation aodi
termlDologisch scharf zq antcrscfaeideii. sei nämlich di?
«•rate — non-(abc) — als globale') totale Negation, die
zweite — non-a noo-b non-c — ak distributive total*
Negation bezeichnet.
Man beachte auch, daß bei zusainmcns^selzleD Begriflen die Anube
eines Heriunals stets eine Zweideutigkeit iu sich schließt, welche sich sudi
aul den zugehörigea negaliven Degrifi überträgt. Mit einem „wräBen KBiph"
kann man entweder einen Körper mejnen, der ganz, d. h. in allen söbbi
Teilen weiß ist, oder einen Körper, der in irgendeinem Teil w«S i*
Ira eralereo Sinn iat der zugehörige partiell- negative BegrilT der Begrifi ose
Körpers, der nicht in allen seinen Teilen weiß ist, im letzteren Sinn di-
eegen der Begriff eines Körpern, der in keinem Teil weiß ist Ein acbwin
und weißer Körper würde nicht unter den zweiten, wohl aber unter den
ersten negativen Begriff fallen. Handelt es sich um einen Kontraktions-
begriff, so kommt eine analoge Zweideutigkeit durch die Zeit hinzu. G»
weißer Körper ist entweder ein solchef, der zu allen Zeiten (in aUen
Phasen) weiß ist, oder ein solcher, der zu irgendeiner Zeit weiß ist, imö
dementsprechend ein nicht - weißer Körper entweder ein solche, <^
nicht zu allen Zeiten weiß ist. oder ein solcher, der zu keiner Zeit ««5
i-t. Vor allem darf man diesen Unterschied, der sich auf die gEt-
streckung" eine» Merkmals des positiven Begriffes bezieht und duw
selbstverständlich auch auf den negativen Begriff Gberfiägt, nicht mit doD
(.'nterachied zwischen totaler und partieller Negation verwechseln. Der ent«
JUnterschied betrifit nicht etat die Negation, sondern schon das positive Ueit-
mal bzw. den positiven Begriff und überträgt sich auf den negativen Bc-
nrifi, einerlei ob dieser, wie in dem eben angeführten Beispiel, particU negativ
oder total negativ ist, d. h. im letzteren Fall nicht nur äas „weiß", sendete
auch den „Körper" negiert (ganz weißer Körper — nicht-[Banz weißer KStper;
und teilweise weißer Körper — nicht -[teil weise weißer Körper]). Mertmile.
die räumlich oder zeitlich beschränkt sind, sollen fortan kurz als limi-
tierte Merkmale bezeichnet werden. Bei jeder Negation, totaler wie DS^
■) Die Be:;eichnuiig ist der Psychologie des Gedichtnisses entleboL
„.,,„, ^.oogic
1. K&uitel. Die Lehre von den BegiiSeo. 547
(ieller, ist also zu untersuchen, ob sie sich auf ein Umitierles oder nicht-
limitiertes Merkmal bezieht. Durch VemachlAssisung äner solchen Untei-
suchung entstehen zahlreiche TrusschlOsse. Bemerkenswert ist vor allem,
dafi ein BesnU mit einem limitierten Merkmal (irgendwo bzw. irgendwann
veiS) neiter ist als derselbe Begriff mit unlimitiertem Merkmal, und daß
dementsprechend die Negation eines hmitierten M«ito>als bzw. Begriffs
selbstveislAndUcb einen engeren Begriff liefert als die Negation eines nicbt-
Ümilierten. Im ersten Fall wird durch die Negation die Limitation gewisser-
maBes aufgehoben. Der Begriff ,^icht-ganz weiSe Körper" umfaSt mehr
als der Begriff „weder ganz noch teilweise weiDe Körper", nämlich auch
Körper, die beispielsweise zum Teil schwarz, zum Teil weiS sind. Im all-
Kemetuen soll festgesetzt werden, daB, wenn nicht ausdrücklich das Gegen-
teil bemerkt wird, jedes Merkmal im Limitierten Sinne gelten soU (weiß e=
irgendwo oder irgendwann weiB, nicht weiS = nirgends und niemals weifl).
Auch hiermit sind noch nicht alle Variationen erschöpft. Das Merkmal
„teilweise weiB" wurde nämlich soeben in dem Sinn genommen, daB es
auch „ganz weiß" in sich einbegreift (etwa'^ „wenigstens teilweise weiB").
Bs kann aber auch im prägnanten Sinn von „sai teilweise weiB" verstanden
werden, so daB „ganz weiS" nicht in seinen Umfang fällt Ferner kann die
Limitation des Merkmals noch weiter getrieben werden, indem sie auf einen
bestimmten Teil bzw. eine bestimmte Ffaase tiezogen wird (also
etwa „im Teil m weiß" statt „Oberhaupt, d. h. in irgendeinem
Teil weiß"). Auch hier ergeben sich entsprechende Variationen der
.N'egatioo. Dazu kommt, da£ auch das „nur" in vielen Fällen zweideutig
ist: entweder schlieBt es nur koordinierte Merkmale desselben
Genus proximum, also andere Farben, oder überhaupt alle
nuderen Merkmale aua Hierbei ist zu bedenken, daß, rein logisch betrachtet,
kein« Eigenschaft irgendeine andere positiv bestimmte Eigenschaft au9-
schlieSt^), und zwar auch in demselben Teil und in derselben Phase nicht:
logisch ist weis in diesem Sinne nicht nur mit sQB, sondern auch mit
-rol und selbst mit schwarz (also kcHmaten oder gar konträren Eigenscboflen,
1^ S. 327 u. § 10t) verträglich; nur die Eriahrung kann uns belehren, daB
Gegenstände fOr solche Begriffe fehlen (vgl. S. 430). Endlich kommen,
wie sich von selbst versteht, wesentliche Variationen der Negation dadurch
zustande, dafi ich bald das Merkmal „rot", bald die ihm hypostasierten
,jt:ten Gegenstände" (S. 494, 512, 544} negiere. Vgl. auch § 113.
Zwei Begriffe, von welchen der eine das totale Kegat*)
des andern ist, werden als kontradiktorisch eat-
gegengesetzt oder knrz als kontradiktorisch be-
zeichnet. Man hat also dann weiter kontradiktorische ein-
fache Begriffe — Formel a und non-a — und kontradikto-
rische zusammengesetzte Begriffe — Formel abe und
non-(a b c) — zn unterscheiden. Die letzteren werden zweck-
mäfiigerweise spezieller als global-kontradikto-
^) Nur bei einfachen Begriffen ist selbstverständlich das Vorhandensein
nreier besrifilicber Momente ausgeschlossen.
■) Diesen Terminus entlehne ich der aliebraiachen Logik.
_.ooglc
548 IV- '^^'^- ^'^ einzelnen loBiachen Gebilde und ihre Gesetze.
fische bezeichnet, am sie von den oben besprocbenen Be-
griffen von der Formel non-a non-b non-e, den distribn-
tiv-kontradiktori sehen, scharf zn unterscheiden; es
60II jedoch feBt^esetzt werden, daß, Tveon von kontradikto-
rischen Begriffen sehleehthin gesprochen wird, stets glo-
bal - kontradiktorische gemeint sind *).
Ein wichtiger Spezialfall des distr. kontradiktor. Ver-
hältnisses zasammeagesetzter Begriffe kommt dann zustande,
wenn jeder der beiden Begriffe ein oder mehrere positive
Merkmale und au&erdem die Negate aller positiven Merk-
male des anderen enthalt, wie z. B. W ^ a h non-c und W =
nou-a non-b e oder W:^abnon(cd) und W = non (ab)cd.
Solche Begriffe sind z. B. in Beetimmnngstabellea sehr hänSg
und mögen als rekontradiktorisch bezeichnet wer-
den. Vgl. auch S. 570 d. 573.
Nicht berOcksichtigt ist in der obigen Einteüuns der gemiKltlt
Fall, daß die lolale Neeation zuweilen teils dislribuUv, teils a^bal isf.
daB also einerseits einzelne Merkmale, andereiseils eine oder mebreit
Merkmaleruppen negiert werden. Hierher gehören Begriffe wie z. R
1 aLt&glichen wie im wissenschaftlichen Leben
le wesenllicli neuen Gesichtspunkte dar.
Liegt nicht totale, sondern partielle Negation vor, so
sollen die Begriffe kontrapositorisch heißen '"). Über
konträre Begriffe, die hiermit nichts zu tun haben, s, ^ lOi
Der Fall, daß ein BegriTI aus einem anderen derart geUldet wird, dal
er in einem seiner Mc.rkmale oder in einigen seiner Merkmale den anderen
negiert, zugleich aber die übrigen Merkmale des anderen teilweise oder siml-
lich gegen andere positive vertauscht werden (z. B. abc und de non-e).
komml hier nicht zur Bei-precliung, da es sich nicht um eine reine Negalioo
handelt. Auch spielen solche „k o n t r a g r e d i e n t e" BegriDe, wie icli '
sie nennen will, in der Logik keine erhebliche Rolle. Vgl. S. 673.
Auch innerhalb eines konlraposi torischen BegrlTlspaars können die
Merkmale, weiche nEgißrl werden, entweder einzeln (distributiv) oder als
Giuppe zusammenReraBl (plobal) negiert werden. Ein Beispiel IQr des
•) Es ist dies insofern beBTöndet, als der BegriH non-a non-b non-c
par nicht konlradik lorisch zu drm einen Bearifl abc ist, soadero ate
T( ilbejtritfen /usammeniresi'ti'.t ist, die zu don 3 BegriHen a, b und c kootra-
diktorifch »nd (vgl. S. 6«).
'") Mit der Konlraposilion von Gleichungen (s. Schroeder, AbriS. S. 38)
lint dirse Kontiaposilion von Begriffen nichts zu tun, eberi owenig auch mit
der contraposilio der Urteile von Boflhius (De syllog. categor.. Mignes Patio-
logie, Bd. 6i. S. 807). Vgl. auch dies Werk § 124.
1. Kapitel. Die Lehre von den Begriffen, 549
crsteren Falf w&re a non-b non-c, ein Beispiel far den letzteren a non-(b c).
Da sich neue Momente bei dieser Unterscheid uns nicht ergeben, kann auf
EnfilhniQg besonderer Termini und nähere Besprechung verzichtet werden.
Wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil bemerkt wild, soll immer bei den
tonlrai) OS ilo riachen Begriffen Sistrihutive Negation aneenommen werden.
Ebenso soll nur kurz darauf hingewiesen werden, daB auch bei der partiellen
Negation, also bei kontrapositoriscben Begriffen gelegentlich ein analoges
Verhältnis vorkommt, wie es oben bei kontradittorischen Begriffen als Be-
koatradiktion beschrieben und bezeichnet wurden so wäfen z. B. abnon-c
und a non-b c zwei rekontrapositorische Begriffe.
Dnrch die totale globale Negation wird ein Be-
griffe paar gebildet (a und non-a bzw. Ä and non-A), wel-
ches alle überhaupt denkbaren Begriffe eindeut^ umfaBt
So fällt z. B. ancb „viereckig" in den negativen Begriff
„nicht-grün"; es gibt zwar viereckige grüne Körper, aber
kein viereckiges grün, und nur um „grün" (als Eigenschaft),
nicht nm grüne Körper (Grün e s) handelt es sich jetzt. Diese
Eigenschaft zweier kontradiktorischer Begriffe, eich zur Ge-
samtheit aller Begriffe zu ergänzen, soll durch den Satz aus-
gedrückt werden: kontradiktorische Begriffe sind zueinander
snppl ementär. Durch die partielle Negation wird
ein Begriffspaar gebildet (abc) und (abnon-c), welches alle
einem höheren Gattungsbegriff (a b) subordinierten Begriffe
mnfaßt. Kontrapositorische Begriffe sind zueinander kom-
plementär. Vgl. auch S. 574. Die distributive Negation
bedingt, auch wenn sie total ist, weder Suppleraentarität
noch Komplementarität, wie dies am raschesten aus einer
Betrachtung der Figg. 3 — 4 (S.553f.) klar wird. Es entstehen
hier vielmehr stete mehr als zwei Glieder (kein „Paar").
Ob — bei der totalen und bei der pariiellen Negation — das Verneinen
eines Merkmals a, also das Merkmal non-a durch irgendwelche unmittelbare
oder mittelbare Erfahrung [estgestellt oder irgendwie vorausgesetzt oder aus
don öbrigen Merkmalen (aus dem sog. „Wesen") des Begriffes erschlossen
ist, ist für die jetzige Betrachtung vorläufig gleichgültig. Es kommt hier
nur auf die Tatsächlichkeil des Vemeinens an. Auch sei im Hinblick auf
spatere Erörterungen (S. 56S) schon letzt betont, daf) zwischen dem Begriff
a b' und dem Begriff a b non-c selbstverständlich durchaus unterschieden
«erden muB (vgl. auch S. 423, Anm. l)'°a). Das Fehlen von c unter deq
Merkmalen des Begriffs a b bedeutet — richtige Bildung des Begriffes voraus-
gesetzt — , daß c nicht zu den regelra&Bigen Merkmalen des Begriffs gehOrt,
dabei ist nicht ausgeschlossen, daS einzelne Untergattungen bzw. Arten
iOa) Vom sonatigen früheren Gebrauch des Symbols non-a (S. 430 tl.]
wird ielzt abgesehen.
OgIC
.>50 ^~- T^^^- ^c etnzelnen logisehen Gdiilde nnd ihre Gesetze.
bzw. Individuen, die unter den BesriB [allen, doch das Meitan«! c haheo:
dAgegeo kommt das Ueifanal c keiner einzigen unter den Be^iiFt abnoD-c
lallenden Untergattung (bzw. Art bzw. Individuum) zu.
Die Tatsache, dafi sowohl zwei kontradiktorische wie
zwei koDtrapositorische Begriffe keine TjDtergatttmgen bew.
Arten bzw. lodividnen, kurz keinen Teil ihres ünifa)ig&
gemein haben, wird anch in dem Satz formuliert: sie
schließen sich gegenseitig ans oder sie sind re-
pngnant (widerstreitend). Besondere Wichtigkeif
hat "diese Bepugnanz bei Merkmalkomplexen: repngnaate
Merkmalkomplexe sind miteinander „nnverträglich"
(„nnvereinbar"), sie können nicht einem nnd demselben Be-
griff zukommen. Die Merkmale bzw. Merkmalkomplese a
und non-a, ebenso a b und non-(a b), desgleichen a b und
anon-b sind einfache Beispiele hierfür; man beachte dabei
Dar, daß non-a usf., wie ausdrücklich festgesetzt worden ist,
jetzt nicht etwa nur das Vorhandensein eines von a verschie-
denen Merkmals bedeutet, sondern die Behauptung invol-
viert, daß a nirgends und niemals in dem bez. BegrifF vor-
kommt, dieser also in allen seinen Teilen und Phasen von s
verschieden ist (vgL S. 544 n. 546). Im nächsten Paragraphen
wird von dieser Bepugnanz ausführlicher gesprochen wer-
den. Vorläufig sei nur noch bemerkt, daß die jetzige Er-
örterung ihre Gültigkeit auch dann behält, wenn man die
S. 491 u. 496 besprochene Objektivation und Sabstantiati<n
der Begriffe vornimmt. Begriffe, die nicht repognaut n-
einander sind, heißen verträglich oder konvenient
(vgl. S. 568).
Bepugnanz kommt also in streDg-loeiscbem Sinn nur vor, «eno
einer der beiden Begriffe oder beide eine N^alion direkt oder indirdri ent-
halten. „Athener" und „Spartaner" bilden, rein logisch betrachtet, kein
repugnantes Beiriffspaar, ebensowenig „rot" und ,.grOn". Erst wenn ich
an Stelle von „rot" und ,ÄrOn" etwa „nur rot" (ganz rot) und „flur grOn"
(ganz grün) setze, also eine latente Negation einführe, kommt Bepugouu
zustande. Im praktischen Denken Bpiell neben der hier beapTOchenen rein-
logischen Repugnanz die empirische Repugnanz, d. h. die UnvertTSfUdikeit
zweier Begriffe (Mej^male usf.), «ie sie sich aus der Erfabruns ergibt, ^'
bedeutsame Rolle (vgl. unten S. 551). — Man könnte au&erdem die Frafe
erheben, ob Repugnanz nicht auch ohne irgendwelche (direkte oder indiieklt)
Beteiligung einer Negation einfach dadurch zustande kommen kann, dafi beide
Begriffe innertutib einer Reihe in verschiedener Weise positiv besümmt sind,
wie z. B. „drei" und „vier" oder „dreieckig" und „viereckig" (man denke
etwa an den spinozistischen Satz: „omnis detemiinatio est negatio"). I"
der Tat balien wir ia oben selbst auseinandpreesetzt, daS der Akt der Ve^
lA.OQi
,^^IC
1. Kspilel. Die Lehn tod dui BecriSen. 551
ci«inuDK sich auf die FestatelluiK von VerschiedeulieiUa grQndet; man
Ifinnte also etwa areumeottereo, daä jede Beatimmung, auch venu sie dmch-
aoa positiv ist, eine Terschiedenheit und damit eine Negation involviere.
Indes dieser Schluß wäre falsch: die positive Bestimmung sagt an sich noch
tOBo Verschiedenheit aus. Solange ich nur aussage „grün", sage ich
über andere HeAmale Oberhaupt nichts aus; der Gegenstand kann z. B.
„auch rot" sein. Erst die Aussäe „nur grün" („nur drei Ecken") nflrde
das Merkmal „rot" ausschlieBen, dann habe ich mich aber eben nicht mit
einer positiven Bestimmung begnOgt, sondern mit dem Wort „nur" eine
latente Negation hinzugefügt. Außerdem ist zu beachten, daB eine rein
poative Bestimmung oft auch ohne Zusätze wie ,^ur", ,j[aiiz" usf., wie
eben erwähnt, auf Grund irgendwelcher Erfahrungen unvertrftgUch mit be-
sUmmten anderen Merkmalen wird und daher im empirischen Sinn eine
Negation involviert Hierher sind auch Begriffskomplexe zu rechnen wie
p^elbe Pflicht" oder „heiseres Rot". Ueiser ist ein akustisches Merkmal, rot ein
optisches. Heiser und rot sind weder kontradiktorisch noch kontraposilorisch
zueinander, sie können als Merkmale eines und desselben Begriffes auftreten,
sind also nicht in unserem rein-logischen Sinn repugnant. Wenn ich aber
heiser nicht als koordiniertes Merkmal, sondern als Merkmal des rot auf-
fasse, d. h. dem „rot" adjungiete (heiseres Rot ab eine Art von Rot denke),
30 gerate ich mit der alltäglichen Erfahrung in Konflikt, welche lehrt, daB
eine akustische Qualität wie hdser wohl als koordiniertes Merkmal additiv
zu einer optischen Qualit&t in dem Heitmalkomplex eines Begriffes hiiizu-
koiomen, aber niemals eine optische Qualität deterrointeien kann (vgl. hierzu
die Bemerkungen S. 328 Aber additive Ähnlichkeit, diminuierende und in-
detenniaierende .Uistraktion usf.). Solche Begriffe werden zuweilen auch
als dis parat bezeichnet, doch wird sich ergeben, daB dieser Ternunuit
nicht selten auch in ganz anderem Sinn gebraucht wird (viL auch S. ö?0
u. 674).
Weilaus die meisten negativen Begriffe des alltäglichen Denkens sind
bontraposi torisch, nicht kontradiktorisch. In den Wortformen der Sprache
ist daher auch fast ausschlieBlich der kontraposilorische Gegensatz berOck-
sicfaligt. Wenn wir von „unsterblich" sprechen, so scheint allerdings die
Wortlorm den kontradiktorischen Gegensatz auszudrücken; tatsächlich aber
denken wir „unsterblich" nur mit Bezug auf lebende Wesen, beschränken
also die Negation auf ein Merkmal der Galtung „lebende Wesen", fassen
den Gegensatz also kontraposilorisch und rechnen z. B. „viereckig" nicht
zum Begriff „unslerbUch". Vgl. S. 54*.
Die Unterscheidung zwischen positiveu und negativen Begriffen ist
keineswegs stets leicht und einfach. Der sprachliche Ausdruck fahrt mauch-
mal geradezu ine, indem gelegentlich einerseits ein auf Grund unserer Er-
fahnmg zweifellos positiv-gedachter Begriff spraclilich durch eine Negation
bezeichnet wird (z, B. „u n gerade Zahl") "), oder andrerseits ein negativei'
Begriff durch ein keine Negation enthaltendes Wort ausgedrtjckt wird (z. D.
fläfpagof = Nichtgrieche). Es gibt Fälle, in welchen es willkürlich ist.
welchen Begrifi eines kontrapositorischen Paares wir als po^tiv und wel'
eben wir als negativ bezeichnen, weit beide positiv gedacht werden kfiimen.
Hiertier gehört z. B. der eben schon erwähnte Bpgriff der geraden und un-
") Vgl. Kant, Vers. d. Begriff d. neg. OrOBeu in d. Weltweish.
Whren, Werbe, Harlensl. Ausg. 1867, Bd .3; S, G9 (83).
O^^IC
552 '^- T*"- ^* einzelnen Logi»cheo Gebilde und ihre Gesetze.
geraden ganzen reellen Zahlen "). Unzweifelhaft handelt es sich um m
kantrapositorisches BeHriUspaar, und doch ist der BegriS der ungeraden g. t.
Zahl sachlich ebenao positiv ^°) wie derienige der geraden g. t. Zahl; haben
doch sogar manche Sprachen im Gegensatz zum Deutschen für beide ein
keine Negation enthaltendes Wort (ägiiot und ntgatit). In allen diesen
Fällen handelt es sich um eine Galtung von Gegenständen, welche sämtlich
die gemeinsamen Merkmale b. c . . . haben, und deren jeder auBerdem enl-
weder das Meiintal a o d e r das demseltien Gebiet angehörige. mit a un<
verträgliche Meilmal z hat, wobei auBer a und z auf dem bez. Geisel
andere Merkmale erfahrungseemäB nicht vorhanden sind. Zuweilen treten
ah Stelle des einen z mehrere Merkmale z . z^ usf. Wesenllidi ist nur.
daß sie nach unserer Erfahrung zusammen mit a die Möglichkeiten des be-
züglichen Merkmalgebiets erschöpfen, also komplemertlär sind. EUn Beispiel.
welches für die Richtigkeit dieser etwas umständlichen Bestinunung t>esaD'
ders beweiskräftig ist, bietet der Gegensatz „spitzwinklige ebene Dreiecke"
und „nicht- spitzwinklige ebene Di^iecke". Sachlich ist der Begritf der
letzteren ebenso positiv und durch die Merkmale Rechtwinkligkeil (z,) und
Slumpfwinkligkeit (z^) gegeben, und in der Tat gehören Spitz-, Recht- und
Stumpfwinkligkeit demselben Eigenschaltagebiet an. und erschöpfen es voll-
ständig. Logisch bleibt selbstverständlich nicht- spitzwinklig ein n«sa-
Hver Begrill.
Viel öfter sipd wir allerdings auBerstande. den negativen Begriff durch
Angabe eines positiven Merkmals oder mehrerer positiven Merkmale an
Stelle des verneinten Merkmals positiv zu bestimmen. Wir können meistens
nur Beispiele aus dem Beireich des negativen Begriffes zur Erläuterung an-
fahren. Die poMtive Ausfüllung der Blankostelle, nelcbe durch die Ver-
neinung des Merkmals a entstanden ist, ist — anders ausgedrückt —
meistens unendlich vieldeutig. Diese Unbestimmt heil der negativen Begriffe
hat schon Aristoteles AnlaS gegeben, sie als <iigtaiM zu bezeichnen^*).
BoSthius ") übersetzte dann weiterhin difiatoe mit intlnitus (unendlich)")
") Man beachte, daß das Beispiel seine Beweiskraft verliert, wenn
man statt ganzer reeller Zahlen Zahlen schlechthin als Gattungsl>egnK wählt
") Bekanntlich lassen sich die ungeraden Zahlen keineswegs nur doiclL
ihre Unleübarkeit durch 2 deQnieren.
**) Vf^. z. B. De Interpret. Ak. Ausg. 16a: Tö S' «üx af^guaK *i^
eya/ta . . . itiX laiat Syo/ta äögtai»!', oii ifiolmc ip' iiovavy ina^^iii xoi »rtK
x(ti /4^ irioc S. auch lül>, 8 u. '.iOlb, 24 u. lOtitia, Uff. Aristoteles hat woU
vorwiegend die total n^^von Begriffe im Ange.
'") In libr. de Interpret., ed. Migne, Bd. 64, S. 341 u. 520.
^'} Arislotcles braucht die Worte äi^taioc, und öJtigtatot. Ersieres be-
deutet eigentlich „quod nullis finibus clrcum scriptum est", letzleres „ined
certis fmibus non circumscriptum est", indes hat das erstere zuweilen auch
die Bedeutung „quod cerios fines non habet" (Th. Waitz, Aristotelis Orf-
(jraece. Teil l. Lips. 1844, S. 388, etwas abweichend Bonitz im Index Aristo-
lelicus). Ob an den hier in Betracht kommenden Stellen «öpurr« die
zweite Bedeutung hal (non certos fines habens ^ indefinitus) imd Bo^biui
also falsch Obersetzl hat, wie zuweilen behauptet wird, scheint mir doch
noch zweiteihafl. Dir Verwirrung wird dadurch noch größer, daß die ihrer
Quanlilflt nach unbcslimmten Sätze {pro Position es non eeriis finibus rircuB-
l. Kapitel. Die Lehre von den Begritten. 553
statt mit indefinitus (unbestimmt). Er hatte dabei aber vielleicht den ganz
richliien G«danken, daB der negative Begriff non-A, wenn er positiv nicht
vollgt&iidiB bestimmt werden kann, eine unendlictK Zahl dem A koordinierter
Begriffe umfaBt "). Spater sprach man kurz von Infinitation.
Dal)ei hat man femer zu l>eachten, daB die Negation in einem partiell nega-
tiven Begriff B bald ein Merkmal a betrifft, das zu einer fQr den tjezOglichen
GaltungsbegriO erfahrungsgemäB unerläßlichen Merkmalgattung gehört, also
hei jedem dem B subordinierten IndividualbegriU durch ein anderes Merkmal z
ersetzt werden muß, bald ein Merkmal a betrifft, das einfach w^allen kann.
Zur ersteren Gruppe gehört z. B. der BeeriQ „nicht- einwertiges chemisches
Element". Hier gehört das Mei^mal „Ein Wertigkeit" (a) zu der Meikmal-
Sattung „Wertigkeit", die (Qr jedes .chemische Element erfahningsgem&B
und dann gcm&ß unsrer auf Erfahrung gegründeten '') Definition unerl&Blich
ist, und muH daher bei dem partiell negativen Begriff „nicht-einwertigem
chemisches Element", sot>ald er eine bestimmte Art derselben Gattung be-
zeichnen soll, irgendwie ersetzt werden, 2. B. durch Zweiwertigkeit (z^) oder
Drei Wertigkeit (z,) usf. Zur zweiten Gruppe gehört z. B. der Begriff „bart-
loser Mensch". Das Merkmal „Bärtigkeit" gehört keiner Merkmalgattung
an, die für Mensch obligatorisch ist, und bedarf daher keines Ersatzes durch
ein positives Merkmal. Vgl. die Bemerkungen über indeterminierende und
diminuierende Abstraktion S. 320 u, 479 f.
Das geometrische Symbol für einen total negativen (kon-
tradiktorischen) Begriff non-A ist, wenn A ^ a b c selbst durch ein
Viereck dargestellt wird (vgl. beistehende Figur 3 a), die unendliche das
Fig. 3 a.
Kontradiktorisches BegrifTspaar.
Viereck umgebende Fl&che (hier durch SchraFflening bezeichnet, die man sich
hier wje auf allen folgenden Figuren nach allen Seilen unendlich weit fort-
gesetzt denken muß). Dagegen wird der partiell negative (koutta-
scriptae = indeGnitae) bei Aristoteles jr^oiäaitt äiiegusiti heißen (vgl. § 113
u. 115), dagegen bei den Stoikern öfiü/iora äigiattt (Sext. Empir., Adv.
math. VIfl, 96, ed. Bekker, S. 30^, freilich in etwas anderer Abgrenzung.
") Es handelt sich also um eine doppelte (zweidimensionale) Unend-
lichkeil, insofern non-A erstens wie A für unz&falige subordinieiie Begriffe
„offen" ist (vgl. S. 475) und zweitens unzählige subordinieiie Begriffe fak-
tisch enthalt.
>*) Von der hypothetischen Null Wertigkeit des Heliums usf. erlaube ich
mir hier abzusehen.
OgIC
554 IV- ^^'l- ^^ einzelnec logiscbeo Gebilde und ihre Gesetze.
positorische) Begnl! a b non-c darzustellen sein, indem man den
böberen Gattungsbesrifl a h dufch ein Viereck wiedergibt (in der beistehen-
den Figur 3b an den Ecken mit ab bezeichnet) und innerhalb dieses Vier-
ecks ein Ideineres abc abgrenzt; dei
auf der Figur schraffierte Kesl des
gniBen VieretAs ist dann gleich
ab Don-c zu eetzen . Will man, vit
dies früher bereits angedeutet «uid«
(Tgl. S. &29 a 687 f.), das Vorhanden-
sein des Meriunals c durch die Zu-
gehörigkeit zu dem GattungsbegiiO
„Träger des Merkmals c" ausdrOcken.
so kann man den letzteren durch ein
Viereck darstellen, welches inneritalb
a b nur das kleine Viereck abc um-
faBt, aber sich auch auBerhaib ab
ausbreitet oder wenigstens audiiräten
Auch der Unterschied zwischen
global und distributiv konbra-
diktorischen Begrifien l&Bt sich geometrisch ausgezeichnet darstellen. Di»
untenstehende Figur 4a stellt den Begriff ab und sein global-konlra-
^toriacbes Negat non-(a b) dar. Der Begriff ab ist als Deckungaiieziik der
Begriffe a und b (Trflger des Merkmals a und Träger des Merkmals- b) dai-
Kontraposiloriscbes Begrilisoaar.
Globale Kontntdiktion.
gestellt, wozu S. btG und [)C5 ff. zu vergleichen ist, und durch das Feolen der
Schraffierung gekennzeichnet. Zum Begriff non-<a b) gehört alles, was nicht
a b ist, also der ganze, unendlich zu denkende, doppelt schraffierte Baum,
der ab umgibt, einschließlich deiienigen Teile von a und b, die lucbt £u ab
gehören. Um jeden Irrtiun bezQglich der Ausdehnung der Beöiie i und b
. EapiteL Die Lehr« vod den BeghSec
stellt den Begriff ab und den distributiv- kontradittonschen Begrift
non-a non-b dar. Zu letzterem gehört alles dasjenige, was weder das
Merknutl a nocli das MeAmal b hat Es genügt fOr ihn nicht die Abwesen-
heit des MeAmalkomplexes a b, also dex Merkmale a und b iit ihrer Ver-
Distributive I£ontradiktion.
binduDg, sondern es irt das völlige Fehlen beider Merkmale a und b er-
forderlich. Der Bezirk non-a ist durch senkrechte Schraffierung, der Bezirk
non-b durch wagrechle Schratflening gekennzeichnet. Nur der doppelt
schraffierte Bezirk entspricht also dem Begriff non-a non-b. Es fallen ietzt
also die ganzen Bezirke a und b, nicht nur itir Teil ab, außerhalb des
negativen Begrifis. Vgl. auch die analoge Fig. 2 (S. 516), auf der Fig. 4 a
und ib zusammengefaBl sind.
Endlich stellt die letzte Figur (Fig. 5} zwei reko n t radik t o riache
Begriffe a non-b und non-a b dar. Der Bezirk non-a ist wieder senkrecht,
der Bezirk non-b wagrecht schraffiert, der wagrecht schraffierte Bezirk von
a. entspricht dem Begriff a non-b, der senkecht schraffierte Bezirk von b dem
Begriff noD-a b. Man sieht, daB die Figur mit derjenigen der distributiven
Kontradiktion (ibereinstimmt, nur werden jetzt andere Teile derselben ins
Auge gefaßt.
Die algebraische Lügik hat ursprünglich meistens einen
Horizontalatrich oberhalb des den Begriff aasdrückenden
Buchstabens zur symbolischen Bezeichnnng der Negation
verwendet, so daß also non-a durch ä dargestellt wurde**).
") So z. B. G. Boole, An investigation o( the lans of tfaought etc., Lon-
don 1^, femer R. GraSmann, Die Wissenschaflslehra od. Philosophie,
2. Erg.-Teü, Stettin 1872*, und Ch. S. Peirce, Americ. Joum. of Math., 188i,
Bd. T, S. 180. Dagegen hat des letzteren Vater, Benjamin Peirce, schon den
„.,,„, ^.oogic
556 '^- ''^''- ^^ einzelnen loetscben Gebilde und ihre Gesetze.
Dann ist Schroeder in eeinem Hauptwerk") mit triftigen
Gründen für die Bezeichnung der Negation dnrch einea
Vertikal strich eingetreten, und zwar setzte er den leti-
teren rechts unten hinter den BegriffsbuchBtaben (z. B. &i).
Für den Vertikalstrich spricht namentlich die Übereinstim-
mung mit dem Zeichen <Jl und ^ (siehe oben S. 541), in
welchem die Einführnng eines Horizontalstrichs nicht wohl
Fig. 5.
Rekontr&dik torisches BegriQspaar.
angängig ist {Verwechslung mit dem Identitätszeichen =!)■
Ich werde daher, soweit überhaupt ein Negationssymbol er-
forderlich ist, mit Schroeder den Vertikalstrich brauchen,
ihn aber, um Verwechslung mit einem Komma oder mit
Strichetung za verhüten, links oben vor den Begrifls-
huchstaben setzen (also 'a und 'A). Vgl. auch S. 540.
Historisch sei Ql>cr die Lehre von der Negation hier nur lolgendes
bemerkt. Die älteren lintersuchungen beKogen sich vorzugsweise auf die
verschiedenen Negation» weisen des Urteils, wie denn in der Tat die Negation
des Urteils wenigstens psychologisch der Negation des BegrifCcs vorausseht
(logisch kommt eine zeitliche Folge Oberhaupt nicht in Frage j. DaB
Vedika Ist rieh empfohlen (Linear aasocialive algebra, 2. Aufl. New Yoii 1883'^
K. Chr. Fr. Krause (Grundriß der histor. Logik, Jena-Leipzig 1808) schlug
tör ein „beiahiaes Glied" das Svrabol a . [Qr ein „verneiniges Glied" lUs
— 1
Symbol a vor.
") Vorlesungen, Bd. 1. S. 30011. In dem von Eug, Müller hentus-
eegebenen Abriß (S. 24) ist überall der Horiiontalslrich verwendet, nachdem
Schroeder selbst ihn im 3. Band seines Hauptwerks (S. 18) bereiU trat»
seiner früheren Bedenken gebmucbl hatte.
OgIC
1. Ea[älel. Die Lehre von den Besrilfen. 557
Aristoteles die total negativen Begriffe als irifinta däQtoia bezeichnet,
wurde S. &52 bereits erwähnt. Die Verneinung als Urteil heißt dnö^nOK, der
WjderEpruch zweier Urteile «VriVoffif (vgl. darüber jedoch auch die
genaueren Angaben § 113 in der Lehre vom Urteil). Bezüglich der Termini
für die negativen Begriffe ist Aristoteles, soweit wir nach den vorliegenden
Schiiften urteilen können, nicht ganz konsequent. In der Regel bezeichnet
er den Gegensatz im allgemeinen mit dem Wort änitttaftcu. Die totale
(kontradiktorische) Negation heiBt Aniifaait, die partielle (kontrapositoriscbe)
Negation (innerhalb einer Gattung] hin und wieder orfgiiaK (Gegenteil
^t)"). Ein Spezialfall der lelzleren ist dann die ireniiiiie (irari{aMnt),
d. h. daa kontrire Verhältnis zweier Segriffe, welches mit der Negation nicht
direkt zusammenhängt und erst in § IM besprochen werden wird (Beispiel:
weiß- schwarz). Vgl. hierzu namentlich Aristoteles, Melaphys. I, Kap. 4,
Atad. Ausg. 1055 a, 3 u. 38 und b (dazu den Kommentar von H. Bonitz,
Bonn 18(9, Pars posl., S. töiB.). Auch die älteren Bemerkungen Fla tos
über {iioor und iiari(«r (Sophist. 257) gehören hierher. Die Stoiker
scheinen bereits sehr scharf auch beztiglich ddr Begriffe (nicht nur bezüglich
der Urteile) den kontradiktorischen und den konträren Gegensalz unter-
schieden zu haben; kontradiktorisch entgegengesetzte Begriffe wurden als
iwtttpoTi'ms äviintifitra, konträre als ifuvtla bezeichnet (Simplicius, In
cat^or. Comm., Comm. in Arist. Graeca, Bd. 8, Berhn 1907, 102 v,
S. 403^-406). MartianusCapetUCDe nupL philol. et Merc., ed. Eys-
senhardt, Lips. 1866, IV, 384, S. 118) übersetzte ifanloy mit conlrarium
und faßlc die contraria als einen Spezialfall der „opposita" auf. Die
pariieUe Negation betrachtet er — Qtuigens im Anschluß an griechische
Logiker — als dasjenige konträre Verhältnis, bei dem Zwischenglieder
fehlen (contraria, quae medio carent. wie z. B, gesund und krank). Bei
B o S t h i u 9 taucht der Terminus contradiclio zum ersten Male in spezifisch
logischer Bedeutung auf (De divisione, ed. Migne, Bd. 64, S. 882: „voco . . .
contradictionia oppositionem, quae affirmatione et negatione proponitur,"
vgl. auch S. 771). Über die Verwiming der älteren römischen Terminologie
s. PrantI, Geschichte der Logik im Abendl., Bd. 1, S. 518. Die Wandlungen
der Terminologie in der Scholastik müssen hier übergangen werden. Die
neuere Logik ist über die Unterscheidung von kontradiktorischen und kon-
trären BegriCfen nicht wesentlich hinausgekommen. Eine klare Darslellung
der Lebre von der Verneinung der Begriffe um die Mitte des 18. Jahrhunderts
findet man z. B. bei Chr. Aug. Crusius, Weg zur Gewißheit und Zuverlässig-
keit der menschl. Erkenntnis. Leipzig 1747, S. 292 ff. (§ 156 ff.). Er unUr-
scbeidet logice totaliter diversa und logice partialiter diversa, erstere zer-
fallen in mere diversa und opposita. Die opposita (entgegengesetzte Be-
griffe) oder widrige Begriffe im weiteren Sinn sind solche, die „einander
zu gleicher Zeil in einem betrachteten Subjekte ausschließen", und zerfallen
in conlradidoria (widersprechende Ideen) und contraria (widrige Ideen im
engeren Sinne), letzlere u. a. in contraria totalia s. perfecta und partialia s.
*') Der Gebrauch des Wortes m/pijöif isl bei Aristoteles sehr schwan-
kend, zum Teil widerspruchsvoll. Nicht einmal die drei Bedeutungen, die
A. selbst Metaph. A, 22 (1022 b) angibt, werden streng festgehalten. VgL
ZeHer, Fhilos. d. Griechen, 3. Aufl., S. 216, Anm. 7. Zuweilen scheint A.
die nur für eine Phase geltende Negation (vgl. oben S. 547) vorzugsweise
im Auge zu bähen.
558 I^- '''*''■ ^* einzelnen logischen Gebilde und ihre Gesetze.
impeifecta. Vgl. auch HoÜbauer, Anfangseründu d. Logik, 2. Aufl., Halle
1794, g 67 u. 68, S. i9 ff. (wfthll als Symbol für non-a na, § Si), und W. Tr.
Krug, Syst. d. theor. Philosophie, Teil 1, 3. Aufl. Königsberg 182S, § 38f,
S. 117 ff. (contradictio =l opposilio contndictoria = Widerspruch im enteren
Sinne, contrarietas = oppositio contraria ^ bloSer Widerstreit oder Wider-
streit im engeren Sinoe). — In der neuesten Logik liat man sich meistens
begnügt, die Lehre von der Verneinung mit Bezus auf die Urteile zu ent-
wickeln. TgL die historischen Angaben in der Urteüslehre. Hier sei nur
vorlaufig erwähnt, daß Sigwarl (Logik, 2. Aufl. 1889, Bd. 1, S. 167] die auf
einem „Mangel (,aiie>i'K. privatio)" und die auf einem „Gegensatz {itm^
Jtiiiic, opposilio} beruhenden^ Vemeinungsurteile unterscheidet. Bei ersleren
fehlt das Prftdikat in meiner 'Subjekts Vorstellung, bei letzteren wird es dunh
die Subjektsvorstelluug ausgeschlossen. Fikr die Lehre vom Begriff
kommt diese Privation SigwaJls meines Erachtens Obertiaupt noch nicht in
Betracht. Die Privation bedeutet ja nur das bloße Nichtvorhandensein von
Meriunalen. Der Begriff „nicht- duftende" Bluroe geht bereits über die
Privation liinaus, indem er eine partielle Negation darstellt. GrOBere Be-
deutung bekommt die Privation in der Urteilslehre, vgl. § 113.
Der Terminus „j-epugnans" findet sich schon bei Uuintilian (De instilut.
oratoria VII, 11) und wurde später meistens in demselben Sinne wie „kontra-
diktorisch" gehraucht (Quinlilian braucht fär kontradiktorisch den Tenninus
„disparatus"). Wolff bat dann wenigstens für das Urteil scharf zwischen
repugnaut und kontradiktorisch unterschieden, vgl. § )13.
§ 103. Die gegenseitigen allgemeinen BegriRsbezieliuo-
gen im Hinblick aof Inhalt und Umfang (Fortsetziug).
2. Gleichlieit und Verschiedenheit des Inhalts und des Vwh
fangs. Es empfiehlt sich, nunmehr die sechs iiberhanpt mög*
liehen Fälle gesondert zu betrachten, nämlich a) vöUige
Gleichheit') des Inhalts (J=J'), ß) völlige Gleichheit des
ümfangs (U ^= U'), ;') teilweise Gleichheit bzw. teilweise
Verschiedenheit des Inhalts (J ?. JO^), ^) teilweise Gleich-
heit bzw. teilweise Verschiedenheit des Umfangs (U ^ IT),
«) völlige Verschiedenheit des Inhalts (J ^ JO, f) völÜge
Verschiedenheit des Umfangs (U ^ U'). Dabei sollen im
allgemeinen nur die Gleichheits- ') und Verschiedenheits-
verhältnisse zweier Begriffe und zwar zweier Ällge-
meinbegriiffe berücksichtigt werden; die Übertragung aaf
eine größere Zahl und andere Kategorien von Begriffen er-
gibt sich aus den folgenden Krörterungen ohne weiteres.
') Im folgenden wird das Gleichheitszeichen im weiteren Sinn, sosoU
für Inhalls- wie fiir Umtangsgleichheit verwendet. Vgl. S. &*1.
-) Das p filier dem Gleichheitszeichen bedeutet partiell und analoj c^^
t im lolgenden total.
=) Die Definition der Gleichheit im Schroederschen Abriß der AlielM*
der Logik. S.ll, läuft auf eine Tautologie hinaus („durchaus übereinstinanen").
Eine Definition U0t steh nicht geben.
1. Kapitel. Die Lehre von den BegriHec- 559
Auch sei eenerell vofausbe merkt, daB im falgesdeo selbstrerständlicfa
nur die obligatorischen, niemals fehlenden Merkmale (Teilvorstetlunsen}
eines Begriffes als sein Inhalt betrachtet werden, und daß bei der figürlicheD
Qarttellung entsprechend den Bemeikungea S. 529, äS7, bü u. 554 das
Vorhandensein eines Merkmals a unter Vorbehalt durch die Zugehörigkeit
zum Allgemeinbegriff der Träger des Merkmals a stellvertretend au»-
gedrtlckt wird. Man muB üich nur immer vor Augen halten, daB bei der
letzteren Ausdrucksweise eine wesentliche Transformation des Uerimul-
beniffes im Sinn der früher besprochenen Hypostasierung (S. iZ7, Anm. 7.
494 u. 513) eintritt NamentUch fällt ins Gewicht, daB dabei einfache
Herkmalbegrifld wie „rot" in zusammengesetzte Begriffe, („rote Gegen-
stände") Qbergeben, die fQr zahlreiche neue Merkmale (z. B. der Form)
offen (indet^raüniert) sind.
a] J =^ J', also z. B. a'b'c^ = übe. Selbst veisl&ndUch muB bei einer
solchen viSItigen Inhaltsgleichheit auch der Umlang gleich sein. Das ad&-
qoate geometrische Symbol wären zwei sich völlig deckende Vierecke oder
Kreise. Man bezeichnet solche Begriffe als identische. Zeichen >:, also
äbc :.: äbc (vgl. S. 641).
jj) U = 0', also z. B. für zwei Allgemeinbegrifte W" und W"
T, "-^ "W/"! Wj "-}. . . . = W, "'l W, "-| -W', "'X ... Zwei solche
unfangsgleicbe Begriffe sollen als äqual bezeichnet werden. Oft werden
sie auch äquipollente*) (sieichgelleude) Begri{le oder Wecbs el-
begriffe (conceptus reciproci) genannt. Soweit die Umtangsgleichheit
durch Inhaltsgleichheit bedingt ist,. bietet sie g^enOber dem Falle q ^^^
neues Moment. Sehr bemerkenswert ist nun aber, daB Umlangsgleichheit
a,uch mit Inhaltsverschiedenheit verträghch ist. So ist der Begriff
„gleichseitiges Dreieck" "} von dem Begriff .gleichwinkliges Dreieck" io-
lialtlich versciiieden, dabei haben beide denselben Umfang, d. h. beiden sind
dieselben Aribegiiffe subordinieri. oder, auf die Gegenstände über-
tragen (vgl. S. 359), das Bereich der Gegenstände, die unter den einen und
den anderen falten können, deckt sich vollkommen. Diese zunächst sehr
auffällige Tatsache erklärt sich daraus, daB unsere Definitionen nicht alle
Merknaale eines Begriffs, sondern nur die irreduziblen (vgl. S. 48ö} *) auf-
zählen- Die Gleichseitigkeit eines Dreiecks läBt sich auf die Gleicbwinklig-
keil zurückführen und (in diesem Falle) auch umgekehrt. Ich kann daher
*) 0 e g e n die Verwendung des Terminus „äquipollent" spricht der
Umstand, daB er auch von Urteilen gebraucht wird, und zwar in einem nicht
ganz analogen Sinn. Vgl. § 118. In der logischen Literatur findet sich das
Wort aequipollens zuerst bei Appulejus (BtQl ig^uijffinr, angebl. 3. Buch von
De dogm. PJaton., Opp. ed. P. Thomas, Leipzig 1908, Bd. 3, S. 181). Galen
hat eine Schrift it^i riäy tooSwafiovaöir n^TBoiai*' verfaBt Beide haben nur
die äquipollenten Urteile im Auge. Auch die Scholastik sprach von
JSquipoÜenz vorzugsweise mit Bezug auf Urteile (vgl- z. B. Ahaelard, Glossae
in Hbr, de Interpret., Ouvr. infid. Paris 1836, S. 597). ßoethius sprach von
convenientia propositionum im Sinn der AquipoUenz.
') Den Zusatz „eben" (ebenes Dreieck) lasse icb zur Abkürzung weg.
■) Dabei sehe ich noch ganz davon ab, daB wir uns sogar zuweilen
auf die zum Wiedererkennen des Gegenstandes erforderlichen Merkmale
beschränken; Vgl S. 490.
560 IV. Teil Die einzelnen logischen Gebilde und ihre Gesetze.
dieM oder jene weglassen, ohne daB der Umfutg des Begrifea sidi ^d«i
Der Inhallsunterschied liegt, wie man auch sagen kann,
nicht in den beiden Begiiffen selbst, sondern nur in
unseren Definitionen der beiden Begriffe. Es Iftfit »cli
daher aucb in solchen Fällen niemals rückläufig die Deckung der beiden
Umf&nge aus den beiden verschiedenen Inhalten logisch nachweisen; es
bedarf dazu immer irgendwelcher Erfahnmg, Anschauung usf. '). Vgl. auch
S. 461. Ein anderes Beispiel für denselben Talbestand liefert das BegiiS»-
paar: (nicht zerfallende) Kurve zweiler Ordnung und (nicht zerfalteode)
Kurve zweiter Klasse. Auch fQr diese beiden Begriffe ist der Umfang gleich
(ElUpsen, Hyperbeln, Parabeln), aber der Inhalt definitoriach veracliieden. Zu
beachten ial, daB in allen diesen Fällen die Inhallsverschiedenheit nur pai^
tiell ist, daB also den beiden Begriffen stets auch ein oder mehrere Qbereiii-
sUmmende Merkmale zukommen.
Auch der Fall ß kann mit großem Vorteil geometrisch dartGalelll
werden. So stellt auf der beisiebenden Figur 6 das Viereck AB CD den
Umfang sowohl des Begriffs „gleichseitiges Dreieck" wie des B^riSa j^eicfa-
3> C
Umfangsgleichheit (Äquaüläl).
winkliges Dreieck" dar. Das Sechseck AKLBCD «ürde etwa dem Begriff
„Dreieck", das Sechseck A B E F C D dem Begriff „gleichseitige Figur", du
Sechseck A B C D H G ^) dem Begriff „gleichwinklige Figur" entsprecheD.
Durch die Verschiedenheit der Schraffierungsrichtung ist der Überblick er-
leichterl. Das Viereck .4 B C D isl der gemeinsame Bezirk (Deckungsbezitt)
sowohl tüT das Sechseck AKLBCD und das Sechseck A B E F C D wie
für das Sechseck A K I. B C D und das Sechseck ABCDHG, Mao in der
Tat L"mfan?s;;leiehheil bei Inhallsverschiedenheit.
'') Die weitergehenden Bedenken von Sigwart (Logik, Z. Aufl. Freibuit
1889, S. 351) kann ich nicht teilen.
"} Mathematisch exakl wäre die Figur erst dann, wenn die beiden
lelzlaenannton Sechsecke, auflsr der Fläche A B C D, noch ein weiteres Teil-
gebiet gemein hätten (gleichseitige und zugleich gleichwinküge Viwecke usT.).
„.,,n,^.OOglC
1. Kxpitel. Die Lehre Ton den BwriBen. 561
Man kann dieselbe Fitur, wie xboa jelzt bemeiU weiden soll, aacbi
zur DaretelluDB von Untergatlungen verwenden. Will man z. B. den Um-
fsnf ttüer gleichseitisen (bzw. BleichwinUigen) Dreiecke mit einem Fliehen-
iniutll zwischen 10 und SO qnun d&rstellen, so könnte man etwa, wie dies
anf Fig. 6 geflchehen ist, noch ein Viereck U N 0 F einzeichnen, welches
allen Figuren entspricht, die einen Flacheninhalt zwischen 10 und 20 qmm
haben. Das Viereck muß zum Teil außerhalb des Vierecks A B C D und
«uBerbftlb der drei Sechsecke fallen, weil es z. B. auch Kreise von 10 bis
20 qnun Flächeninhalt gibt. Dem Umfang der Untergattung ,^leichseiti|e8
Dreieck von 10—20 qmm El&cheninbalt" entspricht dann offenbar das
schmale Rechteck ABRQ*).
Durch algebraische Symbole kann derselbe Tatbestand in folgen-
der Weise dargestellt werden. Stellt S den Begriftsinbalt (kürzer: den Be-
griff) „dreieckige Figur", T den BegriHsinhalt „gleichseitige Figur" und T den
Begriffsinhalt .gleichwinklige Figur" dar, so drückt ST den BegiiffnnhaU
„gtnchseitiges Dreieck" und S V den BegriHsinhalt „gleichwinkliges Dreieck"
ans. wahrend bei der vorausgegangenen Erörterung die Buchstaben-
symbole fOr Umfange galten, gelten sie jetzt fOr Inhalte oder vielmehr io-
halUich definierte Begriffe. Wir können aber die Umfangsgleichheit der
beiden Inhalte ST und SV durch die Formel ausdrücken ST^SV. Dos
aber dem Gleichheitszeichen stehende u ist hinzugefOgt, um ausdrOckhch
hervorzuheben, daß die Gleicheit sich nur auf den Umfang bezieht. Vgl.
S. ML
Man beachte flbrigens.' daß der Umfang eines Begriffes insofern viel-
deutig ist, als ich jeden Begriff in unendhch mannigfacher Weise in sub-
ordinierte Begriffe einteilen kann. Je nach dem Einteilungsprinzip ergabm
sieb an Zahl und Inhalt verschiedene subordinierte Gattungen bzw. Arten.
Von Umfangsgleichheit und Umfangsverscbiedenheit zweier Begriffe kann
daher rein-logisch nur die Bede sein, nenn sie zu verschiedenen
Stufen tasalbm Skala eines Systems von AllgemeinbegriUen gehören, oder
wenn sie zu derselben Stufe gehören und ihre MeAmalc sich restlos aul-
«namder reduzieren lassen. Das letztere trifft beispielsweise fOr die beiden
Begriffe „gleichseitiges Dreieck" und „gleichwinkliges Dreieck" zu. Das
entere gut für jeden subordinierten Begriff im Verhältnis zu seinem super-
ordinierten. Jede andere Umfangsvergleichung ist auf Erfahrung (im
weitesten Sinne) gegründet; man denke beispielsweise an die partielle
Deckung des Umfsngs der Begriffe „Sklave" und „Neger".
Hon könnte dem entgegenhalten, daß wir doch beispielsweise den Um-
fang zweier zoolc^ischen Ordnungen, vie Honotremen und Nagetiere, ver-
ffleidien und der letzteren Ordnung entsprechend der sehr viel größeren
Zahl der Galtungen und Arten einen sehr viel größeren Umfang zuschreiben
als der ersteren. Indes gilt das offenbar nur für die empirische Belegung
(vgl. S. 3&8, Sigwarts empirischen Umfang, vgl. S. 369, Anm. 1»), nicht
lOr den Umfang im logischen Sinn. Der logische Begriff „Monotremea"
tafit dank seinem, allen Allgemeinbegriffen zukommenden transgressiven
Chaiakter (vgL S. 336, SfiO u. 476} noch für unbestimmt viele unbekannte
*) Es sei nochmals daran erinnert, daß die GräBe der gezeichneten
Figuren willkoriich ist, also nicht den UmfangsgrOfien entspricht
Ziehea.Iiehilrach dar Logik. 36
„.,,„, ^.oogic
562 ^- '^''^ ^* eintelnen locucben Gebilde und ihre Gesetie.
y) J -^ r (vsl. S. 66B), also beispietoweiRe &b ^ ac. Chandcteristiadi
ist für diesen Fall y, daB J und J' ein oder mehrere gemeimanie Ueitmile,
außerdem aber sowohl J wie J' ein oder mehrere Merkmale haben, dii
nur J und nicht J' bzw. nur J* und nicht J zukommen. Bei geoaiKKr
l^ntersuchung mOsaen twei Unterfälle unterschieden werden, je nachdem
das nicht gemeinsame Meikmal (also b bzw. c) von dem anderen Btfril
Seiadezn ausgeschlossen ist oder nur unter den konstanten (unerl&Blicheo)
Merkmalen desselben fehlt, aber doch bei einzelnen subotdinierten BefiilteB
vorkommen kann und eTentuell auch tats&chlich voikommt (TtL S. bütt).
ImerstenUnterfall (y^) handelt es sich, aTmbotisch ausgediOcU.
um das Becriflspaar ab non-c und ac non-b. Wir bezeichnen solche Be-
crifle, 'wie oben (S. 646 u. ÖM) schon angefahrt, als kontraposi-
torische. In vielen Fällen ist die Kontraposition indirekt, insofern z. E
das Merkmal b des ersten Begrifis mit c unvertr&^ch ist. Aucli ist, un
den ersten UnterfaU herbeizutOhren, nicht das Vorhandensein von non-t
bei dem einen sai non-b bei dem anderen (r e kontraposito^isches VerhiH'
nis, S. M9) notwendig. Es genOft, dafi entweder non-b oder noirc
vorhanden ist Es hegt dann die S. btB besprochene EomploneDtaritit vot
(abc und ab non-c).
Graphisch ist dieser erste Unterfall der Dartiellen InhsJtsgleicbheil
(speziell in der .letztetwähnteo
*^- ' VarietÄt) in der beisteheod«!
.*• *V* Figur 7 dargeslelll. Das hori-
zontal schntaerte Yieitd
HNOP drflckt den Umlu«
des BegiiBes a (Gegenst&nte
mit dem Merkmal a), das nailc-
recht schraffierte Viereck QSTP
4 £ den Umfang des Begrilles b,
mithin 0 P 0 R den Umbng des
Begriffes ab aus. Der Begriff e
j *?^ i3t durch das schräg schrafBette
Viereck HIKL dargestellt");
y» daher entspricht das Viereck
F G R 0 dem Begriff "abc und
das Viereck PQ G F dem Begrifi
ab non-c. Sowohl bildlich wie
KontntKmtorfache partielle Inhaltatfeiehbut. begrifflich leuchtet ein, daB die
Umfinge d« beiden leUtgenann-
ten Begriffe in diesem Unterfall y^ vSlIig auseinanderfallen mOssen, d. h. sidi
weder ganz noch teilweise decken kennen. Die beiden Begiifie s c h I i e B e o
^ Die spezielle Lage von HIKL wechselt von FaU zu Fall Bald
greift es auch auf MQRN und RSTO über, bald nicht, zuweil« ragt es
Ober O F ö R nirgends hinaus, beschränkt sich also auf G R f 0 (wie im
Beispiel der Wirbeltiere und WirbeUosen).
1,1^.001^10
1. Kapitel. Die Lehre von den fic«rifl«ii. 553
sieb, me S. &60 bereits gesagt wurde, gegenseitig aus, sie sind re-
pogiient Zugleich sind sie koordiniert und komptement&r zueinander.
Z«d Beriefe, die diese besondere Form der Bepugnanz zeigen (kontraposi-
lorische Repugnamz, RepugnaDz bei komplementärer Koordination) können
als icontrapositorisch-disiunkt") bezeichnet werden. Dabei
sei leatgesetzt, daB Begrifie dann d i s i u n k t (im allgemeinen) heuten
sollen, wenn sie kooidiniert sind und zugleich keinen Teil ihres Umfangs
Etmran haben. Ein Beispiel für konlrapositorische Dishmktion ist die Ein-
teilung dei Tier« (ab) in Wirbeltiere (abc) und Wirbellose (ab non-c).
ZweckmftBiger wäre es, die Bezeichnung „disiunkt" nur dann zu
verwenden, wenn es sich um kontrapositorisctie Begriffe handelt, wenn also
dar eine B^riff wenigstens ein Merkmal enthält, welches das Negat eines
Herkmala des andern ist (also a b und a non-b). Es ist jedoch Qblich, sie
auch dann zu verwenden, wenn der zweite Begriff statt des NegaU des Herk-
mils b ein von b verschiedenes, erfahrungsgemäB mit b nicht ver-
iiä^icfaes, positiv bezeichnetes Merkmal c enthält, daa an die Stelle von b
tritt (also derselben Merkmalgattung angehört}. Es handelt sieb dann taa
eine positive Bestimmung, die in dem S. ööO f. erörterten Sinne empirisch
eine Negation involviexl. Ich will diese beiden Fälle durch die Termini
„negativ-disiunkt" und „positiv-disiunkt" unterscheiden:
.,weiBe9 Papier" und „nicht-weifies Papier" bilden ein kontraposilorisch-
oder negativ-disjunktes Begriffspaar, „weiBes Papier" und „gelbes Papier"
«in positiv-disjunktes, wenn man voraussetzt, daB „weifi" und „gelb" soviel
bedeuten wie „ganz weiß" und „ganz gelb" (vgl. S. 5*7), und daß „ganz
veiS" und „ganz gelb" empiriEcb unvertrftglicb sind. — Ein intaressanler
weiterer Fall ergibt ach, wenn man an Stelle von h „nur weiB" oder „w«B"
und an Stelle von non-b ,jtKi gelb" setzt, sei es, daB man mit dem „nur"
alle anderen Eigenschaften außer den Qattungsmerkmalen a ausschließt, sei
es, daB man lediglich alle anderen Farben eigenschaftea ausschliefit. Hier
and die beiden Merkmale losisch unverträglich, ohne d&B Komplementarität
und Kontfaposition der Begriffe vorliegt (vgl. auch S. 551). Das „nur-gelb"
involviert schon logisch ein „nicht-welB". Es handelt sich also um indirekte
partielle Eontmposition; die Begriffe sind negativ-disjunkt, nähern sich aber
den positiv-ditaunkten, insofern sie keine manifeste Negation enthalten und
nicht komplementär sind.
Asders im zweiten Unterfall (^,}. Hier ist b fOr J* und c fOr J
fakultativ zulässig. Formet etwa a d b und ade. J enthält kein ndt c tmd J'
kein mit b unverträgliches Merkmai. Es steht daher auch nichts im Wege,
daB der Umfang zweier solcher Begrifle teilweise zusammenfällt (teilweise
.jich dedct")> o^^h ^^ ^'^ später sagen werden, zwei solche Begriffe sich
kreuzen (konjunkt sind). Das gilt z. B. von dem auf der nachstehenden
figur 8 darsestellten Begriffspaar „Flugtiere" und „Arthropoden". Der BegriB
u) Der Terminus stammt aus der Urteilsichre, in der auf ihn zurOck-
zukommen sein wird »H'tvj'ftirai' der Stoiker, disiunctum schon bei Cicero,
Academiea prior. H, 30, $ 97, ed. Teubner 1908, S. 63).' Die neueren Lehr-
bOcber (Tgl. z. B. Ueberweg L c. S. 141 u. U3, Sigwart 1. c, Bd. 1, S. 862)
lasBCQ bezoxtich seiner Definition Obereinstimmung und zum Teil auch Klar-
tteit Termiasen. Siehe auch S. E>70.
1,1^.001
-c^lC
564 '^* ''^- ^^ einzelnea logischen Gebilde und ihre Gesetze.
Flugtiere ist seinem Umfang nach durch das Viereck A C D B, der Begilfl
Aithropoden durch GFEO dargealeUt. Das uroSe Viereck HIEB soll dn
beiden gemeinsamen Besritf „Tiere" [entsprechend dem MeAmalkomplex ad
der Formet), das Viereck N C L U den Begriff „fliegende, d. h. BugfUuge
Körper" (der außer Flugtieren z. B. Luftfahrzeuge u. dgL umfaßt und dem
Merkmal b entspricht) vertreten. Der BegriS eines FluEtieres entliftlt kön
Merkmal, das mit dem Begrilt eines Artliropoden uuTerträslich vkre und
etwnao umgdtehrL Die Ftusf&higkeit der Flugtiere (entsprediend dem MtA-
Fig. 8.
Partielle Inhallsgleichheit ohne Kontraposition
mal b der c^gen Formel) ist zwar kein Merkmal, d. h. kein obligatoriaches
Merkmal der Arthropoden, aber doch keineswegs von diesem Begriff aus-
geschlossen; es ist für ihn fakultativ zul&ssig. Dasselbe gilt umgekehrt nn
der FuOgliedenmg der Artliropoden (entsprechend etwa dem MeAmal c) be-
züglich der Flugtiere '^). Sie koount auBer anderen Tieren den Arthropodn
stets zu, den Flugtieren nicht stets, ist aber auch für sie fakultativ zuUiasig.
Daher ist logisch eine teilweise Deckung der beiden BegiiSe sehr wohl mfif -
lieh (aber sellistverstandlich nicht empirisch notwendig). Inderl^t
ist eine solche in diesem Falle auch empirisch belegt. Die Insekten (Mwät
sie fUegen) bilden den Deckungsbezirk der beiden Begriffe, entsprechend dem
kleinen, dreifach schraffierten Bezirk P C D O.
Ein schon behandelter Spezialfall tritt ein, «enn die inhaltliche Ver-
schiedenheit der beiden BegriBe nur definitorisch ist (vgl S, 560), ihr Um-
fang also derselbe ist. Es hegt dann die S. 568 besprochene AqualitJU bei
partieller Inhaltsveiscbiedenheit vor. Um diesen Tatbestand herinisteUen,
mUBte auf der Figur A C D B so verschoben werden, dafi es mit G F E 0 cor
Deckung kommt").
'■) Die Darstellung einer Sph&re, die entsprechend diesem Herkmal
GFEO abnbch umfafit, wie NCLU ACDB umfaSt, ist auf dar Ftfor
unterblieben, um die Obersicht zu erleichtem.
'*) Man beachte Hbrigens, daB Figur 8 insofern bereits «inen Speül-
fall danteUt, als das Viereck NCLH eine ganz spsEieUe Lasa hat B>
1. Kapitel. Die Lehre von den Begrilleh. 5(}5
In bdden Uuteriftlleii sind die beiden Begriff« in dem frOher (S. 333,
SU u. fi63) festgesetztea Sinne, dank ihren gemeinsamen Merkmalen, oft
koordiniert oder äquigrad (vgl. S. 511), indem sie beide unter den-
Mlben hSfaeren Begriff fallen, n&müch den Allgemein begriff aller Triger der
ftnen gemeinsamen Merkmale und derselben Stufe angehören. Im Ilnter-
M y wird der Obergenrdnele Allgemeinbegriff durch das Viereck 0 P Q R
der Flg. 7, im Unterfall y^ durch das Viereck HIKB der Fig. 8 dargestellt.
Hat jedoch der eine Begriff auBer den Merkmalen, die er mit dem
«Dderen gemein hat, überhaupt keine MeAmale, so ist er diesem super-
«H^niert und dieser ihm s u b ordiniert (vgl. S. 883, 511, 536). Ein solches
Terbiltnis besteht z. B. Ewiscben den Begiifien ab und abc; ab ist dem
abc auperordiniert.
d} C 1 U' (vgl. S. 668). So haben z. B. die auf der beistehenden
Figur 9 durch die Vierecke ABCD und EFOB dargestellten Allgemeiit-
bwrifte Wn und W den Beziifc ISGK ge-
mein, der etwa einem dem Begriff W sub-
ndinierten AllgemeinlieeriH Wq—i und einem
dem Begriff W™ subordinierten Allgemein-
begriff W''"-^ entspricht "). Zwei Begriffe, für
wdche in diesem Sinne U ^ 0' ist, heifien,
*>e oben schon vorgreifend erwähnt wurde
{S. 568), sich kreuzende oder ge-
kreuzte oder konjunkte^') Begriffe.
Dv ihrem gemeinsamen Gebiet (Deckungs-
idiet) entsprechende Begrifl wird am besten als
u* er durch das Viereck IBCK dargestellt. (Kreuzunnl
Die notwendige Vorbedingung für eine
Kdette partielle Umfangadeckung oder Kreu-
sang von W und W°> besteht offenbar darin, daS die Merkmale von
W" — sie mSgen etwa a, b nnd o heiflen — mit den Merkmalen von
V«» — etwa p, q und r — vertraglich sind, daß also W" und W" weder
kanlndiktorisch noch kontrapositorisch zueinander sind. Nur wenn diese
Bedingung eriOllt ist, kann ein dem Kreuzungsbegrifi abcpqr ent-
■nechender Deckungsbezirk IBCK zustande kommen; dabei ist es gleich-
{WiK) ob W° nnd 'W'™ etwa auch geneinsame Merkmale haben oder nidit
kfinnte auch so Uegeo. daß es mit HIKB nur die FUche PCDO (nicht
«iterdem auch A F 0 B) gemeinsam hat, oder könnte von HIKB ganz ein-
SOehlossen sein. Vgl. auch S. 666.
'•) m, n und die römischen Ziflem rechts oben von W bezeichnen
t die Stufen des Allgemeinbegnffs (vgl. S. Ö39).
>') Im Hinblick auf die Verwendung des Terminus „diajunkt" (vgL
S. 6t8') dOrlte es zweckm&Big sein, speziell nur solche gekreuzte Begriffe
keniuiikt zu nennen, die zugleich unter einen Allgemeinbegriff fallen
(IqmSTad sind). Der Terminus ist wie disjunkt (S. ö63, Anm. 11) der
tMeilslehre entlriint; «vftntnXtyftifm' der Stoiker, conjunctum bei den
Bömern (Qellius, Noct Att XVI, 8, 10).
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1.
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566 IV- T^'^ ^^ einzetnen lonscben G^lde und ihre G«aetz».
(sidie unten). Ob ein solcher Deckungsbeziric wirklich Toitaanden iat,
also die yögtichkeit der Deckung tatsächlich (empinsch) J>k-
legt" ist, iat eine Frage, die mit der Logik nichts zu tun hat. Dw Loglfc
genOtt bei dem transgressiven Charakter ihrer AltgemeinbegriSe (t|1- S 78>
die Erörterung der Ußglichkeit einer solchen Deckung. Zu^cicfc
leuchtet ein, daB partielle Inhaltsgleichheit und partiella L'mfangsgleicbbett
nicht notwendig zusammenh&ngen ((fist ni« r= y^ und auch nur m-
weilen ^ y^, vgl. S. G6f), und daß kontrapositorische partielJe InhaltsgleiA-
beit mit partieller tlmfangsgleicbheil unvertr&glich ist.
Auf der Figur und in der bisherigen BuchstsbendarateUung ist oii»
Fall beröcksichtigt, der in dieser Isolierung im praktischen Deinen niemals
voitommt und nur das ganz allgemeiiie Schema der Kreuzung veranachan-
tichen soll. Stets wird nämlich zwischen den beiden Begriffen ^Vn nsd W»
die eben als inhaltlich total verschieden betrachtet wurden, irgendeine Ta>-
bindung durch gemeinsame Merkmale oder wenigstens ein gemeinsame
Merkmal hei^estellt Im eiofacliRtcn Fall haben 'W" uod ^"'° anÜer don
verschiedenen Merkmalen — B. b, c bzw. p, r, q — auch e i n gcmeinsamea
Hai^mal d. so daß W dnroh nbud und W^" durch pqrd snagedrTickt
werden kann, beide also einem und demselben höheren AIlgemeinbeKriS
— Trägem des Merkmals d — subordiniert, also zueinander koordiniert
sind *■). Der Fall kommt dadurch mit dem Fall y^ (S. 563) zur Decknac-
Figürlich kann man dies dadurch darstellen, daß man ein Viereck W^ hiiura-
füg:t; welches die Vierecke W und V" einscUlieBt (siehe Figur 10, 1 saf
S. 567). Es existieren aber auch andere Möglichkeiten: das Meriunal 4
kann nur einem Teil des Tlmfangsgpbietee von 'Vt" bezw. W" zokomiMaL
Dabei ergeben sich FOnI prinzipiell verschiedene Spezialfälle, die «tf
den betstehenden Figuren 10, 2—6 dargestellt sind. Aul Fig. 10, 2 umachliaft
■^d y/-nt g^j.. bicKeKen von W* nnr einen Teil, zu dem such da» Decknni^
gebiet der beiden BegriOe (aul den Figuren immer schraffiert) gehört. Avf
Fig. 10, 3 umBchließt W* wiederum W" ganz, von W dapeiten f;erade mr
denjenigen Teil, der dem Deckungsgebiet entspricht Auf Fig. 10, 4 ob-
schlieBt W^ sowohl von W" wie von W" nur einen Teil in dem auch dsB
Dedkungsgebiet gehörL Änf Fig. 10, 5 umschlieBt Vf^ gleiohfalte sowohl vta
W wie von W» nur einen Teil, aber der umsohlossene Teil Sllt hier fir
'W'b' gerade mit dem Deckungsgehiet zusammen. Endlich umschheBt md
Fie. 10, 6 W^ sowohl von W^ wie von W» gerarie nur das DecfcoogsgeliMt
Offenbar entsprechen diese Varianten den oben S. Ö64, Anm. 13 nur an-
deutungsweise erwähnten Varianten des Falls y^.
Beispiel zu Fig. 10, 1: W" lahnloae Wirbeltiere, 'W''" wannblötigB
Wirbeltiere, W^ Wirbeltiere, Deckuagsbezirk (schraffiert) Vögel; ning.10,2:
W» zahnlose Tiere, Wm warmblütige Wirbeltiere, W* Wirbelttare, Dedmng^
bezirk Vögel; zn Flg. 10, 3: W Flagtiere, W" warmblütige Tfirbelti»«,
"Wd Wirbeltiere, Deokungsbezirk Vögel; ku Fig. 10, 4: W" waimMütig»
>•) Stfirring bezeichnet, wie ich nachträglich sehe, in seiner Im^
{Leipng 1816, S. 88) koordinierte BegriBe, deren Umfange söch teilweae
decken, als .interferierende" Begiifie. Zu dem Beispiel j^iif'
und „Neger", wekihes er anfOhrt, bitte ich die Bemerkungen S. 511 zw ""^
gleichen.
i,i^.ooglc ■
1. Kapitel. Die Lehre t
1 den BegriHen.
567
WirbeitieM, W^" Flngtiere, "W* eieriegende Tiere, DeckungibeziA Vögel »^;
2u Rfi. 10, 5: W» wMinblüHira WirbeltiBre, W™ zahnlose Tiere, W«" Kngtiere.
DcckuDgibezitfc Vegeli zu Fig. 10, 6: W» zahuloee WirbeltieTe, W™ Flog-
WM
<
<
i
i
iiiiiiiimii,
<
1
1
' j
< '
tiere, W^ «armblOüse Wirbeltiere, Deckunsebezirk VögeL lian beachte nnr
bei ditaea und allen analogen Beispielen, daB das Zusammenfallen dee
Deckuncsbeziits vonW» und W™ mit dem Allgemeiobegritl „Vögel" eine
IT) pgr den Nicht-ZooloBen sei mit Bezug aul das Folgende bemeAt.
daB es eierlegende S&ugetiere gibt (Monotremen), und daS andrerseita manch»
wiibelloBe Tiere (gewisse Fliegenarten u. «.) nicht Eier legen, sondern aus-
RechlOpfte Larven tur Welt bringen. — Statt „wannblOtige Witbdtiece"
■«nOgt Mlbatrerst&ndlicb der Tetminus „warmblQlitf* Tiare".
OgIC
ff g. 1 1
9-
5fl8 '^- ^*'*- P** «"»Iiibh teiiachen GeMde und ihre Geset«.
ledidieh «mpirische Tatsache iM, die Aber den reinlogischen Tatbestand
hinauageht und auf der vom logischen Standpunkt aus zulftllig zu nannenden
Bekcung beruht (vgl. S. 368^ &2& u. 627). Loiisch bleibt der Dcdnings-
beziit noch fflr andere Wirt>eltieil lassen offen, und seUot empirisch wOrde
er sich erweitern, wenn entsprechende neue Tierformen (z. 8. fossile) ver-
wertet bzw. entdeckt würden (Odontorailhes usL).
Ein besonderer und sehr wichtiger Fall der Umfangsvenchiedenheit
liegt dann vor, wenn W> seinem ümämge nach ganz in W°> entbaltea ist
(oder nmfcekehrt). Dann heiBt W> dem W» subordiniert and "V^
dem TT" superor diniert"). Es liegt also das bereits wiederholt be~
n»ochene VerhUtnis der Unter- und Oberordnung Tor (vgl. S. 838, 359,
fill, 526, ^e u. 566). Symbolisch stellt sich dies« Fall dar als
W C ^' «'«'' W* ^ W (vgl. S. 5t0). Die beistehende Figur 11 gibt die
einfach geometrische Veranschaulichung: Das schnffierte ViereA AB CD
des sabordinierten Begriffo W liegt ganz innerhalb des Vierecks EFHO des
saperordinierten Begriffs W™. Für den Inhalt
*^- ^^ bedentet dies, daß au« Merkmale, die W» hat,
.^' auch W™ lukommen, und daß %'° anterdem
DOoh wenigstens ein HerkmiJ hat, das W^
nicht in seinem ganzen Umfang zukwnmL
W™ kann also etwa durch abc und W" dnrUi
abcd... ausgedrOckt werden. Jedenfalls ist
also n > m"). Geometrisch l&Bt skh dies*
Inhaltsbeziehung darstellen, indem man ein
Umfavsverscbedenheitun yiereck Iß DK hinzufügt, «dches vom Tier-
Smn der Sub- und Super- ^^ efHG gerade nur das Viereck ABCD
Ordination. einnimmt, außerdem aber außerhalb EFHO
sich noch beliebig erstreckt. Dies Viereck stellt
dann den Umfang des Begriffs aller Titger des Merkmals d dar»»). Vgl.
auch Fig. 9 auf S. ißb, die ftußerhch mit Fig. 11' Qbereinstinunen muB.
Ueberveg (System der Logik, 6. Aufl. löSS, S. 141 u. 143) fuhrt ndiea
dem Terminus „sich kreuzende" Begriffe, den Terminus „einstimmige'
Betrüte bzw. Vorstellungen (=> notae inter se convenientes) an. FOr ietzters
soll charakteristisch sein, daß „sie in dem Inhalt ein tuid der ntmüchea
Vorstellung vereinigt sein kOnnen" und mithin ,4hre Sph&ren ganz oder
teilweise ineinander fallen". Sie umfassen als» das ganze Gebiet der Sub-
ordination, Aquipollenz und Kreuzung 0- c- S. 143}. Wir heben für soictn
nicht-repugnanten Begriffe oben (S. 560) bereits den Terminus „vertr&i-
liche" oder ,Jton veniente" Begrifle verwendet. Der Tennmus „ea-
shiiKnige Begiille" scheint mir leicht zu MißTerstindnissen Anlaß zu gehen.
Alle diese und andere Tennini kommen Qhiigens allenthalben schon bei
Uteren Logikern vor (vgl z. B. W. Tr. Krug, Syst d. tbeor. Philos., 1. Teil,
3. Aufl. 1835, g 38, S. 117 ff.).
'*) Von Kreuzung spricht man also in diesem Falle nicht
") m und n bezeichnen wieder die Generalisationsstufen.
**) Dabei ist aelhstverstJüidlich nicht ausgeschlossen, daß die (emP'-
tisehe) Belegung noch keine Gegenstände geliefert hat, die m des
BeaiA 1 A C K fallen.
0'^\Q
1. Kapitel. Die Lehre von den Begriffen. 569
Die algebraische Logik faßt in den durch Fig. &— 11 datgeatellten
tiäta meistens das Deckungsgebiet der beiden Begiifle W and W nach
Art eines Produkts aul. Das Deckungsgebiet wird daher kurz geschrieben
W X W odc* W . W oder W W. Demgegenüber wird das gesamte von W
und W umfaßte Gebiet ala Summe W + W bezeichnet. Dabei wird zu-
gegeben (vgl. Ernst Schröder, Vwles. über die Algebra der Logik, Leipzig 1890,
& 195 u. 251), dafi diese Addition (Schroeders „identische Addilion"} mit der
arithmetischen ihrem Wesen nach einige Verwandtschaft (eine .Jiedingte
Verwandtschaft"), diese Multiplikation („identische Multiplikation") aber mit
der arithmetischen gar keine Verwandtschaft hat; jedoch soll „die durch-
gängige Übereinstimmung ihrer formalen Eigenschatten, welche auf Seiten der
identischen Operationen nur noch ein kleines Mehr aufweist", die überein-
stinmtende Benennung rechtfertigen. Tatsachlich ist diese Übertragung nicht
90 harmlos, als es hiemach scheinen konnte; denn zwischen den Deckungs-
gesetzen und den arithmetischen Multiplikalionsgesetzen bestehen bestimmte,
nicht oder nur scheinbar zu beseitigende Widersprüche . W + (W . W"), im
Sinn der Schroederschen Symbolik verstanden, ist, wie die tatsfichlichea
DeckuMSverhSltnisse khren. =. (W -j- W) . (W -|- W"), eine Gleichung, die
den arithmetischen Multiplikationsgesetzen absolut widerspricht (vg). hierzu
Schroeder, I. c. & 3861.)- Die von Schroeder im Anschlu9 an solche und
andere Tatsachen vorgeschlagene Unterscheidung eine» „identischen" und
eines „logischen Kalküls" (1, c. S. 2ßl) halte ich — bei aller Anerkennung
des Scharfsinns der Auseinandersetzung — filr einen ungangbaren Ausweg.
Bei dieser Sachlage ist es unzweckmäßig und gefahrlich, die Ausdrücke der
Arithmetik auf die l^ogik zu obertragen. Der wesentliche Unterschied
zwischen beiden Wissenschaften wird dabei vernachlässigt oder mit Gefahr
det Vernachlässigung versteckt. Schon bei der Addition macht sich dieser
Unterschied geltend; Wenn zwei Zahlen addiert werden, so wird als selbst-
verständlich vorausgesetzt, daß die Individuen, auf welche sich die Zahlen
beziehen, sämtlich untereinander verschieden sind; wenn dagegen die
tänttnge zweier Begriffe zusammengefaßt werden, so sind Deckungen mög-
heb, und, soweit Deckungen vorliegen, kommt eine gewöhnliche Addition
im arithmetischen Sinn nicht in Frage. Einen exakten Ausweg bietet hier
nur die Mengenlehre (vgl. § 8S), die in der Tat den Terminus Summe viel
voTsicbtiger — nämlich nur für elemeutefremde Mengen — verwendet und
das Deckungsgebiet nicht als Produkt, sondern als ,4}urchschnitt" faBf ).
t) 3 ii' (vgl. S. &äS). Wenn totale Verschiedenheit des Intialts der
beiden Begriffe W und W' vorliegt, also die MeAmale abc des Begriffes W
nicht zu den obligatorischen Meikmalen von W und die Merkmale m, n, o
des BegriBes W nicht zu den obligatorischen von W gehören, so mOssen,
ähnlich wie im Falle y, zwei Unterfälle unterschieden werden. Entweder
nämlich geht die totale Inhalts Verschiedenheit so weit, daß a, b, c von dem
Inhalt des Begriffes W' und m, n, o von dein Inhalt des Begriffes W
gemdezu ausgeschlossen sind, oder es bleiben trotz der totalen Inhalts-
Terachiedenheit a, b, c wenigstens fakultativ zulässig für W und
m, n, 0 wenigstens fakultativ zulässig für W. Von den gemischten
Unterfällen — z. B. a ausgeschlossen von W, b und c fakultativ zu-
lässig für W, m und n ausgeschlossen von W, o fakultativ zulässig für
") Vgl. z. B, P. Hausdoiff. Grundzüge d. M«ngenlehre, Leipzig 191*,
OgIC
570 ''^' "^^ ^* eiozelnen losisches Gebilde und ihre Gesetze.
W vaL — kann im tolgendeo abseeehen werdMi, da sich die nacUoltendaa
Überlegungen ohne jede Schwierigkeit auf solche MischfäUe Oberttwen Ibhcs
(vgl. jedoch S. 672). Die totale Inhaltsverachiedenbeit wird zuwtülen auch
als Dispatatheit bezeichnet ") (vgl S. 661 u. 674).
Die Tennini „dispaiat" und „disiunkt" mOssen scharf au»-
einandergehalten weiden. Der erstere bezieht sich prim&r auf den Inhalt,
der letztere primär auf den Umfang. Als dishinkt beseicbDeten wir S. Kt
koordinierte BegriHe, die keinen Teil ihres Umfangs setnein haben, eich also
weder ganz noch teilweise decken. Disparat sind nach der soeben ao-
gegebenen Terminologie B^riffe, deren Inhalte kein gemeinsames Meitami
haben. Eine Folge dieses Fehlens gemeinsamer McAmale ist das Fehlen eines
gemeinsamen abergeordnelen Begriffes (abgesehen etwa von dem aUgemeiii-
aten Begriff des Gignomens oder des Etwas). Oft bat man jedoch die Dis-
paratfaeit als eine graduelle Beziehung aufgefaßt und zwei fi^rifte scboa
dann als disparat bezeichnet, wenn die gemeinsamen MeAmale sehr all-
gemeinen Charakters sind und daher der nächsthöhere bzw. die nldist-
faftheren übergeordneten Begriffe fflr beide verstdiieden sind. Von diesem
Standpunkt aus würden' die Paara: Katze — Pflanze, Katze — Quan.
Katze — Zorn, Katze — dreieckig (als MeAmol) eine Stufenleiter zundiinen-
der Disparation datsteilen. Vgl. auch S. 6(9. -7 Die gegensätzliche Chank-
teristik, die Ueberweg (L c. S. 141 ff.) lUr die disjunUen und dispaialen B*-
griSe gibt, scheint mir nicht ganz zutreffend. Wenn er nämlich aus du
Dellnilion der disiunkten Begriffe folgert, daß sie nicht im Inhalt eines und
desselben Begrilfea vereinigt vorkommen kfinnen, so ist diese Folg^ung
offenbar nur zutreffend, soweit es sich um vereinigtes Vorkcmmra in
einem gemeinsamen, übergeordneten Begriff bandäL
Athener und Spartaner (Ueberwegs eigenes, nicht gank' einvandfreiss Ba-
siiiel, vgl. S. KO) kSnoen vielleicht nicht vereinig^ im Inhalt des Begrilte
„(irieche" oder „Mensch" vorkommen, aber doch sehr wohl im GihaJt da
Uegriffs „peloponnesischer Krieg". Disparate Begrifie definiert Ue. als solche,
die nicht in den Umfang des nämlichen höheren oder wenigstens nicht d»
nächsthöheren Begriffs fallen, mithin nicht gemeinsame Inhaltademenle
haben, während sie bisweilen einen Teil ihres Umfangs gemeinsam haben
und daher im Inhalt eines und desselben Begriffes vereinigt vottommn
kennen. Hier scheint mir nur die Voranstellung der Umfangsbcziehung nidit
ganz angemessen.
Im ersten Unterfall (( kann ioi Tatt>esland auch dahin aus-
gedrückt werden, daß man dem BegiiH W, außer a, b und c, auch die Ueik-
male non-m, non-n und non-o und dem Begriff W, außer m, n und □, die
Heriunale non-a, non-b, non-c zuschreibt (im Sinn der S. 546 erörterten
distributiven Konlradiktion). Offenbar können zwei solche Begnle
keinen Teil ihres Umfangs gemein haben, sie scblieCen sich gegenseitig
vollständig aus, sind also repugnanl (vgl. S. 660). Nach der S 618
voi^eschiagenen Terminologie können sie noch genauer als rekonlra-
diktorisch bezeiclmet werden. Geometrisch werden sie durch zwei voB-
Bländig getrennt liegende Vierecke dargestellL
*') Cicero (De invent. SS, 42) tKzeichnet den Gegensatz von Bejahnm
und Verneinung als „disparatum", Boöthius ^De syUog- hypothet.) nennt dis-
parata dasjenige, was verschieden ist, ohne im Gegensatz zueinander tu
stehen, z. B. terra, vestis, ignis.
1. Kapitel Die Lehre von den Begritfen. 57I
Auf der beiateh enden Figur 12 ist der ßegriQ W durch das Vien^
ABCD, der Begriff W durch das Viereck A'B'C'D" dargest«llt. Im Intor-
«SM der Vereiniachung ist angenommen, daß sowohl W nie W nur zwei
posttivfl Meitmale, a und b bzw. m und n hat. Das Viereck E B 0 F ent-
Fig. 12. ,
Totale rekonlradiktorisch« Inhaltsverschiedenheit.
spricht dem Beniff „Träger des Merkmals a" (Tgl. hierzu S. *Bi, 529,
569) **), das Viereck H I K D dem Begriff „Träger des Merkmal» b". obenao
das Tiereck LMNP dem Begriff „Träger des Merkmals m" und das Vier-
eck A'B'RQ dem Begriff „TrBger des Merkmals if". Die nsgaÜTen Meifc-
tnale sind iUinlich nie auf Figur 3 a. S. 559, durch Schraffierung der Um-
gebung dargestellt^*). So ist das Merkmal non-a durch senkrechte Schral-
fiening ausgedruckt, welche sich Ober die ganze Fläche außerhalb EBQF
■erstreckt, also über den L'mfangsbezirk aller derjfnigen Gegenstände, welche
das Merkmal a nicht haben. In analoger Weise ist das Merkmal non-b durch
wagrechte Schraffierung in der Umgebung von HIKD, das Merkmal non-m
durch schräg nach rechts oben gerichtete Schraffierung in der Umgebung
-von LMNP und das Heiimal noD-n durch schriig nach rechts unten ge-
richtete Schraffierung in der Umsebung von A'B'RQ dargestellt. ABCD
hat daher nur die beiden schrägen Schraffierungen, A' B' C D' nur die senk-
rechte und die wagrechte. ABCD und A' B' C D' müssen daher ganz aus-
-einander liegen.
Im Fall der globalen Kontradiktion würde es sich um die BegriOe
W = abc non-(mno) und W = mno non-Cabc) handeln. Selbstverständ-
lich sind auch diese repugnant. Ein besonderer Spezialfall liegt femer vor,
wenn W nur die zu W negativen Merkmale enthält, also W t^ a b c und
W = non-a non-b non-c ist. oder wenn W nur durch die globale Negation
■*) TrUer ist hier natürlich Plural.
>*) Diese Schraffierung müBle sich nach allen Seiten bis i
.endliche erstrecken.
OgIC
572 IV- ^^'I- ^^ einzelnen lopschen Gebilde und ihre Gesetze.
in HeAmale von W bestimmt ist, also W c= >.bc und W =3 non-(ftbc)
wl. S. bib sind diese Spezialfälle bereits besprochen worden. Dort wurde
auch schon «rw&hnt, daß man im letzten Fall die beiden BegriHe ab
snpplem«nt&r zueinander bezeichnet (S. 549),
Im zweiten Ujiterfall(«,) ist lücht ausgeschlossen, dafi einzeln»
GegenstUide, die unter W fallen, die MeAmale m, n und o oder eines der-
selben haben, und daß einzelne Gegenstände, die unter W fallen, die Uert-
male a, b und c oder eines derselben haben "). Die UmfangdieziehuiiB ge-
staltet sich dann folgendennaBen: Können einzelne Gegenstände von W
all« lieAmale m, n und o von W haben, so haben, wenn dieser Fall Te^
wirtbdit ist, umgekehrt auch einzelne G^enstände von W alle Meifanal»
s, b und c von W; diese Gegenstände sind beiden Begriffen gemeinsam,
W und W haben also einen Deckungsbeziit, sie sind gekreuzte BegriD»
(Tgl S. D6a u. 666). Beschränkt sich dagegen die fakulUtivc Zul&ssigkeit
auf «inen Teil der Ueikroale, z. B. auf ein Merkmal, ist also etwa m fOr W
faknUatir zulässig, n und o hingegen nicht, so kreuzen sich W und W nicbt,
Tiehnehr besteht nur insofern eine Umfaneä>eziehung, als ein Begrifi m
(d. h. Träger von m) existiert, welcher W ganz und einen Teil von W eio-
schhoBL Die BegriSe sind rcpugnant (S. 560). Die beiden beistehendes
Hguren, Fig. 18 a u. ISb, welche diese Fälle versinnbildlichen, sind ohne-
Fig. 18 a.
Fig. 13 b.
tttfls
1
«/t
Totale InbaHsverschiedenheit
mit Kreuzung.
Totale Inhal tsverachiedenheit mit Ri
nvitei« EAlfirung verständlich. Durch Auftreten globaler Negationen (vgl.
S. &H 0.) CDtslehen weitere Komplikationen.
0 U ! ü (vgl. S. 568). Totale Verschiedenheit des Umfangs ist
durch zwei lueise oder Vierecke darzustellen, die gänzlich auseinasderliegen,
also keinen Deckungsbeziric haben (sich nicht „kreuzen", S. 6681 u. 566).
Dabei handelt es sich jetzt keineswegs nur um ein auf die seitherige Er-
labning gegründetes, jm psychologischen Sinn tatsächliches Auseinander-
li^ren — ein solches betrifft die Belegung (S. 366 u. 626), abei; nicht
den Umfang — y sondern um ein auch alle mfigliche Erfahrung in sich
>°) Die weitere Möglichkeit, daB einzetne Gegenstands von W z w
HeikBftle von W haben, z. B. m und n usf., bedarf, da sie kein nei
Moment involviert, keiner besonderen Besprechung.
1, Kapitel. Die Lelu« von den Bashflen. 573
begreifendes, durch die Definition der beiden Besrifie, also durch ihren Inhalt
bedingtes AuseinoDderliegen. Zwei solche Begiille werden, wie schon S. BW
mitgeteilt wurde, als widerstreitend oder «epusnant beE«duiet.
Der Inhalt derselben muB ein oder mehrere Merkmale oder Herkmalkompteo»
enthalten, die kontradikl arisch zueinander smd (vgl. S. 547).
Im extremsten Fall stehen alle Heitmale von W und von W in
finem kontradiktorischen Verhältnis: dann mad die ganzen BeghOe selbat,
^so W und W, kontradiktoiisch zueinander (vgL S. bib u. biS). Inneihidb
dieses extremsten Falls sind noch drei Unteri&lle zu unterscheiden. Es kann
Dämhch erstens der eine Begriff das globale Negat des anderen darateUen:
W <=! abc, W r= non-(abc), also di« 5. 5*9 besprochene Supple-
mentarität vorliegen i zweitens kann der eine Begriff, z. B. W, nur die
positiven und der andere, W, nur die zugehörigen einzelnen kontradiktori-
«chen negativen Merkmale enthalten : W => a b c, W ^ non-a nou-b non-c,
'distributive Negation, vgl. S. biß; oder es kCnnen drittens sich die posi-
tiven und die negativen Merkmale in irgendeinem Verhältnis auf die l>eiden
Begriffe verteilen (z. B, W ^ a b non-c und W 1= non-a non-b c). Im
letzteren Fall handelt ea sich nach unster Terminologie (vgl S. 648 u, &70
wm rekonlradikloilsche Begriffe.
Sehr viel h&ufiger beschränkt sich der kontradiktorische Gegensatz
auf ein oder einige Merkmale, w&hrend fOr ein oder mehrere aodere an
solcher kontradiktorischer Gegensatz nicht besteht. Für das Zustand^ommen
-des repugnanten Charakters der beiden Begriffe genügt der kontradiktorische
Gegensatz eines einzigen Meikmalpaars, z. B. b und noo-b. Zwei Begriffe,
daren Merkmale nur zum Teil in kontradiktorischem Gegensatz stehen, sonst
aber fll>ereinstinunen, abo koordiniert sind, nannten wir kontraposi-
toriach (vgl. S. 648, 554 u. 563) oder auch negativ disjunkt
-d noD-b e) kontragredient (5. 548). Bei totaler Umfangsverachieden-
Oegensatz stehen, sonst aber einfach verschieden sind, (wie t. B. abc und
d non-b e) kontragredient (S, 548). Bei totaler Umfangsverschieden<
beit findet man bald das erstere, bald das letztere Verhalten ^*). Wichtig ist
vor allem die folgende, hieraus sich eitebende Tatsache: zw« Begriffe der
in Rede stehenden Kategorie können sehr wohl ko ordiniert sein, d. h. beide
demselben höheren Allgemeinbegriff oder sogar mehreren gleichen höheren
AUgeroeinbegriffen subordiniert sein, dagegen ist gegenseitige Sub- und
Super Ordination nicht möglich. Die beistehende Figur 14 stellt zwei kontra-
positoriscbe und zugleich kontragrediente Begriffe dar. W ist = a non-b c d,
W := a b c e. Beide fallen unter den höheren Begriff a c (Träger der Merk-
male a und c). Der Umfang des Begriffes non-b ist wieder durch Schraf-
fierung au^edrOckt. Um Irrtümer zu vermeiden, sind die Bezeichnungen
der Begriffe nicht nur in das Innere der Vierecke, sondern auch an je zwei
ecgenijberUegende Ecken gesetzt, d stellt einen Begriff dar, der nur den
B^niff W, nicht aber dem fiegrifl W übergeordnet ist Gin entsprechendea
Viereck e, welches W in analoger Weise einscfalieBt, ist im Interesse der
**} Auch Kombinationen kommen vor, wie das folgende Beispiel udgt.
„.,,„, ^.oogic
574 IV- '^^'l- ^'^ einzelnen logiacheo Gebildu und ihre Gesetze
Übersichtlichkeit nicht eingezeicbnet. Über poaitiT - disjunkte Begrille s.
S 663.
Sind alle Merkmale der beiden Begriffe lediglich venchieden, ohne daft
kootradiktorisch entgegencesetzte HeAmate vorliegen (z. B. a,bc und def).
so liegt der Fan r, (S.57S), also Disparatheitin unserem Sone (S. 570)
vor. Eine etwaige totale Dmfangsverschiedenheit wAie nicht logisch, sondera
nur empirisch.
Fig. U.
Totale kontrapoaitoriBch-konlragi^diente UmfangsveractüedenhdL
Handelt es sich ausachlieBlicb um reine Kontnpontioa (ohne Kontra-
gredienz), also z. B. zwei Begrille W <
. abc und W :
I a noorbc, m
füllen beide zusammen den ihnen nächstobergeordneten BegriGf ac TJtllif aus.
Zwei solche Begriffe beiBen, wie schon erw&hnt, k ompleme ntILr (^L
S. bt9 u. 666). Ihre geometrische Darstellung ergibt sich aus der nachfolgen-
den Figur 15. W ist durch du Viereck ABCD, W durch das Viere<±
BEFC dargestellt. Dem beiden (ibergeordneten Begriff &c entspricht das
Viereck A E F D, dem nur dem Begriff W Qbergeordneten Begrifi b das Sechs-
eck G H B C K I und dem BegriB non-b der gesamte schraffierte Baum.
CbatakteriBtisch für die KomplementariUt ist das Zusammenfallen von
AEFD mit ABCD + BEFC.
Die algebraische Logik bat, wie S. 5(2 schon kurz MVthnt
wurde, zur Darstellung dieser Umfangsbesiehungen, soweit es eich um Kom-
plementaritit und Supplententaritit handelt, seit Boole auch das Symbol 1
eingefObrt, allerdings durchaus nicht immer in derselben Bedeutung. Nach
Schroeder (Vories, Bd. 1, S. 313)'') bezeichnet 1 „alle Indi-ndnen einer
OgIC
1. Kapitel. 0ie Lehre von den Besritteo. 575
vorausseaetztea Mumiglmltidteit". Das Synibol 1 entspricht eonsch dem
Begriif „des Ganzen" oder „Alles". „Das Gebiet 1 ist als das MaiitnalgehJet
zn beseichnen." Boole hingegen (An invest of the laws of thougbt etc.,
Landen 1S64, S. 47 tf.) hat das Gebiet tüler Denkgegen stände ;tbe unirerse
of diacourse) durch das Symbol 1 ausgedrOckl "). Die Schwierigkeiten, zu
welchen diese Boolesche Srnibolik fOhrt, bat Schroeder 1. c. S. 242 f(. au»-
Fig. 16.
TotaJe komplementäre Umfat^everscbiedenhcit.
euutndergeseUl. Bei der Schroederschen Definition wäre \ + X' ^ 1 das
Symbol der Komplementarität (vgl. S. bt&, tm, 574), bei der Booleschen
hingegen dasjenige der Supplementarit&t (vgl. S. M9, 572, 573). Fflr manche
algebraiacb-Iogiache Entwicklungen scheint äch daa Symbol im Schroeder-
schen Sinn in der Tat nots^ich zu erweisen, unentbehthch scheint es vair
iedoch keineswegs zu sein. Far das Symbol 1 im Booleschen Sinn «Sre
dann ein anderes Zeichen einzufahren, z. 6. 00 oder — bei der Vieldeutig-
keit des letzteren ^] — äa neues Zeichen wie etwa $.
Weiterhin veriieadet die algebraische Logik die Formel A -)- A' =s t
auch für zwei Begriffe A und A', die sich zum Teil decken (vgl. Schroeder,
AbriB d. Alg. d. Ix>g., S. 26), und bezeichnet auch zwei solche Begriffe als
komplementilr. Ganz abgesehen von den Bedenken, die gegen eine solche
äquivoke Verwendung des Pluszeichens sprechen (vgl. S. fiÖS), ist gegen diese
Anadehnung des Terminus JEompl«nentarit2Lt" (und gegen die analoge des
Terminus „Supplementaiität") einzuwenden, daB sie dem üblichen Sinn
dieses Terminus direkt widerstreitet.
^*) VgL auch L. Conluiat, L'algCbre de La logique, Scientia, Mars IfHß,
S 13: „1 d^igne la classe, qui contient toutes les classes."
**) Es kommt hinzu, daB CH. S. Püree das Zeichen OO gerade für den
BeffiH 1 im Schroederscbcn Sinn gebtaucht hat (Anwr. Journ. ol Math. 188B,
Bd. 7, S. 180).
i,Cooglc
576 ^- '^^*'- ^^ einzelneii loviocben Gebilde und ihre Gesetze.
Kempe (Proceed, Land. Uath. Society, Bd. 6^ S. 147) bezeichnet eioen
Begiitt und sein ^eg&t als obrerses Paar (obverse Dyade) und diäcU die
SupplementariUt (in unserem Sinn) durch das Symbol 'a b' aus, wo abo
b =: non-a isL Auch die DurchfQhning dieser Symbolik gewUirt BiandM
Vorteile, aber keine neuen Einsichten. E. hat Obrigena versucht, we auf di«
projektive Geometrie anzuwenden. Vgl. Scbrooder, Vorlesuucen, Bd. 8.
Abt 2, S. BM H- Anh. 8.
Die Gergonoesche Einteilung der BegnSe6eziehangen kaiiD
erst in der Urteilslehre besprochen werden (g 116).
f 104. Die ee^enseiti^en alleemelnen B^iiffsbesiehim*
gen im Hinblick ant Inhalt und Umfang (Fortsetnuig).
3. Beilienbilduiis. Wahrend es sich in dem letzten Para-
graphen nm inhaltliche und umfängliche Beziehangen hao-
delie, welche sich bereits bei dem Vergleich zweier Begriffe
ergeben, sollen jetzt einige eigentümliche Beziehangen be-
trachtet werden, welche auftreten, sobald man mehr als zwei
Begriffe zusammenstellt. Es kommt nämlich dann häuflg
vor, daß solche Begriffe nach einem bestimmten Prinzip auf
Omnd ihres Inhalts eindeutig in einer Beihe geordnet wer-
den können. Das Prinzip ist bald die frustale, bald die pro-
pinquale Ähnlichkeit') (vgl. S. 327), und danach kann man
frustale und propinquale Keihen unterscheiden.
In frustalen Beihen kommt jedes Glied der Beihe aas
dem vorhergehenden dadurch zustande, daß ein neues Merk-
mal hinzutritt (additive Verschiedenheit) bzw. bei umge-
kehrter (rückläufiger) Verfolgung der Beihe ein Merkmal
wegfällt. So bildet z. B. jede Tollständige Skala von All-
gemeinbegriffen w", w"— ', w"— ", . . ., w' bzw. w', w", w'", . . .,
w" eine frustale BegrÜfsreihe. Ein anderes — triviales —
Beispiel bietet die Eeihe: Herr M., Herr M. mit Mantel, Herr
M. mit Mantel und Stock, Herr M. mit Mantel, Stock und
Hut usf. In propinqualen Reihen ist die Eeihenfolge nicht
durch die Zahl der hinzukommenden Merkmale bestimmt,
sondern durch den Grad der propinqualen Ähnlichkeit der
Glieder untereinander. So bilden z. B. die'Vorstellungeii der
Spektralfarben in der Beihenfolge, wie sie das Spektrum des
Sonnenlichts darbietet, eine propinquale Beihe: violett,
Indigo, blau, grün, gelb, orange, rot. Dabei ist die Zahl
der. Spektralfarbennüancen, die man zur Bildung der Beihe
heranzieht, gleichgültig. Es kommt nur darauf an, daß fär
I) Von dem Zwischenfall der irustoprapinqualen Ähnlichkeit (vgL S.3S8>
soll, da er nichts wesentlich Neues bietet, hier abgesehen werden.
1. Eapitel. Die Lehre von den BeeriFfen. 577
jede der verwerteten Farben eindenti^ eine beßtimmte Stelle
in der Beihe darch ein bestimmtes Prinzip und zwar hier
dnreh den Grad der propinqnalen Ähnlichkeit featgelefirt ist.
So ist z. B. in der angeführten Reihe indigo depi violett
propinqnal ähnlieber als blaa, grün, gelb, orange ond rot.
Ein anderes Beispiel für eine propinqnale Beihe ist eine
Reihe von Ellipsen, die nach der Größe ihrer Exzentrizität,
oder eine Reihe von geraden Linien, die nach ihrer Länge
geordnet sind. Aach die nach ihrer Größe geordnete Reihe
der reellen ganzen Zahlen (der ungeraden Zahlen, der Prim-
zahlen, der rationalen Zahlen nsf.) ist eine propinqnale
Reihe*).
Offenbar ist eine solche Begriffsreihe, wenn sie nicht ganz nilikürbdi
ist (wie im obigen Beispiel des Herrn M.), im atlgemeinea durch drei
„Elemente" ■) bestimmt, nSmlich 1. den Allgemeinbegrifi, unter den alle
Glieder der Reihe fallen, und der daher Ober die Zugehörigkeit zur Reihe In
ejster Instanz entscheidet; 2. die Bildungsregel der Reihe, durch welche die
Relation zweier Nachbaiglicder speziell besUount wird; und S. irgendein
Glied der Reihe, von dem aus die Obrigen Glieder geraBB der Bildungsregel
herzustellen sind *).
Bei einer Stala von AUgemeinbegriffen, wie sie oben (S. 576) beispiels-
weise angefahrt wurde, nimmt das erste der angefOhrlen Elemente insofern
eine besondere Stellung ein, ab der Allgemeinbegrifl, unter den aJle Glieder
der Reihe falten, selbst ein Glied der Reihe, und zwar ein Endglied ist.
Die in dieser Weise definierten Begriffsreihen sind bald
endlich, bald unendlich (mit Bezug auf die Zahl ihrer Glie-
der), bald stetig (und dann stets unendlich), bald unstetig,
bald doppeUeitig begrenzt, bald einseitig begrenzt, bald
beiderseits unbegrenzt. Auch manche andere, der Mathe-
matik, insbesondere der Mengenlehre geläufige Unterschei-
dnngen und Termini lassen sich ohne Schwierigkeit auf die
") Bei oberflächlicher Betrachtung künnte es scheinen, ab ob die auf-
einanderfolgenden ganzen reellen Zahlen fortlaufend Iruslal Ähnlich seien,
also die Ähnlichkeit zweier benachbarter Zahlen auf Ähnlichkeit von Teilen
beruhte. Dem ist jedoch nicht so. Wenn ich behaupte, daB die Zahl 16
im logischen Smn der Zahl 16 ähnlicher ist als z. B. die Zahl lOüO, so kann
die Qemeinsamkeit der 16 ersten Einheiten keine Rolle spielen, da diese Ge-
[meinsamkeit auch ftlr 15 und 1000 besteht. Entscheidend ist vielmehr die
Ordnungszahl in dem geordneten, durch eine Regel bestimmten Verfahren in
der Bildung der ganzen Reihe. Es liegt dieselbe Ähnlichkeit vor wie bei-
spielsweise in einer Reihe nach einer bestimmten Regel und in dadurch be-
stimmter Ordnung herausgegriSener Spektralfarben, Töne uaf.
') Dieser Vergleich ist der Astronomie („Babnelemente"), nicht etwa
der Chemie entlehnt.
*) Vgl. hierzu Ziehen, Logik und Mengenlehre, Berlin 1917, 2. B. S. 45.
ZiehsD, LshrbDch der Logik. q?
,,.,,n,^.OOSIC
578 '^* '''^■'- ^^ einzelnen logiscbeo Gebilde und ihre Gesetze.
]<^isctien BegrifFsreiheu übertragen. Besonders wichtig ist
für die Logik, daß, sobald eine solche Begriffsreihe Ai.
At, ...An,... festgelegt ist, jedem Begriff ionerbHlb der
Beihe eiiie bestimmte Ordnungszahl oder „Stellas^'
und je zwei Begriffen Am «nd A» innerhalb der Beihe eine
bestimmte Distanz zukommt. Unter dieser Distanz soll
nichts anderes verstanden werden als die Zahl der in der
Beihe zwischen Am und A^ vorhandenen Zwischenglieder im
Vergleich mit der Gesamtzahl der Eeihenglieder („gemessen
an" der Gesamtzahl der Beihenglieder unter Voraussetznnü
eines durchgängigen Bildnngsprinzips). Auch leuchtet ein.
dafl man nochmals von der „Stellnng" einer jeden Di8tan7
in der Gesamtreihe sprechen kann.
In begrenzten Beihen, die aus koordinierten
Gliedern bestehen, sind für die IJogik diejenigen Glieder be-
sonders interessant, deren Distanz am größten ist, also die
beiden Endglieder der (geordneten) Beihe. Zwei solche Be-
griffe werden als kontrür bezeichnet. Für die Reihe der
Spektralfarbenbegriffe sind z. B. violett und rot konträre
Begriffe, für die Beihe der Begriffe der farblosen Hellig-
keiten weiß und schwarz usw. Selbstverständlich ist also
nicht der isolierte gegensätzliche Empändungseiodruck, aon-
dcm lediglich die maximaldistant e Stellung in der
Begriffsreihe für das konträre Verhältnis maßgebend.
Es hal seinen Buten Grund, wenn violett und rot uns nicht so deutlich
Ifontr&r zu sein scheinen wie schwarz und weiB. Erstens ist uns nämtich
die Heihe der Spektra Ifurben überhaupt doch nicht fa geläutig wie die
Schwarz- Weiß- Reihe (Schatten 1). und zweitens ist insbesondere die End-
stelluns des Violett und des Rot. wenn man von dem Spektrum absieht, aiclil
so eindeutie (Purpur als Zwischen Farbe, vgl. Leitf. d. phys. Psychol., 10. Aofi-
P. 146).
Das konträre Verhältnis wurde von Aristoteles schon i'.ulretfend »!s
/•tyUnr; Siatpoga innerhalb eines yf>ve beschrieben und als ifunimtK b(
zeichnet. Die lateinischen Logiker übersetzten irurwäx mit contrarius 08^.
S. 667) und rechneten auch die partielle Negation (die einem Glied der
Reihe koordinierter Begriffe alle anderen Gliedej- gegenoberelellt, s. B. „nicht-
weiß" dem "weiB", TgL S. 660 ff.) zu den konträren Verhältnissen. Ob«
die weitere Entwicklung der .Tenninologie Tgl. S. 567. — Es Iwstehf selbst
vent&ndlich kein wesentliches Bedenken, auch heute noch die kontradikto-
rischen Begrifisverhältniss« (Negation sverhältnisse) mit den konträren etwi
unter dem Namen ,/)pposite" oder ,j[esensätzlicbe" Begriffe zusammen
zufassen, insofern beide eine besonders erhebliche Verschiedenheit au*-
drQcken; man muB sich dabei nur b«wuBt bleiben. daB neben dieser tS\m-
einstimmuns auch liefe Unterschiede bestehen.
1. Kapitel. Die Lehre von den Besriffea. 579
§ 105. Die gegenaeitigen allgemeinen BetCriffBbeziehungen
im Hinblick auf Inhalt and Umfang (Schluß). 4. Besondere
Bt^iffsbeziehungen im Bereich der Belationsbegriffe. De-
pendenz, insbesondere Korrelation. Relative, insbesondere
kansale Definitionen. Die gegenseitigen Begriffäbeziehungen
tiind mit den in % 102 — 104 besprochenen nicht erschöpft.
•I e d e r Akt der BegritEsbilduiig — Komplexiou, Isolation
usf. — gibt Anlaß zur Entstehung besonderer begrifflicher
Beziehungen (logischer Belationen), die ihrerseits
auf die Gegenstände übertragen werden können. Unter
fliesen Beziehungen begegnen wir einer Qmppe, die in den
vorausgehenden allgemeinen Besprechnngen noch nicht be-
rficksichtigt worden ist und für das logische Denken be-
sondere Wichtigkeit hat, nämlich denjenigen logischen Rela-
tionen, welche sich ans der Bildung speziell der Kompa-
rationshegritfe (Relationsbegriffe, Beziehungsbegriffe, vgl.
S. 324 u. 474), also aus dem Prozeß der Relativation er-
geben. Wenn mir zwei gleiche Linien a und ß gegeben
sind, so kann ich auf Grand der zwischen ihnen bestehenden
Gleichheitsrelation außer den Begriffen Ä und B der beiden
Linien und dem Komplexionsbegriff K des Linienpaars
auch den Relationsbegriff Ü der Gleichheit der beiden Linien
bilden, und damit ergibt sich eine logische Relation zwischen
A und B einerseits und U andrerseits. Zu der primären
durch U ausgedrückten Relation der Begriffsgegenstände
kommt eine sekundäre Relation (Relativationsrelation) der
drei Begriffe seihst hinzu, die besondere Beachtung verdient.
Diese Relation hat nämlich gegenüber den logiseben
Relationen, welche sich aus der Bildung von Komplexions-,
Kontraktionsbegriffen usw. ergeben, insofern einen eigen-
tümlichen Charakter, als sie sich als eine besonders
enge Abhängigkeit und Unselbständigkeit des Relations-
begriffes U gegenüber den fundierenden Begriffen A und B
erweist. Wenn A und B zu einem Komplexionsbegriff K
oder einem Koritraktionsbegriff F oder einem Ailgemein-
begrilT W zusammengefaßt werden*), so geht in den ab-
geleiteten Begriff K bzw. F bzw. W wenigstens ein Merk-
>) Wie früher (S. 321, Anm. 10 u. ö07) bereits bemerkt wurde, kann die
besrilfliche Zusammenfassung sich auch unmiUelbar an die Vorstellungec
A und B (slalt a& die BeBiiUe A und B), ausnahmsweise sogar an die zu-
■fehOii«en Gnindempf in düngen anschiieBen. Für die nachfolgendea
ErfirteruDzen ist dieser Unterschied BieichfCOltii-
37»
h, 1. iiA.OOt^lC
580 ^- '^^'^- ^^ einzelnen logischen Gebilde nnd ihre Gesetze.
mal oder eine Reihe von Merkmalen von A und B nber^.
A und B sind, wie man etwas knrz sagen kann, in dem ab-
geleiteten Begriff irgendwie enthalten. Anders hei den
Relationebegriffen. You einem solchen Enthaltensein kann
hier nicht die Rede sein. Wenn ich heispielsweise zwei
gleiche Linien zn dem Komplexionsbegriff ,JLiinienpaar" zo-
eammenfasse, so ist jede Linie in dem letzteren enthalten;
wenn ich dagegen den Belationsbegriff TT der Gleichheit
der beiden Linien bilde, so ist in dem Begriff der Gleichheit
keine der beiden Linien nnd aoch keines der Merkmale der
beiden einzelnen Linien in dem besprochenen Sinn
„enthalten". Der Belationsbegriff schwebt gleichsam zwi-
schen den beiden fundierenden Gebilden *). Die Relation
ist eben ein Novom, man möchte vom erkenntnistheore-
tischen Standpunkt fast sagen ein Wander, das zu dem Tat-
bestand des Gegebenen hinzukommt nnd in der Ehrkenntnib-
theoric einer besonderen Erörterung bedarf.
Aus diesem Unterschied ergibt sich nun, daß die Bela-
tionsbegriffe gegenüber ihren fundierenden Begriffen in
einem ganz besonderen Sinn unselbständig sind. Auch die
Komplexions-, Kontraktions- und Qeneralisationsbegriffe
sind ohne ihre fundierende Begriffe nicht denkbar, aber,
da sie von den letzteren ein oder mehrere Merkmale über-
nommen haben, sind sie vermöge dieses Merkmals bzw.
dieser Merkmale innerhalb bestimmter Grenzen selbständig:
sie können von uns, wenigstens bezüglich der über-
nommenen Merkmale, gedacht werden, ohne daß vir
die fundierenden Begriffe mitdenken. Die reinen Rela-
tionsbegriffe, wie gleich, größer, kleiner usf., verlieren jeden
Sinn, wenn man die fundierenden Begriffe (das Verglichene)
wegdenkt. Man kann daher wohl von einer besonders engen
Ab|iängigkeit und Unselbständigkeit der Relatioasbegriffe
sprechen*), nnd diese besondere Eigentümlichkeit soll als
Dependenz im prägnanten Sinne bezeichnet wer-
den. Vgl. auch S. 325.
=) Bei der Generalisation und Kontraktion aul Grund propinquiler
Ähnlichkeit [S. 337) ist das in den abiteleiteten Betritt übergehende Merkm«!
allerdings jenes S. 337 erwähnte hvpolhetische x.
*) Dies verträgt sich natQrlich doch sehr gut mit der S. 303, Anm. 3
erörterten Tatsache, daB die Komplezionsvoistellung zu dem gegebenen Tal-
bestande mehr hinzutagt als die Relation svorstellung.
*) Vgl. Aristoteles, Metaphys., Afcad. Ausg., 1088a 22: ib ii ne»c "
nnitiaf ijKiaia 7>va(r ik j ovaia rcÜc xaiijyotfuüif int . . .
„.,,„,^.oogic
1. Kapitel. Die Lehre von den BegriUen. 5tJl
Die logischen Relalionen, nelche sich bei der GeneralisaUoQ zwischen
dem AllgcmeinbegriB und den ihn fundierendeD subordinierten Degriffen et'
Keben, nehmen eine UitteUtellung zwischen der Komplexionstel&tion und der
Kelativationsrdation ein, insofern bei der Generaiisa^on stets auch Ver-
Eickhunssakte mitwirken ;vbI. g 68}; sie sind uns als Subordination
und Superordination bereits begeBoet. Dasselbe gilt von der Eon-
Irak lion.
S. 323 and namentlich 347 XI. 474 wurde erörtert, daß cüe
KeJationen nicht immer „m e d i a n" bleiben, sondern oft als
Merkmale oder Eigenächaften aaf einen der beiden in Bela-
tioQ stehenden Gegenstände „polar" übertragen wer-
den (gröSer als ß, verschieden von ß usf.). Weiterhin sahen
wir, daß es zu einer Verschmelzung des übertragenen
Eelationsmerkmale mit der in ^Relation stehenden Vorstel-
lung, auf welche die Übertragung stattgefunden hat, kom-
men kann, und daS anf diesem Weg die von uns sog. B e 1 a -
tarvorstellungen bzw. Belatarbegriffe ent-
stehen (Vater, Sohn usf.). Die jetzt besprochenen sekundären
Oogdiscfaeu) Delationen, welche sich aus« der Kbmplexion,
Geueralisation, Relativation usf. ergeben, geben zu ganz ana-
logen polaren Übertragungen und Verschmelznngen Anlaß.
Habe ich z. B. durch Geueralisation den Ällgemeinbegriff
„Katzen" gebildet, so bestehen zwischen diesem Ällgemein-
begriff und den ihn fundierenden snbordinierten Begriffen
,4j5we", „Tiger", „Hauskatze" usf. sekundäre logische Rela-
tionen (Subordination und Superordlnation), und ich kann
diese Relationen auf den Begriff „Katzen" übertragen und
mit ihm verschmelzen, so daß er den Charakter des Gattungs-
begriffes „Katzen" bekommt, der die Art begriffe
j^Löwe", „Tiger" usf. umfaßt. Damit ist der Begriff Katze
in einen Kelatarbegriff transformiert. Im Gebiet der Kom-
plexionsbegriffe ergeben sich in ganz analoger Weise die
Belatarbegriffe des Ganzen und der Teile. Dasselbe gilt für
die Relativation (Komparation). Habe ich zwei Linien be-
züglich ihrer Richtung verglichen und z. B. den Relations-
begriff der Biehtungsgleichheit, des „Parallelismus", ge-
bildet und hierauf den Relationsbegriff polar auf jede ein-
zelne Linie übertragen und mit ihrem Begriff verschmolzen,
also die Relatarbegriffe der beiden „Parallelen" gebildet, so
ergibt sich damit eine neue sekundäre logische Relation
zwischen diesen Relatarbegriffen einerseits and dem Rela-
tionsbegriff des Parallelismns und den beiden Linienbegrif-
fen andrerseits usf. Diese znm Teil sehr verwickelten
1,1^. OQi
'S'c
582 'V' T'^'l- ^^ cinzeloun logMcfaen Gebilde uod ihre Gesetze.
logiscben Beziehungen höherer Ordnung sind bis jetzt Hoch
wenig ontersacht worden und sind noch fast gar nicht dnrch
kurze sprachliche Bezeichnungen fixiert. '
Unter den RelatarbegrifFen selbst ergeben sich gleich-
falls Beziehungen. Belatarbegriffe, die zu einer und der-
selben Relation gehören, werden als korrelate Begriffe
bezeichnet. So sind z. B. Vater und Sohn, Vater und Kinder,
Wirbeltier eiDcrseits und Säugetier, Vogel usf. andrerseits
korrelate BegritFe. Eine ,JEorreIation" im engsten
Sinn liegt vor, wenn jeder der beiden Belatarglieder das
andere vollständig und eindeutig bestimmt, wie z. B. in der
Korrelation Vater und Kind (während die Korrelation
Vater ~~ Sohn nicht in beiden Richtungen vollständig imd
eindeutig ist). Die Korrelationen sind bald symme-
trisch, so z. B. die Korrelation zwischen zwei gleicb-
gesetzteu Objekten, und umkehrbar, bald unsymme-
trisch, 80 z. B. die Korrelatiooen zwischen Vater und
Sohn, Vater und Kindern, Wirbeltier und Saugetier usf.,
und dann nicht umkehrbar, d. h. sie müsäen bei der
Dmkehrung durch andere BclationsbegrifFe (z. B. im letxtea
Beispiel durch Subordination statt Snperordination) be-
zeichnet werden. VgL hierzu S. 347!
Auch die IrOber betrachtete (S. 496) eigcntüralicbe Reiation, -a-eieha
wir bei der Subs t a n t ia t io n in die Begrifle hineindeuten und dun
weiterhin auf die BeEritfsgegenstJLnde abertragen, ergibt wichtige Relatu-
begriffe, aa vor allem den Relatari)egriS der Substanz und der von ihr jie-
tratenen" Akzidentien oder Merkmale. Die Bildung solcher BeUtarbesciOe
bzw. RelatarvorsteUungen liegt auch dem naiven Denken so nahe, daS m
in der Sprache einen eesetzmiBigen Ausdruck geCundea hat: wir drOtken
die Substanzbegriffe durch Substantiva, die zugehörigen MerknutlbcgriDe vot-
viegend durch Adjekliva aus (Schnee — weiB). Vgl. auch S. 613. Erst nach-
trlgUch wird oft auch die Eigenschaft subEtantiiert (die WeiBc^ WAhrend
dag naive Denken dabei die Gegenst&nde der Begriffe im Auge hat.
k^mmt fOr die I^Eik als solche nur die logische Relation «ler BegriOe un<l
die relatare Transformalion der Begriffe selbst in Betracht.
Für die Lehre von der Definition sind die besprochenen Reb-
tiooen zum Teil auch insofern wicbtig, als wir zuweilen in der Lage sind,
einen BegritF, den wir nicht im eewöhnlicben Sinn als solchen durch seine
MeAmale definieren können, dadurch wenigstens einigennaBen zu Biieien.
daB wir einen Begriff angeben, zu dem er in irgendwelcher anderen (nichl-
loBischen) unverändeilichen Relation steht Hierher gehören z. B. ,J)efi'
nilionen" wie: schwarz ist der konträre Gegensatz zu weiß, oben ist der
konträru Gegensalz zu unten, Alexander der Große ist der Sohn des Känigs
Philipp von Mazedonien, Merkur iat der sonnennitchste anter den groöen
Planeten usf. Schon aus diesen Beispielen ergibt sich, daß in der Regel bei
solchen „relativen nelinilioneu" das Genus prozimum in der &b-
1. Kapitel. Ute Lebra vou dea Segriffen. 5g3
lieben Wl-iac angeKubi^D viiid oder tveaissleiis leicht £u ers&o/t;!) ist und
rnu die Diflerentia speciGca durch die Angabe einer Belnlion t^rselzt wird.
Eine besondere praktisch- wissenschaflüche Bedeutung haben unter diesen
relativen Definitionen die KausaldeCinitionen. Ua- jeder Ursache
eindeutig nur eine Wirkung und stets dieselbe Wirkuog zukommt, so siod
die kausalen Definitionen besonders geeignet, bei Mangel einer strengen Defl-
nition nacb den Merkmalen auszubelfen. Die kausale Beziehung fungiert uls
ÖR relatives Merkmal, welches in vielen F&Uen des praktischen Denkens
ausreicht, den Begriff eindeutig zu fixieren. Wenn wir zugleicb das Genus
proximum angeben, können nir uns sogar oft darauf besclixänken, statt aller
ürsacben, d. b. statt des gesamten Ursacbenkomplexes, diejenige Teilursache
anzugeben, die t>ei den einzelnen Arten des bezüglicbeii Genus proximum
verftnderiicb ist. Auf diesem Wege gelingt es uns. auch einfache Besrinc,
die im streng logischen Sinn keine Definition zulassen (vgl. S. 4M), in-
direkt, d. b. eben relativ zu definieren. So können wir z. B. für das Ej-
lebniä „gelb" nur das Genus proximum „Farbeneropfindunfi" angeben und
sind außerstande, innerhalb dieses Genus proximum für „gelb" (d. h. hii-r
die GelbempSndung) ein» Differentia ^eeifica anzugeben. Wohl aber ver-
[nC«ea wir eine relative Definition zu geben. So können wir Gelb z. B. als
üie in der SpektraUarbenreihe zwischen QrOn und Orange gelesene Farben-
empfindung definieren. Und noch mehr leistet hier eine kausale Definition;
jch gebe, außer dem Genus proximum Farbe bzw. Farbenempfindung °], die
Wellenl&nge des Lichts an, durch welches die Gelbempfindung verursacht
wird. Diese Kausaldefiniüon ist zugleich in dem eben besprochenen Sinn
eine partielle, insofern icb nur eine Teilursache der GeU>empfindung angebe,
Q&mUch nur den in der Hegel bei der Gelbempfindung wirksamen Licbtreiz,
und andere Ursachen, wie die Rindenerregung und unsere psychopbysische
Organisation, auBer Betracht lasse oder auch als für alle Fart>enempfindungen
gleichartig ansehe. Die praktischen Vorteile einer solchen Definition liegen
auf der Hand. Ich kann mit ihrer Hilfe sogar die einzelnen Nuancen der
Gelbempfindune, für welche der Sprache Worte fehlen, mit großer Genauid-
keil definitorisch fixieren. Ebenso klar liegen aber auch die Mängel zutage :
die anderen Ursachen sind eben doch nicht immer ganz konstant. Gelb-
empfindung kann gelegentlich auch ohne jenen bestimmten, ja ausnahms-
weise auch ohne jeden Lichlreix auftreten (Santoninrausch, gelbgefirble
Viaionen), und ausnahmsweise (bei Farbenblinden) kann derselbe licbtreiz
doch auch andere Farbenempfindungen hervorrufen. Solche partielle kausale
Definitionen sind also immer nur unter l)estimmten Vorbehalten zul&ssix.
Dazu kommt, daB alle kausalen Definitionen (nicht nur die partiellen) und
■iberbaupt aUe relativen DefinItioTien doch eben nur indirekt sind. d. b. Obi'i-
die Merkmale selbst, welche dem zu definierenden Gegenstand zukommen,
keinerlei Auskunft geben.
Viele Merkmale, welche wir bei gewöhnlicliun DeiiniUonen veiAerlen.
erweisen sich bei eindringender Analyse gleichfalls als relative, insbesondere
als kausale. Weim ich z. B. in die Defijiition des Goldes sein spezifisches
Gewicht aufnehme, so gehe ich mit dem letzteren nur eine bestimmte kausale
Relation an, nftmlich die der Volumeneinbeil zukommende ADziehung^-
;. B. auch die Wärmewirkuugen
OgIC
584 '^- '^'"^ ^^ einzelnen losiachen Gebilde und ihre Gesetze.
v.-irfcung ^z. B. geeeoOber der Erde bei den freien Fall) *). Man kann sogar
die Frage aufwerfen, lA) tchUeBlich nicht alle Merkmale relativ und. Du
l'rledifuns dieses Pr(d>lenis muB der Eikenntnistheoiie überkas«en werdeD.
tiier aei nur soviel bemerkt, daB auch die streng logische DefinitioiiL, «ie
wir sie in § 93 fl. kennen gelernt haben, wenigstens insofern mit RelattoneD
arbeitel, als sie mil iedero HeAmal die Zusehörigkeit du zu delinierenden
llc-giiffs m ciD«m Allgemeinbegriff, also eine logische Relation, aussagt
Die sogenannten .genetischen" Definitionen^) sind im weMnl-
lichen mit den kausalen identisch. Der Terminus ,3^usale Definition" wild
bevorzugt, wenn physikalisch -chemische Ursachen als Uilismittel benutzl
werden. Eine genetische Definition des Kreises würde z. B. lauten: ein Eras
ist diejenige Figur, wekbe dadurch entsteht, daB ein Punkt sich um einao
iioderen in gleichem Abstand in derselben Ebene bewegt.
In ganz besonderem MaBe dependent in dem S. GSO lestgestellten Sna
trscheinen einige Begrifle, welche in der Sprache vorzugsweise dureh Par-
tikel und Pr&positionen ausgedrilckt werden. Wörter wie „und".
..mit", „vor" u^l. bedürfen der Ersfinzung durch wenieslens zwei Begriffe.
Von den alten Logikern wurden sie daher im engeren Sinn als Synkate-
Ho reu mata (irexx«ni>v(«ii^nra) bezeichnet *). Die Dependenz tritt hier
üeriialb noch stärker hervor, weil es sich um sehr allgemeine Relationeo.
nämlich der räumlichen und zeitlichen Lage und des logischen und kausalen
/'.u.iammenhangs handelt'). Trotzdem liegt kein Grund vor, ihnen in der
i,atik diese Ausnahmestellung zu belassen, da der Unterschied eben doch
nur graduell Ist und manche Eigenschaftswörter, wie „gleich", „verschieden''
ij. a. m., in demselben Grade dependent sind.
.\halich verhält es sich mit dem Terminus „c o n n o t a I i v u s". Auch
<iiesei' wurde im Mittelalter eingefahrt, um eine bestimmte b^rilfUche Rela-
tion auszudrOck«n, kann aber heute nicht mehr aufrecht erhalten weiden.
Duns Scolus (Quaest. sup- Analyl. prior, l, 16 Opp. ed. Paris 1S91, S. ISla)
spricht von connotatum ohne scharfe Definition. Occam (Summa tot. log. I.
Cap, 10, cd. 15(fe. lol. 5ra) unterscheidet nomina inere absoluta und
nominu merc coiinotaliva ; letztere sind sok;he, quae significant „ali(iui<l
*) Dabei sehe icli noch ganz von derjenigen Relativität ab, die in der
bcziehung des spezifischen Gewichtes auf dasjenige des Wägers als Ein-
heit liegt.
') Die Bezeichnung der nicht-geiielischcD bzw. nicht-kausalen Defi-
nitionen als „E3:islenzialdelinitiooen" halte ich für höchst unzweckmäßig.
') Die erste ErwälinuDB findet sich wohl bei Priscianus, Inslitul.
ütamm. II ,i ed. Krehl, Leipz^ 1S19, Bd. 1, S. 66: „svncateporemata hoc est
consignificantia". Den letzteren Ausdruck braucht schon Bo^thius. Später
niude statt «vyKat^yng^ftBta fehlerhaft avy*uiiiYo^tvitaia oder gar sjncaäw-
^'reumata (bei Pselliis auch n^as*<t">Y'S'lf""'' '^^^ ngoeaii/iafiixti) gesagt In
der Schrill „De generibus el speciebus" (vgl. S. 63, Aura. 2) wurde der Ter-
minus, der ursprünglich wohl alle ^VoIta^teQ auüer ^'onleD und Verbuin
umfaßte, unter Berufung auf Priscian auf die Partikeln beschränkt (Ouvt.
inödils d'AMlard, Paris 1836, S. 531). Eine sehr eingehende BearbeitunE
fand dann die Lehre von den „syncategoreumata" bei Wilh. v. Shyreswood
und Petrus Hispanus (vgl. Prantl, Gesch. d. Log. etc., Ill, S. 19 u. 67).
•> Vgl. z. 13. über die Bedeutung von „oder " E. Schröder, Vorl. üb. d.
-Mgebra der I.OKik, Leipzig 1890, I, S. 335,
n,5,t,7rjM,G00glc
1. Kapitel. Üie Lehie von den Begriffen. 5g5
primario et aliquid secundario";, und umfassen aJle „nonuna relaliva" !■>).
xome aüe „Doroina pertinentia ad genus quantitatis" usf. Chain kteristisch
Uli einen konnolativen B^iifl soll sein, daß er einer „ditflnilio exprimens
[jüid Qomiais" bedarf (z. B. bedarf albus der ditfinitio „habena albedinem").
In neuerer Zeit hat dann namentlich John Stuart Mill in seinem System of
losic. laliocinalive and inducUve ^1, 1. § 5. ü. Aufl., S. 31) diesen Terminus
wieder aufgenommen, und zwar mit folgender, schon S. 631, Anm. 11 ao-
nefQhfter Definition : a non-connolative term b one which sigoiflea a subject
oDir or an altribute only, a connotative leim is one which denotes a subject
and iotplies (iovolviert) an altribute. „London" und „Weiße" (whileness)
aiDd nicht-koanotalive Begriffe, „weiß" und „Mensch" i^ind konnotailve Be-
eriffe; denn mit weiß und Uensch werden nach Hill nicht nur Subjekte
(d. h. nach Mill „acything which posaeases altributes") bezeichnet (nämlich
alle weifien Dinge bzw. alle Menschen), sondern es wird zugleich ein Attribut
mitbezeichnet, nlmlich die Weiße bzw. das Menschscin. Ea hegt auf der
Hand, daß hiermit kein wesentlicher Unterschied angegeben wird.
Richtig ist nur, daß wir Merkmale wie Weiße (WeiBsein) oder Merkm^-
t:ompleie wie humanilas (Menschsein), die einem substantiierten Tdlger
f Schnee, Cäsar) zukommen, auch dadurch ausdrücken können, daß wir den
Trager unter die Klasse der Träger des Merkmals, also unter die weißen
Dinge bzw. unter die Menschen subsumieren und dann oft andere Worte
brauchen, n&mlich „ist weiß", „ist ein Mensch" (statt „hat das Merkmal
Weiße", „hal das Merkmai huinanilaa") ; das Merkmal wird also gewisser-
maDen „enlsubstantiiert". Ebenso kann man auch umgekehrt sagen, daß
wir ein Merkmal, das wir von einem substantiierten Trftger (Schnee, CSsar)
durch Subsumtion dieses Trägers unter weifie Dinge bzw. Menschen aus-
sagen, substantiieren können und dann sprachlich oft zu anderen Worten
greifen (Weiße, humanitas). Insofern „weiß" und „Mensch" in den Aus-
sagen: ,|der Schnee ist weiß", „Cäsar ist ein Mensch" einereeits zur Charak-
teristik eines Trägers verwendet werden (denole a subject) und andrerseits
in dieser Aussage selbst nicht als Träger gedacht werden, sondern auf eine
Eigenschaft hinweisen, die substantiiert werden kann, (Weiße bzw. humani-
tas; ,4niply an atlribute"), kann mau weiß und Mensch als konnotativ
seilen lassen. Der wesentliche Unterschied liegt aber dabei eben nur in der
Substanliation. Man muß allerdings, um dem Tatbesland völlig gerecht zu
werden, wie eben festgestellt wurde, hinzufügen, daß charakterisierende
Merkmale von einem Begriff A bald in der Weise ausgesagt werden, daß sie
unsubstantiiert lediglich als MeAmale behandelt werden (weiß, mensch-lich
bxw. menschartig), bald in der Weise, daß sie zwar nicht substantiiert werden
I Weiße, humanitas). aber der Begriff A doch der Gattung der Träger der
hezflglichen Merkmale (der Galtung der weißen Dinge, der Gattung „Men-
schen") subsumiert wird. Diese doppelte Möglichkeit der Auffassung jeder
MerkmalauBsage ist uns aber durehaus nichts Neues, sie ist uns bereits
allenthalben begegnet. Der sprachliche Ausdruck (Adjektiv oder Substantiv)
kann dabei durchaus nicht schlechthin als Maßstab gelten, da die Sprache
durchaus nicht gleichrnäQig für alle subatantiierien Merkmale und eben-
sowenig gleichmäßig für die Träger aller Merkmale gebräuchliche Substantive
'•) Occaro spricht geradezu von tenninis connolalivis „v e 1" relativia
und braucht connolare (rlciehbedeutcDd mit consignificarp (1. c. cap, 11).
Vgl. oben Anm. 8.
OgIC
5gtt IV- Teil. Die einzelnen logiacben Gebilde und ihre Geaelzo.
ReschafTen hat. So ist uns /. B. einers<^ita das Wort „Weiße" noch einiger'
maßen gelfiulig, während uns im Deulschen ein geläufiges Wort fflr iaa
Merkmal „Uensch-sein" — entsprechend dem lateinischen Wort humani-
tas — fehlt, und andrerseits haben wir zwar das geUufige Wort „Henscb",
daeegen fehlt uns ein analoges Substantiv zur Bezeidmung der „vcifien
EHnge". Bei dieser ganzen Sachlage erscheint mir, wie den meisten Logikern,
die Abgrenzung einer besonderen Gattung der konnotaliven Begriffe ira Sinn
Mills entbehrlich.
$ 106. Einteilungen der Merkmale. Die Auseinander-
setzungen der letzten Paraji^aphen erlauben nun auch eine
JiberBichtliche Zusammenstellung der für -die Logik in Be-
tracht kommenden Einteilungen der Merkmale. E rstens
unterscheiden wir einfache und zueammengeaetzte
Merkmale: ersterc sind unzerlegbar, letztere lassen sieh zer-
l^en. Vgl. S. 346 u. 480. Zweitens unterscheiden wir
irreduzible (primäre) und reduzible (sekundäre).
Erstere werden anch als ursprüngliche, letztere a\s
abgeleitete bzw. ableitbare bezeichnet. Ein reduzibles
Merkmal kann auf andere zurückgeführt werden, ein irre-
dnziblee nicht. Vgl. S. 485 n. 499.
Erdmann (Logik, 2. .Aufl. S. 178) führt als synonymen Terminus für die
ur^ränglichen Merkmale auch „altribula", als synonymen Terminus für dii?
abgeleiteten Merkmale auch „modi" an, indes sind diese Tennini in so «r-
achiedenem Sinn angenandt worden, daß sie in der Logik am besten gau
vermieden werden. Wenn l^niann weiterhin (S. 181) „analytisch ab-
geleitete" und „synthetisch abgeleitete" Merkmale unterscheidet, so hat er
^enbar die S. Sää besprochene C:]ter3cheidunR analytischer und synthe-
tischer Definitionen im Auge. Es ist dazu nur zu bemcri;en, daß eine srn-
ihetiscbe Ableitung nicht mehr als loinsche Ableitung im strengsten Sion
gelten kann. Wenn ich aus der Dreieckigkeit einer Figur synthetisch das
Merkmal „Winkelsumme r-.r: 3R" ableite, so ist diese Ableitung, nicht rein-
logisch aus dem Begriff der Dreieekigkeit. sondern mit Hilfe Ton An-
schauungen erfolgt. — Mcrlcmale, die sich nicht in dem Abhängi^eits-
verhältnis der Ableitbarkeit auseinander befinden, nennt Erdroann unglelcb-
arlig oder disparat und führt als Beispiel die Fartie und das spezifische Ge-
wicht eines Körpers an. Diese Verwendung des Terminus „disparat" Ivgl.
ü. 670 u. Ö7{) scheint mir Ton dem bisher üblichen Wortgebrauch m sehr
abzuweichen; beispielsweise würde geibgrün und grünblau nach Erdnann
wohl als disparat bezeichnet werden mü.sscn, während sie tnshet stets als
n ich t-dis parat galten.
Drittens unterscheiden wir wesentliche nnd u n -
weßentliche Merkmale. Schon S. 490 wurde für die in-
dividuellen Komplexionsbegriffe nachgewiesen, daB die
sogenannte Wesentlichkeit eines Merkmals dnrchaos
schwankend ist und von dem jeweiligen Zweck der Unter-
OgIC
1. Kapitel. Die Lehre von den Begriften. 5g7
HQcbunt; abhaugt. Für die Kontraktions- und Allgemeiii-
begriffe (S. 503 u. 512) ergab sich, daß die unveränderlichen
bzw. allen Begriffen gemeinsamen Merkmale, die m-Merfe-
male nnserer Terminologie, soweit sie irrednzibel sind, sämt-
lich in die Definition aufgenommen werden müesen und als
wesentlich zn betrechten sind, während die Teräuderlichen
bzw. rieht allen subordinierten Begriffen zukommenden
Merkmale, die o- und q-Merkmale (S. 501), nur nach Bedarf
in der Definition zugelasaen werden and daher nicht schlecht-
hin wesentlich sind. Jndes ist auch diese Grenze nicht scharf;
denn erstens kann durch weitere Erfahrung ein m-Merkn>al
seines ni-Cbarakters beraubt werden, und zweitens kann ein
o- oder q-Merkmal im Hinblick auf den speziellen Zweck
finer benlimmten Untersuchung wesentliche Bedeutung be-
kommen '). Es bleibt also schließlich nur die Irr^duzibilität
als allgemeingültiges Kennzeichen der Wesentlichkeit,
nnd damit wird letztere terminologisch überflüssig: es ge-
nügt, in der allgemeinen Logik irreduzible und reduzible,
variable und invariable, d. h. m- nnd o- bzw. q-Merkmale zu
unterscheiden. Dabei bleibt offen, daß sich vom Standpunkt
der einzelnen Spezia) Wissenschaft auch spezielle weitere
Kriterien der Wesentliehkeit ergeben (vgl, ^ 107).
■ Das Suchen nach „wesentlichen" Merkmalen stammt grCSlenteils noch
aus der Zeil, wo man Blaubte, daß iedera OegeusUtod (er sei psychisch oder
malerieji) außer seinem Dasein (der Eidstenz) noch eine gewissermaßen
prädesünierte, ursprangliche, begriffliche ZusammensetzunR (die Essenz,
vgl. S. G2, Amn. H) zukäme, Merkmale, die dieser letzteren entsprachen,
wurden als essentielle (konstitutive) oder wesentliche bezeichnet =). Aus
') So ist die zu irgendeiner Zeit beobachtete Temperatur eines Buches
oder Tisches sicher eine unwesentliche Eigenschaft, die von zufalligen Be-
ziehungen abhangig und für unser Denken gleichgaUig ist, dagenen kann
z. B. die hohe Temperatur, die ein StahlstOck ebenso zufällig einmal durch-
gemacht hat. große Bedeutung haben (etwa im Hinblick auf magnetische
Eigenschaften). Erdmann 1. c. S. 17S l&Bt in dem Satz „der Schirm ist
stehen geblieben" das Stehengebliebensein überhaupt nicht als .^rkmal"
BcHen, ich würde es als ein meistens nicht-wesentliches Merkmal betrachten.
Vgl. auch Marty, Viertel jahrsschr. f. wisa. Philos. 1895, Bd. 19, S. ib Ober die
Erdmannsche Unterscheidung.
*) Aristoteles nannte die unwesentlichen Merkmale "o/<j»t;*il»oi« (Gegen-
atz xa»' oiItö), stiftele aber viel Verwirrung, indem er auch die reduziblen
(sekundären) wesentlichen Merkmale bU afftßtßiixöra alt mit dem Zusatz xa9'
■vn bezeichnete; so ist z. B. für das Dreieck die E^enschaft, daß die
Winkelsumme zwei Hechle betragt, ein avfßtßiixit »#' aiiö (vgl. z. B. Akad.
Ausg. 1025 B, 30). Vgl. S. 34, Anm. 9. Diagnomoniache Merkmale, welche
nur einem Gegenstande und keinem anderen zukommen, nennt Aristoteles
M« (Akad. Ausg. 102 a, 18, jedoch auch 101 b, 16). Vgl- S. 39.
„.,.,„.>..oo^sic
538 IV. Teil Die einzeliien logiachen Gdnlde und ihre Gesetze.
unsTtT erkenn in istfaeoretiscbeo EinteilunE und den Erörterungen Ober den
Logizismus (S. 173 fl., 270 R., 306 (I.) geht hervor, daß eine wiche Auflassung
nicht zulA-isig ist. Ist einmal durch unser Denken ein Gegenstand abeegrenzl.
90 ist jedes seiner irreduziblcu Merkmale essentiell (konstitutiv).
Viertens haben wir ans praktischen Gründen AnlaB,
solche Merkmale besonders hervorzuheben, die ans gestatten,
den Gegenstand des Begriffs sicher wieder zu erkennen und
von anderen Gegenständen sicher zu unterscheiden. Man
kann solche Merkmale als charakteristische oder
diagnomonische bezeichnen '). Sie decken sich keines-
wegs mit der Gesamtheit der irreduziblen m-Merkmale. Es
kommt nämlieh oft vor, daß ein irreduzibles m-Merkmal
zum Erkennen nnd Unterscheiden des bezüglichen Begrifis-
gegenstandes a überflüssig ist, weil letzterem ein oder meh-
rere andere Merkmale zukommen, die nach unsrer Erfah-
rung keinem anderen bekannten Begriffsgegenstaod zu-
kommen, also praktisch zur Erkennung und Unterseheidmig
von a ausreichen. Immerhin ist das Weglassen solcher prak-
tisch zunächst entbehrlicher Merkmale nnd die Beschrän-
kung auf die diagnomonischen Merkmale stets nur mit Vor-
behalt zulässig nnd hat in der Geschichte der Wissenschaft
schon oft zu schweren Irrtümern geführt. Im extremsten
Fall kann allerdings für einen bestimmten Denkzweck ein
einziges diagnomonische« Merkmal ausreichen, so z. B. dann,
wenn überhaupt nur die Unterscheidung innerhalb einer
wenige Arten zählenden Gattung, also für die Unterschei-
dung nur eine geringe Zahl ähnlicher Arten in Betracht
kommt. So sind in den systematischen Tabellen zur Bestim-
mung von Pflanzen und Tieren die letzten Unterscheidungen
innerhalb einer Gattung oft auf ein einziges diagnomo-
nisches Merkmal gegründet'). Vgl. auch ^ 107.
Von jeher lag der Logik der Gedanke sehr nahe, auch eine Grund- und
Haupteinteilung der Merkmale nach ihrem m a t e r i a I e n Inhalt zu geben.
Die Kategorien lehre des Aristoteles (vgl. % 9D,) ist der älteste VerswA
in dieser Richtung. Die erste Kategorie gibt den Träger der Merkmale an,
') In vielen Beziehunnen decken sich diese diagnomonischen Merkmale
nut den klaren und deutlichen Merkmalen älterer Philosophen. Vgl. S. S88.
'} Erdmann (Logik, 2. Aufl., S. IST] bezeichnet die diagnomonischen
Merkmale als „wesentliche", „sofern sie einen Gegenstand im Veisleich zu
gegebenen anderen als diesen bestimmten erkennen, von jenen anderen als«
unterscheiden lassen". Ich halle es Für zweckmäßiger, den viel mißbrauchten
Terminus „wesentliches Merkmal" nicht noch mit einer weiteren BedeutuOf
zu belasten. Vgl. oben S. &86.
n,g,t,7l.dM,GOOglC
1. Kapitel. Die Lehre von den BegriDen. 5g9
die übrigen neun Kategorien die Hauptklassen der Merkmale (qualitalive,
quantitSitivL- usf.). Wenn man dann in dcf oft besprochenen Weise an
Stelle des MErkmals die Gattung seines Trägers setzte („WeiBes" an Stelle
von Weis bzw. hier „Qualitatives" an Stelle von qualitativ), so halte man
zwieicb die höcht^ten Gattungsbegriffe ermitteU oder glaubte wenigstens sie
ermittelt zu haben (vgl. S. 45 Ober die vier ftfixüima der Stoiker^), Nach
dcD trQhcren Auseinandersetzungen versteht es sich von selbst, daß von
dem hier vertretenen Standpunkt aus alle diese Versuche aus der Logik
wegzuweisen sind und in das Gebiet der Erkenntnistheorie, und zwar der
Gignoraenologie, gehören {vgl S. 457).
Auch die Erdmannsche Einteilung (L c.) in m a t e r i a 1 e oder quali-
tative und formale oder quantitative Merkmale möchte ich aus
der Logik fcmhalten. E. versteht unter materialen Merkmalen solche, welche
die Bestimmung des Ähnlichen und Unähnlichen zulassen. Diese Charakte-
ristik schein! mir nicht ausreichend. Auch dem Quantitativen kommt eine
gewisse Ähnlichkeit (i^l, auch oben S. 677, Aura. 2) zu. Wenigstens müßte
K. also eine präzise Bestimmung des Begriffs der Älmlichkeit vorausschicken.
.Mir scheint, daS gerade auch die schwielige Frage der Charakleristik des
Qualitativen gegenüber dem Quantitativen eine durchaus erkenntnistheon?-
tische und keine logische ist.
§ 107. Tachnlk du BtgTiffiT?fl^"''o (Haalian, Definition und Isotdi-
naliiui). Aus der Definition der Log^ (vgl. g 1} ergibt sich, daQ die Logik
es ledighch mit den formal richtigen Begriffen zu tun hat. In der Tal
bezogen sich alle vorausgehenden Erörterungen ausschließlich auf den formal
richtigen Begriff, oder, wie wir im Hinblick auf g 87 sagen können, die
Nonoalvoralellung (Begriff s. str.). Es bleibt daher nur noch dk technische
Fxage zu erörtern, wie wir zu solchen formal richtigen Begriffen im Sinne
der Begriffe gelangen. Auch diese Frage muß gesondert för die Hauptgruppen
der Begriffe, also die individuellen Komplexionsbegriffe, die individuellen
Belationsbegrifte, die individuellen Kontraktionsbcgriffe und die Allgerocin-
bcgriffe beantwortet werden. Es handelt sich dabei erstens um die Findung
'] Bezüglich neuerer Katego rienaulzählungen muß auf die Erkenntnis-
theorie verwiesen werden. Hier sei nur kurz erwähnt, daß z. B. Lotze
(Logik, Leipzig 1874, S. 54] nur vier „Stammbegriffe" anerkennt: Etwas, Be-
schaffenheit, Werden und Verhältnis. Chr. Sigwart (Logik, 2. Aufl. Freiburg
lä89, Bd. 1. S. 31 u. 338) unterscheidet logische Kategorien (Einheit, Identität,
Unterschied) und reale Kategorien ;Ding, Eigenschaft, Tätigkeit, Relation).
Wundi (Logik, 2. Aufl. Stuttgart 1893, Bd. 1, S. 119) führt die zehn aristote-
lischen Kategorien auf vier „logische Kategorien" zurück: Gegen Standsbegriffe,
Eisenschattsbegriffe, Zustandsbegriffe und Beziehungsbegriffe, und stellt die
letzteren als „Bezichungs- oder Verbindungsformen der Begriffe" den drei
ersten als den Kategorien s. str. oder ,3egriUsformen" gegenüber (S. 121).
Windelband (Die Prinzipien der Logik, Tübingen 1913, S. 29 f.) will refleziTe
und konstitutive Kategorien unterscheiden: erslere, „obwohl durch die Eigen-
art der Gegenstände bestimmt, bestehen doch als Beziehungen erst im Be-
wußtsein und nur fQr das BevmBlsein", letztere „werden als wirkliche Ver-
bältnisse zwischen den Gegenständen gedacht", eine Unterscheidung, die
wohl weder logisch noch erkennt nistbeoretiscli ausreicht.
■ ' i..i,,i,^.OOglC
590 '^' ^^^- ^^ einzelneo logiscben Gebilde und ihre Gesetze.
h7.w. BilduDR des NoimaibegriFfs (losiEclie 1 d e a I i o dX zweitens um ^eme
F ixiecuDg (U e f i n i t iu n) und drittens um seine loordination, d. h.
die Bestinunung seiner systematischen Stellung (also dei superordinierten,
subordinierten und koordinierlun Beüriffe), soweit diese nicht bereits durch
die Definition erfolgl ist.
a) Idealion.
^V&d /.uoachat die Fiuduoe bzw. Bildung der Begrifle anlangt, so ist
die für die mateiule Richligiceit gleictifalls unentbehrliche Solidität (S. ä6t)
kein Gegenstand der Logik. Die LoRik setzt voraus, daß die fundierenden
Beobachtungen fehlerfrei und zweckmäßig angestellt und ohne Erinnerungs-
fehler aufbewahrt worden sind, und erhebt nur die Frage, wie aus diesem
Beobachtungamalerial in formal richtiger Weise Begriffe gebildet werden
können. Dabei wird bie nicht nur die formale Richtigkeil des einzelnen
isolierten Begriffes, sondern auch seine weitere Verwendbarkeit, z. B. bei
<\vm Aufbau einer Wissenschaft, im Auge haben mOssen.
Für die individuellen unkontraliierten KompieiüonsbegrilEe gestaltet sicti
dicije Aufgabe veihfiltnismäßi? einfach. Soweit wir überhaupt Yemolassunii
haben, solche zu bilden, wird mau theoretisch eine möglichst v o 1 1 a t ä n -
d i g e Zusammen Stellung aller Merkmale fordern müssen. So wäre z. 6.
eine individuelle, eben von mir gehorte Melodie nach allen zeitlichen, inten-
siven, qualitativen und räumlichen Merkmalen Ton für Ton im BegiiB fest-
zuhalten. Tats&chlich bilden wir jedoch solche individuelle Komptexions
begriffe, wenn Oberhaupt '). dann nur mit dem Zweck, aus ihnen Begiilfe
höherer Stufen abzuleiten, und im Hinblick auf dici^en Zweck können wir
sehr oft manche Merkmale beiseil« lassen und uns z. B. oft auf diejenigen
beschranken, die zum eiudeutiiien Wiedererkennen ausreichen. Da jedef
Komplexionsbegriff auch mancherlei Abstraktioiten (l^Kkretionen. Isolationen
usf., vgl. S. 317) voraussetzt, so wird außerdem auch eine zweckmiSige
Abgrenzung und Auswahl des einzelnen Komplezionsbeenfles oH
von groBer Bedeutung sein. HierQber kann die Logik jedoch keins all-
gemeinen Vorschriften geben, sondern jede einzelne Wissenschaft bzw. Denk-
tätigkeit muB sich in dieser Beziehung ihre eigenen methodischen Begeto
entwickeln. Alle diese Bemerkungen gelten mulalis mutandis auch von den
individuellen Relalionsbegriffen, Es genügt, für beide Kategorien auf § H
II. 9fi zurückzuverweisen.
Erheblich bedeutsamer iyl die technische logische Leistung bei der
richtigen Bildung der individuellen Ko n t rak t ionsbegrifte. Audi bei
diesen wird man theoretisch zwar eine mSglichst vollBtändigc Aufnabme
aller Fl uxions Vorstellungen des zugehärigen Gegenstandes verlangen, prak-
tisch aber sich auf diojcniüen beschiftnken, die für den Zweck der jeweiligen
('bertegung bzw. Untersuchung in Betracht kommen bzw. irgendwie mut- •
maBlich in Betracht konunen können. Hier kommt jedoch die Ilnterscheiduni
der m-. o- und ijMerkmalp, d, h. der unverSnderiichen, der innerhalb der
Ahnlichkeitserenzen veränderlichen und der gänzlich wech-ielnden Merkmale
(vgl. S. 501) als eine weitere logische Aufg^w hinzu: nid)t erst hei der
Definition, sonaetn schon bei der Ideation müsscD diese Meri:male nach des
in § 96 anaeiichi.neii Regeln getrennt werden. Ferner ist die .Abgrenzunf
. bei individuellen Komplexions r o r s t e I -
OgIC
1. Kapitel. Die Lehre von den Begriffen. 59X
des individuellen KoDtraJition^beBrifl^s eine erheblich schwierigere als die-
jcciige des untontrahiejien individuellen Komplexionsbesrilfes. Uuvcrhälliihj-
mSBig selten voUziehen sich die Veränderungen eines Gegenstandes aus-
schlieBlich inlem. in der Regel IcomuieD externe Einwirkunsen. olt Auf-
nahmen externer Elemente liin;:u. Die ,.DinB"abgrenzung l:anii daher olt
sehr zweifelhaft weiden (auch ganz unabhängig von dtn hier nicht zu er
örtemden ertenntnistheoretiachen Schwierigkeiten des Dingbegrifles) *). Man
denke bebpielsweise an die höchst strittigen Kontrat tionabegritle der ein-
zelnen Rassen und NationaUtäles. Die Logik kann ffir diese Abgrenzungs-
Iraeen zwar keine allgemeingOilieen, ausreichenden Regeln geben, sie muB
nur insofern Beachtung fordern. a.\v sie überhauiit eine At^renzung. und
zwar eine eindeutig bestimmte und konstante (Im Sinn der Nonnali»grilfe)
verlangt.
Die richtige Bildung der Allgemein begriffe endlich erlordetl das
Uajümum der logischen TftUgketl. Ks müssen erstens diejenigen Begrifie.
welche TU dem gesuchten Ailgemeinbegriff vereinigt werden sollen, auch hier
^CH-eckmäBig ausaewfihlt werden, oder — anders ausgedrückt — der All-
t^emeinbegriff muß zweckmäBig al>gegrenzt („ausgewählt") werden. Man
denke beiapiels weise an die noch vielfach strittige und noch forlgesetzt sich
verändernde Aufstellung der Gattungen, Familien. Typen usf. in der Zoologie.
Zweitens müssen die m-, o- und q-Merkmale (vgl. S. 513 ff.) sämtlich oder
wenigstens in der dem Znecl: der Untersuchung bzw. Überlegung entsprechen-
den Vollständigkeit verwettet werden. Dabei müssen alle in § 97 erörterten
Verhftftnisse berOcIcsichtigt werden. Andere allgemeine Regeln vermag die
Losik auch hier nicht zu neben,
bj Definition.
Uil einer richtigen Ideation ist das deflnitorische Verfahren, wie es
in g S3ff. ausfflhrlich beschrieben wurde, untrennbar verbunden. Die Dell-
nilion unterscheidet sich von der Ideation nur dadurch, daß sie die in den
B^riff aulgenommenen Merkmale ausdrücklich fixiert und geordnet möglichst
kurz aufzählt. Kurz kann man sagen, daB die Deiinilion das fixierte, ge-
ordnete und vereinfachte Endergebnis der fdeation (im logischen Sinne) ist.
Sehr oft verbinden wir mit der DeflniLon auUer der Fixierung uocli
einen weiteren Zweck, nämlich die ZurQckführung eines relativ
unbekannten Begrilfea auf bekanntere. Von diesem Stand-
punkt aus genügt es nicht, daß die Definition ülierhaupi die Relationen eines
Begriffs zu anderen fixieri, sondern sie hat die anderen Begriffe auch so zu
wählen, daB sie bekannter sind als der zu detlnierende Begrifl. Diese Auf-
gabe der Definitionen, die bei dem fortschreitenden systematischen Aufbau
der Wissenschaften die größte Rolle spielt und daher bei der Definitions-
technik besonders berück sie htigl werden muß, mae als explanatorische
bezeichnet werden.
Die Technik der Definilion ergibt sich aus den früheren tlieorelischen
Erörterungen ohne weiteres (^-gl. S. 484 ((.). Es bleibt nur Obrig, auf einzelne
besonders naheliegende und gefährliche technische Deflnilions fehler
nachdrücklich hinzuweisen.
Die Definition darf vor allem nicht zu e n g und nicht zu weit sein.
Sie ist zu eng, wenn sie Begriffe, die zu dem zu definierenden Gegenstand
>) Tgl. ErkantDistheorie, Jena 1913, S. 16 ff.: Ober Koinaden.
h. !■, ii,l^.OOglc
592 '^- l"^'-' I^c eioEelnen loaiscben Gebilde und ihre Gesetze.
idem Deflniendum) lehören, ausschlieQt; zu weit, wenn sie Begriffe, die nicht
zu dem zu defioierenden GegeiiBtand gehören, einschließt. So wftre z. B. ifie
Delinilion der Säugetiere als placentabesitzcnder Wirbeltiere zii eae, weil es
saugeliere gibt, die keine I'lacenta haben, und die Deünition der Vöeel als
PKTlegender Wirbeltiere zu weit, weil es viele eierlegende Wirbeltiere eibt.
die nicht zu den Vögeln gehören. Zuweikn ist die Definition zugleich zu
Fng und zu weit. Dies gilt z. B. von der Definition der SSugebere als
lebendiggebärender Wirbeltiere; denn einerseits gibt et einzelne nicht-
IcbendiraebArende, sonden eierlegende Säugetiere (Schnabeltier), und andrer-
seits gibt es manche lebendinebärende Wirbeltiere, die nicht zu den Siuge-
Iieren gehören. Sowohl die zu groBe Knge wie die zu groQe Weite der Defi-
nition sind !.> m f angstehler.
Der wichiigste inhaltsfehler der Definition ist die Tautologie
und die D i a 1 1 e 1 e. Die T a u t o 1 o g i e besteht darin, daB das Definiendum
unverhQUt oder verhOllt in der Definition verwendet wird. I^n verhüllte
l'autalogien find selten („der Kreis ist eine kreislörmige Figur*'), verfafillte
etwas häufiger („der Gegenstand eines Urteils ist das Objekt des Urteils") ■).
n i a 1 1 e I e n treten auf, wenn mehrere Definitionen aneinandergereiht
werden, und bestehen darin, daS in der Definilion eines Begriffes A ein Be-
griff B verwendet wird und alsdann in der Definition von B wieder K ver-
wendet «ird usf. In einem solchen Fall kann jede Definition, einzeln ge-
nommen, richtig sein, und auch die Kombination der beiden Definitionen
ist zulässig, solange man von den Definitionen nur Fixierungen veriangt
Sol)ald man aber — wie dies in der Begel der Fall ist — der Definition auch
die Aufgabe der Explanation (s. o.) stellt, wird die Kombination zwner
.solcher Definitionen zu einem groben technischen Fehler.
Beispielsweise wird die Kraft oft als Ursache von Bewegung definiert*).
Wenn man nun zugleich oder hinterber die Bewegung als die Wirkung von
Kräften definiert, so sind beide Definitionen, einzeln genommen, formal ein-
wandfrei, und auch ihre Kombination ist einwandfrei, insoweit die begriH-
liche Relation zwischen Kxaft und Bewegung durch beide Definitionen wider-
spruchsfrei fixiert wird und dabei Kraft und Bewegunti als gleichennaSen
bekannt bzw, unbekannt angesehen «erden. Anders, wenn die Definition
— wie bei Beweisen — explanieren soll I Handelt es sich z. B. um die a-
clanatorische Definition des Kraftbegriffes, so darf ich, nachdem ich die KraA
explanatorisch mit Hilfe des BewegungsbegriUes definiert habe, nicht bioter-
her die Bewegung wieder durch die Kraft definieren.
In der Geschichte der I^gik ist bis heute die explanatorische Bedeutuni
der Definition gegenflber ihrer fixierenden Bedeutung, meistens stark über-
schätzt und daher die gelegentliche Berechtigung der Diallele (nämlich im
lediglich fixierenden Gebrauch der Definitionen) übersehen worden. Auch
die Terminologie dieses Definitionsfehlars ist nicht immer ganz scharf fest-
gehalten worden. Namentlich ist das Wort Zirkel (circulus in definiendo)
bald fDr die Diallele, bald für die Tautologie gebraucht worden (vgl. z. B.
einerseits Ueberweg, LogUc, 6. Aufl., S. 176 und andrerseits G. Fr. Ueier,
Vemunftlehre.'a. Aun. 17GS, § 310, S. 460). Der Terminus .AäkXiiiot Hftt'
■) ITet)em*egs Beiepiel, „Lebenskraft ist der innere Grund des Lebens",
ist nicht ganz Eutr«0end.
<) Die materiate Unzulänglichkeit dieser Definilion bleibt hier auBer
Betracht.
„.,,„,^.oogic
1. Kapilel. Die Lehi« von den B^rifien. 593
scheint zueist bei den Slotkern aufgetreten zu sein, allerdings noch nicht
mil q)e2ieUer Beziehung auf die Defimtioa (Anonym. Schol. ad Hemog.,
ntfi «tdaim; ed. Walz, Rbetores «t&nü, Bd. 7, 1, IB^, S. 3Sa). Von Zirkel-
beweisen (i kpxX^ »ai /f n'Üilwi' önoAif«) sprach schon Aristoteles,
Akad. Ausg. 72 b 17 u. 57 ff. In ähnlichem Sinn gebniucht Sextus EroDiiicus
die Bezeichnung iiälhiliv i^of, z. B. Pnrb. Hypot. I, 117 (ed. Bekker,
S. 27). Statt circulus wurde oft auch der Terminus orbis (seil, in definiendo)
gebraucht. Als deutsches Wort verwendete man den Terminus „Knis-
eAlänins" (vgl. z. B. W. Tr. Krug, Syst. d. theoret. Phitos., I., 3. AuB. Königs-
berg 1825, S. at), oder „Wiedeitehr im Erklären", oder „Zirkel" (Tgl. z. "B.
A. G. Baumearten, Acroasis logica, ed. TfiUnerus, 2. Aufl. 1773, § 168, S. 44}.
Sehr oft wird pleooastisch vom circulus „viliosus" gesprochen (vgl. z. B.
Chr. Wolff >], Philosoph. raUon., 2. AufL 1792, g 17(Q. Seht bezeichnend ist
aucb der englische, wohl von Hamilton (Lectures on logic, Bd. 2, 2. Aufl.
1866, Lect. 24, S. 18) vorgeschlagene Ausdruck „seesaw" (eigentlich bin-
und heraiehen).
Überblicke man die Gesamtheit aller wissenacbafllichen Definitionen,
so li«t auf der Band, daß der explanatorischen Leistung des Definierens
Grenzen gezogen sind. , Indem jede Definition zur Explanation eines Be-
gnBes eine Uebrzahl von Begritfen (wenigstens z«ei) beranztebl, deren jeder
wiederum nur mit Hilfe mehrerer Begriffe exptanalorisch definiert werden
kann, droht dem ganzen Verfahren ein RegreB ins Unendliche. Tatsächlich
vermeiden wir diesen, indem wir die explanatorischen Definitionen abbrechen,
sobald wir zu BegriBen gdangt sind, die wi* a!a hinreichend bekannt voraus-
setzen zu können glauben oder die unzerlegbar (einfach) sind. Das Ideal
einer «xplanalorischen Deflnitionsreihe wäre offenbar nur im letztgenannten
FaUe erfOUt, und gerade dieser Fall läBt sich nur ganz ansnatunsweise ver-
wirklichen.
c) Inordination.
Die Inordination eines BegriBes, d. h. seine „Einordnung" in ein
System super-, sub- und koordinierter Begriffe — in ein W-Syslem oder eine
W-Skala, wie wir im Hinblick auf S. 507 ff. kurz sagen können — ist durch
die Definition insofern bereits vorbewitet, als im Genus prozimum (vgl. S. SlO)
wenigstens der nächst höhere superordinierte Begriff gegeben ist. Zu der
vollständigen Inordination geb&rt nun weiterhin toi allem die Angabe aller
bChercn a n p e r ordinierten Begriffe. In den sYstematiscben Naturwissen-
schaften, namentlich in der Zoologie und Botanik, ist dieser Forderung schon
heute in weitem Umfang Genüge geleistet Die Logik hat mit Bezog auf die
Aufstellung solcher Skalen nur auf zweierlei aufmerksam zu macbm. Erstens
ist zu beachten, daB die meisten G^enst&nde in viele Skalen eingeordnet
werden können. Dies entspricht der Tatsache, daS für ein und denselben
Gegenstand in der Beeel mehrere, oft sehr viele Definitionen müglich sind.
So wird beispielsweise der Chemiker, der Hmeralog usf. das Kupfer in sehr
vetschiedena Skalen einordnen. Zweitens aber ist daran zu erinnern, daB
in jede Skala noch Zwischengaltungen eingefügt werden k6nnen (vgl.
S. fi08, Anm. 3, 511 a 527). Wenn trotzdem die einzelne Wissenschaft für
«inen Gegenstand in der Regel einen superordinierten Begriff und eine
>) Wolfl hält übrigens Tautologie und Diallele nicht scharf auseinander.
ieh*D, Lshibgdi der Logik. 38
„.,,„, ^.oogic
594 ^^- ''•'l- ^« «meinen loiächMi Grt)ilde und ihre Geeeto.
5k&la superordinierler BeeriDe*) bevorzugt und in der Auistellun« von
Zwischenealtungen sich Beschr&nkung auferlegt, so hftnst dies mit dun fe-
itamlea Forachungsziel der einzelnen Wissenschaften zusammen. V^ auch
die unten folgenden Bemerkungen über „natürliche" Systeme.
Die Behauptung, daQ immer oder wenigstens meistens ausschliefitich
e I n bestimmter Qbergeoidneter Begriff in Betracht komme — etwa weil er,
wie Lotse') meint, „die gesetzgebende Regel far die Bitdung einer Anzahl
von Einzelnen" enthalten soll — , ist für sehr viele Fitle unzutreflend. Un-
zählige Allgemeinbegriffe enthalten von einer solchen „gesetzgebenden
Regel" aberhaupl nichts, wie ein Blick in die >iystema tische Zoologie.
Botanik usf. lehrt.
An die Aufstellmig der ftbeigeoiijaeten Gattungen muB sich die Auf-
stellung der koordinierten Gattungen bzw. der koordinierten Arten btw.
eventuell auch der koordinierten Individuen anschließen. Handelt es »cb
z. B. um die Fehden (kalzenartige Tiere), so genOgt es nicht, die superordi-
nierten Gattungen *), also etwa EamiToien, Säugetiere, Wirbeltiere. Tierr
anzugeben, sondern es mtlssen auch die koordinierten Gattungen ■), also
Kaniden, Ursiden usw. namhalt gemocht werden. Handelt es sich um ein
Individuum, z. B. den Planeten Mars, so kann selbst die Aufzählung der
koordinierten Individuen, also im get^&hlten Beispiel diejenige der
übrigen Planeten unseres SonnenRi'stem':. im wissenschaftlichen Inleressf
liegen.
Diese Aufstellung der koordinierten Begriffe läßt sich von der an erster
^^telle besprochenen Aufstellung des superordinierien Begriffs gar nicbl
trennen. Die Wahl des letzleren fOr einen Begriff A hängt in der Bege^
davon ab, welche anderen Begriffe — B, C usf. — ich mit A zu einem
superardinierten Begriff zusammmfassen, d. h. mit A koordinieren will
Dabei werde ich in der Regel solche Begriffe B, C usf. auswählen, die mit A
in möglichst vielen, wesentlichen Merkmalen ütjereinstiirunen. al^o nicht
z. B. Neger, Kohle und Nacht unter dem übergeordneten Begrifl „schwar^r
Dinge" koordinieren '"). über die hier in Betracht kommende Wesentlichkeit
siehe unten S. 596.
Endlich kommt sehr oft die Angabe der s u b ordinierten Gattunien
bzK. Arten bzw. Individuen in Frage. Diese Aufgabe der Inordination kann
auch ganz allgemein als Division (Einteilung) bezeichnet werden
Stellt man sich vor, daß die höchste Gattung gegeben ist und als Ausgangs-
punkt genommen wird, so kann man geradezu die gesamte Inordination unter
i^em Gesichtspunkt der Division zusammenfassen und auch als Elassi-
fikation ttezeiclmen. Der Begriff, der eingeteilt vdrd, wird auch Divisum
(oder Dividendum) genannt; die Glieder, in die er eingeteilt wird, nannte
man früher unzweckmäßig ,,membra dividenlia" (besser membra divisioms
oder roembra divisii. Das Merkmal, dessen Verschiedenheit zur Einteilun»
') Oft übrigens, wie z. B. die Psychiatne zeigt, zum Nachteil der
Forschung.
T) Logik, Leipzig 187*, S. 150.
*) Von ..Gattung" ist hier ira logischen Sinn die Rede, der Zooloc
spricht von Ordnung, Klasse, Typus.
*) Nach der zoologischen Terminologie in dem angefahrten Beispiel di*
koordinierten „FamiUen".
"») Vgl. I«ize 1. c.. S. IfiO.
jM,Googl,c
1. Kapitel Die Lehre von den BegriEfen. 595
verwmdet wird, heiBt 1 imdamentum divisionis (Einteüimgsgrund). Mebreie
Einteilongen desselben Diviaum (auf Grund verschiedener Fundaments divi-
sionis) heiOen Sondivisionen. Mit der Division darf die Partition nicht
verwechselt werden; diese besteht in der Zerleeung eineä B^hfts bzw. Be-
grlHsgegenstandes in seine Teile (Hnkmale), wahrend die Division in der
Zerlegung in seine Gbeder (S. 396) besteht
Die Division kann zwei Wese einschlagen. Entweder berttt^sichtigt
sie nur die emiiiriscb vodlegende ,3elegunE" (vgl S. ü&BU., namentlich auch
S. 369, Anm, 1+}, d, h. nur die tatsächlich brannten ^empirisch festgestellten)
subordinierten Individuen bzw. Arten bzw. niederen Gattungen >*), oder be~
rdcksichligt sie den vollen Umfang des einzuteilenden Begriffes, d. h. alle
äbeiliaupt denkbaren subordinierten Individuen bzw. Arten bzw. niederen
Galtongen. Die sTstematiacben Naturwissenschaften bevorzugen den
eisteien Weg '^. Sie unlerschaden also z. B. innerhalb der Viirtieltiere
nnr w viele Klassen, als wirklich durch die Erfahrung belegt sind, verzichten
■Iso auf logische Vollständigkeit und behalten sich vor, bei Eingang weiterer
Beobachtungen (z. B. Entdeckung neuer Fossiliaa) nach Bedürfnis neue
Dasaen hinzuzulOgen. Der zweite Weg wird in besonders konsequenter und
klarer Weise von der Hatbematik eingeschlagen 1 die Einteilung der ebenen
Draeck« in rechtwinklige, spitzwinklige und stumpfwinklige, die Einteilung
der Kurven zweiter Ordnung in Ellipsen, Hyperbeln, Pai^ln und Linien-
P««o (A^ 0, a„= — a„a„ < 0; A^ 0, a,," - aj,a„ > 0; A^ (>,
^1^ — ^,»n = 0; A ^^ 0) usf. ist logisch erschöpfend. Es empfiehlt sich,
die beiden Diviaionsverfahren auch terminologisch zu unterscheiden. Die
nur die (empirische) Belegung tjerflcksicbtigende Division soll „empi-
rische" Division, die den gesamten (li«ischen) Umfang berflck^h-
tigende Division im prägnanten Sinn „logische" Division beitten.
Bei der empirischen Divixion kommt es vor allem darauf an,
dafi die subordinierten Gattungen '') so gebildet werden, daß sie sich durch
mftglichst viele wesentliche, irreduzible Merkmale unter-
schäden '*). Einteilungssysleme, welche dieser Forderung Genüge leisten,
werden als natürliche bezeichnet. Einleilungs^steme hingegen, welche
lediglich eine Übersicht zu geben und die Bestimmung zu erleichtern
bezwecken. heiBen k tl n s 1 1 i c h e. Das Linn£sche Einteilungssvstem der
Pflanzen war in vielen Beziehungen künstlich, das jetzt abliebe, durch die
beiden de Jussieu, de Candolles u. a. allmählich begründete, kann als natür-
lich bezeichnet werden. Dabei ist nicht ausgeschlossen, daB die natürlichen
11) Belegung im weiteren Sinn, vgl. S. ■iöi>.
>3) Bei der Linntechen Einteilung der Pflanzen wird der erste Weg
mit dem zweiten verbunden.
") Gattungen wieder im logischen Sinn, also Typen, Klassen, Ord-
nungen usf.
11) Dabei beachte man, daB jede Einteilung eines Begriffs A. welche
sich auf die Verschiedenheiten eines Meriunals gründet, damit eine Einteilung
dieses Merkmals voraussetzt. Vgl. hierzu Herbart, LebA. z. Eial. in die
PhikM-, g 43 ( Sämll. Werke, Hartensteinsche Auag.. Leipzig 18fi(^ Bd. 1,
S- 960.).
1,1^.001
'S'c
596 IV- l*^ '^^ einzelnen logischen Gebilde und ihn Gesetze.
Systeme Debeober «icb dem praktischen BedOiinis nach Obeisicht Rech-
DUO! tnsen **).
Soweit es sich um dÜ KluaiGkation der oiganischeD Wesen handelt,
wefdeo von den nalOrlicheii Systemen vor allem auch die phyloreae-
tischen Vern andtachaftsbeziehungen, wie sie sich auch in der onlogene-
tischen Entwicklung wideispiegeln, berückachtiet Es steht dies mit der
soeben gesehenen Definition der natOiUchen Einteilungen durchaus im Ein-
klang, da phylogenetisch nahestehende Gattungen stets in besonders vielen
wesentlichen, irreduzibjen Herimalen flbereinstimmen.
Die Entscheidung, welche Merkmale als „wesentlich" anzusehen sind,
ist allerdings oft sehr schwierig (vgl. oben S. 566). Vom Standpunkt der
SV siemalischen Botanik und Zoologie wird man im allgemeinen diejenigoi
Uerkmale als wesentlich zu liezeichnen haben, welche nicht nur irrednzibel,
sondern auch für die allgemeinsten biologischen Funktionen besonders
wichtig sind (im Bereich der Zoologie z. B. Sexualorgane, EDtwicklnof,
Plazenta, Eihäute, Skelett, Blut, Herz u^.). ErfahrungsgemäB sind dies
eben auch diejenigen MerkmaJe, in deren Obereinstimmung die phylogene-
tische Verwandtschaft ganz besonders deutlich hervortritt (Homologien t).
Demgegenüber sind diejenigen Herkmale, welche auf relativ neuen Ao-
passungen **) an bestinunte Lebensbedingungen ^Leben im Wasser, fest-
sitzende Lebensweise usf.) beruhen, trotz ott sehr erheblicher diagnostischer
Bedeutung fOr die Klassifikation unwesentlich (Konvergenzmerkmale, Ana-
logien 1); hierher gehören z. B. viele Komponenten der ftuBerea KörperfoniL
der Tiere (Fischform der Wale *'), die Farbe der Blumenblätter der Phanem-
''^) Vgl. z. B. die Ausfuhrungen R. v. Wettsteins, Handbuch der syste-
matischen Botanik, S. Aufl. Leipzig-Wien 1911, und GrundzOge der geogr.-
morphol. Methode der Pfianzensystematik, Jena 1898, S. li u. 23; femer
A. Engler, SvUabus der Pflanzenfamilien, G. Aufl. Bertin 190», Gr. Auag.
S. VIT; Ludw. Radlkofer, Über die Methoden in d. boUn. Systematik, ins-
besondere die anatomische Methode, Festrede, München 18SA. namenlL
S. &8B.; J. Wiesner u. C. Frisach, Organographie u. Systematik, 3. AufL
1909; B. KOmer, Wundts Fhüos. Stud. 1866, Bd. 2, S. lU mit weiterer
Literatur. Die Cbarakterislik der natürlichen Gattung, die Wbewell in sein^
Fhilosophy of the inductive sciences gegetwn hat (London 1840, Bd. 1,
S. 476 ff.) bewegt sich in einem Zirkel. Sein Satz, daB natürliche Gruppen
nicht durch Definilioo, sondern durch „Typen" gegeben werden, z. B. dur^
eine Art, in det der Charakter der Gattung besonders dcutlidi ausgepr&st
ist, setzt voraus, daB wir die Gattung schon kennen.
^*) Man darf nicht etwa, wie dies gelegenflich geschieht, scfale^thin
alle Anpassunesmerkmale als unwesentlidi bezeichnen. Wenn die systema-
tische Zoologie heute die Wate zu einer besonderen Ordnung der Siugetiere
macht und sogar oft mit den Sirenen zusammenfaßt, so betrachtet sie offen-
bar die von der Anrassung an das Wasserlct>en herrührenden Merkmale
nicht als unwesentlich. Dabei bleibt freilich abzuwarten, ob die Zoologie
fvokhe Divisionen nicht schließlich doch preisgibt, soweit es sich um Be-
m-ündung einer wissenschaftlichen Klassifikation bandelt FOr
didaktische Zwecke wird eine rein phylogenetische Einteilnog sich
schwerlich empfehlen (vgl. H. E. Ztegler, VertL 4 D. zoolog. Ges. 190*).
") Es ist sehr charakteristisch, daß Aristotdes bei seiner relativ nalQr-
liehen Einteilung die Wale richtig zu den Säugetieren stellte, während n»
h. !■, II, l^.OOQIC
1. KapUeL Die Lehie von den Begiilfen. 597
«Bnwn usf. Oft gibt sich die UDneseDtlichkeit eine» Uericauüs auch duin
Inutd, daS es ganz isoliert, d. h. ohne eleicbzeilige VerAndening anderer
Omameikmale, von Individuum zu Individuum variiert.
I<otze (Loeik, Leipzig 1874, S, 147 ff.) betrachtet als das wesentUclie
Merkmal der natürlichen Klassifikation geeenOber der „kombinatorischen
«der kanstlichen", dafi iene „die gegenseitige Determination" der Merkmale
berOcksicbtigt, die in der kansUicbeii „nur nebenbei" Beachtung findet. Nun
b( ea ja allerdings richtig, d&B manche Merkmale „einen bestimmenden Ein-
fluB auf Gegenwart, Abwesenheit oder Modifikation anderer ausObon", und
dafi diese anderen, weil, sie eben auf die ersteren reduziert werden köimen.
im allgemeinen als unwesentlich bedachtet werden mOssen. Indessen ist
die Zahl der eisteren — nicht- reduziblen — Merionaie noch immer so groS,
daS wir gezwungen sind, eine engere Auswahl unter ihnen m treSen. Die
Schwierigkeit ist also keineswegs beseitigt. Es ist auch keineswegs etwa
itulftssig, die Wesentlichkeit eines MeAmals schlechthin an der Zahl der von
ihm bestimmten Merkmale zu messen.
Einen bemeikenswertcn Speziallail einer nalüriichen empirischen
Division bietet die Pathologie. Es ist bekannt, dafi einzelne Disziplinen der
letzteren, z. B. die Dermatologie und die Psychiatrie, sich bis heute noch
nicht einmal über die Grundeinteilung der zugehörigen Krankheiten einigen
konnten. Zum Ersatz für das phTlogenetsiche Hilfsprinzip, welches ia der
Botanik und Zoologie die Lösung vieler Einteilungslragen ermöglicht hat,
hat man hier oft das ätiologische Prinzip herangezogen, dabei aber
meistens die Tatsachen insofern vergewaltigt, als die einzelne Kianicheit im
einzelnen Fall sehr oft auf mehrere Ursachen zurOckzuführen ist (z. B. eine
«ogene und eine endogene Ursache). Auch Qberaah man, daB ein und die-
selbe Wirkung (nftmlich die Krankheit) ganz allgemein aus verschiedenen
Ursaebenkonwlexen hervorgehen kann. SchlieBlich ist es dann dahin ge-
kommen, daB in manchen dieser angeUich natürlichen Einfeilungssysteme
Ätiologisch definierte Gruppen koordiniert mit aymplomalisch bzw. nach dem
Verlauf definierten Gruppen aufgestellt wurden und damit die größte Ver-
wirrung gestiftet wurde ").
Eine besondere Schwierigkeit erwichst für die empirische Division,
wenn es sich um stelige Gebilde handelt'*). Kant (Krit. d. rein. Vem.,
ed. Eidmann, b. Aufl., S. 496) ") stellte sogar als Grundsatz auf: erstens, dafi
es ,4ucbt verschiedene ursprOiigUche und erst» Gattungen gibt . . .", und
zweitens. daS zwischen je zwei Arten immer noch Zwischenarten möglich
sind (datur continuum formarum, AfSnit&t der Begriffe). Ob eine solche
durchgängige Stetigkeit der Arten im Gegebenen in irgendeinem Sinne
besteht, oder ob die Lücken des Gegebenen von unserem Denken im Sinn
einer solchen Stetigkeit ausgefollt werden, entscheidet die Erkenntnistheorie.
Hier kommt nur in Betracht, daB zahlreiche solche stetige Gebilde existieren,
und damit erhebt sich die Frage, wie in solchen Fallen eine Division möglich
der Altere Plinius in seinem ganz äuBerlichen, kOnstlJchen System mit den
Fischen u. a. zu den Wassertieren rechnete.
'*) Vgl. Ziehen, Neural. Zentralbl. I&IO, Nr. SO, S. 11S6.
1*) Vgl. hierzu namentlich B. Erdroann, Pbilos. Monaldielte ISW,
Bd. 80, S. 15.
*°) Die Kehrbachache 2. Auflage S. &U bat eine ganz falsche Inter-
punktion.
OgIC
598 '^- Teil. Die eipzeinen logischen Gebilde und ihre Gesetze.
ist. Häufis behelfen wir uns mit niUkQrticbeD Teüungspuskten, lOr deren
Auswahl irgendwelche Zweckm&Bigkeit m&Bgebend ist (alte Härteskala der
Mineralogen). Wissenschaftlicber wird dos Verfahren, nena wir ein BildungS'
Prinzip für die stetige Reihe ermitteln (vgl. S. &77) und aus diesem bin ein-
heitliches Ma& herleiten (die absoluten MaBsysleme der Physiker, z. B. ab-
solute Härte nach Halz); wir können dann z. ß. die natOrlichc Gliederune
der Zahlenreihe ohne jede Willkür auf die stetige Reihe Obertmgen. Die
Stetigkeit der Zahlenreibe entspricht dann- der Stetigkeit 6&i einzuteil^ideii
Reihe, und die Gliederung der Zahlenreihe (Stuten der ganzen Zahlen ud-)
liefert die Division. Ein anderes Auskunltamittel ist uns oft darin Eesä>eii.
dafi viele stetige Reihen, unbeschadet ihrer Steilheit, doch fest« Punkte
(Wendepunkte usf.) zeigen; man denke beispiebweise an die Division der
stetigen Mannigfaltigkeit der Kurven zweiten Grades mit Hilfe bestimmter
Werte der Diskrirainante, wie sie S. CfiCt schon beispielsweise ansehlhrt
wurde (s. auch unten), usf. Imnterhin bleiben noch manche stetige Gduelt
ilhrig, für welche alle diese Mittel veraasen (EinleilunE der Affekte, der Ge-
steine usf.). Wir sind dann gezwungen, vorlaufig ganz äuBerliche Momente
zur Einteilung zu verwerten, z. B. Häufigkeit (Gruppierung der Gesteine um
t)e9ander3 häufige Mischungstypen) oder Ort des Vorkommens usf.
Bei der logischen Division s. stf. (vgl S. 666), die vielfach
auch Division schlechthin genannt wird, wird die für sie charakteristisebe
enchopfende Vollständigkeit im einfachsten Fall durch fortgesetzte logisch*
Dichotomie erreicht, d. h. durch die fortgesetzte Einleiluoc in zwei
kontrapositorische Gruppen, d. h. zwei Gruppen, die in der Beziehung der
partiellen Negation stehen (vgl. S. 644 f.]. So kann man z. B. die Kurven
zweiter Ordnung in zerfallende und nicht- zerfallende einteilen und dann
weiterhin die nicht zerfallenden in im Endlichen geschlossene und im End-
licben nicht geschlossene usf. Sehr oft können wir jedoch auch, ohne die
erschöpfende Vollständigkeit zu gefährden, l r i c h o tomisch einteilen. Sa
wurde oben bereits angedeutet, daß wir_ dieselben Kurven zweiter Oittonng,
soweit sie nicht in Linienpaarc zerfallen, in drei Gruppen einteüeo, je
nachdem &,.= — a, a^^ gleich Null oder größer als Null oder kleiner als Null
ist. Wir höben eine anschauliche, wie man gewöhnlich sagt, aprioriscbe
GewiBheit, daB eine vierte Möglichkeit nicht gegeben ist "). Es ist selbst-
verständlich logisch angängig, jede solche Trichotomie auf eine wiederholte
Didiotomie zurückzuführen, indes entspricht eine solche Zurücifühning
keineswegs stets dem natürlichen Denken.
Sehr bemerkenswert ist die Tatsache, daß wir durch solche logische
Diebo- und Tricbotomian (event Folytomieo) *^ zuweilen Eu UateigattuDgeii
gelangen, die nicht nur nicht empirisch belegt sind, sondern sogar direkt vop
unsrer Erfahrung ausgeschlossen erscheinen. So hat z. B. die snairtische
Geometrie für die homogene Oleichung eines Linie npaars ") die Fonnet
Ax> -(-26x7 + Ct>=sO aufgestellt and drei Fälle logisch-tricbotomiscb unter-
schieden, je nachdem B» — AC>0 oder = 0 oder < 0. Ist B»— AC>0,
") Wenigstens nicht für reelle KoeffizienteiL — Die Untersuchung dieser
„(lewKheit" fällt der Erkenntnistheorie zu.
=') Für logische Tetratomien ist Schleiermacher eingetreten (Dialektik,
Berhn 1839. § 290. S. 2« f(.).
") Zur Vereinfachung ist ein Linienpaar durch den Nullpunkt an-
1. Kapitel. Die Lehro von den Begriffen. - 599
^90 jxmitiv, so cQtspricht die Gleichung zwei reellen (empiiiach belegten oder
belegbaren) Oeiaden. Ist B^ — AC=0, so entspricht ai« zwei zusaromen-
faUenden reellen Geraden ;e i n e r Geraden nach der gewöhnlichen Aus-
ilruckaweise). Ist endlich B^ — AC<0, also negativ, so entspricht sie einem
Paar konjugiert imaginärer, also empirisch überhaupt nicht belegborer
Geraden. In diesem letzten Fall fflhrt also die bgiscbe Division lu einem
tiberschreiten der Erfahrung, dessen Untersuchung eines der interessantesten
Pn^leme der Erkenntnistheorie ist. Andrerseits ergeben sich sehr oft bei
der logischen Division auch Gruppen, zu welchen auf anderem Weg auch
die natflrlicbe Division gelangt ist. so z. B. bei den Einteilung der liere in
Wirbellose und Wirbeltiere oder bei der Einteilung der Tiere in Einzellige
(I^tozoen) und Vielzellige (Uetazoen) und bei der Einteilung der Wiri>el-
tiere in Amnioten und Anamnier.
Diejenigen älteren spekulativen philosophischen Systeme, welche allem
(iegebenen in monistischem Sinn eine hypothetische Einheit zugrunde legten
und aus dieser das Gegebene deduktiv ableiten wollten, waren genötigt, durch
logiBcbe Divisionen von jener Einheit einen Weg zu der Mannigfaltigkeit der
gegebenen Gattungen. Arten und Individuen zu suchen. Streng genommen
durfte dabei nicht einmal für die Aufstellung des positiven Gliedes der ein-
zelnen logischen picbotomie die Erfahrung zu Rate gezogen werden. Die
(ieschicbte der Philosophie lehrt, daS alle diese Versuche von Fichte (ich
und Nicht-Ich), Schelling und manchen anderen gescheitert sind.
Mit der Frage nach der Technik der Division verkndpft sich die weilet«
Frage nach einer zweckmäBigen Bezeich nungsmcthodu lür die
sVsteraatisch eingeteilten Begriffe. Linnä hat die sog. binäre Nomenklatur
eingeführt (Beispiel; Rosa canina): das Sut>stantivum gibt das Genus proxi-
mum, das Adjektivum die Differentia specifica an. Die höheren Gattungs-
stnten bleiben unausgedrOckt. In manchen Fällen ist eine Ersetzung der
Wfirter durch Buchstaben und Zahlen vorzuziehen. Man gewinnt damit zu-
gleich auch die Möglichkeit, die Skala der höheren Gattungsbegriffe voll-
stindig zum Ausdruck zu bringen (z. B. Ac JIl). Jedenfalls sollten solche
Temüni einheitlich festgesetzt werden, sobald die Division cndgaltig test-
gestellt ist. Die Schwierigkeiten, welche sich daraus ergeben, daS für manche
Arten usf. mehrere Termini existieren, kOnnen nur von P'all zu F^ll geregelt
werden. Das sog. Prioritätsgesetz darf nicht allein maBgebend sein (vgl.
H. E. Ziegler, Zool. Anz. 1911, Bd. 38. S. 368 u. Zool. Annalen 1913, Bd. r>.
S. 266).
Historische Bemerkungen. Die Lehre von der Division
iJuUfttK) gehl bis auf Plato (vgl. z. B, Fhaedrus 265/6) zurück. Bei
Aristoteles spielt die iuU^CK {iuufüf und AiaetTa»at, gleichbedeutend)
eine Hauptrolle, ohne daB ihre Theorie systematisch weiter entwickelt würde
[vgl. uamentl. ^Uad. Ausg. 96 ff., 14311., Mabfl.). Die Stoiker {vgl. Diogenes
Laert., De dar. philos. vit. VII, 61, ed. Cobet, Paris 1878, S. 172) unter-
schieden als iit'Ttiiaie4ai( diejenige Division, deren Glieder in konlra-
positorischem Verh<nis stehen (a«r' ano^atw, logische Division im
prlgnanten Sinn, s. oben S. 595). Die fortgesetzte Einteilung wurde als
amoAml^ie (Subdivision) bezeichnet. Obrigens scheint es, dafi der Ter-
minus itai^K oft auch in viel weiterent Sinne für jede Teilung hzw,
Einteilung (nicht nur die Zerlegung einer Gattung in subordinierte Gatlungeii
bzw. Arten bzw. Individuen) gebraucht wurde, vgl. Sextus Empiricus, Fyrrli.
HTPotTP. n, 213, ed. Bekker S. 107 (Beziehung auf stoische Lehren sehr
OgIC
QQQ IV. Teil. Die einzelnen losiachen Gebilde und ihn Gesetze.
^¥ah^sdleinlich). Als fUfMfäs scheint man im Gegensatz zur Eioteilung in
subordinierte Gatlungea usw. vorzuKaweise die Teilung eines Ganzen in seine
Teile bezeichnet zu haben, doch ist die Bedeutung dieses Tenninus bei den
Stoikern noch nicht ganz aufgeU&rt. Die römischea Logiker Qberaetzten
AAEpfoif im Sinn der Zerlegung in subordinierte Gattungen mit „divisio",
wfthrend sie for die Teilung eines Ganzen in Teile den Tenmtius „partitia"
brauchten. Die niittelalteriiche Logik hat die Lehre von der divisio in theo-
retischer Beziehung nur wenig gefördert. Eine nicht ganz klan Darsteliuitt
der Division gibt Thomas v. Aquino (Sununa theo). U, 1, Qu. 35, Art. 8,
17. Aufl. Parts, Bd. 3, S. 6M). — Die neuere Philosophie hat in der Regel
gleichfalls nur die logische DiTiaion a. stf. gelten lassen und die emiansche
Division trotz ihrer ausgebreiteten Venvendung in vielen Wlsseoschaflea
meistens wenig beachtet. Die Terminologie der logischen Division in der
vor-Santschen Zeit findet man z. B. bei A. G. Baumgarten (Acroasis logic«.
ed. ToeUner, 2. Aufl. Hai. Magd. 1773. S. COS., g 192 ff. mit deutschen Ober-
setzungen der Termini). Kant (Logik g 110} definierte die logische Einleiluns
eines Begriffes als seine .Bestimmung in Ansehung alles Möglichen, was
unter ihm enthalten ist, sofern es einander entgegengesetzt, d. i. von eLoandet
unterschieden ist". Außerdem glaubte er drei .Jogiscbe Prinzipien" aufsteUes
zu kennen: das Prinzip der Homogenit&l (Gleichartigkeit des Hannigfaltigen
untef höheren Gattunfen), du Prinzip der Spezifikation (Varietät des Gldch-
arligen unter niederen Arten) und das Prinzip der Kontinuität (kcntinuier-
licher Übergang von jeder Art zu jeder anderen durch stufenartiges Wachstum
der Verschiedenheit). Siehe auch oben S. 597. Chr. Aug. Crusius (Weg z.
GewiBheit u. Zuverlässigkeit d. menschl. Eriicnntnis, Lpz. 1747. § 506 u. 168)
wollte Einteilungen der logikalischen und Einteilungen der realen Oppoäiioa
untCTBCheiden **). Erst in der neuesten Zeit haben Wundt, Erdmann u. a
auch die empirische Division eingehender berücksichtigt. J. P. Durand (de
Gros) hat in seinen Apercus de faiinomie g6n*rale, Paris 1899* sogar eine
besondere allgemeine Ei nteilungs Wissenschaft („taxinomie") zu entwick^
versucht und dabei die Einteilunsen der Natuiwissenschaften vorzugswnse
zugrunde gelegt Lange vor ihm haben i. SL Uill (A System of togic, tat.
and induct., 3. Aufl. London 1861, Bd. 2,' S. 235 ff.) und W. Whewell (The
philosophy of the induclive sciences, I,ondon 1840. Bd. 1, S. 449 fL. naownlL
476) denselben Weg eingeschlagen.
2. Kapitel
Die Lehre von den Urteilen
§ 108. Dos Urteil im allKemeiosten loKisehen Sinne.
Allgemeine loKiscIie Urtellstlieorten. In der peychologisclien
Onmdieffung (t 74, S. 363 ff.) ergaben räcli für das Urteil im
psychologisclien Sinn folgende wesentliclie Merkmale :
1. ZQsammensetznng aus wenigstens zwei Vorstellungen,
2. snkzeesiver Ablauf dieser Vorstellnngen, 3. Verknüpfung
derselben durck die 3 Stammfunktioncn (ausnahmsweise nur
"*) Vgl. auch Bolzano, WissenschaHsldire, Sulzbacb 1887, Bd. 4, ?■ S53.
2. Kapit^ Die Lehre von den Urteilen. gOI
eine^) oder nur 2 Stammfonktionen), 4. das Denken einer teil-
weisen oder vollständigen Deckung der Individualkoeffl-
zienten (vgl. hierzu S. 369 ff.) mit Hilfe der komparativen
Funktion (vgL S. 375).
Sie erwiesen sich als ausreichend, um das urteil einer-
seits von der znsammengesetzten Vorstellnng und andi^r-
Höits von der disparaten Ideeaassoziation zu unterscheiden.
Außerdem zeigte sich, daß das zweite Merkmal dem urteil
nur während seiner Bildung — gewissermaßen im Statu»
nascendi — zukommt; reproduzieren wir ein früher gebil-
detes urteil, so kann der sukzessive Ablauf ganz zurück-
ti-eten. Endlioh sahen wir, daß, wenn man sich nicht auf den
psychologischen Tatbestand beschränkt, sondern auch die
Beziehung des Urteils zu seinem Gegenstand (dem be-
urteilten Tatbestand) und die formal« Richtigkeit (Eonkre-
panz) der im ürteU voUzogenen Vorstellungsverknüpfnng
untersucht, auch die schon von Aristoteles hervorgehobene
Xägenschaft, material bzw. formal richtig oder falsch zu »ein,
zu den wesentlichen Merkmalen des Urteils im psycho-
logischen Sinn gerechnet werden kann (vgL S. 363 u. 376).
Es fragt sich nun vor allem, wie das Urteil im logi-
schen Sinn zu definieren oder zu charakterisieren ist, wie-
weit also jene Merkmale des Urteils im psychologischen Sinn
auf das logische Urteil übertragen werden können bzw. wie
sie abzuändern und zu ergänzen sind.
Was das erste Merkmal — die Zusammensetzung aus
Vorstellungen — betrifft, so ist selbstverständlich, daß im
logischen Urteil an die Stelle von Vorstellungen schlechthin
die Normalvorstelinngen, d. h. die Begriffe
unsrer Terminologie treten (vgl. S. 435). Die Frage, ob es
auch eingliedrige, d. h. aus einer Vorstellung bzw. einem
Begriff bestehende und in diesem Sinn nicht-zusammenge-
fietzte Urteile gibt, wird bei der Besprechung der verschie-
denen Formen des Urteils in ^ 112 zur Erörterung gelangen,
und es wird sich dann ergeben, daß die Eingliedrigkeit sol-
cher Urteile (wie z. B. es regnet, pluit, Gott ist) nur schein-
bar ist.
Das zweite Merkmal — der Sukzessivverlauf — könnte
bei oberflächlicher Betrachtung mit dem Normcharakter der
') Dieser Orenzlall liegt vor, wenn skb die VeitnQpfuns auf den sub i
.aitftfabrten Punkt beschrADkl.
502 '^' Teil. Die einzelnen loBJKben Gebild« und ihre Geselic.
logischen Gebilde unverträglich scheineu, so daß man viel-
leicht geneigt wäre, es aus der Beihe der Merlcmale des logi-
schen Urteile ganz zu streichen. Eine sorgfältigere Über-
legung lehrt jedoch, daS dies irrig wäre. Der Normcharakter
der logiscbeu Gebilde bedeutet nicht etwa, wie dies manche
Logizisti^n behauptet haben, eine absolute Zeitlosigkeit,
sondern lediglich eine Unabhängigkeit von den mit der Zeit
wechselnden psychologischen Bedingungen. Das logische
Urteil ist ein Mormalgebilde, insoweit ee konstant gedachte
Vorstellungen („Begriffe") in konstanter Weise verknöpft
Ob diese Verknüpfung in der Zeit abläuft (Sukzessiv-
charakter hat) oder nicht, ist eine Frage, die mit dem Norm-
charakter gar nichts zu tun hat. In der Tat lehrt nun aueli
die Untersuchung der logischen Gebilde, daß wir dniehaos
nicht gezwungen sind, von ihr«n zeitlichen Ablauf völlig
abzusehen. Wir können das Urteil als ein fertiges Er-
gebnis unabhängig von seiner Entstehung betrachten (vgl.
die Bemerkung S. 372 über reproduzierte Urteile, ans der
sich ergibt, dafi eine solche Betrachtung auch für das psy-
chologische TTrteil oft möglich und notwendig ist), wir
können aber auch gerade die sukzessive Entstehung in das
Ange fassen, ohne den logischen Standpunkt aufzugeben').
Wie wir bei dem Schluß das Merkmal der Sukzession auch
auf logischem Gebiet werden festhalten können, so auch bei
dem Urteil. Wir werden also sagen, daß die Logik wie die
Psychologie das Urteil bald als einen ablaufenden Prozeß.
bald als ein fertiges Ergebnis betrachtet. Ohne weiteres ist
aber zuzugeben, daß die zeitliche Beziehung für das logische
Urteil nebensächlich ist
Ma.n könnte auf den Gedanken kommen, den zeitlichen Ablauf bei dem
logischen lirteil und ebenso bei dem logiscben Schluß lanz durch das Ver-
h&Hnia der Fundiening (des Bedingtseina) zu ersetzen und nur in diesem
Sinn 7.. B. dem Subjekt eines Urteils bzw. der Pflmisc ranes Schlusses
eine „Priorität" tuiueestehen. Indes erstens ist daa FundieranRsrerliUtni»
doch nicht in allen F&llen ein zulänglicher Eisalz (vgL z. B. ein Urteil wie:
hier steht ein Baum, siebe auch S. 370}, und zweitens will doch ebeo die
Tiogik nach unsrer Auffasaune nicht wie die Gignomenolofie die vom Denken
unabhängigen Tatbestande, sondern die Verhältnisse des richUsen Denkens
der Tatbestände feststellen, und dieses richtige Denken ist uns vielfsdi als
sukzessiver Akt eeseben. Die Logik darf also nicht einseitig Urleil und
Schluß nur als fertige Ergebnisse lietrachtep. Auch , praktisch wOrda sie
skb bei einer solchen einseiligen Auffassung zur Unfruchtbarkeit veruileiten.
Die Urteilsiehre wQrde in der Lehre vom Begriff autgehen.
5) Andrer Meinung ist Erdmann, f^gik, % .Aufl., S. 335.
h. !■, ii,l^.OOglc
3. Kapitel. Die Lehre von den Urteilen. 003
Das dritte Merkmal — die Verknüpfung durch die
Stammfunktlonen (DifferenzieruogBfanktionen) — kommt
selbstverRtändlicb auch dem Urteil im logischen Sinne zu.
Dasselbe gilt von dem vierten Merkmal, der teilweisen
oder vollständigen Deckung der IndividualkoefÖzieuten. Eb
muß nur hinzugefügt werden, daS Verknüpfung und Deckung
im Sinn der Normal isiernng konstant gedacht werden.
Man beachte wohl, daß die Individualkoeffizienten des Subjeltts, nicht
dieienigea dos Prädikats den Ausgangapunkt der Vergleichung bilden. Das
L'rteil besagt, daQ für ein Subjekt mit gegebenem Individualko effizienten ein
Prädikat vorhanden ist mit demselben Individualko effizienten. Dabei bleibt
offen, daB dem Prädikat zuweilen auch noch andere Individualkoeffizienten
zukommen (vgl. S. 369). Im letzteren Fall ist die Deckung nur partiell.
So ist beispielsweise in dem Urteil „Kochsalz ist Chloxnatihun" die
Deckung vollständig: «o und wann Kochsalzy da und dort Chlornatriuro.
und, wo und wann Clilomatrium, da und dort Kochsalz. Dagegen ist in
dem Urleil „die Forelle ist ein Fisch" die Deckung partiell: wo und wann
Forelle, da und dort Fisch, aber nicht umgekehrt: wo und wann Fisch, da
Forelle. Hieraus erhellt auch sehr deutlich, daß die vollständige oder teil-
«eise ■ Deckung der Individualkoefflzienten stets eine Cmfangsverglcicbung
der im Urteil verknüpften Begriffe involviert; keineswegs Jedoch ist es not-
wendig,' daß dem Urteilenden neben der Deckung der Individualkoeffizienlen
auch die Umfangsbeziehung gesondert sum Bewußtsein kommt Bei dem
Urteil „der Schnee ist weiß" müssen wir immer denken: „wo und wann
Schnee, da und dann weiß"', nicht aber müssen wir gesondert hinzudenken :
der Schnee gehört zu der Klasse der weißen Dinge. Die wichtige Einteilung
der Urteile in Äquale und in&quale beruht auf diesen FeststeUiingen (vgl.
§116).
Zusammenfassend kann also das Urteil im logi-
Hcfaen Sinn definiert werden als ein wenigstens
zwei Begriffe (Normalvorstellungen) enthalten-
des psychisches*) Gebilde, dessen Begriffe
dnrch Differenzierungsfunktionen konstant
verknüpft und speziell bezüglich ihrer Indi-
vidnalkoe'f f izienten in konstanter Weise als
vollständig oder partiell sich deckend ge-
dacht werden, und das sowohl als ein sukzes-
siver Prozeß wie als ein fertiges Ergebnis
aufgefaßt werden kann. An beliebigen Beispielen
kann man sich leicht tiberzeugen, daß keines dieser Merk-
male entbehrlich und auch kein weiteres erforderlich ist.
Unsicher könnte nur die Abgrenzung gegen den Schluß er-
scheinen, auf welche erst in ^ 120 u. 121 und im nächsten
ä) Die Rechtfertigung der Zurechnung zu den „psychischen" Gelxlden
ergibt sich aus den Erörterungen in § 87.
004 ^- Teil. Die ein»la«n loaiscben Gebikte und ihre Geaetze.
Kapitel eing^angen wird. Will man diese schon jetat
fixieren, so hätte man nnsrer DeflnltioQ noch folgenden Be-
latiTsatz hinzoznfägen *) ; und das nicht ans sukzes-
siven Teilurteilen besteht, deren letztes
(dominierendes) als SchluBorteil dsreh die
Diff erenzierungsf anktionen ans den vorher-
gehenden abgeleitet wird.
Das Urteil : „Eisen bl ein panmunetiaches Metall" l&Bt sich alleidings
in zwei Urteile („Eisen ist, ein Uetall" uCd „Gi»en ist panmagnctiach") aer-
lesen, aber man wird es nicht als Schluß bezeichnen, wenn nicht die Suk-
Zession vorliegt: „Siaen ist ein Metall, Eisen ist panuoagnetisch, also ist
Eisen ein paramagnetisches IMall" (vgl. S. 392 Ober konjunktive Urteile).
Das Urteil ,^isen ist ein paramagnetisches Metall" kann sehr «ohl auf deo
beiden Urteilen „Klsen ist ein Metall" und „Eisen ist paramagnetiach" be-
ruhen und tats&chlich froher aus ihnen im Sinn eines Schlusses h e r -
vorgegansen sein, und ist gleichtrohi ein Urteil und kein SchluB; nuf
wenn zur Zeit seiner Fällung die beiden anderen Urteile aktuell rorau»-
sehen und es durch die DiSerenzierungsfunktionen aus ihnen aktuell
abseleitet wird, ist dieser ganze (1) ProzeB als SchluB zu be-
neichnen. Dasselbe gilt von allen Urteilszusammenfassungen, die wir S. 393
als KoUigalionen kennen gelernt haben („der Schnee ist weiB und kall">.
Die iMlierte KoUigalion ist ein zusanunengesetztes Urteil, die UrteilsreÜi«
,Atr Schnee ist wei£, der Schnee ist kalt, also ist der Schnee weiB und kalt"
ein SchluS. — FaBt man den SchluB nicht als sukzessiven ProzeS, sondern
als fertiges Ergebnis auf, so f&llt zwar das Moment der Sukzession und
damit ein Unterscheidungsmerkmal weg (uCejus ist als Mensch sterblich"),
ganz ebenso, wie die Grenze zwischen zusammengesetztem Begriff und Urteil
verwischt wird, wenn das Urteil seines sukzessiven Charakters entkleidet
wird; aber das fehlen eines dominierenden SchluBurteils bleibt als aus-
nichendes Meikm&l des zusammengesetzten Urteils gegenüber dem Schliß
bestehen. Vgl. g i30-
Es könnte zweckm&Big scheinen, fOr das psychologische und das logische
Urteil zwei verschiedene Tennini einzufOhien (nach Analogie von „Vorstel-
lung" und ,fiegn!r'). Man hätte dann erateres etwa als Urteiisassoziation,
letzteres als Urteil s. str. zu bezeichnen.
HislorischesL Die Begriffsbestimmung des Urteils sowohl im
psychologischen wie im logischen Siim ist bis heute strittig. Die wichtigsten
psychologischen Auffassungen und Theonen des Urteils wurden be-
reits S. 864 tf. besprochen. Viele Urteilstheonen wurden Qbngens von ihren
Vertretern ohne auaieidiende Treimung des psychologischen und des logischen
Urteils aufgestellt. An dieser Stelle sind nur noch einige nin-logische
Urieilstheorien und Bezeichnungen für das Urteil im logischen Sinne
*) Han beachte, daß der erste zweiteilige Relativsatz das Unterschei-
dungsmerkmal des Urteils von der disparaten Ideeoasscziatioa (einer dis-
paraten Begrifisreihe), der zweite Relativsatz das Unterscheidungsmerkmal
des Urtüls vom zusammengesetzten Begriff, der dritte dasjenige vom SchluS
etsibL Da& das letztgenannte auch für das sog. hypothetische Urteil gilt,
wird sich in S 120 ergebeii.
3. Kapitel. Die Lehra von den Urteilen. QOg
nacbzutragen. Plato unterscheidet überhaupt nicht schaff zwischen dem
psychologischen und dem logischen Urteil und hat noch keine feste Termino-
ji^e. Öfters braucht er für das Urteil im allgemeinen die Bezeichnung
A«*wia; den Satz°) bestimmt er daher ungefähr richlig als *i «nö t^s
Aafime ^tvfia Aä raü aiifiatot U» /iH« 99iyy«v (Sophist. 963 E) und nennt
ihn oft iiY<n. Da er aber zuweilen auch das Urteil als Üyat bezeichnet
(zuweilen sogar nur das definierende Urteil, s. oben S. ül^, so kann von
einer festen Terminologie noch keine Rede sein. Sehr klaf hat er aber schon
erkannt, daB die bloBe Aufeinanderfolge {awigua, Sophist. 262 C) der Vor-
stellungen nicht genügt, um ein Urteil zustande zu biingen, daB vielmehr
eine Verknüpfung «itiUiiiaKii, auVffwiflhinzukomraen muB, das Urteil also ein
nUyftaisi (vgl. jedoch S. 367). Auch bei Aristoteles venniBt man eine
scharfe Unterscheidung zwischen psychologischem und logischem Urteil. In
der Regel faBt er beide als initpttKVic*) oder Xär^ ätt»^aitt*it zusammen
und charakterisiert das Urteil speziell als denjenigen liy»t anaqiarnMit, iv
^ I« äliiHUur q if"iit«S^ti viteqx— (vgl Ober diese Auffassung S. 364 f.).
Wenn er dann weiterhin erklärt: „Aniv n inXn iniiparmt 9>w^ viifutvtaii
TUfl Toü «na^jiiv 9 fi^ vnäfxuv- (Akad. Ausg. 17 a 22). so leuchtet ein.
daB sich diese Definition, ganz abgesehen von ihrer Unzulänglichkeit (vgl.
S. 867), mit der ersten nicht vollkommen deckt. Die Stoiker bezeichneten
das Urteil ab aHaifia, seinen sprachlichen Ausdruck als USk; zur Charakte-
ristik des Urteils im It^chen Sinn, haben sie keinen wesentlichen neuen
Bdtrag gelieferL Die hämischen Logiker bezeichneten das Urteil
— immer noch ohne scharfe Unterscheidung des logischen und des psycho-
logtscheo Urteils — als proloquiura, prolocutum oder protatum (M. Ter. Vairo,
De lingua lalina, ed. Goetz u. Scholl, Lips. 1910, S. 77, 196 u. 236; vgl. auch
A. Gellius, Noct. Alt. XVI, 8, ed. Hertz 1861, Bd. 2, S. 157) oder pronuntiatum
«der enuntiatum oder enuntiatio (Cicero). Appuleius (De dogtn. Fiat., nt(i
Jf/i^ffiaf, ed. Thoraas, Leipzig 1908, S. 17&) braucht vorzugsweise den
lerniinus „propositio" (neben pronuntiabilis oratio, piotensio und rogamen-
tum). Augustin verwendet in der Schrift Principia dialecticae. deren Echt-
heit freilich nicht unbestntten ist, den Terminus sententia (Mignes Patrol.,
Bd. 32, cap. 2, S. 14^); das einfache Aussprechen des Urteils heifit elogui,
das Beurteilen eines Urteils proloqui (ebenda cap. 4, S. 1410; die Deutung
der Stelle scheint mir lucht ganz unzweifelhaft). Bei Boölhiue überwiegt
die Bezeichnung „enuntialiva", daneben findet sich derlenninus „propositio",
namentlich wenn die einzelnen Urteilsformen genannt werden (propositio
praedicativa usf.). Allenthalben tritt nunmehr die psychologische Etedeutnng
noch mehr als früher gegen die logische zurttck.
Über die Terminologie der scholastischen Logiker sei hier nur
kurz bemerkt, daB die Tennini sermo (besonders häufig z. B. bei Abaelard}.
') Vgl. hierzu G. E. Uphues, Die Definition des Satzes. Nach den plat.
Dialogen usw., Landsberg 1882.
■) nfiiavK nennt Anstoleles das Urteil, wenn es Glied eines Schlusses
ist. Seine Schüler scheinen zwischen dnitpimote und a^itnav so unter-
schieden zu haben, daB fdr erstere das äXii»^; q vo^q^ tlrat, für letztere
das wra^tnwtüf (bejahend) 4 ajte^aiuif (verneinend) UyKtai charakte-
ristisch ist (Alexander Aphrod., ad Analyl. prior., Akad. Ausg. 11, 1, Berlin
äste, S. 10).
305 IV. Teil. Die cintelneii logischen Gebilde und ihre Gesetze.
praedicatio, enunliatio praedicali. propositio ''), enunUabile, enuntialivK (z. B.
in den lateinischen ÜbersetzunRen der logischen Werke arabischer Fhilo-
aophen), compjexum (vgl. S. 69] u. a. m. ohne scharfen, testen Unterschied
eebraucbl werden *). Nur gaoz allmählich büig«rte sich auch der Tenninus
Judicium ein. vrI. Thomas v. Aquino, Summa tbeoL U, 2, Qu. 60, Art. 1.
IT. Aufl. Paris, Bd. 4r, S. 4S8: ,.nomen judicii, quod secundum piinuun im-
poailionem significat rectam delenninationem justorum, ampliatum est ad
siBnificandum rectam determinationem in quibuscunque rebus tarn in specu-
lativis quam in praclicis; daher wurde ein Judicium, qualiter res esse debeal,
und ein Judicium, qualiter res sit. unterschieden (Thom. t. Aq,, Quaest. disput
de veritate, Quaest. 8. Art. i, Opp. ed. Venet. 178t, Bd. 16, S. 296 b). D«
Terroiuus proposilio wurde liAufiB dann bevorzugt, wenn es sich um ein
ITrteil als Glied eines SchluBgefüee.t handelt (Thom. v. Aq.. Tolius logicae
Aristotelis summa IV. De syllog. cap. 1, ed. Venel, 1508, S. 194 v). Mit
Judicium synonym galt auch sententia (Thom. v, Aq., Sunuiu. theol. It. 1.
Ou. 13, Art. 1 ad 3 u. 6 ad 2, 17, Aufl., Bd. 3, S. «9 u. 4M). Ein einheit-
licher Sprachgebrauch entwickelte sich nicht (Bevorzugung von enunliatio bei
Duns Scotua, Opp. omnia Paris 1S91, Bd. 1, S. ÖS9 vat). Die allgemeine
logische Theorie des Urteils wurde von der Scholastik nicht wesentlich ge-
fördert.
Die r a m i s t i s c h e B e f o f m der Logik im 16. Jahrhund«1 bat sich
auch auf die allgemeine Lehre vom Urteil erstreckt. Man wollte Urteil und
ScbluS unter dem Terminus .Judicium" zusammenfassen und unlersclued
das Judicium axiomaiicum sive per so manifestum sive axioma (=i Urteil in
unserem Sinne) und Judicium dianoüticum sive dianoia („cum aliud axioma
ex alio deducitur"). Ersteres wird auch definiert als dispositio argumenti cum
argumento, qua esse aliquid aut non esse judicatur, letzteres ist Syllogismus
aul methodus (vgl. z. B. Petri Rami Dialeclicae lib. duo, ed. GuiL Rodingus,
Francof. 1677, S. 106 u. ISt; ähnlich Gocienius, Partit. dial, 2. Aufl. Francof.
1598, S. 33 u. 14«).
Auch die neuere Philosophie gelangte zunächst weder zu einet
lerminologischen, noch zu einer theoretischen Klärung. Bei Cartesius
tlberwiegt der Terminus Judicium. Wenn er die Bedeutung der assensio für
.das Urleil und seine Abhängigkeit vom Willen besonders hervorhebt, so be-
trifft dies mehr das psychologische Urteil. Gassendi (Philos. Epicur. Syn-
tagma f. 1) unterscheidet die enuntiatio orc facta und das Judicium mente
peractum. ~ Wolfl (Philos, rat. s. Logica, 2. Aufl. 1732, S. 129, § 39(-)
definiert das Judicium Als denjenigen „actus mentis, quo aUquid a re quadtm
diversum eidem Iribuimus vel ab ea removemus" und jäQt es daher in dem
„conjungerc vel separare" zweier Be^iffe (notiones) bestehen. Wird das
Urteil sprachlich ausgedrückt („verbis efferre"), so heißt es „eniuitiaüo sive
propositio", diese ist also (I?) ^=^ „oratio, qua alten significamus, quid rei
conveniat vel non convenial", Enuntiatio (propositio) und Judicium unter-
scheiden sich also älinlich wip terminus und notio (vgl. S. 167) ')- Im
') nporoöif bei Pscllus,
^) Damit soll nicht ausgeschlossen werden, daB einzelne Scho-
lastiker bzw. scholastische Schulen besondere Tennini bevorzugen oder auch
zwischen den Termini schärfer unterscheiden. Siehe unten.
'! Siehe auch Crousai. Logicae systema, Genevae 173*, S. *75'.
lA.OQi
,^^IC
2. K«pitel. Die Lehie von den Urleilen. 607
wescQllicheii deckt sich hiemiit auch die B a umga rl e nsche Definition
(Acroasis logica, ed. Töllner, 2. Aufl. Hai. Wagä. 1773, S. ^, S 206): Judicium
esl repraesentatio aliquonim coneeptuum ut inier se vel conveaieDtium vel
repusnantium : hinc relationis unius conceplus ad altemm, al quidem im-
mediata; Judicium symbolicum seu lerininis äignificatum est pi'opositio
(enuntiatio, tbesis). Als deutsche Ubersetzuoe wird in der TöllDerscheB
Au^Cabe für Judicium Urteil '"), für iifopositio Satz oder Aus9i>ruch aDsegeben.
G. Fr. Meier hebt in seiner Veraunfttehre (2. Aufl. HaÜe 1762. § 33*.
.S 462) ausdrücklich die Knlstehuna der Urieile aus VeiKleichung
.jtelehrter BeitriRe" hervor, T e t e n s (Philosoph. Vera. Ober die menscfal.
Natur u. ihre Enlwickelung, Leipm 1777, S. 365, Neudruck Berlin 1913,
S. 365) definiert das „logische Urteil" als eine „Gewahrnehmuns einer Be-
ziehuiuE der Ideen" und beanstandet die Lehre. daB die „.Aktion des Vr-
teilens" stets ein Vergleichen sei.
Nach Kant (ixigik, § 17} ist ..tin Lrteil die Vorstellung der Einheit des
Bewußtseins verschiedener Vorstellungen, oder die Vorstellung des Vcrbält-
niiises derselben, sofern sie einen Begriff ausmachen" "). Wenn Kant andrer-
seits (Kritik der Urteilskraft, Einleil. IV) die „U^leilskralt" als das „Ver-
mögen" beslinunt. „das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu
denken" und me in „bestimmende" und „reflektierende" einteilt, je nachdem
sie dem gegdwum Allgemeinen das Besondere subsumiert oder zu dem ge-
gebenen Besonderen das Allgemeine fmdef, so bleibt er den Nachweis, dafi
beide Definitionen sich decken, schuldig. Dasselbe gilt von einer dritten
Definition, die Kant/ fQr das Urteil gibt: es „sei die mittelbare Erkenntnis
eines Gegenstandes, mithin die Vorstellung einer Vorstellung desselben"
(KriL d. rein. Vern,, Kehrb. Ausg., S. S8). Wenn endlich Kant am gleichen
Orte behauptet: „alte Urteile seien Funktionen der Einheit unter unsern
Vorstellungen, da nftmlich stall einer unmitlelbaren Vorstellung' eine höhen:.
die diese und mehrere unter sich hegreift, loir Erkenntnis des Gegenstandes
icebraucht, und viel mögliche Eiienntnisse dadurch in einer zusammen-
gezogen werden," **), so scheint diese neue Definition nur für die sub-
sumierenden Urteile zueutreHen, streng genommen sogar nur für sub
sumierende Urteile mit individuellem Subjekt. Aul die erkenntnistheoretischen
Beziehungen, welche Kant >:wischen den Urteilen und den Kategorien auf-
stellt, kann hier nicht eingegangen nerden. Wohl aber ist hervorzuheben.
daB Kant sehr oft auch die objektive Gellung als ein wesentUches Merkmal
des logischen Urteils anführt (besonders scharf in der 2. Aufl. d. Krit d.
rein. Vem., § 19, Kehrb. Ausg., S. 666). An der üblichen Auffassung des
Urteils als der Vorstellung eines Verhältnisses zwischen nvei Begriffen ver-
■•) Woiri spricht in seineu deutschen Werken wohl auch von Urteilen,
bevorzugt aber den Terminus „Sätze" (VernOnfft. Gedancken v. d. Kräfften usf.,
6. Aufl. 1781, S. 68 fi.).
'') Vgl. auch die verschiedenen Definitionen in G. S. A. Mellins Ency-
c!opäd. Wörterbuch der krit. Philosophie, Jena-Leipzig 1803, Bd. 5, Abt. 1.
S. 662.
'^ Zum Verständnis dieses Satzes muB hinzugefügt werden, daB Kant
unter Funktion „die Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter
einer gem^nschaft liehen zu ordnen" versteht. Versucht man diese Definition
in derjenigen des Urteils einzusetzen, so ergeben sich manche formale
Bedenken.
1,1^. OQi
,g,c
608 'V- Teil. Die einzelaen logiseben Gebilde uod ihre Gesetze.
miBt K. eine Bestinunime, „worin dieses Veihailnis bestehe", und will
das Urteil definieren ,^ die Art, gegebene Etkeantnisse zur obiektiren
Kinheit der Apperzeption zu bringen" im Gegensatz zu den VorsleUuns9-
verbftllikissen noch Assoziationsgesetzen, denen nur sub)dctive Galligkeit zu-
koDunL Auch wenn das Urteil selbst entpiriscb, mitbin zuntllie ist, die im
Urteil verbundenen Vorstellungen also in der empirischen Anacbauung nicht
notwendig zueinander geboren, sollen sie nacb Kant doch „vermöge der not-
wendigen Einheit der Apperzeption in der Svntbesis der Anschauungen"
/ueinandereehören, d. h. „nacb Prinzipien der objektiven Bestimmung aller
Vorstelluneen, solem daraus Erkenntnis werden kann, welche Prinzipien alle
aus dem Grundsätze der transzendentalen Einheit der Apperzeption abge-
leitet sind". Nur hierdurch soll ein Urteil, d. h. ein Verhältnis, das
objektiv gültig ist. zustande kommen.
Diese letzten Auseinandersetzungen sind erstens de^alb wichtig, weil
sie einen der ersten Versuche darstellen, den tieferen Unterschied zwischen
dem Urteil und der disparaten Ideenassoziation nachzuweisen. Zweitens
aber bekommen sie dadurch eine besondere Bedeutung, daß Kant bei der
Durchführung seines Versuchs das unterscheidende Merkmal dSs Urteils nun
last ganz dem Psychologischen entrückte und in eine transzendentale Embeit
der Apperzeption verlegte, so daB er zu einer objektiven Gültigkeit des Urteils
nelanste. Er vers&umte dabei eine scharfe Definition des Objektiven und des
Ueltens und übersah, daß jene transzendentale Einheit der Apperzeption.
sow«t sie Oberhaupt hypothetisch zulässig ist, nicht nur für das Urteil, sod-
dem auch für die Begriffsbildung erforderlich ist, also zur Kennzeichnung
des Urteils nicht ausreicht Vgl. im übrigen die Erörterungen in § 59, 70
u. 76. Für den hier vertretenen Standpunkt ist sowohl die Beziehung auf
einen „Gegensland" (ein Objekt) wie <Ve Urteilsvetknfipfung der Vorstellungen
eine individuelle psychologische Tatsache, und erst durch die Normalisierung'
Relangen nir zu einer hypothetischen überindividuellen Bedeutung sowohl
der Begriffe wie der Urteile.
Kants unmittelbare Anhänger hielten gröStenteils an der letzten Lehre
Kants fest. Typisch ist z. B. die Deflnilion Kiesewetters: das Urleil
„ist die Bestinununif des Verhältnisses mehrerer Vorstellungen zur Einheil
des Bewußtseins" (Grundr. e, alle. Ijjsik, Berlin 1796, S. M. § 97). — .4u3
den vielfachen DeSnitioncn bzw. Charakteristiken des Urteils, welche sich in
Hegels Werken fmden, seien hier nur zwei Momente faervorgehobeD:
erstens die Auffassung des Urteils als einer Selbstzerlegung (,3csonderung",
,.DiremtioD") des Beeriffes (der Begriff urteilt, besondert sich) ") und zweitens
die .\uffaa3ung der im Gegebenen vorliegenden Talsachen als mit Urteilen.
wesentlich identisch („alle Dinge sind ein Urteil")^*).
Sine eigentümliche Abgrenzung des Urteils gegen den Begritt versuchte
Aug. H e i n r. Ritter (vgl. S. 141) in seinem AbriB der philosophischen
Logik (Berlin lS2i, 2. Aufl. 1830, S. 65 bzw. 50): die ForiD, wekhe das
'=) Wissenschaft der Logik II, t, 1 u. 2 (WW. 1^4. Bd. 5, S. 3*. 6B usf.
.. absolute ursprüngliche Teilung", „Itcaliaenu^" des Begriffs); Eneyklopidie
d, philos. Wiss.. Logik. § 166 0. (WW. 18*0, Bd, 6, S. 324 fl.); Wjssensch.
der Logik I, Allg. Eintnlung (WW. 1S33, Bd. 3, S. 49) u. a. m.
>•> Ercykl. 1. c. § 167 (WW. Bd. 6, 1840, S. 389). Man vergleiche d«mit
meine Erörterungen Ober Äe Inexistenz der Reduklionsbestandteile in den
Vorstellungen, Urteilen usf. (Erkenntnialheorie, Jena 1918, § 68 ff. a. S 87).
„.,,„, ^.oogic
2. Kapitel. Die Leb» von des UrteUen.
Bolzanos Lehre bedeutet sowohl tennuiologisch wie theoretisch eise
weaentliche Neuerung >■']. B. braucht als aJlgemeinen Terminus „SetE" Mr
das, was entweder wahr oder falsch sein muB, und uoterscheidet aus-
gesprochene, d. h. durch Worte aussediückte S&lze, bloB gedachte Sätze und
,,SAlze an sich". Die letzteren kommen also als eine neue Kategorie hinzu:
sie haben kein Dasein (keine Existenz oder Wirklichkeit), während der ge-
dachte, für wahrgehallene Satz Dasein im Gemflle des Denkenden hat^»),
sie sind — anders au^edrQckt — nicht Produkte unseres Denkens, sondern
ganz unabhängig von ihm S. 174 ff. wurden die Mängel dieser Lehre herdts
hervoisehoben. Hier ist nur noch zu bemerken, daß B. das Urteil als den-
ienigen „Satz, den irgendein denkendes Wesen für wahr hlR" (L c S. 86,
% 22) definiert; die Urteile (in Bolzanos Sinn) fallen also in die zweite
Kategorie der Sitze. Der Vorschlag Bolzanos, den Terminus „Satz" in ienem
oben angegebenen weiten Sinn zu gebrauchen, ist nicht durchgedrungen, viel-
mehr ist es nach wie Tor Qblicber, ihn auf das ausgesprochene, d. h.
in Worten formuherte Urteil zu beschränken {vtl S. 376 u. 401).
Trendelenburg (Logische UnUrs., Berlin 13», Bd. 2, S. IMfi.)
Dieint, daB das Urtöl sich — im Gegensatz zum Begriff — immer auf die
(reale) „Tätigkeit einer Substanz", den ,^t der Sache, den der Geist erfa£t"
tiezieht: „was ein Ding tut, das wird von seinem Begrifle geurteilt". Offenbar
scheitert diese Ueinung schon an Urteilen wie:',^er ist ein Baum" oder
„der Hund wird geschlagen". Ahnliche Ansichten hat später Jerusalem ver-
treten („das gegebene Objekt wird als Kraftzentrum gefaßt". Die Urteils-
funktion, Wien-Lpz. 189B, S. 86).
Viel bedeutsamer ist die Urteilstheorie von W. H a m i 1 1 o n [vgl. S. 165
u. 280). Hamilton betrachtet das Urteil (iudtment) als einen expliziten oder
entwickelten Begriff (expticit or dereloped concepl) und umgekehrt den Be-
griff als ein implizites oder nichtentwickeltes Urteil. Das Wesentliche eines
jeden Urteils ist das „Erkennen des Verhältnisses der Übereinstimmung oder
des Widerspruchs, in dem zwei Begriffe, zwei Individuen oder ein Besrifi
und ein Individuum, wenn man sie miteinander vergleicht, zueinander
stehen" *^). Jedes positive Urteil stellt also eine Gleichung oder Identifikation,
jedes negative eine Ungleichung dar, und zwar bezieht sich diese Gleichheit
bzw. Ungleichheit auf den Umfang des Subjekts- und des Prädikelshegriffs.
Hamilton lehrt nämlich") die sog. „quantlf icatio n" des Prädikats-
begrlffs, d. h. er behauptet, daß auch der letrter« — nicht nur der Subiekts-
begriff — stets in einem bestimmten Umfang gedacht «erde, und zwar in
einem Umfang, der mit demjenigen des Subjektsbegritfs abereinstimmt; so
würde z. B. in dem Urteil: „alle Pferde .qind Huftiere" Hufliei« nicht ge-
dacht werden als „alle Huftiere", sondern als „einige Huftiere" (nämlich
so viele, als es Pferde gibt). Hit diesen Erörterungen setzte Hamilton an
"■) Vgl. Wissenscbattslehre, Sulzbach 1887 (Neudruck Lpz. 19U),
S. 76 ff., § 19 ff.
") B. gibt )edoch zu, daB die ^tze an sich wenigstens „von Gott ge-
dacht oder vorgestellt werden" (L c. S. 78).
i') Lectures oa metaphysics and logic, £dinb. u. London 1866, Bd. S,
S, 226 fl. (Lect. XIH). ■*
^*) L, c Bd. 4, Appendix VI, c, S. SG7 ff. (namenll. auch S. 27S).
Ziahan, Lchitmeh d« I«gik. , 3(t
h. !■, ii,l^.OOglc
610 '^ 'I^'^"' ^'^ einzelnen loBischeu Gebildr und ihre Gesetze
Stelle der „S u b b u m t i o u s t h e o r i e" '•). welche bis d&hin in der Lehre
vom Urteil last ausachlieBlich ^} gebenscbt lutte, die Theorie von der
IdeoliUt des Umfanses. Kurz kann man die HainillonMhe UHeilsUieohe
auch ab extensive IdentilAtstheorie") bezachnen; während
man vor Hamilton fast stets dem Subjekt einen klei»«ren Umfanc ala dem
Pr&dikal zuaeschrieben hatte und dahef das Wesen der UrteilriicEiebung in
dem Entbalte&sein (Subsumiertseiu) des Subjekts im Umiaog des
Piildifcals gesucht halte, erklärte Hamilton die G 1 e i c h s e t z u n g des l'm-
fangs für das Wesentlicbe. Es leuchtet Übrigens ein, daS seine Ansicht mit
der bier enlwickelten Theorie des Urteils (im psycho logischen Sinn), d. b.
seiner Cbarakterisierung durch die Deckung dei Individualkoetfizientea Cl'
S. 360 u. 606) teilweise QbereinstimmL Hamilton Obersiciit jedoch, daB et
auf die Qröfie des Umlanss aar nicht ankommt, sondern lediglkh auf da« Zu-
sammenlreHen von Subidct und Prädikat Fall für Fall, d. h. «ben «tif die
Deckung der Individualkoeffizieiiten, und d&B die Deckung auch parüell sein
kann (in dem S. 60B erörterten Sinn).
Wäb4«nd Hamilton — hierin mit der Subsumtionstheohe ilbereis-
Blimmend — die Bedeutung der Umfangsbeaehung für das Urteil io
den Vordergrund stellte oder wenigstens Umfangsbeziehung und Inhalts-
beziehuDg koordinierte, eikl&rte John Stuart Hill die Inbaltsbeseliunj
für das Wesentlicbe (1d haltstheorie des Urteils. Erdmann] •>). Er
bestreitet zunächst schon den von ihm sogen, „konzeptualistischen" Sland-
punkt Hamiltons und andrer Linker. Nach seiner nominalistiachen Auf-
lassung, welcbe überhaupt nur konkrete und individuelle B^riUe aneikennt.
ist es Oberhaupt unrichtig oder wenigstens miBversl&ndlich, wenn man be-
hauptet, daB wir in BegriUen denken"); wir denken vielmehr „by meaos ot
general or class names". Dabei unterscheidet er nirgends scharf zwiscbeo
dem rsychologischen und dem logischen Begiift, dem psycbologiscben und
dem logischen Urteil usf. Weiter wendet HiU gegen Hamilton ein "), dafi die
Umfangsbeziehung, die nach H. für das Urteil wesentlich sein soU, aar siebt
zwischen den Begriffen, sondern nur zwischen den Gegenständen (the aggie-
nates of real things) bestehe. Nach Mill ist es für jedes Urteil wesenilicb.
daB wir von der latsächhchen Kxislenz. der objektiven Realität der le-
'") Diese Bezeichnung flammt wohl von B, Erdmann. Log.k. 2. A^^-
Halle 1907, S. 3-13.
=") Vortäufer Hatnillons in der Lehre von der Quantifikation des Prä-
dikats und der extensiven Identitätstheorie sind, wie schon Erdmann tc-
fohrt, die Logique de Port-Royal ed. Jourdain, Paris 1861, z. B. U, 13.
S. 134, A, Rüdiger (De sensu veri et falai, 2. Aufl. Leipzig 1722, S. 2801)
und G. Ploucquct (Sanunlung der Schriften, welcbe den log. Caicul des Hsmi
Prot. Ploucquet betreffen usw., Tübingen 1978). Auch der S. 280 erwUmte
George Benihara hat wohl schon vor Hamilton ähnliche Lehren vertreten
(vgl. auch die ebenda zitierte weitere Literatur).
*^) Identitätstheorie des Umfangs (Erdnuuin).
*') Die alte Subsumtionstheoric und die Hamillonsche IdentiUlsUieon*
des Urofams faßt Erdmann als „U m f a n g s t h e o r i e n" zusammen.
^^) An examination of Sir W. Hamilton's phibsophy etc., London tSU.
Kap. 17, tumentl. S. 330fl. Mit Recht weist Mill auch auf mannigAKh*
Widersprüche in der H&miltonschen Darstellung hin.
»•) L. c. Kap. 18, namentl. S. S*6 fl.
iM,Googlc
I
i. Kapitel. Die Lehi« von den Urteilen. gH
dachten Geeenal&nde überzeuet sind (,J>elier') ^). Das Urteil ist nicht die
Erlcenntnb einer Beziehung zwischen Begriflen (reciKnitioa of some relatioa
belween co&cepts), sondetn die Erkenntnia einer latsächlicheu Beziehung
(„tbe judgement ia couceming Ihe lad, not the concept"}. Weiter unten
— bei der Läire vom „Gegenstand" des Urteils — wird auseinanderzusetzen
sein, wie weit diese Behauptung Mills richtig ist. Mitl lehrt nun femer
iL c S. 362), daß die inh ältliche Beziehumr im UrteU das Wesentliche
desselben ist, und daß die Umfanesbeziehung sich erst sekundär aua ihr
ergibt oder virimehr mit ihr identisch ist (die Feststellung der Umfangs-
beztehung ist eine ,>loBe Wiederholung" der Feststellung der Inbalta-
bezidiung). Dabei Obersicht Hill, dafi bei vielen Urteilen eia Uerkmal-
t'efgleich gar nicht stattfindet, wie dies S. 389 fflr die „konsertiven" Urteile
gezeigt worden ist. Übrigens ist nach Uill schon für den Begriff nur
der Inhalt, nicht der Umfang wesentlich („intrinsic and essential"). Im
iolgenden wird auf diese Anschauung noch öfter zurackzukosomen seis.
Hier sei nur noch erwihnt, daß Hill in seinem logischen Hauptwerk ") doch
ächUeßlich auch zu dem Ergebnis gekommen war, daß bei den meisten Ur-
teilen entweder „die Sukzession oder die Eoexistenz" zweier „Phänomene",
mit andnen Worten zweier Bewußtseinszust&nde („states of consciousness")
behauptet oder vetneiut wird, einem Ergebnia, Als mit der hier von mir
entwickelten Theorie von den iDdividualkoeffizienten sehr wohl in Einklang
zu bringen ist.
Während in England die Millache Urteilstheorie und Urteilstennino-
iogie ") im ssJizen anscheinend das Übergewicht behalten hat "), bekämpften
sich in Deutschland bis heute die Umlangstheorie und die Inbaltstheorie,
ohne daß es zu einer endgültigen Entscheidung gekommen wäre. Die Um-
langstheorie tritt vorzugsweise noch in ihrer älteren Gestalt, also als
Subs um t io nstheorie (nicht als extensive Identitätstheorie Hamil-
tons) auf und wird jetzt meistens dahin formuliert, daß in jedem UrteU der
Umfang zweier Begriffe verglichen und auf Grund des Vergleichs der Um-
fang des einen demjenigen des anderen subsumiert wird. „Der Tisch ist
vierbeinig" bedeutet also vom Standpunkt dieser Theorie, daß der Tisch sur
Gattung der vierbeinigen Gegenstände (Dinge) gehurt. Die früher besprochene
„Hypoetasierung" der Herkmale im Begrifl {ß. 4äi, öl6, 5S9) wird auf das
urteil abertragen. Demgegenüber behauptet die Inhal tsthaone, daß in
ledem Urteil der Inhalt zweier Begriffe verglichen wird. Auch sie tritt in
") Mill unterscheidet nicht immer scharf zwisolien dem belief au die
Existenz der beurteilten Gegenstände und dem beliel an dia Existenz der
behaupteten Relation der Gegenstande.
=•) A System of logic, ratiocinative and inductive etc., 3. Aufl. London
1851, Bd. 1, Buch 1, Kap. i u. 5, nament!. S. 108 fl. Die erste .\iinage dieses
Weites ist schon 18*3 erschienen (vgl S. 157).
*') Meist wird jetzt das Urteil als „p r □ p o s 1 1 i o n" bezeichnet und
als das Ergebnis eines „act of iudgment" betrachtet^ sprachlich wird es
in einer „sentence" ausgedrückt, vgl. z. B. W. SL Jevons, Elementary lessoos
in logic clc, London 1890, 16. Aufl., S. 60 (Lesson 8).
)B) Dabei ist allerdings die'Uillsche Lehre oft sehr erheblich modifiziert
«orden. Vgl. z. B. F. H. Bradley, Appeaiance and realitr, 2. Aufl. London
1908, SAp. 1&, S. 163 (,4n iudgment an idea ia predicated of a realitT") und
Prmciples of logic, London 1883, Buch 1, 5. M.
39*
„.,.,„,>..oo^sic
612 ^- ^^' ^^ «iiuelnen lociscben Gebilde und ihre Gesetze.
zwei Fonnen auf: sie nimmt nämlich entweder ut, daB das Urteil die Iden-
tität des Inhalts der beiden verfltduneD BecnSe (Snbieit und Prädäal],
oder, daS es die teilweise Obereinstimmttng ihres Inhalts auseast Die
efstere Form wird am besten als inhaltliche Identititstfaeorie.
die letztere als Theorie der partiellen I nhaltssleichheit be-
zeichnet
Die inhaltliche Identit&lstbeorie scheint von vomhetdn
an der Tatsache zu scheitern, daB bei weitaus den meisten Urteilen da
Inhalt des Suhjektsbegrifls von demjenigen des PrldikatsbegriOs verschieden
ist. Lotze *") hat iedocb nachzuweisen versucht, daS beispielsweise das kate-
gorische Urteil „einige Uenscben sind schwarz" bedeute „einige Hecscboir
unter denen iedoch nur die scbwaizen Menschen zu verstehen sind, sind
schwarze Menschen" und somit aul eine Identität des Inhalts hicauaiante.
In seinen weiteren AusiDhnmgen ist Lotze nicht frei von Unklarheiten und
Widersprächen. Wenn er schheBUch auch andrerseits anciiennl, daB im
Urteil ein „Verhältnis der ZusammengehAti^eit" zwischen den beiden In-
halten ausgesprochen werde, so klärt er diese Zusammengehörigkeit dodi
nirgends ausreichend auf.
Weit mehr Anhänger zählt heute — wenigstens in Deutschland — die
Theorie der partiellen Inhaltsgleichheit, und zwar spesiell
in der von B. Erdmann") begr&ndeten und von ihm als Einord-
nungstheorie*^) beieichiKten Variante. Dieso lehrt, daB zwischen den
beiden Gliedern eines elementaren Urteils „im allgemeinen", d. h. abgesehen
von bestimmten Grenzfällen, eine Beziehung unvollständiger Inhaltsgleich-
heit besteht — „ausgesagt werden von" bedeutet demnach insofern logiach
,4nhalt^leich sein mit einem Teile des Subidctsinhalta" — , daS aber hierzu
„eine Beziehung der Einordnung des Prtdikata- in den Subjektidnhalt" hinzu-
kommt. Durch diese Einordnongabezicbung — eben die Beziehung der
logischen Immanenz (vgl. S. 313 u. 496) — wird nach Erdmasn aus dem
Zusammenhang unvollständiger Gleichheit „der prädikative Zusammenhang'.
„Das elementare Urteil des formulierten Denkens ist demnach die Einord-
nung eines Gegenstandes in den Inhalt eines anderen." Was nun aber
eigentlich diese logische Immanenz von der unvollständigen Inballsgleichbeil
unterscheidet, bat Erdmann u). E. nicht ausreichend auseinanderzusetaen
vennocht. Er fahrt an (L c. S. 194), daB den einzelnen Uerkmalen „eine
Beziehung auf den Gegenstand als Ganzes" eigen ist, derzufolge wir tat
„i n dem Gegenstande vorsteUen, in einem unräumlichen Zugleichsein", und
sagt. daB er eben dieses unräumliche „In dem Gegenstande Vorgestelltsrän"
als logische Immanenz oder Einordnung bezeichnen woUe. Damit ist jedoch
mit Bezug auf die Urteilstbeorie nur gesagt, daB der SubiektsbcgriS ein
durch Synthese zu einer Einheit verschmolzener KomplexionsbegriS ist (ygL
S. 322 u. 478), und daB er, um einen Inhaltsvergleich zwischen Prfidikalsbe«rifl
und SubjektsbegriB zu ennöglicben, mit Hilfe unsrer analTtischen Funktion
zuerst wieder zerlegt werden muB. Das „Entbaltensein", welches £. zur
") Logik, Leipzig 187*, Buch 1. Kap. 2, S. 57 ß., SO u. 82
»•) Logik, 2. Aufl. Halle 1907, Bd. 1, S. 368 fi.
•1} Auch die Bezeichnung „Iroman enztheorie" ist i ,
dagegen ist der hin und wieder gebrauchte Terminus „Inhärenztbeorie"
diejenige Urteilstbeorie zu reservieren, weiche in offenbar unberechtigter Ver-
allgemeinerung jedes Urteil als eine Aussage über eine Substanz betrachteL
h. !■, II, l^.OOQIC
2. KapiLel. Die Lehre ron den Urteüen. 613
unvollständigen Inlialtagleichheit hinzufügt, besagt also nur, daß man dio
tuvoUständige Inbaltsgleickheit nicht im Simi gemeinschaftlicher Sununanden
oder Faktoren aufzufassen habe, liefert also nur eine n&here Bestimmung der
unrollatAndigen fnbaltsgleichheit. Ein anderes neues Moment kann der im-
roanenz nicht zuerkannt werden. Im Dhrigen unterliegt die Erdmanoache
Theorie daher auch ganz denselben Bedenken wie jede Inhaltstheorie. Ins-
tesondere versagt sie auch bei sTnthetlschen Urteilen, die ein neues Merk-
mal zufügen und gar keinen Inhaltsvergleich enthalten. Vgl. auch S. 618.
Weitere Varianten der lohaltstheorien ergeben sich daraus, daB man
bald ira Urteil nur eine Verknüpfung von Begriffen erblickte, bald
— wie J. St. Mill — die Beziehung der Begriffs gegenstände für wesent-
lich hielt (vgl. hierüber unten % 109 u. 110). Hasche Logiker meinten auch,
dafi bei einer Klasse der Urteile die Subsumtion, bei einer anderen die
Immanenz maftgebend sei.
Allen diesen Theorien gegenüber halte ich daran fest, daB allen
Urteilen die Deckung der Individualkoeffizienten gemeinsam ist, und daB
nur bei einer bestimmten Elaste von Urteilen, n&mUcb den von mir so ge-
nannten kommensiven Urteilen (S. 38S), eine Inhaltsvergielchung **) und
damit das Denken einer Immanenz hinzukommt
Nicht zureichend ist auch die S i k n a r t sehe Theone. Chr. Sig-
wart **) definiert nämlich das einfache Urteil als dasjenige, in dem „das
Subjekt als eine einheitliche, keine Vielheit selbstAndiger Objekte in sich be-
fassende Vorstellung betrachtet werden kann . . . und von diesem eine
in einem Akte vollendete Aussage gemacht wird," und teilt die einfachen
Urträle in erzählende und erklärende ein. Bei dem erzählenden
Urteil (Subjekt „ein als einzeln existierend Vorgestelltes") besteht der Akt
des Urteilens zunäcbst (1) darin, daß die Subjektsvorstellung (ein unmittelbar
Gegebenes, in der Anschauung AuIgefaBtes) und die Prädikats Vorstellung
(eine innerlich mit dem zugehörigen Worte feproduzierte Vorstellung) „mit
BewuStsein in Eins gesetzt" werden»*). Der Urteilende soll sich der
„Soinzidenz" (1. c. S. 6?) eines geganwärtigen und eines reproduzierten
Bildes bewufit wenden. Worauf sich diese Koinzidenz bezieht, ob aul den
Inhalt oder den Umfang bzw. die Individualkoeffizienten, wird nicht völlig
aufgeklärt. Nach den weiteren Auslöhningen scheint Sigwart sie im wesent-
lichen auf den Inhalt zu beziehen. Für die erklärenden Urteile, d. h. nach
S. sotdke Urteile, deren Subjektsvonteilung in der allgemeinen Bedeutung
eines Worts besteht, ohne daB damit von einem bestimmten Einzelnen etwas
auaseaagt würde (1- c. S. GS, etwas abweichender Wortlaut S. 113). gibt S.
Oberhaupt keine "Hieorie; er scheint sie von seinem nominalisli sehen Stand-
punkt aus für OberSOssig zu halten. Vgl. auch S. 37b.
**) Die Individualkoeffizienten gehören selbstverslfindlich auch zum
Inhalt, wenn man lefzleres Wort im weitesten Sinn nimmt, also etwa im
Sinn der „Uaterie" (§ 1). Hier wird jedoch von „Inhalt" im engeren Sinn
(Gesamtheit der Merkmale mit Ausnahme der Individualkoefüzientcn) und
damit im Gegensatz zum Umfang gesprochen.
") Logik. 2. Aufl. Freiburg 1889, Bd, 1. 5. 68.
**) Im AnscbluB an Aristoteles, De anima, Akad. Ausg. -tSOa. 20:
a«r#M^ rtr yoiifimrur wmcf Fe tymr.
i.l^. OQi
,g,c
f^^^4, IV, Teii. Die einzelnen lofrisciwa Gebilde und ihre Gesetze.
Noch weniger leiaUt die Theorie von W. Windelband**), der du
Urteil Jociscfa nur als Behauptung einer Betiehima definieren" WilL Garn
ahtesehen von dem drinfenden Verdacht dner Tautolofie („Uftdl" und ,3*-
hanutans") verdeckt die Definition die SchwieriAeiten nur. Es bandelt sidi
fiXKi darum, ob wir nicht imstande sind, bestimmter anzugeben, welche
Beziebung in; Urleil behauptet wird.
Der Subsumtionstheorie steht die kalegorial logische Pridikationstheorie
VOR £. Lask'*) nahe. L. meint, da£ das wahre „Subidrt" des Urteite das
..Material", das wahre Pridikat die Kategorie sei. Vgl. S. IM.
Die theoretischen Anschauungen Brentanos Ober das Urteil sollen, da
sie an die angeblichf Exiatenzbedeulung der Kopula anknüirfen, ent in
g 110 besprochen werden. Ebenso können alle diejenigen in Deutschland
Hehr verbreiteten logischen Urteilstheorien, velche im Anschluß an Brent&no
das Geltungsbewußtsein heranziehen (S. 365). also nur die tbetiscfieo Urteile
(S. 382) berücksichtigen, erst in spKteren Paragraphen berücksichtigt werden.
In den romanischen lAndern, insbesondere in Frankreich, sind
die eben angeführten Probleme viel seltener b^andelt worden. In der
Logique de PoK-Boyal (vgl. S. 101) wird nur kurz gesagt: ..aprte avoir
concu les choses par nos idies, nous comparons ces id^es cnsemUe; et
trouvant que les unes conviennent entre elles. et que les autres oe eozivien-
nent pas, nous les lions ou däions, ce qui s'appelle alßrmer ou nier, et
g#n«ralcment juger" (ed. Jourdain, Paris 1861, S. 98). Di« Termini jugemenl"
und „proposition" sind gleichbedeutend, im Gebrauch wird der letztere be-
vorzugt.
§ 109. Der Oegenstand des logiaelieii Urteils. Als Gegen-
stand dee Urteils im psycholc^schen Sinn wurde in ^ 75 die
Gesamtheit der Vorstellimgen bzw. auch Empflndungeo')
(8. 375), die im Urteil verknüpft werden, bezeichnet. Die
„UrteilsTerknüpfnng" bezieht sich auf die Urteilsvorstel-
Inngen als auf ihre Gegenstände, wie dies S. 375 erläutert
wurde. Alles, was früher über Fundalien und Gegenstände
abgeleiteter Vorstellungen gesagt wurde, gilt auch hier.
Sind also — um das S. 265 gegebene Beispiel wiederum sn
verwerten — zwei gestaltverschiedene, aber inhaltsgl^che
Dreiecke gegeben (einerlei ob als Empfindungen oder als
.Vorstellungen) und fälle ich das Urteil: ihre Inhalte sind
g^leich, so sind die Oesamtempfindungen bzw. Gesamtvorstel-
langen der Dreiecke A and A' die Fundalien des Urteils, die
=') Die Prinzipien der Loeik, Tübingen 1913, S. 23; Die Pliilos. im
Beginn des 20. Jahrb.. 2. Aufl.. Heidelberg 1907, S. 189 ff. (Feslschr. f. Kudo
Fischer); Präludien, i. Aufl. TObIngen 1911, Bd. 1. S. 29; Straßburger Ab-
handlungen z. Philosophie (Zeller zu s. 70. Geburtstag), Freihurg u. Tflbingen
-188*, S. 165; Vom System der Kategorien, Feslschr. f. Sigwart, TüKiifeii
1900, S. 41.
*•) Die Lehre vom Urteil. Tübingen 1912, namenÜ. S. B8ff.
') Diesen Zvaafx werde ich im folgenden uicht stets wiedertioleo.
„.,,„,^.oogic
a. Kapitel. Die L^lue von dcD Urteilen. 615
speziell verwerteten EmpjQndungen bzw. Vorstellongen ihrer
lithalte, J and J', einschließlich ihrer Gleiehheitsrelation die
Gegenstände des Urteils. Noch schärfer können wir sagen:
J nnd J' sind die tatsächlichen Gegenstände. Wir
denken uns nämlich sehr oft entferntere Gegenstände
für die Urteilsvorstellungen hinzn, setzen also, wie froher
erörtert, oft au Stelle der Vorstellungen Empfindungen und
im weiteren SegreQ Beduktionsbestandteile (Dinge bzw.
Dingeigenschaften des ijiaiven Denkens, vgl. S. 267). Der
Urteilende sabstitniert dabei den tatsächlichen Gegenständen
Gegenstandsvorstellnngen in dem S. 266 deü -
aierten Sinn. Streng genommen bedeutet das Urteil „der
Sebnee ist weiß" soviel wie: „der Schnee, wie ich ihn mir
als Gegenstand meiner Vorstellung Schnee denke, hat die
Eigenschaft weiß, wie ich sie mir als Gegenstand meiner
Vorstellung weiß denke". Wir kommen dabei also von dem
Vorstellungscharakter nicht los. Das Urteil ist auf die
Gegenstände tatsächlich fundiert, bezieht sich
tatsächlich auf die Gegenstäude, aber wir können es in der
B^el nur auf die von uns vorgestellten Gegenständ«^
beziehen: wir bleiben auf die Gegenstandsvorstel-
1 u n g e n angewiesen *).
Bei dieser Erörterung wurde mit gutem Gnmd hinzugefügt ,^a der ,
Regel". Es gibt nämlich Fälle, in welchen die Urteilsvorstellunsen mit den
Gegenstandsvorstellungen zusammenfallen. Weui ich z. B. urteile: meine
augenbbckiiche Vorstellung, z. B. eines frOheTCD Erlebnisses, ist positiv
EefühlsbetonI, z. B. heiter, angenehm usf., so bezieht ach mein Urteil nicht
auf das Erlebnis und wird von mir auch nicht auf das Erlebnis bezogen,
sondern lediglich auf die Vorstellung selbst Die Urteilsvorstelluntr selbst ist
zuglacb Gegenstand des Urteils und Gegen Standsvorstellung. Eine weiter
zurüdigehende Objektivierung') (S. 367) findet Oberhaupt gar nicht alatl.
Es w&re, wie früher gezeigt worden ist (S. 263), auch i;anz unzulässig, in
ein^n solchen Fall einen Gegenstand etna im Sinn einer „Vorstellung von
einer Vorstellung" zu fingieren. Ein analoger Fall liegt bei dem Enuifin-
doncsurteil „meine augenblickliebe Farben-, Geschmacksempfindung usf. ist
angenehm", vor. Auch hier bleiben wir bei dem Subjekt, welches in diesem
Fall eine Empfindung ist, stehen und verzichten auf weitere üegenstands-
voratellungen.
Der Tenninus „UHeilsgegenstand" war ursprünglich nur init Bezug auf
das Urteil im psychologiscben Sinn gebraucht worden. Es ist iedoch ganz
^) Vgl. hiermit die entg^engesetzten Ausführungen Husserts über Nocsis
und Noema, Ideen zu einer reinen Phänomenologie, 1. Buch, Halle 1913,
S. 194 B.
*) Uaa tteachte, dafi die Objektivierung durchaus noch krinu Geltung'
od» Goltigkeit^ie wüßt sein involviert.
OgIC
ßlg IV. Teil. Die einzelDen logiseben Gebilde und ihre Gesetze.
überflüssis, [ür den Urteilseegenstand im loEiscben Sinn einen neuen Ter-
minua einzulühren. Wir sprechen aiso auch von einem „Gesenstand" de»
logischen Urteils und haben nur selbstveiständlich jetzt darunter die Gegen-
sUnde der normalisierten Urteilsvorstellungen, also der Urteils-
begriffezu versieben. Sobald irgendeine Zweideutigkeit entstehen kOnnte.
behalten wir uns vor, nie dies S. 437 und 4SI bereita geschehen ist, aoi-
drOcUich von N o r m a 1 gegenstAnden (logischen Gegenständen) des IJiteils
zu sprechen. Den Terminus „Gegenstandsvorstellung" werden wir, soletn er
überhaupt fOf die Logik in Betracht kommt, durch den Terminus „Gegeo-
standsbegrifl" zu ersetzen haben.
Besondere Beachtung verdient, dafl, wie schon das Beispiel S. ÖU lehrt,
auch der Gegenstand des logischen Urteils nicht etwa nur in den einzelnes
— isolierten — Gegenständen der einzelnen — isolierten — Urteilsvontel-
lungen zu suchen ist, sondern daB auch das Verhältnis dieser Gegenslinde
zum Urteilsgegecstand gehört (vgl. S. 306 u. 32* über „bestehende'' Rela-
tionen). Der Gegenstand des Urteils „aab" ist also nicht etwa nur a und b.
soDdem auch die Gleichheilsrelation zwischen a und b.
In den meisten Urteilen kann man Haupt- und Nebengegenstände unta-
scheiden. Der Hauptgegenstand ist in der Regel der Gegenstand der Zentrum-
Vorstellung bzw. Zentnunempfindung fvgl. S. 377), welche sprachlich gewSm-
lich im Subjekt zu suchen isL Was diese Bevorzugung logisch bedeutet,
wird unten erörtert werden.
Hit der Obj^tivation des Urteils verbinden wir die Übertrafung der
UrteilsverknOphmg auf die Gegenstände, ganz ähnlich, wie dies fOr die Be-
griffe S. 496 daisetan wurde (objektivierte Inhärenz des Urteils usf.1,
§ 110. Der Inhalt des UrteUs nnd die Bestandteile de*
Urteilsinhaits. In der psychologriach^n Q-rundle^ng i% 75)
wurde bereits betont, daß unter den Eisenachaften des Vt-
teils für die Logik nur der Inhalt nnd sekundär auch der
Gefühlston in Betracht kommt. Der Inhalt wurde definiert
als die Gesamtheit der im urteil enthaltenen Vorstellongeii
(der Urteilsvorstellungen) und der durch die Differeniie-
rungsfunktionen (komparative, analytische nnd syotheUsche
Funktion, hier als Urteilsf&nktion zusammengefaßt) herge-
stellten Verknüpfung. Die ürteilsvorsteUtmgen können als
die Bestandteile des Urteils bezeichnet werden, die Ver-
knüpfung ist ihnen übergeordnet (vgl. S. 375). Im folgen-
den werden zimächst die ersteren besprochen. Der Spezial-
fall der scheinbar eingliedrigen Urteile (es regnet, plniO
kann erst bei der Behandlang der einzelnen Urteilsfonnen
erörtert werden.
Im logischen Urteil treten an Stelle der Urteilsvorstel-
lungen im Sinn der Normalisierung die ürteilsbegriffe-
Während femer in den psychologischen Urteilen sehr oft
die eine oder die andere Urteilsvorstellung in variablem
„.,,„,^.O0glC
a. KapileL Die Lehre von den Urteilen. 617
Orade als Zentrumvorstellimg (bzw. Zentnunempflnduoff)
von dem Interesse nnd der Aufmerksamkeit des Urteilenden
bevorzugt wird (S. 376), ist eine solche scliwankende
BeTOizagrDDK im Normalurteil, d. h. eben im logischen Ur-
teil, durch den Normalcharakter ansgeschloesen. Eine Be-
Torzngnng eines Urteilsbegriffe findet sich anch im logi-
schen Urteil, aber sie ist konstant and scharf. Dieser bevor-
zugte Begriff wird als das logische Subjekt oder der
Snbjektsbegriff bezeichnet und wird bei der sprach-
lichen Formnlieriing des logischen Urteils stets zuoi
grammatischen Subjekt gemacht (vgl. S. 377).
Damit ändert eich auch die Bedeutung dieser Bevor-
zugung. Im psychologischen Urteil ist die Zentrumvorstei-
lung nur insofern bevorzugt, als das urteilende Individuum
ihr sein persönliches Interesse und seine persönliche Auf-
merksamkeit in besonderem MaB zuwendet, und zwar, wie
S. 377 erörtert wurde, schon vor dem Urteil. Bei dem
logischen Urteil sind solche individnelle Bevorzugungs-
jnotive ausgeschaltet. Ein (Gegenstand ist in dem Urteils-
begriS überindividuell gegeben oder wird vielmehr als im
UrteilsbegriS öberindividuell gegeben gedacht und durch
das Urteil irgendwie näher bestimmt. Die Bevorzugung liegt
also nur darin, daß der Subjektsbegriff als das näher zu Be-
stimmende gedacht und auch wirklich näher bestimmt wird.
'Was diese „nähere Bestimmung" bedeutet, wird alsbald aus-
einandergesetzt werden. Jetzt kommt es zunächst nur darauf
an festzustellen, daß für das logische Urteil der Tatbestand
eines solchen liberindividuell gedachten Subjektsbegriffs
unerläßlich ist.
Dabei kaon der SubiektsbegriU unbeschadet seines Normalchanücteis
seinem Inhalt nach sanz individuell »ein (z. B. in dem Urteil „diese
Blume steht hier"), er kann sich sogar irsendwie aui die Person des
Urteüenden tiezieben (z. B.' im Urteil ,^ein Kopf schmerzt"). Es kommt
nor darauf an, dafi der im Urteil behauptete TattKstand als von dem persQn- '
lieben (individuellen) Denken des einzelnen Utleilenden un-
aUüLoki« gedacht wild.
Die soeben festKeatellle loEiscbe Bevorzuguns des Subjektsbeffrib ist
sehr wobl damit verträglich, daB vom inhaltlichen (nicht-formalen)
Standpunkt aus der Fradikatsbegrilf als der gesuchte und neue oder
wenigstens fOr den Fortschritt des Denkens, z. B. im SchlieSen, ma^ebend»
Begriff grOBere Bedeutung für unser Si^ennen hat. So wird ea veratindlicb,
^aS er von Ad. Trendelenburg >) sogar als der Hauptbegrifi des Urteils an-
gesehen wird.
1) Log. Untersuchungen, Lpz. 1S70 (3. Aufl.), U, S. 3S1.
h. i."ih,Googlc
gjg IV. Teil. Die einzelnen logiseben Gebilde und ihre Gesetz;:.
Der Sabjektsbe^ifF wird im oinfacli8t«n Fall durch ein
ttinzi^ee Wort aufigedrückt (z. B. Homer ist.. .). Sehr riel
häufiger sind wir genötigt — in Ermanglnog sprachlicher
Bezeichnangen (Eigennamien usf.) — mehrere Worte zu ge-
brauchen (z. B. diese Blume ist . . ., die Schlacht bei Ma-
rathon ist . . ., weiße Babeii sind . . ., alle Labiaten haben...).
Solche Zusätze können ganz allgemein als präzisierecde
ÄttributedesSubjektsbegriffs bezeichnet werden.
Dem Subjektsbegriff steht die Gesamtheit der Prädi-
katsbegriffe (Enuntiatbegri f f e> gegenüber. Sie
werden auch unter dem Kollektivterrainus „Pradikats-
begriff (im Singular) zusammengefaßt und sind niohts
anderes als die normalisierten Prädikats- oder Enuntiatror-
stellungcn des Urteils im psychologischen Sinn (vgl. S. 377).
Der Prädikatshegriff wird bald durch ein, bald durch meh-
rere Wörter ausgedrückt.
Die Urleilsverknüpfung zwischen Subjektsbegriff und
Prädikatsbegriff besteht, wie in ^ 74 u. 75 sowie nament-
lich 108 auseinandergesetzt wurde, psychologisch nnii
logisch immer in der partiellen oder vollständigen Deckonfr
der Individualkoeffizienten des Subjekte- und des Prädikab^-
begrifFs und beruht insofern anf der komparativen FunktioD.
Dazu kommt jedoch, wie S. 375 u. 60S betont wurde, eine für
die verschiedenen Urteile verschiedene son-
stige Beteiligung aller drei Stammfunktionen, der synthe-
tischen, analytischen und komparativen. Diese gesamte Ur-
teilsverknüpfung soll mit den PrädikatsbegrifFen unter dem
Terminus „logisches Enuntiat" oder „logisches
Prädikat"*) (vgl. S. 377) zusammengefaßt werden. An-
drerseits worden Subjekts- und Prädikatsbegritf von der
älteren Logik als partes materiales oder cxtrema der
Copula gegenübergestellt.
Bei dieser Audassune der L'rteilsverknOpdme iälU ofCcnbar der Unter-
schied zwischen Prädikalsbegrin und SubjektsbeEriff wet^): beide eracbeiiwn
völlig symmetrisch (vgl. S. 347} und koordiniert. In der Tat kann man sirlt
IMeile denken und kommen auch wirklich Urteile vor, in denen diese
Symmetrie und Koordination durchaus fccwahrt ist Ich kann z. B. di^
Urteil a ^^ b so denken. daS die Voranslellung des a in meinem VorsteUuni»-
>} Das Adjektiv „loffisch" kann, wenn ein UiQversl&ndnis ausgesdilosEen
ist, weggelassen werden.
») Vftl. G. Fregc, BeBfilfsschrift. Halle 1879. S. 3. Fr. betont namentlich,
daß die Verwandlung in das Passiv den „bt^rifflichen Inhalt" nicht veiindetL
„.,,„,^.oogic
2. Kapitel. Die Lehre von den Urieileo. 619
ablauf und in der sprachlichen FonnulinunK ledi^cfa dem Zufall zuzu-
schreiben ist. U n e r I & B ii c h ist also die diSerenzierende Behandlung von
SubiektsvorstelluDK und Prftdikata Vorstellung für das Urteil weder psrcho-
losisch noch logisch. Tatsächlich aber wird fast stets die Subiektsvorslellung
— logisch also der SubjektsbegriS — in dem S. 496 besprochenen Sinne
.,3 u b s t a n t i i e r t", so daB sie al^ die zusammenfassende Einheit {S. 497)
cider — bildlich au^edrückt — als der Trtger gedacht wird, dem die Pt&-
dikatsvorstellung ;der PrfldikatsbegrUf) „inharierl". Damit ist die
Symmetrie zwischen Subjekts- und Prädikatsrorstellung und auf logischem
Gebiet ganz analog zwischen Subjekts- und Frädikat^Mgriff aufgehoben, und
an ihre Stelle tritt eine nicht-umkehrtiare Inh&renz, die wir als begrifflich
bezeichnen, solange sie nur auf die Begriffe bezogen bleibt, und als objekti-
viert, sobald sie auf die zugehörigen Gegenstände Obertrag^n wird (S. 496).
Sie deckt sich in vielen Punkten mit der logischen Immanenz Erdmanns
(S. 612). Auf Grund dieser Subst&n ti ati on erscheint nun auch der
fiutqektsbegriff als der Begriff, der bestimmt wird (notio determinanda),
und der Pridikatsbegritf als der Begriff, der bestimmt oder zur Bestjm-
mang gebraucht wird (notio detenninans). Da eine solche Bestimmung eines
Begriffs durch andere meistens (nicht stets) der Zweck unseres tlrteilens
ist*), eo ist die Substantiation im altgemeinen zweckmäBig, Sie soll daher
im folgenden in der Regel bei dem Urteil als vollzc^cn gedacht werden.
Es empäeblt sich, jedes logische urteil auf die Porm „S
istP" bzw. „S ist nicht P"za bringen, also das Verb stets durch
die Kopula zu ersetzen oder wenigstens ersetzt zu denken.
Es wäre also z. B. an Stelle des Urteils: „der Mann schläft"
za setzen, „der Mann ist schlafend" usf. Die Kopula
tCopnla, Vineulum) drückt dann in dieser Schulform des
Urteils nichts anderes aus als die Deckung der Individual-
koefflzienten. Die logische Beziehung, welche im übrigen
vermöge unsrer Stanunfunktionen zwischen Subjektsbegriff
und Pradikatshegriff gedacht wird, bleibt dabei noch ganz
offen.
Die in § 109 besprochene Gegenstandsbeziehimg der Urteilsb^rifle gilt
sowohl fOr den Subiektsbegriff wie für den PrSdikatsbegriff. Die Vei^nQpfung
findet zwiscben Subjekts- und Prädikatsbegriff statt, wird aber dann weiter
oft auf einen entfernteren Gegenstand des Subjekts- und PrfldikatsbegriBs
hezi^en. Dieses Beziehen involviert in dem S. 287 besprochenen Sinn eine
Auswahl des Bezussgegenstandes (des Arguments). Die Verschiedenartigkeit
diesep Auswahl ertiellt an Sätzen wie; rot ist ein Eigenschaftswort, rot ist
eine Farbenempfindung, rot ist eine Farbenvorstelluug, rot ist ein Pigment,
rot ist eine Wellenbewegung des Lichts von 400 BilL Schwingungen in der
Seknnde; hier ist rot teils als Empfindung, teils als Vorstellung, teils als
Reduktionsbestandteil (vgl. S. 260) gemeint °). Sieht man von einzelnen
') An Stelle des individuellen Interesses bei dem psychologischen Urteil
(S. 376) tritt ein allgemeingaitiges, logisches „Normalinteresse".
') Wenn ich über das Wort „rot" urteile, so ist vorzugsweise die
akustische Empfindung bzw. Vorstellung (das sog. Klangbild) des Worts
gemeint.
„.,,„, ^.oogic
g20 ^- Teil Dw einzelnen logiacben Gebilde und ihre Gesetze,
philosophischen Behauptunsen *] ah, so ka.nn man den Satz auIsteUen-, daB
zun&chst peychologiach durchweg Subjektworstellunc und Pridikatsroratri'
lung demaelhen Argumentenbereich angehören. So wird z. B- in dem Urteil
„der Schnee ist weiB" sowohl „Schnee" wie „w^" «uf die Beduktiona-
bestandteile bzw. auf die sog. „Dinge" des naiven Menseben bezogen. IKea
gilt auch for ein Urteil wie „der Schnee ruft eine WeiBempGndung hervor"
Olendet" usl.), wenn man das Urteil aui die SchuUonn bringt und die
^dikatsvorstellung in ihrer Gesamtheit in Betracht zieht; diese lautet dum
„WeiBempfindung herrorrufend" und gehört offenbar demselben Argumenten-
bereich, nfcmlich denjenigen der Reduktionsbestandteile bzw. Dinge, an wie
der Schnee. Es ist also nicht zutreffend, wenn Bradley u. a. bebaoptet
ii&ben, daB im Urteil ein Begriff von einem Bealen ausgesagt werde (vgl
S. 611). Selbst in einem sog. Empfindungsurteil (vgl. S. 386 u. 637) wie
„dies ist eine Eiche" ist nicht nur mit „dies" ein .Jteales" gemeint, sondern
auch mit „Eiche", n&mlich ein Komplex „realer'' lOr die „realen" Eichen
charakteiistiacher Eigenschalten. Für das Urteil im logischen Sun
kaim allerdings von einem solchen schwankenden psychologischen „Meinen"
keine Rede »ein, vielmehr bezieht es sich entweder auf VorsteUunsen
oder auf Empfindungen oder auf Dinge (Reduktionsbestandteile); aber
auch fOr das logische Urteil slinnnen Subjekts- und PrädikatsbegriS in
der Begel im Argument Qberein. Ich kaim zwar formulieren: dies (was
Iiiei ,49t") f&Ut unter die Allgemeinvorstellung „Eiche", und dann scheint
das Argument von Subjekt und Prftdikat verschieden (jenes „Ding", dieses
Vorstellung). Sobald ich al)er zur Schulform zurdckkehre : „dies ist — unter
die Allgemeinvorstellung Eiche subsumiertiar" und das Prldikat in seiner
Gesamtheit berücksichtige, so kann die Subsumierbaikeit unter die AUgentein-
vorstellung Eiche offenbar auch nur als reale Dingeigensctutft gedacht werden,
wird also auf dieselbe Argumentstule bezogen wie das „dies".
Bistorische und terminologische Bemerkungen siehe am SchluS des
folgenden Paragraphen.
i IIL Bpn^Iiaha FemvliaimH »m Vitdb. Du Sata. 8TmM& to
DrWIs. fn § 75 war erwihnt worden, daS das psvchologische Urteil
in der Regel in einem „S a t z" ') ausgedrückt wird, daB aber die Gliederung
des Satzes und die Reihenfolge seiner Worte keineswegs genau der Gliede-
ruDg des Urteils bnd der Beihenfolg? der Vrteilsvorstellungen entspricht (vfL
S. 371 u. 376). Das logische Urteil wird stets durch einen Salz und
zwar einen vollständigen ausgedrückt. Ausrufe wie „Feuerl", „DiebeP,
„acht', „Hilfe r' können nicht als angemessener Ausdruck eines Urteils be-
trachtet werden. Je nach dem logischen Sinn des Ausrufes müssen sie.
soweit sie überhaupt die Bedeutung eines Urteils haben, ersetzt weiden
durch S&tze wie: „hier ist ein Feuer", „seht das FeuetI", ,M^ sind Diäje",
„dies Feuer ist schrecklich" (gef&hrlich usf.), „diese Lage ist trasrif fOr
mich", „ich wünsche Hilfe" usw. Ebenso könnte es empfehlenswert scbeiiien.
abgekürzte Sätze, in welchen z. B. die Kopula weggelassm ist — z. B.
„Triume Schaume" — , durch Zufügung der Kopula zu einem voUstindigen
*) Z. B. ,J)a3 Ding an sich ist Vorstellung".
*) Auch der T«hninus .Aussage" wird oft verwendet, nameotlich i
der algebraischen Logik.
2. Kapite). Die Lehre vod den Urteilen. g21
SatE-zu ersänzen, damit die im vorigen Paragraphen besprochene Funktion
der Kopula auch sprachlich zum Ausdruck kommt j indessen erscheint gerade
die Kopula, wie auch kopula-lose Sprachen lehren, am ehesten entbehrlich,
da sie als solche stets dieselbe Bedeutung hat und also unzweideutig er-
ginxt werden kann.
Ferner wird man — abwachend von dem gewöhnlichen Sprachgebrauch
bei psychologischen Urteilen — bei der Satdomtulierung des logischen
Urteils stets (nicht etwa nur meiatena) das logische Subjekt auch zum
grammatischen Subjekt, das logische Prädikat auch zum grammatischen
Frldikat machen. Da es sich femer als zwecktn&fiig erwiesen bat, jedes
logische Urteil auf die Kopulafonn (Schulform, S. 619) zu bringen, so wird
auch sprachlich in Jedem logischen IMeil das etwa vorkommende Verb durch
das Hilfszeitwort „sein", also eben durch die Kopula ersetzt werden müssen.
Wenn di*se Ersetzung auch in der Look nicht stets streng durchgefOhrt
wird und im Interesse der sprachlichen Bequemlichkeit zuweilen unterbleibt,
30 sollte man sich doch stets eine solche Umwandlung wenigstens durch-
gefOhrt denken. Erst wenn diese tatsächUch oder in Gedanken erfolgt
ist, ist die Vetgleichbarkeit der Urteile untereinander sichergestellt und damit
die lieglichkeit einer einfachen und kurzen Formulierung der logischen Ge-
setze des Urteils und sp&ter des SchlieBens gegeben.
Hat man die in Rede stehende Umwandlung vorgenommen, so zerfillt
der Salz ganz dem Urteil entsprechend in ein grammatisches (sprachhches)
Sobjekt und ein grammatisches (sprachliches) Prädikat, in welchem letzleren
äie Kopula einbegriffen ist. Man hat nur zu bedenken, daS hierdurch die
Kopula zum sprachlichen Ausdruck far eine spezifisch logische Beziehung
wirf, alfio die Vieldeutigkeit, weiche sie im alltäglichen Sprachgebrauch hat,
eingebQQt bat, eine Umbildung, die bei dem Normalcharakter des logischen
Urteils unumgänglich notwendig war.
■Wollte man die Umwandlung in die SchuUorm absolut streng durch-
führen, so mOBte beispielsweise auch das Tempus des Hilfszeitworts „sein"
aus diesem herausgezogen und zu den Prädikatsvorstellungen Iiiodber-
genommen werden, damif die Kopula ledighch die zeitlose logische Beziehung
(der IndividualkoefQzienten) ausdrQckt. Der Satz „Augustus war der erste
'römische Kaiser" w&re also beispielsweise zu ersetzen durch den Satz
JtuEustus ist derjenige, welcher der erste römische Kaiser war", oder
iJlngustus ist in der Vergangenheit der erste römische Kaiser" (wobei durch
die Betonung zum Ausdruck kommen müßte, 'daß der Aiisdruck „in der Ver-
eangenbeit" dem ganzen Ausdruck „der erste römische Kaiser" koordiniert
ist). Das Praesens ,jst" hat hier dieselbe zeillose oder alle Zeiten um-
fassende Bedeutung, die es z. B. auch in anomischen Sitzen, in Gesetzen usf.
hat. Vgl. Wolft, Logica, 2. Aufl. Francof. Lips. 1732, § 202, S. 218.
Kurz kann man also sagen, daß tatsächlich allenthalben zwischen dem
logischen Subjekt (und ebenso Prädikat) und dem grammatischen Subjekt
d» gewöhnlichen Sprachgebrauchs erhebliche Divergenzen bestehen,
daß aber im logischen Spraebgd)rauch diese Divergenzen nach Möglich-
keit durch die angegebenen Transfomtationen beseitigt werden.
Ein aus Erdmanns Logik (S. 864) entlehntes Beispiel mag diese Sach-
lage erläutern. Das pSTchologische Urteil: auf je 16 Mädchen Verden
17 Knaben geboren" hat zum giammatiachen Subjekt „17 Knaben". Die
psychol(«iEche ZentrumvorstellunB (das psrchologische Subjekt} kann ge-
OgIC
622 '^- 'I'^''- ^"^ einz^'lD«» logiscbea Gebüde und ihre GeseUe.
mäB den AuseuundeisetzonceD ä. 377 mit dem gi«init>aU.-%h«ii Subjekt zu-
sanunenfiüleD, meist >ber werden nicht „17 Knaben", sondeni „das Ter-
h&llnis der Knaben- zu den Uaddiengeburtra" als ZeatnimToratdlniii n
iMtrachten sein. Aul lociscbefn G«b(et kommen etktnfaUs vendätäoK
L'rteUe in Betracht, sobald ich die S. 619 besprochene Substantiation us-
Kthre. Dann will ich nimlich entweder die Zahl der Kuabengebutten oder
die Zahl der Uadcheixeburtea oder das Veriiältnis dieser zu j^Mii oder
iener zu diesen „bestimmen". Dementsprechend ist das Urteil zu tnas-
lonnieren und auszudrücken entweder duich den Satz: „die Zahl der
Knabengeburten ist ^ der Zahl der Madchengeburten" oder „die Zahl der
iUdchengeburten ist -- der Zahl der Knabe ngeburten" oder ..das Ter-
liältnLs - - - ist- bzw. ---". So wird also im Interesse eines zwcckraiSifen
t.,^bzw.-.^-
lofischen Sprachgebrauchs das grammatische Subiekt mit dem Itviseben in
Einklang gebrachl. Die Ausführungen Erdmanns scheinen mir nur xa be-
weisen, dafi dies In-Einktang-bringen sehr ott nur in uDvolUcommener Wo»
gehngt. In der Herrorbebung der weiten Divergenz des grammatiscben
Subjekts des gewöhnlichen Sprachgebrauchs von dem Iwischen Subirtt hat
K. jedenfalls recht.
Fast selbstverständlich ist ea nach allem Vorausgehenden, da£ in dem
Satz, soweit er ein logisches L'rteil formuliert und unter dem Einflufi der
SubMantiation steht, das erammatiscbe Subjekt dem Prädikat vor*n-
aeslelU wird (vgl. hierseu S. 601 über die Zolässigkeit der Annahme eines
zeitlichen Ablauli" des logischen Urteils), während in der Formutiermig ä«
gewöhnlicheil Sprachgebrauchs eine abweichende Reihenfolge sehr hiufll ist
(vgl S. 37G und auch 'ATi, Anm. S>. Ebenso selbstverständlich ist es auch,
dafi in dem streng fonnulierlen Satz attributive Zusätze (JVdjektive, Parti-
zipien, Appositionen, Relaliv5ätzi''i zum Subjekt nur zulassig sind, soweit sie
<!on Subjeklsbcg.riff verändern; lediglich ericlär^ide oder beschreibende Zu-
sätM sind weR zulassen. Dasselbe gilt mutatis mutandls auch von dem
rrädikalsbeRritf,
um den sprach liciitn Ausdruck zu vereinfachen und abzukürzen und
Kugloich Mißdeutungen zu erschweren, empfiehlt es sich sehr oft, gerade auch
zur Darstellung des logischen Urteils, neben den Worten andere Symboie
(Buchstaben und sonsliue Zeichen) zu verwenden. Eine solche Urteils-
Symbolik ist bertils seit Jahrhunderlen immer wieder vorgeschUien
worden (vrI. unten die historischen Bemerkungen), eine allgemein anerkannt«
cxisliert zur Zeit noch nichL Im lolgenden soll für die Urteil sveiknQptuM
im allgemeinen eine geschweifte wagerechte Klammer, die zwischen
Subjekt und Prädikat zu stehen kommt, gebraucht werden. .\~— B be-
zeichnet also ein Urteil, während AB einen aus A und B zusammeugesetilen
Kompleiionsbegritl (vgl. S. 320 u. 539) und A, B eine disparate Ideenasso-
ziation (vgl. S. 383) bedeutet. Die SymboUk der einzelnen Urteitegattunfni .
wird im Anschluß an die Besprechung der letzteren angegeben werden. Soll
der Subjekts- und der PrädikatsbegriEI ganz allgemein bezeichnet weiden,
so geschlriit dies, wie üblich, durch die Buchslaben S und P.
Historische Bemerku
2. Kapitel. Die Jj^hio von den UrtBilen, 623
Ausdruck und zur zugehörisen TerminoloBie). Aristoteles unlerschied
wohl als erster das logische Siü>jekt von dem logischen Prädikat. Erstens
bezeichnete er ala ^oxii/iivor oder *• »«*' ov xaiirjti^iiai, letzteres als
MKUffOfefUrty (vgl -z. B. Akad. .\u9e. 2ib, 16 u.' 3ß; 189a, 30). Das
Pridikat wird vom Subjekt ausgesagt: *a9' vnotufiirov iiytiai. Dabei
bleibt jedoch der Terminus vaextl/tn-cr insofern zweideutig, als er gemäß
dem ariatotelischen Fajallelismus des Logischeo und Ontologischcn zugleich
auch die Substanz (apai'o) als Träger/n der Attribute bedeutet. Daher kennt
Aristoteles selbstversl&ndlich auch das Subjekt nur als substantiiert (s. oben
S. 496 und 619). Seinen regelrechten Ausdruck findet es in einem Nomon
lSr»/*m), das Prädikat in dem 4^/«'''), welches entweder ein Verb oder die
Kopula mit einem Nomen (Ak. Ausg. 20b, 1 u. 16a, 13 ff.) ist. — Die Lehre
der Stoiker ist nach den uns vorliegenden Berichten nicht ganz klar. Sie
scheinen das ^gf« auch als nair^ntr xawtjyÖQnfim aufgefaßt und zwischen
individuellen iräfiata und allgemeinen ngoaijyofitri unterschieden zu haben
(Diogenes Laert., De ctar. phil viL VIT. 58. ed. Cobet, S. 172; weitere Stellen
bei J. v. Arnim, Stoic. veL Iragm., Lips. 1903,' II, S. 58 u. 62«.).
B 0 e t h i u s (Introduct. ad syll. categ., Mignes Patrol., Bd. 64, Ü. 767 ff.,
In libr. de inlerpret., ebenda S, 317 u. De syll. cat.. ebenda S. SlOfi.) fahrte
die lateinischen Bezeichnungen subiectum und praedicatum ein. Beide
werden als die termini des Urteils zusammengefaSt. .«est" und „non est"
sind keine termini, sondern nur eine „signiflcatio qualitatis" (.= Bezeichnung
der Urteilsqualitat, s. unten S. %8fl.). — Im Bereich der scholastischen
Literatur sind namentlich bemerkenswert die Ausführungen Abaelards über
praedicatio ac subjectio und renim inhaerentia realis (Dialeclica 11, Ouvt.
in«dits, Paris 1^6, S. 2iSÜ.; vgl. auch die S. 63. Anm. 2 erwähnte Schrift
De feneribus et speciebus, ebenda S. öS6 unten über praedicari und in-
haerere). Bei Abaelard finden wir auch (wohl zum ersten Uale} die aus-
drückliche, terminologisch fixierte Zerlegung des Urteils in subjectum, prae-
dicatum und copula („verbum inlerposilum ad praedicatum copulandum
bubjecto intercedit". Dialect. II. 1. c. z. B. S. 252). — Averroes (De interpretat.
fot. 48 r. B. nach PrantI) stellte den enuntiationes duales^ welche ein Verb
als Prädikat haben, die enuntiationes ternales gegenober, die aus Subjekt,
verbum copulans und Prädikat bestehen.
Ramus und sein» Anhänger haben die einzelnen Teile des Urteils
und ihre Bedeutung aulfällia kurz behandelt. Auch die Logique de'
Port-Royal läßt sich auf keine gründliche Erörterung ein. Bemerkens-
wert ist, daS sie das Prädikat durchweg als „attribut" bezeichnet (ed.
Jonrdain, Paris 1861, S. 98 ff.). — In der neueren Philosophiu vom
18. Jahrhundert ab hat namentlich die Frage, ob die Kopula zum Prädikat
zu rechnen sei oder eine selbständige Bedeutung habe >), lange Zeit eine
groBe Rolle gespielt (vgl. z. B. Chr. Aug. Crusius, Weg zur Gewißheil usw.,
LeipzU 1747, § 219, a 408 ff.). Meist begnügte man sich mit der Fest-
stellung, dafi me einen nesiis praedicati et subjecU darstelle (Chr. Wulff,
') Die Bedeutung von ^vf" ist noch nicht ganz aufgeklärt, vgl. Bonitt.
Indes Anslot.. S. 666; H. Steiothal. Gesch. d. Sprachw. etc., 2. Aufl., Teil i.
BerUn 1891, S. 232fi.; Upbues, dies Werk S. 605. S. auch Plato, Sophist a62B.
■) Hierzu bot eine Stelle bei Aiiatoteles, De Interpret cap. 10 (itttr 4i
ti foH ipiTfu- nqoanttt^rgf^tMt .) Ankn!lptungsioteg«nheil.
OgIC
624 ^- "^^ ^^ einzelnen lotiaehen OdiUde tind ihre Gesetze.
Uiica, 3. Aufl. 173% § 201, S. 216). Oft wtude und wird die Copuk ib
die pars fonnalis (Form) dem Subiectum vmd Praedicatum als den partes
materiales BecenObergestellt (vri. z. B. BaumgarteD, Acroasia logica, ed. sec
V. Toelloer, Hol. Hasd. 1773, § »71, S. 56). Daiier auch die sötweiSl
übliche deutsche Bezeichnung „VerbindungsbeBriS" oder „innerer Teil dn
llrteils" (Baunwarten. 1. c; G. Fr. Heier, Vemunttlehre, 2. Aufl. Halle 1762,
§ 326, S. 466). Mitunter wird die fonnale Bedeutung der Kopula auch gani
auf den Akt der Bejahung oder Verneinung bezogen. Nach Kant') ist die-
Kopula „nur das, was das Pr&dikat beziehungsweise aufs Suhidl
setzt". Auf die ontologiscben und metaphTsiscben Unideutungen der Kopula
bei Schelling, Hegel u. a. kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden.
Gegen jede außerlogischq Bedeutung der Kopula sind namentlich James
Mill (Analysis o! ihe pben. ol the hunL mind, l^ndon 1829, Bd. 1, S. 126 S.)
und John Stuart Hill (A System of logic etc., 3. AufL I^ndon 1851, S. S&fl.)
aufgetreten.
Eine sehr eigentümliche Deutung der Kopula und Transfonnation des
Urteils bat Brentano im Zusammenhang mit seiner allgemeinen Urteils-
lehre (vgl. S. 366 u. 614) und mit seiner spftler zu besprechenden Auffassung
der Bxislenzialurteile (vgl. g 112) gelehrt. Er behauptet, dafi alte einfachen
kategorischen'} (und hypothetischen) Urteile sprachlich in EiislenziaMtze
umgewandell werden kOnnen (Psychologie v. emptr. Standp., Lpz. 1874,
S. 283 a. u. Vom Urspr. sitU. Erk., Lpz. 1888, S. fiSfL). So kann nadi
Bientano z. B. das Urteil „irgendein Mensch ist krank" in das Urteil ,4tsend-
ein kranker Mensch ist" umgewandelt werden, ohne daB der Sinn des Urtob
verindert wird; ebenso das Urteil „kein Stein ist Idiendig" in das Urteil
„kein lebendiger Stein ist". Die Koptila soll in jedem kategorischen Urteü
dieselbe Bedeutung wie im Ezistenzialurteil haben. Es soll sich stets um
ein Anerkennen oder Verwerfen einer Existenz handeln. Es muß iedocb
bestritten werden, daB der Sinn des Urteils bei der angegebenen Umwand-
lung ganz unverändürt bSeibL Wenn ich urteile: ,4rgendän Mensch ist
krank", wird allerdings zu der Vorstellung „irgendein Hensch" auch irgmd-
ein Hensch als Gegenstand hinzugedacht. Eine solche Gegenstands vo t-
Etellung" (vgl. S. fil5) existiert also als solche, und es wird diesem
Gegenstand auch als Voratellungsgegen stand Existenz zugeschrieben, dabei
bleibt aber TälUg offen, ob ihm als solchem, außerhalb unseres Denkots
irgendeine Existenz and welche ihm zukommt (man denke an Subjekte wie
„ein Zentaur" oder „ein viereckiger Kreis" oder eine ,>laue Tu«end" oder
„Werlher", vgl. Brentano, Psycbol. S. S86, Anm 1). Jedenfalls ist in dem
ursprflnglichen Urteil als solchem diese Existenzfrage nebensächlich; wir
denken vielleicht oft auSer der Existenz als Voretellungsg^enstaud nocb
eine andere Existenzweise stillschweigend hinzu, aber letzteres Hinzudenken
kann auch fehlen, und iededfalls bt die Prädikation des Krank-
seins usL logisch und psychologisch das Wesentliche. In der Brentaoo-
scben Umformung hingegen wird die Existenzfrage zur Hauptsache gemacfat
Das ursprüngliche Prädikat wird zum Attribut (vgl. S. 371} und ein neues
<) Kril. d. rein. Vem., Kehrb. Ausg. S. 472.
') Über die Bedeutung des kategorischen Urieils siehe % 120. Bis jettf
hi'sprochenen Urteile von der Schulform „S ist T" sind sümtlich kste-
tonsch.
2. KapiteL Die Lehre von den Urteilen. ^25
Ptidikat einsefohrt. Logisch und psychologiscb hat sich der Sidd also
wesenthch verschoben*].
Die Versuche einer symbolischen Darstellung des Urteils
gehen liis in das Altertum zurück. Früher beschrflukle man sich meist
dacaui, Subjekt und Prädikat durch Buchstaben wie S und P zu bezeicbsen.
KanI drückt das Subjekt durch ein Quadrat, das Prädikat durch einen Kreis
Uli (Logik, % 21, Amn. 5), ein V«rfahren, das sich nur dann empfiehlt, wenn
iedi^ich die Umlangsvereleichung von Subjekt und Prädikat in Betracht
kommt. Eine exaktere Symbolik des Urteils hat dann die moderne aigebra-
iscfae Logik (vgl. g 82 u. 83] zu schalfea verauchL Man kann nicht sagen,
daB sie bierin giflcklich gewesen isL So führt z. B. Schroeder (Vorles. Ob.
d. Algebra d. Log., Lpz. 1890, Bd. 1, S. 126 f.) überhaupt zunächst kein all-
goneines Urteilssymbol ein, sondern verwendet 2 Zeichen, n&mlich ^ für
die Subsumtionsurteile ') (z. £. Gold C Metall, vgl. S. «6 u. 540) und =
lür „die vollkommene Übereinstimmung" (z. B. Kochsalz .=.
Chlomatrium). Gegen die letztere Charakteristik ist einzuwenden, daß in
dem angefahrten Beispiel „Kochsalz ^ Chlomatrium" von einer Überein-
stimmung in jeder Hinsicht, wie Schroeder auch sagt, gar nicht die Rede
sein kann. Der Inhalt der beiden gleichgesetzten Begriffe ist durchaus nicbt
identisch, nur die Gegenstände und damit die Umfange fallen zusammen.
Vgl. S. 6(6. Schroeder verwendet außerdem das zusammengesetzte Zeichen
^g um sowohl die Unterordnung als die Gleichheit auszudrücken, und be-
trachtet dieses ab das allgemeine Zeichen für die Kopula (1. c. S. 132). Da
sich ergeben wird, daß in der Tat alle Urteile nach ihren Umfangsbezie-
hungen in Gleichbeits- (identische) und Subsumtionsurteile zerfallen^) —
entsprechend den beiden Grundbeziehungen der Individualkoeffizienten im
Urteil — , wäre dies Zeichen soweit einwandfrei. Trotzdem empfiehlt es sich
aus zwei Gründen nicht: erstens haben wir es bereits verwendet, um die
tatsächliche Umfaugsheziebung zw«i«r Begriff« auszudrücken (i^1. S. 513),
ao daß es doppeldeutig wird, «eun wir es jetzt auch fiir die im Urteil ge-
dachte Beziehung zweier Begriffe gebrauchen, tuid zweitens wird in vielen
Urteilen mehr gedacht als die VergleJchung der beiden Begriflsumlänge, so
dafi es unzweckmäßig erscheint, nur diese Umfaugsvergleichtmg, so wesent-
lich sie auch für das Urteil ist, im Urteilssymbol zum Ausdhick zu bringen.
Statt der Formulierung a^b verwendet die algebraische Logik auch
die Formehl ab, ^0 (vgl. Schroeder, 1. c. Bd. 2, S. 33 u. 88). Hier bedeutet
ab, du den BegriBen a und b, gemeinsame Gebiet, und b, bedeutet non-b
(vgl. S. 566). ab, =0 besagt also, daS a und non-b kein gemeinsames
Teilgebiet haben, und ist mit der Formel a^ offenbar äquivalent
*) Die Argumentation Brentanos leidet vor allem an dem schweren
Fehler, daß die Bedeutung des Terminus „Existenz" unzureichend bestimnU
wird. Vgl hierüber unten § 112 u. meine Eikenntnistheorie, Jena 1913,
§ 96, 61 u. 89.
^ Er schließt ücb hierin wohl an Ch. S. Peirce an, dessen ältere Ar-
beiten ttäe nicht alle zugänglich waren.
■> Einlache S u p e r oidinationaurteile („Metall ist Gold" im Sinn von
„zu den Metallen gehört Gkild") kennt unsere Sprache bemerkenswerter-
weise nicht Tgl. S. 603.
Ziahan, I«hrtiich der Logik.
OgIC
626 I^- T^''''- D'^ einzelnen logischen Gebilde und ihre Gesetze. ^
Andere Symbole, welche von mätbematiscben Logikern vorjeaüagen
worden sind, kfinnen wegen ihrer UnzweckmäSiskeit flbeisuigen werden
oder bezieben neb nur auf bestimmte Urteildtatesorien und komnttB
darum erst spfiler zur Besppecbung.
§ 112. EinteUung: der Urt«Ue, 1. nacb der Zahl der
Haoptclieder. Die psychologißchen EinteilunpeD der Urteile,
die in ^ 76 besprochen wurden, laäsen sich sämtlich auch aof
die logischen Urteile Übertragren. Es empfiehlt sich jedoch
im Hinblick auf äis speziellen Interessen der Loffik, die
Beihenfolge der Einteilungen in der Besprechung etwas ab-
zuändern und einige hinzuzufügen, die dort wegen der Ge-
ringfügigkeit ihrer psychologischen Bedeutung übergangen
wurden. Sieht msLB von den zusammenfassenden Urteilen
(Kolligationen, S. 393 u. 593), die einer gesonderten Bespr^
chung nnterzogen werden sollen, vorerst ab, so kommen für
die Logik folgende Einteilungen der „einfachen" Urteile als
besonders wichtig in Betracht:
1. nach der Zahl der Hauptglieder in ein- und zweiglie-
drige Urteile;
2. noch dem Empfiadungs- oder VorstelltmgBcharakter
von S in Empfindnngs- und VoretellungBnrteile;
3. nach der UrteiH,qiialität" (S. 391) in bejahende and
verneinende Urteile;
4. nach dem begrifflichen Charakter von S (S. 477) in In-
dividnal- und Qeneralnrteile usf.;
5. nach der Belegung und nach dem Umfang von S (nacb
der sog. Quantität) in singulare und plarale, universale und
partikuläre Urteile;
6. nach der Beteiligung der Individnalkoeffizienten nnd
des Inhalts von S und P an dem Vergleichungsakt des Ur-
teils in identische und subsumierende, konsertive und kom-
meoBive, analytische und synthetische Urteile;
7. nach der Geltung (S. 365 u. 382 ff.) bzw. Modalität in
thetische und prothetische Urteile nsf.
Bei der Einzelerörtemng dieser Einteilungen wird sich
ergeben, daQ keineswegs alle gleichberechtigt sind; bezüg-
lich der ersten wird sogar nachzuweisen sein, daQ sie über-
haupt nicht zu Recht besteht. Die gegenseitige Überlagemsg
der Einteilungen ist teils vollständig, teils unvollständig, da
sich herausstellen wird, daß einzelne sich nicht auf das ge-
samte Gebiet der Urteile im weitesten Sinn erstrecken-
1,1^. OQi
'S"
2. Eapitel. Die Lehre vod den Urteilen. 627
Seit Esnt ') ist es üblich Beworden. 4 Haupteinteilungen der tirieüe
.aufzuetellen, nämlich 1. nach der Qu&ntität (aUgeoieinc, besoodere und ein-
zelne Urteile], 2. n&ch der QuaJität (bejahende, verneinende und unendliche).
3. nach der Relation (kategorische, hypothetische und disjunktive) und
4. nach der Modalität (probtematiache, assertorische und apodiktische).
Die schweren Mangel dieser Auizählung sollen bei den einzelnen der oben
angefahrten 7 Gruppen nachgewiesen werden. Auch haben in den letzten
Jahrzehnten bereits manche andere Logiker die Kantsche Aufzählung be-
anstandet*) vind durch andere AuFzahlungen zu ersetzen verbucht. Auch
auf diese Versuche'soll unten naher eingegangen werden.
1. Einteilung der Urteile uacb der Zahl
der Haaptglieder.
Nach unsereu Erörterungen in ^ 108 S. besteht jedes Ur-
teil aus wenigstwis 2 Gliedern, Subjektsbegriff S und Prädi-
kat, und letzteres läßt sich stets, indem man das Urteil auf
die Schnlform bringt, in Kopula und PrädikatBbegriff P
(S. 618) zerlegen. Sieht man also von der Kopula, durch
welche die TJrteilsverknüpfung ausgedruckt wird, ab, so ist
jed^ Urteil aus zwei Hauptgliedern zaBammengesetzt.
Das Auftreten von mehr als zwei Hanptgliedem, z. B. 2 Snb-
jektebegriffen oder 2 Prädikatsbegriflen, kommt erst bei den
-zoBammenfassenden Urteilen zur Geltung. Wohl aber muß
die Frage erörtert werden, ob nicht auch eingliedrige
Urteile möglich sind. In der Tat hat man oft behauptet, daß
es urteile gibt, die aus einem Hauptglied bestehen, und
zum Beweis einerseits die sog. Existenzialurteile wie
.,Gott ist", „ich bin", „Hegen ist" und andrerseits die Im-
personalien wie „es läutet", „es regnet" angeführt*).
Wir besprechen zuerst die Existeozlalnrlelle *). Her-
>) Kril. d. rein. Vern., Kehrb. Ausg. S. 89; Logik § 30 (f.
■) In früherer Zeit z. B. schon Herbart, SAmll. WW., ed. Hartenstein,
Leipz. 1850, Bd. 1, S. 472.
») Die Berufung auf inlerjektionelle ausdrücke wie „Feuer!" „Diebe"
kommt nicht in Betracht, da es sich offenbar nur um sprachliche Abkür-
zungen handelt (vgl. S. 620) entweder für gewöhnliche zweigliedrige Urteile
(„ein Feuer brennt hier") oder für ein Ezisteiizialurleil („ein Feuer ist").
*) Das primitive zweigliedrige Urteil {^nqäiri' ämiparati) des Ari-
stoteles (Akad. Ausg. 19 b), das ganz allgemein aus orofia und ^/(o (Verb)
besteht, und in dem nicht die Kopula als dritter Bestandteil zwischen Sub-
jekts- und Frädikatsbeeriff tritt {t^nf avyttiaiiyo^iUai), umfaßt viel mehr
als die Existenz! alurteile. nftmlich auch andere Urteile, die zweigliedrig er-
scheinen, weil sie nicht auf die Schulform reduziert worden sind. — Ober
das Verdienst des Eudemus um die Lehre vom Existenzialurtetl vgl. Pranit.
'Gesch. d. Log. Bd. 1. 5. 355, Anm. 36.
40*
n,i.ii.,1^.00t5IC
628 I^- T^''- I^'c einzelnen logischen Gebilde und ihre Gesetze.
bart") hat behauptet, doS in diesen nicht etwa „der Begriff
des Seins" „das nreprüngliehe Prädikat" Bei, sondern daß es
sich Jan eingliedrige urteile handle, in denen die Kopnla das
„Zeichen der nnbedingtenAnfstellnng" sei. Diese Anffaeeiuig
Herbarts kann nnn zunächst entweder so fortgeführt werden,
daß man das Fehlen eines Subjekts behauptet, oder so, daß
man das Fehlen eines Prädikats behauptet. Herbart hat den
erstcren Weg eingeschlagen. Er hält das Existenzialurteil
für einen subjektlosen Satz*). Die Kopula ,J!Ddet nichts
mehr, woran sie das Prädikat knüpfen könnte" (Donner
ist ^ es ist Donner). Die Ezlstenzialurteile fallen dann
offenbar mit den Impersonalnrteilen im wesentlichen zu-
sammen. Der zweite Weg ist meines Wissens überhaupt noch
nicht konsequent beschritten worden. Dagegen liegt sehr
nahe, mit der Zweiglicdrigkeit des Urteils auch die Schei-
dung von Subjekt und Prädikat ganz aufzugeben. Damit
wird die Frage, ob in den Existenzialsätzen S o d e r P fehlt,
bedeutungslos. Diesen Weg hat Brentano^) beschritten. In
^edem Fall muß dann zugleich die ganze ürteilslehre umge-
staltet werden. Das Urteil hört auf, die Verknüpfung zweier
Begriffe zu sein, es muß, um den Existenzialsätzen gerecht
zu werden, anders definiert werden. In der Tat hat Brentano
eine solche Umgestaltung der Definition des Urteils voige-
nommen *). Er erblickt das Wesen des Urteils lediglieh in
der Anerkennung oder Verwerfung eines vorgestellten In-
halts. Im positiven Existenzialsatz „Gott ist" wird also der
vorgestellte Inhalt „Gott" anerkannt, im negativen „Gott ist
nicht" derselbe Inhalt verworfen. Er rechnet daher auch alle
Wahrnehmungen zu den Urteilen'). Die Wahrheit eines
=) Lehrb. z. Einleit. i. d. Philos.. Abschn. 2, Kap. 2, § 63 (1. c. Bd. 1.
S. JMf,).
■) Der SchlufigatE des Paraeraphen scheint mir die Traeweit» der
vorausgegangenen Sfttze etwas abzuschwächen. Er ist von Herbart erst in
der 8. Auflage hinzugefQgt worden.
') Psychologie v. empir. Standp., Bd. 1. Lpz. 187t, S. 186 u. 276 fl. a
Vom Urspr. sitt). Erk., Lpz. 1889. S. 69 ff. u. 117 ff. Übrigens neigen Bwilino
und seine Anhänger im aUeemeinen doch mehr dazu, die Subiekttosigfceit ab
die Prädikatloeigkeit hervorzuheben, w&hrend z.B. Erdmann (Logik, 2.AalL,
S. 405) sogar die Bezeichnung „Subjekteurteile" für die Existenzialsätse »d
Grund ihres ,3achhchen Inhalts" in Erwägung zieht.
■) Es versteht sich von selbst, daB dies nicht etwa n u r im HinU)'^
auf die Existenzial sitze geschah.
•) Psych. I. c. S. 277.
n,5,t,7rjM,G00glc'
2. Kapitel. Ihe Lehre von dea Urteilen. 629
affirmativen Urteils ist nach Breotano mit der Existenz
seines Gegenstandes identisch ").
Brentano drOckl denselben Gedanken auch durch den Satz aus: xu
dem ExistierendeD gehört alles das, wofQr das anerkennende Urteil wahr ist
;i. c. S. 61). Ahnlich behauptet Ifaity (Vierteljahrsschr. f. wies Philos. 18»,
Bd. 8, S. 172: der Begrifl der Exialenz .^lezeichnet nur die Beziehung
irgendeines Gegenstandes (worunter nir jedes Vorgestellte ver-
stehen} auf ein mögliches Urteil, das ihn anerkennt und
dabei wahr oder richtig ist". „Wirklichkeit oder Sein im Sinn
voD Realität und im Sinn von Existenz" sind nach Hart; (ebenda 1806,
Bd. 18, 5. 33 u. SSO) „lotal verschiedene BegriCfe". Leider haben sovobl
Brentano wie Uartr versfiumt, von den Termini : Anerkennen (insbesondere
ein«s Gegenstandes), Wahrheit, Wirklichkeit und Existenz klare, eindeutige
Definitionen oder wenigstens Charakteristiken zu geben. Der Grundirrtum
Brentanos liegt wohl darin, daß er glaubt, unser Erkennen bestehe, wenn
auch nicht in dem Erzeugen, so doch in dem Feststellen eines Sachverhalts,
w&hrend lalsächtich unser Erkennen immer nur einen Sachvej'halt' ausdrückt
und ihm mehr oder weniger entspricht Daher auch die unbegründeten Be-
denken Brentanos gegen die adae<iuatio rei el intellectus der Scholastiker
(ürspr. situ. lirk. S. 75j. Infolgedessen fa&l er die Wahrheit nicht als die
Übereinstimmung, d. b. ein möglichst nahes Entsprechen zwischen Er-
kenntnis und Sachverhalt aul, sondern objektiviert sie und identifiziert sie
mit dem Sacbvcrbalt und kann daher den BegriU der Existenz als das
.Jvorrclat" des Begriffs der Wahrheit (einheitlicher) affirmativer (Jrleile be-
zeichnen (I. c. S. 76). Das Anerkennen (Zustimmen, Gellung^ewuBtsein),
welches tatsächlich nur ein Bewußtsein von der Übereinstimmung zwischen
Eikenntnis und Sachverhalt ist (in dem in g 6i u. 76 erörterten Sinn), wird
nun tOr Brentano zum Statuieren eines Sachverhalts: ein Sachverbalt wird
,.als wahr angenommen" (vgl. auch Psych. S. 262). Hierzu kommt nun ein
weiterer Fehler, indem Br. auch noch die tatsächliche BicbUgkeit des
Urteils (des Anerkennens) einmengt (eidstieiend := mit Recht anerkannt.
Gegenstand wahrer Erkenntnis). Auf die tatsächliche Richtigkeit kommt es
in einem Existenzialurteil eari nicht an. Oder meint Br., daS ich mit dem
Urteil „Wien ist" meine: ich erkenne Wien als mit Recht anerkannt an?
Dann brächte die „Existenz" in der Tat zu der Anerkennung nichts hinzu,
sie wäre ein leerer Pleonasmus. Dies wideistreitet aber dem Tatbestand
durchaus. Jch meine mit Urteilen wie „Wien ist", „Gett ist" usf. nicht ganz
allgemein, daß ich ober Wien bzw. Gott etwas Richtiges urteile, sondern
meine damit einen ganz besonderen Sachverhalt, nbniich daB meiner Vor-
stelluDg Wien bzw. Gott dasjenige Prädikat zukonmit, das wir eben als
Enstenz bezeichnen (einerlei ob wahrnehmbare oder nicht-wahrnehmbare
Existenz), und das unten erörtert werden wird.
Allen diesen Anschauungen gegenüber muß festgeätellt
werden, dafi die Existenzialurteile wie alle anderen urteile
aas zwei Hauptgliedern zusammeDgesetzt sind und insbeson-
dere der Prädikatsbegriff nur scheinbar fehlt. Tatsächlich
ist, wie der Subjektsbegriff, so auch der PrädikatsbegriC
»•) ütsPT. situ. Erk. S. 76.
n,g,t,7l.dM,GOOglC
^30 '^- '^'^- ^*^ einzelneo togischen Gebilde und ibre Gewtze.
immer vorhanden, und zwar kommen logisch f ölende Fälle")
in Betracht:
1. aU Subgektsbeipriff ist ein irgendwie qualitativ (in-
haltlich), zeitlich oder räomlich '*) bestimmter Tatbestand
(Ding, Empfindung, Erinnerung usf.) hinzuzudenken, und
das grammatische Subjekt des Satzes ist dem logischen Sin»
nach PrädikatsbegriS (Begen ist oder es regnet = das hier
bzw. jetzt Gesehene ist Begen ^= „das" ist Begen, vgl. anch
8.635 ff.);
2. als Prädikatsbegriff ist eine qualitative, zeitliche oder
räumliche Bestinunong im Sinn eines M^-kmals hinzusn-
denken (Begen ist = Begen ist jetzt bzw. hier);
3. als PrädikatsbegrifF ist eine zeitlich oder räumlich
bestimmte „Existenz" hinzuzudenken, wobei die zeitlich-
ränmliche Bestimmtheit nebensächlich ist (Bfegen ist =
Begen existiert jetzt bzw. hier);
4. als Prädikatsbegriff ist eine zeitlich und räumlich
unbestimmte „Existenz" hinzuzudenken (Gott ist = <3ott ist
existierend).
Der Fall 2 ist sehr selten, weil das Merkmal Jelzt und hier" und eist
recht ein qualitatives Merkmal, wenn es den Besen detenninieren soll, im
sprachlichen Ausdruck nicht wesKelassen wiid. Zuweilen wird der zweite Fall
durch das Tempus markiert: es regnet z. B. ^ es wird nicht erst reroen. Die
meisten Beispiele, welche man vielleicht zu Fall 2 rechnen mOchie, lalteo
unter 3. Existenz imd Beslinuntheit der räumlich- zeitlichen Individual-
koeffizienten gehen eben in der Regel Hand in Hand.
In den beiden ersten Fällen bietet das Existenzialurteil
überhaupt keine wesentliche Abweichung von anderen Ur-
teilen, dagegen bedarf im dritten und vierten Fall, den
Exifitenzialurteilen s. str., das Prädikat der Existenz einer
Erläuterung.
Erkenntnistheoretisch sind nämlich folgende Arten der
Existenz zu unterscheiden:
a) die Existenz im Sinn des Oegebenseins oder als Oigao-
men (r-Existenz, vgl. S. 250),
und zwar a) als Empfindung oderEmpfindungsgigno-
men (E-Existenz, S. 252)
") Psvcholc«iscb sind sie keineswegs scharf voneinander seschifden.
'') Hier und im folgenden sei stets auch die Möglichkeit einW quali-
OgIC
2. Kapitel. Die Lehre von den Urteilen. Q3J
oder ß) als Vorstellnng (im weitesten Sinne) oder
VorBtellungsgignomen (V-Exi£tenz) ;
b) die Existenz im Sinn einer Komponente eines Gig-
nomens,
und zwar a) als v = Komponente (v = Existenz),
oder ß) als r= Komponente (v = Existenz),
oder y) als ^ c= Komponente oder Bednktions-
beatandteil (p = Existenz, Ding« des
naiven Denkens);
c) die Existenz im Sinn des Gegebenseins für andere
IndiTidnen.
Die Existenz unter b und c ist im Sinn meiner Erkenntnistheorie
transgressiv, aber nicht tionszendent. Femer ist zu bemerken, daß jeweils
in den Gegebenheiten, Komponenten usf. auch die Relationen der
Gignom^ne usf. einbegriffen sind. Auch ist wichtig, daB die Vatstellungs-
gignomene'*) entsprechend den Auseinandersetzungen in §60Ef. verschiedenen
Stufen angehören. Die erste Stufe ist in dem Urteil selbst gegeben. Endlich
empfiehlt es sich, die verbalen Empfindungs- und VorsteUungsgignomene
(Sprach empfindungen und S p r a c h klangbilder) von der Gruppe a ab-
zutrennen und in einer besonderen Gruppe d „Wo rt exis t enzen" zu-
sammenzufassen ''*). Andrerseits kann man auf Grund eckeontnis-
theoretischer Erw^ungen alte aufgeführten Existenzen in zwei Hauptklassen
einteilen: e = Existenzen und Existenzen mit Beteiligung von •■- oder »-
Eompcoeaten und sich damit der populSien und auch in der Wissenschaft
noch nicht überwundenen Einteilung in Physisches und Psychisches nähern.
Die erkenn toistheoretische Frage, ob Existenz immer eine individuelle Be-
stimmtheit, also einen r¨ich- zeitlichen oder doch wenigstens einen zeit-
lichen IndividualkoefSzientep der bezQgUchen Empfindungen oder Vorstel-
lungen oder Redukte fordert, oder ob auch von Existenz des Allgenieineii
unabhängig von der Existenz des subordinierten Einzelnen gesprochen
werden darf, kann hier nicht erOrtert werden. Ebenso hegt für die Logik
keine Veranlassung vor, den sog. Werturteilen **) eine besondere Stellung
einzuräumen. Über die „dritte" Existenz der I.ogizisten siehe S. 16 u. S71.
") Daß das Denken nicht etwa, wie Riehl (PMlos. Kritiz., 2. Aufl. Lpj:.
1906, S. 171) meint, „die einfachste Geatalt des Seins" ist, bedarf nach dem
Yorau^egansenea keiner ErQrterung.
^*) „Viereckiger Kreis" hat nur Wortexistenz und die Existenz zweier
sukzessiver Vorstellungen, aber nicht die Existenz einer Komplexions-
vorstellung. Vgl. S. 371.
^*) Vgl. aber diese a.. B. Max Reiscble, Werturteile u. Glaubenaurleile,
Halle 1900, S. *2ff.; Chr. v. Ehrenlela, System der Werttheorie, Bd. 1, Lpz.
1897; A. Ueinong, Psyohol. eth. Untersuch, z. Wert-Theorie, Graz 18M, S. 20;
J. CL Kreibig, Psycholog. Grundlegung eines Systems der Wert-Theorie, Wien
1902 (S. 8 Wert u. Urteil); Durkheim, Rev. de m£taph. et de mor. 1911,
Bd. 19, S. 4B7. — Die Windelbandschen ,3 e urteilungen" t^l. z. B. Prae-
ludien, 4. Aufl. Tübingen 1911, Bd. 1, 5, 29) sind strenggenommen nichts
OgIC
532 ^- 'I'^''- ^'B einEelnen loviscbeii QeUlde und ihre Gesetz«.
Die Existenzialsatze '*) nun sagen ii^ndeine dieser
Existenzen auB. Die Existenz der im Existenzialnrtei! selbBt
sedachten Begriffe (Gott, Wien, Begen nsf.) als Begriffe,
lt. h. als normalisierter Vorstellnngsgignomene wird selbet-
verstandlich immer mitgedacht, das Denken dieser Existenz
aher ist keine Besonderheit des Existenzialurteils, sondern
kommt jedem Urteil im logischen Sinne ^0 zu- Indem wir
dann aber die oft besprochene Objektivation der Ürteils-
begrUfe vollziehen (S. 379 u. 491), setzen wir an Stelle der
letzteren entweder Vorstellnngen einer anderen Stnfe oder
Empfindungen oder Beduhtionsbestandbeile (,.Dinge" der
populären Auffassung, „Reize" der Physiologen nsf.) nnd
schreiben diesen je nach dem Argument (S. 268) eine jener
oben aufgezählten Existenzen zu. Bei den gewöhnlichen Ur-
teilen lauft dieses Zuschreiben einer Existenz, wenn e«
stattfindet, neben der Urteilsverknüpfung einher'*), bei dem
Existenzialnrteil ist es der einzige Inhalt des Urteils. Wenn
ich urteile „Gold ist 19,6 mal so schwer als Wasser", so be-
ziehe ich diese Aussage auf die ^ -Existenz von Gold nnd
Wasser (im Sinn irgendeiner wissenschaftlichen oder naiven
Beduktion des Gegebenen), und dieses Beziehen läuft neben
meiner Aussage her. Wenn ich das Existenzialurteil fälle:
„es gibt ein Metall, das 19,6 mal schwerer ist als Wasser"
oder „Gold existiert", so ist die Existenz, und zwar die
9- Existenz des bez. Metalls oder des Goldes der einzige In-
halt meines Urteils. Es kann also nicht zugegeben werden.
daB den Existenzialsätzen ein Prädikat fehlt.
anderes als Werlurleile; nach Wiodelband veAindcl sich mit jed«n be-
labenden oder verneinenden Urteil eine Billigung bzv. MiBbilligung bezOgtidi
des Wahrheits w e T t e s und damit eine Beurteilung. Vgl g 46 u. S. 366.
Anm. R u. 362 B.
'•) Zuweilen tritt sogar an Stelle des Eiistenzialsatzes ein einidn«
Subslantiv, so x. B. in dem Ausral „Diebel". Vgl. S. 627, Anm. S.
'^ Im psychologischen Urteil ist nicht einmal dieses Hinzudenken not-
wendig. Die im Urtei! verknöpften Voretellungen haben V-Existenz, son*
könnten und würden wir sie nicht denken; aber ein besonderes Anerkennen
dieser Existenz findet im allgemeinen nicht statt
!•) In diesem eingeschränkten Sinne hat Hurae recht, wenn er be-
hauptet: to reflect on any tbing simplf, and to rellect on it ta existent, u«
nolhing diflerent from eacb other (Treat of hum. nat. I, 2. SecL 6). — Auch
die Ansicht Bradleys. daD im Urteil ein vorsestellter Inhalt auf eine RetÜU'
jenseits des Crteilsaktes bezogen werde, gebfirt hierher (Prineiplra of higic.
London 188a, S. 1* u. a.l.
n,5,t,7rjM,G00glc
•2. Kapitel Die Lehre von den Urleiieu. 63^
Es steht natürlich nichts im Wege, auch auf diese Verschiedenheit des
Arguments bei der Obiektintion eine Einleitung der Urteile zu gründen
£s würden sich datwi die soeben unter a, b und c angeführten Klassen er-
leben. Hierbei gebärt auch die Unterscheidung Grdmanns (Logik, 2. Aufl.,
S. {30 u. 45S) zwischen R e a I urteilen ") und I d e a 1 urteilen, ie nachdem
die in dem fonnuherten Urteil ausgesagten Beziehui^en „als unabhängig
Ton unserem Vorstellen «irklich vorausgesetzt werden" oder die „Wirklich-
keit" dieser Beziehungen „lediglich in ihrem Gedachtwerden besteht". Ebenso
finde — im Hinblick auf die Wortezistenzen — die Einteilung in essential
oder verbal und non-essenlial oder accidental oder real propositions, welche
J- St Mül auf Grund einer Übrigens sehr anfechtbaren Argumentation gibt
(Sistem of logic f, G, 4, 3. Aufl. IB&l, S. 128), hier ihren Platz. Ein näheres
Eingehen ist hier nicht erforderiich. da es sich um eine vorwiegend er-
^enntnistheoretische Frage handelL Vgl, auch S. 534 ff.
Kant erkl&rt zwar, daB ich in dem Eiistcnzialsalz ,J:etn neues Prä-
dikat" zum Begriff, „sondern nur das Subjekt an sich selbst mit allen seinen
Prädikaten" setze, fügt aber ausdrücklich hinzu: „und zwar den Gegenstand
in Beziehung auf meinen Begrifl" (KjiL d. rein. Vem., Kehcb. Ausg. S. 472);
„der Gegenstand . . . kommt zu meinem Begrifft; (der eise Bestimmung meines
Zustandes isl) synthetisch hinzu . . .". Seine weiteren Auseinandersetzungen
lassen sich mit der oben gegebenen Auseinandersetzung sehr wohl in Ein-
klang bringen. — In der neueien Lileralur isl namentlich auch Chr. Sigwart
gegen Brentano für die iwädikalive Natur der Exislenzialaussage eingetreten
(Ugik, ßd. 1, § la u. 2, § 86, 2. Autl. Bd. 1, S. 88 fl. u. Bd. 2, S. 3381t. u.
Die IinpersonaUen, Freiburg 1888, S. 50 ff.). Weim S. seinerseits behauptet,
„das Seiende stehe dem bloß Vorgestellten, Gedachten, Eingebildeten gegen-
ober", und es „stehe mir, dem Vorstellenden, als etwas von meinem Vorstellen
fjoabb&ngises gegenübet", wird er der Mannigfaltigkeit der Existenzialufteile
nicht gerecht. Vor allem sprechen wir auch von der Existenz von Vor-
stellungen, Vorstellungsgeaelzen usf.; es müßte also wenigstens statt „dem
bloß Vorgestellten . . ." heißen „dem in der aktuellen Votstellung Gedachten",
Ich sehe aber nicht ein, warum nicht aucli die aktuelle Vorstellung als solche
existieren sollte (unahh&ngig von einem Urteil über sie), vgl. üben S. 631.
a, ß u. S. 632. In der aktuellen Vorstellung, Empfindung usf., wenn ich sie
gegenstandslos denke, liegt sogar gewissermaSen der PrototTP der Existenz
vor. Daher scheint mir die von Sigwart im AnschluB an Kant gew&blte
BezeichDung .Jtelationspr&dikat", die auf das „Verhältnis zum Eikenntois-
vermögen" hinweisen soll, doch nicht uubedeokhch. Nach meiner Auffassung
ist ein Existenzialurtell denn auch nur dann von Bedeutung fUr unser Er-
kennen, wenn es nicht nur die Existenz im allgemeinen, sondern irgendeine
bestimmte iener oben (S. 630) aufgezählten Existenzen bejaht oder verneint
oder zwischen bestimmten unter ihnen die Wahl läßt bzw. beslimmti) unter
ihnen ausschließt.
Weitere Literatur über die Ex isten zialu r teil e (nur
wichtigere Arbeiten): B. Erdmann, Lc«ik, 2. Aufl. Bd. 1^ [lalle 1907, S. iUtS.,
401 f., 4&3f. (Betonung der „Wirksamkeit" ab Merkmal für das Existieren,
.Zurechnung zu den „Kausalurteilen"); A. Rieht, Vierteljahrsschr. f. wis.^.
") In etwas anderem Sinn spricht Kries von Kealurteilen (Vierleljabrs-
xbiili l. wiss. niilos. 1B92, Bd. 16, S. 253).
O^^IC
634 '^'- l*^''- ^'^ einzelnen logiscben Gebilde und ihr« Gesetze.
Philos. 1^3. Bd. 16, S. IBS. ' unteischeidet das [eigentliche] „Urteil als die
Auftaäsung einer Voislellung CHler Vorstellungsverbindung als wirklich, d. i.
m den Kontext der W&hmehmungeD gehörig" und den „beghfilicben Satz ")
als die Auffassung eines Verhältnisses zwischen zwei oder mehreren Be-
giiüen als allgemeinsültis und notwendig, welche Eigenschaften die Wahrheit
des Verfa<nisäea ausmachen"); H. Cornelius, Versuch einer Theorie der
lÜxistSDiialurteilo. München l&Oi (unletscheidet Relationsurteile und Exi-
stenzial urteile e. str. und teilt letztere ein in die elenrnttaren Wahmehmuncs-
urteile, soweit sie sich auf pbyäsche Phänomene beziehen, und die auf
solche Phänomene bezQgUchen „symbolischen ExistenzialurteLle"); Ad. DtioB,
Über den Existenzialbegriff, Freiburg 1902; Franz Mikloäich, SubjcÜlose
Sätze, 2. Aufl. Wien ISSS; U&rty, Vierteljahrs sehr. f. wiss. Philos. 1881.
Bd. 8, S. 90«. u. lR6f[., 1888. Bd. 12, S. 241 H. (Sigwarts Antwort S. 36öt),
18M, Bd. 18, S. 32Ü u. 440 fl.. 1895, Bd. 19, S. 19 ff. u. 277 0.; W. Jordan,
Die Zweideutigkeit der Copula bei Stuart Mill, Progr. d, kgl. Gjmn. in Stult-
ttti 1870*; Fr. Hillebrand, Die neueren Theorien der kategorischen Schlüsse,
Wien 1891, S. 24 u. 35ff.; J. Bergmann. .\]1g. Logik, 1. Teil Reine Logik,
Berlin 1879, | 5. S. 33 u. § 15, S. 142; W. Jerusalem, Die UrteilsfunkticD,
Wien-LeipsdR 1896, S. 68 u. 20"; E. l,ask, Die Log. d. Philos. u. d. Kate-
Eorienlehre, Tübingen Iflll, S. 70 u. 107 ü.; W. Wundt, Völkerpsychologie 1,2.
2. Aufl. 1904, S. 220 ff.; W. Enoch, Philos. Monatshefte 1833, Bd. 29, S. 447
u. 451; W. ScbupDe, Erkennt nistheorct. Logik, Bonn 1878, naraentl. S. 634 fl..
GrundriB d. Erkenntnistheorie u. Logik, 2. Aufl. BcrUn 1i)lü, S. 29 u. 170,
u. Ztschr. i. Völkerpsych. 1886, Bd. 16, S. 249 (Existenz als „Reflexion:-
prädikat" *>), Esistenzaussagen betreffen immer nur eine Existenzart mit
Ausschluß einer anderen); E. Husserl, Ideen zu einer rein. Phänomeno).,
Buch 1, Halle 1913, naroenU. S. 12, 86, 96, 18ö, 280; F. H. Bradley, Appeuance
and reaUtr, London 1908, S. 162 ff., J. Venn, Symbolic Logic, London ISäl,
2. Aufl. 1894, in 1. Aufl. Kap. 6, 5. 126 (nähert sich Brentano, Tgl.: auch
J. N. Keynes, Studies and exercLses in formal logic elc, London I884v
S. 116tf.); W. Bl. Neatby, Vind 1897, Bd. 6, S. 642; W. T. Mairin. Joura.
of philos., psych, and scient. meth. 1911, Bd, 8, S. 477.
Aufier clen ü^xistenzialurteileu Imben manche Forseber
auch die Impersonnliea als eing:Uedrige urteile auffoBseu
wollen und ihnen Subjekt oder Prädikat abgesprochen (vgi.
S. 627), 80 wieder Herbart, Brentano, Miklosich und Marty.
Die Mehrzahl der Logiker hielt auch für die Impersonalieu
an der Mehrgliedrigkeit fest, konnte sich jedoch bis heute
nicht darüber riaigen, welches Subjekt bei den Impenw-
nalien zu ergänzen ist Nach den Erörtemngen S. 630 f. kann
nicht zweifelhaft sein, daß die impersonalen Sätze (ini
grammatischen Sinn) sich in der Tat in dieser Beziehung
20) Dos Gebiet der begrifflichen Sätze soll das ..Gebiet der h«
und malbematischen Wahrheit" sein.
»') Vgl. übei- diese RcOexionsp radikale Ztschr. f. Psycho!. 19CB, I
S. 119 ((.
tY^IC
2. K&pitet. IKe Lehi« von den Urteilen. 635
p»yehoIo^isch und It^iscli verschieden verhalteo. Mao bat
nämlich folgende Fälle zu unterscheiden:
1. Als SubjektsbegriK ist ein irgendwie qualitativ, zeitlich oder läumlich
b«5tiounler Talbestand zu ergänzen. Dieser Tatbestand kann in einer
aktndlen sinnlichen Wahmebmung (Empfindung) gegeben sein, so beispiels-
weise, wenn ich ein Glockenl&uten hSre und urteile: es läutet. Das „eK"
entspricht hiei oft einem Demonstrativum „dies ist L&uten", und das ganze
Urteil kann als ein Wiederarkennungsurteil (Benennungsuiieil Sig^tarts) oder
auch als ein subsumierendes EmpQndungsurteil aufgelaSt werden. Sehr oft
tiandelt es sich jedoch auch um einen erinnerten oder irgendwie sonst vor-
gestellten Talbestand: „gestern regnete es auf unsefem Spaziergang",
„es schneite während der Schlacht bei PreuDisch-Bylau". Die Ergänzung
ist bald aus anderen Bestandteilen des Urteils, z. B. präpositionalen, ad-
Tcitialen Ausdrücken usf. (vgl. Erdmann 1. c. S. ÜfOl.), bald lediglich aus
der Fleiianaform des Verbs, tiald nur aus dem Zusammenhang zu entnehmen.
Der Tatbestand selbst schwankt in seiner qualitativen, zeitlichen und räum-
lichen Bestinuntheit innerhalb der weitesten Grenzen. So kann „us läutet"
auf eine bestinunte Glocke oder irgendeine oder mehrere der mir bekannten
Stadlglocken oder überhaupt auf eine Stadtglocke oder schliefilich nur Ober-
haupt auf eine Giocke, bdisnnte oder unbekannte, bezogen werden, so daB
nur die zeitliche Bestinuntheit Qbrig Meibl^'). „Es regnet selten" kann
sich — wofern überhaupt der Fall 1 vorliegt — auf einen größeren oder
kleineren, längeren oder kürzeren Zeitraum beziehen. Ein weiteres Beispiel
Ol diese Spielbreite der Bestimmtheit Uefem die Urteile:' es ist heiB, mir
ist beiß, mir ist heiB im Kopf. Die französische Sprache — i'ai chaud —
gibt uns hier einen direkten Hinweis auf das zu ergänzende Subjekt Wie
das Urteil „es ist heiB" lehrt, kann schlieBlich die Bestimmtheit so weit
reduziert werden, daB nur eine ungefähre räumliche und zeitliche Bestim-
muiK fltnig bleibt, ein sehr unbestimmtes bic et nunc, welches wir meistens
gar nicht durch ein Substantivum ausdrücken können. Ganz verschwindet
auch in diesem Grenzfall der Subjektsbegriff nicht.
So wird es verständUch, daB Schleiermacher (Dialektik, cd. Jonas, Berlin
18SB, S. 261) in dem „es" der Impersonalien „nur das Chaos" erblickt,
Lotze (Logik, Lpz. 1874, S. 71) „den allesumfassenden Gedanken der Wirk-
lichkeit, die bald so bald anders sestaltell ist", und Ueberweg (System der
lasik., 6. AufL Bonn 1SS2, § S8, S. 197) als Subjekt „die unbestimmt ge-
dachte Totalität des uns umgebenden Seins oder einen unbestimmten Teil
derselben" e^änzt. Wundt (Logik, Bd. 1, Stultg. 1880, S. 155, 2. AufL 1893,
^>) Der Wortlaut des i^tzes kann in allen drei Fällen derselbe sein.
• ") Die Unbestimmtheit ist bald eine notwendige Folge der Unbekannt-
faeit (vgl. die Bemerkungen Sigwarts. Impersonalien S. 30 tiber das Urteil
„es lauscht"), bald nur gewählt, weil auf bestimmte Angabe kein Gewicht
gelegt wird, also an-das Subjekt als unintefessant nicht gedacht wird oder
eine solche als selbstverständlich sofort jederzeit ergänzt werden kann. Im
letzteren Fall faßt das „es" eine unanalysierte ifenge van Objekten oder
EindrQcken (Sigwart 1. c. S. 34), einen Eomplex, namentlich einen kollektiven,
atAürzeud zusammen. TreSend zieht Sigwart auch das Fehlen des gram-
matischen Subjekts in Infinitiven wie „ich höre schießen" und bei Passiven
„es wird getanzt" heran.
, ........X.OOgK
i636 ^V- Teil, Die einzelnen logischen Gebilde imd ihr« Gesetze.
S. 177) rechnet mit Recht die unpersönlichen Uileile nur zum Teil zu den
Urteilen mit unbesUnunt gelassenem Subjekt (den „uobeslimraten Urteilen"
seiner Terminok^e). Wenn Erdmann I. c. S. 446 meint, daB in solchen
Urteilen das Subjekt „völlig unbestimmt, d. i. der formelte Titel lür ein
Subjekt ist. das nicht vorliegt und doch nicht entbehrt werden kann", so
scheint mir hierbei das hie bzw. nunc nicht zu seinem Recht zu kommen-
Die Uiklosichsche und Erdmannsche Bezeichnung „Prftdikatsurteile" (a potieri
zu verstehen) trifit nicht fOi alle impersonalen Urteile zu. VgL auch I^aatl,
Sitz.-Ber. d. Bayer. Ak. d. Wiss. zu Manchen, philos. bist philoL KL 1SK.
I, S. 167 u. J. Bergmann, Heine Logik, Berlin 1879, § 5. S. 38 u. g 13. S. 116
(,.Welf als Subjekt).
Eine Substitution wie elwa „die Wolken regnen" für „es regnet" würd6
in den meisten Fällen den Sinn des letzteren Urteils nicht richtig wieder-
geben; denn es kommt uns gar nicht auf die Determinalbn der Wolken an.
sondem auf die Determination des hie et nunc (Fall I) oder die Exisleni-
aussage des Regnens (s. unten Fall 3). Auch ändert ach an dem Sinn des
Urteils nur wenig, wenn an Stelle von „es regnet" AusdrQdce treten wie
,Ztit Sit" oder „Regen fallt". Meistens sind die Wörter ,2m" (bei Herodot
• 9ü{) und „fällt" hier nur bedeutungslose Umschreibungen; „Zeus" «iid
nicht determiniert, und „f&llt" detemünieit (der Denkabsicht nach) nicht
mehr als das Wörtchea „ist". Sigwart het)t mit Recht hervor, daB uns die
Frage, was regne, Oberhaupt ganz fem Hege. Daher wird man auch mit
der Ergänzung eines stammverwandten Substantivs (z. B. ,Jtegen regnet")
dem logischen Sinn der impetsonalen Urteile nicht gerecht.
2. Das unperaAnUche Verbum ist das logische Subjekt, und als Pii'
dikatstJegrifl ist eine qualitative, zeitliche oder r¨iche Bestimmung lu
ergänzen. Die letztere ist oft direkt aus weiteren Satzbeataadteilen, z. B-
adverbialen oder pr&positionalen Ausdrücken zu entnehmen. So bedeute)
„es regnet stark" oft: „der (jetzt und hier fallende»') Regen ist stark" uwl
„es regnet" gelegentlich: ,jlegen fallt jetzt und hier", „es regnete": es
regnete vorhin (jetzt nicht mehr). Vgl. S. 680 f.
3. Das unpersönliche Verbum ist das logische Subjekt und als Pn-
dikatsbegritt ist der Begriff der Existenz hinzuzudenken; letztere ist bald
räumlich- zeit lieb in irgendwelchem Grade bestimmt, bald rSumUch-Kitbch
ganz unbestimmt "). Dieser Fall ist durch die Besprechung der Existenzia!-
urteile S. 627 bereits erledigt.
Literatur Über die Impersonalien: die S. 633 u. tüi
angeführten Arbeiten, auBerdem
Ad. Trendelenburg. Log. Untersuchungen, Berlin, 3. Aufl. 1870, Teil t
S. SSI (das iropersonale Urteil iat die ursprOnglicbe Form des Urtdlaji
J. u. W. G r i m m , Deutsches Wörterbuch, Bd. Bf. Lpz. 1663, S. U06-1118
unter „es", I, B — D (die relative Unbesliountheit das Neutrum wir!
hervoEgeboben, Versuch einer Einteilung der Impersonalien, der aber
durch die ^Aleren Einteilungen von Miklosich, Sigwart und Erdinuu>
überholt ist).
'*) Dabei ist das ,jetzt und hier fallen" nebensächlich.
"^) Diese Beziehung zwischen den Impersonalien und den Eiistenaal-
sltzen hat schon J. Chr. Aug. Heyse richtig erkannt (Ausfflhrliches I^r-
buch der deutschen Sprache 1814. ö. AufL, Hannover 1838, Bd. 1, S; K2
u. 660 u. namentL Bd. 2. 5. 5 u, 16).
2. Kapitel. Die L^br« von den lirteilen. Q^J
H. Steinlbal, Zischr. f. Völkerpsych. 1866, Bd. 4, S. S35 (Besprechung
der MiWosicbschen Schrift).
Em. EggCT, Natians f^iim. de giammaire coinpar6e, Paris* ISüS,- 7. Aufl. 1875.
Berth. Delbrück, AlUndische Syntax (Syntakt. Forsch., Bd. 5), Halle
1B88, S. Sff. (hftlt an der ursprüngl. Subjektlosigkeit einzeber Veiten
im Altindischen fest).
K. Paul, Prinzipien der Sprachgeschichte, i. Aufl., Halle 1909, S. 130 (be-
tont, daß dem sprachlichen Ausdnick nach die eingliedrigen Sätze stets
.J:onkret", nie .abstrakt" sind).
J. V e n n , Mind 1B88. Bd. 13, S. 413.
S. F. MacLennan, The impersonal iudgment, Chicago 1897*.
R. Fr. Rain dl, Philos. Monatshefte 18B2, Bd. 28, S. 276.
§ 113. Einteilans der Urieile (ForiBetznng:), 2. naeh dem
EmpflndniiEs- oder Vorstellongscharakter von S; 3. nach der
QnalitJit
2. EinteiiuDg der Urteile nach dem E- oder
V-Charakterdes Subjekts.
Die pBychoIoirißch und erkenntnistfaooretiscli ungemein
wichtige Einteilung (vgl. S. 386) in Empfindungs- und
Vorstellungsurteile') hat logisch keine erhebliche
Bedentnng. Wir können, wenn es sich nur um die for-
malen Gesetze des richtigen Denkens handelt, uns in dem
Empfindnngsarteil unbedenklich das Subjekt, also die Emp-
findung durch die entsprechende Individual Vorstellung
bzw. den entsprechenden Individual begriff ersetzt denken.
Die logische Verwertung wird dadurch nicht beeinilttßt.
Erdmann (Logik, 2. Aufl., S. 271 ff. u, ***) unterscheidet von den Wahr-
nchmungsurieilen, welche sich auf eine gegenwärtige Empfindung (Wahl
nehmung) beziehen, also unseren Empfindungsurteilen entsprechen, als E r
fahrungs urteile diejenigen, welche auf JrObere oder mögliche spätere
Wahrnehmungeinhalte bezogen sind" '). Ich ziehe es vor, wenn der Sufr-
jektsbegriff das unmittelbare Erinneningsbild einer früheren Empfindung ist,
von Ex in nerungs urteilen zu sprechen [Ysl. S. 887); ist der Suhiekts^
begriff die (nonnalisierte) Vorstellung einer künftigen möglichen Empfin-
dung, konnte man von Erwartungs urteilen im prägnanten Sinne spre-
chen. Der Terminus „Erfahrung" scheint mir wegen seiner Vieldeutigkeit
meht zneckmißig. Alle 3 Gruppen kann man als Erlebnisurteile zu-
^) Die Empßndungsurteile decken ^ch vielleicht mit den äfuifima
tif«ft^a der Stoiker, vgl. Seztus Empi/., Adv. malh. VIH, 96, ed. Bekker,
S. 306.
^ Die Definition der Erfahrungaurleile an den beiden zitierten Stellen
stimmt nicht vollständig übereic.
1,1^. OQi
,g,c
638 '^- ^^- ^^ einzelnen logischen Gebilde und ibre Gesetze.
3. Einteilung der Urteile nach der Qualität
Wie psychologisch, unterscheiden wir auch logisch nach
der Qnalität bejahende (positive, affirmative)
und verneinende (negative) Urteile (vgl. S. 390).
Die Bejahung bzw. Verneinung bezieht sich stets und "ans-
schließlich anf die Kopala, d. h. auf die UrteilsTerknüpfno;
(S. 375), nicht auf den Subjekts- oder Prädikatsbeyriff.
Dnrch einen negativen Subjekts- oder Prädikatsbegriff wird
also ein Urteil nicht negativ, ,.rot ist nicht-weiß" und „nicht-
weiß kann rot sein" sind positive Urteile, nur „rot ist nicht
weiß" ist ein negatives Urteil. Die beiden Urteile „rot ist nidit-
weiß" und „rot ist niclit weiß" drücken zwar denselben Tat-
bestund aus, sind aber formal verschieden. Unter erweitern-
der Verwendung eines Kantschen Terminus kann man die
Urteile mit negativem Subjekt oder Prädikat als I imita-
tive bezeichnen. Die limitativen urteile, können wir dann
sagen, haben mit der Einteilung der Urteile nach der Qaali-
tät nichts zu tun.
Nicht zu den limitatiTen, soodem zu den nogaliven Urteilen sind
sotcbe zu rechnen, in welchen die negative Partikel sich nur auf die Quan-
litAt des Subjekts- oder — sehr viel seltener — des Pr&dikatsbegnSs be-
zieht. Die beiden Haupttygjen dieser Urteile künnen durch die Konnein
„nicht alle S sind F' und „kein S ist P" dargestellt werrtenS). Dit
Vertauschbarkeit mit den eewöhnlichen negativen Urteilen : „einige S sind
nicht F' und ,^lie S sind nicht F' leuchtet ein. Wegea der besondeRo
Stellung, die sie innerhalb der negativen L'rteile einnehmen, werden sif
unten (S. 6*6 f.) einer gesonderten Besprechung unterzogen werden. Dasselbe
Hill von Urteilen, wie „die Blindschlekihe ist keine Schlange", in wcktec
die Negation nur sprachlich mit dem Prädikat verschmolzen wird (?i?h5
S. 647).
Aristoteles bezeichnet das beiahende Urteil als ratätpatiK (tder neiivi''
xiaa^aitti iselti.'u>'r xmiiyo^ixi;}, das veraeinende als äniipatu ode;
n^ittOie änvpaiixr,, seltener nipi^iiKii {äni(po:v<n( — mit y — ist der
Tpirainus Jür das Urteil überhaupt, vgl. S. 605), Die limilalive^i Urteile sind
ihm wohl bekannt (mit orefm oder (>';ur aigurTOf), werden aber nicht be-
sonders bezeichnet (De interpret. Ak. Ausg. 17 a, 25 u. 19 b, 5Ö.) In der
lateinischen TenninoloeiG hieß das beiahende Urteil propositio aifirmati^ä
s. ajens s, dedicaliva. das verneinende propositio negativa s. negans s. ab-
dicaliva *). Die limitativen Urteile wurden von BoSthius. vielleicht infoll*
') Die Stoiker nannten urteile mit Negation der Quantität de; Siih-
iekls äftiö/uoTB liQKtiiixti (Diogenes Laert. De dar. philos. vit. ed. Cobei.
Paris 1878, S. 174).
*) Vgt. Cicero, Topica. eap, II, % id (negans u. ajens); Appulejus, D'
dogm. Plat. (TMpi ip/iiywfnf, ed, Thomas, Lpz. 1908. S. 177, ed. Oud. S66).
Ramus braucht die Termini .Judicium afflnoatum und negatum" (Kal«!-
1577, 11, 2. S. 1061.
2. Kapitel. Die Lehre von den Urteilen. 639
eines bei der Lehre von dea Begriffen S. 063 schon ernähnten HiSversiand-
jiisses des Worts ^ägmm, propositiones infinit»e°) (afflrniationea und
netntiones, es inftnito) genannt. Dabei berücksichtigte er allerdings nur die
Urteile mit negativem Pr&dikal mid trennte auBerdem ohne ausreichende
BeerOnduDS von den proposilioneB in£nitae die propositiones privato-
riae*) ab, worunter er Urteile verstand, deren Prldikatswort mit dem „in"
privativum zusammengesetzt ist ') (In libr. de Interpret., Mignes Patrol.
Bd. 64, S. S!0). Noch in der Logüt von Wolft kehren diese Termini in
Ihnli^er Bedeutung wieder, doch berQcksichtigt er auch die Urteile mit
negativem Subjekt: „si negandi particula non i^lcrtur ad copulani. sed ad
praedicafum vel subieclum. propositio negativa non est, sed allquam eius
saltem speciem habet" und „propositio, quae speciem negativae habet, sed
revera affirmativa est, inflnila dicitur (Loeica, § 208 u. 209. 2. Aufl. 173S,
K, 221 ; ahnlich Baun^aiten, Acroasis iogica, 2. Aufl. 1773, § 215 u 216 u.
G. Fr. Meier, Vemunltlehrc, 2. Aufl. 1762, § 327;. Kant hat in der Krit. d.
rein. T«rn. (Kehrb. Ausg. S. 90. vgl. auch Logik, § 2S) die propositiones
inllnitae (unsere ümilaliven Urteile) in seine Tafel der Urteile als „un-
endliche Urteile" aufgenommen, aber nur die Urteile mit negativem Pr&-
dikat beiOcksichtigt. Er ordnet ihnen dann weiterhin (1. c. S. t)6) in der
Sategorientafel die Kategorie der Limitation zu. Oft hat man die Berech-
tigung dieser Aufstellung und Zuordnung mit triftigen Gründen bestritten.
Die neueren Logiker haben gröBtenteils die unendlichen Urteile aus der
qualitativen Einteilung der Urteile in Übereinstimmung mit Wolff ganz ge^
strichen. Erdmann (1. c. öOl) hat neuerdings die Uileile mit negativem
Prädikat als „mittelbar verneinende" bezeictmet.
') Propositiones indafinitae nannte er sok^he, deren Quanlitftt nictit aus-
drücklich angegeben ist (bei Aristoteles Ttgatä^us ditÖQiatM, Akad. Ausg.
'2i a, 19, vgl. S. 5ä2, Anm. 16). Übrigens kommen weiterhin auch manche
Abweichungen von dieser Terminologie vor, siebe z. B. Petrus Uispanus,
Summulae logicales, Tracl. VII, ed. Colon. Agr. 1623, S. 469 u. 485. Vgl.
auch ülier die n^iäatK t* ufra9iaiaK des Theophrast Prantl, Gesch. d.
Log. Bd. 1, S. 357.
*) Er lehnte sich dabei an die Stoiker an, die ein iliafia ni^^ntnr
(z. B. vgiilär&gaurif igiir oürofi unterschieden. Vgl. hierzu Diogenes Laert.
i. c. S. 174.
') Streng logisch gehören solche S6tze (z, B. „er ist aagerecht") zu
den Umitativen, ungerecht bedeutet nicht-gerecht. Psychologisch neigen sie
meistens stark zu den negativen hinüber (,,er ist nicht gerecht"), legen aber
das positive Urleil nahe, daB fflr das Subjekt das bezügliche Prädikat oder ein
Pi'ädikat derselben Gattung wenigstens hätte in Frage kommen können.
Ich kann zur Not sagen: „ein Tisch ist nicht gerecht" und auch „öa
Tisch Ist nicht- gerecht", aber nicht: „ein Tisch ist ungerecht", weil ich damit
den (bedanken zulasse oder nahelege, ein Tisch kOnne Oberhaupt gerecht sein
oder könne wenigstens Träger ethischer Prädikate sein. Die Negation wird
nicht kontra diklorisch, sondern kontrapositorisch (S. 548) autgefaBt. Vgl.
auch W. Tr. Krug, Syst, der theor, Philos.. 1. TeU, 3. Aufl. Königsberg 1825.
ü- 163 ;„)udicium negative -affirmativum"). PsTchologiscb könnte man also
die Klasse der privatorischen Urteile des BoStbius wohl gelten lassen, logisch
sind sie nicht scharf genug charakterisiert. Vgl. auch S. &t2, Anm. 13 Aber
Wmrfts Ansicht,
„.,,„, ^.oogic
640 I^' '^^''- ''''' ^nzelnen losiscbeo Gebilde und ihre Gesetze.
Der oben festgestellte Unlerachied zwiachen dem negativen und dem
limitAliven Urleil, speziell dem limilativen Urieil mit oegativem Prtidik&t iil
von Hobbes und von Botzimo bestritten worden. Hobbes (Elem. phika..
Sect. 1, De corpore I, 3, 6, Opp. Ulin. ed. Moleswoith, Vol. 1, London 1631,
S. 31) lehrt, das negative Urteil sei eine .jiroposilio. cujus praedicatum est
nomen oecativum", und Ähnlich behauptet Bolzano (Wisaenschattslehre, Snli-
hach 1837, Bd. 2, Neudruck Leipzig 1915, § 136, S. 46], daB „mr den BegriS
der Verneinung in alten den F&llen, wo man denselben bisher fälschlich zur
Kopula bezogen hat, im Aussageteile zu suchen haben". Auch W. Tr. Eng
(Syst. d. theor. Philos., Teil 1, 3. Aufl. 1826, S. 162) hatte gemeint, ,4»
Verneinung gehöre logisch nie zur Kopel, sondern immer zum Prtdikate"
(weitere Ijteratu rangaben bei Bolzano). Erdniann (E. c. S. Kß) hkl gegen
diese Forscher eingewandt, daS, wenn non-P im negativen Urteil das Pii-
dikat «äre. die Vemeinung der Begel nach jedem Snlqekt eine Beihe uLler
sich unverträglicher Bestimmungen (alle non-P = Prädikate) zueikennai
wOrde. Dagegen ist jedoch zu bemerken, d&B dieser Einwand hinfUlig wird,
wenn man das Urteil im Sinn einer SuhEumlion deutet ;ist nicht blau ^ ge-
höti zu den nicht blauen Gi^genatänden) und S. 543 n. berücksichtigt. Inhalt-
lich haben also Hobbea. Krug, Bolzano recht. aJier Iorma.1 muß der Unter-
.'v^hied aufrecht erhalten werden. Vgl. auch S. 639, Anm. 7 u. 642. Anm IS-
Wenn RJcIi wonach die Verneinung im negativen Urteil
stets anf die ürtcilsverknüpfung bezieht, so erhebt sich die
Frage, welche logische Bedentnng der VemeiDimg
zakonunt, nnd in welchem Sinn die Urteilsverknüpfunff
verneint wird und welche Beziehungen die Vemeinung
stiftet. Was znnachst die Bedeutung der Verneinung an-
langt, so liegt keine Veranlassung vor, für da£ logische Ur-
teil die Verneinung anders zn deuten als für das Urteil im
psychologischen Sinn. Auch für das logische Urteil bedentef
die Vemeinung die Aussage einer Verschiedenheit der Indi-
vidualkoeffizienten (vgl. Ö. 390) und setzt also einen Vergleich
dieser Koeffizienten vorans. Bei den negativen konscrtiven
Urteilen (S. 389) bezieht sich die Veraeinniig nur auf die
Individualkoeffizienten (Beispiel: .,dieBe Blnme hat keinen
Griffel" mit Berücksichtigung von S. 6.38), bei den nega-
tiven kommensiven Urteilen kommt eine Verneinung,
d. h. eine Verschiedenheitsaussoge bezüglich der Merkmale
hinzu (Beispiel: „die Salbei ist keine Papilionazee"). Die
letztere besagt also in dem angeführten Beispiet zweierlei,
erstens : wo und wann Salbei, da und dann keine Papilionazee,
tmd zweitens: die Merkmale der Salbei sind von denen der
Papilionazeen verschieden.
Einer neuen Untersuchung bedarf hingegen die Frage,.
in welchem Sinn die Urteilsverknüpfung im ne-
gativen Urteil verneint wird. Es sind hier drei Auffas-
i>,Cooglc
2. Kapitel. Die Lehre voo den Urteilen. g41
eonsreii möglich, die sämtlicli Vertreter gefunden haben;
man kann nämlich behaupten
entweder: die Negation betrifft die indifferente ,|An-
nahme" (vgl. S. 366 u. 382), welche man dem urteil hypothe-
tisch zngmnde zu legen hat, oder: die Negation betrifft die
Kopnla in dem Sinn, dafi das entsprechende affirmative ur-
teil, welches man hypothetisch zngmnde zn legen hat, ne-
giert wird, oder: die Negation betrifft die Eopnla in dem
Sinn, daß das affirmative nnd das negative urteil völlig
koordiniert sind. <
Kurz kann man auch sagen: nach der ersten Auffassung «ird die ent-
sprecbeode Anaabme, nach der zweiten das entsprechende bejahende Urteil,
nach der dritten in uisprOnglicher Weise die Kopula negtert. Die zweite und
dritte Auffassung bat man auch so gegenObergestellt. dafi man sagt, jene
spreche von einet verneinten Kopula, diese von einer verneinenden
(Sigwart) *y
Die erste Ansicht ist namentlich von Lolze *) vertieteD worden,
freilich ohne daB er schon den klaren Besriff der Anfiatune zur Verfügung
gehabt hatte. Latze denkt sich, daB der Urteibönhalt im Sinn einer neutralen
,Aage", die sowohl von Bejahung wie von Verneinung frei ist, vorliegt und
nun in unserem Urteil, wenn es bejaht, die GQltigkeit (oder „Wiriüichkeit")
zugesprochen, wenn es dagegen verneint, die GOltisküt al^esprochen wird.
Et glaubt dieses Zu- bzw. Absprechen geradezu als „Nebenurteile" bezeichnen
zu können und achliefit daraus weiter, dafi damit „zwei wesentlich verschie-
dene Arten des Urteils als solchen" nicht begrOndet werden. GOlti^eit und
UngOlti^eit sind vielmehr in bezug auf die vorliegende Frage „als sachliche
PAdikate zu betrachten, die von dem ganzen Urteilsinhalte als ihrem Sub~
jekle gellen" '<0' Demgegenüber haben unsere früheren Untersuchungen
(S. 382 f.) gelehrt, erstens dafi auch schon den neutralen Urteilen, den
Annahmen, Verneinung oder Bejahung zukommen kann, dafi also für die
neutralen Urteile nicht das Tehlen von Verneinung und Bejahung, sondern
nur das Fehlen von Geltungsbewufitsein charakteristisch ist, und zweitens
dafi nicht einmal psychologisch jedem thetischen Urteil (S. 388) ein neutrales
Urteil (Frage, Annahme) zugrunde liegt, sondern viel häufiger thetische
Urtule, bejabeade wie verneinende, prim&r auftreten. Logisch liegt erst recht
kein Grund vor, fttr die Annahmen das Fehlen von Verneinung und Bejahujig
zu behaupten oder jedem thetischen Urteil «ne Annahme zu aupponieren.
Die Lotzescbe Lehre trifft also nur für die S. 383 besprochenen sAundären
Thesen, somit nur für einen kleinen Bruchteil aller Urteile zu ").
■) Logik, 2. Aufl. Freiburs 1689, Bd. 1, S. 1» (1. AufL S. 12^.
•) Logik, Leipzig 1874, § «), S. 61.
^'>) Lotze meint di>iier auch, der Fragesatz „hfttte als drittes Glied wohl
schicklicher die Dr^heit der UrteilsQualitäten ausgefOllt als das UndtaÜve
oder unendliche Urteil".
I') Vgl. auch die Einw&nde Erdmanns, Locik, 2. Aufl Halle 1907,
S. 499, die mir allerdings nicht durchschlagend zu sein scbänen.
ZtBhen.IitbibQehdeiliosik. 41
„.,,„, ^.oogic
042 '^- "^^^ ^B einzetnen loBiKhes Gebilde und ihre Gewtze.
Die zweite Ansicht ist namentlich von Sigwart") und Erdmano")
vertreten worden und kann folBenderniatten näher danteslellt und becttinikl
werden: Die Verneinung betriflt die Kopula „des sachlich vorauszusetzendm
beiahenden I'rteils" (Erdmann). Die Kopula ist nicht der Tr&eer, sondern
das (tt)jekt der Vemeinunn (SiKvart). Das verneioende Urteil formuliert dis
Fehlen der logischen Immanenz und damit der Gleichbeitsbeztehung zwiscbeo
dem Subjekts- und Prädikalsinhalt (Erdmann). Die Verneinung ist deranicb
keine speziellere Bestinunune der Kopula, nicht eine besondere Art d^r
logischen Immanenz oder eine Art der prädikativen Gleichheit (Erdmann).
Eidmann folitert daher auch, die Verneinung sei Überhaupt „kein elemenUn»
Urteil", sondern eine ,ß e urleiluns" "), „ein Urteil über ein Urteil, dessen
Subjekt das versuchte bejahende, dessen Pr&dikat der Ausdruck der Talseli-
heit dieser bejahenden Aussage ist". Die Verneinung ist „die Formulieiuot
einer miBlinitenden Bejahung" (Rrdntann). Einen direkten ausreicli«nden
Beweis hat weder Sigwart Doch Erdmann gegeben. Es läQi sich in du Tal
nicht absehen, weshalb bei gegebenem S und P das Gleichheit sutlei'. irgeod-
wetehe Priorität, psychologische oder logische, vor dem Verschiede nh eil surteil
haben sollte. Dies gilt sowohl iQr den Ver^eich der Individualko«ItizieDtui
wie für den V4.'rtileich der Merkmale. Han darf eben nur nicht übersebcu.
daß das Wcst-n eines jeden Urteils ein Vergleich ist. und daU bei eioem
") L. c. 1. Autl. Bd. 1, S. 122 ff. Ähnlich auch schon K. Chr. Fr. Krause
Vorles. Ober d. Syst. d. Philos.. Gölt 1838, S. 406 und noch früher Golll
üerh. Titius, Ars cogitandi, Lips. 1702. Cap. (!, g 33 (S. lOö). Sieh« auch
Geulinci, Opp. ed. Laud I, S. 177 u. ■tfift u. Waller Kinkel, Beilräge ?.. Theone
des Urteils u. des Schlusses, Gießen 1898,
") L. c. S. £^. Der zweiten Ansicht stehen ferner mehr oder wenis«
nahe z. B. W. Wundl. Logik, 3. Aufl. Stuttgart 1906. S. 200 u, 1»
W. Jerusalem, Die Urteilsfunktion, Wien u. Leipzig 1865. S. 183 f.; Ad. Iren
delenburg. Log. l'nters., Bd. 2. Berlin IWO, S. 89 £f. Wundt nimmt Obrifens
insolem eine besondere Stellung ein, als er im Bereich der negalirai
BelatioQSurteile zwei Arien unterscheidet: das „negativ prädizlerende IrteiT'
und das „verneinende Trennungsurleil". Nur das letztem entspricht ifo
negativen Urteilen unsrer Darstellung, das erstere fällt im wesenllicheo ran
den proposiliones phvaloriae des Bofthius und den judicia negativo-affic-
inativa von W. Tr. Krug zusammen fs. oben S. 639, namentl. Anni. 7), «if
denn auch Wundt eiilärt, daß das negativ prüdizierende Urteil .,im alte^
meinen eine positive Behauptung einschließe" und seine .Ji^alion nicbt
der Kopula, sondern dem PrädikalsbegriH anhafte" (!.' a S. Älöfl.). — Vom
Standpunkt der zweiten Ansicht aus hat man auch oft das Wesen der Vm-
neinung in einer Abhaltung des Irrtums gesucht, siehe z. B. Bd. v. Uarlmami
Kalegorienlehrc, Ausgew. WW. Bd. 10, Lpz. 1896, S. 212. — Rieh! beslreilrt
daB es rein negative Aussagen gibt; selbst wenn oft der -Nachdruck des «r-
neinenden Urteils auf der Zurückweisung des bejahenden liege, müsse dod)
wenigstens der Grund der Verneinung und ebenso ihre Folge posiiir sfie
(Vierteljahrsachr. f. wiss. Philos. 1892, Bd, 16, S. 148)-
") Als Beurteilungen bezeichnet Erdmann (I. c. P. 495) solche IrteiU
„deren Subjekt schon logisch als ein Urteil formuliert ist oder als ein lormu
liertes Urteil angesehen werden muG". Die Erdmannschen .feurteihjaftn"
<lürlen nicht mit den Windelbandschen verwechselt werden, vgl. S. 3fö.
Anm. 6 u. 6»1, Anm. 15.
2. Kapitel. Die Lehre von den lirteiten. g43
Ve^eicfa das Ergebnis „Gleicbbeil" und das Ergebnis „Ungleictiheit" oder
..Verechiedenheit" Tolikommen koordiniert sind; etwas paradox au^edrOckt,
beide haben denselben positiven Charakter. Wenn die Sprache für die Be-
KTiTIe oicht-grün usf. nur ausnahmsweise besondere Worte geschaffen bat,
Ko liegt dies einfach daran, daS die ungeheure Mannigfaltigkeit des vom
GrÜQ Verschiedenen nach bekannten psychophysiologischen Gesetzen die
assoziative Anknüpfung von Wortklangbildern und Sprechbewegungen auf
das äußerste erschwerte.
Die umgekehrte Ansicht — das Primat des negativen Urteils, wenigstens
das psychologische und metaphysische — ist von Nie. Petrescu (Die Denk-
lunküon der Verneinung, Lpz. Berlin 1914, S. 11 ff. u. 48 u. 57) mit un-
zulänglichen Gründen vertreten worden („die ursprÜngUche Beziehune des
Subjekts auf das Objekt ist ein verneinendes Urteil"). Auch H. Cohen
scheint ihr nahe zu stehen (Logik der reinen Erkenntnis, Berlin 1902, S. S9}.
Es bleibt sonach nur die dritte Ansicht'^) übrig, wo-
nach die Verneinung der Bejahung der Urteilsverkuüpfung
logisch vollständig koordiniert ist. Die von Erdmann '*) (1. c.
S. 504) u. a. hiergegen erhobenen Einwände werden gegen-
standslos, sobald man die Kopula, wie dies hier geschehen
ist, als den Ausdruck der partiellen Beckung der Individual-
koefflzieaten und — bei den kommensiven Urteilen — der
Merkmale betrachtet. Diese Deckung und nichts anderes .
kommt in Frage. Bei dem affirmativen Urteil wird die
Gleichheit, bei dem negativen die Verschiedenheit der Koeffi-
zienten (und ev. Merkmal«) ausgesprochen.
Von dem Anerkennen und Verwerfen, d. h. dem posi-
tiven oder negativen GeltungBbewufitsein muß die Bejahnng
und Verneinung des Urteils scharf getrennt werden. E)rsteres
betrifft die Stellungnahme zu dem Urteil, letztere (Bejahung
und Verneinung) den Inhalt des Urteils. Vgl. S. 382. Man
") Wahrscheinlich wurde sie bereits von Aristoteles verlreleii. Bei den
Scholastikern war sie fast altgemein anerkannt: in propositione negativa
negatio afßccre debet copulam. In neuerer Zeit bestreitet Georg Hagemann
(Metaphysik, 3. Aufl. Freiburg 1875, S. 13) zwar, daC die Negation gleich
ursprünglich sei, halt aber fest, daQ sie ursprllnglich .Ufinnatlon eines
.Anderssein ist Ebenso L'rkennt Natorp (Quantität u. Qualität, Phllos. Monats-
hefte 1891, Bd. 27. S. 2,^ f.) die Gleichwertigkeit des negativen Urteils an
und (aBt es als „Unterscheid ungsiut eil" aui, betont aber, daB man „nicht
von koordinierten Urteilsarten reden solle, sondern von den untrennbar zu-
einander gehörigen Momenten cine!4 und desselt>en synthctiscben Aktes, in
welchem Begriff und Urleil miteinander erst enUpringen", Vgl. auch J. Berg-
mann, Beine Logik, Berlin 1879, S. 4G u. 177.
'•) Fr. Brentano (Vom Urspr. silll. Erk.. Lpz. 1889. S. (55 ff.) koordiniert
mit Recht das „Verneinen, Absprechen" mit dem „Annehmen oder Zu-
sprechen", scheidet aber nicht klar zwischen Verneinen und Verwerfen.
Dasselbe gilt von Windelband, StreBb. Abb. ISU. S. 165.
41*
h, 1. iiA.OOt^iC
g44 ^' '^'■1- ^'^ eiiuelD«D losiscbeii Gebilde und ihre Gesetze.
kann auch keineswegs sagen, daß die Venrerfung schlecht-
hin ein Urteil in sein negatives Gegenteil verwandelt Ue
' Anerkennung' ändert an der Bejahung und Verneinung ^nes
Urteils nichts, die Verwerfung heht das positive wie das
negative Urteil auf, verwandelt aber nicht jenes achlechthin
in das negative und dieses nicht schlechthin in das positive.
Wenn ich die Annahme „a =: b" verwerfe, so ist damit noch
nicht schlechthin gesagt, daß ich „a nicht = b" aner-
kenne. Es kommt nämlich ganz darauf an, wie stark die
S. 383 besprochenen, nachträglich zum Übergewicht gelsn-
genden widersprechenden Assoziationen sind. Je nach ihrer
Stärke wird das thetische Urteil a nicht = b mit stärkerem
oder schwächerem Geltnngsbewußtäein anerkannt werden.
Bejahung und Verneinung stehen in absolutem Gegensatz,
Anerkennen und Verwerfen sind durch kontinaierliche Zwi-
schenstufen miteinander verbünden. In Anbetracht dieser
Unbestimmtheit des Anerkennens und Verwcrfens (des G«I-
tnogsbewußtseins) muß dieses daher anch zunächst (1) ganz
aus der Logik in die Psychologie verbannt werden. Die Lc^rik
kennt nur eine von dem stets individuellen und individuell
schwankenden Anerkennen und Verwerfen unabhängige,
normalisierte Bejahung und Verneinung nnd schreibt dieser
mit Bezug auf den Gegenstand des Urteils „objektive Göltig-
keit" zu (vgl. S. 300 fr. u. 312 IT.).
Hinsichtlich ihrer Begründung sind die negativen
Urteile insofern verschieden, als die Verneinung entweder
auf dem bloßen Fehlen eines Prädikaiämerkmals im Snb-
jektsbegriff oder auf der Anwesenheit eines mit dem Prädi-
katsbegrifl unverträglichen (repugnanten, S. 550)
Merkmals im Snbjektsbegriff beruhen kann. Man spricht im
ersteren Fall von einer Verneinung infolge Mangels (ffr^^ffK,
privatio), im letzteren von einer Verneinung infolge Eepn-
gnanz. Die Bedentnng der Negation ist in beiden Fällen die-
selbe, nur ihr psychologischer und logischer Grund ist ver-
schieden, und dieser Verschiedenheit entspricht anch eine
Verochiedenbeit nicht nur der psychologischen, sondern sueii
der logischen Gewißheit. Mit dem a (in, un) privativnm hat
diese Privation nichts zn tun, ebensowenig auch mit den
privatorischen Urteilen des Boethine (S. 639).
Aristoteles, dei zuerst den Beffrifl der nigiine autgestellt zu btba
scheint, gibt keine klare Darstellunj {Akad. Ausg. 18afl. u. 1055»H., siehe
■ucli oben S. 567). Es kommt nicht eindeutig iura Ausdruck, daB die nif^
2. Kapitel Die Lehie von den Urteilen. 645
am Eisenscbafl der Begriffe ist, tmd d&fi auf Grand dieser Eigenactuft eine
be^immte Klasse der negativen Urteile zustande kommt. Unter den neueren
Logikern bat Sigwart (L c. Bd. 1, S. 167) den Sachverhalt klar dargestellt, nui
seine Bezeichnung fOr die zweite Klasse: Verneinung infolge „Gegensatz
fjravtMifc, oppositio)" statt Verneinung infolge Bepugnanz scheint mir ine-
flihrend (Verwc^^liiBS mit Kontrariet&t usf.).
Ein besonderer sprachlicher Ausdruck fOr das positive Urteil
existiert nicht Das negative Urteil wird durch eine Vemeiauogspartikel aus-
drOcklich ab solches charakterisiert^']. Zuweilen wird die Verneinungs-
partikel mit dem Subiektsbegrifi oder mit dem Pr&dikatsbegrifi verschmolzen,
wie z. S. in den UrieUen: kein Säugetier ist kaltblQtig, Cromwell hat niemals
nach dem Kßnigstitel gestrebt, die MTsomyoeten sind keine Tiere. Diese,
wie sie zum Teil bei den Stoikeni hießen, „arnetischen" Urteile (vgL S. ^8,
Anm. 3) sind nicht etwa limitaliv, wie S. 638 bereits festgestellt wurde.
Die gdgeasätzliche Beziehang zwischen einem
bejahenden Urteil und seinem Negat, d. h. demjenigen urteil,
welch«s ebendieselben Begriffe und ebendieselb&VerknüpfDng
dieser Begriffe enthält, dabei aber dem Sinne, oft auch dem
Wortlaut nach (vgl. S. 638) die verneinende Kopula bat, aoll
aU negierende Opposition (Oppositio negans) bezeichnet wer-
den. Die beiden urteile heißen Afärmat und Negat. Als
Opposition wird dabei vorläufig jede Gegenaätzliehkeit be-
zeichnet "). Später wird sich ergeben, daß es außer der
negierenden Opposition auch eine ,^ o ut r a r i i e r e n d e" ")
gibt. Selbstverständlich sind zwei Urteile, die im Verhältnis
n^ierender Opjiosition stehen, unverträglich miteinander,
d. h. sie können nicht beide wahr sein (Gleichheit der Snb-
jekte und Gleichheit der Prädikate vorausgeeetztl); diese
Unverträglichkeit wird als Bepugnanz bezeichnet (nach
Analogie der Bepngnanz der Begriffe S. 550). Man könnte
sehr wohl auch von „kontradiktorischem" Verhalten
der beiden Urteile sprechen (vgl. S. 547 ff.); indessen hat
sich dieser Terminus leider in wenig zweckmäßiger Weise
für zwei spezielle Formen der negierenden Opposition ein-
gebürgert, die überdies- unter sich wesentlich verschieden
sind; vgl. hierüber unten S. 649.
^^ Da im Deutschen des „nicht" hinler das Verbum bz«. die Kopula
gesetzt wird O.er ist nicht gerecht"), so wird leicht ein Umitatives Urteil mit
negativem Prftdikat („er ist nicht-gerecht") voiget&uschi In der lateinischen
Wortstellung kommt der Unterschied zirischen dem negativen und einem
Beleben limitativen Urteil viel klarer zum Ausdruck.
") Etwa entsprechend dem Terminus £fit*^9ai bei Aristoteles, siehe
jedoch auch S. 661.
^*) Diese darf nicht mit der ,J[oQträren" Opposition verwechselt werden,
welche einen Spezialfall der negierenden bildet. Vgl. S. 6(7 u. % 118.
1,1^. OQi
,g,c
S46 ^- ^^ ^^ einzelnen lofiscben Gebilde imd ihn Gesetze.
Die Urteilsnegation und daher anch die resnltierende
Beziehnng:, die negierende Opposition, tritt in einer doppelten
Form auf: die NegBtion im negativen Urteil bezieht sich
nämlich entweder auf den BubjektabegritF in seinem voUen
umfang („er schläft" — „er schläft nicht", ,^le Reptilien
sind varmblutig*' — alle Reptilien sind nicht warmblütig",
d. h. „kein Reptil ist warmblütig"), oder sie bezieht sich
lediglich auf die Qnantitätsbezeiehnung des Subjekisbegriffe
(„alle", „einige" usf., vgl. ^ 115) and betrifft also nur dsK
Geltnngsbereicb des Urteils (alle Planeten sind bewohnt —
nicht alle Flanef«u sind bewohnt, d. h. wenigstens einige
Planeten sind nicht bewohnt). Ba kaum begreiflicher^
weise für diese beiden Formen der Urteilsnegation ein ein-
dentiger anerkannter Terminns noch fehlt, will ich die erste
Form als Bnblatorlsehe Urteilsnegation (tollo, snstuli.
Boblatam aufheben), die zweite als restriktorisehe (in dem
Gedanken an die Beschränkung des Umfange) bezeichnen.
Dementsprechend ergeben sich zwei Urteiläverhältnisse: das-
jenige der sublatorisehen Opposition and dasjeniKe
der restriktorischen Opposition").
Die sublatorische Nesalion entspricht saaz unä sar dm
UanpttTPus dea negativen UKeils, wie wir ihn bisher besprochen haben
Zu „S ist P' ist das sublatoriscbe Urteil: ,;S ist nicht P". Die NegalioD
betriSI also schlechthin die Kopula. Ist das Subjekt ein IndividualbegiiS
oder «in nicht durch „alle" (,jeder"} in seinem Umfang n&her bestimmler
Allfemeinbegriff, so hält auch der sprachliche Ausdruck dies Verhftltnis (esl:
Sokrates ist der Begründer der Ethik — Sokrstes ist nicht der Begrflnder
der Ethik; das Leben ist dos höchste Gut — das Leben ist nicht das höchste
Out; einige SäuRetiere sind QugfUiig — diesei einige S&ugetiere sind nicht
thigfihig. Im letzten Beispiel hat man nur zu beachten, daU die „einigen
Siuseticre" im negativen Urteil dieselben sein müssen nie in dem positiven
(daher Zutilgung von „diese"); denn es handelt sich ietri um Urt«ls-
nenltonen ohne Veränderung des Subjeklsbegriffs ") (und selbstveratlndliiA
*") Slreng genommen müßte man von sublatorischer negierender und
restriklorischer negierender Oppontion sprechen. — Mit der „restHctio" der
Scholastiker (bomo — homo albus), die besser als Determination zu br-
xeiehmen wäre, hat diese rcstriktorisch« Upposilion nichts zu tun.
*>) Man wende nicht etwa ein, daB der unbestimmte Begtifl emer
beUcMgen Anzahl in beiden Urteilen derselbe sei. Wenn auch die Be-
stimmung der im Subjekt gemeinten Individuen (Arten usf.) offen gelassen
wild, so nniQ sich doch bei dei; jetzigen Betrachtung das Pti-
dikat immer auf bestimmte Individuen beziehen. Handelt «s sich nicht
um die Bildung eines negativen Urteils lUr dasselbe Subjekt, so ist selbst-
verstindlich auch das Verhältnis zweier solcher Urteile zu berOcksichtigeo,
welche für einen g&nzlich unbestimmten Teil des Umlangs eines S«bf^-
begriflH dasselbe Prädikat affinnieren bzw. negieren (einige S sii«! P und
„.,,„,^.oogic
2. Kapitel. Die Lehre von den Urieilen. 647
auch ohne Veründening des Prädikatsbegriffs). Setzt man als „einige Sftuge-
liere" ander« Individuen bzw. Arten usw. ein, so tritt an Stelle der Urteils-
negation die spater zu besprechende Disjuntction bzw. Division. Nur in
einer Beziehung haben sich manche Sprachen in bestimmten Fällen
eine Abweichung von dem logischen Verhältnis erlaubt: es wird Dämlicb
Damentlioh-dann, wenn in dem positiven Urteil ein individuellGr Subjekts-
becrüf einem durch ein Substantiv ausgedrückten generellen
Prftdikalsbegriff subsumiert wird, die Negation meist als negalive»
Eigenschaftswort zu dem Prädikatsaubstantiv gesetzt'*) (Sokrates ist nicht
furchtsam vor dem Tod, Sokratea ist nicht der Begründer der Ethik, aber
Sokrates ist kein Sophist).
Ganz anders, wenn das Subjekt ein durch „alle" oder ,Jeder" in
seinem Umfang bestimmter AllgemeinbegriH ist, wenn es sich also um ein
sog. Universalurteil (§ 115) handelt. Die Sprache nimmt dann fast stets
eine Umgestaltung vor, die darauf hinausläuft, daB an Stelle d^r universellen
Quanlitfitsbezeichnung des Subjekts die Quantitätsbezeichnung der univer-
sellen Negation (keiner usf.) tri» und damit die Negationspartikel bei der
Kopula weBtfilU [vgl. auch S. 638). Aus „alle S sind nicht F' wird auf
diesem Weg: „kein S ist F'-'). Bei der großen Wichtigkeit des Umfangs
des Sntgektab^fls für die Urteilskhre hat die Schullogik diesen Fall der
Sublation besonders eingehend behandelt und Urteile, die in diesem gegen-
sätztidien Vertiältnis stehen, speziell als kraMu (iudicia contraria, «n*-
<fätmfK iranlai) bezeichnet. In der Tat ist eine Analogie mit der Kon-
trarietät der Berufe (vgl. S. 578) unverkennbar. Die drei Urteile: „alle
Säugetiere sind warmWütig", „emige Säugetiere sind warmblötig" und „kein
Säugetier ist warmblütig" bilden eine Reihe in dem froher festgesetzten Sinn
(S. 57(5), und die beiden Urteile „alle Säugetiere sind warmblütig" und „kein
Säugetier ist warmblütig" stellen die mazimaldistanten Endglieder der Reihe
dar. Trotz dieser Analogie ist der Terminus doch nicht glücklich gewählt,
da eine andere Analogie für die konträren Begriffe im Bereich der Urleile
viel näher lag: Urteile nämlich mit konttiren Prädikatsbegriffen (S ist
schwarz — S ist weiB) erheischen geradezu die Bezeichnung als konträre
Urteile. Da indessen die Geschichte der logischen Terminologie dieses Er-
fordernis übersehen und die erstgenannte Bedeutung des Terminus „konträr"
sich atlzufesl eingebürgert hat. soll sie auch hier feslgehailen werden und
also diejenige sublatorischc Opposition als KratnuMIt
betachnet weiden, bei welcher das eine Urteil die univer-
einige, d. h. andere oder vielleicht auch dieselben sind nicht P). Vgl.
S. 683. — Die Schullogik bezeichnete partikuläre Urteile mit Subjdtts-
wechsel von der Form „einige S sind F' — „einiue S sind nicht F' früher
als nhkmtiit (dritte empirische MQglichkeit: „einige S sind bezüg-
lich P unbekannt). Ihre Besprechung erfolgt in der Lehre von den divisiveii
■ und disjunktiven Urteilen. Vgl. auch § 118.
*>) Die vergleichende Philcdogie hat sich mit diesen Problemen des
sprachlichen Ausdrucks der Negation leider noch nicht ausreichend unter
Berücksichtigung der logischen Tatsachen beschäftigt.
*■) Es handelt sich gewissermafien um die Negation aller der Teil-
urteile Sj ist P, S, ist P usf., in wdche man das Urteil „alle S sind F'
zerlegen kann. Bei der reslriktorischen Negation werden dosten die Teil-
urteile nicht alle gleichmäßig negiert.
n,5,t,7rjM,G00glc
648 ^- '^'^'^- ^'^ einzelaeD losischen Gebilde und ihre Gesetze.
a«Ile Affiimation, das andere Urteil die univeTselle
Negation ausspricht Demzulolge werden wir dann, sp&ter Urteile.
deren Fr&dikatäbeffrilfe konti&r sind, nicht als konträr, sondern als kon-
trariant bezeichnen (VBl g HS).
Die restriktorische Opposition (S. 646) negiert die GQUiC'
keit des Urteils für die dem SubjdctsbecciB beigefügte Quantit&tsbezeichnonf-
Daher existiert für Urteile, deren Subjekt keine Quantit&tabezeicbnunt hi;
überhaupt kein restriktorisch -opponiertes Urteil. Hierzu gehfiren eratens alk
Individualurteile (Plato ist ein Schaler des Sokrates), zweitens aber auch
Generalurteile wie „das Leben ist das höchste Gut". 'Will ich bei da
letzten Beispiel ein restriktorisch-opponiertes Urteil eimöglichen, so muB icb
das Subjekt „das Leben" durch ,«11» Lebensgattungen" oder ähnliches a-
setzen und kann dann das restriktorisch -opponierte Urteil bilden : „nicht lU»
Lebensgattungen sind das höchste Gut", d. h. einige, z. B. ein scbimpflidie?
Leben, sind nicht das höchste Gut. Zugänglich für die restrikloiische
Negation sind also im allgcnieicen"*) nur die Urteile, die wir später als om-
verselle und partikuUre kennen lernen werden (§ IIa), deren Subjekt die
Quantitätsbezeichnung „alle" bzw. „kein" bzw. „einige" mit sich fOhit Am
einfachsten gestaltet sich die restriktoiische Negation bei den univeiaeDeD
positiven Urteilen: alle Planeten sind bewohnt — nicht alle Planeten sind
bewohnL Eine Zweideutigkeit besteht hier nur insofern, als das letztere
Urteil dem strengen Wortsinn nach besagt: „einige Planelen oder ndlodit
sogar alle Planeten änd nicht bewohnt", d. h., zusammeiuefaBt: wenig-
etens einige Planeten sind nicht bewohnt. Leider schaltet man jedoch
zuweilen die zweite Möglichkeit (das Nichlbewohntsein aller Raneten), die
mit der konträren, sublatorischen Negation zusammenfällt, aus und behiK
dann ais restriktorische» Negat nur das Urteil: „einige (sc. allerdings nur
einige) Planeten sind nicht bewohnt" Qbrig. Vgl. S. 6t7, Anm. SS.
Ganz analog verhält sich die restriktorische Negation der univetseUen
negativen Urteile. Das Urteil: „nicht kein Planet ist bewohnt" läBt streu-
genommen die beiden Teilurteile zu: „alle Planeten sind bewohnt" und
„einige Planeten sind bewohnt" (zusammengefaßt: „wenigstens einige
Planelen sind bewohnt"). Das erste Teilurteil ist auch hier mit der kon-
trären sublatorischen Negation identisch, und leider bat man wiederum tu-
weilen das erste Teilurteil ganz unterdrückt und nur das zweite — „amge
Planeten (d. h. allerdings nur einige) sind bewohnt' — als restriktorisdies
Negat gewissemiaBen im prägnanten Sinne betrachtet. — Etwas ver-
wickelter gestaltet sich die restriktorische Negation partikulärer Sätze vie
„einige S sind P'. Jedes solche Urteil ist nämlfch zweideutig, insofern es
bedeuten kann erstens: „bu einige S sind P" und zweitens „■■■Igilwi
einige S sind F". In der ersten Bedeutung steht es dem Urteil „alle S sind
P" gegenüber, scIiUeßt aller gleichzeitig auch das Urteil „kein S ist V" am;
es kann zerlegt werden in die beiden Urteile: a) einige S sind P, ^ die
and««n S »ind nicht P. In der zweiten Bedeutung steht es dem Uiteii
„kein S ist P' gegenüber (vgl. oben über die Do|)pe1stdlung des partikulären
Urteils gegenüber einerseits dem positiven, andrersnts dem negativen Uni-
versalurteil) und kann zerlegt werden in: «') einige S sind P, ß") auch die
anderen S sind vielleicht P. Dem strengen Wortsinn nach kommt dem
partikulären Urteil die zweite Bedeutung zu: einige .^ wenigstens einige
"* j VolKfäodigere Ütrer.-iiuht siehe S. 663 unter F.
h. i.MM,Googlc
2. E&pi(el. Die Lehr« von den Urleilen. 649
(MinimaJhcdeuUing), im tatsftcblicben Denken bekomint es durch den Zu-
Mimannhang auch oft di« erste Bedeutuns: einige = nur einiiie (ExklusiT'
bednttuig). Die festiiktorische Negation beziehen wir, wenn einige ^ nur
einif^.auf das „nur" und erhalten als Negat: alle S sind Pi wir negieren
von den beiden Teilurteilen also nur das TeilurteÜ ß. Negieren wir nur a,
so ergibt sieb: kein S ist P; eine Negation von a und ^ ist nicht mSglich.
Ist daeegen einige = wenigstens einige, so ergeben sich, je nachdem
das Teiliuteil a oder ^ oder beide negiert werden, die Urteile: höchstens
einige S sind P bzw. nur einige S sind P bzw. kein S ist P'*). tiMt das
letzte ist als das voUst&ndige restriktoriscbe Negat zu betrachten.
Eine fuse Vetwimmg der TenuLnologi« ist nun aber dadurch entstanden,
daß fOr manche Urteüsgegens&tze det Terminus HkantradiktnlHlL'' verwendet
wurde, und zwar keineswegs in eindeutiger Weise. Boethius (De divis.,
Mignes Patrol. Bd. et, S. 682 u. De Interpret, ed. 1, ebenda S. 323) deflnierte
im Anschluß an den aristotelischen Terminus di'iUfaaic: „toco conlra-
dictionis oppositionem, quae affirmatione et negatione proponitur". Nimmt
man diese Definition wörtlich, so wäredieKontradiktionmitdersublatorischen
Opposition identisch und die Eontrariet&t (contrarietas, S. 647) ein Spezial-
fall der Eontradiktion. Leider bai jedoch B. den Terminus ..kontradiktorisch"
auch in ganz anderem Sinn verwandt, nämlich ffir das Urteitspaar; „alle S
und P' und „einige (=a wenigstens einige) 5 sind nicht V sowie das Urteils-
paar j,kein S ist F' und „einige S sind F', also für Urteilsgegens&tze im
Sinn der restriktorischen Opposition (vgl. S. 646), bei wek;hen nicht
schlechthin eine oppositio negatione proponitur, sondern die Negation ledig-
Uch auf die Quantit&tsbezeichnung bezogen ist Dieser Doppelsiim bt bis
heule nicht verschwunden; für Individualurteile wird das Wort .Jcontra-
diktorisch" im ersten Sinn — einer Negation der Kopula — angewandt
(Sctoites ist der erste Elhiker — ist nicht der «rst« Ethiker], fOr Urleile
mit QuanliULtsbezeichnung hingegen im zweiten Sinn, nftmlich einer Nega-
tion der Quantitatsbezeichnuikg. Dazu kommt nun noch, daB bei der Ver-
wendung im zweiten Sinn die Kontradiktion in einen Gegensatz zur Kon-
trarietät tritt, während sie im ersten Sinn die letztere einschlieSt. Der Ver-
such, die Repugnanz zur eindeutigen Definition des kontradiktoriscben
Gegensatzes zu verwenden, ist oHenbar gleichfalls aussichtslos, da Re-
pugnanz bei jeder Opposition vorhanden ist (vgl. S. 646). Etwas mehr
.Aussicht und Berechligiing scheint es zu haben, wenn man — wie wohl
schon BoCthius im Sinn halle — solche Urteile als kontradiktorisch be-
zeichnet, die zusammen alle kuschen Möglichkeiten erschöpfen, von denen
also eines wahr sein muß (etwa nach Analogie der Komplementarität der
Begrifie, S. M9). Man kann dann kurz sagen: zwei kontradiktorische Urteile
köimen nicht beide wahr und nicht beide falsch sein, das eine muB wahr,
das andere falsch sein (vgl. § 119 über das Principium ezclusi tertii); da-
gegen können zwei konträre Urteile zwar nicht beide wahr, wohl aber beide
falsch sein. In der Tat gelingt es so, die beiden Urteilsgegens&tz«, fOr
welche Boethius den Terminus „Kontndiktion" verwendet hat, doch unter
einer Definition zusammenzufassen, und es soll auch im folgenden, wenn
^) Damit sind die in Betracht kommenden Möglichkeiten der Negation
keineswegs völlig erschöpft, da die Negation der Teilurteile gleichfalls in
verschiedener Weise au»edtlhrt werden kann (z. B. aul das „virilMcht"
S. Bt8, Z. 3 v. unten beschränkt werden kann).
QgO IV. Teil. Die «inzelnen logiscben Gebilde und ihre Geeetze.
der Terminus .JCoDtradiklion" bzw. ,>ODtnu]iktonsch" verwendet wkd, diese
Bedeutimg lestielwllen «erden. H&n muB sich nur immer gegeovlitig
bklUn, daß man bei dieser definitorischen Zummmenfassun; zwei sdu
betoTBcene Urteildüassen — • subtaloriacli opponierte sinfniläre und restrii-
toriach opponierte QuanliUtBurteite — auf Gnmd ihrer gemeinsamea B«-
ziehungen zur Wahrheit und Falschheit zoBamraeiiaehweiBt
Es IftBt sich Oberhaupt nicht verkennen, dal die historische Entwict
hinc der Lo>ä hier sachUch wie terminologisch einen einfachen Tatbestand
verdunkelt hat. Sieht man von allen flberiideiten Einteilungen and Be-
ziehungen ab, 90 kommen für das Deckungsverh&Itnis von S und P drei
MOglichkeilen in Betracht, wekhe auf den beistehenden drei Figuren (ädw
Flg. 16, a bis c) dargestellt sind: S liegt «ntweder ganz innerhalb P oder
Fig. 16.
teils innerhalb, teils aufieihalb oder ganz auBeriialb P.~ DetnentspredKnd
erflehen sich, wenn man von allen irgendwie zweifelhaften Urteilen absiebt,
folgende 6 F&lle:
1. „alle S sind P" alt; das zugrunde liegende affirmative aw-
verselle Urteil (Fig. a);
2. „nicht alle S sind P" im Sinne von „einige, allerdiofs
nur einige S sind nicht P" (und daher auch „nur einige S sind P")
(Fig. b);
3. ..alle S sind nicht P' im Sinne von „kein S ist P' als aM*-
lives universellcä Urteil (Fig. c};
*. „wenigstens einige S sind P', d. h. alle oder oini«*
S sind P (Zusammenfassung der Figg. a a. h);
OgIC
2. Kapitel. Die Lehre von den Urteilen. Q52
ü. ,^tle oder kein S ist P, d. h. alle 5 sind entweder P
oder nicht P (disjunktives Urtdl, ZusammenfassuDg der Fiei. a u. c};
6. „nicht alle S sind P' im Sinne von „wenigstens einige,
vielleicht alle S sind nicht P', d. h. „alle oder einige S sind
nicht P' (Zusammenfassung der Figg. b u, c).
Fflr die uns hier beschäftige ade Lehre von der Negation affirmativer
Urteile kommt 'Fall i, da er keine Negation enthalt, nicht in Betracht, ebenso-
wenig Fall 5, da er die volle Affirmation und die volle Negation gleich-
m&Sig zusammenfaGI. Fall 2 entspricht der restriktorischen oicht-kontra-
dikloriscfaen Negation von 1 und ist bei der üblichen Nomenklatur nicht
ausreichend berücksichtigt. Fall G entspricht der restriktorischen kontra-
diktorischen Negation von 1 und wird herkömmlich erweise schlechthin als
kontradiktotisches Verh&ttnia bezeichnet. Endlich deckt sich der Fall 3
vollständig mit dem Bereich der sublatorischen nicht-kontradiktorischen
oder — nach der üblichen Nomenklatur — der kantriren Urteile. Eine
ganz ailaloge Erörterung UlBt sich auch fOr individuelle Urteile durchführen.
Die wichtigsten fälle sind in der folgenden Übersicht zusammengestellt:
kontradiktorisch
kontrtr
alle 8 sind F
kein 8 ist P
kein 8 ist P
alle 8 Bind P
nur einige 8 sind P
alle odar kein 8 sind P
„
kein S ist P,
—
Sokratee ist P
SokntoB ist nicht P
—
Dabei hat „irnntradiktorisch" die 5. 6t9 festgesetzte Bedeutung.
Ähnliche fjberlegungen, wie sie soeben für die mannigfaltigen Be-
ziehungen der Negation zum Umfang des Subiektsbegriffs angestellt wurden,
sind schlieQlich mutatis mutandis auch mit Bezug auf den Inhalt statt-
haft. Wird der SubjektbegrifF als ein Komplex von Merkmalen oder Teilen
angesehen, so kann sich die Negalion auf alte Merkmale bzw. Teile oder
einige beziehen, auch hier ist wieder die Negation „nicht das ganze A
ist P' und „das ganz A ist nicht P', die Fonnulierung „nur teilweise" und
„«enigstens teilweise" zu unterscheiden usf. Auch die Übertragung auf die
Kontraktion sbeerifle mit ihren Gliedern (S. 330) bedarf keiner wei-
teren Erläuterung.
Historische Bemerkungen. Oben (S. Uö) «rurde bereits be-
meAt, daß Aristoteles den Gegensatz im allgemeinen als Bcrwifc^ot
(setten at^f^iatc) und den Gegensalz zwischen den Urteilen „alle S sind
P' und „nicht alle S sind P' als äytl^aaie bzw. vyiuputatüe dvtvuXa-
Jm**) bezeichnete (De interpret. Akad. Ausg. 17 b). Dabei hat Aristo-
teles, soweit ich sehe, das „nicht alle lavnäc) S sind P'' in dem Sinn auf-
gefaSt: „wenigstens einige S sind nicht P (vgl. oben S. 6Mfi. u. 648). pa
nun bei dieser Auffassung die beiden Urleile „alle S sind P' und „nicht die
S sind P' alle HOglidikeiten erschöpfen, so bekommt die änt^ane die
Bedeutung desjenigen Gegensatzes, der Zwischenglieder nicht zuläßt (L c.
*>) Leider läBt .4risl. zuweilen das JrtignaiiKäit weg und braucht
tinauSa»m in dem prägnanten engeren Sinn des äviupatatät «rtixilt^ut
(ibid. 20 a, 30).
„.,.,„,>..oo^sic
ßgQ IV. Teil. Die emzelnen lotiachen Gelnlde und ihre Gesetze.
17 b u. 18 a). Zugleich aber bezeichnet Aiistotelea mit Bezug &ttf Urteile,
wcJcfae im Subjekt keine Qumntit&tsbesUnuiHmf wie alle, iedw usL haben,
schlecblhin die Verneinuns aia dnl^matt (2. B. tan Xt^äiiie Uvtit und
•M C»( 2mKfäti!S itwie). Es ist Aristoteles nicht selungen, diese beiden
Bedeutunsen des Terminus oWtfiaav klar und sachfemäB zu verbindeo**)-
Oen konlr&ren QeEensatz beezichnet Ar. als irmn(me änixtletta"). Ober
die beiden anderen Arten des dmxtItSta, nimlicb ni^i«<f und ra
me»e **, siehe Metaphys. 1066a. — Bei den Stoikern scheint der Ter-
miaos inlipvne durch den Terminus ariMfSs^M ;s. Str., v^ Anm. 35)
verdrängt zu sein. Nicht uninteressant ist auch die Terminologie des
Appulejus ClftpJ i^finftias)- Bei den lateinischen Logikern, z. B. Haicia-
nus Capella wird inaul/itvei im allgemeinen Sinn mit oppositue, Jnrnwr
mit contrarius fltwTsetzt (Artes liberales, IV, § SMS. ed. Eyssenhanlt, Lips.
1866, S. lisa.). Dazu fügte dano Boetbius (v|L S. 61S) den Tenmuits
contradictorius für ärtufimietis imd den Terminus subcontrarius in dem
S. 6(7, Anm. 31 besprochenen Sinn. Eid weiterer Terminus des Boethius,
„suballernus" betrifft nur die Quantität der Urteile (z. B. alle S sind P, einige
S sind P, vgl. g IIB) und kommt daher hier noch nicht in Frage. Vtf.
De interpret., Uignes PatroL Bd. 64, S. 468 und Introduct ad syllog. cateru.
ebenda S. 773. Wie Aristoteles beracksicfatigt auch Boethius bereits inmoH
die Frage, ob die beiden gegensätzlichen Urteile zugleich wahr und zu^ocb
falsch sein können (das „dividete verum et falsiom"). VgL S. 649. Die
Scholastik hat an dieser Darstellung und Terminologie nichts WesestlidMs
geändert (vgl. z. B. Petrus Hispanus, Summulae logicales, ed. Colon. Agr. 16SS
1, S. 89—43, ES— F2).
In den logischen Lehren der Badiisten ist höchsteos die Polemik gegw
die oppositio subcontraria und subaltema bemerkenswert, vgl. z. B. P. RanHts
Dialect, Francof. 1577 (ed. Rodingus mit Komment, v. Audom. Talaeus), I, \i,
S. 46 ff. u. n, 2, S. 106 ff. Auch die Logique von Port-Royal (ed. Jourdain.
Paris 1861, Teil 2, Kap. 4, S. 101) fügt nichts Neues hinzu. Eine sriir vid-
deutiee Definition findet sich bei Chr. WolB, Logica, § 288: „Propositianes,
quarum uita negatur, quod altera affirmatur, oppositae sunt In sp«6e
coatradlctoriae dicuntur, quibus idem ponitur ramul esse et non esse." Die
propositio contraria wird in der übhchen Weise definiert (§ 297). Die be-
sondere Stellung der individuellen Urteile wird richtig hervorgehoben: „onues
propoaitiones singulare» opposilae sunt coatradlctoriae" (§ 307). Auch sonst
finden sich manche fördernde Bemeil^mgeD. Ausdracklich wird aneAanot,
daS sowohl kontradiktorische wie konträre Urteile „sibi mutuo repugnant"
(„simul ease nequeunt", g 311). Vgl. auch Baumgarten, Acroasis lofics.
2. AutL (V. Toellner) Hai. Magd. 177S, § 268H.; G. Fr. Meier, Vemuuftldire.
2. AutL Halle 1762, § 878 ff. ; Kant, Logik, g 47 f(. Die deutschen Wörter, die
man fOr den kontra^torischen und den konträren Gegensatz TorscUui,
vermochten nicht sich einzubürgern. So sollte z. B. kontmdiktorisch imt
„widersprechend", konträr mit „widerstreitend" übersetzt werden i konlia-
'*) Die scharfsinnige Auseinandersetzung von Frantl, Gesch. d. Lof
im Abendlande, Lpz. IS&S, Bd. 1, S. VA kann ich nicht als zutreffend an-
erkennen.
*^) Die Substantive iraintär^ und tvmwrlattt, die von Ar. sonst oft
gebraucht werden, kommen bei dies« Darstellung nicht vor. Siehe aber
10&6b. 1.
OgIC
2. KapiteL Die Lehre von den Urteilen. 653
diktoriscb «ntgegengesetzte Urteile sollten „widemu^cbende Sätze", konträr'
eolcegengesetzte Urteile „Gegensätze", subkonträf entgegengesetzte „Neben-
säUe" heißen {Kiesewetter, Grundriß e. ailg. Log., Berlin 1736, § 129, S. 60).
Geradezu einen Rodcschntt bedeutete es, wenn man weiterhin den Terminus
. „repuffnant" glüchbedeutend mit ,^ontmdiktoriach" verwaadte, während
doch Repugnanz nach der Wölfischen Definition die UnvertrSglichkeil zweier
Urteile bezeichnet und sowohl den kontradiktorischen wie den konträren
Urteilen zukommt (vgl. z. B. W. Tr. Krug, Logik, 3. Aull. £5nig^erg IBSb,
g 6i, S. 19^. Bei dieser Nomenklatur ging auch der Parallelismüs mit den
Termini der B^riSslehre (S. M7) völlig verloren. — Im 19. Jahrhundert sind
die qnalitaüven Verhältnisse der Begriffe zueinander nur selten noch unter-
sucht worden. Erst durch die Sigwartsche Logik (S. Aufl. Freiburg 1880,
namentl. Bd. 1, S. 167 H. u. 226 ff.) ist die Beschäftigung mit diesen Fragen
wieder angeregt worden.
Weitere Literatur über Negation und Opposition dej- Urteile: i. i. Bore-
lius, Philos. Monatshefte 1681, Bd. IT, S, 386; Tb. Born. Über die Nesation
V. eine notwend. Einschränkung des Satzes v. Widerspruche, Lpz. 1889;
H. Cornelius, Versuch einer Theorie der Ezislenzialurteile, Uünchen ISäi,
S. 26; Gust. Enauer, Konträr u. kontradiktorisch, nebst konvergierenden Lehr-
stücken, festgestellt u. Kants Kat^orientatel berichtigt, Halle 1868 u. Philos.
Monatshefte 1874, Bd. 9, S. 161; Gasp. Lax, De opposttionibus propositionum
categoricanim, Paris 1611'; G. Tarde, Rev. philos. 1897, Bd. 43, S. 1 u. 160
«. L'opposition universelle, essai de throne des contraires, Paria 1897.
Die STmbolischen Bezeichnungen fQr das positive und
negative Urteil schlieSen sich unmittelbar an die Symbole an, welche fOr
negative BegriBe und die entqjrechenden Begriffabeziehungen S. 540 H. u.568
eingefährt worden sind. Auch zur ssmbolischen Darstellung des negativen
Urteils soll ganz allgemein eis Vertikalstrich verwendet werden. S J_. P ist
also das allgemeinste Symbol fQr ein negatives Urteil. Drückt das Urteil
speziell Gleichheit, Identität, Subordination oder Superordination aus, so sind
für Bein Kegat gemäß den Festsetzungen S. &41 die Zeichen ±,^, ^i!^ •
^vnd ^^ zu verwenden. Handelt es äch lediglich um die negative Aussage,
d. b. das Al>sprechen eines Merkmals ^ohne Hervorhebung einer Sub- oder
Superordination), so isl nach S. 542 das Zeichen ~f-> am Platze. Negationen,
die nicht zur Kopula, sondern zu einer quantitativen Bestimmung des Sub-
JAtsbegnBs gehören, wie „nicht alle" usf., werden in Übereinstimmung mit
der S. &D6 getroffenen Vereinbarung durch einen Vertikalslricb ausgedrOckt.
der links oben zu der Quant itätsbestimmung gesetzt vird (z. B. 'a S ^ nicht
aUe S).
§ 114. Einteilnng: der Urteile (Fortsetzung), 4. nach
dem begrifflichen Charakter von 8. E^nteilnne der IndiTl-
dnalnrtelle. Sieht man von den Empfindnngsarteilen ab,
beschränkt man eich also auf die VorateUm^orteile (Be-
griffBorteile), so ergeben sich aof Gmnd der in § 67 — 69 ge-
gebenen psychologieeben Darstellung nnd der S. 473 und 476
eotwickelten logischen Einteilnitg der Begriffe je nach der
OgIC
554 1^- '^^^^- ^'^ einzelnen logtacben Gebilde und ihre Gesetze.
Zugehörigkeit des SabjektebegriSs folgende Paare von
ürteilsklassen *) :
a) urteile über isolate nnd urteile über komplexe Be-
griffe,
b) Urteile über distrakte and Urteile über kontrakte
Begriffe,
c) Urteile über komparate and Urteile über inkoiD-
parate Begriffe,
d) Urteile über individaelle und Urteile über generelle
Begriffe.
Diese Einteilungen laofen nebeneinander her. Jedes
logische Urteil läßt sich also auf vierfache Weise einordnea
So ist z. B. das Urteil „die FiBche haben kaltes Blut" ein
Urteil über einen komplexen, kontrakten, inkomparaten,
generellen Begriff. Für die Logik ist die vierte Unter-
scheidung weitaus am wichtigsten; daher werden die beiden
ihr entsprechenden Klassen auch mit besonderen Termini
beseichnet, nämlich als ludividualurteile (weniger
zweckmäßig als Einzelnrteile) nnd Qeneralarteile
(AllgemeinuTl«ile), judicia individualia (weniger zwetk-
mäSig singularia) und generalia (communia vgl. S. 478).
Dns Individualurteil (individnelle Urteil) sagt das Prädi-
kat von Individuen oub, das Generalurteil (generelle Urteil)
sagt aus, daß bzw. in welcher Ausdehnung das Prädikat
einer Gattung zukommt. Dabei ist besonders zu beton«i.
daß die ludividualurteile keineewegs etwa stets den Begrifl
eines einzigen Individuums zum Subjekt haben; auch urteile
wie „Petrus und Paulus und Johannes sind Apostel" gehören
zu den Individualurteilen. Man kann daher die Individnal-
urteile in singulare und pluraje einteilen. Berück-
sichtigt man außerdem, daß der Individualbegriff ein Koi-
lektivbegriff sein kann, so ergibt sich eine weitere Grupp*
der kollektiven Individualurteilc (individuellen
KoUektiviirteiie), die ihrerseits wieder in singulare nod
plurale zerlegt werden kann (diese Herde . . ., diese drei
Völker . . . usf.). In den plnralen Individualu rteilen kann
die Zahl bestimmt angegeben oder offen gelassen werden
(vier Wagen . . ., mehrere Wagen fuhren nn mir vorüber).
Endlich können Individualbegriffe, wenn sie einem Kol-
OgIC
2. Kapitel. Die Lehre von den Urteilen. ß55
lektivbegriff angehören, durch diesen ansgedrückt wer-
den (das vorderste Tier . . ., die Tordersten Tiere dieser
Herde) '), Besonders wichtig sind für das logische Denken
die Urteile, welche ein Subjekt von letzterem Charakter
haben, dann,' wenn die Individnen innerhalb des Kollektiv-
begriffs qnantitativ bestimmt werden; ff^ ergeben sich dann
singnlarisierende^), pluralieiereude, par-
tialisierende und totalisierende individuelle Kol-
lektivurteile: ein Sehüh^r dieser Klasse fehlt, 3 Schäler,
einige Schüler, alle Schüler dieser Klasse haben die Prü-
fung bestanden, die ganze Klasse hat die Prüfung bestan-
den. Wie die Beispiele lehren, kann in diesem Fall sogar
unbestimmt bleiben und unbekannt seiu, wer der eine
Schüler bzw. die „einigen Schüler" sind. Überhaupt kann
man auf Grund dieses letzten Unterschieds alle Individual-
urteile in fixierte und nichtf isierte einteilen. „Die
sieben ersten Tage dieses Monats waren kalt" ist ein fixiertes
Individualnrteil, „sieben Tage dieses Monats (mehrere Tage
dieses Monats) waren kalt" ist ein (relativ) nichtflxiertes.
Tatsächlich müssen die Tage völlig bestimmt sein, aber dem
Urteilenden kann diese Bestimmtheit unbekannt oder gleich-
gültig sein.
Sehr oft fehlt uns für den ludividuaibegriff, der das
Subjekt des Urteils bildet, ein spezielles Wort, da die Zahl
iinsrer Nomina propria sehr beschränkt ist. Dazn kommt,
daß auch die soeben erwähnte Unbekanntheit und die oben
erwähnte Vielheit der Individnen oft den Crebraueh eines
speziellen Wortes verhindert. Wir nehmen dann Allgemein-
begriffe zu Hilfe und verwenden die für solche uns reichlich
zur Verfügung stehenden Wörter. So kommen Urteile zu-
stande mit Subjekten wie „der heutige Tag", „mehrere
Wagen" Ondividueü bestimmte), „der letzte Präsident von
Frankreich" usf. ^). Solche Urteile sind also trotz der Ver-
wendung eines Allgemeinbegriffs als ludividualurteile zu
betrachten. Vgl. § 115. Man kann solche einen AUgemeio-
') Man beachte, daß dabei außerdem ein AllBemeinbeuriK (Tier usw.)
zu Hilfe genommen wird.
■) „Eine Herde weidet dort" ist also ein singul&fcs. „ein Tier der
Herde weidet dort" ein sinsulan sieiendes kollektives lodividualiirteil.
Der TemuDus Kollektivurteit ist im strengen Sinne selbstverständlich nur für
das erste Urteil zulässig.
') Auch Helntivsatze dienen Jiierzu (sog. propositiones inddedtes}.
_.ooglc
g56 ^- ^^' ^^ eiazelDCD lofiscben Gebilde und ihre Gesetze.
begriff verwertend«, gewissermaßen entleibende Individnal-
iirtei]e als mntnierende (mntaari entleihen) bezeichnen.
Offenbar handelt es, sich aoch bei den oben angefahrten Eol-
lektivnrteilen oft nur um eine solche Mntuation.
Eine besondere SvmboUk») ist fflr alle diese Ktassea kaum eifordei-
lich. Nur für die ludividualurteile soll, wie nach den Besprechungen S. SU,
507 u. 538 ohne weiteres verslAndlich ist, die symbolische Bezeicfanuiig w,-
Urieile bzw., wenn der Subjektsbegritf komplex iat, Wj-Urteile, für die
Genenüurteile die SYmbolische Bezeichnung w-Urteile bzw. W-Urteile ge-
legentlich Verwendung finden.
.Analoge Einteilungen lassen sich auch auf Gmnd der KUseenzugehöiic-
keit dea Prtdikatsbegriffs diuchfahren. WicbtiÄeit hat wiederum
namentlich die EinteituDg unter d. Weitaus am häufigsten ist der PAdikats-
begriS ein AUgemeinbesriff (Sokrates ist ein Philosoph, er schreibt, die
Labiaten sind Phanerocamen); relativ selten kommen Urteile vor wie:
der Begründer der griechischen Ethik ist Sokrates, dies ist mein Bruder nsf.
9 115. Einteilong der UrteUe (Fortsetzong), 5. Eintd-
long nach der Belegung and nach dem Umfang tob S (nadi
der Quantität). Wenn das Sabjekt ein Allgemeinbegriff
(Qeneralbegriff) ist, so kamn jede weitere Bestimmung über
Belegung (S. 358 u. 525) und umfang fehlen. Es wird dann
stillschweigend angenommen, daß das Urteil für die gesamte
Belegung, d. h. alle onter den Ällgemeinbegriff fallenden fun-
dierenden Individuen nnd für den gesamten Umfang, d. h.
alle unter den Allgemeinbegriff fallenden niederen G-attun-
gea (Arten, Individuen), schon bekannte wie etwa noch un-
bekannte, gilt- Hierher gehören Urteile wie „der Mensch
ist sterblich", „(das) Quecksilber ist ein Schwermetall",
„Rot ist eine Farbe", eine Farbe ist eine sekundäre Qualität",
„ein Hnnd ist ein treuer Freund", wobei die überwiegende
Tendenz zur Verwendung des bestimmten Artikels im Deut-
schen bemerkenswert ist Das Gewicht wird hier nicht auf
die Vollständigkeit des Umfangs, sondern anf den Merkmal-
vergleich gelegt.
Sehr oft wird jedoch entweder die Belegung oder der
Umfang des Subjektsbegriffs durch ein beigefügtes Attribut
quantitativ näher bestimmt, und dann ergeben sich höchst
wichtige weitere Einteilungen der Ckneralurteile, je nach-
dem sich das Urteil anf die ganze Belegung bzw. den ganzen
Umfang oder nur auf einen Teil der Belegtmg bzw. des Um-
^ 2. Kapitel. Die Lehre von den Urteilen. _^_^^ 657
fange des Allgemeinbegriffs erstreckt Dieses Einteilaugs-
prinzip wird als quantltstives bezeichnet, und daher der in
^ 113 besprochenen GinteUnng der Urteile nach der Qnalität
eine Einteilang nach der Quantität gef^nübergeslellt. Man
darf dabei nar nicht vergessen, daß die qualitative Eintei-
lang sich anf alle Urteile erstreckt, die quantitative hin-
gegen im engeren Sinn nur anf die Gener al arteile (vgl.
jedoch S. 654 u. 660). Im folgenden, wird zuerst die quantita-
tive Einteilung nach der Belegung, dann diejenige nach dem
Umfang besprochen. i
Quantitative Einteilung nach der Belegung,
iWir hatten unter Belegung einer Allgemeinvorstellung
bzw. eines Allgemeinbegriffs, schärfer ausgedrückt, der fak-
tischen Belegung (S. 358 u. 525 ff.) die individuellen Vorstel-
longen bzw. Begriffe verstanden, welche eine Allgemeinvor-
stellung bzw. einen Allgemeinbegriff tatsächlich fundieren ').
Die Belegung erschöpft also den Allgemeinbegriff nicht. Es
ist für diesen vielmehr gerade wesentlich, daß er die Be-
legung überschreitet (Transgression der Allgemeiubegriffe,
S. 360) und alle überhanpt denkbaren Individuen,
welchen der bezügliche Merkmalkomplez zukommt, mnfaßt.
Man kann in diesem Sinne sagen, daß die Belegung die indi-
viduelle Grundlage des Allgemeinbegrif^ darstellt. Dem
entspricht es, daß die quantitative Einteilung der Allge-
meinurteile nach der Belegung der im letzten Paragraphen
entwickelten Einteilung der individuellen Kollektivurteile
durchaus gleicht Wir können auch im Bereich der
Allgemeinnrteile singnlarisierende, pluralisierende, partiali-
sierende und totalisierende Belegungsnrteile unterscheiden:
„ein Mensch gilt als Messias, 4 Großstädte liegen am Meer,
. manche Großstädte haben keine Hilfsschulen, alle (seil, mir
irgendwie bekannten) botanischen Gärten habenTreibhäuser".
Zugleich ist aber klar, daß alle diese Urteile sich den oben
erwähnten, das Subjekt durch einen quantitativ bestimmten
Allgemeinbegriff ausdrückenden Individualnrteilen bU zur
Verschmelzung annähern. Für schärfere Betrachtung bleibt
aber doch immer noch insofern ein logischer Unterschied
bestehen, als im Individualurteil der Allgemeinbegriff stets
') Von der potentiellen Belegunv (S. 356) und der Belegung mit
subordinierten Allgemein Torstellungen (S. 368 unten) wird also jetzt ganz
abgeseben.
Ziahen, L«hrbaefa dn Logik. 42
,^.oogic
f)58 '^- Teil, Die emzplnen loEi?chcn Gebilde und ihre Gesetze.
nur als Notbehelf Iierangezogen wird und das IndiTlduum
selbst der wesentliche Gegenstand der Anasf^e ist, während
im Belegnngaurteil nnf der Aussage des Prädikats fär ißdi-
vidnelie Glieder gerade innerhalb eines Allgemein-
begriff» der Nachdruck ruht. Im Belegnngsnrteil sind In-
dividnen das Subjekt des Urteils, aber sie werden nur beur-
teilt, weil und insoweit sie Glieder eines Allgcmeinbegriffs
sind. Das logische Interesse (nicht etwa nur das psycho-
logische) gilt dem lelztereD,
Quantitative EinteilHng nach dem Umfang.
Der logische Charakter des Allgemeinbegriffs kommt
nur im Umfang zur Geltung, die Belegung stellt nur das den
Allgemeinbegriff fundierende individuelle Material dar. Ntir
der Umfang hat die Transgression, welche den Allgemein-
begriff vom Individnalbegriff unterscheidet (S. 360 u. 527 f.).
Wäbrend sich die Belegnng nur auf die tatsächlich irgend-
wie bekannten Individuen bezieht, bezieht sich der Umfang
auf alle denkbaren Individuen, die unter den Allgemein-
begriff fallen (e. oben S. 657). Der Umfang ist daher aucb
von der Zahl der etwa bekannten Individuen, die unter
den Allgemeinbegriff fallen, ganz unabhängig.
Wird nun der Umfang eines Allgemeinbegriffs, der Sub-
jekt eines Urteils ist, quantitativ bestimmt, so darf doch der
transgressive Charakter nicht preisgegeben werden, widri-
genfalls das Urteil zum Belegungsurteil wird. Es ergeben
«ich daher, wenn man die Urteile nach der Quantität dee
Urafangs einteilt, nur folgende zwei Fälle für das „Um-
fangsnrteil":
1. das Subjekt ist ein AJlgemeinbegrff in seinem
vollen Umfang (Beispiel: alle gleichschenkligen Drei-
poke, bekannte nnd nnbekannt«, haben gleiche Basiswinkel).
2. das Subjekt ist ein AUgemeinbegriff in einem Teil
seines Urafangs (Beispiel: einige, bekannte nnd on-
bekanute, Labiaten haben 2 Staubgefäße).
Die Urteile sob 1. werden als imiTerselle, die Urteik
sab 2. als partikolire Allgemeinurteile, oft anch
schlechthin als universelle bzw. partikulare Ur-
teile (Universal- bzw. PartiknlarnrteUe) bezeichnet
Diese wichtige Einteilung bedarf nach verschiedenen
Bichtnngen noch der Erlänternng.
„.,.,n.>..OO.^IC
2. Kapital. Die Lehre von den Urleilen. g59
Zunächst rechnet man häufig zu den partikulären Urteilen auch
»lokbe, die im Subjekt nur bekannte (d. h. fundierende) Individuen ent-
halten. So wird z. B. ein Urteil wie „mehrere Städte haben Ober 1 Million
Einwohner" oft als ein partikuläres betrachtet. Tatsächlich bandelt es sich
nach unsrer Auffassung um ein partialisierendes Belegungsurteii, nicht um
ein Umfangsurteil (nicht um ein „partikuläres" Urteil nach unsrer Definition);
denn die in Betracht kommenden Städte werden als irgendwie bekannt oder
gegeben betrachtet. Das Urteil betrifft streng genommen zunächst die Be-
legung und erst sekundär den Umfang. Oft handelt es sich sogar übeiiiaupt
gar nicht um ein Generalurteil, sondern um ein mutuietendes Individualurteil
in dem oben (S. 6&6) festgesetzten Sinn. Nicht selten liegt auch eine Ver-
wechslung mit einem pailialisierenden individuellen Kollektivurtcil vor, d. h.
mit den „Stidten" des beispielsweise angefahrten Urteils sind nicht Städte
Oberhaupt im Sinn eines echten, also trausgressiven Allgemeinbegriffs ge-
meint, sondern nur die bekannten, beispielsweise zur Zeit wirklich existieren-
den Städte der Erde im Sinn eines kollektiven Individualbe^riffa.
Zweitens stellt man bei der Einteilung der Urteile nach der
Quantität oft netwn die universellen und partikulären Urteile als koordinierte
dritte Klasse die „«ti»f-|fl™" Urteile und fahrt als solche beispielsweise an;
,,ein Ifensch ist sterblich", „Sokrates ist sterblich" usf. £s ist klar, daS
es sich auch hier wieder um die Belegung und nicht — wenigstens zunächst
nicht — um den Umfang handelt. Der ein« Mensch muß ein irgendwie
bekannter Mensch sein, Sokrates ist ein mir ii^endwie h^anntes Individuum.
Es handelt sich also um ein singularisierendes Belegungsurteii, wofern es
sich nicht — was meistens der Fall sein wird — geradezu um ein Individual-
urteil (ein singuläres bzw. muluierendes) handelt
Drittens könnte man Bedenken gegen die (luantitattve Einteilum
der Urleile nach dem Umfang insofern haben, als der Umfang sich gemftB
seiner urapranglichen Definition nur auf die subordinierten Arten bzw.
Gattungen, nicht auf die subordinierten Individuen bezieht (vgl.
S. 359) und die quantitative Einteilung, wie sie eben gegeben wurde, gerade
die Individuen zu berücksichtigen scheint („alle" Labialen, „einige" Labiaten
usf.). Indes wurde schon in der psychologischen Grundlegung hervorgehoben
(S. 360), daB die ObUche Beschränkung des Umfangs «uf die subordinierten
Arten bzw. Gattungen durchaus nicht wesentlich ist. und daß nichts im Wege
steht, den Umfang indirekt auch auf die letzten subordinierten Individual-
begiifie zu beziehen. Wesentlich ist für den Umfang gegenüber der Belegung
nur der transgressive Charakter, und dieser wird bei unsrer Einteilung ge-
wahrt Es ist logisch im wesentlichen gleichgültig, ob ich unter „alle
Labiaten" alle Labiatengattungen und Labiatenarten oder alle Labiaten-
individuen verstehe, es Itommt im wesentlichen nur darauf an. daß alle
nur denkbaren Gattungen bzw. Arten bzw. Individuen (also nicht nur
die irgendwie bekannten, schon existierenden, schon existiert haltenden usf.),
soweit sie unter den Begrill „Labialen" fallen, den Umfang dieses Begrifia
ausmachen.
BezOglich derjenigen untersten Gattungen, die nur eine „homogene"
Belegung zulassen (5. 537) ~ es sei an das Beispiel der Wassersloftelome
erinnert — , könnte man mit einigem Becbt behaupten, daß hier subordinierte
All g emeinbegiifte Oberhaupt fehlen und daher ein Umfang nur mit
Bezug auf die subordinierten Individuen in Betracht kommt Hier
würde also auch eine Umfangse int eilung nur mit Bezug auf die
■, il^l.OO^IC
ffßft IV. Teil. Die einzelnen logischen Gebilde und ihre GesvUiv
Individuen denkbar sein. Es ist iedocb zu erw&sen, daß tme
«bBolul homoflene Belegung überhaupt nicht voAommL Selbst die Waaer-
stoflatome werden, ganz abgesehen von den Verschiedenheiten der r&unlicb-
teitUchen Lage, sich voneinander, z. B. durch ihren Qcwegungszustand (Buhe,
Bewcgungsrichlung, Bewegungsgeschwindigkeil usf.), unterscheiden, und dtm-
entsprechend vird ea möglich sein, doch noch niedrigere Arten aulmstti^
[ruhende und bewegte, chemisch gebundene und nicfatgebundene usf.). Damit
wird also selbst in diesem Fall der Umfang auch auf noch niedrigere Alten
(nicht nur auf Individuen) bezogen -werden können, und die Umfu^
eijileiluDg der entsprechenden Urteile behftit also doch in dem dopptllen
Sinn — mit Bezug auf subordinierte AUgemeinbegrifle wie mit Bezug iif
äubordioierte Individuen — ihre Gültigkeit.
Viertens muB zugegeben werden, daß die Grenzen zwischen Be-
legung und Umfang eines Allgemeinbegriffs im tatsächlichen Denken nicbl
immer scharf sind. Wenn die belegenden tndividualbegriffe nichl-Giitrt
(S. 65Ö) und bezüglich ihrer Tats&chlichkeit und Bekanntheit zweileltiaft
sind. 90 nähern sie sich den unbdtannten, überhaupt nicht tatsächüchen,
sondern nur denkbaren transgressiven IndividualbegrlFfen, welche der lin-
fang eben dank seiner Transgression mit umfaQt. Da die^e t'beiglnie
jedoch nur für das Urteil im psychologischen, nicht für das Urteil im logischen
Sinn Bed«;utung haben, kann hier von ihnen abgesehen werden.
Damit hängt endlich fünftens zusammen, daß sehr au^edebBte
Kollektiv begriffe, deren Individuen sehr zahlreich, nicht fixiert und nur gvu
oberflftchUch bekannt sind, sich im praktischen Denken den AUgemeiQ-
begritfen nShern. Der Begriff aller jetzt lebenden Mens^chen ;Flieeen, Wirbel-
tiere usf.) ist, streng logisch betrachtet, seltatverstS-ndlich, da ihm die
charakteristische Transgression fehlt, kein All gerne inbe griff, sondern ein
individueller KoUeklivbegriff ; da aber die Zahl der Individuen unzihlhar
aroß und die einzelnen Individuen gröBtenleils nur durch das Attribut ,jetzt
lebend" fiwiTt sind und nur insofern als bekannt bzw. gegeben bezeichnet
nerden können, kommt eine Transgression zustande, die derjenigen der .\\i-
Ui'meinbegrifle sehr ähnlich ist. Dabei ist auch diese Ähnlichkeit slreiut
genommen nur psychologisch, nicht logisch. Jedenfalls aber «ird auch die
Logik diese psychologische Ähnlichkeit mancher Generalurteile mit iodivi-
ituellen Kollektivur teilen bei ihren praktischen Regeln zu beachten haben.
Zugteich fällt jetzt ein neues Licht auf die Belegung. Nach un^vr
ursprünglichen Definition bezieht sich dieselbe nur auf die tatsächlich
fundierenden In di vi dual Vorstellungen (fndividualhegriffe) einer Allee-
lueinvorstellung ^). Diese tatsächliche Fundierung kann nun, wie sich jetzt
t'i^eben hat. äußerst verschieden sein. Sie kann in einem unmittelbaren
persönlichen Erleben (eigener Wahrnehmung) bestehen, sie kann sich aber
auch auf ein Hörensagen oder auf ein Erschließen oder auf eine sehr un- .
bestimmte Annahme stützen. So besieht die Belegung meines Allgemein-
begriffs „Menschen" zunächst aus den von mir selbst irgendwie direkt vahi-
Benommenen Menschen, weiterhin aber auch aus den Menschen, von denen
ich ireendwie gehört habe, und schließlich im unbestimmtesten Sinn auch aas
den Menschen, von denen ich überhaupt nur annehme, daß sie ,jetzt leben"-
Vereleiche ich damit meinen individuellen Kollektivbegriff der
') Von der Belegung der Kontraktionsvorslellungen, die übrigens ähn-
liche Überlegungen zuläßt, werde hier abgesehen.
2. Kapitel. Die I*hre von den Urteilen. 661
Jetzt lebenden Menschen", so gehören in der Tat alle jetzt lebenden
Menschen zu seiner Belegung im weitesten Sinn. Wir sind abet sebi geneigt,
hier daneben auch noch von einer Belegung im engeren Sinn zu sprechen,
und verstehen unter derseitien diejenigen Individuen, die mir durch eigene
Wahrnehmung (Verwandte, Bekannte, Mitbttrger usl.) ode; wenigstens durch
Hörensagen (Papst, K&nig von Spanien) näher bekannt sind. Von diesem
Standpunkt aus kann man dann auch bei kuUekliven Individualbcgriffen von
quantitativ verscliiedenen Graden der Belegung frechen und damuChin auch
die S. 654 besprochene Einteilung der Urteile, deren Subjekt ein «tnem
Koüetkivbegrift angehSriger Indlvidualbegriff ist, als eine quantitative Be-
legungseinteüung auffassen. In dem Urteil „drei Schüler der otwrstea Klasse
fehlen" handelt es sich dann nicht mehr um eine Beurteilung von Indi-
viduen, die im Sinn der Mutuation durch einen KoUektivb^riff bezeichnet
werden, sondern der Nachdruck liegt auf der Prtdikation für individuelle
Glieder gerade innerhalb eines individuellen Kollektivbegriffs (vgl. die analoge
Ausfflhrung S. 658 oben).
Überblickt man alle diese Verhältnisse, so zei^ sich,
daß die quantitative Eintcilang der Urteile viel verwickelter
ist, als nacli der bis heute üblichen Äufstelinng der meisten
logischen Werke zu erwarten war. Nach dieser unterscheidet
man nämlich bezüglich der Quantität meistens nnr 3 TTrteils-
klassen:
1. allgemeine Urteile, judicia imiversalia*),
2, besondere Urteile, judicia particularia
und 3, einzelne Urteile, judicia singularia.
Um diese Einleitung mit der oben gegebenen Darstellung vergleichen
zu können, sollen die Ergebnisse der letzteren, soweit sie Itir den Vergletdi
von Bedeutung sind, in einer Ütwrsichtlichen Tafel zusammengestellt werden.
A. HicIit-mBlsiMmide Individnalutaila (nicht-kollektive und kollektive):
a) singulare: Demosthenes ist ein Redner; die Armada wurde i. i.
LWS von den Engländern besiegt;
bj plurale: Demosthenes.Lysias und Aeschiiies sind Redner; Deutsch-
land und Frankreich bekriegten einander,
B. ÜBtuamiAe hdividaalvlaila. Mutuation bei einem Allgemein-
begriff:
a) singularisierende :
a) fixierte: dieser Rosenstrauch in meinem Garten blüht;
ß) nicht-fixierte : ein Rosenstrauch in meinem Garten blflht*);
b) pluralisierende :
a) finerte: die drei Rosenstr. i, m. G. blühen; _
ß) nicht'fixierle : drei Rosenstr. i. m. G. blühen:
*) Kant {Logik, g 21) macht zwischen generellen und univcrsetlen
Sitzen einen Unterschied, der mit der Logik nichts zu tun hat. Ich atibe
▼OQ dieser Unterscheidung, die sich nirgend» eingebQrgert hat. ganz ab.
*) Das Minimum der Fixation liegt vor hei Subjekten wie „Jemand",
„etwaa" uaf. Durch den Zusatz „in meinem Garten", der die Individualisation
anschaulicher machen soll, erfolgt eine Annäherung an Gruppe C.
„.,,„, ^.oogic
662 ^- Teil. Di»? einzelnen logischen Gebilde und ihre Gesetze.
c) partiilisierende"): einige Rosenstr. i, m. G. blüben;
d) tot&lisierende : alle Rosensir. i. m, G. Wühen.
C. H«tafna4a bUvUwdvMto. MutuaUon bei einem KolUktiv-
betriS:
&] singulaii gierende :
a) finerie: der erste römische König erflodete Rom;
ß) nichl-fixierte : ein römischer König gab Rom eine V*f-
lassung;
h) pluralisierende ;
a) fixierte: die drei vordersten Tiere des Rudels flohen zuetst;
ß) nicht-fixierte : drei Tiere des Rudels wurden geschossen.
c) parüaliaierende : einige Tiere des Rudels wurden geschossen;
d) total isieren de : alle Tiere des Rudels entkamen.
I>. 0«anlifiiiaiaitd« koJUtiTa IndivUnalnrtafla:
Einteilung wie unter C, auch die Beispiele bleiben dieselbea, nur
liegt hier der Nachdruck auf der Aussage Ober den KoUätiTbe<riD,
während er bei C nur zur Bezeichnung der beurteilten Individuen, aus-
hilfsweise herangezogen wurde.
E. a«iuiatBitaiU (Allgemeinurteile) olma QauiliBkatioB:
Rot ist komplementär zu grün (vgl. S. %6).
F. OMBtahutdl« (Allgemeinurleile) mit OunUfikaUaB:
a) universelle*) Generalurteile: alle bekannten und unbekannten^
Individuen der Galtung . . . sind . . .;
b) total isierende generelle Belegungsurteile: alle bekannten iDdivi-
duen d. G. . . . sind . . .;
c) partikuläre Generalurteile : einige bekannte und unbekannte
Individuen d. G. ... sind . . .;
d) parlialisierende generelle Belegungsurteile: einige bekannte In-
dividuen d, G. . . . sind . . .;
e) phiralisierende generelle BcIcKungsurtfile : eine bestimmte Zah!.
•/.. H. 5 bekannte Individuen d. 0. ... sind . . :');
'•) Die Farlialisation unterscheidet sich von dor Pluralisation dadurch.
daB (auch) die Zahl der Individuen nicht finert ist.
*) Pleonaslisch könnte man von „transgressivea Universalurteücn"
sprechen. Über die Weglassung des Altribula .Allgemein" bzw. ..generelF"
siehe S. 668.
') Man beachte, daß Bekanntheit hier in dem weitesten -Sinn zu ver-
stehen ist, also nicht etwa mit .,6xiert" oder „genau bekannt" oder ^.selbst-
heobachtet" identisch ist (vgl. S. 6G01).' Vielmehr bedeutet ,J)ekannl" hi«
nur so viel wie tatsächlich fundierend, und eine tatsächliche Fundierung
liegt auch vor, wenn iede unoültclbare Selbstbeobachtung fehlt. Die Uan-
grovebäume der Tropen, die ich nie gesehen habe, sind doch an dei* Pun-
dierung meines Begriffs „Mangrovebaum" indirekt beteiligt und daher in den
jetzt festgesetzten Sinn „bekannt"; „unbekannt" ^nd nur diejenigen Indivi-
duen, von deren Existenz ich Überhaupt gar nichts weiS, die also betOg'
lieh der Belegung transgressiv sind. Selbstverständlich ist in allen diesw
Füllen keineswegs etwa nur an sinnlich wahrnehmbare Existenz )«
denken.
") Es leuclilet ein, daß Iransgrcssive pluialisierende Urteile nicht wt*I
miiBlich Sinti. DaB'clbo gilt von der Gruppe F.f.
2. Kapitel. Die Lehre von den Urteilen. gg3
I) singularisieiende generelle Belegungsurteile : ^ i n bekanntes In-
dmduum d. G. . . . ist . . .
fiel den Gruppen d. e und f kann man nochmals zwischen fixierten
und nicht-üxierten Individuen unterscheiden.
Nur dieae ausfObrliche Tafel wird der Vielgeataltiskeit der logiseben
Beziehungen nach der Quantität der Urteile wirklich gerecht*). Vergleicht
mau die Tafel mit der S. 661 angeiohrten ilblichen Dreiteilung in univer-
selle, partikuläre und singulare Urteile, ao ergibt sich folgendes:
Die univeraellen Urteile der üblichen- Nomenklatur entsprechen vor
allem meiner Gruppe F.a, umfasaen aber bei vielen bzw. einigen Forschem
auch die Gruppen E; B, d; C, d; D, d; F, b, denen die hergebracht« Drei-
teilung nicht gerecht wird;
die partikulären Urteile der üblichen Nomenklatur entsprechen vor-
zugsweise der Gruppe F, c, oft bzw. zuw«ilen werden jedoch auch die Grup-
pen B,c; C.c; D,c; F,d hinzugerechnet, gelegentlich aogai B.b,«; S,b, ß;
C.b,(,; C,b,^; D,ba; D,b,^; F,e; B,a,^; C,a,ß; D,a,^;
die singulfijen Urteile der üblichen Nomenklatur entsprechen den
Gruppen A,a und .%,b; oft werden auch die Gruppen B,a,ai C,a,a:
D,a,a, gelegentlich auch die Gruppen B,a,^; C,a,^; D,a,^; F. I hierher
gerechnet.
Die Berechtigung einer solchen Zusammenfassung, die ja an sich im
Interesse einer Vereinfacliung sehr erwünscht wAre, kann nicht anerkannt
werden. Die Geschichte der Logik lehrt nämlich, daS sich keine ausreichen-
den Definitionen dieser drei Gruppen geben lassen in der Weise, dafi sie
einerseits scharf voneinander untersdiieden werden können und andrer-
seits zusammen alle Urteile umfassen. Es soll dies beispielsweise für
die Eantschen Definitionen, die den gestellten Anfordemngen noch am ehe-
sten Genüge zu leisten scheinen, dai^etan werden.
Kant '") deliniert : „im allgemeinen Urteile wird die Sphfire
eines Begriffs ganz innerhalb der SphSie eines andern beschlossen; im
partikularen wird ein Teil des ersteren unter die Sphäre des andern,
und im einzelnen Urteile endlich wird ein fiegrifl, der gar keine Sphäre
hat, mithin bloß als Teil unter die Sphäre eines andern beschlossen". Bei
dies« Definition ist die Einteilung — wenn man nur subsumierende Ur-
läle in Betracht zieht — allerdings erschöpfend, aber das für die partiku-
lären (besonderen) und die einzelnen Urteile angegebene UnterscheidungH-
meAmal ist unklar; sind Subjekte wie „diese vier Pferde", „vier Pferde",
„einige Pferde dieser Schwadron" usf. als Begriffe ohne Umfang anzusehen?
Bei strengster Durchfflhrtmg der Eantschen Definition und korrekter Auf^
fassung der Sphäre als Umfang wäre diese Frage wohl zu bejahen, und dann
bliebe f&r die allgemeinen Urteile nur unsere Gruppe F, a, und E, für die
partikulären (besonderen) nur die Gruppe F,c; alle andei-en Gruppen wür-
den trotz ihrer erheblichen Mannigfaltigkeit zur Klasse der einzelnen Ur-
leile Kants und der Qbhchen Einteilung gerechnet werden müssen. Mit
anderen Worten; die letztere ist damit auf unsere S. 666 gegebene Umfangs-
*) Vgl. meine Erkenntnistheorie, Jena 1913, S. M3ff. u. Ü6ÖE; ich
habe jedoch die damaligen Aufstellungen in manchen Beziehungen herich-
ligt und vervollständigt.
">) Logik § 21 u. Kril. d, rein. Vern., Kehtb, Ausg. S. 9Ü.
i,l^.OOglc
664 ^- 1^^''' Die einzelnen loBiscben Gelnlde und ihre Gesetze.
einteilung der Allsemeinurleilc zurückgefOhrt. und eine wesentliche Abnei-
chune der dblichen Cinteilune von der tneinieen besteht nur noch insotem,
als unsere UnlersuchunB Bezeigt hat, daB eratens die übrigen Urteilf,
welclie man als einzelne (singulare) zusammenfallt, sehr heterogen nnd,
und daB zweitens diese Qbrigen Urteile keinesvegs eine den univeraeUm
und partikulären Urteilen koordinierte Klasse bilden (vgL S. 659). Letztem
peht Obrigens auch schon aus dem Wortlaut der oben angefahrten IMni-
lion Kants hervor. Es wird von Kant auch zugegeben, daß „man die
einzelnen Urteile beim Gebrauch der Urteile in Vernunflsch lassen ^eich dea
allgemeinen behandeln könne", und andrerseits wird oft eiklärt, daB lo
anderen Beziehungen die einzelnen Urteile »cb gleich den besonderen be-
handeln lassen. Alle diese Schwierigkeiten verschwinden, wenn man, wif
oben geschehen, zunAchst Individual- und Generalurteile unterscheidet und
dann im Bereich der Individualurteile die kollektiven und die mutuierenden
gebührend berücksichtigt und im Bereich der Generalurteile zwischen einer
Kinteilung nach der Belegung und einer Einteilung nach dem Umfang —
hei welch letzlerer sich die beiden Hauptgruppen der Universalurteile und
der Partikularurteile ergeben — korrekt unterscheidet.
Es haben mithin bei der hier gewählten Eint«iluiig die
Termini ^Generalttrteil" und „UniTersalurteil" eine gaoi
verschiedene Bedeutung: dae Geueralurteil iet ein tJrteU,
<lafi über einen ÄIIgemeinhegrifF irgend etwas aussagt"),
das Universalurteil ist ein Qeneralurteil, das von allen (be-
kannten und unbekannten) Individuen der hezüglicheii Gat-
tung gilt. Daher genügt der eine dentsche Terminus
„Allgemein urteil" nun auch nicht mehr. Ich halte es
für zweckmäßip, ihn abweichend von dem ■üblichen Ge-
brauch — wofern, man ihn überhaupt neben den latinisierten
Termini noch beibehalten will — für die (Jeneralurteile, wie
oben schon geschehen, zu verwenden (AuBs«gc über einen
.,A 1 1 ge m e i n" begriff), und die Universalurteile etwa
auch als „Gesamturteile" zu bezeichnen. Im folgenden
soll aber, am alle Mißverständnisse auszuschließen, nur von
General- und UniversalurteÜen gesprochen werden.
Eine Vereinfachung unsrer Einteilung ergibt sich für
die Logik übrigens insofern, als die Belegungseinteilung der
Generalnrteile offenbar ihre Bedeutung verliert, wenn man
in der S. 449 besprochenen Weise der Normalisierung der
Allgemein Vorstellungen eine für alle denkenden Indivi-
duen gültige Bedeutung gibt; denn die Belegung haftet
") Die einen Allgenieinbegrill mutuierenden Individualurteile (S. M6)
sind keine Generalurteile, da sie keine Aussage über den Allgeroeinhegrifl.
sondern Ober Individuen bezwecken und den Allgemeinbegritf nur aiuMfe-
welse im sprachlichen Ausdnick heranziehen.
n,5,t,7rjM,G00glc
2. Kapitel. Die Lehre von den Urteilen. 665
immer an dem einzeln en denkenden Individuum und wird
gegenstandslos, sobald man von der beschränkten Erfahrung
der einzelnen Individuen absieht.
Dem partikulären Urteil haftet insofern eine Zwei-
deutigkeit an, als es seinem Wortlaut nach über die übrigen
Glieder des Subjektsbegriffs nichts aussagt. „Einige S sind P"
bedeutet: „wenigstens einige S sind F" und läßt also
offen, daß alle S F sind. Oft fällen wir jedoch auch
„prägnante" partikuläre Urteile in dem Sinn von „n u r
einge S sind P". Vgl. hierzu auch S. 648 ff. u. 646 ").
Die Geschichte der quantitativen Kinleiluns der Urteile kann hier
nui' in einem ttanz kurzen Auszug milseleilt werden. Aristoteles
(Akad, Ausg. 2^ a) unlerachejdet n^iävus xa96lov, in fti^a und nifw^Mioi
(vgl. oben S. (>39 u. 5fi2, bemerkenawerlerweise drückt er den Talbestand
bei dem partikulären Urleil durch den Singular au;: das Prädikat .vnn^/fi
iiri*). Die ersten beiden entsprechen den allgemeinen und besonderen Ur-
teilen der jetzt üblichen Einteilung. Die nootiaut t/Ji6fiatoi entsprechen
Dicht etwa den stngulAren Urteilen, sondern unsrcf Gruppe E (vgl. Si 682
u. 656]; als Beispiel tohrt Arialoleles an: nur iyurziwr inif f avi^ iatai^fit)
und q iiiorii ov* laitr äjmSJr (das erste ist allerdings nach meinem Dalttr-
halten schlecht gewählt, weil es das logische Subjekt, nämlich n tnmijfii!
jür iranlot», nicht klar zum Ausdruck bringt). An einer anderen Stelle
(1147 a, 1) spricht auch Ar. nur von zwei Klassen (allgemeinen und be-
sonderen Urteilen). Die individuellen Urteile (singulären Urteile) erkennt er
oHenbar als gleichberechtigte Klasse bei der Ouantitälseinteilung nicht an.
Die Stoiker scheinen alsn^wi^i"« «dpwr« Urteile wie lU x«ff^(tti(i= einer
bzw. jemand sitzt, s. Sextus Empir., Advers. mathem, VIII. 96, cd. Bekker
S. 306) bezeichnet zu haben. Urleile also, die wohl zu unsrer Gruppe B,a, ^
oder C, a, ß oder F, f gehören [vgl. S. 552, Anm. 16). Boethius sprach von
proposiliones isdeTinilae (vgl. S. 639, Anm. 5). ohne eine scliärlcre Ab-
grenzung zu versuchen.
Im Mittelalter wurden allmähhch die individuellen (singul&rsn)
Irteile den universellen und partikulären koordiniert. Daher linden wir z. ß.
hei Fseltus die Vierleilung in ngotäaus Ka9öXov, /UQtnai, änpeeJüftaiai und
inKrit iSeet frtxöt iaiir S ««*' Iröf ftörav lfyie9ai TifqDvxufl "l. Bi'I
Petrus Hispanus (vgl. S. GS u. 77) lauten die entsprechenden Termini '*) :
propositio universalis, parlicularis, indeilnita und ."< i n g u I a r i s. Der Ter-
niinus „Quantität" (quantitaa) war damals ftlr das Prinzip dieser Einteilung
der Urteile schon ganz eingebürgert. Die Ausdrücke, welche zur näheren
Bestitomung der Quantität des Subiektsbegriffs dienen, also omne, nullum.
aliquod, non aliquod hieBen „signa", wohl auch ,.stvna distribuliva". Die
") Hier käme eine di (leren zierende Weilerentwicklung der Sprache
in dem S. *10 angedeuteten Sinne sehr wohl in Frage {etwa „einige" = nur
einige, „nanche" ;= nenigstens einige),
>*} Srcopsis organ. Arist. I, 5. ed. Ehinger 1597, S. 1f> u. 17.
1«) Stunmnlae logicales, ed. Col. Agripp. 162% 1, S, 2S u. VII, S. 469
u. 48(.
O^^IC
ggg IV. Teil. Die eiozelneD togischeo Gebilde und ihre Gesetze.
Beslinunung eines AllKemeinbegrifb durch solche Attribute wurde „distnbulio"
eeDasnt (,^uitiphcatio termini communis per Signum universale [acta", z. B.
Petrus Hiapanus, Summulae lo7. 1. c. VI!, S. 443). Auch wurden diese ^na
distributivB partium subjectivtirum scharf von den aui die Komplexioo, nicht
auf den Umfang beKüglichen üigna distributiva partium integrahum (wie tcitu^
usf.) getrennt. Das ganze distribufive Verfahren wurde zur suppositio =
Sn»»ian gerechnet (vel. S- 68 u. Psellus, 1. c. V. 26, S. 312)- Viel Spli-
findigkeil wurde auf die Frage verschwendet, ob das signum ..orani^' such
auf weniger als drei Individuen angewendet werden könne u. a. m. (vrI
Duns Scotus, Qu. sup. Analyl. prior. 1, Qu. 7, Opp. ed. Paris 1^1, Bd. *
S. 96 u. Occam, Summa tot. los. C 4. f. 26 nach Pranll, S. 383).
Ramus {Dialecticae libri il, Lib. If, C^ap. 4, id. 1577, S. 113) unter-
schied ein axioma Renerale („commune conscqueos attribuitur genenliKr
communi anlecedenti") und ein axioma spi-ciale („coDsetiuen^ ooa omni
anlecedenti altribuilur"). Das axioma speciale lieiQt parliculare, wenn ein
i/xinsequena commune antoci^denti parliculariler altribuilur". dagegen pro-
prium, wenn ein „conscqucns anlecedenti proprio attribuitur". ItodiDgu«
belont in seinem Kommentar (S. 115) ausdrücklich, daB unsere Gruppe E zu
den axiomala generalia (unseren universellen Urteilen) gehört. Ahnlich
unterscheidet G o c 1 e n i u s (Partit. dialect., 2. Aufl. Francof. 15d6. S. 16S u.
171) axiomata universalia und specialia und (eilt letztere in ax. particulaiii
und sinüularia (propria) ein. — Die Logique de Port-Royal (ed.
Paris ISGl, S. 99) unterscheidet bereits ganz in der Üblichen Weise: pio-
positions universelles, parliculifres und sineuliires.
W o 1 f f s Definitionen (Ixigica § 241 ff.) lauten : Judicium singulare esl.
cujus aubjeclum est Individuum (unmilte)bar danach wird für die propositio
.singularia ein individuum detcrrainatum verlangt!); jud. universale est, cuiiu
subi. est Dolio communis .'...; jud. iiarticulare est, cujus suhi. est termiDus
communis, species nempe vel geiius, praedicatum vero non convenit nisi
quibusdam speciei vel generia individuis (das L'rleil „quidam lapis e«l
caJidus" ist parlikulLlr); propositio iudefinila uppellatur, cujus subjeclum tsi
termjnus communis sive absolute positus sive cum cerla determinatione. sed
absque iieno quantilatis („guidam hontines non sunt anceri" ist eine pm-
positio deünila. ,J)omo est doctrinae capax" eine prop. indefintta). Die
weitere Ausbildung der Quanli tätsein (ei lung durch Kant ist oben bereits
ausreichend besprochen worden. Vgl. auch 0. Sickenberger, Kantslud. 189»,
Bd. '2, S. 90. Kants Schaler und AnhänRcr haben im wesendichen an seinen
Aufstellungen festgehalten. Bei W. Tr. Krug (Syst. d. theor. Philos., J. Teil,
i). Aufl. ICönigsberg 1S25, § 54, S. 157) heißt das Judicium singulare auch
individuale, das j, oarticulare auch speciale oderplurativimi, das j. universale
auch generale. Urteile ohne Quantitätsbf Stimmung nennt er judicia in-
designata und betont mit Recht, daB der Terminus „indennitus" schüD
fDr die Einteilung nach der Qualität vergeben sei. Die mit der Kanlscltfn
{Einteilung verbundenen Schwierigkeilen bezÜgUch des Individualurteii^
fahrten dazu, daB seine Koordination mit den beiden anderen Urieilen sowohl
innerhalb wie auch auDerhalb der bchule fortgese(zt oft bestritten wurde
(vgl. z. B. Drobisch, Neue Barst, d. Logik, 4. Aufl. Lpz. 1875, § 48. S. SO)-
J. St. Hill (Syst Ol togic, 3. Aufl. l«ndon 1861, Bd. 1, S. 93>?erwiift
im AnscbluB an Whalely die Klasse der „indefinite" propositiona, UUt tber
im Obrigen die alle Einteilung fest. Manche neuere enghsche Loi^er unter-
scheiden nur universal und p^irticular proposidons und rechnen die singular
OgIC
2. Kapilel. Die Lehre von den Urteilen. 667
propositions zu don erstercn, weil sie „reEer lo the whole ot Ihe eubject"
(siehe z. B. Jevons, Elementair lessons in logic, 16, Aufl. London 1890,
Lesson 8, S. 66). Bei F. H. Bradley (The principles of lc«ic, London 1883,
T. G, S. 155 ff. findet man ähnliche Gedanken wie die im folgenden erörterten
von SiBwart.
In Deutschland hat Chr. Sigwart in neuerer Zeit versucht, die
Lehre von der quantitativen Einteilung der Urteile umzugestalten (Logik,
1. Aufl. Freib. 1873, 2. Auf!. 188S, Bd. 1. S, 3Mfi., § a6ff.). Er steUt eine
Klasae der pluralen Urleile auf und versteht darunter solche, welche in
einem Satze von einer Mehrzahl "von Subjekten ein Präditat aussagen.
Die sog. allgemeinen Urteile (alle A sind B) können nach Sigwart in ihrer
ursprünglichen Bedeutung nur in Beziehung auf bestimmtes Ein-
zelnes ausgesprochen werden (vgl. meine Gruppe F, b auf S. 662]. Dabei
soll „alle" logisch betrachtet Prädikat sein: die A, die B sind, sind
alle A. Auf diese Anschauung, die in einem etwas modifizierten Sinn sicher
Zustimmung verdient, wird Imlcn (S. 672) bei der Besprechung der Quanti-
fikation des Prädikats- zurückgekonanen werden. Von diesem „empirisch
allgemeinen" Urteil unterscheidet S. nun das „unbedingt allgemeine" als das-
jenige, welches „die notwendige Zusammengehörigkeit des Prädikats B mit
der Suhielttsvorslellung A auf inadäquate Weise durMi Zurücl^ehen aul die
unbegrenzte Menge des Einzelnen ausdrücken will". Das „alle" soll „immer"
durch eine „doppelte Negation hindurchgegangen sein" („das Prädikat fehlt
an keinem", „alle" negiert die Ausnahme). Weiter macht S. darauf auf-
merksam, daQ die „unbedingt allgemeinen" Urteile nachmals in zvei Klassen
zerfallen, je nachdem sie analytisch oder synthetisch sind (vgl. Ober diesen
Unterschied S. 128, 389 u. 677), Im ersleren Fall bendit das Urteil ,^uf
der anerkannten Bedeulung des Subiektsworts" (in der Vorstellung A isl B
schon enthalten), im letzteren handelt es sich um einen Schluß von allen
beobachteten Fällen auf alle öbrigen oder um einen Schluß aus den in A
.jnitverslandenen Bestimmungen" auf andere, z, B. B, die notwendig damit
verknüpft sind. Gegen diese Auffassung Sigwarts muß zunächst eingewendet
werden, daß die Heranziehung der „notwendigen" Zusammengehörigkeit bei
den absolut allgemeinen Urteilen (meinen universellen Urteilen) wenigstens
ir.ißverständlich ist. Die Zusammengehörigkeit kann auch wahrscheinlich
oder auch zufällig sein, es kommt nur auf die .Mlgemeinhcit als solche in
ihrem transgressiven Sinn (also nicht etwa nur auf die Belegung, sondern
auf den Umfang bezogen) an. Ferner ist die positive Transgrcssion — wie
Sigwart ganz richtig bemerkt, im Sinn eines Analogieschlusses — - wesentlich,
die Negation aller Ausnahmen (die „doppelte Negation") ist ein Korollar, aber
keineswegs das ausschlie Bliche primäre Moment der Verallgemeinerung.
Ejidhch ist bei den analytischen unbedingt allgemeinen Urteilen Sigwarts
(und ähnlich auch bei der zweiten Untergruppe der synlheti sehen) die
logische Transgrcssion als solche meines Eracbtens gleichfalls vorhanden und
als solche nicht wesentlich von der sonstigen Transgression verschieden, nur
ihre Begründung ist eine total andere. Auch wenn B sdion in A ent-
halten ist, muß ich streng genommen dies Entbaltensein von B in A von
den mir bekannten A's auf alle A's übertragen und daraufhin meine Aussage
transgressiv verallgemeinern. Die Hauplthese Sigwarts, daß die Einteilung
in singulare, partikuläre und allgemeine Urteile keine .^richtige erschöpfende"
ist fl. c. S. 21ß), trifft, wie unsere froheren Ausführungen gezeigt haben,
durchaus zu. Das partikuläre Urleil, führt S. aus, ist „als empirisches
„ ,„,^.oogic
668 rV- Teil. Die emzelmit loeiscban G^lde and ihre Gesetie.
Urieil über einzelne Dinge nur dann von dem rein pluralen verschieden,
wenn es dazu bestimmt ist, entweder dem alleemeinen gegenüber eine Aus-
nahme zu lionstatieien oder ein aHgemeines Urteil vorzubereiten". Wo du
Subiekt nicht in empirischem Sinne genommen werden soll, ist es nach S.
„ein durchaus inadäquater Ausdruck für den Gedanken,
welchen es bezeichnen soll, und verwirrt den durchgreilenden L'nteracfaied
der empirischen und der unbedingt güttigen Urteile". S meint, der Plan!
der Fonnel „einige A sind B" habe nur dann einen Sinn, „wenn er Eiozelnes,
Bestimmtes und darum Zählbares meine" (1. c. S. 216); das partikuläre Urteil
„banne notwendig den Gedanken in den Kreis des Einzelnen". WSj^ die»
Behauptung Sigwarts richtig, so würde unsere Gruppe der pariikuliren
Urteile, also die spezielle Gruppe F, c (S. 663) ganz wegfallen. Sigwurts
Behauptung ist jedoch nicht zutreffend. Ein Urteil wie „manche Säugetin^
l^en Eier" kann partialisiercnd semeint sein (Gruppe F, d], wenn ich
nämlich nur an die bekannten Monotremengaltungen denke"). Ks
kann aber auch partikulär (Gruppe F, c) gemeint sein und hat auch äton
einen guten Sinn, insoiem ich sagen will, daß bekannte und un-
bekannte Gattungen, Arten und Individuen, vielleicht sogar auch mr Zeil
noch unbekannte Ordnungen der Säugetiere Eier legen. Dasselbe leinen
Urteile nie: „manche Kriege wiriien verrohend". In letzter Linie geht wie
jedes Urteil auch ein solches auf Individuen, aber diese Individuen können
ganz unbekannt und unbestimmt sein. So sehr also S, im Recht ist. wenn ei
die Unklarheit des Terminus „partikuläre Urteile" in der Oblichen Einteilunf
bekämplt, so wenig zutreffend ist seine Ansicht, daß transgressive pariäoiUrc
Urteile neben den partialisierenden überhaupt nicfit anzuerkennen sind.
Im einzelnen isl namentlich das Verhältnis der Allgemein-
urteile ohne Quantifikation zu den Universalurt eilen viellich
erörtert worden. H. Lolze (L<«ik, Lpz. 1874, § C8, S. 92(1.) bezeichnet
erstere als „generelle", stellt also die generellen Urleile den universellen gegen-
über, während w i r auch alle Urteile, die eine Aussage darübtT cnlliallen.
in welcher Ausdehnung ein AUgemeinbegrill ein Prädikat hat, ais generelle
Urteile bezeichneten und die Universalurteile als eine besondere Klasse der
generellen Urteile auffaBten. Lolze meint nämlich, daß das universelle
Urteil nur eine Sammlung vieler Einzelurteile ist, deren sämtliche Subjekle
zusammengenommen tatsächlich den ganzen Umlang des Allgemeinbefrriflü
ausfüllen, daß dagegen das generelle Urteil (seiner Terminologie 1, also 7. B.
„der Mensch ist sterblich") zugleich den Grund der notwendigen Gelluoe
einer allgemeinen Tatsache ,Jiindurchscbeinen" lasse. Das Betspiel, welches
L. für die Universalurteile zum Beweise anführt, „alle Einwohner dieser Stadt
sind arm", entbehrt jeder Beweiskraft, da es gar kein Universalurteil, sondern
ein totalisierendes kollektives Individualurteil ist. Hichliger hat B. Erdminn
(Logik, 2. Aufl., Bd. 1, Halle 1907, S. iM) den Unlerschied dahin präzisien.
daS ,4n dem allgemeinen Urteil : ,alle Affen sind Säugetiere' das Subjekt
nach seinem Unitang, in dem generellen (nach Lotzes und Brdmanns Tar-
minobgie)'*): ,der Affe ist ein Säugetier' nach seinem Inhalt gedacht sä'
Man muß nur hinzufügen, daß es sich dabei nur um eine graduelle
") Selbst dann liegt übrigens eine Transgression vor, indem ich be-
kannte und unbekannte Individuen und Arten zusammenfasse.
'*) Wenn Erdmann von dieser Terminologie schlechthin als der „der
tiberlief erung entsprechenden" redet (I. c. S. 48ft), so kann ich dies vom
historischen Standpunkt nicht zugeben.
3. Kapitel. Die Lehre von den Urleiifin. QQQ
Verschiedenheit des psychologischcD Prozesses und um eine Ver-
schiedenheit der logischen Fassung (wie Lotze trotz seiner falschen
Gnjndansicht richtig sagt], nicht aber des logischen Inhalts handelt.
Verbindet man die wichtigste quantitative Ein-
teilung; in universelle und partikuläre Urteile mit der
qualitativen Haupteinteilung in bejahende und ver-
neinende, Bo ergeben sich vier Hauptklaseen :
1. die universellen positiven (affirmativen)!
alle S sind P,
2. die universellen negativen: kein S ist P,
3. die partikulären positiven (affirmativen) :
einige S sind P,
und 4. die partikulären negativen Urteile: einige
S sind nicht P.
Man darf nur nicht glauben, daß hiermit eine erschöp-
fende Einteilung aller Urteile gegeben sei (die Individual-
urte^le lassen sieh z. B. nur mit Hilfe von Sophismen ein-
ordnen), und muß die in ^ 113 mitgeteilten Tatsachen über
die Negation von Urteilen berücksichtigen.
Für diese vier Hauptklassen der kombinierten quali-
tativ-quantitativen Einteilung hat sich schon im Mittelalter
das Bedürfnis nach symbolischen Bezeichnungen
geltend gemacht. Peellue seheint diizn die Zeichen Ä, E, T, O
verwendet zu haben"), die nach Prantl auf die schon hei
Ammoniiis'^) üblichen Quantitätsbezeichnungen näg, oiitig
(bzw. ov^iv), ^y und ov nag hinweisen sollen. Lambert von
Auxerre (Prontl, 1. e. Bd. 3, S. 27) bezeichnete die positiven
Urteile mit äff, die negativen mit ne, die universellen mit u,
die partikulären mit par, die quantitativ unbestimmten mit
in, die individuellen (singulären) mit sin. Wilhelm von Shy-
reewood (Prantl 1. c Bd. 3, S. 15) und Petrus Hispanns '*)
haben dann in Übereinstimmung mit Psellus (vergleiche
über das gegenseitige Verhältnis S. 68) endgültig den Vo-
^■0 Die Synopsis org. Arist. des Psellus enthält diese Zeichen in der
gedruckten Ausgabe nicht, aber Prantl (Gesch. d. Log. im Abend)., Bd., 2,
2. Aufl. 1885, 5. 282; vgl. auch ebenda S. 279) hat in einer Handschfill am
ftande Memorial wo rte entdeckt, aus denen äch die oben angefOlirten Zeichen
und ihre Bedeutung ergeben.
'») Ad Arist de interpretallone, Akad. Ausg. IV, 5, Bwlin 1897, S. 89.
!■>) Summulae log. ed. 1622, S. 60. Ebenda S. 36 findet sich ein
anderer Memorialvers Quae ca vet byp, Qualis ne vel äff, u Quanta par in
sin, d. h, auf die Frage quae antwortet das kategorische und kTVolhctische,
aul die Frage qualis das nagative und affirmative, auf die Frage quanta
das «niverselle, paitiltuläre. Indefinite und dngul&re Urteil.
g70 1^- '''^i'- ^'^ einzelnen Ionischen Gebilde und ihre Gesetze.
kalen a, o, i, o Kiii^ang verschafft. Der übliphe Memorial-
vers lautet:
asserit a, iiegat e. sed (oder sunt) universalitrr «mbae;
agserii i, negat o. sed (oder ?nnt) nniversaliter anibae.
Die neuere algebraische Logik'') [vgl. E. Schroeder.
Vorles. Bii. 2. Lpz. 1891, S. 85 IF.) glaubl fdr d&s Universalurleil a Tut dem
Symbol A ^^ß auazutommen (yg\. S- 5il). Sie weicht hier nur insdeni
von der üblichen Losik ab, als s-ie ein UniTersalurteil auch dann aneitennl.
wenn, die .^zahl der in Betracht kommenden A gleich null ist, veil es keine
gibt In den universellen negativen Urleilen zieht sie die Negation in das
Priidikat hinein. Das Urteil e wird also dargestellt durch A ^E 'B (tkI.
S. 556}^^). Im Hinblick aul die Di'utung, welche die algebraischen Logikpr
der Multiplikation geben, drücken sin das ('Diversalurteil a auch durdi die
Formel A'B = 0, das Lnj versalurteil e durch die Formel AB = 0 aus. Hehr
Schwierigkeiten ergeben sich für die algebraische Logik bei der SymbcÜ-
sienmg der partikuläjren Urteile. Nach inißBlücklen Versuchen von Boole
und Jevons hat Schroeder (L c. S. 93) gezeigt. daB es unmöglich ist, miiteU
der Zeichen fflr Subsumtion und Gleichheit und der drei sog. „Spezies" der
algebraischen Logik (Multiplikation, Addition und Negation) die putikulfiien
*") Die von Schroeder (Vorl. Ob. d. Algebra der Logik, Bd. I, Lpz. 1S9D.
S. 436) bei der Einteilung der Urteile gewählte Terminologie ist so unzweck-
mäSig, daß sie nur ganz kurz angefahrt werden soll. Urteile über Umfann-
beziehuagen bezeichne! er als „Proposiliouen" und teilt sie ein in spezielle
und allgemeine. „Speziell" heißt eine Proposition, „wenn sie als Sul«kt
und Prädikat . . . lediglich voUkotnmen bestinunte oder eindeutige GeMets-
^;ymbole, bestimmte wohldelinierte Klassen enthält", „allgemein, genau»", tod
unbestimmtem oder allgemeinem Charakter", wenn „auch Gebietssymbale
in ihr vorkommen . . ., die von noch nicht völlig bestimmter, vielmehr von
teilweise oder völlig unbestimmter, ev. allgemeiner Bedeutung in der Mannüi-
faltigkeiL der Gebielc i-esp. Klai-sen sind". Danach wären Urteile wie: .M
Neger sind von schwarzer Hautfarbe" oder ,.alle schwarzen Krähen sind
schwarz" als spezielle Proposilionen zii bezeichnen. Das Subjekt „Neger"
als Gattungsname ist nach Sehr, mit Bezug aui die Mannigfaltigkeit de'
individuellen Objekte allerdings vieldeutig, erscheint aber als eindeutig, in-
sofern es unter den Klassen eine ganz bestimmte, individuelle (!?) Klasse
vorstelll. Eine allgemeine Proposiüon war« z. B, a^b, vena entweder
a oder b oder iK'ide „unbestimmte Gebiete oder Klassen vorstellen soUlei
wenn die Bedeutung dieser Symbole ganz oder .teilweise offen gelassen wire".
Die numerischen Gleichungen der Arithmetik sind speziell, die BuchstaiMr.-
gleichunsen, welche auch Buchslaben als unbeslimmie oder allgemeine Zahl-
zeichen enihallcn. aJIgemeiri, Offenbar unterscheidet Schroeder nicht schuf
genug 2wj5chcn Belegung und Umfang. Außerdem gibt er keine kloi« D^-
nition des Terminus ..eindeutig", der vielen Äquivokalionen ausgesetzt üt
Der Begriff ..alle A" als Subjekt eines univeisellen Urteils ist eindeutig, in-
sofern die Merkmale von A bestimmen, ob ein Objekt zu A gehört oder nicht,
dagegen vieldeuli?. insofern ich nicht alle A's kenne (nicht einmal det
Zahl nach).
=') Ich habe nur gemäß der Festsetzung S. 556 den senkrechten Strich
links oben statt rechts unten gesetzt.
2. KapiCel. Die Lehre von den Trtnilen,
671
Urteile auszudrdcken. Es bedarl dazu vielmehr eines neuen Zeichens für
nicht-gleich 4= (vgl S. 540 u. 653). Das partikuläre posiüve Urteil kann
dann geschiiebeo werden A B rj- 0 uud das partikuläre neeative A''B ^ 0.
Dabei wird das Wort „einige" zunächst im Sinn von uwenigstens einige"
(nicht im Sinn von „nur einige") aufgefaßt. Sehr, glauht mit einem solchen
Zeichen sogar erst die verneinende Kopula gewonnen zu haben, da er diese
in der Weltsprache vermißt (Begründung 9. I. c. II, 5. 93 u. I, S. 319 ff.).
Unverkennbar bieten diese Lehren der algebraischen Logik überall da,
vo es sich um reine Umfangsbeziehungen handelt, erhebliche Vorteile. Zu-
nächst ISBt sich das Verhältnis der vier in Bede stehenden Hauptklasaen
Fig. 17.
nunmehr in sehr anscbauUcher Weise durch die beistehende, von Pelrce**}
eingefOhrte, von mir etwas vereinfachte Figur ausdrücken. Du Tlrteil a
„alie Striche und vertikal" entspricht den beiden oberen Quadranten (auch
dem rechten oberen, insofern A gleich null sein kann, s. oben), das Urteil e
„«Ue Striche sind nicht-Teitikal" den beiden rechten Quadranten, das Urteil i
, .einige Striche sind vertikal" den beiden linken, das Urteil 0 „einige Striche
sind nicht-vertikal" den beiden unteren. Außerdem lassen sich mit Hilfe
des Vorausgegangenen die überhaupt denkbaren BeziehungamfigUchkelten
zwischen je zwei Gebieten A und B sehr viel kürzer und klarer darstellen.
Es ergäwn räch nämlich fQnf Elementarbezieluingen (Gergonnes Glementar-
fruppen) **) :
1. A und B haben keinen Teil gemein oder AB = 0,
2. A ist gleich B oder AB = A=B ^0,
3. A tat B untergeordnet oder AB = A ={= \^
*. A ist B übergeordnet oder ÄB = B ^ j ^
" (0
5. A ist schnittig ^sekant) '•) mit B oder AB ^ ?A,
**) Das Original ist mir nicht zugängüch. Vgl. Schroeder. I. c. II, S. 88.
'*) Die erste Darstellung hat J. D. Gergonne in seinem Essai de dialec-
tiqufl lationelle gegeben (Annales de mathSm. 1S16 u. 17. Bd. 7, S. 183, spez.
S. 197). Vollständiger ist die Entwickluiui bei Schroeder, 1. c. S. 95 If.
**) Diesen Ausdruck hat Schroeder statt ,Jireuzeiul" vorgeschlagen.
.oogic
672 ^- T^'^- ^^ einzelnen logiEchcn Gebilde und ihre Gesetze.
In der Worispracl»; lauten diese Urteilt:
1. kein A ist B und kein B ist A.
2. ftlle A sind B und alle B sind A,
:t. alle A bind B, aber nicht alle B sind A (oder einme B sind nicht Ai,
4. alle D sind A, aber einige A sind nicht B.
.'). nur einige A sind B und nur einige B sind A (oder einige B sod
nicht A oder einige A sind nicht B).
Das Verblltnis der früher (§ 103) besprochenen UnifangabeziehunteD
der Begriffe zu deu Klasaen der quantitativen Einteilung der Urteile tritt
hier deutlich zulaBe. Man muß nur berücksichtigen, daß einerseits die
Aufstellung der (ünf Gergonneschen Gruppen sich auch auf dip Quantilils-
Terbältnisse des Prädikats begrilfs bezieht, und daß andrerseits bei unanr
Aufstellung in g KCl neben den Umfangsbe Ziehungen zugleich auch die In-
hal tsbeziehuneen lii Betracht gezogen sind. BerQcksichtigt man nur dea
rmf&ng und r.w^i auch nur die Umfangsbcziehung des Subjektsbegrifc A
/.um Prädikats befirilf B, so j-eduziert sich die erste Gergonnesche Gruppe auf
die e-Urleile, die zweite und dritte auf die a-Urteile, die vierte auf die
i*Urteile, die Iflnlte auf die i- und o-Urteile (wobei das Wort „einige" im
I- und o-Urteil die Bedeutung „nur einige" hat). Ferner entsprechen die
Urteile der 1. Gcrtionneschen Gruppe, also die e-Urteile, der Begriffsbeziehuis
der Hepugnanz (vgl. ü. ^50 u. 572), diejenigen der 2. G.schen Gruppe, als»
ein Teil der a-Urtcilc, der Begriffsbeziehung der Aciualiiat hxw. auch der
Identität (S. 569), diejenigen der 3. G.schen Gruppe, also der Best der
a-Urteile, der Subordination (S. 56S), diejenigen der 4. G.schen Gruppe, also
ein Teil der i-Urteile. der Superordination (S. 668) und endlich dieien«en
der 6. G.schen Gruppe, also der Rest der i-Urteile und die o-Urteile, der
Kreuzung (bzw. Konjunktion, vgl. S. 66ö). Dabei tritt auch klar hervor, diB
die o-Urteile, wenn man „einige" im Sinn von „nur einige" faßt, sich auf
denselben Sachverhalt wie ein Teil der i-Üiteite, nämhch eben auf die Be-
triff sbc Ziehung der KreuzuDR bczieben. — Streicht man die zweite und vierte
(jergonnesche Gruppe, so ergibt sich der auf Fig. 16 (S 650) dargeslellle
Talbesland.
Wenn troLz der mannigfachen Vorteile, welche die algebraische Sym-
bolik, insbesondere die Peirce-Schroedersche darbietet, in unserer Baupt-
darstellung auf ihre Hilfe verzichtet worden ist, so geschah dies nameoüich
deshalb, weil manche dieser Symbole dem ablieben Wortgebrauch allzusehr
widersprechen. Ein sehr charakteristisches Beispiel führt Schroeder L c.
Bd. II, S. 9ü'an. Von mathemalisch- logischem Standpunkt ist gegen seine
Ausführungen nichts einzuwenden, nur vom Standpunkt der praktischen
Verwendung wird man Bedenken tragen. Schroeders Vorschläge bei der
(Irundlagc der ganzen Darstellung zu verwirklichen.
Schließlich ist noch die Fra^^e zu erörtern, ob nicht aach
auf Grund der Quantität des Prädikatsbegriffs eine
Einteilung der Urteile möglich i^t, und wie sich übeiiianpt
die Quantität des Prädikatsbegriffs verhält. Es handelt sich
also um das Problem der sog. Quantifibation des
Prädikats, wie sie namentlich Ton Hamilton gelehrt
i,l^.OOglc
' 2. ILx^m. Die Lehre tob den UrteüeD. 673
«orden ist") (vgl. S. 609). unsere früheren Anseinander-
setzangea haben bereits ergelten, daB die HamUtonsche Lehre
mir zum T^il richtig ist. H. irrt sich, wenn er annimmt, der
Pi^ikatsbegriff müsse im Umfang stets mit dem Sabjekts-
begrlff öbereinstimmen (S. 610). Wir sahen vielmehr bei der
Abgrenzung des Urteile (S. 369 u. 603), daß die für das Ur-
teil wesentliche Deckung der Individnalkoeffizienten total
oder partiell sein kann. Ist sie total, so ist die Quantität (der
UiBfaiig) von P und S gleich: es liegt Äqnalität bzw.
Identität vor (2. Gergonnesche Gmppe, also ein Teil der
a-Urteile, vgl. S. 671 u. 675; Beispiel: a'— b' = (a+b) (a— b);
dae urteil heißt äqual bzw. identisch). Ist sie partiell,
80 kann die Quantität von P größer oder kleiner sein als die-
jenige von S, oder es kann das Größenverhältnis unbeetinunt
bleiben. Im ersten Fall ist das Urteil snbsomierend")
(3. Gergonnesche Gruppe, also der Best der a-ürteile; Bei-
spiel: alle Vögel sind eierlegend). Im zweiten Fall ist das
Urteil supersnmierend^') (4. Gergonnesche Gmppe,
also ein kleiner Teil der i-Urteile; Beispiel: einige Säuge-
tiere sind Monotremen). Im dritten Fall — partielle Deckung
der Individnalkoeffizienten bei Unbestimmtheit des GrÖßen-
verbältnifises des Gesamtnmfangs von P and S — ist das Ur-
teil kreuzend*') (5. Gergonnesche Gruppe, also der größere
Best der i-Urteile; Beispiel: einige Säugetiere sind eier-
legend). Die Übertragung auf die negativen Urteile bedarf
keiner besonderen Erörterung.
Hier ist nun auch der oben (S. 667) bereits kurz erwähnten Ansicht
Siewarls zu gedenken, der zufolge die Qnantilfttswerter „einige", „alle" usf.
den logischen Sinn nach zum IV&dikat gehören. „Alle S sind P' würde
nach dieser Auffassung bedeuten: „die S sind samtlich P', d. h. „die Gattung
S gehört ganz in die Gattung P" (oder, wie Sigwart es ausdrQckt: die S,
die P sind, sind alle S, womit offenbar gemeint ist: erschöpfen die Gattung S);
dwoso wOrde „einige S sind P' bleuten: ,idie S sind zum Teil P", d. h.
,.di« Gattung S fällt (wenigstens oder nur) zum Teil in die Gattung P'.
Offenbar ist nun diese Auffassung fOr das Gene'ralurtäl in dem eigentlichen,
hier von uns festgesetzten Sinn, soweit sie die QuantitAtsbezeichnung dem S
entzieht, durchaus zutr^end. Wir wollen im Generalurleil etwas Ober die
«) FrüheP schon von G. G. Titius, Ars cogitandi, Lips. 17(B, Cap. 6,
§ 36ß. (S. 109).
=•) c=: „subordinierend", vgl. jedoch S, 675, Anm. 2,
>») =. „superordinierend". Wie trüber (S. 626, Anm. 8) enrthnl, rind
supersamierende Urteile im tat^U:hlichen Denken sehr selten. Die psycho-
Josiscbe BedeutuiK entspricht der logischen ganz und gar nicht
**) =1 s^aot (im Anachlufi an Scbroedns Termincdogie).
Ziehen, Lehrbuch dtflioglk. 43
h. !■, iiA.OOgIc
074 ^- ^^il- ^'^ einzelDCO Ionischen OebHde und ihre Gesetze.
Tiattuns ftusnagen, die Gatt uns soll ^ Subiekt duicli da» Piidikil
Jrsendtrie n&her beatimmt werden, und das Uri«t sagt das durcbgAogiie oder
du iMlweise ZutreRen des Pr&dikatsbeKriSa aus. FOr das tlniver^uita]
bedeutet diese Aulbssun? keine eiiteblicbe Abweichvns, da ,^lle S" im
weseaUichcD mit der „Gatluns S" idenliach sind. Für das PartikulanuUil
ergibt ach jedoch ein wesentLcher Unterschied: nach der üblichen Auffanont
betrifft die Aussage nur die „einige S", nach der von mir im allgemeioea
aknptierien Ansicht Sifwarts betrifft sie die ganze Gattung S und besut
bezflslich derselben, daB sie zum Teil das Piüdikat F hat, mm Teil okht,
bcw., ««nn „einige" soviel bedeutet wie „wenigstens einige", bezQ^h des
anderen Teil« sich zweifelhaft veifaftit (vgl S. HS u. 665). OBenbar ent-
spricht nur die zweite Auffassung scharf dem für das Generaluiteil fc-
forderien Tatbestand. Ich stimme also mit Sigwart darin aberdn. dnB die
Quanüt&tsbezeichnung in dem eigentlichen Generalurteil logisch nicht tarn
Subjekt gehört, dagegen vertiinde ich sie, abweichend von Sigwart, mit der
Kopula und nicht mit dem Prftdikatsbegrifl *■). Die Kopula ist der Ausdnid
fOr die Deckung der Individualkoeffizienten (vgl. S. 619). äe hat daher
auch die Funktion und Aufgabe auszudrOcken, ob diese Deckung voUstfindif
oder partiell ist Schon im t'nivenoluiteil, soweit es subsumierend und
nicht Äqual biw. identisch ist, mOSte der partielle Charakter der Deckui»
irgendwie auch sprachUcb zum Ausdrack kommen; hier hat jedoch dt»
Sprache auf eine exakte Wiedergabe des spezielten logischen CharakU»
verzichtet: das subsumiet«nde and das ftguale Unirersalurteil unterscheiden
eich im allgemeinen sprschlicb nicht. Anders bei dem Partikularuiteil : hier
drückt die Sprache den partiellen Charakter der Det^ung durch die Quanü-
titabezeichnung „einige" ganz adiquat aus. Sie weicht nur iasofem Ton
dem logischen Talbestand ab, als sie den Deckunssindex nicht bei der
Kopula anbringt, sondern zum Subiekt zieht, eine Abweichung, die wir auch
sonst vielfach beobachten (kein S ist P c= alle S sind nicht P), und die
oflenbor u. a, doirnt zusammenhängt, daß wir das wichtigste Wort der Aus-
.sage voranstellen und daher mit dem in der Regel an der Spitze des Stiles
stehenden Subjekt vertiinden ^*).
Diese ganze Argumentation gilt übrigens nur für die universellen und
partikul&ren Urleile, soweit sie unsrer Definition entsprechen, also ecblf
Genenlurleile, und zwar generelle Umfangsurteile (nicht Belegungsurteile, vgl
S. GM f.) sind. Bei den generellen BelegtuigBurträlen und erst recht hä d«
pluralen, pluralisierenden usf. IiMlividualuiteilen gehören selbstverstindbcfc
die Quantitfitsbezeichnungen „einige", „zwei", „alle" usf. durchaus nur zum
SubjAt.
Die Bedenken, wekbe Erdmann in seiner Logik'^) gegen die Sigwort^che
und ähnliche Ansdutuungen erhoben hat, scheinen mir bei der jetzt fomm-
lierten Anschaunng hinfftllig zu werden. Vor nllem bleibt gegenOber ollen
■ 1 • ■
3S) Danüt fällt auch die oben in Klammern angeführte gewaltsame l'm-
formulierune Sigwarts weg.
") Es konmit wohl auch hinzu, doB wir ursprünglich nur plural'
individuelle Urteile und erat sp&ter Generaluiteile bilden, und daS iüi di»
eisleren nur die V^bindung der Quant it&tsbezeicbnung mit dem Sutw^
■dSquat ist. Es handelt sich also um ein Analogieverlahrcn.
") 8. Aufl. HaUe 1907. S. «Stf.
-.ooi^lc
2. Kapitel. Die Lehre von den Urteilen. g75
Kinw&nden und der eigenen Auffassung Erdmanns die Tatsache bestehen,
daB wir, in dem echten Universal- imd Partikulanirteil eine Aussage Ober
die Gattung als solche machen.
§ 116. Eiatellnng der Urteile (Fortsetsang), 6. Bintei-
InnS nach der Beteilignni: der IndlvidDalkoefflzlenteD and
des Inhalts von S und P an dem Vergleiehnngsaht des Urteils.
Für die erste dieser Einteilangeii haben die voraoeg^an-
.^eaen Besprechungen bereits die erforderlichen Grundlagen
geliefert. Wir haben einfach zn unterscheiden zwischen Ur-
teilen mit vollständiger und Urteilen mit partieller Decknng
^r IndividualkoefflzienteD (vgl. auch S. 603). So gelangt
man zn den beiden Hanptgruppen der äqualen und der
jtkicht-äqnaleuoder inäqualen Urteile (S. 559 n. 671).
Kommt bei den äqualen Urteilen (Formel S = P oder
genauer 8 " P, vgl, S. 671) zu der Umfangsgleichheit, d. h.
znr vollständigen Deckung der IndividDalkoeffizi^iten noch
vöIUge Gleichheit des Inhalts hinzu, so heißt das Urteil
identisch (Formel S -~P, vgl. S. 559 a. 541). Die inäqualen
Urteile zerfallen, wie % 115 lehrte, in subsumierende*)
(subordinierende, Formel S CT P), snpersumierende
(snperordinierende '), Formel S ^ P) und sekante (kreu-
zende, Formel S 3C P)*)- Über Bedeutung und Vorkommen
dieser Urteilsformen ist der vorhergehende Paragraph zu
vergleichen.
Was die Zweite der im Titel des Par^raphen ange-
führten Cinteilnngeo, also die Einteilnng nach dem In-
hal t s vergleich anlangt, so kann die Logik die hierherge-
hörigen Unterscheidimgen der psychologischen Grundlegung
■(S. 388 ff.) unverändert übemehmea. Wir teilen also alle Ur-
teile, je nachdem sich mit der Vergleichung der Individnal-
koefflzienten ein Merkmalvergleich verbindet oder nicht,
in kommensive und konsertiv»;. Das konsertivc Ur-
*) Die subsumierenden Urteile sind bald Individuahirteile (Sokrates ist
ein Philoaopfa), bald Generaluiteile, und im letzteren Fall l)ald univers^ (alle
Wale sind Saugetiere}, bald partikular (einige S&ugetiere legen Eier).
*) Es dürfte zweckm&Big sein, die Termini „subsumierend" und „super-
sumiereod" für die Urteile, die Termini „subordinierend" und „superoidi-
nierend" fflr die BegriBsbeziehunsen (unabfa&ngig von der Vetknapfung in
änem Urteil) zu verwenden. Ebenso wUrde man dann von adtanten Urleüeo
(Schioeder) und kreuzenden Begriffen zu sptech«o haben.
>) Schroeder verwendet eine VerachUngung der beiden Zeichen ^ und
^ , Tgl. VoriesuMen Bd. 2, S. 96.
1,1^. OQi
,g,c
070 ^- Teil. Die öDsetiwn logiKten GcMIda wtd am Goelze.
teil kann vom jetzt gewoniMHien logischen Standponkt ans
folgendermafien beschrieben werden: wo und wann das mit
S bezeichnete Merkmal bzw. der mit S bezeicbnete Merkmal-
komplex vorliegt, da nnd dann liegt — sei es in einem indi-
vidneüen Fall, sei es in allen oder einigen Fallen einer Gat-
tung — aach das Merkmal bzw. der Merkmalkomplex P vor.
Beispiel: ,3eliam hat das Atomgewicht 3,99". Für den-
jenigen, der das Atomgewicht des Helinms bisher nicht ge-
kannt hat*), involviert dies Urteil, mag er es lesen oder
hören oder auf Grand eigener Versuche nnd Berechnnngen
znm erstenmal fällen, keinen Merkmalvergleich zwischen S
imd P, sondern einfach die Verknüpfung (consertio) des
neuen Merkmals P mit S. Demgegenüber besi^ das kom-
mensive Urteil: wo nnd wann das mit S bezeichnete Merk-
mal bzw. der mit S bezeichnete Merkmalkomplex vorliegt,
da und daim liegt auch das Merkmal bzv. der Merkmalkom-
plex P vor, und zwischen S nnd P besteht eine ln>
haltliehe Ähnlichkeit oder Gleichheit, d. h. teil-
weise oder vollständige Übereinstimmung
der in S nnd P enthaltenen Merkmale. Beispiel: „das
Lithinm ist ein Alkalimetall". Einerlei, ob ich vorher schon
wußte, daß das Lithinm ein Alkalimetall ist, od^ nicht,
jedenfalls will ich mit meinem urteil nicht nur sagen: wo
und wann Lithium, da und dann ein Alkalimetall, sondern
ich meine zu^eich: bei einem Vergleich der Merkmale des
Lithinms mit den Merkmalen der Alkalimetalle ergibt sich,
daß die letzteren Merkmale sämtlich in den ersteren ent-
halten sind. Die Merkmale werden gewissermaßen anein-
ander abgemessen (commetiri). Handelt es sich um negative
urteile, so ergeben sich dieselben Üntersoheidungen, nur ist
an Stelle von Gleichheit bzw. Ähnlichkeit Ungleieheit bzw.
ünähnlichkeit zu setzen.
Das Verhältnis der Merkmale von P zu den Merkmalen
von S gestattet aber noch eine weitere Einteilung der Ur-
teile, die uns gleichfalls bereits in der psychologischen
Grundlegung begegnet ist, nämlich die Einteilnng in ana-
*) Es sei jedoch daran erinnert, daS bei dem konaertiven Urteil mva-
nahmaweise dem Urteilenden «ich bekannt sein kuin, daß P d«n S *a-
konunt, er aber bei seinem Urteil doch lediglieh die Koexistenz t<si S und P
(also die partielle oder totale Decknns der Indiridualkoeffizienlen) koQriati»t>
■Jbo Ruf den Meitmalveitfeich aua irgendeinem Giuitde wskUet. Vrf.
hiertkber 5. S88.
OgIC
• a. Kapitel Die Lebre ron deg Urteüen. 677
lytiee he und synthetische urteile*) (vgl. S. 389). Der
logische Tatbestand bei dem analytischen Urteil katm don^'
die Ffomel abcde ist be ausgedrückt werden; chan^te-
ristisoh ist, dafi P vollständig in S enthalten ist. Es besteht
partielle Inhaltegleiehheit zwischen S nnd P in dem S. 562
erUintnien Sinn. Die aUgeraeioste Formel des synthetist^en
Urteils istabede Istbcfg; charakteristisch ist, daß P ein
oder mehrere Merkmale enthält, die in S nicht enthalten
sind* Bei dieser Unterscheidung darf man nicht etwa für S
d«ijenigen Begriff einsetzen, den wir von seinem G^enstand
bei einem ideal vollständigen Wissen hätten, s<mdem S
bleibt auefa in der liogik ein Begriff, der von der jeweiligen
Kenntnis des Gegenstandes abhängt Die KormallBiemng
besteht ja nicht in der Herstellung einer idealen Vollständig-
keit des Begriffes S, sondern in der Herstellung einer ideal^i
K)onetanzde6selben(vgl.S.472f.). Dasselbe gilt von F. Außer-
dem ist in der Logik der konstant gedachte Inhalt von S
und P durch eine Definition fixiert. Es kommt nun lediglich
darauf an, ob der definitorisch fixierte Inhalt von P Merk-
male aufweist, die in dem definitorisch fixierten Inhalt von
S nicht vorhanden sind: ist dies der Fall, so ist das Urteil
synthetiBch, anderenfalls analytisch. Für die Logik hat
also diese Unterscheidung nur Bedeutung unter der Voraus-
Setzung einer ausreichenden Definition (definitoriscben Kon-
stanz) von S und P.
Bein synthetisch (synthetisch im engeren Sinn)
ist ein Urteil, wenn P n u r Merkmtde enthält, die in S nicht
schon enthalten sind (Formel: abcde ist fg); enthält F
anch Merkmale, die schon in S enthalten sind, so ist es g e -
mischt, nämlich *analy tisch in bezug auf die schon in S
enthaltenen, synthetisch in bezog auf die neu hinzukom-
menden Merkmale (Forme), wie oben angegeben: abcde
ist b c f g). Im allgemeinen hat man die Häufigkeit dieser
gemischten, analytisch-synthetischen Urteile nicht immer
') Kuit bezeichnet die analytischen Urteile auch als Erliuterungsurteile,
die ayalbetischen als Erweiteninssurteile. Die letztere Bezeichaung ist zu-
treSeud, die eistere irrefahrend, da, das analytische Urteil Jceraeswega, stets
nur eine Erllulerung besagt oder bezweckt
078 '^- '^^^i'- '^ «nzelnen lotischen Gelnide und ihre Gesetze.
ausreichend beachtet. Ubrigeus läßt sich jedes rein-
Sj^thetiscbe Urteil sofort in ein analsrttoch-syntbetiBchee
verwandeln:. abcde ist fg in abcde ist abcdefg, ,^ie»
Pferd ist schwarz*' in „dies Pferd ist ein schwarzee Pferd",
»Helinin hat das Atomgewicht 3,99" in „der Merkmulkomplez
Helinm ist der Merhmalkomplex Helitun mit dem Atom-
gewicht 3,99". Vgl. auch die Bemerkungen über synthe-
tische und konstruktive Definition S. 522 n. 533. '
Ober die Einteilung der Urleite in analytische und synthetische becäe-
licb der eikenntniatheoretischen Bedeutung zu sprechen, ist hier nicht der
Ort. Über die logische Bedeutung und Berechtiiung dieser Einteilung sei m
dem Vorausgehenden noch folgendes bemerkt. Bis in die neueste Zrät hat
man immer wieder bezweifelt, daB wirklich alle Urteile in axialytiscbe und
synthetische eingeteilt werden k&nnen. Schon Hegel (Enzyklop. d. phUos.
Wisa. % £SS, WW. VI, S. 411) wandte gegen Kant ein, daS jedes tirteil nun
Standpunkt der dialektischen Methode betrachtet sowohl analrtisdt wie
synthetisch sei: einerseits werde nur das gesetzt, «bs im unmittelbaren
BeghS enthalten sei, andrerseits werde doch auch ein Unterschied gesetzt,
der in diesem BeeriS noch nicht gesetzt war Dieser Einwand gebt — auch
wenn man vom Standpunkt der dialektischen Methode ganz absieht — von
dem richtigen Gedanken aus, daB auch in dem aoalytischen Urteil eine Nen-
leistung vollzogen wird, insofern die im Subjekt gegebene Komplexian duich
die analytische Funktion (S. 346) dank ihrer invenen Beziehung va syn-
thetischen Funktion zerlegt wird und die Iwi der Zerlegung zum Vorschein
kommenden Uerkmale mit dem Prädikalsbegiiff ■} verglicbeD werden. Der
Wert und die Berechtigung der E&ntschea Einteilung wird iedocb hiervon
nicht berührt: es blei|]| die Tatsache besteben, daB im analytiachen Urteil
das Prtdikat nur Merkmale enthUt, welche bei dieser Zeriegung von S sich
ergeben, im synthetischen hingegen auch neue. Eher kennte man — in ent-
ferntem Anschluß an die Argumentation Hegels — das Bedenken erfadien.
ob bei manchen analytischen Urteilen nicht jede Vetgleichung fehlt und der
ganze UrteilaprozeB sich auf die Analyse, die akzentuierende U^mushebnng
eines Merkmals von S beschrftnht. In der Tat kommen solche Denkakte im
Sinn eines „rudimentären" Urteils (ygi S. 373 u. Grundl. der Psycho-
logie, Bd. 2, S. 186) vor; bei dem vollenlwickelten Urteil, mit dem die Lagt
ea jetzt zu tun bat, kommt zu einem solchen analytischen Akt regebnUig
au«^ noch eine Glcichsetzung und damit eine Vergleichung hinzu.
Oft ist auch eingewendet worden, der Unterschied zwischen den aoaly-
tiscben und den Bynthetischen Urteilen sei nur nlativ und nicht scharf; ie
pachdem P im Subjekt mehr oder weniger klar mitgedacht werde, kfinne
dasselbe Urteil sowohl ab analytisch wie als syntheUscb bezeichnet werd».
Fflr das Urteil im psychologischen Sinn ist dies sicher richtig, lär das
logische, d. b. normalisierte Urteil trifft der Einwand jedoch nicht zu; im
logischen Urteil ist der Inhalt von S und P eindeutig festgelegt (durch eine
Definition), die psychologischen Schwankungen des Subjekts- und I^tdiWs-
■) Dieser wird dabei oft gleichfalls zerlegt — Andrerseits kann bei
identischen Urteilen wie a — a jede Analyse fehlen.
3. KamM. Die Lehre vcd den Urleilen. 67g
iDbaSa kommen also gar nicht in Betracht'). Nur losoCern konunt dem
Einwand Bedeutung zu, als bei der AnwenduoK der logischen Regeln aul das
lal«lcMiche, d. h. psychologisdie Denken der schwankende Charakter des
letiteren in bezuK auf das rnhaltsverhftltnis von S und P BerOchsicbtigunR
bedari.
Bedeutsamer sind die Ausführungen Sigwarts (Logik, 2. Aufl. Freiburg
laee, Bd. l, Al>scbn. 8, § IS. S. laSIf.) aber die Kantsche Einteilung. Die
Genesia des Urleilsaktes ist nach S entweder eine unmittelbare oder
eine mittelbare. „Unmittelbar ist sie, .wenn das Urteil nichts als
die in ihm verknüpften Voratellungen des Subjekts und des Prädikats selbst
voraussetzt, um mit dem Bewußtsein objektiver Gflltigkeil vollzogen zu wer-
den ; mittelbar, wenn erst durch das Hinzutreten anderer Voraus-
setzungen dieser Vollzug möglich wird, sei es daß die Aufeinander-
beziehung von Subjekt und Prädikat überhaupt mit dem Ge-
danken ihrer urteilsm&Bigen Einheit erst einer Vermittlung bedarf, oder dalt
wenigstens das Bewußtsein ihrer objektiven Galligkeit
anderswoher gewonnen werden muH." Der „Grund des Urteils", d. h.
„dasjenige, was die Einasetzung von Subj^t und Prädikat herbeilohrt",
liegt bei dem unmittelbaren UrteU „in den veiknüpften Voratellungen selbst,
für sich", bei d«n mittelbaren Urteil ,4n den veiknUpften Vorstellungen nur
zusammen mit anderen". Sigwart will nun seine unmittelbaren und Kants
analytische, seine mittelbaren und Eants synthetische trotz ihrer weitgehen-
den Obereinstimmung nicht identifizieren; denn bei seiner Einteilung
komme es „auf die jeweilige Genesis des Urteils in dem urteilenden .Sub-
jekt" an, während „Kant sich zunähst an die Voraussetzung; bestimmter
begrifflicher Bedeutung der als Subjekte auftretenden Werter*) lialte".
Kant koniw, meint S., bei seiner Einteilung „nur eine faktisch allgemein
geltende Nominaldefinition voraussetzen". Heines Erachtens vericennt S.
damit die Bedeutung der Eantschen Einteilung. Bei dieser wird nur Tor~
ausgesetzt, daB die Begriffe S und P fixiert und definiert sind; ob diese
Fixation und Definition dem Denkinhalt eines Individuums oder vieler
oder aller denkenden Individuen entspricht, ob und wie sie spractilich
fixiert ist, ja ob sie mit Bezug auf den Gegenstand falsch oder richtig ist.
ist für die Unterscheidung der beiden Urteilsklassen nicht von wesentlicher
Bedeutung. Die Urtuls genese, welche fQr Sigwarts EiateiJung mafi-
gebend ist, ist allerdings von Kant nicht ausreichend berücksichtigt worden,
in der oben gegebenen Darstellung ist dies jedoch in ausgiebigei; Weise ge-
schehen. Die Kommension entspncbt dem unmittelbaren, die Konsertion
dem mittelbaren Urteile Sigwarts. Beide charakterisieren sowohl das Er-
gelmia und damit die Bedeutung wie auch die Entstehung des Urteils. Die
Kantsche Unterscheidung STnlhetischer und analytischer Urteile legt weder
die Bedeutung noch die Entstehung des Urteils, sondern das tatsächliche In-
haltsverhällnis der Begriffe S und P zugrunde und deckt sich daher, wie
wir gesehen haben, nicht vollständig mit der F.inteilung in konsertive und
'') Damit erledigen sich auch die Einwände, die Schleiermacher in
seiner Dialektik (§ 166 u. 30fr-810 u. Beilage E, Nr. 7S) erhoben hat.
Sehleiennachere Unteiscbeidung zwischen vollständigen und unvollständ-
digen, eigentlichen und uneigentlichen Urteilen ist unklar (I. c. % 305 B.).
*) Diese nominalisUsche Fassung schreibt Sigwart der Kanlschcn Lehre
Qbrigens mit unrecht zu.
ih,Cooglc
ggO IV- T«il. Die Minelncn tociachatt Gtfcilde nad ihre Gteetoe.
koBiMiuir« und daher auch nicht voUsUndii miL Simrts EintMliiBS ü
mittelbare und unmittdbar« UiteÜ«. Endlich ist dasienige, was Sifvart ah
„Gnmd des UiteÜB" bezeichnet, ras ihm iQr die beiden UrieüsUanaa in
weMotlicben lichtig angegeben und gilt audi for unsere UnterscbeiteMn.
Für die Kornntension sind nur die vericnOptten BegriBe sdbst mirgahlBi,
die Konsertien muS, wenn sie zur Auanie der Dedning der IndindDal-
koefflzientea fahren soll und aut Vergleich der BcsriSe Eett>3t TwtictaM,
„andere" Vorstdlungen (ich wttrde vorziehen zu sagen: anderweiUge Oc-
teile, Begiitfe oder Empfindungen) zu Hilfe zieben. Das komraenave UiW
findet daher auch schon in der Urteüalehie srnne vollständige Erledigung,
während das konsertive Urteil seiner BegrQndung nach (seinem „GniDde"
nach im Sigwartschen Sinn) erat in der Lehre vom Schluß vollkonvBM
nufgdüart wird. Die letztere kann von diesem Standpunkt aus geradem ab
die Lehre von der Urteilskonsertion bezeichnet weiden.
Auch Erdmann (Logik, 1. Teil, 2. Aufl., Halle 1907, S. 261 fl.) ertwM
eine Reihe von Einwänden gegen Santa Einteilung. Die meisten dieser Ein-
wände sind im Vomusgebenden schon erledigt Erwähnt sei nur noch, dat
E. (1- c. S. 298) bestreitet, daB das synthetische Urteil die Erfahnug er-
weilere. „Die WahmeJimungs- und Eifahrungeu Keile (v^. dies Werk 5. S86,
Ania. li u. S. 637) seien vielmehr lediglich der prädikative Ausdruck der in der
Wahrnehmung bereit» vollzogenen Erweilening" i es gebe Oberhaupt ,^tut
svnthetisEJien Erfahrunssurteile im Sinne Kants" (L c. S. 396). Ich kann
dies nitdit einmal im psychologischen Skm zug^n (vgl. S. 880), vollends
sdieint mir logisch die Auffassung Erdmanns nidit beiechtigt: es ist nicht
abzusehen, weshalb in dem von E. selbst beispielsweise angefahrten Urteil
,,Gold ist debidiar" das neu assozierte Mcitonal des Gedehntseins mit dem
Bestand der Subjekt vorsleUung schon „verflocht en" sein muQ, weslmlb es
ausgeschlossen sein soll, daB diese Verilechtuos erst mit und in dem Urteil
erfolgt. Wenn es zur endfiOlligen spracht ich eu tormulietunf des
l.'rteils kommt, ist aUerdings die Verflechtung meistens bereits eriedigt, abei
xiiiscr Urteil ist doch nicht mit dieser Formulierung identisch >).
Ich selbst habe lange Zeit dos Bedenken gehabt, ob nicht viele ga-
nietnhin als analytisch betrachtete Urteile doch insofern streng genomnen
ab synthetisch anzusehen seien, als die Subsumtion eines Meikmals a vod S
') Erdmanns psvchologische Einteilung der Urteile in analysierende
und konstruierende (I. c. S. 370 ff.) fällt mit der Kantschen fast zusammen.
ist aber sehr mißverständlich. Bei den analysierenden soll der Gegenstand
schon vor dem Urteil gegeben sein, bei den konstruierenden erst durch das
l'rleil erzeugt werden. Nach unsrer Darl<^ung sind in jedem Urteil zwvi
ItegrilFsgegenslände, entsprechend S und P gegeben, dazu kommt als weitem'
Gegenstand des Urteils selbst die Beziehung zwischen den beiden Beghfts-
Rcgenständcn. Diese letztere wird auch im analytischen bzw. analysierenden
Urleil durch das Urteil „erzeugt", d. h. gedacht Ein Unterschied besteht nur
insofern, als bei dem analytischen Urteil kein neuer B^riffsgegenstand er-
zeugt wird, wohl alter bei dem synthetischen (konstruierenden), da der
Begriff des S und damit sein Gegenstand um ein neues MNkmal (F) tf-
weitert wird. AuSerdem ist zuzugeben, daS bei dem analytischen UrW die
liezugnahme auf die Gegenstände der B^ritfe von ndwnsächlichsr Bedeu-
tung ist, während sie bei dem synthetischen meistens (nicht stelsl) un-
iTtaßlich ist.
n,g,t,7l.dM,GOOglC
2. lUpiM. Die Lehre von den Uiteilen.
unter das zoEehöriie aUsemeine Merkmal a* von P doch nicht der Fonnd
abc~— a entspricht, da das a in 5 und P nicht identisch ist. W«tm mir
die rote Faibe des Säueetierblutes ganz gelftufis ist, so ist das Urteil:
„S&ufetierblut ist rot" nach der üblichen Auflassung sicher ein analytisches
Urteil, dabei ist aber doch das ,rRot" des Sfttuetierblutes mit seiner vuaz
speziellen Nuanciening mit dem ,fiol" des Prädikats, sofern dies die Be-
deutung von Rot im allgemeinen (nicht einer offiziellen Nuance) hat, nicht
identisch, es wird ihm nur subsumiert Dasselbe begegnet uns überall, wo
eine propinquale Subordination^") statthat. Für die logische Betrach-
bing scheint mir indessen auch dieses Bedenken nicht triftig; denn bd dar
kgischen Normalisierung «erden die speziellen Nuancierungen der Heit-
male im Interesse der Deünition durch allgemeine Merkmale ersetzt (v^
S. lS7fI.), zunächst bei den IndividualbegriQen, dann aber auch bei den ab-
geleiteten AllgemeiDbegrinen niederer Stufe, so da& es zu einer Angleicbung
des a an das a* kommt und damit der analytische Charakter des Urteils
gevahii bleibt. Immerbin wird man gut tim, diese subsumierende Assimi-
lation vieler analytischen Urteile nicht aus dem Auge zu verlieren. Für den
Fortschritt unseres Erkennens sind solche analytische Subsumtionen von
erheblicher Bedeutung, und schon aus diesem Grunde erscheint es unange-
bracht, die analytischen Urt-eile ganz allgemein als Binsenwahrheiten bei-
seite zu schieben.
£ine eigentümliche Stellung nimmt die algebraische Logik zu der
Kantschen Einteilung ein. So definiert z. B. E. Schroeder, Vorl. über d. Alg-
d. Logik, Lpz. 1890, Bd. 1, S. tö7 die „analytischen Pro Positionen" als "
selche, die richtig werden, welche Bedeutungen, Werte oder Wertsysteme
man auch den in ihnen vorkommenden variablen Elententen beilegen mag",
und die synthetischen als solche, „bei denen dies nicht der Fall ist".
Offenbar ist diese Unterscheidung mit der Kantschen nicht identisch. Auch
synthetische Urleile (im Sinne Kants) beanspruchen sehr oft (sei es mit
Recht, sei es mit Unrecht) allgemeine Richtigkeit für alle Bedeutungen usw.
der variablen Elemente des Subjekts. Nicht ganz konsenuent ist es, weim
Sehr, weiteriiin als Kennzeichen der analytischen Proportionen auch ihre
„Sclbstversl&ndlichkeit". ihre „denknotwendige Geltung" anführt (k c. S. 489).
Die Literatur über die Kantsche Einteilung '>) ist so ausgedehnt und
zerstreut, daß hier nur einige wenige, für die Logik besonders wichtige Ab-
handtungen angeführt werden können (unter Ausschluß aller logischen Lehr-
bücher und Kant-Konunentare) :
G. Frege, Die Grundlagen der Arithmetik. Breslau 1S84, S. 3.
E. Husserl, Log. Untersuch. Teil 2, HaUe 1901, S. 2*7, 2 AuQ. IM».
S. 354 (wesentlich verändert); Ideen zu einer rein. Phinomen. Halle
1913. S. 22 u. 31.
£. Kühnemann, Arch. f. syslemat Fhilos. 189Ö, Bd. 1, S. 165(1.
Heinr. Haier, Psychologie des emotion. Denkens. Tübiiwen 1906^
S. IbiB.
'*) So können wir im Hinblick auf die Ausführungen S. 337 kurz sagen.
") Von der bekennlnistheorelischen Bedeutung dieser Ein-
feilang ist sowohl bei der ganzen Dariegung wie bei den Literatumflel«
vfillig abgesehen worden. ,
„.,,n,^.OOglC
Qg2 'V' ''^^i'- ^^ einxelnen lonschen Getnide und ihre Geseb«.
H. Bickert, Logos 1911/12, Bd. S, S. 48.
Ad. Treodelenbure, Us- Untersuchungen. Beriin 18W, Bd. i.
S. 170 H.
§ 117. EUntelliuic der UrteUe (SeUnB)» 7. EinteUnB«
■aeh der Geltnng bzw. HodaliUt. Die in der psychologischen
Gmndlegung aafgeetellte EinteiluDg nctch der Modalität
kann onmittelbBr auf die logiscfaea urteile übertragen wer-
den, nur müssen alle psychologischen Schwanknngen des
Übergewichts der zustimtnenden und der widersprechenden
AsBOziationen („Fürassoziationen" and „Qefrenassosiatio-
nen") eliminiert werden. Dabei gelangen wir zur EinteÜnnjr
der Urteile nach der Modalität in folgende Klassen:
A. Thetisehe Urteile:
1. apodiktische oder sichere (gewisse) Ur-
teile: die begleitenden Assoziationen stinuB«n
sämtlich mit dem Urteil überein (mit seiner be-
jahenden Form, wenn es positiv ist, mit seiner ver-
neinenden, wenn es negativ ist), Formel „S ist P";
oder „S muß P sein";
2. problematische oder zweifelhafte (Un-
gewisse) Urteile: die begleitenden Aesozia-
tionen stimmen zum Teil mit dem Urteil überein.
znm Teil nicht, Formel „S ist vielleicht P" oder .,8
kann P sein";
Spezialfall: Wahrscheinliche Urteile: das Ver-
hältnis der znstimmenden begleitenden Assoziationen zu den
widersprechenden gestattet eine quantitative Angabe über
den Grad der Sicherheit (Gewißheit).
B. Prothetische Urteile (Prothesen, An-
nahmen, vgl. S. 366 u. 382 f.) : begleitende Associa-
tionen fehlen oder werden bei der Fällnng des Ur-
teils ausgeschaltet (ignoriert).
Man hat hierbei nur an Stelle der „Assoziationen" im
psychologischen Sinn jetzt logische Urteile zn setzen, wel<^
mit dem bez. Urteil in Zusammenhang stehen.
Erläuternd sei noch bemerkt, daB von psychologiechent
Standpunkt zu den Annahmen auch diejenigen problema-
tiflcben Urteile zu rechnen sind, hei welchen die zustiniinen-
den nnd die widersprechenden Assoziationen sich genau oder
□ngefähr das Gleichgewicht halten. Von It^rischem Stand-
punkt empfiehlt es sich, den Begriff der Annahme enger m
_.ooglc
3. Kapile). Ke Lefare von den Ur^ilen. 6g3
fasseu und die Abwesenheit oder Äassciialtuug ') aller zu-
stimmenden und aller widersprechenden Assoziationen za
fordern, also diejenigen Urteile, bei denen ein Oleichgewicht
der zustimmenden und der widersprechenden Assoziationen
resultiert, zu den problematischen Urteilen zu rechnen. Be-
züglich der apodiktischen Urteile muß hetont werden, daß
vor der endgültigen Urteilsfällung Gegenassoziationen sehr
wohl vorhanden gewesen sein können; charakteristisch ist
nnr, daß solche Gegenassoziationen bei dem gefällten Urteil
fehlen, weil sie durch die zustimmenden Assoziationen auf -
l^ehoben worden sind, f^ handelt sich nicht nur nm ein
"Überwiegen oder Aufwiegen, sondern um eine völlige Unter-
drückung der Gegenassoziationen.
Die Aonahmen därfen nicht etwa deflniett werden &ls „Urteile, so-
weit ne Gegenstand weiterer Urteile oder anderer Denkprozesse und". Die
letztere Definition srenzt flbertiaupt keine Urteilsklasse ab, sondern be-
zeichnet eine Stellungi die jedes Urteil im DenkprozeB einnelunen kann.
Die FUle, in denen ein Urteil beurteilt wird, liefern nur Beispiele, die be-
sonders gengnet sind, die Existenz von Annahmen klar zu macben.
Die Schullogik hat die prothetischen Urteile oft über-
sehen oder überhaupt nicht zu den Urteilen gerechnet (vgl.
hierüber § 74 u. 76). Dafür stellt sie meistens noch eine be-
sondere Klasse der assertorischen Urteile anf: wäh-
rend das apodiktische Urteil die Fonn haben soll ,^ muß
P sein", soll das assertorische schlechthin lauten „S ist P".
Indessen ist diese Unterscheidung nicht haltbar '). Auch bei
dem assertorischen Urteil stinunen, wie bei dem apodiktischen,
die begleitenden Assoziationen eämtlicb mit dem Urteil nber-
ein; anscheinende Gegenassoziationen können bei diesem wie
bei jenem auftauchen, erweisen sich aber hier wie dort als
nicht stichhaltig, d..h. als nnr schein bar widersprechend.
Wenn wir sprachlich bald das Hilfszeitwort „müssen" ver-
wenden, bald nicht, so beruht dies nnr darauf, daß ans die
Unfaaltbarkeit der Qegenassoziationen und die eindeutige
Beweiskraft der Fürassoziationen im ersteren Fall ausdrück-
lich zum Bewußtsein kommt und ansdrUcklich hervorge-
hoben wird; vorhanden ist eie auch im letzteren Fall.
') Unter Ausschaltung von Gegenassoziationen verstehe ich das
Absehen von Gegenassoziationen (Ignorieren), dagegen unter Aufhebung
die im lolgeDtteii charakterisierte UnterdrQGkunE durch die Fanssoziationen.
*) Aneh Sigwart (Logik, S. Aufl., Bd. 1. S. 390 u. SB7) verwirft sie.
Sg4 ^- "^^ ^^ «intelnwi lotiachwv G^lds und ihre Gesetze.
Will man trotxdem den Tennmus ^^podiktiach" for
eine besoodere Klasse von Urteilen reaervieren, so küute
dies aar in der Weise geacheh^), daß man ihn snf «okhe
urteile der 1. Klasse beschränkt, in denen sich das Urteil
aof ein allgemeine» Ctesetz gründet und daher besondere
Gewi^eit in Anspruch nimmt, oder ihn Bogar aaf sokJw
Urteile der 1. Klasse ^nen^t, in denen das Urteil aich aaf
die allgemeinsten logischen Prinzipien (vgl. ^ 119) stützt
Zweckmäßig ist ein solches Verfahren an dieser Stelle nic^t,
weil es sich jetzt nm eine Einteilung der Urteile unabhängig
von ihrer Begründung handelt und die Gewißheit nur grad-
weise veiBcbieden ist und überdies auch von anderen Fak-
toren abhänigt.
Schwieriskeiteii erwachsen lOr das Vent&ndii^ und die Anvoidunt
dieser anscheinend so anlachen modalen Einteilung der Urteile nur d>-
durch, daß die Tenoini und Begrifle .Jjotwendi^eit", .JlCgüchkeit", „Wahr-
scheinlichkeil" usf., die dem Gegensatz zwischen dem apodiktiacben udI
problematischen (bzw. wahrscheinlichen) Urteil entsprechen, außer in dieser
psychologisch-Iocischen Bedeutung auch noch in ganz anderen Bedeutuntea
vcnrendet «erden. Es soll dies vor altem an dem Beispiel der Notwendif-
keit darfdegt werden.
Wir haben in erstef Linie eine Notwendig keil des Tat-
bestandes zu unterscheiden. Diese kommt der individuellen WiAlicb-
keit zu, soweit sie sich der allgemeinen Gesetzlichkeit unterordnet, die
allenthalben von uns fesigeslellt wird und uns in den drei Hauptformen der
kausalen, mathematischen und parallelgesetzlichen Gesetzlichkeit geläufig ist
(vgl. S. 350ff.). Sie l&ßt sich auf die allgemeine Formel bringen: wenn dar
Tatbesland abc gegeben ist, ist auch d gegeben, a, b und c können ganz
allgemein als die Bedingungen, d als die Folge bezeichnet werden (Ursache
und Wirkung stellen also einen Spezialfall dar), d wird als notwendig be-
zeichnet, wenn der Zusammenhang zwischen abc und d einem solchen
allgemeinen Gesetz entspricht. Zur Unterscheidung von anderen Notwendig-
keiten sei diese von einem gesetzmi&igen Tatbestand abhängige als legale
Notwendi^eit bezeichnet DemgegenOber kommt zweitens oft ein Tatb^tand
abcd (simultan oder sukzessiv) vor, der nur schlechthin gegeben ist, aber,
soweit erkennlMr, keinem allgemeinen Gesetz beztiglich des Zusammenhangs
vcn d mit abc zu gehorchen scheint. Ein solches d — sei es auf sog.
materiellen, sei es auf Dbychiachem Gebiet — wird nicht als nolwmdii
sondern schlechthin als „wirklich" oder „seiend" bezeichnet*].
Au Stelle einer Notwendigkeit hegt eine einfache aot. „Position" vor
Endlich kommt drittens, wenn das Auftreten von d nach ebem allgemeiDen
lieselz von den Bedingungen abc abti&ngt, die Beziehung des d zu einem
Tatbestand ab (ohne c) in Betracht In einem solchen Fall — bei unvoll-
ständigem Gegebensein der Bedingungen — wird d als m C g I i c h bezeichnet
*) Vgl. Ober die Tennini Dasein, WÜiUicbkeit usl. meine Ericennlnis-
(heorie. Jena 1618, S. 396 u. 8^0,
2. fUpital. Die Lehre von den Urteilen. Qgg
Vm £ase vom Tatbestand aMiingice HJlglichkeit von anderen MOsItcbkeiten
ZD unterscheiden, soll ne ab sejnnktiTe Hflglichkeit bezeichnet werden.
Bei dies« Darstellung wurde zun&chst vorausgesetzt, daß es sich um
einen individuellen Tatbestaiid bandelt. Dieselben Unterachiede be-
stehen indesaen auch, wenn ein allgemeiner Tatbestand vorliegt Auch ein
solcher ordnet «cb bald einem hSheren allgemeinen Gesetz unter, bald
nicht usf.
Alle diese Uodalit&ten werden am besten zur Unterscheidung von den
tMeilsmodaliläten als objektive (weniger zweckmäßig als „reale") b»-
. Ein Spezialfall nun der Notwendigkeit des Tatbestandes liegt bei dem
Denken im psychophysiologischen Sinn vor. Auch die Denkakte ordnen sich,
wie die Fsychophysiologie im einzelnen nachweist, einer allgemeinen Gesetz-
mftBigkeit unter und kOnnen insofern als notwendig bezeichnet werden (Tgl.
S. 897 1. XL töä). Uan karm daher von einer speziellen psychophysio-
logischen (ungenau : psychologischen) Denknotwendigkeit, d. h.
einer Notwendigkeit der einzelnen individuellen Denkakte sprechen. So-
weit die Denkakle nicht nur von den früher und zugleich aufgenommenen
Reizen, sondern auch von der angeboreiten psychophysiologischea Anlage
abhlngen, ist diese Denknotwendigkeit mit Bezug auf den letzteren Anteil
von der Erfahrung unabhängig (apriorisch).
Ein weiterer fOr die Logik ausschlaggebender Spezialfall der Notwen-
diekeit ist durch das gignomenologische Identitätsgesetz und das damit zu-
eammenb&ngende logische Identität sprin zip (§ 87) gegeben. Indem wir
letzteres im Sinn der NormalTorstellungen der Logik (der ,3egriffe") vom
Zugleich des einzelnen Augenblicks auf den gesamten Denkvcriaul aus-
dehnen, ergibt sich fOr das richtige Denken als ,JIormal denken"
eine besondere GesetzmäBigheit, die wir als speziflach logische be-
zeichnen, und dementsprechend eine besondere togische Notwendig-
keit, die sich freilich auf keine allgemeine Tatsache, sondern ein allge-
meines Postulat gründet.
Führt man die Unterscheidung dieser Notwendigkeiten in die Lehre vom
Urteil ein, so kann offenbar jedes einzelne Urteil unbeschadet seiner psycho-
physiologischen Denknotwendigkeit einerseits ie nach dem Verhalten der
Gegenassozialionen entweder apodiktisch (^^ asserlortscti) oder problematisch
oder prolhetisch sein und kann andrerseits zum I n h a 1 1> entweder die Not-
wendigkeit oder die Möglichkeit oder die Position eines Tatbestandes haben.
Hit anderen Worten: ich kann entweder apodiktisch oder problematisch
oder prothetisch (im Sinn einer Annahme) urteilen, daß etwas „sein muH"
oder „sein kann" oder ,4st". Es ergeben sich also folgende neun Klassen:
1. apodiktische Urteile mit Bezug auf eine Position, mit Bezug auf eine
legale Notwendigkeit, mit Bezug auf eine seiunklive Möglichkeit;
2. problematische mit Bezug auf eine Position, mit Bezug auf eine
legale Notwendi^eit, mit Bezug auf eine sejunktive HGglichkeit;
3. prothetische mit Bezug auf eine Position, mit Bezug auf «ins legale
Notwendigkeit, mit Bezug auf eine sejunktive Möglichkeit.
Ich kann demnach beispielsweise sehr wohl Ober eine legale Not-
wendigkeit prolhetisch oder problematisch urteilen, also den legalen Not-
wendi^eitscharakter eines Urteilsinbalts dahin gestellt sein lassen oder an-
zweifeln. Ebenso kaim idi eine sejunktive Möglichkeit apodiktisch aus-
h. !■, II, l^.OOQIC
IV. Teil. Die eincelnen logischen Gebilde und ihre Gesetze.
spradieo: eine Kurve zveiten Grads ,Jcann"' eine Panbel sein, ein, Atom
„kann" esplosiv zeriaUeu usf.*).
Nur in einem Fall kann, wie in g 77tl. erörtert wurde, Ciber eise
lenle Notwendigkeil nur apodiktiach geuiteilt werden, ninüich dann, wenn
es sich um eine legale Notwendigkeit im San des psychophynolo^sdwD
Ein eleu tigkeitsprinzips handelt Ich kann nicht denken a gleich oicbt-a vei
kann im Zugleich auch nicht denken a ist zugleich mit b identisch und nicht
mit b identisch. Die spezifische legale Notwendigkeit a=a und a ent-
weder -T b oder nicht "l b kann ich daher nur apodiktisch denken. ?<ii
di« Nonnalbegrifle und Normalurteile der Logik gilt dies im Sinn eines
Postulats für den gesamten formalen Ablauf des Denkens.
Di« Sprache hat den dwn dacsestditen Tatbestand dadurch verdnnktlt,
daß sie speziell die Wörter Notwendigk^t, Möglichkeit, müssen, könnoi so-
wohl for den Tatbestand O^Sale Natwendi^eit, seiunktive USglicJikeit) «b
fOr den modalen Clharakter des Urteils braucht „a ist [=i b, a muS =. b sein*
kann entweder bedeuten, daS ich von der Glei<Meit von a und b flberteufl
hin. also Gegenassoziationen fehlen, oder daB mein Tkteil eine legale Nol-
neiidigkeit zum Inhalt hat; sehr o[t hat es beide Bedeutungen.
Die sog. GewiUheit ist zunächst nichts anderes ais der eigenarliie
yarchische Zustand, der dem Verhalten der Gegen- und Ffliasso^aliaMii
entspricht. Sie ist also als solche rein subieküv. Ihre Quellen sind, psirdu-
logisch betrachtet, sehr verschieden: das Überwiegen der FQrassoziatioDeii
kann auf aktuellen Empfindungen (EmptindungsgewiBheit), unmiltelbueB
Erinnerungen, überwiegender Konstellation, der latentm Vorstellungen in der
Richtung des behaupteten Urteils u. a. beruhen. Am intensivsten ist ae,
soweit unser Denken unmittelbar unter das logische Idcntitfltsprinzip fillLi
Hier ist der Denkakt (z. B. a=.a) nicht nur wie jeder andere psychophysio-
logisch determiniert (nezessilierl), sondern die allgemeinste gignomenologiKbe
Erfahrung lehrt uns auch, daß ein entgegengesetztes Urtal übeirhaupt unter
keinen Umständen erfolgen kann, Gegenaas oziationen also überhaupt nidit
auftreten können. Im Sinn eines idealen Postulats fordern wir dieselbe sot-
Kbsolule GewiBheit auch fQr alle L'rteile, indem wir das Identitätspiinüp auf
den Gesamtverlauf des Denkens ausdehnen (.\orma)isierung). Di^e (jewiB'
heit ist rein forma). Haben wir andrerseits einmal auch irgendwelche
materiale Gesetze und damit legale Notwendigkeiten anerkannt >). so tritt
auch iQr Urteile, die diesen Gesetzen entsprechen, z. B. einen Einzelfall einon
solchen Gesetz 8ut>sumieren, eine veistfiriite GewiQbeit ein, da durch die Va^
^<tellunK des Gesetzes Gegenassoziationen unterdrückt bzw. aufgehoben
werden. Rine solche „legale" GewiBheit wird dann oft in miBvenitindlicber
Weise als „objektiv" bezeichnet. Die ericenntnistheoretiscbe Bedeutung der
Gewißheit, insbesondere auch die Identität der GewiBheit mit dem Geltunfs-
bewuBtsein (BewuBlaein der AdAquatheit des Urteils) ist bereits in § 66 kon
l>esprochen worden, die ausführliche Erörierung fällt der Erkenntnistheorie zu.
Für die Logik er^bt eich aas allen diesen Erörtenuigeii
(]ie Folgerung, daß die Einteilung der Urteile nach der Mo-
dalität streng von der Einteilung der tTrt«ile nach dem Tat-
*) Die AntumentbeKtehung (vgl. S. 368) kann dabei sehr verschie-
de n sein.
*) Uan muU scharf 7.wischen der legalen Nolwendigkeil eines Urt^to
und dem Urleil aber eine legale Notnendigkeil unterscheiden.
OgIC
2. Kapitel. Die Lehre von den Urteilen. 687
bestand des Urteüsiahalts getrennt werden mufi. Auf Onuid
der ersteren (modalen) Binteilnns nnterscheiden wir apo-
diktische, problematieehe nnd prothetiscbe Urteile, auf
Grand der letzteren (faktiven) l^ale, sejnnktiTe and posi-
tionelle.
Zwischen den iOassen der tnodalen und der faktiven Urteile besteht
ein leidit eikeunbarer Zusammenhang. So gebt z. B. ein thetisches sejunk-
lives Möglichkeilsurteil in ein problemalisches Urteil Ober, wenn der Urteilende
die einzelnen Glieder der Dishmküon bnw. ihre relative H&ufigkeit. nicht
kennt und trotzdem ein auf e i n Glied gerichtetes, entsiirechend ungewines
Urt«il versucht. Statt einen Fall unter vielen bestimmt als möglich zu
behauptm, behaupte ich dann ungewiß diesen einen Fall schlechthin.
Die sejunktiven Urteile haben (Qr die Logik insofern noch ein
besonderes Interesse, als. sie besonders oft mit pioblematiachen verwechselt
««den. De« Unterschied möeen die beiden folgenden Seispiele erUutem:
„der Hond ist vielldcht bewohnt" un4 „eine Labiale kann zwei StaubgefUe
haben". Das erste Urteil ist problematisch, das zweite ist seiunktiv. Dabei
wird vorausgesetzt, daS ich bei dem ersten Urteil für ans, Bewobntsein des ,
Mondes Gründe, aber keine ausreichenden habe, daB ich dlacesen bei dem
2w«iteD Urteil sehr geoau weiS, dafi die Labiaten zum Teil vier, zum Teil
aber auch nur zwei Staubgefäße haben. Der Unterschied Ist hier oBenbar
der: bei dem ersten Urteil stehen den zustimmenden .^soziationen
widersprediende gegenOber, bei dem zweiten ist von einem sakhen Kampf
der Assoziationen gar keine Rede, sondern mir ist das Urteil gegenwärtig,
dafi alle Labiaten entweder zwei odH' vier Slauhgef&Qe habra, und auf Grund
dieses sog. disjunktiven, durch „entweder — oder" charakleiisierten Urteib
iällHi wir das sekundäre Urteil, eine I^iate könne zwei Staubgefäße haben.
Das „kann" hat also in den beiden Urtnlen eine ganz verschiedene Be-
deutimg: im problematischen Urteil (Ober den Hond) ist es ein Ausdruck
meiner Unwissenheit und UngewiBheit, im seiunktiven (über eine Labiale)
ein Ausdruck der Unbestimmtheit (Allgemeinheit) des Subjektsbegrifls, in-
sofern dieses mehrere Glieder umfaBt und das Prädikat nur einem Teil der
Olied» zukommt*). Das deutsche Wort „vielleicht" wird in der Regel nur
im eisteren Fall gebraucht ') (im Griechischen der Optativns potenliatis mit
«r und event noch mit faotf verbunden).
*) Der Unterschied zwischen problematischer und äeiunküver Möglich-
keit besteht also nicht etwa darin, daS erstere nur gedacht, letztere aber
„real" wftre. In dem Gegebenen (in der sog. Wirklichkeit) ist mit der Ge-
samtheit der Bedingungen stets die Folge notwendig gegeben (wenn auch
zuweilen erst in der Zukunft). Nur wenn wir eine oder mehrere Bedingungen
wesdenken, ergibt sich die sejunktiTe Möglichkeit der Folge. Ein
Gemisdi von Sauerstoff und Wasserstoff im Verhältnis von 1 : 2 ist in Wirii-
lichkeit stets unter bestimmten Vertiältnissen oder Bedingungen (etachUtteri
oder nicht erscbflttert, erwärmt oder nicht erwärmt) gegä>en tmd don-
entsprecbend sein Verhalten — ab Explonon oder nicht — eindeutig be-
stimmt; von der Möglichkeit einer Explosion kann ich erst sprechen, wenn
ich eine oder einige Bedingungen weg denke, nicht kenne usf.
^ Vgl die aurfdhrlichen Erörterungen Ober seiunkUve Urteile in meiner
Erkenntnistheorie, Jena 1918, S. 367 ff.
„.,,„,^.oogic
Qgg IV. T«il. Die äDHlDen lofischen Gebilde nnd ihre Gesetze.
Man kann nicht etwa eiovenden, daB im eraten Urteil doch auch öne
DiauBklion Toriiege, iasofem dv Mood entweder bewohnt oder mcht'bewohiit
nein mOsse. Eine solche rein negative Diaiunktion (tcL S. SB3) ist ffir «dmi
WiMea bedeutungslos.
Auch die letzte Erörterung besUtigt noclHnals, daB die sejunktifeD
Urteile for die logische Betrachtung ebensowenig wie die legalen und poM-
tttmellen eine llodali t i t sklaaae der Urteile Ulden. Eine besondere Art
der Geltung und der OewiBheit kommt ihnen gar nicht sn, sondern der
Umfang der Geltung wird bei ihnen in ganz besoaderer Weis» beschiiiiU:
„eine Labiate kann zwei StaubgeUBe haben" bedeutet soviel wie „eiiice
labialen haben zwei StaubgefSJe", ist also einem partikulfiren Urteil äqm-
Tatent. So wird es auch TersUndlich, daB ein sejunktires Urteil selbst wieda
apodiktisch oder problematisch oder prothetlsch sein kann. So kann z. 6.
jemand, der in der Botanik nicht bewandert ist, sagen: eine Labiate kma
fieileicht xw& StaubgefiBe haben; dann ist eben das primäre disjnnktiw
Urteil problematisch und übertr> den problematischen Charakter aui du
sekundAre sejunktive. Vgl. S. 68Ö.
Die Dis- und Seiunktion kann sich statt auf die Glieder eines AUgemnn-
begriHs auch auf die QUeder eines Kontraktionsbegriffs beziehen, indesatn
verwenden wir in einem solchen Fall bemerke nswerterweise das HiUszeitwuri
„köon^" nicht. Wir sagen also beispielsweise nicht: „Frankreich kam
«in Königreich gewesen sein" im Sinn von: „Frankreich ist während ein»
Phase seiner Geschichte ein Königreich gewesen". Ahnlich rerbUt es sdi
mit den Teilen eines Komplexionsbegrifis; wir sagen bebpielsweise iticbt
„dies Zebia kann weiB sein", wenn wir sagen wollen, daB das Zebn
teilweise weiB ist. Diese ungleichartige siirachliche Ausdnicksweise troli
erbdilicher logischer Analogien h&ngt wohl vorzugsweise damit zusammen,
daB sich Disjunktionen bei der Oeneralisation sehr viel häufiger ergeben ab
bei der Kontraktion und Komplexion, und daS das Wort ,JcOnnen" nur bä
solchen Disjunktionen gebraucht zu werden pflegt. Einen lehrreichen Obe^
gangsfall bilden Zukunflsurteile wie; „dieser Krieg kann mit einer scfawefeD
Niederlage enden" *).
Der Terminus HVkhsAsinHdAiär kann gleichf&Us entweder mit Be-
zug auf die Modalität oder mit Bezug auf den Tatbestand gebraucht werden.
Im ersten Fall spricht man von modaler oder subjektiver WahrscheinlicbkeiL
Diese ist also nichts anderes als die mehr oder weniger bestimmt :iuantitati*
ausgedrückte, dem VerhäUnis der Fftrassoziationen zu den Gegenassozi*-
lionen entsprechende (subjektive) GewiUheit (S. 384 u. 686). Ihre quanütathre
Bemessung ist äuBerst ungenau. Im zweiten Fall handelt es sich um fak-
tische oder sejunktive Wahrscheinlichkeit (weniger zweckmäßig auch obiefc-
live oder reale oder gar logische Wahrscheinlichkeit genannt). Sie ist die
aus einer richtigen und vollständigen Disjunktion der Bedingungen gesetz-
ia£Big ableitbare, relative Bäu&gkeit der Folge bei (i«gebensein eines be-
stimmten Teils der Bedingungen. Die Logik hat es mit diesen Fragen oickt
zu tun. Bezüglich der Gesetze ier subjektiven Wahrscheinlichkeit ist die
Psvchologie, bezüglich der Gesetze der sejunktiven die Mathematik zu-
•) Interessant ist auch, daB wir das Hilfszeitwort „können" ziemBÄ
oft, namentlich im alltäglichen Sprechen, logisch febleriutft auch im disjunk-
tiven Urteil verwenden: „S kann «itweder P, oder P, sein" slat! ^ iit
entweder P oder P ".
OgIC
2. Kapitel. Die Lehre von den Urteilen. Qg9'
stAodie. Vsl. aucb S. Bli, Anm. 4^^ 366, 384, 413. Bin« ausfOhrliciie Dar-
stellung findet man z. B. bei A. Meinong, Über Möglichkeit und Wahrschein-
lichkeit, Lpz. 191&; J. V. KricB, Die Prinzipien der Wahrscheinlichkeits-
rechnung, Freiburg 1386; A, Gallinger, Über das Problem der objektiven
Möglichkeil, Lpz. 1912; U. Poincar«, Cakul des probabllit^s, Paris 1896,
S. Aufl., 1912.
Historische Bemerkungen. Bei Aristoteles nird die
logische, die psychologische und die legale Notwendigkeit des Tatbeslandes
nodi nicht scharf genug unterschieden. Dasselbe gilt von den 3 Möghch-
keilen. Er zählt bereits die drei Urteilsformen auf, die heute als die asser-
lorische, apodiktische und prohleniatische bezeichnet werden: niaa ngiimalt
iattf q in iai^x**" ^ "'' ^ äwuyxrit enä^piv ^ lof ifiij(vitmt ijtäg^tw (Akad.
An^. 25a, s. auch De Interpret c. 12 ft.). Die EommeDlatoren des Aiislotales
(vgL I. B. Ammomos, Comm. in L. de Interpret, Akad, Ausg. Bd. IT, P. 5,
Beri. 1897, f. 172 r, B. 214) sprachen von einer Einteilung nach dem ,T^ar*
(^ ^tavq Vnftaitfovoa, Sn»s v!*ÜQ](fi lö »tcniyo^Vfiwor Tfi vflQxtifiif^) und von
Jtfttävut fiai j^Tna. Die AoTiählung ond die Termini schwankten sehr. Am-
monins ilhlt z, B. 4 i^nref auf : «i^j'xabf , ^foiis, iyi*xifttfoe tind «devanvO)-
Boöthius (De Interpret) äbeisetzte T^mtf mit modus. Der Unteivcbied zmi-
sdien possibilis (ivirtait) und contingens (ir&cxi/t*yK), der schon bei Aristoteles
vorhanden, aber nicht scharf ist (vgl. PrantI, Gesch. d. Log. i. AbendL Bd. 1,
3.166 ff.), blieb unklar. Ahaelard (Dialect ed. Cousin, 5.3688.) spricht sdion
von propositiones „modales" {j^tjtutal sporaVfif, I^ellus). Die Unterschei-
dung von contingens und possibilis lieB man zeitweise fallen. Bei den
arabischen Logikern wurden die roodi in der Regel folsendeimaßen auf-
gezahlt: possibile, necessarium und inventiva (oder de inssse). "Vfilh. von
Shyreswood stellt die enuntiatio de inesse der enuntiaüo modalis gegenOber;
die erstere simpliciler significat inhaerentiam praedicali cum subjecto, i. e.
jion determinando qualiler inhaerent (nach Prantl, I. c. Bd. 3, Abschn. XVn,
Anm. *!)•). Zeilweise (Psellus) wurden auch „richtig" und „falsch" als
modi betrachtet. Durchweg galt der Modus als ein Bestandteil des Prädikats
(vgl. Albertus Magnus, Opp. ed, Jamtny Lugd. 1661, Periherm. Lib. 2, Tract ü,
Cap. 2, S, 279). Andrerseits unterschied man doch auch seit Psellus, W. v.
Shyreswood u. a. einen modus nominalis und einen modus adverbialis, je
nachdem der Mudus zum Subjekt oder Prädikat gehören sollte. Später sprach
man von einem scnsus compositus, wenn die Modalitatsbezeichnung zum
Sulnekt oder zum Prädikat gehört, und von einem modus divisus, wenn sie
sich auf die Kopula bezieht, und nannte das Urteil im ersterea Fall eine pro-
posiüo composita, im letzteren eine prop. divisa (vgl. z. B. Duns Scotus,
Quaest super Analyt. prior. I, Qu. 25, 2, Opp. omnia ed. Paris 1891, Bd. 2,
S. 142; weitere Literaturangaben bei Prantl 1. c TTl, S. 130 f. u. 385 f.). Bei
dem sog. Pseudo-Thomas werden propositiones modales de diclo (=> vere
modales) und de re unterschieden; bei ersleren bezieht sich die necessitas
auf das Urteil, bei letzteren auf den Sachverhalt (vgl. Prantl 1. c. DI, S. 2^,
Anm. 326). Occam fOhrt eine groBe Zahl von modalen Propositionen an.
darunter bemeikenswerterweise auch solche wie scita, dubitata, opinata usf.
Gegen die aristotelisch-scholastische Hodalitätslehre wandten sich bereits
Laurentius Valla (Dialecl. disput. Lib. 2, Cap. 19, ed. Colon. 1341, S. 196)
*) An W. v. Shyreswood schlieBt sich zum Teil wörtlich die Schrift v
Thomas v. Aquino, De proposilionibus modalibus, an. ■
Zishen, Labrbneh der Logik.
OgIC
^90 IV. Teil Die eingelnen logiacheo GcMlde und ihr» Gtaetze.
und Ludovicus Vtves (De ousis coirupt ut Lib. lU, Cap. 2, Opp. aaaät,
VaL Edet 1780^ Bd. 6, S. 117) mit be&chtenswerteD Jürsumeuten.
Einen nicbt unwesentüchen Fortschritt bedeutet die Darstelhuis in der
Lociiiue de Port-RoraK ed. Jourdain, Paris 1861, S. 113). Sie betont, d«t
manche Urteile .Jtomplei:" seien, weil in ihnen Todcommen „des temiee on
des propositions incidentes qui ne resardent <iue la fonne de U propoaitkin,
c'eat-4-dire l'affinnation ou la ntetion oui est exprimte psr )e veibe'.
Hierher Befaflren also z. B. auch Sitze wie „je aouUens, ü est vrai, je nie elc,
que la lerre est ronde"; ,je sontiens" ist hier proposiUon inddeate, nurjuvni
de l'affinnation". Die vier modalen Urteilaklassen der SchullogUc .fiosäHt,
impossiUe, contingent und niceesaiie" (so wurden sie auch in der qiiteieD
Scholastik iwch aufcezihlt) Beböien zu diesen komplexen Urteilen. Da ttfr
jeden Modus sowohl affinnation oder nisation de la proposition wie afSrmt-
tion oder ntiation du mode in Betracht kommt, so erhält man inneiluJb
eines jeden Modus vier FftUe (einigermaBen ihnlich sdwn Petrus HispaUK
Summulae losicales 1, ed. 1822, S. 12B.).
Die Wolf fache Schule forderte die Modalitätstehre nur insofern, ah
sie die Einteilung vereinfachte. Beispielsweise sei aus Baumgartens Acroasif
losica, ä. Aufl. 1773, S. U, § 243 angefahrt: Hodi (formales) in propoeitione
sunt conceptua vet termipi siguificantes uecessttatem vel contingentiam coa-
venientiae aut repugnantiae; propositio, quae modum habet opreasum, tst
modalis (impura, modificala), non modalis est pura. Nicht selten «indt
damals die HodalitU auch auf den „Grad" der Bejahung oder Vemeiniuki
bezogen (z. B. Crusius, Weg z. GewiSheit, Lpz. 1747, g 226, S. 430).
Kant (Krit d. rein. Vera., Kehrb.-Auag. S. 93) bat dann lOr die diei
Klassen der Wotffschen Schule — propositiones neoessariae, contingrattes ufid
purae — die Bezeichnungen „apodiktische, problematische und assertoriachi
Urteile" eingebOnert ><>)' ^^^ problematischen werden von ihm definiut ab
„solche, wo man das Beiahen oder Verneinen als bloß möglich (belidail
annimmt", die assertorischen als solche, „da es als wirklich (wahr) be-
trachtet wird", die apodiktischen ab sokhe, ,4n denen man es als not-
wendig ansieht". Der problematische Salz „drückt nur logische Mü-
lichkeit, die nicht objektiv ist, aus, d. i. eine freie Wahl, einen solchen Sati
gelten zu lassen . . '.", der apodiktische Satz denkt sich den assertoriscbui
durch die Gesetze des Verstahdes selbst bestimmt, „und daher a piian be-
hauplend" und „drückt auf solche Weise logische Notwendi^eit aus", b
seiner von Jaeschs herausgegebenen Logik (g SO) gibt Kant ähnliche Defi-
nitionen; terminologisch ist nur bemerkenswert, daB er die BezeiduraU
„Satz" hiü dem problematischen Urteil abspricht und einen ,j>roblemaliscbeD
Salz" für eine contradictio in adjecto eAlärt, obwiriil er diesen Ausdruck io
der Kritik der reinen Vernunft selbst braucht Ebendaselbst (EinleiL Ab-
schnitt DE) unterscheidet er nach der „fjewißheit" drei „Modi des Ftlrwahr-
'") Es lag ihm damals auch die Einteilung Lamberts „nach dem Dnter-
schicde des MSglicben, WirUichen, Notwendigen und ihres Gegensatzes" vor
(Neues Ovanon, Lpz. 1764, Bd. 1, S, 88). Die Bezeichnung „assärtorisch"
^>cheint von Kant neu eingeführt worden zu sein, vielleicht in Anlehnung an
die Recbtssprache (P. Hauck, Kantstud. 1906, XI, S. 20B). Die Heitunfl der
Bezeichnungen „apodiktisch" und ,j)K)blematisch" bedarf noch weiterer Auf-
klärung (vgl. P. Hauck, L c. S. S04). Siehe auch LovejoT, Kants classific-
of the forms of iudgment, Philos. Rev. 1907, Bd. 16, S. 699.
2. Kftpitd. Die Lehre von den Urteilen. QQ\
ballens: "HeineD, Glauben und Wissen" und fQgt wörtlich hinzu: „das
Meinen ist ein problematisches, das Glaul}en ein assertori-
sches und das Wissen ein apodiktisches Urteilen"; „assertorisch"
ist nach der hier tolgenden Erläuterung 1= nicht objektiv, sondern nur sub-
jektiv notwendlE (nur für mich geltend), „apodiktisch gevifi" := allgemein
and objektiv notwendig (für alle geltend). Es scheint mir klai zu sein, daB
Kant in diesen Definitionen nicht scharf genug zwischen dem Grad der das
Urteil begleitenden Gewi&heit (im subi^Uven Sinn) und dem Ursprung dieser
Gewißheit unterscheidet. Seine Bemerkung, dafl die Modalität nichts zum
Inhalt des Urteils beitrage, sondern nur den Wert der Kopula in Beziehung
auf das Denken Oberhaupt angehe (Eiit. d. rein. Vem., Kehrb. Ausg. S. 92),
ist in ihrem zweiten Teil sehr vieldeutig. Weitere Verwirrung ist dadurdi
entstanden, daB £. Urteile, die eine Unmöglichkeit ausdrücken, als negative
problematische Urteile aulzufassen scheint (1. c. S. 96 wird die Unmöglichkeit
zusammen mit der HAglichkeit als Kategorie dem problematischen Urteil zu-
geordnet, vgl. dagegen ebenda S. 1^; offenbar sind n&mtich die Unmöglich-
keitsurteile vielmehr negative apodiktische Urteile (vgl. hierzu Ueberweg, SysL
d. Log., b. Aufl. Bonn 188% S. 20»).
Unter den Arbeiten der alteren und neueren Eantschen Schule über die
Urieilsmod&litat sind namentlich die logischen Studien von Friedr. Alb. Lange
(Iseriobn 1877, 2. Abb., S. 30—64) zu nennen. Der letzUre gibt auch eine
treffende Kritik der einschlägigen Ansichten von Trendelenburg (Log. Unters.,
^. Aufl., Bd. 2, S. leS) und Ueberweg (L c. Unterscheidung von innerem
Grund und &ufieren Bedingungen). Eine weitere Reform i6r Modali tälslehre
.ist dann von Sigwart (Logik, 2. Aufl. Freiburg 1889, S. 289 fl.) und von
B. Erdmann (Logik, 1. Bd., 2. Aufl. Halte 1907, S. 520 II.) ausgegangen.
S 11^ BeziehnnKen der Urteile untereinander. Ans den
in ^ 112 — 117 erörterten Einteilangen e^eben sich zahl-
reiche Beziehtm^D zwiachen einzelnen Urteilen. Beispiels-
weise sei an die negierende Opposition (sublatorische und
restriktorische, vgl. S. 646), die Kontradiktion (S. 649) and
die Eontrarietät (S. 647) erinnert. Nene, von diesen Eintei-
lungen nnabbängige Beziehungen ergeben sich, wenn man
die inhaltlichen Beziehungen der Snbjektsbegriffe oder der
Prädikatsbegriffe zweier oder eventnell auch zahlreicher
Urteile berücksichtigt, unter diesen sei nnr eine hier be-
sonders hervorgehoben: die S. 648 bereits flüchtig erwähnte
EontTarianz. Zwei Urteile sollen kontrariant heißen,
wenn sie im übrigen völlig übereinstimmen, aber der Prä-
dikatsbegriff des einen konträr zum Prädikatsbegriff des
anderen ist (vgl. S. 578). Beispiel: die Tranerfarbe ist
schwarz — die Tranerfarbe ist weiß. Außer dieser Prädi-
katskontrarianz existiert auch eine Snbjektskontrarianz;
Beispiel : Schwarz ist zu den Farben zu rechnen — Weiß ist
zu den Farben zn rechnen. Über die Terminologie, insbeson-
dere die Unterscheidung vom konträren Urteil vgi. 8. 647.
44* -
„.,.,„,>..oo^sic
ß92 '^' ^^''- ^'^ einzelnen logischen Gebilde und ihre Gesetze.
Als aquipollent werdeu Urteile bezeichnet, welcbe
denselben Inhalt haben, diesen Inhalt aber sprachlich in
verschiedener Weise ausdrücken (vgl. Appnlejus, i7«^ hfV-'
hier S. 559 bereits erwähnt; Boethins sprach von proposi-
tiones „oonsentientes", Abaelard bürgerte die Bözeiehnnog
aeqnipollentes wieder ein).
Da eine vallstlmdiee ZusammenslelluoK aller denkbaren Gitöls-
beziehungen wegen Bauminangeb hier niclit gegeben weiden kann und tnl
die zerstreuten Bemerkungen in den früheren und folgenden ParagraiAo)
verwiegen werden muß. so sei wenigstens die figOilicbe Darstellung einiier
HauptbeziehungeD, wie sie seit BoCthius (De inteipret., Mignes Patrolofie
Bd. M, S. S21) vielfach Qblicti gewesen ist, kurz angefahrt:
SDbcontnriu {quidam homa Jnitnj dm •■)
% 119. Logische Urtellsprlnzipien. Die erkenntnistheo-
retische Grundlegung hat in ^ 87 zu der Aufstellung des
logischen Identitätsprinzips geführt (Formel a = a). Dort
ergab sich auch, daß die formale Richtigkeit aller Urteile
an der Hand dieses Prinzips kontrolliert werden kann und
ntnB. Durch die Einführung der N^egation ergeben sich
zwei weitere abgeleitete logische Urteilsprinzipien '), näm-
lich folgende:
1. es ist nicht möglich, daß a — non-a, oder: a ist nicht
non-a (Principium contradictionis primum) '"),
2. es ist nicht möglich, daß dasselbe identische a das
Merkmal b hat und überhaupt nicht hat, oder: dasselbe iden-
tische a hat entweder das Merkmal b oder hat es überhaupt
nicht (Principium contradictionis seeuudnm).
') Erdmann (Logik, 2. Aun.. S. ölS) bezeichnet sie als „Grundsitze der
Verneinung". Ui non-a in der S. 423, .*nm, 1 festgesetzten BedMtnnt-
2. Kspilel. Die Lehre von den Urteilen. 693
BeDutzt man die beiden Prinzipien zdf Prüfung der
Urteile aaf ihre Bichtigheit, so kann man sie anch formu-
lieren :
1'. das urteil a^=non-a ist unrichtig (Principium dis-
graentiae) ;
3'. die Urteile „a hat das Merkmal b" uml „dasselbe
identische a hat das Merkmal b überhaupt nicht", können
nicht beide richtig sein, sondern es ist stets nnr dae eine oder
d^ andere richtig (auch als Principium exclusi tertii eive
medii seil, inter duo contradictoria bezeichnet).
Die BenenounK, Aufzählune und FormulierunE dieser
logiseben Prinzipien hat bis heute sehr geschwankt. Was dieBenonnuns
betrifit, so ist ea noch immer üblich, das Prinzip 2 als Prindpium contn-
dictionis, das Prinzip 2* als Satz des Widerspruchs zu bezeichnen und zu
unterscheiden (siehe z. B. Sigwart, Logik,. 2. Aufl., I, S. 182), ein Verfahren,
das oBenbar unerträtficb ist, wenn man bedenkt, daß die eine Bezeichnung
eine wörtliche Übereetzung der anderen ist. — Was die Aufzählung
betriOt, so werden oft noch einige weitere binzugefOgt. Die höchste Zahl
der Grundsätze der Verneinung findet sich bei B. Erdmann i\. c. S. 614).
Es kommen nändich zu den oben angeführten noch folgende hinzu: „Keinem
Gegenstand darf zugesprochen werden, was seinem prädikativen Inhalt fehlt",
„die Verneinung einer Verneinung ist eine mittelbare Bejahung" (alte Formu-
lierung: duplex neeatio affimmt). und „es ist notwendig. daB dasselbe „dem-
selben unter denselben Voraussetzungen zukonmie oder nicht zukomme".
Von diesen Sätzen scheint mir der erste im Hinblick auf die sTuthetiacben
Urteile sehr nüBverständlich ; JaBt man ihn aber ao auf, daS er auch svn-
tbetiscbe Urleile zuläßt, so fällt er mit 2 zusammen. Die Obrigen stellen
nur Weiterbildungen der Hauptprinzipien dar, die wohl entbehrlich sind. —
Was die Formulierung anlangt, so ist auch diese bemerkenswerterweise
noch strittig. Insbesondere gilt dies von dem Principium contradictionJs
secundum. Man glaubt oft tünzufügen zu müssen „zugleich" (viele ältere
Logiker, Sigwart) oder „unter denselben Voraussetzungen", und zwar im
Hinblick darauf, daß ein a säir wohl zum Teil das Prädikat b haben, zum
Teil nicht haben, also z. B. teils schwarz, teils nicht schwarz sein kann (und
analog zu verschiedenen Zeiten, von verschiedenen Standpunkten aus usf.).
In der Tat gilt das Princ. contr. n in der Form „es nicht möglich, daB a
das Meitma! b hat und nicht hat", zunächst nur für einfache individuelle
ankontrahierte Begriffe und fällt hier — da b wegen der Einfachheit von a
mit a identisch sein muB — mit dem Princ. contr. 1 zusammen. Um ihm
auch fOr komplexe Begriffe seine Gültigkeit zu erhalten, ist oben „überhaupt"
eingefflgt worden. Damit ist zugleich auch die Gültigkeil für Kontraklions-
begriffe hergestellt. Dem Haben des Merkmals b niderspricht bei solchen
nicht nur das „zur gleichen Zeit nicht-Haben des Merkmals b". sondern auch
das „nieraals-Haben des Heritioala b", und dem trägt das Wörtchen „über-
haupt" Rechnung. Endlich ist damit auch die Ausdehnung des Prinzips auf
Allgemeinbegriffe ermöglicht. Es ist ausgeschlossen, daB einem und dem-
selben AUgemeinbegriff, selbst wenn man entsprechend den Erörterungen in
§ 97 in die Deflnilion auch inkonstante Merkmale nebenher autnehmen wollte,
„.,,„,^.oogic
g94 ^- "^^^ ^' einzelnen loEischen Gebilde und ihre Gesetze.
ein Merkmal b sowohl zukommt wie „überiuiupl" nicht zukommt. Du
Wortchen „zugleich" statt „überhaupt" anzuwenden emp&ehlt sich nicht, wnl
es einen Spezialfall einseilig herausgreift. Der Erdmannache Zusatz „unter
denselben Voraussetzuosen" scheint mir ebenlalls nicht Banz passend. Das
Prinzip verUert seine GOlliskeit keinesweis bei jeder Änderuns der Toraus-
setzunsen. Wesentlich ist nur, da£ es — eioeriei ob die Voraussetzuosen
gleich bleiben oder sich Andern — ausgeacfalossen ist, dafi a das Heiknwü b
hat und unter keiner Voraussetzung hat. Vfl. auSeidem die unten folgen-
den historischen Bemerkungen.
AuBer diesen ans der Einführung der Vemeinons sich
ergebenden logischen Prinzipien existieren keine weiteren,
die rein formal und wirklich allgemein waren. Nnr dnreh '
folgende Überlegung erhalten wir einen Hinweis auf ein
weiteres Prinzip. Wie früher nachgewiesen, verbärgt die
Kongruenz eines Urteile (vgl. S. 422) keineswegs seine
materiale Bichligkeit Wendet man also die soeben ange-
führten logischen Prinzipien bei der Prüfung eines Crteils
an, so ergeben sich drei Möglichkeit«! ; entweder das Urteil
verstöät gegen eines dieser Prinzipien und ist dann dis-
gruent und daher ancb material unrichtig, oder das Urteil
verstoßt gegen keines dieser Prinzipien und läßt sich sogar
mit Hilfe derselben ohne anderweitige Mittel au£ dem Sub-
jektsbegrifF herleiten und ist dann ein sog. analytisches
Urteil (vgl. 389 n. 676) und als solches stets material richtig,
oder das Urteil verstößt gegen keines der genannten Prin-
zipien, bedarf aber zu seiner Herleitnng außer diesen Prin-
zipien noch anderer Mittel und heißt dann synthetisch und
kann dann trotz seiner Kongrttenz material unrichtig sein.
Um im dritten Pall die materiale Bichtigkeit des Urteils
sicherzustellen, wird für das Urteil eine zureichende Be-
grundnng verlangt, die ihrerseita an zwei Bedingungen ge-
knüpft ist: erstens müssen die Fundalien, welche das Urteil
begründen (S. 264), material richtig sein (Solidität des Ur-
teils, S. 284), und zweitens muß das Urteil aus diesen Fnn-
dalien formal richtig, d. b. ohne Verletzung der logischen
Prinzipien (vgl. § 87 u. 119) hergeleitet sein (Konkrepanz
des Urteils, S. 284). Das Postulat einer zureichenden Be-
gründung synthetischer Urteile wird als Grundsatz der
zureichenden Begründung') (Principinm ra-
1) So benennt ihn Erdmann 1. c. S. 410 und trennt ihn von dem Grund-
satz vom zureichenden Grunde, den E. folgendermaßen formuliert: mit dem
zureichenden Grunde ist die Folge denknolwendig gesetzt, mit der Folge der
zureichende Grund denknotirendig aufgehoben.
„.,,„A.OOglC
2. Eft[»(eL Die Letm von des Urteilen. 605
tionis snfficientis) bezeichnet. Er weist bereits in
die Lehre vom Sehlnfi hinüber. Vgrl, auch S. 381.
Historisches. Die sehr Terwickelte Geschichte der Lehre von den
toiischeit UrteilsprinKipien ■) kann hier nur kurz skizziert werden. In den
oft zitierten Stellen aus Farmenides, Sokrates (Xenophons Hemorabil. IV, 3,
21) und Plato wird die ontologische (roetarhTsische oder, wie ich sagen
«Orde, sisnomenologiBche) und die Sosische Bedeutung der Prinzipien noch
nicht schart unterschieden. Aristoteles lonnuUert einerseits den ontologischen
Salz : tä tmie äfta inägj^tir ti mal fi^ irtiej;ttr äivrutor r^ svr^* sei »uiif li
a</ii (Ak. Ausg. iOOÖb, 19; 1010b, 18 mit dem Zusatz ir t% «Aip z«*'V) <ud
andrerseits den logischen: ßtßmunäiii Jefa naaü» lö fii th/m olq^Ä Sfi».
rä; lintxu/tifiK q^öaiir (1011 b, 18 u. 16 u. 1012 a, 2). Auch veraucbt er
— entsprechend seinen philosophischen Gnmdlebren — beide zueinander in
Beziehung zu setzen (1006b, 1011b]. Das Prinzip S: wird formuliert:
irmfMi x^e mt^ufiaiac »äit^y ilrat fi^ur äinSis (1012 b). Galen (De meth.
med. I, i. Med. Gr&ec. Opp. ed. KOfan, Lips. 1836, Bd. 10, S. 37) fahrt das
Princ. excL tertii ausdrOcklich unter den agx'i <iar""^ ^^- Alesander Aphrod.
(Ad. IfeUrfa., Ak. Ausg. Bd. 1, 1691, S. 369 u. 273) spricht schon von einer
"fZi tie ^'tufäcuat- Über Porphydus siehe BoSthius, De Interpret, Mignes
PatroL Bd. M, S. 838. Bei dem Aimenier David findet sich auch die Be-
zeichnung dSimfia t^e int^äatios (nach Prantl, Gesch. A. Logik, Bd. 1, S. 865,
Anm. 161, s. auch In Porph. Isag., Comm. in AriaL Graeca XVm, % S. 150).
BoHbius spricht allgemein von „per se notae propositiones, quibus nihil est
notius, indemonatrabiles ac maximae et principales" (De ditf. top. I. c S. 859).
Die Scholastik besnOgte sich bis in ihre Blfltezeit hinein im wesentlichen mit
der Wiederholung dieser Sätze. Franciscua Mayron (vgl. S. 82) stellte — nach
Prantl L c. in, S. 287 zum ersten Male — ab primum principium com-
plezum den Satz aut: de quoUbet dlcitur affirmalio vel negatio et de nullo
ambo simul (De prinw princ. f. 27 nach Prantl) und knüpfte daran er-
kenntnistheoretisch bemerkenswerte Erörterungen. Antonius Andreas ver-
suchte eine Ableitung aus dem Principiura identilatia (ens est ens, vgl. S. i4A).
Die erkenntnistheoretiscben Erörterungen, «eiche sich in der letzten
Pwiode der Scholastik und in der neueren Philosophie an die logischen
Prinzipien knüpften, müssen hier überganecn werden. Die Formulierung und
Aufzühlufig schwankte fortgesetzt Über Leibniz vgl, S. 110. Chr. Wolft
formuliert 2': „Duae propositiones contrariae non possunt esse simul verae"
(Log. § 539) und .J^poeitionum contradictoriarum altera necessario Vera,
altera necessario falsa" (§ täS); vom Prinzip 3 heiBt es „patet per se, eidem
sulqecto A idem praedicatum B vel convenire vel non convenire". Bei der
Verdeutschung der Bezeichnungen für die einzelnen Prinzipien ergaben sich
die S. 693 bereits erwähnten Unzuträglichkeiten, zumal schon die lateinischen
Termini nicht immer in demselben Sinn gebraucht worden waren*). G. Fr.
Meier (Vemunftlehre, 2. Aufl. 1763, § 400) bezeichnet den Satz: „es ist
schlechterdings unmögUch, daB etwas zugleich sei oder (IT) nicht sei" als
^) \g\. dazu lllhr. H. WeiSe, Ztschr. f. Philos. u. spek. Theoi: 1839, Bd. i,
S. 1 bis 39} J. H. Fichte, De principiorum contradictionis, identitaUs, cxclusi
tertii in logids dignitate et ordine dissertatio, Bonnae IStO, nantentl. S. 11;
Fr. Cherw«, Syst d. Log., 5. Aufl. Bonn 1882, S. 229—275.
*) So bezeichnet z. B. Baumgarlen in seiner Metaphysik § 7 den Satz
nihil est A et non-A als principium conlradictionis.
OgIC
690 i'^- Teil. Die eiDzelnen logiscbea Gebilde und ihre Gesetze.
S«U des Widerspruche. Kant (Kfit d. rein. Vera., Kehrb. Ausg. S. iäl) Ifihrt
al9 Satz des Widerspruchs an: ,Jceinem Dinge kommt ein Piädikat zu.
welches ihm widerspricht" (vgl. auch Logik, Ein). VlI). Offenbar entspricht
dieser Satz zun&chst nur unserem 1, kann aber sehr leicht auch aul 3 um-
gedeutet werden, indem man unter „ihm" versteht: „einem anderen ide-
Sesaglen Pi&dikat". Demg^enüber verstanden Jacob ;GruiidnB der all;.
Logik, i. Aufl., S, 33). Kiesewetter (Grundr. e. allg. Log., 3. AufL, S. 15) n. t.
unter dem Salz des Widerspruchs das Prinzip: „widersprecliende VorsW-
luogen können nicht in einem Bewußtsein vereinigt werden", wobei nur
zweifelhaft blieb, ob diese Unmöglichkeit empirisch-psjrchologisch odec mil
Bezug auf die Richtigkeit gemeint ist. W. Tr. Krug (Denklehre, 3, AufL
SUSff.) wollte ein priocipium positionis. Grundsatz der Setzung („setze nidils
WiderspreclieDdes, sondern nur Einstimmiges") und ein principium oppd-
silionia, Grundsatz der Entgegensetzung („unter entgi'Ecneesetzten Bestim-
mungen eines Dinges darfst du nur eine setzen" usf.) unterscheiden.
Sehr eingehend hat sich Hegel nüt den logischen Urteilsprinzipien tx^
schäftigt (Logik. Werke Bd. 8, S. 38 B.. Bd. 4, S. S6ff., Gif.; EdztUoii.
§ 116—122. Werke Bd. 6, S. 2^9 ff.). Er erblickt die Wahrheit derselben in
der Einheit der Identität und des Unterschieds; auf der höchsten Stute iä
die Einheit der Bestimmungen gerade in ihrer Entgegensetzung gelegeu.
Gegen das Prinzip des ausgeschlossenen Dritten wendet er ein, daS zwi-
schen + A und — A A seinem absoluten Wert nach (ohne Vorzeichen) und
auch die Null liege, offenbar mit Unrecht, da der Gegensatz zwischen + -^
und — A gar nicht kontradUctorisch, sondern konträr isL — Ixitze (Logik, Lpi-
1874, S. du) versuchte das später zu «rwfthnende Dictum de oomi et nnllo
mit dem Principium exclusi tertü zu einem einzigen Grundgesetz, d^n ..dii<
juoktiven Denkgesetz" zu verschmelzen.
Ganz wesentlich ist die Leiir« von den logischen Urteilsprinzipien dunb
Sigwart gefördert norden. Dieser fuhrt aus, daß mit dem Priniip 2 (von
ihm Satz des Widerspruchs genannt und von dem Satz vom auagescfdossenen
Dritten m. E. üturflassiger^eise getrennt) .jiicbts als eine Deklaration ÜK!
die Bedeutung der Verneinung gegeben ist, die Wesen upA. Sinn derselben
in einem Satze darlegt, der übrigens selbst nicht ohne die Verneinung aus-
gesprochen werden kann, und darum nur den Wert hat, demjenigen, der die
Negation gebraucht, sein eigenes Tun zum Bewußtsein zu bringen" (Logik,
*i Aufl., S. 184). Uas positive Gegenstttck ist in der Eonstanz der Vorstel-
lungen, der Eindeutigkeit des UrleLlsakts gegeben. VgL dies Werk S. 447.
.Weitere Literatur zu der Lehre von den logiachen Urieil^inr-
zipien: J. Bei?mann, s. hier S, 199 u. Kantstud. U, 1898, S. 328; Cnisios.
hier S. 123; Erich Frank, Das Prinzip d. dialekf. Svnthesis, Eiginz.-Hdte
Kantstud. Nr. 21, BerUn 1911, S. 8fl.; P. F. Fit^erald, A treatise on tb«
principle of suf&c. reason, London 1887*; Ad. L&sson. Der Satz y. Wido-
!.pnicb, Philos. Vortr., herausgeg, v. d. Philos. Ges. zu Berlin, N. F., Heft 10.
Halle 1885, S. 199—223 (mit DiÄuss.); G, Neudecker, Ztschr. f. Philos. u.
Phil, Krit 1884, Bd. 85, S. 842; Fr. Medicu^ Kantstud. 1907. Bd. 12, S. SO;
Bran. Petronievics, Der Satz v. Grunde, Lpz. Diss., Belgrad 1898; G. ämoits,
Rev. n6o-scol. 1902. Bd. 9, S. 897—325 (Princ. de rais. suE.); F. Staudioger,
Philos. Hon.-HeUe 1888, Bd. 26, S. 357; Urban, The history of Ibe princ of
sufüc. reason, Princeton Contrib. to Philos. 1898; L. Weber, Rev. philos.
1S97, Bd. 43, S. 253—279 (,J*rincipe do non-contra-dicüon"); I. C. Wilson,
On an evolutional theory of asioms, London ISflO*.
iM,Googlc
2. Kapitel. Die Lehre von den Urteilen. 697
§ 120. Kasammeoeesetzt« Urteile, a) Hypothetische Ur-
teile. Die seither betrachteten Urteile lassen sich ansnahms-
los in d e r Weise auf die Schulform „A ist B" bringen, daß A
□nd B je einen Begriff darstellen und durch die Kopula
verbunden sind. Die „zusammengesetzten" Urteile')^
die jetzt betrachtet werden sollen, gieetatteu eine solche ein-
fache Umformung nicht*). Wir kennen folgende Haupt-
klassen derselben:
a) hypothetische Urteile"»),
b) Kolligationeu oder zusammenfassende Urteile
(vgl. S. 392), welch letztea-e zerfallen in: a) konjnnktive,
ß) kopulative, y) dlTisive, i) disjunktive Urteile.
Alle diese zusammengesetzten Urteile bilden bezüglich
ihrer Entstehung und Zerlegbarkeit bereits den Übergang'
zu den Schlüssen. Demgegenüber können die bisher be-
trachteten Urteile als einfache oder kategorische be-
zeichnet werden. Den Unterschied zwischen beiden Klassen
kann man als Struktur unterschied bezeichnen.
Bei Aristoteles ist die uimiyogaii TtQciaav im wesentlichen identisch
mit der xarct^inwq nßiTaaK, also dem bejahenden Urteil (Akad. Ausg. z. B.
25 a, 7). Die Stoiker unterschieden dfwßtatu anXä nnd oöj &:tiä ; erstere ent-
sprechen den kategorischen Urteilen, letztere zerfallen in tarnfifiina (hypo-
thetische), «v/Ansnlsyftiya (kopulative), iif^tvjfiira (disjunktive), u. S- m.
(Sext. Empir. Adv. math. VIII, 99> ed. Bekter S. 307; Diogenes Laert, De
clar. phil. vit. Z., 6Sff.) und sind durch die Hitwirkung von Konjunktionen
itt, iati, aai'Xfl, q-^ gekennzeichnet BoGthius (De interpret. Hignes
Ffttnil. Bd. 64. S. Sil, 460, 487, 520, 1129) erw&hnt die propoaitio Sim-
plex (!}■ Quam xaiq}«ft>ji> Grfteci dicunt, nos praedicativani
interpretari possumus, und stellt sie — wiederum unter Berulung auf die
griechischen Logiker — der propositio hypothetlca sive conditionalis gegen-
über (I, c- S. *47). Die letztere wird zu den propositiones compositae ge-
rechnet (oratio compoaita ex propositionibus conjunctione conjunclis, unam
') Die Unterscheidung einfacher und zusammengesetzter Urteile be-
trifft die „fluaeitas'* (Baumgarten, Acroasis log.» 1773, S. 62, § 231).
') In der neueren französischen Literatur wird der Ausdruck propo-
sition compos^e nicht inuner im gleichen Sinne gebraucht YgL liierüber
Mercier, Logique, 5. Aufl., Louvain— Paris, S. 140. M. aeht die Bezeichnung
proposilion complexe vor. Über die Stellung des hypothetischen Urteils s,
Goblot, Bev. de mfitaph. et de mor. 1911, Bd. 19, S. 199 u. 1913, Bd. 21, S. 738.
ga) Ffir die Psychologie boten die hypothetischen Urleile bis jetzt kein
wesentliches Interesse. Wir konnten daher S. 383 die Kolligalionen (zu-
sammenlassenden Urteile) als einzige Repraesentanten der zusammen-
gesetzten Urteile anführen und daher den Terminus „zusammengesetzte Ur-
teile" ganz vermeiden. Übrigens wird sich unten (S. 701) ei^eben, daS auch
logisch die hypothetischen Urteile den Konisationen nahe stehen.
„.,,„, ^.oogic
698 IV- "^^ ^^ rinselnen logischen GeMlde und ihre GtaetM.
sicnifions rem, 1. c. S. 449). Das diaiuiüäive Urteil wird von BoetUus nur
all eine besondere Art des bTPothetischen Urteils betrachtet (De iTllot-
hypolh. L c. S. 8B4tf.). Diese Terminologie bat sich im wesentlichen auch
noch hei Wollt eitalten. Nur fOgt dieser zur propositio categorica, in qua
praedicatum absolute seu nolla adiecta conditione de subiecto ennnüitnr,
und lur propositio hypothetica, in qua pnedicalum tribuitur suhiecto stb
adiecia quadam conditione, die propositiones composilae hinm, «eld» dea
Kolligationen entsprechen (Logik, % S16 U. u. Blb ff.). Der Tenninns „compt-
«lus" ift oDenbar «enig zweckm&Big, da er auch auf die hTPothetischca
Urteile zutriOL Erst Kant koordiniert das kategorische, hypothetische und
disjunktive Urteil und behauptet, daB diese drei Klassen einem besondeien
eiaheitUchen Einteilungsprinzip nach der ,Jlelation" entsprechen (KriL
d. rein. Vem., Kehrb. Ausg. S. 89; Logik § 23fi.) und ,^ wesentlich ver-
schiedenen logiseben Funktionen des Verstandes l>eruben". Es soll sich um
die Beziehung „des Prtdikals zum Subjekt, des Grundes zur Folge, der kh-
geteilten Erkenntnis und der gesammelten Glieder der Einteilung tmlereio-
ander" handeln. Dos konjunktive und das kopulative Urteü kommen nicU
zu ihrem Recht. Überliaupt ist die ganze Argumentation Kants zugunsten
dieser neuen Dreiteilung der Urteile nicht überzeugend.
Wir besprechen zuerst die hTpothetlBcheii Urteile, Ihie
allgemeine Form ist: wenn Si — P« so ist Si — Pi (Beispiel:
wenn ein Dreieck gleichschenklig ist, sind seine Basiswinkel
gleich; wenn Wasser auf 100* C erhitzt wird, kocht es). I^
Begriffe Si, Pi, &> und Pi können völlig verschieden sein,
sehr oft aber decken sie sich zum Teil. Bezeichnet man das
urteil Si — Pi mit A, das Urteil S» — P, mit C, so lautet
die Formel des hypothetischen Urteils: wenn A, dann C
(oder wenn A gilt oder als gültig betrachtet wird, dann
gilt C). A heifit' Vordersatz (Antecedens, Hypotfaesis*),
xf^taate s. Str. , ^aiftsrov), C Nachsatz (Conseqnens,
Thesis, änöioats, i-^yot, ini/ttvop). Die Beziehung zwischen
den beiden urteilen A und C ist ein Spezialfall des Yerbält-
nieaes von Grund und Folge (vgl. S. 381 u. 395) und soll
hypothetische Konsequenz (Consequentia) heißen*).
Für das bypothetiscbe Urteil ist wesentlich, daß der
Vordersatz als Annahme (Prothese) in dem S. 382 festge-
stellten Sinn ansgesprochen wird. Die Gültigkeit (Bicht^-
keit) von A wird niclit behauptet, sondetn nur angenommen.
Der Nachaatz wird nnter der Voraussetzung des Vorder-
*) Bei Arisloletes bedeutet vni9tais bald jedes einem Beweis zugrunde
Kegende Urteil, bald ein zum Behuf eines Beweises voraussetzungsmiSis
«efordertea Urteil, ist also noch nicht Terminus für den Vordersatz.
*) Von dem zeitweilig Oblicben Sprachgebrauch, nach dem Consequentia
nicht die Beziehung dea SchluBurleils zu den Pr&missen, sondern den
Schluß selbst bzw. eine besondere Klasse von Schlüssen (die sog. unmittd-
baren Schlüsse) bezeichnet, wird also hier ganz abges^en.
„.,,„, ^.oogic
3. Kapitel. Die Lehre von den Urteilen. 699
Satzes, also bedingiuiKS'weise thetisch ausgesprochen. Dabei
kann der Oraad, auf den hin der urteilende C aas A tolgert,
also der spezielle Charakter des Verhältnisses von Grund
und Folge sehr verschieden sein. Nur ausnahmsweise näm-
lich ei^bt sich C ans A lediglich nach den logischen Ge-
setzen ohne Hinzuziehung irgendwelcher anderen Urteile
{Beispiel: wenn a größer ist als b, so ist a auch großer
ale ^). Wir werden dieser. Form des hypothetischen Urteils,
die offenbar dem analytischen Urteil unter den einfachen
urteilen entspricht, in der Lehre vom Schluß unter der Be-
seiclinnng „unmittelbare Schlüsse" wieder begegnen. Viel
häufiger beruht die Folgerung von C aus A anf irgend-
welcher Erfahrung im weitesten Sinn, die in den beiden
Sätzen des hypothetischen Urteils gar nicht ausgesprochen
und im Augenblick des Urteils oft auch nicht gedacht wird.
So liegt beispielsweise dem hypothetischen Urteil: „wenn
Wasser und Alkohol gemischt werden, entwickelt sich
Wärme", der Gedanke an eine, mehrere oder viele Erfah-
mngen über eine solche Wärmeentwicklung oder der be-
danke an ein allgemeines Gesetz über Wärmeentwicklung
bei solchen Mischungen usf. zugrunde. Zuweilen liegt die
Krfahrung auch auf psychologischem Gebiet (weim du nicht
gehorchst, wird er bzw. werde ich dich strafen) usf. Die
Biohtigkeit des hypothetischen Urteils als solchen hängt
von diesen zugrunde liegenden Erfahrnngen wesentlich ab.
Auch im übrigen ist das hypothetische Urteil sehr
variabel, insofern sowohl A wie C bald dieser, bald jener
' Klasse von Urteilen entnommen ist. Insbesondere kommen
neben hypothetiscfaera Generalurteilcn auch hypothetische
Individualnrteile und hypothetische kombinierte General-
Individaal-Urteile vor (Beispiel: wenn dieser Mann gemein-
gefährlich geisteskrank ist, ist seine Aufnahme in eine An-
stalt notwendig; w>enn jede Schuld sich schließlich rächt,
so hat er Unglück zu fürchten). Ebenso muß A und C nicht
stets assertorisch oder apodiktisch sein, sondern auch proble-
matische hypothetische Urteile kommen häufig vor, wie
z. B.: „wenn der Mais eine Atmosphäre haben sollte, ist er
wohl bewohnt". Ist der Vordersatz problematisch'), so ist
■} Daliei verliert die Annahme ihren assertorischen Charaliter, insofern
der Urteilende sich denkt, daB sie mit Zweifeln an ihrer Richtigkeit aufge-
stellt ist (von seinen eigenen Zweifeln ganz abgesehen).
700 IV. Teil. Die einzelnen logischen Gebilde und ihre^OMetze._
der Kacliaatz ersteas, eben weil er za einem iiypothetischeo
Urteil gehört, nur bedingt richtig, zweitens weil der Vorder-
satz problematisch ist, mit seiner Richtigkeit an eine proble- -
matische Bedingung geknüpft, und drittens kann er noch
selbst problematisch insofern sein, als er selbst unter der
Voraussetzung von A nicht mit Gewißheit ausgesprochen
wird. Hierher gehören die Potentialen und gemischt poten-
tial-realen Bedingungssätze der Grammatik*). — Eine
weitere Komplikation entsteht dadurch, daB wir ausnahms-
weise auch ein hypothetisches Urteil als Ganzes im Sinn
einer A n n a li m e- denken.
Eine aDdcfe wichtige Verschiedenheit innerhalb der liypothetischea Ur-
teile betrifft die Ursache des protheüscben Cbanücters des Vordersatzes. Wir
sprechen nämlich den letzleren prothelisch aus, bald weil es sich um einen
unbestimmlen Tatbestand liandcll, bald weil der beurteilte Tatbestand up-
/ureichend oder gar nicht begründet ist. Ein Beispiel fQr den ersten Typus
ist das Urteil: wenn die Basiswinkel eines Dreiecks gleich sind, sind die
aegenobeiiiegenden Seiten (Schenkel) gleich. Hier wird der Tatbesland der
Gleichheit der Basiswinkel irgendwo und irgendwann angenommen, kann
also, da Art und Zeit ganz unbestimmt sind, gar nicht behauptet weiden. £s
liandelt sich um eine ähnliche Unbestimmtheit wie bei dem Subjekt univer-
seller Urteile (vgl. S. 370). Ich nenne solche Urteile daher indttandidKta
hypothelische. Ein Beispiel für den 2. Typus ist der Schluß: wenn der Uar^
bewohnt ist, sind seine Bewohner ähnlich organisiert wie wir. Hier ist der
Tatbestand des Vordersatzes unzweideutig bestimmt, wir beschränken uns
aber trotzdem auf eine Annahme (Prothese), weil seine Begründung fehlt
büw. unausreichend ist oder ausgeschaltet wird (S. 384). Solche Urteile be-
zeichne ich als iastaUt hypothetische').
Aus allen diesen Erörterungen geht hervor, daß der
Gegenstand des hyiiothetisehen Urteils di© Beziehung der
Inhalte von A und C ist. Wir behaupten im hypothetischen
Urteil, daß zwischen A und C das Verhältnis von Grund und
Folge besteht Seine exakte Formiüiernng lautet also:
A und C stehen in der Beziehung von Grund nnd Folge
(abgekürzt: sind „konsequent"). Die beiden Urteile biw.
ihre Gegenstände sind das Subjekt; die Beziehung von Grund
lind Folge ist das Prädikat'). Durch die S. 265 u. 267 be-
*) Bei irrealen Bedingungsgefügen wirc
absclut überwiegen der Gegenassoziationen i
.\u!>schaUung.
') Das Beispiel des 1. Ttpus seht sofort in den 2. Typus Ober, sobald
man das Subjekt determiniert: wenn die Basiswinkel ÜMts Dreiecks gleich
sind, dann sind die Schenkel gleich.
') Diesen Saehvechait hat zuerst Chr. Sigwart (Beitr. z. Lehre v.
hypoth. Urteil, Tübingen 1871 u. Logik, 2. Aufl., Bd. 1, S. 28* ff.) aoteeU&rt.
Ich weiche nur insofern von Sigwart ab, als ich nicht nur ajMdikliscbe {uad
O^^IC
2. Kapitel. Die Lehre von den Urteilen. 701
sprochene Objektivierung und Ärgumeiitverschiebung treten
auch hier sehr oft an Stelle des Urteils A und C die entspre-
chenden Tatbestände (Sachverhalte) der V-, E- oder K-
Stufe *).
Bemerkenswert ist, daß damit das hypotlietisclie Urteil dem, kopula-
tiven (S. 39S) näher rückt, insoiem ea wie dieses mehr als ein Subjekt auf-
Keist. Der Unterschied zwischen beiden liest auch nicht etwa darin. da6
das Subjekt des hypothetischen Urteils zwei Urteile und das Pr&dikat
eine Relation ist; denn diese Eigenschalten kommen auch manchen
kopulatiren Urteilen zu (z. B. „diese beiden Urteile sind falsch, heben sich
gegenseitig auf'). Charakteristisch ist für das hypothetische Urteil nur, daß
zwei Urteile in der speziellen Belatiou von Grund und Folge stehen.
Bei dieser Auffassung des hypothetischen Urteils wird auch klar, daß
es sich vom sog. kategorischen nicht so erheblich unterscheidet, wie man es
auf Grund der total verschiedenen sprachlichen Form wohl annehmen könnte.
Dementsprechend ist auch stets die Umwandlung in ein (einfaches) kate-
gorisches Urteil möglich: C steht zu A im Verhältnis der Folge zum Grund.
Die Tatsache. daB A und C durch ganze Sätze ausgedrückt werden, ist von
untergeordneter Bedeutung. Man beachte beispielsweise die Stufenfolge der
Urteile: „wenn die Temfwratur des Wassers auf 100° C steigt, siedet es"
(Bedingungssatz), „bei Erwärmung auf 100» C siedet das Wasser" (selbstän-
diger Präposition alej Ausdruck) und „Wasser von 100» C siedet" (attributiver
Ausdruck). Auch das dritte Urteil ist seinem Inhalt nach offenbar hypothe-
tisch, insoweit es mit dem ersten und zweiten gleichbedeutend gedacht
wird ").
Andrerseits könnte man iragen, ob nicht alle hypothetischen Urteile als
Schlüsse anzusehen sind, da doch C aus A geschlossen wird. !n der
T»t wtu^e oben (S. 669) bereits erwähnt, daQ diejenigen Urteil^efüge, in
welchen C aus A lediglich mit Hilfe der logischen Gesetze folgt, auch als un-
mittelbare Schlosse aufgefaßt werden können. Man hat nämlich zwischen
aaserlorlscbe, vgl, g 117). sondern auch Droblematische hypothetische Urteile
aimehme und also bestreite, daS das hypothetische Urteil den Nachsalz
s t e 1 9 als „notwendige" folge des Tordersatzes behauptet
•) Dabei kann die S. 381 erörterte V«r9chid)ung der zeitlichen Reihen -
- folge eintreten.
"•) Umgekehrt haben — wie im Mittelalter schon Avicenna — in
neuerer Zeit Herbart (L«hrb. z. EinL in d. Philos., § ö3, SärotL WW., Lpz.
1860, Bd. 1, S. 92 ff.) und seine Schüler (siehe z. B. Drobisch, Neue Darsl.
d. Log., i. Aufl. Lpz. 1675, § 5Ö, S. 59) das hypothetiscfae Element hervor-
gehoben, das auch in jedem kategorischen Urteil enthalten ist. Der Sub-
jektsbegrifi wird nach H. nicht absolut, sondern hyolhetiscb, nämlich in
Erwartung eines Prädikats und zum Behuf seiner Anknüpfung aufgestellt,
und hierdurch wird das Urteil „allemal hypothetisch", Drobisch erklärt
sogar für den Sinn des kategorischen Urteils: „wenn S gesetzt, d, i. ge-
dacht wird", so ist auch P gesetzt. In der Tat ist zuzugeben, daß generelle
Urteile eine solche Umformung gestalten: „der Mensch ist sterblich" ^
„wenn etwas Mensch ist, ist es sterblich". Bei vielen rein individuellen
Urteilen (mit einem Noraen proprium als Subjekt) kann sie nur gewaltsam
43urchBefObrt «erden.
702 ^- '^^'^ ^^ einzelnen locischen Gebilde and ihre Gesetze.
zwei Filleo zu unterscheiden : entweder ist der Sinn des SatziefOi«s
„wenn A ist, dann ist C" der oben testgeelellte : „A und C und konsequent",
und dann handelt es sich offenbar nicht um einen Schluß, sondern ein zu-
sammengeselztes Urteil, oder der ^n ist ^uf Grund des l!rteib A.
schlieBe ich das Urteil C" (so daB A in diesem Ersebnis Qbertiaupt tct-
schwunden ist), und dann liest ein echter ScbluB, und zwar ein sof. un-
mittelbarer vor. Aber auch fOr dieieniien hypothetischen Urteile, die ack
auf irgendwelche Erfahrungen (nicht nur auf die logischen Gesetze, S. 68^
slfltzen, lieft die Zurechnunt zu den Schlflssen einigennaBen nahe, iisofon
d>en aus diesen Erfabningen und aus dem Vordersatz A der Nachsatz C ge-
schlossen wird. Es wOrde sich also um sog. Enlhymeme handeln (vgl. S.3U IL
u. § 129). Indes auch diese Argumentation ist nicht stidihaltiB. Bei d«n
Enthymem bleiben die unterdrückten (weggelassenen) Hilfsurteile nur im
sprachlichen Ausdruck weg, im Denken müssen sie, wenn auch „latent", im
Augenblick des Urteils mitwirken. Anders bei dem hypothetischen Urteil:
hier kann eine solche Mitwirkung ganz zurücktreten. Aber auch, warn man
von diesem nicht stets nachweisbaren psychologisches Unterschied ganz
absiebt, bleibt derselbe tidgreifende Unterschied bestehen, der eben gegen-
ttber den umniUelbaren Schlüssen geltend gemacht wurde: im Enthymeia
wird C Mit HfUs von A behauptet, im hypothetischen Urteil wird die
Kanaqwu von A und C behauptet. Auch bedenke man 'schUeBUch, dat
ein Zugnmdeliegen irgendwelcher Erfahrungen (ohne aktuelle Utwirfcung)
auch allen oder wenigstens unendlich vielen synthetischen kategori-
schen Urteilen zukommt, auch wenn sie ganz isoliert auftreten, und man
sie doch gewiB nicht deshalb zu den Schlüssen rechnen kann.
Endlich muB betont werden, daB die hypothetischen Urteile nur einen
Spezialfall der Beziehunes- oder Bslatlsasurteile darstellen, wie sich dies
schon bei der Besprechung der Unterscheidung von den kopulativen Urteilen
ergab. Belationsurteile sind ganz allgemeiD solche Urteile, deren Frtdikat
ein Relationsbegrifi isL Das Subjekt eines Relationsurteils best^t daher
wenigstens aus zwei BegriSen („Eisen und llangan sind chenäsch nahe ver-
wandt") "). Unter den Relationsurteilen bilden diejenigen, deren Subiekt
zwei (bzw. auch mehr) Urteile bzw. Tatbestände sind, bezüglich
des sprachlichen Ausdrucks eine besondere Klasse (Beispiel: als der Tag
anbrach, begann der Angriff); logisch ist damit kein wesentlicher Unterschied
l>egründet (daher die Möglichkeit der Umformung: Tagesanbruch und Beginn
des Angriffs waren gleichzeitig). Viel mehr Bedeutung hat eine ^teilnng
der Relalionsurteile nach dem allgemeinen Charakter der Relation. Auf
Grund des letzteren kann man temporale, kausale, konzessive, konditionale
und andere Relation surleiie unterscheiden. Ein temponies individudles
singul&res Relation surleil ist z. B. das soeben erw&hnte Urteil: „als der Tag
anbrach, begann der AngriS"'*), ein temporales indtviduelles plurales: „se
") Ist das Prttdikat ein RelatarbegriO (S. 474), so kann das Subiekt
aus einem Begriff bestehen (Beispiel eines solchen Relatarurteils: Philipp
ist der Vater Alexanders).
■■) Dabei Obersehe man nicht, daB auch das Teinporalurteil zweideutig
ist: bald hat der temporale Nebensatz nur die Bedeutung einer begleitenden
relativ nebensftchlichen Bestimmung, bald liegt gerade das Hauptgewicht des
ganzen Satzgefüges auf der temporalen Relation; nur im letzteren Fall liegt
ein temporales Relalionsurteil s. str. vor.
2. Kapitel. Die Lehre yon den UrteMen. 703
olt der Angiüf erfolsta, wurde er abgewiesen", ein temporales al^emeines:
„90 oft es Früliling wird, kehren die Schwalben zu uns zurOck". Das kausale
Relationsuiträl behauptet eine Beziehung von Uiaache und Wirkuns CBei-
spiel: weil er einen Hoid verObt hatte, wurde er hingerichtet). Da unsere
Eausalurieile sich zu einem groBen Teil auf Temporalurteilen aufbauen (post
hoc, also propter hoc ■ — saepe ita, also semper ita), so finden sich vielfach
überg&nge (man denke an die kausale Bedeutuiu des cum). Von dem tem-
poralen und dem kausalen Relationsurteil ist das hnwthetische Belations-
nrteil (das hrpothetische Urteil im prägnanten Sinn der Logik) insofern
wesentlich unteischieden, als der Vordersatz nicht thetisch, sondern pro-
tbetisch, d. h. als Annahme ausgesprochen wird und daher auch dem Nach'
satz nur bedingungsweise Geltung zugeschrieben wird. Die Vemrandtacbaft
mit dem temporalen Belationsurteil gibt sich auch hier in der Sprache sehr
deutlich kund („wann" — „weim"). Jedenfalls ergibt sich aus allen diesen
Talaachen, daB die Logik etwas einseitig verf&hrt, wenn sie unter allen diesen
Belationsurteiien f tTWi—ia-M "'■"■ Relationsurteilen) '*) gerade nur die hTl>o-
Ihetischen herausgreifL VerstAndlich wird diese Einseitigkeit, wenn man
bedenkt, daB für die Eigentamlichkeit des hypothetischen Urteils gerade der
al^emeine logische Charakter (nftmlich der prothetische) entscheidend ist
Die Aufstellung besonderer „kategoriach-hypothetischer Urteile" (an-
geblich von der Form: wenn A — B ist, so ist C — D) ist g&nzlich Oberflflssis.
Historisches. Schon Theophrast bereitete die Lehra vom hypo-
thetischen Urteil durch seine Lehre von den hypothetischen Schlössen
{«iMujrigfMi A' Siov iTttSttuoi, vgl. § 10) vor. Auch hatten die Alteren
Perjiiatetiker bereits die Bezeichnung avyttftfiinif und avrtantxor für das
hrpothetische Urteil (Philoponus ad Anal, priora, Akad. Ausg. 190&, S. ^iSS).
Das kausale Belationsurteil wurde von den jüngeren Peripatetikem als nmgtt'
atymnuif, von den Stoikera als nagaovy^/ifttroy bezeichnet (Simplic ad
ArisL de Coelo, Akad. Ausg. 1894, S. 18, 117, 6fß u. a.). Das VeifaUtnis
von Grund und Folge hieß bei den Stoikern ,äM*i»vlHa*. Bei den Lateinern
hieB das hypothetische Urteil adjunctum sive connesum. Über BoSthius s.
S. 697. Die Bedeutung der nicht-hypothetischen Belat Jonsurteile (S. 70S)
wurde oamentlich von Lullus hervorgehoben (Dialectica s. Logica nova, Opp.
Argent 1617, S. 151]. Sieh» auch Occam, Summa tot, log. I, cap. 30 fi. Für
die Beziehung zwischen A und C wurde der Terminus „conseauentia" Oblich
(vgl 2, B. Duns Scotus, Quaest super Anal. pr. I, Qu. 20, Opp. ed. Paris
1891, Bd. 2, S. 130). Ramus braucht im Anschluß an Cicero die Bezeichnung
azioma connexum fOr das hypothetische Urteil (Dialect. 1577, S. 118). Siehe
auch Logique de Port-Royat, Paris 1861, S. llö.
g 121. Znsammeiiiresetzte Urteile (FortseizDUK nnd
SohloB. b) EoUigatioDen. Während im hypothetUclien Ur-
teil die logische Bedeutung der beiden Urteile verschieden
ist, insbesondere der Vordersatz dem Nachsatz logisch
„unterstellt" ist, sind die Teilurteile in den Kolliga-
>*) Syndesmotisch nenne ich alle diese zusammengesetzten Relations-
urteile in Anlehnung an die Stoiker, welche manche dieser Tatsachen schon
richtig bemerkt und insbesondere die Bedeutung der Konjunktionen (iriirA«-
fiot) hervorgehoben haben. Vgl. S. 697.
„ ,„,^.oogic
704 ^^- T^''- ^^ einzelnen logischen Gebilde und ihre Gesetze.
tionen (zusammenfaüsenden Urteilen) gle ichfircstellt').
Wir nnterBclieiden (vgl. S. 392):
a) konjunktive Urteile: S ist Pi und Pj und Pj ...
(Beispiel: der Schnee ist weiß nnd kalt und kristalli-
nisch) ;
ß) kopnlative Urteile : S, und Si und & . . . sind P
(Beispiel: Chinin nnd Morpliiom und Quassia sind
bitter);
y) divieive Urteile: S ist teils (bald) Pi teils (bald)
P, teils (bald) Si ... (Beispiel: Dreiecke sind teils
eben teils sphärisch);
«*) disjunktive Urteile: S ist entweder Pi oder P.
oder Pi ...oder P« (Beispiel: die sog. eudemiache
Ethik ist entweder ein Werk des Endemus oder die
Ausarbeitung eines aristotelischen Vortrags).
Es wird sich er^ben, daB auch die KoUigatlouen auf be-
stimmte logische Belationen gegründet sind (daher auch
hier die Verwendung von Konjonktionen ').
a) Konjunktive Urteile.
Der psychologische Tatbestand wurde S. 392 festgestellt
Die Normalisierung wirkt in derselben Weise wie bei allen
anderen Urteilen. Sprachlich wird die logische Konjunktion
durch ,tUnd", „sowohl — als auch" und am charakteristisch-
sten in der deutschen Sprache durch „auch" bzw. „nnd anch**
ausgedrückt. Von den unverbnndenen Urteilen S ist Pi,
S ist Pa usf. unterscheidet sich das konjunktive Urteil, S ißt
Pi und Pj . . . dadurch, daß die (3enieingamkeit (Di^pelbig-
keit) des Subjekts, also eine bestimmte Qleichbeitsrelation
ausdrücklich mitgedacht wird: nicht nur die Individualkoef-
fizienten von S und Pi und diejenigen von S und Pj decken sich
für sich genommen, sondern auch diejenigen de» 1. Ur-
teils und diejenigen des 2. Urteils. Die Hauptbedeutung der
') Die AusdrOcke „kooTdiniert" und „subordiniert" venneide ich wegen
ihrer Verwendung in der Lehre vom Begrifi.
') Grammatisch werden oft subordinierende und koordinierende Kon-
junktionen unterschieden. Man darf nun nicht etwa glauben, daß letztere
nur fOr Kolligalionen und nicht für die in § ISO behandelten Relationen
(Relationen mit „Unterstellung") verwandt wurden; taU&chlich erfolgt auch
im letzteren Fall oft sprachliche Gleichstellung (z.B. kausal: S, — — Pj,
daher Sj— Pj); nur bei der hypothetischen Relation vermeidet auch die
Sprache bemerkenswerte rweise die Gleichstellung durch eine koordinierende
Konjunktion.
OgIC
2. KaptleL Die Lehre Tcn den Urteilen. 705
konjunktiven Urteile liegt darin, daß sie aller Bildnns kom-
plexer Begriffe zugrunde liegen oder wenigstens der Her-
gang einer solchen Begriflsbildimg nachträglieh auf die
Formel tonjnnktiver Urteile gebracht werden kann: S wird
ans Pj, Pa, Pi . . . zusammengesetzt (vgl. auch 8. 522 n. 533
über synthetische und konstruktive Definition). Ein ver-
stecktes konjunktives Urteil liegt oft auch dann vor, wenn
das Prädikat ein von einem Attribut begleitetes Substantiv
ißt Das P» ist in solchen Fällen in dem Attribut enthalten,
und das Pi ist substantiiert. VgL die Erörterung S. 604
über das Urteil „das Eisen ist ein paramagnetisches Metall".
Ebendaselbst ist auch der Unterschied des konjunktiven Ur-
teils von dem Schlnfi angegeben. „S ist Pi und Fi" ist ein Ur-
teil; „S ist Pi, S ist Pj, also ist S Pi und P^" ist ein Schluß.
ß) Kopulative Urteile.
Mit eiltaprechenden Abänderungen gUt hier desselbe.
Auch der sprachliche Ausdruck weicht nicht weaentlich ab:
das Hinzukommen neuer Subjekte mit demselben Prädikat
wird durch „und", „sowohl — als auch", „auch" ausgedrückt;
nur wenn dies Hinzukommen erst im Bereich des Prädikats
zum Ausdruck gebracht wird, verwenden wir im Deutsehen
„ebenfalls" oder „gleichfalls" statt „auch" (auch das Mor-
phium ist bitter, das Morphium ist gleichfalls bitter). Die
logische Hauptbedeutung der kopulativen Urteile liegt in
der Vorbereitung von Allgemeinbegriffen. Sie werden daher
auch als induktive Urteile bezeichnet.
Die dem konjunktiven und kopulativen Urteil entspre-
chenden negativen Urteile (weder — noch) werden zuweilen
als remotive bezeichnet.
t) Divisive Urteile.
Die „Teile"') des Subjektbegriffs S, dem die Prädikate
Pi, Pz, Ps usf. zugeschrieben werden, sind verschiedener
Natur: bald handelt es sich nm ränmliche („das Schachbrett
hat teils weiße, teils schwarze Felder"), bald um zeitliche
(„die Melodie ist teils steigend, teils fallend"), insbesondere
um die Glieder (Flnxionen, S. 330) eines Kontraktions-
begriffs („der Mond ist bald ab- bald zunehmend"), bald
endlieh um die Glieder eines Allgemeinbegritfa (die Men-
*) Man beachte wohl, daß „Teile" hier eine weitere Bedeutuni hat als
in der Lehre vom Begrifi, insofern der Terminus hier auch die „Glieder"
(S. SaO u. 335 f.) omfaBL
Ziehen, Lehibnch der Logik. 4[i
„.,,„, ^.oogic
706 tV- T*»!- P'^ einzelnen loeischcn Gebilde und ihre Gewtze.
evhen sind teils männlich, teile veiblich). Man kann iahet
von ränmlicher, zeitlicher, kontraktiver und genereller K-
visioQ und entsprechenden DiTisionsnrteUeo sprechen. Ka
Wörter „teils — teils" geben den logischen Tatbestand am
adäg-aatesten wieder. Für die, zeitliche, insbesondere die koit-
traktive Division verwenden wir oft auch „bald — bald". Die
generelle Division läßt sich auch durch eine Beihe partiku-
lärer urteile ausdrücken (S. 658): einige S sind Pi, einige S
sind Pt usf.
Die Aufzählung der Teile ist bald vollständig, bald nicht
(vollständige und unvollständig« Division). Bei unvollstän-
diger Divison ziehen wir Wörter wie „zum Teil", „teil-
weise", „stellenweise", „zeitweise" vor; „teils — teils", „bald
— bald" weist Öfter auf vollständige Division hin. Ans-
nahmsweiae wird nur ein Teil berücksichtigt und das
Verhalten der übrigen Teile ganz unberücksichtigt gelassen
(„dies Feld ist teilweise mit Zuckerrüben bepflanzt"). Ib
diesem Fall kann die Division vervollständigt werden, indem
man den übrigen Teilen das kontradiktorische (Gegenteil zu-
schreibt („nicht mit Z. bepflanzt"); doch ist dies oft nur eine
logische Ergänzung, die dem psychologischen Tatbestand
fem liegt.
Bezüglich ihres Ursprungs ist die Division bald empi*
risch (im prägnanten Sinn) bald logisch (formal = logisch,
ebenfalls im prägnanten Sinn). So stützt sich das divisive
Urteil: „die Qeschmacksempflndnngen sind teils süB, teils
salzig, teile sauer, teils bitter" lediglich auf die Erfahrung;
dagegen ist das divisive urteil: „die Geschmacksempflndnn-
gen sind teils bitter, teils nicht-bitter" rein logisch, insoweit
es eich lediglich auf eine positiv bestimmte Teilerfahrnsg
P und sonstige ganz unbestimmte negative Teilerfahrungen,
die zu non-P zusammengefaßt werden, gründet. Die Voll-
ständigkeit eines empirischen divisiven Urteils steht und
fallt mit der Vollständigkeit der zugrunde liegenden Erfah-
rung, das logische divisive Urteil ist, da die Prädikate kon-
ttadiktorisch entgegengesetzt sind (P und non — P), stete
vollständig. Vgl. auch ^ 107 über Division der Begriffe.
Die Formalienuig „einige S sind P, und einige S sind nicht P" ist Kt
die Tollatandige logische Division unangemessen, da der Anschein erweckt
wifd, es kirne noch eine weitere Klasse der S in Frage. Die alte Logik be-
zeichnete die Urteile „einige S sind F' und „einige S sind nicht F* alt
subkontr&r(vgl. S. 692).
tY^IC
2. K»|>itel- Die Lehre Ton den Urteilen. 707
UberUgeruug der Prädikate iat bei den divisivea Urteilen nicht zutiasic
(Staitsveriasaunsen sind teils monarchisch, teils parlamentarisch, teils
oliganhisch, teils lepublikanisch), vgl. S. b9S *). — Einfache individuelle Be-
friUe lassen überhaupt keine divisiven Urteile zu (wohl aber einfache all-
gemeine wie Rot, Farbe usf., vbL S. 506).
«0 DiBJonktive Urteil«').
Jeder TeilaoBsage (bzw. Gliedausaage, vgl. S. 705,
Anm. 3) eines divisiven Urteils entspricht eine sejuuktive
Möglichkeit (vgl. S. 685). Indem das Subjekt des divisivea
Urteils in bezog auf den Teil bzw. dos Glied, das bearteilt
wird, unbestimmt gelassen ist, kommen ihm verschiedene
Prädikate zu (ein Mensch „k a n n" männlich nnd ,>k a n n"
weiblich sein). Da eine Überlagernng dieser Prädikate nicht
zulässig ist (s. oben), so kann jedem einzelnen Teil bzw. Glied
nur eines der Prädikate Pi, Fi . . . zugesprochen werden.
Ist die Btvisiott vollständig, so m u fi jedem einzelnen Teil
bzw. Glied eines der Prädikate zukommen. Im letzteren
Falle ergibt sich also das Urteil: S ist entweder Pi oder P) . . .
oder Pn. Ein Urteil von dieser Form helQt disjankÜv.
Urteile von derselben Form kommen aber auch ohne
Division des SubjektsbegriSa und daher auch ohne zugrunde
liegendes bzw. vorausgehendes divisives Urteil vor. So läßt
Kich das disjunktive Urteil „Wieland ist entweder am 13.
oder am 20. Jan. 1813 gestorben" schlechterdings ohne
Zwang auf kein primäres divisives Urteil über Wieland
zurückführen. Ebenso verhält es sich mit zahlreichen an-
deren disjunktiven Urteilen, in denen ohne Büoksicht auf
Teile oder Glieder des Subjektsbegritfs, also ohne Bücksicht
auf das verschiedene Verhalten der Teile eines ränmlichen
oder zeitlichen Ganzen und ohne Bücksicht auf das ver-
schiedene Verhalten innerhalb der Phasen eines „Dings"
oder der Arten einer Gattung behauptet wird, daß unter
einer Eeihe von Prädikaten eines dem Subjektsbegriff zu-
kommen müsse („der Mars hat Kanäle oder hat keine").
Wenn man hier überhaupt von einer Division sprechen will,
*) Damit ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen, daQ eines der Teil-
pridikate ein Komplex anderer Teilpradikale ist: rot, blau, grDn, bunt ....
sind zulässige Teilprädikate; rot usw. und bunt Qberiagern sich nicht im
bzischen Sinn, denn, was bunt ist, ist nicht rot (im änn von „nui rot") und
umsekebrt. *
■) Die deutsche Bezeichnung „Trennungsurteile" (Baumgarten, Acroas.
log. ') hat sich nicht eingebOrgert.
43'
„.,.,„,>..oo^sic
7(ffi IV. T«iL Die einaelnea togiaehen Getnlde und ihre Gesetze.
SO betrifft sie den Prädikatsbegrifl (die Tage des Janasrs
sind der Ite, 2te nsf. bis Site); aber ofFenbar entspricht
eine solche Auffassung weder dem psychologischen noch dem
logischen Tatbestand. Vielmehr weist alles darauf hin, daß
in solchen Fällen ohne irgendwelche Division auf Gmnd
empirischer oder rein logischer Erwägungen eine Reihe von
Prädikaten in Betracht gezogen und nach Beseitigung aller
Überlagerungen in disjunktive Form gebracht wird.
Es müssen also zwei Formen des disjunktiven Urteils
unterschieden werden, die als sekundäres und prima*
res disjunktives Urteil bezeichnet werden sollen. Das dis-
junktive Urteil im allgemeinen ist ein Urteil, welches aoft-
aagt, dafi einem Subjekt von einer bestimmten Anzahl von
Prädikaten jedenfalls eines zukommt, das primäre dis-
junktive Urteil sagt dies unabhängig, das sekundäre ab-
hängig von einer Division des SubjektsbegriSs und einem
diviaiven Urteil') über ihn ans.
Wählt man nicht Wieland als Subjekt, so lAQt sich auch fOi das primire
disjunktive Urteil ein fundierendes divisives Urteil nachweisen, z. B. „die
Tatsachen sprechen teils iOr den 13., teils fOr den 20. Januar als Todestas
Wielands und keine für einen anderen". Korrekter lautet daher auch das
disjunktive Urteil; „die Tatsachen sprechen entweder für den 13. oder für
den 20. Januar" usw.
Ausnahmsweise kommt der Anschein zustande, als ob ein disjunktives
Urteil aus zwei oder mehr Urleilen mit verschiedenen Subjekten bestünde.
So kann z. B. jemand, der Blutapuren findet, urteilen: .Jüier ist ein Ver-
brechen verübt worden, oder jemand hat sich verletzt, oder . . . ." Offenbtr
aber ist auch in solchen Fallen der logische Sinn adäoual durch ein disjunk-
tives Urleil mit einem einzisen Subjekt auszudrücken: „diese Blulspnren
rOhren von der Verübung eines Verbrechens oder von einer Selbstverietxun:
oder von . . . .". Da solche Urteile im alltäglichen und im wissen schaltlichen
Denken doch eine groSe Rolle spielen, sollen sie mit dem besonderen Ter-
minus „taitUia ') disjunktive Urteile" belegt werden.
Seltner ist 8 disjunktiv gegliedert: Entwad« 8, odn 8, •.. ist P (z. B.
entweder der 13. oder der 30. Jan. ist Wielands Todestag).
Disjunktive Urteile können im aUgemeinen thetisch, also apodiktisdi
oder problematisch oder prolhetjsch, d. h. als Annahmen (vgl. S. 686) aus-
gesprochen werden. Die primären disjunktiven Urteile sind, wenn die Prä-
dikat« zwei kontradiktorische Begriffe sind, apodiktisch im engeren Sinne
(S. 686), die sekundären sind unter Voraussetzung der Richtigkeit
des zugrunde liegenden diviaiven Urteils gleichfalls apodiktisch s. Str., da
■} Dies divisive Urleil hat dann zuweilen die
thetisch en Vordersalzes.
') Nach der Zahl der Teilurteile unterscheidet mtn tdnire,
quatemäre disjunktive Urteile usi.
2. Kapitel. Die Lehre von den Urteilen. 709
sie nur eine logische Umformung des letzteren darstellen, und schlechthin
apodiktisch, wenn das zugrunde liegende divisive Urleil eine Division im
pr&gnanten logischen Sinn (S. 706) enthält
Hingeviesen sei noch auf die sprachlichen Unstimmigkeiten, welche
sich bei der Verwendung des Wortes „alle" mit Bezug auf die divisiven und
disjunktiven Urteile ergeben. Im vulg&ren Sprachgebrauch hört man sowohl:
„alle Menschen sind teils mannlich, teils weiblich" als auch „alle Menschen
sind entweder mannlich oder weiblich". Die erstere Anwendung ist un-
zweifelhaft falsch, die letztere richtig, insofern die Disjunktion in der Tat
Toa jedem einzelnen Menschen gilt
Historisches aber die Eolligationen. Den ersten An-
stoB zur Begründung der Lehre von den EolUgationen gaben gleichfalls bereits
die älteren Peripatetiker. Sie stellten der dxoXov9ia des hypothetischen
Urteils (S. 703) bereits die iiv^vtte (^ disjunctio) gegenüber (Philoponus,
Ad Anal. pr. Akad. Ausg. Bd. 13^ 190ö, S. 244). Die Stoiker unterschieden auch
bereits das avftninUj'fiiMiy {■= konjunktives + kopulatives Urteil) von dem
JäiCtir/tiren (== disjunktives Urteil), vgl. S. 697. Ein infolge unvollständiger
Division unrichtiges disjunktives Urteil hieß JiaQadu^tvyfiirar (Gellius, Noct.
AtL XVI, 8, ed. Hertz II, S. 158). Lateinisch nurde ovfiJitnity/iirof mit con*
iunctum oder copulatum, iaitoffiiror mit disjunclum (Cicero, Acad. II, cap. 30,
% 97) oder auch mit disjunctirum C^ieUius, 1. c. V, 11) abersetzt. Fflr dis-
junctio wurde auch der Ausdruck altematio gebraucht (vgl. Prantl, 1. c. I,
S. 522, Anm. 52). Die aral)ischen Logiker betonten mit einigem Hecht. daU
dem kopulativen bzw. konjunktiven Urteil nur eine unitas aggregationls,
dem konditionalen (= hTPothetischen) und disjunktiven eine unilas con-
iunctiona zukomme (Albertus Magn., Periherm. Lib. I, Tract. 4, Opp. Lugd.
1651, Bd. 1, S. 258) •). Hamus (Dialect. ed. 1577, S. 116 ff.) teilte die axiomattt
composila in congregativa und s^regativa ein; das a. congreg, enuntiat
omnia consentanea affirmando und zerfällt in a. copulatum und a. connezum
(s- 5. 703), das a. segregativum enuntiat omnia etiam dlssentanea negando
und zermil in a. discretum (konzessives Satzgefüge) und a. disiunctum. In
der Logik von Port-Royal (ed. Paris 1861, S. 116) wird richtig zwischen
konjunktiven und kopulativen Urteilen unterschieden (ohne Einführung be-
sonderer Termini). Über Wolff und Kant s. S. 698). Baumgarten (Acr. log. *,
§ 232, S. 62) teilt die propositiones compositae in solche, quae plura habent
extrema, und solche, deren eitrema sunt propositiones; zu ersteren gehören
die propp. copulativae, adversativae, discretae und illalivae, zu letzteren die
propp. causales, relativae, occupativae, concomitativa.
Anhangsweise sei noch bemerkt,, daß es außer den in § ISO u.
121 besprochenen, manifest zusammengesetzten Urteilen auch Urteile gibt,
die formal einfach erscheinen, in der Tal aber ein latentes zweites Urteil
enthalten. Hierher gehören z. B. die sog. Propositiones exclusivae,
deren Subjekt von einem „nur" begleitet ist C,nur S ist P"). Sie gestatten,
wenn „nur S" bedeutet „nur alle S", die unmittelbare Verwandlung (Kon-
veraion, vgl. S. 718) in ein universelles Urteil („alle P sind S") oder in eine
negative universelle sog. ezzeptive Proposition (nichts ist P außer S).
*) Ähnlich Lotze, Logik, Lpz. 1874, S. 9{. — Aus der neueren Literatur
sei erwähnt Sam. Louri6, Die Prinzipien der Wahrscheinlichkeitsrechnung,
eine loa. Unters, d. disjunkt Urteils, Tübingen 1910.
OgIC
710 IV- Teil. Dig cipwlneii totiachen Gebilde und ihre OeBelte.
3. Kapitel
Die Lehre von den Schlüssen.
S 122. Der ScfaluB Im lo^lMheii Sinn; sein Inhalt wai
Gegenstand und seine Bestandteile. Die psycfaolo^he
CharakteriBtik des Schlusses (Conclnsio) *) wurde in % 11 ge-
geben (vgl. aach S. 603 u. 701). Dort ei^ab sich, daß die
UrteilssyntheBen {S.393) in 2 Klassen zerfallen : dieKlaeseder
zneammeDgefietzten Urteile and die Klasse der Schlüsse'*).
Die zQsammengesetzten Urteile wurden weiterhin in hypothe-
tische Urteile und zusammenfasBende Urteile (Kolligationen)
eingeteilt Der SchlnO unterscheidet sich von dem znsammett-
gesetzten Urteil (sowohl dem hypothetischen wie dem zn-
sammenfasseDden) durch folgende Merkmale: 1. er besteht
aus mehreren Urteilen (wenigstens zwei), während das
zusammengesetzte Urteil sich zwar nachträglich zerlegen
läDt, als solches aber eine Einheit darstellt; 2. die Urteile,
ans denen der Sehlnfi besteht, sind nicht gleichgestellt, son-
dern das letzte ist den übrigen übergeordnet, insofern es za
denselben im Verhültnis der Folge zu den Gründen (Ver-
liultnis der Konsequenz, Tgl. S. 381, 395 n. 698) steht nnd das
Ziel der ganzen ürteilsreihe bildet; 3. dementsprechend
erscheint der Schluß als ein Sukzessiv gebilde, dessen
Glieder wenigstens insofern an eine bestimmte Reihenfolge
gebonden sind, als das letzte Urteil (das Conclusnm oder
Schiufiurteil) seine Stelle nicht mit. einem der anderen ur-
teil« (der Prämissen oder Vordemrteile) vertauschen kann.
Die Logik bann diese psychologischen Feststellungen
sämtlich übernehmen, jedoch mit der Maßgabe, daß alle zur
Verwendung kommenden Begriffe und Urteile und auch die
Beziehungen der Prämissen zueinander und zu dem Schlnß-
arteil „normalisiert" nnd daher den wechselnden psycho-
logischen Bedingungen entrückt werden. Daher spielt für
den Schluß im logischen Sinn das unter 3 angeführte Merk-
mal der Sukzession eine untergeordnete Bolle gegenüber däu
unter 2 angeführten Merkmal der zielmäßigen Konsequenz.
Logisch kann deir Schluß sonach kurz definiert werden als
eine Reihe von Urteilen, deren eines zn den übrigen im Ver-
hältnis einer Konsequenz steht.
') über die Verwenduiis des speziellen Terminiis SvlIOBiamus s. unten
S. 724 u. 726. — 1>) Dabei sind die terminolog. DeiDefkunsen S. 697, Anm. Sa
va beitchteii.
OgIC
3. Kapitel. Die Lehre von den Schlössen. "JW
Im bypolhetischen Urteil vird die Konsequenz behauptet, im SchlnB
(im hypothetisch en SchluB und jedem anderen ScbluB) werden die eintelnen
Urteile und insbesondere das Schlufiurteil behauptet und zwar letzteres als
Eitebnis, d. b. auf Grund der Konsequenz. •— Die nachdrflckticbe Betonung
einer Konsequenz ist eriorderlich, um den SchluB vom Beweis zu unter*
•cheiden (vgl. Kap. 4)'). — Die relative GleichKQltigkeit der Sukzession fOr
den logischen Schluß ergibt sich daraus, daB ich nicht nur seine Prämissen
unslellen, sondern auch das SchluBurteil den Prlmissen Toranstellen kann:
Cajus ist sterblich, denn er ist ein Mensch, und alle Menseben sind sterttUcb.
Die Termini „Inhalt" und „Gegenstand" lassen sich auch auf den
SchluB unmittelbar abertragen. Der Inhalt eines Schlusses ist gegeben in
den Inhalten seiner TeilurteUe und ihrer VerknOpfung (also in ihrer Kon-
sequenz). Innerhalb dieses Gesamtinhalts kommt dem Inhalt des SchluB-
urteits gemäfi seiner soeben hervorgehobenen dominierenden Stellung ein«
besondere Stellung zu. Die Konsequenz kann als ebenso wesentlicher Be-
standteil des ganzen Schlusses auch ausdrücklich als SchluBverknQpfung
(analog dem Terminus „Urlcilsverknapfune", vgl. S. 376) bezeichnet werden.
Der Gegenstand (S. 265) des Schlusses ist die Gesamtheit der fundierenden
Urteile, «eiche in der Eonsequenz for das SchluBurteil verwertet werden,
eioschlie Blich der tatsächlichen zwisohen diesen fundierenden Urteilen be-
stehenden Beziehungen, soweit sie für das SchluBurteil verwertet werden.
Er dart keinesfalls mit dem Gegenstand des ScbluQurteils verwechselt werden.
Die Bestandteile des Schlusses im logischen Sinn könqen
anbedenklich ebenso bezeichnet werden wie diejenigen des
Schlusses im psychologischen Sinn. Wir nnterscheiden also
ein oder mehrere Vordersätze (Vorderarteile, PrKmissen)
find einen Schlußsatz (Schlnfiurteil, Konklnsom). Die
Hauptbegriffe, welche in den Teilurteilen des Schlusses ent-
halten sind, werden oft auch „Termini" oder besser Ter me
im prägnanten Sinn genannt Viele Bezeichnungen, die
für die Teilurteile und Teilbegriffe besonderer SchloSformen
üblich sind, werden bei Besprechung der letzteren angeführt.
Historisches. Bei Plato hat das Wort tvXioyi«MÖc die allgemeinere
Bedeutung des Denkens (Theaetet 186 D). hei Aristoteles wird es zum ersten*
mal ausdrücklich für den SchluB (und den Beweis) gebraucht (ftnalft pr.,
Akad. Ausg. 2ib; ovlJMyMfiic ii Am Xiyat ir if tt9lytatr ii^ür htfir n
tvr nufiimv iiäräyxijs w/iflnlr*! t% t«£rir (&ai). Die sog. unmittelbaren
Schlüsse (vgl. S. 894 u. unten S. 716) rechnet A nicht zu den aMoyiv/ial.
Die Stoiker bezeichneten den SchluB bzw. die von ihnen vorzugsweise berück-
sicfatigte Uauptform des Schlusses schlechthin als l^t (Diog. Laert., De
ctar. pfail. Vit. VQ, 76, ed. Cobet S. 176). Der Terminus ■mUoriv/Mc'
wurde mehr und mehr auf eine spezielle Form des Schlusses, nämlich den
aog. deduktiven SchluB beschränkt (Andeutung schon bei Alexander Aphrod.,
Ad AnalyL priora f. 106 v, Akad. Ausg. 18631 S. 316 f.). Die Prämissen
wurden von den griechischen Logikern als nf/aitirifitr« oder jt^irta oder
tttifttfn oder als nqnättit im prftgnahten Sinn bezeichnet, der SchluB hieB
•och «vfoti^vfia oder iTtuftofä, die Termini opoi (ArisioL, Ak. Ausg. 2i a).
*) Bei den SchluBketten ist die Konsequenz mehrgliedrig. Vgl. S. 757.
h. !■, 11,1^.001510
712 ^- ''*"■ ^'" «w»lnen lociachen Gtbilde und ihre Geaetge.
In der itterea römischen Literatur finden sich für den ScbluB im allcetneinen
die AusdrOcke ratiocinatio, coUectio und conclusio, der letzteenannle wirf
sowohl tor den ganzen SchluS wie für das Schlufiurteil verwendet BeispielB-
weise erkl&rt Cicero (De divin. II, cap. iS, % 1(6): conchisio autem rationis
ea probanda est, in qua ez rebus non dubiis id, quod dubitatui, elficitar.
FQr das Verhältnis des SchluBurteils zu den Votderurteilen findet sich nebca
elfici auch consequi. In der Kaiseraeit hmucbte man auch das Wort ,4Ttto-
gismus", wie es scheint, in eanz allgemeinem Sinn (Seneca, Quintilian).
Durch die Schriften des BoSthius verdrängte dieser Terminus dann fOr
längere Zeit alle anderen, doch stellt B. bereits ausdraddich die inductio den
Syllogismus gegenOber (ed. Uigne Bd. 6i, S. 709). Aus der Lehre vom brpothe-
tiscben Urteil (vgl. S. 698} wurden die Termini propositiones antecedentes für
die Pr&missen und proposilio consectuens fOr ias SchluSurteil entlehnt Der
Zusammenhang zwischen den Prämissen und dem SchluBuiteil wurde ala
consequeutia oder consecutio oder inferenlia bezeichnet'); auch von einer
vis inferenliae und necessitas inferentiae wurde gesprochen. Nicht selten
wurden freilich dieselben Bezeichnungen auch fOr den SchluB selbst oder
auch fOr das Scblußurteil gebraucht. In den lateinischen Übersetzungen do-
Itniscten Werke der Araber tritt zum erstenmal die Bezeichouns praemisaae
fOr die Pr&miasen auf (s. PrantI, 'Geech. d. Log.. Bd. 2, 2. AuQ. 188&, S. 317
u. S18, Anm. iS). FQr die Lehre vom ScbluBgegenstand ist folgende von
PrantI (1, c S. 364) hervorgehobene Stelle aus der Metaphysik Avicennas
sehr bemerkenswert: „Jam autem posuerunt quidam propositiones sinüliter
materiam conclusioni. Et est error; immo propositiones sunt materia fiendi
syllogisml, conclusio vero non est forma propositionum, sed quoddam, tiuod
consequilur ex illis, quae propositiones efficiunt in anima." Die spSlece
Scholastik hat vielfach das Wort „consequentLa" ab allgemeinsten Terminus
lor alle Schlüsse verwendet, vgl. z. B. Duns Scotus, Quaest. sup. Analrt
pr. I, Qu. 20, ed. Paris 1891, Bd. 2, S. 130 b: „quaedam est ccnsequentia
enthymematica, et guaedam STllogistica". Auf die verwickelte und wenif
fruchtbare Weiterentwicklung dieser Lehre von den conseiiuentiae kann hier
nicht eingegangen werden.
Eine eigentümliche Stellung weist P. Bamus (vgl. S. ■*52) dem SchfaiC
an. Er bezeichnet nämlich als dianoia den DenkprozeB, „cum aliud szioiiu.
ex alio deducitur", und unlerscheidet zwei Foniien der dianoia: syllogismiis
und methodus (Dialect. Lib. n, Cap. 9, ed. 1677, S. 134). Ersterer cntspriiü
dem SchluB in unserem Sinn, unter letzterer versteht R,, soweit aus dar
nicht ganz klaren Darstellung zu entnehmen ist *], eine auf Grund ihrer
Fundierung und Bdcanntheit systematisch geordnete Urteilsreihe (etwa nach
Analogie der Begrifisreihe Punkt, Linie, Fläche, Körper). Sicherüch hebt IL
damit einen wichtigen Gesichtspunkt hervor. Wie wir Stufenleitern und
Systeme von Beritten aufstellen können (vgL S. 333 u. § 97 u. 107}, sa iit
») Vgl. z. B. Abaelard. Dialectica, P. UI (ed. Cousin S. S25): Interenlia
itaque in necessitate consecutionis consistit, in eo scilicet quod ex aeiwa
antecedentis sententia exigilur consequenlis, sicut in farpothetica prop»-
silione dicitur . . .
*} Die Definition lautet: „methodus est dianoia variorum aziimiatUBi
homogeneoruro pro nalurae suae claritate praepositorum, unde omnium inter
se convenientia iudicatur memoriaque comprehendilur" (I. c. S. 166). Der
Sinn dieser Definiüon ergibt sich erst aus den weiteten Erörterungen.
8. Kapitel. Die Lehre voo den SchlQssea 713
auch eine systematische Ordnung von Urteilen möglich. Ftlr eine solche
Ordnung können auch Beziehungen der Eonsequenz, gelegentlich aber auch
andere Beziehungen verwendet weiden; jedentalls wird aber auch im ersteren
Fall das Hauptgewicht nicht auf die Begrtlndung, sondern auf den systema-
tischen Zusammenhang gelegt. Die methodus des Ramus gehört aUo nicht
in die Lehre vom Schlufi, sondern in die Lehre von der Wissenschaft in
dem S. 4ßl, Anm. 1 festgesetzten weiteren Sinn. VgL auch Locke, Ess. conc.
hum. undersL IV, 17, 3.
Die Logik von Port-Boval (ed. Paris 1S61, S. 159 ff.) verwendet ohn«
scharfe Unleischeidung die Bezeichnungen „raisonnement" und „syllogisme**
(Or den Schluß; zuweilen wird auch von „argument" gesprochen <>).
Wolff (Logica % 60) definiert die ratiocinatio (auch ratiocinium oder
discursus genannt) zu eng als die operatio mentis, Qua ex duabus propo-
sitionibus terminum communem' habentibus formatur lertia, combinando
(erminos in utraque diverses, und den Syllogismus als ihren deutlichen
sprachlichen Ausdruck (oratio, qua ratiocinium ... diatincte proponitur,
§ 832). Vgl. auch Baumgarten, Acroasis logica g 0(6 ff. Die Lehre vom
SchluB wurde oft als Dianoilica, die Prftmissen als praemissae oder data
oder sumliones, das SchluBurteil als conclusio (statt coDclusum), der Zu-
sammenhang des SchluBurteils mit den PrämiBsen als conaequentia oder
Folge, die Bildung des SchluBurteils als illatio (vgl. S. 393, Anm, G] be-
zeichnet. Ist der SchluB gewiß und deutlich, so wiude er auch ratiocinium
s. Str. oder „VemunftschluB" („gelehrter Vemunftschluß") genannt (vgl.
z. B. G. Fr. Ueier, Vernunftlehre, 2. Aufl., g S8S). Im Anschluß an diese
Terminologie unterschied dann E a n t Verstandesschlüsse, Vemunf (Schlüsse
und Schlüsse der Urteilskraft (Logik g 41 ff.). Seine Definitionen lauten: ein
Schluß ist „die Ableitung eines Urteils aus dem andern", der Yerstandes-
schluB ist eine unmittelbare Ableitung „eines Urteils aus dem andern ohne
«in vermittelndes", der VemunftschluB ist „das Erkenntnis der Notwendig-
keit eines Satzes durch die Subsumtion seiner Bedingung unter eine gegebene
allgemeine Begel", die Schlösse der Urteilskraft sind „gewisse Schlußarten,
aus besonderen Begriffen zu allgemeinen zu kommen". Die VernunttschlOsse
und die Schlüsse der Urteilskraft sind mittelbar. Die letzleren faßt K. als
„Funktionen der reflektierenden", d. h. der „vom Besondern zum Mge-
roeineD gehenden" „Urteilskralt" auf (im Gegensatz zu den Funktionen der
bestimmenden Urteilskraft, die vom Allgemeinen zum Besondem geht). Ei
schreibt der reflektierenden Urteilskraft nur s u b i e k t i v e Gültigkeit zu, ds
das Allgemeine, zu welchem sie von dem Besonderen fortschreite, nur em-
pirische Allgenteinheit, ein bioBes Analogen der logischen sei. In-
duktion und Analogie werden als die beiden SchluBarten der Urteilskraft an-
geführt; der Terminus „Syllogismus" wird vermieden. Etwas andere Defini-
tionen gibt K. in der Kritik der reinen Vernunft, Kehrb. Ausg. S. 26b u. 267.
Aq der zweiten Stelle wird der unmittelbare SchluB als Vetstandesschlul,
der mittelbare schlechfhin als VemunftschluB bezeichnet. Der letztere soll
in der Weise zustande kommen, daB zuerat eine (allgemeine) Begel durch
den V e r s l a n d gedacht, dann ein Erkenntnis unter die Bedinguiw der
Begel vermittelst der Urteilskraft subsumiert und endlich in dem Kon-
■) In der neueren französischen Literatur wird oft der Terminus „syllo-
Sisme" für die vollständige und typische und einfachste Form des raisonne-
ment verwendet (vgL z. B. D. Mercier, Loiidue, 5. AuQ. Louvain— Paris
1909, S. itß).
714 'V' T^. Die «inKlttMi locischtti G«tälde und ihre GcmIu.
klutum d«B .Erkenntnis durch das Pr&dikat der Regel, mithin > priori
durch die Vej-nunft bestimmt'" wird. Hier ist also von besonderen
Schlüssen der Urteilskralt noch keine Rede. Die Einsch<uoK der letzletea
in der Logik hfingt wohl mit den inzwischen in der Kritik der Urteilskraft
(uedergeleglenGeduikenglnsen (Einleit. m u. IV) zusunmen.
Eine wesentliche Veränderuiif in der allsemeinen Terminolotfe des
Schlosses isl seitdem in Deutschland nicht eingetieten, nur wurde es mehr
und mehf üblich, den Terminus SrlloEismus wieder in enserem Sinn ra
bnochen, vgl. g 126. In England wurden die wichtigsten Termini zuerst *MI
Locke etwas schärfer fixiert, und zwar inference (illalion, to infer) fOr da
SchluB im allgemeinen, syljogism für den logisch formulierten SchluB (Eas.
coDC. hum. underst. IV, 17, i). Das Schließen ist fflr Locke nur eine Foim
der Titigkeit der Vernunft (reason) neben anderen. Erst J. St Hill ;A System
ol logic etc. Bd. 1. Book II) hat diese Nomenklatur wesentlich verändert Er
bezeichnet iede Ableitung eines Satzes aus einem anderen als reasoning
oder infefence und verwendet die Bezeichnung ratiocination or sTUogiam im
engeren Sinn fQr reasoning from generals to pariiculars und stellt sie daher
der induction (reasoning from particuUrs to generals) gegenüber*). Die
neueren englischen Logiker braucheA größtenteils fOr den SchluB im allge-
meinen das Wort „interence"' und reservieren das Wort „syllogism" für deo
mittelbaren SchluB (mediale interence or inFerence by a medium or middl«
lenn, vgl. z. B. W. St Jevons, Elena, lessons in logic, IS. AufL, London 1890,
S. 126). Die Vorderurteile werden als premisea, das SchluBurleil als condv-
■ion bezeichnet.
fi 123. EiateilDnK and BllKemeine STinboUk der SehlBsse.
Aach die Schlüsse können von Terschiedenen Gesichtspunk-
teo eingeteilt werden. Anf Grand des G«lta ngsbewaflt*
«eins {vgl. S. 382) hat man thetische and prothetisehe
Schlüsae zn unterscheiden. Der thetische Schloß besteht aus
thetischen urteilen (^ 76), der prothetisehe enthält eine oder
mehrere Annahmen (Prothesen). WeitsoB die meisten
Schlüsee des täglichei) Lebens and des wissenschaftlichen
Denkens sind thetisch. Ein Beispiel einer Prothese erleben
wir, wenn wir irgendeinen gewagteren SchlnB etwa eines
philosophischen Schriftstellers (beispielsweise eines der
Argumente Kants zagnnsten der Apriorität der Banm-
anschaaung) zuerst kennen lernen; dann wird oft zunächst
Widerspruch und Zustimmung sowohl für die Vordemrteile
wie für das Schlnßnrteil wie auch für den Zusammenhang
zwischen diesem und jenen ansbleiben: der ganze Schloß
wird also prothetisch sein (vgl. S. 383). Mitunter kommt
jedoch dieser prothetisehe Charakter nttr einzelnen Teil-
urteilen zu. So kann ich z. B. eine Annahme (ein protheti-
, Hill weiterhin dies»
3. Kapitel. Die Lehre von den SchiOsseu. 715
ecbes urteil) prüfen, indem ich es aU erste Prämisse ver-
wende, eine thetiecbe Prämisse hinzofüffe, den Schlafi ziehe
und diesen, der für mich zunächst infolge des. prothetischen
Charakters der ersten Prämisse selbst prothetisch ist, mit
der Erfahrung vergleiche oder auf seine Kongruenz (S. 289)
nntersnche. Bei dem indirekten Beweis spielen solche par-
tiell prothetischen Schlüsse eine groBe Bolle.
Eine zweite Einteilung der Schlüsse gründet sich auf
die Zahl der Vorder urteile. Die onmittelbaren
Schlüsse (Conclusiones immediatae) enthalten nur
ein, die mittelbaren (Concl.mediatae) wenigstens
zwei Vorderttrteile (vgl. S. 394) '). Übrigens kann dnrch
Latentwerden eines oder mehrerer Vorderurteile (enthyme-
matische Verkürzung, S.394) ein mittelbarer Schluß die Form
eine« unmittelbaren annehmen.
Mit dieser Einteilung kreuzt sich eine dritte, bei
welcher in Betracht gezogen wird, ob das Schlußurteil unsere
Erkenntnis erweitert, also eine neue Erkenntnis {^cq^v tt v£v
xgiftivnv, Aristoteles), zustande bringt oder die Vorderurteile
bzw. das Vorderurteil lediglich umbildet, z. B. irgendwie zu-
sammenfaßt, ohne die Erkenntnis zu erweitem. Erstere wer-
den auch als Schlüsse s. str. (vgl. S. 392) oder als Erwcitc-
mngsschlüsse, letztere am besten als Umbildangsscblüsse
bezeichnet. Ausschließlich sprachliche Cmformaogen
(z. B. tjbersetzungen, Einsetzungen von Synonymen) sollten
nicht als Schlüsse bezeichnet werden (vgl. 394).
Eine vierte und fünfte Einteilung beruht auf der
Qualität (S. 638fr.) bzw. Quantität (S. 656fr.) der Prä-
missen, bezieht sich also darauf, ob die Prämissen bejahend
oder verneinend, generell oder individuell, universell oder
partikulär sind usf. Für die wichtigen hieraus sich ergeben-
den Schlußformen sollen erst bei der speziellen Besprechung,
soweit erforderlich, besondere Bezeichnungen eingeführt
werden. Eine sechste Einteilung ergibt sich aus der Be-
rücksichtigung der Modalität der Prämissen. Es leuchtet
ein, daß die Modalität des Schlnßurteils, d. li. sein problema-
tischer oder apodiktischer Charakter (vgl. S. 682) von der
Modalität der Vorderurteile abhängen wird. Die siebente
Einteilung endlich berücksichtigt die Struktur (S. 697)
„einlaclie" und „tu-
OgIC
716 IV. Teil. Die einEelnen logisdiep Gebilde und ihre Gesetze.
der Främiseen, srmppiert also die Schlüsse, je nachdem die
Prämisseo kategorische oder hrpothetische oder zusammen-
fassende Urteile sind i% 120).
Im folgenden wird zunächst die Einteilung
in unmittelbare nnd mittelbare Schlüsse zn-
grnnde gelegt.
Bezüglich der allgemeinen Symbolik der Schlüsse soll
festgesetzt werden, daß sämtliche Teilarteile auf die Schal-
form „S ist F" gebracht werden (vgl. S. 619 f.), nnd daß die Zu-
gehörigkeit eines S bzw. P zur ersten oder zweiten «sf. Pr5-
misse nötigeufalls dnrch eine rechts unten beigesetzte rö-
mische Ziffer (St, Sd> Ft usf.) ausgedrückt wird. Im Schluß-
urteil werden diese Ziffern weggelassen. Zwischen die ein-
zelnen Prämissen soll ein Semikolon gesetzt werden; dieses
drückt also das Znsammenbestehen der Prämissen ans. Die
letzte Prämisse und das Schlußurtejl sollen durch Semikolon
und Doppelpunkt ;: getrennt werden. Abgekürzt kann ein
Teilurteil auch S P (statt S — P) geschrieben werden.
S Ppr bedeutet, daß S P nur Annahme (Prothese) ist.
Die Blnebraische Losik setzt jede Primisse in eine Klammer und rat
d&3 EonUusum das Subsuuitiiinszeichen ^ (vgl. z. B. E. Scbroeder, AbriE
d. AI«, d. Log. 1. Teil, Lpz-, Berlin 1909, S. 7 «. Vories. Ober d. Alg. d. Lo|.
Bd. 11, 1, Lpz. 1891, S. 217 ö.; Couturat, L'algöbre de ia logique 1905. § 6).
4X ^5 ß bedeutet also: aus dem Urteil <x folgt das Urteil ß. desgleichea
(> < b)(b<c) ^ (a < o): wenn a kleiner ist als b und b kleiner ist
als c, d&aa ist a kleiner als c (sog. Aussagenmultiplikation). Vgl. auch S. 569.
Andrerseits verwendet sie zur Einleitung des Konklusums auch ein PunLI-
dreieck (Scbroeder I. c. Bd. 2, S. 231).
§ 124. Unmittelbare Sehlnsse. Die unmittelbaren
Schlüsse zerfallen in folgende Hiauptgruppen:
1. solche, deren Schlnßurteil aus der Prämisse sich schon
auf G)?and der Wortbedeutangea der Terme der letzteren
ergibt;
2. solche, deren SchluBurteU säch auf Grund der allge-
meinen logischen ürteilsprinzipien (^ 119) ergibt;
und 3. solche, deren Schlußurteil sich bei Vertauschnng
von S mit P aus den speziellen quantitativen Beziehmigen
zwischen S und P ergibt.
Zu der ersten Gruppe gehören Schlüsse wie: alle
S P ; : einige S — P oder alle S — P ; : dies S — P oder
alle Säugetiere haben warmes Blut ; : die (bzw. anch: alle)
3. Kapitel. Die Lehre von den Schlosses. 7^7
Waasersängetiere haben warmes Blut (vgl. S. 394). Soweit es
sieh dabei, wie in diesen Beispielen, nm Übergang vom üniver-
Bellen zam Partikulären oder Individuellen handelt, spricht
die ältere Logik von einem Schluß „ad subalternatam
propositionem" oder „a majori ad minus" (Snbaltematione-
schloit, vgl. S. 719). Der umgekehrte Schluß (einige bzw.
viele S P : : alle S — ^P) heifit „ad subalternantem" oder
„a jninori ad majus" und muß seibstverständlich nicht
richtig sein und ist daher generell nicht zulässig; trotzdem
spielt er bei dem sog. induktiven Schluß (S. 397 u. unten ^ 132)
eine sehr bedeutsame KoUe. Vgl. auch S. 733 über das Dictum
de omni et nullol
Nicht zu der ersten Gruppe und überhaupt nicht zu den unmittel-
baren Schlüssen gehören diejenigen Schlüsse, bei welchen sich das SchluB-
urteil erst vermöBe einer Nominaldefinition seines Subjekts (vgl. S. 636) aus
der Prämisse Ergibt. Beispiel: alle S&ugetiere haben warmes Blut; ich ver-
stehe unter Aplazentaliem eine bestimmte Unterklasse der Säugetiere; also
haben die Aplazentalier warmes Blut. Sie bilden den übersang zu den sehr
häufigen mittelbaren Schlüssen, bei welchen das ScbluBurteil durch eine
Bealdefinilion seines Subjekts erzielt wird. — Schlüsse wie der oben an-
geführte mit dem Konklusum „dies S ist F' (vbI. S. 378 u. 83*) leiten
übrigens schon zu den mittelbaren Schlössen hinüber, insofern der ScbluB
zerlegt werden kann in „alle S sind P; dies ist ein S; dies (seil. S) ist ein P'.
Bei der zweiten Gruppe handelt es sich um mannig-
fache Anwendungen des Princlpium contradictionis in seineu
verschiedenen Formen (vgl. S. 692). Hierher gehört der
Schluß: S ist P ; : S ist nicht non-P. Das Schlußurteil ist
nnr dann richtig, wenn „ist non-P" soviel bedeutet wie „hat
die Eigenschaft P überhaupt nicht" ^) oder „gehört zur
Klasse der nicht-P, d. h. gehört nicht zur Klasse der P". In
der älteren Logik spricht man in einem solchen Fall von
Schlüssen durch oder aus Äqnipollenz (s. str.). Vgl.
hierzu S. 692 über äquipollente Urteile.
') Vgl. S. 423, Anm. 1 u. 43a An der letzteren Stelle wurde non-a
in anderem Sinn definiert, oben hat e9 die S. 423, Anm 1 u. Mit. fest-
gesetzte Bedeutung. Bei der großen Zahl von logiseben Schwierigkeiten,
welche dem Terminus non-a anhalten, stelle ich seine Bedeutungen hier
nochmals zusammen, non-a kann entweder bedeuten „von a verschie-
den" oder „a (Akkusativ) ausschliefiend". DemgemAS bedeutet „non-a als
Teilinhalt innerhalb eines Gesamtinhalts 1 denken" entweder ,4nneriialb
J etwas von a verschiedenes denken", wobei oBen bleibt, ob daneben
such a gedacht wird oder nicht, oder .innerhalb J a nicht denken". Soll
mit a selbst der G e s a m t inhalt des jeweiligen Denkens gemeint sein, so
bedeutet non-a denken in beiden Fallen (sowohl in dem Sinn „von a ver-
schieden" wie in dem Sinn „a auBScblie&end") soviel wie „a nicht denken".
718 IV. Teil. Dia eintelnen logischen Gdiilde und Hut Ge«eize.
Wichtiger sind die anmittelbaren Schlüsse der dritten
Gruppe. Hierher gehört vor alleoi die EonTersion, d. h. die
formal richtige Herleitai^ eines gleichinhaltliehen Urteils
ans eiDem anderen durch Vertanschung von Subjekt und Pni-
dikat ev. unter entsprechender Ähänderang der Qnantitäts-
bezeichnung. So entsteht aus dem universellen affirmativen
Urteil „alle S P" das partikuläre affirmative Urteil „einigt
p S" (Conversio per accidens), aas dem universellen
negativen Urteil „kein S P" das universelle negative
„kein P S" (Conversio simplex, d. h. Konversion ohne
Quantitätsänderung) und aus dem partikulären affirmativen
„einige S P" das partikuläre affirmative „einige P S"
(gleichfalls Conversio simpIex). Aus dem partikulären nega-
tiven Urteil „einige S sind nicht P" ergibt sich durch Eon-
version das Urteil „die P enthalten einen Teil der S", d. h.
P ist dem S nicht superordiniert, sondern mit S gekreuzt*);
für solche Snperordinationsurteile (in diesem Spezialfall ein
negatives) ist, wie früher S. 673 hervorgehoben wurde, bei
der üblichen Klassifikation der Urteile eine besoudere Bolle
nnd ein besonderer Terminus nicht vorgesehen. Etwas miß-
verständlich drückt, man dies auch durch den Satz aus, daS
partikuläre .negative Urteile eine Konversion nicht zulassen.
Offenbar haben alle diese EonTersionen nur dann einen Sinn, vaut
dag P der Prämisae einen dem S abergeordneten Gatlunssbegrifl bezeidin«.
die Pr&misse also ein Subsumtionsurteil ist (vgl S. 673). Ist P ein HeckmiL
die Prämisse also ein Inhirenzurteil ^vgl. S. 610), so bekommt die Eoo-
version erst dann einen Sinn, wenn an Stelle des Merkmals P duich die
S. 4tlj u. 518 besprochene Hypostasierung die Gattung der Träjer dea Uett-
inals P gesetzt wird ;z. B. alle Ur&nverbindungen sind radioaktiv := alle ütan-
verbindiingen sind Triger des MericmaU der Radioaktivit&t; Konveision;
einige Tr&ger des Merkmals der Radioaktivität sind Uranvetbindungen)-
Dabei hat das Wort „einige" in dem konvertierten Urteil die Bedeutunc
„wenigstens einige" (vgl. S. 665). Es leuchtet ein, daB in vielen Fiilen
eine solche Hypostasierung und damit die Eonversion den gewöhnlichen ¥a>
gingen des Denkens ;im psychologischen Sinn) wenig entspricht*).
Außer der Konversion gehört zur dritten Gruppe die
sog. Eontrapositlon. Sie unterscheidet sich von der ersteren
dadurch, daß das kontradiktorische Negat des Prä-
dikats der Prämisse (vgl. S. 547) znm Subjekt des SchlnS-
^ Dabei ist vorausgesetzt, daß „einige" bedeutet „nur einige". Be-
deutet es „wenigstens einige", so lautet das konvertierte Urteil: P ist von S
völlig getrennt o d e r mit S gekreuzt (kein P ist S oder nur einige P sind S).
*) Sigwart, Logik ', Bd. 1, S. 440 hebt dies namentlich (Or die Urteile
der Aktion (Prfidikat ein zeitUches Geschehen) hervor.
•oog\c
3. Kapitel. Die Lehre von den Schlüsaea. 719
Urteils gemacht wird. Dabei ist meistens eine Umkehr der
Qualität erforderlich. So entsteht aus
alle S sind P t alle non-P sind niclit S
(^ kein non-P ist S);
kein S ipt P : einige*) non-P sind 8;
nur einige S sind P : einige non-P sind S;
wenigstens einige S sind P : einige oder keine non-P
sind S").
Die Hauptbedentung der Konversion und der Kontra-
position für das praktische Schließen liegt in den folgenden
beiden Regeln *) : 1. Steht fest, daß, wenn etwas A ist, es anch
B ist, so folgt, dafi, wenn etwaa nicht fi ist, es anch nicht A
sein kann, und 2. steht fest, daB, wenn etwas A ist, es nicht
B ist, so folgt, daß, wenn etwtas B ist, es nicht A sein kann.
Alle übrigen Fälle von Konversion und Kontraposition haben
geringe Bedeutung. Die beiden angeführten Fälle entspre-
chen der sog. „reinen" Konversion und Kontraposition.
Eine Erweiterung nnsrer Erkenntnis liegt bei den un-
mittelbaren Schlüssen nicht vor; sie gehören also nicht zu den
Schlüssen s. str.
Historisches. Die alte Losik legle auf die Lehre von der Sub-
alteraation, AquipoUenz, Eonversion und Kontraposition groBes Gewicht.
Dia unmittelbaren Urteile der ersten Gruppe sind, wie es scheiut, zuerst von
Appuleius (Btfi iffi., «d. Oud. 266. ed. Thomas III, S. 179) genauer be-
schrieben worden. Er stellte folgende Tafel auf:
L alle S P, IL aUe S nicht P,
m. einige S P, IV. einige S nicht P.
und nannte Urteile im Verhältnis von I zu II propositiones incongiuae, Urteile
im Verhältnis von m zu IV pr. suppares, Urteile im Verh<nis von I zu IV
oder II zu m alterutrae. Für die Urteile im Vertiiltnis von I zu HI und
n zu IV fohrten die jatetnischea Logiker dann weiterhin die Bezeichnung
propositiones subaltemae ein (vgl z. B. BoSthius, De syllog. caL, Mignes
Palrol-, Bd. 6*, S. 773 u. dies Vferk S. 663 u. 692). — Die Lehre von den
äquipollenten unmittelbaren Schlössen geht gleichfalls anscheinend aul
Appuleius zurück (l c. ed. Thomas S. 181), doch hat der Tenninua A<iui-
pollenz bei ihm noch eine etwas allgemeinere Bedeutung. — Die Lehre von
der Eonversion, dem Jmainiiptty, hat Aristoteles begründet (Analyt. pr.
Ak. Ausg. ffla). Er gibt die oben angeführten Hauptregeln bereits an und
sucht sie apagogisch wenigstens zum Teil zu beweisen. Über die Um-
*) „einige" hat hiei die Bedeutung „wenigstens einige, vielleicht sogar
alle".
■) Der nbiichen Fonnuliening, daS aus dem Urteil „Einiges S ist F'
nichts durch Eontraposition folge (vgl. z. B. Sigwart 1. c. S. UV), kann ich
nicht zustimmen.
•) Vgl. Sigwart, I. c S. Ml.
n,g,t,7rJM,GOOglC
730 ^- '^'''- ^^ einzelnen losischen Gebilde und ihre Gesetze.
kehnins des parlikulftien neEativeo Uneils beme At er : tifi' «n^'*'^' (oimbcii
if fi^*! Jt^Tucw ävtMt(ii<ftui KBiä fiigof, wie es vom positiven puUkn-
Uren Urteil gilt) av« ((i>ax'"''<»'nut der unausreichenden BeErflndungtBv 7a; d
if^fUiat fii vniifgu toi j'ufi, *a,l Cnotr avjr vnaQgU Uri ifSqiön^ (die ricboga
KouTeiGion a. o.)- Aach versacht er analoge Eonversionaregeln für die one Mög-
lichkeit aassageoden Urteile {jis staä tö iriixt*iat ngatävw) aafmstelleD (L c
32a, 15 tL). Bei Galen {ed. Kühn, Leipz. 1826, Bd. XI, De simpl. med. lemp. S.499)
tritt neben demTeiminns ävjtaigitpto'aachäeiTermiimiaymoTfu^i mt, tller-
dinn, wie mir scheint, ohne ausreichend scharle Unterscheidung (vgl. da-
gegen Prantl. 1. c. Bd. 1. S. &69). Bei Appulejus ;i. c, S. 181) begegnet uns
zuerst die Bezeichnung „conversio". Das unirenelle verneinende und du
partikul&re bejahende Urteil bezeichnet er als „conversibiles" (im pTtgaanteo
Sinn), insofern bei ihnen eine Umkehrung ohne Quantit&ts- und ohne QnaU-
tätsändening vorgenommen werden kann (selbstverständUch ohne d&B der
WahrbeitstehalL sich verschiebt, „permanente conditione veritatis aut falsi-
tatis"). Die oben als Kontisposition bezeichneten unmittelbaren Schlosse
bebandelt er als eine „altera propositionum conversio, quM non tantom
ordinem, sed etiam' ip3as particulas in contrarium perducit . . .". Eine sehr
ausfOhrliche Behandlung der Umkehrungen findet sich bei Boethius. Er stellt
die conversio per accidens der conversio simplex gegentlber und spricht von
einer conversio per contrapositionem (Hignes FatroL Bd. 6i, S. 904 E, 2S9
— allgemeine Definition des converti — , 786 fl.).
Auch in der Folgezeit wurde der Terminus „Konveraion" noch nidit in
heutigen Sinn gebraucht. So erkl&rt z. B. die Logik von Port-Royal {U, 18):
.,011 appelle conversion d'une proposilion, lorsqu'on change le sujet en sttri-
but (== I^adikat, s. S. 623) et l'attnbut en suiet, sans que la proposition
cesse d'etre vraie, si eile l'^lait auparavant, ou plulCt en sorte, qu'il s'ensuiva
nteessairement de la conversion, qu'elle est vraie, supposä qu'elle le ful".
Im einzelnen finden sieb manche treffende Bemerkumen. Baumgarten (Acr.
log. § 278 B.) nimmt wie die meisten Autoren das Erhaltenbleiben der Qualität
in die Definition der Conveisio auf, wahrend nach der 5. 718 gegebenen
Darstellung außer der Vertauscbung von S und P nur die formale Richti^eil
der Herleitung fflr die Konversion gefordert wird und die Erhaltung der
QualitAt ein sekundäres Merkmal ist. Conversio mit Erhaltung der Quantität
wird conversio simplex odej reciprocatio, conversio mit Wechsel der Uuantitit
conversio per accidens genannt. Die Kontraposition wird nicht mehr als eise
Abart der Konversion, sondern als eine koordinierte SchluBbildung behandelt
(praedicaium in conceptum negativum mutatur, g 288). Bemerkt sei nocb,
daß die Prämisse propoAlio conveisa bzw. contraposita, das Konklusum
prop. convertens bzw. contraponens heifit k
Die neue Literatur hat an der Lehre von den unmittelbaren SchlOsseii
nur wenig geändert. Nur die Lehrbücher von Sigwart und Erdmann haben
manche neue Anregung gegeben. Auf eine Darstellung der sehr bemerkess-
werten, weitläufigen Theorie der algebraischen Logik von den Relativen, der
relativen HultipUkalion (oder Komposition), der telativen Addition, der Kon-
version. Inversion usf. aiuB hier verzichtet werden. Vgl. z. B. E. Schmeder,
Vorl. tlber d. Algebra d. Logik, Bd. S, Abt. 1, Lpz. 1895, § 1 ff.
§ 125. Mittelbare Schlftsse. AUeemelne DefinltloB toi
Elateilang. a) ZasanunenfasseBde Schlosse. Die mittelbaren
Schlüsse sind dadurch definiert, daß sie mehr als eine Prä-
O^^IC
3. Kapitel Die Lehre von den Schlüasen. 721
misse eathalten (vgl. 8. 715). Sie sollen in folgende Hanpt-
klaseen eingeteilt werden:
a) zQsammenfassende Schläsee: a) konjanktive, ß) kopu-
lative, y) divisive, 3) difijnnktive;
b) fortschreitende Sckltisee: a) Syllogismen oder Hittel-
begriffSBchlüsse, ß) fortächreitende Schlüase obne
Mittelbegriff (Analogie, lodnktionsschluB, paradig-
niatisoher SchlnB).
„ZaBammenfassend" sollen diejenigen mittelbaren
Schlüsse heißen, deren Schlnfisätze nnsere Erkenntnis
nicht erweitern (mittelbao-e ümbildungaschlüsse, vgl. S. 715),
T,f ortschreitend" die mittelbaren Erweitemngsscblüsse
<8. 715). Die ersteren stehen den onmittelbaren Schlüssen
noch sehr nahe. Die Bedentnug der übrigen Klassen-
bezeichnnngen ergibt eich znm Teil aas den ErÖrtemngen
in ^ 77 Q. 122 n. 123, zmn Teil wird sie bei der Besprechung
der einzelnen Elassen weiter aufgeklärt werden.
a) Zusammenfassende Schlüsse.
Nach der ausführlichen Erörterung über die zusammen-
fassenden urteile (KoUigationen) S. 703 ff. genügt eine
kurze Charakteristik der vier Unterklassen der znsammen-
f aasenden Schlüsse durch Formeln:
a\ konjunktiver SchluB: S — P^; S — P,; . . .; S — P„ ; :
S— P, und P, ... und P„.
/S) kopulativer Schluß: S, — P; S, — P; . . .; S„ — P ; :
S, und S, ... und 8„ — P.
f) divisiverSchlufi: einige S--.»Pi; einige S-»-P,; . . .;
einige S — P„ ; : die S sind teils P,, teils P, . . .,
teils P„ .
J) disjunktiver Schluß: einige S~—Pi; einige S—P,;
. . .; alle anderen S — P„ ; : die S sind entweder P^
oder P, . . . oder P„ .
In allen diesen Klassen bringt der SchluBsatz keine
Brweitemng unserer Erkenntnis. Es handelt sich also um
ümbUdungs-, nicht um Erweitemngsschlüsse (Schlüsse
s. Str., S. 715). In dieser Beziehung stehen eben die zusammen-
fassenden Schlüase den unmittelbaren noch sehr nahe.
Bei den disjunktiven Schlüssen ist die S. 707 bespro-
chene doppelte Entstehungsweise zu berücksichtigen: die
Disjunktion kann entweder darauf beruhen, daß für die ein-
zelnen Alternativen verschiedene Gründe sprechen, oder
Zi«lt«n, Lehrbnch dsi Ltvik. 46
„.,,„, ^.oogic
722 "■ T**'- ^* einzelnen logischen Gebilde imd ihre Gesetze.
daranf, dafi innerhalb S eine vollständige Division stattge-
funden hat.
Die Bezeichnung „digjanktiver Schloß" wird zuweilen
onzweckmäßigerweiBe für Schlüsse von folgender Form ver-
wendet: M ist entweder Pt oder Pi ... oder Pn ; S ist M : :
S ist entweder Pt oder Pi . . . oder Po- Offenbar liegt das
Charakteristisohe des Schlusses hier gar nicht in der Die-
jnnktion, sondern es handelt sich um einen typischen Syllc^is-
mos, der nar insofern bemerkenswert ist, als sein Ober- and
sein Schlnßsatz ein DisjnnktioDBnrteil darstellen. VgL ^ 128.
§ 126 . Mittelbare Schlüsse, Fortsetning. b) Fortschrei-
tende Sehlfisse. allgemeine Einteilung derselbm; a) Syllo-
gismen oder MlttelbegriitasehlüBse. Die fortschreitenden
mittelbaren Schlüsse können von verschiedenen Oeeichts-
pnnkten ans eingeteilt werden:
Erstens kann man in Erwägung ziehen, ob in den
Teilurteilen des Schlusses die Umfangsbeziehung oder die
Inhaltsbeziehung zwischen S und P wesentlich ist, ob also
die Teilurteile Umfanga- oder Inhaltsnrteile sind 0. Ist die
U m f a n g s beziehong wesentlich, so ergeben sich nach den
früheren Erörterungen 4 Hanptfälle: 1. S ist dem P sub-
ordiniert: alle S bzw. ein individuelles bzw. mehrere indi-
viduelle S sind P, d. h. gehören zur Gattung P; 2. S ist dem
P superordiniert; 3. S ist mit P gekrenzt: einige (= nur
einige) S, d. b. Olieder der Gattung S sind P; 4. S ist mit P
bezüglich des Umfaugs identisch (äquales urteil, '^1-
S. 673). Ist die Inhaltsbeziehung wesentlich, so ergeben
sich gleichfalls 4 Hauptfälle*): I. das Merkmal bzw. der
Merkmalkomplez S ist ein Teil des Merkmalkomplezes P
(kommt dem Komplex P zu); n. das Merkmal bzw. der
Merkmalkomplex P ist ein Teil des Merkmalkomplexes S
(kommt S zu); in. die Merkmalkomplexe S und P stimmen
in einem Teil ihrer Merkmale überein (z. B. in einem gleich-
schenkligen Dreieck Winkel a = Winkel ß, Übereinsüm-
I) Die Deckung der Individualkoeffizienten (totale oder partielle) kommt
beiden Klassen zu. Tgl. S. 869 6. Bti nutheroatiscben UrieUen wie a=^
ist natarllch als FrädikatsroTstelluoB nicht etwa ,.^', sondern „gleich JT
(die Gleichheit mit ^ zu betrachten.
*) Psychologisch, also im tatsächlichen Denben wird in der Regd
sowohl eine Inhalts- wie eine Umlangsbeziehung in jedem Urteil gedacht,
bald mehr iene, bald mehr diese.
3. K«piteL Die Lehre von den Schlössen. 723
mung in der Gradzahl); IV. die Merknialkoniplexe S und P
stimmen in allen Merkmalen überein (Inlialtsgleichheit mit
konsekutiver ümfangegleichheit, Identitätsurteil, vgl. S. 675).
Die urteile der Kategorie 4 und IV sind im tatsäch-
lichen Denken selten. Urteile der Kategorie 2 und 1°) sind
zwar ziemlich hänflg („die Wirbeltiere enthalten als unter-
geordnete Klasse die Fische", „weiß ist eine Eigenschaft
des Schnees"), lassen sich aber, wie schon hervorgehoben
wurde (S. 625) nicht ohne Zwang auf die Sehnlform des Ur-
teils „S Ist P"" bringen '). Nimmt man also in die „Schul-
form des Schlusses" nur Urteile in Sehnlform auf, so fallen
die Kategorien 2 und I weg. Bemerkt muß auch werden»
dafi die Kategorien 1 — 4 und die Kategorien l — IV inner-
halb bestimmter Grenzen aufeinander zurückgeführt wer-
den können. Durch ,rA.ttribution" wird ans dem Umfangs-
nrteil „Cajns ist ein Mensch" (= gehört zu den Menschen)
das Inhaltsurteil „Cajus hat menschliche Eigenschaften",
und durch „Hypoetasierung" (vgl. S. 494, 513, 516) wird auB
dem Urteil „Cajus ist sterblich" das Ümfangsurteil „Cajufi
gehört zur Gattung der sterblichen Wesen". Dabei ist je-
doch klar, dafi diese Transformation dem tatsächlichen Ge-
dankeninhalt oft Gewalt antut (besonders auffällig bei der
zweiten Transformation, z. B. der Schnee ist weiB = der
Schnee g«hört zu der Gattung der weißen Gegenstände).
Auf Grund dieser Unterscheidungen nun kann man
auch die fortschreitenden mittelbaren Schlüsse einteilen, je
nachdem ihre Teilurteile Umfangs- oder Inhaltsurteile sind
und weiterhin dieser oder jener Kategorie dieser beiden
Hsuptklassen angehören. So besteht z. B. der Schluß: „die
Blindschleiche ist eine Eidechse, die (alle) Eidechsen sind
Beptilien, also ist die Blindschleiche ein Reptil" aus drei
Umfangsurteilen. Dagegen besteht der Schluß „Cajus ist
ein Mensch, alle Menschen sind sterblieh, also ist Cajus
sterblich" aus einem Ümfangsurteil und zwei Inhalts-
nrteilen. Eine solche Einteilung im einzelnen dnrchzu-
führen, lohnt es sich nicht; es wird sich aber praktisch und
theoretisch als sehr nützlich erweisen, sie niemals ganz Aus
dem Ange zu verlieren.
■) Die Analogie dieser beiden Kategorien ist beachtenswert.
*) Um die Schulform herzuslellen, muB das BeBebene P dnreh ein
anderes ersetzt icerden (Eigenschaft des Schnees statt Schnee tisf,). Vgl Ober
die rerschiedenen Bedeutungen der Kopula S. 486.
46-
„.,.,„,>..oo^sic
724 IV- '''^"' ^^ «nzelnen loeischen GelHlde und ihre Gesetze.
Zweitens kann man die fortschreitenden mittelbaren
Schlüsse anf Onmd der gegenseitigen quantitativen Bezie-
hangen der Subjekte der Teilurteile einteilen. Hierbei er-
geben sich folgende Hauptklassen:
1. Deduktive Schlüsse: Ausgangsurteile (E*nt-
missen) zum Teil allgemeiner als SchlnQurteil;
2. Niveau Bchlüase ') (äquative Schlüsse) : Äu^ao^-
urteile und SchlußurteÜ von gleicher Stufe der All-
gemeinheit (sehr oft jene und dieses individuell);
3. induktive und paradigmatische Schlüsse:
SchlußurteÜ allgemeiner als Ansgangsnrteile Qetz-
tere oft individuell);
Diese Einteilung nach der „B i c h t u n g" ist von aller-
größtem Wert, nur empfiehlt es sich aua didaktischen G-rün-
den nioht, sie an die Spitze zu Stellen; sie soll vielntehr im
Sinn einer Untereinteilung ausgiebig berücksichtigt werden.
Die dritte Einteilung geht auf Aristoteles zurück und
ist in neuerer Zeit namentlich von Erdmann vertreten wor-
den. Danach unterscheiden wir fortschreitende mittelbare
Schlüsse, bei welchen der Schlußsatz mit Hilfe eines Mittel-
begriffs (zuweilen auch mehrerer) erzielt wird, der selbst
nicht in den Schlußsatz eingeht (wieder „eliminiert" wird).
und solche, bei welchen dies nicht der Fall ist. Erstere
sollen Mlttelbegriffsschlüsse oder Syllogismen im prägnanten
Sinn heißen, letztere fortschreitende mittelbare Schlüsse ohne
Mlttolbegrtff. Beispiel für erstere: Cajus ist ein M^iscli,
alle Menschen sind sterblich, also ist Cajus sterblich
(„Mensch" ist Mittelbegriff), Beispiel für letztere: Kalium
ist elektropositiv, Natrium ist elektropositiv, Lithium isl
elektropositiv . . .; Kalium, Natrium, Lithiiun . . . sind Alkali-
metalle; also sind alle Alkalimetalle elektropositiv ftein
Mittelbegriff, insofern K, N, L . . . im Subjekt des ScblaS-
urteils enthalten sind). Der Mittelbegriff kann geradezu als
der Träger der Konsequenz (S. 710) bezeichnet werden.
Diese Einteilung wird im folgenden zugrunde gelegt,
a) Syllogismen (Mittelbegriff ssehlü sse).
Im einfachsten Fall, der zunächst ausschließlich beräeb-
siehtigt werden soll, be&tebt ein solcher Syllogismus nur
^) Zu den Niveauschlüssen eehörcn außer dea soi. AnalogieacblQnei
iweh BchlSsso wie ^ m ^ ^ f, ^ p =^ ^ y, aso^m = ^ri*-^
bczQElich einer bestimiulen Figur).
8. Kapitel. Die Lehn von den ScUfluen. 725
ans drei Urteilen, in denen nur drei Be^iffe vorkonunen
(Sylloirlsmiu slraplex). Bezeichnet man das Subjekt des
ScIiloBnrteils mit S, das Prädikat des Schlußnrteila mit P,
den Mittelbefrriff mit M, so ergibt sieh als einfachste Formel
des Syllogismus die folgende: S — M; M — P;:.S — P.
Beispiel: ^a=.^ß; ^ß=^Y- ^a==^y oder: derWal
ist ein Saugetier; alle Säugetiere haben warmes Blut; : der
Wal hat warmes Blut Die Beihenlolge der Prämissen ist
dabei logisch gleicbgnltig. Die Formel kann daher auch
geschrieben werden: M P; S M;: S— P. In der her-
gebrachten Logik ist diese lavertierte Schreibweise üblicher,
für das natürliche tatsächliche Denken kommt jedoch diese
umgekehrte Anordnnng der Prämissen nur selten in Frage
(vgl. Locke, Ebb. cohc. hum. udderst. EV, 17, 8).
Die soeben entwickelte Grundformel des einfachen Syl-
l<^riimas entapricht der sog. nsten sylloglBtisehen Figur von
Aristoteles. Es ist offenbar, daß auch folgende andere Stel-
lungen für den Hittelbegriff in Betracht kommen:
S M; P M; : S — P= zweite syllogistische Figur,
M — S; M — P;: S — P= dritte syllogistische Figur,
M — 8; P — M;: S-—P = vierte syllogistische Figur,
Aach hier köimen die beiden Prämiaeen miteinander ver-
tanscht werden, and in der hergebrachten Logik zieht man
diese y^-verÜeiTttiB*' Formen vor. Im übrigen soll vorlänflg
von diesen andeiren Figuren abgesehen und nur die erste
Figur berücksichtigt werden.
Bei der Benennong der TeilurteUe hat man die inver-
tierte Stellung der ersten Figur zugrunde gelegt CM— — P;
S M;: S— -P) und hat daher folgende Termini ein-
geführt: die Prämisse M — P heißt Oberaatz oder Pro-
positio major, die Prämisse S M Untersatz oder
Propositio minor; M, also in der ersten Figur (nicht
stetsl) das Subjekt des Obersatzes, heißt Mittelbegriff
oder Terminas medius, S Unterbegriff oder
Terminus minor, P Oberbegriff oder Terminas
major.
Wie Bohon die angeführten Beispiele eigeben, können
eich Umfangs- und Inhaltsarteile an dem Aufbau dieser ein-
fachen Syllogismen beteiligen. Ihre „Bichtnng" (vgl.
S. 724) ist oft (Beispiel von Cajus), aber keineswegs stets
CWinkelbeispiel) deduktiv. Auf Onmd der S. 724 einge-
„.,,„, ^.oogic
726 ^- '"'^ ^^ einzelnen lo^scken Gebilde und ihre Gesetze.
führten Bezeichnungen kann man vielmehr die Syllogismen in
dednkÜTe SyllogiÄnen und Niveansyllosismen einteilen
(Formel der eroteren symbolisch etwa: alleMsindP; SistM;:
S ist P; Formel der letzteren: M = P; S = M;: S^P).
Historisches zur Terminologie. Ober den weiteren Gt-
brauch des Worts „SvUoginnus" bei älteren Logikern vgl. S. 711 &. Ee
scheint, daß nunentlich die Abtrennung der Induktion uimI der Anak>gie von
den VerauotlschlOssen durch Kant (S. 713) viel dazu beigetragen hat, daB
der Terminus „Syllogismus" mehr und mehr für den HittelbegrifisacUiifi
reserviert wurde. Immerhin ist auch heute noch der Sprachgebfauch s^
schwankend. Zuweilen hilft man sich auch dadurch, dafi man einen S^
logismus im engeren und im weiteren Sinn unterscheidet (vgL z. B. Uä>Nwe(.
SysL d. Logik, 5. Aufl. Bonn 1862, S. 812]. Die Verwirrung nahm dabei noch
zu, da man den Syllogismus im engeren Sinn wiedNum sehr verschieden
definierte. Insbesondere bestand und besteht vielfach die Neigung, den
Terminus Syllogismus s- str. lediglich fOr den deduktiven Mittelb^rifis-
schluS zu vwwenden. Hierzu ist zu bemerken, daB bei Aristoteles die Be-
zeichnung „ Jnvymy^ c= deductio" eine ganz andere Bedeutung hatte (v^
darOber das [olgende Kapitel S. 810), ebenso noch bei Boethius (ed. Uigne.
Bd. 64, S. 709). Erst in der Scholastik ward es aUich, die Herieitung des
Individuellen aus dem Allgoneinen als „deductio" zu bezeichnen (y%\. z. ft
Gocienius, Lex. philos. Uarp., S. 499*). -~ Von demselben Standpunkt aie
wurde auch die Bezeichnung „subsumiereiider Schlufi" (SubsumtionsschhiSi
UnterordnungsschluB) mit der Bezeichnung „Syllc^ismus" identifiziert (vgl
J. Hoppe, Die gesamte Logik, Paderborn 1868* u. dazu Ueberweg, L c. S. 313;.
Der Obenatz wurde von den Stoikern alsl?^^«, der Untersatz als
»(•«ifVw, das Konklusum als kkuf»^ bezeichnet (Diog. Laert VII, 76, ed
Cobel S. 176). Cicero' führte dafür die Termini „sumtio", „assumtio" und
„conclusio" ein (De divin. II, &3, 108). Vielfach wurde der Obersatz auch
im prilgnanlen Sinn als prapositio bezeichnet (z. B. noch bei Ramus, Dialect
Lib. 0, cap. 9). Die Termini propositio major {==! praemissa, in qua tenninis
maMr construitur cum tennino medio) und propositio minor (= iv., in qua
t. minor construitur cum t. medio) treten bei Wolff zuerst scharf definiert
hervor (Logica, § 340), finden sich aber schon viel früher (z. B. Oir. Wdsins,
Noct. logicae, Lips. 1706, S. 12). Bei Baumgarten finden sich die Ver-
deutschungen „Obersatz" und „Untersatz" (Acroasis logica, ed. Toellner,
8 Ml).
Die Terme des Srllogismus wurden schon von Aristoteles unterschie-
den als i^ fxiaot (rg /tfmc) und /itifev (oder n^Mrof) und timno^ (oder
<«/arM-); die beiden letzten weiden als Sk^ zusammengefaßt (Akad. Aiug
ä&b u. 26 a). Dem entsprechen bei Boethius die lateinischen Bezeichnungen
terminus medius (oder medium), maior sive primus, minor sive postinnus
und ezlremitates (ed. Migne, S. 611). Diese Bezeichnungen sind daim in
alle neueren Sprachen übergegangen (terme moyen, petit teime, grand Ikiw
in der Log. de Port-Royal; middle, minor und major term in der engUscbcD
Logik usf.). Schon sehr früh wurden auch Buchstaben für die einzelnes
Termini verwent^et ^BoEthius: ,4d quod per litteras demonstrarr voIumUK.
universaltter demonstramus" ed. M^ne Bd. U, S. 810). IHe Scholsstiker
nannten die Buchstaben „termini transcendenles oiliil et omnia significantef"
3. KupiteL Die Lghfe «m den SdilüBWii. 727
(s. Albertus HaSDUs, In Anal, pr. Lib. I, Tract. I, cap. 9, ed. Lugd. 1661,
Bd. I, S. 298a).
Logische Theorie und Bedeutung des Syt-
logismns. Allen Syllogismen liegt als erstes and all-
gemeinetes Prinzip der SchloB zugrunde: a^=:b*); b = e;:
a=c (S. 722 Kategorie 4 und IV). Hier bedeutet das Zei-
chen =, wie wir vorläufig sagen wollen, entweder inhalt-
liche oder umfängliche oder inhaltliche und umfängliche
Gleichheit der bezeichneten Begriffe bzw. ihrer Qegenstände,
ist also vom allgemeinen Zeichen — — wohl zu imterscheiden.
Ich will dies Prinzip kurz als Principium aequaüonis oder
Gleichungsprinzip bezeichnen, da auf ihm in der Tat
alle Oleichungsrechnnngen beruhen. In unserem tatsäch-
lichen Denken wird es im Nacheinander oft genug übertre-
ten, in dem idealisierten Normaldenken der Logik wird es
als äberall durchgeführt Torausgesetzt. Von einer Unmög-
lichkeit von Denkvorgängen, die dem Prinzip widerstreiten,
kann also nur im Zugleich und auch hier nur mit Vor-
behalt gesprochen werden. Warum lehnen wir nun aber im
Zugleich == denken, d. h. im Denken eines Augenblicks (vgl.
S. 430) eine Verschiedenheit von a und c, wenn a = b und
b = c, unbedingt ab, und zwar nicht nur mit Bezug auf
die Begriffe selbst, sondern auch mit Bezug auf ihre Gegen-
stände (einerlei welches ihr Argument ist, S. 268)1 Da
die Gleichheit zunächst nur eine Relation zwischen zwei
Begriffen bzw. Gegenständen dst, so scheint es gar nicht
-denknotwendig zu sein, daß sie sich von einem Paar auf das
andere überträgt. Worauf beruht — um in der Sprache der
Mengenlehre zu redffli — 6et transitive Charakter (vgl.
■S. 541, Anm. 7) der Gleichheiti wie hängt er mit dem Be-
^griff der Gleichheit zusommenl
Um ZQ einer richtigen Antwort anf diese schwierige
Frage zu gelangen, * soll zuerst der Fall inhaltlicher
"Gleichheit von a, b und c erwogen werden. In diesem Fall
mufi, wenn die Inhaltsgleichheit wirklich vollständig ist,
■offenbar auch der Umfang gleich sein (vgl. S. 559). Es liegt
also Identität vor; eine lediglich inhaltliche Gleichheit, wie
wir sie oben zunächst neben der umfänglichen vorläufig anf-
■) Partielle Gleichheiten mit Bezug aul einen Teil des Umlanes
oder einen Teil der Merkmale (S. 722 Kategoiie 1—3 und I— m, z. B. ^ a
^^ .^P) sollen hier zunächst ausdrücklich ausgeschlossen neiden.
„.,,„, ^.oogic
728 ^- Teil, Dia einxelncn logiBchen Gebilde und ihre Geaetee.
stellten, existiert mithin gar nicht Wenn ich daher di« Be-
zeichnungen a, b und c brauche, so Bind eben nur die Be-
zeichnungen verschieden, di« bezeichneten Begriffe und
die zugehörigen Oegenstände, richtiger GegenetandsTontel-
Inngen (S. 266) sind identisch. Bas Äqaationsprinzip fällt
also hier mit dem Identitätsprinzip (% 87) zusammen- In
nnserem Benken verwenden wir denn auch in der Tat das
Äquationsprinzip fast niemals im Sinn einer solchen totalen
Inhaltsgleiehheit, sondern für Gleichheiten bezöglicb eiaee
bestimmten Merkmale oder Merkmalkomplexes (S. 722, Kate-
gwie 3 nnd m). Wenn wir beiepielBweise in der Geometrie
in der üblichen Weise den Lehrsatz von der Gleichheit des
ÄuBenwinkels (<f) und der gegenüherliegeadan Breiecics-
winkel (a-|-^ beweisen, also schließen *^2E — 7^; a+ß
^^2B — y;: S=^a+ß,BO besteht nicht etwa vollständige In-
haltsgleiehheit der Begriffe i und 2B — y usf., otul d>eiiao-
wenig denken wir eine vollständige Inhaltsgleiehheit der
zngehSrigen Gegenstände, d. h. des Winkels i und der Win-
keldifferenz 2B — y, sondern es handelt sidi nur am eine
partielle Inhaltsgleiehheit, nämlich um eine Gleichheit mit
Bezug auf die Maßzahl der Winkelgrade. Bezeichnen wir
dies übereinstimmende Merkmal als m, so lautet unser
Schloß: i stimmt mit 2E — y im Merkmal m überein, rt-\-ß
stimmt mit 2B — y im Merkmal m überein, folglich stimmt
auch i mit ot-f-^ im Merkmal m, d. h. in der Gradcahl über-
ein. Damit ist offenbar auch hier das Äqnationsprinsip auf
das Identität^rinzip zurückgeführt Der ümw«g über y
(bzw. 2B-~y) hat nur die Bedeutung, daß ich mir das Bint-
haltensein des Merkmals m sowohl in ' wie in a+ß klar
mache'). Das Prinzip a=b; b=c, folgli<^ a=o muß streng-
genommen lauten: a = a'-t-m = b' + m = b; b = b'-fm
= o' + m:=o, folglich a=ia'-|-m=o' -Fm = e, wo die
Gleichheit eben nur die Übereinstimmung in m bedeutet Im
Grenzfall reduziert eich die Verschied^iheit von a, b und c
untereinander auf eine Verschiedenheit der örüü^en oder
zeitlichen Lage, filso der Individnalkoefflzienten ').
^ y soll den Nebenwinkel des AuBenwink'^ i bezeicbnen.
■) Reimarus (Vemunf tlebie *, § lES, S. 18t) bezeichnet mit änisem
Hacht den-Hittelbegiiff vergleichsweise tls einen IbtSstab der Venuntt
■} VsL hierObar meine Aoieinuidenetzim in den QntndL d. AtcImiI.
Bd. 1, S. S36.
3. Kapitel Die Lehre von den SchlüBsen. 729
Vom Standpunkt ungrer TJrteilstheorie läfit sieh diese
Argninentatlon sehr einfach folgendermaßen foxmnlieren.
Handelt es sich z. B. um drei beliebige Winkel a, ß nnd y,
für welche gilt a = ß; ß = y;: a = y, so bedeuten die 3 Teil-
nrteile: wo und wann a, da und dann Gleichheit mit ß; wo
nnd wann ß, da nnd dann Gleichheit mit y; folglich wo nnd
wann a, da nnd dann Gleichheit mit y. Die Gleichheit be-
deutet die Übereinstimmung der Winkel in eiitem bestimm-
ten Merkmal, nämlich der Gradzahl. Bezeichnet man dies
Merkmiil mit m, so wird von diesem identischen Merkmal m
ausgesagt, dafl es sich ebenda nnd ebendann vorfindet, wo
und wann a und wo and wann ß und wo imd wann y. Iah
identifiziere m mit Hilfe von ^ in a und y und spreche dar-
aafhin das Urteil aus: a = y.
Von diesem Standpunkt aus gelingt es nun auch, die ge-
stellte Frage für den Fall einer lediglich umfänglichen
Qleiehheit von a, b und c zu beantworten. Als Beispiel diene
etwa der Schluß: gleichschenklige Dreiecbe = Dreiecke mit
gleichen Basiswinkeln j Dreiecke mit gleichen Basiswinkeln
= Dreiecke mit zwei gleichen Hohen ; gleichschenklige Drei-
ecke = Dreiecke mit zwei gleichen Höhen "), wo das Gleidii-
heitszeichen die Umfan^gleichheit (Äqualität, S. 559) be-
zeichnet. Hier ist offenbar das gemeinsame Merkmal m der
vorausgehenden Argumentation in den Individnalkocfä-
zienten selbst gegeben. Diese stimmen in den 3 Urteilen
iiberein (sind ,4denti£Gh")- Die beiden ersten Urteile spre-
chen ihre Deckung ans, nnd daher wird sie auch im Sehlnfi-
nrteil ausgesprochen. Für dasselbe irgendwo und irgend-
wann (vgl. S. 370) denke ich Gleichheit der Schenkel, der
Basiswinkel und der Höhen. Auch hier also wieder Zurück-
fühmng der Gleichheiten zwischen a, h und c auf Identitäten,
dee Aquationsprinzips auf das Identität«prinzip.
Wir setzen also in beiden Fällen a=^c auf Grund von
a = b nnd b^c, weil und insofern wir eine identische Teil-
voTsteUnng bzw. ein identisches Merkmal in allen drei ur-
teilen denken. Die hierbei speziell beteiligten Fanktioaen
sind die analytische und die komparative.
Diese Überlegung laßt sich nun von Schlüssen im Sinn
des Aquationsprinzips ohne Schwierigkeit auf alle übrigen
^<^ Es ist bemerkenswert, dafi im wissenschaftlichen Denken sokshe
Schiasae sehr seilen sind. Paitielle inhaltliche tSbereinstinunung be~
atdit auch in imserem Beispiel (Dreieckiskeit).
„.,,„, ^.oogic
730 ^' ^^ ^^ einzelnen lopschen Gebilde und ihre Gesetze.
Kategorien der Syllogismeo (S. 724) übertragen. Ic^
wähle al« Beispiel den folgenden Syllogismus: die (= alle)
Eideofasen sind Beptilien; die (= alle) Beptilien sind Wirbel-
tiere; folglich sind die Eidechsen Wirbeltiere. Der Begrilt
der Eidechsen sei etwa durch die Merkmale a b c i bestimmt,
wo i den Individualkoefflzienten (mit der S. 370 erörterten
Unbestimmtheit) **) bedeutet. Dann ist der Begriff der Bep-
tilien in Anbetracht seiner gröderen Allgemeinheit etwa
durch a b (i -f iO nnd der Begriff der Wirbeltiere durch
a (i -H i' + i") bestimmt. Fasse ich die drei TeUnrteile, wie
«B in diesem Fall natürlicher ist, als tJmfangsorteile auf, so
beruht die Konsequenz des Syllogismus auf der Identifika-
tion des 1 in den drei Begriffen. Die partielle Deckong der
IndividDalkoeffizienten entspricht der Obereinstimmnng is
m bei unsrer Torausgehenden Argumentation. Fasse ich die
drei Teilnrteile als Znfaaltsurteile, so kann ich statt des ge-
meinsamen i auch das gemeinsame inhaltliche Merkmal a
als die Grundlage des Syllogismus betrachten; dies a ent-
spricht dann dem m unsrer ersten Argumentation.
So wird auch die Verdeutlichung verständlich, welche wir dem Syl-
locisanis durch fiEflrliche Darstellung geben können. Indem ich P z. B. ab
einen sroBen Kreis, M als einen kleinen Kreis im Ereis F und S als «ineo
noch kleineren Ereis oder (bei individuellem S) als Punkt inoertialb des
Kreises H darstelle, vergesenw&rtise ich mir wenigstens den rSumlicbeii
Individuklkoeffizienten der drei BesiiSssegenstftnde unmittelbar tmd identi-
llziere seine partielle Deckung.
In der Geschichte der Logik sind viele IhaaiisB tm Ijünliwii auf-
getreten, und auch heute stehen sich noch mehrere Theorien gegenüb«.
Am wichtigsten sind folgende:
1. Theorie von Sigwart (Logik, 2. Aufl. 1888, Bd. 1, S. 4SSn.).
Nach dieser Theorie ist das „allgemeinste bgische Schema" alles Folgems der
„sog. gemischte hrpotbetische Schluß": A gilt; wenn A gilt, so gilt X;: slsa
gilt X, bzw.: wenn A gilt, so gilt X; A gilt;: also gilt X. Von dem fAeo be-
sprochenen Syllogismus unteracheidet sich ein solcher Schluß wesentUdi
dadurch, daß die Subjekte der Prämissen und des Scblußurteüa in gani
anderer Beziehung stehen. Lautet z. B. der Schluß: Konjunktion von Sodm
und Mond liegt vor; wenn Eoniunktion von Sonne und Mond vorliegt, besidil
SonnenGnstemis ; also besteht Sonnenfinsternis, so würde er in der Scbnl-
form sich folgendermaßen gestalten : alle Konjunktionen von Sonne und UoDd
sind Ton Sonnenfinsternis begleitet, also auch die jetzige. Bei dieser Foneu-
lierung handelt es sich also gar nicht um einen mittelbaren Schluß im Sin»
des Syllogismus (unsrer DefiniUon], sondern um einen unmiltelbaten SchtuS
im Sinn der ersten S. 716 beschriebenen Gruppe (alle S^^^P;: dies
3 •>— P). Lehnt man aber diese Umformung ab, so ist das Sigmrtsch«
") Sonst hat das wo und wann eine bestimmte individuelle BedeuHUK-
„.,,„,^.oogic
3. EapiteL Die Lehi-e von den SchlQsaen. 731
Schema offenbar eine ganz spezielle Form des Svllogismus, die von dem
einladien Sylloeismus, wie er hier in Hede steht, erheblich abweicht. Dazu
komint ein weiteras Bedenken: das Sigwartscbe Schema bat einen Sinn nur,
wenn die Prämisse ,^ gilt" soviel bedeutet wie: .ja einem bestimmten Fall
oder in einer Gruppe bzw. Gattung von Fällen eilt A" und das Schlufiurteil
sich aul denselben Fall bzw. dieselbe Gruppe (Gattung) von Fällen bezieht ").
Bei ganz allgemeiner Bedeutung der Prämisse und des Schlufiurteils bekäme
man den sinnlosen Scbliiü: das allgemeine Gesetz (bzw. der allgemeine Tat-
bestand) A gilt; wenn dies allgemeine Gesetz A gilt, gilt das allgemeine
Gesetz X; also gilt das allgemeine Gesetz X; der ScbluBaatz ist ofienbar hier
ganz Qberllflsaig, er bekommt nur dann einen Sinn, wenn das Gesetz oder
<ier Tatbesland A nicht ganz allgemein ist, sondern irgendwie bestimmt ist.
Die Formulierung „A gilt" ist also nicht eiakt Sehr beweisend gegen
Sigwarts Theorie fällt auch der Versuch aus, den gewöhnlichen A.quations-
scbluB aui einen gemischt hvpothetischen SchluB zurückzuführen ; eine solche
ZurOckfQfarung gelingt nämlich ohne schwere Vergewaltigung des Denkens
Oberhaupt nicht. Der von Sigwart als allgemeinstes Schema betrachtete
Scbhifi ist also erstens eine ganz spezielle Form des Schlusses (sie wird uns
apkter als sog. hypothetischer Schluß beg^nen), und zweitens bedarf er
einer exakteren Formulierung. Vgl. auch meine Erkenntnistheorie, Jena I91S,
§ 100, S. 428.
S. Die Einordnungstbeorie, wie »e z. B. von Erdmann, (Logik,
S. AuD., S. 707 B.) vertreten wild. Erdmann drOckt den gewöhnlichen Syl-
logismus, den wir zunächst der Besprechung zugrunde gelegt haben, durch
den Satz aus: .jedem Subjekt kommt mittelbar das Prädikat seines Prädikats
zu" und nennt dies Verfahren, durch das einem Subjekt seine mittelturen
Prädikate zugesprochen werden, „Einordnung" (Einordnung „des Prftdikats-
in den Subjektsinbatt", „Beziehung logischer Immanenz", l c. S. ZbS; s. auch
dies Werk S. 612} '*). Diese Auffassung iiat vor der Sigwartschen jedenfalls
den Vorzug, daB sie nicht einseitig den hypothetischen SchluB zugrunde lest.
. Auch entspricht der hier angenommene Fortgang des Denkens von S tlber M
zu P in der Tat dem natürlichen Weg unseres Denkens (b. oben S. 72Ö).
Unzureichend ist aber auch die Einordnungstbeorie insofern, als sie nicht
beiOcksichtigt, dafi in vielen Schlüssen weder die Prämissen noch das SchluS-
urteil eine Inhaltsbeziehung, sondern vleimehr eine Umfangsbeziehung (Sub-
sumtion) oder eine Inhalts- und Umfangsbeziehung (z. B. IdeolitSt) aus-
sagen. Die Einseitigkeil der Immanenztheorie des Urteils (vgl. S. 612)
überträgt sich hier auf die Theorie des Schlusses.
8. Die Unterordnungs- oder Subeumtionstheorle. Aristo-
teles hat sie bereits formuliert (Analyt. pr. A, i, Ak. Ausg. 26 a), ohne jedoch
ausdrücklich die Subsumtion für das wesentliche Moment aller Syllogismen
zu erklären (s. auch unten). Sie betrachtet als das Wesentliche des Syl-
logismus die Subsumtion von S unter U, von U unter P und daher von S
unter P. Sie kann übrigens ebensogut die üb er Ordnung (Superordinalion)
") In dem Beispiel von der Konjunktion liegt diese bestimmte Be-
ziehung in einem zu ergänzenden ,jetzt".
1*) Bei verneinendem SdüuBurteil tritt an Stelle der Einordnung die
uAusBchlieSung".
„.,,„, ^.oogic
732 ^- ^^'- ^^ rinzelBen losischen QdHide and ihr« Gesetze.
faeranziehen '*) oder audi Ober- und Unterordnuns nebenunandet aU'
erkeimen. In diesem weiteren Sinn kann sie als Umf anistbeohe des
SyltofisimiB bezeichnet werden. Ihr Hauptvertreter in neuerer Zeit ist Lobe
(Losik, Lpz. 187«, § 86, S. 110: „der Gedanke, der dieser Folgerung" —
nlnüich dem SehluBsatz des in Bede stehenden Syllogianaus — „zi«nude
lieft, iat sichtlich der der Subsumtion: jedem Subjekt konomt das Prädikat
seiner Gattung lu"). Für viele Schlosse erscheint sie in der Tat zutrelfratdei
als die EiDordnungatheorie. Andrerseits ist auch sie einseitig, und zwar m-
saft aie gerade bei denjenigen Schlüssen, bei denen die Einordnucgstbeefie
sich zu bew&hren scheint, nSmtich solchen, bei denen InbaUsurteile (itf.
S. 728] wesentlich beteiligt sind. Urteile wie „der Schnee iit wetB", „alle
Henscbes sind sterblich", wie sie in unzUitigen Fallen als Obenatz eiits
Schlusses aultreten, können nicfat ohne Vergew^ügunf als UmfangBUrtdle
aufgefaBt werden (etwa: „der Schnee gehört zu den weLBen Dingen")- Dv-
aelben gilt in Tielen FAUen von dem SchluBurteii („Cajus ist Mtrtilich" tsL).
Nun könnte man freilich die Subsumtionstbeorie demg^enüber dadurch tn
halten versuchen, daB man behauptet, nui die Subsumtion des Subj^ts des
Untersatzes unter das Subjekt des Obeisatzes sei lOr den Srlk^ismus worbI-
hcb. In der Tat wird die Subsumtionstbeorie in dieser Form dem Tatbestand
viel besaer gerecht. Bei den meisten Svllogismen gehören der Kittel- und
der UnterbeghB (z. B. Mensch und Cajus) nicht demselben Niveau an")
und sind auch nicht total heterogen, sonders stehen im Verhältnis der Sub-
ordination bzw. Euperordinatioi). Es scheint — ' bei oberfUchlicher Betraf
tung — , als könnte ohne solche Sub- bzw. SuperOrdination gar kein SchluB
zustande kommen. Hiergegen ist jedoch zu bemeAen, daB selbst, wenn eine
solche Subordination vorliegt, der Denkinhalt des Syllogismus sowohl iogisdi
wie psychologisch in vielen Fällen durch eine Subsumtion nicht adbinat
wiedergegeben wird. Schließe ich z. B. ; „dies Kleid ist schwaiz, schwarz ist
eine l^uerfarbe, also bat dies Kleid Trauerfarbe", so tue ich dem ScUoB
Zwang an, wenn ich seinen Untersatz formuliere: das Kleid gehfirt zu der
Gattung der schwarzen Gegenstände. In solchen Fällen hat die inimanpiii-
tfaeorie recht und die Auffassung der Unrfanfstheorie erscheint gekOostdL
Vollends scheitert die letztere ganz und gar bei Schlüssen wie ^a^^ß,
^pT=^y folglich ^ K = ^ ^. Hier kann von einer Subsumtion fo^ieh
öberiiaupt keine Rede sein.
So enteisen sich sowohl die Subsumlionslheoiie wie die imm.iMni-
theorie als einseitig. Beide treffen nur für je einen Teil der Syllogismen m.
bei den XquationsavUogbmen versagen beide. Beide sind auf ^e einseitige
Urteilstbeorie gegründet. Vom Standpunkt der hier entwickelten Urtnls-
tbeorie (Deckung der Individualkoetflzienten) und der nunmehr hierauf gt-
grflndeten SchluBtheorie (Aguationsprinzip) werden alle Syllogismen aiD-
reichend erklärt
4. Die Substitutionstheorie, die wohl zuerst von Lotaii
(Gerh. Ausg. Bd. 7, S. 230, Theorems 1 u. U.) etwas schärfer formuliert ww-
>*) Die Kantsche Formulierung „nota notae est eliam notae rei ipsias"
seheint mir daher durchaus nicht — wie Erdmann dies annimmt (I. c
S. 7U} — schlechtbin mit der Subsumtionstbeorie s. str. tu mmmf n m ifa 11^ "■
") D. h. sie sind nicht koordinierte Individual- oder koordinierte AH-
gemeinvorstellungen.
3. Kapitel Die Lehre von den Schlflasen. 733
den ist >■} und bei dem Vergleich der ScblOase mit algebraischen Gleichui^en
sdir nahe liegt. Sie erblickt daa Wesen des Syllogismus darin, daß ein Be-
triff durch einen ihm gleichen ersetzt wird. Nun leuchtet ja allerdings ein,
daB man sich das Aquationsprinzip selbst „a^^b; b^=c; : ft = c" imter
dem Bild einer solchen Suhslitution vorstellen hann; es ist aber nicht abzu-
sehen, wieso das Wesen des Schlusses aufgeklärt werden könnte, indem man
<ksi kgischen Verhältnis den psychologischen Akt oder Vorgang dei Sub-
stitution unterschiebt. Dazu kommt, daS die Substitution bei den gewöhn-
lichen Syllogismen eben doch nicht einfach in der Ersetzung eines BegriHs
durch einen ihm gleichen besteht. Im CajusschluQ wird „aUc Menschen"
durch Caiu9 ersetzt, im SchluS vom schwarzen Kleide (S. 7äS) schwarz durch
Tiwieriarbe, ohne daß Gleichheit besteht. Die Substitution stfaeorie muB also
doch auch auf Umfangs- oder Inhaltsbeziehungen RDcksicht nehmen, die
nicht schlechthin als Gleichheit bezeichnet werden können, und ist daher
doch gezwungen, die Binordnungstheorie oder die ünterordnungstheorie oder
die von mir entwickelte Theorie zu Hilfe zu ziehen. Nur insofern die Sub-
stitutioDatbeorie wie die letztere von dem Aquationsprinzip ausgeht, scheint
sie nüt der Einordnungs- und Ünterordnungstheorie Oberlegen zu sein.
Book, Peiice, Jevons, E, Schroeder und A. haben ihr eine präzise mathema-
tiache Form gegeben. Dabei ist das Bestreben hervorgetreten, die Konklusion
ganz ira Sinn der Auflösung einer Gleichung zu gestalten; die Substitution
bctemmt damit den Charakter der „Elimination" einer Unbekannten (vgl.
z. B. E. Schroeder, VorL üb. d. ÄJg. d. Lob-, Bd. 1, S. «6 u, 496. Bd. 2.
S. 238, Bd. 3a, S. 176 u. 468). Die von der algebraischen Logik entwickelten '
LOsangsmethoden sind Qbrigens im einzelnen noch unausreichend und
grMtenteils sehr komplideTt.
6. Die ontologische Theorie, wie sie neben der logiseben
Theorie bei Aristoteles "} allenthalben hervortritt. Vom Standpunkt dieser
Theorie ist der Mittelbe^S nicht nur als logisches Verblndungsghed, son-
dern auch im ontologischen Sinn als Realgrund wirksam. Richtig ist an
dieser Theorie oflenlwr nur, daB der Gegenstand des Mittelbegrifls und die
Relationen dieses Gegenstands zu den Gegenständen des Subjekts- und
Pridikatsbegrifis für den Ablaut der Conchisio und damit auch tüi Jas Con-
dosum entscheidend sind. Da Aristoteles Ober den Begriff des Gegenstands
im Sitin der neueren Logik noch nidit veTfOgt, bleibt seine Darstdtung
oBklar.
Sehr oft ist in der Gescbichte der Logik das Grundprinzip des Syllo-
gismus auch in dem sog. Uctam da oaud «t «ila ") gesucht worden. Dies
*■) Ganz allgemein ist sie von J. P. Reusch (vgl. S. ISO) in seinem
Svstema logiciun, § 507, S. 551) ausgesprot^en worden. Eine ausführliche
Darstellung hat Beneke (vgl. S. 155 (f.) in seinem System der Logik, Berlin
1842, I, S. 210ff. gegeben (vgl. auch seine Monographie: Syllogismorum ana-
lyticorum origines et ordinem naturalem demonsiravit Fr. Ed. Beneke, Berot.
1880).
»') Vgl Akad. Ausg. 90 a, 6: ri /tif yöp «hiw *ö fi4mr u. 95 a, 11:
ti yie fi*»' «tiw. Das Fehlen des Artikels und der Zusammenhang zeigt,
' daB in beiden Sätzen i» ftioBf Subjekt ist Vgl. hierzu Überweg, Syst. d. Log.
5. AufL S. 317.
'•) Die Geschichte dieses Terminus, der auf das «oiii nartis u. xmi
ftilitrit des Aristoteles zurückgeht, bedarf noch mancher Aufklärung. Ftlr
„.,,„, ^.oogic
734 ^- '^'i'- ^^ einzelnen logiBchen Gd>ilde und ihre Gesetze.
wird in zwei Sitzen formuliert: „qnicquid de omni Takt, valet «tiam de
qnilNisdam et sinsolis" und „qoicquid de nuUo ralet, nee de onibusäam nee
de sinffalis valet". Znnftcbst leuchtet ein, daB dies Prinzip dorcbaus zu der
S. 716 besprochenen ersten Gruppe der UDnuttelbaren Schlüsse gehfirt Hu
konnte es daher geradezu als Suballemationspnnzip bezeichnen. Bei den
Syllogisinen kommt nun aber entsprechend ihrem mittelbai«n Charakter ein
neues Moment hinzu, ntmlich die im Untersatz ausgesprochene Erfcenntms,
daB S zu M gehftrt Daß „einige Menschen" zu „^en Menschen" gehsres,
und daß „dieser'*) Mensch" zu aUen Menschen gehört, eigibt sieb aas der
Wortbedeutung der Terme, in diesem Fall der Quantit&tsbezeichnungen; dlB
hingegen Caius ein Mensch, der W(ü ein Säugetier ist, kann aus der Wort-
bedeutung des T«ins „Cwus" bzw. „Wal" nicht entnommen werden "), son-
dern hierzu bedarf es einer besonderen neuen Erkenntnis, die dten ia
Unter«atz ausspricht Das Dictum de omni et nullo wird also von den HD-
mittelbaren aot die mittelbaren Schiftsse Obeilragen, und in dieser Cber-
tragung wOrde nach der in Rede stehenden AuSassung das Wesen des StOd-
gismus liegen. Offenbar deckt sich sonach dieser Standpunkt ganz mit des-
jenigen der Unterordnungstbeorie (S. 731) und ist denadbeo Bedenken «ie
diese auqtesetzL
Der Wart ist IfBagfa— tOr unsere Erkenntnis ist im Laut der G*-
schichte der Philosophie sehr verschieden beurteilt worden. Im AUethBS
und im Mittelalter wurde er dmchweg flbersch&tzL Seit der I%iloso[Aiie itt
Renaissance (S. 80 ff.) und namentlich seit Baco von Verulam (S. 95) and
Locke (S. lOB) wurde er olt bezweifelt"). Am sch&rfsten und klanteo
kommen diese Bedenken in der Logik von John Stuart M i 1 1 zum Ausdrad.
Dabei hat man iedoch zu beachten, daB dieselben sich nicht gegen tat
Syllogismen, sondern nur gegen die deduktiven STllogisiDea (s. S TSE)
richten, also gegen diejenigen Syllogismen, welche aus einem allgenidneieo
Ohersatz einen weniger allgemednen, z. B. einen individuellen Schlufisati
ableiten. Der wesentliche Einwand UiUs gegen den Wert des dedid:tiTai
SyllogismuB ist folgender (SysL of log. U, 3, 2, 3. AufL, S. 205). Wenn wir
scblJeBen: alle Menschen sind sterblich; Cajus ist ein Mensch: also ist C
sterblich, so wird im Obersatz schon vorausgesetzt (presupposed), daß andi
C. sterblich ist; wenn wir nicht schon von der Sterblichkeit jedes einielDeo
individuellen Menschen Qberzeugt wären, so könnten wir den Obersatz, die
Sterblichkeit aller Menschen, gar nicht behaupten. Der SchluBsatz, dtf
zu beweisen ist, wird also im Obersatz schon vorweggenommen. Jedsr
Syllogismus involviert daher einen logischen Fehler, die sog. Petitio pria-
die Einbürgerung war namentlich die Formulierung bei Petrus Hispanus
(Summ. log. IV, ed. Versor. 1622, S. 226) bedeutsam: „dici de omni est.
quAQdo nihil est sumere (suh) subiecto, de quo non dicatur praedicatum ..■■
dici de nullo est, quando nihil est sumere suh sübjeclo, a quo non rerao-
veatur praedicatum . . .". Vgl. BoCthius. Opp. ed. Migne Bd. 6*. S. 6«.
'») Bei solchen Urteilen mit dem Subjekt „dieser . . ." sind Qbigens
auch die Bemerkungen S. 717 u. 378 zu berücksichtigen.
*•) Die UnzweckmÄBigkeit des Cajus-Beispiels tritt auch hier wied«
zutage, indem im Wort „Cajus" allerdings das Menschsein schon fast »e-
gellen ist.
'") Jos, GJanvil, Plus ultra 1668 spricht S. 120 von den „logical trid*
anout shutfimg and ordering propoHiüons and forms of syllogism".
O^^IC
_ 3. Kapitel. Me Lehre von den ScblOaa«». 735
cipii (vsL § 134). W«nn der Obersatz ausgesagt ist, bleibt gar nichts raehi
zn enteisen. Dabei gibt Mill zu, daß die Sterblichkeit des Cajus eine neue
EAenntnia ist; er behauptet dut, dafi wir zu ihr nicht durch einen dednk-
tiren Syllogismus, sondern durch Analogie gelangen: „from inatances which
we have observed, we feel wairanted in concluding, that ichat we found tnie
in those inatances, bolds in all similaj ones, post, present and future, howvver
Dumeroufi they may be".. Hill schließt daher: „all inference is from parti-
culars to particulara; general propcsitions are merely registers of sueh in-
teMDces ftlready made and short formulae for making more". Diese Argu-
roentatiDii ist zwar sehr bestechend, aber doch unrichtig. Man bat n&inlicb
fclgende drei F&lle bezQglicfa der Schlosse von der Form des deduktiven
Syllogismus zu unterscheiden. Erstens: der Obersatz beniht auf einer tat-
sachlichen Tollst&ndigen Erfahrung bezüglich aller H (Menschen im Caiua-
beispiel); dann ist in der Tat der ScbluBsatz, da die Erfabnuu^ audi besOg-
lich S (Cajus} bereits gemacht worden ist, nur eine registrierende Repro-
duktion dieser früheren Erfahrung, es bandelt sich also um keine wirkliche
Deduktion. Zweitens: die im Obersatz ausgesprochene Erfahrung erstredt
sich nicht auch auf S und wird auf S im Schlußsatz wegen der Ähnlichkeit
nüt allen H ausgedehnt; in diesem Fall handelt es sich nur um eine schein-
bare Deduktion, in der Tat liegt ein Analogieschluß vor. Drittens: die dem
Obersatz zugrunde liegende Erfahrung ist an vielen M gemacht worden und
dann im Sinn des transgressiven offenen AUgemeinbegriffs M (vgl. S. ^6
n. 526 ff.) auch auf solche gewissermaßen potentiell gegebene M'a, d. h. auf alle
denkbaren M's ausgedehnt worden, der Obersatz spricht diese Erfahrung in
einem Univemlurteil aus, der Untersalz stellt lest, daß S unter den AUge-
meinbeeriff M f&Ut, und auf Gnmd dieser Subsumtion wird das Schlußuileil
gefällt **). Nur dieser dritte Fkll stellt wirklich einen deduktiven Syllogbmus
in unserem Sinne dar, und gerade dieser dritte Fall kommt bei der Argu-
mentation Mills nicht zu seinem Recht. Hier wird durch die Verbindung der
beiden Primissen in der Tat auf deduktivem Weg eine neue Eritenntnis
erzielt Es ist auch nicht angängig, etwa im Sinn des Millschen Gedanken-
gangs auch hier einen Analogieschluß anzunehmen. Die Subsumtion des S
unter M im Untersatz gründet sich natürlich auf eine Ähnlichkeit von S und
M, insofern beiden ein oder mehrere Merkmale gemeinsam sind, aber die
einzelnen M's spielen dabei keine Rolle, nur der aus einzelnen M's gewonnene
AUgemeinbegriB M konmit in Betracht. Wenn ich dem Walfisch (S), weil er
Stugetier (M) ist, warmes Blut zuschreibe, so denke ich nicht an seine Ähn-
lichkeit mit vielen einzelnen Säugern, sondern nur an die Zugehörigkeit zur
Klasse der Säuger. Bei dem Analogieschluß muß ich von den vielen Merk-
tnalen, welche dem Wal mit den einzelnen Säugern nicht gemeinsam sind,
erst abstrahieren, um zum Schlußurteil zu gelangen, bei dem deduktiven Syl-
logismus ist diese Abstraktion schon erledigt, und in M liegt tnir der Komplex
der gemeinsamen Merkmale als Ei^ebnis dieser Abstraktion bereits vor. B»-
sonders klar tritt dies Verhältnis zul&ge, wenn das im Obersatz aos-
gesprocbene universelle Urteil einen notwendigen, d. h. gesetzmäßigen Zu-
sammenhang zwischen M und P ausspricht Die Bedeutungslosigkeit der
individuellen M's für den ganzen Schluß rückt dann in ein noch grelleres
Ucht. So vrird es auch begreiflich, daß Ueberweg (1. c. S. 316) u. a. in Ober-
**) Dasselbe gilt mutatis mutandis, auch wenn es sich um Einordnung
^att um Unterordnung handelt.
OgIC
796 ^- ^^- I^B eiDEelnm logisch«! Gdülde und ihre Gesetze.
treibeDder Weise „die BeziebuDf des SiÜotiamaa auf eiiie leale Gesetonitti-
keit" fOr das wesentlidie und notwendite Kriterium des SrllosisnHu ertlirm
und damit im AnsdihiB au Aristotries in dem Uitldbcgriff „deo Aosdnict
des Realtrmdes" eiWcken.
S127. Mittelbare fortsehreltende SeUBsse, STÜt^BBMi,
FMiwtxunc: die sylloclstisclieii Fiiforen and Ihre Moft
S^on S. 725 wurde b^nerkt, daß man bei dee einfachen
Syllogismen auf GroBd der verschiedenen Stellanffai dw
Mittelbegriffs vier Figuren nnterseheiden kann. V&-
taiwcbt man in der üblichen Weise (S. 725) Ober- und Unter
sats, so lassen sie sich dnrch folgende Formeln darsteUen:
Pignr I M—P z. B. alle Säugetiere sind wannblntig;
S M alle Wale sind Saugetiere;
also S— P also sind alle Wale warmblütig-
I^gnr n P— 'M z. B. kein Saugetier ist gefiedert;
S-— M alle Vögel sind gefiedert;
also S P also ist kein Vogel ein Säugetier.
Fi«nr m M P z. B. alle Vögel sind gefiedert;
M— S alle Vögel sind Plagtiere;
also S'-r'P also sind einigeFlugtiere gefiedert.
Figur IV P M 2. B. alle Wale sind Säugetiere;
M S alle Säugetiere sind warnihlötig;
also S— — P also siad einige Warmblüter Wale-
Man beachte, dafi diese invertiert^! Syllogismen skit
von den natürlichen (S. 725) dadnrch nnterseheiden, daß in
der ersten Prämisse S, in der zweiten P fehlt. Die Zählnn«
der Figuren ändert sich durch di« Inversion nicht. Auch
sieht man sofort, dafi M nicht nur seine Stellung wechselt,
sondern auch nicht stets — wie in der ersten Figur —
weniger allgemein ist als P. In allen Figuren ist der Obersati
dnrch das Fehlen von S charakterisiert.
HiatoriBcfaes. Aristoteles untenctued nur 3 Figuren (»xif"'-
AnalrL pr. I, cw. 4—6). Die erste Ficur nennt er auch t«»Uqn^
iü*s' {TotIkcHiuneuer Syltoeismus), die beiden andeira t^U»rti^
Jnitk' {Akad. Aus«. 24 b, 83). Er iöhrte bereits in aUen Fiswea die h-
TCision durch, und zwar, wie Ueberveg (I. c. S. 331), mit Recht anninHl,
namentlich aut Grund seiner Oeirohnfaeit, das Pr&difcat an die Spitse de
Urleals lu stellen (z. B. in der ersten Figur: il ti A anä nmrtie tai M m
jc ■ KMti nanöf nv T, ifäytti wi J xtaa xsvier rev r tmt^y^JM»
l. c. 2öb}. Die Schlüsse nach der vierien Figur wurden zuerst von Theo-
nhrast') (S. 41) — fibrigens auf Grund von Andeutungen des ArisloW»
') Die BeleiliBung des Eudemus (S, 41) ist nii-ht ganz sicher.
„.,,„,^.oogic
3. Kapitel. Die Lehre von den Schlössen. 737
teibtl — naher berücksichtigt (vgl. namenttich Alexander Aphrod., Ad Ana].
l>r., Comm. AnstGraeca II, 1, 8.840.] und von ihm oder seinen Nachfolsem als
ceüoyM/nl »ar ttyäxlaMii Oder äriaratlüfitft bezeichnet (Hiiloponua, Ad
AnaL pr., Comm. Arial. Gr. XIII, 2, S. 79). Während nun Theophrast diese
Schlösse noch zur ersten Fiffur zählte, hat sie, wie aus einer von Minas in
seiner EiDleituDg zu der Galen zugeschriebenen Blaayttyri AaJUxTutq (vgl.
S. 48, Amn. 4) mitgeteilten Stelle eines griechisches Kommentators bervor-
zogehen acheint, Galen zu einer besonderen neuen vierten Figur zu-
sammeugefaSt '). Will man alle Möglichkeiten der Stellung, wel/'Jie der
Miilelbegrifi in den Priunissen haben kann, berUcksichtigen, ao ist in dec
Tat die ZufOgung der vierten Figur notwendig. Andrerseits sprechen trifiwe
Gründe zugunsten der aristotelischen Dreiteilung, Viel wesentlicher als die
Stellung des Mittelbegritls innerhalb der Vorderurteile ist nämlich oOenbar
seine StellimB innerhalb der Skala der verwendeten Allgemeinbegrüle, und
von diesem Einteiluncsprinzip aus ergeben sich nur 3 Figuren: in der ersten
figar stfihl M mit Bezug auf den Grad der Allgemeinheit zwischen S und P,
in der zweiten Figur ist M allgemeiner als S und P, in der dritten weniger
allgemein als S und P (vgl. Trendelenbuig, Log. Unters., Berlin 18W, Bd. 2.
S. 283, u. Elem. log. Aristot., Berol. 1^6, S. 78 zu g 28} "), Auch hat man
mit Recht darauf hingewiesen, daB dem natürlichen Denken die Schluflweise
der vierten Figur fernliegt, wie z. B. schon Averroes hervorgehoben Hat (Prior.
Jteaol I, 8, Venet. 1&Ö3, f. 63 b nach Prantl, Bd. 1, 5. 571). Die vierte Figur
wurde denn auch in der Folgezeit noch oft weggelassen: WoHf ignoriert
sie z. B. vollständig und läBl auch die zweite und dritte Figur nur als „syllo-
Bismi cfTptici" der ersten gelten ^Logica g 3C5, 3%, 397). Vgl. auch Crusius,
Weg zur GcwiBheit usw., Leipzig 1747, § dää, S. 596. Demgegentiber erkennt
(.ambert (Neues Organ., Leipzig 1764, § 197 u. 221(1.) alle vier Figuren
als gleichberechtigt an. Die erste soll „zur Erfindung oder Beweis der Eigen-
schaften eines Dinges", die zweite „zur ^findung oder Beweis dea Unter-
schieds der Dinge", die dritte „zu Erfindung und Beweis der Beispiele und
Ausnahmen", die vierte „zu Erfindung und .\usschlieBung der Arten einer
Gattung" dienen. Er ordnet dementsprechend der ersten das Dictum de omni
et nullo, der zweiten ein Dictum de diverse, der dritten ein Dictum de
excmpio, der vierten ein Dictum de reciproco zu (g SS2). Kant versuchte
in seiner Abhandlung „Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen
Figuren erwiesen" (Königsberg 1762; SJimtl. Werke, ed. HartensteiD, Leipzig
1867, Bd. 2, S. 6B) mit unsureicbenden Gründen nachzuweisen, daB „einzig
und allein" in der ersten Figur „reine Vemunftachlüsse möglich" siad, and
„daB die obersten Regeln alier Vemunftscblfisse unmitteltiar auf diejenige
Ordnung der Begrille führen, die man die erste Figur nennt". — W. Tr. Krug
(Syst. d. theor. Fhilos., 1. Teil, 3. AuE, Königsberg 1820, g 104 ff., S. 343 ff.)
teilt die Syllogismen ein, je nachdem nur Versetzung der Satze (These) oder
nur Versetzung der Begriffe in den S&tzen (Antithese) oder beides zugleich
(Synthese) st^tfindet und gelangt so zu sieben Figuren. — über Hegols üm-
deutung und Umgestaltung der Figg. stehe W.W. Bd. 5. S. i22i. u- Bd. 6, S. 346ff.
'■') So «klärt sich dir Bezeichnung ,^lenische Figur" (oder „theo- '
ptuastiseh« Uodi").
^> Siehe andrerseits auch die austflhrliche Erörterung Ueberwegs 1. c.
S. 332 ff. Jac. Zabarella, libtt de quarta syllogismomm figura (Opp. Lugd.
1587, S. 41) war mir nicht zugängüch.
Ziebeo, L«lubDcli dac L«grUt. 47
1,1^. OQi
,g,c
738 ^- ^*i'- ^^ eilurtiMa locMchen GtHUt wid ikn Gtutoe.
Bse endtOliiie Kttnuit aUer dieser tia nr Gcf^nnit i
StrwKifcgiteB nt ent dnnli fie nrae KntWhmt der ■
Vom Standponk der FigpUFeneinteilon^ wurden wüter-
hin innerludb jeder Fi^nr 16 SeUaBwrisea OCafi, vfitm
CMT «mßtitmr, Aristoteles, Ak. Ausg. 43 a, 10) nnteraeliiedtn,
je nachdem die Prämissen nmverseU bejahend, nnivosdl
verneinend, partikalär bejahend oder partikulär Temeinoid
sind. Mit Hilfe der S. 670 ein^reföhrten Symbole können die
sich för jede Figur ergebenden 16 Kombinationen kun fo^
ffendermaßen dargestellt werden:
1. Prämisse a e i o
2. Prämisse aeio aeio aeio aeio
Unter den 6( Konduiationen, die auf dieMm Wefe msUnde koaves,
liefern nur It) rtitiae, d. h. riehtiie SchttiSsitze. Es sind dies bdrende:
(s.p
HeP
äaH
SeP
CeUteot
HaP
SiH
SiP
Daiü
HeP
SiH
SoP
Ftaio
(PeH
n. Figur \b»U
PaH
SeH
SeP
Cmaitna
PeH
SiH
SoP
FWiiK.
PaH
SoH
8oP
Banoo
• V«P
m. Kgor JMaS
IsfP
HiP HaP
SaH HiS
SiP 8iP
Diaamia DatU
HeP HoP H.P
HaS HaS Hiß
SoP SoP SoP
Felaittam Bocanlo Ferine
(PaH
IV. Kja, H.8
Isip
Bmulip
PaH PiH PeH
MeS HaS HaS
SeP SiP SoP
Calemea Dimatia Feeapo
PeH
HiS
SoP
Freäoa
Die unter ieder Formel stehenden MeAwofte kommen nach Praufl imn
ersten Haie bei Wilhelm t. Shyreswood (gest IS^ vor und sind dann vra
Lambert ». Auxeire und Petrus Hispsnus äbemommen worden. Sie watdat
im folgenden Memorialvers znsammensesteUt:
Barbara, Celarent, Darii, Ferio, BaraUpton,
Celantes, Dabiti», Fapesmo, Friaesomomm^K
Cesare, Campeatres, Festino, Baroco, Darapti,
PelaptoD, Disanns, Datiri, Bocardo, Ferison.
Die Vokale der drei Silben geben die Ouantitat und QmüitÄl jedes ein-
zelnen Teilurleil« an (Barbara a a a usf.). wÄhrend die Eonmnanten auf (fe
Begehungen der Modi zueinander hitiweisen. So soU z. B. der Anlaiig*-
buchstabe B bedeuten, dafi dieser Modus ,4ebet reduci ad primum modmii
pnmaefigurae", ein einrefüpe» M (metathesis). daB „debel fien tnuBpwitio
'•) Baralipton bis Frjsesomonuu entsprechen den 5 Modi der 4. Gale-
nisoben Fipir (ohne Inversion).
3. Kapitel. Die Lehre von den Schlflssen. 739
in piaemissis" usf. Später wurden die Merkworle einerseits zuweilen noch
vermehrt (64 bei Petrus Mantuonus), andrerseits mannisfacb abgeändert. Die
jetzt üblichen, oben angeführten Merkworte faßt der folgende, übrigens auch
in allerhand Variationen*) vorkommende Vers zusammen:
Barbara, Celarent, Darii, Feriöque prioria (seil, figurae);
Ceeare, Camestres, Festino, Baroco secnndae;
Tertia Dart4>ti, Disomis, Datisi, Felapton,
Bocardo, Ferison habet; quarta insuper addit
Bamalip, Calemes, Dimatls, Fes4po, Fresiso(n).
ZweckmäB^ Beispiele für jeden Modus gibt z. B. Erdroann, Logik,
2. Aufl., S. 658 ff.
Man ersieht also hieraus z. B., daS in der zweiten Figur
ans zwei nniveracll bejahenden Prämissen (aa) kein syllo-
gistisches Schlußurteil gezogen werden kann. M kann hier
nicht so eliminiert werden, daS nur S und F In einem urteil
(nämlich dem Conclnsum) verbunden werden. Als Beispiel
wähle man etwa die Prämissen: „alle Wale sind Säugetiere"
und „alle Beuteltiere sind Sängetiere". Hier ist offenbar
ein syllogistischer Schluß nicht möglieh. Selbstverständlich
aber ist 6ec kopulative ScUnQ zulässig: die Wale und die
Benteltiere sind Sängetiere. Es fehlt jedoch dann der fort-
schreitende Charakter (vgl. S. 721) und die Elimination des
Mittelbegriffs. Der Unterschied zwischen den zusammen-
fassenden Schlüssen und den Syllogismen tritt hier klar
zutage.
unter den mannigfachen Begeln, welche ans der obigen
Aufzählung entnommen werden können, sind folgende be-
sonders wichtig:
1. Ans zwei verneinenden Prämissen (ee oder eo oder
oe oder oo) läßt sieh kein gültiges einfaches syllc^istisches
*) Z.B.: Barbara Celarent primae Darii Ferioque;
Cesare, Cameatres, Festino, Baroco secundae;
Tertia grande aonans recitat Darapti, Felapton,
Disamls, DaUsi, Bocirdo, Ferison. Quirtae
Sunt Bamalip, Calemes, Dimatif^ Fesapo, Fresiso.
£ine beachtenswerte Umgestaltung gibt auch Aug. de Morgan. Forma]
logic, London 1M7, S. 131 *. Prantl fand analoge, aber sinnTolle griechische
Hemorialverse in einer Handschrift der Svt^^ne des Psellus (S. 68), vgl.
Prantl, Oesch. d. hos. usw., Bd. 2, 2. Aufl., S. 2^ Obrigens hat auch die
Zahl der Modi geschwankt. So scheint Tbeophrast und SD&ter FondiTriuB
in der dritten Figur noch einen siebenten Modus aufgezählt zu haben MaP;
KBS;:PiS (s. Appuleius,!!««!^;^. ed. Thomas 190S. S. 180; Boölhius, De syll.
cal., ed. Migne Bd. U, S. 813). Je zwei neue Modi wurden zur ersten und
zweiten Figur von Job. Hospinianus in mir unzug&nglichen Schriften a. d. J.
1560 n. 1567 hinzugefügt und von Leibniz anerkannt (Gerh. Ausg., Bd. ^, S. 50).
47*
„.,.,, :,>..OO^SIC
740 ^- "^^^ ^'^ änzelnen logischen Gebilde und ihre Gesetze.
Schlnßnrteil ableiten (nn^nau formuliert: ex mere n^a-
tivis nihil seqoitnr). Die Richtigkeit dieaer syllogistiecheu
Begel ergibt sich aus folgender Erwägung*). Sind beide
PrämisMD universell verneinend, so besagen die Prämiseen
nur, daß M ein sowohl von P wie von S völlig getrenntes
Gebiet einnimmt; «s fehlt also jeder Anhalt für eine syllo-
gistische Beetinmiung des VerhältnisBes von S und P, das
letztere bleibt ganz unbestimmt; wir können höchstens in
bestimmten Fällen einen negativen kopulativen Schluß
ziehen (z. B. weder S noch P sind M). Ist die eine Prämisse
universell verneinend, die andere partikulär verneinend, so
kann das Subjekt der partikulär verneinenden Prämiss«
„einige" «ntweder „wenigstens einige" oder „nur einige"
bedeuten. In beiden Fällen ist ein Schluß auf eine Bezie-
hung von S zu P nicht möglich: im ersten Fall, weil er audi
den an erster Stelle behandelten Fall zweier universell ver-
neinender Prämissen einschließt, im zweiten, weil sich ans
der Kreuzung (S. 565) von P (bzw. S) mit M und dem vollen
Auseinanderliegen von S (bzw. P) und M für die Beziehung
von S und P ebenfalls nichts ergibt.
Aristoteles hat diese syllosistiache Regel schon kurz angedeutet fAkkd.
Ausg. il b, 6). Eine scbeinbue Ausnahme bilden Schlüsse der lolgenden
Fonn: „alle non-H sind nicht P; S ist nicht M ; : S. ist nicht P". Offenbir
ist dieser Schluß, wie man sich auch leicht duich graphische Darstellung kbr
machen kann, einwandfrei, obwohl beide PiAmissen verneinend sind. ScbäD-
bar ist diese Ausnahme deshalb, weil außer den drei Beerten, auf welche dif
jetzt behandelten Syllogismen beschi'&nkt sind, ein Werter, n&nüich „non-V,
vorkommt. Reduuert man die Begriffe auf drei, indem man entweder den
Obersati formuliert: alle P sind 11, oder den Untersatz formuliert: S ist ein
non-M, SD wird klar, daS auch in diesem Fall eine PrSmisse positiv ;st'>
Vgl. Boethius. In libr. de Interpret, ed. 11, Hignes Patrol, S, &61. Der Ein-
wand von Duns Scotus (Quaest. sup- Anal. pr. I, Qu. 21. Opp. Paris 1891.
Bd. 3, S. 139) ist bereits oben berOck achtigt.
2. Aus zwei partikulären Prämissen (ii, io, oi oder oo)
läßt sich kein gültiges einfaches eyllogistisches Schlnfi-
urteil ziehen (ex mere particnlaribus nihil seqnitur).
Diese K^el, die schon von Aristoteles aufgestellt warde
(Akad. A'usg. 41 b, 7 u. 22: ip änawt sciL avlloytafiä itl . ..
%i xa9öXov iitäfx"*')} ergibt sich wiederum daraus, daß aa«
den Kreuzungen von P und S mit M nichts für das Verhält-
=) Vgl. hierzu auch Ueberweg, 1. c. S. 34611.
') Der Erdmannsche Versuch, die Scheinbarkeit dieser Ausnahmen anf
anderem Weg nachzuweisen, scheint mir nicht laaz gdvog«n (1. c. S. 681).
OgIC
8. Kapitel. Die Lehre von den Schlüssen. 741
nis von S und P folgt (aiiRftlfaTliche Darl^rnng bei Überweg
L c. S. 351) ').
3. Ans einem partikulären Obersatz (i oder o) und einem
verneinenden Untersatz (e oder o) läßt sich kein gültiges
einfaebes sylJogistiscbes Schlnßnrteil ableiten. Ber Beweis
ist in ähnlicber Weise wie für die erste Begel zu führen
(ansführlicbe Darlegung bei Ueberweg 1. c. S. 353).
4. Ist eine Prämisse negativ, so ist aucb das SchluB-
urteil negativ; ist eine Prämisse partikulär, so ist auch
das Schlnßurteil partikulär (conclnsio*) seqnitnr partem
debiliorem). ^
Unter den zahlreichen speziellen Regeln, die für die einzelnen Figuren
selten, seien folgende hervorgehoben : In der ersten Figur nuiB, damit ein
gUlUger ayllogiatischer SchluBsatz zustande koimnt, der Obersatz stets uni-
versell, der Untersatz stets bejahend sein. Die erste Regel gilt auch tOr die
zweite Fisur. FQr die 2. Figur ist auQerdem, wie oben (S. 739) bereits bei-
spielsweise angeführt nurde, Regel, daS eine (und zwar nach Regel 1,
S. 739 ikur eine) Prlntisae negativ ist. In der dritten Figur muQ der
Untersatz beiahend sein.
Der Beweis für die Gültigkeit der oben angeführten 19 Syllc^imen und
die DngfÜtigkeit der übrigen 45 und für die Richtigkeit der soeben aufgestell-
ten Regeln kann in verschiedener Weise geführt werden. Die mittetalterliche
Logik betrachtete in der Regel die Modi der ersten Figur als unmittelbar
Rewiß und „reduzierte" die Uodi der übrigen Figuren auf jene (vgl. S. 738).
Demgegenüber muB hervorgehoben werden, daB alle gültigen Modi sich auch
unmittelbar durch Umfangsvergleichung (eventuell mit Hilfe veranschaulichen'
der Symbole) als solche, d. h. als güJUe erweisen lassen. Noch korrdter
— weil allgemeiner — lassen sich alle diese Nachweise mit Hilfe der Lehre
von den Indrridualkoeffizienten (vgl. S. 3G9 u. 730) führen. Sei z. B. der
SchluS Camestres gesehen: alle P sind H; alle S sind nuht M ; : alle S sind
nicht P, sa argumentiert man fblffendennaBen : Nach dem Obersatz stimmt
ein Teil der M mit den F in den fndividualkoeffizienten flberein; diese U'a
sollen mit m bezeichnet werden und die Individualkoeffizienten, in denen
die Fs und die m's übereinstimmen, mit ip,,,. Dann besagt dec Untersatz,
daß keinem S die Individualkoeffizienten ip^, zukommen, und damit ist auch
bewiesen, daB alle S nicht P sind.
ScblieBlieb sei noeb betont, dafi bei der ablieben Klasai-
flkation der Syllogismen diejenigen, deren Untersatz und
Scblufisatz ein oder mehrere bestimmte Indivi dnen
zum Subjekt haben, nicht ausreichend berücksichtigt sind. Im
praktischen Benken spiel-eu sie die größte Rolle (Subsumtion
') Die weitere Ausführung Ueberwegs bezOslicb des singuliren Urteils
(S. 862 unten) kann ich nicht als zutreffend anerkennen.
*) Nach unsrcr Nomenklatur muB es heiBen „conclusaa". Diese Formel
ist übrigens oft in unzutreSender Weise angewendet wordrai.
OgIC
742 IV- feil' Die nnzdoen losiscfasii Gdnide und ihre Gesetze. ^^
eines jaristiacheu bzw. ärztlichen Falles unter eineo Ge-
setzesparagraphen, Krankheitsbegrriff usf.). Nor die Indivi-
dnalkoefflzieatentbeorie wird diesen Fällen gerecht.
y&Dcheriei vichtise AulUirunB bezfiglicb aller dieser Fragen verdanken
wii der «Icebndtdieii Lofjk^). Insbesondeie hat Ladd-Franklia (Schrfider,
Voiles., Bd. 2, S. 228) nachgewiesen, daS alle überlieferten Syllogismen sich
aut die Formel (ab^ o)('bc:= o)^g(ac =io) zurüclcfahreii lassen, in der a,b
und c Gebiete bedeuten und die Symbole dea S. 541 u. 670 angesebenen Sinn
haben. Die Fonn«l kann auch geschrieben «erden: (ab = o) ('bc = i>)
[ae^ 0)^0 tmd stellt einen besonderen Fall der lolgenden allgemeinen „In-
konsistenz" dar : (ab c= o) (cd := o) { ac(b + d) 4= o ) ;= o. In der Tat lassoi
sieb aus jeder dieser Formeln alle angefahrten Syllogismen in sehr einfadi«
Weise atdeiten. Dabei ergibt sich, daB nur acht wesentiich verschiedeK
Uodi vorhanden sind, nämlich Barbara, Darii, Cesare, Feslino, Disunis,
Calemes, Baroco und Bocardo. Nur in der Wort spräche eerfalien diese
vom Aussagekalkul unterschiedenen Formen noch in Unterformen. Zu Cesue
gehört Celarent, zu Calemes Calestres, zu Darii Datisi, zu Festino Feiio,
Ferison und Fresison, zu Disamis Dimatis. — Sieht man von den Qberliefer-
len Fisuren und Modi ab, so gestaltet sich die algebraisch-logische Bntwict-
lunf Doch einlacher. Es handelt sich dann lediglich um die Eliminatton
von b (d. h. des UittelbegriKs) aus den folgenden sechs PrftmissenpaartD:
I. (abc=o)(bc = o), 2. (8b = o) ("bc = o), 3. (Bb = o) (bc^io), 4.(ab=o(
('bc4:o), 5. (ab^o) (bc4:o) und 6. (ab^: o) ('bo^o). Tj^ Schröder L c
S. 234 u. 3 48 u. A. Cajley, Quart. Jonm. of pure and appL math. 1871,
Bd. 11, S. 282—283.
S 128. Hfttelbare fortschreitende Sehlflsse, Syllogismei,
Fortsetsnng: Varianten der einfachen Syllc^ismen. Obllq«
Syllt^ismen. Hypothetische Syllt^^sinen. Syllogismen nlt
einer disjanktiv«! Prämisse. Bei allen seither betrachtete»
Syllogismen war derTatbestand insofern sehr einfach, als das
Sehluflurteil aas den Prämissen dnrch einfache Vertau-
schung dreier Begriffe heig^leitet werden konnte (vgl. S.733
über Substitutionstheorie). Eb kommen nun aber Syllc^is-
meu auch dadurch zustande, dafi nicht der ganze Begriff H,
sondern nur ein Teilbegriff desselben substituiert und eli-
miniert wird. Ein sehr einfaches Beispiel ist folgender
Schluß: ,J>er Lanzettfisch hat kein Großhirn; das Gro&him
ist das einzige Organ für psychische Prozesse;: also hat der
I^anzettfisch kein Organ für psychische Prozesse". Die Schul-
form des einfachen seither besprochenen Syllogismus läßt
sich hier in adäquater Weise gar nicht herstellen. Eine Um-
*) FQr nicht zutreffend halte ich die Einw&nde Scbroedos fegec
Uampti, Felapton, BamaUp und Fesapo (1. c. S. 2201., 227 f. u. 2S9E>.
OgIC
3. Kapitel. Die Lehre von den ScblOwen. 743
fonnimgr wie: „Der L. ist ein groöhirnloses Tier; großhim-
loee Tiere sind Tiere ohne das einzige Organ für psychische
Prozesse;: also ist der L. ein Tier ohne das einzige Organ für
psych. Prozesse" entspricht weder dem wirklichen Denken (im
psychologischen Sinn) noch dem logischen Zusammenhang
der Urteile. Der Begriff, der eliminiert wird, ist hier nicht
.jgroßhimloees Tier", sondern „QroQhim", und dieser Begriff
ist LQ der ersten Prämisse als solcher weder Prädikat noch
Subjekt, sondern nnr im Prädikat enthalten. Noch
sehr viel durchsichtiger sind analoge Schlüsse aof mathe-
matischem Gebiet, wie z. B. J (Dreiecksinhalt) ^^/lah;
h = b8in>';: J = V*absin7. DasVersagen der einfachen Syl-
logismnsformeln springt hier sofort in die Augen, h ist, da
es in der ersten Prämisse nur ein Teilbegriff des Prädikats
ist, kein Mittelbegriff im Sinn des einfachen Syllogismns.
Bichtiger wird es als „Eliminand" bezeichnet. Im Sinn
der SutMtitntionstheorie (S. 732) kann man sagen, daB das
Senlufinrteil darch „Substitution" von b sin y für h zustande
ktHnmt, oder — anders ausgedrückt — daS die Bichtigkeit
der ersten Prämisse erhatten bleibt, wenn dem h das ihm
gleiche b ein y substitaiert wird (vgl. hierzu auch S. 727 ff.).
In anderen Fällen wird der Eliminand nicht im Sinn des
ÄquatioDsprinzips, sondern im Sinn der Sabsomtion elimi-
niert. Als Beispiel mag der folgende Schluß angeführt wer-
den: die Massenattraktion ist dem Produkt der Massen
direkt und dem Quadrat ihrer Entfernung umgekehrt pro-
portional; die Entfernung ist eine Längendimension;: also
ist die Massenattraktion dem Produkt der Massen direkt und
dem Quadrat einerLängendimension umgekehrt proportional.
Die „Entfernung" entspricht dem h des vorigen Beispiels,
ist also der Eliminand. Hier wird aber der letztere nicht
durch einen ihm lunfangsgleichen Begriff (wie h durch
b sin y)' ersetzt, sondern durch einen ihm übergeordneten Be-
griff, nämlich tJÄngendimension"; der Eliminand wird dem
letzteren subsumiert. Dabei darf dieser übergeordnete Be-
griff selbstverständlich nicht in seinem vollen Umfang, son-
dern eben doch nur im Umfang des Eliminanden („eine"
Längendimension) eingesetzt werden; insofern bleibt also
auch hier das Äquationsprinzip in Kraft. In einer dritten
Reihe von Fällen erfolgt die Elimination im Sinn der Ein-
ordnung. Hierfür gibt folgender Schluß ein Beispiel: Dieset
Ouvertüre beginnt mit einer B«ihe von Mollakkorden;
OgIC
744 'V' T^>'' ^'^ einzelnen loiischon Gebilde und ifare Gesetze.
Mollakkorde lösen eine wehmütige Stiramting ans;: diese
Onvertäre beginnt mit einer Reihe eine wehmütige Stim-
mung auslösender Akkorde. Hier ist Moll der Elim{PMid.
Die Auffassung im Sinn der Subsumtion (Mollakkoide ge-
hören zu den eine wehmütige Stimmung auslösenden Din-
gen) wäre durchaus gekünstelt. Wir ordnen vielmehr die
Auslöaung wehmütiger Stimmung unmittelbar dem Begriff
des Moll ein und übertragen Bie dann in demselben ^nn auf
die Akkordreihe, mit welcher die Ouvertüre beginnt. Die
Subsumtion tritt zurück. Offenbar kehren auch hier die
Theorien wieder, welche S. 731 mit bezug auf den einfachai
Syllogismus besprochen wurden, und auch hier scheint mir
jede dieser Theorien nur eine Seite des Tatbestandes n
berücksichtigen und bei manchen Fällen ganz zu T^sagaa.
Dag^en wird die Äquationstheorie der IndiTidnsJkoefil-
zienten (vgl. S. 730) wiederum allen Fällen gerecht.
Historisch sei nur bemerkt, daS scbon Occam sich mit den SchlüSKD
beichAftigt, die in den Pr&missen einen Casus obliquus enthalten (Summa W.
los. I, cap. 9), und dementsprechend von einem Sylkvismus de obliquis
spricbl. Ich schlage daher auch vof, solche Syllo^smen kurz als oblique
zu bezeichnen. Buridan (S. 86] hat die Occamsche Lehre noch etwas weiter
ausgefahrt (Ferutile coou>. tot. Iok.). Eine vortreEQiche Darstellung bat spSter
der Verfasser der Logique de Port-Royal gegeben (Teil III, Ch. 9, ed. Jourdaio
Paris 1861, S. 188 ff.). Er bezeichnet solche Schlüsse als .^llogismes c«o-
piexes".
Eine andere wichtige Variante des einfachen Syllogis-
mus ist der hypothetische Syllogismus, auch kurz hypotbe-
tiscber Schluß genannt. Die hypothetiachen Syllogismen zer-
fallen in zwei weit verschiedene Klassen, nämlich in die sog.
gemischt hypothetischen und in die refat hypothettseheD
Syllogismen. Aus der folgenden Darstellung wird sich er-
geben, dafi ihre Zusammenfassung nur auf der relativ on-
weseutlicben Tatsache beruht, daB bei beiden wenigstens
eine Prämisse ein hypothetisches urteil (S. 698) ist. Im
übrigen weichen sie in ihrer logischen Struktur wesentlich
voneinander ab und sollen daher ganz getrennt besprochen
werden. Die seither betrachteten Syllogismen werden, weil
sie kein hypothetisches urteil, sondern nnr sog. katc^rische
urteile enthalten, auch herkömmlicherweise ausdrücklich
als kategorische Syllogismen bezeichnet.
Der gemischt hypothetisehe SchloB hat nach der ab-
lieben Darstellung die allgemeine Formel:
iM,Googlc
3. Kapitel. Die Lehre von den Schltlssen. 745
positiv: negativ:
wenn A gilt, dann gilt C; wenn A gilt, dann gilt 0;
A gilt;: C gilt nicht;:
also gilt C. also gilt A nicht
Der positive Fall wird als „Modus (ponendo) p 0 n e n s",
der negative als „Modus (tollendo) tollens" bezeichnet.
Man beachte, daß das Subjekt in den Untersätzen der beiden
Modi verschieden ist. Der Obersatz enthält zwei Urteile
fA und C). Seine Bedeutung ist durch die Erörterungen
S. 700f. genugsam aufgeklärt. Er spricht den Zusammen-
hang von Grund und Folge für die beiden Urteile A und C
aus und kann daher kurz formuliert werden: A und C sind
„konsequent"- A und C sind also die Subjekte des Obersatzes. A
hat den Charakter einer Annahme oder Prothese (S. 382), der
Znsammenhang von C mit A wird dagegen thetisch ans-
gesprocheu *). Der prothetische Charakter von A wird darch
die konditionale Formulierung ausdrücklich hervorgehoben.
Der Untersatz hebt nun diesen prothetischen Charakter von
A für einen oder einige oder alle Fälle anf, verwandelt also
das Urteil A in ein thetisches: A gilt, d. h. gilt tatsächlich
(wird von mir als richtig betrachtet), und daraufhin wird
für denselben Fall bzw. für dieselben Fälle jetzt auch das
Urteil C thetisch ausgeeprochen ').
Auch hier hat man zu nnterscheiden, ob der Obersatz ein
indeterminiertes oder ein instables hypothetisches
Urteil ist (vgl. S. 70Ö). Im ersteren Fall wird- die Un-
bestimmtheit des Urteils A (im Obersatz) und damit
auch der prothetische Charakter von A und die Bedingtheit
des Qeltens von C im Untersatz dadurch aufgehoben, daB an
Stelle des unbestimmten Subjekts von A ein bestimmtes ge-
setzt wird. Beispiel: „Wenn ein Dreieck (ganz unbestimmt)
gleiche Basiswinkel hat, ist es gleichschenklig; dies Dreieck
(Determination]) hat gleiche Basiswinkel;: also ist dies
Dreieck gleichschenklig". Offenbar ist in diesem Fall der
hypothetische Schluß nichta anderes als ein deduktiver
^llogiemuB, der sprachlich etwas umgestaltet ist; er lautet
') Sa wenigstens bei der jetzt gew&hlten Form; ich kann jedoch aus-
nahmsweise auch das e a n z e hypothetische Urteil, also den Zusammea-
h a n B von C mit A protfaeUsch (im Sinn einer Annahme) denken, z. B. als
die Behauptung eines anderen in Erwlgung ziehen usf. VgL S. 700.
*) Der Ob«^atz halte nu; den Zusammenhang von A und C
Ihetiacb ausgesprochen.
740 IV- TeU. Die cinielnen logiscfaen Gdnlde und ihr« Gesetze.
in der Form des gewähnlicben Syllogümus: alle Dreiecke
mit gleichen Basiswinkeln sind gleichschenklig; dies ist ein
Dreieck mit gleichen Basiswinkeln;: also ist es gleich-
schenklig'). Diese Form des gemiscljt- hypothetischen
Schlusses schwebte wohl anch Sigwart bei seiner auf S. 730
erörterten Theorie des Syllogismus vor. Exakt formuliert,
müßte der Untersatz lauten: „in einem bestimmten Fall bzw.
in bestimmten Fällen gilt A" nnd das Schlufiurteil: „also
gilt in diesem Fall bzw. in diesen Fällen C". — Ganz anders
bei derjenigen Form des gemischt-hypothetischen Schlusses,
deren Obersatz ein instables hypothetisches urteil ist
Hier beruht der prothetische Charakter des Teilnrteils A des
Obersatzes und damit auch die Bedingtheit des TeUurteils C
aaf dem Fehlen ausreichender Gründe für A. Nun wird
im Untersatz („A gilt*') an Stelle des prothetischeu Charak-
ters von A der thetiache gesetzt, sei es, weil sich ausreichende
Gründe für A iieu gefunden haben oder weil eine anfängliche
Aosschaltuug (s. S. 384) der Gründe aufgegeben wird, und
damit tritt an Stelle der bedingten Gültigkeit von C die un-
bedingte („C gilt"). Beispiel: „wenn dies Dreieck gleiche
Basiswinkel hat, ist es gleichBchenklig; dies Dreieck hat
gleiche Basiswinkel;: also ist es gleichschenklig", oder „wenn
der Mars bewohnt ist, sind seine Bewohner menschenähnlich;
der Mars ist bewohnt" (etwa als Behauptung eines über-
zeugten Anhängers der Marskanäle);: „also sind die Be-
wohner des Mars menschenähnlich" (als Schlnßnrteil des-
selben Anhängers). Hier läßt sieh eine Verwandtschaft mit
dem deduktiven Syllogismus kaum konstruieren*), da-
g^en ist der allgemeine Charakter des Syllogismus insofern
noch einigermaßen vorhanden, als das Urteil A eine ähnliche
Bolle spielt wie der MittelbegrifF in dem gewöhnlichen ein-
fachen Syllogismus. Man muß aber doch beachten, daß von
einer vollständigen Elimination des A meistens nicht die
Bede ist"). Sein Subjekt wird sogar in der Regel in das
") Daber lUt sich auch der typische deduktive SrlloBismus stets auf
die Form «ines gemiscbt-hvpotheüscben Schluases mit indeterminiettem
Übersats brinsen: „wenn Jemand ein Uensch i>t, ist er slerblichi Caius ist
ein Mensch;: also ist er steifalicb.
*) Uan kann nur zusehen, daß der Ohersalz olt auf ein uniTeraelles
Urteil zurOckgehl.
^) Ein Beispiel fCr eine vollständige Etiminslion wäre folsendes : „wenn
unser Herrscher unheilbar krank ist, droht unserem Staat schirerea Unheili
3. Kapitel. Die Lehre von den Schlössen. 747
ScUoBurteil mit fainäbersenomuieiL, so kann z. B. in anBerem
Beispi«! das SchloBnrteil auch formaliert werden: „also ist
der MarG von menBohenähnlichen ludividnen bewohnt" und
Bomit einen groQen Teil von A in sich enthalten. Jedenfalls
beansprucht also die zweite Form des gemischt-hypothetischen
SohloBsee gegenüber den typischen Mittelbegriffsschlüssen
eine selbständigere Stellung. Wegen dieser Selb-
ständigkeit verdient sie die Bezeichnong „gemischt-hypo-
tbeÜBcher Schloß" im prägnanten Sinne.
Oft wird der gemischle hypothetische SchluB auch in foleeadem Salx
uisseatrocben : Mit dem Grund ist auch die Folge bejaht, mit der Folse
ist auch der Grund verneint. Exakt trifft diese Formulierung nur fQr die
zweite Form zu, und auch für diese wird sie besser folsendennaBen ab-
geändert: mit dem thetischen Aussprechen des Grundes ist auch das thetischc
Aussprechen der Folge g^eben d.s. f.
Sehr miBverst&ndlich und geradezu falsch ist es, wenn als Merkmal
der gemischt-hypothetischen SchlUsse angegeben wird *), ihr Untersatz sei
ein „Exis tenzialurteil". Das Pr&dikat des Untersatzes muB keines-
wegs die E^slenz sein. Nicht die Existenz, sondern die im Obersatz offen-
gelassene Gültigkeit (Geltung) von A vird im Untersalz bejaht; darin
besteht eben die Aulhebung des prothetischen Ctiarakters und die Eintetzung
des thetischen Charakters. Man überzeuge sich hiervon etwa an folgendem
Beispiel: „wenn die Zentauren die Fiktion eines Dichters sind, so sind die
S&mpfe der Zentauren und Lapithen eis eine Sage zu betrachten; die
Zentauren sind die Fiktion eines Dichters; also sind die Kampfe der Zen-
tauren und Lapithen als Sage zu betrachten".
Der rein hypothetische Sehlaß hat die Formel:
positiv: . negativ;
wenn A gilt, dann gilt M; wenn A gilt, dann gilt M;
wenn M gi!^ dann gilt B; wenn M gilt, dfuin gilt B;
also: wenn A gilt, gilt B. also: wenn B nicht gilt, giltAnicht.
In Worten wird der positive rein hypothetische Schlufl
ausgesprochen: die Folge der Folge ist Folge des Grundes.
Charakteristisch für den rein hypothetischen Schluß ist vor
allem der protbetische Charakter aller seiner Teilnrteile.
Es wird also nicht wie bei dem gemischt hypothetischen
Schluß der prothetische Charakter eines Obersatzes durch
einen thetischen Untersatz eliminiert. Eine tiefere Ver-
wandtschaft mit dem gemischt hypothetischen Schluß besteht
*) Diese Auffassung gehl auf die Brenlanosche Lehre vom Ezistenzial-
uiteil zurück. Vgl. S. 628.
OgIC
748 ^- '^^i'- ^i^ eiDEelneit I<«i9cben GeUtde und ihre Gesetze.
nicht. Dage^n ist die Zagehürigkeit zu den Syllogismen
(MittelbegrifFBschlüssen) anverkennbar. Das Teilarteil M,
welches den Nachsatz des hypothetischen Obersatates nnd
den Vordersatz des hypothetischen Untersatzes bildet, spielt
durchaus die Rolle des MittelbegrifFs und wird ganz «ie
dieser bei den typischen Syllogismen eliminiert. Sehr oft
haben die rein hypothetischen Schlüsse auch deduktiven
Charakter, nnd zwar entspricht der Untersatz des rein
hypothetischen Schlusses dem Obersatz eines deduktiven
Syllogismus, wie z. B. folgende Transformation lehrt. Ge-
geben sei der rein hypothetische Schluß: „wenn der Meneob
atmet, finden Oxydationen statt; wenn Oxydationen statt-
finden, wird Wärme entwickelt;: also wird, wenn der Mensch
atmet. Warme entwickelt". Die Transformation in einen
deduktiven Schluß ergibt: ,«re(ler OxydationsprozeB ist mit
Wärmeeatwickluug verbunden; die Atmung des Menaeheo
ist ein OxydationsprozeB;: die Atmung des Menschen ist mit
Wärmeentwicklung verbunden" (Schluß Barbara).
In diesem Fall kann man von einer zweimaligen Subordination des
rein hypoiheli sehen Urteils sprechen. Oft tritt iedodi an Stelle einer od»
beider Subordinationen eine Aqualion (vhI. S. 727 fl.], nie die folseoden Bei-
spiele lehren; 1. wenn die Basiswinkel eines Dreiecks gleich sind, nnd seiiie
Schenkel gleich (Aqualion); wenn die Schenkel eines Dreiecks gleich sind,
besieht Symmetrie (Subordination);- wenn die Basiswinkel eines Draacfcs
gleich sind, besteht Symmetrie. 2. wenn a^^ß, so ist a.^b (Aquatün);
wenn a,^b, so ist h, = hi,; (AduatioQ);; wenn a = ß, so ist h, = hb. —
Man hat in allen Fällen darauf zu achten, daB die Konsequenz des Ober-
salzes und des Untersatzes allgemein gilt. So liegt z. B. ein Fehlschluß m,
wenn wir schließen: „wenn die Sonne scheint, schmilzt der Schnee; wenn
der Schnee schmilzt, wird Wärme gebunden;: wenn die Sonne scheint, wird
Wftrme gebunden". Der Fehler liegt in dem Vordersatz, der nicht allgemeia
gilt: nicht immer, nenn die Sonne scheint, schmilzt Schnee (z. B. dann
nicht, wenn kein Schnee liegt). Im alltäglichen und im wissenschaftlichen
Denken sind solche Fehlschlüsse in versteckterer Form nicht selten.
Historisches übe; die hypothetischen Schlttsse.
Aristoteles hatte den hypothetischen Schluß nicht anerkannt Die ScbhtB-
weise^; iw»teaif (Ak. Ausg. 40 b, 46 b usf.) wird von ihm im wesenUicbca
auf den indirekten Beweis beschränkt (vgl. § 136). Erat Tbeophrasl u, Eudenros
(vgl. S. 41) ') stellten den hypotlielischen SchluB als eine selhst&ndige Schluß
form aul (Alexander Aphrod., Ad Analyt. pr., Akad. Ausg. 11, 1, ä 3ü0 u.
Fhiloponus, Ad Anal, pr., Akad. Ausg. XIH, 2. S. 243), und zwar beschrieben
sie sowohl den gemischt hypothetischen wie den rein hypothetischen Scfahil.
Das Hauptgewicht wurde bei ersterem auf das .JUnzundimen" des Unter-
') Es muD daselbst, wie ich bei der Korr^lur bemeilEe, Z. 17 v. ofaen
heißen „SchluB" stall „Urteil".
OgIC
3. KaEHlel. Die Lehre von den Schlüssen. 749
Satzes {np*«^^;, fitiäi^^lHt) ") getegL Der lelzlere hieB aviloytafiis iiä
T^r (Philoponus, 1. c. S. 243 u. 413) oder d^' ähtv v7io»{nxit. Die Stoikec
rechnelea die hypothetischen Schlüsse mit den disjunkliven zu den tüyn
dra»öiu*ti\ den Obersatz nannten sie rpoTnnv oder i.^fifta, den Untersatz
n^«hit/ne, den SchluB (««tjunipato/ict der Peripatetiker) htu/MQ« (Pbilopouus,
L c. S. S43 u. Diogenes Laert„ De dar. phiios. viL VII, 1, ed. Cobet. S. 176
u. Sextus Empir., Fyrrh. Hypot. II, 135, ed. Bekker, S. 87; nach letzterem
hieBen beide Prämissen liifi/4 am). Unt^r den lateinischen Logikern hat
Baätfaius die hypothetischen Schlflsse (syllogismos non simplices oder con-
ditionales) in einer besonderen Monographie ausfohrlich behandelt (ed. lligne
Bd. 64, S. 831). Er nannte den Obersatz propositio (im prägnanten Sinne)
oder sumliun, den Untersatz assumtto, den ScbluB concluno (i. c. S. 844).
Etwas klareiT als seine meisten Vorgänger unteraeheidet er die gemischt
hypothetischen und die rein hypothetischen Schlösse; letztere werden
dcÄniert als diejenigen, „gui duabus hypolbeticis connectimtur" (I. c. S. 867).
Das spätere Mittelalter bat zu diesen Lehren nichts wesentliches hinzugelQgt.
Bamus (Dialectica, ed. Francol. 1577, H, 13, S. 140 IL) bezeichnet den ge-
nascht hypothetischen ScbluB als Syllogismus connexus. Die Logique de
Port-Royal spricht von „syilogismes conditionnels (Partie III, Ch. IS, ed.
Jourdain, S. 194). Wolffs entscheidende Definitionen lauten (Logica, S VI&B-'i-
Syllogismus compositus est, cujus vel una vel utraciue praemissa non est
propcutio categoTica; quodsi major fuerit propositio bypothetica, syU. hypo-
thetJcus dicitur (oder conditionalis oder connexus); modus syüogismonim
hypolheticorum, qui posilo antecedente nonit consequens, dicitur p o n e n s ,
contra vero modus, qui sublalo consequente tolUt antecedens, dicitur
tollcns. Der rein hypothetische SchluB kommt bei ihm wie l)ei den
iolgenden Logikern zu kurz. In Baumgariens Acroasis losico, ed. Toellner
1773, § 364 helBf der hypolheüsche SchluB in deutscher Übersetzung „be-
dingter", dej kategorische „unbedingter" SchluB. G. Fr. Meier (Vernunft-
lehre», 17K. § 420, S. &8*) spricht von „bedingten Vernunftschlüssen".
Kant (Logik, § 75) spricht dem hypothetischen Vemunltschluß einen Icrminns
medius ab und meint, er sei „eigentlich kein VemunftschluB, sondern viel-
mehr ein unmittelbarer, aus einem Vordersatze und Nachsatze, der Materie
oder der Form nach, zu erweisender SchluB". Das Teilurteil A (vgl. S. 746)
des Obersalzes wird von den Logikern des 18. Jahrhunderts meist als ratio,
das Teilurteil C als rationatum bezeichnet. Daher gilt als ,4*rinzip" der
lirpothetischea Schlosse: a ratione ad rationatum, a negatione rationati ad
negatiouem rnlionis valet consequenlia. Die Kantsche Auffassung wurde
schon von W. Tr. Krug (Syst. d. theor. Phiios. =, 182ü, I, § 83) mit zum Teil
triftigen GrOnden bestritten. Die Logik des letzten Jahrhunderts hat keine
wesentlichen Fortschrille gebracht. Zur Einbürgerung der Bezeichnungen
,4«in hypothetischer" und gemischt hypothetischer" Schluß, die oben ver-
wendet worden sind, hat namentlich die Logik von Chr. Signart bei-
getragen. — Englische Logiker (so z. B. Jevons, Elementary lessons in logic,
London 1890, 17. Aufl. Lesson XIX, S. 161) bezeichnen den Modus ponens
ab constructive, den Modus lollens als deslrtictive hypclhelical syllogiun. —
') Wie itfimX^^ ond /iira2/}^ unterschieden «'urde, scheint mir noch
nicht ausreichend aufgeklirt; die n^ahi^ scheint speziell fOr die erste
Form des gem. hypothetischen Schlusses (s. o.) zu gellen.
OgIC
750 '^- '''^'' ^^ anzelnen lofKchen Gebilde und ihre Gesetze.
In dar (ranzesischen Literatur Godet man auch beute noch oft den Tmniinn
..STDosisme conditioDDel" (neben bypotb^Uque).
Eine letzte Variante des einfaclien Syllogiemns ist der
fliaiimktiTe Syllofinniu. Als disjnnktiveD zasammes-
fassenden (I) SehlnB hatten wir S. 721 einen SchloS
kennen gelernt von der Form'): S ist teils Pi; S ist teils P,;
der Best von S ist Pi;: S ist entweder Pi oder Pj oder ?»■
Hier wird eine Beihe von Urteilen, die einer vollständigen
Division entsprechen, in einem disjnnktiven Schlußnrteil
(§ 121, namentl. S. 707) „zusammen^faBt" '"). Von diesem
disjunktiven zusammenfassenden Schluß, der in den neueren
logischen Lebrbnchem nicht selten ganz übersehen wird,
muß der disjunktive Syllogismnsd), um den es sich im
folgenden handelt, dnrcfaans nnterechieden werden, und zwar
um so mehr, weil er in den Lehrbüchern sehr oft als diB-
jnnktiver Schluß schlechthin bezeichnet wird. Wie die hypo-
thetischen Syllogismen treten anch die disjunktiven in
wesentlich verschiedenen Formen auf. Ihr gemeinschaft-
liches Merkmal gegenüber dem' disjnnktiven zusammen-
fassenden Schluß ist der disjunktive Charakter einer Fiä-
misse. Am zweckmäßigsten unterscheidet man folgende
drei Öauptformen:
positi V : negativ :
I. M ist entweder Pi oder M ist nicht entweder Pi oder
P, oderP,; P, oder P,;
S ist M;: S ist M;:
S ist entweder P, oder S ist nicht entweder- P, oder
P, oder P,. P, oder Pa.
IT. S ist entweder M, oder S ißt entweder M, oder M»
Ml oder H,; oder Mi;
sowohl Mt wie M, wie Mj P ist weder Mi noch Mi noch
ist P;: M,;
S ist P. S ist nicht P.
'*) Es sei jedoch nochmals daran erinnert, daB es auch diajunktiTC
Urleile gibt, die nicht direkt von primären divisiven Urteilen abbtngiK ^
(S. 707). Disjunktive Syllosismen entsprechen diesen disjunktiven Urteil«
nicht unmittelbar; erst nach der S. 706 erwähnten Umformung ergibt sid
auch in diesem Fall ein typischer disjunküver Syllogismas.
_^_^__ 3. KaTnteL Die Lehre »on den Schlüssen. 75J
in. S ist entweder Pi oder P; S ist entweder P, oder P- oder
oder P,; P.;
S ist nicht P,;: S ist P,;
S ist entweder Pi oder Pj. S ist nicht Pj oder Pj.
Die disjunktiven Syllogismen I und n entsprechen offen-
bar dorchans dem Typns der MittelbegrÜfsBehlüase , (Syl-
logismen, vgl. S. 724) und sind der 1. Gmppe der gemischt-
hypothetischen Schläsae (S. 745) zn vergleichen. Der Mittel-
begriff ist in den Formeln mit M bezeichnet und wird in der
für die Syllogismen typischen Weise eliminiert. Die dis-
janktive Gliederung betrifft bei I M, bei 11 S. Die Bichtnng
ist meistens deduktiv, seltener äquativ (S. 724). Die negative
Form von I ist für das tatsächliche Denken fast wertlos. In
der Form m tritt der Typns des Mittelbegriffsschlusses ganx
znrüek.
Beispiel für I: Die Labialen liaben entweder zwei oder vier Staub-
SeHie; die Salbei ist eine Labiate;: also bat sie zwei oder vier Staubgefftße.
WUrend in diesem Beispiel P , P, usf. Merkmale sind, die nur im Sinn
der Hyposlasiening (vgl. S. 4M u. 516) die Zugebfiriskeit zn einer (auper-
ordinierten) Gattung involvieren, änd im folgenden Beispiel P,, P^ usf.
sobordinierte Galtungen"): die Wirbeltiere sind entweder Säugetiere oder
VOsel oder Reptilien oder Amphibien oder Fische; die Schlangen sind
Wirbeltiere;: also sind sie entweder S. od. V. od. R. od. A. od. Fische.
Wenn im Obersatz P^, P^ und P, s u b ordinierte allgemeine Begrille sind
vnd S im Untersatz einer dieser subordinierten aUgemeinen Begrifie ist,
so «ntsteben Schlösse wie der folgende: M ist entweder P, oder P, oder P,;
S ist M; also ist S entweder P, oder P, oder P,. Das Schlußurieil klingt
hier höchst befremdlich, ist aber, rein logisch betrachtet, korrekt So ergibt
»ich z. B.. wenn ich fOr S im letzten Schluß statt „Schlangen" „Repülien"
einsetze, das SchluSurleil : die Reptilien sind entweder Saugetiere odei Vfigel
oder Reptilieo oder Amphibien oder Fische. Die logische Korrektheit
leuchtet ein, sobald man bedenkt, daB die Disjunktion lediglich besagt, daS
eines der Prildikate P,, P,, Pj . . . zutreSen muß, dagegen an sich nichts,
tlber die etwaige UnzulSssigkeil einzelner Glieder aussagt. Die befremdliche
und Oberflflssüe HinzufQgune der anderen P-Glieder im SchluBurteil kommt
dadurch zustande, daB der Untersatz lediglich subordinierend wiederholt.
'>) Es ist bemerkenswert, daß bei dem disiunktiven Urteil die P's dem
S bald sub-, bald superordiniert, also bald weniger allgemein, bald allgemeiner
als das Subjekt sind. Ersteres trifft zu im Urteil: die Tiere sind entweder
Wirbeltiere oder Wirbellose, letzteres im Urteil: der LanzettSsch ist entweder
ein Wirbeltier oder ein wirbelloses Tier. Das erste Urteil ist einfach der
unmittelbare Ausdruck einer vollständigen Division, das zweite ordnet einen
besonderen Fall einer vollständigen Division unter. Wenn P^. P usf. M e r k -
male sind, so bandelt es sich meistens um den letzteren F^l. Jedenfalls,
scheint mir aber kein ausreichender AnlaB vorzuliegen, das disjunktive Urteil
etwa nut einen dieser beiden Fälle zu beschränken.
„.,,„,^.oogic
752 ^- l*^'!' ^^ einzelnen lofischen Getnlde und ihre GeseUc.
wu im Obersali schon superordimerend enthalten war. — Auch lolcendes
ist im Fall 1 zu beachten. Wenn das S des Untersatzes und des Scfahifi-
urteils kein individueller, sondern ein allgemeiDer Besrifi ist, so bedeutet
das SchluBurteil „S ist entweder P, oder P^ oder P," selbstrerstindlich nicht
etwa stets, daB der AJIgemeinbegriO S als Ganzes entweder in P, oäa P,
oder Pj fallen bzw. als Ganzes entweder das Merkmal P, oder P^ oder Pj
haben mQsse, sondern nur, daB die einzelnen iDdividuen, die unt^ S
fallen, entweder in P^ oder P, oder P, fallen bzw. entweder das Mecinal
P, oder Pj oder P^ haben müssen. — Beispiel für U: Die Wirbeltiere sind
entweder Säusetiere oder Vösel oder Reptilien oder Amphibien oder Rache;
sowohl S. wie V. wie H. wie A. wie Fische haben rotes Blut;: diel Säuge-
tiere haben rotes Blut. — Beispiel für III: Dies Erdbeben ist entweder dmch
Eruption oder durch Einsturz oder durch Dislokation entstanden; dies Eid-
beben ist nicht durch Eruption entstanden;: also ist es durch Einsturz oder
durch Dislokation entstanden. Der Obersatz ersibl sich meistens aus einem
allfemeineD empirisch fesigestelUen Satz und kann auch als Schlußurtnl
eines Syllogismus aufsefafil werden : „alle Erdbeben sind entweder durch ...
entstanden; dies ist ein Erdbeben;; also ist es entweder durch ... eirt-
standen". Der Untersatz „eliminiert" ein P, nämUch P,. Durch neue
Schlosse kann die Disjunktion immer mehr „eingeengt" (restringiert) werdot,
* bis schlieBhch nur e i n P flbrif bleibt. Sowohl im allt&glichen wie im
wissenschaftlichen Denken spielt dies Verfahren die allergröBte Rolle. TeL
auch S. ?a8.
Als allgemeines Prinzip der diaJDtiktiven SchlüsBe hat
man oft das Principium exclusi tertU(vgl.S.693ff.) bezeichnet
Offenbar ist dies nur für die Form m zutreffend.
Sehr verbreitet ist das Vorurteil, daß ein disjunktiver
Syllogismus nur dann znlässig sei, wenn er anf einer absolut
ToUständigen logischen Division bemhe (S ist entweder P
€)der noD-P). Demgefpenüber loufi festgehalten werden, daß
wir ans meistens mit einer empirischen Vollständigkeit der
zngninde liegenden Division begnügen möasen und könnot.
Wir haben nur zu beachten, daß dabei unser SchloBorteil
nur solange gilt, als die Vollständigkeit der zugrunde ge-
legten Division nicht durch neue Tatsachen in Frage gestellt
wird.
Durch eine Kombination des hypothetischen und des difi-
juiiktiven Schlußses, und zwar der negativen Form n (S. 750).
kommt ein hypothetisch^lsjiinktt'veT Sfllogtomos von folgen-
der Form zustande: Wenn Ä gilt, gilt entweder Ci oder C;
oder Ci; weder Ci noch C, noch C» gilt;: A gilt nicht Auch
dieser Schluß wird im tatsächlichen Denken oft verwandet
und zwar um eine Behauptung (Gültigkeit von A) zu wider-
legen. Je nach der Zahl der Glieder der Disjunktion (also
d«r C's) wird er als Dflenuna, Trilemma, Polylenuna be-
zeichnet (vgl. z. B. Wolfl, Logica, § 482), doch werden diese
O^^IC
3. Eapitel. Die Lehre von den Schlüssen. 753
Termini zuweilen i auch in weiterem Sinn gebraucht, so daö
sie auch die gewöhnlichen disjunktiven Syllogismen, nament-
lich die negative zweite Form (S. 750) einschließen.
Historische a. Die diainnktiren Syllogismeii tauchen in det
Diechischen Literatur zuerst bei Thfopbmat und Eudsaua zugleich mit den
hTpothetiBchen auf und wurden auch weitertiin noch lange mit diesen zu-
sammen behandelt [vgl. S. 748 IL). Maßgebend hierfür war wohl, daB bei
beiden der Oberaatz durch Hinzunahme des Untersatzes (n^irliitfrv, s.S. 749)
in eigenartiger Weise näher bestimmt «ird. Die disjunktiven Syllogismen
hieSen daher auch geradezu tati Aäitvlw i7ip9*rixol aviltytafini. Vorzugs-
weiae wurd« die Form III (positiv und negativ) behandelt (Philoponus, Ad
AnaL pr., Akad. Ausg. Xm, 2, S. 244). Die Stoiker verwendeten dio Termini
ifonMÖv, X^fi/ia, JtqiaXrfliiie und inupofä hei den disjunktiven Syllogismen in
demselben Sinn wie iwi den hypothetischen (vgl. S. 744). Auch für BoSthius
ist das disjunktive Urteil nur eine Art des hypothetischen: omnis hypothetica
PTopositio vel per connexionem .... fit vel per disjuuctionem (ed. Migne,
Bd. 6t, S. 83&), und dieser Unterschied wird auch auf die entsprechenden
Scbldass Obertragen. Das ganze Mittelalter hindurch wurde dieser Stand-
punkt festgehalten. Bei Bamus treten der Syllogismus connezus (== hypo-
tlieticus, vgL S. 749) und der S. disjunctua koordiniert auf (Dialect II, 13
u. 16 f.); beide werden als Syllogismi compoaiti zusammengefaBL Auch
weiterhin blieb die Lehre vom disjunktiven SchluB meistens auf die 3. Form
unsrer Aufz&hlung heschiankt An Stelle der oben angefahrten Formel wurde
auch oft die Formulierung gew&hlt-. entweder A ist (= gilt) oder B ist
(= gül)i A ist; aJso ist B nicht usf. (vgL z. & "WolS, Logica, § 419). In
Baumgartens Acroasis logica (2. Aufl. 1773, § 874) findet sich die Ver-
deutschung „TTennungsschluB". Di« negative Form m wird Modus ponendo
lotlens, die positive Modus tolleudo ponens genannt (1. c. § 379 f.) "■). Kant
hat insofern die Lehre vom disjunktiven Syllogismus wesentlich umgestaltet,
als er alle Vemunftschlüsse in kategorische, hyiwthetische und disjunktive
Enteilt Die Vollständigkeit dieser Einteilung nach der Relation leitete er
danus ah (Logik, § 60), daß sich nur drei Bedingungen der „objektiven Ein-
.''.eit des BenuBtseins des Mannigfaltigen der EAenntnis" denken lassen,
n&mlich: „als Subjekt der Inh&renz der Me^male oder als Grund der De-
!)eQdenz eines Erkenntnisses zum andern oder endlich als Verbindung der
Teile in einem Ganzen (togische Einteilung)". Die Auffassung der hypo-
**) Bei den Stoikern hieB ein hypothetischer SchluB mit nur einer
Piftmisse./'B>'a^/'^a»rl<>}^f*(Se):tus Emp., Adv. Math. Vm, 443, ed. B^±er,
St SS3), die gewQhnlichen mit zwei Prämissen idififiaiti. Beispiel eines
i4yv/4uroi^fiftaiog; du atmest, also lebst du. Die oben angegebene Bedeutung
lee Terminns „Dilemma" scheint von Hhetoren «ingetührt worden zu sein.
Vgl. Anon. Proleg, ad. Bermog. IV, 14: id^/ifmor «x^ftä igttUyoc i* 3i»
n^itfvta»' irminlar lö avti niQKt anräytof (nach Prantl). — Später ist das
Dilemma in dem oben definierten Sinn auch Cfters als Syllogismus croco-
dilinus oder comulus oder refutatorius bezeichnet worden (vgl. z. B. Baum-
garten, Acroasis logica*, § 383), doch liegen bei dieser Terminologie Ver-
wechslungen vor.
^■) Ober tenuinologische Verwicklungen siebe W. Tr. Krflger, Denk-
lebre", S. 268.
Zi*h«o, Lehrbuch dar Lcvik. 48
1,1^. OQi
-c^lC
754 '^- Twl- ^c wnwü>»g logbehen Gebilde und ihre Gearize.
tbetiachen und disjunktiven VernunftBchlllsae als .^ufierordentlicher" tw-
wirft er durchaus; alle drei Klassen seien ,J>rodu]ile gleidi riditiier, aber
Toneinander gleich wesenUich Terschiedener Funktionen der Vernunft". Vff-
auch KiiL d. t. Vera., Kehrb. Ausg. S. 81 u. 666 (2. AuD-t)- In ebenso
gezwungener Weise ordnet er den drei Klassen die drei Kategorien: Inhimu
(SubsUntiaUUt), KausaUUt und Gemeinschaft (Wechselwirkung) zu (L c
S. 96). — Im letiten Jahrhundert Bind eihebliche Fortschritte nicht zu nr-
zeichnen. Neben der dritten Fonn fand hier imd da auch die zweite an»-
reichende Berücksichtigung (i. B. in der Logik von Chr. Sigwart, 2. Aufl., Bd. 1.
S. 477 u. 4fi0); die erste wird — da sie dem deduktiven Syllogismus sebr
nahe steht — oft gar nicht eiwihnt Alle drei Formen zUüt z. B. BfiBn
auf (Giundl. d. Log., 4. Aufl. Lpz. Wien 1907, S. 121). E. Fr. Apelt (Die
Theorie der Induktion, Lpz. 1864, S. 13) will die Form m Oberhaupt nicU
zu den disjunkliven Schlössen rechnen und als „eine besondere Art hypo-
thetischer Schlüsse" betrachten. Er erkennt neben den kategoriachen imd
hrpothetiscben Schlössen nur noch divisire an und teilt diese in konranktiTt
und disjunktive'*); der disjunktive SchluB soll mit der Induktion ideotiaA
aein (1. c. S. 17). Vgl auch S. 786 f.
Man kann die Frage aufweifen, ob, wie diaiunktive SyUo^smen, n
auch konjunktive und kopulative Syllogismen — auBer den konjunktiveo und
kopulativen zusaiaenfaseenden Schlüssen (S. 721} — existieren. Die Ant-
wort lautet bejahend, und zwar lassen sich konjunktive Syllogismen ent-
sprechend allen drei Formen der disjunktiven Syllogismen (S. 750) nacfa'
weisen. Bei Weglassung aller derjenigen Uodi, bei welchen paitibilire
Urteile vorkommen, ergeben sich folgende Formeln als die wichtigsten:
positiv negativ
1. M ist sowohl P wie P wie P ; 4. S ist nicht sowohl M wie H, wie
SistM;: M,");
S ist sowohl P wie P. wie P,. P ist sowohl M, wie M, wie IL;:
2. S ist sowohl M, wie M, wie M,; P ist nicht S, und S ist nicht P.
M, (bzw. Mj bzw. M^) ist P; : 5. M ist nicht sowohl P, wie P.
S ist P. wie P,;
3. S ist sowohl M wie M wie M,; S ist M;:
Pistnicbt M, (bzw. M Izw. M,);: S ist nicht sowohl P, wie P.
S ist nicht P, und P ist nicht S "). wie P,.
6. S ist weder U, noch M, noch U,;
P ist M, (bzw. M, bzw. M,);:
S ist nicht P, und P ist nicht S.
7. H ist weder P noch P noch P,;
S ist M;:
S ist weder P, noch P, noch F.-
'*) „Die etsteren setzen den Inhalt eines BegriCfes aus dem Inbegri!
seiner wesentlichen Merkmale zusammen, die letzteren geben die Eintälunp-
elieder an, die den Um lang eines BegriBes ausfallen."
") Der Untersatz dürfte auch lauten „Mi (bzw. M, bzw. M,) isl
nicht P' im Sinne von ,Jcein Mt ist F*.
") Dabei ist der Unterschied des negativen konjunktiven ürteil.i ■ J^
nicht sowohl — wie" und des negativen konjunkUven Urteils: ,4st weder -
noch" zu beachten. Das erstere ist global negierend, das lefzlere distriboti'
negierend (vrI. 8. 546). — L,t S ein Gattungsbegriff, so sud mit 6 alle 8 gema«.
8. K&pite). Die Lehre von den SchlQssen. 755 '
Abweichend hiervon veratehl die Logik von Port-Roy»! (111, 12)
tuAet kopalatiTeii SylloBismen solche von der Fonn: „Un homme n'est pas
tout ensemble serriteur de Dieu et idol&tre de son argenl; oi, l'av&ie est
idolfttre de son argeut;: donc U n'est pas serviteur de Dieu." Eier ist der
Obersatz allerdings im Sinn der L. r. Port-Royal *'') eine proposition copu-
lativ« niante (vgl auch L c II, 9, ed. Jourdain S. 117), aber das ganze
ScfaluSgefaKe ist komplizierter, ab es einem einfachen konjunktiren STllogis-
nuu entspricht, und am besten durch einen DoppelschluB darzustellen : S ist
Sicht sowohl M^ wie M,; P (=raTsre} ist S;: P ist nicht sowohl M, wie If,
(nach Formel 5 oben) P ist nicht sowohl Mi wie H| ; P ist Ui ; : P ist
nicht Ml '*). In Worten lieSe sich das Beispiel kwz betOglich des Obersatzes
formulieren: „Mensch sein, Diener Gottes sein und Anbeter des Mammon
sein sind unverträgliche Eigenschaften." Übrigens gelingt auch die Zurflck'
fOhrang auf einen gewöbnlichen Syllogismus mit einem durch ein AdjekUr
enger bestimmten Subjekt im Obersatz: kein den Mammon anbetender
Mensch ist ein Diener Gottes; der Geizige ist ein den Mammon anbetender
Mensch; also ist er kein Diener Gottes. Bei dieser Sactalase halte ich es
für zweckm&fiiier, solche Schlosse nicht schlechthin als kopulative bzw. kon-
iunklive STlIogismen zu bezeichnen. Vgl. auch Baumsarten, Acr. log., II, § 386.
§ 129. Mittelbare tortsehreltende Sehlfisfie. Fortsetzni«.
Verkfirste Syllt^rismen (Enthymeme nnd Epichireme). In
der psychologiech'en Einleitong wurde schon bemerkt, daß
wir meistens in abgekikrzten Syllogismen denken. Statt
S — M; M — P;: S — P denken wir: S — M, also — P,
z. B. das Kalitmi ist ein Alkalimetall, also elektropoeitiv
(latente Prämisse: alle Alkalimetalle sind elektropositiv).
Man beseichnet solche abgekürzte Syllogismen als Eniby>
meme. Die Verkürzung betrifft in der Kegel den Ohersatz.
So aofierordentlich wichtig sie psychologisch sind, so beden-
tangslos sind sie für die rein theoretische Logik. Die letztere
wird solche mehr oder weniger latente (reprimierte) Prä-
missen stets irgendwie zmn vollen Atisdrack bi^ingen müssen.
Sehr oft nehmen wir im tatsächlichen Denken solche Ab-
kürzongen anch in der Begründung der Prämissen vor.
Statt diese durch einen eingeschobenen vollständigen Syl-
It^smns ZQ begründen, begründen wir sie durch einen kurzen
eingeschobenen Satz. Solche in den Prämissen selbst unver-
kürzte Syllogiemen, bei welchen nur die Begründung
einer oder mehrerer Prämissen enthymematisch verkürzt ist,
nennen wir Epicbireme. Beispiel: „Wechselwirkung zwischen
total Verschiedenartigem ist nicht möglich; das Materielle
f) Man erinnere sich, daB die Lagique von Port-Royal unter kopu-
lativen Urteilen sowohl unsere kopulativen wie unsere konjunktiven versteht.
>■) Der doppelte Gedankenstrich führt den zweiten Schluß ein.
■IS*
„.,.,„,>..oo^sic
756 ^- '^^''- ^^ einzelnen losiachen Gebilde und ihre Gesetze.
und das Peychiache sind total verschiedenartig, da sie kontra-
diktorische Merkmale haben (Räumlichkeit nnd Nicht-Bänm-
lichkeit) ; : Wechselwirkung zwischen Materiellem nnd
Psychischem ist nicht möglich. Die vollständige Begrün-
dung des tJntersatzee würde lauten: was kontradiktorische
Merkmale hat, ist total verschiedenartig; das Materielle und
das Psychische haben kontradiktorische Merkmale (Bänm-
lichkeit und Nicht-Bänmliohkeit); also sind sie total ver-
schiedenartig. Unser tatsächliches Denken spielt eich zn
einem großen Teil in Epichiremen ab.
Historisches. Aristoteles verstuid — wie meist gesagt wird, im
Gegensatz zu dem jetzigen Worigebrauch — unter ivSvftqum einen Wabr-
scheinlicbkeits- oder IndizienschluB, «uUoyta^c ij Uxiicm ^ smulmr.
Ofienbar können nur die IndizienacfalOsse als Enthymeme betracbtel werden.
So vOrde das Beispiel des Aristoteles in vollständiger Form lauten: „milch-
fObrende Frauen sind schwanger; diese Frau ist milchführead; also ist st
schwanger;" enthymema tisch verkürzt: „Diese Frau führt Hilch (= s^/iiUr),
also ist sie schwanger" (Akad. Ausg. 70 a) ■). Die lateinischen losiachen
Schriftsteller bezeichneten f&lschlich als finthymem „ea sentenlia, Quae ei
contrariis conßcitur (Cicero, Top. 13, 5ä; Quinlihan, InstiL oraL V, 10, I
und Vllf, 5, 9). Die bleibende Definition bat dann BoCthius gegeben: jm-
perfectus Syllogismus, cujus aliquae partes vel propter brevitatem vel propter
notitiam pnetermiseae sunt" (ed. Migne, Bd. 6i, 5. 1050). — Das
cnt//{(ii)/«, Epichirem (im {JegensstE zn der sonst üblichen Ablantnng
chir- wird meistens Epicherem gesprochen und geschrieben *)) scheiDt bei
Aristoteles eine Art von ProbeschJuB im Dienst der Dialektik zu sein (z. R
Akad. Ausg. 161 b). Valgius soll den Terminus mit aggressio übetsetil,
Caecilius ihn zuerst als apodixis imperfecta deriniert haben (Quintilian, L c
V, 10, 4 u. V, M, U). Späterhin hat der Sprachgebrauch noch vielfich
geschwankt. Beispielsweise sei die Definition Baunigartens angeführt „s^o-
gismus, cujus omnes praemissae sunt syllogismi coatracti" (Acroasis kx.,
2. Aufl., g töi) mit der falschen Übersetzung .^landgrifT im SchlieBen". In
der neuesten Zeit ist nur der Gebrauch im Baumgartenschen Sinn üblich, doch
wird statt der Verkürzung aller Pr&missen die Veckürzung wenigstens einer
Pr&qüsse als charakteristisches llerkmal betrachtet
S 13D. Mittfdbare fortschreitende Schlosse, Fortsetmag.
Syllogistischc ScbloBketten. Kettenschloß (Sorltes). Mehrere
Syllogismen können in der Weise zu fetten" {Polysyllogis-
men) zosammentreten, daß das Schioßurteil des ersten Syl-
logismus als Prämisse eines zweiten verwendet wird, das
') Die S. 753, Anm. 12 angeführten ftoruiijftiuaiot iöytt (angeblich von
Antipater, einem spateren Stoiker zuerst aulgestellt) sind zum gmBen
TeU solche Enthymeme (der Rest gehört zu den hypotheÜBchen Urieilen).
') 8o schon bei QaiotiliaD. Einige weitere Angaben über den Won-
gebranch bei Emg, L, o. S. 399.
3. Kapitel. Die Lehre von den Schlüssen. 757
Schlaßarteil des zweiten als Prämisse eines dritten usf.
Solche Schlaßketten treten in zwei Hanptformen auf, die
man am besten als aristotelische ond goklenische
bezeichnet Bei der ersten, also der aristotelischen
lautet das Schema: S — M; M — Pi;: S — Pi S — Pi;
Pi~Pi;:S— P, S~-P=;P,~P,;: S — P. usf., oder
mit Inversion, also bei Voranstellang des Obersatzes') (S. 725):
M— P,; S — M;: S~P, P^-— P,; S—P,; S-— P,
usf. Hier wird das Schlußurteil jedes einzelnen Syllogrismus
zum Unter satz des folgenden gemacht. Charakteristisch
ist offenbar anch, daß das Prädikat des Schlußurteils
eines jeden Gliedsyllogismus zum Terminus medins des
nächsten Gliedsollygisrnns gemacht und also fortlaufend
eliminiert wird. Beispiel (mit Inversion) : „All« Alkali-
metalle sind elektropositivfl Elemente; das Natrium ist ein
Alkedimetall;; das Natrium ist ein elektropoaitives Ele-
ment Alle elektropositiven Elemente wemdem bei der
Elektrolyse zur Kathode; das Natrium ist ein elektropositives
Element;: das Natrium wandert bei der Elektrolyse zur
Kathode." Bei der zweiten Hanptform, der gokleni-
schen, lautet das Schema: S, — M; M — P;: Si~-P
Sj — S,; Si~P;: S,— P S,~S,; S,~P;: S. — P
usf., oder mit Inversion: M — P; Si — M;: S, — P
Si — P; Sj — S,;: Sj— P usf. ffier wird das SchluBurteü
des einzelnen Syllogismus zum Obersatz des folgenden und
das Subjekt des SchluSurteils des ersten Syllogismus zum T.
medins des zweiten gemacht usf. Bei der aristotelischen
Schlnßkette kehrt dasselbe Subjekt, bei der goklenischen
dasselbe Prädikat in aUen Schlußurteilen wieder. Die gokle-
nische ist seltener als die aristotelische. Beispiel für eine
goklenische Kette (mit Inversion): „Alle Pflanzen atmen;
alle Kryptogamen sind Pflanzen; alle Kryptogamen atmen
— — Alle Kryptogamen atmen; alle Pilze sind Krypto-
gamen;: alle Pilze atmen". 'Fast niemals wird eine Schluß-
kette mit dieser Ausführlichkeit vollzogen, sondern in der
Regel werden die Gliedsyllogismen enthymematisch verkürzt.
Das in dieser Weise entstandene Gebilde heißt Kettenschlaß
(Sorites). Schema des aristotelischen Sorites: S — M;
') Es ist daran zu erinnern, dafi der Obersalz nicht etwa durch seine
Stelluna, sondem lediglich dadurch definiert ist, daß er den Terminus minor
nicht enthält, also nur M und P verknüpft.
.oogic
758 ^- T<il- Die einzelnen lagiachen Gebilda und ihr» Oeaetoft.
M~P.; P.~P,; P,_P,...; P„_i~P„;: S_P„. Bei-
spiel: Das NaMmn ist ein Alkalimetall; alle Alkalimetalle
sind elektropOBitive Elemente; alle elektropositiven Element«
wandern bei der Elektrolyse zur Kathode;: dae Katriom
waädert bei der Elektrolyse zur SaUiode. Schema des
goklenißchen Borites: M — P; Si — M; S, — 8,;
S, — S, . . .; S„~S„_,;: S„~.P. Beispiel: ,^Ue PflaMea
atmen; alle Eryptogamen sind Pflanzen; alle Pilze sind
Kryptogamen ; : alle Pilze atmen"'). Bei der aristotelisdieii
Form fallen alle Untersätze außer dem ersten, bö. der gokle-
nisohen alle Obereätze außer dem ersten fort.
In den bisher besprochenen FUlen handelte es sich um SubsumtioDm:
bei der aristotelischen Form mn zunehmende Generalisation von F, bä da
goUenischen um zundimende Determination von S. Es kommm iedo^
auch SchluBketten und Kettenschlflsse im Sinn der Aquation (als Mveau-
schlQsM) Tor. Schema einer Aquativen aristotelischen SchluBkette: B=b;
b^c;:a=^c a^o; ii = d;: a = tl usf. tjchema^es äquativeo aristote-
lischen EettanschtnBses : a= b, b = o; o := d;: a ^ d. Sohema einer iqu-
tiven gofcleoisohen Schlafibette: assb; b = c;: a^o d =>&; a^c;:
d ^ 0 usf. Schema eines üquativeo goUenisoben EettensohlnaaeeB: (nut In-
veiaion) b = a; o = b; d = o;: d = a.
Entbehrlich sind die Bezeicbnunsen Fraayltoitamu und Evit^MHiK
Hit erstuem Terminus bat man denieoisen Glieds yllogismus betest, dessen
Schlußsatz die Prämisse des nächsten liefert, mit letzterem denjeniies.
dessen eine Pr&misse ScbluBsatz des vorausgeh enden ist Der erste ScbM
der Kette ist nur ProsyllogismuE, der zweite ist Episyllogismus des eisten
und Prosyllogismus des dritten usf. Das Fortschreiten vom Prosrlloiismiis
zum EpisTlIogismus wird auch — in sehr unzweckm&fliger Weise — (b
„e p i syllogis tisch" (auch als synthetisch oder prosressv, a principüs ad
principiata] bezeichnet. In diesem Sinn sind alle ScbluBketlea und KetUo-
schlüsse e p i syllogistisch (vgl. Unverricht, Syst. d. L.og., b. Aufl., S. 413 n.
416) *). Pro syllogistisch (analytisch, regressiv, a [uincipistis ad principiatt)
nennt man dagegen den Fortgang vom Episyllogismus zum ProsyllogiBaius.
Ein solches Verfahren ist dann verwirklicht, wenn der letzte Gliedsyllors-
mus an die Spitze gestellt wird und nuii nachträglich die Begründiuir
einer setner Prämissen (eventuell auch beider) durch die entsprecheodeo
Gliedsyllogismen nachgeholt wird. Beispiel: „Alle Pilze atmen; denn äe
' sind Eryptogamen, und alle Er^-plogamea sind Pflanzen, und alle Pfianzen
atmen."
Auch hypothetische Urteile können zu SchluBketten und Ketieo-
scblQssen zusammentreten. Schema der hypothetischen SchluBkette: „Wou
A gilt, dann gilt B; wenn B gilt, dann gilt C; also: wenn A gilt, dum
^) Man beachte auch, daß die SoritesverkOrzung bei der aristotelischen
Kette sich am bequemsten an die nictt- invertierte, bei der goklenisch« «d
die invertierte Form anschließt.
') Die Sigwartscben Bemerkungen (Logik ', H, § 80, S. 268, Abbi)
scheinen mir den Kernpunkt nicht ganz zu treffen.
3. Kapitel. Die Lrfire von den Schiassen. 759
gilt C. Wenn A gilt, dann gilt C; wenn C gilt,' dann gilt D; alao: wenn
A gilt, dann gilt D." Schema dr^i Jiypotbetisi^en Ketlenschlusses : Wenn
A giit, dann gilt B; wenn B gilt, Qann gilt G; itenn 0 gilt, dann gilt D; :
wenn A gilt, dann gilt D. OifenlMT handelt es sich dabei nun um eine Br-
weit^ung des S. 747 besprochenen rein hypothetischen Schlusses. Ebenso
kann ab« auch der gemischt hypothetische Schluß (S. 7U) ketten-
fönnig erweitert werden. Dabei ergibt sich folgendes Schema: Wenn A gilt,
dann gilt B; wenn B gilt, dann gilt G; wenn C gilt, dann gilt D; A gilt;:
also gilt D.
Das Vorkonunen analoger disjunktiver Ketten manniglacher Form
bedarl keiner näheren Erörterung. Die wichtigste Form ist der S. 703 bereits
erw&hnte, die Disjunktion immer mehr einengende Res triktio nsschluB.
Schema: S ist entweder) F oder F oder P,; 5 ist nicht P,;: S ist entweder
P, oder Pj S ist nidit P,;: S ist P^.
Bezüglich aller SchluBketlen konnte die Frage aufgeworfen werden,
ob sie nicht bereits dem Gebiet des Beweises angehören. Da das letzte
SchluBurteil der Eett« nicht durch einen SchluS *) gewonnen wird, sondern
durch mehrere (wenigstens zwei), so handelt es sich nach unsi«r trOberen
Definition (S. 710) in der Tat um Beweise. Nur aus didaktischen Grflnden
ist die Besprechung bereits hier eingeschalteL Dabei kommt auch in Be-
tracht, daß infolge der absoluten Gleichartigkeit des Foitschreitens von
SchlnH zu Schlufi kein neues spezifisches Moment zur Geltuns kommt
Mistorischea Aristoteles hat sich mit den SchluBketten austOhr-
lich (Ak, Ausg. 448), mit den KettenschlüBsen nur kurz beschäftigt (die Aus-
fObrungen Akad. Ausg. 41a, 42 b sind nicht ganz eindeutig). Ausführlichere
Erörterungen findeni sich bei Alexander Aphrod. (Ad Anal. pr. I, Akad. Ausg.
1889, D, 1, S. 282 a.). Der Kettenschlufl hieß c»r»tTtitii' »aögiiftt; der erste
Gliedsyllogiamus, dessen SchluBurteil weggelassen ist, iiußaiUftifos, der
letzte, dessen eine Prämisse fehlt, inißdilay. Der Terminus Sorites (oußö; =
Haufen) bt bei Aristoteles nicht nachzuweisen, bei Marius Victorinus (vgl.
S. 62) Sndet sich der Terminus Syllogismus sorilicus, „qui in inhnitum
semper intenta rei definitione porrieitur, ut granum, cumulus, acerrus"
(Expos, in Cicer. Rhet., nach Frantl, 1. c. S. 6K). Er wurde wahrscheinlich
wegen einer ziemlich oberflächlichen Ähnlichkeit gewählt, welche der Ketten-
schluß mit einem bescnderen FangschtuB hat, den schon die sog. Megariker
(vgl. S. 2&) unter dem Namen oaqiiiiie aufstellten und der u. a. in die Form
Bekleidet wurde: 30 WeizenkOmer machen einen Haufen (aiogäf), ich nehme
eines weg, es bleibt ein Haufen, ich nehme noch eines weg, es bleibt ein
Haufen usf. bis zu einem £om (Diog. Laert., De vit., VII, 82; Cicero,
Acad. II, 29). Wann bzw. durch wen der Terminus Sorites deflniliv auf
unseren KettenschluB übertragen und eingeschränkt worden ist, bedarf noch
der Aufklärung. Hamilton (Logic ', I, I<ect. 19, S. 377) denkt an Laurentiua
Valla (dies Werk S. 90), der in seinen Dialecticae digpuUüones ill, 12; ed.
Colon. 1541, S. 273 schreibt: coacervatio syllogismorum, ouem Graeci «ai^r
vocanL Die unverkürzte Schlufikette wurde lateinisch mit catena srUogis-
morum. svllogisrai concatenati, raliocinalio polvsyQogbtica bezeichnet. Der
deutsche Ausdruck „Schlußkette" findet sich bei Baurogarlen, Acroasis log. *,
§ 414, S. 110. Die geleEenllich verwendete Bezeichnung „zusamen gesetzter
Schluß" für die Schlußketle ist wegen ihrts schwankenden Gebrauchs ganz
<) DieZahlderPrämiBsen ist gleichgültig. Vgl. S. 711, Änm. 2.
OgIC
760 '^'- '''*''■ ^^ einzelnen logiscKen Gebilde und ihre GeaeUe,
zu venneiden. — Der Terminus ,nfoaviioyMfiöt' findet sich schon bd
Aristoteles (Akad. Ausg. 43b, b; Mi, 22), iedoch nicht ganz schalt bc-
slimmti er scheint sicIl alliiemein auf die Verkettung in SchluBketten zd
beziehen i,Ai nfvvXltyivfiüif q Aä nitätrir fttamr wtvjfdr*). Das ei^
Auftreten des Tenninus E p i sTllosismus tdeibt noch zu ermitteln. Baum-
garten (I. c. % ilt) übersetzt mit „VarschluB" bzw. ,Jtachschlufi".
S 131. Mittelbare fortschreitende SehlQsge, Forteettn^
ß) fortschreitende Schlüsse ohne Mittelbegriff. L Analogte-
Bchlfisse. Als zweite Klasse der mittelbaren fortschreitenden
Schlüge hatten wir S. 724 diejenigen ohne Mitteibegriff (im
Gegensatz zn den Mittelbegriffsschlüssen oder Syllogiemea)
kennen gelernt und bereits ihre Einteilung in Analogie-
schlüsae, induktive Schlüsse und paradigmatische Schlösse
erwähnt. Im folgenden werden diese drei Formen einzeln
ausführlich behandelt.
I. Analogieschlüsse.
Der Analogieschluß ist ein mittelbarer fortschreitender,
ohne Mittelbegriff vollzogener Schlufl, bei dem auf Grand
von wenigstens zwei Prämissen, welche ähnlichen Subjekten
S', S", S'" usf. dasselbe Prädikat P zuordnen, im Schlnßnrteil
einem weiteren ähnUchen äquigraden (vgl, S. 565) Subjekts*
dies Prädikat P gleichfalls zugeschrieben wird. Die Ähn-
lichkeit soll hier im prägnanten Sinn bedeuten, daß S', S',
S" usf. und 8* wenigstens ein allen gemeinsame identisches
oder propinqtial ähnliches (S. 327) Merkmal haben (Kon-
similität). Das Schema des Analogieschlusses ist also fol-
gendes: Obersatz S' — P, S" — P, S'" — P, ; Untersatz
S', S", S" sind unter sich und einem S* im prägnanten
Sinn ähnlich (konsimi!) ; Schlußurteil S* — P. Die im Unter-
satz behauptete Ähnlichkeit kann schlechthin als solche aus-
gesprochen oder durch Angabe der gemeinsamen Merkmale
spezifiziert werden {ev. im Sinn einer epichirematischcn Be-
gründung, S. 755).
Die exakte Bestimmung der Ähnlichkeit im Sinn der Eonsimilit&t ist
unerläßlich. DaQ die übticbe unbesUnimte Forderung von Ahnüdikeit der
Subjekte im allgemeinen Sinn nicht ausreichend ist, um einen AnaiogieschlaG
zu rechtfertigen, beweist folgendes Beispiel: S' habe die Merkmale bcdh.
S" die Merkmale befi, S'" die Merkmale cegk, S"" die Merkmale dfgi.
S* die Merkmale b i k 1, Hier besieht sogar durchgänsige AhnUchbeit, aber
sie genagt offenbar nicht für einen AnalogieschluQ; die Eonsimiliät fehlt—
Es steht öbrigens nichts ira Wege, auch den Untersatz formelhaft in folgen-
derWeise auszudrücken: S'-~m, m^ . . ., S" — m,m .,., ..., S* — m,nij..-,
siehe unlen. — Beispiel eines Analogieschlusses (der etiva von. dem Knt-
OgIC
3. Kapitel. Die Lehre von den Schlüssen, 731
decker eines neuen Planeten gedacht wird): „Merkur, Venus, Erde, Hars ...
bewegen sich in Ellipsen um die Sonne; das neue Gestirn ist jenen ähnlich
(koDsimil); also wird es sich gleichfalls in einer Ellipse um die Sonne be-
Id dieser allgemeinBten Formel sind mehrere wichtig
Spezialfälle enthalten. Vor allem schwankt erstens, die All-
gemeinheit der S innerhalb der weitesten Grenzen. Einer-
seits kann es sich um die allgemeinsten Begriffe, andrerseits
um individueUe handeln. Dementsprechend variiert auch die
absolnte Zahl der gemeinsamen Merkmale der S. Im ez-
tremstien Fall sind die S*, S", S"' . . . Indivldualbegriffe hzw.
Individuen, die sich nur im räumlich-zeitlichen Individnal-
koeffizienten unterscheiden (Ähnlichkeit nach Art der Wasser-
fitoffatome, vgl. S. 333 n. 527). In der Regel sind die S äquigrad,
meistens sogar koordiniert Der AnalogieschluS — wenig-
stens der formal richtige — ist also stets ein Niveauschlnß,
er ist weder deduktiv noch induktiv (vgl. S. 724).
Selbst in Lehrbüchern findet man zuweilen die Behauptung, im Ana-
lagieschluB werde stets vom Individuellen auf das Individuelle geschlossen.
Dies ist unzutreffend. Nicht ebenso oft, aber immerhin doch häufig genug
ziehen wir Analogieschlüsse vom Allgemeinen auf Allgemeines. Derjenige
z. B-, der eine neue Familie der Beuteltiere, z. B. die Wombats, zuerst ent-
deckt hat, wird auf Grund ihrer Ähnlichkeit mit den schon bekannten
Beuteltierfamilien nach der Analogie geschlossen haben, daß die Wombats
wie diese einen sog. Beutelknochen haben. In letzter Lini« gehen solche
Schlosse selbstverständlich auf individuelle Beobachtungen zurück, aber der
SchluS selbst vollzieht sich an Allgemeinbegrilfen. — Auch die sehr häufige
Definition des Analogieschlusses als eines Schlusses von Besonderem auf Be-
sonderes ist irreführend. Denn erstens kann man wohl von einigen Beutel-
tieifamilien, nicht wohl ober von der Familie der Wombats als Besonderem
sprechen, und zweitens ist in vielen Fällen nicht nur S', S" usf., sondern
auch S* ein einzelnes Individuum.
Nicht weniger schwankend ist zweitens der Grad der
Ähnlichkeit der S untereinander. Unter diesem
sei nicht die absolute Zahl der übereinstimmenden Merk-
male, sondern ihre relative Zahl, d. h. ihr Verbältais zur
Zahl der nicht-übereinstimmenden Merkmale verstanden.
Löst man jedes S in einen Merkmalkomplez mim^m
auf ^) und bezeichnet man auch P im Sinn eines Merkmals
bzw. Merkmalkomplexes mit m p, so lautet die allge-
^) Bei propinqual ähnlichen S-Beeriüen ist eine solche Zerlegung nur
im Sinn der S. 327 angeführten HTPolhese möglich. Im Hinblick hierauf
scheint es mir auch nicht zweckmäßig, die Merkmal Zerlegung schon von
Anfang an in die Hauptformel des Analogieschlusses aufzunehmen.
OgIC
762 I^- T«l- Pie einzelnen logiaehen Gebad* und ihre Geselw.
meinste Formel desAnalogieBeblnaBesz. B.: miiDimiiu« — nip,
miiQimtnit — nip, mimtmtm« — nip osf.;: miminitm« — mp^-
Anf dem gremeinsamen Merkmalkomplex*) mimtm« beruht
die Ähnlichkeit der S', S", S™ . . . unteTeinander und mit S*.
m«, m», m«..., m* und die „dif f erenten" Merkmale. Die
Zahl dieser letzteren nnn im Vergleich za den übereineüm-
menden schwankt erheblich. Im extremsten, oben bemte
angeführten Fall ist nnr e i n Merkmal in jedem Komplex
different, und dieees besteht dann in dem rämnlich-zeitUcben
IndiTidnalkoeffizienten. Dieeer Fall wird eich insofern als
besonders wichtig erweis«!, als wir mit gutem Grand geneigt
sind, hier dem Analogieschlnß eine besondere Gewißheit zu-
zDschreiben. Symbolisch kann er, wenn man die räumlich-
zeitliche Bestimmtheit gar nicht als Merkmal betrachtet,
auch ausgedruckt werden durch die Formel : viele miminii . . •
— m,; folglich auch irgendein neues, "nur im ränmlicli-zeit-
lichen Individualkoeffizienten abweichendes^ nii mj nu ■ • •
~mp.
Ebenso variabel ist endlich drittens die Zahl der S
in den Prämissen. Im extremsten Fall ist nur ela S
vorhanden, so daß die Formel lautet: S* — P; S* — ähnlich
S'; : S* — P. Meistens handelt es sich um mehrere oder
viele S.
Das Prinzip aUer AnalogiesehlQsse ist wie alle sog.
logischen Prinzipien gignomenologisch (vgl. S. 11 n.
429 ff.) und kann kurz das Prinzip der G-leichartigkeit
des Gegebenen und seiner Veränderngen heißen.
Es ist in folgendem Tatbestand begründet. 1. Jedes Oignomen
(Gegebene, vgl. S. 11 u. 250) zeigt Grundeigenschafteo
") Hier isl also S' m, m^mjmj, S" m^ m^m^i7i^_ uaL, und
S'i-'m, m,tD, m., so dall m, das bei S* abweichende Iferfcnul bezeichnet
Einfachere und vefvicbeltere MerknulzusammenselzunBen lassen sich «u
der Formel ohne weiteres ableiten. Ist P selbst zusanunensesetzt, so vIR
slrens senommen Mp zu schreiben (S. 818, Anm. 6).
■) Dieser eemeinsame Merkmalkoniplez stellt zugleich den allen S übei-
eeordnelen Beeriff dar, in bezug auf den sie koordiniert oder &quicnid and
(s. oben). — Der Untersatz der Hauptfonnel (s. oben) kann bei der ietiigen
Formulierung wegfallen, da die Ähnlichkeit der S untereinand«- in der Be-
zeichnung der Merkmal tomplexe zum Ausdruck kommt.
3. E&pitel. Die L«hre von den ScUOssen. 763
(primäre, irredozible) und Nebeneigenschaften (sekundäre *),
redozible). Die letzteren sind von den ersteren abhängig;
viele, vielleicht alle Nebeneigenschalten sind auf Wir-
knngen zurückzuführen, an welchen die Grondeigenschaften
irgendwie beteiligt sind. Bei gleichen Gmndeigenßchaften
sind stets aneh die Nebeneigensohaften gleich. 2. Dieselben
Gmndeigenschaf ten kehren bei den Gignomenen allenthalben
wieder; wenn aneh die Zorückfühmng aller Qmndeigen-
schaften anf eine einzige (im Sinn eines absoluten Monismns)
zweifelhaft ist, so ist doch sicher, daß in unseremGignomenen
nur relativ wenige Gmndeigenschaften, die zmn Teil über-
dies in propinqu&l ähnlichen Beihen angeordnet werden
können, enthalten sind. 3. Die Gmndeigenschaften treten
zwar in den mannigfachsten Kombinationen anf, viele ein-
. zelne Kombinationen kehren aber doch vielfach in derselben
oder ähnlicher iWeise wieder (es gibt nicht nnr viele
gleiche Wasserstoffatome, sondern aneh viele gleiche Wasaer-
moleküle, viele ähnliche Salbei-Individnen nsf.). Hierauf be-
ruht die Möglichkeit aller G-eneralisationen und damit aneh
aller Klassifikationen des Gegebenen. Insbesondere gilt diese
Tendenz zum Auftreten gleicher bzw. ähnlicher Komtinsr
tionen in denjenigen Fällen, in denen die Grondeigenschaf ten
unter sich in vielfachen kamalen, insbesondere genetisch-
kausalen Verknüpfungen stehen (wie z. B. hei Organismen
einer Art, Gattung nsf. der anatomisehe Bau der einzelnen
Organe wiederkehrt). Daher wird ein Komplex von Grund-
eigenscbaften, z. B. ABOD nicht mit unzähligen anderen
GrundeigeoBchaften sich kombinieren, sondern ausschlieBIich
oder besonders häufig mit einer bestimmten anderen, z. B.
£, so daß sich die Kombination ABCDE ergibt, oder mit
einigen bestimmten anderen, z. B. aufler mit E auch mit F
und G (Kombinationen ABCDEF, ABCDEFG usf.). 4. Die
Veränderungen der Gignomene hängen von den Grundeigen-
scheften ab. 5. Bei gleichen Gmndeigenschaften sind stets
auch die Veränderungen gleich, selbstveretändlich immer
nur unter der Voraussetzung einer geeigneten erkenntnis-
theoretischen Zerlegung der Gignomene. Auf dieser Gleich-
heit beruht die Gesetzmäßigkeit der Veränderungen im (}e-
gebenen und damit alle Lehre von Gesetzen. Von den zeit-
764 ^- ''^^''- ""* einzelnen logischen Gebilde und ihre Geaelze.
lich-ränmlichen IndiTidualkoeffizienten sind die Clesetxe der
Verändemugen also unabhängig; ei« gelten immer nnd
überall. 6. Anch diese Gesetze sind — vieUeicfat entsprechend
der häufigen Wiederkehr vieler einzelner Kombinationen tos
Grundeigenschaften — nicht absolat unähnlich nntereioander.
sondern allenthalben ähnlich. Anch die Gesetze gestatten
Generalisationen und Klassifikationen, insofern sich spe-
ziellere Gesetze allgemeineren unterordnen, andere sieb
reihenweise ordnen lassen nsf. (physikalische Konstanten-
reihen, Mendelejeffsches System, System der optischen
Empflndnugsqnalitäten). — Unser tatsächliches Denken (im
psychologischen Sinn) hat sich diesem Tatbestand an-
gepaßt und neigt dazu, allenthalben von Ähnlichkeit aof
völlig© Gleichheit zu schließen. Wir übertreiben gewisser-
maßen den gignomenologischen Tatbestand. Anch verzichten
wir in der Kegel darauf, bis auf die letzten Grundeigen-
schaften zurückzugehen, nnd setzen uns dadurch weiteren
Irrtümern aas. Das ideale logische, also normalisierte
Denken darf, selbst wenn das Prinzip in allen seinen Teilen
als gültig vorausgesetzt wird, den Schluß auf Grund von
Ähnlichkeit streng genommen nur nach Feststellung der
Grnndeigenschaften und nur in den Fällen 1. nnd 5., welche
bei absoluter Gleichheit der Bedingungen stete gleiches Ver-
halten zeigen, zulassen. Da diese Feststellung nur ausnahms-
weise möglich ist und die Fälle 1. und 5. nur einen kleinen
Bruchteil des Gegebenen darstellen, würde der Aoalogie-
schlnS fast ganz aus der Xiogik zu streichen sein, und damit
würde die Logik den Bedürfnissen des tatsächlichen Denkens,
das ihn sehr oft und zuweilen mit großem Erfolg verwendet,
nicht gerecht werden. Sie hilft sich in dieser Lage damit,
daß sie den Analogieschluß ganz allgemein, also anch ohne
Zurückgehen bis auf die Grundeigenschaften und auch in
anderen Fällen als 1. und 5. zuläßt, aber ihn nur als W a h r ■
scheinlicbkeitsBchluß, das Schlußurteil des
Analogieschlusses nur als problematisch an-
erkennt. Dies sollte auch stets im Schlußurteil durch Zo-
sätze wie „wahrscheinlich" oder durch die Anwendung des
Futurums (vgl. das Beispiel S. 761) oder des Modus poten-
tialis zum Ausdruck kommen.
Keineswegs ist übrigens das Prinzip der Analogie die bwiBlt Gniod-
lage des Analogieschlusses. Der reine Analogieschluß weiß von einer all-
gemeinen Gesetzmäßigkeit und Gleichartigkeit noch nichts. Diese Erkenntnis
OgIC
3. Kapitel. Die Lehre von den Schlfissen, 765
wird erst durch Induktion sschlQsse sewonoen. Das eben erörterte
Prinzip ist 4Uso an dem Akt des SchlieBens als solchem nicht beteiliet, es
rcchtfertiet ihn nur und erklärt sein« psychologische H&uüskeit.
Die Gewißheit des einzelnen Änalogrie&chlasBes hän^
vom Standpunkt dieses Prinzips ans von dem Grad ab, in
dem die Merkmale ma, mi nsf. (S. 761) Grundeigenschaften
sind bzw. sich solchen annähern, von dem Grad der Ähnlich-
keit der S untereinander nnd des S* mit den S und von der
Zahl der S in den Prämissen. Die Bedeutnng des letzteren
Faktors wird durch folgende tTberlegong verständlich. Bas
Prinzip der Analogie w^t anf eine allgemeine Gesetzmäßig-
keit hin. Nnr vom Standpunkt der letzteren ist die Analogie
^rechtfertigt. Direkt eine solche allgemeine Gesetzmäßig-
keit nachzuweisen, liegt dem Analogieschluß fem. Wir sind
also bei ihm darauf angewiesen, uns der allgemeinen Gesetz-
mäßigkeit zu nähern, indem wir möglichst viele Einzelfälle
sammeln. Je mehr Einzelfälle wir z. B., wenn es sich um die
auf S. 762 erörterte Formel handelt, zusammenbringen, in
denen lOi mj m^ zusammen mit diesem oder jenem anderen m
(m« oder m^ oder m« usf.) das Prädikat mp hat, nm so wahr-
acheinlicher wird ein allgenwiner, d. h. gesetzmäßiger Zu-
sammenhang zwischen mi ma ms nnd mp (sei es im Sinn einer
gesetzmäßigen Nebeneigenschaft oder im Sinn einer gesetz-
mäßig eintretenden Veränderung, vgl. S. 763 f.), und nm so ge-
wisser wird also der Analogieschluß. Im nächsten Paragraph
wird sich ergehen, daß im Hinblick auf diesen Tatbestand der
Analogieschluß geradezu als Vorstufe des InduktionsBchlosses
und zugleich allerdings auch dieser als Voraussetzung des
AoalogieschlusseB betrachtet werden kann. Jedenfalls ist,
psychologisch betrachtet, der Analogieschluß trotz
»eines ungewissen Charakters für unser Schließen unent-
behrlich.
Xeben dem Analogieschluß auf Gleichheit existiert auch
ein Analogieschluß auf analoge Versehledenhelt. Wenn ich
ein Stück Eisen S sehe und z. B. durch Wiegen auf der Hand
oder auf einer Wage ihm ein bestimmtes Gewicht als Merk-
n*al P zuschreibe (S — P), so werde ich einem größeren,
z. B. doppelt so großen Stück Eisen S* ein größeres Gewicht
P zuschreiben (S* — P*), zumal wenn mich zahlreiche
andere Beobachtungen gelehrt haben, daß einem etwas
größeren Stück S' ein etwas größeres Gewicht P", einem noch
„.,.,„.>..oo^sic
766 *^- '■^^'*- P'* eitj'el'ien logischen Gebilde und ihre Gesetze.
etwaa grOfieren Stück S" ein noch etwas gTÖSeres Gewicht P"
zajcoinmt usf. Die Indnktioa kann ans dieser analogen Yef^
sohiedenhelt eine gesetzmäßige ,J*roporiion** entwickeln.
Im Hinblick anf die Erörterungen in ^ 86 kann jede
Analogie auch als eine bewußte Alienation bezeichnet «er-
den, loh ignoriere die „differenten" Merkmale nu, nii, . . . m,
absichtlich, obwohl ich mir ihrer Verschiedenheit und damit
der VeTschiedeuheit des S* von den S wohl bewnfit hin.
Historisches. Aristoteles (Ak&d. Ausc. 68b, 36} bezeichnet dn
AnaloEiescbluB aia na^Juj'ium uai gibt als Uerkmal «n: Sitof r^ fUtf n
itfr intigx*'' itttx9-ß iiä loS i/toüv tf TqUtf, Er fügt auch die oben S. 761
beanstandete Charakteristik hinzu : fi imgäitiffiä itil» alr fiife irpäc ^i^'
(Tom Partikul&ren zum PartikuUxen, wie man sidter B»gle),itmf m/t^pm fiif !
vni Tavii, yfiägi/tar Ji »ättgtr. Von der Induktion, namentlitJi der luvoU'
stindigen (vgL S. 770) grenzt er die Analogie noch nicht schuf ab. lii/wJUyU
bedeutet bei Aristoteles soviel wie Proportion. Theophrast nannte die leia
hypothetischen Schlosse (avlitorM/ioi M Tfuir, t^. 8. T49), auch ttiUMy^^
x«/ draiaylar (Alexander Aphrod-, Ad Anal. pr. At Ausg. II, 1, ä 336 u.
396 1(. u. In Top. ibid. 0, 2, S. 58). Die avXXoyivfni »tä nuM^r« wri tei
fiSlioy nnd Jni jeS qi»» und ilni iti o/itSoB (oder iftaüx), welche die Scbüier
des Aristoteles erörterten (Alexander Aphr., 1. c. II, 1, S. 266, 824 f. u. 390],
gehören wenigstens zum Teil zu den AnalogieschlOssen auf analoge Vei-
schiedenheit (s. S. 76&). In der Eiaafmy}, imlttiaii des Galenus bzv.
F^udogalenus (s. S. 48, Anm. i) werden zum ersten Male unter den Rdt-
tionssohliissen (•! xarii rä »paV ii odUo/m/'oI) neben den Schlüssen xsni n
/ifUär n xal qiiar die Schlüsse ,xiits lö maavrme xai äri iiyor' im SilU der
AnalogieschlQsse der heutigen Terminologie angefahrt und die Beziehungec
zur mathematischen Proportionalitit hervorgehoben [ed. Kalbfleisch XTI, 12
u. XVm, 1, S. 41 u. 45). über die philologische Bedeutung von analisia s.
auch Qellius, NocL Att. II, 2ö u. XV, 9 (similium aimiiiff doolinatto). BoElliiiis
(ed. Migne, Bd. 64, S. 709, vgl. auch S. 1116) behielt den aristotdisches
Terminus bei und übersetzte Um mit „exemplum". Petrus Hispanua (Soinm.
log.,Trsct. V, ed. Colon. Agr. 1623, S. 272) definiert: „exemplum est, quando
per unum parliculare probalur aliud particulare per aliquod simiie repotmn
in ipsis". Im allgemeinen wird die Analogie bis zum 17. Jahrhundert va
ganz nebensächlich behandelt Bei Baco von Veruktn tritt sie noch gini
hinter der Induktion zurück. Locke (Ess. conc. hum. undersL IV, 16, 1?}
rohmt nur beiläufig ihren Wert, Hume (Treai ot hum. naL I, 8, 18 u. InQO.
conc. hum. underst. SecL 9) behandelt sie etwas auafOhrUcber. V^ auch
Berkeley, Alciphron, Dial. IV, § 20. In der deutschen Logik wurde die
Analogie wenig berOcksichUgt So bedeutet bei Baumgarten (Acr. log.'.
§ 899 u. 644) exemplum soviel wie conceptus inferior supaiorem vel dedi-
raturus vel probaturus und analogia soviel wie nexus propositionum se in-
vicem delerminantium, und bezüglich des crsteren bemerkt er: ezeamfaun
in raliocinüs concludit a conceptu inferiore vel ad ejus auperiorem vel ad
■ alium inferiorem (§ 400—402). G. Fr. Meier (Vemunftlehre «, § 430) be-
zeichnet unsere AnaJogieschlOsse als ExempelschlOsse und rechnet sie zu den
.verstammelten VemunftschlOssen". In der Wissenschaft sollen sie „nicht
eben" einen groSen Nutzen haben und auch nicht häufig vottommen. lanl
„.,,„,^.oogic
3. KaiHlel. Die Lehre von den Schlüssen. 767
(Logik, § 6t, vgl. auch Kr. d. r. Vera., Kehib. Ause. S. 173 Ober die ail-
gemeinete Bedeutung toh Analogie) braucht den Terminus Analogie. Sie ist
ein „SchluB der Urteilskraft", durch welchen wir „von vielen Bestim-
mongen und Eigenschaften, worin Dinge von einerl« Art zusammenstimmen,
auf die übrigen, sofern sie zu demselben Prinzip gehören, schlieBen".
Ihr Prinzip ist das der Spezifikation. Wie die Induktion gibt sie keine Not-
wendigkeit und ist daher kein TernunftschluB, sondera nur eine „logische
Präsumtion" oder auch ein „empirischer Schluß". Die NOtzUchkeit und
Uneotbehrlicl^eit wird ausdrflcklich betont. Hegel (Enzykl. d. pbiL Wiss.,
Logik, WW. Bd. VI, S. 356, § 190) stellte die Analogie neben den deduktiven
und den induktiven' SchluB als dritte Hauptform und meinte, dafi „ea der
Mangel der Induktion sei, welcher zur Analogie fahrt". — Unter dem Ein-
druck der modernen Entwicklung der Naturwissenschaften nahm auch das
Interesse an der Analogie zu. J. St. Hill (Syst, of log.', London 1661, 11,
Ch. 20, S. 84) abersieht ihre' Bedeutung allerdings Ober der Induktion fast
votlst&ndig, ebenso Wbewell (vgl. z. B. Phüos. of the induct sc 1840, II,
Ch. 6 u. S), dagegen wurde sie von deutschen Logikern oft ausfOhrlicher
behandelt. Besonders hervorgehoben sei Drobisch (Neue DarsL d. Log.*,
Lpz. 187&, S. 186 ff.), der eine Analogia exacta und eine A. incomplela s.
probabilis unterschied. Die erslere ist ein mathematisch-exakt formulierter
AnalogieschluB auf analoge Verschiedenheit (S. 765), die letztere entspricht
dem gewöhnlichen AitalogieschluB. In den letzten Jahrzetmten wurde
namentlich das Prinzip und die Theorie der Analogie und ihre Stellung zur
Induktion und zum Syllogismus vielfach erörtert. Lotze (Logik, Lpz. 1874,
g 103 ff.) hat folgenden Grundsatz far die Analogie aufgestellt: kein Inhalt
eines richtig gedachten Begriffes besteht in einem zusammenhangslosen
Haufen von Merkmalen, den man beliebig durch HinzufOgung gleichviel
welcher neuen Bestandteile vermehren kann; zwar nicht durch ein Uerk-
mal, aber durch eine gegebene Verbindung mehrerer ist vermöge der durch-
gängigen gegenseitigen Determination aller Merkmale auch schon daiOber
entschieden, welche anderen noch unbeobachteten sich mit denselben ver-
knQpfen können, welche nicht, und deshalb ist es ntöglicb, aus dem „an-
gefaingenen Bild", welches die Prämissen liefern, auch die mögliche Ver-
vollständigung und Fortsetzung desselben zu folgern. Vgl. oben S. 763
unter 3. Neben dieser Deteiminationstheorie der Anatogie wird die syl-
logistiscfae oder deduktive Theorie von vielen Logikern vertreten. Sie be-
hauptet, dafi der Analogieschluß seiner Form nach eine Unterart des
SrlloglBmus sei. So formuliert ihn Wundt") (Logik', Stuttg. 18S8, Bd. 1,
S. 318): M hat die Eigenschaft P) S gleicht dem M in den Eigenschaften
a, b, c...; also hat auch S wahrscheinlich die Eigenschaft P. Der Unter-
schied vom Subaumtionsschlufl „ S — M; M — — P;: S — F' wflrde nur
darin liegen, daß S nicht ein spezieller Fall von M, sondern ein dem M
ähnlicher Fall ist und daher der SchluB nur mit Wahrscheinlichkeit gezogen
werden kann. Hiergegen ist einzuwenden, daß bei dem echten Asalogie-
scbluß ein M im Sinn eines abergeordneten AJIgemeinbegriffs (iberhaupt
*) Wundt hat auBerdem die Drobischsche Lehre von der exakten Ana-
logie weiter ausgefOhrt und den mathematischen SchluB von der Potenz n
auf die Potenz n -f 1, der von den Mathematikern falschlich als Berncullische
„Induktion" bezeichnet wird, zu den Analogieschlüssen gerechnet (i- c-
5. 361). Ifierauf wird S. 794 zurackzukommen sein.
1,1^. OQi
,g,c
766 ^' '^^''' ^^ einzelnen logischen Getülde uad ihre Gesetze.
nicht auftritt, sondern nur die dem Subjekt des ScUuBurteils S* ftquigiaden
hl«, koordinierten Begrifle S*, S", S"' uat. (im GrenztaU nur ainS). V^
auch U. Maier, PsTcbol, d. emoL Denkens, TObingen 1908, S. 312). Da
deduktiven Theorie steht die induktive Theorie gegenüber. Diese betrachte
den Analogieschlufi nur als eine Abart der sog. unTollständigen Induktion
und behauptet, daß die AnalogieschlOsse nur dadurch zustande kommen, daB
aus den Pr&missen zuuichst im Sinn der Induktion ein allgemeine ScbkB
gezogen werde und dieser alsdann aut S* angewandt werde. Trotz aller
Gegensätze stimmt also die induktive Theorie mit der deduktiven darin Qber-
ein, daß sie die Intervention bzw. Beteiligung «nes AUgemeinbegiifis bei dran
Zustandekommen des Analogieschlusses fOr notwendig h< Dia induktive
Theorie bleibt jedenfalls dem entscheidenden Einwand ausgesetzt, daS wir
den Analogieschlufi oft vollziehen, ohne den gemeinsamen Herkmalkomplez
Bei vielen englischen Logikern (Ferguson, Whately, J. St Mill, Jevons]
besteht die Neigung, unter analogy (reaaoning by analogy, argument fnim
analogy) im engeren Sinn einen Schluß aul Grund der Ähnlichkeit oder
Gleichheit der Beziehungen zu verstehen, also die ältere Bedeutung
der Analogie festzuhalten (S. 706) mtd unseren Analoeieschlu& als Analosie
im weiteren Sinn zu bezeichnen. Wenn Jevons (Eiern, less. in logic, Less. 36)
es tüT wahrscheinlich eikl&tt, daB alles SchlieBen ^ch auf einen einzigen
Typus reduziert: „that, wbat b true o( one thing will be true ol another
thing, on condition of there being an exact lesemblance between them in all
material circumstances", so erkennt er die grundlegende Bedeutung des
Analogieschlusses an, wird aber der Bedeutung des rückläufigen deduktiven
Schlusses nicht gerecht und unterläßt uns kl&r zu sagen, welche IJm-
stände wesentlich (material) sind-
§ 132. Mittelbare fortsefareitende Schlüsse ohne Mittel-
hegrltty Fortsetsmif II: IndoktloiissehläsBe. Neben den Ana-
logieschlüssen, die im letzten Paragraph behandelt worden,
nnterscbeiden wir:
n. IndnktioDSsehtttSBe.
Der Induktionsschlafi ist ein mittelbarer fortachreiten-
der, ohne Mittelbegriff gezogener Schluß, bei dem auf Gmnd
mehrerer Prämissen, welche ahnlichen Subjekten S', S",
S'" nsf . dasselbe Prädikat P zuordnen, im Schlnßnpteil einem
den S übergeordneten Allgemeinbegrifi S^ dies P gleichfalls
zngeBchrieben wird. Die aUgemeinste Formel des indoktiven
Schlusses lautet also: S* — P, S" — P, S"' — P, ...; S', S*,
S"' usf. untereinander ähnlich im prägnanten Sinn (konsimil,
S. 760);: S« d. h. S'S"S"'... — P (vgl. zur Bedentraig der
horisontalen Klammer S 331 u. 506). Der Allgemeinbegriff
S< bedentet die Gesamtheit aller überhaupt denkbaren, also
bekannten und unbekannten konsimileu Begriffe. Es kommt
3. Kapitel. Die Lehre von den Schlüssen. 769
mithin sein in dem oft besproeheaen Sinn tranegressiver
Cbarakt«r znr Q«ltnng (S. 335, 475 nnd öfter). Statt S> kann
man daher auch sagen „alle konsimilen S im Sinn eines
AUgemeinbegrifCs". Aoch hier kann man, wie bei der Ana-
logie, die Urteile S' — P, 8^ — P nsf. als Obersatz und den
UrteiLskomplex, welcher die Ähnlichkeiten anssagt, als
Untersatz bezeichnen. Große Bedentong kommt dieser ter-
minologischen ünterscheldnng weder hier noch dort zu. Zer-
legt man wie bei dem Analogieechlnit (S. 761) die S in Merk-
malkomplexe nnd wendet man dieeelben Symbole wie dort
an, so ergibt sich beispielsweise die Formuliemug:
jn^minigm^ — mp, mjmjmgmj — mp, m^^m^mimg-n-nipUsE.;:
3<c :' m^ m^ mg — mp ^. Folgendes einfache Beispiel mag
diese Stmktnr eines Indnktionssehlnsses veranschanlichen:
Obersatz: Natriom ist elektropositiv, Kalinm ist elektro-
positiv, Lithiom ist elektropositiv; Untersatz: Natrium,
Ealinm nnd Lithinm sind untereinander ähnlich (konsimil);:
alle diesen ähnliche (konslmile) Elemente sind elektropositiv.
Dabei ist „alle" im transgressiven Sinn eines Allgemein-
begriffs zn verstehen.
Orofiere Bedentnng für nnser Denken bekommt der In-
duktionsschluS erst dann, wenn die im Untersatz ans-
gesprochene Ähnlichkeit^ dnrch Angabe der gemeinsamen
tferkmale (mi, m„ ms der letzten Formel) spezifiziert (vgl.
S. 762) and damit der Allgemeinbegriff S« im Sinn einer Defi-
nition als m, mi m, fest bestimmt wird. In unserem Beispiel
würde der Untersatz etwa lauten: „Natrium, Kalium und
Lithinm sind untereinander ähnlich, insofern sie alle ein-
wertige (mi), Wasser zersetzende und dabei starke Basen
bildende (mg) Elemente (m*) sind," und dementsprechend das
SchlnSurteil: „alle einwertigen, Wasser zersetzenden und da-
bei starke Basen bildenden Elemente sind elektropositiv.''
Sehr oft ist das gemeinsame Merkmal mimtni) ein schon be-
kannter und mit Namen bezeichneter Allgemeinbegriff, und
dann kann dieser unmittelbar als Prädikat im Untersatz nnd
■) Die in den Aomerkunien 1—8 auf S. 761 u. 762 enlhaHenen Zusätze
finden auch hier sinngemABe Anwendung.
'} Im folgenden ist stets die Ähnlichkeit im prignautcD Sinn (Kon-
similhät) gemeint
Ziehen, Lehrtmch der LogUL 49
„.,,„, ^.oogic
770 ^- ^^'- ^^ einzeinen togiMhen Gebildo und ihre Gesetze.
als Subjekt im Bchlaßarteil verwertet werden. In unserem
Beispiel ist der Merkmalkomplex mimjm, mit dem All-
gemeinbegriff „ÄJkalimetall" wiederzogeben '). Demnach
lautet der Schlnfi jetzt kurz: „Na, K and Li sind elektro-
pofiitiv; Na, K and Li sind Alkalimetalle (als Alkalimetalle
nntereinander ähnlich); : alle Alkalimetalte sind elektro-
poBitiv" (oder: dem AUgemeinbegrifl „Alkalimetall" kommt
als weiteres Merkmal Klektropoeitivttät zn).
ÜMn muB Bich nur darOber klar sein, daB dw SchluB nur fOr denjenigcD
als induktiv bezeicbaet werden kann, der nicht bereits' im AUeeioeinbecritf
^Ikalimetal!" das Merkmal der ElektropositlTitAt mitdenkt. Mit xndeieD
Worten: das SchluBurleil des induktiven Schlusses ist stets srnthetiacb, tiichl
analTtisch (vgl S. 389).
Die einzelnen S, also S', S" usf. sind bald IndividnalbexiiEIe, bald
niednsere oder hObeie AUsemeinbesrifle. Wenn ich aus der elfiptiachra
Bahn einiger bestimmter Planeten auf die eUiptische Bahn aller Planeten,
der brannten und unbetonten (im tranafressiven Sinn), schlieBe. ao sind
die 5, wBfche meinem SchluS zusnmde liegen, individuell, wahrend in dem
oben angefOhrten Beispiel aus der Chemie die S generell waren. Begreü-
licherweise beginnt die Wissenschaft meistens mit individuellen Induk-
tionen. Hand in Hand mit diesen Schwankungen geht die Schwankung der
absoluten Zahl der Meifanale, aus denen sich die S zusammensetsen. —
S*^, das Subjekt des SchluBurteils, ist stets ein AllKemeinbegrUf. Sind die
S Individualbegrille, so ist als S' der niedrigste Allgemeinbegrifi zn wähtei,
der allen S superordiniert ist; sind die S selbst AUgemeinbegriSe, so gilt
dieselbe Regel. Wird sie nicht eingehalten, so leidet darunter, wie noch zu
erörtern sein wird, die Gewißheit des Induklionsschlusses. Jedenfalls ist der
InduktionsschluB niemals ein deduktiver SchluB oder ein NiveauschtuB, son-
dern induktiv in dem weiten Sinn der BemeAungen S. 395, 3S7 u. 469^ da
er vom weniger Allgemeinen zum Allgemeinen aufsteigt.
Die relative Zahl der gemeinsamen Merkmale der S und damit der
Grad der Ähnlichkeit der S (vgl S. 761) ist ebenfalls den gr&Btu
Schwankungen unterworfen. Das eine Extrem liegt vor, wenn jedes S sthr
zahlreiche Merkmale hat und alle S nur eines dieser Merkmale gtoxin
haben, das andere Extrem, «enn die S sich lediglich in dem rtnmlich-
zeitlichen IndividualkoefBzieDten unterscheiden (Wasseratoflatome, s. S. B3
u. SZ7).
SchlieBUch isl auch die Variabilität der Zahl der S nicht geiioger
als bei der Analogie (vgl S. 762). Im «xtremsten Fall, der wissenschaflhch
meistens (nicht stets 1} wertlos ist, liegt der Induktion nur mn einnies S
zugrunde (Beobachtungen an einem Exemplar einer fossilen Tiersrtl), te
der Regel stützt sich der Induktion sschluB auf v i e 1 e 5.
Neben der soeben beschriebenen Liduktion hat man oft
bis in die neueste Zeit auch eine vollstKndixe Induktion be-
*) Allenthalben machen wir dabei von der oft besjHocbeoen Htpo-
slasierune Gebrauch. Vgl. S. +94; 513 fi. u. 529.
3. Kapitel. Die Lriire von den Sctüüascp- _ 771
schrieben und als charakteristisches Merkmal derselben an-
gegeben, daß die S', S" nsf. den Allgemeinbegriff S" «r-
schöpfen. Eine solche Erschöpfung ist unmöglich; denn jeder
AUgemeinbegrifl ist vermine seines transgressiven Charak-
ters für eine nnendliche Zahl von untergeordneten AU-
gemeinbegrüfen und in letzter Linie Individnen offen. Die
S', S" Qsf. des Ober- und Untersatzes stellen immer nur eine
Belegung von 8* dar, im Schlnßarteü aber handelt es sich
um den nnenfllichen Umfang von S' (vgl. über den funda-
mentalen Unterschied von Umfang mid Belegung namentlich
S. 526 ff. Q. 561). Nur unter ganz bestimmten Bedingangen,
die wir im nächsten Paragraph in der Lehre vom paradigma-
tischen Schloß kennen lernen werden, können wir auf eine
solche transgressive unendliche Zahl von Fällen durch ein
besonderes, von der Indnktion wesentlich verschiedenes Ver-
fahren ans einer scheinbar endlichen Keibe von Fällen einen
Schluß ziehen. Eine vollständige Indnktion existiert also
nicht, es ist also auch ganz überflüssig, die oben ausführlich
beschriebene Induktion als „unvollständige" zn bezeichnen.
Das vielverwandte Planetenbeispiel: „Uerinir, Venus. Erde, Ifare,
Jupiter und Saturn hatKn Achaendrehung; alle diese sind alte Planeten; also
tiaben a]le alten Planeten Achsendrebung" ist ein iLijuaüver Syllotismus oder
auch eine verbale Zusammentassung luid kein InduktionsscbluB (vgl. auch
S. 7(0); die „alten Planeten" sind ein KoUektivbesriff und kein Allgemein-
begrifi (vfl. S. 334 u. 660).
Das Verhältnis des Indnktionsscblusses zum Ana-
logieschlußist durch die vorausgehenden Ausfäbmngen
genügend bestimmt Die Analogie ist ein Niveauechluß, der
IndoktionsBchlaß steigt zu höherer Allgemeinheit auf. Die
Analogie bezieht sich anf die Belegung eines Begriffs, der
Indoktionsschluß geht von der Belegung *) zum Umfang über.
Die Analogie ignoriert die differenten Merkmale der S
(m,, m„ m« in der Formel auf S. 762), der Induktionsschluß
eliminiert sie. Obgleich demnach logisch beide scharf
getrennt sind, Ist doch andrerseits ihre psychologische Ver-
wandtschaft und Neigung zur Vermischung zugegeben. — Ist
der Induktionsschluß perfekt geworden, so kann aus seinem
Schlnßnrteil, dank seinem allgemeinen Charakter, mm rück-
wärts im Sinn eines deduktiven Syllogismoa (z. B. Barbara)
anf das Vorhandensein von F bei jedem einzelnen neuen S,
das unter den Allgemeinbegriff S' fällt, geschlossen werden.
■} .Belegung" im weiteren Sinn (S. 358 unten).
49«
h. 1. ii,l^.OOglc
772 '^- ^^''- ^'^ einzelnen logischen Gebilde und ihre Oeeetze.
Analogieäcfalüsse für diese neuen S Bind also aaf dieeem Weg
durch den InduktionBBchlnS überfliissi? gemacht worden.
Das Priiudp derlnduktion deckt sich mit dem Prinzip
der Analogie. Während aber der Analogieschluß gewisser-
maSen blindlings verfährt und dank der Gleichartigkeit osd
Gesetzmäßigkeit des Gegebenen, ohne von ihr zu wissen, oft
za richtigem Ergebnis gelangt, stellt der Indaktionsschlnß
eben diese Gleichartigkeit bzw. Gesetzmäßigkeit in irgend-
einem Spezialbereich im Sinn des allgemeinen Prinzips fest
Die Induktion liefert also die prinzipieUe Grundlage für djp
Analogie. Die Analogie ihrerseits ist bei dem IndnktiODS-
schlnB hilfreich, insofern sie außer den Fällen S', S", ST ..-,
f&r welche das Prädikat P laut Obersatz des Induktions-
achlnsses nachgewiesen ist, anch solche weitere S-FäJle hin-
zufügen kann, die den S', S", S'" ähnlich sind, für die aber
der Nachweis des Prädikats P noch nicht geführt ist. Im
Hinblick auf diese Hilfe konnte der Analogieschluß S. 765
geradezu als Vorstufe des Induktionsschlusses bezeichnet
werden. Es scheint anch, daß bei den Indaktionaschlüssen
des tatsächlichen Denkens, also psychologisob, diese
Mitwirktmg der Analogie nur sehr selten fehlt, aber
logisch bleiben alle oben angegebenen Unterschiede an-
erschüttert. Indem der Induktionsschlnß sein Schlnßnrteil
transgressiv auf alle ähnlichen S im Sinn eines All-
gemeinbegriffes (Gesetzes) ausdehnt, geht er pritudpiell über
den Analogieschluß hinaus.
Indem die Indnktionsschlüsse zu immer allgemeineren
ErkenntnisseQ aufsteigen, ergibt sich schließlieh als all-
gemeinster gigiiomenologischei; Satz die Erkenntnis der
allgemeinen Gleichartigkeit nnd Gesetzmäßigkeit der Gigno-
mene, also des allgemeinen Prinzips der Induktion selbst
Der einzelne Induktionsschluß setzt die Dichtigkeit des Prin-
zips voraus nnd weist es in einem Spezialfall nach, die Ge-
samtheit aller Induktionsschlüsse führt zur Erhärtung des
Prinzips in seiner Allgemeinheit.
Unzul&ssis iat es auch, mit Wulff (Logica § VJ&), Jevons [Prioc <d
science, 3. AuQ.) u. a. vom Standpunkt des alteemeinen InduktionnFrioiips
den InduktionsschluB als einen „invetsen Syllogismus" zu deuten, etwa ma
folgender Form: „Ein Pr&dikat, das für viele ähnliche Gegenstände tilL
gilt für alle Oegenstiuide deiselben Gattung; im TOiiiegenden Fall stod <fie8
viele ähnliche Gegenstände, und es gilt von ihnen ein und dasselbe PiiJibl
P; also gilt auch im vorliegenden Fall das Prftdikat P von de ganieo
Gattung B*," Der Obersatz dieses Svllogimnus ist mit dem allgemeinen b>-
3. Kapitel. Di« Lehre von den SchtOasen. 773
duklionaprinzip identisch, und wir können selbstveisländUch jeden einzelnen
iDduklionnchluB als einen Spezialfall des allgemeinen Prinzips betraditen
und syllogistisch aus dem letzteren folgern; aber damit ist nicht etwa der
Induktionsachlufi auf den SvlloBisrnua zurückgefühit Bei dem einzelnen
InduktionsschluB tritt das allgemeine Induktion sprinzip gai nicht auf, die
Bedeutung des letzteren als Prinzip besteht nur darin, daB die Richtiskeit
ebes jeden Induktionsschlusses von der Richtigkeit des allgemeinen Prinäps
abhängt. Vgl. Erdmanns Ausführungen, L c. S. 766 ff. und Festschr. f. Zeller,
Leipzig 1887, S. S21, und andrerseits Chr. Sigwart, Logik *, Bd. 2, S. 432, Anm.
Ganz verkehrt wäre es, wenn man bei dieser GesetzmäBigkeil etwa nur
an die Kausalgesetze (sog. Naturgesetze) denken würde. Die von mir so ge-
nannten Parallelgesetze (vgl. S. 2tß) haben genau denselben Anspruch auf
GesetzmftBigkeit und sind icie die Kausalgesetze Gegenstand von Induktions-
schlDssen. Tgl. über diesen Binomismus sowie Ober alle anderen hier nur
flQchtig berührten erkenntnistheareti sehen Fragen meine Erkenntnistheorie,
Jena 1913, g 11 ff. u. 60~«6.
Die Gewißheit eines IndoktiooBeehlassee ist niemala mit
detijem^eii eines Syllogifimos zn vergleichen. Der Syllogis-
mus ist, wenn er ohne technischen Fehler vollzogen wird,
formal ahsolnt und stets richtig nnd daher formal gewiß.
Seine materiale Bichtigkeit hängt von der materialen Bich-
tigkeit seiner Prämiesen ah. Die letztere Abhängigkeit be-
steht selbstverständlich asoh für die materiale Bichtigkeit
des Indaktionsschlnsses. Bei diesem ist aber außerdem die
formale Bichtigkeit stets zweifelhaft Aach wenn alle Prä-
miesen material absolut richtig sind, kann der Induktions-
schlnß für sein SchloBurteil doch höchstens eine sehr große
Wahrscheinlichkeit beanspruchen. Das Schlußurteil bleibt
stets problematisch. Der Schluß von einer endlichen Zahl
von S-Snbjekten auf all« S (im transgressiven Sinn) ent-
behrt immer der absoluten Gewißheit. Die widersprechende
Assoziation einer Ausnahme kann nie durchaus ausgeschaltet
werden. Dies gilt auch von dem Prinzip der Induktion selbst
in seiner größten Allgemeinheit. Man kann daher auch gar
nicht schlechthin von einer „formalen Bichtigkeit" der
Induktionsschlüsse sprechen, sondern nur von einer mehr
oder weniger großen Annäherung an eine niemals voll-
kommen erfüllte absolute formale Bichtigkeit.
Die generelle Überlegenheit des Syllogismus über den
Induktionsschluß, welche man auf Grund dieses Tatbestandes
anzunehmen geneigt' sein könnte, besteht tatsächlich nicht,
wenigstens nicht, soweit die üblichen deduktiven Syllogismen
(Barbara nsf.) in Betracht kommen. Die letzteren enthalten
nämlich aosnahuifilos in einer ihrer Prämissen ein nni-
1,1^.001
,g,c
774 IV. Teil. Die einzelnen Iwiaebtn Gebilde und ihre Geseltc.
verseltes allgemeines Urteil (positives oder negatives), und
za solchen allgemeinen urteilen gelangen wir in der Begel
durch Induktionsschlüfise. Die formale Minderwertigkeit des
Prodnktionaschlasses haftet also aooh fast jedem dedaktiTea
Syllogismas an, insofern sie in seine Prämissen eingeht nnd
dadnrch seine materiale Richtigkeit (Solidität) in Frage
steUt.
Uan konnte hiergegen einwenden, daß vir über einige nicht durch In-
duklionsschlOsse gewonnene allgemeine S&tEe verfügen wie s. B. a^t,
2a>K, 3 + <=i7. die gnade Linie ist der kOrtesle Weg swisclien nrei
Punklen usf. Hienul ist zu erwiedern, daß deduklire Syllogisinen nul
solchen nni aligemeinen, nicht induktiv gewonnenen (Hiersfttzen AuSeist
selten im alU&glichen und im wiseenschaftbchen Denken TOTkommra nad
durchweg unfruchtbar sind. Aus a^a kann ich nur sehlieBen, dafl in
jedem einzelnen Fall eine Größe »ch selbst gleich ist, und, um dies zu er
kennen, bedarf ich des allgemeinen Obersatzes nicbt, sondern ich sehe dies
unmittelbar an jeder einzelnen Größe selbst sofort ein (vgl % 87). Nur ä.t
Mathematik bildet eine Ausitahme. Hier kommt es in der Tat oft vor, diS
allgemeine, nicht induktiv gewonnene Sätze als Prämissen von syllogistisches
Schlüssen verwendet werden, es wird sich aber im nftchsten Faiagraidten
zeigen, daß diese allgemeinen Satze durch eine dem Induktionsscbtuß sehr
nahe verwandte SchluBforrn, den paradigmatischen Schluß, gewonnen sind.
Die Berechtigung und der Wert des Induktions-
scblusses liegt nach den vorausgehenden Elrörtemngen einer-
seits in dem Erwerli allgemeiner, wenn auch probl^natischer
Erkenntnisse und andrerseits in der Möglichkeit, auf Qmnd
der letzteren rückläufig Folgerungen im Sinn individueller
bzw. weniger allgemeiner Urteile zu ziehen. Der Indoktione-
schlnß ist das wichtigste produktive Schiußverfahreu,
über das wir verfügen, und die Grundlage fast des gesamten
Fortschreitens unserer BegrifFsbildong, vgl. ^ 107.
Bei dieser Sachlage erhebt sich die Frage: wovon
hängt der Grad der Gewißheit eines Induk-
tionsschlasses ab, und wie miiB dement-
sprechend der InduktionsschlnS gestaltet
werden, damit das Maximum der Oewififaeit
erreicht wirdf Zunächst ist es klar, dafi — wie bei der
Analogie (vgl. S. 765) — das induktive Schlnßarteil um »
gewisser ist, je mehr die Merlünale m„ mi . .. Grandeigen-
schaften, je zahlreicher die S und je ähnlicher (konsimiler)
sie untereinander sind. Damit ist jedoch unsere Frage noch
nicht genügend beantwortet. Eine kurze Umschau eigibt
sofort, daß das Zusammenwirken dieser Faktoren und di)-
Bedeutung jedes einzelnen noch einer genaueren Äofklämii?
3. Kapitel. Die Lehre von den SchlOMan. 775
bedarf. So kommt es z. B. vor, daß der Physiker auf Grand
einiger wenigeii exakten Versuche sehr allgemeine Sätze auf-
stellt, und wir trotz der Spärlichkeit der Versuche solchen
Säteen eine sehr groÖe Gewißheit zugestehen. Sollen wir
diese bestreiten, oder wie wird hier die geringe Zahl der
S-Beobachtnngen ausgeglichen t Andrerseits erleben wir um-
gekehrt auch allenthalben, daß InduktionsschlüBse, die sich
auf äuBerst zahlreiche Beobachtungen etützten, doch plötz-
lich durch eine neue umgestoßen werden. Wenn wir auch
selbstverständlich an unserem Zugeständnis festhalten, dafi
kein Induktionsschluß uns absolute Gewißheit verschaffen
kann, wollen wir doch wissen, welche AnswaU der S uns das
Maximum der Gewißheit verspricht. Dazu kommt, daß uns
auch S* keineswegs gegeben ist Wir müssen, um den In-
duktionsschluß vollziehen zu können, ans den gegebenen S*,
S", S"' usf. auf Grund der gemeinsamen Merkmale ein ge-
eignetes S* abstrahieren") {im Sinn «ines übergeordneten
Allgemeinhegriffs). Auch diese Abstraktion eines geeigneten
S' hängt von der zweckmäßigen Auswahl der S', S" . . . ab.
In allen diesen Beziehungen nun gelten folgende Regeln und
Efwägongen.
1. Die Zusammenstellung und Analyse der von
Baco sog. positiven Instanzen"), d. h. derjenigen
Fälle, die dem Obersatz entsprechen, in denen also S', 8" usf.
dae Prädikat P tatsächlich haben, ist die Grundlage des
ganzen Verfahrens. Brückt man die S wiederum wie oben,
S. 769, durch ihre Merkmale aus, verwendet aber jetzt der
£infachheit wegen für die Merkmale die Buchstaben a, h, c,
d usf. (statt mi, mi, m«, m« usf.) und läßt die horizontalen
Eomplezionsklammem weg, so erhält man im Obersatz
folgende Beihe positiver Fälle (Tabula essentiae et praesen-
tiae, Coordinatio instantiarum afflrmativarum s. convenien-
tium bei Baco, Nov. Org. U, lOff.): abcd«~P, abd«f — P,
abcdg — P, abde-i-P usf."). Bei der Auswahl dieser Fälle
wird man sonfiehst nur darauf zu achten haben, daß sie mc^-
") Man kann bei dem InduktionsscbluS geradezu sagen, dafi Sit ge-
sucht wild.
"J .instantia" keouiit achgn bei den Scholaatikem olt vor (namentlich
bei Buridan); tmtute hei Aristoteles hat andere Bedeutung.
i>) Im Hinblick auf das Voricommen additiver Herimule (vgl. S .338)
braucht die Zahl der Merbmale selbst bei kooidinierten S nicht immer iQr
jedes S gleich zu sein.
OgIC
776 ^- Teil- Ke einzelnen logiachen Qetalde w°d jhre Geaelze.
liehst zahlreich sind und möglichst viel gemeinsame Merk-
male**), nnd zwar, wenn möglich, irredozible (alBO Gmnd-
eigeneohaften) haben. Eine bloQe „ennmeratio Sim-
plex, abi non reperitnr instantia contradictoria" (Baco) ohne
jede Auslese, wie etwa die Zusanunenstellnng möglichst
vieler weißen Dinge, kommt kaum jemals in Frage. Da ee
meistens sehr schwierig ist zu unterscheiden, welche Merk-
male irredozibel sind, so wird man sich in der Regel damit
begnägen müssen, nachweislich nnd sicher redozible Merk-
male bei der Fixierung der Merkmalkomplexe S', S" . . . nn-
beachtet zu lassen oder vielmehr durch diejenigen Merk-
male, auf welche sie reduziert werden können, zn ersetzen.
2. Die Zasammenstellang und Analyse der sog.
negativen Instanzen (Tabula declinationis s. absentiae in
proximo, Coordinatio instsntiarum negativamm Bacos) ist
immittelbar anzuschließen. Wir haben möglichst viele Fälle
zu sammeln, in welchen ähnliche Merkmalkomplexe vor-
liegen find P fehlt. Es wären dies also beispielsweise Fälle
von der Struktur : a b c e nicht — P, a b e f nicht — Fi
adef nicht — P usf. War es schon auf Grund der posi-
tiven Fälle etwas wahrscheinlich geworden, daß der Kom-
plex a b d als S* zu wählen ist, oder — anders ausgedrückt —
daß P an den Komplex abd gebnnden ist, so wird durch die
eben beispielsweise angeführten negativen Instanzen diese
Wahrscheinlichkeit gesteigert: die „Gewißheit" des Indnk-
tionsschlnsses nimmt zn. Hätten sich andrerseits negative
Instanzen oder auch nur eine sichere negative Instanz ge-
funden etwa von der Form a b d h nicht — P, so wäre die
Wahrscheinlichkeit des Schlußurt^ils abd — P wesentUdi
verringert worden. Als sicher unrichtig würde man es
allerdings doch noch nicht sofort bezeichnen können; denn
man hätte mit der Möglichkeit zu rechnen, daß durch das
Zusammenwirken von h mit d ") oder a oder b etwa P unter-
drückt („gehemmt") wird. BescAiders wertvoll sind solche
negative Instanzen, die in allen Merkmalen bis aof ein
einziges mit einer positiven Instanz übereinstinuneQ, zmnal
dann, wenn die Abweichung dieses einzigen Merkmals klein
") Es handett sich auch hier w ieder um die relative Zahl der fe-
meinsamen Herkmale (vgi. S. 761).
'■) Unter Umständen sende in der bestimmten Kombination abdb.
Generell kann man sagen, dafi niemals nur die Merkmale selbst (S. Str.),
sondern stets auch ihre Relationen berücksichtigt werden müBsen.
.oogic
3. Kauttel. Die Lehre von den ScMüssen. 777
isL Liefft z, B. vor abcde — P und abcd'e nicht — P
(wo d' ein not wenig von d verschiedenes Merkmal be-
zeichnet), BD wird man ans zwei solchen „differentialen"
Fällen mit relativ großer Wahrscheinlichkeit schlieBen
können, daB gerade anoh d fär P maßgebend ist, d also in
den Merkmalkomplex S^ hineingehört
3. In vielen Fällen ist es möglich und vorteilhaft, die
negativen Instanzen nicht nur in der eben erörterten Weise
znr Nachprüfoag zn verwenden ond nur ihren negativen
Charakter zu berücksichtigen, sondern sie auch positiv als
„komparative" Instanzen zu verwerten. Es zeigt sich
nämlich oft, daß, wenn in einem S ein Merkmal dnjroh ein«
Reihe (vgl. S. 576) nach einer Begel veränderlicher Merk-
male, also z. B. im Komplex abde d erst dnrch d', dann
durch d" usf. ersetzt wird, P stets eine analoge ") Beihe
P', P" nsf. durchläuft. Dorch die Feststellnng eines solchen
„ParallelismuB der Variationen" wird gleichfalls die Gewiß-
heit für das Schlufinrteil erhöht Insbesondere wird dies
dann der Fall sein, wenn bestimmte quantitative Beziehungen
unter d, d', d" nsf. und unter den bestimmten zugehörigen
P, K, P" usf. immer in gleicher Weise festzustellen sind.
Damit erhält man zugleich statt eines einzigen induktiven
SehluBurteils eine zusammenhängende Beihe von solchen.
Die einzelnen d's und die einzelnen F's erweisen sich als
Glieder eines noch allgemeineren gesetzmäßigen,
z. B. kausalen Znsammenhangs; die d's und die P's
stehen im Verhältnis einer „Zuordnung", oder P ist eine
Funktion von d. In vielen Wissenschaften haben diese
Beihen einen ontogenetischen oder phylogenetischen oder
onto- und phylogenetischen Charakter (Parallelismus der
^Entwicklung). Baco bezeichnet eine derartige Zusammen-
stellung als Tabula graduam sive oomparativae (1. c. ^ 13,
vgl. auch '^ 27 über instantiae conformes sive proportionales
B. parallelae), hat aber allzu einseitig nur oder wenigstens
vorwiegend Intensitätereihen im Auge.
4. Von wesentlicher Bedeutung ist bei den positiven wie
bei den negativen und komparativen Instanzen die Öftere,
so weit möglich, identische Feststellung jeder ein-
zelnen Instanz. Nach dem allgemeinen Indnktionsprinzip
(S. 772) ist ja allerdings vorauszusetzen, daß, wenn zu
>>) Vgl. S. 76Ö Ober analoge Verschiedenheit.
D„:,i.,-iM,G00glc
778 ^- ''''i'- ^B eiocclDeo logischen Gebilde und ihr« Gesetze.
. irgreudeiDer Zeit und an irg^eodeinem Ort ein S (z. B. '-'-' abcd)
ein Prädikat P bat, letzteres ihm auch stets und äberall
(ceteris paribnst) zukommt, und eine Bestätigimg dieses all-
gemeinen Oeeetzes kommt bei den Induktionsscblfissen aof
einem Spezialgebiet gar nicht mehr in Frage. Trotzdem sind
üolcbe identische, d. h. nur zeitlich oder nur zeitlich and
räumlich variierende Wiederholungen schon zu dem Zweck
geboten, um nachzuprüfen, ob wirklich kein Merkmal von
S übersehen worden ist, also die Analyse von S wirklich voll-
ständig war. Fehler der Beobachtimg und der Änaly«
werden sehr oft nur durch solche Wiederholungen enmttelt
In der Begel wird es freilich nicht zu vermeiden sein, daS
die Wiederholungen doch nicht ganz identisch sind, sondern
aach inhaltlich, d. h. in den Merkmalen a, b, c usf. etwas
abweichen uid also doch auf eine Vermehrnng der
ä-FäUe durch inhaltliche Veränderung hinauslaufen. Wenig-
stens aber wird man versuchen müssen, speziell die ffir S*
in Betracht kommenden Merkmale (abd unseres Beispiels)
völlig identisch bei solchen Wiederholungen featzohalten.
Einerseits ist also Variation von a, b, d geboten (s. unter 4)
und andrerseits auch identische Wiederholung.
5. Besonders wertvoll sind für die Sicherheit des lodok-
tionsschlnsses solche Instanzen, in welchen S außer den
gemeinschaftlichen Merkmalen, z. B. ab d, nur sehr wenig
andere, ausnahmsweise sc^ar kein einziges anderes Merkmal
enthält. Man kann solche Instanzen als „reine Fälle"
bezeichnen. Baco rechnet sie mit vielen anderen zu den
„instantiae praerogativae", ohne klare unterschiede ansa-
geben**). Ganz allgemein ist ceteris paribus eine Instanz
um so wertvoller, je weniger diflerente Merkmale (vgL S. 762)
sie neben den gemeinsamen enthält Besonderen Wert habea
begreiflicherweise oft auch kontrapositorische In-
stanzen (vgl. S. 548), wie abde und abdnon-e oder abd
und a b non-d, sowohl wenn sie positiv wie wenn sie negativ
ausfallen (sowohl bei „ — P" wie hei „nicht — P", s. oben
unter 2).
") Er unterscheidet InstAnliae solitame, migrantes, ostensivae s. Iüm-
ralM et praedominaDles (elucescenttae). clandesünae, constitutiTae, eon-
lormes usf.
i>,Cooglc
3. Eapilel. Die Lehre von den Schlössen. 779
6. Die Wahrscheinlichkeit eines Indnktionsschlusses
wächst auch, wenn sich koordinierte Induktioas-
schlnsse und ein superordinierter Induktions-
schluß nachweisen lassen oder bereits vorliegren. Die mei-
sten Induktionsschlnsse bekommen erst durch die Eingliede-
rung in ein solches System wissenschaftliche Bedeutung.
Auf Grund der angetübrten Punkte wird es nun auch veraländlich, daS
zuweilen ein einziges S zu einem Induktionsschlufl von sehr großer Wahr-
scheinlichkeit ausreicht (lUfaiUger Induktionsschluß). Zunächst ist nach dem
allgemeinen Induktionsprinzip der ScbluS von einem einzigen S auf alle
MZ räumlich-zeitlich von ihm verschiedenen S zuIäseiB, voraus-
gesetzt, daß dies S sicher beobachtet ist, und da8 man den SchluB eben nur
auf lediglich r¨ich- zeitlich verschiedene S ausdehnt ") (vgl oben unter 4).
Aber auch auf nicht nur rftumlich- zeitlich, sondern auch anderweitig (inhalt-
licb) Terschiedeoe S kann aus einem S bzw. sehr wenigen S unter be-
stuomten Bedingungen mit gro&er Wahrscheinlichkeit geschlossen werden,
wenn *') das beobachtete S ein leiner Fall ist, wenn seine Merkmale ein-
wandfrei festgestellt sind, und wenn er sich einem „System" ko- und super-
ordinierter InduktionsschlOsse einfügt. So ist beispielsweise von dem filtesten
fossilen Vogel, dem Aichaeopteryz, nur ein einziges leidlich voUsUlndiges
Exemplar bekannt, und dieses zeigt einen bezahnten Kiefer. Wir sprechen
nun auf Grund dieses einen S mit groBer Sicherheit den allgemeinen Salz
aus, dafi alle Archaeopleryxindividuen i») (und eventuell nicht nur die Art,
sondern auch die ganze übergeordnete Gattung und Familie) bezahnt ge-
wesen sind, und wir kOmten dies vor allem deshalb, weil koordinierte In-
duktionsschlosse uns in groBer Zahl zur Verfügung stehen; manche Vogel-
gnippen der Kreidezeit sind in ahnlicher Weise bezahnt, in der Entwicklung
der rezenten Vögel treten vorübergehend zahnarlige Gebilde im Kiefer auf
(biogenetisches Grundgesetz), die reptilienfthnlichen, zum Teil schon vogel&hn-
lieben Vorfahren des Archaeopteryx (Compsognathus) waren bezahnt usl. —
E» verlohnt sich auch, noch kurz etwas bei dem eigentümlichen Charakter
dieser auf ein S gegründeten InduktionsschlOsse zu verweilen. Wir werden
doch fragen müssen : wo bleibt hier der scbuhnABige Untersatz, der in jedem
Induktionsschluß die Ähnlichkeit zwischen den S', S" usf. aussagen soll?
Hier scheint er zu fehlen und der ScfaluB sonach nur eine Prämisse zu
liaben. Tatsächlich fehlt der Untersatz nicht, und zwar lautet er: „Auller
dem einen im Obersatz angeführten S sind auf Grund andrer Erfahrungen
noch zahlreiche andere S anzunehmen, die dem S des Obersatzes gleich bzw.
ähnlich sind." Es ist dies ein Satz, der im Sinn eines Analogieschlusses
oder deduktiv auf Grund des Teitstückes 3 des Analogie- und Induktions-
priozips (S. 763) von uns ausgesprochen wird. Die Obrigen S werden alM
") Die moderne Rdativitätslheorie bietet manche Beispiele ran Ge-
fahren, die b$i dieser Ausdehnung auftreten.
'■) Daß negative Instanzen fehlen mOssen, ist als selbstverständlich gar
nicht erwUmt
'*) Im Interesse der logischen Genauigkeit beachte man, dafi diese
Individuen nicht wie Wasseistoffatome (S. 383) nur rftumtfch-zeitlich, sondern
auch in manchen qualitativen Nebeneigenschaften verschieden sind.
OgIC
780 ^^* '^'"- ^^ eiDEdnen lonschen Gebilde und ihre Gesetze.
als FbubUBnorstetlunBeo {S. 346) von mir hinzugedacht. So Dehme A
z. B. mit grOBler Sicherheit an, da£ aiiBer ienem einen bxw. zwei Esempluen
des Archaeopteryx noch zahlreiche andere gelebt haben, und konstniiere in
meiner Phantasie aus diesen hiniusedachten anderen Exemplaren eine Art
und weiter eine Gattuns Archaeopteryx usf. und beanspruche nüt ilkn
Recht für die frühere Existenz dieser Gattung und für ihr Bezahntsain einen
ftuSerst hohen Grad von Wahrscheinlichkeit.
Noch eine weitere Folgerung, aul die namentlich J. St Uill die Anhnafc-
samkeit gelenkt Iiat, ergibt sich aus dem Vorhergehenden: Die meisten, wena
nicht alle Merkmale sind in mehrere Oesetzm&Bigkeiteu, wie wir säe doidi
iDduktionsschlOsse feststellen, eingeOochten. Solche P's, die an sehr ndm
fietrennten GeselzmftSigkeiten beteiligt und daher variabel sind, wefdes
in der Begel nur unsichere InduktionsschlQsse Restatten. Dahin gehört cR
die Farbe organischer Gebilde. Die weiBe Farbe des Schwans und die
„weiBe" Farbe der menschlichen Haut (MiU) sind jahrhundertehms auf Grand
unzähliger S für ein allgemeingOItiges Heikmal in Europa gehalten xroidn
und haben sich doch als nicht allgemeingflltig erwiesen. Gegen das T«-
kommen blauer Haare bei dem Menschen spricht eine ungeheure Zahl tm
S-FIllen, und doch wird man es, rein logisch betrachtet, nicht so unbedinil
ausschlieBen, weil es sich et>en um ein Merkmal handelt, das unter den Eio-
fluB sehr vieler voneinander unabhängiger Qesetzm&Bigkeiten steht (ICt
geburten, „Menschen" auf anderen Wettkörpem). Dagegen wird m»" die
Teriagerung der Leber in den Kopf mit viel gr^fierer Sicherheit ausschlieteo,
weil erfahrungsgemäB die Verteilung der inneren Organe des tierisclwD
Körpers auf die einzelnen KOrperb&blen zwar von einer SuBerst verwickeHea
Gesetzm&Bigkeil, aber nicht von vielen gegenseitig unabb&ngigen Geseb-
onABigkeiten bedingt wird und daher sehr konstant ist. Man denke aber aadi
in diesem Fall an MiBgeburten usf.
7. Die Er^äuznng dnrch künstlich, ä. h. willkürlieh
herbeiffeführte S-Fälle, mit anderen Worten dar oh sof-
Experimente ") ist für nneere vifieenachaftUchen Indoktions-
schläsBe bei vielen Fragen nnerläßlich, tun aosreicbende
Oewifiheit zn erzielen. Die S-Fälle, welche ans die Erfahnmp
ohne noser Zntan liefert, sind in der Begel so spärlich nnd
so wenig rein (s. oben \mter 5), daß sie für Sidoküoi»-
schlüsse wenig geeignet sind. Wenn wir die Oesetze der
Elektrizität auf Gmnd gelegentlicher Gewitter and andrer
zufälliger, zerstreuter elektrischer Ek^cheinnngea induktiv
feststellen wollten, kämen wir ober einige höchst proble-
matische Verrnntongen nicht hinaus. Das Experiment hat
also die Aufgabe, uns S-Fälle in größerer Zahl und känstlicli
vereinfacht zu verschaffen. Indem wir im Experiment die
") Baco (I. c I, 8^ spricht ausdrOcfcUch von esperientia quaesita
= experimentum, während in der Scholastik das Wort experimentum noch
nicht die prägnante Bedeutung wie beute hatte, sondern dasselbe bedeutete
wie experientia, abo die Erfahrung ganz allgemein. Vgl. auch I. c. 1, 99
und De augm. sc. V, Kap. 2.
3. Kapitel. Die Lehre von den ScbtOssen. 7g][
Zahl der m-Merkiuale zunächst maximal reduzieren und
dann allmählich vergrößern, können wir Indaktionsschluß
anf Indnktionsschlnä „b y n t h e t i b c h" aufbauen und damit
auch den unter 6 geforderten systematischen Znsammenhang
erreichen. Auch die reihenweise komparative Verfolgung
der Instanzen, wie sie oben unter 3 sich als rätlich erwies,
läfit sich fast stets nur experimentell verwirklichen. Zu-
weilen haben sich auch die Zweifel in dem Fall eines be-
stimmten Induktionsschlu^es so zugespitzt und eingeengt,
daB nur noch eine bestimmte Frage zu erledigen ist, z. B.
ob d zu dem S'^ des Schlnfiurteils gehört oder nicht >Die
Elrgänzung durch das Experiment kann sich dann darauf
beschränken, dafi wir durch das Experiment uns eine In-
atanz mit d und eine ohne d verschaffen (vorausgesetzt, daß
die Erfahrung ohne unser Zutun ans ein solches Paar nicht
liefert). Man spricht dimn von einem Ezperimentnm crucis
(Instantia crucis, Baco 1. c. ^ 36). Jedenfalls sollen alle diese
Experimente in dem Sinn systematisch sein, daß sie
bestimmten Fragestellungen lückenlos entsprechen (lege,
seriatim et contineuter procedere im Gegensatz zur vaga
experientia, Baco, 1. c. I, 100).
8. Um die Answahl der S, namentlich der experimen-
tellen, zweckmäßig zu gestalten, insbesondere auch um zu
bestimmten Fragiestellungen zu gelangen, werden oft dem In-
dnktionsschlnß Hypothesen vorausgeschickt werden müssen.
Es wird anf Grund einer unzureichenden S-Beihe ganz im
Sinne eines gewöhnlichen Indoktionsscliliisses ein vorläufiges
Schlußnrteil gebildet, das infolge der unzulänglichen Prä-
missen nur auf eine sehr beschränkte Wahrscheinlichkeit
Ajupmeh macheu kann, und auf diese „Hypothese" bin eine
bestimmte Fragestellung, die durch Experin^nta crucis (s.
oben) erledigt werden kann, formuliert. Diese Fragestellung
kann oft auch in die Form eines hypothetischen Urteils (vgl.
§ 120) gekleidet werden: ich nehme auf Grund einer un-
zureichenden S-Beihe an, daß ein bestimmtes S^ mit be-
stimmten Merkmalen das Prädikat P hat, ziehe aus dieser
Annahme die Folgerung „wenn S^ — P, dann gilt auch
3" — Q" nnd stelle nun fest, ob diese Folgerung zutrifft.
Trifft sie nicht zu, so schließe ich nach dem Modus toUens,
daß meine vorläufige Hypothese falsch war, nnd stelle eine
andere auf.
n,g,t,7rJM,GOOglC
782 ^- ^^'- '^^ einteilten loeischen Gebilde und ihr« Gesetz«.
Das Aufstellen solcher Hrpolhesen flndel zwar, losiscb betraditel,
im Sinn eines Induktionsschlusses sUtt; psTcbolofiscb Uult es sehr oft im
Sinn unbewußter Assoziationen ab (vgl. S. S9i über latente Urteile). Geiad»
der geniale Kopf achtftgt in seinem tatsächlichen Denken sehr oft diesen od-
bewuBten Weg ein. — Das Wort iWö^«» kommt in verwandter Bedeutnnc.
aber nicht in nwzieller Beziehung zur Induktion schon bei Aristoteles nt
(Akad. AuM. 76b u. 72a); es hat bei ihm auOerdem die NebenbedeBtom:
eines Satzes, dessen Galligkeit zum Beweis eines anderen Salzes criorderii*
ist und diesem daher zugrunde liegt ") (Akad. Ausg. 1018). Auch bei seise*
Schalem sind die beideu Bedeutungen des Wortes — einerseits Annahiw,
andrerseits Voraussetzung — noch nicht scharf unterschieden. VgL asdi
S. 698 u. 744 über hypothetische thleüe hzw. Schlüsse. In der mittelaltei^
liehen Logik kam eine neue Komplikation der Terminologie hinzu, insolRii
man auch die Einselzung eines substantivischen BegriOes für einen andere*
(z. B. Mensch für S(ATates) als rfnöfta« oder suppositio bezeichnete (igL
z. B. Psellus,£cf'a(tw V, 26, 3, ed. Ehinger, S. 312). Die heute abliebe Be-
deutung scheint das Wort namentlich durch Keplers Schriften bekommen la
haben (vgl. z. B. Opp. ed. Frisch Bd. 1, S. 2BS).
9. Da jeder induktive Schluß, auch rein formal be-
trachtet, unsicher ist, bo bedarf er der BestSüffung (YeA-
flkatlon). Diese kann wiederum nur durch die Erfahrung
an neuen S gewonnen werden. Es haftet also — anders aos-
gedrückt — auch dem definitiven IndaktionsschluB aoeh
immer der Charakter einer Hypothese an. Auch die nenen
bestätigenden S-Fälle können entweder zufällig von der Er
fahrung oder absichtlich und systematisch durch das Exp^-
ment geliefert werden. Will man das ganze VerifikationB-
verfahren rein logisch formolieren, so kann man sagen: wir
machen das Schlnßarteil des Induktionsschlnsses zum Ober-
satz eines Syllogismus (z. B. von der Form Barbara), also
etwa S' — P, subsumieren ihm in einem Untersatz ein neues
S, also z. B. S" — S*, schließen S" — P nnd prüfen, indem
wir dieses Schlnßarteil als „Aimabme" betrachten, ob ee
tatsächlich zntrifft Es kommt also zu der sub 8 erörterten
konsequentialen Verifikation (ans den Folgen) eine kasu-
istische (aus anderen S-Fällen) hinzu.
Historisches. Aristoteles (Akad. Aus3. 1078b, 27) führt dit
AimrwaJ Uy»*, d. h, eben die induktiven Sciiiüsse und Beweisfoimen.
wie sie Aristoteles verstand, auf Sokrates zurück. In der Tat versocU
Sokrates in seinen Gespiichen, gerade weil es ihm darauf ankoromt, zu Defi-
nitionen von Allgemeinbegriffen zu gelangen und mit ihrer Hilfe dann phite-
sophische Probleme subsumierend zu lösen, aus einzelnen wenig« *U-
genteinen Beispielen einen allgemeinen Salz herzuleiten (vgl. XenophoD,
Meroor&b. IV, 8, 13). General isation von Begrifien unct induktiver Schlot
") Vgl. auch Plalo, Phaed. 107 B, Republ 610 B u. 638C.
3. K&pifel. Die Lehre von den ScMflsaen. 7g3
sind weder bei ihm noch bei Plato scharf gesondert. Aristoteles bezeichnet
das induktive Verfahren alsiaaytiyjj und definiert die ia. als .$ ^c iwr kmS^
tttmor M tä McM'lov fywfef * (Akad. Ausg. 106 a, 13 u. 81 b, 1). Die Gr^ze
mischen Gener&lisatioD von Begriffen und' induktivem SchhiB zieht er
nieistens schad, zwischen dem induktiven SchluS und dem induktiven Beweis
(induktivem Verfahren' im allgemeinen), die in der Tat durch mannigfache
Überginge zusnmdtenhitngen, unterscheidet er nicht genau, im einzehien ist
seine Darstellung, so wie sie Oberliefert ist, wenig klar und einleuchtend, wie
schon Ramus in seinen Scholae dialect. bemerkt. Oft bat man vermutet, er
habe Überhaupt nur die sog. vollständige Induklion (vgl. S. 770) im Auge
gehabt. Jedenfalls ist sein Versuch, die Induktion auf den Syllogismus
zurückzufahren, noch weniger gelungen als der S. 773 angeführte. Ober den
aristotelischen Standpunkt kam weder das Altertum noch das Mittelalter
heraus. Über etwaige Leistungen der Epikureer (S. 42) s. Fr. Bahnsch, Des
Epik. Philodemus Schnft nc^ viifielmf mi «^/inmffitw, Lyck 1870 (¥b. lebte
zur Zeit Ciceros). Bemerkenswert sind nur die Einwilnde der Skeptiker gegen
die SchlQssigkeit der Induktion (Sextus Empij-., Pyrihon. Hypot. U, 1Ö5, ed.
Bdker S. 102). In der lateinischen Terminologie wurde btaymy^ mit in-
dudio öbersetit und der ratiocinatio, d. h. dem Syllogismus gegenObergestellt
(Qu. Ctomiflcius, Rhetor. ad Herenn. lU, 16, 28, ed. Spengel, Lips. 186*,
S. 109, hier noch sehr unbestimmt; Cicero, De invent. I, cap. 35, § 61;
BoHhiua, ed,. Miene Bd. 64, S. 281 u. 706). Die Qbliche Definition des Mittel-
alters gibt a. B. Petrus Hispanua (Summ, log., ed. Col. Agr. 1622. Tract V,
S. 270) mit folgenden Worten wieder: „inductio est a singularibus sufficienter
enumeratis ad universale progressio." Thomas v. Aquino fügt zu singulari-
bus ausdrücklich hinzu ,.quae sunt manifesta ad sensum" und unterscheidet
inductio complela und incompleta [In AnalTt. post. I, Lect. 1, 3 u. 8, Opp.
omnia, Parmae 1865, Bd. 18, S. 86, 89 u. 97; hier fehlt „ad sensum"). Erst
in der spateren Schdastik beginnt ein lebl^tes Interesse fOr die Erfahrung
und damit für die Induktionsschlüsse sich zu regen. So erklärt Occam
(Quodlib. V, iiu. 2): conclusiones compositae es illis erunt tüterius Talionis
quarum una est nata sciri per demonstrationem alia per eiperientiam (s.
auch Summa toL log. I. 31 u. SS). Noch bestimmter weist Buridan (S. 86)
auf die Bedeutung des eiperimentum und der instantiae hin (In Melaphys. I.
qu. 8, f. 7 nach Pranll).
Die naturwissenschaftlichen Forschungen der Übergangszeit tiaben dann
dem Induktion sscbluB zunächst im Bereich des naturwissenschaftlichen
Denkens zur Iferrschaft verholfen. Eine theoretische und praktische Methoden-
lehre der Induktion gab Baco, obwohl er selbst von ans totelisch -scholastischen
Vorurteilen durchaus nicht frei war und sie auch allenthalben in seine In-
dnktionslehre einmengte. Seine Hauptgedanken sind oben bereits ausreichend
herOcksicbtigt worden. In der Folgezeil wax die Cartesius-Leibnizache Rich-
tung der nülosophie und speziell der Logik dem Ausbau der Induktionsldu«
nicht günstig, da Oberall eine certitudo arithmeticis et geometricis demoBstra-
tionibus aequalis gefordert wurde (Carteslus, R^. ad dir. ing. 11, 6, ed.
Bnchenau S. 6) und man mit der Induklion die Philosophie dem Skeptizismus
verfallen wfthnte (Leibniz. M. Niz. de veris princ. etc.. Gerb. Ausg. IV,
S. 161 u. Nouv. Ess., Buch i). Wolfl (Logica § 477) spricht als Fundamentum
indudionis den Satz aus: „Quod de singulis inferioribus alfirmari vel negari
potest, idem etiam de superiori universaliter affinnari vel negari debet. sub
quo inferiora ista continentur" und setzt in seinem Beweis ganz harmlos
h. !■, ii.l^.OOQIC
7S4 IV. Teil. Die ginzelnan ioBBcbeo Gebilde und ihre Geadze.
voraus, daß „onmia inleriDra" gegeben seien. Etwas fconekter, aber doch
auch Doch recht unklar ist ein wetterer Beweisvenuch t. c S 334 (yü- uicb
% 706 ff.}. Wie 5. 772 besprochen, glaubte er jeden InduktionsschloB aui
einen SrUogiamus zurtcMühren zu können, dessen Oberaatz das «llgp meine
InduktioDSpmmp ist, und rechnete die inducüo, da dieser Öbersatz gewöhn-
lich nicht ausdrOcklich formuliert vifd, zu den Enthymemen ^. Dcaisetben
Standpunkt nimmt Baumgarten ein, der inductio mit „Zemliedeni ngsaehlnE"
Oberaetzt (Acroas. log.', § 396 S.). Über Kants Standpunkt 9. S. 766f. Uefar
Beachtung fand der InduktionsschluS bei der empirischen BtcbtuoK. Einm
wiAlicben Fortschritt in der Theorie der Induktion finden wir erat bei Home,
den Erdmann sogar als ihren BegrOnder bezeichnet Freilich liegt dieser
Forlschiilt in) wesentUchen nur auf eAenntnistheoretiscbem und psrdto-
logiachem, nicht auf logischem Gebiet (vgl. S. 115 t.). Home eeiict, auf
welchem Weg gewohnheilsm&Big unser Denken nach den AsaoziationsKesetzai
7.U einem FOrnahrhalten (belief) allgemeiner Sätze gelangt, und weldie er-
kenntnistheoretische Bedeutung diesem belief zukommt, nicht aber, welche«
Prinzip dem InduklionsachluB im logiseben Sinn zugrunde liegt AuBerdem
hat er durch die vorzugsweise BerQcksicbtigung der KausalitUsbezidiDiig
der Ansicht Vorschub geleistet. daS die Induktion sich auf kausale Urteilt
bcschr&nke.
Die neuere Hieorie des Induktionsschlusses ist von J ohn Stuart Hill
ausgegangen. W. Hamilton kann trotz vieler schroBer Gegenattze als sein
Vorläufer betrachtet werden. H. unterschied nlmlich eine fonnal or locical
und eine material or philosophical induction (Logic, Lect. XVn, 2. Aufl..
Bd. 1, S. 819 ff). Die ersUre schüeßt: S', S", S"' — P; S-, S", S" werden
ab eine Galtung S' gedacht („are conceived to constitule all S, d. h. „Ihe
whole — the class — Ihe genus" S '); folglich S' — P, Als Beispiel gibt
H.: „This^ that and Ihe other magnet attract Iran; but this, tbat and tbt
other roagnet are all magacts (='are conceived to constitute Ibe whole class
magnet); tberefore, all ma<nets attract iron". Die teine Logik, bemerkt H.
gegen Wbately, hat sich nicht darum zu kOmmern, ob die drei im Obersali
angeführten Magneten alle lifagneten sind. Der Logiker nimmt dies einlach
an und darf es armehmen, wenn die Annahme keinen logischen Widerspracfa
(contradiclion in terms) enth< um die materiate Richtigkeit braucht er sich
nicht zu kommem. Es handelt sich also um eine Enumeratio Simplex (s.
S. 776), die gewisse nnuBen selbstberrlicfa erklärt: ich steHe ein Genus, einen
AUgenteinbeffriff dar. Diese erste Handltonsche Form der Induktion bestebt
nun offenbar, so interessant dieser rein-logische Standpunkt auch erscheiD«
mag, nicht zu Hecht Eine endliche Zahl von Individuen darf niemals einem
Allgemeinbegriff gleichgesetzt werden; datin liegt auch logisch ein Wid«-
spruch. Der transgreasive Cbankter des AUgemeinbegrifls wird Obersefaen,
Belegung und Umfang verwechselt (vgl. § 72 u. 88). Die zweite Ramiltonsclw
Form, die materiale oder philosophische Induktion (inference of induction.
logical or philosophical presumption, L c. Lect XXXII, n, S. 166 B. u. S75)
deckt sich mit unserem induktiven SchluB, und H. hat schon ganz ricbtii
erkannt, daB das Prinzip dieser Induktion die supposed uniformity of nalurF
ist; auch hebt er bereits den Unterschied zwischen essentiat qualities and
") Er hat diese Lehre übrigens wohl Schramm entlehnt (Afist. Philo-
soph. Principia, Uelmst 1718, S. 27 nach Hamillon).
3. Eftpitel. Die Lehre von den Schlössen. 7g5
accideatial qualiUes hervoi (freilich nur mit Bezug auf F) und verluiit, daß
S^ eine natürliche Klasse (natural ctass} iaL An diese letzten Sätze schlieBen
sich inhaltlich die Lehren. Mills unmittelbar an^). Das Grundprinzip der
Induktion ist auch nach Mill der Salz von der Gleichförmigkeit der Natur '*)
i,„tbat Ihe course of nature is imifonrt", Syst. of log. III, 3, 1). Unser Denkea
brinst — lehrt Mill weiter — , indem es induktiv zu einem allgemeinen Satz
gelangt, nicht durch seine eigene Täti^eit ein neues Element hinzu, wie
Whewell (vgl. S. l&J) meinte, noch weniger handelt es sich um eine intuitive
Überzeugung, di« wir im Sinn eines „first principle" auf Gnmd dec Eon'
stitution unseres Verstandes (the Constitution of the mind itsell) von vorn-
herein haben, wie Reid und Stewart (Reid, On the intcll. powers VI, 6,
Woriw, Edinb. 18*8. S. 451 *■>); Stewart, Elem. of the phil. of the hum. mind.
Coli. Works Bd. 3, S. 19* u. 830 Ö.; s. auch dies Werk S, 116) behaupten,
sondein wir stellen dies Prinzip lediglich auf Grund unaren Erfahrung auf
(I reg&rd it as itaelf a generalization ot experience, s. auch L c DI, 21, 2).
Das groBe Verdienst von Mill besteht nun darin, daB er zu zeigen versucht,
in welchem Sinn und innerhalb welcher Grenzen die GleichiOnni^eit der
Natur zu InduktionsschlOssen von relativ sehr großer Sicherheit fohren kann.
Seine Hauptsätze sind folgende: die Gleichförmigkeit der Natur ist «in aus
vielen einzelnen Gleichförmigkeiten zusammengesetzter Tatbestand; zum
Behuf der Induktion massen diese Gleichförmigkeiten auf mSglichst wenig
primäre zurackgefOhrt und die letzteren auf den einfachsten Ausdruck ge-
bracht werden; manche Gleichförmigkeiten sind variabler, andere konstanter,
die wissenschaftliche Indulrtion muS daher jeden einzelnen InduktionsschluB
prüfen jmtet Berü^sichtigung solcher ebenlalls induktiv gewonnener Er-
fahrungen Ober die Variabilität und Konstanz der einzelnen Merkmale und
Merkmalkomplese (L c. III, i, 2); die InduktionsschlQsse stehen vielfach in
einem Verhältnis der Sub- und Superordination, so daB der eine zur Siche-
rung des anderen beiträgt (vgl. oben S. 779 unter 6); die Voraussetzung für
jede Induktion ist die Zerlegung der gegebenen Komplexe in ihre Elemente
(etwa den m's unsrer Darstellung entsprechend). Auf Grund dieser Er-
wägungen stellt H. vier Metboden des induktiven und speziell des experi-
mentellen induktiven Verfahrens auf (l. c. III, 8): method of agreement,
ntetbod of difference, method of residues und method of concoimtant varia-
lions und gibt für jede regulierende Prinzipien („canons") an. So lautet
z. B. der Canon der 1. Methode: if tno or more instances of the phenomenon
under investigation have only one circumstance in common, the circumstance
in which alone all the instances agree, is the cause (or effect} ot the gtven
phenomenon". Sieht man von der einseitigen Beschränkung auf kausale
^) Da Hamiltons Vorlesungen über Logik erst ISStjSO, Hills Haupt-
werk aber schon 18^ erschien, so liegt der Gedanke nahe, daß unwdcehrt
Hamilton von Mill mit seiner Lehre von der uniformity of nature abhängig
ist Da jedoch die Herausgeber der Hamiltonschen Vorlesungen ausdrOckUch
erklären, der Text derselben sei im wesentbcben schon 1887/83 entstanden,
so wird die Priorität Mills zweifelhaft.
-*) In dem engeren Sinn, daB für gleichartige Wirkungen in der Natur
dieselben Ursachen anzunehmen seien, hatte ihn u. a. bereits Newton aus-
gesprochen effectDum naluralium ejusdem genesis easdem esse cauaas).
**) übrigens scheint der Terminus „inducUve priociple" von Reid her-
zurühren, siehe seine Abhandlung Inwry into Ihe hum. mind, Woiks S. 199,
Ziehau, lAtirbach der LoKik. 50
1,1^. OQi
,g,c
786 IV- TeiL Die emsdnen logiacben Gebilde und ihre GeaeUe.
OesetzmiBidiatea ab**), so bedeutet dies in nnsrer Zeicfaenapimcbe etwa:
S, ab cd — P, 8, -aefg — P, 8,_r»bik — P; 8,, 8„ 8, unttf
sich ähnlich nur mit Bezug «uf du gemeinsune a;: 3*. _a — P d. !i-
a bat (bedingt) das Uerkmal P, ist z. B. die Ursache tou F. Die UÜlscbe
sprachliche Formulienug iat Kdoch nicht ganz racakt (onUai« Bedeutung no
phenomenon). Auch kommt es durchaus nicht darauf an, daS gerade mu
e i n gemeinsamer Umstand vorliegt, wir können d)ensognt an Stelle vm a
einen Komplex arst setzen (vgl. S. 775 f.; UiD hat mit circumsiance wohl
auch einen solchen Komples gemränt). Der Kanon der 8. Methode decU sidk
mit unseren kontrapositorischen Instanzen (S. 778), Do- Kanon der dritleii.
flbrigens aus der zweiten ableitbaren und mit Deduktion konüiinierttB
Methode lauM: „subduct from any phenomenon such pari as is known br
previoos inductions to be tbe eflect ot certain antecedents, and the määat
of tbe phenomenon is the effect of the remaining antecedents". In unser
Zeicbensprscbe ließe sich dies beupielswase lolgendeimaBen ans-
drBelcen: S, abc — FFT"; 8, ra — P"; S, b — P"; folgM
^ . c — P"'. Offenbar geht dies Tert&hren Ober den einlachen Intbiktioiis-
schluS weil hinaus und ist, wie auch Hill zum Teil hervorhebt, nur ontn
erheblichen Vorbehalten znl&ssig. Da die Komplexe abc utf . nicht einlacbe
Summen, sondern ihre Glieder durch mannigfache, zum Teil sehr verwickelte
Relationen verbunden sind (vgl. S. 776, Anm. It), sind sokhe einfocbe
Additionen und Subtraktionen nur zur ersten Orientierung erlaubt; in diesa
Venrendung erweisen sie sich allerdings heuristisch von unsch&tdtarem Wert
Der Kanon der 4. Helhude Uuft im wesentlii^en auf die Erörterungen S. TTT
unter 8 hinausL Die vier genannten Methoden sollen die einzig mCtficheo
der „direkten Induktion" sein. SchlieBhch hat Hill die Induktionstheorie
noch wesentlich dadurch gelördert, da8 er — im Gegensatz zu Baco, der für
die Koexistenz der Eigenschaften in hypothetischen Formen (lormae) dieselbe
GleichfQnniskeit und GesetzmaBigkeit wie für die Sukzession der Erschei-
nungen aimabm — nachdrücklich hervorhob, daQ allgemeine Gesetze der
Koexistenz, die den allgemeinen Gesetzen der Sukzession (laws of causstion)
enisprtcben, fehlen (1. c. m, 22, 4). Im Bereich der Koexistenz gelangen
wir nur zu empirical laws, nicht zu laws of nature. Immerhin werden auch
die empirischen Koexistenzgesetze um so gewisser, ie Bllsemeiner sie weiden.
Auch ist zu bedenken, daß viele, wenn nicht alle Koexistenzen kausalen Ur-
sprungs sind. Vgl. S. 763i
Seil Mills Weric hat die Lehre von der Induktion keine wesentliebeD
Fortschritte zu verzeichnen. Ernst Fried r. Apelt (Die Theorie der
Induktion, Lpz. 18&i) verauchte den induktiven SchluB als einen „SchluB aus
einer disjunktiven Regel" zu deuten (1. c S. 17), So gestaltet er das Planetes-
beispiel (s. oben S, 771) folgendermaßen um: „das Sonnensystem bestebl
aus der Sonne und den Planeten Merkur, Venus usf.^T); Merkur bewegt sü
von Abend gegen Morgen, Venus desgleichen «st.;: alle Planeten bewegen
sich von Abend gegen Morgen". Nach der abheben Terminologio hatte man
im Obersatz von einem divisiven, im Untersatz von einem kopulativen urteil
") In einem spateren Kapitel (L c. m, 22) wird diese Binseitigkal nur
zum TeU korrigiert (uniformiües ot coeiisUnce neben uniformiUes of suf-
cessioo). S. unten.
h-h,„t2.."*» ^eachle, daß A. zum Obersatz macht, was wir als UnteraaU
oetrachtet, nttmhch die Aussage über die Ähnlichkeit (das Gemeinsame) der a
3. Kapitel. Die Lriire von den Schlössen. 7g7
zg eprecbeu. Von einer Dbhinktion im Obersatz kann nur in Fällen voll'
ständicer filschlich sogenannter Induktion (S. 770) gesprochen werden (also
im ancefOhrten Planetenbeispiel, wenn man es, wie üblich, auf die alten
Raneten beachiänkt und diese im Ober- und Untersatz sämtlich aufzählt].
Bei der wirklichen, d. h. unTollständigen Induktion liegt nur eine unvoU-
ständige Division, also keine DistonkUon vor. Abgesehen von diesem
lenninologischen Verstoß ist nun aber einzuwenden, daB es lür den Induk-
tionsschluß nur auf die Ähnlichkeit der S und die auf ihrer Ähnlichkeit be-
ruhende Zugehörigkeit zu einem AUeemeinbeerifi S' ankommt, daB dagegen
die Division des letzteren, die Apelt im Ohersatz seines Schemas (unserem
Untersatz) einsetzen will, ganz unwesentlich ist. A. bemüht sich dahfer auch
ohne Erfolg, den InduktionsschluS einfach syllo^stiscb zu fassen. Vollends
scheitert A.s Versuch, den Berechtigungsgrund der Induktion aufzukui«n.
Er will eine empirische und eine rationelle unvollständige Induktion unter-
scheiden. Die ersteie folgt dem Assoziationsgesetz und ist nicht reine Sache
der Urteilskraft, die letztere ist im Sinne Kants apriorisch bedingt und daher
vollkommen sicher. Wir wissen dank den Maximen der Urteilskiait im
voraus, daB die Notwendigkdt eines Gesetzes waltet. A. zählt drei derartige
Maiiroen auf (1. c. S. 58): „1. die Maxime der Einheit: alle menschliche Er-
kenntnis steht unter Gesetz und Regel, 2. die Maxime der HAnnigfaltigkrat :
die Tatsachen \ierden nicht durch Gesetz und Regel gegeben, sondern durch
die Beobachtung, &. die Maxime der Wissenschaft: das Prinzip ist das
UnwOngliche in der Erkenntnis; das Allgemeine entspringt nie aus dem
Besonderen, sondern das Besondere unterliegt den allgemeinen Bestim-
mungen". Irgendwelchen Beweis fflr die hier behauptete Apriorität des
Induktionsprinzips hat A. nicht erbracht. — In bezug auf den disjunktiven
Charakter des Induktionsschlusses hat sich Schuppe (Ericenntniatbeor. Logik,
Bonn 1878, § 78) teilweise an Apell angescblossen, ebenso H. Cohen
(Log. d. reinen Erkenntnis, Beriin 1902, S. 4901.). An Apelt erinnert auch
der Satz von H. M&ier: „das deduktive Element, das in aller Induktions-
tStigkeit des Menschen die Voraussetzung bildet, hat eine apriorische Wurzel"
(Psych, d. emot. Denkens, Tob. 1908, S. 305).
Weitere Literatur aber den induktiven Schluß (nur wichtigere
Spezial&bbandlunsen): R. Benzoni, L'induzione, Qenova 1894*; Amand
BKchT, L'induction etc., Paris 1868*; N. v. Bubnott, Kant-Studien, 130^
Bd. 13, S. 267 (auch Heidelberg 1909); Consbnich, Arch. f. Gesch. d. PhUos.,
1892, Bd. 3, S. 302 (Induktion bei Aristoteles); W. G. Davies. Mind 1678,
Bd. 3, S. 417; G. Fonsegrive, Rev. philos., 1896, Bd. 41, S. 358; Tb. Fowler,
Inductive logic, 3. AufL Oxford 1878; J. G. Hibben, Inductive lo^c, New York
1896; Th. Jacob, IndukÜve Erkenntnis, Berlin 1881*; J. (H.?) Lachelier, Du
fandement de l'induction, Paris 1871, 2. AufL 1896, 4. Aufl. 1902 u. Rev.
Philo». 189Ü, Bd. 40, S. 609 u. 1896, Bd. 43, S.< 369; P. Leuckfeld, Arch. f.
Gescb. d. PhUos. 1895. Bd. 8. N. F. Bd. 1, S. 33. 10. S. 340, 11, S. 874
i. V. Liebig, Induktion u. Deduktion, Maocbeu 1865 (Reden u. AU., Lpz.
Heidelb. 187*. S. 296—609); 0. Fr. Lipps, Wundts philos. Slad-, 1901,
Bd. 17, S. 78, namena 83(1., E. Mach, Erkenntn. a Irrtum, Lpz. 1906,
S. 2990. (303); Oh. Merder, A new bgic, London 1912, namentt. Book 2;
D. Mercier. Rev. nto-scoL 1900. Bd. 7, S. 432; Ern. iVaville, La logique de
l'hrpothtee, Paris 1860; Adr. Naville, L'induction dsjis les Sciences pbT-
siques, Rev. philos. 1890, Bd. 29, S. 62; H. Poiocare, La Science et l'brpo-
lh*se, Paris 1906, S. 9 u. 167 ff. u. Science et mfithode, Paris 1914, S. 809;
60*
tY^IC
788 ^- Teil. Die eioEelnen logiacbcn Gebilde und ihre Gesetze.
W. J. Roberts, Hind, N. S. 1909, Bd. 18, S. 638; R. v. Schubeit-Soldem, Vieilei-
Äbreacbr. f. wiss. Philos. 1906, Bd. 30. S. 60 ff.; O. SeiHert, Beiträge zu den
Theorien des Svllottismus u. der Induktion, Diss. Breslau 1888; ThillT, fiäo-
aopb. Review 1906, Bd. 12, S. 401; Jcbn Venu, The piinciples oE empihad or
inductive logic, London 1S89, namentl. Kap. 14, S. 9(3 B.; W. WbeweO, CK
induclion, wilh especial referenoe to HiU'a syBlem of lopc. London IStS':
W. Wundt, Die Logik der Cbeime. Philo». Stud., 1883, Bd. 1, a 473.
fi ISS. Mittelbare fortechrettende Sehlflne oline Mittet
betriff, Fortsetnug. m. FaradiKtnatiBolie Sehlüsse. AoBer
den AnalogieBchlüssen (^ 131) nnd den iDdnktionascMüssen
(^ 132) Bcheint es mir zweckmäßig, noch eine dritte Klasse der
mittelbaren fortschreitenden Schlüsse ohne MittelbegnlT')
za anterschciden, deren Selbständigkeit freilich bisher
meistens nicht anerkannt worden ist Ich unterscheide also
HL Paradigmatlsehe Sehie§8e.
Ihre eharakteristischen Eigentümlichkeiten aollen znerfit
an einem Beispiel klargestellt werden. Wenn der Mathe-
matiker beweisen will, daß die Winkclsimiiae im Dreieck
2 B beträgt, so pflegt er ein bestimmtes (indÜTidnelle^
Dreieck ABC zu zeichnen und führt den Beweis an diesem-
Diese Beweisführung, soweit sie sich auf das bestimnite
Dreieck bezieht, interessiert uns jetzt nicht, wohl aber die
eigentümliche Verallgemeinerung, die wir mit dem Bewüs-
ergebnis vornehmen, indem wir es von dem einen ein-
zelnen Dreieck, für welches der Beweis geführt ist, auf alle
Dreiecke übertragen. Auf den ersten Blick scheint es, als
läge hier nur einer jener oben S. 779 besprochenen ein-
fälligen Induktionsschlüsse vor (Archaeoptetyxbeispiet), dir
anf eine einzige Instanz, ein S gegründet sind. Soi^ältigeR
Erwägung ergibt jedoch wesentliche unterschiede. Vor
allem schreiben wir dieser mathematischen Verallgemeine-
nmg nicht nur Wahrscheinlichkeit zu, auf welche selbst der
sicherste InduktionsschliiQ doch immer beschränkt bleibt
sondern absolute Gewißheit (vorausgesetzt natürlich, daß der
Beweis an dem einzelnen Dreieck A B C als solcher absolute
Gewißheit beansprachen kann). Außerdem ist aber auch der
Denkprozeß ein andrer. In dem Archaeopteryzfall nehme
ich einfach anf Orund analoger Erfahrungen bei anderen
Lebewesen an, daß außer dem einen beobachteten S noch
viele andere ähnliche Exemplare, eine „Gattnng" S' exi-
stiert hat, und schreibe nuu dieser ganzen in meiner Plian-
') Unlen (S. 79») wirf sicli allerdings zeigen, d«D sich bei einer be-
Btimmten TransfonDBlion doch ein MiUelbegriB ergibl.
„.,,n,^.OOglC
3. Sapilel. Die Lshra von den Schlössen. 7g9
tasie vorgestellten Oattun? daa Merkmal Bezahnung (P) zn,
das ich an dem einen Exemplar S beobachtet habe. Ganz
anders bei meinem SchluS über die Winbelsnmme im Drei-
eck! Hier bin ich an sich durchaus nicht auf das eine ge-
zeichnete Dreieck ABC beschränkt, ich verzichte aber auf
andere Dreiecke und stelle mir dafür in der Phantasie alle
Sberhanpt nur denkbaren Dreiecke mit den verschiedensten
Winkeln und Seiten vor und überzeuge mich, dafl der am
A A B C geführte Beweis durch die Veränderung der
Winkel und Seiten gar nicht beeinfiufit würde, mit anderen
Worten, daß für den Beweis das gemeinschi^tliche Merkmal
der Dreieckigkeit aoBpeicht. Auf Gmnd dieser Einsicht ver-
allgemeinere ich dann mein Beweisergebnis. Symbolisch
ausgedruckt stellt sich der Verlauf also folgendermafien dar:
S (d. h. A A BC) laut Beweis — ' P (d. h. hat die Winkel-
amnme=:2B), alle nur denkbaren'*), in meiner Phantasie
vorgestellten 8 — ich bezeichne sie weiterhin mit s (also
s', s" usf.) — sind dem S bezüglich der Anwendbarkeit des
Beweises vollkommen gleich imd daher ebenfalls — P;
S und die s', s", s'" — sind vermöge der gemeinsamen Merk-
male m, n . . . . (in unserem Fall etwa Dreieckigkeit nnd
Ebenheit) untereinander ähnlich nnd bilden die Gattung
S^ C Fii m n . . ., hier ebenes Dreieck) ; : folglieh Sf — P.
Dieser SohlnßprozeB bedarf nun noch der Aufklärung
im einzelnen, um die Unterschiede gegenüber dem Analogie-
schluß und dem InduktionsscbluB, namentlich dem eiu-
fälligen (S. 779) noch »chärfer festzustellen. Charakteristisch
ist für den paradigmatischen Schluß in erster Linie die
eigenartige Ergänzung des Materials im Obersatz. Das
S (das gezeichnete A ABC*), an dem der Beweis geführt
wird) dient gewisserma&en nur als Bepräsentant (vgl. S. 337),
als Parad^cms (= Musterbeispiel), daher auch die von mir
vorgeschlagene Bezeichnung „paradigmatischcr Schluß"*).
1*} Also im Sinn des Umfangs, nicht im Sinn der Belesune aufsefaßt.
') Es liegt übrigens auf der Hand, daB ich statt des gezeichneten Drei-
ecks auch irgendein in der Natur schon gegebenes oder auch — vas sehr
t>emerkenswerl igt — ein nur vorgestelltes Dreieck venrerten kann.
') Die viellach gebräuchliche Bezeichnung .mathematische In-
duktion" scheint mir unzweckmäSig, weil erstens das Attribut „inaUie-
matisch" nur das Anwendungsgebiet, aber nicht das Wesen des Prozesses
ausdrückt, und weil zweitens der FrozeB von dei typischen Induktion wesent-
lich abweichL — ' Über die Bedeutung von ntifäiuyßia bei Aristoteles a.
S. 766. Die ,^t*9wic' von Aristoteles ist eine verallgemeinernd« ExempM-
„.,,n,^.OOglC
790 '^* '''^i'- ^^ einzelnen logiaclien Gebilde und ihr« Gesetze.
Bei dem Analogieschluß findet dagegen überhaupt keine
Ergänzung des Materials statt. Bei dem einfälligen Indoi-
tionsachlnß (Ärchaeopterysbeispiel) maB nnsere Phantasie
zwar eine Ergänzung vornehmen, aber diese erfolgt in ganz
anderer Weise: wir greifen aus dem einen gegebenen S
(dem bekannten Archaeopteryxexemplar) mehr oder weniger
willkürlich einige Merkmale als konstant (als „Gattongs'^-
merkmale) heraus und denken uns nach Analogie besser
bekannter Tiergattungen in nnsrer Phantasie noch eine un-
bestimmte Zahl von Exemplaren ohne feste Begel hinzu, bei
welchen die nicht als konstant betrachteten Merkmale von
denjenigen des gegebenen S abweichen. Es bleibt also die
Gattungsb^renzung einigerinafien willkürlich, die Ergän-
zung durch weitere 8 unbestimmt, regellos nnd unvoll-
ständig. Anders bei der paradigmatischen Ergänzung. Hier
zieht die Phantasie zur Ergänzung nach einer be-
stimmten Begel alle s heran, die zu einer scharf be-
stimmten Gattung (Dreieck) gehören. Es ist anch begreiflich,
dafi eine solche Transgression uns bei dem Archaeopteryi
nicht, dagegen wohl bei dem Dreieck gelingt Eine äoBerst
ausgedehnte Erfahrung zeigt uns, daß Breiecke nur in
einigen wenigen ganz bestimmten Bichtungen variieren
(Seitenlänge, Winkelgröße). Bezüglich des Archaeopteryz
wissen wir nicht einmal sicher, weiche Merkmale wir
— entsprechend der Dreieckigkeit der Dreiecke — als un-
veränderliche festhalten sollen, und erst recht nicht, nacb
. welchen von den unzähligen denkbaren Bichtungen wir die
veränderlichen Merkmale variieren sollen nnd dürfen, ohne
den Begriff „Archaeopteryx" aufzugeben.
Psychologisch ist diese Phantasieersänztins nicht so zu ver-
stehen^ als ob irir etwa in unserer Phantasie tats&chUch alle denkbaieD
Dreiecke duicbmusterten, sondern es handelt sich nur um einen summariacheii
Überblick, bei vrelchem wir höchstens einige BaupHypen etwas deuUicber
herausgreilen *) und nach Bedarf diese uns sogar durch besondere neue
Zeichnungen vergegenwärtigen (vgl. z. B. die bekannte dreilache Beweis-
fOhning für den Satz vom Zentri- und Peripherie» inkel). Wir denken uns
kation, die sich mit dem paradigmatischen Schluß nicht deckt (vjL hiMzu
H. Maier, Die Syllogislik des Aristoteles n, S. 453).
*) Man beachte, daß also die Auswahl der s im Oberaatz C,Dreieck';
•cbon von der im Untersatz formulierten AbnUchkeit abhängt
') In dieser Beziehung ist sehr charakteristisch, daB die alten Mathe-
matiker den Satz von de* Winkelsumme im Dreieck gesondert erst für dis
gleichswlige, dann lör das gleichschenklige und schlieBlidi für das ungteidi-
Belüge bewiesen.
3. EapiUL Die Lehre von den Schlfisaen. 791
eine Heretellungsrege! und ennöelichen so die Transgresaion. Die er-
Icenntaistheoretische Frwe, ob ea sich dabei um eine apriorische
Form der Raumanscbauuns oder um eine der ErfabniDg angepaBte ubd von
ihr abh&ueige Art der VorstellunBaUUgkeit handelt, ist for den psrcbo-
logischen und logischen T&tbestand ohne eatscheidende Bedeutung. Ebenso
hat die Erkenntnistheorie zu entscheiden, ob der in Rede stehende psTcho-
losische Prozeß die für die Logik erforderliche Vollständigkeit — GtUtlgkeit
für a 1 1 e Dreiecke in unserem Fall — irgendwie wiiUich gew&hrleisten ktmn.
Fflr die Logik genOgt die Tatsache, daB unsere Raumanscbauung 90 be-
sebaflen ist, daB wir mit absoluter Gewißheit eine solche transgressive Vor-
atellungsreihe bilden zu k&nuen glauben und uns andere Glieder außer dieser
Reibe innerhalb desselben Gattungsbegrifls gar nicht vorstellen können.
Nicht weniger bemerkenswert ist der Charakter der
Aussage, die wir bezüglich der hinzugedachten Phantasie-
vorsteUnngen s', e" ... im zweiten Teil des Obersatzes (8. 789)
machen. Wir behaupten nämlich, daß alle diese Phantasie-
dreiecke ausnahmslos den Bedingungen des au S geführteu
Beweises genügen („beweistanglich" oder „beweisgereeht"
sind) und deshalb gleicbf^U daß Merkmal P (Winkelsumme
2 R) haben. Wir verfahren hier ganz anders als bei dem ge-
wöhnlichen und dem einfälligen Induktionsschluß. Bei dem
ersteren stellen wir für tatsächlich beobachtete (nicht erst
hinzugedachte) andere S das Merkmal P fest; bei dem
letzteren stellen wir P für die durch unsere Phantasie hin-
zugedachten S überhaupt nicht fest, die hinzugedachten S
kommen gar nicht als Träger von P zur Begründung
des Schlußurteils in Betracht, sondern nur als weitere
Glieder der von uns gedachten Gattung S^ . also zur Bil-
dung des Subjekts des SchluBurteils. Bei -lem paradigma-
tischen Scfalnfi ist es hingegen für die Begründung des
SchluBurteils w>eBentIich, daß wir an den hinzugedachten s,
and zwar an allen diesen s, das Merkmal P feststellen. Da-
mit erhebt sich aber die Frage, wie eine solche Feststellung
an einer transgressiven Beihe erdachter Vorstellongen statt-
findet und stattfinden kann. Die Logik kann sich wiederum
auf die tatsächliche Feststellung beschränken, daß wir den
UQ 8 geführten Beweis °) auf die hinzugedachten s übertragen
und uns überzeugen, daß die letzteren beweisgerecht (s. o.)
sind. Um einen Analogieschluß '') handelt es sich dabei nur
*) Dieser geht ja dem ganzen paradigmatischen Schluß voraus und liegt
dem ersten Teil seines Obersatzes zugrunde (s. S. 78Sf.).
'') Wohlsemerkt handelt es sich jetzt niobt um den ganzen paradigma-
lischen SchluB, sondern nur um d«n zweiten Teil seines Obersatzes (S 789}
...ogK
792 nr. Teil. Die einzelnen loriachen Gebade und ihre Geaetze.
insofern, als wir von Einzelnem (nämlich S) auf ähnliches
Elnaelne (die s', b" nsf.) nbeTgehen. Ein wesentlicher
ITnteTBcliied von dem AnalogieschlnB liegt darin, daß
vir erstens auf alles ähnliche Einzelne (alles Einzelne
derselben Gattung) übergehen, und daB wir zweitens nidit
lediglich ans der Ähnlichheit der s mit S auf das Vorhanden-
Rein des Prädikats P bei den s sehließen, sondern die s doch
auch wenigstens summarisch auf ihre Beweisgerechtigkeit
und damit auf das Vorhandensein von P prüfen. Gerade
auch dies zweite Moiuent ist von erheblicher Bedeutung. Wir
denken nicht etwa nur im Sinn des gewöhnlichen Anal(^e-
schlusses: „die Phautasiedreiecke s', s" ... sind dem gezeicb-
neten Dreieck in bezug auf die Dreieckigkeit ähnliph, und
deshalb wird wohl der Beweis für das Zutreffen von P auch
bei ihnen gelingen, und folglich werden sie wohl die Eigen-
schaft P haben," sondern wir stellen uns die s — ähnlich wie
bei dem gewöhnlichen mehrfälligeu Induktionrachlnil die
unabhängig von unsrer Phantasie gegebenen S — vor und
stellen an ihnen auch unabhängig von ihrer Ähnlichkeit mit
dem gezeichneten Dreieck fest, daß der an diesem geführt«
Beweis auch an ihnen geführt werden kann und zn dem-
selben Ergebnis führt. Meine Behauptung s' usf. P
gründet sich nicht auf die Ähnlichkeit der 8 mit S, son-
dern ich mache mir an den s selbst die Ausführbarkeit
eines ähnlichen („analogen") Beweises klar.
Für I^i&ntasieejemplare von Anh&eopleiyx etwa suf utiniir-hrm Wei
die Bez&hnung (vfiL S. T79) nachzuweisen, ist deshalb umnÜgUeh, «eil die
gemeinsamen Mcriunale und die Variationen der nicht gemeinsamen hier
nicht scharf bestimmt sind und der Zusammenhans von P (also der Be-
7.nhnung) mit den ersieren für eine summarische Festateliung viel zu ver-
nicfcell ist. Den unbegrenzt zahlreichen VariationsrichtunseD. welche für
Archaeopteryx vorbanden sind, stehen bei den Dreiecken nur einige wenige
scharf bestimmte gegenüber, deren EinOuB auf den Beweis von P relatj»
leicht zu Obcrschauen ist. Im Obrigen muS bezüglich dieser wie alter er-
kenn Inistheorefiscben Fragen auf die Erkenntnistheorie verwiesen werden*).
Mit den soeben besprochenen Eigentümlichkeiten des
Obersatzes des paradigmatischen Schlusses ') hängt nun aucb
der eigenartige Charakter der Konseqnenz des paradigma-
tischen Schlusses und seines SchlnSurteils zusammen. Da
der Obersatz und dementsprechend auch der Untersatz (S. s'.
') Th. Ziehen. Erkenntnistheorie auf psych ophysiol. u. pbysik. GnindL.
Jena 191B, namenll. % 34.
") VfL auch E. Rignano, Scientia, 1915. Bd. 17, S. «1 ff.
h. !■, ii,l^.OOglc
3. Kapitel. Die Lehre von den SchlOasan. 793
s", %'" sind Dreiecke, vgl. S. 789) beanspruchen, alle Dreiecke
(alle nntcr S< fallende Individuen im transgreeeiven Sinn)
zu umfassen, entspricht das Schlnflverfahren (die Konae-
qaenz, S. 710) einer so^. vollständigen Induktion, die wir
S. 77Ü kennen gelernt, aber nicht als echte Indaktioa an-
erkannt haben. Von irgendwelcher transgreesiven Verall-
gemeinerung, wie sie für das Schlußverfahren der echten
ladnktion bei dem Übergang von den Prämissen zum SchluS-
urteil charakteristisch ist, ist hier keine Kede. DieTrans-
gression ist schon im Ober- und Untersatz voll-
zogen. Im Schlußnrteil wird nur das Ergebnis des Ober-
und Untersatzes zusammengefaßt: Obersatz S — P und
alles'.s"... — P; Untersatz S, s', s" ... ^£^S«"); Schlußsatz
S« — P. Es wird nach dem äquativen Prinzip (vgl. S. 727)
für S, b', s" ...im Obersatz S* sabstituiert und dadurch der
Schlußsatz gewonnen. Es handelt sich also bei dem Haupt-
gefüge des paradigmatischen Schlusses wie bei jeder „voll-
ständigen Induktion" imi einen äquativen Syllogismus, dessen
Mittelbegriff S, s', s" . . . ist ^^). Er ist daher als solcher auch
im Gegensatz zu dem gewöhnlichen (unvollständigen) In-
doktionsschlnß formal nicht problematisch, sondern apodik-
tisch. Nur insoweit sein Obersatz eine Transgression ent-
hält, deren materiale Richtigkeit und Berechtigung in
Frage steht und von der Erkenntnistheorie beurteilt werden
muß, kann seine Richtigkeit angezweifelt werden.
Der paradigmatische Schluß entpuppt sich also als ein
kompliziertes SchloBgehilde, dessen Obersatz schon aus einem
eigentümlichen, wesentlich modifizierten Induktionsverf abren
hervorgeht, und dessen Schlußsatz auf syllogistischem Weg
zustande kommt. Die Beziehung zum echten Induktions-
schlnß beschränkt sich auf eben diese Entstehung des Ober-
satzes und auf die Gemeinsamkeit der Richtung vom Ein-
zelnen bzw. weniger Allgemeinen zum Allgemeinen.
Eine besondere Art des paradigmatischen Schlusses kommt dadurch zu-
stande, daB in vielen Ftltlen die Phantasieergftnzung der s', s" . . , . an eine
ganz bestimmte quantitative Regel geknüpft wird. Hierher gehört namentlich
^'') Das IdentitStszeichen ist gerechtlertigt, da S, s*, s", s'" die
Gattung S^ erschöpfen, nicht etwa nur zu ihr gehören.
**) Wenn man S^ nur als eine verbale Umschreibung der tran^ressiven
Reihe S, s', s", "' . . . betrachtet, so kann man auch von einer verbalen Zu-
sammenfassung sprechen, doch kommt dabei der G a 1 1 u n g s Charakter
von S^ nicht genügend zum Ausdruck.
„.,,„,^.oogic
794 ^' '^^'^ ^'^ einzelneo logiachen Gänlde und ihre Gesetze.
die soK. BuMalÜM^ hdvUiMi in der M&lbetoatik. Um deren loffscbe Be-
deutung zu verstehen, tehen wir zunftchst von einem Fall aus, der nicht
in ihr Bereich gehört. Fermat hatte gefunden. daB 2> + l=a.(2*)* + 1
= 17, (2*)» + 1 = 267 usf. bis (2»)" + 1 und geschlcwaen, dafl guiz aB-
geniein ^)'' -f- 1 <>i>« Primzahl ist, wenn n eine ganze positive Zahl bedeutet.
Es war dies nichts anderes als ein paradismatischer Scblufi >*) in ansenm
Sinn, nur liegen ihm statt eines S sechzehn zugrunde "). Aufieidem halte
er aber den Hangel, da£ für jedes einzelne dieser sechzehn S der Primnlil-
charakter lediglich konstatiert, nicht durch einen Beweis (wie für das Dceieä
AB C die Winkelsurome =3 2 R) erwiesen war und daher auch von oner Be-
weisführung an den hinzugedachten a, also (2^)" + 1 usf. nicht die Rede
sein konnte. lA der Tat hat Euler nachgewiesen, daB bei (2*)*> + 1 die
Fermatsche Regel versagt Demgegenüber ist der folgende Schlufi (tnno-
mischer Lehrsatz) einnandfrei:
(n — 1)1 1! ^(n — 2)! 21 * ^(n — 3)! 31 ^ ■' (n~n)! n1 '
Jak. Bemouim (Acta Erudit, Ups. 1686, Juli, S. 360/1) hat nun ganz lU-
gemein gez«igt, wovon die Richtigkeit dieses für die Bfathematik usenibehi-
liehen atohhiint tos k amt a + 1" abhängt. Er ist nämlich immer dann
richtig, wenn eine allgemeine Regel gilt, nach der das (n + l)te Glied sieb
aus dem nlen Glied ergibt. So läBt sich für die binomische Reihe nach-
weisen, daB, wenn für ein beliebiges Glied der angeführte Satz gilt, er dana
auch für das (n -f l)tD Glied gültig ist. BeztlBÜch aller Einzelheiten maS
auf die Lehrbücher der Mathematik verwiesen werden. Hier genügt es, zu
bemeiken, daB, logisch betrachtet, die BemouiUische Regel danul hinaus-
läuft, daB für die hinzugedachten s ein allgemeines Gesetz des Fortschteiteos
(der Variation) fixiert wird, und daB damit die letzte Unbeslimmtheit in den
Obn^atz des paradigmattscben Schlusses beseitigt wird. Vgl auch H. 1^.
Drobiacb, Neue Darst. d. Log., i. Aufl. Leipzig 1876, S. 286 fr.; JuL Könii.
Neue GrundL d. Log., Arithm. u. M«ngenlehre, Leipzig 19U, S. 16&fl.; Geifi.
Hessenberg, Gnmdbegriffe der Uengenlehre, GQttingen 1906, § 181, S. SOG;
Poincarft, La science et rhjpothftse, Paris 1902 (raiaonnement par rfcur-
rence); Goblot, Rev. philos. 1911, Bd. 21, S. 68 u. Annfie psychoL 1906, Bd. IJ,
S. 364, und Luquet, Rev. philos. 1910, Bd. 7(% S. 262.
i>) Aus den S. 792 angegebenen Gründen kann ich Drobisch und
Wundt ^vgl. S. 767, Anm. &) nicht zugeben, daB es sich um einen Anakrpe-
schluB im wissenschaftlichen Sinn handelt Gewiß ist Analogie im Sinn von
Ähnlichkeit beteiligt, aber der Charakter des Analogie Schlusses fehlt.
!■) Es entspräche dies also dem Fall, daß man den Satz von der
Winkelsumme im Dreieck an 16 Dreiecken statt an einem beweisen und
dann erst verallgemeinern würde.
OgIC
3. Kapitel. Die hebte von den ScWOssen. 795
In bezus auf die TermidoloEie.sei daran eiinneit, daß Jidfäiuy/ta bei
Aiiatoteles, ezemplum in der lateinischen Logik eine Banz andere Bedeutuns
hatte (ml S. 766), aber schon lanse im SprachBebrauch diese Bedeutung
eingeboBt hat.
§ 134. Fehl- und TrassehlQsse. Formal anrichtige
(diflkrepantc, vgl. S. 284) Schlüsse werden, wenn sie unab-
eichtlich sind, Fehlschlüsse (Paralogismen), wenn sie ab-
sichtlich fiind, Tragschlüsse (Sophismen) genannt. Trug-
schlüsse, die nicht darauf berechnet sind zu tänschen, son-
dern durch ihr paradoxes Schlußurteil Befremden zu er-
regen, heulen Fanfschlüsse. *
, Ober den Tenninus ,^aral<»is[nu3" vgl. S. 281, Anm. 15. Echte Trug-
achlüsse, also verbunden mit dem BewuBlsein des IVuges, scheinen zuerst
bei den Sophisten auigetreten zu sein (vgL Pinto, Eutbydem. 298 B IL). Bei
den Megarikern waren die Fehl-, Trug- und FangschlQsse schon G^enstand
logischer Untersuchung (s. PrantI, G«9Ch. d. Log. im Ab., Leipzig 1856^ Bd. 1,
S. 42 tf.). Aristoteles definierte das ai^ur/ta als avlXoyw/iot iQiatvi6t (Akad.
Aii3g. 162 a, 16) imd gab eine austührlicbe Darstellung in dar Schrill mgi
••ftMiunü*- iifygaaf. Er unterscheidet IXiyget tta^a Tqf Utw und li— ^W
Utiav und gruppiert dementsprechend auch die Sophismen (I. c. 165 b H.).
Seine Aufzählung der einzelnen Arten hat zum gröBten Teil nur noch
historisches Interesse. Erwähnt sei hier nur die oftaiyn/iUt (aequivocatio) und
die ift^ißtiitt (ambiguitas) ; die Fehlschlüsse ff» t^e Ufnv trennt er nicht
ausreichend von den Fehlbeweisen. Sehx ausfObrlich wurden sie dann von
den Stoikern behandelt und in ae^la/iaia naga rä ngäyfiaia und a. Jta^ iqv
^•M-qf eingeteilt (Diogenes Laert, De clar. ph. vit. TU, iä, ed. Cobet S. 169).
Manche wurden mit besonderen Namen belegt {i/nBS6fay«t, iy^ttaivfiftifK,
»tfatinn usf.). Die von den Zweideutigkeiten der Sprache abhängigen hieBen
«BlMxJi'anir iiyoi (Soloecismen) oder ifitptßoUiu und g^n zu mannig-
fachen weiteren Untersuchungen Ober Synonymie, Homonymie, Paronrniie
usf. AnlaS (^1. SimpUcius, In categ. Akad. Ausg. Bd. 8, S. 24 u. 86; Sextus
Empir., Pyrrh. Hypot 0, 23t, ed. Bekker, S. 112; Galen, De aoph. penes dict.,
Opp. ed. Kahn, Bd. 14, S. S6&), die bis auf Aristoteles und Speusjppus
(s. S. 29) zurückgehen. In der lateinischen Literatur wurden die Fehl- und
Trugschlflsse zu den ,4allaciae" gerechnet.
Ihrer Entstehung und ihrem Wesen nach zerfallen die
Fehlschlüsse in solche, bei welchen ein in dem Schluß ver-
wendeter Begriff, z. B. der Mittelbegriff eines Syllogi&mns
im Verlauf des Scfalußprozesses gegen einen anderen ähn-
lichen, aber nicht gleichen Inhalts vertauscht wird, und
solche, bei welchen die U m f a n g s beziehnng zweier Be-
griffe falsch beurteilt wird. Die erste Klasse entspricht ganz
den in ^ 86 besprochenen Älienationen. Aber auch bei der
zweiten Klasse spielen die Älienationen die entscheidende
Bolle, insofern die falsche Beurteilung des Umfangs sich
stets darauf zurückführen läßt, daß ein und demselben Teil-
OgIC
796 ^- Teil- Die einzelnen logiacben Gebilde und ihre Gegttoe-
begriff des ScfaluBses bald die eine, bald die andere Qnactität
oder quantitative Beziebnng' znffeschrieben wird. Wenn ich
z. B. scblieBe: „der Menscb hat eine Seele, die Tiere und
kein« Menschen, also haben die Tiere keine Seele", so liegt
die Alieoation darin, daß ich der ersten PrämiBse nadiiiäg-
lich eine andere Qaantitätsbeziehung anterschiebe, nämlich:
„Dar der Mensch bat eine Seele". In der Srllogiätik wird
dieser spezielle Fehler dnrch die B«gel gekennzeichnet:
Schlüffiie mit negativem Untersatz s^d in der 1. Figur ver-
boten (vgl. S. 741).
Wenn also eine einfache Älienation der Begriffe bei äaa
typischen Syllogismufi mit drei Begriffen eintritt, so liegen
tatsächlich vier Begriffe vor. Man spricht daher von einer
Quaternio terminorum (Beispiel s. S. 426). — Die
verführende Bedeiitnng, welche die Worte für aUe Formen
der Fehlschlüsse haben, wurde gleichfalls in § 86 bereits
hervorgehoben. Es kann jetzt noch znr Ergänzong speziell
auf die Mehrdeutigkeit (Äquivokation, Amphibolie, Homo-
nymie, Ambignität) hingewiesen werden, welche gerad»
Worte wie „einige", „nicht" (zumal bei Häufung mehrerer
Negationen) haben. Vgl. z. B. S. 543 u. 546.
Nicht zu den Fehlschlüssen, sondern zu den unsoliden,
also durch material unrichtige Prämiesen (S. 284) bedingten
Schlüssen sind solche zu rechnen, die auf einer nnvoll-
ständigen, also fehlerhaften Disjunktion beruhen*). Znr
materialen Unrichtigkeit der Prämissen ist es auch za
rechnen, wenn bei einem InduktionsschloS tatsächlich vor-
handene negative Instanzen übersehen und daher in den
Obersatz nicht aufgenommen werden. Anch in einem solchen
Fall liegrt kein Fehlschluß, sondern ein unsolider SchlnB vor.
Eine gute Vbenieht flbei die Sophifmen gibt n. a. A. SdiopenhaoH.
Eiistische Dialektik, Handsehi. Nachlaß, ed. GriEebadi Bd. 2, S. 71—107.
S. auch Pruitl, I. c ferner L. Rabns, Logik u. Metapb., ErUngen I86S,
S. 431—4^4; Alli. Sidgwick, Fallades, London 1883; J. Viola, Uathera. Se-
phismen, 2. AdS. Wien 1886 *; Jei. Bentham, The book of fallades, LondM
1834; Job. Buridan, Sophiamata, Paris H93; 0. Hentisberos, &ipositio ngn-
larum solvcndt eophiemata, Venet. 1483 *; J. St. MiU, Logic, Book T.
') Ein FehlsehluS würde dann vorliegen, wenn in der Främiase mit Be-
wnfitfein eine unvoll ständige IMvision als solche ausgesagt, diese aber bei den
Schlußakt ah vollständige und daher als Disjunktion behandelt wird.
n,g,t,7l.dM,GOOglC
4. Kauitel. Die Letire von den Beweisen. 797
4. Kapitel
Die Lehre von den Beweisen
S 135. Der Beweis im allgemeinen; seine Olleder, sein
O^^stand und seine Gültigkeit. Als Beweis (Demonstratio)
wird eine Beihe von Schlüssen (train of reasoning, J. St. Mill)
bezeichnet, wenn das Schlnßnrteil des letzten durch die Ge-
samtheit der Schlüsse in der Weise hegründet wird, daß eine
oder mehrere Prämissen vieler Schlüsse der Reihe durcli
voraosgehende Schlüsse begründet werden. Ziehe ich also
ein nnd dasselbe Schlußarteü aus mehreren voneinander
unabhängigen Schlußreihen, so handelt es sich nni „kon-
vergente" Scblnßreihen, aber nicht um einen Beweis. Bei
dem Beweis etehen alle vorausgehenden Schlüsse in mannig-
fachen Beziehongen zueinander und sind diera letzten subordi-
niert ^). Die vorausgehenden Schlüsse sollen Vorsdilüsse,
der letzte Schluß findSchluB heißen'). Der Begründungs-
zusammenhang, der alle Schlüsse eines Beweises verknüpft,
ist mit der S. 395, 698 u. 710 besprochenen „Konse-
quenz" (Beziehung von Grund nnd Folge) identisch. In-
Bofem alle Teilschlüsse in Eonsequenzbeziehung zu dem
letzten urteil des. Beweises, dem Schlußnrteil des End-
schlusses steheu, kann man letzteres als das „Z i e 1" des Be-
weises betrachten. Psychologisch spielt das Scbiußurteil des
Entschlusses, das sog. Demonstrandum oder Finieiis nicht
immer dieselbe Bolle; bald will ich nämlich ein mir schon
bekanntes Demonstrandum, das ich als. „Thesis" (Behaup-
tung, beides im prägnanten Sinn) dem Beweis vorausschicke,
bald auf Grund eines gegebenen Tatbestandes einen mir vor-
läufig noch unbekannten Satz beweisen, d. h. beweisend
1) Diese Sobordination hat mit derjenigeo der Begriffe {S. 3SB u. 511)
nichts za tun.
') Wenig zweekmlBig ist die noeh vieUtMli gebräuchliche Bezeichnung
der Votschlfisie als „Argumente". Ee cntcpiieht n. E. unserem beatigeu
Sprachgefühl vielmehi, den ganzen Komplex der VorselilüBBe als Argument zu
beteidmen. So sprechen wir von den verschiedenen Argumenten zaguneten
einer Behauptung und verstehen darunter die verschiedenen, voneinander nn-
abhfingigen, konvergenten (b. oben) Bevreisführungen, welche für die Behaup-
tnug versucht werden. Gher znUesig erscheint der alte Terminus „rationes
demonatrandi" {BeweisgrQnde) tQr die VorscblUase, indes ist auch er nicht Itjr
alle Vorschlflase geeignet, da ni^ gewohnt sind, bei ihm nur an die wesent-
lidien, d. b. tQr den Beweia entscheide uden VorschlDsse zu denken.
1,1^. OQi
,g,c
798 ^- '''^''' ^® einzelnen krischen Gebilde und ihre Gegetee.
finden *). Im ersten Fall ist mir das Ziel (z* der Erörterong
in ^ 79) gegeben nnd nur der Weg muB gefunden werden,
im zweiten Fall ist mir das Ziel nnr als eine mit einer oder
mehreren unbekannten behaftet« Ziel Vorstellung (Z*
der Erörterung in ^ 79) gegeben, so daß ich Weg und Ziel
finden maß. Logisch spielt diese Unterscheidung keine
wesentliche Eolle, da das Bewei8en-„w o 1 1 e n" ganz ans-
scheidet.
Im einzelnen vollzieht sich der Aufbau des Beweises in
der Begel in der Art, daß mit dem Eonklusmn eines erstes
Schlusses ein ,3ilfsarteil" verbunden wird und aus beiden
als Prämissen nnn mittels eines zweiten Schlusses ein neues
Eonklusum abgeleitet wird usf. Da die Hilfsurteile oft
ihrerseits aus einem Schluß oder aus einer Reihe vtm
Schlüssen (also durch Neben- oder ünterbeweise) hergeleitet
werden, so gliedern sich an die Hauptkette oft eine oder
mehrere Seitenketten an. Durch Enthymeme und Gpichireme
(^ 129) kann der Verlauf abgekürzt werden. Vor allem wird
es auch — namentlich bei symbolischer Darstellung — nicht
erforderlich sein, das Sohlußurteü eines Vorschlusses noch-
mals zu wiederholen, um seine Stellung als Prämisse des
nächsten Vorschlnsses zu kennzeichnen, sondern man wird,
wie es bei geometrischen Beweisen und auch im täglich«!
Leben allenthalben schon längst üblich ist, das Schlußnrteil
des einen Vorschlnsses unmittelbar auch als erste Prämisse
des nächsten gelten lassen. Symbolisch hebt man diesen
Doppelcharakter am einfachsten durch Unterstreichung her-
vor. Beispiel: a = b; b = c;: a = c; d=d;:a + d = c + d nsf.
Ausnahmsweise kann der Fortachritt des Beweises auch ein-
mal durch einen unmittelbaren Schluß (^ 124), also ohne
Zuziehung eines Hilfsurteils erfolgen, doch ist ein solcher
Fortschritt stets nur formal.
Die meiBten Beweise weiden — ebenso wie die meisten Schlösse — uiAX
fonngeieeht, &1so in det Btrengen Folge der VotEchlÜBse godadit und mitgeteilt,
sondeni allenthalben dem natDiliäien Sprechen, insbcBondere auch seinei Nei-
guDg iD Sprüngen, ZosammenfastungeD, AbGchweifnngen, ibweehslnng otf.
angepaßt. Nor die Mathematik, nnd zwar zuerst die Geometrie, hat £e
Etreuge Fonnolienrng der Beweise priniipiell duTchgellihrt. In der Philosophie
^ In diesem Fall ist die Beieiehnung „Demonstiandulo" oSenbai nkht
ganz passend, ich ziehe daher die generelle Bezeichnnng ,^hlafinrteil dci
EndBchlnues" oder, wie ich zur Abkflnang vorschlage, „Piniens" toi (deatsdi
4. Kapitel. Die Lehi« von den Beweben. 799
sind solche Venaehe sehr selten (mos geometiieas von CarteBins, Med. de pr.
phlL, Besp. sd «ee. obj., oido geometriens der Ethice des Spinoza, auch Mheie
Versndie von Dnos Scotos, spätere von Letbniz, vgl. S. 112). Nu die aeneM
mathematische Logik beweist biet and da mit Erfolg gerade auch logische
Sitae in streng mathematischeT Form. Im allgemeinen scheitern solche Vei-
snehe an der ÜUständliehkeit des mathematischen Verfahrens, die sich sofort
geltend macht, wenn an SleUe der relativ eiof&chen BnchBtabengrSBen der
Mathematik verwickelt zQSommengesetxte BegriHe treten. Je mehr es gelingen
wird, such in den philosophischen Wissenschaften eine zweckmäßige Symbolik
za schatten, um so mehr wird dies Hindernis der Umständlichkeit wegfallen
und damit sieb dem formgereehten Beweis ein grSBeres Qebiet üSnen. SchoB
jetit sollte er wenigstens stets dann zor Naehprfifnng dnrehgefOhrt weiden,
wenn irgendwelche Zweifel an der formalen Richtigkeit eines Beweises be-
steben.
Nicht alle Vorschlüsse and auch nicht alle in den Vor-
schlüssen enthaltenen Urteile sind für die Begründung des
Beweisergebnisses von gleicher Bedeutung. Zunächst spielen
diejenigen Urteile eine besondere Bolle, welche den Tat-
bestand, auf welchen sich der Beweis bezieht und der ins-
besondere Gegenstand seines Endnrteils ist, unmittelbar
wiedergeben oder sich <ganz unmittelbar aus ihm ergeben.
Sie bilden die Orundlage für den ganzen Beweis und sollen
seine „statuierenden" urteile oder Grundurteile
heißen. Eines derselben ist zugleich fast stets das Ausgangs-
nrteil des ganzen Sohlnßgefüges *), also die erste Prämisse
des ersten Vorsehlusees. Die übrigen statuierenden Urteile
treten teils zerstreut, teils als Ansgangssätze von Hilfsketten
auf. Oft werden sie auch zu Anfang des Beweises über-
sichtlich zusammengestellt, so namentlich in der Geometrie
(Voranasetznng, Hypothesis s. str.)- Die übrigen
Teilorteile — nach Abzug der statuierenden — zerfallen in
die Schlofiurteile der einzelnen Vor Schlüsse und die
Htlfsurteile (HiHssätze), die jeweils als Prämissen
hinzugezogen werden (vgl. S. 798). Die ersteren markieren
die sukzessiven Fortschritte des Beweisverfahrens, die
letzteren liefern das Eilfsmaterial für diese Fortechritte.
Unter sich sind auch die Hilfsurteile keineswegs gleich-
wertig, sondern in der Begel hängt Bichtang und Erfolg
des Beweises vorzugsweise von einem oder einigen wenigen
Hilfearteilen nnd den an sie geknüpften Vorschlüssen ab.
Wenn ich z. B. die Gleichheit der gegenüberliegenden Winkel im Rhom-
bus auf dem flbliehen Wege beweise, ist das entscheidende Hilfsurteil du TJr-
*) Der Ausdruck „Schlußkette" wird besser im allgemeinen vermieden,
da er gewSholich in prSgnantem Sinn gebraucht wird, siehe § 180.
„.,,„, ^.oogic
gQO IV, Teil. Die «inzelnen lofischen Gebilde und ihre Geselze.
teil, welches die Kongiueni äei beiden Dreiecke, i^ welche der lUiDmbas dareh
die den bez. Winkeln gegenübeili^ode Diagonale zerfallt, aussagt In der
Qeoinetrie knüpft ein solches Hilfsurteil oft an eine besondere Hilkkonftmk-
tion an {t. B. in dem eben erwihnten Lehrsatz an die Sonstniküon der Kago-
nak), in anderen WisBeneebafteD an die EinfOhrnng eines besoodocn Hilb-
begrilts (i. B. des PoteBtialfi bti physikalisdien, dei Valenz bei ebcmiaehw,
dci ipeiiäMheii Siniwsenergie bei psjdiophjsiologisdien Sitten nsf.). Mas be.
leiehnet ein solcfaet beroraogtes HiUsniteil andi als Bewei^nmd *m^ ti*X^'
<iin prignanten Sinn, Tgl. S. 797, Anm. 2) oder als Nerms probandi (tI'^
demonstiationis). Die Auffindung (inventio) dieser entscfaeideadei
Hillsarteile biw. der ihnen zugninde übenden Hilfskonstniktionen oder Hilf^
begriffe wird nieht von der Li^k gelehrt, sondern fillt der sog. Kombi-
nation im pathologischen Sinn lu (vgl. Ltf. der phys. Psyeb. '^ S. 351 ff.
u. Ptiniipien n. Meth. d. IntelligenzprOfung *, Berlin 1918, S. 51 S.). In de:
Tat ist and) die kombinatoriadie Begabtug im allgemeinen von der logisdtea
unabhängig. — Bei der Answaht der HiUsnrteile (HiUskonstivktioaai ond
HillsbegriRe) wird man stets nieht nur schlechthin die Erreichung des Zic^
iilso den Beweis des SehluBurteile des Endschlosses (des Finiens a. DemoostraB-
dnm), sondern aoch die Erreichnng des Ziels an! dem einfachsten and
kürzesten Weg im Auge haben mdssen. Vor allem soll anch der Zusammen-
hang der Grundniteile (siehe oben) mit dem EndschlnB nieht auf verwidteltere
Beziehungen gegründet werden, als sie in den G^enstinden selbst vorlieges.
Gerade manche euklidische Beweise in der Geometrie schlagen tJmweg« fiba
abgelegene Hilfskonstruktionen ein, die den einfacheren Zasammuihaog d«
Tatbest&nde verschleiern. Etwas miBveratandlich drflckt man dies oft »ach
durch die Fordemng aus, jeder Beweis solle „nach Möglichkeit genetisdi sein",
oder bei jedem Beweise solle „der Erkenntnisgrund der Wahrheit des Sates
mit dem Redigninde zusammentreffen" (z. B. Überw^, Syst. d. Log., S. 459).
Insbesondere ist ferner auch bei der Ordnung der Beweisgrflnde darauf ii
achten, dafi das Eingreifen der entscheidenden Hilfsurteile an geeigneter Stelle
erfolgt nnd klar hervortritt und daher die Gesarotrichtung des Be-
weises nicht dnrdi nebensächliche Hilfsurteile versdileiert wird. Zuweikn
empfiehlt es sieh, die erstercn doreh Beifügung eines AusmfongsKidiens be-
sonders hervonnhebeii. Vgl. aneh Madis Ökonomik des Denkens (S. 218).
Nach ihrem Wesen und ihrer Herkunft kann man die
Hilfsurteile in Definitionen, Axiome und Theo-
reme einteilen. Die Definitionen beziehen sich auf die io
den Grundurteilen und in den hinzugezogenen Hilfsnrteileo
vorkommenden Begriffe und haben die in den §§ 93 — 100 er-
örterte Bedeutung. Die Axiome sind Sätze, für die ein Be-
weis nicht für notwendig gehalten wird. Ob nnd in welchem
Sinn es solch« Axiome gibt, die wirklich selbst keines Be-
weises bedürfen, entscheidet die Erkenntnistheorie, vgl.
jedoch auch ^ 62 über Grundaxiome und § 119 über Urteils-
Prinzipien sowie Kapitel 4 dieses Teils über den Aufbau der
Wissenschaft. Die Theoi-eme endlich sind Satze, die dDich
.anderweitige Beweise als schon sicher festgestellt gelten.
„....„A.OO^SIC
4. Kapitel. Die Lehre von den Beweisen. 801
Theoreme, die aus «inem anderen Wissenschaftsgebiet ent-
lehnt werden, heißen Lemmata.
t'ber die vielfachea Schwukungen im Qebnuieh des Worts Judana
vgl. S. -293 o. e05. .Die namcnllich durch Wollt (Logica § 267) eingebürgerte
Definition des AiiomB als einer propositio theoretlca iDdemonstrabilis legt mit
Unredit das Hauptgenidit nicht auf die Entbehrlichkeit, sondern auf die Un-
möglichkeit eines Beweises (Tgl. S. 293, Anm. 1). Das pMtilat ist im O^en-
Mtz zum Axiom nach WolB eine propositio practica indemonstrabilis
0. c. g 269). In der Tat ist es zweckmäßig, den Terminus „Postulat" auf die
AutfBhrung irgendeiner Handlung — sei es eine mathematische Konstruk-
tion, sei es ein Handeln im ethischen Sinne usf. — cinzusdiränken °). —
Theorem ist bei Wollt (1. c. g 275) ganz in unserem Sinn die propositio theo-
retiea deroonstrativa. — - Über die Bedeutung von Lemma im Altertum s. S. 726.
Erst in neuerer Zeit hat der Terminus die oben venrendete Bedeutnng be-
kommen (Banmgarten, Acr. log. *, § 258: „propositio in alüs veritatum serie-
bns, quam in qua veritatum serie Dunc versamur, demonstranda", deutsch
Lchnsatz).
Als Fundalien des Beweises (vgl. S. 264) haben wir das
gesamte Begriffs-, Urteils- nnd Schliifimaterial zu bezeichnen,
welches in dem früher festgesetzten Sinn dem Beweis zu-
grunde liegt, als unmittelbaren Gegenstand des Be-
weises diejenigen Schlüsse, welche in dem Beweis speziell
verwertet worden sind, und ihre gegenseitigen Beziehnngen
(Konsequenzen) (vgl. S. 265). Von dem Gegenstand des B e -
weises mnQ der Gegenstand des SchluBurteils des B n d -
Schlusses (des Finiens s. Demonstrandum, der These,
S. 797) scharf imterecbieden werden; dieser letztere Gegen-
stand deckt eich ganz mit dem ürteilsgegenstand, wie wir
ihn in ^ 75 und 109 kennen gelernt haben. Der Gegenstand
des pythagoreischen Lehrsatzes, d. h. des SchluBurteils des
Endschlusses, ist selbstverständlich die Gleichheit der drei
Quadrate, dagegen ist der Gegenstand des Beweises der Ge-
samtkomplex der Schlüsse lud ihrer Beziehungen, die in
dem Beweis verwertet werden. Der Doppelsinn des Wortes
„Gegenstand" verführt auch hier wieder zu gefährlichen
Mißdeutungen, vor allem zu dem Irrtum, das Demonstran-
dum (Finiens), also das Ziel des Beweises mit dem Gegen-
stand des Beweises zu verwechseln. Auch sind wir immer
geneigt, bei dem Wort „Beweis" lediglich an das Finiens
statt an den gesamten Schlussekomplex und das Beweis-
verfahren zu denken. Daß wir bei dem Beweis — wie
°) Bei Aristoteles Ak. Ausg. 76 b) verwendet atitjua im Sinn von ,iu
i/atPBrttof rav ftay9äi>oyi«f i^ <b'{^, ^ S ay tk äntiuxtir Sy Xnfifiäy^ xni
XHn^f* /<4 Af^nf.' S. auch Aieinnder Aphr., In Anal, pr., Ak. knn^. VI, 1, S. 126.
Ziehen, Iiekrbuch der LdbÜc. äl
„.,,„,^.oogic
802 IV. Teil. IWe einzelnen Iceischen Gebilde and ihre Geaetw.
bei dem Begritt, dem Urteil und dem SchluQ — den Gegen-
stand dann auf andere Argum«nte, d. h. mittelbare
Oegeostände <S. 268), also die zugrunde liegenden Urteile,
VorstellnDgen, Empfindungen, Dinge, Sedoktionsbestandteile,
kurz irgendwelche entferntere fundierende Tatbestände (In-
feriora, S. 263) zurückbeziehen können und tatsächlicb fast
stetg zurückbeziehen, bedarf keiner weiteren Erörterung. —
Von deu Fundalien und dem Gegenstand des Beweises ist
dann noch sein Inhalt (vgl. S. 355 n. 375 u. 616) zu treonea.
Der Inhalt des Beweises ist nichts anderes als die Gesamtheit
der in dem Beweis enthaltenen Denkverkniipfungen aller
einzelnen Schlüsse. Er ist dasjenige, was wir über den Tat-
bestand dieser Schlüsse und ihrer gegenseitigen Beziehungen,
d. h. eben über den Beweisgegenstand im Beweis denken.
Auch dieser Inhalt des Beweises ist nicht mit dem Inhalt
des Finiens zu verwechseln; dieser letztere ist mit der
Gesamtheit der in diesem Finiens von uns gedachten Begriffs-
verknüpfungen identisch.
Man konnte die Frage autiTetfea, ob überhaupt die Schlosse, aus datet
sieh der Beweis lueammensetit. zum Inhalt des Beweises ^hSien nnd nidit
Tielmeht ganz mm Gegenstand des Beweises zu rechnen sind und der Beweii-
inhalt aich also aul die gedachten gegenscitigea Beziehungen, d. h. die Denk-
TerknUpfuDgen der Schlüsse beschränkt. Ganz dje analogen Bedenken wördei
sich dann auch bezüglich des Inhalts der Begriffe (S. 335 n. 4fi9), des Inbihi
der Uiteile (S. 375 u. 616) und des Inhalts dci Sehlasse (S. 711) ergebei.
Man würde also z. D. auch bezüglich des Urleils fragen können, ob die ia
Urteil verknüpften Bcgiifle überhaupt zum UrteilEinhalt gehören nnd der
letztere nicht ant die gedachten Beziehungen der UrteilsfaegriOe, d. b. die
UrteilsTerknU p f ung zu beschränken ist. Mit anderen Worten: li^en dir
Schlosse dem Beweis, die Begriffe dem Urteil usf. nur als Gegenstände
zugrunde oder gehen sie auch ab Bestandteile in seinen Inhalt ein?
S. 375, 616 n. oben wurde das letztere angenommen. In der Tat findet in
wirklichen Denken ein wiederholendes Mitdenken der Gegenstände gani r^^
mäBig statt, im geringsten Umfang bei dem Denken von Begiilfen, in weiteKM
Umfang bei dem Denken von Urteilen und Schlüssen und im weitesten bei
dem Denken von Beweisen. Von diesnn Standpunkt bu3 wflrde ^icli also Geges-
stand und Inhalt nur dadurch stets unterscheiden, daß bei dem Inhalt du
Denken der Beziehungen zwischen den Begriffen (bei dem Urteil), iwisAm
den Urteilen (bei dem SchtuS) bzw. zwischen den Schltissen (bei dem Beweis)
hinzukommt. Dem Gegenstand kommen tatsächliche Beziehungea n.
im Inhalt des dem Gegenstand zugeordneten Denkprozesses werden diese Be-
ziehungen gedacht (DenkverknUpIungen). Vom rein theoretischen logisch»
Standpunkt liegt es nahe, die gestellte Frage anders, nämlich im Sinn dw
eisten Alternative zu beantworten, also zu behaupten, daß der Inhalt des Bc
griffs nur in der gedachten Verknüpfung der zugehörigen, seine»
Gegenstand bildenden Begriffe bzw. Empfindungen, derjenige des Urteils mr
in der gedachten Verknüpfung der zugehörigen Begriffe, derjenige d«
„.,,„A.OOglC
4. Kapitel. Die Lehre von den Beweisen. g03
SchlotBes D u r in der gedachten Verknüpfung der lagehSrigen Urteile, der-
jenige dea Beweises nur in der gedaehten Verknüptung der xugehBrigen
Schlüsse besteht. —■ Nimmt man die S. S52 tun eiwähnte Lehre von der In-
eiisteni der Q^enstände (der- Reduktioasbestandteile in den Empfindungen,
die Empfindungen in den Vorstellungen usf.) an, so verliert die ganze Frage-
atellong Bedeutung und Beteehtigung.
Die materialeBiclitigheit UDd damit die Gfiltl|;-
keit und logische CtewIBheit (s. S. 300 u. 315) einee Beweises
bängi; von der materialen Bichtigkeit aller Teilscblüsse ein-
schlieJJlicli des Endschlusses ab. Irgendwelches neue Moment
gegenüber dem Tatbestand der Schlüsse ergibt sich also in
(lieser Beziehung für den Beweis nicht. Insbesondere gibt
es auch protlietiscbe Beweise aeben thetieehen und proble-
nttitiBche neben apodiktischen, wie der folgende Paragraph
zeigen wird.
Der Beweis im psfebologischen Sinn verzichtet zuweilen — einerlei ob
das Finicns (S. 798, Anm. 3) material richtig oder falsch, eventuell sogar be-
voBt falsch ist — auf niateriate Richtigkeit der Teüurteile oder auch auf for-
inale Richtigkeit der TeiledilQsEe oder sogar auf beides und begnflgt sich da-
mit, durch irgendwelche Teilarteile und TeilsehlOsse die jeweilige Zustim-
mung desjenigen, dem der Beweis vorgetragen wird, zn gewinnen. Man be-
zeichnet eine solche Beweisführung, die mit dem logischen Beweis nichts
zu tun hat, ab demonstratio s. a^mentatio ad bominem (>«' (TvtffMnaf,
argumenta ad fidem) im Gegensatz zur dem. ad rei veritatem (ttai Al^^tmi',
ta^. ad Judicium). Nur diese letztere führt lu einem Wissen (£iM(q/iq}, jene
nar zn einem Meinen (iüu). Der überindividuelle Charakter des Logischen
(S. 449) wird bei der Demonstratio ad hominem preisgc^ben. An Stelle der
„Apodeiktik" tritt die „Dialektik" und speziell die sog. Sophistik nnd Eristik
(Aristoteles, Akad. Ausg. 165 b), vergl. S. 23 n. 38 f. Dabei ist jedoch fest-
zustellen (gegenüber Aristoteles und auch manchen modernen Lt^kem), daß
der UntcrEChied dieser beiden Beweisarten durchaus nicht etwa darin besteht,
daß der Beweis ad hominem nur Wahrscheinlichkeit, der Beweis ad veritatem
ittets apodiktische Sicheriieit liefert. Auch der streng logische Beweis ad veri-
tatem maß sieh oft mit einer Wahracheinlichkeit, also einem problematigebfln
Endnrteil begnügen (es gibt auch ein Wahrscheinlichkeits wissen). Es kommt
vielmehr Bei jener Unterscheidung nnr darauf an, ob der Beweis ganz unab-
hängig von dem psycholi^ischen Verhalten einzelner McoBchen geführt wird. —
Znweilen wird die argumentatio ad hominem audi aig. ex concesais genannt,
insofern derjenige, für den der Beweis geführt wird, voreilig einzelne Teil-
scblüsse oder Teilurteile einräumt.
Wenn ein Beweis abgeschlossen ist, werden zuweilen
noch Bemerkungen angefügt, welche zur Veransehaulichung
nnd Erläuterung des Beweises und seines Ergebnisses dienen
sollen. Diese wurden früher als Schollen bezeichnet. So
definiert Baumgarten (Acr. log. *, ^ 258) : „propositio ad seriem
demonstratarum et demonstrationis non necessaria, sed tarnen
ad oaudem praesertim illustrandam utilia cxhibens seholion
OgIC
g()4 IV. Teil. Die einzelnen loftischen Gebilde und Sire Gesetze.
est" (dcutBch: „Anmerkung"). Die Ethice Spinozas bietet
viele Beiäpiele. — Oft schlieQt man auch an einen Beweis
ein«D oder mehrere Sätze an, welche sich aus dem Endnrteil
des Beweises ohne weitere komplizierte Schlußakte ata oa-
mittclbare Schlüsse (vgl. S. 716) ei^ehen. Solche Sätie
heißen Korollarien oder Konsektarien *) (nach WoU,
Logik, ^ 277 „propositionee, quae non multa ratiocLnionun
ambage ex deflnitionibus vel propositionibus aliis inferun-
tur").
Die Widerlegung (Refutatio, KA*nf''e) eines
Beweises kann auf verschiedene Weise stattfinden, uänüicb
cratens dtircb den Nachweis der ■ materialen Unrichtigkeit
einer oder mehrerer im Beweis verwendeter Hilfsarteile (De-
finitionen, Axiome, Theoreme, s. S. 800), oder zweitem durch
den Nachweis von formalen Beweiefehlem (s. § 137), oder
drittens durch den Nachweis eines Disgmenz (s. S. 290) im
Endlirteil, oder viertens durch den Vorweis eines Tatbestan-
des bzw. den Beweis eines Satzes, der mit dem Endurteil des
der Prüfung unterzogenen Beweises unverträglich ist. Auf
dert ersten beiden Wegen wird nicht das Endurteil des Be-
weises, sondern nur das Beweisverfahren, das zu ihm geführt
hat, als unrichtig erwiesen, auf dem dritten und vierten Weg
wird beides als unrichtig erwiesen, aber die Ursache, die für
das unrichtige Ergebnis verantwortlich ist, nicht aufgeklart
Eine vollständige Widerlegung sollte daher stets den ersten
bzw. zweiten Weg mit dem dritten bzw. vierten verbinden.
Vgl., auch S. 808 über das indirekte Beweisverfahren.
Wenn das Beweisergebnis zu Beginn des Beweises noch
nicht feststeht (vgl. S. 797), so bekommt der Beweis den
Charakter einer Aufgabe oder eines Problems^) in
prägnanten Sinne. Den Sachverhalt, der sich in diesem be-
sonderen Fall ergibt, kann man auch durch folgende Über-
legung darstellen : Der zugrunde liegende Tatbestand, welchen
wir zu Beginn des Beweises in den Qmndurteilen, der sog.
Hypothesis (S. 799) festlegen, enthält das Ziel (z* a 798) als
ein X, das bestimmt werden muß, diese Bestimmung eines x
ist also die „Aufgabe" des Beweises. Die Auflösung einer
^) Baumgsrten, L c. § 257 will zwlsciien beiden noch antergeheiden und
flbersetrt mit „Zugabe" baw. „Znsatz".
^ nföpliiiiam ähnlichem Sinne schon bei Aristoteles, z. B. Ak. Ausg. föa
(sjDonyni n^t«»f c, TtQay/ja mfi«i, nqi9K!ic, letzterer Tenninus »Iso in »s-
derem Sinn sla unsere Prothese).
■)„:,tP<.-jM,G00glc
4. Kapitel. Die Lehre \on den Beweisen. 805
algebraiscbeo Gleicfaung gibt hierfür ein sehr klares Bei-
spiel. In dem Basiswinkelsatz würde das gegenseitige Ver-
hältnis der Basiswinkel das zu bestimnjende x sein.
Der Terminus „L e hr s a t z" ') ist in den vorauBgebcnden
Erörterungen wegen seiner Vieldeutigkeit vermieden worden.
Er wird am besten für das bewiesene Endurteil (die be-
wiesene These) gebraucht, so weit es Qegenstand weiterer
Verarbeitung (in anderen Beweisen, in einem System, einer
Theorie, einer Wissenschaft) ist. Da zu einer solchen die
eprachliche Formulierung unerläßlich ist, so mag auch die
Bezeichnung als Lehrsatz gerechtfertigt sein (vgl. % 111).
Daher sprechen wir denn auch von „Hilfslebrsätzen". Der
Terminus „Theorem", der S. 800 bereits verwendet wurde,
ist mit „Lehrsatz" gleichbedeutend, insofern ein als Hilfs-
urteil verwendetes Theorem selbst aus einem Beweis als End-
urteil hervorgegangen ist. Oft werden übrigens auch Kon-
klusa, also Urteile, die sieh auf einen Schluß, nicht auf
einen Beweis gründen, zn den Lehrsätzen gerechnet.
HiBtoTiBcheR. Die Lehre vom Beweis und seine Tenninologie Ut
tTst von Acistoletes Gjatenutisch entwickelt worden. Seine Definition lautet:
dnäii^iS fiiy oiv Iviir, itai/ (i äkijSüy *al n^rur t avUoytoftic g, ^ l*
jvtoätaiiß, 3 iiä Tivoli' n^iüiwy mtl dXti^t t^f nt^l eiia yvÜHum rqv ägxn<'
illtltptr, iiaXimait di evlXoyiOftic i li irJöftii' Cvli.oyi(öiiniii( [Akad. Aus-
gabe 100 a). Sie ist aus zwei Gründen zu beanstanden, entene weil sie die mate-
riale Richtigkeit der PiStnissen, also ein Eifordernis des zu einem richtigen End-
urteil führenden Beweises in die Definition des Beweises aufnimmt, und iweiteOB
wcü sie den Wahrscheinlichkeitsbeweis ansschlieSt >). Von den Nachfolgern des
Aristoteles wurde die Lehre vom Beweis dnrchweg nur sehr flüchtig behandelt.
Üoelhius (De diH. top., Mignes PatroL, Bd. 64, S. 1041 u. 1174) definiert »rgu-
mentum als ratio rci duhiae faeiens fldem und ai^mentatio als argumenti per
oiationem eiplicatio oder eloeutio, locus (bei Aristoteles lo'nof) als sedes argii-
menti vel id, unde ad propoeitam quaestionem conveniens trahifur aj'gumentuni.
Die bei dem Beweis verwendeten Axiome nennt er maximae ac piincipales pro-
positiones. Thesis und bypolhcsis (b. o. S. 797 d. 799) faßt er abweichend vuiii
heutigen Sprachgebrauch auf (aber in wesentlicher Übereinstimmung mit Aristo-
teles, Ak. Ausg. 72»). — Iln Mittelalter ist die Lehre vom Beweis von den
Arabern erweitert und z. T. auch vertieft worden, so namentlich von Altärabi
(vgl. S. 69) in seiner uns nur in Berichten zugänglichen Schrift De demon-
sttatione. Man onterschied damals eine demonstratio quia '") und eine dcuiun'
^) Schon im IT. Jahrhundert nachzuweisen.
*) Vgl. auch 71 b u. 25 über den Unterschied von änöiufv und
tvXi»yuiftee. Zur Rechtfertigung der aristotelischen Lehre kann man natür-
lich voibringeu, daB die äne'itdfw nur eine besondere Art des Beweises (in
unserem Sinn) darstelle; dann bleibt aber immer noch das Bedenken, daß Ar.
nirgends klar das Gaumtgebiet des Beweises (in unserem Sinn) znsainmenfaßt
und erörtert.
OgIC
g06 'V- !"«''■ Die einaelnen logiachen Gebilde und ihre Geaetze.
Btratio qnaie «fv« pri^ter qnid (demoDstntio Su nnd demooetntia *«ti). tW
der letiteien litt der Mittelbegriff kanule Bedeutung, bei der ersteren oüt.
Wie sdion wis dieser ChiratteriBtik hervorgeht, wurde dabei iwisehen SeUsB
und Beweis keine scharfe Grenw gezogen. Avicenoa erkannte eine demonstratio
quih d. h. eine demonstratio eiistentiae tlberhaapt nidit als gültig m {^.
Prantl, Oeseh. d. Logik Bd. 2, 2. Ann., S. 366). Neben w^mentatio mä
deinonetratio kam »eh der Terminoe probatio auf.
Ratnns (vgl. auch S. 452, Anm. 5) behandelte die Lehre vom Beweis nntff
dem Titel „methodus" und berück sichtig te im wesentlichen nur die Anord-
nang der VwschlÜBse (Dialect., Francof. 1577, H, 17—20, S. 156B). Aw4
trennt er den Beweis nicht vm der wissen schaltliehen llethode, d. h. dem Ver-
fahren bei dem Aufbau einer Theorie, eines Systems biw. einer gatuen Wisees-
Schaft, welcher sich offenbar aus vielen Beweisen lusammensetit. CartcstK
hat den Tenninns „methodus" duin ganz in letzterem Sinn gebraucht (vgl. t.E
B^. ad dir. ingen. Nr. V; Diss. de metb. 1—3). VgL andi Logique de Fort-
Royal, Teil t.
In der WolRschen Schule war der allgemeine Terminus für Beweis „pro-
batio"; dem<HiBtratia hieß derjenige Beweis, der sieh nnr auf ,J)efinitianeii,
iweifelfieie Erfahrungen, Axiome und früher schon bewiesene Sätze" grüudet
(WolB, Log. g 496 ff.; ßaumgarten, Act. log.», § 303 n. 413 H.; G. Fr. Meiet.
Vernunftlehrc », § 223 ff.). Der gewöhnliche Schluß wurde als probatio wnipl«
aufgefaßt. Anfflllig dQrftig wird die Lehre vom Beweis in den meisten logi-
schen Lehrbfichern der Kantsehen Schule behandelt. — Im letzten Jahrhundert
sind wesentliche Fortadiritte oder terminologische Veränderungen in der Lehre
vom Beweis nicht zu verieichnen. Bis heote wird sie von ^nanchen Logiken
gani der angewandten Logik lugewieeen: Lotie, Logik 1874, n, 4, S l'-KtS.,
rechnet den Beweis z. 6. zur Lehre „vom Untersuchen", Chr. Sigwait, Logik'
1893, 11, $ 81, behuidelt ihn im „techniBchen Teil" anter den .JogisdieB
Methoden" nsf.
§ 136. Verschiedene Formen der Beweise. Dtr^ter und
Indirekter, Bnalytlscher und syntlietlsclier BewelH. Ancb die
Beweise können von den verschiedensten Standpunkten ans
eingeteilt werden. Hier werden nur die wichtigsten Kio-
teilungen kurz angeführt nnd einige besonders wichtige
Gmppen ausführlicher besprochen.
Auf Qrund des Oeltungsbewußtseins (S. 312, 378, 382 d.
682 ff.) hat mpn thetische und prothetische Beweise
zu nnterBcheiden. Der gewöhnliche Beweis ist thetisch, d. h.
wir sind von der Richtigkeit des Beweises, sowohl der Vor-
Bchlüsse wie des EndschhisseB eiaschlieSlich der Grund- und
Hilfsurteile and des Endurteils mehr oder weniger fest über-
zeugt, und sprechen daher alle einzelnen Teilurteile und
namentlich das Endurteil apodiktisch (assertorisch) oder
problematisch aus (^ 117). Ausnahmsweise ist ein Beweis
prothetisch, d. h. neutral im Sinn einer „Annahme", d. b.
'°) Quia bat hiei keine streng kausale Bedeutung.
h. i."ih,Googlc
4. Kapitel. Die Ldire von den Beweisen. g07
wir enthalten uns zunächst eines jeden Urteils über seine
Bichtigkeit oder Unrichtigkeit, weil begleitende zustimmende
und widersprechende Assoziationen fehlen oder ausgeschaltet
(ignoriert) werden (vgl. S. 683). Dieser Tatbestand liegt
z. B. vor, wenn wir einen uns vorgelegten Beweis kritisch
prüfen. Um einen besonderen Fall handelt es sich, wenn die
Grundurteile des Beweises (seine Voraussetzung oder H^po-
thesis, S. 799) prothetisch sind, also nur unter Vorbehalt als
wahr „angenommen" werden, die weiterhin zugezogenen
Hilfsurteile (einschiießJich Definitionen und Axiome) aber
thetisch sind. Das ganze Beweisgefüge kann dann mit
einem „hypothetischen Urteil" (§ 120) verglichen werden,
dessen Antecedens die Grundurteile (die Hypothesis) sind,
und dessen Kousequens das Endurteil (das Finiens, die Thesis)
ist. Diese wichtige Form des Beweises soll als hypothe-
tischer Beweis bezeichnet werden.
Man ersieht hieraus audi, daß die Bezeichnung des GiunduTteile b:iw.
der Gründarteile als „Hypothesis" irreführend igt. Das Orundurteil bildet in
der Tat die Grundlage fQr den Beweis und kann in diesem Sinn als die
Voraussetzung oder die Bedingung fOr das Endurteil gelten, aber, da es bald
tbetisch, bald prothetisch ist, entspricht es durchaus nicht stets dem Ante-
eedena eines hypothetischen Urteils; denn dies Antecedens ist stets pro-
thetisch. Kurt kann man auch sagen: nicht jeder Beweis ist hypothetisch.
SelbetTerständlieh ist jeder Beweis nur gültig unter Voraassetinng seiner
Grundarteile, aber diese Qrundurt«ile selbst sind bald thetisch, bald prothe-
tisch, nod nur im letzteren Falle trSgt der Beweb hypothetischen Charakter
und trifft die Bezeichnung Hypothese IQi das Grundurteil zu. Man könnte
hierg^en rielleicht einwenden, daß von unsenh Standpunkt doch jedes Grund-
urteil eines Beweises prothetisch sei, da ich beispielsweise bei dera Basis-
winkelsatz die Oleichschenkligkeit des gezeichneten individuellen Dreiecks oder
eines gedachten genereilen Dreieclis indner nur „annehmen" kQnnn. Indes ist
hierauf zu emidern, daß es bei nnsrer Unterscheidung gar nicht darauf an-
kommt, oh der im Grundurteil ausgesagte Tatbestand wirklich eiistiert, son-
dern nur darauf, ob er von mir anerkannt wird, also Qegenassoziationen fehlen
bzw. ausgeschaltet werdea. Bei den meisten Beweisen ist dies der Fall, und
daher sind sie tbetisch. Man kann sogar sagen, daß bei vielen Grundurteileu
Gegeoassoziationen fast niemals in Frage kommen. Wenn ich z. B. elwn den
Basiswinkelsatz im gleichschenkligen Dreieck beweise, so lautet das Grund-
urteil einfach: irgendwelche Dreiecke )nit gleichen Schenkeln sind gegeben.
Da für dies Gegebensein schon die Vorstellun^eiistenz (V-Exislenz S. 631)
genügt, so sind, vorausgesetzt natQrlich, daß Dreieckigkeit und Gleichschenklig-
keit miteinander verträglich sind, Gegennssoziatiunen gar nicht denkbar. Hin
solches Grundurteil wird also immer thetisch sein. Im allgemeinen kommt
prathetischer Charakter fflr das Grundurteil nur dann in Fr^c, nenn es niclit
ein bloßes Oegebensein, sondern eine Urteilsverknüptung innerhalb des Ge-
gebenen, z, B. eine bcstimtnie Art der Existenz oder des G^ebenseim
(S. G30) ausspricht.
n,g,t,7rJM,GOOglC
gOg IV. Teil. Die einzelii«i loeiachen Gebilde und ihre Gesetxe.
Eine zweite wichtige Einteilung der Beweise gründet
eich anf die quantitativen Beziehungen der Teilnrteile.
inaheBondere des entscheidenden Hilfsurteils und des End-
urteils. Ist das Endurteil weniger allgemein als das ent-
scheidende Hilfsnrteil, so tragt der Beweis einen deduk-
tiven Charakter, im entgegengesetzten Falle einen
induktiven. In heiden Fällen bandelt es sich nur um die
aUgemeine Sichtung des Beweisgangs. Besonders deot-
lieh tritt die induktive Richtung hervor, wenn die Hilfstat-
sachen, welche in den Hilfsurteilen herangezogen werden,
sämtlich oder vorwiegend individueller Natur und das £hid-
prteil allgemein ist. Übrigens gibt es auch zahlreiche Be-
weise, die weder induktiv noch deduktiv sind (Niveaubeweise
nach Analogie der Niveanschlüsse S. 724).
Noch wichtiger ist eine dritte Einteilung der Beweise,
nämlich in direkte und Indirekte (apagoj'ische). Der direkte
Beweis beweist dasEndnrteil {die These) selbst, der indirekte
beweist, daß das zu dem Endurteil kontradiktorische urteil
(vgl. S. 649) zu einem, logischen Widerspruch (Disgruenz)
oder zu einem Widerspruch mit einwandfrei nachgewiesenea
bzw. nachweisbaren Sätzen oder zu einem Widerspruch
mit gegebenen Tatsachen (einem empirischen Widerspruck)
führt. Es handelt sich also bei dem indirekten Beweis
um eine Widerlegung des kontradiktorischen Gegenteils
des behaupteten Endurteils auf dem dritten oder vierten
der S. 804 besprochenen Wege, und zwar erfolgt dieselbe
in der Weise, daß das Eudurteil z. B. S — P in sein kontra-
diktorisches G«genteil verwandelt wird, also in S non — P,
und aus diesem unmittelbar oder mit Hilfe einwandfreier
Hilfesätze Schlüsse gezogen werden und für diese
einer jener Widersprüche nachgewiesen wird. Schematisch:
aus Suon — P folgt M — N; M~N enthält einen unzweifel-
haften Widerspruch '); : also S non — P gilt nicht, und folg-
lich gilt S — P. Es entspricht dies dem Modus tollens, der
S. 745 f. erörtert wurde, nur wird auBerdem. noch aus dem
Nicht-(3elten von S non — P nach dem Prineipium excinßi
tertii (S. 693) auf das Gelten von S — P gescUlossen (Modus
toUendo poneus, S. 753).
>) Die viellacb gebi&ucliliche Bezeichniug „dednctio oder redudio ad *b-
Hurdum" trifft streng genommen nur zu, wenn dieser Widerspruch ein RÜ
logiBcher ist (manifeste oder latesle Disgmiiz).
OgIC
4. Kapitel. Die Lehre von den Beweiaen. 809
An Sicherheit gibt der indirekte Beweis dem direkten
nichts nach, er fördert aber unsere Erkenntnis nicht in dem-
selben MaBe wie dieser, da er uns über den Zusammenhang
der Grundurteile mit dem Endurteil {den sog. ,4lealgrund")
keine Aufklärung gibt. Sein wichtigstes, aber durchaus
nicht etwa sein einziges Auweadungsgebiet ist die Mathe-
matik. Besonders eignet er sieh auch zum Beweis negativer
Sätze.
Oft wird auch behauptet, daß negative Thesen ani auf apagogiechem Weg
bewiesen werden kOnnen. VAtB ist schon im Hinblick auf viele induktive Be-
weise mit negetivem Endurteil sicher nicht richtig. Wohl aber kann man mit
Trendeknbarg (Log. Unters. Bd. 2, Berlin 1840, S. 320 ff.) zugeben, daB der
indirekte Beweis an sich nur negative Ergebnisse liefert und erst dadurch, daß
die Unterordnung unter eine Disjunktion erfolgt, ein positives Ergebnis er-
zielt wird. Die folgenden Erörterungen werden dies bestätigen. Auch betont
Tr. mit Recht, daß die Überzeugung von der Richtigkeit der Aiiomc auf der
Unmöglichkeit des Denkens ihres Gegenteils beruhe, alao hier der indirekte
Beweis als „Nothille" eintrete.
Nahe verwandt mit dem indirekten Beweis ist der Be-
weis per exciusioneiu (disjunktiver Beweis, s. unten S. 810).
Er besteht darin, daß für das x, welches durch den Beweis
bestimmt werden soll, eine einwandfreie logische oder empi-
rische Disjunktion aufgestellt wird, z. B. „S ist entweder — P
oder ist nicht — P" (logische Disjunktion)'), oder „S ist ent-
weder— Pi oder Pa oder P," (empirisch« Division) und dann
gezeigt wird, daß alle Glieder der Disjunktion bis auf eines
mit Widersprüchen behaftet sind oder zu Wideraprüchen
führen. Offenbar läuft dieses Verfahren auf einen indirekten
Beweis hinaus: ich beweise „S — P" (bzw. „S — Pi"), indem
ich „Snon-— P" (bzw. S — P, und S — P,) widerlege. Ein
äußerlicher Unterschied besteht nur insofern, als ich bei dem
Beweis per ezclnsionem zuerst die disjunktiv gegliederten
Urteile koordiniert nebeneinanderstelle, während . ich bei
dem indirekten Beweis von dem Endurteil, also einem he-
stimmteu Glied der Disjunktion, ausgehe. Außerdem pflegt
man von einem indirekten Beweis vorzugsweise dann zu
sprechen, wenn die Disjunktion logisch ist *).
') Hau erinnere sich, daß die Urteile „S — P" und „S — non-P" keine
richtige, d. h. vollständige Disjunktion bilde», es sei denn daQ itiaa non-F in
der S. 423, Änm. 1 ang^ebenco Weise deSniert.
') So wh-d es verständlieh, daß Chr. Sigwart (Logik, 2. Aufl., II, § 81,
S. 286) den indirekten Beweis Ittr eine „besondere Fortn" des Beweises durch
AuBBcblitBong erklärt.
glQ IV. Teil. Die einzelnen logiKhen Gebilde und ihre Gesetze.
H)slori«eheB. Aristotelec bezeii^et den indirekten Bevd« als
ditiibtt biiT. tvULoyta/ihc Jii nv äieräi»» oder tlc te äümtv mimymji
(i. B. Ak. AoBg. 40 b, 26 0. 29 U 5) vaA lechnet ibn nj den Beweises, l>d
denen nirht itairixüc, sondern if tinolH^tntt nSmlich auf Grand der Annalunc
de* Richtigkeit des Gegenteils der Beweis geführt wird. Er leigt »nth, d*B
und «i« fflr jeden Sati sowohl ein direkter wie ein indirekter Beneis m^ÜA
ist (62 b, 38), gibt aber doch dem ersteren den Vorzog *). Latciniseh fiba-
Bellte man mit „piobatio per impossibile" (Appnlejns, Hi^ t^ft., g 13, ed.
Oud. 277, Opp. ed. I'homi«, S. 190) oder später auch mit „demonstratio >{«■
gogica". Neue GesichlEpunkte kamen bis in die neueste Zeit nicht lom Vor-
schein. Ein wenig eiakte Definition gab WolS (Logik § ÖÖOB): ,J>enK«-
sltatio apag^Lca seu indircd« (im Gegensatz zur demonstratio „ostensiva siTt
ditecta") est, qua, posito contrario ejus, <[uod probori debet, tanqnam vera,
coUigitur, ijnod propositioni verae vel notioni subjecti contradicit". KSnei
und eiakt«r definiert Baumgarien (Acr. log.*, g 691): „demcmstratio falsitatii
atieujus proposilionis ei sequenlibus ex iUa falsis." Kant hat nur in der Kritik
der reinen Vernunft (Kehrb. Ausg. S. 600) etwas ausführlicher über den indi-
rekten Beweis gesprochen. Er betont mnäehsl, daS in „aller Art der Erkennt-
nis" der indirekte Beweis insofern mehr Nothille sei, als er ,,iwar GewiSbeit,
aber nicht Begreiflichkeit der Wahrheit in Ansehung des Zusammenhangs mit
den Grflnden ihrer Mögliclikeit hervorbringen könne" (s. oben S. 809), and
will ihn nur in denjenigen Wissenschaften gestatten, „wo es nninSglich ist,
das Subjektive unserer Vorstellungen dem Objektiven, nämlich der Erkenntnis
desjenigen, was am Gegenstand ist, unterznschiebe n". Die tisnszeodeo-
talen Beweise der reinen Vernunft dürfen nach Kant nie indirekt sein. Die
B^prflndnng Eants ist nur darin stichhaltig, dafl die Gehren von Beweis-
fehlera bei indirekten Beweisen auf dem sog. transzendentalen Gebiet beson-
ders groB sind.
Auffällig ist die dürftige Behandlung des indirekten Beweises bei des
groBen neueren englischen Logikern (Hs)nilt«n, J. Stuart Hill). In Deutschland
hat Lotze versucht, wie die direkten, so auch die indirekten Beweise noch weiter
einiuteilen (Logik 1874, g 211, S. 272). Weder praktisch noch theoretisch be-
deutet diese Einteilung einen PortMhritt. Es sei nur erwähnt, daß L. als
„Beweis durch Eingrenzang" denjenigen indirekten Beweis bezeichnen will, in
welchem eine dreigliedrige Disjunktion dadurch zustande kommt, daß non — P
(s. oben S. 808 f.) selbst wieder in zwei kontradiktorische Gegenteile zerfällt.
Die Ansiebten von Trendelenbui^^ und Sigwart wurden oben bereits erwähnt
Wandt (Logik >, 1894. Bd. 2, S. 79) nnUrscheidet 3 Hauptfonneo des bdirekten
Beweises, die disjunktive, konträre und kontradiktorische. Von diesen eat.
spricht die kontTadiktorische dem indirekten Beweis a. str., wie wir ihn oben
kennen gelernt haben, die disjunktive dein Beweis auf Gniud oidit-kontn-
diktorischer Disjunktion. Die konträre Form soll „sieh auf ein altematiTCS Ur-
teil von der Form; A ist entweder B oder C stützen, und da W. sniiinunt
dafl überall, wo ein Begriff in nur iwei positiv bestimmbare Teile zerlegt wird,
diese zugleich in das Verhältnis des konträren Gegensatzes zueinander treten,
so würde es sich bei der konträren Form immer darum handeln, die DnmBg-
lichkeit des konträren Gegensatzes der autgesteUten Behauptung zu e
*) Vgl. hierzu H. Maier, Die Sjllogistik des Arist., II, 1, Tübingen 1900,
S. 229 fl. u. 344 ff. Der Terminus ^inayttyi^ hat übrigens sonst bd Aristo-
teles eine ganz uidere Bedeutung, e. Akad. Ausg. 6da, 20.
i. Kawtel. Die Lehre von den Beweisen. 811
Uir scheint diese Form nur ein Speziairall der empiriüch disjunktiven lu sein. —
In vielen Beziehungen aufklirend sind auch die EiSrterungen Bolzanos, WisBen-
edultslebrc. Sulzbfich 1837, Bd. 4, g 530, S. 209 ff., vor tillem mit Bezug auf
die von Aristoteleü bejahte, vi>n Leibniz (Nouv. Ees. IV, B. Gerh. AuBg. S. 409)
bezweifelte Ersetzbarkeit aller indirekten Beircise durch direkte.
Von der Einteilung in direkte und indirekte Beweise
muß die Einteilung iu synthetische nnd analytische scharf
getrennt werden. Die in § 135 besprochenen direkten Be-
weise waren sämtlich synthetisch: sie gingen von dem ge-
gebenen Tatbestand, also von den Gmndnrt>eilen, aus und
„setzten" aus diesen und den zugezogenen Definitionen,
Axiomen nnd Theoremen das Endurieil gewissermaßen „zu-
sammen". Wegen ihres Portschreitens vom Gegebenen zum
Qesnchten werden sie auch „progressiv genannt'). Mau
kann nun aber auch in scheinbar paradoxer Weise den um-
gekehrten Weg einschlagen, nämlich vom Endurteil ausgehen
lind dies so lange umgestalten, bis es in der umgestalteten
Form auf unmittelbare Zustimmung stößt Solche Beweise
nennt man analytisch oder regressiv. Ein einfaches Beispiel
ist folgendes*"): Es sei zu beweisen, daß »in'a + ea6*a=l.
Synthetisch (progressiv) geschieht dies bekauntlich durch
folgende Gleichungsreihe: a* + b* — c> (pythag. Lehrsatz);:
a» , b* , /8\» , /b\» , . a b
-i + -:=l;: (-)+-) — l;8ina — -, cosä«— -;:
c* "^ c» \c/ ' \c/ c c
sin» « -J- coa' a — l. Analytisch oder regressiv transtonniere
ich das Endurteil sin^a -|- cos*« « 1 mit Hülfe der Qiei-
chuDgen sin « — -, cos o — - in |-) -|- (- J — 1 und
a' b*
letztereGleichuogin — ^ -| — ^ •■ 1 und diese in a*+ b » = c*.
In dieser umgestalteten Form aber stößt der Satz auf nu-
mittelbare Zustimmung; denn er entspricht dem schon be-
wiesenen pythagoreischen Lehrsatz. Mit der „Zurückfüh-
mng" des zu beweisenden Satzes auf einen schon bewiesenen
Satz (in anderen Fällen auf eine anerkannte Definition, oder
ein anerkanntes Axiom, od«r auch einen einwandfrei ge-
gebenen Tatbestand (vor allem z. 6. auf den in den Grund-
urteilen niedergelegten) ist auch der zu beweisende Satz be-
wiesen. Zulässig ist dies Verfahren selbstverständlich nur
dann, wenn die Umgestaltung lediglich im Sinne äqualer
3) Ganz nnzweckmäSig ist die Bezeichnung „deduktiv", da diese bereite
n anderer Dedeatung vergeben ist, s. S. 808. sa) Andi von HSfler venvendet.
OgIC
812 IV. Teil, Die einzelneD logischen Gebilde uncl^ ihre Geaetzfc
Urteile (vgl. t 116), also nach dem Prinzip der Äqoaüon
(vgl. S. 727) erfofgt Ich darf also nicht etwa subsamierende
oder superBumierende Urteile zu Hilfe ziehen. Unter diesem
Vorbehalt liefert der analytiische Beweis ebensolche Sicher-
heit wie der sj'nthetische. Es erklärt sich dies einfach dar-
aus, daß bei einer solchen — kurz gesagt — äqnalen Tranft-
fonnation niemais eine partielle, sondern stets eine totale
Deckung der IndividualkoefSzienten von Subjekt nnd Prä-
dikat vorliegt (vgl. S. 728 tt.). E^ kann also bei dem Fort-
schreiten von einem Satz zum anderen niemals eine Umfangs-
verschiedenheit zustande kommen, und daher bleibt die Reihe
der Gleichungen beweiskräftig, einerlei, in welcher Richtuoff
ich sie durchlaufe. Aus der Sterblichkeit von Cajus kann
ich nicht auf die Sterblichkeit aller Menschen BchlieSen,
denn das Urteil „Cajus ist ein Mensch" ist nicht äqnal, son-
dern subsumierend; wohl aber kann ich aus c=b und b = a
schließen a = c, wenn c = b und b^a äquale Urteile sind.
Der synthetische Beweis beruht also in der Tat ganz auf
dem Prinzip der Äquation. Offenbar ist das analytische
Beweisverfahren nur möglich , wenn das zu beweisende
Endnrteil schon bekannt ist (vgl. S. 707), dann aber hat
es vor dem' synthetischen oft erhebliche praktische Vor-
züge, da in vielen Fällen die zom Beweis erforderlichen
Hilfssätze sich leichter vom Endurteil aus als von denOrund-
urteilen aus finden lassen. In dem tatsächlichen Denken
wird übrigens oft auch ein gemischtes Verfahren ein-
geschlagen, d, h. einerseits aus den Gnmdurteilen synthetisch
vorwärts und andrerseits aus dem Endurteil analytisch rück-
wärts geschlossen. Die beiden Wege kommen sieh dabei ge-
wissermaßen entgegen. Heuristisch ist dies Verfahren von
großer Bedeutung. Die eigentümliche analytische Methode
der Mathematik, welche das Endurteil durch eine Gleichung
mit Unbekannten ausdrückt oder eine unbekannte Konstruk-
tion als vollzogen annimmt und dann analytisch weiter
schließt, kann hier nur kurz erwähnt werden.
Mit dem analytischen Beweis nahe verwandt, aber nicht
identisch ist der verifizierende Beweis. Er besteht darin, daß
aus dem Endurteil, das wiedei-uin als gegeben vorausgesetzt
wird, beliebige Folgerungen formal richtig gezogen werden,
nnd die materiale Richtigkeit dieser Folgerungen, falls sie
nicht ohnehin einleuchtet, nachgewiesen wird. Es handelt
sich also um eine Demonstratio ex consequentibus.
h, 1. iiA.OO^IC
4. Kapitel. Die L^re von den Beweisen. Q\^
Im einfachsten Fall werden die Folgerungen mit Hilfe
von Subsumtionsurteilen gezogen. Wenn beispielsweise das
f^ndurteil ein allg«meine6 physikalisches Q«setz ist, so wird
aus ihm gefo1g€rrt, daß es in diesen und jenen Spezialfäüen
sieh bewähren muß und diese Bewährung nun festgestellt.
Diese erste Form des verifizierenden Beweises soll als
s p e z i f i z ie r ende Verifikation bezeichnet werden.
Aus der speziellen Bewährung wird auf die in dem Endurteil
ausgesprochene allgemeine Bewährung geschlossen. Offen-
bar handelt es sich um dieselbe Methode, welche wir bei dem
Induktionsschluß in ^ 132 kenneu gelernt haben, insbesondere
ist die dort beschriebene Verifikation mit der jetzt in Bede
stehenden im wesentlichen identisch. Oft gestaltet sich diese
speziSzierende Verifikation auch so, daß wir aus dem all-
gemeinen Gesetz, welches in dem Endurteil aufgestellt wird,
die spezielle modifizierte Form herleiten, welche es in
einem oder mehreren speziellen Fällen annehmen muß, und
das Zurechtbesteben dieser modifizierten Form nachweisen.
Im extremsten Fall beschränken wir uns darauf, nur indi-
viduelle f^älle durch Subsumtionsurteile heranzuziehen und
aus der Gültigkeit des Endurteils für diese individuellen
Fälle auf die allgemeine Gültigkeit im Sinn der These zu
schließen. Diese „exemplifizierende" Verifikation
stimmt ToUends mit der induktiven überein. Die Beweis-
kräftigkeit der spezifizierenden Verifikation (einschließlich
der exemplifizierenden) hängt daher denn auch von denselben
Momenten ab wie der Induktionsschluß (vgl. hierüber S. 774).
Im Gegensatz zu dem analytischen Beweis handelt es sieh
immer nur um eine Wahrscheinlichkeit.
Eine zweite Form des verifizierenden Beweises ist die
generalisierende Verifikation. Sie besteht darin,
daß das zu beweisende Endurteil als der Spezialfall eines
allgemeinen, anerkannten Urteils, also z. B. ein Gesetz als
Spezialfall eines allgemeinen Gesetzes erwiesen wird. Hier
werden also hypothetische verallgemeinernde Folgerungen
aas der These gezogen (mit Hilfe von Supersumtionsurt^len)
und diese, soweit sie nicht ohnehin eiuleuchten, als richtig
nachgewiesen. Selbstverständlich liefert diese Verifikation
nicht nur Wahrscheinlichkeit, sondern stets volle Sicherheit:
wenn das allgemeine G^etz richtig ist, muß das ihm sub-
ordinierte speziellere Gesetz richtig sein. Im tatsächlichen
Denken bat sie jedoch in der eben angegebenen Form keine
OgIC
R]4 IV. Teil. Die einzelnen logtachcn Gebilite unS ihre GeBetre.
Bedeutang, denn in der Reffet wird das allgemeine Gesets,
aus dessen ZurecbtbesteheD die Richtigkeit der spezielleren
These hergeleitet werden soll, selbst noch zweifelhaft sein,
solange im Spezialfall der These noch Zweifel bestehen. In
einer abgeänderten Form hingegen hat die generalisierende
Verifikation sehr große Bedeutung. Wir können nänüich oft
zeigen, daß, wenn eine zu beweisende These richtig ist, ans
ihr und einigen anderen Thesen, die entweder schon bewiesen
oder noch zu beweisen sind, sich ein allgemeines
Gesetz ergibt, welches viele Erscheinungen (nicht nur die
im Tatbestand der These enthaltenen) umfaßt. Wir haben
damit zwar keine Sicherheit für die Richtigkeit der zu be-
weisenden These, wohl aber eine mehr oder weniger erbeb-
liche Wahrflcheinlichkeit für diese Richtigkeit erreicht. Der
Zusammenhang der Erscheinungen und ihrer Gesetze in der
allgemeinen Gleichförmigkeit und Gesetzmäßigkeit der Natnr
(vgl. % 131 unter 2 ff. u. ^ 132 unter 3 u. 6), dem sich die The»
einfügt, fällt dann zugunsten der Richtigkeit der letzteren
in die Wagscbale. Man kann dies auch durch den Satz ans-
driicken: eine Hyimthese (in dem S. 781 erwähnten Sinn) ist
um so wahrscheinlicher, je mehr Erscheinungen sie erklärt
(richtiger: unter einem allgemeinen Satz zusammenfaßt)
und je zahlreicher die Hypothesen sind, mit denen sie selbst
zu einem allgemeinen Satz zusammengefaßt werden kann.
Die dritte und letzte Form *) des verifizierenden Be-
weises ist die koordinierende Ve rifikation. Diese
besteht darin, daß aus dem zu beweisenden Endurteil mit
Hilfe anderer einwandfreier Sätze oder Tatbestände FoU^e-
rungen gezogen werden, die nicht — wie bei der spezifizieren-
den, bzw. generalisierenden Verifikation — ihm sub- oder
superordiniert sind, sondern auf derselben Stufe der Allge-
meinheit stehen oder auch gar nicht zu derselben Skala der
Allgeiiieinbegriffe gehören, und aus der Bewälirung dieser
Folgerungen auf die Richtigkeit des Endurteils geschlossen
wird. Es handle sich beispielsweise um den Beweis, daß N.
einen bestimmten Raubmord begangen hat. Ich folgere:
wenn N. den Raubmord begangen hat, so muß er in dem Be-
0) Die EiDteilung Wundts (1. e. IT, S. 71). der alle diese Formca ni dem
antdjtiBchen Beireis rechnet und eine kategorische and eine hypothetische Fonn
unterscheidet, scheint mir weder sachlich richtig noch terminologisch zwtA-
mfiUig.
„.,,„, ^.oogic
i. Kapilel. Die Lehre von den Beweisen. 815
Bitz größerer Geldsummen sein, und stelle fest, daß diese Fol-
gerung tatsächlich richtig ist (z. B. mit Hilf« des Tatbestan-
des ungewöhnlich hoher Auggaben). Mit dieser Feststellung
wird eine gewisse Wahrscheinlichkeit gewonnen, daß N. der
Raubmörder ist. Die Wahrscheinlichkeit, für welche das
Indiz spricht, wird um so größer sein, je mehr es gelingt, eine
anderweitige Herkunft der bei N. feätgestellten Geldmittel .
auszuschließen ^). Von einer Sicherheit kann bei der koordi-
nierenden Verifikation niemals die Rede sein. Wenn man mit
T die zu beweisende Thesis, mit H die zu Hilfe gezogenen
Sätze bzw. Tatbestände und mit F die aus der Thesis mit
Hilfe von H gezogene Folgerung bezeichnet, so wird durch
die Richtigkeit von F und H die Richtigkeit vou T nie-
mals apodiktisch erwiesen. Es bleibt immer die Möglichkeit,
daß das richtige F auf dem Zusamanentrcffen von H mit einer
anderen Tatsache oder einem anderen Satz (an Stelle von T)
beruht *). Die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit von T wird
um so größer, je mehr solcher V nachgewiesen werden könneu
und je mehr nachgewiesen werden kann, daß für das ein- '
zelne F neben den H andere Grundlagen als T nicht in Frage
kommen (vgl. das oben angeführte Beispiel).
Überblickt man die Gesamtheit der verifizierenden Be-
weise, so ergibt sich, daß sie mit Ausnahme der praktisch be-
deutungslosen generalisierenden Verifikation sämtlich nur
problematisch sind. Damit verträgt sich die Tatsache sehr
wohl, daß sie sowohl im praktischen Leben wie in der Wissen-
schaft die allergrößte Rolle spielen.
Higtoiisches. Der TcnuinuB ärälvvK ist schoD Aristoteles geUufig.
Der O^nsntz zur ow^tate tritt bei ihm noch in den Hintergruad. Dem
äythuKÜt wird das ioynmc entgegengeBtellt (84 o, 7, Tgl. auch dies Werk
S. 39). Dagegen gibt schon Alexander Aphrod. (Al:ad. Xuag. Bd. II, 1, S. 7)
die scharfe Definition: avr^Mit = äne x6iv ä^x^y ädös tnl ti Ix tälr ä^gär,
(ItvliMv ^= irtätodat ätti ro9 UUvt ini jäe n^/aV. Vgl. auch Philoponus,
COYnm. in Anal, post., Akad. Au^. XIII, 3, S. 15a über Analyse und Syn-
these in der Mathematik. Das Mittelalter hat die Frage nicht wesentlich ge-
fordert. In der neueren Philosophie haben dann namentlich Cartesins, Hobbes
und Ualilei lie Unterscheidung der Methodus synthetica s. compositiva und
analytica s. resolutiva begründet. Vgl. auch Leibniz, De synthesi et analyni
unJTersali sen arte ^inveniendi et judicandi (Philos. Sehr. ed. Gerhardt, Bd. 7,
') Man beachte die Annäherung an den disjunktiven Beweis (S. 810):
„N. hat die Geldmittel entweder durch den Raubmord oder . . . oder . . . nsf.
erlangt."
■■) Handelt es sieh nm Kausalgesetzlidikeit, so besagt dieser Satz eben
nur, daß der Schluß von der Wirjcung au! die Ursache stets nDsieher ist.
„.,,„, ^.oogic
816 '^- ^^''- ^'^ einzelnen logischen Gebilde und ihre Gesetz«.
S. 292 lt.). Dahei liefen noch Tieltach Verwethalungen der indnktiTen Mit der
aulytiBcben Methode unter (i. B. aoeh bei Newtun, Opticks 1704, 3. Anfl. LondM
IT^J, S. i)30). WolH |ngt auf den genetisch-heuristischen Unterschied lu groBe
Gewicht (Log. § 855r „ordo, quo utimur in tradendis di^mati», dicilnr metbe-
dusi ^pell&tut . . . analytica, qua veritates ita ptoponuntur, prout Tel inveitat
tuerunt vel minimum inveniri potuerunt; , . , sjnthetiea, qua ver. ita prop., proil
una ex altera facilius intelligi et demonstrarj potegt; mcth. mixta est, qoM ei
utrinsque combinatione reaultat"). Im wesentlichen einwuidfrei ist K*ati
Definition (Logit § 117): Die analytische Methode „fängt von dem Bedingt«
und Begründeten an und geht zu den Prinzipien fort (a prindpiatia ad prin-
cipiata)", die synthetische hingt^n „geht von den Piiniipien zu den Folg»
oder »om Einfachen loin Zusanunengeeetiten". Das synthetische Verfahid
von J. 0. Fi*hte sieht nur in «ner sehr entfernten Beiieboog in onseren
synthetischen Beweis.
Schließlich Bei noch die Einteiluug der Beweise in
apriorische und aposteriorische erwähnt. Bei der
Mehrdentigkeit der Termini „apriorisch" und aposteriorisch
(vgl. ^ 6.3) kann diese Einteilung nur dann zagelassen werden,
wenn beide Terraiui vorher eindeutig definiert worden sind.
Definiert man a priori als von der Erfahrung im weitesten
Sinn (vgl. S. 296) unabhängig, so gibt es überhaupt keine Be-
weise a priori. Definiert man a priori als von der SIniHS»
erfahrung unabhängig, so könnte man sich das Zustande-
kommen apriorischer Beweise in der Weise denken, daß die
Beweisführung aus Grundurteilen, die von der Sinneserfah-
rung unabhängig sind, lediglich mit Hilfe ebeoeolcher
Äiciome, Definitionen, Hilfssatse oder Tatbestände erfolgt.
Da alle Tatbestände uns ursprünglich als Sinneserfabrung
gegeben sind und auch all^ Urteile einschließlich der Axiome
und Definitionen Vorstellungen enthalten, die in letzter Linie
aus der Sinneserfabrung hervoi^egangen sind, so müßte bei
einer Beweisführung a priori von diesem sinnlichen Gehalt,
der allem Gegebenen zukommt oder ihm zugrunde liegt,
völlig abgesehen werden und ein „reiner" Denktatbestand
isoliert werden. Ob ein solcher Tatbestand isoliert werden
kann und ob er ausreicht, irgendwelche Begriffe, Urteile und
Schlüsse zu bilden und damit auch einen apriorischen Be-
weis zu führen, untersucht die Erkenntnistheorie (vgl. auch
S. 298 ff.). Die Logik hat mit dieser materialen Frage nichts
zn tun. Nur soviel ist jedenfalls sicher: gibt es apriorische
Sätze, die unbeweisbar sind und keines Beweises bedürfen,
80 hat gerade deshalb die Logik in ihrer Lehre vom Beweis
nichts mit ihneu zu tun; bandelt es sich aber um apriorische
Sätze, die beweisbar sind und eines Beweises bedürfen, so ist
OgIC
4. Kapitel. Die Lthre von d«i Beweisen. 817
ein Bolcber Beweis apriorischer Sätze nach denselben logi-
echen Kegeln zu führen wie irgrendein andrer Beweis.
i 137. B«w«iaMlar. Jede Niehtbeaefataug ii^ndeinei der Tatsachen,
die ia der Lehre vom Beweis festgestellt wurden, ist ein Beweirfebler, Wir
lerstehen also wit«r Bewetsfehlern alle lonnalen Unriditigkeiten eines Be-
weises. Iq dei Regel bedingen sie eine mateiiale Unriehtif^eit, also IndSqnat-
beit des Endorteils (über seltene Ansnahmen s. S. 283, Anm. 14). Die wich-
tigsten sind folgende:
1. Verwedislnngen der Modalität, sei es in den Onndorteilen, sei es
in den heiangeiogeDeti Hilfsarteilen, sei es in den SchlnBarteileD der Vor-
■ehlOsBe odec des Endschlnsses. Jeder Beweis muß also sotg^tig bis zum End-
sdilnß (einschließl.) auf die Innehaltong der richtigen Modalitat geprüft werden.
2. Der Fehler des „zn wenig Beweisens" (Probatio minns pro-
boDs). Dieser li^ dann vor, wenn das Endorteil des gefGturten Beweises nur
einen Teil desjenigen enthält, was man in der voiansgeschickten Thesis m be-
weisen Tersprochen hatte. Beispiel: es soll bewiesen werden, daS alle Kri^e
ein UnglUek sind, nnd der Beweis führt nar m dem Endnrteil, daS viele
Kriege ein UnglQek sind (Subjektsomfang im Endniteil enger als in der
These); oder es soll bewiesen werden, daB der Baom eine apriorische An- ,
■dtanangstorm ist, nnd es wird nur bewiesen, daß er eine Anschauangstorm ist
(Wegbleiben eines Teils des Prädikats der These im EndnrteQ) nsf. Ist das-
jenige, was .wirklich bewiesen worden ist, richtig bewiesen, so kann wenigstens
dies Bewiesene verwertet werden: der Beweis ist nur in Bezug anf die These
lalsch, nur die These bedarf der Korrektur.
Das tatsächliche „zu fiel Beweisen" (Probatio plus probans) ist ein nn-
sehädUcher Mangel des Beweises, insofern ans dem zu umfassenden Endnrteil
leicht durch Spezifikation, Partition nf. die weniger mnfassende Thesis abge-
leitet werden kann. Es ist sogar nützlich, indem es nns zeigt, daB wir die
Thecis zn eng formuliert haben. Es kommt also nnr daranf an, daß wir
merken, daß Endurteil und Thesis verschieden sind, nnd demgemäß die
Theda erweitem. Der alle Satz: „qni nimium probat, nihil probat" ist also
falsch. Besonders gel&hilteh ist das „Zuviel beweisen wolle n", weil es daza
lerffilirt, Beweisfehler, z. B. gegen die Modalität, zu begehen oder unsolid«
Hilfssfitze, I. B. anvorsichtig feiaUgemeinerte, zn verwerten.
8. Inhaltliche Tersebiedenheit von Endurteil nnd These. Während
ea tneb sub 2 um ein Mehr oder Weniger handelt, li^ hier eine nicht einfach
quantitativ ansdrOckbare Inhaltsverschiedenheit vor. Beispiel: es soll bewiesen
werden, daß eine Krankheit ererbt ist, und es wird bewiesen, daß sie angeboren
ist. Man spricht in solchen Fällen auch von einer ftträßmite de äiio yiyat.
Die Fehler sub 2 und 3 werden auch znsanänengefaßt als Heterozetesis (iiifw-
{qnjffir). Ist die These Qegenstand eines Streites, so spricht man von igno-
ratio elenchi (äyiiatu iliyjrov, Unknnde des Streitpunkts, falla^ of irrdennt
eoneliision von Whately) bzw., wenn die Heterozetesis wissentlich, also in Täu-
sfjiuiigsabsieht erfolgt, von mntatio elenchi (/itrapol^ iXiyx^-
4. Die Petitio principii oder der Zirkelbeweis ((Sroulus in demon-
strando, vgl. S. 592 über Cireulos in definiendo], auch idem per idou genannt
Der Zirkelbeweis ist dadurch charakterisiert, daß die zu beweisende These
•dbat im Verlauf des Beweises als HüfsurteU verwendet, also das ni Bewei-
Bsnde als bewieaAi vorausgesetzt wird.
Zlafaen, iMbibnch d«r Ijogik. S2
h. !■, iiA.OOt^lC
RIß !V. Teil. Die cmzclnen logMchien Gebilde mtd ihre Gesetze.
Die ni»teri»leii Unriehtigkeiteo dei Hüfstuteile. Definittonen wl.,
die im Las! einet Beweiaei sieh eiii)whli>iohea, habea mit der Logik aiehta »
tun. El (dien daher nni eimdne technische Anedrteke ugetDhrt wenla.
Liegt ecbon in der Formnlieniog der Qnudiirteile oder eines entadteideitihn
HillButiee (S. 805) ein miJerialeT Irrtum Tor, eo epridit man von etM«
mmnr ftviot (enor principalia a. tondamentaüe). Ein „Sprang" im lleaut
(ealto« a. hiatoa in demomrtrando) ist eine msteriale Lflde in den TeitadiirMKi
oder ihren Primiasen, doch verwesdet man dieae Beieichnnng laweilen aidi
ffir tormal tiniichtige enth^ematiscbe Teikflnnngen innerhalb der Teilsehitae
(§ 129). Als beeonders ge(&hriieh gilt mit Beeht jede materiale LOehe in eiier
empirischen Disjunktion, vor allem bei dem disjunktiTen Bsweia selbst (laeni
disjimetionb). — Nicht eindentig wird der Terminns Hysteron-proteron [rtit^
M^ttfr) verwendet; man bezeichnet damit bald die petitie principii, iraoltn
boi derselben die lu beweisende Theeis vorweggenommen wird, bald jede flin-
kehr der natflrlichen Beibentolge der BeweisgrOnde oder «ach der IjelinÄtu,
I. B. Voranstellnng abgeleiteterer oder bedingterer Tor weniger sbgeleilete
biw. weniger bedingte (andi anBerhalb eines Beweises).
Historieebee. Mit manchen Beweiafehlem hat sich Bchon Atiila-
teles eingehend beschKItigt (r^ S. 795). Die Petitio principii (ta ir lifjj
oder it äezii <^i'- nfontl/ttnf abOii^at, Tgl. Akad. An^. 64 d. L) Taltt er
noch etwas enger, ftls wir es hente meist«ns tnn, nnd nnterscbeidet sie (N
dem Zirkelbeweia, dem .av*i^ xnl Ü äU^Xmr itixpo^^at- (L e. 57 h, 18).
Bei Seztos Empit. findet eich in Uuüichem Sinn der Tenninns Aöll^io^ rfhf
(Pjrrh. hTpot. I, 169 n. II, 68, ed. Bekker, S. 87 u. 72). AU lateiaisdM
Tenninos fenrendete man eineiseits „petitio principii", nndrermits „orbJi riw
circolus in demonstnndo". Die erstere Übenetinng Bcheiot Qbrigeoi ant einem
Irrtum m berohen, inso|erD man „principii" statt ,4n prindpio pn^Msiti" aeUd
(s. FaeiuE, Conun. in AnaL pr. * 11, 10). Auch von fallaci« quaesiti mtiB
wnrde gesprochen. Bdde Termini — petitio [uincipii and fallad« quaesiti
medii • — wurden cnweilea auch fOr jede Heraniiehung eines unbewieaeiNa
Hillisaties, nicht nur für die Heraniiehung der in beweisenden Theais eellal,
gbraoeht. Für letztere blieb dann der Tenninus cirtulus in demonatreado vor
behalten (so i. B. aneh bei Kant, Logik, g 92). — Der Terminus fitinfituv tk
all* firof hat bei Aristoteles noch nicht die speiielle Bedeutung, die er it
der heutigen Terminologie meistens (1) bat, vgl. L e. 268 b, 1. Ober den Te^
minos R(iäiai' t/^iJoe s. 1. e. 66 a, 16. Ei schwebt wohl auch WolR tot, wem
er definiert (Log. g S32): qni circa notiones deceptriees (deBaitionum quippt
locum sustincntea) atque jodicU intnltiVa eommittitor error, est error ciitt
prineipia commiasm.
5. Kapitel
Die Lehre von den Wissenschaften
S 138. Wluenschaft, System, Theorie. Dos Gegebene
wird von der Erkenntnistheorie in große Gruppen oder Klm-
sen zerleg Diese sollen weiterhin mit einem der algelirfti-
achen Logik entlehnten Namen als Haiiptgeblete bnseiclinet
OgIC
fi. Kapitel. Die I«hre von <Jen Wissen schaften. 819
werden. Aus dieser Einteilang in Haaptgebiete ergibt sich
anmittelbar auch eine Einteilung in Hanptwiaseaschatten.
Die im % 107 besprochenen logischen Regeln der Division,
Inordination nsf. sind bei den Abgrenzungen derselben allent-
halben beteiligt. Im übrigen aber nimmt die Logik von
diesen Einteilungen nur Kenntnis, ohne sich material an
ihrer Änfstellnng zu beteiligen. Innerhalb jeder Haupt-
wisaenflchaft ergeben sich wiederum TeilgeTiiete, deren Ab-
grenznng in der Regel schon nicht mehr der Erkenntnistheo-
rie, sondern den einzelnen Hanptwissensohaften selbst zu-
fällt. Auch hieran ist die Logik nur formal beteiligt. Wie
weit eine solche Qliederuug in Teilwissenschaften vollzogen
wird, hängt vielfach auch von praktischen Bewei^rnnden ab.
Innerhalb eines irgendwie abgegrenzten größeren oder
kleineren Teilgebiets nun und demgemäß auch innerhalb der
zugeordneten Teilwisseoschaft sammelii sich nach den in
den voransgehenden Kapiteln besprochenen Regeln zahl-
reiche Beobachtungen, die in individnellen Begriffen und
Urteilen niedergelegt werden, nnd aus ihnen abgeleitete all-
gemeine Begriffe nnd urteile (Sätze) an. Die Begriffe sind
durch Definitionen fixiert Die Urteile sind teils auf Schlüsse
oder Beweise gegründet, teile nicht; die ersteren heißen
Theoreme oder Lehrsätze (vgl. S. 800 u. 805), die letzteren
sind unmittelbare Urteile über individnelle Tatbestände (Be-
obachtungen) oder Axiome (vgl. S. 800). Die .Wissenschaft
ist nun aber keineswegs etwa nüt der Summe oder dem Ag-
gregat dieser in Definitionen fixierten Begriffe, Tatbestands-
nrteile, Theoreme and Axiome identisch, sondern wir ver-
stehen unter Wissenschaft die einheitlich geordnete
Gesamtheit der Begriffe, Tatbeetandenrteile, Theoreme und
Axiome eines Gebiets. Mit der Lehre von den Begriffen, Ur-
teilen, Schlüssen nnd Beweisen ist daher die logische Auf-
gabe noch nicht erledigt; die Logik hat auch die Verpflich-
tung, soweit möglich, wenigstens die allgemwnsten Regeln
für die einheitliche Ordnnng des innerhalb eines Gebiets
angesammelten Erkenntnismaterials aufzustellen. Die Ord-
nnngsversache selbst werden als Systeme bezeichnet.
Dm gegenseitige Verhiltnis an Mfttjri«la du WisseiuchafteQ m d^
Haoptgrappen der logiaehen Gebilde kun lüer dnich ein konee Sdtnu fol-
gendermtßeii wiedeigegebeD weiden: -
52-
iX.OOglc
TV. Teil. Die rinielnen logiachen Gebilde and ihre Gegetie.
TiitiMEtuidsbeobiditiuigeii
indJ^idueUe B^Be ■ . ' it.- -, ( indiridaelk TatbertwidHirteile
Ipmnire Urteile ! , .
' I I Bog. Axioine
Allgemeine Begriffe j
Bekundire durch SchlQBse oder Beweise gewoonae
Urteile (Theoreme)
BeiBglich aller Einielheiten oad nunenüieh bezOglidi der Begifinduis
m& auf die EikenntaiGtheorie verwiesen werden.
Innerhalb jeder Wisaenschaft existieren in der Eegel
meliKre, oft zahlreiche Gruppen von Erscheinungen (6e-
gehenheiten), die unter sich gleichartig sind, wie z. B. die
Licht- oder die Gravitationserscbeinnngen in der I^ysik, die
Gegebenheiten im Bereich des Strafrechte in der Jora nsf.
Solche EracheinaDgegnippen werden hänfig zunächst einer
ifiolierten wissenschaftlichen Untersachnng miterzogen and
die Lehrsätze usf., die für eine solche Gruppe gelten, vor-
läufig für eich einheitlich geordnet Ein solcher inhaltlich
beschränkter einheitlicher Ordnungsversnch wird als Tbewle
bezeichnet. So spricht man z. B. von einer elektromagne-
tiechcQ Lichttheorie, einer Gravitationstheorie, einer Straf-
rechtßtheorie nsf. '). Die Theorie nnterscheidet sieh also von
dem System nur dadurch, daß ihr Gegenstand nicht mit dem
Gebiet einer Wissenschaft zusammenfällt Bei der Willkür-
lichkeit der Abgrenzung der Wissenschaften ist diese Unter-
scheidung übrigens nicht streng durchführbar.
Der Sprachgebrauch ist bezüglich der Termini „Theorie",
„System" und „Wissenschaft" bis heote sehr schwankend ge-
blieben. Vor allem haben sich zahlreiche Nebenbedeutm^ren
erhalten. So sprechen wir von Theorie auch im Gegensatz
zum Schaffen und Handeln iitüvota ^sa^^txi^, noi^tx^ und
n^axTtx^ bei Aristoteles, Ak. Ansg. 1025 b, 25; theoretische
und praktische Vernunft bei Efmt usf.). So hat femer da3
Wort „System" zuweilen die ganz besondere Bedeutung des
Einteilungesystems, so z. B. wenn wir von natürlichen
Systemen usf. (vgl. S. 595) sprechen. Von allen diesen Neben-
bedentongen wird hier gänzlich abgesehen.
Irrig wäpe es auch, wemi man annehmen wollte, daB
Theorien ausschließlich anf das wissenschaftliche
')■ über die epezieUe Bedentnng des Termiatis , Jl t k e n b
theorie" »gl. Ziehen, Erkenntnistheorie, Jena 1913, S. 512 f.
„.,,„,^.oogic
5. Kapitel. Die Lehre Ton den Wissensctuften. g21
rkenken beschränkt seien. Anch im alltäglichen Leben bietet
sich zuweilen Veranlaßsung, eine Gruppe von Erscheinungen
amsammenznf 8B6ea und einheitlich zn ordnen. Von Syste-
men allerdings kann vom Standpunkt unsrer D^nition
ausschlieBlicb dann gesprochen werden, wenn es sich um
einheitliche Ordnung eine» Wiseenschaftsgebiets handelt
Bei Flato und Aiietoteles haben aiviatiK nnd avti^/ta noch keine pr»-
gnante Bedeotung. Die Stoikei bezeidmeten die Welt und die Weltordnnng
selbst im objektiven Sinn nie ein avaiii/ia (Stobaaus, Eclog. 1, 444, ed. WachS'
muth Bd. I. S. 184 u. DiO)n>aes Laert., De uiar. phil. fit VII, 138, ed. Cobet. 8. 188 u.
äsmentL Marc Aniel, Tä lit iaviör VU, IS, ed. Stich, 2. AnfL iW&, 3. 82:
f»ii»e ü/d loS i* Tütr Xoyuiär <niaii]/iiaioc^ desgl. XII, 23). Von spSteren
De&nitJoneD sei liier nm diejenige WoUfs angefDhrt (Ix^. § 869): „Bjetema =
veritatiDD intei ee et com principiis soia conneianim congeiieB." Kant stellt
die Beziehnng von System und Wissensebatt folgendennaßen fest: „eine jede
Lehre, wenn sie ein Sj'stem, d. i. ein nach Prinzipien geordnetes Ganze der
Erkenntnis sein soll, beißt Wissenscbsft" (Hett^b. Anl. gr. d. Nat. wiss-, Tor-
rede, Tgl. auch Kr. d. rein Vem., Kehrb. Ausg. S. 504—515). Hegel (Eaiyklop.
$213. WW. 1840 Bd. 6, S. 38ö) betraditet das 3;stem als eine Besondemng des
Absoluten: das Abeolnteistdie allgemeinennd eine Idee, welche ala urteilend sich
sam System der bestimmten Ideen besonder! In neuester Zeit hat Chr. Sigwart
das Wesentlidie des Sjstems in der Ic^ischen Verknflpfnng gesucht, denn et
stellt der „Systänatik" die „Anfgabe, die Totalität der in irgendeinem Zeit-
ponht erreichten Erkenntnisse als ein Ganzes darzustellen, dessen Teile dureh-
gSngig in logischen Verhältnissen Terknflpft sind" (Logik*, Freib.
1893, n, § lOS, &. 6B5).
Ober den Terminna ^tagta bei Aristoteles s.H.Bonitz, Kommentar z.Heta-
phjs., Berlin 1849, 8.127. Im allgemeinen liberwi^ im Altertum nnd im
Uittelalter die ailgenieine Bedeutung „wissenschaftliche üntersnchnng" im
Oegensatz zur Praxis (s. oben S. 820). Oft wird er geradezu für Lehrmeinung
gebiaodit. So spricht Baco (Not. org. I, 61 n. 02) von dm idola theatri sive
theoriaium. El scheint sich dann zuerst in der Naturwissenschaft in dem
heutigen Sinn (einheitlich geordnete Erkenntnis) eingebOrgert zn haben, doch
bedarf die Geschichte des Terminns noch weiterer Untersuchung.
§ 139. Der logische Anfbao der Hieorlen. Da die Tlieo-
rie ein einheitlicher Ordnungsversuch unsrer Erkenntnisse
im. Bereich einer größeren oder kleineren (}ruppe von Ge-
gebenheiten ist, erhebt sich die Frage: nach welchem Prinzip
diese Ordnung erfolgen soll. Am nächsten scheint das gene-
tische Prinzip zu liegen. Danach hätten wir zuerst das zu-
grunde liegende Gegebene, das „Material" festzustellen nnd
nach Bedarf auszuwählen nnd abzugrenzen und dann Begriff
für Begriff, Urteil für Urteil, Sehlufi für SchluB, Beweis für
Beweis in der Abfolge aneinander zu reih^i, wie sie im Lauf
unseres Erkenntnisprozesses aufgetreten sind. Da unser
OgIC
g22 IV' 'I'^- ^^ einzdnen logüchen Gebilde und ihre Gesetze.
wiBBenschaftliches Erkennen in manchen Wifisenscbaften
vom Einfachen zom Zosammengeeetzten and vom Beson-
deren znm Allgemeinen fortechreitet, so kann für diese
Wissenschaften die genetiBche (henriatische, t^tistorische")
Ordnoug zagleich der synthetischen nnd der induktiven Bidi-
tung: entsprechen, indessen bleibt ein aolebes Znsammentref-
fen doch mehr oder weniger zufällig. Solange eine llieOTie
noeh in der Bildung begriffen ist and Cberall da, wo eine
lleorie gegenüber Zweifeln begründet werden soll, ist das
genetische Verfahren offenbar im allgemeinen das zweck-
mäßigste. Dies ändert sich, sobald eine Theorie vollständig
abgeschlossen und ihre Begründung erted^ ist. Dann
wird es sich darum handeln, die Gesamtheit der Begriffe und
Lehrsätze so darzustellen, dafl ihr Zusammenhang klar her-
vortritt. Es kommt uns daim aaf die Einheitlichkeit
der Ordnnng an, dfis Bedürfnis nach einer Theorie im Siao
nnsrer Definition macht sich geltend. Hier versagt nun die
genetische Ordnnng in den meisten Wissenschaften; denn
bei ihr txitt jeder Begriff und jeder Lehrsatz nur im An-
schluß an seine Grundlagen, aber aufier Zusammenhang mit
koordinierten und superordinierten Begriffen undLehreatzen
auf. Wir sind also gezwungen, ii^endein Prinzip der Ein-
heitlichkeit behufs Ordnnng unsrer Erkenntnisse aufzu-
stellen. Nun hat uns die Logik nur vier Einheitlichkeiten
kennen gelehrt, nämlich die Einheitlichkeit der einfachen Be-
griffe, die Einheitlichkeit der komplexen, die Einheitlichkeit
der kontrakten und die Einheitlichkeit der allgemeinen Be-
griffe (vgl. S. 473 ff.) In der Tat sind alle diese vier Einheit-
lichkeiten geeignet, um als Ordnungspriozip für Theorien
nnd weiterhin auch für Systeme zu dienen, und sind auch
sämtlich in der Geschichte der Wissenschaften zu diesem
Zweck teils einzeln, teils kombiniert verwendet worden, aller-
dings in sehr verschiedenem Ma0e und mit sehr verschie-
denem Erfolg.
Die erste Einheitlichkeit, diejenige der einfachen Be-
griffe, kann als Ordnnngsprinzip nor insoweit verwendet
werden, als wir an die Spitze der Theorie die einfachen „Ele-
mente" stellen, auf die wir glauben die von der Theorie um-
faßte Gruppe von Erscheinungen (G^ebenheiten) zurück-
führen za können. Die Elemente der Chemie, die Monadra
von Giordano Bruno, Leibniz u. a., die einfachen Bealien
Herbarts, die Punkte and Linien der ebenen Geometrie spie-
OgIC
b. Kapitel. Die Lehn von den WiaaenschalUn. §23
leit z. B. eine solche Rolle. Der Aufbau der Theorie erfolgt
(liiiin selbBtTeretändlioh stets synthetisch. Di« Vorzüge dieser
Ikfelhode bedürfen keiner Hervorhebung, wohl aber ihre
Müiigel. Erstens ist nämlich die Einfachheit dieser Ele-
■iieiite stets hypothetisch, oft müssen wir sogar direkt zu-
gobcn, dafl sie nur relativ und nnr vorlänflg ist. Da bei
jeilor Theorie ein Vorbehalt bezüglich ihrer endgültigen Ein-
gliederung in ein umfassendes System gemacht wird, so wird
'man sich oft mit diesem Mangel abfinden können. Viel
schwerer wiegt das zweite Bedenken. Die Theorie verlangt
auch eine Ordnung der Elemente selbst. Durchweg ei^ibt
sich nämlich nicht ein Element, sondern eine große Z^l
von solchen. Eine ungeordnete, rein pluralistische Neben-
eiiianderstellung dieser vielen Elemente genügt den Anfor-
derungen nicht. Diejenigen Theorien, welche an ihre Spitze
einfache „Elemente" stellen — man kann sie korz Ele-
meiitetheorien nennen — , müssen dieser Schwierigkeit
gegenüber irgendwelche Auswege suchen. So bemühen sie
sich z. B., die vielen Elemente, welche sich zunächst ergeben
haben, nachträglich doch auf ein einziges zu reduzieren —
man denke z. B. in der Chemie an die inzwischen widerlegte
WosserstoShypothese von Proust — , oder sie entlehnen
Hilfe bei der Einheitlichkeit der allgemeinen BegritFe und
OPilnen die Elemente nach ihrer Ähnlichkeit in Gruppen.
Das Mendelejetfsche periodische System ') der chemischen
Elemente bietet ein ausgezeichnetes Beispiel für dies letztere
Verfahren. Im Bereich der Mathematik sei an den sog. Dua-
lismus der Cartesianiechen und Plückerschen Koordinaten
(Pniikt- und Linienkoordinaten) und die Einfühmng der
homogenen Koordinaten erinnert. Hier sehen wir, wie in
ganz exakter Weise verschiedene „Elemente" erst in Be?
sichnngen gesetzt und dann unter einem Allgemeiiibegriff zu-
sammengefaßt werden.
Die zweite und die dritte Einheitlichkeit, also diejenige
der kontrakten nnd der komplexen Begriff e, werden fast stets
in enger Verbindung als Ordnnngsprinzip benutzt*), nnd zwar
vorzugsweise von den Individnalwissenschaften ") wie Ge-
schichte (mit allen verwandten Disziplinen), beschreibender
') „Sjstem" hier in dem Sinn von EinteilnngsBystem, vgl. S. 595.
I) Man kann daher Ton komplexiv-kontrabtiTea Theorien Bprechen.
>) Vgl. Grundlagen der rajOuA., Teil ]. S. 53,
n,5,t,7rjM,G00glc
824 t^- TeiL Die einzdpcn logächen Gebiida und fluc Gesetic
Aftronomie und Geographie. Die Geschichte faBt nidit nur
den einzelnen Herrseber usf., sondern auch das einzelne V<dk,
den einzelnen Staat, den einzelnen Krieg osf. als zoBOmmra-
gesetztes ,J>ing*' im Sinn eines kontrakten komplexen Be-
griffs (vgl. S. 320 ff. n. 473 f.) auf and ordnet eine Ornppe
historischer Gegebenheiten nach solchen Dingen (Heriachem,
Dynastien, Völkern, Kriegen, Dichtem, Dichterschalen osf.).
Ähnlich verfährt die Astronomie mit der Sonne, dem Sonnen-
system, den einzelnen Planetensystemen' osf., die Geo^s-
phie *) mit Ländern, Gebirgssystemen, Flaflläufen usf. Auch
hier ergibt sich die Schwierigkeit, daß die Theorie, sobald
sie größere Gmppen Ton Gegebenheiten zn bewältigen sucht,
nicht mit Einern Komplex anskommt, sondern mehrere
Komplex« aofsteüen mnß und non eine Ordnung dieser
Komplexe selbst vorzunehmen hat. Es gelingt ihr dies durch
Zusammenfassung der kleineren Komplexe zn immer grS-
ßeren. So geht die Geschichte z. B. vom einzelnen Herrscher
zur einzelnen Dynastie und von dieser zn einer Folge von'
Dynastien über. Die Zusammenfassung und die Gliederung
innerhalb der Komplexe ist bald chronologisch (Perioden)
bald topologisch (Geschichte einzelner Länder). Die Einheit-
lichkeit der Allgemeinbegriffe wird nur selten als sekundäre«
Ordnnngsprinzip herbeigezogen (Geschichte der sozialen
Kevolutionen, Geschichte der romantischen Kunst usf.). Im
allgemeinen spielt bei der zweiten und dritten Einheitlich-
keit das logische Ordnungselement gegenüber dem rämnlich-
zeitlich-kausalen eine untergeordnete Rolle. Damit hängt es
znsanmien, daß wir das Wort „Theorie" hier nur ausnahms-
weise anwenden. Wir sprechen wohl von der Lamprecfat-
schen „Theorie" der sechs Zeitalter der Geschichte von der
Comteschen „Theorie" der drei großen Perioden der Ent-
wicklung des menschlichen Denkens, von den verschiedenen
Theorien der Entstehung dee toten Meers, der Alpen usf..
wir können zur Not auch von den Theorien sprechen, welche
z. B. den Untergang des römischen Reichs erklaren. Ds-
gegen werden wir nicht von einer Theorie sprechen, wenn die
kriegerischen Ereignisse von 1618 — 1648 als Dreißigjährigw
Krieg zusammengefaßt and in die bekannten Unterabsohniite
•) Die beBchreibeode und lüstoTifche Geologie, die gei^imphische wi
historiBche Paläontologie, die Tier- und Pflanlengeogtaphie gehBren grtflt*f
teils eben falls hierher.
n,5,t,7rjM,G00glc
6. Kapitel. Die Lehre von dm Wisaepachaften. §25
serleift werden. IMe Ordounft ist hier so einfach nnd ein-
deatig dnrch die zeitlich-räumlich-kausalen Beziehungen' ge-
geben, daß ein Ordnungaversnoh im Sinn einer Theorie von
Seiten des logischen Denkens gar nicht in Betracht kommt.
Dabei hüte man sich vor der falschen Anffaseimg, als gäbe
es nur Theorien des Allgemeinen. Die oben angeführten
Beispiele zeigen znr G^enöge, daß auch für das Individuelle
Theorien möglich und wirklich vorhanden sind.
Die vierte Einheitlichkeit, diejenige der Ällgemeln-
b^tiffe, ist als das logische Ordnangsprinzip xav i^ox^v
zu bezeichnen, da die wissenschaftliche Anwendung des Ge-
neralisationsprinzips ohne den Prozeß der Generalisation im
logischen Sinn nicht möglich ist Theorien, för welche dies
£inteilungsprinzip maßgebend ist, können „Generaltheorien"
genannt werden. Die Naturwissenschaften bieten allenthal-
ben Beispiele, ebenso die Psychologie und alle anderen philo-
Bophischen Disziplinen mit Ausnahme der Geschichte der
Philosophie. So stellt z. B. im Bereich der sog. Gravitations-
erscheinnngen die Theorie jetzt das altgemeinste Gesetz der
Massenanziehung an die Spitze (k = c — 1-5 — ) und leitet
daraus als Spezialfälle die Geeetze -der Bahn der Planeten,
des senkrechten Falls, des Wurfs, der Pendelbewegnng nsf.
ab. Auch die Mathematik enthält neben Elementetheorien
<S. 823) allenthalben auch Generattheorien. Insofern diei
mathematischen Generaltheorien gestatten, von dem all-
gemeinsten Gesetz bzw. der allgemeinsten Formel dnrch
logische Disjunktion (logisch vollständige Division, vgl.
S. 594 f.) zu immer spezielleren Fällen überzugehen und so
den Umfang dear subordinierten Fälle zu erschöpfen, können
sie als Musterbild allerTheorien gelten. So wird beispielsweise
für die Kurven zweiter Ordnung die allgemeinste Gleichung
aufgestellt: a,i x* -1- a„ y' + 2 a^ x y -|- 2 a,, x -f- 2 a,» y + a„
= 0 und dann untersucht, welche Spezialfälle sich ergeben,
wenn die aus den Koeffizienten gebildete Dlskriminante
= 0 oder ^-O oder -CO ist und wenn an' — aiiaM=0 oder
> 0 oder < 0 ist usf. (vgl. S. 595). Nur für einzelne
Gruppen der physikalischen Erscheinungen ist eine ähnliche
Vollständigkeit nahezu erreicht worden. Die Bichtung der
Ordnung auf Grund der vierten Einheitlichkeit ist stets
deduktiv (im Gegensatz zur Bichtung der Genese der mei-
sten Erkenntnisse der hierher gehörigen Wissenschaften).
O^^IC
926 ^- ^^'- ^^ eiiiie)it«D logiachen Gebilde und One Gcsetift
S 140. Der It^^Mlie Anfbrnn dw Systeme sad der WIm«-
■duften. Während ee Bloh bei den Theorien nm eine
Omppe von Gegebenheiten innerhalb eines Wissenschafte-
gebietee handelt, betrifft nach unarer Definition der Änfbas
einea Systems das gesbnite Oehiet einer Wissenschaft.
JBine scharfe Trennung zwischen Theorie und System ist
nicht dnrchzafähren. Der Anfbaa eines Systems erfolgt
nach denselben Regeln wie derjenige einer Theorie. Je mehr
also eine Wissenschaft sich dem Ahschlnfi nähert oder zn
nähern glaubt, um so mehr wird sie von der genetischen
Darstellung zu der einheitlich ordnenden übergehen. Die
OrdttungBprinzipien, die ans zur Verfügung stehen, sind
wiederum die vier oben aufgezählten. Eine neue Aufgabe
ergibt sich nur insofern, als ein Wissenschaftsaystem, d. h.
das System einer ganzen Wissenschaft, nicht wie eine Theo-
rie, sich mit der Tetsache, dafi eine ii^ndwie bestimmte
Gruppe von Erscheinungen gegeben ist, begnügen kann,
sondern bis auf Grundbegriffe imd Grundsätze zurückgehen
muB, welche die bezügliche Wisseiwohaft als richtig voraua-
setzt und ihrem Aufbau zugrunde legt Diese Grundbegriffe
und Grundsätze werden von der Einzelwissenschaft nicht
weiter untersucht bzw. bewiesen, sondern entweder ganz.
naiv als schlechthin gegeben betrachtet oder der Erkenntnis-
theorie im weiteren Sinn (Gignomenologie, vgL S. 241) ent-
lehnt. So untersucht z. B. die Geometrie als solche nicht, was
der Baum bzw. das Bänmliehe ist, sondern nimmt naiv an,
daß Baum bzw. Räumliches irgendwie gegeben ist, oder ent-
lehnt die Abgrenzung und Charakteristik dieses Grund-
begriffs der Erkenntnistheorie, Ebenso sieht die Mathematik
den Grundsatz „wenn a = b und b = o, dann a=c*', ohne
ihn zu beweisen, als selbstverständlich an oder entaimmi
ihn wiederum der Erkenntistheorie ^pgnomenolt^riaches
Ideatitätsgesetz, vgl. ^ 87). Die einzelne Wissenschaft ist
nur insofern zur aktiven Mitarbeit verpflichtet, als sie zur
Klarheit darüber gelangen mofi, wieviele irrednzible')'
Grandhegriffe und Grundsätze und welche sie voraossetst
und zugrunde legt Die meisten Wissenschaften sind dieser
Verpflichtung erst in jüngster Zeit oder überhaupt noch
nicht exakt nachgekommen. Die GmadbegriOe können auch
n,g,t,7l.dM,GOOglC
5. Eapitel. Die Lehre von dea WisseuBchaften. g27
alB Ultima der bezügrlichen Wissenschaft bezeichnet wer-
den. Zu den .Elementen" der Theorien innerhalb der
einzelnen Wissenschaft stehen sie oft, aber nicht stets in der
Beziehong höherer Atlgemeinbegriffe. Eine scharfe Grenze
Ewiscben Ultima nud Elementen läfit sich ebensowenig ziehen
wie zwischei^ System nnd Theorie. Die Grondsätze decken
eich, insoweit sie als unbeweisbar oder keines Beweises be-
dürftig betrachtet werden, mit den Axiomen nnsrer Logik
.(vgl. S. 293 u. 800).
Die Herkunft der Grnndbegriff e und Grandsätze ist von
der Erkenntnistheorie festzustellen. Für den hier zagmnde
gelegten erkenntnistheoretischen Standpunkt (vgl. ^ 58) ist
es selbstverständlich, daß sie aosnahmslos aus dem Gege-
benen abgeleitet werden. Auch die letzten Gmndbegriffe
und Grundsätze sind gignomenologisch.
Diese Darstellung scblieBt natürlich nicht aas, daß die
Einzelwiasenschaft sich oft auch erfolgreich an der erkennt-
niatbeoretischen Aufklärung ihrer Graudbegriffe aud Grund*
täize beteiligt. Sie überschreitet aber damit Ihre natürlichen
Grenzen, ee kommt gewissermaßen zn einer Persoualonion
der Einzetwissenschaft nnd der Philosophie. Ein besonder^
lehrreiches Beispiel einer solchen Grenzübersohreitung zeigt
die moderne Mathematik bzw. Geometrie. Viele Mathe-
matiker haben sich mit dem Grundbegriff (dem ultimum)
des dreidimensionalen gegebenen Baums nicht begnügt, son-
dern mit Erfolg versucht, nachzuweisen, daß der anschau-
lich gegebene dreidimensionale Banm nur ein Spezialfall
einer denkbaren n-dimensionalen Mannigfaltigkeit isL Wenn
man davon absieht, daß dabei meistens nicht klar genug der
nicht-räumliche Charakter dieser gedachten Mannigfaltig-
keiten anerkannt nnd daher anch die Grenzüberschreitung
nicht offen zugegeben wurde, so war damit doch der Grund-
hegrÜt des Bänmiicben erkenntnistheoretiseh nach einer
Seite hin wesentlich aufgeklärt worden: er war einem höhe-
MQ AUgemeinbegrift untergeordnet, eiuer W-Skala (vgl.
S. 539) eingereiht !
Vit Literatni zni Logik der Systeme und der WissenKhaft ist in der
hirtoriecben fiinleitniig bereits allenth&lben ausgiebig berücksiehögt worden.
Zorn großcD Teil gebürt sie Obrigens der BrkeoEitiiistheorie an. Als bewn-
deis wichtig seien — abgesehen »ob den oft angefOhrten LehrbOchern d«
Logik — hier nur nocb aogeführt: H. Driesch, Ordnungsichn; usw., Jena 1912;
1,1^. OQi
,g,c
828 '^- ''^^''- ^* einielDen logischen Gebilde und ihre Gesetze^
Edm. Hunil, Logische üntenuehnngeii, Teil 1, Halle 1900, S 62 B.; P. V(tt-
toiaiin, Ertenntn.-theoi. QnmdiOge der NatnrwisseiiBcluftNi, 2. AntL htipt.
IL Beriin 1900, nameaü. Vortr. 4—3; K. Urooa, UntecsadL fibtr d. Aiflun
dfli Systeme, Zeitsohr. f. Psychd. Bd. 49, S. 393; Bd. 51, 8.347; B1S5,
S. 177, Bd. 60, 8. 1 1 Bd. 62, 8. 241 ; Bd. 71, S. bi ; Bd. 77, & 145.
Für die Logrik erhebt sich nur noch die Fra^e, ob dieee
Gmndbefrrif f e einer Definition im logischen Sinne zn-
ffänglich sind, und in welcher Beziehung sie zu den Grnnd-
Sätzen (Axiomen) stehen. Die erste Frage erlediift sieb
dahin, daß wir manche GmndbegrifFe aUerdinj^s einem Genus
prozimnm subordinieren, aber selbst, wenn dies geliiurt
keine vollständigre Diflerentia speciflca angeben können. So
ist es uns z. B. wohl möglich, den anachaolichen Baum unter
den Allgemeinbegriff der n-dimensionalen Mannigfaltig-
keiten zu subordinieren und als Merkmal innerhalb dieses
Allgeraeinbegriffs die DreidimensloQalitftt hervorzahebeo,
aber offenbar ist damit keine erschöpfende Differentia speci-
flca angegeben. Ebeiuo verhalt es sich, wie die Erkenntni»-
theorie im einzelnen zeigt, mit allen anderen Grundbegriff^L
Die zweite Frage ist dahin zn beantworten, daS die Gnmd-
sätze Beziehungen zwifichen den Grundbe^itCen aussagen.
Die Logik hat infolge ihres formalen Charakters (vgl. ^ 1)
diese Beziehungen nicht auf ihren Inhalt zu untersuchen,
sie kann nur noch feststellen, daß diese Beziehungen, welche
inj den Axiomen ausgesprochen werden, ihrerseits verwertet
werden können, um die Grundbegriffe, wenn anch nicht sn
deünieren, so doch in dem S. 496 erörterten Sinn zu c h a -
rakterisieren. So hat D. Hubert») für die Geometrie er-
klärt; ,J)ie Grundbegriffe sollen eben dadurch definiert
sein, daß sie den Aximnen genügen". Dies Verfahren d»
sog. MlrapUziten Deflaition" (Definition durch Axiome) wirkt
unzweifelhaft außerordentlich aufklärend, man darf aber
nicht vergessen, daß eine solche Definition eben doch nar
ein Notbehelf ist und keineswegs die erkenatnistheoretiache
Untersuchung ersetzt.
Die Hilbertschen Formulierungen suchen zugleich auch
nach Möglichkeit die Anschaulichkeit von Begriffen wie
„Punkt, Ebene, außer- und innerhalb, zwischen" zu elimi-
*) Onudlagen der Oeometiie, Leipzig u. Berha 1899, 4. Anfi. 1913,
oBmentL 8. 243 ff. Vgl dazu die Kritik Poinoires, Sdenoe et möäiode, Flrit
1914, 8. 179ff. o. 196.
5. Kapitel. Die Lehre von den Wisaenwhaften. 829
nieren. Dies VeTfahren läuft schließlich auf die ohen er-
örterte Snboriiin&tion dee Anschaulichen unter den höheren
AIlgemeinbegritF des Denkbaren hinaus. Das Deflniendnm
wird dabei durch Geneiralisation gewissermaßen verstüm-
melt. Ob bzw. wieweit ein solches Verfahren berechtigt ist,
erörtert die Erkenntnistheorie.
Mit der einheitlichen Ordnung der Erkeilntnisse in
Theorie und System hat die Logik als formale Wissenschaft
ihre Aufgaben gelöst. Die inhaltliche Anpassung und Durch- .
föhrnng für die einzelnen Wissenschaften und ihre Teil-
gebiete li^t außerh^b ihres Bereichs. Streng genommen
ist schon die Lehre von Theorie und System, da es sich nicht
mehr um das richtige Denken, sondern die zweckmäßige
Anordnung des Gedachten handelt, nicht mehr rein-logisch.
Nur insofern durch unzweckmäßige Anordnung richtiger
Theoreme falsche theoretische und systematische Zusammen-
fassungen entstehen können, war die Lc^ik auch zu einer
kurzen allgemeinen TJntersnchung des logischen Charakters
der Theorie- und Systembildung genötigt. Ihr wesentliches
Gebiet ist schon mit der Lehre von Begriff, Urteil, Sehliiß
und Beweis erschöpft.
n,g,t,7l.dM,GOOglC
Alphabetisches Sachregister
[FMt««dniokla Zahlan v«iMn aat dl* HaqrtatoUm hin. Stichvorti, di* am Adjcktif
md SobataDttr lOMmmsaireMtit und, tiai TcmgsweUa nnUr IMatemm »iihawiriiw.
TBi BrisebUnh« Tanniai IM «in b*M>iid«tM Bagutv UfsstBEt (tann.) Iwv. (p^iteU
hlaMr dnet SdtMuahl bedratet, diB m licb am tenniu • ■ ■ ■
' it&nemnffwi hudalt.]
Abhebung 317.
Absinkt, Abstraktheit 318 Anm. 4,
$48 rf.
Abstraktion 30S.81S, R2], 83Rf., 334t.,
339, 350S., 47S; dimiDoierende 329,
334; gaueraliaieratide 344, 50B; in-
determinlerendft329, 334, 479f., 614
Ann. 16; iwlierende 344, 508; Ab-
BtnktioD n. Genenlisation 344; Ab-
BtraktioD D. analTL VnDktion 345.
Aocidens 51, 53, 71, 74, 94, U6.
AocusativQB affocÜTDa n. effectinu 400
AotuB 53, 150, 364; a. inteUigeDdi 84.
Adaeqoat 104. 111, 118.
AdwqojUheit 284 ff., 4S0ff.
Adaeqnatio rei et inteilectus 282.
Addition 413, 4I4ff., 669.
AdditiT 3^8. 775 Anm. 12.
Adb&rent 320.
Adjektiv 585.
Adjnngierea 513, 551.
Almlichkeit 116, 274. 8»C., 4991,
., öOlff., 760ff.
Ähnlicbbeitsvonttellangen 303.
Äqual, ÄqualitätUOf., 564,673, 675.
AquBtivea Priniip 787, 733, 793.
Aiaiitrad 511. 5tt5 (anoh Anm. 16.)
Iqaipollent 5&9ff., 692, 717, 719; 729.
iqtiivaleni 402.
Aeqi
51,
jüqaivokatioa 795.
Affinität der Begriffe 597.
ArGnnstio 53, 567, 638 S.
Affirniat 645.
Aggregat 322 Adhi. 18; Aggregation'
lOJ, 709.
Akt (Akte) 183, 191, 216, 254, 270
Anm. 17, 346, 365, 403. 609.
AkzentDation Sl>, 322, 342, 346
AkzideDtieo 496.
AUthiologie 123.
Aigebraisohe Logik 112, 122, 2aff_
406ff., 410£, &39IL, 665, 716, 742.
AlienatioD 424 IT^ 449, 766. 7».
AUgemünb^rille 26, 3311., 59 E, lli
47&ff., 487, fiWff., 591,825.
Allgemeine Logik 125, 454ff.
Al^eiDgältigkeit 206, 200, 211, 271,
313, 379 Anm. 11, 449. 462.
AllgemeinaTteile «64 IL, «61 S^ «H.
Allgemein voratellannn 288, II1&,
350, 471, 487.
Allgältigkfflt 874, 313, 379 Anm. It
Allfaeit 129.
Alteratio 53.
AltematiTdiankter des Urtoils 367, 372.
Alterutrae (pTopoBtttooes) 719.
AmbiKoitlU 795.
AmphiboUe 795.
Aroptiatio 68 Anm. 5.
Analogie 24, 596, 766 (tenn.)
Analogieprinmp 762 ff^
AnaloeieMAlüs9e39Ö, 667, 724Ann.5.
736, 760ff., 771.
Analyse (Analrais) 100, 108, 170, 2S2,
319 367.
Analytik 391., 92, 101, 127, 207.
Analytiaohe Fnnktton 344ff.. 431, 481;
anal. F. n. Abatraktion 345.
Analytifiohe Methode 134, 141, 140,758,
811.
Analytische Urteile 128, 150, MC
677ff., 681, 694.
ADSTkenneti 3fö, 368, 391, 6391, 643L
Angeborene 'Wahiheiten oaf. 109.
Angewaodte Logik 1251, 4&4ff.
AnnahmeQ 303, SMl, SSSff-, 641,
Ö82ff., 698, 70O, 716, 782.
Anschauliobk^t 340, 348ff.
Ansohaanng, inteUektaelle s. Intoitio
iatelleotualis.
OgIC
AIphabetiacheB Ssohregicter.
831
Antecedens «96 ff., 807.
^otepraedicunenta 63.
Anthrapologisobe Lo^ 149.
AniitbetiachM TerfahreD 134f.; Anti-
diese 737.
Apagofnisoher Beweis 806ff.
Apodeitbk 38ir., 803.
Apodiktisch 187.
Apodiktisohe urteile 129, 0S9ff:, 690.
Appellatio 68 Anm. 5.
Appeizeptioa 106, 214, 248, 315, 356,
362, 608.
Appositio 53, 371 Anm. 23.
ApprebeQsio 89, 117, 304 Anm. 4, 364.
AprioriUt 126s aWK, 816.
Archetypea 106, 284 Anm. 16.
Argameot SeSff., 458, 619, 633, 686
Anm. 4, 70l, 727; (nach Frage) 37a
Argumentation 69, 466, 806; Arg. ad
bominem 803.
ArKomentom 452 Anw. 5, 797 Anm. 2,
805.
Arntttisobe Urteile 645.
Artbegriff 33, 46, &11.
ArtvoiBtellnng 333, 369; niedrigste 359.
Asseot 159; assensio 606.
Assrrtoiische Urteile 129, 8SS, 690.
ABHimilatio oognitionis ad rem 274
Anm. I.
AttBoiiatioDBgeaetze 106.
Axxuiationspeychologie 106.
ASEnmüo 726, 749.
Attril>atIL8, 309 Anm. 11, 371 Anm. 23,
805.
586, 618, 622, 701.
Attribut (frani.) 623.
AttribntioD 723.
Auffiadoog SUO.
AnffordeniDgen 3K>.
Au^be 171, 384 Anm. 6, 804.
Aafmertsamkeit 346, 356, 367.
AusfiilloDgsTorstellang 401.
Aosrafe 620 L, 627 Anm. 3.
Aiusage 620 Anm. 1.
AusscIilieBeDd 660, 563; ADsacUieSung
731 Aam. 13.
Aatoohthone Omndlegang 16, 111 H.
Auxiüarer Tonlersatx 392.
Anom96, 106, 118, 221, 293 (term.).
»IUI., 819, 828.
Axioma (bei BamoB) 606, 703.
Bedentang 162; B. von TontslL 306,
S56, 5S0; von Worten 403.
Baftihf 385.
BtfoiB 290, 301, 332 Anm. 3, 435fl.,
4eeS., 601; DeBnition U3f., 435;
Oebrauch des AVortea 435 Anm. 10;
andere Termini 4(i3fr., 473; äquale
559 ff.; äqaipollente 569 ff.; AUge-
tneinbegriffe 475 f., 606 ff. ; sieb ans-
echlieBende 650, 663; Dingbegriffe
474; disjankte 511, 563f., 666
Anm. 15, 570; dietratte 476; ein*
faohe 479 f., 508; Finnen sbegriffe
474, 501; Generalbegriffe 476».;
gleichgelteDde559;inl[omparate476;
irrelate 477; isolau 476; iodividaelle
473fl, 484ff.; Kombinationabegriffe
478; komplexe (Eomplexionab^ffe)
476ff., 484tt, 590; tonjunkte 611,
6(!3ff., 565; kontradiktoriBohe 547,
670, 64»; kontrtire 5T8ff.; kontra-
grediente 548, 573 ; kontrakte [Eon-
traktionsb^ffe) 474 ff , 601 ff., 690,
6.51; koatrapoeitonsohe 648, 661,
5ö2, 573; koordinierte 547, 666,
594; kreoiende 668, 565, 672;
Fhaotasieb%rifre478; Phasenbegriffe
474, 501 ; rekontradiktorische 548,
655, 670, 673; rekontrapositorisobe
549fr., 662; subordinit-rte 333, 511,
52(1, 566, 568, 573, 581, 594; sapetv
ordioierte ebenda; supplementiie
549, 572,573, 674f.; Inhalt 4«»ff. ;
Oefiihlabetonnng 469 ; O^enstand
471, 492; VolUtändigkeit 472.
Begriffliche Merkmale 495 f.
Begriffliche Siue (Biehlj 634.
Begriffebildong 689 ff.
B^rtsurteile 373 Anm. 27.
B^ndong 380, 797.
Begründangsbewiifitaein 380, 397.
Boborrliahkeit 498.
Behaoptncg 867, ltS2ft.; 797.
Bejahung 367, 390, 638 ff.
Beispiel 24, 788, 813.
Bekanotheit 660, 662 Anm. 7, 668.
Belegung v. Torstall. 858, 369 Anm. 14 ;
V. Begriffen 625n., 661, 596, 771;
faktiKohe (empirische) 358, 668
Anm. 20; homogene a. nriaiiTe 527;
potentielle 358, 657 Anm. 1; BeLo.
Umfang 527, 661.
Belegnogaorleile 656ft.
Belief 115, 116, 159.
Benennung (Erdmann) 635 Aom. 3.
Berkeleys Dreieoksargumont 114, 339.
BeächreiboDg 619.
Beeondere Urteile 661.
BeeondeniDg (H^) 608.
Bestehen 15, 179, 302, 306.
.oogic
AlphabeÜBobeB Sachr^Kter.
BMÜnntheit, eindeatige 310, 340,
4Mff., 438, 670 Anm. 20.
BenTteilung 3tt5 Anm. 6, 391 Anm. 27,
042 Adhi. U.
Beweis 711, TWff.; Fondalian 80t,
Inhalt 802. ualTtisoher 811, ai»-
gogiacdter (indirekter) 21, 808, aprio-
rischei 816, direkter 808, disjnok-
tinr 809 f., per exclunoneiii 809,
pro- nad regressiver 811, Bjntlie-
tisobei 611, Terifiziereiider 812.
BeireitoDK (Windelband) 384.
BewnfithateD 354.
BevoBtseiD 18111., 218.
BewnfitseinBlagen 354.
Bewnfit8eiiiBartmle(]laiera)387Anin.l6.
BewnBtsein überhaupt 194.
Bezeichanngsmetboden fi99L
Beuebende Funktion 344.
Beiiehnng Sei ff., 35S, 367.
Benehnngsbegriffe siehe Balationsbe-
gritte.
BeäiehangebewnBtseiQ 268, 379.
Beiiehnngsuteile 702.
» nnd -begriffe
Ben^nagSTorsteUnngen n
303, 324, 570 ff.
fiinomismas 21? Anm. 2, SSOfL, 261.
Bitte 386.
BlankoeteUen 330, 335, 562.
BlankoTorMellnngen 401.
Campus obecoritafis 356 Amn. 5.
ChanoteiistiGa realis 112, 122.
Charakter, begrifflicher 476.
Charaktenatik. Cbarakterisiemog 509,
510 Anm. 6, 828.
CbankteristiBche Herfanale 588.
Ciroolos in definiendo 592 f; in demon-
Btrando 817.
Claras 100, 104, 111, 118, 28a
CoBoerratio 759.
OoUeotio 59, 102, 711.
Common senae 1I4(.
Commnnis 478, 664.
ComplexaeS, 71, 364, 465, 466, 606,
695.
ComplexoB 356 Anm. 5.
Graaprdiensio 88; comprehension 531.
Compntatio 103, 106.
ConoBptitttliB 113, 119.
Conceptns, conoeptio 64. 80, 469, 466.
Condnaio SSS, TOB, 711, 726, 749.
Conoltunm 898, 710, 739.
Connexns 703, 763.
Connotation, connotativ 631, &84tf.
Conaenene r"' .. -.~-
CoDseqaana «Wff., (712).
CDnseqnentia 394 Anm. 9, MSIt., 703.
GoiwigDifioanB 58ö Anm. 10.
OontingeflS 53, 110, 690.
Oontraotio 32« Anm. 5.
Contrapoeitio 720.
Contradiotio 53, U7, «9, 696.
Cantnrios 53, 667, 647, 6^
Convenientia 104, 285, 605.
ConTertere 53, 7ia
Copolatio 6a
Correapondance 285.
Daeön (als Kategorie) 129.
Data 713.
Deckung der IndiTidoalkoeffixJeciteB
SlOff., 874 Anm. 2», COS, 728fL
Dedustio nominis 536.
Dednctio(D) 99. 148, 726, 806; al
abeoidiun 808 Anm. 1.
Deduktiv 160, 489, 724.
Dedoktii^ Schlüsse 724.
Definiendnm 532 ff.
Definiens 532.
Definition 24, 51, 53, 59, 69, (SSE,
52Sff., 591fF., 593, 677 ; akädentdl»
503 ; analytische 533 ; essentidle 1 12,
503 ; explanatoriscbe 591 ; genetische
564; impliiite S28; kaaaale 52a
683: konstroktiTe 521, 6SS, 7«,;
nominale 111, 623, 717; BeaUefi-
nition 520, 522, 6S4ft, relatim
6B2f.; synthetische 522, 68S, 705;
verbale 536.
Definitiuisfehter 681 ff.
Demonstnudnm 797, 800.
Demonstntio 797, 805:f ; a pmii 298.
Denkakte (Denkvo^i^) 2S.
Denkbedehang 262, 273, 281.
Denken 1, 251.
DenkergebnisBe 7 ff.
DenkfSrdenugs- nnd -iieminnigt-
gefähle 39».
Detibmaterie 3,
Denknotwendi^eit aB2L, 313, 6fö.
Denkpsychologie 354.
Denknitmöglioh 42ifL
Denotation 531.
Dependeni 129, 680.
Deskription, logische (deocriptio) &19.
Desnbetaatiierea 629.
Deatlichkut 366.
Diagnomonisehe Uadmala 68a
Didektil 27, 39f., 48, 91, 140i 4S
Alplubetiaahefl Bachr^BtaF.
Diilektiache Ueäwde (Hefcol) 142, 203.
Süllele 5&2.
SiaDOioldi^e 123; Dianoia 712.
Sichotonue 606.
liatndlo 717,788!., 737.
1. 13, 630, 636, 717.
keit i
. Hfl.
Differa&tiB 61, 53, 71, M.
IKOerantia spedfioa blt, 619 L
DiffereDtia aooidentaliB 63; d. sab-
stantialiB 64; coostitativa 76.
IKflerenzienuigBhuiUiooco 262, 268,
U4S., 369, 372, 375, 439, 476,
eooiT.
Düemnia 762, 7S3 Anm. 12.
Diminmereiide Abetnktion 329, 334.
IKng 184 Aom. 16, 329, 606, 691, S24.
IHogbegriff 474.
Singbenehnng 262, 2?5ff.
Sin^oratalliiDg 829 ff.
Dinmtioii (Hegel) 606.
Disoorgns, disouniTiu 117, 435, 713.
Diagnnis 28ö, SWff., 399, 426, 6931
Diqiuikte' B^riffe 611, §681, 666
Amt. 15, 570.
I&jänktiveT Qunrakter des Dent-
geBetnee (Hegel) 696, der Ter-
gteichnngafonktioii 431.
Dnonktive SchlfiBse 41, 7211, 750ff.
DaSonktive Drtmla 651, 697, 704,
707 ff., 796.
Dislmpanz 284S., 364. 421, 450.
Disparat 651, 658, 570, 674, 686.
Dispante Ideenassoaatioa SSS, 606.
Disparatheit 321 Ann. 11.
DistalgegeaBtaud 267, 321 Anm. 14;
distabter O^eiwtand 267.
Diatau (in BegritbreiheD) 578.
DistiDotio rationiB eto. 101, 306.
Dbtinctafi 100, 104, 107, 111, 118,
357 Antn. 6.
Distmktheit 100, 288ff., 367.
Disbakt 476.
Distnbatio 68 Anm. 6, 666, 666.
SistribntiTe Negatioa 546fr., 663.
Divenioa 557.
DiTidendam 694.
Division 26, 53, 69, 6Hff. ; fttiolopsche
697 ; empirische und lo^uohe 595 ff.,
825.
Dirisiver SohlnS 721, 7&Dff.
DiTiBives ürtefl 697, 704, 70», 707.
Sirisnni 694. '
Doeta igDorantis 88.
IKnninaiitvorBtellDDg 397.
ZUban, Lthibneh dar Logik.
DrittSB Sein des Logisc^ien 16, 249,
252, 259, 270, 310.
Dabitatio 63.
DnrchBchmtt der Hengenlehie 413
Anm. 6, 669.
Dnrahsohmttatheorie der Allgemein-
Tonteilnngen 336.
Bdnotio 2C4 Anm. 6.
EdoktSMff.
Egotismas 244L, 254L
mx 186, 306.
375 J
1.1.
Eindevti^eit dee Denkens eto. 310,
340, «soff., 438, «70 Anm. 20.
Einfädle Begriffe 4791, 468 Anm. 9,
Eiogliedrige Urteila 601, «Ttf.
EÜD&eitsmomeDt 904 Anm. 4.
Hniga (DcqipelsiiiD) 646, 646, 660ff.,
666, 666 Anm. 12, 671, 672, 673ff.,
718 Anm. 2, 740.
Einordnung 593ff.
^noidonnsstheoiie des Urteils 612,
dee Sohlosses 731.
Einstimmigkeit der B^ihffe 568.
Einteilong S9^tt
Rinaftlabstiattion (ErdmaiiD) 352 f.
Einielb^hffe 477«.
SäDzalnrteil 654.
ffint^attigkeit 311 Anm. 14, 449.
Element 677; 822.
ElementaiTOTsteUiuig 407.
Elemeotargnippen von Oeigonne 671.
Elementetheorien 823.
Eliminand 743 f.
ElimiDation 743f., 746, 771.
Emotioiulee Denken 206, 385.
Empflndang 3, 262; Empfindongs-
gignomens 11, 252, 630.
Empflndongsiritäiner 276 ff.
EmpBndsngsniteil 261 Anm. 13, SSS,
«87.
EodsrhlnB 791.
Endnrteil 798 Anm. 3.
Energie des Drtola 376; der Tor-
stellang 356.
£ns rationis 76, 80.
Bnthymeme 394, 712, 7G&, 79a
Entitat (Entitas) 61.
EntsohadnngsbaKeD 384.
3!Dtspreoben 274».. 279.
EtitsilbBtantiieren 629.
Enomeiatio nmplex 776.
Ennntiat 877, «ISf.
Enontiatbegriff <18f.
EDontiatum etc. 605.
53
iM,Googlc
Alphabetischn SMhngiitar.
firanäatvoreteUnng S37.
Epk>hi(e)ren 3U, 798.
I^önllogiBmaa 768.
lUlWig 12711., SMtf.. 311.
KrfahniiigBDitoü 299, 637.
EnnnenuigBbe&eiiiiiig 282, 379.
SrimieniiigBbüd 332 (term.).
EnnuemngBfiuiktioD 344.
Eriimenuigsiirteil 387, 637.
Erkennen (Hawrg) 386 Anm. 15.
Eilenntuukritik 273 ff.
ErkenntniBtheoret Onrndl^nng 241 ff.
^Attuitnistbeoiie im weiteren Binn 11,
2Ufi.; B. etr. IS, S7Sff.
(StnmpO 183, 254
Eratrechmg 546.
Enrartangeurteil 637.
Erweitenügwcblüsae 714.
Erweiteron^sarteile 677 Anm. 5.
Gaae eseentue uad existontiae 61.
Enentitlia 116.
EBuntieU 503, 587.
Eesenz (Essentia) 59, 62 Anm. 11, 6d,
74. 81, 105, 485, 495 Anm. 24,
519, 587.
Evidentia (Evideni) 99, 115, 158, 167,
183, 207, 209, 291, 401 Anm. 7.
Eridenzgefuhl 292.
Exemplifikatioustheorie der Allgemein-
voistellongen 337.
Exemplom 766, 795.
ExisteoE (Existentia) 179, 339 Anm. 15,
365 Anm. 6, 624, 629, 680 ff., 747.
Ezistenttalurteile 305 Anm. 6, 624,
«27 ff.
ExUusive Urteile 709.
Eifcretioti 318, 321.
ExkretionsbeEnffe (exxarnierte BeeriSe)
473.
BxlcretionsvoistellaDgen 318.
Esperieotia vaga 104, qnaasita 780.
Experiment 7S0.
Explanatoiische Definition 5911.
Exposition (Kant) 520f.
Extt«na 619.
Extremitates 72G.
Extrinaekal 318.
Exztptive Urteile 70'J.
Exierniertas Erinnenmesbild 317,
Exzerptionstheone der All^meio vor-
steil ung 338.
Fattiv6B7.
EaUaciae 795.
Falaohheit 8 fL, 105, 285 (tarn.).
FugBchlafi 795.
I^gnren, syüogisüacbe TKfL, Wf
Finiena 797 fi., SOlf.
Kxatioii (-na UrteOai) föOO^ W
iJim. 4, 661.
nnxion S80, 505.
Flnxionab^ffe 474, 501, S% 9tt
Flaxiona«mpfindtmg«n 330.
Folge 381, 394 Anm. 9 (tann.), 396.
Folganmg 393, 391 Ajmi. 9 (Htm.).
Fordenmg (lippa) 215 ; (Avenarin^ 217.
Fem 194, ^0 Anm. 3.
Foima 51, 59, 73, 751, 82, Ki t
Foimal 3, 5 Anm. 3, 118, tt7ff.. SM.
Formalitu 82.
Formatio 72.
Frateohraitende Schlöase 721.
Frage 366 Aimi. 7, SU. 641, An». 10.
Tnata» Äluiliahkeit S27fL, 339,676-.
frnstokognate 328 Anm. 11; fmto-
propinqnaie 328.
Fnlla der ToisMloDgen 357, detB*-
griffe 525.
Pürwahrhaltea 397.
F^dale fiiohtigkeit 384, 287.
Fondatien 264 ff., 289, 419 Anm. 3.
*», 461, 6141, 801.
nindamentum diTiaionis 595.
Fnudiaroiig 181, 26Sff., 602.
Fnndierungsbewoßtsein 380.
Fondieniagsboiiehong 272.
Funktion (Frege) 378; (Kant) 60:
Anm. 12 ; F., psychische (Stampp 18J.
E^ktionstheoria der AllgemeiBTiH'-
Btellungon 3421
ßanz (bei dem FrSdikat) 546.
Ganzes und Teile 581.
GattoQg 33, 45, 64, 427 Anm.
.5H
Gattungabereioli 358.
Gattongsbegriffc 33, 45, glOfl
GattongsvorstcIlongeD 333.
GebUde 183.
OedBohtnisfarben 276 Anm 5.
Gedanken 354.
Gefüge (Erdmann) 392 Anm. 2.
Qefi^le, logiaohe SS7ff., 401.
Gegensatz, gegensfitxlich 578, 653.
Gegenstand 175, 176, 17eff.. 214, W.
252, 26fifl. 270 Anm. 17 (tenL>
30e Anm. 10, 427, 614ff., 711,
O^^IC
AlphabetiMhM Saohn^Bter.
83fi
G. dw Bepitte 459, 4g2tt.; des
Beweises 801 f. ; Beziehniig nun
Inhalt 270 Anm. 17, 322 Anm. IT,
3V5, 4ie Anm.2, 437, 529, 802; Be-
äehnsg zdiii Umfang S29; Be-
siahnng znr ZentniiUTOiBteUnii^377 ;
O. der LogiEiBten siehe Loginsmoa;
O. der Pbäotasift* and Speknlatioiis-
roratelliing«) 30&f.; O.desSchhuBes
711; G. im eng. n, wat SinaM?;
O. des CrteilB 375ff., 379, 419
Anm. 2, 614H., 802; G. der Vor-
BteUong 281, 35S.
Gflgeiistandsb«siiff 492.
Gegenstandebewafitsein 379.
G^nsbmdsbeiiehDng 272 f.
G^enstandsübertragang 320, 335.
GegeDstandsToistellong 266 f., 462, 492,
615, 616, 624.
Gflbaltslogit 456.
Oekrenzt (von BegrifTen) 56S, 566, 572,
671 Anm. 24, 740.
Geltung, Gelten 190, 196f., 206, 800ff.,
306, 311, 366, 378.
Geitangsbereich 358.
OeltangBbewiiSteeiii31Sff.,366,382ff.,
629, ?14ff.
Gemeinschaft (als Kategorie) 129, 754.
Genenltogriffe 475, 477.
Oeneialisation SSlff., 359, 479; G.
und AbstrattioD 344.
Geneialisationsgrad 359.
Geneialissimnm 63f., 86, 94.
G^ieialtheorien 825.
GenersInrteUe 664«., «67ff., ItSl.
GeneralTOretellimgen 381.
Generell 477.
Genetische Definitionen 584.
Genetische Logit 101, 170.
OemiB 51, 59, 70, 71, 75, 94.
Genas proximom 510, 5151, 520, 524.
GeometriBohe Methode 48, 798, 825.
Geometrische Danrtellnng 66 Anm. 6,
122, 139, 166, 2281, 395, 4181,
6871., 646, 553ff., Ö60H.
Oei^onnesohe Einteilung 576, 671.
Gesamtbeiiehnng 460.
Gesamt^egenstand 265, 460.
Gesetz 436 (term.); logische Gesetze
siehe unter Prinripian.
GewiBheit 100, 105, 193, 206, 213,
291«., 814ff., 365, 378, 682ff., 68«,
690, 765, 773«., 803; legale 686.
Gignomene 11, 2&0ff., 296, 630.
OignomeDoIc^ell, 13, 241 ff., 261,305.
Qignomenolwisohe Prinzipien 294 ff.,
42» fl, 762!
Gleichabifig SU.
Oletobfatit 412, 6G8tf., 643, 701.
QlMohbrttsarteile 625.
GlMOJmpgBptiniip 127 ff.
Glieder 380, 385, 50t Anm. 1, 507
Anm.2.
Globale Eontisdtktion 5470.; gl. Ne-
ration 548 fl
Goldener Berg osw. 169, 271, 205,
GraramatUi n. Logik 236, 406 (siehe
moh Spraohe o. Lo^).
OrfiDde (zureichende) 381, 395, 694.
Grand a. Folge 361, 395, 700, 701,
746 ff.
Gmndaxiome 293 fl, 433.
Grundbcsriffe 626.
GrnndbräiehmigeD 261 ff.
Groudeigensohaften 762 ff.
GrandempfinduDg 2S3.
OrondfouktioDeQ 344 ff.
OnmdsUze 626, siehe anoh Prinziinen.
Grundortfflle 148; 199 ff.
GrnndTorstellnngeD 263.
Grundvissensohaft 11.
Gültigkeit 212, 300(f., 365, 376 f., 747.
Haecceitas 81.
Hetaronynie 29.
Hiatus 818.
HilfBSlttze 799 ff.
Hilfeurteile 799ff.
EBhe (T. AllgemeinTOisL) 861 (v. All-
gemeinbegr.) 527.
Homogene Belegung 527.
Homologie 696. -
Homonymie 795.
Hyperiogisoh 402 Anm. 1.
HypologiBch 402 Anm. 1.
Hypostaelerung 425 Anm. 6, 494,
613, 516, 529, 547, 559, 589, 611,
723.
Hypothesen 781.
Hypothesis 698 f 1 ; bei Beweisen 799 ff.
Hypothetische Schlüsse 41. 144 ff., 758.
Hypothetische urteile 129, 697, 6S6Ü.,
781, 807.
Hysteron-proteron 818.
Idea adee) 201, 467.
Ideale Gegenstände 179.
Idealismus 245 f., 254 ; tianszendentiüer
247, 255.
IdealapiHohe 406 fl
Ideafurteile 633.
IdealTorstellangen 206.
Ideatiou 344, 590 fl
53*
i,l^.OOglc
Alphabatiadias SttAn^gter.
IdarilM Sein (leiduDäUfir) I9ü
IdMBMMtiitKHi SSlfL; diapuiteSSS,
374; DneilMMoÜBtioD 168 H.
Idrätbnhe Additku u. Moltiplikiticni
669.
IdentiMA« Bt^riff« 641, 6U.
IdentiBdie üiteilo 626, 673.
Uentitlt v.BcsriHeolltf, 443 tC, 641,
ftU, 727; sEwIata 13«, 445.
Identitltmriosip 4120., 443ff. (bist),
692 ff., T28H.
Id«atititstheorie de« Ürtefla 610 ff.
Idiogwetiaohe UtMlattiAorie 866, An-
XBonüQ deoohi 817.
II 276 (f.
Im^jolre OrSSen 310.
ImnHUMDto Beditit (Cuitor) 288.
ImmuMiu, logitnhe 313, 356, 490,
498. 012, 0^ 731.
ImnuMDStbeoiie des Urteils 012 An-
meit.31.
Impentiv 385.
Impenoculien CSiff.
Implisite Dtifinition B28.
Impontio 86.
IiuuUqaMtheit 2Uff.
ludULreot 320.
Inb^fr 631 f.
Inoomplsxa 69, 7t, 466.
InoongnraB 719.
iDdefiDitns 563, 639 Aom. &, 665, «66.
IndeaigiiatiiB 666.
IndeteinuniBreoda AbetnktioD 329,
334.
Indetanninierta hypotbet urteile 700,
745.
Indiffsrens, IndifferentiBten 65.
Indmdaaltwgnff» 473ft., 484 ff., 500.
IiidiTlduatkcKifri»enteiiSl»,322,8«Sft..
601 ff.. B13, 621, 640, 674, 722
Anni. t. 728f., 741, 76i.
iDdividaal urteile «Uft
iDdividnatvoretellDDgeD S17ff.
Indiridamn «3ff.
Indakbonaprioiip 772 f.
lDdaotio(n) 160, 712; BemovlÜMfae
767 Aom. 5; inoen 28B; voU-
sUndiKe 770 t.
TnduktiTa Uetboda 24, 27, 38, 96,
163, 156, lß7ff^ 100t., 162, 822.
Induktive Bchläme 724, 7«Sff.
IneinSBetzaug (Bigmrt) 367 ADm. 10.
Ineeae 689.
IneziBteoi 176, 251, 270, 305 Anm. 6,
Inferem (infereooe) 168,712,714,784
Inferion ISI. 263.
InßnitatioB 553.
InfinituB 552, 639.
Inhlmz (Inhaerentü) 20. fö, 129,
497, 619. 623, 764; iMle n. ob-
iektiriertie 486, 408 Ann. 32, 534L
iDhireiutiieoriedesürtnlBOlS AdilSL
Inhalt 194, 266, 367 Anm. S. 530
(term.); dta Begiiffa 47«l 486: 4h
Beweises 802; des BcfaloSMa711:4a
ürteiU 876 &.; der
l?Bfr., 281, SK; B( '
Umfug Ü8, 668tf.;
Inbtlt 496.
Inhaltstheorie des Urteils 610 fL
InhaltBortMle 722.
lokomparat 476 f.
Inkooftrnens >■ Disgraeas.
Inordinstion 6081
Insignitit 311 Anm. 14.
IneoliditU 286, 4;ilfi, 450.
IneUbel 700, 745 1
iDstansen 776 fL
logtJxmientaliBiniu 226.
Intecisle Ehnnenuigabildei 317.
InteUeotna eotivnB, eaeiiB, rMl»<ritf»
naw. 72, 73t„ 76, 82, 96. ...
IntelIrttaeUe Funktionen 344 Anm. L
Intelli^DtU 74.
lolenaio fonnunm 62.
intentio : 1, 76, 79 Anm. 4, 63, 8S,
8», 465.
Intention Cmtentional) 1761, 166,214,
244, 270, STSfi, 292, 355.
InteDtionelint 176 Anm. 5.
iDterene 376, 619 Aom. 4.
Interferiereade B^ntfe 566 Anm. lt.
]ntennediftrer< OeKOaittaiid 287. ,^t^^
Interpratatio nMoiae 96.
Intnnaekal 31&
IntroducieTeDde Urteile 373. '"
Intuitio intelleatnalis nsv. S8, lOi,
106,111,134, 136, 158, 184«., SIL
Intaittonstbeorie dar
335.
Intaitives Denken 402 Anm. 1.
iDtaitirisrnns 188.
lutuitns mentia 99.
lD*eDtio 62, 91, 462 Anm. 6.
InveotiTB 689.
luven 321, 346, 772.
Invertierte Scilla Bfignren TSff., 736,
757, 768 Anm. 2.
Inzidente PropositiMien föS Aam.*,
Irredoiibel 486, 686, 595.
AlphabetiHohea SMhi^OBter.
Iireaolnbilia (LMbnit) 48t> Amn. 3.
Imom 141, 220, 4Ma.
laoUt 476.
luUtion 265, SlSf^ 331, 327, 344.
iMlationsbegnfta 476.
boUtjonsvonteUaugeii SiS.
Iwlierbarkeit 320.
IlatatÜD 332.
JudidDin 92, 117, 367 Anm. 13, 382,
Kategoridfonktion 323, 344.
lürtegorian 86ff., 4ß, 47, 48, 62, 53,
59, SO, 66, 79, »1, 86, 94, 128 f.,
130, 132, 138, 15^ 194, 199, 201,
219, 297, 58Sf., 639, 754.
Xttegorisohe ürteUe 129, tBK, 753.
Kusddefinitiou &83.
Kaosaliat U6, 129, 184, 250ff., 381,
754, 815 Anm. 6.
KnmluTteüe 169, 633.
Keüer (nnUas) 638, 617.
Ketten IWt.
EettensohlnB 757 f. 1
Klartieit 100, 116, 288.
Kluteitsgefühl 399.
Klwse (Sohroeder) 543 Anm. 11.
EluufÜBtion 5Hff.
Eoexistenzarteile 159.
Kognat 327. 479.
Ediiaden 591 Anm, 2.
Eoiniidenz (Sigwart) 613.
Eoinudenipräuip 325 Anm. 4.
Koiuiidenitheorie d. Urteile 373, 613.
XoUaktioD 823, 334, 342.
SoUektivbe^a 474, 660.
KollektiTarteile tSMft
KoilaktivTontellangeD 822.
Eollisstionea 393, 604, 6»7, 70Stf.
Eombiiiation 347, 800.
KoinÜnatioiisbegriffe 478.
KombioationsToratBllDnfcen 300, 347.
Konmenaive Urtaite 389, 532, «75 If.
Eomparat 476.
Kompantjod 252. 828 ff., 344.
EDmporetionabegnff« 474, 499 ff., 579.
EonparatiODavoTstelluDgen 823 ft
EompensatioD von Fehleni 4 Aom.
RomptementSre Begriffe 549, 563, 574.
Komplex 322, 486, 512, 524.
Eomplexion 252, 830, 357. 479.
Eomplezion a. ßelaUoD 324 ^ E. n.
Byntbesa 340.
£oraplexionBb«^te 473tf., 48411,
EomptexionsToiBtcIlniigen 303 Ann. 3,
820«., 324, 331.
KompleidTe f^ktion b. Ditferenzia-
nuwBfnnktiooen.
EompleziT-koatnktiTft deorien 823
Anm. 2.
Eondivisionea 695.
EoDfonmtU 2%.
Eoncraeu 2Wff., 399, 422ff., 439.
Eomookt 511, MSft., 565.
KoDionktiTe Sohlnsse 721 f., 740.
EoDjDnbtive DrteUe 697, 704 ff.
EonkioBion 388, 70», 711.
Eonklntom 888, 710.
Eonkreptuu 2S4ff., 364. 420ff., 601,
894.
Eonknit 848 ff.
Eonnotetir 631 Anm. 11, 584ff.
Eonsektarien 804.
Konaeqnent 700.
Konaeqnenz 698 tt, 702, 710.
EonaertiTe Urteile 880, 532, 675 ff.
EonamiUat 760. 768 f.
Eonstellation 362. 404, 428.
EonstitatioD, reale o. logiaoha 495 L
KonotitntiTe Kategorien 589 Anm. 5.
KoDstitntive Heitanala 503, 687.
Eontradiktoriaofae Begriße 547, 570,
64»; k. Urteile 645, 682.
Eontiir 578 L, 647, 692, 810.
EoDtragredient 548, 673.
Eontrakt, Eontrafction SM ff., 359, 479.
EoDtraktionsbegriffe 474 f&, 501 ft.,
690, 651.
EoDtraktionsgrad 359.
EontraktionsvoTstallnDKen S26ff. '
Eontrapontioa ala SoblaB 718 f.
Eontimpoeitoriaoh 548, 551, 662, 573,
778.
Eontrarietfit 647.
Kontiaiüerend Ö4^ 648. 691.
EoDvamente Begriffe (Eonvenienz) 550,
668.
KoDveigenzmeilmalo 596.
EimvenioQ 7m.
Eomeptive Merkotile 496 f.
EonseptoaUsmoB 64 Anm. 2, 610.
Eonzesaivs&tis 702, 709.
Eonsinniamns 204.
Eoordmiert 333, 611, 547, 565. 594.
EopQU 391, <18ff., 621, 633, 627 f.,
641 ft, 674: Mehrdentigkeit der E.
426.
Eopulatärar SoUnfl 7211, 740.
EopolstiTes UrteU 697^ 704, 706.
EoroUariaD 804.
KoireUt 183, 270 Aom. 17, 312, 629.
O^^IC
Alpbabctimhes Stdna^stw.
TontriL 347; k. Begrifre
KraiigisriMdeit 390, 343.
EnozoBabfläiK» MS, 6
Anmr24,?40.
_ „ s «73, «75.
XiituioB dn Kohtigkeit 100, 1041,
110, 113, 119, 207, WJÜ-, USfl
EnAodÜBohtnl 753 *"tn 12.
Utmto Vitale 3S4, 386, 400.
latente ToTBtMDngan 356, 383, 400.
LmI« TFitflile 687.
Le£nitse 8».
LoitTOistdiDiigeii 367.
Lemma MM.
limitation 129,
LimititiT« urteile 63Stf.
limitiert 64a
LingiiHtiBohe Logik 23etf.
Looas 806.
Logiu dooau 9, 69, 60, llfl; L. nt«is
fl, 99, 80, 116.
Lopk, DeGBition 1 ft ; TsnniaoB 40,
48, 91; Einteiloiig 461; oUgaiMUie
12S.4Mf(.; ug«w>iidtel26,4Mfi;
aBthropolorieidie 149 : heuaaien
126, 464H.; bMogiscb« 1«2, 218;
erdutionistiBolie I«2, SUff.; emo-
tionale 208; ÜHmai« 10., 457f. ;
ile I f &, 467 L ; mathematisdie
; metaphytisohe 458; olqek-
uTe (gegcaatftndlioke) 143, 161, 193,
463 Anm. 9; poaitinBtiHiM 16Slt;
piagmatiBtisoIw 162, 224 ff. ; psfoho-
logiaohe 164; nins 126. 192,460 f.;
speneUe 136, 454t.; nibjektivo 143,
161,193; technische 451; tranaseo-
dentale 126, 143, 168, 19G, 463
Anm. 9.
Logische Gefbhle 397 ff.
LogiBtaa 99.
Logistik 173 Anm. 1, 229.
Logiidsmoa 15, 19, 138, 153, 169,
iraft., 188f&, 216, 219, «»ff.,
aUff., 2T0ff., 306a, 306 Asm. 6,
602.
LogOB 170.
Laie 366 Anm. 7, S8«.
Mannigfaltigkeitslehre 185, 228, 233.
Hateria 73, 70.
HatOTial 2, 118, 589.
Materie eines Denkproieaaee 3, 613
Mathematik iL Logik 16, 163, Itti
186, aWff., 310, ««ft, 442, 541tt
Mathematisobe Hotbode 4S, 67, 78, 1Q&,
798,825.
UatlMÜ (uiTataalia) 138.
Uaxim 106.
Median 561.
Membra dmdentia 594.
Memorialvene 669, 739.
Mengeoldkn 233, 288, 413 Ama. B,
414 ff., 542.
Merismos 59.
Merkmale 320, 364 Aiun. 2, 492, «5
Am». 23, 586f&,596; additive328;
bwiftlicbe 4951; cfaanktarisftdw
(diaoMiDonisohe) 588; difbmla
762; eeaentieUe 508, 5B7; komti-
tative 603, 587; objektiTO 495; ob-
iektmerte 495; rednxifafe G86;
weseuUiohe 503, 587; Meikmil >.
■Feil 320, 492.
Herkmalb^ff 495.
MeitaiialT0i8t»llaii£ 319 (anoh AflB.71, .
381.
Mutathesia 738.
Methodenlehre 161, 188, 818fL
MethodoB 100, 102, 709 Anm. 4, 801
Mittfdbore Bohlüsse 3WfL
Mittelbare ürtule 679.
Hittdbegiiff 721,
HittelbegriffaBohiaMie 7» ff., 746.
Modalia 689 t Jtetm.).
ModalitU deeürteila I29,ffi2ft:,8lT.
Modi = aoddeotia 118, 505 Anm. 6,
566, 689; M. der BeblnSfiK. 3S>1L
Hodifikatioii (Hasaeri) 391 Ama. S6.
Modna enet^oB 384; poneea VAt
749; M. ttdtene 746, 749, 80& &
oacb 753.
Hödicbkoit 129, 6Mtf.; .
Moment eines Begriffe 320.
MaltipUkatiom 411, 413, 609.
Mntoierende Urteile CMff., a61fL
Name 156 Anm. 4.
Negat 547, 646.
Negation 63, 129, 191 f.; T. B^iitEBi
USff., 566; distribottTe &46fL,
553; globak) 545ff., 553; paitid*
544ff., 648f.; totale &44fL
Negative ürteUe 6SSff.
N^atiT-diqnnkt 663, S73.
Negadvo-affiimatiT 639 Asm. 7, 6tf
Aom. 13.
i,Cooglc
AtphabetiMheB SadmgisteT.
NsatraliaUsmodifikatioD (Hosserl) 366
.Anm. 7.
NivMaEchlüsBe ?%771-
NireansyllogMmen 7211.
Koems 186, 323 Anm, 10, 615 Anm. 2.
Noeee 186, 61S Anm. 2.
NoetiBcbe Fonktionan 344.
Kominaldafinition 111, 586, 679.
Nominaler Akt 371 Anm. 23.
Komjnalismna 44, 60f., 84, U, 114,
218, 521, 610.
NominaleUEe der Aisber 377 Anm. 6.
Nomination 535.
Noo-a 296, 423, 430, &44ff., 717
Ajun. I.
Nonnaldenkpniiesae 685.
Normalempfindungen 277.
NranMlgeulde 16.
NoTmalgegenstknde «S7ä., 461, 61G.
Nonnahsienuig 4361t., iSOff.
Nonualechlnsse 710.
Noraialorträle 14, «17.
NormalToistelhmgen 14, 296, 301, 306,
308, 3tOf., 313, 380, 4S6ff., 449,
601.
VonnatiTobaTalter 8, 16, 200, 211.
Nonnen 15, 193, 200; 217, 451.
NonninteiMM 619 Anm. 4.
HonnTOnteUiuigen 451.
Notwendickat 129, «S4ff.
NnDgebiet 542 f.
Nnr 560 ff., 563, 666, 709, 796.
OberliegriH KBfL
Obersati; 725 ff.
Objekt IBl, 186, 285 ff., 306 Anm. 10,
469.
Objektiv (Heinong) 181, 215Amn. 11,
308 Anm. 10.
ObjektivatioD 492ff., 516, 524, 616.
Otqektive ]f erktnole 495.
Olqektinflrte Merkmale 496.
Otq^viemng 366 Anm. 6, 371 Anm.
ObkktiTieniDgsaU 268.
ObjektTonteUnngen S3&
ObiektBbeitragiuig s. Objektivation.
Obren 676.
Oder 410, 584 Anm. 9.
Offene Stellen 880.
Offenheit 890, 335, 360, 475, 50i, 516.
Ontotogie in der Logik 40, 191.
Ontdi^iBolter Beweis 62 ; ootologisohe
Ibeoiie des SoUnsaes 733.
oppoBit^ns) 55?, 57a
O^Kwitioa 557f., 64611.
or und oder 410.
Orbia593.
OrdnnngSWff.
Oitinnngslehre 221.
Ordnungszahl 578.
Paar 649, 576.
PampBf{^ianna 245.
PBTadiKDwtieche Schl&BBe 724.
PuaUeVsetza 2600- 275.
PanOlelkomponMiton 250 ff., 261.
Pindogismns 284 Anm. 15, 795.
Partialisiermde tTrteile föSff., 659.
Partikel 584.
Partiknllre ürteÜe 658 tC, 667, 688, 706.
Partition 51, 69&, 600.
Feipropinquäl 328.
Petitio ptiDcipü 734, 817.
Ph&Domenalismas 129, 247, 2&b, 26L
Phänomenologie 11, 123, 185, 241 S.
Fhantasiebegnffs 478.
PhantanerorstellDugen 177, 309, 347 f.
FhilosophJn prima 11 Anm.
Fturale Drtaile Blgwaita 667.
Ploiale urteile 654 fL, 666.
FloialiBation 662 Anm. 6.
floraliaierende Urteile 65511.
PlwiyDonm 51.
Polar 347, 681.
Folylemma 762.
Po^syllogiBmen 760.
Posa-Beispiel 271, 309.
Position 684.
Poativ-diqankt 663.
PomtiTo Urteile 638(1.
Poaitivismns 156, 162 ff., 217 ff.
Postpiidikamento 36 Anm. 14, 51, 63.
PoBtdate 118, 207, 294, 434, 685. 861.
Potestia 63.
Piaedioalülia 94.
Praedioamente 36 Anm. 14.
PraedicstioDes 62, 623.
Praedioativna 60^ 602.
Prtdikat 377, eiTff.
PrSdikatiooBtheone dee ürtuls «4.
Prldikatsb^riffe 618 fi^.
Pridikatsiuteae 636.
FrldikatsTorstallangen 377.
Prälate T^begrifCe 4Wff., 504, 51 3, 524.
Pl^missen m. 711 ff., 712 (term.).
Piipoeitionen 684, 701.
Praesnmtio 44.
Prinsierende Attribute 618.
_.ooglc
AiplulMtiMifcM SaohngiBler.
9 Logik, PragnutJamiiB
DOM 110, 127.
Primira EriuaenuigBbilder 4, 261, 27S.
nünpialer Vordaruti 302.
Priniipialgegtostaiid 267.
FlinoiiHiua 53, 66, 79; Pt. MqutieiiiG
7S7ff.; aiiaIoffiHn2ff.;iMilitadiiUB '
(ooDvenittitiae) 431; oontndiotionis
110, 331, 294, 443ff., «Hff^ 717;
diannentüe 603 ; extdiui teriü 603 ff.,
752; idflotitttis 110, 133, IM, 29S,
310, 4S2ff.i individtutionü 74, 76;
(^positionia 696; poötjonis 606;
ntioiuisiiffici6iitisU0,S81f.,«Mff.;
74.
Prisupüo, lodadis 48, 115. 294, 310,
«8S, 600, miL, 7S7a., 76Sf., 772.
PrioiiaU 602.
PriTttion 5S&, 644.
FriTatorisohe üiteüe 639, 642 An-
. merk. 13.
PntMitio 806.
Problem 171, 419 Anm. 2, 804.
ProUemstiMhe ürteae 129, «S2ff.,
689, 699.
Prodokt der MeogeoleHre 569.
Produkt (ProdnktioD) ab logischer
Tenniims 264 Anm. 6.
PnwieBBives BoblieSen 758.
Pndoqoinm etc. 605.
PnqdnqiuJe Älmliohkeit 827 ff., 339,
479, 516 Anm. 16, 576, 680 Anm. 2.
Propositio 466, 605, 749; Pr. major
DBd minor TSSff.
Froprietaa 71, 118.
PropoatioDaler Akt 371 Anm. 23.
Pioprietates intrinseoae veiitatis lOJ,
119, 264 Anm. 16, SSSff.
Fn^rietatea terminorum 68, 77.
Tioprinm 61, 71, 94.
ProeyllogümeD 758.
Protensüm 359 Anm. 12.
Prothesen SSSff., 6S3ff., 698, 700, 714,
716.
Prothetiacbe urteile SSSff-, 745.
Pioximalg^enetand 266, 321 Aimi. 14.
Psendo-i&isteDi 179.
Pseadologia pbantaetica 367, Anm. 8.
Ps^hologie und Logit 14.
I^Tohologische Gnudlegang 316fl.
PsyobologiBohe Uerkmale 364 Anm. 2.
{^cbologismng 16, 19, 44 Anm. 10,
98, 153, 154 ff.. 306 ff.
PsyobphysiBober Dnalifimos 243ff., 253 f.
?uadriTiQm 53 Anm. 7.
nalitas 697 Ann. I.
Qualität des Urtnls 129, SU, mS.
Qnantilifaäon das Piidikits 23Ö, ML
«TSff.
Qoantillt des UrteOs 129, tS7, «*£,
665 (term.).
Quantitas der Begriffe 530.
Qnatemio tarminonua 434, 796.
Qoidditaa 69, 74, 80, 82, 465, BIS.
Qainqoe vooea 39, 41, 49, 61, 53, 00,
63, 71, 94.
Qua est, qnod est 66, 74, 77.
Badikalben^ong s. BäokbasiehBig.
Biomliob-iutliäie Baatimmthat i.
Indiv. Eoeffiiienten.
Batio 74, 96, 104; r. rafficieDa U9.
Baüooinatio 117, 160, 711, 713.
748.
BaÜonea demonatrandi 797.
KealdeGnition 620, 622, U4S:
BaaUsmos 136, 266.
BaaUIät (Eatsmiie) 129.
Reatniteile 6^
Keoiprooatio 720.
Bedoktbeai^nng 262, 276 ff.
Bednkte 2WS., 261.
BeduktioD der SohloBmodi 741.
BedoktionsbeetsndtMle SUIff., »1^
269, 275 ff., 491, 631.
Bedosibel 686, 836.
BeOexion 160, 186, 344 Anm. 2.
BeflezionMiSdikata (Sohnppe) 219, 634.
B«Aexiv (Sohroeder) 641 Anm. 7.
Befl^ve Kategorien (^inddhiad)
589 Anm. 5.
Befatatio SM.
Begio 530.
BegressiTee SchUeBea 758.
Beihantnldang, logisohe 6TttL,7l2.
Beine Logik 125, 192, 466L
Bekontt*£ktoriach 54S, 6K, 570, 573.
Bekontrapodtoriaoh 649 ff., 562.
Bei^arbeicriae 581 ff.
Balatararteil 702 Aom. II.
Belatan-orstelluDgen 3S4, 347, 5311.
BeUtion 68 Anm. 5, 162, 3Q3ff, 63b,
701 ; des Urteils 129.
Relation«!, beatehende 303, 63t.
Belationen, logische 579 ff.
BelaHoDsb^iüfe 116, &7>ff.
Bd&tionspiiidtkate 633.
BelationsnitsUe 634, TOSt
BelatianEToiEtelluagoii 303. 834 S.
Alpbabetbohes Sxihtegister.
BdativatioB 334, 476.
BdatiTatÜMBTsIatioii 581.
fietative Defimtiotwu CSSS.
BelatiYiUt des Eotapreohens 27S.
BeUtirömos 23, 46 Anm. 6, 2230.
Remiaaio fonnaram 82.
fieprSsentatio 467.
BepiSsentalioDstheorie der Allgemein-
Torstellongen 337.
BepiisentationsvontellDiig 337.
BepreBsioii 2ffif., 317, 319, 34S, 475,
479, 508.
Repngnant B60f., E58, 563, 570, 572f.,
644 L, 662.
Be^wotns 66, 86, 304 Aum. 4.
Beenttwite S64 Anm. 6.
Kesttiotio 68 Anm. 5 ; reBtiiUoriscbe
Negatian 616 ff.; BestrittioiiSBddnß
759.
Betention 268, 344.
Berersibel 347.
SesQSsiT 490, 513, 524.
BflziprontSt 347, 5!:>d.
Rhetorik 23.
Bichtigieit Sff., 284 (tenn.), 41»rr.
formale 280, SSSff., 420fl, 773
fondale S84, 41» ff.; materiRle 2 ff.
280, aSSff., 420ff^ 448, 450; der
EmpfmdnDgeii 276ff.; der Urteile
279, a84f.; WertbegröDdaiig 447ff.
BitditigkeitsbewaBtsem 313fE., 378.
Badimenäre ürteUe 373, 67&
Bfiokbeiiäh[utg251,262, 2681, 373, 302.
Bondes Tiereck tisw. 180 Anm. 10,
. 271, 309.
Saltos in demonstrandoSlS.
Satz 374 Anm. 30, 376, 607, 609, «2Dff. ;
S. an sich 174, 306, 609; & and
I)efinitioii&S4K.;8.iindürteU616ff.;
S. des WideiBpniohs s. Piincipiiun
oontradiotioiiis.
SaUvoiBtellnDgen 404.
Schemata (Eants) 341.
Schhifl>) 4, 38, 30S, 381 ff. ^ToboL),
710ff., 715 (term.); Aiial<^e8ohlii£
396, 667, 724 Anm. 5, 735, 7Mff.;
bedingter 749; dedoktiver 396, 724;
d^o^tiTer n. divisiver 7311, 750ff. :
fortschreitende 7S1, 722 ff.; Gegen-
stand dos Schi 711; hypothetischer
730, 744fl, gemisohtbypoth. r44ff.,
759, rein hypoth.747ff.; indaktiver
397, 724, 765, 768ff.; Inhalt 711;
bttegorisober 744; kopalatiTer und
koitjonktiver 721 L, 740; kiyptisoher
737;mittelbarer3d4,7I&,717,720fl;
]Iittelb€«ri£Enohlüs8e724ff.;obUqner
744; patadigmattBoher 724; protlie-
tisober 714; tbetisoher 714; nnbe-
dingtar 749; nnmittdbaror 395, 699,
716, 716fl;zasaDimenfBSseDder 7211
BchloBketten 756 ff.
Soblnßsatz 392, 711 ff.
SohloBtheorieD 730 ff.
Schlatorteil 392, 604, 310 ff., 799.
SoblaSverknf^faiig 711.
Schnittig 671.
Sdiolien 803.
Soholfonn des Urteils 6191 ; des
St^nssw 723.
ScbweUe 428.
Scientia genenlis 112.
Seesaw 693.
Seiosgesetie 294.
SojiuktiT 294, 68&, 683.
Sekaat 671, 673 Anm. 28, 675.
BekoniUre Erinneningabilder 896 ff.
Selbständige Teile 319 Anm. 7.
SelbetaodigeTeiliiihalto 319 Anm. 7,363.
Belbetevidenz 291fl, 295.
Selbstgegebenheit 187, 202.
Selbeti^irnehmang 315.
Semantik (Zeiohenlehre) 402ff.
Setznngsloser propos. Akt 382.
Sicherheit 384.
Signa 84, 103, 1041, 106, 467,
Significatio 68, 87, 4fö.
SiognUr 294 ff., 478 (term.).
Singolftre Urteile 6ö4fl, 659.
Singalaiiderende Urteile 656 fl
Singolaritit 294ff., 310, 314, 43(rfl
Sina [der Worte usw.) 182, 194, 306,
403, 630.
Skala der Allgemeinvorst 333^ 359.
509, 515, 525, 561, 594.
Skeptischer Standpunkt 46.
SoUditat 284 fl, 287, 4aOff., 694.
Sollen (ßickert) 190 ff., 214.
SoIoeoiBnien 795.
Sophismen 795.
Sorites 757.
Sosein und Sein 180, 185.
>) Der Bequemlichkeit halber sind auch manche Sddä£3e hier aufgezählt,
die spedell zu den Syllogismen geboren.
n,5,t,7rjM,G00glc
Spauraos dar Tont^ SU; dar Ba-
-. ■ 61, 53, 75, M, 466; 8p. sen-
nUb« 75 ; Sp. iniaUigMis TB, 82,466.
Spciaktioiitbegrifle 478.
MmbtioMröraMlniwaii 310, 348, 441
■ -. 13.
490.
BiliHn530.
Bpnohe und Logik 15, 29. 43f.. 61,
77, 84 ff., 161, XWff., 309 Anm. 11,
322 Asm. 16, 371 Aom. 23, 371 f.,
376ff., 377 Anm. 6, 383 Anm. 4,
365, 387, 402tf., 425, 442, 634«.,
684, 586, 599, 617, «aOff., 631.
635 ff., 646 Anm. 17. 083, 702, 704
Anm. 2, 709, 715, 764.
Stammbegriffe 689 Anm. 5. 687, 701.
StammfimktioneD 344 ff., 369, 600 ff.
Statniareitde Urteile 799.
Status 66-
SteUo^ (eiim Begrifb) 67a
Struktur (der BMiifte) 357; (der ür-
teUe) 607, 706.
Stuck (Hiuaeri) 320.
Sabaltam 692, 719; ad sobalt 717.
Snbjeotam 53, 623.
Sabiekt 377, 617.
Sabjektabagiiff 617.
419 i
SolnektSTDiBtellaiiK 377,
Saln^laortHle 6^ Anm
8aUoiiti«r646 Anm.21,652, 692, 700.
BoUation «4«fL
Ssbordiniert 333, 511, 626, 565, 568,
573, 681, 694.
SabacriptiTa ratio 464.
Sahaiataiitia 63, 66, 129.
Snbatantia %, 53, 63, 69, 323; 8. pnma
und secmoda 61, 53.
Sabetantialfl 71.
' ' utiatioD 323, 330, 336, 496f.
, 606, 616, 624, 582, 61».
SnmnwBtbeoriB der AUgHBatanald.
726, 7
Sopariot« 161, 263.
Svperonliniert 333, 511, 526. 665, 5«.
673, 561, 694, 673 Aom. 27, 73ia
SnpeiminiereBde üttäle 63i Aub. &
67Sft, 675.
8apei8Dmtion 673 fL
Sapparea (propontioaea) 719.
SappleoMDt&i« Begiifle 649, 672, 573.
5741
Snppoaitio 68, 86, 666, 782.
Suppomtiv lU.
SyllektioD 821, 479.
Syllektionsberriffa 474.
^ogismiu 81, 97, ISO, 393 Caam.],
7127724«., 726 (term.); dednkliw
726ff.; disjonktiTer 7ML; bna-
t)ietisoheT744ff.; inTeraer 772;nB-
janktirar and kiqmlativer 7641; Ni-
TegDSyllogiamas 72Q £f . ; obliqtMT 741 ;
7E3;
763 A
1.12.
fttlietaiu 20, 4WfL
Symbole 16, 79, 111, 112, 4«fl, 4<2
669t, 716.
Symb-distiBobe Logik 1 12, 237 fC 5370,
625 ft, 653, 670fL
SymmetriBohe HetatitaiBbegiiffä bcv.
-Tontellnnsen 347, 582.
SyndeamotiBobe Balatioiiinilailfl 7%,
Bjnkategoreomata 584.
Syttonjmie 29, 534 Anm. I, 795. '
SyiHveis 321 Aom. II.
%ntluee (SynäieaiB) lOO, 155, 170,
189, 262, 346, 367, 479, 737.
Synthetiacbe Punktioii 344 fL
SynthetiBcbe Uetkode 134, 141, 758«
781, 822.
BjnthetiacheüitMle 128, 38*fL, 8771t,
Sdüüaeaa 733, 742.
SabstHntiiKutheorie der SohUtBae TSSfL
Sabetntnrtmle (Haier) 378.
SabetratTOTSteUnngeii (lUiar) 376 An-
meikang 3.
Sobeamierende Urteile 67$ff,, 673
Anm. 26, 676.
Sabsnmtiön a73ff., 744.
Tabnlae Baoons 77&ff.
Tatbestaiid 3, 26Sfr., 282, 303,3061^,
799.
Ikntologie 592.
IkntODymie 29.
Taxinomie 600.
Technik, logiadie 8, 207, SMtt.
AljdiibetiMliM Baohngistei.
848
Te3e 319 Anm. 7, 320, 330, 336. 6Ki,
705 Anm. 3.
Tnlbegiitfe 482«., 542.
TsUbaDehnDK 460.
TeilsweDstand 491.
Tedffiilult 310 Anm. 7, 481.
Tolvtaile 711.
TeüwntoUiuig SlSf., 319 Anm. 7, 335,
356,481.
Tsrnii and tertiär 706.
TenniDi (Tenne) 85f., 465, 4«6f.,
TUff.; major, medins, minor 72&R.
Theorem 800, 806.
Theorie 820, 821 ff.
Theaaopbische Logik 139.
Iheee «88 ff., «W, (737); 797.
«tetisober Chuakter 3^tf., 382 ff.
TbetiBohe Urteile 882 ff.
Topih 39f., 92, 07, 452 Anm. 6.
TetalempfindaDg and TotalednneruogB-
Uld 317.
Totilisierende tlrtöle 665 ff.
Tiiger von Kgensobaften 323, 330,
336, 496, 605.
Traoaxendent 81, 87, 127, 191, 726.
TiUuaeDdeDtal 126, 141, 143, 148,
168.
Iransgreeeion der Allgemeinbegitffe
475, Klit, 770t., 7^, 793.
Trantpositio 738.
rbmatiT (Sohroeder) 541 Anm. 7, 727.
TramnngnohtaB 753.
Trüdiotomie 598.
ümtaagigleiaUudt 541, U»f.
ümfeagtAbeorie de« Urteils ÜOff.
UmtugBortdle 722.
UmkätrbKAut 682.
OD — i1b Vorsilbe 551, 639 Anm. 7.
Undeflnieilwre Begriffe 25, 111, 484,
Tririom 53 Anm. 7.
Tropen, ekept 46.
K^!Bchl&sse 2S, 196.
Tyföa 596 Anm. 15
fiberindiTidaelle Bedentnng 194, 215^
245, 449, 462.
Ohertrmgnng anf den Oegenstanl 320,
335, 8. KQoh Objektivation.
Übeneoftbett 383.
Ultima 827.
Dltimale iBOlationsTorsteUnng 367, 477,
479, 485, 600 Anm. 5.
Umbildbaikeit SM, 335, 343, 475.
ÜmbUdangsEohlüsBe 714.
Umfiü^lioh 643.
Umfang der VorstellaDgen 869 ft; der
Begriffe 63« fL 630 ff. (tarmj, 581;
empiriaoher U. 359 Anm. 14; Umtang
nnd Belenmg K9 f., 527, 561 ; Urn-
ing nndlnhalt 6281, 6&8ff.
_ I Urteile 129, «88ff.
Un^ewiSheit 682.
Unitae formae 77.
UniTMsale 53.
UniversaUenstnit «Off., «»ff., 73L,
82, 84, 166.
Univenalnrteile «WfL, ««4.
Univereell 478.
UniTocom 61.
UnklarheitsgefObl 399.
Unmittelbare Sohtüaee 699, 71« ff.
Unmittelbare Urteile 679, 820.
Unsioherfafflt 398.
Unterbegriff 786 ff.
Untersatz 72&ff.
UnteischeidnngBnrtüIa 643 Anm. 15.
UnTertrtgUolie B^He 550.
Urbegriffe 130.
Umrang (Natorp) 171.
Urteü 4, 164, 168, 189, 279, MSfL,
aOOtL; affirmatiye 6380.; anetiiohe
046; amdysiraende 680 Anm. 9;
asBertmiMhe 129, «88. 690; Ba-
gleitenclMiniiDgeD 378f[.:I>efinitioD
aSSff., «03; diejunktive 392 Anm. 2,
061, 697, 704, 707 fr.; diviaiveeOr,
704, 706«., 707; dnfaohe 697; «in-
gßedrigel 627«.; OntüInoK 626CE.,
669; ezUaaive709; exzepttva 709;
hypoOtetisoho 392 Anm. 2, 604
Anm. 4, 624, 697, «98ff., 710; in-
dividnelle 654 ff.; induktive 705;
kategoriaohe 624 Anm. 5, 697; kon-
jnnrave 892, 687; konstmiereiide
680 Anm. 0; kontndiktoriacfae 645;
konttbe «47; koatraiiiemds 645;
kopnlative892,e97, 704, 706; latente
394, 396, 400; n^ative 638ff.; poei-
tive 638ff.; remotive 705; Urteils-
theorien 364 ft, eoOff.; znsammen-
fsssenda 888, 604, 710; anaammeQ'
geaetite 6e7ff., 7030., 710.
UneilaaaaoEiatioi) 868 fL
Urteilsbegiffe 616.
Urteilsfonktion 376, 616. •
Urtffliegefnge 392 Anm. 2, 701.
Uiteil^eMJe 398 ff.
AIpliabatiMlMB 8*a)inp«t«i.
ürteUuenoBtuK
id 375 fL, 379, 419
ÜriMUnbeKiiff 3
üitMUDhalt 375 tf^ 61« ff^ 802.
ürtMJikraft 6071, 7131
ürtelbpiiBsipien 69SfL,
ürteUBS^mbole «»ft., 716.
Vondilal 707 fL
TorateUangen im wdteaten Sun 352,
281; latente 35«, 383, 400; T.t«
ToTst(4liuigeii 263. 306, 332, 400
Aom. 4, 6lö; V. an sich 175, 176.
ÜTtMbtnMiie der AUcemeiaroTBML
341.
ÜiteUBTertnaptaiig »&, «14, 618, 643.
DtnqniUDiu 104.
'^"
Vertelnrtnle
TerbaMefinitioiieii 636.
Verbalaitie im Anb. 377 Aom. 6.
TergtfliohDiig 323.
Teigtei<JiiiDg8begriffe s. Eompantions-
WKiiUe.
Ter^idiDngafaiiktioQ 216, 252, 344 ff.,
374,388,426.
Tenl^dinDgsvoratellaiigaa 323.
Tenfikaüaa 182, 812.
Veritte de fatt, de raiMo osw. llO, 444.
Vernannng 129, 367, 880, «S8 ff-, 693.
Vernnaft 134, 136L, 140, 142f.
VemanftschlnB 713ff.. 737, 766.
VeTsohiadeuliNt 102, S38,&&8ff., 643,
764.
Tenchiedenhutsvontellaiig 303, 305.
VeracdunelxniiK bei KomplexioB 322;
bei BalatiMiBbegriffeD 581.
TenobmeLzuugstheorie der Allgemein-
TonteUangeD 340 f.
Tentand 134, 137; TeratandeescUofl
713.
Veraaohsarteile (Hesser) 391 Anm. 27
Vertragliche Begriffe 560, 568.
Ter weohalang der yoiatelliuisen 424 ff.,
449 766.
Terwe'rfen 366, 368, 391, 643 Anm. 16,
Tielheit (ab Kategorie) 120.
TieUeioht 431, 687.
Viereokiger Ereia 624, 631 Anm. 14.
Vincnlnm 619.
Tis demooBtratiomB 800.
ToliÜTee Denken 3fö.
Tolitire Evideni 401 Anm. 7.
Vollkommenheit der Begriffe 447, 472 f.
Vollständigkeit der Begriffe 472 f.
VolUtändigkeitekriteriom 269.
Voranssetzung 799.
Vorderaats 393, 688 ff., 311 ff.
VordemrteU 392, 311 ff.
V. 178ff., 281. 301, 300, tSbL
Dauer der V. 356; Goffthlstoa te
V.356 ; Snerpe 356 ; Lokaiiaation^e.
Toistellniigsgigiioiiimie 11, SU, 631.
Voistellangsartail 386.
Vox 65, 80, 83 f., 466.
Wahrtteit 101, HO, 118, 12& 132, 28f
(term.); W. ao sich 15, 174f., 30(1.
Wakmehmong 317 Aun. 1.
Wahniflhmnngsarteile 386 Anm. 14, CIT.
Wahrscheinlichkeit 184 tt., 688 fl.;
snbjektiTe 384, 688.
WshisobeiDliohkeiteiirteUe 384, 682.
Vanerstoffatombeisplel 333, 358, 587,
761, 770.
Weob8elb««iiffe »»ff.
Weohaelwirkung 129, 754.
WegtasBsn 265, 317.
Veite 530 Arno. 8.
Wenigstens 648, GS5, 718 Anm. Z
Werdnisee II Anm. I.
Werte 101.
WerttbMr«t Lo^zismaE 188 fL
Wartartole 631.
Wertwisaeoechaft 9.
Wesen 184f[., 306-
Weeeosbegritf 35 Anm. 10.
WesenssMMtiiDg 138.
Wesentliche Heifcmala 490 fL, 524-
586 ff., 695 fL
Widerlegung 804.
Widerapreohend 55T. 652.
Widerspruch, innerer 5.
Widerq>raah8Sefähl 398 f.
Widerapraobaloeigkeit 28» ff., US ff-
Widentieitend 568, 573, 65i'.
Wiedererkennnngsniteile 388.
WilMrliohea Denken 400ff.
WirkUohkeit 684 f.
WirklichkeitsbewoHtseia 379.
Wissen 140, 214.
Wissensobaft 10, 820 fL
WiBsensohaftaläu« 9, 133, 146, 211.
818 ff.
Wartexistenz 631.
Worttheorie der Allgemeinrorat. 337.
WortTorsteUangen 337, 343,492,631.
Wonach 364 Anm. 5, 366 Anm. 7, 3%.
OgIC
GrieohiEohe Tmmni.
ZaUeBreilie 677 Anm. 2.
Zentnltbeorie der AllgamniiTOTstel-
Inngen 337.
ZentnlTOTstelliiiig^ der Allgemein-
Zentnummpnndiuig 377, fllS.
Zentromgegenatuid 377, 419 Anm. 2.
Zentrum 7orstdtiui|; des Urteils 376,
419 Anin. 2, 616.
Zfli:diedeniiig8ToreteIIaDgea 303 Anm .3 .
ZeiT^aDK 252, 319, 344. S9Ö.
Zeiiegangsgegausttiide 491.
Ziel 400, 4Ift Anm. 2, 797.
ffletdenten 400 ff.
SelTorateUnng 400, 798.
Zirkel 592f.
Ziikelbewde 593, 817.
ZottlligkeH 129.
Zogabe 604 Anm. 6.
Zuordnung 274 f., 777.
Zusammenfassende urteile S98) 604,
710.
ZDGammenfusnngBVorstelliiQgeD 303
710.
ZiiBammengesetxte Voistall. KU, 47a
ZoBUnmenBetinng 252, 346, 368, 4S0.
Znssti 804 A/un. 6.
Zweifel 396, 082».
Zweifelhafte üitcnle 384, 662.
Zwisohengattangen 506 Anm. 3, 511,
Ö27, 693, 597.
Zwiadieiucegenstaiid "= intermediftier
Gegenstand 267.
Griechische Termini
äOufmtt 552 Anm, 16, 639 Anm. 6,
665.
mlt^^tm SDl Anm. 5.
«MfBlfW« 46.
im*3u»M4i 703, 709.
iwfm 72«.
£/iinc 37, 48.
vjuptfitHtm 795.
^myamlat 669.
ärafmyij 39.
aMsloair 737.
äfaUyta 766.
4rä3mmt ,39, 815.
iirmiMtuir 59.
irtatUuMtue 7W.
JirttlutlfK« 599.
dpti»tvw 651.
irtma«»tu 557, 645 Anm. 18, 651 ff.,
695.
dpii»Tftatw 53, 719 f.
mnl^mtis 53, 443, 557, 649, 651 f., 695.
«{teiMt 293 Anm. 1, 413, 605, 695.
äifnH 552, 557, 038, 665.
^myrnri 726, ÖlU
«faKpte 4S9 Anm. 12.
Atlm 697.
inU^K 38, 48, 69, 464, 605.
■ - f 696.
oMi^nrait 364, 367 Anm. 9 Bad 12.
605; nftini i. 627 Anm. 4.
Aii<piw 53, 557, 599, 605, 638.
infotiti^tnot 665.
«oniatit 038 Anm. 3.
^erf 26, 33, 36, 48, 53, 443, 696, 815,
Hl6; «. drvni^tnt 293 Anm. 1;
iffid lÄai i^3 Anm. I.
•'mIÄ 736.
ä^o^ic 316 Anm. 4, 349, 353.
riTMtfr«« yin, 45, 49, 589.
yi^w 33, 35 Anm„ 39, 41, 49, 62
Anm. II, 530, 678.
1.4,509.
, 810.
fuUtvttt 709, 753.
Aalpfe«27t.,53, 59, 3
imMatrtf 27.
imiattni 21, 24, 27, 39, 43, 48, SC».
fUUt^Ut Urw 692.
itälX^lH tgiow 693, 818.
aUnta 26, 37, 318 Anm. 4, 463, 605,
M 27, 33, 39, 41, 49 f., 63, 618,
oau; -lUiMtif 33 Anm. 8, 518.
Anm. 14, 516.
ii^if^fiww 663, 697, 709.
A* Um> 749.
lA.OOgIc
tüvtfmnt 763 Adiii. 12.
Am«m*m 53.
«C« 24, 26, 38, 42, 803.
■■ 1 32H. .
JyrafdvJVifrifr 795.
iUk 26£r32ff^ 38, 46, 4S, 53, 62
b*tnr 789 Amn. 3.
«Urzof 795, 8M, 817.
IvMTfcf 63, 557, 578, 647, 652.
IravitoMf, irartMTiff 557 f., 578, 645.
tr^tj^tt trmtrtm 42, ÜS8 Anin. 2.
iv4/;M»«i 53, 689, 720.
tfifvua 32, 63.
h^lioif^ 756.
6wM 665.
li-vwM 22. 44, 464.
Imm«w 775.
<mi^r(M> 32.
i»vmmfxtf 530.
I««r«r«, iMKTUMi Uyn 24, 38, 781 f.
intßmümr 759.
iwMs 304 Anm. 4.
/nmq^q 34, 26. 38, 803.
te^*^ 711, 726, 748, 753.
iatriliii,/ui 756.
iaaiiMrar 698.
huxn 46.
ifowaut 7W.
fafförfr 53, 657.
4*2i| 364 Anm. 5.
hifi^a, 424 Anm. 4.
htfof^tn^K 817.
ttnjw 46.
Siüqiifta 759.
»foßigrucöf 820.
J»(w(ia 53, 821.
Uia 26, 463.
W«..' 34, 3», 41, 49 t.. 518, 587 Anm. 2.
taaivrttfiotaa* npoiiiittti -^59 Anm. 4.
taov 6b7.
««»' airi 33, 38, 47, 587 Anm. 2.
xo»' fjiairr*»' 26, 32.
xa»' Siov 24, 26, 32, 38, 53, 349
Anm. 2, 665, 740, 783.
rrä mAtk, >. Ksrne 7it3 Anm. 1&
tmm^Mtt 53, 605, ^.
«■m^ffai 29. 35 f., 51, 618, 560 Abb.4.
^lta^y^atis 638, 687.
mmntytfn/u:^ 33 Anm. 8, 623.
Mtlftum 711.
niomtüntt 795.
KM» 27L. 32, 36, 518.
Mfu^gfr 42 AjUD. 2.
aMt 593, 81&
tonV 43 f., 464.
iitu 606, 795.
Iq^er 696.
iififim 726, 749, 763.
loyuit 39, 40 Anm. 28, tö, 44 Anm. 10.
48, 6%, 815, 821.
l»yMuit 26.
U>wf 22, 29, 32, 39, 43, 59, 374
Anm. 30, 463, 465 Anm. 15, 5IB.
592, 605, 711, 749.
/MlEir 488.
fiiftauit 69, 600.
/tiatt 49 ; rö /lifr 726, 733 Anm. 17.
ft*w«ßmait ti{ äUo ytvK 8171
finafiai^ iUyx^ 817.
fiftä^uw 639 Ajuu. 5.
/inäXifllHc 749.
funifiiMv/ia 463.
fft^ai^tt/nmf 753, 756 Anm. 1.
/40P7Q 26, 32.
räf^s 43, 44 Anm. 10, 463, 613.
vi^iit 22, 26, 463.
•wirer 37, 47, 364 Aam. 5.
yvf aaS^rutör, nat^nsöf, «läse oaw.
37, 49, 72, 74.
tr*^a 29, 4fö Anm. 14, 923, 638.
S^yatrof 29, 55.
iiiitfiis, i^i^fSiu 24, 37, 39, 41, 4fi3,
4ii4, 518, 522.
ioor 27, 37, 39, 41, 463, 466, 518,
665, 711, 726.
o^ia 27 33H., 50, 59, 62, 464,518.
522, 623 Anm. 11 ; n^m Q. imtif*
85 Anm. 10, 62 Anm. II.
ji<i»i) 36. 46.
nagapol^ 24.
Jtafaiu(tvyftir»r 709.
naqäfiiyfia 766, 795.
nafaavMnnxif, nttqitnwiififiir«t 70J.
n^rf« tpairai 49, 51.
OgIC
Grieduscdio Tennini.
ngtßi^fii
606.
neißX^fia 804 AnnL 7.
Kg^X^v 42, 44.
3if»aÄ»fl^e9iu 53.
«^'»«(tfif 63, 31B Aiuii.4, 516 iiim.lS.
nc«*at^ji«fiifttn« 584 Aom. 8, 023
^Qi«hii^ 72& 749, 753.
nftmtHifiantKi 584 Amn. 8.
npMvUavM/iär 760.
i^M ri 36, 45, 46, 580 Anm. 4, 652,
noitaais 37, 43 Anm. 7, 605 Anm. 6.
606 Anm. 7, 698, 711.
iioin^v nqit ij/tttf und rf ^<mu 36,
50 Anm. 13, 298.
ttfoturifify« 711.
n^'ri| fileaa^ia 11 Anm.
s^ior ^Mirfbr 818.
i^/im 29, 465 Anm. 14, 623, 638.
«q^abw*- 43.
«qiMta 42, 756, 783.
M]bM{£r»T*f UjIM 795.
»iaHifia 48, 795.
or^qov 557 Anm. 21, 558, 644, 652.
moniuis 638, 639 Anm. 6, 720.
atotxäv 485 Anm. 4.
MytuaeStaie 44. .165 Anm. 6.
mtyxat^yoQiv/itna 584.
«v^xni)}'»^«^* 627 Anm. 4.
«vUajSol 466 Anm. 6.
awXXoytO/4ir 38,703,711 f., 805; a.iia
ifiür 749.
mfißtfn'^ta 33 ff., 39, 41, 49 f., 53,
518, 587 Anm. 2.
«vfititnXtyfiyoy 565 Anm. 15, 607,709.
9¥fatiQaafia 711, 740.
«vfniUx^ 68, 465 Anm. 15, 605.
cmumytY^ 27.
atfotttutit 703.
«•r^fM 2», 605.
aivfufui 703 Anm. 13.
m^/tfiiiw 697, 703.
««'f^iatf 367 Anm. 10, 374 Aom. SO,
605, 613 Anm. 34, 815.
«vy9uuüe 759.
«vnrasw 821.
aimiftm 821.
»2'9/M T36f-
««etfrvr 759.
tffff*T« 711.
riUits 736.
*<W 35, 815.
jl int 341, 69, 464, 516, 690.
tl ^y th^t 35 f^ 464, 518.
jÜt » 34.
jinei 39, 46, 8CB.
Tomtais 680, 749, 753.
i^önw 46, 689, 738.
iU 32ff., 44, 62 Anm. 11.
fti>(i^H>' 38, 304 Anm. 4, 443, 740.
inaygtupi 464, 618.
vaoiial^aitt 699.
^•'»Htf 28. 68, 666, 698 Anm. 3.
748, 782, 810.
vJfd^atxit 703, 763.
inamafttvor 33 Anm. 8, 45, 50, 53, 623.
. iirtih^s 42.
vvit^or ngärtf»!' 618.
^arritata, ^ävtaaftm 44, 463.
fävK 695.
^a»^' 465 Anm. 14.
j[Ufia/t6[ 318 Anm. 4.
ffiniifivw 705.
•iqta/iirK 637 Anm. 1. .
n,g,t,7l.dM,GOOglC
Verzeichnis der wichtigsten Buchstaben-
abkürzungen und Symbole
A, B, C.
griffe 318 Anm. 6.
B )], AU KompantioiubeKriff bi«.
-TontellQO« 323, 499, &39.
«*, b*, o* . . . ■Ugemüfie TailbflRiiffe
487.
a! biw. K*l ptftlAtar teilb^rUf 490.
a' abweichend von a 423.
abc, ABC EonqtlezioiiibagriH brv.
KomplexioDiTontellQiig 3181, 486,
539.
•vontellniig
B EmpfindnDg(s^gDonieii 252, 269.
V„ F„ F, . . . mdividaeUe losammen-
geäeUta FlQzioiiabegnffe bcw. -vor-
etdlongen 326, 501, 539.
f,, f,, ^ . . . desgL eiofache I>39.
F. JT, K, Kontraktioiisbegriff bnr. -vor-
steUoDg 326, 501, 539.
# OeffQDstaud önee KonbaktionB-
b«gnf& (biw. -vonitellaDg) 540.
E EomptexioDsbegriff bzw. -TOistel-
hmg 321, 485, 539.
n nhürrinatimmandn , O ShnHohe, q
volH| verechiedena Merinule dar
eiiedvoratellongen (faDdierenden
VontellungeD) eioee Eontrakttons-
Qder Allgemöubegrifb 501 ff., 513ff.
tt, a, K nigehQrige otridtiTe Mertmale
505.
91 Wort für einen Begriff 536.
0 Objekt, Qegenataod 320.
(0) QegenstandsvmsteUmig 320.
(0.) (O^) . . . deagL
0., 0^ . . . Oegenstinde 318 AiUB.1
P PrUikai.
P„P, . . . TulpTiiSkate.
B BedoktiaBabestandtml.
S Sabjekt
ü Kompantionsbegriff bcw. -matd'
Inug 323, 499, Ö39.
V,,Vb, T, . . . 318 Ann». 6.
T.VTiVn
. 31S Anm. 6.
Vj KoIloktiTVOMtdlong 322.
T^ EompIezicmsTaistdlong 321.
fT^b^e KomplaziaiBTontellDDgSn.
V^ EompanÜtawTDistellang 323.
w enofadier Allgemeinb^iiff htw.
•voistellong 332.
W deegL znsamniengeMtxtei 332.
w° anfaeherenbonUnierterlndiridoil-
begrift 359, 510, 539.
W° deed. loBammongesetstsr 359, 510,
539.
w^,w° . . . aofBteigende Skala flia-
faoher AUgemebMcritfe biw. -m-
steUangen 359, 510, 539L
T^,W° desgl. snsamiMnge-
setztor 359, 510, 539 t.
w^, wS . . . tfooTdioierto eiufadie la-
diridDilbegrifh 611, 540.
R,, R, . . . koordinierte einfädle Art-
Iwgnffe 540.
w^, w^ . . . koordinierta onEad»
Battongsbegriffe, die dem Allge-
meuibegriff w*°BobaTdtDiQrtliI>dMCl■
Z• BlankoTOntaUang 401.
a* AnsfiÜlDiiipvoiateniiDg 401.
hX'.oot^lc
Vorzeiobois der wichtigsten Symbole. — FeraoDeiiregister.
^= gleiob.
J. partiell gleicli 558 Anm. 2
=1: total gleich 558 Anm. 2.
S^nngleioh 556, 653.
=^ identiscli 659,
^ß nicht identisch 556, 559.
A (iwisohen 2 Buohstsben) paitieU
TeiBobiedea vod 558 Anm. 2.
/\ (ttber 2 Baohstaben) Komparations-
TOisteUnng 323, 499, 539.
I allgemeines Zaicben für Negation
^ moht snbordiniert 540.
•J) nicht superordiniert 540.
I Zeichen för Isolation 318 und tBx
die BeEiehong der Teitbegritfe
(-Torat.) zum EompleKionsbegriff
(-voret) 642. ^
S „gehört KurBelegang von" 3561,
525, 540.
"■-'>'- (lber&aohstaben)Eomplezions-
begriff biw. -votstellung 320.
— — ^ (swtBekenBiiohstaben)TJrtüls-
verknüptang 363.
(fiber Buchstaben) Eontrak-
tionsbegriff bzv. -Torstel-
Inng 326, 501, 539.
■,*->-— (über Buchstaben) Allgemein-
begriff bzw. -voiatsllung 331.
Personenregister
(Haoptstellen und fettgedradt)
Abaetsid 65 Anm. 1, 57, 61 Anm. 8, 6S,
64, 64 Anm. 5, 65, 519, 559 Anm. 4,
606, 689, 692, 712 Anm. 3.
Abicht 130.
Adam de Peüt-Fout 67.
Adamson 18.
Adelard tod Bath 65.
Aegidins Romanas 8S, 454, 455 Anm. 12,
466 Anm. 21.
Aenesidemas 46.
AStins 22 Anm. 9.
Agricola 90^ 91.
Agrippa TOn Nettesheim 87 Anm. 28.
A£ner 55 Anm. 7.
Aicher 30.
AisapSda 20,
Alanus de Insolis 67.
Albert TOD Sachsen 86, 86 Anm. 19, 208,
Albertus Magnus 57, 69 Anin. 10, 71
Anm. 16, 72, 781, 77, 274 Anm. 1,
284 Anm. 16, 454, 465 Anm. 15,
689, 727.
Aldrich 157 Anm. I.
Zisben, Lehrbneb dn Logik.
Alexander von AphrodisiaB 30, 41
Anm. 1 D. 2, 48, 48 Anm. 6, 49, 74,
605 Anm. 6, 695, 7U, 737, 748,
759, 76B, 815,
Alesander von Ealea 57, 72, 73.
Alfäräbi 9, 57, 68, 805.
Alkendi 69.
Alknin 54, 55,
Altenbnrft 25 Anm. 24.
AlgateU 72, 73.
AlBevo 147.
AUihn 150.
Aisted 93.
Amescder 182, 264 Anm. 6.
Ammonius 43 Anm. 9., 60. 50 Anm. 17,
51, 6S9, 689.
Andreas, Antonius 82, 695.
Andres 30,
Andiwcas von Bhodus 47.
Aner 122 Anm. 11.
Anschüti 213 Anm. 10, 215.
Anitelmas von Canterbory 57, 53, 60,
61 Anm. 8, 62, "~ "
54
O^^IC
850
Petnonenregister.
ADtiocliiu TOn AscatoD 46 Anm. 2. v. Buder 1
Antipater Tfl6 Anm. 1. Bacbmann 18.
AatiätheDCs 2&, 484 Anm. 2.
Apelt, E. F. 14», 165, 754. 78G, 7S7.
Apett, Otto 30, 36 Anm. 13.
AppDlejos voD Madann 48, 559 Anm. 4,
605, 638 Aam. 4, 652, 692, 719,
720, 739.
Arcesilaos 46.
Archimedes 307.
Atdens, Radulfus 60 Aom. 5.
Ardigö 164.
(1' Arsens 11.5.
AhstippDfi 25.
Aristoteles 11 Anm. 2, 22 Amo. 11, r
9 Anm. C.
Anm. 14, 24 Aom. 18. 25 Anm. 21,
26 Anm. 26, 2»ff„ 44, 47, 49, 50,
52, 54 Anm. 4, 55, 56. 57 Arno. 4,
59, 62 Anm. 11, 64, 67, 69, 72, 73,
74, 76, 78, 79, 80, 90, 91. 93, 102,
111 Anm. 5, 127 Anm. 7. 128, 156,
133 Anm. 14, 202, 203, 222, 279,
280 Arno. II, 284 Anm. 15, 293
Anm. 1, 297, 298, 298 Anm. 2, 318
Anm. 4, 335 Anm. 7. 349 Anm. 2,
364, 364 Anm. 5, 367 Anm. 10, 443,
453, 468, 463 Anm. 5, 464, 465
Anm. 15, 4S4 Anm. 2, 488 Anm. 8,
516 Anm. 18, 318, 518 Anm. 24,
519, 552, 552 Anm. 14 n. 16, 553
Anm. 16, 557, 557 Anm. 21, 578,
580 Anm. 4, 587 Anm. 2, 588, 593,
596 Anm. fl7, 600, 613 Anm. 34,
623, 623 Anm. 3. 627 Anm. 4, 638,
643, 644. 645 Anm. 18, 651, 651
Anm. 25, 652, 652 Anm. 27, 665.
069 Anm. 18, 089, 695, 697, 698
Anm. 3. 709, 711, 715, 719, 726,
733, 733 Anm. 18, 736, 738, 740,
748, 756, 759, 766, 782, 783, 789
Anm. 3. 795, 801 Aom. 5, 803, 804
Anm. 7, 805, 810, 811, 815, 818,
820. 821.
Annand von Beauvoir 466.
Arnanld 9 Anm. 2, 101.
Arnim, J. ab 42 Anm. 5, 518.
Asklepius 48 Anm. 6.
Aspasius 48.
T. Aster 216, 220.
Atomisten 21.
Angostin 54, 56.
AveoariiiB 216, 217 f., 218, 399 An-
Averrois 57, 12, 73, 74, 449, 623.
ATJcebron 72.
Ävioenna 57, 70 f., 73, 79, 465, 465
Anm. 16, 701 Anm. 10.
Bacon, Itoger 5
Baco von Veralam 19. KfL, 15G, 734,
760, 780 Anm. 20, 783. 786, 821.
Baeomker .58, 72 Aom. 19.
Bahnsch 42 Anm. 4, 7S3.
Baillie 200.
Bain 156, Ml.
Baldirin 226.
BaUaotvne 20 Anm. 5.
BardilJ 141, 230 Anm. 12.
Barth, Paol 42 Anm. 5, 45 Anm. 11.
BarthelemySt-Eilaire 18,3 1,228 Ana. 1.
BaiÜialinns 94 Anm. 23.
Banch 30, 188.
Baameiaterl20Anm.4,121, 121 Aom. 6.
Baomgärtner 80 Anm. 1.
Banmgarten 98, 121, 121 Anm. 8. 356
Anm. 5, 367 Anm. 13. 394 iam.9.
444, 467, 593, 600, 607, 6S9, C39.
652, 690, 695 Anm. 4, 697 Anm. I.
707 Anm. 5, 709, 720, 726, 749, 753.
753 Anm. 12. 755. 756, 759, 766. 784.
801, 803, 804 Anm. 6, 806. 810.
Banmstark 51 Anm. 19.
Bayle 102, 223.
Bajmes 230 Anm. 14, 231.
Beattie 115.
Beck 124 Aom. 17.
Becker, J. J. 407 Anm. 1.
Becker. K. F. 237, 405 Anm. C, 406.
Beneke lüüf., 164, 203, 436 Anm. 10;
523, 733 Anm. 16.
Bentham 230 Anm. 14. 610 Anm. 1%
796.
Benzoni 787.
Beiger 147, 230.
Bei^tts, C. 94 Anm. 23.
Bergmann, Hugo 174 Anm. 2, 1T7
Anm. 6, 310 Anm. 13.
Bei^^ann, Joüns IW, 365 Anm.G.
446, 634, 636, 643 Anm. 15, 6%
Berkeley lUf., 246, 339. 340. aW.
463 Anm. 35, 766.
Benihardi 236.
Betnoolli 794.
BeoHmaias 92,
Biedennann, G. 125 Anm. 2, 14'i.
Biedermann, A. E. 145 Anro. 5.
Biel 274 Anm. I.
Biese, Frani 30.
Biese, Bemhold 30, 145.
Bilfinger 120.
Biaet 339.
Black Baillie 200.
i,l^.OOglc
Blakej 16.
Blano 58.
Bleohy 787.
Bobrik 150.
Boettuns 40 Anm. 28, 51, 52, 52
Anin. 3, 53, 56, 57 katn. 4, 60, 62,
62 Anm. II, 63, 453, 464 Anm. 10,
465, 465 Anm. 12, 519, 519 Anm.26,
548 Anm. 10, 552, 557. 559 Anm. 4,
570 Anm. 22, 684, 605, 623, 638,
639 Anm. 7, 642 Anm. 13, 649,
652, 665, 689, 092, 695, 697, 698,
703, 712. 719, 720, 726, 734 An-
merk. 18, 739, 740, 753, 756, 766,
783, 805.
Boethns 47.
Bokoimew 37 Anm. 16.
BolUnd 200.
Boliano 10. 10 Anm. 3, 14, 15, 19,
171, 172, lim, 178, 182. 183,
185, 187, 188, 190, 192, 194, 195,
197, 229 Anm. 6, 271 Anm. 19, 271,
285, 306, 364 Anm. 4, 366 Anm. 7,
376, 530 Anm. 8, 600 Anm. 24,
609, 640, 811.
Bonaventura 77.
Bonitz30, 35 Anm. 12, 36, 463 Anm. 3,
464 Anm. 6, 555 Anm. 19, 609, 640,
821.
Boole 231- 232, 411, 542 Anm. 10,
575, 670.
Bopp 238, 238 Anm. 6.
BorelioB 147, 653.
Bom 129, 653. '
Bosanqnet 200, 200 Anm. 2.
Boanlon 314 Anm. 1.
Bonterwek 130.
Bowen 231.
Bndler 227, 227 Anm. 17. 366 Anm. 6,
468, 611 Anm. 28, 6S2 Anm. 18,
634, 667.
Braig 204, 523.
Braniss 146.
Bnndia 24 Anm. 19, 30, 40, 47 An-
meik. 1.
Brentano 31, 37 Anm. 15, 159, 172,
17<ff., 182, 183, 163 Anm. 14,
165, 187. 192, 214, 215, 244, 253
Aom. 12, 233, 254 Anm. 2, 270
Anm. 17, 272, 365 Anm. 6, 366
Anm. 6, 368, 379, 405, 624, 625
Anm. 6, 628. 628 Anm. 7, 629, 633,
634, 643 Anm. 16, 747 Anm. 6.
Brieger 22 Anm. 11.
Brocbard 42 Anm. 5, 46 Anm. 1.
Brown 115.
Brnno, OiorOano 91, 91 Anm. 6, 822.
Bronsohvicg 234.
BranBwig 216, 323 Anm. I.
V. BnbnoH 787.
Bachenaa 99 Anm. 2.
Buddeos 122.
BaddhH 19.
Bohle 130.
Borali-Forti 234.
Bordin 16S Anm. 10.
Baridan 86, 744, 775 Aom. 11, 783,
786.
173 i
1.1.
CaacilioK 756.
Caldi 31.
Calker 18, 149.
CamBraiiDB 94.
CantoDi 136.
Cantor 233, 288, 540 Anm. 5.
Canz 120.
Capella, HartJanua M, 56, '.18, 557,
652.
Cameades 46.
Caira de Vaux 70 Anm. 12 u. 13.
Carte^ns 97, Wff., 104, 111, 113,
169 Anm. 6, 288, 289. 350, 357
Anm. 6, 365 Anm. 6, 498 Anm. 30,
606, 783. 799, 806, 815, 823.
Cassiodorns 53, 53 Anm. 7, 56.
Cassiier 169.
CastiUoo 233 Anm. 19.
Cattaneo 164.
Qialybeeos 151.
Champeaox, Wilhelm roD 62. 62 An- -
merk. 12.
Cliarles 78 Anm. 1.
Chaavet 48 Aom. 4.
Cbristiansen, Broder 99 Anm. 1, 194.
Chrysippos 42, 318.
Cicero 41 Anm. 1, 44, 46 Anm. 3, 47,
52, 463, 465 Anm. 11, 563 Anm. 11,
670 Anm. 22, 638 Anm. 4, 703, 709,
712, 726, 756, 759, 783.
Clarke 204.
Clasen 151 Anm. 3.
Clauboig 100.
Clericns. loannes 107.
Cohen 99 Anm.l, 164, 166,167,171.
197, 447 Anm. 21, 433, 643, 787.
Cohn, Jonas 194,
Comte 156, 1621, 164, 217, 448
Anm. 2.
Condülao 107, 154, 164.
Confucins 19.
Conrad 238.
54*
i,l^.OOglc
Pwwaenregiiter
Oonsbrach 787.
Conti 20i.
ConwlioB 230, 447, 634, 653.
Cornifioins 783.
CoTTinns 121.
Cousin 63 Anm. 2, 64 Aam. 5, 155.
Cotitant 109 Anm. 1, 113, 169 Anm. 11,
173 Anm. 1, 234, 236, 238, 411
Anm. 3, 542 Aom. 8, S75 Anm. 28,
715.
Cnmer, Andteis 92 Anm. 11.
Gnunar, Chr. 92.
Cntmeras, Daniel 92 Anm. 11.
CreoelinB 54 Anm. 1.
Crooe, B. 200, 238.
Cronsaz 103, 525 Äom. 3, 606 Anm. 9.
CiOBins las, 318 Anm. 4, 530, 557,
GOO, 623, 690, 696, 737.
Dftleuiio 112, 226, 407, 407 Anm. 2.
DannhAwarns 99 Anm. 23.
Dujes 123.
Dnrid 695.
Davidson 523.
DavioB 787.
Dedebind 233.
'Delboenf 233, 2S4.
Ddbrüok 238, 240, 371 Anm. 23, 63".
Demokrit 22, 22 Anm. U, 42 AnDi.2.
Deetatt de Trac; lUt, 164.
Dentinger 135.
Dewoy 225.
BexippQS 50, 50 Aom. 14.
DieU 20 Anm. 1, 21 Anm. 3, 22 Anm. 12.
Dieterici 60 Anra. 7 u. 9.
Dietarions 95 Anm. 23.
Diu 238.
Digby 93.
Dilthey 188, 312.
Diodoros 25.
Diogenes Laertins 21 Anm.7,33 Anm. 13,
41 Anm. 1, 42 Anm. 2, 42 Anm. 6,
43 Anm. 7, 44 Anm. 11, 46 Anm. 7
n. 8, 599, 636 Anm. 3, 639 Anm. 6,
711, 749, 759, 795, 821.
Dionysius Ihms 374 Anm. 30.
Dittee 156, 156 Anm. 2.
Ditlricb 238.
Döring 24 Anm. 17, 220.
Domenicus Gnodissalinns 69 Anm. 9.
Drbal 151.
DreBlei 156, 156 Anm. 2.
Drieeoh 220. 827.
Drotnsch 150, 382 Anm. 3, 5I4Anm.l4,
666, 701 Anm. 10, 767, 797 Anm, 5,
794, 704 Aom. 12.
Dnbe 446 Anm. 18.
Daehiing 217, 220, 2211, 521.
Dans Sootae 57, 79, 80fr., 326 io-
merk. 5, 350, 455 Anm. 12, 465 i>-
merk. 16, 466, 466 Anm. 19, 581
606, 666, 703, 712, 740, 799.
Dnpred 30 Anm. 3.
Dnnod von Fonrcain 83, 235, 468.
Daitheim 631 Anm. 15.
Dyntff 45 Anm. 11, 634.
17.
Eck, Johann 88.
^ger 637.
££renfels 631 Anm. 15.
Eialar 210, 224.
Xleaten 20.
14S Anm. 1,
Ll7.
156, ]
;ad-
Euoyolo^distan 107.
Endroa 58, 73 Anm. I n. 2.
Engel 146 Anm. 6, 339 Anm. 14.
Engler 596 Anm. 16.
Enocb 176 Anm. 4, 634.
H^riqnes 164.
Epiktet 47.
Epitor 41 f., 42 Anm. 3, 283.
Epikureer 41, 783.
unsmuB 90 Anm. 2.
Erdmann, Benno 10, 79, 84 Ann. 15,
121 Anm. 7, 127 Anm. 5, 203, 2(M,
210ff., 239, 285, 294 Anm. 1, 296,
296 Anm. 1, 313, 315, 352, 353, 358
Anm. 10, 367 Anm. 9, 371 Anm. 22,
377 Anm.8, 3S2Anffl.l, 391 Anm.27,
392 Anm. 2. 394 Anm. 9, 402 Anm. 1.
409 Anm. 9, 424 Anm. 3, 446, 451,
496, 498 Anm. 32, 531, 535 Anm. i
58U, 587 Anm. 1, 588 Anm. 4, 589,
597 Anm. 19, 600, 602 Anm. 2, 610
Anm. 19 u. 22, 612, 621, 628 Anm. 7,
633, 6^, 636, 637, 639, MtO, 641
Anm. 11, 642, 642 Anm. 14, 643,
668, 668 Amn. 16, 674, 68a 691,
692 Anm. 1, 693, 694, 694 Ann. 2,
720, 731, 740 Anm. 6, 7F3, 784.
Erdmsnn, J. E. 145.
Eidmann, E. 0. 238.
Eriiaid, Andr. 131 Anm. 2, 537.
Brhardt, Fi. 104 Anm. 1.
Eriugena 56 Anm. 2, 57, Ki(~, S
Anm. 11, 503.
Ermolao Barbaro 65 Anm. 7.
Ernesti 121.
Errera 468 Anm. 38.
_.ooglc
Eabulidea 25.
Backen 31.
Endemns 41, 627 Ann. 4, 736 Anm. 1,
748, 753.
EoUides 25.
Eokr 229, 229 Anm. 5, 794.
Eweibeck 237 Anm. 2.
Fabrichis 17, S2, 92 Anm. 10.
FacciolatDS 106 Anm. 7.
FaTckenbeis 100 Anm. 2, 197 Anm. 2.
FardeUa lOl.
Feder 131, 224 Anm. 5.
Ferguson 768.
Ferrari 468 Anm. 38.
Ferra 147.
Fichte, Imm. Herm. 147, 445,
Fichte, Job. Gottl. 19, 132 ff-, 136, 139,
142, 144, 148, 149, 164, 165, 195,
196, 199, 236, 24fi, 312. 315 Anm. 6,
435 Anm. 10, 446, 695 Anm.3, S16.
Fiook 239.
Fischer, K. Ph. 139 Anm. 7.
Fischer, Enno 96 Anm. 2, 142 Anm. 1,
146.
¥lsohhaber 135.
Fitzgerald 696.
Flosa 58 Anm. 1.
Flöge) 69 Anm. 8.
Fonsegri« 196 Anm 1, 787.
Formey 121.
Forwtte 157 Anm. 1, 787.
For&ge 514 Anm. 15.
Fomllto 101 Anm. 9.
Fowler 161, 787.
Franck. Ad. 18.
Fnuk, E. 696.
Franki 182.
Franklin 234, 742.
FredeginoB 55.
Frege 169 Anm. 11, 182, 232, 268
Anm. 11, 378, 530, 618 Anm. 3, 681.
Fcei^os 92.
Frendenthal 92 Anm. 15,-93 Anm. 18,
103 Anm. 1.
Freytag 109 Anm. 1, 212.
Frick 2CM.
Fries 1481, 153, 155, 165, 521.
Fliesach 596 Anm. 15.
Frisohlin 93.
Frobeaiiu 18.
OalenoB 48, 559 Anm. 4, 696. 720,
737, 766, 795.
OalUd 615.
GallingGT 187.
OaUnppi 108 Anm. 9.
Garbe 20 Anm. 3, 20 Anm. 5.
Garianda 239.
Gassendi 17, lOS, 285, 606.
GaTttama 20.
Geiger, L. 239, 397 Anm. 1.
Geiger, M. 216.
Gosse 226 Anm. 16.
OeUins 565 Anm. 15, 605, 766.
GenoTed 108.
GentUe 147 Anm. 9, 200.
George 146.
Geiando 154.
Gerbert 60 Anm. 5.
Geroke 30 Anm. 3, 31.
Gergonne 234, 576, 671 Anm. ^,
672, 673.
Getkrath 223 Anm. 1.
Gerlaofa 131.
GeiBon 87, 88.
Genlincx 101, 228, 643 Anm. 12.
Gersonides 72.
Oeyset 99 Anm. 1, 204.
Gfrörer 91 Anm. 6.
ÖibsoB, Boyoe 99 Anm. 10, 224, 224
Anm. 8.
Gilbert de la Forree 65 Anm. 7.
GiQespie 25 Anm. 20.
Gilrary 142 Anm. 1.
Gineekon 239.
Gioberb 147.
Gioja 108.
Gknvü 112, 229 Anm. 9. 734 Anm. 21.
Okigaa 151.
Gloiaer 75 Anm. 4, 91 Anm. 5.
Ooblot 794.
Oodenins »2, 285, 467 Anm. 30, 606.
666, 726.
Ooedeckemeyer 29 Amn. 1, 46 Anm. 1.
OoebriDg 220.
Gohlke 25 Anm. 24, 30 Anm.3, 31,
32 Anm. b, 33 Anm. 7, 34 Anm. 8.
Gomperz 22 Anm. 11, 26 Anm. 25, 4L',
42 Anm. 4. 118 Anm. 2, 156, 29j
Anm. 4, 367 Anm. 11.
Gorgias 23, 25.
GoBler 25 Anm. 24, 31.
Gotanu 20.
Gottfried von Si Victor 66 Aum. 9.
Gotthardt 174 Anm. 2.
Gottsched 121.
OrabmauD 53 Aoni. 2, 53, 58, Oii
OgIC
ijun. 5, 63 Inm. 2, 65, 65 Anm. 8,
66 Anm. 9, 67.
Qittt X Anm. 3.
Le Onnd 101,
GnJmiDii, E. 234.
QnBmiuui, B. 234, 505 Anm. 19.
GMtiT 203.
Oroen 167 Anm. 3.
Oregor v. Bimini 66.
Gn«päikorl 150.
Orimm, J. 238, 636.
Grimm, W. 636.
GiooB 173 Anm. I, 385 Anm. 6.
GtoB 450 Ajim. 3.
Grube 19 Anm. l.
Qnippe 15«, 164, 164 Anm. 2, 453
Amn. 6.
Oönüier 135.
Onmpoach 31.
Gnndling 113.
Ontberiet 204.
Onthius 94 Anm. 23.
Uagemaut 204, 643 AiUD, 15.
Ragen 54 Anm, 1.
flambruch 29 Anm. 37.
Hwnelm 42 Anm. 5, 172.
HunütoD 165, SSO, 346 Anm. 4, 446.
452 Anm. 4, 453 Anm, 7, 463, 468
Anm. 36, 531, 593, 609, 610, 610
Anm. 23, 673, 759, 784, 784 Anm. 22,
785 Anm. 23, 810.
Henricna Anstippos '
Anm. 8.
_ _ . -200.
r. Hanebeig 70 Anm. 12, 230 Anm. 14.
145,
Harms 18.
EarriB 147, 287.
Harttey 234.
T.Htirtmtnn, Eduard 47 Anm. 10, 142
Anm. 1, 200 f., 642 Anm, 13.
Hartmann, NiooUi 25 Anm, 24, 171,
Haoreau 58, 64 Anm. 5, 66 Anm. 9.
Hansdorff 234, 413 Anm. 4, 414 Anm. 2
o. 3, 416, 542 Anm. 9, 569 Amn. 21.
Hegel 19, 98, 138, 139, 141«., 147,
148, 149, 156, 164, 165, 171, 173,
196, 199, 200, 203, 221, Anm. 6,
225, 229 Anm. 6, 237, 238, 285
Anm, 17, 312, 435 Anm, 10, 445,
608, 624, 678, 696, 767, 881.
Heibei^ 148.
Heimsoeth 99 Anm. I, 109 Anm. 1,
Hejneccins 120.
Heinrich, E. 187.
äelwig 234.
Hentisberaa 796.
HeraUit 21.
Herbart S8, 149H., 153, 165, VA
373 Anm. 26, 595 Anm. 14, 627
Aun. 2, 628, 628 Anm. 6, 634, 7(H
Anm. 10, 822.
Herbert! 212, 285.
Heider 226 Anm. 14, 2S7.
Hermann, C. 146.
Hermann, Oottfr. 406 Anm. 7.
Heiminna 48.
V. Heitimg 31, 32 Anm. 6, 33 Aon. 7,
37 Anm. 15, 73 Anm. 3, 99 Anm. I.
Hervens Natalia 88, 466 Anm. 21.
Hessenbe^ 794.
Hettner 31.
Heyder 31, 202.
Heymans 156, 305, 365 Anm. 6.
Hejse 636 Anm. 25.
Hibbc« 200, 787.
Hiläre 31, 228 Anm. 1.
BUbert 234, 828.
HUlebiand 177 Anm. 6, 366 Anm. 6,
634.
Hinriche 146.
Hirzel, Rad. 42 Anm. 5, 46 Inm. 1.
Hobbes 99, lOS, 106, 158 Anm, 4,640,
815.
Hodgson 220.
Höttding 216, 399 Anm. 4.
Höfler, AI. 182, 271 Anm, 17, 329
Anm. 7, 356 Anm. 2, 39J Anm. 3,
531, 7Ö4, 611, Anm. 5a.
Hoffbaner 130, 131, 539 Anm. 3, 55S.
Hoffmann, A. F. 123.
Hoffmann, F. 139.
Hofmann, Heinr. 188.
Hottenbei^ 197.
Hollmann 122.
Homoos 234.
Hontheim 234,
Hoppe 726. ■
Homeius 95 Anm. 23.
Horten 72 Anm. 18.
EoapinianoE 739.
Hnet 102, 102 Anm. 15.
Hugo T. Si Victor 57, 63. W.
T. Humboldt, W. 237, 405, 405.
Hnme Iläff., 154, 159 Anm. 6, 337
Anm. 10, 360, 365 Anm. 6, 444,
632 Anm. 18, 766, 784.
Himtington 234.
Haaik 31.
iM,Googlc
HuBserl 10 Anm. 2, 172, 163 Aiun. 14,
l$4tf., 190, 194, 199 Anm. 4, 200,
214, 216, 238, 292, 295 Anm. 4,
300, 305 Anm. 4, 306, 319 Anm. 7,
320, 323 Anm. 19, 339, Anm. 14,
353, 365 Anm. 6, 371 Anm. 23, 382,
385 Anm. 7, 391, 391 Anm. 26, 403,
406 Anm. 7, 456. 456 Anm. 14, 615
Anm. 2, 634, 681, 828.
Hutcheeon 115.
Hnxley 223.
JacoboB von Venetia 52 Anm. 3, U6
Anm. 8.
Jaeger 31, 518 Anm. 23.
Jaräohe 124.
Jakob, Th, 787.
V. Jakob 130, 131.
Jakobi, Heim. 20 Anm. 5.
Jakobi, Ft. H. 148, 164 Anm. II.
Jakoby, Q. 226.
JambLchus 47, 50.
James 225.
Jeraealem, A. 187 Anm. 17, 220 An-
meil:. 5, 226, 365 Anm. 6, 366 An-
nierk. 6, 371 Anm. 22, 374 Anm. 30,
382 Anm. 1. 385 Anm. 6, 300 An.
merL 24, 400 Anm. 5, 609, 634,
642 .tnm. 13.
Juvons 216, 230 Anm. 14, 231, 231
Anm. 17, 352 Anm. 11, 468, 531,
611 Anm. 25, 667, 670, 714, 749,
768, 772.
Imelnann 31.
Joachim 200.
Jodl 331 Anm, 1, 384 Anm. 6, 397''
Johannes Bonaventora 77.
Johannes Gntiadei von Ascoti 83, 467
Anm. 24.
Johannes von Damascua 54, 54 Anm. 4.
Johannes von Salisbnry 57, Anm. 8, 63.
John 531 Anm. 11.
Johnson 234.
JoUy 24a
Jonas 139 Anm. 8.
Jones 531.
Jourdain 610 Aum. 20.
-Toyoe 204.
Isidorns 54, 55.
Itelfion 173 Anm. I, 108 Anm. 11,
Ittenis 95 Anm. 23, 536.
Jung 103.
Eabitz 109 Anm. 1, 133 Anm. 1.
Kaindl 637.
Salbileisoh 48 Anm. 4.
Kampe 31, 37 Anm. 15.
Kanada 20.
Kant 10 Anm. 1, 19, 98, 108 Anm. 9,
119, 123, 124 ff., 143, 148, 167, 160,
164, 165, 168, 169, 170, 171, 172,
173, 189, 200, 204, 221 Amn.6, 222,
227, 236, 246 Anm. 4, 247, 247 Anm.
6, 248,251 Änm.11,255, 256, 258,270
Anm. 17, 284 Anm. 15, 289 Anm. 4,
293, 293 Anm. 1, 297, 298 Anm. 3,
209, 300, 309, 311, 312, 3I4Anm. 2,
315, 321 Aum. 11, 341, 342 Anm. 20,
344 Anm. 2, 351, 386 Anm. 14, 389,
390, 435 Anm. 10, 444, 445, 446,
453 Anm. 7, 454 Anm. 11, 455, 456,
457 Anm. 15, 467, 486, 408 Anm.31,
520, 521, 530, 536, 551 Anm. 11,
597, 600, 607, 607 Anm. 12, 608,
624, 627, 633, 639, 652, 653, 661
Anm. 3, 663, 666, 677 Anm. 5, 678,
679, 670 Anm. 8, 660, 680 Anm. 9,
681, 690, 690 Anm. 10, 691, 696,
698, 709, 713, 714, 732 Aum. 14,
737, 749, 754, 766, 784, 787, 810,
816, eia 820, 821.
Kastü 99 Änm. 1, 288 Anm. 3.
Katienbergw 139 Anm. 7.
Kauffmann 220.
EauHch 58, 135. '
Keciermann 17, 93 Anm. 19.
Keioher 79 Anm. 3.
Keimann 113 Anm. 13.
Kempe 235, 576.
Kepler 782.
Kerry 271 Anm. 19.
Keynes 235, 468, Ö31 Anm. 12, 634.
Kierkegaard 148.
Eiesewetter 131, 608, 653, 606.
Kinkel 125Ajmi.l, 171, 642Anm.lL>.
Kircher 112, 407.
EiTChmanD 29 Anm. 2.
Klein 137.
Kleinpetor 231 Anm. 17.
Knaner 653.
Knatzeu 121.
Koesel 66 Anm. 10.
KoflU 306 Anm. 4.
Kommentatoren 47ff., 443, 689.
König, J. 235, 794.
Körner 596 Anm. 15.
Konmmiäten 204 ff.
Korselt 235.
Krause, K. Ch. F. 138, 139, 556 An-
merk. 19, 642 Anm. 12.
Krabe 196 Anm. 1.
Kroibig 182, 344 Anm. 1, 384 Anm. 6.
397, 631 Aun. 15.
tY^IC
V. Kries 365 Anm. 6, 633, 689.
Kronei IM.
Krag Ul, 173 Anm. 1, 431, 478
Anm. 9, 630, 530 Amn.d, 668, 593,
630 Anm. 7, 640, 642 Anm. 13, 653,
666, 696, 737, 746, 753 Amn. 13,
756 ADD. 2.
Kahn 31, 48 Anm. 4.
Kähnemann 681.
KiUpe 212, 2es, 331 Anm. 1, 339, 346
Anm. Ö.
EnffoUer 106.
Kunze 194.
Knt 109 Anm. 1.
Laas 218.
UbrioU 147.
LMhdiei 172, 767.
Lftforgt 54 Anm. 6.
Lalaade 173 Anm. 1.
lunbert, 3. H. 228 f., 123 Anm. 16,
228, 230, 385 Anm. 6, 530 Anm. 7,
690 Anm. 10, 737.
Lambert TOn Amerre 9, 68 Anm. 5,
454, 669. 738.
Lambsttos de Monte 87.
Land 101 Anm. 11.
Landaner 70 Anm. 12.
I^g 306 Anm. 7.
LMige, Fr. A. 166^73, 229, 395, 601.
I^ange, Joachim 132.
Loipen 64 Asm. i.
Ungins, J. Chr. 113 Ann. 13, 122
Anm. 12.
Lan2 133 Anm. 1.
Lao-tzse 19.
Läpp 187 Anm. 17.
La Bomigniöre 154.
LassaUe 148.
Uuson 95 Anm. 2, 146, 696.
Lask 133 Anm. 1, 193, IM f., 374
Anm. 28, 453 Anm. 9, 614.
lu 653.
Lazarus 239.
V. Leclair 220.
Lelevre 62 Anm. 12.
Le Orand, Ant. 101.
Lehmann 132 Anm. 14.
Lehmen 204.
Leibniz 19, 91 Anm. 5, 103, 108 ff.,
118, 122, 127, 199, 229, 284 Anm. 16,
289, 293 Anm. 1, 299, 350, 356
Anm. 5, 357 Anm. 6, 402, 407, 408,
444, 485 Anm. 3, 519, 520, 521, 536,
539 Anm. 3, 695, 732, 739, 783,
799, 811, 815, 822.
LeonlinB von Byzanz 54 Azim. 4.
LeebazäUes 101 Anm. 1.
Lencippns 21. 22 Anm. 9.
LencUeld 787.
Lewis 235.
Ijard 230Anni.l4. 468 Asm. 33, 523.
liberatore 75 Anm. 4.
Liebert 306 Anm. 7.
Liebidi 239.
V. Uetig 95 Anm. 2, 787.
liebmann, Eort 101 Anm. 9.
liebmann, Otto 166, 167 Anm. 7, 330
lindemann 139.
lindaer 151.
Lipps U, 204, 212 fL, 270 Ann. 17.
295 Anm. 4, 304 Anm. 4, 331
Anm. 1, 365 Anm. 6, 366 Amn. 7,
382 Anm. 1, 397 Anm. 1, 787.
Littig 48 Anm. 2.
T. Littrow 157 Anm. 2.
Locke lOSf., lOS, 108 Anm. 9, 113,
154, 237, 284 Anm. 16, 309, 315,
350, 351. 443, 713, 714, 734, 763
Anm. 4, 766.
Loecben 157 Anm. 3.
Loewe 135.
Lombardns, Petras 57, 63, M, G6
Anm. 10.
Loofe 54 Anm. 4.
LoSkij 188, 390 Anm. 24.
Lott 150.
Lotio 26 Anm. 25, 146, IKfL, 199,
216. 306, 436 Anm. 10, 521, 521
Anm. 32, 589 Anm. 5, 594, 594
Anm. 10, 597, 612, 635, 641, 641
Anm. 10, 668, 669, 696, 709, 709
Anm. 8, 767, 806, 810.
Lovejoy 690 Anm. 10.
Ludovioi 117 Anm. 1, 394 Anm. 9.
Lukas, Franz 28 Anm. 32.
Lullus 57. 78f., 78 Anm.2, 79Anm.2,
229, 465 Anm. 16, 466, 703.
Luquet 208 Anm. 5, 794.
Lather 93.
Lotke 31, 36.
LntosUwski 25 Anm. 24, 91 Anm. 6.
Lyng 148.
MaiiB 130, 530 Anm. 9, 537 Anin. 1.
Mabiliean 31.
Macfarlane 235.
Mach 216, 217, 218, 246, 787.
MacLennan 637.
Müer, Eeinr. 23 Anm. 15, 25 Anm.24,
30, 30 Anm. 3, 31, 35 Anm. 11, 36
Anm. 13, 38 Anm. 22, 41 Anm. 3,
187 Anm. 17, 206 Anm. 3, 108, 373
O^^IC
Anm. 27, 376 Aom. 3, 378, 360, 385,
386 Anm.6n.7, 386 Aam.llu. 15,
387 Anm. 16, 390 Anm. 24, 391
Anm. 1, 397 Anm. 1. 401 Anm. 7,
404 Anm. 5, 454, 681, 768, 787,
790 Anm. 3, 810 Anm. 4.
Uaimon 31, JS2, 230.
HaimonidBB 72.
Haine de Birsn 164.
Halebianche 101.
Maily 183, 235, 236.
Hansel Ifö, 230 Aum. 14.
Marbe 280 Anm. 1 1, 364 Anm. 16, 305
Anm. 6, 373.
Marc Anrel 821.
Markte 239.
HadoB 171.
MarsilioB von In^en 86.
Mutianus Capellä 51, 66.
Martin 139 Anm. 6.
Hartinat 106 Anm. 1. 182, 239, 385
Ann). 6, 398 Anm. 2.
Martinns, Jac. 94 Anm. 23.
Marty 177 Anm. 6, 178 Anm.8, 239,
366 Anm. 7, 587 Anm. 1, 629, 634.
Marrin 634.
Haoiitios Hibemua 61 Anm. 2, 82
Anm. 8.
UanUiner 239.
Mayron, Franc. 82, 101, 695.
Mo Coli 235.
JloCoBh 115.
Medicos 133 Anm. 1, 310 Anm. 13.
Mwariier 25, 759.
Mehmel 135. •
Meier, Fr. 104 Anm. 1.
Meier, G. Fr. 123, 367 Anm. 6, 435
Anm. 10, 444, 467 Anm. 32, 530,
536, 592, 607, 624, 639, 652, 695.
713, 749, 766, 806.
Meiner 151 Anm. 2.
Meinera 131.
V. Meinong 115 Anm. 1, 118 Anm. 2,
159, 172, 173 Anm. 1, 178H., 183,
183 Anm. 14, 184, 185, 214, 216,
264 Anm. 6. 267 Anm. 9, 271, 271
Anm. 17, 284, 304, 305 Anm. 4, 308
Anm. 10, 325 Anm. 4, 339 Anm. 14,
348 Anm. 1. 365 Anm. 6, 368, 382,
384 Anm. 6, 385, 631 Anm. 15, 689.
Meiser 52 Anm. 3.
Melanchtbon 93f., 113.
Melissas 21.
Meliin 60? Anm. 11.
Mellone 227 Anm. 18.
Mendelejeff 823.
Menedemns 25.
Menzel 133 Anm. 1.
Herder, Ch. 787.
Mercier,D.531,607Anm.2,713Aiim.5.
Meeser !
a.27.
5 Aom. 6, 382 Amn. 1,
Metz 18, 131.
Meomann 239.
Michael 73 Anm, 3.
Michand 63 Anm. 12.
Miohelet 145.
Michelis 31.
Middletown, lüohard von 77.
Mieladi 29 Anm. 1.
Hignon 66 Anm. 9.
Miilosich 177 Anm. 6, 634, 636.
MiU, James 531 Anm. 11.
Mill, J. Bt 15«ff., 159 Anm. 5, 164,
168, 172, 295 Anm. 4, 346 Anm. 4,
352, 352 Anm. 11, 468, 468 Anm, 36,
521, 531, 531 Anm. U, 5ffi, 606,
BIO, 610 Anm. 23, 611, 611 Anm. 25
u. 28, 613, 633. 634, 666, 714, 714
Anm. 6, 734, 735, 767, 768, 784.
785, 785 Anm. 23, 786, 796, 797,
810.
Minus 48 Aom. 4.
Hineo 235.
Minges, Fartenius 80 Anm. 1.
Hiadi 197 Anm. 2.
MiBteli 237 Anm. 4.
Mittonzney 331 Aum. 1.
Modemi 57, 60, 67, 77, 87.
Monrad 148.
Moore, O.E. 203; T. V. 331 Anm. 1,
de Morgan 232, 739.
MnUer, Engen 233, 233 Anm. 18, 541,
556 Anm. 20.
MüUer, Fr. M. 240.
Müller, G. B. 314, 339, 340.
Müller, Iwan von 48 Anw. 4.
MüUer, J. F. 129.
Müller, Mu 20 Anm. 4.
Hünsterberg 195, 221 Anm. 6.
Mnh. asdi-Sohabrastäni 70 Anm, 12.
Mollaoh 20 Anm. 1, 21 Anm. 3.
Monk 72 Anm. 20.
Mnflmaon 145.
Nagy, Albino 69 Anm. 8, 235.
Na(ge 96 Anm. 2.
Natorp 22 Anm. 10 n. 11, 25 Anm. 24,
26 Anm. 25 n. 26, 35 Anm. 10, 42
Anm. 3, 46 Anm. 5, 99 Anm. 1, 164,
JTOff., 187 Anm. 17, 197, 200, 203,
463 Anm, 3, 643 Anm. 15.
NsTille, Adr. 787.
lA.OOgIc
VmOt, Ern. 787.
Pein» 225, 225 Aom. 11, 232, 411.
NMtby 634.
Nedioh 230 Anm. U.
555 Anm. 19, 575 Anm. 29, 625
Aom. 7, 672.
NttlBon 149.
Pesch 204.
Neadeoker 136, 696.
Peslaan 235.
NenUtiBei 31, 37 Anm. 15.
Peter v. AiUy 86, 467.
NfltimaA 32.
Petereon 391 Anm. 1.
Petraros 90.
NeathomiBteD 203.
Petreeon 390 Anm. 24, 693.
Newton 785 Anm. 24. 816.
Petrottievios 606.
Nicolai, Rad. 42 Anm. 5.
Petrus Aoreolos 8S, 45.1. 467.
Nioolans TOn Amieu 67.
Petrus Hispanos 57, 68, 68 Anm. 2 a. K
NioolAus von Cusa 88.
72, 77, 408 Anm. 8, 466, 56t Ajud. a
Nicole 9 Anm. 2, 101.
639 Anm. 5, 652, 665, 666, 669, 69a
Niooletta«, Paolos Venetu« 86.
734 Anm. 18, 738, 766, 783.
Nietzsche 226 Anm. 14, 401 Anm. 7.
Petrus Lombardus 57, 63, «6, 66
Nixoliw 90.
Anm. 10.
Noel 108 Anm. 5, 142 Anm. 1,
468
Petrus Mantaanna 87, 739.
Anm. 34, 523.
Petrus von Poitiers 67.
Notker Ubeo 56 ABm. 3.
Petrua Tarlaretus 87.
Hooiarelü 82 Aora. 8, 863.
Peyretti 147.
NnBlein 138, 138 Anm. 4.
PfeÜ 196 Anm. 1.
Nyäy» 20.
PfordtoB 226.
Phaedo 25.
Occam 57, 79, SSff., 88, lOIJ,
159
Philo von Larissa 46 Anm. 3.
Aom. 5, 350 Anm. 5, 364, 467
531
Philo Megarious 25.
Aom 11, 536, 584, 585 Anm
10,
Philodemns 42, 783.
666, 689, 703, 744, 783.
Phüoponus 36 Aum. 14, 41 Awu.3, Sl,
Uftaer 21 Anm. 6.
51 Anm. 20, Ü8 Amn. 6, 228, Äi
Oldenbere 19 Aom. 2, 407 Anm.
4.
Anm. 1, 463 Anm. 10, 7(B, 709, 73:,
Opzoomer 163.
748, 749, 753, 815.
Otto von Freising 65 Anm. 8.
Piat32.
Overbeck 58.
Ptcavet 58, 60 Anm. 7.
Owen 91 Anm. 8, 112 Anm. 7,
223
Pisoator«.
Anm. 1.
Piohler 117 Anm. 1, 118 Anm. 2, ISi
Planck 146.
PjAst 21 Anm. 6.
Platnei 131.
l'adua 818.
Flato 23, 23 Anm. 14, », 25 Anm. 21,
Tadoft 235.
28, 26 Anm- 25 n. 26, 27, 28, 29.
Facam> 108.
P^gyi 188, 445.
32, 35, 36, 36 Anm. 13, 40, 44,
63. 64, 68, 90, 170, 171, 197, 200,
P«nifiuB47.
203, 246, 293 Anm. 1, 305, 335.
Paoü 468 Anm. 38.
390 Anm. 24, 424 Anm. 4, 4ti
PaptDi 226.
Anm. 15, 463, 465 Anm. 15, 4SI
rappenfaeim 46 Aom. 6.
Anm. 2, 485 Anm. 4, 486 Amn. 6.
28
«8 Amn. 7, 489 Anm. 11 u. 12. 480
Anm. 31, 168, 443 Anm. 15,
463
Anm. 14, 498 Anm. 30, 518, 55?,
Anm. 2, 695.
5Ö9, 605, 623 Anm. 2, 695, 711,
Pmiwiä 90 Anm. 2.
782 Anm. 21, 783, 795, 831.
Paul 240, 377, 378 Anm. 9, 385 Anm. 6,
Platter 169.
637.
Pünins 697 Anm. 17.
Pauli, Adi. 93 Anm. 19.
PloÜnos 47.
Paolns Nicolettus Tenetus Sti.
Ploaquet 122, 229, 230, 408, 453
Anm. 6, 610 Anm. 20.
PanloB PaigalSDsis 87.
P^öt 314 Anm. 1.
Plüoker 823.
Pwno 233, 411.
Poinoarö 235, 689, 794.
Pedro da FonMca 88 Anm. 32.
Poiret 102 Anm. 14.
i,l^.OOglc
Poretily 235.
PorphyriuB 47, 49, 50, 60 Anm. 13,
51, 54, 54 Anm, 4, 57 Anm. 4, 00,
€2 Aimi. n, 64. 65, 695.
Poiretuias, Gilbert 57, 57 Aum. 4, 63,
«6, 318 Amn. 4, 346 Aum. 4, 519.
Port-Eoyal, L(^que de 9, 101, 298,
406 Anm. 7, 468, 519, . 536, 610
Anm. 20, 614, 623, 662, 666, 690,
703, 709, 713, 720, 726, 744, 749,
755, 755 Anm. 17, S06.
Po^donhis 47.'
PoH238.
Pouvsin 83, 285, 466.
Pnmtl fl Anm. 5, 18, 25 Anm. 22 u. 23,
30 Anm. 4, 32, 32 Anm. 6, 33
Aum. 7, 35 Anm. 10, 37 Anm. 17,
40, 41, 41 Aura. 2, 42 Anm. 5, 48,
46 Anm. 3 o. 4, 52 Anm. 2, 54, 54
Anm. 6. 58, 58 Anm. 2, 68, 63 Anm. 2,
64 Anm. 6, 67 Anm. 12, 68, 68
Anm. 5, 69 Amn. 7, 70 Anm. 12,
71 Anm. 15, 72 Anm. 18, 73 Anm. 3,
80 Anm. 1, 81 Anm. 2, 83 Arnq. 13,
84 Anm. 15, 86 Anm. 21, 91 Anm. 6,
229 Anm. 8, 335 Anm. 7, 405 Amn. 6,
408 Anm. 8, 454, 455, 455 Anm. 12,
465 Anm. 16, 466 Anm. 21 u. 22,
467 Anm. 25 n. 29, 519 Anm. 25,
584 Anm. 8, 623, 62? Anm. 4, 636,
639 Anm. 5, 652 Amn. 26, 666, 669,
669 Anm. 17, 689, 695, 709, 712,
739, 753 Anm. 12, 759, 783, 795,
796, 806.
Frasastap£da 20 Anm. 4.
Price 114 Anm. 5.
Priadanna 584 Anm, 8.
Proolns 47, 50.
ProdikoB 23.
Protigotas 23, 23 Anm. 13.
Pselliu 57, 67 Anm. 1, «8, 68 Anm. 2
u. 3, 229 Anm. 8, 408 Anm. 8, 466,
584 Anm. 8, 606 Anm. 7, 666, 668,
669 Anm. 17,689, 739 Anm. 4, 782.
Pseado-Augnstmns 56.
f>Beado-Oalen 48Anm.4, 464 Anm. 10,
766.
Pseado-Thomas 689.
Pyrrtio 46, 46 Aum. 6.
Oiuet 116 Anm. 1, 159 Anm. 6. .
Quintiltan 47, 52, 62 Anm. 11, 558,
756 Aam. 2.
Kabanus 55.
Babier 468, 468 Anm. 34.
Babos 18, 138, 796.
Badne 101 Anm. 9.
Badlkofer 596 Amn. 15.
Bamns 17, »If., 94, 103, 113, 452,
452 Anm. 5, 519, 606, 623, 638
Anm. 4, 652, 666, 703, 709, 712,
749, 753, 806,
Band 58 Anm. 2.
Kead 162.'
BwiB, F. S. 101.
B^mk« 11 Anm. 2.
fieicke 128 Anm. a
Beid 11&, 531, 531 Anm. 10, 785, 785
Aam.2B.
de Beiffenbeig 16, 155 Anm. 4.
Bahnaros 11 Anm. 2, 120, 728 Anm. 8.
Beimmann 17, 90.
R^eia 60 Anm. 5.
Beinhold, Chr. E. G. J. 166.
Bmniiold, E. L. 130, 131, 289 Aum. 4.
ReiBchke 631 Anm. 15.
Bemusat 63 Aum. 2, 64 Aum. 5.
Renan 72 Anm. 18.
Benouvier 17, 18.
Bethwiscb 523.
BeoBch 120, 733 Anm. 16.
BenJl 130.
Bibot 208 Anm. 5, 331 Anm. 1, 338,
397 Anm. 1.
Richter 46 Anm. 1.
Biokert 188, IMf., 215, 21«, 221
Anm. 6, 522, 522 Anm. 37, 623, 533
Anm. 1, 682.
Biebl 1 66 Anm. 6, 167, 1 73, 247 Anm. 6,
256 Anm. 7 u. 8, 257, 267 Annt. 0
D. 10, 258 Anm 14, 300, 300 Anm. 6,
358 Anm. 10, 360 Anm. 14, 447
Anm. 20, 631 Anm. 13, 642 Anm. 13.
Bignuo 792 Anm. 2.
Bintelen 109 Anm. 1.
Ritter, A.H. 141, 608.
Bitter, Imman. Henr, 42 Anm. 6.
Bisner 145.
Robert 108 Anm. 5.
Roberts 787.
BodinguB 666.
Sössei 17.
Boger Baoon 57, 78.
Bogen 226 Anm. 12.
Bomagnoei 108, 108 Anm. 8.
La Bomigni^ 164.
Bosmini Serbsti 147, .
lURKwuuua 57, Ö8, 60ff.
BoBenkranz, J. K. F. 146, 458 Anm. 16.
Bosenbantz, Vf. U. J. 145 Anm. 4.
Lo Boy 204.
Boyoe 221.
iM,Googlc
Rüdiger 12S, 285, 285 Amn. 18, 610
Anm. 20.
Rasselt 109 Anm. 1, 169 Aant. 11, 3S&,
236, 306 Asm. 7, 411, 531.
Saliabory, Johannes v. 57, 61 Anm. 8,
«3, Mi, 465 Anm. 13.
Simkhys-PhiloMphie 20.
Banohez 223, 223 Anm. 1.
Sau 139.
de Sailo 147 Anm. 8.
Sanrios, Jao. 95 Anm. 23.
Schad 135.
V. Schaden 139.
echapp 188.
Bcharfina, Joh. 95 Anm. 23.
3oh«tb94.
Scb«abler 95 Anm. 23.
Soheinert 237 Anm. 3.
Scheüing 19, 185 ff., 138, 138 Anm. 4,
139, U2, 144, 148, 149, 157, 164,
193, 206 Anm. 2, 440, 624.
Schierschmid 121.
Schiller, F. C. S, 224, 225, 227 Anm. 17.
». Schlegoi, Fr. 139 Ann. 6.
Schleiemacher 135, 18»fL, 446, 598
Amn. 22, 635, 679 Anm. 7.
Schlosser 523.
Schlflter 58 Anm. 1.
Sohmekel 4? Anm. 9.
Sohmeliet 90 Atun. 1.
Sohmid, AI. 142 Anm. 1.
Schmid, C. Chr. E. 130.
Sohmidbou 188.
Sohmidlin 02 Anm. 3, 65 Anm. S.
Schmidt, Walther 96 Ann). 2.
Schm^deis 70 Anm. 12, 72 Aum. 17.
Schneider, A. 73 Anm. 3.
Schneider, ]. F. 128.
Scht^Muhaner 229 Anm. 6, 249, 381
Anm. 15. 435 Anm. 10, 796.
Sctuader 156.
Schramm 784 Anm. 22.
SchtMer 282, 233, 411, 412, 414,
540 Anm. 6, 641, 541 Amn. 7, 542,
542 Anm. 7, 548 Anm. 10, 556, 556
Anm. 20, 669, 574. 574 Anm. 27,
675, 575 Anm. 29, 576. 584 Anm. 9,
625, 670, 670 Anm. 20, 671 Anm. 22,
23 u. 24, 672, 673 Anm. 28, 675
Anm. 2 u. 3, 681, 715, 716, 720, 733,
742, 742 Anm. 9.
Sctabert-eoldem 220, 787.
Schütz 75 Anm. 4.
Sfdinltz, JnL 156.
Sohnlze, G. B. 10, 183, 133, 445, 446.
Schiqipe 14, 32, 35 Anm. 12, 199
Anm. 4, 217, 218 ff., 221, 245 Anm. 3,
246, 247, 247 Anm. 5, 436 Anm. la
446, 634, 787.
Schwab 131.
Schwan 240.
Scdiwiodt 163 Anm. II.
Seeben 80 Anm. 1.
SeiCteit 788.
Seligbtwitz 131 Anm. 3.
8a>eoa44,47.
Sextos Bmpirions 21 Anm. 5, 2!)
Anm. 38, 43 Anm. 7, U Ann. 11,46.
46 Anm. 4 n. 6, 288 Anm. 2, 30t
Anm. 4, 364 Annt 3 nnd 5, 553
Anm. 16, 593, 599, 637, 663, 697,
749, 753 Anm. 12, 783, T95, 818.
Seydel 146, 229 Anm. 7.
Sharp 157 Anm. 1.
Skeannau 236, 523.
Sheldon 390 Anm. 24.
Shote 223 f., 225.
Sbyreswood, W. t. 68 Anm. 5, 454, iM
Anm.8, 669, 689, 689 Anm. 9, T3S.
Kbbern 205 Anm. 2.
Sidcwidi 225, 796.
Siebeok 58, SO Anm. 1, 64 Anm. IJ,
463 Anm. 4.
Sigwart 9, 94 Anm. 22. 95 Ann. 2.
131. 203, 204, »WS.. 209, 351
Anm. 10, 358 Anm. 11, 359 Anm. 14
365 Anm. 6, 367 Anm. 10, 384, 391
Anm. 27 o. 28, 430 Anm. 4, 447.
451, 477, 484 Anm. I, 491 Anm. 15.
496 Anm. 25, 621, 522, 631, 556.
560 Anm. 7, 563 Anm. 11, 589
Anm. 5, 613, 633. 634, 635, 635
Anm. 22, 636, 641, 642. 645, 653.
667, 674, 674 Anm. 29. 679, 679
Anm. 8. 680, 683 Anm. 2, 691, 693.
696, 700 Anm. 8, 718 Anm. 3, 719
Anm. 6 n. 6, 730. 730, 731, 746.
754, 758 Anm. 3, 773,, 806, 809
Anm. 3, 810, 821.
Silvester de Prieria 88.
Simmel 225 Anm. 12, 226.
Smons 696.
Simpiteins 30, 44 Amn. 10, 48 Anm.l
50, 61, 464 Anm. 10, 705.
Skeptiliei 46, 332 ff., 304 Aam. 4, 783.
Snell »3.
Boave. Vr. lOS.
Socin 377 Anm. 6.
Sotratos 28, 24, 27, 695, 782.
Solbrig 122 Anm. 12.
Sollier 398 Anm. 3.
Sophisten 2S, 795.
Soto 88 Anm. 32.
Spaventa 147.
iM,Googlc
Spencer Ml f.
Spinoza 67,1081, 113,244, 284 ADm.16,
285 Aum. 18, 288, 289, 292, 341
Anin.l9,350,385Anm.6,469Anm.l,
505 Anra. 6, 799, 804.
Sprayt 172.
SBagaloff 307 Aam. 8.
Stadler 169.
Stapper 68 Anm. 4.
Standinger 696.
Steelic}! 157 Anm. 3.
Steui 42 Anm. 5, 44.
Steinsclineider 69 Anm. 9.
Steiuliial 32, l&l, 237, 237 Anm. 4,
405, 623 Anm. 2, 637.
Stein, CL 240.
Stern, W. 240.
Steuer 204.
Stewart 115, T8ä.
StiebritK 121.
St. Hilaire 18, 31, 228 Anm. 1.
St. Uartin 139 Anm. 6.
Stobaena 22 Anm. 8, 821.
Stöckl 58, 204.
Stöhr 220, 240.
Störriog 331 AnsL-l, 365 Aum. 6, 391
Anm. 1, 566 Anm. 16.
Stoiter 42, 285, 291, 292, 293 Anm. 1,
364 Anm. 3, 3G6 Anm. 0, 464, 516,
557, 563 Anm. 11, 565 Anm. 15,
593, 599, 600, 604, 637, 638 Aom. 3,
639 Anm. 6, 645, 662, 665, 697, 703,
703 Anm. 13, 711, 726, 749, 733,
753 Anm. 12, 795, 821.
Stont 224, 224 Amn. 7, 366 Anm. 6.
Stoy 161.
Strümpell 150.
Stmnpf 11 Anm. 1, 183ff., 241, 254
Anm. 2, 270 Anm. 17, 295, 319
Anm. 7, 327 Anm. 9 nnd 10, 340
Anm, 15, 481 Anm. 7.
Sturm 92, 92 Anm. 8.
Stnrt 224, 224 Anm. 9.
Suarez 57, 88 f., 94.
Suetteriin 240.
Snsemihl 463 Anm. 3.
Synkcetisten 47.
Syrbios 17, lÄ
" ■ 50.
Ti^ait 142 Anm. 1, 200.
Taue 340 Anm. 17.
Tandel 196.
Tarde 653.
Tartaretas, Petrus 87.
Teiohmfiner 196, 197 ft.
Telesius 95.
Temple 92.
Testa 166.
TeteuB 607.
Tenffel 53.
Thanner 137.
Thaulow 14G.
TbemJBtius 50, 50 Anm, 15, 54.
Theophiastua 41, 49, 288 Anm. 2, 639
Anm. 5, 703, 736, 739, 748, 753, 76«.
Thiele 199.
ThiUy 788.
TTiomasias 113.
Thomaa Ton Aqnino 8, 57, 72, 74 ff.,
78, 81, 82, 89, 174 Anm. 3, 203,
284 Anm. 16, 291 Anm. 8. 298, 304
Aom. 4, 4S6 Anm. 16, 466 Anm. 17,
519, 600. 606, 689 Anm. 9, 783.
Thompson 165, 230 Anm. 14.
ThQmmig 121.
Thurot 32.
Tibet^en 139.
Tiedemann 130, 131.
TSeftrunit 130.
Timon 46.
TimpleniB 94 Anm. 23.
Titios 642 Anm. 12, 673 Anm. 35.
Tonoies 103 Anm. 18, 240, 403 Aom. 3.
TBwy, D. de 154 f., 164.
Traobe 58 Anm. 2.
Trede 230.
Trendelenburg 32, 35 Anm. 10, 45
Anm. 12, 109 Anm. 1, 142 Anm. 1,
146, 201, S02i, 230 Anm. 11, 519
Anm. 27, 617, 636, 642 Anm. 13,
669, 682, 691, 737, 809, 810.
Troxler 18, 137.
^ohimhanaen 9 Anm. 3, 113.
Twardowsti 179 Atitti. 9, 270 Anm. 17,
271 Anm. 19, 319 Anm. 7, 420
Anm. 3, 495 Anm. 23.
T Westen 141.
Deberw^ 18, 80 Anm. 1, 201, S03,
365 Anm. 6, 446, 503, 521, 622
Anm. 39, 531, 533 Anm. 1, 663
Anm. 11, 568, 570, 592, 592 Anm. 3,
635, 691, 695 Anm. 3, 726, 730,
737 Anm. 3, 740 Anm. 5, 741, 741
Anm. 7, 800.
Uebinger 88 Anm. 30.
Uodelhoren 88 Anm. 32.
Ulrich 130, 131.
Ulrici 205, 446.
Umbreit 135.
Üphnee WA, 223 Anm, 4, 6<Hi Anm. 5,
623 Anm, 2.
ih,Cooglc
Urtan 686.
tJniboni 204.
Vsener 42 Anm. 3, 52 Ajud. i
TueUna 103 Anm. 16.
Tuhinger 127 Anm. 5 n. 7, 299 Aam. 4,
920 Anm. 31.
Ttiloti 235.
Valla, I^orentiiw ML 91, 350 Anm. 5,
689, 7S9.
TaldaniDi 468 Anm. 38.
Vtigaa 756.
VwTO 47, 605.
Tany 79 Anm. 2.
T&taftyoiui 20 Anm. G.
Vrtäer 70.
Teitch 230 Anm. 14.
V«no 161, 2SS, 634, 637, 788.
Yen 147.
Versorins Ftuigiensis 77 Anm. 9.
V. St Victor, Oottfried 66 Anm. 9.
V. St. Victor, Hngo 57, 63, M.
Victoriaas, Uaiios 52 Anm. 2, 510
Ann. 25, 759.
Viel« 173 Anm. 1, 229.
VioU 796.
ViTM M, 91, 690.
Voigt 236.
VtJlelt 171* 314 Anm. 1, 339 Anm. 14,
Vottnunn 828.
5U Anm. 15.
Vorländer 141.
Vofllar 240.
Waddington-Eastos 91 Anm. 8.
^Vagoer, J. J. 138.
WaEle 384 Anm. 6.
Waiti. J. H. W. 150.
Waiti, Tb. 30, 32, 150, 435 Anm. 10.
446, 552 Anm. 16.
Walch 17, 123.
^allacä 147.
TVaUiee 47 Anm. 1.
'Wallis 157 Anm. 1.
Watson 32.
Watt 331 Anm. 1.
Watts 107, 285.
Webb 67 Anm. 11.
Weber 696.
Tan Veddingen 62 Anm. 10.
Weigel 102.
Weise HS, 113 Anm. 13, 220, 229
Anm, 4, 726.
Weiß, Chr. 135.
WeiBo 146, 196, 695 Anm. 3.
Weiflenbom 146.
Wendelinna 95 Anm. 23.
Werber 138.
Werder 145.
Werner 54 Anm. 5, 58, 78 Ann.!,
80 Anm. 1, 88 Anm. 32.
Wbevell lUf., 164, 596 Anm. I&,
600, 766, 785, 788.
Whitehead 169 Anm. 11, 235 Ann. 23,
236.
Wliitney 240.
Wickenhagen 125 Anm. 3.
Wieener 59S Anm. 15.
Wildsohrey 212, 413 Anm. 7.
WUkina 112, 112 Anm. 8, 229, 407,
407 i
1.2.
Willems 75 Anm. 4.
Willmann 204.
Willoer 60 Anm. 5.
Wilson 696.
Wmobelmanii, A. W. 26 Anm. 20.
Winckelmann, J. J. 229 Anm. 8.
Windelband 25 Ann. 24, 188. I89U
194, 195, 197, 200, 215, 218, 224
Anm. 10, 226, 385 Anm. 6, 384,
390 Anm. 24, 391, 391 Anm. 27.
453, 589 Anm. 5, 014, 631 Anm. 15,
642 Anm. 14, 643 Arno. 16.
Windisclunann 238 Anm. 6.
Winkler 121, 121 Anm. 6, 122.
VTiaUi 236.
Witasek 182.
Witten 32.
Wolff, Chr. 19, 98, 113, U7ti., 124,
129, 131, 246 Anm. 3, 284 Anm. 16,
285, 293 Anm. 1, 299, 350, 333
Anm. 6 n. 7, 394 Anm. 9, 435 Anm. 10,
444, 4U Anm. 17, 467, 467 Anm. 31,
468, 479 Anm. I, 520. 521, 536,
658, 593, 593 Anm. 6, 606, 607
Anm. 10, 621, 623, 639, 652, 653,
666, 680, 695, 696, 700, 713, 726,
737, 749, 752, 753, 772, 7M, 801,
804, 806, 810, 816, 818, 821.
Wolff, Herrn. 240.
Wotie 32.
Würkert 91 Anm. 8.
Wulf, M. de 58, 65.
Wondt 46 Anm. 1. 203, 204, 366 ff..
219 Anm. 4, SSS, 240, 264 Anm. 6,
294 Anm. 1. 331 Anm. 1, 339 Anm. 14,
345, 345 Änm. 3, 347 Aflm. 7, 352,
354 Anm. 17, 367 Anm. 12, 368
Anm. 14, 385 Anm. 6, 389, 397 Anm. 1,
306, 522, 580 Anm. 5, 600, 634,
i>,Cot>^lc
Personenregister. — DracMebler nnd ZosUze.
635, 639 Antn. 7, 642 Antn. 13, 767, Anm. 6, 43 Anm. 8, 45 Anm. 12, 46
767 Anm. 5, 788, 794 Anm. 12. 810, Anm. 1, 50 Anm. 13, 336 Antn. 7,
814 Anm. 6. 463Anm.4,464Anm.9,557Aiim.21.
Wyolil, Jobannes 87. Zono. Eleat 21. 23, 24, 42.
Wyttenbach 134. Zeno, Stoiker 42.
Ziemer 596 Anm. 16, 599.
Xenokiates 43 Anm. 7. Zimeb 115 Anm. 1.
XcQOphon S4 Anm. 18, 78i. Zimmennann 109 Anm. 1, l.'iO, 271
Z&barella 737 Anm. 3. Ziodler 182.
Zeller, Ed. 20, 21 Anm. 4, 22 Anm. 9 Zopi 123.
u. 11, 24 Anm. 16, 33, 40, 42 Zsohimmer 200.
Druckfehler und Zusätze
S. 18 bei Frobesius ist ein * zuzufügen.
S. SO Z. 11 von oben lies: Gnatoma statt Gantoma.
S. 20 Anm. 1 füge hinza : Karl Beinhardt, Parmenides nnd die Gesohichto der
griech. Philosophie, Bonn 191C.
R. 23 Neaci-dings ist noch erschienen: Julin.<) Stanzel, Znr Logik des Sokratcs,
95. Jahresber. d. Schles. Ges. f. vaterl. Kalt. 1917 u. Studien z. Entw.
d. piaton. Dialektik von Sokrates zu Aristoteles etc., Brenlau 1917 (S. 62).
3. 25 Z. 4 von nnten lies: und Pioklus statt Flotin.
S. 30 lies bei Aicber: Ergänzungahefte d. Kaptstud. Nr. 6, Berlin 1907, S. 44ff.
statt Diss. Halle 1907.
S. 32 Anm. 6. Zusatz ; Eertling u. a. behaupten, daS Aristoteles auch indivi-
duelle (Ml) annimmt.
S. 41 Z. 17 von oben hes: ScWuß statt Urteil.
S. 42 bei Bahnsch ist ein * zuzufilgen.
S. 46 Z. 17 von oben lies: r^Mrot statt aroüiM.
8. 58 bei J. A. Endres, Geschichte d. mittelalterl. Philos. {Samml. Koesel Bd. 22)
ist ein * zuzufügen.
a. 75 Anm. 4. Das • bei Glossner ist zu streichen u. zuzufügen : Jalirb. f.
Philos. u. spek. Theol. 1887, Bd. 1, 8. 40.
S. 82 Z. 3 von unten lies : Hier, de Nuciarellis statt Nuciarelli u. füge ein * bei.
S. 82 Anm. 8. Die wichtigsten Werke von Fr. Hayron sind auch in einer Aus-
gabe Tenet. 1503 zusammen mit Schriften des Gregor v. Bimini (S. 86)
eracbienen. — S. 86 Anm. 21 lies: 1490 statt 1500.
S. 87 Anm. 28. Erschienen ist bis jetzt nur die Disserlatioa von Job. Mearer,
Zur Logik des Heinr. Cornelius Agrippa t. Nettsaheim, Bonn 1913.
8. 88 Z. 5 von unten lies: Die Logik Petrus Fonsecas statt P. Fonseca als
Logiker, n. fuge zu: Bonn 1916, S. 1—112.
S. 91 Anm. 6 lies OloBner statt Glosner.
S. 91 Anm. 8, Z. 2 von unteu schiebe Dissert ein vor Leipzig.
S. 92. Von Baurhusius stammt femer: P. Hami Dialecticae hbri duo: et bis
e legione comparati Philippi Melanchthonis Dialecticae libri qoatuor, cum
expbcationum et coUationum notis eot, Ftsncof. 1588.
S. 92 Anm. 11. Daniel Cramer soll aooh DisceptatJones logicae, Marp. 1598, ver>
faflt haben. Die Arbeiten eines Bamisten Job. Cramer in Leipzig waren
mir nicht zugSnglich. Auch ein Schüler Mehuchthons hiefi Job. Cramer
(1530—1602).
S, 92 Anm. 14 fehlt bei Logioae Baineae trinmphuB ein '. Der Titel -der
Tempieschen Schrift (Anm. 15) lautet genauer: Pro Müdapetti de unica
mothedo defensione contra Diplodophilum, Franoof. 1584.
OgIC
864 Drnckfditer nod Znsttt«.
S. 93. Ton Et. Digbf ist ftoAeriiem brnneriEeoBwert: De daplid metbodo libi
dno, mtioam P. Bami methodrun refaUntea uaw., Fiaaeohu^ 1589, na-
meotl. C«p. lOfL (S. 20 ff.).
8. 94. Ortholph Fachäperaer, Natürliche n^ rechte Ennst der Dialecäo, 1533
ti. Aogsp. ICiSO, nach Prantl die erste deutsche Logit, war mir bs jM
nicht Euglnglioh rÜbeisetzosg aus dem I^ in das Dentache, Zürich 15ÜV).
S. S5 Z. 21 Ton oben lies: logioom statt logicam.
S. So. Über Hocenigo als Torllofer Baoos e. Itelson, Fhiloe. C<Migr. Bologaa
1911 XL Dyroff, Benaiss. n. Philos., Heft 13, Bonn I91G, 8. 1Q7.
S. 101. Die Arbeit von Jean Itadne wai mir nicht ingingüch.
6. 102. Üerra B»le'8 Systeme abrege de Philosophie en qnatze paities (partie
1 Lonqne) midet man anoh in Bayle s OeuTres, Tome 4, La Ea;e 1731,
8. 192 ff., spea. S. 206—267.
S. 103. Ton Hobbes ist noch anznf&hren die Schrift: Examinatio et onen-
datio matbematicae hodietnae, ed. Molesworth Lond. 1845 Opp. Bd. 4, 3. 1.
B. 10t) Amn. 1 füge eu; H. Ollion, La philosophie geoerale de J. Locte, PaiB
1906, namentL S. 324ff.
S. 107. In det Tierbftndigea Ausgabe der Opp. philosophica von Joannes Qericos.
5. AufL Amstelodami 1722 nimmt die Logik Bd. 1, S. 1—250 ein.
S. 107 Anm. 4 füge hinzu: Ansg. 1780 Bd. 20, S. 241 n. Bd. 32, S. 273.
S. 108 Anm. 5 füge bei L. Bobert ein * hinzo, deMl. bei OenoTesi, Lo^ca pä
gioranetti u. Oioja, Logica della statiatioa a. Soare, Institozioni etc.
8. 113 Aam. 13 iat bei Curiense Fragen ecl ein * mzolägen.
8. 115 Z. 21 von oben fuge hinter d'Argens ein (Jean Baptiste Bojer).
8. 116 Anm. 1 füge bei Zimels hinzu: (auch Dissert. Eriüigen).
8. 121 ist bei Bcluerschmid, Fhilosophia ratioDalis ein * luiufügan.
8. 122 Anm. 11 füge hioEu: Paul Bornstein, G. Pkincquets ErkenntniBtheorie n.
Metaphysik, Diss. Erlangen 189S, namenÜ. S. 69 ff.
8. 122 Anm. 12. Die Schrift von Joh. Chr. Langius war mir xätäit lugfin^idL
8, 123. Die Syrbiossche Schrift ist mit einem * zu Tersehm; ihr Teriiittni»
m der S. 17 erwähnten Schrift vennocbte ich nicht festzustellen.
8. 123. Bei Ad. Friedr. Hoftmaon, Gedanken über Wolfts Logik fehlt ein *.
5. 125 Anm. 2: AnBerdem ist zu nennen Fr. B. L. Zelle, De discrimiue inter
Aristotelicam et Eantianim logicea uotionem intercedente, Diss. Ha). 1870
(deutsch Berlin 1870?)
6. 127 Z. 4tod oben lies: prefonnations statt performatioos u. Z. 5 110 statt 109. '
S. 130. Bei Buhle, EinL m die allg. Logik usf. fehlt ein '. Der vollstindige
Intel der Hof fbanerschen Schrift lautet : Tentamina semiolo^ca aive qnaedam
generalem theoHam signoram spectantia, Diss. H^ 17S9.
8. 131. Zu Kants Gegnern auf logischen Gebiet kann auch Jak. Friedr. Abel
(1751—1829} gezahlt werden.
S. 132. TgL über S. Maimon auch L. Gottselig, Die Logik Salomon Haimons,
Diss.?, Bern 1908 (Bemer Stnd. 61)*.
S. 133 Anm. 1. Die Henzelsche Schrift ist anob als Kieler Disaertatioe (1909)
erschieaen.
S. 135- Bei Fischhabers Lehrbuch der Logik ist ein * beizufügen, deegt bei
Kanüoh, Handbuch der Logik. Hinzuzufügen sind Joh. Cbriatian
Gottl. Schaumann 1768—1821, Elemente der allg. Logik ect GieBea
1795' und Friedrich Harms 1819—1880, Logik, Leipzw 1886' u. Die
Reform der Logik, Philol. n. histor. Abb. d. Kgl. Akad. d. Wiss. zu Beiüa
a. d. J. 1874, Berlin 1875, 8. 121—169.
S. 137. Bei Thanner. Lehrb. d. theoret Philosophie ist ein * zusofügen.
8.138. Der ausführliche Titel der fiabosschen Schrift lautet: Die nenestea
Bestrebungeu auf dem Gebiet der Logik bei den Dentsciien und die lo-
gische Frage, Erlangen 1860. — Bei Werber f^lt ein *, desgl. bei A. E.
Bitter, Tonesungen.
OSK
Jlniokfehler und ZnaitaB. 865
S. 142 Anm. 1. Die Job. Btahnnannschs Bohrift i*t als wittenaotuftüche Rai-
üge zum OsterpTOgramro des Oymn. io Neostadt Wpr. (Progr. 38) er-
atutienen. ferner setze hinter MoCHImy Eomma statt SemikoloD.
8. 145 Z. 14 TQQ oben fOge hinter lagik ein: als Veraaoh einer wiuensdiaft-
liuhan UmKeetaltnog ihrer bisberinD FriniipieD (nameDtl. Vorrede a.
§ 241t.). Bei Biese ist ün * loxonigen, desgL bei Miohelet, EwiaisM.
8. 146. Tgl. EQ Planck auoh A. Bsomeister, Anmerkiingen latn 4. DeUMMtM
mit besonderer Berüoksiohtigang der PUaokiohen Losik, JabreaCer. i.
Kg(. Ofmo. Ulm 1901 (Nr. 64»}. S. 1—22. Thanlows Einl. in d. PbUoB.
n. Enoyolop. d. Philoa. im UmnB war mir nicht EDxttnglich.
8. 146 Z. 20 *on ob«n fOge hinter 2. Aofl. ein : unter dem Ctel Sntsm dsr
Lopk u. IfeUtphrtUt od«i WissensohaftslehTe. — Dia * bei B. Seydel ist
ZD streiohan.
3. U7 ist bei Pejrretti, Spaventa (IntroduiODe), v. Beiger, Terri, AlUevo, Tara
nnd Harris äa ' luiDfäceD. — The loglo of Hegel na Wallaoe ist wobl
1874 erschienen nnd sohMut nur eine Übeiaetinng la sein ; mir war die
2. AntL tnglDgliob anter dem Titel : Frolegomena to ths etndy of Hngals
Sbiloaophjr aod «epedtUr of his bgic, Oxfoid 1894 (s. namentL 8. 30C 11). —
IM Werl von Öioberti (Introdoiione) ist auch in bausöniacber Ober-
•stnug. Paris 1846/7, erschieoeu. — Dar Leitfaden von Heibug war
mir luolit lagOngUch.
S. ICO. Bei Oriepenkerl, Bobrik and Waiu Ist ein * nuaKgen. desf^. 8. 151
bei der PraUischra Logik von Dibal n. 8. IM bei Girando.
B. 154 Z. 11 n. 13 von oben lies: MTobologistiBahen statt paychoitwisclieti.
S. 156. ConaiD'a Pn^ments de poiloe. oontemp. bilden den 5. Band aalDor
Fiagmenis philoeophiqast (vgl in der AnfL v. J, 1805 namantL 8. 17 tf.
0.9.90).
8. 165 Z. 8 von ttnten ist hinter Posen nooli Bromberg rinrasohieben.
8. 167. Biei Lochen ist «n * EOiuf&gen , dangL bei Foraythe. Anroftthren
wire hier aoch John Eersohel, A preliminarj discourse on the study of
natural philoeophy, London 1831 (dentaoha Obers, v. Wwnlig, Leipi. 1896)
n. Qnarterly Review 1S4I, Jone*.
S. 161. Fowlere Werke waren mir nicht niglCn^lioh, ebenso nicht Bains logic
S. 164. Eoriqnes, Problemi della idenca ist m dentsoher ÜliarMtsang von
Orelling enohianen, Leipzig IBIO (L Wirklichkeit a. Lo^, 8. 1— 2S8).
8. 164 Z. 7 von onten ist vor Jaoobi einiafOrnn: fr. H.
8. 166 Bei W. Thompson ist ein * tosongan, def^L bei den "Weiinn von
Usnsel, Cattaoeo n. Cantonl.
8. 166. Dte beiden letitaogeCtthrten Werke Reinholda waren mir nicht soglngUdi.
S. 169 Anm. 11 füge hinter Amer. Joorn. of Math, ein: 1908.
B. 172 Z. 4 von oben lies; de logiqae formelle atatt loglqaa formale. — Bei
Hamelins Easai ist: Th^ de Paris znnifOgen, b« Sprayte Leerboek ein *.
S. 173 Anm. 2 leiste Zeile von onten ist rin * Eatatagen.
8. 177 Anm. 6. Hillebranda Arbeit aber Hypotheeenbildong iat eracbienan in
8it>.-Ber. Ak. d. Wissensoh., PhUos. tust Kl. Jahrg. 188^ Wien 1896,
Bd. 134, No. 6.
8. 178. TgL über Usinong a. a.: Gast Spengler, Ueinongs Lehre von den
AnnihmeQ o. ihre Bedentung fQr die SohnllwilL Jsbreeber. d. Enhenog
Bainer<Ovmn., Wieo 1903, 8. 3—32 o. D. H. Keiler, Ober Annahmen,
Ulm 1610'.
S. 162. Witaseka Orondlioien sind in der Philosoph. Bibliothek Bd. 115 ar-
sohienen. Bei Zicdler o. Martfnak ist «n * zoiafüeen.
8. 186 Anm. 17 ist lOEnfügen W. Wandt, KL Schritten S. 669—580 o. 601—
614 and Natoip, Eantstodien 1901, Bd. 6, & 270.
8. 188. B«i LoBkij ist zoinfügen: Kantstad. Bd. 13, 8. 481 nnd Die tosiMhe
ond die psycbologiBche Seite der bq'ahenden a. verneinenden IM^
Logo« 1912, Bd. 3, S. 827. Z. 18 Ton onten ist dn • lo streieheiL
Ziehen, Lehtbvcb der bKik. ^
"S"
806 DiwftMiler VBd SirittM.
6. ISO Z. 4 TOB untMi aohieb« vor Hüdribe^ eio: abuleanadw B«ds.
B. IM- ChrütunBen, Das Drtnl b« DemutM iat Fraboiger DiiBrtiHoii, te
in Huaa godnickt (vg). S. 99).
8. 19T Z. b Ton onteo föce Unter 1868 n: a 1—35,
8. 200- Bol BoUaiid o. Boauiqiiet, Knowledg« and reali^ M «in * nuo-
%eD, dewi. S. 204 bei le Boy 0. Joyce luid 8. 203 bei Hoore.
8. 218. Über lltohs Logik vgL uah Heiv. BomIIo, Ergtam^ih. dei EidI-
rtad. Nr. 23, Beriin 1011, S. 34—63.
8. 220 Z. 18 Ton oben ist * ra itreiolieD ond bianmfBgen: Skod. Stiuiftai
Vieabwlen 1911, Bd. I u. 2.
8. 224. Siebe von SohiDer «Mb Hiiid 1913, Bd. 22, S. 243. Dm mAl rixa-
Ula bierber gebCrige Weit von P. Ctnu, Tnitb on triel, Qüoego 1910,
wu mir Dicht iQ|ln^icb (Tgl. snoh UooU, Bd 20), desgL au an td
der Deweyschen Arbeiten.
EL 229. Sebr bemerkenswert ist Mch die ÄoBeniiw von Halebnoche, BecL
de k rir. VI, 1, 5: .... l'uithmetiqQe et Palgebre Knt anseaUa h
veritable logiqne qni seit k diooavrir U verite . . ."
S. 230 2. 7 Ton oben Mge hinter 1790 ein : Anhang Aber d. ^rm^iol- Sikeoat-
nifl 0,2638.
8. 232 Z. 6 von oben lie«: PhQeaopb. Traosaotiona for 1870. Bd. IflO, FUt ü,
S.497.
8. 234 füge hinin : H. Breal, Bssai de aemaatiqaa, Paris 1897.
8. 235 unter Poinoar« lies 1914 statt 1909 n. fOge bitm Monist, Bd. 22.
S. 238 Z. 9 TOD noten fOge hinn hinter B. 1 : und Bd. 19, 8.
E 239 Z. 8 TOD unten Ues : Markic statt Ma^e.
B. 245 Ann. 3 lies Volff statt WolL
8. 285. Ooalanios war mir später nicht mehr zngingliah.
5. 314. 0. Hilhaad, Essai aor lee oonditions et les limites de b eerütnde
logiqne, Paria 1894 war mir nicht zo^ln^oh.
8. 360 Anm. 5 ist (Prantl) cn streichen. Ebenda lies: DiaL dimrt. L 3, el
Colon. 1591, 8.20ff.
8. 375 Z. 6 Ton nnten fSge hinin : TgL aooh 8. 802.
8. 385 Anm. 6 das * bei Imme ist au streioben. Der Iftel der Arböt lautet:
Theodor Imme, Die Fragesltse nach pefohologiBohen Oeeiditqmakteo ein-
geteilt n. erlkatsrt, Jshresber. d. K^ Qvinn. Cleve 1839, B. 3—37 ud
1881, 8. 3— *6.
6. 407 Anm. 1. Die Beoheraob« Arbeit war mir nicht ngin^ob.
B. 423 Anm. 1 füge hinter 717 hinia: Anm. 1.
~ ' 1. 7 TOD oben fBge hinsn : Vri. such Dietloanairs das soiaBoes phH^
sophiqoea, Paris 1844—62 r6 Bde.).
19 Z. 19 TOD oben lies: dirisK
8. 619 Z. 19 TOD oben lies: dirisioonm statt diTlsonom,
8. 623. S. Ooolenins, Commentnriolns de raÜODB definiendi, FnnooL 1000, wn
mir nicht ngkogÜob.
8. 640 Z. 5 TOD oben liei v,* w,° w,* statt w, w, w,.
S.676 Z. 1 von oben lies 21 statt 6 nnd fäge bin» 1891.
S. 506 Anm. 16 letxte Zeile füge hinm: S. 1^ [aiiBschliellioh »xdofnsch).
8. 637. H. JovanoTJch, Die IinpereoDalien, Leips. Dies. Belgrad 1896, wn mir
erM Deaerdings in^tänglioh.
8.697 füge fainzu: Die Oegenüberstellaag Ton „hypothetisch" nnd „kategoriwi"
Sadet dich schon bei Oaleo (Opp. ed- Kühn, Bd. 4, 8. 609).
8. 785 Anm. 24 Schlnl lies: paedem generis eaedem sont Mnsae (Philoe. bA
prino. math. III, Reg. 2).
&851 2.Spalt» unter Boridan lies 796 statt 786.
n,5,t,7rjM,G00glc
A. Warcns ft g. Weben Vertag (Dr. Inf. Albert Ahn) In Bona
Soeben ereohien:
Die Erhaltung der geistigen Gesundheit
Qeb. Mcd.'Rat Dr. Th. Rumpf
Prei. der mUlcn Mcdlilo in ter UnlvcnJUi Bimb
TrtiB H. S,60, mit TenemugsnueUac M* l>—
Inhftlt:
1. Die EstiriflUnnr im cetstifav FlUrktftOL
1. Unsere Kenntnisw ron den OehirnprorinieQ. 3. Di« Entirlakhuig
des Oedäohtoiasea. 3. Du Bewofitsein. 4. Bewegong ond Wille.
B. Die nttel zum Sehsti der Keiatlgeit. Oonndlielb
1. FemhEiltiiDg orguüsoher Störungen. 2. Die Eiziehniig der Jngend,
a) höhere Bobnles. 3. Die Erziebnug znin Stutsbürger. 4. Die Ein-
wirknngen des Labans. 6. Die Btfihlnng des Willens, a) Erziebnug inr
FfliohtarfiillatLg, b) Ercebong zor LebeBafreode, o) Sahiuknng in den Tod.
C> ZonnmudluMnde Lebentregebt.
Anf Orond der uiloDiisoheD und pbysiologiMÄen KeniitniSM t«i der
LoluliMtion eimelner einfacher FanktiODen im 0«hini entiriokelt der Verftseet
BÜne Insohamuig &ber die EDtrioklnng der geistigen Iktigkeit und des Oe-
diahtniaaeB.
Die in OaoglieDiellen und Pasem der Sinneszentren erfolgandeti Nieder-
sohriften, deren Verkofipfong ontereinander die Onindlsge des einfacbsten
Denk^rozesBea ist, . lerfaUen in zwei getrenote, aber siub vielfach duroh-
sohneidende Creiae. Der eine nmfafit die Bilder der AnBenwelt, der andere
dinenigen des eigeneD bh. Aber diese Niedeiscbriften ood ilire Varknäpfaegen
etulen nur das B«ch dar, in welohem als et^aa Besonderes das BewÖBtads,
die „Oedankenhbrik" schaltet, Zentren nnd Babnen verknüpfend und so aas
SoBerot nod inneren Erinnerungsbildern sobäpfead, den WUlen, die fipraebe
und das Hudela beherrscht Anf diesem Wege kommt der VerfaBser aach
tat ADnahme einee trries WlUeas des Ht-nsoheD.
unter den Kitteln «im Sehnta der (dsüses tiemnidheit findet lanlobst
die Ferahaltang organischer Krankhüten (iDabeuoDdere dnrcb Alkoholml^raneh
und SjpUUs) BerücknohtiRanf: nnd sodann in eingebender Weiee die Ersiehung
der Jnmnd. Die Fehler der Eraiehong werden an Beispielen erßrtert, sohid-
liehe Eanflöase TOn Dienstboten, Kiod>-imSdchen, Hitscbntem werden gesubitdert
Der Verfasser betont, d«B die Erziebnug zn PfllekttefUii und BelbetbeherrsckB^.
BUUuf des Ckaisktws und Wülens an eiste Stelle treten müsM, wäbratid
in DentsohlaDd seither mehr Wert auf reicbeH Wissen gelegt wurde. Anob
die monUlselM Oenbrdnng der Jugeed moB gröfiere Bcauhtoiig flndeo.
Die kBrpwlidie EntWicklnng und Gesundheit werden nach Acschanong
des Tertasaers durch die falsche Kiniitellnng unserer Bcfaiden, iDsbesondere der
hBliereB, gesobidigt An Btelle der eingehenden formalea Auhbildung in alten
Spraoben fordert a besbere Pflege dee Dentaelie« in Wort und Bohrlft.
Weiterfain findet die Ansbildnng des weiblichen Oesdileohta Berncksiobügune.
Die n&obsten Kapitd behandeln die nEniebnng zum Staatsbürger", die
„Snwirkong des titliehei Lebens, lltere nnd moderoe Suggestionen', die
qStUilnng dee Willens", die „Eniebn^ zur Lelwasfrende" durch Fflicht-
erföllnng, die ,jBohioknng in den Tod".
Zosammenfassende Lel»eii«effdii, in veloben anob die Erhalhmg der
libyeiilekeB fleanadkelt berührt wird, beaohlieSen das kleine Boob, dem die
weitatte Terbteitaug an «dnaoban iat
lA.OOgIc
A. MfaM et E. Wthari Verlag (Dr. Inr. Albert Abo) !■ Bow
Werden und Vergehen
auf der Erde
im Rahmen chemischer Umwandlungen
Pflr Stadiereodc aller fakulliten und gebildete Lueo -
Dr. Carl Klppenber^er
•■o. PnltNor «I der UalnnilU Bona
MH 26 Abbadtugea
PreU galb IL ZM, mit TeaemngsnMtLUg H. 4.»
g»b. „».-,„ „ „ iM
Aniittge 4aa Bespreohnngen:
. . . Dt dM Wetkohn aioh wBtdgst «n den gwAiPwin, ala u dan yfit-
Utdattn" weedet, m Irt «in weiter Leäadreis in wfinaoheit und eq hoBeD.
liiterarisobes Zantratblati
. . . Nioht mir der mtorwianeiaoheftiioh gebildete Laie witd Bddinuig
nnd OemiS au dem Bache KippenbeKar Bellen^ sondeiii auch dem Oietniksc
wird dai B«oh maooberiei anregende Oedankoi and IWsaohen ans den Oieot-
geUataB aainer 'WimenBcliaft Termittetn. Prometlient.
... Da die Bäuift aicb fm guten an den alkemönen miterrichtetm
Htmaoben^reiBt wendet mid die Eikenntnit teitritt, du der HenstA Hr mqm
IntwiaUnng noob aebr viel an ton vermöge, eei ne den Gebildeten .dea deoticAta
Tolkaa wann ana Hen gelegt Hamburger Fremdenblatt
... Das Ziel der Bohrilt lat, an anenwlhlten Btiifnelai EiiiMDMiten n
baaohrüben, die dem Leeer «sen genttgenden Binbliok in die Oeediehniw» dn
Natu gabra, nm ihn den Zaaammenbang der sogenannten anoigaiuaaheB mi
dar aOMUnnlen orpuiaohen Welt niiaetea Plaaeteo toi Augen n ffihraa. . . .
D«n nohgenoaaen wird du Weil niohf nur Auknnft übm KiiMlheiteii und
aadi weitüliin Sänblioke in feaaelnde Gebiete, eondeni auch eine Fille voa
Anregungen eu eigenem Denken and Forschen cewlhren bönneD.
Ber, der deutaoh. pharm. OeieUaobaft
. . . Dai iniegead gaaohiiebene Buch wird vielen willbnumen uin.
Frankfurter Zeitong.
. . . Dbb Budi Uetat dne FfUle Ton Tatsaoheo nnd widiMurciidac^ittt
Folnmngen nnd ea regt anoh den Leaer snm Nachdenken fiber ^nili
FnUene an. Ürani«.
. . . Diejenigen, welche ihre Weltannchanungen an wissensdiafdieh tet-
geataüten Talaaohen orientieren nnd in geologisohae und Inotogiaohes OaadidMa
einen tieferen j^dmok haben wollen, aber zn dem Studinm grSBner Lehi-
bfiober nicht Zeit nnd Sneigie genug nfbiiDgen, können lioh dunh Lakttn
diaaea Buohea helfen. tTmaehaa.
& E Wrtiwt Verm (Pf. Inf. Albert Ahnj to BwMI
Die philosophischen
Auffassungen des Mitleids
Eine historisch-kritische Studie
von
Dr. C. von OrelU, Pfarrer in Sissach
Preis M. 7.20, mit Teaeningszaschlas M. 7.95
Über das Hitleid gibt es venig« Spezialabhandluiigeii, obudioii
dieser Begriff einereeita fflr die Ethik voa grCflter BedeutODg ist,
Bodererseita im WeltaoschauiiDgBltarapf der OegeDvart gerade dieser
Begriff in den Mittelpunkt des Intereeaee gerückt ist und von moderaen
Zeitstifimungen — hnddhlstischer Axt und ^etzechetum — Tfillig
entgegengesetzte Auffassungen dArQber vertreten verden. von Orelli
untemimmt in seinem lehrräcben Buch ^e eingehende D&rstalluDK
der Auffassung des llfitleids in der Philosophie von der Antike bis zur
Oegenwirt und bebandelt dann dm Begriff des Mitl^ds systematiach
nach psychologisch» Erklftning, ethischer Wertung, Hetlietischer 'Vet-
wortnng und metaphysischer Bedeutung. OäaUskampf der Gegenwart.
Die Hauptlehren des Averroes
von
Prof. Dr. M. Horten
Privatdozent an der Univer^tSt Bonn
PreiB M. 13.20, mit Teaeraassznschlag M. 14.55
Über das philoeophisabe System des Averroes herrschen zurztil
noch die grfifiten Schwierigkeiten. Sdne Lehren Über Qott und Welt, die
himmlischen Geister, die Wesensformäi und die erste Materie, besonders
aber seine Leugnung der MCglichkdt („Eontingenz") der Weltdioge,
seine Thesis Qber die UniversaliUt der SeeleneubBtanz, sind in vielen
Punkten noch dunkel. Der Verfasser unternimmt es, durch Zurflck-
gehen anf das arabische Original einer Schrift des Averroes: ,,Die
Widwl^nug des Gazali" die Fragen aufzuklären. Die erzielten Beenltste
änä lufierat zahlräch. Die wichtigsten Punkte der Weltsnschaunng
des Averroes treten klar vor Augen. Auch die theologischen
' Erdse Eönd au dieser Studie Interessiert, da die Stellung des genannten
Philosophen in dem Kampf zwischen Wisseu und Glauben in neuer
Beleuchtung erscheint und manchem unerwartetes bieten wird (z. B. such
die Anffassung von Uysteriea). Die YerzeichniBse, die mit groSer Soi^-
falt ausgearbeitet tänd, erleichtem den Überblick. Sdtr zweckmäßig
Ist das systematische Verzeichnis iet metaphyBischen B^riffe.
OSK
A. Mmaa tt E. Wtber« Verl«» (Dr. lar. Albert Ahn) h Bo«
Wahrheit und Wirklichkeit
Untersuchungen zum realistischen Wahrheitsproblen
von Dr. Aloys Müller
M Scften / Preis M. 2.40, mit Teaernnsszascbl^r M. 2^65
Du- fittodpuikt Mfillen ist der det JdMlfwKmim", ^or Synt^MM ^w
IdMÜsrans nnd »trwigwn Bealismu mit entpinBchw ünteri^ .... Du T«>
klltnia dieees Ideibwiiamu dos nm überkominaDOD Wihrtraitabeghff m vbIk-
fndin, iit dis i.af|{abe der TorlMgcmdaa Arbeit Bi stellt noh dab« heram, drf
dar Znmnmeohuff det atteD Wahiteitsbepilks mit dem UeelneliragiM mdit
blol biitoiiMdiar Hmot M, Modeni dil ein saehlieher Konnex voibuden ttt, im
I KihtrWBniger Weiw ua IJoht öAt PUlo»oplLJalirb.ms, BiftS.
Der doroh leine OntaimahDngen fiber dn Problem des thairinteo niiiin
Tortrilhaft bekunte Tertuser itibt io der TorliMendeo iri^^ippaii aber koutB-
trierten Abhandlang eine neae Wahriieilstheerie dea Be^ismna. Das wiehtjola
Kr^bois Im die BonaiduDg von svei Wahrtieitsbegrif ten. Der eiiie, der Vu^
BsinabegriUM aas, aondwn frädeit aar, die Inluitabeetinimanc mäaa« so it-
griffen werden, du iie mit dem Oegeastande, von dem sie gelten acÄ, Uer>
einatimme. Tom Standponkt dieseH WabrbeitBbegriffea aas kann nie etitacfaiedae
«erdeo, ob eüi bdiebiges tJrteilBUId eine Erksnntnü ist, d. h. mit dem nm
Danken nnd BewuBtsein onaUiIiigiKen Oe^natand übeTeinatimmt Ton diesM
Wahrbeitabegriff der ObereiDStimmang iwischen Üttailüiihalt nnd UrteibgageD-
staad ist der Begriff der Wirklichkeitatreue (der anoh biswcdlen fOr dot da
Wahriteit genoounen wird) n treonen, naoh weldiem etwa die phinomenda
WiAlidtkeit da ein KU des transsnbjektiveii Bealitten-Systama aafnfuMB
iat. In jeder Erkenntois-Ibeorie, die ein vom Denken nnaUilngigea Sein keont,
kann der Wahrbeitabegriff onr doroh Termittiniu des Begriffes der WirUidi-
ksitatreoe Beiiehnngen n diesem 8^ erhalteu. Pädagogimlur JMvwiw-. 1SI3.
Der Mythus von der Sintflut
von
Qeors Qerland
Prns geh. H. 3.60, mit Tsnerangszasohlag IC. i.—
^ geb. „ 4A6, „ „ „ 6.—
. . . Der Wert des Bnofiaa liegt in der groSen Menge der mefar odv
weniger ansführlich mitgeteilten BintflateraUituugeD der einselnai T^ker na
Wettasien, Afnkn, Ansmieo. Uelaneeien, Hikionesiaii, Polynesien, Maliinst,
Zentral- nnd Ostaslen, Ameiua nnd Gnropa.
LiterorüeAs Htmämkaii I91S, Sr. S.
... Zn den merkwfiidigsten inSenuigen des Hensobengnstes geÜit dn
„Hythst von der Sintflat". Ton allen snderea Uythen und 6iKm QOtencbeiW
er neb durah seine Terbreitang über die ganie Erde und eerne Hannigblli^
keit Beide lUaadien werden m Prof. OeorgOerlanda Schrift aasinaalia
gemaoht, dis öne Fülle von AnregUDKen bietet Neben der SunnituDg und
Sritisoben Betraofatnngen des Materials bat Gerlnnd den Tersudi nntts'
Ci^ning und Bedentang der Sintflatmythe zd erklären, wobä n
!en Binba« in (Ue Psyehe der friihEeitigea Menschen beknndat
NaiwvÜMtnnlu^iiehi Wochmudtnft 1913, Nr.O.
Allgemeine Religionsgeschichte
Conrad von Orelli
Dr. phO. et thaol., weil. Piofessor in Basel
2. Auflage in zwei Bäaden
Zwei Bftnde gebunden U. 26.40, mit TenerungszuBcUag H. 29.06
Ton dm modernen BTSfieran Warken r«ia d«iD Gebleta der B«ligloiiBKoichlchle
iit die OrellUebe die eindge, welche den g«umten StotE in elnheltllotaer BMibeitioiK
bistet. BtM Werk iit so elngferichtet, dafi jeder Gebildete dHmiw ahne Hübe dn
lebendigss Bild der eiiuelneii Sellgionen gewiimen kum, wu dOD VertMMT bei der
weit yerbreitet«D Teilnahme, welche die allgemeine BaligiaUKSMlilohte beute findet,
TOD beeonderer Wichtig^teit sehien, d» ant bei wiAUeh UetoiiMtieni TeratändiUe dar '
tiehtige HiSitAb nir Bemt^anK der einialnen Eiecbeinimgen Tortundan itün kum.
Band I imifkfit koBer dar oilentieTUKlen ESnleltiinc die HeligloDU der CUneien
nnd Japaner Mirie der fibrlKen mancoUaehan TSIker. Famer dia Btfigion der alten
Ägypter; dann die der Babylaniet und Aaarrer, an welche ai6h die der Weataemit«B,
Anroler, Kananlar oaw. anrriheD, mit BarBckaielitlgmig ilirer Terlilltnliiie cur Bdi-
gion laräela vid inm CluiiteDtnm. Ferner wird hier belwodelt dar Maolobiltmaa nnd
die MandUache Baliglon. EndUeh die arablaoha, iiul>aaondere der lalam, bi» «d die
Band II atellt dia graBe indogennaslache Baltgionifamilie dar: die Beligionen
Indiena: Brahmaniimna, Buddhiamoa, Hindniamai ; darant den PaniunoB, die Bali-
gianen der Hdlanen, Bemer, Kelten, Geraumen nnd Slawen. Weiterhin kommen mr
Belundlnng die Beliglonen der Eingeborenen Afrikaa mid Amerikai mit beaandsrer
Berdekliehtigntig Haijkoa und Pema aowie daa SBdaeegebietea, Anatntlien oiw. Am
SelilnA werden einige BlohtUnien fttr die Probleme der Allgamrinheit, de* Dnpronga
vftd der EntwieUoDg dar Baligion gesogen.
HaM od Hwd, OUMiwntI: Das teohniiebe Material erdrSekt keineswegs den gebildetaii
Laien, der aleh gern Sin. nnd Übersieht aof diesem wicbtigen Gebiet **r-
acbaffen mSchte. In der Bibliothek dea Predigera aoUt« dies Heisterwaifc aidm
nleht tebles.
PHnaaw naaL mte«: Althongh it ia atriaUr a scientiflc welk based an tfae atodr of
tha Bonreea, and the leamsd aatkor bü done » «tnpandons amonut of raading,
It ean be md be all edacated people «ha take an interest in the snbjaot. And
last, bat not least, it is writtsn in a genninly CbiisUsn sidrtt Ae aatbor ia a
modera man, bat he is not carried away hj the ndieallräi ot tbe nodtm tan-
denc7 of cor age.
,)Mr alte fliaiti": Da sowohl daa Intareaae ala aneh das Material fflr die Bdiglons.
geaehiebta i&awlachen <sait Eracheinaa dar eraten Aoflage) miohtig gewachsen
Ist, wird auch die Zahl der FTennda dieses eingehenden, voiüehtigan nnd in-
TerUarigen Bnebaa sehr waehaen.
KInU. Bnlaehaa IBIt, Ben I» : Der Vormg dea OrelUaahea Weikaa Ist der, dafl es eine
objektive Dantellung der Beligionen gibt, indem er sie selbst reden Hflt.
Xlnsei« Uisalonsfraimda, die den Entachddnngaksmpf swischen lalam nnd Chriatsn-
tnm in Abiks kommen sdien, finden hier bestes Bdataeng fflr die liteiarisohe
Beafbeltang des Gegners.
Berae des srifcei pUliaipkl|Sii : Oest nn oanaga sirieat et «age, ainsi qn'il aied a
nn manael, bien lälormt, et dana l<enaamble, trta jndldenx, qni mtiite, d'Stre
rMommandt.
FrQbflliefenuigeii «erden auf Wonscli fiberssodt ron
A. Marcus & £. Webers Verla]{ in Bonn
„.,.,„.>..oo^^ic
A. Mira» > t. Weberi Verl«« (Dr. Inf. Albtrt Ahn) h Boa
Der Weltheiland
Eine Jenaer Rosenvorlesung mit Anmericungen
Hans Lietzmann
59 Mtaa. 1009. Preis M. 1.20, mit TenanuigKaMhli« IL 13S
Inbftlt: VergOs Tierte Ekloge. Du goldena Zeitalter in der iftmiichH
LfrlL Hont and Bsrtoiii]^. Du SLkalain. Alezuder dar OroBe ki> Vrit-
Ktag. Die DiadooboB nnd die SotervoTBtellang, ilir OottfedDigtom. Obu nad
Aognitoa all Weltheiland. Te^ und Horu üb«r die u^ttstnadie Z«t
Aninutnt und die Heilandsidee. Die epitore Kiiserzeit Die oiienttliKti«
Wonel der rCraisobeD EeilindBidee : Babylonischee oad Ä^^bachee Oottkönig-
tam. Igyptische meBBianieohe WeinaguDgen. Die MesKiagidee in iJtitns
nnd im jädinohen VoUe. Daa ürotuieteDtiun. Der Chiliasmua. Der Heüandf-
bepiff de« Panliu.
Petrus und Paulus in Rom
Litui^sche und archiologlscbe Studien
Hans Lietzmann
lOt 6 ninan Prue M. 8.15, mit TenerangunaoUag IL 9.-
Waa den Huptteil des Bnohea angght ao mäaaan wir Katbolikaa in
T«rtMaer ftaradein dankbar Beb. wir liUtra die katholiacba Tradidoi
nicht be^nr verteidigen könaea, als er ea ^tas hat Die Beweise machen ii
Hinem Bnobe, das der BTancelisch -theologischen Fakultät in B91U1 gewtdmst
ist entBohieden mehr Eindnuä. Es tommt noob binio, daB der VeifasMi in
dem finofae jede für Eatbolikea auaioBige Bemerkang vermiedeo bat
0. BauMtAm *n titr Tkeolog. Bmie, 1926, Nr. UjiZ.
Lehrbuch der Kirchengeschichte
von
D. S. n. Deutsch
Gabeimen Eonaiatorialrat nnd Profaesor der Ibeologia
Ptoa geh. M. 1
,, geb. „ la.—^ „
Urteile:
Sie baben ea Tentanden, den nngeheneren Stoff ao in bemeisteni. da> er
in dttrcbMchtigster Gestalt dem Leser tot Ad^d tritt leb iwüfle nicbt diiaa,
daB gerade den Studicrendpo mit Ihrem Werk ein gniBer Dienst erwiesen ist
Hier wird allps Beachte oswerte in schlichter ond das Waeentliche klar berans-
stellonder Weise geboten, .V, JBomoeUoh. Oötiingm.
...Der Bedeutung des reichen reifen Werkes konece kein
Referat genügen. Wir bitten, auch wenn man sein akademisches Stadinm
lingst hinter sieb nnd ein anderes Lehrbudi znr Hand hat, Dentschens Werk
aico m Terschaffen. Sichet in hohem Gewinn nnd OenaB.
BUekträ für da» Mang. Pfar^iam.
„.,,„, ^.oogic
n,g,t,7l.dM,GOOglC
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